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Full text of "Archiv Fur Mikrobiologie Vol-13"

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UBRARY 

New Delhi 




ARCHIV 

FÜR 

MIKROBIOLOGIE 

ZEITSCHRIFT FÜR DIE ERFORSCHUNG 
DER PFLANZLICHEN MIKROORGANISMEN 


DREIZEHNTER BAND 
Heft 1-4 



BERLIN 

SPRINGER-VERLAG 
19 4 3 




(Aus dem Institut für Mikrobiologie der Universität Gkittingen.) 

Über (las Vorkommen von Mikroorganismen 
in pflanzlichen Geweben 
(nach Untersuchungen an Früchten und Samen) *. 

Von 

0. Marcus. 

Mit 5 Textabbildungen. 

(Eingpgangen am 2, Janwir 1942.) 

Mikroorganismen ]eb?n in pflanzlichen Geweben einerseits als 
Parasiten und rufen dort m^hr oder weniger starke pathologische Ver- 
änderungen hervor; andererseits sind zahlreiche Fälle^ bekannt, in denen 
Mikroorganismen Symbiosen mit höheren Pflanzen eingehen und in 
deren Geweben leben. Die große wirtschaftliche Bedeutung, die beiden, 
Parasiten sowie Symbionten, zukommt, ließ ein umfangreiches Schrift- 
tum entstehen. 

Wenig beachtet, weil für die Praxis bedeutungslos, wurden einige 
Beobachtungen über das Vorkommen von Mikroorganismen in pflanz- 
lichen Geweben, ohne daß Krankheitserscheinungen auftreten oder 
irgendein ersichtlicher Nutzen für die Pflanze entsteht. Und doch sind 
gerade solche Fälle biologisch besonders beachtenswert, weil sie gewisser- 
maßen Übergänge zur parasitischen oder symbiontischen Lebensweise 
darstellen können. Im allgemeinen galten bisher gesunde pflanzliche 
Gewebe als steril. Es mehren sich aber gerade in den letzten Jahren die 
(oft allerdings recht zweifelhaften) Angaben, die von dem Vorkommen 
von Mikroorganismen in intakten pflanzlichen Geweben berichten. So 
erheben sich die Fragen, ob intakte pflanzlic he Gewebe wirklich steril 
sind, und ob gegebenenfalls Beziehungen zwischen höherer Pflanze 
und ~ abgesehen v^on Symbionten und Parasiten — darin lebenden 
Mikroorganismen bestehen. Wenn hier von pflanzlichem Gewebe 
gesprochen wird, so soll vorerst kein Unterschied zwischen extra- 
cellularem und intracellularem Vorkommen gemacht werden. 

Besprechung des Schrifttums. 

Die über diese Fragen in der Literatur vorliegenden Ergebnisse sind 
recht verschieden. Fernbach schließt aus seinen Beobachtungen, daß 
Mikroben nicht in lebendes Gewebe einzudringen vermögen, und auch 
Zinaer konnte keine Bakterien in pflanzlichen Geweben nachweisen. Dern- 

* D 7. 

Archiv für Mikrubi(>Io(i;ie. 1hl. l i. ] 



2 


O. MarcuB : 


gegenüber berichtet NeaÜer (\)^ daß sich im Fr\ichtfleisch von reifen Wa- 
cholderbeeren {Juniperus communis) faßt stets Hyphen von Pilze/n in mehr 
oder minder großer Zahl vorfänden. Das Stielchen solcher Beeren sei außen 
von Pilzmycel überzogen, im Innern aber frei davon. Unreife, noch grüne 
Beeren enthielten keine Pilzhyphen. Der Pilz wird als AspergiUus bezeichnet. 
Tn einer späteren Arbeit berichtet der gleiche Autor (2) über Bakterien^ die 
er aus dem Innern der Paprikafrucht (Capsicum annuum) isolieren konnte. 
Es handelte sich dabei um zwei Arten, von denen eine in gelben, 

die andere in roten Kolonien wächst; von beiden wird die Zugehörigkeit 
zur Gruppe des Micrococcus roseus vermutet. Cauda, der die Reife einiger 
Früchte wie von Pirus communis, Malus silvestris, Mespilus germanica, 
Ceratonia süiqtia, Phoenix dactylifera, von Rosa und Musa sapientum 
untersuchte, berichtet, daß es ihm gelungen sei, aus den meisten von ihnen 
spezifische Mikroorganismen zu isolieren. Es handele sicli um BacAllus- 
imd Micrococcus- Arten, die er an dem Reifevorgang der Frücljte für ))eteiligt 
hält; er benennt sie jeweils nach der Fruchtart, aus der sie isoliert worden 
sein sollen (Bac. Piri Gauda, Bac. Mali Cauda usf.). Ob sich derartige 
Angaben bestätigen werden, muß zur Zeit noch stark bezweifelt weiden, 
denn es ist nicht einzusehen, warum der Reifevorgang das Werk von rnehi’ 
oder weniger symbiontischen Mikroorganismen sein soll und nicht das 
Ergebnis eines durch die Pflanze selbst eingeleitet-en physiologiscfieri Vor- 
ganges, Im Hinblick auf Nestlers (2) Beobachtungen ist Catidas Fest- 
stellung interessant, daß sich Bac. Piri Cauda gut im Innern der Capsicuni- 
Frucht entwickeln soll, eine Eigenschaft, die wohl nicht auf eine Spezifität 
des beschriebenen Bazillus schließen ließe. 

Zu einem anderen Ergebnis gelangte Wöller. Er konnte im Innein 
von Pflanzen (er untersuchte allerdings keine Früchte) niemals Bakterien 
finden, „so daß das Pflanzeninnere als steril angesehen weiden muß“. Die 
auf der Pflanzenoberfläche normalerweise zahlieich vorkommenden Bak- 
terien dringen nur bis zum Perus der Atemöffnung vor. Auch Berthold, 
der die gleiche Frage untersuchte und zu diesem Zwecke krautiges CÜewebe 
sowie Holz auf das Vorkommen von Mikroorganismen prüfte, kommt zu 
dem Schluß, daß normales pflanzliches Gewebe im Innern steril sei. Audi 
könne man sich vorerst an die Angaben von Clauditz halten, wonacdi zu 
parasiti.schem Theben in der Pflanze nicht liefähigte Bakterien niclit durch 
die Wurzel in das Gewebe gelangen könnten. 

Miehe dagegen berichtet, daß es ihm nie gelang, trotz Beachtung aller 
aseptischer Kautele, Samen aus Kürbissen (Cucurbita Pepo) steril zu ge- 
winnen. Die Kürbisfrucht müsse schon von vornherein Bakterien enthalten, 
denn sie seien „in solchem Maße und so regelmäßig“ aufgetreten, ,,daß 
Fehler in der Methodik nicht als Erklärung herangezogen werden konnten“. 

In verschiedenen Arbeiten' teilt NiethAimmer mit, daß sie aus Früditen 
und Samen die verschiedenartigsten Pilze isoliert habe. Soweit es sich um 
das auch in der vorliegenden Arbeit untersuchte Pflanzenmaterial handelt, 
sind die Befunde in Tabelle X, S. 38, zusanrunen mit meinen eigenen, zu- 
sammengestellt. Von weiteren Angaben sei erwähnt, daß im Fru(;htfleisch 
von Malus aüvestris Konidien von Fusarium solani und F. lateritium ge- 
funden worden sein sollen; im Fruchtfleisch von Cucurbita melo wurden 
Pilzhyphen gesehen, die sich in Kultur zu Pcnidllium expansum ent- 
wickelten. 

' Die in dieser Zeitschrift auf die vorliegende Veröffentlichung folgende 
Arbeit von Niethammer konnte nicht mehr berücksichtigt werden. 



Vorkommen von Mikroorganismon in pflanzlichen Gewolxjn. 


3 


ln (Jetreidefriichten nolien Pilze bis in die Alenronzellen vonlringen. 
Hier nei auch noch auf die Angaben von Pelclo hingewienen, wonctch in 
der Aleuronschicht der Granuneenf rächte regelmäßig Pilze Vorkommen 
\md die Aleiironkörner Produkte des Pilzes sc^in sollen, eine Ansicht, die 
indessen nicht einsthaft in Hetracht gezogen weiden kann. Weiter soll 
nach Niethammer aus Samen von Soja hispida Penicillium bicolor isoliert 
worden sein. An steril entnommenen Samen von Geranium sanguineum sei 
Arthrobotrys arthrobotryoides festgestellt worden, an (oder in?) steril ent- 
nommenen Haselnußkernen der gleiche Pilz, •ferner Cladoaporium herbarum 
und Botrytis cinerea. Vielfach sollen sich die Pilze in den Zellwänden finden, 
so auch in den Zellwänden des Kndosperms von Coffea arabica. 

Nach Niethammer soll es sich bei den von ihr fcstgestellten Pilzen um 
die nafiirliche Mikroflora des Standortes (Hodens) handeln, mit Ausnahme 
allerdings von zahlreichen Hefen, rlie sich im Kerngehäuse von Pirus 
communis fanden, dem Boden des Standortes al>er fehlten. Man vergleiche 
hierzu noch die S. 40 der vorliegenden Arbeit gemachten Bemerkungen. 

Romwalter (der ältere) und v. Kiräly glauben aus ihren Versuchen mit 
Stachell)eeren schließen zu dürfen, daß wolil von vornherein in diesen 
Früchten Bakterien und Hefen enthalten seien. Hierfüi’ könnten al)er die 
unten S. 31 mitgeteilten Versuche eine Erklärungsmöglichkeit geben, 
wonach Mikroorganismen etwa durch Insektenstiche in die Beeren gelangen 
können. Es konnten also lieiden bespr(K*henen Versuchen einzelne infizierte 
Beeren vorhanden gewesen sein. 

Wie Cappelletti und Ceruti (9) beri(diten, findet sich auf den Blüten - 
nurfien von Alpenpflanzen eine reiche Pilzflora, wälirend die Gewebe des 
Griffels und der Samonanlagen dem Eindringen der Pilze beträchtlichen 
Widerstand entgegensetzen. Bei gelegentlich doch erfolgt-er Infektion werde 
die normale Entwicklung der Samen niclit gehemmt. Den höchst-en Anteil 
an Fruchtknoteninfektionen fanden Verfasser bei Ericace^n: doch müssen 
auch derartige Infektionen bei Rhododendron hirsutum beobachtest worden 
sein, wie aus der Fesist-ellung hervorgeht, daß für die Fruchtknoten, ebenso 
für die Narl>en eine mit der Höhenlage zunehmende Immunität beob- 
achtet wurde. 

Die neueste Literatur in der Frage der Sterilität pflanzlicher Gewebe 
gruppiert sich irn wesentlichen um einige Arbeiten von Schanderl die 
auf erheblichen Widerspruch stießen. Der Verfasser l^hauptet darin, daß 
nicht allein Leguminosen Bakterien als Symbionten besäßen, sondern auch 
eine erhebliche Zahl von Niclitlegurninosen, wie Hedera helix^ Tussüago 
farfara, Dactylis glomtrata u. a. m. Die Symbiont-en seien nicht auf be- 
stimmte Gewebepartien Ijeschränkt, sondern fänden sich über alle Organe 
der Pflanze verteilt und ließen sich leicht daraus isolieren. Bedingung sei 
jedoch die Verwendung eines geeigneten Nährbodens, da die Sjnmbionten 
in den Geweben als Bakterioden vorlägen und in diesen Nährböden zu echten 
Bakterien regeneriert werden müßten; als einen solchen gibt Verfasser 
flüssige Bohnenbrübe an; jedoch teilte er auf der Berliner Biologen -Tagung 
1941 mit, daß er der Bohnenbrühe nicht mehr die spezifische Eignung 
zuspräche. Auch aus Früchten, wie Äpfeln, Birnen, Weinbeeren, Johannis- 
beeren, Tomaten, Gurken hätten sich mittels dos genannten Nährbodens 
Baikterien- Symbionten, gelegentlich auch Hefen isolieren lassen. Mit geeig- 
neten Färbemitteln seien die Symbionten direkt mikroskopisch nach- 
zuweisen; als dafür besonders geeignetes Objekt werden die Oalium- Arten 
genannt. In einer zweiten Arbeit bringt Schanderl (3) Untersuchungen an 



4 


O. Marcus: 


einer Menge weiterer Pflanzen, meist Nichtleguminosen, aus denen er eben- 
falls ßakteriensymbionten isoliert haben will. Eigentümlicherweise endet 
aber „der am häufigsten beobachtete Regenerationsvorgang“ mit der 
Bildung von sporulierenden Zellen. Auch in der Aussprache zu dem Vortrag 
von A. Jiippel anläßlich der 2. wissenschaftlichen Woche zu Frankfurt a. M., 
betont Schanderl (2) den entscheidenden Einfluß, den seiner Ansicht nach 
die Verwendung eines bestimmten Nährbodens auf das Gelingen der Regene- 
ration ausübt. Diese könne eben nur in einem Nährmedium stattfinden, 
dessen chemisch -physikalische Konstitution der des pflanzlichen Plasmas 
weitgehend ähnlich sei. Erst nach erfolgter Rückbildung zu Bakterien 
könne auf feste Nährböden übergeimpft werden. Indessen überprüfte 
Schciede die Angaben von Schanderl uncl befaßte sich eingehend mit dem 
obenerwähnten OcUium. Durch Jodreaktion konnte er zeigen, daß es sich 
bei den vermeintlichen ,, Bakterien“ um Stärkekörner handelte. Bei Galium- 
Sprossen, die er bei schwacher Belichtung im Zimmer hielt, fiel nach 3 Tagen 
die Jod -Stärke -Reaktion negativ aus, „und es fehlten jetzt auch die ,Bak- 
tcrien‘“. Auch Bureik, der Schandcrlfi Ergebnisse prüfte, konnte zu keiner 
Übereinstimmung der Befunde gelangen, obwohl er auch mit Ttissilago 
farfara arbeitete und als Kulturmedium die von Schanderl empfohlene 
Bohnenbrühe benutzte. K. Bippel (1) untersuelite neben den von Schanderl 
untersuchten Pflanzen besonders die Verhältnisse bei Weinbeeren. Als 
Nährböden verwandte er neben Bohnenbrühe u. a. helle, ungehopfte Bier- 
würze, Birnensaft nach Müller -Thurgau und Süßmost, pn 5. Auch er koimte 
weder in Weinbeeren noch in anderem Material Bakterien feststellen. Diese 
negativen Angaben werden erweitert durch weitere, die von dem gleichen 
Autor auf der Berliner Biologen -Tagung 1941 gemacht wurden. Ebenda 
berichteten Bürge ff und Gessner über diesbezügliche negative Ergebnisse 
bei zahlreichen Pflanzen. Nur bei Honkenya peploides fand Gessner in 98% 
der Fälle Bakterien im Mesophyll. Bei gleicher Gelegenheit teilt Ullrich 
mit, daß er aus den Milbenhäuschen (Acarodomatien) von Coprosma- und 
Coffea-Arten Bakterien isoliert habe, niemals aber aus anderen Teilen der 
Pflanzen. 

Sch/inderls Befunde glauben Hennig und Villforth bestätigen zu 
kömien. Sie erzielten aus verschiedenem pflanzlichen Material die mannig- 
fachsten Bakterienkulturen, meist Spoienbildner. Ganz abgesehen davon, 
daß Bakterien von verschiedenem physiologischen Verhalten und Kultiuen 
verschiedenster Farbe — ,, einige der Kulturen gei’ieten in Gärung, bei 
anderen bildeten sich verschieden gefärbte Häute, wie Kahmhefen"' — als 
Bact. radicicola Bey. und Azotobacier agile })estimmt werden, leidet diese 
Arbeit unter einem gewissen Mangel an Sterilisationstechnik, was auch 
Borteis in seiner Kritik dieser Arbeit zum Ausdruck bringt. Nicht diskutalrel 
dürften die Angaben von Elfving sein, wonach sich aus höheren Organismen 
durch Beschädigungen verschiedener Art (Hitze, Gifte) „künstlich“ Bak- 
terien darstellen ließen! 

Endlich sei noch eine ArVreit von Stührk erwähnt, wonach sich a\is 
sterilisierten Erbsen Bakterien entwickeln sollen, wenn die Erbsen zer- 
({uetscht würden. Demgegenüber betont Stapp bei der l^erlimu* Biologen - 
Tagung 1941, daß hierbei Bakterien zur Entwicklung kommen könnten, 
die vor dem Zerquetschen aus Nahrungsmangel nicht anwuchsen. Eine 
andere Möglichkeit der Erklärung ist die, daß Luftsäcke vorhanden waren, 
in denen die Bakterien der Sterilisation entgingen. Durch Zerquetschen 
der Samen konnten die Luftsäcko zerstört werden und damit die Benetzungs- 



Vorkonunen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 5 

inöglichkeit für die Bakterien und somit für ihre Entwicklung gegeben sein. 
Nach beiden Erklärungsmöglichkeiten brauchen die Bakterien also nicht 
in den Samen gesessen zu haben*. 

Um zu sehen, ob gewisse Beziehungen hinsichtlich der Reife zwischen 
Wacholderl>eeren und darin aufgefundenen Pilzhyphen bestehen, beimpfte 
Nestler (\) unreife, noch keinen Pilz enthaltende Wacholderl>eeren mit 
pilzhaltigem Fruchtfleisch gleicher Art. Tn der Tat seien die so infizierten 
Beeren rasch blau geworden, und er habe auch Pilzwachstum darin nach- 
weisen können. Dagegen sollen in gleicher Weise verletzte, aber nicht 
infizierte Beeren in wiederholten Versuchen höchstens einen bläulichen 
Ring um die Wunde herum gezeigt haben; oft sei auch diese Reaktion 
Husgeblieben. Doch konnte daraus nicht auf eine notwendige Beteiligung 
des Pilzes am Reifungsvorgang geschlossen werden, denn es hätten sich 
vereinzelt auch reife Beeren gefunden, die offensichtlich keinen Pilz ent- 
hielten. Nestler nimmt dagegen an, daß der Pilz die Zellen im Innern der 
Beeren rasch abtötet und so die Farbänderung veranlaßt. Diese Aiuiahme 
steht nicht in Widerspruch zu einer Mitteilung von Harter und Weimer, 
daß Rhizopus- Arten, die Bataien befallen, erst dann von einer frischen 
Schnittfläche aus in das Gewebe eindringen könnten, wenn man die eisten 
Zellagen abtöte oder mit Agar bestri(;he. Der Pilz entwickle sich zunächst 
m dem toten Material, Durch Enzymwirkung töte er dann einige Zell- 
schichten vorher ab, um sich von den toten Zellen zu einäliren. ÄlinlicVies 
berichtet Möller Thurgau auch von Botrytis. So eii-cheint es nicht aus- 
geschlossen, daß durch das Einbringen des pilzhaltigen Fruchtfleisches in 
die intakte Wacholderbeere eine ähnliche Infektionsbasis geschaffen wuide. 
Daß aber solche Fragen nicht generell entschieden werden kömien, sondern 
von F'all zu Fall neu beurteilt weiden müssen, zeigen Infektionsversiiche 
von Günnewig t der sich bemühte, die Synthese voii pilzfieien X^^twm-Keim- 
lingen mit dem lAÜiuin-VW/. herzustellcn. Er ging dabei in der Weise vor, 
daß er ü Tage alte Z/o/twm-Keirnlinge unterhalb des Vegetationskegels mit 
sterilem Skalpell verwundete, in die Wunde H>^hen des /yo/? ur/t-Pilzes 
einbrachte und mit iVfcZ«cn-Agar verschloß, da dieser für den Pilz Iwsonders 
gute Wachst uinsbedingungen bietet; auch brachte er Schnitte am Wuizel- 


* Anmerkung hei der Korrektur Soeben erhalte ich Kenntnis von der 
Veröffentlichung von Szilvdsi. Es 'wnirden 13t> verschiedene Pflanzenarten 
<ler verschiedensten systematischen Stellung untersucht und in 28% der 
t'älle bei Blättern, in 12% bei jungen Trieben, in 20% bei Blüten, in 31% 
bei Früchten und in 9^,, bei Wurzeln verschiedene Bakterien (und vereinzelt 
Hefen) gefunden. Darunter war z. B. Azotohacicr 48mal vertreten (bei 
38 verschiedenen Pflanzenarten). Es läßt sich indessen nicht erkennen, mit 
welcher Häufigkeit jeweils die gefundenen Mikroorganismen vertreten 
waren. Jedenfalls kann es sich auch hier nicht um wirkliche Symbiosen 
handeln, auch wenn die aufgefundenen Mikroorganismen wirklich aus dem 
Innern der Pflanzen stammen sollten, so daß die Schlüsse des Verf. in Hin- 
sicht auf allgemein verbreitete Symbio.sen abgelehnt werden mvlssen. Es 
sei nochmals ausdrücklich iHJttmt, daß es weniger darauf ankommt, bei 
verschiedenartigsten Pflanzen einmal Mikroorganismen zu finden als darauf, 
in Iwstimmteii Einzelfällen eingehend zu zeigen, ob eine Infektion regel- 
mäßiger vorhanden ist (falls es sich wirklich um eine solche handelt) und 
wie sie gegelienenfalls zu deuten ist, worülier weiter auf die unten S. 36 
folgenden Ausführungen verwiesen sei. 



0 


O. Mai*cii8 : 


hals der jui^en Pflanzen an und beimpfte sie mit Sporen des Pilzes. Von 
diesen Versuchen berichtet er, daß in keinem Falle die Infektion der Keim- 
linge geglückt sei. 

Nach Dold soll Honig, der ja ein Produkt aus zuckerhaltigen pflanz- 
lichen Sekreten und Ausscheidungen aus der Biene darstellt, stark hemmend 
auf Bakterienwachstum wirken, und zwar durch Gehalt an thermolabilen 
„Inhibinen“. Auch auf Schnittflächen von rohen Kartoffeln, Mohrrüben. 
Gurken und Bananen würde Bakterienwachstiun deutlich gehemmt. Von 
einer keimtötenden Wirkimg der Zuckerrohrpflanzen spricht Owen, gegen 
die sich Bacterium sctccharale zu .schützen verstehe. Dabei stützt er sich 
auf C. A. Brown, dei berichtet, daß die Zahl der Bakterien im frischen 
Zuckerrohrsaft während einiger Stunden sich vermindere, in sterilisiertem 
Saft dagegen von Anfang an zunähme. Berthold faßt die Ergebnisse seiner 
Untersuchungen über die Möglichkeit von Mikroorganismenleben in lel)endem 
pflanzlichen Gewebe dahin zusammen, daß Bakterien in lebendem krautigen 
Gewebe sowie in Holz lange am Leben blieben, daß er aber Vermehrung 
von Saprophyten in gesundem Gewebe nicht beobachtet habe; auf i.soliertem 
pflanzlichen Grewebe seien Bakterien nicht abgestorben, aber auch nicht 
zu irgendwelcher erkennbaren Entwicklung gelangt, wofür die Acidität allein 
nicht verantwortlich gemacht werden könne ; außerdem schiene es erforder- 
lich, daß das Gewebe erst tot sein müsse, ehe seine Nährstoffe den Bakterien 
zugänglich würden. 

Zu ähnlichen Ergebnis.sen wie Oiven gelangte Söding. Er stellte fest, 
daß Bact. ozaenae und Boot, prheumcmiae Friedl. in Pießsaft und auf Wund- 
stellen von Blättern von Iris und Echeveria zu wachsen vermögen. Brachte 
er aber diese Keime mittels Infiltratiomsmethode in intaktes Blattgewel>e 
von Iris, so hätte er l)eobachten können, daß die Bakterien innerhalb 
einiger Tage abgestorben seien. In Blättern von Echeveria glatica infiltriertes 
Bact. ozaenae stürbe zunächst „fast restlos“ ab, breite sich aber später 
wieder im Blatte aus. Für Bact. prodigiosum dagegen wird Wachstum in 
Preßsäften sowie in verwundetem und intaktem Blattgewet)e von Iris tmd 
Echeveria angegeben, was mit den Angaben Owens durchaus in Einklang zu 
bringen ist. Nach K. Rippel (2) enthalten die Kotyledonen von Erbsen, 
nicht aber die Samenschalen und Samenanlage, einen auf Hefen giftig 
wirkenden Stoff, der aber bereits verschwunden ist, wenn der Keimling 
eine Größe von 0,5 cm erlangt hat; dagegen werde er in reifenden Samen 
wieder eingelagert. 

Selbstverständlich kann auch eine reine Giftwirkiing in Frage komrneir, 
wie z. B. das Anemonin nach Baas, das RanunctUus acer seine hohe rnikrobicide 
Wirkung verleiht, im Gegensatz zu dem wenig wirksamen R. repens. Ähn- 
liches dürfte wohl auch der Fall .sein bei der von Moriondi angegel>enen 
Hemmung des Wachstums von Bakterien durch den Saft von Allium 
sativum, während der Saft von A, Gepa nicht hemmt. 

Das Wechselspiel zwischen Samen bzw. Früchten und daraus isolierter 
Pilze wurde von Niethammer untersucht. Tn einer Versuchsreihe wurde 
der Einfluß von Kulturflüssigkeit der Pilze PeniciUium expansum, Tricho- 
derma Koningi — von Weizen isoliert — und Rhizopus nigricans auf die 
Samenkeimung von Secale cereale untersucht. Dazu wurde Saatgut der 
Jahre 1937 und 1917 verwendet. Während in der Keimfähigkeit und im 
Keimungsverlauf des Materials von 1937 keine Unterschiede festzustellen 
waren, soll das mit Kultur flüssigkeit der drei genannten Pilze behandelte 
Saatgut des Jahres 1917 eine wesentliche Erhöhung der Keimfähigkeit 



Vorkommen von MikroorganiBmen in pflanzlichen Geweben. 7 

gezeigt haben. In einer zweiten Versuchsreihe wurde Kulturflüssigkeit von 
Tthizopua nigricans auf ihre Wirkung gepriift. Auch hier sei der Keimungs- 
verlauf des Saatgutes von Secale cerecUe der Jahre 1936/37 unbeeinflußt 
geblieben, während das Saatgut von 1917 die Behandlung mit verbrauchter 
Kulturflüssigkeit wieder erhebliche Steigerung der Keimfähigkeit zur Folge 
hatte. Daß es sich hier um Wuchsstoff lief erung seitens des Pilzes gehandelt 
haben müßte, geht aus der Bemerkung hervor, daß die gleiche Erhöhung 
der Keimfähigkeit bei dem 20 Jahre alten Saatgut durch Zusatz von Wuchs- 
stoff aus Roggenkörnern des Jahres 1937 erzielt worden sai. 

Andererseits scheint zuweilen auch von der höheren Pflanze eine 
Begünstigung des Pilzwachstums auszugehen, wie weitere Beobachtungen 
von Niethammer (5) zeigen. Danach sollen einige Pilze, die aus verscliiedenen 
Früchten isoliert worden seien, auf gereinigten Zuckerlösungen nur kümmer- 
lich gewfUihsen sein; seien al>er kleine Stückchen aus unterscliiedlichen 
Teilen der Samen oder Früchte der Nährlösung zugesetzt worden, so hätte 
Mycelwachstum und Fruktifikation „bei manchen, nicht allen Arten“ 
gefördert werden können. Auch diese Beobachtungen weisen auf Be- 
ziehungen hin, die offenbar zwischen höheren Pflanzen und in deren Geweben 
lebenden Mikroorganismen })este}ien können, deren Art in großen Zügen 
wohl zu erkennen, im einzelnen aber noch ungeklärt ist. Daß im übrigen 
zwischen den als Syrnbionten auftretendon Mikroorganismen und der Wirts- 
pflanze enge Wechsclbeziehunge'n bestehen, ist aus zahlreichen Unter- 
suchungen bekannt; auf diese Frage soll hier nicht eingegangen werden 
(Literatur bei A. Hippel). 

Abschließend soll noch auf das Zusammenlei kui eines Pilzes mit einigen 
Arten, besonders Loliufn temiihntum, hingewiesen werden. Ks 
handelt sich hier wohl um einen biologisch beachtenswerten Fall, wo sich 
das Zusammenleben der Partner schon stark der Grenze zwischf‘n Symbiose 
und Parasitismus zu nähern scJieint. Vogl entdeckte zuerst den Pilz in 
Frikihten von Lolinm temulentum, und Hiltner glaubte eine gel inge Bindung 
des Luft Stickstoffs durch den Pilz feststellen zu können, so daß (lie An- 
nahme einer echten Symbiose gerechtfertigt schien. Hayner stützt sich bei 
ihren Angaben auf die Untersuchungen von McLennati, wonach Früchte 
von Lolium te7nulentU7n aus verschiedenen Erdteilen mit dem gleichen Pilz 
infiziert gefunden wurden. Der Pilz breite sich nacli dem Griffel und dem 
Nucellus hin aus; er werde aber durch Absorption des Mycels in seiner 
Ausbreitung gehemmt und diene allem Anschein nach dem sich entwickelnden 
Embryo als Nahrungscpielle. Gewöhnlich w^erde zwischen Schale und 
Eiidosperm eine Dauerrnycelschicht gebildet; überwiege aber die Absorption 
des Mycels durch das (rewebe, so unterbleibe die Bildung der Dauerraycel- 
schicht, und es fänden sicli nur Hyphen iin Scutellum- und Embryogowebe. 
Offenbar kämen in Loliimi temal(ntu7n zwei verschiedene Pilze vor, einer 
in den Wurzeln, dei- andtue in Sproß und Früchten. Wälirend Peyronel 
den Pilz in den Wiu’ziün für cünou Phycmnyceten lialte, glaubt H(iy7ier den 
Pilz der Sproßtoile und Früchte zu den üslilaginven stellen zu müssen. 
Günnewig bestinunte den Pilz als Chaetomiu7n Ku7izea7ium Zopf . Aus seinen 
Untersuchungen schluißt er, daß der Pilz nicht imstande sei, den N der 
Luft zu assimilieren luid auch sonst der Pflanze keine VorUüle biete; liin- 
gegen hätten sich infizierU^ Pflanzen gegenüber pilzfreien als in ihrer Kon- 
stitution geschwächt erwiesen. 

Es mag hier nocli erwähnt werden, daß sich in den reifen (nicht den 
degenerierten) Früchten imd in der Mikrophyle der Samen der Haffhsiacec 



8 


0. MarouH : 


Müroatemon Yamamotoi .stets die Chlamydosporen eines Pilzes finden 
(Watannhe), Ferner sei noch hingewiesen auf den Fall von Pavetta indica 
var. tomentoaa mit Bakterien in den Samen, ohne dai3 Blattknoten vorhanden 
sind, weiter auf das Vorkommen von Bakterien im Samen (zwischen Schale 
und Keimling) von Wasserkelchpflanzen wie SpcUhodea {v. Faber). 

Überblickt man die vorliegende Literatur im ganzen, so ergibt sich 
folgendes Bild: Aus Früchten und Samen werden eine Anzahl Iso- 
lierungen von Mikroorganismen beschrieben; dabei handelt es sich um 
Bakterien-, Hefe- und Pilz- Arien. Die Angaben über Bakterien - 
Symbiosen von Nichtleguminosen und Totalinfektion der Pflanze durch 
den Syinbionten stehen bisher vereinzelt und sind vorerst durchaus 
zweifelhaft. Offenbar bestehen Wechselwirkungen zwischen Samen bzw. 
Früchten und den aus ihnen isolierten Mikroorganismen, wobei indessen 
nicht zu entscheiden ist, wieweit diese Wechselwirkungen spezifische 
Vorkommen bedingen [vgl. Mykorrhiza (Freisieben)']. Das fast 

regelmäßige Vorkommen von Chaetotnimn Kunzeanum im Gewebe von 
Loliutn temulentum wird mehr für einen Parasitismus seitens des Pilzes 
als für eine Symbiose gehalten. 

Eigene Untersuchungen. 

1. Das Yorkominen von Mikroorganismen in Früchten und Samen. 

Entsprechend den eingangs aufgeworfenen Fragen sollten die 
vorliegenden Untersuchungen in der Haiiptsache feststellen, ob sich in 
dem zur Untersuchung gelangenden Material Mikroorganismen vor- 
finden, und in welchem Umfange etwa mit Infektionen gerechnet 
werden muß. Außerdem wurden einige ergänzende Versuche angestellt, 
ob etwa wechselseitige Beziehungen zwischen höherer Pflanze und den 
gegebenenfalls darin vorkommenden Mikroorganismen aufzudecken seien. 

Meine Untersuchungen erstreckten sich auf Früchte und Samen 
verschiedener Art- und Familienzugehörigkeit. Die sich daraus er- 
gebenden außerordentlichen Schwankungen in der Größe der Versuchs- 
objekte lassen es vorteilhaft erscheinen, die Versuchsmethoden den 
jeweils gegebenen V^erhältnissen anzupassen. So soll hier bewußt auf 
eine gesonderte Behandlung der Methodik verzichtet und bei der Be- 
handlung des jeweiligen Materials näher darauf eingegangen werden. 
Die Einordnung des Materials folgt nach der Reihe der systematischen 
Stellung der betreffenden Arten. Dabei werden Untersuchungen an 
Erdbeeren und Himbeeren weggelassen, weil hier die Infektion.sgefahr 
zu groß ist. 

Juniperus communis L. (Wacholder). 

Die Beobachtungen von Nestler (1) über das Vorkommen von Pilz- 
hyphen in Wacholderbeeren veranlaßten mich, diese Früchte in meine 
Untersuchungen einzu beziehen. Wenn im folgenden die Frucht des 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 9 

Wacholders als ,, Beere“ bezeichnet wird, so nur der Kürze halber in 
Anlehnung an den allgemeinen Sprachgebrauch; ihr Charakter als 
,, Zapfenbeere“ soll dadurch in keiner Weise berührt werden. 

Das zur Untersuchung gelangende Material stammt zunächst teils aus 
der Umgebung Göttingens, teils aus der Gegend um Homberg, Bez. Kassel, 
aus Höhenlagen von 250 — 300 m über NN. Die Einerntung erstreckte sich 
tuf die Zeit vom März bis Mitte Juli 1941. Von Wacholdersträuchern 
Warden kleine Zweige, die möglichst reich mit einwandfrei aussehenden, 
teils reifen, teils noch unreifen Beeren besetzt waren, abgeschnitten und 
sofort in gut schließende Papierbeutel gebracht. Die Untersuchung wurde 
möglichst noch am gleichen Tage, spätestens al>er am folgenden Tage vor- 
genommen. Dazu wurden vollstänclig gesund aussehende Beeren von den 
Zweigen abgetrennt und auch das Stielchen entfernt, olme a]>er die Frucht 
selbst zu verletzen. Zur Beseitigiuig von gröberen, auf der Scliale haftenden 
Verunreinigungen wurden die Beeren zuerst mit in Wasser angefeuchtetem 
Wattebausch abgerieben, darauf wurden no(;h verbliebene Reste der Wachs- 
schicht durch wiederholtes Abreiben mit Xylol entfernt. Anschließend 
folgten ein 2 - 3 Minuten dauerndes Bad in 0,2%iger Hg Clg -Lösung, und 
mit sterilem, destilliertem Wasser wurde 5—10 Minuten nachgespült. 
Jetzt koimten die Beeren äußerlich als steril gelten. Von jeder so vor- 
hehandelten Beere wurden zwischen sterilem Holundermark schnell vier bis 
sec*hs möglichst dünne Schnitte mit in der Flamme keimfrei gemewjlitem 
Rasiermesser hergestellt. Das zum Schneiden bestimmte sterile Holunder- 
mark bereitet man sich zweckmäßig vorher in ausreichender Menge, indem 
man einige Stangen Holundermark in etwa 2 cm lange, runde Klötzch(‘ii 
zerschneidet und diese wieder der Länge nach anfspaltet. Damit füllt man 
einige Keagensröhrchen \md achtet darauf, daß die Hälften der Kh’it zehen 
stets gut nebeneinander bleiben; die Röhrchen werden dann in üblicher 
Weise mit Wattepfropfen verschlossen und im Autoklaven bei -f 120® C 
20 Minuten lang sterilisiert. 

Obwohl zur mikroskopischen Untersuchung der Schnitte das Anfärben 
derselben ohne Schaden hätte unterbleiben können, wurde es dennoch durch - 
geführt, um etwa vorhandene Feinheiten nicht zu übersehen, ^’'on den zur 
Untersuchung gelangenden Beeren wurde je ein Teil der Schnitte nach der 
Methode von D. Alcom und C. C. Yeager mit Orseillin BB gefärbt. Diese 
Methode besitzt den Vorzug, etwa vorhandene Pilzhyphen innerhalb kurzer 
Zeit kräftig rot anzufärben, so daß sie sich von dem weniger stark bzw. 
gar nicht gefärbten Gewebe abheben. Der ihr anhaftende Mangel liegt 
jedoch darin, daß in so behandelten Schnitten anwesende Mikroorganismen 
abgetötet werden. Da bei dem restlichen Teil der Schnitte alx»r Wert 
flarauf gelegt wurde, etwa darin lebende Mikroorganismen am ]^l:>en zu 
erlialten, fand eine auch von Niethammer (4) zur Färbung von Pilzhyphen 
vt^rwendete wässerige Lösung von Oxaminblau 4 R Verwendung. Die günstige 
Konzentration scheint nicht für alle Objekte die gleiche zu sein, und auch 
Niethammer (4) sagt nichts über die Stärke der von ihr verwendeten Farb- 
lösung. Zur Untersuchung von Wacholderbeeren erwies sich die 0,06 %ige 
Lösung als brauchbar, doch reicht diese Färbung hinsichtlich der Differen- 
zierung nicht- an die vorgenannte Methode heran. Aus diesem Gr\mde 
fanden beide Methoden nebeneinander Verwendung. — Die Schnitte wurden 
mit einem Tropfen im Autoklaven sterilisierter Oxaminblaulösung an ein 
abgeflanruntes Deckglas geheftet und dieses auf einen ebenfalls abgeflammten 



10 


O. Marcus : 


Objektträger mit Hohlschliff gelegt imd mit einem Tröpfchen abgekochten 
destillierten Wassers an diesem angeheftet, sodann zur Kultur in einer 
feuchten Kammer aufbewahrt. 

So wurden im ganzen etwa 50 Beeren untersucht, davon 20 unreife, 
der Rest ausgereifte Beeren. Das Fruchtfleisch der unreifen Beeren 
war ausnahmslos pilzfrei, und auch in den Hohlschliffen konnte keinerlei 
Pilzwachstum beobachtet werden. Von den untersuchten 30 reifen 
Früchten (Tabelle I) waren nur 4 im Innern pilzfrei. Die urigen be- 

Tabelle I. Vorkommen von Pilzen in •7wn^per^^Ä-Beeren. 

Zahlen in % der untersuchten Beeren. 


Herkunft der Probe aus (Anzahl der Beeren) 


Pilzart 

Oöttingeii, 



Kroatien 



Kassel 

(30) 





Alternaria tenuis 

13,3* 

10,0 

5,0 

_ . 



Hormodendron chlor i- 







num var. nigrovirens 

20,0* 


- 

— 

— 

— 

Hormodendron herharum 


— 

6,0** 

_ 

16,7 

-- 

Monilia 

— 

20,0 

45,0** 

— 



Unbestimmbar 

40,0 

10,0 

15,0 

— 

10,7 

16,7 

Pilzhyphen mikrosko- 
pisch beobachtet, kein 







Wachstum in Kultur 

20,0 

— 


— 

— 

16,7 

Steril 

13,3 

60,0 

36,0 

100,0 

66,6 

66,6 


• In zwei Beeren waren die b<'iden Pilze vorhanden. — •• ln einer Beere waren die beiden 
Pilze vorhanden. 



Abb. 1. Schnitt ans reifer Wacholderbeere. Orseillin BB, ^artorysche FlflMiskeit. 

Vergr. 176 mal. 


saßen ein von Pilzhyphen völlig durchzogenes Fruchtfleisch (Abb. 1), 
wobei sich zwischen den Proben aus Göttingen und aus Klassel kein 
Unterschied ergab. Das Mycel scheint sich nur intercellular auszu breiten ; 
jedenfalls konnten bei dem untersuchten Material intracellular vor- 







Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 11 


kommende H 5 rphen nicht festgestellt werden. Oft sind die Hyphen 
knorrig, dick und mehr oder weniger kurzzellig, bräunlich oder dünner, 
dann aber langzelliger und farblos, teils mit körnigem Inhalt oder auch 
hyalin. Die Dicke der Hyphen schwankt beträchtlich: 

Gemessene Hyphendicken: 

Präparat 1 : 10,9 9,9 jjl. 

,, 2: 7,6, 6,3, 9,9 p. 

„ 6: 10,0, 12.0, 4.6, 10,0, 5,6, 3,3 [i. 

Fruktifikationsorgane, die NeMler (!) selten beobachtet zu haben 
glaubt, konnten nicht festgestellt werden, des öfteren aber auch von 
ihm erwähnte Hyphen mit stark gequollenen Zellwänden (Abb. 2) ; wie 



Abb. 2. Pllxhyphe aus Wacholderbeere (mit gequollenen Zellwänden). 
Vergr. 1100 mal. 


die Abbildung zeigt, sind die Quellungsschichten in gleicher Weise 
gegliedert- wie die Pilzhyphen, so daß es sich kaum um von der Pflanze 
ausgeschiedene Cellulosescheiden handeln kann: auch angestellte 
Reaktionen ergaben keinen Anhalt dafür. 

In den Hohlschliffen entwickelte sich meist nur ein mehr oder 
weniger üppiges Mycel ohne Fruchtkörper, welches nach kurzer Zeit 
unter dem Deckglas hervorwuchs und so eine einwandfreie Beob- 
achtung ausschloß. In fünf verschiedenen Fällen konnte mit Sicherheit 
Konidienbildung festgestellt werden, die die Bestimmung und Isolierung 
des Pilzes ermöglichte. Die Bestimmung wurde nach Thom^-Migula 
vorgenommen, ln jedem dieser Fälle konnte der Pilz als Hormodendron 
cMorinum var, nigrovirens (Fresen) Sacc. bestimmt werden; jedenfalls 
handelte es sich nicht um eine Aspergillus -Art, wie Nestler (l) ohne 
nähere Bestimmung annahm. Der Pilz, dessen Standort nach der 
ö'^ögebenen Bestimmungstabelle auf faulenden Früchten angegeben 
wird, läßt sich leicht bei Zimmertemperatur auf Würzeagar und Czapek- 
Agar kultivieren, wo auch reichlich Konidien gebildet werden; doch 



12 


O. Marcus : 


scheint ihm Würze-Agar mehr zuzusagen, worauf die üppigere Ent- 
wicklung und das schnellere Wachstum schließen lassen. 

Wenn danach auch ein häufigeres Vorkommen dieses Pilzes in 
Wacholderbeeren erwartet werden konnte, so lag doch kein Grund 
dafür vor, ihn allein für die Verpilzung des Pruchtinnem verantwortlich 
zu machen. Im Gegenteil mußte damit gerechnet werden, daß sich noch 
eine Anzahl weiterer Pilze, wie u. a. auch Altemaria, daran beteiligen 
und vielleicht auch nebeneinander Vorkommen. Denn in einigen Beeren 
fand ich auch bei den Kultur versuchen Ältemaria (vermutlich tenuis) 
neben Hormodendron. 

Es ist noch zu erwähnen, daß die Pilze nicht in die verholzten 
Schalen der Samen eindringen. 

Für das Eindringen der Pilze in das Fruchtfleisch erscheint es von 
Bedeutung, daß die Beeren an der oberen Verwachsungsstelle der sie 
bildenden Schuppen drei verzahnte Nähte besitzen, deren Schluß wohl 
nicht immer ganz vollständig ist. Diese Annalime stützt sich auf die Beob- 
achtung, daß bei verschiedenen weiblichen Pflanzen die Beeren oben über- 
haupt nicht schließen, so daß zwischen den Schuppen die Samen noch bei 
reifen Beeren deutlich zu erkennen sind. Solche Pflanzen weisen einen sehr 
hohen Anteil offensichtlich kranker Früchte auf, und es fällt selbst bei sehr 
starkem Behang schwer, aus noch unreifen Beeen einige gesund aussehende 
herauszufinden. Da die Untersuchung solcher unreifer Beeren ergab, daß 
das Fruchtfleisch noch pilzfrei war, so liegt der Schluß nahe, daß die unter- 
bliebene Verwachsung der Fruchtschuppen keine durch Pilzbefall verursachte 
pathologische Erscheinung darstellt, sondern sicher auf eine Eigenschaft 
der betreffenden Einzelpflanze zurückgeführt werden muß. 

Um den Zeitpunkt des Eindringens der Pilze in die Beeren zu er- 
mitteln, wurden in Abständen von 14—21 Tagen Proben von über- 
jährigen, unreifen Beeren untersucht. Da sich bis zur Mitte des Monats 
Juli in keiner gesund aussehenden unreifen Beere Anzeichen von Pilz- 
infektionen feststellen ließen, kann angenommen werden, daß der 
Befall erst nach der zweiten Julihälfte des zweiten Jahres einsetzt. 
Pilzisolierungen aus offensichtlich kranken und größtenteils zerstörten 
Früchten zeigten, daß der die Erkrankung verursachende Pilz nicht 
mit dem aus gesund aussehenden Beeren isolierten Hormodendron 
chlorinum var. nigrovirens identisch war. 

Nachträglich wurden noch weitere Wacholderbeeren sehr ver- 
schiedener Herkunft 1 untersucht, die ebenfalls in Tabelle I aufgeführt 
sind. Es ist zunächst auffallend, daß in der Probe aus dem Werfatal 
(Südhang des von Werleshausen zum Haustein führenden Tales), von 
der einige Beeren mikroskopisch Pilzhyphen zeigten, das oben erwähnte 
Hormodendron fehlte, obwohl die Stelle fast genau in der Mitte zwischen 


^ Für die Überlassung des Materials danke ich den Herren Dr. Stare, 
Dr. Ä. Meyer und Prof. Rvppel. 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 13 


der Kasseler und Göttinger Stelle liegt (südostwärts dieser Linie). 
Dafür war wie dort Altemaria tenuis vorhanden, ferner war eine Monilia 
stark vertreten. Der Anteil der sterilen Früchte war mit 60 % sehr hoch. 

Die nächste Probe aus der Lüneburger Heide (Sülberg) zeigte 
ebenfalls mikroskopisch häufig Pilzhyphen. Wiederum fand sich, wenn 
auch vereinzelt, AUemaria tenuis und eine andere Hormodendron- Art, 
H. herbamm (in einer Beere zusammen mit Altemaria), ferner eine 
Monilia in sehr hohem Anteil. 35% der Beeren erwiesen sich als steril. 

Es folgen drei Proben aus Kroatien, und zwar von Moslavacka Gora 
(einem kleinen Gebirge südöstlich von Zagreb), aus Zagorje (nördlich 
von Zagreb) und aus Sljeme (unmittelbar bei Zagreb). Das Bild ist 
hier weniger mannigfaltig als bei den deutschen Proben. Es wurde 
nur bei der zweiten Probe Hormodendron herbarum identifiziert, dazu 
in dieser und der dritten Probe unbestimmbare Pilze. In der dritten Probe 
zeigte eine Beere im Schnitt Pilzhyphen, die sich mit Orseillin BB außer- 
ordentlich stark angefärbt hatten: der Inhalt war körnig, und die 
H3nphen zeigten an einigen Stellen, in der Mitte oder endständig, kugelige 
Auftreibungen. Die Querwandbildung war spärlich; im ganzen ähnelte 
das Bild sehr dem von NeMler (l) beschriebenen. Leider erfolgte kein 
Wachstum der Hyphen, als die Schnitte auf Würze -Schrägagar aus- 
gelegt wurden. 

Bei diesen kroatischen Proben war der Anteil der sterilen Beeren 
sehr hoch, und in der ersten Probe konnten sogar bei 20 Beeren weder 
mikroskopisch noch kulturell Pilze festgestellt werden. Da die Beeren 
stärker verharzt schienen als die einheimischen, wurde eine Äther- 
extraktion von dieser Probe und der Probe aus dem Werratal ausgeführt, 
die folgende Werte ergab: 


Mo.slavacka 11,26% der Trockensubstanz ätherlöslich 

Werratal 9,55% „ „ „ 


Der Unterschied ist wohl zu gering, als daß er in Betracht gezogen 
werden könnte. Immerhin bleibt natürlich noch die Möglichkeit be- 
stehen, daß die kroatischen Proben mehr Stoffe fungicider Natur ent- 
hielten als die deutschen Proben. 

Trotz des wechselnden Bildes ergeben sich doch bei den Juniperus- 
Beeren offenbar örtliche Unterschiede, sei es in der Stärke der Infektion 
selbst, sei es im Vorkommen bestimmter Pilze, wie es geschildert wurde. 
Es würde sich zweifellos lohnen, diesen Dingen auf breiterer Basis und 
unter stärkerer Berücksichtigung der Standortsbedingungen nach- 
zugehen. 

Oratnineae,. 

Zur Untersuchung gelangten die Früchte der einheimischen Getreide- 
arten, sowie eine Probe der Früchte von LciUum temulentum als Vergleichs- 
material. Die Ernte erfolgte in ähnlicher Weise wie die des Wacholders; 



14 


O. Marcus : 


auf dem Felde wurden jeweils mehrere gesund aussehende Ähren bzw. 
Rispen mit nur kurzem Halmstück abgeschnitten und in gut schließendem 
Papierbeutel verpackt, darin getrocknet und aufbewahrt. 

Die Untersuchung bot insofern eine Schwierigkeit, als die Früchte 
äußerlich möglichst keimfrei gemacht werden sollten; andererseits aber 
durften Mikroorganismen, die vielleicht in Frucht- oder Samenschale ein- 
gedrungen waren, nicht abgetötet werden. Daher wurde folgendes Ver- 
fahren angewendet: die Früchte wurden in destilliertem Wasser so lange 
gespült, bis sie sich vollständig benetzt hatten. Danach brachte ich sie in 
eine 0,2% ige Lösung von Uspulun -Universal, worin sie 3—5 Minuten ver- 
blieben. Obwohl Angaben über Chlorphenolquecksilber dem wirksamen 
Bestandteil von Uspulun-Universal, besagen, daß es sich gut zur Sterilisation 
Von Samen bzw. Früchten eigne, und diese bei Verwendung einer 2%igen 
Lösung in einer Stunde sicher keimfrei seien (Bouillonprobe), so konnte 
doch aus dem oben angegebenen Grunde eine so lange Einwirkungsdauer 
nicht in Frage kommen; denn bereits 10 — 15 Minuten lange Einwirkung 
von Uspulun-Universal erwies sich als ungünstig. Auch erscheint bei der 
hier gestellten Forderung die Entscheidung darüber, ob Mikroorganismen, 
die sich in Kontrollproben entwickeln, noch von der Oberfläche staminem 
also die Entkeimung nicht ganz vollständig war, oder aber ob sie aus der 
Oberfläche nahegelegenen Gewebeteilen hervorgewachsen sind, nicht ohne 
weiteres möglich. Nach dem Uspulun -Bad spülte ich die Früchte 10 Minuten 
lang unter mehrmaligem Wasserwechsel in sterilem, destilliertem Wasser 
nach. Die Schnitte zur mikroskopischen Untersuchung wurden, wie bei 
Wacholder beschrieben, hergestellt. 

Zur Färbung der Schnitte fanden wieder die Methoden von D. Alcorn 
und G. G. Yeager ( 1 ) und von Niethammer (4) Anwendung. Da sich aber beim 
Mikroskopieren die Stärkekörner als außerordentlich .störend erwiesen, 
wurden sie bei den für die Färbung mit Orseillin BB bestünmten Schnitten 
durch Diastase 1 ; 250 (Merck) bei 65® C herausgelöst, so daß die Schnitte 
gänzlich klar erschienen. Darauf wurden die Schnitte in saulierem destil- 
lierten Wasser kiu^ gespült und dann gefärbt. Bei den Schnitten, die in 
Hohlschliffen kultiviert werden sollten, erschien die Herauslösung der Stärke 
nicht zweckmäßig, da eine Schädigung etwa darin vorhandener Mikro- 
organismen befürchtet werden mußte; außerdem ergaben Kontrollproben, 
daß das verwendete Diastasepräparat nicht keimfrei war. Daher wurden 
die zur Kultivierung bestimmten Schnitte in sterilem destillierten Wasser 
ausgewaschen und in einem Tropfen Oxaminblau 4 R, wie bei Wacholder 
beschrieben, in einen Hohlschliff gebracht. Von jedem Korn wruden wieder 
eine Anzahl Schnitte hergestellt imd jeweils ein Teil davon nach einer der 
beschriebenen Methoden untersucht. Die Färbung mit Orseillin BB zeigte 
sich hier der anderen noch weiter überlegen, da das Oxaminblau 4 R von 
den Aleuronzellen so stark gespeichert wurde, daß diese schwarzblau er- 
schienen und keinerlei Strukturen mehr darin zu erkennen waren. Die 
verwendete Farblösung war 0,06 %ig. Weitere Verdünnung der Farblösimg 
hätte lediglich die Differenzierung beeinträchtigt, aber keine neuen Vorteile 
mit sich gebracht. Im folgenden soll nun über die Untersuchungen an 
Getreidefrüchten berichtet werden. 


^ Arbeiten der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Limbmgerhof. 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 15 


Secale cereale L. (Roggen). 

A. Sorte: v. Lochows Petkuser Normalstroh Winterroggen 

(Hochzucht). 

Die Probe stammte aus der Umgebung von Homberg, Bez. Kassel, imd 
wurde im Juli 1940 in gelbreifem Zustande geerntet; die Keimfähigkeit 
betrug 98 % nach 3 Tagen . 


Im Januar 1941 untersuchte ich 20 Körner der Probe, von denen 
120 Schnitte angefertigt wurden. Jeweils die Hälfte, das sind von jedem 
Kom drei Schnitte, wurde nach einer der zwei genannten Methoden 
behandelt. Bei den mit OrseilJin BB gefärbten Schnitten konnten fast 
überall Pilzh 3 ^hen in größerer Zahl beobachtet werden ; nur vereinzelte 
Schnitte mac^hten eine Ausnahme. 

Die Hypben hoben sich deutlich 
von dem übrigen Gewebe durch in- 
tensivere Rotfärbung ab (Abb.3); 
ihre Dicke schwankte zwischen 2,3 
und 0,6 [x; die dickeren Hyphen 
waren etwas stärker septiert als 
die dünneren. Sie durchzogen das 
Gewebe der Längs- und Querzellen- 
schicht und schienen sich dabei 
mehr intercellular zu halten, denn 
innerhalb der Zellen konnten keine 



Pilzhyphen beobachtet werden. Sehr 
zahlreich waren Pilzhyphen in Hohl- 


Abb. 3. Roggen, J^üngaschnitt aus Koni mit 
Mlzhj'phe (Orseillin BB, .Sarfori/sclie Tjb»ung). 
Vergr. 175 mal. 


räumen vertreten, die sich durch 


Loslösen der Fruchtschale von der Samenschale gebildet hatten und 
vor allem zu beiden Seiten der Raphe stark ausgeprägt in Erscheinung 
traten . 


Entgegen den Angaben von Peklo und Niethammer (4) erwiesen 
sich die Zellwände und Zellen der Aleuronschicht in allen Fällen als 
pilzfrei, und auch im Mehlkörper konnten — in Übereinstimmung mit 
den vorgenannten Autoren — von einer Ausnahme abgesehen, keine 
Pilzhyphen festgestellt werden. Obwohl Niethammer (4) auch im Gewebe 
des Keimlings Pilzhyphen gesehen zu haben glaubt, fand sich im vor- 
liegenden Material keine Bestätigung dafür. Es liegt vielmehr nahe 
anzunehmen, daß die Pilze die unverletzte Samenschale nicht zu durch- 
dringen vermögen. Denn einmal konnte ich deutlich sehen, daß einzelne 
Pilzhyphen durch eine alte Rißstelle in der Samenschale bis weit in den 
Mehlkörper vorgedrungen waren. Aber auch hier konnte kein Befall 
der Aleuronzellen beobachtet werden. Das Korn war gänzlich normal 
entwickelt und wies auch äußerlich keine Zeichen von Pilzbefall auf. 



16 


O. Marcus : 


Fruktifikationsorgane der Pilze wurden innerhalb der pflanzlichen 
Gewebe nicht beobachtet. 

In den übrigen mit Oxaminblau 4 R gefärbten 60 Schnitten, die in 
Hohlschliffen kultiviert wurden, entwickelten sich in den meisten 
Fällen innerhalb weniger Tage zahlreiche Pilzhyphen, deren Ursprung 
aus den im Innern der Schale liegenden Hyphen unter dem Mikroskop 
deutlich beobachtet werden konnte; aber in nur wenigen Präparaten 
fand nach etwa 8 Tagen Konidienbildung statt. Dreimal wurde 
Hormodendron, allem Anschein nach Hormodendron herbarum, öfter 
Altemaria festgestellt (Tabelle II). Niethammer (4) bestimmte die von 
ihr isolierte Altemaria als A. humicola; im vorliegenden Falle aber war 
der Pilz eher als Altemaria aecalis anzusprechen. Horrnodendron und 
Altemaria fanden sich hin und wieder im gleichen Kom. 


Tabelle II. Isolierung von Pilzen aus Getreidefrüchten. 
Anzahl der Isolierungen. 



Secale 

Triticum 

Hordeum 

Avena 


rereale 

aeitivum 

tmlgare 

iotiva 

Altemaria tenuia 

Altemaria aecalis 

Hormodendron herbarum 

Hormodendron chlorinum var, nigrovirens . . 

— 1 

ß (20) 

3 (20) 

4 (15) 

1 (8) 

1 (8) 

Cephaloaporium accremonium 

Fusarium graminearum 


1 (15) 

2 (8) 

1 (8) 

Unbestimmbare Pilze 

9 (20) 

7 (15) 

2 (8) 

5 (8) 


ln () aus Anxah] der Früchte. 


B. Sorte: Heßdorfer Johannisroggen. 

Die Proben stammten vom Versuchsfeld des Instituts für Pflanzenbau 
in Göttingen. Die erste der Proben wurde in grünreifem Zustand am 6. Juli 
1939 geerntet, die zweite Probe war bei der Ernte am 20. Juli 1939 gelbreif. 
Die Untersuchung beider Proben erfolgte im April 1941. 

Die Untersuchung der grünreif geernteten Probe brachte gegenüber 
A. nichts Neues. Pilzhyphen waren in ähnlichem Umfange vorhanden, 
und es war auch nirgends zu beobachten, daß Pilze in die Aleuronschicht 
oder den Keimling eindrangen. In HohlschliffkuJturen unterblieb 
überall das Pilzwachstum, obgleich die Bedingungen gegen früher 
nicht geändert worden waren; es mußte daher angenommen werden, 
daß die Hyphen bereits tot waren. 

Die gelbreif geerntete Probe wies Pilzh 3 phen in der gleichen Art 
wie A. auf; in Kulturversuchen erfolgte aber auch hier kein Wachs- 
tum mehr. 

C. Sorte: Nordost. 

Die Proben stammten ebenfalls vom Versuchsfeld des Instituts für 
Pflanzenbau in Göttingen. Eine grünreife Probe wuide am 6. Juli 1939 





Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 17 

genommen, während die gelbreife Probe am 20. Juli 1939 geerntet wurde. 
Die Untersuchung beider Proben fand im April 1941 statt. 

Neue Befunde waren nicht zu verzeichnen; die Ergebnisse der 
Proben A. und B. fanden hinsichtlich des Vorkommens von Pilzhyphen 
ihre Bestätigung. Wachstum der Hyphen fand weder in den Hohl- 
schliffkulturen der grünreif geernteten Probe, noch in denen der gelbreif 
geernteten statt. Danach muß man annehmen, daß die Pilzhyphen bei 
längerer Lagerung absterben. 

Triticum aestivum L. (Weizen), 

Zur Untersuchung gelangte nur eine Probe eines Sommerweizens der 
Ernte 1940 aus der Gegend von Homberg, Bez. Kassel, die in gelbreifem 
Zustand geerntet wurde. Die Untersuchung erfolgte im Mai 1941. 

Bei mikroskopischer Betrachtung der mit Orseillin BB gefärbten 
Schnitt-e bot sich ein ganz ähnliches Bild wie bei Roggen: Pilzhyphen 
fanden sich in der Fruchtschale intercellular wachsend, vornehmlich 
aber in den Hohl räumen zwischen Frucht- und Samenschale ; in größerer 
Menge waren sie wieder in den großen Höhlungen seitlich der Raphe 
zu beobachten. Scptierung und Größen Verhältnisse entsprachen denen 
der bei Roggen beschriebenen Pilzhyphen. Aleuronschicht und Mehl- 
körper sowie das Gewebe des Keimlings erwiesen sich als pilzfrei. 

Die Färbung des anderen Teiles der Schnitte mit Oxaminblau 4 R 
und deren Kultur in Hohlschliffen erbrachte mehrmals das Wachstum 
von Altemaria tenuis Ne.es und einmal von Cephalos'poriuin acremonium 
Corda. In anderen Präparaten entwickelten sich weißliche bis graue 
Pilzlager, ohne jedoch irgendwelche Fruchtkörper zu bilden (Tabelle II). 
Die von Niethammer (4) erwähnten Arten, Trichoderma Koningi, Mucor 
hiemalis, wurden hier nicht isoliert. 

Hordeum vulgare L. (Gerate), 

A. Sorte: Dr. Mausbergs Wintergerste. 

Auf dem Versvichsfeld de.s In.^^Jtitut.s für Pflanzenbau in Göttingen 
wurden zwei Proben, eine am 6. Juli 1939 in grünreifem Zustand, die andere 
gelbreif am 20. Juli 1939 geerntet. Die Untersuchung fand im April 1941 
statt. 

Durch kurzes Einquellen in Leitungswasser lockerten sich die 
Spelzen etwas, so daß sie leicht entfernt werden konnten; die Weiter- 
behandlung der Körner erfolgte wie eingangs beschrieben. Nach den 
bei den Versuchen mit Roggen gemachten Erfahrungen konnte auf eine 
Färbung der Schnitte mit Oxaminblau 4 R und deren Kultur in Hohl- 
schliffen verzichtet werden; vorgenommene Stichproben bestätigten 
dies. — Die mikroskopische Untersuchung der mit Orseillin BB ge- 
färbten Schnitte ergab wieder Pilzh 3 phen in den Geweben der Frucht - 
Archiv ftlr Mikrobioloiüe* Bd. 13. o 



18 


O. Marcus : 


schale, doch in weit geringerem Umfange als bei Roggen und Weizen. 
Man geht wohl nicht fehl, wenn man hier das geringere Vorkommen 
vdn Pilzhyphen auf einen gewissen Schutz zurückführt, den wohl die 
fest anliegende Spelze dem Kom bietet. Die beobachteten Hyphen 
waren ziemlich stark septiert, zwischen 2 und 4 fji dick und verliefen 
intercellular; intracellulares Vorkommen von Hyphen wurde nicht 
beobachtet. Die hier mehrschichtige Aleuronschicht wies in keinem 
Falle Pilzh 3 ^hen in den Zellen oder Zellwänden auf ; ebenso waren der 
Mehlkörper und der Keimling pilzfrei. Die grünreif geerntete Probe 
unterschied sich nicht von der gelbreif geernteten. 

B. Sorte: Friedrichswerther Berg- Wintergerste. 

Die Proben wurden wieder in grünreifem Zustande am 6. Juli 1939 und 
in gelbreifem Zustand am 20. Juli 1939 auf dem Versuchsfeld des Instituts 
für Pflanzenbau in Göttingen geerntet. 

Die mikroskopische Untersuchung beider Proben ergab keine 
neuen Befunde. Hervorzuheben ist nur, daß auch bei diesen Proben in 
der Aleuronschicht, im Mehlkörper und im Gewebe des Keimlings 
keine Pilzhyphen beobachtet wurden. 

C. Sorte: Peragis Wintergerste. 

Wieder wurden zwei Proben — eine grünreife am 6. Juli 1939 und eine 
gelbreife am 20. Juli 1939 — auf dem Versuchsfeld des Instituts für Pflanzen- 
bau in Göttingen geerntet. 

Beide Proben unterschieden sich hinsichtlich des Pilzbefalles nur 
insoweit voneinander, als die gelbreif entnommene Probe etwas stärkeren 
Befall aufwies. Neue Beobachtungen wurden gegenüber A. und B. 
sonst nicht gemacht. 

D. Sorte: Unbekannt; Sommergerste. 

Die Probe wurde Von todreifem Material der Ernte 1940 entnonunen 
und stammte aus der Gegend um Homberg, Bez. Kassel. 

Die mikroskopische Untersuchung der mit Orseillin BB gefärbten 
Schnitte ergab, daß Pilzhyphen hier in den Geweben der Schalen 
häufiger Vorkommen als in den vorhergehenden Proben, wohl eine Aus- 
wirkung der Witterungsverhältnisse. Aber auch hier blieben die H 3 rphen 
auf die Gewebe der Fruchtschale beschränkt, wo sie sich intercellular 
ausbreiteten. In den Aleuronzellen wurden keine Pilzh 3 rphen be- 
obachtet, ebenso nicht in Geweben des Mehlkörpers und des Keimlings. 

Aus Schnitten, die mit Oxaminblau 4 B gefärbt wurden und Pilz- 
hyphen im Schalengewebe führten, entwickelte sich in einigen Hohl- 
schliffkulturen AUemaria ienuia Neea, in anderen Kulturen gelangten 
Fusarium graminearum zur Entwicklung (Tabelle I), ferner noch ein 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 19 

unbestimmbarer Pilz. Dagegen fehlte in allen Kulturen Hormodendron, 
Einige Hohlschliffkulturen der älteren Proben A.— C. ergaben keine 
Pilzentwicklung, was mit den Erfahrungen bei Roggen übereinstimmt. 


Avena aativa L. (Hafer). 


Sorte: von Lochows Petkuser Gelbhafer Flämings-Gold 

Zur Untersuchung gelangte nur diese eine Probe (Hochzucht aus der 
Umgebung von Homberg, Bez. Kassel) aus dem Erntejahr 1940, die auf 
dem Felde von gänzlich ausgereiftem Hafer entnommen wurde. Die Ver- 
arbeitung des Materials erfolgte im Mai 1941. 


Die Körner wurden zunächst zwei- bis dreimal gründlich in Leitungs- 
wasser gewaschen. Die mikroskopische Untersuchung des Wasch- 
wassers ließ zahlreiche Konidien von Fusarium und Altemaria er- 
kennen. — Dann folgte ein 2—3 Minuten dauerndes Bad in 0,2%iger 
HgCl2-I-<ösung; darauf wur- 
den die Körner zweimal in 
dest. Wasser naehgespült, 
entspelzt und nochmals 
2— 3 Min. lang in 0,2%iger 
HgCl2-Lö8iing gebadet, als- 
dann in sterilem dest. Wasser 
einige Minuten nachgespült; 
während der Zeit wurde das 
sterile Wasser zweimal ge- 
wechselt. Dann wurden die 
Schnitte in der üblichen 
Weise angefertigt. 



Abb. 4. Hafer, Auflicht auf die Fruchtichale mit Pilz- 
hyphen (OneiUin BB, .Sartory sehe Lösung). 
Vergr. 350 mal. 


Die mikroskopische Untersuchung der mit Orseillin BB gefärbten 
Schnitte führte zu ganz entsprechenden Ergebnissen wie bei Roggen 
und Weizen. Hyphen waren in allen Schnitten zu erkennen (Abb. 4). 
Sie durchzogen die Fruchtschale intercellular in größerer Anzahl. Sehr 
reichlich waren sie auch in Hohlräumen zu finden, die von Frucht- und 
Samenschale gebildet wurden. In den Zellen der Aleuronschicht und 
deren Wänden wurden niemals Pilzhyphen beobachtet, ebenso nicht 
im Gewebe des Mehlkörpers und des Keimlings. — Die Hyphen waren 
reich septiert, und Messungen ergaben Dicken von 2,3— 5,6 p.. 

In Hohlschliffkulturen der mit Oxaminblau 4 R gefärbten Schnitte 
entwickelten sich Hormodendron chUmnum vor, nigrovirens (Fresen) 
Sacc. und Cephdtosporium acremonium in je einem Fall. Entsprechende 
Schnitte, die auf 1/2 Bierwürze- Agar ausgelegt wurden, lieferten die 
gleichen Ergebnisse. In anderen Kulturen zeigte sich reiches Mycel, 
ohne daß Fruchtkörper gebildet wurden (Tabelle II). 


2 * 


20 


O. Marcus: 


Lolium temulentum L. ( TaumeUolch) . 

Das untersuchte Material stammte aus dem Botanischen Garten in 
Göttingen. 

In den mit Orseillin BB gefärbten Schnitten der Samen hob sich 
die Dauermycelschicht des Begieitpilzes Chaetomium Kunzeanum 
deutlich von den übrigen Gewebepartien ab. Der Pilz scheint aber 
nicht auf das angrenzende Gewebe überzugreifen; er bleibt vielmehr 
auf die Dauermycelschicht beschränkt. Nach Günnewig sollen auch 
Hyphen des Pilzes im Gewebe des Embryo Vorkommen. Jedenfalls ist 
die Ausbreitung des Pilzes eine ganz andere als bei den oben be- 
schriebenen Fällen; gerade von diesem Gesichtspunkt aus war Lolium 
als Vergleichsmaterial willkommen. 

Viscum alhum L. (Mistel). 

Zur Untersuchung standen 21 reife Früchte aus der Gegend von Treysa 
in Hessen zur Verfügung. Die Ernte erfolgte in den ersten Tagen des Januar 
1040, so daß die Früchte schon stärkeren Frost überstanden hatten. 

Nachdem die Früchte gründlich in frischem Leitungswasser gewaschen 
waren, wurden sie zur äußerlichen Sterilisation 2—3 Minuten lang in 0,2% ige 
Lösung von HgClg gelegt und dann zweimal mit sterilem destillierten 
Wasser abgespült. — Die Entnahme von Proben geschah mittels aus- 
geglühter, noch heißer Nadel, mit der die Schale auf geritzt und zur Seite 
geklappt wurde. So ließ sich das Fruchtfleisch mit dem darin eingebetteten 
Kern leicht und schnell mit der nochmals abgeflammten Nadel heraus - 
heben und in Reagensröhrchen mit Bohnenbrühe und Bohnenbrühe -Agar 
einbringen . 

Im ersten Versuch erschienen nach wenigen Tagen auf zwei Proben 
kleine Lager von Penicillium glaucum, die aber als Fremdinfektionen 
gedeutet werden mußten (vgl. S. 22); im zweiten Versuch, der in 
gleicher Weise angelegt worden war, blieben sämtliche Proben steril 
(Tabelle IV, S. 22). Kontrollproben mit sterilisierten Schalestücken 
blieben ebenfalls steril, während in Reagensröhrchen mit ungereinigten 
Sehaleteilen kräftiges Bakterien- und Pilzwachstum zu beobachten war. 

Aus beiden Versuchen darf jedoch nicht ohne weiteres geschlossen 
werden, daß sich keine Mikroorganismen in den Mistelfrüchten befunden 
hätten. Man muß vielmehr in Betracht ziehen, daß die Früchte, bevor 
sie geerntet wurden, Temperaturen bis zu — 20® C ausgesetzt waren 
und der Einwand berechtigt scheint, die Mikroorganismen könnten 
durch die Kälte so gelitten haben, daß sie nicht mehr zu weiterem 
Wachstum befähigt gewesen wären. Für Pilzhyphen könnte dies wohl 
zutreffen, kaum aber für Pilzsporen und andere Dauerzustände von 
Pilzen und für Bakterien. Da aber bei mikroskopischer Untersuchung 
auch keine Pilzhyphen im Fruchtfleisch zu sehen waren, so kann doch 
angenommen werden, daß sich keine Mikroorganismen im Innern der 
Mistelfrüchte befanden. 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 21 


Ribea Uva-crispa L, (Stachelbeere), 

Ans dem Garten des Instituts für Mikrobiologie in Göttingen stand 
umfangreicheres Material von Früchten verschiedenen Reifegrades zur 
Verfügung. Stets wurden nur durchaus gesund aussehende Früchte ein- 
geemtet. Zunächst wurde der Kelchrest von den Früchten entfernt und 
diese gut in Leitungswasser abgewaschen; vor ihrer Öffnung wurden die 
Früchte mit einem in 70%igen Alkohol getauchten Wattebausch einige Male 
gründlich abgerieben, dann kurz abgeflammt. Mit in Alkohol und Flamme 
sterilisiertem Skalpell wurde die Schale zur Hälfte abgeschält, das Skalpell 
wieder in Alkohol und Flamme sterilisiert und damit die Frucht gekappt. 
Mit nochmals abgeflammtem Skalpell wiu-den dann schnell einige Proben 
aus dem Innern der Früchte entnommen und verschiedene Reagensröhrchen 
mit Nährböden damit beimpft. — Bei reifen Früchten wurde die öffnungs- 
weise insofern abgeändert, als sie nicht gekappt wurden; mit dem sterilen 
Skalpell wurden vielmehr vier Schnitte ziehend vom Kelchrest ziun Stiel - 
ansatz geführt, so daß sich durch den Druck von innen heraus ein nach 
beiden Seiten spitz zulaufendes Stück abhob und das Messer vor der Probe- 
nahme gar nicht erst mit dem Fnichtinnem in Berührung kam. 

Die Ergebnisse dieser Versuche* finden sich in Tabelle III zu- 
sammengefaßt. Einige Bakterien und Hefen konnten aus den Früchten 
isoliert werden. Bei den Bakterien handelte es sich um farblose, sporen- 
bildendc Stäbchen, die Gelatine verflüssigten. Unter den isolierten 
Hefen befand sich eine runde, die als Torulopsis albida bestimmt werden 
konnte; die andere war länglich und bildete rötlichen Farbstoff: sie 
gehört wohl der Gattung Rhodotorula (nach Lodder) an. 


Tabelle III. Versuche mit Früchten von Ribea IH’^a criapa. 


Ver- 

such 

Nr, 

Datum 

Material 

Gesamt- 

zahl 

Bakterien 


PUae 

13 

Q 


% 


m 


% 

1 

19. VI. 1939 

unreif 

12 

48 




H 

T 

0 

2 

22. VI. 1939 

f» 

6 

12 

- 


1 

8 


0 

3 

23. VI. 1939 


3 

6 

1 

17 

— 

0 

__ 

0 

4 

6. VII. 1939 

halbreif 

16 

32 



— 

in 

— 

0 

6 

7. VII. 1939 

»» 

6 

12 

1 

8 


0 

•f 

0 

6 

14. VII. 1939 

reif 

16 

32 

— 

0 

1 

3 

-f 

0 

7 

28. VII. 1939 

>» 



1 

5 

— 

Kn 


0 

7a 

28. VII. 1939 

überreif 

6 


1 

17 

- 

0 

-f 

0 

9 

1. VIII. 1939 

stark überreif 

16 

32 

_ 

Bl 

1 

3 

4- + 

0 

10 

2.Vin. 1939 

*» »♦ 

8 

16 


H 

— 

mm 

-f 

0 

67 

23. VI. 1941 

unreif 

12 

24 

— 

U 

— 

0 


0 




121 

fM 

4 

1.7 

3 

1.2 

— 



Auf die Anzahl der Früchte bezogen 


3,3 


2,5 


0 


Spalte 4: Fr = Früchte, Pr == Proben, -f = Fremdinfektion. 


Im ganzen liegen aber die Infektionen zahlenmäßig so niedrig 
(Tabelle III), daß von einem regelmäßigen Vorkommen von Mikro- 
organismen in gesunden Stachelbeerfrüchten wohl keine Rede sein 








O. Marcus: 


kann. Dies schließt jedoch nicht aus, daß gelegentlich durch den Stich 
saugender Insekten oder ähnliche Ursachen hervorgerufene Infektionen 
doch Vorkommen können (vgl. dazu unten S. 31). Die Angaben von 
Romwalter und von Kiräly (36), wonach Stachelbeeren regelmäßig 
Hefen enthalten sollen, fanden sich nicht bestätigt. 

Pyru8 communis L. (Birne), 

Zwei lagerreife Früchte unbekannter Sortenzugehörigkeit aus der 
Gegend von Homberg, Bez. Kassel, dienten als Versuchsmaterial. Sie 
wurden zunächst mit Leitungswasser gereinigt, sodann mit 70%igem 
Alkohol abgerieben und kurz in der Gasflamme abgeflammt. Mit in Alkohol 
und Flamme sterilisiertem Skalpell wurden dann Fruchtfleischpartien frei- 
gelegt und daraus mit nochmals sterilisiertem Skalpell je Frucht neun 
Proben entnommen, die in Reagensgläser mit verschiedenen Nährböden 
gebracht wurden,' je Frucht entfielen: 

Zwei Proben mit je zwei Impfungen auf Bierwürze -Agar = 4 Impfungen 
Zwei Proben mit je zwei Impfungen auf Bierwürze .... = 4 Impfungen 
Zwei Proben mit je zwei Impfungen auf Kürbissaft -Agar = 4 Impfungen 
Zwei Proben mit je zwei Impflingen auf Bohnenbrühe = 4 Impfungen 
Eine Probe mit je zwei Impfungen auf Bohnenbrühe- 

Gelatine = 2 Impfungen 

1 8 Impfungen 

Kontrollproben von ungereinigten Schalestücken wurden auf Bierwürze, 
Kürbissaft-Agar imd Bohnenbrühe -Gelatine ausgelegt. 

Als Ergebnis des Versuchs (Tabelle IV) konnte festgestellt werden, 
daß sämtliche Proben aus dem Innern steril blieben und sich auch nach 
mehreren Wochen noch keine Entwicklung von Mikroorganismen zeigte. 
Dagegen wiesen die Kontrollproben (ungereinigte Schalenstücke) 
beträchtliches Pilz- und Bakterienwachstum auf. 


Tabelle IV. Versuche mit verschiedenen Früchten. 




Datum 

Früchte von 

Oesamt- 

sahl 

Bak- 

terien 

Hefen 

PU*e 





ZL 

Pr 


% 

■ 

m 


% 

8 

28. VII. 1939 

Prunvs cerasus, reif 

20 

40 

1 

2,6 

3 

7,6 

++ 

0 

14 

23. 

XI. 1939 

Pyrus communis, reif 

Viscum album, reif 

2 

18 


0 

— 

0 


0 

23 

8. 

1.1940 

9 

9 


0 

— 

0 

-f + 

0 

24 

10. 

1.1940 

»f »» 

12 

12 

— 

0 

— 

0 

— 

0 

26 

18. 

1.1940 

Vida faha, Samen reif . . 

6 

6 

— 

0 

— 

0 

— ! 

0 

27 

1. 

II. 1940 

»» »» »» • 

10 

20 

— 

0 

— 

0 

— 

0 

41 

28. 

X.1940 

Crataegus oxyacantha, reif 

12 i 

12 

— 

0 

— 

0 

4 

33 


Mdhis silvestris Mül, (Apfel), 

Oft finden sich in äußerlich ganz gesund aussehenden Äpfeln voll- 
ständig verpilzte Kerngehäuse. Bei frisch geernteten oder erst kurze 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 23 


Zeit gelagerten Früchten ist dieser Pilzbefall auf die Innenseiten des 
Kerngehäuses und die Kerne beschränkt, während das unmittelbar 
angrenze Fruchtfleisch keine Spuren eines Pilzbefalles zeigt Bei un- 
günstiger Lagerung der Äpfel soll aber der Pilz auch auf das Frucht- 
fleisch übergehen können, so daß solche Äpfel von innen heraus zu 
faulen beginnen. 

OsteruxMer beschrieb diese Kernhausfäule und benannte den Pilz, (ler 
sie verursachen sollte, Fusarium putrefaciens. Wollenweber und Reinking 
machten eine Anzahl anderer Fusarium- Axt&n, wie Fus, avenaceum ( = Fus. 
herbarum = Fus, putrefaciens), Fus. latericium, Fus. oxysporum, var. auran- 
iiacum und Fus, Uictis für die Entstehung dieser Fäule verantwortlich. Die 
Infektion soll während der Blütezeit erfolgen, und am meisten gefähidet 
seien Sorten mit lange offenbleibender oder sich gar nicht schließender 
Kelchröhre, wie u. a. Danzigei Kantapfel, Schöner von Boskoop. Appel 
führt Fus, herbarum als Erreger an und erwähnt, daß auch die rote Berga- 
mottebirne leicht befallen werde. 

Bei eigenen Versuchen konnten Altemaria tenuis Nees und Phyl- 
losticta tirolensis Bubdk. aus verpilzten Kerngehäusen sonst restlos 
gesund aussehender Äpfel isoliert werden. Das Fruchtfleisch solcher 
Früchte muß für pilzfrei gehalten werden, da Versuche, den Pilz daraus 
zu isolieren, stets negativ verliefen. Weiter soll hier auf diese Frage 
nicht eingegangen werden, es würde zu weit in das pathologische Gebiet 
hineinführen. 

Einige Bemerkungen über das Verhalten von Altemaria tenuis auf 
verschiedenen künstlichen Nährböden seien hier angeschlossen. Auf 
Bierwürze-Agar bildete der Pilz sehr reichlich Mycel und schritt erst 
nach 8 -12 Wochen, oft auch gar nicht zur Konidienbildung. Auf 
Zwiebel-Agar (100 ccm HgO -f 20 g zerquetschte Zwiebeln + 1,5 g 
Agar) übertragen, blieb die Mycelbildung etwas zurück, aber die Koni- 
dienbildung trat schon nach 14—21 Tagen ein; die Konidien waren auch 
zahlreicher vorhanden und größer als bei den vorigen Kulturen. Wird 
der Pilz aber auf Glycerin- Agar (100 ccm H 2 O + 1,2 g Pepton -f 0,8 g 
Fleischextrakt -f 3,0 g Glycerin -f 1,5 g Agar) übergeimpft, so tritt 
die Mycelbildung gänzlich zurück; es entsteht dann nur ein dem Substrat 
fest auf liegendes farbloses Lager ohne Lufthyphen. Dagegen werden 
aber schon nach 2—3 Tagen sehr zahlreiche und auffallend große 
Konidien gebildet. Die folgende Gegenüberstellung soll diese Ver- 
hältnisse erläutern: 

Abmessungen von Konidien aus Kulturen von Zwiebel- Agar, 30 Tage alt : 


Länge : 

24 

20 

31 

30 

23 

30 

23 

20 

23 

26 

Breite: 

12 

10 

13 

11 

14 

9 

10 

10 

6 

11 

von Qlyotrin-Agar, 30 Tage alt: 








Länge: 

66 

69 

40 

66 

33 

72 

50 

50 

63 

33 

Breite 

17 

16 

16 

19 

16 

21 

17 

16 

27 

14 



24 


O. Marcus : 


Allem Anschein nach wurde der Pilz durch den Glycerin-Nährboden 
sehr geschädigt, denn aus 14 Tage alten Kulturen auf anderen Nähr- 
böden, wie Bierwürze-Agar, übertragene Mycelstücke, wuchsen ge- 
wöhnlich nicht mehr an und auch die Konidien keimten dort nur noch 
in seltenen Fällen aus. Ähnliches Verhalten zeigte AÜemaria auf 
Dextrin- Agar (wie Glycerin- Agar, statt dessen aber 1 g Dextrin). 

Crataegus oxyacaniha L. (Weißdorn). 

Das zur Verfügung stehende Material bestand aus 12 reifen, gesund 
aussehenden Früchten, die im Herbst 1940 am Hainberg (Göttingen) ge- 
sammelt wurden. Die Verarbeitung erfolgte noch am selben Tage. Nach 
äußerlicher Sterilisation der Früchte (Abwaschen mit Leitungswasser, 
gründliches Abreiben mit 70%igem Alkohol und kurzem Abf lammen) 
wurden mit geglühter, noch heißer Nadel Fruchtfleischproben, teils mit 
Kernen, aus dem Innern der Früchte entnommen. Die Proben von .sechs 
Früchten wurden auf Bierwürze -Agar, die der restlichen sechs Früchte 
auf Bohnenbrühe abgeimpft. 

Nach 6 Tagen trat in vier der beimpften Röhrchen Pilzwachstiim 
auf (Tabelle IV, S. 22). Der Pilz konnten in allen Fällen als Clastero- 
sporium obovatum bestimmt werden. 

Daß sich bei der Untersuchung eines umfangreicheren Materials 
ein ähnlich hoher Anteil an pilzbefallenen Früchten ergeben würde, 
kann mit Sicherheit angenommen w^erden. Auch kann bei Berück- 
sichtigung des Baues und der Entwicklung der Früchte ein so hoher 
Prozentsatz an Infektionen nicht sonderlich überraschen. Mikroskopisch 
war der Pilz allerdings nicht zu finden, so daß kaum mit einer sehr 
starken Infektion gerechnet werden kann. 

Prunus cerasus L. (Kirsche). 

Reife Früchte (Sauerkirschen aus dem Garten des Instituts für Mikro- 
biologie in Göttingen) gelangten zur Untersuchung. Nachdem die Schale 
durch Abwaschen mit Leitungswasser, mehrmaliges Abreiben mit 70%igem 
Alkohol und kurzes Abflammen genügend entkeimt war, wurde mit in 
Alkohol und Flamme sterilisiertem Skalpell um die Mitte der Frucht ein 
Schnitt gelegt und die Schale heruntergezogen. I^on dem dar unter liegenden 
Fruchtfleisch wurden mit frisch in Alkohol und Flamme sterilisiertem 
Skalpell je Frucht zwei Proben entnommen und damit Reagensröhrchen 
mit Bohnenbrühe -Agar beimpft (Tabelle IV). 

Nach einigen Tagen entwickelten sich in Proben von drei ver- 
schiedenen Früchten Hefen, in einer Probe ein sporenbildendes Stäbchen 
und in zwei weiteren Fällen PeniciUium glaucum. In den Kontroll- 
versuchen, die mit ungereinigten Schalestücken beimpft waren, beob- 
achtete man reiches Pilz- und Bakterienwachstum, während Proben 
mit gereinigten und sterilisierten Schaleteilen steril blieben. — Bei den 
beiden Infektionen mit PeniciUium glaucum dürfte es sich wohl um 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweihen. 25 


unvermeidbare Fremdinfektionen gehandelt haben, da dieser Organismus 
stets im Laboratorium als Infektion auftrat. Dagegen können das 
Bakterium und die Hefen, die als Infektionen sonst nie beobachtet 
wurden, als aus dem Innern der Früchte stammend betrachtet werden. 
Alle drei Hefen bilden keine Sporen; eine derselben führt rötlichen 
Farbstoff von carotinoidem Charakter und gehört wohl — nach 
Ijodder (19) — zu Rhodotonda glutinis. 

Vicia faba L. (Pferdebohne) . 

Das Material zur I Untersuchung bestand aus reifen Samen der Ernb} 1939 
aus der Umgebung von Homberg, Bez. Kassel. Die Soi te war unbekannt. 

Vor der Verarl>eitung mußten die Samen ül)er Nacht in dest. Wasser 
quellen. Am anderen Morgen wurden sie zwischen Fließpapier abgetrocknet 
imd nacheinander V 2 bis 1 Minute lang in 70%igem Alkohol gelegt und 
dann der noch anhaftende Alkohol abgebrannt. Mit sterilem Skalpell wurde 
ein Teil der Schale entfernt. Von den so freigelegten Kotyledonen wurden 
mit dem noch einmal sterilisierten Skalpell kleine Stückchen in Reagens- 
röhrchen mit Bohnenbrühe bzw. Bohnenbrühe -Agar übertragen; gleich- 
zeitig wurden Kont rollproben mit sterilisierten und ungereinigten Schale- 
stücken angelegt. 

Während in beiden Versuchen die Kontrollproben mit ungereinigten 
Schalestücken Pilz- und Bakterienentwicklung aufwiesen, blieben die 
Kontrollproben mit sterilisierten Schaleteilen steril. Aber auch in den 
Proben der eigentlichen Versuche zeigte sich auch nach Wochen noch 
keinerlei Pilz- oder Bakterien wachst um. Es kann daher angenommen 
werden, daß sich in den Geweben des vorwiegenden Materials keine 
lebenden Mikroorganismen befanden (Tabelle W, S. 22). 

Cucurbita Pepo L. (Kürbis). 

Die zur Untersuchung gelangten Früchte wurden im Garten des 
Instituts für Mikrobiologie in Göttingen in den Jahren 1939 und 1940 
gezogen. Es handelte sich um vollständig gesunci aus.sehende Kürbis.«e von 
3— 34 kg Gewicht, die nach Abernten im Keller gelagert und nach und nach 
untersucht wurden. Drei vor, in und kurz nach der Blüte geerntete Frucht- 
knoten wurden sofort untersucht. 

Die Entnahme der Proben gestaltete sich folgendermaßen: Zunächst 
wurde die ganze Frucht unter der Wasserleitung mit Seife und Bürste 
gereinigt. Nachdem die Schale et'was abgetrocknet war, wurde die Seite 
der Frucht, an der die Öffnung vorgenoirunen werden sollte, mehrmals mit 
70%igem Alkohol abgerieben und der Alkohol abgebrannt. Auf dieser 
Seite wurde eine Stelle von etwa 20 cm Durchmesser mit der Gasflamme 
solange angebraten, bis die äußere Haut aufriß und verkohlte. Tn der 
Mitte dieser Stelle wurde nun mit einem geglühten, noch zischend heißen 
Messer eine runde, etwa 6 cm weite Öffnung in die Frucht wand gesclinitten. 
Durch dieses Loch wurden möglichst schnell mit einer langen sterilen 
Pinzette einige größere Stücke von lockerem Fruchtfleisch mit Kernen 
herausgerissen und in beroitstehenden sterilen Petrischalen aufbewahrt. 
Daraus erfolgte anschließend die tTbertragimg der einzelnen Proben auf die 



26 


O. Marcuö : 


verschiedenen Nährböden. — Um auch Proben von dem festen Frucht- 
fleisch der Fruchtwand zu erhalten, wurde von einer anderen Stelle, die 
nochmals mit Alkohol sterilisiert, aber nur kurz abgeflammt wurde, mit 
dem abermals geglühten und noch heißen Messer ein Stück der Schale 
entfernt; aus dem darunterliegenden festen Fruchtfleisch wurden einige 
dicke viereckige Stücke heraiisgeschnitten und in eine bereitstehende zweite 
sterile Petrischale gebracht. Aus dem Innern dieser Stücke wurden mit 
sterilem Skalpell einige Proben entnommen und diese in Reagensröhrchen 
mit verschiedenen Nährböden übertragen. 

Die untersuchten Fruchtknoten wurden in ähnlicher Weise äußerlich 
sterilisiert wie kleinere Früchte; nachdem sie mit Leitungswasser ge- 
säubert waren, wurden sie für kurze Zeit in 70%igen Alkohol getaucht 
und abgeflammt. Darauf wurde mit sterilem Skalpell die Schale rund- 
herum abgeschält und mit frisch sterilisiertem Skalpell der Fruchtknoten 
gekappt. Mit dem nochmals abgeflammten Skalpell wurden dann die 
Proben aus dem Innern des Fruchtknotens entnommen und in Reagens- 
röhrchen mit Nährböden übertragen. 

Die Ergebnisse dieser Versuche sind zahlenmäßig in Tabelle V 
zusammengefaßt. Daraus geht hervor, daß in sehr großem Umfange 


Tabelle V. Versuche mit Früchten von Cucurbita Pepo. 


Ver- 

such 

Nr. 

Lockeres Fruchtfleisch + Kerne 

1 Festes Fruchtfleisch 

Summe 

aller 

Proben 

Bakterien 

Pllac 

steril 

zusammen 

Bakterien 


steril 

zusammen 

11 

9 



12 

21 




6 

6 

27 

12 

6 

— 

5 

11 

2 


3 

6 

16 

13 

16 

~ 

4 

19 

— 


— 

_ 

19 

16a 

_ 


7 

7 

— 

— 

5 

6 

12 

16b 

2 

— 

G 

8 

— 


3 

3 

11 

17 

8 

— 

13 

21 

1 

— 

2 

3 

24 

18 

5 

-f 

10 

16 

2 

+ 

6 

8 

24 

19 

8 

— 

9 

17 

3 


4 

7 

24 

20 

9 

— 

13 

22 

2 

~ 

G 

8 

.•K) 

21 

— 

1 

20 

21 

— 

— 

— 

— 

21 

39 

— • 

— 

6 

6 

— 


2 

2 

8 

40 

3 


2 

6 

1 


1 

2 

8 

42 

1 

-f 

14 

16 

__ 


6 

6 

22 

43 

5 


26 

30 

— 

+ 

11 

12 

42 

46 

1 

+ + 

9 

12 

2 

+ 

5 

8 

20 

47 

3 


14 

17 

— 


3 

3 

20 

48 

9 

— 

3 

12 

— 


1 4 

4 

16 

49 

4 

1 + 

14 

20 

1 


1 4 

6 

26 

18 

88 

2 

186 

282 

14 

— 

! 70 

87 

369 


31% 

0,7% 

66% 

100% 

16% 

0% 

00 

100 % 


36 

4 

A 

— 

1 

4 

e 

1 Fruo 

htknote 

n vor. 

während 


61 

38 

4 

2 j 

— 

1 

6 

0 

8 

1 und 

kurz nach der Blüte. 


3 

10 

69% 

0% 

7 

41% 

17 

100?^ 





17 

386 


•f Infektionen, die selir wahrscheinlich nicht aus dem Material Btammen (Peniciüium 
glaueim). 




Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 27 


Mikroorganismen in den Früchten nachgewiesen werden konnten; nur 
aus 2 von 21 Früchten ließen sich keine Mikroorganismen isolieren, d. h. 
daß das untersuchte Material zu rund 91% Bakterien und Pilze im 
Innern enthielt. 

In der Hauptsache waren es Bakterien, die sich im Innern der 
Kürbisfrüchte vorfanden, und man konnte hier fast von regelmäßigem 
Vorkommen sprechen; dagegen fanden sich in nur zwei Fällen Pilze. 
Betreffs der Bakterien decken sich diese Befunde mit denen von Miehe. 

Aus der Zusammenstellung der Tabelle V geht aber auch hervor, 
daß sich das lockere Fruchtfleisch im Innern der Frucht anders verhält 
als das feste Fleisch der Fruchtwand. Während sich in 31 % der Proben 
des ersteren Bakterien entwickelten, trat dies nur in 16 % der Proben 
des letzteren ein. Ein entsprechendes Verhältnis zeigte auch die Um- 
rechnung auf die Anzahl der untersuchten Früchte: nur bei 45% des 
Materials konnten Bakterien aus dem festen Fruchtfleisch isoliert 
werden; Pilze fanden sich darin überhaupt nicht. Es handelt sich 
danach offenbar um ein Vorkommen in den Intercellularen, nicht im 
Innern der Zellen. 


Tabelle VI. Versuche mit Früchten von Cucurbita Pepo 
in zeitlicher Reihenfolge, 


Infektionen in % der Proben der jeweiligen Gruppe. % der gesamten 
Infektionen sind auf die Gesamtzahl der Proben des Versuchs bezogen 


Ver- 

Datum der 
Untersuchung 

Fruchtfleisch 

Gesamte 


such 

locker 

fest 

Infektionen 

Ihnierkungcn 

Nr. 




% 

% 

% 


21 

23. 

IX. 

1939 

Ö 

1 

5 


11 

11. 

XI. 

1939 

43 

0 

33 


12 

16. 

XI. 

1939 

55 

40 

50 


13 

16. 

XI. 

1939 

79 

__ 

79 


16a. 

1. 

XII. 

1939 

0 

0 

0 


16b 

1. XII. 

1939 

26 

0 

18 


17 

18. XII. 

1939 

38 

33 

37 


18 

18. 

XII. 

1939 

31 

20 

29 


19 

19. XII. 

1939 

47 

43 

46 


20 

19. XII. 

1939 

41 

25 

30 


36 

18. 

IX. 

1940 

100 


100 

Proben aus dem Innern von 

37 

6. 

X. 

1940 

80 


80 

Fruchtknoten vor, in und nach 

38 

6. 

X. 

1940 

25 

— 

25 

der BlQte. 

39 

6. 

X. 

1940 

0 

0 

0 

Kurz nach der Blüte (Durch- 


6. 

X. 

1040 

50 

50 

50 

messer 8 cm). 

42 

X. 

XI. 

1940 

6 

0 

4 

Unreif geerntet. 

43 

14. 

XI. 

1940 

20 

0 

12 


46 

7. 

XII. 

1940 

8 

25 

16 


47 

13. 

I. 

1941 

18 

0 

16 


48 

23. 

I. 

1941 

75 

0 

56 


49 

Kja 

I. 

1941 

26 

20 

24 








28 


O. Marous : 


Wenn die Mikroorganismen erst während der Zeit der Lagerung 
im Keller in die Früchte eingewandert wären, so hätte sich daraus eine 
mit der 25eit sich steigernde Anzahl infizierter Proben ergeben müssen. 
Ein solche Tendenz ist aber aus der in Tabelle VI gemachten Zusammen- 
stellung nicht zu ersehen. Es muß daher angenommen werden, daß — 
wie auch Miehe folgert — die Kürbisfrucht von vornherein Mikro- 
organismen enthält. 

Die Zählung der Bakterien im Fruchtfleisch liefert wegen ihrer 
durchaus ungleichmäßigen Verteilung innerhalb der ganzen Frucht 
Ergebnisse, die nur für die betreffenden Proben Gültigkeit besitzen 
können, die aber keinesfalls auf die ganze Frucht umgerechnet werden 
dürfen. Selbst durchgeführte Zählungsversuohe führten zu so wider- 
sprechenden Ergebnissen, daß hier auf ihre Wiedergabe verzichtet 
werden kann. 

Einer der isolierten Pilze wurde als Hormodendron olivaceum ( Corda ) 
Bonard bestimmt. Er wächst gut auf Würze- und Kürbissaft -Agar, 
wo er auch schnell fruktifiziert ; dagegen ist sein Wachstum auf CzapeJc- 
Agar wesentlich langsamer. Der andere aus Kürbis isolierte Pilz komite 
als Acrostcdagmus cinnabarinus (Corda) bestimmt werden. Auf Würze - 
Agar wächst er gut und bildet auf der Oberfläche etwas wollige, ziegel- 
rote, mit weißen Lufthyphen durchsetzte Kolonien, während die 
Kulturen auf Kürbissaft -Nährboden eine samtartige und kompaktere 
Oberfläche ohne Lufthyphen aufwiesen. Auf Czapek-Ag&r breitet sich 
der Pilz verhältnismäßig schnell aus, indem er nur ein ganz dünnes, 
lockeres, oben etwas wolliges Lager bildet. 

Die meisten der isolierten Bakterien waren sporenbildende Stäbchen, 
die die Eigenschaften vonBac, vulgatus (mesentericiis) (Migvla) Flügge, 
besaßen; doch erweckten junge, lebende Zellen bei Betrachtung im 
Dunkelfeld den Anschein, als seien sie nur mit zwei Geißeln ausgerüstet. 
Solange aber die Frage der Begeißelung noch nicht endgültig geklärt 
ist, kann diesem Merkmal keine entscheidende Bedeutung beigemessen 
werden. — Nach Burgwitz soll dieses Bakterium der Erreger der Stempel - 
faule bei weiblichen Blüten von Cucurbita Pepo sein, die auch zuweilen 
auf den Fruchtknoten Übergriffe. Da aber beobachtet werden koimte, 
daß in den meisten Fällen die fleischigen Stempel der Kürbisblüten 
durch Fäulnis zugrunde gingen, so läßt sich wohl das häufige Vor- 
kommen dieses Bakteriums im Innern der Kürbisfrucht als eine gewisser- 
maßen unterdrückte Erkrankung der Frucht auffassen; dafür spricht 
auch, daß Bac, vulgatus sich im Innern der Frucht nicht wesentlich zu 
vermehren scheint, was auch aus Tabelle V zu entnehmen ist. In dieser 
Hinsicht wären Untersuchungen über die Abhängigkeit des Vorkommens 
von Bac, vulgatus in Kürbisfrüchten von dem Verlauf der Sommer- 
witterung recht aufschlußreich, denn es wäre denkbar, daß in Jahren 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 29 


mit trockenen Sonnnem, in denen die Stempel der weiblichen Blüten 
meist eintrocknen können, auch das Vorkommen der Bakterien in den 
Früchten geringer wäre. 

In zwei weiteren Fällen wurden gelbe Bakterien isoliert. Sie ent- 
wickelten sich gut auf Kürbissaft -Agar, gelangten aber auf Glycerin- 
Agar in kurzer Zeit zu noch größerer Massenentwicklung. Die in dicker 
Schicht liegenden Kulturen besaßen eine glatte und fettig glänzende 
Oberfläche. Man hätte sie als Mycobacterium luteum bestimmen können, 
doch fehlte ihnen die nach Haag MycohctcteHum von Oorynebacterium 
unterscheidende Eigenschaft, daß ersteres Paraffin als C- Quelle ver- 
werten könne. Er verschwieg aller- 
dings nicht gewisse Beobachtungen, 
denen zufolge Corynebacterium sich 
doch auf Paraffin entwickelt haben 
könnte. Er führte dies aber darauf 
zurück, daß das verwendete Paraffin 
möglicherweise noch andere flüchtige 
Stoffe enthalten hätte. Die beiden 
isolierten Bakterien wurden daher 
zu Corynebacterium gestellt und als 

Oorynebacterium brune.um (Schröher) Abb. 5 , Corynebacterium brvnrum ftus 

Kinhalt u. Berend (Lehmann- Neu- Kürbis, 3 w<>chen alte Kultur auf 

1 . Glycerlu-Agar. 

II, S. 708) bestimmt. BeiFär- Carbol-Oentlana-Violett. VergT. 990 mal. 

bung mit Methylenblau und Carboi - 

Gentiana-Violett bemerkte man im Innern der Zellen 2—3 besonders 
stark angefärbte Körnchen (Abb. 5). Nach Feulgen gefärbt zeigten die 
weitaus meisten Zellen diffuse. Färbung, und nur ein verschwindend 
geringer Teil der Zellen wies Körnung auf. Die Deutung der Beob- 
achtung würde jedoch zu weit führen; die Feststellung möge hier 
genügen. 

Wirkung der einzelnen Nährböden. 

Im Hinblick auf die Angaben von Schanderl (1, 2) über die besondere 
Eignung von Bohnenbrühe -Nährböden (welche Meinung jetzt allerdings 
aufgegeben ist, wie S. 3 gesagt wurde) wäre anschließend die Frage 
zu prüfen, ob die Wahl bestimmter Nährböden die V^ersuchsergebnisse 
entscheidend beeinflußt haben könnte. Wäre dies der Fall, so müßte 
von dem die Entwicklung der Mikroorganismen besonders begünstigenden 
Nährboden gefordert werden, daß er im Durchschnitt wesentlich mehr 
Infektionen aufwiese als andere Nährböden; entsprechend müßte bei 
einem ungünstigen Nährboden die Durchschnittszahl der Infektionen 
bedeutend unter dem Mittel der anderen Nährböden liegen. Tabelle VII 
läßt aber erkennen, daß die am meisten verwendeten Nährböden in 




30 


O. Marcus : 


ihren Durchschnittswerten nicht weit auseinanderliegen. Die beiden 
Bohnenbrühe-Nährböden weisen zum Teil einen geringeren Prozentsatz 
an Infektionen auf als andere gleichzeitig verwendete Nährböden. Da 
aber Schanderl (1) angibt, daß in Bakteroidenform in pflanzlichen 
Geweben befindliche Mikroorganismen sich in flüssigem Bohnenbrühe- 
Nährboden erst zu regelrechten Bakterien regenerieren müßten, ehe 
sie auf festen Nährböden abgeimpft werden könnten, so blieb die Frage 
offen, ob nicht vielleicht steril erscheinende Proben doch lebende Keime 

Tabelle VII. Zahl der Infektionen aus verschiedenartigen 
Früchten auf verschiedenen Nährböden. 


Zusammenstellung aus 35 Versuchen mit zusammen 699 Proben. 


Ver- 

sach 

Wttnse 

Kürbifl«aft 

KOrbiB-AgAT 

BohoenbrOhe 

Bohnenbrühe- 

Agar 

Nr. 


% 


% 


IKl 


% 


% 

1 


0 









4 


0 









6 

1 

3.1 









7 









1 

6 

7a 









1 

8,3 

8 









4 

10,0 

9 

3 

9.4 









10 


0 









11 





9 

33,0 





12 





8 

60,0 





13 





9 

47.2 



3 

16,7 

14 

— 

0 




0 



_ 

0 

16 






4.4 

— 

0 

— 

0 

17 






4.2 

4 

163 

4 

16.8 

18 






12,6 

2 

8.4 

2 

8.4 

19 






16,4 

4 

16.4 

3 

11,6 

20 





2 

6.7 

6 

20,0 

4 

13,6 

23 








0 

— 

0 

24 








0 

— 

0 

26 








0 

— 

0 

27 






0 


0 

— 

0 

28 

— 

0 






0 



36 

2 

60,0 







2 

60,0 

37 




2 

40,0 

3 

60,0 



38 






0 

2 

26,0 



39 






0 

— 

0 



40 






26,0 

2 

26,0 



41 

1 

8,3 





3 

26,0 



42 









4,6 

43 

3 

7,2 




2,4 

2 

4,8 



46 



3 

16,0 


3 

16,0 



47 



. 1 

6,0 



2 

10,0 



48 

3 

18,7 

3 

18,7 



— 

0 

3 

18,7 

49 

2 

8,0 

2 

8,0 


4,0 

1 

msm 

1 

4.0 

67 






— 

01 



Mittel an 36 
Versaohen 

) 8.7 

■ 

11.8 

■ 

16,4 




9,3 

























Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. «31 


enthalten könnten. Daher wurden von augenscheinlich steril gebliebenen 
Proben, die in Bohnenbruhe abgeimpft waren, laufend Proben genommen, 
indem jeweils einige davon mehrere Wochen hindurch aufbewahrt 
wurden. Der flüssige Nährboden zeigte stets während dieser Zeit keine 
Veränderungen, und Versuche, durch Überimpfung von Flüssigkeit aus 
5—6 Wochen alten Proben auf festen Nährböden Bakterien Wachstum 
zu erzielen, verliefen alle erfolglos. Es wäre auch merkwürdig, wenn 
ein Nährmedium, welches die Regeneration von Bakteroiden zu Bakterien 
ermöglicht, die doch auch nur auf Wachstumsvorgängeri beruhen kann, 
dann das Wachstum bzw. die Vermehrung dieser Bakterien verhinderte. 
So ist wohl doch der Schluß berechtigt, daß sich die Wahl der Nährböden 
nicht entscheidend auf die Versuchsergebnisse ausgewirkt haben kann. 

II. Das Verhalten der Mikroorganismen gegenüber Früchten 

und Samen. 

Die Isoliening von Mikroorganismen aus dem Innern von Früchten 
und Samen gab Veranlassung zu Versuchen, die über ihr gegenseitiges 
Verhalten Aufschluß geben sollten. 

Rihes Um crispa L. 

Noch unreife Früchte wurden mit einer Aufschwemmung von aus 
Stachelbeeren isolierter Toruhpsis albida in Würze geimpft. Die Be- 
impfung erfolgte mit einer vorher im Autoklaven sterilisierten Injektions- 
.spritze, die mit ccm-Teilung versehen und der eine Hohlnadel der 
Stärke 20 aufgesetzt war. Jede der Früchte bekam 0,1 ccm der Auf- 
schwemmung injiziert. Nur wenige überstanden diesen Eingriff; die 
meisten fielen schon am folgenden Tage ab. — Die Untersuchung erfolgte 
durch Proben, die in üblicher Weise steril aus dem Fruchtinnem ent- 
nommen und auf Würze bzw. Würze-Agar abgeimpft wurden. War 
die Hefe noch am Leben, so mußte sie dann auf dem Nährboden wieder 
zu sichtbarer Entwicklung gelangen. 

So fand sich in Früchten, die 2 Tage nach der Impfung geerntet 
wurden, die Hefe noch überall am Leben (Tabelle \nLII). Das erwähnte 
Abfallen der Früchte verhinderte eine längere Versuchsdauer. In einem 
zweiten Versuch gelangten zehn Früchte 22 Tage nach der Beimpfung 
zur Untersuchung; sie hatten sich gänzlich normal weiterentwickelt 
und standen vor der Reife. Aus drei der zehn geimpften Früchte ließ 
sich die Hefe wieder isolieren, in den restlichen war sie allem Anschein 
nach bereits abgestorben. 

Prunus cemsus L, 

Die Beimpfung der unreifen Früchte erfolgte in gleicher Weise wie 
bei Rihe^ Um-crispa mit Torulopsis albida. Die Früchte vertrugen die 



Tabelle VIII. Versuche über Lebensfähigkeit von Hefen in einigen Früchten. 


32 


O. Marcus: 



Beimpfung sehr gut, 
wenn sie nicht in zu 
jungem Stadium davon 
betroffen wurden. Die 
Stichwunde vernarbte 
innerhalb einiger Tage, 
und die Früchte ent- 
wickelten * sich ohne 
stärkere Schädigung 
weiter. Die Hefe schien 
aber auch hier keine 
günstigen Lebensbedin- 
gungen gefunden zu 
haben, denn wie aus 
Tabelle VIII ersichtlich, 
starb sie im Gewebe der 
Früchte meist schon 
nach kurzer Zeit ab. 
In den meisten Fällen 
gelang es 15 Tage nach 
Beimpfung der Früchte 
nicht mehr, die Hefe 
daraus zu isolieren. Nur 
in einem Versuch konnte 
die Hefe nach 27 Tagen 
noch aus einer von zehn 
Früchten wieder heraus - 
gezüchtet werden, doch 
schien sie nach ihrer zu- 
nächst langsamen und 
spärlichen Entwicklung 
zu urteilen, in ihrer 
Lebenskraft stark ge- 
schwächt zu sein. Eine 
andere, aus einer Frucht 
von Prunus cerasus iso- 
lierte Rhodotomla war 
wohl etwas empfind- 
licher und konnte nach 
2 Tagen nur noch aus 
wenigen der damit be- 
impften Früchte wieder 
herausgezüchtet werden 
(Tabelle VIII). 



Voikonimen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 33 


Solanum Lycopersicum L. (Tomate), 

Aus Früchten, denen in unreifem Zustand je 0,5 ccm der Auf- 
schwemmung von Toruhpsia cdbida injiziert wurden, ließ sich die Hefe 
nach 40 Tagen aus 5 von 23 Proben isolieren (Tabelle VIII). Bei Öffnung 
der Früchte fielen im Innern des Tomatenmarks weißliche Flocken auf, 
die den Verdacht erweckten, daß sich die Hefe darin vermehrt haben 
könnte; die mikroskopische Untersuchung ließ auch Hefezellen in 
solcher Menge erkennen, daß auf eine starke Vermehrung der Hefe in 
der Frucht geschlossen werden mußte, und auch die daraus entnommenen 
Proben lieferten sehr kräftig wachsende Kulturen. 

Malus silveatris MUL 

Bald nach der Blüte — Anfang Juli 1940 — wurden junge Früchte 
mittels Injektionsspritze (Nadelstärke 20) mit einer wässerigen Sporen- 
aufsehwemmung von Phyllosticta tirolenais^ aus Kerngehäuse von Apfel 
isoliert, beimpft. Die meisten der Früchte überstanden die Beimpfung 
gut und reiften normal aus : der Einstich vernarbte vollständig und war 
an reifen Äpfeln nur noch als ^winziger, etwas rauher Punkt erkennbar. 
Im Oktober gelangten zehn dieser Früchte zur Untersuchung; vier 
davon waren schon im Laufe des Juli abgefallen und solange auf- 
bewahrt worden; sie waren daher stark geschrumpft, im übrigen aber 
noch intakt. Bei ihrer Öffnung waren alle Kemg -häuse verpilzt, jedoch 
hatte sich der Pilz nicht weiter auf das umliegende Fruchtfleisch aus- 
gebreitet. Die restlichen sechs Früchte wurden Mitte Oktober geerntet; 
sie waren normal entwickelt, ausgereift und sahen äußerlich vollständig 
gesund aus. Die Untersuchung wurde einige Tage nach der Ernte vor- 
genommen. Die Kerngehäuse von zwei Früchten waren nur schwach 
verpilzt, während die der anderen starke Pilzentwicklung erkejinen 
ließen. Bei allen aber blieb der Pilz auf das Kerngehäuse beschränkt. 
\"ersuche, den Pilz aus dem an das Kerngehäuse angrenzenden Frucht- 
fleisch zu isolieren, verliefen erfolglos. Auch aus Proben, die dem sich 
von dem weißen Fruchtfleisch als dünne, bräunliche Linie abhebenden 
Stichkanal entnommen wurden und in den nach der Impfung mit 
zurückfließender Impfflüssigkeit Pilzsporen hineingeraten sein mußten, 
ließ sich kein Pilzwachstum erzielen. Ebenfalls waren in mikroskopi- 
schen Schnitten, die aus Teilen des Stiehkanals hergestellt wurden, 
keine Pilzhyphen zu erkennen. Der in. den Kerngehäusen Vorgefundene 
Pilz ließ sich wieder mit Phyllosticta tirolensis identifizieren. 

Sechs gesunden, reifen Früchten wurde um Mitte November 1940 
eine Konidienaufschwemmung in H 2 O von Phyllosticta tirolensis injiziert 
und die Stichwunde mit heißem Paraffin verschlossen. Drei der Äpfel 
wurden bei + 20^ C und drei im Kühlen bei wechselnden niedrigen 
Temperaturen gelagert. Während die drei ersteren schon gegen Ende 
Archiv fttr Mikrobiologie. Bd. 13. 3 



34 


O. Marcus : 


Dezember von innen heraus zu faulen begannen, hielten sich die kühl 
gelagerten Früchte bis Ende Februar und einer davon zeigte erst dann 
äußerlich erkennbare Fäulniserscheinungen. Aus Proben des faulen 
Fruchtfleisches ließ sich stets wieder PhyUosticta tirolenaia isolieren. 
Der Pilz vermag also Fäulnis bei reifen Lagerfrüchten hervorzurufen, 
während er heranreifende Früchte nicht schädigt. 

Cucurbita Pepo L, 

Die hier beschriebenen Versuche knüpfen ebenfalls an Beob- 
achtungen an, die bei den im ersten Teil beschriebenen Versuchen 
gemacht wurden. 

Um das Verhalten von Fruchtfleisch gegenüber Pilzen und Bak- 
terien näher kennenzulernen, wurden aus einer Kürbisfrucht Stücke 
von festem und lockerem Fruchtfleisch möglichst steril herauspräpariert 
und in vorher sterilisierte Erlenmeyerkölbchen gebracht. Der Versuch 
wurde nach folgendem Plan angelegt: 


Festes Frachtfleisch 

Lockeres Fruchtfleisch 

roh 

bei 100® C in Dampf 
abgetötet 

roh 

bei 100® C in Dampf 
abgetötet 

3 Kölbchen 
mit Sporen voi 
olivaceur 

Waol 

2 Kölbchen 

1 Hormodendron 
beimpft 
fitum: 

3 Kölbchen 
mit Sporen voi 
olivaoeur 
Wach 

4“ 

2 Kölbchen 

1 Hormodendron 
% beimpft 

Btum : 

4-4- 

3 Kölbchen 
mit Bacillus v 
Wach 

2 Kölbchen 
ulgatus beimpft 
Lstum : 

+ 4- 

3 Kölbchen 
mit Bacillus vi 
Wach 
4- 

2 Kölbchen 
ulgatus beimpft 

Btum : 

4-4- 

1 Kölbchen un- 
beimpft 



1 Kölbchen un- 
beimpft 


— = nicht; -f = spärlich; = gut. 


Auf den Stucken von rohem, festem Fruchtfleisch konnte weder 
Pilz- noch Bakterienwachstum festgestellt werden, und auch auf dem 
rohen, lockeren Fruchtfleisch war die Entwicklung von Pilz und Bak- 
terium nur recht spärlich, aber doch deutlich. Dagegen bestand zwischen 
abgetötetem festem und lockerem Fruchtfleisch kein Unterschied mehr: 
auf beiden Substraten entwickelten sich Hormodendron olivaceum und 
Bac. vulgaius gut. 

Am 6. Dezember 1940 erhielt eine 2,7 kg schwere Kürbisfrucht eine 
Einspritzung von 2 ccm einer wässerigen Sporenaufschwemmung von 
Uormodeudron olivaceum (Injektionsspritze mit Nadel von Stärke 20). 






Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 35 


Die Stichwunde wurde mit heißem Paraffin verschlossen und die 'Frucht 
weiter im Keller gelagert. Während dieser Zeit zeigten sich keine 
äußeren Veränderungen an der Frucht; sie behielt nach wie vor ihr 
frisches, gesundes Aussehen. Bei ihrer Öffnung konnte aber festgestellt 
werden, daß der Pilz von der Impfstelle ausgehend große Teile der 
Innenfläche besiedelt hatte, in das lockere Fruchtfleisch etwas ein- 
gedrungen war und auch die meisten Samen mit schwärzlichem Basen 
überzog. Auffallenderweise waren alle diese Samen mit langen Wurzeln 
ausgekeimt, während diese Erscheinung in ungeimpften Früchten erst 
viel später und auch dann nur sehr vereinzelt beobachtet wurde. Viel- 
leicht ist hier im Hinblick auf die Angaben von Niethammer (2, 4) über 
die Förderung der Samenkeimung durch Pilze, die Vermutung nicht 
ganz unberechtigt, daß das verfrühte Auskeimen der Samen durch den 
Pilz verursacht wurde. Das feste Fruchtfleisch der Wandung erwies sich 
auch hier als pilzfrei. 

Diese Beobachtung regte dazu an, den Einfluß von Hormodendron 
olivaceum auf die BLeimung von Kürbissamen in besonderen Versuchen 
zu prüfen. 

Als Versuchsgefäße dienten große Petrischalen, die eine Schicht feuchten 
Sandes enthielten tmd in Autoklaven bei -f 120® C sterilisiert wiu*den. 
Das Samenmaterial stammte aus einer hiesigen Gärtnerei. — Um den 
Einfluß etwa in der Samenschale anwesender Hemmungsstoffe auszuschalten, 
mußte diese entfernt werden, zumal auch die Keimung der Samen, denen 
die Samenschale belassen war, so uni egelmäßig verlief, daß keine brauchbaren 
Werte zu erhalten waren. Zu diesem Zwecke mußten die Samen über Nacht 
in Leitungswasser quellen; am nächsten Morgen wurden sie geschält und 
in 0,25%iger Uspulun -Universallösung ^ gelegt, worin sie 1 Stunde lang 
belassen wurden. Anschließend wurden die Samen in sterilem, destilliertem 
Wasser in vier Stufen, jeweils 6, 15, 30 und 60 Minuten nachgespült. Hieran 
schloß sich die gesonderte Behandlung der einzelnen Gruppen an. Die erste 
Gruppe gelangte ohne weitere Behandlung in ihre Versuchsgefäße; die zweite 
Gruppe erhielt zusätzlich ein halbstündiges Bad in unverbrauchter Nähr- 
lösung (^/j Würze). Gruppe 3 wurde mit Sporen von Hormodendron olivaceum 
Stamm 3 beimpft und Gruppe 4 wurde eine halbe Stimde lang (2) in ver- 
brauchter Kultur flüssigkeit, auf der Hormodendron olivaceum Stamm 3 
3 Monate hindurch gewachsen war, gebadet. Jede Gruppe bestand aus 
25 Samen, da die Petrischalen für eine größere Anzahl nicht genügend Raum 
boten. Alle Versuchsgefäße wurden in einem dunklen Raiun bei -f 20® C 
aufgestellt. 

Nach 7 Tagen war die Keimung der Samen so w^eit fortgeschritten, 
daß eine Beurteilung möglich war. Die Entwicklung war bei Gruppe 3 
am weitesten voraus ; ihr folgten der Reihe nach Gruppe 4, 2 und 1 . 
Ein zweiter Versuch wurde in der gleichen Weise , aber mit einer Parallelen 
angelegt. Die Auswertung des Versuchs erfolgte nach 7 Tagen durch 


' Arbeiten der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Limburgerhof. 

3 * 



36 


O. 3iarcus: 


Auszählen und Einireihen der Keimlinge nach deren Größe in vier ver- 
schiedene Entwicklungsstadien, wobei IV das am weitesten vor- 
geschrittene Stadium darstellt. Dabei ergab sich das gleiche Bild wie 
im vorhergehenden Versuch. Die, wenn auch nicht sehr starke, die 
Samenentwicklung fördernde Wirkung des Pilzes und der verbrauchten 
Kulturflüssigkeit trat wieder hervor (Tabelle IX), insbesondere bei 
Gruppe 3 und Stadium IV, also bei den mit Sporen geimpften Samen. 
Im dritten, in dieser Weise durchgeführten Versuch, bei dem Sporen 
von Hortnodendfon olivaceum Stamm 5 und dessen nur 14 Tage alte 
Kulturflüssigkeit Verwendung fanden, konnte nach der gleichen Zeit 
eine Förderung der Keimung durch den Pilz und seine verbrauchte 
Kulturflüssigkeit nicht beobachtet werden, was möglicherweise auf die 
Verwendung eines anderen Stammes des Pilzes zurückzuführen ist. 

Tabelle IX. Beeinflussung der Keimung von Samen von Cucurbita 
pepo durch Hormodendron olivaceum St. 3 und dessen verbrauchte 

Nährlösung. 

Je Schale 26 Kerne. 




Entw icklungastadium 

Schale 

I 

|■|||Q||[||^ 

III 

IV 

Nr. 



% 

■1 

% 


% 


% 

> 1 

a 

16 

64 

3 

12 

4 

16 

2 

8 

b 

20 

80 

2 

8 

3 

12 

— 

0 

^ 1 

a 

18 

72 

2 

8 

2 

8 

3 

12 

b 

19 

76 

4 

16 

2 

8 

— 

0 

3 1 

a 

17 

68 

1 

4 

2 

8 

5 

20 

b 

18 

72 

1 

4 

3 

12 

3 

12 

A f 

a 

16 

64 

7 

28 

1 

4 

1 

4 

* 1 

b 

17 

68 

1 

4 

3 

12 

4 

16 


Schale Nr. 1: nicht zusätzlich weiterbehandelt; Schale Nr. 2: 4- un- 
verbrauchte Nährlösung (Würze); Schale Nr. 3: -f mit Sporen von Hormo- 
dendron besät; Schale Nr. 4: 4- verbrauchte, 3 Monate alte Nährlösung von 
Hormodendron olivaceum St. 3. 

Auch mit Gelbhafer (von Lochows Flämingsgold) der Ernte 1940 
und dem daraus isolierten Hormodendron chlorinum var. nigrovirens und 
dessen 14 Tage alter Kulturflüssigkeit wurde ein solcher Versuch an- 
gelegt. Es zeigte sich, daß der Pilz und seine Kulturflüssigkeit die 
Keimung des Hafers. in keiner Richtung zu beeinflussen vermochten. 

Besprechung der Ergebnisse. 

Wenn sich die vorliegenden Untersuchungen auch nur auf eine 
verhältnismäßig geringe Anzahl von Samen von Früchten nur weniger 
Pflanzenarten beschränkten, so zeigten sie doch, daß sich daraus ver- 






Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 37 


schiedene Mikroorganismen isolieren lassen (Tabelle X) und daß, wie 
die unter jedem Pflanzennamen in ( ) beigefügten Zahlen zeigen, das 
Vorkommen häufig als regelmäßige oder fast regelmäßige Erschei- 
nung angesehen werden muß. Es kann wohl auch kein Zweifel darüber 
bestehen, daß sich bei weiteren Untersuchungen unter Einbeziehung 
noch umfangreicheren Materials noch weitere Pilz-, Hefe- und Bak- 
terienarten aus Früchten und Samen isolieren lassen, worauf auch ver- 
schiedene Literaturangaben hinweisen. Von den hier isolierten Mikro- 
organismen fanden sich aber die jeweiligen Arten meist so unregelmäßig 
und in so geringem Prozentsatz in den Früchten vor, daß sie nicht als 
Symbionten angesprochen werden konnten, wie es einige Autoren tun 
zu müssen glaubten; und auch dort, wo nahezu regelmäßiges Vor- 
kommen beobachtet wurde, wäre eine solche Annahme durch nichts 
gerechtfertigt. 

Diese Ansicht kann auf mannigfache Weise begründet werden, 
ohne daß hier eine eingehende Analyse der einzelnen Erscheinungen 
vorgenommen werden soll. 

1. Einmal finden sieh in Früchten von Pflanzen gleicher Art und 
Herkunft verschiedenartige Mikroorganismen. Bei den von mir unter- 
suchten Fällen fand sich nur beim Kürbis eine Art, B. mlgatus^ durchaus 
vorherrschend und in 91 % der untersuchten Früchte, also auch nicht 
in allen Fällen. Dieses Vorkommen ist jedoch nach den unter 4. vor- 
gebrachten Gesichtspunkten zu deuten. Im übrigen zeigte sich l>ei den 
aus der Gegend von Göttingen und Kassel untersuchten Wacholderbeeren 
ein Pilz, Hormodendron chlorinnm var. nigroi'irens, als verhältnismäßig 
vorherrschend und in 20% der untersuchten Beeren vorhanden. Aber 
es fand sich auch ein anderer Pilz, und Beeren wieder anderer Herkunft 
ergaben den erwähnten Pilz nicht, sondern andere Arten; eine kroatische 
Probe zeigte sogar überhaupt keine Infektion. Endlich zeigt auch das 
100%ige Vorhandensein von Pilzen in Getreidefrüchten ein durchaus 
wechselndes Bild in der Artenzusammensetzung. 

2. Zweitens handelt es sich in gewissen Fällen zweifellos um Infek- 
tionen von Pflanzengewebe, die man nicht als voll lebensfähig ansehen 
kann. Das trifft insbesondere für die Gmtntwfm- Früchte zu, in denen 
der Pilz nur in den Geweben der Fruohtschale vorkommt, das eigentliche 
Samengewebe, Aleuronzellen, Zellen des Keimlings und des Mehl- 
körpers aber streng meidet. Die Infektion dürfte auf eine ähnliche Stufe 
zu stellen sein wie das bekannte Auftreten von Schwärzepilzen auf 
Getreide. Sie können als mehr oder weniger zufällige Ansiedlungen 
aufgefaßt werden. Der Umstand, daß die Pilze, w ie oben erwähnt, bei 
älterem Saatgut augenscheinlich abgestorben waren, dürfte weiterhin 
darauf hinweisen, daß die Pilze in dem absterbenden Gewebe keine 
zusagenden Bedingungen mehr finden, w'as zw'eifellos ebenfalls gegen 
die Auffassung eines engeren symbiontischen Verhältnisses spricht. 



0. Marcus: 




von mir nach Angaben anderer Autoren 


Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 39 



In ( ) unter dem Pflanzennamen <lie Häufigkeit der festgestellten Infektion. 

Zeichen: — = nichts gefunden; ^ = vereinzelt gefunden; O = oft gefunden; x = fast regelmäßig gefunden; 

® = regelmäßig gefunden. 





40 


O. Marcus : 


3. Drittens zeigt die Tatsache, daß es möglich ist, z. B. Hefen in 
Früchte künstlich einzuführen, wo sie eine gewisse Zeit am Leben 
bleiben können, daß durch ähnliche Vorgänge in der Natur (Insekten- 
stiche) durchaus Mikroorganismen namentlich in süße Früchte über- 
tragen und hier bisweilen aufgefunden werden können. Ein festgestelltes 
Vorkommen ist also ohne engeres Verhältnis verständlich. 

4. Viertens aber ist ein Teil der hier beobachteten Fälle zweifellos 
mehr oder weniger vom Gesichtspunkt einer parasitären Erkrankung 
(Grenzfälle des Parasitismus) aus zu betrachten. Man wird hierzu — 
im weiteren Sinne, falls man nicht von zufälliger Ansiedlung sprechen 
will — auch das V’orkommen von Pilzen in den Früchten der Oramineen 
rechnen können, auch wohl den Pilzbefall der Juniperus- und Crataegus- 
Beeren. Aber noch eindeutiger werden die Verhältnisse im Falle des 
Bakterienvorkommens im Kürbis, wo der Zusammenhang mit einem 
Parasiten der Blütennarbe offen daliegt. Und weiterhin zeigt das 
Beispiel der Phyllosticta tirolensis im Apfelkemgehäuse, daß ein Schäd- 
ling reifer Lagerfrüchte in den heranreifenden Früchten als harmloser 
Mitbewohner vorhanden sein kann. Es sind eben Fälle einer ver- 
zögerten oder unterdrückten Erkrankung. Man hat ja auch bei extremen 
Parasiten ähnliche Beispiele, W’ie beim Weizen- und Haferflugbrand 
(Ustilago tritici und avenae). 

Zusammengefaßt ergibt sich also aus den vorliegenden Unter- 
suchungen durchaus kein Hinweis auf eine weite oder sogar allgemeine 
Verbreitung endophytischer Symbionten. Dabei sei noch darauf hin- 
gewiesen, daß ja gerade Bakterien, die in dieser Hinsicht besonders 
beachtet wairden, in den vorliegenden Untersuchungen gegenüber Pilzen 
durchaus zurüektreten. 

Es fragt sich noch, warum der eingedrungene Mikroorganismus 
nicht als Schädling zur Entwicklung kommt, wobei von der Wirkung 
etwa vorhandener thermostabiler Gifte wie Anemonin u. dgl. (vgl. oben 

S. 6) abgesehen sei. Wenn sich Mikroorganismen auf Stücken von 
gesundem Fruchtfleisch, etwa von Kürbis oder Apfel, nicht recht 
entwickeln, so könnte an Nahrungsmangel oder an das Vorhanden- 
sein bzw. die Bildung thermolabiler mikrobicider Stoffe seitens der 
Pflanze gedacht werden. In beiden Fällen würde Erhitzen des Frucht- 
fleisches einen günstigen Nährboden schaffen können, wie wir es 
tatsächlich beobachten können. Diese Dinge lassen sich im Augen- 
blick jedoch schwer übersehen. Denn einerseits gibt Dold eine erst 
durch Wundreiz entstehende Wirkung des „Wundsekretes“ an. Dann 
läge also kein Grund vor, daß die in den Kürbis eingedrungenen 
Bakterien sich nicht stärker entwickeln sollten, wenn also die mikro- 
bicide Eigenschaft dem intakten Fruchtfleisch fehlte. Andererseits geht 
aus den Angaben von Söding hervor, daß gewisse Bakterien im unver- 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 41 


letzten Blatt bald absterben, an Wundstellen und im Preßsaft dagegen 
wachsen. Man sieht, aUgemein Gültiges läßt sich zur Zeit über diese 
Dinge noch nicht aussagen, zumal die vorliegenden Untersuchungen zu 
dieser Frage keine besonderen Beiträge bringen, da der Gang der Unter- 
suchungen zunächst anders gerichtet war. Es läßt sich eben nur sagen, 
daß bei parasitären Erkrankungen bzw. beim Vorkommen von Mikro- 
organismen im lebenden Pflanzengewebe Gleichgewichte mannigfacher 
Abstufung bestehen werden, die in jedem Einzelfall zunächst einmal 
einer genauen Analyse unterzogen werden müßten. 

Noch auf einen Punkt sei hier aufmerksam gemacht. Bei den von 
mir untersuchten Fällen handelt es sich in der Hauptsache um fleischiges 
Gewebe von Früchten, dem man vielleicht keine so große Widerstands- 
kraft gegen das Eindringen eines Mikroorganismus zusprechen kann wie 
etwa den Zellen der Blätter oder der Samen. Soweit ich solche unter- 
sucht habe (Samen von Vicia Faha, Oramineen innerhalb der Frucht - 
schale) fand ich ja auch keine Mikroorganismen. Es müßte aber noch 
Material über diese Frage beigebracbt werden, zumal Niethammer das 
Vorkommen von Pilzen in den Aleuronzellen von Getreide -Früchten 
angibt, was ich indessen niemals beobachten konnte. Auch weitere von 
Niethammer erwähnte Befunde über das Vorkommen von Pilzen in 
Samen (vgl. S. 2/3) wären zu überprüfen, zumal die Angaben über die 
Isolierungen meist zu kurz sind. 

Nun muß aber noch die entgegengesetzte Seite des Vorkommens 
von Mikroorganismen in Früchten kurz erörtert werden. Wenn nämlich 
die beobachteten Mikroorganismen auch keine spezifischen Begleiter im 
Sinne einer wirklichen Symbiose sind, so schließt das keineswegs aus, 
daß sie nicht gewisse für die Pflanze nützliche Wirkungen entfalten 
können. Es würde sich dabei in erster Linie um eine Beeinflussung der 
Samenkeimung handeln, wie sie das oben beschriebene Auskeimen der 
Kürbissamen im Innern einer intakten, aber mit Hormodendron infi- 
zierten Frucht und die Angaben von Niethammer zeigen (besonders 
altes Saatgut soll in seiner Keimung durch Pilze gefördert werden). 
Ebenso ist bekannt, daß manche Samen erst nach längerer ,, Rotte“ im 
Boden keimen. Sie werden sich hier nicht der Einwirkung von Mikro- 
organismen entziehen können, und die Annahme einer gegebenenfalls 
auch nur gelegentlichen Förderung durch Mikroorganismentätigkeit 
Hegt durchaus nahe, ebenso aber auch, daß es sich dabei nicht um 
spezifische Wirkungen zu handeln braucht ; es kann ja auch die Keimung 
von Samen von Mykorrhiza -Pflanzen durch gewöhnliche Schimmel- 
pilze gefördert werden (Freisieben) ; und für eine Förderung der Samen- 
keimung allgemein werden zweifellos viele der im Boden vorkommenden 
Mikroorganismen in Frage kommen können. Im einzelnen kann es sich 
dabei um folgende Möglichkeiten handeln: 



42 


O. Marcus : 


1. Lieferung wachstumsfördemder Stoffe durch den Mikro- 
Organismus, bei Mykorrhiza-Pflanzen verwirklicht. 

2. Zerstörung keimungshemmender Stoffe in der Samenschale 
oder anderen Teilen von Samen und Frucht (oder auch im Boden 
vorkommender). Daß dieser Fall verwirklicht sein wird, kann kaum 
bezweifelt werden. 

3. Zerstörung derber, die Keimung hemmender Zellwandschichten, 
wie z. B. von den Samen von Symphoricarjms angegeben ist (Pfeiffer). 

Wenn also auch gesagt wurde, daß solche Erscheinungen wohl 
kaum durch spezifische Mikroorganismen durchgeführt werden, so ist 
doch darauf hinzuweisen, daß eine gewisse Begleit -Mikroflora von 
Früchten und Samen regelmäßiger auftreten kann, wie Niethammer 
glaubt. Danach handelt es sich um die Mikroflora des Standortes 
(Bodens), da sie die gleichen Arten hier und in Früchten fand. Man 
wird das für möglich halten dürfen, muß aber wohl umfangreicheres 
Material und eingehendere örtlich -ökologische Untersuchungen (vgl. 
oben S. 13 bei Juniperus) abwarten. Die von Niethemmer gegebenen 
Listen der Mikroflora unterscheidet sich von den von mir festgestellten 
Arten stark (Tabelle X). Kein einziger der von ihr angegebenen Pilze 
wurde von mir gefunden, insbesondere B. keine einzige Mucorinee. 
Natürlich kann nicht gesagt werden, ob die Boden-Mikroflora in beiden 
Fällen so stark verschieden war; man hat fast den Eindruck, daß 
die Arten von Niethammer etwas zahlreich sind und vielleicht doch 
nicht alle als wirkliche Begleiter von Früchten (d. h. deren innerer 
Teile) anzusprechen seien. 

Bei meinen eigenen Untersuchungen ist es jedenfalls auffallend, 
daß Hormodendron chlorinum var. nigrovirens bei Juniperus des Göttinger 
und Kasseler Standortes vorherrschend war; diese Art erscheint aber 
auch in einem Falle bei Avena vom gleichen Standort. Eine noch 
häufigere Form ist AUemaria tenuis, die bei Juniperus, Triticum, 
Hordeum, Malus, gefunden wurde, bei Triticum und Hordeum dazu als 
häufig vertretener Pilz. Es erscheint demnach durchaus möglich, daß 
sich gewisse Arten vermöge ihrer Konstitution besonders als Früchte - 
Begleiter eignen; aber auch hier könnten nur ausgedehnte Unter- 
suchungen völlige Klarheit schaffen. Ob dabei Wirkstoffe der Früchte 
eine Rolle spielen [vgl. Nielhammer (5)], läßt sich ebenfalls nur auf 
Grund ausgedehnter Untersuchungen entscheiden. 

Zweifellos aber wird man das Zusammenleben von Mikroorganismen 
mit höheren Pflanzen nicht zu eng nur vom Gesichtspunkt einer vollen- 
deten Symbiose aus sehen dürfen, sondern man wird nach Zusammen- 
hängen weiteren Ausmaßes und geringer Spezifität suchen müssen. 



Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 43 


Zusammenfassung. 

Aus dem Innern gesunder Früchte konnten Pilze, Hefen und 
Bakterien isoliert werden. 

In Früchten von Cucurbita pepo fand sich in 91 % der Früchte 
BoiciUus vulgatus, der aber als Parasit der Blütennarbe bekannt ist und 
von dieser aus offenbar in die Frucht eindringt, ohne sich jedoch in 
dieser stark zu vermehren. 

Die Früchte der Getreidearten zeigten in allen Fällen Pilze ver- 
.schiedener Artzugehörigkeit, aber nur außerhalb der Samenschale, nie 
in Zellen der Aleuronschicht, des Keimlings oder des Mehlkörpers. 

Sehr hohen Pilzbefall, mit verschiedenen Arten, zeigten die Beeren 
von Juniperus und Crataegus ; der Grad des Befalls wechselte aber sehr 
stark bis zur völligen Sterilität bei einer Herkunft. 

Samen von Vicia Faha waren frei von Mikroorganismen, ebenso 
Früchte von Viscum und Fruchtfleisch von Pyrus und Malus, während 
im Fruchtfleisch von Prunus cemsus und Ribes Uva-crispa in geringem 
Ausmaße Hefen und Bakterien gefunden wurden. 

In Früchte eingeimpfte Hefen blieben eine gewisse Zeit am Leben, 
insbesondere Toruhpsis albida in Solanum lycopersicum. In der Natur 
können Hefen also durch Insektenstiche gelegentlich in Früchte gelangen 
und dort auf gefunden werden. 

Es ist möglich, aber durch umfangreichere Untersuchungen noch 
streng zu beweisen, daß die aufgefundenen Mikroorganismen solche des 
natürlichen Standortes (Bodens) sind. Ebenso erscheint es möglich, 
daß die Begleiter von Früchten bei der Samenkeimung gewisse fördernde 
Wirkungen ausüben können, w ie Niethammer annimmt, und auch hier 
in einem Falle wahrscheinlich gemacht werden konnte. 

Solche Erscheinungen sind aber kaum spezifischer Natur, und alle 
in den vorliegenden Untersuchungen beobachteten Fälle haben mit 
einer eigentlichen Symbiose nichts zu tun, sondern können als zufällige 
Ansiedlungen bzw. als gehemmte oder unterdrückte Infektionserkran- 
kungen (Grenzfälle des Parasitismus) angesehen werden. 

Mit Rücksicht auf die Möglichkeit fördernder Wirkungen der 
Mikroorganismen auf die Samenkeimung und die Häufigkeit des Vor- 
kommens von Mikroorganismen in Früchten wird man die Frage des 
Zusammenlebens nicht zu eng auf eine eigentliche Symbiose einstellen 
dürfen, sondern nach Zusammenhängen weiteren Ausmaßes suchen 
müssen. 

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44 O. Marcus : Vorkommen von Mikroorganismen in pflanzlichen Geweben. 


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(Aus der Mikrobiologischen Abteilung des Instituts für Biochemie und 
Nahrungsmittelchemie der deutschen Technischen Hochschule, Prag.) 


Hefen sowie mikroskopische Pilze ans Blüten, 
ferner von Samen und Früchten. 

Von 

A. Niethammer. 

(Eingegangen am 28, Januar 1942.) 

Begründung der Untersuchungen und Angabe des Arbeitsgangeg. 

Die hier mitgeteilten Versuchsergebnisse sollen einen Beitrag dazu 
liefern, welche Arten von Hefen sowie von mikroskopischen Pilzen im 
Nektar, in den Blüten, ferner an Samen und Früchten heimischer 
Garten-, Wiesen- und Feldpflanzen zu finden sind. Gleichzeitig wurde 
auch der Frage nachgegangen, inwieweit auch im Innern von Früchten 
bzw. Samen, ohne auf pathologische Erscheinungen einzugehen, pilzliche 
Mikroorganismen anzutreffen sind. Ebenfalls zu prüfen ist, inwieweit 
die Samen in der intakten Fnicht keimfrei sind. 

Die Blüten wurden in den Monaten Mai bis Juli g^feammelt, und 
zwar teils in der Umgegend Prags, teils im botanischen Garten der 
Karls -Universität. Im Laboratorium wurden sie 24 Stunden unter Glas- 
glocken bewahrt. Durch leichten Druck mit dem Finger ^mrde aus den 
Blüten der Nektar in Form kleiner Tröpfchen gequetscht und mit 
sterilen Nadeln auf die Nährsubstrate übertragen. In manchen Fällen 
wurde auch mit einem sterilen Skalpell ein kleiner Teil des Blüten- 
bodens auf die Nährsubstrate gegeben. 

Bei den Früchten und Samen war die Auswahl des Materials sehr 
wichtig. Normale Handelsware kommt im allgemeinen nicht in Frage. 
Die Proben wurden teils selbst gesammelt, teils wurden sie uns von 
verläßlichen Züchtern oder Gärtnern überlassen. Die Samen und 
Früchte wurden mit Alkohol gereinigt, mit sterilem, destilliertem 
Wasser gewaschen, um die zufällig anhaftenden Mikroorganismen zu 
beseitigen. Die fleischigen Früchte wurden mit dem ausgeglühten 
Messer auf geschnitten. Stücke des Fruchtfleisches aus den inneren 
Partien, sowie die unter sterilen Bedingungen entnommenen Samen 
dienten der Untersuchung. Harte Früchte und alle Samen müssen 
1 Stunde unter sterilen Bedingungen in Wasser bei etwa 18^ quellen. 
Dann wurden mit dem ausgeglühten Messer Schnitte von Schale und 
Kern hergestellt, die gesondert in die Nährsubstrate gelegt wurden. 

Mit dem Studium der Mikroorganismen des Nektars, insbesondere 
der Hefen, haben sich früher bereits u. a. HauUnann, Zinkernagel und 



46 


A. Niethammer : 


Niethammer befaßt. Hautmann beschäftigte sich nur mit einer Art, 
dem ArUhmyces Jßeukaufii. Zinkemagd isolierte sehr verschiedene 
Hefen, ohne aber eine systematische Einreihung vorzunehmen. „Niet- 
hammer wies neben Hefen auch auf andere mikroskopische Pilze hin. 

Über das Vorhandensein von Hefen sowie mikroskopischen Pilzen 
an und in Samen bzw. Früchten hat Niethammer ebenfalls wiederholt 
berichtet. Ihre Untersuchungen lassen vermuten, daß auch im Innern 
gesunder Samen und Früchte Mikroorganismen zugegen sein können. 
Sie müssen nicht immer vorhanden sein. Dafür spricht die Arbeit von 
K, Rippel, die beweist, daß im Innern gesunder Weintrauben keine 
Mikroorganismen anzutreffen sind. Hefen und mikroskopische Pilze, 
die den aus der Natur unmittelbar entnommenen Samen bzw. Früchten 
anhaften, interessieren naturgemäß auch. 

Die Rohkulturen zur Heranzucht der Mikroorganismen wurden in 
Bierwürze (4® Ball.), Hefewasser mit 2% Glucose (Henneberg) und auf 
Bierwürze, sowie Hefewasseragar (1,5% Agar-Agar) hergestellt. Zur Rein- 
kultur wurden zunächst die gleichen, zur näheren Charakteristik auch 
Spezial -Nährböden benutzt. Zum Studium des Wachstumsbildes dienten 
reine Zucker lösungen. 

Zusammensetzung der Zuckerlösungen: 2% Saccharose oder Glucose, 

0,1% (NH4)2S04, 0,01% KH2PO4, 0,01% MgS04. 

Das Farbenspiel der Kultiu'en wurde in der WoeUje-ldöHung verfolgt. 
Lösung nach Woeltje: 7,5% Saccharose, 1% Asparagin, 0,5% KH2PO4, 
0,25% MgS04, dest. Wasser. 

Penvoznansky machte aufmerksam, daß viele Hefen und auch mikro- 
skopische Pilze, besonders solche mit schwacher oder fehlender Gärkraft, 
Chinasäure als C- Quelle verwerten können. Dabei können interessante 
Verfärbungen von Substrat und Pilz verzeichnet werden. Chinasäure- 
Nährlösung nach Perwoznansky : 2 g Chinasäure, 0,1 ccm 20%iger NH,- 
Lösung, 0,03 g KH2PO4, 0,15 g MgS04, 0,003 g FeClg, NagCO., bis zur 
Neutralisation gegen Lackmus. Dazu 1,5% Agar-Agar. 

Im Anschluß an die auf Chinasäure igar gewonnenen Erfahrungen 
wurde das Gärvermögen der Hefen und anderer hier gut gedeihender Mikro- 
organismen geprüft. Für diese Zwecke bedieixi^;. wir uns wieder des Hefe- 
wassers, das jeweils einen 2%igen Zusatz von Glucose oder Saccharose 
erhielt. Die Beobachtung erfolgte in Einhorn -Gärröhrchen. Das Sporen- 
bildungsvermögen der Hefen wurde auf Gipsblöcken und Kartoffel scheiben 
verfolgt (vgl. F, Wagner). In manchen Fällen bewährte sich auch Bierwürze - 
oder Chinasäureagar. Perithezienbildung glückte bei manchen Ascomyceten 
auf Bierwürzeagar. Unsere frühere Beobachtung bestätigte sich wieder, 
daß frisch aus der Natur stammendes Material eher Perithezien bildet als 
solches nach einem langen Aufenthalt im Laboratorium. 

In einzelnen Fällen interessierte auch die Wachstumsmöglichkeit auf 
Cellulose- bzw. ligninhaltigem Material. Zu diesen Zwecken dienten Sulfit - 
Cellulose und Holzschliff, wie sie fabrikmäßig hergestellt werden. Zur 
Befeuchtung diente eine nach Stopp hergestellte Nährlösung. Nährlösung 
nach Stopp: Leitungswasser 1000, (NH4)2S04 0,5, KH2PO4 0,25, 

Mg S O4 • 7 Hg O 0,1 -f- Hg S O4 bis zur schwach -sauren Reaktion, pn etwa 6,0. 



Hefen sowie mikroskopische Pilze aus Blüten. 


47 


Die Kulturen fanden bei 26® Aufstellung in einem Brutschrank. 
Gelegentlich wurden zum Vergleich niedrigere oder höhere Temperaturen 
geprüft, ohne einen besseren Erfolg zu haben. Die Gänmg wurde bei 20 
und 26® verfolgt. 

Die festen Nährböden gelangten in Petri-Schalen und Reagenzröhrchen 
zur Anwendung. Dies gilt auch für Sulfitcellulose und Holzschliff. Die 
Nährlösimgen reichten wir in 100-ccm-Erlenmeyerkolben und bei den Hefen 
vorwiegend in Freudenreich-Kölbchen. Die Gipsblöcke fanden in kleinen 
Petrischalen Aufnahme. Als Impfmaterial dienten nach F. Wagner stets 
frisch auf Bierwürze gezüchtete Stämme. Die Anfeuchtung der Blöcke 
erfolgte mit Bierwürze. 

Aufzahlung und Beschreibung der isolierten Formen. 

Die Abhandlung der isolierten Mikroorganismen (ausschließlich 
Ascomycetes bzw. Fungi imperfecti) erfolgt systematisch. Wir benutzten 
die von Oäumann gegebene Einteilung, wobei aber in manchen Fällen 
die Erkenntnis neuerer Literatur berücksicht werden muß. 

In der Ordnung der Endomycetales wurde aus der Familie der 
Sa/^cha/romycetaceae , welche die askosporogenen Hefen enthält, kein 
Vertreter isoliert. 

Die Ordnung der Exoascales enthält in der Familie der Candidaceae 
nach den neuesten Einreihungen von Windisch Torulopsis pulcherrifna 
(Lindner) Sarcardo, die nach dem zitierten Autor als Candida pulcher- 
rima bezeichnet wird. Wir wollen die von Lodd,€r bei den anaskospogenen 
Hefen eingereihte Form hier anschließen. Windisch beobachtete die 
Bildung von Ascosporen, die wir nach unseren Kulturen bestätigen 
können. Windisch isolierte sie von Kirschen und Johannisbeeren ^ wir 
von dem steril entnommenen Fruchtfleisch einiger Pfirsiche. 

In Bierwürze sowie auf Bierwürzeagar ist die Vielgestaltigkeit der 
Zellen zu erwähnen (vgl. Windisch). Rasches Wachstum, zunächst wie 
es Lindner (vgl. Lodder) beobachtet, vorherrschend längliche Zellen, die 
sich später beträchtlich vergrößern und abnmden. Bildung einer großen 
oder mehrerer kleiner Fettkugeln in den Zellen. Die typischen ^.pulcher^ 
nwa“-Zellen sind vorhanden. In älteren Kulturen findet man gelegent- 
lich die Bildung von Pseudomycel. Aus den runden Zellen entwickelt 
sich bei neuerlichem Überimpfen wieder eine Generation mit länglichen 
Zellen. Äußerlich erscheint die Kultur auf Bierwürzeagar weißlich 
glänzend, deutlich am Rande gezackt. Fast keine Farbstoff bildung. 
Nach den Angaben von Lodder muß diese nicht allen Stämmen eigen 
sein. In Bierwürze ist nach 48 Stunden ein deutlicher Bodensatz, später 
auch Ringbildung. Glucose und Saccharose werden schwach vergoren. 

Auf Chinasäureagar beginnt das Wachstum nach 24 Stunden. Es 
entsteht ein weißgelber Belag. Der Nährboden ist zunächst hell, bald 
erscheint er rosa. Nach etwa 1 Woche werden Belag und Substrat 
dunkel, noch etwas später schw’arz. Die anfangs länglichen, später 



48 


A. Niethanuner : 


runden Zellen haben sich, wie die mikroskopische Kontrolle lehrt, in 
derbwandige Dauerzellen Verwandelt. Dieser Vorgang dauert etwa 
10 Tage. Einige Tage später bilden diese Zellen in der von Windiach 
beschriebenen Art einen Ascus, in dem 4 bald frei werdende Sporen 
entstehen. Gipsblöcke zeigen nach mehreren Tagen derbe Dauerzellen 
mit viel Fett, aber ohne Sporenbildung. Kartoffelscheiben werden von 
einem gelbweiß-glänzenden Überzug, mit gezacktem, rosa Rand über- 
zogen. Auf Zellstoff und Holzschliff unterbleibt das Wachstum voll- 
kommen. Diese Versuche wurden angestellt, da Melin und Renner feld 
über die starke Verbreitung von Hefen und hefenartigen Pilzen auf 
Holzschliff sowie Zellstoff in Schweden berichten. 


Ordnung Plectaacales, 


Die Familie der Aspergillaceae ist mit verschiedenen Gattungen 
vertreten. 


Geltung Penicillium. 


Aus der Gruppe Monoverticillium wurde P. glaher Wehnier verschiedent- 
lich isoliert. 1. Aus dem steril entnommenen Kerngehäuse von verschiedenen 
Früchten des MeUtts aüvestria. 2. Kern von Corylus Avellana, welcher unter 
sterilen Bedingungen entnommen wurde. 3. Testa, Gurke, Ernte 1938, 
Delikatas, Versuchsfeld, Pflanzenbau, Tetschen-Liebwerd. 4. Samen, 
Glycine Soja, keimfrei der Hülse entnommen. 


Ausgezeichnet durch sehr gutes Wachstum auf Sulfit Cellulose, 
zerkleinerten Haselnußschalen, Hülsen der Sojabohne. 


Die Gruppe Asymmetricum stellt mehrere Vertreter. P. notatum 
WeaÜing wurde isoliert von: 1. Prunus Persica, Kern, steril der Frucht 
entnommen. 2. Blüte, Forsythia suspensa. 3. Testa, Eier- und Rheinland- 
bohne, Ernte 1938, 1939, Tetschen-Liebwerd, Versuchsfeld, Pflanzenbau. 
Auf Bierwürzeagar blaugrüne Decken, typische Radialfalten. Woeltje- 
Lösimg zeigt blaugrüne Decken, gelbe Unterseite und gelbe Nährflüssigkeit. 
Auf den Glucose- oder Saccharoselösungen blaugrüne Decken. Sulfit- 
cellulose läßt blaugrüne Decken entstehen, die aber nur oberflächlich im 
Substrat verankert sind, 

P. lanosum WesÜmg wurde auf Kernen von Vitis vinifera, die steril 
der Frucht entnommen wurden, gefunden. 

Verbreitet ist P. italicum W ebner. Es wurde isoliert von 1. Fruchtsaft, 
steril entnommen, Citrus nohüis. 2. Fruchtsaft, ebenso, Citrus aurantiacum. 
3. Testa Eierbohne 1938, 1939, Versuchsfeld, Pflanzenbau, Tetschen- 
Liebwerd. 4. Testa, Zuchterbse, Haid bei Tachau. Auf Bierwürzeagar ist 
der große, sehr derbe, eckige Konidienträger zu nennen; sie sind auf der 
Platte zu dicken Büscheln angeordnet. Die Konidienfarbe ist stahlblau, 
ln diese Konidiendecke werden kleine rosa und weiße, sterile wie fertile 
Sklerotien gesetzt. Auf Sulfitcellulose entstehen grüne, körneliche Decken. 
Holzschliff ermöglicht keine Entwicklung. Mit Stamm 4 dieser Art führten 
wir wiederholte Impfungen einzelner Konidien durch. Der Konidienträger 
ist in Größe sowie Zahl seiner einzelnen Glieder starken Schwankungen 



Hefen sowie mikroskopische Pilze ans Blüten. 


49 


unterworfen. In einzelnen Fällen können Rami, Ramuli und Sterigmen 
sogar regelmäßig ausgebildet sein. 

Für P. expcmeum Link konnten wir bereits früher Verbreitung auf 
Samen und Früchten angeben. Hier wurde es gleichfalls einige Male isoliert. 
1. Kern, Corylus Aveücma, steril entnommen. 2. Malus silvestris, steril dem 
Fruchtfleisch entnommen. 3. Same Glycine Sqja^ keimfrei der Hülse ent- 
nommen. 4. Pyrua communis , steril dem Fruchtfleisch entnommen. 
5. Rhinanthus minor, steril der Kapsel entnonunen. O.fTesta, Kern, Gurke 
Delikatas, Versuchsfeld, Pflanzenbau, Tet sehen -Lieb werd. 7. Testa BohnCy 
Saxen, ferner Rheinlandbohne, 1938, 1939, gleiche Herkunft. 8. Testa 
Pisum sativum, Posteiberg 1929. Diese Art ist durch die Ausbildung der 
typischen gestielten, oft federförmigen Koremien gekennzeichnet. Diese 
Ausbildungsart ist auf Streifen von Sulfitcellulose sowie zerkleinerten 
Haselnußschalen sehr deutlich. Bei den unter 7 angeführten Stämmen 
verfolgten wir wieder bei unterschiedlichen über Impfungen auf Bierwürze - 
agar die mikroskopische Ausbildung des Konidienträgers. Die Art der 
Verzweigung sowie die Zahl der Stockwerke ist mannigfachen Schwan- 
kungen unterworfen. Typisch ist nur die stets eckige Ausbildung der Teil- 
stücke des Trägers. 

Die Gruppe Symmetricum stellt in P. bicolor Fries einen bekannten 
Vertreter. Er wurde isoliert : 1. Samen,* Lupinu« aUms, steril der Hülse 
entnommen. 2. Samen, Fraxinus excelsior. Die typischen Koremien mit 
gelbem Fuß und grünem Köpfchen fallen auf. Auf Sulfitcellulose sind sie 
in dichten Reihen erkennbar. 

P. elegans Corda, das auf Bierwürzeagar durch seinen hellgrünen, 
samtigen Belag kenntlich ist, wurde einige Male isoliert. 1. Saft, steril 
entnonunen von Citrus nobüis. 2. Fruchtfleisch, steril abgelöst von Vitis 
vinifera. Gelegentlich auch aus Rheinweinen. 3. Testa, Kohlsamen, Ver- 
suchsfeld, Tetschen-Liebwerd. 4. Testa, Eierbohne, Ernte 1938, gleiche 
Herkunft. 5. Fruchtfleisch, steril entnommen, Malus silvestris. Sehr gutes 
Wachstxim auf Sulfitcellulose. In den hellgrünen Decken zahlreiche gelbe, 
meist sterile Sklerotien. In Wodtje-Löf^xing sind die stechend gelben Ab- 
scheidungen in die Flüssigkeit typisch. Hier wie auf der gewöhnlichen 
Glucose- und Saccharoselösung geschlossene Decken. Angenehmer, parfüm- 
artiger Geruch, 

Gattung Gliocladium, 

G. deliquescens Sopp wurde von Samen isoliert, die unter sterilen Be- 
dingimgen der Frucht von Ribes Uva crispa entnonunen waren. Auf Bier- 
würzeagar hellgrüne Lager, die mit zunelunendem Alter in Übereinstimmung 
mit den Angaben von Sopp etwas verschleimen. Der Konidienträger ist 
nach dem Bau eines PenioiUium gestaltet. In Bierwürze erfolgt die Ent- 
wicklung submers. Auf Chinasäureagar tritt deutliches Wachstum ein. 
Das Substrat bleibt hell. Glucose \md Saccharose werden schwach vergoren. 
Nach Sopp soll Bildung von Buttersäiire erfolgen. 

Gattung Acaulium. 

A. atbo-nigrescens Sopp wurde einmal aus dem Nektar der Blüte von 
Prunus Cerasus isoliert. Auf Bierwdirzeagar sind in dem gelblichen Mycel 
die dunklen Perithecien maßgebend. Entspricht den von Sopp gemachten 
Angaben. 

Archiv für Mikrobiologie. Bd. 13. 4 



50 


A. Niethammer : 


Gattung Scopulariopsis. 

S. brcvimule Thom-Bainier wurde ebenfalls einmal aiis der Blüte von 
Prunus cerasus isoliert. Keine Abweichungen gegenüber der Beschreibung 
bei Thom. 

Ordnung Sphaeriales. 

Die Familie M ycospha^rellaceae ist durch Sphaendina intennixta 
und Mycosphaerella Tulusnei hier vertreten. Sphaerulina intermixta, 
deren Konidienfomi als Danatium pullulans de Bary bekannt ist, wurde 
sehr oft isolieit. In Blüten und Früchten ist es ein häufiger Begleiter 
der mannigfachsten Hefen. Wir führen nachstehende Isolierungen an: 

1. Blüte, Rihes rubrum, Prag, Garten. 2. Fruchtfleisch, TanuUe, 
ebenda. 3. Prunus Persica, innere Partien des Fruchtfleisches, Garten, 
Leitmeritz. 4. Nektar, Prunus Cerasus, Garten, Prag. 5. Nektar, Trifolium 
pratense. Wiese bei Prag. 6. Nektar, Barbarea vulgaris. Wiese l^i Prag. 
7. Malus silvestris, Nektar, Garten, Prag. 8. Coronilla varia, Nektar, Wald- 
rand unweit Prags. 9. Salvia pratensis, Nektar, Wiese unweit Prags. 10. Epi- 
lobiufn angustifolium, Nektar, Waldlichtung bei Prag. 11 . Amica moyUana, 
Blüte, Botanischer Garten, Universität. 12. Testa der Samen, Eierbohne, 
Rheinlandbohne, Gurke Delikatas, Versuchsfeld Pflanzenbau, Tetschen- 
Liebwerd. 13. Samen steril den Früchten von Vitis innifera und Malus 
silvestris entommenn, nicht ausgereift, Melnik. 14. Samen steril der Frucht 
von Pyrus communis, Garten, Prag, entnommen. 15. Kern, unter sterilen 
Bedingungen der unreifen Frucht von Aesculus Hippocastanum entnommen . 

Dieser Pilz, der neuerdings von Bauer in physiologischer Hinsicht 
beschrieben wurde, ist durch seine Vielgestaltigkeit bekannt. Auf Bier- 
würze- und Hefewasseragar entsteht rasch ein gelblich -weißer, schnell 
sich verbreitender, schleimiger Belag. In dieser Wachstumsphase sind 
die hefeartigen Konidien, fädiges Mycel, sowie Sproßmycel zu beob- 
achten. In allen Teilen Speicherung von öltropfen. Nach einiger Zeit 
kann, aber muß nicht immer, ein Nachdunklen der Kultur eintreten. 
Dieser Vorgang kann so weit schreiten, daß der ganze Belag in eine 
glänzende, schwarze Masse verwandelt wird. Die erwähnte Erscheinung 
erfolgt durch die Bildung dunkler Gemmen in Konidien und Mycel. 
sie sind dickwandig und lagern einen dunklen Farbstoff und Fett ab. 
überimpft man auf frisches Nährsubstrat, so entsteht wieder der er- 
wähnte Schleim. Diese Gemmenbildung setzt bei den verschiedenen 
Stämmen ungleich rasch ein und bleibt bei manchen auch aus. 

Die Wachstumsmöglichkeit auf Chinasäureagar w^urde bereits 
früher an dem Erdreich entnommenen Formen geprüft. Diese Prüfung 
fiel damals negativ aus. Die nun isolierten Stämme gehen auf diesem 
Substrat langsam an. Es wird in den meisten Fällen ein erst heller, 
bald nachdunkelnder Belag geformt. Das Substrat bleibt zunächst hell. 
Bei längerer Kiilturdauer tritt dunkle Tönung ein. Den hier isolierten 
Stämmen geht Gärkraft gegenüber Glucose und Saccharose ab. In den 



Hefen sowie mikros)copische Pilze aus Blüten. 51 

Zuckerlösungen werden helle, schleimige Lager ge bildet. Fettabsonderung 
in den Hyphen, schwache Gemmenbildung. Zunehmende Kulturdauer, 
bei Eintrocknen oder Erschöpfung der Nährsubstrate, steigert die Fett- 
absonderung mächtig. Einzelne Stämme schreiten rasch zur Bildung 
der dunklen Perithecien. Bei Stamm 1 wird diese in Gemeinschaft mit 
Fusarium hulhigenum, das der gleichen Blüte entstammt, deutlich 
gefördert. Bierwürzeagar ist für diese Perithecienbildung sehr geeignet. 
Die Perithecien selbst sind wollig, stecknadelkopfgroß, dunkel. Sie 
enthalten die länglichen Asci. Zu erwähnen ist, daß jene Stämme, die 
einen langsamen Aufgang zeigen, dann rasch zur Gemmenbildung 
schreiten. 

Mycosphaerella Tulasnei ist als Konidienform unter dem Namen 
Cladosporium herbarum Fers, bekannt. Diese auch als Schwärzepilz 
bezeichnete Art wurde verschiedentlich isoliert. 

1. Nektar, Malus süvestris, Garten, Prag. 2. Mcdva pusiUat Nektar, 
Botanischer Garten, Universität. 3. Samen, Glycine Soja, steril der Hülse 
entnommen. 4. Kern Corylus Avellana* steril der Frucht entnommen. 
5. Samen, Geranium pratenae, steril der Frucht entnommen. 6. Testa der 
Samen, Eierhohne, Bohne Saxen, Gurke Delikatas, Versuchsfeld, Pflanzenbau, 
Tetschen-Liebwerd, Saaterbse, Haid bei Tachau, Victoria -Fr6«e, Posteiberg. 

Auf Bierwürzeagar eingesenkte dunkle H 5 rphen, darüber ein graues 
Luftmycel. In Bierwürze- sowie Zuckerlösungen submerse Lager. 
Chinasäureagar ermöglicht gutes Wachstum, schwarze eingesenkte 
Lager. Das Substrat nimmt sehr allmählich eine dunkelgrüne Tönung 
an. In den Hyphen Absonderung kleiner öltropfen. Gärkraft gegen- 
über Glucose und Saccharose ist nicht vorhanden. 

Cellulosehaltiges Material wird gern besiedelt und ermöglicht die 
Ausbildung schwarzer Lager mit darüberstehendem Luftmycel. Wir 
nennen Sulfitcellulose, Hülsen von Glycine Soja, zerkleinerte Haselnuß- 
schalen. In Keimversuchen erkannten wir die Entwicklung dieser Pilze 
auf den entleerten Samenschalen. 

Sklerotienbildung tritt auf allen benutzten Nährböden leicht ein. 
In einzelnen Fällen trat auf den entleerten Samen im Keimverlauf 
{Eierbohne, Saaterbse) Perithecienbildung ein. 

Ordnung Hypocreales. 

In der Gruppe Didymosporeae-Dictyosporeae ist VerticiUiusn a^ri- 
cium zu erwähnen, dessen höhere Fruchtform bei Hypomyces steht. 
Diese Art ist an dem Samen von Rhinanthus minor, der steril der 
Kapsel entnommen wurde, gefunden worden. Gelbliche Mycellager mit 
hyalinen Konidien sind zu erwähnen : daselbst entstehen die dunklen, 
runden Perithecien. 


4 * 



52 


A. Niethammer : 


Ordnung Pezizalea, 

Familie Pezizaceae. 

Botrfftis cinerea Kkbahn als Konidienform, ist bei Bildung von 
sterilen und fertilen Sklerotien unter dem Namen SlderoHnia Liber- 
tiana bekannt. 

Isolierungen erfolgten aus Blüten, Fruchten und Samen. 1. Nektar, 
Faraythia auapenaa, Garten, Prag. 2. Nektar, Malus süveatris, ebenda. 
3. Blüte, Spiraea vulgaria, ebenda. 4. Nektar, Salvia pratensia. Wiese, 
unweit Prags. 5. Nektar, Trifolium prcUense, Wiese, ebenda. 6 . Oorylua 
AveUana^ Kern steril der Frucht entnommen. 7. Testa der Samen Eierbohne, 
Rheihlandbohne 1938, 1939, Ourke Delikatas, Versuchsfeld, Tetschen* 
Liebwerd, Pflanzenbau. 8. Samen, steril der Schale von Raphanus Rapha- 
nistrum entnommen. 

Auf Bierwürzeagar Bildung eines grauwolligen Mycels, in dem 
zahlreiche dunkle Sklerotien eingelagert sind. In Zuckerlösungen 
entwickeln sich aus diesen Sklerotien weiße bis graue submerse Lager, 
mit Fetttröpfchen, in den Hyphen. Auf Chinasäureagar entstehen weiß- 
graue Lager, das Substrat bleibt hell. Auf Cellulosestreifen ist das 
Wachstum sehr gut; die Hyphen sind stark verbreitert und führen 
deutlich Oltropfen. Gärkraft gegenüber Glucose und Saccharose ist 
nicht vorhanden. 

Monilia nigra Burri-Staaib wurde aus dem Nektar von Tilia 
pUUyphylloa isoliert. Auf Bierwürze- sowie Chinasäureagar schwarze, 
eingesenkte Lager. Glucose und Saccharose werden nicht vergoren. 
Deutliche Bildung von Gemmen. 

Fungi imperfecti. 

Es wurden zahlreiche Vertreter isoliert. Zunächst wird die Familie 
der Mucedinaceae behandelt. Im Anschluß daran ist ein längerer 
Abschnitt den anaakoaporogenen Hefen gewidmet. Als Schluß sind die 
Familien der Dematiaceae und Tuberculariacea^e angereiht. 

Familie Mucedinaceae. 

Cephalothecium roaeum wurde wiederholt isoliert. 

1. Nektar, Prunus Cerasus, Garten, Prag. 2. Nektar, Malus süvestris, 
ebenda. 3. Samen, sterü der Frucht entnommen, Qeranium pratene, 4. Kern, 
Corylus AveUana, steril der Schale entnommen. 5. Testa der Samen Eier- 
höhne, Bohne Saxen, 1938, 1939, Versuchsfeld, Pflanzenbau, Tetschen- 
Ldebwerd, Zuchterbse Haid. 

Auf Bierwürzeagar eine rosa, leichte Decke. Auf Chinasäureagar 
gute Entwicklung ; das Substrat bleibt hell. Glucose und Saccharose 
werden nicht vergoren. In Zuckerlösungen helle, submerse Lager. 
Auffallend ist die sehr starke Entwicklung auf Holzschliff, welche 
diejenige auf Sulfitcellulose bei weitem übertrifft. 



Hefen sowie mikroskopische Pilze aus Blüten. 53 

Anaskoaporogene Hefen. 

Hier sind mehrere Familien abzuhandeln, wir beginnen mit den 
NeciarovnyceUicecte . 

Nectaromycea oder Anthomycea Reukaufii Orüaa, der von Hautmann 
genau beschrieben ist, stellt eine typische Nektarhefe dai . Wir isolierten 
ihn desgleichen verschiedentlich. 

1. Nektar und später auch Fruchtfleisch Rihes Uva-crispa, Garten, Prag. 
2. Nektar, Trifolium prcUenae, Wiese bei Prag. 3. Nektar, Tüia pkUy- 
phylloa, Park, Prag. 4. Nektar, Salvia pratensis. Wiese bei Prag. ö. Nektar, 
Vioia sativa. Botanischer Garten, Universität. 6. Nektar, Prunus Armeniaca, 
Garten bei Prag. 

Für diesen Pilz ist typisch, daß er seine hefeartigen Zellen so zu- 
sammenfügt, daß sie ein Kreuz bilden. Man heißt dies nach Orüaa und 
Hautmann die sogenannte Kreuzform. Diese typische Gestalt wird 
allerdings nicht immer ausgebildet; man erkennt sie im Nektar und 
in Nährsubstraten, welche diesem in chemisch -physiologischer Hinsicht 
gleichen. In Bierwürze und Hefewasser erkannten wir bei frischen 
Isolierungen ebenfalls die KUeuzform, deren Bildung aber bei fort- 
schreitender Kultur in synthetischen Medien verlorenging. Auf Bier- 
würzeagar sieht man langgestreckte Zellen, die sich zu Verbänden ver- 
einigen. Der Belag ist glänzend weiß. Chinasäureagar ermöglicht nur 
eine schwache Entwicklung. Hefe und Substrat sind braun gefärbt. 
Mit zunehmender Kulturdauer sind in den alten Hefezellen die von 
Hautmann erwähnten Fetteinschlüsse zu sehen. Bildung von derben 
Dauerzellen ist auch möglich. Htmtmann gibt je nach den Stämmen 
wechselndes Gärvermögen gegenüber Fructose, Glucose und Saccharose 
an. Bei unseren Stämmen ist die Gärkraft gegenüber Glucose und 
Saccharose stets schwach. Das Wachstum in diesen Lösungen ist 
immer gut. Auf Gipsblöcken oder Kartoffelscheiben tritt nie Sporen- 
bildung ein; Ablagerung großer Fetttropfen in den Zellen ist zu ver- 
zeichnen (vgl. F. Wagner). 

Die Familie der Rhodotorulaceae ist durch den Besitz eines roten 
Carotinoiden Farbstoffs ausgezeichnet. Rh. glutinis var. rubescens 
(Saito) Lodder wurde einige Male isoliert. 

1. Nektar, Sinapis arvensis, Feld bei Prag. 2. Nektar, Ajuga reptans, 
Wegrand bei l^ag. 3. Nektar, TÜia pkUyphyllos, Park, Prag. 4. Frucht- 
fleisch, Pyrus communis, steril der Frucht entnommen. 5. Blüte, Labumum 
anagyroides, Park, Prag. 6. Testa, Weizenkorn, Feld bei Tetschen-Liebwerd. 

7. Testa, Gurke Delikatas, Versuchsfeld Pflanzenbau, Tetschen-Liebwerd. 

8. Samen, steril der Frucht entnommen. 9. Epüobium angustifolium, 
Waldlichtung bei Prag. 

In Bierwürze rundliche bis ovale Zellen, 4 X 4,5—5 (x, einzeln 
oder zu zweien. Bodensatz, später leichte Ringbildung. Beides rosa 


iy 



54 


A. Niethammer : 


getönt. Auf Bierwürzeagar rötliche bis orangerote, weiche glänzende 
Lager. 

Chinasäureagar ermöglicht sehr starkes Wachstum, rotbraune 
Lager, auch das Substrat wird leicht verfärbt. Keine Gärkraft gegen- 
über Glucose und Saccharose. Das Wachstum ist stets kräftig; Aus- 
bildung typischer, runder Zellen mit einem Fetttropfen, Farbstoff- 
bildung. Auf Gipsblöcken und Kartoffelscheiben unterbleibt die 
Bildung von Sporen ; starke Fettabsonderung in den Zellen. Schwedische 
Forscher (vgl. Melin) fanden Vertreter dieser Familie auf Holzschliff. 
Aus diesem Grunde interessierte es, einmal die Wachstumsmöglichkeit 
dieser Art auf Holzschliff sowie Sulfitcellulose zu verfolgen. Das Wachs- 
tum bei 180, 250 , 300 war stets nur schwach. In diesem Zusammenhang 
erwähnen wir auch eine Isolierung von einem in Mähren hergestellten 
Holzschliff. Die Entwicklung auf dem eigenen Holzschliff war auch 
nicht besser. 

Rh. korallina (Saito) Harrison. In Bierwürze wird ein schleimiger, 
rosa Bodensatz gebildet. Die Zellen sind oval, wurstförmig, gekrümmt. 
Auf Bierwürzeagar rosa bis rote, glänzende, schleimige Lager. Zell- 
gestalt wie oben; Austreibungen sowie Ausbuchtungen der Zellen sind 
nicht selten. Auf Chinasäureagar entstehen braunrote Lager; das 
Substrat wird leicht-braun getönt. Gärkraft gegenüber Glucose und 
Saccharose tritt nicht ein; das Wachstum ist kräftig. In älteren Zellen 
große Fetttropfen. Sporenbildung auf Gipsblöcken oder Kartoffel - 
scheiben tritt nicht ein. 

Diese an sich seltene Art wurde aus dem Nektar von Salvia pratenaia. 
Wiese bei Prag, isoliert. 

Aus der Familie der Torulopsidaceae ist die Unter-Familie der 
Torulopaoideae mit einigen Vertretern zu nennen. 

a) Stämme mit Gärvermögen nach Lodder. 

Torvla utilia Lodder. Bierwürze runde, ovale Zellen, Bodensatz; 
vgl. Lodder. Mit zunehmendem Alter Fetttropfen in den 2iellen. Auf 
Bierwürzeagar Zellgestalt ähnlich, weißgelbe, glänzende Lager. China- 
säureagar zeigt braune Lager und ein ähnliches Verfärben des Substrates. 
Glucose, Saccharose, Fructose werden schwach vergoren. Auf Gips- 
blöcken und Kartoffelscheiben Bildung kräftiger Dauerzellen mit Fett- 
tropfen; nie Sporenbildung. 

Isoliert von 1. Nektar, Tropaeolum mojus, Garten, Prag. 2. Nektar, 
Coronilla varia. Wiese, bei Prag. 3. Blüte von Malva veglecta. Botanischer 
Garten, Prag. 4. Blüte, Arnica montana^ ebenda. 6. Fruchtfleisch, Malua 
aüveatria, steril entnonunen, Garten in Prag. 

T. cöllicida (Hartmann) Sacc. Bierwürzelösung runde bis ovale 
Zellen, einzeln, zu zweien und zu dritt; vgl. Lodder. Durchmesser 



Hefen sowie mikroskopische Pilze aus Blüten. 


55 


3,57 p.. Große Fetttropfen, Bodensatz. Auf Bierw^ürzeagar Zellgestalt 
ähnlich. Lager sind glatt, feucht, glänzend; im Alter deutliche Er- 
hebungen. Auf Chinasäuireagar ist das Wachstum schwach; helle, 
allmählich braun werdende Lager. Substrat rosa. Glucose sowie 
Saccharose gestalten gutes Wachstum und werden schwach vergoren. 
Fetteinschlüsse in den Zellen. Besonders starke Absonderung von 
Fettkugeln erfolgt auf Hefewasseragar. Auf Gipsblöcken und Kartoffel - 
scheiben keine Sporen bildung. 

Isoliert aus dem unter sterilen Bedingungen zerlegten Fruchtfleisch 
von Malvs silvestris. Dieser entstammte einem Garten in Prag. 

T. pulcherrima, variabilis Lodder. Diese nach Lodder umgrenzte 
Form lassen wir vorläufig hier stehen. Sie wurde unter sterilen Be- 
dingungen dem Ftiichtfleisch von Ruhus idaeus entnommen. Die 
Früc hte stammten aus dem Brdy-Wald. 

In Bierwürze runde, 4 — 5 |jl große Zellen, mit einem Fetttropfen. 
Finzeln, zu zweit und zu dritt, daneben auch längliche Zellen, 1,5—3 
x2--4 a Bodensatz. Dieser ist nach 3—4 Tagen rosa getönt. Auf 
Bierwürzeagar ist die Zellgestalt ähnlich. Weiche, glänzende, gelbliche 
bis weiße Lager, radiale Streifen. Der eingebuchtete und gelappte 
Rand fällt durch die schöne himbeerfarbene Tönung auf. Estergenich. 
Auf Chinasäureagar rotbraune Lager. Das Substrat bleibt hell. Gär- 
kraft gegenüber Gluc*ose und Saccharose ist vorhanden. Das Wachstum 
ist auch sehr kräftig. Auf den Gipsblöcken entstehen die typischen 
,, pulch^rrif na' '-ZeUen (vgl. Lodder). Große Fettkugeln im Innern der 
Zellen. Keine Bildung von Sporen, wie sie bei der Hauptart erkannt 
wurde. Auf Hef ewasseragar entstehen derbe Zellen mit großen Fett- 
tropfen. Die gelb-weißen Lager auf Kartoffelscheiben fallen durch den 
breiten, roten Rand auf. 

b) Stämme ohne Gärvermögen. 

T. minor ( Pollar i-Naumizzi) Lodder. Bierwürze sehr kleine Zellen, 
oval bis nindlich, 2,5—4 x 3,5—5 \i Sproß verbände. Bodensatz. Bier- 
vvürzeagar Zellgestallt ähnlich. Weiße, weiche, mattglänzende Lager. 
Wachstum auf Glucose und Saccharose. Gäning tritt aber nicht ein. 
Die Entwicklung auf Chinasäureagar erfolgt langsam. Erst helle, dann 
braune Lager. Das Substrat wird allmählich schwarz verfärbt. Auf 
Oipsblöcken runden sich die Zellen stark ab, si>eichem kräftig Fett, 
bilden aber keine Sporen. Kartoffelscheiben lassen dichte, glänzende 
Lager entstehen. Auf Hefew^asseragar tritt in den Zellen sehr starke 
Speicherung von Fett ein. 

Verschiedene Isolierungen liegen vor. 1. Samen, die steril der Frucht 
von Solanum lycopersicum entnommen wurden. 2. Fruchtfleisch von 



56 


A. Niethammer: 


Prunus Cerastis, das steril entnommen wurde. Entstammt, wie Nr. 1 einem 
Garten bei Prag. 3. Nektar, Ajuga reptans. Wiese bei Prag. 

T.aeria (Salto) Lodder. Bierwürze sehr rasches Wachstum. Bunde 
Zellen 3,3—5 X 4,5—6 (jl. Einzeln, zu zweien und auch zu dritt. Gele- 
gentlich kurze Sproßverbände. Kräftiger Bodensatz. Auf Bierwürze- 
agar die gleiche Zellgestalt. Glänzende, weiße, glatte Lager, Rand glatt, 
Wachstum auf Glucose- und Saccharoselösungen sehr gut, aber keine 
Gärung. Chinasäureagar läßt rasch glänzende, schleimige Lager ent- 
stehen. Fast keine Verfärbung tritt ein. Sporenbildung auf Gips- 
blöcken, Kartoffelscheiben erfolgt nicht. Stamm 2 fällt durch die 
langen Sproßverbände auf. Stamm 3 zeigt auf Bierwürzeagar nach 
längerer Kulturdauer einen rosa Farbenton. In älteren Zellen erfolgt 
ganz allgemein Ablagerung von öltropfen. 

Diese Form wurde isoliert. 1. Nektar, Trifolium repens. Wiese l)ei 
Prag. 2. Nektar, Epilobium angustifolium, Waldlichtung bei Prag. 

T. Candida (Saito) Lodder, Zellgestalt in Bierwürze rund bis oval; 
einzeln oder zu zweien. Bodensatz. Vergleiche Lodder. Bierwürzeagar 
ein weiß-gelber Schleim: die rundlichen Zellen sind 3—4 x 5—7 (x groß. 
Ältere Zellen weisen Fetteinschlüsse auf. Chinasäureagar läßt lang- 
sames Wachstum zu; gelber bis brauner Belag. Das Substrat wird 
braun verfärbt. Gipsblöcke, Kartoffelscheiben zeigen keine Sporen - 
bildung. 

Diese Hefe wurde aus der Blüte und dem Nektar von Sinapis wrvensis 
isoliert. 

Familie Dematiaceae. 

Altemaria tenuis Neer. Auf Bierwürzeagar werden die bekannten 
schwarz-grünen, wolligen Lager gebildet. Die typischen, länglichen, 
gekammerten Konidien treten in großen Mengen auf. Auf Chinasäure- 
agar entstehen rasch scbwarzgrüne, eingesenkte Lager ; Luftmycel wird 
allmählich gebildet. Das Substrat wird schwach grün getönt. Die 
Hyphen des eingesenkten Mycels speichern stets öltropfen. Auf Sulfit - 
Cellulose dichte, wollige Decken; starke Konidienabsonderung. Holz- 
schliff wird abgelehnt. Auf Glucose- und Saccharoselösungen w'erden 
dichte grüngraue Decken mit reichlicher Konidienabsonderung gebildet. 
Gärung tritt nicht ein. Gäumann reiht diese Konidienform bei der 
höheren Fruchtform Pkospora in der Ordnung der Myringiales ein. 
Wirerzielten nie eine höhere Fruchtform ; so erfolgt die Abhandlung bei 
den Fungi imperfecti. 

Aus dem Nektar V9n Epüobium augustifolium, Waldlichtung bei Prag, 
isoliert; ferner aus dem steril geöffneten Fruchtfleisch von Soktnrnn lyoo- 
persioum, Garten l^ei Prag. 

Ma^croaporium cormmine Rabenhorat. Das Wachstumsbild auf Bier- 
würzeagar ist dem von Alternaria tenuia recht ähnlich. Dichtes, wolliges 



Hefen sowie mikroskopische Pilze aus Blüten. 


57 


Luftmyoel und eingesenkte schwarze Lager. Die Konidien sind aber 
viel derber und breiter; die mauerartige Unterteilung fällt wieder auf. 
In jeder Kammer ist gewöhnlich ein Petttropfen. In Bierwürzelösung, 
ebenso in Hefewasser entstehen rasch weißgraue Decken, die dann 
von dem dunklen Konidienrasen überdeckt werden. Chinasäureagar 
ermöglicht ein rasches Wachstum; zunächst sind schwarze, eingesenkte 
Lager zu nennen, darüber wird ein grauschwarzes Luftmycel geformt. 
Glucose sowie Saccharoselösungen gestatten gute Entwicklung; Gärung 
tritt nicht ein. Die Hyphen des eingesenkten Mycels weisen gewöhnlich 
zahlreiche öltropfen auf. 

1. Nektar, Echvwm vtUgcire, Moldauufer bei Prag. 2. Nektar, Sinapia 
arvensia, Feld bei Prag. 3. Nektar, Epüobium augttatifolium, Waldlichtung 
bei Prag. 4. Nektar, Salvia pratenaia. Wiese bei Prag. 5. Nektar, Malva 
hiapida. Botanischer Garten bei Prag. 6. Samen, steril der Frucht ent- 
nommen, und zwar von Epüobium augustifolium, Ehinanthua minor, Ra- 
phanua Eaphaniatrum. Alle auf Wiesen in der Umgegend von Prag ge- 
sammelt. 

Familie Tuberculariaceae. 

Aus dieser Familie wurde die Gattung Fusarium wiederholt isoliert. 

Aus dem Nektar von Vicia aativa züchteten wir F. dimerum PenZt das 
auf Bierwürzeagar einen roten, schleimigen Belag und darüber ein leichtes, 
wolliges Luftmycel formt. Auf Chinasäureagar rascher Aufgang; Bildung 
eines rosa Schleimes, darüber wolliges Mycel. Das Substrat bleibt hell. 
Gutes Wachstum auf Glucose- und Saccliaroselösimgen. Gärkraft fehlt. 
Auf Sulfitcellulose gute Wachstumsmöglichkeit. 

F. aainbucinvm Fuck. (Sacc.) wurde häufig von der Testa unterschied- 
licher Samen, so Rheinland6o/ine, Bohne Saxen, Eierbohne, Gurke Delikatas, 
Wirsingkohl, Wiener Frühe, alle Versuchsfeld, Pflanzenbau, Tetschen-Lieb- 
werd, isoliert. Dieser Pilz siedelte sich auch bei dem Keimversuch auf der 
entleerten Schale an. PeniciUium expansum drängt seine Entwicklung 
zurück. Typisch ist (las weiße, rosa bis braune Luftmycel auf Bierwürze- 
agar. Chinasäureagar gestattet rasche Entwicklung. Rote, eingesenkte 
Lager, darül)er weißes Luftmycel. Das Substrat wird langsam rot getönt. 
Glucose- und Saccharoselösungen gestatten gute Entwicklung; Gärung 
tritt nicht ein. 

F. equiaeti (Cda) Saoc. wurde aus der Blüte von Arnica morUana, Garten, 
Prag, isoliert. Die von Wollenweber beschriebenen Merkmale. Auf China- 
säureagar Wachstum. Roter Schleim, leichtes, helles Luftmycel. Glucose- 
sowie Saccharoselösungen ermöglichen gutes Wachstum. Gärung tritt 
nicht ein. 

F. btUbigenurn Cke Maas, wurde an Samen von Rapfmnua Eaphania- 
trum, die steril der Fiaicht entnommen, gefunden. Ferner aus dem Nektar 
von Ribea rubrum, Garten, Prag. Auf Bierwürzeagar ist auf die blauen 
Farbentöne im Luftmycel hinzuweisen. Chinasäureagar zeigt ein helles 
Luftmycel über einem roten Schleim. Das Substrat wird grünlich getönt. 
Glucose- imd Saecharoselösimgen lassen nur submerses Wachstum zu; 
Gärung tritt nicht ein. Auf Sulfitcellulose rötliche Schleime. 



58 


A. Niethammer : 


F, oxysporum SchiechtendM. Diese Art wurde von Samen der Olycine 
Soja und Lupinua albus, die steril den Hülsen entnommen wurden, isoliert. 
Beim Keimversuch entwickelt es sich auf der Testa des entleerten Samens. 
Allmähliches Zurückdrängen durch PeniciUium expanaum. Auf Bierwürze - 
agar ein rötlicher oder lila Schleim, darüber Luftmycel. Chinasäiureagar 
gestattet gutes Wachstum; roter Schleim von einem Luftmycel überdeckt. 
In Zuckerlösungen submerses Wachstum; keine Gärung. 

Ergebnisse der Untersuchungen. 

Im Blütennektar sind zahlreiche Pilze zu finden, die m die Ordnung 
Exoascdka und die Gruppe der anasicosporogenen Hefen zu stellen sind. 
Die seinerzeit von Hautmann und Zinkemagel isolierten Formen ge- 
hören ebenfalls in diese Gruppen. Gewöhnlich ist Vergesellschaftung 
mit einem Vertreter der sogenannten Schwärzepilze gegeben, wie 
Demaiium puUulans, Cladoaporium herbarum, Altemaria tennis oder 
Macroaporium commune. Gelegentlich sind auch Angehörige der 
Gattungen PeniciUium und Fuaarium zu finden. 

Im Innern mancher fleischiger Früchte und an Samen, die der 
Frucht steril entnommen wurden, befinden sich einzelne pilzliche 
Mikroben. Aus diesen Versuchsergebnissen kann nun geschlossen 
werden, daß das Innere der Früchte und die darin befindlichen Samen 
nicht immer keimfrei sein müssen. A. Romtoalter gibt desgleichen für 
das Innere unbeschädigter Früchte Vorhandensein von Hefen und 
Bakterien an. Damit ist naturgemäß nicht gesagt, daß es nicht 
auch Fälle gibt, in denen Fruchtfleisch und Samen steril sind (vgl. 
K. Rippel), 

Frisch ihrem natürlichen Standort entnommene Samen führen an 
und in der Testa verschiedene mikroskopische Pilze. Sehr verbreitet 
ist die Gattung PeniciUium. Meist sind es ähnliche Fonnen, wie wir 
sie auch im Erdreich erkannten. Im Kern des Samens fanden wir 
diesmal keine mikroskopischen Pilze. 

Das Wachstum der isolierten Pilze wurde verfolgt. Die von Per- 
woznanaky zusammengesteJlte Chinasäurelösung eignet sich für die 
meisten isolierten Pilze sehr gut. Die Annahme, daß vor allem Pilze, 
denen das Vermögen der Alkoholbildung abgeht, hier gedeihen, kann 
nicht streng aufrechterhalten bleiben. Manche Hefen, denen Gärkraft 
zukommt, gedeihen hier. Richtig ist, daß mikroskopische Pilze, denen 
die Fähigkeit der Alkoholbildung völlig abgeht, hier besonders rasch 
und kräftig gedeihen. Die Verfärbung des Substrats nach grün oder 
schwarz ist unter diesen Bedingungen deutlich. Bei Dematium pullulana 
ist auf das sehr verschiedenartige Wachstumsbild hinzuweisen. Gär- 
kraft geht allen isolierten Stämmen ab. In älteren Hefezellen (Dauer- 
zellen) und Fäden der Schwärzepilze ist Ablagerung von öltropfen zu 



Hefen sowie mikroskopische Pilze aus Blüten. 


59 


verzeichnen. Viele der von den Samen isolierten mikroskopischen Pilze 
sind durch vorzügliche Wachstumsmöglichkeit auf Cellulose und Holz- 
stoff ausgezeichnet. Hefen, obgleich sie von Melin und Renner feit oft 
aus diesen Medien isoliert wurden, versagen hier. 

Literatur. 

Bauer ^ R., Centralbl. f. Bakt. II, 98, 133, 1938. — Oäumann^ E., Ver- 
gleichende Morphologie der Pilze. Jena, Fischer, 1926. — Orüss, Jahrb. 
f. wiss. Bot. 66, 109, 1937. — Hautmann, F., Arch. Protistenkde. 48, 213, 
1924. — Henneberg, W., Handbuch der Gärungsbakteriologie. Berlin, 

Parey, 1926. — Lodder, J., Die Hefesammlung des Centraal -Bureau voor 
Schimmelcultiu’es. II. Teil : Die Anaskosporogenen Hefen. 1. Hälfte 1934. — 
Melin, E., diese Zeitschr. 4, 508, 1930. — Niethammer, A., ebenda 10, 13, 
1939; 12, 312, 1941. - Pertvoznansky, W. W., Centralbl. f. Bakt. II, 81, 
372, 1930. — Rennerfeit, E., diese Zeitschr. 12, 19, 1941. ~ Rippet, K., 
Planta 30, 806, 1940. — Romwcdter, A. d. Ält., u. A. i’>on Kiräly, diese 
Zeitschr. 10, 87, 1939. ~ Sopp, O. Johan Olsen, Monographie der Pilzgrupj>e 
PenicilUum. Videnskapaelkapet.s, Skriften math. naturw. Kl. 1912, Nr. 11. — 
Thom, C., The Penicillia London. Bailliere Tindal. Cor. 1930. — Wagner, F., 
Centralbl. f. Bakt. 75, 4, 1928. — Windiach, S., diese Zeitschr. 11, 368, 
1940. — Zinkemagel, H., Centralbl. f. Bakt. 78, 191, 1929. 



(Aus der Mikrobiologischen Abteilung des Instituts für Biochemie und 
Nahrungsmittelchemie der deutschen Technischen Hochschule, Prag.) 


Weitere Beiträge über mikroskopische Bodenpilze. 

Von 

A. Niethammer. 

(Eingegangen am 1, April 1942.) 

Zweck der Arbeit und Angabe der Methodik. 

Ziel der folgenden Studie war es, ein kleines Gebiet im westlichen 
Sudetenland genau durchzuarbeiten. Es interessierten folgende Punkte : 
1. Regelmäßige Gemeinschaften bestimmter Pilze. 2. Bei der Anzucht 
der Mikroorganismen wurden in manchen Fällen neben den üblichen 
Temperaturen von 20 bis 23^ auch solche von 30 bis 32® geprüft. 3. In 
einzelnen Böden wurde die Gemeinschaft von Pilzen und Bakterien 
verfolgt. 4. Das Verhalten der Pilze gegenüber Cellulose wurde be- 
trachtet: dies interessierte besonders dort, wo der Versuch lehrte, daß 
wenig Bakterien, und vor allem keine zum Celluloseabbau befähigte, 
vorhanden waren. 5. Mikroskopische Pilze aus Mooren wurden studiert : 
der Abbau der Cellulose durch dieselben erscheint hier wichtig. 6. Eine 
nicht mehr im Betrieb stehende, an Schwefel reiche Bergwerkhalde 
wurde untersucht. 

Die Methodik war die gleiche wie in den früheren Arbeiten. Die Roh- 
kiiltiiren für Pilze wurden auf Bierwürzeagar und diejenigen für Bakterien 
auf Fleischpeptonagar ausgeführt; im Texte gebrauchen wir die Namen 
Nährboden I und 2. Die Petrischalen fanden in Brutschränken Irei 20 bis 23® 
und 30 bis 32® Aufstellung. Für die Reinkultur sowie Bestimmung dienten 
die ebenfalls früher erwähnten Spezial -Nährböden. Die Wachstums - 
möglichkeit auf Cellulose wurde auf technischer Sulfitcellulose verfolgt; 
dieselbe wurde für Pilze wieder mit einer sauren nach Stapp Irereiteten 
Nährlösung befeuchtet. Für Bakterien wurde die von Viljoen und Mit- 
arbeitern genutzte Nährlösung mit einem pH 1 genutzt. 

Tersuchgergebnisse. 

Die einzelnen Bodenarten werden aufgezählt und die isolierten 
Mikroben beschrieben. Die Durcharbeitung der oben angegebenen 
Punkte erfolgt in diesem Rahmen. Dort, wo in der Beschreibung auf 
frühere Arbeiten hingewiesen wird, unterbleibt dieselbe. Bei den 
einzelnen Bodenarten, in denen die gleichen Mikroorganismen immer 
wieder auf treten, ist die erste Isolierung zu vergleichen. Auf die Bak- 
teriengruppe eines engeren Gebietes im Zusammenhang mit den mikro- 
skopischen Pilzen hat Janke mit seinen Mitarbeitern hingewiesen. Auf 



Mikroskopische Bodenpilze. 


01 


die dort niedergelegten Ergebnisse gehen wir im Zusammenhang mit 
unseren Versuchsbesprechungen ein. Untersuchungen von Moorböden 
in der Po -Gegend lassen nach Verona ein starkes Zurücktreten der Pilze 
gegenüber den Bakterien erkennen. 


Moorböden, 

Aus dem Moor Soos bei Eranzensbad wurden mehrere Proben 
bezogen. 



Nährboden 1. 


1 Fusarium oxysp&rum Schlechtend, AspergiUvs fumigatus Thom 

PeniciUium lanosum Wesiling 

Cladosporium herharum Pers, 

Nährboden 2. 

II Bac, subtilis (Ehrenberg) Cohn, | Die gleiche Form 

Nährboden 1. 

2 II Fusarium orthoceras Wollenw, App, | Aspergillus glaucus Link. 

Nährboden 2. 

II Bac. vtUgatus Flügge^ Migula | Die gleiche Form 

Nährboden 1. 

3 II PeniciUium affinis Bainier-Sartory | Aspergillus fumigatus Thom 
II Bhodotorula gluiinis (Fres.) Harrison | 

Nährboden 2. 

|1 j5ac. subtilis (Ehrenberg) Cohn \ Bete, subtilis (Ehrenberg) Cohn 

|| Bact. fluorescens Lehm. Neum. | 

Nährboden 1. 

4 Cladosporium herbarum Pers. PeniciUium affinis B.u.S. 

Fusarium dimerum Penz. 

Muoor hiemalis Wehmer 

Nährboden 2. 

Actinomyces ruber Strain^ky-Waksman Bae. mycoides Flügge 
Bojc. mesentericus (Flügge) L. N. Bae. megaierium de Bary 
Bac. mycoides Flügge 
Actinomyceienf nicht näher bestimmt 

Nährboden 1. 

6 Bhizopus nigricans Ehrenberg Trichoderma Koningi Oud. 

Fusarium dimerum Penz 
PeniciUium luteum Zukal 

Nährboden 2. 

II Bae, subtilis (Ehrehberg) Cohn | Dieselbe Form 

Nährboden 1. 

6 |] Fusarium oxysporum Schlechtend, | Dematium pullulans de Bary 
II PeniciUium luteum Zukal | PeniciUium luteum Z, 




62 


A. Niethfunmer: 


Probe 

Nr. 


20-280 c 


30—320 C 


7 


8 


9 


Nährboden 2. 

I Bact, pi'odigiosum (Ehrenberg) Lehm.- | Dieselbe Form, aber farblos 

I Neum. I 

Nährboden 1. 

Fwtnrium merismoides var. chlamydo- Fusarium merismoides var. chla- 
sporum Wr. mydoaporum Wr. 

PenicilUum elegans Corda 
Trichoderma Koningi Oud. 

Mucor hiemalis Wehmer 
Cladosporium herharum Pers. 

Nährboden 2. 

II Bac. megaterium de Bary | Dieselbe Form 


Nährboden 1. 


Fusarium equiseti (Cda) sacc. 
Cladosporium herbarum Pers. 
Trichoderma Koningi Oud. 
PenicilUum luteum Zukal 
„ affinis Wehmer 


Aspergillus fumigatus Thom 


Nährboden 2. 


Bact. Zopfii Kurth, nicht näher be- 
stimmte Actinomyc-eien 
Bact. fluorescens Lehm.-N. 


Bac. megaterium de Bary 


Nährboden 1. 

Mucor hiemalis Wehmer Aspergillus fumigatus Thom 

PenicilUum glaber Wehmer Trichoderma Koningi Oud. 

PenicilUum luteum Zukal 
Fusarium oxysporum Schlechtend 


Nährboden 2. 

II Keine Bakterien, nur Pilze \ Das gleiche Ergebnis 


Diese neun Proben können gemeinsam behandelt werden. Dem 
sauren Charakter der Moorböden entsprechend sind die Pifze mannig- 
facher vertreten als die Bakterien. Aerobe und anaerobe Cellulose 
abbauende Bakterien wurden hier nicht isoliert, ebensowenig termophile 
Bakterien. Die meisten hier genommenen Pilze, besonders Fusarium- 
Arten und Trichoderma Koningi sind zu sehr gutem Wachstum auf 
Cellulose befähigt. Die PenicilUum- Art^n bilden Decken, wogegen die 
Fusarium- Art/&n in dem Substrat wuchern und dasselbe unter mannig- 
facher Verfärbung erweichen. 

Für den Aufgang bestimmter Pilzarten in der Kultur ist die Tem- 
peratur maßgebend.’ Aspergillus -Arten bevorzugen meist höhere 
Temperatur. 

Unter physiologischen Eigentümlichkeiten ist bei diesen Proben 
manches zu beachten. PenicilUum- Äxten gedeihen auch bei 30 bis 36<>; 




Mikroskopische Bodenpilze. 


63 


die Konidien bildung wird stark zurückgedrängt. Die meisten aus diesem 
Moorgebiet isolierten mikroskopischen Pilze weisen in ihren Hyphen 
deutliche Fettspeicherung auf. Besonders beträchtlich ist dieselbe bei 
P. affinis und vor allem in flüssigen Medien. Die von Pervozvxinsky 
eingeführte Chinasäurelösung mit 2 % Agar-Agar wird von den meisten 
Pilzen besiedelt. P. glaber fällt durch die reichliche Absonderung von 
Kristallformen, welche an Calciumoxalat erinnern, auf, und zwar auf 
allen Nährböden. Die isolierten Mucorineem sind durchwegs durch eine 
kräftige Absonderung von öltropfen in den H 5 rphen, Gemmen, Dauer- 
zellen sowie Kiigelzellen ausgezeichnet; ähnliches gilt für die Fusarinm- 
Arten. Bdct. prodigiosum zeigt nur bei Temperaturen unter 26^ die 
typische rote Farbstoff bildung ; bei höheren Temperaturen wächst er in 
hellen Lagern. Cellulosestreifen mit Vlljoen-hörnng besiedelt er gerne, 
ein deutlicher Abbau der Masse tritt aber nicht ein. Die isolierten 
Stämme von Trickoderma Koningi sind durch das Vermögen eines 
guten C^elluloseabbaues und angenehmen Geruch ausgezeichnet. 

Ein zweiter Moorboden stand uns von Sebastiansljeig-Eizgebirge zur 
Verfligung. Auf Nährbudenl und 2 entwickeln sich l>ei beiden Temperatur- 
gefällen die gleichen Formen, und zwar Penicillium glaber Wehnier, MonilUi 
nigra Burri-SUmby Denmtium pulhUa-ns de Barg. Nährboden 2 läßt keine 
Bakterien aufkommen. Versuche mit Cellulosestreifen und \"ilj()en -Losung 
bringen Cellribrio fulva Stopp, einen aeroben Cellulose -Zersetzer zur Ent 
Wicklung. Der Abbau der Cellulo.se duich diesen Organismus bei 2t> und 32** ( ' 
ist gering. Janke be.«chreibt bei seinen Vntersuchungen in Lunz Hac, 
imlgatufi, mycoides, nhcsentericu^, Bact. jluorescens als häufig. 

Fddbestände . 

Feldbestände bei Haid und Pfraumberg im Bezirke Tachau wurden 
genau untersucht. 

In den v'erschiedenen Feldl)eständen werden die t\"pischen Boden- 
pilze erkannt : in den unterschiedlichen Pflanzen beständen treten immer 
wieder ähnliche Formen auf. Nahezu jeder Feldbestand liefert reichlich 
Actinomyceten; im Durchschnitt 100000 Kolonien auf lg Erde. Sie 
sind durch sehr gutes Wachstum auf Fleisch -Peptonagar ausgezeichnet. 
Temperaturen von 20 bis 22^ werden bevorzugt. Unter den Bakterien 
ist wieder auf ähnliche Formen hinzuweisen, wie sie Janke als für Boden- 
arten sehr t\ 7 )i 8 ch angibt. Bac, vulgatus wmrde von Werner desgleichen 
aus dem Boden isoliert und für den Abbau von Buttersäure als wichtig 
erkannt. Bei der niedrigeren Temperatur kommen im Durchschnitt 
mehr Arten von Pilzen und Bakterien auf; die höhere Temperatur be- 
günstigt meist die Entwicklung einer Art. Die Gattungen Penicillinm 
und Dematimn schreiten besonders bei hoher Temperatur zur Peri- 
thecienbildung. Bei den verschiedenen Arten von Penicillinm w^erden 



64 


A. Niethammer : 


Flachsfeld. 


Probe 

Nr. 

20—230 c 

30— 820 c 


Nährboden 1. 

1 

Fusarium meriamoidea Cda 

P. luteum Z. mit vielen fertilen 


VerticiUium glaucum Bon. 

Sklerotien 


PeniciUium bicolor Fries 

PeniciUium luteum Zukal 
Zygorrhynchus Moelleri V. 

Rhodotorüla gluiinia Harris 
Trichoderma Koningi Oud. 

Mueor ailvaticus Hagem 


Nährboden 2. 


Nicht näher bestimmte Actinomyceten 
Bac, eubtilis (Ehrenberg) Cohn 
Ba>cU Zopfii Kurth 
Micrococcus flavus Lehm,~N. 
Micrococcus bicolor Zimmermann 
Bac. vulgatus Flügge-Migula 
Bad. tumescena Z<ypf. 

Bac. mycddes Flügge 
Ba^. megaierium de Bary 
Bac. graveolens Meyer-ChUheU 


Nicht näher bestimmte Adino- 
myceien 

Bac. mycoides Flügge 


Auf Cellulose- Streifen mit Ft7;oen-Lösung tritt bei 24 bis 25® starke 
Gärung ein; ebenso bei 37®. 


2 


Nährboden 1. 

Zygorrhynchus Moelleri Vuill. PeniciUium luteum Zukal, viel 

Penicillium luteum Zukal sterile Sklerotien 

Trichoderma Koningi Oud. 

Rhodotorüla glutinia (Fres.) Harrison 
Fusarium meriamoides Cda. 


Nährboden 2. 


Nicht näher bestimmte Adinomyceten 
Micrococcua flavua Lehm.-N. 

Bac. meaentericua (Flügge) Lehm.- 
Neum. 

Bad. coli Eacherich 

Bac. aubtilia (Ehrenberg) Cohn 


Nicht näher bestimmte .4c^mo- 
myceten 

Bac. aubtilia (Ehrenberg) Cohn 


Bei 26® und 37® langsam Vergärung von Cellulose- Streifen. 


Roggenfeld. 


Probe 

Nr. 


20 — 280 C 


30— 32®C 


1 


Nährboden 1. 


Mucor hiemalia Wehmer 
PeniciUium bicolor Fries 
Penicillium glaber Wehmer 
Trichoderma Koningi Oud. 
Dematium puUülana de Bary 
Fusarium Poa^ Sacc. 


AapergiUua fumigaiua Thom 
Fusarium rdicuUUum Montagne 
P. luteum Z. 






Mikroskopische Bodenpilze. 


65 


Nr. 



Probe 

20—280 C 

30—320 C 


Nährboden 2. 


Sehr viele, nicht genau bestimmte 
Actinomyceten 

Bac, suhtilis (Ehrenherg) Cohn 
Bac. mesentericus (Flügge) Lehm.- 
Neum, 


Bac. sübtilia (E.) Cohn 



Nährboden 

1. 

2 

1 Mucor hiemalis Wehmer 

1 Penicillium luteum Zukal 
j Trichoderma Koningi Oud. 

1 Cladosporium herbarum Pers. 

1 Fusarium avenaceum (Fr.) Sacc. 

P. bicolor Fries 


Nährboden 

2. 


Viele nicht näher bestimmte Actino- 

Bac. subtilis (E.) Cohn 

1 

1 

myceten 

Bac. subiilis (Ehrenberg) Cohn 

Cellvibrio fulva Stapp 

Auf Cellulose -Streifen mit V Ujoen-l^enng entwickelt sich bei 27 bis 29® 
Ceüvibrio ftUva. Unter diesen Bedingungen auch bei 36 bis 37® starke 


Vergärung von Cellulose. 


Kartoffelfeld. 

■"Nr. i 
Probe i 

20— 230 c 

\ 36—320 C 


Nährboden 

1. 

1 

Mucor hiemalis Wehmer 

Pen. luteum Zukal, Perithezien 


Trichoderma Koningi Oud. 
Cladosporium herbarum Pers. 



Nährboden 

2. 


Viele nicht näher bestimmte Actino- 

Bac. subtilis (E.) Cohn 


myceten 

Bac. mycoides Flügge 


2 

Das gleiche Ergebnis wie Probe 1. 


Gerstenfeld. 

Probe || 

20—230 C 


30— 320 c 


1 


Nährboden 1. 

Penicülium ItUeum Zukal Penicillium bicolor Fries 

Cladosporium herharum Pers. Dematium pMtUans de Bary^ mit 

Perithecien 


Nährboden 2. 


II Verschiedene, nicht näher bestimmte 
Actinomyceten 
II Bac. aubtilis (E.) Cohn 

ArohiT für Mikrobiolofcle. Bd. 13. 


Bac. snbtilis (E.) Cohn 


5 




66 


A. Niethammer 







Mikroskopische Bodenpilze. 


67 



Nährboden 1. 

1 Mucor hiemalis Wehmer Penicillium hicohr Fries. 

Dematium pyllulana de Bary Trichodernui Koningi Oud. 

Fuaarium nivale (Fr.) Ces. 

Fttsarium arthoaporicides Sherp. 


6 * 







68 


A. Niethammer : 


Probe 

Nr. 


20—820 C 


30—820 C 


2 


Nährboden 2. 

II Nicht näher bestimmte | Bac, aubtilia (E,) Cohn 

II Bac, megaierium de Bary | 


Nährboden 1. 


Mucor hiemalia PTeÄmer, reichlich Zy- 
goten 

Zygorrhynchua Moelleri VuilL 
Cladoaporium herbarum Pera, 
Trichoderma Koningi Ovd. 

Fuaarium reti<yulatum Mont. /. L Wr. 


Trichoderma Koningi Ovd. 


Nährboden 2. 

II Nicht näher bestimmte | Bac. aubtilia (E.) Cohn 

II Bac. megaierium de Bary | 

In beiden Proben tritt bei 25® und 37® Vergärung von Cellulose ein; eine 
Bestimmung der Arten erfolgt nicht. 


immer sehr ähnliche oder übereinstimmende Perithecien gebildet ; 
dieser Umstand spricht wieder für eine nahe Verwandtschaft. 

Die Mucorineen speichern durchwegs öltropfen. Bei Mucor hiemalis 
ist sie im Zusammenhang mit der Zygotenbildung sehr stark (Schöpfer). 
Die Fv^arium-Arten lagern in Hyphen, Chlamydosporen und rundlichen 
Dauerzellen ebenfalls öltropfen ab. Die Vertreter der Gattungen 
PeniciUium, Demaiium, Cladoaporium, Trichoderma und Fusarium 
zeigen auf Cellulosestreifen gute Entwicklung. Die aus den Mooren 
isolierten Formen arbeiteten kräftiger. Bei den meisten Proben wurde 
auch auf die Anwesenheit von aeroben zum Celluloseabbau befähigten 
Bakterien geprüft; diese Probe fiel stets positiv aus. Auf anaerobe 
Formen wurde nur selten eingegangen, daher unterblieb auch bei der 
Aufzählung ihre Erwähnung. Soweit wir Isolierungen anstellten, 
arbeiteten die gewonnenen Stämme schwach. 


Krautfeld. 

Im November 1941 wurden in einem abgeemteten Krautfeld 


unweit Prags einige Proben gezogen. 

Nährboden 

1. 

20—280 0 

so — 820 c 

Mucor hiemalia Wehmer 

Aapergillua fumigatua Thom 

Demaiium pullulans de Bary 

Fuaarium oxyaporum SchUchtend. 

Synaporium bigutattum 

Bhodotorula gltUinia Harriaon 








20—220 c 30—320 C 


Nährboden 1. 

1 Penicillium luteum Zukal, mit rosa Aspergillus fumigatus Thom 

und gelben Sklerotien 
Fusarium samhucinum Fuck. 

Cladosporium herharum Pers, 

Trichoderma Koningi Oud, 
sehr angenehmer Greruch 

Nährboden 2. 

II Bac. megaterinum de Bary | Bac, subtilis (E.) Cohn 

Nährboden 1. 

2 Mucor racemosus Fres. Penicillium affinis B, u. S. 

Penicillium affinis B. u. 8. 

Cladosporium herharum Pers, 

Fusarium nivale (Fr.) Ces. 

Fusarium merismoides Cda. 

Nährboden 2. 

Sehr viele nicht näher bestimmte Bac. subtilis (E.) Cohn 

Actinomyceten, auf diesen Lagern 
entwickelt sich deutlich Cellvibrio 
fulva 

Nährboden 1. 

3 Penicillium luteum Zukal, viele Skle> P. luteum Z., fertile Perithecien 

rotien 

Trichoderma Koningi Oud. 

Fusarium orthoceras Wr. App. 

Nährboden 2. 

Sehr viele nicht näher bestimmte Ba>c. subtilis 

ActinomyceUnj darüber wieder Cell- 
Vibrio fidva 

Bact. fluorescens (Flügge) L.-N. 

Bac. anthracis F. Cohn et Koch 
Bac. mycoides Flügge 
Ba/c. mesentericus (Flügge) L.-N. 





70 


A. Niethammer : 


Probe 

20—220 C 


Nr. 




30—320 C 


4 


Nährboden 1. 

Penicillium italicum Wehmer | PenirAllium italicum Warner 

Cladosporium herharum Pera. 

Fusarium dimerum Penz | 

Nährboden 2. 

I Bat, meseniericus (Flügge) Lehm.- 1 Bat. suhiilia (E.) Cohn 
I Neum. I 

Sehr viele nicht näher bestimmte j 

j Actinomyceten | 


Aus allen Proben wurden aerobe sowie anaerobe Cellulose ab- 
bauende Bakterien zur Entwicklung gebracht. Diese Proben weisen 
gegenüber den Feldbeständen keinen wesentlichen CJnterschied auf. 


Wcddböden. 


Weiterhin wurde Erdreich unter Laub- und Nadelwaldungen 
geprüft. 

Nadelwald. 


Probe 

20—220 C 

30—320 C 

Nr. 




Nährboden 1. 


1 


Penicillium glaher Wehmer 
Dematium jmllidans Pers. 
Trichoderma Koningi Oud. 

Fusarium oxysporum Schlechtend. ^ 
innig verbunden mit Zygorrhynchus 
Moäleri Vuill. 


Trichoderma Koningi Oud. 


2 


Nährboden 2. 


II Bact. Zopfii Kurth 


I Bac. subtilis (E.) Cohn 
Nährboden 1. 


Mucor racemosua Fres. 
Trichoderma Koningi Oud. 
Penicillium luteum Z. 


Penicillium luteum Z. 


3 


Nährboden 2. 


Bac. megaterium de Bary 
Nicht näher bestimmte Actinomyceten 
Sarcina subflava Ravenei 
Bact. fluorescena (Flügge) Lehm.- 
Neum. 

Bac. anthracia J. fCohn u. Koch 


Bac. auhtilia (E.) Cohn 


Nährboden 1. 


Penicillium bicolor Fries, mit sehr 
vielen gelben Sklerotien 
Trichoderma Koningi Oud. 

Fusarium oxysporum Schlechtendahl 
Fusarium dimerum Penz 


Pen. bicolor Fries 





Mikroskopische Bodenpilze. 


71 







72 


A. Niethammer: 


Alle aus den Waldböden isolierten Proben liefern auf Cellulose- 
streifen mit Vilfoen-Löaung eine reiche Menge von aeroben und anaeroben 
Cellulose vergärenden Bakterien. Bei Prüfung der verschiedenen mikro- 
skopischen Pilze fiel auf, daß die hier isolierten Stamme schwach auf 
Cellulose gediehen und der Abbau derselben gering war. Die gemeinsam 
auftretenden Mucorineen- und Fusarium-ATten weisen in ihren Hyphen 
eine sehr kräftige Absonderung von öltropfen auf. Unter den auf 
Cellulose gedeihenden Bakterien wurde die von Stapp beschriebene 
Cellvibrio fulva öfters isoliert. 


Schwefelreiche Halde, 

Die letzte abzuhandelnde Probe berichtet noch über eine abgebaute 
Halde, welche reich an Schwefel ist. 


20—220 c 


32—340 c 


Nährboden 1. 

Zygorrhynckua Modleri VuiU; in dessen Dematium ptdltdans de Bary, 

Hyphen findet starke Fettspeicherung statt drängt alle Pilze zurück 
Mucor Ramannianus Modler, ebenfalls durch 
starke Fettspeicherung ausgezeichnet 
Dematium pvUfdans de Bary 
PeniciUium glaber Wehmer 


Nährboden 2. 


Bac. meserUerictLS (Flügge) Lehm.-Neum, 
die Kolonienzahl ist sehr gering 


Bac, svbtilia (E,) Cohn 


Zusammenfassung der Ergebnisse. 

Unsere Untersuchungen zeigen wieder, daß es sich bei den im 
Boden verbreiteten Pilzen um bestimmte Gemeinschaften handelt. 
Die Versuche lehrten, daß bei der Anzucht in Temperaturbereichen von 
20 bis 23^ zahlreichere und verschiedenartigere Mikroorganismen auf- 
traten als zwischen 32 und 34^. Höhere Temperatur begünstigt meist 
die Entwicklung einer oder weniger Arten, ln Übereinstimmung mit 
den Arbeiten von Janke kann gezeigt werden, daß gemeinsam mit den 
mikroskopischen Bodenpilzen auch bestimmte Bakterien-Axten auftreten. 
Viele der isolierten mikroskopischen Bodenpilze gedeihen auf Cellulose 
sehr gut ; interessant ist, daß diejenigen Pilzstämme, welche aus Böden 
stammen, in denen wenige zum Abbau der Cellulose befähigte Bakterien 
vorhanden sind, besonders gut arbeiten. In Moorgebieten fehlen Bak- 
terien, welche zur Vergärung von Cellulose befähigt sind. Verschiedene 
mikroskopische Pilze aus Mooren sind zum Abbau von Cellulose gut 
befähigt. Die aus diesen Gebieten isolierten Mucorineen und Fusarium- 
Arten speichern in ihren Hyphen reichlich öltropfen. Eine alte, nicht 





üükroskopische BodenpiJze. 


73 


mehr im Betrieb befindjiche schwefelreiche Bei^hälde zeigt verschiedene 
mikroskopische PtZze; Bakterien sind nur vereinzelt vertreten. Die aus 
Wald- oder Feldboden isolierten mikroskopischen Pilze speichern 
vielfach auch Oltropfen, aber nie in dem Ausmaß, wie die aus den 
Moorböden. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Abbau der Cellulose 
durch diese Mikroorganismen. Die Stämme aus dem Moorboden arbeiten 
meist kräftiger als diejenigen aus dem Waldboden und Ackerland, ln 
Übereinstimmung mit Okada kann die weite Verbreitung von Tricho- 
derma Koningi in fast allen Bodenarten erkannt werden, ln dem Zu- 
sammenhang ist die Tatsache wieder interessant, daß nach den Er- 
fahrungen von Wakarmn und uns dieser Pilz sehr gut auf Cellulose 
gedeiht und diese nach Wakaman bis zu über 50 % abbauen kann. 

Literatur. 

Janke, A., u. M. Wozak, diese Zeitschr. 5, 338, 1938. Niethammer, A., 
ebenda 12, 312, 1941. — Okada, J., Sc. Repr. Tokyo Univ. Biol. 1939, 
Nr. 3. — Perwozvaneky, N,, Centralbl. f. Bakt. II, 81, 372, 1930. — Schöpfer, 
W. H., Extrait du buHetin de la Soci^t^ Botanique de Gen4ve, 2e s^rie, 
vol. 20, fase. 1. — - Stopp, C,, u. Borteis, Cehtralbl. f. Bakt. II, 90, 28, 1934. — 
VUjoen, J. A., E. B. Fred u. W. H. Peterson, J. of Agric. Sc. 16, 1, 1926. — 
Verona, O., diese Zeitschr. 5, 348, 1934. — Werner, W,, Centralbl. f. Bakt. II, 
87, 446, 1933. — Wakstnan, S, A., u. A. Cordon, Soil Sc. 47, 217, 1929. 



(Au8 dem Institut für Mikrobiologie der Universität Göttingen.) 


Der Einflttfi steigender Gaben von Magnesiumsulfat 
auf den Ertrag einiger Pilze. 

Von 

Artur Stare. 

Mit 1 Te?:tabbildung. 

(Eingegangen am 15. April 1942.) 

In Fortsetzung der Untersuchungen, die A. Rippel und Mitarbeiter 
über das Ertragsgesetz und die Nährstoff Wirkung durchgeführt haben, 
sind in der kürzlich erschienenen Arbeit von W. Lohrmann (2) einige 
Fragen ungeklärt geblieben. Mit Rücksicht auf die Tatsache, daß bei 
einigen Pilzen verhältnismäßig sehr hohe Mg S 04-Konzentrationen 
eine fördernde Wirkung ausüben, war es wichtig festzustellen, wie die 
verschiedenen, allmählich steigenden Gaben von Magnesiumsulfat auf 
den Pilzertrag wirken. 


Yersuehsbedinguiigen. 

Die allgemeinen Versuchsbedingungen waren die gleichen wie bei 
W. Lohrmann. 

Als Versuchsobjekte dienten Aspergillus flavus und Mticor pusilluSf 
zwei Pilze von verschiedener Resistenz gegenüber Mg S O4 . Die Pilze wurden 
auf Würze -Schrägagar kultiviert; Von 3 Tage alten Kulturen wurde unter 
Zusatz von etwas dest. Wasser eine dichte Sporensuspension hergestellt 
und mit der großen Platinöse je 25 ccm Nährlösung in Erlenmeyerkölbchen 
von 100 ccm, geimpft. 

Die Stammnährlösungen, die einen Zusatz von verschiedenen steigenden 
Gaben des MgS04 erhielten, waren folgende: 

a) Für AspergiUvs flavus: Dest, Wasser 1000 ccm; Saccharose 100 ccm; 
KH2PO4 5 g; KNO3 33,5 g; NaCl, MnS04, FeS04 und Citronensäure je 
0,01 g; ZnS04 2 Tropfen l%ige Lösung; CUSO4 1 Tropfen l%ige Lösung. 

b) Für Mucor pusülvs: Dest. Wasser 1000 ccm; Saccharose 200 g; 
(NH4S04)2 20 g; K2HPO4 1 g; Citronensäure 0,5 g; FeS04 0,1 g; ZnS04 
0,01g; CUSO4 0,005g; Asparagin 0,5g. 

Die Reaktion wurde für beide Nährlösungen auf ph 6.5 eingestellt. 

Beim direkten Zusatz hoher Gaben von MgS04 als feste Substanz zur 
fertigen Stammnährlösung steigt das Flüssigkeitsvolumen erheblich, so daß 
die Prozentzahlen nicht richtig sind. In unseren ersten zwei Versuchen, bei 
denen wir die Nährlösung so herstellten wie W. Lohrmann angibt, haben 
wir nachträglich die wirklichen Prozentzahlen errechnet; so z. B. beim 
Zusatz von 50 g MgS04 • 7 HjO ist der prozentuale Gehalt etwa 40, von 
60 g MgS04 • 7 HgO 45 und bei 70 g MgS04 • 7 HjO nur 50. 

Die geimpften Kölbchen wurden jm Brutzimmer bei 30 ± 1® C ge- 
halten. Obwohl das Temperaturoptimum für die beiden Pilze bei etwa 



Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat. 


75 


37® C liegt, ist das Wachstum bei 30® doch noch immer üppig. Das Mycel 
wurde zu zwei bis drei verschiedenen Zeitpunkten, je nach der Wachstums- 
intensität des Pilzes, geerntet, und zwar so, daß die Pilzhäutchen auf den 
vorher abgewogenen Filtern quantitativ übertragen, zunächst mit schwach 
angesäuertem und dann mit destilliertem Wasser mehrmals ausgewaschen 
wurden. Die Mycelien wurden einige Tage bei 35 bis 40® im Brutzimmer, 
dann über Nacht im Trockenschrank bei 100® getrocknet und endlich 
gewogen. Die Ergebnisse beziehen sich auf die abs. Trockensubstanz und 
stellen den Durchschnitt von 3 bis 4 Parallelen; die wahrscheinliche Schwan- 
kung des Mittels ist hinzugefügt. 

Die Zuckerbestimmung wurde nach Bertrand durchgeführt. Da größere 
Mengen von MgSOi störend auf die Bestimmung wirken — es bildet sich 
ein voluminöser Niederschlag von Mg(OH )2 — , wurde das MgS 04 aus den 
Proben als MgNH 4 P 04 beseitigt und der Zucker im Filtrat bestimmt. 
Um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, wurde die Zucker bestimmimg 
gleichfalls auch in den Kontrollen mit verschiedenen Mg SO4- Gaben durch- 
geführt. 

Der Aschegehalt ist durch Veraschung der fein zerriebenen Pilzmasse, 
die Reaktion mit Lyphanstreifen in Lösungen nach der einzelnen iErnte 
bestimmt. 

Yersuchsergebnisse. 

Versuch I. 

Die Ergebnisse des Versuchs sind in den Tabellen 1 und II an- 
geführt. Dazu sind noch einige Bemerkungen über das Aussehen der 
Myceldecke und die mikroskopische Kontrolle zu erwähnen. 

Aspergillus flavus: In der Nährlösung tritt schon am zweiten Tage 
ein weißes Häutchen auf, das sich nach einiger Zeit mit gelbgrünen 
Sporen bedeckt. Während der ersten Ernte (nach 4 Tagen) befindet 


Tabelle I. Aspergillus flavtis. 


MgSO* 

% 

Nach 4 Tagen 

Nach 11 Tagen 

Mycelgewicht 

PK 

1 Mycelgewicht 

Pk 

0,00 

27 ± 3 

6,7 

46 ±12 

6,3 

0,01 

226 ± 7 

6.9 

378 ± 3 

7,0 

0,026 

271 ± 4 

7,1 

681 ± 20 

7,2 

0,06 

342 ± 9 

7,2 

647 ± 10 

7,6 

0,10 

322 ± 36 

7,1 

663 ± 2 

7.8 

0,26 

402 ± 20 

7,1 

706 ± 4 

7.8 


437 ± 14 

7,1 

766 ± 6 

7,8 

1,00 

610 ± 11 

7,1 

702 ± 8 

7,6 

2,60 

616 ± 7 

7,1 

664 ± 17 

7,6 

6,00 

478 ± 16 

6,8 

716 ± 3 

7,4 

10,00 

428 ± 11 

6,7 

761 ± 8 

7,4 

16,00 

470 ± 4 

6,6 

759 ± 6 

7,4 

20,00 

637 ± 7 

6,6 

753 ± 6 

7,5 

26,00 

603 ± 19 

6,6 

724 ± 12 

7,6 

36,00 

462 ± 18 

6,6 

720 ± 12 

7,4 

40,00 

162 ± 17 

6,8 

642 ± 18 

7,2 

46,00 

118 ±17 

6,6 

600 ± 6 

6,8 

60,00 

46 ± 12 

4,6 

419 ±11 

6,8 



76 


A. Stare: 


Tabelle II. Mucor puaillus. 


MgS 04 

% 

Nach 7 Tagen | 

Nach IS Tagen 

Myoelgewioht 

* PB 

Mycelgewicht 

Pb 

0,00 

60± 11 

3,3 

90 ± 7 

2.6 

0,01 

146 ± 6 

2.0 

146 ± 19 

2,0 

0,025 

168 ± 2 

2,0 

191 ± 2 

1.8 

0,06 

147 ± 6 

2.0 

201 ± 9 

1,6 

0,10 

162 ± 3 

2,0 

201 ±10 

1,6 

0,26 

144 ± 4 

2.0 

208 ± 6 

1,6 

0,60 

174 ± 2 

2.0 

237 ± 8 

1,6 

1,00 

169 ± 8 

2.0 

277 ± 2 

1,6 

2,60 

166 ± 7 

2.0 

226 ± 10 

1,6 

6,00 

132 ± 16 

2.5 

198 ± 33 

1,8 

10,00 

89 ± 4 

2,8 

177 ± 12 

2,0 

16,00 

79 ±14 

2,8 

133 ± 26 

2,0 

20,00 

39 ± 6 

3,1 

89 ±11 

2,3 

26,00 

14 ± 3 

3.6 

62 ± 6 

2.7 

36,00 

9 ± 1 

3.8 

24 ± 6 

2,9 

40,00 

10 ± 1 

3.7 

18 ± 9 

3,2 

46,00 

ö± 1 

3.7 

8± 1 

3,2 

60,00 

2± 1 

4.1 

7± 1 

3,2 


sich an der Oberfläche der Lösung eine feste und stark gefaltete Decke ; 
das Wachstum ist aber in den Parallelen nicht gleichmäßig, und es sind 
oft Inseln des stark entwickelten, mit dünnen Häutchen verbundenen 
Mycels zu beobachten. Bei den stärkeren Mg SO 4 - Gaben (von 5% 
aufwärts) ist die Farbe der Oberfläche stärker gelb. Sporenbildung 
erfolgt jedoch in allen Kölbchen, sogar auch in jenen mit 50% MgS 04 . 
Allein bei 0,0% MgS 04 ist das Häutchen weißlich und schleimig. 
Wahrscheinlich ist auch hier das Magnesium in Spuren vorhanden, da 
die gebrauchten Chemikalien, besonders der käufliche Rohrzucker, nicht 
absolut rein sind. Bei der zweiten Ernte (nach 11 Tagen) war das 
Häutchen noch zäher und fester, an der Oberfläche mit braungrünen 
Sporen überdeckt ; nur in den Lösungen mit 40 und 50% MgS 04 ist 
das Häutchen zarter, schwach entwickelt und die Decke blaß grünlich. 
Im allgemeinen ist das Mycel besonders auf der Unterseite fest und mit 
weißlicher Kruste von Salzen überzogen. Andererseits war in Kölbchen 
ein Bodensatz festzustellen, hauptsächlich in Mg S O 4 -Konzentrationen 
von 0,5 bis 5,0%. 

Die mikroskopische Kontrolle zeigte keinen besonderen Einfluß 
der höheren MgS 04 -Gaben auf die morphologischen Eigenschaften 
dieses Pilzes. Doch sind bei den höheren MgS 04 -Konzentrationen die 
Konidienträger und die Sterigmen kürzer, und als eine Anomalie haben 
wir, allerdings selten, fingerähnliche, manchmal auch verzweigte 
Sterigmen beobachtet. Sporenbildung erfolgt auch bei 50% MgS 04 . 
Auch die vegetativen Hyphen sind mehr oder weniger normal. 





Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat. 


77 


Mucor puaiüua: Dieser Pilz zeigt eine schwächere Entwicklung, so 
daß ein sichtbares Wachstum erst im dritten Versuchstag zu beobachten 
ist. Die Sporenbildung ist nicht so üppig wie bei A,flavu 8 , und eine 
bräunlich graue Überdecke macht sich hauptsächlich nur am Rande des 
Kölbchens bemerkbar. Bei höheren MgS04-Gaben bildet sich ein 
weißer Ring, während die Mitte nur von einem dünnen, zarten Häutchen 
überzogen ist. Abei* auch bei diesem Pilz ist das Wachstum in den 
Parallelen unregelmäßig. Nach 16 Tagen (2. Ernte) war die Haut 
noch immer weich und schleimig, in Lösungen mit niedrigen MgS04- 
Gaben (bis 5%) mit vielen weißen warzigen Anhäufungen auf der 
Oberfläche. 

Die mikroskopische Kontrolle zeigt, daß die Si)orenbildung in 
größeren Mengen nur bei den Konzentrationen von 0,01 bis 0,5 % Mg S O4 
auftritt und von höheren Gaben gehemmt wird; bei 15 bis 20% MgS04 
waren keine Sporen mehr festzustellen. Indessen beobachteten wir auf- 
geblasene, meist runde und oft an Hyphenenden liegende Zellen, ferner 
stark vakuolisierte vegetative Fäden onit kleinen oder großen Blasen. 
So sehen wir, daß auch die mikroskopische Durchprüfung für eine 
größere Empfindlichkeit dieses Pilzes gegenüber MgS04 spricht. 

Die Ertragskurven für die beiden Pilze zeigen nun, daß Ä. flavus 
eine weit bessere Entwicklung und größere Resistenz gegenüber höheren 
Gaben des Magnesiumsulfates besitzt. 

Bei A. flavus ist zunächst (1. Ernte, nach 4 Tagen) eine Steigerung 
der Ernten bis 1 bis 2,5% MgS04 festzustellen, danach ein Sinken, dem 
eine nochmalige Steigerung bei 20% MgS04 folgt. Bei der zweiten 
Ernte (nach 11 Tagen) wiederholt sich dieses zweite Maximum, liegt 
jedoch schon bei 10%. Von einer zeitlichen Maximumverschiebung 
und sonstigen Regelmäßigkeiten im Sinne des Ertragsgesetzes 
[A, Rippel (5)] kann in diesem Falle kaum die Rede sein. Die Angaben 
für die Reaktion zeigen, daß parallel mit stärkerem Wachstum auch eine 
stärkere Alkalisierung auftritt, wenigstens für die nicht allzu hohen 
Mg SO4- Gaben. 

M. pusillus besitzt eine gleichmäßigere Kurve, nach 7 Tagen 
(1. Ernte) wurde eine Steigerung bis 0,025% MgS04, danach wieder 
eine bei 0,5 % und weiter ein Sinken der Erträge festgestellt ; bei hohen 
Gaben von 50 % Mg S O4 ist der Ertrag gering. Nach 16 Tagen (2. Ernte) 
läuft die Kurve ähnlich mit etwas mehr ausgeprägtem Maximum bei 
1 % MgS04, während der absteigende Ast seinen Wendepunkt erst bei 
etwa 20% zeigt. Die Reaktion ist hier sehr sauer [(NH4)2S04]; es ist 
anzunehmen, daß sie die weitere Entwicklung hemmt. Deswegen sind 
auch die Erträge, besonders in der 2. Ernte, in einem großen Bereich 
ziemlich gleich. Aber schon die Tatsache, daß dem ursprünglichen 



78 


A. Stare: 


Aufsteigen der Kurve bei 0,025% MgS 04 das Absteigen nicht sofort 
folgt, zeigt uns, daß neben der Nährstoff Wirkung auch andere Faktoren 
mitwirken. 


Versuch II. 

Versuch I wurde wiederholt, mit dem Unterschied, daß jeder Pilz in 
den beiden Nährlösungen (AapergiUus- und Afticor-Lösung) gezogen wurde, 
um den Einfluß verschieden zusammengesetzter Nährlösungen auszuschalten. 
Die Stufen der Mg S O4- Gaben lagen weiter auseinander als im ersten Versvich. 

Die Ernten sind in den Tabellen HI und IV wiedergegeben. 


Tabelle III. Aspergillus flavus. 


MgSO« 

% 

Nach 4 Tagen 

Nach 22 Tagen 

A-Löaung 

M-Lösimg , 

A-Löaung 

H -Lösung 

Mycelgewioht 

PH 

Hycelgewicht 

PH 1 

Hycelgewicht 

PB 

Hycelgewicht 

PH 

0.00 

31 

6,5 

24 

2,5 i 

109 

6,6 

116 

1.5 

0,06 

166 

6,9 

267 

3.6 

606 

8,6 

370 

1.4 

0,10 

438 

7.2 

269 

1.6 

609 

8,8 

347 

1.4 

1.00 

341 

6,6 

250 

1.6 

678 

8,0 

414 

1.4 

2,50 

273 

6,5 

237 

1,6 

722 

7.8 

472 

1.4 

5,00 

274 

6,5 

255 

1.6 

688 

8,3 

496 

1.6 

10,00 

242 

6,6 

237 

1.6 

729 

8,4 ! 

509 

1.4 

20,00 

264 

6,6 

270 

1.4 

964 

8.6 1 

711 

1.4 

25,00 

386 

7.2 

268 

1.0 

994 

8,6 1 

622 

1.6 

35,00 

339 

7.0 

199 

1.5 j 

— 

1 




Tabelle IV. Mucor pusillus. 


HgS 04 

% 

Nach 4 Tagen 

Nach 22 Tagen 

1 A-Lösung 1 

H-Lösung 

A-Lösung 

H-Löeung 

Hycelgewicht | 

PH 

1 Hycelgewicht | 

PH 

1 Hycelgewicht | 

PH 1 

Hycelgewicht | 

Ph 

0,00 

35 

6,6 

37 

1.6 

41 

6,6 

86 

2,0 

0,06 

83 

6,4 

166 1 

1.6 

628 

8,0 

297 

1,5 

0,10 

96 

6,3 

175 1 

1,6 

634 

8,0 

300 

1.6 

1,00 

36 

6,8 

134 

1.6 

1 679 

6.0 

292 

1.6 

2,50 

103 

5,4 

118 

1.5 

i 80^ 

7,8 

322 

1,4 

6,00 

90 

6,4 

82 1 

1.5 

967 1 

7,8 

284 

1,6 

10,00 

45 

6,4 

56 

; 1.9 

957 

7,6 

368 

1.6 

20,00 

28 

5,4 

03 1 

1 3,8 

626 

4,3 

280 

1.6 

26,00 

3 

5,4 

10 

! 3.9 

1 410 

4,0 

266 

; 2,0 


A. flavus: In der M (Afwcor) -Lösung fängt das Wachstum etwas 
früher als in der A {Aspergillus) -Jjösung an; das Häutchen ist zer- 
brechlich und halbschleimig, die Oberfläche blaß gelblichgrün, die 
Sporenbildung überall üppig. Die mikroskopische Durchprüfung des 
Mycels in der M-Lösung zeigte (2. Ernte) den Zerfall der meisten Hyphen 
in angeschwollene rundliche Zellen mit fester Zellwand und mit vielen 





Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat. 


79 


Reservestoffen. Solche Erscheinungen, obwohl im kleineren Ausmaße^ 
wurden auch in Lösungen mit kleinen Mg SO4- Gaben (0,05%) fest- 
gestellt und sind demnach mehr eine Folge der sauren Reaktion und 
des Kulturalters als des Einflusses der hohen Konzentrationen des 
Magnesiumsulfats . 

M, jmsillua: Das Wachstum in der A- Lösung ist in den ersten 
Tagen etwas verzögert; im Laufe der Zeit entwickelt sich aber eine 
schneeweiße, wasserreiche und schleimige Decke. Charakteristisch ist 
für das Wachstum dieses Pilzes in der A-Lösung das hoch ausgewachsene 
Mycel, während die Sporenbildung (bräunlich graue Farbe) sehr spar- 
sam ist. 

Wir sehen also, daß die Entwicklung schon makroskopisch, je 
nach Lösungen, verschieden ist. 

Was die Zahlen in den Tabellen betrifft, so können wir feststellen, 
daß die Ertragskurve von A. flavua in der A-Lösung, trotz der geringeren 
Wachstumsintensität, doch ähnlich der im Versuch I ist. Bemerkens- 
wert ist jedoch der Kurvenanstieg bei 20 bis 25% MgS04 (2. Ernte, 
nach 22 Tagen) ; die mikroskopische Kontrolle zeigte, daß zwischen der 
Pilzhyphen eine sehr große Zahl von Kristallkonglomeraten eingelagert 
ist, welche mit gewöhnlichem Auswaschen des Mycels nicht zu beseitigen 
sind. Es ist also anzunehmen, daß diese Steigerung teilweise auf die 
Salzanhäufung in älteren Kulturen (nach 22 Tagen) zurückzuführen ist. 

In der M-Lösung ist die Entwicklung gleichmäßiger; wie bei Mucor 
spielt auch hier die stark saure Reaktion eine große Rolle. Nach 22 Tagen 
wiederholt sich auch in diesem Falle ein ausgeprägter Anstieg der 
Kurve bei 20% MgS04 (Salze, Inkrustierung!?). 

M.pusillus hat in der A-Lösung bei der 1. Ernte (4 Tage) eine 
charakteristische Biegung im Bereich von 1 bis 5% MgS04. Während 
der zweiten Ernte (22 Tage) wurde eine sehr starke Steigerung der 
Erträge festgestellt mit dem Maximum bei 10%. Dagegen hat die 
Ertragskurve in der M-Lösung einen ruhigeren Verlauf mit der gleichen 
Tendenz wie im Versuch I; nach 22 Tagen sind die Erträge größer, die 
Steigerung doch nicht so bedeutend wie in der A-Lösung (saure Reaktion, 
stärkere Sporenbildung). 

In diesem Versuch wurde also festgestellt, daß M. pusiUus in der 
A-Lösung besser wächst; außerdem daß die Intensität der Sporen- 
wirkung bei steigendem Ertrag abnimmt. 

Versuch III, 

In diesem Versuch verwendeten wir die gleiche, d. h. A-Lösung für 
A. flavua und M, pusiUua. Um eine gleichmäßigere Entwicklung der Pilz- 
decke an der Oberfläche der Nährlösung und damit auch eine gleic^3aftßl^!% 



80 


A. Stare : 


Entwicklung der Paralielkulturen zu erhalten, wurde 0,1% Agar zugefügt 
[A, Rippel (1)]. Ergänzend wurde auch der ökonomische Koeffizient 
{verbrauchte Saccharose) und der Aschegehalt bestimmt. 

Die Ergebnisse zeigen die Tabellen V und VI. 

Aspergillus flavus: Der Pilz entwickelt sich schon in den ersten 
Tagen stark, so daß nach 3 Tagen auch die Kölbchen mit 50% MgS04 
mit einer gut gewachsenen Decke an der Oberfläche der Nährlösung 
überzogen sind. Das Häutchen ist sehr fest und zäh, mit vielen Sporen, 
die bei hohen Mg SO4- Gaben auch in diesem Falle eine heller gelbe 
Farbe besitzen. 

In den Lösungen mit 0,5 bis 10% MgS04, besonders in älteren 
Kulturen, wurde ein reichlicher, schmutzigweißer und voluminöser 
Niederschlag festgestellt, in dem das Magnesium größtenteils als Mg (0H)2 
vorhanden ist. Außerdem ist auch die Unterseite des Häutchens bei 
diesen wie auch bei höheren M^S04- Gaben *^lt einer Salzkruste 
bedeckt. 

Die mikroskopische Kontrolle in den Erntezeiten zeigte das gleiche 
Bild wie in den ersten beiden Versuchen. Blasen und ähnliche Er- 
scheinungen konnten wir nicht feststellen. 

Mucor pusillus: Wählend der 1. Ernte hat sich eine schneeweiße 
Decke in den Kölbchen bis 1 % MgS04 entwickelt; in höheren MgS04- 
Konzentrationen ist die Entwicklung schwächer und größtenteils nur 
auf die Bildung eines Randringes beschränkt. Auch die Sporenbildung 
ist gering. Das Wachstum ist jedoch etwas gleichmäßiger als in den 
ersten Versuchen ohne Zusatz von Agar. Nach 19 Tagen (2. Ernte) 
hat sich ein dickes schleimig- wässeriges Häutchen entwickelt mit stär- 
kerer Sporenbildung nur bei niederen MgS04-Gaben (von 0,01 bis 
0,05%). Das Mycel wächst gut in der Nährlösung, so daß es diese fast 
vollständig ausfüllt. 

Die Wirkung des Agars äußert sich bei den beiden Pilzen in einer 
intensiveren Entwicklung, und zwar bei A, flavus in der ersten Periode 
(nach 4 Tagen) in einem stärkeren Wachstum in niederen MgS04- 
Konzentrationen (0,05 bis 0,25%), in der zweiten Periode (nach 11 Tagen) 
in höheren Konzentrationen — von 1 % weiter. Auch für M. pusillus 
ist in der Zeit der ersten Ernte eine üppigere Entwicklung bei den 
niedrigen MgS04-Gaben (bis 0,25%) festzustellen und ein allgemein 
besseres Wachstum bei der 2. Ernte. 

Es ist bemerkenswert, daß der Agarzusatz kein gleichmäßigeres 
Wachstum der Versuchsparallelen verursacht hat (vgl. die wahrschein- 
lichen Schwankungen in Versuchen mit und ohne Agar). 

Die Ertragskurve zeigt in diesem Versuch bei der ersten Ernte 
{nach 4 Tagen) in diesem Versuch zwei Maxima für A. flavus: das erste 
bei 0,05 bis 0,1 % MgS04, das zweite bei 2,5 bzw. 20 %. Nach 11 Tagen 



Tabelle V. Aspergillus flavtis. 


Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat. 


81 



König, 
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37.3 
38,0 

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2451 

2452 

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630 dz 16 
649 dz 10 
707 dz 5 
714 d: 16 
786 dz 11 
815 ± 12 
829 ± 10 

853 dz 17 

916 dz 26 
947 dz 16 
972 dz 10 
1063 dz 17 
932 dz 6 




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1 

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1266 

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0,06 

0,10 

0,25 

0,50 

1,00 

2,60 

6,00 

10,00 

16,00 

20,00 

26,00 

40.00 

60.00 


ArchlT ffir Mikrobiologie. Bd. 13. 




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6 1 / 


82 


A. Stare: 


läuft die Kurve jedoch gleichmäßiger und steigt allmählich bis 20 —25 % ; 
nach 22 Tagen (3. Ernte) fanden keine größeren Veränderungen statt. 
Hier ist sogar eine Abnahme der Ernten zu beobachten, die auf Auto- 
lyse zurückzuführen ist. Das bestätigt auch die Bestimmung des in 
der Nährlösung verbliebenen Zuckers. 

Der ökonomische Koeffizient zeigt eine gute Parallelität mit den 
Erträgen. Während der ersten Ernte erreicht er den größten Wert 
im Bereich des 2. Maximums (42,6). Die Aschebestimmung führte zu 
dem unerwarteten Ergebnis, daß der Aschegehalt nach 22 Tagen 
außerordentlich groß ist (bis 54% der Trockensubstanz bei 50% 
MgS04); der tatsächliche Ertrag ist also hier bedeutend niedriger, bzw. 
die ausgeprägte Steigerung bei hohen Mg SO4- Gaben ist eigentlich 
durch die Einlagerung des Salzes im Pilzmycel verursacht; weitere 
Ascheanalysen zeigten, daß es sich natürlich um Mg- Salze handelt 
(Mg O in der Asche). Dieser Befund ist weiter durch den histochemischen 
Nachweis des Magnesiums im Pilzmycel bestätigt. Es ist selbstverständ- 
lich, daß solche großen Aschenmengen nicht innerhalb, sondern größten- 
teils außerhalb der Zellen liegen; mikroskopisch sieht man die Ab- 
lagerungen zwischen den Hyphen. 

Es wurde noch versucht, den Aschegehalt des Mycels dadurch 
herunterzudrücken, daß einige Proben mit verschieden stark an- 
gesäuertem Wasser ausgewaschen bzw. verschieden lange Zeit in ver- 
dünnter Salzsäure liegengelassen wurden. Erst das Liegen des Pilz- 
mycels 1 Stunde lang in 1:50 verd. Salzsäure genügt praktisch, um 
alle Salze zu beseitigen. 

Die Steigerung der Kurve bei der 2. Ernte können wir ebenfalls 
auf Grund des Aussehens des Mycels und der mikroskopischen Prüfung 
auf den großen Aschegehalt zurückführen, obwohl eine Asche bestimmung 
hier nicht durchgeführt wurde. 

Die Reaktion ist alkalisch, so daß der pu-Wert in alten Kulturen 
bis 9,0 steigt; das Magnesium fällt als Mg(OH)2, besonders im Bereich 
von 0,5 bis 5% M^S04 aus. Das bedeutet aber, daß der tatsächliche 
Gehalt an MgS04 in diesen Kölbchen (in der Lösung) viel niedriger ist; 
es ist nicht ausgeschlossen, daß das Ansteigen der Erträge in diesem 
Bereich (besonders 1. Ernte) damit in Zusammenhang steht. 

Im Versuch mit M, jmsillus wurde — ähnlich wie im Versuch II 
mit der A-Lösung — ein Maximum bei 0,1 % MgS04 festgestellt, dann 
ein zweites, viel niedrigeres bei 2,5%. Bei der 2. Ernte (nach 19 Tagen) 
wiederholt sich dies, oby^obl die Biegung der Kurve nicht so stark ist. 

Der Aschegehalt ist in diesem Versuch leider nicht quantitativ 
bestimmt. Nach der mikroskopischen Kontrolle und dem Aussehen 
des getrockneten Mycels (das sehr hart ist), kann es aber nicht zweifelhaft 
sein, daß die Asche auch hier in der Trockensubstanz stark vertreten ist 
und ihr die großen Erträge bei hohen Mg SO4- Gaben zuzuschreiben sind. 



Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat. 


83 


Der ökonomische Koeffizient ist hier zwar niedriger, stimmt aber 
gut mit den Erträgen überein; sehr kleine ökonomische Koeffizienten 
bei den hohen Mg SO4- Konzentrationen sprechen außerdem für eine 
unökonomische Arbeit dieses Pilzes und indirekt für eine hemmende 
Wirkung dieser hohen MgS04-Gaben. 

Die Reaktion verändert sich hier weniger und ist sogar bei den 
höheren Mg SO4- Gaben sauer (Einfluß des MgS04 oder der gebildeten 
organischen Säuren!?). 

Versuch IV. 

Der Versuch mit A. flavus wurde mit der A-Nährlösung, aber bei ver- 
schiedener Reaktion durchgeführt : bei Ph (wie in den früheren Versuchen ) 
und bei pH 4:,0, d. h. bei saurer Reaktion, um damit die Fällung von 
Magnesium während des Wachstums des Pilzes zu vermeiden. Die Lösungen 
mit Ph 4,0 waren bei deren Herstellung wie auch später während des Versuchs 
ganz klar. 

Für M. puaiUua wurde auch in diesem Versuch nur die Nährlösung mit 
Ph 6,5 verwendet, da hier weder Alkalisierung noch Fällung des Nieder- 
schlages entsteht. 

Beim Ernten wurden die Salze praktisch vollständig entfernt (Liegen 
des Mycels 1 Stimde in 1 : 50 verdünnter HCl). Der Aschegehalt und 
die verbrauchte Saccharose wurden auch in diesem Versuch bestimmt. 

Die Ergebnisse sind in den Tabellen VTI und VIII sowie in Abb. 1 
dargestellt. 



Abb. 1. Aspergillas flaviu : 1. Ernte, 2. Ernte. 

Mucor pusillus: — — — 1. Ernte, 2. Ernte. 


A. flavus: In der sauren Nährlösung ist die Entwicklung in den 
ersten Tagen etwas besser, sonst ist das Aussehen des Häutchens das 
gleiche wie in neutraler Lösung. 

Die mikroskopische Kontrolle der einzelnen Pilze zeigte auch hier 
die Kristallglomerate an der Unterseite der Pilzdecke, und zwar besonders 
im Bereich von 5 bis 25% MgS04; in höheren Konzentrationen ist 
das Häutchen schwächer entwickelt, weicher, und bei 70% MgS04 ist 
die Entwicklung vollständig gehemmt (keine Sporenbildung). In diesjpi 



Tabelle VII. Aspergillus f 


84 


A. Stare 






Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat. 


85 


Versuch war die Sporenbildung nicht so üppig, und man konnte oft 
weiße Flecken des Vegetativmycels zwischen den grünen Inseln der 
Konidien beobachten. 

M. puaiUus : In den ersten Tagen war die Entwicklung außer- 
ordentlich schwach und auf die Bildung eines weißen Ringes beschränkt. 
Die Sporenbildung war nicht nur gering, sondern auch sehr unregelmäßig ; 
z. B. bildete der Pilz bei 0,5% MgS04 in zwei Fällen sehr viele Sporen, 
in den anderen zwei Parallelen ein mächtiges Mycel ohne Sporen. 

Ein Niederschlag in den Kölbchen wurde nur für A. flavus bei 
PH 6,5 festgestellt und zwar im Bereich von 0,5 bis 15% MgS04. 

Die Ertragskurve von A. flavus bei pn 6,5 unterscheidet sich von 
den Ertragskurven in früheren Versuchen dadurch, daß sie keine Ertrags- 
steigerungen im Bereich von 10 bis 30% MgS04 zeigt (Beseitigung 
der Salze! ?). Im Versuch bei Ph 4,0 ist der Kurvenverlauf anders; das 
zweite Maximum ist im großen Bereich von 5 bis 20 % MgS04 (1. Ernte) 
vorhanden. 

Der Aschegehalt ist niedrig, d. h^ normal (bis 7% nach 12 Tagen). 
Der ökonomische Koeffizient ist praktisch der gleiche in beiden Ver- 
suchsreihen. Die Reaktion zeigt auch im Versuch bei pH 4,0 eine Alkali- 
sierung, die indessen gering ist; ein Niederschlag bildet sich nicht. 

Wir sehen also, daß die Reaktion die Erträge von A. flav^is in 
verschiedenen Mg S 04- Lösungen beeinflußt. Gerade im Bereich der 
Mg SO4- Gaben, in welchem bei den ersten Versuchen ein Bodensatz 
festgestellt wurde, ist der Kurvenverlauf bei Ph 4,0 anders, und zwar 
läßt sich hier ein ausgeprägtes Maximum erkennen. 

Für M, pusillus wurden im Verhältnis zu den ersten Versuchen 
niedrigere Erträge erhalten. Ein deutliches Maximum wurde für die 
beiden Ernten bei 0,05 % Mg S O4 gefunden. Der ökonomische Koeffizient 
war auch hier niedrig, der Aschegehalt verhältnismäßig hoch (bis 15 % 
bei 2,50% MgS04). 

Auch in diesem Versuch mit M. pusillus konnten wir nur bei 
niederen Mg SO4- Gaben eine gute Entwicklung feststellen; andererseits 
treten solche Streuungen und Unregelmäßigkeiten bei hohen MgS04- 
Konzentrationen, wie sie für A, flavus typisch sind, hier nicht auf. 

Besprechung der Ergebnisse. 

Es sei zunächst hervorgehoben, daß die von W. Lohrmann (2) 
festgestellte Wirkung von MgS04 auf Aspergillus flavus und Mucor 
pusillus wie auch die scheinbar größere Resistenz von A . flavus gegenüber 
MgS04 durch diese Versuche bestätigt werden konnten (vgl. hierzu 
Abb. 1). Aus allen Versuchen geht hervor, daß bei A, flavus eine Schädi- 
gung erst bei sehr hohen Mg SO4- Gaben eintritt, während das Wachstum 



8(5 


A. Stare: 


von M. 'pusillus schon bei viel niedrigeren Konzentrationen gehemmt 
wird . Es ist jedoch bemerkenswert, daß auch M. pusillus sehr hohe 
MgS04-Konzentrationen vertragen kann, wenn auch hier die Ent- 
wicklung gering ist. Die absolute Eesistenz ist für die beiden Pilze 
ungefähr die gleiche; die relative Wirkung der hohen MgS04-Gaben 
ist aber für die beiden Pilze verschieden, was ohne weiteres aus dem 
Kurven verlauf der Erträge zu ersehen ist. Nur in diesem Sinne können 
wir von einer verschiedenen Empfindlichkeit der untersuchten Pilze 
gegenüber steigenden Gaben des MgS04 sprechen. 

Es ist weiter hervorzuheben, daß ein und derselbe Pilz in mehreren, 
unter möglichst gleichen Bedingungen durchgeführten Versuchen, sehr 
verschiedene Erträge erreicht. Obwohl die Zahl der Parallelen in unseren 
Versuchen offenbar klein ist, können wir doch die auftretenden Ver- 
schiedenheiten in erster Linie als die große Reaktionsfähigkeit der Pilze 
gegenüber der Konstellation der Wachstumsfaktoren betrachten. Das 
oft unregelmäßige Wachstum des Pilzmycels auf der Oberfläche der 
Nährlösung zeigt z. B., daß trotz der ursprünglichen Homogenität der 
Lösung während des Wachstums des Pilzes bald Veränderungen eintreten 
(örtliche Versäuerung usw.). 

Die Verschiedenheit unserer Ertragskurven für ein und den gleichen 
Pilz können wir aber, wenigstens zum Teil, auf bestimmte Faktoren 
zurückführen, so z. B. auf den Einfluß des Agars (in Versuch III) oder 
der Reaktion (im Versuch IV). Bei M. pusillus kommt dazu noch das 
Verhältnis zwischen dem vegetativen Wachstum und der Sporenbildung, 
eine Tatsache, die wir leider nicht quantitativ erfassen können. 

Für die Bewertung der Pilzerträge bei verschiedenen Mg SO4- Gaben 
ist es wichtig, daß die schon erwähnten Unregelmäßigkeiten in größerem 
Ausmaße besonders bei den höheren, noch immer fördernden Konzen- 
trationen des Magnesiumsulfats eintreten, so daß dort kein scharfes 
Maximum hervortritt, während bei den niedrigen, optimalen Gaben fast 
regelmäßig ein Maximum in relativ engerem Bereich der MgS04- 
Konzentrationen eintritt. Das bezieht sich zunächst auf die 1. Ernte, 
da sich später die Erträge ziemlich ausgleichen. 

Wie schon bei der Besprechung des Versuchs III (A, flavus) erwähnt 
wurde, können wir den Anstieg der Erträge bei den höheren MgS04- 
Konzentrationen teilweise auch auf die Salzinkrustierung zurückführen, 
besonders bei den älteren Kulturen. Aus den Zahlen geht aber hervor, 
daß der Kurvenanstieg doch nicht völlig durch den Aschegehalt 
gedeckt wird. Außerdem konnten wir auch im Versuch IV, wo die Salze 
aus den Mycelemten praktisch vollständig beseitigt wurden, ebenfalls 
einen Anstieg bei hohen Mg SO4- Gaben feststellen. Wir können also 
von einer Förderung durch die hohen Konzentrationen von MgS04 
sprechen. Im Sinne der Erklärungen, die A, Rippel (5, 9) für das 



Einfluß steigender Gaben von MagnesiumsiiKat. 


87 


Ertragsgesetz, sowie für den Begriff der Nährstoffwirkung gibt, können 
wir sagen, daß in diesen Fällen in niederen (optimalen) MgS04-Konzen- 
trationen das Magnesium als Elementarnährstoff wirkt, während bei 
den höheren (überoptimalen) Gaben des Magnesiumsulfats die Wirkung 
des Neutralsalzes MgS04 mit allen seinen Nebenwirkungen in Frage 
kommt. Wenn wir indessen das Mg SO4 als ,, Nahrung“ betrachten, dann 
sehen wir, daß seine fördernde Wirkung b^i A . flavus einen sehr breiten 
Bereich umfaßt, etwa bis 40 % MgS04, und daß sich bei M, pusillus, der 
empfindlicher ist, die Salz Wirkung weniger äußert. Für uns hat be- 
sonders dieser zweite Teil des auf steigenden Astes Interesse, da sich 
in diesem Bereich die komplexe Wirkung des Salzes abspielt. 

Dabei gibt A. flavus wegen seiner Plastizität gegenüber MgS04 
ein aufschlußreicheres Material als M. pusillus. Allgemein genommen 
wurde hier ein Optimum für Magnesium im Bereich unter 1% MgS04 
festgestellt (etwa bei 0,05 bis 0,1%; im Versuch IV mit pn 4,0 bei 
0,25% MgS04). Schon bei den Konzentrationen über 1% MgS04 
spielen offenbar noch andere Faktoren^eine Rolle, Faktoren, die fördernd 
wirken und in welchen die Wirkung des Magnesiums als Elementar- 
nährstoff schon überdeckt ist. Hier können wir voraussetzen, daß das 
MgS04 als Salz (undissoziierte Moleküle) und auch als Mg-Kation 
bzw. als SO4- Anion wirkt. Ob diese Wirkung rein chemischer Natur ist 
(Reaktionen in den Lösungen) oder ob es sich mehr um physiologisch - 
chemische Vorgänge handelt (Wirkung auf das Plasma), ist schwer zu 
entscheiden. 

Chemische Veränderungen in der Nährlösung sind möglich, es 
sprechen dafür viele Erscheinungen. Schon der einfache Zusatz von 
größeren Mg S04-Gaben, von 5 % aufwärts, ändert merklich die Reaktion 
der Lösung und das ursprüngliche pu sinkt (bei 50% MgS04 von 6,5 
auf etwa 5,0). Andererseits haben wir bei der alkalischen Reaktion, 
die während des Wachstums eintritt, eine Fällung der Salze festgestellt, 
und zwar besonders im Bereich von 0,5 bis 10 % Mg S O4, also im Bereich, 
der durch den Wendepunkt charakterisiert ist. Endlich zeigt auch der 
Versuch IV mit der sauren Lösung, daß gerade in diesem letzten Teil 
des aufsteigenden Astes Veränderungen eintreten ; hier war (1 . Ernte) der 
Ertrag größer, wahrscheinlich wegen der stärkeren Löslichkeit der aktiven 
Stoffe. 

Die Erklärung dieser Erscheinungen nur auf dem chemischen Wege 
ist aber einseitig und kann uns nicht befriedigen. In Versuchen von 
W. Lohrmann wurde eine antagonistische Wirkung hoher Mg SO4- Gaben 
festgestellt, so daß diese Gaben die von Sublimat oder Borsäure ver- 
ursachten Schädigungen beheben können ; es handelt sich also um einen 
physiologisch -chemischen Antagonismus, der mit den Lebensvorgängen 
des Organismus verknüpft ist. Denn die Mengen von Sublimat bzw. von 



88 


A. Stare : 


Borsäure waren verhältnismäßig so gering, daß rein chemische Wir- 
kungen mit den hohen MgS04-Gaben ausgeschlossen sind. Die Er- 
scheinung des Antagonismus spricht auch für eine Salzwirkung, da sie 
sich bei solchen Konzentrationen äußert, die weit über die Grenze des 
Normalbedarfs des Pilzes an dem Nährstoff Magnesium liegen. Dies ist 
nur eine Komponente der mannigfaltigen komplexen Wirkung des 
MgS04; in unseren Versuchen können wir auch auf eine antagonistische 
Wirkung des Magnesiumsulfats gegenüber den anderen Bestandteilen 
der Nährlösung vermuten. 

Bei den hohen Salzkonzentrationen müssen wir weiter auch dem 
hohen osmotischen Druck eine gewisse Wirkung zuschreiben. Verschie- 
dene Literaturangaben zeigen, daß besonders die kosmopolitisch ver- 
breiteten Aspergillus- Alten, weniger die Mucor-Arten, sehr hohe Salz- 
konzentrationen vertragen können. So fand D. Rabinovitz-Sereni (4), 
daß manche Pilze und Bakterien bis 40% MgS04 vertragen können, 
und daß der toxische Effekt der höheren Konzentrationen auf den 
hohen osmotischen Druck zurückzuführen ist; G.Schoop(\0) erwähnt 
A.flavus als einen fakultativ halophilen Organismus. Es sei doch hier 
bemerkt, daß die osmotischen Werte des MgS04 im Vergleich mit Na CI 
in äquimolaren Lösungen viel niedriger sind [H, Walter (12)]. In unseren 
Nährlösungen mit 40% MgS04 beträgt der osmotische Wert etwa 
90 atm,, bei 50 % 110 atm. und bei 70 % schon etwa 150 atm. Das sind 
schon sehr hohe Werte, die zeigen, daß die Pilze ein sehr hohes osmotisches 
Niveau ertragen können. Dies gilt für A,flavus besonders, während 
M, pusillus empfindlicher ist. So können wir für den ersten Pilz sagen, 
daß der Einfluß des osmotischen Druckes von sekundärem Charakter 
ist (wenigstens bis 40% MgS04) und daß bei diesem osmotoleranten 
Pilz die fördernde Wirkung von größeren MgS04-Konzentrationen auf 
die spezifische Wirkung des Salzes zurückzuführen ist. Bei M. pusillus 
ist jedoch wahrscheinlicher, daß diese spezifische Wirkung durch den 
Einfluß der hohen osmotischen Werte überdeckt wird. Die mikro- 
skopische Überprüfung gab, daß bei den hohen Mg S O4- Gaben die Hyphen 
von M. pimllus verhältnismäßig dünn und vakuolisiert sind. 

Bei den obligat halophilen Organismen sind die Verhältnisse relativ 
einfach, da NaCl keine ausgesprochene Nährstoffwirkung besitzt; in 
Versuchen mit MgS04 kommt aber die Nährstoff- wie auch die Salz- 
wirkung stärker zum Ausdruck, und die Kurven sind mehr oder weniger 
zweigipfelig. Wahrscheinlich besteht hier der Unterschied zwischen 
NaCl und Mg S O4 , derei\ Ionen auch in lyotroper Reihe weit voneinander 
liegen. Während die Halophilie mehr mit der osmotischen Resistenz 
verbunden ist — die obligaten Halophyten wachsen bei niederen NaCl- 
Konzentrationen überhaupt nicht — ist die festgestellte Resistenz 
gegenüber MgS04 mehr eine Folge der kombinierten spezifischen 



Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat, 


Nährstoff- und Salzwirkung. Hier spielt auch die Tatsache eine Rolle, 
daß die Mg- wie auch die S04-Ionen langsamer in die Zelle permeieren 
als Na CI, und daß das MgS04 eiuen verhältnismäßig geringeren osmoti- 
schen Wert besitzt. 

Die Literaturangaben über die physiologische Wirkung von MgS04 
(lonenantagonismus, Permeabilität, lyotrope Effekte, spezifische Wir- 
kung usw.) können wir nicht ohne weiteres auf unsere Betrachtungen 
anwenden, da sie sich hauptsächlich auf niedere Salzkonzentrationen 
beziehen. Hinsichtlich des Einflusses von Ionen im Sinne lyotroper 
Reihen, die bei den höheren Konzentrationen der Salze zum Ausdruck 
kommen, wissen wir, daß die Mg- und S04-Ionen verhältnismäßig 
schwer auf genommen werden bzw. daß sie die Permeabilität durch ent- 
quellende Wirkung auf das Plasma vermindern. Die Verhältnisse sind 
jedoch nicht so einfach, da z. B. in mehreren Fällen festgestellt wurde, 
daß das Mg-Ion auch als einwertiges Ion wirken kann, und daß nach der 
Salzkonzentration und aus anderen Gründen eine Verschiebung oder 
sogar eine Umkehrung der lyotropen lonenreihen möglich ist. Es ist 
nicht ausgeschlossen, daß das Mg-Ion in höheren Konzentrationen 
fördernd auf die Permeabilität wirkt, was zum Teil auch unsere Ergeb- 
nisse erklären könnte. 

Andererseits ist sicher, daß das SO4- Anion eine Rolle in den hohen 
MgS04-Konzentrationen spielt. Die Untersuchungen von A, Rijypel 
und K, Behr (8) wie die von K, Mothes ( 3 ) deuten darauf hin, daß das 
S04-Ion in den Nährlösungen (für A.niger) großen Veränderungen 
unterworfen ist, obwohl es an sich die physiologisch stabile, wenig aktive 
Form des Schwefels darstellt. Die Wirkung von Mg SO4 -Molekülen 
können wir auch voraussetzen, was aber in diesen Untersuchungen 
ein ebenso wenig kontrollierbarer Faktor ist wie die wahrscheinlichen 
antagonistischen Erscheinungen bei hohen Gaben von MgS04. Endlich 
kompliziert sich diese Faktorenkonstellation noch dadurch, daß zwischen 
Salzaufnahmen und Gesamtstoffwechsel eine enge Beziehung besteht. 
Wir können nur voraussetzen, daß sich bei hohen, noch immer fördernden 
Mg SO4- Konzentrationen in erster Linie die spezifische Wirkung des 
Salzes MgS04 äußert, und daß die anderen Faktoren (lonenwirkung, 
Antagonismen, Nährstoffwirkung) durch diese großen Mg SO4- Gaben 
physiologisch verdrängt sind. 

Während für den ,, Nährstoff“ im engeren Sinne des Wortes ein 
primäres, unmittelbares Eingreifen in die Vorgänge, die zur Ertrags- 
bildung führen, charakteristisch ist [A. JRippel ( 9 )], haben wir es also 
bei der ,, Salzwirkung“ auch mit einer indirekten Wirkung zu tun. Das 
ist in jenem Bereich der Ertragskurve, wo die fördernde Wirkung des 
Magnesiumsulfats von der Hemmungswirkung allmählich überdeckt 
wird, und wo allmählich schon Konzentrationswirkungen eintreten. 



90 


A. Stare : 


Für A , flaims ist dieser Bereich breit ; deswegen finden sich auch 
solche Verschiedenheiten in einzelnen Versuchen. Übrigens zeigt die 
mikroskopische Kontrolle, daß die hohen Mg SO4- Gaben nur wenig 
auf die morphologischen Eigenschaften des Mycels ein wirken ; die fest- 
gestellten Anomalien sind mehr dem Alter der Kulturen bzw. der 
Reaktion der Nährlösung zuzuschreiben. Erst bei 70% MgS 04 (ge- 
sättigte Lösung) ist die Hemmung vollständig und die geimpften Sporen 
keimen nicht mehr. Auch hier tritt der osmophile Charakter dieses 
Pilzes hervor. 

Die Bestimmung der Reaktion, der verbrauchten Saccharose sowie 
des Aschegehalts erklären nur zum Teil diese Verhältnisse. Hinsichtlich 
der Reaktion wurde für Ä.flavus eine allmähliche Alkalisieiung fest- 
gestellt, die bei den hohen MgS 04 -Gaben gering ist; auch organische 
Säuren bilden sich wahrscheinlich nicht in großem Ausmaße, worauf 
wir u.a. aus dem verhältnismäßig hohen ökonomischen Koeffizienten 
schließen können; er stimmt gut mit den Erträgen überein, d. h. steigt 
mit zunehmendem Ertrag. Es ist hier bemerkenswert, daß der öko- 
nomische Koeffizient auch bei hohen MgS 04 -Gaben hoch ist, was 
wiederum die große Resistenz dieses Pilzes andeutet. D. Buromsky (1) 
konnte für A. niger ebenfalls einen größeren ökonomischen Koeffizienten 
bei etwas steigenden Konzentrationen von MgS 04 (von 0,0 bis 0,5%) 
feststellen und schließt daraus auf die .,8timulative“ Wirkung dieses 
Salzes. Andererseits sinkt der ökonomische Koeffizient mit dem Alter 
der Kultur, besonders in niederen Konzentrationen. Das gleiche fand, 
wenn auch unter Anwendung einer anderen Methode, auch V. 0. 
Tauason (11) für A. flaws. 

Eine Analyse der Ertragskurven für Ä.flavus nach dem Ertrags - 
gesetz zeigt ein ziemlich unklares Bild. Die zeitliche Maximum Verschie- 
bung konnten wir in unseren Versuchen nicht immer feststellen (im 
Versuch IV bei pH 4,0 sogar das umgekehrte). Hier sei erwähnt, daß 
auch bei den höheren Pflanzen [A. Mi'p'pel und R. Meyer durch 
überoptimale Konzentrationen des Hauptfaktors Unregelmäßigkeiten 
eintreten (Rückläufigkeit des Maximums usw.), und daß die Wirkung 
der Nebenfaktoren um so mehr hervortritt, je mehr sich der Haupt - 
faktor aus dem Bereich der Anstiegtangente entfernt. 

M. pusillus zeigt größere Empfindlichkeit gegenüber MgS 04 . 
optimale Gabe beträgt 0,05 bis 0,1%; höhere Gaben schädigen. Im 
Versuch I wurde dieser Fall zwar nicht gefunden, und die Kurve läuft 
ungefähr horizontal, aber wegen der bald eintretemden Versäuerung 
bildet sich in niedrigen, optimalen MgS 04 -Konzentrationen kein aus- 
geprägtes Maximum. Dieses Maximum kommt als Folge der Nähtstoff- 
wirkung des Magnesiums zustande. Obwohl schon theoretisch — wegen 



Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat. 


91 


der Empfindlichkeit — eine stärkere ,, Salzwirkung“ nicht erwartet 
werden kann, können wir doch diese Wirkung bei 1 % bzw. 2,6 % Mg SO4 
vermuten (Erträge im Versuch lU bzw. IV). 

Wir haben schon erwähnt, daß die Intensität der Sporenbildung 
die Erträge beeinflußt; ob die kleine Steigerung der Kurve im Bereich 
über 1% MgS04 mit dieser Erscheinung (üppige Bildung des vege- 
tativen Mycels) zu erklären ist, oder sich besser durch irgendeine andere 
physiologisch -chemische Wirkung erklären läßt, ist schwer zu sagen 
(im Versuch IV ist bei 0,5% MgS04 der Ertrag des Mycels in den 
Kölbchen mit stärkerer Sporenbildung 14 bzw. 16 mg, in einer anderen 
Parallele ohne Sporen 315 mg). Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, 
daß auch in diesem Falle komplexe Vorgänge auf treten. 

Diese, wenn auch nicht so ausgeprägte Salzwirkung, äußert sich 
bei M. pusillus in der Weise, daß nach dem Überschreiten der optimalen 
Gaben das Absinken des Ertrages sich bald verzögert und sogar in eine 
geringe Steigerung umkehrt. Wegen der größeren Empfindlichkeit 
dieses Pilzes gegenüber der hohen Mg SO4- Gaben können wir hier aber 
ein so ausgedehntes zweites Maximum und so große Streuungen wie 
bei A,flavu8 nicht erwarten. 

Die über das Ertragsgesetz und A . flavus gemachten Angaben gelten 
auch für M. puailJus. Eine zeitliche Maximum Verschiebung wurde bei 
diesem Pilz nicht festgestellt. Der ökonomische Koeffizient steigt in 
älteren Kulturen. Der Unterschied gegenüber A. flavus ist jedoch nur 
scheinbar, da M. jmsillus viel langsamer wächst. Es folgt daraus, daß 
z. B. im Versuch IV für die Bewertung der Salzwirkung nicht die Er- 
träge der 1., sondern die der 2. Ernte (nach 16 Tagen) maßgebender sind ; 
hier ist das Wachstum intensiver, die Zuckerausnutzung größer und 
auch das zweite Maximum ist hier besser ausgeprägt. 

Zusammenfassung. 

Die untersuchten Pilze, Aspergillus flavus und Mucor pusillus, sind 
gegenüber hohen Mg SO4- Gaben resistent, so daß sie noch bei 50% 
MgS04 -7H20 wachsen. Doch ist die Entwicklung der Pilze bei 
steigenden Mg SO4- Konzentrationen in der Nährlösung insofern ver- 
schieden, als die Entwicklung von M. pusillus schon bei niederen 
Konzentrationen (über 2,5%) verzögert wird, während bei A, flavus 
erst in den Lösungen mit über 40% MgS04 eine merkliche Schädigung 
eintritt. 

Neben einem Maximum der Erträge bei niederen, optimalen Gaben 
von MgS04 (etwa 0,05 bis 1%), das der Wirkung von Magnesium als 
Elementamährstoff zuzuschreiben ist, wurde eine zweite Steigerung 

// 



92 A. Stare : Einfluß steigender Gaben von Magnesiumsulfat. 


bei höheren Salzkonzentrationen festgestellt. Dieses Maximum umfaßt 
einen breiteren Konzentrationsbereich als das erste und ist bei A, flavua 
stärker als bei M. pusiÜua ausgeprägt. 

Die fördernde Wirkung der höheren MgS 04 -Konzentirationen läßt 
sich durch rein chemische Vorgänge, wie auch durch osmotische Ver 
hältnisse in der Nährlösung nicht erklären ; sie steht mit der spezifischen 
physiologischen Wirkung des Salzes MgS 04 in engem Zusammenhang. 

Zum Schluß möchte ich Herrn Prof. A. Rippel für die Anregung wie 
auch für die Unterstützung und Ratschläge während der Durchführung der 
vorliegenden Arbeit meinen besten Dank aussprechen. 


Literatur. 

1) Buromsky.D., Mikrobiologija (russ.) 5, 800, 1936. — 2) Lohrmann, W., 
diese Zeitschr. 11, 329, 1940. — 3) Mothes, K., Planta 29, 67, 1938. — 

4) Rabinovitz-Sereni, D., Boll. Reg. Staz. Pat. Veg. 18, 103, 1933. — 

5) Rippel, A., Das Ertragsgesetz. In Honcamp’s Handb. d. Pflanzen- 
ernährung. Bd. I, S. 602. Berlin, Springer, 1931. — 6) Deraelhen. R. Meyer, 
Zeitschr. f. Pflanzenernährung usw. (A) 27, 267, 1933. — 7) Rippel, A., 
diese Zeitschr. 7, 210, 1936. — 8) Rippel, A.,u,0. Behr, ebenda 7, 584, 1936. 
- 9) Rippel, A,, u. W. Lohrmann, Nachr. aus d. Biologie (Ges. d. Wiss. 
Göttingen) 8, 239, 1940. — 10) Schoop, O., Deutsch. Tierärztl. Wochenschr. 
42, 816, 1934. — 11) Tauaaon, V.O., Mikrobiologija (russ.) 6, 542, 1937. — 
12) Walter, H., Bericht, d. Deutsch. Bot. Ges. LIV, S. 328, 1936. 



(Aus dem Institut für Mikrobiologie der Universität Okittingen.) 

Untersttchangen zur Morphologie und Biologie 
der Mycobakterien des Bodens. 

Von 

0. V. Plotho. 

Mit 16 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 15. Jrdi 1942.) 

Seit etwa 50 Jahren sind neben den pathogenen Mycobakterien eine 
große Zahl säurefester saprophytischer Formen beschrieben worden. Sie 
stammten aus den verschiedensten Quellen, und fast jeder dieser Organismen 
wuchs nach den Angaben der Autoren schnell und üppig auf allen gebräuch- 
lichen Nährböden. Keiner besaß ein© Pathogenität im eigentlichen Sinne, 
wenn auch starke Impfung bei den Versuchstieren Abszesse, vereinzelt sogar 
den Tod verursacht haben soll. Di© Zahl der Originalbeschreibungen dieser 
säurefesten Stämme wuchs schnell, aber sie waren oft so unzureichend, daß 
es unmöglich war, di© Bakterien wieder zu erkennen. Daher gab es in der 
Literatur ein© erheblich© Anzahl, die unter dem Namen ihres Autors oder 
ihrer Herkunft umliefen und es war wahrscheinlich, daß manche unter ver- 
schiedenen Namen bekannt© in Wirklichkeit die gleichen waren. 

Das zeigte sich denn auch, als im Jahr© 1896 Lehmann und Neumann 
zum erst/en Male ©in© systematisch© Einordnung der Mycobakterien unter- 
nalimen. Für di© aus Böden verschiedenster Herkunft stammenden Formen 
stellten sie auf Orimd eingehender Studien an 13 Stämmen zwei Arten auf, 
die den Namen Myc. lacticola und Myc. phlei erhielten. Später fügten sie 
diesen beiden Arten zwei weitere hinzu, so daß in der 7. und bisher letzten 
Auflage ihrer baktei iologischen Diagnostik Myc. eos und Myc. luteun» neben 
Myc. lacticola und phlei als Arten verzeiclmet sind. 

Die im folgenden mitgeteilten Untersuchungen wurden an 27 Stäm- 
men dieser vier Arten durchgeführt, von denen ich 21 selbst aus Stand- 
orten verschiedenster Herkunft isolierte. Zu wiederholten Malen 
wurden aus einem Ansatz mehrere Stämme isoliert, doch werden 
offenbar gleiche nur einmal aufgeführt. 

Isolierungsmethoden, Herkunft und systematische Einordnung der 
untersueJiten Stämme. 

Zur Isolierung wurden zwei verschiedene Methoden verwendet. Nach 
der von Keraten angegebenen sollen durch Zusatz von 10 bis 20% Anti formin 
nach einstündiger Einwirkung di© Begleitorganismen weitgehend geschwächt 
bzw. abgetötet, und nur die Mycobakterien entwicklungsfähig sein. Ich 
behandelte das tJrsprungsmaterial 1 Stunde lang mit einer 16%ig©n Anti- 
fomxinlösung und strich nach sorgfältigem Auswaschen und Zentrifugieren 
auf Petrischalen mit Nähragar, dem 0,6% Dextrose zugesetzt war, aus. 
Nach der von Söhngen mitgeteilten Methode wird zur Isolation der Myco- 
bakterien Paraffin, Benzin, Paraffinöl oder Petroleum als einzige C-Quelle 
dem Näbrmedium zugesetzt. Bei den hier ausgeführten Isolierungen kam 
Archiv fär Mlkrobiologrie. Bd. 13. 7 | 



94 


O. V. Plotho: 


ausschließlich flüssiger Nährboden in der von Söhngen angegebenen Zu- 
sammensetzung zur Verwendung (NH 4 CI 0,06%, K 2 HPO 4 0,06%, MgS 04 
0 , 02 %, CaCOs 0 , 02 %). Mit ihm wurden 600 ccm Erlenmeyerkolben bis 
zu 2 cm Höhe angefüllt und 1 % Paraffin naeh Erwärmen mit einer Pipette 
auf die Nährlösung getropft. Jeder Tropfen erkaltet sofort und schwimmt 
in Form eines kleinen Plättchens auf der Lösung. In den bei etwa 36” C 
gehaltenen Kulturen erscheint nach 14 bis 16 Tagen am Bande der Plättchen 
und auf ihrer Unterseite ein kleiner weißer bis gelblicher Belag, der häufig 
MifCobakterien enthält. Die Anreicherung der Rohkulturen ist ebenfalls von 
Söhngen beschrieben und erfolgte nach seinen Angaben. 

Die Isolierungen wurden sämtlich im Herbst 1940 vorgenommen und 
zu anderen Jahreszeiten nicht wiederholt, da Haag keinen Unterschied im 
Ergebnis seiner Herbst- und Frühjahrsisolieningen feststellen konnte. 
Nach ihm erscheint die Verteilung der "Bilden- Mycobakterien in der Natur 
durchaus regellos, sowohl geographisch als auch jahreszeitlich. 

Über den Erfolg der Isolienmgsmethoden, die Herkunft und die Stellung 
der Stämme im System unterrichtet die Tabelle T. 


Tabelle 1 . 


mm 

Stellung im System 

” ' * 

Herkunft 

. .. „ 

Isüliermethode 

1 

Myc. teatudinia 

Sammlung des Roh. Koch- 
Instituts Berlin* 

- 

2 

„ laeticola var, perrugoaum 

Grabenwasser 

nach Söhngen 

3 

♦1 

Sammlung des Hygieni- 
schen Instituts Göt- 
tingen * 


4 

ft »» ft f 

dasselbe 

— 

6 

tt tt tt -« 

Komposterde 

nach Söhngen 

6 

** tt tt tt 

Sammlung des Rob. Koch- 
Instituts Berlin 

— 

7 

„ „ „ planum 

Gartenerde 

nach Söhngen 

8 

„ phlei var, perrugoaum 

Sammlung der biologischen 
Reichsanstalt Berlin* 

— 

0 

»» tt tt tt 

dasselbe 


10 

„ „ „ planum 

Komposterde 

Tümpelwasser 

nach Söhngen 

11 

tt tt tt tt 

„ Karaten 

12 

tt tt tt tt 

Grabenwasser 

„ Söhngen 

13 

»• tt t^ tt 

,, 

„ Karaten 

14 

„ luteum 

Schlamm 

„ Söhngen 

15 

„ eoa 

Walderde 

tt tt 

16 

tt tt 

Sekundärkolonie 
von Stamm 15 


17 

tt tt 

frisches Heu 

nach Söhngen 

tt tt 

18 

tt tt 

Ackererde 

19 

tt tt 

Schlamm 


20 

tt tt 

tt 

tt tt 

21 

Proactinomyeea ap. 

Komposterde 

tt tt 

22 

tt \ tt 

Gartenerde 

tt tt 

23 

tt tt 

•f 

*t tt 

24 

tt tt 

Walderde 

tt tt 

26 

tt tt 

Pfützenwasser 

„ Karaten 

26 

tt tt 

Tümpelwasser 

Strafenstaub 


27 

Atypische Form 

„ Söhngen 


* Den Herren Profesaoreu Xant/«;- Berlin und Göttingen, sowie Herrn Oberregierungsrat 

S<app-Berlin sage Ich auch an dieser Stelle für die liebenswürdige t^berlaasung der Stämme meinen 
verbindlichsten Dank. 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


95 


Ein Blick auf die Tabelle läßt sofort die Überlegenheit der Iso- 
lierungsmethode nach Söhngen erkennen. Unter 20 Proben wurden bei 
ihrer Anwendung nur in drei Ansätzen keine Mycobakterien gefunden. 
Das Antiformin verfahren erwies sich dagegen als weit unergiebiger. 
Unter der gleichen Anzahl von Proben gelang nur viermal die Heraus- 
züchtung von Mycobakterien, Wenn Kersten seinerzeit von seiner 
Methode sagen konnte, daß sie als die sicherste ,,zur Züchtung der säure- 
festen Saprophyten angesprochen werden könne“, so ist sie heute durch 
das Söhngen^che Verfahren weit überholt.* 

Die Übersicht über die Herkunft der Stämme zeigt von neuem das 
ubiquitäre Vorkommen der Mycobakterien im Boden, das von vielen 
Forschem festgestellt ist. Das Ursprungsmaterial besteht hier aus- 
schließlich aus Bestandteilen des Bodens oder seiner unmittelbaren 
Abkömmlinge; auf Proben aus Milch, Butter, Wasserleitungen u. dgl. 
wurde verzichtet, da im Boden die Ursprungsstätte auch der in solchem 
Material gefundenen Bakterien liegen dürfte. Aus der geringen Zahl 
der Fehlansätze kann weiter auf den hohen Prozentsatz geschlossen 
werden, den die Mycobakterien unter der gesamten Mikroflora des 
Bodens einnehmen. Es iöt wahrscheinlich, daß eine beträchtliche Zahl 
der in Bodenuntersuchungen als ,, Kokken“ angegebenen Organismen 
in Wirklichkeit zur Familie der Mycobakterien gehören. Der Stamm 16 
ist, wie in der Tabelle I vermerkt, aus Sekundärkolonien des Stammes 15 
hervorgegangen. Etwa 4 Wochen nach seiner Isolierung entstanden auf 
seiner Kultur viele runde, weiße Kolonien, die sich nach ihrer Abimpfung 
korallenrot färbten. Hoog beschreibt eine Reihe solcher Abtrennungen, 
bei den hier besprochenen Stämmen wurde das Phänomen nur einmal 
beobachtet. 

Die Tabelle I enthält, der Einteilung von Lehmann und Neumann 
folgend, Vertreter der Arten Myc. lacticola phlei, eos und luteum. Die 
Stellung der beiden letztgenannten ist nicht unumstritten, da die 
amerikanischen Autoren sie nicht als Arten anerkennen. Amerikanische 
Forscher versuchten in neuerer Zeit die saprophytischen Mycobakterie/n 
durch Aufstellen von Standardmerkmalen zu klassifizieren. Dabei 
wurde zuerst von Thomson das Wachstum bzw. Nichtwachstum bei 
47^0 als Klassifikationsgrund angewandt. Oordon untersuchte dann 
252 S+ämme auf das Überleben bzw. Absterben bei einer Erw^ärmung 
auf 600 C während 1 Stunde. Sie teilte, Thomson folgend, ihre Kulturen 
in drei Gruppen ein, bei denen das Verhalten der Organismen diesen 
thermischen Faktoren gegenüber die Hauptbasis der Klassifikation 
darstellt. In der Arbeit von Qordon und Hagan wird diese Gruppen- 
einteilung beibehalten, die Unterteilung in Untergruppen aber ver- 
vollständigt durch Erweiterung der Untersuchung über das Verhalten 
der Bakterien in Lösungen mit verschiedenen Kohlenstoff quellen. Diese 
Einteilung übernimmt Bergey in der neuesten Auflage seines diagnosti^/ 



96 


O. V. Plotho : 


sehen Handbuchs. Sie zeigt in der Gruppe I (Wachstum bei 47® C, 
Absterben bei Erhitzen auf 60® C während 1 Stunde) eine große Ein- 
heitlichkeit, da alle Stämme bis auf vier (die die Untergruppe T b bilden) 
Stämme vom Typus perrugosum sind. In der Untergruppe I b 
erscheinen die £ar^»cokz-Stämme vom Typus planum. Die gleiche 
Einheitlichkeit weist die Gruppe III auf (Wachstum bei 47® C, Über- 
leben bei Erhitzen auf 60® C während 1 Stunde). Alle Stämme in ihr 
sind Stämme. Die Gruppe II dagegen (kein Wachstum bei 47® C, 
Absterben bei Erhitzen auf 60® C während 1 Stunde) ist heterogener. 
Sie umfaßt alle sogenannten Kaltblüterbakterien, in der Untergruppe III c 
erscheint Myc, testudinis. Das Genus Mycobacterium wird also von den 
amerikanischen Forschem auch heute noch begrenzt durch die streng 
säurefesten Bakterien. Bei den Boden- erscheinen nur 
Myc. lacticola und Myc. pMei als Arten, ebenso wie Winslow und Mit- 
arbeiter nur diese beiden Arten gelten lassen wollten. Bergey reiht 
in der 5. Auflage seines Handbuches (1939) Myc. eos bei den Proactino- 
myceten ein unter der Bezeichnung Proactinomyces rubropertinctum, 
während er es in der 1. Auflage (1923) als Serratia rubropertinctus be- 
zeichnet. Auch Jensen (1934) stellt Myc. eos zu den Proactinomyceten. 
Tn Einzellkulturen ähnelt aber Myc. eos in keiner Weise den Proactino- 
mycelm. und nach Beobachtung der Entwicklung solcher Einzel - 
Individuen ist die Zuordnung zu den ProacXirvomyceten sicher nicht zu 
rechtfertigen, was aus den weiter unten folgenden Angaben über das 
mikroskopische Bild klar hervorgeht. Das gleiche gilt für Myc. luteum, 
das Bergey ebenfalls als wahrscheinlich zu den Proactinomyceten ge- 
hörend bezeichnet. Es sei aber, so heißt es weiter, zu ungenügend be- 
schrieben, um es mit Sicherheit klassifizieren zu können. Myc. luteum 
weist aber in EinzePkulturen ebenfalls keinerlei Merkmale auf, die seine 
Einreihung bei den Proactinomyceten rechtfertigen könnten, es er- 
scheint vielmehr, wie auch Hactg feststellte, als eine gute Art der Myco- 
bakterien. Vielleicht gelingt es einmal, auch auf serologischem Wege 
zu einer zweifelsfreien Einordnung der umstrittenen Arten zu kommen 
(Ebina). 

Die Stämme 21 bis 26 stellen dagegen zweifellos Übergangsformen 
zwischen Mycobakterien und Actinomyceten dar, die als Proactinomyceten 
bezeichnet werden können. Sie ähneln sämtlich dem von Qray und 
Thomton (1928) erstmalig als Myc. a^este beschriebenen Organismus, 
der von Jensen (1931) als Proactinomyces agrestis bezeichnet wird; auch 
Bergey wählt 1939 die gleiche Benennung, während er ihn in der 3. Auf- 
lage seines Handbuchs 1930 als Actinomyces agrestis bei den Actino- 
myceten unterbringt. 

An letzter Stelle ist in dei Tabelle I als atypische Form ein 
Bakterium aufgeführt, das sich in die obigen Arten nicht ohne 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


97 


weiteres einordnen ließ. Seine Stellung wird bei der Betrachtung 
seiner Morphologie diskutiert werden. 

Makroskopisches Bild der Stämme unter verschiedenen 
Umweltbedingungen. 

Einen Überblick über die Beschaffenheit, Konsistenz und Färbung 
der einzelnen Stämme, sowie ihr Verhalten unter anaeroben und sauer- 
stoffarmen, aber kohJensäurereichen Bedingungen vermittelt Tabelle II. 

Was die Beschaffenheit und Konsistenz der Kolonien betrifft, so 
fällt in der Tabelle TI der Unterschied im Wachstumscharakter zwischen 
gefalteten (perrugosum) und glatten (planum) Modifikationen der Arten 
Lacticola und Phlei soforf auf. Die perrugosumartigen Formen sind 
gekennzeichnet durch ein mattes, trockenes, brüchiges, mehr oder 
weniger stark radiär gefaltetes Wachstum; zähe oder gallertartige 
Exsudate fehlen bei ihnen. Bei einer Temperatur von 35^0 werden 
am 4. bis 5. Kulturtag die jungen, durchscheinenden Kolonien dicker 
und undurchsichtig, und die Faltung setzt ein. Die glatten Vertreter 
bilden dagegen von vornherein meist glänzende, feuchte und ungefaltete 
Kolonien, sie sondern zähe Umsetzungsprodukte in mehr oder weniger 
großer Menge ab und daher sind ihre Kolonien von teigiger, wachs- 
artiger bis weicher Beschaffenheit. Auch im Alter zeigen sie die gleichen 
Eigenschaften. Dieser Unterschied iin Habitus ist auf den verschieden- 
sten Nährböden festzustellen. Er ist vorhanden auf Fleischextrakt - 
Pepton-Agar mit und ohne Zusatz einer besonderen Kohlenstoffquelle, 
wie auch auf Agar von bekannter Zusammensetzung, z. B. dem Aspar- 
aginagar nach Jensen (1934) i. Am wenigsten ausgeprägt erschien er 
auf einem als Hefekochsaft bezeichneten Agar 2^ der an sich einen aus- 
gezeichneten Nährboden darstellt, die Konsistenz der Kolonien aber 
stark beeinflußt, indem er ihre Brüchigkeit weitgehend auf hebt. Ein 
Unterschied zwischen gefaltetem und glattem Wachstum besteht aber 
auch auf ihm. 

Die mit perrugosum und planum bezeichneten Modifikationen 
entsprechen den Benennungen ,,R-Form“ und ,,S-Form“ der amerikani- 
schen Forscher, die sich von ,,rough Type“ und ,,smooth Type“ her- 
Jeiten. Die willkürliche Aufspaltung in diese beiden T3pen soll auf 
bestimmten Nährböden gelingen (Gildemeister)^ Versuche nach dieser 


’ Dextrose 1%, Asparagin 0,1%, KjHP 04 9,1%, MgS 04 0,06%, 
NaCl 0,06%. — * 100 g Bäckerhefe + 1 Liter Wasser 2 Stunden bei 26® C 
stehenlassen, 16 Minuten bei 2 Atm. Druck sterilisieren, absetzen. Zu- 
sammensetzung des Nährbodens: Hefekochsaft 10 ccm. Aqua dest. 90 ccm, 
Mannit 2%, K 2 HPO 4 0,02%, KH 2 PO 4 0,03%, MgS 04 0 , 020 /^, NaCl 
0 , 01 %, CaS 04 0,0006%. 


4 / 



98 


O. V. Plotho: 



Farbe gelb 
'acbstum gut, 
Farbe hellrot 



Tabelle II (Fortsetzung;. 


Moiphologie und Biologie der Mycobakterien. 99 



100 


O. V. Plotho : 


Richtung wurden hier nicht angestellt. Der Stamm 7 verkörpert keinen 
ausgesprochenen S-Typ, er ist, wie die Tabelle angibt, in älteren Kulturen, 
in geringem Maße gefaltet, in Flüssigkeitskulturen bildet sich ein dünnes 
Oberflächenhäutchen, während die ausgesprochenen S-Typen keine 
Neigung zeigen, an die Oberfläche zu gehen. Die Kulturen von Stamm 7 
sind jedoch weich und das Ausbleiben des Farbumschlags beim fort- 
schreitenden Wachstum, worauf sofort eingegangen werden soll, ist 
bezeichnend für den S-T 3 rp der Art ; der Stamm stellt also eine Zwischen- 
form zwischen beiden Modifikationen dar. Bei den Eos- und Liiteum- 
Stämmen fehlt die besprochene Aufteilung in die zwei Modifi- 
kationen. 

Die Farbstoffbildung ist bei einigen Stämmen sehr ausgesprochen, 
was aus der Tabelle II deutlich hervorgeht. Von Dextrose als C- Quelle 
wird sie gefördert, Glycerin ist in dieser Beziehung weniger günstig, 
Asparagin unterdrückt die Farbstoff bildung, ebenso anorganische 
Stickstoffquellen. Am geringsten ist die Färbung der Stämme. 

Der für die gefalteten Formen in der Tabelle verzeichnete Farbumschlag 
der jungen, weißlichen, bis leicht gelben Kolonien in tiefer gelb und 
dunkelgelb gefärbte im Verlauf des weiteren Wachstums ist sehr charak- 
teristisch. Qordon fand bei Stämmen, die außerhalb dieser Gruppen 
stehen, nur ein einziges Mal den gleichen Umschlag. Bei Zimmertempe- 
ratur entwickelt sich nach einer Kulturdauer von 4 bis 5 Wochen immer 
ein mehr oder weniger intensives Gelb, das unter den untersuchten 
Stämmen bei Stamm 6 fast zu einem Ockergelb wird. Bei dem glatten 
Stamm findet dagegen, wie bereits erwähnt, dieser Umschlag 
nicht statt, seine Kolonien besitzen von vornherein eine weißliche 
Färbung und behalten sie während der ganzen Kulturzeit. Weitaus 
kräftiger gefärbt sind alle Stämme der übrigen Gruppen. Unter ihnen 
gibt es nicht wenige, die schöne, intensive Rot- und Gelbtöne besitzen. 
Die von Krassilnikow (1934 und 1938) beschriebenen grünlichen bis 
braunen Farbtöne fehlen allerdings bei den untersuchten Organismen, 
sie scheinen verhältnismäßig selten aufzutreten. Überall finden sich 
die Farbstoffe aber nur als Eigenfarbe, eine Verfärbung des Agars 
fand nie statt, auch nicht bei Myc. teatvdinis, für das Hdag eine solche 
angibt. Die Bildung der Eigenfarbe aber war bei allen von mir unter- 
suchten Stämmen während der ganzen Untersuohungszeit auf den 
gleichen Nährböden und unter sonst gleichen Bedingungen konstant. 

Zur Entscheidung der Frage über den Einfluß des Faktors ,, Licht“ 
auf Auftreten und Intensität der Farbstoffbildung wurden eine Reihe 
von Versuchen mit den kräftigsten Farsbstoffbildnem durchgeführt. 
Die Kulturen wuchsen bei Zimmertemperatur auf Nähragar mit 1 % 
Dextrose, das ph betrug 6,8 bis 7,0; die belichteten standen vor einem 
Nordfenster, so daß sie direktem Sonnenlicht nicht ausgesetzt waren. 
Die Ergebnisse sind in der Tabelle III zusammengefaßt. 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 101 


Tabelle III. 


stamm 

3 Tage alte Kulturen 

12 Tage alte Kulturen 

28 Tage alte Kulturen 

belichtet 

unbelichtet 

belichtet 

unbelichtet 

belichtet 

unbelichtet 

8 



ziegelrot 

hell 

ziegelrot 

ziegelrot 

ziegelrot 

14 


blaßgelb 

gelb 

hellgelb 

tiefgelb 

gelb 

15 


blaßrot 

rot 

blaßrot 

hochrot 

schwächer 

rot 

36 

schwach rot 

schwach 

rötlich 

korallenrot 

blaßrosa 

korallenrot 

»» 

17 

blaßrot 

blaßrot 

intensiv rot 

blaßrot 

hochrot 

ff 

18 

schwach rot 

schwach rot 

rot 

blaßrosa 

rot 

ff 


Die Zusammenstellung läßt erkennen, daß die Färbung sowohl in 
Tageslicht- als auch in unbelichteten Kulturen frühzeitig auftritt, daß 
aber ihre Intensität bereits in jungen Kulturen abhängig ist vom Zutritt 
des Lichtes (Stamm 14 und 16). Diese Abhängigkeit tritt bei den 12 Tage 
alten Kulturen sehr deutlich in die Erscheinung. Alle Tageslicht - 
kulturen sind bedeutend intensiver gefärbt als die unbelichteten. Auch 
beim Abschluß der Versuchsreihe ist diese? Unterschied noch deutlich 
wahrnehmbar, dem Licht kommt also offenbar ein starker Einfluß auf 
die Farbstoff bildung zu. Dieses Ergebnis stimmt überein mit Beob- 
achtungen an anderen Mikrooiganismen, die an der Luft oder in ober- 
flächlichen Schichten des Bodens leben und daher den Lichtstrahlen 
ausgesetzt sind und die, wenn sie bei Lichtabschluß kultiviert werden, 
die Fähigkeit der Farbstoffbildung geringer entwickeln oder sogar ver- 
lieren (Danilow, Ebeling). Vor kurzem veröffentlichte Barbudieri 
Beobachtungen an einem, einen grau -violetten Farbstoff bildenden, 
nichtpathogenen Mycobacterium, das ebenfalls den Farbstoff im diffusen 
Tageslicht, nicht aber im ,, Halbdunkel“ seines ursprünglichen Standorts 
entwickelte. Er schreibt den violetten und ultravioleti^en Teilen des 
Sonnenlichtspektrums hierbei die größte Wirkung zu. 

Über die Natur der Farbstoffe von Mycobakterien liegt eine neuere 
russische Arbeit mit englischer Zusammenfassung vor (Kries und Koreniako). 
Die Verfasser erreichten die Differenzierung der Pigmente durch die von 
dem russischen Botaniker Tswett 1906 erstmalig veröffentlichte Ausführungs- 
form der Adsorptionsanalyse, nach der sich die einzelnen Komponenten 
auf Grund ihrer verschieden starken Adsorption an ein farbloses Adsorbens 
als farbige Zonen „chromatographisch“ erkennen lassen. (Zusammen- 
fassende Darstellung bei Zechmeister und Choknoky.) Krise und Koreniako 
unterteilen die Farbstoffe der Mycobakterien vorläufig in 3 Gruppen: 

1. Fa.rb8toffe, löslich in Wcusser, Alkohol und anderen organischen 
Lösungsmitteln . 

2. Farbstoffe, unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol imd anderen organi« 
sehen Lösungsmitteln. 

3. Farbstoffe, unlöslich in Wasser, unlöslich in Alkohol und anderen 

organischen Lösungsmitteln. 4 / 













102 


O. V. Plotho : 


In die Gruppe 1 fällt ein violetter Farbstoff von Myc. cyaneum KrciSBÜ- 
nikoWf zur Gruppe 2 gehören die Carotide verschiedener Stämme, das 
Phytocoll des Tvberkeibctzülvs und die Pigmente von Myc. citreum Krassil- 
nikoWy der Gruppe 3 entspricht ein grüner, fest an das Zellplasma gebundener 
Farbstoff von Myc. viridis Tauaon. 

Die Methode der chromatographischen Adsorption wurde besonders 
von H. Brockmann weiterentwickelt, der in der Hauptsache Aluminium - 
oxyd als Adsorbens verwendete, das sich durch ein ausgeprägtes Adsorptions- 
vermögen für viele Stoffklassen auszeichnet, welches aber weitgehend ab- 
hängig ist von der Art der Gewinntmg {Holmes) und dem Wassergehalt des 
Oxyds. Brockmann regte daher vor einigen Jahren die Herstellung eines 
Aluminiumoxyds mit standardisiertem Adsorptionsvermögen an, und ein 
solches wird heute von der Firma Merck Mntev der Bezeichnung „Aluminium- 
oxyd zur Adsorption nach Brockmann'^'^ in den Handel gebracht. Das 
Präparat wurde zu den weiter unten mitgeteilten Versuchen benutzt. Es 
besitzt den Aktivitätsgrad III, was durch Prüfung mit den entsprechenden 
Farbstoffgemischen vor seiner Anwendung nachgeprüft wurde (Methode 
von Brockmann imd Schoddsr). 

Da bei den hier untersuchten Stämmen violette und grüne Farb- 
stoffe nicht Vorkommen, so war es wahrscheinlich, daß die Farbstoffe 
der pigmentierten Stämme in die von Krise und Koreniako aufgestellte 
Gruppe 2 gehörten. Es zeigte sich denn auch, daß sie sämtlich in 
Wasser unlöslich waren, daß aber alle leicht mit absolutem Methyl- 
alkohol extrahiert werden konnten. Zur Ausführung der Versuche 
wurden die Kulturen der Stämme 8, 14, 17 und 20, die die kräftigste 
Färbung zeigten, vom Nährboden abgehoben. Eine Zerreibung der 
Zellen mit Kieselgur, die Krise und Koreniako empfehlen, erwies sich 
als unnötig, da die Farbstoffe aller Stämme auch ohne sie leicht in den 
Methylalkohol gingen. Dieser färbt sich bei den Stämmen 17 und 20 
dabei orangerot, bei dem Stamm 8 entsteht eine hellgelbe Farblösung, 
der Farbstoff des Stammes 14 geht mit tief gelber Farbe in den Alkohol 
über. Eine Adsorption an Aluminiumoxyd ist aber nur aus Lösung in 
Benzin, Petroläther oder Benzol möglich, daher mußten die Farbstoffe 
aus der Methanollösung in eine Lösung dieser Substanzen übergeführt 
werden. Zur Überführung wurde eine Lösung von Petroläther und 
Benzol im Verhältnis 4 : 1 gewählt, in die die Farbstoffe aus der Methanol - 
lösung aber nur nach starker Verdünnung mit Wasser übertraten. Das 
Chromatogramm des Stammes 14 besteht aus einer gelben und einer 
darunterliegenden schmalen grünen Zone, der Farbstoff des Stammes 8 
konnte nicht identifiziert werden, weil er wahrscheinlich zu stark 
verdünnt war, die Chromatogramme der Stämme 17 und 20 zeigen 
eine orangefarbene Zone, sie enthalten Carotin. 

Dieses Ergebnis wurde bestätigt durch die von Moliech angegebene 
Methode zum Nachweis von Carotin. Hierzu wurde Material der 
Stämme 8, 14, 17, 20 und 18 in 40%igem Alkohol, der 20% Kalium- 
hydroxyd enthält, gelegt und die Beagensgläschen mit Paraffin luftdicht 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


103 


verschlossen, um die Absorption von atmosphärischer Kohlensäure 
durch die Kalilauge zu verhindern. Die Versuchsröhrchen standen 
mehrere Tage bei 22^ C im Dunkeln. Stamm 17 und 20 zeigten darauf 
prächtige Carotinkristalle. Sie sind braunorange und bilden teilweise 
einzelne Nadeln, teilweise große Stern- und büschelförmige Aggregate 
von solchen. Nach vollständigem Auswaschen der Kalilauge mit 
destilliertem Wasser und möglichst vollständigem Entzug des Wassers 
im Exsikkator färbten sich die Kristalle mit konzentrierter Schwefel- 
säure und konzentrierter Salpetersäure tief indigoblau. Bei Anwendung 
von Salpetersäure verschwand die Farbe jedoch bald, auf Zusatz von 
Wasser werden die Kristalle sofort entfärbt. Bei Stamm 18 lag der 
Farbstoff nur in Form von zahlreichen gelben Tropfen vor. Diese 
färbten sich nach Auswaschen der Kalilauge und Entfernen des Wassers 
ebenfalls mit den genannten Reagentien tief blau. Bei den Stämmen 8 
und 14 wurden keine Carotinkristal ie gefunden. 

Bei der Durchsicht der 4. Vertikalreihe der Tabelle II ergibt sich, 
daß keiner der untersuchten Stämme Glßlatine verflüssigt. Alle wachsen 
längs dem oberen Teil der Impf rinne üppiger als an ihrem unteren Ende, 
was zweifellos mit dem Sauerstoffbedürfnis der Organismen zusammen- 
hängt. 

Die Ergebnisse der 5, Vertikalreihe der Tabelle II gehen zurück 
auf eine Atmosphäre vermehrter Kohlendiox^’d- und verminderter 
Sa uerstoff Spannung . 

Sie wurde hergestellt auf die kürzlich von Kunz angegebene einfache 
und billige Weise, indem in einem luftdicht verschließbaren Gefäß, nach 
Einstellen der beimpften Schrägagar -Reagensgläser, eine Paraffinkerze 
angezündet wird. Nach kurzem Öffnen des Deckels, das ein Entweichen 
eines Teiles der erwärmten und daher ausgedehnten Luft ermöglicht, wird 
das Gefäß luftdicht verschlossen. Die Kerze erlöscht bald, es hat sich in 
dem Gefäß Kohlendioxyd und Wasser gebildet, während der Sauerstoff 
zum großen Teil verschwunden ist. 

Die auf diese Weise vorgenommene Veränderung in der Zusammen- 
setzung der umgebenden Luftschicht scheint jedoch für die Entwicklung 
der Mycobakterien von geringer Bedeutung zu sein. Alle Lacticöla- 
Stämme, bis auf den Stamm 6, der nur schlecht vorwärts kam, wuchsen 
gut, Färbung und Beschaffenheit der Kolonien waren ebenfalls ziemlich 
normal. Auch die PAZci-Stämme entwickelten sich gut, Stamm 8 zeigt 
aber eine Unterdrückung der Faltung, außerdem ist die Farbstoff- 
bildung gehemmt. Das gleiche Bild unterdrückter Farbstoff bildung 
weisen auch alle übrigen Kulturen auf, während das Wachstum durch 
die veränderten Umweltsbedingungen weniger beeinflußt wird. 

Um das Verhalten der Bakterien unter streng anaeroben Be- 
dingungen zu prüfen, wurde ein luftdicht verschlossenes Kulturgefäß, 



104 


O. V. Plotho : 


das die beimpften Versuchsröhrchen enthielt, an der Wasserstrahl- 
pumpe so weitgehend evakuiert, daß es unter Berücksichtigung eventuell 
eingetretener kleiner Fehler nur noch einen Sauerstoffpartialdruck von 
der Größenordnung etwa eines Millimeters enthielt. Unter diesen Be- 
dingungen fand, wie die 6. Vertikalreihe der Tabelle TI zeigt, bei fast 
allen Stämmen nicht die geringste Entwicklung statt. Nur bei 3 Stämmen 
hatte ein sehr schwaches Wachstum eingesetzt. Der unter allen Ver- 
hältnissen kräftig und schnell wachsende Stamm 8 wies eine geringe 
Entfaltung auf, die bei den Stämmen 21 und 24 noch kümmerlicher 
war. Zudem ließen alle drei Kulturen auch nicht die geringste Spur 
einer Färbung erkennen. Trotz der schwachen und unnormaJen Ent- 
wicklung der drei erwähnten Stämme dürfen aber die Mycobakterien 
als streng aerobe Organismen bezeichnet werden, jedenfalls ist zu ihrer 
normalen Ausbildung die volle Sauerstoffspannung der atmosphärischen 
Luft notwendig. 

Mikroskopische Untersuchung der Arten. 

Es ist bekannt, daß die Mycobakterien im mikroskopischen Bild 
einen verwirrenden Pleomorphismus auf weisen. Lange und kurze, 
gebogene und gerade, ungleich dicke, parallel und winkelig gelagerte 
Stäbchen, kokkoide Formen, völlig sphärisch erscheinende Individuen 
sind bei entsprechender Vergrößerung bei willkürlich einer jüngeren 
Agarkultur entnommenen Probe fast in jedem Gesichtsfeld erkennbar. 
Dazu kommt, daß die Art und Reichhaltigkeit des Nährsubstrats und 
die Häufigkeit des Überimpfens den Habitus der Stämme weitgehend 
verändern können, viel stärker als das bei anderen Bakterien der Fall 
zu sein pflegt. Häufig überimpfte Kulturen von guten Medien bestehen 
aus verhältnismäßig langen Stäbchen, während bei seltenerer Über- 
impfung und ärmeren Nährböden gleichaltrige Kulturen viel gedrungenere 
Formen besitzen, die frühzeitig in die Kokkenform übergehen. Endlich 
finden sich bei vielen Mycobakterien in verschiedenen Altersstadien 
verzweigte Stäbchen bzw. Fäden, die das mikroskopische Bild noch 
mehr verwirren. 

Jenem (1934) teilte die Myoobakterim in 2 Gruppen ein und ermöglichte 
dadurch auf einf eiche Weise eine erste Orientierung über die Zugehörigkeit 
eines neu auf gefundenen Steunmes zu einer bestimmten Art. Die erste 
Gruppe, Subgenua A, ist nach ihm gekennzeichnet durch vorwiegend parallele 
Lagerung der Stäbchen, sogenanntes Pallisadenwaohstum. Es wurde zuerst 
von Oraham Smith beobachtet und als „slipping growth“ beschrieben. Diese 
Benennung ist sehr bezeichnend, denn nach der Teilung gleiten die Tochter- 
zellen an der Ausgangszeile vorbei, wrie das die Abb. 1 recht gut erkennen 
läßt. Bei Wiederholimg dieses Vorgangs entstehen dann parallele Bündel 
von Zellen, die die Bezeichnung als Pallisadenwachstum rechtfertigten. Die 
zweite Gruppe bezeichnete Jenem als Subgenue B. Sie zeigt zumeist winklige 
Lage der Einzelstäbchen, das HiU „snapping growth** nannte. Bei diesem 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


105 


Wachstumsmodus stellt sich die Tochterzelle sehr schnell (snapping!) in 
einen Winkel zur Ausgangszeile und behält diese Lagerung, die sehr charak- 
teristisch für die Kulturen der meisten Mycobakterien ist, bei. 

Bei allen von mir untersuchten Organismen finden sich die beiden 
Extreme gemischt, womit ich die Angaben von Jensen bestätigen konnte ; 
jedoch herrscht bei den Z/oc^tco/a- Stämmen, wie beim humanen Tuberkel- 
baziUus, Pa llisaden Wachstum vor (Gardner). Im tuberkulösen Sputum 
findet sich allerdings, wie ich häufig feststeJlen konnte, meist winkelige 
Lage der Stäbchen, was gut zu der Feststellung Oerskows (1935) stimmt, 
daß das Wachstum des Tuberkelbazillus mit Winkelwachstum beginnt, 
das jedoch in Kultur durch gleitendes Wachstum abgelöst wird. Jedenfalls 
ähneln die Kulturen des humanen TuberkelbaziUus und die der Ijocticola- 
Stämme einander in hohem Maße. Bei den übrigen Arten findet sich 
vorwiegend der Wachstumsmodus von Jensens Subgenus B, das Winkel- 
wachstum, wenn auch bei Myc. luteum in jungen Kulturen nicht selten 
parallele Lagerung der Stäbchen angetroffen wird. In älteren überwiegt 
aber auch bei dieser Art entschieden das Winkelwachstum. Dieses 
tritt bei den Phlei- und JE'o«- Stämmen auch in jungen Kulturen stark 
in den Vordergrund. 

In der Literatur nehmen ohne Zweifel Erörterungen über die Ver- 
zweigung der Mycobakterien die erste Stelle ein. Die Beobeichtungen iil)ei 
angeblich reich verzweigte Formen stammen jedoch großenteils von alteren 
Autoren (Metschnikmv, Majfuci^ Coppen Jones^ Bruns), die ihre l'nter- 
suchimgen an mit Carbolfuchsin gefärbten Präparaten vorn ahmen. Wenn 
zudem die mikroskopische Vergrößerung unzureichend ist, was häufig der 
F'all war, so ist eine genaue Beobachtung und Beurteilung unter diesen 
Verhältnis.sen kaum rnöglicti. Auf das Konto der benutzten geringen Ver- 
größerung (750) sind wahrscheinlich auch die Aiigal^en Oerskmos (1932) zu 
setzen, der zahlreiche Verzweigungen bei den Mycobakterien feststellte. 
Jensen (1934) unterzog ebenfalls die Verzweigung einer genauen Prüfung. 
Er charakterisiert in dieser Beziehung Myc. lactic^la, indem er sagt: „Wenn 
ül)erhaupt, so ganz selten Verzweigung“. El:)enso fand er bei zwei Phiei- 
Stämmen , »selten Verzweigung“. Wykoff und Smithbom, sowie Wykoff in 
zwei weiteren Arbeiten, setzten den Film bei Untersuchungen an Myc. 
phlei und mehreren Kaltblüterbakterien sowie einem nicht säurefesten 
Stamm ein und fanden, daß verzweigte Stäbchen gelegentlich vorkämen 
in Kulturen des glatten und häufiger in Kulturen des gefalteten Typs. 
Aber die Vergrößerung, bei der sie diese Beobachtungen machten, betrug 
nur 350! ln einer sorgfältigen neueren Arbeit untersuchten Carter und 
Hastings mehrere saprophy tische Mycobakterien sowie einen Stamm von 
Myc. gaUinctceum in Einzellkulturen, die mit dem Mikromanipulator isoliert 
wurden. Bei Beobachtungen im hängenden Tropfen mit 1426facher Ver- 
größerung fanden sie niemals Verzweigung. Nur bei 440facher Vergrößerung 
sahen sie beim glatten Typ von saprophytischen Bakterien Formen, die als 
verzweigt angesprochen werden konnten, die sie aber als pseudo verzweigt 
bezeichne ten. 

Ein Überblick über die Literatur ergibt also kein klares Bild 
über die Morphologie der Organismen. 



106 


0. V. Plotho : 


Um zu einem gesioherten Urteil zu gelangen, wurde zunächst 
versucht, Bakterienmaterial aus Zonen gleicher Alteirsstufen zu unter- 
suchen. Zu diesem Zwecke wurden Petrischalen nur in der Mitte der 
Platte mit möglichst wenig Material beimpft (Piekaraki). Die glatten 
Formen wuchsen dann konzentrisch um die Impfstelle herum und es 
konnten Präparate aus den Zonen annähernd gleichen ^ters hergestellt 
werden. Im Miljxoskop wies aber auch jedes Gesichtsfeld von ,, gleich- 
altrigen“ Bakterien eine Vielfalt von Erscheinungsformen auf und bei 
den gefalteten Tjrpen ließ sich die geschilderte Methode überhaupt 
nicht verwenden, weil ,, gleiche“ Alteyszonen bei ihnen in der einfachen 


Fig. 1. 


1 


Fig. 2. 


Flg. 3. 


Fig. 4. 




1 2 3 


Fig. 5. Flg. 6. 



13 2V laib 3aSb 


Abb. 1. Entwicklung einer Eiuzellkultur von Stamm 4. 

Fig. 1 = Auagaugaetäbchen; Fig. 2 = Entwicklungaatadium 6 Stunden nach der Impfung; 
Fig. 3 = Entwicklungaatadium 11 Stunden nach der Impfung; Flg. 4 « Kntwickliinga- 
stadium 14 Stunden nach der Impfung; Fig. 5 == Entwicklungaatadium 24 Stunden imch der 
Impfung; Fig. 6 » Entwicklungaatadium 31 Stunden nach der Impfung. 


Weise wie bei den glatt wachsenden Bakterien nicht feststellbar sind. 
Daher erschien es aussichtslos, aus Vielzellkulturen überhaupt eine 
sichere Beurteilung der Entwicklung von Mycobakterien zu erreichen. 
Es wurde deshalb ganz davon abgesehen, Vielzellkulturen zur Unter- 
suchung der morphologischen Verhältnisse heranzuziehen. 

Die im folgenden mitgeteilten Ergebnisse gründen sich ausschließlich 
auf eine große Zahl von Beobachtungen an Einzellkulturen. Diese 
wurden zum Teil mit dem Mikromanipulator isoliert, zum Teil wurde 
zur Untersuchung einzelner Zellen die Deckglaskulturmethode nach 
Fortner herangezogen, die zur fortlaufenden Kontrolle des Wachstums 
einzelner Zellen auch unter Verwendung stärkster Vergrößerungs- 
systeme vorzüglich geeignet ist. 

Von den untersuchten Organismen lieferte Stamm 4, der als erster 
besprochen sein mag, sehr charakteristische Bilder. 

Abb. 1 zeigt die Entwicklung einer Einzellkultur dieses Stammes 
auf dem oben erwähnten Hefekochsaftagar, der mit Na OH auf das 
Ph 7 eingestellt war. Die Kulturtemperatur betrug 28^0, die Ver- 
größerung 1080. Die Beobachtungen wurden während der Tages- 
stunden in Abständen von 40 bis 60 Minuten wiederholt. Die Fig. 1 
der Abb. 1 stellt das Ausgangsstäbchen dar, Fig. 2 das erste Ent- 
wicklüngsstadium, das 6 Stunden nach der Impfung entstand. 5 Stunden 
später hatte Stäbchen 2 sich von neuem geteilt (Fig. 3), nach weiteren 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


107 



Abb. 2. 

Einzellkultur von 
bt4tmin 4: 31 Stun- 
den alt, V ergrößeninK 
1 : 1250. 


3 Stunden bot die kleine Kolonie das Bild der Fig. 4. Stäbchen 3 hatte 
sich verlängert und fast ganz unter das Stäbchen 2 geschoben. 24 Stun- 
den nach der Impfung hatte Stäbchen 3 sich ebenfalls geteilt und 
alle hatten sich merklich verlängert (Fig. 5). 7 Stunden später ließen 
sämtliche Stäbchen Teilungsstadien erkennen (Fig. 6), die auch in 
der photographischen Wiedergabe der Beobachtungsreihe deutlich zu 
erkennen sind (Abb. 2). Die junge Kolonie hatte 
also bis zu dem hier wiedergegebenen Stadium 
31 Stunden zu ihrer Ausbildung gebraucht. Die 
weitere Entwicklung vollzog sich bedeutend schneller 
und die Verfolgung der Teilung der einzelnen Stäb- 
chen war nicht mehr möglich. In den ersten 24 Stun- 
den hatten sich die Stäbchen viermal geteilt, so daß 
die durchschnittliche Teilungszeit 6 Stunden betrug. 

Carter und Hartings sprechen von einer durchschnitt- 
lichen Teilungszeit von ,, ungefähr 5 Stunden“, was 
mit den hier beobachteten Zeiten ziemlich gut über- 
einstimmt. Aber diese Zahlen besagen nicht viel, 
denn die ersten wahrnehmbaren Verändeningen auf neuem Substrat 
hängen ab von der Lage der Einzelstäbchen zueinander. Je isolierter 
ein Stäbchen liegt, um ho länger ist die I^atenzzeit bis zum Waohstums- 
beginn auf dem neuen Medium. Liegen die Stäbchen relativ dicht 
nebeneinander, so beginnt die Teilung schneller 
und das Teilungsintervall ist kürzer. Das gilt 
für die Kulturen aller Stämme. 

Wie bereits erwähnt, läßt die ßeobachtungs- 
reihe sehr gut die Entstehung des Pallisaden- 
waclistums erkennen. Weiter ist klar erkenn- 
bar, daß in den ersten Entwicklungsstadien an 
den Stäbchen keine Verzweigungen entstehen. 

Auch sj)äter werden solche in jungen Kulturen 
nie gebildet. Die Abb, 3 gibt ein späteres 
Wachstumsstadium einer 4 Tage alten Kultur 
des gleichen Stammes wieder, die auf neu- 
tralem, 3%igem Glycerinagar bei einer Temperatur von 35^0 wuchs. 

Die Photographie gibt in sehr charakteristischer Weise den Wachs- 
tumsmodus des Stammes wieder, der sich bei allen gefalteten Stämmen 
von Myc. lacticola fand. Sie bieten sämtlich in jungen Kolonien das 
Bild dieser unregelmäßigen Kreise dar. Dieser gleichsam kreisförmige 
Wachstumsmodus findet sich übrigens auch in der Wiedergabe der 
Filmaufnahmen der Kaltblüterbakterien in der Arbeit von Wykoff 
(Amer. Rev. Tub.). Verzweigungen sind auch dort nicht vorhanden. 
Erst in 8 Wochen alten Kulturen des Stammes 4 auf 3%igem 

V 



Abb. 3. Kiiuclllcoloiiic von 
Htaniiii 4: 4 Tage alt, 
Vergrößerung 1 : 1250. 


108 


O. V. Plotho: 


Glycerinagar fanden sich, jedoch sehr vereinzelt, an verlängerten und 
daher nicht mehr voll lebensfähig erscheinenden Stäbchen kurze, 
laterale Verzweigungen. Die gleichen kurzen Seitenverzweigungen 
wurden in älteren Kulturen bei Stamm 2 und 3 in synthetischer 
Nährlösung mit Glykokoll als N- Quelle gefunden. Bei den Stämmen 5 
und 6 wurden sie nicht beobachtet. Mit fortschreitendem Alter ver- 
kürzen sich bei allen Xaritcolo- Stämmen die Stäbchen, kokkoide Formen 
sind aber selten. 

Die Entwicklung der Kolonien des Stammes 7 verläuft in ganz 
ähnlicher Weise, nur zeigt dieser Stamm in jungen Kulturen noch aus- 
gesprochener die parallele Anordnung der 
Stäbchen. Die in Abb. 4 wiedergegebene 
Kolonie wuchs auf neutralem Hefekoch- 
saftagar bei 35^0, sie ist 3 Tage alt. 

Die anfangs langen und schlanken unver- 
zweigten Stäbchen (0,5 -- 0,6 X 2 — 8 (jl) 
werden nach 3 bis 4 Tagen kürzer, die Ver- 
kürzung nimmt mit dem Alter zu, doch 
sind kokkoide Formen auch in alten 

Eitusellkolonie von Stamm 7: 

li Tage alt, Vergrößerung 1 ; 1860. Kulturen Selten. Ein Unterschied zu den 

Stämmen 2 bis 6 besteht darin, daß der 
,, kreisförmige“ Wachstumsmodus bei Stamm 7 weniger ausgeprägt 
ist. Verzweigungen wurden auch in alten Kulturen auf keinem Nähr- 
boden beobachtet. 

Das gleiche gilt von Myc. testudinis. Dieser Stamm aus der Gruppe 
der säurefesten Kaltblüter hazillen (Frosch-, Fisch-, Schildkröten- und 

Schlangenbaziüen) unterscheidet sich 
% von den Xoc^tcoZa- Stämmen durch sein 
viel langsameres Wachstum, eine Eigen- 
art, die er mit den Warmblüter- 
Tuberkelbazillen teilt, auch kann seine 
Kultur derjenigen echter Tuberkel- 
bazillen zum Verwechseln ähnlich 
sehen. Sie gleicht aber auch in hohem 
Maße den Wachstumsbildem der 
Stämme 2 bis 7. Unter den hier ver- 




Abb. 6. 

Einaellkulturen von Myc. tettudinis, 
Vergrößerung 1 : 1200, 


wendeten Nährmedien gedieh Myc. 
testudinis in befriedigender Weise nur 
auf 3%igem Glycerinagar, auf dem 


auch die Kultur der Abb. 5 wuchs. Aus dieser Abbildung ist ersicht- 


lich, daß die ersten Wachstumsstadien denen der Lacticola-Stämme 


durchaus ähneln, Verzweigungen sind auch hier nicht festzustellen, sie 


wurden in älteren und alten Kulturen ebenfalls nicht beobachtet. Die 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


109 


Abnahme des Längenwachstums der Stäbchen findet sich auch hier, 
kokkoide sind ebenfalls selten. 

Der Stamm 14 bildet auf Glycerinagar kurze, in jungen Kulturen 
immer unverzweigte Stäbchen, die anfangs oft parallele Lagerung 
zeigen, in älteren Kulturen herrscht Winkelwachstum vor. Auf Dextrose- 
agar sind die Stäbchen länger und schlanker. In seltenen Fällen wurden 
aut Glycerinnährböden in sehr alten Kulturen kurze, laterale Ver- 
zweigungen beobachtet, auf Nährböden anderer Zusammensetzung 
wurden sie nicht gefunden. In alten Kulturen sind die Stäbchen kürzer, 
doch kommen kokkoide Zellen kaum vor. Myc. luteum zeigt also in 
p]inzellkulturen nicht die geringste Ähnlichkeit mit Proactinomyceien 
und es erscheint durchaus nicht zu recht - 
fertigen, den Organismus diesen zuzu weisen. 

In allen Altersstadien vollständig unver- 
zweigt erwiesen sich stets die Stämme 15 bis 
20. Sie bilden sämtlich kurze, feine Stäbchen, 
die 0,4 - 0,5 X 2 — 5 fx messen, zugespitzt 
sein können (Stamm 19) und meistens in 
Winkelstellung auf treten. Vereinzelt kommt 
daneben aber auch parallele Lagerung vor. 

Oft bilden sich kleine Ketten von 5 bis 
6 Stäbchen, die die Winkellage beibehalten. Die Stämme stellen in 
jüngeren Kulturen die kleinsten und regelmäßigsten Formen unter allen 
isolierten dar, nur ganz selten bemerkt man, und zwar in jungen Kul- 
turen, nicht aber in alten, verlängerte und verdickte Individuen, die 
Ansätze von Verzweigungen auf weisen (Stamm 17), zu einer wirklichen 
\’'erzweigung kommt es aber nie. Im Alter bestehen die Kulturen aller 
Stämme aus Kokken. Aus dem Gesagten geht hervor, daß auch Myc. eos 
keinerlei Merkmale der Prodctinomyceten auf weist. 

Ein ganz anderes Bild bieten dagegen die PWci- Stämme dar 
(Stämme 8 bis 13). Auf frisches Nährmedium gebracht, streckt sich 
die kokkoide Ausgangszeile dieser Stämme und es entsteht ein gerades 
oder gebogenes Stäbchen, das ungleich lang auswachsen kann. Es 
teilt sich nach wenigen Stunden, und die Tochterzelle stellt sich oft 
nach einiger Zeit sehr schnell winkelförmig zur Ausgangszeile ein. Bei 
der weiteren Teilung können die Stäbchen in kleinen Ketten vereinigt 
bleiben, die die winkelige Lagerung beibehalten, oder auch in gerader 
Linie hintereinander liegen . Schon in der dritten oder vierten Generation, 
bereits 7 bis 8 Stunden nach der Impfung, treten seitliche rechtwinkelige 
Verzweigungen an den Stäbchen auf, wie das die Abb. 6 des Stammes 8 
gut erkennen läßt. Die Kolonie wuchs auf neutralem, 1 %igem Dextrose- 
agar bei 3ß0C. Leider lagen die Stäbchen nicht alle in der gleichen 
Ebene, was in der Photographie störend wirkt, doch kann über die 

Archiv Ittr Mikrobiologie. Bd. 13. 



Abb. A. Einzellkultur von 
Stamm 8 , 9 Stunden alt, 
Vergrößerung 1 : 


110 


O. V. Plotho : 


Verzweigung kein Zweifel bestehen. Die Verzweigungen wachsen zu 
ungleich langen Stäbchen oder fadenförmigen Elementen heran, die 
eine Zeitlang mit den Ausgangsstäbchen verbunden bleiben. Aber 
schon früh beginnt ein Zerfall der kleinen Kolonie, deren einzelne 
Glieder sich spontan trennen. Abb. 7 gibt eine 18 Stunden alte Kolonie 
des Stammes 9 M'ieder, die während der Beobachtung in sieben Teile 
auseinanderfiel. 



Abb. 7. Einzollkolonie von Stamm 0, 18 Stunden alt. 


Auf diese Weise verkürzen sich Stäbchen und Verzweigungen. In 
späteren Wachstumsstadien erreichen die lezteren außerdem nie mehr 
die Länge der zuerst gewachsenen, 2 Tage nach der Impfung waren sie 

kürzer und seltener geworden, und 
nach weiteren 24 Stunden waren sie 
ganz verschwunden. Die Kolonie 
bestand dann aus unverzweigten, 
plumpen, kurzen Stäbchen, die meist 
Winkellagerung auf wiesen und zu- 
weilen die charakteristisch gewinkelten 
kurzen Ketten bildeten. Abb. 8 zeigt 
das Bild des Stammes 27 nach drei- 
tägigem Wachstum auf l %igem Dex- 
troseagar, sie ist typisch für alle 
untersuchten PWei- Stämme dieses 
Alters. Am nächsten Tage finden sich 
viele kokkoide Formen, die in alten 
Kulturen fast ausnahmslos vorhanden sind. Wird eine von ihnen auf 
neues Nährsubstrat übertragen, so beginnt der Zyklus von neuem. 

Durch den geschilderten Wachstumsverlaul erweisen sich die 
PÄfei-Stämme ungezwungen als Verbindungsglieder zu den Procuitiw- 
myceten, denen sie in ihrem Wachstumszyklus durch Anfangsverzweigung 
und Koloniezerfall geradezu entgegenkommen. Aus der frühzeitigen 



Abb. 8. Kultur von Stamm 27, 

3 Tage alt, Vergrößerung 1 : 300. 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


111 


Ausbildung der Verzweigungen und ihrem schnellen Zerfall, sowie aus 
der geringeren Entwicklung und Häufigkeit der Verzweigungen beim 
Portschreiten des Wachstums erklärt sich wahrscheinlich die Beob- 
achtung von Jensen^ nach der Myc, phlei ,, selten verzweigt“ sein soll. 

Der Stamm 27 bedarf einer besonderen Erwähnung. Er wurde als 
atypische Form keiner der bekannten Arten zugewiesen. Seine Kulturen 
sind auf Dextroseagar fleischfarben, auf Glycerinagar gelb bis schwach 
rötlich, wachsartig, mattglänzend, in älteren Kulturen kommt es zu 
leichter Faltung. Auf Asparaginagar nach Jensen findet schwaches, 
farbloses Wachstum statt, Gelatine wird nicht verflüssigt, Milch nicht 
koaguliert und nicht peptonisiert. Aus kokkoiden Zellelementen gehen 
auf frischem Nährmedium Stäbchen hervor, die in Einzellkultur 8 bis 
9 Stunden nach der Impfung auf Dextroseagar bei kurze Ver- 

zweigungen auf wiesen. Diese sind nach wenigen Tagen nicht mehr 
vorhanden, die Abb. 8 gibt, wie erwähnt, das Bild einer 3 Tage alten 
Kultur des Stammes wieder. Sie zoigt die charakteristischen Winkel- 
formen und kurzen Ketten, wie sie in den Kulturen der Päfet-Stämme 
gleichen Alters auftreten. Später werden die Stäbchen kokkoid. Beweg- 
liche Formen treten nicht auf, alle Kultiirlösungen bleiben klar. Der 
Stamm überlebt das Erhitzen auf 60® C während 1 Stunde und wächst 
bei 47® C, Arabinose wird als Kohlenstoff quelle ausgenutzt. Somit 
könnte Stamm 27 seinen morphologischen und biologischen Eigen- 
schaften nach ein PÄfet-Stamm sein, aber seine Säurefestigkeit ist auf 
allen Nährböden und zu allen Altersstadien gering. Nach sechstägiger 
Kultur in Milch, die die Säurefestigkeit erhöht, finden sich innerhalb 
der Stäbchen säurefeste Strukturen. Meistens liegen drei bis vier, 
seltener bis zu sechs runde Körperchen in den Stäbchen, die der Ent- 
färbung in 5 %iger Schwefelsäure während 1 Minute wiederstehen, die 
Stäbchen als Ganzes sind aber auch in den Milchkulturen nicht säurefest. 

Verschiedene Autoren (Vierling, Gray und T hornton, Eichbaum) 
berichteten über nicht oder inkonstant säurefeste, ihrer Morphologie 
und Physiologie nach aber zu den Mycobakterien gehörende Organismen, 
die namentlich der Gruppe nahestanden, so daß ihre systematische 
Einordnung in ein anderes Genus nicht gerechtfertigt erschien. Daher 
ist es fraglich, welche Bedeutung der im übrigen recht labilen Eigen- 
schaft der Säurefestigkeit zuzusprechen ist. Die amerikanischen Forscher 
verwenden sie heute nicht mehr als Einteilungsgrund, da sie in unseren 
immerhin unnatürlichen Kulturbedingungen bei dem einen Stamm 
ausgesprochener hervortreten könnte als bei dem anderen. Immerhin 
wollte es mir nicht zulässig erscheinen, Stamm 27 ohne weiteres bei 
den PAZet- Stämmen einzureihen. 

Die Stämme 21 bis 26 stellen, wie bereits erwähnt, Übergangs- 
formen dar, die zwischen Actinomyceten und Mycobakterien stehen. 



112 


O. V. Hotho : 



und heute wohl allgemein als Proactinomyceten bezeichnet werden. 
Über den Wandel in ihrer Bezeichnung und systematischen Einreihung 
wurde auf S. 96 berichtet. Jemen stellte 1932 die Eamilie der Pro- 
actinomyceten auf, Krassilnikow veröffentlichte 1938 vergleichende 
Studien mit verschiedenen Proactinomyces-ATten (englische Zusammen- 
fassung). In alten Kulturen finden sich fast nur kokkoide Formen, die 
auf frischem Medium zu Stäbchen auskeimen. Abb. 9 gibt eine Einzell- 
kultur von Stamm 21, der als Typus gelten kann, 
nach löstündigem Wachstum auf Dextroseagar bei 
35^ C wieder. 

Abb. 10 zeigt den gleichen Stamm 25 Stunden 
nach der Impfung. An den Stäbchen sind recht- 
winklige Verzweigungen deutlich erkennbar, die kleine 
Kolonie ist umgeben von einer Plüssigkeitszone, die 
sich in der Photographie unverkennbar abhebt. Nach 
weiteren 15 Stunden hat sich ein kleines, zusammen- 
hängendes, verzweigtes Mycel gebildet, dessen 
Hyphen Neigung zeigen in den Agar hinein- 
zuwachsen, die sich aber auch als winzige Luft- 
hyphen über die Agaroberfläche erheben. In 
Abb. 11 ist bereits erkennbar, wie sich von einem 
solchen Mycel winklig gelagerte Teilstückchen ab- 
trennen. Dieser Vorgang setzt sich bei fort- 
schreitendem Wachstum fort, die Teilstücke zer- 
fallen weiter, und nach etwa 6 Tagen besteht die 




Abb. 9. 

Kinzellkultiir von 
Stamm 21, 
VcTfrröüening 1 : 420. 



Abb. 10. Eiiizollkultur 
von Stumm 21, 
VersröUcrung 1 : 420, 




Abb. 11. Einzellkultur von 
Stamm 21, Vergrößerung 1 ; 420. 


Abb. 12. Kinxellkultur von Szamm 21, 
Vergrößerung 1 : 420. 


Kultur nur aus un verzweigten, meist kurzen, ausschließlich winklig 
gelagerten Stäbchen, die sich noch weiter durch Teilung vermehren. 
Abb. 12 zeigt ein solches Wachstumsstadium. Wenn noch hier und da 
an den Stäbchen eine Verzweigung auftritt, so ist sie stets kurz und 
unbedeutend. 

Das ursprünglich myceliale Wachstum geht also über in die Zell- 
teilung nach dem ,,snapping'' Typ Jenaens, Nach etwa 8 Tagen war 


Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


113 


in Einzellkulturen keine Vermehrung der Stäbchen mehr zu beobachten, 
der Zerfall der Stäbchen in kokkoide Formen ging aber weiter, so daß 
in alten Kulturen stets fast ausschließlich kokkenartige Organismen 
vorhanden sind. Wird einer von ihnen auf frisches Substrat gebracht, 
so setzt der beschriebene Zyklus von neuem ein. Actirvomyces-khnXiGhe 
Sporen, wie Krassilnikow sie bei einem Stamm fand, wurden nie gebildet. 

Im mikroskopischen Bild (Abb. 8) wurde beobachtet, daß das 
jugendliche Mycel in einer Flüssigkeitsumgebung geradezu eingebettet 
ist, so daß die sich ablösenden Teilst ückchen förmlich davonschwimmen. 
Auf welche Weise sich der Organismus diese Flüssigkeitsumgebung 
schafft, konnte im einzelnen nicht ermittelt werden, doch wurden 
V^ersuche angestellt, um ihre Zusammensetzung auf das Vorhandensein 
von Schleimstoffen zu prüfen. Nach dreistündiger Einwirkung einer 
mäßig konzentrierten alkoholischen Met yhl Violettlösung konnte fest- 
gestellt werden, daß eine die einzelnen Individuen gleichmäßig um- 
gebende Schleimschicht nicht vorhanden ist (Methode von A. Meyer, 
zitiert nach Schneider -Zimmermann, S. 400). Es waren oft schwäch 
violett gefärbte Fäden mit unregelmäßig gelagerten, dunkler gefärbten 
Jhhaltskörpem zu erkennen, die sich von einem Bakterium zum anderen 
zogen. In gleicher Weise gefärbte Schleimfäden umgaben auch zu- 
sammenliegende Bakterienhäufchen, so daß diese vollständig in ihnen 
eingebettet waren. Um die Organismen herum ließen sich also schleim- 
artige Umsetzungsprodukte nachweisen, die möglicherweise gemeinsam 
mit aus dem Agar herausgezogenem wässerigem Substrat und in V^er- 
bindung mit dem aus der Atmung der Bakterien stammenden Wasser 
die Flüssigkeitsumgebung schaffen, die der Verbreitung der abgestoßenen 
Mycelteile so förderlich ist. 

Wykoff hat in Beobachtungen am Film festgestelJt, daß in einer 
jungen Kultur anfangs das Wachstum die Teilung übertrifft, ,,daß aber 
die Teilung lange fortdauert, nachdem die Zeit des schnellen Wachstums 
vorbei ist“. Die letztere Beobachtung deckt sich mit der oben erwähnten, 
daß nämlich in Einzellkulturen von Stamm 21 eine Vermehrung der 
Stäbchen nicht mehr beobachtet wurde, der Zerfall in kokkoide Formen 
aber anhielt. Diese Diskrepanz zwischen Teilungsintervall und Wachs- 
tumsenergie ist sehr interessant. Sie ist geeignet, wenigstens zum Teil 
die Vielgestaltigkeit der Formen bei den Mycobakterien zu erklären. 
Bei gleichbleibendem Teilungsintervall müssen bei großer Wachstums- 
energie, wie sie beim Beginn einer neuen Kolonie stets vorhanden ist, 
längere Formen, also Stäbchen, entstehen, während bei verminderter 
Wachstumsenergie in emer älteren Kolonie diese Stäbchen immer 
kürzer werden müssen, um schließlich, sobald die Wachstumsenergie 
nahezu ganz auf hört, Kokkenform anzunehmen. Dabei bleibt natürlich 
ganz ungeklärt, aus welchem Grunde mit der ermattenden Wachstums- 
energie nicht auch die Verlängerung des Teilungsintervalls einheigc^. 



114 


O. V. Plotho : 


Uittersuehungen zur BOdung von Sporen und anderen Danertormen. 

Ein ebenso umstrittenes Gebiet wie die Verzweigung ist das der 
Bildung von umweltresistenten Dauerformen. 

Endosporen wie bei Bakterien oder Sj^>oren nach Art der Actino- 
myceten wurden bei den Mycobahterien allerdings niemals beschrieben, 
sie traten bei den hier besprochenen Stämmen ebenfalls nie auf, obgleich 
eine große Zahl von Überimpfungen auf Agar mit verschiedenen Zu- 
sätzen vorgenommen wurde, von denen angenommen werden konnte, 
daß sie eine Sporenbildung fördern würden. Hierzu erwiesen sich oft 
sehr nänrstof farme Nährböden als gut brauchbar. 

Vertreter der einzelnen Arten wurden daher geimpft auf Medien, in 
denen z. B. gewöhnliche Nährbouillon auf die Hälfte, sowie auf ^/ 4 , ’/io 
und ihrer normalen Konzentration verdünnt war. Weiter wurde geimpft 
auf Würzenährböden in der Verdünmmg auf VlO und Vm. zu denen teilweise 
0,6 bzw. 0,1% Pepton zugesetzt war. Auch ein Kartoffelagar' in Ver- 
dünmmgen von '/j, und ^/lO kam zur Verwendung, ebenso Chapec-Agar. 
Ferner wurden auch flüssige Nährböden, z. B. Peptonwasser in verschiedenen 
Verdünnungen beimpft, sowie synthetische Nährlösungen mit verschiedenen 
Stickstoffquellen und in verschiedenen Konzentrationen. Auch auf Gips- 
platten wurde das Material der verschiedenen Arten geimpft. 

Im allgemeinen ist über die Entwicklung auf diesen Medien zu 
sagen, daß die Mycobahterien schlecht wuchsen auf stickstoffarmem 
aber kohlenstoffreichem Substrat, wie z. B. dem Kartoffelnährboden, 
ihr Wachstum aber besser war auf Stickstoff reichem aber kohlenstoff- 
armem Medium wie Bouillon und Pepton. Alle Stämme wuchsen noch 
gut bei 1/4% Dextrosegehalt, wenn der Gehalt an Stickstoff im Substrat 
genügend war, sie entwickelten sich aber schlecht auf unverdünntem 
Kartoffelsaft, der nur etwa 0,07% N enthält (Stapp und BorteU), Ein 
Zusatz von Stickstoff erhöht auf ihm das Wachstum, ein Zusatz von 
Dextrose bleibt ohne Einfluß, Schwaches Wachstum aller Stämme 
fand noch statt bei Verdünnung von gewöhnlicher Nährbouillon auf 1 /20 
ihrer normalen Konzentration. Auf unverdünntem Würzeagar fand 
nie eine Entwicklung statt, auf seinen Verdünnungen erfolgte mehr 
oder weniger gutes Wachstum, wenn Pepton zugesetzt war. 

Auf keinem dieser Nährböden wurden Endosporen wie bei Bakterien 
oder Luftsporen wie bei Actinomyceten gebildet. 

Bei Stamm 4 gelang es aber, umweltresistente Dauerformen anderer 
Art festzustellen. Von einer 10 Tage alten Kultur dieses Stammes auf 
3%igem Glycerinagar wurde am 30. April 1941 überimpft auf ein 
Schrägagarröhrchen mit Bouillon-Nährboden, der auf i/jq seiner normalen 
Konzentration verdünnt wai. Das Agar war bereits am 25. Januar 1941 

^ 400 bis 600 g geschälte, feingeschnittene Kartoffeln kochen, filtrieren. 
Das Filtrat auffüllen auf 1000 ccm. 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


115 




Abb. 13. Stamm 2 ^ 
MUchkultur; 

4 Wochen alt, 
Verscrößemng 1 : 1850. 


hergestellt und in das Röhrchen eingefüllt worden. Es war mit Watte- 
stopfen verschlossen. Die Kultur wurde während 8 Wochen bei 35® C 
gehalten, später stand sie bei Zimmertemperatur. 8 Wochen nach der 
Impfung fanden sich in der Kultur vorwiegend am oberen Rande des 
Nährbodens kleine, staubfeine Anhäufungen, die im auffallenden Licht 
weiß, im durchfallenden dunkel aussahen. Sie bestanden aus winzigen 
kugelförmigen Elementen von 0,2 bis 0,4 [i. Durchmesser, die bei tiefer 
Tubuseinstellung dunkel erschienen, bei hoher auf leuchteten. Außer 
diesen freiliegenden Granula — wie sie, gemäß der sieh mehr und mehr 
einbürgemden Bezeichnung auch hier genannt seien 
— fanden sich in den Anhäufungen auch Stäbchen 
von 1,4 bis 1,6 jx Länge und 0,4 bis 0,5 pi Breite, in 
denen häufig dunkler erscheinende kreisrunde körnige 
Strukturen feststellbar waren. Zuweilen lagen diese 
Einschlüsse an einem Ende des Stäbchens oder an 
seinen beiden Polen, es fanden sich aber auch Stäb- 
chen, die ein bis drei mittelständige Körnchen ent- 
hielten und deren Mitte dann immer etwas aufgetrieben war. Bei 
Färbung mit Eisenhämatoxylin und Fuchsin ist das Stäbchen, auch 
wenn es in lebenden Präparaten nicht mehr erkennbar ist, als Hülle 
um die Granula liegend lange mehr oder weniger deutlich nachweis- 
bar. Krassilnikow (1934) beschreibt ebenfalls von einigen seiner iso- 
lierten Stämme diese Innenstrukturen. 

Ganz ähnliche Bilder wurden in 4 Wochen alten Milchkulturen von 
Stamm 2, 4 und 5 beobachtet. Die Abb. 13 läßt deutlich ein Stäbchen 
erkennen, in dem sich vier Granula befinden. Das Stäbchen selbst ist 
anscheinend bereits weitgehend verändert, sei es durch autolytische 
oder exogene Fermente, das erste Granulum ist schon freigeworden 
und aus dem Stäbchen ausgetreten; es liegt nicht mehr in der gleichen 
Ebene mit den anderen und erscheint daher in der Photographie un- 
schärfer. Die drei anderen füllen die Breite des Stäbchens vollständig 
aus, sie sind voll entwickelt. Das Präparat wurde mit Ziehl »ehern 
Carboifuchsin gefärbt und darauf 1 Minute mit 5%iger Schwefelsäure 
behandelt. Färberisoh verhalten sich die Granula wie die intakten 
Stäbchen: sie sind streng säurefest. Im Gram -Präparat erscheinen sie 
tief blauschwarz, mit Methylgrünessigsäure (Färbezeit 12 Stunden) 
dunkel-grünblau, bei Behandlung nach Fevlgen blauviolett. Die Färbung 
nach Oiemsa läßt die Granula dunkel-blaurot, die Konturen der Stäbchen 
schwach bläulich erscheinen. Oft konnten Granula auch frei in der 
Milch liegend nachgewießen werden. 

Aus den Granula-Häufchen der soeben beschriebenen Kultur auf ver- 
dünntem Bouillon- Agar wurde am 18. November 1941, also 6^/2 Monate 
nach der Beimpfung des Nährbodens, eine kleine Öse Material in 1 ccm 



116 


O. V. Plotho ; 


sterilem destilliertem Wasser aufgeschwemmt und aus der Aufschwem- 
mung auf einen i’orfnef sehen Deckgiasagarblock geimpft (3%ige8 
Glycerinagar). Nach 24 ständiger Bebrütung bei 35 ^ C bot sich das Bild, 
das die Abb. 14 wiedergibt. Es zeigt die Granula zum Teil in ihrer 
ursprünglichen Form, aber um etwa das Doppelte aufgequollen. Andere 
haben sich nach einer Richtung hin verlängert und sind zu winzigen 
Stäbchen ausgewachsen. 24 Stunden später haben diese Stäbchen sich 
verbreitert und gestreckt und an den Polen sind deutlich Zonen ver- 




Abb. 14. GranulakeimunK, 
Stamm 4, 24 Stunden alt, 
Vergrößerung 1 : 1250. 


Abb. 15. Granulakeimung, Stamm 4, 
48 Stunden alt, 
Vergrößerung 1 : 1250. 




dichteten Plasmas entstanden. Mit diesem Entwicklungsstand hörte in 
diesem Falle das Wachstum auf (Abb. 15). Auf einer zweiten Deckglas- 
kultur waren aber aus dem gleichen Material 5 Tage nach der Impfung 

kleine Kolonien entstanden, die ganz das 
typische Bild des Wachstumsbeginns dieses 
Stammes aus vegetativem Impfmaterial 
darbieten, was beim Vergleich mit der 
Abb. 3 sehr deutlich wird (Abb. 16). Von 
dieser Deckglaskultur wurde auf Schräg - 
agarröhrchen abgeimpft, es wuchsen nor- 
male Kulturen des Stammes 4. 

Wir haben also in dem Ganulum ein 
Dauerstadium des Bakteriums zu sehen, 
das die Fähigkeit besitzt, über langan- 
Idauemde Perioden ungünstiger Umwelts- 
bedingungen hinaus die Art zu erhalten. Die vegetativen Formen, 
nach denen die Einordnung des Mycobakteriums im System vor- 
genommen wird, sind nur eine Entwicklungsstufe wie bei einem 
komplexen Organismus. Dieses Dauerstadium kommt höchstwahr- 
scheinlich vorwiegend zur Ausbildung in Verhältnissen, die ungünstige 
Emährungsbedingungen für die vegetativen Formen bieten, in unserem 
Falle auf dem sehr stark verdünnten, schon etwas eingetrookneten 



Abb. 16. Granulakeimung, 
Stamm 4, 5 Tage alt, 
Vergrößerung 1 : 1250. 


Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


117 


Bouillonagar und in der jedenfalls wenig assimilierbaren Milch. Weitere 
Untersuchungen nach dieser Richtung wären sehr zu begrüßen und 
könnten im Hinblick auf die nahe Verwandtschaft von Myc, lacticola 
zum humanen Tuherkdbazillus von größter Bedeutung sein. 

Von verschiedenen Forschern wurden an Tuherkelbazillys-l^ultuTeri^ 
Typus humanus, bereits Beobachtungen gemacht, die dem oben mitgeteilten 
Befund durchaus analog sind. Myc. tuhercvloais vermehrt sich gewöhnlich 
durch Querteilung. Unter gewissen Umständen finden sich aber in den 
Zellen körnige Strukturen, die bereits von Robert Koch als Sporen gedeutet 
wurden, deren Auskeimung von ihm aber nicht beobachtet wurde. Später 
beschrieb Spengler „aus dem Kettenverband herausgetretene Körner“, die 
er als Splitter bezeichnete, denen er aber keine Sporenqualitäten zubilligen 
wollte. Beträchtliches Aufsehen erregten die Untersuchungen von Miich, 
der humane Tuberkelbazillen in Milch impfte, in der nach einiger Zeit 
feine Körnchen entstanden, „die anfangs auch nach Zieht, später nur nach 
Gram färbbar waren“. In gesundes Gewebe verschleppt, sollen sie sich zu 
säurefesten Stäbchen entwickeln können, ln zwei Arbeiten berichtete ferner 
Morten Kahn über Ergebnisse an Beobachtungen des Iiiitialwachstums 
einzelner Tulierkelbazillen im hängenden Tropfen. Er kommt zu der Auf- 
fassung, daß „reife“ Tul)erkelbazillen sigh in immer kleinere Kleinkokken 
teilen, die schließlich ein kleines kolonieähnliches Konglomerat bilden. 
Aus den Kleinkokken sprossen stälxdienförmige Elemente, die schließlich 
zu den ,, reifen“ Stäbchen des Tuberkelbazillus heranwachsen, ,,der Ring 
ist geschlossen“, wie er wörtlich sagt. Kahn stellte bei 240 Kulturen in 
zwei Fällen den beschriebenen Entwicklungsgang fest . ForUes hält ebenfalls 
das Granulum für die Dauerform des Tul^erkelbazillus, Eduard Oröh kommt 
l)ei Untersuchungen an humanen und bovinen Tuberkelbazillen zu ähnlichen 
Ergebnissen, Lominski bericht-et, daß er bei säurefesten Grag;nda von Myc. 
tuberculoais Auskeimung beobachtet habe. Endlich sei noch die Arbeit 
von Hu erwähnt, der elKuifalls die Auskeimung eines freien Granulums 
beo})achtete. 

Über die Benennung dieser ,, Dauerform“, wie man sie wohl nach 
meinen Beobachtungen bezeichnen kann, herrscht noch keine Einheit- 
lichkeit. Spengler nennt sie ,, Splitter“, Much bezeichnet sie als ,, Gra- 
nulum“, Kuhn als ,,C-Form“, Play Armengol als ,, Angriffsform“. Es 
hat sich bisher die Bezeichnung ,, Granulum“ eingebürgert, sie wird 
auch in einer kürzlich erschienenen Arbeit von Lembke. und Ruska 
angewandt. Lembke und Ruska veröffentlichten Untersuchungen an 
verschiedenen TuberkelbaziUen- Arten im Übermikroskop. Bei Ver- 
größerungen von 1 : 10000 sahen sie ebenfalls große und kleine Granula 
und beschreiben ihre Entstehung. Zur Keimungsfähigkeit dieser 
Elemente bemerken sie, daß diese ,, bisher nur von wenigen Forschem 
beobachtet worden sei und nicht als sicher bewiesen gelten könne.“ 
Die bei den vorliegenden Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse 
schließen sich denen der ,, wenigen Forscher“ an und ich hoffe, der 
Klärung dieses Problems gedient zu haben dadurch, daß es mir ge- 
lungen ist, auch von der Seite der nahe verwandten Roden- Mycc^akterien 

8 * L' 



118 


O. V. Plotho : 


her eine Stütze für die Stichhaltigkeit der Beobachtungen dieser Wenigen 
eirbracht zu haben. Doch erscheint mir der Ausdruck „Oranulum'', eine 
für die heterogensten Dinge angewandte Bezeichnung, nicht ganz 
glücklich. Es beda^ noch weiterer Untersuchungen, n3it welcher bei 
anderen Organismen vorkommenden Sporenform man die fraglichen 
Gebilde gleichsetzen kann, bzw. ob das überhaupt möglich ist. 

Die Sälirefestigkeit. 

Ein für alle Stadien und Umweltsbedingungen zutreffendes Urteil 
über die Entfärbungsresistenz der MycohdkUrien des Bodens läßt sich 
nicht abgeben, es ist nicht einmal möglich für eine einzige Art. Die 
Säurefestigkeit ist vielmehr nach unseren heutigen Kenntnissen eine 
sehr labile Eigenschaft aller ,, säurefesten“ Organismen, insbesondere 
der Saprophyten. Sie ist abhängig von einer großen Zahl äußerer Be- 
dingungen und Voraussetzungen. 

Zunächst ist die Methode, mit der sie festgestellt wird, von Wichtigkeit. 
Die Ergebnisse sind verschieden, ob die Färbung durch Erhitzen oder durch 
verschieden lemges Behandeln der Präparate in der Kälte durchgeführt 
wird, sie sind andere bei verschieden langer Dauer der Säureeinwirkung 
und unterschiedlichem Dissoziationsgrad der Säure, sie weichen voneinander 
ab, je nachdem eine Nachfärbung vorgenommen wird oder nicht. Wahr- 
scheinlich gehen auf diese „Labilität** der Keaktion in vielen Fällen die 
abweichenden Angaben verschiedener Autoren bei den gleichen Organismen 
zurück. So beschreibt z. B. Qrasaherger seinen Organismus als nicht säure- 
fest, während Hefferan ihm eine „sehr gute“ Säurefestigkeit zuspricht. 
Es wäre daher sehr begrüßenswert, wenn durch Übereinkunft eine einheit- 
liche Handhabung der Säurefestigkeitsprüfung, die von allen TJntersuchem 
einzuhalten wäre, festgelegt würde in der Art, wie ähnliche Standardi- 
sierungen von amerikanischen Forschern bereits durchgesetzt sind. Jeden- 
falls würde diese Maßnahme eine Beihe von Einzelangaben in den Spezial- 
arbeiten überflüssig machen. 

In den vorliegenden Untersuchungen wurde das Carboifuchsin kalt 
auf den Objektträger gegossen und auf ihm mehrere Male bis zur Blasen- 
bildung erhitzt. Die Entfärbung erfolgte durch n Schwefelsäure, 
n Essigsäure, n/110 Schwefelsäure und 70%igen Alkohol mit Zusatz 
von 1 % HCl. Die Entfärbungszeit betrug stets 1 Minute. Eine Nach- 
färbung wurde nicht gemacht. Stärkere Säuren, wie sie einige Autoren 
benutzten, wurden nicht verwendet, weil ihre Emwirkung die morpho- 
logischen Strukturen der Bakterien zu sehr veränderte. 

Aber nicht nur durch die Färbemethode kann das Ergebnis bei 
der Säurefestigkeitsprüfung beeinflußt werden. Von großer Bedeutung 
ist auch das Alter der Kulturen, wozu die Tabelle IV einen Überblick gibt . 

Die Kulturen der Tabelle IV wnichsen in Nährbouillon mit Zusatz 
von 1 % Dextrose bei 30^ C, das betrug 6,4, die Entfärbung wurde 
mit 5%iger Schwefelsäure vorgenommen, Entfärbungszeit 1 Minute. 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 119 


Tabelle IV. Einfluß des Alters auf die Säurefestigkeit. 


Stamm 

Alter 

der Kultur 

Säurefestigkeit 

stamm 

Alter 

der Kultur 

Säurefestigkeit 

2 

3 Tage 

++> 

11 

3 Tage 

4“ 


4 Wochen 

+ + 


4 Wochen 

etwa 90% der Stäb- 

3 

3 Tage 

4 - + 



chen enfärbt 


4 Wochen 

4 - 4 - 

14 

3 Tage 

etwa 40 % der Stäb- 

4 

3 Tage 

+ 4- 



chen entfärbt 


4 Wochen 

+ * 


4 Wochen 

wenige Stäbchen als 

6 

3 Tage 

4 - 



Ganzes säurefest 


4 Wochen 

ein Teil der Stäb- 

15 

3 Tage j 

4 :® 



chen entfärbt 


4 Wochen 

wenige Stäbchen als 

8 

3 Tage 

wenige Stäbchen 



Ganzes säurefest 



entfärbt 

21 

3 Tage 

wenige Stäbchen 


4 Wochen 

viele Stäbchen ent- 



säurefest 



färbt 


4 Wochen 

nicht säurefest 

1 ) 

3 Tage 

4 " 





4 Wochen 

viele Stäbchen ent- 






färbt 





‘ -f -f — Htrenj? sÄurefest. — • + = Stäbcbrn ontfärbt. — * :± — mehr als die Hälfte 

der smbchen entfärbt. 


Die in der Tabv^^lle aufgeführten Stämme sind sämtlich nach 3 Tagen 
bei der angegebenen Kulturtemperatur gut entwickelt, die Säure- 
festigkeit ist bei fast allen zu diesem Zeitpunkt größer als nach 4 Wochen 
Kulturdauer. In ganz jungen Kulturen ist die Säureresistenz bei den 
meisten verhältnismäßig schwach, in ganz alten erleidet sie oft eine 
noch größere Einbuße als die Tabelle ausweist. Die Säurefestigkeit von 
Stamm 14 ist immer gering, ebenso sind alle Proaciinomyctten immer 
nur wenig säureresistent . 

Sehr deutlich tritt in der Tabelle V die Bedeutung der Zusammen- 
setzung des Nährbodens für den Ausfall der Entfärbungsresistenz in 
die Erscheinung. 

Tabelle V. Einfluß des NährVodens auf die Säurefestigkeit. 


Alter der Kulturen 14 Tage. Nährboden-pn " 7- Temperatur 35® 


Stamm 

Nähragar 
mit 2 % Dextrose 

Nähragar 
mit 2 % Glycerin 

Hefekochsaftagar j 

Synthetisches Agar 
mit NaNOa 

4 


++* 


d: 

6 

-f 

4 - 4 - 

± 

± 

8 

4 - 

+ 

± 

± 

14 

- 4 

± 

— 

— 

16 

± 

4 " 

1 dz 

— 

21 

± 

in einigen Stäb- 
chen säurefeste 
Inhaltskörper 




* + - einige Stäbchen entfärbt. — • -f + streng säurefest. — » 4 = mehr als die Hälfte 
der Stäbchen entfärbt. — * — nichts, fest. 





120 


O. V. Plotho : 


Die Tabelle läßt erkeimei), daß auf dem Glycerinnährboden die Säuie- 
festigkeit am besten, auf dem synthetischen Agar mit NaNO^ als Stickstoffe 
quelle am geringsten ausgebildet war, der Dextroseagar und der Hefekoch- 
saftnährboden stehen dem Glycerinagar etwas naci . Es kann also der 
Grad der Säurefestigkeit durch das Nährsubstrat gesteigert bzw. ver- 
ringert werden. Ältere Autoren (Btenstock, Oottatein) gingen so weit, zu 
behaupten, daß nicht säurefeste Organismen säureresistenr gemacht werden 
könnten durch Kultivieren auf fett- und wachsreichen Medien oder sogai' 
durch Zerreiben in einem fetthaltigen Substrat. Sie fanden aber bald 
Widerspruch. Rabinowitsch z. B. zeigte, daß durch fetthaltiges Medium 
niemals Säurefestigkeit hervorgerufen, sondern nur bereits bestehende 
erhöht werden kann. Auf den teilweisen bzw. vollständigen Verlust der 
Säureresistenz auf proteinfreien und glycerinfreien Medien wies schon 
B. Lange hin, den Einfluß erhöhter H-lonenkonzentration im Nährboden 
n€kch der gleichen Richtxmg betonte in neuerer Zeit Kirchne . 

Andere Forscher (Frei und Pockschischewsky) haben angegeben, 
daß die Art der verwendeten Säure für den Ausfall der Reaktion von 
Bedeutung sei. Hierzu wurden nähere Untersuchungen angestellt . Es 
wurden eine Reihe von Stämmen, bei denen gleiche Voraussetzungen 
Vorlagen (Alter, Art und Reaktion des Nährbodens, Kulturtemperatur 
u. dgl.), auf ihre Entfärbungsresistenz geprüft gegenüber der Ein- 
wirkung von n Schwefelsäure und n Essigsäure. Bei den streng säure- 
festen Stämmen war ein Unterschied in der h^inwirkung beider 

Säuren nicht erkennbar, allerdings erschienen die Granula immer 
dunkler rot, also weniger entfärbt, nach Behandlung mit n Essigsäure. 
Bei den PÄZei- Stämmen schienen aber nach Einwirkung der n Essig- 
säure stets mehr Bakterien der Entfärbung widerstanden zu haben als 
nach Behandlung mit n Schwefelsäure. Dieser Unterschied verstärkte 
sich bei den gegen Schwefelsäure wenig resistenten Formen und wurde 
bei den ProaciirvomyceteM sehr auffällig. Es wurde also der Eindruck 
erweckt, als ob mit der Empfindlichkeit gegenüber der Einwirkung 
normaler Schwefelsäure eine relative Widerstandsfähigkeit gegen die 
det normalen Essigsäure einherginge. Die Schlußfolgerung, dem Anion 
beider Säuren eine Bedeutung bei diesem Ergebnis zuzumessen, lag 
nahe, vielleicht konnte auch das Molekül der Säuren als Ganzes für 
das ungleiche Ergebnis verantwortlich sein. Zur Klarstellung dieser 
Frage wurde mit Hilfe der BörerbsenBchen Farbindikatoren eine Schwefel- 
säurelösung hergestellt, die die gleiche H-lonenkonzentration besaß 
wie die n Essigsäure. Es ist dies eine Lösung, die etwa n/110 ist, beide 
Säuren besitzen dann ein pH von ungefähr 2,5. Bei der Anwendung 
dieser beiden Säuren waren die Entfärbungsintensitäten stets ganz 
gleich, wie die Tabelle VI erkennen läßt. 

Es ergibt sich aus diesen Versuchen, daß die Säureresistenz der 
Bod&n.- Mycohakterieri nicht bedingt wird von der Art der einwirkenden 
Säure, sondern lediglich von ihrer H-Ionenkonzentration. Es ist sehr 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


121 


Tabelle VI. Einfluß des Dissoziationsgrades der Säuren 
auf die Säurefestigkeit. 

Alter der Kulturen 14 Tage. Nähragar mit 3% Glycerin, p« 7. 


Stamm 

Fititfärbnog mit 
u-Schwefelsäure 

Entfärbung mit 
n-EsAiKsäure 

Entfärbung mit 
n/HO Schwefelsäure 

14 

wenige Stäbchen als 
Ganzes säurefest 

viele Stäbchen als 
Ganzes säurefest 

wie in Essigsäure 

21 

wenige Stäbchen mit 
säurefesten Inhalts - 
körpern 

dasselbe 

j» »» »> 

22 

dasselbe 

dasselbe 

>» »» »♦ 

23 

einige Stäbchen mit 
säurefesten Inhalts- 
körpern 

viele Stäbchen 
säurefest 

>» »» >» 

24 

dasselbe 

dasselbe 

»» »* t» 

27 

in einigen Stäbchen 
säurefeste Inhalts- 
körper 

viele Stäbchen als 
Ganzes säurefest 

»» »« »* 


wahrscheinlich, daß dieses Gesetz für alle Säuren gilt und daß alle 
säurefesten Bakterien ihm unterstehen. 

Zur Entfärbung !nit70%igem Alkohol 1% HCi braucht nur 
kurz angegeben zu werden, daß ausschließlich die Lac/icoto- Stämme 
eine deutliche Entfärbungsresistenz gegen dieses Mittel besaßen. Bei 
den Stämmen war nach einer Einwirkungszeit von 1 Minute nur 

in einer kleinen Zahl von Stäbchen die Färbung erhalten, die Vertreter 
der übrigen Arten waren entfärbt. 

Über die Ursache der Säurefestigkeit ist viel diskutiert worden . Schon 
früh brachte man den Fett* und Wachsgehalt der säurefesten Bakterien in 
Beziehung zur Säureresistenz. Hammerechlag wies als erster in quanti- 
tativen Untersuchungen bei dem humanen Tvberkelbinillns besonders 
reichliche Substanzen nach, die in den gewöhnliclien Fett lösungsmittein 
löslich waren. Seine Befunde wurden von vielen Autoren bestätigt (Klebe, 
Kresling, Bavderan u. a.). Diese Lipoidsubstanzen stellten sieh die Forscher 
ganz allgemein als eine Hülle um den Bakterienleib heriimliegend vor. 
Die älteren Autoren führten daher das färberische Verhalten der Säure- 
festen ausschließlich zurück auf das Vorhandensein einer Fett- und Wachs- 
hülle (Marmorek, BuUoch, Mo, Leod, Tamura), 

Die experimentellen Befunde späterer Untersuchungen (Pfannenetiel, 
Lotm) widersprachen aber dieser Vorstellung, denn die Menge der durch 
fettlösende Mittel dem Bakterienleib entzogenen Substanz geht nicht parallel 
dem Verlust der Säurefestigkeit des Bakterienrückstandes. Es i.st vielmehr 
niemals gelungen, durch bloßes Behandeln mit lipoidlöslichen Mitteln die 
Säureresistenz bei den behandelten Organismen zu beseitigen. Diese Tat- 
sache fand sich auch bei den vorliegenden Untersuchungen immer wieder. 
Durch diese Erfahrungen wurde die Vorstellung unhaltbar, daß lediglich 
in einer Lipoidhülle die Ursache der Säurebeständigkeit za sehen sei. 

Gegenwärtig besteht wohl allgemein die Auffassung, daß physikalische 
oder physikalisch-chemische Eigenschaften, wie Struktur und Dichtigkeit 




122 


O. V. Plotho : 


des Plasmas das ausschlaggebende Moment für die mehr oder weniger große 
S&ureresistenz darstellen {Schloßberger, Sorddli und Arena). Beim Zu- 
standekommen dieser Dispersitätsunterschiede der Plcbsmakolloide gegen- 
über den nicht säurefesten Organismen dürften die Lipoidsubstanzen aber 
wesentlich beteiligt sein. 

Über Quantität und Zusammensetzung der Lipoidsubstanzen liegen 
seit längerer Zeit für den TuberkelbaziUua zahlreiche Untersuchungen vor. 
Die Versuchsergebnisse gehen weit auseinander, so daß z. B. die Angaben 
über die Menge der extrahierten Lipoide zwischen 8 und 44% des Trocken- 
gewichts schwanken (Rwppel fand 8 bis 26%, Baudran 36 bis 44%). Erst 
beträchtlich später wurden auch Boden- Mycohakterien in den Kreis der 
Untersuchungen einbezogen. Auch bei ihnen wechselt die Menge der von 
den einzelnen Autoren extrahierten Substanzen. Diese Unterschiede be- 
ruhen in erster Linie auf der Verschiedenheit der Methodik und der Extrak- 
tionsmittel. Pfannensiiel, der neben Warm- und Kaltblüterbakterien als 
erster auch verschiedene Stämme von Myc. lacticola untersuchte, extrahierte 
mit einem Gemisch von Äther imd Aceton, obgleich bereits bekannt war, 
daß einige Wachssubstanzen des Tuberkelbazillus sich schwer in Äther 
lösen und die Phosphatide in Aceton überhaupt unlöslich sind. Seine 
Prozentzahlen sind daher niedrig (für Myc. lacticola im Höchstfall 16,47% 
des Trockengewichts). Lang gibt nach Extraktion mit Alkohol und Petrol- 
äther etwas höhere Prozentzahlen an. In der Arbeit von Lang und Ccm/pheü 
wird der Einfluß der Nährböden auf die Menge der gebildeten Lipoide 
behandelt und festgestellt, daß Glycerin der Lipoidbildung förderlich ist. 
Da die Autoren zur Kultur der extrahierten Bakterien dann einen Nähr- 
boden benutzten, der ö% Glycerin enthielt, sind ihre Prozentzahlen hoch 
(20,3 und 30,3% des Trockengewichts). Die einzige Arbeit, die sich aus- 
schließlich mit den Fettsubstanzen des ffTimotheebazülus"" beschäftigt, 
wurde von Coghill und Bird veröffentlicht. Nach diesen Verfassern ergab 
die Ätherextraktion 1,87%, die Chloroformextraktion 0,85% des Trocken- 
gewichts. Nach Behandlung der „entfetteten“ Bakterien mit heißer, 
20%iger Salzsäure ergab eine nochmalige Chloroformextraktion aber noch 
zusätzlich 14,93% Fett. Chargaff und Mitarbeitern standen bei der Unter- 
suchung des „GrasbaziUua^^ große Mengen von Bakterienmaterial zur Ver- 
fügung, das 1^/2 Jahre lang in einem Gemisch von Alkohol und Äther zu 
gleichen. Teilen im Dimkeln stehengelassen und dann 3 Tage geschüttelt 
wurde. Im, über einem dicken, gelblichen Niederschlag stehenden, klaren, 
roten Extrakt fanden sich 8,37% Totallipoide. Die durch diese „milde“ 
Art entfetteten Bakterien enthielten aber noch 10,2% Fettsubstanzen, die 
bei weiterer Behandlung mit Salzsäure und Kalilauge gewonnen wurden. 
Weitere Arbeiten über den Lipoidgehalt der Boden- Mycobakterien sind mir 
nicht bekannt. 

Alle vorliegenden Arbeiten geben keinen genügenden Einblick in die 
angewandten Methoden. Diese lassen sich grundsätzlich einteilen in chemi- 
sche imd mechanisch-extraktive. Pfannenatid^ Long^ sowie Long und Camp- 
bdl verwendeten ausschließlich extraktive Methoden, die im einzelnen aber 
sehr ungenau beschrieben sind. Bei Coghill und Bird sowie Chargaff und 
Mitarbeitern wurden mechanisch -extraktive und chemische Arbeitsweisen 
miteinander verknüpft, doch sind die angewandten chemischen Hilfsmittel 
ganz verschieden. Ein Vergleich der Ergebnisse aus Methoden beider Art 
ist aber sehr unzuverlässig, sofern Art und Konzentration der chemischen 
Agentien nicht die gleiche ist und die Zertrümmerung des Bakterienmaterials 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien.^ 


123 


unvollkommen bleibt. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeiten sind also 
zu einem zureichenden Vergleich nur bedingt brauchbar. 

Da in neuerer Zeit wiederholt auf die Mangelhaftigkeit der chemi- 
schen Methoden hingewieaen (Heide) und die Überlegenheit einer 
befriedigenden Extraktionsmethode betont ist, wurde bei den im 
folgenden beschriebenen Untersuchungen die Anwendung auf schließender 
Methoden vermieden und die chemische Beeinflussung des Materials 
erst vorgenommen, als die mechanischen Methoden nicht weiterführten. 

Die Untersuchungen wurden an den Stammen 2, 3 imd 4 durchgeführt. 
Deis Kulturmedium bestand in allen Fällen aus neutralem Nähragar mit 
3% Glycerin, das Alter der Kulturen betrug 26 bis 28 Tage. Die Bakterien 
ließen sich sämtlich vom Agar mit dem Spatel leicht ablösen, sie wurden 
sofort in ein getrocknetes und quantitativ gewogenes Glasgefäß getan und 
zunächst 48 Stunden bei 60® C zu ihrer Abtötimg und der Inaktivierung 
der Enzyme vorgetiocknet und darauf bis zur Gewichtskonstanz bei 100® 
getrocknet. Das Material war dann vollständig brüchig und ließ sich leicht 
pulvern. Nach Abkühlimg im Exsikkator und quantitativer Wägung 
wurde es mit Kieselgur in einer Achatschale mit Pistill aus gleichem Material 
von Hand solange zerrieben, bis bei 60 facher Vergrößerung keine zu festen 
Verbänden zusammengeballten Bakterienhäufchen mehr erkennbar waren. 
Die fertig verriebenen Proben wurden in Extraktionsfilter „Schleicher u. 
Schüll, Blauband“ eingefüllt und im Soxhlet -Apparat extrahiert. 

Die Auswahl der Lösungsmittel wurde in Analogie zu den Unter- 
suchungen am TuherkeJhazülvs vorgenommen. Schon Krealing stellt für 
diesen eine Reihenfolge der Güte unserer gebräuchlichsten Lösungsmittel 
auf, die vom Chloroform über Benzol und Äther zum absoluten Alkohol 
geht. Benzol leistete als alleiniges Lösungsmittel die besten Dienste, die 
Ausbeute an Fett stand jedoch der mit kombinierter Anwendung von 
Chloroform, Äther und Alkohol erzielten etwas nach. Gcris u. a. zogen 
ausschließlich mit Chloroform aus, nach den Erfahrungen Krealing^ schien 
die oben angegebene Kombination jedoch vorteilhafter und daher wurde 
für die Stämme 2 und 3 die Reihenfolge Äther, absoluter Alkohol, Chloro- 
form angewendet, während bei Stamm 4 zuerst mit Chloroform, darauf mit 
absolutem Alkohol und schließlich mit Äther ausgezogen wurde. Mit jedem 
Lösimgsmittel wurde 2^/j Stunden extrahiert. Eine Übersicht über die bei 
den drei Stämmen erzielten Ergebnisse bietet die Tabelle VIJ. 

Die Summe der entzogenen Lipoide in % des Trockengewichts der 
extrahierten Bakterien ist bei den drei Stämmen nicht sehr verschieden. 


Tabelle VII. 


1 

Gewicht der 
getrock- 
neten Bak- 
terien 
in g 

Gewicht 
des 
Äther- 
extrakts 
in g 

Mit Äther 
extrahierte 
Lipoide 
in % des 
Trocken- 
gewichts 

Gewicht 
des Al- 
kohol- 
extrakts 
in g 

Mit Alkohol 
extrahierte 
Lipoide 
ln % des 
Trocken- 
gewichts 

Gewicht 

des 

Chloro- 
forin- 
extrakts 
in g 

Mit Chloro- 
form extra- 
hierte 
Lipoide 
in % des 
Trocken- 
gewichts 

Summe der 
entzogenen 
Lipoide 
in % des 
Trocken- 
gewichts 

2 

4,0145 

0.2132 

6,31 

0,3637 

8,81 

0,0643 

1.6 

16,72 

3 

6,224 


5,42 


8,89 

0.1064 

1,71 

16,02 

4 


0,0376 

1.01 

0,3065 

8.21 

0.2482 

6,67 

15.89 


1 / 








124 


O. V. Plotho ; 


Für das Endergebnis ist es also bedeutungslos, mit welchem der drei 
Lösungsmittel begonnen wird. Wird mit Chloroform begonnen, so 
lösen sich etwa 1,3 % an Lipoiden mehr in ihm, als sich in Äther lösen, 
wenn die Extraktion mit diesem angefangen wird. Chloroform ist also 
an sich ein besseres Lösungsmittel als Äther. Als ein recht gutes Lösungs- 
mittel erwies sich in allen drei Fällen der absolute Alkohol. Der Äther- 
extrakt ist von hellgelber Farbe und angenehmem Geruch, der sich 
aber bald vermindert und schließlich ganz verschwindet, der Alkohol- 
extrakt ist rotbraun und von stechendem Geruch, ebenso wie der 
duhkelgelbe Chloroformauszug. 

Wurde der Bakterienrückstand nach diesen Extraktionen mit 
Sudan III untersucht, so erschien er so gut wie völlig fettfrei. Bei der 
Prüfung auf Säurefestigkeit aber ergab sich, daß die Bakterien in ihrer 
morphologischen Integrität nicht verändert und in ihrer Säureresistenz 
nicht wesentlich beeinflußt waren. Ein gleiches Ergebnis wurde bereits 
von Ixmg nach seinen Extraktionen gefunden, und erst nach Behandlung 
des Kückstandes mit Salzsäure verschwand die Säurebeständigkeit der 
Bakterien. Der Rückstand der Stämme 2, 3 und 4 wurde daher eben- 
falls in n Salzsäure gebracht und verblieb in ihr bis zu 60 Stunden. Eine 
nach Filtrieren und Auswaschen erfolgende neuerliche Extraktion mit 
Äther ergab dann für die Rückstände der Stämme 2 und 3 einen Lipoid- 
gehalt von 3,6 bzw. 3,5 %, bei dem des Stammes 4 einen solchen von 
3,9% des Trockengewichts. Bei der mikroskopischen Untersuchung 
zeigte sich, daß die Morphologie der Organismen nicht mehr erhalten 
und die Säurefestigkeit vollständig verschwunden war. 

Die erst nach der Säurebehandlung gewonnenen Lipoide waren 
also derartig fest im Bakterienleib verankert, daß einfache Extraktion 
mit fettlösenden Mitteln sie nicht freimachen konnte, und erst durch 
chemische Einwirkung ihre Extraktion gelang. Die Lipoidmoleküle 
sind offenbar mit den Plasmakolloiden innig verbunden, und diese 
Bindung verursacht höchstwahrscheinlich bestimmte Dispersitäts- 
verhältnisse, die ihrerseits die Ursache der Säurefestigkeit darstellen. 
Die mit fettlösenden Mitteln dem Bakterienleib ohne weiteres entzieh - 
baren Substanzen besitzen vermutlich als Rfeservestoffe für die Bak- 
terien Stoffwechsel -physiologische Bedeutung, stehen aber aller Wahr- 
scheinlichkeit nach zur Säurefestigkeit in keiner direkten Beziehung, 
wenn auch ihr Vorhandensein das Phänomen überhaupt erst möglich 
machen dürfte. 

Bei den Stämmen 2 und 3 wurde weiterhin der Prozentgehalt des 
Unverseif baren gegenüber dem Betrag an Gesamtlipoiden ermittelt. 
Er geht aus der nachstehenden Zusammenstellung hervor (Tabelle VIII ) . 

Die Bestimmung des Unverseifbaren wurde nach der Methode von 
Fahrion {Klein , Spez. Analyse I, 5, 630) vorgenommen, nach der das Un ver- 
seifbare als Äthylätherextrakt quantitativ erfaßt wird. 



Morphologie und Biologie der Mycobskterien. 
Tabelle VIII. 


125 


Stamm 

Qesamtlipoide in % 
deB Trockengewichts 

Unverseif bares in % 
der Gesamtlipoide 

2 

19.32 

16,37 

3 

19,62 

16,45 

4 

19,79 

— 


Wie bereits erwähnt, stellten Long und Campbell den Prozentsatz an 
unverseifbaren Substanzen für eine Reihe von Mycobakterien fest. Sie 
gaben für einen „Dung-Bazillus“ (vermutlich ein LacticolaStamm) das 
Unverseifbare mit 9,4% der Glesamtlipoide an. Bei allen Nicht-Pathogenen 
fanden die Verfasser einen verhältnismäßig niedrigen Satz an Unverseif- 
barem, die Organismen mit geringer Pathogenität (Vogel-, Frosch-, Schild- 
krötenbazillvs) besaßen 35,1, 33,7 und 28,3 % unverseifbare Stoffe, während 
die virulenten Formen des humanen und bovinen Tuberkelba^illus 77 und 
60% von ihnen aufwiesen. Es scheint somit, als ob der Gehalt an unverseif- 
baren Substanzen in einer gewissen Beziehung zur Pathogenität stände. 

Untersuchungeu im Fluoreszenzmikroskop. 

Nachdem die Fluoreszenzmikroskopie bereits längere Zeit zur Unter- 
suchung histologischer Schnitte in Botanik und Zoologie Anwendung 
gefunden hatte, wurde sie 1937 von Hagemann in die Bakteriologie ein- 
geführt. Dem Wesen der Fluoreszenz entsprechend werden bestimmte 
körperliche Elemente nach Vorbehandlung mit sogenannten Fluorochromen 
bei Bestrahlen mit ultraviolettem Licht befähigt, Licht von größerer Wellen- 
länge als der des auffallenden auszustrahlen, mit anderen Worten zum 
Leuchten gebracht. Die Methode von Hagemann wurde 1938 von Herrmann 
durch Verstärken der CuS 04 -Lösung und Veränderung der Färbetechnik 
erweitert, doch teilte kürzlich Finke mit, daß er mit den Modifikationen 
HerrmannH niemals bessere Ergebnisse erzielte und das Färbe verfahren 
Hagemannit, sich als zuverlässiger gezeigt habe. Es wurde daher auch bei 
den hier vorgenommenen Tmtersuchurigen verwendet. Die Fluoreszenz- 
mikroskopie bewährte sich ausgezeichnet bei der Auffindung säurefester 
Bakterien und w'ird heute häufig zur Diagnose auf Tuberkelbazillen ver- 
wandt. An vergleichenden Untersuchungen mit ver.«chiedenen Tuberkel- 
öoztZZßn- Typen und anderen Säurefesten liegt nur die Arl)eit von Finke 
vor, der von Boden -M.i/coöaikterien nur den „Thimotheebazillus^'' und einen 
Stamm von säurefesten MUchbakterien untersuchte. 

Zu den hier angestellten Beobachtungen im Fluoreszenzmikroskop 
diente als Strahlenquelle eine 5 Amp. Kohlenfadenlampe mit Siemens- 
Plania-Kohlen. Die von Hagemann angegebene 2%ige CuS 04 -Lösung 
wurde gegen eine kalt gesättigte ausgetauscht, womit eine Verbesserung der 
Absorption der roten Strahlen erzielt wurde, wie das auch von Herrmann 
angegeben wird. Um zu vermeiden, daß ultraviolette Strahlen ins Auge 
drangen, wurde eine Okularsperrfilterkappe Lifa II verwendet, beobachtet 
vrurde mit Trockenobjektiv Apochromat 20 und Okular 10 und 20, die 
Beobachtung fand ohne Deckglas statt'. Die Präparate wurden nach 
Flammenfixierung mit Auraminlösung 1 : 1000 Aqua dest. +5% Phenol 

' Für die freundliche Hilfe bei dem Aufbau des Mikroskops und der 
Durchsicht der Präparate bin ich Herrn Dozent Dr. R. Meyer zu großem 
Dank verpflichtet. 

Archiv für Mikrobiologie. Bd. 13. 


9 



126 


O. V. Plotho : 


liquefac. 15 Minuten gefärbt, mit Leitungswasser abgespült und mit salz- 
saurem Brennspiritus (1000 ccm Brennspiritus, 4 ccm konz. reine HCl, 
4 g Na CI) 3 Minuten differenziert, wobei nach 1^/, Minuten der Brenn- 
spiritus erneuert wurde. Eine Gegenfärbung wurde nicht gemacht. 

Beim Durchmuatem zeigten alle Stämme eine helle 

Fluoreszenz, die aberden goldgelben Ton der Tuberkelhazillu8-V\\xQTeszera 
nicht erreichte, sondern mehr grünlich leuchtete. Es fluoreszierten 
aber nicht nur ,, wenige, meist sehr kurze, Stäbchen“, wie Finke schreibt ; 
das Gesichtsfeld bot vielmehr das Bild ungleich langer, leuchtender 
Stäbchen in großer Menge dar, Bakterienhäufchen zeigten eine beträcht- 
liche Leuchtkraft, die jedoch hinter der von zusammengeballten Tuberkel- 
bazillen zurückblieb und, wie erwähnt, weniger goldgelbe Farbtönung 
aufwies. Ebenso fluoreszierten Myc. eos und luteum. Alle Phlei- 
Stämme zeigten ebenfalls gute Fluoreszenz, die Helligkeit zusammen- 
geballter Häufchen fiel aber deutlich gegenüber der von Lacticola- 
Stämmen ab, und der Ton einzeln liegender Stäbchen war mehr grau- 
grün, auch war die Zahl der fluoreszierenden Stäbchen geringer. Be- 
merkenswerterweise war eine schwache, aber deutliche Fluoreszenz 
auch bei den Proactinomyceten festzustellen. Hierauf wurde auch ein 
aus Erlenknöllchen isolierter, als Stamm 10 bezeichneter (o. Plotho) 
Actirumycet untersucht, der reichlich mit Fett- und Wachsstoffen 
inkrustiert ist und dessen Mycel eine gewisse Säurefestigkeit besitzt. 
Auch er zeigte geringe, wenn auch lichtschwache graugrünliche Flu- 
oreszenz in mehr oder weniger langen Fadenstücken und einzelnen 
Sporen. Die Prüfung eines anderen, in der angegebenen Arbeit mit 
Stamm S bezeichneten Actinomyceten, dem jede Säurefestigkeit fehlt, 
fiel jedoch negativ aus, es konnte keine Spur von Fluoreszenz fest- 
gestellt werden. 

Es scheint nach diesen Beobachtungen, als ob Fluoreszenz und 
Säurefestigkeit auf den gleichen Voraussetzungen beruhen. Wie die 
Säurefestigkeit nach den oben mitgeteilten Versuchen bedingt zu sein 
scheint durch eine bestimmte von den Lipoidsubstanzen verursachte 
Dispersität der Plasmakolloide, so dürfte auch die Fluoreszenz mit 
dieser besonderen Struktur der Proteine Zusammenhängen. Es bilden 
also wahrscheinlich auch für sie physikalisch -chemische Verhältnisse 
die Grundlage. 

Das Verlialten der Myeobakterien auf yerschiedenen Nährböden. 

In der Literatür finden sich nur wenige Untersuchungen, die das Ver- 
halten der Myeobakterien auf verschiedenen Nährmedien behandeln. Am 
häufigsten wurden auch nach dieser Richtung hin die hochvirulenten 
TuherkelbazUlen beobachtet und schon früh wurde festgestellt, daß das 
Hinzufügen von Glycerin zum Nährmedium bei ihnen das Wachstum 
erhöht. Maaßen, der zum erstenmal an 62 Bakterienarten einen Überblick 



Morphologie imd Biologie der Mycobakterien. 


127 


über Stoffwechsel Vorgänge bei Mikroorganismen gab, zeigte, daß Myc. Tuber- 
culosia in keiner der gewöhnlichen Nährlösungen mit Pepton und Salzen 
organischer Säuren wächst, daß er jedoch zur Entwicklung gelangt, wenn 
die Medien emen Zusatz von 9®/oo Glycerin erhielten. 10 Jahre später 
demonstrierte Theobald Smith die gleiche Wirkung dieses Substrats und noch 
in jüngster Zeit bezeichneten französische Forscher (Fembach u. JRuUier) 
die wachstumsfördernde Wirkung des Glycerins auf den Tuberkelbazillus 
als geradezu spezifisch. Es war daher interessant, festzustellen, ob sich diese 
Wirkung bei den verwandten Bodenbakterien auch nachweisen ließ. 

Als Nährsubstrat wurde Fleischextrakt-Pepton-Bouillon mit 3% 
Glycerin gewählt. In den Vergleichslösungen befanden sich dem Glycerin- 
zusatz äquivalente Mengen von Mannit und Dextrose. Beim Abbrechen 
des Versuchs wurden die Kulturflüssigkeiten durch quantitativ gewogene 
Filter filtriert und der Rückstand auf ihnen bei Zimmertemperatur ge- 
trocknet und gewogen. Es wurden stets 2, oft 3 Parallelkulturen angelegt, 
die Zahlen stellen daher die Durchschnittsergebnisse mehrerer Versuche 
dar. Auch die Angaben der weiter unten aufgeführten Tabellen X bis XIV 
sind immer Durchschnittswerte aus 2 oder 3 Parallel versuchen. 

Die Tabelle IX läßt erkennen, daß die wachstumsfördemde Wirkung 
des Glycerins auch für Myc. iestudints und die Zac/tcofo- Stämme besteht. 
Der Schildkrötenhazillus wächst sehr langsam, aber auch bei ihm ist ein 
deutlicher Vorsprung der Glycerinkultur unverkennbar. Die Stämme 2 
und 4 hatten sich dem Mannitnährboden gegenüber um etwa 1/3 besser 
entwickelt; nicht ganz so groß war der Vorsprung gegenüber dem 
Dextrosemedium, doch auch hier ist er sehr beträchtlich. Die nahe 
Verwandtschaft der genannten »Stämme zum Tuber kelbazih ns wird 
durch dieses Ergebnis aufs neue erwiesen. Interessant ist au ah die 
Wachstumsförderung, die der Stamm 14 durch das Glycerin erfährt. 
Bei ihm ist sie den anderen Nährböden gegenüber noch größer. Die 
übrigen Stämme, besonders der Vertreter der Proactinomyceten 


Tabelle IX. 


25 ccm Nährlösung. Ausgangs-pn 6,6. Alter der Kulturen 14 Tage. 


Stamm 

3 % Qlyoerin 

2,967 % Mannit 

2,92 % Dextrose 

Gewicht 
in mg 

End-pH 

Milch- 
säure - 
bi Idung 

Gewicht 
in mg 

End'PH 

Milch- 
säure- 
bi Idung 

Gewicht 
in mg 

End-pn 

Milch- 

sfiure- 

bildung 

1 

18,9 

6,6 

:fc 

16,2 

6,6 

± 

13,3 

6,6 

4 + 

2 

368,8 

7.2 

± 

238.1 

7.2 

± 

312,8 

7.0 

4 

4 

333,6 

7,2 

± 

237,6 

7.2 

± 

262,3 

7.2 

4 

8 

139,4 

6,8 


246,7 

7,0 


203,4 

7,0 

4 

14 

274,3 

7.2 

± 

129,6 

7,2 

± 

99,6 

7,0 

44 

16 

24,7 

6,0 

+ 

134,6 

6,8 

+ 

100,3 

6,8 

4 

17 

89,3 

6,4 

■f 

102.3 

6,2 

4- 

117,4 

6,4 

44 

21 

61,9 

6,6 

± 

133,0 

7.0 


283,9 

7,0 

4 

27 

149,1 

6,6 

db 

211,3 

6,9 

± 

141,9 

7,0 

44 


4- -f = reichliche Bildung von Milchs&ure; 4 — Mllchsäuiebildung ; + --- schwache Milch- 
Bäurebildung. 



128 


O. V. Plotho : 


(Stamm 21), wachsen jedoch weitaus besser auf dem Zuckemährboden 
oder auf Mannit, sie entfernen sich also auch in ihren kulturellen Eigen- 
schaften mehr und mehr vom Mycobakteriutn-Ty'pus, 

Aus der Tabelle ist weiter ersichtlich, daß die Stämme 2, 4, 8, und 14 
alle drei Medien alkalischer machen, während die übrigen eine Erhöhung 
der Acidität in den Substraten, oder doch nur ein geringes Absinken 
der H-Ionen bewirken. Bei längerer Kulturdauer steigt zunächst bei 
den genannten vier Stämmen die Alkalität noch bis auf etwa pa 8 an, 
dann tritt eine langsame Erhöhung der H-Ionenkonzentration ein und 
die Nährlösungen werden schließlich sauer. Bei den übrigen Stämmen 
werden die Medien bei längerer Kulturzeit noch etwas saurer, dann 
fällt aber die Acidität, wahrscheinlich infolge autolytischer Vorgänge, 
langsam ab. Zur Erklärung dieser Unterschiede im Reaktionsverlauf 
ist zu sagen, daß die Stämme 2, 4, 8 und 14 die am schnellsten wachsenden 
Organismen sind, so daß eine Säurebildung bei ihnen wahrscheinlich 
anfangs überdeckt wird durch eine überaus starke Bildung von alkali- 
schen Abbauprodukten, die bei den langsamer wachsenden Formen in 
der gleichen Zeit nicht in so großer Menge entstehen und die Säure- 
bildung also hervortreten kann. Außerdem werden organische Säuren 
in großem Umfang sicher nicht gebildet. Die einzige Säure, die sich 
fast immer in mehr oder weniger großer Menge fand, war die Milchsäure, 
die mit der Reaktion nach Denigis (Bernhauer) nachgewiesen wurde- 
Diese Reaktion ist außerordentlich empfindlich, ihr Ausfall ist bereits 
bei einem Bruchteil von Milligrammen Milchsäure positiv. Eine ältere 
Methode zum Milchsäurenachweis mit Ätherextrakt und Risenchlorid- 
lösung (Seifert und Müller) versagte häufig, wo nach Denigis noch das 
Vorhandensein der Säure deutlich nachgewiesen werden konnte. Hierauf 
ist wahrscheinlich die Mitteilung von Merrill der die zweite Methode 
benutzte, zurückzuführen, daß Milchsäure bei Myc. lacticola und phlei 
nie nachzuweisen sei. Ihre Bildung kann jedoch nicht zweifelhaft sein. 

Für die späteren Untersuchungen war es notwendig, einen Nähr- 
boden von genau bekannter Zusammensetzung zu benutzen. Nach 
verschiedenen Versuchen mit anderen synthetischen Lösungen wurde 
in der Folge immer die verhältnismäßig einfache Kombination benutzt, 
die von Jemen (1934) für Mycobakterien und Corynehakterien verwendet 
wurde. Sie enthält: Dextrose 1%, K2HPO4 0,1%, MgS04 0,05%, 
Na CI 0,05% . über die Wirkung einiger der gebräuchlichsten Stickstoff - 
quellen in Gemeinschaft mit dieser Lösung unterrichtet Tabelle X. 

In der Tabelle tritt die Überlegenheit des Ammoniumphosphats 
als N- Quelle deutlich hervor. Es ist erstaunlich, welchen Vorsprung 
vor den anderen die Loc^tcoZa- Stämme auf diesem Medium erreichen. 
Der Wachstumsertrag des Stammes 2 7. B. übertrifft auf ihm um mehr 
als das Doppelte den des nächstbesten Substrats. Für die Verireter 



Morpholo^^ie und Biologie der Mycobaktei ieii. 


129 


Tabelle X. 


25 ccm Nährlösung. Alter der Kulturen 28 Tage. Ausgangs -pn 8. 






0,2 %(N H 4 ) 2 HP 04 

Stamm 

Gewicht 
in mg 






Gewicht 
in mg 

End-pH 

2 

20,6 

4.0 

45,6 

7.2 

19,5 

4,3 

92,6 

6,7 

4 

18,6 

3,9 

62,6 

7.2 

14,6 

4,3 

77,7 

6,6 

6 

14,3 

6,4 

19,0 

7,3 

18,2 

4.7 

48,7 

6,6 

8 

4,6 

4,9 

6,3 

6.4 

17,6 

6,6 

10,2 

6,3 

14 

3,3 

4.5 

6,5 

5,4 

16,6 

4,8 

10,8 

6,4 

21 

4,6 

6,8 

6,7 

6.8 

12,4 

6,6 

11,3 

6,6 


der anderen Arten ist der Unterschied gegenüber der Ammonium- 
Chlorid- und der Natriumnitratlösung genau so beträchtlich, die Ammon- 
sulfatlösung schneidet aber besser ab. Sie ist überhaupt für die Stämme 8, 
14 und 21 nicht ungeeignet, und Ammonsulfat scheint sieh bei anderer 
Zusammensetzung der Nährlösung im allgemeinen gut zu bewähren, 
denn Frey und Hagan benutzten es bei ihren zahlreichen Isolierungen 
aus Böden in synthetischen Lösungen als N- Quelle. In meinen Ver- 
suchen blieben die Ixirticola-Siiimme jedoch immer sehr stark zurück, 
was sicher zum großen Teil auf die während des Kulturv^erhiufs ein- 
tretende starke Verschiebung der pn-Werte in den sauren Bereich 
infolge der Aufspaltung des Ammonsulfats zurückgeführt werden muß. 
Wenn auch nach anderen, hier nicht mitgeteilten Versuchen dit' S])anne 
der Reaktionsgrenzen, innerhalb derer Wachstum stattfindet, bei den 
betreffenden Stämmen außergewöhnlich groß ist, und etwa von 4 
bis pk 10 reicht, so verlangsamt sich doch die Wachstumsgeschwindig- 
keit bei Annäherung an diese Grenzen beträchtlich und eine volle Ent- 
wicklung der Kulturen wird in der Nähe der Grenzwerte überhaupt 
nicht erreicht. Die starke Ansäuerung dürfte auch ein Grund sein für 
die besonders unbefriedigende Entwicklung in der Ammonchlorid- 
lösung, außerdem macht sich aber auch in ihr die schädigende Wirkung 
des Chlorions geltend. In der Nitratlösung ist das End-/>H dem Ausgangs- 
stadium gegenüber nicht allzu stark verschoben, doch ist hier das 
NOß-Ion wahrscheinlich der Entwicklung abträglich, so daß auch 
dieses Medium in seiner Wirkung allzu weit hinter der Ammonphosphat - 
löbung zurückbleibt. Für die späteren Versuche wurde daher stets 
Ammonphosphat als N- Quelle in synthetischen Lösungen benutzt. 

Erst verhältnismäßig spät wurde die Verwendbarkeit der Kohlen- 
hydrate d\irch die "Boden-MycoM terien gesichert. Es gibt eine Reihe 
älterer Arl)eiten (Keudel und Mitarbeiter, Lang und Majcr), die die Ver- 
gärungsmöglichkeit dieser Verbindungen bestreiten. Durch Braun und 
seine Mitarbeiter wurden dann später systematische Reihenversuche über 
den Verwendimgsstoffwechsel der Bakterien unternommen und gezeigt , 
daß die saprophytischen Mycobakterien in synthetischen Nährböden mit 







130 


O. V. Plotho ; 


viel verschiedenartigeren C- Quellen auszukommen vermögen als die 
pathogenen. Dennoch berichten auf Grund von Reaktionskurven Weinzirl 
und KnapUm noch 1927, daß Dextrose und Lactose in synthetischen 
Lösungen nicht vergoren würden. Durch die Arbeit von Merrill (1930), der 
als erster eine quantitative Bestimmung der Zucker in den Nährlösimgen 
nach verschiedenen Kulturtagen vornahm, wurde endlich die Ausnutzbarkeit 
der Kohlenhydrate durch Mycobakterien sichergestellt. In neuester Zeit 
prüfte CtUinelli mit der manometrischen Methode nach Warburg die Ver- 
wendbarkeit der Kohlenhydrate durch den Ttiberkdbazüliis und fand, daß 
Mannose, Lävulose und Galaktose in absteigender Geschwindigkeit an- 
gegriffen werden. Von den Disacchariden werden Maltose gut, Saccharose 
mäßig ausgenutzt, Pentosen und Polysaccharide sind nicht verwendbar. 

Die in der Tabelle XI aufgeführten Kulturen wuchsen in Reagens- 
gläsern, die 7 ccm einer Nährlösung enthielten, die aus den oben an- 
gegebenen Salzen +0,2% (NH 4 )HP 04 bestand. Dazu kam jeweils 
J % der Kohlenhydrate. Die Zahlen geben die Menge der gewachsenen 
lufttrockenen Bakterien in mg an. 

Die Tabelle zeigt, daß von den Hexosen die Monosaccharide Glu- 
cose, Lävulose und Mannose etwa gleich gut verwertet werden, etwas 
geringer erscheint die Ausnutzbarkeit der Galaktose. Auffallend ist 
demgegenüber die außerordentlich schlechte Verwertbarkeit der Saccha- 
rose. Die beiden Stämme von Lacticola perrugosum sind auf ihr über- 
haupt nicht gewachsen. Hierauf wurden die übrigen Stämme von 
Lacticola perrugosum gesondert geprüft. Die Stämme 3 und 6 zeigten 
nicht die geringste, Stamm 5 nur eine schlechte Entwicklung. Dagegen 
konnte iMCticola planum Rohrzucker verhältnismäßig gut verwerten, 
was wiederholt geprüft wurde. Bei allen anderen Stämmen ist ebenfalls 
die Entwicklung in Rohrzucker äußerst mäßig. Es muß somit für die 
'Boden- Mycobakterien der Abbau des Moleküls über die beiden Mono- 
saccharide unmöglich sein und eine Verarbeitung des ungeteilten 
Moleküls nur schwer gelingen. Dagegen wird die Maltose allgemein 
besser, wenn auch nicht gut, verarbeitet und besonders auch von den 
Lac/ico/d- Stämmen angegriffen. 

Das Trisaccharid Raffinose ist eine so schlechte Kohlenstoff quelle, 
daß es den meisten Stämmen nur ein derartig geringfügiges Wachstum 
ermöglicht, daß das Gewicht der entwickelten Bakterien nicht fest- 
gestellt werden konnte. Merkwürdig ist das verhältnismäßig gute 
Gedeihen von Stamm 14. Die Stärke wurde als C- Quelle von keinem 
der geprüften Stämme verarbeitet, niemals war das geringste Wachstum 
festzustellen. Im Gegensatz zu den Ergebnissen von Cuthielli am 
Tuherkelbazillus sieben die Wachstumsbefunde bei den Pentosen. 
Fast alle Stämme gediehen auf ihnen gut bis sehr gut, insbesondere 
wuchsen auch die beiden Vertreter von Lacticola perrugosum durchaus 
befriedigend. Nur der Lacticola ptonwfn-Stamm war so kümmerlich 
gewachsen, daß das Gewicht der Bakterien nicht festgestellt werden 



Tabelle XI. Alter der Kulturen 21 Tage. Anfangs-pH bis 7. Kulturtemperatur 3ö®C. 


Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


131 


§ 

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16,0 

11,8 

Gew. nicht 
feststellbar 
10,8 
10,9 

8,8 

14,2 

10,7 


1 

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feststellbar 
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Gew. nicht 
feststellbar 



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16.5 

18.6 

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feststellbar 

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00 00 1 00 
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Wachstum 

4,2 

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1 

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Wachstum 

dasselbe 

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Wachstum 

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Wachstum 

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feststellbar 
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Wachstum 

£ 

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7,4 

PtCOCO 00 

CH iH cd cd 

©3 CO 

IH r-T 

1 

1 

Gewicht 
in mg 

13,4 

12,6 

10,9 

Gew. nicht 
feststellbar 
dasselbe 

CH 05 
cdiH 

o 

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3 

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CO 

co" 

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1 

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Gewicht 
in mg 

kein 

Wachstum 

dasselbe 

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ff 

ff 

ff 

Stamm 

©3 

coGO CO 

rH rH 

-H CH 
©3 ©3 







132 


O, V. Plotho : 


konnte. Nach Bergey ist dieses Verhalten bei Kultur auf Arabinose 
charakteristisch für die Mycobakterien, die zu seiner Untergruppe Ib 
gehören, in der iMcticola planum steht. Auch das Wachstum von 
Stamm 7 auf Rohrzucker spricht nach Gordon und Hagan für seine 
Zugehörigkeit zu dieser Untergruppe der amerikanischen Forscher. 
Kürzlich haben allerdings Rippel und Mitarbeiter darauf hingewiesen, 
daß die Verarbeitung von Zuckern, organischen Säuren und sonstigen 
C- Quelle so stark von der Konzentration der Stoffe und anderen 
Kulturbedingungen abhängt, daß eine systematische Verwertbarkeit 
äußerst problematisch erschiene. In diesem Falle dürfte das kulturelle 
Verhalten aber wohl herangezogen werden, da die daraus folgende 
systematische Stellung übereinstimmt mit derjenigen, die dem Stamm 7 
auf Grund seiner morphologischen Eigenschaften ohnehin zugewiesen 
werden müßte. 

In weiteren Versuchen wurden organische Säuren als Kohlenstoffqueile 
für die Mycobakterien geprüft. Ihre Wirkung wurde nach der älteren Ver- 
wendungsstoifwechselmethode festgestellt durch Beobachtung wachsender 
Bakterien in den Lösxmgen der betreffenden Säuren, ln neuerer Zeit ver- 
wendet die biochemische Forschung zum Säureabbau durch Mikroorganismen 
häufig die Methode der „ruhenden“ Bakterien (Braun und Vasarhelyi, 
Franke und Peria). Erst kürzlich wies aber Rippel darauf hin, daß für die 
rein biologische Betrachtung diese Methode primär weniger geeignet sei, 
da es sich für den Biologen in erster Linie darum handele, „die Wirkung 
des Zusammenspiels aller gegebenen Möglichkeiten im Lel)ensablauf zu er- 
fassen, worüber das Herausnehmen nur eines, sozusagen stationären Vor- 
ganges, noch keinen Aufschluß geben kann.“ Für andere Bakterien liegen 
nach der älteren Methode auf dem Gebiet der Verwendungsmöglichkeil 
organischer Säuren zahlreiche Untersuchungen vor. Für die saprophyti sehen 
M'jcohakterien finden sich in der Literatur jedoch keinerlei Angaben, daher 
dürften die nachfolgenden Darlegungen, zumal in ihrer quantitativen 
Durchführung, gerechtfertigt erscheinen. 

Die Nährlösungen der in der Tabelle XJJ zusammengestellten Kulturen 
sind die gleichen wie die in der Tabelle XI, nur ist jeweils 0,1% der zu 
prüfenden Säure als Kohlenstoffqueile an Stelle der Kohlenhydrate hinzu - 
gefügt und der pH-Wert auf 6,8 bis 7,0 gebracht. Höhe re Säurekonzentra- 
tionen erwiesen sich besonders bei der Milch- und Brenztraubensäure als 
scliädigend, vielleicht wegen der großen Menge Alkali, das zur Neutralisi- 
sierung dieser weitgehend dissoziierten Säuren in die Lösung hineingebracht 
werden mußte. 

Wie aus der Tabelle ersichtlich, ist von den beiden niederen ge- 
sättigten Monocarbonsäuren nur die Essigsäure zur Synthese neuer 
Zellsubstanz brauchbar. Die Ameisensäure wird zwar,, was aus der 
Änderung der pn-Werte hervorgeht, angegriffen, ihre Abbauprodukte 
können aber offenbar zum Aufbau der Leibessubstanz der Mycobakterien 
nicht verwertet werden, bei keinem Stamm war auch nur das geringste 
Wachstum eingetreten. Quastei berichtete bereits 1925 über die Un- 
brauchbarkeit dieser Säure für viele Bakterien und bestätigte seine 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


133 


Ergebnisse später mit Hilfe verhältnismäßig neuer Methoden, ins- 
besondere der 7^ättn66r^schen Methylenblautechnik. Die Mycobakterien 
verhalten sich also der Ameisensäure gegenüber nicht anders wie die 
meisten Mikroorganismen. Im Gegensatz zu ihr gehört die Essigsäure 
zu der Reihe zellvertrauter Substrate, die von fast allen Bakterien 
leicht angegriffen werden. Sie besitzt auch für die Mycobakterien eine 
recht gute Eignung als Zellbaustoff. Von den untersuchten Organismen 
war nur Stamm 16 so kümmerlich auf ihr gewachsen, daß das Gewicht 
der Bakterien nicht featgestellt werden konnte. Er scheint aber gegen- 
über der C- Quelle besonders anspruchsvoll zu sein, denn er erreichte 
in keiner Lösung der Tabelle XII eine befriedigende Entwicklung. 
Unter den gesättigten zweibasischen Fettsäuren zeichnen sich die 
Oxalsäure und die Weinsäure durch sehr geringe Verwertbarkeit aus. 
Die letztere wird nur von dem immer kräftig wachsenden Stamm 8 
ausgenutzt, aber auch bei ihm kommt es nur zu einer mäßigen Ent- 
faltung. Die Bemsteinsäure wird dagegen in erheblichem Umfang 
angegriffen und ihre Spaltprodukte werden als Aufbaumaterial offenbar 
leicht verwendet. Die Stämme 2, 3, 8 und 14 erreichten in ihr die 
höchsten Grewichtszahlen unter allen geprüften Säuren. Auch dieses 
Ergebnis weicht nicht ab von den Erfahrungen mit vielen anderen 
Bakterien in dem gleichen Substrat. Merkwürdig aber ist das Ergebnis 
aus der Lösung der Citronensäure. Sie wird in den Untersuchungen 
von Braun und Mitarbeitern sowie in neueren Literaturangaben (Sonder- 
hoff und Deffner) übereinstimmend als sehr gutes Baumaterial be- 
zeichnet. In den vorliegenden Versuchen zeigte sie sich aber durchaus 
nicht als solches. Die beiden Ixicticola-Stämme und der Eos-Sta>mm 
waren gar nicht, der Stamm 27 spärlich, auch die Stämme 8 und 14 nur 
sehr mäßig entwickelt. Nur der Vertreter der Proactinomyceten 
(Stamm 21) war gut gediehen. Ob hier ein für alle Mycobakterien 
spezifisches Verhalten v'^orliegt, müßten weitere Versuche klären . Milch- 
säure und Brenztraubensäure sind in vielen Stoffwechseluntersuchungen 


Tabelle XIII. 

7 ccm Nährlösung, Anfangs-pn 6,8. Alter der Kultur 18 Tage. Kultnr- 

temperatur 35® C. 


Stamm | 


stamm 

Citronensäure 

Gewicht in mg 


Oewicht in mg 

BSnd-pif 

1-G 1 

nicht gewachsen 


17 

5,2 

7.2 

7 

6,6 

7.2 

19 

6,4 

7,0 

10 

2,4 

7,0 

20 

4,0 

7,2 

11 

4,8 

7.4 

22 

3,6 

7,2 

12 

6,2 

7,1 

23 

3,2 

7.2 

13 

3,2 

7.0 

26 

12,6 

7.4 

16 

nicht gewachsen 

6,6 

26 

3,9 

7,4 




9 * 










Tabelle XIV. Alter der Kulturen 28 Tage. Anfangs-pa 7,0. Kulturtemperatur 36® C, 25 ccm Nährlösung. 


134 


O. V. Plotho : 


0,135 % Alanin 

Milchsäure 

als hervorragende Kohlenstoffquelle 
41 1 ; erkannt worden, sie erwiesen sich 

auch in den vorliegenden als solche. 

m 

•c 

e 

Im allgemeinen erschienen also 
S5SS222S5 <ii© gleichen Substrate, die generell 

in mehr oder weniirer großem Um- 

Gewicht 
in mg 

^ ^ fang von allen Bakterien ausgenutzt 

1 ^ werden können, auch für die Myco- 

bakterim als brauchbar. Um die Ver- 

1 0,1 % Asparagin 

i 

i 

wendbarkeit der Citronensäure für 
-i_ . - 1 . die übrigen untersuchten Stämme 

-Lj -U -Lj «J 4- ~ ® 

+ + festzustellen, wurden diese sämtlich 

in ihr kultiviert. Die Tabelle XIII 

£ 

i 

gibt die Zusammenfassung der Er- 

O O CO r#< 00 CO r- , . 

c^r^co coio u 3 locor^ gebnisse. 

Gewicht 
in mg 

Alle Stämme, mit Ausnahme 
«l ^ von Stamm 25, sind in der Citronen- 

CO>^fHaOCOG^CO'i1<O50 , . .11 

2 saure sehr mäßig entwickelt. Es ist 
£ vorderhand nicht möcrlioh für diese 

0,198% Leucin 

Milchsäure 

1 Erscheinung eine Ursache anzu- 

1 1 + p geben. 

2 

_ ’> An vftrglfti oben den TJntersiinhiin- 

£ 

i 

gen über die Verwendung der Amino- 
t säuren als Stickstoff quelle durch 
- Mycobakterien sind mir ebenfalls keine 

Gewicht 
in mg 

_ 1 den Mitteilungen von Jenaen (1934) 

O^CQI>CMCO 0t-*«0 , , „ 

005000? !ood 1 über da» Wachstum einiger Stämme 
O 5 coio-i^<i-t^ i- ^ synthetischem Nährboden mit 

- - ü Asparagin als N * Quelle liegen über die 

0,113 % Glykokoll | 

S 

a 

^ Brauchbarkeit dieser Säuren keine 
4 _ 4 _-j__|_ + _j__j_ 4 _+ | Beobachtungen vor. Die hier durch- 

+ -f- > geführten Versuche sind in der 

” Tabelle XIV zusammengefaßt. Die 

£ 

n 

0 

Lösungen enthalten jeweils die 0,1% 
e^c> CO u 3 »o CO 00 !>; g Asparagin äquivalente Menge an 
c-t- co^co-^co oco - 1 ? g Aminosäure, 1% Dextrose undMine- 
t ralsalze in der auch von Jenaen be- 

Gewicht 
in mg 

i nutzten Kombination (K^H P O 4 0, 1 % , 

i MgSO« 0,06%, NaCl 0,05%). 

CO ^ CO CO 1-H 05 0 |3^ 

1 Im allgemeinen wurden, wie 

Stamm 

" Tabelle XIV zeigt, alle Aminosäuren 

^ gut ausgenutzt, das Leucin stellt 
durchschnittlich wohl die beste N- 



Morphologie und Biologie der Mycobakterien. 


135 


Quelle dar. Die Stämme 14 und 27 entwickelten sich am schlechtesten, 
was auf die reichliche Bildung saurer Abbauprodukte zurückzuführen 
sein dürfte. 


Die Kultur der Mycobakterien in Milch. 

Milch ist für alle hier untersuchten Stämme kein guter Nährboden. 
Sämtliche Formen bilden in ihr eine schwache Oberflächenhaut und 
wenig Sediment von der Farbe, wie sie sich auch in Fleischextrakt - 
Pepton- Bouillon entwickelt. An den Formelementen sind häufig 
involutionsartige Veränderungen nachweisbar. Die Stämme 

bilden z. B. im Sediment sehr feine, dünne Fäden von ungleicher Länge, 
0,8 — 1,3 X 3 — 7 [j., die in sehr feine Kokkoide zerfallen (Stamm 6). 
Die Bildung säurefester Granula wurde bereits ausführlich besprochen. 
Sie fanden sich im Sediment häufig außer bei den Stämmen 

auch in den Stäbchen, sowie frei in der Milch bei Stamm 14. In lebenden 
Präparaten leuchten sie bei hoher Tubuseinstellung auf. Wird zum 
lebenden Sediment verdünnte Methylenblaulösung hinzugefügt, so 
nehmen die Granula den Farbstoff nicht auf. Nur nicht mehr voll 
lebensfähige Elemente lassen ihn eintreten und färben sich dunkelblau. 
Das verhältnismäßig häufige Vorkommen von Granula (vgl. oben, S. 1 15) 
kann, wie erwähnt, zurückgeführt werden auf das ungünstige Kultur- 
medium. Auch im Oberflächenhäutchen von Stamm 14 lassen sich 
viele, stark verlängerte, in der Mitte oder an den Polen aufgetriebene 
Stäbchen und sonstige Involutionsformen erkennen. Bei den Eos- 
Stämmen (Stämme 15 und 17) kommen in 4 Wochen alten Milchkulturen 
in Oberflächenhaut und Sediment bis zu 10 \l lange, verdickte Stäbchen 
vor, in denen sich nach Färbung mit Carboifuchsin und Behandlung 
mit 5%iger Schwefelsäure stark säurefeste Strukturen naehweisen 
lassen, die teilweise fast die ganze Länge der Stäbchen ausfüllen und in 
ihrem Verlauf regelmäßige Einschnürungen zeigen, teils als kugelige 
Körperchen in den Stäbchen liegen. Die PÄ/et- Stämme und Pro- 
actinomyceten zeigen ebenfalls zahlreiche Involutionsformen in Ober- 
flächenhaut und Sediment (Stämme 8, 22, 24). Im allgemeinen ist die 
Säurefestigkeit in alten Milchkulturen größer als in gleichaltrigen 
Kulturen von Nährbouillon mit Dextrosezusatz (Stamm 17), die Er- 
höhung ist jedoch bei vielen Stämmen nicht beträchtlich. 

Die Milch wird von allen Stämmen nicht koaguliert und nicht 
peptonisiert, keiner der hier untersuchten Stämme kann also Milch 
verdauen. In alten Kulturen findet als charakteristische Veränderung 
eine langsame Aufhellung der Milch statt, die aber keine Koagulation 
ist. Die Milch wird halb transparent, opalisierend und zäh; nach Jensen 
(1934) soll sie in 3 Monate alten Kulturen sogar ganz gelatinös sein. 

1 / 



136 


O. V. Plotho : 


Jenaen hält den Vorgang für irgendeinen physikalischen Effekt auf 
das Casein. 

Die Reaktion der Milch wird nach wenig Kulturtagen alkalischer 
und die Konzentration der H-Ionen sinkt bei längerer Kulturdauer 
weiter ab, wie die Tabelle XIV zeigt. 


Tabelle XV. 


Staium 

H-Ionen - Konzentration 
nach Tagen 

Beschaffenheit der Milch 
nach Tagen 


9 

42 

0 

42 

3 

6.4 

7.8 

unverändert 

halb transparent 

4 

6.7 

7.4 


aufgehellt 

8 

7.1 

7.2 

♦» 

„ 

14 

6,6 

6,9 

>> 

halb transparent 

16 

6,2 

6.4 


unverändert 

21 

7.2 

7.6 

*» 

opalisierend, zäh 

27 

7.0 

7.6 

»> 

»» ♦> 

Die Kulturen wuchsen in Reagensgläsem mit 

7 ccm Inhalt, das 


Ausgangs-pH betrug 6,2, die Kulturtemperatur 35® C. 

Die aus der Tabelle XV ersichtliche alkalische Reaktion der 
Kulturen kann wenigstens anfänglich nicht auf die Bildung von Am- 
moniak aus Eiweißzersetzung zurückgeführt werden, wie das bei vielen 
Bakterien der Pall ist, denn auch nach 3 Wochen Kulturdauer konnte 
kein Ammoniak nachgewiesen werden. Die Milch bleibt vielmehr 
während der ersten 2 bis 3 Wochen der Kultur ganz unverändert und 
beginnt erst dann die besprochenen Veränderungen zu zeigen. Die 
alkalische Reaktion dürfte höchstwahrscheinlich hervorgerufen werden 
auf Grund der Bildung von Carbonaten bzw. Bicarbonaten aus den 
Salzen von in der Milch vorhandenen organischen Säuren durch Oxyda- 
tion. Hier kommt vermutlich in erster Linie die Citronensäure in 
Betracht und auf diese Weise erklärt sich auch das schlechte Wachstum 
aller Stämme in Milch. In der Tabelle XV ist der Stand der H-Ionen- 
konzentration nach 9 Tagen angegeben, die Alkalisierung macht sieb 
bei den schnell wachsenden Stämmen (8, 21) aber schon früher geltend, 
die langsam wachsenden (Stamm 15) zeigen sie erst nach längerer Zeit, 
auch erreichen nicht alle den gleichen Grad der Alkalität. Ebenso setzt 
die Veränderung der Milch nicht überall nach der gleichen Kulturzeit ein. 

Zusammenfassung. 

Es wurden 27 Stämme von Mycobahterien und Proactinomyceien 
untersucht und ihre Zugehörigkeit zu den verschiedenen Arten und 
Modifikationen festgestellt. 

Die meisten Organismen sind streng aerob, drei Stämme zeigten 
auch unter anaeroben Bedingungen ein sehr schwaches Wachstum, doch 
war die Farbstoff bildung vollständig unterdrückt. 








Morphologie imd Biologie der Mycobakterien. 


137 


Die Pigmentbildung trat in belichteten und unbelichteten Kulturen 
auf, ihre Intensität war in Tageslichtkulturen aber größer. In einigen 
Stämmen wurde Carotin nachgewiesen. 

Die Untersuchungen zur Morphologie fanden ausschließlich an 
Einzellkulturen statt. Die Stämme 1 bis 7 (Myc, iMcticola) zeigen in 
jungen Kulturen nie Verzweigungen, bei einigen von ihnen wurde sie 
in alten beobachtet. Das gleiche gilt für Stamm 14 (Myc. luteum). Die 
Stämme 15 bis 20 (Myc. eos) waren nie verzweigt, im Alter sind sie 
kokkoid. Die Stämme 8 bis 13 (Myc. phlei) bilden in sehr jungen 
Kulturen Verzweigungen, die am dritten Kulturtag verschwunden 
sind, alte Kulturen enthalten nur kokkoide Formen. Die Proactino- 
myceten bilden in der Jugend ein kleines verzweigtes Mycel, das am 
sechsten bis siebenten Kulturtag in Stäbchen und später in Kokken 
zerfällt. 

Luftsporen wurden nie gebildet. Bei einem Stamm fanden sich 
Dauerformen anderer Art, deren Auskeimung beobachtet wurde. 

Die Säurefestigkeit ist abhängig von verschiedenen äußeren Be- 
dingungen, für ihren Grad ist nur die H-Ionenkonzentration der Säure 
nicht ihre Art verantwortlich. Die durch festgebundene Lipoidsubstanzen 
beeinflußte Struktur des Plasmas wurde als Ursache der Säureresistenz 
wahrscheinlich gemacht. 

Der Anteil der Lipoidsubstanzen in % des Trockengewichts der 
Bakterien und der Prozentsatz des Unvcrseifbaren wurde für einige 
Stämme bestimmt. 

In ultraviolettem Licht zeigten alle Organismen mehr oder weniger 
starke Fluoreszenz. 

Die spezifische Wirkung des Glycerins im Nährboden wurde auch 
für die Stämme nachgewiesen, die dabei gebildete Säure 

wurde als Milchsäure identifiziert. 

In synthetischen Nährlösungen tat (NH 4 ) 2 HP 04 als Stickstoff- 
quelle die besten Dienste. 

Unter den Kohlenhydraten wurde Raffinose nur von wenigen. 
Stärke von keinem Stamm ausgenutzt. Von organischen Säuren erwies 
sich die Citronensäure als schlechte C- Quelle, die Aminosäuren wurden 
allgemein gut verwertet, 

Milch ist für die Mycobakterien ein schlechter Nährboden, sie wird 
nicht koaguliert und nicht peptonisiert . 

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(Aus dem Institut für Biochemie und Nahningsmittelchemie der Deutschen 
Technischen Hochschule in Prag» Mikrobiologische Abteilung.) 


Ernährungsphysiologische Untersuchungen 
an Fusarien, unter Hervorhebung der Ölspeicherung. 

Von 

A. Niethammer. 

Mit 1 Textabbildung. 

(Eingegangen am 22. August 1942.) 

Aus verschiedenen Erdproben sowie von cellulosehaltigem Materia 
isolierten wir mannigfache Arten. Einzelne derselben dienten 

zu ernährungsphysiologischen Untersuchungen. Den ersten Anlaß zu 
den Untersuchungen bildeten Beobachtungen über das ganz unter- 
schiedliche Wachstumsbild auf verschiedenen Nährböden. Die Konidien- 
bildung, welche für die Artbestimmung unerläßlich ist, hängt sehr stark 
von der Wahl des Nährmediums ab. Auf vielen Substraten gelingt sie 
trotz langer Kulturdauer überhaupt nicht. Unsere Untersuchungen 
sollen darüber Auskunft geben, welche Nährböden beste Entwicklung 
bei deutlicher Konidienbildung gewähren und somit auch die günstige 
Möglichkeit für die Bestimmung, Besonderes Augenmerk wurde auf 
verschiedene cellulosehaltige Abfallstoffe als Nährsubstrat gerichtet, da 
solchen Untersuchungen auch in Hinblick auf die Erzeugung fett- und 
eiweißhaltiger Futtermittel Bedeutung zukommen kann. Die oft sehr 
starke Speicherung von öitropfen in Hyphen, Konidien sowie Chlamydo- 
sporen fiel dabei auf, sie wurde genauer verfolgt und den ihr zugrunde 
liegenden Ursachen nachgegangen. Auf die Erfahrungen von Haeseler, 
Fink^ Heide, Raaf, Blinc-Bojic ist hinzuweisen. 

Bei der Bestimmung der Arten bin ich der Hilfe von Oberregierungsrat 
Wollenweber y Berlin, teilhaftig, gewesen. 

Folgende Nährsubstrate, die mit Nummern bezeichnet sind, dienten 
zu den Untersuchungen: 1. Kartoffelstücke, sauber gereinigt. 2. Kartoffel- 
saftagar nach WoUenweher. 1000 ccm Flüssigkeit, bestehend aus 600 ccm 
Wasser und 400 ccm BLartoffelsaft (aus rohen Kartoffeln). 15 Minuten bei 
1 Atm. Überdruck im Autoklaven sterilisieren. 20 g Agar-Agar, 10 g 
Traubenzucker dazu, pn = 4,8 bis 5, das Ansäuern erfolgt mit Milchsäure. 
3. Bierwürze-Agar. Ungehopfte Bierwürze von 4® Ball, mit 1,6% Agar-Agar 
versehen. 4. Maisxnehlagar. 1000 ccm Wasser, 30 g Maismehl (vorher mit 
wenig Wasser anrühren), 20 g Agar-Agar, 6 ccm Glycerin. Ncush dem 
Auflösen 0,5 ccm Milchsäure zusetzen. 5. Chinasäureagar. 2 g Chinasäure, 
0,1 ccm 20%iger NHj-Lösu^, 0,03g KH2PO4, 0,16 g MgSOt, 0,003 g, 
FeCls. Mit NajCOj neutralisieren. 2% Agar-Agar dazu. 6. Streifen von 
Sulfitcellulose mit folgender mineralischen Nährlösung angefeuchtet : 



Ernährungsphysiologische Untersuchungen an Fusarien. 141 

0 , 6 % (NH 4 ),S 04 , 0 , 1 % KH,P 04 , 0 , 1 % MgS 04 PH == 6,5 mit HjS 04 
eingestellt. 7. Ausgelaugte Rübenschnitzel mit Leitungswasser angefeuchtet. 
8 . Abfallstoffe, wie Haferspelzen, Bohnen-, Pferdebohnen- und Erbsenstroh, 
Kartoffelkraut. 9. Zuckerlösungen zur Verfolgung der Bildung von öl- 
tropfen in den H 5 ^hen. Ihre Zusammensetzung erfolgt nach den Er- 
fahrungen von Heide. 7,5% Saccharose, 0,5% KH 2 PO 4 , 0,25% MgS 04 , 
1% Asparagin. Die Asparaginmenge wird in den Versuchen variiert, und 
zwar vermindert. Eine parallele Serie wird mit (NH 4 ) 2 S 04 als N- Quelle 
angesetzt. 10. Das Gärvermögen gegenüber 5%igen Lösungen von Maltose 
Saccharose, Lävulose und Lactose wird studiert. Ein Zusatz von 0,05% 
Pepton, je 0 , 01 % KH 2 PO 4 und MgS 04 wird gereicht. 

Es folgen die Beobachtungen an den einzelnen Fusarien. Die Versuche 
wurden bei 23 bis 26® im Dunkeln ausgeführt 

F. sambueinum Fuek. 

Herkunft: Erdreich unter einem Roggenfeld, Haid im Sudetenland. 

Diese Form wurde auch von Hochapfel untersucht. Temperaturoptimum 
20 bis 23®. Die meisten Zuckerarten können verwertet werden. Bei älteren 
Kulturen wird auf das Stadium einer fettigen Degeneration hingewiesen. 

Bericht über die einzelnen Nährmedien. 

1. Sehr dichte Mycelentwicklung, weiß ; himbeerfarbene sowie gelbe 
Farbentöne treten erst nach etwa 10 Tagen auf. Konidien bildung 
unterbleibt, ebenso die von Chlamydosporen. In den Hyphen nach 
10 bis 12 Tagen deutliche Ablagerung von hellen öltropfen. Mit Sudan III 
tritt hier, wie in den später angeführten Fällen, rasch Rotfärbung ein. 
Osmiurasäure bedingt Schwärzung. 

2. Dichtes weißes Mycel, himbeerfarbene und gelbe Einlagerungen 
erscheinen nach 8 bis 10 Tagen, Diese Verfärbungen treten verschieden 
ein, einmal herrschen die roten, das andere Mal die braunen Töne vor. 
Konidienbildung fehlt. Ablagerung von öltropfen wie bei 1. 

,3. Entspricht 2. 

4. Die roten bzw. braunen Farbentöne sind hier besonders deutlich. 
Konidienbildung im Substrat mycel. Die Ablagerung von öltropfen in 
den Hyphen ist schwach. 

5. Weißes, einsinkendes Mycel; das Substrat erleidet eine braune 
Verfärbung. In dem eingesenkten Mycel typische Konidienbildung. 
Chlamydosporenbildung in Paketen. In Hyphen, Konidien sowie 
Chlamydosporen deutliche Ablagerung von öltropfen. 

6. Deutliche bis schwache Mycellager; typisch eingesenkt in das 
Substrat. Konidienbildung; große, gelbliche Chlamydosporen. Inner- 
halb von 14 Tagen deutliche Ablagerung von öl tropfen in den Hyphen. 

^ In Einteilung und Wahl der Ausdrücke beziehe ich mich auf Wollen- 
weher- Reinking. 

Archiv für Mikroblolofirie. Bd. 13. ]0 4 / 



142 


A. Niethammer : 


7. Dichtes weißes Mycel mit rotgelben Einlagerungen; starke Ab- 
sonderung von öltropfen in den Hyphen. Die Konidienbildung ist 
sehr schwach. 

8. Haferspelzen weisen nach wenigen Tagen dichte weiße bis rosa 
Lager auf. Konidienbildung sowie Absonderung von Chlamydosporen 
reichlich. In allen Teilen sind reichlich öltropfen zu erkennen. Die 
gleichen Befunde sind an Bohnen-, Pferdebohnen- und Erbsenstroh 
sowie Kartoffelkraut ermittelt. 

9. 0,25% Asparaginzusatz genügt zur Entwicklung einer Mycel- 
decke und starkem submersem Mycel mit sehr häutiger Ablagerung von 
öltropfen, vor allem in den submersen Teilen. (NH 4 ) 2 S 04 wirkt kaum 
schlechter. 

10. Wachstum auf allen vier Zuckerarten; deutlich vergoren 
wurden nur Maltose und Saccharose (vgl. Nord). Hier wurde zusätzlich 
das Wachstum auf verdünnter Sulfitablauge (Fichtenzellstoff) verfolgt. 
Es erfolgt submers in großen Ballen, in den Hyphen Ablagerung großer 
öltropfen. Die Sulfitablauge mit etwa 2 % Fehling reduzierenden 
Stoffen wurde auf 5 Teile mit 95 Teilen Wasser verdünnt. 

F« bulbigenum Cke-Mass. 

Herkunft: Erdreich unter Johanni sbeersträuchein bei Prag. 

Bericht über die einzelnen Nährböden, 

1. Mittelmäßige, weiße Mycelentwicklung. In den Hyphen ist 
nach wenigen Tagen starke Absonderung von öltropfen zu verzeichnen . 
Nur Mikrokonidien. 

2. Entspricht 1. 

3. Weiß wollige Lager; nach 2 bis 3 Wochen langer Kulturdauer 
Einmengung von lila Farbentönen. Keine Konidien. In den Hyphen 
dichte Ablagerung von öltropfen. 

4. Entwicklung schwach. Keine Konidienbildung. Die Ablagerung 
von öltropfen in den Hyphen ist spärlich. 

5. Dunkle, eingesenkte Lager, Substrat schwarz, kein Luftmycel. 
In diesem eingesenkten Mycel Absonderung von derben Makrokonidien 
und von großen öltropfen in den Hyphen. 

6. Entwicklung oberflächlich kaum sichtbar; Hyphen in das 
Substrat eingesenkt.* Die Ablagerung von öltropfen in den Hyphen 
ist außerordentlich stark (Abb. 1). Bildung von großen, derben Konidien 
im Substrat. 

7. Starke, dichte Mycelentwicklung; zunächst weißwollig, später 
deutlich eingestreute lila Farbentöne. Nur Mikrokonidienbildung. Im 



Ernährungsphysiologische Untersuchungen an Fusarien. 


143 


Luftmycel weniger, vorwiegend im Stroma in den recht breiten Hyphen 
Ablagerung von zahlreichen öltropfen. 

8. Haferspelzen lassen keine sehr starke Entwicklung zu. Die 
Konidienbildung ist gut^ In den stark verbreiterten Hyphen ist eine 
sehr reichliche Ablagerung von öl- 
tropfen. Die Tropfen sind hier be- 
sonders groß. Auf Bohnen-, Pferde- 
bohnen- und Erbsenstroh sowie 
Kai1}offelkraut ist das Wachstums- 
bild ähnlich. 

9. Bei einer Asparaginmenge 
von 0,25% ist Wachstum sowie 
Ablagerung von öltropfen in den 
Hyphen sehr gut. (NH 4 ) 2 S 04 er- 
weist sich hier als beinahe ebenso 
gut. 

10. Die vier Zuckerarten er- 
möglichen Wachstum, deutlich ver- 
goren werden Saccharose und 
Maltose. 

F. oxyspomm Schlecbtendahl. 

Herkunft ; Erbsenfeld, Erdreich, unweit Prags. 

Bericht über die einzelnen Nährböden. 

1. Weiß wolliges Luftmycel, Substrat braun verfärbt. Makro- 
konidien mit großen Fetteinschlüssen. In den Hyphen erscheinen nach 
4 Tagen große öltropfen. 

2. Entspricht 1. 

3. Langfaseriges Luftmycel, weiß bis rosa. Stroma braun, nach 
2 bis 3 Wochen langer Kulturdauer sind lila Verfärbungen zu ver- 
zeichnen. Keine Konidien. In den Hyphen viel öltropfen. 

4. Entspricht 3. 

5. Luftmycel, dünn, weiß. Stroma leicht braun. Substrat blaulila 
verfärbt. Keine Konidienbildung. Sehr große öltropfen in den Hyphen. 

6. Oberflächliches, weißes Mycel; bald treten im Substrat lila 
Verfärbungen auf. Im Myeel zunächst terminale und intercalare Chla- 
mydosix)ren. Nach etwa 3 Wochen erscheinen auf dem Substrat gelbrote 
Sklerotien, welche zahlreiche t 3 ^ische Makiokonidien enthalten. In 
den Hjrphen starke Ablagerung von öltropfen. 




144 


A. Niethammer : 


7. Sehr mächtige Mycelentwickiung, weiße Farbentöne. Makro- 
konidien von Fett erfüllt. In den Hyphen sehr reichliche Ablagerung 
von öltropfen. 

8. Auf Haferspelzen weißliche Decken. Makro -Mikrokonidien 
sowie Chlamydosx)oren. In den Hyphen sehr viele öltropfen. Bohnen-, 
Erbsen- Pferdebohnenstroh sowie Kartoffelkraut zeigen dasselbe 
Ergebnis. 

9. Vorwiegend submerses Wachstum, nur geringe Deckenbildung. 
0,25 %iger Zusatz von Asparagin bedingt die stärkste Absonderung von 
öltropfen bei gutem Wachstum. 

10. Die vier Zuckerarten ermöglichen Wachstum. Saccharose und 
Maltose werden vergoren. 

Ein Stamm aus dem Moor Soos bei Franzensbad sowie zwei Stämme 
aus dem Erdreich unter einem Flachsfeld bzw. Roggenfeld bei Haid (Sudeten - 
land) zeigen das gleiche Ergebnis. 

F. oxysporum Schl. var. aurantiaeum (Lke. ut sp.) Wr. 

Herkunft: Kohlfeld bei Moderschan-Prag. 

Bericht über die einzelnen Nährböden. 

1. Weißes Luftmycel, Stroma braun. Makro- und Mikrokonidien. 
Nach wenigen Tagen starke Absonderung von öltropfen in den H 3 ^hen 
und Konidien. 

2. Ähnliche Ausbildung. 

3. Zunächst weiße, dann rosarote Mycellager. Stroma rosa. Keine 
Konidien. Starke Ablagerung von Öltropfen in den Hyphen. 

4. Weißes bis rosa Luftmycel. Stroma braun. Reichliche Bildung 
von Makrokonidien, die viel Fett speichern. In den Hyphen ebenfalls 
reiche Ablagerung von öltropfen. 

5. Luftmycel weiß; eingesenktes braunes bis schwarzes Stroma, 
hier in den H 3 ^hen sehr mächtige Ablagerung von öltropfen. Reichlich 
Absonderung von Konidien mit Ölei risch lüssen. Bildung von Chlamydo- 
sporen mit gezacktem Rande und einem großen öltropfen. 

6. Weißwollige Lager, welche leicht einsinken und das Substrat 
allmählich viskos machen. Konidienbildung sehr reichlich. Nach 
3 Wochen entstehen auf dem Substrat gelbrote, Stecknadel köpf große 
Sklerotien, weiche sehr reichlich Konidien enthalten. Nach 6 Wochen 
sind die Streifen rosa verfärbt und deutlich erweicht, öltropfen in 
den Hyphen. 

7. Sehr dichte weiße Lager. Bildung von Mikrokonidien. Starke 
Absonderung von großen, hellen öltropfen in den H 3 ^hen. 



Ernährungsphysiologische Untersuchungen an Fusarien. 145 

8. Auf Haferspelzen Deckenbildung; viel Makrokonidien. In den 
Hyphen große, helle öltropfen. Erbsen-, Bohnen>, Pferdebohnenstroh 
sowie Kartoffelkraut zeigen ebenfalls dichte Mycellager mit kräftigen 
Öleinschlüssen in den Hyphen. Bei Kartoffelkraut ist die Entwicklung 
ganz besonders stairk und die Ölablagerung sehr beträchtlich. 

9. Ein Zusatz von 0,125% Asparagin bewährt sich für Wachstum 
und Ablagerung von öltiropfen ganz besonders. Die Mycelbildung hier 
ist schwammig bis submers. Höhere Gaben von Asparagin sind nicht 
besser. Eine gleich starke Gabe von {NH 4 ) 2 S 04 wirkt ähnlich. 

10. Wachstum ist auf allen Zuckerarten möglich, Sacchai^jse wird 
stark, Maltose und Lävulose deutlich vergoren. 

F. bnlbigenum Cke et Mass. var. blasticola (Rostr. ut sp.). 

Herkunft: Waideide im oberen Egertal. Sudeten. 

Bericht über die einzelnen Nährböden. 

1. Dichte weiße Lager; Stroma ^bräunlich. Nur Mikrokonidien 
In den Hyphen deutliche Ablagerung von öltropfen. 

2. Wie 1 ; aber Bildung typischer Makrokonidien, ebenso Chlamydo- 
sporen, daneben auch Mikrokonidien. In allen Teilen starke Ablagerung 
heller Öltröpfchen. 

3. Weißes, wolliges Luftmycel mit roten und lila fädigen Ein- 
lagerungen. Stroma rot bis blau verfärbt. Reichliche Bi f düng von 
Makrokonidien, daneben Mikrokonidien. Die Fettspeicherung ist vor 
allem in den Hyphen des Stromas sehr kräftig. 

4. Farbentöne und Mycel wie bei 3, aber etwas schwächer. Konidien- 
bildung fehlt. 

5. Eingesenktes Mycel, kein Luftmycel; deutliche Bildung beider 
Arten von Konidien. Li den Hyphen sind reichlich öltropfen ab- 
gelagert. 

6. Die Entwicklung auf Cellulose ist auffallend gering. Keine 
Konidienbildung. Die eingesenkten Hyphen sind auf getrieben und 
führen sehr große, oft gelb verfärbte öltropfen. 

7. Die Entwicklung ist sehr gut; weiß wollig, untermischt mit lila 
Tönungen. Konidienbildung unterbleibt. Die Ablagerung von öl- 
tropfen in den Hyphen ist sehr beträchtlich. 

8. Das Wachstum auf Haferspelzen ist gering; die Ablagerung von 
öltropfen in den Hyphen ist ungewöhnlich kräftig. Konidienbildung 
unterbleibt. Die gleichen Befunde gelten für Erbsen-, Bohnen-, Pferde- 
bohnenstroh und Kartoffelkraut. 



146 


A. Niethammer ; 


9. 0,25 % Asparagin ist für Mycelbildung und Absonderung reich- 
licher Oltropfen in den Hyphen gut ; Ammonsulfat bewährt sich in der 
gleichen Konzentration ebenfalls. 

10. Alle vier Zuckerarten lassen Wachstum zu; vergoren werden 
nur Maltose und Saccharose. 

P. bulbigenum Cke et Mass. var. traeheiphylum (E. F. Sm.) Wr. 

Herkunft: Ackerfeld Haid im Sudetenland. 

Bericht über die einzelnen Nährböden. 

1. Weiß wollige Lager, Stroma braun. Makro- und Mikrokouidien 
führen bei ihrer Loslösung von den H 3 ^hen starke Mengen von öl- 
tropfen. Die Septen sind durch dieselben verdeckt. In den H 3 rphen 
ebenfalls starke Ablagerung von Fetttropfen. 

2. Wie 1, nur ist auf die kräftige Ausbildung von Chlamydosporen 
mit einem großen öltropfen hinzuweisen. 

3. Weißwollige Lager leicht rosa Verfärbung von Luftmycel und 
Stroma. Keine Konidien. Fetttropfen in den Hyphen . 

4. WeißwoJlige bis rosa Lager; blaurotes Stroma. Starke Bildung 
von Konidienköpfchen. Konidien und Hyphen sehr reich an abge- 
lagerten öltropfen, 

5. Eingesenktes, braunes Lager, kein Luftmycel. Substrat schwarz. 
Konidienbildung. In allen Teilen starke Ablagerung von öltropfen. 

6. Gute Mycelent Wicklung mit starker Absonderung von Konidien 
und Chlamydosporen. In allen Teilen viel öltropfen abgelagert. 

7. Dichte, weiße Lager mit Mikrokonidien und endständigen 
Chlamydosporen. Die Absonderung von öl tropfen ist sehr beträchtlich. 

8. Haferspelzen werden von einem dicken Mycel bewachsen, das 
reichlich Konidien absondert. Die Ablagerung von Fetttropfen ist hier 
sehr kräftig. Kartoffelkraut ist hier desgleichen ein glänzendes Nähr- 
medium, auf dem eine bedeutende Ablagerung von öltropfen in den 
H 3 ^hen erfolgt. Bohnen-, Erbsen- und Pferdebohnenstroh ist etwas 
schwächer. Auf allen diesen Substraten ist kräftige Konidienbildung. 

9. Auf der Zuckerlösung ist die Entwicklung hier besonders gut; 
0,125% Asparaginzusatz bedingt eine ganz mächtige Ablagerung von 
öltropfen. Das Wachstum erfolgt submers. Ammonsulfat 0,25% ist 
ebenfalls eine gute' Stickstoff quelle 

10. Wachstum tritt an allen Zuckerlösungen ein; auf Saccharose 
und Lactose ist dieses am besten. Vergoren werden nur Saccharose 
kräftig, Lävulose schwach und die anderen gar nicht. 



Brn&hrungsphysiologisohe Untersuchungen an Fusarien. 


147 


F. solaai (Mut.) App. et Wr. 

Herkunft: Haferfeld bei Prag. 

Bericht über die einzelnen Nährböden. 

1. Dichte, weiße Lager, Stroma braun. Keine Konidienbildung. 
In den Hyphen starke Ablagerung von öltropfen. 

2. Entspricht 1. 

3. Weißes Mycel mit rötlichen Einlagerungen. Stroma braun. 
Keine Konidienbildung. Geringe Absonderung von öltropfen. 

4. Mycel eingesenkt, weiß, rosa Verfärbungen. Chlamydosporen. 
Große öltropfen in den Hyphen. 

ö. Eingesenkt, Mycel gelblich, kein Luftmycel. Substrat schwarz. 
Keine Konidienbildung. Starke Ablagerung von öltropfen in den 
Hyphen. 

6. Weißwollige Decke. Substrat wird erweicht, rosa verfärbt. In 
diesem Schleim werden reichlich Makro- und Mikrokonidien abgelagert. 
In den Hjrphen reichlich öltropfen. 

7. Üppige, helle Mycelentwicklung ; im Laufe von einigen Wochen 
tritt lila Verfärbung ein. Nur Mikrokonidien. In den Hyphen große 
und zahlreiche Fetttropfen. 

8. Haferspelzen weiße Decke, Konidienbildung. Reichliche Ab- 
lagerung von öltropfen in den Hyphen. Ähnliche Ergebnisse liegen für 
Bohnen-, Erbsenstroh sowie Kartoffelkraut vor. 

9. In der Zuckerlösung submerses Wachstum und sehr starke 
Ablagerung von öltropfen. 0,25 % Asparagin ist die beste Konzentra- 
tion. Ammonsulfat ist hier etwas ungünstiger. 

10. Wachstum auf allen Zuckerlösungen; vergoren werden Saccha- 
rose und Maltose. 

F. solani (Mart.) var. Martii (App. et Wr. sub. speeie) Wr. 

Herkunft: Erdreich unter Johannisbeersträuchern bei Prag. 
Bericht über die einzelnen Nährböden. 

1. Weiße Decken, Stroma grünlich verfärbt. Derbe Konidien, 
dicht von öltropfen erfüllt, keine Septen sichtbar. In den H3^hen 
Ablagerung von öltropfen. 

2. Entspricht 1. 

3. Luftmycel schwach entwickelt, weiß, einsinkend; Stroma grün 
verfärbt. Die Ablagerung von öltropfen in den Hyphen ist gering. 
Keine Konidienbildung. 

4. Ähnlich wie 3. 



148 


A. Niethammer: 


5. Dunkle, eingesenkte Lager, Substrat schwarz verfärbt. Hier in 
den Hyphen deutliche Ablagerung von öltropfen. Keine Konidien- 
bildung. 

6. Schwache Mycelausbildung, in das Substrat eindringend, dieses 
erweichend. Keine Verfärbungen. Makrokonidienbildung. In den 
Hyphen große öltropfen. 

7. Sehr üppige Entwicklung, keine Verfärbung. Die Hyphen sind 
teils verbreitert und lassen große öltropfen erkennen. Bildung sehr 
derber Konidien mit kräftigen Petteinschlüssen. Die Septen sind nicht 
sichtbar. 

8. Haferspelzen gestatten nur geringe Entwicklung. Die Pett- 
speicherung in den Hyphen ist deutlich. Zunächst keine Konidien- 
bildung ; nach einigen Tagen entstehen Sklerotien mit dichten Konidien- 
einschlüssen. Die Septen sind deutlich sichtbar, keine Petteinschlüsse. 
Auf Bohnen- und Erbsenstroh, ferner Kartoffelkraut ist die Entwicklung 
ähnlich wie bei Haferspelzeii. 

9. Die Zuckerlösung bedingt submerses Wachstum ; hier ist in den 
Hyphen sehr viel öl abgelagert. 0,25 % Asparagin ist die beste Kon- 
zentrationsstufe. Ammonsulfat bewährt sich schlechter. 

10. Wachstum auf alten Zucker lösungen ist möglich. Vergoren 
werden Maltose und Saccharose. 

Unsere Versuche auf zahlreichen Nährböden zeigen, daß Wachstums- 
bild und Wachstumsart je nach denselben sehr verschieden sind. Gutes 
Wachstum und deutliche Konidienbildung zeigen sich vorwiegend auf 
natürlichen Substraten. A. B. Werner gibt bei Untersuchungen an 
russischen Böden an, daß sich im Boden selbst diese Mikroorganismen 
schlecht halten, sie werden meist ein Raub der Bakterien und Protozoen. 
Anders liegt nach diesem Forscher die Sache, wo im Boden viele organi- 
sche Reste oder Pflanzenbestandteile sind; hier ist üppige Entwicklung 
der Fusarien. 

Alle von uns geprüften Fusarien können auf den mannigfachen 
Nährsubstraten in ihren Hyphen öltropfen abscheiden. Im submersen 
Mycel oder Stroma ist diese Absonderung besonders stark. Die ver- 
schiedenen Abfallstoffe sind sehr geeignet für die Abscheidung von öl 
in den Hyphen dieser Pilzgattung Am stärksten ist die Speicherung 
von öl in den flüssigen Medien; hier erfolgt allerdings ein geringeres 
Wachstum als auf den festen Substraten. Besonders stark ist hier die 
Ölbildung in den submers gedeihenden Mycelpaketen. Vielfach ist 
überhaupt dort, wo das Wachstum irgendwie gehemmt erscheint, die 
Ölabsonderung besonders intensiv. 

Blinc-Bojic machen auf die Ölabsonderung bei Mvoor mucedo 
aufmerksam. Nach unseren Erfahrungen sondern auch andere Mucor- 



Ernährungsphysiologische Untersuchungen an Fusarien. 


149 


Arten, so beispielsweise M. silmticua, viel Fett ab. Am kräftigsten 
erfolgt die Fettabscheidung im gemeinsamen Wachstum mit einem der 
von uns isolierten Fusarium-Arten, die auch im Erdreich gemeinsam 
beheimatet sind. 

Bei der Aufzählung von sogenannten Fettpilzen (vgl. Htteseler- 
Fink) sind künftig auch die FvMrium-Arten zu nennen. 

Zasammenfassniig. 

Verschiedene Nährsubstrate werden bezüglich ihrer Eignung für 
Wachstum und Konidienbildung bei Fusarium-ATten geprüft. Natür- 
liche, cellulosehaJtige Abfallstoffe sind sehr geeignet. Auf allen geprüften 
Nährmedien ist auf eine starke Öltropfenablagerung in den Hyphen, 
vielfach auch Konidien und Chlamydosporen, hinzu weisen. 

Ausgeführt mit Unterstützung des Forschungsdienstes. 

Literatur. 

Blinc, M., u. M. Bojic, diese Zeitschr. 12, 41, 1941. -- Haeseler-Fink, F., 
Zeitschr. f. Spiritusind. 08, 194, 1940. Heide, S., diese Zeitschr. 10, 171, 
1939. — Hochapfel, F,, Centralbl. f. Bakt. II, 64, 174, 1926. — Nord,F,, 
Ergebn. d. Enzymforsch. 8, 149, 1939. — Raaf, H., diese Zeitschr. 12, 136, 
1941. - Werner, A. R., C. r. de l’Ac. d. Sc. de l’URSS. 4, Nr. 1/2, 70/71, 1936. 



(Aus dem BoiaDiscben Institut der Technischen Hochschule Dresden.) 


Die Entwicklnng und Wandlung 
des Zusammenlebens von Pilzen nnd Algen. 

Von 

Fri^dfidi Tobler. 

Mit 10 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 25. August 1942.) 

Die Schtoendener^ahe Auffassung über die Natur der Flechten habe 
ich (1921) im Zusammenhang mit den heutigen Auffassungen dargestellt. 
Es sind dabei drei Grundtatsachen zu unterscheiden : 

1. die Ähnlichkeit bzw. Übereinstimmung der Gonidien mit den Algen- 
typen (1860), 

2. der Befund, daß kein genetischer Zusammenhang zwischen Pilzen 
und Gonidien besteht (1868), 

3. daß die Flechte, oder besser gesagt der Flechtenpilz, als Schmarotzer 
auf der Alge aufzufassen ist (1869). 

Es sind zu Schiuendeners Zeiten eine ganze Reihe von Ein wänden 
seitens der Lichenologen erfolgt. Kremplhuher wies auf die verschieden* 
artige Physiologie von Pilz und Alge hin, Kör her betonte, daß bisweilen 
mehrere Algentypen in einer Flechte verkämen und Nylander bemerkte, 
daß Flechten häufig dort gedeihen, wo Algen fehlen können. Diese 
drei Gruppen von Einwänden sind seinerzeit wenig beachtet worden, 
verdienen aber eigentlich durchaus nähere Beleuchtung und sind letzten 
Endes Fingerzeige für eine mehr physiologische Auffassung der ganzen 
Frage. Als die Einwände erhoben wurden, ging freilich niemand näher 
darauf ein, und die nachfolgende weitere Arbeit bezog sich teils auf die 
getrennte Kultur der beiden Flechtenkomponenten, teils auf die Zu- 
sammenfügung zu neuer Symbiose (Möller). Man kann sagen, daß die 
Anatomie und der Laboratoriumsversuch mit aller Kraft die ursprüng- 
liche, allerdings etwas naive Vorstellung der alten Lichenologie von der 
einheitlichen Natur der Flechte besiegen wollten und tatsächlich auch 
zu Fall brachten. Und diese Sachlage ist der Qrund dafür, daß die physio- 
logische Betrachtung des Gegenstandes unnatürlich lange urUerdrückt blieb. 
Wie aber ist die ErUstehung der Flechten heute vorzustdlen ? Fragen 
wir 8chwendener& Schriften, ja fragen wir die heutigen Lehrbücher der 
Botanik, so finden wir so gut wie nichts darüber und werden mehr oder 
weniger stillschweigend auf die Vorstellung verwiesen, daß zur Ent- 
stehung jeder Flechte ein neues Zusammentreffen der beiden not- 



Zusammenleben von Pilzen imd Algen. 


151 


wendigen Komponenten auf freier Bahn notwendig sei. Erst ver- 
einzelt sind später Hinweise auf eine andere Richtung aufgetaucht. 
Die starke reproduktive Fähigkeit des Pilzes betonte Strato (1921), die 
wesentliche Bedeutung der vegetativen Vermehrungsarten und den 
Zusammenhang mit halbfertigen Flechten habe ich selbst seit 1920 
(vgl. Tohler, 1934) mehrfach nachgewiesen. Und so gewöhnte man sich 
nach und nach daran, die verschiedenartige Entwicklung und getrennte 
Entwicklungsmöglichkeit der beiden Komponenten in der Natur ins 
Auge zu fassen. Jedenfalls wäre das eine erwünscht einzuschlagende 
Bahn für die heutige Forschung. Mehr Beobachtung dieser Dinge in 
der Natur als im Laboratorium, starke Betonung der physiologischen 
Seite gegenüber der systematisch-morphologischen, wird uns zur 
Klärung noch schwebender Fragen führen. Um nur einige Beispiele 
bereits gesicherter Tatsachen anzuführen, sei darauf verwiesen, daß 
z. B. kränkelnde Algen geringere Umspinnung erfahren, sowie daß Ab- 
weichungen von der typischen Symbiose einer Flechtenart sowohl bei 
der Entstehung wie auch später gar nicht selten zu beobachten sind. 
Deutlich kann man immer wieder erkennen, daß sehr verschieden 
gestaltete H 3 qphenformen an einem Thallus Vorkommen und nach der 
Umgebung hzw. dem Vorhandensein oder Fehlen der Gonidien an der 
Stelle ihres Wachstums sich zu verändern pflegen (nebenbei bemerkt 
ist das auch heute wohl das wertvollste Argument gegen die bisher 
noch nicht aufgegebene Behauptung Elfving», der aus langgliedrigen 
Hyphen entstehende kurzgliedrige irrtümlich als Entstehung von 
Gonidien an Hyphen deutete). Schließlich weiß man heute, daß große 
regelmäßige Gruppen unvollkommener Flechten, die sich systematischer 
Betrachtung oder Beschreibung gänzlich entziehen können, außer- 
ordentlich reichlich auftreten. Sie werden voraussichtlich für immer 
eine höchst unbequeme Angelegenheit für den systematischen Licheno- 
logen bleiben. Man denke an die Massen der auf Blättern lebenden 
tropischen Flechten, bei denen sich nicht im geringsten von einem 
normalen Habitus oder etwas Ähnlichem sprechen läßt. Man muß 
aber hiermit auch in Zusammenhang bringen die Erscheinungen der 
Cephalodien und der sogenannten Flechtenparasiten — Gegenstände, 
auf die ich in ähnlicher Weise schon wiederholt hingedeutet habe. 

Bei meinen seit Jahren angestellten und unter verschiedensten 
Bedingungen fortgeführten Beobachtungen über die vegetative Fcr- 
rmhning bei Flechten aus der Gattung Cladonia {Tobler, 1932, und 
Tobler- Mattick, 1938), habe ich mehr und mehr auch schon die Fragen 
nach den besonderen Bedingungen für die oder jene Entwicklungs- 
richtung beider oder der einen oder anderen Komponente beantworten 
können. Die Entwicklungsbedingungen liegen zunächst stets im Rahmen 
der Faktoren Feuchtigkeit und Belichtung und sind somit weitgehend 



152 


F. Tobler: 


von der Jahreszeit abhängig. Außerdem aber sind auch die Formen 
gruppenweise im Besitz einer um so stärkeren Vermehrung durch 
Bruchstücke, als sie gleichzeitig hinsichtlich der Pilzfruchtbildung 
steril zu werden beginnen oder schon geworden sind (Rämsch, 1939). 
Hierzu sei gleich die Bemerkung angefügt, daß mit der Zunahme der 
Sterilität wiederum die systematischen Schwierigkeiten beginnen und 
daß auch eine vegetative Gemeinschaftsbildung nicht gleichartiger 
Bruchstücke unter Umständen der Systematik unüberwindliche 
Schwierigkeiten bereiten dürfte. Dies ist der Stand unserer gegen- 



Abb. 1. Mauer mit Anflügen von Pilzen, Algen, Flechten, Moosen, Richtung gegen Westen 
(Schillerstraße in Dresden- Losohwitz). 


wärtigen Erfahrungen auf diesem Gebiete. Sie sind von Bedeutung für 
die Kenntnis und allgemeine Entwicklung des Zusammenlebens von 
Pilz und Alge und bringen in gewisser Weise, aber auf ganz anderem 
Wege, auch eine phylogenetische Vorstellung zum Bewußtsein, wie sie 
etwa Reinke in ganz anderer Art längst gegeben hatte. Auf die Unter- 
schiedlichkeit der beiden Betrachtungen braucht hier nicht hingewiesen 
zu werden. 

Setzen wir aber nun die Erforschung der heutigen Entstehung der 
Plechtenindividuen in der Natur weiter fort, so ist die Grundlage dafür 
natürlich in den drei von mir wiederholt betonten Punkten zu sehen: 
Die Symbiose, sofern sie zustande kommt, wirkt auf die Gestalt, auf den 
Stofftvechsel und auf d|e Fortpflanzung (Tobler, 1932 u. 1934). 

Ich habe nun in jüngster Zeit mich ausführlich um bestimmte 
Vorkommnisse solcher Gemeinschaften, fertiger oder unfertiger oder 
halbfertiger in der Natur bemüht, wie ich sie früher schon als Flechten^ 
anfliige bezeichnete und wie sie am besten zu verstehen, vielleicht auch 





Zusammenleben von Pilzen und Algen. 


153 


zurückzuführen sind im Anschluß an die von Herrmann (1935) studierte 
Entwicklung von CZodonia- Soredien. Ich ging dabei in den letzten 
Jahren von einem ganz bestimmten Standort aus, nämlich meist aus 
Sandstein bestehenden, schwach rückwärts geneigten Mauern, die an 
der Schillerstraße in Loschwitz bergauf die eine Straßenseite begrenzen 
(Abb. 1). In Nachahmung dieser Standorte habe ich späterhin auch 
eine eigene derartige Mauer 
im Botanischen Garten Dres- 
den aufgebaut. Man findet 
an solchen Stellen zunächst 
in den Fugen zwischen den 
Sandsteinen, dann aber auch 
über die Sandsteinflächen, 
sich oft in tränenartigen Strei- 
fen herunterziehend, feine grau- 
körnige bis grünliche Anflüge. 

Bei näherer Untersuchung 
stellte sich hier mit immer 
wiederkehrender Deutlichkeit 
ein jahreszeitlicher Unterschied 
in der feineren Morphologie 
dieser Gebilde heraus. 

Zunächst findet man 
nicht selten, meist in trocke- 
nerer Zeit und am Beginn feuchterer Perioden, helle, etwa an Rosen- 
kohl erinnernde Köpfchen kleinsten Umfangs von rosa bis weißer Farbe. 
Sie stellen reine PilzregetaMon, ohne jedes Vorhandensein von Algen, 



Ab!> 2. Reine Pilzentwicklnng, „Roseukohlstadiuin" 
im Frühjahr. Veifl^r. 6 x . 



Abb. 3. 


Abb. 4. 


Abb. 8. Auf und in den Pilzklümpchen treten auf der Photographie nur schwach sichtbare — 
Algeupunktc auf, die Klümpchen werden etwas fester. Vergr. 6 x. 

Abb. 4. Entstehung von Flechten: Läppchenbildung (Thallusschuppen von Cladoniaf), feste 
Abgrenzung der Blättchen deutlich. Vergr. 6 x . 


154 


F. Tobler: 


dar, sind unregelmäßig in ihrer Oberfläche, aber wachsen ungefähr 
zentrifugal nach allen Seiten und verdichten sich damit zu rasenartigen 
Gebilden (Abb. 2). Es folgen dann mit zunehmender Feuchtigkeit ge- 
legentlich ähnliche köpfchenartige Massen mit ganz feinen grünen 
Pünktchen, die teils oberflächlich, teils etwas eingesenkt erscheinen und 
bei stärkerer Vergrößerung im Auf licht (Zeißsches Auf lichtgerät!) in 
größter Deutlichkeit Einsprengungen von grünen Algenkliimpchen in den 
Pilzmassen erkennen lassen (die allerdings die einfarbige Abb. 3 wenig 
erkennen läßt). Hieraus entwickeln sich noch später kleine lappenartige 
Gebilde, die bei etwas gekräuseltem Rand schon fast den Bau eines 
Flechtenläppchens besitzen können (Abb. 4). Ich kann nicht umhin, diese 



Abb. 5. Abb. 6. 


Abi), r». Die Läppchen oder blattartigeii Thalli von Abb. 4 beginnen wieder am Eande aus- 
ziisprosHen zu isidiösen (ko)ilkopfartigen) Hilduiigen: Zustand (im Herbst und) im WinWr. 
Es erfolgt auch Einreiüen der J.Appenränder. Vergr. 6 x . 

Al)b. 0. Stärkeres Aussprosser, Entstehung von wiederum rein pilzlichen, klüinpehenartigen 
Massen, Zustan<i gegen das Frühjahr Iiin. Vergr. 6 x . 


bereits als ,, Flechtenthalli“ zu bezeichnen. Es bleibt dahingestellt, 
welcher Gattung oder Art solche Gebilde angehören. Manches, vor 
allem gelegentliche weite^re Entwicklung, spricht für eine Zugehörigkeit 
zur Gattung Cladonia. Dieser Zustand herrscht bei Beginn des Winters 
vor und er verändert sich in der Richtung, daß der Rand dieser Lappen 
durch kräftiges und unregelmäßiges Wachstum immer stärker gekräuselt 
und zugleich mehr grau wird, wonach auch Einrisse entstehen (Abb. 5 
und 6), aus denen wiederum Wucherungen und gelegentlich auch — 
eben als Hinweis auf die genannte Gattung ~ Podetien hervorgehen 
können. Das kommende Frühjahr aber verändert die Erscheinung 
aufs neue: Die Ränder der Lappen beginnen reichlich und erneut mit 
reifhem Pilzwachstum auszusprossen und aus den immer wieder bröckliger 
werdenden und sich voneinander trennenden Klümpchen entsteht 
wiederum das eingangs genannte Stadium, das ich mit Rosenkohl 


Zusctimnenleben von Pilzen und Algen. 


155 


verglich. Die lappige oder blattähnliche Form des Ausgangs geht 
wieder verloren und wir dürften es hier nach der sonst üblichen Morpho- 
logie mit Isidien zu tun haben. Diesen Entvncklungsgang habe ich zu 
mehreren Malen nun an den gleichen Stellen hintereinander verfolgen 
können, und man erkennt daraus wohl mit hinreichender Deutlichkeit, 
wie ein Wechsel des Übergeunchts der einzelnen Teile und damit also ein 
Auf und Ab in dem Charakter eines flechtenartigen Organismus an- 
genommen werden muß. Ursache hierfür ist in diesem Falle nicht ver- 
schiedenartiger Standort, sondern lediglich der jahreszeitliche. Wechsel 
in Feuchtigkeit (und vielleicht auch Lichtgenuß). Sehr selten gelangt 
eine \'^egetation solcher Anflüge an den zur Beobachtung gewählten 



Abb. 7. Abb. ft. 

Abi). 7. Der Pilz als Bplplij't von Moosen in Form solcher Klümpchen, wie sie von den Kündern 
der Lappen sich abiiteen. Vergr. 2,5 x , 

Abb. 8 wie Abb. 7, einzelne Pilzindividuen noch deutlicher. Vergr, 2,5 x . 


Stellen zu einer vollen und systematische Erfassung der Art gestattenden 
Entwicklung. Hier ist es also leicht, den reinen Flechtenpilz zu be- 
stimmter Zeit vorzufinden und hier muß die Frage nach dem gelegent- 
lichen Zustandekommen neuer Flechtenindividuen durch heute er- 
folgendes Hinzutreten von Algen durchaus mit ja beantwortet werden. 
Freilich ist die Flechtensymbiose nicht von Dauer und kommt oft nicht 
zur bleibenden Ausgestaltung. 

Wie sehr dey Flechtenpilz an solchen Stellen auch selbständig noch 
seinen Weg zu gehen vermcig, beweist das gar nicht seltene Auftreten 
der Pilzkliimpchen als Ansiedler auf jungen Moospflänzchen, wie sie 
innerhalb der Anflüge uns gelegentlich begegnen (Tobler, 1936). Hier 
sitzen die erwähnten rein pilzlichen, weißen Hyphenklümpchen un- 
mittelbar den Moosblättchen oder -stämmchen auf (Abb. 7 und 8). Sie 
überziehen sie bisweilen so stark, daß das Moos darunter zu leiden 


156 


F. Tobler: 


beginnt, ja, zugrunde geht, worauf der Flechtenpilz auf der verrottenden 
Unterlage offenbar um so besser weiterwächst. Doch möchte ich keineB> 
Wegs einen Parasitismus des Flechtenpilzes auf den Moosen annehmen. 
Die Ablösungsmöglichkeit der Klümpchen von den Blättern ist stets 
sehr groß imd ein Eindringen habe ich nicht beobachten können. 

Hiemeben dürfte die Frage gestellt werden, ob denn angesichts der 
Zufälligkeit des Zusammentreffens solcher freien Pilze mit aus der 
nächsten Nachbarschaft herangebrachten oder vom Pilz erreichten 
Algen nicht auch Anlaß zu neuen Kombinationen geben könnte. Denkbar 



Abb. 9. Aus Ton der Mauer eDtnommenen Pilzanflügen hervorgegangene Entwicklung von 
Fl^tenthalli in einer Kultur auf Erde, natürl. Or. 

ist das wohl, aber die Auswahl von Pilz- wie Algenformen scheint gering, 
und im allgemeinen dürften an diesen Standorten auch beide gleichen 
Ursprung, nämlich aus auf die Mauer gelangten Flechtenbruchstücken 
haben und aus diesem Grunde innerhalb eines engen Bezirks wohl als 
Abkömmlinge der gleichen Flechte immer wieder gleiche Kombination 
eirgeben müssen. Daß Abweichungen gegenüber der erwähnten Gestalt en- 
folge zu verschiedener Jahreszeit auch nach Ort, Himmelsrichtung und 
Witterung Vorkommen, halte ich aber für sicher. Und aus diesem 
Grunde habe ich mich eben zunächst streng an einen Standort im 
Verlauf von 3 Jahren gehalten. 

Natürlich darf ich die Frage nach der systematischen Zugehörigkeit 
meiner Funde nicht ganz umgehen, wenn sie mir auch weniger wichtig 
erscheint als die Betrachtung der Entwicklung des Zusammenlebens. 
Der Flechtensystematiker gibt derartige Anflüge bisweilen mit be- 
stimmten Gattungs- und Artnamen aus. Das bekannte Exsikkatenwerk 
von Schade-StoUe-Biehmert ,,Lichenes Saxonici Exsiccati“, bringt unter 
Nr. 411 ein ganz meinen Funden gleichendes Objekt als ,,Psoroma 


Zusammenleben von Pilzen tmd Algen. 


1Ö7 


lanuginoaum Ach"'. Diese Bezeichnung hat nach meinem Ermessen 
keine Berechtigung, da Früchte davon niemals bekannt geworden sind. 
Ich habe ganz ähnliches Material auch auf Erde in Schalen weiter 
kultiviert, also unter Bedingungen, die nicht mehr die der Stellen 
sogenannter Anflüge sind, und habe nach mehreren Jahren, meist 
bleibend, offenbar zu Gladonia gehörende Thalli erzielen können (Abb. 9). 
Ich neige also durchaus dazu, auch die sogenannte Psoroma etwa als 
hierin gehörig aufzufassen. Jedenfalls dürfte den Gregenbeweis zu er- 
bringen unmöglich sein. Andere gestaltlich ziemlich ähnliche Objekte 
mit mehr gelblicher Färbung mögen in andere Formenkreise verwiesen 
werden. Sie haben mir bei der Untersuchung vorläufig noch nicht 
gedient. Daß auch innerhalb anderer Gruppen Dauervorkommnisse 
nur vegetativ sich entwickelnder Formen mit einer durch ihre Klumpen- 
bildung an meine Beobachtungen erinnernden, hinsichtlich des Vor- 
kommens bestimmter Farbstoffe aber wesentlich anderen Bildung in 
andere Richtung zu verweisen wären, bezeugen die Schwefelflechten 
der Sächsischen Schweiz, die ja erst dann zu einer systematischen 
Klarheit gelangen, wenn sie Pilzfruchtformen erzeugen, was bekanntlich 
an manchen Standorten außerordentlich selten ist (Schade, 1917;. 

Die letzte Frage wäre wohl noch die, warum denn an gewissen 
Standorten die Flechtenentuncklung soviel weniger vollkommen wird als 
an anderen ? Die Entwicklung des Zusammenlebens von Pilz und Alge 
ist, physiologisch betrachtet, unendlich verwickelt schon deshalb, weil 
bekanntlich ja die Wachstums bedingungen zweier so gänzlich ver- 
schiedener Organismen aufeinander abgestiinrnt oder zueinander in ein 
bestimmtes Gleichgewicht gebracht werden müssen, was begreiflicher- 
weise selten genug der Pall ist. Ich stehe aber auch nicht an, für das 
stärkere oder geringere Ent wicklungs vermögen der Teile und besonders 
des Pilzes auch noch andere Organismen, die vielleicht niemals in der 
noch lockeren Gruppierung fehlen, in Anspruch zu nehmen. Eine 
zufällige Beobachtung in meinen Laborkulturen auf künstlichen Nähr- 
böden, bei denen ich ebenfalls die Anflüge von C7te?(mia-artiger Natur 
zum Ausgang nahm, brachten mir das Ergebnis, daß bei Anwesenheit 
einer roten Lufthefe (Rhodotorula glutinis) das Pilz Wachstum wesentlich 
besser verlief als ohne diesen Teilhaber. Versuche über Zusatz dieses 
rein gezüchteten Organismus zu sich entwickelnden halbfertigen Flechten 
bewies mir das mehrfach i. Ich lege auf diese Laborbeobachtungen, 
deren Anlage natürlich durchaus nicht den natürlichen Verhältnissen 
entspricht, an sich keinen bedeutenden Wert. Ich glaube mich aber 

' Den naheliegenden Versuch, den Einfluß eines Wuchsstoffzusatzes 
zu beobachten, habe ich schon mit Erfolg vorgenommen, berichte darüber 
aber erst später in einer die Symbiose als Wuchsstoffproblem behandelnden 
Arbeit. 

Archiv für Mikrobiologie. Bd. 13. 1 1 



158 


F. Tobler: Zusammenleben von Pilzen und Algen. 


immerhin dazu berechtigt, anzunehmen, daß außer den Faktoren 
Feuchtigkeit und Belichtung auch solche Momente, die selbstverständlich 
in der Natur dauernd wirksam sein können, ausschlaggebend für den 
Verlauf des Zusammenlebens von Pilz und Alge sein müssen. 

Ich schließe mit dem Hinweis darauf, daß gerade durch diese 
neuen Beobachtungen die Labilität des Gleichgewichts der Symbiose 
heute entstehender und lebender Flechten erneut nachgewiesen wurde 
und daß wir uns daran gewöhnen sollten, die Gruppe der FUchUn auch 



Abb. 10. Ein Polyvorut {hetulinut)^ recht» von der Mitte iiacli hinten ein Answnchs, der Algen 
in Pilzmasso verstrickt enthält, dort findet ein lebhaftes uini aus der Form des Pilafnichtkörpers 
heransfalleudes Wachstum statt. 1/2 nat. Gr. 

heute noch als zu neuem Ursprung von neuen Gemeinschaften befähigt 
anzusehen. Bedürfte es eines Hinweises auf etwas ferner liegende Er- 
scheinungen, so wäre es der Befund, wie man ihn an Fruchtkörpem 
von Polyporus bisweilen machen kann: aus verletzten Stellen wuchert 
Pilzmycel und nimmt aus der Luft oder dem Niederschlag der Um- 
gebung Algen in einer gewissen Weise sichtbar in sich auf (Abb. 10). 
Die Gestalt des Zusammenlebens erinnert an Umspinnung, und wir 
hätten hier gleichsam den Anfang einer neuen Basidiomycetflechte vor 
uns, was um so interessanter ist, als die Zahl derartiger Gemeinschaften 
ja noch gering ist und ihre Form nicht allzu feste Bahnen ein- 
geschlagen hat. 

Literatur. 

Hemnann, ßeih. Bot. Centralbl. 58 A, 661 ff., 1936. — Ramsch, diese 
Zeitschr. 10, 279ff., f939. — Schade, Abhandl. d. Isis-Dresden 1916/17, 
S. 21 ff. — ^ato, Hedwigia 68, 11 ff., 1921. — Tobler, Ber. d. Deutsch. Bot. 
Ges. 88, Uff., 1921,* Beih. Bot. Centralbl. 49 (Erg.-Bd., Drude -Festsohr.), 
482 ff., 1932; Die Flechten. Jena, G. Fischer, 1934; Ber. d. Deutsch. Bot. 
Ges. 64, 401ff., 1936. — Tobler u. Mattick, Bibliotheca Bot., Heft 117, 
1938. 


(Aus dem Institut für Mikrobiologie der königlichen TJniversit&t Neapel. ) 


Der Abban der Acetessigsänre 
durch Bacterium coli. 

Von 

L. Calitano. 

Mit 1 Textabbildung. 

(Eingeganget) am 18, August 1942.) 

Wenn man eine Aufschwemmung von Bakterium coli bei 37® in 
Gegenwart einer gesättigten monocarboxylischen Fettsäure schüttelt, 
so erhöht sich der Sauerstoff verbrauch, weil die Säure durch die Bakterien- 
zellen dehydriert wird. Die Zunahme ist gering für die ersten Glieder 
der Reihe (mit Ausnahme der Ameisensäure und der Essigsäure) und 
wächst mit der Länge der Kohlenkette, so daß bei der önanthsäure 
gegenüber den Proben ohne Substrat die verbrauchte Sauerstoffmenge 
mehr als doppelt so groß ist, mehr als dreifach bei der Pelargonsäure 
und mehr aJs fünffach bei der Myristinsäure. Die entsprechenden Er- 
gebnisse sind in Tabelle I angeführt. 

Tabelle I. 



Kontrolle 

Ameisensäure 
Essigsäure 
Propionsäure . 
Buttersäure . . 
Valeriansäure 
Capronsäure . 


100 önanthsäure . 

2 1 ö Caprylsäure . . 

309 Pelargonsäure 

128 Gaprinsäure . . 

108 Undeoylsäure . 

112 Laurinsäure . . 

1 10 Tridecylsäure . 



206 

Myristinsäure. 

287 

Palmitinsäure 

469 

Margarinsäure 

i 360 

Stearinsäure . 

3G4 

Araebinsäure . 

400 


278 



Oj. 

Verbrauch 

t«m 


676 

484 

455 

629 

266 


Die Oxydation der monocarboxylischen Fettsäuren wurde durch 
Quastei nach der Thunberg sehen Methode untersucht, jedoch mit negativem 
Erfolg; Mazza und Gimrmno zeigten dagegen die große Fähigkeit des Bac- 
terium coli Palmitinsäure imd Stearinsäure zu dehydrieren, und Franke 
und Pens bestätigten diese Tatsache und stellten außerdem die Oxydations- 
fähigkeit anderer Säuren dieser Reihe fest, besonders durch Pseudomonas 
sowie durch Sarcina lutea. Im allgemeinen sind die höheren Glieder der 
gesättigten Fettsäurenreihe leichter oxydierbar als die mittleren und die 
unteren, mit Ausnahme der Ameisensäure und der Essigsäure. 

Neue durch Cutinelli ausgeführte Versuche zeigen, daß der Tuberkel- 
baziUus die Fettsäuren oxydiert, während der Oonccoccus dazu nicht fähig 
ist. Eine hervorragende Fähigkeit zur Dehydrierung der Fettsäuren besitzt 
die Gattung Brucella (AUsmoneUi). 




160 


L. Califano : 


Der Vorgang des oxydativen Abbaues der Fettsäuren durch die 
Bakterien ist bis jetzt noch unbekannt. Da nun die durch Bacterium coli 
hervorgerufene Oxydation beachtenswert schnell erfolgt, lag es nahe zu 
untersuchen, ob der Fettsäurenabbau durch eine j9-Oxydation zu 
Ketonkörperbildung führt. Prüft man jedoch die Flüssigkeit, in der die 
Oxydation stattgefunden hat, auf das Vorhandensein von Acetessigsäure 
und /9-Oxybuttersäure, so bekommt man ein negatives Ergebnis, auch 
wenn man große Bakterienmassen zusammen mit großen Säuremengen 
verwendet und die Prüfung nach einer genügenden Zeitspanne ausführt, 
um die fast vollständige Oxydation der vorhandenen Säuren zu erzielen. 
Dieses Ergebnis läßt an zwei Möglichkeiten denken: 



1 . Daß der Fettsäurenabbau auf 
anderem Wege als dem der /5-Oxy- 
dation erfolgt. 

2. Daß die gebildeten Keton- 
säuren schnell verbrannt werden und 
zwar sowie sie gebildet sind, derart, 
daß sie sich niemals in bestimmbaren 
Mengen anhäufen. 

Es wurde ferner die Oxydations- 
fähigkeit der /S- (Hydro-) Oxybutter- 
säure und der Acetessigsäure unter- 
sucht. Diese beiden Säuren werden 
weitgehend durch Bdcterium coli oxy- 
diert, so daß, falls sie sich während 
des Abbaues der gesättigten Fett- 
säuren bilden, keine Möglichkeit be- 
steht, sie nachzuweisen wegen der 
eintretenden schnellen Oxydation, 
welche aerobisch stattfindet. 


Beendet» Int^.rw«lrt.u. 

Acetessigsäure-Natrium; Kurve III: die- verschiedenen Gründen der Oxy- 
BeibenmitAceij^i^^^^^^ dationsverfauf der Acetessigsäure. 

Diese Oxydation verläuft sehr schnell 
und die Geschwindigkeit nimmt mit der Zeit zu, was wahrschein- 
lich andeutet, daß beim Abbau der Ketonsäure sich Körper bilden, die 
leichter als die Säure selbst verbrennen. Die Oxydationsgeschwindigkeit 
wird erheblich durch Phosphatanwesenheit vermehrt, wie ersichtlich 
in Abb. 1. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Phosphate an der Reaktion 
teilnehmen, und daß die Steigerung der Oxydationsgeschwindigkeit 
nicht bloß eine Pufferfunktion ist, und zwar, sei es, weil die Aktivierung 
durch sehr kleine praktisch keine Pufferwirkung besitzende Phosphat- 



Der Abbau der Acetessigsäure. 


161 


mengen stattfindet, sei es, weil sie auch erfolgt, wenn auch in verschieden 
hohem Maße, mit Phosphatgemischen von recht verschiedenem 

Die Annahme einer Phosphorylierung der Acetessigsäure oder ihrer 
Spaltprodukte wird durch die Tatsache unterstützt, daß die Aktivierung 
durch Monojodessigsäure und Monobromessigsäure stark gehemmt wird. 
Die Fluoride dagegen üben eine geringe hemmende Wirkung aus, die 
vielleicht auch zu vernachlässigen ist. 

Es ist wahrscheinlich, daß auch, wenn man der Untersuchungs- 
flüssigkeit keine Phosphate hinzufügt, bei der Oxydation des Natrium- 
Acetacetats Phosphat ionen beteiligt sind, die als Verunreinigungen oder 
als Spaltprodukte der Autolyse der bakteriellen Zellen vorhanden sind. 
Monojodessigsäure und Monobromessigsäure hemmen in der Tat die 
Oxydation der Acetessigsäure auch in den Versuchen, bei denen Phos- 
phate nicht hinzugefügt sind. 

Ähnliche beschleunigende Wirkung der Phosphate wurde auch 
bei Glucose und bei Bernsteinsäure festgesteht, was den vorhergegan- 
genen Untersuchungen von Yudkin entspricht. Bei den monocarboxy 
lischen Fettsäuren ist die Wirkung der Phosphationen unsicher und 
jedenfalls nicht zu vergleichen mit der, die sie auf den Abbau der Acet- 
essigsäure und der Bernsteinsäure ausüben. 

R. Deotto hat, auf meine Anregung hin, schon seit längerer Zeit die 
Versuche über die Oxydation der Acetessigsäure vertieft, und er ist auf 
verschiedene interessante Schlußfolgerungen gekommen, unter anderem, 
daß die Acetessigsäure eine aktivierende Wirkung auf die Atmung der 
Bakterien selbst ausübt, feiner, daß nur die Keime in der Ä-Phase die 
Fähigkeit haben, die Ketonsäure zu oxydieren, während die in der 
Ä-Phase ganz inaktiv sind. Nach Deotto geschieht der Abbau der Acet- 
essigsäure nicht auf dem Weg über /8-Oxy buttersäure bildung. Unter 
den Spaltprodukten kann man weder die Gegenwart der Brenztrauben- 
säure noch die der Bemsteinsäure nach weisen; es erscheinen jedoch 
Körper, welche Verbindungen mit Bisulfit geben und Körper mit dop- 
pelter Bindung. Unsicher ist die Methylglyoxalbildung und auszu- 
schließen ist die von Acetylaldehyd und von Milchsäure. 

Experimenteller Teil. 

Es kamen zur Verwendung 16- bis 208tündige Kulturen von 
Bacterium coli auf Agar. Die Bakterienmasse wurde abgehoben und in 
physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt, im Verhältnis von 
5 ccm für jede Agar Rohre. Die Aufschwemmung wurde durch Papier 
filtriert, um die Bakterienklümpchen und die Agarteilchen zu entfernen, 

^ Siehe Cutinelli, welcher diese Erscheinung als Funktion des pn -Wertes 
untersucht hat. 










Der Abbau der Acetessigs&ure. 


163 


daraufhin zentrifugiert und die mit einer großen Menge physiologischer 
Kochsalzlösung zur Auswaschung zweimal von neuem zentrifugierten 
Keime schließlich in physiologischer oder in Ringerlösung suspendiert, 
so daß jeder ccm von Emulsion einer Kulturröhre entsprach. Auf 
diese Art erhält man Bakterien, welche eine sehr geringe Atmungs^ 
größe zeigen, weil sie größtenteils ihre eigenen Donatoren verloren 
haben und welche deshalb in Gegenwart eines durch sie leicht ver- 
brennbaren Substrats sofort eine Zunahme an Sauerstoffverbrauch 
zeigen. Keime unter solchen Bedingungen entsprechen den ruhenden 
Bakterien von Quastei. 

Der Sauerstoffverbrauch wurde manometrisch nach ITortwrgr gemessen. 
Die birnenförmigen Gefäße enthielten im zentralen Behälter Kalilauge, um 
die Kohlensäure zu binden. Nach dem Erreichen des Temperatur- und 
Druckausgleichs wurde das Substrat durch den Seitenansatz eingegossen, 
um so von Anfang an die Zunahme des Sauerstoff Verbrauchs zu messen. 
Es gelangten Fettsäuren (pro analysi) von Schering-Kahlbaum , British Drug 
House und Fraenkel d" Landau zur Verwendung. Die Fettsäuren wurden als 
Na- Salze nach Zusatz einer berechneten Natronlaugemenge gebraucht. 
Das ph der Lösung wurde elektrometrtsch bestimmt und wenn nötig auf 7,2 
eingestellt. Meist wurde mit physiologischer Kochsalzlösimg geai beitet, 
welcher Bicarbonat hinzugefügt war, manchmal auch mit Ringe'^lösung. 
Die Acetessigsäure wurde aus Äthylacetacetat nach Ijjunggren dargestellt ; 
der Titel der im Eisschrank gehaltenen Lösung wurde jedesmal geprüft 
und es wurde festgestcllt, daß er nur langsam abnimmt. Die Bestimmung 
der Acetessigsäure wurde nach der Verbesserung der manometrischen 
Methode von Quastei und Whcatley nach Edson erzielt, d. h. durch De- 
carboxylation der Säure mit Anilinhydrochlorat . Die Flüssigkeit wurde 
durch Citronensäure angesäuert, das Anilinhydrochlorat nach Erreichen des 
Temperatur- und Druckausgleichs aus dem Seitenansatz in den Hauptraum 
eingekippt und der durch Kohlen -'äureentwicklung verursachte positive 
Druck manometrisch gemessen. 

Die ^-Oxy buttersäure wurde nach Edson bestimmt. Monobromessig- 
säure und Monojodessigsäure (British Drug House) wurden als Na-Salze 
hergestellt. 

Literatur. 

AUirnonelli, -B., Boll. Ist. Sier. Mil. 21, 238, 1942. — Cuiinelli, C., 
ebenda 19, 88, 141, 1940. - Derselbe, ebenda 20, 391, 1941; 21, 137, 1942. 
— Yudldn, J., Biochem. J. 27, 1849, 1933. — Franke, W., u. W. Peris, 
Biochem. Zeitschr. 296, 61, 1938. Mazza, F. P., u. Ä. Cimmino, 
Rend. Acc. Lincei 20, 113, 1934. - Deotto, R., Enzyinologia 8, 289, 1940. — 
Edson, N. L., Biochem. J. 29, 2082, 1936. — Ljunggren,ö., Biochem. 
Zeitschr. 146, 422, 1924. — Quastei, J. H., u. A. H. M. Wheatley, Biochem. 
J. 27, 1763, 1933; 29, 2773, 1936. 



(Aus dem Institut für Mikrobiologie der Universität Göttingen.) 


Zur Frage der Rhizosphäre nnd Bodenimpfdng 
mit Azotobacter. 

Von 

Artur Stare. 

Mit 2 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 24. September 1942.) 

I. 

Unter dem Einfluß der schon von L. Hiltner (5) aufgestellten 
H 3 rpothese, daß die Pflanzen in ihrer Rhizosphäre die Entwicklung 
einer spezifischen und für die Pflanzenernährung nützlichen Mikroflora 
fördern, wurde für manche Kulturpflanzen behauptet, daß sie in ihrem 
Wurzelbereich günstige Bedingungen für Entwicklung von Azotobacter 
darbieten sollen, der seinerseits ihnen den aus der Luft gebundenen 
Stickstoff liefere. 

So sollen sich infolge dieser Verhältnisse gewisse Kruciferen (Senf, 
Raps usw.) in stickstoffarmen Böden gut entwickeln [L. Hiltner (Q); A. 
Cauda (2); H. Poachenrieder (18)]. Für Tabak haben /S'. Kosticev^ A. Selou- 
mova und 0. Sidjgina (9) gefunden, daß seine hohen Erträge in Beden der 
Krim auf die Tätigkeit von Azotobacter zurückzu führen seien. Auch in der 
Rhizosphäre der Leguminosen wurde diesem 8tickstoffbinder eine gewisse 
Bedeutung beigemessen; F.Löhni8(\Z) z. B. nimmt an, daß der erhöhte 
N- Gehalt in von Leguminosen bewachsenen Böden weniger den Knöllchen- 
bakterien zuzuschreiben ist, als der Tätigkeit der nichtsymbioriti sehen Luft- 
stickstoffbinder. Dieses Problem wurde besonders aktuell, seitdem Q. Truf- 
f aut und N. Bezssonoff (30) behaupteten, daß es ihnen gelungen sei, in Stick- 
stoff- und kohlenstofffreien, aber mit Stickstoffbindern geimpften Substraten 
den Mais bis zur Reife zu kultivieren. Im Anschluß an diese Untersuchungen, 
nach denen die Energiequelle für Azotobacter in den Atisscheidungen der 
Wurzel liegen mußte, lebten die schon vorher gemachten feldmäßigen 
Bodenimpfungen mit Azo^oöoc^r-Präparateii wieder auf — ungeachtet Von 
den vielen in diesem Zusammenhang noch zu lösenden Fragen. 

O. Naundorf (16) imd H. AmUmg (1) führten mit der neuen AZ. -Kultur 
(Azo^o6ac<er-Präparat) vom Radicin-Institut Feldversuche durch und fanden 
eine gute Wirkung bei Hafer, Mais und Kartoffeln, besonders unter Zugabe 
von „Ravit“, das Bakterienwirkstoffe enthalten sollte (Vitamine, Säuren, 
Spurenelemente). Q. Naundorf stellte beim Mais eine Ertragsstc igerimg 
von 30,3% mit AZ. und 39,7% mit AZ. Ravit fest, d. h. mehr als mit der 
normalen N-Düngimg (18,3%). Hier ist der Kontrollversuch mit „Ravit“ 
ausgeblieben, ebenso in den genauer angeführten Versuchen von H. AmUmg, 
der übrigens bei Kartoffeln nicht so große Unterschiede finden konnte 
(+ AZ. und 16% mit AZ. -j- Ravit). Eine eindeutige Vergleichs- 



Khizosphäre und Bodenimpfung mit Azotobacter. 


165 


basis ist aber schon deshalb nicht vorhanden, weil die Naßbeize bei den 
Kartoffeln bzw. Getreidesamen in den Kontrollen nicht ausgeführt wurde. 

In Rußland hat in den letzten Jahren das Azoto&octer-Präparat „Azo- 
togen“ (von Seloumova) und neuerlich „Azotobakter in“ (von Savostin) große 
Verwendung gefunden. Als durchschnittliche Ertragserhöhungen der 
Kulturpflanzen auf Grund von dreijähriger Anwendung dieses Präparates 
in verschiedenen Gebieten führt (?. Petrenko (17) an: bei Weizen 1 bis 3 dz /ha 
(10 bis 20%), bei Hafer 1,6 bis 2,5 dz/ha (10 bis 16%), bei Kartoffeln 16 bis 
60 dz /ha (12 bis 16%) imd auch bei anderen Kulturpflanzen, wie Zucker- 
rüben, Lein, Hanf und Ohat eine durchschnittliche Ertragssteigerung von 
10 bis 30% gegenüber der Kontrolle. Jedoch muß bemerkt werden, daß 
oft auch negative Ergebnisse gefunden wurden, und daß noch immer Kontro- 
versen über die technische Herstellung wie auch über das aktive Prinzip 
der Präparate bestehen. 

Die Feldversuche sind in ihren Ergebnissen oft sehr variabel und 
schwer zu vergleichen, besonders wenn die Bodenverhältnisse und die 
Zusammensetzung der Mikroorganismenflora, insbesondere das Azoto- 
Vorkommen nicht genauer bekannt sind. Die vielen Widersprüche 
zeigen, daß man zunächst durch exakte Laboratoriums- und Gefäß- 
versuche das Verhältnis von Azotobacter zu den höheren Pflanzen in 
bezug auf das Rhizosphärenproblem klären muß, wobei man einerseits 
die Bodenfaktoren und Pflanzenalten, andererseits die Azotobacter- 
Rassen und die Konkurrenz der anderen Bodenmikroorganismen der 
Rhizosphäre berücksichtigen muß. Auf diese Fragen werden wir später 
zurückkommen . 

II. 

Um den Einfluß der Azotobacter-Xm^iung auf den Pfianzenertrag, 
wie im allgemeinen das Vorkommen von Azotobacter in der Rhizosphäre 
festzustellen, wurde ein Gefäßversuch mit Mais im reinen Quarzsand 
durchgeführt ; Stickstoff wurde nur in minimaler Gabe zugefügt, um das 
Anwachsen der Pflanzen zu ermöglichen, während die Zugabe der 
C- Quelle für Azotobacter ganz ausblieb, um so den Einfluß der Wurzel- 
ausscheidungen auf die Luftstickstoffbindung und also auf die Maisernte 
festzustellen. 

Mitscherlichgefäße wiu'don mit 7 kg Sand (Freienwalder Sand, Wasser- 
fassungsvermögen 21%) angefüllt und 1 Liter Nährlösung zugefügt [A. Rip- 
pet vücid R. Meyer ( 22 )]: CaHP 04 4,0 g; K 2 SO 4 3,0 g; MgS 04 1,6 g; MgCl, 
0,2 g; FeS 04 0,1 g; dest. Wasser 1000 ccm; pn — 6 » 8 . Außerdem wurden 
noch 0,01 g NaMo 04 und 0,2 g KNO 3 (27,7 mg N) zugesetzt. 

In den Sand wurden je drei Objektträger je Gefäß in vertikaler 
Richtung eingegraben (für die Rhizosphärenunter Buchung nach der Auf- 
wuchsplattenmethode), die Sandoberfläche mit schwarzem Papier überdeckt 
und dann im Autoklaven in zwei aufeinanderfolgenden Tagen bei 2,0 Atm. 
4 Stunden sterilisiert. Die Maiskörner (Sorte Mahndorf) wrurden zunächst 
oberflächlich mit 0,6% Bromwasser 20 Minuten sterilisiert, in feuchtem 
sterilem Sand zum Keimen gebracht und die kleinen Keimlinge vorsichtig 
in die sterilisierten Mitscherlichgefäße überpflanzt. 




Von zwölf Gefäßen 
wurden sechs mit je 
2 ccm einer Azotobacter- 
Aufschwemmung (etwa 
50 Millionen) beimpft. 
Hierzu wurde eine Rein- 
kultur von Azotcbacter 
chroococoum verwendet, 
von der in einem Vor- 
versuch mit Mannit- 
Agar-Nährlösung nach 
A. Rippel (21) festge- 
stellt war, daß sie eine 
gute N-Bindungsfähig- 
keit besitzt (12,2 mg N 
auf 1 g Mannit nach 
8 Tagen). Die übrigen 
sechs Gefäße dienten 
als Kontrolle. Außer- 
dem wurde ein unbe- 
pflanztes Gefäß mit 
Azotobacter geimpft und 
dazu noch 10 g Mannit 
zugefügt, um dadurch 
die Stickstoffbindung 
der Kultur im Sand mit 
gut verfügbarem Ener- 
giematerial zu ermitteln. 

Die Gefäße wurden 
die erste Woche bei 
Zimmertemperatur, 
später im Gewächshaus 
gehalten und täglich mit 
dest. sterilem Wasser 
begossen. Der Versuch 
wurde nach 40 Tagen 
(am 16. VI.) abgebro- 
chen, da die Maispflan- 
zen schon deutliche 
Merkmale von Stick- 
stoffmangel zeigten. 

Um festzustellen, 
ob T Azotobacter in den 
beimpften Gefäßen am 
Leben blieb, wurde in 
Abständen von je 10 Ta- 
gen mit dem Sand der 
bewachsenen Gefäße 
eine Azotobacter - Im- 
pfung auf Kieselsäure - 
gallerte mit Ca-Lactat 
ausgeführt [5. Wino- 
(32)]. Noch nach 



Khizofcrphäre und Bcxlenimpfung mit Azotobacter. 


167 


40 Tagen konnte man so die Entwicklung von AzotobcuOer fast in Rein* 
kultiur feststellen; die Sandimpfungen aus den Kontrollgefäßen blieben da- 
gegen steril. (Da der Versuch nicht unter ganz sterilen Bedingungen 
ausgeführt werden konnte, fand eine geringe Infektion statt, die Azo- 
toöooter-Zellen waren aber so reichlich vorhanden, daß sie ohne Konkurrenz 
ihre Tätigkeit entfalten konnten.) 

Nach 40 Tagen wurden die Maispflanzen geerntet und die Trocken- 
substanz der ober- und unterirdischen Teile (die letzteren unter Abziehung 
des beigemengten Sandes) wie auch der Gehalt an Stickstoff in Pflanzen 
(nach KjeldaM) und im Sand (nach Kjddahl-Foerster) bestimmt. 

Die Ergebnisse mit N-Bilanz am Ende des Versuchs zeigt Tabelle I. 
Aus dem Vergleich zwischen den beimpften und den unbeimpften 
Gefäßen ergibt sich, daß im gesamten Pflanzenertrag kein Unterschied 
besteht ; auch die Erträge der ober- und unterirdischen Teile zeigen nur 
geringe Unterschiede, was auch auf den von den Pflanzen assimilierten 
Stickstoff zutrifft. Aus den Zahlen für den im Sand am Ende des 
Versuchs gefundenen Stickstoff geht jedoch hervor, daß die geimpften 
Gefäße im Durchschnitt 11,3 mg N mehr als die Kontrollen enthalten, 
was sich auch in der N-Bilanz äußert. Doch sind die Schwankungen 
der einzelnen Parallelen groß, so daß der Schluß über einen Gewinn 
des Stickstoffs in beimpften Gefäßen kaum berechtigt ist. Im Gegensatz 
dazu konnten wir im Gefäß mit Mannit einen weit größeren N- Gewinn 
(gegenüber der Kontrolle 50,6 mg N) feststellen ; auf 1 g Mannit bezogen 
fanden sich 5,06 mg aus der Luft gebundener Stickstoff. 

Es ist anzunehmen, daß der mit KNO 3 und den M,ai 8 kömeni 
zugesetzte Stickstoff fast ganz von den Pflanzen aufgenommen wurde; 
nur 4,2 mg N davon sind im Substrat geblieben: es ist weniger wahr- 
scheinlich, daß auch ein Teil vom Sandstickstoff (87,3 mg) absorbiert 
wurde. (Mit Aufschwemmung zugesetzter N kommt hier 

nicht in Frage, er beträgt weniger als 0,1 mg N.) Damit in Einklang 
steht auch die Feststellung über das Aussehen der Maispflanzen am 
Versuchsende. 

Den kleinen festgestellten N- Gewinn in geimpften Gefäßen müssen 
wir auf die Luftstic kstoffbindung von Azotobacter zurückführen. Es 
spricht teilweise dafür auch die Bestimmung der Azo0bacter-Z8ih\ am 
Ende des Versuchs. Direkte mikroskopische Zählung nach Winogradsky 
ergab in Präparaten aus den geimpften Gefäßen 70000 Zellen, aus den 
Gefäßen mit Mannit 450000 Zellen in 1 g Sand, während anfänglich 
etwa 7000 Azotoöoc^er-Zellen je g Sand zugesetzt wurden. (In den 
Petirischalen mit Maimit-Agar hatten sich nur winzige unregelmäßige 
Kolonien entwickelt; deswegen haben wir die Zahlen nach diesem 
Plattenverfahren nicht ausgewertet.) Es folgt daraus, daß eine Ver- 
mehrung von Azotobacter nicht nur im Gefäß mit Mannit stattfand — 
das entspricht auch der analytisch gut feststellbaren N-Bindung — , 



168 


A. StCkTc: 


sondern auch in den Gefäßen ohne Zusatz von Energiematerial. Da 
es kaum anzunehmen ist, daß die C- Quelle von den Spuren der organi- 
schen Substanz des Sandes stammt, die möglicherweise durch die 
Tätigkeit des Wurzelnetzes hätten aktiviert werden können, muß man 
die Vermehrung der Azotobdcter-ZeWen den Ausscheidungen der lebenden 
Wurzeln bzw. den teilweise schon abgestorbenen Wurzelteilen zu- 
schreiben. 

Eine teilweise Aufklärung gab weiter die Untersuchung der Wurzel- 
haare bzw. auch der dickeren Wurzelteile nach der AufwuchspJatten- 

methode von Cholodny [s. A. Hulpoi (8); 
jR. Starkey (25)]. Die ausgegrabenen 
Objektträger mit darauf festgekJebten 
Wurzelhaaren von Mais wurden an der 
Luft getrocknet, flamme- oder alkohol- 
fixiert und mit 5%igem Phenol- Ery- 
throsin 30 Minuten gefärbt. Durch mikro- 
skopische Kontrolle konnten wir keine 
Anhäufung, sogar nicht einmal verein- 
zeltes Vorkommen von Azotohacter -TtfAlen 
auf oder um die Wurzelhaare herum ent- 
decken. Die in einigen Fällen um die 
Wurzelhaare beobachteten Stäbchen kann 
man auf etwaige Infektion zurückführen. 

Es ist andererseits interessant, daß sich um die Wurzeln von Mais, 
die mit festgeklebtem Sand auf die Kieselsäuregallerte mit Ca-Lactat 
gelegt wurden, schon nach zwei Tagen ein weißer, schleimiger Überzug 
bildete, der sich als fast reine Anhäufung von Azotobacter-TtMen erwies 
(Abb. 1). Hieraus folgt also, daß sich Azotobacter in der Rhizosphäre 
von Mais befindet. Daß aber eine engere Beziehung mit den Wurzel - 
haaren, etwa im Sinne der Bakteriorhiza, nicht besteht, zeigen auch die 
Präparate, die nach einer modifizierten Methode von Razumov (20) 
hergestellt wurden und nach welcher die Objektträger mit festgeklebten 
Wurzelhaaren mit Mannit-Agar ohne N überdeckt, zwei Tage in feuchter 
Kammer bei 30<^C bebrütet und dann getrocknet und mit Phenol- 
Erythrosin gefärbt wurden; in diesem Falle entwickelten sich keine 
Azo<o6ac<er-Kolonien oder Zellen um die Wurzelhaare. 

Aus diesem allen folgt, daß sich Azotoba^cter in der Maisrhizosphäre 
befindet, daß er sich aber nicht auf den Wurzelhaaren ansiedelt. Für 
den endgültigen Effekt .der eventuellen Tätigkeit von Azotobakter in der 
Rhizosphäre ist eine solche Bakteriorhiza auch nicht unbedingt nötig. 

Der Einwand eines ungeeigneten Nährbodens für Mais kommt hier 
nicht in Frage, denn die Pflanzen entwickelten sich mit einer größeren 
N-Gabe gut, was aus der Entwicklung zweier Maispflanzen hervorging, 



Abb. 1. Wurzeln von Maü, auf Ca- 
Lactat- Agar ausgelegt. Entwicklung 
von Azotobacter. 


Bhizosphäre vuad Bodeniznpfung mit Azotobacter. 


169 


die unter sonst gleichen Bedingungen bei Zugabe von je 2,0 g KN 0^ gut 
vorwärtskamen. Ebenso zeigt die gute N-Bindung und die Vermehrung 
von Azotoba>cter im G^fä6 mit Mannit, daß auch Azotobacter, wenn eine 
geeignete C- Quelle vorhanden ist, in diesem Boden günstige Ent- 
wicklimgsbedingungen findet. Die Prüfung der Reaktion am Ende des 
Versuchs (pH 6,3 bis 6,4) zeigte, daß auch nicht eine eventuelle Ver- 
säuerung des Substrats die geringen Unterschiede zwischen geimpften 
und nichtgeimpften Gefäßen erklären konnte. 

III. 

Um genauer das Vorkommen von Azotobacter in der Mais-Rhizo- 
sphäre zu prüfen, wurde ein Versuch mit kleineren Sandmengen unter 
absolut sterilen Bedingungen ausgeführt. 

Der Versuch wurde insofern ausgedehnt, als zusammen mit Azoto- 
bacter auch andere Mikroorganismen in die Rhizosphäre des Mais ein- 
gebracht wurden, um auf diese Weise die Konkurrenzeinflüsse verschie- 
dener Bodenmikroorganismen im Wurzelbereich zu prüfen. Außer 
Maie (Sorte Mahnfeld) wurde auch Ackerbohne (Sorte Wadsacks) unter- 
sucht. 

In Rollflaschen von 760 ccm wurde je 0,5 kg Sand gefüllt und 100 ccm 
der Nährlösung zugesetzt (wie im ersten Versuch, aber ohne Stickstoff). 
Nach der zweimaligen Sterilisation bei 2,5 Atm. 45 Minuten wiu*den je zwei 
mit Bromwasser sterilisierte Körner je Gefäß zwischen zwei eingegrabene 
Objektträger eingesät. Nach der Keimung der Samen wurden je zwei 
Flaschen mit Aufschwemmung von Azotobacter allein bzw. mit folgenden 
Mikroorganismen zusammen beimpft: 

Azotobacter chroococcum in Reinkultur; 

Azotobacter -f Bact. fluorescens liquefadens; 

Azotobacter aerobe Cellulosezersetzer (Rohkultur); 

Azotobacter -|- Trichoderma viridis; 

Azotobacter -f Fusarium sp . ; 

Azotobacter -f Bodenaufschwemmung. 

Alle diese Mikroorganismen wurden aus dem Boden isoliert. Als Kon- 
trollen dienten bepflanzte und unbeirnpfte bzw. unbepflanzte und beimpfte 
Rollflaschen. 

Nach 18, bei dem Mais auch nach 5 Tagen, wurden die Wurzeln, 
ähnlich wie im ersten Versuch, nach der Aufwuchsplattenmethode (nach 
Cholodny) auf Objektträgern mit Mannit-Agar (nach Razumov modifiziert) 
und auf der Kieselsäuregallerte untersucht. 

In der Jlfais-Rhizosphäre wurde folgendes festgestellt : Die Objekt- 
träger mit aufgeklebten Wurzelhaaren ergaben das gleiche Bild wie im 
Versuch mit Mitscherlich^chen Gefäßen. Azotobacter konnte auch nach 
18 Tagen mikroskopisch auf oder um die Wurzelhaare nicht festgestellt 
Werden; eine Ausnahme bildeten jedoch die Präparate aus den Flaschen, 
in die Azotobacter zusammen mit aeroben CeUulosezersetzem geimpft 



170 


A. Stare : 


worden war. Hier findet man, wenn auch sehr selten, typische Azo/o- 
6acter-DipIokokken um die Wurzeln herum. Andere Mikroorganismen 
entwickeln sich dagegen um die Wurzelhaare gut, was im Palle von 
Bcict. fluorescens besonders deutlich erscheint. Pilzhyphen fanden sich 
wenig um die Wurzelhaare, sie entwickeln sich aber auch außerhalb 
der engeren Mais-Rhizosphäre ; bei Trichoderma begegnet man z. B. 
typischen, auf den Objektträgern aufgeklebten Konidienträgem. 

Die nach Razumov hergestellten Präparate und insbesondere die 
auf der Kieselsäuregallerte mit Ca-Lactat gelegten kleinen Wurzeln 
zeigen indessen, daß sich Azotobacier unter diesen, für sein Wachstum 
günstigen selektiven Bedingungen, entwickelt, wenn auch in allen 
Fällen nicht gleich intensiv. Die verschiedene Entwicklung unter diesen 
Bedingungen kann uns teilweise als Maßstab dienen, wieweit die ver- 
schiedenen Mikroorganismen die Azo0ba>cter-Zeüen aus der Mais- 
Rhizosphäre verdrängen können. So entwickeln sich z. B. auf der 
dünnen Agarschicht (Präparate nach Razumov) nach Einbringen einer 
Reinkultur von Azotobacter bzw. einer Mischkultur von diesem mit 
Celluloaezeraetzem mehr Mikrokolonien des Stickstoffbinders, als in 
Kombination mit Pilzen oder mit Mikroorganismen aus der Boden - 
aufschwemmung. In Mannitpräparaten aus den Gefäßen, in die Azoto- 
bacter zusammen mit Bact. fluorescens eingebracht wurde, kam Azoto- 
bacter gar nicht zur Entwicklung. Auf der Kieselsäuregallerte ent- 
wickelte sich der Stickstoffbinder gut um die Wurzeln herum, sogar 
auch dann, wenn die Würzelchen vorher mit sterilem Wasser abgespült 
waren. Doch war der weiße, später braune, schleimige t^berzug im 
Falle Azotobacter + Bodenaufschwemmung wenig dick. Auch nach 
dieser Methode konnte man feststellen, daß Azotobacter besonders durch 
Bact. fluorescens aus der Mais-Rhizosphäre verdrängt, wird, da sich 
dieser auf den meisten Platten mit Kieselsäuregallerte nicht mehr um 
die Wurzeln entwickelte. 

Dieser unter sterilen Bedingungen ausgeführte Versuch bestätigt 
also, was das Vorkommen von Azotobacter auf der Wurzeloberfläche 
betrifft, im allgemeinen die Befunde des ersten Versuchs. Er zeigt 
außerdem, daß sich andere Bodenmikroorganismen auf der Wurzel - 
Oberfläche leicht ansiedeln und den Stickstoffbinder aus der engeren 
Rhizosphäre verdrängen können. Am deutlichsten kommt das bei 
Bact. fluorescens liquefaciens, weniger bei den Pilzen vor, während die 
aeroben Cellulosezersetzer nicht verdrängend zu wirken scheinen (sichere 
Schlußfolgerungen sind jedoch nicht gestattet, da mit einer Anhäuf ungs- 
kultur von Cytophaga gearbeitet wurde). Daß Azotobacter dennoch in 
der weiteren Rhizosphäre bleibt, beweist sein Wachstum um die Wurzeln 
auf der Kieselsäuregallerte mit Ca-Lactat und auf der dünnen Mannit- 
Agarsohicht. Jedenfalls besteht zwischen Azo0bacter und den Mais- 



Khizosphäre und Bodenimpfung mit Azotobacter. 


171 


wurzeln keine so enge Berührung, wie dies für andere Bodenmikro- 
organismen festgestellt werden konnte. 

Die Prüfung dieser Konkurrenzverhältnisse in der Khizosphäre 
der Ackerbohne ergab — unter sonst gleichen Versuchsbedingungen — 
ein ähnliches Bild. 

Doch wurde in der Ackerbohne-Rhizosphäre im allgemeinen eine 
üppigere Vermehrung festgestellt. Azotobcicter, in Reinkultur geimpft, 
fanden wir nach 18 Tagen nicht nur um die Wurzeln auf der Gallerte 
und auf dem Mannit-Agar, sondern, wenn auch selten, auf den im Sand 
eingegrabenen Objektträgern; hier treten einzelne Azotobacter-ZeWen 
neben den Wurzeln auf, wurden aber niemals den Wurzelhaaren auf- 
sitzend beobachtet. Auch in dem Falle, wo Azotobacter zusammen mit 
(^eJlulosezersetzem eingebracht wurde, findet man nach der Aufwuchs: 
plattenmethode einige Azotobacter -Kokken um die Wurzeln. In anderen 
Kombinationen konnte auf den Objektträgern Azotobacter nicht fest- 
gestellt werden. Demgegenüber war die Entwdcklimg der Pilzhyphen 
in der Khizosphäre der Ackerbohne reichlich und die kleinen Wützeichen 
oft stark mit Hyphen von Trichoderma verfilzt. Auf der Kieselsäure 
entwickelt sich jedoch der Stickstoffbinder nicht nur in Kombination 
mit Pilzen, sondern, weim auch weniger intensiv, auch mit Bact. flu- 
orescens, so daß auch dieses Bakterium nicht ganz Azotobacter aus der 
Ackerbohne-Rhizosphäre zu verdrängen imstande ist. 

Schon nach den mikroskopischen Bildern der auf den Objektträger 
auf geklebten Wurzeln können wir schließen, daß die Vermehrung von 
Azotobacter in der Khizosphäre der Ackerbohne intensiver vor sich geht 
als in der Khizosphäre des Mais. Dasselbe gilt auch für andere Mikro- 
organismen, wenn auch diese die Azotobacter-Kokken aus dem Wurzel - 
bereich nicht so stark verdrängen, wie dies für den Mais festgestellt 
werden konnte. Es ist höchst wahrscheinlich, daß man diese Erscheinung 
auf die intensivere Wurzelausscheidung der Ackerbohne zurückführen 
kann. Zahlreiche Literaturangaben beweisen, daß die Le^guminosen 
eine sehr üppige Mikroflora in ihrer Khizosphäre anreichem. 

IV. 

Um noch deutlicher auf synthetische Weise diese Verhältnisse in 
der Mais- und AcÄJcrftoÄwe- Khizosphäre zu demonstrieren, haben wir 
weiter die betreffenden Pflanzen steril auf den Nähragar kultiviert und 
die ausgewachsenen Keimlinge (bzw. auch die Samen) mit Azotobacter 
und anderen Mikroorganismen beimpft. 

Erlenmeyerkolben von 100 ccm Inhalt wurden mit 80 ccm des Nähr- 
bodens folgender Zusammensetzung gefüllt: CaHP 04 0 , 05 %; K,HP 04 
0 , 025 %; MgS04 0 , 025 %; KNO, 0 , 005 %; FeS04 0 , 005 %; 

0 , 0005 % ; gut gewässertes Agar 0 , 2 % ; pu 6,8. 



172 


A. Stare: 


Auf diese Weise wurde ein Substrat von halbfester Konsistenz hergestellt, 
das ein gutes Wachstum des Wurzelnetzes, ebenso wie auch die nötige 
Diffusion der Wurzelausschoidungen bzw. der Mikroorganismenzellen zuläßt. 

In den Hals der Erlenmeyerkolben wurde ein Reagensglas mit durch- 
bohrtem Boden mittels Watte befestigt und so weit eingeschoben, daß die 
Röhre eben in den Nährboden eintauchte. Das Reagensglas wurde mit dem 
Wattepfropfen geschlossen und das Ganze im Autoklaven sterilisiert. Dann 
wurde auf dem Boden des Reagensglases je ein sterilisiertes Korn von 
Mcm- bzw. Ackerhohne gelegt. In Berührung mit dem halbflüssigen Nähr- 
boden erfolgte bald die Keimimg und die Wurzeln der Keimlinge wachsen 
durch das Loch der Röhre in das darunter liegende Agar hinein. Die als 
steril befundenen jungen Keimlinge wurden alsdann durch das Reagensglas 



Abb. 2 a. 



Abb. 2b. 

Abb. 2. a) Äzotobaeter um die Wurzel von Afai«, in 0,2 %igem Agar kultiviert. Vergr. 250. 
b) Ebenso, Vergr. 55. Zeigt die Abnahme von Azotobacter in größerer Entfernung 
von der Wurzel. 

mit einigen Tropfen einer dichten Aufschwemmung von Azotobeteter in 
Reinkultur wie auch zusammen mit Betet, fluoreacena, cteroben CeUvloae- 
zeraetzem und Trichoderma viridia beimpft. 

Die Wurzeln wurden nach 10 bis 20 Tagen geprüft. Hier sei ein Beispiel 
aus dem Protokoll für den Maia erwähnt : 

1. Azotobacter chroococcum allein: 

a) Präparate nach der Aufwuchsplattenmethode : Gute Entwicklung von 
Azotobacter; ZeUen einzeln und in kleinen Anhäufimgen um die Wurzeln 
und zwischen den Wurzelhaaren; in größerer Entfernimg von der 
Wurzel abnehmend (Abb. 2a und 2b). 

b) Präparate nach Bazumov: Große Zahl von Mikrokolonien von Azoto- 
bacter um die Wurzeln henim. 

c) EjeselBäuregallerte : Sehr gut entwickelter Azotobaeter-tibevzug um 
die Wurzeln, 



Khizosphäre und Bodenimpfung mit Azotobacter. 


173 


2. Azotohckcter + Bact, fltuyrescena : 

a) Aufwuchsplattenmethode: Eine Menge von kleinen Stäbchen um die 
Wurzelhaare; Azo^öooter-Diplokokken nur in einzelnen Fällen fest- 
gestellt. 

>)) Präparate nach Raaumov: Zahlreiche Mikrokolonien von Baet. flu- 
oreacens, wenige von Azotobacter. 

q) Kieselsäuregallerte: Schwächer gewachsener schmutziger Belag \un 
die Wurzeln, bestehend aus Azotobacter und Bact. fluoreacena. 

d) Bouillon-Agar: Starke Fluoreszens; nur Bact. fluoreacena. 

3. Azotobacter Trichoderma viridia: 

a) Aufwuchsplattenmethode : Die Wurzelzone ist gut mit Pilzhyphen 

durchwachsen; Kokken sehr selten. 

b) Präparate nach Razumov: Neben Pilzmycel einige Azotcbctcter- 
Kolonien. 

c) Kieselsäuregallerte: Mäßig entwickelter schleimiger Überzug; Azoto- 
bacter, 

d) Würze-Agar: Nur der Pilz um die Wurzeln. 

4. Azotobacter -f- aerobe Celluloaezeraetzer : 

i\) Aufwuchsplattenmethode: Azotobacter wurde nicht gefunden; Pilz- 
hyphen, kleine Kokken und Kurzstätchen. 

I)) Präparate nach Razumov: Pilzhyphen; nur einige Mikrokolonien von 
Azotobacter. 

c) Kieselsäuregallerte : Schwach entwickelter Belag um die W%irzeln 
herum. Azotobacter vermengt mit anderen Mikroorganismen. 

Eh folgt daraus, daß sich unter den angeführten Versuch ßbedin- 
gungen Azotobacter doch im engeren Bereich der Wurzeln entwickelte. 
Makroskopisch läßt sich nur feststellen, daß das Agar um die Wurzeln 
etwas trüb wird; weiter entfernt von den Wurzeln findet im Agar kein 
Wachstum der Mikroorganismen statt. In diesem Zusammenhang ist 
die Feststellung von Bedeutung, daß andere Bodenmikroorganismen 
auch unter den vorliegenden Ve^suchsverhältnissen Azotobacter im 
höchsten Maße aus der Afaw- Rhizosphäre verdrängen können. Auch 
die Cellulosezersetzer sind diesbezüglich den anderen Mikrooiganismen 
gleichzustellen ; dies darf man wahrscheinlich der stärkeren Entwicklung 
von Pilzen aus der Anhäufungskultur zuschreiben. 

Bei der Ackerbohne liegen die Verhältnisse ähnlich. Wie im Sand 
wurde auch im Agar ein stärkeres Wachstum der Mikroorganismen 
festgestellt als in der Rhizosphäre des Mais. Dies folgt schon aus dem 
makroskopischen Aussehen der Kulturen, die ein charakteristisches 
Bild ergaben : das Agar um die Wurzeln ist trüb und in der oberfläch- 
lichen Agarschicht entwickelt sich Azotobacter in Form eines leicht 
sichtbaren Belages. Azotobacter konnte in großer Zahl zwischen den 
kurzen, gut färbbaren Wurzelhaaren festgestellt werden. Auch in 
Razumovpräparaten und auf der Kieselsäuregallerte ist die Entwicklung 
um die Wurzeln gut. 

Archiv für Mlkrobiolofpe. Bd. 13 


12 



174 


A. Stare: 


Die Vermehrung von Bact. fluorescens um die Wurzeln ist bei der 
Ackerbohne sehr intensiv, so daß die Wurzeloberfläche eine schleimige 
Beschaffenheit besitzt; aber auch das Wachstum von Azoiohacter läßt 
sich bei gemeinsamem Einbringen mit Bact, fluorescens leicht, sowohl 
mit den direkten als auch mit den indirekten Methoden, feststellen. In 
diesem Falle ist die Entwicklung des Stickstoff binders jedenfalls 
weniger gehemmt als im analogen Fall bei dem Mais. Für die Kom- 
bination von Azotobacter mit Oellulosezersetzem gilt für die Ackerbohne 
das gleiche wie für den Mais. Azotobacter war weiter auch durch 
Trickoderma weitgehend gehemmt. Der Pilz entwickelt sich gut, 
insbesondere auf der Agaroberfläche und sogar auf den Keimlingen, 
so daß das normale Anwachsen der jungen Pflanzen in den meisten 
Fällen verhindert war. 

Es ist offensichtlich, daß die Wurzelausscheidung der Ackerbohne 
unter solchen Versuchsbedingungen sehr stark ist, worauf man u. a. 
auch aus dem Wachstum der Mikroorganismen in oberflächlicher Agar- 
schicht schließen kann. 

Wenn man endlich diese Ergebnisse mit jenen vergleicht, die in 
der Synthese von Wurzeln mit Mikroorganismen im Sand erzielt wurden, 
so sieht man, daß nach diesem Verfahren die Entwicklung von Azoto- 
bacter in Reinkultur auch in der unmittelbaren Rhizosphäre des Mais 
und nicht nur der Ackerbohne festgestellt werden kann. Aber auch hier 
war das Wachstum der anderen nicht Stickstoff bindenden Mikro- 
organismen intensiver, so daß sie imstande sind, Azotobacter zu ver- 
drängen. 

V. 

Bei der Besprechung dieser Ergebnisse können wir zunächst an- 
führen, daß man gegen den angestellten Glefäßversuch einwenden 
könnte, daß er nicht den natürlichen Verhältnissen der Entwicklung 
von Azotobacter im Boden bzw. in der Rhizosphäre entspricht und 
außerdem, daß die Versuchsdauer zu kurz war. 

Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß die Verhältnisse in Mitscherlich- 
gefäßen denen in der Natur nicht gleichen. Wir konnten aber fest- 
stellen, daß sich Azotobacter im Sande doch vermehrt, besonders unter 
Zusatz von geeignetem Energienlaterial. Außerdem zeigte der Versuch 
mit Beimischen von anderen Mikroorganismen, daß sie eher hemmend 
als fördernd auf die Entwicklung von Azotoöocter in der engeren Rhizo- 
sphäre wirkten. 

Was die Kürze der Versuchsdauer betrifft, so muß man hier berück- 
sichtigen, daß nach vielen Literaturangaben die Ausscheidung von 
Wurzelexkreten in der Periode des starken Vegetativwaohstums am 
intensivsten ist, einer Zeit, in der auch die Zahl der Rhizosphäre-Mikro- 



Rhizosph&re und Bodenimpfung mit Azotobacter. 175 

Organismen die größte ist. Nach N, Krasilnikov, A. Kris und M. Lit- 
vinov (12) findet z. B. schon sehr früh ein Maximum in der Zahl der 
Mikroorganismen in der Mais-Rhizosphäre statt, was mit der starken 
Wurzeltätigkeit zusammenhängt. Am Anfang des Versuchs entwickelten 
sich die Maispflanzen gut und erst in den letzten 10 Tagen machten sich 
die N-Mangelmerkmale bemerkbar. Angesichts der Möglichkeit, daß 
Azotobacter erst mittelbar die Wurzelausscheidungen und abgestorbene 
Wurzelteile ausnutzt, könnte man annehmen, daß sich dieser Stickstoff <• 
binder erst in dieser letzten Periode stärker entwickelte, nachdem das 
Wurzelsystem des Mais wegen des N-Mangels und schwächerer Assimila- 
tion zum Absterben von einzelnen Teilen neigte; den von Azotobacter 
fixierten Stickstoff konnten aber die Pflanzen nicht mehr ausnutzen. 
Auf diese Weise kann man eventuell den im Sande von geimpften 
Gefäßen gebliebenen Stickstoff erklären. Es konnte dabei die Möglich- 
keit eine Rolle spielen, daß zu Beginn des Versuchs die N-Bindungs- 
fähigkeit von Azotobacter wegen des zugesetzten gebundenen Stickstoffs 
(KNO3) geschwächt wurde, und erst später, nachdem der Nitrat-N 
durch die Wurzeln absorbiert war, sich entfalten konnte. Gegen diese 
Annahme spricht allerdings, daß dieser Azotobacter im Gefäß 
mit Mannit in Gegenwart von KNO3 gut Luftstickstoff bindet; doch 
liegen die Verhältnisse hier verschieden, weil im Mannit eine reichliche 
C- Quelle vorhanden ist. Obwohl also wahrscheinlicher ist, daß Azo- 
tobacter erst in den letzten Versuchstagen den Luftstickstoff stärker 
zu binden begann, ist kaum anzunehmen, daß sich die Pflanzen bei 
einer Versuchs Verlängerung wieder erholen konnten. 

Die Ergebnisse dieses Versuchs stehen im Gegensatz zu den ähnlich 
ausgeführten Versuchen der Autoren, die beim Mais mit Azotobacter- 
Impfung gute Ergebnisse erzielten. In der schon erwähnten Arbeit von 
G. Truffaut und N. Bezssonoff konnten die Autoren im Substrat ohne 
Stickstoff (der Sand enthielt jedoch 105 mg N auf 1 kg) große N- Gewinne 
am Ende des Versuchs feststellen; so z. B. in einem Falle 585,0 mg N 
auf 40,2 g Trockensubstanz, d. h. 14,5 mg N auf 1 g. Doch fanden sie 
in einem anderen Falle nur einen geringen Gewinn von 3,65 mg N auf 
4,1 g Maissubstanz und auch die N-Bilanz in den Kontrollen war großen 
Schwankungen unterworfen, was die Autoren auf die Infektion zurück- 
führen möchten. Da mit einer Mischung von Stickstoff bindern geimpft 
wurde, ist das Bild der Tätigkeit w^eniger klar. Jedenfalls 

muß man annehmen, daß der Mais große Mengen von Wurzelexkreten 
ausgeschieden hat. Unter der Voraussetzung, daß sie nach ihrem ener- 
getischen Wert dem Mannit oder der Glucose entsprechen, wäre auf I g 
Trockensubstanz etwa 1 g von Wurzelexkreten ausgeschieden . Über 
die Menge und Zusammensetzung der Wurzel ausscheidunger* haben 
wir bis jetzt keine genauere Vorstellung ; außerdem sind solche Unter- 

12 * 



176 


A. Stare: 


Buchungen hauptsächlich mit Wasserkulturen ausgefühit. T. Lyon und 
J. Wilson (lö) fanden, daß die Menge der Wurzel ausscheidungen nicht 
mehr als 1/37 bis 1/35 der organischen Pflanzensubstanz beträgt. Selbst 
wenn wir noch viel größere Mengen annehmen, so s.nd doch noch immer 
die Zahlen von 0. Truffaut und N. Bezssonoff über den gebundenen 
Luftstickstoff auf Kosten von Würze! ausscheidungen kaum wahr- 
scheinlich, sogar noch dann, wenn man einen Teil der C- Quelle den 
abgestorbenen Wurzel haaren, abgelösten Epidermiszelien usw. zu- 
schreiben wollte. Wie auch E. Starkey (24) anfuhrt, ist es nicht wahr- 
scheinlich, daß unter diesen Bedingungen die Stickstoff binder den großen 
Bedarf der Nichtleguminosen an N decken können. Übrigens haben 
dieselben Autoren (31) später weniger befriedigende Ergebnisse mit 
Mais erhalten. 

Von anderen Versuchen seien hier insbesondere die von A . Selcmmova 
erwähnt, da sie die Grundlage für die seit 1936 große Produktion des 
Präparats ,,Azotogen“ (Reinkultur von Az. chroococcum im Torf) in 
Rußland gaben. In Vegetations versuchen mit N-aimem Boden (Sand- 
podsol) haben A. Sdoumova und 0. Protod jakonov (25) für Mais und 
Tabak einen N- Gewinn in mit Azotobacter beimpften Gefäßen fest- 
gestellt, während die un bepflanzten Gefäße merkliche Verluste zeigten ; 
es wurde daraus gefolgert, daß die Stickstoff bindung von Azotobakter 
nur in Verbindung mit Wurzelausscheidungen der Pflanzen zur Geltung 
kommt. Bei der Fortsetzung der Versuche (26) konnte man dann fest- 
stellen, daß sich Azotobacter in bezug auf die N-Bilanz verschieden 
verhält, und zwar nicht nur als Binder des elementaren Luftstickstoffs, 
sondern auch als Zersetzer des gebundenen Stickstoffs. In einer neulich 
erschienenen Arbeit (24) bringt die Autorin die Ergebnisse der Gefäß- 
versuche im Sand unter sterilen Bedingungen, die ebenfalls die gute 
Wirkung des ,,Azotogens“ zeigen sollen. So wurde für il/ais ein N- Gewinn 
von 40 mg in mit Azotobaoter geimpften Gefäßen festgestellt, der (schon 
nach 20 Tagen) ganz von den Pflanzen aufgenommen war. Die Versuchs- 
reihe mit 62 mg NO3/N zeigte, im Vergleich mit der Kontrolle, eine 
Ertragssteigerung von 4,45 ; 3,55 g Trockensubstanz und einen N-Gewimi 
von 41,9; 1,5 mg (zwei Parallelen). Größere N-Gaben (175 mg NO3/N) 
wirkten hemmend auf die Luftstickstoff bindung ; doch wurde hier in 
den geimpften Gefäßen ein kleinerer Ertrag als in der Kontrolle erzielt 
(3,25 : 4,0 g). Es ist weiter schwer zu erklären, daß kleinere Mais- 
erträge mit größeren N-Gaben erzielt wurden, als mit kleineren Mengen 
aber in Kombination mit Az. chroococcum. 

In unseren Versuchen haben wir ebenfalls einen N- Gewinn im 
Sand gefunden, der aber viel geringer war und sich nicht im Pflanzen- 
ertrag äußerte. Nach A. Seloumova (24) kann man die Mißerfolge vieler 



Rhizosphäre und Bodenimpfung mit Azotobacter. 


177 


Autoren bei derartigen Versuchen hauptsächlich dadurch erklären, daß 
sie nicht die hemmende Wirkung des vorhandenen oder zugesetzten N, 
wie auch die Verschiedenheit der Azotobacter^St&mme berücksichtigten. 
Diese Einwände treffen aber auf unsere Versuchsbedingungen nicht zu. 
Es wurde nur 0,2 g KNOg (auf 7 kg Sand) zugesetzt, bei welcher Gabe 
(und zwar auf 2,8 kg Sand) A. Sdoumova eine günstige Wirkung fand; 
der verwendete Azoiofeacter- Stamm band bei Gegenwart von Mannit 
gut Luftstickstoff. 

Andererseits konnten schon vor vier Jahrzehnten Gerlach und 
Vogel (3) in Gefäßversuchen mit natürlichen Böden keine günstige Wir- 
kung der Azotohacter-lnvpfnng auf den Ertrag von Hafer^ Senf und 
Möhren finden, was sie auf die allgemeine Verbreitung der Stickstoff - 
binder in den Böden zurückführen. Es ist offensichtlich, daß man in 
Versuchen mit natürlichen Böden sehr verschiedene Ergebnisse erzielen 
kann, was nicht nur von dem Vorkommen von Azotolxicter in bezüg- 
lichen Böden abhängt, sondern auch von vielen anderen Faktoren, 
von der Menge und Form des gebundenen Stickstoffs \ind nicht 
weniger von der Pflanzenart. 

ln bezug auf die so verschiedenen Ergebnisse ist es wichtig, daß 
man zunächst das Vorkommen von Azotobakter in der Rhizosphäre 
näher untersucht. In der Literatur finden wir über diese Frage nur 
wenige Angaben, wobei man die auseinandergehenden Ergebnisse 
einzelner Autoren teilweise auf die angewandten Methoden, teilweise 
auf die Auffassung des Begriffs von Rhizosphäre und Bakteriorhiza 
zurückführen kann. N . Krasilnikov (IQ) fand, daß sich Azotobacter in 
Wasserkultureri in der Rhizosphäre anfangs gut entwickelt, später 

aber verschwindet ; mit der Verlangsamung der Entw icklung nimmt 
gleichzeitig auch die Größe der Zellen ab. Wie R. Starkey (28) anführt, 
ist Azotof)acter noch in keinem Falle in so großer Zahl in der Rhizosphäre 
gefunden, daß man daraus auf eine größere Bedeutung des Stickstoff- 
binders für das Wachstum der höheren Pflanzen schließen könnte: er 
selbst fand nach Cholodny i^cher Methode sehr selten die Azotobacter- 
Zellen um die Wurzelhaare. Auch bei meinen im Sand durchgeführten 
Versuchen konnten nach der Aufw'uchsplattenmethode auf den Wurzeln 
des Mais keine und im engeren Wurzelbereich der Ackerbohne, nur ver- 
einzelt Azotobacter festgestellt werden. In Versuchen mit Agar 
wurde zwar eine gute V^ermehrung von Azotobacter auch in der Mais- 
Rhizosphäre beobachtet, doch hat diese Möglichkeit mehr eine theore- 
tische Bedeutung, da die Verhältnisse hier weitgehend unnatürliche 
waren. A-us den Angaben von H. Poschenrieder (19) können wir ebenfalls 
schließen, daß dieses ,, gewöhnliches, allgemein verbreitetes Wurzel - 
bakteriura“ doch öfter in der weiteren als in der engeren Rhizosphäre, 



178 


A. Stare: 


d. h. an den Wurzeln vorkommt. Das stimmt übrigens auch mit dem 
vorbespiochenen Nachweis von Azotohacter in der Bhizosphäre auf 
indirektem Wege (Präparate nach Rammov, Kieselsäuregallerte) über- 
ein. Die Ergebnisse von R. Starhey (27) über die Zahl der Stickstoff- 
binder und von 0. Oräf (4) über die Stickstoffbindung in der Rhizo- 
sphäre verschiedener Pflanzen zeigen weiter, daß gegenüber dem be- 
nachbarten Boden keine wesentlichen Unterschiede bestehen. 

Diese Literaturangaben stehen also im Einklang mit unserem 
Befunde, wonach Äzotobacter in der jlfats-Rhizosphäre vorkommt, an 
der Oberfläche «der Wurzelhaare aber nicht nachweisbar ist. Er über- 
läßt diesen Platz anderen Mikroorganismen. Es folgt übrigens aus den 
Untersuchungen von russischen Autoren [.^. Krasilnikov (11) ; A Ryhal- 
kirya (23)], daß mit bakterisierten Samen im Boden eingeführter Azoto- 
bacter schon nach 10 bis 15 Tagen aus der Rhizosphäre der Kultur- 
pflanzen vollkonnnen verschwindet (Gefäß- und Feldversuche) 

Im Einklang mit vielen Literaturangaben über das häufige Vor- 
kommen von Bakterien aus der Bact. fluorescens-Gtuy^e (schon seit 
L. Hiltner und Störmer (7)] auf den Wurzeln, ergibt sich aus unserem 
Versuch, daß Bact. fluorescens die Wurzelhaare überdeckt (Präparate 
nach Oholodny) und Äzotobacter aus der engeren Rhizosphäre im höchsten 
Maße verdrängt (Platten mit Ca-Lactat). Nach N. Krasilnikov, A. Kris 
und M. lAtvinov (12) überwiegen in der Rhizosphäre von Kultur- 
pflanzen weit nichtsporenbildende Bakterien, unter welchen die Flu- 
oreszenten gut vertreten sind. Weiter hat H. Poschenrieder (19) fest- 
gestellt, daß am Ende der Vegetationsperiode, nachdem der Äzotobacter 
aus der engeren Rhizosphäre verdrängt ist, in dieser die Bact. flnorescens- 
Gruppe erscheint. Es ist weiter interessant, daß B. radiobacter — ein 
anderer gewöhnlicher Begleiter von Äzotobacter in Rohkulturen — in 
der Rhizosphäre bzw. auf der Wurzeloberfläche in sehr hoher Zahl 
gefunden wurde (u. a. auch E. Starkey (27); G. Qräf (4)]. Die vorliegenden 
Versuche mit anderen im Boden oft vorkommenden Mikroorganismen 
zeigten ebenfalls, daß diese sich viel leichter um die Wurzelhaare an- 
siedeln können als Äzotobacter. Auch bei der Acherbohne,, wo die Ent- 
wicklung aller Mikroorganismen in Versuchen mit Sand und Agar im 
allgemeinen stärker war, sind diese Mikroorganismen imstande, Azoto- 
bacter weitgehend aus der Wurzeloberfläche zu verdrängen. 

Diese Feststellungen, auch gestützt auf Literaturangaben, köimen 
uns die Rolle von Äzotobacter im Wurzelbereich der Pflanzen teilweise 
erklären. Man kai^n annehmen, daß diese Mikroorganismen der Bakterio- 
rhiza auf direktem Wege die Wurzelausscheidungen als Nahrung aus- 
nutzen, während Äzotobacter erst mittelbar, vielleicht durch diese 
Bakterien, über diese Energiequelle verfügt. Warum sich bei Azoto- 
bacter nicht eine so enge Berührung mit den Wurzelhaaren wie bei 



Khizosj^are und Bodenimpfung mit Azotobacter. 


179 


anderen Mikroorganismen verwirklicht, ist schwer zu beantworten. 
Es ist dabei nicht ausgeschlossen, daß die Wurzelausscheidungen 
lösliche N-Verbindungen enthalten, die das unmittelbare Wachstum 
von Azotobacter verhindern, nicht aber das von anderen konkur- 
rierenden Mikroorganismen. Den Einfluß der Reaktion können wir 
hier nicht abmessen; nach C.Thom und H . Humfeld (29) zeigt das 
Wurzelsystem von Mais in Böden verschiedener Reaktion eine aus- 
gesprochene Tendenz, die Reaktion im neutralen Bereich (pu 6,0 bis 7,5) 
zu halten, so daß die Reaktion eher fördernd als hemmend wirken 
dürfte. Es wäre jedenfalls von Interesse, die Beteiligung und Bedeutung 
von Azotobacter in diesen Auseinandersetzungen zwischen den Pflanzen 
und Mikroorganismen genauer zu untersuchen. 

Das Problem der Energiequelle für Azotobacter im Boden bleibt 
noch immer ungelöst. Aus diesen Betrachtungen geht hervor, daß die 
Ernährung mit Ausscheidungen der lebenden Wurzelteile auf indirektem 
Wege viel wahrscheinlicher als auf direktem Wege ist. Daß sich Azoto- 
bacter mit Zwischenprodukten des Kohlenhydratabbaues ernähren kann, 
folgt u. a. auch aus den Untersuchuitgen von S. Winogradsky (32), der 
auf Grund dieser Tatsache die Ernährungsweise des Stickstoffbinders 
in natürlichen Verhältnissen im Boden zu erklären versuchte. Nach 
(). Loew (14) soll sich Azotobacter in humusaimen Böden hauptsächlich 
auf Kosten von absteibenden Wurzelhaaren einähren. N . Krasilnikov . 
A. Kris und M. Litmnov (12), die in der Rhizosphäre (auch von Mais) 
eine beträchtliche Zahl von aeroben Cellvlosezersetzem in der Periode 
des intensiven Vegetativwachstums fanden, meinen, daß sich die Mikro- 
organismen auch im Wurzel bereich der lebenden Pflanzen mehr auf 
Kosten von Abbauprcdukten der abgestorbenen Wurzelteile entwickeln 
als von Wurzelausscheidungen. In diesem Falle könnte Azotobacter nur 
sekundär die pflanzlichen Nährstoffe auswerten, nämlich die Zer- 
setzungsprodukte der Cellulose. Im Rahmen dieser Versuche sei auf 
die interessante Tatsache hingewiesen, daß man bei dem gemeinsamen 
Einbringen von Azotobacter und aeroben Gellulosezersetzem das Vor- 
kommen des ersten auch nach der AufwuchspJattenmethcde feststjllen 
kann. Auf irgendeine Förderung des Azo^oftoc^er-Wachstums durch 
Ausnutzung der durch Cellulosezersetzer angegriffenen abgestorbenen 
Wurzelhaare kann nur vorsichtig geschlossen werden, da die Lösung 
dieser Frage nur durch genauere Untersuchungen möglich ist. 

Wir sehen also, daß manche Gründe dafür sprechen, daß Azoto- 
fxicter die Produkte der lebenden bzw. abgestorbenen Wurzelteile erst 
vermittelst anderer, an die Lebensbedingungen der Rhizosphäre besser 
angepäßten, Mikroorganismen ausnutzt. 

Das Vorkommen von Azotobaoter in der Rhizosphäre bietet also 
noch viele offene Probleme. Was aber die Frage der Bodenimpfung 



180 


A. Stare: 


mit AzotobacUr betrifft, so ist das direkte Einbringen dieses Luftstick- 
stoffbinders offenbar von geringerem Wert als die Schaffung von 
günstigen Bedingungen für die Entwicklung der im Boden schon vor- 
handenen Azotob(iCter-lA.e\me. 

Zusammenlassimg. 

Im Sandversuch mit Mais war der Ertrag der Pflanzen in den mit 
Azotobacier chroococcum beimpften Gefäßen gleich dem Ertrag in der 
Kontrolle. Doch konnte man in beimpften Gefäßen am Ende des 
Versuchs (nach 40 Tagen) einen geringen N- Gewinn im Sand feststellen. 

In geimpften Gefäßen wurde eine Vermehrung der Azotohacter- 
Zellen im Sande wie auch um die Wurzeln herum im geeigneten Substrat 
festgestellt. Die mikroskopische Untersuchung der eingegrabenen 
Objektträger zeigte jedoch, daß Azotobacier nicht auf den Wurzelhaaren 
erscheint. 

Durch gesondert angefitellte Versuche im Sand konnte man für 
Mais und Ackerbohne zeigen, daß sich andere Bakterien und Pilze, 
insbesondere Bact. fluorescens liquefaciens schnell auf den Wurzel haaren 
ansiedeln und Azotobacier aus der engeren Rhizosphäre weitgehend 
verdrängen. 

In Versuchen mit Agar fand sich Azotobacier jedoch unmittelbar 
um die Wurzeln herum, aber auch hier konnte eine gewisse Hemmung 
durch andere Bodenmikroorganismen beobachtet werden. 

Es ist wahrscheinlich, daß dieser Stickstoff binder die Produkte 
der lebenden und abgestorbenen Wurzelteile erst vermittelst anderer 
Mikroorganismen der Rhizosphäre ausnutzt. 

Zum Schluß möchte ich Herrn Prof. A. Rippel, der mir die Anregung 
für die vorliegende Arbeit gab und deren Ausführung in seinem Institut 
ermöglichte, meinen besten Dank aussprechen. 


Literatur. 

1) H. Amlong, Deutsch. Landw. Preise 46, 387, 1941. — 2) A. Oauda^ 
Nuovo Giorn. Bot. Ital. 26, 169, 1919 (zitiert nach B. Starkey ^ Soil Sei. 82, 
367, 1931, Angabe auf S. 3 -46). — 3) M, Oerlach u. J. Vogels Centralbl. 
f. Bakt. II, 9, 881, 1902. - 4) O, Qräf, ebenda II, 82, 44, 1930. - 
5) L, HiUner, Arb. d. Deutsch. Landw. Ges. 98, 59, 1904. — 6) Der- 
sdbe^ Mitt. d. Deutsch. Landw. Ges. 14, 1915. 7) L. HÜtner u. 

K, Störmer, Arb. d. biol. Abt. d. Gesundheitsamtes 8, 445, 1926. — 8) A. HwZ- 
poi, diese Zeitschr. 7, 79, 1936. — 9)8. KosUcev, A.Seloumova u. O. StUjgina^ 
Trudy Inst. s. h. mikrobiol. 1, 5, 1926 (nach N. Kraaünikov, 12). — 

10) N . Kraaünikov, Mikrobiologija 8, 343, 1934. — 11) Derselbe, ebenda 



KhizoBphäre und Bodenimpfling mit Azotobacter. 


181 


8, 5, 523, 1939. - 12) N. Kraaünikov, A, Kris u. M. Lümnov, ebenda 

6, 270, 1936. — 13) i^. Löhnia, Soil Sei. 22, 263, 1926. — 14)0. Loew, Central- 

blatt f. Bakt. II, 70, 36, 1927. - 15) T. Lyon u. J. Wilaon, N. Y. (Cornell) 
Agr. Exp. Sta. Mem. 40, 1921. — 16) O. Naundorf, Deutsch. Landw. Presse 
47, 427, 1940. — 17) O. Petrenko, Zap. Inst. zern. hoz. necernoz. pol. 1940 
(Ref. Mikrobiologija 10, 364, 1941). — 18) H. Poachenrieder, Centralbl. f. 
Bakt. II, 79, 222, 1929. - 19) Deraelbe, ebenda II, 80, 369, 1930. -- 

20) A. Razumov, Mikrobiologija 2, 346, 1933. ~ 21) A. Äippei, diese Zeitschr. 

7, 210, 1936. - 22) A. Rippelii. R. Meyer, Zeitschr. f. Bodenkde. u. Pflanzen - 
ernähr. A. 27, 257, 1933. — 23) A. Rybalkina, Mikrobiologija 10, 540, 1941 
(Ref.). — 24) A. Seloumova, Mikrobiologija 10, 33, 1941. — 25) A. Selou- 
mova u. O. Protodjakonov, Trudy Inst. s. h. mikrobiol. 4, 41, 1930 (Ref. 
Centralbl. f. Bakt. 11, 91, 306, 1934/35). — 26) A. Seloumova, E. Zaicet>a u. 
V. Faerman-Nüov, Trudy Inst. s. h. mikrobiol. 5, 131, 1933 (Ref. Centralbl. 
f. Bakt. II, 91, 306, 1934/35). - 27) R. Starkey, Soil Sei. 27, 319, 355, 1929. 
— 2S) Deraelbe, ebenda 45, 207, 1938. — 29) C. Thom u. ü. Humfeld, Soil 
Sei. B4, 29, 1932. ~ 30) Ö'. Truffautu. N. Bezaaonoff, C. r. Soe, Biol. 91, 1077, 
1934. - 31) Dieselben, C. r. Acad. Science 182, 663, 1926. — 32) S. Wino- 
gradaky, Ann. Inst. Pasteur 4S, 89, 1932. 



(Aus dem Institut für physiologische Botanik der Universität Upsala.) 


über das Vorkommen von geographischen Rassen 
bei Crncibninm vulgare Tul. 

Von 

Nils Fries. 

Mit 3 Textabbildungen. 

(Eingegcmgen am 2. N<n>ember 1942.) 

In einer vor einigen Jahren durchgeführten Untersuchung über den 
zur Familie Nidulariaceae gehörenden Gasteromyceten Cyathus atriatus 
Pers. wies ich nach (Fries, 1940), daß die der multipolaren Sexualität 
zugrunde liegenden Gene bei diesem Pilz in sehr wenigen multiplen 
Allelen auftreten. In der Diskussion des Untersuchungsergebnisses 
wurde u. a. auf die Möglichkeit hingewiesen, daß dieser Pilz infolge seiner 
aller Wahrscheinlichkeit nach zoochoren Verbreitungsweise Lokal > 
rassen — im eigentlichen Sinne ,, geographische Rassen“ — bilden 
könnte, von denen jede ihre bestimmte Allelenkombination der eben- 
genannten Gene besäße. Die Zahl der analysierten Fruchtkörper war 
jedoch damals viel zu gering, um überhaupt vermuten zu können, wie 
sich der Pilz wirklich in genannter Hinsicht verhielt. Nur eine gründliche 
Inventarisierung des Fruchtkörpermaterials innerhalb zweier (oder 
mehrerer) ziemlich begrenzter, doch weit voneinander getrennter 
(Jebiete konnte hier etwas Klarheit schaffen. 

Für eine derartige Untersuchung war indessen Cyathus atriatus 
auf Grund seiner relativen Seltenheit offenbar ungeeignet. Doch hatte 
ich bereits früh gefunden, daß der systematisch sehr nahestehende 
Crucibulum vulgare sich hinsichtlich der multipolaren Sexualität auf 
die gleiche Weise wie Gyalhua atriatus zu verhalten schien. Da Cruci- 
bulum vulgare die am häufigsten vorkommende aller Nidulariaceen sein 
dürfte, beschloß ich statt dessen diesen Pilz zum Gegenstand einer 
Untersuchung genannter Art zu machen. 

Infolge verschiedener Umstände zog sich diese im Jahre 1936 
begonnene Arbeit über lange Zeit hin. Es zeigte sich u. a., daß gewisse 
Rassen von Crucibulum vulgare sehr schlecht in Kultur wachsen und 
darum viel Zeit und beträchtliche Geduld bei dem Mikroskopieren er- 
fordern. Obwohl sich die hier veröffentlichten Ergebnisse auf die 
Analysen von nur 15 Fruchtköipem gründen und im Hinblick auf das 
für die Untersuchung aufgestellte Ziel als präliminär anzusehen sind, 
dürften sie gleichwohl mancherlei an Interesse bieten. 



183 


Vorkommen von geographischen Kassen. 

Material und Methodik. 

Die beiden Gebiete, in denen das Fruchtkörpei material der vorliegenden 
Untersuchung eingesammelt wurde, liegen im südlichen Schweden mit 
einem gegenseitigen Abstand von ungefähr 380 km (Abb. 1) und stimmen 



der Lage und Größe nach in der Hauptsache mit den beiden Gebieten 
überein, die früher bezüglich der geographischen Rassen bei Folyporus 
afnetinus (Fries imd Jonasson, 1941) inventarisiert wurden. Das eine Gebiet 
liegt also unmittelbar südlich der Stadt Upsala, Provinz Upplar.d, und 
imifaßt eine Fläche von etwa 50 qkm (Abb. 2). Schon im Herbst 1936 be- 
gann ich Fruchtkörper von Crucibulum imlgare in diesem Gebiet zu analy- 
sieren. Das zweite Untersuchungsgebiet liegt südlich der Stadt Uddevalla, 
Provinz Bohuslän, an der schwedischen Westküste und nimmt eine Fläche 
von ungefähr 30 qkm ein (Abb. 3). Fruchtkörper aus diesem Gebiet wurden 
während der Jahre 1941/42 untersucht. 




184 


N. Fries: 



Abi». 2. I)i<* b'uii(lort<^ <lor «ntersuohton Fruclitkönn‘r im östlirlion I'i)t6r8uchui)ehgebi(‘t 
(bei Upsala). Ein einfacher Kreis bezeichnet, UaU vom «-FnktoriUe Allelen Cjag, ein doppelU'r 
bezeichnet, daß 0203 nachgewiesen wurden. Die Iadexbez(‘lohiiungen der beiiii 6-Fakt«ir 
festgestellten Allelen werden durch die Ziffern fn den Kreisen angegeben. 



Abb. 3. Die Fundorte der untersuchten Fruchtkörper iin westlichen Untersuehungsgebiet 
(bei Uddevalla). Erklfining wie bei Abb. 2. 

Örtlichkeit und Zeit für das Einsammeln der verschiedenen Fnioht- 
körper gehen aus Tabelle T hervor. 









Vorkommen von geographischen Rassen. 


186 


Bezüglich der Untersuchungbrnethodik sowie der im folgenden an- 
gewandten Bezeichnungsweise für Fruchtköiper, Einspoimycelien usw. sei 
auf meine frühere Arbeit über Cyaihua atriaVua verwiesen. 


Tabelle 1. Zusammenstellung der Fundorte der analysierten 
Fruchtkörper von Crucibulum vulgare. 







186 


N. Fries : 


Sporen von Fruchtkörpem erhalten, die während dieser Zeit im Dunkeln 
bei Zimmertemperatur aufbewahrt wurden. Ein derartiges Verhalten kann 
bei einer Untersuchung dieser Art natürlich von großem Vorteil sein, da 
man hierdurch die Möglichkeit hat, neue Einspormycelien zu erhalten, 
beispielsweise als Ersatz für alte, degenerierte Testmycelien. 


Kombinationsyersuche. 

Im Herbst 1936 wurden vollständige Sexualitätsanalyse für die 
neun Fruchtkörper aus dem Upsalagebiet durchgeführt. Bei sämtlichen 
ließ sich Tetrapolarität konstatieren. Durch gegenseitige Kombinationen, 
die auf die gleiche Weise wie bei Cyathus atriatus durchgeführt v/urden, 
stellte ich dann fest, welche Allelen für die verschiedenen Fruchtkörper 
gemeinsam waren. Ich halte es für überflüssig, innerhalb dieser Mit- 
teilung die Kombinationsschemata wiederzugeben, die hierbei aufgestellt 
wurden. (Es besteht die Absicht, diese in Verbindung mit einer zu- 
künftigen umfassenderen und abgerundeten Darstellung zu veröffent- 
lichen.) In diesen Schemata und in den im folgenden erwähnten, die 
auf der Grundlage von einigen tausend analysierten Kombinations- 
kulturen angefertigt worden sind, kommt keine einzige Unregelmäßig- 
keit vor, weder in Form von Durchbrechungskopulationen noch aus- 
gebliebener Schnallenbildung. Die Schlüsse, die aus den Ergebnissen 
der Kombinationskulturen gezogen werden konnten, sind demnach 
völlig eindeutig und widersprechen einander nicht in einem einzigen 
Punkt. 

Die Verteilung der Allelen auf die verschiedenen Fruchtkörper 
geht aus Tabe'le II und Abb. 2 (S. 184) hervor. Wie ersichtlich, ver- 
treten die neun untersuchten Fruchtkörper nur drei ver8chied3ne Bio- 
t3^en, näm’ich aia 2 bib 2 (Nr. I, V, VII und XVI), a^a 2 bQb^ (Nr. VIII, 


Tabelle II. Übersicht der fest- 


gestellten Allelenkombinatio- 
nen der Upsala-Frucht - 
körper. 


Nr. des 
Frucht- 

Zifferbezeichnungeu der Alleleu 

körpers 

Faktor a 

Faktor b • 

I 

1 

2 

1 

2 

V 

1 

2 

1 

2 

VII 

l 

2 

1 

2 

XVI 

1 

2 

1 

2 

VIII 

1 

2 ' 

6 

7 

XI 

1 

2 

6 

7 

XII 

1 

2 

6 

7 

XIII 

1 

2 

6 

7 

III 

3 

2 

3 

2 


Tabelle 111. Übersicht der fest - 
gestellten Allelenkombinatio - 
nen der Uddevalla-Frucht - 
körper. 


Nr. des 
Fnicht- 
körpers 

Zifferbezeichnungeu der Allelen 

Faktor a | 

1 Faktor b 

LI 

a 

2 

8 

9 

LIII 

H 

2 

8 

9 

LV 

1 

2 

8 

9 

LIV 

1 

2 

10 

9 

LH 

3 

2 

10 

11 

LVIII 

1 

2 

12 1 

13 


* bl und b^, die in dieu'iii Schema nicht Vorkommen, sind in einem Fruchtkörper (mit d('r 
Formel «2 ^4 ^r.) von einem Fundort niißerhalb der beiden hier unfcereuchteii Gebiete nachgewiesen. 








Vorkommen von geographischen Rassen. 


187 


XI, XU und Xtll) und (Nr. IH). Der Faktor ist in sämt- 

lichen Fruchtkörpern enthalten, in allen außer in Fruohtkö’rper 
Nr. III, wo er durch ersetzt ist. Vom 6-Faktor kommen fünf ver- 
schiedene Allelen vor, welche allerdings nur auf drei verschiedene Arten 
kombiniert auftreten, und zwar 6^62 (Nr. I, V, VII und XVI), 6^67 
(Nr. VIII, XI, XII und XHI) und 6263 (Nr. III). 

Während der Sommermonate 1941 und 1942 wurden an sechs ver- 
schiedenen Standorten des Uddevallagebietes Fruchtkörper eingesammelt 
und anschließend analysiert. Es ergab sich hierbei, daß die Anzahl 
Allelen der ,, Sexualfaktoren“ auch hier sehr begrenzt war. Bevor 
diese Allelen mit Bezeichnungen versehen werden konnten, mußten 
jedoch die isolierten Einspormycelien mit Upsala-Testmycelien kom- 
biniert werden, da ja die Möglichkeit bestehen mochte, daß eine oder 
mehrere Allelen in Fruchtkörpem von beiden Gebieten vertreten sein 
konnten. 

Nachdem die sehr umfangreichen Arbeiten des Kombinierens von 
Testmycelien aus den beiden Untersuchungsgebieten beendet worden 
waren, wurde das in Tabelle III wiedergegebene Schema über die 
Faktorenkombinationen der Uddevalla-Fruchtkörper als Ergebnis 
erzielt (vgl. auch Abb. 3 , S. 184 ). Vergleicht man diese Fruchtkörper 
(LI bis LVI und LVIII) miteinander, so findet man, daß sie vier ver- 
schiedene Biotypen vertreten: aj «2 6369 (Nr. LI, LIIl und LV), aia^b^hiQ 
(Nr. LIV), aia26i26i3 (Nr. LVIII) und (Nr. LII). Der 

Faktor ist auch hier in sämtlichen Fruchtkörpem enthalten und 
in allen außer einem (Nr. HI), wo er durch ersetzt ist . Die 6-Faktoren 
kommen in vier verschiedenen Kombinationen vor : b^b^ (Nr. LI, LIIl 
und LV), 69610 (Nr. LIV), 610611 (Nr. LII) und 612613 (Nr. LVIII). 

Vergleicht man die Upsala- und Uddevallastämme miteinander, 
ergibt sich also, daß dieselben drei Allelen des a-Faktors (und nur 
diese drei !) in den beiden Gruppen vertreten sind, während der 6-Faktor 
in den zwei Untersuchungsgebieten durch völlig verschiedene Allelen 
(5 bzw. 6) repräsentiert ist. 

Über einen gewissen Zusammenhang zwischen Habitus und 
,,SexuaIgenotyp^^ 

Die Hunderte von isolierten Einspormycelien bilden hinsichtlich 
Aussehen, Wachstumsgeschwindigkeit usw. Vertreter der verschiedensten 
Typen. Bezüglich der von den Upsala-Fruehtkörpem isolierten Einspor- 
mycelien habe ich einen gewissen Zusammenhang zwischen Habitus 
und ,, Sexualgenotyp“ festgestellt, ein recht interessantes Verhalten, 
das ich hier jedoch nur in Kürze berühren will, da es noch nicht aus- 
reichend klargelegt worden ist. 

Die Einspormycelien, die aus den zuerst untersuchten Frucht- 
körpem (I bis V) erhalten wurden, vertraten den Myceltyp, der von 



188 


N. Fries : 


mir früher beschrieben wuidc (Fries, 1936): rein weiß, reichlich luft- 
mycelbildend sowie schnell und regelmäßig in vorwiegend radialer 
Richtung wachsend. Ich fand jedoch bald, daß dieser ,, Normaltyp“ 
nicht durchgängig vorkam. So konnte ich aus den Fruchtkörpem VIII, 
XI, XII und XIII nur Einspormycelien eines vollkommen abweichenden 
Typs isolieren, das sich durch bedeutend langsameres Wachstum kenn- 
zeichnete und wenig oder gar kein Luftmycel bildete. Weiterhin war 
die Wachstumsweise nicht deutlich radial, sondern — wie eine mikro- 
skopische Untersuchung zeigte — die äußerst reich verzweigten, dünnen 
Hyphen bildeten ein vollständiges Durcheinander ohne bestimmte 
Wachstumsrichtung. Die entstehenden Mycelien erhielten daher eine 
mehr oder weniger unregelmäßige Form. 

Nachdem die Kombinationsversuche mit den Upsalastämmen 
beendet worden waren, zeigte es sich, daß der erstgenannte, ,, normale“ 
Myceltyp sämtliche Einspormycelien auszeichnete, die von Prucht- 
körpem mit den 6-Faktoren und 63 isoliert worden waren, während 
alle Einspormycelien von Frucht körpern mit den ft- Faktoren feg und 67 
den letztgenannten Typ vertraten. Um einen genaueren Ausdruck des 
fraglichen Typunterschieds zu erhalten, wurde eine Anzahl Messungen 
der Wachstumsgeschwindigkeit bei 26 Test mycelien angestellt, von denen 
15 die Faktoren , Ö2 und 63 sowie M die Faktoren und 67 repräsen- 
tierten. Für die ersteren wurde der Durchschnittswert» 4,34 0,18 mm 

je 24 Stunden und für die letzteren 1,50 zL ^1,31 nim je 24 Stunden 
erhalten. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß der Durchschnittswert 
für die letzteren nicht als besonders repräsentativ für den langsam 
wachsenden Typ als Gesamtheit zu betrachten ist, da die Testmycelien 
dieses Typs aus praktischen Gründen begreiflicherweise unter den 
schnei Ist wachsenden der isolierten Einspormycelien ausgewählt wurden. 
Der Unterschied in der Wachstumsgeschwindigkeit zwischen den 
beiden Typen dürfte deshalb in Wirklichkeit größer sein. 

Es wäre von großem Interesse gewesen einen Fruchtkörper zu 
studieren, der sowohl einen der Faktoren hi, oder b^ und einen der 
Faktoren b^ oder 67 besessen hätte. Einen derartigen Fluchtkörper 
habe ich jedoch nicht in der Natur gefunden, und die durch Kombina- 
tionsversuche erhaltenen Diploidmycelien, die genannte Faktoren 
besaßen, bildeten ebensowenig wie andere Diploidmycelien in Kultur 
Fruchtkörper. Die einfachen Versuche, die ich bisher zwecks Erhaltung 
von Fruchtkörperbildung in Kultur unternommen habe, sind mißlungen, 
doch hoffe ich bei »fortgesetzten Versuchen mehr Erfolg zu haben. 

Diskussion. 

Die Ergebnisse der Kombinationsversuche mit Crucibulum vulgare 
können in Kürze auf folgende Weise zusammengefaßt weiden. Vom 



Vorkommen von biographischen Rassen. 


189 


Faktor a wurden nur drei Allelen festgestellt, die sämtlich innerhalb 
der beiden untersuchten Grebiete angetroffen wurden. Der Faktor b 
tritt dagegen in einer größeren Anzahl Allelen auf, insgesamt 11 , und 
keine der 5 hiervon, die im Upsalagebiet wahrgenommen wurden, ist 
mit einer der 6 vom Uddeval lagebiet identisch. 

Diese Verhältnisse stimmen in gewissem Grade mit denen überein, 
die Bauch (1930, 1931) bei Usiilago longissima vorfand. In seinem 
umfangreichen Material aus Europa und Asien konnte Bauch bei dem 
genannten Pilz nur 8 Allelen des «-Faktors und 3 des /^-Faktors nach- 
weisen. Qualitative Verschiedenheiten zwischen den be*den Faktoren 
bezüglich der Wirkungsweise, w^ie sie Bauch bei Usiilago longissima 
fand, scheinen bei Crucibulum vulgare doch nicht vorzuliegen. Das 
Vorkommen einer identischen Allele, sei es vom «- oder 6 -Faktor, bei 
zwei kombinierten Einspoimycelien von Crucibulum vulgare konnte 
augenscheinlich in sämtlichen untersuchten Fällen vollkommen 
Schnallenbüdung verhindern, zum mindesten unter den Bedingungen, 
die angewandt wurden. 

Bezüglich der geographischen Verbreitung der Allelen der a- und 
6 -Faktoren verhält sich indessen Crucibulum v'ulgare auf eine völlig 
andere Weise als Usiilago longissima und übrigens alle anderen in dieser 
Hinsicht untersuchten Pilze. Während die dvvi Allelen des «-Faktors 
offenkundig allgemeiner verbreitet sind, treten die verschiedenen 
Allelen des ^-Faktors sichtlich in voneinander wenigstens teilweise 
getrennten Gebieten auf. Wie groß diese Gebiete sind und wie scharf 
sich die Grenzen zwischen ihnen ziehen lassen, darüber ist eine Äußerung 
bisher noch unmöglich. Der Umstand, daß keine der Allelendes /^-Faktors 
vom Upsalagebiet im Uddeval lagebiet angetroffen wurde oder um- 
gekehrt, scheint mir darauf hinzudeuten, daß erstens die Verbreitungs- 
möglichkeiten des Pilzes relativ begrenzt sind und zweitens sich die 
fraglichen Allelen durch eine ungewöhnliche Stabilität auszeichnen [im 
Vergleich mit z. B. Schizophyllum commune (Kniep, 1920) u.a.]. 

Nach allem zu schließen ist Crucibulum vulgare eine zoochore Art. 
und die Peridiolen dürften die Diasporen vertreten (vgl. Gäumann ^ 
1926, S. 554). Ein freies Kombinieren von Einspormycelieii verschiedener 
Fruchtkörper kommt bei Crucibulum vulgare sicher in bedeutend ge- 
ringerer Ausdehnung vor als bei Pilzen im allgemeinen, wo die Sporen 
die Verbreitungseinheiten bilden. Nimmt man bei Crucibulum vulgare 
,, Selbstbefruchtung“ als das normale an, so wird das in Tabelle II zu 
beobachtende Verhältnis erklärlich, nämlich daß innerhalb eines kleineren 
Gebiets nur gewisse Biotypen vertreten sind, in diesem Falle u. a. 
«i« 26 j 62 und «i« 25 e ^7 (doch nicht z. B. «ia 2^]^6 ®der «ia 2 ^ 2 ^ 7 )* 
typische Anemochore, die hierbei als Vergleichsobjekt geeignet ist, 
Archiv für Mikrobiologie. Bd. 18. 13 



190 N. Fries: Vorkommen von geographischen Rassen. 

bildet Polyportis abietinua (Fries und Jonasson, 1941), bei dem das 
Vorkommen von geographischen Rassen in den gleichen Gebieten wie 
bei Crucibulum vulgare untersucht wurde, doch mit in wesentlichen 
Punkten abweichendem Ergebnis. 

Zusammenfassung. 

1 . 15 Fruchtkörper von Crucibulum vulgare - 9 aus einem Gebiet 
bei Upsala (Ostschweden) und 6 aus einem Gebiet bei Uddevalla (West- 
schweden) — wurden zum Gegenstand von Sexualitätsanalysen ge- 
macht. In sämtlichen Fällen wurde tetrapolare Geschlechtsverteilung 
festgestellt. 

2 . Duirch umfassende Kombinat ionsversuche mit Testmycelien von 
verschiedenen Fruchtkörpern wurde das Vorkommen gemeinsamer 
Allelen bei den Genen konstatiert, die die Tetrapolarität bedingen. 
Insgesamt wurden vom a-Faktor 3 Allelen nachgewiesen, die sämtlich 
in beiden Untersuchungsgebieten angetroffen wurden, sowie vom 
6 -Faktor 11 Allelen, und unter diesen war keine der 5, die im Upsala- 
gebiet festgestellt wurden, identisch mit einer der 6 vom Uddevalla- 
gebiet. 

3. Gewisse Genot 3 rpen (z. B. aia 2 ^i ^2 ^ud aia^b^b^ von Upsala 
und aia 2 b^bg von Uddevalla) wurden durch Fruchtkörper von mehreren 
verschiedenen Standorten vertreten. 

4. Alle Einspormycelien, die aus Fruchtkörpem des Upsalagebiets 
isoliert wurden, konnten auf zwei Gruppen verteilt werden, die teils 
durch verschiedene Allelen des 6 -Faktors und teils durch Unterschiede 
bezüglich Habitus und Wachstumsgeschwindigkeit voneinander getreimt 
sind. Die eine Gruppe umschließt Einspormycelienmit den ö-Faktoren 

62 oder 63 und zeichnete sich durch schnelles und regelmäßiges Wachstum 
aus, während die andere Gruppe Einspormycelien mit den ^^-Faktoren 
oder 67 umfaßt und sich durch langsames und unregelmäßiges Wachstum 
hervorhob. 

5. Die für Crucibulum vulgare kennzeichnende, eigenartige Ge- 
staltung der multipolaren Sexualität konnte möglicherweise so ge- 
deutet werden, daß sie teils durch eine ungewöhnliche Stabilität bei 
den Allelen der Gene bedingt ist, die der genannten Erscheinung zu- 
grunde liegen, und teils durch die wahrscheinlich zoochore Verbreitungs- 
weise des Pilzes. 

Literatur. 

R, Bauch, Arch. f. Protistenk. 70, 417, 1930. — Derselbe, ebenda 76, 
101, 1931. - N, Fries, Bot. Notiser 1936, S. 567. - Derselbe, Symb. Bot. 
Upsal. IV : 1, 1940. — N, Fries u. L. Jonasson, Svensk Bot. Tidskr. 86, 177, 
1941. — E.Oäitmann, Vergleichende Morphologie der Pilze. Jena 1926.- 
H, Kniep, Zeitschr. f. ind. Abst.- u. Vererbungsl. 81, 169, 1928. 



Beobachtimgen über die Lebensdauer 
von Pilzkolturen. 

Von 

K. H. Zobl, Wien. 

(Eingegcmgen cm 21, Dezember 1942. J 

Vereinzelt finden sich in der Literatur Angaben über die Lebens- 
dauer bestimmter Pilze^ meist als gelegentliche Bemerkungen. Für 
einige technisch wichtige Hefen gibt es genauere Hinweise, die sich 
aber mehr auf die Lebensdauer von nach bestimmten Methoden be- 
handelten und aufbewahrten Dauerkulturen beziehen. Nur in einer 
Arbeit von C. Wehmer (1) werden über die Lebensfähigkeit einiger ein- 
getrockneter Pilzkulturen nähere Angaben gemacht. Es ist daher nicht 
unangebracht, langjährige Beobachtungen über die Lebensdauer von 
nach keiner besonderen Methode angelegten und aufbewahrten Pilz- 
kulturen mitzuteilen, da sie besonders dem, der Pilzsammlungen zu 
betreuen hat, nützlich sein könnten. 

Es wurde versucht, die weit in der Literatur verstreuten und oft 
schwer zugänglichen Bemerkungen über die Lebensdauer von Pilzen 
zu sammeln, wobei allerdings eine vollständige Erfassung aller Zitate 
nicht erreicht werden konnte. Die meisten Angaben liegen Jahrzehnte 
zurück und sind, soweit sie für die Zeit vor 1880 gelten, wenig sicher, 
da Kulturmethoden zu dieser Zeit erst vereinzelt angewendet wurden. 

Von Eidam (2) wird angegeben, daß AspergiUvs fumigatus nach 
10 Jahren noch lebensfähig sei. Er hat 1873 Rasen von Aepergülvs fumigatua 
getrocknet imd im Herbar aufbewahrt, 1883 keimten Sporen dieses Rasens 
nach Aussaat wieder aus. Er macht diese Angaben auf S. 397 seiner Arbeit 
in einer Fußnote. Diese Angabe wird auch von de Bary (3) und später 
von anderen übernommen^. C. Wehmer {!&) findet die Angabe Eidams 
nicht zutreffend. Nach ihm stirbt Asper^lua fumigatua wesentlich früher 
völlig ab. 

De Bary (3) gibt an, daß geschützt \md trocken aufbewahrte Kulturen 
von PenidUium glaucum noch nach 2 Jahren, Aapergiüua niger nach über 
1 Jahr, Miuyor atolonifer (Rh. nigricans) nach 1 Jahr, Botrytia Baaaii nach 
1 bis 2 Jahren und Sordaria curvula noch naoh 28 Monaten lebensfähig 
waren. Für Phycomycea nitens gibt de Bary an, daß er nach 10 Monaten 
abstirbt, während van Tieghem (4) die Erfahrung machte, daß Phycomycea 
nitena kaum länger als 3 Monate lebensfähig bleibt. 

Hanaen (5, 5a) gibt an, daß Sporen von Coprinua Roatrupnanua noch 
nach 2 Jahren 4 Monaten keimfähig waren, wenn sie vom Schleim des 


^ Übrigens stimmt in de Barys Zitat die Seitenzahl der Arbeit Eidams 
nicht, da S. 347 angegeben wird, die Bemerkung sich aber auf S. 397 in 
einer Fußnote findet. 

Archiv fflr Mikrobiologie. Bd. 18 . 


14 



192 


K. H. Zobls 


Hutes umgeben, zwischen Filtrierpapier bei Zimmertemperatur aufbewahrt 
wurden. 

Nach demselben Autor war Coprintta stercorariua an der Luft liegend 
nach 7 Monaten abgestorben, dagegen blieb die Keimfähigkeit des gleichen 
Pilzes 16, 19, ja sogar 42 Monate erhalten, wenn er in Filtrierpapier ver- 
packt, bei Zimmertemperatur aufbewahrt wurde. 

Anixiopsia atercoraria, den E. Chr. Hanaen 1874 auffand, war nach 
seiner Angabe noch nach 21 Jahren lebensfähig, die Sporen keimten mit 
Leichtigkeit auf Würzegelatine aus. 

Ebenso fand Hanaen Miicor racemoauay Mucor erectua, Mucor mucedOy 
AapergiUua niger noch nach 6 Jahren keimfähig, Aapergülua flaveacena 
(Aapergülna flavua) nach 8 Jahren und Aapergülna glaucua noch nach 
16 Jahren. Es wird allerdings nicht angegeben, wie diese Pilze kultiviert 
und auf bewahrt wurden. 

Brefeld (6) gibt als Grenze der Lebensfähigkeit für Goprinua atercorariua 
1 Jahr, für Aapergülua flavua 6 Jahre an. 

Hof f mann (1) gibt an, daß Mucor atolonifer (Rh. nigricana) nicht zu 
feucht und nicht zu trocken aufbewahrt „ein bis mehrere Jahre keimfähig 
bleibt“. Nach Zvmmermann (8) keimt dieser Pilz schon nach 1^/j Jahren 
nur mehr sehr schwer aus. Mucor racemoaua war nach 6 Monaten nicht 
mehr keimfähig, ebenso ist Mucor mucedo sehr empfindlich gegen Aus- 
trocknung. 

Von erstaunlicher Lebensdauer erwiesen sich, nach Angaben von 
Hof f mann (1) und von v. Liebenberg {9) Sporen gewisser Roat- imd Brand- 
püze. Hoffmann trocknete Sporenmaterial an der Luft imd bewahrte es 
in Papier eingeschlagen auf. üredo deatruerM Schlechtendal keimte noch 
nach 4 Jahren, üredo aegetum Pera. nach 2 Jahren 7 Monaten, üredo Maydia 
nach 3 Jahren 6 Monaten, v. lAebenberg findet die Keimfähigkeit seines 
Herbarmaterials noch wesentlich länger erhalten. So keimten Tületia cariea 
nach 8^/, Jahren, üatilago carbo nach 7^/2 Jahren, üatüa^o Tulaanei und 
ürocyatia occtdta nach 6^/, Jahren, üatilago Kolaczekii, ü. Crameri und 
ü, deatruena nach Ö^/i Jahren und üatüago Rabenhoratiana noch nach 
3^/2 Jahren. 

Besondere Beachtung verdienen auch die Angaben von Aooata (\(^) 
und Bereatneff (l\) über die Lebensfähigkeit von Actinomyceten. Aooata 
gibt an, daß er ausgetrocknete Kulturen von Actinomycea invulnerabüia 
noch netch 8 Jahren lebensfähig fand. Bereatneff brachte am 1. Juli 1896 
Actinomycea violaceua auf eine befeuchtete, bei 120® sterilisierte Roggenähre, 
verschloß nach Angehen dieses Pilzes das Kulturröhrchen mit einer Gummi - 
kappe und bewahrte es im Dunkeln bei Zimmertemperatur auf. Am 16. Ok- 
tober 1906 überimpfte er auf Bouillonagar imd erzielte üppiges Wachstum. 
Der Pilz hatte damit 10 Jahre seine Lebensfähigkeit bewahrt. 

F. Siebenmann (12) gibt in seiner Arbeit „Die Schimmelmycosen des 
menschlichen Ohres“ an, daß 6 Jahre alte Köpfchen von Aapergülua niger 
und AapergiUua flavua ausgesät, wieder keimten, Aapergülua clavatua da- 
gegen nicht. 

Bemerkenswert «ind ferner die Angaben über die Langlebigkeit der 
für pathogen geltenden Sproßpüze, Darüber besitzen wir Angaben mehrerer 
Untersucher. Buaae (13) gibt an, daß seine pathogene Hefe noch nach 
2^/4 Jahren ohne Schwierigkeiten anging, obwohl die Kulturen völlig ein- 
getrocknet waren. Eine am 16. August 1894 angelegte Kultur seiner Hefe- 
keimte. noch am 2. April 1897. Dies findet Buaae beachtenswert, da die 



Lebensdauer von Pilzkulturen. 


193 


lange Lebensfähigkeit bei der Abwägung der Gefährlichkeit dieser Hefen 
recht erheblich ins Gewicht fällt. 

Hohes Lebensalter erreichen Sproßpilze, die entweder in 10%iger 
Saccharoselösung oder auf Watte angetrocknet in zugeschmolzenem JPretidcn- 
retcÄ-Kölbchen aufbewahrt werden. R. Meissner (14,14a) bewahrte 
12 Stämme verschiedener Weinhefen in 10%iger Saccharoselösung auf und 
fand keine Schädigung. Nach 13 Jahren waren alle Stämme noch lebens- 
fähig und gärkräftig. A. Klöcker (15) berichtet, daß er selbst ncuih mehr 
als 30 Jahren verschiedene Hefen lebend auffand. H. Wille {I6a>,h) ver- 
danken wir ausführliche Angaben über die Lebensdauer technisch wichtiger 
Hefen imd über die Anlage von Dauerkulturen. A. R. Ling und D. R. 
Nanij (17, 17 a) fanden sporenbildende Sproßpilze, die an Watte angetrocknet 
waren und sich in zugeschmolzenen Frevdenreich-'KöXhcYiBn befanden nach 
34 Jahren vermehrungsfähig. Plaut (18) teilt mit, daß Gonidien (Chlamydo- 
sporen) von Monilia candida zwischen Fließpapier aufbewahrt 10 Jahre 

9 Monate lang lebensfähig blieben. 

C, Wehmer (1) verdanken wir mehrfach Angaben über die Liebensdauer 
eingetrockneter Pilzkulturen. Er bewahrte die Pilze in Form von Reagens- 
glaskulturen mit Wattever Schluß bei Zimmertemperatur auf. Als Nähr- 
boden verwendete er Würze und Zuckerlösungen. Nach 2^/* Jahren keimten 
ohne weiteres nach Aussaat mit der Platinöse Aspergilliis oryzae (AhUbg.), 
Aspergillus flavus (Link), Aspergillus Wentii (Wehmer), Aspergillus gigan- 
teus, Aspergillus minimus Wehmer, Citromyces Pfefferianus Wehmer, ebenso 
Mucor Rouxii (Calm.) Wehmer und Mucor javanicus Wehmer. 

Ohne Ergebnis blieb vorerst die Abimpfung von Asp. clavalusDesmaz., 
Asp. peniciUiopsis Racib., Asp. ostianus Wehmer, Asp. candidus (Linkt) 
Wehm., Monascus purpureus Went, Mucor piriformis A. Fischer, M. rhizo- 
podiformis Cohn, M. corymbifer Cohn, Rhizopus oryzae Went und Pr. Qeerl., 
Penicillium luteum Zukal, Mucor hiemalis Wehmer, Phycomyces nitens Ag.,> 
Thamnidium elegans, Saccharomyces Marxianus Hans, und Saccharomyces 
Logos Lindner. 

Aspergillus niger (Cram.) van Tiegh. und Aspergillus fumigatus Fres. 
waren durch paraffinierte Wattever Schlüsse vor dem Austrocknen geschützt 
und wuchsen langsam zu neuem Mycel heran. Nach Wehmer sterben 
Konidien von Aspergillus niger trocken aufbewahrt schon nach kaum 1 Jahr. 
Wehmer steht in Gegensatz zu Siebenmann, er kann weiters auch die Angaben 
von Eidam, Hansen, Brefeld nicht bestätigen. Die Sporen von Mucor 
hiemalis Wehrr^r verlieren ihre Keimfähigkeit nach Wehmer (\h) unter 
1 Jahr, während gleich alte submerse oder auch getrocknete Mycelien wohl 
auf Grund der Chlamydosporen auskeimten. 

Die anscheinend toten Kulturen übergoß Wehmer mit steriler Nähr- 
lösung. Dabei konnte er neue Vegetation bei Asp. davalus, Asp. penicilli- 
opsis, Mucor piriformis, M. rhizopodiformis, Rhizopus oryzae und Monascus 
purpureus erzielen. Die übrigen Kulturen waren abgestorben. Lendner (19) 
verdanken wir einige Beobachtungen über Mucorineae. Er fand, daß Spore n 
von CunninghameUa elegans nach 2 Monaten, solche von Mucor mucedo , 
Mucor spinosus, Sporodinia grandis, Rhizopus nigricans nach 3 Monaten, 
Sporen von Rhizopus arrhizus, Pirella oirdnans naeh 4 bis 6 Monaten, 
Sporen von M. hiemalis, Rhizopus Cambodja, Thamnidium elegans, Chaeto- 
stylum Fresenii nach 8 Monaten und Sporen von Mucor Prainii nach 

10 Monaten nicht mehr keimten. 

Mucor racemosus, M. Rouxianus, CircineUa ospera und Circinella 
minor waren nach 10 Monaten noch keimfähig. 


14 * 



194 


K. H. Zobl: 


Eigene Beobaehtmigm. 

Unsere Beobachtungen beziehen sich auf Kulturen unserer Pilz- 
sammlung und damit auf eine größere Zahl von Mucorineae, Ascomy- 
ceteUy einige Basidiomyceten sowie Fungi imperfecti. Die Pilze liegen in 
Reinkultur vor, sind genau bestimmt und in kürzeren Zeiträumen 
auf ihre Identität nachuntersucht. Sämtliche Kulturen sind in Röhrchen 
meist 16/16 abgeimpft und mit Zellstoffstopfen verschlossen. Über 
die Watteverschlüsse sind passende, ziemlich eng anliegende Glas- 
kappen gestülpt, so daß die Austrocknung der Kulturen nur langsam 
stattfindet. Auch wird dadurch eine Infektionsgefahr der Kulturen 
stark herabgesetzt. Die Kulturen stehen bis zur Ausbildung einer 
kräftigen Vegetation im Halbdunkel, dann werden sie in Pappschachteln 
mit übergreifendem Deckel bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Da 
die Kulturen, besonders der gleichen Gruppen, zum selben Termin 
abgeimpft, unter denselben Bedingungen und auf den gleichen Nähr- 
böden gewachsen sind, ergibt sich dadurch eine gute Vergleichsmöglich- 
keit. Alle Kulturen wurden am gleichen oder folgenden Tag abgeimpft. 
Die Tabelle I ergibt das Verhalten aller Mucorineae nach der am gleichen 
Tage stattgefundenen Abimpfung. 

Es zeigte sich, daß kaum 1/3 der Kulturen ohne Schwierigkeit aus- 
keimten. Die nicht angegangenen, anscheinend toten Jlfwcor-Kulturen 
wurden daraufhin mit Nährlösung (Hefeabkochung mit 3% Maltose) 
so übergossen, daß sie eben mit Flüssigkeit bedeckt waren. Um eine 
Verunreinigung der Kulturen zu vermeiden, wurden die Zellstoffstopfen 
abgesengt und das Übersohichten mittels sterilem Abfülltrichter vor- 
genommen. Infektionen lassen sich auf diese Weise bei sorgfältiger 
Arbeit mit großer Sicherheit verhindern. 

Diese Behandlung bewirkte bei einem Teil der anscheinend toten 
Kulturen bereits nach einigen Tagen das Auswachsen eines sich rasch 
entwickelnden Mycels vorwiegend aus dem Teil der Pilzkultur, der in 
Adhäsion mit der Wand der Kulturröhrchen stand. Die unmittelbar 
folgende Überimpfung und Identitätsprüfung ergab einwandfreie Rein- 
kulturen der neubelebten Pilze mit zwei Ausnahmen, die durch Peni- 
ciUium verunreinigt waren. Diese Kulturen konnten nicht mehr ge- 
rettet werden. 

Die Tabelle II zeigt die Ergebnisse der überschichteten Pilzkulturen. 

Überblickt man die Tabellen I und II so ergibt sich, daß von den 
71 geprüften Mucorineae nur 27 nach 24 bzw. 18 Monaten ohne Schwierig- 
keiten keimten. Als sehr keimfreudig und keimkräftig erwiesen sich 
alle geprüften Absidia-Axten. Von der Gattung Mucor fällt bereits 
nach einer Lebensdauer von 18 Monaten der größte Teil aus und ist 
nur mehr teilweise durch Überschichten mit Nährlösung zu neuer 
Vegetation anzuregen. 



Tabelle 1. Lebensdauer der Mucorineae. 

Bedeutung der verwendeten Abkürzungen: + = Kultur angegangen; -- = Kultur nicht angegangen; 
*f -h-f, +» sehr gutes, gut^, schwaches Auskeimen der Kulturen. 


Lebensdauer von Pilzkulturen. 


195 







Tabelle I (Fortsetzung). 


196 


K. H. Zobl: 


' ^ s s 

llll 

1 1 S 1 S 1 1 1 1 1 1 1 1 M 1 1 1 1 1 S 1 1 SS 1 1 1 1 ® 

Entee frei 
tichtbares 
Wacbstum 

28. 8. 42 

30. 8. 42 

28. 8. 42 

30. 8. 42 

29. 8. 42 

29. 8. 42 

Intensität 

der 

'Keimung 

+ -L + J..I. ^ 

1 1 + 1 1; 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 + 1 1 1 1 1 1 

Anskeimen 

ohne 

Schwierig- 

keit 

1 1 -f 1 + 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 + 1 1 -}-+ 1 1 M + 

Nährboden 

S : 1 : s J t : r : : : : J : : 5 : r r : : I : : : ; ; : 
n 

Datum 
der neuen 
Abimpfung 

<M 

CM 

Nährboden 

43 

•s 

PQ 

Datum 
der alten 
Abimpfung 

rH CM 

CM CM CX) 

rH tH 

Pliaart 

M.flavus 

3f. fragtlia 

M. f%8CU8 

M, genevensis 

M. globoaus 

M. griseo — cyanus 

M, heterosporus 

Jf . hiemalis 

Jf . Jansseni 

M. javanicus 

M. luUus 4- 

M. luteus — 

M. luUus, Zygosporen bildend 

M. microsporus 

Jf . mucedo -f 

M. mucedo — 

M. mucedOf Zygosporen bildend 

M, piriformi« 

M. plumbeua 

M, pusillus 

3f . racemosus 

M. Ramannianus 

M, Rouxianua 

M. silvaticus 

M. sphaerosporus 

Jf . strictus 

M. aubtilissimus 

Jf . aatumimui 

Phycomycea nitena + 

iz; 

iO O r- QO OÄ o CM CO »O CO C» 00 Oi O rH CM CO O CO I> 00 05 Q tH CM CO 

CMCMOMCM<MCOCOCOCOCOCOCOCOCOCO^'^'^'«r'^'^'^’^’^‘^‘0^»0 IC 




Tabelle I (Fortsetzung). 


Lebensdauer von Pilzkulturen. 


197 




Tabelle II. Lebensdauer der Mucorineae. 


198 


K. H. Zob! 




Tabelle II (Fortsetzung) 


Lebensdauer von Pilzkulturen. 


199 


iilf 

al 

1 1 1 1 SSSS 1 1 1 1 1 1 1 1 2 1 1*11 1 

Intensität 

der 

Keimung 

1 1 1 1 + + + + 1 1 1 1 1 1 1 1 +1 1 J 1 1 1 

lil 

6. 9. 42 

4. 9.42 

6. 9. 42 

4. 9. 42 

8. 8. 42 

4. 9. 42 

ll 

1 1 1 1 ++++ 1 1 1 1 1 1 1 1 -fl 1 + 1 1 1 

Nährboden 

!====. ========== = = ==== = 

II t 

4. 9. 42 

2. 9. 42 

4. 9. 42 

3. 9. 42 

6. 9. 42 

3. 9. 42 

||Ss 

»•Säg 

*as 

5? 

Ö 

CO 

Nährboden 

€ 

■? 1 s 

« gsp 

Datum 
der alten 
Abimpfnng 

Oi i-H(N03QdMrHCa 

tH rH tH i-H iH rH tH 

Piisart 

M, mucedo + 

M, mucedo — 

M, mucedo, Zygosporenbildend 

M, piriformis 

M.plumbeus 

M.pusillue 

M, Ramannianus 

M, Bouxianus 

M,strictus 

M.subtilissimus 

if. scUurninus 

Phycomyces nitens -f 

Ph, nitens — 

Ph, nitens, Zygosporenbildend 

PA. piloboloides 

PA. piloboloides — 

PA. piloboloides, Z^gosporen 
bildend 

Gircineila Sydotvii 

Sporodinia grandis 

Pilaira anomala 

CAaetostylum Fresenii 

Coemansia pectinata 

iS 

oaoTHoaco’^cot»Oi-H(Mco'^‘050t^oo cä th catoc© 


200 


K. H. Zobl: 


Besonders empfindlich smd alle PAycomyce«-Arten, von denen 
nur eine Kultur von Phycomyces piloboloides Burgeff, die Zyposporen 
bildete, nach 18 . Monaten durch Überschichten mit Nährlösung zu 
neuer Vegetation angeregt werden konnte. Ein ähnliches Verhalten 
zeigt Mucof lutevs Linnemann. Während der Pilz auf gespalten in 
+- und — Stämme schon nach 5 Monaten sehr schwer auskeimt, 
gelingt es, eine Kultur, die beide Stämme Zygosporen bildend enthält, 
noch nach 18 Monaten, allerdings auch erst nach gründlicher Durch - 
tränkung mit Nährlösung zur Keimung zu veranlassen. Bei Mucor 
mucedo Zygosporen bildend konnte auch diese Kultur nicht mehr zum 
Wachstum angeregt werden. Dieser Pilz stirbt auf gespalten in seine 
+- und — Stämme schon nach 6 bis 8 Monaten ab, kaum ein Jahr ist 
die Zygosporen bildende Kultur keimfähig. 

Sehr empfindlich gegen Austrocknung ist auch Sporodinia grandis. 
6 Monate alte Brotkulturen keimen nur mehr nach Durchtränkung 
und da selten, während ebenso alte Karottenagar-Kulturen noch aus- 
keimten, wenn das Impfmycel von noch feuchten Stellen der Agar- 
Oberfläche entnommen wird. Sehr empfindlich ist Coemansia pectinata. 
Diese Art wächst sehr langsam, auf den üblichen Nährböden oft gar 
nicht. Sie gedeiht aber gut auf l^%igem Karottenagar sowie auf 
Haferflocken. Die Keimfähigkeit erlischt meist nach 6 Monaten, ge* 
legentlich gelingt es, den Pilz nach 8 Monaten noch zu neuer Vegetation 
anzuregen. 

Bemerkenswert ist die Keimkraft von Circineüa umbellaia, die, wie 
mehrfach festgestellt werden konnte, noch nach 31/2 Jahren keimt, 
während ein — Stamm der Circinclla Sydowii nach 18 Monaten nicht 
mehr zur Keimung zu bringen war. 

Untersucht man diejenigen Arten, die ohne Schwierigkeiten 

nach 18 Monaten keimen oder nach Durchtränkung mit Nährlösung 
zu neuem Wachstum angeregt werden, so ergibt sich, daß die meisten 
von ihnen Gemmen bilden. Es sind offenbar diese Dauerzustände, 
welphe die vollständige Austrocknung ertragen und überstehen können. 
Solche Gemmen finden sich unter anderen bei Mucor hiemalia, M. race^ 
moamy M, erectua^ M. Rouxianua^ M. javanicus, M. circintUoidea^ 
M. plumbeua. 

Es mag erwähnt sein, daß Mucor globoaua Flacher und Mucor 
aphaeroaporua Hagem, die in letzter Zeit als synonjmi angeführt werden, 
gleich keimkräftig sind ; ebenso gilt dies für Mucor racemosnia Freaeniua 
und dem angeblich synonymen Mucor chriatianiemaia Hagem, weiter 
für Mucor erectua Bainier. als synonym mit Mucor hiemalia Wehmer 
angegeben. 

Die gute Keimfähigkeit von Mucor corymbifer Cohn braucht daher 
nicht zu überraschen, da dieser Pilz synonym mit Abaidia Lichtheimi 



Lebensdauer von Pilzkulturen. 


201 


{Lucet u. Cost.) Lendner gilt und alle Arten, wie oben erwähnt, 

sehr keimkräftig sind und lang anhaltende Austrocknung vertragen. 

Bemerkenswert ist auch die gute Keimfähigkeit des Mucor jmstUus 
Lindt, was nicht ohne Wichtigkeit ist, da dieser Pilz mehrmals als 
pathogen wirkend beschrieben wird. Überiaschend groß ist auch die 
Keimkraft der ,, Konidien“ bildenden Familien der Mncorineae, sowie 
der Arten der Gattung Thamnidium, soweit sie untersucht wurden. 

Die Tabelle III zeigt vor allem, daß sich die beobachteten Arten 
der Aacomycetes, Basidiomycetes und der Fungi imperjecti dadurch 
auszeichnen, daß ihre Keimfähigkeit trotz völliger Austrocknung meist 
noch nach zwei und mehr Jahren erhalten ist. Einzelne Arten der 
Gattung Aspergillus sind etwas empfindlicher, alle aber keimten ohne 
Schwierigkeiten noch nach 18 Monaten, die meisten auch noch nach 
29 Monaten. Von Aspergillus niger standen drei Stämme zur Verfügung. 
Stamm Zach keimte noch nach 29 Monaten, allerdings sehr langsam, 
Stamm Zahl keimte nach 18 Monaten ohne Schwierigkeit, nach 29 Mo- 
naten trotz Befeuchten mit Bierwürze nicht mehr. Ebenso verhielt 
sich ein Säure bildender Stamm. Daraus ergibt sich, daß die einzelnen 
Stämme verschieden widerstandsfähig gegen das Austrocknen sind. 

Von Bedeutung ist die Tatsache, daß Arten der Gattungen 
Scopulariopsis und Microascus, die vor kurzem als entwiekelungs- 
geschiehtlich zusammengehörig erkannt wurden und die häufig bei 
Erkrankungen der Haut, vor allem der Nägel isoliert wnrden, noch nach 
29 bzw. 35 Monaten ihre volle Keimkraft bewahrt hatten. Die Art 
Scopulariopsis oidiospora ist etwas empfindlicher und keimt nur schwierig 
und sehr langsam aus. 

Auch Arten der Gattungen Microsporon, Trichophyton^ Candida, 
von denen eine große Zahl als Erreger von Haut- und Haarkrankheiten 
bei Mensch und Tier erkannt wurden, sind sehr widerstandsfähig gegen 
Austrocknung. 

Die als Erreger der Blaufäule des Holzes bekannten Arten der 
Gattung Ceratostomella (Endoconidiophora, Ophiostoma) keimten noch 
nach 18, 27 und 29 Monaten aus, es war keine Verminderung der Keim- 
kraft feststellbar. 

Von besonderer Keimfähigkeit erweisen sich Arten der Gattung 
Melanospora Gorda. Alle sechs geprüften Arten keimten noch nach 
41 Monaten aus. Zobl (20) beobachtete, daß Sporen von Melanospora 
leucotricha noch nach 6 Jahren 8 Monaten bzw. 7 Jahren 6 Monaten 
ohne Schwierigkeit auskeimten und nach 16 Tagen bereits Perithecien 
gebildet wurden. Sporen aus einer Kultur vom 20. März 1929 und einer 
Kultur vom 4. Juni 1928 erwiesen sich nach dem Abimpfen am 10. De- 
zember 1935 noch keimfähig. Sie keimten am 14. Dezember 1935 aus 
und hatten am 26. Dezember 1935 die ersten Perithecien gebildet. 



Tabelle III. Lebensdauer von Ascomycetes, Basidiomyoetes und Fungi imperfeoti. 

Abkürzungen wie in Tabelle I. 


202 


K. H. Zobl 










Tabelle III (Fortsetzung). 


Lebensdauer von Pilzkulturen. 203 


llll 

8. 9. 42 
17. 9. 42 
6. 9. 42 

4.10.42 
10. 9. 42 

6. 9. 42 
20. 9. 42 
8. 9. 42 
3. 9. 42 

7.9.42 
12. 9. 42 

steril 

3. 9.42 

5 Ja 

Od Od COQOOOOdOdOdOdOdkOiOkOOOd l>-CDOOl>OäOdOdOO irHrH 

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ft 

ft 

ft 

31. 8. 42 

30. 8. 42 

31. 8. 42 
29. 8. 42 

1. 9. 42 
29. 8. 42 

1. 9. 42 

29. 8. 42 

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1. 9. 42 

30. 8. 42 

Inteiuitit 

der 

Keimung 

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99 

10. 4. 40 

99 

99 

99 

18. 10.39 

99 

7. 3. 40 
12. 4. 40 

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12. 4. 40 
12. 3. 41 
16.6.40 
12. 4. 40 

99 

12. 3. 41 
12. 4. 40 

20. 3. 39 

99 

Pfliart 

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iHtHtHtH THrHiHiHTHTHTHtHTHiHTH 



204 


K.H-Zobl: 



Tabelle III (Fortsetzung). 


liebensdauer von Filzkulturen. 


2U5 


Begino der 
Fmcht- 
kOrperdien- 
bfldang 

/ leuchtet a. 

125. 9. 42 

3 . 9 . 42 

Lebens- 
er- 
halten na<di 
Monaten 

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rHrHrHrHiHiHr^GUWCU’^ 

Erstes frei 
siebtbares 
Wachstum 

3. 9.42 

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99 

99 

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6. 9. 42 
3. 9. 42 
1. 9. 42 
3. 9. 42 
20. 9. 42 
29. 8. 42 

IntensiULt 

der 

Keimung 


Auskeiraen 

ohne 

Schwierig- 

keit 

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Nährboden 

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der neuen 
Abimpfung 

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Abimpfung 

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OJOQ'^kO^Or-OOOiQrHCQCO 


Auch die geprüften Baai’ 
dumyceten (Clitocybe olearia, 
Caniophora cerebeUa^ Lenlinua 
aqaamoma, Schizophyüvm 
commune) erwiesen sich sehr 
widerstandsfähig. Alle keim- 
ten noch nach 27 Monaten. 
Schizophyllum commune hatte 
noch nach 41 Monaten die 
Keimfähigkeit nicht einge- 
büßt. 


Zusanunenfasgiing. 

Es wurden 153 Pilzarten 
auf ihre Keimfähigkeit hin 
geprüft. 

Die Mucorineae sind im 
Vergleich zu den meisten 
Ascomycetea, Basidiomycetea 
und Fungi imperfecti gegen 
Austrocknen sehr empfindlich 
und sterben in der Mehrzahl 
zwischen 6 bis 18 Monaten ab. 

Bemerkenswert ist das 
Vermögen der meisten als 
pathogen angesehenen Pilze, 
langdauemde Trockenheit zu 
ertragen, ohne irgendwie die 
Keimkraft einzubüßen. 

Von allen untersuchten 
Pilzen waren die Perithecien 
bildenden Arten der Gat- 
tungen CeratoatomeUa und 
Melanoapora am widerstands- 
fähigsten, sie keimten noch 
nach 31 / 2 , 6 und 7^/2 Jahren. 

Literatur. 

1) C. Wehmer, Ber. d. 
Deutsch, bot. Ges. 22, 476, 1904. 
— la) Derselbe, Centralbl. f. 
Bakt. II, 8, 149, 1897. - 

Ib) Derselbe, Die Pilzgattung 



206 


K. H. Zobl : Lebensdauer von Pilzkulturen. 


Aspergillus, S. 43, Genf 1901. — \c)Der8e]be, Ann. Mycologici 1, 38, 1903. 

— 2) E. Eidam, Beitr. z. Biol. d. Pflanzen 8, 397, 1883. — ^ 3) A, de Bary, 
Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, S. 369. Leipzig 1884. 

— 4) Ph. van Tieghem u. Q. Lemonnier, Recherches sur les Muoorin4es, 

S. 30, 32. Paris, Massen, 1873. — 6) E. Chr. Hansen, Bot. Ztg. 1897, 
LV. Jahrg., 1. Abt., S. 121, 126, 127. ~ 6a) Dertfe/fte, Bot. Zentralbl. 1886, 
Nr. 6. - 6)0. Brefeld, Schimmelpüze, II, S. 76; III, S. 16; IV, S. 66. ~ 
7) Hoffmann, Jahrb. wiss. Bot. 2, 267, 302, 334, 1860. — 8) O. E, B. 

Zimmermann, Dies. Jena, S. 40, Chemnitz 1871. — 9) v. Liebenherg, 

Oesterr. Landw. Wochenbl. 1879, Nr. 43 u. 44. — 10) Aoosta, Centralbl. f. 
Bakt. 17; 466, 1896. ~ 11) JV. Af. Berestneff, ebenda I, 40, 298, 1907. ~ 
12) F. Siebenmann, Die Schimmelmycosen des menschlichen Ohres, 2. Aufl., 
S. 26. Wiesbaden 1889. — 13) O. Busse, Die Hefen als Krankheitserreger, 
S. 16. Berlin 1897. — 14) R. Meißener, Zeitschr. f. Weinbau u. Wein- 
behandlung 2, 103, 1916. — 14a) Derselbe, Zeitschr. f. Qärungsphysiol. 
1, 106, 1912. — 16) A. Klöcker, C. r. des Trav. du Labor, de Carlsberg 11, 
297-311, 1917. - 16) H. WiUe, Centralbl. f. Bakt. II, 48, 36-41, 1917. 

— 16a) Derselbe, ebenda II, 44, 68—76, 1916. — 16b) Derselbe, eihenda II, 
81, 346—463, 1911. — 17) A. R. Ling u. D. R, Nanij, Proc. Roy. Soc. Edin- 
burgh 92, 366, 1921. — 17a) Dieselben, Wochenschr. f. Brauerei 89, 64, 
1922. — 18) H. G. Plaut, Neue Beiträge zur systematischen Stellung des 
Soorpilzes in der Botanik, S. 23. Leipzig 1887. — 19) A. Lendner, Les 
Mucorinäes de la Suisse, Bern 1908. — 20) K. H. Zobl, Untersuchungen über 
den Bau und die Entwicklung des P3a«nomyceten Melanospora leucotricha 
Oorda. Wien 1940. 



Beobachtimgen über Mucor Jansseni Lendner. 

Von 

K. H. Zobl, Wien. 

Mit 2 Abbildungen im Text. 

(Eingegangen am 10. Januar 1943.) 

Bei Untersuchungen über Standorte und Verbreitung einheimischer 
Mucoraceae wurde aus mehreren Erdproben, die aus räumlich weiter 
entfernten Gegenden stammten, neben zahlreichen anderen Arten Mucor 
Jansseni isoliert. 

Die Isolierung wurde in allen Fällen auf 2% Bierwürzeagar vor- 
genommen, auf dem kleine Erdkrümelchen ausgesät wurden. Die Proben 
stammten von folgenden Örtlichkeiten; Gemischter Nadelwald, vorherr- 
schend Fichte, in der Gegend des Plöckenpaß (20. Juni 1937), Villacheralpe 
(2. September 1938), Ullrichsberg (15. August 1937), Loiblpaß (20. Sep- 
tember 1938), Tristachersee (Umgebung von Lienz, 25. September 1938), 
alle Kärnten, die Höhenlage betrug zwischen 800 und 1300 m; Mischwald 
aus vorwiegend Fichte, Buche und Hasel aus der Umgebung von Zöptau, 
Berggeist, Altvater (September 1939), alle Sudetengau, Höhenlage zwischen 
300 und 1400 m. Die Kärntner Erdproben stammen aus einer ungedüngten 
Verwitterungskrume, die auf kalkigem Untergrund aufliegt, während die 
Erde aus dem Sudetengau ebenfalls ungedüngt auf gneisig-schiefrigc'r Ur-^ 
gesteinsunterlage ruht. Der Pilz ist recht selten. Er konnte in 870 Erd- 
proben aus verschiedenen Gebieten nur in 1 1 Fällen der oben angeführten 
Örtlichkeiten nachgewiesen werden. 

Ein Vergleich dieser aus verschiedenen Gegenden, Höhen und Boden- 
unterlagen heriührenden Stämme ließ morphologisch und physio- 
logisch keine Unterschiede erkennen, so daß diese Art sehr konstant ist. 

Der Pilz wurde das erste Mal von A. Lendner aufgefunden und be- 
schrieben, der ihn aus einer Erdprobe aus dem Mont Blanc -Gebiet (4810 m) 
im Sommer 1906 gezüchtet hat(l). Ling-Young (1930) isolierte ihn aus 
Erdproben, die aus der Auvergne, Frankreich, stammten (2). G. Linnemann 
züchtete diesen Pilz aus einer Erdprobe, die aus einem sehr vegetationsarmen 
Basalthang (Amöneburg, Umgebung Marburg, Juli 1934) stammte (3). 

Die Beschreibung und Abbildungen, die Lendner gibt, lassen eine 
ergänzende Untersuchung wünschenswert erscheinen, zumal auch 
Ling-Young und Linnemann sich nur auf die Angaben von Lendner 
berufen und keine eingehendere Unt-ersuchung durchgeführt haben, da 
sie in der Hauptsache f loristisch arbeiteten. Wir möchten daher im 
nachfolgenden eine Ergänzung hierzu geben und auch einiges über die 
Physiologie dieses Pilzes mitteilen. Die Untersuchungen wurden auf 
alle Stämme ausgedehnt und ergaben im wesentlichen übereinstimmende 
Ergebnisse. 

Archiv für Mikrobiologie. Bd. 13. 


15 



208 


K. H. Zobl: 


1. Makroskopisclies Aussehen der Kulturen. 

Wir haben uns bei der Beschreibung der Kulturen an die von 
Zycha (4) formulierten Grundsätze über Nährböden und Nährböden- 
einfluß gehalten, denn nur so ist, wie Zycha ganz richtig angibt, eine 
einigermaßen sichere Diagnose möglich. Wir beobachteten das Wachs- 
tum des Pilzes auf verschiedenen Substraten, stets aber nach mehr- 
maliger, meist fünf- bis achtmaliger Passage. Dadurch gewöhnt sich 
der Pilz an den Nährboden. Während er anfangs Wachstumsvarietäten 
bildet, Involutionsformen, zeigt er nach Gewöhnung sein wahres art- 
eigenes Wachstum. Wir haben die Beobachtung gemacht, daß Muco- 
raceae, direkt von ihrem natürlichen Standort entnommen und mikro- 
skopisch untersucht, oft zu Fehldiagnosen verleiten und damit Anlaß 
geben zur Beschreibung angeblich neupr Arten oder Varietäten. Denn 
abgesehen von einigen schnell und kräftig wachsenden Arten sind viele 
Mucoraceae (dies gilt aber auch für viele andere Pilze) gezwungen, in 
der ganzen, auf natürlichen Substraten auftretenden Mikroflora und 
Mikrofauna eine mehr minder beengte, oft recht kümmerliche Vege- 
tation zu führen. Sie erreichen dadurch selten ihre volle Entfaltung, 
die in der Regel erst in der Reinkultur und da erst naöh mehreren 
Passagen auftritt. Dem großen Nachteil des Ausbleibens der Zygoten- 
bildung bei heterothallischen Arten in den Einsporenkulturen kann 
man gelegentlich so beikommen, daß möglichst viele Stämme der 
gleichen Art vom selben Fundort isoliert werden. Durch Kombination 
der Stämme erhält man dann manchmal doch die Zygotenbildung. 

Mucor Janaseni zeigt auf Brot, Bierwürze-, Karottenpepton-, 
Gorodkowa- und Malzagar ziemlich gleichartiges Wachstum. Auf 
Kartoffel und Karotte bleibt er im Wachstum anfangs etwas zurück. 
Auch bleibt die Farbe des Rasens durch stärkere Untermischung mit 
Luftmycel länger weißlich und ist auch später oft nicht sehr ausgeprägt. 
Bei Karotten spielt die Herkunft bzw. die Düngung eine wichtige Rolle. 
Wir haben häufig bemerkt, daß Karotten aus reichlich, besonders mit 
Kunstdünger gedüngten Böden schlechte Nährböden abgeben, während 
solche, die aus mit Stallmist, und nicht zu reichlich gedüngten Böden 
stammen, dem Pilz besser zusagten, was vor allem in der für Mucor 
Janaseni charakteristischen Färbung des Rasens zum Ausdruck kommt. 
Die Konzentration der Nährstoffe im Substrat spielt überhaupt eine 
wesentliche Rolle. Es gibt eine maximale und optimale Konzentration, 
aber auch ein Nährstof fminimum. Während das letztere meist gut 
bekannt ist, wird das Optimum und Maximum nicht gebührend 
berücksichtigt. Deutlich ist dies bei Bierwürze festzustellen. Wir finden 
in der Literatur meist nur die Bemerkung, daß Bierwürzeagar oder 
flüssige Bierwürze irgendwelcher Herkunft verwendet wurde, nähere 



Miicor Jansseni Lendner. 


209 


Angaben fehlen. Selbst hergestöllte Würze [nach Windiach aus Janke- 
Zickes, S. öO (5)] enthält, wie wir mehrfach feststellen konnten, sehr 
viel mehr Nährstoffe als die von Brauereien bezogene, deren Nähr- 
stoffgehalt außerordentlich wechselt. Sie stellt eine Nährlosuifg von 
maximaler Konzentration (12 bis Balling) dar. 

Mucor Jansseni wächst darauf anfangs unter Bildung eines stark 
ölhaltigen Substratmycels, bildet reichlich Chlamydosporen (in diesem 
Fall ein Zeichen ungünstiger Lebensbedingungen durch überreichliche 
Ernährung), weißliches Luftmycel und erst nach Reduktion der Nähr- 
stoffe des Substrats entsteht stark verspätet ein Rasen von Sporangien- 
trägem. Würze von 5^ Balling läßt viel rascher das charakteristische 
Wachstum von M. Ja'hsseni zu. Sie bietet dem Pilz eine optimale 
Konzentration an Nährstoffen. Auch der pH-Wert beeinflußt das 
Wachstum und muß entsprechend berücksichtigt werden. Über das 
Zusammenwirken von Konzentration der Nährstoffe, pn-Wert und 
Temperatur sind Untersuchungen im Gange. Mancher Widerspruch 
über das Wachstum, z. B. auf Bierwürae, der sich in der Literatur 
findet, so auch für Mucnr Jansseni fischen Lendner und Linnemann, 
ließ sich unter Berücksichtigung der oben angeführten Gründe ohne 
Schwierigkeit auf klären. 

Mucor Jansseni bildet auf Würze- und Malzagar (Würze von 
50 Balling, 3% Malzextrakt, Biomalz; 2% Agar-Agar), sowie Brot 
nach 4 bis 6 Tagen einen blaugrauen, 0,6 bis 1 cm hohen Rasen, der 
nach 8 bis 12 Tagen seine volle Ausbildung erreicht. Einzelpartien des 
Rasens werden 1,5 selten 2 cm hoch. Das Substratmycel ist nicht 
übermäßig entwickelt. Die Sporangienträger sind anfangs unverzweigt, 
mit fortschreitender Höhe tritt starke Verzweigung ein (Abb. 1, Fig. 1). 
Die Verzweigung ist vorherrschend sympodial. Doch geht dieses reich- 
lich sympodial verzweigte Astsystem gegen die Spitze zu meist in eine 
mehr minder deutliche racemöse Verzweigung über. Ältere Rasen zeigen 
beide Verzweigungsarten in einem solchen Verhältnis, daß die Zu- 
ordnung sowohl zur Sectio Racemomucor, als auch zur Sectio Cymomucor 
erfolgen kann. Wenn auch der Verzweigungsmodus kein konstantes 
Merkmal ist, so kann immerhin daraus ein erster Anhalt zur Bestimmung 
der Art gewonnen werden. Die Sporangien sind innerhalb des ganzen 
Rasens verteilt, irgendeine vorherrschende Schicht ist nicht zu erkennen. 
Die Sporangien sind mit freiem Auge als dunkle, fast schwärzliche 
Pünktchen im Rasen erkennbar. Das Mycel ist anfangs weiß, mit zu- 
nehmender Ausbildung des Rasens tritt eine Verfärbung ein, die von 
hellgrau über blaugrau zu einer blauschwarzen Tönung des Mycels führt, 
die durch die dunkle, fast schwarze Färbung der Sporangien verstärkt 
wird. Immer besitzt der Rasen auf Brot, Würze- und Malzagar diesen 
eigenartigen blauen Farbton, der die Unterscheidung von anderen 

15 * 



210 


K. H. Zobl; 


Arten wesentlich erleichtert. Besonders schön tritt manchmal die Farbe 
des Rasens auf Karotten hervor, wenn man gerade die dem Pilz zu- 
sagende Sorte verarbeiten konnte. Meist aber bildet er hier eine mehr 
schmutzigbraune Farbe aus. Auf Karottenpepton- und Gorodkowaagar 
bleibt der Rasen niedriger, meist 0,5 bis 0,8 cm hoch. Das Substrat- 
mycel verfärbt sich gelblich bis orange, der darüber befindliche Rasen 
wird hellgrau bis bräunlich. Auf allen verwendeten festen Nährböden 
entstanden im Gegensatz zu Lendner Sporangien. Die Höhe des Rasens 
gibt Lendner mit 2 bis 6 mm zu niedrig an, was auch schon Linnemann 
aufgefallen ist. In flüssigen Nährböden (Bierv^ürze ö^Balling, 2% 
Peptonlösung mit 3% Traubenzucker) entwickelt der Pilz nur ein 
farbloses, in größeren Mengen weißlich scheinendes Mycel. Solange das 
Mycel die Oberfläche der Nährflüssigkeit nicht erreicht, werden keine 
Sporangien ausgebildet. Erst wenn sich in der Oberfläche der Flüssigkeit 
eine genügend dicke Schichte von Substratmycel entwickelt hat, 
beginnen Sporangienträger herauszuwachsen. Dann tritt auch bald die 
blaugraue Verfärbung des Rasens ein. 

II. Mikroskopische Beobachtungen. 

Die Sporen (Abb. 1, Fig. 2) sind kugelig, selten geringfügig oval, 
hyalin, farblos oder mit einem schwach bläulichen Stich. Im ganzen ist 
ihre Form und Größe sehr beständig, unabhängig von den Substraten. 
Der Durchmesser beträgt 4 bis 6 jjl. In Würze oder einer anderen Nähr- 
flüssigkeit schwellen sie rasch an, und man erkennt dann im Innern der 
Spore Fettröpfchen (nachgewiesen mit Sudan III und Osmiumsäure), 
und kleinere, mitunter auch größere Vakuolen. Bald erreichen sie 10 bis 
17 [X im Durchmesser, verlieren ihre Kugelgestalt und keimen mit einem 
oder zwei Keimschläuchen aus. Nach 20 bis 24 Stunden sind schon 
reichlich verzweigte Hyphen im Substrat gebildet, die bald danach mit 
freiem Auge sichtbar werden. Nach 48 bis 72 Stunden sind vereinzelt 
die ersten Sporangien gebildet. Die Hyphen sind anfangs nur wenig 
septiert, gleichmäßig breit. Die Breite ist wechselnd und nimmt gegen 
die Wachstumsspitzen zu ab. Später tritt reichlich Querwandbildung 
auf, besonders an den Verzweigungsstellen. Der Inhalt junger Hyphen 
ist hyalin, von leicht bläulicher Tönung. Ältere Hyphen enthalten 
reichlich Fettröpfchen und zahlreiche Vakuolen. Junge Hyphen sind 
glatt, ältere sehen streifig aus. Dies kommt dadurch zustande, daß 
feinste Inkrustationen an der Oberfläche der Hyphen entstehen, die 
oft regelmäßig in Linien verlaufend abgeschieden werden. An den 
Verzweigungsstellen und etwas unterhalb der Sporangien sind die 
Hyphen manchmal geringfügig aufgetrieben. Es werden Chlamydo- 
sporen gebildet (Abb. 1, Fig. 3 u. 3a), die von mannigfaltiger Gestalt 
sind, doch auf festen Nährböden nicht allzu reichlich entstehen. Sie 



Mucor Jansseni Lendner. 


211 


sind kugelig, oval, tonnenförmig oder auch ganz unregelmäßig geformt, 
haben eine derbere Membran und enthalten reichlich Reservestoffe, 
hauptsäclilich fettes öl. Diese Gemmen können an allen Stellen des 



Abb. 1. Mucor Jansseni. 1. und 4. Verzweigung der Sporangienträger ; Vergr. 30 mal bzw. 
120 mal. 2. Sporen, z. T. gequollen; Vergr. 350 mal. 3. Chlamydosporcn; Vergr. 350 mal. 
5. Oberfläche des Sttorangium; Vergr. 450 mal. 6. Columella; Vergr. 450 mal. Weitere 

Erklärungen im Text. 


Mycels entstehen, weitaus am häufigsten jedoch am Substratmycel und 
besonders reichlich an submers in Nährflüssigkeit wachsendem Mycel. 
Die Sporangienträger verzweigen sich anfangs sympodial, die Zweige 
schließen jeweils mit einem Sporangium ab. Die Seitenäste werden mit 




212 


K. H. Zobl: 


zunehmender Ordnungszahl immer schwächer und auch kürzer, die 
Sporangien immer kleiner (Abb. 1, Fig. 4). Während die Sporangien 
der Hauptäste zahlreiche Sporen enthalten, schließen die kleinen 
Sporangien oft nur 2 bis 8 Sporen ein, manchmal findet sich nur eine 
einzige Spore vor. 

Häufig entspringen unterhalb eines Sporangiums kleine, sogenannte 
Nebensporangien, das ganze Astsystem ruft dann den Eindruck einer 
racemösen Verzweigung hervor. Dies findet sich besonders in älteren 
Kulturen. 

Die Sporangien sind kugelig, die Größe sehr verschieden, im Mittel 
etwa 45 bis 75 [x Durchmesser. Doch kommen gelegentlich auch größere 
bis zu 90 fx vor. Die kleinen Sporangien, die an den Endzweigen der 
Astsysteme sitzen, gehen in ihren Abmessungen bis auf 15 bis 20 [x im 
Durchmesser herab. Die anfangs hellblaugraue Farbe der Köpfchen 
weicht bald einer tief dunkelblauschwarzen Tönung, die durch das Nach- 
dunkeln der durchscheinenden Sporen, sowie durch die reichlich ab- 
gesonderten Inkrustationen noch wesentlich verstärkt wird. Die Ober- 
fläche des Sporangiums sieht feinstachelig aus und, da auch hier die 
Anordnung der Kriställchen, es handelt sich wahrscheinlich um Oxalate, 
ziemlich regelmäßig in Linien erfolgt, auch streifig (Abb. 1, Fig. 5). 
Die Sporangienwand ist nicht zerfließlich, sondern brüchig. Es bleibt 
immer ein Kragen in Form mehr minder größerer Bruch res te an der 
Columella zurück. Die KristäUchen sind nadel-spieß-stäbchenförmig. 
Die Columella ist in ihrer Form und Größe sehr variabel (Abb. 1, Fig. 6). 
Man findet alle Übergänge von rein kugeliger Gestalt bis kegelförmiger 
Form. In sehr jungen Sporangien ist sie hellgrau und hyalin, später 
bräunlich mit schwach bläulichem Stich ; dann enthält sie auch reichlich 
Fettröpfchen und Vakuolen. Die blaue Farbe scheint hier, ähnlich wie 
bei den Blaufäulepilzen des Holzes, auf das Prinzip der ,, Trüben Medien“ 
zurückzuführen sein. Für die Kugelform wurden 12 bis 65 [x, im Mittel 
45 [X, für die Ovalform 15 bis 55 [x Längs- und 7 bis 50 jx Querdurch- 
messer gemessen. 

Besonderer Erwähnung bedürfen die in Nährflüssigkeit bei sub- 
me^sem Wachstum auf tretenden Wuchsformen. Neben normal aus- 
gebildeten Hyphen finden sich zahlreiche Übergänge bis zum typisch 
hefeartigen Sproßverband. Wir sind, um jedem Einwand zu begegnen, 
von Einzelsporen ausgegangen. Sporenemulsionen wurden soweit 
verdünnt, bis sich in der feuchten Kammer im hängenden Tropfen 
nur eine Spore befknd. Diese bildete nach dem Auskeimen alsbald 
Kugelzellen, die schließlich sproßartige Verbände ergaben, deren Einzel - 
elemente verschiedene Größen hatten und alle Übergänge von der 
Kugelform bis zu langgestreckten Sproßzellen zeigten. Davon wurde 
mit einer Kapillare angesaugt und das Impf gut durch Abbrechen der 



Muoor Jansseni Lendner. 


213 


Kiipillarspitze in 3 % Traubenzucker- Peptonlösung gebracht. Es wurde 
streng steril gearbeitet. Es wuchsen neben typischen Hyphen reichlich 
Kugelzellen und Chlamydosi)oren. Die Hyphen zeigten Arthrosporen- 



Abb. 2. Muftor Janstmi. 1. Arthrosporenbildung ; 2. PseudoTnycel uod Blastosporen; 

3. Eicseiizcllen^ 4. KugelzcUeii; 5. Spiral wachstuin. Weitere Erklärungen ini Text. 

Vergr. aller Abb. etwa 750 mal. 

bildung (Abb. 2, Fig. 1), d. h. aus der primär entstandenen Hyphe 
ging durch Zerfall in der Wachstumsrichtung eine Kette von Arthro- 
sporen, die untereinander und mit der Hyphe im Zusammenhang 
blieben, hervor. Die Kugelzellen konnten so aussproasen, daß sich 


214 


K. H. Zobl: 


die entstandenen Langsprosse durch weitere Sprossung ganz ein- 
seitig nach einer Richtung hin erstreckten und so der Eindruck eines 
Pseudomycels entstand (Abb. 2, Fig. 2). Die Langsprosse erzeugten 
mitunter in der Gegend ihrer Berührungsstellen Kurzsprosse, die dann 
ihrer Entstehung und Anordnung nach typische Blastosporen waren 
(Abb. 2, Fig. 2 a). Damit entstand durchaus der Eindruck einen Sproß - 
pilz, etwa eine Art der Gattung Candida, vor sich zu haben. Daneben 
finden sich zahlreiche Chlamydosporen mit derber Membran. Auch 
Riesenzellen (Abb. 2, Fig. 3) von bedeutenden Abmessungen kommen vor. 
Alle die verschiedenen Elemente sind voll von Reservestoffen, unter 
denen glykogenartige Stoffe und fettes öl den Haiiptteil bildeö. Bringt 
man ein wenig nur Kugelzellen enthaltendes Impfmaterial mit Hilfe 
von Glaskapillaren auf Brotnährboden, so zeigt der Pilz in Kurze seine 
alte charakteristische Wuchsform. Auf Bierwürzegelatine gebracht, 
keimen die Chlamydosporen ohne weiteres zu Hyphon aus, während die 
Kugelzellen ein Zwischenstadium bilden. Die Kugelzelle schwillt zu 
einer Blase von doppelter Größe an, aus der dann eine kurze Hyphe 
herauswächst, die aber sofort wieder Kugelzellen bildet (Abb. 2, Fig. 4 
u. 4a). Erst nach einiger Zeit, offenbar nach Gewöhnung an die Ver- 
hältnisse in dem neuen Nährboden, tritt die normale Wuchsform auf. 
Eigenartig sind die spiraligen Wuchsformen, die gelegentlich in Trauben- 
zuckerlösungen auf treten (Abb. 2, Fig. 5). Meist ist es eine kurze Hyphe 
oder ein Langsproß, der ganz regelmäßig spiralig gewunden beobachtet 
wird. Über das Zustandekommen dieser eigenartigen Wuchsform kann 
vorläufig nichts Näheres ausgesagt werden. 

Auch über das sexuelle Verhalten des Pilzes wurden Versuche an- 
gestellt, die aber ohne eindeutiges Ergebnis blieben. Trotz Anwendung 
verschiedener Nährböden, vor allem solcher, die mit Erfolg zum Nach- 
weis der Ascosporenbildung bei den Sproßpilzen dienen, konnten keine 
Zygoten erhalten werden. Die Versuche mit Gorodkowaagar, Karotte, 
Gipsblöckchen sowie der Nährlösung nach Wöltje, letztere unter Zusatz 
von 5, 10, 15 und 30% Saccharose und Vitaininbeigaben in Form von 
Hefeextrakt blieben ohne Ergebnis. Auch die Kombination der ver- 
schiedenen Stämme untereinander blieb bisher erfolglos. Es wurde auch 
versucht, Bastardzygoten zu erhalten. Lendner gibt an, daß Mucor 
Jansseni vielleicht in die Nähe von Mucor fragilis zu stellen ist. Mehr- 
fache Kombinationen von M. Jansseni mit Mucor fragilis blieben ohne 
Erfolg. Auch Kombinationen mit Mucor luteus + u. — , Ahsidia 
glauca + u. — sowie Mucor mucedo + u. — ließen nichts Sicheres er- 
kennen. Einmal bildete der Stamm Zöptau mit M. luteus — Gebilde 
aus, die vielleicht als Anlagen von Bastardzygoten gedeutet werden 
könnten. Doch kam es nie zur Ausbildung vollständiger Zygoten. 
Dieser Versuch könnte dahin ausgewertet werden, daß M. Jansseni 



Mucor Jansseni Lendner. 


215 


Stamm Zöptau die Plusf orm einer heterothallisch en oder besser diözischen 
Rasse ist. Die übrigen Stämme sind, den Ergebnissen nach zu schließen, 
weder homothallisch (monözisch) noch hetero thallisch (diözisch), 
sondern waren Neutralformen. Eine endgültige Entscheidung wird bei 
Mucor Jansseni wohl schwer herbeizuführen sein, da der Pilz doch recht 
selten ist und offenbar noch sehr viel seltener in seine Plus- oder Minus- 
formen getrennt in der Natur vorzu kommen scheint. 

[II. Physiologisehe Merkmale. 

1, Zuckervergnrung (Gas- und Säurebildung). Die Prüfimpj auf diese 
Merkmale wurde im Vorversuch mit dem Einhomi^chen Gärrohr vor- 
genommen. Zum Hauptversuch verwendeten wir Gärröhrchen (Glocken- 
methode). Als Versuchsflüssigkeit diente folgende Nährlösung; 2% Pepton- 
Witte in destilliertem Wasser, abgefüllt zu 100 ccm, sterilisiert und mit 
5% des durch IJmkristallisieren gereinigten Zuckers versetzt. Je 5 ccm 
der <iurch zweimaliges Erhitzen auf 100® C sterilisierten Flüssigkeit 
wurden in Proberöhrchen, die mit dem Gärröhrchen versehen waren (vor- 
her im Trockenschrank sterilisiert), steril abgefüllt. Die mit Glaskappen 
versehenen Röhrchen werden nochmals bei 100® C sterilisiert, wodurch 
gleichzeitig die Luft aus dem Gärröhrchen vertrieben wird. Nach dem 
Erkalten wird 1 ccm einer sterilen Lackmuslösung nach Kubel-Thiemann 
hinzugefügt. Es wird, um später die Säurebildung oder einen Umschlag 
nach der alkalischen Seite hin genau feststellen zu können, mit n Na OH 
oder ^/lO n Sodalösung auf den Neutralpunkt eingestellt. Die Lösung zeigt, 
vermutlich durch das Pepton, manchmal eine schwach saure Reaktion. 
Um vergleichbare Werte zu erhalten, wurde mit einer 1 ccm-Pipette jeweils 
ein Tropfen einer Sporenemulsion vorimpft. Die Emulsion wurde durch 
Uberschichten einer jüngeren Agarkultur mit physiologischer Kochsalz- 
lösung und leichtes Schütteln erhalten. Es hatte sich gezeigt, daß immer 
Sporen in genügender Menge durch diesen Vorgang trotz der Sprödigkeit 
und Festigkeit der Sporangiumwand erhalten werden. Geprüft wurden 
folgende Zucker: Glucose, Fructose, Mannose, Galaktose, Saccharose, 
Maltose, Lactose und Raffinose. Auch für die Mucoraceae gelten die von 
Kluyver (6) für Hefepilze gefundenen Gesetzmäßigkeiten der Zucker - 
Vergärung, soweit wir bisher feststelleii konnten. 

In allen Zuckerarten trat Säurebildung auf, wie der Lackmus - 
Umschlag nach rot anzeigte. Gas wurde dagegen nur in Glucose, 
Fructose, Mannose, Maltose und Galaktose gebildet. Die Versuche 
wurden in mehreren Serien bei 18, 22 und 37^0 durchgeführt. Bei 
18 und 220 Q tritt die Säuerung am 2., die Gasbildung schon am 3. Tage 
ein, der Pilz wächst rasch und kräftig heran. Bei 37® C geht der Pilz 
nur sehr, schwer und langsam an, zeigt nur schwaches Wachstum und 
starke Beeinträchtigung aller Lebensfunktionen. 

Anfangs wird ziemlich viel Säure gebildet, am stärksten in den bis 
zur Gasbildung abgebauten Zuckerlösungen. Da stets mit gleichen 
Mengen gearbeitet wurde, konnten durch Titration mit ^/iqU Na OH 
gegen Lackmus Vergleichswerte erhalten werden. Am meisten Säure 



216 


K. H. Zobl: 


entstand in der Maltoselösung, dann in Mannose, Glucose, Fructose. 
In Galaktose entstand nur wenig Säure entsprechend der geringeren 
Gasbildung. Schwächer noch war die Säurebildung in Saccharose, 
Raffinose und sehr schwach in der Lactoselösung. 

Merkwürdigerweise blieb aber die Säure nicht erhalten. Nach 
3 bis 4 Wochen machte die Rotfärbung des Lackmus einer immer 
stärker werdenden Violett- und schließlich Blaufärbung Platz. Nach 
6 Wochen war auch die Maltoselösung deutlich blau. Mucor Jansseni 
ist offenbar in der Lage, auch die gebildete Säure nach Aufzehren des 
Zuckers weiter. zu verarbeiten oder sonst irgendwie zu binden, so daß 
die Säure wieder verschwindet. Und nun zeigte sich gerade das um- 
gekehrte Verhältnis. Die alkalische Reaktion war in der Lactose-, 
Raffinose- und Saccharoselösung am stärksten; bei der Titration auf 
den Neutralpunkt wurden 0,35 bis 0,40 ccm n HCl gebunden, 
während bei den übrigen Zuckerarten nur 2 bis 6 Tropfen i/ionHCl 
nötig waren. Am wenigsten wurde von der Maltoselösung gebraucht, 
wo nach 2 Tropfen der Neutralpunkt gegen Lackmus erreicht war. 
Gleichzeitig verschwand das Gas in allen Gärröhrchen bis auf eine kleine 
Blase, ob durch Absorption durch die Flüssigkeit oder Assimilation 
durch den Pilz kann nicht gesagt werden. Vielleicht entstehen bei der 
Verwertung des Peptons Zwischen- oder Endprodukte alkalischer 
Reaktion, die sowohl die Ändening der Reaktion bedingen, als auch 
das COrt binden, womit dann vielleicht giftig wirkende Stoffe un- 
schädlich gemacht würden. Weitere Untersuchungen wären sicher 
wünschenswert. 

2. Temperatureinfluß. M. Jansseni wächst noch bei 4 bis 6^0, 
allerdings nur sehr langsam und beinahe nur Substratmycel bildend. 
Bei 00 C keimten die Sporen noch aus, setzten aber das Wachstum nicht 
fort. Bei 16, 18, 20, 22 und 250 C wächst er sehr gut. Hier liegt auch 
sein Optimum, wenn auch schwer zu entscheiden ist, ob ein Unterschied 
bei 22 und 25® C merklich in Erscheinung tritt. Bei 30® C geht die 
Kultur noch rasch an, der Rasen bleibt aber niedrig, 1 bis 3 mm. Bei 
370 C und bei 40® C geht M. Jansseni nur mehr sehr langsam an und 
zeigt nur spärliches Wachstum als Substratmycel. über 45^ C stellt 
er das Wachstum ein, wird aber nicht geschädigt, sondern wächst, auf 
Zimmertemperatur gebracht, rasch heran. Die Tötungstemperatur der 
Sporen liegt bei 650 C. Dieses wurde mit Sporenemulsionen im Wasserbad 
festgestellt. 10 Minuten dauerndes Erhitzen, die Zeit von da an ge- 
rechnet, in der ein Thermometer in der gleichen Menge Flüssigkeit diese 
Temperatur anzeigte, schädigte die Sporen nicht. Nach 20 Minuten 
keimten noch vereinzelte Versuchsröhrchen aus, nach 30 und 40 Minuten 
nicht mehr, während die unbehandelten Kontrollröhrchen in allen 
Fällen angingen. Bei 70® C genügte 10 Minuten langes Erhitzen, um 



Mucor Jansseni Lendner. 


217 


die Sporen abzutöten. Ebenso waren Brot- und Karottenkulturen nach 
dieser Zeit fast immer abgetötet, wie durch Abimpfen auf neue Nährböden 
festgestellt werden konnte. 

5. Einfluß des 'p^^Wertes. Der für das charakteristische Wachstum 
günstigste pn-Wert lag bei pn — 5, doch zeigt der Pilz im ganzen einen 
ausgedehnten Wachstumsbereich. So bildete sich in einer alkalischen 
Fleischbrühe mit 1 % Traubenzucker und einem pn-Wert von 7,9 sehr 
rasch ein reichliches submerses Mycel, während in derselben Brühe, aber 
mit ph = 6 ein sehr viel schwächeres Mycel wuchs. Bei pn — 4,5 war 
da^ Wachstum ähnlich wie bei pn ~ 7,9. Es scheint also so zu sein, 
daß der Pilz sowohl im sauren als auch im basischen Bereich je einen 
optimalen pH-Wert bevorzugt. Dies würde übrigens eine Bestätigung 
unserer Befunde über das Verhalten bei der Gärung bedeuten. 

/. Lebensdauer. Trotz der Chlamydosporenbildung verträgt 
M. Jansseni keine zu langandauemde Austrocknung. In der Regel lebt 
der Pilz auf Brot in Röhrchen mit Watte Verschluß 8 Monate, auf Bier- 
würzcagar 12 bis 14 Monate. Nach 18 Monaten hatte er seine Keim- 
fähigkeit eingebüßt und auch eine Durchtränkung des Nährbodens mit 
Bierwürze brachte ihn nicht mehr zum Auskeimen. Immerhin zählt er 
zu den widerstandsfähigeren Mucor ’AviQii. 

5. Einfluß des Lichtes. Der Einfluß des Lichtes scheint sich dahin 
auszuwirken, daß die Verzweigung dunkel gehaltener Kulturen etwas 
früher und stärker einzu treten pflegt. Später sind Unterschiede im 
Wachstum nicht mehr feststellbar. Immerhin sind auch hierbei gewisse 
Erscheinungen bemerkenswert. Es wurden drei Versuchsreihen auf- 
gestellt. Versuchsreihe I blieb bei Zimmerhelligkeit, Versuchsreihe II 
und III wurden sofort nach dom Abimpfen bei völliger Dunkelheit auf- 
be wahrt. Nach 3 Tagen wurde die Versuchsreihe II auf 1 Minute der 
Zimmerhelligkeit ausgesetzt, nach 8 Tagen alle drei Reihen miteinander 
verglichen. Reihe I hatte einen wohlausgebildeten Rasen, doch waren 
die Sporangienträger nur mäßig verzweigt, im ganzen war der Rasen 
hellgrau. Reihe II glich der Reihe I, doch war die Verzweigung der 
Sporangienträger unserem Empfinden nach> wesentlich stärker, auch 
war der Rasen etwas niedriger. Reihe III zeigte nur sehr wenige, reich- 
lich verzweigte Sporangienträger, der Rasen war niedrig und stark mit 
weißem Luftmycel untermischt. Daraus geht hervor, daß die kurze 
Lichteinwirkung doch als Reiz in der Richtung eines besseren Wachs- 
tums, vor allem aber einer reichlicheren Sporangienbildung gewirkt hat. 
3 Wochen alte Kulturen der drei Versuchsreihen zeigten aber keine 
Unterschiede mehr. 

G. Sonstige Beobachtungen. M. Jansseni verflüssigt Gelatine, aller- 
dings erst in älteren Kulturen. Vermutlich werden durch Autolyse ab- 
gestorbener Hyphen Gelatine verflüssigende Fermente frei. Milch wird 



218 


K. H. Zobl: Mucor Jansseni Lendner. 


innerhalb 8 bis 12 Tagen zum Gerinnen gebracht, was wohl auf die Säure - 
bilduhg zurückzuführen ist. LackmusmiJch zeigte anfangs kräftige 
Rotfärbung, die mit dem Alter der Kultur abnahm und einer schwachen 
Blaufärbung Platz machte. Die Natur der Säuren konnte nicht näher 
untersucht werden. Stärke wird geringfügig verzuckert, wie aus den 
positiven Zuckemachweisen hervorging. Kontrollröhrchen mit der 
gleichen Stärkelösung unter den gleichen Bedingungen gehalten blieben, 
auf Zucker geprüft, negativ. Die Sporangien träger sind photo tropisch 
positiv, sie wachsen dem Licht zu . Dabei sind manche Sporangienträger 
scheinbar phototropisch negativ, indem sie von der Lichtquelle weg- 
wachsen. Genaue Beobachtung zeigt aber, daß diese Träger auf Stellen 
Zuwachsen, an denen das Licht stärker an der Glaswand des Kultur- 
gefäßes reflektiert wird. Zu großer Wassergehalt des Nährbodens und 
der Luft gibt Anlaß zur Bildung von Kümmerformen innerhalb der 
Sporangienträger und läßt das Mycel mit zahllosen Tröpfchen bedeckt 
erscheinen. Auch bezüglich der Feuchtigkeit ist damit ein Minimum, 
Optimum und Maximum feststellbar, das übrigens mit der Züchtungs- 
temperatur in Beziehung steht. Bei Temperaturen von 25^ C kann eine 
vermehrte Feuchtigkeit ohne bemerkenswerte Erscheinungen ertragen 
werden, während dieselbe Feuchtigkeit des Nährbodens bei Zimmer- 
temperatur (16 bis 18^ C) bereits zur Ausscheidung von Tröpfchen führt. 

Zusammenlassung. 

Über Mucor Jansseni Lendner, von dem mehrere Stämme aus ver- 
schiedenen Gegenden isoliert wurden und dessen Beschreibung in der 
Literatur unvollständig ist, werden genauere Angaben über sein morpho- 
logisches und physiologisches Verhalten gemacht. 

Literatur. 

1) Lendner, A., Bull, Herb. Boissier, 2e s6rie, t. Vli, 1907. — la) Der- 
selbe, Les Mucorin^s de la Suisse. Bern 1908. — 2) Ling-Young, M., Etüde 
biologique des ph^nomenes de la sexualit6 chez les Mucor in^es. Rev. g6n. 
de Bot. 42, 144, 1930; 48, 30, 1931. — 3) Linnemann, O., Flora oder 
Allgemeine Bot. Zeitung, N. F., 80, 176, 1936. ~ 4) Zycha, H., Mucorineae 
in Kryptogamenflora der Mark Brandenburg, Band Via. Leipzig 1935. — 
5) Janke, A, u. Zikes, H., Arbeitsmethoden der Mikrobiologie, S. 50. 
Dresden 1928. — 6) Kluyver, A, J ., Biochemische Suikerbepalingen. Delft 
1914. 



(Aus dem Botanisch-Mikrobiologischen Institut der Technischen Hochschule 

Karlsruhe.) 


Untersnchungen über die Einwirkung 
von ultraknrzen Wellen auf Mikroorganismen. II.* 

Von 

Sigrid Hansen und Wilhelm Schwartz. 

Mit 9 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 17 . November 1942.) 

Die Untersuchungen von Sanier und Schwartz (1939) haben gezeigt, 
daß elektromagnetische Wechselfelder eines Funkenstreckensenders mit 
hohen Spitzenspannungen und geringer mittlerer Feldstärke bei geringer 
Leitfäll igkeit und nur mäßiger Erwärmung der Bakterienaufschwemmung 
die Zellen so stark schädigen können, daß sie absterben. Da die Tem- 
peraturen hierbei höchstens etwa um Ißo Q über die Anfangstemperatur 
anstiegen, also etwa 36^ C erreichten, war die Möglichkeit einer nicht 
thermischen, also spezifischen Wirkung gegeben, wenn auch nicht 
bewiesen. Ferner ist aus dem Schrifttum bekannt, daß die Zellen 
einer Bakterienaufschwemmung im Kondensatorfeld eines ungedämpfte 
Schwingungen liefernden Röhrengerätes rascher abgetötet werden als 
die im Wasserbad bei derselben Temperatur (Schlie/phake , 1935). 

In der Heilkunde werden Ultra-Kurzwellen (UKW.) seit geraumer 
Zeit verwendet, obwohl man sich über die Wirkungsweise nicht klar 
ist. Aus der Tatsache, daß die beim Patienten auftretende Wärme- 
empfindung als Dosismaß benutzt wird, darf ja nicht ohne weiteres 
geschlossen werden, daß in erster Linie die Wärmewirkung ausgenutzt 
wird. Die in der Praxis gebräuchlichen Apparate erzeugen teils ge- 
dämpfte (Funkenstreckensender), teils ungedämpfte (Röhrensender) 
Schwingungen. Arbeitet man mit ungedämpften Schwingungen, so ist 
die mittlere Feldstärke groß im Verhältnis zur maximalen, während bei 
gedämpften Schwingungen die mittlere Feldstärke klein, die maximale 
recht beträchtlich ist. Verwendet man Bakterienaufschwemmungen, 
so muß die Erwärmung der Aufschwemmung bei großen mittleren Feld- 
stärken größer sein als bei kleinen. Selbstverständlich ist auch die 
Leitfähigkeit der Aufschwemmung von größter Bedeutung. 

Im Anschluß an die bekannten Tatsachen sollte die Wirkung unge- 
dämpfter UKW. bei extrem hohen mittleren Feldstärken und sehr 

* Ausgeführt mit Unterstützung des Reichsforschungsrates und der 
Siemens-Schuckert-Werke, Berlin. 



220 


8. Hemsen u. W. Schwartz: 


kurzen Behandlungszeiten untersucht werden. Es war ferner von Inter- 
esse zu untersuchen, ob mit den mittels eines Röhrengerätes zu erzeu- 
genden gedämpften Hochfrequenzschwingungen dieselben oder, ähnliche 
Wirkungen auf Bacterien ausgelöst werden können, wie es mit einem 
Funkenstreckensender in früher durchgeführten Versuchen der Fall 
war. Gleichzeitig sollte festgestellt werden, inwieweit die Leitfähigkeit 
der Aufschwemmung und Unterschiede des Schwingungsverlaufes beim 
Einsetzen der Schwingungen einen Einfluß auf die biologische Wirksam- 
keit haben. 

Wir benutzten für unsere Untersuchungen folgende Stämme von Mikro- 
organismen : 

Von der Reichsanstalt für Land^ und Forstwirtschaft in Berlin er- 
hielten wir: Micrococctia candicana, aus der EmZschen Sammlung in Wien; 
Azotobacter chroococcumy Stamm XV, isoliert vom Versuchsfeld in Dahlem. 
Die morphologischen und physiologischen Eigenschaften der beiden Stämme 
wichen von den bekannten Angaben nicht ab. 

Ferner wurden aus Erde und aus Milch Bakterien- Stämme, und aus 
einem Schleimfluß ein He/e- Stamm isoliert. 

Die Bodenbakterien stammten aus Erdproben aus dem Botanischen 
Garten aus einer Bodentiefe von 5 bis 8 cm unter einer Rasenfläche. Je eine 
Spatelspitze dieser Eide wurde in einem Reagensglas in 10 ccm sterilem, 
destilliertem Wasser aufgeschwemmt und im Wasserbad erwärmt. Die 
Anfangstemperatur betrug 40^ C. Der Wärmegrewi des Wasser bades wurde 
binnen 10 Minuten um 10° erhöht, 1 Minute bei der erreichten Temperatur 
gehalten, um dann binnen weiterer 10 Minuten um weitere 10° erwärmt zu 
werden usf. bis zu 100° C. Am Ende jeder 11. Minute wurde ein Glas mit 
einer Probe aus dem Wasserbad heraüsgenommen und kurz geschüttelt. 
Nachdem sich die festen Teilchen abgesetzt hatten, wurden */i(jCcm der 
Aufschwemmung mit 10 ccm Fleischbouillongelatine in eine Petrischale 
gebracht. Nach einigen Tagen zeigten sich auf den Platten Bakterien- 
kolonien, die verschieden hohe Temperaturen ausgehalten hatten. Sie 
wurden nach dem XocÄ sehen Plattenverfahren rein gezüchtet. Die Stämme 
wurden so ausgewählt, daß sie Gelatine gar nicht oder nur sehr langsam 
verflüssigen und gegen höhere Temperaturen nicht allzu empfindlich sind. 

Der in der vorliegenden Arbeit verwendete Stamm wurde b 90° benannt 
(Tabelle I und II). Die Erdprobe, aus der er gezüchtet wurde, war in der 
geschilderten Weise auf 90° erwärmt worden, wobei die Probe im ganzen 
56 Minuten im Wasserbad verblieb. Die später geprüfte Hitzeresistenz 
zeigte, daß bereits bei Erwärmung auf 47° C 90% der Keime abstarben, 
während 42 bis 46° ohne nennenswerte Beeinflussung vertragen wurden. 

Zur Gewinnung von Müchaäurebakterien ließen wir Magermilch bei 
Zimmertemperatur 3 Tage stehen. Eine Impföse des gesäuerten Materials 
wurde auf einen Gelatine- oder Agamährboden gebracht imd nach dem 
Koch sehen Plattenverfahren in drei Folgen rein gezüchtet. Nach den 
morphologischen und physiologischen Eigenschaften ließ sich der aus Milch 
isolierte Bakterienstamm als Streptococcus lacticus (Kruse) einordnen (Ta- 
belle I und II). 

Die Hefe stammte aus dem Schleimfluß einer Uhne, Unter den ver- 
schiedenen Hefeformen, die sich auf der Würzegelatine entwickelten, wurde 



Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 221 


ein Stamm mit annähernd runden, d. h. kugelförmigen Zellen zur Reinzucht 
ausgewählt. 


Tabelle I. Morphologische Eigenschaften der Stämme h 90® und 
Streptococcue lacticua (Kruse). 


Bigenschaften 

b 900 

Streptococcw UuAicut (Krtue) 

Form 

Langstäbchen 

Lanzettkokken, Streptokokken selten 

Bewegung 

unbeweglich 

unbeweglich 

Größe 

1,9 bis 3,7 fjL lang 

0,6 bis 0,8^ breit 

1 p lang, 0,5 bis 0,6 ß breit 

Kolonieform , . 

glatte runde Kolonien 
und Fawerkolonien 

kleine, glatte, weiße Kolonien an der 
Oberfläche größer als im Substrat 

Gramfärbung . 

positiv 

negativ 

Sporenbildung 

ja 

nein 

Kapselbildung 

nein 

nein 


Tabelle II. Physiologische Eigenschaften der Stämme 6 90® und 
Streptococcus lacticua (Kruse). 


Nährboden 

Verhalten von 6 900 bei t = 2()0 

Verhalten von Stre-ptococeus 
lacticus (Kruse), t = 370 C 

Gelatine (Stichkultur) 

nach 14 Tagen beginnt 
schwache Verflüssigung 

- 

Schräg- Agar -j- Blei- 

keine Schwefelwasserstoff- 

keine Schwefelwasserstoff- 

acetatpapier 

bildung 

bildung 

Fleischbouillon 

Trübung; es bildet sich ein 
fettiger Rand 

deutliche Trübung 

Trypsin bouillon 

keine Indolbildung 

Indol bildung 

Drigalski-Agar 

— 

starke Gasbildung, Farb- 
umschlag in rot 

Neutralrottrau ben - 

geringe Gasbildung, keine 

starke Gas* und Fluores- 

Zucker 

Fluoreszenz 

zenzbildung 

Lackmus -Trauben - 
Zuckerlösung 

— 

starke Gasbildung und 
Farbumschlag in rötlich - 
gelb 

Lackmusmilch 

schwache Blaufärbung, 
keine Koagulation 

Methylenblaumilch . . 

Reduktion, keine Koagu- 
lation 

am 2. Tag Reduktion, 
Koagulation 

Endo-Agar 

— 

keine Fluoreszenz 

Stärkebouillon 

keine Hydrolyse 

am 7. Tag vollständige 
Hydrolyse 

Nitratbouillon 

Nitritbildung, keine 

Am moniakbildung 

Nitritbildung, keine 
Ammoniakbildung 

Leberbouillon 

schwache Trübung 

Trübung; es bildet sich ein 
fettiger Rand 

Blut-Agar (anaerob) 

— 

anaerob angewachsen 


Bestimmung nach: Lehnumi%-Neunumn^ Atlas und Grundriß der 
Bakteriologie. München, Lehmann Vorlag, 1912. 





222 


S. Hansen u. W. Schwartz: 


Außer diesen Reinkulturen wurde auch eine Mischkultur verwendet, 
wie wir sie in der Milch vorliegen haben 

Einwirkung ungedämpiter Schwingungen. 

1. Versuchsanordnung. 

Die elektrischen Schwingungen wurden mit dem Ultrakurzwellengerät 
„Ultra-Pandoros“ der Siemens-Reiniger -Werke erzeugt. Der Ultra-Pandoros 
ist ein Röhrengenerator, in dem zwei Schwingungsröhren von Siemens 
& Halske, A.-G., Type GR I, hochfrequenzmäßig im Gegentakt arbeiten 
(Abb. 1). 



^ Es bot sich hierbei neben guter Leitfähigkeit, die nicht nur durch 
NaCl-Ionen bedingt ist, auch eine Vergleichsmöglichkeit hinsichtlich der 
noch später zu erörternden Wärmeeinwirkung, die einmal durch UKW., in 
den Molkereien aber in Hocherhitzern entwickelt wird. 





Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 22ä 


Durch Veränderung der Selbstinduktion des Primärschwingungskreises 
können Wellenlängen zwischen etwa 3,15 und 8 m eingestellt werden. Die 
Kurzwellenleistung beträgt zwischen 3,16 und. 3,70 m über 300 Watt, 
zwischen 3,70 und 8 m über 600 Watt. Die Arme der für therapeutische 
Zwecke verwandten Schliephake-Elektroden wurden durch feste Kupfer- 
drähte von 4 bis 4,6 mm Durchmesser und der auß der Zeichnung ersicht- 
lichen Länge ersetzt, die zu den Versuchselektroden führten (Abb. 2). Die 
obere Elektrode bestand aus einem Hohlzylinder von 60 mm lichter Weite, 
175 mm Höhe, 5 mm Wandstärke und einer auf schraubbaren Platte, die 



Abb. 2. Versuchsanordnung für VerBucho mit unged&mpften Schwingungen. 


konzentrisch einen kegelförmigen Vorsprung mit einer 1 mm weiten Düse 
besaß. Aus der Düse lief die zu behandelnde Bakterienaufschwemmung 
zur unteren Elektrode, traf genau auf die Spitze der unteren Elektrode 
und lief hier an dem Kegel ab und durch die vier Öffnungen in den Hohl- 
zy linder der unteren Elektrode von 7,5 mm lichter Weite (Abb. 3). 

Von der Bakterienaufschwemmung wurde eine Probe abgefüllt, RK I *, 
sie ergab den Keimgehalt der unbehandelten Aufschwemmung. Die Elek- 
troden sowie das ausgedämpfte Standgefäß wurden in der aus der Zeichnung 
ersichtlichen Weise angeschlossen, die Klemmschraube am Zuleitungsrohr 
angezogen imd die Aufschwemmung eingefüllt. Dann wurde die Kleipm-^ 

* Siehe die Bezeichnungen in Tabellen III bis V. 

Archiv für Mikrobiologie. Bd. 13. 



i24 


S. Hansen u. W. Schwartz: 


schraube etwas geöffnet und so viel Aufschwemmung in die Elektrode 
gefüllt, daß die Flüssigkeit 3 bis 4 cm hoch stand, was etwa 60 bis 60 ccm 
entsprach. Mittels Begulieiung an der Klemmschiaube erreichte man, daß 
die zufließende Menge gleich der abfließenden war und das Volumen in der 
Elektrode konstant blieb. Die im Rohr der unteren Elektrode abfließende 
Aufschwemmung wmde in einem 600 -ccm -Meßzylinder von 60 mm lichter 
Weite und 360 mm Höhe aufgefangen. Werm 200 ccm Aufschwemmung 
darin aufgefangen waren, wtu de die erste Probe DK I genommen, die 
anzeigt, ob Bakterien an der Gefäßwand hängenbleiben bzw. neue dazu 



Abb. 3. Elektroden für Versuche mit ungedämpften Schwingungen. 


kommen. In einem sterilen und abgefleunrnten Reagensglas wurde 1 Minute 
lang die von der unteren Elektrode abfließende Aufschwemmung auf- 
gefangen, Glas und Wat^ abgeflammt und das Glas wieder verschlossen. 

Nun wurde der Apparat eingeschaltet imd die Heizspannung auf 20 Volt 
eingestellt. Die Wellenlänge lag fest bei 6,64 m. Sie wurde am Anfang der 
Versuchsreihe eingestellt und später nicht mehr verändert. Die Schwan- 
kungen der Wellenlänge waren unbedeutend, sie lagen zwischen 6,64 und 
6,60 m. Die Wellenlänge wurde indirekt aus der Frequenz bestimmt, die 
mit einem Frequenzmesser, T 3 q>e FM 6, Meßbereich 3,0 bis 126 MHz, der 
Firma Dr. Steeg & Reuter G. m. b. H., Bad Homburg, gemessen wurde. 

Die Abstimmung erfolgte mittels eines Kupferdrahtringes vom Durch- 
messer 126 nmi uiid 2 mm Drahtdicke» in den eine 6 Volt /0 ,04 Amp.-Xampe 
eingeschaltet war. Im Hochfrequenzfeld leuchtet die Birne auf. Der Kupfer- 
drahtring wurde im Abstand von etwa 30 bis 36 cm senkrecht über die 
Elektrodenzuleitung in unmittelbare Apparatnähe gebracht, wobei die 
Ebene der Drahtschleife parallel zur El^ne der Elektrcdenzuleitung lag. 
Jetzt drehte man an dem Knopf „Abstimmung''. Bei einer reinen Welle 



Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 225 


erhielt man, wenn man den Knopf durch die ganze Meßskala drehte, nur 
an einem Punkt hellstes Aufleuchten der Birne, auf allen anderen Ab- 
schnitten der Skala leuchtete die Birne nicht. Durch Verstellen der Knöpfe 
„Abstimmung“ und „Sperrkreis“ erhielt man diese Einstellung. Den Knopf 
„Sperrkreis“ brauchte man später nicht mehr zu bedienen, mit dem Knopf 
„Abstimmung“ mußte jeweils bei Beginn des Versuchs die Einstellunig 
erfolgen. 

Die an den Versuchselektroden liegende Spannung w\irde mit dem 
iSftorÄje-iScÄroedcr- Spannungsmeßinstrument, Type Pet 86 für 26 kV Gleich-, 
Wechsel- und Hochfrequenz gemessen. Sie betrug 1400 Volt, wobei zu 
beachten ist, daß die Kapazität des Meßinstruments größer war als die der 
Versuchselektroden, die Spannung an den Elektroden älso wahrscheinlich 
größer war. Das Meßinstrument lag, weil es die Spahmmg zu stark herab - 
setzt, während der Versuche nicht an den Elektroden. 

Wenn seit Beginn des Einschaltens im Meßzylinder (A) 600 ccm auf- 
gefangen worden waren, wurde die erste Probe bestrahlter Auff chwemmung 
genommen, anschließend die Temperatur gemessen, indem man ein Toluol - 
thermometer in die aus der unteren Elektrode ablaufende Flüssigkeit hielt. 
Das Thermometer in das Feld zu bringen war nicht ratsam, weil dadurch 
einmal das Feld verzerrt wird, zudem auch Funkenüberschläge auf das 
Thermometer auftreten können. Die. nächsten Bestrahlungsproben, mit 
D II, D III, D IV usw. bezeichnet, wurden je nach weiteren 600 ccm ge- 
nommen. Alle Proben wurden sofort nach Entnahme im Impf kästen so 
weiterverarbeitet, daß ^/lO» ^ und 10 ccm mit sterilem Wasser auf je 100 ccm 
verdünnt und davon V.0 und ^/| ccm zum Plattengießen verwendet werden. 
In jede der sechs Petrischalen kamen 10 ccm 14%ige verflüssigte Fleisch- 
bouillongelatine, dazu die angegebenen Aufschwemmungsmengen, die mit 
dem Nährboden sorgfältig vermischt wurden. Nach 2 Tagen wurden die 
Keime auf den Platten erstmalig gezählt, ebenso an den beiden folgenden 
Tagen. Aus dem Keimgehalt einer Platte wurde der Keimgehalt von 1 ccm 
Aufschwemmung berechnet. Die Genauigkeit dieser Bestimmung betrug 
:£ 10%. Als 4. Stufe wurden, wenn weitgehende Abtötung erwartet wurde, 
von der gleichen Aufschwemmung und ^/j^ccm in je eine Petrischale 
gebracht und in gleicher Weise behandelt. 

Der Apparat wurde ausgeschaltet, wenn die Flüssigkeit im Standgefäß 
(Bodendurchmesser = 170 mm) nur noch 60 mm hoch stand. Nach Ab- 
schalten des Apparats wurde eine Probe unbehandelter Aufschwemmung 
aus dem Standgefäß genommen, mit RKII beaseichnet, um Änderungen 
des Keimgehalts während der Versuchsdauer berücksichtigen zu können. 
Der Prozentgehalt der Abtötung ist auf RK I bezogen. 

Jeweils imter Konstanthaltung der übrigen Faktoren wurden folgende 
Veränderliche geprüft: 

Heizspannung, die an der Kathode liegt: Die Heizspannung betrug 
zweckmäßig 19 bis 20 Volt; bei höherer Voltzahl sprangen an den Elektroden 
Funken über, wodurch die Spitzen der Kegel abschmoren. Geringere 
Heizspannung setzte die Temperatur herab. 

Elektrodenabstand : Der Elektrodenabstand wurde zu 44 mm zwischen 
den Kegelspitzen gewählt. Hierbei sprangen allgemein bei obiger Heiz- 
spannung keine Funken über. Bei größerem Abstand g.ng die Temperatur 
herunter. 

Durchflußgeschwindigkeit durch die Elektrodendüse und Flüssigkeits- 
höhe in der oberen Elektrode, sowie die Konstanthaltung dieser Höhe : 



226 


S. Hansen u. W. Schwartz: 


Die Flüssigkeitshöhe in der oberen Elektrode soll konstant gehalten weiden, 
da sie die Durchflußgeschwindigkeit bestimmt. Eine Höhe zwischen 3 bis 
5 cm wurde als beste Bedingung herausgefunden. 

Frequenz bzw. Wellenlänge: Die Frequenz wurde willkürlich zu 64,3 
bis 64,6 MHz gewählt, das entspricht einer Wellenlänge von 6,62 bis 6,60 m. 
Diese wurde konstant eingehalten. Nach früheren Versuchen von 8auter 
und Schwartz (1939) ist die Wellenlänge innerhalb gewisser Gienzen ohne 
Bedeutimg für die Bakterienabtötung. 


2. Ergebnisse, 

a) Versuche mit einer wässerigen Bakterienaufschwemmung. 

Verwendete man abgekochtes, filtriertes, steriles Leitungswasser 
zur Herstellung einer Aufschwemmung von Streptoccociis larticus 
(Kruse), so ließ sich keine Abtötung feststelJen. Die Temperatur stieg 
auf 30 bis 310 C maximal an. Setzte man der Aufschwemmung Kochsalz 
zu, auf 1 Liter Aufschwemmung 1 g, so erwärmte sich die Aufschwem- 
mung infolge der größeren Leitfähigkeit stärker. Die Temperaturen 


Tabelle III. Verhalten einer Aufschwemmung von Streptococcus 
lacticus (Kruse) mit 0,1% NaCl-Gehalt. 


Auf den Keimgehalt geprüfte 
Proben 

AufechwemmnngB- 
teinperatur am 
Ausflaß gemessen 
foc 

Keimgehalt der 
Proben» berechnet 
auf 1 ccm 

Abtötung in % 

RK I 

22,6 

6,2 • 10* 


D I 

49 

3,8 • 10« 

28 

DH 

68 

64 • 10& 

88 

D III 

64 

6,9 • 10* 

99 

D IV 

66 

4,6 . 10« 

14 

D V 

60 

1,9.10« 

64 

D VI 

60 

2.1 . 10« 

69 


Tabelle IV. Versuche mit Magermilch. 


Auf den Keimgehalt geprüfte 
Proben 

Milchtemperatur 
am Ausfluß 
gemessen 
foc 

Keimgehalt der 
Proben, berechnet 
auf 1 ccm Milch 

Abtötung in % 

Versuch 4. 




RK I 

18 

4,8-10« 


DI 

66 

4,1 . 10* 

91 

DU 

69 

7,6 . 10* 

84 

D III 

66 

3,6.10« 

99 

RK II 


7 .10« 


Versuch 6. 




RK I 

18 

1 .10« 


DI 

44 

8 .10« 

20 

DU 

67 

2 .10« 

99,8 

D III 

66 

2 .10* 

98 

D IV 


6 .10« 

40 

RK II 


1 .10« 





Einwirkimg von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 227 


Tabelle IV (Fortsetzung). 


Auf den Keimgehalt geprüfte 
Proben 

Milchtemperatur 
am Ausflufi j 

gemessen 

foc 

Keimgehalt der 
Proben, berechnet 
auf 1 ccm Milch 

Abtötung in % 

VeiBuch 16. 

RK I 

11 

4,3 . 10« 


DI 

60 

2,9 • 10» 

31 

DU 

65 

2,7 • 10» 

36 

D III 

66 

3,9 • 10« 

6 

D IV 

öl 

3,7 • 10« 

10 

D V 

66 

1,3 • 10« 

88 

D VI 

68 

2.2 . 10« 1 

48 

D VII 

64 

4,4. 10& 

89 

D VIII 

69 

2,8 . 10« 

99,9 

D IX 

60 

1,9.10* 

99,6 

D X 


1,6 . 10« 

65 

RK II 


8.6 . 10« 



Tabelle V. Versuche mit Vollmilch. 


Auf den Keimgehalt 
geprüfte Milchproben 

Milchtemperatur am 
Ausfluß gemessen 

<0C 

Keimgehalt der 
Proben, berechnet 
auf 1 ccm Milch 

Abtötung in % 

Versuch 3. 




RK I 

14 

2,3 • 10'- 


DI 

61 

3.7 . 10^ 

0 

DU 

63 1 

6.3 . 105 

0 

D III 

unterbrochen, Düse war durch Milohpfropf verstopft 

D IV 

60 

1.3 W 

99,9 

D V 

66 

7,6 • 10» 

99,6 

D VI 

64 

2.8 ■ 10* 

99,8 

D VII 

64 

2,6 • 10» 

99 

D VIII 

61 

2,2 . 10« 

99 

Versuch 6. 




RK I 

15 

9,6 . 10* 


DI 

62,6 

4 • 10» 

96,8 

DU 

61,6 1 

2,4 . 10« 

97,6 

D III 

61,6 

9,1 • 102 

99 

D IV 

unterbrochen, Düse war durch Mild 

bpfropf verstopft 

D V 

69 

5,6. 10« 

94 

Versuch 16. 




RK I 

13 

1,8 • 10« 


DI 

66 

6,6 . 10* 

63 

DU 

67 

2,2 • 10* 

87,8 

D III 

68 

4,4 . 10* 

76 

D IV 

60 

2,9 . 10* 

83,9 

D V 

69 

3 .10» 

83 

D VI 

61 

6,9 . 10« 

96,7 

D VII 

62 

3 .10« 

98 

D VIII 

64 

1.6 . 10* 

99.8 




228 


S. Hansen u. W. Schwartz : 


lagen zwischen 49 und 64® C (Tabelle III). Diese wie die folgenden 
Versuche zeigten eindeutig (Tabelle IV und V), daß der Prozentsatz 
der Abtötung mit der Erwärmung der Aufschwemmung im elektrischen 
Feld steigt und fällt. Der Abtötungsgrad ist von der erreichten Tem- 
peratur abhängig. Da die Aufschwemmung nicht nur im Feld, d. h. 
zwischen den Elektroden, sondern auch schon in der oberen Elektrode 
erwärmt wurde, da ferner die am Abfluß der unteren Elektrode ge- 
messene Wärme nur annähernd den erreichten Wärmegrad angab und 
zudem erst nach jeder Probeentnahme festgestellt wurde, konnten 
Fehlmessungen von 1 bis 2® C Vorkommen. 

b) Versuche mit Mager- und Vollmilch. 

Die Ergebnisse von 17 Versuchen mit Magermilch und lö Versuchen 
mit Vollmilch entsprechen den bei den Bakterienaufschwemmungen 
erhaltenen (Tabelle IV und V). Eine 100%ige Abtötung wurde in 
keinem Fall erzielt (Tabelle IV). Da überlegungsmäßig bei schnellem 
Temperaturanstieg die Keimgehalte der ersten D- Versuche niedriger 
sein müssen, wurde die Milch in einigen Versuchen auf 40® C vorgewärmt 
und dann mit UKW. behandelt. Die Ergebnisse bestätigt^en die Richtig- 
keit dieser Vermutung, jedoch waren die Verbesserungen unwesentlich. 
Sehr geringe, an ,, Kochgeschmack“ erinnernde geschmackliche Ver- 
änderungen ließen sich bei einiger Übung in der behandelten Magermilch 
feststellen. 

Die Ergebnisse der Vollmilchversuche entsprachen den Mager- 
milchversuchen, der Fettgehalt der Milch beeinflußt die Keimschädigung 
nicht (Tabelle V). In einigen Versuchen wurde sogar eine 100%ige 
Abtötung erreicht. Beim Arbeiten mit Vollmilch verstopfte sich leicht 
die Düse der Elektrode, so daß die Milch nur noch heraustropfte. Der 
Versuch mußte dann unterbrochen und der Milchpfropf entfernt 
werden. Der Geschmack der Vollmilch änderte sich durch die UKW.- 
Behandlung nicht. 

Vergleicht man die absoluten Keimzahlen mit den zugehörigen 
Temperaturen, so zeigt sich, daß bei 55® etwa 10^, bei 57 bis 58® etwa 
10^ Bakterien, bei 60® etwa 103, bei 64® lO^ bis 10® Bakterien Zurück- 
bleiben, wenn man von lO^ Keimen in 1 ccm Milch ausgeht. Liegt der 
Keimgehalt der Rohmilch höher, dann ändern sich die absoluten Zahlen. 

Kontrollversuche, die bei entsprechenden Temperaturen im Wasser- 
bad durchgeführt wurden, zeigten gleiche Abnahme des Keimgehalts. 
Bei der Dauerpasteurisierung, bei der die Milchproben 30 Minuten 
lang auf 64® C gehalten wurden, war die Keimschädigung sogar größer, 
nämlich meist 100 %ig. 

Der Milchdurchsatz war bei der l-mm-Düse gering; 500 ccm flössen 
durchschnittlich binnen 20 Minuten durch. Versuche mit einer 2-mm- 



Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 229 


Düse verdoppelten den Milchdurchsatz, zeigten aber nur 40 %ige 
Abtötung, da die Temperatur nur auf etwa 40® anstieg. Damit dürfte 
zur Genüge gezeigt sein, daß bei dieser Versuchsanordnung die Er- 
hitzung der Milch als ausreichende Ursache für die Abtötung der Bak- 
terien angesehen werden darf. 

Aufrahmung. Die Aufrahmung ^ wurde in 250 ccm Meßzylindern von 
3,6 cm lichter Weite bei Zimmertemperatur geprüft. Schon nach kurzer 
Zeit setzte sich der Rahm ab. Mehnnals am Tage wurde, bei einer Versuchs- 
dauer von 24 Stunden, die Höhe der Rahmschicht abgelesen. Zu den Auf- 
rahmversuchen benutzten wir: Rohmilch eines Milchhofes (Batzenhof- 
milch), also stets Milch von denselben Kühen, und Sammelmileh, d. h. 
von verschiedenen Milchhöfen und Gemeinden gemischte Vollmilch. 

In beiden Fällen wurde die Aufrahmfähigkeit von roher und von 
dauerpasteiirisierter Milch geprüft, ferner d.ejenige der mit UKW. be- 
handelten Rohmilch eines Milchhofes und, um einen Vergleich zur Auf- 
rahmung der Handelsmilch zu haben, auch die der hochpasteurisierten 
Sammel Vollmilch. Bei der Dauerpasteurisieiung eiwäimten wir 260 ccm 
Milch im Wasserbad von etwa 70® im 300- bis 600-ccm -Erlenmeyerkolben 
binnen 10 Minuten auf 63® und hielten sie unter dauerndem Schütteln 
30 Minuten bei dieser Temperatur. 


Tabelle VI. Aufrahmung von Vollmilch nach verschiedener 
Vorbehandlung. 


Datum 

1940 

Batzenhof, 

roh 

Batzenhof, 

dauer- 

pasteuri- 

Biert 

Batzenhof, 

bestrahlt 

Batzenhol, 
auB dem 
Standgefftli 
unter der 
Rahm- 
Bcbicht 

Sammel- 
milch, roh 

Sammel- 

milch, 

hoch- 

paBteuzi- 

Blert 

Sammel- 

milch, 

dauer- 

paateuri- 

Biert 

27. VII. 

J2,6 


6 

10 




29. VII. 

11,6 


2 

3 




30. VII. 

11 


10 





30. VII. 

8 





0 


2. VIII. 

10,6 


6 

6 

10,6 

2 

6 

6. VIII. 

12 


1,6 

6,5 

11 

2,6 

6,6 

6. VIII. 

16,6 


6,6 

8,6 

12 

3 

6 

12. VIII. 

9,6 

6 



8,6 

1,6 


6. IX. 





12 

1 

6,5 

6. IX. 

9 

9 



12 

2 


12. IX. 

8,6 

6 

1,6 


11,6 

1 


17. IX. 

8,6 

7,6 

6 


8 

0,6 


26. IX. 

8,5 

8,6 

8 

6 

8,5 

0 


1. X. 

9,6 

5 

7 

4 

12 

0,6 


Mittel- 

wert 

1 

10,3 

6,9 

6,3 

6,1 

10,6 

u 

6,8 


^ Bekanntlich verändern sich die Eigenschaften der Milch bei jeder 
Haltbarmachung, am wenigsten bei der Dauerpasteurisierung, bei der 
Peroxydasen, Albumingerinnung, Labfähigkeit und Aufrahmfähigkeit weit- 
gehend erhalten bleiben. In unseren Versuchen wurde außer der Ver- 
änderung des Keimgehalts nur die Aufrahmfähigkeit der Vollmilch als Test 
herangezogen. 










230 


S. Hemsen u. W. Sohwartz : 


Am besten rahmte die unbehandelte Milch auf, die dauerpasteuri- 
sierte Milch schon um 30 bis 50% schlechter. Die hochpasteurisierte 
Milch hatte nur 1 bis 2 % Rahm, die mit UKW. behandelte Milch etwa 
ö %. Sie kam der dauerpasteurisierten Milch nicht gleich und ergab nur 
einen Vorteil gegenüber der hochpasteurisierten Milch (Tabelle VI). 

Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß ungedämpfte 
UKW. extrem hoher mittlerer Feldstärken auch bei kurzzeitiger Ein- 
wirkung in Medien mit guter Leitfähigkeit (L 0,005 Q-i cm-i) bei der 
vorliegenden Versuchsanordnung eine Erwärmung hervorrufen, die aus- 
reicht, die in deJr Aufschwemmung enthaltenen Bakterien abzu toten. 
Dies trifft sowohl für die Aufschwemmung von Reinkulturen als auch 
von Rohkulturen, wie sie für die Milch gelten, zu. Je größer die Leit- 
fähigkeit, um so größer ist die Erwärmung, um so größer ist die Ab- 
tötung (Tabelle VII). 


Tabelle VII. Abhängigkeit der Abtötung von der Erwärmung 
bzw. von der Leitfähigkeit des Mediums. 


Aufftchwemmungsmedium 

Salzzusatjs 

Leitfähigkeit 
in Ä”* cm”' 

Erwärmung 
in fOC 

Abtötung 
in % 

Abgekoohtes, filtriertes 
Wasser 

keiner 

0,000 61 

31 

0 

Abgekochtes, filtriertes 
Leitungswasser 

1 g auf 1 Liter 

0,0016 

62 

41,3 

Milch 

keiner 

0.006 7 

62 

99.9 


Auch der rasche Temperaturanstieg, wie er durch das UKW. -Feld 
hervorgerufen wird, hat keine stärkere Schädigung der Bakterien zur 
Folge als die geringere Erwärmungsgeschwindigkeit in den Hoch- 
erhitzem der Milchzentrale. Nebenbei sei bemerkt, daß eine Ent- 
keimung der Milch mit UKW., deren Möglichkeit gelegentlich erörtert 
wurde, gegenüber den heute üblichen Pasteurisierungsverfahren keinerlei 
Vorteile bietet, zumal die Verbesserung der Aufrahmfähigkeit nur 
unwesentlich ist, die UKW. -Anlage aber wesentlich teurer sein dürfte 
und der Milchdurchsatz gering ist. 

Wurde bisher also die Auffassung gestützt, daß der Leitungsstrom 
eine Erwärmung hervomift, die so hoch sein kann, daß sie letal wirkt, 
so wird im weiteren dargelegt werden können, daß bei niedrig bleibender 
Temperatur der Aufschwemmung der Verschiebungsstrom als wesent- 
licher Faktor für die Abtötung der Bakterien anzusehen ist. 

Einwirkung gedämpfter Schwingungen. 

i. Verauchsanordnung, 

Die gedämpften Schwingungen wurden mit dem gleichen Röhrengerät, 
dem „Ultra-Pandoros“ der Siemens-Reiniger -Werke, Berlin (Abb. 1), 






Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 231 


erzeugt, der mit dem Induktionsstrom eines 20000 Volt Transformators (1)* 
betrieben wird. Der Transformator (2) transformiert die zur Verfügung 
stehende Weohselspannung von 126 Volt auf 240 Volt. Der Singer -Unter- 
brecher (3) zerhackt den Strom im Rhythmus der Wechselstromfrequenz. 
Die Stromstärke auf der Unterspannungsseite wird mit dem Amperemeter (4) 



kontrolliert, sie beträgt. 4,6 Amp. Der hochgespannte Strom wird über ein 
Glühventil (6), Type V 160/602 p, der Siemens-Reiniger-Werke geleitet. 
Zur Heizung der Kathode desselben sind zwei Transformatoren (6) und (7) 
erforderlich. Ein Schiebewiderstand (8) gestattet die genaue Einstellung 
der erforderlichen Heizstromstärke und das Amperemeter (9) deren Kon- 
trolle. Der durch das Qlühventil gleichgerichtete Strom lädt die Hescho- 


* Die Ziffern beziehen sich auf Abb. 6. 

16 * 






232 


S. Hansen u. W. Schwartz: 


Kondensatoren (10) (je 5000 pF) auf, bis die Überschlagsspannung der 
Funkenstrecke (11) erreicht ist. Die Funkenstrecke wird durch einen 
Ventilator gekühlt. Der Stromstoß nimmt seinen Weg über den Wider- 
stand (12) zu dem Röhrengerät (17). Als Verbraucherkondensator des 



1. Transformator U0V/200ü()V 7. Transformator IH. A tnpi'reiiieter 

2. Transformator 125V/240V 8. Schiebewiderstand 14. Ampl'rcTrictcr 

3. Ätnflfef-Unterbrecher 0. Amperemeter 15. 6Amp. Sicherung 

4 . Amperemeter 10. if^scAo-Kondensatorcn 16. Voltmeter 

5. Glühventil 11. Funkenstreckc 7 mm Abst. 17. Röhrengerät 

6. Transformator 12. Oäw scher Widerstand 

Abb. 5. Schaltungsschema für Versuche mit gedämpften Schwingungen. 



Abb. 6. Versuchsanlage für gedämpfte Schwingungen. 

1. Trafo. 2. Glühventil. 3. Funkenstrecke. 4, HMcAo-Kondensatoren. 6. Ultra Pandoros. 

Röhrengerätes war, an Stelle der ScMiephake-Mektioden, ein Versuchsgefäß 
angeordnet (Abb. 4). Es bestand aus zwei ineinandergestellten, einseitig 
geschlossenen Röhren, von denen die innere innen, die äußere außen mit 
einem Metallbelag versehen war. Um den oberen Rand des äußeren Metall- 
belags war ein 8 mm breites Messingband gelegt, das mittels einer Schraube 



Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. 11. 233 

fest angezogen wurde und mit drei Füßen versehen war, Von denen auf der 
Zeichnung, Abb. 4, zwei dargestellt sind. Der eine Zuleitungsdraht wurde 
mit diesem Messingband verbunden, die leitende Verbindung zur inneren 
Elektrode durch eine Messingspange erreicht, die dem inneren Metallbelag 
fest auflag. Die Zuleitungen zur Elektrode bestanden aus 2 mm dicken und 
735 mm und 770 mm langen Kupferdrähten (Abb. 7). Die Amperemeter (13) 
und (14), die 6 -Amperesicherung (15) und ein Voltmeter (16) erleichterten 
die Überwachung der Apparatur (Schaltschema 1, Abb. 5 und 6). Die ganze 
Anlage stand zur Abschirmung in einem Maschendrahtkäfig. Im ültra- 
Pandoroß wurden einige Veränderungen vorgenommen. Die Verbindungs- 
leitung zwischen Hochspannungstransfoimator imd Ancde Fowie der 
Kondensator in der Gitterableitung wurden entfernt und der Abstand 
zwischen Gitter- und Schwingkreis-Induktivität vergrößert. Fimkenüber- 
schläge zwischen beiden Induktivitäten ließen sich mit Hilfe einer dazwischen 
gehängten Glasplatte von 10 mm Dicke, 450 mm Länge und 150 mm Breite 
vermeiden. Eine Messung oder Berechmmg der maximalen Feldstärken 
war bei dieser Versuchsanordmmg nicht möglich. Es ist jedoch sehr wahr- 
scheinlich, daß die maximalen Feldstärken niedriger waren als in früheren 
Versuchen von SatUer imd Schwartz (1939) unter Verw^endung eines Funken - 
Streckensenders. 

Die Entkeimung des Versuchsgefäßes (Abb. 4) erfolgte mit ultra- 
violettem Licht Das äußere Elektrodengefäß wurde auf ein Becherglas 
gestellt, das innere waagerecht über ein Becherglas gelegt und nach der 
halben Sterilisationszeit von 5 Minuten tun 180® gedreht. Im UV-Licht 
wurde das Elektrodengefäß zusammengesetzt, steriles Wasser eingefüllt 
und der Deckel aufgesetzt. Mit dem eingefüllten, sterilen Wasser wurden 
zwei Platten mit je und V 2 ccm des Wassers ausgegossen, um zu prüfen, 
ob das Gefäß wirklich steril war. 

Der jStnger-XJnter bracher, ein 20 cm hoher, mit einem Deckel ver- 
schließbarer Porzellantopf von 14 cm lichter Weite, dessen Lumen durch 
eine Porzellanscheidewand in zwei Kammern geteilt ist, wuide mit 5- bis 
7,5%iger Schwefelsäure gefüllt, in einen Topf fest eingeklemmt und mit 
mittelstarkem Wasserstrahl gekülilt. 

Eine Impföse Bakterienraaterial wuide in 100 ccrn abgekochtem, 
sterilem Wasser in einer Rollf lasche abgespült, die Flasche mit einem 
Gummistopfen verschlossen und unter fortwähiendem Schütteln 10 Minuten 
in einem Wasserbad von 40® C' erwärmt, wobei der Stopfen zweimal kurz 
gelüftet werden mußte. Die Bakterien werden durcli diese Wärmeeinwirkung 
und naclifolgendes 10 Minuten langes Schütteln mit der Hand weitgehend 
entballt. Der Keimgehalt der Aufschwemmung lag durchschnittlich bei 
10^ bis 10® Keimen im ccm. Von dieser Aufschwemmung wurden 15,5 ccm 
in das sterilisierte Elektrodengefäß eingefüllt. Die Flüssigkeit stand dann 
gleich hoch mit den Metallbclägen (Abb. 4). Ein Toluolthermometer wurde 
mit Alkohol abgewischt, abgef lammt und duich die Bohrung des Hart- 
gummideckels in die Aufschwemmung gebracht. Es stand dabei auf dem 

^ Die verwendeten UV-Strahler, Type Hg NQ 1350/0,43 m, der Siemens- 
Schuckert-Werke hatten eine Gesamtlänge von 43 cm, eine Leuchtlänge von 
30 cm und einen Durchmesser von etwa 1,3 cm. Acht Strahler waren so 
angebracht, daß der Abstand von der Mitte des einen bis zur Mitte des 
nächsten etwa 4 cm betrug. Die Entfemimg von der Glasplatte, auf der 
die 6,5 cm hohen Bechergläser standen, bis zu den UV- Strahlern betrug 24 cm. 



234 


S. Hansen u. W. Sohwartz: 


zweifüßigen Glasring auf. Dieser diente dazu, die innere Elektrode in 
möglichst gleichem Abstand von der äußeren zu halten, um ein annähernd 
homogenes elektrisches Feld zu erzielen. Das Gefäß wurde in der bereits 
geschilderten Weise (Abb. 7) an den Patientenkreis angeschlossen. In- 
zwischen hatte man den Unterbrecher eingeschaltet und das Kühlwasser 
angestellt. Nachdem die 16-mm-Kugeln in der Funkenstrecke eingesetzt 
bzw. gedreht und ihr Abstand auf 7,6 mm eingestellt worden war, wurden 
das Glühventil und die Senderöhren aufgeheizt, dann Vortransformator 



Abb. 7. Anschluß des Ycrsuchskrcises für Versuche mit gedämpften Schwingungen. 

1. Ultra Pandoros. 2. Vcrsuchselektrode. 3. Ventilator. 

und Hochspannungstransformator eingeschaltet. Die Stromstärken und 
Spannungen, die an den einzelnen Apparaten lagen, sind aus der Schalt - 
Skizze 1, Abb. 5, ersichtlich. Die Heizspannung der Senderöhren betrug 
20 Volt. 

Die Abstimmung erfolgte in der schon im ersten Teil geschilderten 
Weise mittels eines Kupferdrahtringes von 126 mm Durchmesser und 2 mm 
Drahtdicke, in den eine 6 Volt /0, 04 Amp. -Lampe eingeschaltet war. Die 
Birne leuchtet im Hochfrequenzfeld auf. Der Kupfei drahtring wurde auf 
6 bis 10 cm Entfernung, senkrecht über die Elektrodenzuleitung in un- 
mittelbare Apparatnähe gebracht, wobei die Ebene der Drahtschleife 
parallel zur Ebene der Elektrodenzuleitung lag. Man drehte an dem Knopf 
„Abstimmung“, bis die Stelle hellsten Aufleuchtens der Birne gefunden 
war. Auf den übrigen Abschnitten der Skala ging die Birne aus. Gleich- 
zeitig zeigte sich die Verstimmung des Schwingkreises auch daran, daß 
zwischen den Sicherheitshömem von Gitter- und Schwingkreisinduktion 
Funken übersprangen. Beim erstmaligen Abstimmen wurde auch der 
Knopf „Sperrkreis“ betätigt, später war das nicht mehr notwendig. Die 
Wellenlänge wurde grob mittels des Knopfes „Wellenlänge“ eingestellt; 


Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 235 


sie wurde indirekt aus der Frequenzmessung in der bereits geschilderten 
Weise bestimmt. 

Die Zahl der Schwingungen je Sekunde wurde mittels eines Stroboskops 
festgestellt. 

Die Besendungszeit betrug 10 Stunden. 

Die mittlere Feldstärke war in diesen Versuchen gegenüber derjenigen 
der Milchversuche wesentlich herabgesetzt. Die Erwärmung war ent- 
sprechend geringer. Um 37® C maximal nicht zu überschreiten, wurde beim 
Erreichen dieser Temperatur die Versuchselektrcde mittels eines Ventilators 
gekühlt, der unterhalb des Holzbrettes in 6 cm Entfernung waagerecht 
angebracht war und die Luft so durch das ausgesparte Loch im Holzbrett 
blies, daß die V^ersuchselektrode von allen Seiten von Zugluft umstrichen 
wurde (Abb. 4 und 7). Allgemein ging die Temperatur in wenigen Minuten 
mehrere Grade herimter. Bei etwa 31® wurde der Ventilator wieder ab- 
gestellt, lun bei 37® wieder in Betrieb gesetzt zu weiden, damit die Tem- 
peratur auf annähernd 35® C blieb. 

Nach zehnstündiger Besendung wurde der Keimgehalt der Auf- 
schwemmung in der üblichen Weise bestimmt. Die gleichen Ver- 
dünnungen und Platten wurden vbn der Kontrol lauf sch wemmung, 
die während der Besendungszeit bei Zimmertemperatur gestanden 
hatte, hergestellt. Der Unterschied im Keimgehalt ergab die Abtötung. 


2, Ergebnisse. 

Eine Reihe von sieben Versuchen zeigte gleichläufige Ergebnisse 
(Tabelle VIII). 

Bei den Bafcicnew.- Stämmen schwankte die Abtötung zwischen 
21 und 66%. Die ^e/e-Zellen wurden überhaupt nicht geschädigt, 
der Keimgehalt stieg, ebenso wie bei den Wärmekontrollen, um 50% 
an. Die Hefezellen hatten 4,37 bis 5 [jl Durchmesser. Bei Azotohacter 
war die 50%ige Abtötung nicht zu werten, da der Wärmeversuch, der 
bei 320 jq Stunden im Wärmeschrank stand, ebenfalls eine Keim- 
verminderung um 50% aufwdes. Die maximale Versuchstemperatur 


Tabelle Vlll. Versuche mit verschiedenen Bakterien unter Ver- 


wendung gedämpfter Schwingungen. 


stamm 

Alter der 
Kultur 

Keimgehalt 
der Kontrolle 
bei Zimmer- 
temperatur 

Keimgehalt 

der 

besendeten 

Auf- 

schwemmung 

Abtötung 
ln % 

Üaximale 
Temperatur 
ln toc 

Microcoocus candicans . 

6 Tage 

3,2*107 

1 107 

66 

35 

Micrococcus candicans . 

7 „ 

3,6 * 107 

2,3 * 107 

32 

37 

h 90^ 

2 „ 

8,6 * 105 

6,7* 105 

21 

36 

h9(fi 

6 „ 

4,8 • 10® 

2 *105 

69 

39 

Hefe rund 

6 „ 

3,6*10« 

6,2 * 10« 

0 

37 

AztOobcuter ehrooeocetim 

3 

2,2 * 10» 

1,1 * 10« 

60 

38,6 

b9a> 

4 .. 

3.1 . 10« 

1,8 * 10« 

41 

37 














236 


S. Hansen u. W. Sohwartz : 


von 38,0^0 war also schon zu hoch gewählt. Die ^420to6acicr-Zellen 
waren 1,25 bis 1,5 [x breit und 1,85 bis 2 [jl lang. 

Eine 4 Wochen später angesetzte zweite Reihe von sieben Ver- 
suchen (Tabelle IX) brachte dagegen in keinem Fall eine Abtötung, 
obgleich die Versuche unter den gleichen Bedingungen ausgeführt 
wurden. Das Alter der Bakterienkulturen dürfte keinö Rolle spielen, 
da in den drei ersten Versuchen genau wie bei der ersten Versuchsreihe, 
junge Kulturen verwendet wurden. Auch die Erklärung, daß durch 
lange Kultivierung der Stamm die Empfindlichkeit gegen UKW. 
verliert, ist unwahrscheinlich. 


Tabelle IX. Versuche mit Micrococcua candicana unter Ver- 
wendung gedämpfter Schwingungen. 


Alter der 
Kultur 

Kcimgehalt der 
Kontrolle bei 
Zimmertemperatur 

Kcimgehalt der 
besendeten 
Aufschwemmung 

Abtötung 
in % 

Maximale 
Temperatur 
in toc 

4 Tage 

7,7 • 10^ 

8,2 . 107 

0 

36,6 

5 „ 

1,8 • 10’ 

3,2*107 

0 

36 

6 „ 

1,6 • 10’ 

1,6*107 

0 

32 

14 „ 

6 -10’ 

7,9 . 107 

0 

36 

24 

4,1 • lOf- 

3.9 * 10“ 

0 

36 

26 „ 

1,9 • 10“ 

1,8 * 10& 

0 

38 

27 „ 

8,6 • 10« 

7,6 * 10* 

0 

37 


Trotzdem wurde anschließend ein Versuch mit dem aus Mager- 
milch am 27. Oktober 1941 isolierten Streptokokkenstamm i, Strepto- 
coccus lacticus (Kruse), der weniger Streptokokken als Lanzettkokken 
bildet, angesetzt. Der Keimgehalt der Kontrolle: 7,2 • lO^ ging in 
der besendeten Aufschwemmung auf 2,87 • 10 7 Keime zurück, d. h. 
um 60%. 

Da nach den bis jetzt besprochenen Versuchen vermutet werden 
mußte, daß noch unbekannte Faktoren die Keimschädigung maß- 
geblich beeinflussen, wurde bei den folgenden Versuchen zunächst 
geprüft, wie weit etwa auch hier die Leitfähigkeit der Aufschwemmung 
das Ergebnis beeinflußte. Dies wäre denkbar, da das zur Herstellung 
der Aufschwemmungen und Verdünnungen benutzte Wasser nach dem 
Abfiltem des ausgeschiedenen Kalkes noch wechselnde Mengen von 
Ionen enthielt. Außerdem wurden verschiedene Aufschwemmungs- 
medien verwendet. 

^ Die von Schliephake (1935) gemachte Beobachtung, daß Strepto- 
kokkenstämme sich durch starke „Mutation serecheinungen“ auszeichnen, 
d. h. sich an einem Tag vollkommen anders verhalten als am nächsten und 
daher für UKW. -Versuche unbrauchbar sind, konnte bei dem aus Milch 
isolierten Stamm nicht stärker beobachtet weiden als bei anderen auch. 








Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 237 


Die Messung der Leitfähigkeit erfolgte mit Hilfe der Wheatstone- 
sehen Brücke und einer Tauchelektrode (Abb. 8) für geringe Flüssigkeits- 
mengen. Die Meßgenauigkeit betrug ± 0,00002 Q-i cm-i. 

Während in früheren Versuchen für jeden Versuch eine neue 
Kultur genommen wurde, wurden die folgenden Versuchsreihen stets 
mit einem Kulturröhrchen durchgeführt, um vielleicht vorhandene 
Unterschiede zwischen den einzelnen Röhrchen in bezug auf Ernährung 
und Feuchtigkeitsgehalt usw., die indirekt die An- 
fälligkeit der Bakterien gegen UKW. verändern 
könnten, auszuschalten. 

Die ersten vier Versuche zeigten Keim- 
schädigungen (Tabelle X), die zwischen 34 und 
49% schwankten, der 7. Versuch lag mit 27% 
etwas unterhalb des Durchschnitts. Verwendete 
man an Stelle von abgekochtem Wasser Leitfähig- 
keitswasser, dessen Widerstand so groß ist, daß 
er in der üblichen Weise mit der WheatsUme- 
sehen Brücke schlecht zu messen ist, so erhielt 
man keine Keimschädigung (5. und 6. Versuch), 
desgleichen nicht, wenn man 0,085 %ige Koch- 
salzlösung benutzte (8. Versuch)^. 

Eine Versuchsreihe von zehn Versuchen, 
wieder von einer Kultur genommen, sollte die 
zuletzt erhaltenen Ergebnisse bestätigen (Tabelle XI). widersprach 
jedoch in ihrem Ausfall durchaus den Erwartungen. V'on den zehn 
Versuchen w^aren nur zwei positiv ausgefallen, einer von ihnen war 
24 Stunden lang dem UKW. -Feld ausgesetzt gewesen (Tabelle XI). 

Zw^ei weitere \"er8uehe einer neuen Reihe zeigten, daß eine Wärme- 
vorbehandlung ohne Einfluß auf den Abtötungseffekt ist (Tabelle XII). 
Im ersten Versuch wurde die Aufschwemmung am Vorabend hergestellt 
und über Nacht im Brutschrank bei 36^0 belassen. Im 2. Versuch 
stand die Aufschwemmung über Nacht bei Zimmertemperatur, etwa 13^. 

Von den letzten drei, wieder mit jungen Kulturen durchgeführten 
Versuchen fielen zwei negativ aus, der dritte zeigte 17% Abtötung 
(Tabelle XIII). In diesen Versuchen wurde zusätzlich das der Auf- 
schwemmung am Ende des Versuchs bestimiht, um den Einfluß der 


II-. 


-PlßlechfSxm.-^- 


tSjm. 

Abb. S. Bau der Tauch- 
clektrodc zur Bostiminung 
der LeitfkhiKkeit des Auf- 
sehweimn-Mediums. 


^ Beide Aufachwemrnungsmedien werden gut vertragen, wie Kontroll- 
versuche zeigten. Nach F. W. Tanner und Houston (1940) kann der NaCI- 
Gelialt bis zu 1% gesteigert werden, erst 1,5- und 2%ige Lösungen hemmen 
das Wachstum, während nach Schliephake und Hause (1931) Bakterien in 
physiologischer Kochsalzlösung absterben. Es wurde in den vorliegenden 
Versuchen nur eine 0,085 %ige Lösung verwendet, um nicht zuviel Elektro- 
lyte in die Lösung zu bekommen. 


4 / 



238 


S. Hansen u. W. Sohwartz: 



H-Ionenkonzentration ! 
prüfen. Das pn wuri 
mit dem Folienkoloi 
meter nach Wulff b 
stimmt. Das pn des Wa 
sers ohne Bakterien, 2 
Beginn des Versuchs h 
stimmt, lag bei 6,4. 

Wenn wir jetzt zi 
sammenfassend die E] 
gebnisse überblicken, s 
zeigt sich folgendes : Aue 
mit der vorliegenden Ap 
paratur ist trotz des lang 
sameren Sohwingungsein 
Satzes eine Abtötung de 
Bakterien möglich. Di« 
prozentuale Abtötung er 
reichte nicht die Höh< 
wie beim Funkenstrecken 
Sender. Allerdings warer. 
mit den bis jetzt behan- 
delten Faktoren keine ein- 
heitlichen Ergebnisse zu 
erzielen. Selbst die Leit- 
fähigkeit reicht zur ein- 
deutigen Erklärung nicht 
aus. Zwar wurde keine 
Abtötung bei hoher Leit- 
fähigkeit erhalten, dafür 
aber wechselnde Ergeb- 
nisse bei geringer Leit- 
fähigkeit. 

Die absolute Leit- 
fähigkeit lag bei abge- 
kochtem Wasser als Auf- 
schwemmungsmedium 
zwischen 0,00030 und 
0,00049, bei Mischung mit 
Na CI -Lösung bei 0,000 52, 
bei Na CI - Lösung bei 
0,0017 bis 0,0015 und bei 
Leitfähigkeitswasser bei 



Tabelle XI. 

ÜinfluB der Leitfähigkeit auf die Abtötung von Streptococcus lacticus (Kruse). 


Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 239 



* 24 Standen besendet. 


Tabelle X. £influß der Leitfähigkeit auf die Abtötung von Streptococcus lacticus (KrtiseJ. 


238 


S. Hansen u. W. Sohwartz: 



H-Ionenkonzentration zu 
prüfen. Das wurde 
mit dem Folienkolori- 
meter nach Wulff be- 
stimmt. Das pe des Was- 
sers ohne Bakterien, zu 
Beginn des Versuchs be- 
stimmt, lag bei 6,4. 

Wenn wir jetzt zu- 
sammenfassend die Er- 
gebnisse überblicken, so 
zeigt sich folgendes ; Auch 
mit der vorliegenden Ap- 
paratur ist trotz des lang- 
sameren Sohwingungsein- 
satzes eine Abtötung der 
Bakterien möglich. Die 
prozentuale Abtötung er- 
reichte nicht die Höhe 
wie beim Funkenstrecken- 
sender. Allerdings waren 
mit den bis jetzt behan- 
delten Faktoren keine ein- 
heitlichen Ergebnisse zu 
erzielen. Selbst die Leit- 
fähigkeit reicht zur ein- 
deutigen Erklärung nicht 
aus. Zwar wurde keine 
Abtötung bei hoher Leit- 
fähigkeit erhalten, dafür 
aber wechselnde Ergeb- 
nisse bei geringer Leit- 
fähigkeit. 

Die absolute Leit- 
fähigkeit lag bei abge- 
kochtem Wasser als Auf- 
schwemmungsmedium 
zwischen 0,00030 und 
0,00049, bei Mischung mit 
NaCl-Lösung bei 0,000 52, 
bei NaCl - Lösung bei 
0,0017 bis 0,0015 und bei 
Leitfähigkeitswasser bei 



Tabelle XI. 

influß der Leitfähigkeit auf die Abtötung von Streptococcus lacticus (Kruse). 


Einwirkling von nltrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 239 



24 Standen beaeodet. 


TabeUe XII. 

Wirkung einer Wärmevorbehandlung auf die Abtötung von Streptococcus lacticus (Kruse), 




Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. 11. 241 

etwa 0,00000617. Bei Verwendung von Leitfähigkeitswasser und 
Kochsalzlösung, den extremen Werten in der Leitfähigkeit, wurde 
keine Abtötung erzielt. Danach scheinen zu geringe oder zu große 
Leitfähigkeit die Schädigung der Bakterien zu verhindern. Innerhalb 
kleiner Intervalle, von 0,00037 bis 0,00049 liegt keine Beeinflussung vor. 

Besendete Proben und Kontrollaufschwemmungen zeigen Unter- 
schiede in der Leitfähigkeit, dabei können einmal die S- und einmal die 
K- Werte höher liegen. In den Tabellen X und XI sind die Differenzen 
berechnet und mit + bezeichnet, wenn K > S, mit — , wenn S > K 
ist. Die Ergebnisse scheinen darauf hinzudeuten, daß eine Schädigung 
der Bakterien mit einer Änderung der Leitfähigkeit, einem Größer- 
oder Kleinerwerden derselben, parallel läuft. D. h. daß entweder die 
Leitfähigkeit sich ändert, weil aus den abgetöteten Bakterien Ionen 
frei werden, das Absterben also der primäre Vorgang ist, oder aber 
daß die Bakterien infolge der veränderten Leitfähigkeit absterben, 
die durch das elektrische Feld hervorgerufene Leitfähigkeitsänderung 
also primär ist. Weitere Versuche in dieser Richtung sollen noch ge- 
macht werden. Eine Gresetzmäßigkeit läßt sich aus diesen Werten bisher 
nicht ableiten. 

Auch die Temperaturverhältnisse reichen zur Erklärung der 
Ergebnisse nicht aus. In den ersten zwei Versuchen der Tabelle X 
lagen die maximalen Temperaturen bei 35 und 32o C. In den nächsten 
Versuchen lief die Kühlung ununterbrochen, der Wärmegrad stellte 
sich auf 310 ein. In allen Fällen wurde eine Abtötung erhalten, und 
Kontrollversuche zeigten, daß diese Wärmegrade gut vertragen wurden. 
Mithin kann die Temjjeratur der Aufschwemmung die Schädigung 
nicht heBvöTgerufen haben. 

Wäre allein die Temperatur ausschlaggebend, dann müßte im 
letzten Versuch dieser Reihe (Tabelle X) bei Verwendung von 
0,085 %iger NaCl-Lösung ebenfalls eine Abtötung eingetreten sein, denn 
hier wurden bei dauernder Kühlung 34® C erreicht. Im zweiten Versuch 
in Tabelle XI ist eine rund 32 %ige Abtötung zu verzeichnen bei maximal 
nur 200 0, hier wurde fortlaufend gekühlt. So ließen sich noch viele 
Beispiele auf zählen. Auch der berechtigte Einwand, daß bei den Kon troll - 
versuchen zwar die gleiche Temperatur erreicht wurde, jedoch ohne 
Kühlung, läßt sich entkräften. Wohl wird in den S-Versuchen durch 
die Kühlung ein Teil der Wärme weggenommen, es wird also eigentlich 
mehr Energie hineingebracht als in die Kontrollen. Aber da in allen 
Versuchen trotz Kühlung die annähernd gleiche Temperatur erreicht 
wurde, hätten auch alle Versuche eine Abtötung ergeben müssen, und 
dies ist nicht der Fall. Man darf daraus wohl schließen, daß in diesen 
Versuchen die Temperatur die Abtötung höchstens mitbedingt, aber 
nicht allein dafür verantwortlich zu machen ist. Eindeutiger wäre 


17 * 



242 


S. Hansen u. W. Schwartz : 


die Temperaturfrage zu beantworten, wenn man auf die Kühlung 
ganz verzichten könnte. Dies ist wiederum bei der vorliegenden Appa- 
ratur nicht möglich, weil man dazu mit der Energie zu weit herunter- 
gehen müßte, andererseits aber eine untere Energiegrenze, einen 
Schwellenwert erreichen muß, um eine Abtötung zu erhalten. 

Die Wirkung der UKW. auf biologische Objekte hängt nicht 
allein von der während der Behandlungsdauer absorbierten Energie 
ab, sondern auch von der im Behandlungsabschnitt in der Zeiteinheit 
absorbierten Energiemenge (RajewsM, 1938). Nach Sanier und Schwartz 
(1939) ist die Bakterienzelle nicht an allen Stellen gleich empfindlich, 
sondern sie besitzt drei lebenswichtige Zentren i, von denen mindestens 
eines die Hochfrequenzleitfähigkeit haben muß, die es befähigt, ein 
Maximum an Energie zu absorbieren. Erst dann stirbt die Zelle ab. 
Sehen wir von der Möglichkeit chemischer oder physikalisch-chemischer 
Umwandlungen in der Zelle ab, so ruft die Energieabsorption auf alle 
Fälle im Zellinneren eine Erwärmung hervor, die nicht meßbar ist, 
die sich daher auch auf die Aufschwemmung nicht auswirkt, anderer- 
seits aber letal wirken kann. Groag und Tomberg (1934) sprechen daher 
von ,, quasi elektrischen Wirkungen“, da diese Art der Erwärmung 
auf anderem Wege als durch UKW. nicht zu erreichen ist. Wenn 
daher in der vorliegenden Arbeit zwischen thermischen und spezifischen 
Wirkungen unterschieden wurde, so heißt das, daß bei thermischer 
Schädigung das Aufschwemmungsmedium einen für die Bakterien 
tödlichen Wärmegrad erreichte, bei der spezifischen Wirkung dagegen 
möglicherweise Wärme innerhalb der Zelle entsteht, ein Wärmeabfall 
also von innen nach außen stattfindet. Durch die Kühlung (Ventilator) 
wird die Temperatur der Aufschwemmung herabgesetzt, die Erwärmung 
innerhalb der Zelle dagegen keineswegs beeinflußt. Die Möglichkeit, 
daß nur der letzte Faktor die Schädigung bedingt, ist dadurch gegeben. 
Damit wird die Annahme, daß der Verschiebungsstrom die wirksame 
Komponente ist, weitgehend gestützt. 

Aus den wenigen pn-Messungen läßt sich über den Einfluß desselben 
auf die Abtötung nichts aussagen. Dagegen besteht durchaus die Möglich- 
keit, daß einzelne Stämme verschieden anfällig gegen UKW. sind. 
Die Hefe ist z. B. widerstandsfähiger als die geprüften Bakterien- 
Stämme. 

Die von Sanier und Schwartz (1939) unter anderen Versuchs- 
bedingungen festgestellte Abhängigkeit der Abtötung vom Keimgehalt 
der Aufschwemmung, wonach der Keimgehalt bei jungen Kulturen 


^ Siehe auch die von Sauter und Schwartz angeführten Arbeiten von 
Schubert (Habil. schrift, Königsberg), Hercik (1933), Möhler u. Taylor (1935) 
und Lea, Haines u. Cotdson (1936). 



Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen II. 243 


(36 Stunden) zweckmäßig 10® bis 10® Keime /ccm, bei alten Kulturen 
(14 Tage) 10® bis 10^ Keime betragen soll, um annähernd eine 100 %ige 
Abtötung zu erhalten, konnte nicht beobachtet werden. Es wurde einer- 
seits sowohl bei 6 Monate alten Kulturen beim Keimgehalt von 10^, 
als auch bei 5 Tage alten Kulturen bei 10 ^ Keimen eine Abtötung 
erhalten, während in anderen Versuchen weder bei 4 Tage alten Kulturen 
und 107 Keimen, noch bei 23 Tage alten Kulturen und 10^ Keimen 
eine Abtötung erzielt wurde. Diese Beobachtung wurde sowohl bei 
Micrococcua candicans als auch bei ö 90^ und Streptoccocua gemacht. 

Es bleibt also nur noch die Annahme, daß noch weitere, bis jetzt 
unbeachtet gebliebene Faktoren mitgewirkt haben können. Derartige 
Faktoren sind in der Wetterlage zu suchen. 

S. Einfluß der Wetterlage, 

Nach den Feststellungen, die z. B. Rvdder (1938) und Borteis (1942) 
gemacht haben, wäre vor allem an einen Einfluß des Wetters auf den 
Zustand der Bakterienzellen und damit auf das Ergebnis der Versuche 
zu denken. Borteis verwendet «als Maßstab die Änderung der Hoch- 
und Tiefdruckgebiete. Er stellte z. B. fest, daß Bakterien bei einem 
herannahenden Hoch eine gesteigerte Lebenskraft besitzen und dadurch 
widerstandsfähiger gegen Speichel-Inhibine sind, w^ährend sie umge- 
kehrt vor einem Tief leichter und stärker durch die Inhibine gehemmt 
werden. Er unterscheidet dabei, ob der Versuchsort im zentralen 
Bereich des Tiefs, im inneren oder äußeren Randgebiet desselben, im 
indifferenten Randgebiet zwischen Hoch und Tief, im äußeren oder 
inneren Randgebiet eines Hochs oder im zentralen Bereich eines Hochs 
liegt. In Analogie zu den Ergebnissen von Borteis könnten also die 
Bakterien auch vor einem Tief leichter durch UKW. geschädigt werden, 
während sie bei einem herannahenden Hoch widerstandsfähiger sind 

Um diese Möglichkeit zu prüfen, wurden die Versuche zur jeweiligen 
Wetterlage in Beziehung gesetzt (Tabelle XIV, Abb. 9), außerdem für 
die gleichen Versuche Stromstärke und Spannung des Niederspannungs- 
stromes sowie die Hochspannungsstromstärke eingetragen, um einen 
Anhalt für die Leistung zu gewinnen. Als Maßstab der Wetteränderung 
diente zunächst der örtliche Luftdruck, gemessen in mm Hg, wobei 
das Wetter jeweils schon mindestens 2 Tage vor und nach dem Versuchs- 
tag mitberücksichtigt werden muß, damit man den Verlauf der Änderung 
besser verfolgen kann. Der Vergleich der Wetterkarte mit dem Ergebnis 
der einzelnen Versuche läßt erkennen, daß ein Zusammenhang beider 
mindestens recht wahrscheinlich ist. Die Lebensfähigkeit der Bakterien 
wird durch ansteigenden Luftdruck so gesteigert, daß sie der UKW.- 
Wirkung besser standhalten können. Die Versuche 6, 7, 9, 10, 13, 14 



244 


S. Hansen u. W. Schwartz : 


Tabelle XIV. Übersicht über Versuche mit Streptococcus lacticus 
unter Berücksichtigung der aufgewandten Leistung. 


Lfd. 

Nr. 

Mllliamp. 

Hoch- 

Volt Unter- 
spannungs- 

Produkt 

Aufschwemmu ngsmedium 

Ab- 

tötung 

Spannung 

des Trafos 

MiUiamp. X Volt 


in % 

1 

7 

100-110 

736 


60 

0 

10 

85- 90 

860 


41,9 

3 

8-10 

86-110 

810 

> Abgekoohtes HgO 

40 

4 

7-10 

110 

860 

34 

6 

8-10 

90 

810 


49 

6 

7 10 

100-106 

900 

Leitfähigkeitswasser 

a 

7 

7- 8 

100 

760 

Leitf&higkeitBwasser 

0 

8 

7 

90 

630 

Abgekoebtes HgO 

27 

9 

8- 9 

100 

860 

0,086 %ige NaCl-Lösung 

0 

10 


96 


Abgekochtes HgO 

0 

11 

6-12 

80-105 

810 

600 ccm HgO 

400 „ Leitfähigkeitswasser 

32 

12 

9-10 

95-100 

960 

0,085 %ige NaCl-Lösung 

0 

13 

9-10 

96-100 

960 

900 ccm Hj 0 

100 „ 0,086 %ige NaCl- 

0 





Lösung 


14 

— 

106 


600 ccm HgO 

400 ,, Leitfähigkeitswasser 

0 

16 

8- 9 

100 

860 

700 ccm HgO 

300 „ Leitfähigkeitswasser 

0 

16 

7- 9 

90-100 

760 


0 

17 

7- 8 

100 

760 


0 

18 

8-12 

100 

900 


48 

19 

6- 7 

100 

660 


0 

20 

21 

7 

7— 9 

110 

HO 

770 

880 

Abgekochtes H 2 O 

13 

0 

22 

6- 6 

110 

600 


0 

23 

6- 6 

110 

600 


0 

24 

6 

106-110 

630 


0 

26 

5 

HO 

660 


1 17,7 


15, 21, 22 und 24 zeigen dies eindeutig. Ebenso klar liegen unter ent- 
gegengesetzten Bedingungen die Verhältnisse bei den Versuchen 1, 2, 
3, 4, 8, 11, 18 und 20. Hier sind die Bakterien durch das vordringende 
Tief geschwächt, so daß sie durch die UKW. -Einwirkung abgetötet 
werden. 

Bei Versuchen 9 und 12 wurde an Stelle von abgekochtem Wasser 
0,085 %ige NaCl-Lösung zur Aufschwemmung verwendet. Obwohl die 
angewandte Energie besonders in Versuch 12 über dem Durchschnitt 
lag, fand trotz eines herannahenden Tiefs keine Abtötung statt. Diese 
Feststellung bestätigt die Vermutung, daß bei Verwendung einer 
0,085 %igen NaCl-Lösung keine Abtötung erfolgt, weil das Verhältnis 
von Verschiebungsstrom zu galvanischem Strom zugunsten des galvani- 
schen Stromes verschoben wird, im Zell inneren infolgedessen keine 
maximal^ Absorption stattfindet. 






Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 245 


Die Versuche 14 und 15 sind mit Leitfähigkeitswasser durchgeführt 
worden und ergaben beide keine Abtötung. Das Ergebnis ist um so 



unerklärlicher, als gerade hierbei das Verhältnis von Leitimgs- zu 
Verschiebungsstrom weitgehend zugunsten des letzten verschoben ist 



246 


S. Hansen u. W. Schwartz : 


Beide Versuche sind aber bei herannahendem Hoch durchgeführt 
worden, so daß bei Berücksichtigung der Wetterlage eine Abtotung 
nicht erwartet werden konnte. In der Zwischenzeit durchgeführte 
Versuche haben gezeigt, daß unter günstigen ,, Wetterbedingungen“ 
eine Abtötung eintritt. 

Die Versuche 16 und 23 lassen sich vielleicht damit erklären, daß 
der vorhergehende Druckanstieg sehr steil war, die Bakterien dadurch 
möglicherweise besonders gestärkt wurden, so daß eine Abtötung trotz 
des herannahenden Tiefs ausblieb. 

Bei Versuch 19 wurde auf einem absteigenden Ast der Kurve 
keine Abtötung erhalten, obwohl die Bakterien geschwächt sein müßten. 
Die angewendete Energie war ziemlich klein, so daß möglicherweise 
der Ausfall darauf zurückgeführt werden kann (vgl. Tabelle XIV). 
Unverständlich in bezug auf Veränderungen des örtlichen Luftdrucks 
allein bleiben vorerst die Ergebnisse der Versuche 17 (keine Abtötung 
bei absteigender Kurve), 5 und 25 (Abtötung am aufsteigenden Ast 
der Wetterkurve), wobei noch besonders zu beachten ist, daß die in 
Versuch 25 zugeführte Energie die kleinste aller Versuche war. Setzt 
man jedoch an Stelle des örtlich gemessenen Luftdrucks die Groß- 
wetterlage und beachtet die Tendei^z der Hoch- und Tiefdruckgebiete, 
sich gegeneinander zu verlagern, abzuschwächen oder aufzufüllen, so 
zeigt sich, daß die Versuche 5 und 25 sowie die unbefriedigend ge- 
deuteten Versuche 16 und 19 erfaßt werden können. Während die 
Wetterkurve der örtlich gemessenen Luftdrucke für die Versuche 16 
und 19 einen Übergang vom Hoch zum Tief vermuten läßt, zeigt die 
Großwetterlage, daß sich Karlsruhe am Versuchstag des 16. Versuchs 
im äußeren Randgebiet eines Hochs befand. Bis zum nächsten Tag 
näherte sich das Hoch wenig, während ein Tief herankam und Karls- 
ruhe damit in die indifferente Zone zwischen einem Hoch und Tief zu 
liegen kam. 

Bei Versuch 19 zeigt die Gesamtwetterlage einen Übergang vom 
indifferenten Gebiet in das äußere Randgebiet eines Hochs, während 
der örtliche Luftdruck fallende Tendenz auf weist. In beiden Fällen 
konnte also eine Abtötung nicht erwartet werden. 

Gerade umgekehrt liegen die Verhältnisse für die Versuche 5 und 25. 
Hier ist ein klarer Übergang vom äußeren Randgebiet eines Hochs 
zum äußeren Randgebiet eines Tiefs in Versuch 5, und ein Übergang 
von der indifferenten Zone zum äußeren Randgebiet eines Tiefs in 
Versuch 25 zu erkennen, weshalb also eine Abtötung ein treten mußte. 
Der örtliche Luftdruck stieg dabei in beiden Fällen an. 

Die Ergebnisse der Versuche 17 und 23 lassen sich weiterhin nicht 
erklären. 

Es dürfte also mit ziemlicher Sicherheit erwiesen sein, daß tatsächlich 
ein Zusammenhang zwischen Wetterlage und Anfälligkeit der Bpikterien 



Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 247 

besteht. Allerdings zeigt sich bei den positiven Versuchen immer noch 
eine erhebliche Schwankung im Ausmaß der Abtötung zwischen 20 
und 60%, ferner bleibt ein unerklärlicher Rest von 10% der Gesamt- 
zahl der Versuche zurück. Bei Verwendung des Funkenstreckensenders 
{Sanier und Schwarz, 1939) kam ein Wetterfaktor überhaupt nicht zur 
Beobachtung, weil wahrscheinlich höhere maximale Feldstärken auf- 
traten, die selbst bei ungünstiger Wetterlage zur Abtötung der Bakterien 
ausreichten. Eine weitere Bearbeitung dieser Fragen ist also erforderlich. 

Über die Natur des wirksamen Faktors kann vorerst nichts aus- 
gesagt werden. Die Kennzeichnung der allgemeinen Wetterlage oder 
die Angabe des örtlichen Luftdrucks dienen nur als vorläufiger Anhalts- 
punkt zur Darstellung der Zusammenhänge. Es wäre sogar denkbar, 
daß nicht einmal das Wetter unmittelbar, sondern ein sowohl die 
Wetterentwicklung wie die Anfälligkeit der Bakterien beeinflussender 
Faktor das eigentlich wirksame ist. 

Zusammenfassuiig. 

Versuche mit ungedämpften Schwingungen. 

1. Ungedämpfte Ultrakurzwellen (A = 5,5 m) hoher mittlerer Feld- 
stärken rufen in Medien guter Leitfähigkeit (L ~~ 0,005 0“^ cm-i) eine 
Erwärmung hervor. Die Erwärmung kann so hoch werden, daß die 
in der Aufschwemmung enthaltenen Bakterien absterben. 

2. Der Prozentsatz der abgestorbenen Zellen ist abhängig von der 
Temperaturerhöhung, die ihrerseits wieder von der I.eitfähigkeit der 
Aufschwemmung abhängt; je größer die Leitfähigkeit, um so höher 
die Erwärmung, um so stärker die Abtötung. 

3. Der in der Aufschwemmung fließende Leitungsstrom ruft also 
die Temperaturerhöhung hervor, die letal wirken kann. 

4. Die Ergebnisse wurden sowohl mit wässerigen Bakterien- 
aufschwemmungen wie mit Mager- und Vollmilch erzielt. Bei ent- 
sprechenden Versuchsbedingungen wurden die Keime zu über 90% 
abgetötet. 

5. Die Aufrahmung der UKW. -behandelten Milch wird herab- 
gesetzt, sie ist jedoch besser als die der hochpasteurisierten Vollmilch. 

6. Eine Entkeimung der Milch mittels hochfrequenter Wechsel - 
fei der dürfte gegenüber den zur Zeit üblichen Pasteurisierungsverfahren 
keinen Vorteil bieten. 

Versuche mit gedämpften Schwingungen. 

1. Unter Einhaltung bestimmter Bedingungen ist es möglich, mit 
einem Ultrakurzwellen- Gerät in Gegentaktschaltung, das mittels eines 
Hochspannungstransformators und einer Funkenstrecke stoßweise be 



248 


S. Hansen u. W. Schwartz: 


trieben wird, Bakterien bei Temperaturen unterhalb 400C und bei 
einer zehnstündigen Einwirkung des UKW. -Feldes abzutöten. 

2. Die Abtötung wird nicht, oder jedenfalls nicht allein, durch die 
Temperatur der Aufschwemmung erzielt. 

3. Selbst bei gleichbleibenden Bedingungen sind etwa 50% der 
Versuchsergebnisse widerspruchsvoll. Die Ursache kann darin liegen, 
daß bis jetzt noch nicht kontrollierte Faktoren unter den gegebenen 
Versuchsbedingungen das Resultat mitbestimmen. 

4. Die Wetterlage, deren Einfluß auf mikrobiologische Vorgänge 
aus Versuchen von Borteis und anderen bekannt geworden ist, erwies 
sich auch im vorliegenden Fall als wesentlicher, die Ergebnisse beein- 
flussender Faktor, wobei nicht nur der örtlich gemessene Luftdruck, 
sondern die Gesamt Wetterlage als Maßstab herangezogen werden muß. 

5. Die Bakterien werden bei einem herannahenden Tief geschädigt, 
während sie bei einem hcrannahenden Hoch die UKW. -Behandlung, 
die jeweils unter den gleichen Bedingungen durchgeführt wurde, ver- 
tragen. 

6. Ob tatsächlich die Druckverhältnisse oder eine andere Kompo- 
nente des Wetters die entscheidende Rolle spielen, muß dahingestellt 
bleiben. Es wäre sogar denkbar, daß es sich um einen Faktor X handelt, 
der sowohl die ,, Wetterlage“ wie die Bakterien beeinflußt und so eine 
direkte Abhängigkeit der Bakterien vom Wetter vortäuscht. Die 
,, Wetterlage“ kann also zunächst nur als Kriterium angesehen werden. 

7. Die Leitfähigkeit des Aufschwemmungsmediums ist anscheinend 
auch unter Berücksichtigung der Wetterlage von Einfluß auf die Ab- 
tötung. 

8. Selbst unter Berücksichtigung der ,, Gesamtwetterlage“ bleibt 
der Ausfall von etwa 10 % der Versuche vorerst noch unerklärlich, so 
daß die Beteiligung weiterer Faktoren, die übrigens auch in den schwer 
zu überblickenden physikalischen Versuchsbedingungen liegen können, 
nicht ausgeschlossen ist. 

9. Sämtliche bisher geprüften Bakterienarten — h 90^ aus Erde, 
Micrococcus candicans, Streptococcus lacticus (Kruse) — erwiesen sich 
als anfällig gegen Ultrakurzwellen, jedoch scheint der Grad der 
Empfindlichkeit verschieden zu sein. Es gelang bisher nicht, Hefe 
abzu töten. 

Literatur. 

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d. milchwirtsch. Zeitung, 1931 u. 1932. — - Bertels^ H., Centralbl. f. Bakt. II, 
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Qroag^ V. Tomberg ^ Wien. klin. Wochenschr. 47, 267, 1934. — Haase, IT., 



Einwirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroorganismen. II. 249 


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B. de, Grundriß einer Meteorobiologie des Menschen. Berlin, Springer, 
1938. — Sanier, E., u. W. Schwartz, diese Zeitschr. 10, 189, 1939. — Schliep- 
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Derselbe, Münch, med. Wochenschr. 1941, S. 626. — Steinhäuser, A. 

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373, 1937. — Weiß, H., J. Fiele, F. Tomberg, Klin. Wochenschr. 16, 750, 
1937. 

Eine russische Arbeit von K. F. Firsowa : Zur Frage der bakteriziden 
Wirkung von ultrakurzen Wellen auf Mikroben, Akaci. d. R. A. 14, Lenin- 
grad 1940, konnte nicht berücksichtigt werden. 



(Aus dem Institut für Mikrobiologie der Universität Göttingen.) 


Weitere Untersuchimgen über den Abbau 
der Cellulose 

durch Bacillus cellulosae-dissolvens Khouvine. 

Von 

Rudolf Meyer. 

Mit 15 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 10. April 1943.) 

Zur Reinzüchtung des zuerst von Omelianski ausführlich beschrie- 
benen Erregers der Cellulosegärung (anoxydativen ^ nach Bemhauer) 
eignet sich bisher immer noch am besten das von Khouvine (1) ein- 
geführte Wasch verfahren, mit dessen Hilfe ihr erstmalig die Rein- 
züchtung dieses Bakteriums gelang. Dem Wasch verfahren haften zwar 
noch Bedenken an, und es wurden daher mehrfach Versuche unter- 
nommen, das Reinzucht verfahren auch dieses Bakteriums nach dem 
.ffocÄschen Plattengußverfahren durchzuführen; aber die besonderen 
Eigentümlichkeiten dieses Organismus und die Beschaffenheit der 
Kulturmedien gestatten keine strenge Einhaltung der Grundsätze, 
auf denen das iTocfesche Verfahren beruht, so daß diese Versuche bisher 
unbefriedigend bleiben mußten. 

Nach dem iLÄow?;ineschen Verfahren gelangt man zu einem Organismus, 
der im wesentlichen dem von Omelianski und den meisten späteren Forschern 
beschriebenen entspricht. Vom Verfasser wurde festgestellt, daß zu Beginn 
der Entwicklung, bevor die Gärung einsetzt, in der Kultur eine lebhaft bewegliche 
Spindelform dieses später Stäbchen-, bei der Sporenbildung trommelschlegel- 
förmigen Bakteriums vorwiegt, auf die wahrscheinlich der vor Beginn der Gärung 
zu beobachtende Sauerstoffverbrauch der Kultur zurückzuführen ist^. Erst 
aus dieser Form entwickelt sich dann später, mit einsetzender Gärung, nachdem 
sich die Spindeln der Cellulosefaser angelegt haben, die Stäbchenform, die den 
eigentlichen Abbau der Cellulosefaser durchführt. Neben diesen genannten 
Formen wurden aber auch von verschiedenen Autoren faden- und zitronen- 
förmige Entartungen dieses Organismus und alle Übergänge zwischen diesen 
und den „normalen“ Formen auf gefunden, so daß der Zusammenhang zwischen 
allen diesen Formen außer Zweifel steht 

Hinsichtlich des Stoffwechsels kann festgestellt werden, daß beim Abbau 
der Cellulosefaser in der künstlichen Kultur an gasförmigen Bestandteilen in 
erster Linie Kohlendioxyd auftritt; es ist aber wahrscheinlich, daß dieses nur 
zum Teil unmittelbar beim Abbau der Cellulosefaser entsteht, und daß ein Teil 

1) Vgl. jedoch S. 266 und R. Meyer (3). — *) Von V. Meyer wird allerdinga 
ein solcher Zusammenhang bestritten. 



Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 


251 


desselben erst durch die ebenfalls als Stoffwechselprodukte auftretenden organi- 
schen Säuren aus dem zur Neutralisation der Nährlösung zugesetzten Calcium- 
carbonat freigemacht wird. Neben dem Kohlendioxyd beobachtet man an gas- 
förmigen Bestandteilen in weit geringerer Menge, und auch nicht immer, Wasser- 
stoff. Das von Omelianski beobachtete Methan ist aller Wahrscheinlichkeit 
nach auf die Tätigkeit von verunreinigenden Begleitorganismen zurückzuführen, 
die in seinen Kulturen noch vorhanden waren. Spätere Autoren haben dieses 
Gas höchstens in so geringer Menge gefunden, daß sie innerhalb der Analysen- 
fehler liegen. Ebenso wird es sich mit dem Schwefelwasserstoff verhalten, den 
man ziemlich regelmäßig in den Cellulosezersetzerkulturen beobachten kann. 
An nicht gasförmigen Stoffwechselprodukten tritt neben den organischen Säuren 
auch Äthylalkohol auf. 

Fehlerquellen bei der Reinzfiehtung des Cellulosezersetzers. 

Weiterhin glaubten der Verfasser [Ä. Meyer (3)] und dann auch 
Khouvine^Soeters, Pochcm (1) und Imsenecki (6) festgestellt zu haben, 
daß der Cellulosevergärer — gegebenenfalls nach Gewöhnung — auch 
in zellulosefreien Medien (Bouillon, Glucose-Nährlösung) gedeihen kann. 
Es gelang Verfasser sogar, nach vielen Bouillonpassagen den Cellulose- 
zersetzer wieder in der reinen Cellulose-Mineral-Nährlösung^ zum An- 
wachsen zu bringen. Die ersten Bedenken entstanden jedoch, als es 
selbst in mehr als 100 Versuchen nicht gelingen wollte, Einzellkulturen 
des Cellulosezersetzers in Bouillon oder auf Bouillon -Agar zum An- 
wachsen zu bringen, weder bei Übertragung von Sporen noch bei 
Übertragung von vegetativen Stäbchen. Auch beim Einträgen einzelner 
von Stäbchen besetzter Cellulosefasern in Bouillon erfolgte in den 
meisten Fällen kein Wachstum; wenn ein solches jedoch eintrat, dann 
handelte es sich nicht um Cellulosezersetzer 2. Die Bedenken des Ver- 
fassers wurden jedoch verstärkt, als bei den Weiterimpfungen Unregel- 
mäßigkeiten bei der Farbstoffbfldung beobachtet wurden. Jedoch 
war zunächst nicht einzusehen, woher die Verunreinigungen in den 
Kulturen stammen sollten. Gelegentliche unbeimpfte Kontrollen mit 
Cellulose-Mineral-Nährlösung hatten zu Bedenken keinen Anlaß ge- 
geben; und bei Zimmertemperatur konnte diese Nährlösung im sterili- 
sierten Zustande länger als ein Jahr unverändert auf bewahrt werden. 

Um aber Gewißheit über die Berechtigung der erwähnten Bedenken 
zu erhalten, wurden nochmals zunächst zwei unbeimpfte Kontrollen 
der in üblicher Weise sterilisierten CeDulose-Mineral-Nährlösung (Dampf- 
topf fraktioniert, bei anderen Versuchen auch Autoklav Stunde 

^ Verfasser benutzte anfangs eine solche folgender Zusammensetzung: 
Best. Wasser 1000 ccm, KgHP 04 puriss. Merck 1,0 g, (NH 4 )jHP 04 p. A. Merck 
1,0 g, MgCls p. A. Merck 0,6 g, Kreide 12,0 g, Filtrierpapier 8,0 g. Vgl. auch 
i?. Meyer (1) u. (3). Abänderungen siehe weiter unten. — * Zuerst glaubte 
Verfasser, daß diese Verunreinigungen aus dem Abschlußwasser auf dem Hohl- 
schliff stammten. 



252 


R. Meyer: 


bei 1300 C) einige Zeit bei 37® C im Brutschrank aufgestellt. Bereits 
nach 14 Tagen stellte sich das überraschende Ergebnis heraus, daß sich 
in einer dieser Kulturen nicht nur gewöhnliche sporenbildende Stäbchen, 
sondern auch ein Gelluloaezersetzer entwickelt hatten. Eine Wieder- 
holung dieses Versuchs mit 5 Kontrollen ergab das gleiche. Es entstand 
nun die Frage, mit welchem der Bestandteile der Cellulose-Mineral- 
Nährlösung die Verunreinigung eingeführt worden war, die sogar die 
Sterilisationsmaßnahmen überstanden hatte. Die löslichen Bestandteile 
schieden ohne weiteres aus. Der Verdacht konnte sich also auf das 
Calciumcarbonat, das als Kreide, und die Cellulose, die als Filtrierpapier 
gegeben waren, beschränken. 

Zur Klärung dieser Verhältnisse wurde folgender Versuch angesetzt: 
9 Gärkolben mit je 250 ccm Inhalt wurden mit Cellulose-Mineral -Nährlösung 
beschickt; jedoch wurde in 5 von ihnen das Calciumcarbonat nicht gleich hinzu- 
gesetzt, sondern zunächst getrennt in 100 ccm Jenaer Erlenmeyerkolben in 
etwas Nährlösung ohne die Cellulose getan. Die Gärkolben wurden zweimal 
bei 130® C autoklaviert mit einer ZwischeAzeit von zwei Tagen, während welcher 
sie im Brutraum bei 37® C aufgestellt waren; kurz vor dem zweiten Autoklavieren 
wurden sie bis 12 mm Hg evakuiert, um etwa okkludierte Luft zu entfernen. 
Die Erlenmeyerkolben mit der Kreide wurden im Dampftopf sterilisiert. Die 
restlichen Gärkolben und Erlenmeyerkolben wurden gerade so behandelt, nur 
waren hierbei die Rollen von Kreide und Cellulose vertauscht. Nach der Sterili- 
sation wurde die Kreide bzw. Cellulose aus den Erlenmeyerkolben unter Be- 
achtung der Sterilerhaltung den Gärkolben ein verleibt. Sämtliche Gefäße 
wurden unbeimpft im Brutraum bei 37® C aufgestellt. 

Bereits nach vier Tagen hatten sämtliche 9 Gärgefäße Unterdrück 
hergestellt ^ Nach 22 Tagen zeigten vier von den fünf Gefäßen mit 
autoklaviertem Kalk Andeutung von Cellulosezersetzung (Welken der 
Cellulosestreifen, bei einigen beginnende Farbstoff bildung), wenn auch 
in verschiedenem Maße. Dagegen war bei den Gefäßen mit auto- 
klavierter Cellulose noch kaum eine Andeutung eines Celluloseabbaues 
festzustellen. Diese wurde hier erst nach 40 Tagen bemerkbar und blieb 
während der ganzen Versuchsdauer von 104 Tagen hinter der der ersten 
5 Gärgefäße zurück. Nach diesem Ergebnis möchte man geneigt sein, 
die Verunreinigung in der Cellulose zu vermuten. Dem ist aber nicht 
so, wie der folgende Versuch zeigt. 

Zugleich mit dem eben genannten Versuch wurde noch ein weiterer an- 
gesetzt, bei dem die gleiche Cellulose verwendet wurde, wie in dem obigen, bei 
dem jedoch die Kreide ersetzt wurde durch das Jfercksche Präparat „Calcium 
carbonicum präcipitatum p. A.“*. Die fünf für diesen Versuch verwendeten 
Gärgefäße wurden nuf im Kocäschen Dampftopf fraktioniert (dreimal) sterilisiert 
mit eintägiger Unterbrechung, während welcher die Gefäße bei 37® C im Brut- 
raum aufgestellt wurden. 


^ Vgl. R* Meyer (3), — ■ Dieses benutzte Verfasser früher nur für gas- 
stoffwechselanai3rtl8che Versuche. 



TJntersuchungen über den Abbau der Cellulose. 253 

Während der ganzen Versuchsdauer von 104 Tagen wurde in diesen 
Gefäßen weder die Entstehung eines Unterdruckes noch die geringste 
Veränderung an der Cellulose beobachtet. Auch mikroskopisch war 
keinerlei Veränderung an der Cellulose noch die Anwesenheit irgend- 
welcher Bakterien festzustellen. Die verunreinigenden Keime können 
sich demnach nur in der Kreide befunden habend. Und nach dem ersten 
Versuch sieht es merkwürdigerweise fast so aus, als ob das Autoklavieren 
der Kreide das Wachstum der darin enthaltenen Keime noch gefördert 
hätte. Das Verhalten dieser aus der Kreide stammenden Keime war 
allerdings in den verschiedenen Gefäßen recht verschieden; manche 
daraus entstandenen Kulturen zeigten Farbstoffbildung, bei anderen 
verwelkten die Cellulosestreifen ohne Farbstoffbildung. 

Die Versuche haben also gezeigt, daß zur Sterilisation von Nähr- 
lösungen, die technisches Calciumcarbonat enthalten, die bisher ver- 
wendeten Sterilisations verfahren nicht ausreichen. Für die Cellulose- 
Mineral-Nährlösung ist daher die Verwendung reinsten gefällten 
Calciumcarbonates unerläßlich ; aber auch dann empfiehlt sich noch die 
Anwendung sorgfältigster Sterilisationsmaßnahmen. 

Die Mitteilung dieser an sich negativen Ergebnisse hätte sich er- 
übrigt, wenn sie nicht für spätere Versuche mit dem Cellulosevergärer 
einige Bedeutung hätten und eine Überprüfung aller bisher mit dem 
Cellulosevergärer ausgeführten Versuche erforderlich machten. Denn 
es muß nun natürlich nachgeprüft werden, wieweit bei diesen Versuchen 
den nach dem oben Gesagten zu stellenden Forderungen entsprochen 
wurde. Zwar werden die (spärlichen) cytologischen Ergebnisse früherer 
Untersuchungen hierdurch kaum berührt; denn in den untersuchten 
Kulturen sind natürlich Cellulosezersetzer überhaupt vorhanden ge- 
wesen, wenn sie in den fortlaufenden Überimpfungen auch nicht not- 
wendig voneinander abstammen mußten. Ebenso werden die morpho- 
logischen Ergebnisse der früheren Untersuchungen kaum korrigiert 
zu werden brauchen; es wäre wohl denkbar, daß eine Form, die einer 
Verunreinigung zugehört, dem Cellulosezersetzer zugeschrieben wurde; 
aber die meisten Autoren haben nur die Trommelschlegelform als den 
eigentlichen Cellulosezersetzer beschrieben. Demgegenüber würde aber 
eine in der Kultur vorhandene Verunreinigung die stoffwechselphysio- 
logischen Ergebnisse früherer Untersuchungen vielmehr beeinflussen 
können (z. B. der Methangärer Ormlianskis). 

Nun geben leider die Arbeiten der verschiedenen Autoren nicht 
immer eine ausreichende Auskunft darüber, welchen Reinheitsgrad die 
von ihnen verwendeten Chemikalien hatten und welcher Art die Sterili- 
sationsmaßnahmen waren; ein Zeichen, daß dieser Frage oft ein zu 


^ Vgl. auch L,E,den Dooren de Jong, diese Zeitschr. 9, 224, 1938. 



254 


R. Meyer: 


geringes Gewicht beigelegt wurde. Zuweilen pflegt man ja absichtlich 
— mit Rücksicht auf etwa erforderliche Spurenstoffe — den weniger 
reinen Präparaten den Vorzug zu geben, ln der folgenden Übersicht 
habe ich die in Frage stehenden Angaben zusammengestellt, soweit sie 
den betreffenden Arbeiten zu entnehmen waren. 

P. Clausen: Cellulose: ehern, rein (Döhn Sauer, Leipzig-Plagwitz). — Calcium- 
carbonat: Kreide. Sterilisation: KocÄscher Dampftopf; fraktioniert. 

C. Coolhaas: Cellulose: Filtrierpapier. -- Calciumcarbonat: keine Angaben. — 
Sterilisation: Angaben fehlen. 

Ph.B.Cowles u. L,F.Rettger: Cellulose: Filtrierpapierstreifen. — Calcium- 
carbonat : Qualität aus den Angaben nicht zu entnehmen. — Sterilisation : 
Autoklav (Temperatur?). 

K. F. Kellerman u. 1,0. Mc Beth : Cellulose : chemisch rein (für die Kulturplatten). 
— Calciumcarbonat: keine Angaben. — Sterilisation: genauere Angaben 
fehlen. 

Y , Khouvine: Cellulose: Papier Berzüius oder aus Schweitzers Reagens gefällte 
Cellulose. ~ Calciumcarbonat: keine genauen Angaben. — Sterilisation: 
Autoklav, 2 Stunde bei 110®C. 

F. Löhnü u. O. Lochhead: Cellulose: ehern, rein (König et* Co., Leipzig-Plagwitz). -- 
Calciumcarbonat: keine Angaben. — Sterilisation: keine Angaben. 

R. Meyer: Cellulose: Filtrierpapierstreifen. — Calciumcarbonat: Kreide. — 
Sterilisation : KocAscher Dampftopf, fraktioniert, oder Autoklav, Stunde 
bei 130® C. 

V. Meyer: Cellulose: Filtrierpapierstreifen. — Calciumcarbonat: Kreide. — 

Sterilisation: Autoklav, Stunde bei 110® C. 

W, Omelianski : Cellulose : Cellulosen verschiedener Herkunft. — Calciumcarbonat : 

neben anderer auch chemisch reine und gefällte Kreide. — - Sterilisation: 
keine Angaben. 

J. Pochen: Cellulose: Filtrierpapier. — Calciumcarbonat: als Puffer Schaum 
von Zuckerfabriken; enthält 60% CaCO,. — Sterilisation: an drei auf- 
einanderfolgenden Tagen Stunde auf 126® C, dazwischen im Brutraum 
bei 37® C. 

St. Sniesko : Macht keine Angaben. 

P. A. Tetrault, Cellulose: reinstes quantitatives Filtrierpapier. Calcium- 
carbonat: keine Angaben. — Sterilisation: Angaben fehlen. 

E. Werner: Cellulose: Filtrierpapierstreifen. •— Calciumcarbonat: Kreide. — 
Sterilisation: keine genauen Angaben. 

Diese Zusammenstellung sagt uns, daß in allen Kulturen der ge- 
nannten Autoren Verunreinigungen vorhanden gewesen sein können. 

Für die weiter unten mitgeteilten Versuche wurden folgende Grund- 
sätze eingehalten: Es wurden die reinsten erhältlichen Chemikalien 
benutzt; als Calciumcarbonat ausschließlich ,, Calcium carbonicum 
praecipitatum p. A. Merck''. Sterilisiert wurde ausschließlich im Auto- 
klaven; und zwar jedes Gefäß bei ISO® C ^/2 Stunde, im ganzen 
dreimal mit einer Zwischenzeit von zwei oder drei Tagen. In der 
Zwischenzeit wurden die Gefäße im Brutraum bei etwa 35o C aufgestellt. 
Vor jeder Sterilisation wurde bis 20 mm Hg zwecks Entfernung etwa 
von dem Calciumcarbonat oder der Cellulose eingeschlossener Luft 
evakuiert. Das Evakuieren wurde mit den noch warmen Gefäßen vor- 



Untersuchungen über den. Abbau der Cellulose. 


255 


genommen; es trat dann in den Gefäßen ein schwaches Sieden ein, 
wodurch die Luft besonders wirksam entfernt wurde. Dann wurden 
die mit Wattestopfen verschlossenen Gefäße längere Zeit bei Zimmer- 
temperatur aufbewahrt, so daß angenommen werden konnte, daß sich 
die Nährlösung wieder mit Luft gesättigt hatte. 

Mit dem so behandelten Nährsubstrat wurden neue Kulturen 
angelegt. In einem unterschieden sich diese neuen Kulturen grund- 
sätzlich von den früheren: Während diese mit Beginn der Gasentwick- 
lung (infolge sulfatreduzierender Vorgänge) einen unangenehmen, 
ekelerregenden Geruch annahmen, rochen die neuen Kulturen ausnahms- 
los angenehm fruchtartig aromatisch, und jede Spur einer Sulfat- 
reduktion fehlte. Verfasser hat diese Beobachtung bisher nirgends 
angegeben gefunden, so daß er schon hieraus den Schluß zu ziehen 
geneigt ist, daß in den ihm bekannt gew^ordenen Fällen -- wie ja auch 
die oben mitgeteilten Angaben vermuten lassen — keine Reinkulturen 
Vorgelegen haben werden. Bei seinen Versuchen hat Verfasser von nun 
an stets den Geruch der Kultur als Reinheitskriterium mit herangezogen. 

Versuche mit neu isolierten Cellulosezersetzern. 

Es wurden zwei neue ,, Stämme“ isoliert, von denen der eine siis 
einem Versuch zur Prüfung der Reinheit der Chemikalien auf ihre Keiin- 
freiheit aus der Kreide (vgl. S. 252) erhalten worden war. Dieser Stamm, 
der weiterhin als ,, Stamm C“ bezeichnet werden soll, bildete niemals 
Farbstoff, der Abbau der Cellulose ging außerordentlich träge vor sich 
und blieb ini allgemeinen unvollständig. In einem Zeitraum von über 
drei Jahren konnten von diesem Cellulosezersetzer z. ß. nur 12 Weiter- 
impfungen durchgeführt werden. Das mikroskopische Bild der Kultur 
zeigte im ganzen nur wenig Organismen, typi^^che Trommelschlegel- 
formen wurden nur selten gefunden; meist traten nur einige Stäbchen 
und ovale Sporen auf. Stoffw^echselphysiologisch verhielt sich dieser 
Stamm jedoch — abgesehen von dem langsamen Ablauf der Vorgänge — 
ähnlich wie der andere Stamm, der aus dem Panseninhalt eines frisch 
im Göttinger Schlachthof geschlachteten Rindes isoliert wurde, und 
der als ,, Stamm P*‘ bezeichnet werden soll. Dieser Stamm bildet 
intensiv gelben Farbstoff (vgl. S. 270) und zersetzt die Cellulose recht 
lebhaft; im Verlaufe von 3 Jahren konnten 30 Weiterimpfungen erzielt 
werden. In den Kulturen wurden in der Regel reichlich charakteristische 
Trommelschlegelformen nachgewiesen, daneben aber auch Stäbchen, 
ovale, seltener runde, Sporen, Fäden und gelegentlich die früher vom 
Verfasser beschriebenen entarteten Formen (längere Fäden, zitronen- 
artige Formen ^ und Stäbchen mit in der Mitte liegenden Anschwellungen). 

^ Vgl. Meyer (]). 

Archiv für Mikrobiologie. Bd. 13 . 18 



256 


R, Meyer : 


Diese Stämme wurden nach dem KhouvinesQh&n Waschverfahren 
in Verbindung mit ^/4 ständigem Erhitzen des Impfmaterials auf 80® C 
gereinigt Bereits nach wenigen Weiterimpfungen machten die Kul- 
turen mikroskopisch und dem Geruch nach vollständig den Eindruck 
einer Reinkultur. Es zeigte sich jedoch sehr bald, besonders beim 
Stamm P, daß die Überimpfungen immer schlechter an wuchsen, wenn 
die Nährlösung in der angegebenen Zusammensetzung (vgl. S. 251, 
Fußnote 1) benutzt wurdet. 

Diese mußte also in geeigneter Weise abgeändert werden. Zunächst 
wurden zu jedem Gärgefäß etwa 0,1 % Kaliumsulfat zugesetzt, da die 
bisherige Nährlösung sulfatfrei war. Weiterhin wurden 0,01 % Ferro- 
sulfat zugesetzt. Hierbei zeigte sich zum ersten Male, daß die reine 
Kultur Sulfat nicht reduziert, während die früheren Kulturen dies 
immer getan hatten. Durch diese Zusätze wurde das Wachstum jedoch 
nur unwesentlich gefördert. Ein Zusatz von 0,0004% Kupfersulfat 
hemmte das Wachstum vollständig. Es konnte sich nur noch um das 
Fehlen von irgendwelchen anderen mineralischen Spurenstoffen, 
Vitaminen oder weiteren organischen Spurenstoffen handeln. Um diese 
festzustellen, wurden als Zusätze noch versucht: Erdextrakt, Pansen- 
inhaltextrakt, Hefeextrakt, Orangenextrakt (neutralisiert), gelber 
Farbstoff des Cellulosezersetzers (vgl. S. 270), Duftstoff des Cellulose- 
zersetzers (vgl. S. 273), Vitamin Bj, Chlorophyll, Kulturextrakt des 
Cellulosezersetzers aus alten Kulturen, Wurzelspitzenextrakt vom Mais, 
Keimblätterextrakt (ergrünte Blätter) von Mais und Vitamin D. Von 
allen diesen Zusätzen zeigten nur die letzten vier einen merklich för- 
dernden Einfluß. Am intensivsten wirkte der Extrakt von ergrünten 
Maiskeimlingen (vgl. dazu auch Tabelle I, S. 266), und zwar so, daß 
damit 30 Weiterimpfungen ohne wesentliche Einbuße an Wachstums- 
energie ermöglicht wurden. Wenn man bedenkt, daß der anaerobe 
Cellulosezersetzer in erster Linie als Saprophyt des Wiederkäuerpansens 
anzusehen ist und erst in zweiter Linie als Bodenorganismus, in den er 
erst durch die Ausscheidungen hineingelangt 3, so liegt die Verwendung 
des grünen Blätterextraktes nahe; denn der Organismus wird sich den 
Umweltverhältnissen, besonders im Pansen der Wiederkäuer, weit- 

^ Zur hier angewandten Züchtungstechnik vgl. R, Meyer (\) u. (3); in die 
hier beschriebenen Versuche wurden allerdings im Gegensatz zu den früheren 
ausnahmslos Gärgefäße aus Jenaer Glas 20 von Schott d* Öen., Inhalt 250 ccm, 
mit engem Hals, benutzt. — * Bei Rotmistrov u. Scharojko wuchsen merk- 
würdigerweise die reineren Kulturen besser als die Anreicherungskulturen; 
von Imsenecki wird allerdings die Reinheit der Kultur dieser Autoren bezweifelt. 
“ * Hierfür sprechen ja auch die Tatsachen, daß das Temperaturoptimum des 
(mesophilen) Cellulosevergärers bei etwa 37® C liegt, und daß sich — gemäß den 
obigen Versuchen -- ein Zusatz von Erdextrakt als unwirksam erwiesen hat. 



Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 


257 


gehend angepaßt haben. Merkwürdig ist allerdings die Wirkungslosigkeit 
von Panseninhaltextrakt ; aber es kommt wahrscheinlich gerade auf 
das frisch in den Pansen gelangende Material an. Auffallend ist die 
Wirkung des Vitamins D ; es konnten mit diesem zwar nur zwei Ver- 
suche durchgeführt werden, aber der fördernde Einfluß war nicht zu 
übersehen. 

Das Vitamin, als „Vigantol forte“ Merck gegeben, ist nur fettlöslich; es 
wurde daher dem Impfmaterial im letzten Waschwasser ein kleiner Tropfen 
Vigantol forte zugesetzt und kräftig geschüttelt, so daß etwas von dem Material 
an den Cellulosefasern haften bleiben mußte. Obwohl in den beiden erwähnten 
Versuchen die Nährlösung bereits Keimblattextrakt enthielt, war doch noch 
ein fördernder Einfluß des Vitamins bemerkbar. 

Die Beobachtungen mit dem Vitamin D legten es nahe, einmal 
Versuche mit IT V- Bestrahlungen zu versuchen. Es wurde zu diesem 
Zwecke das Impfmaterial im letzten Waschwasser in ein Kölbchen aus 
Quarzglas getan und in drei verschiedenen Proben 5, 10 und 15 Minuten 
lang mit einer Quarzlampe bestrahlt. In zwei weiteren Proben wurde 
wieder 5 Minuten lang mit der Quarzlampe bzw. mit dem Cadmium- 
funken bei 275 mfi. bestrahlt. Ein Einfluß war nicht zu bemerken. Nur 
in der zweiten Quarzlampenprobe trat merkwürdigerweise Sulfat- 
reduktion ein und im mikroskopischen Bilde erschien ein Teil der 
Stäbchen schwarz gefärbt (Sulfatreduktion im Bakterienkörper ?). 

Der Mais wurzelspitzen extrakt erwies sich nur zu Anfang wirksam; 
die Wirkung klang aber bald ab. Ähnlich verhielt sich der Extrakt von 
alten Cellulosezersetzerkulturen, der durch Verreiben des Bodensatzes 
einer alten Kultur mit dest. Wasser und Ultrafiltrieren erhalten wurde. 
Der sich als am wirksamsten erweisende Keimblätterextrakt wurde 
folgendermaßen hergestellt : 

Etwa 4 bis 5 g grüne Maiskeimblätter wurden in einer Reibschale zunächst 
mit 10 ccm dest. Wasser zu einem gleichmäßig dünnen Brei verrieben. Dann 
wurden 90 ccm dest. Wasser hinzugefügt und nochmals verrieben. Die Ver- 
reibung wurde 2 Stunden stehengelassen und dann zunächst die gröberen 
Bestandteile durch ein gewöhnliches Papierfilter abfiltriert. Das Filtrat wurde 
dann durch ein Membranfilter gesaugt, wobei ein hellbraunes Filtrat hindurch - 
läuft. Dieses wurde zu je 5 ccm in Beagensgläser gefüllt und mindestens sechsmal 
bei 60® C pasteurisiert. Die Zeitabstände zwischen zwei Erhitzungen betrugen 
anfangs einen, zuletzt zwei Tage. Beim Pasteurisieren wurde der braune Ton 
des Extraktes tiefer. Der so erhaltene Extrakt zeigte auch nach wochenlanger 
Aufbewahrung keinerlei Trübung oder Bakterienwachstum. Jedes Kulturgefäß 
mit 250 ccm Cellulosemineral -Nährlösung erhielt 5 ccm Extrakt zugesetzt. 
In ähnlicher Weise waren aucb die anderen oben aufgeführten Extrakte behandelt. 
worden. Nur der Erdextrakt war durch Extraktion bei höherer Temperatur 
erhalten worden^. 


1 Vgl. R, Meyer (3). 


18 * 



258 


R. Meyer: 


Die stärkere Wirkung des grünen Keimblattextraktes gegenüber 
dem Wurzelextrakt war die Veranlassung, einmal mit alkoholischem 
Keimblattextrakt Versuche zu machen. Der alkoholische Extrakt 
enthält im wesentlichen Chlorophyll. Dieser zeigte aber keinerlei Wir- 
kung; die wirksamen Bestandteile des Blätterextraktes sind also nicht 
im Chlorophyll enthalten. 

Zam Abbau der Celhilosetaser. 


Von den Produkten des Abbaues der Cellulose durch den anaeroben 
Cellulosezersetzer kennt man mit Sicherheit nur einige Endglieder. 



Was an Zwischenprodukten auf- 
tritt, darüber gehen die Mei- 
nungen noch auseinander. Man- 
che Autoren wollen Zucker 
nachgewiesen haben, entweder 
ohne weiteres oder nachdem 
durch bestimmte Zusätze zum 
Kultursubstrat der Ablauf des 
Celluloseabbaues im geeigneten 


Abb. 1. Gerichtete Anordnung der Bakterien auf 
der Oeiluiosefager. Vergr. 600mai. Aufnahme- 
daten vgi. S. 259. 


Augenblick unterbrochen wur- 
de; andere haben keine Zucker 
oder andere reduzierenden Sub- 



stanzen nach weisen können. 

Ini mikroskopischen Bild 
einer in Gärung befindlichen 
Kultur findet man die Cellu- 
losefaser dicht mit Bakterien 
bedeckt; beim flüchtigen Hin- 
sehen anscheinend in regelloser 
Anordnung. Meist handelt es 
sich dabei um noch sporenlose 
Stäbchen. Dieses Bild wird 


Abb. 2. Gerichtete Anordnung der Bakterien auf 
der (Cellulosefaser hei schräg zur Faserlängsrichtuug 
verlaufenden Mizellarsträngen. Vergr. TCOnial. 
Aufnahmedaten vgl. 8.259. 


aber dadurch hervorgerufen , 
daß bei der Präparation die 
Lagerung eines Teiles der Stäb- 
chen gestört wird ; manche lösen 


sich dabei ganz von der Faser ab. Bei vorsichtiger Präparation findet 
man jedoch zuweilen, daß sich die Stäbchen vorwiegend der „fibril- 


lären Struktur* ‘ der Faser parallel lagern i. Es ist dabei gleichgültig, 
ob die Mizellarstränge parallel (Abb. 1) oder schräg (Abb. 2) zur Längs- 


richtung der Faser verlaufen, immer ist die Richtung der Mizellar- 


^ Vgl. auch F, Baker u. R. Martin (2), ferner R, Meyer (3). 


Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 


259 


stränge maßgebend für die Lagerung der Stäbchen. In besonderen 
Fällen, z. B. bei den Hoftüpfeln der Koniferentracheiden, machen die 
Stäbchen auch den abweichenden Verlauf der Mizellarstränge in den 
Tüpfeln mit, wie das z. B. Abb. 3 andeutet. Auch an ganz dünnen 
Faserenden beobachtet man Parallellagerung der Stäbchen zu den 
Mizellarsträngen, wie aus Abb. 4 hervorgeht. 

Zu den optischen Daten der Abbildungen sei hier folgendes bemerkt: 
Zur besseren Darstellung der Verhältnisse wurde ein Teil der Aufnahmen im 
Polarisationsmikroskop^, je nach Bedarf mit Polarisationsfiltern (Bemotaren 
von C. Ztiss) oder Kalkspatnikols, unter gekreuzten Schwingungsebenen von 



.\bh. 3. Anordnung der Bakterien 
um den Hoftüpfel einer Koniferen* 
trachclde. Vergr. 500mal. 
Aufnahmedaten vgl. S. 269. 



Abb. 4. Anordnung der Bakterien an 
einem dünnen Faserende. Vergr. 500 mal. 
Aufnahmedaten vgl. S. 259. 


Analysator und Polarisator gemacht, wobei die Cellulosefaser in Diagonallage 
gebracht wurde. Sollte das Bildfeld zur gleichzeitigen Hervorhebung der Bak- 
terien etwas aufgehellt werden, so wurden die Schwingungsebenen nicht ganz 
gekreuzt. Zur weiteren Hebung des Kontrastes wurde dann zuweilen noch für 
die mit Gentianaviolett oder Fuchsin gefärbten Bakterien ein geeignetes Kom- 
plementärfilter eingeschaltet (für Gentianaviolett: 15 mm gesättigte Auramin- 
lösung; für Fuchsin : 15 mm Nilblau etwa 1 : 1000 und 15 mm gesättigte wässerige 
Auraminlösung; orthochromatische Platten). Für die Aufnahmen der Abb. 9 
wurde, um die verschiedene Dicke der Cellulosefaser an verschiedenen Stellen 
darzustellen, als Kompensator Gips Rot I eingeschaltet und die Faser in Addi- 
tionslage gebracht. In dem Beispiel erschienen die „Schuppen'' in Blau II, 
während die anderen Teile der Faser Purpur waren. Photographisch wurde der 
Kontrast hier erhöht durch Einschalten des Rotfilters RG 1 Schott d* Gen, 2 mm 
und Verwendung einer panchromatischen Platte. Für die Aufnahmen wurden 
die Zew«-Apochromate 40/0,95 und 20/0,65 in Verbindung mit Homal III benutzt. 

Man könnte nun geneigt sein, diese Art der Lagerung der Stäbchen 
durch Adhäsionskräfte zu erklären, indem man etwa annähme, daß sich 
die Stäbchen leichter in vorgebildete „Rillen“ auf der Faser hineinlegen 


^ Baker-Martin^ Baüey-Vestal und Schvhe benutzen ebenfalls polarisiertes 
Licht zur Beobachtung des Abbaues der Cellulosefaser. 


260 


R. Meyer: 


als sich quer dazu lagern.' Indessen erscheint mir diese Erklärung nicht 
ausreichend. Schon die Tatsache, daß sich nur die Cellulosezersetzer, 
nicht aber auch andere Bakterien, in dieser Weise an die Faser anlegen 
und festhaften (vgl. Wasch verfahren), deutet darauf hin, daß hier eine 
„Zweckhandlung“ vorliegen muß. Das Bakterium sucht gewissermaßen 
einen möglichst großen Teil seiner Oberfläche mit den die Faser auf- 
bauenden Elementen in geeigneten Kontakt zu bringen. Warum dies 
geschieht, versteht man vielleicht am besten, wenn man .sich den Aufbau 
der Cellulosefaser vergegenwärtigt, wie man sich ihn nach den Unter- 
suchungen von Staudinger, Frey-Wissling ii. a. vorzustellen hat: 

Mehrere 100 bis 1000 (nach Seifritz'^ sogar 100000) Grundmoleküle der 
Glucose bilden in //-glucosidischer Bindung ein Fadenmolekül der Cellulose, 
welches somit eine Länge von der Größenordnung eines y erreicht, also mit den 
Dimensionen eines Bakteriums vergleichbar wird. Diese Fadenmoleküle ordnen 
sich in kleinsten Bäumen zu Kettengittern, was auch durch das Röntgen- 
diagramm ‘ bestätigt wird. Die native Cellulosefaser besteht nun jedoch nicht 
aus einem lückenlosen und ungestörten System solcher geordneter Bereiche 
(Mizelle)®, sondern sie weist eine Lockerstruktur auf, d. h. diese Kettengitter 
werden solcherart miteinander verflochten, daß mehr oder weniger große Hohl- 
räume zwischen ihnen verbleiben^. Dieser Aufbau ergibt sich aus dem xx)lari- 
sationsoptischen Verhalten der Faser (Stäbchendoppelbrechung). Diese Hohl- 
räume, die inkrustierte Substanzen (Lignin, Mineralbestandteile) enthalten 
können, bilden mit dem Cellulosegerüst ein System gegenseitiger Durchdringung, 
was man durch Herauslösen der Inkrusten (Celluloseskelet) oder der Cellulose 
(Ligninskelet) zeigen kann*. Die Hohlräume bilden ein submikroskopisches 
und mikroskopisches Kapillarsystem, in welchem die extrafaszikuläre Saft- 
leitung stattfindet, wie Strugger durch fluoreszenzmikroskopische Unter- 
suchungen nachweisen konnte. 

Man kann nun annehnien, daß das Cellulosebakterium bestrebt ist, 
sich der Längsrichtung der Fadenmoleküle anzulegen — beide sind ja 
bezüglich der Längsausdehnung von der gleichen Größenordnung. 
Das Bakterium wird dadurch in die I^ge versetzt, das Cellulosemolekül 
durch enzymatische Einwirkung an bestimmten (zunächst wenigen) 
Stellen zu sprengen. Geschieht dies an mehreren (quer-) benachbarten 
Stellen, so kann man sich vorstellen, daß an dieser Stelle zugleich mit 
dem chemischen Eingriff wiegen der Lockerstruktur der Faser der Ver- 
band noch weiter gelockert und schließlich auch ihr mechanischer 
Zusammenhalt gelöst wird Noch verständlicher wmrde dieser Vorgang, 

^ Vgl. auch K, H. Meyer u. A, J, A. van der Wyk, — * Frey-Wisaling (2). 

— * Wobei die Hauptvaienzketten mehrere Mizelle durchlaufen können. — 
* Von Ituska elektrbnenoptisch nachgewieeen. — * Frey-Wissling (l), Bailey. 

— ® Vgl. hierzu auch Baker u. Martin, Ein Verschwinden der Doppelbrechung 
der Faser, wie sie diese Autoren beschreiben, konnte vom Verfasser allerdings 
nicht beobachtet werden; soweit überhaupt noch feststellbar, zeigten auch die 
kleinsten Trümmer Doppelbrechung. Vielleicht ist der Unterschied darauf 
zurückzuführen, daß Baker u. Martin nicht mit Reinkulturen arbeiteten (Bak- 
terien pseudomorph ose ? Vgl. 8. 263). 



Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 


261 


wenn man annimmt, daß das Bakterium sich diesen Aufbau der Cellulose- 
faser derart zunutze machen kann, daß es kurze Plasmaausläufer etwa 
in die Hohlräume der Faser hineinversenkt; zugleich würde dies auch 
das feste Anhaften des Bakteriums an der Faser erklären, worauf ja 
das Kh(mvinesc\ve Wasch verfahren beruht. Mit der Zeit müßte so der 




Abb. 5. Trümmer mittlerer 
Größe einer CelluloHcfaaer. 

Vergr. 500 mal. 
Aufnahmedaten vgl, S. 250. 



Abb. 6. Kleine Trümmer einer Cellulosefaser. 
Vergr. SOOmal. Aufnahmedateu vgl. S. 259. 


ganze Verband der Faser in mehr oder weniger große Stücke auseinander- 
brechen, und zwar wegen der Ix)ckerstruktur der Faser und der Faden- 
form der Cellulosemoleküle unter einem relativ kleinen chemischen Auf- 



Abb. 7. Scheinbare Sternbildiing 
von Cellulosezcrsetzeru an sehr 
kleinen Trümmern einer Celiii- 
iosefaser. Vergr. 500mal. 
Aufnahmedaten vgl. 8. 259. 



Abb. 8. Zackige Ausbrechung und 
rhombische Korrosionsflguren eines 
Trünunerstückes einer Cellulo8t*fas«*r. 
Vergr. 750mal. 
Aufnahmedaten vgl. S. 259. 


wand. Nun findet man in der Tat' in älteren Kulturen des Cellulose- 
zersetzers eine Unmengq solcher Fasertrümmer der verschiedensten 
Größe, teils freischwebend in der Kulturflüssigkeit, teils noch mit Faser- 
resten zusammenhängend i. Die Abb. 5 und 6 zeigen solche Fasertrümmer. 
Sind sehr kleine Fasertrümmer noch mit Bakterien behaftet, so erhält 


^ Vgl. auch Hooper. 





262 


R. Meyer: 


man oft den Eindruck, als seien die Bakterien verzweigt [vgl. 
R, Meyer (\), Abb. 9] oder neigten sie zur „Sternbildung“ (Abb. 7). 
Eigentümlich ist für diese Trümmer oft die zackige Ausbrechung an den 
Enden oder das Auftreten von Korrosionsfiguren in der Faser als 
charakteristische, oft rhombisch geformte Lücken, wobei die größere 
Diagonale des Rhombus in die Längsrichtung der Faser fällt (Abb. 8) ; 


in anderen Fällen sitzen solche 



Abb. 9. Khonibigchu ,,Schupp<*ii“ auf einer 
(-elluloftefasrr. 

Vortn*. 75()inal. Aufnabinedaten vgl. S. 259. 


Rhomben als erhabene ,, Schuppen“ 
oder Leisten auf den Faserresten 
(Abb. 9). Diese Art der Korrosions- 
figuren steht ganz im Einklang mit 
der Auffassung von Frey-Wiasling 
gemäß einer Verzahnung der Ketten- 
gitter in der Längsrichtung der 
Faserl. Die Größe der spitzen 
Winkel dieser Zacken, Lücken oder 
Schuppen schwankt etwas; am 
häufigsten liegen die Werte aber 
zwischen 30 und 50 ^ 2 , 

Diese Beobachtungen zeigen, 
daß bei der Cellulosegärung kein 
eigentliches Ektoenzym wirksam 
sein kann, denn Korrosionsfiguren 




entstehen — örtlich begrenzt — 
nur an solchen Stellen der Faser, 
die auch von Bakterien besetzt 
sind (Abb. 10). Wäre ein Ekto- 
enzym wirksam, so müßte der 
Zerfall der Fasern in der ganzen 
Kultur ziemlich gleichmäßig er- 
folgen, und man müßte auch an 
den unbesetzten Stellen der Faser 
Korrosionsfiguren finden. Wei- 
ter spricht dafür auch die Lang- 


Abb. 10. Mit Bakterien boar-tet« Loch In einer samkeit des Vorganges. Von 
Celluloaefauer. Vergr. 500 mal. Aufnahmedateii diesen KoiTOSionSStellen her 


VRl. d. 259. 


schreitet — unter gleichzeitiger 


Vermehrung der Bakterien — der Abbau der Cellulosefaser fort, so 


daß bald nur noch ein lockeres Gerüst (Abb. 11) oder bei Schrauben- 


^ Ähnliche Korrosionsfiguren und Trümmer konnte Verfasser auch bei 
der aeroben Cellulosezersetzung nach weisen (nicht veröffentlicht). — * Bailey 
u. Veetal fanden Winkel zur Achse der Fibrillen von 20 bis 25®. Da vom Ver- 
fasser die doppelten Winkel gemessen wurden, kann man die Übereinstimmung 
als leidlich bezeichnen. 


Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 


263 


textur einige ,, Rippen“ (Abb. 12) stehenbleiben. In den Endstadien 
findet man zuweilen nur noch an den Rändern der Faser einige 
Trümmer, während die übrigen Teile der Faser (bei sorgfältiger 
Präparation) als Bakterienpseudornorphose erscheinen (Abb. 13). 



Abb. 11. L(K*korc8 (»erüfit <*iiier (’elluIosffaHPr. Ver^r. 750 mal. Aufiiahniedaten vgl. S. 259*. 



Abb. 12. ('briuu< l)li« riiicr (Vlluloscfasor mit Schrauln'iitextur. Vergr. lOOinal. 

Xiifimbmodaton vgl. S. 2.59. 



Abb. l;J. Hakt«M it'lipsruliomorpboHr riiirr (’i*)luli)«vfaavr mit Trümm«‘rHtüc*kon am liaiiile. 

Vcrsr. 400 mal. AiifiiulmaMlatt'ii vgl. S. 2.50, 

In manchen Fällen verläuft der Abbau etwas andeis, was sich schon durch 
d€wi makroskopische Bild zu erkennen gibt. In der Regel pflegt sich ja zu Beginn 
der Gärung der ganze Cellulosestreifen oder doch wenigstens ein mehrere Milli* 
meter großer Bezirk gelb zu färben, oder, bei farblosen Vergärern, welk zu 




264 


R. Meyer : 


werden. Seltener kommt es vor, daß man auf den Cellulosestreifen nur steck- 
nadelkopfgroße Löcher findet, wie dies Abb. 14 zeigt. Bei stärkerer Vergrößerung 
kann man nun feststellen, daß in diese Löcher zugespitzte Cellulosefasern hinein- 
ragen (Abb. 15). Die Fasern werden in diesem Falle also nicht von der Seite, 
sondern von einem Ende her angegriffen. Warum in einigen Fällen das eine, in 
anderen das andere, und zwar auch innerhalb der Überimpfungsreihe ein und 
derselben Kultur, eintritt, konnte nicht ermittelt werden. Es wäre denkbar, 

daß dies mit der Beweglichkeit der Jugend - 
formen zusammenhängt, indem diese bei den 
Löcherkulturen aus irgendeinem Grunde ge- 
hemmt ist, und ein Wachstum nur da erfolgt, 
wo beim Impfen eine Spore zu liegen kam. Mit 
zunehmendem Alter der Kultur pflegt sich an 
diese Art des Celluloseangriffs schließlich der 
allgemeine Zerfall der Cellulose wie bei den 
anderen Kulturen anzuschließen. 

Gegen Ende der Cellulosegärung findet 
man in der Kultur fast nur noch Faser- 
trümmer neben Bakteriendetritus und 
Sporen. Aber man kann im Bodensatz 
selbst ein Jahr alter Kulturen immer noch 
vereinzelte intakte Cellulosefasern nach- 
weisen, auch dann, wenn der Abbau an- 
fangs sehr intensiv war. Eine vorherige 
Verquellung der Cellulosefaser, wie sie von 
Werner angegeben wird, konnte niemals beobachtet werden, weder 
in der jungen noch in der fortgeschrittenen Kultur. 




Abb. 14. Filtrlerpapierstroifen, die 
ln einzelnen Löchern angefO’lffen 
werden. Natürliche Gröüe. 


Abb. 15. Zugespitzte Cellulosefasern in einem Loch eines Cellulosestreifens. Vergr. 180 mal. 
» Aufnahmedaten vgl. 8. 269. 


Das mikroskopische Bild gibt uns also schon einigen Aufschluß 
darüber, wie man sich den Beginn des Abbaues der Cellulosefaser 
vorzustellen hat. Es entsteht nun die Frage, welches das weitere 
Schicksal der Cellulosetrümmer in der Kultur ist. Daß die — auch 



Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 26^ 

mechanische — Zerteilung der Trümmer bis weit ins submikroskopische 
Gebiet hineinreicht, darüber kann kein Zweifel bestehen ; denn auch die 
kleinsten Trümmer hängen oft noch fest mit den Bakterien zusammen. 
Nun liegt die Annahme nahe, daß die Aufspaltung der Cellulose durch 
Hydrolyse über die niederen Polymerisationsgrade schließlich zur 
Cellobiose und Glucose führt, die dann durch Gärung zu den als End- 
produkten auftretenden organischen Säuren imd den weiteren noch 
beobachteten Stoffwechselprodukten führt. 

Bezüglich der Zwischenprodukte sind wir aber — wie bereits er- 
wähnt — noch völlig im unklaren. Manche Autoren, z. B. Pring8heim{\), 
V. Meyer, Tetrault, Imhtuecki (3), (5) u. a. wollen Zwischenprodukte 
wie Cellobiose und Glucose oder Zucker unbestimmter Art nachgewiesen 
haben. Von anderen Autoren wird jedoch das Auftreten solcher 
Zwischenprodukte bestritten ^ Verfasser konnte Fehlingsc\ie Lösung 
reduzierende Substanzen in der Kultur nicht nach weisen. Wenn solche 
auf treten, müssen sie jedenfalls schnell weiterverarbeitet werden. Ob 
Kohlenhydrate als Zwischenprodukte überhaupt zu erwarten sind, 
hängt wohl in erster Linie davon aU, ob die chemischen Eingriffe des 
Bakteriums vorwiegend hydrolytischer oder oxydativer Natur sind. 
Verfasser möchte vorläufig zu der Ansicht neigen, daß — wenigstens 
zu Anfang — die oxydativen Eingriffe überwiegen und möchte als 
wichtigstes Argument dafür den Verbrauch von Sauerstoff vor Beginn 
der sichtbaren Gärung anführen 2. Man muß demnach damit rechnen, 
daß bereits die größeren Bruchstücke des Cellulosemoleküls sauerstoff- 
reicher sein können als das Celluloseniolekül selbst ^ und daß weiterhin 
z. B. Cellobiose und Glucose nicht unbedingt als Zwischenprodukte 
aufzutreten brauchen. 

Von den Stoffwechselprodukten treten mengenmäßig die organi- 
schen Säuren in den Vordergrund, und zw^ar in erster Linie Essigsäure, 
in w^eit geringerer Menge Buttersäure. Ameisensäure und Propionsäure 
konnte Verfasser im Gegensatz zu den Ergebnissen einiger anderer 
Autoren 4 in den Kulturen der neu isolierten Stämme nicht nach weisen. 

1 Rotmistrov (2) u. (3); Verfasser konnte auf der filtrierten restlichen Nähr- 
lösung keine Hefen zum Anwachsen bringen. — * Es besteht auch noch, die 
Möglichkeit, daß dieser Sauerstoff oder ein Teil desselben durch das Impf- 
material zur Atmung verbraucht wird; hierfür würde die Tatsache sprechen, 
daß der Sauerstoff verbraucht ist, bevor eine sichtbare Veränderung der 
Cellulose eintritt. Andererseits beobachtet man jedoch in cellulosefreier Mineral- 
lösung eine merkliche Verzögerung im Sauerstoffverbrauch [E. Meyer (3)], 
so daß eine Entscheidung auf Grund der vorliegenden Versuchsergebnisse noch 
nicht möglich ist. — * Vielleicht würde eine Prüfung nach der Methode von 
MiiUer hier eine Entscheidung zulassen. Methoden zur Bestimmung des Redox- 
potentials in Kulturen anaerober Cellulosezersetzer gibt Bojarakaja an. — 
* Vgl. Imaenecki, B, Meyer^ V, Meyer, Botmiatrov u. a. V, Meyer fand Butter- 
säure nur bei Anwesenheit von B. coli. 



266 


R. Me5rer : 


Tabelle 1. 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

Kultur 

Wachstums- 

zett 

Verbr. 

Cellulose 




B:Ci 


Tage 

g 


g 



P 14 * 

166 

4,26 

2,01 

0,03 

1.6 

0,46 

P 16 

66 

1,70 

0,68 

0,12 

14,9 

0,40 

P 17 

60 

1,04 

0,40 

0,11 

21,5 

0,39 

P 17 

27 

— 

0,31 

0,02 

6,3 

— 

P 18 

91 

0,96 

0,63 

0,03 

6,2 

0.66 

P 188 

91 

1,78 

0,68 

0,02 

4,0 

0,33 

P 19 

67 

1,30 

0,57 

0,02 

3,1 

0,41 

P 19 ® 

67 

1,71 

0,48 

0,02 

3,6 

0,28 

P 20 

32 

0,80 

0,29 

0,01 

4,0 

0,36 

P 20 * 

144 

1,60 

0,60 

0,01 

2,4 

0,40 

P 20 * 

144 

1,26 

0,36 

0,01 

3,0 

0,29 

P 20 

144 

1,25 

0,61 

0,02 

2,9 

0,49 

P 20 

144 

1.14 

0,41 

0,01 

2,2 

0,36 

P 20 

41 

1,36 

0,66 

0,02 

3,9 

0,41 

P 21 

143 

1,64 

0,57 

0,01 

2,1 

0,36 

P 21 

20 

0,06 

0,06 

0,01 

13,4 

( 0 , 94 ) » 

P 21 

74 

— 

0,46 

0,01 

2,4 

P 22 

70 


0,66 

0,02 

3,5 

" 

P 22 

60 

1,08 

0,46 

0,01 

2,8 

! 0,42 

P 22 * 

00 

1,46 

0,63 

0,02 

2,9 

0,37 

P 23 

115 

1,64 

0,79 

0,03 

3.4 

0,48 

P 23 * 

66 

1,74 

0,48 

0,02 

4,6 

0,28 

P 25 

72 

1.48 

0.60 

0,01 

2,9 

0,34 

P 26 ö 

72 

0,97 

0,32 

0,01 

2,4 

0,33 

P 26 

63 

1,42 

0,60 

0,02 

3,9 

0,42 

P 268 

63 

0,98 

0,64 

0,02 

2,9 

0,56 

P 268 

63 

1,09 

— 

— 

— 

— 

P 26 

23 

0,75 

0,13 

0,01 

5,0 

0,19 

P 29 

197 

1,62 

0,20 

0,01 

6,2 

0,12 

P 29 

197 

1,30 

0,60 

0,03 

6,1 

1 0,46 

P 298 

197 

1,20 

0,64 

0,04 

7,1 

0,46 

P 29 

197 

1,41 

0,62 

0,03 

4,6 

0,44 

P 29 8 

197 

1,45 

0,61 

0,06 

7,4 

0,42 

C 6 

465 

1,69 

0,31 

0,07 

18,9 

0,18 

C 7 

482 

1,81 

i 0,76 

0,05 

6,2 

0,42 

C 8 

380 

1,80 

0,66 

0,04 

6,3 

0,37 

C 10 

80 

0,42 

1 0,18 

0,07 

3,6 

0,43 


* Verhältnis von Essigsäure zu verbrauchter Cellulose. Die Werte der Spalten (1 und 7 wurden 
aus den dreisteUigen Zahlen des Vcrsuchsprotokolls errechnet; für die Tabelle wurden diese Zahlen 
auf zwei Di'Zitnalen abgerundet. — • Material von drei Gärgefäßen zusainniengetan. Die Ziffer 
liinter der Bezeichnung des Stammes gibt die Stelle ln der Folge der Weiterimpfungen an. — • Diese 
Kulturen erhielten im Gegensatz zu den gleichsUdligen einen Zusatz von Maiskeimblattextrakt; 
die späteren erhielten diesen regelmäßig. — * Diese Kulturen erhielten anstatt Filtrierpapierstreifeii 
gereinigte Cellulose. Diese war folgendermaßen hergestellt: 150 g reinstes Kohmaterial für Filtrier- 
papier, welches von der Firma Schleicher <fc Schäll, Dfiren, freundlichst zur Verfügung gestellt war, 
wurden in 4Liter5%ige Natronlauge eingetragen und häufig umgerührt. Nach drei Tagen mit 
Leitungswasser gründlich ausgewaschen und in Salzsäure <400 ccm konz. Salzsäure auf 4 Liter 
Wasser) (vgl. Farr-Kekenon u. Bonner) eingetragen. Nach zwei weiteren Tagen in fließendem 
Leitungswasser 3 Stunden lang ausgewaschen und auf der Nutsche mit destllliert-em Wasser nach- 
gewaschen. Dann Im Bnitraum einen Tag bei 30* C vor- und im Trockenschrank bei 105* C bis zur 
Gewiclitskonstanz nachgetrocknet. Dann mit Alkohol, mit Äther und wieder mit Alkohol ge- 
waschen. Schließlich wurde wieder auf der Nutsche mit destilliertem Wasser gewaschen, eine Woche 
lang in destilliertem Wasser stehengelassen, nochmals abgenutscht, im Trockenschrank bei 80 bis 
90* C vor- und bei 110* C bis zur Gewichtskonstanz nachgetrocknet. Da die gereinigte Cellulose 
günstiger wirkte, wurde diese für die späteren Weiterimpfungen ln der Kegel verwendet. — • Diese 
Gärgefäße waren bis zum Hals mit Nährlösung angefüllt, so daß den Kulturen nur wenig Sauer- 
stoff zur Verfügung stand. — • Dieser Wert wurde bei der Berechnung der Mittelwerte nicht be- 
rücksichtigt, da die Bestimmung der geringen Menge flüchtiger Säuren zu unsicher erschien. 










Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 


267 


Tabelle I zeigt die in verschiedenen Kulturen dieser Stämme beob- 
achteten Mengen Essigsäure und Buttersäure neben der verbrauchten 
Cellulose und dem Alter der einzelnen Kulturen. Die flüchtigen Säuren 
wurden durch Wasserdampf destillation aus dem Eindanipfrückstand 
der restlichen Nährlösungen gewonnen und dann getrennt i. 

Im einzelnen streuen die Werte der Tabelle T ziemlich stark, ins- 
besondere der Prozentgehalt der flüchtigen Säuren an Buttersäure. 
Dieser beträgt beim Stamme P im Mittel aus sämtlichen Beob- 
achtungen 5,0; das Ausmaß der Streuung (mittlere Abweichung des 
Mittelwertes 0,76) wird dabei in erster Linie durch einige wenige Extrem- 
werte bedingt, deren Ursache allerdings nicht ersichtlich ist. Für den 
Stamm C liegt der Buttersäuregehalt bei 8,5%: aber die Sicherheit 
dieses Wertes ist wegen der geringen Anzahl der Beobachtungen noch 
kleiner als der für Stamm P. Besser gesichert erscheint der Anteil der 
je Einheit verbrauchter Cellulose gebildeten Essigs iure; er beträgt 
im Mittel der Beobachtungen für Stamm P 0,38 ± 0,02, für Stamm C 
0,33*. Ein Gang dieser Werte mit den Kulturbedingungen, insbesondere 
dem Alter der Kultur, geht aus der Tabelle I nicht hervor. Man kann 
aber aus der Tabelle ersehen, daß Mangel an freiem Sauerstoff den 
Wert der verbrauchten Cellulose herabsetzt, ohne daß dadurch jedoch 
die Anteile der flüchtigen Säuren beeinflußt werden 2. 

Der Gasstoffwechsel des Cellulosezersetzers wurde bereits früher 
untersucht. Obwohl gegenüber den diesbezüglichen Versuchen des 
Verfassers keine Überraschungen zu erwarten waren, da für diese 
bereits das reinste Calciumcarbonat verwendet worden war, wurden 
dennoch für den Stamm P bei den Kulturen P 20 und P 29 zwei Gasstoff- 
wechselversuche mit je vier Parallelen a bis d durchgeführt, die aber 
die früheren Beobachtungen — wenigstens qualitativ - nur bestätigen. 
Die Ergebnisse zeigt Tabelle II. 

Zu der Menge des aufgefangenen Kohlendioxyds kommt noch diejenige 
hinzu, die in der restlichen Nährlösung in den Kulturgefäßen als Gas oder als 
Calcium bicarbonat enthalten ist. Diese konnte für die Parallelen der Kultur P 20 
durch Auffangen in Barytlauge bestimmt werden zu; 

a) 49,9 ccm; b) 47,5 ccm; c) 27,0 ccm und d) 43,3 ccm. 

Die geringe Menge in der Parallelen c ist wohl auf die absolut geringe Menge des 
in diesem Kulturgefäß gebildeten Kohlendioxyds zurückzuführen (vgl. Tabelle II) 
die zur Sättigung der Lösung nicht ausreichte. 


^ O, Klein, Handbuch der Pflanzenanalyse, Band II. Wien 1932. - 
* Rotmistrov (2) fand 25 bis "50% Essigsäure und 6 bis 25% Buttersäure 
unter den flüchtigen Säuren, 30 bis 60% Gesamtsäure in bezug auf die ver- 
brauchte Cellulose. Tschdtzowa findet das Verhältnis Essigsäure zu Butter- 
säure wie 1:1, bei stärkerer Luftzuführung jedoch 3,5 ; 1 bis 4,7 ; 1. Snieszko (2) 
findet etwa 50% Essigsäure der verbrauchten Cellulose. Khouvine fand 
1,012 g verbrauchte Cellulose 0,275 g Essigsäure und 0,033 g Buttersäure. 



268 R. Meyer: 


Tabelle 11. 


Kulturen P 20 a bis d 

Kulturen F 

20 a bis d 


Wachstums- 

zelt 

Tage 

CO 2 * 

ccm 

ccm 

02* 

ccm 

Wachstums- 

zeit 

Tage 

CO,* 

ccm 

H,* 

ccm 

0,* 

ccm 

40 

24,2 

0,7 

0,7 

32 

24,4 

0,0 

2,0 

144 

58,3 

2,2 

0,9 

66 

63,3 

1,1 

2,0 

144** 

71,4 

3.4 

1,2 

197 

99,6 

6,8 

2,9 

64 

18,5 

0.0 

0,1 

113 

46,0 

0,6 

0,9 

144 

28,2 

0,0 

0,2 

197 

64,6 

1,8 

6,4(?) 

144** 

43,6 

0,0 

0,4 





144 

11,8 

0,2 

0,4 

37 

27,9 

0,6 

0,2 

144** 

20,6 

1,1 

0,6 

197 

69,6 

3,7 

0,6 





197** 

80,3 

8,7 

1,8 *♦* 

64 

20,6 

0,0 

0.2 

66 

40,1 

2,8 

0.0 

144 

33.9 

1,2 

0,4 

197 

64,0 

5,7 

0,1 

144** 

48,8 

1,4 

0,4 






• BezoKen auf 0* 0 und 760 mni Hr. — •* Diese Angaben beziehen sich auf das über der Nähr- 
flOssigkeit verbliebene Gas, welches durch abgekochtes destilliertes Wasser verdrängt und gesondert 
aufgefangen wurde. Zur Technik vgl. R. Meyer (3). — ••• Während der Analyse Luft hiuzugetreten. 


Die gefundene Kohlendioxydmenge muß zum größten Teile oder 
ganz durch die organischen Säuren aus dem zur Neutralisation zu- 
gesetzten Calciumcarbonat freigemacht worden sein. Denn wenn man 
— ganz summarisch — - annimmt, daß die beobachtete Essigsäuremenge 
durch Oxydation aus der Cellulose entstünde, so würden sich für die 
Kulturen P 20 und P 29 im Mittel der Beobachtungswerte folgende 
Verhältnisse ergeben: 

Tabelle III. 



P 20 

P 29 

l^obacbtftte T^futigHÄiirftTnengp 

0,60 g 

1,29 „ 

0,63 „ 

88 ccm 

0,69 g 

1,34 „ 
0,64 „ 

116 ccm* 

VprbrAiicbt« Cpüulose, beobaphtet 

Verbrauchte Celluloae, berechnet 

Beobachtete Kohlendioxydmenge 

Berechnete Kohlendioxydmenge 

166 

198 

davon unmittelbar aus Cellulose 

74 

88 

davon mittelbar aus Calciumcarbonat . 

Verbrauchte Sauerstoff menge 

Verbrauchte Sauerstoffmenge, berechnet . 

92 

etwa 10 „ 

74 

110 

etwa 10 „ 

88 


* Für F 29 wurde zu dem Wert aus Tabelle 11 noch ein Wert von 41 ccm, dem Mittel aus der 
für die Kulturen P 20 erhaltenen Werte des in der restlichen Nährlösung enthaltenen Kohlen- 
dioxyds, hinzngefügt. Das konnte ohne allzu großen Fehler geschehen, weil Größe der Kulturgefäße, 
Zusammensetzung und Menge der Nährlösung und die Temperatur ti beiden Fällen die gleichen 
waren. 

Tatsächlich verläuft der Vorgang natürlich nicht so, und die 
Tabelle 111 zeigt, daß die von der beobachteten Essigsäuremenge aus 
dem zugesetzten Calciumcarbonat freigemachte Kohlendioxydmenge 
in beiden Fällen schon allein genügt, um die beobachtete Menge Kohlen- 















Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 269 

dioxyd zu erklären. Die Zahlen lassen also die Vermutung zu, daß 
beim Abbau aus der Cellulose unmittelbar kein Kohlendioxyd frei- 
gemacht wird. In der Tabelle III ist noch die Menge Sauerstoff an- 
gegeben, die erforderlich wäre, um die Cellulose gemäß der oben ge- 
machten Annahme in Essigsäure überzuführen, wobei ^J^deder die beob- 
achtete Essigsäuremenge zugrunde gelegt wurde (die geringe Menge 
Buttersäure wurde außer acht gelassen). Da diese Sauerstoff menge 
nun nicht restlos aus der über der Nährlösung in den Kulturgefäßen 
belassenen Luft stammen kann — diese betrug in der Regel etwa 50 ccm, 
enthielt also etwa 10 ccm Sauerstoff — , so muß das Sauerstoffdefizit 
anderweitig gedeckt sein, und zwar aus der Cellulose bzw'. dem Wasser. 
In der Tat ist auch die beobachtete Menge verbrauchter Cellulose weit 
größer als sie sich auf Grund der obigen Annahme aus der beobachteten 
Menge Essigsäure ergeben würde'. Wir müssen dann aber als End- 
produkte noch weitere Sauerstoff ärmere Stoffe erwarten. Nun war von 
verschiedenen Autoren, auch vom Verfasser, Äthylalkohol unter den 
Endprodukten nachgewiesen 2 , und d§; andere sauerstoffarme End- 
produkte in größerer Menge nicht gefunden wurden, kommt er allein 
in Frage. I.»eider konnte der Äthylalkohol in den obigen Versuchen nur 
qualitativ nachgewiesen werden, da die restliche Kulturflüssigkeit 
für andere Untersuchungen verwendet werden sollte, so daß eine Bilanz 
einstweilen noch nicht aufgestellt werden kann. 

Unklar ist noch die Rolle, die der in manchen Kulturen beobachtete 
Wasserstoff spielt. Mengenmäßig fällt er für die Stoffwechselbilanz 
kaum ins Gewicht. Auch ist nicht ersichtlich, durch welche Neben- 
umstände sein Erscheinen bedingt wird. Nur soviel geht aus den Ver- 
suchen hervor, daß er erst gegen Mitte bis Ende der Gärung festgestellt 
werden kann. Einstweilen erscheint noch die Annahme am meisten 
plausibel, daß es unter den Cellulosevergärern Formen gibt, die Wasser- 
stoff erzeugen, und andere, denen diese Fähigkeit abgeht, und daß je 
nach Zufall jene mehr oder weniger in den Vordergrund treten. 

Neben diesen Stoffwechselendprodukten, die für die Stoffwechsel- 
bilanz mehr oder weniger ins Gewicht fallen, findet man noch andere 
Stoffe, die zwar für die Stoffwechselbilanz mengenmäßig ziemlich 
bedeutungslos sind, die aber in mancher Hinsicht gerade der Cellulose- 
zersetzung dimch Bttcilltts ceUulosae-dissolvens eigentümlich sind. Diese 
sollen im folgenden noch charakterisiert werden. 

^ Ein geringer Teil der Cellulose ist für den Baustoffwechsel verbraucht. 
— * Imaenecki (5); Hotmistrov (2) fand 2 bis 23% (!) der verbrauchten Cellu- 
lose; Rotmistrov u. Sherbakova; Rotmistrov u. Scharojko fanden 7 bis 10% der 
vergorenen Cellulose, Snieszko{l) fand 0,25%, Khouvine (l) fand 0,082 g 
Äthylalkohol auf 1,012 g verbrauchter Cellulose. Bei Rotmikrov u. Sckarojko 
ist die Alkoholausbeute vom ^ der Nährlösung abhängig. 



270 


R. Meyer; 


Der gelbe Farbstotf. 

Von den beiden untersuchten Stämmen war der Stamm P zur 
Farbstoffbildung befähigt. Wie bereits früher vom Verfasser mit- 
geteilt [Ä. Meyer (1)], ändert sich der Sättigungsgrad der Farbe mit 
der Anzahl der fortlaufenden Überimpfungen. Meistens hat man zu 
Begifin, wenn die Kulturen noch weniger rein sind, kaum Farbstoff- 
bildung. Diese setzt im Laufe der Weiterimpfungen mit zunehmender 
Reinheit der Kultur ein und erreicht dann ein Maximum. Mit dem 
Abklingen der Farbstoffbildung in den späten Weiterimpfungen pflegt 
dann auch die Gärkraft des Erregers zu erlöschen. In der Überimpfungs- 
reihe des Stammes P kommt dies nicht so klar zum Ausdruck, weil 
mit den frühen Überimpfungen dieses Stammes andere Versuche 
verbunden waren und die Zusammensetzung der Nährlösung mehrfach 
geändert worden war. Jedoch scheint mit der 26. bis 27. Überimpfung 
der höchste Sättigungsgrad erreicht worden zu sein, wie folgende 
Übersicht andeutet: 

Tabelle IV. 


Farbcharakter* 

Kultur 

Farbcharakter 

Kultur 

3 pa 

P 26 

2 ga 

P 23, P 26 

3 pc 

P 27 

2 gc 

P 26, P 29 

2 nc 

P 29 

2 ea 

P 21, P 29 

2 ia 

P 27 

1 ca 

P 26, P 29 

2 ic 

P 27 




• W.Oitwaid^ Die kleine Farbmeßtafel. Zu beziehen von der ,,Phywc“ Göttingeu. 


Natürlich ändert sich der Farbcharakter auch mit dem Alter der 
einzelnen Abimpfung; der höchste Sättigungsgrad wird meist kurz vor 
oder zu Beginn der Gasbildung erreicht. Später wird er dann meist 
wieder etwas unreiner (größerer Graugehalt) ; aber auch in ausgegorenen 
Kulturen ist der Bodensatz immer noch deutlich gefärbt. Ob der Farb- 
stoff für die Gärung, etwa als Sauerstoffüberträger, irgendeine Rolle 
spielt, läßt sich nicht sagen. Einerseits scheint zu seiner Bildung Sauer- 
stoff — wenigstens in Spuren — erforderlich zu sein ; so gelang es Ver- 
fasser z. B. nicht, größere Mengen Farbstoff zu erhalten durch Ver- 
wendung größerer Kulturgefäße weil dann der Sauerstoffzutritt ein- 
geschränkt ist. Andererseits vermögen jedoch auch Erreger ohne Farb- 
stoffbildung, wie z. B. Stamm C, die Cellulose abzübauen, wenn auch 
sehr viel langsamer. In Versuchen mit dem Stamm P, bei denen der 
Ammoniakstickstoff der Nährlösung durch Nitratstickstoff ersetzt war, 
trat die Farbstoffbildung mit erheblicher Verzögerung erst nach Beginn 
der Gärimg ein. 


^ R, Meyer (\), 



Untersuchimgen über den Abbau der Cellulose. 


271 


Der gelbe Farbstoff scheint in das kapillare Hohlraumsystem der 
Cellulosefaser eingelagert oder seine Moleküle der Faser gerichtet an- 
gelagert zu sein; denn die Gelbfärbimg ist dichroitisch, und sie erscheint 
-- wie bei der Chlorzinkjod- oder Kongorotfaser — am intensivsten, 
wenn die Schwingungsrichtung des Lichtes parallel zur Längsrichtung 
der Faser liegt. Liegt sie senkrecht dazu, dann erscheint die Faser 
vollkommen farblos. Im Fluoreszenzmikroskop erscheint die gefärbte 
Faser ziegelrot (etwa 4 pc). Es scheint sich dabei aber nicht um eine 
Eigenfluoreszenz des gelben Farbstoffs zu handeln; diese konnte z. B. 
an seinen Lösungen nicht beobachtet werden (vgl. weiter unten). Viel- 
mehr wird es so sein, daß der Farbstoff den kurzwelligen Anteil des 
bläulich weißen Fluoreszenzlichtes absorbiert, welches bei allen Fasern 
in der gärenden Kultur zu beobachten ist (vgl. weiter unten). Das 
ziegelrote Licht ist polarisiert. 

Verdünnte Salzsäure läßt den gelben Farbton der Cellulose für 
einige Sekunden in ein Fleischrot, etwa 5 pa für Cellulose aus der intensiv 
organgegelb gefärbten Kultur P 2ß; Umschlägen. Nach längerer Ein- 
wirkung verschiebt sich der Farbton nach schmutziggelb bis schmutzig- 
grün unter Zerstörung des Farbstoffs ; denn ein Zusatz von Lauge stellt 
den ursprünglichen Farbton nicht wieder her. Schwache Laugen be- 
wirken keine merkliche Veränderung des Farbtones, höchstens eine 
geringe Weißverhüllung. 

Von den gebräuchlichen organischen Lösungsmitteln löst sich der 
gelbe Farbstoff leicht in Methylalkohol und Äthylalkohol; die Löslich- 
keit im ersteren ist wohl noch etwas besser als im letzteren, weil mit 
Methylalkohol extrahierte Cellulose völlig farblos zurückbleibt, während 
sie nach der Äthylalkoholextraktion noch ein wenig gelblich bleibt. 
Ganz wenig löst sich der gelbe Farbstoff noch in n -Propylalkohol ; da- 
gegen ist er nicht mehr löslich in iso-Propylalkohol und den höheren 
aliphatischen Alkoholen, die bis zum Hexylalkohol untersucht wurden. 
Nicht löslich ist der gelbe Farbstoff ferner in Ammoniak, Petroläther, 
Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Benzol und BenzylalkohoD. Ganz 
schwach gelblichbräunlich färbt sich Aceton, ganz schwach gelblich 
40 %iges Formalin und Acetaldehyd. Bei der I.»ösung in letzterem ent- 
stand in einem Falle beim Eintrocknen auf dem Filter ein rosenroter 
Ring. In einem Falle, nämlich bei der intensiv gefärbten Kultur P 26, 
wurde beim Waschen der Cellulose mit heißem Wasser eine ganz schwache 
Gelbfärbung des letzteren beobachtet. In alten Kulturen ist auch oft 
die restliche Nährlösung gelbstichig, etwa wie Weißwein. Ob es sich 
hierbei um den gleichen gelben Farbstoff handelt, ist fraglich. 

^ Khouvine(l) fand ihn löslich in Äthylalkohol, Schwefelkohlenstoff, 
Benzol und Aceton. 

Archiv für Mikroblolop^le. Bd. 13. 29 



272 


R. Meyer : 


Der gelbe Farbstoff ist sehr lichtempfindlich; schon der gefärbte 
Filtrierpapierstreifen bleicht im zerstreuten Tageslicht nach einigen 
Tagen merklich. Sehr viel schneller bleichen jedoch die methyl- tmd 
äthylalkoholischen Lösungen; im zerstreuten Tageslicht bleichen diese 
Lösungen im Sommer in ein bis zwei Tagen vollständig. Aber auch im 
Dunkeln entfärben sich diese Lösungen allmählich; nach ein bis zwei 
Wochen ist vollständige Entfärbimg eingetreten. Auch im Licht ge- 
wachsene Kulturen erscheinen schwächer gefärbt. 

Die äthylalkoholische Lösung des gelben Farbstoffs absorbiert 
im sichtbaren Teil des Spektrums, beginnend im Blauen, vorwiegend 
im Violetten. Aber auch das langwellige Ultraviolett wird stark ab- 
sorbiert. Für einige Wellenlängen des Cadmiumfunkens konnte die 
Absorption bis zur Wellenlänge 214,5 mp beobachtet werden. Die 
alkoholische Lösung des gelben Farbstoffs zeigt keine Fluoreszenz, 
jedoch einen merklichen, wenn auch schwachen, Tyndallkegel. Eine 
Fluoreszenz konnte auch nicht beobachtet werden, wenn die alkoholische 
Lösung mit Wasser versetzt wurde. 

Beim Eindunsten der äthylalkoholischen Lösung, auch in der Kälte, 
verbleibt ein ockerfarbener Rest, der sich aber nur teilweise mit Alkohol 
wieder aufnehmen läßt; auch zeigt der wieder gelöste Anteil nicht die 
gleiche Sättigung wie die ursprüngliche Lösung. Vielleicht besteht der 
Farbstoff aus mehreren Komponenten, die gar nicht oder nur locker 
aneinandergebunden sind. Wegen der äußerst geringen verfügbaren 
Menge dieses Farbstoffs konnte eine genauere chemische Untersuchung 
noch nicht erfolgen. 

Ein fluoreszierender Stoff. 

Neben dem gelben Farbstoff, der bei Stamm P auftrat, wurde bei 
beiden Stämmen noch ein anderer, als solcher wahrscheinlich farbloser, 
Stoff gefunden, der sich durch eine schöne himmelblaue Fluoreszenz 
auszeichnet, die an die des Äskulins erinnert. Dieser Stoff ist nicht 
mit dem gelben Farbstoff identisch, da Lösungen des letzteren nicht 
fluoreszieren, und da der fluoreszierende Stoff ja auch bei dem farblosen 
Stamm G beobachtet wurde. Der fluoreszierende Stoff befindet sich 
vorwiegend in der Lösung, teilt sich jedoch auch der Cellulosefaser mit. 
Er ist kochbeständig. Weder die frische unbeimpfte Cellulose-Mineral- 
Nährlösung zeigte die Spur einer Fluoreszenz, noch trat eine solche 
nach langem Stehen in dieser Nährlösung auf, so daß der fluoreszierende 
Stoff erst bei der Zersetzung der Cellulose entsteht. Allerdings beob- 
achtet man eine bläuliche l^uoreszenz auch in Substraten mit Agar 
und Gelatine und in Nährlösungen mit organischen Substanzen (Bouillon), 
sowie in Kulturen anderer Mikroorganismen, so daß diese Fluoreszenz 
nicht streng spezifisch für die Kulturen des Cellulosezersetzers ist. 



Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 


273 


ln der unbehandelten Xiösung wird man den fluoreszierenden Stoff nicht 
immer deutlich beobcbchten können, da wegen der Schwebestoffe das Fluoreszenz - 
licht meist durch den Tyndalleffekt verhüllt wird. Bei Stamm C genügt 
jedoch Ultrafiltration durch ein Membranfilter. Bei Stamm P erhält man 
unter diesen Umständen eine grünliche Färbung, da die Lösung noch Spuren 
des gelben Farbstoffs enthält. Beim Kochen dieser Xiösung wird jedoch mit dem 
ausfallenden Eiweiß und Calciumcarbonat (aus dem in der Lösung enthaltenen 
Calciumbicarbonat stammend) der Best des gelben Farbstoffs mitgerissen, 
so daß man auch hier nach erfolgter Ultrafiltration dieselbe schöne blaue 
Fluoreszenz erhält wie bei Stamm C. Beste eines Tyndalleffektes kann man 
durch Beobachtung des Fluoreszenzlichtes durch einen Nikol unschädlich 
machen. 

Die Fluoreszenz beginnt im äußersten Violett des erregenden 
Lichtes, was nach dem blauen Ton des Fluoreszenzlichtes ja zu erwarten 
ist, und wird noch deutlich hervorgerufen im nahen Ultraviolett bis 

275 mfjL. Die stärkste Fluoreszenz ist bei etwa 360 m[x zu beobachten; 
jedoch ist anzunehmen, daß auch Licht von kürzerer Wellenlänge als 

276 mfjL noch Fluoreszenz erregt, nur wird dieses Licht — in zunehmendem 
Maße nach den kürzeren Wellenlängen zu ~ von der Nährlösung selbst, 
die noch einen Teil der Mineralbestandteile der ursprünglichen Nähr- 
lösung enthält, absorbiert. Unmittelbar an der der Lichtquelle zu- 
gewandten Wand des Beobachtungsgefäßes (Quarzküvette) konnte 
auch bei 230 mfx noch ein ganz kurzer fluoreszierender Streifen beob- 
achtet werden. 

Es wurde weiterhin versucht, den fluoreszierenden Stoff aus der 
Lösung mit Äther, Benzol, Chloroform und Tetrachlorkohlenstoff 
auszuschütteln, jedoch ohne Erfolg. Nach der Behandlung war keine 
merkliche Abnahme der Fluoreszenz zu verzeichnen, nur war meistens 
der Tyndallkegel verstärkt. 


Der Dultetotf. 

Eingangs war bereits erwähnt worden, daß als Kriterium der 
Beinheit einer Kultur des Cellulosezersetzers ihr Geruch mitverwertet 
werden kann. Früher wurde meistens angegeben, daß die Kulturen 
dieses Organismus einen unangenehmen, ekelerregenden Geruch be- 
sitzen; an diesem sind Schwefelwasserstoff und wahrscheinhch auch 
Skatol und ähnliche Stoffe beteiligt. Der Schwefelwasserstoff ist durch 
Reduktion der zugesetzten Sulfate entstanden. Die reine Kultur verhält 
sich in dieser Beziehung nun gänzlich anders. Es wurde oben bereits 
bemerkt, daß in dieser eine Reduktion der Sulfate nicht erfolgt, so daß 
dafür in den früher untersuchten Kulturen Begleitorganismen verant- 
wortlich gemacht werden müssen, die aller Wahrscheinlichkeit aus der 
zugesetzten Kreide stammten imd sich über die unzureichenden Sterili- 
sationsmaßnahmen hinweg am Leben zu erhalten vermochten, ln den 

reinen Kulturen wird Schwefelwasserstoff also nicht gebildet, was 

£ 

19 * 



274 


R. Meyer : 


schon äußerlich daran zu erkennen ist, daß aus dem zugesetzten Perro- 
sulfat kein Schwefeleisen ausgefällt wird und eine Verfärbung der 
Kultur nicht eintritt. 

Die reine Kultur des anaeroben Cellulosezersetzers hat nun keines- 
wegs einen unangenehmen, sondern vielmehr einen aromatischen 
Geruch, der als durchaus angenehm zu bezeichnen ist. Obwohl es 
schwierig ist, die Geruchsqualität einigermaßen scharf festzulegen, 
möchte der Verfasser annehmen, daß der Geruch der Kultur etwa die 
Mitte hält zwischen dem von Weißwein und Ananas. Am Zustande- 
kommen dieses Geruches ist sicher die geringe Menge Äthylalkohol, 
die bei der Cellulosezersetzting entsteht, ebenso vielleicht einige (höch- 
stens in Spuren vorhandene) Ester, die aber nicht isoliert wurden, mit- 
beteiligt. Das eigentliche Prinzip ist aber ein in der Kulturflüssigkeit 
vorhandener besonderer Körper, der leicht nachgewiesen werden kann. 
Dieser läßt sich nämlich aus der Lösung mit Äther ausschütteln. Man 
erhält dann nach Eindunsten des Äthers (in der Kälte) einen dunkel- 
braunen Stoff mit ganz intensivem Geruch. Verfasser möchte diesen 
mit dem der Hyazinthe oder vielleicht noch besser mit dem der Blüte 
von Robinia pseudacacia vergleichen. 

Dieser Duftstoff ist recht flüchtig; an der Luft geht der Geruch 
nach ein bis zwei Tagen verloren ; es hinterbleibt aber noch ein geruch- 
loser Rückstand. Daß es sich bei dem mit Äther ausgeschüttelten Stoff 
um wenigstens zwei Komponenten handelt, zeigt auch das mikroskopische 
Bild; man findet neben anisotrop kristallinen auch wachsartige Anteile, 
die in Äthylalkohol löslich sind. Wegen der sehr geringen zur Verfügung 
stehenden Mengen war durch Geruchsprobe nicht zu entscheiden, ob 
der kristalline oder der wachsartige Anteil der eigentliche Duftträger 
ist. Der Duftstoff geht auch mit Wasserdanapf über. 

Die aus den Kulturen der Stämme P und C gewonnenen Duftstoffe 
sind einander hinsichtlich der Geruchsqualitäten so ähnlich, daß sie als 
identisch bezeichnet werden müssen; vielleicht ist der Duftstoff des 
Stammes P etwas süßlicher als der des Stammes C. Auch in solchen 
Kulturen, die anstatt Ammonsulfat als Stickstoff quelle Asparagin, 
Kalium- oder Natriumnitrat erhalten hatten, war der gleiche Duftstoff 
nachzuweisen. Etwas verändert erschien der Geruch einer Kultur 
des Stammes P, die einen Zusatz von Vitamin D erhalten hatte. Hier 
war zwar auch ein aromatischer Geruch vorhanden wie in den anderen 
Kulturen, aber mit einem Unterton des brenzlichen. Bemerkenswert 
ist nun, daß sich die Kultur des Stammes P, deren Impfmaterial vorher 
mit der Quarzlampe bestrahlt wurde (vgl. S. 257), ganz ähnlich verhielt. 
Es ist durchaus möglich, daß auch in diesem Falle das Vitamin D für 
die Geruchsveränderung verantwortlich zu machen ist; denn es wäre 
denkbar, daß beim Impfmaterial durch die Bestrahlung aus etwa vor- 



Untersuchungen über den Abbau der Cellulose. 


275 


handenem Ergosterin dieses Vitamin gebildet worden ist. Es ist aber 
anzunehmen, daß auch in diesen Kulturen der Duftstoff unverändert 
vorhanden ist und daß sich ihm nur eine Komponente überlagert. 

Es wurde noch versucht, den Duftstoff mit anderen organischen 
Lösungsmitteln auszuschütteln, z. B. mit Petroläther, Benzol und 
Chloroform. In Petroläther geht der Duftstoff nicht über, in Chloroform 
etwas. Das Chloroform ist aber zur Gewinnung des Duftstoffes nicht 
so gut geeignet, da es stark schäumt und der Schaum sehr beständig 
ist. Beim Ausschütteln mit Benzol erhält man beim Eindunsten eben- 
falls eine bräunliche, aber geruchlose Masse. In schwach verunreinigten 
Kulturen bekommt man neben dem Duftstoff meist Stoffe mit skatol- 
artigem Geruch. 

Eingehendere Untersuchungen über den Duftstoff waren wegen 
der äußerst geringen zur Verfügung stehenden Mengen Bruchteil 
eines Milligramms — nicht möglich. Er scheint aber für den anaeroben 
Cellulosezersetzer äußerst charakteristisch zu sein. 

Zusammenfassung, 

Es wird auf eine Fehlerquelle aufmerksam gemacht, die die Rein- 
züchtung des anaeroben Cellulosezersetzers in Frage stellen kann. Denn 
in der Kreide, die der Nährlösung zum Abfangen der bei der Gärung 
entstehenden Säuren zugesetzt wird, konnten neben anderen Keimen 
auch solche des anaeroben Cellulosezersetzers nachgewiesen werden, 
die sich über die üblichen Sterilisationsmaßnahmen hinweg am Leben 
zu erhalten vermögen. Es empfiehlt sich daher die Verwendung reinster 
Präparate des Calciumcarbonats und die Anwendung ausreichender 
Sterilisationsmaßnahmen, am besten AutoLlavieren bei 130^ C in 
mehreren Fraktionen mit eingeschalteter mehrtägiger Bebrütung und 
Evakuieren kurz vor dem Autoklavieren zur Entfernung etwa in dem 
Calciumcarbonat oder der Cellulose okkludierter Luft; die Anwesenheit 
solcher Luft genügt, um die Wirksamkeit der Sterilisation wesentlich 
herabzusetzen. 

Auf Grund dieser Erfahrungen vmrden zwei neue Stämme des 
anaeroben Cellulosezersetzers isoliert: ein farbloser Stamm und ein 
Stamm mit intensiver Farbstoffbildung. Es zeigte sich, daß das Wachs- 
tum dieser Stämme — insbesondere des gelben Stammes — in der 
verwendeten Nährlösung, die Cellulose als einzigen organischen Körper 
enthielt, mit der Anzahl der Weiterimpfungen naehläßt. Dieser Mangel 
kann behoben werden durch Zusatz von grünem Maiskeimblätterextrakt, 
der sich von den untersuchten Stoffen als am wirksamsten erwies. Auch 
das Vitamin D scheint eine günstige Wirkung zu haben. 

Beim Abbau der Cellulose legen sich die Bakterien gerichtet der 
Cellulosefaser an, derart, daß die Längsrichtung der Stäbchen der 



276 


R. Meyer : 


Richtung der fibrillären Struktur der Faser parallel ist. Es wird dies 
in Zusammenhang gebracht mit der Art des Celluloseabbaues. Das 
Fadenmolekül der Cellulose, dessen Länge von der gleichen Größen- 
ordpung wie die des Bakteriums ist, wird wahrscheinlich an bestimmten 
Stellen angegriffen, so daß schließhch — auch infolge der Locker- 
Struktur der Cellulosefaser — der Verband der Faser gesprengt wird; 
im mikroskopischen Bild findet man dann eigentümliche Korrosions- 
figuren und Trümmer. Eine vorherige Verquellung der Faser findet 
nicht statt. Die Art dieses Abbaues der Cellulosefaser läßt sich nur 
durch die Annahme eines Endoenzyms deuten, da ein Abbau nur dort 
stattfindet, wo die Faser von Bakterien besetzt ist. Der weitere Abbau 
der Cellulose führt über einstweilen strittige Zwischenprodukte zu 
flüchtigen Säuren und Äthylalkohol, wobei ungefähr die Hälfte der 
Cellulose in diese Säuren zerfällt. Die flüchtigen Säuren bestehen in der 
Hauptsache aus Essigsäure und Buttersäure (letztere im Mittel 5 % der 
flüchtigen Säuren). Das weiterhin beobachtete Kohlendioxyd ent- 
stammt zum größten Teile oder ganz dem zur Neutralisation zugesetzten 
Calciumcarbonat, aus dem es durch die Säuren freigemacht wird. 
In geringer Menge, und nicht in allen Kulturen, entsteht Wasserstoff. 
Zu Beginn des Wachstums wird in der Kultur Sauerstoff Verbraucht. 
Dieser wird wahrscheinlich für den ersten Eingriff in das Cellulose- 
molekül verwendet. Da aber wegen der Fadengestalt der Moleküle nur 
wenig Sauerstoff benötigt wird, um bereits tiefgreifende Veränderungen 
zu erzielen, verläuft der Vorgang des Celluloseabbaues bei diesem 
Bakterium im ganzen scheinbar anaerob. 

Neben den genannten Stoffen wurden noch in beiden Stämmen 
ein bläulich fluoreszierender Stoff und ein Duftstoff nachgewiesen. 
Bei dem farbigen Stamm trat außerdem noch ein in Methyl- und Äthyl- 
alkohol leicht löslicher Farbstoff auf, der im Lichte leicht ausbleicht. 
In anderen Lösungsmitteln ist dieser Farbstoff nur wenig oder gar nicht 
löslich. Der gelbe Farbstoff ist in der Hauptsache an die Faser ge- 
bunden, die sich dichroitisch anfärbt, während der Duftstoff und der 
fluoreszierende Stoff sich in der Lösung befinden. 

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Untersuchimgen über den Abbau der Cellulose. 


277 


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Weitere Literatur über anaerobe Cellulosezersetzung siehe bei R. Meyer, 
Forschungsdienst 5, 197, 1938. 



(Aus dem Botanisch-Mikrobiologischen Institut der Technischen Hochschule 

Karlsruhe.) 


Mikrobiologische Untersnchnngen 
an See- nnd Silfiwasserflschen. 

V. Mitteilung: 

über die Wirkung von ultraTioIettem Licht 
auf den OberllSchenkeimgehalt von Fischfilets und von Fischen 

Von 

Th. Zeiser und W. Schwartz. 

Mit 5 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 22. Februar 1943.) 

Die bakterizide Wirkung von ultraviolettem Licht bestimmter 
Wellenlängen ist bekannt und schon wiederholt bei der Lebensmittel- 
konservierung angewandt worden. Meist wird das UV-Licht mit einem 
anderen Konservierungs- oder Prischhaltungsverfahren kombiniert, 
etwa mit der Anwendung von Kälte. Die äußerst geringe Eindringungs- 
tiefe beschränkt den Anwendungsbereich von vornherein auf die Fälle, 
in denen bei festen Körpern, wie Fisch oder Fleisch, die Bakterien nur 
die Oberfläche infiziert haben, oder in denen Flüssigkeiten, wie Milch, 
in dünner Schicht an den UV-Lampen vorbeigeführt werden können. 

Bei Seefischen wäre vor allem daran zu denken, Filets, die durch 
Tiefgefrieren für Monate haltbar gemacht werden sollen, einer ÜV- Vor- 
behandlung zu unterwerfen, um die mit dem Schlachten und Filetieren 
verbundene Oberflächeninfektion möglichst wieder auszuschalten. 
Voraussetzung für die Wirksamkeit dieses Verfahrens ist die Annahme, 
daß die Abtötung der Bakterien mit einer Vernichtung der von ihnen 
hervorgebrachten Enzyme verbunden ist, so daß die Filets in einem 
biologisch günstigeren Zustand zur Gefrierbehandlung und anschließen- 
den Lagerung gelangen. 

Die 16 in dieser Veröffentlichung besprochenen Versuchsserien wurden 
1940 mit verhältnismäßig frischen Seefischfilets ausgeführt, die uns in Eis 
verpackt unmittelbar von der Küste aus zugeschickt wurden. Äußere 
Gründe zwangen zu einer längeren tJnterbrechung der Arbeit. Bei der 
Wiederaufnahme 1942 zeigten von 14 Versuchen mit 8 tJV-Röhren nur 2 


' Ausgeführt mit Unterstützung des Reichsforschungsrates und des 
Reichskuratoriums für Technik in der Landwirtschaft. Die Versuchs - 
apparatur wurde mit Unterstützung der Siemens- Schuckert-Werke A.-G. 
in Berlin -Siemensstadt entwickelt. 



Mikrobiologische Untersuchungen an See- und Süßwasserfischen. V. 279 


eine mit den früheren Ergebnissen vergleichbare starke Abtötung; im 
Mittel aller Keimzahllogarithmen war die Abtötimg sogar schwächer als 1940 
mit nur 2 UV-Röhren^. 

Die Unvereinbarkeit der Ergebnisse ist offenbar durch Unterschiede 
im Versuchsmaterial bedingt. Die Filets von 1942 waren größtenteils 
Gefrierfilets, die ims teils noch leicht gefroren, teils schon aufgetaut zur 
Verfügung standen, -* also ein Material, bei dem zweifellos schon eine 
stärkere, der UV- Wirkung entzogene Tiefeninfektion anzimehmen war. 

Da frische Füets nicht erhältlich waren, haben wir uns in der Auswertung 
auf die Versuche von 1940 beschränkt, weil nur dort ein Vergleich ver- 
schiedener Bestrahlungsstärken möglich war. Allerdings mußten wir dabei 
in Kauf nehmen, daß wegen der geringen Versuchszahl (insgesamt 16 Reihen) 
die Auswertung vorläufigen Charakter hat imd nur mit Vorbehalt einer 
späteren Na^chprüfung veröffentlicht werden kann. 

Für die praktische Anwendung der UV-Behandlung ergibt sich jedoch 
schon jetzt die wichtige Konsequenz, daß ihr Erfolg völlig von der Be- 
schaffenheit des Ausgangsmaterials abhängig ist. 

In einigen Versuchen wurde auch die UV- Wirkung auf den Oberflächen- 
keimgehalt ganzer Fische geprüft. 

Auf die Theorie der UV- Wirkung, insbesondere auf die Frage nach 
dem Nebeneinander direkter und indirekter Wirkungen, soll hier nicht 
eingegangen werden. Sie wird in einem anderen Zusammenhang behandelt 
werden. 

I. Methode. 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der ÜV-Bestrahlung. Mit 
Rücksicht auf die in der Praxis angestrebte Verwendung wählten wir 
(abgesehen von einigen orientierenden Versuchen mit wiederholter 
Bestrahlung ganzer Fische) die einmalige, möglichst kurzfristige Be- 
strahlung von der Küste bezogener frischer Fischfilets bei möglichst 
kleinem Abstand der UV- Lampen. 

Die UV-Lampen* waren röhrenförmige Quecksilberdampf -Niederdruck- 
lampen, Type HNS 1350/0,0 m, mit einem Durchmesser von etwa 1,4 cm 
und einer Leuchtlänge von 30 cm. Von der Gesamtstrahlung entfallen 
85 % auf die Linie 2537 A, der Rest größtenteils auf die Linie 1849 A. Als 
Versuchsmaterial dienten Kabeljau- und Schellfischfilets, Heringe, Schleien, 
Brachsen und Rotfedern, 

Versuche mit Fischfilets. Die aus der Bauchseite (Innenseite) eines 
großen Filetlappens herausgescbnittenen Versuchsstücke ( Größe etwa 4 : 5 cm ) 
lagen in einer bestimmten Anordnung in ein oder zwei Reihen auf einer 
Glasplatte im Impfkasten. Die Bestrahlungsanlage war 10 cm über der 
Filetoberfläche eingebaut. Sie bestand zunächst aus 2, dann aus 4 und 
schließlich aus 8 UV-Lampen, deren Abstand voneinander 20, 8,3 bzw. 
4 cm betrug. Die senkrecht unter den Röhren liegende bestrahlte Fläche 
umfaßte 20 x 30, 25 X 30 bzw. 28 x 30 cm. 

Bei den Filets wurde der Oberflächenkeimgehalt vor Versuchsbeginn 
bestimmt, sowie 20 oder 30 und 40 Sekunden und 1, 2, 5, 10, 20 imd 
30 Minuten nach Versuchsbeginn. 

^ Eine Intensitätsmessung ergab, daß die Röhren in ihrer Wirksam- 
keit nicht nachgelassen hatten. 



280 


Th, Zeiser u. W. Schwartz: 


Versuche mü ganzen Fischen. Bei einmaliger UV-Behandlimg (nur ein 
Versuch) war die Anordnimg die gleiche wie bei den Filetversuchen. Bei 
mehrmaliger Bestrahlung lagen die Fische in den früher beschriebenen Glas- 
wannen (Schwartz iind Zeiser ^ 1939) im Kühlschrank in 20 cm Abstand von 
den beiden TJV-Lampen. Der Deckel der Glaswannen wurde während der 
Behandlungsdauer von 10 bis 30 Minuten imd während der folgenden 10 bis 
16 Minuten abgenommen. Die Kühlschranktemperatur war -1- 6® C. 

Um bei der anschließenden Kühllagerung einen zuverlässigen Maßstab 
für das Erreichen der Haltbarkeitsgrenze zu haben, wurde die Kurve der 
Oberflächenkeimzahl-Logarithmen ergänzt durch die Qualitätskurve, die 
auf Grimd der subjektiven Qualitätskontrolle (Zeiser imd Schwartz^ 1942) 
aufgestellt war. 

Die Keimzahlberechnimg erfolgte nach der fiüher beschriebenen 
Methode : Entnahme von 6 oder 10 qcm Fischhaut von den ganzen Fischen 
bzw, einer entsprechenden etwa 2 bis 6 mm dicken Gewebescheibe von der 
Filetoberfläche; Herstellung der Aufschwemmung mit abgekochtem, 
sterilem Leitimgswasser, Aussaat in Fleischbouillongelatine, Berechnung 
der Keimzahl je qcm Fisch- bzw. Filet Oberfläche. 

Wie bei früheren Versuchen wurde jede Fischbouillongelatineplatte 
mindestens zweimal gezählt, vorläufig am zweiten Tag, endgültig am dritten 
oder einem späteren Tag. 

Manche Versuche ließen vermuten, daß nach einer Bestrahlungs- 
dauer bis 5 Minuten der Keimzahlanstieg von der ersten zur zweiten 
Z&hlung größer sei als nach einer längeren Bestrahlungsdauer. Dies 
würde bedeuten, daß überlebende Keime im ersten Falle eine Ver- 
zögerung ihres Wachstums aufweisen. Das Mittel der Keimzahlanstiege 
war jedoch für alle Versuche von 0 Sekunden bis 30 Minuten gleich; 
nicht abgetötete Keime werden also durch die vorhergegangene Be- 
strahlung nicht gehemmt. Die UV-Wirkung hat also auch hiernach 
den Charakter einer Trefferwirkung: entweder wird die Zelle getötet 
oder sie bleibt, was die unmittelbare UV-Wirkung anbetrifft, unbeeinflußt. 


n. Yersuchsergebnisse. 

1. KfihUagenmg ganzer Fische bei wiederholter Uy-Behandlung. 

Vier Versuchsreihen mit Heringen, Schleien, Brachsen, Rotfedern 
verliefen in bezug auf die UV-Wirkung ziemlich gleich, so daß als 
Beispiel nur ein Versuch mit 14 Heringen herausgegriffen werden soll 
(Abb. 1), von denen 8 mit UV bestrahlt wurden und 6 als Kontrolle 
dienten. 

Bei Versuchsbeginn hatten zwei unbehandelte Fische je qcm 
6,3 und 3,48 X 10* Keime. Das Mittel der Keimzahllogarithmen war 
also 4,67. Zwei UV-bestrahlte Fische ergaben 2,1 x IC^ und 1,5 x 10* 
Keime und log 3,74. Der Keimzahllogarithmus war also durch die 
Bestrahlung um 0,93, die Keimzahl auf rund 12 % des Anfangswertes 
gesenkt. 



Mikrobiologische Untersuchungen an See- und Süßwasserfischen. V. 281 


Nach 2 Tagen hatte eine Probe von den bei Versuchsbeginn be- 
strahlten Fischen einen mittleren Keimzahllogarithmus von 5,83, der 
durch erneute Bestrahlung auf 5,06 fiel, also um 0,77, was einer Senkung 
der Keimzahl auf 17% entspricht. 

Am fünften Versuchstag wurde zunächst bei unbehandelten Fischen 
ein mittlerer Keimzahllogarithmus von 9,21 festgestellt. Die bereits 
zweimal, am nullten und zweiten Tag bestrahlten Fische ergaben nur 
7,96, also eine Senkung um 0,42 oder auf 38 %. 



Abb. 1. Kühllageniiig grüner Heringe bei + 6" C mit wiederholter UV-Bestrahlung. 
Abszisse: Tage, Ordinate: Obere Kurven : log der Keimzahlen je qem Oberfläche bei der Kon- 
trolle und nach Bestrahlung. Untere Kurven; Qualitätskurven für KontroUreihe und UV -Reihe; 
Aussehen und Geruch: @ O “= KontroUreihe, O • = UV-Reihe. 


Am siebenten Tag ergaben die Kontrollfisclie 9,07, die nun schon 
dreimal (am nullten, zweiten und fünften Tag) bestrahlten UV-Fische 
8,79 und nach erneuter Bestrahlung 8,76, also eine Senkung um 0,12 
oder auf 76 %. 

Überblicken wir den Kurvenverlauf und die Prozentzahlen, so wird 
deutlich, daß die UV- Wirkung im Laufe des Versuchs immer mehr 
abnimmt. Es werden verhältnismäßig immer weniger Keime abgetötet. 
Da keine UV- Versuche mit nichtbestrahlten Fischen höherer Anfangs- 
keimzahlen vorliegen, kann nicht entschieden werden, ob dies auf 
einem Übrigbleiben relativ UV-resistenter Stämme beruht. 

Auf Grund der Beschreibungen des Zustandes der Fische (Geruch, 
Aussehen, Schleimbildung usw.) in den Versuch sprotokollen wurde die 
Qualitätskurve zur Veranschaulichung des Frischezustandes und des 
allmählichen Verderbens ermittelt. Hiernach erreichten bei dieser 
Serie die Kontrollfische die Haltbarkeitsgrenze (Q — 2,5) nach 2, die 
bestrahlten nach 3,8 Tagen. 



282 


Th. 9^iser u. W. Schwartz: 


Dagegen wurde bei einer Serie mit Brachsen und Rotfedern die 
Haltbarkeitsgrenze von beiden Gruppen gleichzeitig, ja von den Be- 
strahlten ^er etwas früher erreicht. Bei einer weiteren Serie standen 
keine Kontrollfische zur Verfügung, und die vierte mußte aus äußeren 
Gründen vorzeitig abgebrochen werden. 

Die Behandlung mit nur zwei UV- Strahlern hat bei ganzen Fischen 
keine einwandfreie, praktisch bedeutsame Verlängerung der Haltbarkeit 
ergeben. Nach den Ergebnissen der Piletversuche dürfte aber Aussicht 
bestehen, durch Steigerung der Strahlungsintensität bessere Erfolge 
zu erzielen. 

2. Versuche mit Fischfilets und ganzen Fischen 
bei einmaliger UV-Behandlung. 

a) Versuche mit 2, 4 und 8 UV -Röhren. 

Um Zufälligkeiten der Einzelwerte auszuschalten, die wohl haupt- 
sächlich auf die ungleichmäßige Keimverteilung auf der Filetoberfläche 
(Zeiser, 1943) zurückzuführen sind, und einen Überblick über die Gesetz- 
mäßigkeiten des Kurven verlauf 8 zu erhalten, wurde für jede der Probe- 
zeiten von 0 bis 30 Minuten das Mittel aus den Keimzahllogarithmen - 
Senkungen der Einzelserien gebildet, so daß sich Durchschnittskurven 
ergaben (Tabelle I, Abb. 2). Wir haben das Mittel aus den Logarithmen 
und nicht aus den Keimzahlen selbst gewählt, da die Verkürzung der 
Haltbarkeitsdauer proportional der Zunahme des Logarithmus ist 
(Schwartz und Zeiser, 1939). 

Tabelle I. Keimzahlsenkung auf der Oberfläche UV-bestrahlter 
Fischfilets (Durchschnittswerte). 



2 ÜV-Röhren 
4 UV-Röhren 
8 UV-Röhren 


Bestliche Keimzahl je qcm Oberfläche in % der Anfangskeimzahl 
nach einer BeBtrahlungsdauer von 


20 Sek. 30 Sek. 

1 40 Sek. 

IMin. 

2 Min. 

5 Min. 

10 Min. 

20 Min. 

30 Min. 

70 69 

62 

41 

27 

22 

21 

32 

30 

26 21 

16 

26 

14 

10 

11 

12 

13 

24 8,6 

4.7 

2.9 

3.1 

2,1 

3.6 

6.6 

2.6 


Bei zehn Serien mit zwei UV-Lampen zeigt sich ein deutliches Ab- 
sinken des Keimzahllogarithmus vom Anfangswert bis zur zweiten 
Minute und ein weiteres, schwaches Sinken bis zur fünften Minute. Bis 
zur zehnten Minute bleibt dann die Keimzahl nahezu konstant, um 
hierauf bis zur 20. Minute leicht zu steigen und bis zur 30 Minute wieder 
konstant zu bleiben. 

Bis zur 40. Sekunde ist (Tabelle II) der Keimzahllogarithmus um 0,28, 
die Keimzahl also auf rund 52% des Anfangswertes gesunken, nach 
5 Minuten um 0,66, das entspricht einer Abnahme auf 42 % des Wertes 



Mikrobiologische Untersuchungen an See- Und Süßwasserfischen. V. 283 


bei 40 Sekunden. Die Wirkung einer einzelnen Röhre erhalten wir, 
indem wir den Logarithmus der Gesamtsenkung durch die Röhrenzahl 
dividieren. Eine Röhre senkt also in 40 Sekunden den Logarithmus um 




Abb.2. Einmalige UV-BestrahlTing von Seeflschlllete mit 2, 4, 8 UV-Köhren. Die einzelnen 
VerBuchzwerte sind angegeben. AbszlBse: Dauer der Bestrahlung. Ordinate: Senkung des 
KeimzahllogarlthmuB Je qcm Oberfläche A (log JT^ — log Überlebende Keime ln 

% der AntangBkeimzahl. 

1 log bedeutet den log der Keimzahl nach der jeweiligen Be 
strahlungsdauer, \o%AK den log des Anfangskeimgehaltes. 



284 


Th. Zeiser u. W. Schwartz: 


0,14, die Keimzahl auf 72 %, in 5 Minuten um 0,33 auf 47 %. Für eine 
Verlängerung der Haltbarkeit ist eine solche Keimzahlsenkung noch 
viel zu gering. 


Tabellen. Anfangskeimzahllogarithmus (log AK), Senkung des Keimzahk 
logarithmus, (4 log) und restliche Keimzahl in % dei* Anfangskeimzahl 
auf Grund der einzelneli Versuchswerte nach einer UV-Bestrahlung von 
40 Sekimden, 6 und 30 Minuten. Die Mittelwerte der % -Zahlen wurden 
aus den Mittelwerten für A log berechnet (vgl. hierzu S. 282), nicht aus den 
einzelnen darüberstehenden % -Werten. Schlägt man den zweiten Weg ein, 
so ergeben sich Abweichungen, weil das Mittel zweier Zahlen stets größer 
ist als der Numerus des Mittels der Logaritliraen. 



Serie 

log AK 

Nach 40 Sek. 

Nach 5 Min. 

Nach 30 Min. 



log* 

%•• 

.^log 

% 

.«flog 

% 

2 UV-Röhren 


1 

2 

3 

4 

6 

6 

7 

8 

9 

10 

6,38 

5.20 
6,78 

6.20 
6,62 
7,06 
6,76 
6,26 
8,84 
6,18 

0,41 

0,11 

0,49 

0,23 

0,19 

0,28 

+0,39 

0,33 

0,52 

0,64 

39 

78 

32 

69 

66 

62 

246 

47 

30 

23 

0,30 

0,32 

1,19 

0,14 

0,61 

1,16 

0,27 

0,69 

0,77 

1,18 

60 

48 

6,6 

72 

26 

6,9 

64 

26 

17 

6,6 

0,60 

0,37 

1,60 

0,07 

0,32 

0.27 

+0,17 

0,61 

0,61 

1,00 

26 

43 

2,6 

86 

48 

64 

160 

26 

26 

10 

Mitte] der log- und 
der %-Werte .... 


6,23 

0,28 

62 

0,66 

22 

0,63 

30 

4 UV-Röhren 


1 

2 

7,10 

7,06 

0,81 

0,77 

16 

17 

0,86 

1,12 

14 

7,6 

1,02 

0,74 

9,6 

18 

Mittel der log- und 
der %-Werte .... 


7,08 

0,79 

16 

0,98 

10 

0,88 

i 13 

8 UV-Röhren 


1 

2 

8 

4 

7,14 

7.03 
6,88 

6.03 

1,71 

1,70 

1,21 

0,69 

1,9 

2,0 

6,2 

20 

2,23 

1,86 

l-,98 

0,68 

0,6 

1.4 

1,0 

21 

1,69 

1,43 

2,28 

0,93 

2,0 

3.7 

0,6 

12 

Mittel der log- und 
der %-Werte 


6,77 

1,33 

4,7 

1,69 

2.1 

1,68 

2.6 


Bei A log ist in der Tabelle daa Minusaeichen bei KeimzahlBenkungen woggelassen. Ein 
GröSerwerden des log ist durch Pluszeichen bervorgehoben. — ** Werte oberhalb 10% sind auf 
Ganze, Werte darunter auf Zehntel abgerundet. 


Außer den Zufallsschwankungen sind auch starke Abweichungen 
in den Abtötungsergebnissen im Verlauf der Einzelkurven zu verzeichnen. 
So zeigt z. B. die dritte Serie eine sehr starke Abtötung in 40 Sekunden 
auf 32 und in ö Minuten auf 6,ö%; die zehnte auf 23 bzw. 6,6 %. Bei 
der mit dem gleichen Material ausgeführten vierten Serie dagegen ist 
nach 40 Sekunden die Keimzahl nur bis 59% gesunken, steigt bis 
5 Minuten wieder auf 72 %, bleibt etwa auf dieser Höhe und hat nach 





Mikrobiologische Untersuchungen, an See- und Süßwasserfischen. V. 285 


30 Minuten 85 % erreicht. Es handelt sich hier nicht um isolierte Zufalls- 
werte, sondern um Werte, die im Verlauf der Einzelkurven liegen. Die 
abweichenden Werte von 7 dagegen sind Zufallsergebnisse ; sie kommen 
dadurch zustande, daß der Wert für die Anfangskeimzahl offenbar 
infolge der ungleichmäßigen Keimverteilung zu tief liegt, während der 
Kurvenverlauf eine gute Abtötung vermuten läßt. 

Ein in gleicher Weise durchgeführter' Versuch mit ganzen Fischen 
(Blaufelchen), der anhangsweise erwähnt sei, brachte ähnliche Ergeb- 
nisse; die stärkste Senkung um 1,21 auf 6,2% war nach 10 Minuten 
erreicht. Gegen Ende des Versuchs kam es auch hier zu einem leichten 
Anstieg der Keimzahlen. 

Bei Verwendung von vier UV-Röhren (zwei Serien) erhalten wir 
einen ähnlichen Kurvenverlauf und als Erfolg nach 40 Sekunden eine 
Senkung um 0,79 auf etwa 16% der ursprünglichen Keimzahl, nach 
5 Minuten um 0,98 auf 10,4 % —* also von 40 Sekunden bis 5 Minuten 
um 0,19 auf 64 % des Wertes bei 40 Sekunden. Für eine Röhre beträgt 
die Senkung in 40 Sekunden 0,20 oder 63% und in 5 Minuten 0,25 
oder 56% (Tabelle II). 

Eine viel stärkere Keimzahlsenkung ist mit acht UV-Röhren 
(vier Serien) erreichbar. Nach 40 Sekunden ist der Keimzahllogarithmus 
schon um 1,33, die Keimzahl also auf nur 4,7 % gesunken, nach 5 Minuten 
um 1,69 auf 2,05 %; von 40 Sekunden bis 5 Minuten demnach um 0,36, 
auf 44 % des Wertes bei 40 Sekunden. Eine Röhre senkt den Logarithmus 
in 40 Sekunden um 0,17 und die Keimzahl auf 68%, in 5 Minuten um 
0,21 auf 62% (Tabelle II). 

Die vierte Serie mit der tiefsten Anfangskeimzahl ergab eine auf- 
fallend schwache Senkung (40 Sekunden 20,4 %, 5 Minuten 21 %) und 
verlief sehr unregelmäßig ; die erste mit der höchsten Anfangskeimzahl 
brachte in regelmäßigem Kurvenverlauf die stärksten Senkungen auf 
1,9% schon nach 40 Sekunden und auf 0,59% nach 5 Minuten. Be- 
merkenswert ist noch, daß die dritte Serie, die mit demselben Filet- 
material und am selben Tag wie die vierte angesetzt wurde, mit viel 
höherem Anfangswert beginnend, in regelmäßigem Kurvenverlauf zu 
bedeutend tieferen Endwerten sank als die vierte. Vermutlich hatte die 
dritte Serie eine stärkere Oberflächeninfektion, was sowohl die höhere 
Anfangskeimzahl als auch die stärkere Abtötung erklären würde, 
während bei der vierten Serie eine stärkere Tiefeninfektion anzu- 
nehmen ist. 

Bei so ausgeprägten Keiihzahlsenkungen, wie sie sich mit acht 
UV-Röhren erreichen lassen und wie sie bei weiterer Steigerung der 
Röhrenzahl zu erwarten sind, wäre eine günstige Nachwirkung bei der 
anschließenden Lagerung rtn tiefgefrorenen Zustand möglich. Er- 
fahrungen an Fischen mit künstlich gesenkter Anfangskeimzahl 



286 


Th. Zeiser u. W* Schwartz : 


(Schwartz und Zeiser, 1939) mahnen aber auch hier zur Vorsicht ^ und 
verlangen eine experimentelle Prüfung in monatelang fortgesetzten 
genau kontrollierten Lagerungsversuchen. 

Überblickt man die Ergebnisse (Abb. 2), so wird der überein- 
stimmende Verlauf ersichtlich: stärkste Senkung in den ersten 40 bis 
60 Sekunden, dann schwächeres weiteres Sinken bis zum Minimum bei 
etwa 5 Minuten und schließlich ein mehr oder weniger deutlicher Wieder- 
anstieg, dem bei acht UV-Röhren nochmals eine Senkung folgt. 

Was den Kurven verlauf jenseits der 5-Minuten- Grenze, Anstieg 
und erneutes Absinken bestimmt, ist noch unbekannt. 

Zunächst sollte der Anstieg der Keimzahlen damit erklärt werden, 
daß sich die Bearbeitung der Proben bei Versuchsbeginn wegen der 
schnellen Aufeinanderfolge etwas verzögerte. In der längeren Pause 
zwischen Bestrahlen und Einbringen in den Kolben mit Verdünnungs- 
wasser hätte durch bei der Bestrahlung gebildete Giftstoffe eine zusätz- 
liche Abtötung erfolgen können, deren Unterbleiben bei pausenloser 
Verarbeitung den Anstieg erklärt hätte. Es zeigte sich jedoch, daß es 
auch dann zum Anstieg der Keimzahlen kam, wenn stets zwischen 
Bestrahlung und Verdünnung eine Pause von 5 oder 10 Minuten ein- 
gelegt wurde. 

Andere Erklärungsmöglichkeiten könnten darin liegen, daß bei 
unserer Versuchsanordnung die letzten Probestücke etwas mehr außen 
lagen und daher etwas schwächer bestrahlt wurden (daß sie eine viel 
größere Gesamtstrahlung empfangen, kann, wie wir später sehen werden, 
nicht als Gegenargument dienen), oder auch darin, daß die ersten 
Probestücke vom vorderen, die letzten dagegen vom hinteren, dünneren 
Filetende stammen, dessen Keimgehalt im Durchschnitt etwas höher 
ist (Zeiser, 1943). 

Der Keimzahlanstieg bei den UV- Serien scheint uns zu ausgeprägt 
und zu regelmäßig zu sein, als daß er nur versuchstechnisch bedingt 
sein könnte 2. 

Diese und andere Fragen der UV-Wirkung bedürfen jedenfalls 
einer gesonderten Bearbeitung unter vereinfachten und übersicht- 
licheren Versuchsbedingungen. 

h) Beziehungen zwischen Anfangskeimzahl und Keimzahlsenkung 
sowie Wiederanstieg der Keimzahlen. 

Verfolgt man die Beziehungen zwischen der Anfangskeimzahl 
der Filetoberfläche (log AK) und der durch UV erzielten Keimzahl- 
logarithmen- Senkung, so ergibt sich, daß mit steigender Anfangs- 

^ So war beispielsweise bei frischen Fischen trotz Senkung der Anfangs - 
keimzahl auf 0,3% die Haltbarkeit statt um die erwarteten 8 Tage kaum 
merklich verlängert. — ® Für die Praxis ist der erneute Anstieg schon 
deshalb bedeutungslos, weil er erst nach 6 Minuten einsetzt. 



Mikrobiologische Untersuchungen an See- und Süßwasserfischen. V. 287 

keimzahl auch die Senkung des Keim^hllogarithmus zunimmt. Bei 
höherer Anfangskeimzahl werden nicht nur absolut, sondern auch 
relativ mehr Keime abgetötet. Für die Versuche mit zwei UV- Röhren 
ist diese Beziehung ziemlich klar zu erkennen; bei Verwendung von 
acht UV-Röhren ist sie wahrscheinlich, aber wegen der geringen Zahl 
der Versuchsserien noch nicht einwandfrei nachgewiesen (Abb. 3). 

tog/t/r 



Abb. 3. Senkung des Keimzahllogarithmus nach einer Bestrahlungsdauer von 5 Minuten 
(Ordlnat(5) in Abliängigkeit vom log der Anfangskeimzahl (Abszisse). 


Bei größerer Keimdichte steigt die Trefferwahrscheinlichkeit für 
die Lichtquanten, es wären also wohl absolut, aber nicht relativ 
mehr Abtötungen zu erwarten. Über die Ursachen der verstärkten 
Abtötung sind vorerst nur Vermutungen möglich. Denkbar wäre ein 
Zusammenhang mit den Vorgängen bei der Tiefeninfektion. Vermehren 
sich, was aber bei ganzen Fischen im allgemeinen nicht der Fall zu 
sein scheint {Schwartz und Zeiser, 1939), die Oberflächenkeime stärker 
als die in die obersten Gfewebeschichten eingedrungenen und dort der 
UV- Wirkung entzogenen Keime, dann müßte mit steigender Oesamt- 
keimzahl ein immer größerer Anteil der UV- Wirkung zugänglich sein 
und abgetötet werden. 

Ferner könnten die bei der Abtötung entstehenden Zerfallsprodukte 
eine Giftwirkung ausüben und zu einer zusätzlichen Abtötung von 
Keimen führen, die durch die unmittelbare UV-Wirkung noch nicht 
erfaßt wurden. Diese zusätzliche Wirkung müßte um so größer 
sein, je näher die Keime beisammen liegen, je größer also die Keim- 
zahl ist. 

Für den Wiederanstieg der Keimzahllogarithmen in der Zeit 
zwischen 5 und 30 Minuten erhält man eine ganz ähnliche Kurve wie 
für die Senkung; auch er nimmt mit steigender Anfangskeim- 
zahl zu. 

Archiv für Mikrobiologie. Bd. 13. 


20 



288 


Th. Zeiser u. W. Schwartz : 


c) Beziehung zwischen RöhrenzaM, Bestrahlungsdauer und Keimzahl- 
senkung. Wirkungsgrad der zur Bestrahlung aufgewendeten Energie. 

An Hand der in Abschnitt 2 a mitgeteilten Ergebnisse können wir 
uns die Beziehungen zwischen der Senkung des Keimzahllogarithmus 
und den dabei mitwirkenden Faktoren Röhrenzahl und Bestrahlungs- 
dauer in den drei Versuchsabschnitten klar machen. Hieraus lassen 
sich dann Schlüsse ziehen auf das Verhältnis zwischen der aufgewendeten 
Energie und dem erzielten Erfolg, also auf den Wirkungsgrad der 
UV -Behandlung . 

Die Werte für die Senkung des Keimzahllogarithmus durch zwei> 
vier und acht UV- Röhren im ersten Versuchsabschnitt von 0 bis 



Abb. 4. Senkung des Keimzahllogarithmus für eine Bestrahlungszelt von 40 Sekunden 
und 6 Minuten in Abhftngigkeit von der Edhrenzahl. Ordinate: A (logK^ — log AK). 

Abszisse: Böhrenzahl. 

40 Sekunden liegen ziemlich genau auf einer durch den Nullpunkt 
gehenden Geraden (Abb. 4)^. ln diesem Abschnitt steigt also die loga- 
rithmische Gesamtabtötung proportional zur Röhrenzahl, die Ab- 
tötung pro Röhre ist konstant: jede weitere Röhre senkt den Keimzahl- 
logarithmus um etwa logJT =0,17, die noch vorhandene Keimzahl 
auf 72%, 

Die Werte für die Senkung bis 5 Minuten liegen auf einer parallelen 
Geraden. Im zweiten Abschnitt von 40 Sekunden bis 5 Minuten ist 
also die logarithmische Gesamtabtötung konstant und nicht mehr 


^ Di© Versuch© mit vier ÜV-Röhren hatten eine höhere^ di© mit 2 UV- 
Röhren eine tiefere Anfangskeimzahl als die Versuche mit acht Röhren 
(vgl. Abb. 2); nach Abschnitt 2b sind also die Keimzahllogarithmen- 
Senkungen zu groß bzw. zu klein. Wird dieser Umstand berücksichtigt, 
so dürften sich die Punkte eher noch der Geraden nähern. 



Mikrobiologische Untersuchungen an See- und Süßwasserfischen. V. 289 


proportional der Röhrenzahl ; sie beträgt etwa log K = 0,64, was einer 
Senkung auf 44 % der Keimzahl bei 40 Sekunden, unabhängig von der 
Röhrenzahl, entspricht. Die logarithmische Abtötung je Röhre sinkt 
demnach mit wachsender Röhrenzahl. Im dritten Abschnitt von 
5 bis 30 Minuten schließlich tritt überhaupt keine Abtötung mehr ein, 
die entsprechende Glerade für 30 Minuten würde also mit der für 5 Mi- 
nuten zusammenfallen, oder sogar etwas darunterliegen (Wiederanstieg). 
Dementsprechend ist in den Kurven (Abb. 2) die Senkung im ersten 
Abschnitt um so steiler, je größer die Röhrenzahl ist, im zweiten bei 
allen Kurven etwa gleich schwach, während der dritte Kurventeil 
waagerecht oder leicht ansteigend verläuft. 



Abb. 5. Senkung des Keimzahllogarlthmus und Energieverbrauchs in Röiirenminuten bei 2, 4, 
S UV-Röhren. Bei den einzelnen Versuchspunkten ist die Bestrahlungsdauer angegeben. 

Ordinate : A (lug — log A K). Abszisse ; Röhrenmiuuten. 

Die 40-Sekunden-Linie (Abb. 4) zeigt, daß durch Vermehrung der 
Röhrenzahl (bzw. der Intensität der Bestrahlung) die logarithmische 
Abtötung proportional der Röhrenzahl weiter gesteigert werden kann. 
Unsere Versuche haben bis jetzt also keinen Hinweis auf die Existenz 
absolut UV-resistenter oder geschützter Keime ergeben. In Wirklich- 
keit wird allerdings die Abtötung bei weiterer Erhöhung der Röhrenzahl 
durch die geringe Eindringungstiefe des UV ihre Grenze finden. 

Aus dem Kurven verlauf ergibt sich, daß es vorteilhaft sein wird, 
die Röhrenzahl zu erhöhen, um die Abtötung im ersten Abschnitt zu 
steigern, während eine längere Bestrahlung unzweckmäßig wäre; denn 
sie bedingt einen größeren Stromverbrauch, ohne die Abtötung ent- 
sprechend zu erhöhen. 

Die zu einer Bestrahlung verbrauchte Energie ist proportional 
der Röhrenzahl und der Bestrahlungsdauer. Für unsere Zwecke genügt 
es, wenn wir als Energieeinheit die Röhrenminute verwenden, d. h. die 
Energiemenge, die von einer Röhre in I Minute abgegeben wird. Je 
größer der Erfolg, hier die Senkung des Keimzahllogarithmus, im 
Verhältnis zum Energieverbrauch ist, desto größer ist der Wirkungsgrad 
(Nutzeffekt) der Bestrahlung. 


20 * 



290 


Th. Zeiser u. W. Schwartz: 


Da die Senkung des Keimzahllogarithmus nicht proportional der 
Zeit zunimmt (Abb. 4), folgt, daß bei gleicher Röhrenzahl der Nutz- 
effekt mit wachsender Bestrahlungsdauer sinkt. Ferner ist die Senkung 
außer für 40 Sekunden nicht proportional der Röl^renzahl ; daraus ergibt 
sich, daß bei gleicher Bestrahlungsdauer oberhalb 40 Sekunden der 
Nutzeffekt mit wachsender Röhrenzahl sinkt. 

Weitere Aufschlüsse geben Kurven (Abb. 5), aus denen abgelesen 
werden kann, welcher Erfolg mit dem gleichen Energieverbrauch 
(Röhrenminuten) bei verschiedener Röhrenzahl erzielt wird. Während 
der Nutzeffekt mit steigender Röhrenzahl bei gleicher Bestrahlungs- 
dauer sinkt, steigt er für gleichen Energieverbrauch mit steigender 
Röhrenzahl, wobei, was für die Praxis wichtig ist, die erforderliche 
Bestrahlungszeit abnimmt. 

Die gleiche Energiemenge, 10 Röhrenminuten, wird z. B. verbraucht 
bei Bestrahlung mit zwei Röhren während 5 Minuten, mit vier während 
2,5 und acht während 1,25 Minuten. Die hierdurch erzielte logarith mische 
Abtötung wächst aber mit der Röhrenzahl: der Keimzahllogarithmus 
wird gesenkt um etwa 0,65, 0,87, 1,53, die Keimzahl also auf 22, 13,5, 
2,95 % der Anfangskeimzahl. 

Alle drei Kurven biegen bei etwa 10 Röhrenminuten zur Horizon- 
talen um, die weitere Bestrahlung ist fast wirkungslos, obwohl sie, wie 
aus Abb. 5 hervorgeht, 5-, 11-, 23 mal soviel Energie verbraucht. Die 
Maximalwirkung wird also stets mit etwa derselben wirksamen Energie- 
menge erzielt, nämlich mit diesen 10 Röhrenminuten; sie ist aber um 
so stärker und tritt um so früher ein, je größer die Röhrenzahl ist. 

Durch Vermehrung der Röhrenzahl wird also innerhalb gewisser 
Grenzen eine weitere Verstärkung und Beschleunigung der Abtötung 
ohne größeren Energieaufwand möglich sein. Sollte sich die aufgestellte 
Regel bestätigen, so wäre z, B. zu erwarten, daß mit 15 Röhren die 
Maximalwirkung schon nach 40 Sekunden eintritt und größer ist als 
mit acht Röhren in 1,25 Minuten. 

Während sich bei den Versuchen von Lembke^ Rickert und Thomsen 
(1940) die annähernde Gültigkeit des Bunsen-Roscoeschen Gesetzes 
herausstellte, die Abtötung bei gleichem Produkt aus Intensität und 
Zeit also annähernd gleich war, gilt dieses Gesetz für unsere Versuche 
nicht, es steigt vielmehr mit zunehmender Intensität die Abtötung 
sehr stark an. 

Wenn es sich um eine Ein-Treffer-Tötung bei homogenem Zell- 
material handelte, müßte nach Jordan (1939) das Bunsen-Roscoe sehe 
Gesetz gelten, es dürfte kein Zeitfaktor mitwirken. Auch der nach 
oben konkave Verlauf der Kurven (Abb. 2) ist offenbar auf die Inhomo- 
genität des Zellmaterials zurückzuführen (Jordan, 1939), wobei zuerst 
die empfindlicheren Zellen abgetötet werden und die Überlebenden im 
Durchschnitt unempfindlicher oder besser abgeschirmt sind. 



Mikrobiologische Untersuchungen an See- und Süßwasserfischen. V. 291 


Die Annahme, daß zur Abtötung eines Keimes mehrere Treffer 
in kurzem Zeitabstand nötig smd, könnte einen Anstieg der prozentualen 
Abtötung mit wachsender Bestrahlungsintensität erklären. Die Wahr- 
scheinlichkeit mehrerer Treffer kurz nacheinander steigt ja mit der 
Bestrahlungsdichte; und auch etwas tiefergelegene Kei^e können 
dann genügend Treffer erhalten. 

Zusammenfassung. 

1. Werden Fische während eines Lagerungsversuchs bei 
wiederholt 30 Minuten lang mit UV-Licht bestrahlt (zwei UV-Röhren, 
Wellenlänge in der Hauptsache 2537 Äj, so ist die Keimzahlsenkung bei 
der ersten Behandlung verhältnismäßig am größten und nimmt dann 
immer mehr ab. Der Keimzahllogarithmus wird bei Versuchsbeginn 
am 2., 5. und 7. Versuchstag z. B. um 0,93, 0,77, 0,42 und 0,12, die 
Keimzahl also auf 12, 17, 38 und 76 % der vorher vorhandenen Keime 
gesenkt. Mit steigender Keimzahl werden also verhältnismäßig immer 
weniger Keime abgetötet. 

2. Einmalige Behandlung von Seefischfilets mit zwei, vier oder 
acht UV-Röhren ergibt einen starken Keimzahllogarithmus-Abfall 
etwa innerhalb der ersten 40 Sekunden, einen schwächeren bis 5 Minuten, 
worauf bis 30 Minuten ein leichter Wiederanstieg erfolgt. 

3. Die Senkung des Keimzahllogarithmus erfolgt um so schneller 
und ist um so größer, je höher die Röhrenzahl ist. 

4. Bei einer Bestrahlungsdauer von 40 Sekunden sank mit zwei, 
vier und acht Röhren der Keimzahllogarithmus um 0,28, 0,79 und 1,33, 
die Keimzahl also auf 52, 16 und 4,7 %. Selbst bei der stärksten Ab- 
tötung blieben also von 5,89 X 10® Keimen je qcm Oberfläche immer 
noch 2,75x10® übrig, 

5. Bis 40 Sekunden ist die ‘logarithmische Gesamtabtötung pro- 
portional der Röhrenzahl, also die Abtötung je Röhre konstant: 
jede weitere Röhre senkt den Keimzahllogarithmus um 0,17, die noch 
vorhandene Keimzahl auf 72 %. 

6. Die weitere Gesamtabtötung von 40 Sekunden bis 5 Minuten 
ist konstant, der Keimzahllogaritbmus sinkt um 0,64. Ganz unabhängig 
von der Röhrenzahl wird die Keimzahl auf 44 % des Wertes bei 40 Se- 
kunden gesenkt. Die logarithmische Abtötung ist also umgekehrt pro- 
portional der Röhrenzahl. 

7. Die bisher vorliegenden Versuche ergaben noch kein Anzeichen 
für eine Grenze der Gesamtabtötung, also für die Existenz völlig resi- 
stenter oder vor dem UV geschützter Keime. 

8. Im Gegensatz zu den Fischlagerungs versuchen mit mehrmaliger 
Bestrahlung steigt bei einmaliger Bestrahlung von Fischfilets die 

ogarithmische Abtötung mit steigender Oberflächenkeimzahl, "^s 



292 Th. Zeiser u. W. Schwartz : Mikrobiologische Untersuchungen usw. 

werden also nicht nur absolut, sondern auch verhältnismäßig mehr 
Keime abgetötet. 

9. Als Maß für die absorbierte Strahlung dient die Röhrenminute, 
d. h. die Strahlungsenergie, die von einer Röhre in 1 Minute geliefert 
wird. Fast die gesamte Abtötung wird stets mit etwa derselben wirk- 
samen Energie, nämlich mit 10 Röhrenminuten, erzielt, also bei zwei 
Röhren in 5 Minuten, bei vier in 2,5 und bei acht in 1,25 Minuten. Dabei 
wird der KeimzahUogarithmus um 0,65, 0,87 und 1,52, die Keimzahl 
auf 22, 13,5 und 2,95% gesenkt. Die gesamte während der weiteren 
Versuchsdauer zugeführte (5-, 11- und 23mal so große) Energie bleibt 
fast wirkungslos. 

10. Bei gleicher Röhrenzahl sinkt der Wirkungsgrad (logarith- 
mische Abtötung je Röhrenminute) mit wachsender Bestrahlungsdauer. 

11. Bei gleicher Bestrahlungsdauer sinkt der Wirkungsgrad mit 
wachsender Röhrenzahl; nur bis 40 Sekunden bleibt er konstant. 

12. Bei gleichem Energieverbrauch steigt der Wirkungsgrad mit 
wachsender Röhrenzahl. Die Abtötung wird stets mit derselben wirk- 
samen Energie (10 Röhrenminuten) erzielt, steigt aber mit wachsender 
Röhrenzahl sehr stark an bei gleichzeitiger Abnahme der erforderlichen 
Bestrahlungszeit . 

13. Das Bunaen-Roacoe^che Gesetz gilt für unsere Versuche nicht, 
denn nicht die zugeführte Gesamtenergie, das Produkt aus Intensität 
und Zeit, ist für die Wirkung maßgebend, sondern die Intensität, 
mit der ihr wirkaamer Anteil zugeführt wird. 

14. Der Erfolg der UV-Behandlung hängt bei Fischfilets weit- 
gehend von deren Vorbehandlung und Qualität ab. 

Nachtrag. 

In unserer zweiten Mitteilung (Schwartz und Zeiaer, 1939) bitten 
wir, folgende Stellen zu berichtigen : Unterschrift zu Abb. 2 : statt 
± 00 C muß es heißen + 6® C. — Auf S. 333, Zeile 5 von oben muß es 
heißen: ,,. . . verläuft also proportional der Zunahme des Keimzahl- 
logarithmus“. Der erste Satz auf S. 335 oben: ,, Hierfür spricht . . 
ist an dieser Stelle einzufügen. — Auf der letzten Zeile S. 337 muß es 
heißen: weniger fest statt fester und auf der zweiten Zeile von oben, 
S. 338, schwächer statt stärker. 

Literatur. 

Jordan^ P., Protoplasma 82, 464, 1939. — Lenibke, A., O. Rickcrt 
u. H. Thomaen, Vorratspflege imd Lebensmittelf orschimg 8, 534, 1940. 
— Müller, R., Lehrbuch der Hygiene, Teil II. München -Berlin, 1939. — 
Schwartz, W., u. Th. Zeiaet, diese Zeitschr. 10, 322, 1939. — Zeiaer, Th., u. 
W. Schtvariz, Centralbl. f. Bakt., IJ. Abt., 105, 16, 1942. — Zeiaer, Th., 
ebenda, II. Abt., im Druck. 



(Aus dem Versuchs- und Forschungsinstitut der Kriegsmarine 
für Lebensmittelfrischhaltung. Hannover.) 


Über den Verlauf des Absterbens 
von Mikroorganismen bei wiederholtem Gefrieren. 

Von 

Bernd Stille. 

Mit 2 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 1. Mai 1943,) 

IJittersuchungen über die Wirkung niedriger Temperaturen auf 
Mikroorganismen reichen bis in die Frühzeit der Bakteriologie zurück. 
Sie führten zu zahlreichen — oft gegenteiligen — Ergebnissen und 
verschiedenen, sich teils ergänzenden, teils widersprechenden Theorien 
über den Verlauf des Kältetodes, die im wesentlichen in der Protoplasma- 
monographie von J. Belehrddek ziisa mm engefaßt sind. 

Während der Einfluß der Hitze eine restlose Abtötung aller Keime 
herbeiführt, bewirken tiefe Temperaturen, selbst die der flüssigen Luft, 
in der Kegel nur eine mehr oder minder stark in Erscheinung tretende 
Abnahme der ursprünglich vorhandenen Keimzahl. Dabei sei jedoch 
von jenen Formen — vor allem unter den pathogenen Arten ~ ab- 
gesehen, deren Lebensbereich innerhalb enger Temperaturgrenzen ein- 
geschlossen ist, und die bereits durch eine geringfügige Abkühlung 
vernichtet werden. 

Die Verringerung der Keimzahl durch das Gefrieren w^eist bei den 
einzelnen Mikroorganisinenarten zum Teil erhebliche Unterschiede auf, 
und auch innerhalb ein und derselben Art ergeben sich bisweilen be- 
trächtliche Abweichungen, Alter der Kultur und besonders die Zu- 
sammensetzung des Milieus, in dem sich die Organismen während des 
Gefrierens befinden, spielen dabei eine ausschlaggebende Rolle. So 
nimmt z. B. die Frostempfindlichkeit von Saccharomyces cerevisiae 
nach eigenen Untersuchungen mit steigender Konzentration der Wasser- 
stoffionen zu, w^ährend die Anw^esenheit bestimmter Kolloide (Gelatine, 
Agar) in der Aufschwemmung die Absterbequote herabsetzt. Da 
Sporen von Pilzen und Bakterien durch w'eg der Kälte widerstehen, 
lassen Ermittlungen an verspürtem Material keine sicheren Rück- 
schlüsse auf die Kälteresistenz der vegetativen Stadien der betreffenden 
Arten zu. Außerdem w^erden die Ergebnisse mitunter auch dadurch 
empfindlich gestört, daß manche Bakterienarten, die in Zellverbänden 
vereinigt sind — - insbesondere Sarzinen, Streptokokken und Staphylo- 
Archlv für Mlkroblologf«. Bd. 18. 21 



294 


B. Stille: 


kokken — durch die Kristallisation auseinandergesprengt werden und 
infolgedessen bei der nachfolgenden Keimzahlermittlung nach dem 
Platten verfahren sogar eine Vermehrung Vortäuschen können. Für 
eine zuverlässige statistische Auswertung derartiger Tötungsexperimente 
kommen daher nur solche Mikroorganismen in Betracht, die sich inner- 
halb einer Aufschwemmung mit Bestimmtheit in einzelne Individuen 
trennen lassen. 

Die Tatsache, daß durch die Dynamik des Temperatursturzes und 
des anschließenden Auftauens nur ein bestimmter Prozentsatz der 
anfangs vorhandenen Keimzahl vernichtet wird, legte die Frage nahe, 
wie sich die Überlebenden gegenüber nochmaligem bzw. wiederholtem 
Gefrieren verhalten. 

Die ersten diesbezüglichen Angaben veröffentlichte Prttdden 1887. fir stellte 
fest, daß Bacillus typhosus durch einmaliges Einfrieren eine zahlenmäßige 
Abnahme von etwa 26% erfährt, während dreimaliges Vereisen eine Abtötung 
von annähernd 90% bewirkt. 

Nach Sedgwick und Winslow soll wiederholtes Gefrieren und Auf tauen für 
den Typhuserreger nur wenig schädlicher sein als dauernde Kälteeinwirkung. 

Smith und Swingle fanden bei wiederholter Abkühlung eine stärkere Ver- 
minderung der Keimzahl als bei Dauerkälte, während Hilliard, Torossian und 
Stone dem wiederholten Eineisen nur einen unwesentlichen Einfluß auf Bacterium 
coli und Bacillus subtilis (letzterer Sporenbildner!) zuschreiben. Dieser Befund 
wurde dann in einer späteren Mitteilung von Hiüiard und Davis berichtigt, da 
sich häufiges Einfrieren und Auftauen als bedeutend schädlicher erwies als 
kontinuierliche Kälte. Gleichsinnige Ergebnisse erzielte Tohyana mit Vibrio 
eomma und Bact. typhi. 

Wallace und Tanner schreiben dem abwechselnden Gefrieren und Auftauen 
keine schädlichere Wirkung als andauerndem Kälteeinfluß zu; ihre Befunde 
erstrecken sich jedoch im wesentlichen auf Sporcnbildner (Aspergillus niger, 
Penicillium camenberti, B. subtilis) und scheiden daher für eine statistische 
Ermittlung des Absterbe Vorganges aus. 

Nach A. und S. S. Ooetz soll die Sterblichkeitsquote von Sctccharomyces 
cerevisiae bei mehrfacher Abkühlung keine konstante Wahrscheinlichkeit haben, 
sondern trotz völlig homogener Kultur schließlich kleiner werden. Sie folgern 
daraus, daß bei den einzelnen Zellen eine verschieden starke Resistenz gegenüber 
der Kristallisation besteht, so daß die empfindlichsten zuerst kristallisieren, 
während die Überlebenden die folgenden Male mit größerer Wahrscheinlichkeit 
überstehen. Verfasser verzichteten bei der Ermittlung der Keimzahl auf das 
Platten verfahren und stützen ihren Befund auf das unterschiedliche färberische 
Verhalten lebender und toter Zellen in ^/öOO wässeriger Methylenblaulösung. 
Diese Methylenblaukonzentration übt jedoch schon bei kurzer Einwirkungsdauer 
eine deutliche Giftwirkung auf die Hefe aus und führt somit zu unsicheren 
Ergebnissen. 

Sigene Untersuchungen. 

Material und Methode. 

Da aus den bereits dargelegten Gründen sporenbildende Formen 
für die Untersuchungen ausscheiden mußten, wurden unter zahlreichen 



Absterben von Mikroorganismen. 


295 


Nichtsporenbildnern 1 zunächst einige wenige Arten ausgewählt, die 
nicht zur Bildung von Zellaggregaten neigen, sondern sich innerhalb 
einer Suspension ohne weiteres in Einzelindi'idduen trennen. Außerdem 
kamen für die Versuche nur solche Organismen in Betracht, die sich 
ohne besondere Schwierigkeiten auf einfachen Nährböden kultivieren 
lassen und auf dem Substrat gleichmäßige und klar umrissene Kolonien 
bilden, so daß sie bei der Zählung leicht zu erfassen sind. Als besonders 
geeignet erwiesen sich bei dieser Auswahl Saccharomyces cerevisiaCy 
Pseudomonas pyocyanea, Bacterium rubidaeum und mit einer gering- 
fügigen Einschränkung Bacterium tencllum.. Selbstverständlich ließe 
sich dieser Kreis noch beliebig erweitern. 

Die Stämme wurden auf D-Agar und auf Bouillongelatine gezüchtet und 
im Brutschrank bei 30 bzw. 20® C gehalten. Da das Alter der einzelnen Zellen 
auch einen gewissen Einfluß auf ihre Kälteempfindlichkeit zu haben scheint, 
wurde, um Altersunterschiede innerhalb des Versuchsmaterials weitgehend aus- 
zuschlicßen, stets nur mit ganz jungen, höchstens 2 Tage alten Kulturen gear- 
beitet, die sich noch in deutlicher Entwicklung und somit in lebhafter Zell- 
teilung befanden. 

Aus den Kulturröhrchen wurde stets €?ine bestimmte Probemenge mit einer 
Platinöse entnommen und in sterile physiologische Kochsalzlösung übertragen, 
die darauf 10. Minuten lang kräftig geschüttelt wurde, um eine gleichmäßige 
Verteilung aller Keime in der Flüssigkeit herbeizuführen. 

Das Einfrieren der Aufschwemmungen erfolgte in verschiedener Weise: 
entweder wurde die Suspension zu je 10 ccm auf eine Serie von Reagensgläsern 
gleicher Größe übertragen, oder aber die der Bestimmung dienende Flüssigkeits- 
menge direkt in sterile Petrischalen pipettiert. In letzterem Falle wurde der 
durch Erwärmen verflüssigte Nährboden gelegentlich bereits vor dem Gefrieren 
zugegeben, vor allem bei der gegenüber der Kälte besonders empfindlichen 
Pseudomonas pyocyanea. Innerhalb jeder einzelnen Versuchsreihe herrschten 
selbstverständlich stets konstante Bedingungen. 

Die Gefriertemperatur betrug durchweg — 24® C, das Auftauen erfolgte 
stets bei etwa -f 25® C, und zwar bei den Reagensgläsern im Wasserbad, bei den 
Petrischalen durch die umgebende Luft. Um den Organismen im auf getauten 
Zustande keine das Ergebnis störende Entwicklungsmöglichkeit zu lassen, 
wurden sämtliche Versuchsgläser, soweit sie nicht der jeweiligen Bestimmung 
dienten, im Anschluß an das Auftauen sogleich wieder eingefroren. Das Ein- 
frieren und Auftauen wurde bei den einzelnen Versuchsreihen insgesamt zwischen 
sechs- und zehnmal wiederholt, und diese gesamte Zwischenbehandlung ließ 
sich wegen der geringen Flüssigkeitsmengen bequem innerhalb 48 Stunden 
durchführen*. Die Keimzahlbestimmungen erfolgten nach dem KocÄ sehen 
Plattenverfahren, dabei wurden für jede einzelne Ermittlung stets drei Parallel- 
platten angelegt, um den Einfluß von Streuungen auf die Ergebnisse möglichst 
einzuschränken. 


^ Herrn Oberregierungsrat Dr. 8tapp, Biologische Reichsanstalt für Land- 
und Forstwirtschaft, Berlin-Dahlem, danke ich bestens für die Überlassung 
mehrerer Bakterienstämme. — * Die Versuche wurden mit den Kälteeinrich- 
tungen der Reichsforschungsanstalt für Lebensmittelfrischhaltung Karlsruhe 
durohgeführt. Herrn Professor Dr. Plank sei auch an dieser Stelle für sein 
Entgegenkommen bestens gedankt. 


21 * 



296 


fi. Stille: 


Befunde. 

Die folgenden Versuchsreihen veranschaulichen die zahlenmäßige 
Abnahme verschiedener Organismen unter dem Einfluß wiederholten 
Gefrierens und Auftauens. Dabei ist es selbstverständlich und durch 
die Methodik des Plattenvei*fahrens bedingt, daß nur solche Zellen als 
,, überlebend“ bezeichnet werden, die sich nach Zugabe des Nährbodens 
als vermehrungsfähig erwiesen und zur Ausbildung von Kolonien 
führten. Die Bezeichnung „abgetötet“ ist also nur mit einer gewissen 
Einschränkung zu verstehen. Da den Mikroorganismen jedoch in 
jedem Falle die gleichen Kulturbedingungen geboten wurden (abgesehen 
von der wiederholten Kälteeinwirkung), hat diese Frage in diesem Zu- 
sammenhang nur ein nebensächliches Interesse. 


Vermche I und II : Saccharomyces cerevisiae. 

Aus 24 Stunden alter Kultur, übertragen in physiologische Kochsalzlösung. 
I wurde in Petrischalen, II in Reagensgl&sern eingefroren. Die Keimzahl ist 
mit K bezeichnet; Kq bedeutet Anfangskeimgehalt, = Überlebende nach 
t-maligem Einfrieren und Auftauen (Tabelle I). 


Tabelle I. 




Versuch II 


Versuch I 

Versuch II 

i 

K 

B 

K 

. 

■ 

B 

. 

K 


0 

14 660 

0,000 

212 000 

0,000 

6 

3120 

0,331 -1 

28 900 

0,136 - 1 

1 

11120 

0,883-1 

161 000 

0,863-1 

7 

2800 

0,284-1 

17 000 

0,904-2 

2 

9 080 

0,796 -.1 

— 

— 

8 

2060 

0,149-1 


— 

3 

6 480 

0,648-1 


— 

9 

1470 

0,004-1 

8 460 

0,601 -2 

4 

5 

4 620 
3 760 

0,492-1 

0,412-1 

63 200 

0.400-1 

10 



6 300 

0,473-2 


In Versuch I wurden beim ersten Gefrieren und Auftauen 23,6% 
der ursprünglich in der Suspension vorhandenen Zellen vernichtet; bei 
neunmaliger Abkühlung ergibt sich stets wieder eine gleichmäßige 
Abnahme, und zwar im Mittelwert 22,5%. In Versuch II betragen die 
entsprechenden Werte 28,7 bzw. 29,6% bei zehnmaligem Einfrieren. 

Die durchweg stärkere Abnahme der Keimzahl in der Versuchs- 
reihe II ist lediglich auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Auf- 
schwemmung n in Reagensgläsern, I dagegen in Form kleinerer Tropfen 
in Petrischalen eingefroren wurde. Diese Beobachtung stimmt mit den 
Ergebnissen von Haines überein, der beim Gefrieren bestimmter Bak- 
terienarten ebenfalls eine stärkere Abnahme der Zeilenzahl in Reagens- 
gläsern als in dünner Verteilung auf Deckgläsern feststellte. 











Absterben von Mikroorganismen. 


297 


In Abb. 1 sind die ermittelten Zahlen werte logarithmisch ein- 
getragen (log KJKq). Die einzelnen Punkte streuen nur geringfügig um 
eine in der Richtung zunehmender i- Werte geneigte Gerade. Im ganzen 
läßt sich also klar ein exponentieller Verlauf des Absterbevorganges beim 



wiederholten Gefrieren und Auftauen erkennen. Da die Übeiiebenden- 


quote q — = konstant ist, ergibt sich somit die Möglichkeit. 

bereits durch Berechnung die Zahl jener Zellen vorauszusagen, die 
i-maliges Einfrieren mit größter Wahrscheinlichkeit überstehen werden : 

if, = üTo-gh 


Vermch III: ßacterium rubidaeum, 

Kultur 24 Stunden alt, wurde in physiologischer Kochsalzlösung auf- 
geschwemmt und anschließend in Reagensgläsern wiederholt eingefroren und 
aufgetaut. Tabelle II. 

Versuch IV: Pseudomonas pyocyanea. 

Es wurden kleinere Mengen einer homogenen Suspension von Psetidomonas 
pyocyanea, gleichfalls aus 24 Stunden alter Kultur, auf Petrischalen verteilt 
und bereits vor dem Einfrieren mit Bouillongelatine übergossen (Tabelle II). 

Pseudomonas pyocyanea ist gegenüber dem Kälteeinfluß außer- 
ordentlich empfindlich, wie schon Haines feststellen konnte. In eigenen 
Untersuchungen erfuhren Aufschwemmungen in physiologischer Koch- 
salzlösung beim Einfrieren eine Abnahme der Keimzahl um 90 bis 95%. 
Zusatz von Kolloiden zeigte indessen eine außerordentliche Schutz - 
Wirkung und verringerte die Absterbequote erheblich, w^orüber in 
einer späteren Mitteilung berichtet werden soll. 

Als Schutzkolloid wurde in dieser Versuchsreihe Gelatine dem 
Agar vorgezogen, weil Agar nach dem Auf tauen das ausgefrorene 




298 


B. Stille: 


Tabelle 1 



Versuch 111 {BaeUrxum mbidaeum) 

Versuch IV {Pseudomonat pyocyanea) 

i 

K 


K 


0 

46 000 000 

0,000 

2 419 000 

0,000 

1 

8 000 000 

0,260-1 

1632 000 

0,802-1 

2 

900 000 

0,369 -2 

949 000 

0,694 - 1 

3 

280 000 

0,794-3 

632 000 

0,417-1 

4 

40 000 

0,949-4 

469000 

0,278 - 1 

5 

7000 

0,192-4 

290000 

0,079 - 1 

6 



187 000 

0,888-2 





Wasser nur unvollkommen wieder auf- 
nimmt ; es entwickeln sich dann auf 
dem Nährboden verwaschene, inein- 
anderfließende Kolonien, die sich nicht 
auszählen lassen. 

In Versuch III betrug die Keim- 
zahlverminderung in der Aufschwem- 
mung von Bacterium rubidaeum beim 
ersten Gefrieren 82,2%. Bei fünfmal 
wiederholtem Temperatursturz trat je- 
desmal eine gleich starke Abnahme ein,^ 
und zwar im Mittelwert 82,7 %. 

Den gleichen exponentiellen Ver- 
lauf zeigt die Versuchsreihe IV mit 
Psevdomonas pyocyanea: bei einmaligem Einfrieren gingen 36,5% zu- 
grunde, bei sechsmaliger Abkühlung durchschnittlich 34,7%. 


Versuch V: Bacterium tenellum. 

Schließlich wurde noch ein gleichsinniger Versuch mit Bacterium tenellum, 
ebenfalls 24 Stunden alt und in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt, 
durchgeführt. Dabei ergab sich folgende Abnahme (Tabelle Ul): 


Tabelle III. 


t 


■ 

Versuch V {Bacterium teneUum) 

K 

iH^I 

K 

log-- 

0 

46 600 000 

0,000 

3 


0,119-2 

1 

12 000 000 

0,420 - 1 

4 



2 

3 900 000 

0,932-2 

6 















Absterben von Mikroorganismen. 


299 


Der Absterbe verlauf von Bacierium teneUum zeigt beim Vergleich 
mit den übrigen untersuchten Mikroorganismenarten eine geringe 
Abweichung : beim ersten Einfrieren nahm die Keimdichte um 73,7 %, 
beim zweiten nur um 66,9% ab; dann erhöhte sich bei weiteren Ab- 
kühlungen der Anteil der Abgetöteten auf einen ziemlich konstanten 
Wert, im Mittel 84,3 %. Der Grund für die anfangs geringere Abnahme 
liegt darin, daß bei Bacteriuyn teneUum die einzelnen Zellen häufig in 
kleineren Ketten Zusammenhängen, die erst bei der Eisbildung ge- 
sprengt w^erden. Sobald jedoch eine restlose Trennung der Einzel- 
individuen erfolgt ist, ergibt sich dann mit zunehmenden «-Werten 
eine exponentielle Verminderung der Keimdichte. 

Schlußbetrachtung. 

Die oben beschriebenen Absterbereihen lassen stets eine klare, 
einfache Gesetzmäßigkeit erkennen: beim wiederholten Einfrieren und 
Auftauen verringert sich innerhalb einer homogenen Suspension gleich- 
artiger Zellen die Keimdichte stets um den gleichen Prozentsatz. Es 
ergibt sich also ein ähnlicher, im Prinzip übereinstimmender Tötungs- 
verlauf wie bei der Einwirkung bestimmter Gifte (insbesondere Phenol 
und Sublimat), der Hitze, der Trockenheit und verschiedener Strahlen- 
arten (vor allem Ultraviolett- und Röntgenstrahlen), die ebenfalls ein 
exponentielles Absterben von Mikroorganismen herbeiführen, ln ihrer 
Gesamtheit fand diese statistische Gesetzmäßigkeit durch die Jordan sehe 
Treffertheorie ihre wohl begründete Deutung im Sinne der Quanten- 
physik. Jordan widerlegte die früheren Auffassungen, die das ungleich- 
mäßige Absterben von Einzellern auf Resistenzunterschiede zurück- 
führten, und kam — insbesondere auf Grund zahlreich vorliegender 
Strahlenex})eriniente — zu dem Schluß, daß bei exponentiellem Ab- 
sterbeverlauf die tödliche Wirkung primär durch je einen einzelnen 
„Treffer“ ausgelöst wird. Alle übrigen Veränderungen, die den getöteten 
Einzeller charakterisieren, erfolgen demnach zwangsläufig erst sekundär 
als Kettenreaktion im Anschluß an den Primärakt. Die Analyse des 
Treffers erhärtete seinerseits die Vorstellung, daß die Bakterien ein 
empfindliches Steuerungszentrum — eine Art ,, Miniaturkern“ — ent- 
halten müssen, eine Auffassung, die durch den gleichzeitigen Nachweis 
gesetzmäßig strukturgebundener Thymonucleinsäure innerhalb der 
Bakterienzelle durch Stille und alsdann durch die Arbeiten von Pielcarski 
und anderen Autoren ihre zytologische Fundierung fand. 

Was nun das exponentielle Absterben der Mikroorganismen unter 
der Dynamik wiederholten Gefrierens und Auftauens anbetrifft, so 
ergibt sich aus diesem gesetzmäßigen Verlauf, daß jene Theorien über 
den Kältetod, die eine Summierung von Einzelschäden innerhalb der 
Zelle bzw. an ihrer Oberfläche voraussetzen, unwahrscheinlich sind. 



208 


B. Stifle: 


Tabelle 11. 



1 Venach III {Baäerium rubidaeum) 

Veniuoh IV (Pieudomonat pyocyanea) 

i 

K 


K 


0 

46 000 000 

0,000 

2 419 000 

0,000 

1 

8 000 000 

0,260-1 

1 632 000 

0.802-1 

2 

900 000 

0,369 -2 

949 000 

0,694 - 1 

3 

280 000 

0,794-3 

632 000 

0.417-1 

4 

40 000 

0,949-4 

469000 

0,278 - 1 

6 

7000 

0,192-4 

290 000 

0,079 - 1 

6 

— 

- 

187 000 

0,888-2 



Wasser nur unvollkommen wieder auf- 
nimmt; es entwickeln sich dann auf 
dem Nährboden verwaschene, inein- 
anderfließende Kolonien, die sich nicht 
auszählen lassen. 

In Versuch III betrug die Keim- 
zahlverminderung in der Aufschwem- 
mung von Bacierium rubidaeum beim 
ersten Gefrieren 82,2%. Bei fünfmal 
wiederholtem Temperatursturz trat je- 
desmal eine gleich starke Abnahme ein,^ 
und zwar im Mittelwert 82,7 %. 


Den gleichen exponentiellen Ver- 
lauf zeigt die Versuchsreihe IV mit 
Pseudontonas pyocyanea: bei einmaligem Einfrieren gingen 36,5% zu- 
grunde, bei sechsmaliger Abkühlung durchschnittlich 34,7%^. 


Versuch V: Bacterium tenellurn. 

Schließlich wurde noch ein gleichsinniger Versuch mit Bacierium ieneüum, 
ebenfalls 24 Stunden alt und in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt, 
durchgeführt. Dabei ergab sich folgende Abnahme (Tabelle III): 


Tabelle III. 


t 

Versuch V (Bacterium teneüum) 

1 

Versuch V {Bacterium teneUum) 

K 


K 

. 

lo«- 

ÄO 

0 

45 600 000 

0,000 

3 

600000 

0,119-2 

1 

12 000 000 

0,420 - 1 

4 

100 000 

0,431 -3 

2 

3 900 000 

0,932 -2 

6 

18 600 

0,608 -4 












Absterben von Mikroorganismen. 


299 


Der Absterbeverlauf von Bakterium tenellum zeigt beim Vergleich 
mit den übrigen untersuchten Mikroorganismenarten eine geringe 
Abweichung: beim ersten Einfrieren nahm die Keimdichte um 73,7%, 
beim zweiten nur um 66,9% ab; dann erhöhte sich bei weiteren Ab- 
kühlungen der Anteil der Abgetöteten auf einen ziemlich konstanten 
Wert, im Mittel 84,3 %. Der Grund für die anfangs geringere Abnahme 
liegt darin, daß bei Bacteriurn tenellum die einzelnen Zellen häufig in 
kleineren Ketten Zusammenhängen, die erst bei der Eisbildung ge- 
sprengt werden. Sobald jedoch eine restlose Trennung der Einzel- 
individuen erfolgt ist, ergibt sich dann mit zunehmenden i-Werten 
eine exponentielle V^erminderung der Keimdichte. 

Sohlußbetrachtung. 

Die üben beschriebenen Absterbereihen lassen stets eine klare, 
einfache Gesetzmäßigkeit erkennen: beim wiederholten Einfrieren und 
Auftauen v^erringert sich innerhalb einer homogenen Suspension gleich- 
artiger Zellen die Keimdichte stets um den gleichen Prozentsatz. Es 
ergibt sich also ein ähnlicher, im Prinzip übereinstimmender Tötungs- 
verlauf wie bei der Einwirkung bestimmter Gifte (insbesondere Phenol 
und Sublimat), der Hitze, der Trockenheit und verschiedener Strahlen- 
arten (vor allem Ultraviolett- und Röntgenstrahlen), die ebenfalls ein 
exponentielles Absterben von Mikroorganismen herbeiführen, ln ihrer 
Gesamtheit fand diese statistische Gesetzmäßigkeit durch die Jordan sehe 
Treffertheorie ihre wohl begründete Deutung im Sinne der Quanten- 
physik. Jordan widerlegte die früheren Auffassungen, die das ungleich- 
mäßige Absterben von Einzellern auf Resistenzunterschiede zurück- 
führten, untl kam - insbesondere auf Grund zahlreich vorliegender 
Strahlenex])eriniente ~ zu dem Schluß, daß bei exponentiellem Ab- 
sterbeverlauf die tödliche Wirkung primär durch je einen einzelnen 
„Treffer** ausgelöst w ird. Alle übrigen Veränderungen, die den getöteten 
Einzeller charakterisieren, erfolgen demnach zw^angsläufig erst sekundär 
als Kettenreaktion im Anschluß an den Primärakt. Die Analyse des 
Treffers erhärtete seinerseits die Vorstellung, daß die Bakterien ein 
empfindliches Steuerungszentrum - eine Art ,, Miniaturkern“ ent- 
halten müssen, eine Auffassung, die durch den gleichzeitigen Nachweis 
gesetzmäßig strukturgebundener Thymonucleinsaure innerhalb der 
Bakterienzelle durch Stille und alsdann durch die Arbeiten von Piekarski 
und anderen Autoren ihre zytologLsche Fundierung fand. 

Was nun das exponentielle Absterben der Mikroorganismen unter 
der Dynamik wdederholten Gefrierens und Auftauens anbetrifft, so 
ergibt sich aus diesem gesetzmäßigen Verlauf, daß jene Theorien über 
den Kältetod, die eine Summierung von Einzelschäden innerhalb der 
Zelle bzw. an ihrer Oberfläche voraussetzen, unw^ahrscheinlich sind. 



300 


B. Stille: Abeterben von Mikroorganismen. 


Wenn auch die Frage nach dem Mechanismus des Kältetodes von Ein- 
zellern aus zahlreichen Gründen weiterhin offen bleiben muß, so scheint 
es mir doch von besonderer Bedeutung zu sein, bei derartigen Unter- 
suchungen die Protistenzelle zumindest nicht als ein homogenes Gefüge, 
sondern als ein wohlstrukturiertes System mit einem differenzierten 
Steuerungszentrum aufzufassen. Es spricht vieles dafür, anzunehmen, 
daß erst die Zerstörung dieses Zentrums — sei es nun beim Einfrieren 
oder erst beim Auftauen — die Gesamtreaktion, den Zelltod, herbeiführt. 

Literatur. 

Belehrddekf J., Temx)erature and living mattej*. Protoplasmamonographien, 
Bd. 8. Berlin, Borntraeger, 1935. — Goetz, A., u.S.S. Ooeiz, Naturwiss. 26, 427, 
1938. ~ Haines, R. B,, Proc. Boy. Soc. London (B) 124, 451, 1938. — Hilliard, 
C. M., C, Torossian u. R. 8tone, Science 42, 770, 1915. — Hilliard, C. M,, u. 
if. A. Davis, J. of Bact. 3, 423, 1918. — Jordan, P., Radiologica 2, 16, 166, 

1938. — Derselbe, Naturwiss. 26, 537, 1938. — Derselbe, Biol. Zentralbl. 59, 1, 

1939. — Derselbe, Protoplasma 32, 464, 1939. — Piekarski, O., diese Zeitschr. 
8, 428, 1937. — Derselbe, ebenda 11, 406, 1940. — Prudden, P. M., Med. Res. 
31, 341, 1887. — Sedgwick, W, T., u. (7. E, A. Winslow, Centralbl. f. Bact. I, 
27, 684, 1900. — Smith, E. F., u. D. B. Swingle, Abstr. in Sei., N. Ser. 21, 481, 
1905. — Stille, B., diese Zeitschr. 8, 125, 1937. — Tohyana, Y., Jap. J. Exp. 
Med. 8, 327, 1930. — Wallace, ö. /., u. P. W. Tanner, Fruit Prod. J., New York 
14, 235, 1935. 



(Aas dem Pflanzenphysiologischen Institut der Deutschen Karls -Universität 

in Prag.) 


Der Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. 

1. Mitteilung: 

Kritigche Bespreckung der bisherigen Literatur. 

Von 

Karl Reinhardt^. 

(Eingegangen am 7, Juni 1943,) 

Eine Durchsicht der ernährungsphysiologischen Literatur zeigt, daß 
verschiedene Fragen des Grundstoffwechsels, besonders solche chemisch - 
physiologischer Natur, durch Untersuchung der Lebensvorgänge bei 
Vielzellern nicht geklärt werden können. Die im Organismus der Meta- 
zoen und Metaphyten vor sich gehenden Stoffwechselprozesse sind so 
vielgestaltig und von so zahlreichen, von außen oft nicht zu beeinflussen- 
den Faktoren bestimmt, daß die Verfolgung eines Reaktionsablaufes 
bis zu seinen letzten Grunderscheinungen meist nicht bis zur restlosen 
Klärung möglich ist. Es lag nahe, diese Grundfragen mit Hilfe von ein- 
zelligen Organismen einer Klärung näherzubringen, deren Zellgeschehen 
im allgemeinen leichter verfolgt werden kann und die vor allem der 
experimentellen Untersuchung weniger Schwierigkeiten bereiten als 
Vielzeller. 

Die Auswahl der Versuchsobjekte war naturgemäß der Fragestellung 
entsprechend verschieden, besondere Bedeutung erlangten für gewisse 
Fragen u. a. Vertreter der Gruppe der Flggellaten. Anfangs wandte sich 
das Interesse fast restlos Formen zu, welche durch den Besitz eines 
Assimilationspigmentes zur autotrophen Kohlenstoffgewinnung be- 
fähigt, meist leicht in Reinkultur gewonnen werden konnten. Die bald 
erfolgte Feststellung, daß verschiedene dieser mit Assimilations- 
pigmenten ausgestatteten Formen neben Kohlensäure auch gewisse 
organische Verbindungen als Kohlenstoffquelle ausnützen können, sich 
also ,,mixotroph" zu ernähren vermögen, legte eine Untersuchung 
des ,,heterotrophen“ Anteils an der ,,mixotrophen“ Ernährungsweise, 
also der Verwertung organischer Kohlenstoffquellen durch gefärbte 
Arten, nahe. Nachdem die Züchtung grüner Formen mit organischen 
Verbindungen im Dunkeln gelungen war, bedeuteten die ersten Züch- 
tungsversuche farbloser Nebenformen grüner Organismen nur einen 

•) Die früheren Arbeiten des Verfassers sind unter dem Namen Ondratsehek 
erschienen. 



302 


IL Beinhardt: 


weiteren Schritt in der Entwicklung des hier zu besprechenden Fragen- 
gebietes. 

Die systematische Stellung der Flagellaten ist ein häufig erörtertes 
Problem. Frühzeitig unterschied man ganz allgemein zwei Haupt- 
gruppen, die man nach dem Vorhandensein oder Fehlen eines Assi- 
milationspigmentes dem Pflanzen- oder Tierreich zuordnete. Bezüglich 
der gefärbten Formen traf man bald eine Einteilung in Arten, die aus- 
schließlich der Kohlensäure als Kohlenstoffquelle bedurften und in 
solche, die daneben noch Anspruch auf eine zusätzliche organische 
Kohlenstoff- oder Stickstoffquelle erhoben. Erstere wurden als obligat 
autotroph, letztere als mixotroph bezeichnet. Farblose Arten verlangten 
in jedem Fall organische Nährstoffe, sie wurden als heterotroph bezeich- 
net. Chemoautotrophie, also die Fähigkeit zur Kohlensäureassimilation 
ohne Assimilationspigment unter Verwertung der bei chemischen Um- 
setzungen frei werdenden Energie, ist bei farblosen Flagellaten bislang 
nicht bekannt. Mast und Pace (1932a, 1932b, 11934) deuten zwar für 
ChilomoncLS paramaecium etwas Ähnliches an, doch haben verschiedene 
Nachprüfungen (zuletzt Ondratschek 1940d) diese Befunde nicht be- 
stätigen können. 

Eine weitere Gliederung der Flagellaten unter Berücksichtigung der 
gegenseitigen Beziehungen hat Lwoff vorgenommen. Nachdem auch er 
anfänglich (1932) nur nach dem Vorhandensein oder Fehlen eines 
Assimilationspigmentes CJdorophyten und Protozoen unterschieden hat, 
stellte er später (1935a, 1936a) eine weitere Gruppe auf, die zwischen 
den beiden erstgenannten eine Mittelstellung einnehmen soll und die er 
als Leukophyten beze^chnete. Die drei Typen wurden in folgende Be- 
ziehungen gebracht: 


/ 

/ 

Chlorophyten ^ 

besitzen Assimilations- 
pigmente und Plastiden. \ 


Leukophyten 

Assimilationspigment fehlt, 
Plastiden vorhanden. 

Protozoen 

Assimilationspigment und 
Plastiden fehlen. 


Das Vorhandensein von Plastiden bei farblosen Flagellaten ist 
jedoch bisher mit einiger Sicherheit nur für einzelne Polytoma-Avien 
nachgewiesen (Volkonsky, 1930a, b), die obige Neugruppierung bzw. 
die Aufstellung des neuen Typus der Leukophyten entbehrt somit der 
nötigen experimentellen und morphologischen Grundlage. 

Derzeit scheint es vorteilhafter zu sein, auf eine Festlegung der 
systematischen Stellung der Flagellaten zu verzichten und diese Organi- 
sationsstufe, die heute allgemein als Übergang und Bindeglied zwischen 
den beiden Organismen reichen gilt, als Einheit für sich zu betrachten. 
Eine Festlegung der Stellung und eine Aufgliederung kann, solange 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. I. 303 

genügende Einzelkenntnisse fehlen, keine weitere Förderung unserer 
Erkenntnisse zur Folge haben und erscheint somit unangebracht. 
Falls eine Gliederung dieser Organismengruppe sich als nötig erweisen 
sollte, kann diese heute zweckmäßig nur auf ernährungsphysiologischer 
Grundlage erfolgen, eine Einteilung nach biochemischen Gesichts- 
punkten ist — trotz ihrer unleugbaren Yorteile — derzeit nicht möglich, 
da wir über die biochemische Seite des Stoffwechsels der Flagellaten 
überhaupt nicht unterrichtet sind. Ernährungsphysiologisch können wir 
nachstehende Typen unterscheiden: 

/. Aidotrophe FlageUaien besitzen Assimilationspigmente, können nur 

COj, nicht aber organische Verbindungen 
assimilieren. 

II. Mixotrophe Flagellaten besitzen Assimilationspigmente, können ihren 

Kohlenstoff bedarf aus anorganischen und or- 
ganischen Verbindungen decken. 

III. Heterotrophe Flagellaten Assimilationspigmente fehlen, organische Koh- 
lenstoff quellen sind unentbehrlich. 

Obige Einteilung stützt sich auf die Art des Kohlenstoffgewinnes. 
Im Gegensatz zu Lwoff (1935a), der*bei einem neu vorgeschlagenen 
ernährungsphysiologischen System der Flagellaten auch die Stickstoff- 
quelle berücksichtigt, wird diese hier bewußt als nicht kennzeichnend 
außer acht gelassen. Lwoff nahm bei der genannten Aufstellung ver- 
schiedene Ansprüche der Flagellaten hinsichtlich der Zusammensetzung 
der N- Quelle an, doch sind seine Ergebnisse durch die anfängliche 
Vernachlässigung der Bedeutung von Wirkstoffen für die Auswertbar- 
Keit von Stickstoff Verbindungen nicht stichhaltig. In früheren Arbeiten 
(Ondratschek, 1940d, 1941a, b,c) konnte ich zeigen, daß alle bisher 
untersuchten heterotrophen Flagellaten mit Hilfe von Aneurin ihren 
Stick Stoff bedarf aus anorganischen Verbindungen decken können, für 
mixo- und autotrophe Arten war diese Tatsache seit jeher bekannt. 
Eine Einteilung nach der verschieden hohen Organisation der erforder- 
lichen N- Quelle (Nitrat-N, Ammon-N, Aminosäure-N, Pepton-N), wie 
sie Lwoff vornahm, ist Semnach nicht zutreffend. 

Die in obiger Einteilung an letzter Stelle genannte Gruppe der 
heterotrophen Flagellaten gehörte hinsichtlich der Ernährungsphysiologie 
bis vor kurzem zu einepi der scheinbar bestuntersuchten Teilgebiete der 
Mikrobiologie. Wie jedoch Provasoli 1938 zeigen konnte, lassen sich 
bei genauem Vergleich der zahlreichen Arbeiten auf diesem Gebiet 
bemerkenswerte Unterschiede in den Ergebnissen der einzelnen Autoren 
feststellen. Durch die jüngsten Ergebnisse der Untersuchungen über 
die Bedeutung von Wirkstoffen für die Ernährung heterotropher Fla- 
gellaten (OndraUtchek, 1940d, 1941a, b, c) wurden manche dieser unter- 
schiedlichen Ergebnisse verständlich gemacht, andere blieben nach wie 



304 


K. Reinhardt: 


vor ungeklärt. In der vorliegenden Arbeit werden weitere Faktoren 
auf gezeigt, welche den C- und N- Stoffwechsel der heterotrophen Fla- 
gellaten maßgeblich beeinflussen und die bisher außer acht gelassen 
wurden. 

Die bereits erwähnten eigenen Untersuchungen des Wirkstoff- 
bedürfnisses heterotropher Flagellaten haben aber darüber hinaus ver- 
schiedene grundsätzliche Bedenken an den bisherigen Ergebnissen 
ernährungsphysiologischer Untersuchungen dieser Gruppe 

entstehen lassen, die sich in der Folgezeit, gestützt durch neue experi- 
mentelle Befunde, gesteigert haben, so daß schließlich eine grundlegende 
Neubearbeitung des ganzen Ernährungsproblems notwendig erschien. 

Als Voraussetzung für die experimentelle Durchführung der ge- 
planten Neuuntersuchung mußte ein kritischer Vergleich der zahlreichen, 
auf diesem Gebiet vorhandenen Arbeiten vorgeiiommen werden. Eine 
Neubearbeitung der angedeuteten Fragen ohne entsprechende Berück- 
sichtigung der bisherigen Literatur hätte einmal unnötige Mehrarbeit 
zur Folge gehabt, andererseits aber jeglichen Zusammenhang mit den 
bisherigen Befunden vermissen lassen. Zur Vermeidung einer isolierten 
Stellung der nachfolgenden eigenen Befunde soll in der vorliegenden 
Mitteilung als erstes das Ergebnis der oben genannten vergleichenden 
Betrachtung der bisherigen Literatur vdcdergegeben werden. Wenn der 
Rahmen weiter gesteckt wurde, als dies sonst üblich ist, so ist der Grund 
für dieses Vorgehen in der Bedeutung des angeschnittenen Fragen - 
gebietes zu suchen. 

Der Gesamtplan der hiermit begonnenen Arbeitenreihe ist folgender: Im 
Anschluß an die in der 1. Mitteilung gegebene Literaturübersicht werden die ver- 
schiedenen, bisher beschriebenen Versuchsmethoden kritisch zu prüfen sein. 
Nach Festlegung einer bestimmten Methodik sind jene Faktoren zu untersuchen, 
deren grundsätzliche Bedeutung für den N- und C- Stoffwechsel in Vorunter- 
suchungen bereits festgestellt werden konnte. Nach Abschluß der Vorarbeiten 
soll die vergleichende Untersuchung verschiedenster Kohlenstoff- und Stickstoff- 
quellen hinsichtlich ihrer Eignung als Nährstoffe für heierotrophe FlagdUUen 
erfolgen. Der biochemischen Seite der Stoffwechbelvorgänge wird besondere 
Beachtung geschenkt werden. Als Endziel wird die Aufstellung eines ernährungs- 
physiologischen Systems auf Grund der neuen Ergebnisse beabsichtigt. 

Ein Mangel der bisherigen Untersuchungen ist auch in der geringen Zahl 
der bearbeiteten FlagellcUen-Arten gegeben. Hier wird außer einigen bereits 
wiederholt untersuchten, eine größere Zahl teils nicht untersuchter, teils neu- 
beschriebener Arten zur Verwendung gelangen. 


Historische Übersicht 

Eine Durchsicht der Literatur zeigt, daß über Fragen der Er- 
nährung und des Stoffwechsels heterotropher Flagellaten zahlreiche 
Untersuchungen vorliegen, daß jedoch die Zahl der Bearbeiter gering 
ist. Einer kritischen Sichtung der Ergebnisse und einem Vergleich der 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. 1. 305 

einzelnen Autoren stellen sich somit keine allzu großen Schwierigkeiten 
entgegen. 

In der nun folgenden Besprechung der Fragestellung der einzelnen 
Autoren sollen besonders die Zusammenhänge der Untersuchungen 
sowie die Entwicklung dieses Forschungszweiges hervorgehoben werden. 
Die Ergebnisse werden hier nur soweit besprochen, als dies zum all- 
gemeinen Verständnis notwendig ist, da die Befunde der einzelnen 
Autoren im Hauptteil dieser Arbeit an Hand der Organismen gelegent- 
lich der Darstellung der eigenen Versuche besprochen werden müssen. 
Die folgenden Ausführungen sind so gehalten, daß im Hauptteil auf 
die Literaturangaben nicht mehr zurückgekommen werden muß. Aus 
Gründen der Raumersparnis und der Vereinfachung wird dort im Einzel- 
fall nur der Autor angegeben, nähere Einzelheiten können aus dem nun 
folgenden historischen Teil entnommen w^erden. 

In der Geschichte der Ernährungsphysiologie heterotropJier Flagel- 
laten können wir ohne Schwierigkeiten drei Hauptabschnitte unter- 
scheiden, die jew'eils durch den im Vordergrund der Betrachtung stehen- 
den Fragenkomplex gekennzeichnet sind. 

1. Die Zeit der zoologischen Betrachtungsweise. In diesem von 1885 bis 1921 
sich erstreckenden Zeitabschnitt finden wir vornehmlich Untersuchungen 
zoologisch -morphologischer Richtung. In ernährungsphysiologischer Hinsicht 
ist diese Zeit durch mehr oder minder planlose Versuche zur Züchtung von 
Flagellaten gekennzeichnet, wobei Arbeitsmethoden der Bakteriologie mit 
wechselndem Glück in Anwendung gebracht wurden. Die Züchtung war nicht 
Selbstzweck, sie hatte nur die Aufgabe, eine größere und gleichartige Zellmenge 
für morphologische oder cytologische Untersuchungen bcreitzustellen. 

2. Der botanisch- physioU^gische. Zeitabschnitt. Et umfaßt die Jahre 1921 
bis 1937. Das Jahr 1921 brachte durch die erstmalig in einwandfreier Weise 
durchgeführte Züchtung eines heterotrophen Flagellaten in bakterienfreier Rein- 
kultur eine entscheidende Wendung. Die neuen Züchtungsmethoden ermöglichen 
eine systematische Untersuchung der Nahrstoffansprüche dieser Organismen. 
Umfangreiche, meist planmäßig angestellt^ ernährungsphysiologische Versuche 
kennzeichnen diesen Zeitraum. 

3. Die Zeit der physiologisch-chemischen Untersuchungen. Seit 1937 trat 
infolge der Entdeckung der umfassenden Bedeutung von Wirkstoffen für die 
Lebensäußerungen der verschiedensten Organismengruppen auch auf dem hier 
zur Erörterung stehenden Forschungsgebiet eine wesentliche Änderung ein. 
Die Feststellung der Bedeutung einiger Wirkstoffe, vor allem solcher vitamin- 
artiger Natur, auch für die Gruppe der heterotrophen FUtgellaten hatte zwangs- 
läufig eine Entwicklung zur Folge, in deren Verlauf die gesamte Ernährungs- 
physiologie dieser Formen immer mehr vom Standpunkt der Frage der Wachs- 
tum sfaktoren aus gesehen werden mußte. Es ergab sich somit die Notwendigkeit, 
die bisherigen Ergebnisse der Ernährungsphysiologie nach den neuen Erkennt- 
nissen zu überprüfen, und endlich mußte auch der Forderung nachgekommen 
werden, die biochemische Seite der ernährungsphysiologischen Prozesse zu 
beachten. Die Biochemie des Flagellatenstoffwechsels war bis dahin überhaupt 
nicht untersucht worden. 

Nachstehend sollen die in den genannten Zeitabschnitten erschienenen, das 
vorliegende Arbeitsgebiet betreffenden Veröffentlichungen behandelt werden. 



306 


K. Bernhardt: 


1, Die Zeit der zoologischen Betrachtungsweise. 

Der Hauptteil der in diesem Zeitabschnitt erschienenen Arbeiten 
befaßt sich mit Fragen morphologischer Art, von einer Besprechung 
kann abgesehen werden, da sie keine Ergebnisse gezeitigt haben, welche 
für die weitere Entwicklung von Bedeutung gewesen wären. 

Die ersten Versuche zur Züchtung eines heterotrophen FUigellaten 
nahm meines Wissens Khawkine 1885 vor. Er untersuchte die Biologie 
und Ökologie von Ästasia oceUata und züchtete diese mit Stärke als 
Kohlenstoffquelle. Nach unseren heutigen Kenntnissen kann der Autor 
nur bakterienhaltige Kulturen, vielleicht sogar nur Rohkulturen erhalten 
haben, wobei die anwesenden Bakterien möglicherweise die Stärke 
soweit abgebaut haben, daß die Abbauprodukte für die Flagellaten 
verwertbar wurden. Khawkine schenkte der Ernährungsphysiologie 
keine weitere Beachtung. 

Eine Reihe von Jahren vergingen, ehe sich wieder ein Autor mit 
der Züchtung eines farblosen Flagellaten beschäftigte. Es war dies 
Ogata, der 1893 über die geglückte Züchtung des späteren Standard- 
objektes zahlreicher Autoren Polytoma uvella in Nährlösungen, welche 
vorwiegend Dekokte verschiedener Meeresalgen enthielten, berichtete. 
Er gibt an, bakterienfreie Kulturen erhalten zu haben, da er jedoch 
keine weiteren Angaben über das ernährungsphysiologische Verhalten 
des von ihm gezüchteten Stammes machte, kann diese Angabe heute 
nicht mehr nachgeprüft werden. Von den Versuchen Khawkines scheint 
Ogata keine Kenntnis gehabt zu haben. 

Die Versuche Ogaias veranlaßten 1910 Jacobsen zu einer Wieder- 
holung, doch gelang es ihm nicht, Polytoma uvella mit Algenabkochungen 
zur Vermehrung zu bringen. Er züchtete dann diese Art in Faulkulturen, 
konnte aber keine verläßlich reinen Klone isolieren. Seine Folgerungen 
sind dementsprechend meist nicht zutreffend und wurden in der Folgezeit 
wiederholt als nicht stichhaltig nachgewiesen. 

Während es sich bei den eben besprochenen Arbeiten mehr um 
tastende Vorversuche auf völligem Neuland handelt, stellte sich 1900 
Zumstein als erster gegen die bisherige Arbeitsweise und zeigte auf, 
daß nur planvolle experimentelle Untersuchungen neue Erkenntnisse 
zeitigen können, nicht aber theoretische Erwägungen, wie sie namentlich 
Khawkine angestellt hat und welchen eine experimentelle Grundlage 
vielfach fehlte. Zumstein selbst befaßte sich eingehend Init der Rein- 
Züchtung von Euglena gracHis, Anfängliche Versuche mit chemisch 
nicht definierten Dekokten und Organextrakten zeigten die Unzweck- 
mäßigkeit der bisher üblichen Versuchsanstellung auf und Zumstein 
gebührt hier das Verdienst, als erster synthetische Lösungen angewendet 
zu haben. Er untersuchte so auch die uns hier interessierende hetero- 



Stoffwechsel: heterotropher Flagellaten. I. 


307 


trophe Ernährungsweise von Euglena gracilis und beschäftigte sich 
namentlich mit jenen Bedingungen, welche eine Rückbildung des Chloro- 
phylls bei heterotropher Züchtung verursachten. Er erkannte die Be- 
deutung organischer C- Quellen für dieses Problem und hat seine Be- 
hauptungen durch zahlreiche Versuche gefestigt. Es sei noch erwähnt, 
daß Zunistein bereits auch die Bedeutung der Reaktion für den Erfolg 
eines Züchtungs Versuchs richtig erkannt hat. 

Wenn auch gewisse Feststellungen Zumateins, besonders die sich 
auf Citronensäure als C- Quelle beziehenden, in der Folgezeit anders ge- 
deutet werden mußten, so haben seine Arbeiten trotzdem ein großes 
Verdienst um die Weiterentwicklung der Ernährungsphysiologie der 
FlagelUUen. Er hat nachgewiesen, daß nur genaue experimentelle 
Untersuchungen unsere Erkenntnisse erweitern können, nicht aber die 
bisher üblichen, mehr oder minder spekulativen Erwägungen, er hat 
erstmalig auf die Notwendigkeit chemisch definierter Nährlösungen für 
ernährungsphysiologische Versuche hinge wiesen, ^welcher Forderung er 
als erster auch nachgekommen ist und hat so der kommenden Ent- 
wicklung Weg und Richtung gezeigt. 

Das Lebenswerk Zamsteins wurde dann 1912 von Ternetz ab- 
geschlossen und einheitlich ausgerichtet. In manchen Punkten hat 
Ternetz einen Schritt weiter getan a\s Zum^teiny so u. a. bei der Beschrei- 
bung einer ,, hyalinen Lichtforin‘‘ von Euglena gracilis. Es scheint hier 
wohl eine Verwechslung mit Astasia Vorgelegen zu haben. 

Zur gleichen Zeit, als ZurnsUin seine klassischen Versuche mit 
EugUna anstellte, versuchte Aragao (1910) einen weiteren FlagdlaUn 
in Kultur zu nehmen, Polytomella agüis. Da er in die bereits von Znrn- 
stein herausgestellten Fehler der vorangegangenen Zeit verfiel, nimmt 
es nicht wunder, wenn seine Versuche zu keinem einwandfreien Ergebnis 
geführt haben. 

Die Arbeit Aragaos hat in der Folgezeit besonders Dojlein angeregt , 
der in zwei Mitteilungen (1916 u. 1918) über eigene Versuche zur Er- 
nährungsph^^siologie von Polytomella agilis berichtete, wobei er be- 
sonders die Bedeutung von ,, Zucker“ als Nährstoffquelle hervorhob. 
Schon diese Angabe zeigt, daß Poflein über keine Reinkulturen verfügt 
haben kann, denn die genannte Art ist zur Verwertung irgendeines 
Zuckers“ nicht befähigt, so daß angenommen werden muß, daß an- 
wesende Bakterien den ,, Zucker“ in eine von Polytomella assimilierbare 
Form umgewandelt haben. 

Die Ergebnislosigkeit der meisten hier besprochenen, planlos an- 
gestellten Untersuchungen haben 1920 Pringsheim veranlaßt, auf dem 
von Zumstein angegebenen Wege zu einer Reinkultur von Polytoma 
uvella zu gelangen. Dank der von Zumstein angeführten Arbeitsweise 
gelang die Isolierung und Reinzüchtung in einwandfreier Form. 



308 


K. Bernhardt: 


2. Der botanisch-physiologische Zeitabschnitt, 

Die Bedeutung farbloser Flagellaten für die Erweiterung allgemeiner 
ernährungsphysiologischer Kenntnisse stand seit langem fest, syste- 
matische Versuche über die Ernährungsphysiologie heterotropher Flagel- 
laten setzten aber das Vorhandensein absoluter Reinkulturen voraus. 
Als die Reinzüchtung einer Art (Polytoma uvella) Pringsheim 1920 ge- 
lungen war, untersuchte dieser Autor (1921) in eingehender Weise die 
Gewinnungsmöglichkeiten von Ausgangsmaterial, das Ansetzen von 
Anhäufungskulturen sowie weitere Reinzüchtungsmöglichkeiten mittels 
des * JToc Aschen Plattenguß Verfahrens. Die angestellten ernährungs- 
physiologischen Versuche haben vor allem einen wesentlichen Fortschritt 
gebracht, insofern sie nach wiesen, daß nicht Zuckerarten, sondern 
niedere Fettsäuren, namentlich Essigsäure, die günstigsten Kohlenstof f- 
quellen darstellen. Pringsheim untersuchte in ähnlicher Weise auch eine 
Astasia- und eine Chilomonas- Art, konnte aber zu keinem eindeutigen 
Ergebnis gelangen, da ihm die absolute Reinkultur nicht gelang. 

Unter Außerachtlassung bisheriger Ergebnisse w^andte sich Oehler 
(1924) der gleichen Frage zu, versuchte jedoch die Züchtung in der früher 
besprochenen Weise mit Lösungen unklarer oder unbekannter chemischer 
Zusammensetzung und kam dadurch auf Abw^ege. 

Die Bedeutung niederer Fettsäuren für die Kohlenstoffernähning 
heterotropher Flagellaten war im Gegensatz zur bisher angenommenen 
Ernährungsweise mit „Zucker“ eine so gewichtige, daß eine Nachunter- 
suchung dieser Verhältnisse notwendig war, die dann auch von Prings- 
heim und Mainz (1926) im Anschluß an die oben besprochenen Ergebnisse 
des ersteren vorgenommen wurde. Die Abhängigkeit der untersuchten 
Arten von Monocarbon säuren konnte neuerdings bestätigt werden, 
so daß man hier mit Recht von ,, Fettsäure-Organismen“ sprechen 
durfte,. Pringsheim gebrauchte mitunter den noch engeren Ausdruck 
,, Acetat-Flagellaten“, w^elcher gut die Bedeutung der Essigsäure als 
vomehmUchste Kohlenstoff quelle zum Ausdruck bringt. Darüber 
hinaus stellen die beiden Autoren hier erstmalig die Notwendigkeit 
von ,, Wuchsstoffen“ für die Züchtung heterotropher Flagellaten fest, 
welche in den ,, Humusstoffen“ der Erdabkochung wie auch in karameli- 
siertem Zucker gegeben sein sollen. Ihre Anwesenheit ist zur üppigen 
Vermehrung in einer einfach zusammengesetzten Nährlösung notwendig. 
Ein weiterer bemerkenswerter Befund gelang bei der Untersuchung 
verschiedenster organischer Stoffe hinsichtlich ihrer Eignung zur Stärke- 
bildung. Es konnte festgestellt werden, daß ein Stoff, der keine Stärke- 
bildung ermöglicht, auch für die Ernährung unbrauchbar ist. 

Ein bisher noch unbekannter Faktor war die Stickstoffernährung 
heterotropher Flagellaten. Hier setzten die Untersuchungen von Lnvoff 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. 1. 


309 


(1929) ein, der die Bedeutung von Peptonen als Stickstoffquellen in 
Gegenwart niederer Fettsäuren als Kohlenstofflieferanten für Polytoma 
uvella aufzeigen konnte. Nachdem somit einige gesicherte Ergebnisse 
über die Ernährung der heUrotrophen Flagellaten Vorlagen, trat die 
Frage der Mineralstoffernährimg in den Vordergrund. Ltvoff (1937) wies 
auf die Notwendigkeit von Eisen für Polytoma uvella hin. Die biAer 
verwendeten Nährlösungen enthielten von Mineralsalzen nur MgS 04 
und K 2 HPO 4 (bzw. KH 2 PO 4 ), Lvüoff zeigte durch analytische Versuche 
die Lebensnotwendigkeit von Eisen. Hier sei allerdings festgestellt, 
daß die in den vorstehend besprochenen Arbeiten zur Verwendung 
gelangten Nährlösungen zwangsläufig auch Eisen enthalten haben 
müssen, sei es in Form von Verunreinigungen der Nährstoffe oder aus 
denx, Glas der Versuchsgefäße stammend. In einer Zusammenfassung 
gibt dann der gleiche Autor 1931 eine Übersicht über die bisher bekannt- 
gewordenen Tatsachen bezüghch der Kohlenstof fernährung von Poly- 
toma uvella. 

Neben Polytoma uvella stellt Euglena gracilis auch weiterhin eine 
häufig untersuchte Art vor. So hat JDangeard (1921) über eine durch 
S Jahre erfolgte Züchtung im Dunkeln berichtet, womit das Vermögen 
von E. gracilis zur ausschließHch heterotrophen Lebensweise netch- 
gewiesen ist. Einen weiteren Beitrag kann man in einer Mitteilung von 
Mainx (1927) erblicken, der unter anderem die Verwertbarkeit von 
Aminosäuren als Nährstoffe für Eugleninen nach wies. Eine weitere 
Untersuchung des Kohlenstoff- und Stickstoffbedarfs dieser Gruppe 
nahmen Lwoff und Dusi (1929) sowie Dusi (1930a, b, c, d) vor, w^obei 
der Einfluß der Reaktion auf die Vermehrung imd die Auswertbarkeit 
gewisser Stickstoffquellen von chemisch bekannter Zusammensetzung 
im Vordergrund der Betrachtung standen, auch wurde ein Vergleich 
der autotrophen und der heterotrophen Leliensweise vorgenommen. 
Im Anschluß daran erfolgte eine Feststellung über den Stickstoffbedarf 
an einer Reihe weiterer Aminosäuren durch Dusi (1931). 

Wir sehen um das Jahr 1930 eine Fülle von Einzelbefunden auf dem 
Gebiet der Ernährungsphysiologie heterotropher Flagellaten, die teils 
übereinstimmten, teils aber in Gegensatz zueinander standen. Eine 
kritische Sichtung war notwendig geworden, die dann auch Lwoff (1932) 
vomahm. Von den hier zur Untersuchung stehenden Flagellaten wurden 
vornehmlich Polytoma uvella und Euglena gracilis behandelt, wobei 
hinsichtlich der letzteren Art in diesem Rahmen nur diennit Dunkel- 
kulturen erzielten Ergebnisse von Bedeutung sind. Ltooff nahm vor 
allem zur VersuchsansteUung der einzelnen Autoren Stellung und zeigte 
namentlich die Fehlermöglichkeiten der Methodik von Pringsheim auf, 
der seine Versuche nur einmal durchgeführt haben soll. Im Gegensatz 
dazu wies Lwoff darauf hin, daß seine eigenen Ergebnisse immer an 
Archiv für Mikrobiologie. Bd. 18. 22 



310 


K. Reinhardt: 


einer Reihe von Passagen nachgeprüft wurden. BezügUch der Stickstoff- 
emährung stellte Lwoff eine geringe Eignung anorganischer Stickstoff- 
quellen fest, die im Vergleich mit Asparagin nur sehr geringe Vermehrung 
ermöghchen. Auf die Gründe dieses, wie wir heute wissen, nicht richtig 
gedeuteten Verhaltens soll später im Zusammenhang mit der Wirkstoff- 
frage näher eingegangen werden. Auch die Kohlenstoffernährung wurde 
in der genannten Mitteilung kritisch untersucht und schließlich die Be- 
hauptung aufgestellt, daß nur Essigsäure und n-Buttersäure geeig- 
nete Kohlenstoffquellen darstellen. Die Auswertbarkeit einer Kohlen- 
stoffquelle will Lwoff nicht von der Anzahl der C-Atome im Molekül 
abhängig sehen, sondern von der Zahl der CH 2 -Grüppen. Eine wesent- 
liche Feststellung war damit nicht getan 

Die Besonderheiten des ernährungsphyBiologischen Verhaltens 
heterotropher Flagellaten veranlaßte Lwoff, die gesamten Erscheinungen 
einheitlich zusammenzufassen und mit dem Ausdruck ,,Oxytrophie“^ 
zu belegen, ohne allerdings eine genaue Bestimmung dieses neuen 
Begriffes zu geben. Anfänglich bedeutet ,,Oxytrophie*‘ eine Ernährungs- 
form, welche ganz allgemein an das Vorhandensein von Plastiden 
gebunden sein soll, wobei sich Lwoff auf die Befunde von Volkonshy 
(1930a, b) stützt, der feststellen konnte, daß die Reservestoffe der 
Polytoma-ZeWe in Plastiden gebildet werden. Diese Angaben steheti 
allerdings vereinzelt da und wurden in der Folgezeit nicht mehr be- 
stätigt, so daß die Hauptstütze der Zw// sehen Oxytrophietheorie als 
zumindest nicht gesichert bezeichnet werden muß. 

Im Bestreben, die bisher an Polytoma uveUa und Euglena gracüis 
in Dunkelkulturen gewonnenen neuen Erkenntnisse weiter zu stützen, 
hatte schon Pringsheim (1921) Versuche zur Reinzüchtung von Chilo- 
moncts angestellt, die allerdings nicht geglückt waren. Neuerdings 
wandten sich Mast und Pace (1932a, b) dieser Fragestellung zu. Nach 
erfolgter Reinzüchtung glaubten die Autoren feststellen zu können, 
daß sich Chilomonas paramaecium in einer reinen Mineralsalzlösung 
zu vermehren vermag, also ,,zur Synthese von Kohlenhydraten, Fetten 
und Proteinen aus anorganischen Salzeu, CO 2 und H 2 O in Abwesenheit 
von Chlorophyll und Licht befähigt ist“. Es müßte sich demnach um 
einen Pall von Chemoautotrophie handeln, wobei dies eine erstmalige 
Erscheinung bei farblosen FlagellcUen wäre. 

Da die genannten Ergebnisse verschiedentlich angezweifelt wurden, 
wandten sich die gleichen Autoren (1934) nochmals der Emährung von 
Chilomonas paramaecium mit ausschließlich anorganischen Stoffen zu 
und konnten ihre obigen Befunde im wesentlichen bestätigen, treffen 
allerdings jetzt ihre Feststellungen in viel vorsichtigerer Weise. So 
heißt es u. a., daß Gh. paramaecium in der bewußten anorganischen 
Nährlösung „can grow and reproduce for many days“. Die Vermehrung 



Stoff Wechsel heterotropher Flagellaten. 1. 311 

^st hierbei sehr gering, gemessen an den Ergebnissen anderer Autoren 
(siehe zuletzt Ondratachek, 1940 d). Außerdem geben die Verfasser nun 
auch die Möglichkeit zu, daß mit den eingeleiteten Gasen Verunreini- 
gungen verschiedener Stoffe miteingebracht worden sein können, welche 
u. U. als Kohlenstoffquellen auswertbar waren, da diese Gase nicht be- 
sonders gereinigt wurden. 

Die eben genannten Feststellungen wurden von Loefer (1934) einer 
eingehenden Nachprüfung unterzogen, wobei er die Ergebnisse der 
obigen Autoren nicht bestätigen konnte. Chilomonas war nicht imstande, 
seinen Kohlenstoff- und Stickstoff bedarf aus ausschließlich anorgani- 
schen Quellen zu decken, von einer Chemoautotrophie katin also keine 
Rede sein. Diese Angaben werden durch eine Mitteilung von Livoff 
und Dusi (1934) unterstützt. 

Im Anschluß an die oben besprochenen Nachprüfungen der Er- 
gebnisse von Mast und Face (1933a, b, 1934) nahm J^efer (1935a) 
eine neuerliche Untersuchung der Kohlenstoffernährung von Chilo- 
monas unter kritischer Auswertung früherer Arbeiten vor, von welchen 
er feststellen mußte, daß sie häufig nicht mit absoluten Reinkulturen 
durchgeführt worden waren. Loefer richtete sein Hauptaugenmerk 
auf die Verwertbarkeit von Kohlenhydraten und glaubte feststellen 
zu können, daß eine gewisse Anzahl von ihnen, wie Arabin ose, Dex- 
trose u. a. m. von Chilomonas assimiliert w^erden können. Loefer 
scheint hier den Fehler, den er anderen Autoren vorwirft, selbst be- 
gangen zu haben, nämlich nicht mit Reinkulturen gearbeitet zu haben. 
Kohlenhydrate können von heierotrophen Flagellaten nicht abgebaut 
werden, eine Assimilation kann allenfalls nach vorangegangener Spal- 
tung durch Bakterien erfolgen. Auch den niederen Fettsäuren 
schenkte Loe/er eine gewdsse Beachtung und fand namentlich Essig- 
säure und n-Buttersäure für Chilomonas sehr geeignet. In Fort- 
setzung dieser Arbeiten untersuchte Loefer (1935 b) auch das Stickstoff- 
bedürfnis dieses Organismus. Er zeigte auf, daß gewisse Peptone die 
besten Stickstoffquellen darstellen, während Aminosäuren nur geringe 
Vermehrung ermöglichen und Amide überhaupt nicht auswertbar sind. 
Im Anschluß daran wurde (1935 c) der Einfluß der Reaktion auf die 
Vermehrung von Chilomonas untersucht und der Lebensbereich, sowie 
das optimale pn festgestellt. 

Die bisher besprochenen Arbeiten hatten ein ziemUch vollständiges 
Bild von der Ernährung sowne von den sonstigen Lebensbedingungen 
von Chilomonas paramaecium gegeben. Uber die erforderlichen Kohlen- 
stoff- und Stickstoffquellen herrscht ziemliche Klarheit, weniger jedoch 
über den Mineralstoffwechsel dieses Organismus. Mast und Pace (1935) 
begannen mit der Untersuchung eines, wie ihnen schien, besonders 
wichtigen anorganischen Nährstoffs, des Schwefels. Sie fanden Na 2 l|. 

22 * 



312 


K. Reinhardt : 


Na2S208, Na2S03, Na2S04, Cystein und Glutathion in reduzierter 
wie oxydierter Form als Schwefelquellen geeignet, wobei die optimale 
Konzentration sehr verschieden war. Sie betrug z. B. für Na2S rund 
15,6 mg S, für Na2S04 1,28 mg S und für Glutathion in reduzierter 
Form 0,81 mg S, jeweils für 100 ccm Nährlösung. In Abwesenheit von 
Schwefel ging das Wachstum und die Teilung weiter, ebenso wurde 
Stärke und Fett gebildet, für diese Prozesse war also Schwefel nicht not- 
wendig. War umgekehrt Schwefel in optimaler Konzentration vor- 
handen und Acetat fehlte, dann wurde Stärke und Fett abgebaut und 
das Wachstum setzte aus, die Flagellaten blieben aber beweglich und 
teilten sich weiter. Ein, wie mir scheint, wesentlicher Befund für das 
Verständnis der Degenerationserscheinungen liegt in der Feststellung, 
daß das in ChilomMaa-Zelien häu/ig auftretende ölige Fett aus Stärke 
gebildet wird. 

Ein für die Emährungsphysiologie heterotropher Flagellaten wesent- 
licher Faktor, dessen Bedeutung anfänglich übersehen wurde, der 
aber in der Folgezeit immer größere Beachtung fand, war die Reaktion 
der Versuchslösung. Wie bereits eingangs erwähnt, hat schon Zumstein 
1900 auf die Bedeutung der Reaktion aufmerksam gemacht, mangels 
geeigneter Bestimmungsmethoden konnte aber eine nähere Unter- 
suchung durch lange Zeit nicht erfolgen. 

Pringsheim (1934) untersuchte mit neuen Methoden die Beziehungen 
zwischen der Lebensfähigkeit einiger heterotropher Flagellaten und dem 
Ph der Kulturlösung. Durch verschiedene Mischungen von n/lONHs 
und n/lOCHsCOOH stellte er unterschiedliche Reaktionsbereiche 
her und untersuchte nun, innerhalb welcher Grenzen sich bestimmte 
Arten am üppigsten vermehrten. Er zeigte auf, daß Polytoma uvella 
zwischen pn 7,1 und 8,5 am besten zu gedeihen vermag, für Polytomella 
caeca wurde ein Optimum zwischen pn 5,3 und 6,5 angegeben, Chilo- 
monas paramaecium vermehrte sich üppig zwischen pn 5,7 und 6,7. 
Der Autor betont die Spezifität seiner Angaben und wies nachdrücklich 
darauf hin, daß Angaben über den optimalen pn-Bereich eines Organis- 
mus nur immer für eine bestimmt zusammengesetzte Lösung gemacht 
werden können. Wie bereits Jahn (1932) nachgewiesen hatte, muß aber 
auch der Temperaturfaktor berücksichtigt werden, da mit wechselnder 
Temperatur auch Verschiebungen des pn-Optimums eintreten können. 

Einer weiteren, für die Versuchsanstellung bedeutsamen Frage 
schenkte (1936a, b) Beachtung. Er untersuchte (Jen Einfluß 

verschiedener Nährstoffkonzentrationen auf die Entwicklung von 
Polytoma, ebenso zeigte er die Bedeutung der Sauerstofftension für 
die Vermehrung dieser Art auf, wobei er seine Ergebnisse in Form von 
Vermehrungskurven festlegte. Wenn seine Ergebnisse auch keine 
wesentlichen Neuerungen gebracht haben, besteht ein Verdienst der 



Stoffwechsel heterotrophet Flagellaften. I. 


313 


Üntersuohungen doch darin, daß die Vermehrung mit quantitativen 
Methoden untersucht wurde. 

Wie wir aus den bisher besprochenen Arbeiten ersehen, war die 
Frage, ob heterotrophe Flagellaten zur Assimilation von Kohlenhydraten 
befähigt sind, noch immer nicht zur völligen Zufriedenheit geklärt. 
In jüngster Zeit hat sich Loefer (1938) nochmals dieser Frage zugewendet 
und bestimmte u. a. den Dextroseabbau durch ChiUmmias para^naecium. 
Seine Untersuchungen nahmen auf die neuere Literatur überhaupt 
keinen Bezug, sie erscheinen zumindest zweifelhaft, nachdem sämtliche 
Autoren bisher die Unmöglichkeit einer Ausnutzung von Kohlenhydraten 
durch die hier zur Behandlung stehenden Flagellaten nachgewiesen 
haben . Im Gegensatz dazu sind jedoch die bereits früher veröffentlichten 
Ergebnisse von Loefer und Hall (1936 a, b) über die Eignung von 
Alkohol zur Züchtung bestimmter Flagellaten sowie über den Stickstoff- 
bedarf der gleichen Arten in jeder Weise stichhaltig. 

Die bisher besprochenen Arbeiten haben zahlreiche neue, teils 
durch Nachprüfung gesicherte, teils stark bestrittene Einzelergebnisse 
gezeitigt. Lwoff und sein Mitarbeiter Dusi sahen sich daher in der Folge- 
zeit genötigt, die meisten der bisherigen Arbeiten nachzuprüfen, was 
in einer Reihe nachstehend kurz zu besprechender Arbeiten geschah. 
1934 untersuchten sie die Ernährung einiger heterotropher Flagellaten 
insbesondere in bezug auf die Auswertbarkeit niederer Fettsäuren. 
Nach ihren Ergebnissen ist Polytoma uvella imstande, neben Essigsäure 
auch Propion-, n-Butter- und n-Valeriansäure zu assimilieren. Hervor- 
gehoben wird die Eignung von löslicher Stärke als Kohlenstoffquelle, 
das gleiche Verhalten wird auch für Euglena gra^cilis in Dunkelkulturen 
angegeben. Im Anschluß daran untersuchte Lwoff (1935 a) in gleicher 
Weise die Kohlenstoff- und Stickstoffernährung von Polytomelia, 
Mit 0,4 % Pepton erhielt er in Anwesenheit von Acetat sehr üppige 
Vermehrung, während diese mit Asparagin als Stickstoffquelle nur gering 
war. Lwoff meint also, daß Asparagin keine geeignete Stickstoffquelle 
für Polytomella darstelle. 

Nach Lwoff sah sich auch Pringsheim (1035) zu einer kurzen Zu- 
sammenfassung seiner bisherigen Ergebnisse veranlaßt, wobei er im 
wesentlichen darauf hinwies, daß die von ihm untersuchten Flagellaten 
mit Recht die Bezeichnung ,,Acetat-Flagellaten‘‘ verdienen, da sie sich 
durchweg mit Essigsäure als Kohlenstoff quelle vermehren können. 

Nachdem so eine gewisse Sichtung der bisherigen Befunde erfolgt 
war, konnten Lwoff und Duai darangehen, diese Ergebnisse auch 
theoretisch auszuwerten. Nachdem bereits 1934 neuerdings die Oxy- 
trophietheorie zur Diskussion gestellt worden war, wobei die Autoren 
Oxytrophie als die Fähigkeit chlorophyllfreier, plastidenführender 
Mikroorganismen zur Assimilation niederer Fettsäuren definiert^j», 



314 


K. Reinhardt: 


besprach I^ooff (1935b) in etwas sprunghafter Weise neuerdings seine 
Oxytrophielehre. Er versteht nun unter Oxytrophie „physiologische 
Bedingungen, unter welchen organische Kohlenstoffquellen neben 
organischen Stickstoffquellen unentbehrlich sind''. Die Oxytrophen 
sind also Organismen, welche neben einer organischen G- noch eine 
organische N- Quelle benötigen. Es handelt sich demnach um einfache 
C- und N-Heterotrophie. Aus welchen Gründen diese bekannte er- 
nährungsphysiologische Erscheinung mit einem besonderen Ausdruck 
gekennzeichnet wurde, bleibt unverständlich, zumal die neue Begriffs- 
bestimmung durchaus nicht fest blieb, sondern von ihrem Schöpfer 
selbst wiederholt verändert wurde und darüber hinaus keinerlei Er- 
weiterung unserer Kenntnisse zur Folge hatte. 

In der gleichen Mitteilung wird auch die Rolle der Essigsäure im 
Stoffwechsel erörtert und die Hypothese auf gestellt, Essigsäure sei 
nicht nur für farblose Organismen von maßgebender Bedeutung, 
sondern spiele darüber hinaus auch im Assimilationsprozeß grüner 
Pflanzen eine wesentliche Rolle, eine Behauptung, die durch keinerlei 
experimentelle Befunde unterbaut wird. 

Verfolgen wir die gleiche Arbeit »weiter, so treffen wir neuerdings 
auf eine neue Fassung des Oxytrophiebegriffes. Er bedeutet diesmal 
,,die Fähigkeit zur Synthese von Reservestoffen durch Plastiden in 
Abwesenheit von Chlorophyll". Für die meisten heterotrophenFlagellaien 
ist jedoch das Vorhandensein von Plastiden nicht erwiesen, ferner ist 
darauf hinzuweisen, daß sich auch cJdorophyUfiUirende Flagellaten bei 
Züchtung im Dunkeln genau so verhalten wie Lwoffa „echte Oxytrophe" 
Wiederum kann festgestellt werden, daß die Neueinführung des unklar 
definierten Oxytrophiebegriffs in keiner Hinsicht die Forschung günstig 
beeinflußt hat. 

Während sich die ernährungsphysiologischen Untersuchungen 
bisher auf eine kleine Anzahl von Arten beschränkt haben, sind von 
nun ab Bestrebimgen bemerkbar, welche eine Erweiterung unserer 
Kenntnisse durch das Studium neuer Arten suchen. So haben Lwoff 
und Provasoli (1935) eine neue Polytoma, P. cäudatum var. a^tigmatum 
eingehend untersucht und mit P, uvdla verglichen. Im Anschluß daran 
stellte Lwoff und Dusi (1936) Versuche über die Ernährung einer farb- 
losen Euglenine, Aataaia ChaUoni an. Ihre Ergebnisse werden später 
näher zu besprechen sein. 

Die verschiedenen Unstimmigkeiten zwischen den Ergebnissen von 
PringsheifH und Lwoff haben schließlich Provasoli (1937 a) veranlaßt, 
eine Neubearbeitung der ganzen Fragengruppe vorzunehmen. Ein 
wesentlicher methodischer Fortschritt dieser Arbeit ist insofern gegeben, 
als Provasoli nicht in der bisher üblichen Weise von allen Nährstoffen 
gleiche Konzentrationen bot, sondern eine, die chemische Struktur 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. 1. 


315 


berücksichtigende Konzentrationsanpassung einführte. £r zeigte, daß 
bei den höheren Gliedern der aliphatischen Reihe der Monocarbonsäuren 
eine Konzentration von 0,2 %, wie sie bisher üblich war, bereits toxisch 
wirkt. Für jede einzelne Verbindung wurde die geeignete Konzentration 
experimentell festgestellt, welche in vielen Fällen Vermehrung ermög- 
lichte, wiewohl dies von Pringshßim z. B. bestritten worden war. 
Wie später gezeigt werden soll, war auch damit der Kern des Problems 
noch nicht erkannt, aber seine Ergebnisse haben den Weg für die weiteren 
Untersuchungen gezeigt. 

Ein weiteres Problem, welches sich in der Folgezeit als überaus 
bedeutsam erweisen sollte, hat Pringsheim wiederholt angeschnitten 
(1935, 1936a, b, 1937a, b, c, d): Die Frage nach der Notwendigkeit ge- 
wisser ,, Wuchsstoffe“ wie Erdabkochung oder Glucosekaramel für die 
Vermehrung heterotropher Flagellaten. Lwoff und Lederer (1935) 
beschäftigten sich mit der gleichen Frage und erhielten im Grund ein 
ähnliches Ergebnis wie Pririgsheim, konnten also Polytoma, PolytomeUa 
und Chilomonas bei Anwesenheit von Erdabkochung mit Ammonacetat 
als alleinige Kohlenstoff- und Stickstoffquelle züchten, zogen aber aus 
diesen Befunden eine andere Schlußfolgerung wie Pringsheim, Da sie 
nämlich in ihren Versuchen auch mit Acetat und Erdabkochung allein, 
also ohne besondere Stickstoffquelle, eine gewisse, wenn auch geringe 
Vermehrung erzielt hatten, behaupteten sie, die Erdabkochung stelle 
lediglich eine etwas unklar zusammengesetzte Stickstoffquelle dar; 
unberücksichtigt blieb die Tatsache, daß in ihren eigenen Versuchen 
bei Zusatz einer weiteren Stickstoffquelle, z. B. Asparagin, eine weitaus 
üppigere Vermehrung eintrat. Aus ihren eigenen Angaben ist somit 
zu ersehen, daß Erdabkochung nur eine sehr gering auswertbare Stick- 
stoffquelle für die genannten FlageUaten darstellt. Der Deutungs- 
versuch der Ergebnisse Pringsheims ist somit nicht gelungen, die beiden 
Autoren haben überdies einen wesentlichen Punkt nicht beachtet: 
Pringsheim züchtet seine Flagellaten nicht etwa in einer Lösung von 
Erdabkochung plus Nährstoffen, er setzt vielmehr nur 1 Vol.-% Erd- 
abkochung (1:5 verdünnt) der Grundlösung bei. Die gegebenenfalls 
noch vorhandene Stickstoff menge muß durch diese doppelte Ver- 
dünnung so gering sein, daß sie das immerhin beträchtliche Bedürfnis 
heterotropher FlageUaten nach Stickstoff auf keinen Pall stillen kann. 
Nach wie vor ist die Tatsache gegeben, daß gewisse Stoffe, die nicht 
Nährstoff Charakter tragen, für die genannten Flagellaten notwendig sind. 

Unter Berücksichtigung der oben erwähnten günstigen Ergebnisse 
mit ,, Wuchsstoffen“ hat Pringsheim (1937 a, b, c, d) die Ernährungs- 
weise einiger heterotropher FlageUaten neuerdings mit geänderter Frage- 
stellung untersucht. Zum Unterschied von den Arbeiten der Lwof flohen 
Schule, welche durchweg in Form von kaum 2 Druckseiten umfassenden 



316 


K. Eeinbardt: 


vorläufigen Mitteilungen erschienen sind und meist keine Angaben über 
die Art der Versuchsdurchführung enthalten, gibt Pringsheim hier 
nähere Einzelheiten über die Art der Versuchsanstellung wie auch über 
den Verlauf der Versuche. 

In der ersten Mitteilung dieser Arbeitenreihe (1937 a) verglich 
Pringsheim die Emährungsphysiologie von Chlorogoninm und Hyalo- 
gonium, also einer gefärbten Art und ihrer farblosen Nebenform. Be- 
züglich der Kohlenstoffernährung stimmen beide Arten miteinander 
überein, was jedoch die Stickstoffversorgung betrifft, erwies sich Hyalo- 
gonium als bedeutend anspruchsvoller. Besonders auffallend ist auch 
der relativ hohe Bedarf der letzten Art an Calcium. Da der einzige 
bisher reingezüchtete Hyalogonium-^iAmm. verloren ging, war es im 
Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich, auf diese sonst bedeu- 
tungsvolle Art einzugehen. Alle Versuche, Hyalogonium wiederzufinden, 
scheiterten. 

In der zweiten Mitteilung (1937 b) konnte Pringsheim die bisherigen 
Kenntnisse über die Ernährung von Polytoma und PolytomeUa erweitern 
und festigen. 

Eine weitere Mitteilung des gleichen Autors (1937 c) beschäftigt 
sich mit^em Theoriengebäude der Ltvoff sehen Schule, wobei aufgezeigt 
werden konnte, wie völlig haltlos die Behauptungen Lux>ffs sind und 
wie wenig sie überhaupt durch experimentelle Befunde gestützt werden. 
Abschließend gab Pringsheim (1937d) eine Übersicht über seine bis- 
herigen Ergebnisse in Tabellenform, wobei besonders das verschieden- 
artige Verhalten unterschiedlicher Stämme der gleichen Art beachtens- 
wert ist, ein Befund, der für farblose Flagellaten erstmalig aufgezeigt 
wurde. 

Die eben besprochenen Angaben von Pringsheim über ein ver- 
schiedenartiges Verhalten von Stämmen der gleichen Art, welche sich 
nur durch die Herkunft unterscheiden und ebenso die Außerachtlassung 
der engen Beziehungen zwischen der optimalen Konzentration einer 
Kohlenstoffquelle und ihrem strukturellen Bau veranlagten Provasoli 
zu einer Nachprüfung der Pringsheimschen Ergebnisse. In einigen 
Mitteilungen (1937 b, 1938a, b) konnte Provcbsoli an Hand von Original- 
stämmen nachweisen, daß die Befunde von Pringsheim nicht stich- 
haltig sind. Bei genauer Beachtung der Versuchsbedingungen verhielten 
sich verschiedene Stämme der gleichen Art völlig gleichsinnig. Durch 
die Herabsetzung der Konzentration der Kohlenstoffquellen konnte 
Provasoli eine ganze Reihe von Stoffen, deren Assimilierbarkeit Prings- 
heim bestritten hatte, für eine Anzahl heterotropher Flagellaten als aus- 
wertbar nachweisen. 

Nachdem Lwoff (1938) die Ergebnisse seiner Schule in einer ein- 
gehenden Mitteilung zusammengefaßt hatte, zeigte schließlich Provasoli 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. 1. 


317 


(1938 o) auf Grund eigener Untersuchungen in einer umfangreichen und 
sehr gründlichen Zusammenstellung den damaligen Stand der Kenntnisse 
über die Kohlenstoffernährung unserer Flagellatengruppe auf. 

3. Die Zeit der physiologisch-chemiachen Untersuchungen. 

Wie bereits aus verschiedenen der besprochenen Arbeiten hervor- 
geht, war die Züchtung heterotropher Flagellaten bisher nur mit komplexen 
Stickstoffquellen neben der üblichen Kohlenstoff quelle, also mit Peptonen 
oder anderen ,, Eiweißabbaustoffen“ möglich, oder aber mit Amino- 
säuren, vereinzelt auch mit Ammonstickstoff, bei Zugabe von ,, Wuchs- 
stoffen“ wie Erdabkochung, Hefeextrakt, Harn, Karamel oder ähnlichen 
Stoffen zur Nährlösung möglich. 

Während Ltuoff die Erscheinung, daß ein Pepton einer Aminosäure 
als Stickstof fquejle überlegen ist, so zu deuten versucht, daß die kom- 
plexe Zusammensetzung des Peptons eine bessere Auswertbarkeit 
ermögliche, wies Pringsheim wiederholt auf den Wuchsstof fgehalt von 
Peptonen hin, ohne diesen aber ex j:ierim enteil gesondert nachzu weisen . 
Es blieb somit nach wie vor unbekannt, ob ein bestimmtes Pepton 
zufolge seines Aufbaues oder wegen eines allfälligen Wuchsstoffgehalts 
anderen Stickstoffquellen überlegen ist. Immerhin gaben diese Ver- 
hältnisse eine Anregung, um die Bedeutung von Wirkstoffen nun auch 
für heterotrophe Flagellaten zu untersuchen. 

Auf anderen Gebieten der Mikrobiologie war man bereits näher über 
diese Frage unterrichtet, so gelang es Nielsen und HarteliUs (1930) aus 
Kulturen von Rhizopus suinus und Absidia ramosa einen Stoff — Rhi- 
zopin — zu isolieren, der verniehrungsanregend auf Aspergillus niger 
wirkt. Er besteht, wie 'weitere Untersuchungen gezeigt haben, aus einem 
ätherlöslichen Anteil A, der auf die A^?€wa.-Koleoptile wirkt und einem 
Wuchsstoff B, der wasserlöslich ist und die Vermehrung von Aspergillus 
niger fördert. Wie die gleichen Autoren (1932) weiter zeigen konnten, 
läßt sich dieser B-Wuchsstoff auch auf chemischem Wege durch Er- 
hitzen von Zucker mit organischen Säuren oder deren Ammonium - 
salzen herstellen. 

Einen weiteren, seiner chemischen Zusammensetzung nach genau 
bekannten Wirkstoff konnte Schöpfer (1934) für Phycomyces aufzeigen, 
indem er die Bedeutung von Aneurin (Vitamin Bj) als Wachstumsfaktor 
für diesen Organismus nach wies. 

Auch auf dem Gebiete der eigentlichen Bakteriologie konnten neue 
Befunde festgestellt werden, es sei als Beispiel nur auf Knight (1935) 
verwiesen, der die Notwendigkeit von Aneurin neben Nikotinsäure 
und Bios für Staphylococcus aureus nachgewiesen hat. 

Das Wirkstoffbedürfnis heterotropher Flagellaten fand, wie ber^ts 
erläutert, verhältnismäßig spät Beachtung. Als erster wandten sich 



318 


K. Reinhardt: 


Lwoff und seine Mitarbeiter, nachdem sie das Wirkstoffbedürfnis ver- 
schiedener anderer Mikroorganismen wie HaemophÜMs influenzae 
(1937 a), H, Ducreyi (1937 b) und von Trypanosomiden (1937 c) imtersucht 
hatten, den hier zur Behandlung stehenden Flageüaten zu. Zunächst 
erfolgte durch Lwoff und Dusi (1937a) die Untersuchung der Notwendig- 
keit von Wachstumsfaktoren für Poly0meUa caeca- Dieser Flagellat 
war bisher bakterienfrei nur in Gegenwart komplexer organischer 
Substanzen wie Pepton Vaillant oder in synthetischer Nährlösung mit 
Erdabkochung gezüchtet worden, deren „Wuchsstoffwirkung^* Pringa- 
heim (1935, 1936a) wie erwähnt auf den Gehalt an Humusstoffen 
zurückführte. Wie bereits oben besprochen, haben Lwoff und Lederer 
(1935) dagegen Bedenken erhoben, ohne aber eine andere annehmbare 
Erklärung geben zu können. In der Erkenntnis, daß mit Erdabkochung 
und ähnlichen Stoffen keine Erweiterung unserer Kenntnisse und eine 
Lösung des Problems zu erzielen sein wird, versuchten Lwoff und Duäi 
(1937 b) für Polytomella einen definierten Wachstumsfaktor zu finden. 
Sie griffen auf die Ergebnisse von Schöpfer (1935/38) und Knight (1937) 
zurück und versuchten Polytomella caeca in einer Nährlösung zu züchten, 
welche neben den notwendigen Mineralsalzen nur Natriumacetat und 
Asparagin enthielt. Durch einen Aneurinzusatz gelang es, die anfäng- 
liche Individuendichte von 14 Zellen im cmm auf 700 zu steigern. Die 
Verfasser geben zwar an, daß Aneurin noch in einer Verdünnung von 
10“®% ,,wirksam‘‘ sei, unterlassen aber die Angabe der optimalen 
Konzentration. Mit Ammonacetat als Kohlenstoff- und Stickstof fquelle 
konnte Polytomella nicht ihr Auslangen finden. Im weiteren wurde 
dann auch die Wirkung der beiden Bausteine des Aneurinmoleküls 
untersucht und festgestellt, daß Polytomella caeca auch mit Thiazol 
4- Pyrimidin zu gedeihen vermag, so daß sie zur Synthese des Aneurin - 
moleküls aus diesen beiden Bestandteilen befähigt sein muß. 

In einer weiteren Arbeit untersuchten Lwoff und Dusi (1937 b) das 
Wirkstoffbedürfnis von Polytoma caudatum und Chilomonas paramaecium . 
Lwoff und Provasoli (1935) hatten bereits die Vermutung ausgesprochen, 
daß im Pepton ein Stoff enthalten sein muß, bei dessen Fehlen eine 
optimale Vermehrung nicht zu erzielen ist, Pringsheim war, wie wir 
bereits gesehen haben, zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt. In der 
letztgenannten Mitteilung wurde nnun dieser Stoff gesucht und dabei 
aufgezeigt, daß Polytoma caudatum in einer Nährlösung, die neben den 
notwendigen Mineralsalzen noch Natriumacetat und Asparagin enthält, 
durch Zusatz von Aneurin zu üppiger Vermehrung angeregt wird. 
Pjmmidin allein ist unwirksam, Thiazol allein wirkt hingegen in gleichem 
Maße wie Aneurin. Ob allerdings die vermehnmgsbeeinflussende 
Substanz im Pepton Vaillant mit diesen Stoffen in Beziehung steht, 
konnte nicht entschieden werden. Ähnliche Verhältnisse gelten auch 



Stoffweoluiel heterotropber Hagellaten. 1. 


319 


für Chilomonas pmamaecium. Bei Verwendung von Asparagin als 
Stiokstoffquelle bewirkt Aneurin reichliche Vermehrung, es ist in seiner 
Wirkimg durch Thiazol, nicht aber durch Pyrimidin zu ersetzen. 

In einer dritten Mitteilung haben LAJtx)ff und Duai (1937 c) die 
Bedeutung von Aneurin bzw. Thiazol als Wachstumsfaktor für Pölytoma 
oceltatum untersucht. Auch hier wiederum ermöglicht der Zusatz der 
genannten Wirkstoffe zu einer Nährlösung mit Asparagin und Acetai 
üppige Vermehrung. Die beiden Autoren ergänzen dann ihre Ergebnisse 
durch einige weitere Befunde und stellen zusammenfassend lest : Poly- 
tomeUa ca,eca benötigt Thiazol und Pyrimidin, ChilamonM paramaecium, 
Polytoma caudatum und P, oeeUatum finden ihr Auslangen mit Thiazol, 
während P. obtusum und P, uveUa bei Züchtung in einer Nährlösung mit 
Asparagin als Stickstoff quelle ohne Wachstumsfaktor zu gedeihen ver- 
mögen. Für Eugleha gracilis, welche durch 9 Jahre im Dunkeln in 
einer Lösung mit Pepton und Acetat gezüchtet worden war, ist die Be- 
deutung von Aneurin bei Züchtung mit Asparagin nicht so leicht zu 
erkennen. Erst im Laufe längerer Kulturversuche erwies sich eine 
Überlegenheit der aneurinhaltigen Kulturen. Es konnte also auf gezeigt 
werden, daß Aneurin auch für die Gruppe der heterotrophen Flagellaten 
eine gewisse ernährungsphysiologische Bedeutung besitzt. 

Die zuletzt besprochenen Versuche stießen verschiedentUch auf 
Widerspruch, selbst Lwofl und Dusi scheinen Bedenken über ihre 
früheren Feststellungen gekommen zu sein, denn sie untersuchten (1938) 
nochmals in vergleichender Weise die Züchtungsmöglichkeit hetero- 
tropher Flagellaten in synthetischer Nährlösung. Da ihre früheren 
Versuche durchweg mit einem Asparaginpräparat durchgeführt worden 
waren, welches einen Gehalt von Wirkstoffen nicht ausschloß, versuchten 
die beiden Autoren die gleichen Untersuchungen mit einem Ammonium- 
salz als Stickstoffquelle zu wiederholen. Zunächst scheiterten aUe 
Versuche. Erst als der Nährlösung nach der Sterilisierung CaCl2 
Fe-Citrat zugesetzt wurde, gelang es zunächst Polytoma obtuaum und 
P. uveUa zur Vermehrimg zu bringen. Die Verfasser glaubten damit 
einige Feststellungen von Pringaheim widerlegt zu haben, weil dieser 
das Eisen bereits vor der Sterilisation zur Nährlösung zugesetzt hatte, 
leider unterlassen sie die Angabe, auf welche Weise in ihren Versuchen 
das Eisen und Calcium keimfrei gemacht wurde. Die Verfasser stellten 
zusätzlich fest, daß in ihrem Fall Watte als Wuchstoffquelle nicht in 
Betracht käme. Wurde in weiteren Versuchen zu einer synthetischen 
Lösung mit Ammonacetat als Kohlenstoff- und Stickstoffquelle noch 
Thiazol zugesetzt, dann genügte sie auch den Ansprüchen von Polytoma 
caudalnm und P. oceüatum. Ein Zusatz voil P^midin und Thiazol 
ermöglichte schließlich auch PolytomMa caeca und Ohilomonaa 



320 


K. Reinhardt: 


maecium die Vermehrung. Während in einer vorangegangenen Mit- 
teilung (1937 b) hervorgehoben wurde, daß ChilonKmaa mit Thiazol 
allein sein Auslangen findet, benötigt nun der gleiche Organismus 
daneben noch Pyrimidin. 

Ausgehend von experimentellen Untersuchungen über den Einfluß 
von Wirkstoffen auf die Vermehrung mixotropher Algen (1940a) 
wandte sich Ondratschek in einer Keihe näher zu besprechender Mit- 
teilungen der Frage des Wirkstoffbedarfs heterotropher Flagellaten zu. 
Für mixotpophe Formen konnte bereits (1940b) aufgezeigt werden, daß 
der Verlauf der Ertragskurven innerhalb gewisser Grenzen nur von der 
Menge des zur Verfügung stehenden Wirkstoffs bestimmt wird, falls 
die notwendigen Nährstoffe in optimaler Konzentration vorhanden 
sind. Das Vitaminbedürfnis konnte schließlich (1940c) als Folge eines 
Verlustes des Synthesevermögens wahrscheinlich gemacht werden. 
Auf Grund der an Mixotrophen gemachten Erfahrungen konnte an eine 
Untersuchung des Wirkstof fbedürfnisses heterotropher Arten geschritten 
werden. Zunächst (1940d) konnte aufgezeigt werden, daß Aneurin 
bzw. seine Bausteine Thiazol und Pyrimidin für Chilomonas paramaecium 
nicht nur eine vermehrungsfördernde Substanz, sondern einen Wachs- 
tumsfaktor darstellen. Weitere Untersuchungen (1941a) zeigten die 
Rolle des Aneurins als Wachstumsfaktor für vier weitere Chilomonaden 
und drei Pölyblepharidineen auf. In Fortsetzung dieser Arbeiten wurde 
(1941b) dann auch das Wirkstoffbedürfnis von insgesamt 14 Polytomeen 
und (1941 c) von 3 Astasiaceen und 3 Euglenaceen geklärt. Es sind somit 
28 heterotröphe Flagellaten untersucht worden, deren Abhängigkeit von 
Aneurin bewiesen werden konnte. Im Laufe dieser Arbeiten hatte sich 
gezeigt, daß neben Aneurin mitunter andere Wirkstoffe (Pseudowachs- 
tumsfaktoren, Spurenelemente) lebensnotwendig sein können, ein Be- 
fund, der zur näheren Untersuchung des Mineralstoffbedürfnisses hetero- 
tropher Flagellaten (1941 e) Veranlassung gab. 

Die eben besprochenen Ergebnisse ließen die bisherigen Befunde 
über die Ernährungsweise heterotropher Flagellaten in neuem Licht 
erscheinen. Manche Unklarheiten und Gegensätze können aus der* 
Unkenntnis der Bedeutung von Wirkstoffen für die C- und N- Assimilation 
erklärt werden, darüber hinaus aber erscheinen auch die bisher als ge- 
sichert angenommenen Tatsachen als fraglich, da der Einfluß von Wirk- 
stoffen, welche ii. U. als Verunreinigungen oder Beimengungen vorhanden 
sein konnten, auf das einzelne Versuchsergebnis nicht abzuschätzen 
ist. Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, die wesentlichsten bisherigen 
Befunde unter den neuen Gesichtspunkten nachzuprüfen, eine Aufgabe, 
der die vorliegenden Untersuchungen im Rahmen des Möglichen nach- 
zukommen versuchen. 



StoffwechBel heterotropher Flagellaten. I. 


321 


Die Bedeutung der Yersuehsanstellung. 

Die im vorangegangenen Abschnitt erörterten Versuchsergebnisse 
der einzelnen. Autoren wurden naturgemäß mittels verschiedenartiger 
Versuchsanstellung und -durchführung erzielt, eine vergleichende Be- 
sprechung der wichtigsten Arbeitsweisen läßt sich auch hier nicht um- 
gehen, da manche abweichenden Ergebnisse auf die angewendete 
Arbeitsweise zurückgeführt werden können. Nachstehend sollen einzelne 
Arbeitsverfahren, nach methodischen Gesichtspunkten geordnet, näher 
besprochen und miteinander verglichen werden. 

i. Das lebende Material. 

Die Heranzüchtung der Organismen geschah bei allen Autoren, 
die sich mit dem vorliegenden Pragengebiet beschäftigt hatten, in 
ähnlicher Weise durch Anlegen von Rohkulturen. Die einzelnen Forscher 
gingen dabei wohl verschiedene Wege, im Grunde kam es aber immer 
darauf an, in gärenden, nährstoffreichen Flüssigkeiten, sogenannten 
,, Faulkulturen“, einige wenige, mit anderem Material vom Standort 
eingebrach ten Flagellatenzellen zur Vermehrung zu bringen. Die 
abbaufähige Substanz war mitunter eiweißartiger Natur (Käsereste, 
Peptone) oder ein Kohlenhydrat (verschiedene Stärkesorten, Dextrin, 
Inulin). Durch Beigabe von Erde wurde für Anwesenheit von Bakterien 
gesorgt, durch deren Stoffwechseltätigkeit die anfänglich inr ’ Flagellaten 
nicht verwertbaren Kohlenstoff- und Stickstof fquellen in für sie assi- 
milierbare Stoffe umgewandelt wurden. 

In einer mit Fibrin angelegten Faulflüssigkeit konnte Jacobsen (1910) nach 
Beimpfung mit Schlamm oder Erde Anhäufungskulturen etlicher Flagellaten 
erzielen. Bei Lichtkulturen überwogen grüne Formen, ^^mrden die Versuche im 
Dunkeln aufgestellt, so häuften sich besonders farblose Arten an. Buder (1914) 
hat diese Methode übernommen, er ersetzte das Fibrin durch einige andere Stoffe, 
wobei sich getrocknetes Eiweiß besonders bewährt hat. Pringsheim (19€1) zeigte 
dann, daß^ebenso gut G^elatine und noch besser Casein zu verwenden ist. Er hat 
dann die Methodik der Faulkulturen noch besonders ausgebaut und (1936 a) ein- 
gehend geschildert. Er verwendet als Nährstoff Käse, Erbsen oder Getreidekömer 
und überschichtet mit Erde oder Torf, womit gleichzeitig die Möglichkeit einer 
gewissen Beeinflussung der Reaktion gegeben ist. ln eiweißhaltigen Faul- 
fltissigkeiten nimmt die Reaktion infolge der NH 3 - Abspaltung ständig nach der 
alkalischen Seite hin zu, bei Verwendung stärkehaltiger Ausgangsmaterialien 
werden durch die entstehenden Säuren Verschiebungen nach der sauren Seite 
hin beobachtet. Außerdem ist die Reaktion der mit Erde angesetzten Versuche 
stets alkalischer als jene der mit Torf beschickten. 

Mittels dieser Arbeitsweise wurden auch die in den später zu behandelnden 
eigenen Versuchen verwendeten Flagellaten-StSimme angehäuft und in Roh- 
kultur genommen. 

Je nach den zufällig in der Faulkultur herrschenden Bedingungen gewinnt 
die eine oder andere Flagellaten-Art die Vorherrschaft und erfüllt in Kürze die 



322 


K. Reinhardt : 


Faulflüssigkeit. In günstigen Fällen herrschen nur 2 bis 3 Arten vor, mitunter 
setzt sich das ganze Individuengemisch aus Angehörigen einer Art zusammen. 
Zu diesem Zeitpunkt üppigster Vermehrung kann an die Reinzüchtung gegangen 
werden. Abgesehen von vereinzelten Versuchen, mit Hilfe des iTooA sehen 
Plattenguß Verfahrens die Isolierung vorzunehmen, wie sie z. B. Pringaheim (1921) 
mit PolyUm^ gelungen ist, haben auch hier die meisten Autoren die gleiche 
Methode zur R3inzüchtung verwendet, nämlich das sogenannte „Mikropipettier- 
verfahren“. Mit Hilfe steriler Kapillaren wurden ein oder mehrere Zellen aus 
der Faulkultur entnommen, in sterile Lösung gebracht, nach einigen Minuten 
neuerdings herauspipettiert und in frische Lösung übertragen. Nach mehrmaliger 
Wiederholung dieses Vorganges ergaben die bakteriologischen Reinheits- 
prüfungen in der Regel Abwesenheit irgendwelcher biologischer Verunreini- 
gungen. Die Arbeitsweise der einzelnen Autoren unterscheidet sich nur insofern, 
als manche jeweils mehrere (z. B. 20) Zellen übertrugen (u. a. Pringaheim), 
während andere (u. a. Lwoff) stets von einzelnen Zellen ausgingen. 

Ich habe im allgemeinen die gleiche Methode benutzt (eine ein- 
gehende Schilderung gab Pringaheim, 1937a), hier sei nur auf einige 
Besonderheiten hingewiesen. Über die Art der zur Isolierung verwen- 
deten Glaskapillaren finden sich in der Literatur so gut wie keine An- 
gaben. Lwoff scheint nach allem mit Pyrexglas gearbeitet zu haben, 
von Pringaheim ist bekannt, daß seine Pipetten meist ^aus Kavalierglas 
und nur vereinzelt aus Jenaer Geräteglas bestanden. Ich konnte zu 
wiederholten Malen feststellen, daß die Verwendung von alkaüabgebenden 
Glassorten eine große Gefahrenquelle für das Versuchsergebnis mit sich 
bringt (s. Ondratachek, 1935). Bei der Isolierung wirkt sich dieser Um- 
stand noch nicht einmal so stark aus, es tritt mitunter eine Schädigung 
der übertragenen Zellen ein, so daß die neu angelegten Klone nicht an- 
wachsen, bei der Beimpf ung ernährungsphysiologischer Versuche kann 
dieser Umstand aber zu wesentlichen Fehlurteilen führea. So kann es 
Vorkommen, daß einem Nährstoff jegliche Eignung abgesprochen wird, 
obwohl tatsächlich die eingetragenen Zellen durch das Alkali des Glases 
irreparabel geschädigt worden waren. Wird die gleiche Lösung auf andere 
Weise beimpft, dann tritt starke Vermehrung ein. Besonders bedenklich 
wird dieser Umstand bei Beimpf ung mit einzelnen Zellen. Ich verwende 
grundsätzlich Jenaer Glas, sowohl zur Anfertigung von Pipetten und 
Kapillaren, als auch in Form von Uhrschälchen, Röhrchen und Kolben. 
Selbst die Vorratsflaschen der Stammlösungen bestehen aus Jenaer 
Glas. 

In der vorliegenden Arbeitenreihe wird getrachtet, alle Befunde 
durch möglichst zahlreiche Einzelergebnisse an den verschiedensten 
Arten zu erweitern. Ein Teil der hier untersuchten heterotrophen Flagel- 
laten stellt erstmalig reingezüchtete, zum Teil neubeschriebene Arten 
dar, ein anderer Teil wurde bereits wiederholt untersucht. Nachstehend 
wird eine systematische Übersicht über alle untersuchten Arten ge- 
geben. 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. I. 


323 


Verzeichnis der untersuchten Arten. 

A Cryptomonaden. 

Chilomonaa paramaecium Ehrenberg. 

Gh, longcUa Ondraiechek. 

Gh. obUmga Pascher. 

Gh. coniformxs OndrcUachek. 

Gh. globosa Ondratschek. 

B. Volvocalen. 

a) Polyhlepharidineen. 

Polytomella o/gilis Ara/gao. 

P. caem Pringsheim. 

P. globosa Panscher. 

b) Ghlamydomonadineen. 

Polytoma obtuswn Pascher var. Stigmata Ondratschek. 

P. majus Pascher var, astxgmata Ondratschek. 

P. Pascheri Moewns. 

P. cavdatum Korschihoff var. astigmata Provasoli. 

P. uvella ^fSensu strictu'' Ehrenberg. 

P. angustum Pascher. 

P. minus Pascher. 

P. papillatum Pascher. 

P. curvatum Ondratschek. 

P. coniforme Ondratschek. 

P. dorsiventrah Pascher var. asligmata Ondratschek. 

P. ocellatum FrangL 

P. tetraoleare Pascher var. astigmata Ondratschek. 

P. cylindraceum Pascher. 

C, Eug/enfnen. 

a) Euglenaceen. 

Euglena gracilis Klebs. 

E. gracilis Klebs var. robusta Ondratschek. 

E. viridis Ehrenberg. 

b) Astasdaceen. 

Astasia longa Pringsheim. 

A. quartana Moroff nov. comb. Pringsheim. 

A. Ghattoni Lwoff. 

2. Die Zubereitung der Lösungen. 

Es war wohl stets das Bestreben aller Autoren, möglichst mit 
chemisch reinen Stoffen ernährungsphysiologische Versuche durch- 
zuführen. Mit zunehmender Verfeinerung der Herstellungsmethoden 
gelangten Präparate in den Handel, welche heute so ziemlich den nieisten 
Anforderungen entsprechen, besonders die synthetisch bereiteten 
organischen Stoffe befriedigen in dieser Hinsicht vollauf. Die Angabe 
des chemischen Reinheitsgrades der Präparate berücksichtigt allerdings 



324 


K. Bernhardt: 


fast ausschließlich Stoffe, welche dem Chemiker oder Techniker als 
allfällige Verunreinigungen unerwünscht sind. Es sind dies meist 
Substanzen, welche infolge ihrer nahen chemischen Verwandtschaft 
(Homologe z. B.) oder welche aus technischen Gründen nur schwer aus- 
zuschließen sind. Der Chemiker hat oft keinen Grund, Stoffe zu berück- 
sichtigen, welche für den Mikrobiologen von größter Bedeutung sein 
können. Es sei hier nur auf die verschiedenartigsten Wirkstoffe ver- 
wiesen. Solche anorganischer Natur — Spurenelemente (Pseudo- 
wachstumsfaktoren) — können aus dem Herstellungsprozeß nur allzu 
leicht anwesend sein, ebenso aber auch, wie früher gezeigt werden 
konnte {Qndratscheh, I940d, 1941a, b, c), organische Wirkstoffe. So 
konnte u. a. ein bedeutender Wirkstoffgehalt in Peptonen, aber auch 
in Aminosäurepräparaten (Glykokoll, Asparagin) nachgewiesen werden. 
Für spezielle Arbeiten, bei denen es gerade auf diese mengenmäßig 
geringfügigen Beimengungen ankommt, muß daher in jedem Einzelfall 
eine eingehende Reinheitsprüfung, unter Umständen eine besondere 
Reinigung erfolgen. 

Auf Grund eigener Erfahrungen wurden, um Versuchsfehler zu 
vermeiden und zweifelhafte Ergebnisse auszuschließen, in den folgenden 
Versuchsreihen durchweg frische Präparate unmittelbar von den ein- 
zelnen Werken angeschafft. Sie bieten Gewähr, daß die Möglichkeit 
einer gegebenenfalls eintretenden Zersetzung oder Umlagerung durch 
längeres Auf bewahren, weitgehend ausgeschaltet ist. Die chemischen 
Stoffe sind Erzeugnisse der Firmen Merck, Schuchardt, Fränkel und 
Landau und Kahlbaum, Jeweils wurde das Präparat mit höchstem 
Reinheitsgrad, wenn möglich synthetischer Herstellung verwendet. 

Die Zubereitung der Lösungen erfolgt hier stets mit doppelt destilliertem 
Wasser, die Versuchsgefäße sind aus Jenaer Geräteglas. Über die Zusammen- 
setzung der Versuchslösungen wird jeweils an geeigneter Stelle Näheres an- 
geführt werden. Grundsätzlich erfolgt die Konzentrationsangabe in mg des 
wirksamen Elementes. Die übliche Angabe in % hat den Nachteil, nichts über 
die aktuelle Konzentration des Elementes auszusagen, besonders wenn, wie 
üblich, die Angabe des Wassergehalts unterbleibt. Wir schreiben also z. B. 
X mg Mg als MgClj und nicht x% BlgCl 2 , oder x mg C als CHjCOONa und nicht 
x% Na-Acetat, bezogen jeweils auf das Versuohsvolumen. Diese Ausdrucks- 
weise wurde für anorganische Salze bereits in einer Reihe von Mitteilungen 
gebraucht (Ondratschek, 1940 d, 1941 a, b, c, e) imd hat sich bewährt. 

S, Die Beimpfung der Vermchslömngen, 

Die Art der Beimpfung einer Versuchslösung wechselte bei verschiedenen 
Autoren. Loefer beimpfte, soweit aus seinen Arbeiten ersichtlich ist, mit meh- 
reren Zellen. Ob imd wieviel Kulturfolgen er anlegte, wurde nicht angegeben. 
Lwoff beimpfte stets mit einem Tropfen einer Zellaufsohwemmung und über- 
trug bei positivem Ausfall zu wiederholten Malen in die gleiche frische Nähr- 
lösimg. Trat immer wieder Vermehrung ein, dann sprach er der geprüften 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. I. 


325 


Substanz Eignung als Nährstoff zu. Pringaheim führte anfänglich die Be- 
Impfung mit 1 Öse voll Zellen durch» wobei er gleichfalls einige Kulturfolgen 
anlegte. Später ging er dazu über» jeden Versuch mit nur einer Zelle zu be- 
impfen» um so anscheinend sicherere Ergebnisse zu erzielen. Wenn man aber 
bedenkt» daß infolge der Nichtbeachtung des Lebenszustandes die ver- 
schiedensten physiologischen Zustände zur Einsaat gelangten» und wenn 
man in Betracht zieht, daß durch die Alkaliabgabe der aus Kavalierglas her- 
gestellten Pipetten leicht eine zusätzliche Schädigung dieser einzelnen Zellen 
eintreten konnte» dann nehmen die oft recht verschiedenartigen Ergebnisse 
seiner Versuche, sowie die Gegensätze zwischen seinen Ergebnissen und denen 
LwoffB nicht wunder. 

Ich habe im I^aufe der Jahre eine bestimmte Beimpf ungs weise 
ausgebaut, welche nachstehend kurz beschrieben werden soll. Bei 
Prüfung einer Substanz auf ihre Eignung als Nährstoff werden die ersten 
Versuche stets in 10 ccm Versuchslösung in Röhrchen durchgeführt, die 
Beimpfung erfolgt mit einem Tropfen einer Aufschwemmung von Zellen, 
welche in der vielfach erwähnten Nährlösung L 25 (enthält 0,1 % Pepton 
Vaillant und 0,2% Natriumacetat) herangezogen worden waren. Die 
Anzahl der Zellen in diesem Impftropfen beträgt 20 bis 30. Tritt Ver- 
mehrung ein, werden wiederum 20 bis 30 Zellen in frische Nährlösung 
übertragen und dies insgesamt dreimal durchgeführt. Nach dreimaligem, 
positivem Ausfall steht die Eignung der Substanz als Kohlenstoff- oder 
Stickstoffquelle fest und es erfolgt die quantitative Bestimmung der 
maximalen Trockensubstanz, welche unter Verwertung des betreffenden 
Stoffes erzielt werden kann. Zu diesem Zweck werden 250 ccm der 
gleichen Versuchslösung in Koliken wiederum mit 20 bis 30 Zellen aus 
der letzten Kulturfolge beimpft und nach einer gewissen, je nach der 
Organismenart verschiedenen Zeitspanne das Trockengewicht bestimmt. 

Gegen die oben erwähnte Art der Übertragung in nur drei Kultur- 
folgen wird oft eingewendet, daß Versuchsfehler durch aus der Ausgangs- 
kultur mit übertragene Nährstoffe auf treten können. Wenn man aber 
bedenkt, daß sich die eingebrachten 20 bis 30 Zellen bei Polytoma 
z. B. nach wenigen Tagen auf 20000000 vermehrt haben (2000 Zellen 
im cmm angenommen), dann ist es kaum wahrscheinlich, daß in einem 
Tropfen — etwa 0,03 ccm ~ so viele Nährstoffe mitgebracht werden 
konnten, als für den Bau- und Betriebsstoffwechsel notwendig sind. 
Langjährige Erfahrungen zeigen sogar, daß das Ergebnis der ersten 
Kulturfolge fast obne Ausnahme bereits endgültig ist. Trotzdem werden 
auch in der vorliegenden Arbeit jeweils drei Übertragungen in Röhrchen 
angelegt, bevor ein quantitativer Versuch angestellt wird, um auch die 
geringste Nährstoff Übertragung zu vermeiden. Zur Übertragung 
werden nahezu kapillar ausgezogene Pipetten aus Jenaer Geräteglas 
verwendet. 

Es sei noch erwähnt, daß sämtliche Versuche bei 25^ C im Thermo- 
staten durchgeführt wurden. 

Archiv für Mikrobtolofcie. Bd. 13. 23 



326 


K. Bernhardt: 


4. Bestimmung und Deutung der Ergebnisse, 

Wir kommen hiermit zum schwierigsten und gleichzeitig wichtigsten 
Gebiet der Methodik. Die Literatur zeigt, daß das Ergebnis ernährungs- 
physiologischer Versuche mit farblosen Flagellaten meist in sehr einfacher 
Weise angegeben wird. 

Pringaheim und Lwoff schätzten bloß den Emte^rtrag, und zwar gaben sie 
üppige Vermehrung mit -f--f an, gute Vermehrung mit +, blieb die Vermehrung 
ziemlich hinter dem Durchschnitt zurück, dann wurde sie mit bezeichnet, 
bei sehr spärlicher Vermehrung mit ±. Diese Schätzungen sind mit subjektiven 
wie objektiven Fehlem behaftet. Es bleibt dem einzelnen Autor überlassen, 
was er nqch als i oder bereits — bezeichnen will, die Angabe von + besagt 
überhaupt nichts mehr, da daraus nicht entnommen werden kann, ob dem be- 
treffenden Stoff noch eine gewisse Bedeutung als Kohlenstoff- oder Stickstoff - 
quelle ^ukommt, oder ob etwa die geringe Vermehrung auf Kosten der Reserve- 
Stoffe vor sich ging. Abgesehen von diesen subjektiven Fehlerquellen müssen 
aber auch solche objektiver Natur berücksichtigt werden, so kann z. B. der 
Beservestoffgehalt eine wesentliche Fehlerquelle bilden, denn bei gleicher 
Individuenzahl wird eine Kultur reservestoffreicher Zellen eine viel größere 
Dichte Vortäuschen als eine Solche reservestoff armer Zellen. Das gleiche gilt 
für die Schätzung der Ernteerträge nackter (Polytomella) und behäuteter Zellen 
(Polytoma). Aus all dem ist ersichtlich, daß die Angabe von Schätzwerten nur 
eine sehr geringe Zuverlässigkeit verbürgt. 

Wesentlich anders verhält sich die Angabe der Ernteerträge bei Loefer 
und Provaaoli, welche die Höchstzahi der Zellen in cmm bestimmten. Diese 
Methode ist an sich brauchbar und wurde auch in früheren, eigenen Arbeiten 
(Ondratachek 1940 a, b, c, d, 1941 a, b, c, d, e) teilweise angewendet. Loefer 
verwendet nicht unmittelbar die absoluten Zahlen als Maßstab, sondern bildet 
einen Faktor F = x/x^, wobei a?o die Zahl der Zellen in cram zu Beginn und x 
die am Ende des Versuchs darstellt. Wenn nun auch diese Methode durchaus 
brauchbar ist, so geht Loefer in manchen Fällen bei der Deutung seiner Ergebnisse 
doch zu weit, wie bei der Behandlung der Kohlenhydrate als Kohlenstoffquellen 
zu zeigen sein wird. Er nimmt auch dann noch Eignung an, wenn z. B. o; 270 
und Xf, == 230 ist, und kommt dadurch zu mitunter falschen Schlüssen. Provasoli 
gibt die Zahl der Zeilen in cmm an, und zwar in kennzeichnender Weise. Allerdings 
hielt er es für nötig, außerdem noch mit — , ± oder 4- die Eignung bestimmter 
Stoffe zu bezeichnen. Seine Kontrollversuche ohne Kohlenstoffquelle haben 
infolge des hohen Peptongehalts (0,4% !) eine immerhin beträchtliche Ver- 
mehrung aufzuweisen und beim Vergleich der Versuchsergebnisse mit den Kon- 
trollen kommt es vor, daß einmal der doppelte Ertrag als -f, ein anderes Mal 
wieder als db oder gar ^ bezeichnet wird. Wiederum sehen wir die subjektiven 
Fehlermöglichkeiten. Dabei hat doch das Ansteigen der Zeilenzahl auf das 
Doppelte nichts zu besagen, denn es bedeutet bei Formen, welche 2 Toohter- 
zellen bilden, lediglich, daß sich jede Zelle noch einmal geteilt hat, bei Arten,, 
welche 4 oder 8 Tochterzellen bilden (PolyUma)^ sogar nur, daß sich jede 4. oder 
8. Zelle geteilt hat.^ Zur Auswertung der Ergebnisse von ProvcLSoli soll daher im 
folgenden nur die Angabe der durchschnittlichen Zahl der Zellen in cmm ver- 
wendet werden, da diese Zahlen verläßlich sind und ein gutes Kennzeichen über 
die Brauchbarkeit verschiedener Stoffe als Nährstoffe bieten. 

Ich habe die in anderen Forschungszweigen seit langem übliche 
Methode der Feststellung des Emteertrages durch Trockengewichts- 
bestimmungen übernommen und für unsere besonderen Zwecke aus- 



Stoffwechsel* heterotropher Flagellaten. 1. 


327 


gebaut. Die Methode hat sich in einer Reihe von Arbeiten sehr bewährt 
(Ondratacheky 1940a, b, c, d, 1941a, b, c, d, e) und liefert gut vergleich- 
bare Zahlen. Namentlich für Bilanzversuche kann nur diese Ertrags- 
bestimmungsart angewendet werden, da sie allein Aufschluß gibt, 
wieviel Leibessubstanz aus der gebotenen Nährstoff menge entstanden 
ist. Die Durchführung der Trockengewichtsbestiramung ist verhältnis- 
mäßig einfach. Die Versuchslösung wird durch Jenaer Glasfiltertiegel 
bei mäßigem Unterdrück durchgesogen, die zurückbleibenden Zellen 
gewaschen und der Tiegel bei K)5^^ C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. 
Je nach der Größe der Zellen, wobei besonders der Durchmesser maß- 
gebend i.st, gelangen Filtertiegel mit den Porengrößen G 3 oder G5/3 
zur Verwendung. Auch die Auflagerung einer dünnen Bolusschicht hat 
sich bewährt. Um eine rasche Filtration zu ermöglichen, zentrifugieren 
wir bei den vorliegenden Untersuchungen das Zellgemisch zuerst ab, 
nehmen es mit 5 bis 10 ccm Wasser wieder auf und gießen diese Or- 
ganismenaufschwemmung erst zum Schluß auf das Filter, die Arbeits- 
zeit kann so w'esentlich abgekürzt w^^erden. Durch Vorhandensein einer 
großen Anzahl Filtertiegel konnten die Trockengewdchtsbestimmungen 
laufend durchgeführt werden. 

Von großer Bedeutung ist die Auswertung des Ergebnisses der Trok- 
kengewichtsbestimmungen. In früheren Arbeiten, die sich mit der 
Trockensubstanzproduktion farbloser Flagellaten in ihrer Abhängigkeit von 
Wirkstoffen beschäftigten, wurde als Vergleichsmaßstab der von Nielsen 
Trockengewicht der Wirkstoff haltigen Versuche 
eingeführte Faktor / Trockengewicht der Wirkstoff freien Kontrollen 
gebraucht. In der vorliegenden Arbeit kann eine ähnliche Berechnungs- 
weise nicht angewendet werden, da die Versuche ohne Nährstof fzusatz 
keine wägbaren Trockenrückstände ergaben. Der genannte Faktor hätte 
zudem in diesem Fall nicht viel besagt. Es schien mangels anderer 
Möglichkeiten noch am zweckmäßigsten, die mit Essigsäure und an- 
organischem Stickstoff erzielten Ernten als Grundlage für Berechnungen 
bzw. Auswertungen heranzuziehen. Essigsäure bietet für alle unter- 
suchten Organismen eine vorteilhafte, w^enn nicht die beste Kohlenstoff- 
quelle. Die zur Berechnung notwendigen Grundzahlen wurden durch 
wiederholte Bestimmungen zu verschiedenen Zeitpunkten festgelegt, 
wobei folgende Lösung zur Verwendung gelangte; 

5 • 10“*% C als* Natriumacetat, 

10 “*% N als NH 4 NO.,, 

5 • 10 “»% K als KCl, 

2 • 10 “»% P als Na,HP 04 • 12 H,0, 

10 “»% S als Na,S 04 • 10 H,O, 

6 • 10 “«% Ca als CaCl„ 

10 “«% Mg als MgCl, • 6 H,0, 

ö • 10“»% Fe als FeCls- 



328 


K. Reinhardt: Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. I. 


Hierzu kamen noch folgende Spurenelemente: 10~*% Zn als 
ZnS 04 , 10-8% MnalsMnS 04 und As als AsgO 3, gelöst in HCl. 

Diese Konzentrationen sind nach früheren Untersuchungen {Ondratachek, 
1941 e) am günstigsten. 

Zu dieser Grundlösung kam zur Bestimmung der oben genannten 
Grundzahlen noch ein Zusatz von Aneurin in der für den betreffenden 
Organismus günstigsten Konzentration. Aus zahlreichen Bestimmungen 
wurde das Mittel gezogen und etwas abgerundet, um für die Berechnung 
einfache Zahlen zu besitzen 

Zur Berechnung der Auswertbarkeit einzelner Kohlenstoff quellen 

T • 100 

wurde folgende Formel zu Hilfe genommen: = — 1 ^, — , wobei F(^ 

den zu bestimmenden Ertragsfaktor für Kohlenstoff, T das mit einer 
bestimmten Kohlenstoff quelle erzielte Trockengewicht in mg und T' 
die Acetatgrundzahl bedeutet. Bestimmt wird also, welchen Hundertteil 
ein mit einer bestimmten Kohlenstoffquelle zustande gekommenes 
Trockengewicht von dem mit Essigsäure erzielten ausmacht. 

Ein weiterer Ertragsfaktor für Stickstoff wird in der gleichen Weise 
T • 100 

nach der Formel: Fy^ — — berechnet, wobei diesmal T das mit 

der zu untersuchenden Stickstoff quelle erzielte Trockengewicht in mg 
und T' das mit NH4NO3 erreichte bedeutet. 

Zusammenfassimg. 

Die vorstehenden Ausführungen geben ein Bild von der Entwicklung 
des vorliegenden Forschungszweiges. Dargelegt wird, daß infolge der 
in letzter Zeit festgestellten Bedeutung von Wirkstoffen für das gesamte 
Ernährungsproblem alle bisherigen Ergebnisse wankend geworden sind, 
so daß eine Neuuntersuchung notwendig ist. Die Bedeutung der Art der 
Versuchsanstellung für das Ergebnis wurde dargelegt und die eigene 
Methodik geschildert. 

Aufgabe der nächsten Untersuchungen ist die Feststellung der 
Bedeutung einiger Faktoren für den Kohlenstoff- und Stickstoff Wechsel. 
Eine Literaturübersicht wird am Schluß der Arbeitenreihe gegeben 
werden. 



(Aus dem Pflanzenphysiologischen Institut der Deutschen Karls -Universität 

in Prag.) 

Der Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. 

II. Mitteilung: 

Über die Beeinflussung der C- und N-Assimilierung durch einige Faktoren^ 
insbesondere durch Wirkstoffe. 

Von 

Karl lieinhardt.’*' 

(Eingegangen am 6. August 1943.) 

Die Auswertung verschiedener Kohlenstoff- und Stickstoffquellen 
durch, heterotrophe Flagellaten, wie auch die Art des biochemischen 
Abbaus ist von einer Reihe von Faktoren abhängig, ohne deren genaue 
Kenntnis eine Untersuchung des Stoffwechsels nicht erfolgen kann. 
Aufgabe der nachstehend zu schildernden Versuche war die nähere 
Analyse dieser Faktoren. Wie bereits in der I. Mitteilung hervorgehoben 
wurde, mußte hier besonders der Einfluß bestimmter Wirkstoffe unter- 
sucht werden. 

1. Die Bedeutung des physiologischen Zustande«. 

In den letzten Jahren hat sich die Forderung nach stärkerer Berück- 
sichtigung des I^benszustandes eines biologischen Versuchsmaterials 
(Zellgemisches) immer mehr durchgesetzt. Wie Czurda (1935b) forderte 
und in einer Reihe von Untersuchungen (1933, 1935a, 1937) auch 
experimentell zeigte, bietet nur die Verwendung eines physiologisch wie 
morphologisch definierten Zellzustandes Gewähr für die Erzielung 
wiederholbarer Ergebnisse. Nach Czurda bezeichnen wir jenen Zustand 
des Zellgemisches, der durch größte Homogenität und höchste Ver- 
mehrungsfähigkeit der einzelnen Zellen gekennzeichnet ist, als den 
,, Normalzustand“ des Zellgemisches. Es bedarf mitunter längerer 
experimenteller Untersuchungen, um durch Veränderung der Versuchs- 
bedingungen jene Umstände ausfindig zu jnachen, welche es ermöglichen, 
der obigen Forderung zu entsprechen. Ist jedoch eine ,, optimale“ 
Nährlösung gefunden, dann gelingt es durch wiederholtes Übertragen 
der Zellen in frische Nährlösung meist leicht, den geforderten Normal- 
zustand zu erzielen. Der Verfasser konnte an Deamidicbc^en zeigen 

* Die früheren Arbeiten des Verfassers sind unter dem Namen Ondratschek 
erschienen. 



330 


K. Beinhardt: 


{Ondratschek, 1936), auf welche Weise durch Einrichtung günstiger 
Vermehrungsbedingungen das Zellgemisch einer bestimmten Art nach 
wiederholten Übertragungen an Gleichförmigkeit zunimmt, wobei die 
Vermehrungsintensität ständig im Steigen begriffen ist. Ein Gemisch 
von Zellen, welche zu fast 100% teilungsfähig sind, bietet in morpho- 
logischer Hinsicht vollkommene Homogenität. Nur jene Zellgestalten, 
welche. unter diesen ,, Normalbedingungen“ entstehen, sind für die be- 
treffende systematische Einheit kennzeichnend. 

Betrachten wir den ganzen Vermehrungsverlauf eines Zellgemisches, 
so können wir nach Gzurda drei Abschnitte unterscheiden, welche durch 
den jeweiligen Zellzustand gekennzeichnet sind. Der ,, Normalzustand“ 
findet sich nur in einem verhältnismäßig kurzen Bereich des ansteigenden 
Astes der Vermehrungskurve, und zwar nur so lange, als sämtliche 
Zellen noch teilungsfähig sind. Nach Überschreiten dieses Punktes 
beginnt bereits die ,, Degenerationsphase“, während welcher die Ein- 
heitlichkeit des Zellgemisches immer mehr abnimmt. Diu*ch die Ver- 
schlechterung der Lebensbedingungen, vor allem infolge des eigenen 
Stoffwechsels, nimmt die Teilungsintensität ab, die nicht mehr in 
Teilung begriffenen Zellen verändern ihre Form, es kommt zur Aus- 
bildung verschiedener Zellgestalten, welche oft beträchtlich vom Normal- 
zustand abweichen. Soweit die morphologische Seite der Degeneration. 
In physiologischer Hinsicht sind Degenerationsstadien besonders durch 
einen veränderten Stoffwechsel gekennzeichnet, das äußert sich nament- 
lich in einer* Anhäufung von Reservestof fpn. Darüber hinaus bildet der 
Verlust der Teilungsfähigkeit ein weiteres Merkmal. Übertragen wir 
ein derart verändertes Zellgemisch in neue, frische Nährlösung günstiger 
Zusammensetzung, so tritt ,, Regeneration“ ein, ein physiologischer 
Vorgang, welcher die Vermehrungsintensität neuerdings ansteigen 
läßt und damit das bereits degenerierte Zellgemisch in den Normal- 
zustand bringt, falls die Degeneration nicht bereits zu pathologischen 
Veränderungen geführt hatte. Die „Regenerationsphase“ ist ebenso 
wie die oben geschilderte ,, Degenerationsphase“ durch das gleichzeitige 
Auftreten uneinheitlicher Zellformen gekennzeichnet. 

Die von Czurda aufgestellte Forderung nach Zugrundelegung 
definierter Zellzustände für biologische Arbeiten jeder Art ist von 
grundlegendster Bedeutung. Die Notwendigkeit der Beachtung des 
Lebenszustandes eines Organismengeinisches ist für alle Zweige der 
Biologie gegeben. Auch die nachstehenden Versuche stellen einen 
weiteren Beleg für diese Forderung vor. Es kann hier gezeigt werden, 
daß der Lebenszustand des untersuchten Zellgemisches von so ausschlag- 
gebender Bedeutung ist, daß seine Nichtbeachtung die Gewinnung 
physiologisch stichhaltiger Ergebnisse experimenteller Untersuchungen 
vollkommen vereiteln kann. 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. II. 


331 


Welche Bedeutung dem Lebenszustand eines Versuchsmaterials 
für den Ausfall eines physiologischen Versuchs* zukommt, hat Czurda 
bereits 1933 an Hand von Untersuchungen über die kopulations- 
auslösenden Bedingungen bei Conjttgaien aufgezeigt. Hier gestattet 
überhaupt nur die Verwendung eines im Normalzustand befindlichen 
Individuengemisches die Auffindung ursächlicher Beziehungen zwischen 
Lebenszustand und Kopulation. In Degeneration befindliche Zellen 
sind niemals zur Kopulation befähigt. 

Den Einfluß des Zellzustandes auf das Ergebnis ernährungsphysiologischer 
Untersuchungen konnte ich erstmalig an einer Reihe mixotropher FlageUaten 
und Algen zeigen (Ondraischek, 1940a, b, c), bei welchen der Einfluß des Lebens- 
zustandes auf das Versuchsergebnis quantitativ erfaßt wurde. In einer eigenen 
Untersuchung (Ondraiachek, 1941 d) wurden dann die als Voraussetzung für die 
hier anzustellenden Versuche notwendigen Kenntnisse über die Variabilität der 
zu untersuchenden Flagellaten experimentell erarbeitet. Es wurden die Be> 
dingungen gesucht und gefunden, unter welchen unsere Arten im Normal- 
zustand vorliegen. Die morphologischen Kennzeichen der einzelnen Arten im 
Normalzustand können aus der genannten Arbeit ersehen werden. Die Bedeutung 
des Lebenszustandes des zur Beimpfung ^ines Versuchs verwendeten Zell- 
gemisches für die Menge der unter sonst optimalen Bedingungen gebildeten 
Trockensubstanz wurde in einigen zusätzlichen Versuchsreihen aufgezeigt. 

Diese Versuche wmrden hier in erweitertem Rahmen ausgebaut 
und ergänzt. Als erstes waren die Beziehungen zwischen einer gegebenen 
Kohlenstoffquelle und dem zu erzielenden Erntehöchstertrag zu klären. 
Als Kohlenstoffquellen dienten Essigsäure, n-Buttersäure und n-Capron- 
säure, beimpft wurde mit Zellgemischen im Normalzustand, mit Zellen, 
die sich in Regeneration befanden, und mit in Degeneration begriffenen 
Individuen. Das Ergebnis sei an Hand der Tabelle I aufgezeigt. 


Tabelle I. Einfluß des Lebenszustandes auf die Höhe des Ernte- 
ertrages einiger Flagellaten bei Verwendung verschiedener Mono- 
carbonsäuren als Kohlenstoffquellen. 

(Emteerträge in mg/250 ccm/12 Tage.) 


Organismen 


Bssigsäure 


Kohle Dstoff quellen 

n-Buttersänre TT n-Capronsäure 
Lebenssustand des Impfmaterials* 



N 

R 

D 

N 

R 

D 

N 

Ä 

D 

Polytomdla 
agilis 

69,3 

65,8 

31,2 

73,4 

70,8 

36,5 

45,8 

45,5 

18,6 

ChiUmoncLs 
oblonga .... 

99,5 

94.3 

21,3 

115,6 

109,6 

26,3 

56,8 

48,5 

11,3 

Polytoma 
iivella 

121,3 

106,2 

29,7 

123,2 1 

120,0 

26,5 

68,7 

57,3 

6,9 

Aataaia 

Chattoni . . . 

81,2 

82,4 

80,7 

83,5 

81,9 

76,3 

35,3 

33,6 

32.1 


N »= Impfmaterial Im Normalzustand. R -* Impfmaterial in Regeneration begrilif^. 
D •> Impfmaterial degeneriert (bei den einzelnen Organismen in verschieden starkem Maße). 



332 


K. Reinhardt: 


Wie aus Tabelle I ersichtlich ist, hat die Beimpfung eines Versuchs 
mit in Regeneration begriffenem Zellmaterial nahezu gleich hohe 
Ernteerträge zur Folge wie bei Einsaat eines Zellgemisches im Normal- 
zustand, vorausgesetzt, daß die zur Verwendung gelangende Nähr- 
lösung bezüglich ihrer stofflichen Zusammensetzung und der Reaktion 
für den untersuchten Organismus günstig ist. Die Beimpfung der 
gleichen Lösungen mit degenerierten Zellen lieferte in den meisten 
Fällen bedeutend niedrigere Ernteerträge, deren Größe im einzelnen 
Falle vom Grad der Degeneration des Impfmaterials abhängt. Eine 
Ausnahme bildet in obiger Tabelle I Ästaaia ChatUmi und in gleicher 
Weise die übrigen, hier nicht angeführten EugUninen, Wie schon früher 
(OndratacJiek, 1941 d) auseinandergesetzt wurde, weisen Eugleninen 
hinsichtlich der äußerlich sichtbaren Degenerationsnierkmale Besonder- 
heiten auf, die bei anderen untersuchten Flagellaten nicht beobachtet 
werden konnten. Zellen im Normalzustand unterscheiden sich von 
solchen der Degenerationsphase nur durch ihre Reservestof farmut, 
morphologische Unterschiede bestehen nicht. In den oben besprochenen 
Versuchen sehen wir ein diesen Befunden entsprechendes Verhalten, 
und zwar derart, daß die Beimpfung einer Nährlösung mit reserve- 
stoffreichen Zellen nur einen um ein geringes niedrigeren Ernteertrag 
liefert als die Verwendung eines im Normalzustand befindlichen Impf- 
materials. 

Um die ausschlaggebende Bedeutung des Lebenszustandes für ein 
Versuchsergebnis noch deutlicher zu veranschaulichen, seien hier einige 
weitere Versuchsreihen kurz erwähnt. Es wurde eine buttersäurehaltige 
Nährlösung mit Zellgemischen in verschiedenen Lebenszuständen 
beimpft und die Ergebnisse der Trockengewichtsbestimmungen mit 
solchen von essigsäurehaltigen Kulturen verglichen. Veranschaulicht 
werden die auf gezeigten Verhältnisse durch die in Tabelle II zusammen - 
gestellten Zahlen. 

Tabelle IL Vergleich der mittels n-Buttersäure bei Verwendung ver- 
schieden vor behandeltenimpfmaterials zu erzielenden Ern teert rage. 
Kontrolle: Nährlösung mit Essigsäure, beimpft mit Zellen im Normalzustand. 

(Emteerträge in mg/250 ccm/12 Tage.) 


Organismen 

Essigsäure 


n-Buttersäure 


l^benssnstand des Impfmaterials 

im Normal- 
zustand 

im Normal- 
zustand 

schwach 

degeneriert 

stark 

degeneriert 

PolytomeUa agilis 



42,1 

0.8 

Chilomonaa obUmga 



70,3 

1,2 

Polytoma uvdla 



82,3 

4,7 

Astasia ChaUoni 



81.4 

76,2 










Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. H. 


333 


Aus Tabelle II ersehen wir unmittelbar den Zusammenhang zwischen 
dem Lebenszustand des Impfmaterials und der Emtemenge. Darüber 
hinaus zeigen die Versuchsergebnisse eindeutig, welche Fehlschlüsse 
bei der Bewertung verschiedener Kohlenstoffquellen hinsichtlich ihrer 
Eignung als einzige organische Nährstoffe entstehen können, falls der 
Lebenszustand des zur Einsaat gelangten Zellgemisches nicht näher 
untersucht bzw. berücksichtigt wird. So gibt z. B. Chihmcmas obUmga 
mit Essigsäure gezüchtet nach 12 tägiger Versuchsdauer im genannten 
Versuch einen Höchstertrag von 102,6 mg Trockensubstanz/250 ccm 
Nährlösung, mit n -Buttersäure gezüchtet unter den gleichen Bedingungen 
einen solchen von 114 mg/250 ccm, falls ein im Normalzustand befind- 
liches Impfmaterial verwendet wird. Wird die Buttersäurelösung mit 
schwach degenerierten Zellen beimpft, während bei den mit Essigsäure 
angesetzten Versuchen ein im Normalzustand befindliches Zellgemisch 
zur Einsaat gelangte — was bei zeitlich auseinanderliegenden Versuchen, 
welche den Lebenszustand nicht beachten, leicht der Fall sein kann — ,' 
so würde aus den erhaltenen Trockengewichten der Ernten unfehlbar 
der Schluß gezogen werden, Buttersäure sei, da sie nur 70,3 mg/250 ccm 
Trockensubstanz in 12 Tagen liefere, eine um rund 30% schlechtere 
Kohlenstoffquelle für Ch. obUmga als Essigsäure mit 102,6 mg/250 ccm. 
Mährend tatsächlich Buttersäure unter Berücksichtigung des Lebens- 
zustandes der Essigsäure deutlich überlegen ist. Wie verhängnisvoll 
die Verwendung stark degenerierter Zellen zur Beimpf ung ernährungs- 
physiologischer Versuche werden kann, zeigen die in der letzten Zahlen- 
reihe der Tabelle II angeführten Werte. Wir erhalten hierbei nur 
1 bis 4% der Trockensubstanz, welche bei Verwendung von Zell- 
gemischen im Norlnal Zustand erzielt werden. 

Sämtliche untersuchten EugUnintn (in Tabelle II ist nur Ästasia 
Chattoni zur Veranschaulichung angeführt) verhalten sich auch hier 
wiederum gänzlich anders. Selbst mit Reservestoffen dicht erfüllte, 
aus mehrere Wochen alten Kulturen entnommene Zellen lieferten nur 
wenig niedrigere Ernteerträge äls Zellen im Normalzustand. 

Auf Grund der be^Jirochenen Ergebnisse kann somit auch hier 
festgestellt werden, daß die Forderung nach Verwendung eines streng 
definierten Zellgemisclies für physiologische Zw ecke nicht nur l,heoreti6ch 
berechtigt ist, sondern auch praktisch als unbedingt notwendig nach- 
gewiesen wurde. 

Unter Berücksichtigung des ungeheuer verwdckelten Zellstoff- 
wechseTgeschehens ist ja auch leicht verständlich, daß bereits geringste 
Änderungen des Lebenszustandes zahlreiche biochemische Umsetzungen 
beeinflussen müssen, sei es in Form einer einfachen Ablenkung, sei es 
vollständige Unterbindung einzelner Reaktionsabläufe oder Steigerung 



334 


K, Keinhardt: 


dieser über die Norm hinaus. Wenn wir die morphologische Form und 
den Reservestoffgehalt als Kennzeichen für den Lebenszustand an- 
sprechen, so geschieht dies nicht etwa deshalb, weil diese Merkmale 
besonders bedeutsam wären. Sie sind lediglich leicht erkennbare 
äul^ere Anzeichen für, im einzelnen einstweilen noch nicht faßbare, 
Änderungen der empfindlichen chemischen Umsetzungen im Zellinneren. 

In einer weiteren Mitteilung dieser Reihe wird an gegebener Stelle 
aufgezeigt werden, zu welchen Trugschlüssen die Außerachtlassung des 
Lebenszustandes eines Impfmaterials bei ernährungsphysiologischen 
Untersuchungen mitunter geführt hat. Für die eigenen Versuchsreihen 
wird grundsätzlich nur im Normalzustand befindhches Impfmaterial 
verwendet. Durch laufende, in kurzen Zeitabständen durchgeführte 
Übertragungen von Zellaufschwemmungen der Stammkulturen konnte 
dieser Forderung ohne wesentliche Belastung nachgekommen werden. 

?. Die Beeinflussung des Zellzustandes und des Emteertrages 
durch die Reaktion. 

Die Bedeutung der Reaktion für den Verlauf und Ausfall ernährungs- 
physiologischer Versuche braucht hier nicht näher erläutert zu werden, 
der oft erfolgsbestimmende Einfluß der H-ionenkonzentration (ch) ist 
zur Genüge bekannt. Unter Beachtung dieser Tatsache wurde ihre 
Rolle für die Vermehrung heterotropher Flagellaten wiederholt untersucht, 
die Angaben über den Lebensbereich verschiedener Arten stimmen bei 
den meisten Autoren im allgemeinen überein. Mitunter auftretende 
Unterschiede sind nur von geringer Bedeutung. Weichen die Angaben 
in einzelnen Punkten stärker voneinander ab, so können diese Befunde 
so gedeutet werden, daß bei der übHchen Nichtbeachtung des Lebens- 
zustandes Zellgemische Vorlagen, welche verschiedene Zellzustände auf- 
wiesen, möglicherweise auch verschiedenen Arten angehörten, wobei 
der Artunterschied einerseits wegen der geringfügigen Abweichungen, 
andererseits wegen ähnlicher Degenerationszustände, die sicher viel- 
fach Vorlagen, nicht immer erkannt werden konnte. 

Hier stehen außer einigen bekannten Arten auch eine Reihe erst- 
malig beschriebener zur Untersuchung, so daß es notwendig ist, die 
Beeinflussung des Zellgeschehens durch die Reaktion neuerdings fest- 
zustellen. 

ln einer vorangegangenen Mitteilung (Ondratscheh, 1941 d) wurden die hier 
zu untersuchenden Arten bezüglich des Einflusses verschiedener Reaktionen 
einer Nährlösung auf den Zellzustand in morphologischer wie physiologischer 
Hinsicht bereits behandelt. Infolge der Bedeutung der Befunde für die hier 
anzustellenden Versuche sollen sie kurz aufgezeigt werden und durch weitere 
Versuche über den Einfluß der Ch auf die Trockensubstanzproduktion ergänzt 
werden, wobei vorläufig nur Essigsäure als Kohlenstoffquelle zur Verwendung 
gelangen soll. 

Die Einrichtung bestimmter pH-Bereiche geschah, nachdem bereits früher 
(1041d) Versuche mit Phosphatpuffergemisohen fehlgeschlagen waren, in der 



StoifweohBel heterotropher Flagellaten. II. 


335 


damalß angegebenen Weise durch Zusatz einer wechselnden Anzahl von ccm 
n/50 HCl oder n/50 Na OH zur Nährlösung. Es ist naturgemäß unmöglich, 
einen bestimmten Anfangs -pn* Wert „einzustellen“, wie dies in der Literatur 
oft angegeben wird, es gelingt lediglich durch diese Zusätze einen Wert in der 
Nähe des angestrebten zu erreichen. Die Unterschiede betragen aber im all- 
gemeinen nicht mehr als db 0,26 pn im Durchschnitt, und infolge dieser ver- 
hältnismäßig geringen Abweichungen vom angestrebten Idealwert bestehen 
keine Bedenken gegen die Verwendung derart abweichender Lösungen. 

Aus den recht umfangreichen Ergebnissen der obengenannten 
Untersuchung {Ortdratschek, 1941 d) seien hier nur jene hervorgehoben, 
welche für die im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden Fragen 
von Bedeutung sind. Sie werden ergänzt durch einige neue quantitative 
Befunde über die Beeinflussung der Erntemenge durch den pH-Wert. 

A. Cryptomonaden, 

Untersucht wurden Zellgemische, deren Heranzüchtung in Acetat- 
nährlösungen mit folgenden Anfangsreaktionen erfolgte: Pk 5,2, 5,8, 
6,2, 6,5 und 7,2. Die laufend durchgeführte mikroskopische Über- 
prüfung des Zellaussehens zeigte, daß bei allen untersuchten Arten 
der Normalzustand in einer Lösung mit p^ 6,5 am 4. bis 6. Tag nach 
Beimpfung erreicht wurde. Eine Lösung mit Ph 6,2 zeigte nur geringe 
Verschiedenheiten, bei pH 5,8 degenerierten hingegen die eingetragenen 
Zellen bereits nach einigen Teilungen, wobei die Vermehrungsgeschwin- 
digkeit rasch absank. Eine Reaktion von pn 7,2 hatte schließlich sehr 
starke Degenerationserscheinungen zur Folge. Die quantitativ durch- 
geführten Versuche über die Beeinflussung des Ernteertrages durch 
die Reaktion ergaben ein den oben aufgezeigten Befunden entsprechendes 
Bild. Einige Ergebnisse meiner Bestimmungen sind in Tabelle III 
zusammengestellt. Die Zahlen bedeuten Mittelwerte aus mehreren 
Bestimmungen. 


Tabelle III. Einfluß der Reaktion auf die Trockensubstanzbildung 
einiger Chilomonaden, 

(Trockengewicht in mg/250 ccm/12 Tage.) 


Arten 

Ph 

Ph 6.5 

Ph 7-* 

Chilomonas fxiramaeciurn 

81.2 

106.9 

.53,4 

Ch. obUmga 

90,1 

101,5 

40,8 

Ch. conijormiH 

82,7 

98,8 

32,5 

Ch. lonpaia 

64,3 

97,5 

26.6 

Ch . alobosa 

56.6 

102.3 

36.9 


Es ergibt sich somit, daß ein Ph von 6,5 für alle fünf untersuchten 
ChilomoncLS- Arien die günstigste Reaktion darstellt sowohl was die 
rasche Erreichung des Normalzustandes betrifft als auch bezüglich 
der maximalen Erntemenge. 



336 


K. Reinhardt: 


B. Volvocalen. 

a) Polyblepharidineiu, Die liier angest eilten Versuche ergaben in 
Verbindung mit den früher durchgeführten (1941 d) im allgemeinen 
ähnliche Befunde, wie sie bei den Chüomonaden besprochen wurden. 
Eine Reaktion von pu 6,5 ist in allen Fällen am günstigsten, sämtliche 
Zellen stehen bei dieser Reaktion in reger Vermehrung und sind durch- 
wegs im Normalzustand befindlich, p« 6,2 unterscheidet sich liezüglich 
seines physiologischen Einflusses nicht von Ph 6,5, pn 5,8 hingegen 
verursacht bei PolytcmelJa glolosa bereits starke Degeneration, während 
P. agilis und P, caeca noch annähernd im Normalzustand verbleiben. 
Ph 7,2 führt in allen Fällen sehr rasch zu starken Degenerationserschei- 
nungen. Dfe Ergebnisse der hier an gestellten Trockengewichtsbestim- 
mungen seien auszugsweise in Tabelle JV wiedergegeben. 


Tabelle IV. Einfluß der Reaktion auf die Trockensubstanzbildung 
einiger Polyhlepharidineen. 

(Trockengewicht in mg/250 ccm/ 12 Tage.) 


Arten 

pH 5.8 

Ph «.s 

Ph7,2 

PolyUmella agilis 

69.6 

71,0 

46,2 

P. caeca 

59,3 

72,2 

55,0. 

P. alobosa 

36.5 

68.5 

53.1 


b) Chlamydomonadineen. Die Versuche zeigten bezüglich der für 
das Wachstum einzelner Polytoma- Arten optimalen Reaktion ziemliche 
Verschiedenheiten. Unter Berücksichtigung gewisser gemeinsamer 
Merkmale können jedoch die untersuchten 14 PolyUma- Arien in 
folgende Einteilung gebracht werden: 

1. Optimaler pn-Bereich um pu 7,5, gute Vermehrung zwischen 
Ph 6,8 und 7,8: P. uvella, P. mujtis. P. minus^ P, coniforme, P. dorsi^ 
ventrale, P, cylindro/ceum und P. tetraokare. 

2. Optimaler pH -Bereich um Ph 7,0, gute Vermehrung zwischen 
Ph 6,5 und 7,5 : P. Pascheri, P. obtusum. und P. cavdatvm. 

3. Optiöialer pn-Bereich um pn 6,5, gute Vermehrung zwischen 
Ph 5,8 und 6,8 : P. ocellatum, P. angu&ium, P. curvatum und P. pa- 
piUatum. 

Die mikroskopische Untersuchung des Lebenszustandes der unter 
den verschiedenen Versuchsbedingungen erhaltenen Zellgemische zeigte, 
daß bei Gruppe I (Optimum pn 7,5) der Normalzustand zwischen pn 7,0 
und 7,8 nach einigen Übertragungen des Zellgemisches sicher eintrat, 
auch wenn stärker degenerierte Zellen zur Beimpfung verwendet wwden. 
Zwischen pa 6,5 und 6,8 fanden sich leichte Degenerationsstadien, 
jenseits von pn 7,8 oft irreversibel degenerierte Zellen. Bei Gruppe II 







Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. II. 337 

(Optimum pn 7,0) liegt der Sachverhalt ganz ähnlich. Zwischen ph 6,6 
und 7,5 herrscht der Normalzustand vor, jenseits des unteren Wertes 
leichte Degeneration, jenseits des oberen Wertes starke Degeneration. 
Gruppe III (Optimum ph 6,5) weicht davon etwas ab. Auch Reaktionen 
außerhalb des optimalen Bereiches (auf der sauren Seite) können das 
eingeimpfte Zellgemisch in einer dem Normalzustand ähnlichen Be- 
schaffenheit erhalten, jedoch ist die Vermehrung gering. Ein ph über 7,0 
erzeugt stärkere Degenerationserscheinungen. Zellen, w^elche bei pn 7,6 
oder 7,8 eingesetzt wurden, degenerierten irreversibel. 

Die neuerdings durchgeführten Trockengewichtsbestimmungen 
ergaben ein gleichsinniges Verhalten. Auch hier können wir die drei 
genannten Gruppen feststellen, innerhalb welcher die gleichen physiolo- 
gischen Verhältnisse in bezug auf die optimale Reaktion herrschen. Die 
wesentlichsten Befunde werden in nachstehender Tabelle V wieder- 
gegeben. 


Tabelle V. Einfluß der Reaktion auf die Trockensubstanzbildung 

einiger Polytomeen. 

(Trockengewicht in mg;250 ccm/12 Tage.) 


Arten 




I. Gruppe; 



PH 

Ph 

Ph s.3 

Polytomo. uviihi 



62,4 

120,3 

78,9 

P. maju^ 



32.1 

100,9 

21,2 

P. miv US 



34,4 

82,3 

30,9 

P. c^ni forme 



30,2 

99,3 

41,7 

P. (iorsiveutralr 



03,4 

97,8 

46,4 

P. cylhidracevfn 



40,8 

126,1 

62,8 

P. teiraolmrc 



43,2 

98,6 

1 

26,3 

11. Gruppe: 



PH 

1 pH 7,0 

PH 7,9 

P. Paficheri 



10,5 

103,8 

56,0 

P, obtusum 



97,7 

122,9 

87,7 

P. cjiudatum 



18,3 

105,9 

47,6 

III. Gruppe; 



Ph 

Ph 

PH 7.5 

P. ocellatum 



117,7 

150,8 

123,2 

P. anguatum 



81,9 

101,4 

64,3 

F. curvatum 



44,4 

79.7 

^16,5 

P. vaviüaium 



11.4 

117.9 

53.8 


C, Eugleninen. 

Züchtungsversuche mit den hier zur Untersuchung stehenden 
Euglena- und Astasia- Arien bei verschiedener Reaktion der Nährlösung 
ergaben in allen Fällen eine geringe Beeinflußbarkeit des Lebens- 
zustandes durch die Reaktion. Wie bereits oben festgestellt wmrde, 
unterscheiden sich Eugleninen bezüglich ihrer Formenvariabilität 
wesentlich von allen anderen bisher untersuchten Arten. Während bei 




K, Bernhardt: 


ööb 

anderen systematischen Einheiten in der Regel Zellen im Normal- 
zustand von degenerierten verhältnismäßig leicht zu unterscheiden sind, 
ändert sich bei JEttgleninen die Zellform im Laufe der Degeneration 
nicht, nur der Grad des Reservestoffgehalts bietet einen Hinweis auf 
den physiologischen Zustand der Zelle. In Übereinstimmung damit 
konnte auch bei den hier angestellten Versuchen festgestellt werden, 
daß zwar eine Lösung mit ps 6,5 durchschnittlich reservestofffreie 
Zellen entstehen läßt, daß jedoch mit zunehmender Alkalität lediglich 
die Reservestoffe im Innern der Zellen zunehnien, ohne daß die Zellform 
beeinflußt wird. Wird die Reaktion nach der sauren Seite hin ver- 
schoben, dann tritt eine als ,,Hungerdegeneration‘‘ bekannte Er- 
scheinung ein. 

Für die Höhe des Erntetrockengewichts ist jedoch die Reaktion 
der zur Züchtung verwendeten Lösung von wesentlicher Bedeutung, 
wie aus der Tabelle VI zu ersehen ist. Eine Reaktion um pn 6,5 wirkt 
bei allen untersuchten Arten am günstigsten. Euglend gracilis var. 
robusta und Astdsia longa vermehren sich auch bei pn 6,0 sehr gut, 
A. quartana ebenso bei pu 7,0. Im allgemeinen muß festgestellt werden, 
daß das pn-Optimum für die hier /untersuchten Eitglena- und Astasia- 
Arten ziemlich eng begrenzt ist. Wie aus Tabelle VI zu ersehen ist, 
haben verhältnismäßig geringe Reaktionsverschiebungen l)ereits einen 
sehr ungünstigen Einfluß auf die Trockensnbstanzbildung. 


Tabelle VI. Einfluß der Beaktion auf die Trockensubstanzbildung 

einiger Eugleninen. 

(Trockengewicht in mg/250 ccm/12 Tage.) 


Arten 

Ph 5,6 

PH 6,0 

PH 6,6 


PH 7,6 

Euglena viridis 

6,5 

22,3 

52,1 

28,6 

17,5 

E, gracilis 

18,8 

36,1 

63,8 

37,2 

22,7 

E. gracilis vor. robusta . . 

37,6 

75 8 

81,1 

57,3 

23,8 

Astasia longa 

37,9 

76,6 

80,9 

52,7 

12,0 

A. quartana 

16,9 

45,6 

68,2 

66,8 

21,0 

A . ChatUmi 

11.2 

32.7 

78.9 

64.3 

28.2 


3« Das Wirkstoff bedärfnis heterotropher Flagellaten. 

Die Frage nach der „Stimulierung** der Vermehrung und des Wachstums 
durch die verschiedenartigsten Stoffe hat seit jeher das Augenmerk der auf 
diesem Gebiet tätigen Autoren auf sich gezogen. Bis zur jüngsten Zeit wurden 
vielfach Stoffe auf ihre Wirkung hin geprüft, deren chemische Zusammen- 
setzung nicht bekannt war. So wurden die verschiedensten organischen Er- 
zeugnisse, wie Bierwürze oder Hefeautolysat, oder Organextrakte, wie lieber - 
extrakt, und Früohteabkochungen verwendet. Die mitunter erzielte positive 
Beeinflussung der Vermehrung oder des Wachstums wurde mit sehr unbestimmten 
Begriffen bezeichnet, wie „stimulierend**, „anregend**, „wachstumsfOrdemd**, 






Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. 11. 


339 


„vermehrungsanregend“, „ertragssteigernd“ und ähnlichen Wortbildungen. Auf 
die Unzweckmäßigkeit dieses Gebrauchs wird später noch eingegangen werden . 

Erst die Fortschritte der Chemie in der Synthetisierung gewisser organischer 
Verbindungen haben es ermöglicht, mit reinsten, zum Teil synthetisch her- 
gestellten, vor allem aber in ihrer chemischen Struktur genau bekannten Wirk- 
stoffpräparaten — besonders mit Vitaminen — an die Untersuchung der Wirkung 
einer Keihe von Faktoren heran treten zu können, die teils eine bedeutende 
Steigerung der Trockensubstanzbildung, teils aber überhaupt erst die Aus- 
wertung chemisch einfach gebauter Energie- und Baustoff quellen durch die 
verschiedenen Mikroorganismen ermöglichen. 

Neben zahlreichen Untersuchungen an Bakterien (Knighi, 1933 ff.) hat vor 
allem Schöpfer (1932 ff.) an verschiedenen Pilzen, insbesondere an Phycomycea, 
und Nielsen (1930 ff.) an Hefe und Aspergillus wichtige Feststellungen über die 
Rolle der Vermehrungsfaktoren („Wuchsstoffe“) in der Ernähr ungsphysiologic 
dieser Organismen getroffen. Eine sehr übersichtliche Zusammenstellung der 
bisherigen Befunde auf dem Gebiet der Wirkstofforschung, welche auch Einzel- 
heiten unsere Flagellaten betreffend enthält, hat Schöpfer (1939) gegeben, eine 
weitere, nach anderen Gesichtspunkten zusammengestellte Übersicht ver- 
öffentlichte Janke (1939). Beide Arbeiten lassen ein näheres Eingehen auf die 
bisherigen Mitteilungen, soweit sie nicht unmittelbar in den engeren Bereich 
unserer Fragestellung fallen, an dieser Stelle unnötig erscheinen. 

Vor einer näheren Betrachtung jener Wirkstoffe, welche für die hier zur 
Untersuchung stehenden Mikroorganismen lebenswichtig sind, haben wir uns 
mit der Möglichkeit einer Gliederung der unter den Begriff „Wirkstoffe“ fallenden 
Substanzen zu beschäftigen. Schöpfer (1939, S. 17) gab eine solche, der ich mich 
voll anschließe, und derzufolge wir alle W^irkstoffe in folgendes System bringen 
können : 

Wirkstoffe. 

Pseudouxichstumsfaktoren: Stoffe anorganischer Natur. 

Wachstumsfaktoren-. Substanzen vitaminischer Natur, greifen in den Stoff- 

wechsel ein, wirken u. a. auf die Assimilierbarkeit der 
Nährstoffe und den Plasmaw^uchs. 

Wuchsstoffe-, Stoffe hormonartiger Natur, beemflusseii letzten 

Endes auf spezifische Weise die Formbildung. 

Die vorliegende Anzahl der bisherigen Untersuchungen beschäftigte sich 
mit zur zweiten Gruppe gehörenden Stoffen, also mit Wachstumsfaktoren im 
engeren Sinn, über deren Bedeutung für das Zellgeschehen bei Algen jedoch 
noch wenig bekannt ist. Der Verfasser konnte in einer Reihe von Mitteilungen 
(Ondratschek, 1940a, b, c) den Einfluß einiger Wirkstoffe, w'ie Ascorbinsäure 
(Vitamin C) und Aneurin (Vitamin Bj) auf die Vermehrung mixotropher Grün- 
algen nachweisen. Ascorbinsäure stellt eine vermehrungsfördemde Substanz 
namentlich bei Ernährung mit Kohlensäure und anorganischen Substanzen dar, 
Aneurin beeinflußt hingegen die Auswertung organischer Kohlenstoff % und 
Stickstoffquellen in besonderem Maße. Die optimale Konzentration liegt im 
allgemeinen mit lOOy/lOOccm Nährlösung höher, als dies z. B. bei Pilzen 
der Fall ist. 

Es konnte ferner auf gezeigt werden, daß die Vermehrung der untersuchten 
Organismen allein von dem zur Verfügung stehenden Wirkstoff beeinflußt wird, 
wenn alle Nährstoffe im Optimum vorhanden sind. Ein neuerliches Ansteigen 
der Vermehrungskurve ist nur durch zusätzliche Beigabe des infolge des Ver- 
brauchs ins Minimum geratenen Wirkstoffs zu erzielen. 



340 


K. Reinhardt: 


Es zeigte sich aber auch, daß verschiedene mixotrophe Algen keines der 
gebotenen Vitamine bedurften, sie vermehrten sich in einer vitaminfreien Nähr- 
lösung ebenso gut wie in einer wirkstoffhaltigen. Wie nun bereits Schöpfer 
(1939) auf Grund von Versuchen an Pilzen ausführte, kann das Wirkstoff- 
bedürfnis als Zeichen eines Verlustes der Fähigkeit zur Selbstbildimg des be- 
treffenden Wachstumsfaktors aufgefaßt werden» Es gelang mir zü zeigen, daß 
das Vitaminbedürfnis gewisser Hormidium-Arten tatsächlich auf den Verlust 
der Synthesefähigkeit zurückgeführt werden kann. Ein Zusatz von Extrakten 
Vitamin -nichtbedürftiger Arten zu Kulturen vitamin -bedürftiger Stämme hatte 
die gleiche ertragssteigernde Wirkung zur Folge wie ein Zusatz synthetischer 
Vitamine, während Zusätze von Extrakten vitamin -bedürftiger Stämme keinerlei 
vermehrungsfördemde Wirkung haben. 

In der genannten Mitteilung habe ich bereits eingehend die Not- 
wendigkeit einer schärferen sprachlichen Fassung des Einflusses von 
Wirkstoffen dargelegt. In den eigenen Arbeiten wird nach folgender 
Regel verfahren, deren allgemeine Anwendung vorgeschlagen wurde: 

1. Ist ein Wirkstoff unumgänglich für die Vermehrung notwendig, 
so daß in seiner Abwesenheit in einer sonst optimalen Nährlösung keine 
Vermehrung eintritt, darf nur der Begriff ,, Wachstumsfaktor“ (im 
engeren Sinne) gebraucht werden. 

2. Falls der zu untersuchende Stoff eine an sich zwar vorhandene, 
jedoch geringe Vermehrung bedeutend steigert, also nach dem bis- 
herigen Gebrauch einen Wachstumsfaktor ,,im weiteren Sinne“ dar- 
stellt, wird seine Wirkung mit ,, vermehrungsanregend“ oder ,, ertrags- 
steigernd“ bezeichnet. Ersteren Begriff wende ich in Fällen an, wo 
der Vermehrungs verlauf durch Bestimmung der Zeilenzahl in der 
Volumeneinheit erfolgt, letzteren bei Untersuchungen, welche den 
Wirkstoffeinfluß quantitativ an der erzeugten Trockensubstanzmenge 
feststellen. 

Der Ausdruck ,, wachst umsf ordernd“ hat nur dann seine Be- 
rechtigung, wenn tatsächlich eine Zunahme des Wachstums, also der 
irreversiblen Volumenzunahme der einzelnen ZeWe festgestellt wird. 

Wie gleichfalls bereits früher auseinandergesetzt wurde, soll mit 
dieser scharfen sprachlichen Trennung keine physiologische Unter- 
schiedlichkeit festgelegt werden. Nach dem vorhin Gesagten ist die 
Möglichkeit zur stufenweisen Rückbildung eines Syntheseverniögens 
gegeben. 

Der Einfluß chemisch definierter Wirkstoffe auf die Vermehrung hetero- 
tropher Algen, sowie deren Bedeutung als Wachstumsfaktoren oder nur als 
„ertragssteigernde“ Stoffe wurde bereits in vorversuchsartiger Weise von 
Lwoff und seinen Mitarbeitern (1935 ff.) untersucht. Leider teilen die Autoren 
ihre Ergebnisse nur in Form sehr kurzer, oft nicht zwei Seiten umfassender 
Mitteilungen mit, die infolge der Kürze jegliche Einzelheiten vermissen lassen. 
Obwohl die Neuartigkeit und Einmaligkeit der Ergebnisse offenkundig war, 
sind für die Nachprüfung wichtige Angaben, wie Zusammensetzung der Nähr- 
lösungen, Reaktion, Impfweise, Aneurinkonzentration u. a. m. nur höchst 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. II. 


341 


unvollkommen oder meist überhaupt nicht vorhanden. Ebenso fehlen jegliche 
Angaben über die Größenordnung der Ertragssteigerung. Die Verfasser geben 
lediglich an, daß Aneurin bzw. dessen Bestandteile Thiazol und Pyrimidin oder 
auch nur einer von beiden für den bestimmten Organismus lebensnotwendig 
ist und begnügen sich mit dieser Feststellung. Über die wirksame Konzentration 
des Aneurins findet sich nur eine vereinzelte Angabe, daß nämlich Pdytomella 
caeca noch mit 10”® N ( ?) ihr Auskommen findet. Welche Konzentration 
optimal wirkt und welche Menge bei den einzelnen Versuchen zur Lösung zu- 
gesetzt wurde, bleibt unbekannt. 

In Anbetracht der überragenden Bedeutung des Wirkstoffproblems 
für die Ernährungsphysiologie erschien es daher unbedingt notwendig, 
das Wirkstoffbedürfnis heterotropher Flagellaten eingehend zu unter- 
suchen. In der Hauptsache w urden die Ergebnisse dieser Untersuchungen 
bereits in einer Reihe von Mitteilungen veröffentlicht (Ondratschek, 
1940d, 1941a, b, c, d), so daß hier nur wenige Ergänzungen notwendig 
waren. Nachstehend sollen die wesentlichsten Befunde der genannten 
Arbeiten, ergänzt durch neue Befunde, kurz besprochen werden. 

Anfängliche, mit Chilomonas paramaecium durchgeführte Versuche 
zeigten, daß Aneurin bereits in geringen Dosen die mit organischen 
Kohlenstoff- und Stickstoffquellen erzielten Ernteerträge um das 
80- bis 100 fache zu steigern imstande ist. Mit Hilfe dieses Wirkstoffs 
kann Ch. paramaecium. aucji anorganischen Stickstoff voll ausw^erten. 
Die Bestimmung der optimalen Aneurinkonzentration ergab einen 
Zusatz von 1 y Aneurin auf 100 ccm Nährlösung als besonders wirksam. 
Höhere Konzentrationen haben keine weitere Ertragssteigerung zur 
Folge, mit fallenden Aneurinmengen nehmen die Erträge ab, .doch ist 
die Wirkung noch bei einer Verdünnung von 1 : 10 ”i 2 feststellbar. 

Weitere Versuche haben gezeigt, daß Aneurin durch eine Mischung 
seiner beiden Komponenten Thiazol und P^Tiniidin ersetzt werden 
kann, Pyrimidin allein hat keinen Einfluß, Thiazol w'ohl eine gewisse 
ertragssteigernde Wirkung, doch bleibt der erzielte Ertrag hinter dem 
mit Aneurin hei vorgebrachten um rund die Hälfte zurück. 

Die Versuche mit Ch. paramaecium hatten die Voraussetzung für 
die Untersuchung des Wirkstoffbedürfnisses weiterer Arten gegeben. 
Als nächstes erfolgte die Prüfung von vier weiteren Chilomonaden 
(Ch, longata, Ch. globosa, Ch. oblonga und Ch. coniformis), sowie von 
drei Polyblepharidineen (Polytomella agilis, P. caeca und P. globosa). 
Auch hier konnte auf Grund der Analyse des Aneurineinflusses gezeigt 
werden, daß dieses einen unbedingt lebenswichtigen Wachstumsfaktor 
vorstellt. Bezüglich der optimalen Konzentration zeigten sich hiei 
kleine Verschiedenheiten unter den einzelnen Arten. Während Ch. para- 
maecium ein ausgesprochenes Optimum bei 10”®% Aneurin aufwies, 
lieferte Ch. oblonga bei Konzentrationen zwischen 10"® und 10” 7 % 
nahezu die gleichen Emteerträge, Ch. longcUa nur zwischen 10”® . und 
Archiv für Mikrobiolofüe. Bd. IS. 24 



342 


K. Reinhardt: 


während Ch, globosa und besonders Ch. coniformia wiederum 
ein ausgesprochenes Optimum bei 10“®% Aneurin haben. Die drei 
Polytomella-Arten liefern gleichfalls mit 10“®%) Aneurin die größten 
Erträge, während jedoch eine Konzentrationsverminderung bei P, caeca 
ein sofortiges Absinken der Erträge herbeiführt, bleiben die Ernten von 
P. globosa und P. agilis auch bei vermindertem Aneuringehalt die 
gleichen. 

Aneurin kann in seiner Wirkung durch ein Pyrimidin-Thiazol- 
gemisch vollständig ersetzt werden, Thiazol allein genügt den An- 
sprüchen der Chilomonas- Arien zu rund 50 bei den Polyblephyridiiieen 
erweist es sich allein als un^Wrksam. Pyrimidin schließlich blieb in 
allen Fällen unwirksam. ChiUmonas hat also mit anderen Worten die 
Fähigkeit zur Bildung von Thiazol vollständig, zür Synthese von 
Pyrimidin zumindest teilweise eingebüßt, während Polytomelia zu 
keiner der beiden Synthesen befähigt ist. 

Es erfolgte im Anschluß die Untersuchung einer Reihe von Poly- 
tomeen. Insgesamt 14 Arten, von denen einige bereits in dieser Hinsicht 
von anderen Autoren behandelt worden waren, wurden auf ihr Wirkstoff- 
bedürfnis hin untersucht. 

Pringaheim (1937) hatte bereits die Notwendigkeit von „ Glucose karaineJ“^ 
für P, uvella behauptet, während Ltvoff und Dust (1937) den Einfluß von Aneurin 
und seiner Komponenten auf die Vermehrung einiger Pol ytoma- Arten unter- 
suchten. Ihr Ergebnis ist kurz zusammengefaßt folgendes: P. uvella und P. ob- 
iuaum sind in ihrer Vermehrung von Aneurin unabhängig, P, ocellatum und 
P, caudatum besitzen die Fähigkeit zur Bildung von Pyrimidin, benötigen hin- 
gegen THiazol. Diese Ergebnisse wurden jedoch zumindest teilweise mit Aspa- 
ragin als Stickstoffquelle gewonnen, soweit dies aus den simrlichen Angaben 
der Versuchsbedingungen ersichtlich ist und wie ich wiederholt (1940d, 1941a, 
b, c) gezeigt habe, besitzt selbst ein als „purriBsimum*^ bezeichnetes Präparat 
einen genügend großen Wirkstoffgehalt, um die Vermehrung von gewissen 
FlageUcUen — allerdings nicht allen — zu ermöglichen. Die Angaben von 
Lwoff und Dust waren somit einer Nachprüfung und Neubtiarbeitung zu unter- 
ziehen. Ein Wirkstoffbedürfnis ist nach meiner Ansicht erst dann eindeutig 
nachzuweisen, wenn mit möglichst einfach zusammengesetzten, chemisch be- 
sonders gereinigten und geprüften Präparaten an die Untersuchung heran - 
getreten wird. Auf den „Wuchsstoff“ Pringaheim^ (Glucosekaramel) wird aus 
diesen Gründen hier nicht näher eingegangen. Untersuchungen mit Stoffen, 
deren chemische Zusammensetzung nicht nur unklar, sondern infolge der Her- 
stellungsweise niemals konstant ist, können keine eindeutigen Ergebnisse 
hervorbringen . 

Die Untersuchung des Wirkstoffbedürfnisses der Polytomeen 
stieß zunächst auf große Schwierigkeiten. Bestimmte Stämme zeigten 
ein sehr starkes Abweichen vom sonstigen Verhalten. Erst nach der 
Feststellung des Zinkbedarfs einiger Arten konnte dann gezeigt werden, 
daß Aneurin für alle untersuchten Polytoma-Arien die Bedeutung 
eines Wachstumsfaktors besitzt. Die optimale Dosis schwankt be« 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. II. 


343 


Tabelle VII. Wirkstoffgehalt organis^cher Stickstoffquellen» Ertrags 
faktoren und optimale Aneurinkonzentration. 
(Zusammengestellt aus den Mitteilungen: Ondratschek, 1940d» 1941a» b, c.) 


Arten 

Ertragsfaktoren 

Aneurin- 

optimum 

ln % 

Asparagin 

Pepton- Fotftenf 

Am- 

mon- 

nitrat 

t. r. * 

ch. r. • 

p.* 

u. b. • 

m. C.* 

Chilomonas •paramaecium . . 

1,77 

12,3 

78,2 

1,04 

52,5 

82,1 

10-« 

Ch. oblonga 

2,3ß 

15,2 

95,2 

1,06 

85,0 

115,0 

10- ‘ 

Ch. longata 

1,89 

10,3 

107,1 

1,02 

75,6 

121,5 

10- • 

Ch. globoaa 

3,05 

12,9 

90,8 

1,04 

76,1 

113,1 

10*-® 

Vh, coniformis 

1,92 

13,5 

94,4 

1,01 

50,6 

137,9 

10-* 

Polytomelia caeca 

2,65 

16,9 

108,7 

1,02 

65,8 

110,4 

10-« 

P. agilis 

2,32 

18,2 

90,8 

1,03 

64,3 

118,8 

10-« 

P. globosa 

3,12 

22,1 

111,3 

i;oi 

56,3 

139,7 

10- * 

Polyioma uvdla 

6,70 

27,1 

96,9 

1,06 

55,5 

111,0 

10- “ 

P. ncellntum 

4,85 

26,0 

105.8 

1,04 

59,5 

115,2 

10- » 

P. anquatum 

6,77 • 

27,2 

100,9 

1,02 

50,5 

111,2 

10-s 

P. curvatum 

5,87 

26,8 

104,0 

1,05 

43,4 

110,0 

10-» 

P. majus 

6,73 

30,5 

111,0 

1,04 

54,7 

116,2 

10-* 

P. Pascher i 

6,8 t 

30,1 

92,9 

1,02 

64,9 

93,8 

10- ‘ 

P. minm 

5,95 

28,8 

118,3 

1,05 

50,1 

99,3 

10-^ 

P. ohtumm 

7,92 

27,7 

92,1 

1,04 

54,0 

105.8 

10-* 

P. coniforme 

7,80 

28,9 

104,0 

1,03 

52,8 

113,9 

10-» 

P. caudatum 

7,66 

29,3 

105,4 

1,06 

51,7 

108,2 

10-« 

P. t€trcu)leare 

8,55 

28,1 

91,0 

1,02 

54,2 

95,4 

IO-“ 

P. dorsiventrale 

8,08 

27,7 

97,2 

1,02 

53,0 

127,1 

10- * 

P. cylindracenm 

8,32 

29,2 

102,6 

1,03 

53,2 

100,2 

10- • 

P. papillatum 

8,04 

29,0 

98,6 

1,04 

57,3 

105,1 

10-' 

Euglena viridis 

1,89 

1 20,6 

111,6 

1,03 

60.0 

125,6 

10- “ 

E. ararilis 

1,25 

16,5 

97,6 

1,01 

59,3 

119,8 

10-' 

E. gracilüi var. robusta 

1,65 

10,9 

9A,7 

1,00 

62,3 

127,8 

10- • 

Astasia Umga 

2,53 

21,3 

98,1 

1,04 

1 66,8 

133,3 

10-' 

A . quarUina 

2,06 

20,5 

93,4 

1,04 

59,2 

131,1 

10-' 

A. Chnttoni 

2, 16 

18,9 

98,2 

1,03 

63,3 

126,7 

10-4 


• t. r. ^ technisch rein, eh. r. — chemisch rein, p. purissimuni. 3 mal umkristallisiert; 
u. h. = unbeltandelt, in. C. « mit Carboraffin aiisBeschiittelt. 


träohtlich, die jeweils günstigste Konzentration kann aus der folgenden 
Tabelle VI J entnommen werden. 

Weitere Versuche zeigten, daß Aneurin in 13 von 14 Fällen durch 
eine Mischung seiner beiden Komponenten ersetzt werden kann, lediglich 
P. mintLs verlangt das vollständige Aneurinmolekül. Thiazol hat in 
einigen Fällen eine zieYnliche ertragssteigernde Wirkung (P. uvella. 
P. ocelUUurn, P. ohtvsum), in anderen Fällen hat es nahezu die gleiche 
Wirkung wie Aneurin (P. curvatum, P. caudaium), in weiteren Fällen 
weist es überhaupt keine Wirkung auf (P. majua, P. minus), Pyrimidin 
ist für P. curvatum. ebenso günstig wie Aneurin, für P. obtusum halb so 
gut, in den anderen Fällen ist die Wirkung mehr oder minder gering. 




344 


K. Reinhardt: 


Wie aus der genannten Arbeit {Cndmischek, 1941b) entnommen werden 
kann, ist die Fähigkeit zur Synthese von Aneurin bzw. dessen Bestand- 
teilen bei den einzelnen FolyUma- Arten in ganz verschiedener Weise 
und in verschiedenem. Grade vetlorengegangen. 

Hier muß noch zu einigen Widersprüchen der Ergebnisse Lwoffs 
zu den eigenen Stellung genommen werden. Lwoff behauptet die 
Unabhängigkeit von Polytoma uvella und P. obiusum von Aneurin. Die 
Versuche wurden mit 0,4 % Asparagin als Stickstoffquelle durchgeführt. 
Wie ich bereits früher zeigen konnte, bieten aber bereits 0,2 % Asparagin 
genügend Wirkstoffe, um diesen beiden Arten Vermehrung zu er- 
möglichen (s. auch Tabelle VII). Dieser Widerspruch erklärt sich somit 
aus dem Wirkstoffgehalt des von Lwoff verwendeten Asparaginpräparats. 
Lwoff stellte ferner fest, daß P. ocellatum und P. caudatum mit Thiazol 
allein ihr Auslangen finden können: Die eigenen 'Versuche haben' das 
im allgemeinen bestätigen können, da Lwoff aber keine quantitativen 
Bestimmungen durchgeführt hat, ist es ihm entgangen, daß Thiazol in 
seiner Wirkung immerhin beträchtlich hinter der des vollständigen 
Atieurinmoleküls zurückbleibt. Eigene Versuche mit Thiazol ergaben 
Vermehrungsfaktoren von / = 52,8 für P. ocellatum und / = 86,8 für 
P. caudatum , während bei Anwendung von Aneurin die gleichen Faktoren 
/ = ]07,0 und / = 102,6 betragen. In beiden Fällen ist also Aneurin 
dem Thiazol deutlich überlegen und muß daher mit Recht als der 
Wachstumsfaktor für beide Arten bezeichnet werden. 

In ähnlicher Weise wie bei Polytomeen ist auch die Vermehrung 
von Eugleninen in synthetischer Nährlösung an das Vorhandensein von 
Zink gebunden. In seiner Gegenwart stellt Aneurin einen Wachstiims- 
faktor für alle untersuchten Arten vor. Seine optimale Konzentration 
beträgt zwischen I0~^ und 10“ Näheres ist aus der Tabelle VIII 
/u entnehmen. 

Aneurin ist für die Euglena-Aiten sowohl durch ein Gemisch seiner 
Bausteine, als auch durch Thiazol allein voll wirksam zu ersetzen, 
während Pyrimidin allein wirkungslos ist. Die A^^o^m-Arten kommen 
gleichfalls mit Pyrimidin 4 Thiazol ebensogut aus wie mit dem voll- 
ständigen Aneurinmolekül, mit Thiazol allein liefern sie hingegen nur 
rund 50% der normalen Emtemenge. Pyrimidin allein ist unwirksam. 

Wie aus den besprochenen Untersuchungsergebnissen eindeutig 
ersichtlich ist, besitzt Aneurin für alle geprüften heterotrophen Flagel- 
laten (bis jetzt 28 Arten) maßgebliche Bedeutung. Abgesehen von 
zufällig als Verunreinigung organischer Substanzen anwesenden Wirk- 
stoffen ist Aneurin in jedem Falle lebensnotirendig, also nach der 
Definition ein „Wachstumsfaktor'' im engeren Sinne, ohne dessen 
Vorhandensein keine Vermehrung möglich ist. 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. II. 


345 


Tabelle Vlll. Ertragsfaktoren für Aneurin und seine Komponenten. 
(Zusammengestellt nach OndraUchek^ 1940/41.) 


Arten 

Aneurin 

Thiasol 
+ Pyrimidin 

Thiarol 

Pyrimidin 

ChilnmoTias paramaecium 

98,7 

99,3 

51,4 

7,8 

Ch. dblonga 

101,3 

99,8 

46,7 

3,6 

Oh. longata 

108,2 

102,4 

52,0 

5,9 

Ch. globoaa 

100,6 

98,6 

39,5 

4,0 

Ch. coniformis 

122,6 

119,8 

49,8 

6,9 

Polytomdla caeca 

128,0 

129,1 

u 

1.5 

P. agilie 

110,8 

108,6 

1,4 

0.9 

P. globosa 

110,2 

112,5 

1,0 

1.6 

Pclytoma uvdla 

105,1 

104.1 

49,4 

8,8 

P. ocettaium 

107,0 

105.2 

52,8 

7.0 

P. angvMum 

93,8 

90,3 

14,5 

11,6 

P. curvatum 

89,1 

83,5 

77,6 

79,0 

P. majua 

88,6 

75,7 

1,8 


P. Pascheri 

100,9 

101,3 

28,9 

21,5 

P. minus 

106,2 

54,1 

2,8 i 

3,0 

P. obtusum 

98,6 

101.4 

63,2 

58,1 

P. coni forme 

93,2 

90,7 

21,4 

11,1 

P. caudaium 

102,6 

99,5 

86,8 

13,4 

P. tetraoleare 

102,8 

96,6 

23,9 

1.4 

P, dorsiventrale 

96,4 

90,6 

35,0 

6,3 

P. cylindraceum 

92,4 

85,6 

46,6 

10,8 

P. papillatum 

100,5 

72,0 

17,7 

3,1 

Euglena viridis 

100,2 

97,8 

91,6 

5.6 

E. gracilis 

118,8 

120,6 

117,2 

4,8 

E. grac. mr. robusla . 

117,9 

116,9 

112,1 

4,6 

Astasia longa 

115,7 

119,3 

59,4 

1,7 

A. quartana 

137,0 

130,6 

65,0 

2,0 

A . Chattoni 

109,9 

104,0 

57,9 

2,0 


In Tabelle VII, S. 343, sind einige Zahlen uiedergegeben, welche 
einerseits die Wirkung des Aneurins auf die Trocken Substanzbildung 
zeigen, andererseits die optimale Aneurinkonzentration angeben. Einige 
zahlenmäßige Vergleiche der Aneurinwirkung mit der eines Thiazol- 
Pyrimidingemisches bzw. der beiden Stoffe für sich sollen diesen Ab- 
schnitt beschließen (Tabelle VIII). 

Zur Kennzeichnung der Verhältnisse werden in den nachstehenden 
Tabellen nicht die Ergebnisse der Trockengewichtsbestimmungen 
direkt angegeben, sondern die aus ihnen berechneten Ertrags- 
faktoren : 

, _ Trockengewicht der aneurinhaltigen Kultur 
Trockengewicht der aneurinfreien Kultur 

weil diese Zahlen eine bessere Vergleiehsmöglichkeit gewährleisten, wie 
bereits früher auseinandergesetzt wurde. 





346 


K. Beiabavdt: 


4. Das Mineralsalzbedfirbiis boterotropher Flagellaten. 

In Zusammenhang mit der Untersuchung des Wirkstoffbedürfnisses 
heterotropher Flagellaten (Ondratschek^ 1940d, 1941a, b,c) konnte der 
Verfasser die ersten vorläufigen Feststellungen über den Mineralsalz- 
bedarf der untersuchten Arten treffen. Gleichzeitig wurde auch die 
für eine maximale Trockensubstanzbildung günstigste Konzentration 
der notwendigen anorganischen Nährsalze bestimmt. Im J-<aufe der 
Versuche ergab sich ferner die Notwendigkeit zur Beachtung des Bedürf- 
nisses an Spurenelementen, so daß schließlich die Notwendigkeit zu 
einer eingehenden Untersuchung des Mineralsalz bedarf es gegeben war. 
Dieses Vorhaben wurde in einer eigenen Mitteilung {Ondratschek^ 1941e) 
verwirklicht. Es wurde hierbei vornehmlich der Bedarf an anorganischen 
Nährstoffen untersucht und der Bedeutung der Spurenelemente nur 
soweit Beachtung geschenkt, als diese nicht in Form von Verunreini- 
gungen bereits in der Nährlösung vorhanden waren. Letztere Frage 
wird hier einer näheren Analyse unterzogen. 

Solange unsere Kenntnisse über die eigentliche Wirkung der als 
Spureneiemen te‘‘ bezeichneten Stoffe noch gering sind, ist es nicht 
empfehlenswert, zwischen Nähr- und Spurenelementen einen grund- 
sätzlichen Unterschied zu machen. Derzeit ist eine Entscheidung 
darüber, ob die nur in sehr geringer Konzentration notwendigen Elemente 
zur Gruppe der Wirkstoffe (Pseudowachstumsfaktoren nach Schöpfer) 
zu rechnen sind, unmöglich. Es scheint zweckmäßiger, vornächst die 
Konzentration eines lebensnotwendigen Elements für die Verwendung 
in dieser oder jener Beziehung nicht zu sehr zu betonen. Wenn auch 
weiterhin die üblichen Begriffe „Nährelemente“ und ,, Spurenelemente“ 
angewendet werden, so geschieht dies nur im üblichen Sprachgebrauch 
und soll lediglich sagen, daß für eine reichliche Vermehrung erstere 
in viel stärkerer Konzentration vorhanden sein müssen als letztere. 

Den Ansprüchen heterotropher Flagellaten an anorganischen Nähr- 
stoffen war man bisher stets so nachgekommen, daß in ziemlich will- 
kürlicher Weise die von Kulturversuchen bei höheren Pflanzen be- 
kannten Mineralstoffe zur Nährlösung zugesetzt wurden. Vielfach 
scheint man sich auch auf die zufällige, in Form von Verunreinigungen 
gegebene Anwesenheit gewisser anorganischer Stoffe verlassen zu haben, 
was daraus hervorgeht, daß in verschiedenen älteren Arbeiten (z. B. 
Pringsheim, 1921) lediglich K 2 HPO 4 und MgS 04 zugesetzt wurde. 
Ca, Fe und — falls notwendig — Spurenelemente mußten dann zwangs- 
läufig bei positivem Ausfall des Züchtungsversuchs aus den genannten 
Verbindungen oder Nährsalzen stammen. 

In der oben erwähnten Arbeit {Ondratachek, 1941 e) wurden sämt- 
liche anorganischen Nährelemente auf ihre Lebensnotwendigkeit hin 



Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. II. 


347 


untersucht und erstmalig festgestellt, welche Mengen die Vermehrung 
und Trockensubstanzbildung am günstigsten beeinflussen. 

Die Angabe der Zusammensetzung einer Nährlösung erfolgt aus 
Gründen, die in der ersten Mitteilung bereits eingehend besprochen 
worden sind, in einer Form, welche nur das tatsächlich notwendige 
Nährelement berücksichtigt. So wird z. B. der Phosphatgehalt einer 
Nährlösung nicht mehr wie bisher üblich in % Na 2 HP 04 , sondern in 
% P als Na 2 HP 04 . 

Es wurden nun experimentelle Untersuchungen angestellt, bei 
welchen, ausgehend von einer Nährlösung in der bisher üblichen Form, 
von der die Gewißheit bestand, daß sie allen zu untersuchenden Flagel- 
laten günstigste Lebensbedingungen bot, schrittw^eise ein Element um 
das andere in seiner Konzentration verändert woirde. 

Einzelheiten über diese Untersuchungen können in der genannten 
Arbeit nachgelesen werden. Ihre Ergebnisse, ermöglichten die Zu- 
sammenstellung einer Nährlösung nach den neuen Gesichtspunkten, 
die sich in allen Fällen als günstig erwiesen hat und auch in dieser 
Arbeitenreihe grundsätzlich verwendet wird. Die genaue Zusammen- 
setzung v^nirde bereits bei der Besprechung der Art cler Versuchs - 
anstellung in der ersten Mitteilung dieser Reihe gegeben. 

Nach der Untersuchung der übrigen als ,, Nährelemente“ bezeich- 
neten Stoffe konnte dann das Bedürfnis der Flagellaten an Elementen 
näher betrachtet werden, welche wegen der geringen Mengen, die 
lebensnotw'endig sind, als ,, Spurenelemente“ bezeichnet werden. Auf 
technische Einzelheiten braucht hier nicht eingegangen zu w’erden. Es 
sei nur festgestellt, daß nach langwierigen Vorversuchen aufgezeigt 
werden konnte, daß Zusätze von Zn, Mn und As eine Lösung, die wegen 
der vorausgegangenen sorgfältigen Reinigung von Spurenelementen 
keine Vermehrung heterotropher Flagellaten zuläßt, zur Züchtung brauch- 
bar machen. Weitere Versuche zeigten die jeweils günstigste Konzen- 
tration dieser Spurenelemente auf. Es sei aber ausdrücklich be- 
tont, daß damit weder absolut gültige Werte gegeben sein sollen, noch 
ein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben w^erden kann. Es besteht 
immerhin die Möglichkeit, daß Elemente, die in noch geringerer Ver- 
dünnung wirksam sind, bei der Reinigung der Lösungen nicht erfaßt 
wurden. 

Nachstehend sei eine Zusammenstellung der für die Vermehrung 
der hier zur Untersuchung stehenden FlagellcUen notwendigen Spuren- 
elemente sowie ihre günstigste Konzentration wiedergegeben (Ta- 
belle IX). Die gemachten Angaben beziehen sich nur auf die in meinen 
Versuchsreihen gegebenen Bedingungen. 



348 


K. Reinhardt: 


Tabelle IX. Zusammenstellung der für die Vermehrung heterotropher 
Flagellaten notwendigen Spurenelemente, sowie ihre günstigste 

Konzentration. 


(Nach OndreUschek, 1941 e.) 


Arten 

Zink in % 

Hangan In % 

Anen in % 

Chilomonas pafamaecium 

10-» 

10- • 

nicht notwendig 

Ch, ohlonga 

10-» 

10-* 

»» »» 

Gh. coniformih 

10-» 

10-« 

•* »» 

Ch, longata 

10-^ 

10- * 

»» »» 

Ch. glcLoaa 

10~‘ 

10-* 

♦» >> 

Pclytomella cbgilis 

10-* 

10-» 

»» »» 

P, caeai 

10-» 

10- » 

»» »♦ 

P. globosa 

10-* 

10-* 

»> »» 

Pclytoma uvella 

10“* 

lO-io 

tt »9 

P. minus 

10“* 

10-» 


P, obtuaum 

10- • 

10--'® 


P. majus 

10-» 

10-' 

»♦ 99 

P. anguatum 

10-* 

10-’« 

99 99 

P. caudatum 

10- • 

10-» 

99 99 

P. paptllatum 

10- • 

10-'® 

99 99 

P. tylindraceum 

10-» 

10-* 

99 9* 

P. ocelUUum 

10- • 

10- • 

99 99 

P. tetraoleare 

10-‘ 

10-1® 

99 99 

P. Paacheri 

10-» 

10-'® 

99 99 

P. cxmiforma 

10-« 

10-» 

99 9 

P. doraiventrale 

10-* 

10-'® 

10-“ 

P, curvatum 

10-* 

10-» 

10-" 

Euglena viridia 

10“* 

10-» 

10-1® 

E. gracilia 

10-* 

10-» 

10-'® 

E, grcLC, mr. robuaia 

10-' 

10-» 

nicht notwendig 

Aatasia longa 

10-» 

10-« 

10-" 

A, quartana 

10-» 

10“* 

lO-’P 

A, Chationi 

10-* 

10- • 

10-’® 


5. Bedeutimg der Reaktion für die Auswertbarkeit yersehiedener Kohlen- 
stoffquellen, Beeinflussung der Trockensubstanzbildung durch die 
Konzentration der Kohl^stoffquelle. 

Bei der Erörterung der obigen, für die weiteren Versuche besonders 
bedeutsamen Fragen müssen teilweise Ergebnisse herangezogen werden, 
die erst in einer folgenden Mitteilung näher besprochen werden können. 
Aus Gründen der Zweckmäßigkeit, namentlich um nicht bei der Be- 
sprechung jeder einzelnen Kohlenstoffquelle neuerdings auf die Be- 
deutung der Reaktion und der C-Konzentration eingehen zu müssen 
und auch, weil die Ergebnisse dieser Untersuchungen ein ziemlich 
gleichartiges Bild darstellen, soll hier die vorliegende Frage für sämtliche 
Kohlenstoff quellen behandelt werden. 

Wie einleitend aufgezeigt werden konnte, hatte ich bereits früher 
jene Reaktionsbereiche festgestellt, welche bei Züchtung mit Essigsäure 







Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. II. 349 

als Kohlenstoffquelle üppige Vermehrung ermöglichen. Weitere Ver- 
suche haben dann gezeigt, daß diese Werte aueh für alle übrigen näher 
untersuchten Kohlenstof fqueUen als optimal zu gelten haben. Dies war 
von vornherein nicht als unbedingt sicher anzunehmen. Es hätte an 
sich die Möglichkeit bestanden, daß z. B. mit steigender Zahl der Kohlen - 
Stoffatome im Molekül auch eine Verschiebung des Ph- O ptimums nach 
der sauren oder alkalischen Seite stattfinden könnte. Die Erklärung 
wäre dann so gewesen, daß die den C-Komplex angreifenden Fermente 
verschiedenes Reaktionsoptima gehabt hätten. Ich konnte aber fest- 
steilen, daß in allen Fällen die für Essigsäure als besonders günstig 
festgestellten Reaktionen auch für andere Kohlenstoff quellen ^treffen, 
was den Schluß erlaubt, daß die Art des biochemischen Abbaus der 
Kohlenstoffquellen nach einer einheitlichen Richtung erfolgt. 

Nachstehend soll dieses Verhalten an einigen Beispielen kurz auf- 
gezeigt werden, wobei auf die Wiedergabe umfangreicher Versuchs- 
ergebnisse verzichtet werden kann, da sich, wie bereits angeführt, keine 
wesentlichen Unterschiede gezeigt haben. Zur Veranschaulichung seien 
Vertreter aus jeder systematischen Gruppe ausgewählt, die das gleiche 
PH-Optimum haben. Folgende Arten sollen zu diesem Zwecke verwendet 
werden : ChilonwndS paramaecium, Polytomella caeca, Polytoma ocehaturn 
und Astasia longa ^ alle mit einem optimalen pH von 6,5. An Hand einiger 
Kohlenstoffquellen sei das V'erhalten aufgezeigt (Tabelle X). 

In ähnlicher Weise wie hier geschildert verhielten sich sämtliche 
Arten, und zwar bei Züchtung mit anderen verwertbaren Kohlenstoff- 
quellen. Es ist damit festgestellt, daß die für Essigsäure als optimal 
aufgezeigten Reaktionen auch für alle anderen hier geprüften Kohlen- 
stof fquellen ihre Gültigkeit haben. 


Tabelle X. Einfluß der Reaktion auf die Auswertbarkeit einiger 

Kohlenstof fquellen. 

Angabe der Ertragsfaktoren (/c). 



EsBl(i:8äure 

n-Butteraäiire | 

n-Caprnnsäure 


PH 6,8 

PH 6,6 

PH 7,2 

PH 6,6 

PH 6.5 

PH 7,3 

PH 5,8 

PH 6,5 

PH 7,5 

Chilomonas 

paramaecium 

81,2 

100,0 

63,4 

85,1 

119,9 

65,2 

75,9 

99,8 

48,2 

Polytomella 
casca 

87,0 

100,0 

57,8 

89,2 

132,7 

62,8 

42,9 

68,3 

24,1 

Polytoma 
ocellcUum . . 

78,6 

100,0 

81,2 

82,3 

112,8 

101,6 

60,8 

98,8 

75,7 

Astasia longa . 

82,9 

100,0 

68,7 

97,3 

125,8 

85,6 

81,1 j 

99,9 

63,6 


Ein weiterer Punkt, der zweckmäßig hier vorweggenommen v'erden 
soll, ist die Frage nach der günstigsten Konzentration der Kohlenstoff- 



350 


K. Reinhardt: 


quelle. Wie wir an Essigsäure näher aufzeigen werden, kommt einer 
Konzentration von 50 mg C/100 ccm der günstigste Einfluß auf den 
Ernteertrag zu. Ähnliche Versuche wurden auch mit anderen Kohlen- 
stoff quellen angestellt, wobei ich mich besonders mit Monocarbonsäuren 
befaßte. Durchwegs erwies sich ein Gehalt von 50 mg C/100 ccm Lösung 
als sehr günstig. Das gleiche Verhalten konnte dann auch für Alkohole 
und einige andere Stoffe, wie Milchsäure, Brenztraubensäure, Glycerin- 
aldeh 5 ^d und Dioxyaceton nachgewiesen werden. Wegen der völligen 
Gleichartigkeit der Ergebnisse erübrigt sich hier eine auch nur auszugs- 
weise Wiedergabe. Bei der Besprechung der Essigsäure werden einige 
Zusammenstellungen gegeben, welche in ähnlicher Weise für alle anderen 
Kohlenstoffquellen gelten. 

Eine weitere Frage, die gleichfalls hier erörtert werden soll, ist die 
nach der toxischen Konzentration der Kohlenstoffquelle. Bis zu Prova- 
soli (1937) wurden willkürlich Konzentrationen von meist 0,2% an- 
gewendet, Provasoli hat dann aufgezeigt, daß verschiedene der bis- 
herigen negativen Ergebnisse auf diese mitunter bereits giftige Kon- 
zentration zurückzuführen sind. Er setzte seine Konzentrationen 
wesentlich herab, ohne aber eine Regel hierbei zi^finden. Wie meine 
Versuche zeigen, besteht eine gewisse Gesetzmäßigkeit zwar insofern, 
als bei sämtlichen Kohlenstoffquellen eine Konzentration von 50 mg C 
pro 100 ccm Lösung optimal ist, d. h. mit anderen Worten, daß mit 
steigender Kohlenstoffzahl im Molekül die optimale Molekülkonzentra- 
tioh der betreffenden Kohlenstoff quelle immer geringer wird. 

Es erschien ferner notwendig, auch jeweils jene Konzentration zu 
bestimmen, bei welcher eingetragene Zellen sich nicht mehr teilen bzw. 
nach 24 Stunden absterben. Es wurden verschiedene Versuche an- 
gestellt, welche wiederum ein ziemlich gleichartiges Verhalten aller 
untersuchten Organismen zeigten. Das Ergebnis war folgendes: mit 

Tabelle XI. Toxische Konzentrationen der Kohlenstoffquellen. 


Kohlenstoffaaellen 

Anzahl der 

C Atome 

Tozilche Konzentration 
in mg C/100 ccm 




nicht bestimmbar 




100 

Stoffe mit gerader 



90 

0’ Anzahl 



80 




70 




60 




90 

Stoffe mit ungerader 



80 

C-Anzahl 

1 


70 


1 


60 

Stoffe mit iso-Bindung i 

i 


70 

60 







Stoffwechsel heterotropher Flagellaten. 11. 


351 


steigender Kohlenstoffzahl nimmt die Toxizität ziemlich gesetzmäßig 
zu, wobei drei physiologische Reihen unterschieden werden können, 
wie Tabelle XI zeigt. 

Iso- Verbindungen mit mehr als 6 Atomen C im Molekül werden 
in keinem Falle verwertet, ebenso sind iso- Verbindungen mit ungerader 
C- Anzahl nicht assimilierbar. 

Zusammenfassung. 

Die vorliegende Arbeit bringt eine Reihe von experimentellen 
Untersuchungen zur Darstellung, deren Ergebnisse erst die Durch- 
führung der geplanten stoffwechselphysiologischen Untersuchungen 
ermöglichen. 

Die Bedeutung des physiologischen Zustandes wurde klargelegt, 
der ertragsbestimmende Einfluß der Reaktion aufgezeichnet. Die 
bisher bekannten Tatsachen über das Wirkstoffbedürfnis heterotropher 
Flagellaten wurden zusammengestellt und durch eigene Befunde ergänzt. 
Die zur Ernährung nötigen anorganischen Elemente wurden in quanti- 
tativen Versuchen gesucht und gefunden. Versuche über die Bedeutung 
der Reaktion für die Auswertbarkeit verschiedener Nährstoff quellen 
sowie über die Beeinflussung der Trockensubstanzbildung durch die 
Konzentration der Kohlenstoffquellen und deren- Toxizität schlossen 
die Vor versuche ab. 

Auf Grund der besprochenen Ergebnisse erfolgt jetzt die Unter- 
suchung der Kohlenstoffernährung der hier behandelten Flagellaten, 
deren Besprechung einer weiteren Mitteilung Vorbehalten bleibt. 

Eine Literaturübersicht wird in der letzten Mitteilung dieser 
Arbeitsreihe gegeben. 



(Aus dem Institut für Mikrobiologie Rostock.) 


Die Erblichkeit der durch Eadiumhestrahlnng 
hei der Hefe ansgelösten Riesenzellbildung. 

Von 

R. Bauch. 

Mit 8 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 21, Juli 1943,) 

Die (jröße der Zellen in einer Hefe-Kultm folgt den für alle Orga- 
nismen geltenden Gesetzen der Variabilität. So findet man in jeder 
£fe/e- Kultur kleine, mittlere und extremgroße Zellen, über die zahlen- 
mäßige Verteilung dieser drei Zellsorten orientieren variationsstatistische 



Abb, 1. Kurven der Voluinina verscliiedencr AuHwerhmgSBerien von Klon 1. 

A. Bei Kultur auf Bierwürzeagar. 

B. Bei Kultur in flüssiger Bierwürze. 


Auswertungen, bei denen Umrißzeichnungen der Zellen (mit Zeichen- 
apparat bei stärkster Vergrößerung entworfen) in ihren Durchmessern 
ausgemessen, die Volumina der Einzelzellen rechnerisch bestimmt und 
die Einzel Volumina kurvenmäßig unter Zugrundelegung einer Klassen- 




Erblichkeit der bei der Hefe auBgelösten Biesenzellbildung. 


353 


einteilung von je 100 Volumen werten (z. B. alle Zellen mit Werten von 
61 bis 150 gehören der Klasse 100 an) zusammengestellt werden. Die 
Variationskurven verschiedener Ausmessungen der Zellvolumina auf 
dem gleichen Bierwürzeagar zeigen einen recht übereinstimmenden 
Verlauf der Gesamtkurven und identische Lagen der Kurvengipfel 
(Abb. lA). Die errechneten Zahlen werte sind innerhalb der durch die 
Meßmethodik gebotenen Fehlerquellen als identisch zu bezeichnen 
(Tabelle I). Der Anfangspunkt dieser Kurven gibt die Größe der eben 
abgeschnürten Tochterzellen an, ihre Gipfelpunkte stellen die Größe 
der heran wachsen den Zellen dar und ihr Ende zeigt die von den Zellen 
unter diesen Bedingungen überhaupt erreichbare Größe an. Das Ausmaß 
der Größe dieser extremen Plusab weicher wechselt von Fall zu Fall 
etwas. 

Tabelle I. Zahlenwerte zu den Variationskurven der Abb. 1 und 2. 



Mittelwert 

M±m 

Streuung 

0 

Anzahl der Zellen 

n 

Abb. 1. A Kurve 1 

183,7 ± 6,9 

117,3 

386 

»» 

2 

163,1 ± 6,6 

87,0 

244 

»» 

3 

183,3 ± 7,2 

103,0 

206 

B „ 

4 

3C8.6 db 9.6 

160,7 

251 

>» 

6 

325,0 ± 8,9 

132,0 

220 

»♦ 

6 

338,1 ± 9,1 

139,6 

236 

Abb. 2. Stammwürze, konz. 

369,6 ± 11,6 

172,3 

226 

»> 

1:3 

215,3 ± 7,4 

117,4 

249 


1:6 

19G,0± 7,0 

110,7 

236 


Voraussetzung für eine vergleichende Auswertung derartiger 
Kurven ist naturgemäß die Innehaltung der gleichen Außenbedingungen. 
In Flüssigkeitskulturen, z. B. in Stammwürzelösungen von 10^ Balling, 
verschieben sich die Mittelwerte etwa um das Doppelte gegenüber 
Agarkulturen und die Lage der extremen Plusabweicher folgt dieser 
Verschiebung in etwa dem gleichen Verhältnis (Abb. IB). Dies dürfte 
ein Ausdruck der in einer Flüssigkeitskultur naturgemäß gegebenen 
besseren Ernährungsverhältijisse der Einzelzellen gegenüber einer 
Kultur auf festem Nährboden sein, wo der Einzelzelle nur geringe 
Nährstoffmengen zur Verfügung stehen. Wieweit die Menge der Nähr- 
stoffe die Größe der Zellen beeinflußt, wird aus der Abb. 2 ersichtlich, 
in der eine variationsstatistische Auswertung der Zellengröße in einer 
verschieden verdünnten Stammwürzelösung vorgenommen wurde. 
Die Gigasrassen verhalten sich entsprechend. 

Bei derartigen Auswertungen stößt man gelegentlich auf die Tat- 
sache, daß einzelne Zellen unvermittelt höhere Volumenwerte zeigen 
und manchmal weit über das Ende der gewohnten Plusabweicher 



354 


B. Bauch: 


hinausgreifen können. Man bezeichnet diese Extreniformen für ge- 
wöhnlich als Riesenzellen und man kennt sie wohl von allen ife/e- Arten. 
In den Lehrbüchern der Gäningsphysiologie finden sie eine meist nur 
recht kurze Erwähnung und über die Ursachen und Bedingungen ihrer 
Entstehung ist nicht allzuviel bekannt. Die Frage, ob diese Riesen- 
zellen überhaupt fortpflanzungsfähig sind und dabei ihre Größe auf 
die Nachkommen vererben oder ob sie wieder den Normal typus liefern, 



Abb. 2. Voluraenkurven von Klon 1 bei Kultur in verschieden verdünnter Bierwürze. 

1. in Stammwürze, 

2. in mit Wasser 1 : 3 verdünnter Stammw ürze, 

3. in mit Wasser 1 : 6 verdünnter Stammwürze. 


ist 111 . W. noch kaum angeschnitten worden. In der Sprache der Genetik 
würde diese Frage lauten: „Stellen die Riesenzellen nichterbliche, 
phänotypische Modifikationen dar oder handelt es sich bei ihnen um 
genotypische erbliche Veränderungen ?“ Aus der allgemeinen Praxis 
der Hefezüchtung heraus ergeben sich aber gewisse Anhaltspunkte, 
daß es sich hierbei um nichterbliche Modifikationen handelt. Denn im 
anderen Falle müßte es ja möglich sein, aus jeder Riesenzellen auf- 
weisenden Kultur Rassen mit größeren Volumenwerten herauszuzüchten. 
Erfahrungen dieser Art liegen anscheinend in der gärungsphysiologischen 
Literatur nirgends vor und auch der zu meinen Versuchen benutzte 
Klon einer Brauerei-Betriebshefe hat bei laufender, vielfacher Über- 
wachung innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren ni^ spontan ,, Riesen- 
rassen“ geliefert. 

Die Frage über die genetische Struktur der Riesenzellen ist theo- 
retisch besonders wichtig im Hinblick auf die Gigasrassen, die sich 
durch Behandlung der Hefe mit bestimmten chemischen Stoffen ge- 
winnen lassen \Bauch, 1942 (1) (2)]. Bei diesen Gigasrassen handelt es 
sich um Formen, die in ihrer Zellgröße teilweise um das Doppelte und 



Erblichkeit der bei der Hefe ausgelösten Riesenzellbildung. 355 

Vierfache verändert sind und die diesen Riesenwuchs auf die !^ach- 
kommenschaft übertragen. Man darf diese Gigasrassen mit einem 
hohen Maß von Wahrscheinlichkeit als genotypische Veränderungen, 
also Mutationen, auf fassen, bei denen die Größenzunahme wahrscheinlich 
auf einer Vermehrung des Chromosomenbestandes beruht. Die Stoffe, 
mit denen sich die Bildung derartiger Gigasrassen auslösen läßt, gehören 
zu den Wirkungsgruppen der polyploidisierenden Substanzen, den 
krebserregenden Stoffen und den pflanzlichen Wuchsstoffen von Hetero- 
auxincharakter. Von allen drei Stoffgruppen ist bekannt, daß sie ent- 
weder an der tierischen oder pflanzlichen Zelle Veränderungen der 
Chromosomenzahl durch Einwirkung bei der Zellteilung auszulösen 
vermögen. 

Der Genetik ist es möglich, Erbänderungen in besonders reichem 
Umfang durch Bestrahlung mit Röntgen- oder Radium strahlen und 
mit ultraviolettem Licht auszulösen. Es treten dabei sehr verschiedene 
Arten von Mutationen auf : 1. Genmutationen, bei denen nur ein einzelner 
Erbfaktor verändert ist, 2. Chromosomenmutationen, bei denen Einzel- 
chromosomen in ihrer Struktur verändert sind, 3. Genommutationen, 
bei denen die Zahl der Chromosomen Abweichungen zeigt. Dem- 
entsprechend sollte man erwarten, daß Bestrahlung von Hefe ebenfalls 
zum Auftreten neuer Rassen führt. 

Bekanntlich hat Nadson (zusammenfassende Darstellungen 1933 und 1937) 
mit verschiedenen Mitarbeitern durch Bestrahlung von Hefe mit Radium - 
emanation verschiedene neue Rassen gewinnen können und auch bei anderen 
Pilzen sich konstant erhaltende Veränderungen hervorgerufen. Seine Versuche 
sind in Frankreich besonders von Lacasaagne (1939) an Hefe und von Meialnikoff 
mit Mitarbeitern (1939 und 1940) bei Bakterien mit positivem Erfolg weiter- 
geführt worden, und es ist der Versuch unternommen worden, die Entstehung 
solcher Radiumrassen auch für technische Zwecke verwertbar zu gestalten. 
Rin sehr umfangreiches Material über die Entstehung von Mutationen bei 
Ascomyceten der Gattung Sordaria durch Röntgenbestrahlung hat neuerdings 
Greis (1941) vorgelegt. 

Der Frage des Auftretens von neuen Größenvarianten der Hefe ist 
dabei verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. 

Nadson berichtet von seiner Rasse C, entstanden durch Behandlung mit 
Radiumemanation, aus der Brennereihefe XII, daß sie sehr polymorph sei und 
daß „Riesengroße hier eine gewöhnliche und charakteristische ErEcheinung"' sei^ 
ohne aber anzugeben, ob die Zellengröße allgemein erhöht sei. Nur Lacassagne, 
Schoen und B6mii4 (1939) geben kurz an, durch Radium bestrahlung bei Saccharo- 
myces ellipsoideus Chambertin Rassen erhalten zu haben, die sich durch ihre 
Größe von der Ausgangsrasse unterscheiden und stellen eine ausführliche 
Schilderung der Morphologie ihrer Radiumrassen in Aussicht. Bei Aspergillus 
niger hat Wheiden (1940) durch Bestrahlung mit Kathodenstrahlen niederer 
Spannung eine Rasse als „Sektormutante** gewonnen, die sich 'durch ver- 
größerte Mycelzellen, vergrößerte Konidien und schnelleres Wachstum von der 
Ausgangsrasse unterscheidet. Ihren Charakter als pol yploide Gigasrass^ konnte 



356 


R. Bauch: 


er durch Zählung der Chromosomen sicherstellen. Daß gelegentlich bei den 
Pilzen ebenso wie bei den Blütenpflanzen spontan pol 3 rploide Gigasrassen auf- 
treten können, machen die Beobachtungen von Sörgü (1036) an AlUmycts 
Kniepii höchstwahrscheinlich. Im Zusammenhang mit den reichen Erfahrungen 
der Strahlengenetik an anderen Objekten müssen wir auch für die Hefe damit 
rechnen, daß Bestrahlung neben Abweichungen anderer Art die Bildung von 
Gigasrassen auslösen kann. 

Die aufgeworfene Fragestellung nach der genetischen Natur der 
Riesenzellen und der experimentellen Auslösung von Gigasrassen erhält 
aber von einer ganz anders orientierten Forschungsrichtung eine wesent- 
lich veränderte Beleuchtung. Die Strahlenbiologie hat seit langem die 
Hefe als leicht zu handhabendes Versuchsobjekt benutzt, um die Schädi- 
gung einer Zelle durch die Bestrahlung festzustellen. Bei den Versuchen, 
eine Abtötung der Hefe durch Bestrahlung durchzuführen, stellte sich 
heraus, daß bei mittleren Strahlendosen nie sämtliche Zellen gleich- 
mäßig abgetötet werden, sondern daß immer nur eine bestimmte Zeilen- 
zahl v’^on der Schädigung betroffen wird. Die dabei gewonnenen ,, Schädi- 
gungskurven** verlaufen exponentiell und diese Unstetigkeit der Strahlen- 
wirkung wird von der Strahlenphysik auf die korpuskulare, quanten- 
hafte Natur der Strahlung zurückgeführt. Die Abtötung selbst wird 
dabei als ein Effekt eines ,, Treffers** eines Strahlenquants auf ein 
Steuerungszentrum, vor allem den Kern, angesehen (Jordan, 1938). 

Für unsere Gedankengänge interessiert* aus diesen biophysikalischen 
Untersuchungen und (ien daraus sich ergebenden, für unsere Auffassung 
des belebten Organismus höchst wichtigen theoretischen Schluß- 
folgerungen nur eine Beobachtung, die mehr am Rande der dort disku- 
tierten Fragen liegt. Als Primärfolge einer Bestrahlung der Hefe kommt 
es zu einer leichten Hypertrophie aller Zellen, bedingt durch Änderungen 
der Plasmapermeabilität (Nadson, 1922 und 1925). Neuerdings schätzen 
V. Euler, Ahlström und Högberg (1942) das Ausmaß dieser Vergrößerung 
auf etwa 30% des Zellvolumens. Außerdem findet sich in bestrahlten 
Hefekulturen immer eine mehr oder minder große Anzahl von Zellen 
von ausgesprochenem Riesenwuchs. 

Nadson hat wohl als erster im Jahre 1922 auf diese Riesenzellen infolge 
einer Radiumbestrahlung hingewiesen und sie für Bierhefe, Nadsonia fulvescens, 
Rosahefe und Endomyces vemalis beschrieben. Bei einer Nachuntersuchung 
fanden Kotzareff und Chodat (1923) bei Behandlung von Bierhefe mit Radium - 
emanation Riesenzellen mit einem Durchmesser von im Mittel 13,3 p gegen 8 (x 
der Normalzellen. Derartige Riesenzellen sind immer wieder bei strahlenbiologi- 
Bchen Untersuchungen an Hefen und anderen Pilzen auf gef allen. Sie sind 
beobachtet worden >on Holweck und Laeassagne (1930) bei Sacch, elUpsoideus 
Chambertin nach Röntgenbestrahlung, von Erdmann (1934) bei der Bierhefe 
nach Röntgenbestrahlung, von Oster (1934) bei Bierhefe und von Schreiber 
(1939) bei Sacch» turbidans nach ultravioletter Bestrahlung, von Motida und 
Adati (1939) bei Sacch, ellipsoideus II nach Röntgenbestrahlung und von Beutin 
(1941) bei Torula-Arten aus Bäckereihefe nach Röntgenbestrahlung. Daß es 



Erblichkeit der bei der Hefe ausgelösten Biesenzellbildung. 


357 


sich hierbei nicht um eine besondere Beaktion der Hefen imd verwandter 
Pilze, sondern um eine allgemeine zellphysiologische Beaktionsweise handelt, 
zeigen entsprechende Befunde bei anderen Organismen. So berichten Lea, 
Haines und Coulson (1936) über Biesenzellen bei Bakterien nach y-Bestrahlung, 
und Luria (1939) nach Behandlung mit a- imd Böntgenstrahlen. Gleiche Be- 
obachtungen liegen auch für Infusorien, Flagellaten (LacasscLgne, 1934) und 
für Algen [Mesotcbenium (Forssberg, 1933), Zygnema (Petrovd, 1936), GhloreUa 
(Pietschmann, 1937)] vor. Diese Biesenzellen sind aber in sehr verschiedenem 
Maße durch die Bestrahlung geschädigt. Manche Zellen können sich trotz ihrer 
physiologischen Aktivität überhaupt nicht weiter vermehren. Sie sind in ihrer 
Teilungsfähigkeit irreversibel geschädigt, obgleich sie, wie ihre Wachstumsfähig- 
keit erweist, nicht völlig abgetötet sind. Andere haben in mehr oder minder 
großem Ausmaße ihre Teilungsfähigkeit erhalten und bilden Kleinkolonien von 
sehr verschiedener Größe. Lacass<igne(\^Z^) führt diese differenten Schädigungen 
der Vermehrungsfähigkeit auf Trefferereignisse an einzelnen Zellbestandteilen, 
dem Teilungszentrum oder EinzelteiJen der chromatischen Substanz oder des 
Cytoplasmas zurück. 

Die genetische Seite dieser als Bestrahlungsfolge auftretenden 
Kiesenzellen ist von der Strahlenbiologie nur andeutungsweise gestreift 
worden. Im Hinblick auf die Synthese von Gigasrassen der Hefen 
durch chemische Stoffe mußte die Frage nach der Erblichkeit dieser 
Riesenzellbildungen besonderes Interesse erwecken. Denn wenn auch 
aus den vorher geschilderten Untersuchungen über die Entstehung 
von neuen Heferassen nach Radium behandlung erbliche Änderungen 
mit Sicherheit anzu nehmen sind, so spielen doch in den bisher ver- 
öffentlichten Beobachtungen Riesenrassen eine ganz untergeordnete 
Rolle. Dies ist besonders auffällig, w^eil die Riesenzellen anscheinend 
in recht erheblicher Menge nach einer Bestrahlung gebildet werden. 
Um über diese Frage ein eigenes Urteil zu gewinnen, wurden deshalb 
bereits im Dezember 1941 größere Versuchsserien mit Radium bestrah - 
lung durchgeführt, die im Frühjahr 1942 im wesentlichen ab- 
geschlossen waren. Weitere Versuchsserien, die nur einer Überprüfung 
vorher erhaltener Teilergebnisse dienten, gelangten im Winter 1943 
zur Ausfühning. 

Zur Methodik der Bestrah iungs versuche sei kurz, folgendes gesagt: Von 
jungen, in lebhafter Sprossung befindlichen Bierwürzekulturen der Hefe — 
benutzt wurde vor allem der auch für die Auslösung der Gigasrassen verwendete 
Klon einer Brauereibetriebshefe, ferner die obergärige Frohberghefe des Instituts 
für Gärungsgewerbe, Berlin, und je ein haploider und diploider Stamm einer 
von Winge, Kopenhagen, freundlichst überlassenen PreßhefekuUur — wurden 
auf Deckgläschen zwei Reihen von Tröpfchenkulturen in einem Abstande von 
etwa 5 mm angelegt. Auf der Oberseite des Deckglases wurden die üblichen 
röhrenförmigen Badiumelemente von 10 mg möglichst zentriert zwischen beide 
Tropfenreihen angeordnet und durch Vaselintropfen in ihrer läge fixiert. Die 
Bestrahlungsdaucr wurden zwischen 1 und 9 Tagen variiert. Da quantitative 
Auswertungen nicht beabsichtigt waren, wurde auf eine Feststellung der zeit- 
lichen Grenzwerte des Strahlungseffekt^ verzichtet. Die getroffene Versuohs- 
anordnung ermöglichte sowohl die direkte Beobachtung der durch die Be- 
Arehiv fttr Mlkrobioloftie. Bd. 18 . 



358 


R. Bauoh: 


Strahlung hervorgerufenen Zellverändenmgen, gestattete aber auch, Platten- 
aussaaten zur Überprüfung des weiteren Verhaltens der einzelnen Zellen an- 
zulegen. 

Für die Überlassung der benötigten Radiummengen bin ich den Herren 
Prof. Lehmann, Chirurgische Universitätsklinik, und Prof. Haaelhorst, Univer- 
sitätsfrauenklinik Rostock, zu verbindlichem Dank verpflichtet. 


Die Reaktion aller verwendeten Hefestänime auf die Bestrahlung 
war in allen wesentlichen Punkten gleichartig. Schon nach 24stündiger 
Bestrahlung findet man in den Tröpfchenkulturen eine ganze Anzahl 
von toten Zellen, deren Protoplast kontrahiert ist. Etwa gleich häufig 
sind Zellen, bei denen die Schädigung unter dem Bilde der Plasmo- 
ptyse verläuft. Die Zelltnembran ist meist an eüier Schmalseite der 

Zelle aufgeplatzt und das 
Plasma anscheinend unter 
Druck nach außen getreten, 
wo es noch längere Zeit als 
Gerinnsel erkennbar bleibt. 
Über derartige Plasmoptysen 
berichten auch (1934) 

nach ultravioletter Bestrah- 
lung von Sctcch, iurbidans und 
Motida und Adati (1939) 
nach Röntgenbestrahlung von 
Sacch. ellipaoideTis. Bei län- 
gerer Bestrahlungsdauer fallen 
gelegentlich wesentlich ver- 
größerte Zellen vom Riesen - 
zellcharakter auf. Die Über- 
impfung der bestrahlten Hefen 
auf Bierwürzeagarplatten läßt 
die Differenzen des Strah- 
lungseinflusses auf die einzelnen Zellen wesentlich schärfer als in den 
Tröpfohenkulturen hervortreten. Auf diesen Aussaaten entwickeln sich 
neben Normalkolonien von gewohnter Zellgröße die von den genannten 
Autoren beschriebenen Kleinkolonien mit vergrößerten Zellen. Diese 
Kleinkolonien, die ja auch für die chemisch beeinflußte Hefe charakte- 
ristisch sind, treten hier in überraschend großer Zahl auf. Gegenüber der 
chemischen Behandlung imterscheiden sie sich aber durch ihre sehr 
verschiedene Entwicklungsfähigkeit, die alle Zwischenstadien zwischen 
„kleiner gebliebenen“ Kolonien bis zu solchen, die nur mikroskopisch 
erkennbar sind, umfassen. Darüber hinaus läßt die mikroskopische 
Durchmusterung der Platten, am besten nach etwa dreitägigem Wachs- 
tum, noch eine Fülle von Übergangsstadien zwischen nicht mehr ent- 



Abl). 3. Obergärige Frohb&rg-Hefe, 
Kleinkolonien aus ItieseiizeUen neben Nonnal- 
kolonlen nach Badlurobeatrahlung. 
Leitz-Objektiv 3, Okular 6 X. (Alle Aufnahmen 
sind mit Miflex-Ck)ntax-Apparatur hergestellt und 
identisch vergrößert). Veigr. 180 X. 



Erbliohkeit der bei der Hefe ausgelöeten Riesenisellbildung. 


359 


wickiungdfähigen Einzelzellen und Kolonieanfängeri, die nur au» wenigen 
Zellen bestehen, erkennen (Abb. 3). Die Fülle der verschiedenen Kolonie- 
und Zelltypen läßt sich etwa in folgende Gruppen einteilen : 

1. Einzel- oder Doppelzelleri (Abb. 4). 

Diese können zum Teil zu recht erhel)iicher Größe anschwellen 
und führen meist große Fettmengen. Sie sind keiner weiteren Ent- 
wicklung fähig und bleiben noch längere Zeit auf den Platten ohne 
bemerkenswerte Veränderungen liegen. Bei diesen Riesenzellen ist also 
die Wachst umsfähigkeit erhalten geblieben, 
ihre Teilungsfähigkeit aber irreversibel ge- 
schädigt. Es ist zu vermuten, daß bei den 
Doppelzellen die Teilung zwar vom Plasma 
eingeleitet wird, der Kern dabei aber durch 
seine Schädigung unbeteiligt bleibt. 

2. Kleinkolonien aus Riesenzellen mit Ihoch- 

gradig gehemmter Teilungsfähigk^it. 

Bei diesem Typus der Schädigung kommt AWb. 4. obergäriRe Frohberg-mfe. 
es zwar zu einer Reihe von Teilungsschritten, “sw x. 

die alle wieder zu Riesenzellen führen, aber 

meist erlischt, nachdem 10 bis 30 Zellen gebildet sind, die Teiluiigs- 
fähigkeit und die Kleinkolonie bleibt unverändert noch längere Zeit 
erhalten. Bei Abimpfungen dieser sehr kleinen Kolonietypen kam es 
nie zu weiterer Entwicklung. Man möchte annehmen, daß hierbei 
Schädigungen des Teilungszentrums, etwa Chromosomen undagerungen, 
Rtückverluste oder Ausfall ganzer Chromosomen vorliegen, die zwar 
anfänglich eine Zellteilung noch gestatten, aber durch die bei jeder 
Teilung erneut auftretenden Teilungsanomalien schließlich kumulativ 
zum letalen Effekt führen. Eine direkte Demonstration dieser kumula- 
tiven Schädigung stellt eine seltener auf tretende Abart dieses Typus 
dar. Hierbei werden Sproßbäumchen aus Riesenzellen gebildet, deren 
Anfangszeilen durchaus normalen Eindruck machen, deren Endzeilen 
aber — mitunter auch mittlere Zellen — unter typischen Plasmoptyse- 
erscheinungen zugrunde gehen (Abb. 5). Die Schädigung macht sich 
also erst an den Nachkommen der bestrahlten Zellen bemerkbar. Es 
liegt hier eine auffallende Parallele zu den Erfahrungen der medizinischen 
Strählentherapie über Spätfolgen der Bestrahlung vor. 

HdUhusen^ der 1938 das medizinische Material einer eingehenden Be- 
sprechung unterzog und auch auf analoge Befunde an pflanzlichen und tierischen 
Objekten hinwies, spricht hier von einer „heredocellulären Schädigung“. Be- 
sonders eindrucksvoll sind die von ihm angezogenen Regenerationsversuche 
von Meserve und Kinney an bestrahlten Planarien, Geköpfte Planarien, di|^. 



360 


R. Bauch: 


24 Stunden mit einer vier- bis zwölffachen Hauter3rthemdo8i8 von Röntgen- 
strahlen behandelt waren, regenerieren anfänglich das abgetrennte Vorder- 
ende ganz normal wie die unbestrahlten Kontrollen. Aber etwa vom Ende 
der dritten Woche an setzt bei den mit stärkeren Dosen bestrahlten Tieren 
eine Zelldegeneration im Regenerat ein, die sohheßlich zu völligem Zerfall 
führt. 

Beobachtungen ähnlicher Art an einzelligen Organismen liegen noch in 
den Arbeiten von Petrovd (1936) an Zygnema und von Beutin (1941) an Tonda- 
Arten vor. So weist Beutin darauf hin, daß die Zellen der ersten Tochter- 
generation häufig stärkere Schädigungserscheinungen auf weisen als die be- 
strahlten Zellen selbst. Zygnema zeigt die Latenz des schädigenden Einflusses 





Abb. 6. Obergärige Frohberg-Hefe. 

Plasiuoptysen der Endzelleii eines Sproßbäumchens. „Hcredocelluläre Scliädigung**. 

Vergr. 590 X. 


der //-Strahlen besonders eindrucksvoll. Auf geringe Strahlendosen reagiert 
die Alge zunächst mit einem Aussetzen der Teilungen. Dann aber kommt der 
Teilungsmechanismus wieder normal in Gang. Erst 12 bis 14 Tage nach der 
Bestrahlung, nachdem bereits eine ganze Reihe von Teilungen abgelaufen sind» 
erscheinen in vorher ganz gesunden Algenfäden abnormale Zellen, die teilungs- 
unfähig sind. 

Es liegt hier also eine ansoheinend gesetzmäßige Reaktionsweise 
von allgemein-zellphysiologischer Natur vor, bei der der Ansatzpunkt 
der Schädigung wohl überall identisch ist. 

S. Kleinkolanien von Eiesenzeüen mit Rückschlägen zum Norvmltyjms. 

Bei diesem Typus entwickeln sich anfänglich meist größere Mengen 
von Riesenzellen. "Die Kolonien bleiben aber in diesem Stadium für 
gewöhnlich noch unter der für das unbewaffnete Auge bemerkbaren 
Größe, sind also in ihrer Teilungsintensität gehemmt. Plötzlich treten 
aber Zellen von normaler Größe auf (Abb. 6) und mm ist die durch die 
Bestrahlung ausgelöste Teilungshemmung überwunden. Bei genügend 



Erblichkeit der bei der Hefe ausgelöeten Kiesenzellbildung. 


361 


langer Beobachtung können sich diese Rückschlagstypen noch nach* 
träglich zu der Größe von Nommlkolonien der betreffenden Hefeart 
entwickeln. 



Abb. ft. Diploide Preßhefe Winge. 

Bdckscblag einer Kleiiikolonic aus Hiesi'nzcllen zum Normaltyp. lieelits und links Käiid<‘r 
von Norinalkolonieii. Vcrpr. 690 X. 


4, Kleinkohnieu von Hiesenzelkn ohnt Eüchschläge. 

Sie bestehen aus einer im einzelnen sehr verschieden großen Anzahl 
von Zellen und können verzögert zu makroskopisch sichtbaren Kolonien 
heran wachsen (Abb. 7 und 8). 

Sie bieten dann völlig das \ 

gleiche Bild wie die durch . 

chemische Einfl ü.s.se entstehen - 
den Gigasrassen. 

Von den Erfahrungen , . 

ausgehend, die bei der Ent- v ' ; 

stehung der Gigasrassen durch 
chemische Einflüsse gewonnen 

waren, mußten diese aus w * 

Riesenzellen bestehenden i 
Kleinkolonien des Typus 4 

besonderes Interesse erwecken, a ä.ä* 

zumal sie im Gegensatz zu Abb. 7. Haploide Preßhefe Winge. 

Klelukolonie aus Biesenzellen, darunter Rand einer 
den chemischen Induktions- Normalkolonie. Vergr. 600 X. 

versuchen hier in recht erheb- 
licher Anzahl auftraten. Zur Prüfung der Frage, ob durch die Radiuni- 
bestrahlung tatsächlich Gigasrassen gebildet waren, wurde eine große 
Anzahl von ihnen — von den verschiedenen Hefearten insgesamt ©tw^ 




362 


R. Bauch: 


100 Kolonien - abgeinipft und fortlaufend auf ihre Zellforni unter- 
sucht. Eine ungewöhnlich große Anzahl der Abiinpfungen ging nicht 
an, ein Zeichen für eine herabgesetzte Vitalität dieser Formen. Durch 
diesen Ausfall verminderte sich die Zahl der überprüften Kulturen 

auf etwa 80 Stämme. Die 
übergroße Mehrzahl der 
angegangenen Kulturen 
überraschte schon kurz 
nach dem Anwachsen 
durch die Ausbildung von 
Zellen ganz normaler 
Größe. Der Rückschlag 
zur Norm, der ja teil- 
weise schon auf den Aus- 
saatplatten erkennbar ge- 
wesen war (Typus 3), ist 
hier also ebenfalls, nur 
verspätet , eingetreten . 
Bei dieser Art der durch 
Radiumbestrahlung aus- 
gelösten Riesenzellbil- 
dung liegt somit keine erbliche Veränderung, kein Mutationsvorgang, 
vor. Eher könnte man diese Erscheinung dem Begriff der Dauer- 
modifikation einordnen, bei dem man vorwiegend an plasmatisch be- 
dingte Veränderungen, die nach einer kürzeren oder längeren Teilungs- 
folge reversibel sind, denkt. 

Nach Ausscheidung der sofort zum Normaltypus zurückschlagenden 
Stämme blieben aber noch einige Kulturen übrig, bei denen die Ver- 
größerung der Zellen längere Zeit erhalten blieb. Insgesamt handelt 
es sich dabei um vier Stämme. Von diesen stand der Stamm M 342, 
aus dem Klon 1 der Brauereihefe gewonnen, zeitlich am längsten unter 
Beobachtung. Kr war Ende Januar 1942 isoliert worden und hatte sich 
im August 1942, nachdem er etwa monatliche IJmimpfungen durch- 
gemacht hatte, kurven- und zahlenmäßig einwandfrei als vergrößert 
erwiesen. Eine zweite variationsstatistische Auswertung erfolgte im 
Februar 1943, nachdem er also über 1 Jahr in Kultur stand. Hierbei 
zeigte er gegenüber dem normalen Vergleichsstamm einen Vergrößerungs- 
faktor von 1,55. IMe drei anderen Stämme waren im Dezember 1941 
isoliert worden und wurden im Februar bzw. März 1942, nachdem sich 
ihre Konstanz erwiesen hatte, statistisch bearbeitet. Sie erreichten 
dabei ebenfalls Vergrößerungs werte zwischen 1,5 und 1,6. Leider 
gingen diese Stämme im Anschluß an Feindeinwirkungen im April 1942 
verloren, so daß über ihre weitere Konstanz kein Beobachtungsmaterial 



Abb. 8. Klon 1 der Brauerei- BeMebihsfe. 
Oben: Eand einer Normalkolonie. 

Unten: Hand einer Kleinkolonlc aus Riesenätelleu. 
Vergr. 690 X* 



Erblichkeit der bei der Hefe auBgelöeten Riesenzellbildung. 


m 


vorliegt. Trotz des spärlichen Materials ist somit nicht zu be- 
zweifeln, daß es sich bei diesen durch Radiumbestrahlung gewonnenen 
Stämmen um völHge Parallelen zu den chemisch ausgelösten Gigas- 
rassen handelt. 

Betrachtet man die Gesamtheit dieser Befunde vom Standpunkte 
der Genetik aus, so läßt sich feststellen, daß die durch Radiumbestrah- 
lung an der Hefe ausgelösten Veränderungen sehr verschiedener Natur 
sind. Bei den Riesenzellen des Ty-pus 1, die nicht weiter vermehrungs*- 
fähig sind, wird es sich um weitgehende Zerstörungen des Teilungs- 
zentrums, also des Kernes, durch Trefferereignisse handeln, wobei das 
Plasma nur unwesenthch geschädigt wird und seine Wachstumsfähigkeit 
behält. Beim Typus 2, bei dem eine geringe Anzahl von Teilungen unter 
Bildung weiterer Riesenzellen durchgeführt werden, ist die Schädigung 
des Teilungszentrums nicht so weitgehend oder nur partiell. Der Tod 
der Folgezellen unter Plasmoptyseerscheinungen und das Nicht- 
anwaohsen bei der Überinipfung führt zu der Annahme, daß die Schädi- 
gungen durch die weiteren Zellteilungen kumuliert werden. Zur Er- 
klärung dieses Typus der „heredocellulären Schädigung“ der medizini- 
schen Strahlenbiologie wird man an Veränderungen an Einzelchromo- 
somen oder Verlust ganzer Chromosomen denken müssen. Bei den 
Typen 3 und 4, die, wie die Kulturversuche ausweisen, fließend inein- 
ander übergehen, liegt bei der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein 
Analogon zu den reversiblen Dauermodifikationen vor. Nur ein sehr 
geringer Teil von ihnen behält auf längere Zeit den Riesenwuchs bei. 
Sie dürften in Parallele zu den chemisch induzierten Gigasrassen mit 
großer Wahrscheinlichkeit [vgl. Batich (2), S. 50ff.] als Mutationen auf- 
zufassen sein. 

Diese Befunde über die experimentelle Auslösung der Riesenzell- 
bildung bei der Hefe erlauben einige Rückschlüsse auf die Natur der 
spontan auf tretenden Riesenformen, die besonders in alternden Kulturen 
zu finden sind. Diese sind ja allen bisherigen Erfahrungen zufolge nicht 
erblicher Natur. Ihre besonders reichliche Bildung in gealterten Kul- 
turen, bei denen schon autolytische Prozesse eingeleitet sind — Hennings 
(1909, S.206), weist auf entsprechende Beobachtungen hin — , wird 
man auf chemisch gesetzte Schädigungen zurüokführen können, die 
eine Sprengung der normalen Korrelation zwischen Zellwachstum und 
Zellteilung zur Folge haben. 

Die Durchführung dieser Untersuchungen wurde durch eine Unterstützung 
seitens des EeiohsforBchungsrates ermöglicht. Herrn Prof. Poppe, Rostock, 
danke ich für die in seinem Institut gewährte Gastfreundschaft. 

Bostock, 11. Juni 1943. 



ä64 B. Bauch: Erblichkeit der bei der Hefe ausgelöeten BieBenzellbildiuig. 

Literatur. 

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Göttingen. Kachi*. a. d. Biologie 2, 156, 1936. — Whelden, P. ilf., Mycologia 82, 
630, 1940. 



(Aus dem Institut füi* Mikrobiologie der Universit&t Göttingen.) 

Über das Verhalten einiger Mikroorganismen 
gegen Pyridin. 

Von 

A. Kippel-Baldes^ A. Stare und W. Köhler. 

(Wingegangen am 19. Juni 1943.) 

Der eine von uns {A. Rijfypel) hat die Ansicht ausgesprochen, daß 
die starke Resistenz der Humusstoffe gegen den Angriff der Mikro- 
organismen, soweit der Stickstoffgehalt in Frage kommt, darauf beruhe, 
daß der Stickstoff in diesen Stoffen heterocyklisch gebunden sei. Daß 
er in dieser Form, allgemein gesehen, schwerer angreifbar ist als sonstiger 
Stickstoff, kann Mohl keinem Zweifel unterliegen, wenn auch der Abbau 
heterocyküscher Kohlenstoff- Stickstoff Verbindungen durch Mikro- 
organismen bekannt ist; es sei nur auf die letzten Veröffentlichungen 
von Buckerer über den Abbau von Nicotin verwiesen. 

Es schien uns von Interesse, den einfachsten Vertreter hetero- 
cyklischer Stickstoff -Kohlenstoffverbindungen mit 6 er Ring, das 
Pyridin, genauer zu prüfen, das nach den Angaben in der Literatur 
schwerer angreifbar zu sein scheint als kompliziertere Verbindungen 
dieser Art; Literatur über das Verhalten von Mikroorganismen gegen- 
über Pyridin ist in der auf diese Veröffentlichung folgenden Arbeit 
von V. Horv6lh(\) angegeben. Zudem sind fast alle Angaben lediglich 
qualitativer Natur, so daß sich nichts Sicheres erkennen läßt. 

Wir prüften zunächst bekannte Mikroorganismen in ihrem Ver- 
halten dem Pyridin gegenüber, in erster Linie Azotobakter chroococcuruy 
von welchem Bakterium eine gewisse Vorliebe für aromatische Ver- 
bindungen bekannt ist. 

Erwähnt sei, daß sich auf Kieselsäuregallerte, die mit Natrium- 
benzoat und 0,25 bis 0,2 ccm Pyridin durchtränkt und mit Boden - 
körnchen geimpft war, zunächst nur Azotobaoter entwickelte, auf den 
Platten mit 0,1 bis 0,2 ccm Pyridin selten und viel später einige Bakterien 
(kleine Stäbchen und Kurzstäbchen, wahrscheinlich Mycohakterien oder 
Proactinomyceten ) . 

Tabelle I zeigt das Verhalten von Azotobacier in Mannitnährlösung 
mit anorganischen Salzen, ohne gebundenen Stickstoff, bei Gegenwart 
steigender Mengen von Pyridin. Man erkennt eine deutliche Förderung 
durch 0,01 und 0,06 ccm Pyridin (auf 60 ccm Nährlösung), bei höheren 
Gaben eine Schädigung. Der pn-Wert der Nährlösung -ist dabei nicht 

^ Änderung des früheren einfachen Namens des Autors. 


26 * 



366 


A. Kippel-Baldes, A. Stare u. W. Köhier: 


Tabelle I. Stickstoffbindung von Azotobacter chroococcum bei Gegen- 
wart von Pyridin. 


Zugabe von Pyrfdin 
Je 100 cem 

mg BtweiO-Stickatoff 

Zugate von Pyridin 

mg EiwelO-Stiokstoff 

Jo Kolben 

Mittel 

Jo 100 ccm 

Jo Kolben 

Mittel 

0 

6.48 

5.48 

5,48 

0,10 ccm 

3.78 

4,46 

4,12 

0,01 ccm 

6,77 

6,91 

6,84 

0,20 „ 

3,17 

3,31 

3,24 

o 

o 

9,21 

10,08 

9,65 





N&hrlöeung: 2% Mannit, 0,08% K 2 HPO 4 , 0,05‘}„ MgS 04 , 0,6 mg°/o 
Na 4 Mo 04 , 10mg% PeS 04 , 0,1% CaCOg. Ohne Agar. 60 ccm Nährlösung in 
260er Erlenmeyer. Temperatur 29® C. Wachstumszeit 5 Tage. Pyridin nach 
dem Sterilisieren steril zugegeben. 


Tabelle II. Stickstoffbindung von Azotobacter chroococcum bei 
Gegenwart von Pyridin. 


Zugabe von Pyridin 


Zugabe von Pyridin 

Je 100 ccm 

ing EiweiO-Stickatolf 

Je 100 oem 

1 Je Kolben 

Mittel 

1 Je Kolben 

Mittel 

Wachstumszeit 4 Tage. 

Wachstumszeit 10 Tage. 

0 

10,66 


0 

20,72 



10,80 

10,66 


20,86 

20,91 


10,21 



21,16 


0,05 ccm 

11,09 


0,06 ccm 

16,31 



12,84 

12,60 


16,73 

16,66 


13,86 



16,73 


0,10 „ 

11,63 


0,10 „ 

15,32 


12,66 

12,36 


16,61 

16,69 


12,99 



16,90 


Wachstumszeit 7 Tage. 

Wachstumszeit 16 Tage. 

0 

17,07 


0 

18.38 



17,22 

17,22 


18.58 

18,60 


17,36 



18,82 


0,06 ccm 

17,36 


0,06 com 

16,61 


17,66 

17,66 

16,78 

16,76 


17,66 


16,90 


0,10 „ 

16,92 


0,10 ,. 

16,78 



17,22 

17,12 


16,90 

1639 


17,22 


16,06 



In den 0-Kol|;>en wurden zu diesem Zeitpunkt an G^samtstickstoff ge- 
funden: 21,45 - 22,32 - 22,47 = 22,08 mg im Mittel. 

Der Blind wert betrug; 1,46 mg für die unbewachsene Nährlösung und 
1,68 mg für die mit B, glycinophihts bewachsene, pyridinfreie Nährlösung. 

Nährlösung usw. wie in Versuch der Tabelle I, aber 0,1% Agar und ohne 
CJaCO,. Ferner 0,10% 






Verhalten einiger Mikroorganismen gegen Pyridin. 


367 


entscheidend, da 0,1 ccm Pyridin ihn nicht verändert. Tabelle II zeigt 
einen ähnlichen Versuch mit etwas veränderter Nähilösung, '^vie an- 
gegeben, bei 0,05 und 0,1 ccm Pyridin und verschiedener Wachstunis- 
zeit. Nach 4 Tagen ist die Förderung der Stickstoffassiniilation bei 
beiden Pyridingaben unverkennbar, nach 7 Tagen gleich derjenigen 
der Kulturen ohne Pyridin, nach 10 Tagen haben sich die Verhältnisse 
umgekehrt : Ohne Pyridin ist die Stickstoffassimilation höher, und der 
Stickstoffgehalt der Pyridinkulturen ist sogar zurückgegangen. Nach 
15 Tagen ist bei den Pyridinkulturen keine weitere Veränderung ein- 
getreten, die Kulturen ohne Pyridin zeigen einen leichten Rückgang, 
liegen aber immer noch über jenen. Per Rückgang ist offenbar auf 
Autolyse zurückzuführen. Denn wegen des Vorhandenseins von Pyridin 
wurde eine Eiweißbestimmung nach ßamstein vorgenominen. Die 
Bestimmung des Gesamtstickstoffs nach 15 Tagen in den Kulturen ohne 
Pyridin ergab einen höheren Wert, nämlich 22,08 mg gegen 18,60 mg N 
an Eiweißstickstoff. 

Tabelle 111 zeigt endlich, daß auch in Gegenwart Aon Pyridin- 
dämpfen die gleichen geschilderten Erscheinungen auftreten. 


Tabelle III. Wirkung von Pyridindämpfen auf Azotohacter 
chroococcum. 







368 


A. Rippei*Baldei, A. Stare u. W. Köhler: 


niung wurde kolorimetrisch nach Barta vorgenommen, und zwar im 
Filtrat -der Eiweißbestimmung. Es wurde nicht destilliert, da etwa 
vorhandenes Ammoniak in schwach saurer l^sung nicht stört. Die 
Brauchbarkeit der Methode wurde vorher an reinen Lösungen aus- 
probiert. Tabelle IV, in der mit je zehn Patallelkulturen gearbeitet 
wurde, deren Ergebnisse im einzelnen aufgeführt sind, zeigt eindeutig, 
daß die Förderung der Stickstof fassimilation durch Pyridin, die bei 
Zugabe von 0,06 ccm Pyridin je 50 ccm Nährlösung außerordentlich 
groß ist (nach 5 Tagen untersucht), nicht auf den Verbrauch von Pyridin 
zurückzuführen ist: Die Kontrollen, ungeimpfte Kölbchen mit Nähr- 
lösung + Pyridin, zeigen genau den gleichen Wert, eine geringe, durch 
Verdunstung bedingte Abnahme. Auch folgende Berechnung zeigt 
dies : Verschwunden sind rund 21 mg Pyridin — 3,7 mg Stickstoff, 
mehr assimiliert dagegen 7,2 mg Stickstoff. 


Tabelle IV. Pyridin Wirkung und Pyridinbestimniungen bei 
Azotohacter chroococcum. 


Kolben Nr. 


1 



Mittel ± f 


mg Eiweiß- Stickstoff je Kolben 


Ohne y 
Pyridin j 

Mit ) 
Pyridin- 1 
dämpfen | 

Mit 1 
0,0ö ccm > 
!^ridin ) 

6,99 

6,87 

11,92 

6,70 

7,37 

12,69 

6,22 

6,28 

13,22 

6,76 

8,30 

14,04 

6,06 

6,68 

13,72 

6,19 

6,93 

14,12 

6,90 

7,26 

13,85 

6,81 

7,00 

12,69 

6,22 

6,79 

13,90 

6,32 

7,12 

12,12 

6,01 ±0,21 

7,06 ±0,47 

13,22 ±0,79 

Darin | 
Pyridin | 

28,8 

30,3 

27,8 

33,4 

23,3 

26,3 

29,4 

30,3 

29,4 

28,6 

28,8 ±2,8 

in mg ) 

Un- 

geimpfte 

Kon- 

trollen 

32,8 

25,0 

33,4 

30,3 

j 

29,4 

28,6 

32,3 

28,6 

25.0 

29,4 

29,4 ±3,0 

mg F^ri- 
din 













Nährlösung usw. wie in Versuch Tabelle I, aber 0,1% Agar. Wachstums - 
zeit 6 Tage. 



Es ergibt sich also: Pyridin wird von Azotohacter nicht angegriffen, 
aber seine Gegenwart erhöht die Schnelligkeit des Wachstums bzw. 
der Stickstoffbindung, die hier gemessen wurde. Es setzt jedoch gegen 
Ende des Wachstums eine schnellere Autolyse in Gegenwart von Pyridin 






Verhalten einiger Mikroorganismen gegen Pyridin. 


360 


ein, die zur Folge hat, daß sohließlioh die Pyridinkulturen etwas gegen- 
über den ohne Pyridin verbliebenen Zurückbleiben. Es ist nicht 
ausgeschlossen, daß Pyridin seine fördernde Tätigkeit durch Wasser- 
stoff Übertragung ausübt, was jedoch genauer untersucht werden 
müßte. 

Weitere Versuche wurden mit Bacillus glycinophilus angestellt, 
die in Tabelle V wiedergegeben sind. Bei 0,05 ccm Pyridin, ohne Zugabe 
von weiterem Stickstoff, trat kein Wachstum ein. Zusatz dieser Menge 
von Pyridin zu 100 bzw. 25 mg Glykokoll bewirkte, wie die Zahlen 
zeigen, keine Erhöhung der Stickstoffassimilation, sondern in beiden 
Fällen eine geringe Schädigung, die besonders groß in der ersten Ent- 


Tabelle V. Verhalten von Bacillus glycinophilus gegen Pyridin. 


Stickstoffgabe 

ll mg Biweifi-Stickstoff nach Tagen 

II mg Pyridin nach Tagen 







4 

0 

18 

4 

9 

18 

. 

0,58 

10,88 

a 

17,37 

26 

23 

16 

100 mg Glykokoll 1 

2,86 

8,10 

16,84 

28 

23 

17 

-f 0,06 ccm Pyridin | 

6,72 

8,26 

14,80 

25 

24 

17 

0.36 

12,12 

16,11 

29 

24 

17 

Mittel : 

2,63 

9,82 

15,78 

27 

23,6 

17 


Pjrridi 

ngehalt der un- 

} 30 

25 

17 


geimpften Kontrollen 

j 

1,83 

14,48 

16,13 




100 mg Glykokoll j 

10,29 

16,04 

7,13 

14,67 

16,57 

16,42 




1 

0,68 

16,66 

16,29 




Mittel: 

6,44 

12,99 

16,36 




1 


0,96 

3,29 


22 

16 

26 mg Glykokoll | 


0,70 

3,00 


23 

16 

-f 0,06 com Pyridin | 


3,31 

2,29 


23 

12 


3,36 

2,00 


24 

12 

Mittel: 


2,06 

2,66 


23 

14 


Pyridi] 

ngehalt der un- 

l 

22 

13 


geimpften Kontrollen 

1 

j 


3,47 

2,86 




26 mg Glykokoll j 


4,01 

3,14 

2,99 

2,99 




1 


4,01 

3,21 




Mittel: 


3,66 

3,01 





Nährlösung: 1,0% Glykoee, 0.4% KH,P 04 , 0,2% K*HP 04 , 0,01% 
MgS 04 , 0,005% FeSO^* pn 6,3. Ohne Agar-Zusatz. öOoom in 250er Erlen- 
meyerkölbohen. Temperatur 37® C . Pyridin nach dem Sterilisieren steril zu- 
gegeben. 






370 


A. Rippel-Baldes, A. Stare u. W. Köhler: 


Wicklung nach 4 Tagen ist^. Die ebenfalls aufgeführten Pyiidin- 
bestimmungen zeigen auch hier keinen Unterschied zwischen den 
geimpften und ungeimpften Kontrollen. Der Versuch wurde noch 
so abgeändert (Tabelle VI), daß die Kolben fest mit. Gummistopfen 
verschlossen wurden, uni die Verdunstung des Pyridins zu verhindern. 
Man sieht, daß das Bild das gleiche geblieben ist; d^ Pyridin wurde 
sowohl in den geimpften wie in den ungeimpften Kulturen quantitativ 
iviedergefunden . 


Tabelle VI. Verhalten von Bacillus glycinophilus gegen Pyridin. 








Verhalten einiger Mikroorganismen gegen Pyridin. 371 

Tabelle VII. Verhalten verschiedener Pilze gegen Pyridin. 


Trichoderma viridis 
imcb Tagen 

1 8 I iT 


mg Eiweiß-Stickstoff je Kolben. 


500 mg Kalium- 1 
nitrat | 

21.07 

29.86 

13,09 

2,10 

11,24 

18,64 

8,03 

47,67 

i 36,45 

26.00 

32.47 

14,96 

4,40 

9,49 

16,37 

9,10 

37,87 

34,43 

28.04 

32.41 

- 

5.02 

11,24 

- 

6.22 

41,25 


Mittel : 

24,90 

31,46 

14,03 

3,84 

10,66 

17,65 

7,78 

42,26 

36,64 

500 mg Kalium- | 

20.46 

31,39 

14,38 

4,49 

11,83 

13,21 

4,64 

27,08 

39,62 

nitrat -f- 0,05 ccm . 

24,39 

36,19 

13,68 

3,46 

18,69 

16,33 

6,41 

29,34 

42,92 

Pyridin 1 

19.12 

39,08 

- 

3,13 

16,64 

— 

6,63 

29,61 

— 

Mittel : 

21,32 

35,22 

13,96 

3,69 

16,72 

14,72 

5,83 

28.68 

41,17 

mg 

j Pyridin je ! 

Kolben 

[ bei Versuchsende. 




500 mg Kalium- | 
nitrat + 0,06 ccm 1 
Pyridin; geimpfte | 
Kultur ‘ 

33 

32 

34 

30 

34 

33 

22 

21 

23 

33 

33 

33 

37 

33 

33 

26 

24 

36 

39 

36 ; 

i 

31 

29 

30 

25 

23 

Mittel: 

33 

32 

22 

33 

34 

26 

37 ’ 

30 

24 

Ungeimpfte Kon- 1 
trolle j 

36 

36 

31 

36 

36 

31 

36 

36 

31 


j)H-Wert bei Versuchsende. 


500 mg Kalium- ) 
nitrat | 

1 ö,3 

6.7 

6,8 

6,2 

4,6 

7.8 

4,4 

7.1 

7,8 

600 mg Kalium- 1 
nitrat -f 0,05 ccm 
Pjridin 1 

I 5,7 

6,8 . 

6,8 

6,1 

4,3 

7,8 

4,4 

5,6 

8.2 


In Kolben mit Pyridin ohne Kaliumnitrat kein Wachstum. 

Nährlösung: 5,0% Glykose, 0,6% KH,P04, 0,06% MgSO*, 0,05% NaCl, 
FeS04, ZnS04 und CUSO4 Spuren, pn 4,6. Pyridin nach dem Sterilisieren 
steril zugesetzt. 60 ccm Nährlösung in 260er Erlenmeyerkölbchen. Tem- 
peratur 30® C. 

des Pyridins bei den geimpften im Vergleich zu den ungeimpften Kulturen 
scheint auf eine gewisse Assimilation des Pyridins hinzudeuten. In- 
dessen beträgt diese Abnahme im höchsten Falle 9 mg Pyridin, was 
einer Stickstoff menge von rund 1,6 mg N entspricht, während die 
scheinbare Zunahme des assimilierten Stickstoffs 4 bis 6,5 mg N beträgt. 
Es ist daraus zu schließen, daß eine Assimilation des Pyridinstickstoffs 
kaum stattgefunden hat; die beobachteten scheinbaren Förderungen 
müssen auf unkontrollierbare Schwankungen zurückgeführt werden. 
Eine wirkliche Ausnützung des Pyridinstickstoffs hätte einen ganz 
anderen Ausschlag ergeben müssen. 

Demgegenüber lag die anfängliche Förderung der Stiokstoffbindung 
von Azotobacter durch Pyridin ganz anders; sie war zwar ebenfalls 


Fusarium spee. 

nach Tagen 
3 I H I 18 















372 A. Rippel-Baldes, A. Staro u. W. Köhler: Mikrooiganiemen ubw. 

nicht erheblich, trat aber so völlig regelmäßig auf, daß an ihrem tat- 
sächlichen Bestehen kein Zweifel sdin kann. Nach den mit den übrigen 
Mikroorganismen gemachten Erfahrungen muß man danach annehmen, 
daß eine Wasserstoffübertragung des Pyridins, falls dessen Wirkung 
wirklich darauf zurückzuführen wäre, sich unmittelbar auf die Bindung 
des elementaren Luftstickstoffs auswirkt. Pyridin als Wasserstoff- 
überträger würde nach der diesbezüglichen Rolle des Pyridinkernes, 
z. B. in der Cozymase, auch durchaus möglich erscheinen. 

Zusammenfassung. 

Die geprüften Bakterien {Azotobacter chroococcum, Bacillus glycino- 
philus) und Pilze {Aspergillus niger^ Trichoderma viridis und Fusarium 
spec.) vermögen Pyridin nicht als Stickstoffquelle zu verwerten, wie 
die quantitative Pyridinbilanz zeigte. 

Doch wird die anfängliche Enti^dcklung von Azotobacter durch 
Gegenwart von Pyridin beschleunigt, es tritt jedoch eine frühere Aiito- 
lyse ein. Insgesamt wird die Stickstoffbindung nicht beeinflußt. Es 
wäre zu prüfen, ob Pyridin bei diesem Organismus als Wasserstoff- 
überträger wirkt. 

Literatur. 

A. Rippd, Blanehs Handb. d. Bodenlehre 8, 658, Berlin, Springer, 1931, 
1. Ergänzungsband, S. 569. — DtrseUbe, Forsobungsdienst, ^nderheft 17, 

54, 1941. 

Weitere Literatur ist in der nachfolgenden Arbeit von J, v. Horvdth an- 
gegeben. 



(Aus dem Institut für Mikrobiologie der Universität Göttingen.) 


Beitrag zur Kenntnis des mikrobiellen Abbaus 
von Pyridin. 

Von 

J. V. Horv&th (Kolozsvär). 

Mit 2 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 19, Juni 1943.) 

Ini Anschluß an die in der vorstehenden Arbeit geschilderten 
Versuche von A. Rippel- Baldes und Mitarbeitern hatte ich mir die 
Aufgabe gestellt, einen Mikroorganismus aus Boden zu isolieren, der 
befähigt ist, Pyridin zu zersetzen. Ini folgenden berichte ich über 
eine dabei aufgefundene Proaciinomyces- Axt. 

Daß Pyridin, wie auch andere heterocyclische Koh lenstoff -Stickstoff - 
Verbindungen, von Mikroorganismen abgebaut werden können, wurde wiederholt 
beschrieben; jedoch wurde meist keine genauere Beschreibung der wirksamen 
Mikroorganismen gegeben. Rüssel und seine Schüler prüften hauptsächlich 
vom Gesichtspunkt der partiellen Sterilisation des Bodens aus eine Beihe von 
Verbindungen und verwendeten außer Pyridin noch Dimethylpyridin (Lutidin) 
und Trimethylpyridin (Collidin). Nach der partiellen Sterilisation des Bodens 
mit diesen Stoffen erfolgte eine starke Vermehrung der Bakterien. Ähnliche 
Versuche stellte Robbins an ; auch er fand nach der partiellen SteriÜsation des 
Bodens mit Pyridin starke Bakterienvermehrung und züchtete auf Browii&chem 
Albuminagar Bakterien, die die Fähigkeit besaßen, Pyridin abzubauen. Aller- 
dings gibt er keine weitere Beschreibung dieser Organismen und verzichtet 
überhaupt auf die Gewinnung absoluter Reinkulturen. Weitere Autoren (Barthelf 
Ehrlich. Funckes. Jewson und Tatterfield, Meyerhof) stellten ebenfalls Abbau 
von Pyridin durch Mikroorganismen fest und geben an, daß Mikroorganismen 
in Gegenwart von Pyridin am Leben blieben. 

Den Dooren de Jong prüfte (Tabelle XX) in einer Nährlösung mit 5% 
Pyridin (Leitungswasser, dazu noch l®o MgS 04 und' 0,1® „ KCl) zahlreiche 
bekannte Arten von Bodenbakterien (Pseudomonas-, Mycobacterium- und andere 
Stämme) auf ihre Fähigkeit, Pyridin abbauen zu können, ohne jeden Erfolg. 
In Tabelle IX wird jedoch für B. aerogenes und B. herbicola deutlicher, für 
B. prodigiosum schwächerer Abbau von Pyridin angegeben, allerdings in anders 
zusammengesetzter Nährlösung mit nur 0,1% Pyridin. Indessen sind die 
Versuche auch nur qualitativer Natur. 

So läßt sich also nichts Sicheres über pyridinab bau ende Mikro- 
organismen aussagen, und weitere Versuche waren erwünscht. Es 
gelang nun auf folgende Weise, pyridinabbauende Mikroorganismen zu 
gewinnen : 

Auf Grund der Versuche von Robbins, Buckerer , Den Dooren de Jong stellte 
ich eine Nährlösung zusammen, die enthielt: 0,1% K,HP 04 , 0,04^„ MgS 04 , 
Archiv ffir Mikrobiologie. Bd. 13. 



374 


J. V. HorvÄth : 


0,004 reS04, aufgelöst in 100 com Göttinger bzw. später in Kolozsvarer 
Leitungswasser. Als einzige Stickstoff- und Kohlenstoff quelle wurde 0,2% 
Pyridin gegeben. Das Göttinger Leitungswasser enthält keinen Stickstoff, 
während das dest. Wasser stets Spuren enthält; das Kolozsvarer Leitungswasser 
enthält die minimale Menge von 0,008% Stickstoff in Form von Kitrat. Die 
so bereitete Nährlösung wurde in 250er Erlenmeyerkolben, bei 50 ccm Nähr- 
lösung, im Autoklaven bei 1,5 Atm. Druck sterilisiert und mit Boden aus dem 
Garten des (TÖttinger Instituts geimpft. Die Kolben wurden im Thennostaten 
bei 30® C aufgestellt. 

Nach .5 bis 6 Tagen konnte ein Abbau des Pyridins festgestellt 
werden: die Nährlösung ergab starke Reaktion mit Nesslers Reagens 
auf Ammoniak. Die Kultur wurde nun alle 6 Tage in gleiche Nühr- 


Abb. 1. Proaetinomyces roseus, 
jnnRes Mycel. Vergr. 






•■‘V. 


Abb 2. PrnactinomyceF roneutt, ;iIt<Mps, 
l\okk(*i»Rtadiiini. Vrrgr. (i4(). 



lösung übejgeimpft, und diese Behandlung sechsmal wiederholt. Aus 
der letzten t'berimpfung brachte ich 1 ccm, mit sterilem Leitungswasser 
zehnfach verdünnt, in Pyridin-Agar, der aus der gleichen ei wähnten 
Nährlösung -f- 2 Agar bereitet war (vgl. Buckerer). 

Auf dem l^yridin-Agar entwickelte sich in der Mehrzahl der Fälle 
ein Mikroorganismus, der nach dem iCocÄ sehen Plattenverfahren rein- 
gezüchtet wurde und nach morphologischer und physiologischer Prüfung 
unter Berücksichtigung der Arbeiten von Jensen, Krassilnikov und 
V. Plotho als zu den Proactinoniycetes gehörig erwies. Von dieser neuen 
Art gebe ich folgende Charakterisierung: 

Proactinornyces roseus nov. S'pec. 

Das mikroskopische Bild des auf Gelatine oder Agar gezüchteten 
Organismus ist folgendes: In den frisch übergeimpften Kulturen zeigt 
sich nach 4 bis 5 Tagen ein winziges Mycel (s. Abb. 1). Dieses zerfällt 
von da ab in kleine Stäbchen und Kokken (s. Abb. 2). Das ganze Bild 
unterscheidet sich nicht von den durch v. Plotho untersuchten Pro- 
actinonhyce8-¥oTmen. Die Mycelien bleiben länger erhalten auf Jensen- 
schem Dextrose-Phosphat-Nährboden (1 Glykose, 0,2% (NH 4 )HP 04 , 


Kenntnit} des mikrobiellen Abbaus von Pyridin. 


375 


0,1 K 2 hP 04 , MgS 04 , 0,05% Na CI in dest. Wasser. Wenn 

noch Eisensulfat in Spuren hinzugegeben wurde, bleiben die Mycelien 
10 bis 12 Tage bestehen. 

Die kleinen Enden ^ haben 0,7 bis 0,8 (jl Dreite und 7 bis 14 p Länge. 

Eigen beweguiig ist nicht vorhanden. 

Färbbarkeit: Aiisgespiochen gram positiv. Mit den üblichen Anilin- 
farben leicht färbbar, dabei sind häufig j^erlschnurartig angeordnete 
,, Granula“ zu sehen. Sie stellen offenbar den lleginn der Kokken- 
bildung dar. Aus je einer , .Granula“ entsteht je ein Coccus (s. Abb. 2). 

Säurefestigkeit : Nach r. Ploiho mit n Schwefelsäure behandelt 
wird völlig entfärbt, bei Behandlung mit n Essigsäure und n/IOO Schwefel- 
säure verbleibt nur schwache diffuse Färbung. 

Der Organismus ist ausgesprochen aerob. 

Auf den ge\^ öhnlichen Nährböden erfolgt gutes Wachstum. 

(ielatineplatte: Keine Verflüssigung. Die Kolonien wachsen bei 
20<^ C langsam. Sie sind kreisrund und erhaben, ältere Kolonien zeigen 
jedoch unregelmäßige Formen. Die Oberfläche ist feucht und glatt, die 
Farbe der Kolonie schinutzigweiß. 

(Gelatine- Stich : Keine Verflüssigung. Die Farbe der Kolonie ist 
schmutzig weiß. Wachstum jedoch nur im obersten Teil des Stich- 
kanals, was bei dem ausgesprochen aeroben Wachstum erklärlich ist. 

Gelatine- Strich: Keine Verflüssigung. Farbe schmutzigweiß. 

Glykose- Agar-Platte: Bei 30^0 reichliches Kolonie wachst um. 
Kolonien kreisrund, erhaben, mit glatter Oberfläche. Bei Dunkelkultur 
ist die Farbe der Kolonien gelbweiß, bei normalem Licht gezüchtet 
blaßrosa. Das Substrat wird niemals gefärbt. 

Glykose-Agar- Stich : ln der Stichröhre kein Wachstum, nur in der 
Nähe der Stichöffnung, hier aber so üppig, daß die Öffnung sich trichter- 
förmig senkt und die Kolonien bald zusammenfließen. Farbe charak- 
teristisch blaßro.sa wie bei der Glykose- Agar-Platte. 

Glykose- Agar- Strich: Die Kolonien sind anfangs erhaben und 
kreisrund, verschmolzen aber bald. Farbe ebenfalls blaßrosa wde bei 
der Glyköse- Agar-Platte. 

Glycerin-Agar-Platte: Intensiver Kolonien Wachstum. Kolonie aus- 
gesprochen erhaben, kreisrund, mit glatter Oberfläche. Die Farbe ist 
ein wenig lebhafter rosarot als bei Glykose-Agar. 

Glykose-Phosphat-Agar-Platte nach Jeiisen: Form der Kolonien 
wie bei den vorhergehenden. Farbe cremeartig, w^eicht also von der auf 
den vorher beschriebenen Nährböden ab. Wahrscheinlich beeinflußt 
das dem Nährboden zugesetzte Eisen die Farbe. 


^ Wenn Buch&re/r (2) von seinem BacUrium nicotianum sagt, daß es manch 
mal „Fäden"' bilde, so wäre, falls es sich um eine Reinkultur handelt, zu prüfen, 
ob nicht eine ProacHnomyees- oder Myooha-cterium- Art vorliegt. 



376 


J. V. Horvath: 


Bouillon : Bei SO® C auf der Nährlösung deutliche Häutchenbildung, 
am Grund der Nährlösung geringer, schwach fadenziehender Bodensatz. 

Milch: Optimales Wachstum. Keine Pe]>t()nisierimg oder Koa- 
gulation. 

Lackmus-Milch: Rötliche Färbung. 

Glykose, Saccharose, Mannit, Glj^cerin: Gutes Wachstum, starke 
diffuse Trübung der Kulturflüssigkeit. 

Säure- und Alkalibildung: Neutralem Glykose- Agar wurde Kongo- 
rot, Lackmusblau und Chinablau zugesetzt. Die durch die Verfärbung 
kenntliche Säurebildung war gering, die pH*Wei*te betrugen 6 bis 6,2 
und blieben während mehrerer Wochen konstant. 

Versuche über den Abbau des Pyiidins. 

Auf Pyridin-Agar der eingangs erwähnten Zusammensetzung, der 
also Pyridin als einzige Stickstoff- und Kohlenstoff quelle enthielt,, 
entwickelten sich nur schwache Kolonien. Bei gleichzeitigem Zusatz 
von Glykose war das Wachstum optimal. Bei Zusatz von Glykose 
kann also der Stickstoff des Pyridins besser ausgenutzt werden, wie 
folgender Versuch noch genauer zeigt: Werden 20 ccm Pyridin-Nähr- 
lösung (ohne besondere Kohlenstoffquelle) mit ein bis zwei Platinösen 
Bakterien beimpft und bei 30^ C aufgestellt, so erhält man nach 4 bis 
5 Tagen eine starke Ammoniakreaktion mit Nesslers Reagens, die bei 
umgeimpften Kontrollen natürlic]^ ausblieb, wie ausdrücklich fest- 
gestellt sei. Die Vermehrung des Organismus bleibt aber gering, die 
Nährlösung wurde lediglich opaleszierend. Noch charakteristischer war 
das mikroskopische Bild : Bereits 1 Tag nach der Impfung waren Kokken- 
formen festzustellen. 

Ganz anders war das Bild, wenn zu dieser Nährlösung noch 1 % 
Glykose zugegeben wurde (eine solche Nährlösung verwendete auch 
Robbins), Unter den gleichen Kulturbedingungen wie oben entstand 
nach 4 bis 6 Tagen auf der Oberfläche der Kulturflüssigkeit eine Kahm- 
haut von ansehnlicher Dicke. Nach 10 Tagen war, nach Aussage der« 
Fehling-Probe, alle Glykose verschwimden, und die Nessler-Probe 
zeigte, daß auch kein Ammoniak mehr vorhanden war. Da der pH-Wert 
5,6 betrug, so kann das Ammoniak nicht durch Verflüchtigung verloren 
gegangen sein, sondern es war anzunehmen, daß es von dem Organismus 
assimiliert war. 

Es waren nun die Fragen zu beantworten: 1. In welchem Maße 
zersetzt der Orgaiüsmus das Pyridin zu Ammoniak, wenn Pyridin als 
einzige Stickstoff- und Kohlenstoffquelle vorhanden ist ? 2. Verwendet 
er etwas von dem Pyridin ? 3. Was geschieht mit dem Pyridin bzw. 
Ammoniak bei Vorhandensein von Glykose ? Diese Fragen waren nur 
durch quantitative Versuche zu lösen. 



Kenntnis des mikrobiellen Abbaus von Pyridin. 


377 


Zu dienen Versuchen wurden ein mit drei Öffnungen versehenes 
Wulf Bohes Gefäß von 1 Liter Inhalt verwendet; die Öffnungen waren 
mit eingeschliffenen Glasstöpseln verschlossen. Durch den einen 
Stöpsel führte eine bis auf den Grund der Kulturflüssigkeit reichende, 
mit Glashahn versehene Kapillare, damit aus Kontrollversuchen mittels 
der Vakuum jjumpe jederzeit ein paar Troj)fen des Versuchsmaterials 
steril entnommen werden konnten. Der zweite,, mit Hahn und kurzer 
Einfühningsröhre versehene Stöpsel diente zur Einführung von Luft 
zur Zeit der Materialentnahme; ein Wattepfropf in der Einführungsröhre 
verhinderte die Infektion. Die dritte Öffnung diente zum Eingießen der 
Kulturflüssigkeit und zur Impfung. 

Wieviel Pyridin wird zersetzt, wenn dieses als einzige Kohlenstoff- 
und Stickst offquelle vorhanden ist ? Ein Wulf sehe» Gefäß erhielt 50 ccm 
der eingangs erwähnten Pyridin -Nährlösung und wurde nach dem 
Sterilisieren mit zwei Ösen von auf Glykose-Agar gezüchtetem P. roseus 
beimpft. Ein zweites Kontrollgefäß blieb ungeimpft. Kultur bei 26^ C 
iift Thermostaten. Nach 1 Tag bereits zeigte das Versuchsgefäß intensive 
Ammoniakbildung nach Nessler, während im Kontrollgefäß keine 
Ammoniak bildung festzustellen w^ar. Die quantitative Bestimmung des 
Ammoniaks nach Chghoin-J endrasaik in einigen vorher bakterienfrei 
filtrierten Proben ergab eine qtuiniitative Umwandlung des Pyridins in 
Ammoniak. Der ^'ersuch wurde mehrmals mit dem gleichen Ergebnis 
wiederholt. 

Wieviel Pyridin- bzw. Ammoniak -Stickstoff verwendet nun der 
Organismus, w'enn dieses als einzige Stickstoff- und Kohlenstoffquelle 
vorhanden ist ? Es wurden aus Gefäßen des vorstehend beschriebenen 
Versuchs nach 6 Tagen Proben entnommen. Die Ammoniakbestimmung 
ergab, daß kein Stickstoff verwendet war. Das Wachstum bei Pyridin 
als einzige Stickstoff- und Kohlenstoffquelle ist also in der Tat ganz 
minimal, so daß der Nachweis des assimilierten Stickstoffs sich offenbar 
innerhalb der Fehlergrenzen hält, wenn nicht das minimale Wachstum 
überhaupt aus dem Keservernaterial der Impfung erfolgt. 

Die dritte Frage w^ar die nach der Verwendung des Pyridin -Stick- 
stoffs in Gegenw^art von Glykose. Die Methodik w’ar die gleiche ; zu 
der Pyridin-Nährlösung war 1 % Glykose zugesetzt. Die Kulturen 
standen im Thermostaten bei 3(F C. Durchschnittlich war am 10, Tage 
die Glykose restlos verbraucht und der Stickstoff aus der Nährlösung 
verschwunden. Eine Eiweißbestimmung in der Kultur ergab, daß der 
Pyridin -Stickstoff restlos in Eiweiß überführt worden w^ar. Auf 100 ccm 
Nährlösung bezogen wurden 36,75 mg N im Eiweiß gefunden, gegen 
35,42 mg, die in der 0,2%igen Pyridin-Nährlösung gegeben werden . 
Das Mehr liegt gänzlich innerhalb der Fehlergrenzen, falls es nicht 



378 


J. V. Horv&th: 


durch den geringen Stickstof fgehalt der Impfung (zwei Platinösen) 
hervorgerufen wurde. 

Immerhin Murde auch noch versucht, nachzuweisen, ob der Orga- 
nismus Luftstickstoff bindet. Dabei wurde die von Eippel angegebene 
Nährlösung verwendet. Die Kontrollen ergaben im Älittel 0,14 mg 
Stickstoff, die zehntägigen Kulturen 0,28 mg. Bindung des elementaren 
Stickstoffs konnte also innerhalb der Fehlergrenzen nicht nachgewiesen 
werden. 

Während also der Organismus bei Pyridin als einziger Kohleiistoff- 
und Stickstoffquelle den Kohlenstoff des Pyridins kaum zum Körpei- 
aufbau verwendet, das Pyridin jedoch unter Ammoniakbildiing zei- 
stört, wird in Gegenwart von Glykose der Pyridin -Stickstoff restlos 
zusammen mit dem Gtykose-Kohlenstoff zum Körperaufbau verwendet. 

Es interessierte noch die Frage, ob der Organismus imstande ist. 
Pyridin allein oder in Gegenwart von Glykose anaerob abzubauen. Xu 
diesen Versuchen wurde das BurrtHche An aerobe verfahren Nerw’cndet . 
Nachdem die Kulturen 7 Tage bei 30^ C im Thermostaten gestanden 
hatten, ergab die Pyridin best immung nach Barta. daß anaerob Pyridin 
nicht abgebaut wurde. 

Schließlich prüfte ich, wieweit Pyridin in Gasform durch den 
vorliegenden Organismus verwendet wird. Zu diesen Versuchen benutzte 
ich Petrischalen mit Prmgsheim, scher Kieselsäuregallerte. Eine Platin Öse 
wurde in sterilem Leitungswasser auf das Hundertfache verdünnt, 
daraus wurde mit 0,5 ccm eine Oberflächenkultur hergestellt. Auf die 
innere Seite des Deckels der Petrischale klebte ich ein Stückchen mit 
Pyridin getränkter Watte und hielt die so vorbereitete Kultur bei 3(V^ (' 
in einer schwach feuchten Kammer verschlossen. Trotz wäedeiholter 
Versuche konnten keine, bei öOfacher Vergrößerung sichtbare Kolonien 
aufgefunden werden. Es konnte aber angenommen werden, daß die 
Vermehrung der Bakterien zu gering war, um erkannt zu werden, odei 
daß die durch die Impfung vorhandenen Bakterien das Pyridin zu 
Ammoniak abbauten. Daher wurde auf eine 8 läge alte Kultur in 
dünner Schicht Neaslers Reagens gegossen und dieses in ein Gliis<-hen 
abgegossen. Es w'ar jedoch keinerlei Reaktion zu beobachten. Pyridin 
in Gasform scheint also nicht von dem Organismus angegiiffen zu 
werden . 

Zusammenfassung. 

Bei der Suclre nach einem Mikroorganismus, der imstande ist, 
Pyridin abzubauen, isolierte ich aus Göttinger Gartenboden Pro- 
actinomyces roseus nov. spec. 

Dieser Organismus baut Pyj idin in 0,2 /(»iger Nährlösung, w enn es 
als einzige Kohlenstoff- und Stickstoff quelle gegeben wird, restlos zu 



Kenntnis des mikrobiellen Abbaus von Pyridin. 


379 


Amnioniak ab. Nachweisbaie Körpermasse wird dabei nicht gebildet. 
In Gegenwart von 1 Glykose wird der Pyridin- Stickstoff quantitativ 
zu Organismeneiweiß verarbeitet. 

Die Verarbeitung von P^Tidin allein oder in Gegenwart von Glykose 
erfolgt nur auf aerobem Wege. 

Pyridin in Gasform wurde nicht verarbeitet. 

Die ,, gewöhnlichen“ Mikroorganismen fehlende Fähigkeit zum 
Abbau des Pyridins erweist sich somit als eine Eigenschaft spezifischer 
Formen von Boden mikroorganisinen. 

Literatur. 

L, Barta, Biochem. Zeitschr. 277, 412, 1935. — C. Barthel^ Centralanst. 
försöhsv. päjord. 308, 1926. — H. Buckerer^ 1. Centralbl. f. Bakt. II, 105, 166, 
1942; 2. ebenda 106, 445, 1943. - R.A.Cleghorn u. L. Jendraasik, Biochem. 

Zeitschr. 274, 189, 1934. — L, E. Den Dooren de Jong, Bijdrage tot de kennis van 
het mineralisatieprocess. Rotterdam 1926. — F. Ehrlich^ Biochem. Zeitschr. 
79, 152, 1916. - M.J. Funckes. Ala. Agr. Exp. Stat. 191, 196. 65, 1917. - 
H. L. Jensen, Proc. Linn. Soc. NSW 56, 79 u. 345, 1931 ; 59, 18, 1934. - S, T. 
Jewaon u. F. TaUerfield, Aiin. appl. Biol. 9, 213, 1922. — N. A. Krassilnikov. 
Bull. Acadern. Sc. USSK. CI. Sc. Math. 1, 51. 1938. - O. Meyerhof^ Pflügers 
Arch. 164, 853, 1916. — O. v. P/o^Ao, diese Zeitschr. 13, 93, 1942. — A. Rippel- 
Baldes, A. Stare u. W. Köhler ^ diese Zeitschr. 13, 365, 1943. — W. J, Roöbins. 
Ala. Agr. P^xp.Stat. 195, 49, 1917. E.J. Rüssel ii. H, B. Hutchinson^ 
Agr. Sc. 3, 111, 1909; E,J. Bussel u. J.Oolding, J. Soc. Chem. Ind. 30,471, 
1911; E. J, Rüssel u. F. R, Petherhridge, J. Agr. Sc. 5, 248, 1913. 



Beiträge zur Kultur phytoparasitinclier Pilze 
auf deflnieiiieii Nährboden. 

Von 

Friedrich Gerhardt, Berlin. 

Mit 3 Textabbildungen. 

(Eingegangen am 11. Afigust 1943.) 

Ein großer l'eil der phytoparasitischen Vi\ze läßt sich nur schwierig 
oder überhaupt nicht auf künstlichen Nährböden kultivieren. Bei den 
gebräuchlichen künstlichen Nährböden handelt es sich zumeist um 
Extrakte aus Pflanzenmaterial oder Fleisch, die mit Agar-Agar gelatiniert 
werden. Geht man aber zu den physiologisch näher definierten Nähr- 
böden, die nur chemisch wohldefinierte Bestandteile enthalten, über, 
so engt sich die Zahl der kultivierbaren Pilze weiter ein (vgl. Monilia, 
Botrytis usw.). 

Zum Studium der Physiologie parasitischer Pilze ist es aber uner- 
läßlich, auch die Stoffe kennenzulernen, aus denen die Pilze ihren 
Organismus aufbauen und ihre Fortpflanzungsorgaiie entwickeln können. 
Traubenzucker, Milchzucker usw., die von den meisten tierischen Orga 
nismen assimiliert werden, eignen sich nur für wenige meist saprophyti- 
scher Pilze zur Ernährung. Daher ist die Auffindung der Kohlenstoff- 
quellen, die zur Ernährung der betreffenden Pilze erforderlich sind, 
von größter Wichtigkeit. Neuerdings sind zahlreiche Arbeiten er- 
schienen, deren Aufzählung im Bahmen dieser Darstellung aber zu weit 
führen würde, in denen die Verfasser durch Wuchsstoff- oder Vitamin- 
zugaben bei verschiedenen Pilzen ein besseres Wachstum erzielt haben 
und daraus nun die Schlußfolgerung ableiten, daß Wuchsstoffe, Hormone 
oder Vitamine zum I-«eben gewisser Pilze erforderlich sind. Diese Ergeb- 
nisse, deren Itedeiitung unbestritten ist, lenken aber von der überaus 
wichtigen Kernfrage nach der geeigneten Kohlenstoffquelle dei be- 
treffenden Pilze ab. 

Schöpfer und Blwtur (1, 2) haben mit Ustilago violacea und Vita- 
min den Versuch unternommen, die Kohlenstoffquelle ausfindig zu 
machen, die dieser Pilz hauptsächlich verarbeitet. Sie haben dabei 
zahlreiche Kohlenhydrate und andere organische Stoffe als Kohlen- 
stoffquelle für diesen Pilz geprüft, dabei aber eine in der Pflanzenwelt 
weitverbreitete C-Verbindung übersehen, das Pektin^ das nach eigenen 
Versuchen als die natürliche Kohlenstoffquelle für eine ganze Reihe 
von Pilzen in Frage kommt. 



Kultur pbytoparasitischer Pilze auf definierten Nährböden. 381 

Es ist in der Phytopathologie eine wohlbekannte l'atsache, daß 
die meisten phytoparasitischen Pilze intercellular wachsen. Die Mittel- 
lainelle, die die einzelnen Zellen miteinander verbindet, besteht be- 
kanntlich aus Pektin, und zwar dem Protopektin. Es ist in Wasser 
iinlöslich und wird durch das Ferment Protopektinase zu wasser- 
löslichem Pektin abgebaut. Es liegt nahe, in deraHigen parasitischen 
Pilzen ein solches Ferment für den Abbau des wandständigen Pektins 
und dessen Verwertung zur Ernährung zu vermuten. Für zahlreiche 
phytopathogene Pilze und Bakterien, wie Botrytis, Monilia, Pythium, 
Phytophthora, Fusariuw, Bacillus phytophthorus u. a. m., ist die Aus- 
scheidung dieses Ferments bereits nachgewiesen worden (3, 4, 5). Das 
gute Gedeihen aller eben aufgeführten Pilze auf Malzagar wird mindestens 
zum Teil auf dessen Gehalt an Pektin zurtickzuführen sein, das nach 
eigenen Versuchen, wie noch näher ausgeführt w’erden soll und durch 
Photographien belegt werden kann, sich für verschiedene dahingehend 
untersuchte Pilze als für Wachstum und Entwicklung des Pilzes über- 
legene C- Quelle erwiesen hat. 

Experimentelles. 

Untersuchungen über Monilia und Botrytis, 

Um die in der Einleitung aufgeworfene Frage der geeigneten 0- Quelle zu 
klären, wurden vergleichsweise folgende Nährböden mit Monilia fi'uctigena und 
Botrytis cinpreu geimpft: 


1. 2 % Agar-Agar, 

2. 2 % Agar-Agar, 

3 . 2 ®„ Agar-Agar, 

2 % Pektin, 

2 "t, Glucose, 

Asparagin, 

0,25 Asparagin, 

0,25';„ Asparagin, 

0,15»„ KHjPO,, 

0,15% KH 2 PO;, 

0,16%, KH 2 PO 4 , 

0,05“ „ Mg 804 . 

0,05«„ MgS() 4 . 

0,05% MgS04. 



Das Pektin Merck für wissenschaftliche Zwecke, das zu diesen Versuchen 
verwandt wurde, war durch dreimaliges Ausschütteln mit 96°i)igem Alkohol 
von gegebenenfalls noch anwesenden Mengen Vitamin befreit worden. 

Für Botrytis wie auch für Monilia ergab sich folgendes: 

Die Kulturen auf Nährboden 1 (Pektin als C- Quelle) entwickelten 
sich äußerst schnell und lieferten bald die chai'akteristischen Wuchs- 
formen, wde sie an der Wirtspflanze auftreteiij sowohl für Botrytis 
cinerea wie auch für Monilia fructigena. Auf Nährboden 2 w'ar bei 
beiden Pilzen nur ein schwaches Wachstum festzustellen, das dem von 
Nährboden 3 gleichzusetzen war. Die beobachtete, wenn auch geringe 
Entwicklung auf den Nährböden 2 und 3 wird wohl auf die Aus- 
nutzbarkeit der Kohlenstoffquelle Asparagin zurückzuführen sein, 
da auf reinem Agar-Agar kein Wachstum von Botrytis und Monilia 
stattfindet. 



382 


F. Gerhardt: 


Aus den beigefügteii Photos (Abb. la bis 1 c und Abb. 2a und 2b)^ 
ist deutlioh der Unterschied in der Ausnutzung de [Kohlenstoff quellen 
zu ersehen. 



Abb. ln. Botryti» cinerea auf Nährboden 2. 


Abb. Ib. Botryti» einerea auf Nährboden 1. 




Abb. 1 c. Botrytie cinerea auf Nährboden 1. 
Ältere Kultur mit 3 inipfntcllen. 



Abb. 2a. MnnWtt fntrtidena auf Nährboden 2. Abb. 2 b. MnniVn Iructiffena auf Nährboden 1. 


Alle Abbildungen zeigen Petrischalen-Kulturen der Pilze. 



Kultur phytoparasitisc'her Pilse auf definierten Nährböden. 383 

Auf Nährboden 1 tritt bei Monilia frtLctigena iiii weiteren Wachs- 
tuinsverlaiif Schwärzung des älteren l^zgewebes auf sowie Bildung 
von Sklerotien. Die Bildung von Apothecien aus den Sklerotien konnte 
l)i8her nicht lieobachtet werden, da die Arbeiten, durch Zeitunistände 
bedingt, eine X^nierbrechung erfuhren. Aus dem beigefügten Photo 
Abi). 1 c ist bei einer älteren Kultur von Botrytis eine prächtige Sklero- 
tienbildung am Rande der drei Wachstumsstellen zu erkennen, die von 
drei Überimpfungen auf die gleiche Platte herrühren. 


rntersuchnngen über Brandpilze. 

Diese Erfolge reizten dazu, diesen neuen Nährboden auch für 
einige andere Pilze auszuj)robieren und es w urde der Versuch unter- 
nommen, das Wachstum einiger schwierig zu kultivierender Brandpilze. 



die ja aucli intercellulär wachsen, auf ihnen zu verfolgen. Kein äußerlich 
ergab sich auf den vorher angegebenen Nährböden bei Ustikujo avenat 
das gleiche Bild wie bei Botrytis und Monilia. Vstilago at^enae bildete 
zusätzlich auf Nährboden 1 noch ein mächtiges l^nftmycel ans (s. Abb. 3a 
und b). Nach 6 bis 7 Tagen war die Kultur rotbraun gefärbt und 
roch ziemlich stark nach Ammoniak. Der pn-Wert des Nährbodens 
hatte sich innerhalb dieser Zeit von pn 3,8 bis 4 auf pn 1 bis 7,5 ver- 
schoben, was auf eine intensi\ e Spaltung des Asparagins durch Fermente 
hinweist. Zu derselben Zeit war auch die beginnende Bildung der 
typischen Brandsporen zu beobachten, bis nach 3 bis 4 Wochen die 
Platte etwas eintrocknete und die fertigen Brandsporen im Substrat 
eingebettet zu sehen waren, die auf neue Nährböden übergeimpft wieder 
ganz typisch aiiskeimten und an den entstehenden Basidiosporen zahl- 
reiche hefeartige Konidien bildeten. Die auffällige Tatsache, daß 
Ustilago anenae ebenfalls ein schwaches Wachstum auf dem Nährboden 
zeigte, der nur As))aragin enthielt, erforderte zu prüfen, ob dieses 



384 


F. Qerbftrdt: 


Waohstum auf die Ausnutzung des im Asparagin enthaltenen Apfel- 
säurerestes zurüokzuführen war. Deshalb wurde diesem Boden zusätzlich 
einmal 0,5%ige Apfelsäure zugefügt und da ergab sich, daß Uatilago 
avenae gleich ein gutes Wachstum unter Bildung eines schwach rosa 
gefärbten Luftmycels entwickelte. Somit bestätigte sich die Ver- 
mutung, daß der Apfelsäurerest des Asparagins als C- Quelle ausgew ertet 
wurde. Nach diesem Experiment scheint es sogar, als ob die Ver- 
arbeitung der Kohlenhydrate von Pilzen nicht nur eine Fiage des 
C/N- Verhältnisses ist, sondern auch des Redoxpotentials, das bei 
Apfelsäure und Pektinen ja ein ganz anderes als bei Zuckern usw. ist. 

Eine Überprüfung der Ernährungsverhältnisse des viel virulenteren 
Ustilago zeae, der nach Ranker (6) auf einem synthetischen Nährboden, 
der Glucose enthielt, gedeiht, ergab ebenfalls ein üppiges Wachstum 
auf dem pektinhaltigen Nährboden 1. Wurde in der Ranker achen Nähr- 
lösung (0,3g K28O4, lg NH4N()3, lg CaClg, lg Mg3(P()4)2 und 
10 g Glucose auf 1 Liter dest. Wasser) die Glucose durch Pektin er- 
setzt, so gedieh Ustilago zeae bald noch üppiger. Am stärksten aber 
war das Wachstum auf Nährböden mit Pektiti und einer organischen 
N- Quelle. 

Um das Pektin als Nahrungsquelle verwerten zu können, müssen 
die Brandpilze in der Lage sein, das Pektin der Mittellamelle mit Hilfe 
von Fermenten abzubauen. Die Auflösung der Mittellamelle durch 
IJstilago avenae, Txm und Tilletia tritici konnte auf folgende Weise 
anschaulich gemacht werden. 

Die drei genannten Pilze wurden auf einen Agar-Nährboden übergeirnpft, 
der Pektin, Asparagin und Rübenschnitzel enthielt, die nur 10 Minuten sterilisiert 
waren, in denen also das Protopektin noch nicht durch Kochen in Hydrato- 
pektin uingewandelt war. Nach ein paar Tagen, als das Pilzwachstum im vollen 
Gange war, wurden die Rübenstücke vergleichsweise in einem ungeimpften und 
in einem geimpften Boden vor dem wachsenden Mycel untersucht, in welchem 
die Rübenstücke nachweislich kein Pilzwachstum aufwiesen. Mit einem Spatel 
wurden diese Stücke auf ihre Festigkeit untersucht. Es waren aber lediglich 
die Stücke vor dem wachsenden Mycel weich geworden. Eine Untersuchung 
der mikroskopischen Schnitte der Rüb^:ischnitzel aus dem ungeimpften Boden 
imd vor dem wachsenden Mycel mit Rutheniumrot zeigte die gleichen Unter- 
schiede, wie sie bei der Einwirkung von Protopektinase (aus der Weinberg- 
schnecke gewonnen) auf Rübenschnitze] auf treten. Die Stücke vom ungeimpften 
Boden ließen durch ihre tiefrote Färbung die Mittel lamelle deutlich erkennen, 
während die Stücke vor dem wachsenden Mycel keine ausgeprägte Mittellamelle 
mehr aufwiesen. Somit erschoint die Absonderung einer Protopektinase durch 
diese Pilze als recht wahrscheinlich. 

Schöpfer und Blumer (2) hatten bei ihren umfangreichen Versuchen 
mit Ustilago violacea beobachtet, daß ein gutes Wachstum auf definierten 



Kultur phytoparasitisoher Pilze auf definierten Nährböden. 385 

Nährböden erst bei Zugabe von Aneurin erfolgte. Pektin hatten sie 
ja leider nicht bei ihren Versuchen als Kohlenstof fquelJe verwendet. 
Nach den bisherigen Ergebnissen war zu erwarten, daß auch Uatilago 
violacea auf Pektin besser wachsen würde. Das Pektin wurde wiederum 
aneurinfrei durch dreimaliges Ausschütteln in 96 %igem Alkohol 
gemacht. 

So wurde folgender Versuch unternommen : 

Je drei 100-ccm-]2rlenmeyerkölbchen mit je 26 ccm Nährlösung in unten- 
stehender Zusammensetzung wurden nach der Sterilisation mit Konidien von 
Uatilago violacea beimpft, die einer Kultur von Prof. Schöpfer entstammten, 
dem hiermit nochmals für die freundliche Überlassung der Kulturen verbindlichst 
gedankt sei. 

Nährboden A. 

1: 1*;,, Glucose, 0,15‘;„ Asparagin, 0,15"^, KH 2 PO 4 , (Mlö“,, MgS 04 ; 

II: 1% Pektin, 0,16‘\, „ 0,16^„ „ 0,06*\, 

Nährboden B. 

I: 1% Glucose, 0%A8paragm, 0,15% KH,P 04 , 0 ^ 06 % MgS 04 ; 

II: 1 % Pektin, „ 0,15% „ 0,06% 

Nährboden C 

I: 0<J(, Glucose, 0,15^)t, Asparagin, 0,16% KH,P 04 , 0,06 Mg 804 . 

II; Pektin, 0,15 ‘»o »» 0,16 ‘*0 „ 0,06 »o 

Zur N- Quelle ist zu bemerken, daß Glutamin wahrscheinlich zweckmäßiger 
gewesen wäre, da die CaryophylUiceen ja Glutaminpflanzen sind. 

Nach ungefähr 8 Wochen konnte im letzten noch isoUert und 
ungeöffnet gebliebenen Gefäß von A II die Bildung reifer typischer 
Brandsporen beobachtet werden, die sich am Boden des Erlenme^^er- 
kölbchens festgesetzt hatten. In den anderen Nährlösungen konnte eine 
solche Beobachtung nicht gemacht werden. 1 Stunde nach dem Auf- 
bringen der neu gebildeten Brandsporen (in den Kulturen von Prof. 
Schöpfer waren nur Konidien) von Uatilago violacea auf einen Objekt- 
träger konnte unter dem Mikroskop das Auskeimen der Brandsporen 
und im weiteren Verlauf auch die beginnende Bildung von Basidio- 
sporen an den Keimschläuchen beobachtet werden. 

Damit ist der Beweis der bevorzugten Eignung des Pektins als 
C- Quelle für eine Anzahl phytoparasitisoher Pilze erbracht. Aber noch 
fehlt die Erklärung für das physiologische Verhalten der Brandpilze, 
die mit Ausnahme des Maisbrandes, der auch junge Blätter usw. be- 
fallen kann, nur in keimendes Getreide einzudringen und hinter der 
wachsenden Spitze dem Wachstum des Halmes folgend bis in die Blüt|| 



386 


F. Öerhardt: 


vorzudringen vermögen, während sie ältere Gewebszellen nicht infizieren 
können. 

Im keimenden Getreidekorn befinden sich zahlreiche Aminosäuren 
neben wenig Polypeptiden und Proteinen. Es reizte daher zu prüfen, 
ob nicht ein Zusammenhang zwischen der Aggressivität und der Perment- 
garnitur von Ustilago avenae mit dem physiologischen Zustand des 
befallenen Objekts andererseits besteht. So wurden UstiUigo avenae und 
Uatüago zeae auf Nährböden übergeimpft, die als einzige C- Quelle 2 % 
Pektin und als alleinige N- Quelle in einem Falle 1 % Pepton, im anderen 
Falle 1 % Gelatine enthielten. Dabei zeigte Ustilago avenae durch 
fehlendes Wachstum an, daß dieser Pilz nicht imstande war, die ge- 
botenen N- Quellen zu verwerten, wie aus den wenigen sich entwickelnden 
Hyphen ersichtlich war, die man nur mittels einer Lupe über dem 
Pektin-Agar-Eiweißnährboden bemerken konnte. UstiUigo zeae dagegen 
wuchs gut, und bei dem Gelatine-Pektin- Agarnährboden konnte man 
vor dem wachsenden Mycel eine schmale Verflüssigungszone des Nähr- 
bodens beobachten. 

Es scheint nach diesen Untersuchungen bei diesen beiden Brand- 
pilzen tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Aggressivität und 
Fermentgarnitur einerseits und physiologischem Zustand der Pflanze 
andererseits zu bestehen. 

Weitere Untersuchungen über Botrytis^ Monilia 
und PeniciUium spec. 

Dem Vermögen von Monilia fructigena^ verletzte Äpfel schnell zu 
verderben, steht ebenfalls eine reichliche Absonderung von Proteinasen 
gegenüber, wie auf einem Nährboden, enthaltend 2% Pektin und 
21 / 2 % Gelatine aus der schnellen Verflüssigung der Gelatine vor den 
wachsenden Zonen zu ersehen war. Botrytis cinerea („Schwäche- 
parasit“) besaß diese Eigenschaft nur in vermindertem Maße. Peni- 
ciüium-ATten (Saprophyten), die Ja bekanntlich nur überreife Früchte 
befallen, zeigten gegenüber Monilia und Botrytis nur ein sehr geringes 
Wachstum auf den Pepton- Gelatine-Pektin -Agamährböden, dagegen 
ein annähernd gleich starkes auf Pektin-Asparaginnährböden. 

Besprechung der Ergebnisse. 

In der vorliegenden Arbeit konnte die in dei Einleitung aus- 
gesprochene Vermutung, daß Pektin eine für intercellulär wachsende 
parasitische Pilze natürliche Nährstoffquelle sei, bestätigt werden. Es 
ist selbstverständlich, daß die betreffenden Pilze, um das Pektin als 
Nahrungsquelle benutzen zu können, auch imstande sein müssen, es 



Kultur phytoparasitischer Pilze auf definierten Nährböden. 387 


abzubauen und in eine für den Organismus verwertbare Form ül)er- 
zufübren. Die tjberlegenheit des Pektins als C- Quelle gegenüber den 
Zuckern ist so auffallend, daß sie zur Annahme einer Beziehung zwischen 
Eignung der C- Quelle und der Lebensweise der Pilze berechtigt. Sie 
ist gleichzeitig ein wohl zu beachtender Hinweis für die Herstellung 
geeigneter künstlicher Nährböden für diese Pilze. 

Natürlich ist mit der Lösung der Fragender geeigneten C- Quelle 
das Gesamtproblem der Nährbodenbeschaffenheit für diese Pilze 
noch nicht gelöst. Schon die Frage der geeigneten und natürlichen 
N- Quellen erfordert neue 1 -ntersuchungen. Wie die beschriebenen 
Versuche dartun, scheint zwar eine Beziehung zwischen Pilzaggres- 
sivität und Proteinasenaktivität zu bestehen, doch muß zugegeben 
werden, daß die ungleiche Auswertung der Gelatine zunächst nur auf 
eine verschiedene Aktivität der spezifisch auf Gelatine eingestellten 
Proteinase schließen läßt. Entsprechende Versuche mit anderen 
definierten Eiweißen müssen daher die Breite der Schlußfolgerungen 
erst erweisen. 

Auch die ^verschiedene proteolytische Aktivität genügt noch nicht 
ziii* vollen Erklärung des Parasitismus, sondern es muß auch noch die 
Spezifität des ^Vrhältnisses von Parasit und Wirt geklärt werden. 
Da würde 1, die Frage der l^n Verträglichkeit verschiedener Eiweiße 
(Fermentträger) eine Bolle .sjäelen und 2. der Gehalt der Pflanze an 
Stoffen, die giftig auf den Pilz wirken. Ferner wäre für das Verhältnis 
Parasit— Wirts]>flanze noch die Absonderung von toxisch wirkenden 
Ausscheidungen durch den Parasiten von Bedeutung und von seiten 
der Pflanze die Ausbildung von Cellulosemembranen. Das Problem der 
chemisch -j)hysiologischen Erfassung des Parasitismus ist daher noch 
lange nicht mit der Erfassung der natürlichen Nährstoffquellen gelöst; 
es i.st lediglich ein Baustein mehr zur Erfassung der stofflichen Grund- 
lagen des Parasitismus. Daß außerdem neben den Fragen des , »niedrigen 
Stoffwechsels“ diejenigen der Wuchsstoff- und Honnonbedürftigkeit in 
Verbindung mit den dargestellten Ergebnissen weiterhin experimentell 
geprüft werden müssen, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. 

Zusaimnenlassuug. 

1 . Das Pektin wurde als geeignete C- Quelle für gewisse Pilze fest- 
gestellt, die sich bisher auf definierten Nährböden gar nicht oder nur 
schwierig kultivieren ließen. 

2. Bei üsHlago avenae und zeae, sowie bei TiUetia tritici konnte 
die Absonderung einer Protopektinase wahrscheinlich gemacht 
w^erden. 



388 F. Gerburdt: Kultur jdiytopuraaitiBoher Pilse auf definierten N&hrböden. 

3. Die Verarbeitimg der Kohlenhydrate durch Pilze scheint nicht 
nui eine Frage des C/N-Verhältnisses, sondern auch des Redoxpotentials 
zu sein. 

4. Es konnte ein Zusammenhang zwischen Aggressivität der Pilze 
und ihrer Proteinaseaktivität einerseits und dem physiologischen 
Zustand der Pflanze andererseits beobachtet werden. 

Literatur. 

1) S. Blumer, diese Zeitschr. 8, 468, 1937. — 2) W, H, Schöpfer u. 8, Blumer, 
ebenda 9, 306, 1938. - 3) K. P. N. Mmon, Annals of Botany 48, 187, 1934. - 
4) X. B. Ghana, ebenda 46, 1033, 1932. — 6) P. P. Davimm u. J. J. WiUaman, 
The Botanical Gazette 38, 329, 1927. — 6) P. Ranker, J. of Agric. Res. 41, 
436, 1930. 



(Au8 dem InBtitut für Mikrobiologie der Universität Güttingen.) 

über Eiweifibildttng durch Bakterien. 

VI. Mitteilung: 

Die Wirkung einer Misehung von Aminosäuren auf Bacilius glycinopiiiliis. 

Von 

August Bippel-Baides^ und Werner Köhler. 

(Eingegangen am 6. September 1943.) 

In der vorhergehenden Mitteilung {A. Bippel, K. Nabel und 
W. Köhler) hatten wir darauf hingewiesen, daß eine Mischung von Gly- 
kokoll und Alanin bei BacHlua glycinophilus besser wirkt als die gleiche 
Konzentration einer einzelnen Aminosäure; ein Gleiches wurde für die 
Ammoniaksalze organischer Säuren festgestellt. Die Versuche waren 
indessen insofern nicht eindeutig, als nur volle Konzentration der 
Einzelkomponenten verglichen wurde mit der Mischung, nicht aber die 
Wirkung der Einzelkomponenten in der der Mischung entsprechenden 
geringeren Konzentration ebenfalls untersucht wurde. Der nach- 
stehend beschriebene Versuch mit Glykokoli^, Alanin und Leucin sollte 
diesen Mangel beseitigen. Die Zahlen finden sich in Tabelle I. 

Tabelle I. 

Bacillus glyeinophilus, Wirkung einer Aminosäuremisohung. 


Stickstoff'Gabe 

mg BiweiB'StSckstoff le Kolben 
KoltunUuer in Tagen 


3 

Glykokoll 0,2% 

1,66 

16,09 

Alanin 0,24% 

0,86 

14,67 

Leudn 0,85 % 

0 

0,66 

Mischung dieser 3 = je ^/g 

4,42 

16,96 

Glykokoll Vs obiger Menge 

2,17 

4,86 

Alanin Vs obiger Menge 

1*30 

6,66 

Leucin Vs obiger Menge 

0,66 

1.74 

Summe der ^/g-(Hben 

4,12 

12.24 


Nährlösung: Olykose 1,0%, MgS 04 0,01%, reS 04 0,006%, KH.P 04 
/K 4 HPO 4 = 0,4/0,2%, Agar 0,1 %, dest. Wasser; 60 com in 260er Erlenmeyer- 
kölbohen aus Jenaer 20er Glas. Thermostat bei 37^ C. pu ö»2. Mittel aus je 
zwei Parallelen. 


^ Änderung des früheren einfachen Namens des Autors. ^ * Da es sich 
bei dem Qlykokoll um synthetiBohes der „Kohlenteohnik**-Dortmund handelte, 
scheidet ein möglicher Oehalt an Wuohsstoiffen als Erklärung für die ba- 
sonders gute Wirkung des GlykbkoUs aus. 

AisklT fflr Xikrobiolosis. Bd. IB. 


27 





390 


A. Rippel-Baldea u. W. Köhler: 


ln der oberen Hälfte der Tabelle ist die Stiokstoffgabe von 0,2 % Glykokoll 
zugrunde gelegt und verglichen mit der gleichen Stiok8toffgat>e in Form von 
Alanin und Leucin (0,24 bzw. 0,36%), dazu die Mischtmg dieser drei Amino- 
säuren, jede in ein Drittel dieser Konzentration. Bei den Zahlen ist die Stickstoff- 
menge für Leucin 0,35% nach 1 Tag als Blindwert abgezogen; dieser Wert liegt 
um ein geringes unter dem in der reinen BlindbestimmHng ermittelten Wert* 

Nach 1 Tag Kulturdauer hat also die Mischung erheblich besser 
gewirkt als die beste der drei Einzelkomponenten in der der Mischung 
entsprechenden Konzentration. Mit 4,42 mg Eiweiß-N liegt dieser Wert 
sogar noch über dem der Summe dieser drei' Einzelkomponenten mit 
2,52 mg N. Nach 3 Tagen Kulturdauer sind die Zahlen ausgeglichen : der 
Wert der Mischung entspricht dem bei Glykokoll, der besten N- Quelle, 
eidialtenen. 

Während nun nach 1 Tag Kulturdauer nicht entschieden werden 
kann, ob auch das Leucin in der Mischung als Stickstoff quelle stärker 
herangezogen wurde als im Einzelfalle, liegt der Fall nach 3 Tagen 
Kulturdauer klar: Da je Kolben 18,7 mg N gegeben waren, so können 
auf Glykokoll + Alanin höchstens 12,5 mgN entfallen gegen 15,95 mg N, 
die bei der Mischung gefunden wurden. Der Unterschied von 3,45 mg 
kann also nur durch Assimilation des Leucin- Stickstoffs zu erklären 
sein, das somit in Mischung erheblich besser verwertet wurde als bei 
alleiniger Darbietung (0,65 mg). 

Wir müssen jedoch weiter die untere Hälfte der Tabelle betrachten, 
in der die drei Aminosäuren bei jeweils 1/3 Konzentration der oberen 
Tabellenhälfte verglichen wurden. Es sei ausdrücklich bemerkt, daß 
es sich um einen gleichzeitig angesetzten Versuch handelt. Bei 1/3 Kon- 
zentration wirkten die einzelnen Aminosäuren besser als bei voller 
Konzentration, wenn wir die Ergebnisse nach 1 Tag Kulturdauer 
betrachten. Das entspricht durchaus dem, was von dem Ertragsgesetz 
bekannt ist (A. Rippd). Nach 3 Tagen Kulturdauer ist natürlich die 
N-Menge der i /3 Konzentration absolut geringer als die der vollen 
Konzentration. 

Die Summe der drei Aminosäuren ergab nach 3 T^gen Kulturdauer 
12,24 mg Eiweiß-N gegen 15,96 mg bei der Mischung der oberen Hälfte 
der Tabelle, die somit merklich besser wirkte. Diese bessere Wirkung 
ist auch bereits nach 1 Tag zu erkennen, wenn auch die Werte (4,42 mg 
Eiweiß-N der Mischung gegen 4,12 mg der Summe der Einzelamino- 
säuren in jeweil 8 'i /3 Konzentration) nicht so weit auseinanderliegen, daß 
man mit voller Sicherheit von einem Unterschied sprechen könnte. 
Allerdings ist in der unteren Tabellenhälfte Glykokoll vom 1. zum 
3. Kulturtag merkwürdigerw'eise etwas zurückgeblieben (obwohl die 
Parallelen übereinstimme^). Zum Ausgleich wollen wir zu den Glykokoll- 
zahlen pach 3 Tagen Kulturdauer in der unteren Tabellenhälfte noch 



über Eiweißbildung durch Bakterien. VI. 


391 


1 mg N hinzurechnen. Als Summe ergibt sich dann 13,24 mg Eiweiß-N 
bei den Konzentrationen gegen 15,95 mg bei der Mischung dieser 
Konzentrationen', also ein Unterschied von 2,71 mg Eiweiß-N, der 
nur durch die bessere Verarbeitung des Leucins zu erklären ist. Selbst 
wenn wir annehmen, daß in Wirklichkeit Glykokoll und Alanin zu 
100% verarbeitet wären, so würde die Summe dieser beiden 12,5 mg 
Eiweiß-N für die Gaben ergeben. Rechnet man die 1,74 mg Ei- 
weiß-N des Leucin der %-Gabe hinzu, so verbleibt mit 14,24 mg, 
verglichen mit den 15,95 mg der Mischung, immer noch ein Plus von 
1,71 mg Eiweiß-N für die Mischung, das nur durch bessere Ver- 
arbeitung des Leucin in dieser erklärt werden kann. Für dieses er- 
gibt sich demnach in der Mischung ein Wert von mindestens 1,74 
-+-1,71 — 3,45 mg Eiweiß-N gegen 0,65 mg bei alleiniger Darbietung 
in voller Konzentration. 

Was besagen nun diese Zahlen ? ln der vorhergehenden Veröffent- 
lichung hatten wir die Herabsetzung der Konzentration der einzelnen 
Aminosäuren in der Mischung in Betracht gezogen, da ja jede höhere 
Konzentration zunächst eine Schädigung bedingt , auch wenn im Gesamt- 
ablauf der Verarbeitung die höhere Konzentration schließlich noch zu 
einer Ertragssteigerung führt, wie es allgemein nach dem Ertragsgesetz 
der Fall ist (A. Rippel). Wir wiesen aber schon darauf hin, daß dies 
allerdings voraussetzt, daß jede einzelne Komponente einen spezifischen 
Schädigungsfaktor besitzt, da in der Mischung die Konzentration 

ja die gleiche ist wie bei der Einzelkomponente. Bei gleichem Stickstoff- 
gehalt haben wir ja in Hinblick auf die Aminosäuren äquimolekulare 
Lösungen. 

Frühere Versuche zeigten weiterhin {A. Rippel und W . Lohrniann), 
daß jede Giftwirkung, auch solche, die nicht von einem normalerweise 
als Nahrungsfaktor in Betracht kommenden Stoff ausgeübt werden, 
eine Nährstoff Wirkung entfalten können, falls dieser Stoff antagonistisch 
auf die Gift Wirkung eines anderen Stoffes wirkt. So kann man die 
Wirkung von Calcium durch Tannin ersetzen, wenn Magnesiumsulfat 
als zweiter Schädigungsfaktor vorhanden ist, ferner durch Borsäure 
und Sublimat. 

Es bleibt demnach nur die Annahme übrig, daß die Schädigung 
durch die einzelnen Aminosäuren sich gegenseitig antagonistisch beein- 
flussen. Denn, worauf noch einmal . ausdrücklich hingewdesen sei, in 
der Mischung wirkt z. B. das besonders ,, giftige“ Leucin erheblich 
l)e88er als in der Einzelkonzentration, die der Konzentration in der 
Mischung entspricht, wie oben angeführt wurde. 

Wie die Schädigung durch die einzelnen Aminosäuren zustande 
kommt, bleibt dabei vorerst unbestimmt. Bei der besonderen Vorlie^ 



392 4 A. Rippel-Baldes u. W. KMikr. EiweiBloldung dvioh Bakterien, vt 

de^BakteriumB für Essigsäiire liegt die Annahme niahe, daü^es sich in 
de^^ Hauptsache um eine Wirkung der Kohlenstofftetten der Amino- 
säuren handelt. Diese Auffassung wird noch weiter durch die Tat- 
sache unterstützt, daß die geprüften Aminosäuren, wie in der vor- 
angehenden Mitteilung gezeigt wurde, vor der Verarbeitung des- 
aminiert werden. Da der Organismus zudem Ammoniak als N- Quelle 
ebensogut auszunützen vermag wie Aminosäuren, so kann es sich 
also kaum um eine Wirkung der Aminosäuren als solcher handeln, 
wie sie von anderen Autoren bereits beobachtet wurde. Darüber 
können indessen erst weitere Versuche endgültigen Aufschluß geben. 

Zusammenfassang. 

Die geprüften Aminosäuren Glykokoll, Alanin und Leucin (in 
dieser Reihenfolge mit abnehmender Eignung als Stickstoffquelle) 
werden bei BdciUus glycinojohilus in Mischung besser verarbeitet als 
bei Einzeldarbietung, auch wenn deren Konzentration derjenigen der 
Mischung entspricht. 

Es ist wahrscheinlich, daß jede Aminosäure ihren spezifischen 
Schädigungsfaktor besitzt, der vermutlich auf die Kohlenstoffkette 
zurückzuführen ist und daß sich diese Schädigungsfaktoren anta- 
gonistisch beeinflussen. 


Literatur. 

Ä, JRippd, Das Ertragsgesetz. In Honcamps Handbuch der Pflanzen- 
emähnmg, Bd. I, S. 602. Berlin, Springer, 1931. -- Vergleiche weiter die Dar- 
Stellung in A, Rippd- Baldes, Grundriß der Mikrobiologie. Berlin, Springer. 
Im Erscheinen. — A. Rippd u, TT. Lohrmann, Nachr. a. d. Gesellsch. d. Wiss. 
Göttingen, Mathem.-Physikal. Kl., N. P., Fachgruppe VI: Nachr. a. d. Biologie 
3, 239, 1940. — A. Bippd, K, Nabd u. W, Köhler, diese Zeitsohr. 12, 286, 1941 


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