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Nachrictiten
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KMgMen Gesellschaft der Wissensehaften
" zn Gottingen.
GescMftliche Mitteilungen
aus dem Jahre 1916.
Berlin,
Weidmannsclie Buchhandlting.
1916.
CENTRAL ;\k< • . ‘ ixUAi.
LIBRARY X 'V, i » L L HI.
Aoc. N<* ,3.\ & „
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Druck der Dieterichschen TJniv.-Buckdruckerei (W. Fr. Kaestner) in Gattingen.
Inhalt.
Bericht des Sekret&rs der Gesellschaft liber das Geschaftsjahr 1915/16 .
Yerzeicbnis der im Jahre 1915/16 abgekaltenen Sitzungen und der darin
gemachten wissenschaftliehen Mitteilungen
XV. Bericht liber das Samoa-Observatorium f. d. J. 1915/16
Bericbt der Kommission fiir luftelektrische Forscliung
Bericbt der Religionsgeschichtliclien Kommission
Bericht der Kommission der Wolfskehl-Stiftung 1915/16 .
Bericht liber die Arbeiten fiir die Ansgabe der sdteren Papsturkunden
Achter Bericht iiber das Septuaginta-XJntemehmen. (Berichtsjahr 1915.) .
Wedekindsche Preisstiftung fiir Deutsche Geschichte
Bericht liber die Lagarde-Stiftung und die Stiftung der Freunde deLagardes
Bericht liber die ausgesetzten Preisaufgaben
Verzeichnis der Mifglieder der Konigl. Gesellschaft der Wissenschaften zu
Gottingen, Ende Marz 1916
Benekesche Preisstiftung * .
Verzeichnis der im Jahre 1915 eingegangenen Druckschriften ....
E. Wiechert, Eduard Riecke
G. Berthold, Hermann Graf zu Solms-Lauback
R. Reitzenstein, Paul Wendland
— Bruno Keil
Bericht liber die offentlicke Sitzung am 4. November 1916
K. Sethe, Der Ursprung des Alphabets
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Bericht des Sekretars der G-esellschaft Tiber das
Greschaftsjahr 1915/16.
Die koniglicbe Gresellscliaft der Wissenschaften hat im abge-
laufenen Geschaftsjahre, dem zweiten Kriegsjahre, aufier den in
der Satzung angeordneten zwei offentlichen Siizungen, 15 ordent-
liclie Sitzangen gehalten. tiber die darin vorgetragenen wissen-
schaftlichen Mitteilungen wird weiterhin nach den Protokollen be-
ricbtet.
Die Nachriekten der philol.-histor. Klasse sind mit 4Heften
nnd 1 Beiheft, die der math.-phys. Klasse mit 3 Heften erschienen*
Von den geschaftlichen Mitteilungen wurde ein einziges Heft aus-
gegeben.
Abhandlungen wurden nicht ausgegeben.
Die Gottingischen Gelehrten Anzeigen sind nnter
der Eedaktion yon Herm Dr. Joachim in gleicher Weise wie
bisher fortgefiihrt.
Der Tauschverkehr war durch die Kriegsverhaltnisse erkeblich
eingeschrankt. Tiber die der Gesellschaft zugegangenen Schriften
gibt das weiterhin mitgeteilte Verzeichnis Auskunft. Es dient
zugleich als Empfangsbestatigung.
Neu eingetreten in den Tauschverkehr ist Stockholms Hog-
skolas Bibliothek; angenommen wurde das Tauschgesuch der Fa-
krUad de ciencias fisicas, matematicas y astronomicas in La Plata
fiir die Zeit nach Beendigung des Krieges.
Die Gesellschaft bewilligte:
Zur Ilnterstiitzung der Teneriffa-Expedition . . . Mk. 600
Herm Professor Litzmann in Jena fiir Herstel-
lung von Photographien aus dem Sacramentarium gre-
gorianum in Cambrai 200
Eiir das Septuaginta-Unternehmen » 4000
N achricliten ; gescliaftliclie Mitteilungen 1916. 1,
l
2 Berieht des Sekret&rs der Gesellschaft tiber das Gescbaftsjabr 1915/15.
Dem physikalischen Yerein in Frankfurt a. M. fiir
das Planeten-Institut insgesamt Mk. 1500
Herm Hartmann tier zu Forschungen iiber die
astronomischen Beobachtungen des Nicolaus Cusanus . „ 300
Herrn Professor Co elan bier zur Fortfiihrung seiner
elektrischen Untersucbnngen „ 500-
Herm F. Klein bier fiir Herm Dr. Prange in
Hannover zu Yorarbeiten fiir eine deutscbe Ausgabe
der Schrift von William Rowan Hamilton iiber
Strahlungsysteme „ 200
Der Kgl. Gesellschaft d. Wissenscbaften in Leipzig
zur Fortfiihrung des Poggendorfschen Handworter-
bucbs „ 400
Auf dem Kartelltage der deutschen Akademien und Gesell-
scbaften am 21. Mai 1914 in Leipzig war die Gesellscbaft dureh
ihre Sekretare vertreten.
Aus dem Kreise der ordentlichen Mitglieder schieden:
Herr Jacob Wackernagel durch Tiber siedelung nach Basel,
Herr Paul Kebr durcb Anstellung in Berlin und
Herr Wilhelm Bousset durch Berufung an die TJniversitat
GieBen.
Alle drei traten in die Reibe der auswartigen Mitglieder ein.
Durch den Tod verlor die Gesellschaft
von ordentlichen Mitgliedern in der ma th.-phy s. Klasse
Adolf von Konen am 3. Mai 1915,
Eduard Riecke am 11. Juni 1915;
in der philologisch-historischen Klasse
Paul Wendland am 10. September 1915;
von auswartigen Mitgliedern in der math.-phy s. Klasse
Paul Ehrlich in Frankfurt a. M. am 20. August 1915,
Hermann Graf zu Solms-Laubach in Strafiburg i. E.
am 24. November 1915,
Richard Dedekind in Braunschweig am ll.Februar 1910;
in der phil.-histor. Klasse
August Fick in Hildesheim am 28. Marz 1916;
von kor respondier enden Mitgliedern in der math.-
physikal. Klasse
Henry Enfield Roscoe in Manchester am 19. Dezember
1915,
Bericht des Sekretars der Gesellschaft uber das Geschaftsjahr 1915/16. 3
E r. Prym in Wurzburg am 13. Dezember 1915,
Ernst Mach in Miinchen am 19. Eebruar 1916;
in der phil. -histor. Klasse
Wendelin Eorster in Bonn am 18. Mai 1915.
Wolfgang Helbig in Rom am 6. Oktober 1915.
Wilhelm Windelband in Heidelberg am 22. Oktober
1915,
G-eorg Loeschke in Berlin am 26. November 1915,
Clemens Robert Markham in London am 21. Januar
1916,
Bruno Keil in Leipzig am 29. Marz 1916.
Die Gesellschaft wahlte zu
■ordentlichen Mitgliedern in der math. -phys. Klasse.
Herrn Peter Debye am 18. Dezember 1915, allerhochst
bestatigt am 16. Januar 1916,
Herrn Hans Stille am 18. Dezember 1915, allerhochst
bestatigt am 16. Januar 1916;
in der phil.-histor. Klasse.
Herrn Wilhelm Bousset am 5. Juni 1915, allerhochst
bestatigt am 29. Juni 1916;
.auswartigen Mitgliedern in der math.-phys. Klasse.
Herrn Georg Cantor in Halle a. S. (zuvor korrespon-
dierendes Mitglied seit 1878) am 18. Dezember 1915,
allerhochst bestatigt am 16. Januar 1916;
in der phil. -histor. Klasse
Herrn Albert Hauck in Leipzig (zuvor korrespondierendes
Mitglied seit 1894) am 18. Dezember 1915, allerhochst
bestatigt am 16. Januar 1916.
Durch allerhochsten Erlafi vom 1. August 1915 wurde Herr
Enno Littmann zum Sekretar der philologisch -historischen
Klasse fur die Zeit bis zum 1. August 1921 emannt.
Die Gesellschaft hat Herrn Reitzenstein als ihren Ver-
treter in der Kommission fur den thesaurus linguae latinae bestellt.
1 *
V erzeichnis der im Jahre 1915/16 abgehaltenen
Sitzungen und der darin gemachten wissenschaftlichen
Mitteilnngen.
Offentliche Sitzung am 1. Mai 1915.
Herr Wackernagel erstattete Bericht liber das abgelaufene
(xeschaftsjahr.
Gedaclitnisreden bielten die Herren Hartmann auf v. Auwers r
Korte auf Conze, Frensdorff auf Zeumer, Tammann
auf Hittorf, Jensen auf Hermann, E biers auf Cbun.
Ordentlicbe Sitzung am 8. Mai 1915.
W. Voigt legt vor: W. Voigt und Frederiksz, Theoretisches-
und Experimentelles zur piezoelektrischem Erregung eines
Kreiszylinders durcb Drillung und Biegung. (Nachrichten,
math.-phys. Kl. 1915, S. 119.)
E.Wichert legt yor: Rausch von Traubenberg, Tiber eine
Modifikation der Seheringschen Methode zur Bestimmung der
elektrischen Leitfahigkeit der Luft. Nachrichten, math.-phys..
Klasse 1915, S. 172.)
E. Landau, Tiber die Gritterpunkte in einem Kreise. (Naeh-
richten, math.-phys. Kl. 1915, S. 148.)
W. Meyer, DerRythmus iiber den hi. Placidas-Eustasius. (Naeh-
richten, phil.-hist. Kl. 1915, S. 226.)
Ordentliche Sitzung am 5. Juni 1915.
J. Wackernagel legt vor: L. Liitkemann und A. Rahlfs,
Hexaplarische Randnoten zu Isaias 1 — 16 aus einer Sinai-Hand-
scbrift, (Nachrichten, phil.-hist. Kl., Beiheft.)
E. Littmann legt vor: Kahle, Das Krokodilspiel (Li c b et
Timsah) ein egyptiscbes Sckattenspiel nach Handscbriften und
und modernen Aufzeichnungen. (Nachrichten, phil.-hist. KL
1915, S. 288.)
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Verzeichnis der wissenschaftlichen Mitteilungen.
E. Landau, liber die Gitterpunkte in einem Kreise. (Zweite
Mitteilung.) (Nachrichten, math. -plays. Kl. 1915, S. 161.)
D. Hilbert legt vor:
K. Boebm, Uber Unabhangigkeitssatze in der Variantenrech-
nnng. (Nachrichten, math.-phys. El. 1915, S. 186.)
E. Fischer, Uber die Endhchkeit der Varianten. (Nachrichten,
math.-phys. Kl. 1915, S. 392.)
Scherrer, Die Rotationsdispersion des Wasserstoffs. (Nach-
richten, math.-phys. Kl. 1916, S. 178.
O. Mfigge legt vor: 0. Weigel, Uber einige physikalische Eigen-
genschaften des Carborunds. I. und II. (Nachrichten, math.-
phys. Kl. 1915, S. 264., S. 299.)
Ordentliche Sitzung am 19. Joni 1915.
E. Ehlers berichtet uber Ergebnisse von Untersuchungeu an in-
dischen Polychaeten.
Ordentliche Sitzung am 3. Juli 1915.
H. Oldenberg, Zur Religion und Mythologie des Veda. (Zweite
Folge.) (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1915, S. 361.
W. Voigt, Das Dispersionsgesetz der magnetooptischen Effekte
im Ultraroten bei Eisen und Kobalt. (Nachrichten, math.-
phys. Kl. 1915, S. 193.
Ordentliche Sitzung am 17. Juli 1915.
O. Wallach, Untersuchungen aus dem Universitats-Laboratorium
(XXVHI.) (Nachrichten, math.-phys. Kl. 1915, S. 244.)
F. Klein legt Hefte der mathematischen Encyclopaedic vor.
E. Landau, Uber die Anzahl der Gitterpunkte in gewissen Be-
reichen. (Zweite Abhandlung.) (Nachrichten, math.-phys. KL
1915, S. 209.
E. Wichert legt vor: Ludwig Geiger, Registrierungen des
luftelektrischen Potentialgefalles in Samoa 1913/14.
Ordentliche Sitzung am 31. Juli 1915.
H. Wagner berichtet fiber seine neuen Studien zur Gesehichte
der mathematischen Geographie : G. Mercator und die ersten
Loxodromen auf Karten, — und uber eine kartometrische
Analyse der Weltkarte Mercators vom Jahre 1569. (Erscheint
im 43. Bd. der Annalen der Hydrographie. 1915.)
P. Kehr berichtet fiber den gegenwartigen Zustand des Unter-
nehmens der Papsturkunden.
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Verzeiehnis der wissenschaftlichen Mitteilungen.
G. Tammann, Tiber die Abhangigkeit des Teilimgskoefficienten
von der Temperatur und seine Beziehung zum Gesetze des
geraden Durchmessers in der Nahe der kritischen Temperatur.
(Erscheint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
J. Hartmann, Tabellen fiir das Rowlandsche und das inter-
nationale W ellenlangensy stem. (Abbandlungen, math.-phys. KL
Bd. X.2.)
Ordentliche Sitzung am 28. Oktober 1915.
E. Klein legt vor (durch den vorsitzenden Sekretar): Mathe-
matische Encyclopaedie, Bd. II, 1, H. 8. — Bd. 31, 8, H. 2. —
Bd. HI, 2, H. 6. — Bd. Y, 3, H. 3.
W. Yoigt, Tiber Grund s chwingungen kreisformiger Klangplatten
aus Kristallen. (Nachrichten, math.-phys. Kl. 1915, S. 345.)
E. Littmann legt vor: A. Rahlfs, Kleine Mitteilnngen aus
dem Septuaginta - TJnternehmen. (Nachrichten, phil.-hist. KL
1915, S. 404.
Offentliche Sitzung am 6. November 1915.
Herr Zsigmondy las: tTber das Gebiet der groBen Molekxile
und Molekularaggregate.
Ordentliche Sitzung am 20. November 1915.
W. Bousset, Eine judische Gebetssammlung im VII. Bach der
apostolischen Konstitutionen. (Nachrichten, phil.-hist. Klasse
1915, S. 435.
H. Oldenberg, Zur Geschichte des Tri§lubh. (Nachrichten, phil.-
hist. Kl. 1915, S. 490.)
D. Hilbert, Grundlagen der Physik. (Nachrichten math.-phys.
Kl. 1915, S. 395.)
Ordentliche Sitzung am 4. Dezember 1915.
D. Hilbert, Grundlagen der Physik. (Zweite Mitteilung.) (Er-
scheint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
Derselbe legt vor:
P. JD e b y e und P. Scherrer, Interferenzen von regellos
orientierten Teilchen im Rontgenlicht. (Erscheint in den
Nachrichten, math.-phys. KL)
Emmy Nother, Kriimmungsinvarianten im mehrdimensionalen
Raume. (Erscheint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
Verzeichnis der wissenschaftlichen Mitteilungen.
7
Ordentliehe Sitzung am 18. Dezember 1915.
E. Littmann legt vor: Rudolf Prietze, Haussa-Sanger. I.
(Nachrichten, phiL-hist. KL 1916, S. 163.)
E. Klein legt das Protokoll der Encyclopaedie-Konferenz vom
25. — 27. September vor.
D. Hilb ert legt vor: P. Debye und P. Scberrer, Interferenzen
von regellos orientierten Teilchen im Rontgenlicht. II. (Er-
scbeint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
Ordentliehe Sitzung am 15. Januar 1916.
E. Landau legt vor: L. E e j e r , Tiber Interpolation. (Erscheint
in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
E. Littmann, Anredeformen in erweiterter Bedeutung. (Nach-
richten, phil.-hist. Kl. 1916, S. 94.)
Derselbe legt vor:
C. Bezold, Abba Gabra Manfas Qeddus. (Nachricht, phil.-
hist. Kl. 1916, S. 58.)
C. H. Becker , Das Reich der Ismaeliten im koptischen Daniel-
buch. (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1916, S. 7.)
I. Goldziher, tlber igmah (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1916,
S. 81.)
M. Lidzbarski, Neue Gutter. (Nachrichten, phil.-hist. Kl.
1916, S. 86.)
H. Wagner legt vor: W. Ruge, Alter es kartographisches Ma-
terial in dents chen Bibliotheken. 5. (SchluB) -Bericht. (Er-
scheint in den Nachrichten, phiL-hist. Kl., Beiheft.) •'
W. B o u s s e t , Die Geschichte einer Wiedererkexmungsfabel. (Er-
scheint in den Nachrichten, phiL-hist. Kl.)
Ordentliehe Sitzung am 29. Januar 1916.
K. S e t h e , Spuren der Perserherrschaft in der spateren agyp-
tischen Sprache. (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1916, S. 112.)
R. Zsigmondy, Einige bemerkenswerte Eigenschaften des kol-
loidalen Goldes. (Erscheint in den Nachrichten, math.-phys. Ell.)
Ordentliehe Sitzung am 12. Eebruar 1916.
E. Landau legt vor: M. Riesz, Neuer Beweis des Eatouschen
Satzes. (Erscheint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
0. Miigge legt vor: Er. Schwietering, Das Reziprozitats-
gesetz und die Kristallreflexion. (Abhandlungen, math.-phys.
Kl. Bd. X. 3.)
8 Verzeichnis der wissensohaftlichen Mitteilungen.
E. Littmann legt vor: A. Rahlfs, Zur Setzung der Lese-
rn'iitter im Alten Testament. (Nachrichten , phil.-hist. Kl.
1916, S. 315.)
Ordentliche Sitzung am 26. Februar 1916.
W. Meyer legt vor: Bruno Krusch, Ursprung und Text von
Marculfs Formelsammlung. (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1916,
S. 231.)
E. C. Andreas, Yier persische Etymologien. (Nachrichten, phil.-
hist. Kl. 1916, S. 1.)
K. Sethe legt vor: Papyrusurkunden der offentlichen Bibliothek
in Basel. I. Urkunden in griechischer Sprache, mit Beitragen
von 0. Eger, Er. Preisigke, W. Schnbart, heraus-
gegeben von E. Rabel. II. Ein koptischer Vortrag, heraus-
gegeben von W. Spiegelberg. (Erscheint in den Abhand-
handlungen, phil.-hist. Ell.)
E. Wiechert, Perihelbewegung des Merknr und die allgemeine
Mechanik. (Erscheint in den Nachrichten, math. -phys. Kl.)
D. Hilbert, Grundlagen der Physik. (Zweite Mitteilung). (Er-
scheint in den Nachrichten, math. -phys. Kl.)
Ordentliche Sitzung am 11. Harz 1916.
W. Voigt, Uber merkwiirdige Polarisationserscheinungen, die an
anisotropen Eliissigkeiten beobachtet sind. (Erscheint in den
Nachrichten, math.-phys. Kl.)
E. Wichert, Nachtrage. (Erscheint in den Nachrichten, math.-
phys. Kl.)
It. Reitzenstein, Bemerkungen znr Martyrienliteratur I. Die
BezeichnungMartyrer. (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1916, S.417.)
Ordentliche Sitzung am 25. Marz 1916.
Der vorsitzende Sekretar legt vor: Rudolf Prietze,
Haussa-Sanger. H. (Erscheint in den Nachrichten, phil.-hist.
Klasse.)
Kurt Sethe, Zur Greschichte und Erklarung der Rosettana.
Mit 1 Figur im Text und 1 Tafel. (Nachrichten, phil. -hist.
KL 1916, S. 275.)
H. Oldenberg legt vor: Julius Jolly, Kollektaneen zum
Kautillya Arthafiastra. (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1916,
S. 348.)
XV. Bericlit Tiber das Samoa- Observatorium fiir daS
Jahr 1915/16.
Tiber das Greophysikalische Observatorinm in Samoa ist in
diesem Jahr nnr wenig zu berichten. Nach wie vor sind wir von
aller direkten Yerbindnng mit ihm abgeschnitten. Grlucklicher-
weise aber sind einige indirekte Nachrichten zu uns gekommen,
die bis in den Anfang dieses Jahres reichen. Danach ist der
dortige Leiter, Professor Angenheister ungehindert im Obser-
vatorium tatig. Er halt den wissenschaftlichen Betrieb aufrecht,
soweit das ohne wissenschaftliche Hiilfe und ohne die Mithiilfe
eines Mechanikers moglich ist.
Der Mechaniker des Observatoriums, P. Liebrecht, der beim
Ausbruch des Krieges auf TJrlaub in der Heimat weilte, gehort
nuch jetzt noch dem Heere an. Er hat maneherlei Gefahren
gliicklich iiberstanden.
Eraulein Kreibohm, die Sekretarin des Samoa-Biiros in Got-
tingen, war auch in diesem Jahre damit beschgftigt, die fruheren
Beobachtungen des Observatoriums zu bearbeiten.
E. Wiech ert.
Bericht der Kommission fur luftelektrische Forschung.
Die nnter besonderer Eiirsorge der Kgl. Regierung ausgefiihrten
Arbeiten der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in Beziig auf
luftelektrische Eorschnng haben durcli den Tod yon E. Riecke
am 11. Juni 1915 einen schweren Schlag erlitten. Von E. Riecke
stanmxt die Anregung, nack welcher die deutschen kartellierten
Akademien sich seit Beginn des Jahrhunderts zn gemeinsamer Er-
forselitmg der luftelektrischen Erscheinungen znsammengeschlossen
haben. Er ist in der Edge stets ein eifriger Forderer der Ar-
beiten gewesen. — Herr P. Debye, der inzwischen Mitglied der
Konigl. Gesellschaft geworden ist, hat zugesagt, an Stelle von
E. Riecke die Sorgwaltung fiir die luftelektrischen Arbeiten mit
zu dbe^nehmen. —
Veroffentlickt wnrde im yergangenen Jahr (als Doktor-Disser-
tation) eine Arbeit von Er. Mo e neb: „tlber den Znsammenbang
zwischen den luftelektriscben und meteorologischen Erscheinungen".
Der grofie Drahtkafig, welcher bei der Registrierung der Leit-
fahigkeit nach H. Schering in der Station anf dem Hainberge ver-
wendet wird, war im Lanfe der Jahre baufallig geworden, nnd
brach im letzten Herbst teilweise zusammen. So ist ein Neubau
aufgefiihrt worden.
Die seit langerer Zeit im Gauge befindlichen Arbeiten, welche
sicb anf die Untersnchnng der luftelektrischen Vo r gauge in
der freien Atmosphare beziehen, warden durcb den Krieg
stark behindert; docb konnten sie in einigen exp eriment ell en Einzel-
heiten weiter gefordert werden.
Daneben richtete sicb die Anfmerksamkeit im yergangenen
Jahr hauptsachlich anf zwei weitere Anfgaben. Die erste bestebt
in der Ausgestaltung derEinrichtnng einer luftelek-
triseben Beobaehtungsstation. Hier sind mit Hilfe
der mechaniscben Werkstatte von G. Bartels, Gott ing en, anf
Bericht der Kommission fiir luftelektrische Fozs chung. 11
Grand der Erfahrungen der letzten Zeit umfassende Arbeiten i m
Gauge, deren AbsckluB im nacksten Jahr erwartet wird.
Die zweite Aufgabe bezieht sick auf die Untersuchung der
Niederscklagselektrizitat. Im Hinblick auf die selt-
samen Widerspriicke, welcke zwischen den Beobachtungen iiber
die Ladung der Niederscklage, sowie iiber den vertikalen Leitungs-
strom auf der einen Seite und der Elektrisierung des Erdkorpers
anf der andern Seite besteken, war sckon seit einigen Jakren die
Wiederaufnakme der friikeren, yon H. Gerdien ausgefiikrten
Gottinger Beobachtnngen iiber Niederscklagselektrizitat geplant.
Die Yorarbeiten sind jetzt gemackt warden, indem zunachst eine
II nter suckung der experimentellen Yorriektnngen selbst yorge-
nommen wurde. Anf Gmnd der gewonnenen Resultate ist znr
Zeit eine Beobacktungsstation in Ban. Fiir die weiteren Arbeiten
ist die Mitwirkung des pkysikalischen Ckemikers Professor Dr.
Coekn, Gottingen, gewonnen worden.
E. Wieckert.
Bericht der ReligionsgeseMchtlichen Kommission.
Die Zeitverhaltnisse maehten es unmoglich, nene Bande der
„ Quellen der Religionsges chichte a erscheinen zu lassen.
Die Kommission hat denYerlust ihres Mitgliedes Wendland
dnrch den Tod zn beklagen. Herr Wackernagel siedelte nach
Basel fiber, Herr Bo asset naeh GrieBen.
H. Oldenberg,
Bericht der Kommission der Wolfskehl - Stiftung
1915/16.
Auf Einladung der Kommission der WolfskeM-Stiftung warden
im Lanfe des Jahres von den Herren Einstein -Berlin, Sommer-
feld-MuncLen , Born-Berlin, Pohl-Berlin, Edgar Meyer-
Tiibingen , Clemens Schaefer - Breslau , Koch- Miinchen,
Fr ank-Berlin, v. Sehweidler-Innsbruck, Conrad Miiller-
Hannover mathematische and physikalische Vortrage gehalten.
Die Stiftung heteiligte sich an der vierten Kriegsanleihe,
Hilbert.
Bericlit tiber die Arbeiten fiir die Ausgabe der
alteren Papsturkunden.
Wie es nicht anders sein kann, hat der Krieg in seinem Fort-
gauge auch unsere Arbeiten nahezu znm Stillstand gebracht.
Die im vorigen Bericht ansgesprochene Hoffnung, dafi der
VIL Band der Italia pontificia, der Yenetien nnd Istrien
•enthalten soli, soweit gefordert werden wiirde, da6 im Herbste
1915 der Dmck beginnen konnte, ist dnrch den Eintritt Italiens
in den Krieg zunichte geworden. Der Heransgeber, Prof. Kehr,
hat Ende Mai Rom verlassen nnd die in dem Historischen Institnt
aufbewahrten Materialien der Italia pontificia der Obhnt des
Schweizerischen Gresandten iibergeben mhssen; indessen hat sich
dev nnterdessen naeh Berlin zut Leitung der PreuBischen Staats-
archive bemfene Bearbeiter die Fortfuhrung der Arbeiten in
Italien yorbehalten nnd hofft sie nach dem Kriege wieder auf-
nehmen zn konnen.
Der Bearbeiter der Grermania pontificia, Prof. B rack-
man n in Konigsberg, war nnd ist noch mit Kriegsarbeiten fiir
die Provinz Ostpreufien so beschaftigt, dafi er nnsere Arbeiten
nicht hat fordern konnen. Dagegen hat Prof. Kehr einen Aufent-
halt in Schlesien und im Posenschen benntzt, nm die dortigen
Papsturknnden zn bearbeiten.
Die Kommission fur die Herausyabe der alteren Papsturknnden.
Ackter Beriekt
iiber das Septnaginta-Unternekinen.
(Berichtsjahr 1915.)
Der fiir die Wissenschaft gar zu fruhe Tod Paul W endlands
(f 10. 9. 1915) bedeutete auch fiir das Septuaginta-Unternelimen
einen schmerzlichen Yerlust. Paul Wendland hatte schon, ebe er
nach Gottingen kam, sick lebbaft fiir das Unternebmen interessiert.
Bei seiner TTbersiedelung naeh Gottingen wurde er sofort Mifglied
der engeren Septuaginta-Kommission und beteiligte sich in dieser
Eigenscbaft nieht nur mit seinem sacbkundigen Rate an den
Kommissionssitzungen, sondem erbot sicb auch, an der geplanten
Herstellung von Probeausgaben tatigen Anteil zu nehmen, muBte
.allerdings die in Aussicht gestellte Ausgabe des zweiten Makka-
baerbuches, ebe er sie in AngrifF nehmen konnte, infolge seiner
Krankbeit wieder aufgeben. Wir beklagen dies umsomehr, als
gerade seine Mitarbeit bei seiner genauen Kenntnis der belle-
nistiscben Literatur von besonderem Werte gewesen ware.
Ancb sonst sind in der engeren Septuaginta-Kommission
mehrere Anderungen zu verzeichnen. Herr Prof. Jacob W acker-
nag el , der seit Ostem 1909 den Yorsitz geftibrt hatte* legte
denselben infolge seines Portgangs nach Basel im August 1915
nieder, blieb aber auf seinen Wunsch auch als Auswartiger in der
Kommission und fubr aucb von Basel aus fort, Herm Rahlfs, wie
er bereits seit Herbst 1914 getan hatte, bei der Druckkorrektur
•der „Mitteilungen des Septuaginta-IJnternebmens a zu unterstiitzen.
— Als neue Mitglieder traten in die Kommission ein die Herren
Alfred Bertbolet, Enno Littmann und Richard Reitzen-
stein. Herr Bertbolet libernahm nach Herrn Waokernagels Port-
gang den Yorsitz, Die engere Septuaginta-Kommission besteht
.also nunmebr aus den ortsansassigen Herren B e rt h ole t (Vor-
16
Achter Bericht iiber das Septuaginta-Unternehmen.
sitzender), Littmann, Pohlenz, Rahlfs, Reitzenstein
und dem auswariigen Mitgliede Herrn Wackernagel,
Der durch den Krieg hervorgerufene Mangel an Hilfsarbeitern;
iiber den im vorigen Jabre berichtet war, hielt aneh in diesem
Jahre an. Ris in den Dezember 1915 hinein war Herr Prof. Rahlfs
ganz allein. Dann aber trat am 9. Dez. Herr Gustav Gestrich,
der schon als Student in den Jahren 1912 und 1913 beim Sep-
tuaginta-Unternehmen beschaftigt gewesen war, nach bestandenem
Oberlelirerexamen als auBerordentlicher Hilfsarbeiter ein. IJnd
eine Woehe spater, am 16. Dez., nahm auch der langjahrige
ordentliche Hilfsarbeiter Herr Dr. Emil GroBe-Brauckmann,
der am 27. Sept. 1915 bei der grofien franzosisch-englischen Offen-
sive verwundet und am 14. Dez. anf seinen Wunsch zu weiterer
arztlicher Behandlung nach 'Gottingen iiberwiesen war, seine Arbeit
wieder auf. Doch konnte Herr Gestrich seine Kraft nur bis zum
18. Marz 1916 in den Dienst des Unternehmens stellen, da er am
folgenden Tage zum Heeresdienste eingezogen wurde.
Die Herren Gestrich und GroBe-Brauckmann haben
die Kollation der griechischen Handschriften weitergefuhrt. Herr
GroBe-Brauckmann bat auBerdem das nodh feblende Kollations-
Manuskript fur das vierte Makkabaerbuch bergestellt, so daB nun-
mebr die Kollations-Manuskripte fur alle Apokryphen und filr alle
Prophetenbiicher fertig vorliegen.
Herr Rahlfs widmete sich in der ersten Halfte des Bericbts-
jahres vor allem der Bearbeitung der bexaplariscben Randnoten
zu Isaias 1 — 16, welcbe, wie scbon im vorigen Jabre berichtet,.
in der von Herrn Prof. Carl Schmidt (Berlin) besorgten Photo-
graphic einer Sinai-Handschrift zu Tage gekommen waren. Herr
Dr. Leonhard Liitkemann hatte diese Randnoten bereits im
Winterhalbjahr 1914/15 abgeschrieben und mancherlei Material zu
ihrer Erklarung und Beurteilung gesammelt. Herr Rahlfs revi-
dierte die Abschrift der Randnoten nach der Photographie, gab
unter Benutzung des von Herrn Dr, Liitkemann gesammelten
Materials ausfiihrliche Anmerkungen bei und fiigte eine Einleitmig
und ein hebraisch-griechisches und griechisch-hebraisches Worter-
verzeichnis hinzu. So vermehrt ist die Arbeit kiirzlich als Beiheft.
zu den Nachrichten der Kgl, Gesellschaft der Wissenschaften,
Philol.-hist. Klasse 1915, und zugleich als sechstes Heft der „Mit-
teilungen des Septuaginta-Unternehmens“ (= Band 1, S. 231—386)
erschienen.
Nach Beendigung der Arbeit an den hexaplarischen Randnoten
hat Herr Rahlfs noch „Kleine Mitteilungen aus dem Septuaginta-
Aehter Bericht uber das Septuaginta-Unternehmen.
17
Unternehmen" zusammengestellt. Sie sind in den „Nachrichten“
1915, S.404 — 434, und zugleich als siebentes Heft der „Mitteilungen“
(= Band 1, S. 387 — 418) erschienen. Damit ist der erste Band
der „Mitteilungen“ abgeschlossen, nnd es ist diesem letzten Hefte
programmgemaB ein Greneraltitel nnd ein Inhaltsverzeichnis zum
ganzen Bande beigegeben. Da der zweite Band, das „Verzeichnis
der griechischen Handschriften des Alten Testaments tf , schon vorher
erschienen war, liegen jetzt also die beiden ersten Bande fertig
vor (Bd. 1: IV + 422, Bd. 2: XXVI + 444 Seiten).
Wahrend die Beschaffnng von Handschriften ~ Photographien
infolge des Krieges aufgehort hat, ist die Handbibliothek des
Septuaginta-Unternehmens im letzten Jahre bedentend vermehrt
worden. Uber 200 Nnxnmern sind nen hinzngekommen ; darnnter
besteht etwa die Halfte ans Separatabziigen , Programmen nnd
Dissertationen, die teils von Herrn Rahlfs selbst gestiftet, teils
anf sein Ansuchen von den Grymnasien zu Hamburg, Quedlinburg,
Speyer nnd Stargard, den Universitats-Bibliotheken zu Breslau,
Erlangen, Freiburg i. Br;, Griefien, Greifswald, Halle, Heidelberg,
Konigsberg, Leipzig, Munster, Rostock, StraBburg, Tubingen und
der Universitats-Kanzlei zu Bern hochst dankenswerter Weise
iiberwiesen warden. Es sind nicht nur Werke gesammelt, die sich
anf die Septuaginta selbst beziehen, sondern anch solche, die sich
anf andere alte Ubersetzungen, besonders die Peschita nnd das
Targum, beziehen, da auch diese Ubersetzungen fur das Verstandnis
und die richtige Beurteilung der Septuaginta wichtig sein konnen.
Dnrch diese Vermehrung der Bibliothek des Septuaginta-Unter-
nehmens ist dieselbe schon jetzt zu einem sehr brauchbaren Werk-
zeug fur alle einschlagigen Studien geworden. Es soil unser Be-
streben sein, sie noch weiter in dieser Richtung auszubauen, und
wir rechnen dabei anf die Unterstiitzung aller, die sich fiir die
alten Bibeliibersetzungen interessieren. In erster Linie bitten wir
die Verfasser von Aufsatzen uber die alten Bibeliibersetzungen in
Zeitschriften und Sammelwerken, auch das Septuaginta-Unternehmen
stets mit einem Separatabzug zu bedenken.
Die Septuaginta-Kommission.
NachricMen; geschaftliche Mitteilungen 1916. 1,
2
Wedekindsche Preisstiftung fur deutsche G-eschichte.
Fur die am 14. Marz 1911 gestellte Preisaufgabe : Die Bereit-
schafts- und Kriegskosten des Scbmalkaldiscben Bundes lief die
Frist zur Einsendung von Bewerbungsschriften mit dem 1. August
1915 ab, Sie blieb unbenutzt. Am 14. Marz 1916 hatte statuten-
maBig ein neues Preisausschreiben erfolgeu miissen. In Anbetracht
des fortdauernden Krieges, der ernes der historischen Mitglieder
des Yerwaltungsrats von Gottingen dauernd fernbielt, wurde be-
scblossen, die Stellung einer Preisfrage bis zum nacbstjahrigen
Marz zu verschieben.
Aus dem Yerwaltungsrat der Stiftung scbied aus Herr Kebr ;
als neues Mitglied trat ein Herr Max Lehmann.
Der koniglicbe Archivar zu Berlin, Dr. Ernst Salzer, der
fur die Stiftung die Briefe von und an Grentz in vier Banden,
im AnschluB an die Arbeiten seiner Freunde, der friih verstorbenen
Briider Witticben, in den Jabren 1909 — 13 herausgegeben bat,
ist am 10. November 1915 auf dem Marsche von einer G-ranate
getroffen, zu Witkowo in Serbien fur das Yaterland gefallen.
Ebre seinem Andenken!
F. Frensdorff,
d. Z. Direbtor der Wedekindstiftung.
Bericht iiber die Lagarde-Stiftung und die Stiftung
der Freunde de Lagardes.
Aus den verfiigbaren Mitteln bei den Stiftungen wurden Be-
trage fiir die vierte Kriegsanleihe zur Eintragung in das Beichs-
schnldbnch gezeichnet.
2 *
Bericht iiber die ausgesetzten Preisaufgaben.
Die fiir das Jahr 1917 gestellte Anfgabe lautet :
Kritische Zusammenfassung der neueren Unter-
suchungen uber das Vorkommen und das Verhalten
der Gerbstoffe in den Pflanzen.
Fiir das Jahr 1919 wird, wiederholt als Anfgabe gestellt:
Die griechischen Asketenviten des 4 — 6. Jahr-
hunderts auf ihre literarische Gestalt und ihren
liter arischen Werke zu untersuchen.
Die zur Bewerbnng um den ausgesetzten Preis bestimmten
Arbeiten miissen yor dem 1. Februar 1917, bez,w. 1919 an die
3L Gesellscbaft der Wissenschaften eingeliefert werden, mit einem
Motto versehen nnd yon einem versiegelten Zettel begleitet sein,
der anfien den Spruch tragt, der die Arbeit kennzeichnet, und
innen den Namen und Wohnort des Yerfassers. Der Preis betragt
1000 Mark.
Verzeichnis der Mitglieder der Koniglichen Gesellschaft
der Wissenschaften zn Gottingen. Ende Marz 1916.
Seiretare.
Ernst Ehlers.
Enno Littmann.
Ehren-Mitglieder.
Conrad yon Studt, Excellenz, zn Berlin, seit 1901.
Jnlins Wellhausen, zn Gottingen, seit 1903.
Ordentliche Mitglieder.
Mathematisch-physikalische Klasse.
Ernst Ehlers, seit 1874, z. Zt. Sebretar.
Woldemar Voigt, seit 1883.
Friedrich Merkel, seit 1885. (Zuvor korresp. Mitgl. seit 1880.)
Eelix Klein, seit 1887. (Znvor Assessor seit 1871, korresp. Mit-
glied seit 1872.)
Gottfried Berthold, seit 1887.
Albert Peter, seit 1889.
Otto Wallach, seit 1890.
David Hilbert, seit 1895.
Emil Wiechert, seit 1903.
Otto Miigge, seit 1909.
Gustav Tammann, seit 1910.
Georg Elias Miiller, seit 1911.
Carl Range, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied seit 1901.)
Johannes Hartmann, seit 1914.
Paul Jensen, seit 1914.
Richard Zsigmondy, seit 1914.
22
Yerzeichnis der Mitglieder.
Ludwig Prandtl, seit 1914.
Edmund Landau, seit 1914.
Peter Debye, seit 1916.
Hans S till e , seit 1916.
Philologisch-historiscbe Klasse.
Hermann Wagner, seit 1880.
Ferdinand Frensdorff, seit 1881.
Wilhelm Meyer, seit 1892.
Gustav Cohn, seit 1893.
Nathanael Bonwetsch, seit 1893.
Richard Pietschmann, seit 1897.
Lorenz Morsbach, seit 1902.
Edward Schroder, seit 1903. (Zuvor korresp. Mitgl. seit 1894.)
Friedrich Andreas, seit 1904.
Gustav Korte, seit 1907.
Karl Brandi, seit 1909.
Hermann Oldenberg, seit 1909. (Zuvor korresp. Mitglied seit
1890.)
Max Lehmann, seit 1914.
Richard Reitzenstein, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied
seit 1904.)
Enno Littmann, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied seit 1913
z. Zt. Sekretar.)
Kurt Sethe, seit 1914.
Assessor.
' Mathematisch-physikalische Klasse.
Bernhard To liens, seit 1884.
Auswartige Mitglieder.
Mathematisch-physikalische Klasse
Adolf von Baeyer, in Miinchen, seit 1892. (Zuvor korresp. Mit-
glied seit 1879.)
Ernst Benecke, in Strafiburg i. E., seit 1904. (Zuvor korresp.
Mitglied seit 1899.)
Georg Cantor, in Halle a. S., seit 1916. (Zuvor korresp. Mitgl.
seit 1873.)
Gaston Darboux, in Paris, seit 1901. (Zuvor korresp. Mitglied
seit 1883.)
Verzeiclmis der Mitglieder.
23
Walter von Dyck, in Munchen, seit 1914.
Julius Elster, in Wolfenbiittel, seit 1902.
Emil Fischer, in Berlin, seit 1907. (Zuvor korresp. Mitgl. seit
1901.)
Wilhelm Foerster, in Berlin- W estend, seit 1886. (Zuvor korresp,
Mitglied seit 1875.)
Sir Archibald Geikie, in Shepherdsdown Haslemere (England),
seit 1906. (Zuvor korresp. Mitgl. seit 1889.)
Camillo Golgi, in Pavia, seit 1906. (Zuvor korresp. Mitgl. seit
1892.)
Giovanni Battista Gras si, in Bom, seit 1910. (Zuvor korresp.
MitgHed seit 1901.)
Robert Helmert, in Potsdam, seit 1898. (Zuvor korresp. Mitgl.
seit 1896.).
Ewald Hering, in Leipzig, seit 1904.
Adolf Hurwitz, in Zurich, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied
seit 1892.)
Theodor Liebisch, in Berlin- Westend, seit 1908. (Zuvor ordent-
liches Mitglied seit 1887.)
Hendrik Anton Lorentz, in Haarlem, seit 1906.
Luigi Luciani, in Rom, seit 1906.
Walter Nernst, in Berlin, seit 1905. (Zuvor ordentl. Mitglied
seit 1898.)
Carl Neumann, in Leipzig, seit 1868. (Znvor korresp. Mitglied
seit 1864.)
Johannes Orth, in Berlin, seit 1902. (Zuvor ordentl. Mitgl. seit
m3.)
Wilhelm Pfeffer, in Leipzig, seit 1902. (Znvor korresp. Mitgl.
seit 1885.)
Josef Pompeckj, in Tubingen, seit 1913. (Zuvor ordentl. Mitgl.
seit 1911.)
William Lord Rayleigh, in Witham (Essex), seit 1906. (Zuvor
korresp. Mitglied seit 1886.)
Johannes Reinke, in Kiel, seit 1885. (Znvor ordentl. Mitglied
seit 1882.)
Gustav Retzius, in Stockholm, seit 1904. (Zuvor korresp. Mit-
glied seit 1886.)
Augusto Righi, in Bologna, seit 1911.
Hermann Amandus Schwarz, in Berlin, seit 1892, (Zuvor ordentl.
Mitgl. seit 1875, korresp. Mitgl. # seit 1869.)
Karl Schwarzschild, in Potsdam, seit 1909. (Znvor ordentl.
“Mitglied seit 1907.)
24
Verzeichnis der Mitglieder.
Charles Scott Sherrington, in Liverpool, seit 1906.
Josef John Thomson, in Cambridge, seit 1911.
Gustav Tschermab, in Wien, seit 1902. (Zuvor korresp. Mitgl.
seit 1884.)
Max Verworn, in Bonn, seit 1910. (Zuvor ordentl. Mitglied seit
1903.)
Wilhelm Waldeyer, in Berlin, seit 1901. (Zuvor korresp. Mit-
glied seit 1877.)
Philologisch-historische Klasse.
Friedrich Bechtel, in Halle, seit 1895. (Zuvor Assessor seit
1882.)
Wilhelm Bousset, in Giefien, seit 1916. (Zuvor ordentl. Mitgl.
seit 1915.)
Bertbold Delbriick, in Jena, seit 1912.
Hermann Diels, in Berlin, seit 1899.
Louis Duchesne, in Rom, seit 1891.
Franz Ehrle, in Rom, seit 1901.
Albert Hauck, in Leipzig, seit 1916. (Zuvor korresp. Mitglied
seit 1894.)
Friedrich Imho of -Blum er, in Winterthur, seit 1901. (Zuvor
korresp. Mitglied seit 1886.)
Paul Kehr, in Berlin. (Zuvor ordentl. Mitgl. seit 1895.)
Gerold Meyer von Knonau, in Zurich, seit 1914.
Theodor No Id eke, in Strafiburg i. E., seit 1883. (Zuvor korresp.
Mitglied seit 1864.)
Moritz Ritter, in Bonn, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied seit
1892.)
Gustav Roethe, in Berlin -Westend, seit 1902. (Zuvor ordentl.
Mitglied seit 1893.)
Wilhelm Schulze, in Berlin, seit 1902. (Zuvor ordentl. Mitglied
seit 1898.)
Eduard Schwartz, in Strafiburg i. E., seit 1909. (Zuvor ordentl.
Mitglied seit 1902.)
Vilhelm Thomsen, in Kopenhagen, seit 1891.
Pasquale Vi 1 lari, in Florenz, seit 1896.
Jacob Wackernagel, in Basel. (Zuvor korresp. Mitglied seit
1901, ordentl. Mitglied seit 1902.)
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, in Berlin, seit 1897.
(Zuvor ordentl. Mitglied, seit 1892.)
Ludwig Wimmer, in Kopenhagen, seit 1909.
Theodor von Zahn, in Erlangen, seit 1913.
Verzeichnis der Mitglieder.
25
Korrespondierende Mitglieder.
Mathematiseh-physikalische Klasse.
Svante Arrhenius, in Stockholm, seit 1901.
Dietrich Barfurth, in Rostock, seit 1904.
Charles Barrois, in Lille, seit 1901.
Max Bauer, in Marburg, seit 1892.
Louis Agricola Bauer, in Washington, seit 1906,
Friedrich Be eke, in Wien, seit 1904.
Robert Bonnet, in Bonn, seit 1904.
Joseph Boussinesq, in Paris, seit 1886.
Alexander von Brill, in Tubingen, seit 1888.
Woldemar Christoffer Brogger, in Christiania, seit 1902.
Heinrich Bruns, in Leipzig, seit 1892.
Otto Biitschli, in Heidelberg, seit 1889.
Giacomo Ciamician, in Bologna, seit 1901.
John Mason Clarke, in Albany (Newyork), seit 1906.
Ulisse Dini, in Pisa, seit 1880.
Ludwig Edinger, in Frankfurt a. M., seit 1908.
Albert Einstein, in Berlin, seit 1915.
Lazarus Fletcher, in London, seit 1901.
Erik Ivar Fredholm, in Stockholm, seit 1907.
Robert Fricke, in Braunschweig, seit 1904.
Georg Frobenius, in Berlin, seit 1886.
August von Froriep, in Tubingen, seit 1911.
Fiirst Boris Galitzin, in Petersburg, seit 1918.
Earl von Goebel, in Miinchen, seit 1902.
Albert Haller, in Paris, seit 1907.
Viktor Hensen, in Eiel, seit 1892.
Oskar Hertwig, in Berlin, seit 1911.
Richard von Hertwig, in Miinchen, seit 1910.
William Hillebrand, in W ashington, seit 1907.
Alexander von Karpinski, in Petersburg, seit 1892.
Ludwig Kiepert, in Hannover, seit 1882.
Leo Konigsberger, in Heidelberg, seit 1874.
Paul Koebe, in Jena, seit 1915.
E. Ray Lankester, in London, seit 1901.
Paul Langevin, in Paris, seit 1911.
Ferdinand Lindemann, in Miinchen, seit 1882.
Sir Joseph Norman Lockyer, in London, seit 1876.
Franz Carl Joseph Mertens, in Wien, seit 1877.
Gosta Mittag-Leffler, in Stockholm, seit 1878.
26
Verzeichnis der Mitglieder.
Max N otter, in Erlangen, seit 1892.
Heike Kamerlingh Onnes, in Leiden, seit 1910.
Wilhelm Ostwald, in Grofibothen bei Leipzig, seit 1901.
William Henry Perkin (jun.), in Manchester, seit 1906.
Edmond Perrier, in Paris, seit 1901.
Emile Picard, in Paris, seit 1884.
Max Planck, in Berlin, seit 1901.
Alfred Pringsheim, in Miinchen, seit 1904.
Heinrich Precht, in Hannover, seit 1908.
Georg Quincke, in Heidelberg,, seit 1866.
Carl Rabl, in Leipzig, seit 1906.
Santiago Ramon y Cajal, in Madrid, seit 1906.
Theodor Reye, in Strahbnrg i. E., seit 1877.
Eritz Rinne, in Leipzig, seit 1911.
Wilhelm Conrad Rontgen, in Miinchen, seit 1883.
Heinrich Rnbens, in Berlin, seit 1908.
Ernest Rutherford, in Manchester, seit 1906.
Eriedrieh Schottky, in Berlin- Steglitz, seit 1911.
E. A. H. Schreinemakers, in Leiden, seit 1913.
Eranz Eilhard Schnlze, in Berlin, seit 1883.
Arthur Schuster, in Manchester, seit 1901.
Simon Schwendener, in Berlin, seit 1892.
Hugo von Seeliger, in Miinchen, seit 1901.
Paul Stack el, in Heidelberg, seit 1906.
Johannes Stark, in Aachen, seit 1913.
Johann Striiver, in Rom, seit 1874.
Eduard Study, in Bonn, seit 1911.
Ludwig Sylow, in Christiania, seit 1883.
Johannes Thomae, in Jena, seit 1873.
Emil Tietze, in Wien, seit 1911.
Hermann von Vbchting, in Tubingen, seit 1888.
Vito Yolterra, in Rom, seit 1906.
Aurelius Vo 6, in Miinchen, seit 1901.
Paul Walden, iu Riga, seit 1913.
Emil Warburg, in Charlottenburg, seit 1887.
Engen Warming, in Kopenhagen, seit 1888.
Alfred Werner, in Zurich, seit 1907.
Willy Wien, in Wurzburg, seit 1907.
Julius Wiesner, in Wien, seit 1902.
Richard Willstatter, in Miinchen, seit 1910.
Wilhelm Wirtinge«r, in Wien, seit 1906.
Robert Williams Wood, in Baltimore, seit 1911.
Yerzeichnis der Mitglieder,
Philologisch-historische Klasse.
Friedrich von Bezold, in Bonn, seit 1901.
Adalbert Bezzenberger, in Konigsberg i Pr., seit 1884.
Wilhelm von B ip pen, in Bremen, seit 1894.
Petrns J. Blok, in Leiden, seit 1906.
Johannes Boehlau, in Kassel, seit 1912.
Johannes Bolte, in Berlin,- seit 1914.
Max Bonnet, in Montpellier, seit 1904.
Harry Bresslan, in StraBburg i. E., seit 1906.
Ulysse Chevalier, in Romans (Drome), seit 1911.
Graf Carlo Cipolla, in Turin, seit 1898.
Maxime Collignon, in Paris, seit 1894.
Carlo Conti Rossini, in Rom, seit 1908.
Franz Cnmont, in Gent, seit 1910.
Olof August Danielsson, in TJpsala, seit 1914.
Julius Eggeling, in Edinburg, seit 1901.
Adolf Erman, in Berlin-Dahlem, seit 1888.
Sir Arthur J. Evans, in Oxford, seit 1901.
John Faithfull Fleet, in London, seit 1885.
Wilhelm Frohner, in Paris, seit 1881.
Percy Gardner, in Oxford, seit 1886.
Ignaz Goldziher, in Budapest, seit 1910.
Sir George A. Grierson, in Rathfarhham, seit 1906.
Albert Grunwedel, in Berlin, seit 1905.
Ignazio Guidi, in Rom, seit 1887.
Georgios N. Hatzidakis, in Athen, seit 1901.
Joh. Ludwig Heiberg, in Kopenhagen, seit 1899.
Alfred Hillebrandt, in Breslau, seit 1907,
Riecardo de Hinojosa, in Madrid, seit 1891,
Georg Hoffmann, in Kiel, seit 1881.
Thdophile Ho mo lie, in Paris, seit 1901.
Eugen Hultzsch, in Halle a. S., seit 1895.
Hermann Jacobi, in Bonn, seit 1894.
Julius Jolly, in Wiirzburg, seit 1904.
Finnur Jdnsson, in Kopenhagen, seit 1901.
Adolf Jiilicher, in Marburg, seit 1894.
Adolf K ocher, in Hannover, seit 1886.
Axel Kock, in Lund, seit 1901.
Carl von Kraufi, in Wien, seit 1901.
Bruno Krusch, in Hannover, seit 1911.
Charles Rockwell L an man, in Cambridge (Mass.), seit 1905.
28
Verzeiclmis der Mitglieder.
Albert von Le Cop, in Berlin, seit 1910.
Sylvain L 6 v i , in Paris, seit 1914.
Mark Lidzbarski, in Greifswald, seit 1912.
Felix Liebermann, in Berlin, seit 1908.
Hans Lietzmann, in Jena, seit 1914.
Heinrich Liiders, in Berlin, seit 1907.
Panl Jonas Meier, in Braunschweig, seit 1904.
An toine Meillet, in Paris, seit 1908.
Monsg. Giovanni Mercati, in Bom, seit 1902.
Eduard Meyer, in Berlin, seit 1895.
Hermann Moller, in Kopenhagen, seit 1894.
Ernesto Monaci, in Rom, seit 1901.
Karl Miiller, in Tubingen, seit 1899.
Friedrich W. K. Muller, in Berlin, seit 1905.
Arthur Napier, in Oxford, seit 1904.
Eduard Norden, in Berlin, seit 1910.
Henri Omont, in Paris, seit 1906.
Paolo Or si, in Syracns, seit 1904.
Josef Partsch, in Freiburg i. Br., seit 1914.
Joseph Partsch, in Leipzig, seit 1901.
Holger Pedersen, in Kopenhagen, seit 1908.
Eugen Petersen, in Halensee-Berlin, seit 1887.
Henri Pirenne, in Gent, seit 1906.
Pio Rajna, in Florenz, seit 1910.
Carl Robert, in Halle, seit 1901.
Goswin Frhr. von der Ropp, in Marburg, seit 1892.
Otto Rubensohn, in Berlin, seit 1911.
Dietrich Schafer, in Berlin-Steglitz, seit 1894.
Luigi Schiaparelli, in Florenz, seit 1907.
Carl Schuchhardt, in Berlin, seit 1904.
Otto Seeck, in Munster i. seit 1895.
Josef Seemuller, in Wien, seit 1911.
Antonio Spagnuolo, in Yerona, seit 1912.
Elias von Steinmeyer, in Erlangen, seit 1894.
Rudolf Thurneysen, in Bonn, seit 1904.
Girolamo Yitelli, in Florenz, seit 1904.
Georg Wissowa, in Halle a. S., seit 1907.
Thaddaeus Zielinski, in Petersburg, seit 1910.
Paul Zimmermann, in Wolfenbiittel, seit 1914.
Beneke’sche Prefestiftung.
Fixx das Jabr 1915 hatte die unterzeichnete Fakultat zur
Aufgabe gestellt:
» Entwicklung der neupy thagorais chdn Lite-
ratur und Verhaltnis der einzelnen Scbriften zu-
einander/'
Wegea des Krieges ist der Ablieferungstermin fiir diese Anf-
gabe bis zum 31. August 1916 verlangert worden.
Fiir die nette Bewerbungsperiode bat die Fakultat die folgende
Aufgabe gestellt:
„Die chemischen Vorgange, welcbe bei der Uni-
wandlung des Blutf ar bstoffes in Gallenfarbstoffe
und waiter in Harn- und K otfarbstoff e vor sicb
gehen, sind in exakter Weise klar zu legen und
durch ausreicbend begriindete S trukturf ormeln zu
erklaren."
Bewerbungsscbriften sind bis zum 31. August 1918, auf dem
Titelblatt mit einem Motto versehen, an die unterzeichnete Fakultat
einzureichen, zusammen mit einem versiegelten Brief, der auf der
AuBenseite das Motto der Abhandlung, innen Namen, Stand und
Wobnort des Yerfassers anzeigt. In anderer Weise darf der Name
des Verfassers nicbt angegeben werden. Auf dem Titel der Arbeit
muB ferner die Adresse verzeichnet sein, an die die Arbeit zurlick-
zusenden ist, falls sie nicbt preiswurdig befunden wird.
Der erste Preis betragt 1700 Mk. , der zweite 680 Mk. Die
Zuerkennung des Preises erfolgt am 11. Marz 1919, dem Geburts-
tag des Stifters, weiland Konsistorialrat Karl Gustav Beneke, in
offentlicber Sitzung unserer Fakultat.
Die preisgekronten Arbeiten bleiben unbeschranktes Eigentum
des Verfassers.
Gottingen, den 1. April 1916.
Die philosophische Fakultat.
Der Dekan:
Setbe.
Verzeichnis der im Jahre 1915 eingegangenen
Druckschriften.
A. Gesellschafts- und Institutspublikationen.
(Das Drackjahx ist, soweit es nicht mit dem Jahrgange der Zeitschrift iiberein-
stimmt, in runden Klammern angegeben.)
Internationale Association der Abademien:
Corpus Medicorum Graecorum anspiciis Academiarum associatarnm
edd. Academiae Berolinensis, Hanniensis, Lipsiensis Y : Gralenns
9 2 1915.
Kartell der dentschen Abademien:
Bibliothekskataloge^ Mttelalterliche. Osterreich hrsg. v. d. Ksl.
Abademie d. Wissenschaften in Wien 1. 1915.
EncyklopMie der Mathematischen Wissenschaften mit EinsehluB
ikrer Anwendungen (2 Expl,) II Analysis Is 24 32 HE Greo-
metrie 2s.e. 34 IV Mechanib 2 II 5 Y Physib 3 s VI Astro-
nomie c 1914—15.
Encyclopedic des sciences math6matiques pares et appliqu^es
ed. frm<}. I 3 Th6orie des nombres 5 III 1 Grdomdtrie gd-
n&rale 2 III 3 Gdomfrtrie alg^brique plane 2 IY 1 M^caniqne
G6n&ralit6s Historiqne 1 VI 1 G4od6sie 1 1915.
Thesaurus linguae Latinae 5 6 . 62 . 1915.
Aachen Geschichtsverein : Zeitschrift 36. 1914.
Aarau Historisehe Gesellschaft des Kantons Aargan: Taschenbnch
1914.
Agram Jugoslav. Abademija znanosti i umjetnosti: Ljetopis 28. 1914.
— Pad 201. 203. 205. (Histor.-filol. i filos.-jur. razred 85. 86. 87.)
202. 204. (Matemat.-prirodosl. razred 56. 57.) 1914 — 15.
Verzeichnis der im Jahre 1915 eingegangenen Druckschriften.
31
Agram Izvje£6a o rasprayama matemat.-prirodosl. razreda (Bulletin
des travaux de la classe des sciences math&nat. et natur.) 2. 3.
1914—15.
— Codex diplomatics regni Croatiae, Dalmatiae et Slayoniae
Diplomatic zbornik . . . coll, et dig. T. SmiSiklas 12. 1914.
— Prirodoslovna istraftvanja Hryatske i Slayonije 2 —5 1914.
— MaftiraniS, V., Prmosi za hryatski pravno-povjestni rjeSnik 5.
1914.
— Monumenta spectantia historian! Slavorum meridionalium 35, i.
37. 1914—15.
— Rjegnik hryatskoga ili srpskoga jezika 7 33 1914.
— Zbornik za narodni £ivot i obicaje ju^nih Slavena 19. 1914.
Agram Hrvatsko prirodosloyno drugtvo (Societas scientiarnm na-
turalium Croatica): Grlasnik 26. 19144. 27. 1915 1 . 2 .
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— Yerslag van de gewone vergaderingen der wis- en natuur-
kundige afdeeling 23. 1914 — 15.
— Proceedings of the section of sciences 17,1: 1914 meeting of
nov. 28. 17, 2: 1914 dec. 30. 1915 febr. 27. march 27. april23.
18: 1915 sept 25.
— Yerslagen en mededeelingen Afdeeling letterkunde 5. r. 1. 1915.
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lie. 7. 12 — 23. 1914 — 15.
— Boletin 3. ep. 3e 1915.
— N 6 mina del personal aead^mico 1914/15.
Barcelona Sociedad astrondmica: Revista 4. 1914 39 . 5. 191540— u.
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fiir Geschichte nnd Altertnmsknnde 14 i.2. 1915.
Basel Natnrforsehende Gesellschaft : Verhandlungen 25. 26. 1914
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lingen 61 sA *.1915.
Batavia K. Natuurkundige vereeniging in Nederlandsch. ~ Indie :
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Batavia JL Magnetiseh en meteorologisch observatorinm: Obser-
vations made at secondary stations in Netherlands East-India
2. 1912 (1915).
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Bayreuth Historischer'Verein fur Oberfranken: Archiv fiir Ge-
schichte nnd Altertnmsknnde von Oberfranken 26 1 1915,
Bergedorf Hamburger Stemwarte : Meteorologische Reobachtnngen
1913 (1914). 1914 (1915).
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vereine: Korrespondenzblatt 63. 1915 1 — 10 .
Berlin Verein fur die Geschichte Berlins: Mitteilungen 32. 1915..
Verzeichnis der im Jahre 1915 eingegangenen Druckschriften.
33
Berlin Gesellschaft fiir deutsche Erziehungs- and Schulgeschichte :
Zeitschrift fiir Geschichte der Erziehung and des Unterrichts 4.
1914s. 4 . 5. 1915 1. *.
Berlin Deutsche Physikalische G-esellschaft : Yerhandlungen 16.
1914 22 — 24 . 17. 1915i-*..
Berlin Verein fiir Volkskunde: Zeitschrift 24. 19144. 25. 1915 1 / 2 .
Berlin K PreuS. Geologische Landesanstalt : Tatigkeitsbericht
1914 (1915).
— Arbeitsplan 1915.
Berlin Zoologisches Museum: Mitteilungen 7 s. 81 . 1915.
— Bericht 1914 (1915).
Bern Allgemeine Gesehichtforschende Gresellschaft der Schweiz:
Jahrbuch fur Schweizerische Geschichte 40. 1915.
Bern Schweizer. Naturforschende Gesellschaft (Socidtd helv4t. des
sciences naturelles): Yerhandlungen (Actes) 19l4i.2. (1915).
— Centenaire Jahrhundertfeier (Nouveaux memoires 50) 1915.
• — Geologische Kommission : Geologische Karte der Schweiz 2. Ausg.
Bl. YIII. Erlauterungen 17. 1914. Spezial-Karte 73.
Beitrage zur geologischen Karte der Schweiz (Materiaux pour
la carte geologique de la Suisse) N. F. (Nouv. s 6 r.) 30 (60). 45
(75). 1914.
De Bilt K. Nederl. Meteorologisch Instituut: No. 97. 98. Jaarboek
Annuaire 65 1913 A. B. (1914).
— No. 102 Medcdeelingen en verhandelingen 18. 19. 1914 — 15.
— No. 106 Ergebnisse aerologischer Beobachtungen 2 . 1913 uud
Ergzg. 1911/12 (1914). 3. 1914 und Ergzg. 1912/13 (1915).
— No. 108 Seismische Registrierungen in De Bilt 1 . 1904, 1908
—13 (1915).
Bologna Istituto R. Accademia delle scienze: Memorie Cl. di
scienze morali 1. ser. 8 . 1913/14 Sez. di scienze storico-
filologiche Sez. di scienze giuridiche.
— Rendiconto delle sessioni Cl. di scienze morali 1. ser. 7.
1913/14 (1914).
Boston Amer. Academy of arts and sciences : Proceedings 50 1 — 3 1915.
Braunschweig Geschichtsverein fiir das Herzogtum Braunschweig :
Jahrbuch 13. 1914.
— Braunschweigisches Magazin 20. 19148 — 12 . 21. 1915 1 — s.
Bremen Naturwissenschaftlicher Yerein: Abhandlungen 23 2 1915.
Breslau Schlesische Gesellschaft fiir vaterlandische Cultur : Jahres-
Bericht 90. 1912i.*. (1913). 91. 1913 1 . 2 . (1914).
Bukarest Academia Romana : Bulletin de la section scientificpie 2.
1913/144-w. 3. 1914/16. 4. 1915/16 1 - 4 .
Isac’.irichten ; gescliftft!. Mitteilangen 1916. 1.
3
34 Verzeichnis der im Jahre 1914 eingegangenen Druckschriften.
■ Charlottenburg PhysikaJisch - technische Reichsanstalt : Tatigkeit
1914 (1915).
Chemnitz Verein fiir Chemnitzer Greschichte : Mitteilungen 17. Jahr-
buch f. 1914/15 (1914).
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— Circular of information 155. 1915.
— The astrophysical journal 40 2—5. 41. 42 1—4. 1914 — 15.
— The journal of political economy 22 s— 10 . 23 1—9. 1914 — 15.
— The journal of geology 22 s— s. 23 1—7. 1914 — 15.
— The American journal of Semitic languages and literatures
20 4 1904.
— The American journal of sociology 20 2 — 6. 21 1 — s. 1914 — 15.
Chicago The Open court publishing company : The open court 29.
1915 i-ii.
— The monist 25. 1915.
Chicago John Crerar library: Annual report 20. 1914 (1915).
Chicago Field museum of natural history: Publication 183. 1915.
Chur Historisch - antiquarische Gesellschaft von Grraubiinden :
Jahresbericht 44. 1914 (1915).
Chur Naturforschende Gresellschaft: Jahresbericht N. F. 55. 1913/14
(1914).
Cincinnati University of Cincinnati: University of Cincinnati
studies 2. ser. 10 1 1915.
Cincinnati Lloyd library: Bibliographical contributions 22 1914.
Des Moines Iowa geological survey: Annual report 23. 1912
(1914). 24. 1913 (1914).
Dortmund Historischer Verein: Beitrage zux Greschichte Dort-
munds und der Grrafschaft Mark 24. 1915.
Dresden K. Sachs. Altertumsverein: Neues Archiv fiir Sachsische
Greschichte und Altertumskunde 36. 1915.
— Jahresbericht 89. 1913. 90. 1914.
Dresden Verein fiir Erdkunde: Mitteilungen 2 10 1915.
Dresden Verein fiir Greschichte Dresdens: Dresdner Greschichts-
blatter 23. 1914 1.2.
— Mitteilungen 24. 1914.
Dresden K. Sachs. Landes-Wetterwarte: Jahrbuch (Deutsches Me-
teorologisches Jahrbuch Kgr. Sachsen) n. Ii. 31. 1913 1 (1915).
— Dekaden - Monatsberichte (Vorlaufige Mitteilung) 1913 16.
(1914). 1914 17. (1915).
Drontheim JL Norske videnskabers selbskab : Skrifter 1913 (1914).
Dusseldorf Geschichts- Verein: Diisseldorfer Jahrbuch 27. 1915.
Eichst&tt Historischer Verein: Sammelblatt 29. 1914 (1915).
Yerzeichnis der im Jahre 1915 eingegangenen Druckschriften. 35
Elberfeld Bergischer Geschiehtsverein : Zeitschrift 47 (n. F. 37).
1914. 48 (n. F. 38). 1915.
Erfurt K. Akademie gemeinniitziger Wissenschaften: Jahrbiicher
40. 1914. 41. 1915.
Erlangen PhysikaKsch-medizinische Sozietat: Sitzungsberichte 45.
1913 (1914). 46. 1914 (1915).
Florenz Biblioteca nazionale centrale: Bollettino delle pubblicazioni
italiane .1914 indici. 1915 109 — 173 .
Frankfurt a. M. Physikalischer Yerein: Jahresbericht 1912/13
(1914). 1913/14 (1915).
Freiburg I. B. Erchengeschiehtlicher Yerein: Freiburger Diozesan-
Archiv N. F. 15 (42). 1914.
Genf Soci£t4 d’histoire et d’archiologie de Geneve: Bulletin 4 1 1914.
Genf Soei4t4 de physique et d’histoire naturelle: Compte rendu
des stances 31. 1914 (1915).
Giessen Oberhessiscber Gescbichtsverein : Mitteilungen 22. 1915.
GSttlngen Stadt. Kaiser Wilhelm IL-Oberrealschule : Bericht iiber
das 25. Jahr ihres Bestehens 1915.
Graz Historischer Yerein fiir Steiermark: Zeitschrift 12. 1914 1 / 2 .
Graz Naturwissenschaftlicher Yerein fiir Steiermark: Mitteilungen
50. 1913 1 . 2 . (1914).
Greifswald Btigisch-Pommerscher Geschichtsverein : Jahrbiicher 15.
1914.
Guben Niederlausitzer Gesellschaft fiir Anthropologie und Alter-
tumskunde: Niederlausitzer Mitteilungen 12 s/s 1913.
Haag K. Instituut yoor de taal~, land-, en volkenkunde van Neder-
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van Nederlandsch-Indie 8. volgr. 70s — 4 1915.
Haag Ministerie van binnenlandsche zaken: Mnemosyne n. s. 43.
1915 1 . 2 . 4.
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des sciences): Archives n^erlandaises des sciences exactes et
naturelles 3. s&rr. B (Sciences naturelles) 22 1915.
— Programme 1915.
Haarlem Teylers godgeleerd genootschap: Yerhandelingen rakende
den natuurlijken en geopenbaarden godsdienst n. s. 19. 1914.
Haarlem Musee Teyler: Archives 3. s6r. 2. 1914.
Habana Universidad Faeultad de letras y ciendas: Bevista 21 1
1915.
Halle Kais. Leopoldinisch - Carolinische Deutsche Akademie der
Naturforscher; Leopoldina 50. 1914 12 . 51. 1915 1 — 11 .
3*
36 Yerzeichnis der im Jahre 1915 eingegangenen Druckschriften.
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69. 1915 i-B.
Halle Landwirtschaftliches Institut der Universitat: Kiihn-Archiv
6i 1915.
Hamburg Yerein fiir Hamburgische Geschichte: Zeitschrift 20.
1915.
— Mitteilungen 34. 1914 (1915).
Hamburg Mathematische Gesellschaft : Mitteilungen 64 1915.
Hamburg Naturwissenschaftlicher Yerein: Abhandlungen aus dem
Gebiete der Eaturwissensehaften 20 2 1914.
— Verhandlungen 21. 1913 (1914). 22. 1914 (1915).
Hamburg Hauptstation fiir Erdbebenforschung am Physikalisehen
Staatslaboratorium: Monatliche Mitteilungen 1913 1—3. 1914.
1915 1.
Hamburg Deutsche Seewarte: Aus dem Archiv der Deutsehen
Seewarte 37. 1914.
— Deutsches meteorologisches Jahrbuch Beobachtungs * System
der Deutsehen Seewarte 36. 1913 (1915).
Heidelberg Akademie der Wissenschaften: Abhandlungen Mathem.-
natnrwiss. Kl. 3. 1914. Philos.-histor. Kl. 2. 1914.
— Sitzungsberichte Jahresheft 1914 (1915). Mathem.-naturwiss.
El. A 1914 3—29. 1915 1—11. B 1914 2—6. 1915 1—3. Philos.-
histor. Kl. 19142—15. 1916 1—5.
Heidelberg Historisch-philosophischer Yerein: Neue Heidelberger
Jahrbiicher 19 1 1915.
Heidelberg GroBherzogl. Sternwarte (Konigstuhl) : Yeroffent-
lichungen 7 s 1914.
Helmstedt HerzogL Gymnasium: Jahresbericht 1915.
Hermauustadt Yerein fiir Siebenbiirgische Landeskunde: Archiv
N.F. 39 s 1915.
— Jahresbericht 1914 (1915).
Hildburgbausen Yerein fiir Sachsen -Meiningische Geschichte und
Landeskunde: Schriften 72. 73. 1915.
Innsbruck Naturwissenschaftlich - medizinischer Yerein; Berichte
35. 1912/13 und 1913/14 (1915).
Ithaca Cornell university: The journal of physical chemistry 18.
1914 7-9. 19. 19152-8.
Kassel Yerein fur Hessische Geschichte und Landeskunde; Zeit-
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— Mitteilungen an die Mitglieder 1913/14 (1914).
Yerzeichms der im Jalire 1915 emgegangenen Druckschriften. 37
Kiel N atur wiss ens cli af tlicher Verein fair Schleswig-Holstein:
Schriften 16 1 1914.
Klagenfurt Geschichtsverein fiir Karnten: Carinthia I 104. 1914.
— Jahres-Bericht 1918 und Voranschlag 1914 (1914).
Kopenhagen Det K. Videnskabernes Selskab: Skrifter Histor. og
philos. Afdlg. 7. R. 2i. 3i. 1914 — 15. Naturvidensk. og ma-
them. Afdlg. 7. R. 11 6 . 12 2 - 6 . 8. R. li. 1915.
— Oversigt over Eorhandlinger (Bulletin) 1914s. 6. 19 15 1—4.
Kristiania Videnskabs-Selskabet : Forhandlinger 1914 (1915).
Laibach Muzejsko druStvo: Carniola n. vr. 84. 61— a. 1914—15.
La Plata Universidad nacional Eacultad de ciencias fisicas, mate-
m&ticas y astrondmicas : Anuario 6. 1915.
— Boletin bibliografico 1915 1. 2.
— Contribueidn al estudio de las ciencias fisicas y matem&tieas
Ser. fis. I2— 4 1914 — 15. Ser. matem&t. li 1914. Ser tdcn.
li 1915.
— Memoria 3. 1913 (1915).
Lausanne Soci6td Vaudoise des sciences naturelles: Bulletin 5. s. 50.
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Liibeck Verein fiir Liibeckische Geschichte und Altertumskunde :
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Unterwalden und Zug: Der Geschichtsfreund 69. 70, 1914—15.
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(Economic series 18). 1914.
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1807/1913 (1914).
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schauungen eines vergessenen bayerischen Gelehrten 1914.
— Heigel, K. Th. v., Rede: Krieg und Wissenschaft 1914.
— Wolff Bn, H., Festrede: Die Architektur der Deutschen Re-
naissance 1914.
— Heigel, K. Th. v., Benjamin Thompson, Graf von Rumford 1915.
— Abhandlungen Philos.-philol. u. hist. Kl. 282 . 29 1 . 2 . 1914 — 15.
Mathem.-physik. KL 26 (Denkschriften 86 ) 11 . 12 . 27 1 — 4 . Supplt.-
Bd. 3 2 . 4 s. 1913—15.
— Sitzungsberichte Philos.-philol. u. hist. EL. 19142— 10 ; Schlufi-
heft. 1915 1 . Mathem.-physik. Kl. 1914. 1915 1 .
Mfinehen Historischer Verein von Oberbayern: Oberbayerisches
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— AJtbayerische Monatsschrift 13 1915/16 1 .
Mfinehen Technische Hochschule: Dissertationen A. Baumann.
M. Beetz. M. Biihlmaun. R. Capraro. E. Casimir. F. Doh-
ling. R, Drach. H. Eimer. K. Eyrainer. ^0. Fergg. R. Gistl.
W. Gleich. L. van der Grinten. H. Gunther. E. Habermehl.
J. Haeuser. A. Hallermeyer. F. Hartwagner. A. Hengsten-
berg. 0. Hue. N. Kempf. W. Koblenzer. L. Kolb. F. J.
Muller. W. Niklas. F. Noell. A. Frhr. v. Nostitz. R. Poens-
gen. F. Rasor. L. Roth. W. Ruckdeschel. 0. Sommer.
A. Stefl. J. Stern. F. Thiersch. H. Thoma. S. Tomow.
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Mfinehen K. Bayer. Hof- und StaatsbibBothek : Catalogue codicum
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Jfew Haven Connecticut Academy of arts and sciences: Trans-
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New York Amer. Association for international conciliation: Inter-
national Conciliation Special Bulletin Contemporary war poems
with an introduction by J. Erskine 1914.
New York Amer. Geographical society: Bulletin 47. 1915 1 — 11 .
New York Amer. Mathematical society: Bulletin 21 2 — 10 . 22 1 . 2 .
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Niirnberg Verein fur Geschichte der Stadt Niirnberg : Mitteilungen
21. 1915.
— Jahresbericht 37. 1914 (1915).
Niirnberg Naturhistorische Gesellschaft: Abhandlungen 19 4 1914.
— Mitteilungen *5. 1911. 6/7. 1912/13.
— Jahresberichte 1912/13 (1914).
Niirnberg Germanisches Nationalmuseum : Anzeiger 1915.
— Mitteilungen 1914/15.
Palermo Circolo matematico: Rendiconti 38. 19142.3. 39. 1915 1.
Philadelphia Geographical society: Bulletin 12. 19144. 13. 1915 1 . 2 . 4.
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Plaueni. V. Altertumsverein : Mitteilungen 25. 1915.
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lichungen N.E. 27. 28. 1915.
Prag K. Bohm. Gesellschaft der Wissenschaften (Kr. CeskA spo-
leSnost nAuk): Jahresbericht 1914 (1915).
— Sitzungsberichte (YSstnik) Kl. f. Philosophie, Geschichte und
Philologie (Tf. filos. -histor. -jazyk.) 1912/14 (1913-15). Ma-
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Prag Yerein fur Geschichte der Deutschen in Bohmen : Mitteilungen
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Bohmen „Lotos“ : Lotos 62. 1914.
Prag K. k. Sternwarte: Magnetische und meteorologische Beob-
achtungen 75. 1914 (1915).
40 Verzeichnis der im Jabre 1915 eingegangenen Druckschriften.
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Eduard Riecke.
Gedachtnisrede, gekalten in der off entlichen Sitzung
der Kgl. Gesellschaft der Wiss enschaften zu Grot-
tingen am 13. Mai 1916.
Yon
E. WIeeliert.
Die Konigliche Gesellschaft der Wissenscbaften zu Gottingen
erlitt am 11. Juni 1915 einen schweren Verlust durch den Tod
von Eduard .Riecke. Er gehorte seifc 1879 der Gesellschaft
als ordentliches Mitglied an, war also 36 Jahre lang in ihrer Mitte
tatig. Eine ganze Reihe seiner Arbeiten ist in den Sckriften der
Giesellscbaft veroffentlicht worden ; stets zeigte er sick als ein
treuer Mitarbeiter bei den Geschaften; an manckerlei Unter-
nebmungen der Gesellschaft bat er anregend und fdrdemd Anteil
genommen, offers kat er sie als ikr Abgesandter vertreten.
Karl Viktor Eduard Riecke wurde am 1. Dezember 1845
in Stuttgart geboren. Diese Stadt war seit dem 17. Jakrhundert
der Stammsitz der wiirttembergiscken Linie der Eamilie, die dem
Land eine Reike von Arzten gesckenkt hat. Auch der Vater von
Eduard Riecke war Arzt. Er starb als Ober-Medizinalrat sckon
1857 und lieJS die Angehorigen, die Mutter mit vie^ Tochtern und
einem Sokn, in bescheidenen Lebensverhaltnissen zurtick. So kamen
fur die Eamilie entbehrungsvolle Zeiten. Der junge Eduard mu6te
daran denken, moglichst bald auf eigenen EiiBen zu steken. Er
entschlofi sicb Bergmann zu werden und studierte nack dem Ver-
lassen des Gymnasiums zunackst einige Semester an der Berg-
abteilung des Polytechnikum in Stuttgart. Aber der EmfluB
seines Onkels Eduard von Reusch, Professor der Pkysik an der
TJniversitat Tubingen, lenkte seine Gedanken nnd Neigungen immer
starker anf die Wissenschaft. So ging er 1866 nack Tubingen,
46
E. Wiechert,
nm dort Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren. Nach
bestandenem Staatsexamen 1869 wurde er Lehrer in Stuttgart, doch
setzte ein Konigliches Stipendium ihn schon Ostern 1870 in Stand,
nach Gottingen za gehen und seine Studien wieder aufzunekmen.
Hier lehrte der beruhmte W ilhelm Weber die Experimental-
Physik. An seiner Seite stand als Assistent und als auBerordent-
licher Professor fiir Physik seit 1866 Friedrich Kohlrausch.
1867 war ein physikalisches Praktikum ins Leben gerufen worden,
dessen Leitung in den Handen yon Kohlrausch lag. Als nun
E. Riecke 1870 nach Gottingen kam, wurde er Privatassistent von
Kohlrausch. Dieser war es auch, der ihn zu seiner ersten wissen-
schaftlichen Arbeit anregte. Im Herbst 1870 verlieB Kohlrausch
Gottingen, um einem Ruf an das Polytechnikum in Zurich zu
folgen. Auf seinen Vorschlag wahlte Wilhelm Weber fiir die
nun freiwerdende Assistentenstelle am experimentell-physikalischen
Institut Riecke ; dadurch wurde diesem die akademische Laufbahn
eroffhet. Die Unterhandlungen fanden statt, wahrend Riecke in-
folge des deutsch-franzosischen Krieges durch Garnisondienst in
Ulm von Gbttingen femgehalten wurde. So begann Riecke’s
Laufbahn im Larm der Waflfen, die das neue Deutschland zu-
sammenschmiedeten. Ein eigenartiges Geschick sollte es fiigen,
daB der Tod die Laufbahn endete, als der noch viel gewaltigere
Kampf entbrannt war, den Deutschland jetzt gegen eine Welt
von Fein den fiihren muB, um die gewonnene Stellung in der Welt
zu behaupten.
Anfang 1871 kehrte Riecke nach Gottingen zuriick. Schon
im Mai dieses Jahres erfolgte seine Ernennung zum Doktor der
Philosophic. Das Band mit der TJniversitat Gottingen wurde nun
schnell enger gekniipft. Noch im Jahre 1871 wurde Riecke Privat-
dozent fiir Physik, 1873 kam die Ernennung zum auBerordentlichen
Professor, 1881 zum ordentlichen Professor ; als solcher ist er jetzt
dahingegangen. Die Leitung des physikalischen Praktikums, das
nach dem Fortgang von Kohlrausch ein Semester lang geruht
hatte, iibernahm Riecke Ostern 1871; 1874 erhielt er an Stelle
des alternden W. Weber die Leitung der experimentellen Ab-
teilung des physikalischen Institutes und im Jahre 1876 richtete
er unter gern erteilter Zustimmung von W. Weber einen regel-
maBigen Wechsel von Experimentalvorlesungen der Physik ein,
wobei im Sommer Mechanik, Akustik und Optik, im Winter Elek-
trizitat, Magnetismus und Warme behandelt wurden. Diese An-
-ordnung hat er dann bis zuletzt beibehalten. — Als er 1881 ordent-
Eduard Biecke. 47
licber Professor wnrde ? iibernahm er damit voUstaadig die Vor-
lesungen Webers.
Im Jabre 1883 kam W. Voigt ais Nachfolger von B. Listing
nach Grottingen und iibernahm mit der Vertretung der theoretischen
Physik die Leitnng der Abteilung fiir theoretiscbe Physik des
physikalischen Institutes. Von den praktischen Ubungen wurden
nun diejenigen, die fiir die Studierenden der Pbysik und Mathe-
matik bestimmt waren, von den beiden Abteilungen des pbysikali-
schen Institutes gemeinsam geleitet, urn so den Unterricht ein-
heitlicb zu gestalten, zu erweitern und zu vertiefen. Wie hier 7
so bat Riecke aucb spater lebbaften und uneigenniitzigen Anteil
an jener weitgebenden Ausgestaltung des IJnterricbts und der
Eorschung in der Pbysik und den mit ihr verwandten Grebieten
genommen, welche fiir Grottingen ebarakteristiscb ist. Als Toebter-
gebiete der Physik wurden in den beiden letzten Dezennien selbst-
standig gemacbt: die physikaliscbe Chemie, die angewandte Elek-
trizitatj die angewandte Mechanik und die Greophysik.
Im Anfang des neuen Jahrbunderts batte E. Riecke die boke
Ereude, mit W. Voigt gemeinsam in Erfiillung lange gebegter
Wiinscbe einen scbonen Neubau fiir das pbysikaliscbe Institut
aufzufiihren. Die neuen Raume wurden 1905 bezogen und umfassen
wieder, wie friiher, unter einem Dacb die beiden Abteilungen fiir
experimentelle und theoretiscbe Pbysik.
Scbon im Marz 1870 wurde der Kgl. Gresellschaft der Wissen-
schaften zu Grottingen iiber eine Arbeit von Riecke bericbtet. Es
bandelte sick um die Ersetzbarkeit galvaniscber Strome durch
gedachte magnetische Massen. Die ausfiibrlicbe Darstellung er-
scbien im nacbsten Jabr. An diese tbeoretiscben Unter suchungen
scblossen sich bald praktische Verwertungen. Riecke konstrnierte
eine Tangentenbussole, bei welcher das Tangentengesetz als giiltig
angesehen werden darf, und zeigte ihren Natzen durcb Anwendung
auf die absolute Bestimmung der elektromotoriscben Kraft des
Grrove’schen Elementes. Im regen Znsammenhang damit steben
Untersuchungen iiber die Poleigenscbaften von Magneten (1872).
In diesen Arbeiten werden theoretiscbe Untersuchungen mit Auf-
gaben der messenden Pbysik verkniipft. Von ahnlicher Art sind
Arbeiten iiber die Elektrizitatsbewegung in korperlicben Leitern
mit besonderer Ajawendung auf die Elektrizitatsbewegung in einer
Kugel unter dem Einflnfi eines schwingenden Magneten (1876)
und iiber aperiodische Dampfung (1883 und 1894).
Zu den friihesten wissenscbaftlicben Arbeiten von Riecke ge-
bort aucb die Untersuchung der Magnetisierung von Eisen in ihrer
48
E. Wiechert,
Abhangkigkeit von der Starke der magnetisierenden Kraft und der
Form des magnetisierten Korpers. Anf diesem Gebiet liegen die
dnrck Wilhelm Weber anger egte Doktor-Dissertation nnd mehrere
daruber hinausgehende Arbeiten. Biecke priifte die bis dabin auf-
gestellten mathematischen Tkeorien durch das Experiment und
wurde dabei zu wertvollen Folgernngen iiber das magnetiscbe
Yerhalten des weichen Eisens bei schwachen magnetiscben Kraften
gefiihrt.
Um die Zeit, als Biecke seine wissenschaftliche Laufbahn be-
gann, war es eine wichtige Aufgabe der theoretiscben Physik,
Klarbeit zu schaffen iiber die verscbiedenen damals anfgestellten
Grundgesetze der Elekfcrodynamik. Insbesondere gait die Auf-
merksamkeit dem Amp&re’schen, dem Weber’schen and dem Helm-
holtz’schen Gesetz. An jenen wicbtigen Erorternngen nahm Biecke
regen Anteil So nntersnckte er in einer Beibe von theoretiscben
Arbeiten, die in den Scbriften der Gesellschaft der Wissenscbaften
erscbienen sind, die Tragweite und die Unterschiede der verschie-
denen Gesetze. Auch der sogenannten unipolaren Indnktion wurde
die Aufmerksamkeit gewidmet.
In einer theoretiscben Arbeit iiber die Dielektrizitat von 1874
benutzt er Weber’sche Yorstellungen. Die Molekiile werden an-
genommen als bestehend aus einem negatiy elektriscben Kern mit
einem darum wirbelnden Bing von positiver Elektrizitat. 1877
gibt Biecke eine mathematische Tbeorie der Elektrisierung durch
Beibung. Es wird dabei auf die eben genannte friibere Arbeit
verwiesen, im iibrigen aber vermeidet es der Yerfasser, besondere
Yorstellungen iiber die Ursachen der Elektrizitatserregung zu ver-
wenden; die Absicht ist, im Hinblick auf damals bekannt gewordene
Experimente die quantitative Seite der Erscheinungen darzustellen.
— Eine kleinere experimenielle Arbeit von 1888 beziebt sicb auf die
von einer Zamboni-SaulegelieferteElektrizitatsmenge; eine kleinere
theoretische Arbeit desselben Jahres behandelt die von B. Boltz-
mann aufgestellte Tbeorie der elastiscben Nachwirkung.
1885 veroffentlichte Biecke die Besultate einer experimentellen
TTntersuchung iiber die durch Temperaturanderungen erregte
Elektrizitat beim Turmalin, welcbe die Einleitung bildete fur
eine ganze Beihe wertvoller Arbeiten teils experimqnteller,
teils theoretischer Art iiber die Elektrizitatserregung in Kry-
stallen infolge von Temperatur und Form-Anderungen. In der
Arbeit von 1885 wird durch Experimente eine genaue quan-
titative Feststellung der Gesetze der Elektrizitatserregung bei
Temperaturanderungen gegeben und dazu die mathematische Theorie
Eduard Riecke.
49
der Experimente sorgfaltig durchgearbeitet. Weitere Unter-
suchungen ahnlicher Art schlossen sick an. 1890 entwickelte dann
W. Voigt, der Kollege Riecke’ s, dem die Bearbeitung der Physik
der Rrystalle eine wicktige Lebensaufgabe ist, umfassend nnd
vollstandig die Beziehnngen . welche nach den allgemeinen
Eigenscbaften der Krystalle bei den verschiedenen Systemen die
Elektrizitatserregnng durek Temperatnr- nnd Form - Anderungen
beherrschen miissen ; er gab also eine „phanomenologische“ Theorie
dieser Erscheinnngen, wie man zn sagen pflegt Es kniipfte sick
daran 1892 eine gemeinsame experimentelle Arbeit der beiden
Eorscker iiber das Yerkalten von Quarz und Turmalin, bei welcher
die dnrck die Voigt’sche Arbeit festgestellten allgemeinen Gresetze
verwertet warden. Am SckluB der Arbeit wird die fiir die phy-
sikaliscke Dentnng der Ersckeinnngen hochst wicktige Frage
bekandelt , ob die bei Temperatnrandernngen anftretende Elek-
trizitats - Erregnng sick vielleickt vollstandig dnrck die Form-
veranderungen erklaren lasse, .welcke der Turmalin bei den Tem-
peratnr - Andernngen erleidet. Die Yerfasser kommen zn dem
SchluB, dafi diese Annakme mit den Beobacktungen wokl ver-
traglick ware. Spater hat dann W. Yoigt dnrck nock weiter ge-
triebene Grenauigkeit der Messungen festgestellt, dafi die Form-
veranderungen dock nicht kinreickend sind, nm die mit den Tem-
peratnrandernngen verbnndene Elektrisiernng zn erklaren. —
Welches sind nnn die Ursacken der Elektrisiernng der Krystalle
bei Temperatnr- und Form- Andernngen? Den ersten umfassenden
Yersnch einer Beantwortnng dieser Frage verdanken wir Eduard
Riecke, der in einer interessanten Arbeit von 1893 eine Molekular-
Tkeorie der Ersckeinnngen darstellte. Nach der Grrnndvorstellnng
dieser Theorie sind die Krystalle ans regelmaBig gestellten Mole-
khlen anfgebaut, deren jedes von einem System elektrischer po-
sitiver nnd negativer Pole nmgeben ist. Bei Temperatnr- nnd
Form- Andernngen sollen Yersckiebnngen nnd Dreknngen der Mole-
kiile nnd ikrer Polsysteme stattfinden. Wichtige Erfakrnngen der
nenesten Zeit fiihren zn dem ScklnB, dafi nicht erst Molekiile, d. h.
mit einer gewissen Selbstandigkeit begabte Grruppen von Atomen,
sondem in der Regel die einzelnen Atome selbst die Bansteine
der Krystalle sind , sodaB ein einheitlicher Krystall gewisser-
mafien im Granzen genommen erst ein „Molekii.l“ darstellt. So er-
sckeint es denn hente notig, die Theorie von Riecke in ent-
sprechender Weise nmznformen. Die Yersckiebnngen nnd Dre-
knngen der Molekiile in seiner Theorie sind zn ersetzen dnrch
gegenseitige Yersckiebnngen von ineinander gestellten Ranmgittem.
JS'achricliteu; gesch&ffcl. Mitteilungen 1916. 1 . 4
50
E. Wiechert,
Die Theorie der Elektrisierung durch Temperatur- und Form-
Anderungen ist immer ein Lieblingsgebiet, eine Herzenssaehe fiir
Riecke geblieben. Er ist spater mebrfacb in zusammenfassenden
Darstellungen darauf zuriickgekom m en (Archives des Sciences phy-
siques et naturelles 1913, Handbuch der Elektrizitat und des
Magnetismus, herausgegeben von L. Graetz, 1914).
Beginnend 1890 hat Riecke sich mehrere Jahre hindurch lebhaft
mit thermodynamischen Problemen besehaftigt. Er benutzte die
Theorie des thermodynamischen Potentials, um fiir Losungen die
Gesetze der Erniedrigung der Dampfspannung, des Gefrierpunktes,
der Loslichkeit festzustellen und verwandte Erscheinungen zu be-
handeln. Besonders hervorzuheben sind Anwendungen der Theorie
des thermodynamischen Potentials, die er auf die Zustandsgleichun-
gen einiger Dampfe machte. In bemerkenswerten Arbeiten von
1893 und 1894 behandelt er die Thermodynamik der Muskel-
zusammenziehung. Die theoretischen Grundlagen werden dar-
gelegt und einzelne Anwendungen auf Experimente vorgenommen.
Das Jahr 1898 brachte eine Schrift „zur Theorie des Gal-
vanismus und der Warme“, welche der Entwicklung der neueren
Yorstellungen iiber die Bewegungen der Elektrizitat und der Warme
in den Metallen den Weg bahnte. Andere Physiker, vor alien
P. Drude und H. A. Lorentz fiihrten das Werk Riecke’ s weiter,
und er selbst arbeitete daran noch in den letzten Jahren seines
Lebens. In mehreren schonen TJberblicken, die zum Teil zunachst
miindlich bei verschiedenen Gelegenheiten gegeben wurden, legte
er das Wesentliche der Theorie dar. Mit hohem Gerechtigkeits-
sinn wird dabei der Anted der verschiedenen Forscher hervor-
gehoben; es wird nicbt nur gezeigt, welche Erfolge die Theorie
aufzuweisen hat, sondern auch, wo die Grenzen ihrer Leistungs-
fahigkeit liegen und wo ein weiterer Ausbau notwendig scheint. —
Bei der ersten Entwicklung der Theorie im Jahr 1898 weist Riecke
auf bemerkenswerte Zusammenhange mit Yorstellungen hin, die
um die Mitte des Jahrhunderts von Wilhelm Weber ausge-
sprochen worden waren. Weber nabm damals an, daB besondere
elektrisch geladene und mit trager Masse begabte Teilchen im
Innern der Metalle deren elektrische Eigenschaften bedingen und
zugleich Trager der Warmeenergie seien. Diese und ahnliche Yor-
stellungen , die damals noch wenig begriindet werden konnten,
sind in der folgenden Zeit durch andere Betrachtungsweisen der
elektrischen Erscheinungen zuriickgedrangt worden, aber am Ende
des Jahrhunderts brach dann eine Zeit an, wo durch gewaltige ex~
perimeritelle und theoretische Entdeckungen gestiitzt, die Mole-
Eduard Riecke.
51
kular-Theorie der Elektrizitat sich zu yollem Sieg durchrang und
herrliche neue Ausblicke in die Tiefen der "Welt physikalischer
Erscheinungen eroffnete. Zu dieser Epoche neuer Entwicklung
gehort die Arbeit yon E. Riecke. 1898 hielt er sick an Vor-
stellungen moglichster Allgemeinbeit. Er setzt voraus, daB in
den Metallen neben den gewohnliehen materiellen Metall-Atomen
besondere elektrische Teilcken und zwar sowohl positiye wie ne-
gative vorhanden sein konnen. Teils sollen diese frei beweglieh,
ieils an den gewohnliehen Metallatomen gebunden sein. Wie viele
der elektrischen Teilchen frei, und wie viele gebunden sind, hangt
von der Art des Metalles und von der Temperatur ab: Die frei
beweglicben Teilchen bewegen sich unter dem Einflufi der Warme
bin und her, stoBen dabei an die gewohnliehen Metallatome und
pr alien von ihnen ab. Ihre G-eschwindigkeit ist wie bei den frei-
liegenden Grasmolekiilen proportional mit der Quadratwurzel aus
der absolnten Temperatur. Ein elektrischer Strom bedeutet ein
Stromen der freien elektrischen Teilchen. Der Inhalt an Warme-
•energie des Metalles ist bedingt durch die Bewegungen der elek-
trischen Teilchen und die Schwingungen der gewohnliehen Metall-
atome. Die Warmeleitung wird in der Hauptsache allein bewirkt
durch die freien elektrischen Teilchen, indem diese durch ihre Be-
wegung Energie iibertragen; daneben spielt die direkte tlber-
tragung der Energie von einem der gewohnliehen Metallatome
zum andern sowie die Strahlung keine erheblich in Betracht
kommende Rolle. — Die so gegebenen Grundlagen der Theorie
vereinfachte spater P. Drude, indem er neueren allgemeinen An-
schauungen iiber die Warmebewegung entsprechend die mittlere
Energie der einzelnen frei beweglichen elektrischen Teilchen gleich
der mittleren Energie frei beweglicher gewohnlicher Molekiile
setzte, wie sie beim Graszustand bei der gleichen Temperatur sich
einstellt. H. A. Lorentz fiigte dann noch die Yorstellnng zu,
daB in den Metallen nur negative elektrische Teilchen frei beweg-
lich seien und zwar, daB es sich dabei allein um die „Elektronen a
der neneren Elekfcrizitatstheorie handele. Die Theorie, welche
sich so ergibt, vermag die vielfachen Beziehungen zwischen der
Leitung, Erregung und Mitfuhrung der Warme und der Leitung,
Scheidung und Mitfiihrnng der Elektrizitat, ins besondere anch die
Gresetze der Thermoelektrizitat in vielen Einzelheiten so gut dar-
zustellen, daB wobl sicher ein bedeutender Wabrheitsgehalt an-
genommen werden darf. In manchen Einzelheiten freilich zeigt
die Theorie sich ungenau, bei der Darstellung des Einflusses des
Magnetismus auf den elektrischen Strom versagt sie sogar in
4*
52
E. Wiechert,
wichtigen Punkten. So bleiben denn fur die weitere Ausgestaltung
der Theorie der Forschung anch heute nock wichtige weitere Auf-
gaben. Eben jetzt ist man an der Arbeit, anch die neugeschaffene
jjQuantenhypothese 4 * fiir die Theorie nutzbar zu machen. —
Schon in friiheren Jahren hatte Riecke das Yerhalten des
Radiometers untersucht. Hieran schloB sich 1898 eine umfang-
reiche experimentelle Arbeit iiber den Reakiionsdrack der Ka-
thodenstrahlen. Diese Untersncbnng bildete die Einleitung fiir
eine Reibe teils theoretischer, teils experimenteller Arbeiten, in
denen die Bewegnng der Elektrizitat in Gasen nntersucht wurde*
Als das Wesentliche der zugehorigen experimentellen Arbeiten
finden wir anch hier, geradeso wie bei alien friiheren experiment
tellen Arbeiten Riecke’s, iiber welche ich berichtete, daB die Auf-
merksamkeit anf die quantitative Seite der Erscheinungen ge-
richtet ist.
So wird in einer 1901 veroffentlichten Arbeit die gegenseitige
maafihafte Abhangigkeit von Spannnng nnd Stromstarke bei Gas-
entladnngen nnd der EinflnB des Magnetismns anf diese Ab-
hangigkeit festgestellt. Spater (1904) wurden die Messnngen anch
anf die Grofienverhaltnisse der leuchtenden Schichten ausgedehnt.
Dann (1904) warden die Gesetze der Y ermindernng des Gas-
inhaltes einer Entladungsrohre infolge des Stromdurchganges anf-
gesucht. Das Jahr 1904 bringt eine experimentelle Arbeit, welche
im Gegensatz zu den iibrigen steht, indem eine Erscheinung qua-
litativ nntersncht wird: die Bewegnng der Metallionen im
Glimmlichtbogen. Aber diese Arbeit ist nicht von Riecke allein,
sondern von ihm in Gemeinschaft mit J. Stark ausgefuhrt worden.
Die theoretischen Arbeiten in Bezug auf* Gasentladnngen be-
ziehen sich anfanglich (1903 nnd 1904) anf den „ungesattigten“
Strom in Gasen, die dnrch auBere Einwirkungen (z. B. durch
Rontgenstrahlung) dauernd ionisiert werden, Riecke zeigt, wie
die Messnngen benntzt werden konnen, um die wichtige Konstante
der Wiedervereinignng der Ionen zu bestimmen. Spater (1907)
behandelt Riecke von allgemeinen raathematischen Gesichtspunkten
aus die Theorie der ungedampften elektrischen Schwingnngen bei
Gasentladungen.
1905 wendet Riecke sich der Radioaktivitat zu. Zunachst
erortert er Beobachtnngen seiner Schiiler iiber die Absorption von
a-Strahlen beim Dnrcbgang durch Materie; 1908 gibt er dann eine
ausgedehnte Theorie dieser Erscheinong auf Grand atomistischer
Annahmen. Es wird die Wechselwirknng zwischen der elektrischen
Ladung der a-Teilchen nnd den Ladungen in jenen materielien
Eduard Riecke.
63
Molekiilen in Reclaming gesetzt, an welcken die a-Teilchen auf
ihr em W eg voriiberfliegen. In einer weiteren theoretischen Arbeit
von 1907 werden einige Eigenschaften des Radium-Atomes (mitt-
lere Atomdauer, Lagerung der Bestandteile) untersucht. Besondere
Aufmerbsamkeit wird der Frage geschenkt, in welcher Form die
Energie im Atom zn denben ist, die frei wird, wenn das Atom
zerspringt. —
Ick habe versucht einen TJberblick iiber die Arbeit von Eduard
Riecke als For sober zu geben. Aberdamitist nun seine wissen-
sckaftliche Tatigkeit beineswegs erschopft. Es bleibt vor allem
nock eines Werkes zn gedenken, welches im Leben von Riecke
eine groBe Rolle spielt. Es handelt sich um sein zweibandiges
Lehrbuch der experimentellen Physik, dessen erste Auflage 1896
erschien. Wir miissen in diesem Bnck das Resultat aller der
Studien sehen, welcke er im Dienst seiner Vorlesungen iiber Ex-
perimentalphysik ansfiikrte. Riecke stellt in knappen Umrissen
eine auBerordentlicke Fiille von Ersckeinnngen dar. Die sckone
Sprache, die klare und dnrchsicktige Darstellnng macken das Buck
zu einem Kunstwerk. Uberall erkennt man den Meister, der dem
Leser den nenesten Stand der Wissenschaft vor Augen fiihrt.
Nirgends zeigt sick Oberflachlichkeit, alles Hascken nack Effekten
wird vermieden. Nur das wird gebracht, was fiir die wissen-
sckaftlicke Erkenntnis wesentlich ist. So ist es wohl verstandlich,
dab das Buck einen ungewohnlichen Erfolg katte. Es erwies sich
fiir das einfuhrende Stadium in die Pkysik von grofier Bedeutung
und auck Fachgenossen griffen gern nack dem Bnck, mn sich zn
orientieren. In schneller Folge wurden neue Auflagen notig. Im
Jakre 1912, 16 Jahre nack der ersten, wnrde die 5te Anflage
keransgegeben. Eine 6te Anflage war gerade fertig vorbereitet,
als der grofle Krieg ausbrack nnd den Druck verhinderte. — Es
entsprack den Zielen nnd dem Wesen des Werkes, wenn die nenen
Auflagen nickt nur Wiederabdriicbe der alteren waren, sondern
stets mit Sorgfalt den inzwiscken erfolgten Fortschritten der
*W issenschaft angepaBt wurden. Dies bedentete immer von nenem
eine groBe Snmme von Arbeit fiir den Verfasser, denn die
Zeit seit dem ersten Erscheinen des Buches war ja so reich an
gewaltigen Entdecknngen der Physik, wie nur selten eine ver-
gangene Epocke in ikrer Greschichte. So hat denn seit dem Er-
scheinen des Buches ein groBer Teil der Arbeitsbraft von Eduard
Riecke ihm dauernd gegolten. —
Fiir Laien verstandlicke Arbeiten hat Riecke nur selten
gegeben. Es gehoren hierher ein sckoner Artikel iiber die
54
E. Wiecliert,
„strahlende M a t e r i e“ in der deutschen Revue und ein
spater gedruckter Yortrag iiber die radioaktiven Umwandlungen
der chemischen Atome. In zwei warmempfundenen Darstellungeri
Riecke’s werden die Lebenswerke von Wilhelm Weber und Friedrich
Kohlrausch gsschildert.
Bedeutende Verdienste erwarb sich Riecke um die luftelek-
trische Forschung, und hier gerade handelte er in weitem Maafie
im direkten Dienst der Gresellschaft der Wissenschaften. Da eine
Aufgabe der Greophysik in Frage stand, ergab sich von selbst ein
vielfaches Zusammenarbeiten mit mir, als dem Yertreter der Greo-
physik an unserer Universitat. Mit besonderer Freude denke ich
an das Zusammenarbeiten zuriick und tiefe Trauer erfiillt mich bei
dem Gredanken, dafi dieses nun wird entbehrt werden miissen. Es
hat mich immer von neuem den um zwei Jahrzehnte alteren Kollegen
als Grelehrten und als Mensch zu schatzen und zu verehren gelehrt.
Richtet man die Gredanken auf die Luftelektrizitat, so wird
man gewifi zunachst an die gewaltige IsTaturerscheinung des Gre-
witters erinnert. Daruber hinaus merken wir im gewohnlichen
Leben nicht viel von ihr. Dennoeh begleiten, wie die Wissen-
schaft lehrt, luftelektrische Yorgange dauemd alle meteorologischen
Erscheinungen. GrroBe Aufgaben bieten sich so der Forschung:
Woher stammt die Luftelektrizitat? Welches sind die Ursachen*
dafi sie trotz bestandig erfolgendem Ausgleich dennoeh nie ent-
schwindet? Welche Rolle spielt die Luftelektrizitat fur die Luft-
hiille der Erde? Diese und ahnliche Fragen waren es, welche
den wissenschaftlichen Sinn Rieckes in Anspruch nahmen. Er er**
kannte klar, daB eine Aufhellung der Verhaltnisse nur zu er-
warten ist, wenn die Beobachtungen auf weite Grebiete der Luft-
hiille ausgedehnt werden. Hier sah er einen Fall, wo das Zu-
sammenarbeiten der wissenschaftlichen Akademien von entschei-
dendemWert sein konnte. In weitem MaaBe seiner Anregung ist
es zu danken, daB die deutschen wissenschaftlichen Akademien
sich bald nach 1900 zu der gemeinsamen Arbeit zusammenschlossen*
Fast alljahrlich fanden sich seitdem Yertreter der verschiedenen
Akademien zu Versammlungen zusammen, um iiber ihre Arbeiten
zu berichten und neue Plane zu beraten. Bei diesen Grelegen-
heiten stand Riecke als einer der Vertreter von Grottingen stets
in der Mitte der Arbeiten; mit groBem G}-eschick wuBte er dazu
beizutragen, die Tagungen anregend und erfolgreich zu gestalten*
Um einen iibersichtlicben Untergrund fiir die Erorterungen zu
bieten, veroffentlichte er 1903 einen langeren Artikel iiber ^Neuere
Anschauungen der Elektrizitatslehre mit besonderer Beziehung
Eduard litiecke.
55
auf Probleme der Luftelektrizitat w , (in den Sitzungsberichten der
Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften). — Ebenfalls ist
es in weitem MaBe den Bemiihungen Riecke’s zu danken, wenn
nnserer Gesellschaft der Wissenscbaften yon der Koniglichen Re-
gierung fur die Zwecke der luftelektriscben Eorschung sebr er-
hebliche Geldmittel bewilligt worden sind. — Seine Schiller hat er
mehrfach zu Arbeiten in Bezng auf die Luftelektrizitat angeregt. —
Blicken wir nun zuriiek auf das Bild der wissenschaftlichen
Tatigkeit yon Eduard Riecke, welches ich zu zeichnen versucht
habe, so sehen wir eine Eiille erfolgreicher Abeit, welche ihm in
der Geschichte der Physik einen ehrenvollen Platz sichert. Suclien
wir zu erkennen, worin die besondere Eigenart seiner Arbeit be-
standen hat, so wird deutlich, daB er, der Vertreter der Experi-
mentalphysik in Gottingen war, doch im Grunde mehr der Theorie
als dem Experiment zuneigte. GewiB, er hat viele und sehr
dankenswerte experimentelle Untersuchungen ausgefiihrt, aber in
diesen war das Experiment meist nicht das Kampfesmittel, um
die Theorie vorzubereiten, sondern es stand umgekehrt die Theorie
yoran und das Experiment diente zu ihrer Priifung oder weiteren
Ausfiihrung. —
Riecke war ein geschickter Lehrer, der die Vorlesungen und
TJbungen anregend und lehrreich zu gestalten wuBte. Gerade wie
in dem Lehrbuch hielt er auch bei den Vorlesungen alles Ober-
flachliche fern. Nur unterhaltende Experimente verschmahte er
durchaus. Hoher wissenschaftlicher Sinn lag stets iiber allem,
was er seinen Schiilern bot. —
Eine grofie Reihe dankbarer Schiller hat bei ihm die Anregang
zur Doktorarbeit gewonnen und diese unter seiner Leitung vollendet.
Piir das wissenschaftliche Leben an der Gottinger Gniversitat
sehr wesentlich war eine sogenannte „physikalische Gesellsehaft^.
Sie wurde von Riecke zusammen mit seinem Kollegen W. Voigt
geleitet, wobei ihm, als dem Alteren, der Vorsitz zukam. Die
Gesellschaft umfaBte die der Physik angehorigen oder nahe-
stehenden Dozenten und jungen Gelehrten, sowie altere Schiiler.
Im Semester yereinigte sie sich allwochentlick einmal, um die
neuesten Portschritte der Physik in Vortragen und Diskussionen zu
behandeln. Es war stets eine wicktige Angelegenheit filr Riecke,
diese Versammlungen anregend und fruchtbringend zu gestalten. —
Ich habe bisher den Physiker geschildert, lassen Sie mich
nun auch des Mamnes gedenken. Pflichtgetreu und lauter in alien
Dingen, im Wesen natiirlich, einfach, anspruchslos und herzens-
warm, so lernten ihn alle kennen, welche ihm naher traten. In
66
E. Wiechert, Eduard Riecke,
einem Nachruf, welchen sein Kollege W. Yoigt ihm in der phy-
sikalischen Zeitschrift gewidmet hat, heiBt es : „Die Reinheit und
Billigkeit seines Wesens trat bei ihm so iiberzeugend hervor, daB
or keinen Feind hatte“. Diese Worte kennzeichnen yortrefflich
die Stellung, die er in seinem Wirkungskreis innehatte.
Yon Jugend anf erfiillte ihn tiefe Frommigkeit. In dem irdisehen
Leben sah er nnr ein Spiegelbild, hinter dem eine hohere Welt
sich unseren Blicken entzieht. Stets war es ihm Herzensbediirfnis,
an dem kirchlichen Leben der G-emeinde Anteil zn nehmen, nm
so anch nach auBen hin seiner Stellung Ansdruck zu geben.
Die Stadt Gottingen, welche sein ganzes wissenschaftliches
Leben in Anspruch nahm, hat ihm auch das Gliick der Familie
geschenkt. Der jngendliche Professor heiratete 1875 eine Got-
tingerin, Tochter des Professors der Chemie Karl Boedeker. Seit
1885 nahm ein freundliches eigenes Hans mit schonem Garten die
Familie anf; von vier Kindern starben zwei in jungen Jahren,
ein Sohn und eine Tochter wuchsen heran. Es war ein schweres
aber mit ernstem vaterlandischen Sinn ertragenes Geschiek, welches
den Yater noch im letzten Jahr seines Lebens traf, als er den
Sohn fiir das Yaterland den Heldentod erleiden sah. —
Erholung yon den Anstrengungen der Berufstatigkeit suchte
Riecke stets von Keuem in der Natur. Leidenschaftlich liebte
er die Berge und kannte keine hohere Frende als mit seiner ge-
liebten Gattin in’s Gebirge zu ziehen und dort herumzuwandern.
Stets fesselte dabei besonders die Flora seine Aufmerksamkeit.
Oft fiihrten ihn seine Reisen nach den schonen Gefilden Ober-
italiens mit ihren Denkmalern der Kunst.
In den letzten Jahren des Lebens hat ein Augenleiden ibm
schwere Hemmungen auferlegt, die er mit unerschoflicher Geduld
ertrug. Das Lesen war ihm nnr in groBter Besehrankung zuge-
standen. Da muBte er sich das Meiste dessen, was er wissen
wollte, vorlesen lassen. Dm wenigstens beim Schreiben unab-
hangig zu sein, lernte er das Schreiben mit der Maschine. —
Der Tod ist schnell und sanft an ihn herangetreten. In der
Nackwirkung einer Ferienreise ffihlte er sich matt. Der Arzt
riet zur Ruhe im Bett. Da machte nach einem Krankenlager
yon wenigen Tagen ein SchlagfluB dem Leben ein Ende. Wir,
die wir zuriickgeblieben sind, bewahren in Treue das Gedenken
des verehrumgswerten Gelehrten, des edlen Menschen, des lieben
Kollegen und Freundes.
Hermann Graf zn Solms-Laubacli.
yon
Gr* Bertliold.
Hermann Graf zu Solms-Laubach, geboren am 23. Dezember
1842, gestorben im Alter von fast 73 Jahren am 24. November
vorigen Jahres, entstammt einer Familie, in der naturwissenschaft-
liche, nnd besonders botanische Interessen nm die Mitte des ver-
flossenen Jahrhunderts mebrfach zu Tage getreten sind. Ein
alterer Brnder, Friedrich zn Solms-Laubach interessierte sich
fiir Pilze und hat liber solche Anfang der 60 Jahre geschrieben,
ein Onkel, Eeinhard zu Solms-Braunfels beschaftigte sich zu
derselben Zeit mit Moosen und Flechten, und ein anderer Onkel,
Prinz Max zu Wied, ein Bruder seiner Mutter, hat mit unserem
Botaniker liber naturwissenschaftliche Fragen viel korrespondiert.
So wurde schon in seiner Jugend das angeborene Interesse
fiir Botanik in ihm geweckt, freilick zunachst wesentlich nur nach
der floristischen und sammlerischen Seite. Seine Neigungen waren
aber anfangs noch geteilt, und als er im Herbst 1859 die Univer-
sitat bezogen hatte, schwankte er zwischen dem Studium der Bo-
tanik und dem der Geschichte. In Berlin, wohin er sich nach dem
ersten in GrieBen verbrachten Semester begab, hat er noch ge~
schichtliche Yorlesungen gehort. Geschichtliche und zwar speziell
kulturgeschichtliche Neigungen und Interessen haben denn auch
seiner Forschertatigkeit auf dem Gebiete der Botanik in aus-
gepragter Weise ihren Stempel aufgedriickt.
In Berlin promovierte So 1ms, nachdem er den Sommer 1864
noch an der Freiburger Universitat bei de Bary gearbeitet hatte,
am 16. Marz 1865 mit einer unter der Leitung von Alexander
Braun entstandenen Dissertation, betitelt: De Lathraeae generis
positione systematica, in lateinischer Sprache abgefaBt, nach dem
damaligen Branch der Berliner Philosophischen Fakultat.
58
G. Bert ho Id,
Auf Grundlage morph ologischer, anatomischer und entwick-
Ixmgsgeschichtlicher Untersuchungen an Lathraea selber, an der
Gattung Orobanche und an anderen Orobancheen, und weiterbin
an einer Anzahl Rhinanthaceen, ergab sich, daB Lathraea nicht
zn den Orobancheen, wie bisher, zn stellen sei, sondern in die
nahere Verwandtschaft der halbparasitischen , griinen Rhinantha-
ceen gehore.
Das Thema seiner Dissertation hat nnn fur eine Reihe von
Jahren in erster Linie das wissenschaftliche Arbeitsgebiet von
Solms bestimmt. Zunachst war er rastlos bemiiht, die Materialien
fiir eine umfassende Bearbeitung des Banes und der Entwicklung
der Ernahrungsorgane der parasitischen Phanerogamen zusammen-
zubringen. Die Arbeit erschien in den Jahrbiickern fur wissen-
schaftliche Botanik ini Jahre 1868. Alles war ausgenntzt, was
an Materialien irgendwie zn erhalten war, aus der Natur, aus den
Sammlungen und Herbarien der botanischen Institute, durck eigenen
Besnch oder durch personliche Beziehungen. Eine interessante
Raffiesiacee des Mittelmeergebiets , Cytinus Hypocistis konnte er
selber auf einer groBeren Reise mit seinem Onkel Reinhard im
Friihjahr 1866 im siidlichen Portugal sammeln.
In erster Linie handelte es sich bei diesen Enter su ohungen darum
Bau, Entwicklung und morphologische Natur der Haustorien, der
Befestigungsorgane der Parasiten auf ihren Wirtspflanzen klarzu-
legen; die allgemeine Morphologic der betreffenden Formen, ihro
Lebensverhaltnisse u. s. w. wurden aber moglichst mit beriicksichtigt.
tlberaus sorgfaltige und geduldige Untersuchung zeichnet diese
Arbeit aus, wie alle iibrigen unseres Autors, dazu eine peinlich
gewissenhafte und liebevolle Behandlung der Literatur, die bis in
das Altertum hinein verfolgt und ausgenntzt wird. Besonders
hervorzuheben ist aber auch die anschauliche, frische und lebendige
Darstellung, die auch alle seine weiteren Veroffentliehungen be-
sonders auszeichnet, obwohl in ihnen oft eine unendliche Fiille
von Detailmaterial zusammengetragen ist.
NaturgemaB flossen Solms auf Grund dieser Arbeiten weitere-
seltene und interessante Materialien zu, und so schlossen sich in
den folgenden Jahren eine ganze Reihe weiterer Untersuchungen
iiber die phanerogamen Parasiten diesen ersten an. Nur auf die
wiehtigste von ihnen soli hier etwas naher eingegangen werden,
die 1874 erschienene Untersachung iiber den Thallus von Pilostylea
Hausknechtii, einer zu den Rafflesiaceen gehorigen Form, die in
Syrien und Kurdistan in den Zweigen von Astragalus-Arten lebt.
Gerade die Rafflesiaceen hatten friiher, auBer Cytinus Hypocistis^
Hermann Graf zn Solms-Laubacb.
59
arts Mangel an Material yon ihm kamn beriicksichtigt werden koiraen.
Es fand sick nun, daB sie von alien Formen die bemerkenswertesten
V erhaltnisse darbieten.
An dem vegetativen Korper der Rafflesiaceen ist die ganze
Grliederung der Phanerogamen in Wurzel, Achse nnd Blatt voll-
standig verloren gegangen, nur an den Bliiten, die aus dem Innern
der Organe der befallenen Wirtspflanze hervorbrechen , ist ikre
Zugehorigkeit zn den boheren Pflanzen zn erkennen. Diese Bliiten
zeigen eine reckt komplizierte Grliedernng, nnd sie sind in mancken
Fallen, z. B, bei ostindiscken Rafflesien, durck kolossale G-roBe —
bis zn einem Meter Durehmesser — nnd durck Farbung und Gre-
ruck sekr auffallend. Der vegetative Teil des Parasiten aber liegt,
wie Solms zuerst fiir Pilostyles eingehend nackwies, ganz verborgen
im Innern der Wirtspflanze, durckziekt deren G-ewebe in der Art,
wie wir es beim Mycel parasitischer Pilze allgemein finden, in
Form aufgeloster, verzweigter, zelliger Faden, sodaB Solms direkt
von dem Mycel des Parasiten spricht.
In weiterer Fortfiikrung all dieser Studien erfolgten, neben
Arbeiten liber das Haustorium der Loranthaceen, in erster Linie
Untersuchungen liber den Ban des Samens der Rafflesiaeeen nnd
der nahe verwandten Hydnoraceen, fiber die Bliite von Brug-
mannsia, einer anderen Rafflesiacee, und daran anschliefiend
weiterkin liber Bllitenbau und Entwicklung von Samen und Em-
bryo iiberhanpt. besonders bei bestimmten monocotylen Familien.
Okne auf Einzelkeiten einzugeken soil kier nnr bemerkt werden,
dafl es sick dabei um die Frage in erster Linie handelte, ob die
Monocotylen, oder die Dicotylen als die urspriinglicheren Forraen
zn betrackten sind.
Wenn so das Tkema seiner Dissertation bei Solms fiir eine
lange Reike von Jakren das wissensebaftliche Arbeitsgebiet in
erster Linie bestimmt hat, so war es daneken aber, ebenfalls von
seiner Studienzeit h6r, ein zweites Grebiet, das ikn fesselte, die
Algen. Das brachte einrnal die Zeit mit sich, in der die Be-
fruchtungsvorgange bei den Algen von alien Seiten mit Eifer stu-
diert wnrden, nachdem Thnret im Jakre 1854 zuerst die Be-
fruchtung bei Fucus beobacbtet hatte. Dazu kam, daB seine
beiden Lehrer, Alexander Brann nnd Anton deBary, unter
den Algenforsckern der damaligen Zeit mit in erster Linie standen.
Im Sommer 1864, noch vor seiner Promotion, beschaftigte sich
Solms in Freiburg in eingekender Weise mit unserer allverbrei-
teten SiiBwasserfloridee Batrackospermnm moniliforme nnd deren
Fortpflanzungsverkaltnissen. Die Untersuchungen wnrden nicht
60
G. Berth old,
abgeschlossen, da fur die beobacbteten Vorgange einstweilen eine
sichere Deutung nicbt gegeben warden konnte. Das wurde erst
moglich durcb die zwei Jabre spater bekannt gegebenen Unter-
sucbungen iiber die Befruchtnng der Florideen yon T buret und
Bornet. So warden dann 1867 aucb seine Ergebnisse an Ba-
tracbospermam veroffentlicbt; sie bestatigten die Befunde der
beiden franzosischen Eorscber and lebrten in Batracbospermum
einen der einfacbsten Typen des Befrucbtnngsvorganges der roten
Algen kennen, nocb dadnrcb yon Interesse, dafi das Material
iiberall im Binnenlande leicht zu bescbaffen ist, im Gegensatz zu
den iibrigen Florideen, die mit wenigen Ausnahmen, auBer Ba-
tracbospermnm dem Meere angeboren.
Das Interesse an den Algen ist dann offenbar eine Reihe yon
Jabren mehr zuruckgetreten, erst in der zweiten Halfte der 70er
J abre finden wir S o 1 m s wieder mit . algologiseben Studien be-
scbaftigt. Den AnlaB dazn diirften einmal die yon de Bary und
von Strasburger im Jabre 1877 klargelegten Entwicklangs- und
Fortpflanzungsverbaltnisse der eigenartigen, verkalkten marinen
Sipbonee Acetabularia mediterranea gegeben baben, dann’ wobl
aucb altere eigene Untersucbungen von So 1ms selber aus den
Jabren 1868 und 1871 iiber das Vorkommen von Kristallzellen in
der Rinde der Coniferen und iiber oxalsauren Kalk in lebenden
Membranen, schliefilieb wobl aucb nocb seine eigenen Studien auf
dem Gebiete der Palaeopbytologie, auf die nacbber einzugeben ist,
Denn sebr bemerkenswerter Weise waren es Kalkalgen, die
Corallineen, auf die sicb diese Studien erstreckten. Sie wurden
bei mehreren langeren Aufentbalten an der zoologiscben Station
in Neapel ausgefiibrt, und erscbienen 1881 unter dem Titel Coral-
lina in der Sammlung der von der Station berausgegebenen Mono-
graphien, Fauna und Flora des Golfes von Neapel. In erster
Linie wurden bier die Fortpflanzungsverbaltnisse von Corallina
mediterranea dargelegt, die wobl die eigenartigsten bei alien
Florideen sind, Durcb die Yerkalkung der Membranen, die Selten-
beit der geschlecbtlichen Individuen, neben den weit iiberwiegenden
neutralen Tetrasporenpflanzen, gestalteten sicb diese Dntersucbun-
gen zu sebr miibseligen, ein aufiergewohnliches MaB von Geduld
und Ausdauer erfordernd. Neben Corallina mediterranea wurden
dann aucb, als Grundlage fur eine spatere Monograpbie dieser
scbwierigen Familie der Florideen, die iibrigen neapeler Corallineen-
formen nacb Verbreitung, morphologiscben, anatomiscben und ent-
wicklungsgescbicbtlicben Verbaltnissen, unter sorgfaltigster kri-
tiscber Bearbeitung der vorliegenden Literatur behandelt.
Hermann Graf m Solms-Laubach.
01
Auch nacb diesen Untersuchungen batte es aufierfich den An-
scbein, als ob das Interesse an den Algen wieder fiir langere Zeit
erloscben gewesen ware, obwobL das keineswegs der Fall war*
Erst im Jahre 1892 trat So lms wieder mit einer algologischen
Arbeit beryor, die sicb aucb diesmal wieder anf Kalkalgen bezog,
allerdings anf die in yielen Beziebungen bocbinteressante Q-ruppe
der griinen Sipboneen, nnd zwar anf eine ibrer TJnterfamilien, die
der Dasycladeen. Das Interesse an diesen eigenartigen Formen,
die fast alle tropiscben Meeren angeboren, nnr Acetabularia und
Dasycladus finden sieb im Mittelmeer, bernbt einmal in der merk-
wlirdig hohen nnd eigenartigen Differenzierung nnd Ansgestaltnng
ibres Thallus, die nns d&zu in den verscbiedensten Abwandlnngen
bei den einzelnen Gattungen entgegentritt, dann ancb darin, daB
nntergegangene Eormen in den geologiscben Ablagerungen, haupt-
sacblicb des Eocaens bis Miocaens, in groBeren Mengen sieb finden.
Infolge der Incrnstation ibrer Membranen mit Kalk haben sie sieb
in vorztiglicber Weise erbalten.
G-erade die bauptsacblicben algologiscben Arbeiten von Solms
zeigen, daB diese Stndien in engster Beziehnng stehen zu seinem
dritten Arbeitsgebiet, yon dem man wohl sagen muB, daB es in
der letzten Periode seines Lebens sein Interesse in erster Linie in
Ansprncb genommen bat, das ist die Palaeopbytologie.
Ancb hier geben die ersten Anregungen wobl scbon anf die
Jugendjahre zurtick, nnd anf die frenndschaftlicben Beziebungen,
die seinen Onkel Eeinbard mit W. Pb. Scbimper, dem Verfasser
der 1869 — 74 erschienenen Pal^ontologie y^gdtale yerbanden. Er
selber lebrte spater in den Jabren 1871 — 79 als Extraordinarius
mit Scbimper in StraBbnrg an derselben Hocbscbnle zusammen.
Es waren die phylogenetiscben Fragen, die Solms in der
Palaeopbytologie in erster Linie interessierten, die Eragen, fiir die
durcb das Erscheinen yon Darwins Entstebnng der Arten 1859
das Interesse allseitig lebendig geworden war. Die verwandtsebaft-
licben Beziebungen nnd Zusammenhange der groBen systematiscben
Klassen des Pflanzenreicbs zogen ibn dabei hauptsachlicb an, nnd
darum wandten sicb seine Studien denjenigen geologiscben Resten
aus der Sekundar- und Tertiarzeit besonders zn, * die in die Ver-
wandtscbaft der GefaBkryptogamen nnd der Gymnospermen ge~
boren. Die viel reicberen Materialien, die uns ans den jiingeren
geologischen Perioden zn Gebote steben, bat er absicbtlicb bei
seinen Stndien auBer Acbt gelassen.
Nock beyor er, auBer einer 1884 erscbienenen Arbeit liber die
Coniferenformen des dentschen Kupferscbiefers nnd Zecbsteins,
62
G. Berthol d,
durch selbstandige Spezialuntersuchungen mekr hervorgetreten
war, diese kamen erst erheblieh spater, erschien von ihm im Jahre
1887 eine zusammenfassende Bearbeitung unter dem Titel „Ein-
leitung in die Palaeophytologie vom botanischen Standpunkte aus“.
Has Bach war entstanden anf G-rundlage von Vorlesungen, die er
dreimal im Laafe von 6 Jahren hier in Gottingen gehalten hatte.
Das Ziel, das ihn bei der Abfassang leitete, hat er in dem
Yorwort folgendermafien formuliert: Die Botanik hat an der Pa-
laeophytologie, die sie friiker im allgemeinen stiefmiitterlich be-
handelte, infolge des Dnrchdringens dex^ Gesichtspunkte der Descen-
denztheorie ein ganz eminentes Interesse gewonnen. Eine Tiber-
sicht iiber die botanisch nntzbaren Eorschnngsergebnisse anf diesem
Gebiet zn erlangen, ist aber schwierig, denn die Literatur ist
iiberans zersplittert, erfordert vielfach eine sehr eingehende Kritik.
Dazu bedarf es jahrelanger Beschaftigung mit dem Gegenstande,
zn welcher der Mebrzahl der Pachgenossen die notige Zeit fehlt.
Die vorliegenden Handbiicher wollen aber^ immer zwei Herren
dienen, der Palaeontologie und der Botanik, nnd dabei kommt die
Botanik regelmaBig zn kurz.
Auf Grnndlage der Einsicht des dnrchgebildeten Botanikers
gibt Sol ms in seinem Buch fur die alteren pflanzlichen Fossilien
eine bis ins Einzelne gehende Behandlnng der morphologischen
und anatomischen Verhaltnisse, die sich oft, in Abhangigkeit von
dem Erkaltungszustande nnd dem Impragnierungsmittel, noch bis
in das feinste mikroskopische Detail verfolgen lassen. Die ein-
gehende Ausnutznng der ansserst zerstrenten nnd ungleichwertig.en
Literatur, das Stadium der vorliegenden Materialien, die er nicht
made wurde in den Sammlungen aufzusuchen, oder wenn moglieh
an den Original-Fundorten sich zu verschaffen, die Durcharbeitung
aller ihm irgendwie zuganglichen Sammlungen von Diinnschliffen,
sowie die immer nebenhergehenden eigenen Untersuchungen gaben
ihm ein selbstandiges, sieheres TJrteil, und machen seine Palaeo-
phytologie fiir den Botaniker zu der besten Basis, wenn er sich
auf diesem Gebiet orientieren will.
Im Laufe der Jahre schlossen sich nun palaeophytologische
Einzeluntersuchungen an, Sie bezieken sich alle auf Pflanzenreste,
die zu den in seiner Palaeophytologie eingehend hehandelten Typen
der GefaBkryptogamen und Gymnospermen gehoren, z. T. inter-
essante IJbergangsformen zu sein scheinen, wie die als Benettites
bezeichneten Beste aus dem Jura und der unteren Kreide Eng-
lands, die anscheineud zu den Angiospermen hiniiberleiten.
Weiterhin ftigen sich au diese palaeophytologisehen Arbeiten
Hermann Graf m Solms-Laubach.
63
an, sind durch sie in erster Linie veranlaBt, eine Anzahl anderer
Untersuehungen, die sich auf lebende Formen aus der Verwandt-
schaft der GefaBkryptogamen nnd Gymnospermen beziehen. Schon
1884, noch vor dem Erscheinen der Einleitung in die Palaophy-
tologie, eine Untersuchung fiber den morphologischen Aufbau yon
Psilotum triquetrum, und dessen Entwicklung aus Brutknospen,
1890 dann eine ebenfalls morphologisch-anatomische Untersnchung
liber die SproBfolge yon Stangeria und der ubrigen Cycadeen,
und zuletzt 1902 eine Bearbeitung der Morphologie von Xsoetes
laeustris und anderer Isoetes-Arten.
Die phylogenetischen Probleme, denen So lms durch ein-
gehendes Studium der fossilen Pflanzenreste fur die ausgestorbenen
Typen naber zu kommen suchte, baben ihn schlieBlich auch dazu
gefiihrt, diesen Problemen an lebenden Pflanzenformen der Angio-
spermen naber zu treten. VerhaltnismaBig spat alter dings, und
zuerst mebr durch einen auBeren Umstand yeranlaBt.
Im Jahre 1897 erhielt er yon Prof. Heeger in Landau eine
auf dem MeBplatz dort gefundene Crucifere, die zunaohst gar nicbt
zu bestiromen war, bis sich herausstellte, daB es eine neue, offenbar
durch sprungweise Variation entstandene Form unseres gewohn-
lichen Hirtentaschels, Capsella bursa pastoris war, von diesem nur
durch eine andre Formausbildung des Schotchens unterscbieden.
Die neue Form, Capsella Heegeri genannt, erwies sich in der Aussaat
sis konstant. Ahnliche Falle der Entstehung neuer Formen durch
sprungweise Variation liegen auch sonst yor, z. B. bei Ranunculus
arvensis f. inermis, Datura Tatula f. inermis, beide nur durch das
Fehlen der Stacheln an den Friichten yon den norinalen Formen
unterschieden. Auch bei den Cruciferen liegen andere analoge,
freilich noch nicht naber untersuchte Beispiele vor in den Gat-
tungen Holargidium und Tetrapoma, die sicb von den Gattungen
Draba und Nasturtium nur durch die Vierzahl der Fruchtblatter,
statt der normalen Zweizahl unterscheiden.
Zwei andere Untersuchungen fiber die Familie der Cruciferen,
sowie eine dritte iiber spirolobe Chenopodeen schlossen sich in den
folgenden Jahren dieser Arbeit an. Beide Verwandtschaftskreise
sind bemerkenswert durch aufierordentlich geringe systematische
Unterschiede zwischen den einzelnen Gattungen, sodaB man bis
zu verschiedenen, z. T. recht subtilen anatomischen Charakteren
hat gehen miissen, ohne daB es bisher gelungen ware, die syste-
matische Gliederung der Formenkreise im Einzelnen sicher klar-
zulegen. Diese letzt genannten Studien veranlaBten So 1ms drei-
mal, vom Jahre 1899 an, zu langeren Ferienaufenthalten in der
64
G. B erthold
Oase Biskra in Siid- Alger ien, wo hierkergekorige, bisker nock
wenig eingekend untersuckte Formen, reichlicker sick finden.
Ein lebbaftes Interesse fur Grescbickte katte sckon den jungen
Studenten veranlafit, in den ersten Jakren seines Stadiums ge-
sckicktlicbe Vorlesungen mit zu horen, and ibn einige Zeit zwischen
der Gesckichte and der Botanik sckwanken lassen. Dieses ge~
sckicktlicbe Interesse ist danernd in So lms lebendig geblieben,
and bat seiner ganzen Lebensarbeit ikren Ckarakter gegeben.
Jede seiner Untersuckungen ist durck die eingekendste, sorg-
faltigste Bekandlung der Literatnr aasgezeichnet and darck das
Bemiihen, die gesckicktlicke Entwicklang anserer Kenntnisse aaf
dem betreffenden Gebiet in objektiver Weise klarzulegen. Wieder-
bolt sind auck von ihm in kleineren Veroffentlicknngen kistoriscke
Fragen bebandelt, in Yergessenkeit geratene, bisher fiber sehene
Arbeiten, die ikm von Interesse ersckienen, wieder an’s Tageslickt
gezogen and gewiirdigt worden.
So haben ikn aach die Fragen nach der Herkanft and der
Gesckicbte anserer versckiedenen Kulturpflanzen in Feld and
Garten schon fruk besckaftigt.
In seinen Yorlesangen bat er die Kulturgewackse wiederkolt
bebandelt, znm ersten Male, soweit ick seke, im Winter 1889/90
in Strafibnrg. Eigene, selbstandige Stndien bat er dann gewidmet
dem Feigenbaum, dem Melonenbaam, dem Weizen, den Tulpen
and den Erdbeeren.
Die Untersacbangen iiber die Herkanft, Domestication und
Verbreitnng des gewohnlichen Feigenbaums (Ficus Carica L.), er-
scbienen in den Abhandlangen anserer Gesellsckaft im Jahre 18S2 T
warden veranlafit darch einen in den feigenbauenden Landern fib-
licken, nralten Gebrauck, die Caprifikation. Zur Zeit, wo im
Sommer die Feigen sick entwickeln, werden in die Kronen der
knltivierten Baume die Feigen, oder aack mit solcken besetzte
Zweige des wilden Feigenbaumes, in Sfid-Italien Caprificas ge-
nannt, aufgekangt. Dieser wilde Feigenbaam, dessen Friichte
kleiner and ungeniefibar sind, kommt spontan vor, in bestimmten
Gegenden wird er aacb in den Garten zwiscken den kultivierten
Baumen gezogen. Darck die Caprifikation soil das Abfallen der
sick entwickelnden Feigen verkindert, bezw. das Ansreifen and die
Qaalitat der Friickte verbessert werden. Von anderen Seiten
allerdings wird dieser Caprifikation jede Bedeutung abgesprocken..
Damit stekt in Ubereinstimmung, dafi das Yerfahren nnr in
einem Teil der feigenbauenden Lander verbreitet and geiibt ist,.
Hermann Graf zu Solms-Lanbach.
65
in anderen aber ganz feklt. So findet es sick in Syrien, Klein-
Asien, anf den grieckischen Inseln, in Grieckenland , in Siid-
Italien z. T., in Algerien n. s. w., es felilt in Nord-Italien, Sardinien,
Frankreick, Tirol u. s. w.
Die dem ganzen Verfakren zn Grande liegenden Tatsachen
sind folgende: In den Feigen der wilden nnd der kultivierten
Baume entwickelt sick ein Insekt, Blastopkaga grossormn, zu den
Scklupfwespen gehorig, dessen Eier in die angestockenen Fruckt-
knoten der kleinen 9 Bliiten der Feigen abgelegt werden. Die
Feigen des Caprificns, Proficki genannt, werden nun in die Kronen
der kultivierten Baume gekangt zu der Zeit, wo die entwickelten
Insekten in grofier Zakl durck die obere Offnung, das Ostiolum,
die Feige verlassen, um gleick darauf in die sich entwickelnden
Friickte der kultivierten Baume einzudringen, und kier ikre Eier
ebenso abzulegen, wie sie es bei den wilden tun.
Die biologiscke Bedeutung des Vorganges beruht darin, daS
die auskriechenden Insekten von den in den Randpartien der
Feigenfriicbte stekenden c3 Bliiten den Pollen auf ihrem Korper
mitnekmen, um ikn nackker auf den Narben der 9 Bliiten abzu-
streifen, wenn sie in eine neue sick entwickelnde Fruckt einge-
drungen sind. Das Vorkommen der Blastopbaga in den Feigen
war sckon im Altertum bekannt.
In der wilden Feige entwickelt sich aber stets nur eine ge-
ringe Anzakl keimfahiger Samen, trotz zahlreicher, die Bestaubung
yermittelnder Insekten, es ist ferner bemerkenswert, daB in ihren
Friichten die Zahl der in der Rake des Ostiolums stekenden
6 Bliiten eine groBe ist, daB aber in der kultiyierten Feige die
<5 Bliiten entweder ganz fehlen, oder nur in geringer Anzahl vor-
handen sind.
Die SchluBfolgerungen, zu denen So 1ms auf Grand eigen er,
mekrere Jahre hindurck fortgesetzter Studien in Siid-Italien, und
der eingehenden Durckarbeitung der ausgedeknten Literatur ge-
langte, waren, daB die kultivierten Feigenracen von dem wilden
Proficus abstammen, in der Kultur aus ikm hervorgegangen sind,
daB ferner die Caprification urspriinglick notwendig gewesen ist,
um Samen zu erzielen und das vorzeitige Abfallen der Friickte
zu verkindem, daB aber durck den EinfluB der Kultur die Frucht-
entwicklung nunmekr auck okne die Yermittlung der Bestaubung
durck die Insekten, und ohne Samenentwicklung stattfinden kann.
Darum ist die Caprification friiker notwendig gewesen, jetzt aber
nickt mekr, und wo sie nock gelibt wird, da ist sie eine vererbte,
uberfltissige Gewoknkeit ge worden, ein Relict aus friiheren Zeiten.
Nachrichten ; gesoliSi'tl. Mitteilungon 1916. 1 . 5
66
Gr. Berthold, v
— Entwicklung von Frfichten, ohne dafi in ihnen keimfahige Samen
vorkanden sind, haben wir bei vielen kultivierten Obstsorten, bei
uns nnd in den warmeren Landem, die Feige wfirde sicb diesen
also anschlieBen.
In einem Referat iiber diese Arbeit sprach der bekannte Bio-
loge Fritz Miiller die Vernratnng ans, es sei der wilde Pro-
ficus die <3 Pflanze des Feigenbaumes, die kultivierten Baume mit
efibaren Feigen seien aber ans der wilden 9 Pflanze hervorgegangen,
wie es schon Linn 6 sick gedacbt katte. Diese Vermutung ver-
anlafite Solms bei einem Aufenthalt in Buitenzorg anf Java im
Winter 1883/84 dieser Frage naher zu treten, und es zeigte sich,
dafi in der Tat in Java eine ganze Anzahl wilder Arten der
G-attung Ficus vorkommen, bei denen 6 und 9 Individuen zu unter-
sckeiden sind, z. T. mit schon aufierlieh auffallend versckiedenen
Fruchtformen. So katte sich die Vermutung von Fritz Muller
als zutreffend erwiesen.
Die Frage rukte nunmehr fast 10 Jahre, als ganz unerwarteter
Weise aus Califomien eine fiberraschende, endgultige Losung des
ganzen Problems erfolgte. Im Herbst 1892 erkielt Solms die
briefliche Nachricht. dafi dort seit 12, bezw. 6 Jahren gezogene
7 Racen von Smyrnafeigen, aus den besten Feigengarten Smyrnas
bezogen, bisker ausnakmslos ihre Feigen katten abfallen lassen,
wahrend von 70 anderen kultivierten Feigenracen nur eine einzige
sick ebenso verhalten kabe.
Da auck die wilde Feige, der Caprificus in Californien in
Kultur war, so war der Briefsckreiber durck die Solms’sche Ab-
handlung veranlafit worden, den Pollen dieses Caprificus mit einem
Pinsel in eine Anzahl heranwachsender Feigen der Smymaracen
einzufiikren, mit dem Erfolg, dafi nunmehr die Feigen sich g anz
normal entwickelten und kostliche Friichte brackten. Die Not-
wendigkeit der Caprifikation fiir diese Smyrnaracen war so glatt
erwiesen, und es ist anzunehmen, dafi das auck in Smyrna selber
fiir diese Racen gelten wird, obwohl Untersuchungen dariiber nickt
vorliegen. Damit sind auck die Widerspriiche aufgeklart, die seit
alter Zeit fiber die Bedeutung der Caprification in der Praxis be-
steken und in der Literatur vorliegen.
Auf die Untersuchungen fiber die Herkunft des Melonenbaumes,
die 1889 vollendet wurden, wollen wir kier nickt naher eingeken,
10 Jakre spater erschien dann die kulturhistorische Studie fiber
Weizen und Tulpe und deren Greschichte.
Die sckwierige Frage fiber die Herkunft der Kulturweizen-
formen konnte auck von Solms nickt endgfiltig aufgeklart werden,
Hermann Graf zu Solms-Laubacli.
67
ebenso wenig wie seine Vorganger, besonders Kornicke und
Beijerinck das vermocht hatten. Da nun auBerdem mittler-
weile durch neuere Funde in Vorderasien weiteres fur die Frage
bedeutungsyolles Material beigebracht worden ist, so wollen wir
bier nur kurz auf das eingehen , was sich aus seinen Nach-
forschungen iiber die Herkunft der Tulpen ergeben hat,
TJnter den wilden, sog. Feldtulpen sind drei Verwandtschafts-
kreise zu unterscheiden : 1) Eine Anzahl gelbbliibender Formen,
in erster Linie T. silvestris. Diese letztere ist im westlichen
S. Europa sicher noch einheimisch, im nordlichen und westlichen
Mitteleuropa aber nur verwildert. 2) und 3) Rotbliihende Tulpen,
die als Palaeo- und Neotulipae unterschieden werden konnen. Die
Palaeotulipae waren vor dem Jahre 1559 in Europa nicht vor-
handen, sie stammen sicher aus dem Orient, wo die ganze Gattung
mit ihren zahlreichen Arten ihre Heimat hat. Sie sind im 17ten
Jahrhundert von dort zu uns, und in die Garten gekommen. und
dann von da aus im 18ten Jahrhundert im warmeren Slid- und
West-Europa wieder verwildert. Die Neotulipae erscheinen ganz
plotzlich in neuerer Zeit, seit den ersten Jahrzehnten des 19ten
Jahrhunderts, gruppenweise in der Nahe bewobnter Orte, z. B.
bei Florenz, Bologna, in Savoyen. Sie sind mit den orientalischen
Arten durchaus nicht zu identifizieren.
Es unterliegt nun keinem Zweifel, daB die urspriinglich im
17ten Jahrhundert bei uns aus der Tiirkei eingefiihrten Garten-
tulpen schon Kulturformen waren, die variable Nachkommenschaft
alter Kreuzungen zwischen nicht naher mehr bestimmbaren asia-
tischen Arten der Gattung. In der europaischen Kultur, besonders
in Holland, ist dann die Zahl der Sorten im 18ten Jahrhundert
rasch vermehrt worden. Die im 19ten Jahrhundert nun stellen-
weise aufgetretenen Neotulipae sind aber ohne Frage wieder
Gartenfliichtlinge , Abkommlinge und Ruckschlage verschiedener
kultivierter Formen.
In anschaulicher "Weise schildert dann So lms noch, auf Grund-
lage seiner eingehenden Literaturstudien, die Erscheinung der Tuli-
pomanie in Holland, der ubertriebenen Wertschatzung der Tulpen
im Anfang des 17ten Jahrhunderts, die schlieBlich mit einem plotz-
lichen Krach im Friihjabr 1637 ein Ende nahm.
Das ganze botanische, kunsthistorische und sozialgeschichtliche
Material ist in dieser Studie in eingehender Weise verarbeitet
worden, und zum ScbluB ein ausfuhrliches Literaturverzeichnis
gegeben, das als uberaus wertvolle Fundgrube fur weitere Studien
nach ahnlicher Richtung hin wird dienen konnen.
68
G. Berthold
Eine entsprechende Studie liber unsere Erdbeeren und ihre Gre-
scbichte wurde schlieBlich im Jabre 1907 abgeschlossen. So 1ms
zeigte in ihr, daB unsere kultivierten , groBfriichtigen Grarten-
erdbeeren, die Ananas - Erdbeeren von zwei amerikanischen Arten
als Bastarde abstammen, von Pragaria virginiana und Fr. chiloensis.
Sie erscheinen plotzlich ran die Mitte des 18ten Jahrhunderts in
den Kulturen Englands und Frankreicbs unter dem Namen pine
oder Praisier Ananas; unsere drei europaischen Arten, Fr. vesea*
mit ihren sehr aromatiscben Friichten, Fr. elatior und Fr. collina
baben zu ibrer Bildung nicbt beigetragen.
Der innige Zusammenhang zwischen der Forscher- und der
Lehrtatigkeit bei So lms, auf den schon vorhin bingewiesen
wurde, zeigt sicb besonders aueb in seinem Blicblein „Die leitenden
Gresichtspunkte einer allgemeinen Pflanzengeograpbie in kurzer
Darstellung w , erscbienen im Jahre 190B, und bervorgegangen aus
Collegvortragen, die er in StraBburg zweimal gebalten batte. Auf
der Basis der Yegetationsscbilderungen von Grrisebacb, Drude,
S chimp er und Anderen, deren Bekanntschaft im ganzen voraus-
gesetzt wird, erortert er bier in anregender und klarer Darstellung
die wichtigsten, fiir die allgemeine Pflanzengeograpbie grundlegenden
Fragen, wie immer bei ihm unter umfassendster und genauester
Berucksichtigung und Durcharbeitung der Literatur. Besprocben
werden der Artbegriff und die Frage der TJmbildung der Arten,
der Standort und seine Faktoren, die Vorgange der Besiedlung
des Standorts durcb die Art, die Grleichgewicbts-Storungen in der
Yerbreitung der Pflanzen als Folge eintretender Veranderungen,
z. B. wabrend der Eiszeiten, schlieBlich die Besonderbeiten, die so
vielfacb die Floren der Inseln darbieten.
Um diese hauptsachlichen Arbeits- und Interessen-Grebiete grup-
pieren sicb nun nocb eine Reihe weiterer Veroffentlichungen, auf die
naher nicht einzugeben ist. Monograpbien liber eine Reihe von
Familien, mit deren Yertretern er sicb eingebender beschaftigt hatte,
der Lennoaceen, Rafflesiaceen, Hydnoraceen, Caricaceen, Pontederia-
ceen, Pandanaceen; Arbeiten uber einzelne Pflanzenformen ; tiber
Marchantiaceen; eine Bearbeitung der Flora von StraBburgs Um-
gebungen, eine ahnlicbe Bearbeitung der Flora von ElsaB-Lotbh
ringen u. a. m. Besonders ist aber nocb hinzuweisen auf iiberaus
zahlreicbe, friscb und temperamentvoll geschriebene kritiscbe Re-
ferate in der botaniscben Zeitung, derenLeitung er nacb de Barys
Tode iibernommen, und 20 Jabre in Handen gehabt bat.
Hermann Graf zu Solms-Laubach.
69
Mit So lms ist einer der vielseitigsten unserer alter en Bo-
taniker dahingegangen, eine Personlichkeit ganz erfiillt von le-
bendigstem Interesse fiir seine Wissenschaft, mit der Grabe der
leichten, klaren, ansclianlichen Darstellung, von groBer Frische
nnd Lebhaftigkeit, nnd dadurch auch in seinen Vorlesungen von
packender Wirkung anf seine Znkbrer. Seine historischen Inter-
essen nnd ein auBergewohnliches Gedachtnis verschafften ihm einen
TJberhlick ancb liber Gehiete, die der Mebrzahl der Fachgenossen
ferner lagen.
Ideal veranlagt, wohlwollend nnd liehenswiirdig, fiihlte er ein
groBes Bediirfhis, sich auszusprechen nnd nacb freundschaftlichem
Verkehr. Dennoch ist er okne ein eigenes Heim zu griinden durch’s
Leben gegangen ; eine ebenfalls unverheiratete Schwester, nnd nach.
deren Tode zwei Nichten, kaben seinem Hanswesen vorgestanden.
Es lag das nickt an dem Stande, in den er kineingekoren
war, nnd alien sick darans ergebenden Konseqnenzen allein. Die
wissensckaftlicken Inter essen nakmen von Jngend anf den ganzen
Menscken in Anspruch, nnd sein lebhafter, rastloser nnd un-
rnkiger Greist trieb ikn immer wieder wahrend der Ferien kinans,
in den Sammlungen, Mnseen, Bibliotkeken seinen Arbeiten nach-
zuspiiren, personlicke Ankniipfnngen zn sucken, oder in der Natur
seine Materialien znsammenznbringen. Diese Unruke nnd Rast-
losigkeit war anch wokl der Grand, daB sich sein Interesse viel-
fack gerade solchen Objekten und Fragen znwandte, fiir die die
Materialbeschaffung milks am war, Korrespondenzen nnd Ankniipfung
von Beziehnngen nach alien Richtnngen, nnd daneben anck immer
wieder eigene Reisen erforderte.
Anf diesen Reisen, die mit nnr wenigen Ansnakmen nie der
Erkolnng allein gewidmet waren, bevorzngte er Italien, Frankreich,
England. Ihnen verdankte er eine eingehende Kenntnis dieser
Lander, zaklreicke personlicke, fremndschaftliehe Beziehungen zu
den dortigen Fachgenossen, nnd eine groBe Yertrantkeit mit ikren
Denkmalern nnd Kunstwerken, besonders den italieniscken nnd
den italienischen Altertiimern.
liber Enropa ist er bei seinen Reisen, abgeseken von drei
Ferienbesncken in der Oase Biskra in Slid - Algerien, nnr einmal
hinausgekommen, als er im Winter 1883/84 als erster dentscker
Botaniker einen halbjahrigen Anfentkalt anf Java im botaniscken
Garten zu Buitenzorg nahm, wohin seitdem so viele deutsche nnd
auslandiscke Fachgenossen seinem Beispiele gefolgt sind.
Personlich war er ein ansgesprockenes Original; ansprachslos,
einfach nnd naturlick im Anftreten nnd im Yerkekr, ein vor-
70
G. Berthold
nehmer Charakter, ein Iiberans wohlwollender and liebenswiirdiger
Vorgesetzter, der selber keine Arbeit yon sich abwies, und der,
obwohl ihm als Gartendirektor zu jeder Zeit ansreichende Hilfs-
krafte zn Gejbote standen, es doch nicht verschmahte, z. B. aus
der Universitats-Bibliothek die grofien Werke selber nach Hause
zn tragen, deren er zn seinen yielen historiscben Studien bednrfte.
Wer in den Jahren seiner Gottinger Zeit gegen 1 Uhr mittags
ofter des Weges zwischen dem Botaniscben Garten und der Biblio-
tbek kam, wird sich sicherlich seiner hohen, schlanken Gestalt im
dnnkelblauen Rock erinnern, wie er, nnter jedem Arm einen groBen,
schweren Folianten tragend, von der Bibliothek ans seiner Wohnung
zustrebte.
Seit langen Jahren hatte ein diabetisches Leiden ihn befallen,
aber durch strenge Diat und auBerst geregelte Lebensweise hat
er sich Frische und Arbeitskraft bis in das Alter hinein zn wahren
gewuBt. Freilich sah er sich genotigt sein Amt im Jahre 1907
niederzulegen , seine wissenschaftliche Tatigkeit und Produktion
warden damit aber nicht abgeschlossen, und kleinere Yorlesungen
nnd Demoustrationen im Garten, die ihm immer besonders am
Herzen gelegen hatten, hat er auch weiterhin znnachst noch ge-
halten. Nur die letzten Monate muBte er gelahmt anf dem
Krankenlager zubringen, bis ein sanfter Tod ihn hiniiberrief.
Paul Wendland.
Yon
Reitzenstein.
Wenn ich mit der Empfindung aufrichtigster Trailer und
herzlichsten Dankes versuche, an diesem Ort dem Gredachtnis eines
groBen Philologen, der ganz unser eigen geworden war, Paul
Wendland, einige Worte zu widmen, so habe ieh den Vorteil, nicht
nnr bei Ibnen alien die lebhafte personliche Erinnerung, sondem
bei vielen aucb Kenntnis der eingehenden und von liebevollstem
Verstandnis durchwehten Schildernng seines Werdeganges und
seiner einzelnen Leistungen durch Herrn Kollegen Pohlenz 1 ) voraus-
setzen zu konnen. So brauehe ich manches nur fliichtig zu be-
rukren, um bei einzelnen Momenten wenigstens etwas verweilen
zu konnen.
Er entstammte einer alten ostpreuBischen Pfarrerfamilie, die
stolze Erinnerungen an die durch Kant begriindete Grlanzzeit der
TJniversitat Konigsberg immer pietatvoll gewahrt bat. Den Greist
des Elternhauses zeigt am besten die Tatsache, daB zwei der
jiingern Briider Wendlands wieder Tbeologen wurden. Das hobe
Grliick wurde ibm zu Teil, daB ibm bis fast zum eigenen Lebens-
ende der Yater in voller geistiger Eriscbe erbalten blieb und daB
das Elternhaus iiberbaupt nicbt aufgehort hat, auf ihn seinen stillen
EinfluB zu iiben. Wenn ihn selbst aucb die Begeisterung fur die’
Antike, die trefflicbe Lehrer geweckt und genahrt batten, zur
klassiscben Philologie zog, so stand doch von Anfang an in ihm
fest, dafi er aucb Theologie daneben treiben und an der Schule
Religionsunterricbt erteilen wollte. Er bat es spater lange Jahre
aucb in den obersten Klassen ausgeiibt, nicbt als Erfiillung einer
1) Neue Jahrbucher fur das klassische Altertmn 1916, S. 57 ff.
72
R. Reitzenstein,
»
driickenden Pflicht, sondern in begeisterter Hingabe. Tiefe Reli-
giositat ist ein G-rnndzug seines Wesens geblieben.
Seine Hauptinteressen freilich galten zunachst der Pbilologie.
Aufier ungewoknlicber Reife raid Arbeitsdrang brachte er sichere
Sprackbeherrschraig , philosopbische Interessen, ein ausgebildetes
Empfinden fiir die antibe Beredsamkeit nnd ihre Kunstmittel raid
ausgesprochene Begabnng fiir die ts%vr], die Methode textkritischer
Arbeit, anf die Universitat mit. Schon im zweiten Semester wurde
er in Berlin ordentliches Mitglied des Seminars, eine damals ganz
unerhorte Auszeichnung, raid als er im dritten nacb Bonn iiber-
siedelte, konnte er sick sofort an einer akademiscben Wettbe-
werbung beteiligen, bei welcker der voile Preis ihm zufiel, obwohl
er das ihm nickt reckt znsagende Thema ganz nach seinen indivi-
duellen Neigungen rangestaltet hatte. Zwei Jakre hat er hier,
zum ersten Male anf langere Zeit dem Elternhause fern, in be-
gliickendem Yerkehr mit reick begabten raid weit interessierten
Erennden gelebt, nnd entsckeidenden EinfluB kat, so weit es bei
einer schon stark sick entwickelnden Individualitat moglich ist,
Hermann TJsener anf sein Werden gewonnen. Die wunderbare
Vereinignng peinlickster Akribie raid liebevollster Versenkung in
das einzelne kleine Problem mit der Weite des Blickes raid der
Tiefe der Gredanken muBten gerade anf Wendland besonderen
Eindrnck machen, aber es ist charakteristisch, daB es nock der
Philologe im engeren Sinne ist, der so gewaltig anf ikn wirkt,
nicht Usener als der Sckopfer einer „ Religions wissenschaft", der
seinen wenig jiingeren Erennd Albrecht Dieterick schon damals
besonders ergriff. Nock kat Wendland nickt die Yereinigung
seiner beiden Lebensinteressen gefnnden, und sein Hanptinter-
e s s e gilt der Philologie. Hier aber ist es reizvoll, in dem Sinne,
wie Wendland selbst in seinem tief empfundenen Gedenkblatt fiir
Usener die Einfliisse der akademiscken Lekrer Useners auf dessen
spateres Manneswerk ins Ange faBte, bei Wendland selbst die
Nachwirkungen Useners dnrck sein ganzes spateres Sckaffen zn
verfolgen. Immer wieder nimmt er einzelne Gredanken des geliebten
Lehrers auf und fiihrt sie in eigener Weise fort; nock in dem
AbriB der G-eschichte der griechischen Prosa, der den Charakter
des einfiihrenden Lehrbncbes sonst angstlick wakrt, keben sich die
Abscknitte und Grestalten heraus, bei denen wir Useners Betrach-
tungsweise zn empfinden glauben, nnd der letzte groBe Lebensplan
Wendlands, Plato den Grebildeten nnserer Zeit als den Kiinstler
und Dichter darzustellen und ihn als Menscken in das Leben seiner
Paul Wendland.
73
Zeit hineinzuriicken, steht in der Auffassung der Aufgabe und der
ersten Anregnng wohl hauptsachlich unter dem EinfluB Useners.
Nach Berlin zuriickgekehrt schloB sick dann Wendland an
Hermann Diels, der, selbst Useners Schiiler, dessen Arbeit anf dem
Gebiete der grieckiscken Philosopkie kraftvoll fortsetzte. Die
Dissertation Quaestiones Musonicinae entstand nnd zeigte in der
ungewohnlicken Beherrschung der spateren Philosopkie nnd der
sickeren Methode der Qnellennntersnchung den Zweiundzwanzig-
jahrigen als vollgereiften Philologen. In Wirklickkeit der erste
glanzende Yersnck Wendlands, den EinfluB grieckischer Philosopkie
auf die groBen Lehrer des Ckristentums nachzuweisen, zeigt sie
freilich fiir die Bedentnng und Eigentiimlichkeit dieses Abkangig-
keitsverkaltnisses, das ihn spater so lebkaft besckaftigte, nock
kanm ein Empfinden.
Die nachsten Jakre brachten die Yorbereitnng fiir das glan-
zende Staatsexamen und den Eintritt in den Schuldienst. Etir
.seine wissenschaftliche Entwicklung wurde entsckeidend, dafi die
Berliner Akademie als Preisaufgabe der Chaiiottenstiftung eine
Neubearbeitung yon Philos Sehrift iiber die Weltschopfung gestellt
katte. Eine wissensckaftliche Ausgabe des nack so vielen Seiten
wicktigen Gesamtnachlasses des alexandrinisch - jiidiscken Philo-
sopken sollte dadurck vorbereitet werden. In der Bewerbungs-
arbeit Wendlands erkannte die Urteilskommission die groBe Auf-
fassnng der Aufgabe, die vielseitige Bildtmg nnd den tiefdringenden
kritischen Sckarfblick, der am besten die voile Durchfiihrung der
ungekeuren Aufgabe sicherte; ikm sprack sie den Preis zu. Aber
entsckeidend ward fiir die Yollendung, daB Wendland sick die
Mitarbeit des zweiten, betrachtlich alteren Bewerbers, Leopold
Cohn, sicherte. In treuer Gemeinschaft kaben sie dann den Haupt-
teil der Arbeit in sechs Banden geleistet, bis der Tod beide kurz
nack einander abrief. Fiir den Rest liegen umfassende Yorarbeiten
von Wendland vor.
Der Preis gewahrte die Mittel zu einem fast einjakrigen Auf-
entkalte in Italien, wo das kritiscke Material zusammengebracht
werden muBte. Die Aufgabe erwies sick, da fiir die Fragmente
auck die indirekte Uberlieferung aufzuhellen war und Wendlands
tiefgriindiges Forschen auck sogleick auf Ckarakter und Quell en
der einzelnen Schriften gi ng, als verwickelter und weittragender,
als man wokl angenommen katte. Es ist staunenswert, was er in
der kurzen Frist von zekn Monaten an schopferischer Arbeit neben
der Kollationstatigkeit geleistet kaben muB. Die kleine, bald nack
der Heimkehr verfaBte Sehrift „Neuentdeckte Fragmente Philos
74 :
E. Eeitz enstein,
1891 zeigt, daB der Sechsundzwanzigjahrige damals den Hohepunkt
konzentrierten Schaffens und Grestaltens erreicht hat, den begna-
deten Grelehrten wohl der Ubergang yon der Junglingszeit znm
Mannesalter bringt. Selbst wer dem eigenartigen Stoff innerlich
fremd gegeniibersteht, yerfolgt mit Spannung, wie sich ans jedem
Fund nene Probleme, ans jeder Losnng weitere Fragen ergeben
und den Philologen immer tiefer in die tjb erlief erungsges chicht e
,auch der friibchristlichen Literatur hineinfiihren, fiir die damals
noch beschamend wenig getan war.
Michaelis 1890 trat W endland definitiv in den Schuldienst
ein, der ihn bis Ostern 1902, also fast wahrend der yollen Halfte
der ihm beschiedenen Manneszeit, gefesselt hat. Aber seine gewal-
tige Arbeitskraft ermoglichte ihm daneben eine wissenschaftliche
Tatigkeit, wie sie wenigen akademischen Lehrern yergbnnt ist.
Damals hat er sich die virtuose Editionstechnik ausgebildet und
die notwendigste und erziehendste, aber auch entsagnngsvollste
Aufgabe des Philologen immer wieder, auch bei wenig lockenden
Texten, auf sich genommen. Der Beiz, der gewiB in der Ausbildung
und TJbung solcher Kunst liegt, und der Grewinn sicherster ins
Individuelle dringender Sprachempfindung wird durch das Unper-
sonliche, das bei den meisten Schriftstellern dieser Arbeit anhaftet,
reichlich aufgewogen, und gerade Wendland empfand mehr und
mehr das Bediirfnis , seine Person in seiner wissenschaftlichen
Arbeit zum Ausdruck zu bringen. Aber ein hohes Empfinden der
Pflicht, zu leisten, was im Augenblick der Wissenschaft not tut,
die ein GrroB oder Klein in der Arbeit nicht anerkennt, zwang
ihn, und er erwarb als schonsten Grewinn die Kunst des Fertig-
werdens. Daneben entschadigten sachliche Arbeiten, die sich bei
der Philo - Ausgabe ihm aufdrangten. Zwangen doch schon die
Zweifel an der Echtheit einzelner Schriften, nicht nur auf die
Sprache, sondern auch auf den Gredankeninhalt und die literarische
Form einzugehen. Die Theologie des Poseidonios und die Form
der kynisch-stoischen Popularpredigt warden im Hinblick auf Philo
genauer untersucht, und der glanzende Nachweis der Echtheit der
Schrift yon dem beschaulichen Leben, der die Existenz einer Art
Monehtum in vorchristlicher Zeit aufier Zweifel stellte, veranlaBte
schon damals eine tfntersuchung uber den Ursprung des Monchtums,
der sich bald Einzelforschungen zu dessen altester Literatur an-
schlossen. Er lieB sie in seiner ruhigen Art zunachst liegen, und
sie sind nngedruckt geblieben, haben ihn aber bis in seine letzten
Jahre immer wieder beschaftigt; eine gelegentliche Aufierung im
Paul Wendland.
75
vorigen Eriihling zeigte mir, daB er noch immer daran daclite,
sie umzugestalten und herauszugeben.
Noch einer Episode habe icb aus dieser Zeit zu gedenken,
nicht urn friihere Gegensatze wieder zu beleben, sondern am sein
Wesen darzustellen and MiBverstandnisse abzuwebren. Neben der
gewaltigen eigenen Production hat er zu aller Zeit auBerordentlich
viel und aufmerksam gelesen und nach dem Lesen oft genug znr
Eeder des Rezensenten gegriffen. Das tiefe GerecMigkeitsgefiihl,
das einen Grundzug seines Wesens ausmachte, lied ihn dabei immer
besonders hervorbeben, was durcb fremde Arbeit neu gewonnen
war. J edesmal Eigenes dabei zu bieten, schien ihm wiinschenswert,
aber weniger notig; Ausstellungen wurden in mildester Eorm ge-
macht. Er verstand ja auch, wo sie sich gegen ihn selbst rich-
teten, sie nicht nur zu vertragen, nein, fiir sie zu danken. Und
doch ist der milde und gerechte Rezensent einmal furchtbar sckarf
ge worden. Die von niemand sehnlicher als von ihm erwartete
mon um ent ale Ausgabe der griechischen christlichen Schriftsteller
der ersten drei Jahrhunderte hatte begonnen und in den ersten
Banden noch nicht durchweg die geeigneten Bearbeiter gefunden.
Weit wichen wichtige Teile von dem Bilde ab, das dem Meister der
Eorschungs- und Editionsmethode vorschwebte. Er wuBte, daB
niemand so wie er in der Lage war, die Schwachen nachzuweisenr
und empfand die wissenschaftliche Bekennerpflicht, so tief ihn im
Innersten erregte, dafi man sein Vorgehen miBdeuten konne. Mit
sachlicher Klarheit, aber personlicher Liebenswiirdigkeit wies er
einem theologischen Bearbeiter die methodischen Fehler nach, aber
mit schneidender Scharfe trat er von Anfang an dem Philologen
gegeniiber, der einen grammatiseh nicht voll verstandenen Text
meinte in ,„urkundlicher a Passung bieten zu sollen und zu konneru
TJnd als der Zurechtgewiesene, der in ehrlicher Uberzeugung einer
verderblichen Modestromung gefolgt war, sich als Vertreter echter
Wissenschaftlichkeit und Nachfolger der groBen Meister gesunder
Textkritik geben und den „ Konj ektur enj ager a wie einen Schul-
buben abkanzeln wollte, entbrannte W endland in wahrhaft heiligem
Zorn. Nicht ob er dabei an jeder Einzelstelle gleich das Richtige
getroffen hat oder in Aufierlichkeiten auch einmal zu einseitig fiir
das eigene Schema eingetreten ist, oder ob der an die Kollationen
gewandte EleiB auch ein Wort der Anerkennung hatte flnden
konnen, darf man in solchem Ealle fragen, sondern ob Wendland
wirklich die Wissenscbaft, der halbes Wissen kein Wissen mehr
ist, selbstlos vertreten nnd zugleich dem Werke entscheidend ge-
nutzt hat, das fiir Generationen die Grundlage der Arbeit auf
76
E. Beitzen stein
diesem Grebiete geben soli. Diese Frage ist beantwortet, am
schbnsten yielleicht durch die Entwicklung des Werkes selbst und
durcb den versohnenden Ausgang, daB Wendlands letzte, fast ab-
geschlossene Lebensarbeit eben ihm gewidmet ist.
Im Herbst 1901 bei der Philologenversammlung zu StraBburg
eroffnete der nocb jugendliche Gymnasiallehrer die erste allgemeine
Sitztmg mit einem Yortrage iiber Christentum und Hellenismus
in ihren literariscben Beziehungen. Fur micb und wobl mancben
Teilnehraer dieser kleinen, aber bocbgestimmten Yersammlung wird
es nnvergeBlich sein, wie hier in der ersten und letzten Sitzung
zwei Schiller Useners, unter sicb befreundet und doch ibrem ganzen
Wesen nacb yerschieden, jeder die eine Seite seines Lebrers in
reinster Fortbildung zeigend, neben einander traten, Paul Wendland
und Albrecbt Dieterich. Dieterich bracbte eine Probe aus seinem
im Plan scbon abgescblossenen prachtigen Bucbe „Eine Mithras-
liturgie a , Wendland spracb bei der Yeroffentlicbung seines Yor-
trages die Hoffnung aus, daB er ibm selbst „nacb Jahren oder
Jahrzehnten“ die Grundlage eines groBeren Werkes bieten moge.
Als Ziel wenigstens schwebte es ihm scbon vor. Fur Dietericb
hatte ein liebenswurdiger Spotter, wenn icb nicht irre, damals die
Bezeichnung „ der Prophet “ gepragt, und mit der gewaltigen Kraft
der Intuition wie der begeisterten Rede hatte er tatsachlich yiel
von einem solcben an sicb, yielleicbt aucb dies, daB ibm in greif-
barer und erreicbbarer Kahe Ziele unserer Wissenschaft erschienen,
die wobl erst Generationen nacb uns erreichen werden. Fiir
Wendland hatte derselbe Spotter yielleicbt den Namen „der Lehrer a
pragen konnen. Er wollte iiberzeugen, indem er alles Erreicbte
zusammenfaBte, erweiterte und vertiefte, und trat so als didocGXccXog
ebenburtig neben den itQotptfzrjg. Wie wir in der liebeyollen Ver-
senkung in den Scbnlbetrieb des Origenes Einwirkungen TJseners
wiederfinden, so in der Auffassung des urchristlichen Scbrifttums
die Einfliisse des Basler Theologen Overbeck, in anderen Schilde-
rungen Anregungen yon Hatch oder Gedanken yon Harnacks. Fiir
eine groBe, zwei Wissenschaften gemeinsame Aufgabe will Wend-
land Mitarbeiter werben; was er selbst hinzubringt, ist auBer der
wundervollen Kenntnis des Details und der Reife des Urteils, die
ibn liberal! bericbtigen und erweitern lassen, die gewinnende
Herzenswarme. Alles Hascben nacb Sensation war ibm zuwider.
Der letzte Satz der Yorrede entbielt die scbarfe Absage an die
Philologen, denen etwa als nattirlicbes Ziel ibrer eigenen Forschung
erscbeine, die Ecksteine moderner Tbeologie umzustoBen, als seien
es Kartenbauser.
Paul Wendland.
77
Schon der folgende Frtihling bracbte die Bernfung an die
Universitat Kiel; die zweite Halfte der Manneszeit Wendlands
beginnt. Sie stellte, so trefflich er auf alien Gebieten der Philo-
logie orientiert war, an seine Arbeitskraft neue and selxwere An-
forderungen, die dadurcb noch gesteigert warden, daB in verhaltnis-
maBig kurzer Zeit die Ubersiedlung nach Breslau nnd dann im
Eriibling 1909 die nacb Gottingen folgte nnd jeder Wechsel auch
eine Anderung seines Kollegienkreises mit sick brachte. Erst in
Gottingen ist er zam AbschluB gekommem Aber auch hier stellte
der Eintritt in die Gesellschaft der Wissensckaften ihn vor neue
Anfgaben, und mit wie kingebendem Eifer er an ikren Arbeiten
Teil genommen kat, steht alien in Erinnerung. Auch die Schule
forderte immer nock einen groBen Teil seines Interesses. Wohl
katte jener edelste Ehrgeiz, alle Krafte in sicb zur Wirkung und
Entlaltung zu bringen, ikn von der Sckule den Blick seknsiicktig
nacb der Universitat rickten lassen; jetzt liefi er ikn liebevoll
inomer wieder von der Universitat zur Sckule zurtiekkekren. Fiir
die Erziebung der Lehrer zu sorgen und ftir die Erkaltung des
Gymnasiums und der zentralen Stellung der kumanistischen Bildung
in dem Unterrickt einzutreten, war ibm Herzenssache. Was ikm
selbst das Leben fullte und begliickte, wollte er weitesten Kreisen
zuganglich macben und verkiinden. Es sind niebt nur auBere An-
lasse, die gerade jetzt das Lebrbucb in seiner Scbriftstellerei her-
vortreten lassen oder eine Anzabl Aufsatze fiir das weitere Pub-
Hkum veranlassen. Das zeigt am besten der friiber erwabnte Plan
des Werkes iiber Plato. Dem Cbarakter des Lebrbuchs, das nur
das Sicbere bieten und alle bisber geleistete Arbeit umfassen soli,
paBte er sicb dabei mit peinlicber Gewissenbaftigkeit an und beriick-
sicktigte in der Art der Dar stellung sorgfaltig die Bediirfnisse des
Kreises, an den er sich wendete. Fiir die Forscbung im engeren
Sinne blieb dem Unermiidlicben daneben Zeit genug, und manebes
sebone Einzelergebnis hat sie gezeitigt. So ermoglicbte ibm sein
femes Verstandnis fiir die Entwicklung der antiken Rhetorik im
Anfang dieser Epoche den glanzenden Fund, der an den Namen
des Anaximenes von Lampsakos scblieBt, und gegen Ende jene
meisterbafte Analyse eines Abschnittes in dem Anctor ad Beren-
nirni in dem letzten lateiniscben Gottinger Programm, die mir
vielleicbt deswegen so besonders lieb und wert geworden ist, weil
er selbst mir die an sicb einfacbe und naheliegende Beobacbtung
mitgeteilt batte, von der er nacb seiner Art ausging, und icb nun
mit Staunen gewabrte, wie iiberrasekende und weittragende Fol-
gerungen sein Spiirsinn daraus zu gewinnen verstand.
78
R. Reitzenstein,
Von besonderer Bedeutung sckeint mir , eine andere feleine
Arbeit aus dem Anfang dieser Epoche, die Usener im Herbst 1904
gewidmet ist, die Untersuehung iiber das Wort Indem er
den Begriff zunackst in dem kellenistiscken Herrsckerkult verfoigte
und die charakteristiscken Verbindungen des Wortes Her fest-
.stellte, gewann er sicli nicht nur die schlagende Erklarung fiir
eine Anzahl nentestamexitlicker Stellen, sondern auck das innerliche
Verstandnis fiir den Ubergang yon der jiidischen Messiasvorstellung
zu der christlicken Yorstellung yon dem Welterloser nnd Welt~
beiland, oder wenigstens fiir die Form, die sie in einer bestimmten
Epocke des TJrckristentnms annimmt. Mit yoller Sckarfe sprickt
er es aus, daB es unmoglick ist, die urckristlicken Sckriften ledig-
lick ans sick kerans nnd aus den alttestamentlicken Beminiszenzen
zn erklaren. Die yolle Eenntnis der grieckiscken Literatnr und
Kultur mnfi kinzntreten Denn den konventionellen Sinn der
griecHscken Worte in der friihckristlicken Zeit gilt es zunackst
zn erfassen ; die Spracke iibt einen stillen Zwang anf den Bedenden,
formt seine Yorstellnngen um, vermittelt ikm nene nnd wakrt in
dem allmaklicken Wand el der Worth edeutungen, in der Biograpkie
der Worte, wie er es nfennt, die Gesckickte der Geistesentwicklung.
Dafiir, dafi er so die Spracke auck der altckristlicken Literatnr
zn versteken gelernt kabe, dankt Wendland im Scklufiwort seinem
Lehrer, nickt nur, weil er dadnrck Pkilologe geworden sei, sondern
weil er eine Bereichernng seines innersten Lebens
erfahren kabe.
Die kleine Arbeit kat nickt nnr anf tkeologiscke Eorscker
wie Lietzmann und Bonsset stark weitergewirkt, sondern, wie ich
yermute, fiir Wendland selbst ein entscheidendes Ereignis mit
kerbeigefiikrt. Im Friikjakr 1905 forderte Lietzmann ihn anf, fiir
.sein Handbuck znm Nene n Testament als Einleitung zunackst eine
Ubersickt iiber die nrchristlichen Literatnrformen, dann aber anch
eine kurze Darstellung der kellenistisck - romiscken Kultur zu
schreiben. Lietzmann, selbst ein begeisterter Scbiiler Useners,
ward dabei yon der Erkenntnis geleitet, daB, was anf ersterem
Gebiet die moderne Tkeologie leistet, tatsachlick rein pkilologische
Arbeit ist, deren Ertrag dadnrck nickt gefordert, sondern gefakrdet
wird, dafi eine immer nock betracktlicke Zakl der Arbeiter den
Blick zn sehr anf das Nene Testament beschrankt nnd die an der
Profanliteratur ausgebildete Methode literarischer Eorschnng nickt
geniigend beherrsckt. Dem Pkilologen mufite sick, wenn er anfier
der Yertrautkeit mit der urckristlicken Literatnr auck jenes inner e
Verkaltnis zn dem Stoff mitbrackte, okne das seine Arbeit anf
Paul Wendland,
79
jedem Gebiet ertraglos bleibt, eine dankbare Aufgabe bieten, wie-
wohl treffliche Yorarbeiten theologischer und fiir eine Reihe you
Schriften aueh philologischer Forscher bereits vorlagen. Dennoch
ist Wendland zunachst nur zogernd an diese Aufgabe herangetreten,
ja hat spater einen vollausgearbexteten Losungsversuch selbst unter-
driickt nnd erst nach einer Reihe von Jahren die ihm ganz ge-
niigende knappe nnd inhaltsreiehe Form gefunden. Weit gebt er
hier iiber die Anschauungen, die er nock in dem Yortrag von 1901
vertreten hatte, hinaus und wird fiir wichtige Fragen, wie die der
Pseudonymitat einer Anzakl nrchristlicher Schriften, wokl ent-
scheidend, fiir alle aber fordernd nnd anregend wirken.
Mekr lockte Wendland von Anfang an die zweite Aufgabe,
welche die Theologie ebenfalls langst empfnnden katte. Hier
war, wie die Erfakrung zeigte , der Philologe ganz unent-
bekrlich, nnd gerade die ietzten Jakre katten Wendlands Arbeit
immer starker nach dieser Seite gezogen. Die spatere Ent-
wicklung der grieckiscken nnd romischen Religion hatte ikn sckon
lange beschaftigt, und in Kiel wie in Breslan hatte er offent-
liche Yorlesungen iiber Hellenismus, Judentum und Cbristentnm
gekalten, die offenbar mit dem Plan, den er in seinem Yortrage
geauflert katte, eug zusammenkingen. Wokl hatte sick dabei neben,
ja iiber das literarische Interesse das sachliche gestellt, doch war,
wie wir das manckmal bei ihm seken, der Ausgangspunkt nock
immer derselbe geblieben und blieb es anck in dem Entwurf des
Rnckes, das in erster Fassung sckon 1907 erschien. Gewifi war
er der. einzige Gelehrte, der nack Ricktnng nnd Umfang seiner
Studien nnd Interessen , vor allem aber nach seiner ganzen
Empfindungsart zn diesem Werke befahigt war; auch betrachtete
er selbst dies Bnch, fiir das es ein Yorbild garnickt gab, zunachst nnr
als ersten Yersuck nnd Entwurf; dennoch bleibt stannenswert, wie
rasck er es vollendete. Was er von der zweiten Fassung sagen
durfte, dafi er sick freue, daB man die Liebe nnd Frendigkeit
nackempfinde, mit der er gesckrieben hake, gilt offenbar in noch
hokerem Grade von der ersten. Alle Krafte seines Geistes wie
seiner Seele konnten hier mit in Tatigkeit treten. Galt es dock
dem theologischen Leser nickt nnr in kurzen Zhgen ein Yollbild
eines unendlich reichen und in sick oft widerspruchsvollen Geistes-
lebens zu geben, sondern zugleich dessen Einwirkung auf das
werdende Christentum znm ersten Male voll darzustellen. Zwei
moderne Literatnren gait es gleick zu beherrscken, die oft genug
durch begreiflicke Einseitigkeit ihrer Yertreter in iiberkeckem
Angriff nnd engkerziger Yerteidigung gegen einander stritten,
80
It. Beitzenstein
beiden -gleich gerecht zu werden and ihnen auf Grand yollerer
Kenntnis den Weg gemeinsamer Arbeit zu weisen. Der Theologe
in "Wendland hat hierzu nicht weniger mitgeholfen als der Philo-
loge, die tiefe Pietat and Peligiositat nicht weniger als der Drang,
die Zusammenhange des Christentums mit der Umwelt wissen-
schaftlich zu erkennen, and selbst, was ihm innerlich fremder ist,
findet gerechte Abwagung and berichtigende Eorderung. Nicht
nar sein Studiengang, auch seine Yeranlagung legten es ihm naker,
die Einfliisse des Hellenismus besonders auf dem intellektnellen
Gebiete zu suchen; das irrationale Element der hellenistischen
Mystik lag ihm ferner, and nur zogernd entschloB er sich, das
Irrationale in der einzelnen gewaltigen Personlichkeit zu yerfolgen
and darzustellen. Man erkennt noch, dafi die Abschnitte, die diesen
Problemen gewidmet sind, sich zunachst wie eine Art Anhang an
ein in einem Zuge entworfenes Ganze angliedern, and empfindet,
wie er mit doppelter Yorsicht hier jede Mogliehkeit priift, am
dem Lernenden nichts Unsicheres zu bieten. Aber den Blick yer-
schlossen hat er diesem Gebiete darum nicht, sondern seine Be-
deutung mit Nachdruck hervorgehoben and aach auf ihm eifrig
and erfolgreich mitgearbeitet. So sehr sein Streben bleibt, nicht
umznsturzen, sondern zu erhalten und auszubauen, und so nach-
driicklich die Abweisung dilettantischer Yersuche einzelner Philo-
logen gehlieben ist, die sich noch in der zweiten Auflage in einem
Ealle bis zur ausffihrlichen Polemik innerhalb einer knappen Lite-
raturubersicht steigerte, so ist er doch weit iiber die zur Zeit in
der Theologie vorherrsckende Betrachtnngsweise herausgeschritten.
Nicht auBerliches Rustzeug nur, das man nach Laune einmal zur
Hand nimmt oder weglegt, sollte seine Philologie ihr bieten,
sondern sie yerlangte yon ihr eine starke Anderung in der Auf-
fassung der ersten Entwicklung. Zugleich sollte sie den Eaeh-
genobsen die beste Einfiihrnng in eine lockende und immer noch
notwendige Arbeit geben, eine Einfiihrung, aus der wir alle, Lehrer
wie Schiiler, immer wieder dankbar lemen,
W ohl konnte man in dem ersten kiihnen Entwurf noch Schwachen
des Aufbaus, Liieken und selbst kleinere Unstimmigkeiten ent-
decken; aber die theologische Eakultat der ITniyersitat GieBen er-
kannte doch mit Eecht schon damals die hohe Bedeutung des
W erkes und ehrte sich selbst, indem sie den Yerfasser darauf
zum Ehrendoktor der Theologie machte; sie empfand seine Eigen-
art feiner und tiefer als manche sonst maBvolle Eachgenossen, die
einen Angriff darin erblicken wollten, und mancher yon uns Philo-
logen, der zunachst zu sehr auf jene Lucken und kleinen Un-
Paul Wendland.
81
stimmigkeiten sab.. In reicli vermebrter, ganz ntagewandelter
Gestalt erscbien dann schon 1912 die zweite Auflage znsammen
mit den „ Literatnrformen a , als Werk von einzigartigem nnd
bleibendem Wert von beiden Seiten froh nnd dankbar begriiBt.
Fiir Wendlands eigenes Empfmden ist ein Brief charakteristiseh,
in dem er mir wobl die innige Freude anssprack, daB so viele
mitfiihlten, was er gewollt und empfnnden habe, aber hieraus zn-
•gleich die ernste Pflicht fiir sein weiteres Leben ableitete, dies
Buck immer anf der Hohe zn erhalten nnd zn vervollkommenen.
Er plante fiir die nachste Anflage die Litnrgien von Grand ans
dnrchzuarbeiten. Hier miiBten statt der Yertreter der praktischen
Theologie Pbilologen znnachst ein Corpus schaffen nnd die Geschiehte
scbreiben. Selbst die Frage der auBeren Sichernng einer so groBen
Anfgabe beschaftigte ihn. Den Grand hoffte er selbst zn legen.
Mit Becht verweilt, wer Wendlands Leben nnd Wirken schil-
dern will, bei diesem Werke; es bedentet fiir beides den Hohe-
punkt, den ihm zn erreichen beschieden war. Nicht vielen For-
scbern wird ja das Gliick zn Teil, in einem Werk ihr Innerstes,
ja ibre ganze Personlicbkeit voll znm Ansdruck zu bringen nnd
in ihm fortznleben auch mit alien Beicbtumem des Gemiites. Fiir
Wendland bedentete das Werk aber vielleiebt noeh mehr. Neben
einander batten seit seiner Jngend zwei Lebensinteressen in ihm
gelegen; hier hatten sie ibre Yereinigung gefnnden, nnd er fiihlte,
dafi diese Vereinignng, die ibn selbst begliickte, anf andere wirkte.
Es erfiillte micb mit Biibrnng, als ieb von ihm einen Yersucb
lesen durfte, die eigene wissenschaftliche Entwicklnng darzustellen :
anf einem Grenzgebiet babe er die groBte Zeit seines Lebens ge-
arbeitet. GrewiB, er hatte von Anfang an gesorgt, daB es niebt
nnr ein schftialer Grenzrain war, anf dem seine Ernten wuchsen.
Aber mit dem Hochgefiihl, ' das solehe Arbeit wobl gibt, Friichte
einznsammeln, die sonst nnbeacbtet bleiben, pflegt viel Eesignation,
ja oft die Bitterkeit verbunden zn sein, in keinem der beiden
Beiche docb ganz heimisch nnd wirklich Herrscber zn sein oder *
“dafiir zn gelten. Icb glanbe ans einzelnen Andeutnngen entnehmen
zn konnen, daB Wendland eine Zeit lang ancb den Drnck solcher
Empfindnngen kennen gelernt hatte nnd nnn frob das Gefiibl genoB,
in beiden voile, nnbestrittene Heimatsrechte zn haben. Nene Plane
aucb fiir die klassiscbe Pkilologie erfiillten ibn; mit Begeisternng
arbeitete er fiir sein letztes Kolleg die neue Aschylus-Ausgabe
von Wilamowitz durch, nnd der Entwnrf jenes Bnches iiber Plato
gewann greifbare Gestalt. Aber das tiickische Leiden, das sieh
scbon vor Beginn des Krieges ihm bemerkbar gemacht hatte,
Nachrichten ; geecbaftl. Mitteilangen 1916. 1. 6
82
R. R eitz enst ein,
lahmte seine Kraft. Vergeblich yersnchte er im letzten Sommer
noch wenigstens seine Vorlesungen durchzufuhren. Im Friibherbst
1915 brachte ein sanfter Tod das Ende schwerer, tapfer ertragener
Leiden.
Nur 51 Jahre ist er alt geworden. Nach Arbeitsleistung nnd
Wirkung gemessen war es ein langes, reiches Leben in stiller und
stetiger Entwicklung, nnd lange wird sein Bild fortleben, das Bild
des reinen nnd lanteren Menschen, des rastlosen Arbeiters nnd
des grofien Lehrers zweier Wissenschaften, die in ihm znr Einheit
geworden waren.
4
Bruno Keil.
Yon
R. Reitzenstein.
Noch eines schweren Verlustes, den die klassische PHlologie
erlitten hat, muB ich Her kurz gedenken, da er auch unsere
Gresellschaft mitbetroffen hat. Am 27. Marz dieses Jahres starb
zn Berlin nach kurzem Leiden Bruno Keil, Professor in Leipzig,
der seit 1904 unserer Gresellschaft als korrespondierendes Mitglied
angehort hatte, im Alter yon 56 Jahren. Auf Grymnasium and
Universitat yorziiglieh yorgebildet, hauptsachlich Schiller yon "Wila-
mowitz-Mollendorffs, hatte er sich zunachst der griechischen Bered-
samkeit zugewendet und schon durch seine Dissertation Analecta
Isocratea 1884 die Blicke auf sich gelenkt. In langen Studienreisen
durch Italien, Prankreich und England erweiterte er sein schon
friiher sehr yielseitiges Wissen und ward, wahrend er das Material
fiir eine Ausgabe des Rhetors Aristides sammelte, zugleich einer
der besten Kenner der Palaographie, Bibliothekskunde und Huma-
nistengeschichte. Wer ihn damals sah, kraftstrotzend und lebens-
gewandt, iiberreich an Gredanken und Planen und froh behaglich
in den Stunden der Erholung, begriff, daB er schon als Jiingling
von namhaften Grelehrten des Auslands als Grleichgestellter be-
handelt wurde, und erwartete das Hochste yon ihm. Mit dank-
barer Riihrung erinnere ich mich, wie mir, dessen pbilologische
Sehulung hastiger und enger gewesen war, im nahen Verkehr mit
ihm zuerst die ganze Weite und Hohe unserer Wissenschaft auf-
ging und ich in Rom hauptsachlich durch ihn eine zweite Lehrzeit
erleben durfte. Nach seiner Heimkehr ward er nach kurzem
Schuldienst als auBerordentlicher Professor nach StraBburg be-
rufen, zog dort Inschriften, Staatsaltertiimer und Greschichte des
antiken Wirtschaftslebens in den Bereich seiner Arbeit und war
84
R. Reitzenstein,
bald auch in ihnen Meister, ohne darum je die Literatur und be-
sonders die antike Rhetorik zu vernachlassigen. Erst das Ordina-
riat brachte ihm freilich die voile abademische Wirbsamkeit. Drei-
undzwanzig Jahre hat er seine reiche Kraft StraBburg gewidmet,
ein Lehrer von ungewohnlicher Begabung und bewundernswerter
Hingabe, schwarmerisch verehrt von seinen Schfilern, die trotz
der strengen Zucht, der fast fibergroBen Anforderungen und des
manchmal etwas barscken Tons, den Keil als echter Marker, ge-
rade wenn ihm am wohlsten war, leicht anschlagen konnte, em-
pfanden , daB er ihnen sein Leben und selbst einen grofien
Teil seines wissenschaftlichen Scha'ffens opferte. Denn so reich
und glanzend zu Anfang die eigene literarische Produktion ge-
wesen war, sie ward allmahlich seltener, vielleicht sogar nicht
nur, weil er seine Zeit so riickhaltslos alien Lernenden und
Fragenden zur Verfiigung stellte, sondern auch aus einer all-
mahlich sich ausbildenden Scheu, abzuschlieBen und in groBen
Ziigen zu gestalten. Immer weiter wurde der Kreis seiner Inter-
essen, aber immer mehr bedurfte es des auBeren Anlasses, um ihm
etwas aus den Schatzen des gesammelten Beobachtungsmaterials
zu entreiBen, und dafi der AnlaB einmal nicht glficklich gewahlt
war, trug dazu bei, daB er noch schwerer sich selbst geniigen, sich
beschranken und wirklich fertig werden konnte. Wohl nur zwei
Werke von ihm werden allgemein bekannt bleiben, der zweite
und leider einzige Band der Aristides-Ausgabe und der kurze,
aber in jeder Zeile originelle und aus dejn Yollen geschopfte Grrund-
riB der griechischen Staatsaltertiimer in Grercke-Nordens Einleitung
in die Altertumswissenschaft, beides Meisterwerke. Sonst haufte
sich eine wundersam reiche Grelehrsamkeit und glanzende Kombi-
nationsgabe gem, ja mit einer gewissen Demonstration um scheinbar
kleine Einzelfragen und schien sich manchmal wohl auch an sie
zu verlieren. Nur wer seine offentlichen Yorlesungen fiber antike
Wirtschafts- und Kulturgeschichte gehort hatte, wuBte, daB sich
in ihm aus der Kleinarbeit groBe Bilder und Anschauungen ge-
staltet hatten, und erwartete von ihm ein Meisterwerk, wie es
einst Boeckh in seiner Staatshaushaltung der Athener geboten hatte,
Denn bei allem Eeinempfinden far literarische Eormen fiber wog
bei Keil das Interesse an den Wirklichkeiten des Lebens. Er
ware, wie er selbst empfand, ein vorzuglicher Verwaltungsbeamter
geworden und bewahrte das auch im akademischen Leben. Ereude
am Rechnen und Messen war ihm angeboren, und jede Preisangabe
aus dem Altertum, jede Baurechnung oder kalendarische Eigen-
tumlichkeit bot seinem Spfirsinn und seiner Kxaft, sich in die
Bruno Keil,
85
Verhaltnisse selbst zu versetzen, Neues und Wichtiges. Nun sind
die zahllosen Einzelfunde fiir uns wertvolle, aber zerstreute Werk-
stiicke geblieben, und wir sehen zur Zeit Niemanden, der sie zu-
sammenfugen und den Bau errichten konnte, der Keil vorschwebte,
freilich nur als einer von vielen Planen. Einer unermudlichen
Arbeitskraft ist der boehste Lohn des Vollendenkonnens nur in
kargem MaB gewahrt worden. Er bat das selbst zu Zeiten bitter
empfunden. Wir aber miissen uns mit dem Gedanken trosten, daJ3
auch seine Arbeitsartsart an dem Einzelproblem vorbildlicb wirken
wird und daB die von ihm fertig gestellten Werkstucke sick einst
doch zum Bau zusammenfiigen werden, mit dem sein Name unlbs-
lick verbunden bleiben wird.
Bericht
tB*
fiber die offentliche Sitzxing am 4. November 19
Herr Kart Sethe las: Der TJrsprimg des Alphabets.
Nachricktea; gescWftl. Mittailaaffea 1916, 2,
7
f
Der Ursprung des Alphabets.
Von
Kurt Sethe.
Gelesen in der Sffentliehen Sitzung vom 4. November 1916.
Der Mensch wird sich naturgemaB beim alltaglichen Grebrauch
der Dinge, die er von seinen Yatem ererbt bat, nie oder selten
bewufit^ welcbe Yorgescbicbte diese Dinge haben, welcbe ver-
scblungenen Pfade ibre EntwicUung zuriickgelegt hat. Je ein-
facher und zweckmaBiger sie sind, desto mebr wird er geneigt
sein, sie als etwas selbstverstandlich Gregebenes zu betrachten; er
wird garnicbt auf den Gredanken kommen, daB sie etwa aueh anders
gestaltet sein konnten. Die Erage nach dem warum nnd wober
ist dnrch die Zweckmafiigkeit des G-egenstandes von vorn herein
abgeschnitten.
Diese allgemeine Wahrheit gilt aucb fiir das Alphabet, dieses
wundervoll einfache Instrument fiir die Gredankenubermittlung,
das man eine der groBten Schopfungen des menschlichen Greistes
genannt hat (Renan) nnd dessen Bedeutung fiir die Entwicklung
der menschlichen Knltnr in der Tat nicht hoch genug zu veran-
scblagen ist. Achtlos benutzt es der Einzelne wie etwas Selbst-
verstandliches, ohne zu fragen, wie und wo es entstanden ist.
Wie wenigen in unserm Yolke ist auch nur die Identitat der
deutschen und der lateinischen Schrift bewuBt, von der grie-
chischen ganz zu schweigen? Ein gut Teil Grelehrsamkeit aber
gehort schon dazu, um zu wissen, daB die Schrift der Grriechen
wie so Vieles, was wir diesem Yolke verdanken, ihre Wurzeln
im alten Orient gebabt hat, daB das Alphabet, das wir heute ge-
brauchen, das phonizische Alphabet ist.
Kurt Sethe, Der Ursprung des Alphabets.
89
Durch die Ausgrabungen and Forsehungen des 19. und 20.
Jahrhunderts, die die alten yergangenen Kulturen der orientalischen
Volker in Agypten, Mesopotamien, Syrien nnd Kleinasien and der
vorgriechischen Bevolkernngen yon Griechenland und der grie-
chischen Inseln, insbesondere Kretas, wieder ans Licht gezogen
haben, sind nns die Beziehungen, die nns mit dem vorklassisehen
Altertum verkniipfen nnd deren sich die Griechen nnd Homer
stets bewufit waren, ja im Allgemeinen wieder ins BewuBtsein
gerufen worden. Heute wissen es alle Gebildeten, dafl wir nns
in vielem als Erben der alten Agypter nnd Babylonier zu be-
tracbten baben. fiber den Grad dieser Abhangigkeit im Einzelnen
nnd den Anteil des Dankes, den wir dabei den einzelnen Volkern
des alten Orients schulden, ist man sicb jedoch (nnd auch die
Wissenschaft) nnr in den wenigsten Fallen klar.
Die ungeheure Popularitatswelle , die die Assyriologie mit
dem Scblagwort Babel und Bibel fur sich zn erregen yerstanden
hat und die sie in den Vordergrund des allgemeinen Interesses
getragen hat, hat Yiele, Gelehrte und Laien, dazn verfiihrt, nun
alles und jedes, was wir besitzen, anf die alten Babylonier zuriiek-
zufiihren. Der Panbabylonismus, wie diese Bewegung zutreffend
genannt worden ist, hat zeitweilig ganz iibersehen lassen, wieviele
gerade von den innerlich wertvollsten Besitztiimern nnserer Knltur
anf jenes andere altorientalische Volk zuriickgehen, dessen Ge~
schichte in noch weitere Fernen zuriickzuverfolgen ist, die alten
Agypter.
Audi dies trifft anf das Alphabet zn, dessen Wiege, wie hier
gezeigt werden soli, letzten Endes nirgendwo anders gestanden zu
haben scheint als im Niltal.
Dieser agyptische Ursprung des Alphabets ist bereits nm die
Mitte des yorigen Jahrhunderts behauptet worden; er hat lange
Zeit bis gegen den Ansgang desselben fur so gut wie bewiesen
gegolten; etwa seit der Wende des Jahrhunderts aber ist er von
assyriologischer Seite sowohl wie auch von verschiedenen andern
geiten aufs Lebhafteste wieder angefochten worden. Dank neueren
Forschungen anf dem Gebiete der Agyptologie diirfte nnnmehr
wohl der Angenblick gekommen sein, wo man die These wieder-
aufnehmen darf, wo sie mit nenen nnd ungleich strengeren Griinden
gestiitzt werden kann, als ehedem.
I.
Das Alphabet, die reine Lantzeichen- oder Bnchstabenschrift
mit bestimmter Anordnung ihrer rnnd 24 Zeichen, wie sie heute
7*
90
Kurt Sethe.
die west- und mitteleuropaischen Yolker gebrauchen, gebt bekannt-
lick iiber die Romer auf die Griechen, yon diesen anf die Phonizier
zurlicb. Yon ihnen miissen sie die Griechen, nach den Buchstaben-
formen zu schlieBen, spatestens im 10. Jb. v. Chr. zusammen mit
den Namen 1 ) nnd der Reihenfolge der Bucbstaben bekoxnmen
haben.
Diese Rezeption der phonizischen Bnebstabenschrift war eine
bei den Grieeben allgemein anerkannte Tatsache, die in der Be-
nennnng der Bnchstaben als pboniziscbe oder kadmiscbe (nacb
Kadmos, der sie ans Pbonizien nacb Grieebenland gebracbt haben
sollte) ibren Ausdruck fand 2 ). Die Zweifel, die sicb im Altertum
gelegentlieb gegen die Berechtignng dieser Benennung geregt haben,
wollen im Grande den Phoniziern nur die Ehre der Erfindung,
nicbt ihre Yermittlerrolle bestreiten 8 ) ; sie beweisen nur aufs Neue,
wie allgemein der Glaube an diese Rezeption war, die ja auch
dnxcb die Namen der Bucbstaben auBer Zweifel gesetzt wird. Z. T.
sind jene Anzweifelungen iibrigens offenbar tendenziose AuBerungen
eines Lokalpatriotismus der Insel Kreta gewesen 4 ), der sicb, viel-
leicbt in dunkler Erinnerung an das Yorbandensein einer alteren
Scbrift auf heimatlichem Boden in weit zuriickliegender Vorzeit,
der aUgemeinen Auffassung der griechiscben Welt entgegen-
stemmte 5 ) und selbst vor einer gewaltsamen Umdeutung des ihm
X) Da3 diese zweifellos semitisehen Namen wahrscheinlich wirklich phonizisch
sind, zeigte No Id eke, Beitrage zur semit. Sprachwissenschaft (1904), S. 124 ff.
(besonders S. 135). Die Endung a, die so viele von ihnen haben, ist nach ihm
griechisch (vgl. ypafAjxa, <J7jp,a) und nicht aramaisch, wie von anderer Seite ver-
mutet worden ist.
2) Herodot 5, 58. Kritias bei Athen. A. 50 (28) c. Ephoros bei Bekker,
Anecd. Gr. II p. 782. Diod. 3, 67. 5, 74 (s. u. Anm. 4). Pint. Quaest. conviv. 9, 3.
Clem. Alex, strom. 16, 75 (vgl. Suidas s. ypa^aza). Euseb. Praep. evang. 10, 5.
Photios s. Ootvin/pa Ypdp.jjt.aTa (s. u. S. 91 Anm. 1). Plin. n, h. 5, 67. Tacit.
Anna! 11, 14 (s. u. Anm. 3). Lucan. Pharsal. Ill 220. Pompon. Mela I 12.
3) Tacit. Annal. 11, 14: Primi per figuras animalium Aegyptii sensus mentis
effing ebant (ea cmtiquissima monumenta memoriae humanae impressa saxis cer-
nuntur) et Utterarum sdmet inventores perhibent. Inde Phoenices , quia mari prat-
pollebant, intulisse Graeciae gloriamque adept os, tanquam reperint, quae acce -
perant.
4) Diod, 5, 74: Trpoc ol touc Xlyavras, tfoi 26pot ebpetal tujv Yp<*pLp*cmov
dal, 7rapd 85 tootwv ®o{v txec p,a$(5vTec toTc ‘EXXtjoi 7uapa8e8dbxacfLV, outoi 8 3 da Iv ot
p.Exd Kct8p.oo TtXeocavrec e£c ttjv Eftpimnjv, xal 8ta tooto touc ''EXXirjvac ra ypa^ftara
4> otvfceia TcpoaayopEOEtv, cpaal (scil. die Kreter) to be Oofvtxac ota ££ dpxvjc sbpEtv,
dXXd touc tGtcooc t<Bv ypetju-j icitidv peTaftetvat p-dvov, xal xfj te ypacp^ Tata^ touc tcXeL
otouc T(jiv dvftpdiictov ^pVjaaa&at xal 8td touto tu^eTv tt]c 7cpoEip7]piv7jc 7rpGa7]yopfac.
5) Vgl. dazu S. Reinach, L’anthropologie 1900, S. 497 ff„ der den An-
Der Ursprung des Alphabets, 9X
nicht genehmen historisehen Ansdrucks <&glvi%7]'ux ypa\L\La.m nicht
zuriickschreckte x ).
Anf eben dieses ^phoniziscke^ Alphabet, das uns in seiner
eigentlichen Heimat, bei den Phoniziern nnd den andern Yolkern
der kana'anaischen Westsemiten (Hebraer, Moabiter) zuerst im
10. bis 9. Jh. y. Chr. (also nicht fruiter, als jene Reception des
Alphabets dnrch die Grriechen anzusetzen ist) in Inschriften ent-
gegentritt 2 ), gehen aber aneh alle anderen Alphabete zuriick, die
anf der Erde hente gebraucht werden oder friiher einmal gebrancht
worden sind.
Mit der Ansbreitnng der enropaischen Zivilisation iiber den
ganzen Erdball, mit der Ansdehnnng des Islams bis weit in den
Westen Afrikas nnd in den Shdosten Asiens, der des Manichaismus
nnd des Bnddhismns bis in den Osten Asiens hat sich das phoni-
zische Alphabet in seinen Ableitungen nnd Abzweignngen fast die
ganze Welt erobert. Es ist hente nnr noch das ckinesische Kultnr-
gebiet, das sich seinem Siegesznge — man darf wohl fragen, wie
lange noch — yerschliefit 3 ).
Aufler dem phonizischen Alphabet nnd nnabhangig yon ihm
hat sich, soviel wir wissen, nirgends anf der Erde wieder eine
reine Bnchstabenschrift entwickelt 4 ).
Wo sich sonst in alter oder nenerer Zeit bei einem Volke
eine Schrift selbstandig in natiirlicher Weise ans dem Bedhrfnis
znr (Jedankenhbermittlnng dnrch das Ange gebildet hat, in
Agypten, in Babylonien, in China, anf Kreta, in KLeinasien, nnd
spater anch in Mexiko, ist es stets eine Bilderschrift gewesen,
eine Schrift, die sich znm Gredankenausdruck der Bilder konkreter
Gregenstande bedient, der sogenannten Hieroglyphen , wie die
Grriechen diese Zeichen hei den Agyptem nannten.
spruch der Kreter auf die Erfindung des phonizischen Alphabets, in blinder Zu-
stimmung zu den Hypothesen von A. J. Evans, fur gerechtfertigt hielt.
1) Photios s. $otvut^ta ypa'jAfAaTa: Au8oi xai V lu>vec Ta ypafApLcrta drco too $oi-
vtxo; tou 3 Ayifjvopoc sbpovTos. To6toes 8e dv-ri^iyouat KpTjxes, cb? ebpe^vat duo too
ypdcpeiv h cpotv(xu)v 7rexdXois. Diese Etymologie auch erw&hnt bei Villoison Anecd.
Gr. lip. 186 ft
2) Inschriften des Konigs Kalumu von Sendjirli in Syrien, des Konigs Mesa
von Daibon in Moab (ca. 850 v. Chr.), der kupfernen Weihgeschenke an Ba c al-
Lehanon aus der Zeit eines sidonischen (d. i. phonizischen) Kbnigs Hiram, auf-
gefunden auf der Insel Zypern (die altesten aller phonizischen Inschriften, gewifi
noch aus dem 10. Jh.).
3) yor Kurzem ging die Nachricht durch die Blatter, dah die Japaner nun-
mehr das lateinische Alphabet annehmen wollten.
4) Uber die persische Keilschrift s. Exkurs 1.
92
Kurt Setke,
Eine solche Bilder- oder Hieroglyphenschrift hat ihre nattir-
liche Ursache und Entstehung. Der primitive Mensch iibermittelt,
wie man das bei wilden Volkern vielfaeh beobachtet hat, Nach-
richten an einen nicht gegenwarti gen Empfanger dadurch, daB er
sie nach einem gewissen System durch Bilder ausdriickt oder
symbolisch andeutet. Er gibt dem Andern gewissermaBen eine
Erzahlung in Bildern, die meist aber nur dem in die konventionellen
Eigenheiten des Systems Eingeweihten verstandlich sind und fur
Andere ebenso der Auslegung bediirfen wie jede symboBsche Dar-
stellung.
Durch eine streng konventionelle Regelung der Zeichenformen
und ihrer Anwendung entwickelt sieh hieraus im Laufe der Zeit
dann eine regelrechte Bilder sc hr if t, die zunachst auch noch
nicht Worte und Satze, sondem nur Begriffe und Gredanken an-
deutet, also noch rein ideographisch ist 1 ) 2 ).
Auf diesem urspriinglichen Standpunkt ist nun aber keine der
oben genannten alten Hieroglyphenschriften stehen geblieben. Alle
haben sich friiher oder spater zu einer phonetischen Schrift fort-
entwickelt, mit der sich nun auch bestimmte Wort- und Satz~
formen der Sprache cusdrucken lassen. Hand in Hand mit
dieser innem We s ens ander ung, bei der die Bilder ihre eigentHche
Bedentung vielfaeh verlieren, indem sie ihren Gredankeninhalt mit
einem Lautwert vertausehen, vollzieht sich mit der Schrift auch
eine auBere Wandlung, die jene zu unterstiitzen geeignet ist und
durch sie ihrerseits gefordert wird. Die Bilder losen sich beim
praktischen Grebrauch in Systeme von Strichen auf, die das urspriing-
licbe Bild nicht mehr erkennen lassen (Kursive, Linearschrift) ; sie
werden zu scheinbar willkiirlichen Kombinationen von Elementen,
die je nach der Hatur des Schreibwerkzeuges und des Schreib-
stoffes als Linien, Kurven, Punkte (Agypten, sogen. Hieratisch
und Demotisch), als Keile und Winkelhaken (Babylonien, sogen.
Keilscbrift), als Pinselstriche und Kleckse (China) erscheinen.
In den meisten Fallen ist die aus der ideographischen Bilder-
schrift entstandene phonetische Schrift ihrem Wesen nach eine
Silbenschrift, da die Silbe das Element ist, in das sich die Worter
1) Hierber gehort z. B. die von Meinliof, Ztschr. f. ag. Spr. 49, 3 jbe-
sproebene Satzschrift, die im Ewe-Lande zur Schreibung von Spruchwortero ge-
braucht wird.
2) Eine Unterscbeidung der Kedeteile, synonymer Ausdrucke oder besonderer
Satzformen ist dabei natiirJicb nocb ebenso unmoglieb wie ein genauer Ausdruck
fur das zeitliebe Verbaltnis und die kausale Abhangigkeit mebrerer Vorgange von
einander.
Der Ursprung des Alphabets.
93
ungezwungen yon selbst zerlegen. So die von den Sumerern,
einem Volfee unbekannter Herkunft , das spater den Siiden Baby-
loniens bewohnie, erfundene nnd yon den semitischen Einwanderern
des Landes, den Akkadiern, iibernommene Schrift (Keilsehrift),
die zur phonetischen Sehreibung ausschliefilich Silbenzeichen ver-
wendet nnd dabei Zeichen filr offene (u, du ) wie gescklossene Silben
(ur, par) besitzt, geseblossene konsonantisch anlautende Silben ( dur )
aber gern durch Kombination einer offenen und einer mit dem-
selben Yokal beginnenden gesehlossenen Silbe bezeichnet (du - ur
fur dur) 1 ), Auch die yon den griechisch redenden Bewobnern
Zyperns anf ikre Spracke iibertragene Schrift (53 Zeichen) nnd
die ans der chinesiscken Schrift abgeleitete Schrift der Japaner,
das Katakana (47 Zeichen), sind solche Silbenschriften, die beide
indefi im Gegensatz zur Keilsehrift nnr offene, rein vokalische
oder mit einem einfachen Konsonanten beginnende, Silben kennen 2 ).
Anch die chinesische Schrift ist gewissermafien eine Silbenschrift ;
da die chinesische Sprache aber nur noch einsilbige Worter kennt,
nnd die mehrsilbigen Worter, die sie besitzt, stets ans solchen
einsilbigen Wortern znsammengesetzt sind, so ist die chinesische
Schrift, bei der das Bild eines einsilbigen Wortes nach Rebusaii
anch fhr gleiehlautende andere derartige Worter geschrieben wird,
eher als eine Wortsilbenschrift (1260 Zeichen) zu bezeichnen.
Ideographische Znsatzzeichen (Deter minativa) dienen im Chi-
nesischen 3 ) wie im Babylonischen 4 ) dazu, die Kategorie, der das
zn schreibende Wort angehort, anzndenten.
Wesentlich anders hat sich dagegen die Entwicklung der alt-
agyptischen Schrift vollzogen. Hier hat einerseits die Schrift,
die sich im praktischen Grebrauch (mit Tinte) sehr frhh gleichfalls
1) Die Keilsehrift kar»n jedoch statt der phoaetischen Sehreibung auch noch
die alten sumerischen Ideogramme gebrauclien, die nun mit ihren semitischen
Aquivalenten gelesen werden.
2) Nach der Zahl der Zeichen (45) wird auch die Bilderschrift des Diskos
von Phaistos auf Kreta vermutlich eine derartige Silbenschrift von offenen Silben
gewesen sein. — Die von Dee eke, Bezzenbergers Beitrage 9, 250 mitgeteilten
zypiisrhen Zeichen fur nos und ros, die ersten und einzigen, die filr geschlossene
Silben bekannt geworden sind, durften vermutlich ligierte Zusammensetzuogen
zweier Silbenzeichen sein, wie sie in der zyprischen Silbenschrift sonst stets
zum Ausdruck derai tiger geschlossener Silben gebraucht werden.
3) Dort Schliissel genannt, 214 an Zahl, den phonetisch gebrauchten Zeichen
nachgesetzt bezw, angeMngc.
4) Nur bei Eigennamen gebraucht und diesen yorangesetzt. Ebenso wahr-
scheinlich auf dem Diskos von Phaistos, s. Ed. Meyer, Sitz.-Ber. Berl. Akad.
1909, 1022. Ad. Reinach, Rev. arch. 4 me sdr. 15 (1910), S. Iff.
94
Kurt Sethe,
zu einer stark entstellten Kursive entwickelt hat (Hieratisch, in
der jiingerii Form Demotisch genannt), auf den Denkmalern doch
noch ihre alte deutliche Bildergestalt allezeit bewahrt (Hiero-
glyphen); andererseits aber hat sie, nnd zwar in der Kursive wie
in der Denkmalerschrift, den Gebrauch der Ideogramme (Wort-
zeichen nnd Determinativa) in ansgiebigstem Mafie beibehalten.
Sie halt also, ixn TJnterschiede zu den andern Schriften, auBerlich
und innerlich, wo es geht, die Eigentumlichkeiten der alten Bilder-
schrift (Bildgestalt und Bildbedeutuug) zahe fest, obwohl sie sieh
im tibrigen ihrem Geiste nach viel starker von dem reinideogra-
phischen Urzustand der echten Bilderschrift zum Idealzustand der
reinphonetischen Buchstabenschrift entwickelt hat, als irgendeine
andere Schrift vor der Erfindung des phonizischen Alphabetes.
Denn sie kennt keine Silbenzeichen, besitzt dafiir aber in ihrem
phonetischen Zeiehenschatz wirkliche Buchstabenzeichen fiir die
konsonantischen Laute.
Sie nimmt so in jeder Beziehung eine durchaus singulare
Stellung ein. Steinthal 1 2 ) hat sie daher eine heilige und prach-
tige Schrift genannt, weil in ibr die verschiedenen Stufen der
Entwicklung noch nebeneinander liegen und uns ihre Geschichte
lehren, wie die geologischen Schichten die Geschichte der Erd-
rinde.
H.
Das phonizische oder nordsemitische Alphabet tritt in seinem
altesten Geltungsbereich, bei den kana'anaischen Semiten, wie
gesagt, im Anfang des letzten vorchristlichen Jahrtausends ganz
unvermittelt, ohne erkennbare Yorstufe, fix und fertig, fast gleich-
zeitig auf syrischen, phonizischen, hebraischen und moabitischen
Denkmalern hervor. Sein Grundbestand von 22 Konsonanten-
zeichen, den die Semiten auch spelter nur noch durch Banzufugung
diakritischer Zeichen erweitert haben, liegt bereits abgeschlossen
vor s ). Die Schriftrichtung ist dieselbe wie spater, von rechts
nach links lanfend in wagerechten Zeilen.
1) Die Entwicklung der Schrift (Berlin 1652), S. 81.
2) Es gehoren dazu auch einige Zeichen, die wahrscheinlich in ahnlicher
Weise durch Zufugung eines Striches oder Kreises aus andern abgeleitet waren
(Heth aus He, Teth aus Taw, Sade aus Schin, und yielleicht Samekh aus Zajin),
wie spater die durch diakritische Elemente ahgeleiteten Zeichen in der arabischen
Schrift (s. dazu Lidzbarski, Ephem. f. semit. Epigraphik I 112). Diese dem
geschichtlichen Grundbestande des Alphabets bereits angehorenden Buchstaben
sekundarer Entstehung stellen also eine aitere Schicht solcher Differenzierungs-
buchstaben dar.
Der Ursprung des Alphabets.
95 '
Die Formen der Zeicken zeigen hereits unverkennbare An-
zeichen einer gewissen Abnutzung *). Obwohl die phonizische Schrift
nns in ihren altesten bekannten Proben nur in Stein und Metall
eingegraben vorliegt, also nicht geschrieben, sondern als Denkmal-
sehrift verwendet, die an und fur sich die Sckriftformen leicht zu
einer gewissen Brstarrnng zu bringen 1 2 ) oder in erstarrter alterer
Gestalt festzuhalten geeignet ist, verrat sie doch deutlich den
Cbarakter einer echten linearen Schreibschrift (Knrsive) 3 ), die anf
langern Gebrauck mit ahnlichem Schreibstoff und ahnlichen Schreib-
mitteln scklieken laBt, wie wir sie beute in Tinte, Feder nnd Pa-
pier besitzen und wie sie auch sonst bei alien Auslaufern
phonizischen Alpbabetes entsprechend gebrauckt worden sind oder
noch gebrauckt werden 4 ). Nur so lassen sick die runden Formen
manckerBuckstaben, wieTetk # , Lamed c Ajin O, Pe J ^ Kopk(p y
versteken, die (ebenso wie die runden Formen der entsprechenden
grieckiscken Buckstaben, sowie spater B, P) beim Sckreiben
mit einem grabenden oder ritzenden Werkzeug in einen karten
Schreibstoff (wie etwa Holz) niemals batten keryorgehrackt werden
konnen 5 ).
Die Neigung, den letzten freistekenden senkreckten Strich am
reckten Ende der Zeicken stark nack unten zu verlangern und
womoglick nack links umzubiegen, wie sie im phonizischen Al-
phabet bei einzelnen Buckstaben (Mem , Nun ) von Anfang an
hervortritt, ist eine fur die Tintenkursive ckarakteristiscke Er-
scheinung, die sick im agyptischen Hieratisck (z. B. bei den Einer-
zahlen, wie Utf = 4) genau ebenso beobackten laBt.
Manche unter den phoniziscben Buckstaben hahen auck sckon
die schrage, nach reckts geneigte Stellung angenommen, die die
, Zeicken auck in unserer Schreibschrift im Gegensatz zur Monu-
1) Lenormant, L J alphabet Phdnicien I 130 sagt von Mesa -Stein: „ddjijt,
l’dcriture s’y prdsente. avec un aspect comme fatigud et usd dans la forme de
certains caractdres, qui rdvele plusieurs si&cles d’usage antdrieur de ce type
graphique". Hirschfeld, Recent Theories on the Origin of the Alphabet (Journ.
Roy. Asiat. Soc. 1911, 963 if.): „The Alphabet manifests a maturity, which could
only have been acquired after a practice of several centuries".
2) So z. B. deutlich, wo die agyptische Kursive (Hieratisch und Demotisch)
auf Denkmaler gebracht wird.
3) Lidzharski, Handbuch S. 175; Ephem. I 266.
4) Uber den Gebranch des Papyrus bei Phoniziern und Griechen sielie den
Exkurs 2.
5) Es ist bier naturlich nur vom wirklichen Schreiben, nicht vom Eingraben
von Inschriften die Rede.
96
Kurt Sethe,
mental- und Druckschrift haben 1 ), eine Stellung, die sich beim
schnelleren Schreiben mit der rechten Hand notwendig einstellt
xind die daher auch in den stenographiscben Systemen bevorzugt 1st.
Aus alledem ergibt sich, daB man dem phomzisehen Alphabet
bei seinem ersten Hervortreten in Inschriften unbedingt ein ge~
wisses Alter im praktischen Gebrauch wird geben miissen 2 3 ). Das
wird umso mehr notig sein, wenn sicb seine linear gestalteten
Schriftzeichen, wie es nach dem Beispiel fast aller anderen be-
kannten Sehriften a priori anznnehmen ist 8 ) und wie der Augen-
schein bei einzelnen phonizisehen Buchstaben (z. B. Aleph, Jod,
c Ajin, Taw) zu bestatigen scheint, aus richtigen Bildern konkreter
Gegenstande entwickelt haben sollen 4 * * * ).
Das relatiy spate Auftreten der phonizisehen Inschriften, die
iibrigens ja auch aus den spateren Jahrhunderten in den kana-
'anaischen Landern selbst, in Phonizien und Palastina, auBerst spar-
]ich erhalten sind, hat sein Gegenstiick in der Tatsache, daB auch
die erhaltenen griechischen Inschriften erst mehrere Jahrhunderte
naeh der Rezeption des phonizisehen Alphabets einsetzen. In
beiden Patten ist es entweder Schuld der Zeit, die die alteren
Denkmaler weggewischt hat, oder diese liegen noeh in tieferen
Schichten des Bodens verborgen. Denn es liegt kein Grand vor,
die Schrift, sobald sie einmal da ist, nicht auch zur Gedanken-
1) Manche Inschriften bewahren natiirlich den Monumentalcharakter noch
mehr als andere nnd zeigen die Zeichen noch in ihrer urspriinglichen steilen
Stellung (Ba r al Lebanon A bis G, Ninive-Insehriften des 8. Jh.) } wo andere schon
die schrag geneigte Stellung der Gebrauchsschrift aufweisen (Ba'al Lebanon
Fragm. H, Mesa).
2) Ygl. die oben S. 95 Anm. 1 zitierten Aufierungen yon Lenormant und
Hir s chf eld.
3) Auch die yon Meinhof , Ztschr. f. agyptische Spr. 49, 1 fir. besprochenen,
erst in neuerer Zeit erfundenen Sehriften afrikaniseher Yolker gebrauchen aus-
nahmslos wirkliche Bilder, nicht etwa willkiirliche Strichgebilde, obwohl sie aus-
driicklich in der Ahsicht geschafiPen sind, das Beispiel der schreibenden Europacr
und Muhammedaner nachzuahmen. — Die einzige Ausnahme, eine Schrift, die
tatsachlich nur einfache gerade Striche in verschiedener Zahl, Grofie und Stellung
zur Zeile als Buchstaben gebraucht, ist das altirische „ogamische“ Alphabet
(Berger, Histoire de Pdcriture 341 Bf. Taylor, The Alphabet II 225 fit.). Man
kamn diese unpraktische Schopfung nur als pervers bezeichnen, zumal sie nach
Keimtnis des latemischen Alphabets ents*anden ist.
4) Auch die Bildung der dififerenzierten Buchstaben Heth , Teth u. s. w.
(s. oben S. 94, Anm. 2) und die friihzeitige Abzweigung des sudsemitischen Al-
phabets spreeben , worauf mich Lidzbarski und Littmann aufmerksam
macben, fur ein hoheres Alter der phonizisehen Schrift, als man ibr neuerdings
yielerseits hat geben wollen.
Der Ur sprung des Alphabets.
97
ubermittlung an spater kommende Greschlechter zu benutzen,
zumal es gewiB nie an Menschen gefehlt haben wird, die sich
durch Einkratzen ihrer Namen irgendwo zu verewigen suehten.
Jedenfalls ist es ja aber nicht allein das Eeblen alterer Inschriften
in phonizischer Scbrift, das uns in Erstaunen setzen mu 6, sondern
die von uns hinzunehmende Tatsaehe, daB sich aucb sonst von In-
schriften in anderer Schrift keine Spuren in Phonizien und Kana'an
aus den Zeiten vor dem Auftreten der altesten phonizischen In-
schriften (des 10/9. Jh.) gefuuden haben 1 ).
So wenig wir das Alter der phonizischen Buchstabenschrift
genau kennen, so wenig auch den Ort ihrer Entstehung. Wir
wissen nicht, bei welchem Zweige der kana'anaischen Sprachfa-
milie sie zuerst entstanden ist, ob bei den eigentlichen Phoniziern
oder etwa bei den Hebraern, wie man vielfach vermutet hat.
Das Grebiet, das die kana e anaischen V biker bewohnen und in
dem das phonizische Alphabet im 10. Jh. so unvermittelt zuerst
hervortritt, Syrien, Phonizien und Palastina, ist durch seine geo-
graphische Lage im Altertum zu einer ahnlichen Rolle verurteilt
gewesen, wie sie heute Belgien zwischen Deutschland, England
und Erankreich spielt. Es ist der Punkt gewesen, in dem sich
die Inter essen der alten GrroBmachte des vorderen Orients be-
gegneten: im Osten Babylonier und Assyrer am Euphrat und
Tigris, im Siiden Agypten, im Westen Kreta mit seiner Seemacht,
im Norden die kleinasiatischen Chethiter (Chatti), deren Macht-
zentrum in Kappadokien lag.
Mit den Babyloniern nnd den Agyptern standen die Kana-
'anaer, insbesondere die Phonizier, seit Jahrtausenden in regstem
Verkehr. Der Seehandel zwischen der phonizischen Stadt Byblos
(semit. Grublu) und Agypten lafit sich his in die altesten Zeiten
der agyptischen Greschichte, bis in das 4. Jahrtausend v. Chr.,
zuriickverfolgen 2 ). Palastina und Agypten sind uumittelbare Nach-
barn, die allezeit in lebhaftem Grrenzverkehr standen. Semitische
Hirtenstamme sind zwischen beiden Landern wieder und wieder
1) Die Keilschrifttafeln von Tell Ta'annek und Lachisch sind ja keine In-
schriften, sondern Schriftstiicke, die unseren Papieren entsprechen. Auch der
Siegel zylinder von Tell Ta'annek, der eine babylonische Inschrift neben einzelnen
agyptischen Hieroglyphenzeichen tragt (Sellin, Denkschr. Wien. Akad. 50, S. 27.
Yin cent, Canaan d’apres F exploration x^cente S. 170), und die analogen Zy-
linder von Sidon (Op pert, Compt. rend. Acad, des inscr. 1883, 11, S. 180.
Pietschmann, Gesch. d. Phonizier, S. 151) konnen nicht eigentlich als In-
schriften gelten.
2) S. meine Ausfuhrungen Ztschr. f. agyptische Spr. 45, 7 ff.
98
Kurt Sethe.
im Lauf der Geschichte heriiber and hinuber gewechselt. Seit
dem 16. Jh. v. Chr. sind Palastina and die phonizische Kiiste
jahrlmndertelang Provinzen des agyptisehen Reiches gewesen.
Beide Teile, Agypter and Kana'anaer, haben sich damals kalturell
aaf das Lebhafteste gegenseitig befrachtet.
Der gewaltige Einflafi aber, den andererseits die Babylonier
seit der Mitte des 3. Jahrtaasends aaf die kana c anaische Welt
ausgeiibt haben 1 ). zeigt sich am Augenfalligsten and fiir anseren
Gegenstand am Bezeichnendsten in der darch die Tontafelfande
yon El Amarna in Agypten bekannt gewordenen, darch die von
Tell Ta c annek 2 3 ) and Lachisch 8 ) in Palastina bestatigten Tat-
sache, da6 im 15./14. Jh. v. Chr. im amtliehen Briefverkehr
zwischen den kana'anaischen Vasallen (in Phonizien wie in Pala-
stina) and ihrem agyptisehen Oberherrn and seinen Verwaltungs-
behorden, wie auch zwischen jenen Vasallen selbst and andern
hochstehenden Personen im Lande babylonische Schrift and Sprache
allgemein als offizielles Verkehrsmittel gebraacht worden sind 4 * * * ).
Das Babylonische, das in dieser Zeit gleicherweise anek im Ver-
kehr zwischen Agypten and den Euphratlandern and dem Che-
thiterreiche gebraacht worden ist, hat damals im vorderen Orient
etwa dieselbe Rolle gespielt, wie in der Neuzeit das Pranzosische,
das ja hente aach den internationalen diplomatischen Verkehr be-
herrscht and einst aach ebenso im Verkehr zwischen den deatschen
fiofen gebraacht warde, wie das Babylonische zwischen den ka-
na c anaischen Piirsten.
Die phonizische Bachstabenschrift tritt also bei ihrem plotz-
lichen Erscheinen im 10. Jh. nicht aaf einem ganzlich unvor-
bereiteten Boden aaf, sondern bei einem Volke, das im Besitz
einer hochentwickelten (bei den eigentliehen Phoniziern selbst
gewifi recht alten) Kaltar war, dem die agyptische and die ba-
1) Er wird in der Zeit zwischen dem alten und dem mittleren Reich der
agyptisehen Geschichte, wahrscheinlich durch die Siegesziige der Konige Sargon
unci Naramsin, begriindet worden sein, die (nach P. Haupt) vielleicht sogar bis
nach Agypten gelangt sind. Sein altestes Zeugnis ist der ohen S. 97, Anm. 1
erwahnte Siegelzylinder von Tell Ta'annek, der aus der Hammurabi-Zeit (ca.
2000 v. Chr.) stammen soli.
2) Sell in und Hrozny, Denkschr. Wien. Akad. 50 und 52.
3) Knudtzon, Die El Amarna- Tafeln Nr. 833.
4) Damit hangt auch das Auftreten von babylonischen Inschriften auf Siegel-
zylindern kana'anaischer Herkunft zusammen, die sich in Sidon wie in Tell Ta-
*annek gefunden haben (s. oben S. 97, Anm. 1). Diese Inschriften verraten uns
den Stand ihrer Besitz er zwar nicht, wir diirfen aber wohl nicht daran zweifeln,
da8 es hochstehende Personen gewesen sind.
Der Ursprung des Alphabets.
99
bylonische ‘Schrift seit langem bekannt waren und dem auch die
jiingere Schrift der Kreter, sowie eventuell auch die der Chetbiter,
damals sehr wohl bekannt sein muBte. Es erscheint unter diesen
Umstanden undenkbar, daB die Kana'anaer, und zumal die Phoni-
zier mit ihren Handelskontoren, nicht langst im Besitze einer
Schrift zur Schreibung ihrer eigenen Sprache gewesen sein sollten,
wenn sich auch keine Spur dayon erhalten hat und wenn auch
auBer den vorhin erwahnten babylonischen Tontafelbrxefen yon
El Amarna, Tell Ta c annek und Lachisch und einigen babylonischen
Siegelzylindern iiberhaupt nichts auf uns gekommen ist, was als
Anzeichen fiir die Ausiibung des Schreibens bei ihnen dienen kann.
Man hat aus diesen Keilsehriftdokumenten und insbesondere
daraus, daB in den Brief en von El Amarna auch kana'anaische
Worter vorkommen, die babylonischen Ausdriicken als TJbersetzung
zugefiigt sind und wie diese in Keilschrift geschrieben sind 1 ), nun
in der Tat schlieBen wollen, daB bis zum Auftreten der phonizi-
schen Buchstabenschrift die Keilschrift die Schrift gewesen sei,
deren sich die Kana'anaer auch zum Schreiben ihrer eigenen
Sprache bedienten 2 3 ), wie das andere Volker damals oder spater
in der Tat getan haben 8 ).
Dieser Schlufi ist aber augenscheinlich hinfallig. So lange
sich nicht Schriftstiicke in Keilschrift gefunden haben, die in ka-
na'anaischer Sprache abgefaBt sind, besteht durchaus die Moglich-
keit, daB neben der fiir die babylonische Weltsprache gebrauchten
Keilschrift fiir die kana'anaische Landes sprache, wenn anders sie
nicht nur gesprochen, sondern auch geschrieben worden sein soli,
eine andere eigene Schrift e^istiert habe, genau so wie hetvte im
Orient neben der fiir die franzosische Staats- und Diplomaten-
sprache und die englische Handels- und fteiseverkehrssprache ge-
brauchten lateinischen Schrift die arabische Schrift fiir die ara-
bische, tiirkische oder persische Landessprache gebraucht wird 4 * * ).
1) s. Zimmern, Ztsclir. f. Assyriol. 6, 154 ff.
2) Ja man ist sogar soweit gegangen zu behaupten, die altern Biicher des
Alten Testaments seien urspriinglich in Keilschrift geschrieben gewesen. Hier-
gegen wendet sich in durchaus treffenden Ausftihrungen der Aufsatz yon Kelso,
Were the early Books of the Old Testament written in Cuneiform? in der Fest-
schrift fur Ed. Sachau S. 118 ff.
3) z. B. die Chethiter in Kleinasien, die Mitani am oberen Euphrat, die
Chalder in Armenien.
4) Jene kana'an&ischen Glossen in den babylonischen Amarna-Briefen be-
weisen in dieser Hinsicht garnichts. Im Zusammenhange der Tontafelbriefe
konnten sie nicht anders als mit babylonischen Zeichen geschrieben werden. So
IOC Kurt Sethe,
Der Yergleich des Babylonischen mit der franzosischen Sprache
laBt sich aber mit Bezug auf die kana'anaischen Lander vielleiclit
nock in ganz eigener Weise weiter durchfiihren, wenn man sich
des Vergleiches erinnert, der oben zwischen diesen Landern und
dem hentigen Belgian gezogen wurde. Die Rolle, die das Baby-
lonische in den kana'anaischen Landern zur Zeit der Amarna-
Briefe gespielt hat, ware dann der zu vergleichen, die das Eran-
zosische bisher in .den flamischen Landesteilen des Konigreichs
Belgien spielte. Hier wie dort die zur Weltsprache gewordene
Sprache eines benachbarten Kulturyolkes von Amtswegen als offi-
zielle Staatssprache nnd in den hoheren Schichten des Yolkes als
feinere Yerkehrssprache gepflegt; daneben die fast zu einer Magd-
rolle herabgedriickte Landessprache, hier der Elamen, dort der
Kana c anaer, yonx offentlichen Leben so gut wie ausgeschlossen.
Dafi eine so unterdruckte Sprache dennoch keineswegs ohne
eigen es Schrifttum dazustehen braucht, lehrt das Elamische.
Fiir die phonizischie Buchstabenschrift aber, ob sie nun mit
der so zu postulierenden altkana'anaischen Schrift identisch war,
ob sie aus ihr hervorgegangen war oder sie abloste, wird nach
den geographiscben und historischen Bedingungen, unter denen sie
erwachsen ist, und bei der hohen Entwicklungsstufe, die sie dar-
stellt, die Frage nach einem Zusammenhange mit irgend einem
der alteren orientalischen Schriftsysteme unabweisbar.
Diese Frage ist denn anch nicht erst in neuerer Zeit, sondern
schon im Altertum immer wieder gestellt worden. Sie stellen
heiBt sie bejaben, und so hat sie, wo einmal gestellt, damals wie
heute allseitig Bejahung erfahren, wenn anch die Meinungen dar-
liber, in welcher Bichtung der Zusammenhang zu suchen und in
welcher Art er zu denken sei, geteilt geblieben sind.
Wo im Altertum die Meinung laut wird, dafi die Phonizier,
yon denen man die Buchstaben iiberkommen hatte, nicht die £r-
finder, sondern nur die Yermittler gewesen seien, wird die Er-
findung bald den Syrern 1 ), womit auch die Hebraer gemeint sein
konnten, bald den Assyrern 2 ), bald den Agyptern 3 ) zugeschrieben,
wahrend die Kreter ihrerseits die Ehre der Buchstabenerfinder
wird man auch in einem franzOsisch geschriebenen Brief eines modernen Orien-
talen die arabischen oder tiirkischen Ausdriicte, die er einstreut, mit lateinischen
Buchstaben und in franzosischer Orthographie (i/n - challah, mcilech, diouari) ge-
schrieben linden.
1) Diod. 5, 74 (s. oben S. 90, Anm. 4). Plin. n. h. 7, 56.
2) Plin. n. h. 7, 56.
B) Tacit. Annal. 11, 14 (s. oben S. 90, Anm. 8). Gellius bei Plin. n. h. 7, 56.
101
Der Ursprung des Alphabets.
fiir sicli beausprucht zu baben scheinen (s. oben S. 90). Das Gleicbe
wird mehrfacb auch von den Agyptern bericbtet 1 ). Dabei ist
nicbt immer ersichtlich, ob von der Erfmdung der ^pboniziscben^
Buchstaben oder aber der Bucbstaben im Allgemeinen oder gar
der Schriffc iiberbanpt die Rede ist. Es erweckt vielmehr meist
den Auscbein, als ob die Alten von der Einbeit aller menscblieben
Scbrift, wie anderer Erfindnngen, iiberzeugt gewesen seien.
Bedeutsamer ist, daB wir aucb bei den Pboniziern selbst die
Spur einer Tradition nachweisen konnen, die auf den agyptiscben
Ursprung des phoniziscben Alpbabetes zu deuten scbeint. Pbilo
von By bios sagt in seinem auf den 1ST amen eines alten pbonizischen
Weisen Sancbuniatbon verfafrfcen Werke, dafi der Erflnder
der Bucbstabenschrift ein gewisser T&ouvcoc gewesen sei 2 ). Das ist,
wie nicbt wobl zu verkennen ist und aucb im Altertum nicbt ver-
kannt worden ist, niemand anders als der agyptiscbe Grott Tbotb 3 )
(Hermes), der nacb agyptiscber Lehre der Erfinder der Hiero-
glyph enschrift 4 ) gewesen sein soil und dem aucb in den Zeugnissen
der griechischen und romiseben Scbriftsteller die Erfindung der
Bucbstaben (Ypajr^am) zugescbrieben wird 5 ).
In neuerer Zeit ist die Erage nacb dem Ursprung des Alpba-
betes seit der Wiedererweckung des alten Orients eigentlicb nie
zur Rube gekommen. So oft nur in den letzten 100 Jahren eine
bisber unbekannte Scbrift im vorderen Orient ans Licht getreten
ist, ist sie aucb fiir die Mutterscbaft am pboniziscben Alphabet in
Anspruch genommen worden. Insbesondere die letzten Jabrzebute
baben Jabr fiir Jahr neue Tbeorien znr Sacbe gebracbt.
HI.
Man hat das phonizische Alphabet, nachdem lange Zeit biu-
durch seine Abstammung aus der agyptiscben Scbrift als nnbe-
zweifeltes Dogma gegolten batte, neuerdings aus der babylonischen
und assyrischen Keilschrift, aus der zyprischen Silbenschrift, aus
1) Diod. 1, 69: X£yooai Aiyircttoc nap 5 ocutoTc zf)v te twv ypafi.jj.c£Ta)v e5pecJtv
yevea&at. Ygl. ferner die xmten Anm. 5 aogeiiibrten Stellen.
2) Euseb. Praep. evang. 1, 10: Tctauxoc, 8? sups t^v mv TrpcbTtuv atoi/etav
ypacp*/jv. 8v A?y67iTiot [aev 0u>to^, 'AXEfavopeTc 8e 6u>u9, ''''EXXtqveg 8£ 'Epfrrjv exaXetfav.
S) 0O)u^ 0ui$, Beuft (Plat. Pliaidr. 58, 274. Phileb. 18b), kopt. &ooy"t
agyptiscb Dfywtj, in alterer Zeit moglicherweise mit a statt o vokalisiert.
4) Agyptiscb mdio ntr „G5tterworte K .
5) Plat. Pbaidr. 58 (274). Pbileb. 18 b. Diod. 1, 15. Plut. Quaest. conviv.
9, 3. Cic. nat. deor. 8, 22. Gell. bei Plin. n. b. 7, 56.
102
Kurt Setke,
den noch unentzifferten Schriften der kleinasiatischen Denkmaler,
die man den Chethitern zuschreibt, nnd der kretisch - mykenischen
Kultnrwelt, nnd schlieBlich gar ans den geometriscli gestalieten
Steinmetzzeichen nnd Marken ableiten wollen, wie sie sich in
Agypten nnd in anderen Randlandern des Mittelmeeres , wie
iibrigens iiberall anf Erden, in ahnlichen Eormen finden.
TJm zn diesen verschiedenen Tbeorien richtig Stellung zu
nehmen, wird man die folgenden 5 Punkte im Ange behalten
miissen, die wesentliche nnd fur seine Herkunft nicht zu iiber-
sekende Eigentihnlichkeiten des pkoniziscken Alpkabetes darstellen.
1) Die pkonizische Sckrift bezeicknet nnr die Konsonanten,
wozn anck die als Konsonanten fnngierenden Halbyokale j nnd w
nnd der als Konsonant empfundene Stimmeinsatz yor yokalisck
anlantenden Silben (Aleph, Spiritns lenis) recknen. Die Vokale
bleiben unbezeichnet 1 ).
2) Die pkonizische Schrift wird linkslanfig d. h. yon rechts
nack links geschrieben.
3) Die pkonizische Sckrift ist eine Schreibschrift, die den Gre-
brauch yon Sckreibmitteln gleick den unsrigen, Tinte, Eeder und
Papier, yoranssetzt.
4) Die phoniziscbe Sckrift berukt augensckeinlick anf dem
akrophoniscken Prinzip, d. k. die Buchstaben sind — yon den
sekundar ans andern abgeleiteten natiirlich abgeseken 2 ) — nack
einem bestimmten Gregenstande benannt, dessen Name mit dem
ketr. Lante anfing. In vielen Fallen ist anck nock deutlich er-
kennbar, daB das Buckstabenzeicken nrspriinglick das Bild eben
dieses Gregenstandes selkst darstellte. So wird z. B. der eigen-
tiimliche harte Kehlhaucklant der semitischen Sprachen einerseits
*Ajin d. i. „Auge“ genannt, welches Wort mit eben diesem Laute
1) Wenn von einzelnen Gelehrten gelegentlicli die Behauptung ausgesprochen
worden ist, die semitische Schrift sei garnicht eine reine Konsonantenschrift ge-
vresen, sondern eine Silbenschrift, das Koph z. B. sei eigentlich ein Siibenzeichen
ku (Lepsius) oder ka (Praetorius) geweseo, das erst sekundar auck fur die
Yerbindung des k mit andern Yokalen oder ohne Yokal gebrauckt worden sei,
so ist das eine Hypothese, die jeder Begrundung entbehrt und dem Tatbestand
absolut nicht entspricht.
2) Heth und Teth, die aus He und Taw abgeleitet zu sein scheinen (s. oben
■S. 94) und keinen konkreten Gegenstand darstellten, haben mechanisch gebildete
Benennungen, die den griechischen Buchstabennamen <pT ; yT, tyT zu vergleichen
sind. Dagegen haben das vermutlich ebenso aus Schin abgeleitete Sade nnd das
vielleicht aus Zajin abgeleitete Samekh eigene Namen bekommen, vermutlich von
Gegenst&nden, die man in ihnen erkennen konnte.
Der Ursprung des Alphabets. 103
anfangt, andererseits wird er durch ein Zeichen O bezeichnet, das
ganz augenscheinlich wirklich ein Auge darstellt 1 ).
5) Das phonizische Alphabet tritt bei seinem Erscheinen mit
einer festgegriindeten Anordnung der Buchstaben auf, beginnend
mit dem Stimmeinsatz, dessen Name Aleph „Rind a bedeutet, und
dem Zeicben fiir &, dessen Name Beth „Haus“ bedeutet; daher
ja der Name Alphabet 2 ).
In den beiden ersten dieser 5 Punkte, der Yokallosigkeit und
der linkslaufigen Richtung , unterscheidet sich die phonizische
Schrift scharf von der unserigen. Beide stellen Mangel dar, die
dem phonizischen Alphabet noch anhafteten und die erst von den
Gxiechen teils sogleich bei der Rezeption des Alphabets teils
spater im Laufe der Zeit beseitigt worden sind.
Die Ignorierung der Vokale ist nur bei einer Sprache des
semitischen Sprachstammes allenfalls ertraglich 3 ). Es ist eine
Eigentumlichkeit dieser Sprachen, die sie nur noch mit den ver-
wandten hamitischen Sprachen teilen, dafi in ihnen die Bedeutung
der Wortstamme nur an den Konsonanten haftet, die Vokale aber
lediglich zur inneren Unterscheidung der Formen dienen. Daher
kann der Semite auch ohne Vokalbezeichnung auskommen, solange
es sich nicht um Fremdworter oder ungebrauchliehe Kunstaus-
drlicke handelt. Bei .einer Sprache, wie der unsern, ware das
unmoglich. Man denke sich einmal die Worte labe, lebe , Hebe ,
lobe 7 Laube, Leibe, Laibe nur mit den Konsonanten l und b ge-
schrieben.
Dennoch spielt der Vokal aucb im Semitischen keineswegs
eine unbedeutende Rolle. Er ist fiir das Verstandnis genau so
wichtig wie bei uns, nur in ganz anderer Art. Und so ist die
vokallose Schrift auch fiir den Semiten immer nur ein Notbehelf
gewesen, dessen teilweise Beibehaltung bis in die neueste Zeit
z. B. im Arabischen sich im Wesentlichen aus der Grewohnung
erklart. Alle semitischen Schriften, die aus dem phonizischen
Alphabet hervorgegangen sind, haben sich denn auch friiher oder
spater die Moglichkeit einer Vokalandeutung geschaffen, sei es
durch Verwendung der Konsonantenzeichen Aleph, Jod, Waw fur
1) Zu dieser Ubereinstiminung zwischen Namen und Gestalt der phcjnizischen
Buchstaben s. Exkurs 6.
2) Uber die ver settled enen Theorien zur Erklarung der Ordnung des Alpha-
bets s. Exkurs 4.
3) Landlaufige Abkiirzungen wie Ztg., Dr., Mr., Mme. fiir Zeitung, Doktor,
Mister, Madame darf man nicht dagegen anfiihren. Hier handelt es sich um ver-
einzelt auftretende Dinge, nicht um regelmafiige Erscheinungen.
Kachrichten; geschaftliehe Mitterilungen 1916. 2.
8
104
Kurt Sethe,
die langen Vokale a, i, u, aknlich wie es die Grriechen bei der Re-
zeption gethan haben, sei es durch Hinzufugung von Stricken oder
Punkten, die man im praktiscben Leben aber nur im Notfalle
setzt, bei gewoknlichen oder aus dem Zusammenhange leicht er-
kennbaren Wortern aber weglabt.
Es kann kein Zweifel sein, dab die Nichtbezeichnung der Vo-
kale in der phonizischen Schrift etwas Unnatlirliches war, das
diesem im TJbrigen so vollkommenen Instrument etwas Unvoll-
bommenes gab 1 2 ). Sie ist eine Erscheinung, die aus dem semiti-
scben Sprachban allein nicbt begriindet warden kann, sondern
einer anfierhalb desselben liegenden Erklarung bedarf. Es ist
wohl begreiflicb, dab ein semitisch redendes Volk sick mit einer
solcken vokallosen Sckrift bekilft, aber nicht, dab es sick sie aus
freien Stiicken gesckaffen habe.
Diesen Gredanken klar erfabt nnd die wichtige Konsecpienz,
die er £iir die Erage nack der Herkunft des Alphabets haben mub,
sckarf erkannt zu haben ist das Yerdienst von Mark Lidz-
barski 3 ) nnd Heinrich Schafer 3 ).
In der Tat diirfte, wie der Letztere es mit aller Scharfe aus-
gesprocken hat, die Vokallosigbeit des pkoniziscken Alpkabetes mit
Notwendigkeit darauf fiihren, dab seine Entstehung nur unter dem
Einflusse einer alteren Sckrift erfolgt sein kann, die bereits diese
Eigentumlichkeit aufwies und die mithin einer nack Art der se-
mitiscken Spracken gebauten Spracke dienen mubte. Gringe die
phoniziscke Schrift auf eine Schrift, die die Yokale bereits be-
zeicknete, zuriick, so wiirde die Ignorierung der Yokale in ikr
einen vollig unbegreiflichen Riickschritt bedeuten, der erst durch
die Einfiihrung von Yokalzeichen durch die Grriechen (bezw. der
Yokalbezeichnung bei den Semiten) spater wieder gut gemackt
worden ware.
Ahnlich stekt es mit dem zweiten Punkt, der gleichfalls als
ein Mangel der pkoniziscken Sckrift (nnd der meisten ans ikr ab-
1) Naraentlich da, wo obne Worttrenmmg geschrieben wind, wie in den
eigentlichen pboniziscben Insckriften, bereitet das Fehlen der Yokale dem Ver-
standnis oft gro.Be Hindernisse. Die Inscbriften des Me£a und des Panammu
trennen die Worte denn aucb bereits durch Punkte.
2) Epkem. X 130, — Neuerdings scheint Li dz bar ski wieder davon zuriirk-
gekommen zu sein (s. u. Exkurs 11).
3) In dem gedankenreichen Aufsatze: „Die Vokallosigkeit des pboniziscben
Alphabets. Gedanken zur Geschichte des Alphabets" in Ztschr. f. ag. Spracbe
52 (1915), 95 ff., dem wir es ganz wesentlich zu dauken haben, dab wir der
Frage nacb dem Ursprunge des Alphabets jetzt so viel sicherer gegeniiber treten
konnen.
Der Ursprung des Alphabets.
105
geleiteten semitischen Alphabete) zu bezeiclmen war, der links -
lanfigen Schriftrichtung. Wenn man mit der recbten Hand schreibt
nnd mit der linken die Schreibflache halt, so geht die Arbeit
leicbter von statten, wenn man von links nach rechts die Heeler
ffihrt, als nmgekebrt 1 ). Deshalb baben die Grriechen das Alphabet,
das sie linkslaufig yon den Phoniziern iibernomraen und lange Zeit
noch unverandert ebenso gebraucht hatten, spater umgedreht 2 ) nnd
in dem Sinne geschrieben, in dem wir es noch keute tnn. Die
gleiche TTmdrehung hatte mehr als 2000 Jahre frfiher bereits der
Babylonier bei seiner Keilschrift vorgenommen, die urspriinglich
gleichfalls linkslanfig geschrieben worden war.
Die linkslaufige Kichtung ist anch der chinesischen und der
altagyptlschen Schrift, der Bilder - Silbenschrift des Diskos von
Phaistos nnd der zyprischen Silbenschrift eigentiimlich. Sie scheint
in der Tat fiberall das altere gewesen zu sein nnd zwar stellt
anch sie so, wie die phonizische Schrift sie anwendet, namlich in
wager echten Zeilen, schon eine Yerhessernng dar, die an einer
noch alteren Stnfe vorgenommen ist. In Agypten, in Bahylonien
nnd in China hat man namlich die linkslaufige Schrift urspriinglich
nicht in wagerechten Zeilen, sondern in senkrechten Kolumnen ge-
schrieben, in denen Zeichen fiber Zeichen oder nnr wenige schmale
Zeichen nebeneinander standen.
Augenscheinlich hat sich In den Anfangen der Schreibkunst
dem mit der reehten Hand schreibenden Menschen die linkslaufige
Schriftrichtung in senkrechten Kolumnen als das Naheliegende an-
geboten, indem die recbte Hand, von selbst am reehten Ende der
Schreibflache anting und yon oben nach nnten ging, wie sie es ja
im Allgemeinen auch innerhalb der einzelnen Schxiftzeichen (z. B.
auch bei den einfachen Zahlstrichen) zu tun pflegt 3 ). Das mufite
1) Das zeigt sich auch in der linkslauiigen Schrift (im Agyptischen wie im
Phonizischen) dar in, dab die horizontalen Schriftelemente, wenn sie selbstandig
dastehen, nie anders als von links nach rechts gezogen werden (vgl. ag- "■■"■sr n)
und daB die Schriftzeichen womoglich links begonnen und jedenfalls — mit
wenigen unvermeidlichen Ausnahmen, wo ein Zeichen mit einern Schwanz links
unten endigen muBte, wie z. B. die agyptischen Zeichen fur Schlangen — rechts
beendigt werden (z. B. agyptisch HU = 4; phonizisch 1 M m). Vgl. Mdller,
Hierat. Palaogr. I B. 7. *
2) Den Ubergang bildet die „Bustrophedon u sehreibung, bei der in mehr-
zeiligen Texten jede zweite Zeile umgedreht wird. Zuerst fing man dabei noch
mit einer linkslauiigen Zeile an; spater war es die rechtslaufige Zeile, die den
Anfang machte, sodaB nun die linkslaufige Schrift als Umdrehung der reckts-
laufigen erscheint, die eben inzwischen das Gewohnliche geworden war.
3) Die von unten nach oben hinauffiihrenden Anfangsstriche der kleinen
8 *
106
Kurt Sethe,
aker eine lastige Edge kaben. Der Schreibende mufite, bevor er
eine neue Kolumne begann, warten, bis die eben beendete getrocknet
war. Andernfalls hatte er sie beim Sckreiben mit der Hand ver-
wisckt, es sei denn, daB er die Kolumnen nur ganz kurz maclite *).
Diese Unzuiraglichkeit und nichts anderes ist es gewesen, die dazu
fukrte, allmakliek zu dem Grebraucke der wagereekten Zeilen iiber-
zugeken, der uns keute so selbstverstandlich erscheint, daB wir
uns dariiber wundern, wie Menscben jemals anders Jiaben schreiben
konnen.
So spielt sick die Entwicklung der Sckreibrichtung naturgemafi
in drei Hauptpkasen ab:
1) linkslaufig in senkreckten Kolumnen,
2) linksl&ufig in wagerechten Zeilen,
8) recktslaufig in wagereekten Zeilen 2 ).
Die chinesiscke Sckrift als die konservativste ist allezeit auf
der ersten dieser 3 Stnfen stehen geblieben ; sie wird nock keutigen
Tages in senkreckten Kolumnen von rechts nach links geschrieben.
Bei der agyptiseken Sckrift vollziekt sick dagegen der tJbergang
von der ersten zur zweiten Stnfe in der alteren gesckicktlicken
Zeit (im 3. Jakrtausend vor Chr.) gleichsam vor unsern Augen 8 );
den weiteren Sckritt zur dritten Stnfe kat die agyptiseke Sckrift
(maBgebend ist allein die wirklick gesekriebene hieratisek-demoti-
seke Sckreibsckrift) nickt mekr getan 4 ); sie ist bis zu ikrem Le-
Buchstaben (Minuskeln) in unsexer Schreibschrift sind nur scheinbar eine Aus-
nabme davon. Sie sind ja in Wirklichkeit nur die Verbindungsstricbe, die den
Bucbstaben mit dem yorbergebenden Zeichen ligieren bezw. der sebreibenden
Hand den tJbergang zu einem neuen Worte erleicbtern ; sie feblen daber den
groBen Buchstaben (Unzialen) ebenso wie den kleinen Bucbstaben in den Druck-
oder Inschriftstypen.
1) Das gesebieht in den babyloniseben Inschriften, die nocb die in der
Praxis l&ngst aufgegebenen senkreebten Kolumnen zeigen, in der Tat meist. Die
kurzen Kolumnen stehen dann in Registern geordnet, deren mebrere fiber einander
gestellt werden und die so selbst wieder Horizontalzeilen bilden.
2) Eine abweichende Entwicklung bat spater die syrisebe Schrift erlebt ;
die linkslaufig gesebriebenen Horizontalzeilen werden urn 90° gedreht, so dab
die Zeilen nun senkrecht von oben nacb nnten laufen und sick yon links nacb
reebts folgen (Berger, Histoire de l’dcriture S. 285 fF. Taylor, The Alpha-
bet I S. 303 ff.). Die Erkl&rung, die Taylor fur die Drebung gegeben bat
(Verwischen der Schrift durcb die schreibende Hand), trafe aber nur zu, wenn
es sicb um senkreehte Zeilen und niebt um Horizontalzeilen gehandelt hatte (wie
bei der babylonischen Schrift, s. u.). Im vorliegenden Ealle kann nur der Wunsch,
yon links nacb rechts zu schreiben, die Umdrebung verursacht kaben,
3) s. Exkurs 5.
4) Die Umdrebung der kieroglyphischen Schrift, die gelegentlicb aus dekora-
Dor Ursprung des Alphabets. 107
bensende (im 3. Jh. nach Chr.) bei der linkslaufigen Schrift in
wager echten Zeilen geblieben.
Die babylonische Keilschrift ihrerseits hat die mittlere Stufe
iibersprungen. Sie hat, und zwar schon sebr friih, vermutlich
noch in yorgeschichtlicber . Zeit, als sie von den nnpraktischen
Yertikalkolumnen rait linkslaufiger Scbrift zu den praktiscberen
Horizontalzeilen iiberging, gleicb aucb die TTmdrehung der Schrift
vollzogen, die beim phonizischen Alphabet erst die Griechen und
auch sie erst nach jahrhundertelangem Gebrauch vorgenommen
haben x ).
Fiir die phoniziscbe Schrift, die linkslaufig in Horizontal-
zeilen geschrieben wird und also, noch auf der von der Keil-
schrift iibersprungenen Zwischenstufe zwischen der primitiven
Schreibweise in linkslaufigen Yertikalkolumnen und der voll-
kommensten, nicht mehr verbesserungsfahigen in rechtslaufigen
Horizontalzeilen steht, ergibt sich mit Notwendigkeit der Schlufi,
dafi sie nicht wohl aus einer rechtslaufigen, d. h. weiter vorge-
sclirittenen, Schrift entstanden sein kann. Die linkslaufige Schrift
des Phoniziers wiirde sonst wieder einen vollig zwecklosen Riick-
schritt bedeutet haben, den erst die Griechen wieder aufgehoben
hatten. Wir diirfen ihn den Schopfern des phonizischen Alphabets
ebensowenig zutrauen, wie in der Frage der Yokalbezeichnung.
IY.
Gehen wir nun, die obigen 5 Gesichtspunkte im Auge be**
haltend, an die Priifung der verschiedenen fiir das phonizische
Alphabet vorgeschlagenen Ableitungen, so scheidet, wie schon die
eben angestellten Erorterungen klar erkennen liefien, eine Schrift
von vornherein aus, die babylonische Keilschrift. An sich hatte
gerade sie alles Becht, in erster Lime fiir die Mutter des phoni-
zischen Alphabets angesehen zu werden. 1st sie doch, wie wir
sahen, tatsachlich in den kana'anaischen Landern zusammen mit
der babylonischen Sprache im amtlichen Yerkehr gebraucht worden
(S. 98) und ist sie doch anderwarts wirklich auch auf die Sprachen
fremder Yolker iibertragen worden (S. 99). Da die Keilschrift
aber, von einem nichtsemitischen Yolke, den Sumerern, erfunden
tiven oder anderen Biicksichten erfolgt (z. B. in den Beischriften zu Figuxen, die
nach links gewandt dargestellt sind), hat mit der systematischen Schriftumdrehung
aus technischen Gr unden, die die dritte Stufe der oben skizzierten Entwicklung
bezeiehnet, nicbts zu tun, Diese Hieroglyphen-Spiegelschrift kommt denn auch
sowohl mit senkr echten wie mit wager echten Zeilen vor.
1) Uber die Ursachen und den Modus dieses Yorganges s. Exkurs 6.
108
Kurt Bette
und erst durcli die babylonischen Akkadier auf ibre semitische
Spracbe tibertragen, eine Silbenscbrift ist, die die Vokale regel-
maBig bezeicbnet, nnd da sie, wie gesagt, die urspriingliche links -
laufige Richtung bereits sehr friih mit der reehtslaufigen vertauscht
hat, kann sie unmoglich fiir die Ableitnng des phonizischen Al-
phabets in Betracht kommen 1 ),
Ancb im Schreibmaterial xmd dem davon bedingten aufieren
Cbarakter der Schrift besteht die denkbar groBte Verschiedenheit
zwischen Keilschrift nnd phonizischer Schrift. Die] Keilschrift
wird nnr dnrch Eindriicken und Einritzen mittels eines Dreikantes
in weichen Ton, das einzige Schreibmaterial, das der Boden Ba-
bylonians hervorbrachte, geschrieben. Sie hat eben dadurch friih
ihre charakteristische Form erhalten, bei der sich die Linien
nnd Ecken der urspriinglichen Schriftbilder (Hieroglyphen) zn
Keilen nnd Winkelhaken nmgestalteten. Die phonizische Schrift
envies sich dagegen als ansgesprochene Schreibschrift, deren Zeichen
zusammenhangende Ziige von Linien bilden und die ein Schreib-
material wie Tinte und Papier voraussetzt.
Alle Versuche, die Zeichenformen des phonizischen Alphabets
aus Keilschriftzeichen abzuleiten, sind denn anch vergeblich ge-
wesen 2 )* IJnd ebenso wenig hat sich trotz alien Bemiihens die
ratselhafte Ordnung des Alphabetes als babylonisch erweisen
lassen 3 4 ).
Die Yokallosigkeit des phonizischen Alphabets schlieBt auch
seine Ableitnng ans der zyprischen Silbenschrift aus, fiir die
Praetorius*) um der auBeren Ahnlichkeit einiger Zeichen (ein
Punkt, der erfahrenermaBen nnr zn leicht triigen kann) und um
der Grleichheit der Schriftrichtnng willen eingetreten ist 5 ). Die
zyprische Schrift, die die griechisch-redende Bevolkerung der Insel
Zypern anf ihre Sprache iibertragen hat nnd die uns so in In-
schriften vom 6. bis zuni 2. Jh. vor Chr. vorliegt 6 ), ihrem Aufiern
nach eine Tintenkursive, ist ihrem Wesen nach eine Silbenschrift,
1) Lidzbarski, Ephem. I S. 130. '
2) s. Exkurs 7.
3) s. Exkurs 8.
4) Uber den Ursprung des kanaanaischen Alphabets (Berlin 1906).
5) Uber die Zeichenahnlichkeiten zwischen der zyprischen und der phonizi-
schen Schrift s. Exkurs 9.
6) Also erheblich spater als das phonizische Alphabet auch auf Zypern
selbst. Denn das alteste bekannte Schrift denkmal in phonizischer Sprache, die
Kupferschale mit der Weihinschrift an Ba c al Lebanon aus dem 10. Jh. v. Chr.,
ist zu Limassol auf Zypern gefunden worden, und es liegt kein ernstlicher Grund
Der Ursprung des Alphabets.
109
die nur fur offene Silben, rein vokalische (a, e ) i, o , u) oder mit
einem einfaclien Konsonanten anlantende (la, le, li, lo, lu ), Zeichen
besitzt und daher urspriinglich fiir eine nach Art des Japanischen
gebaute Sprache geschaffen gewesen sein wird.
Bei ihrer XJbertragung auf die so ganz anders gebaute grie-
cbiscbe Spracbe mufiten die nicbt yon einem Yokale gefolgten
Konsonanten der griecbischen Worter durch ein Silbenzeichen
ausgedriiekt werden, das mit dem betr. Konsonanten begann und
dessen Vokal beim Lesen unterdriickt wurde ; so scbrieb man z. B.
po-to4i~ne fiir Wenn dieser ans der Yerlegenbeit geborene
Gebrauch yerallgemeinert worden ware, batte er in der Tat zu
einem Konsonantenalpbabet fiibren konnen, wie es das pbonizisebe
Alphabet ist. Dann batten aber doch notwendig aucb die Zeieben,
die bisber znm Ansdruck der reinyokaliscben Silben gedient batten,
die Aufgabe der Yokalbezeichnung allgemein, aueb da, wo sie
bisber in den Silbenzeicben erfolgt war, iibernebmen mlissen. Ein
aus dem zyprischen Alphabet entstandenes pboniziscbes Alphabet
wiirde also nicbt vokallos baben sein konnen.
DaB das zypriscbe Syllabar, das weder k , g , kh, nocb t , cl,
th , nocb p, b, ph, nocb ancb s und h unterscheidet, gerade kein
sehr geeignetes Ausdrucksmittel fiir' eine semitische Spracbe mit
ihren feinen Lautanterscbeidungen batte abgeben konnen, sei nnr
nocb nebenker erwahnt.
Was aber die von Sayce 2 ) vertretene Ableitung des phoni-
ziscben Alphabetes aus der „ehethitischen a Bilderschrift betrifft,
die wir auf kleinasiatischen und nordsyrisehen Denkmalern ans
der 2. Halfte des zweiten und der 1. Halfte des letzten Jahr-
tausends v. Ghr, angewendet linden, so scbwebt sie, solange diese
Scbrift nicbt entziffert ist, vollig in der Luft. Was man von
dieser Denkmalschrift weiB, geniigt indefi, um die IJnmoglichkeit
eines innern Zusammenbanges zwischen ihr und der phonizisehen
Scbreibscbrift scbon beute erkennen zu lassen.
Das kleinasiatische Yolk der Chethiter, dem jene Denkmaler zu
gehoren scbeinen, war nach seinem Ausseben und seiner Spracbe
zu der Annakme vor, dad es erst aus Phonizien dorthin verschleppt worden sei,
zumal es ein Weihgeschenk aus der dort gewonnenen Kupferausbeute ist. Sielie
Lidzbarski, Handb. S. 118, Antn. 3.
1) Ebenso verf&hrt die babylonische Keilschrift, die ja gleichfalls eine solche
Ubertragung auf eine andere Sprache darstellt, bei der Wiedergabe agyptiseher
Worter (z. B. Hi a-at-ti-fcu-ru fiir H ab-fyur, Tapu-na-afc-U fiir Tef-nahte, Sa-ja fiir
Sal). Desgleichen die aus ihr abgeleitete altpersische Keilschrift.
2) Proc. Soc. bibl. arch. 32, 215 ff.
110
Kurt Sethe,
kein semitisches ; seine Schrift konnte also auch nicht vokallos
sein. Nach der Z&hl der Schriftzeichen und ihrer V erwendung in
der Bilingae des Konigs Tarkutimme war diese Schrift auch sicher
keine reine Buchstahenschrift , wahrscheinlich nicht einmal eine
Silbenschrift, sondern scheint noch auf der ideographischen Stufe
gestanden zn haben.
In ihrer aufiern Erscheinung hat die chethitische Bilder schrift
noch etwas Jugendlich.es und Rohes. Dennoch wird sie, von Hans
aus linkslanfig (mit nach rechts gewandten Bildern wie die agypti-
sche Schrift), in mehrzeiligen Inschriften mit Umdrehung jeder
zweiten Zeile, also „bustrophedon tf , geschrieben, scheint also bereits
im Ubergange zur rechtslaufigen Schreibrichtung begriffen zu sein.
Auch das steht einer Ableitung des phonizischen Alphabetes aus
ihr hindemd im Wege.
Die Tatsache, daB die Chethiter selbst sich schon im 14. und
13. Jh. v. Chr. zum wirklichen Schreiben ihrer Sprache nicht mehr
dieser Schrift, sondern statt ihrer der babylonischen Keilschrift
bedient haben, entzieht der Annahme einer Abkunft des phonizi-
schen Alphabets von der chetbitischen Schrift vollig den Boden.
A h nliches gilt auch von der altkretischen Schrift, auf die ihr
Entdecker Arthur J. Evans 1 ) unter Zustimmung von ver-
schiedenen Archaologen und Semitisten das phonizische Alphabet
zuriickfuhren will, wieder weil zwischen einzelnen Zeichen der
kretischen Kursive, die sich bis in die Mitte des 14. Jh. v. Chr.
verfolgen laBt, und einzelnen phonizischen Buchstaben Ahnlichkeit
besteht 2 ).
In dieser Annahme bestarkt durch die schon mehrfach er-
wahnte Uberlieferung aus dem Altertum, daB die Kreter die Ori-
ginalitat der phonizischen Buchstahenschrift bestritten hatten,
vermutete Evans, daB die kretische Schrift durch die aus-
wandernden Philister urn 1200 nach Palastina gebracht worden
sei und dann dort die Entstehung des phonizischen Alphabets
hervorgerufen habe.
Eiir uns geniigt es demgegenuber festzustellen, erstens daB
die kretische Schrift, bei der iibrigens Zahl und Grebrauch der
1) Scripta Minoa I 77 ff. — In semen friiheren Arbeiten (Journ. of Hellen.
studies XIV 361 if. XVII 327 ff.) stand er noch unter dem EinflujB der unten zu
bespreehenden Ideen von PI. Petrie, die er nun mit Recht verwirft (a. a. 0.
85/6), freilich nicht, ohne gelegentlich selbst doch wieder unbewuBt riickfallig zu
werden. S. dazu die vortreffliche Kritik von R. Weill, Rev. arch. 1903, I 213 ff.
2) s. Exkurs 10.
Der Ursprung des Alphabets.
Ill
Zeiclien keineswegs auf eine Buchstabenschrift deuten 1 ), zur Zeit
mock vollig nnentziffert ist, nnd zweitens dab weder die Philister
noch auch die anderen Bewohner des alten Kreta Semiten gewesen
sind, sodab sie sich mit einer yokallosen Schrift batten begniigen
konnen.
Der erste Punkt macht jede Vergleichnng mit dem phonizischen
Alphabet in der Gegenwart zweeklos, der zweite gibt uns die Ge-
wibheit, dab sie es auch in Zuknnft bleiben wird 2 ). Diese GewiB-
heit wiirde noch verstarkt werden, wenn es sich bestatigen sollte,
was allgemein angenommen wird, dab die in Horizontalzeilen
geschriebene kretische Kursive bereits die Ttichtung von links
nach rechts hatte 3 ).
Ans einem nralten, iiber das ganze Mittelmeergebiet von
Agypten bis zu den Saulen des Herakles verbreiteten Schatz von
etwa 60 einfachen geometrisch gestalteten Zeichen, die als Hand-
zeichen, Tbpfermarken, Versatzmarken, Steinmetzzeichen nnd der-
gleichen bis in die altesten Zeiten, noch tiber die Anfange der
Geschichte hinaus, znruckzuverfolgen sind, will endlich Flinders
Petrie 4 ) die Bnchstabenformen samtlicher Alphabete des Alter-
tums ableiten, teils mit teils ohne Yermittlnng des phonizischen
Alphabetes nnd dennoch grofitenteils mit iibereinstimmender lant-
licher Bewertnng der einzelnen Zeichen. Jedes Alphabet soil nach
Petrie eine nach seinen besondern Bediirfnissen getroffene Aus-
wahl ans jenem Zeichenschatz darstellen; dieser miibte demnach
ein altes, jenseits der alten Bilderschriften stehendes IJralphabet
der Menschheit gebildet haben, eine Konsequenz, die sich Petrie
nicht klar gemacht zu haben scheint.
Die Grnndlagen dieser verworrenen, nnter Beiseiteschiebnng
aller historischen Tatsaehen nnd ohne ftiicksicht anf historisehe
Moglichkeiten gebildeten , zndem hochst nnklar entwickelten
Theorie sind vollig hinfallig, Die angeblichen „praalphabetischen a
nnd ,,prahieroglyphischen“ („protoagyptischen a ) Zeichen, die da,
wo sie in Agypten auftreten, von Petrie fiir fremdlandischen
TJrsprungs („agaisch“) erklart werden, sind in Wahrheit teils
stark knrsive Formen bekannter agyptischer Hieroglyphenzeichen,
nnd zwar z. T. solcber, ans denen niemals Bnchstaben hatten
1) Sun dw all, Jahrb. d. Kais. Beutseh. Archaol. Instituts 30 (19X5), 41 ff.
2) Uber einige weitere Stimmen, die sich fur die Ableitung des phonizischen
Alphabets aus der kretischen Schrift ausgesprochen haben, s. Exkurs 11.
3) Evans, Scripta Minoa 136.40. Burrows, Discoveries in Crete 147.
4) The Formation of the Alphabet (London 1912).
112
Kurt Sethe,
hervorgehen konnen 1 ); teils sind es einfache Marken, die mit der
Schrift nicht mehr zu tun haben, als es die Sterne, Kreuze, Kreise,
Dreiecke, Gabeln, durchstrichenen Kreise u. dergl. tun, die man in
gleicher Weise noch heute gebraucht; teils aber sind die yon
Petrie benutzten Beweisstiicke — es sollte bei einem so yer-
dienten Archaologen unglaublieli sein, ist aber wahr — niehts als
plumpe Ealschungen 2 ).
Nacbdem es sick so gezeigt bat, dab die bier besprocbenen
Versuche einer Herleitung des phonizischen Alphabets aus alter en
Qaellen auf groBe, meist uniiberwindlicbe Schwierigkeiten stofien,
bleibt, wenn anders iiberhaupt eine solehe Herleitung noch in
Prage kommen soli, nur nocb die eine, von der hier noch nicht
wieder die Kede gewesen ist, die aus der agyptischen Schrift.
Sie hat, wie gesagt, yon vorn herein eine groBe historische
Wahrscheinlichkeit, 1 da Agypten und Palastina unmittelbar anein-
ander grenzten und auch zwischen Agypten und Phonizien seit
undenklichen Zeiten ein reger Seeverkehr bestanden hat. Es fehlte
auch nicht an Zeugnissen aus dem Altertuxne, die auf agyptischen
Ursprung des Alphabetes wiesen. Starke innere Grunde dafiir,
die jede andere Herkunft auszuschlieBen scheinen, weist aber die
agyptische Schrift selbst auf. Es wird nunmehr an der Zeit sein,
ihr System in seinem Aufbau und seiner Entwicklung etwas naher
zu betrachten.
y.
Die altagyptische Schrift tritt uns beim Beginn der Ge-
scbichte, der in Agypten mit dem Auftreten inschriftlicher Denk-
maler zusammenfallt, spatestens etwa 3300 v. Chr., bereits in einer
solchen Ausbildung entgegen, daB man ihr eine langere Zeit der
Entwicklung in vorgeschichtlicher Zeit zuspreehen muB. Neben
1) Das bat R. Weill in einer glanzenden Kritik der Petri e’scben Ideen
schlagend bewiesen, Rev. arch. 1903, I 213 K. — Sie bat augensclieinlich die
Wirkung gebabt, aueb Evans zu bekebren, der zuvor ganz zu Petrie’s Fahne
geschworen batte (Journ. of Hellenic studies X1Y 361 £ XYII 327 if.), nunmebr
in semen „Seripta Minoa u I aber die Petrie’sche Idee von dem uralten common
Mediterranean signary verwirft.
2) So die von ihm als „ Frontispiece 1 u seines Werkes in Licbtdruck ver-
offentlicbten Ostraka, die er nacb seinem eigenen Eingestandnis von Altertums-
handlern in Gurna (Theben), dem bekannten Hauptnest der modernen Altertums-
fabrikation in Agypten, gekauft hat. Diese Ostraka zeigen die interessanten
)h foreign signs u des Petrie’scben Uralpkabetes vermiscbt mit mebr oder minder
scblecbt nachgeahmten agyptischen, und zwar nicbtalpbabetiscben, Hieroglypben-
zeicben ( dj „geben a , „Geist“, rib ti.wj „Herr der beiden L&nder u ).
Der Ursprung des Alphabets.
113
den alten Bildzeichen, den Hieroglyphen, die auf den Denkmalern
gebraucht werden, steht bereits eine Kursive mit stark ver-
schlissenen Formen, die wir in Tintenaufschriften auf TongefaBen
der 1. Dynastie linden, das sogen. Hieratisch.
Was ihr Wesen anlangt, so hat die agyptische Schrift den
wichtigen Schritt yon der ideographischen Bilderschrift znr pho-
netisehen Schrift, den, wie oben ausgefuhrt wurde, alle Bilder-
schriften einmal getan haben, zu Beginn der geschichtlicben Zeit
langst binter sich. Die Denkmaler der 1. Dynastie zeigen das
pkonetiscke Element bereits in derselben Ausdehnung, die es
spater hat 1 ).
Im TJntersehied zu anderen Schriftsystemen ist die agyptische
Schrift aber, wie gesagt, nie zu einer reinphonetischen geworden ;
das ideographische Element bat sich in ihr, solange sie am Leben
geblieben ist (also noch im „Demotischen* bis in das 3. nackckrist-
liche Jahrkundert) immer neben dem phonetischen erhalten. Es
ist also ein gemischtes System, und das ist, wie wir sehen werden,
in gewissem Sinne ein Yorzug der agyptischen Schrift gewesen.
Als altester Bestandteii der agyptischen Schrift, der noch
aus der alten Phase der reinen Begriffsehrift stammt, sind die
ideographischen Wortzeichen anzusehen, die den Begriff, den sie
ausdriicken wollen, direkt im Bilde darstellen, sei es nun ein
Gegenstand an sich oder eine Handlung, die er vollzieht. So
driickt das Bild des Auges die Begriffe „Auge* und „sehen*, das
eines sitzenden Mannes die Begrrffe „Mann* und „sitzen“, das
eines geschwellten Segels die Begriffe „Segel* und Wind* aus.
Wo eine einfache und verstandliche konkrete Darstellung unmbg-
lich ist, kann auch eine symholische andeutende eintreten, z. B.
wenn man den Begriff „ schwarz* durch einen Haufen Kohlen,
„Augenblick* durch einen aus dem Wasser emportauchenden Nil-
pferdkopf, „Tag* durch die Sonne, „Monat* durch den Mond an-
deutet.
Diese Wortzeichen konnen noch ganz nach alter Weise allein
das in ihnen dargestellte Wort hezeichnen 2 ); sie konnen aber auch
von phonetischen Zeichen begleitet sein, die ihnen dann im Alige-
1) Es gibt bereits dieselben Arten plionetischer Zeichen wie spater. Nur
orthographische Veranderungen (Zufugung der phonetischen Komplemehte, Be-
handlung der defektiven Schreibungen u. dergl.) bat die phonetische Schreibung
spater noch erfahren,
2) In diesem Fade entstehen da, wo es mehrere Synonyma fur denselben
Begriff gibt, leicht Zweifel, welches von diesen WCrtern nun eigentlich gemeint
ist. DaS auch den Agyptern selbst diese Zweifel nicht erspart blieben, lebren
114
Kurt Sethe
meinen vorauzugehen pflegen, sodafi das die Bedeutung anzeigende
Element am Schlufi des Wortes steht.
Nebeu diesen altesten Bestandteil der agyptischen Schrift,.
das Wortzeichen, tritt als jiingster ein anderes, gleichfalls ideo-
grapkisches Element, das Determinate, das, ebenfalls stets am
Ende der Worter stehend, die Kategorie andentet, zu der der
Begriff gekort. Es ist eigentlich nur da am Platze, wo kein
Wortzeichen steht oder stehen kann. Urspriinglich nur in sehr
beschranktem Mafie angewendet, kauptsachlich wohl bei Namen 1 ),
bei denen ja aueh die phonetische Schreibnng zunachst zum Be-
dhrfnis geworden seinwird 2 ), gewinnt das’ Determinate allmahlich
an Ranm, indem es die alten Wortzeichen verdrangt. An Stelle
der nnendlich mannigfaltigen Wortzeichen, die in der altesten
Schrift noch jeden einzelnen der verschiedenen Gegenstande selbst
darstellten, tritt ein allgemeines, die Art andeutendes Deter-
minativ 3 ).
Diesen beiden ideographischen Elementen der agyptiscben
Schrift, die ibren altesten nnd ihren jiingsten Bestandteil bilden,
stehen nun die pbonetischen gegeniiber, die, wie das in manchen
Eallen noch deutlich zu erkennen ist, urspriinglich nnr zur Er-
ganzung der ideographischen Wortzeichenschreibung gedacht waren,
urn Synonyma zu unterscheiden 4 ). Sie werden auch spaterhin in
normaler Orthographic nur selten ohne die Begleitung eines
die Varianten in den spateren Handschriften alterer Literaturwerke. Sie be-
ruben nicht selten auf verschiedener Aufltfsung derartiger alter ideogr aphis cber
Schreibungen.
1) z. B. die Determinativa des Mannes, der Frau, der Gottheit, des ge-
birgigen Landes u. dergl, 1m Babyloniscben werden Determinativa iiberhaupt
nur in diesem Falle gebraueht. Dort geben sie den Namen aber voran. Ebenso
vermutlich auf deni Diskos von Phaistos.
2) So z. B. im Mexikanischen, das bei der spanischen Eroberung gerade im
Begriffe war, fur Namen phonetische Scbreibung (dureh Bebus) einzufiibren. -
S) Es leuchtet ohne Weiteres ein, welch ein bedeutender Fortscbritt zur
Vereinfachung der Schrift damit getan war, wenn auch die Deutlichkeit, die bei
der alteren Schreibweise so wundervoll gewesen war, etwas darunter leiden
muBte. — Naheres iiber diese Ersetzung der Wortzeichen durch Determinativa
im Exkurs 12.
4) Vgl. meine Ausfuhrungen Ztschr. f. ag. Sprache 45, 42. Auch die an-
geblich defektiven Schreibungen wie rmt „Mensch* ohne m, hrd „Kind“ ohne r
erklaren sich so. Man fugte dem ideographischen Wortzeichen (Mensch, Kind)
den Anfangs- und Endkonsonanten zu, um das betr. Wort zur Unterscheidung
von anderen Synonyma zu kennzeichnen, S. dazu jetzt auch Lacau, Bee. de
tray, 55, 54.
Der Ursprung des Alphabets. 115
Ideogramms, sei es ein Wortzeichen oder ein Determinate, ge-
brancht.
Diese phonetischen Zeichen der agyptischen Schrift berahen
auf demselben Prinzip der "Ubertragung wie nnsere Rebnsse. Das
Bild eines Begriffes (Wortzeichen) wird nicht nnr fiir das Wort,
das diesen Begriff bezeichnet, gebrancht, sondern auch anf andere
schwer darstellbare Worter gleichen Lantwertes iibertragen, die
mit ibm begrifflich and etymologised garnichts zu tan haben.
So driickt im Agyptischen z. B. das Bild der Scbwalbe (wr) aacb
das Wort wr „grofi“, das der Gans (ss.t) aacb si „Sohn a , das des
Krnggestells (font) aacb tyit „vorn“ aas. Es ist also so, als ob
wir, am das Wort „Tor“ (torichter Menseb) za schreiben, ein
Haastor oder, am das Adjektiv „arm“ za schreiben, einen menseb-
lichen Arm hinmalten.
Da die agyptisebe Spracbe aber, ibrem ganzen Baa nacb aafs
Engste mit den semitiseben Spracben verwandt, dieselbe Eigen-
tiimlichkeit zeigt, daB in ibr die Bedeatang der Wortstamme nar
an den Konsonanten baftet, die Vokale aber nar zar TTnterschei-
dung der yerschiedenen Wortformen dienen and aacb innerbalb
desselben Wortes je nacb seiner Stellang im Satz, nacb Gescblecbt
and Zahl asw. wecbseln, so konnte es sicb bei einer solcben pho-
netiseben TJbertragnng der alten Wortbilder natargemafi nar am
das Konsonantengertist handeln, das sicb in alien Formen des
Wortes gleicb blieb, niebt aber am die standig wechselnden Vo-
kale 1 ).
Wenn z. B. das Wort fiir j,Gesicht K in seiner Grandform hSr
lantete, vor einem anmittelbar folgenden Genitiv aber her , mit
*dem Possessivsnffix 2. sg. -ft verbxmden hra- : mit dem entspreebenden
Saffix 2. pi. - t e n aber hr & und im Dualis and Plnralis wer weiB
welcbe Yokalisation batte, so konnte sein Bild als pbonetisches
Zeichen eben nar den Wert hr erbalten 2 ). Nar so war es aach
in andern Wortern yerwendbar, obne dafi man diese in ibren yer-
sebiedenen Formen ganz yersebieden za schreiben braaebte.
So ist die Vokallosigkeii, die bei der semitiseben Bacbstaben-
schrift als ein ratselhafter Widersprucb gegeniiber ihrer sonstigen
1) Zuerst ausgesprochen wurde dieser wichtige Grundgedanke yon mir in
.mein er Arbeit iiber das agyptische Yerbum I § 76 mit Bezug aufW. M. Muller’s
Tbeorie iiber die sogen. „syllabische Schrift“, in der Fremdworter im neuen Beich
geschrieben werden; naher ausgefiihrt babe ich ihn dann in der yon der Society
of bibl. Archeology in London angeregten Aussprache iiber die Umschreibnng
des Agyptischen, Proc. Soc. bibl. arch. 24, 355, und vor allem Ztschr. fur ag.
iSprache 45, 37 ff.
Kurt S ethe
116
Yollkommenheit erscheint, bei der phonetischen Schrift der Agypter
cine notwendige nnvermeidliche Folge der Natnr der agyptischen
Sprache gewesen,
Wie die Vokale so bleiben auch die nominalen Endnngen der
Worter bei der phonetischen Bewertnng der Bilder unberuck-
sichtigt. Auch sie wechseln ja in gleicher Weise in den ver-
schiedenen Formen des Wortes nnd sind mit dem BegrifFe, den
das Bild darstellt, nicht so verkniipft, wie die Konsonanten des
Wortstammes 1 ). Nnr an diesen haftet die Bedeutung nnd sie
allein bommen daher bei der Festsetznng der phonetischen Werte
in Betraeht.
Da die Mehrzahl der Wortstamme im Agyptischen ur sprung-
lich denselben kiinstlichen 'Trilitter alismns aufgewiesen hat, wie
wir Ihn in den semitischen Sprachen finden, also ans nicht mehr
und nicht weniger als 8 Konsonanten bestand, so muBte die pho-
netische Ubertragung der Wortbilder zunachst dreikonsonantige
Zeichen ergeben, Zeichen, die die Anfeinanderfolge dreier be-
st! mmter Konsonanten bezeichneten. Ein solehes ist z. B. der
Kafer fypr, der zur Schreibnng des Stammes \pr „werden“ in alien
seinen Formen nnd Ableitnngen nnter den wechselndsten Yokali-
sationsverhaltnissen verwendet wird 2 3 * ).
Die agyptische Sprache befindet sich nun aber, wo wir sie
kennen lemen, bereits in einem Zustande stark vorgeschrittener
Zersetzung, die sich in der Syntax, wie anch im Lantbestand der
Wortformen zeigt. Eine Menge Worter waren in ihrem Kon-
sonantenbestande schon stark rednziert. Manche Lante waren
schon vollig versehliffen oder wurden der vokalischen Anssprache
wegen, die sie angenonunen hatten, nicht mehr als voile Kon-
sonanten empfonden nnd daher anch vielfach , in konseqnenter
Durchfiihrtmg des Prinzips der vokallosen Schrift, nicht besonders
bezeiohnet 8 ). Das hat denn anch anf die phonetische Bewertnng
der Wortbilder seine Wirknng ansgeiibt.
1) Dies dhrfte die eigentliche Ursache dieser Ignorierung der Endungen bei
der phonetischen Bewertung gewesen sein. Wie weit dabei etwa aucb das mit-
gewirkt liat, daB die nominalen Endungen (mask, w oder j, fem. t) anscbeinend
schon friih in vielen Fallen verschliffen waren oder vokalisehe Aussprache an-
genommen hatten, stehe dahin.
2) ftopV „werden w (Infimtiv), faopr'w „geworden u , bport e j desgl, fem., yprof
„er wird tc , ]iapr e w „Wesen a , fyperH „Greschehnis w , „Wunder w , 4afyp*r „werden
lassen w .
3) So z. B. das Suffix 1. sing., dessen urspriinglich konsonantische Natur
sich noch im Koptischen in der Vokalisation der Wortformen, in denen es auf-
Der Ur sprung des Alphabets.
117
Neben den Dreikonsonantenzeichen steht seit altester Zeit
schon eine stattliche Anzahl zweikonsonantiger Zeichen. Es sind
die Bilder von Wortem, die in ihrem Konsonantenbestande, sei es
non stets sei es nnr in gewissen Eormen, in der eben geschilderten
Weise rednziert waren und nnr nocb die betr. beiden Konsonanten
in einer Verfassung enthielten, die ihre Beriicksichtigung bei der
pbonetischen Bewertung des Bildes erforderte.
Bei manchen von diesen Zweikonsonantenzeichen lafit sich
diese Entstebung ihres Wertes noeh ganz dentlich verfolgen nnd
das dreikonsonantige Grrnndwort, dessen Trimmer sie zeigen, noch
sicher nachweisen 3 ).
Die grofie Bedeutung der zweikonsonantigen phonetischen
Zeicben liegt in ihrem Grebrauch. Sie werden namlich nicbt nnr
gleicb den Dreikonsonantenzeichen znm Ausdrnek ganzer "Worter
gleiohen Konsonantenbestandes gebraucht, wie die G-ans (si J) fur
si „Sohn a , die Schwalbe (wr) fiir tor „groB tf (s. oben S. 115)
sondem ancb von Wortteilen, indem man sie mit der gleicb zu
besprecbenden dritten Art pbonetischer Zeichen, den einfacben Kon-
sonantenzeichen, zusammenstellt, nm den dreikonsonantigen Stamm
znm Ansdrnck zu bringen (r + mn = rmn ) 2 ).
Wegen dieser Verwendnng bat man die zweikonsonantigen
pbonetischen Zeicben, die so zwischen den dreikonsonantigen
Zeichen nnd den einkonsonantigen Lantzeicben stehen, friiher als
Silbenzeichen bezeichnet. Diese Benennnng trifft aber ganz und
gar nicbt zu, da die Zeichen dnrchaus nnr die Anfeinanderfolge
der betreffenden beiden Konsonanten ausdriieken, ganz gleich ob
ein Vokal nnd welcber zwischen ihnen stand, ob beide in ein nnd
derselben Silbe oder in zwei verschiedenen Silben standen 3 ).
tritt, deutlich sieigt. (nai) „mir“ und *poi ( e roi) „gegen mich £< zeigen den-
selben kurzen Yokal vor dem Suffix i wie hak (nak) „dir“ und epon (Vdfc)
„gegen dich u . Die Silbe war also in jenen Formen urspriinglich ebenso ge-
schlossen wie in diesen.
1) s. Exkurs 13,
2} Hierdureh wurde einerseits ein Mittel gefunden, mn aucli solche drei- und
mekrlautige Wortsttome zu schreiben, fur die es keine passenden dreikonsonantigen
Bilder gab, andererseits wurde damit wieder eine betraehtliche Yereinfachung im
Zeichenbedarf erzielt, indem eine Menge von dreikonsonantigen Zeichen dadurch
entbehrlieb wurde.
3) So wird das Bild des Brettspieles mn ebenso in den WSrtern man „der
nnd der u , Menfr „Memphis“, Mm (Gottesname), monm'n „bewegen“, mun
„bleiben“, wie in smm e t „feststeUen“, m$n e t „Schwalbe“, mun*k „vollenden“, wie
in *mnod „Brust“, s e mnU e f „ihn feststellen“ verwendet. S. meine Ausfuhrungen
in Proc. Soc. bibl. arch. 24, 355 if. Ztscbr. f. &g. Sprache 45, 37 ff.
118
Kurt Sethe
Auch die soeben erwahnte dritte Art phonetischer Zeichen,
die einfachen Lautzeichen oder Buchstaben , ist so alt, wie die
altesten agyptischen Schriftdenkmaler. Im alten Reich, (erste
Halfte des 3. Jahrtausend) haben sie bereits den Bestand von 24
erreicht, den sie lange behalten sollten.
Die Buchstabenzeichen sind, ebenso wie die andem phoneti-
schen Zeichen, ausschliefilich konsonantischer Natur; es sind Ein-
konsonantenzeichen. Erst sebr spat werden einige von ihnen
(resp. ihre jdngeren Homophone) im Notfalle in ahnlicher Weise
znm Ausdruck der Vokale herangezogen , wie in der spateren
semitischen und in der griechischen Sphrift 1 ).
Der Gebrauch der agyptischen Buchstabenzeichen erschopft
sich iibrigens nicht nur darin, dafi sie, wie oben angegeben. znr
Yervollstandignng des phonetischen Wortbildes neben andere mehr-
konsonantige Zeichen treten (r + mn = rmn), sondern sie werden
(wenigstens seit einer gewissen Eestlegnng der Orthographie im
alten Reiche) auch einem mehrkonsonantigen Zeichen, in dem sie
implicite bereits ausgedriickt sind, zn vermehrter Deutlichkeit bex-
gefugt als „phonetisches Komplement w , das nicht besonders zn
lesen ist (mn + w = mn, um + n +nw + t = ivnw . t).
VI.
Mit dieser letztgenannten Kategorie phonetischer Zeichen sind
wir nun unmittelbar anf nnser eigentliches Thema zuruckgefiihrt
worden und wir stehen nunmehr vor der groBen Erage : wie sind
diese Buchstabenzeichen der alten Agypter, die einzigen, die es
unseres Wissens vor den phonizischen Buchstaben gegeben hat,
entstanden? Wie sind die Agypter zu dieser Erfindung ge-
kommen, die fur die ganze Menschheit von der grofiten Bedeutung
gewesen ist?
Als die Hieroglyphenschrift an den spaten Inschriften der
Ptolemaerzeit mit Hilfe der in griechischen Buchstaben, also auch
mit Vokalen, geschriebenen „koptischen K Sprache (der jiingsten
Bhase des Agyptischen) entziffert wurde, muBte es durehaus so
scheinen, als ob die Bewertung der agyptischen Buchstabenzeichen
ebenso wie die der phonizischen auf dem akrophonischen Prinzip
beruhte. Man fand, daB die Eule, deren Bild das m bezeichnete,
im Koptischen mulad hieB, also einen Namen fiihrte, der mi t m
anfing. Ebenso schien fur den Lb wen, der in griechisch-romischer
1) So bezeichnet man z. B, in den persischen und griechischen Eigennamen
o und u durch das «?, i und ai durch das j, a durch das 8 (Aleph), e durch das
$ (Aleph).
Per Ursprung des Alphabets.
119
Zeit den Buchstaben l bezeicknet , im kopt. laboi (Lowin) sein
mit l beginnender Name gefunden zu werden. So hiefi der Mund,
das r, kopt. to] und auch zu dem Zeicben des Adlers, das, wie wir
heute wissen, eigentlich einen dem semitiscben Alepb entsprecbenden
Hauchlaut bezeicbnete, aber in dem Namen Kleopatra den Vokal a
ausdriickt, glaubte man irrtiimlicherweise in dem kopt. afyom (in
Wahrheit altag. c Am) das zugehorige Grand wort wiederzufinden.
Hiernach wiirde das agyptiscbe ’Alphabet eine kiinstliche
Sehopfung gewesen sein, die auf Absicht und Uberlegung beruhte
und womoglich auf einmal entstanden war.
Heute, wo wir die agyptische Sehrift und Sprache in den 2
bis 8 Jahrtausende alter en Schriftdenkmalern der altesten ge-
sebiclitlichen Perioden in sehr viel urspriinglicherer und reinerer
Form beobachten konnen, siekt sich die Sache anders an. Es
kann jetzt nicht melir zweifelbaft sein, daB die einfachen Laut-
zeieben der Agypter genau auf demselben Wege zu ibren pho-
netiscben Werten gekommen sind, wie die zwei- und die drei-
konsonantigen Zeichen; d. h. die Bucbstabenwerte sind auf ganz
natiirliche Weise, und zwar erst im Laufe der Zeit, entstanden
durch einfacbe Ubertragung yon solcben Wortern, die in ihrem
Stamm den gleicben Konsonantenbestand aufwiesen, in diesem
Falle also einkonsonantig waren bezw. in ihrem Lautbestand so
reduziert waren, daB nur nocb ein Stammkonsonant bei der pho-
netiscben Bewertung des Wortbildes zu beriicksicbtigen war 1 ).
So lautete das Wort fur „Mund a , dessen Bild den Buch-
staben r bildet, nur noch ro, das Wort fiir „Leib a , dessen Bild
den Buchstaben i bildet, nur nocb he, das Wort fur „Ort“ 3 dessen
Bild den Buchstaben h bildet, nur noch ba , das Wort fiir „Arm“,
dessen Bild den Buchstaben c ( c Ajin) bildet, nur noch c £, usw.
Und das Wort fiir „Wasser w , dessen Bild nrspriinglich anch als
Buchstabe m gedient hat, zeigt in seiner Pluralform m&w, mu-
mu; den einen Stammkonsonanten m auBer der Pluralendung w,
die ja nach der allgemeinen Regel (s. oben S. 116) nicht zu be-
riicksichtigen war.
Die mehrkonsonantigen koptischen Worter mulad „Eule tt und
laboi „Lowin“ aber, in denen die akrophonische Natnr der Bucli-
stabenzeichen m und l so deutlich hervorzutreten schien, konnen
nach ihrer ganzen Vokalisation, wenn sie echt agyptisch nnd nicht
spate Lehnworter sein sollen, nur Kompositionen sein, die ein
einkonsonantiges Wort mu ^Eule^ und l „Lowe“ in Verbindung
mit einem Beiworte enthalten.
1) Alles Nahere zu den folgenden Ausfuhnmgen s. im Exkurs 14.
Nachrichteii; ffeschiftliche Mitteilungen. 1916. 2. 9
120
Kurt Sethe
Wo sich aber noch nachweisen oder aus der Yokalisation der
koptischen Formen erschliefien laBt, dafi das Grundwort urspriing-
lich mehr Konsonanten gehabt hat, wie bei:
ba „Stelle a , „Ort a , alt noch bw geschrieben.
ro a Mxmd“, nach der Yokalisation ursprunglich r$.
he „Leib“, ursprunglich h&iet (fem.).
Ip „H6he“ yom Stamme Tpij „hoch“,
oder wo gar era solcher im Buchstabenwert nicht beriicksichtigter
Laut in einer koptischen Form des Grundwortes noch als i in
diphthongischer Yerbindnng erhalten ist, wie in:
ptti „Sitz a .
sei „Teich“, stat. constr.
halt „Hof“ (fem., mit Erhaltung der Feminalendung),
da liegen genan dieselben Verhaltnisse yor, anf denen auch die Be-
wertung der Zweikonsonantenzeichen bernhte. Die hier bei der
Bewertnng der Bnchstaben nnberiicksichtigt gebliebenen Laute sind
dieselben, die auch dort unb eriicksichtigt blieben, weil sie in ge-
wissen Formen des Grundwortes geschwnnden waren oder ihre
konsonantische Aussprache eingebiiBt hatten. Es liegt schlechter-
dings kein Grand yor, im vorliegenden Falle eine andere TTrsache
far die gleiche Erscheinnng anznnehmen.
Dafi tatsachlich die Ignorierung dieser Laute, die anderwarts
bei der Zeichenbewertung oft genng durchans als voile Konsonanten
berucksichtigt sind 1 ), hier bei den Bucbstabenzeichen nicht auf
Willkiir beruhte, sondern durch gegebene Verhaltnisse bedingt
war, d. h. eben dadurch, daB die betreffenden Laute in den Grand-
wortem der Buchstabenzeichen friiher geschwnnden oder geschwacht
waren, als anderwarts, scheint recht deutlich bei dem Bnchstaben A,
der erst in geschichtlicher Zeit (im alten Reich) in die Reihe der
Bnchstaben eintritt und dessen Laut (eine Art ch) bis dahin mangels
eines eigenen Bnchstaben durch den Buchstaben S (d. i. sch) mit-
bezeichnet worden war. Das Wort fur „Leib tf , das der neue Buch-
stabe darstellt, hatte ursprunglich helet gelantet nnd also auBer
der Femininalendung noch zwei Stammkonsonanten hi enthalten.
Sein Bild hatte deshalb bisher den Wert eines Zweikonsonanten-
zeichens fiir h> gehabt. Jetzt wird es zum Einkonsonantenzeichen
1) Zu den allergebr&uchlichsten Zweikonsonantenzeichen, die die Schrift be-
sitzt, geh5ren gerade die, die ein 3, w oder j als zweiten Laut enthalten. Sie
alle Mtten, wenn diese Laute nicht eben in den zugehorigen Grundwdrtern fester
gewesen w&ren, auch zu Bucbstabenzeichen werden kSnnen; und sie sind spater,
nachdem diese Festigkeit erschhttert war, tatskchlich nach und nach zu Homo-
phonen der alten Buchstaben geworden (s. u.).
Der Ursprung des Alphabets.
121
fur A, naehdem das Wort „Leib“ den zweiten Konsonanten * ver-
loren hat. Dieses Wort wird demgemafi, seiner koptisehen Form
M (mit Suffixen) entsprechend , stets nnr noch hj ohne i
geschrieben. Dagegen hat dasselbe Wort, wo es die spezielle Be-
deutung „Leichnam a hat, seine alte voile .Form hl.t bewahrt, nnd
wird dann niemals ohne das i geschrieben. Hier liegt also eine
deutliche Differ enzierung zwischen der zweikonsonantig gebliebenen
nnd der einkonsonantig gewordenen Form vor 1 ).
Noch lehrreicher ist vielleicht der Fall des Buchstaben fur l.
Obwohl dieser Lant im Agyptischen in der Stammbildung von
Anfang an nicht minder deutlich nnterschieden war als in den se-
mitischen Sprachen 2 ), ist er dennoch erst sehr spat zu einem
eigenen Buchstaben gekommen, nachdem das Wort Iw „Lowe tt
in Folge Schwundes des w einkonsonantig geworden war (l in la-
hoi). Bis dahin mufite das l durck die Buchstaben der verwandten
Laute n oder r mitbezeichnet werden 3 ), wie andrerseits die Bilder
solcher Worter, die ein l im Stamme enthielten (U n Zunge“, Iw
„Lowe“), anch fiir entsprechende Lautwerte, die stattdessen ein
n oder r enthielten, mitverwendet warden (ns, rw).
Die agyptische Schrift behalf sich also da, wo es zur Zeit
noch an einem passenden Zeichen fiir ein einkonsonantiges Wort
fehlte, das als Buchstabe hatte dienen konnen, ruhig ohne Bach-
stabenzeichen. Zur kiinstlichen Setzung eines beliebigen mit dem
betreffenden Laute beginnenden phonetischen Zeichens (etwa des
Lowen Iw oder der Zunge Is) als Buchstaben, wie sie unter der
Herrschaft des akrophonischen Prrnzipes ein Leichtes gewesen
ware, schritt der Agypter in einem solchen Falle nicht. Der
akrophonische Gredanke lag ihm eben ganzlich fern. Nach dem
ganzen Aufbau des phonetischen Sehriftsystems der Agypter ist
wohl auch nichts anderes zu erwarten. Diese Akrophonie wiirde
ja eine Berucksichtigung der Yokale in sich scbliefien, die doch
sonst, wie wir sahen, iiberall unterblieb.
1) Zu einer solchen Formendifferenzierung s. Ztschr, f. ag. Sprache 47, 82.
52, 1X4.
2) Ygl. frgyptisch „Zunge ££ mit semitisch Usan, Jason (mit der Nominal-
endung -an) und den Bedeutungsunterschied zwischen u*Ak jjzusammenziehen"
nnd t«pK j,schw5ren ££ , die beide V/c geschrieben werden. — Das schlieBt natiirlieh
nicht aus, dafi die beiden verwandten Laute l und r in der Vulg&rsprache,
namentlich bei Fremdw6rtem, auch mitunter wirklich mit einander verwechselt
worden sind und daB im Fayumischen Dialekt des Koptisehen grunds&tzlieh l fiir
das r der anderen Dialekte eintritt.
3) Zeitweilig schrieh man auch nr fiir l, z. B. hfnr „Kaulquappe“ (fr/Q,
dnrg „steifohrig“ (dig), bnr „auBen“ (bl).
9 *
122
Kurt Sethe,
Die allmahliche Entstehung des Alphabets, wie sie sich in
diesen beiden Fallen beobachten, fiir einen dritten (Buchstabe m)
erschliefien lafit, ist ein Moment, das die absolut notwendige Vor-
aussetzung fiir die Kichtigkeit der oben vorgetragenen Auffassung
von der Entstehung der Buchstaben bildet. Ein kiinstlich ge-
schaffenes Alphabet konnte anf einmal entstanden sein, ein natiir-
lich ans der Entwicklung der Sprache hervorgegangenes nicht.
Wie wenig bei der Entstehung der agyptischen Buchstaben-
zeichen akrophonische Riicksichten im Spiele waren, geht vor
allem aber auch daraus hervor, daS der Laut, den der Buchstabe
bezeichnet, keineswegs immer in dem Grrundworte, von dem der
Buchstabe seinen Wert bekommen hat, an erster Stelle gestanden
hat, Mehrfach lafit sich noch nachweisen, dafi ihm vielmehr ver-
lorene und bei der phonetischen Bewertung nicht beriicksichtigte
andere Laute vorangegangen sind. So hat z. B. der Buchstabe d ,
der eine menschliche Hand darstellt, seinen Wert von dem friih
verlorenen Aquivalent des semitischen jad „Hand“ erhalten, das
im Agyptischen jd lautete und vermutlich eine Form wie das ba-
bylonische idu und das abessinische 'ed angenommen hatte. XJnd
der Buchstabe d, der die Urausschlange darstellt, hat seinen Wert
von einem einkonsonantigen Worte d.t erhalten, das letzten Endes
mit dem Namen der Grottin Widj.i (oorcb) identisch gewesen zu
sein scheint 1 ).
Das Bild des Mundes ist also, urn es noch einmal auszu-
sprechen, nicht etwa deshalb zum Buchstaben r geworden, weil
das Wort rd „Mund a mit einem r anting, sondern lediglich deshalb,
weil es nur noch diesen einen Konsonanten enthielt.
Diese natilrliche, sich in das ganze phonetische System der
agyptischen Schrift einfiigende Erklarung der agyptischen Laut-
zeichen oder Buchstaben, wie sie hier vorgetragen wurde, findet
eine starke Stiitze in der Tatsache, dafi das agyptische Alphabet
sich auch noch im Laufe der geschichtlichen Zeit standig in genau
derselben Weise erweitert, sei es dafi fur Laute, die urspriinglick
kein eigenes Zeichen besafien, sondern durch das Zeichen eines
verwandten Lautes mitbezeichnet wurden, besondere Zeichen ein-
gefiihrt werden, die dann z. T. erst allmahlich Boden gewinnen,
wie in den oben (S. 120/1) besprochenen Fallen; sei es, dafi fiir
Konsonanten, die seit alters ein eigenes Buchstabenzeichen be-
safien, ein zweites oder drittes Zeichen aufkommt, die nun als
1) Diene F&lle stellen sich den in Exkurs 13 unter Nr. 1 angefiihrten Bei-
spielen von Zweikonsonantenzeichen an die Seite.
Der Ursprung des Alphabets.
123
Homophone davon dienen x ). In beiden Fallen entstehen die nenen
Buehstabenwerte genau in derselben Weise, die oben fur die Ent-
stehung der alten Buchstaben angenommen wurde. Zeiehen, die
in alterer Zeit zwei- oder dreikonsonantige Werte gehabt haben,
werden in Folge Wegfalls schwacher Konsonanten in ihren Grrund-
worten zu einfacben Konsonantenzeichen herabgewertet 1 2 3 * ).
Um aus der grofien Menge von Beispielen, die dafiir zur Ver-
fiigung stehen, zwei besonders bezeichnende herauszugreifen, so ist
das Bildj das die Handltmg des Tragens darstellt, in griechisch-
romischer Zeit zu einem Zeiehen fiir den Buchstaben f geworden.
weil das Zeitwort „tragen“ wie in dem Falle der meisten alten
Buchstabenzeiehen yon seinen urspriinglichen 8 Konsonanten fij
nur noch den ersten f erhalten hatte; es lautet im Koptischen f%
oder fak Denselben Wert des einfachen Konsonanten f bat aber
in der Spatzeit (seit 700 v. Chr.) auch das Bild des Fleisches be-
kommen, weil das Wort fiir „Fleisch ,v wie in dem Falle der alten
Buchstabenzeiehen fiir d und d yon seinen urspriinglichen 3 Kon-
sonanten Iwf nur noch den letzten, das f, behalten hatte ; es lautet
im Koptischen af.
Beide Beispiele zeigen auf das Deutlichste, dafi sich in den
Jahrtausenden hinsichtlich der Nichtberiicksichtigung der Yokale
bei der phonetischen Bewertung schlechierdings nichts gegen die
altesten Zeiten geandert hat. Das zweite zeigt zugleich, dafi
auch das akrophonische Prinzip fiir den Agvpter selbst in der
Spatzeit noch immer keine Rolle gespielt hat. Wie hatte er sonst
das Bild des Wortes af fiir f gebrauchen konnen? 8 ).
Nach dem Dargelegten nahm das einfache Lautzeichen, der
Buchstabe, im phonetischen System der Agypter keine Sonder-
stellung ein, sondem es ist den anderen phonetischen Zeiehen, die
mehrere Konsonanten ausdriickten, durchaus parallel entstanden,
indem es lediglich eben den Lautwert erhielt, der dem in ihm
dargestellten Worte zukam, und indem es nur deshalb, weil dieses
Grrundwort bis auf den betreffenden einen Konsonanten redoziert
war, ein Einkonsonantenzeichen wurde. Wie wenig ein dringendes
1) Die Hieroglyph!!* der griechisck-romischen Zeit wimmelt geradezu von
derartigen Homophonen der alten Buchstabenzeiehen. Champollion kannte
ihrer bereits etwa 260; ihre Zahl hat sich fiir tins seitdem noch best&ndig ver-
mehrt.
2) s. Exkurs 15.
3) Zu der sogenannten syllahischen Schreibung mittels entwerteter alter
Zweikonsonantenzeichen s. Exkurs 16,
124
Kurt Sethe,
Bediirfnis nach Buchstabenzeichen empfunden wurde, sehien ja der
Fall des Bucbstaben l klar zu zeigen.
Wenn der Agypter dem ideographiscli mit dem Bilde des
Armes geschriebenen Worte rmn „Arm“ die Bilder des Mundes
(Lautzeichen fur r) und des Brettspieles (Zweikonsonantenzeiehen
fiir die K o ns o n an t enf olg e mn) zur Yerdeutlichung zufiigte, so be-
deutete das also im Grunde nichts anderes als: bier liegt das Wort
fiir j,Arm* vor, das die Konsonanten der Worter ro „Mnnd“ und
•*man (oder wie es nun sonst vokalisiert war) n Brettspiel“ enthalt.
VII.
Sind diese Schliisse ricbtig — und ich sebe keinen andern
Weg — , so bat sich die Erfindung der Bucbstaben, die uns an
ihrer Nutzlichkeit fiir die Menschbeit und ibrer spateren Ge-
scbichte gemessen als eine grofie geniale Leistung erscbeinen
muBte, bei den Agyptern automatiscb eingestellt als selbstver-
standlicbe Folge des allgemeinen Prinzips der pbonetischen Uber-
tragung alter ideograpbiscber Bilder nach Bebusart und ibrer
Anwendung auf Teile von Wortern, wie sie anch in den Silben-
scbriften anderer Yolker vorliegt. IJnd nicbt auf einmal, sondem
nacb und nach im Laufe der Zeit mit fortschreitender Zersetzung
der Spracbe bat sich das agyptiscbe Alphabet gebildet.
Nicht die Erfindung der Bucbstaben, die hiernach als eine
rechte ecbte Erfindung zufallig und ungesucht gemacbt worden
zu sein scbeint, sondern dieses allgemeine Prinzip der Lautandeu-
tung durcb phonetische Ubertragung, die Abstraktion vom Bilde,
die fiber all auf Erden die alten Bilderscbriften in gleicber Weise
zu Lautschriften umgestaltet hat, sobald einmal das Bediirfnis
nach einer solchen erwacbt war, ist also der grofie bedeutsame
Schritt gewesen, den Humboldt „die innere Wabrnehmung des
artikulierten Lautes ttl ), Steinthal „das Geffihl der gesonderten
Laute“ nannte 1 2 ) und den der erstere n geistigen Funken, die plotz-
lich in einer Nation oder einem Individuum sprfihen“ verglich.
Dafi diese phonetische "Ubertragung der Ideogramme bei keinem
andern Volke aufier den Agyptern zur Buchstabenerfindung geffibrt
hat, ist augenscheinlicb in der Yerschiedenbeit des Spracbbaus be-
grfindet gewesen. Dieser ffihrte bei der chinesischen Spracbe mit
ihren einsilbigen, vielfach homonymen Wortern notwendig zur
1) W. v. Humboldt, liber die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang
init der Sprache, Abh. Bert. Akad. 1824, S. 174.
2) Steinthal, Die Entwicklung der Schrift S. 46.
Der Ursprung des Alphabets,
126
Wortsilbenschrift , bei andern Spraclien ebenso notwendig zur
eigentlichen Silbenschrift. Aucb die Agypter batten das* Ver-
dienst, das sie sicb mit der Buchstabenerfindnng nnbewuBt um
die Menschkeit erworben haben, ja ganz augenscheinlich dtm
eigentiimliehen Ban ihrer Sprache zn verdanken, die einerseits
mit ihren reinkonsonantiscben Wortstammen die Schrift verkin-
derte, den Weg zur Silbenscbrift einzuscblagen, und die anderer-
seits in Folge ihrer starken Zersetznng bereits eine geniigende
Anzahl einkonsonantig gewordener Worter aufwies, deren Bilder
bei der phonetischen Ubertragung eo ipso zn konsonantischen
Bnchstabenzeichen werden muBten.
Zn dem Bilde, das wir oben yon der Entstehung des agypti-
schen Alphabets gewonnen haben, diirfte nnn aucb die Tatsache
vortrefflich stimmen, dafi die Agypter niemals den weiteren Sebritt
getan baben, den spater die Schopfer des phoniziscken Alphabets
taten, namlich nnter Ausscheidung aller andern Zeicben, phonetiscber
nnd ideograpbiseber, nnr noch die Laut- oder Buehstabenzeicben
zn gebranehen. Die Agypter baben eben dem Lantzeicben nie
einen Vorrang yor den andern Zeicben eingeraumtj es ist ibnen
nie als etwas Besonderes erscbienen.
Bei dem Festhalten an der alten Schreibweise nach dem ge-
mischten System mit ideographischen nnd mehrkonsonantigen pho-
netischen Zeicben haben nnn freilich noch andere Faktoren mit-*
gewirkt. Einmal die Macht der Gewohnkeit, die ohne einen ge-
waltigen AnstoB yon anBen vielleicbt iiberbanpt nie ein Yolk dazn
kommen lassen wiirde, einen solchen radikalen Bruch mit der Yer-
gangenheit zn vollziehen, wie es der tlbergang znr reinen Buck-
stabenschrift fiir die Agypter gewesen ware. Diesen AnstoB
haben die Agypter noch nicht beim Znsammenprall mit der grie-
chischen Kultnr nach Alexander d. Gr,, sondern erst bei der An-
nahme des Christentnms erhalten. Erst sie, selbst der gewaltigste
Brnch mit den alten Traditionen, hat sie dazu vermocbt, ibre
komplizierte nnd in ihrer jhngsten Form, dem sogenannten De-
motischen, in ein Gewirr von Sfcricben aufgeloste Schrift mit dem
einfachen griechischen Alphabet zn yertanschen, das sie um einige
Zeichen ihrer alten Schrift zn dem sogenannten „koptischen“ Al-
phabet vermehrten.
Ein anderer, nicht minder ernster Grand, der dem tlbergang
znr reinen Buchstabenschrift bei den Agyptern im Wege stand,
wird die Zersetznng ihrer Sprache gewesen sein, die, schon am
Anfang der Geschichte sehr stark vorgeschritten, im Laufe der
Zeit naturgemaB nngehener zugenommen hat. Sie war in der Tat
Kurt Sethe
126
derart, daB die bloBe Konsonantenbezeichnung, anf die die Agypter
bei der phonetischen TJbertragung nun einmal gekommen waren,
ohne die Begleitung der verdeutlichenden Ideogramme, die prak-
ti«ch zugleich als Worttrenner dienten, und der phonetisohen Zwei-
und Dreikonsonantenzeichen nicht geniigt haben wiirde, dieWorter
zu erkennen. Eine stark zersetzte Spraehe trennfc sick mn so
schwerer yon der kistoriscken Schreibung, je groBer der Abstand
zwischen beiden im Lautbestand der Eormen geworden ist, wie
man am Eranzosisehen und Englischen seken kann 1 * * * * * ).
Unter diesen Umstanden hatte der Agypter zur reinen Buck-
stabenschrift eben nur dann iibergehen konnen, wenn er zugleich
auch den nacksten Schritt noch getan hatte, den erst die Grriechen
bei der Rezeption des pkonizischen Alphabets taten, namlick wenn
er sick Yokalzeicken geschaffen katte, wie er es scblieBlick bei
der Annahme der griecbiscben Sckrift mit seinem "Dbertritt zum
Ckristentum ja wirklich getan kat. Auf diesen Weg ist er indefi,
solange er seine alte eigene Sckrift gebrauchte, nickt gekommen
und konnte er nickt kommen, weil die Vokalbezeichnung bei der
Rolle, die der Vokal in seiner Spracke spielte, nickt so notwendig
war, vielmehr bei der historischen Schreibweise mit ideogra-
phiscken Elementen sogar ganz gut entbehrt werden konnte;
erlaubte diese Schreibweise dem Agypter doch auch, nickt selten
in der phonetischen Schreibung yon Wortern selbst deutlich ge-
sprockene Konsonanten unbezeicknet zu lassen (sogenannte defek**
tive Schreibung, s. S. 114, Anm, 4).
VIII.
Wenn wir uns nunmehr die Erage vorlegen, ob ein Zusammen-
hang zwiscken dem erst nack dem Jahre 1000 v. Ckr. inschriftlich
1) Wie im Franzosisehen die in ihrer Schreibung nocli deutlich unter-
scLiedenen Wdrter cent , s 7 en } sens, sans, sang in der Aussprache, falls nicht ein
Yokal folgt, vdllig zusammenfallen, so gibt es auch im Koptischen eine Menge
Wdrter ganz Yerschiedenen Ursprungs, die fruBerlich vdllig gleichlauten und in
der rein Jautlichen, unhistorischen Schreibweise des Koptischen einander auch
vdllig gleichsehen. So lauten dort 7 verschiedene W r drter Qp'w.t „erscheinen“,
„Fest a , sr.t „Nase“, slm „Wert“ sV „Anfang“ ]}r „pflegen“, r „bis“, iU
„Schwein“ in uj^-gocrpr „Eber“) und 4 gje „ Holz“, 8,t oder sn.t „hundert u ,
im.t „gehen* £ , r n]i „hei“ im Schwur). Bei einer reinen Konsonantenschrift, wie
sie das phdnizische Alphabet darstellt, waren diese 11 Wdrter und aufierdem
auch noch die Wdrter gjj „messen“, ego „tausend“, cgcn „Sand“, cgoy- „wert“
nicht yon einander zu unterscheiden gewesen. Nun stelle man sich vor, wie das
im Agyptischen mit seinem so unendlich reicheren Wortschatz hatte werden
mussen.
Der Ursprung des Alphabets.
127
auftretenden phonizischen Alphabet and diesem alten der agypti-
schen Schrift inkorporierten Alphabet anzunehmen ist, and dabei
wieder von jenen 5 Punkten ausgehen, die ans bei der Pr lifting
der andern Ableitangen des phonizischen Alphabets als Kriterien
dienten, so ergibt sich fiir jeden dieser 5 Punkte Folgendes.
1) Das agyptische Alphabet bestand ebenso wie das phoni-
zische Alphabet nnr aas Konsonantenzeichen. Die Vokale blieben
in ihm, wie in der phonetischen Schrift der Agypter aberhaupt,
anbezeichnet. Dieser TTmstand, der in der phonizischen Schrift
entschieden ein Mangel ist, war in der agyptischen Schrift in der
Entstehang der Bnchstaben zwingend begriindet and wirkte in
der Verbindaag mit den ideographischen Schreibnngen kernes-
wegs storend. Erst darch die Abhangigkeit des phonizischen Al-
phabets vom agyptischen and nar darch sie wiirde dieser Mangel
des phonizischen Alphabets seine natiirliche Erklarung finden. Es
ware eben ein ererbter Fekler, ein Fehler, aaf den das sonst so
praktisch angelegte phonizische Alphabet ohne ein Master, in lessen
Bann es stand, schwerlich verfallen ware; ein Erdenrest, der ihm
noch anhaftete, wie es treffend genannt worden ist (Schafer).
2) Die agyptische Schrift wnrde ebenso wie die phonizische von
rechts nach links geschrieben 1 ), wobei die Bilder nach dem Anfang
der Zeile, also nach rechts, blicken. Die Zeilen laafen seit Ende
des 3. Jahrtaasends nur noch wagerecbt, nachdem sie urspriinglich
senkrecht gelaafen waren nnd voriibergehend beide Schreibweisen
nebeneinander bestanden hatten (s. oben S. 106).
3) Das Schreibmaterial der Agypter war seit den altesten ge-
schichtlichen Zeiten der Papyrus and seine Ersatzmittel, als vor-
nehmeres das Leder, als minderwertiges die Scherbe (alter Kalk-
steinsplitter , spater Topfscherbe). Geschrieben warde mit der
Rohrfeder and mit schwarzer and roter Tinte. Es sind also die
namlichen Schreibmittel, die aach fiir die phonizische Schrift anza-
nehmen waren and die sich mit dem Siegeszag des phonizischen
Alphabets iiber die ganze Erde verbreitet zu haben scheinen. Der
Papyrus, der Vater unseres Papiers und ihm in frischem Zastande
aach in der weiBen Farbe sehr ahnlich 2 ), ist ein Pflanzenstoff,
1) So stets in der kursiven Schrift des Lebens, dem Hieratischen und De-
motischen. Nur die zum Schmuck der Denkm&ler benutzte Hieroglyphenschrift
darf unter Umst&nden aus besonderen Grrunden auch umgedreht in Spiegelbildern
geschrieben werden (s. oben S. 106, Anm. 4), was bei den deutlick erkennbaren
Bildern konkreter Dinge eben nichts auf sich hat. Aber auch bei den Hiero-
glyphen ist die linkslaufige Schreibrichtung das Gew&hnliche und das Urspriingliche.
2) Dies zeigt ein von Herrn Hugo Ibscher, dem verdienten Papyrus-
128
Kurt Sethe,
der aus einer spezifisch agyptischen Sumpfpflanze (Cyperus papyrus)
gewonnen wird. Die phonizische Stadt Byblos, nach der die
Griechen die Pflanze, den daraus hergestellten Stoff und spater
ancli das Buch benannten, bezeichnet nur den Platz, iiber den
der agyptische Stoff zu ihnen gelangt war.
4) Das Verhaltnis der Buchstabenwerte zu den Namen der
von den Buchsiabenbildern dargestellten Gegenstande war ancli
im Agyptischen in den meisten Fallen ein solches, daB Jemand,
der die Entstehung des agyptischen Alphabets nicht kannte,
glauben umBte, es bernhe auf akrophonischer Grundlage, denn die
Buchstaben sind in ihrer Mehrzahl mit dem Konsonanten identisch,
mit dem ihre Namen beginnen. Ja man kann sagen, daB die
Agypter das akrophonische Prinzip ebenso unbewuBt und un-
absichtlich gefunden haben, wie sie die Buchstaben selbst unge-
sucht erfunden haben.
5) Tiber die Anordnung des agyptischen Alphabets, wenn es
uberhaupt eine solche gab, wissen wir aus altagyptischen Quellen
nicht s 1 ). Aber aus einer Angabe bei Plutarch Quaest. conviv.
9, 3 wiirde, falls sie auf Tatsachen beruhte, hervorgehen, daB die
Agypter ihr Alphabet ebenso wie die Phonizier mit dem Aleph-
laute beginnen liefien 2 ), den ihre Sprache in der Tat ebenso kannte
und als Konsonant behandelte, wie die semitischen Sprachen.
Wenn man von diesem letzten 5. Punkte absiekt, der ungewiB
bleibt, so zeigt sich also iiberall die auffallendste Ubereinstimmung
zwischen dem agyptischen und dem phonizischen Alphabet. Wir
finden die Eigenarten und Mangel des phonizischen Alphabets, die
bei ihm so unvermittelt und unmotiviert dastanden und die z. T.
jede Anknupfung nach anderer Seite abschnitten, im agyptischen
Alphabet nicht nur ebenso wieder, sondern dort zeigen sie sich
organisch erwachsen, aus den natiirlichen Verhaltnissen einer pri-
mitiven Schrift mit geradezu zwingender Notwendigkeit ent-
wickelt. Dies neben die historischen und geographischen Wahr-
scheinlichkeiten, die fur einen Zusammenhang beider Alphabete
konservator der Berliner Museen, nach den alten Anweisungen hergestelltes Blatt
Papyrus. Die farbigeu Darstellungen yob Papyrussehriftstiicken in den alt-
&gyptischen Wandgem&lden werden dadurch bestatigt.
1) Die von Mariette, Rev. arch. Nouv. ser. 15 (1867), S. 296 ausge-
sprochene Vermutung, die Reihenfolge der alliterierenden Strophen einer ge wissen.
Litanei sei wie bei den akrostichischen Gedichten des A. T. eine alphabetische,
schwebt vdllig in der Luft.
2) dva68ip xai d<p&6yytjp i rpoeSpfav h ypdpt{xa(jt dbroodvrec, Im Dbxigen s. zu
dieser Stelle Exkurs 17.
Der Ursprung des Alphabets.
129
sprechen, und die antiken Zeugnisse, die sick in gleichem Sinne
aussprachen, gekalten mackt die Amxakme einer Abhangigkeit des
phonizischen Alpkabets vom agyptischen in irgend einer Form
unabweisbar, ja erhebt sie wokl fast zur Grewifiheit.
IX.
Wie kaben wir nns nun aber diese Abhangigkeit zu. denken ?
Als es sick bei der Entzifferung der agyptiscken Hieroglypken
zeigte, daB die agyptiscke Sckrift u. A. auck reine Bnckstabenzeicken
anfwies und dab sie innerkalb der agyptiscken Worker dieVokale
in ganz ahnlicker oder sogar gleicker Weise bekandelte *), wie es
die pkonizische Schrift tat, sprack der Entzifferer selbst, Cham-
pollion, in vorsichtiger Form es als „sekr wakrsckeinlicke Yer-
mutung“ aus, dafi man in diesen Bnckstabenzeicken, wenn nickt
die Urform, so dock das Muster des pkonizischen Alpkabets zu
erkennen habe*). Zu einer Vergleichung von Zeicken mit Zeicken
ist er nickt mekr gekommen; sie hatte ihn bei dem damaligen
Stande der Kenntnisse auck nickt zu richtigen Ergebnissen flikren
konnen.
Die Ableitung der einzelnen pkonizischen Buckstaben aus
ihren mutmafilicken agyptiscken kieroglypkiscken Aquivalenten
kaben dann Lenormant und Halevy versucht. Diese Yer-
sucke miissen als verfeklt angeseken werden. Lenormant ging
nur von den Formen der Zeicken und der Bedeutung der pho-
niziscken Buckstabennamen aus, okne die Lautwerte zu beriick-
sichtigen, und benutzte iiberdies zu seinen Vergleichungen beliebige
Hieroglypkenzeicken, die nie oder nur ganz spat als Buckstaben
verwendet werden 3 ). Er hat seinen Irrtmn spater eingesehen.
Nicht so HalAvy, der bis an sein Lebensende an seiner Tkeorie
festgekalten hat 4 ). Er lieB den Schopfer des phonizischen Alpka-
1) In den griechischen Namen Ptolemaios, Kleopatra usw., von denen die
Entzifferung ausging, fand eine teil weise Yokalbezeichnnng statt (in Ptolemaios
nur das o), ahnlich der spater bei den Semiten fur die langen Yokale einge-
fhhrten und der griechischen, s. oben S. 118. — Man hat daher anfangs die kon-
sonantische Natur der so verwendeten Buchstabenzeichen ( w , j, 3, c ) nicht erkannt
und sie fur Yokalzeiehen gehalten, obwohl sie in agyptischen Wortern nur in
ganz bestimmten Stammen auftraten.
2) „sinon Porigine directe, du moins le module xn6thodique fc Champollion,
Lettre a Mr. Dacier S. 80.
3) So setzte er z. B. das Zeiehen der Geifiel, das in der spateren Hiero-
glyphik fur das Wort ]%w „schtitzen £{ gebraucht wird, lediglich um der Form und
der Bildbedeutung willen dem phonizischen Lamed gleich.
4) Rev. s£mit. 9, 356 if. 10, 331 ff‘. Dazu die eingehenden Kritiken von
Lidzbarski, Ephem. I 261 ff. II 121.
130
Kurt Setlie
bets in einer ganzlich unmotivierten Auswahl nur 11 Zeicben aus.
der agyptischen HieroglTpbenscbrift ubernehmen; die ubrigen phb-
nizischen Buchstabenzeichen, die in der Tat z. T. sekundarer Bil-
dung zn sein seheinen, sollten ans diesen 11 entlehnten Zeichen
differenziert sein. Dabei respektierte Halbyy aber weder die
Lantwerte, die den agyptischen Zeichen znkamen 1 ), noch anch die
rechtsgewandte Ricbtung, die die agyptischen Zeichen bei links-
lanfiger Schrift haben; anch die Gestalt nnd Stellung der agypti-
schen Zeichenbilder lieB er nicht nnangetastet. Kurzum es war
ein richtiges Prokrustesbett, in das er sie einspannte.
Yon alien Einzelheiten abgesehen, muB aber die Herleitnng
des pkonizisehen Alphabets gerade ans den Hieroglyphen, die doch
in geschichtlicher Zeit nnr noch als Monnmentalschrift gebrancht
wurden, anch allgemein schweren Bedenken begegnen. Bei einer
Entlehnnng yon Zeichen fur Zeichen, zumal in verhaltnismaBig
sphter Zeit, whrde gewifi eher an die Schrift des praktischen
Lebens, die ans den Hieroglyphen entwickelte kursiye Schreib-
schrift, das P Hieratische a , zn denken sein. Anch der knrsive
Schriftcharakter der phbnizischen Bnchstaben whrde dazn besser
passen.
Diesen Gedanken yerfolgte Emmanuel de Rough, dessen
scharfsinnige nnd besonnen dnrchgefuhrte Herleitnng des phbnizi-
schen Alphabets ans der hieratischen Schrift 2 ) seinerzeit fast all-
gemein Anklang gefnnden hat nnd bis in den Anfang nnseres
Jahrhunderts hinein als gelungener Beweis betrachtet worden ist.
De Rough legte seinen Zeichenvergleichnngen die alteste damals
bekannte Eorm des agyptischen Hieratisch, wie sie in der Zeit
des mittleren Reiches (nach 2100 yor Chr.) gebrancht wurde, zn
Grunde, well er nnr in dieser einen befriedigenden Grad yon
Ubereinstimmnng zwischen den hieratischen nnd den altesten
damals bekannten phbnizischen Zeichenformen (Inschrift des Esch-
munazar) zn finden meinte.
Die Yergleichung der einzelnen Zeichen, wie er sie durch-
gefuhrt hat, hat sich jedoch, so bestechend sie einst schien, nicht
als stichhaltig erwiesen. Agyptologen nnd Semitisten stimmen
heute darin vollig hberein 8 ).
De Rouge 4 ) beging den Fehler, daB er seinen Vergleichnngen
1) s. Exkurs 18.
2} M&noire sur l’origine egyptienne de Palphabet plie'nicien, verfafit im J.
1850, verSffentlicht durch seinen Sohn Jacques de Rouge 1874.
iJ) Lidzbarski, Ephem. I 128.
4) Zum Folgenden s. Exkurs 19.
Der Ursprung des Alphabets.
131
z, T. nicht die eigentlichen agyptischen Buchstabenzeichen, son der n
Zeichen, die erst spater zu Homophonen derselben herabgesunken
sind, zu Grunde legte. AuBerdem yerfuhr er in der Herleitung
der Zeichenformen eklektisch und inkonsequent, indem er die pho~
nizisehen Zeichen bald aus diesem bald aus jenem nebensachlichen
Element der agyptischen Zeichen ableitete. In der lautlichen Be-
wertung der agyptischen Buchstaben beging er, z. T. ohne seine
Schuld, durch den mangelhaften Stand der Kenntnisse seiner Zeit
in die Irre geleitet, reeht wesentliche Misgriffe. Zndem hat die
seinen Yergleichnngen zu Grunde gelegte Inschrlft des Konigs
Eschmunazar yon Sidon, damals die alteste bekannte phonizische
Inschrift, diesen Rang mittlerweile an andere, um ein halbes
Jahrtausend altere Inschriften abtreten miissen, die einen wesent-
lich anderen Schrifttypus aufweisen, LaBt man alle aus irgend
einem sachlichen Grunde unmogliehen Gleichsetzungen de Roughs
beiseite, so bleibt yon einer wirklichen Ahnlichkeit zwischen den
phonizischen Buchstaben und den ihnen lautlich entsprechenden
agyptischen hieratischen Zeichen schlechterdings so gut wie niehts
iibrig.
Man kann das Fazit der Vergleichung der phonizischen Schrift-
zeichen mit agyptischen in den Satz zusammenfassen : Die nach
ihrem Aussehen allenfalls vergleichharen Zeichen beider Schriften
haben nicht die gleichen phonetischen "Werte, und die gleichen
Laute beider Sprachen haben nicht die gleichen Zeichen x ).
Gewisse Momente lassen aber heutzutage klar erkennen, dafi
die phonizischen Schriftzeichen selbst nun und nimmer aus der
agyptischen noch auch aus irgend einer andern Schrift abgeleitet
sein konnen, sondern Originalschopfungen eines Semiten sein mtissen.
Da ist zunachst die Existenz der sekundaren Zeichen, die erst
aus anderen phonizischen Buchstaben abgeleitet zu sein scheinen
(s. oben S. 9 A 102), ein Punkt, der entschieden eine gewisse Selb-
standigkeit des phonizischen Alphabets in der Aufstellung seines
Zeichenbestandes erkennen lafit.
Eben darauf fiihrt vor allem aber die Ubereinstimmung, die
bei den phonizischen Buchstaben zwischen ihren Namen, ihren
Bildern und ihren akrophonischen Werten besteht und die oben
1) So bezeichnet das als Kreis dargest elite Auge (Augapfel) im Phonizischen
den Buchstaben e ( r Ajin), im Agyptischen das Wort fur Augapfel und erst spat
als Yariante des ganzen Auges auch dessen zweikonsonantigen Lautwert jr.
Umgekehrt wird der c Ajin- Kehllaut, der im Phonizischen durch eben dieses Bild
des Auges oder Augapfels ausgedrUckt wird, im Agyptischen durch das Bild des
Armes ausgedriickt.
132
Kurt Sethe,
(S. 102) an dem Beispiel des Buchstaben c Ajin „Auge tf aufgezeigt
wurde. Bei der Mehrzabl der phonizischen Buchstaben erscheinen
diese 3 Dinge, Name, Bild und Lautwert, so fest mit einander
verankert, dab sie garnicht voneinander getrennt werden konnen.
Waren die Buchstabenzeichen aus einer anderen alteren Schrift
mitsamt ihrem Lautwerte iibernommen, so hatte der Phonizier
wohl in einem oder dem andern Falle, schwerlich aber in einer
ganzen Eeihe yon Fallen, zu jedem Zeichen eine neue Deutung
linden konnen, die sowokl zu dem tatsachlichen Aussehen des wer
weiB wie entstandenen Bildes als auch zu seinem aus der fremden
SpTache iiberkommenen Buchstabenwert pafite und dem Buch-
staben einen mit demselben Laute beginnenden semitischen Namen
gab 1 ). Es ware das eine schier iibermenschlicbe Aufgabe fur den
Phonizier gewesen, so schwer, daB sie ohne gewaltsame TJmge-
staltungen der gegebenen Zeichenformen gewiB nicht zu losen ge-
wesen ware. So wurde man denn auf diesem Wege schlieBlich
doch zu einem fast neuen Zeichenschatz gelangt sein, der nur
noch in seiner Keimanlage alt gewesen ware 2 ).
Tatsachlich liegt weder in den phonizischen Buchstaben noch
auch auBerhalb von ihnen das G-eringste vor, was auf derartige
TJmdeutungen und Umgestaltungen bei ihnen zu schlieBen notigte.
Die Buchstabenformen erwecken vielmehr im Allgemeinen durchaus
den Eindruck, daB sie wirklich TJberreste von Bildern der Q-egen-
stande seien, die vorzustellen sie durcb ibre Namen vorzugeben
scheinen. Diese Buchstabennamen scheinen also legitim und nicht
willkurliche Ausdeutungen eines fremden Entlehners zu sein.
1) D e R o u g]d hat tatsachlich den Phonizier so die hieratischen agyptischSn
Zeichenformen urn- oder ausdeuten lassen. So sollte nach ihm das agyptische
M, p als Mund mit Zahnen gedeutet und demgem&B Pe, d. i. Mund, genannt
worden sein, obgleich doch die phftnizische Form dieses Buchstaben J gerade
von den angeblichen Zahnen nichts mehr erkennen laBt. Ahnlich suchte Taylor
(The Alphabet I 170) das Gimel, d. i. Kamel, daraus zu erklaren, daB der Pho-
nizier das agyptische g als Bild eines liegenden, nach links gewandten
Kameles gedeutet und den angeblichen Kopf dieses Bildes als Buchstaben fur g
verwendet babe.
2) Be Roughs Ableitungen setzten in der Tat solche Umgestaltungen
der agyptischen Zeichen voraus, und die phonizischen Buchstaben stellten bei
seiner Erklarung tatsachlich im Yergleich mit ihren angeblichen agyptischen Ur-
bildern neue Zeichenformen dar.
Der Ursprung des Alphabets.
133
So wird man denn dem phonizischen Alphabet seine Ori-
ginalitat in der Anfstellnng und Bewertung seines Zeichenbestandes
nicht gnt absprechen konnen. Wenn sick uns oben andererseits
ergab, daB es in seinem Greiste und in seiner Handhabung un-
zweifelhaft yon der agyptischen Schrift abhangig zu sein scheme,
so laBt sich beides ja durchaus miteinander yereinen: der Inhalt
ist alt, das Kleid neu, oder, um ein biblisches Bild zu gebrauchen,
es ist hier alter Wein in neue Schlauche gefiillt.
Im agyptischen Alphabet haben wir also, um es kurz zu pra-
zisieren, nicht, wie Lenormant, Hal£vy und de Roug6 ver-
meinten, das Ur bild, sondem das Yorbild, und zwar das un~
mittelbare, des phonizischen Alphabets zu erkennen, oder, wie
Champollion esso treffend formuliert hatte, nicht die origin e
directe, sondern das module mdthodique 1 ).
X.
Vergleichen wir nuu das neue Grewand, in das das von den
Agyptem erfundene Konsonantenalphabet yon den Phoniziern
resp. Kana c anaern gekleidet worden ist, mit dem alten Kleide,
in dem es bei den Agyptern einhergegangen war, so zeigt sich
ein recht bemerkenswerter Unterschied zwischen beiden, der in
drei Punkten scharf hervortritt:
1) in der phonetischen Bewertung der Bilder. Der Mund,
der im Agyptischen das r ausdriickt, bezeichnet im Phonizischen
das jp. Die Hand, die im Agyptischen das d ausdriickt, bezeichnet
im Phonizischen das j ; dabei hat das Bildzeichen beidemal seinen
Buchstabenwert yon demselben Worte jd „Hand a bekommen, das
1) Dieses Ergebnis deckt sich im Wesentlichen mit dem Schlusse, zu dem
Lidzbarski seinerzeit in seiner einschneidenden Untersuchung „Uber den Ur-
sprung der nord- und sudsemitischen Schrift“ (Ephem. I 109 ft.) gelangte, an
dem er sp&ter aber wieder irre geworden zu sein scbeint (ib. II 371 ft, s. Ex-
kurs 11), das phonizische Alphabet werde von einem Semiten in Kana'an er-
funden sein, „der von der Existenz der agyptischen Schrift und etwas von ihrem
System wufite, dessen Kenntnis aber nicht so weit rachte, um auch einzelne
Zeicben aus ihr entlehnen zu konnen“. Hier sind aber die Tiefe und Reicb-
weite des agyptischen Einflusses, die erst durcb die agyptologischen Axbeiten des
letzten Jahrzehnts deutlich geworden sind, lioch stark unterschatzt. Die Bekannt-
scbaft des Schopfers des phonizischen Alphabets mit der Agyptischen Schrift
muB doch erheblich hesser gewesen sein; sein Yerdienst wird dadurch nicht ge-
schmalert, sondern eher erhoht. Die Schopfung neuer Buchstabenbilder, nach
semitischem Geschmack und zur semitischen Sprache akrophonisch passend, ist
gewiB nicht als Anzeichen fur mangelnde Kenntnis der agyptischen Schrift anzu-
sehen.
134
Kurt S ethe
beiden Spraclien gemein war, aber im Agyptischen frtili den An-
fangskonsonanten j eingebiifit hatte (s. oben S. 122).
2) in der Bichtung der Bililer. Im Phonizischen scheinen die
Zeichen, welche lebende Wesen oder Teile davon darstellen, samt-
lich nach links gewandt zu sein, also der linkslaufigeu Schrift-
richtung folgend nacb dem Ende der Schriftzeile zu blicken *).
In der agyptischen Schrift pflegen derartige Bilder dagegen,
ebenso wie in den meisten andern alten linkslaufigen Bilder-
schriften, nach dem Anfange der Schriftzeile, also nach rechts,
der Schriftrichtnng entgegen zu blicken 1 2 ).
3) in der Zeichenweise der Bilder. Sie ist bei den phonizischen
Buchstaben vollig unagyptisch. Der Agypter zeichnet die Gregen-
stande, die sie darstellen, ganz anders. So stellt er den Mund
nnd die Hand in den Buchstabenzeichen r und cl (ebenso wie iiberall
sonst, wo er sie allein, nicht als Teile eines ganzen menschlicken
Korpers darzustellen hat) nicht wie der Phonizier von der Seite
gesehen ( ^ Pe und ^ Jod), sondern, getreu seinem Grrundsatz,
jeden Gregenstand von seiner charakteristischsten Seite darzustellen,
von vorn (<3> r) bezw. von oben gesehen (c^» 3 ) d) dar. 4 )
Was den Phonizier dazu bewogen hat, als er das Alphabet
oder vielmehr die Idee des Alphabets von den Agyptern ubernahm,
1) Das ist deutlich beim ^ Aleph (Stierkopf), beim Gimel (Kamelkopf),
beim ^ Nun (Fisch) oder Nehaset (Schlange), beim ^ Jod (Hand, deren Daumen
und Finger nach links gespreizt sind), beim Kaph (desgl), beim Resell ^
(Kopf, bei dem der Hals rechts erscheint), beim Pe J (Mund, der die von der
Seite gesehene Mundoffnung darstellen durfte).
2) Hier ist naturlich wieder nur von der normalen, im Hieratischen und
Deraotiseben ausschliefilick angewandten Scbreibweise die Rede, nicht von der
l>ei den Hieroglyphen auf Denkmalern gelegentlich angewandten Spiegelschrift ;
bei dieser blicken die Zeicben naturlich nach links, ebenfalls nach dem Zeilen-
anfange.
3) Die Drucktype stellt das Spiegelbild dar, ist also eigentlich umzadrehen.
Ebenso die in Anm. 4 angefuhrten Beispiele.
4) Ebenso gibt der Agypter das Auge nicht nur durch den Augapfel wieder
wie das phonizische O ('A jin), sondern durch das ganze yon vorn gesehene Auge
-<2>- (Spiegelbild), den Zahn nicht wie das phonizische W(Schin, zwei von vorn
gesehene obere Schneidezahne), sondern als Elefantenzahn > = — . (Spiegelbild), den
Eisch nicht, wie es das phonizische Nun zu tun scheint, falls es wirklich einen
Fisch und nicht vielmehr eine Schlange dargestellt haben sollte, mit dem Kopf
nach oben (an die Oberflache des Wassers stofiend; ebenso der Diskos von Phaistos),
sondern wagerecht schwimmend <5*1 (Spiegelbild) usw.
135
Der Ursprung des Alphabets.
neue Buchstabenzeichen daftir zu schaffen, wird der Wunsch ge-
wesen sein, Zeiclien zu gebrauchen, die ihm auch etwas sagen konnten.
Die agyptischen Buchstaben, die hieratischen in ihrer stark ent-
stellten Kursivgestalt, die hieroglyphischen mit ihrem zur agyptischen
Spracke, nicht aber zu seiner kana'anaischen Sprache stimmenden
Lautwerte und Bilde (Bild des Mundes = r , von ro „Mund“) konnten
das natiirlich nicht.
Der Phonizier schuf sich deshalb neue Zeichen. Er setzte fiir
jeden Konsonanten, den er besonderer Unterscheidung fiir wert
hielt *), das Bild eines einfach zu zeichnenden Gegenstandes, dessen
Name mit dem betreffenden Laute anfing (akrophonisches Prinzip),
Diese Bilder entnahm er den Gedankenkreisen, die ihm die nachst-
liegenden waren, dem menschlichen Korper (Auge, Mund, Kopf,
Hinterkopf, Zahn, Hand), dem Haus (Haus, Tiirfliigel, Nagel-Haken),
der Yiehzucht (Rind, Kamel, Ocksenstachel, Kreuzzeichen), der
Natur (Wasser, Fisch). In der zeichnerischen Darstellung der
Bilder folgte er naturgemafi seinem eigenen Geschmack oder seiner
eigenen Gewohnheit, nicht dem eigentumlichen Stil seiner agyp-
tischen Lehrmeister.
XL
Nachdem wir uns so iiber die Art des Abhangigkeitsverhalt-
nisses zwischen dem phonizischen Alphabet und der agyptischen
Schrift klar geworden sind, bleibt noch die Frage zu beantworten,
die oben (S. 96 ff.) noch als offen bezeichnet werden mufite, nach
Ort und Zeit der Entstehung des phonizischen Alphabets. Wir
besitzen dafiir einen sichern terminus ante quem nur in dem Auf-
treten der altesten phonizischen Inschriften, die in das 10. bzw.
9. Jahrhundert gesetzt werden, und in derRezeption des phonizischen
Alphabets durch die Griechen, die etwa in die gleiche Zeit zu
setzen ist, sowie einen sehr wahrscheinlichen in der Erwahnung von
Papyrusrollen zu Byblos in dem Reisebericht des Agypters Wen-
amun, der etwa um 1100 diese Stadt besucht haben will (s. Ex-
kurs 2). Einen terminus post quem glaubte man in den aus dem
15./14. Jahrhundert stammenden Keilschriftbriefen von El Amarna,
Tell Ta'annek und Lachisch zu besitzen, aus denen man schliefien
wollte, dab zu jener Zeit in den kana'anaischen Landern noch all-
gemein die Keilschrift gebraucht worden sei und daC die phoni-
1) Pur die emphatischen Laute Seth, Teth, Sade und Ghajin fiilirte er
zunachst keine besondern Zeichen ein, sondern bezeichnete sie durch die Buck-
staben, die die entsprechenden einfachen Laute ausdriicken, mit, wie der Agypter
das mit dem l tat, Bern Ghajin ist das im Kana'anaischen auch stets so ge-
blieben.
Nackricliten; gesoliaftl. Mitteilungen 1916. 2.
10
136
Kurt Sethe,
zische Schrift damals noch nicht existiert babe (s. oben S. 99).
Dieser Schlufi ist indes, wie oben ausgefiihrt wurde, unberecbtigt,
da es sich bei jenen Briefen nicht urn Schriftstiicke in kana'anaischer,
sondern nm solche in babylonischer Sprache handelt.
Ich glaube, wir werden aus jenen Keilschriftkorrespondenzen
eher einen andern Schlufi zu ziehen haben. Es ergab sich nns oben
klar, dafi der Schopfer des phonizischen Alphabets die Keilschrift
nicht als Muster benutzt haben kann. Man darf aber wohl noch
weiter gehen. Hatte er diese Schrift gekannt oder ware er mit
ihr vertraut gewesen, wie es zur Zeit jener Korrespondenzen die
Oberschichten der kana'anaischen Yolker in Phonizien und Pala-
stina gewesen sein miissen, so hatte er sicherlich seinem so prak-
tischen, fast vollkommenen Systena auch Yokalzeichen eingefiigt und
auch die rechtslaufige Schriftrichtung tibernomnaen. Da er weder
das eine noch das andere getan hat, so wird er seine Erfindung
schwerlich in jenen Landern gemacht haben, solange dort der
babylonische Einflufi machtig war und der G-ebrauch der babylo-
nischen Schrift und Sprache im offiziellen Verkehr herrschte.
Das phonizische Alphabet wird unter diesem Gesichtspunkt
betrachtet, wenn es in den kana'anaischen Landern selbst entstanden
sein soil, entweder vor dem Aufkommen des babylonischen Ein-
flusses (gegen 2500 v. Ohr.) oder geraume Zeit nach dem Erloschen
desselben (gegen 1000 y. Chr.) entstanden sein miissen. Der letz-
tere Eall stofit auf grofie Schwierigkeiten. Man miifite dann wohl
schon bis in die Zeit selbst hinabgehen, in der uns die phonizische
Schrift bereits fix und fertig gleichzeitig an verschiedenen raum-
lich weit auseinander liegenden Stellen mit den Merkmalen einer
lange gebrauchten Kursive in den Inschriften, die uns der Zufall als
alteste aufbewahrt hat, entgegentritt, und in der sie auch schon zu
den G-riechen gelangt gewesen sein mufi. Ware die phonizische
Schrift wirklich erst in dieser Zeit, unmittelbar vor ihrem wirk-
lichen inschriftlichen Auftreten und ihrer Rezeption durch die Grie-
chen, entstanden, so wiirde sie aber auch wohl oder libel in der
Keilschrift ihre Yorg&ngerin gehabt haben miissen und sich damit
kaum deren vorbildlichem Einflufi haben entziehen konnen, wenn
man nicht eine schriftlose Ubergangszeit, in der die Keilschrift
vollig in Yergessenheit geraten sein miifite, fur die kana'anaischen
Lander annehmen will. Es ist also ein richtiger Circulus vitiosus,
in dem man sich hier bewegen wiirde. *
So wiirde denn wohl nur an die andere Moglichkeit zu denken
sein, an eine Entstehung vor der Begrundung des babylonischen
Einflusses, also spatestens etwa nm die Mitte des 3. Jahrtausends
v. Chr., denn soweit scheint, wie gesagt, die Herrschaft des baby-
Dei" Ursprung des Alphabets.
137
lonischen Einflusses zuriickzureichen. Hiergegen wird roan sicli
aher wegen des ungeheuren Zeitabstandes, der dann die Entstehung
des phonizischen Alphabets von seinem ersten inscbriftlicben Auf-
^ treten trennen wurde, mit Recht strauben. Auch die hobe Ent-
wicklungsstufe, auf der es stebt, spricbt vielleicht dagegen.
Unter diesen Umstanden bleibt wobl nur ein Ausweg, der zu-
gleicb die mittlere Linie zwischen den eben erorterten beiden
chronologiscben Moglichkeiten darstellen wiirde: das phonizische
Alphabet wird zu der Zeit, da der babylonische Einflufi in den
kana'anaiscben Landern selbst bereits herrschte, aullerbalb der-
selben entstanden sein miissen, an einer Stelle, die dem babyloniscben
Einflufi entriickt war und dafiir ibrerseits ausscbliefilicb dem agyp-
tischen unterlag, und von dort wird es erst spater in die kana'a-
naiscben Lander eingedrungen sein. Mit andern Worten: es wird
in Agypten, bzw. in dessen Grenzgebieten, entstanden sein bei einem
kana c anaiscben Stamme, der sicb langere Zeit dort aufgebalten und
sicb dabei, nacbdem er bis dabin vielleicht schriftlos gelebt batte,
nach dem Muster des agyptischen Alphabets eine neue Scbrift ge-
schaffen hat, die er hernacb nach Palastina ausfiihrte,
Wer denkt hierbei nicbt an die Israeliten, die nach ihrer
Stammessage vor ihrer Einwanderung in Palastina, die man jetzt
in das 14/13. Jahrhundert v. Ohr. setzt, in Agypten, im Lande
Gosen am Ostrande des Nildeltas, gewobnt baben sollen?
Der sagenhafte, in seinem Kern aber unzweifelbaft historische
Aufenthalt der Israeliten in Agypten und ihr Exodus, an den sicb
ihre Gesetzgebung mit den angeblich auf zwei Tafeln aufgezeich-
neten zebn Geboten kniipft, hat aber seinen historisch wohl be-
glaubigten Vorlaufer gehabt in der „Hyksos“invasion, mit der Jo-
sephus jenen Aufenthalt der Kinder Israel — vielleicht mit mehr
Recht, als man zurzeit noch denkt — zusammengebracht hat. Diese
„Hyksos t{1 ), ein semitisches Hirtenvolk 1 2 ), anscheinend kana'anaischen
Sprachstammes 3 ), und dem entsprecbend in einer griechisch-agyp-
tischen Quelle als $otvixe<; bezeicbnet, nach den Angaben der alten
zeitgenossischen agyptischen Quellen spater in Palastina mit den
1) Der Name ist eine Yerderbnis des der agyptischen Sprache entnom-
menen Titels liki Jus.ivt „Herrscher der Wiisten- (oder Gebirgs-)Lander“, den ihre
Herrscher in Agypten offiziell neben den alten agyptischen Eonigstiteln
fiihrten und ^der nachher fiir das ganze Yolk gebraucht wurde.
2) Die Agypter nennen sie *3m.w d. i. „Semiten“ (ny) oder „Mntj*iv (alter
Name der Sinaibewohner) yon Asien“. Ihre Purs ten fiihren semitische Namen
wie J c Jcb-hr und c nt-hr.
8) Nach dem Namen des Pferdes zu urteilen, das durch sie in Agypten
Eingang fand und dort ssm d. i. d'D}D, ein Dualis mit der spezifisch kana'ana-
ischen Endung auf Mim statt Nun, genannt wurde.
10 *
138
Kurt Sethe,
Fnh.w (d. i. Kana'anaer) eng verbunden *), haben etwa um 1700 v.Ohr.,
vom Osten aus der Wiiste kommend, Unteragypten erobert, langer
als ein Jahrhundert besetzt gehalten nnd von dort aus auch Ober-
agypten mebr oder weniger beherrscbt, bis sie durch die ersten
Konige der 18. Dynastie (in der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts)
nacb Palastina vertrieben wurden.
Wahrend ihrer Herrschaft iiber die Agypter haben sie an-
scheinend bis zu einem gewissen Grade aucb agyptische Kultur und
Sitte angenommen. Ihre Herrscher baben sicb als agyptische Konige
geriert und im Niltal Denkmaler in agyptischem Stil und Inscbriften
in agyptischer Scbrift und Spracbe auf ihren Namen setzen lassen.
Es ist kaum vorstellbar, dab sie, nachdem sie einmal die Yorteile
der Schreibkunst, zum mindesten in der Landesverwaltung, kennen
gelernt batten, schliefilich zum Verlassen des Landes gezwungen,
dies getan baben sollten, ohne wenigstens die Schreibkunst als
bleibenden Gewinn mit sicb zu nebmen.
So bestebt eine starke bistoriscbe Wabrscbeinlicbkeit dafiir,
dab diese „Hyksos“ die Schopfer des pbonizischen Alphabets ge-
wesen sind, ein Schlufi, auf den aucb de Roug6 bei seiner Yer-
gleichung der pbonizischen Buchstaben mit den alteren bieratiscben
Zeichenformen gekommen war und der auch die Zustimmung von
Mannem wie Stade gefunden bat.
Das pboniziscbe Alphabet wiirde demnacb im Anfang des
16. Jahrhunderts mit den Hyksos nach Palastina gekommen sein,
sicb von dort aus allmahlich als spezielle Scbrift ftir die im Lande
gesprocbene kana'anaiscbe Spracbe ausgebreitet baben, wabrend im
amtlichen, insbesondere im auswartigen, Yerkehr babyloniscbe Scbrift
und Spracbe gebraucbt wurden, etwa wie in Eelgien das Franzo-
sische neben dem Elamischen. Mit dem Zuriicktreten des baby-
lonischen Einflusses (gegen das Jabr 1000), etwa gleicbzeitig mit
der Entstebung des israelitischen Konigtumes, tritt die phonizische
Scbrift dann aucb offentlich in den Inscbriften der moabitischen
(MeSa-Inscbrift), israebtiscben (Siegel), pbonizischen (Ba'al-Lebanon)
und syriscben Konige hervor, ein greifbares Zeichen des erwachten
1) YgL TJrk. d. agypt. Alt. IY 25 (— Leps. Denkm. Ill B) mit ib. 758 und
dazu Ztschr. f. agypt. Sprache 47, 73 ff. Die manethonische Epitome bei Afri-
kanus und Eusebius nennt die die 15. Dynastie bildenden Hyksoskonige $o£yi%ec
££vot pactXetsj in dem Exzerpt bei Josephus, das niekt direkt aus Manethos
geschopft ist (Ed. Meyer, Chronologie S. 71ff.), fehlt diese Angabe und sie
wird deshalb von Ed. Meyer aucb dem Manethos abgesprochen. liber die
inhaltlicke Identitat der agyptischen Yolkerbezeichnung Fnh.w und der grie-
chischen Bezeichnung ®o£vutes kann m. E. kein Zweifel sein. Naheres daruber
in meinem Aufsatz „Der Name der Phonizier bei Grieehen und A gyp tern u in
der Festschrift fur Er. Ho mm el (Mitt. d. Yorderasiat. Ges.).
Der Ursprung des Alphabets. 139
Nationalgefiihls der Kana'anaer, und gelangt bald auch zu andern
Y olkern, wie dec, kleinasiatischen Griechen (im 10. Jahrhundert),
und den Assyrern (spatestens im 8. Jahrhundert).
XII.
Knlipfen wir das phonizische Alphabet, das so jah in seiner
imposanten Yervollkommnung aus dem Nichts aufzuschiefien scheint,
in der oben dargelegten Weise nach riickwarts an das alte Schrift-
system der Agypter an, das einzige, das yor ihm und ohne seine
Einwirkung selbstandig Buchstabenzeichen hervorgebracht hat, so
erhalten wir eine gerade Entwicklungslinie fur das Alphabet, die
aus den TJranfangen der Schrift liber drei, durch je ein Yolk repra-
sentierte Hauptentwicklungsstufen bis zu dem anscheinend voll-
kommenen und nicht mehr verbesserungsfahigen Zustande fiihrt, in
dem das Alphabet nun seit fast 2 i /2 Jahrtausenden bei den Yolkern
Europas in Gebrauch ist.
Diese drei Volker, die sich um die Entwicklung des Alphabets
jedes in seiner Weise vornehmlich verdient gemacht haben, sind die
Agypter, die Phonizier (oder Kana'anaer) und die Griechen.
Die Agypter erfanden (vor 3300) unabsichtlich im Rahmen
ihrer komplizierten, halb ideographischen, halb phonetisohen, aus
einer echten Bilderschrift entstandenen Schrift das Konsonanten-
alphabet yon 24 Buchstaben. Die Phonizier, spezieller vermutlich
die sogenannten BLyksos, schalten es (yermutlich im 17. Jahrhundert)
aus allem, was noch drum und dran hing, heraus und schufen neue
Zeichenbilder dafiir, deren entstellte Formen noch heute in der
ganzen Welt in Gebrauch sind. Die Griechen fligten (um 1000)
die Yokalbezeichnung hinzu, indem sie gewisse fur sie entbehrliche
Konsonantenzeichen (Hauchlaute und Halbvokale) dafiir yerwendeten.
Die Schriftrichtung, die bei den Agyptern zunachst noch
auf der TJrstufe (von rechts nach links in senkrechten Kolumnen)
stand, geht im 3. Jahrtausend Y. Ohr. auf die zweite Stufe (von
rechts nach links in wragerechten Zeilen) liber. So wird sie von
den Phoniziern libernommen und spater unverandert an die Griechen
weitergegeben. Bei diesen geht sie dann liber die „Bustrophedon w -
schreibweise auf die dritte Stufe (von links nach rechts in wage-
rechten Zeilen) liber, auf der sie noch heute steht.
Das Sckreibmaterial blieb, scheint es, allemal dasselbe, das
die Agypter in uralter Zeit erfunden batten, der Papyrus, die Rohr-
feder und die schwarze und rote Farbe. Es ist yon den Agyptern
zu den Phoniziern und dann liber Byblos, das dem Papyrus (pepXoc)
und nach ihm dem Buch ((3t(3Xos) den Namen gab, zu den Griechen
140
Kurt Sethe,
gewandert, und lebt heute noch in unserm Papier, der Staklfeder
und der Tinte umgestaltet fort.
XIII.
Auf einen Punkt, der sick einem roten Paden gleich durch
unsere Betracktungen kinzog und immer wieder kezeicknend hervor-
trat, sei nun zum SchluQ in diesem Zusammenkange nock einmal
besonders kingewiesen: die Bedeutung der Yokallosigkeit des Alpha-
bets, die es auf seinen beiden ersten Entwicklungsstufen, bei den
Agyptern und den Pkoniziem, aufgewiesen kat. An sick unzweifel-
kaft eine Unvollkommenheit, sckeint diese Yokallosigkeit dock von
grofiem Segen fiir die Entwicklung der menscklicken Schrift zum
Alphabet gewesen zu sein. Aus der Entwicklungsgeschichte der
agyptischen Schrift sckien es sick klar zu zeigen, dafi die Yokal-
losigkeit bei den Agyptern, den eigentlicken Erfindern der Buch-
stabenschrift, tatsachlich die Yorbedingung fiir die Entstekung der
Buchstabenzeichen gewesen ist. Der SchluB liegt nake, und ick
■wage ikn zu zieken, dab sie uberhaupt die Vorhedingung fiir die
Entstekung des Alphabets sein diirfte.
Hack allem, was wir gesehen kaben, kann ick es nickt fiir Zu-
fall halten, daB gerade die Agypter und die Semiten, und sie allein
unter alien Y olkern, die Erfinder des Alphabets - geworden sind,
das sich fast die ganze Erde erobem sollte. Es sckeint vielmehr,
dab sie durch den eigentiixnlicken Bau ikrer Spracken, mit seiner
merkwiirdigen Arbeitsteilung zwischen Yokal und Konsonanten,
dazu bestimmt und allein befakigt waren. Die funktionelle Sckei-
dung von Yokal und Konsonant, wie sie im Agyptischen und in den
semitiscken Spracken vorliegt, ist eben dock wokl, so sckeint es,
die unentbehrliche Yorstufe zur Sckeidung der Laute iiberkaupt
gewesen.
Bei jedem andem Volke, in dessen Sprache Yokal und Kon-
sonant in der Wort- und Stammbildung nickt in dieser Weise ge-
sckieden, sondern miteinander verbunden waren, wiirde die natiir-
licke Sckriftentwicklung zu einer Silbensckrift gefiikrt kaben, bei
der sie dann leickt zum Steken kommen konnte, wenn nickt muBte.
Denn, dariiber konnen wir uns jetzt nickt mehr tauschen, die Silben-
sckrift ist tatsachlich ein totes Geleise, eine Sackgasse, aus der es
so leickt keinen Ausweg gibt. Sie ist keineswegs, wie man geglaubt
kat, der Yorlaufer oder Schrittmacher der Buckstabenschrift, son-
dern ihr argster Xebenbukler.
Das zeigt sick deutlich bei der zypriscken Silbensckrift, an der
die grieckischen Bewokner Zypems zum Teil bis ins 2 . Jahrhundert
v. Okr. festgehalten kaben, obwokl sie fiir ihre Sprache das denk-
Der Ursprung* des Alphabets.
bar ungeeignetste Ausdrucksmittel war und obwohl das phonizische
Alphabet auch auf Zypern langst dafiir angewendet wurde. Es
zeigt sich vor allem aber recht deutlich auch bei den Babyloniern
(Akkadiern), die als semitisches Yolk in ihrer Sprache die gleiche
funktionelle Scheidung yon Vokal and Konsonant machten wie die
Agypter and deshalb an sich ebenso zar Erfindung der Buchstaben
befahigt sein mufiten. Sie haben es aber nie daza gebracht, eben
weil ihre Sehrift, die sie von einem fremden nichtsemitischen Yolke,
den Sumerern, abernommen hatten, eine Silbenschrift war.
Hatten sie sich, wie die Agypter, selbst eine Sehrift aas dem
Urzastande der Bilderschrift entwickelt, so wiirden sie yielleicht
auch^zur Erfindung der Bachstaben gekommen sein. Freilich hatte
der Agypter aufierdem noch etwas vor ihnen Yoraas, das ihn, wie
wir sahen, tatsachlich erst anf diese Erfindang gefiihrt za haben
scheint, die friihzeitige starke Zersetzung seiner Sprache. Nar liber
die einkonsonantig gewordenen Worter, die die agyptische Sprache
besafi, konnte, so scheint es, das Alphabet entstehen.
Der gliicklichen Yereinigang mehrerer ganstiger Umstande
hatten es die Agypter za yerdanken, dafi ihnen die Erfindang der
Bachstaben angesacht wie eine reife Fracht in den Schofi fiel, und
zwar, wie es scheint, ohne dafi sie sich ihres Wertes und ihrer Be-
deatung recht bewufit wurden. Die Menschheit aber darf wohl von
Gluck sagen, dafi die kana'anaischen Semiten, die die Schopfer der
einfachen reinen konsonantischen Buchstahenschrift werden sollten,
bei ihrem Eintritt in die Gescbichte just den Agyptern und nicht
einem andern der alteren Kaltarvolker des Orients zaerst in den
Weg gefiihrt worden sind. Wer weifi, oh der Mensch sonst je, and
wenn schon, wie spat erst zar Buchstahenschrift gelangt ware.
Exkar se.
1 (zu S. 91). Auch die altpersische Keilschrift, die sich
die Achameniden aas der babylonisch-assyrischen Keilschrift zum
Gebrauch auf ihren Denkmalern geschaffen haben, ist einerseits
keine reine Bachstaben-, sondern im Grunde noch eine Silbenschrift
von offenen Silben gewesen, deren Zeichen wie in der griechisch-
zyprischen Silbenschrift auch die vokallosen Konsonanten mit-
bezeichnen mufiten, anderseits ist sie aller W ahrscheinlichkeit nack
unter dem Einflufi der aus dem phoniziscken Alphabet abgeleiteten
aramaischen Sehrift entstanden, da aramaische Sehrift and Sprache
nicht nar bereits seit Jahrhunderten ia Niniye neben der Keil-
schrift gebraucht warden (mindestens seit dem 8. Jahrhundert),
1^-2 Kurt Sethe,
sondern auch im persischen Reiche geradezu das offizielle V erkehrs-
mittel bildeten.
2 (zu S. 95). Es kann mir nicht zweifelhaft sein, dab der
Gebrauch des Papyrus, den die Griechen nacli der alten phoni-
zischen Handelsstadt Byblos benannten (poj3Xo«) und der dann auch
dem Bucbe seinen Namen gegeben hat (spater differenziert zu pi{3-
Xo?), bei den Griechen ebenso alt gewesen ist, wie der Gebrauch
des phonizischen Alphabets. Herodot 5, 58 diirfte ein direktes
Zeugnis dafiir sein 1 ). Die Vorstellung, dab die Griechen sich bis
ins 6. Jahrhundert v. Ohr. nicht blofi fiir kurze Notizen, Briefe und
Schreibiibimgen, sondern auch fiir langere zusammenhangende Auf-
zeichnungen der Holztafeln mit glatter und eventuell geweifiter Ober-
flache bedient hatten (Dziatzko, Untersuchungen fiber ausgewahlte
Kapitel des antiken Buchwesens S. 14ff. und in Paully-Wissowa’s
Realenzyklop. Ill 942), ist gewifi unrichtig. Auf die Holztafeln, auf
denen die solonischen Gesetze veroffentlicht waren, darf man sich
nicht berufen. Sie entsprechen den spateren Inschriftsteinen und
setzen eine vorhergehende wirkliche Niederschrift auf beweglichem
Schreibmaterial voraus, so gut wie die auf Inschriftsteinen publi-
zierten Staatsvertrage, deren Originale unterzeichnet und unter-
siegelt zwischen den Yertragschliefienden ausgetauscht werden muUten.
Dab wir keine Papyrusdokumente in phfinizischer oder griechischer
Sprache besitzen, die alter als das 5. bzw. 4. Jahrhundert v. Chr.
sind, dfirffce sich aus der V er ganglichkeit des Stoffes erklaren, der
sich eben nur in dem trocknen Klima Agyptens solange erhalten
koimte. Die uns erhaltenen semitischen und griechischen Papyri
sind ja in der Tat fast ausnahmslos in Agypten aufgefunden worden.
Die altesten mit Tinte geschriebenen Schriftstficke in phoni-
zischer Schrift sind die bei den Ausgrabungen von Samaria auf-
gefundenen Ostraka aus der Zeit des Konigs Omri. Sie sollen eine
aufierordentlich stark entstellte Kursive aufweisen, der die gleich-
zeitige Mega-Ins chrift als erstarrte Monumentalschrift gegenttber-
steht. S. Theolog. Bit. Blatt 1911, Nr. 3/4. Harvard Theol. Re-
view 1911 Jan.
Ein Zeugnis fiir den Gebrauch des Papyrus bei den Pho nizi ern
und damit zugleich wohl das alteste Zeugnis fiir die Existenz der
kana'anaischen Schrift enthalt der in einem agyptischen Papyrus
der Sammlung Golenischeff erhaltene Bericht des Agypters Wen-
amun fiber seine Reise nach Byblos (etwa 1100 v. Chr.). Er er-
zahlt, daG dem Eursten dieser Stadt 500 Papyrusrollen aus Agypten
4 ) . . . V l<uvec, o'l -apaXapovTEi oioay-ft napd tcov <I)otv£za>v tot YpijJ-p-ata . .
Kai td{ p(pXou« oitpQepa? xaXeoosi dbto tou otaXatou ot "Iiuvec, 8ti xots iv oitavv
pi^Xiuv i^pdovto ottpOgpTjoi oiy^oi te xal oiqjai.
Der Ursprung des Alphabets,
143
geschickt werden muBten, und erwahnt Tagebiicher friiherer Fiirsten
von Byblos in Buchform. S. G-olenischeff, Rec. de trav. 21, 85.
Breasted, Ancient Records of Egypt IV S. 277.
3 (zu S. 103). Die TJbereinstimmung zwischen Namen
und Gestalt der primaren Buchstaben des phonizischen
Alphabets ist von einsichtigen und unvoreingenommenen Forschern
nie bezweifelt worden. Sie ist bei der Mehrzahl kaum weniger
augenfallig als beim c Ajin („Auge“, s. oben S. 103); so vor allem
beim X Taw (eingebranntes Zeichen, Beglaubigungszeichen einer Ur-
kunde), aber auck bei 4L Aleph („Rind“, dargestellt durch den Kopf
eines Rindes, wie im Agyptischen so oft und auch anderwarts),
Vj Mem („Wasser M ), ^ Jod („Hand“), >j Kaph („Tatze“), ^ Resch
(,,Kopf“), W Seizin („Zahn w ), y Waw („Nagel“ oder „Haken“ zum
Aufhangen der Tiirvorhange). Bei einer kleinen Anzahl (Beth „Haus“,
Oimel „Kamel“, Daleth „Turfiugel“, Koph „Hinterkopf“) kann sie
zweifelhaft sein, doch ist sie auch hier keineswegs unmoglich. Die
dreieckigen Eormen des Beth ^ und des Daleth A konnten sehr
wohl aus viereckigen Bildern wie die agyptischen Zeichen fur ID 1 )
und |j durch Yerktirzung entstanden sein; Oimel s\ konnte einen
Kamelskopf dargestellt haben wie Aleph einen Rinderkopf, und
Koph cp (zumal in seiner altesten Form cp) ist ein eigentlich gar
nicht zu beanstandendes Bild des Hinterkopfes, wenn man es mit
dem von der Seite gesehenenjRescft ,,Kopf“ und dem von vorn gesehenen
agypt. @ „Gesicht“ (hierat. ^) vergleicht. Moglicherweise haben aber
einige dieser Zeichen auch in ’Wirklichkeit Umdeutung und Um-
benennung erfahren, wie das Lidzbarski (Ephem. I 132) voriiber-
gehend z. B. ftir das Koph annahm, das er als Keschet „Bogen u denten
wollte (iibrigens eine, wie mir scheint, sehr unwahrscheinliche Deu-
tung des Zeichens) und wie fur das Zajin die griechische Benennung
Z9)xa, fur das Nun („Fisch“) die athiopische Benennung Nahas
(„Schlange“) moglich erscheinen lassen. — Die gelegentlich, nament-
lich von englischen Gelehrten, vertretene Auffassung, dab die Buch-
stabennamen nick-names seien, wie sie in den englischen Fibeln
(A is an archer) gebraucht werden und in den Benennungen der
Buchstaben mit Baumnamen im russischen und ogamischen Alphabet
tatsachlich vorliegen (Berger, Hist, de l’ecriture 342. Taylor, The
Alphabet I 119), wird dem Tatbestande der TJbereinstimmung
zwischen Bild und Namen in so vielen Fallen nicht gerecht.
1) Aus dem verwandten Zeichen [D „Haus“ ist im Demotischen \ ge-
worden.
144
Kurt Sethe
4 (zu S. 103). Die Erage nach dem Prinzip, das der Anord-
nung des Alphabets zugrunde liege, hat den Alten wie den Neueren
viel Kopfzerbrechen gemacht und zu den phantastischsten astrono-
mischen, mythologischen und symbolistischen Ausdeutungen Anlab
gegeben, fiir die kein gesund denkender Mensch Yerstandnis haben
kann. Bald hat naan sie mit dem Tierkreis, bald mit den „Mond-
stationen“ zusammenbringen wollen, trotzdem diese Kreise keines-
wegs die gleiche Anzahl von Gliedern enthalten wie das Alphabet.
Aus der unendlichen Pulle dieser Literatur seien hier nur die folgen-
den Werke genannt: Seyffarth „Onser Alphabet ein Abbild des
Tierkreises mit der Konstellation der sieben Planeten am 7. Sept. 3446
v. Chr., angeblich zu Ende der Sintflut, wahrscheinlich nach eigenen
Beobachtungen Noahs“ (Leipzig 1834). — BLommel, „Astronomie
der alten Chaldaer 44 (1891/2) mit Nachwort vom 29. Mai 1901 (Das
Alphabet „eine groliartige Sternsymphonie, die wie Spharenmusik
aus uralter Yorzeit noch jetzt beim Hersagen des Alphabets an
unser Ohr klingt, sobald unsere Sinne nur richtig dazu gestimmt
sind, sie zu verstehen 44 ), — Derselbe, „Die Anordnung unseres
Alphabets 44 (im Archiv f. Schriftkunde I 1, S. 30). — Hermann
Schneider, „Der kretische Ursprung des ,phonikischen 4 Alphabets 44
(Leipzig 1913; ihm ist im Alphabet eine Weltanschauung symboli-
siert S. 73; es ist „eine Reihe von Symbolen, ausgewahlt zur Yer-
sinnlichung einer Religion 44 S. 40; „ wahrscheinlich ursprtinglich eine
Geheimlehre 44 S. 41). Stucken, ,.Der Ursprung des Alphabets und
die Mondstationen 44 (Leipzig 1913); dazu Erbt, Orient. Lit. Ztg.
1914, 203.
Niichternere Grelehrte haben vermutet, dab die Anordnung ur-
spriinglich auf lautphysiologischer Grundlage beruht habe, dali aber
spater Umstellungen vorgenommen seien. So Lepsius, Abh. Berl.
Akad. 1835, S. 183ff. Taylor, The Alphabet I S. 185ff.
So, wie das Alphabet uns vorliegt, scheint jedenfalls kein ver-
niinftiges durchgehendes Anordnungsprinzip mehr darin zu herrschen.
Nur fiir einzelne Gruppen lassen sich vielleicht noch Spuren eines
Prinzips oder vielmehr verschiedener Prinzipe erkennen (Yerwandt-
schaft der Bilder, Yerwandtschaft der Laute).
5 (zu S. 106). Ubergang von^der senkrechten Kolumne
zur wagerechten Zeile bei den Agyptern, In den alten reli-
giosen Texten, die wir in den Pyramiden der 6. Dynastie in Hiero-
glyphen aufgezeichnet finden, herrscht die senkrechte Kolumne noch
durchaus vor. Horizontalzeilen sind dort nur da angewandt, wo
die Raumverhaltnisse es erforderten, und zwar sind sie dann noch
aus kurzen Yertikalzeilen zusammengesetzt, die ohne Zeilen-
trennung nebeneinander stehen. Auch in den alteren hieratischen
Der Ursprung des Alphabets.
145
Texten wird die Jhorizontale Zeile nur ausnahmsweise gebraucht
(zum Beispiel in Uberschriften, Briefadressen usw.) 1 ). Im mittleren
Reiche konnen hieratische Handscbriften wie die Berliner Hand-
schrift B der Sinuhe-Erzahlung 'noch zwischen beiden Sckreibweisen
wechseln, wahrend andere, wie die Berliner Handscbriften der
Bauerngeschichte, nur senkrecht, andere, wie der Papyrus Prisse,
nur wagerecbt schreiben. Seit dem Anfange des neuen Reicbs ist
in Handscbriften nur noch die horizontal Schreibweise ublich, mit
Ausnahme der religiosen Texte, die auch bis in die spatesten Zeiten
noch gern senkrecht schreiben. Fur die Hieroglypheninschriften
der Denkmaler ist die senkrechte Kolumne immer neben der wage-
rechten Zeile in Gebrauch geblieben. Sie wird dort auch bei der
umgedrehten (rechtslaufigen) Spiegelschrift gebraucht, die sich nur
in hieroglyphischen Inschriften findet (s. S. 106, Anm. 4).
6 (zu S. 107). Die Umdrehung der babylonischen Schrift
ergab sich yon selbst dadurck, dab eine Drehung der ganzen senk-
rechten Schriftkolumne um 90 Grad nach links vorgenommen wurde,
wobei die Zeichen samtlich auf ihren Riicken zu liegen kamen 2 )
und das, was bisker oben gewesen war, links, das, was rechts ge-
wesen war, oben wurde. Diese Drehung wurde zunachst nur vom
Schreiber voi'genommen, der, eben um das Geschriebene nicht zu
verwischen, die Tontafel so hielt, dab er die nach wie vor senkrecht
zu lesende Schrift auf wagerechtem Wege schreiben konnte. Erst
in dem Augenblicke, wo die Schrift auch in der gleichen Weise
gelesen wurde, wie sie der Schreiber geschrieben hatte, war die
Umdrehung der Schrift und ihre Umsetzung in Horizontalzeilen
wirklieh vollzogen. Die Sckriftstxicke der geschichtlichen Zeit sind
bereits auf diese horizontale Lesung eingerichtet; was bei senk-
rechter Schrift rechts war, ist bei ihnen oben.
Der Grund, der zu diesen Veranderungen der Scbriftrichtung
gefiihrt hat, zeigt sich deutlich, ganz im Sinne des oben S. 106
Ausgefiihrten, darin, dab in alterer Zeit die Inschriften in Stein
oder Backstein, die die Schriftzeichen noGh linear gestaltet zeigen,
vorzugsweise noch die senkrechte linkslaufige, die Tonzylinder jedoch,
1) Moller, Hieratisclie Palaographie IS. 7 If.
2) Es ist bier also mit der senkrechten Schrift das Gleiche geschehen wie
spater mit der wagerechten linkslaufigen syrischen Schrift (s. oben S. 106,
Anm. 2). — Erst durch diese Drehung haben die alten hieroglyphischen Zeichen-
bilder der babylonischen Schrift ihre zum Teil vollig sinnlose Lage hekommen,
so zum Beispiel die Ideogramme des Menscken, des Konigs und des Eufees
(fur Gehen), die jetzt auf dem Eiicken liegen anstatt zu stehen. Es ist das
grobe Yerdienst von Hommel (Geschichte Babyloniens und Assyriens S. 34ff.),
die Erklarung fiir diese Erscheinung im Gegensatz zu Delitzsch (Entstehung
des altesten Schriftsystems S. 29 und Eachwort S. 47) gefunden zu haben.
146
Kurt Sethe,
die sie meist schcm in Keilform zeigen und die unseren Papieren
entsprechende Schriftstiicke darstellen, die wagerechte rechtslaufige
Schrift anwenden (Delitzsch, Entstehung des altesten Schrift-
systems, Nachwort S. 41/42). Die in den weichen Ton eingegrabenen
Zeichen mufiten eben bei linkslaufiger Scbrift in senkrechten Ko-
lumnen yon der schreibenden Hand leicht verdriickt werden.
7 (zn S. 108). Die Yersuche, die Zeichenformen des pho-
nizischen Alphabets aus Keilschriftzeicben abzuleiten,
sind in den yersckiedensten Richtungen unternommen worden. Man
hat in einem offenbaren Anachronismus neuassyrische Zeichen der
verschiedenartigsten wirklichen und rekonstruierten Lautwerte heran-
gezogen und dabei zum Teil Vertauschung yerwandter Laute (k und
k) angenommen (Dee eke, Ztschr. d. Deutseh. Morgenl. Gres. XXXI,
1877, 102 ff.); man ist auf die alten, seit mehr denn einem Jahr-
tausend nicht mehr gebrauchten Hieroglyphenzeichen zuriick-
gegangen, aus denen die Keilschrift hervorgegangen ist, ohne doch
die Formen dieser Bilder zu respektieren und ohne zwischen den
primaren und den sekundaren Zeichen des phonizischen Alphabets
einen Unterschied zu machen (Ho mm el, G-esch. Babyloniens und
Assyriens S. 54. Delitzsch, Entstehung des altesten Schriftsystems
S. 221 ff.). Eine auch nur halbwegs evidente Yergleichsreihe ist von
keiner Seite zusammengebracht worden. Es kann fiir die Beurtei-
lung dieser Yersuche auf die Kritiken von Lidzbarski, Ephem. f.
semit. Epigraphik I 128ff. und von Jensen, Deutsche Lit. Ztg.
1897, 1176 verwiesen werden.
8 (zu 8. 108). Zu den Yersuchen, die Ordnung des Alpha-
bets als babylonisch zu erweisen. Die Idee, diese Ordnung
mit dem Tierkreise bezw. den „Mondstationen“ in Yerbindung zu
setzen, ist bereits oben in Exkurs 4 erwaknt worden. Da der Tier-
kreis wahrscheinlieh in Babylon zu Hause ist und sich von dort aus
tiber die alte Welt verbreitet hat, so wiirde, wenn wirklich ein Zu-
sammenhang zwischen Alphabet und Tierkreis erwiesen werden
konnte, hierin in der Tat eine Spur gefunden sein, die auf baby-
lonischen Einfluli bei der Eeststellung des phonizischen Alphabets
fuhrte. Aber dieser Zusammenhang ist in nichts erwiesen; die
Hbereinstimmung zwischen Alphabet und Tierkreis geht nicht iiber
Einzelheiten hinaus. Dem Rinde, das im Alphabet an erster Stelle
steht und durch einen von der Seite gesehenen Rinderkopf dar-
gestellt ist, steht im Tierkreis an zweiter Stelle der Stier gegen-
tiber, der herkommlicherweise durch einen von vorn gesehenen Stier-
kopf bezeichnet wird und von dem man vermutet hat, er habe einst
an erster Stelle gestanden, bevor die Sonne durch die zuriick-
weichenden Tag- und Xachtgleichen in den Widder getreten sei.
Der Ursprung des Alphabets.
147
*Dem Wassermann und den Fischen konnen Mem (Wasser) und
Nun (Fisch) gegeniibergestellt werden. Damit ist aber auch die
Ahnlichkeit erschopft. Tatsachlich ist das Alter des Tierkreises
ganz ungewifi. Nachgewiesen ist er erst zu einer Zeit, in der das
phonizische Alphabet langst bestand (vgl. Ed. Meyer, Gesch. d.
Altert.2 I § 427).
Ahnlich verhalt es sich auch mit den w Mondstationen w , deren
Namen Anklange oder Andeutungen auf die Namen der Buchstaben
aufweisen sollen. Ihr Alter ist ungewifi. Die Namensvergleichungen
sind nicht allgemein durchfuhrbar und nicht iiberzeugend.
Yon anderer Seite hat man die Reihenfolge der 22 phonizischen
Buchstabenzeichen innerhalb der zirka 400 Zeichen umfassenden
babylonisch-assyrischen Zeichenliste -wiederfinden wollen (Zimmern,
Z, JD. M. G. 50, 667ff.), flir die Peiser zuerst eine feste Ordnung
nachgewiesen hat. Die Ubereinstimmung besteht aber nur darin,
daG in einigen Fallen sachlich zusammengehorige Dinge, die im
Alphabet zusammen- oder nahe beieinanderstehen, auch in der baby-
lonischen Liste in nicht allzu weitem* Abstande einander folgen.
So stehen hier die Zeichen fur enu „Auge“, pu „Mund“ und resu
„Kopf“, die im phonizischen Alphabet die 16., 17. und 20. Stelle
einnehmen, an 42., 51. und 52. Stelle, die Zeichen fiir mu „ Wasser 14
und nunu „Fisch“, die im phonizischen Alphabet die 13. und
14. Stelle einnehmen, an 1. und 17. Stelle. Yon einer durchgehen-
den Ubereinstimmung, auch nur hinsichtlich der relativen Folge der
Zeichen, ist keine Bede. Dali das Zeichen fiir alpu „Rind“, das
dem Aleph des phonizischen Alphabets entsprechen miiGte, an 105.,
das fiir litu „Haus“, das dem Beth entsprechen miiGte, an 147. Stelle
erscheint, nachdem dazwischen an 140. Stelle das Zeichen fiir idu
und happu „Hand ct erschienen ist, zeigt besser als alles andere, dafi
die Ordnung* des phonizischen Alphabets mit jener babylonischen
Zeichenordnung nichts gemein hatte. S. Lidzbarski, Ephem. 1 135.
Evans, Scripta Minoa I 83.
9 (zu S. 108/9). Zu Praetorius’ Yergleichung von z,yp-
rischen und phonizischen Schriftzeichen. Dali man unter
53 Zeichen einer Schrift, die ausgesprochen den Oharakter einer
kursiven Schreibschrift zeigt, leicht einige finden wird, die mit ein-
zelnen Zeichen einer andern Kursivschrift eine gewisse Ahnlichkeit
im Yerlauf ihrer Linien zeigen, versteht sich von selbst. Eine solche
Yergleichung einzelner Zeichen ist immer triigerisch; man muB die
ganze Reihe vergleichen konnen oder ganz davon absehen. Wie
oft kommt es nicht vor, daG sich ein Zeichen in verschiedenen
Schriften mit vollig gleichem Aussehen, aber mit ganz verschiedenem
Lautwert und demgemaG auch von ganz verschiedener Entstehung
148
Kurt Sethe,
findet, zum Beispiel das Kreuz X> das Phonizischen t, in den
Safa-Inschriften das im Ost-Griechischen x (kh ) , im West-Grie-
chischen und Lateinisclien Zcs, im Etruskischen und Lateinischen
auch die Zabl 10, im agyptischen Hieratisck das x / 4 und, bei nns
„mal“ bezeichnet, Oder das P, das im Grieckischen das r, im Latei-
nischen das $> bezeichnet. Und auch das kommt vor, dafi ein Zeichen
in verschiedeuen Sckriften ahnliches Aussehen und ahnlichen Wert
aufweist und doch ganzlich yerschiedenen Ursprungs ist, zum Bei-
spiel das altphonizische Taw (t) und das koptische + (ft), das
aus der alten demotischen Schreibung des Infinitivs Mjet „geben“
entstanden ist.
So weist das zyprische Syllabar Zeichenformen auf, die wirk-
lich phonizischen Buchstaben (und zwar zum Teil in Former, die
nicht die altesten sind) sehr ahnlich, ja fast gleich sehen und doch
ganz andern Lautwert haben. Dem phonizischen He ^ gleicht das
zyprische ft n, dem phonizischen Zajin ZL das zyprische ZL ve i
dem phonizischen 'Ajin O und Koph cp das zyprische Q ja, dem
phonizischen Samekh EjE das zyprische ^ dem phonizischen Taw
-J~ das zyprische -|- lo . Merkwiirdigerweise hat Praetorius an
diese eyidenten aufierlichen Ahnlichkeiten, die seine These widerlegen,
kein Wort yerloren.
10 (zu S. 110). Die Ahnlichkeit zwischen einzelnen
Zeichen der kretischen Kursive (Linearschrift) und ein-
zelnen Buchstaben des phonizischen Alphabets, wie andrer-
seits auch zwischen einzelnen kretischen Zeichen und den griechichen
Supplementarbuchstaben sowie mit zyprischen und kleinasiatischen
Schriftzeichen, ist in der Tat nicht zu bestreiten. Aus einer solchen
TJbereinstimmung der Pormen bei Zeichen yon sehr einfacher, fast
geometrischer Gestalt ist aber, wie schon oben bemerkt wurde
(Exkurs 9) und wie auch Evans selbst zuzugeben geneigt ist (a. a. O.
8. 66), wenig zu schliefien, wenn sie sich nicht auf die ganze Reihe
der Zeichen erstreckt. Man kann tatsachlich die namlichen kre-
tischen Zeichen — und Evans hat das selbst auch getan — auch
mit agyptischen Zeichen vergleichen, die vollig andere Werte haben.
11 (zu S. 111). Evans’ Gedanke, dafi das phonizische
Alphabet aus der kretischen Schrift abzuleiten sei, hat
trotz der schweren Bedenken, die dagegen bestehen, nicht nur bei
dem geistvollen, aber stark phantastischen Philosophen Hermann
Schneider (Der kretische Ursprung des phonikischen Alphabets,
Leipzig 1913), sondern auch bei Salomon Reinach (Chroniques
d’Orient No. XXX, S. 64/5. L’anthropologie 1900 S. 497 ff.) Zu-
149
Der Ursprung des Alphabets.
stimmung gefunden, und auch ernste semitische Eorscher wie Dus-
saud und Lidzbarski haben sich davon gefangen nehmen lassen.
Dussaud (Journ. asiat. 10 e ser. 5, 1905, B57ff.) suchte unter
dem Eindrucke der kretischen Inschriftfunde in einer auberst ge-
kiinstelten, sich in einem Circulus vitiosus bewegenden Beweis-
fiihrung, die die griechischen $-Laute und die Supplementarbuch-
stahen des griechischen Alphabets betrifft, geradezu die Unmog-
lichkeit der Bezeption des phonizischen Alphabets durch die Griechen
zu erweisen. Den yielfaltigen Zeugnissen der Alten fiir diese Be-
zeption und den sie bestatigenden Tatsachen, wie die Namen der
griechischen Buchstaben, und dem weit fruheren Auftreten phSnizischer
Inschriften gegeniiber beruft er sich auf die Zweifel, die sich bei
den Alten gelegentlich gegen die Erfindung des Alphabets durch
die Phonizier geregt haben. Dabei iibersieht er, dab sich diese in
Wahrheit nie gegen die Bezeption, sondern nur gegen die Origi-
nalitat des yon den G-riechen rezipierten phonizischen Alphabets
richten (s. oben S. 90).
Nach Dussaud wiirden nicht die G-riechen das Alphabet yon
den Phoniziern, sondern diese es yon den G-riechen erhalten haben.
Dem dagegen zu erhebenden Einwande, dab ein semitisches kon-
sonantisches Alepli schwerlich aus einem griechischen Yokalzeichen
fiir a entstanden sein konnte, erwidert er, dab man ja auch bei der
agyptischen Ableitung des Alphabets kein Bedenken trage, das
Aleph aus dem agyptischen Yokalzeichen fiir a zu erklaren. Mit
dieser Widerlegung widerlegt er sich aber selbst; denn das agyp-
tische Zeichen hat in Wirklichkeit nicht den Wert eines Yokales,
sondern eben den des Konsonanten Aleph selbst gehabt.
Die G-riechen, von denen die Phonizier ihr Alphabet bekommen
haben sollten, denkt er sich auf Kreta wohnend; ihre Schrift sucht
er in der von Evans entdeckten Linearschrift. Dab yon einer
griechischen Bevolkerung auf Kreta in den in Betracht kommenden
Zeiten keine Bede sein kann, ist ihm nicht bewubt.
Den gleichen Fehler machte Lidzbarski (Ephem. II 371ff.),
der sich, in Abkehr yon seiner friiheren, sich im wesentlichen mit
unserem Ergebnis deckenden Auffassung (S. 133 Anm.), neuerdings
geneigt zeigt, ebenfalls kretischen Ursprung fiir das phonizische
Alphabet als moglich zuzugeben. Er stellt yersuchsweise, um die
Moglichkeit einer selbstandigen Entstehung des griechischen Alpha-
bets auf akrophonischer G-rundlage darzutun, die Bilder gewisser
phonizischer Zeichen solchen griechischen Wortern gegeniiber, die
eine einigermaben dazu passende Bedeutung haben und mit dem
Laute, den der betreffende Buchstabe im Griechischen bezeichnet,
oder einem verwandten Laute beginnen. So yergleicht er das Bild
150
Kurt Setbe,
des Auges ‘Ajin, griechisch o, mit 6<p0aX|i6«, das der Hand oder
Tatze Kapph, griechisch x, mit y^ip, das des Kopfes Besch, griechisch
p, yon ihm als „Nase“ umgedeutet, mit pt«, das des Zahnes Schin,
griechisch o, mit 3 to pa „Mnnd“, das des Einderkopfes Aleph, grie-
chisch a, von ihm als „Pflug“ umgedeutet, mit opoxpov.
Zu den historischen Unmoglichkeiten kommen hier also aller-
hand Umdeutungen der Zeichenbilder und nicht unbedenkliche laut-
liche Yertauschungen.
12 (zu S. 114). Zur Ersetzung der speziellen W ortzeichen
durch allgemeine Determinativa im Agyptischen. So tritt
zum Beispiel an die Stelle der Bilder der verschiedenen Yogel-
arten, der Heuschrecke, des Kafers, der Mxicke usw. das Bild der
Gans als allgemeines Determinativ aller gefliigelten Wesen. An die
Stelle der verschiedenen vierfiifiigen Tiere (Bind, Widder, Lowe,
Maus usw.) tritt das Tierfell als allgemeines Determinativ aller
Vierfiifiler. Die mannigfachen, jeden Gott in seiner besondern Ge-
stalt (als Tier, als Eetisch, als Idol mit besondern Attributen) dar-
stellenden Bilder, mit denen man einst die Namen der Gotter
schrieb, machen allmahlich dem allgemeinen Gotterdeterminativ
(Palke auf Traggestell) Platz. Die Determinativa der Handtatig-
keit (schlagender Arm, eig. Wortzeichen fur schlagen) und der
Mundtatigkeit (Mann mit der Hand am Munde, eig. Wortzeichen
fiir essen) ersetzen so die Bilder der verschiedenen Tatigkeiten, wie
Eudern, Heben, Easieren, Messen, Trinken, Eufen usw. Diese Er-
setzung der unzahligen mannigfaltigen Wortzeichen durch eine be-
schrankte Zahl allgemeiner Determinativa setzt gegen Ende des alten
Eeiches (Mitte des 3. Jahrtausends v. Ohr.) ein und ist im mittleren
Eeiche (Ende des 3. Jahrtausends) so gut wie abgeschlossen.
13 (zu S. 117). Agyptische Zweikonsonantenzeichen, bei
denen noch das dreikonsonantige Grundwort nachweis-
bar ist, sind:
1) mit N ichtb eriicksichtigung des ersten Stammkonsonanten:
'== Zahn, bh (in bhs „Kalb“, dbh „bitten“, sbh „schreien“)
von ibh „Zahn“ (kopt. plur. cmge). ^ Ohr, dn (in mdn „Buhe“)
von Idn „Ohr“ (JJfc). ^ Hacke, mr (in mrj „lieben“, mrh.t „Salbe“,
mr „wie“) von *lmr.t „Hacke“ (kopt. Aue, fern.).
2) mit Nichtberiicksichtigung des mittleren Stammkonsonanten:
O weiblicher Geschlechtsteil, hm (in hms „sitzen“, lunj „weichen“,
rilim „befreien“) von hjm „weiblich“, dessen j in ?iue „Weib“ ( *hejm e t )
vokahsche Aussprache bekommen hat, in dem Pluralis eiooue
CbjomwH) aber sich noch deutlich als Konsonant erhalten hat
(ueeiooue „die Weiber"). c Knochen, ks (in ten „elend“, k$n.w
151
Der Unsprung dea Alphabets.
„Sperling a ) von krs „Knochen“, das friih zu ks geworden, aber in
der Vokalverdoppelung seiner koptiscben Form K66C und in dem
Derivat krs „begraben“ (geschrieben mit dem Bilde des Knochens,
spater ebenfalls kcucoc geworden) nocb eine deutliche Spur hinter-
lassen hat. rauchern, kp (seit dem m. R. in Kpnj „Byblos“)
von ks p, spslter kp „rauchern“.
3) mit Nichtberiicksichtigung des letzten Stammkonsonanten:
| Kommandostab, wd (in rwd „fest“, wdb „Ufer“), spater wd
(seit dem m. R. in wdh „giefien“) von wdj „befehlen“ (arab.
das friih zu wd, wd geworden ist. rudern, hn (in linn „Auf-
ruhr“, hn „Scholi“) von hnj „rudern“, dessen Stamm im Infinitiv
hn.t wie in andern Former und Ableitungen ( nihn.t „Fakre“, lin.tj
„Prozessionsstatue“) zweilautig war. schniiren, wd (in Iwi
„Rind“, wd.t „Weg“, dwd „preisen“, ivdd „grun“, swd „zerschneiden“
usw.) von wir, „schniiren“, das friih tjbergang des r in 2 (im a. R.
schon wdri geschrieben) bezw. Schwund desselben erlitten hat
14 (zu S. 119ff.). Zur Entstehung des agyptischen Alpha*
bets. Yon den 24 Buchstaben, aus denen es seit dem alten Reiche
besteht, lafit sich zurzeit fur die folgenden 19 der Ursprung fest-
stellen: 1 )
i (ein Aleph-Laut) von i „Adler“ (oder „Geier“) Pyr.
1729a; ib. 1303a ohne Strich.
(j l, j von 1 „Schilf“ mask. Eb. 49, 2 (1 n nbl.i „Schilf
des Rohres“), oime I Bersche II, Text S. 19. Davon abgeleitet
mittels der Endung -wt, die feminine Kollektiva bildet: A
l.wt „Schilfdiokicht“ fern. Pyr. 367 a = (| (j (j Q (jj Ann. duserv. I
175. Dafi das Grundwort wirklich schon in alter Zeit nur noch l
lautete, zeigt die phonetische Ubertragung der Schreibung seines
Pluralis 2 3 )
l.w (wie sie auch in der eben zitierten Variants
i) 3>er senkrechte Strich 1, der die Grundworter der Buchstabenzeichen so
oft begleitet, ist ein Zeichen, das die Aufgabe hat, anzuzeigen, dall ein Schrift-
zeichen nooh in seiner Grundbedeutung (als ideographisches Wortzeichen) ge-
brancht ist und also das bedeutet, was es darstellt. Mit Yorliebe steht er da,
wo das Wort nur mit dem betreffenden Wortzeichen ohne andere phonetische
Zeichen (ungerechnet die 1’emininalendung f) steht. S. Ztschr. f. agypt. Sprache
45, 44 ft
3) Der Pluralis wird im Agyptischen durch dreimalige Wiederholung des
Wortzeichens ausgedruekt.
Nachrfchten; geachtlftl. Mitteilungen 1916. 2. 11
152
Kurt Seihe
vorliegt) auf das Hilfsverbum Iw „sein w in den Pyr. Texten (s. mein
Yerbum I § 175).
n C ( c J.jin-Kehllaut) von — ~a C „Arm“ (anch ohne Strict),
in dem Elemente tp-C „vor“ verschiedener Dekannamen (Ttctjxovt,
Ttutjxo, TmrjpLoo) griechisch durch wiedergegeben. Die Schreibung
des Dualis — jj I c.wj wird im Demotischen fiir das aus prj ent-
standene Wort hi „Haus“ (hhi „das Haus“) gebraucht.
JJ b von JJ^ bw „Ort“, „Stelle“, seit dem m. R. auch nnr JJ
(z. B. Kairo 20530) oder Jji (z. B. Urk. IY 512) oder JJ^ ( z * B.
Amonsritual 2, 4), also b geschrieben, bisweilen aucb durch das
Zeichen fiir Abstraktes an Stelle des Hauses determiniert (z. B.
Totb. Nav. 24, 7, 11. Berl. Med. Pap. 7, 10). Das Zeichen, das in
alter Zeit nie die voile Hohe anderer Zeichen zu erhalten und auch
in dem Worte bw selbst kleiner als das begleitende ^ zu sein
pflegt, stellt die „Stelle K , auf der der Fufi steht, dar (Griffith,
Hieroglyphs S. 12). Das w , das bei der phonetischen Bewertung
nicht beriicksichtigt ist, ist in den koptischen Formen des Wortes
ua, ue- (in ueq-coTU „er hort. nicht“) oder O- (in Cneq-curru
„er hat nicht gekort K ) spurlos verschwunden, obwohl es sich sonst
in der Tonsilbe im allgemeinen zu erhalten pflegt. Es wird also
sehr friih schon verloren gewesen sein. Vermutlick ist es die mask.
Nominalendung; das sehr gewohnliche, friih fast zur Partikel gewor-
dene Wort konnte wohl der stark verstiimmelte Uberrest eines jener
Nomina deverbalia auf -w sein, die unsern Wortern auf ~ung ent-
sprechen, wie das synonyme clic.w „Stelle“, „Stellung“ von chc
„stehen“. Wahrscheinlich ist es mit der semitischen Proposition bi
„in“ verwandt, wenn nicht identisclu
□ p von ^ oder o „Sitz“, „Thron“, mit alien moglichen Deter-
minativen fiir Stuhl (Diim. Res. 61, 19. Mar. Dend. II 38 a), Haus
(Edfu II 9), Stadt (Edfu I 418, 6. 543 u. o.), Holz (Harr. 71a, 6)
determiniert; mit dem Namen der Stadt Buto ^ oder ^ identisch,
die den Sitz des Horus bezeichnete; kopt. noi.
/ von f.t „Hornviper tt , in dem Namen des 12. ober-
agyptischen Gaues „Yipernberg“ meist nur geschrieben
ohne die Femininalendung, die ich vor Jahren in der Yariante eines
Berliner Denkmals aus der Slg. Reinhardt aber ausgeschrieben
gesehen habe und die auch in der abgeleiteten Nisbeform
„die zum Gaue Dw-f.t geh6rige“ Pyr. 1358d hervortritt; im demot.
Der Ursprimg des Alphabets.
153
M a g* P a P* 24, 27 yielleicbt j£) mit dem allge-
meinen Determinativ der Reptilien geschrieben.
m von dem im kopi-bohair. uorwx oder uoTAoa; ent-
baltenen, mit einem zweiten Worte verbundenen nnd dabei ver-
kiirzten Worte uor- „Eule“. In dem zweiten Elemente konnte
man das sah. aac r „einsam“ vermuten, docb schreibt der ans dem
3. Jahrhundert n. Cbr. stammende djemot. Mag. Pap. den ganzen
Ausdruck dmwld ebenfalls scbon mit einem d (x) und nicbt mit It
oder g, wie man in dem Falle erwarten sollte. Diese Scbreibung
scbeint zugleich zu zeigen, dab dem m nocb ein Aleph-Laut voraus-
gegangen war nnd dab das Wort, bevor es zu uot\<\x wurde,
*amulad oder *emulad gelautet batte.
/WWSA aaaaaa
n von j awaa n.t „Wasser“ fern. TJrspriinglicb bat das
1 AAAAAA
Zeichen aber aucb zugleicb das m bezeicbnet (s. mein Yerbum I
§ 228). Diesen Wert batte es von dem gewolmlichen Wort fur
„Wasser“, dem Pluralis aaaaaa m . tv , kopt. uoot, stat. constr. uor*
AAAAAA
(z. B. in uor-u-ne „Himmelswasser“, d. i. JELegen) erhalten. Von
diesem Worte abgeleitet ist /**aaa (m mwj.t „IJrin“ fern., das in
AAAAAA
seiner koptiscben Form uh ebenfalls nur den einen Stammkonso-
nanten m zeigt. In gescbicbtlicber Zeit ist fur m scbon der jiingere
Bucbstabe, das Bild der Eule, gebrauchlicb; nur in einigen Wortern
bat sicb nocb die einstige Bezeicbnung des m und seiner Yerbin-
dungen (wie w, sm) durcb dieselben pbonetiscben Zeicben, die
sonst das n und seine Yerbindungen (mv, sri) bezeicbnen, bistorisch
erbalten (zum Teil bis in das Neuagyptische) und wird erst all-
mablicb durcb Scbreibungen mit der Eule ersetzt. 1 )
Solange die Scbrift kein eigenes Zeicben fur l besab, mufite
das aaaaaa und die ein n entbaltenden Zweikonsonantenzeicben auch
diesen Laut und seine Yerbindungen (nm, mri) bezeicbnen, wo er
nicbt durcb das Zeicben fur r ausgedriickt wurde, zum Beispiel Tinm
„riecben“ (^icoau), hnp „steblen“ (kojah nacb Max Burcbardt),
mnh „Wacbs“ (uotaJ), Nhb „Eileithyiaspolis“ (Elkab), hfn „un-
zablig“, „bunderttausend“ Kin „Grublu“ (Byblos), wie andrer-
seits die Bilder von Wortern, die ein l entbielten, pbonetiscb aucb
1) Zu den Yerbum a. a. 0. angefiilirten Eeispielen ist noch X o jj
AAAAAA V
als alte Scbreibung fur hm „oberagypt. Wappenpflanze u binzuzufugen ; sie findet
sicb in dem uralten „Denkmal mempb. Tbeologie“, das icb spater neu beraus-
zugeben gedenke, in dem Satze: „Es gescbab, daG und ivid an das Tor ge-
setzt wurden“.
11 *
154
Kurt Sethe
fur entsprechende Werte mit n gebraucht wurden, zum Beispiel das
der Zung e' (Is aac, semit. Ms an) fiir ns.
<=> r von < y > r „Mund“, „Tiire“, kopt. po, stat, constr. p-
(in epil- „am Munde von u , pne „Heiligtum“, alt rynrj ^Haustor")
mit Snffixen pto*, demnach urspriinglich rS oder rl (s. Agypt. Zeit-
schr. 45, 37). Davon abgeleitet mittels der Kollektiyendung - wt :
r.wt „Portal“, „Tiirbau“ fem. — Neben dem Zeichen
fiir n hat dieser Buchstabe nnd seine Verbindungen (hr „Gesicht“)
auch zur Bezeichnung des l dienen miissen, zum Beispiel Crk „zu-
sammenziehen“ (cdak), hrj.t „Schrecken“ (bohair. £6Ai), 6m„AuBeres w
(boa). Umgekehrt hat das Zeichen fiir Iw „Lowe“ anch den Wert
rw gehabt: hrw „Stimme“ (?poor). Nachdem dieses Wort Iw sein
w eingebiilit hatte, wurde die Schreibung dafiir auch als Ho-
mophon fiir l und r gebraucht (zum Beispiel in der syllabischen
Schrift des neuen Reiches in Ijw-rw-rw epHpe „Blume“) und spater
ist das Zeichen selbst im Demotischen zum eigentlichen Buch-
staben fiir Z geworden. Im Koptischen hat sich dieses Wort in der
Verbindung aaboi erhalten, die einerseits die Lowin (im Unter-
schied zu dem bemahnten Lowen), andrerseits den Baren bezeichnet
und auf das alte Jj^ rw-3bw „Lowe-Panther“ (cf. leojoar-
dus ) zuriickgeht. 1 * * ) Sie scheint auch in das Arabische (labu^atun
„Lowin“) und das Hebraische ( laW „Ldwin“) iibergegangen zu sein.
HI h (Grundrifi eines Gehoftes) yon dem Worte fU h „Hof*‘,
„Halle“ (Eb. 78, 14 u. o.), Dualis rQ^^=j h.wj, oder dem jeden-
falls dazugehorigen h.t „Gerichtshalle“, ,,-hof 4 fem. (eaeiT), das
spater archaisierend oder etymologisierend f h3j.i ge-
schrieben wird, wie das auch bei dem (vielleicht gleichfalls damit
verwandten?) ^ h „Gemahl“, „Hausherr“ (eAi), neuagyptisch
^ £ esc ^ e -^ ^as nac ^ se i ner Vokalisation eine
alte Form fo? yoraussetzt. Die unregelmafiige Erhaltung der Eemi-
ninalendung t in £agit „Hof c , die sich sonst nur noch bei den
Gottinnennamen Moo0 und Ny)i 0 nachweisen laBtfs. Ztschr. f. agypt.
Sprache 43, 144), spricht wohl dafiir, daB die vokalische Aussprache
des j resp. die diphthongische Aussprache at sehr friih eingetreten ist.
© li von dem Worte h „Mutterkuchen“, das nur in dem Aus-
1 Davies, Deir el Gebrawi I pi. 14. 24 (vgl. Mem. Miss, franc, 5, 637).
Spiegelberg, Rec. de trav. 17, 96. — Die oben vorgetragene Erklarung des
Ausdrucks ergab sich mir bei einer Besprechuug derErage'mit Spiegelberg*
155
Der Ursprung des' Alphabets.
druck h-nsw.t, spater Jins „K5nigsrautterkucben. lt (Murray und
Seligmann, Man XI 97ff.) belegt ist. Nach ihren Scbreibungen
diirften die Worter h „Kind“ und h.w „Art“ {genus, species),
geschrieben wie der Pluralis des Grundwortes, irgendwie damit
zusammenhangen (s. meine Bemerkungen bei Bor char dt, Sahure II,
Text S. 77). Die letztere Schreibung wird in alterer Zeit phone-
tiscb iibertragen aucb ftir die Konsonanten hw des Wortstammes
%wj „schutzen“ gebraucht; das beweist, dafi der Pluralis des Grund-
wortes wirklich nur nocb lautete.
h von h.t oder »Leib“, „BauchV) „Korper“,
„Korperschaft“, das anch in seiner gewohnlichen koptiscben Form
mit Suffixen : tjHT- keine Spur eines zweiten Stammkonsonanten
inebr erkennen lafit (hetff „sein Leib“), aber in der Vokalisation der
seltneren selbstandigen Form en : I 3 H noch eine deutliche Spur dayon
bewabrt hat {*he3 e t). Aus dem Gebrauch des Zeichens im
alten Reich geht klar hervor, daB es urspriinglich ein Zweikonso-
nantenzeichen fur hi gewesen ist und erst jetzt als Bucbstabe ftir
h an die Stelle des czsn s tritt, das bisher dafiir gebraucht worden
war und sick in manchen Wortern auch fernerhin noch lan ge Zeit
als historische Schreibung erhalt. In der Bedeutung „Leichnam“
hat das Wort W.t seinen zweikonsonantigen Stamm linger bewahrt.
Hier wird es seit dem mittleren Reich <C ^|q &?.£ geschrieben mit
einem inzwischen neu aufgekommenen Zweikonsonantenzeichen fur
hi, das urspriinglich vielleicht den Wert hir gehabt hatte.
— s (richtiger z ) yon s „Riegel“, Dualis oder
“7T” ^ s.wj „die beiden Riegel“ (deft: Doppelriegel), mit denen die
agyptischen Tore verschlossen zu sein pflegten, Griffith, Hiero-
glyphs S. 38.
C 3 ED (spat ere, ungenaue Form ftir das Zeichen, das in alterer
Zeit deutlich einen Teich mit Wasser darstellt) s yon l j s ^
„See u , „Teich“, kopt. ^jhi, stat. constr. si (in dem hebr. Si-hor
„Teich des Horus“); vgl. die griechisch durch ptoijK und piutYstoo
wiedergegebenen, im Fayum (kopt. mou „das Meer u ) heimischen
Beamtentitel hrj s „Seeoberst“ und hrj s wid-wr „Seeoberst des
Meeres“, Griffith, Rylands demot. Papyri III 301. Dafi das Wort
auch in der Verbindung mit Suffixen nur noch den einen Konso-
nanten s aufwies, lehrt die friikzeitige Ableitung des Namens des
widderkopfigen Gottes von Herakleopolis hrj-s~f „der
1) Dafi das seltsame Zeichen £*—*=> wirklich den „Leib“ darstellen mufi,
lehrt der Strich (s. oben S. 151 Anm. 1).
156
Kurt Setke,
liber seinem See wohnende 44 (griech. c Apoa<p7j$) von dem Wortstamme
^ sfi — Die Formen iyHi, si- lassen einen urspriinglichen drei-
konsonantigen Stamm srj vermuten ( *ser e j ) Bach dem Beispiel von
prj „Haus“, das im Koptischen in seiner selbstandigen Form nHi
lautet, im stat. constr. aber die verkurzten Formen pi (in liebr.
Pi-beseth) oderp (in griech. Ila0opi<;, Booaipic n. a.) neben der volleren
Form per (in nepuouT, nppo) aufzeigt nnd dessen Bild n seit
dem neuen Beich auck zur Schreibung des p in dem Wort psn
„Kuchen“ gebraucht wird (Griffith, Hieroglyphs S. 36). Die nur
sehr altbelegte 1 ) Oi T tsbezeichnung^>, ^ ' sr.t konnte
eYentuell eine Ableitung des Grundwortes sein (vgl. Griffith bei
Davies, Ptahhetep I, S. 27).
A k von k „Hiigel“, „Anhohe“, einer Form des Stammes kBj
„hoch sein“, der in alter Zeit auch nur a k , spater a^ geschrieben
wird, seine voile Form aber gelegentlich noch, namentlich in Ab-
leitungen wie „Hugel“ (spater W g e ‘
schrieben) und ki.w „H6be“ erkennen lafit. Im Kop-
tischen ist der Wortstamm durch kai 6 „hochgelegener Ackers
( *M3j e t ) und die sekundare Analogiebildung kicoot „hoch sein“
(Qualitativ wie npicjoor) vertreten, die aufier dem ersten Konso-
nanten k ebenfalls nur noch den dritten Konsonanten j in vokali-
scher Aussprache enthalten.
^ t von ^ (Pyr. 1723), spater t „Brot“. Dali das
Zeichen wirklich ein Brot darstellt 2 ), lehrt der Stricb in der ersten
Schreibung und die spatere Ersetzung des Zeichens durcb das jiingere
Ideogramm des Brotes in dem Titel jt ntr „Gottesvater“. Ob
aus dieser Ersetzung etwa zu scblielien ist, dafi das Wort fur „Brot“
ursprunglicb jt gelautet babe, stebe dahin. Sollte es der Eall sein,
so konnte es mit dem Namen des gewobnlicbsten Getreides der
alten Agypter, der Gerste, jt (kopt. 6kot, gleicblautend mit dem
Wort fur „Vater“) zusammengebangen baben.
t (eine Art Strick) von dem in dem Ausdrucke ’ i# ‘tP
o I ill T
1) Im Grabe des Mtn aus der 3. Dynastie, Agypt. Inschr. aus den konierl
Museen zu Berlin I S. 74 ff. = Leps. Denkm. II 3
2) Dali es in kolorierten Inscbriften schwarz (oder seltener blau) gemacbt
wd, konnte auf einem Mifiverstandnis beruhen oder soil damit die graubraune
Farbe wiedergegeben werden, die die vie das alte Bucbstabenzeicben gestalteten
Brotfiaden in Agypten auf dem Lande heute haben?
Der Ursprung aes Alphabets.
157
tspoYpa|i|xaT£i? (z. B. Kanop. Tanis 34 «= Urk. des agypt. Altert. II
151, var.
in der Rosettana) enthaltenen fern. Worte, das
y m
schon auf der Palette des Konigs NCr-mr aus der 1. Hynastie als
(iiber dem Schreiber des Konigs) vorkommt 1 ).
cs* d von dem friih verlorenen Worte jd „Hand“, von dem
sich sonst nur nocb in dem denominativen Verbum ^ jdj , wdj
„legen“ nnd in dem Worte fur die Zahl 5 dw , dj eine Spur er-
halten hat (s. Ztschr. £ agypt. Sprache 50, 91 f£).
d von dem Worte ^ oder d.t „Urausschlange“.
Dieses scheint mit dem Namen der Gottin Buto wSdjJ
(-goto)) identisch zu sein (vgl. Pyr. 792a) 2 ), der nach echter Art der
Gotternamen die altere Gestalt des Wortes bewahrt haben wird,
und noch die urspriingliche Bedeutung desselben „die Griinliche“
erkennen lafit. Aus den griechisehen Formen der Ortsnamen JPrj-
w3dj*t „Haus der Urausschlange“ Bouxd) und P3-t3-n-w3dj.t „das
Land der TJrausschlange“ Ilxevexa) scheint sich fur den Namen der
Gottin eine Aussprache uto , eto (resp. to?) fiir die spatere Zeit zu
ergeben. — Zu diesem Ursprunge des Buchstaben vgl. auch
die alten Schreibungen | di fur „Papyrus“ (altes Reich) vom
gleichen Stamme wSd und d.t „Stiftung u , „Ewigkeit“ (mit dem
Determinativ des Landes) vom Stamme wd „befehlen“.
Unerkl&rt bleiben zurzeit noch ^ w, ^ 7z, jl s , k, Z5 g*
15 (zu S. 123). Homophone der agyptischen Buchstaben.
Phonetische Zweikonsonantenzeichen, die im Laufe der Zeit zu Bueh-
stabenhomophonen geworden sind, sind aufier den sclion auf S. 120/1
besprochenen zum Beispiel:
1 tj, spater t (vereinzelt schon sehr friih).
•^Tj w3 (s. Exkurs 13), spater w (in griechisehen Namen auch
fiir o gebraucht).
Die Zusatzbuchstaben, die das koptische Alphabet dem grie-
chischen zugefiigt hat, um fiir Laute, die in diesem nicht vertreten
waren, Zeichen zu gewinnen, gehen zum * Teil auf solche herab-
1) Mit dem Titel ti „Mann K , der seit der 4. Dynastie den Yezier be-
zeichnet, liat das Wort sicherlich nicht das mindeste zu tun.
2) Ygl. auch. Gardiner, Journal of egyptian archeology 1168, wo unab-
hangig von mir dzeselbe Erklarung yorgetragen ist, die ick seit Jahren schon
gefunden hatte.
158
Blurt Setbe,
gewerteten alten Zweikonsonantenzeichen zuriick: — fr, das alte
J /zi. «= J, das alte T«T»T &?. x *=* d, das alte | d£.
Ein Beispiel, in dem das nene Buchstabenhomophon nicht den
ersten, sondern den zweiten Konsonanten der alten Zweikonso-
nantenfolge bezeichnet, ist rz =z = m (seit dem neuen Reich), das
alte im.
Ideographische Wortzeichen, die in dieser Weise umgewertet
worden sind, gleich den im Text auf S. 123 genannten beiden Homo-
phonen fiir /, sind:
jj is.t „Sitz“ zu s (schon in den Pyr.), weil das Wort nur noch
%$* ( T lcnc), spater e$ e (kopt.) lautete.
a d Imj „gieb“ zu m (seit dem mittleren Reich), weil das Wort
in seiner volleren Form nur noch moi , in seiner gewohnlichen ver-
kiirzten Form nur noch ma lautete.
jr.t „Auge“ zu j (in griechischer Zeit auch fiir i gebraucht,
zum Beispiel in Arsinoe), weil die gewohnlichen Formen des Status
constructus (in dem Eigennamen Jr.t-hr-r-w „das Auge des Horus
ist gegen sie", gesprochen J'nharerow , ’Ivapdk) und des Status
pronominalis (jaff „sein Auge“ mit Erhaltung der Femininalendung)
nur noch das j als einzigen Stammkonsonanten enthielten. Dafi die
ungebr&uchlichere selbstandige Form noch %r e (ipt) lautete, hat das
nicht verhindert.
16 (zu S. 123). Die sogenannte syllabische Schreibung.
Bei dem oben im Texte dargelegten Tatbestand konnte es nicht
zweifelhaft sein, dafi das unter dieser Benennung „syllabische Schrei-
bung" bekannte, seit dem neuen Reiche angewandte System, Fremd-
worter und agyptische Worter ohne traditionelle Orthographie mit
entwerteten Schreibungen alter zweikonsonantiger Lautwerte zu
schreiben, urn sie von dem historisch geschriebenen alten agyptischen
Sprachgut zu unterscheiden (vgl. S. 115 Anm.), keinen Yersuch zur
Yokalbezeichnung (die an sich bei Fremdwortern ja am Platze ware)
darstellen konnte, wie man hat glauben wollen. 1 ) An zahlreichen
Beispielen liefi sich dieser, den Grundlagen des pkonetischen Systems
der agyptischen Schrift widerstreitende Gedanke ad absurdum
fiihren. 2 ) — Da wo sp&ter wirklich eine solche Yokalbezeichnung
yersucht worden ist, bei den persischen und den griechischen Eigen-
1) W. Max Muller, Asien undEuropa S. 58 ff., neuerdings von dem un-
belebrbaren Manne lang und breit wiederbolt in der Schrift: Die Spuren der
babylonischen Weltschrift in Agypten (Mitt. d. Vorderasiat. Ges. 17, Heft 8\
2) S. meine Ausfiibrungen Yerbum I § 76. 141. 201. Gott. Gel. Anz. 1904,
935 ff. Zu den dort angefuhrten Beispielen kann jetzt noch kinzugefiigt werden:
iw-m fiir das Negationskomplement, das im Koptischen AM lautet.
Der Ursprung des Alphabets.
159
namen, ist sie durchaus im Greiste des alten Systems erfolgt, indem
man entweder die alten Buchstabenzeichen selbst (zum Beispiel i
fur a, w fiir o, j flir i) oder die zu Varianten derselben entwerteten
mebrkonsonantigen Zeichen, zum Beispiel wS fiir o, jr fiir % (siehe
Exkurs 15), dafiir verwendete (s. oben S. 118 ) i ).
17 (zu S. 128). Die bei Plutarch Quaest. conviv. 9, 3 mit der
Angabe, dafi die Agypter das Alphabet mit dem Aleph-
laute beginnen liefien, verbundene Angabe, dab dieses erste der
agyptischen Buchstabenzeichen einen Ibis, das heilige Tier des gott-
lichen Schrifterfinders Thoth, darstelle, wollte Lepsius (Abh. Berl.
Akad. 1835 S. 216) aus einer Yerwechslung mit dem Adler
erklaren. Yielleicht ist eher an die in den hieroglyphischen In-
schriften der griechisch-romischen Zeit ofters belegte Yariante ^
fiir (j (Brugsch, Worterb. Suppl. 88) zu denken, die denselben Grott
Thoth in Menschengestalt mit Ibiskopf darstellt und die man mit
der gleichzeitigen Schreibung (jj| fiir den Namen des Grottes zu-
sammengebracht hat (M oiler, tlber die in einem spathieratischen
Papyrus des Berliner Museums erhaltenen Pyramidentexte, Berl.
Diss. 1900, S. 16/7. Dagegen nicht zutreffend Schafer, Ztschr. f.
agypt. Spr. 40, 124; der dort yon ihm erorterte Name ist nicht der
des Thoth, sondern der ebendort 47, 42ff. von mir besprochene Cntj).
18 (zu S. 130). Zu Halevy’s Ableitung des phonizischen
Alphabets aus den agyptischen Hieroglyphen. Bei Halevy
stimmen vielfach nicht etwa die angeblich direkt aus der agyptischen
Schrift ubernommenen Buchstaben im Werte mit ihren Prototypen
iiberein, sondern die aus ihnen erst differenzierten Buchstaben, so
dafi die Zeichen bei den Phoniziern gewissermafien auf einem Um-
wege wieder zu ihrem ursprlinglichen 'Werte gelangt waren. So soli
aus dem agyptischen k das phonizische C ( cAjin ) entstanden, und aus
diesem wieder das phonizische Jc (Koph), das doch dem ersteren
lautlich genau entsprach, differenziert sein. Ahnlich soil das phoni-
zische g (Grimel) aus phonizischen h (Kaph), dieses aber wieder aus
agyptischem g entstanden sein. Das phonizische Samekh (scharfes
s wie in englischem son ) setzt Halevy einem agyptischen Laute
gleich, von dem wir jetzt wissen, dafi er urspriinglich dem phoni-
zischen z (Zajin) entsprach und erst spater zu einer Yariante des
agyptischen s geworden ist-
1) Es werden auck in diesen Wiedergaben der fremdspraeblichen Namen
keineswegs alle Yokale so bezeicknet, sondern nur die hervorstecbenden ; die
andem bleiben unbezeichnet, Zum Beispiel in Ptolemaios nur das erste o, in
Alexandros nur das a.
160
Kurt Settle,
19 (zu S. 130/1). Zu de Rough’s Ableitung der phoni-
zischen Buchstaben aus dem agyptischen Hieratiscb, ibre
palaographischen und lautlichen Scbwierigkeiten. Was zunachst die
Zeicbenforxnen betrifft, so bat de Roug6 die IJbereinstiinmung znm
Teil nur dadurch erzielt, dafi er die phftnizischen Zeichen auf neben-
sachliche Elemente der entsprechenden agyptischen Zeicben zuriick-
fiihrte, indem er diese Elemente zum Teil aucb nocb tibertrieb. So
soli das Grimel s\ aus dem Anstrich des agyptiscben g , das
Pe dagegen aus dem Schwanze des agyptischen m jp, den das g
docb genau so batte, entstanden sein; die fur die beiden agyp-
tiscben Zeicben cbarakteristiscben Elemente, die drei senkrechten
Stricbe, aber waren danacb sozusagen nnter den Tiscb gefallen.
Ebenso inkonsequent wie hier verfahrt de Rouge aucb sonst. Wie
er den Schwanz des g ) im G-egensatz zu dem des j p, unberiicksichtigt
bleiben iS-fit, so aucb bei andern Zeicben, die genau die gleiche Art
Schwanz besitzen (b, d). Bei diesen nimmt er die charakteristischen
Elemente, die er dort ignoriert werden liefi. Ebenso leitet er das
§ aus den drei Stricken des (eig. si) ab, die den vernacb-
lassigten drei Strichen des p ganz ahnlicb seben. Es ist also ein
willkiirliches eklektisches Amputieren der agyptiscben Zeichen, das
de Roug6 dem Schopfer des phonizischen Alphabets zuscbreiben
will, nicbt eine getreue Ubernahme des bistoriscb Gewordenen.
Sind seine Gleichsetzungen in palaographischer Hinsicbt nicbt
unbedenklicb, so sind sie in lautlicber Hinsicbt kochst anfecbtbar.
Das |fy $ (ricbtiger z) eutspricbt wenigstens urspriinglich nicbt
dem Samekh, das ^ mJ* /nicbt dem Waw, der in dem ti (nicbt
t) entbaltene i-Laut nicbt dem Zajin, er ist yielmebr identisch mit
dem , das de Rouge unricbtig dem Teth gleicbsetzt, das aber
in den Transskriptionen semitiscber Worter aus dem neuen Reich
das jSamekh wiederzugeben pflegt.
Wie das eben genannte Zeicben, das den Lautwert ti hatte,
so gehoren aucb andere Zeichen, die deRouge seinen Vergleichungen
zugrunde legte, nicht der Reibe der' reinen Laut- oder Buchstaben-
zeicben- an; so das b (eig. hi), das S (eig. si), das l (eig. rw), das
t (eig. tj). Diese Zeicben sind spater in der Tat zu solcben Buch-
stabenbomopbonen entwertet worden und aucb scbon im neuen Reich
— dann aber stets gefolgt von ihrem pbonetiscben Komplement i
oder einem senkrechten Stricb — in Premdwortern zur Scbreibung
der einfacben Konsonanten t , b, S, l, t verwendet worden (Exkurs 16).
Der Uraprung des Alphabet*.
161
Zu der Zeit, in die de Roug6 die Entstehung des phonizischen
Alphabets setzen will und der er seine hieratischen JFormen dafiir
entnimmt, ist das aher ein Anachronisnms.
Mcht minder anstofiig ist die Ableitung des phonizischen Jod
aus dem agyptischen ^ , das nur am Ende der Worter vorkommt
und, da es dort meist yerschliffen wurde, sehr friih vollig entwertet
zu sein scheint. Beim cAjin aber, das seinem semitischen Namen
entsprechend im phonizischen Alphabet wirklich ein Auge darzu-
stellen scheint, sucht de Roug6 das Fehlen eines passenden agyp-
tischen Yergleichsobjektes gleichen Lautwertes damit zu erklaren,
dafi die agyptische Sprache diesen eigenttimlichen Kehllaut nicht
besessen habe. Das ist ein Irrtum; das Agyptische’ besaB dafiir
sehr wohl ein Zeichen, das sich auch durch seine Einfachheit dem
Phonizier nur empfehlen konnte, (s. oben S. 131 Anm.); es sieht
aber ganz anders aus als das phonizische Auge.
Eine Schwierigkeit, die de Rouge seinerzeit noch nicht sehen
konnte, wurden bei einer Ableitung der phonizischen Buchstaben-
zeichen aus der agyptischen Schrift, wenn man sie nicht in sehr
friihe Zeit, bis in das alte Reich, hinaufriicken will, auch die stimm-
haften Laute d, g , z machen, deren agyptische Aquiyalente xm mitt-
leren Reich bereits ihre weiche Aussprache eingebiifit hatten und
wie t , k, s } vermutlich mit leichter Differenzierung yon den ent-
sprechenden stimmlosen Lauten t , k , s 1 ), gesprochen wurden. Der
Schopfer des phonizischen Alphabets hatte hier also AnlaB gehabt,
neue Zeichen zu erfinden, anstatt die umgewerteten agyptischen
Zeichen zu yerwenden.
1) Vgi. meine Ausfiilirungen in den !Naclir. Gott. Ges. d. Wiss. 1916, 120. 12S,
Nadir id) ten
von der
Koniglichen Gesellschaft der Wissenschaften
zu Gottingen.
Geschiiftliche Mitteilungen
aus dem Jahre 1917.
«-
%
.Berlin,
Weidmannsche Buchhandlung.
s 1917.
Druck der Bieterichschen Univ.-BucMruckerei (W. Fr. Kaestner) in GSttingen.
Inhalt
Bericht des Sekretiirs der Gesellscliaft iiber das Geschaftsjabr 1916/17 .
Yerzeiclmis der im Jahre 1916/17 abgehaltenen Sitzungen und der darin
gemachten wissenschaftlichen Mitteil ungen
XVI. Bericht liber das Samoa-Observatorium f. d. J. 1916/17 . . . . ♦
Bericht der Kommission fiir luftelektrische Forscbung
Bericbt der Religionsgeschichtlichen Kommission
Bericbt der Kommission der Wolfskehl-Stiftung 1916/17 .
Bericbt iiber die Arbeiten fiir die Ausgabe der alteren Papsturkunden .
Neunter Bericbt iiber das Septuaginta-Unternehmen. (Bericbtsjalir 1916.) .
Wedekindsche Preisstiftnng fiir Deutsche Gescbicbte
Bericbt iiber den Stand der Herausgabe von Gauss’ Werken. XII. Bericbt.
Bericht iiber die Lagarde-Stiftung und die Stiftung der Freunde de Lagardes
Bericbt iiber die ausgesetzten Preisaufgaben . . .
. Verzeichnis der Mitglieder der Konigl. Gesellschaft der Wissenscbaften zu
Gottingen, Ende Marz 1917
Benekescbe-Preisstiftung
Verzeichnis der im Jabre 1916 eingegangenen Druckschriften . . . .
E. Landau, Richard Dedekind
D, Hilbert, Gaston Darboux
E. Schroder, Wilhelm Meyer
Bericbt iiber die bffentliche Sitzung am 10. November 1917
S. 1
» 3
„ 9
„ 10
» 12
„ 18
» 14
„ 16
„ 18
„ 19
„ 24
n 25
26
34
85
50
71
76
85
Bericht des Sekretars der Gesellschaft iiber das
Greschaftsjahr 1916/17.
Die konigliche Gesellschaft der Wissenschaften hat wahrend
des abgelaufenen Geschaftsjahres 16 ordentliche Sitzangen ge-
halten, fiber deren wissenschaftlichen Teil unten berichtet ist.
Tiber die beiden offentlichen Sitzangen ist in den geschaftlichen
Mitteilungen des Jahres scbon berichtet.
Die Nachrichten der philologisch-historischen Klasse sind
in 5 Heften und einem Beiheft, die der mathematisch-physikalischen
Klasse in 2 Heften erschienen.
V on den Abhandlungen der philologisch - historischen
Klasse sind erschienen:
XVI. Bd., Nr. 1 Carl von Kraus, Zn den Liedern Hein-
richs von Morungen. 67 S.
XVI. Bd., Nr. 2 B. Moritz, Der Sinaikult in heidnischer
Zeit. 64 S.
Von den Abhandlungen der mathematisch-physikalischen
Klasse :
X. Bd., Nr. 2 J. Hartmann, Tabellen ffir das Rowlandsche
und das internationale Wellenlangensystem. Mit einer
Tafel. 78 S.
Die Gottingischen Gelehrten Anzeigen sind unter
der Redaktion von Herra Dr. Joachim wie bisher fortgeffihrt.
Schriftaustausch wurde eingeleitet mit der schweizerischen
naturforschenden Gesellschaft, dem bosnisch - herzegowinischen In-
stitut ffir Baikanforschung in Serajewo, dem kgl. preufiischen
astronomischen Recheninstitut, dem kgl. preufiischen aronautischen
Observatorium in Lindenberg. Uber die der Gesellschaft im Jahre
1916 durch Tausch und sonst zugegangenen Schriften gibt das
unten mitgeteilte Verzeichnis Auskunft, das zugleich als Em-
pfangsbestatigung dient.
Naokrichten ; gesckiftl. Miitellangen 1917. 1.
l
2 Bericht des Sekretiirs der Gesellschaft iiber das Geschaftsjahr 1916/17.
Ztir TJnterstiitzung wissenschaftlicher Arbeiten bewilligte die
Gesellschaft :
Fur die Teneriffa-Expedition Mb. 600
Herrn Schroder fur die Ausgabe der mittel-
alterlichen Bibliotheksbataloge „ 500
Herrn Andreas fur Studien asiatischer Sprachen
in Gefangenenlagern „ 1000
Herrrn Debye fur Arbeiten auf dem Gebiete der
Rontgenspectroskopie „ 1000
Fur die Ausgabe des Poggendorfschen Worterbuchs
3. und 4. Rate . . > v , ; * „ 800
Herr Enno Littmann trat durch seine Berufung nach Bonn
in die Reihe der auswartigen Mitglieder.
Durch deh Tod Verlor die Gesellschaft sein ordentliches Mit-
glied :
Wilhelm Meyer am 9. MSrz 1917,
die auswartigen Mitglieder:
Gaston Darboux in Paris im Februar 1917 (korrespon-
dierendes Mitglied seit 1883, auswartiges Mitglied seit
1901),
Ernst Benecke in Strafiburg im Elsafi im Marz 1917
(borrespondierendes Mitglied seit 1899, auswartiges Mit-
glied seit 1904),
Karl Schwar zschild in Potsdam am 11. Mai 1916
(ordentliches Mitglied seit 1907, auswartiges Mitglied
seit 1909),
die korrespondierenden Mitglieder:
Arthur Napier in Oxford (borrespondierendes Mitglied
seit 1904),
Julius Wiesner in Wien am 9. Oktober 1916 (kor-
respondierendes Mitglied seit 1902).
Seinen Austritt erklarte Herr Emile Picard in Paris
(korrespondierendes Mitglied seit 1884).
Verzeichnis der im Jahre 1916/17 abgehaltenen
Sitzungen nnd der darin gemachten wissenschaftlichen.
Mitteilungen.
Ordentliche Sitzung am 8. April 1916.
R. Reitzenstein, Die Formel „Glaube, Liebe, Hoffnung K bei
Paulus. (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1917, S. 130.)
Offentliche Sitzung am 13. Mai 1916.
Der Sekretar erstattet Bericht iiber cjas abgelaufene Geschafts-
jabr 1915.
Gedachtnisreden hielten die Herren Wiechert auf Rieeke, Ber-
tbold auf Graf Solms-Laubacb , Reitzenstein auf Wend-
land und Keil. (Geschaftliche Mitteilungen 1916, Heft 1.)
Ordentliche Sitzung am 20. Mai 1916.
F. Klein legt vor: Mathematische Encyklopadie II 1. 9 (SchluB-
heft).
G. Tammann legt vor: Alfred Coehn und Karl Stuckardt,
Die Einwirkung des Lichtes auf die Bildung und Zersetzung
der Halogenwasserstoffe. Nachrichten math. -phys. Kl. 1916,
S. 99.)
J. Hartmann legt vor: Arthur Horstmann, Bestimmung
der genaherten absolnten Bahn des Planeten Sappho (80) nach
der Gyld6n-Brendelschen Methode, nebst Tabellen fiir die Be-
wegung des Zeitraumes 1860 — 1916. (Abhandlungen , math.-
phys. Kl., Bd. X.)
W. Meyer, 1) DieVerskunst der Iren in lateinischen rythmischen
Dichtungen. 2) Drei gothaer Rythmen aus dem Kreise Alkuins.
(Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1916, S. 605.)
Ordentliche Sitzung am 3. Juni 1916.
P. Debye, Quantenhypothese und Zeemaneffekt. (Nachrichten,
math.-phys. Kl. 1916, S. 142.)
1 *
4
Verzeidmis der wissenschaftlichen Mitteilungen.
Ordentliche .Sitznng am 24. Juni 1916.
P. D e b y e , Die Feinstruktur wasserstoffahnlicher Spektren. (Nach-
richten, math.-phys. Kl. 1916, S. 161.)
O. Wallach legt vor: A. Windaus, Die Uberfiihrung des Cho-
lesterins in Koprosterin. Nachrichten, math.-phys. Kl. 1916,
S. 92.)
W. Meyer legt vor: Bruno Krusch, Der nenentdeckte TTrtext
der Lex Salica. (Nachrichten, phil.-hist. Kl, 1916, S. 683.)
Ordentliche Sitznng am 8. Juli 1916.
Der vorsitzende Sekretar legt vor: Karl von Kraus (Wien),
Zu den Liedera Heinrichs von Morungen. (Abhandlungen,
phiL-hist. Kl., Bd. XVI, S. 1.)
P. Debye legt vor: P. Scherrer, Dag ideale Gas als bedingt
periodisches System im Sinne der Quantentheorie. (Nach-
richten, math.-phys. Kl. 1916, S. 154.)
Ordentliche Sitznng am 22. Juli 1916.
G. Tammann, Tiber die Schmelzpunkte der Glieder homologer
Reihen. (Nachrichten, math.-phys. Kl. 1916, S. 172.)
— Uber die Resistenzgrenzen von Mischkristallen und die Mole-
kularverteilung in Raumgittem. (Nachrichten, math.-phys. Kl.
1916, S. 199.) .
R. Zsigmondy, Die Keimmethode zur Herstellung kolloidaler
Metallosungen bestimmter Eigenschaften. (Nachrichten, math.-
phys. Kl. 1916, S. 177.)
F. Klein legt vor: H. Falkenberg und E. Hilb, Die Anzahl
der Nullstellen der Hankelschen Funktionen. (Nachrichten,
math.-phys. Kl. 1916, S. 190.)
H. Olden berg, Zur Geschichte des Wortes brahman. (Nach-
richten, phiL-hist. Kl. 1916, S. 715.)
K. Sethe legt vor: B. Moritz, Der Sinaikult in historischer
Zeit. (Abhandlungen, phil.-hist. Kl., Bd. XYI.)
Offentliche Sitznng am 4. November 1916.
Herr Sethe liest: Der TJrsprung des Alphabets. (Geschaftliche
Mitteilungen 1916, S. 88.)
Ordentliche Sitznng am 11. November 1916.
F. Klein hat vorgelegt: Hans Mohrmann, Gewundene Kurven
vom Maximalindex. (Nachrichten, math.-phys. Kl. 1916,
S. 197.)
5
Verzeichnis der wissenschaftlichen Mitteilungen.
E. Landau legt vor: Harald Bohr, Uber die Koeffizienten-
summe einer beschrankten Potenzreihe. (Nachrichten, math.-
phys. KL 1916, S. 276.)
Derselbe legt vor: A. Rosenthal, Beitrage zu Carath6odorys
MeBbarkeitstheorie. (Nachrichten , math. -phys. Kl. 1916,
S. 306.)
E. Klein legt vor (durch Herm Landau): F. Engel, Uber die
zehn allgemeinen Integrate der klassischen Mechanik. (Nach-
richten, math.-phys. Kl. 1916, S. 270.)
R. Reitzenstein legt vor: W. Bousset, Komposition und
Charakter der Historia Lausiaca. (Erscheint in den Nach-
richten, phil.-hist. Kl.)
R. Reitzenstein, Cyprian der Magier. (Nachrichten, phil.-hist.
Kl. 1917, S. 38.)
Gr. Korte, Grottinger Bronzen. (Abhandlungen , phil.-hist. Kl.
Bd. XVI. 4.)
W. Meyer, Die alteste lateinische Fassung der Placidas-Eustasius-
Legende. (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1916, S. 745.)
H. Oldenberg, Vedische Untersuchungen. (Nachrichten, phil.-
hist. Kl. 1917, S. 1.)
E. Schroder kiindigt an: Uber die Anfange der schwedischen
Hofdichtung im 14. Jahrhundert.
Ordentliche Sitzung am 25. November 1916.
E.SchrBder, Zur Uberlieferung und Textkritik der Kudrun.
(Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1917, S. 21.)
E. Landau 'legt vor: H. Bohr, Uber die Koeffizientensumme
einer beschrankten Potenzreihe (Zweite Mitteilung). (Nach-
richten, math.-phys. Kl. 1917, S. 119.)
R. Zsigmondy, Uber Koagulation. (Nachrichten, math. -phys. Kl.
1917, S. 1.)
Ordentliche Sitzung am 9. Dezember 1916.
O. Wallach legt vor: A. Wind a us, Uber das verschiedene
physiologische Verhalten einiger stereoisomerer Alkohole der
Cholesterinreihe. (Nachrichten, math.phys. Kl. 1916, S. 301.)
Gr. Tammann, Uber die Losungswarme. (Nachrichten, math.-
phys. Kl. 1916, S. 294.)
— Uber eine farblose Form des Quecksilberjodids. (Nachrichten,
math. -phys. Kl. 1916, S. 292.)
Der "vorsitzende Sekretar legt vor: Paul Koebe, Begriindung
der Kontinuitatsmethode im G-ebiete der konformen Abbildung
6 Yerzeichnis- der wissenschaftlichen Mitteilungen.
und Uniformisierung. . (Nachrichten , math. - phys. Kl- 1916,
S. 266,) •• ■ -
F. Klein legt vor — durch den vorsitzenden Sekretar — :
A. Galle (Potsdam), C. F. Gau6 als Zahlenrechner. (Er-
scheint in den Nachrichten, math.-phys. KL);
Ordentliche Sitznng am 23. Dezember 1916.
E- Schroder, Studien zu Konrad von Wiirzburg. IV-i— Y. (Nach-
richten, phil.-hist. K1.19J.7, S. 96.)
It. Reitzen stein, Die Formel „ Glaube, Liebe, Hoffnung“. Ein
Nachwort. (Nachrichten, phil.-hist. Kl. 1917, S. 130.)
D. Hilbert legt vor: E. He eke, Tiber die Zetafpnktion be-
liebiger algebraischer Zahlkorper. (Nachrichten, math. -phys.
Kl. 1917, S. 77.)
D, H|lbert, Grundlagen der Physih. (Zweite Mitteilung.) (Nach-
richten, math.-phys. Kl. 1917, S. 53.)
P. Debye legt vor; P. Debye pnd P. Sqherrer, Tiber die
Struktur von Graphit und amorpher Kohle. (Erscheint in
Nachrichten, math.-phys. Kl.)
Ordentliche Sitznng am 13. Januar 1917.
D. Hilbert legt vor: E. He eke, Uber eine neue Anwendung
der Zeta - Fnnktionen auf die Arithmetik der Zahlkorper.
(Nachrichten, math.-phys. Kl. 1917, S. 90.)
E. Schroder, Die Reimvorreden des dentschen Lucidarius. (Er-
scheint in den Nachrichten, phil.-hist. Kl.)
Ordentliche Sitznng am 3. Februar 1917.
H. Oldenberg, Znr Geschichte der Samkhya-Philosophie. (Er-
scheint in den Nachrichten, phil.-hist. Kl.)
E. Littmann, Ge'ez-Studien I. (Erscheint in den Nachrichten,
phil.-hist. Kl.)
F. Klein legt vor:
Hans Mohrmann, Tangenten - Quadrupel einer gewnndenen
Knrve dritter Ordnung. (Nachrichten, math.-phys. Kl. 1917,
S. 129.)
Emil Hilb, Znr Topologie der fur die linearen Differential-
gleichungen zweiter Ordnnng geltenden Obertheoreme. (Nach-
richten, math.-phys. Kl. 1917, S. 112.)
0. Rnnge legt vor: Fritz Noether, Znr Theorie der Tnrbulenz.
(Erscheint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
H. Stille legt vor: R. Wedekind, Tiber Stringoeephalus Burtini
und verwandte Formen. (Nachrichten, math.-phys. Kl. 1917,
S. 44.)
7
Yerzejcknis der
E> Landau, Tiber die Anzahl der Grjtterpunkte in gewissen Be-
v; , reichen (Dritte, Abhandluiig).;; (Nachrichten, math. -phys. Kl.
1917, .S. 96.) ..... ...
r- Tiber die Heckesche Funktio»algleichtmg; (Naqhricbtep, , math,-!
. phys. Kl. 1917, S..10&) .
Ordentliche Sitzung am 17. Febrgar 1917.
W. Meyer legt vor: Alfons Hilka und W. Meyer, Die neu-
aramaische Version der Placidas- gander geschichte. (Nach-
richten, phil.-hist. Kl. 1917, S. 80.)
E. Schroder, n Scherf“. (Erscheint in der Zeitschr. fur vergl.
Sprachforschung).
Ordentliche Sitzung am 8k Marz 1917.
R. Pietschmann legt vor: A. Rahlf s, Nissel und Petraeus,
ihre athiopischen Textausgaben und Typen. (Erscheint in den
Nachrichten, phil.-hist. Kl.)
E. Littmann, Ge'ez-Studien II. (Erscheint in den Nachrichten,
phil.-hist. Kl.)
D. Hilbert legt vor:
R. K 6 n i g , Riemannsche Funktionensysteme. (Erscheint in den
Nachrichten, math.-phys. Kl.)
V. Fredericksz, Bahnkurven im zentrisch-symmetrischen
Gravitationsfelde. (Erscheint in den Nachrichten, math.-
phys. Kl.)
Ch. H. Muntz, Zur expliziten Bestimmung der Hauptachsen
quadratischer Formen mit unendlich vielen Variabeln. (Er-
scheint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
G. Berthold legt vor: W. Espe, Tiber einige bemerkenswerte
Mifibildungen. (Erscheint in den Abhandlungen, math.-phys.
Klasse.)
G. Tammann, Die anormale Molekiilverteilung in den Misch-
kristallen als TJrsache ihrer anormalen Doppelbrechung. (Er-
scheint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
E. Landau legt vor: G. Polya (Zurich), Uber eine neueWeise,
bestimmte Integrals in der analytischen Zahlentheorie zu ge-
brauchen. (Nachrichten, math.-phys. Kl. 1917, S. 149.)
Ordentliche Sitzung am 17. Marz 1917.
F. Klein legt vor:
F. Engel, Nochmals die allgemeinen Integrale der klassischen
Mechanik. (Erscheint in den Nachrichten, math.-phys. Kl.)
8
Verzeichms der wissenschaftlichen Mitteilungen.
L. Lichtenstein, Die Methode des Bogenelementes in der
Theorie der Uniformisierungstranscendenten mit Grenz- oder
Hauptkreis. (Nachrichten, math.-phys. Kl. 1917, S. 141.)
G. T a m m a n n , Die Resistenzgrenzen der Mischkristalle des Bisens
mit Silicinm und Vanadin. (Erscheint in den Nachrichten,
math.-phys. Kl.)
H. Wagner, Die loxodromische Knrve bei Gr. Mercator. (Er-
scheint in den Nachrichten, phil.-hist. Kl.)
N. Bonwetsch, Der Historiker Heinrich Leo in seinen Briefen
an Hengstenberg. (Erscheint in den Nachrichten, phiL-hist. Kl.)
Ordentliche Sitznng am 31. Marz 1917.
H. Wagner, Amerigo Vespncci als vermeintlicher Entdecker der
Langenbestimmung dnrch Mondabstande. (Erscheint in den
Nachrichten, math.-phys. Kl.)
C. Range, Graphische Auflosung von Gleichungen in der kom-
plexen Zahlenebene. (Erscheint in den Nachrichten, math.-
phys. Kl.)
XVI. Berickt iiber das Samoa -Observatorium fur das
Jahr 1916/17.
Tiber das Greophysikalische Observatorium in Samoa iiber-
bracbte uns die Frau ernes deutschen Axztes in Samoa, Dr. Zie-
schank, welche im Mai 1916 Samoa verlassen batte, die erfreuliche
Nachricht, dafi das Observatorium unbebelligt im Grange ist. Es
werden die Beobachtungen ordnungsmaflig fortgefiihrt. Irgend-
welcbe finanziellen Scbwierigkeiten sind bisber nicbt vorhanden
gewesen. Jede Yerbindung mit der AuBenwelt ist freilich unter-
brochen; insbesondere sind aucb die Verbindungen zerscbnitten,
welcbe mit den befreundeten Instituten in Amerika bestanden
hatten.
Der Mechaniker des Observatoriums Paul Liebrecbt gehort
aucb jezt noch dem Heere an.
Fraulein Kreibobm, die Sekretarin des Grottinger Btros
des Samoa-Observatoriums, war weiter damit beschaftigt, die frii-
beren Beobachtungen zu ordnen und zu bearbeiten. Seit dem
15. Januar 1917 arbeitet sie jedocb an einigen Tagen der Wocbe
im Kriegshilfsdienst in der hiesigen Modellversuchsanstalt fiir
Aerodynamik, sodaB ihre Tatigkeit im Samoa-Biiro bis auf wei-
teres stark vermindert ist.
E. Wiechert.
Bench t der Kommissioii fiir luftelektrische Forschung.
Im yorigen Jahresbericht wnrde mitgeteilt, da8 zur Zeit drei
Aufgaben fur die hiesigen Axbeiten in Bezng auf Luftelektrizitat
besonders in Betracht kommen : 1). Untersuchungen der luftelek-
Yargange in der freien Atmosphare. 2) Ausgestaltnng
der Einrichtung einer Beobachtnngsstation fiir die Grumdelemente
der luftelektrischen Erscheinungen. 8) XJntersuehung der Nieder-
sehla-gselektrizitat. .
Wegen der Sehwierigkeiten, welche der Erieg mit sich braehte,
zeigte, es sich geboten, die weitere Eorderung der ersten Anfgabe
vorlanfig ganz znriickznstellen. Die Entwickltmg der Arbeiten in
Bezng auf die zweite und dritte Anfgabe brachte es mit sich, dad
die Bearbeitung der zweiten Aufgabe durch die dritte wesentlich
beherrscht wnrde.
Was die Niederschlagselektrizitat anbetrifft, so besteht fiir
die Eorschung die znr Zeit seltsame Schwierigkeit, dafi nach den
bisherigen Beobaohtungen der Erdkorper im ganzen genommen von
der LufthiiUe mehr positive als negative Elektrizitat erhalt,
wabrend er doeh tatsachlich danernd negativ geladen bleibt. Das
ist ein Widersprnch ge gen das Grundgesetz der Erhaltnng der
Elektrizitat. Es mufi danach in nnserer Beurteilung des Elek-
trizitatshaushaltes der Erde irgendwo ein ernster Fehler stecken.
Eben dieser Umstand gab den AnlaJB, die nene Untersuchung der
Niederschlagselektrizitat in Gottingen zu beginnen.
Die Bntersuchnng schloB sich naturgemaB an die Beobachtnngen,
die friiher schon in Gottingen (von H. Gerdien) gemacht worden
sind, fiihrte aber im vergangenen Jahr zu einer immer weiter-
gehenden, schlieBlich vollstandigen Umwandlnng des bisher iibli-
chen Beobachtnngsverfahrens. Es bleibt abzuwarten, ob sich mit
den gewonnenen neuen Hilfsmitteln eine Anfhellung des Batsels
des Elektrizitatshaushaltes der Erde ergeben wird.
Bericht der Kommission fur luftelektrisclie Fors chung. 11
Die Umgestaltnng der Metliode der Beobachtung der Nieder-
schlagselektrizitat stellte besondere Anforderungen an die Beob-
achttmg der ubrigen lnftelektrischen Elemente, vor alien des Po-
tentialgefalles nnd der Leitfahigkeit der Luft. So warde die
Neneinrichtnng der lnftelektrischen Station beeinflufit. Phr Feld-
beobachtnngen des Potentialgefalles nnd auch fiir seine Registrie-
rnng wurde die mechanische Elektrode nntzbar gemacht. Dariiber
wird eine Yeroffentlichnng vorbereitet. Eire die Beobachtnng und
Registrierung der Leitfahigkeit der Lnft sind weitere Yervoll-
kommnnngen noch im Grange.
DaB es moglich gewesen ist, die Arbeiten trotz der Schwierig-
keiten des Erieges in der beschriebenen Weise zn fordem, ist in
weitem MaBe tatkraftiger Hilfe der hiesigen Firma fiir Praeizions-
mechanik 0-. Bartels zn danken.
E. Wiechert.
Bericht der Religionsgeschichtlichen Kommission.
Anch in diesem Jahr konnten wir mit keinen nenen Ver-
offentlichungen hervortreten. Doch ist zn erwarten, dafi bald die
von Herrn Florenz bearbeiteten japanischen Eeligionsnrknnden
oder wenigstens Teile davon werden erscheinen konnen. Der
Kommission traten bei dieHerren Bertholet und Reiizenstein.
Ihr Mitglied Herr Littmann siedelte nach Bonn uber.
H. Oldenberg.
Bericht der Kommission der Wolfskehl -Stiftung
1916/17.
Auf ~F.m1fl.dnng der Kommission der Wolfskehl-Stiftung warden
von Herm Smo In chow ski- Krakau mathematisch - physikalische
Vortrage geh<en.
Hilbert.
Berieltfc iibep; Arbeiten fur die Ausgabe detf
alteren Papsttirkunden.
Dieser diitte Eriigsbericht mui sick noch kiirzer fassen als
dei? vorige, ddnn das Ausland ist mis Bock unzuganglicher ge-
worden. Die Arbeiten an der Italia pontificia ruhten vollstandig.
Nur in Pole n bot sich eine Gelegenheit, das dortige Material zu
sammeln.
Es ist freilich nicht eben yiel was sich dort erkalten hat.
In Warschau bewahrt die Zamoyski’sche Bibliothek den Ur-
knndenbestand des Klosters Czerwinsk, ans dem Herr Dr. Belize
das Originalprivileg Hadrians IV J.-L. 10031 abschrieb. Von dem
im Kapitelarchiv in Ploczk erhaltenen Originalmandat Celestins
III J.-L. 17460 besorgte Herr Archiydirektor Geheimrat Professor
Dr. War s chan er eine photographische Anfnahme. InWloela-
wek existieren von dem Privileg Engens III J.-L. 9222 — das
Original ist in ein JPiirstliches Archiv nach Galizien gekommen —
nur jiingere Abschriften in den Kopialbiichern des Kapitelarchivs.
Reicher ist das Material in Krakau und in G-alizien, doch fand
sich bisher keine Gelegenheit, die dortigen Archive und Biblio-
theken auszubeuten.
Mit Herrn Professor Dr. A. Brackmann in Konigsberg, den
alte und neue Amtspflichten verhinderten, die Arbeiten an der
Germania pontificia zu fordern, ist eine Abrede getroffen worden,
nach der er die von ihm bereits gesammelten Materialien der Erz-
diozesen Magdeburg und Bremen - Hamburg samt denen der nord-
lichen und ostlichen Lander Europas dem Leiter des ganzen Unter-
nehmens uberliefi, der dann auch bereits begonnen hat, dieses Ma-
terial zu ordnen und zu erganzen. Magdeburg mit den Diozesen
Merseburg, Naumburg-Zeitz, MeiBen, Brandenburg und Havelberg
ist schon soweit gefordert, dafi ein neuer Band der Germania
Bericht iiber die Arbeiten fiir die Ausgabe der alteren Papsturkunden. 15
pontiflca im nachsten Jahre zusammengestellt werden kann, dem
sich dann Grnesen mit Kamin und Breslau und den polnischen
Diozesen gleich anschlieflen wird.
So gehen die Arbeiten, wenn anch sehr langsam infolge des
Mangels an Mitarbeitern und Arbeitsmoglichkeit, weiter.
Die Kommission fur die Herausgabe der alteren Tapsturlcunden.
Neunter Bericht
tiber das Septuaginta-Unternehmen.
(Berichtsjahr 1916.)
In der Septuaginta - Kommission und der Arbeitsleitung sind
im Berichtsjahre keine Veranderungen vorgekommen.
Der einzige Hilfsarbeiter, der am Schlusse des vorigen Be-
richtsjahres noch im Septnaginta-Bureau arbeitete, Herr Dr. Emil
GroBe-Brauckmann, wurde zn Ostem 1916 an das Goethe-
Gymnasium in Hannover versetzt, an dem er ein halbes Jahr
spater anch seine erste feste Anstellung als Oberlehrer erhielt.
Damit schied er vorlaufig aus dem Septuaginta-Unternehmen aus;
doch ist er fur die Zeit nach dem Kriege anf eine Reihe von
Jahren fur das Unternehmen engagiert, und wir hoffen, dad er
dann von der Schulbehorde zu diesem Zwecke wird beurlaubt
werden konnen. Fiir die Zwischenzeit haben wir zweimal einen
interimistischen Hilfsarbeiter zu gewinnen gesucht, doch scheiterten
diese Versuche, da es sich in beiden Fallen um korperlich nicht
ganz intakte Herren handelte, an Schwierigkeiten der Ernahrungs-
frage.
So ist Herr Prof. Rahlfs seit Ostern 1916 allein fiir das
Septuaginta-Unternehmen tatig gewesen. Er hat im AnschluB art
das friiher herausgegebene Yerzeichnis der griechischen Hand-
schriften des Alten Testaments nunmehr auch mit der HersteHung
von Yerzeichnissen der Handschriften und gedruckten Ausgaben
der orientalischen Ubersetzungen der Septuaginta hegoxmen. Dabei
hat er den Anfang mit der athiopischen Ubersetzung gemacht und
hofft, dieses Verzeichnis, das zunachst einige teils im Druck, teils
in Ausarbeitung befindliche Yorarbeiten hervorgerufen hat, im Laufe
des nachsten Berichtsjahres abschlieBen zu konnen.
Leider hat das Septuaginta-Unternehmen auch wieder einen
Nennter Bericht fiber da8 Septuaginta-Untemehmen.
17
schmerzlichen Verlust zu beklagen. Herr Dr. Leonhard Liitke-
mann, der, wie in den beiden Vorjahren berichtet, noch wahrend
des Krieges gemeinsam mit Herm Prof. Rahlfs die wichtigen
hexaplarischen Randnoten einer Sinai-Handschrift zu Isaias 1 — 16
heransgegeben hatte, ist, nachdem er im Winter 1915/16 militarisch
ausgebildet nnd gegen Ende April 1916 an die Westfront gekommen
war, am 19. August 1916 bei Azannes nordlich yon Verdun schwer
verwundet nnd am 4. September 1916 an den Folgen dieser Ver-
wundung gestorben. Er ruht auf dem Militarfriedhof von Azannes.
Er zeichnete sich aus durch seine lebhafte Begeisterung fiir die
Wissenscbaft nnd durch sein frisches und anspruchsloses Wesen,
das ihm leicht die Herzen derer, die mit ihm zu tun hatten, ge-
wann. Wir werden ihm ein dankbares Andenken bewahren.
Die S eptuaginta-Kommission.
Nacimcltten ; geBchSftl, Mitteilungen 1917. 1.
2
Wedekindsche Preisstiftung fur deutsche Geschichte.
Im V erwaltungsrathe der Stiffcung traten folgende Anderungen
ein. In die durch den Tod von Wilhelm Meyer erledigte Stelle
Stelle riickte gemaB den N. Ordnnngen § 4 Herr Pietschmann
ein. In das Amt des Dixektors, von dem der Unterzeichnete,
nachdem er es seit 1895 gefuhrt hatte, anf seinen Wunsch ent-
bunden wurde, wahlte der Yerwaltnngsrat Herrn Max L ehmann.
In Anbetracht der Fortdauer des Krieges wurde wie imVor-
jahr von der Stellung einer nenen Preisaufgabe abgesehen. Aus
dem gleichen Grrunde auch die Znerkennnng eines Preises, wie sie
§ 14 der N. Ordnnngen vorsieht, unterlassen.
Ans den tiberschiissen der Stiftungskasse wurden Betrage fur
die sechste Kriegsanleihe gezeichnet.
Marz 1917.
F. Frensdorff.
Bericht liber den Stand der Herausgabe von Gauss'
Werken.
Zwolfter Bericht 1 ),
Yon
F. Klein.
Seit unserem letzten (elften) Bericht konnten die Arbeit en an
den noch ansstehenden Banden von GrauB’ "Werken, trotz den durch
den Krieg bedingten Hemmungen mannigfacher Art, riistig gefordert
werden. Der Drnck der ersten Abieilung des Bandes X ist so gut wie
abgeschlossen ; wir geben dariiber weiter unten einen ausfiihrlichen
Bericht. Von der zweiten Abteilung eben dieses Bandes, die die
Aufsatze iiber GrauB’ wissenschaftliche Tatigkeit auf den Grebieten
der Reinen Mathematik enthalten soli (die jedoch, soweit dies
noch nicht geschehen, nach dem friiher dargelegten Plan zuerst in
den „Materialien fur eine wissenschaftliche Biographie von GrauB a
erscheinen werden), sind die zehn ersten Bogen mit dem Auf-
satze von P. Bachmann „ Tiber GrauB’ zahlentheoretische Arbeiten*
fertig gedruckt. Auch der Druck der ersten Abteilung des der
Angewandten Mathematik gewidmeten Bandes XI hat mit Amt-
lichen Berichten, Nachlafistiicken und Briefstellen zur Physik
begonnen, die Cl. Schaefer bearbeitet und von denen bereits
etwa zehn Bogen gesetzt sind. Auf die physikalischen Stiicke
sollen in diesem Bandteile XI 1 die in den Banden VI und VII noch
nicht enthaltenen astronomischen Stiicke folgen (vergl. den
siebenten Bericht, diese Nachrichten 1906, Greschaftliche Mit-
teilungen, S. 109), wahrend die zweite Abteilung des Bandes XI
die Aufsatze iiber GrauB’ wissenschaftliche Tatigkeit auf den Gre-
1) Yergl. den elften Bericht in den Nachrichten von der K. Gesellschaft der
Wissenschaften zu Gottingen, 1915, Geschaftliche Mitteilungen, S. 22 — 25.
2 *
20
F. Klein,
bieten der Physik, Astronomie trnd Geodasie enthalten wird *). Die
allgemeine Lebensbeschreibung, der Aufsatz „Gau6 als Mitglied
der Universitat Gottingen*, umfassende Register usw. bilden den
fiir den Band XII vorbehaltenen Stoff. Damit wiirde dann das
Gesamtunternehmen der GauBausgabe zum Abschlusse gebracht sein,
Aber selbstverstandlich diirfen die yorstehenden Angaben nicht als
dnrchans verbindlicb gelten. Immerhin ist eine besonders erfreu-
liche Wendung zu verzeiclinen :
Yor einigen Monatenist der Generalredaktor der GauBausgabe
M. Brendel aus franzosischer Gefangenscbaft heimgekehrt ; da
ihm aucb die Bearbeitung der astronomischen Teile und der allge-
meinen Lebensbeschreibung obliegt, so erscheint durch seine Heim-
kehr die stetige Fortiiihrung der Arbeiten an den Banden XI und
XII wieder gesichert. Zur teilweisen Entlastung Brendels und
damit zur Forderung dieser Arbeiten soli es ferner beitragen, daB
L, Schlesinger, der wahrend der zweijahrigen Abwesenheit Brendels
die allgemeinen Redaktionsgeschafte in dankenswertester "Weise
yersehen hat, von nun ab neben Brendel in die Generalredaktion
eintritt.
Tiber die demnachst auszugebende erste Abteilung des Bandes X
berichtet Schlesinger das folgende:
„Der TeilbandXl umfafit etwa 78 Druckbogen; er wird eroffnet
mit einigen kleineren Veroffentlichungen von GauB, die bisher in
den Werken nicht wiederabgedruckt waren. Es folgen NachlaB-
stiicke und Briefstellen zur Arithmetik, Algebra, Analysis und
Geometrie, dann aber als Hauptstiick Gaufi’ Tagebuch oder
Notizen journal (aus den Jahren 1796 — 1814) in photographi-
scher Nachbildung und im Abdruck mit ausfiihrlichen Erlauterungen.
»Bei der Auswahl der zum Abdruck gebrachten Stiicke aus
dem NachlaB und dem Briefwechsel leitete uns das Bestreben, nach
Moglichkeit ein vollstandiges Bild von der Entwicklung des GauB-
schen Gedankenganges zu geben; dasselbe Ziel verfolgen auch die
Bemerkungen der Herausgeber. Ohne hier auf Einzelheiten ein-
gehn zu wollen, mogen auBer den schon im XI. Bericht (diese
Nachrichten, 1916, Geschaftliche Mitteilungen S. 22—25) angefuhrten
Stiicken noch die folgenden besonders hervorgehoben werden: in
der Arithmetik die bereits im IX Bericht (diese Nachrichten,
1911, Geschaftliche Mitteilungen, S. 26—82) von P. Bac hm ann mit-
1) Ein Ausschnitt aus dem von A. Galle verfafiten geodatischen Aufsatze
erscheint demnachst mit der Uberschrift „Gau£ als Zahlenrechner" als Teil der
„Materialien“ in den Nachrichten der Konigl, Gesellschaft der Wissenschaften.
Bericlit fiber den Stand der Herausgabe von GauB’ Werken. 21
geteilten und erlauterten „ Asymptotischen Gesetze der Zahlen-
theorie“ sowie die Skizze ernes Beweises fiir das Reziprozitats-
gesetz der biquadratischen Reste, der auf die Kreisteilung ge-
griindet ist; in der Algebra bemerkenswerte Briefstellen zur
Siebzehnteilung des Kreises; in der Geometrie Ansatze zor
nicbteuklidischen Trigonometrie and zur G-eometrie der n-fach aus-
gedebnten Mannigfaltigkeiten ; in der Analysis die Yorarbeiten
zu einer von GauB geplanten groBeren Abhandlung -tJber die
Convergenz der Reihen, in welche die periodischen Functionen
einer veranderlichen Grofie entwickelt werden konnen” , wobei
GauB nnter Konvergenz das asymptotische Yerhalten der
Reihenglieder fiir groBe Werte des Stellenzeigers verstebt.
„ IJber diese Vorarbeiten sei noch folgendes bemerkt. In sei-
ner Lebensbeschreibung Riemanns berichtet Dedekind (Riemanns
Werke, 2. Auflage, 1891, S. 545), daB GauB, als Riemann ihn 1851
vor der miindlichen Doktorpriifung besuchte, geauBert babe, er
bereite seit Jahren eine Scbrift vor, die denselben Gegenstand
bebandele, wie Riemanns Inauguraldissertation, sich aber freilicb
nicbt darauf beschranke. Die Brucbstiicke dieser Scbrift
liegen jetzt vor uns; sie zeigen uns ganz neue Seiten von
GauB’ Forschertatigkeit auf dem Gebiete der Analysis und bilden
gewissermafien ein Seitenstuck zu GauB’ bekannten Untersucbungen
zur Lebre von den elliptiscben Funktionen. Hier wie dort reicben
die TTntersuchungen in ibren Anfangen bis in die friibe Jugendzeit
von GauB zuriick und begleiten ihn sein ganzes Leben hindurch
bis in die funfziger Jabre des XIX. Jahrhunderts. Sie beriihren
Fragen wie z. B. die Summation divergenter Reiben und deren
Bedeutung fiir asymptotische Wertbestimmungen, das Yerhalten
von Potenzreiben in singularen Stellen des Konvergenzkreises,
Anfange des sogenannten n Infinitarkalkiils“, Betrachtungen zur
Mengenlehre und Analysis situs, lauter Gegenstande, die erst lange
nacb GauB’ Tode durcb neuzeitliche Mathematiker planmaBig be-
arbeitet worden sind. DaB GauB bei Lebzeiten iiber diese TJnter-
sucbungen nichts bekaimt gemacbt hat, liegt — wie bei den ellip-
tischen Funktionen — wahrscheinlich daran, daB ibm die fiir eine
einheitliche Darstellung erforderlichen Hilfsmittel gefehlt baben.
Im Zusamnienhang mit diesen Untersucbungen gelang aucb die Er-
klarung einer Reihe von Tagebuchaufzeiehnungen, die beim ersten
Abdruck des Tagebuchs (1901) x ) ohne Erlauterung geblieben waren.
1) In der ^Festschrift zur Feier des hundertffinfzigjahrigen Bestehens der
K. Gesellschaft der Wissenschaften“.
22
F. Klein,
„Da die meisten der in diesem Bandteile veroffentlichten Nach-
laBstiicke sehr liickenhaft sind, vielfach aus bloBen F ormeln be-
stehen, muBten die Erlauterungen ausfiihrlicb gefaBt werden ; auch
glaubten wir bei solchen Stellen, wo es sich nm die Bestatigung
GauBscher Anssagen handelte, die uns ohne Beweis iiberliefert sind,
die Einheitlichkeit des Stils der Bequemlichkeit des Lesers opfem
zu miissen, indem wir den Grundsatz, Bezngnabme auf nachgauBi-
sche Schriftsteller zu vermeiden, nicht immer durckfiihrten. — In
gesckicktlicher Beziehung moge anf die zahlreichen Anszuge aus
noch ungedruckten Briefen von GauB und an GauB hingewiesen
werden, namentlich auf Briefe von Job. Friedrich Pfaff, die uns
freilich nur einen schwachen Ersatz bieten fur die leider noch
immer nicht wiedergefundenen Briefe von GauB an Pfaff.
„Was die Bearbeitung des Bandteils X 1 angeht, so erfolgte
die Auswahl der arithmetischen NachlaBstiicke im Einvemehmen
mit P. Bachmann, der auch die Erklarung der meisten dieser
Stiicke ubernommen hat. Die Geometrie hat P. Stackel bearbeitet.
Die Herausgabe der iibrigen Teile und die allgemeine Redaktion
des ganzen Bandteils wurde von L. Schlesinger besorgt, den
dabei, wie an den betreffenden Stellen kenntlich gemacht ist, eine
Reihe von Fachgenossen unterstutzt hat. So haben zu den Er-
lauterungen der algebraischen NachlaBstiicke F. Klein und A.
Loewy, zu denen der analytischen Stiicke L. v. David, L. F ej<5r,
J. Horn, K. Schwering und P. Stackel Beitrage geliefert; bei der
Erklarung des Tagebuchs haben P. Bachmann die arithmetischen,
A. Loewy die algebraischen und chronologischen, P. Stackel die
geometrischen und mechanischen, M. Brendel und A. Galle die
astronomischen Notizen erlautert. Die Erklarung vieler analyti-
scher, namentlich der auf elliptische Funktionen beziiglichen No-
tizen konnte auf die von F. Klein in der ersten Ausgabe des
Tagebuchs gegebenen Anmerkungen aufgebaut werden, bei andern
haben J. Horn, 0. Perron und P. Stackel mitgewirkt. Was aber
durch Anfiihrung an einzelnen Stellen nicht zum Ausdruck ge-
bracht werden kann, sind die Anregungen, die iiberhaupt von
jener ersten Ausgabe des Tagebuchs durch F. Klein ausgegangen
sind, und die schlieBlich auf die ganze Auswahl der die elliptischen
Funktionen betreffenden NachlaBstiicke eingewirkt haben, ferner
die auf der genauesten Kenntnis des Nachlasses beruhenden Vor-
arbeiten und Ratschlage von M. Brendel, endlich die nie ermiidende
Teilnahme und Kritik, mit der F. Klein und P. Stackel den Druck
des ganzen Bandteils begleitet haben, iiberall ratend, bessemd und
helfend. An die Stelle einer mehr subjefetiven Deutung ist jetzt
Bericht fiber den Stand der Heransgabe von Gaufl’ Werken. 23
uberall das Urteil auf Grand zuverliissigen Materials getreten.
F. Engel hat beim Lesen der Probeabziige vielfach helfend einge-
griffen, ferner haben nns bei geschichtlichen and literarischen
Einzelfragen G. Enestrom, H. Grafimann, A. Gutzmer, 0. Holder,
A. Krazer, H. Liebmann, H. v. Mangoldt, 0. Rausenberger , P.
Rudio, bei philologischen Fragen K. Ebel, R. Fritzsche, K. Kalb-
fleisch nnterstiitzt. Bei der Beschaffung nnd Aufbewahrung der
Handschriften nnd der erforderlichen Bucher sind uns J. Hart-
mann als der Yorsteher des Gaufiarchivs, ferner die Verwal-
tungen der IJniversitatsbibliotheken zu Giefien, Gottingen nnd
Heidelberg, der Koniglichen Bibliothek zn Berlin nnd der Biblio-
thek der Technischen Hochschule zu Aachen stets hilfsbereit ent-
gegengekommen. Dafi die Dieterichsche Universitats - Druckerei
den Druck ohne erhebliche Storung zu Ende fvihren konnte, ver-
dient in dieser harten Kriegszeit besondere Anerkennung. Die
Nachbildung des Tagebuchs hat die Firma B. G. Teubner in Leipzig
besorgt."
Bericht iiber die Lagarde - Stiftung nnd die Stiftung
der Freunde de Lagardes.
Die Stiftnngen beteiligten sich auch im abgelaufenen Jahre
an den Zeichnnngen fur die Kriegsanleihen.
Ehlers.
Bericht iiber die ausgesetzten Preisaufgaben.
Fur das Jahr 1919 wird wiederholt als Aufgabe gestellt:
Die griechischen Ask'etenviten des 4—6. Jahr-
hunderts auf ihre liter arische Gestalt und ihren
historischen Wert zu unter suchen.
Die zur Bewerbung um den ausgesetzten Preis bestimmten
Arbeiten xnussen vor dem 1 . Februar 1919 an die Konigl. Gesell-
scbaft der Wissenschaften eingeliefert werden, mit einem Motto
versehen und von einem versiegelten Zettel begleitet sein, der
•aufien den Spruch tragt, der die Arbeit kennzeichnet, und innen
den Namen und Woknort des Yerfassers.
Der Preis betragt 1000 Mark.
Verzeichnis der Mitglieder der Koniglichen Gesellschaft
der Wissenschaften zu Gottingen. Ende Marz 1917.
Sekretare.
Enno Littmann.
Ernst Ehlers.
Ehren-Mitglieder.
Conrad yon Studt, Excellenz, zu Berlin, seit 1901.
Julius Wellhausen, zu Gottingen, seit 1903.
Ordentliche Mitglieder.
Philologisch-historische Klasse.
Hermann Wagner, seit 1881.
Ferdinand Frensdorff, seit 1881.
Gustav Cohn, seit 1893.
Nathanael Bonwetsch, seit 1893.
Richard Pietschmann, seit 1897.
Lorenz Morsbach, seit 1902.
Edward Schroder, seit 1903. (Zuvor korresp. Mitgl. seit 1894.)
Friedrich Andreas, seit 1904.
Gustav Korte, seit 1907.
Karl Brandi, seit 1909.
Hermann Oldenberg, seit 1909. (Zuvor korresp. Mitglied seit
1890.)
Max Lehmann, seit 1914.
Richard Reitzenstein, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied seit
1904.)
Enno Littmann, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied seit 1913,
z. Zt. Sekretar.)
Verzeichnis der Mitglieder.
27
Kurt Sethe, seit 1914.
Max Polenz, seit 1916.
Mathematisch-physikalische Klasse.
Ernst E tilers, seit 1874, z. Zt, Sekretar.
Woldemar Voigt, seit 1883.
Eriedrich Merkel, seit 1885. (Zuvor korresp. Mitgl. seit 1880.)
Eelix Klein, seit 1887. (Zuvor Assessor seit 1871, korresp. Mit-
glied seit 1872.)
Gottfried Bertkold, seit 1887.
Albert Peter, seit 1889.
Otto Wallach, seit 1890.
David Hilbert, seit 1895.
Emil Wiechert, seit 1903.
Otto Miigge, seit 1909.
Gustav Tammann, seit 1910.
Georg Elias Muller, seit 1911.
Carl Runge, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied seit 1901.)
Johannes Hartmann, seit 1914.
Paul Jensen, seit 1914.
Richard Zsigmondy, seit 1914.
Ludwig Prandtl, seit 1914.
Edmund Landau, seit 1914.
Peter Debye, seit 1916.
Hans Stille, seit 1916.
Assessor.
Mathematisch-physikalische Klasse.
Bernhard To liens; seit 1884.
Auswartige Mitglieder.
Philologisch-historische Klasse.
Eriedrich Bechtel in Halle, seit 1895. (Zuvor Assessor seit 1882.)
Wilhelm Bousset in Giefien, seit 1916. (Zuvor ordentl. Mit-
glied seit 1915.)
Berthold Delbriick in Jena, seit 1912.
Hermann Diels in Berlin, seit 1899.
Louis Duchesne in Rom, seit 1891.
Eranz Ehrle in Rom, seit 1901.
Albert Hauck in Leipzig, seit 1916. (Zuvor korresp. Mitglied
seit 1894.)
28 Verzeichnis der Mitglieder.
Friedrich Imho of-Blamer in Winterthur, seit 1901. (Zuvor
korresp. Mitglied seit 1886.)
Paul Kehr in Berlin. (Zuvor ordentl. Mitglied seit 1896.)
Gerold Meyer von Knonau in Zurich, seit 1914.
Theodor Hold eke in Strafiburg i. E., seit 1883. (Zuvor korresp.
Mitglied seit 1864.)
Moritz Ritter in Bonn, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied seit
1892.)
Gustav Roe the in Berlin -Westend, seit 1902. (Zuvor ordentl.
Mitglied seit 1893.)
Wilhelm Schulze in Berlin, seit 1902. (Zuvor ordentl. Mitglied
seit 1898.)
Eduard Schwartz in Strafiburg i. E., seit 1909. (Zuvor ordentl.
Mitglied seit 1902.)
Vilhelm Thomsen in Kopenhagen, seit 1891.
Pas quale Villari in Elorenz, seit 1896.
Jacob Wackernagel in Basel. . (Zuvor korresp. Mitglied seit .
1901, ordentl. Mitglied seit 1902.)
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff in Berlin, seit 1897.
(Zuvor ordentl. Mitglied seit 1892.)
Ludwig Wimmer in Kopenhagen, seit 1909.
Theodor von Zahn in Erlangen, seit 1913.
Mathematisch-physikalische Klasse.
Adolf von Baeyer in Miinchen, seit 1892. (Zuvor korresp. Mit-
glied seit 1879.)
Georg Cantor in Halle a. S. , seit 1916. (Zuvor korresp. Mit-
glied seit 1873.)
Walter van Dyck in Miinchen, seit 1914.
Julius Els ter in Wolfenbiittel, seit 1902.
Emil Fischer in Berlin, seit 1907. (Zuvor korresp. Mitglied
seit 1901.)
Wilhelm Foerster in Berlin- Westend, seit 1886. (Zuvor korresp.
Mitglied seit 1876.)
Sir Archibald Geikie in Shepherdsdown Haslemere (England),
seit 1906. (Zuvor korresp. Mitglied seit 1889.)
Camillo Golgi in Pavia, seit 1906. (Zuvor korresp. Mitglied
seit 1892.)
Giovanni Battista Gras si in Rom, seit 1910. (Zuvor korresp.
Mitglied seit 1901.)
Robert Helmert in Potsdam, seit 1898. (Zuvor korresp. Mit-
glied seit 1896.)
Yerzeichnis der Mitglieder.
29
Ewald Hering in Leipzig, seit 1904.
Adolf Hurwitz in Zurich, seit 1914. (Zuvor korresp. Mitglied
seit 1892.)
Theodor Liebisch in Berlin- W estend, seit 1908. (Znvor ordent-
liches Mitglied seit 1887.)
Hendrik Anton Lorentz in Haarlem, seit 1906.
Luigi Lnciani in Rom, seit 1906.
Walter Nernst in Berlin, seit 1906. (Znvor ordentl. Mitglied
seit 1898.)
Carl Neumann in Leipzig, seit 1868. (Znvor korresp. Mitglied
seit 1864.)
Johannes Orth in Berlin, seit 1902. (Zuvor ordentl. Mitglied
1893.)
Wilhelm Pfeffer in Leipzig, seit 1902. (Znvor korresp. Mit-
glied seit 1885.)
Josef Pompeckj in Tubingen, seit 1913. (Znvor ordentl. Mitglied
seit 1911.)
William Lord Rayleigh in Witham (Essex), seit 1906. (Zuvor
korresp. Mitglied seit 1886.)
Johannes Reinke in Kiel, seit 1885. (Znvor ordentl. Mitglied
seit 1882.)
Gustav Retzius in Stockholm, seit 1904. (Znvor korresp. Mit-
glied seit 1886.)
Augusto Righi in Bologna, seit 1911.
Hermann Amandus Schwarz in Berlin, seit 1892. (Zuvor ordentl.
Mitglied seit 1875, korresp. Mitglied seit 1869.)
Charles Scott Sherrington in Liverpool, seit 1906.
Josef John Thomson in Cambridge, seit 1911.
Gustav Tschermak in Wien, seit 1902. (Zuvor korresp. Mit-
glied seit 1884.)
Max Yerworn in Bonn, seit 1910. (Znvor ordentl. Mitglied seit
1903.)
Wilhelm von Waldeyer-Hartz in Berlin, seit 1901. (Znvor
korresp. Mitglied seit 1877.)
v
Korrespondierende Mitglieder.
Philologisch-historische Klasse.
Friedrich von Bezold in Bonn, seit 1901.
Adalbert Bezzenberger in Konigsberg i. Pr., seit 1884.
Wilhelm von Bippen in Bremen, seit 1894.
Petrus J. Blok in Leiden, seit 1906.
30
Verzeichnis der Mitglieder.
Johannes Boehlau in Kassel, seit 1912.
Johannes Bolte in Berlin, seit 1914.
Max Bonnet in Montpellier, seit 1904.
Harry Bresslau in Strafiburg i. E., seit 1906.
Ulysse Chevalier in Romans (Drome), seit 1911.
Graf Carlo Cipolla in Turin, seit 1898.
Maxime Collignon in Paris, seit 1894.
Carlo Conti Rossini in Rom, seit 1908.
Franz Cumont in G-ent, seit 1910.
Olof August Danielsson in Upsala, seit 1914.
Julius Eggeling in Edinburg, seit 1901.
Adolf Erman in Berlin-Dahlem, seit 1888.
Sir Arthur J. Evans in Oxford, seit 1901.
John Eaithfull Fleet in London, seit 1885.
Wilhelm Frohner in Paris, seit 1881.
Percy Gardner in Oxford, seit 1886.
Ignaz Goldziher in Budapest, seit 1910.
Sir George A. Grierson in Rathfarnham, seit 1906.
Albert Griinwedel in Berlin, seit 1905.
Ignazio Guidi in Rom, seit 1887.
Georgios N. Hatzidakis in Athen, seit 1901.
Joh. Ludwig Heiberg in Kopenhagen, seit 1899.
Alfred Hillebrandt in Breslau, seit 1907.
Riccardo de Hinojosa in Madrid, seit 1891.
Georg Hoffmann in Kiel, seit 1881.
Th^ophile Homolle in Paris, seit 1901.
Eugen Hultzsch in Halle a. S., seit 1895.
Hermann Jacobi in Bonn, seit 1894.
Julius Jolly in Wurzburg, seit 1904.
Finnur J6nsson in Kopenhagen, seit 1901.
Adolf Jiilicher in Marburg, seit 1894.
Adolf Kocher in Hannover, seit 1886.
Axel Kock in Lund, seit 1901.
Carl von Kraus in Wien, seit 1901.
Bruno Krusch in Hannover, seit 1911.
Charles Rockwell Lanman in Cambridge (Mass.), seit 1905.
Albert von Le Coq in Berlin, seit 1910.
Sylvain L^vi in Paris, seit 1914.
Mark Lidzbarski in Greifswald, seit 1912.
Felix Liebermann in Berlin, seit 1908.
Hans Lietzmann in Jena, seit 1914.
Heinrich Luders in Berlin, seit 1907.
Yerzeichnis der Mitglieder.
Paul Jonas Meier in Braunschweig, seit 1904:.
Antoine Meillet in Paris, seit 1908.
Giovanni Mercati in Rom, seit 1902.
Eduard Meyer in Berlin, seit 1895.
Hermann Mo ller in Kopenhagen, seit 1894.
Ernesto Monaci in Rom, seit 1901.
Karl Muller in Tubingen, seit 1899.
Friedrich W. K. Muller in Berlin, seit 1905.
Eduard Nor den in Berlin, seit 1910.
Henri Omont in Paris, seit 1906.
Paolo Or si in Syracus, seit 1904.
Josef Partsch in Freiburg i. Br., seit 1914.
Joseph Partsch in Leipzig, seit 1901.
Holger Pedersen in Kopenhagen, seit' 1908.
Eugen Petersen in Halensee-Berlin, seit 1887.
Henri Pirenne in Gent, seit 1906.
Pio Rajna in Florenz, seit 1910.
Carl Robert in Halle, seit 1901.
Goswin Frhr. von der Ropp in Marburg, seit 1892.
Otto Rubensohn in Berlin, seit 1911.
Dietrich Schafer in Berlin-Steglitz, seit 1894.
Luigi Schiaparelli in Florenz, seit 1907.
Carl Schuchhardt in Berlin, seit 1904.
Otto S e e c k in Munster i. W., seit 1895.
Josef Seemiiller in Wien, seit 1911.
Antonio Spagnuolo in Yerona, seit 1912.
Elias von Steinmeyer in Erlangen, seit 1894.
Rudolf Thurneysen in Bonn, seit 1904.
Girolamo Vitelli in Florenz, seit 1904.
Georg Wissowa in Halle a. S., seit 1907.
Thaddaeus Zielinski in Petersburg, seit 1910.
Paul Zimmermann in Wolfenbiittel, seit 1914.
Mathematisch-physikalische Klasse.
Svante Arrhenius in Stockholm, seit 1901.
Dietrich Barfurth in Rostock, seit 1904.
Charles Barrois in Lille, seit 1901.
Max Bauer in Marburg, seit 1892.
Louis Agricola Bauer in Washington, seit 1906.
Friedrich B e c k e in Wien, seit 1904.
Robert Bonnet in Bonn, seit 1904.
Joseph Boussinesq in Paris, seit 1886.
32
Verzeichnis der Mitglieder.
Alexander von Brill in Tubingen, seit 1888.
Woldemar Christoffer Brogger in Christiania, seit 1902.
Heinrich Bruns in Leipzig, seit 1892.
Otto Biitschli in Heidelberg, seit 1889.
Giacomo Ciamician in Bologna, seit 1901.
John Mason Clarke in Albany (Newyork), seit 1906.
Ulisse D ini in Pisa, seit 1880.
Ludwig E dinger in Frankfurt a. M., seit 1908.
Albert Einstein in Berlin, seit 1916.
Lazarus Fletcher in London, seit 1901.
Erik Ivar Fredholm in Stockholm, seit 1907. '
Robert Frick e in Braunschweig, seit 1904.
Georg Frobenius in Berlin, seit 1886.
August von Froriep in Tubingen, seit 1911.
Fiirst Boris Galitzin in Petersburg, seit 1913.
Karl von Goebel in Munchen, seit 1902.
Albert Haller in Paris, seit 1907.
Viktor Hen sen in Kiel, seit 1892.
Oskar Hertwig in Berlin, seit 1911.
Richard von Hertwig in Munchen, seit 1910.
William Hillebrand in Washington, seit 1907.
Alexander von Karpinski in Petersburg, seit 1892.
Ludwig Kiepert in Hannover, seit 1882.
Paul Koebe in Jena, seit 1916.
Leo Koenigsberger in Heidelberg, seit 1874.
E. Ray Lankester in London, seit 1901.
Paul Langevin in Paris, seit 1911.
Ferdinand Lindemann in Munchen, seit 1882.
Sir Joseph Norman Lockyer in London, seit 1876.
Franz Carl Joseph Mertens in Wien, seit 1877.
Gosta Mittag-Leffler in Stockholm, seit 1878.
Max Noether in Erlangen, seit 1892.
Heike Kamerlingh Onnes in Leiden, seit 1910.
Wilhelm Ostwald in Grofibothen bei Leipzig, seit 1901.
William Henry Perkin (jun.) in Manchester, seit 1906.
Edmund Perrier in Paris, seit 1901.
Max Planck in Berlin, seit 1901.
Alfred Pringsheim in Munchen, seit 1904.
Heinrich Precht in Hannover, seit 1908.
Georg Quincke in Heidelberg, seit 1866.
Carl Rabl in Leipzig, seit 1906.
Santiago Ramon y Cajal in Madrid, seit 1906.
Verzeichnis der Mitglieder.
Theodor R e y e in StraBbnrg i. E., seit 1877.
Fritz Rinne in Leipzig, seit 1911.
Wilhelm Conrad Rontgen in Miinchen, seit 1883.
Heinrich Rubens in Berlin, seit 1908.
Ernest Rutherford in Manchester, seit 1906.
Friedrich Schottky in Berlin-Steglitz, seit 1911.
F. A. H. Schreinemakers in Leiden, seit 1913.
Franz Eilhard Schulze in Berlin, seit 1883.
Arthur Schuster in Manchester, seit 1901.
Simon Schwendener in Berlin, seit 1892.
Hugo von Seeliger in Miincheh,' seit 1901.
Paul Stack el in Heidelberg, seit 1906.
Johannes Stark in Aachen, seit 1913.
Eduard Study in Bonn, seit 1911.
Ludwig Sylow in Christiania, seit 1883.
Johannes Thomae in Jena, seit 1873.
Emil Tietze in Wien, seit 1911.
Hermann von Vochting in Tubingen, seit 1888.
Vito Volterra in Rom, seit 1906.
Aurelius Vo 6 in Miinchen, seit 1901.
Paul Walden in Riga, seit 1913.
Emil Warburg in Charlottenburg, seit 1887.
Eugen Warming in Kopenhagen, seit 1888.
Alfred Werner in Zurich, seit 1907.
Willy Wien in Wurzburg, seit 1907.
Richard Willstatter in Miinchen, seit 1910.
Wilhelm Wirtinger in Wien, seit 1906.
Robert Williams Wood in Baltimore, seit 1911.
Nachrichten ; geschaftliche Mitteilungen 1917. 1.
Beneke’sche Preisstiftung.
Anf die fiir das Jahr 1916 ausgeschriebene Preisanfgabe der
Beneke-Stiftung ist keine Bearbeitung eingelaufen. Fiir die nene
Bewerbungsperiode wiederbolt die Fakultat die im Jahr 1913 ge-
stellte Anfgabe. Deren Thema lautet:
Entwicklung der neupy thagoreischen Lite-
ratur and Verhaltnis der einzelnen Schriften
zu einander.
Gottingen, den 18. Juni 1917.
Die philosophisehe Fakultat.
Der Dekan:
H. Maier.
Verzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen
Druckscliriften.
A. Von Gesellschaften , Instituten, Behorden.
(Das Druckjahr ist, soweit es niclit mit dem Jahrgange der Zeitschrift uberein-
stimmt, in runden Klammern angegeben.)
Kartell der dentschen Akadcmlen:
Encyklopadie der Mathematischen Wissenschaften mit EinschluB
ihrer Anwendungen [2 Expl.] II Analysis I 9 1916.
Encyclopedic des sciences mathematiques pares et appliqu£es ed.
franp. II 4 Equations aux derivees partielles 2 II 6 Calcul des
variations Complements 2 IV 2 Mecanique generale 2 Y 1
Thermodynamique 1 V 2 Physique 1 Y 3 Principes physiques
de l’eiectricite 1 V 4 Principes physiques 1 YI 2 G-eophysique 1
VII 1 Astronomie spherique 2 1915 — 16.
Thesaurus linguae Latinae 63 1916.
Aachen G-eschichtsverein: Zeitschrift 37 1915.
Aaran Historische G-esellschaft des Kantons Aargau: Argovia 36
1915.
Agram Jugoslav. Abademija znanosti i umjetnosti (Academia scien-
tiarum et artium Slavorum meridionalium) : Djela (Opera) 25
1915.
— Pad 206. 207. (Histor.-filol. i filos.-jur. razred 88. 89.) 208. (Ma-
temat.-prirodosl. razred 58.) 1915.
— Grrada za povjest knizevnosti hvratske 8 1915.
— Izvje§ea 0 raspravama matemat.-prirodosl. razreda (Bulletin
des travaux de la classe des sciences mathemat. et natur.) 4 1915.
— Prirodoslovna istrazivanja Hrvatske i Slavonije potakn. ma-
temat.-prirodosl. razredom 6 . 7. 1915.
— Monumenta historico-juridica Slavorum meridionalium 10 1915.
3*
36
Verzeichnis der im Jalire 1916 eingegangenen Druckschriften,
(Agram) Zbomik za narodni zivot i obi6aje juinih Slavena 20 1916 1 .
Agram Hrvatsko prirodoslovno druStvo (Societas scientiarum na-
turalium Croatica): Glasnik 27 1916 s/ 4 . 28 1916 1 . 2 .
Altenburg Geschichts- und Altertumsforschende Gesellschaft des
Osterlandes: Mitteilungen 124 1916.
Amsterdam K. Akademie van Wetenschappen: Proceedings of the
section of sciences 18, 1 4/5 18, 2 e — 10 19 1/2 1916.
Amsterdam K. Nederl. aardrijkskundig genootschap: Tijdschrift
2. ser. 33 1916.
Amsterdam "Wiskundig genootschap: Nienw archief voor wiskunde
11 2-4 12 1 . 1916—16.
— Revue semestrielle des publications matirimatiques 23 1915.
24 1916.
— Index du Repertoire, bibliographique des sciences mathematiques
3. 4d. 1916.
— Wiskundige opgaven met de oplossingen 12 1 — s 1916 — 16.
Amsterdam K. Zoologisch genootschap Natura artis magistra:
Rijdragen tot de dierkunde 20 2 1916.
Annaberg Verein fur Geschichte von Annaberg und Umgegend:
Mitteilungen 4 (Jakrbuch 14/16) 1916.
Augsburg Historischer Verein fiir Schwaben und Ueuburg: Zeit-
schrift 42 1916.
Bamberg Remeis - Sternwarte : Jahresbericht iiber die TatSgkeit
der Sternwarte 1914 (1916) (Sonderabdr. a.: „Vierteljahrs-
schrift d. Astronom. Gesellschaft" 60 1915).
— Hartwig, E., Katalog und Ephemeriden veranderlicher Sterne
1916 (1916) (Sonderabdr. a. : „ Vier telj ahrs s chrift d. Astronom.
Gesellschaft" 50 1915).
Barcelona Sociedad astronomica de Espana y America : Revista 5
191645 6 1916 is- 49 .
Basel Naturforschende Gesellschaft : Verhandlungen 27 1916.
Batavia K.Magnetisch en. meteor ologisch observatorium (R. magneti-
cal and meteorological observatory): Verhandelingen 3 1915.
— Observations 35 1912 (1915).
Bergedorf Hamburger Sternwarte: Jahresbericht 1914(1915). 1916
(1916). (Aus d. Jahrbuch d. Hamburger wissenschaftl. An-
stalten 32 1914 33 1915.)
Berkeley University of California: Publications Astronomy Lick
observatory bulletin 6200 1911. 8276.277 9 278-286 1916.
Berlin K. Preufi. Akademie der Wissenschaften : Abhandlungen
Philos.-histor. Kl. 1915 7. s. 1916 1.2. Physik.-mathem. Kl. 19164 .
— Sitzungsberichte 191541-ss. 1916 1 — 22 .
Verzeichnis der im Jahre 1916 eingegaugenen Druckscliriften. 37
Berlin Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertums-
vereine: Korrespondenzblatt 63 1915 11 / 12 . 64 1916 1 — 10 .
Berlin Verein flir die Geschichte Berlins: Mitteilungen 33 1916
1 — 9 . 11 — 18 .
Berlin Gesellschaft fiir deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte :
Zeitschrift fiir Geschichte der Erziehung und des Unterrichts 5
19158.4. 6 1916*.
Berlin Deutsche Physikalische Gesellschaft: Verhandlungen 17
191524. 18 1916 1 — 10 . 13 / 14 . 19 / 21 .
Berlin Verein fiir Volkskunde: Zeitschrift 25 19153/4. 26 1916i.2.
Berlin K. Technische Hochschnle: Thierry, G. de, Schiffahrt und
Hafenbau Rede am 26. Jan. 1916.
Berlin K. PreuB. Geologische Landesanstalt : Tatigkeitsbericht
1915 (1916).
— Arbeitsplan 1916.
Berlin Zoologisches Museum: Mitteilungen 82 1916.
— Bericht 1915 (1916) (Sonderabdr. a.: „ Mitteilungen*).
Berlin Kriegsernahrungsamt : Beitrage zur Kommunalen Kriegs-
wirtschaft i— 11 1916.
Berlin Staatliche Stelle fiir Naturdenkmalpflege: tiber die Notwen-
digkeit der Schaffung von Moorschutzgebieten Denkschrift 1916
(Sonderabdr. a. : Beitrage z. Naturdenkmalpflege Bd. V, H. 2).
Bern Allgemeine Geschichtforschende Gesellschaft der Schweiz:
Jahrbuch fiir Schweizerische Geschichte 41 1916.
Bern Schweizer. Naturforschende Gesellschaft (Sochi t4 helv4t. des
sciences naturelles) : Verhandlungen (Actes) 97 1915 1 . 3 . [1916].
— Schweizer. Geodatische Kommission : Internationale Erdmessung
Astronomisch-geodatische Arbeiten in der Schweiz 15 1916.
— Geologische Kommission : Beitrage zur geologischen Karte der
Schweiz N. E. 20 (50) Texts. 46 (76) 1 . 2 . Spezialkarte 66a. 66b.
1916.
Aeppli, A., Geschichte der Geologischen Kommission 1915.
Bern Naturforschende Gesellschaft : Mitteilungen 1914 (1915). 1915
(1916).
De Blit K. Nederl. Meteorologisch Instituut : Jaarboek Annuaire
66 1914 A. B. (1915)^
— No. 102 Mededeelingen en verhandelingen 20 2. druk 1916.
Braunschweig Geschichtsverein fiir das Herzogtum Braunschweig :
Braunschweigisches Magazin 1915 21 8 — 12 . 1916i— 7 .
Bremen Historische Gesellschaft des Kiinstlervereins: Bremisches
Jahrbuch 26 1916.
38 Verzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften.
Breslau Schles. Gesellschaft flir vaterlandische Cultur: Jahres-
Bericht 92 19l4i. s. (1915).
Briiim Naturforschender Verein: Verhandlungen 52 — 54 1913 — 15
(1914-16).
— Bericht der meteorologischen Commission Ergebnisse der me-
teorologiscben Beobachtungen 29 1909 (1915). 30 1910 (1916).
Budapest Ung. Geographische Gesellschaft Balaton- Ausschufi: Resnl-
tate der wissenschaftl. Erforschung des Balatonsees I lil 916.
Budapest Magy. Kir. Foldtani Intdzet (K. Ungar. Geologische
Reichsanstalt) : Foldtani Kozlony (Greologische Mitteilungen)
43 1913 10 / 12 . 44 1914. 45 19154-u.
— Mitteilungen aus dem Jahrbuche 21 4—9. 22 1 — 4 . e. 23 1 . s.
1913—16.
— Jahresbericht 1913 1 . 2 . (1914). 1914 1 . 2 . (1915).
— Kiadv&nyai Publikationen: Hornsitzky, H., A Magyarorszagi
barlangok s az ezekre vonatkozo adatok irodalmi jegyz^ke
Znsammenfassung der Literatnr iiber die Hohlen Ungams 1914.
— Bnblikationen : Inkey, B. v., Geschichte der Bodenknnde in
Ungarn 1914.
— Geologische Aufhahmen Zone XU Kol. XXIX 1910. Zone 26,
27 Kol. XXY 1912.
— Agrogeologisehe Aufnahmen Zone XIII KoL XVII 1912 XVIII
1912. Zone 12 Kol. XVII 1913.
— Erlauterungen znr Geologischen Spezialkarte der Lander der
Ungarischen Krone: Hornsitzky, H., Vdgsellye, Nagysurany,
Szene and Tallds Erlanternng zn den agrogeologisch kolo-
rierten Blattem Zone 13 Kol. XVIII u. Zone 13 Kol. XVII 1916.
Halavats, G. v., u. Schrdter, ( Z., Die TJmgebnng von FehSr-
templom, Szaszkabanya und Omoldova Sektionsbl. Zone 26
n. 27 Kol. XXV Erlanternng 1916.
Posewitz, Th., Die Umgebnng von Berezna nnd Szinevdr Bl.
Zone 12 Kol. XXIX 1916.
— Erlauternngen znr Agrogeologischen Specialkarte der Lander
der TJngarischen Krone: Hornsitzky, H., Die Umgebnng von
Nagyszombat Erlanternng zn dem agrogeologisch kolorierten
Blatte Zone 12 Kol. XVH 1915.
Bukarest A cademia Romana : Bnlletin de la section scientifique 4
1915/165-10. Bi 1916.
Chicago Field mnsenm of natural history: Pnblication 184. 185. 1915.
Chicago John Crerar library: Annual report 21 1915 (1916).
Chicago University: Goodspeed, Th. W., A history of the uni-
versity of Chicago The first quarter-century 1916.
Verzeiclinis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften. 39
(Chicago) The astrophysical journal 42 1915 s. 43 1916. 44 1 1916.
— The journal of geology 23 1915 s. 24 1916 1 . »— s.
— The journal of political economy 23 1915 io. 24 1916 1 . a. 4 — 7 .
— The American journal of sociology 2U— e. 22 1 . 1916.
Chicago The Open court publishing company: The open court 29
1916i2. 30 1916i. a. s.
— The monist 26 1916 1 . 1 .
Chur Historisch - antiquarische Gesellschaft von Graubiinden :
Jahresbericht 45 1915 (1916).
Chur Naturforschende Gresellschaft Graubiindens: Jahresbericht
N. F. 56 1914/15 u. 1916/16 (1916).
Danzig Westpreufi. Botanisch - zoologischer Yerein: Bericht 37
1915. 38 1916.
Dortmund Historischer Yerein fur Dortmund und die Grafschaft
Mark: Jahresbericht 43 1915 (1916).
Dresden K. Sachs. Altertumsverein: Neues Archiv fiir Sachsische
Geschichte und Altertumskunde 37 1916.
— Jahresbericht 91 1915 (1916).
Dresden Verein ftir Geschichte Dresdens: Dresdner Geschichts-
blatter 24 1915 1 . 2 .
— (Vereinsgabe 1915) Rachel, P. M., Altdresdner Familienleben
in der Biedermeierzeit 1915.
Dresden K. Sachs. Landes-Wetterwarte: Jahrbuch (Deutsches Me-
teorologisches Jahrbuch Kgr. Sachsen) n. R. 30 1912 2 (1915).
— Das Klim a des Konigreiches Sachsen 8 1915.
Diirkheim Pollichia : Mitteilungen 29 Jg. 70 1915 (1916).
EichstStt Historischer Verein: Samelblatt 30 1915 (1916).
Eisenherg Geschichts- und Altertumsforschender Verein: Mittei-
lungen 61 (31) 1915.
Emden Naturforschende Gesellschaft : Festschrift 1915.
— Jahresbericht 99/100 1914/15 (1916).
Erfurt Yerein fur die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt:
Mitteilungen 36 1915. 37 1916.
Erlangen Physikalisch-medizinische Sozietat: Sitzungsberichte 47
1915 (1916).
Frankfurt a. M. Physikalischer Yerein: Jahresbericht 1914/15
u. 1915/16 (1916).
Freiburg i. B. Kirchengeschichtlicher Verein fiir Geschichte, christ-
liche Kunst, Altertums- und Literaturkunde des Erzbistums
Freiburg mit Beriicksichtigung der angrenzenden Bistiimer:
Freiburger Diozesan-Archiv N. F. 16 (43) 1915. 17 (44) 1916,
40 Verzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften.
Genf Soci4te d’histoire et d’arch4ologie de Geneve: Mdmoires et
documents S4r. in 8 ° 33 (2. s 6 r. 13) 1916. S6i. in 4° 4 1915.
— Bulletin 4 2 1915 (1916).
Genf Society de physique et d’histoire naturelle: M^moires 38 *
(1915). 1915 s (1916).
— Compte rendu des stances 32 1915 (1916) (Extr. d. Archives
d. sciences physiques et naturelles).
Genf Conservatoire et jardin botaniques: Annuaire 18. et 19. ann.
1914 et 1915 (1914-16).
Giessen Oberhess. Gesellschaft fur Natur- und Heilkunde : Bericht
N.E. Naturwissenschaftl. Abtlg. 6 1916. Medizin. Abtlg. 9 1914.
10 1915.
GOrlitz Oberlausitz. Gesellschaft der Wissenschaften : Neues Lau-
sitzisches Magazin 90 1914. 91 1915.
— Jecht, R., Der Oberlausitzer Hussitenkrieg und das Land der
Sechsstadte unter Kaiser Sigmund 1 1911 2 1916.
: Quellen zur Geschichte der Stadt Gorlitz bis 1600 1909.
Graz Historischer Verein fiir Steiermark: Zeitschrift 13 1915.
14 1916.
Graz Naturwissenschaftlicher Verein fiir Steiermark: Mitteilungen
51 1. 2. 1914 (1915).
Greifswald Kiigisch-Pommerscher Geschichtsverein : Pommersche
Jahrbiicher 16 1915.
Greifswald Naturwissenschaftlicher Verein fiir Neuvorpommern
und Eiigen: Mitteilungen 45 1913 (1914).
Guben Niederlausitz. Gesellschaft fiir Anthropologie und Alter-
tumskunde: Niederlausitzer Mitteilungen 13 1/4 1914/15 (1916).
Haag K. Instituut voor de taal-, land- en volkenkunde van Neder-
landsch- Indie: Bijdragen tot de taal-, land- en volkenkunde
van Nederlandsch-Indie 71. 72. 1915 — 16.
— Naamlijst der leden enz. 1916.
Haag Ministerie van binnenlandsche zaken: Mnemosyne n. s. 43
1915s. 44 1916.
Haarlem Holld. Maatschappij der wetenschappen : Archives n 6 er-
landaises des sciences exactes et naturelles s 4 r. Ill B (Sciences
naturelles) 2 S 1915. 3i 1916.
Halle Kais. Leopoldinisch - Carolinische Deutsche Akademie der
Naturforscher (Academia Caes. Leopoldino-Carolina Germanica
naturae curiosorum): Abhandlungen (Nova Acta) 100. 101.
1915. Register 64/100 1916.
— Leopoldina 51 1915 12 . 52 1918 i— n .
Halle Sachs.-Thiiring. Verein fiir Erdkunde: Mitteilungen 37 1913.
Verzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften. 41
Halle Deutsche Morgenlandische Gesellschaft : Zeitschrift 69 1915a.
70 1916.
Halle Landwirtschaftliches Institut der Universitat: .Kuhn-Archiv
62 1916.
Hamburg Verein fur Hamburgische Geschichte: Mitteilungen 35
1915 (1916).
Hamburg Mathematische Gesellschaft: Mitteilungen 5 s 1916.
Hamburg Naturwissenschaftlicher Verein : Verhandlungen 1915
3. F. 23 (1916).
Hamburg Verein fur naturwissenscbaftliche Unterhaltung : Ver-
handlungen 1910/13 15 (1914).
Heidelberg Akademie der Wissenschaften: Sitzungsberichte Jahres-
heft 1915 (1916). Mathem.-naturwiss. Kl. A 1915 12—14. 1916
1-10. B 1916 1—5. Philos.-histor. Kl. 6 1915 6—12. 1916 1—8.
Heidelberg Historisch-philosophischer Verein: Neue Heidelberger
Jahrbiicher 19 2 1916.
Heidelberg Naturhistorisch-medizinischer Verein: Verhandlungen
13 2 1916.
Heidelberg Grofiherzogl. Stemwarte (Konigstuhl) : Veroffent-
lichungen 7 s 1915.
Herman nstadt Siebenbiirg. Verein fiir Naturwissenschaften : Ver-
handlungen und Mitteilungen 64 1914 (1915).
— Festschrift anlaftlieh der 1914 in Hermannstadt stattfindenden
XXXVII. Wanderversammlung ungarischer Aerzte und Natur-
forscher 1914.
Ithaca Cornell university: The journal of physical chemistry 19
1915 9 . 20 19162.6-s.
Kassel Verein fiir Hessisehe Greschichte und Landeskunde: Zeit-
schrift 49 N. F. 39 1916.
— Mitteilungen an die Mitglieder 1914/15 (1915).
Kassel Verein fiir Naturkunde: Ahhandlungen und Bericht 54
iib. d. 77./80. Vereinsj. 1912/16 (1916).
Kempten Historischer Verein fiir das Allgau: Allgauer Greschichts-
freund 1915 1 N.F. 12. 1916! N.F. 13.
Kiel Gresellschaft fiir Schleswig - Holsteinische Greschichte : Zeit-
schrift 45 1915.
— Quellen und Forschungen zur' Geschichte Schleswig-Holsteins
3 1915.
Klagenfurt Geschichtsverein fiir Karnten: Carinthia I 105 1915.
— Jahresbericht 1914 und Voranschlag 1915 (1916).
Kitln Historischer Verein fiir den Niederrhein insbesondere die
alte Erzdiozese Koln: Annalen 96 1914. 98. 99. 1916.
42 Verzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften.
Kopenhagen Det E. Danske Yidenskabernes Selskab (Acaddmie
r. des sciences et des lettres de Danemark) : Skrifter (Mdmoires)
Histor. og philos. Afdlg. (Sect. d. lettres) 7. R. (s4r.) 2 5 1916.
Naturvidensk. og mathem. Afdlg. (Sect. d. sciences) 7. R. (s4r.)
12 7 1916. 8. R. (sir.) ls.s. 2 1-3 1916.
— Oversigt over Forhandlinger (Bulletin) 1915 s. e. 1916 1—3.
(1916—16).
Kristiania Yidenskapsselskapet : Forhandlinger 1916 (1916).
Laibach Muzejsko druStvo ze Kranjsko (Museal-Yerein fiir Krain)
(Association du Musee de Carniole): Carniola Izvestja n. vr.
(Mitteilungen N. F.) (Compt'es rendus nouv. sdr.) 6* 1916.
7 1_8 1916.
Landshut Historischer Yerein fiir Mederbayern : Verhandlungen
60 1914.62 1916.
La Plata Universidad nacional Facultad de ciencias fisicas, mate-
mfiticas y astronomicas : Contribucidn al estudio de las cien-
cias fisicas y matematicas Ser. matemdt.-fis. 1 5 1916.
— Boletin bibliogrdfico 1916 s.
Lausanne Soci4t4 Yaud. des sciences naturelles: Bulletin 6 e s. 50
is? 1916. 6 8 s. no. 188 Table g6n4rale des matures 4.1/50 1916.
Vol. §1 1916 189. 190.
Leiden Maatschappij der Nederlandsche letterkunde : Handelingen
en mededeelingen 1914/15 (1915). Bijl. : Levensberichten der
afgestorven medeleden 1916.
Leiden ’s Rijks Herbarium: Mededeelingen 21/27 1914/15.
Leipzig K. Sachs. Gresellschaft der Wissenschaften : Abhandlungen
Mathemat.-phys. El. 34 1 1915. Philol.-hist. El. 33 1 1916.
— Berichte fiber die Yerhandlungen Mathemat.-phys. El. 66 1914 s.
67 1915. 68 1916 1. Philol. - hist. El. 67 1915 2. 3. (1916). 68
1916 1—3.
Leipzig Ffirstl. Jablonowskische Gresellschaft : Jabresbericht 1914.
1915. 1916.
Lindenherg E. Preu6. Aeronautisches Observatorium : Arbeiten
‘ 1914 10 (1916).
Linz Museum Francisco -Carolinum: Jahresbericht 74 Nebst der
67. Lieferung der Beitrage zur Landeskunde von Osterreich
ob der Enns 1916.
Liibeck Yerein fiir Ltibeckische Greschichte und Altertumskunde :
Zeitschrift 18 1916.
Lund TTniversitetet : Acta n. s. Arsskrift n. f. 1. Afd. 10 1914.
2. Afd. 10 1914.
Madrid R. Academia de la historia: Boletin 681.5.6. 69i/2. 1916.
Yerzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften.
43
Magdeburg Yerein fiir Geschichte and Altertumskunde des Herzog-
tams and Erzstifts Magdeburg: Geschichts - Blatter fur Stadt
und Land Magdebnrg 49/50 1914/15 4 (1916).
Mainz Romisch - G-ermanisches Central - Maseum and Altertums-
Yerein: Mainzer Zeitscbrift 10 1915.
Mannheim Altertumsver ein : Mannbeimer Geschichtsblatter 17 1916.
Marhnrg Gesellscbaft znr Beforderung der gesamten Naturwissen-
schaften: Sitzungsberichte 1915 (1916).
Mexiko Direction de minas y petroleo: Boletin minero I 2 1916.
Miinehen K. Bayer. Akademie der Wissenschaften : Jabrbach 1915.
— Abhandlungen Philos.-philol. a. hist. Ed. 28 1 . 29 s. 1915. Ma-
them.-physik. Ed. 28 1—3 1915.
— Sitzungsberichte Philos. - philol. a. hist. Ed. 19152—12; Schlufi-
hefl. 1916 1 . Mathem.-physik. Ed. 1915 2 . 3 .
— Gelehrte Anzeigen hrsg. von Mitgliedern der K. B. Akademie
der Wissenschaften Register 1/50 (1835 — 1860) 1915.
— 56, Vollversammlung der Historischen Kommission Bericht
des Sekretariats 1916. [2 Expl.]
— Preisanfgabe der Samson - Stiftung 1916 Die Ehe im alten
Griechenland.
1916 Die ethischen Gefiihle und Yorstellungen bei den
europaischen Yolkern wahrend des Weltkrieges.
Miinehen Historischer Verein von Oberbayern: Oberbayerisches
Archiv fiir vaterlandische Geschichte 60 2 1916.
— Altbayerische Monatsschrift 12 1913/4 s/s. 13 1915/6 2 . a.
Miinehen K. Technische Hochschule: Dissertationen E. Brand-
mair F. Ditterich J. Dorfner H. Frankl H. Hafner
E. Halasz M. Harpuder L. Walther 1914. K. Biesenberger
W. v. Borowicz Th. Dombart N. v. Ertzdorff - Kupffer
F. Hatschek L. Hochfelder T. v. Keresztes J. Frhr. v.
LaBberg R. Ottenstein F. Schels G. Staempfli A. Weber
A. Winterling K. Worle 1915.
Miinehen Deutsches Museum: Yerwaltungs -Bericht 12 1914/15
(1915). [2 Expl.]
New Haven Amer. Oriental society: Journal 35 1915s.
New York Amer. Geographical society : The geographical review
1. 2 1 - 8 . 1916.
— Bulletin 47 1915 12 .
New York Amer. Mathematical society : Bulletin 22 *— 10 1915 — 16.
Niirnberg Naturhistorische Gesellschaft : Jahresbericht 1914 (1915).
1915 (1916).
Niirnberg Germanisch.es Nationalmuseum : Anzeiger 1915. [2 Expl.]
44 Verzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften.
Philadelphia Geographical society : Bulletin 14 1916 2.
Philadelphia Drexel institute: Register 1915.
Plaueni. V. Altertumsverein : Mitteilungen 26 1916.
Posen Historische Gesellschaft fiir die Provinz Posen: Zeitschrift
29 1914 2 (1915). Beil. : Historische Monatsblatter fiir die
Provinz Posen 16 1915.
Potsdam K. PreuB. Geodatisches Institut: Veroffentlichung N. F.
66-69 1916.
— Zentralbureau der intemationalen Erdmessung Veroffent-
lichungen N. F. 29. 30. 1916.
Potsdam Astrophysikalisches Observatorinm : Publikationen 23 2
(70) 1914.
— Photographische Hixnmelskarte 7 1915. Berichtignngen und
Bemerkungen zu 1 — 7 1915.
Prag K. Bohm. Gesellschaft der Wissenschaften (Kr. CeskA spo-
lecnost nauk): Sitzungsberichte (Yestnik) Kl. f. Philosophie,
Geschichte und Philologie (Tr. filos.-histor.-jazyk.) 1915 (1916).
Mathem.-naturwiss. Cl. (Tr. mathem.-prirod.) 1915 (1916).
Prag Deutscher naturwissenschaftlich - medizinischer Yerein fiir
Bohmen „ Lotos 1 ''' : Lotos 63 1915. Beil. : Generalregister 1/60
1915.
— Naturwissenschaftliche Schriften 1 1915.
Regenshnrg Historischer Yerein von Oberpfalz und Regensburg:
Yerhandlungen 65 (N. F. 57) 1915.
Saint Louis University Earthquake station: 1914.
Salzwedel Altmarkischer Yerein fiir vaterlandische Geschichte:
Jahresbericht 41/42 1915.
Speier Historischer Yerein der Pfalz: Mitteilungen 36 1916.
Stavanger Stavanger Museum : Aarshefte 1915 26 (1916).
Stockholm K. Svenska Vetenskapsakademien : Arsbok 14 1916.
— Lefnadsteckningar ofver efter ar 1854 aflidna Ledamoter 5 1
1915.
— Personforteckningar 1739 — 1915 utg. af E. W. Dahlgren 1915.
— Handlingar 51 1913-15. 53 1914—15.
— Arkiv for botanik M2 1915.
— Arkiv for kemi, mineralogi och geologi 61 1916.
— Arkiv for matematik, astronomi och fysik 10 4 1915.
— Arkiv for zoologi 9 3/4 1915.
— Astronomiska iakttagelser och undersokningar A Stockholms
observatorinm 108 1916.
Stockholm K. Yitterhets historie och antikvitets akademien: Forn-
vannen 10 1915.
45
Verzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften.
Stockholm Meteorologiska centralanstalt (Institut central de me-
t^orologie) : Meteorologiska iakttagelser i Sverige (Obser-
vations m^teorologiqnes su4doires) 56 2. ser. (s6r.) 42 1914
(1916). Bihang (Appendice) 56 1914 (1916).
Stockholm Hogskola: Berattelse 1914/15 (1916).
— Matem. - naturvetensk. Avdelning Akademiska Avhandlingar
J. Malmquist E. Stridsberg 1909. H. Johansson W. Kaudern
1910. E. Westling 1911. T. Carlson E. Hnss H. Lunde-
g&rdh N. Odhner K. Petender N. Wohlin 1912. E. A. Holm
B. Soderborg H. Strindberg 1918. E. Hogglund K. Linge
H. Pettersson J. Eunnstrom D. Stenquist N. Zeilon 1914.
H. W:son Ahlmann K. Amark K. Asplnnd B. Palm
E. Palmqvist G. Starck N. Sundnrs 1915. I. W. Ceder-
berg E. England A. Lindblom G. T. Lindroth J. Lublin
E. Sandegren 1916.
— Stats- och rattsvetensk. Eaknltet Akademiska Avhandlingar
S. A. Bjerre 1910. A. Holmback 1914.
Strassburg Wissenschaftliche Gesellschaft : Schriften 18 1915.
25—29 1916—17.
Strassburg Historisch-literarischer Zweigverein des Yogesen-Clubs :
Jahrbuch fiir Geschichte, Sprache und Literatur ElsaB-Lo-
thringens 31 1915.
Strassburg Kais. Hauptstation fiir Erdbebenforschung: Seismische
Anfzeichnungen 1915 is— 23 . 1916 1 — 21 .
Strassburg Internat. Kommission fiir wissenschaftliche Luftschiff-
fahrt (Commission internat. pour 1’ aerostation scientifique) :
V eroffentlichungen (Publications) 1912 12 . 1916.
Stuttgart Wiirttemb. Kommission fiir Landesgeschichte : Wiirttem-
bergische Yierteljahrshefte fiir Landesgeschichte N. E. 24
1915 s/it. 25 1916. Beil.: Wiirttembergisch-Eranken 11 1915.
Thorn Coppemicus-Yerein fiir Wissenschaft und Kunst: Mit-
teilungen 23 1915.
Toklo College of science imp. university: T6kyo Sugaku - Buturi-
gakkwai Kizi (Proceedings of the Tokyo mathematico-physical
society) 89—11. 13 . 15 — 19 . 1915 — 16.
Tromso Tromso Museum: Aarshefter 37 1914 (1915).
Upsala Geological institution of the university: Bulletin 13 1
1914—15.
Upsala Observatoire meteor ologique de 1’ university : Bulletin men-
suel 47 1915 (1915—16).
Utrecht Sterrenwacht : Eecherches astronomiques 6 1916.
46
Yerzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften.
Washington National Academy of sciences of the United States
of America: Proceedings 1 1915 12. 2 1916 1. 2. 5— 7 . 9.
Washington Washington Academy of sciences: Journal 5 1915
20.21. 6 1916 1—5. s— 17.
Washington Carnegie endowment for international peace : Second
Pah American scientific congress The final act and inter-
pretative commentary thereon prepared by J. B. Scott 1916.
— Division of international law: The Hague conventions and
declarations of 1899 and 1907 ed. by J. B. Scott 2. ed. 1915.
— — Instructions to the American delegates to the Hague
Peace conferences and their official reports ed. by J. B. Scott
1916.
The Hague Court reports ed. by J. B. Scott 1916.
Recommendations on international law and official commen-
tary thereon of the Second Pan American scientific congress
ed. by J. B. Scott 1916.
Washington U. S. Department of agriculture Weather bureau:
Monthly weather review 43 1916 10—12. 44 1916 2—7.
— Weather forecasting in the United States 1916.
Washington Department of commerce U. S. Coast and geodetic
survey: Serial No. 29 Geodesy special publication 35 1916.
Washingtoq U. S. Naval observatory: Annual report 1915 (Annual
report of the chief of the bureau of navigation 1915 app. 2).
Wien Eais. Akademie der Wissenschaften: Almanach 65 1915.
— Denkschriften Mathem.-naturwiss. HI. 91 1915. 92 1916.
— Sitzungsberichte Philos. -hist. El. 179 2. e. 180 2. s. 5. 1916.
Mathem. -naturwiss. El. I 124 1915 5—7. II a 124 1915 5—10.
Ub 124 1915 s — 10.
— Historische Eommission : Archiv fur osterreichische Geschichte
105 1 1916.
Wien Eais. -kgl. Zoologisch-botanische Gesellsehaft: Verhand-
lungen 65 1915.
Wien jVerein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse:
Schriften 52—55 1911/12—14/15 (1912-15).
Wien Porschungsinstitut fur Ostenund Orient: Aufbau, Ziele und
Mittel 1916.
— Berichte 1 1916.
Wien Eais.-kgl. Gieologische Reichsanstalt: Jahrbuch 64 1914 3.4.
(1915). 65 1915 (1916).
— Yerhandlungen 1915 10— is. 1916 1—12.
Wien E. k. Zentralanstalt fur Meteorologie und Geodynamik:
Meteorologische Zeitschrift 32 1915 12. 33 1916 4—5.8—11.
Yerzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften. 47
Wiesbaden Yerein fur Nassauische Altertumskunde und Geschichts-
forschung: Nassauische Annalen 43 1914 u. 1915 (1915).
— Nassauische Beimatblatter 18 1914/15 (1914). 19 1915/16
(1915—16).
Wiesbaden Nassauischer Yerein fur Naturkunde: Jahrbiicher 68
1915.
Wiirzburg Historischer Verein yon Unterfranken und Aschaffert-
burg : Archiv 57 1915.
— Jahres-Bericht 1914 (1915).
Wiirzburg Physikalisch-medicinische Gesellschaft : Yerhandlungen
N.F. 44 1. 2 . 1915.
— Sitzungsberichte 1916 8 — 5 .
Zilrieli Antiquarische Gesellschaft: Mitteilungen 27 4 1916.
Zurich Naturforschende Gesellschaft: Vierteljahrsschrift 60 1915
sA. 61 1916 1 / 2 .
Zurich Physikalische Gesellschaft: Mitteilungen 18 1916.
Zurich Erdbebendienst der Schweizer. Meteorologischen Zentral-
anstalt: Jahresbericht 1914 (Separatabdr. a. d. Annalen d.
Schweizer. Meteorolog. Zentralanstalt 1914) (1916).
Zurich Schweizer. Landesmuseum: Anzeiger fiir Schweiz erische
Altertumskunde Indicateur d’ antiquity suisses N. E. 17 1915 4
(1916). 18 1916 1 - 8 .
— Jahresbericht 24 1915 (1916).
B. Die sonst noch eingegangenen Druckschriften.
Acta mathematica Zeitschrift hrsg. v.- Journal red. p. G. Mittag-
Leffler 40 s. 4. Stockholm 1916.
Blok, P. J., Geschiedenis van het nederlandsche volk 2. druk 4
Leiden 1915.
Flora Batara (XXIV:) 376-383 1914—15.
Ginsberg, G., Die Erfahrung aus dem Alltaglichem [I]. Wien 1915.
[2 Expl.]
Hartmann, E., Yom Leben — fiir’s Leben. Leipzig 1913.
— Zur Losung des Eermatschen Problems. Leipzig 1916.
Herbarium Organ zur Eorderung des Austausches wissenschaft-
Iicher Exsiccatensammlungen 42 Leipzig 1916 T. 0. Weigel.
48 Yerzeichnis der im Jahre 1916 eingegangenen Druckschriften.
Jahrhuch fiber die Fortschritte der Mathematib. Hrsg. v. E. Lampe.
44 1913 1 Berlin 1916.
Kell, B., Eigrjvri (Berichte fib. d. Yerhandlungen d. Kgl. Sachs. Ge-
sellschaft der Wissenschaften zn Leipzig Philol.-hist. Kl. 68 *)
Leipzig 1916.
Kunst- und Antiqult&ten - BSrse, Deutsche, Der Sammler 1916 se
Berlin.
Xiebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen 3 Halle a. S. 1916.
Miethe, A., Seegcrt, B., Wei der t, F., Die totale Sonnenfinsternis
vom 21. Ang. 1914 beobachtet in Sandnessjoen auf Alsten
(Norwegen) Gemeinsame Expedition der Sternwarte der Kgl.
Technischen Hochschnle Berlin nnd der Optischen Anstalt
C. P. Goerz A.-G., Friedenau. Braunschweig 1916.
Mfirikofer, W., Klimatische Normal werte fur Basel. (Separatabdr.
a. d. Yerhandlungen d. Naturforschenden Gesellschaft in Basel
Bd. XXYII.) Basel 1916.
Monatshcfte , Norddeutsche. 3. Jg. Hamburg. 1916: Bichtlinien.
Urteile der Presse.
Museum Maandblad voor philologie en geschiedenis 23 .i — 12 . 24i— *
Leiden 1916.
Nederlandsch-IndiS , Oud en Nieuw (tijdschrift) Prospectus Am-
sterdam 1916.
Niederlein, G., Plantago Bismarcbii Niederlein ... in Argentinien.
Zittau 1915.
Norden, E., P. Yergilius Maro Aeneis Buch YI erklart 2. Aufl.
Leipzig Berlin 1916 (Sammlung wissenschaftlicher Kommen-
tare zu Griechischen und Romischen Schriftstellern).
(Reininghans, F.) Eine „Staatszeitung“ zur Staats- und Zeiten-
Erneuerung. Zurich 1916. [2 Expl.]
Rutgers, W., Beitrag zur Weiterentwicblung der Algebra. Als
Mskr. hrsg. durch die Erben des Verfassers (a, d. Hollandischen
fibersetzt v. F. Rutgers). Zurich 1914.
Ruths, Ch., Neue Relationen im Sonnensystem und Universum.
Darmstadt 1915.
— Neue Relationen im Sonnensystem und Universum Mitteilung
an die wissenschaftliche Welt ebd. 1916.
Schweydar, W., Die Bewegung der Drehachse der elastischen Erde
im Erdkorper und im Raume. Kiel 1916. Abdr. a. d. Astr.
Nachr. Nr. 4855 (Bd. 203 1916).
Serkowski , St., Bacillus s. Granulobacillus putrificus nov. sp.
(Abdr. a. d. Centralblatt f. Babteriologie , Parasitenkunde u.
Infektionsbranbheiten 1. Abtlg. Originale 75. Bd. 1914).
Verzeichnis der im Jaire 1916 eingegangenen Druckschriften.
49
Der Staatsbedarf 2 1916 xe. u. a. Berlin.
Technik und Wirtschaft 9 1916 u Berlin.
Toss, F., Vergleichende Untersuchnngen fiber die Flugwerkzeuge
der Insekten [1.] 1913. 2. Abkdlg. 1914. (Separatabdr. a. Ver-
kandlungen d. Deutschen Zoologiscben Gresellschaft 23. Jahres-
versammlung 1913 24. 1914.)
Wetterhoff. F., Finland im Lickte des Weltkrieges. (Als Hdschr.
gedr.) Berlin 1916.
Wolff, Osk., Natnr und Mathematik V. Teil Der goldene Sehnitt.
Seestadtl 1915.
Naclrichten; geechaftl. Mitteiltragen 1917. 1.
4
Richard Dedekind.
Gredachtnisr ede, gehalten in der offentlichen Sitzung
der Koniglichen Gresellschaft der Wissenschaften zu
Grottingen am 12. Mai 1917.
Yon
E. Landau.
1. De mortuis nil nisi bene ; dieser alte Spruch yerleitet wohl
jeden Yerfasser einer Grrabrede oder eines Nekrologs, die Lei-
stungen des verstorbenen Grelehrten in moglichst warmen Tonen
zn schildernj so manckem bescbeidenen Forscher hatte man ge-
gonnt, den Panegyrikus zu lesen, der ibm naehgesandt wurde.
Da ist meine heutige Aufgabe besonders schwer; denn ich mochte
gern denen yon Iknen, die nicht yom Fach sind, die Uberzeugung
beibringen, daB kein Lob die GrroBe des Yerstorbenen erreieht;
daB Richard Dedekind, vor dessen Manen wir uns heute yer-
neigen, nicht nur ein groBer Mathematiker war, sondern einer der
ganz groBen aus der Greschichte der Mathematik jetzt und in frii-
heren Zeiten, der letzte Heros einer groBen Epoche, der letzte
Schiller yon Grauss, seit yier Jahrzehnten selbst ein Klassiker,
aus dessen Werken nicht nur wir, sondern unsere Lehrer und die
Lehrer unserer Lehrer geschopft haben. Seinem unyerganglichen
Ruhm kann ans unserm Munde nichts hinzugefiigt werden, und wir
erfilllen nur eine althergebrachte Pflicht, wenn wir uns einiges
aus seinem Leben und seinen Werken in Erinnerung zurtickrufen.
Er gehorte ja unserem engeren Kreise an, da er seit 1859 unser
Korrespondent, seit 1862 unser auswartiges Mitglied war und den
wichtigsten Teil seiner Studienzeit sowie seine gesamte Priyat-
dozentenzeit in Grottingen verlebte.
Bichard Dedekind.
51
Julius Wilhelm Richard Dedekind wurde geboren am
6. Oktober 1831 in Braunschweig als jiingstes von yier Kindern
des spateren Professors und Geheimen Hofrats Dr. iur. Julius Levin
Ulrich De dekind, der seine akademische Laufbahn als Privat-
dozent in Gottingen begonnen hatte. Vom siebenten bis zum
sechzehnten Lebensjahre besuchte er das Gymnasium zu Braun-
schweig. Friihzeitig erwachten — ich entnehme dies seinem Zu-
lassungsgesuch zur Promotion aus den Akten unserer Fakultat —
seine Interessen fur Chemie und Physik; dagegen yerwandte er
auf Mathematik nicht viel Zeit und FleiB, ^quippe quae hisce ad-
jumento tantum esse putarem" — da er sie bloB fiir eine Hilfs-
wissenschaft hielt. Nach kiirzester Zeit wandte er sich jedock
mit y oiler Neigung hauptsachlich auf die Mathematik; in der
Physik — „ut in scholis docentur saltern" — vermiBte er
Ordnung und streng logischen Aufbau. Im Jahre 1848 bezog
er das Collegium Carolinum in Braunschweig und lernte dort
die Elemente der analytischen Geometrie, der algebraischen
Analysis, der Differential- und Integralrechnung und der hoheren
Mechanik,
So kam er, mathematisch gut vorbereitet, 1850 nach Got-
tingen , wo er allerdings Physik erst von Grund auf lernen
muJSte; hier horte er vornehmlich bei Stern, GauB und Weber
Differential- und Integralrechnung , Elemente der Zahlentheorie,
Methode der kleinsten Quadrate, hohere Geodasie und Experimental-
pbysik.
Er beklagte (ich entnehme dies seinen fiir die Zwecke einer
kiirzlich erschienenen IMUK - Abhandlung des Herrn L o r e y
niedergeschriebenen, dort gedruekten Erinnerungen), daB der da-
malige Gottinger Unterricht zwar fiir die nicht sehr hohen An-
forderungen der Oberlehrerpriifung geniigte, daB aber fiir ein
tieferes Studium yieles fehlte. DaB es keine Vorlesungen gab
iiber neuere Geometrie, hohere Zahlentheorie, hohere Algebra,
elliptische Funktionen, mathematische Physik (lauter Dinge, die
in Berlin durch Steiner, Jacobi und Dirichlet glanzend
vertreten waren), sodafi er spater in den beiden Jahren zwischen
Promotion und Habilitation groBe Mtihe hatte, diese Liicken
auszufiillen. Zur Chemie hatte er nicht mehr Zeit, als er sich,
urn seinem Studium friihzeitig einen formalen AbschluB zu geben,
nach yier Gottinger Semestern 1852 zum Examen meldete und
bei GauB mit einer Arbeit (1) iiber die Elemente der Theorie
der Eulerschen Integrale promo vierte. Trotz seiner Jugend
wurde er auf Grund seiner vorziiglichen wissenschaftlichen Be-
4 *
52
E. Landau,
fahigung zum Examen zugelassen. Seine Albeit war eine branch-
bare selbstandige Leistung, die aber noch nicht den spateren
grofien Gelehrten yerriet. GanS’ Urteil Tiber die Arbeit lantet:
„Die yon Hrn. Dedekind eingereichte Abhandlung beschaftigt
sich mit einer Untersuchnng aus der Integralrechnung, die keines-
weges zn den alltaglichen gehort. Der Verf. legfc darin nicht
allein sehr gate Kenntnisse in dem betreffenden Felde an den Tag,
sondern auch eine solche Sejbstthatigkeit, die zn giinstigen Er-
wartnngen von seinen kiinftigen Leistnngen berechtigt. AIs Probe-
schrift fur Znlassnng zum Examen finde ich also die Abhandlung
vollkommen geniigend a . Dedekind erzahlte mir noch einige Mo-
nate vor seinem Tode, welche Eragen ihm Gran 6 bei der Doktor-
priifung vorgelegt hatte, mit einer Lebendigkeit, als ob es gestern
nnd nicht yor 63 Jahren gewesen ware; mein Gedachtnis reichte
nicht, nm es mir zn merken nnd hier wiederzugeben.
1854 habilitierte sich Dedekind in nnserer Eakultat und
blieb in dieser Stellung vier Jahre. Weg nnd Richtnng wnrde
seinem spateren Schafien dadnrch gegeben, da£ Dirichlet als
GauB’ Nachfolger 1855 nach Gottingen berufen wurde, und ob-
gleich er an der Berliner TTniversitat Ordinarins war, dem R,ufe
Eolge leistete. Dedekind horte in diesen drei Jahren die wichtig-
sten V orlesungen des Meisters. Dedekind hat seine groBte Hinter-
lassenschaft in der bescheidenen Form des elften Snpplementes
(„Ueber die Theorie der ganzen algebraischen Zahlen“) zn den von
ihm heransgegebenen Vorlesungen Dirichlets liber Zahlentheorie
niedergelegt. Ein Mitschtiler Dedekinds aus Dirichlets Kolleg,
der noch lebende hochverdiente Panl Bachmann in Weimar,
selbst Verfasser einer bisher fiinfbandigen Gesamtdarstellnng der
Zahlentheorie und von vier anderen zahlentheoretischen Lehrbiichern,
schrieb mir neulich, dafi man Dedekind dabei nnr von An sehen
kennen lernte; er kam mit Dirichlet gemeinsam und verschwani
nachher wieder mit ihm. Was Dedekinds eigene Vorlesu n gen
betrifft, so las er einige Male liber elementare Dinge nnd in
GauB’ Sinne (vgl. seinen Bericht 41 liber GauB’ Vorlesnng)
iiber die Metbode der kleinsten Quadrate ; vor allein aber waren
bemerkenswert seine Vorlesungen liber Kreisteilung nnd hohere
Algebra, die er znerst im Winter 1856 bis 1857 vor den Herron
Sommer und Bachmann hielt; auch Sommer weilt unter den
Lebenden und hat ihm im Braunschweigischen Magazin kiirzlich
einen ausfuhrlichen hiachruf gewidmet, der vor allem personliche
Erinnerungen an den Jugendfreund nnd spateren Hochschnlkollegen
enthalt. tlber das gleiche Thema las Dedekind im Winter-
Richard Dedekind.
58
semester 1857 bis 1858, gleichfalls yor zwei Zuhorern, dereir
Namen Klang erhielten: Selling nnd Auwers. Hier wurde
wohl zum ersten Male von einem Hochschulkatheder die Galois-
sche Theorie yorgetragen, mebr denn ein Jahrzehnt, ehe sie durch
Herrn Camille Jordans „Trait6 des substitutions et des Equa-
tions algEbriques u ihre Yerbreitung bei der zunachst kleinen Schar
hierfur empfanglicher, abstrakt veranlagter Matbematiker erbielt.
In jenen Dedekindscben Yorlesungen wurde, iiber Galois
hinausgehend, der Begriff der Permutationsgruppe durch den ab-
strakten Gruppenbegriff ersetzt; hier wurde zum ersten Male das
Studium der algebraischen Yerwandtschaft der Zahlen auf den
Begriff begriindet, den Dedekind spater Korper nannte. Wie
Bachmann berichtet, las De dekind am friihen Wintermorgen
von 8 bis 9 Ubr auf seinem Zimmer. „Dort nahmen wir, freund-
schaftlich begriiJBt, in einem trauliehen Winkel Platz, er auf einem
Sopha in der Ecke, wir beide an einem Tische davor mit unsern
Heften. Und nun entwickelte er, die Arme auf der Brust ge-
kreuzt, mit der'Rechten etwas gestikulierend und ab und zu uns
eine Formel auf ein Papier auf dem Tische niederschreibend, in
ruhig fliefiendem, niemals stockenden Yortrage die Theorieen mit
so ausnehmender Klarheit und Einfachheit, daB es mir nicht schwer
wurde, den mir damals noch ganz fremden Gegenstand trotz seiner
Abstraktheit * — der Gruppenbegriff spielte eine grofie Rolle —
verstandnisvoll zu erfassen“. Dedekinds Gottinger Periode
fallt auch mit der Zeit.von Riemanns Aufstieg zusammen; es
versteht sich yon selbst, daB beide grofien Mathematiker einander
nahe traten.
1858 wurde der 27jahrige Dedekind ordentlicher Professor
am Polytechnikum in Zurich; 1862 kehrte er in seine Heimatstadt
Braunschweig zuruck und war liber ein halbes Jahrhundert die
Zierde und der Stolz der jetzigen technischen Hochschule. Wenn
auch Dedekind 1894 yon semen amtlichen Yerpflichtungen ent-
bunden wurde, so hielt er doch bis zuletzt noch gelegentlieh Vor-
lesungen. Er starb am 12. Februar 1916, bis in sein hoehstes
Greisenalter hinein geistesfrisch und an gelegentlichen Reisen
durch seinen Gesundheitszustand nicht gehindert.
Er war Mitglied der Akademieen der Wissenschaften in Berlin,
Paris und Rom, auch der Leopoldiniseh-Carolinischen Akademie der
Naturforscher. Er war Ehrendoktor in Kristiania, Zurich und
Braunschweig. Er erlebte sein funfzigjahriges (vgl. 43) und sein
sechzigjahriges Doktorjubilaum.
DaB der stille Gelehrte noch bis yor kurzem unter den Le-
E. Landau,
54
benden weilte, war nicht alien bekannt. Im Teubnerschen Ma-
thematikerkalender vom Jabre 1904 war an einer Stelle des wert~
vollen Gedenktagebuches fiir Mathematiker yon Herrn Felix Muller
der 4. September 1899 als sein Todestag angegeben. Sein liebens-
wiirdiger Sinn driickt sich in dem Brief aus, den er daraufhin an
den Heransgeber sandte, dnrcb dessen Freundlichkeit icb ibn einsab :
4. September konne yielleicbt stimmen, aber die Jahreszahl sicher
nicbt. „Nach meinen eigenen Notizen habe ich diesen Tag in voller
Gesundheit nnd sebr anregender TJnterhaltnng iiber System nnd
Lehre mit meinem Mittagsgaste nnd yerehrten Freunde Georg
Cantor (ans Halle) verlebt, der bei dieser Gelegenbeit nicbt mir
selbst, wohl aber einem Irrtbnm yon mir den Todesstoss versetzte“.
Der weit verbreitete Glaube, dafi Totgesagte lange leben, ist hier
wieder einmal anfs glanzendste bestatigt worden.
De dekind war unvermahlt geblieben und lebte in innigstem
Yerbaltnis mit seinen Geschwistern ; er wohnte znsammen mit
seiner (als Novellistin bekannten) Scbwester Julie bis zu ibrem
Tode im Jahre 1914. Seine andere Scbwester Mathilde war
scbon 1860 gestorben. Sein Bruder war wie der Vater ein be-
deutender Jurist und wurde Landgericbtsprasident in Braunschweig.
TJrspriinglicb batte dieser Mineralogie und N atur wis s ens cbaft en
studieren wollen, mit dem Ziel der akademiscben Laufbahn, aber
darauf zu Gunsten seines jiingeren Bruders Richard verzichtet,
dessen beryorragende Begabung er wie die Eltern friihzeitig er-
kannten.
2. Icb will beute yor allem von den drei Hauptausstrahlungen
des Genius unseres Richard Dedekind reden. Alle drei sind
durch das Schlagwort Zahl charakterisiert ; aber sie geben nacb
ganz yerscbiedenen Richtungen, und sie entsprecben seinen drei
in Buchform erschienenen Schriften. Seine erste Hinterlassen-
schaft ist ein diinnes Biichlein yon 31 Seiten: „Stetigkeit und
irrationale Zahlen“ (13 und Ubersetzungen 42, 46, 48), erscbienen
1872; und da hatten spater er und wir alle kein Wort mebr
hinzuzufugen. Aere perennius stebt darin seine Begriindung der
irrational en Zahlen durch das, was beute in der ganzen Welt der
Dedekindsche Scbnitt genannt wird. Es gab fruber keinen
strengen Beweis selbst des Satzes \/ 2.\/3 = V6. Bekanntlicb
wurden etwa gleichzeitig andersartige Begriindungen yon M4ray
(der die Prioritat bat, dessen 1870 in der Revue des soci6t6s sa-
yantes, KongreBbericht des Jabres 1869, erschienene erste Notiz
aber inzwiscben Dedekind und den anderen Autoren noch nicht
bekannt geworden war), Herrn Cantor und aus WeierstraB-
Bichard Dedekind.
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schen Quellen publiziert. Wie mir Dedekind selbst erzahlte,
hat er jenes im § 6 genannte Beispiel absichtlich so pointiert,
um die Zeitgenossen zu tieferem Verstandnis zn reizen. Und
doch mufite er in einer spateren Einleitnng (zu 38 a) noeh-
mals ausdriicklich den nnberechtigten Einwand von franzosischer
und deutscher Seite abwehren, es sei in Bertrands „Trait6
d’Arithm&tique* sein Grrundgedanke enthalten, die irrationale Zahl
zu definieren durch Angabe der rationalen Zahlen, die kleiner,
und derjenigen, die groBer sind als die zu definierende Zahl*
Diese petitio principii begeht De dekind nicht, bei der Definition
das zu definierende Ding als definiert vorauszusetzen; sein Schnitt
besteht in der Einteilung aller rationalen Zahlen in zwei Klassen,
so daB jede der ersten Klasse kleiner als jede der zweiten Klasse
ist. Und jeder solche Schnitt, dem keine rationale Zahl ent-
spricht, definiert eine irrationale Zahl. Der Bertrandsche Gre-
dankengang ist, wie Dedekind hervorhebt, unter Zuhilfenahme
eines geometrischen Axioms fiber meBbare Strecken zwar nicht
falsch, aber dann erstens keine arithmetisehe Begrfindung, zweitens
ungefahr das, was sich die meisten Mathematiker gedacht haben,
drittens schon im Euklid vorzufinden.
Man kann aber auch statt des De dekin dschen Schnittes
nach M6ray-Cantor jeder Eundamentalreihe rationaler Zahlen
a 1} cu, *.., a n , *.., die so beschaffen ist, daB die Differenz zweier
mit hinreichend groBen Indices absolut kleiner als eine gegebene
positive rationale GrroBe ist, eine irrationale Zahl zuordnen, falls
die B-eihe nicht gegen einen rationalen Grrenzwert strebt. Bei
jedem dieser beiden Wege hat man Addition, Multiplikation usw.
irrationaler Zahlen erst ordentlich zu definieren, und dann kann
man einen Satz beweisen wie \J 2*\/3 = \/6.
Der Dedekindsche Begriff des Schnittes und diese ersten
Anwendungen durchdringen heute die gesamte Analysis. Es ist
nicht Zahlentheorie ; denn diese beschaftigt sich nur mit den
Eigenschaften der ganzen und rationalen Zahlen im engeren und
hier spater zu besprechenden weiteren Sinne des Wortes (alge-
braische Zahlen). Untersuchung der Eigenschaften der Zahlen
fiberhaupt ist aber Gregenstand der Gresamtmathematik abgesehen
von ihren geometrischen Teilen, in die sie ubrigens auch fiber-
greift; sind doch die Punkte einer geraden Linie ein Abbild der
Menge aller rationalen und irrationalen Zahlen.
3. De dekinds zweite Leistung besteht in der, gleichfalls in
Buchform erschienenen, dfinnen Sqhrift : „Was sind und was sollen
die Zahlen ?“ (38 und Ubersetzungen 43, 45), auf die er ebenfalls
56
E. Landau,
spater nicht zuriickgekommen ist, wenn sie auch gleiehfalls eine
Reihe von unveranderten Auflagen erlebte. Diese grundlegende
Schrift stellt — ich verdanke die folgende Analyse einem der
besten Kenner dieses Gebietes , Herrn Zermelo — den ersten
durchgefiihrten Yersuch dar, den Begriff and die Grundeigen-
scbaften der natnrlichen Zahlen rein mengentheoretiscb ans der
bloBen Idee der Abbildnng von Systemen zu entwickeln. Ein
-System 11 (d. h. eine Gesamtheit, Menge) heifit nach Dedekind
„unendlich“, wenn es „ahnlich“, d. h. elementweise ein - eindeutig
auf einen ecbten (nicht mit dem Ganzen identischen) Teil von sich
abgebildet werden kann; jedes andere System heifit „endlich K .
Die Existenz nnendlicher Systeme, auf der seine Theorie der
Zahlenreihe beroht, will Dedekind, anstatt sie einfach axioma-
tisch zu postulieren, auf das Beispiel unserer „Gedankenwelt“, d. h.
die Gesamtheit alles Denkbaren, begriinden. Er will die Existenz
nnendlicher Systeme beweisen, indem er jedem Element s seines
Denkens den Gedanken zuordnet, dafi s Gegenstand seines Denkens
ist. Aber es hat sich doch spater (durch Russell u. a.) gezeigt,
dafi diese Gedankenwelt nicht als System im gleichen Sinne gelten
kann. Doch ist diese mehr philosophische als mathematische Be-
grundung seiner Annahme fur die weiteren Entwickelungen durch-
aus unerheblich. Bei jeder Abbildung eines Systems S auf einen
(echten oder unechten) Teil S' von S gibt es „Ketten“, d. h. Teil-
systeme K, welche gleiehfalls in sich selbst abgebildet werden, und
jeder beliebige Teil A von S lafit sich zu einer kleinsten Kette A 0
erganzen, welche als Durchschnitt aller A umfassenden Ketten
einfach als „die Kette von A“ bezeichnet wird. Ist nun e ein
Element, welches bei der Abbildung des (unendlichen) Systems S
auf den Teil S' nicht selbst als Bild erscheint, also in S' nicht
vorkommt, so heifit die Kette N dieses Elementes e ein „ einfach
unendliches System“ und hat die Eigenschaft, dad jedes Teil*
system JV 0 von N, welches das „Grundelement“ e und mit jedem
seiner Elemente n auch dessen Bild n' enthalt, mit N identisch
sein mufi. Jedes solche einfach unendliche System N reprasentiert
rein formal, d. h. ohne Riicksicht auf die besondere Beschaffenheit
der Elemente betrachtet, die Reihe der natiirlichen Ordnungs-
zahlen, in welcher das Grundelement 1 und als Bild jedes Ele-
mentes n das „nachstfolgende“ n' = n + 1 erscheint, wobei die
definierende Ketteneigenschaft als „Gesetz der vollstandigen In-
duktion" das bekannte Schlufiverfahren von n auf n + 1 gestattet.
Von zwei verschiedenen Elementen a, b eines Systems N wird ge-
zeigt, dafi entweder a in der Kette von b' oder b in der Kette
Eichard Dedekind.
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yon a' enthalten ist } und je nachdem dies odes jenes gilt, schreiben
wir im Falle der Zahlenreihe einfach a<b oder a >6. In dieser
Bezeichnung lassen sich die bekannten Eigenschaften der Grofien-
beziehung als giiltig nachweisen, insbesondere das Gesetz der
„Transitivitat“ (aus a < b und b < c folgt a < c), sowie auch die
Tatsache, dafi jedes beliebige Teilsystem von Zahlen eine kleinste
enthalt. Der Beweis eines allgemeinen Existenzsatzes iiber die
x definition darch Induktion a gestattet es nun, auch die arith-
metischen Grundoperationen durch besonders charakterisierte neue
Abbildungen der Zahlenreihe in sich einzufiihren. So wird die
„ Addition “ m — a + n definiert durch die Postulate
a + 1 = a ' und a + n ' = (a + w)' fiir jedes n,
die „Multiplikation a m — a. n durch die folgenden
a . 1 = a und a . n f — a . n + d,
sowie schliefilich die „Potenzierung“ m = a n durch
a 1 — a und a n = a n . a.
Mit Hilfe der vollstandigen Induktion konnen dann aus diesen
definierenden Eigenschaften die weiteren arithmetischeu Gesetze
der natiirlichen Zahlen abgeleitet werden.
Der TJbergang von den bisher betrachteten „Ordnungszahlen a
zu den „ Cardinalzahlen a erfolgt zum Schlusse durch den Beweis
des Satzes, dafi jedes „endliche“ (d. h. nicht unendliche) System E
auf einen Abschnitt Z n der Zahlenreihe, welcher alle Zahlen
umfafit, ahnlich abgebildet werden kann, wobei dann das ent-
sprechende n einfach als die dem System E zukommende „Anzahl“
bezeichnet wird. Dagegen enthalt ein unendliches System E von
jedem beliebigen Z n einen ahnlichen Bestandteil E n . Zum Schlufi
werden noch einige Satze fiber endliche Systeme bewiesen, darunter
der Satz, dafi ein aus endlich vielen endlichen Systemen zusammen-
gesetztes System wieder endlich ist.
In der Einleitung sagt Dedekind: „Diese Schrift kann Jeder
verstehen, welcher Das besitzt, was man den gesunden Menschen-
verstand nennt ; philosophische oder mathematische Schulkenntnisse
sind dazu nicht im Geringsten erforderlich. Aber ich weifi sehr
wohl, dafi gar Mancher in den schattenhaften Gestalten, die ich
ihm vorffihre, seine Zahlen, die ihn als treue und vertraute Freunde
durch das ganze Leben begleitet haben, kaum wiedererkennen mag;
er wird durch die lange, der Besehaffenheit unseres Treppen-Ver-
standes entsprechende Reihe von einfachen Schliissen, durch die
nfichterne Zergliederung der Gedankenreihen, auf denen die Ge-
58
E. Landau
setze der Zahlen beruhen, abgeschreckt und ungeduldig dariiber
werden, Beweise far Wahrheiten verfolgen zn sollen, die ihm
mach seiner vermeintlichen inneren Anschauung yon vornherein
einleuchtend nnd gewiB erscheinen. Icb erblicke dagegen gerade
in der Moglichkeit, solche Wahrheiten auf andere, einfachere
zurucbzufuhren, mag die Reihe der Schliisse noch so lang nnd
scheinbar kiinstlich sein, einen iiberzeugenden Beweis dafiir, dafi
ihr Besitz oder der Glanbe an sie niemals nnmittelbar dutch
itmere Anschaunng gegeben, sondern immer nnr dnrch eine mehr
oder weniger vollstandige Wiederholung der einzelnen Schliisse
erworben ist‘ v .
4. In diesen beiden erstgenannten Schriften hat Dedekind
den vorhandenen Wissensschatz durch Sicherung der Fundamente
gestarkt nnd nen erworben. Alle anderen Leistnngen gehen nach
der Richtung der iiblichen mathematischen Produktion, weiter zn
banen und nnerledigte Probleme zn losen. TJnd damit komme ich
zn seiner Hauptleistung, die dnrch sein drittes Bnch eingeleitet
wurde, d. h. seinen Anteil an Diri chlets Vorlesnngen iiber Zahlen-
theorie (10, italienisehe Tiber setzung 23, Selbstanzeigen 11, 12 nnd
franzosischer Anszng 17). Hier begrhndete er 1871 die Theorie
der algebraischen Zahlkorper, indem er die schier hoffnungslose
Schwierigkeit liberwand, an der seine Vorganger gescheitert waren.
Er brachte Licht in ein finsteres Dunbel, Ordnnng in ein Chaos,
nnd seine hier geschaffenen Methoden iibten in der Edge anch bei
ganz anderen arithmetischen nnd algebraischen Problemen ihren
frnchtbaren Einflnfi ans. Dedekind fand yor: die Tatsache,
dafi es im Grebiete der sogenannten ganzen Zahlen eines alge-
braischen Korpers keine eindentige Zerlegnng in Primfaktoren
gibt, und Rummers bedeutende, auf spezielle Korper, die Kreis-
teilnngskorper, beziigliche Leistung, durch Einfiihrnng sogenannter
idealer, nicht existierender Zahlen die Eindentigkeit wiederher-
znstellen. Und es gelang dem Scharfsirm Dedebinds, aus~
nahmslos fur alle algebraischen Zahlkorper das Problem zn losen
nnd zwar auf einem Wege , der anch im Kummerschen Fall vor
dessen Methode bereits dadurch den Vorzug verdient, dab Dede-
kinds Ideale wirklich yorhandene, sogar im Korper vorhandene
Dinge sind, namlich Mengen yon nnendlich vielen ganzen Zahlen
des Korpers.
Elf Jahre spater hat Kronecker anf anderem (yon ihm
yorher nicht pnblizierten) Wege, ohne den Dedekindschen Ideal-
begriff nnd dafiir dnrch Heranziehung des fremdartigen Elementes
der Funktionen von Unbestimmten dasselbe Ziel erreicht. Andere
Richard Dedekind.
59
Forscker, vor allem Herr Hnrwitz auf zwei versckiedenen Wegen,
kaben, in Dedekinds Begriffskreis verbleibend, denBeweis seines
Eindeutigkeitssatzes yereinfacht. In einer modernen Yorlesung,
die in moglickst kurzer Zeit liickenlos zu den Hauptresnltaten
fiibren will, wird die Dedekindseke Definition kaum nock zu
Q-rnnde gelegt. Sie lautet : ein System von unendlick yielen ganzen
Zaklen des Korpers keifit Ideal, wenn erstens die Sn.rn.me nnd
Differenz zweier Zaklen des Systems ikm wieder angehort; zweitens
das Prodnkt jeder ganzen Zakl des Korpers mit jeder Zakl des
Systems diesem angekort. Sondern man definiert kente — indem
man spater die Identitat beider Definitionen zeigt oder auek nickt
zn zeigen brauckt — das Ideal als den Wertevorrat einer komo-
genen Linearform, in der die Koefflzienten feste , die Yariabeln
beliebige ganze Zaklen des Korpers sind. Ick kabe diese beiden
Definitionen gegenubergestellt nnd kabe oben die M6ray-Can-
torseke Fundamentalreike neben dem Dedekindscken Scknitt
genannt, damit Sie Dedekinds Denkweise nnd, iek moekte sagen,
seinen sckopferiscken Stil erkennen, den er selbst in einer mehr
kistoriscken Sckrift (32) mit den Worten ckarakterisiert kat (das
lateiniscke Zitat ist von GrauB nnd beziekt sick anf den Wil-
sonscken Satz, eine sekr einfacke Tatsacke ans der elementaren
Zaklentkeorie, die yon Waring okne Beweis publiziert wurde):
„Sed neuter demonstrare potnit, et cel. Waring fatetnr demon-
strationem eo difldciliorem yideri, quod nulla notatio fingi possit,
qnae numerum primum exprimat. — At nostro quidem judicio kn-
jusmodi veritates ex notionibus potins quam ex notationibus kau-
riri debebant. — In diesen letzten Worten liegt, wenn sie im
allgemeinsten Sinne genommen werden, der Ausspruch eines grofien
wissenschaftlichen Gredankens, die Entscheidnng fiir das Innerlicke
im Gregensatze zu dem AeuBerlicken a . Und darum gab Dede-
kind seiner langeren Begriindnng der Idealtheorie den Yorzug
vor der kiirzeren (ersten) Hnrwitz scken. Fiir Vorlesungs-
zwecke wird die Hurwitzsche die bequemste bleiben, okgleick
sie oder weil sie die lange Kette der Dedekindscken klassiscken
Begriffe und Satze iiber Permutationen eines Korpers, Modnln,
Moduln nten Ranges und manckes andere umgekt.
Nun ist Dedekinds Idealtkeorie nickt mit dem Eindentig-
keitssatz von der Zerlegung der Ideale in Primideale ersckopft ;
diese Sckwelle des Grebaudes war allerdings von betracktlicker
Breite. Wir wollen jetzt das Grebaude betreten und von den
kerrlicken Sckatzen, die Dedekind uns kierin sckon in seinem
Supplement von Diricklets Zaklentkeorie gezeigt und gescbenkt
60
E. Landau,
hat, nur zwei hervorheben. Erstens die Tatsache, daB es im Ge-
biete aller ganzen algebraischen Zablen (nicht bloB der eines
Korpers) zu zweien eine ganze algebraische Zahl als groBten
gemeinsamen Teiler gibt , d. h. einen gemeinsamen Teiler, der
durch jeden gemeinsamen Teiler teilbar ist; einen direkten
Beweis dieses Satzes hat erst spater Herr Hurwitz gefnnden
nnd damit ein Desideratum Dedekinds am SchluB des Vor-
worts der vierten Auflage yon Dirichlets Zahlentheorie erfiillt
(vgl. Gottinger Nachrichten, Jahrgang 1895, S. 329). Zweitens
Dedekinds Naehweis, daB die Anzahl der Klassen aquivalenter
Ideale stets endlich ist (was dann Herr Hurwitz auch direkt
bewies) und durch einen Limesausdruck yon ahnlicher Bauart
dargestellt werden kann, wie im Spezialfall des quadratischen
Korpers sich durch TJbertragung yon Dirichlets Theorie der
quadratischen Formen in die neue Sprache ergibt. Die weitere
Transformation jenes Ausdrucks in eine Formel yon der Ge-
stalt des Dirichletschen Endergebnisses ist allerdings fiir die
allgemeinen Korper bis heute nicht gelun gen. IJberhaupt war
die alte Theorie der quadratischen Formen der Ausgangspunkt
von Dedekinds Idealtheorie. Bei deren erstmaliger Publikation
steht sie noch in dem Supplement, das den Titel trug: „Ueber die
Composition der binaren quadratischen Formen"; und die Theorie
der Multiplikation der Idealklassen eines Korpers laBt sich als
Komposition gewisser Klassen yon zerlegbaren Formen nten Grades
mit n Variabeln interpretieren. Es ist bemerkenswert, daB auch
im allgemeinen Fall eine altere IJntersuchung Dirichlets in
Dedekinds Korpertheorie Platz findet, der Satz yon der Exi-
stenz der Fundamentaleinheiten im Gebiet aller ganzen Zahlen
eines Korpers und allgemeiner einer sogenannten Ordnung, heute
nach Herrn Hilbert Zahlring genannt. Ist dieser Ring das
System aller ganzen Zahlen eines quadratischen Korpers, so ent-
sprechen die zugehorigen Ideale den quadratischen Formen einer
Fundamentaldiskriminante; der beliebige Ring wurde eingefiihrt,
um das Analogon zu den quadratischen Formen einer beliebigen
Diskriminante zu haben.
5. GauB , hundertster Geburtstag konnte von der Braun-
schweiger Hochschule nicht schoner gefeiert werden als durch die
Publikation einer Festschrift, die nur aus einer Abhandlung De de-
kinds ( 18 ) bestand — ich komme hiermit zu seinen spateren Ar-
beiten iiber Zahlkorper nach Begriindung dieser Theorie im Supple-
ment bei Dirichlet — in der er fiir alle Korper das Analogon
zur Gaufi-Dirichletschen Beziehung zwischen den Klassen-
Bichard Dedekind.
61
zahlen der quadratischen Eormen von gleicher Determinante, aber
verschiedener Ordnung rein arithmetisch entwickelte.
De dekinds Bestimmung der Anzahl der Idealblassen eines
Korpers beruhte zunachst auf dem Begriff der Norm eines Ideals;
das ist eine positive ganze rationale Zahl, namlich die groBt-
mogliche Anzahl solcher ganzer Zahlen des Korpers, daB keine
zwei ihre Differenz im Ideal haben. Diese Normfnnktion genugt
dem tiefliegenden Multiplikationsgesetz, daB die Norm eines Pro-
duktes gleich dem Produkt der Normen ist, und nnn bewies Dede-
kind (sehon im Supplement zu Dirichlet) vor allem den Satz,
daB die Anzahl der Ideale einer Klasse, deren Norm :£ x ist,
dnrch x dividiert bei wachsendem x fiir jede Klasse einer endliehen
positiven Grrenze a zustrebt, wo a obendrein von der Klasse un-
abhangig ist; man sagt kuxz: die Anzahl ist asymptotisch gleich ax.
B. Weber konnte aus der D e d e k i nil schen Beweismethode
unschwer schliefien, daB sogar die Differenz der Anzahl von ax
nnr von der Ordnung x n ist, wo n den Korpergrad bezeichnet.
Dieser arithmetische Apparat genligte mir, nm 1903 mit alteren
nnd nen hinzngefiigten analytischen Methoden zn beweisen, daB
die Anzahl der Primideale, deren Norm ^ x ist, in jedem alge-
braischen Korper asymptotisch gleich
x
log#
ist , also fur alle
Korper asymptotisch gleich. Aus dem Dedekind- Weber schen
Satz folgte namlich leicht, daB die einem beliebigen algebraischen
Zahlkorper entsprechende Zetafunktion (die fiir den gewohnlichen
Korper der rational en Zahlen die Biemannsche ist), welche zn-
nachst nur in einer Halbebene defmiert ist, liber den Band fort-
setzbar ist; das war mein Ausgangspunkt. Aber Dedekind bat
leider nicht mehr erlebt, daB die Portsetzbarkeit seiner Zetafunktion
in der ganzen Ebene dnrch die vor einigen Monaten dieser Gresell-
schaft vorgelegte Arbeit von Herrn He eke bewiesen wnrde; eine
Entdecknng, deren Tragwexte man nm so hoher schatzt, je tiefer
man in Dedekinds Lebenswerk eingedrungen ist.
Nnn knrz zn alien iibrigen Dedekind seben Arbeiten auf
s einem Hauptgebiet. Wie unermefiliche Schwierigkeiten er zn
iiberwinden hatte, geht ans der Geschichte seiner Entdecknng
des Satzes hervor, daB nnr endlich viele Primzahlen durch ein
Primidealquadrat teilbar sind, namlich die nnd nnr die, die in der
sogenannten Grnndzahl (oder Diskriminante) A des Korpers auf-
gehen. Das konnte er Jeicht fiir alle Primzahlen p nachweisen,
zn denen es eine ganze Zahl ca des Korpers gibt, so daB der
62
E. Landau,
Quotient der Diskriminante von 1, , co n ~* durch J kein Multi-
plum yon p ist. Nach vergeblichen Versuchen zu heweisen, dafi
zu jedem p ein solckes co gefunden werden kann, entdeckte er,
daB das Gegenteil wahr ist, und muBte (20) Hilfsmittel yon ge-
waltiger Kraft hervorzaubern, ton den genannten Satz iiber die
Diskriminante doch zu beweisen* Waren , jene bosen Ausnahme-
Primzahlen nicht gewesen, so hatte Dedekind seine gauze Ideal-
tkeorie an die Theorie der hoheren Kongruenzen anlehnen konnen,
die er in einer seiner friihesten Arbeiten (6) wesentlich gefordert
katte. Bis auf jene Ausnahme-Primzahlen gilt in jedem Korper
nach De dekind der Satz: Die irreduzible Gleichung, welcher eine
im obigen Sinn zugekorige Zahl co geniigt, zerfallt modulo p in
ebenso viele irreduzible Punktionen der gleichen Grade und der
gleichen Vielfachheit, wie die Primzabl p in Primideale gewisser
Grade und gewisser Vielfachheit zerfallt; aucb lassen sick diese
Primideale leickt mit Hilfe jener Primfunktionen explicite auf-
sckreiben. In einer spateren Arbeit (25) ist er nock tiefer in die
Zerlegung der Grundzahl des Korpers eingedrungen ; das Eesultat
dieser klassischen Abkandlung ist, daB der absolute Betrag der
Grundzahl die Norm eines bestimmten Ideals ist, das er Grund-
ideal nennt und dessen Zusammensetzung er tiefer erforscht. Bin
kierbei yorkommendes Nebenresultat, das spater Herr Hilbert
und Landsberg unabhangig wieder entdeckt haben („das Pro-
dukt eines Moduls nten Eanges und seines komplementaren ist
yom Modul unabhangig und zwar das reziproke Grundideal", d. i.
das Analogon zum Eiemann-Eochschen Satz), ist die wesent-
licke, aber auck die einzige Tiber die Bundamentalsatze kinaus-
gehende aritkmetiscke Stiitze der Heckescken analytischen Unter-
suchung.
In einer anderen Arbeit (29) gelangte er unabhangig zu dem
sckon in anderem Gewande durch Kronecker bekannt gewesenen
erweiterten GauBschen Satz, der auck in der ersten Arbeit yon
Herrn Hurwitz als Bundament der Idealtheorie auftritt, indem
er der einzige Hilfssatz ist, dessen Beweis mekr als einige Zeilen
erfordert.
Aber die wirklicken Zerlegungsgesetze der Primzaklen in
Primideale sind fur einen beliebigen Korper immer nock wenig
bekannt; z. B. beweist Dedekind in einer seiner letzten Ar-
beiten (38) eine von ihm fiir alle kubischen Korper vor Jahr-
zenten ausgesprockene Vermutung nur fur reine kubische Korper.
Andere spezielle TJntersuchungen stellte er (33, 35, 39) iiber
die Tkeorie der Moduln und damit zusammenhangende Pragen an.
Kickard Dedekind.
63
Ferner hat er dem Korper aller algebraischen Zahlen (der kein
ondlicher algebraischer Zahlkorper ist) eine Abhandlung (40) in
■der Festschrift zum 150jahrigen Bestehen nnserer Gesellschaft
im Jahre 1901 gewidmet; es gelang ihm, abgesehen yon den selbst-
verstandlichen noch andere Permutationen dieses Korpers zu findeh
und damit eine Grundlage fiir die Galoissche Theorie nnendlicher
Korper zu geben; Permutationen sind Abbildungen, bei denen das
Bild von Summe, Differenz, Produkt, Quotient gleich Summe usw.
der Bilder ist. Die entsprechende Frage fiir den Korper aller reellen
■oder aller komplexen Zahlen hat er nicht gelost; er sagt: „Nach
einigen vergeblichen Versuchen, hieriiber Gewissheit zu erlangen,
babe ich diese Untersuchung aufgegeben; urn so mehr wiirde es
mich erfreuen, wenn ein anderer Mathematiker mir eine ent-
scheidende Antwort auf die Frage mittheilen wollte“. Erst im
letzten Hefte der mathematischen Annalen ist unter Benutzung
des Cantor schen Begriffs der "Wohlordnung, nachdem schon Herr
Lebesgue und Herr Ostrowski auf diesem Wege nicht tri-
viale Permutationen angegeben und damit eine Dedekindsche
Vermutung widerlegt hatten, die Frage der Auffindung aller Per-
mutationen erledigt worden. Allerdings wird hier zu Unrecht mir
die Problemstellung zugeschrieben ; ich hatte nur die alte Dede-
kindsche Frage der Verfasserin, FrauleinE. Noether, yorgelegt.
Die Entwicklung der Idealtheorie in den Arbeiten der spa-
teren Gelehrten erforschte tiefer insbesondere die Theorie der
Kelativborper ; das sind nicht spezielle Korper, sondern jeder al-
gebraische Korper wird in Bezug auf einen beliebigen IJnterkorper
statt bloB in Bezug auf den Korper der rationalen Zahlen be-
trachtet. Hier ist Herr Hilbert und unter dessen Schiilern ins-
besondere Herr Furtwangler weit iiber Dedekind hinaus-
gekommen. Herr Hilbert insbesondere in seinem meisterhaften
„Bericht iiber die Theorie der algebraischen Zahlkorper vom
Jahr 1897 und mehreren daran anschliefienden Arbeiten; Herr
Furtwangler, indem er durch Fortfiihrung der Hilbert schen
Bahnen die Existenz des Klassenkorpers eines beliebigen alge-
braischen Korpers bewies; d. i. eines relativ- Abel schen un~
yerzweigten Oberkorpers, dessen Kelativgruppe mit der Gruppe
der Idealklassen des Grundkorpers isomorph ist. Aber auch in
der Theorie der Kelativkorper hat Dedekind (31), an eine Hil-
bert sche Abhandlung vor dem Zahlbericht ankniipfend, eine kurze
Note veroffentlicht, in der er aus einem alteren Brief vom Jahr
1882 einige Gesetze insbesondere iiber Galoissche Korper und
ihre Teiler, zu denen ja alle Korper gekoren, seinerseits bekannt
64
E. Landau,
gibt; deutlich die Schranke bezeicknend, jenseits derer er von
Herrn Hilbert zu lernen hatte.
Zum Schlufi dieses Abschnittes sei noch eine iiber den bloBen
Rahmen eines Referates weit hinansgebende Anzeige (14) des
Bacbmannscben Werkes liber Kreisteilung bervorgeboben, die
zwischen den Zeilen zeigt, wie er ans der Tiefe scbopfend sicb
die Anordnnng des Stoffes nnd seine Einordnung in seine eben
erst erschienene allgemeine Korpertheorie gedacbt batte. Eine
spatere Note (21) iiber Kreisteilung ist von ahnlicher Tendenz.
Icb spracb viel iiber Dedekinds Hauptgebiet und werde
micb im Rest meiner Rede verhaltnismaBig kurz fassen konnen;
aber icb mochte Sie gleicb vor der unrichtigen Vorstellung be-
bitten, als ob die Tbeorie der algebraischen Zahlen und Ideale
Gremeingut der Mathematiker geworden sei. Der von Dedekind
in diese Saat gelegte Keim trug Priicbte nur fiir eine kleine Schar
von Eorscbera und von Lernenden und fast nur in Deutschland.
Und nur an wenigen deutschen Universitaten sind Vorlesungen
dariiber gehalten worden. Herr B a cbm ann, Herr Hilbert,
Herr Hllrwitz, Minkowski und H. Weber sind es vor
alien, deren Publikationen die Yerbreitung und Yertiefung des
Stoffes zu danken ist; bemerkenswert sind auch die neuen Mittel,
dnrcb die Herr Hen sei seine Tbeorie der algebraiscben Zablen
begriindet hat. An dem verhaltnismaBig geringen Interesse der
Zeitgenossen fiir die Zahlentheorie nmB es gelegen baben, dab die
Anzabl der Akademieen, die De dekind zum Mitglied erwahlten,
so Hein war.
6. Im analogen Grebiete der algebraiscben Eunktionen ist in
einer groBen Arbeit (24), die Dedekind und H. Weber ge-
meinsam verfafiten, das Parallelgebaude zur Idealtbeorie errichtet
worden; aber bier war mancbes einfacher als in der Zahlentheorie:
insbesondere tritt ein Analogon zu den Ausnahme - Primzahlen
nicht auf.
Der elementaren Zahlentheorie hat Dedekind nur wenige
Abhandlungen gewidmet; neben der schon genannten iiber hohere
Kongruenzen ist ein einfacherer Beweis (7) des Kr onecker schen
Satzes zu erwahnen, daB die Grleichung der primitiven nten Ein-
heitswurzeln irreduzibel ist. Im Dirichlet -Bande des Crelle-
schen Journals setzte er (44) eine Untersuchung von GrauB
iiber hinare Eormen fort. In seiner allerletzten Arbeit (47)
vom Jahre 1912 behandelt er das gewohnliche quadratiscbe Rezi-
prozitatsgesetz ; eine Comptes rendus-Note (22), auch aus der
Theorie der quadraiischen Reste, zeigt den sanften und milden
Richard Dedekind. 65
Mann dort, wo er provoziert war, auck als einen sckarfen Anti-
Kritiker.
Zu erwaknen sind nock : Zwei Arbeiten iiber kyperkomplexe
Zaklen (26, 27) in nnseren Nackrickten, in denen er abweickend
yon der kerrsckenden AufFassung die GauBscke Frage beant-
wortet, „warum die Relationen zwiscken Dingen, die eine Mannig-
faltigbeit yon mekr als zwei Dimensionen darbieten, nickt nock
andere in der allgemeinen Aritkmetik zulassige Arten yon GroBen
[wie die zweigliedrigen komplexen Zaklen] liefern konnen“. Eine
Arbeit ans der Gruppentkeorie (34), in der er eine ersckopfende
Ubersickt iiber alle Gruppen gewinnt, deren samtlicke Teiler
Normalteiler sind, mit einem verblliffend einfacken und eleganten
Eesultat. Eine Arbeit (30, franzosiscke TJbersetzung 36) iiber
die Hnmoglickkeit, gewisse Eigensckaften der algebraiscken Glek
cknngen auf Potenzreihen mit rationalen Koeffizienten zn iiber-
tragen, die sick allerdings mit einer knrz zuyor ersckienenen Ar-
beit von Herrn Hurwitz begegnet. Eine wicktige Arbeit (19)
iiber elliptische Modulfnnktionen, wo so reckt der Zahlentkeoretiker
durck seine ITbertragung des Aquivalenzbegriffes auf Gebiete der
komplexen Ebene zur Geltung kam; diese Arbeit, in der er die
Tradition von GauB und Riemann fortsetzte, kat auck keute
nock einen wicktigen Platz als Vorlaufer der in den Harden von
Poincar6 und Herrn Klein so groB gewordenen Tkeorie der
automorphen Funktionen, deren Gesamtdarstellung man Herrn
Fricke, De dekinds Spezialkollegen , verdankt. Nock eine
kleine Abkandlung (2) iiber die Gammafunktion im AnsekluB an
die Doktorarbeit, einige kleinere matkematiscke Mitteilungen (8)
in der Zliricker Vierteljakrsschrift aus der Zeit seiner dortigen
Tatigkeit. Eine geometriscke Note (5) aus der Jugendzeit iiber
Koordinatensysteme. Eine Note (4) aus jener Zeit iiber Wahr-
sckeinlickkeitsrecknung. Aus den Anwendungen der Matkematik
nur zwei Kleinigkeiten, ein Zusatz (9) zu einer yon ihm keraus-
gegebenen Abkandlung Diricklets iiber Hydrodynamik und aus
der Gottinger Zeit eine mit Henneberg gemeinsam verfaBte
Arbeit (3) liber die Zeitverkaltnisse beim Pfliigen von Acker-
stlicken.
Als besonders wicktig und fur die Wissenschaft wertvoll ist
seine imVerein mit H. Weber geleistete Herausgabe der Werke
von Riemann (15, franzosiscke Ubersetzung 37, Selbstanzeige 16)
zu erwaknen, aus dessen NacklaB er sckon friiker einiges publi-
ziert katte, und einzelne Bemerkungen bei der Herausgabe der
Werke yon GauB, Diricklet und Fucks.
Nac&ricliten gescla&ftl. Mitteilxmgen 1917. 1.
5
66
E. Landau
Ich muBte mir bei vielen Gredanken Dedekinds versagen, ihren
EinfluB auf die Entwicklung unserer Wissenschaft ausfiihrlicher
zu schildern, als der kurzen Zeit einer solchen Gredenkrede ent-
spricht. Und ich habe so yiel von der Sache gesprochen, daB die
Personlichkeit Dedekinds und sein Leben nnd Wirken in seiner
arbeitsfreien Zeit ganz zurdcktrat ; doch entspricht dies wohl
seinem schlichten Sinne. Die GrroBe seines Lebenswerkes wird
Ihnen alien nach dem, was diese kurze nnd fliichtige Skizze sagen
konnte, dentlicb geworden sein. Wir konnen stolz sein, daB es
ein deutscher Grelehrter war, dem die Welt all das verdankt, und
daB wir seiner Zugehorigkeit zu unserem engeren Kreise uns
ruhmen durften.
Verzeichnis der Schriften Dedekinds.
1. Tiber die Elemente der Theorie der Euler' schen Integrate.
Inauguraldissertation, 28 S. Gottingen; 1852.
2. Tiber ein Euler^ehes Integral . Journal fiir die reine und
angewandte Mathematik, Bd. 45, S. 370 — 874; 1853.
£. (Mit W. Henneberg) TJeber die Zeitverhaltnisse beim Pfliigen
von Ackerstucken (Beeten) verschiedener Gestalt. Journal fur
Landwirthschaft, Bd. 1, S. 198-217; 1853.
4. B enter Jcungen m einer Aufgabe der Wahrscheinliclikeitsrechmmg.
Journal fiir die reine und angewandte Mathematik, Bd. 50,
S. 268— 271; 1855.
5. Ein Sat# aus der Theorie der dreiaxigen Goordinatensystame .
Journal fiir die reine und angewandte Mathematik, Bd. 50,
S. 272— 275; 1855.
45. Abrif s einer Theorie der hohern Gongruenzen in Bezitg auf
einen reellen Primzahl-Modulus . Journal fiir die reine und
angewandte Mathematik, Bd. 54, S. 1 — 26 ; 1857.
7. Beweis fiir die Irreductibilitdt der Kreistheihmgs - Qleichmgen .
Journal fiir die reine und angewandte Mathematik, Bd. 54,
S. 27-30; 1857;
8* Mathematische Mittheihmgen. Yierteljahrsschrift der Natur-
forsehenden Gresellschaft in Zurich, Bd. 4, S. 346—365 und
Bd. 5, S. 66—88; 1859 und 1860.
*9. Zusatz zu der vorstehenden Abhandlung ( G . Lejeune Di -
richlet , Untersuchungen ilber ein Problem der Hydrodynamik) .
Journal fiir die reine und angewandte Mathematik, Bd. 58,
S. 217— 228; 1861.
Richard Dedekind.
67
10. Vorlesungen iiber Zahlentheorie von P. G. Lej enne Di-
ri chief. Herausgegeben und mit Zusdtzen versehen von
R* Dedekind . Braunschweig (Vieweg). a) 1. Anil. ; 1863.
h) 2. Aufl.; 1871. c) 3. Aufl.; 1879. d) 4. Aufl.; 1891.
11 . Anzeige der 1. Auflage von Dirichlets Vorlesungen iiber
Zahlentheorie . Gottingische gelehrte Anzeigen, Jahrgang
1864, S. 121—124.
12. Anzeige der 2. Auflage von D ir i chi et s Vorlesungen iiber
Zahlentheorie . Grottingische gelehrte Anzeigen, Jahrgang
1871, S. 1481—1494.
13. Stetigkeit und irrationale Zahlen . Braunschweig (Vieweg).
a) 1. Aufl. ; 1872. V) 2. Aufl. ; 1892. c) 3. Aufl. ; 1905. d) 4. Aufl.;
1912.
14. Anzeige von P. Bachmann , die Lehre von der Kreistheilung
und ihre JBeziehungen zur Zahlentheorie . Literaturzeitung der
Zeitschrift fur Mathematik nnd Physik, Bd. 18, S. 14 — 24;
1873.
15. (Mit H. Weber) B ernhard Riemann’ s gesammelte Werke
und ivissenschaftlicher Naehlass . Leipzig (Teubner). a) 1. Aufl. ;
1876. V) 2. Aufl.; 1892.
16. Anzeige der 1. Auflage von Riemanns gesammelten Werken.
Grottingische gelehrte Anzeigen, Jahrgang 1876, S. 961 — 965.
17. Sur la theorie des nombres entiers algebriques. Bulletin des
Sciences math4matiques et astronomiques , Ser. 1 , Bd. 11,
S. 278—288 und Ser. 2, Bd. 1, Teil 1, S. 17— 41, 69—92,
144—164, 207—248; 1876 und 1877.
18. Tiber die Anzahl der Ideal - Classen in den verschiedenen Ord~
nungen eines endlichen Korpers. Festschrift zur Saecularfeier
des Geburtstages yon Carl Friedrich Gauss dargebracht
vom Herzoglichen Collegium Carolinum zu Braunschweig,
55 S.; 1877.
19. Schreiben an Herrn B or chard t iiber die Theorie der elliptisehen
Modul-Functionen. Journal fur die reine und angewandte
Mathematik, Bd. 83, S. 265— 292; 1877.
20. TJeber den Zusammenhang zwischen der Theorie der Ideale und
der Theorie der hoheren Congruenzen . Abhandlungen der
Koniglichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Gottingen,
Bd. 23, 37 S. ; 1878.
21. Sur la theorie des nombres complexes ideaux . Comptes rendus
hebdomadaires des stances de PAcad&nie des Sciences, Paris,
Bd. 90, S. 1205—1207; 1880.
5 *
gg E. Landau,
22. Beponse a une remarque de M. Sylvester concernant les Logons
sur la Theorie des nombres de Dirichlet. Comptes rendus heb-
domadaires des stances de l’Acad&mie des Sciences, Paris,
Bd. 91, S. 154— 156; 1880.
23. Lezioni sidla teoria del numeri di P. G. Lejeune Di-
richlet. Publlicate e corredate di appendici da B. Dedehind .
(Ubersetzung von 10c, verfafit von A. Faifofer.) Venedig
(Tipografia Emiliana); 1881.
24. (Mit H. Weber) Theorie der algebraischen Functionen einer
Vertinderlichen . Journal fur die reine und angewandte Mathe-
matik, Bd. 92, S, 181—290; 1882.
25. Tiber die Discriminanten endlicher Korper. Abbandlungen der
Koniglichen Gesellschaft der Wissenscbaften zu Gottingen,
Bd. 29, 56 S.; 1882.
26. Zur Theorie der aus n Eaupteinheiten gebildeten complexen
GrtiJSen. Nachrichten von der KonigL Gesellsclaaft der
Wissenscbaften und der Georg- Augusts-Universitat zu Got-
tingen, - * Jahrgang 1885, S. 141—159.
27. Frliiuter ungen zur Theorie der sogen . allgemeinen complexen
GroJSen. Nachrichten von der KonigL Gesellschaft der
Wissenscbaften und der Georg- Augnsts-TJniversitat zu Got-
tingen, Jabrgang 1887, S. 1 — 7.
28. Was sind und was sollen die Zalilen? Braunschweig (Vieweg).
a) 1. AufL; 1888. b) 2.Aufl. ; 1893. c) 3.Aufl.; 1911.
29. Tiber einen arithmetischen Sate von Gauji . Mittkeilungen der
Deutschen matbematischen Gesellschaft in Prag, S. 1 — 11.
Wien (Tempsky); 1892.
30. Ueber Gleichungen mit rationale n Goefficienten. Jabresbericbt
der Deutschen Mathematiker - Vereinigung, Bd. 1, S. 33 — 35;
1892.
31. Zur Theorie der Ideale . Nachrichten von der KonigL Gesell-
schaft der Wissenschaften zu Gottingen, mathematisch-phy-
sikalische Klasse, Jahrgang 1894, S. 272 — 277.
32. Ueber die Eegrundung der Idealtheorie. Nachrichten von der
KonigL Gesellschaft der Wissenschaften zu Gottingen, ma-
thematisch-physikalische Klasse, Jahrgang 1895, S. 106—113,
33. Ueber eine Eriveiterang des Symbols (a, b) in' der Theorie der
Moduln. Nachrichten von der KonigL Gesellschaft der Wis-
senschaften zu Gottingen, mathematiseh-physikalische Klasse,
Jahrgang 1895, S. 183—208.
34. Ueber Grnppen , deren sdmtliche Theiler Normaltheiler sincL
Mathematische Annalen, Bd. 48, S. 548—561 ; 1897.
Richard Dedekind.
69
35. ^ TJber Zerlegungen von Zahlen durch ihre grossten gemeinsamen
Teller . Fest-Schrift der Herzoglichen Technisclien Hochschule
Carolo-Wilhelmina , S. 1 — 40. Braunschweig (Vieweg); 1897.
36. Sur les equations a coefficients rationnels. (Ubersetzung von 30,
verfafit von L. Lang el.) Nouvelles Annales de Mathfimati-
ques, Ser. 3, Bd. 17, S. 201—204; 1898.
37. OEuvres mathematiques de Biemann. (Ubersetzung von 151),
verfafit von L. Laugel.) Paris (Grauthier-Villars) ; 1898.
38. TJeber die Anzahl der IdealMassen in reinen Imbischen Zahl -
Mr pern. Journal fur die reine und angewandte Mathematik,
Bd. 121, S, 40— 123; 1900.
39. TJeber die von drei Moduln erzeugte Dualgruppe . Mathematische
Annalen, Bd. 53, S. 371-403; 1900.
40. TJeber die Permutationen des Korpers alter algebraischen Zahlen.
Festschrift zur Feier des hundertfunfzigjahrigen Bestehens
der Koniglichen Gresellschaft der Wissenschaften zu Grottingen,
Abhandlungen der mathematisch-physikalischen Klasse, 17 S. ;
1901.
41. Gauss in seiner Vorlesung iiber die Methode der hleinsten
Quadrate. Festschrift zur Feier des hundertfiinfzigjahrigen
Bestehens der Koniglichen Gresellschaft der Wissenschaften
zu Grottingen, Beitrage zur Grelehrtengeschichte Grottingens,
S. 45—59 ; 1901.
42. Essays on the theory of numbers. I. Continuity and irrational
numbers. II. The nature and meaning of numbers. (Ubersetzungen
von 131) und 28b, verfafit von W. W. Beman.) Chicago
(The Open Court Publishing Co.), a) 1. Au£L; 1901. b) 2. Aufl. ;
1909.
43. Antwort auf das Schreiben der Berliner Mathematischen Gesell-
schaft. Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gresell-
schaft, Bd. 1, S. 34; 1902,
44. Tiber binare trilineare Formen und die Komposition der bindren
quadratischen Formen. Journal fur die reine und angewandte
Mathematik, Bd. 129, S. 1—34; 1905.
45. Was sind und was sollen die Zahlen ? (Russische Ubersetzung
von 28b, verfafit von N. N. Parf entjeff.) Nachrichten der
physiko-mathematischen Gresellschaft an der Kaiserlichen Uni-
versitat zu Kasan, Ser. 2, Bd. 15, S. 25 — 103 ; 1906.
46. Stetigkeit und irrationale Zahlen. (Russische Ubersetzung von
13c, verfafit von S. Schatunovsky.) Odessa (Mathesis).
a) 1. Aufl.; 1908. b) 2. Aufl.; 1909.
70 E. Landau, Richard Dedekind.
47. fiber den Zeller schen Beweis des quadratischen Beziprozitats-
gesetzes. Festschrift , Heinrich Weber zu seinem sieb-
zigsten G-eburtstag am 5. Marz 1912 gewidmet von Freunden
nnd Schiilem, S. 23 — 36. Leipzig und Berlin (Teubner);
19i2.
48. Giaglosd a liczby niewymierne. (TJbersetzung von 13d, verfafit
von St. Straszewicz.) W arschau (Mianowskische Stiftung);
1914.
Gaston Darboux
(1842—1917).
Yon
David Hilbert.
Tinier den Mannern, die im letzten Drittel des 19. Jahr-
hunderts der Entwickelung der Mathematik in Frankreich das
Geprage verliehen, hat, wenn auch Henri Poincar6 die glan-
zendste Erscheinnng war, doch Gaston Darboux eine nicht
minder fiihrende Eolle gespielt. Der Grand hierfiir liegt nicht
ausschlieBlich in seiner reichen wissenschaftlichen Produktion, son-
dern auch seine ausgezeichnete Laufbahn, sein organisatorisches
Talent, seine Lehrtatigkeit und gesammte Personlichkeit wirkten
dabei. wesentlich mit.
In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts war die Mathe-
matik in Frankreich ebenso wie in Deutschland aufierordentlich
spezialisiert. Chasles und Hermite waren neben Serret, Bou-
quet, Bonnet und Anderen die hervorragendsten Yertreter der
mathematischen Wissenschaft : Chasles als reiner Geometer, Her-
mite als reiner Analytiker. Darboux und der einige Jahre
alter e Camille Jordan waren es dann, die beide Seiten mit
ihren Ideen verkniipften und damit die Wege fiir die jiingere
Generation zu einer freieren Behandlung der mathematischen
Wissenschaft ebneten. Mit welchem Erfolge dies geschah und
schlieBlich in der Neuzeit fast zur TJmgestaltung der Wissenschaffc
fiihrte, schildert Darboux selbst auf dem internationalen Mathe-
matiker-KongreB 1908 in Bom, wo er den Charakter der Mathematik
des 19. und des 20. Jahrhunderts einander gegeniiberstellt. Wahrend
das 19. Jahrhundert wenigstens in seiner ersten Halfte sich be-
gniige, die Aufgaben der beiden vorangehenden Jahrhunderte zu
vollenden, offne im Gegenteil das 20. Jahrhundert der mathemati-
schen Forschung ganz neue Gesichtspunkte und vollig unerforschte
72
David Hilb ert,
Gebiete. „Nichts hemmt“, so fahrt Darboux in seiner Rede fort,
„die eifrigen und wissensdnrstigen Geister des 20. Jahrhunderts ;
ja sie scheuen sich nicht, selbst an den Grundpfeilern des mathe-
matiscben Gebaudes zu riitteln, das doch durch so yiele und seit
so langer Zeit fortgesetzte Arbeiten anf nnangreifbaren Grund-
lagen errichtet zu sein sehien. Und nicht zufrieden damit unsere
Wissenschaft in diejenigen Richtungen zu weisen, die sie fiir die
besten halten, pratendiren diese Geister von Grund aus neue und
zwar besonders exakte Beitrage zu jenem Teil der Philosophie zu
liefern, dessen Aufgabe es ist, den Ursprung, die Natur und die
Tragweite unserer Erkenntnis iiberhaupt zu untersuchen". Dar-
boux versichert noch ausdrlicklich, dafi er diese Tendenzen der
jiingeren Generation billige.
Darboux bestand im Herbst des Jahres 1861 als erster so-
wokl das Examen der 6cole Polytechnique als auch das der 6cole
Normale und entschied sich fiir letztere. Die Tatsache, daJ3 ein
so reich begabter Mann auf Degen und goldgestickten Mantel eines
Offiziers oder Staatsingenieurs yerzichtete und den beseheidenen
Titel eines Professors sowie die weniger angesehenen Funktionen
des' Lehrberufs yorzog, war noch nie vorgekommen und erweckte
allgemeines Staunen; der damals beriihmte franzosische Gothe-
Forscher J. J. Weifi veroffentlichte einen Artikel hieriiber im
Journal des D6bats (20. November 1861) — dieser Kritiker hielt
es offenbar des Aufhebens fiir alle Zeit wert, dafi so etwas auf
diesem Planeten wenigstens einmal nachweislich passiert ist. Uber-
haupt wurde Darboux, der aus kleinen Vei’haltnissen stammte
nnd seinen Vater friihzeitig verloren hatte, gleich anfangs yon
den einfiuikeichsten Pariser Gelehrten protegiert: sobald er 1861
die 6cole Normale absolviert hatte — aus diesem Jahre datiert
seine erste mathematische Publikation (sur les sections du tore) —
setzte Pasteur fiir ihn eine Assistentenstelle an der 4cole Nor-
male durch, die ihm die Abfassung einer Dissertation fiber Ortho-
gonalflachen ermoglichte. Als er dann sein Doktorexamen im Juli
1866 bei Chasles, Serret und Bouquet bestanden hatte, war
es nur zwei Jahre spater, dafi ihn Joseph Bertrand zum stell-
vertretenden Professor der mathematischen Physik am College de
France und zugleich Bouquet als Lehrer der hokeren Mathe-
matik am Gymnasium Lycee Louis le Grand ernennen lies. Seit-
dem hauften sich immer mehr Amter undEhren auf ihn; er starb
als secretaire perp6tuel de Pacad(5mie des sciences de Paris in der
Dienstwohnung des palais Mazarin. Korrespondierendes Mitglied
unserer Gesellschaft war er seit 1879, auswartiges Mitglied seit 1901.
Gaston Darboux.
73
Darboux war yon Natur und vor Allem Geometer — von
vornerein aber mit der Tendenz, moglichst an alle verschiedenen
Gebiete der Mathematik anzuknlipfen, diese geometriscb durch-
dringend und befruchtend. So kommt es, dafi gleich unter den
Arbeiten seiner Jugend drei nickt rein geometrische zu finden sind;
die erste, von Sopkus Lie sofort in ihrer Bedeutung erkannte
Abbandlung sur les Equations anx deriv4es partielles (Ann. ec.
Norm. VII, 1870) begriindet diejenige Integrationsmethode der
linearen partiellen Differentialgleichungen zweiter Ordnung, die
beute Darboux’s Namen tragt; diese Integrationsmethode ist
die konsequente Weiterfuhrung der Monge- Ampereschen Theorie,
in der aus der betracbteten Differentialgleichung eine Kette yon
Differentialgleichungen desselben Typus konstruiert wird mit der
Eigen schaft, dafi die Integration einer der Gleichungen der Kette
die der anderen zur Folge bat. Die beiden anderen Arbeiten sind
aus der Beschaftigung Darboux’s mit den Riemaan schen
Untersuchungen iiber trigonometrische Reihen hervorgegangen,
namlicb die Abbandlung sur la theorie des fonctions discontinues
(Ann. 4c. Norm. IV, 1875), in der das sogenannte Darbouxscbe
obere und untere Integral zuerst auftritt und die uberdies viele
Resultate der Tbeorie der reellen Eunktionen enthalt, die damals
WeierstraB in seinen Yorlesungen vortrug, aber nocb nicht
publiziert batte. Die letztere Arbeit batte fur die Einfubrung
der modernen Strenge in Erankreicb maJBgebenden EinfluB. Die
Abbandlung endlicb M4moire sur l’approximation des fonctions de
tr&s grands nombres (Journ. Liouy., 3 6 s4r., t. 4, 1875) ftibrt zu
gewissen Untersuchungen yon Laplace zurlick und verbindet sie
mit der Tbeorie der Fourier scben Reihen: es werden die Fou-
rier scben Koeffizienten einer reellen analytiscben Funktion mit
bekannten reellen Singular itaten abgeschatzt und dann das Re-
sultat auf die mannigfaltigsten fiir die Anwendungen wicbtigen
speziellen Funktionen angewandt. Poincar<5 bat diese Arbeit
Darboux’s oftmals z. B. bei der Absehatzung der boberen Glieder
der Storungsfunktion benutzt. Als ecbter Geometer zeigt sicb
Darboux in seiner Schrift Sur une class e remarquable de courbes
et surfaces alg4briques et sur la thiorie des imaginaires (Paris 1873).
Diese Schrift, in der Darboux die pentaspharischen Koordinaten
einfiihrt, bewegt sicb in dem Gedankenkreise der gleicbzeitigen
Untersuchungen yon Felix Klein und Sopbus Lie, mit denen
D ar b o ux in den Jabren 1869—70 auch in personlicben Beziebungen
stand.
Darboux hat in den Jabren 1873 1878 an der Sorbonne
74
David Hilbert,
Meehanik gelehrt. Aus dieser Zeit stammen eine Reihe von Unter-
suchungen auf diesem Gebiete. Dieselben sind meist als Noten
znr Meehanik von Despeyrous wieder abgedruckt worden; er-
wahnt seien die TJnter suchungen iiber die Axiome des Parallego-
gramms der Krafte, an die unter Anderen Schimmack in seiner
Gottinger Dissertation angekniipft hat, ferner die Behandlung ge-
wisser Gelenkmechanismen z. B. die auBerst elegante Realisierung
einer Ebenenfiihrung und endlich die Entdeckung einer Bewegung
des starren Korpers, in welcher alle Punkte Ellipsen beschreiben
und die zugleich die einzig mogliche Bewegung ist, bei der samt-
liche Punkte des Korpers ebene Kurven beschreiben, die nicht in
parallelen Ebenen liegen und durch das Gleiten des Korpers auf
einer Ebene realisiert werden konnen. Auch die tiefsinnige von
Darboux gefundene Losung des Problems die Plachen mit lauter
geschlossenen geodatischen Linien zu konstruieren, ist fur die
Meehanik von Bedeutung. Diese Darbouxsche IJntersuchung
bildet den Ausgangspunkt fur die beiden Gottinger Dissertationen
von Otto Zoll (1901) und von Paul Punk (1911).
Die Hauptleistungen von Darboux liegen auf dem Gebiete
der Flachentheorie. Hierbei wie bei semen anderen geometrischen
Untersuchungen benutzt er durchaus auch die analytische Pormel
und insbesondere das analytische Hulfsmittel des Koordinaten-
systems mit der Porderung jedoch, wie er selbst sagt, w daB die
Unter suchung stets belebt und inspiriert sein muB durch den geo-
metrischen Geist, der niemals aufhoren darf, anwesend zu sein“.
Die in der Flachentheorie gefundenen Resultate hat Darboux
in seinen Lemons sur les syst&mes orthogonaux und in seinem vier-
bandigen Werke Thdorie des surfaces zusammenfassend dargestellt.
Letzteres Werk ist nicht nur ein Standard- Werk fiir Plachentheorie
geworden, sondern zugleich ein Mittel zum Studium aller derjenigen
Disziplinen, die heute die wichtigste Rolle in der Mathematik spielen :
Meehanik, Yariationsrechnung, Theorie der partiellen Differential-
gleichungen, Invariantentheorie, und deren organischen Zusammen-
hang Niemand vorher tiefer erfaBt und klarer bezeichnet hat als
Darboux. Dieser TJmstand, dessen Bedeutung erst die neueste
Zeit — die Zeit der Entdeckung der Gravitationstheorie durch
Einstein — voll zu wiirdigen gelernt hat, brachte es mit sich, daB
Darboux’ s Theorie des surfaces ein ebenso notwendiges Inventar-
stiick der Bibliothek eines jeden Mathematikers geworden ist, wie
etwa der Cours d’Analyse von Camille Jordan, wiePicard’s
Trait6 d’ Analyse und Poincare’s M4canique celeste.
Der verdiente deutsche Flachentheoretiker Weingarten hat
Gaston Darboux,
75
seinerzeit in den Fortschritten der Mathematik (Bd. 19, 25, 29) die
beiden genannten Werke von Darboux ausfuhrlich und treffend
charakterisiert. Hier nauJS es geniigen, aus dem gewaltigen und reich-
baltigen Stoffe der Theorie des surfaces einzelne Partieen zu nennen :
Buck 1. Die kinematische Theorie der Kurven und Flachen
mit Benutzung des begleitenden Dreikants. Die Zuriickfiihrung
der ein- oder zweiparametrigen Bewegung eines starren Korpers
auf die Integration von Riccatischen Differentialgleichungen.
Buck 2. Die Theorie der pentaspharischen Koordinaten und
deren Anwendung auf die Theorie der allgemeinen Zykliden.
Buch 3. Die bis heute uniibertroffene Darstellung der Theorie
der Minimalflachen, in der zum ersten Mai die Resultate von M o n g e
einerseits, WeierstraB und Schwarz andererseits mit den Ideen
von Lie in organischen Zusammenhang gebracht worden sind,
Buch 4. Theorie der Greradenkongruenzen. Die Beziehung der
Brennflachen dieser Kongruenzen zu der Laplaceschen Trans-
formation der linearen partiellen Differentialgleichungen zweiter
Ordnung und die Verallgemeinerung der Methode, die Riemann
gelegentlich des Problems der Fortpflanzung der Schallwellen er-
sonnen hat.
Buch 5. Behandlung der Variationsrechnung.
Buch 6. Das klassische Kapitel iiber allerkiirzesten Linden
auf einer Flache, die zwei gegebene Punkte verbinden, sowie die
Begriffe der geodatischen Abbildung und der geodatischen Kriim-
mung.
Buch 7. Differentialparameter von Beltrami und die Satze
von Weingarten. Geometrie auf Flachen konstanter negativer
Krummung.
Buch 8. Unendlich kleine Deformation und spharische Ab-
bildung. Flachen mit ebenen Krummungslinien.
Zum SchluB gedenken wir noch kurz der grofien administra-
torischen und organisatorischen Fahigkeiten Darboux’s. Dar-
boux war zehn Jahre lang doyen de la faculty des sciences, er
hat als solcher den Ban der neuen Sorbonne unter den grofiten
Schwierigkeiten geleitet und wie kein Dekan vor ihm sich den
Dank der Fakultat erworben. Ferner hat er als Mitglied des con-
seil d’ instruction sup&rieure den mathematischen Unterricht neu
organisiert und viele der Ideen und Bestrebungen von Felix Klein
sind auf Darboux’s Anregungen zuriickzufiihren. Auch der in-
ternationalen Association der wissenschaftlichen Akademieen hat er
mit groBer Hingebung seine Arbeitskraft gewidmet.
Wilhelm Meyer.
Yon
Edward Schroder.
Wilhelm Meyer ans Speyer, der am 9. Marz nach langerem
Leiden gestorben ist, hat der Koniglichen Gesellschaft der Wissen-
schaften genau ein Vierteljahrhundert angehort, nnd er hat seit
dem Tage seines Eintritts in ihren Sitzungen and Schriften den
Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit nnd Mitteilnng ge-
funden. Er hat wie wenige das Ansehen nnserer Gesellschaft
gestiitzt in dem weiten Kreise der Kulturvolker, die seine reiche
nnd fmchtbare Gelehrsamkeit nmspannte. Und er hat nns die
Trene gehalten bis znm letzten Atemznge: auf dem Schreibtisch
in der Nahe seines Sterbebettes lagen die fur nns bestimmten
Manuskripte, seine Gedanken weilten bei nns, als ihn schon die
Eliigel des Todes nmsehatteten.
Wilhelm Meyer ist am 1. April 1845 in Speyer als Sohn kleiner
protestantischer Handwerksleute geboren. Die Eltern hatten spat
geheiratet, Wilhelm blieb ihr einziges Kind, nnd ihm gait all
ihre Liebe nnd Piirsorge, bald aueh ihr Stolz nnd ihre Hoff-
nnng. Denn der Knabe entwickelte sich zn einem tiichtigen
Schiller, dessen Eortschritte nnd Neigungen friih erkennen liefien,
er werde Philologie, klassische Philologie studieren. Der Unter-
richt am Gymnasium interressierte ihn vox allem in diesenEachern;
aber gewisse Anregnngen bot anch das bescheidene Elternhaus.
Vom Vater, dem Drechslermeister, lernte er den Respekt fllr
mannelle Geschicklichkeit nnd anch die Neigung sie gelegentlich
selbst zn ilben, bei der Mutter, die nebenher einen kleinen Alt-
handel betrieb, nmfingen ihn znerst die Reize des Antiquariats
nnd eine friihe Ahnnng yon dem Gluck des litterarischen Eundes.
Nach wohlbestandener Abgangspriifung bezog Meyer Ostern
Wilhelm Meyer,
77
1863 die Universitat Wurzburg, wo sich aber die Hoffnung durch
Urlichs personlich gefordert zu werden nicbt verwirklichte ; so
siedelte er nach zwei Semestern nach Miinchen iiber und hat hier
den Rest seiner Studienzeit verbracht, die er 1867 mit dem Staats-
examen abschloB. Seine Lehrer waren in erster Linie Spengel
und Halm, er ist aber weder in der Methode noch in der Wahl
der ‘ Arbeitsgebiete je von ihnen beeinfluht wor&en. Zur Promo-
tion fehlten ihm damals die Mittel, und spater war er zu stolz
urn sie naehzuholen: so ist er Herr Accessist und spater Herr
Sekretar Wilhelm Meyer geblieben bis zu seinem 40. Lebensjahre,
wo dem Gelehrten von Weltruf die philosophische Eakultat der
Universitat Erlangen mit einem eindrucksvollen Elogium die
Wiirde eines Ehrendoktors verlieh, ein Jahr eh er zu uns nach
Gottingen kam.
Die Studienzeit war ftir den vollig mittellosen hart und ent-
behrungsreich gewesen, die folgenden Jahre waren es nicht minder :
denn jetzt muBte der Hilfslehrer am Maximilians - Gymnasium die
greisen Eltern unterstiitzen. So setzte er das Privatstundengeben
noch durch Jahre fort, in Mlinehen wie spater in Rom, begann
aber daneben unter Halms Leitung auf der K. Hof- und Staats-
bibliothek bei der Katalogisierung lateinischer Handschriften zu
helfen. Ostern 1872 ward er mit der Aussicht auf feste An-
stellung nach Bayreuth versetzt, aber schon im Herbst nach
Miinchen zuriickgeholt, urn hier zur Fortsetzung der Katalogtatig-
keit beurlaubt zu werden. Im Herbst 1873, nachdem seine ersten
groBeren Arbeiten hei’ausgekommen waren, reiste er mit einetn
Staatsstipendium und einem gewaltigen Sack voll Plane nach
Italien, und dieser Aufenthalt im Siiden dehnte sich bis zum
Eriihjahr 1875 aus. Gegen Abschlufi der romischen Zeit erreichte
er sein Ziel eine recht hescheidene Anstellung an der Munchener
Bibliothek, und daran hielt er fest, auck als gleich darauf ein
lockender Ruf nach Greifswald kam; dort sollte er erster Biblio-
thekar mit der Aussicht auf die nachste freiwerdende Direktor-
stelle werden. DaB M. diesen aufierlich glfnzenden Ruf ablehnte,
geschah wohl nicht nur aus Treue gegen Halm und aus Liebe zu
Miinchen und seinen einzigartigen Schatzen, sondern auch weil er
sich nicht zum Verwaltungsbeamten berufen fiihlte. Ibn hat die
Bibliothek begliickt solange er sich ganz der ihm zusagenden Tatig-
keit widmen durfte, und zu dem hohen Ruhme der Monacensis,
dafi sie mit ihren eigenen Kraften ihren Handschriftenbestand
katalogisiert hat, hat Meyer das beste beigetragen: mit seiner
Gelehrsamkeit , seiner Gewissenhaftigkeit, seiner Arbeitskraft.
78
Edward Schroder,
Neben den Banden des Katalogs der lateinischen Handschriften
die er selbstandig fertigschaffte, verdankt ihm die Bibliothek nnd
verdanken ihm ihre Benntzer eine Unzahl wertvoller Funde, Fest-
stellungen nnd Verweise yom friihen Mittelalter bis in die An-
fange des Buchdrucks hinein.
Seit 1877 gehorte er der Kgl. Bayerischen Akademie der
Wissensehaften als Mitglied an, nnd welches Ansehens er sich
hier gleich von seinem Eintritt ab erfrente, geht darans hervor,
daB er schon 1879 die Festrede znm 120. Stiftnngstag (Calderons
Sibylle des Orients) hielt nnd im selben Jahre beanftragt wnrde,
die Gratnlationsschrift znm Jubilaum des dentschen Archaologischen
Institnts in Rom (Zwei antike Elfenbeintafeln der K. Staatsbiblio-
thek) abznfassen.
Im Jahre 1885 lehnte er einen Ruf als ord. Professor der
klassischen Philologie nach Kiel ab, im Jahre 1886 folgte er
<einem gleichen Rufe, der in der ehrenvollsten Form von Gottingen
an ihm erging. Es bleibt alle Zeit ein Ruhmeszeugnis fiir die phi-
losophische Fakultat der Georgia Angnsta, daB sie fiir den vierzig-
jahrigen Bibliothekar mit einem warmen nnd fast begeisterten
Lobsprnch anf seine gelehrten Arbeiten eine Professnr verlangte:
„Nach den Formen in welchen sich bei nns in Dentschland das
wissenschaftliche Leben abspielt, gehort ein Mann von solcher
Bedentnng an keinen andern Platz als anf den Lehrstuhl einer
Universitat".
Nicht alle Hoffnungen hat der Lehrer erfiillt die man dem
Gelehrten entgegen gebracht hatte. Im J. 1889 erhielt M. anf
seinen Wnnsch einen langeren IJrlanb, nm naeh einem nmfassenden
Plane die Handschriften im preufiischen Staate zn batalogisieren.
Er hat bis znm Jahre 1894 den dreibandigen Katalog der Gottinger
Handschriften fertiggestellt : ein Muster von Sorgfalt nnd gleich-
maBiger Fursorge fiir die verschiedenartigsten Bestande. Dann
trat er von dem Untemehmen znriick, das von oben fallen gelassen
wurde, nnd nahin 1895 seine Lehrtatigkeit an der Universitat
wieder anf, mit der Erweiterung des Lebranftrags anf die la-
teinische Sprache und Litteratur des Mittelalters. Er hat in Wirk-
lichkeit nnr noch diesen Zweig der Lehrtatigkeit nnd daneben die
Palaographie gepflegt, fiir die er auch durch selbstlosen Ansban
des diplomatisehen Apparates wirkte.
Es wird uns berichtet nnd bezeugt, daB der jnnge Wilhelm
Meyer ein sehr energischer und erfolgreicher Lehrer seiner Privat-
schiiler und der Gymnasiasten gewesen sei; an der U ni versitat
hat er die gleiche Tatkraft nicht anfgewendet nnd den gleichen
Wilhelm Meyer.
79
Erfolg nicht erzielt. Er gab offenbar die alte Methode auf, obne
sich eine neue zu bilden: das beste was er den Studenten bot,
war der Einblick in seinen eigenen Arbeitsbetrieb und in die freu-
dige, ja begeisterte Hingabe an die Kunstwerte vor allem der
mittellateinisclien Litteratnr nnd die Probleme welche ibre TJber-
lieferung, Spracbe und Form stellen. Er flihrte die Studenten
auf den Bahnen die er selbst beschritten hatte, aber er erzog sie
nicbt zu seinen Mitarbeitern und Nachfolgern. So ist mir bein Fall
bebannt wo er von sich aus einen der tiiehtigen jungen Grermanisten
•oder Historiker, die wir ibm gerne zuwiesen, zu eigener Arbeit an-
geregt oder gar als Legaten in eine der vielen Prdvinzen entsandt
batte, die er selbst nicbt verwalten konnte. Es war, seit er auf
die weitausgreifenden Plane seiner romischen Zeit verzicbtet batte,
gewiB nicbt seine Art, ganze Arbeitsgebiete mit Bescblag zu be-
legen: er war ein williger Heifer und ganz obne Eigennutz.
Aber jeder neue Fund der ibm gliickte, schien ibm docb der aus-
gereiften Metbode bedtirftig liber die er selbst verfiigte, und kaum
jemals bat er so etwas aus der Hand gegeben. So hinterlafit er,
der ein begeisterter Apostel der von ibm mitgescbaffenen und von
keinem starker geforderten mittellateinischen Pbilologie war, die
junge Disziplin leider obne die Arbeiter, deren sie so dringend
bediirfte.
Der Schwerpunkt von Wilhelm Meyers Lebensarbeit liegt
durcbaus in seinen litterariscben Leistungen: diese aber sind nacb
Zahl, IJmfang und Stoffkreisen derart, daB keiner unter uns im
Stande ware, sie samtlich zu wiirdigen. Was mir den Mut gegeben
bat, diese kurze Gredenkrede zu iibernehmen, ist ein personlicker
Wunsch des gescbiedenen Freundes, und dazu die dankbare Em-
pfindung, daB icb von alien Grliedern unseres Kreises die starkste
Forderung durcb ihn erfahren babe.
Als Wilhelm Meyer im Herbst 1873 nach Italien aufbrach,
hinterlieB er die A'usgabe der Horazscbolien des Porpbyrion druck-
fertig und hatte sicb durcb die Philologischen Bemerkungen zum
Waltbarius und durcb die ein ganzes Grebiet mittelalterlicher Me-
trik ausbauende Arbeit iiber Radewins Tbeopbilus als einen Meister
der Methode auf dem arg vernacklassigten Felde des lateiniscben
Mittelalters erwiesen. Aber diese letzten Arbeiten entsprangen
auBeren Anregungen — es war durcbaus nicbt entschieden, ob M. sicb
dem Mittelalter zuwenden werde. Und so ist es eigentlicb nocb durcb
mehr als ein Jahrzehnt geblieben — erst das Grottinger Lehramt
fiihrte ihn an den Scbeideweg, und nicbt obne schmerzlichen Yer-
zicht auf mancbe lieben Plane, aucb nicbt obne peinlicbe Reibungen
80
Edward Schroder,
ist der Entscheid fur das Mittelalter gefallen:, etwa um die Zeit
wo er in unseren Kreis eintrat.
Das Arbeitsprogramm das M. 1873 dem bayerischenKdtusmini-
sterium unterbreitete, umfaBte eine neue Ausgabe der Greschichts-
werke des Prokop, Yorarbeiten flir eine Ausgabe der Varien des
Cassiodor, eine Ausgabe der sog. Placidusglossen, handschriftliche
Naehforschungen nach den unter dem Namen des Menander gehenden
Spruchversen — ganz am SchluB verrat M., daB er auch nach den
lateinischen Liedern der mittelalterlichen Vaganten suchen wolle.
Aus jenen groBen Planen ist nicbt viel geworden: den Cassiodor
nabm der greise Mommsen noch auf seine Atlasschultern und be-
nutzte wenigstens Wilh. Meyers Kollationen, Prokop und Placidus
sind yon anderer Seite erledigt worden ; friih fertig wurde nur die
wertyolle Ausgabe des Publilius Syrus (1880), und spater fiel auch
ein Teil der Arbeiten iiber Pseudo -Menander an Meyer zurtick,
nacbdem Studenrand, dem er das Material iibergeben hatte, ge-
storben war. Dafiir aber tauchte die zuerst verschamt hintan-
gehaltene Vaganten dichtung anspruchsy oiler auf und bemachtigte
sich mehr und mehr seiner Phantasie, seines Herzens und seiner
Zeit — freilich auf einem weiten IJmwege, und auch sie hatte
gelegentlich iiber die Unbestandigkeit ihres Liebhabers zu klagen.
Was zunachst alle jene Editionsplane fur grofie Prosawerke
zuriickdrangte, waren die metrischen Studien, die, soviel ich sehe,
yon der Beschaftigung mit den mittelalterlichen Dichtern wo nicbt
ausgegangen, so doch machtig angeregt waren, und schliefilich auf
ihrem Hohepunkt der blassiscben Philologie die wertyollsten Beob-
acbtungen, ja Entdeckungen einbracbten. Die Jahre 1884 und 1885,
d. h. die Wende des yierten Lebensjahrzehntes, reiften, nachdem
1882 die ausgezeichnete Arbeit iiber den „Ludus de Anti christo “
erschienen war und die Grrundlegung einer mittelalterlichen fiyth-
mik geboten hatte, in rascher Edge die Schriften:
IJber die Beobachtung des Wortaccents in der altlateinischen
Poesie (1884),
Zur Greschichte des griecbiscben und lateinischen Hexameters
(1884),
Anfang und Ursprung der lateinischen und griechischen ryth-
mischen Dichtung (1885).
Als eine der bedeutendsten Erscheinungen auf dem Grebiete
der antiken Metrik bezeichnete Friedrich Leo die erste dieser Ar-
beiten: „mit einer durch den groBen Zusammenhang seiner metrischen
Untersuchungen erworbenen seltenen Freiheit und Unbefangenheit
81
Wilhelm Meyer.
des Blickes hat der Verf. eine Reihe der wichtigsten G-rundgesetze
fur die Bildung der iambischen tmd trochaischen Metra aufgefunden
nnd fast samtlich iiber alien Zweifel erboben. Ein Problem an dem
Bentley, Gottfried Hermann und Ritschl gescheitert waren, hat M.
gelost: er hat fiir metrische Erscheinungen, die jene auf die Beob-
achtnng des Wortaccents zuriickfiihrten , die wahre IJrsache in
einer eigentiimlichen Neubildung des griechischen Dipodiengesetzes
nnd bestimmter Hormen der Casurbildung erkannt und damit eine
wesentlich nene Anschauung yon der Natur des romischen Dialog-
verses begriindet".
Mit wahrer Begeisterung begriifite Ulrich v. Wilamowitz die
Abhandlung iiber den Hexameter der alexandrinischen G-riechen und
der Homer. Die drei Hauptgesetze fiir den SchluB des Hexameters
tragen jetzt Wilhelm Meyers Namen.
Yon der Metrik wandte sich Meyer alsbald wieder zur Ryth-
mik: die Jahre 1885 und 1901 bezeichnen die Hohepunkte dieser
Studien. Auch hier begniigte er sich nieht mit der empirischen
Eeststellung der Tatsachen, sondern strebte iiberall die geschicht-
liche Erhartung des Verlaufs an. Und er blieb jetzt nicht bei
der Dichtung stehen, sondern dehnte seine rythmischen Studien
und Beobachtungen auch auf die Prosa aus. Die Arbeit iiber den
accentuierten SatzschluB in der griechischen Prosa yom 4. bis 16.
Jahrhundert (1891) lag durchaus in seiner eigensten Bahn, und es
war ein ebenso ungerechtes wie kurzsichtiges Urteil, wenn Norden
Meyers Klauselstudien als durch Havet angeregt bezeichnete:
fiir Meyer um so mehr krankend als er gerade mit diesem fran-
zosischen Grelehrten sehr merkwiirdige Erfahrungen gemacht hatte ;
denn in Havets 1885 erschienenen Abrifi der antiken Metrik waren
die 1884 von Meyer publizierten und yon aller Welt als vollig
neu begriifiten Entdeckungen iiber den Sprechvers der romischen
Komodie so aufgenommen, als ob sie des Autors Eigentum seien,
und dieser blieb auch brieflich dabei, selbstandig zu den gleichen
Beobachtungen gelangt zu sein.
Im Verfolg seiner rythmischen Studien war Meyer schon 1885
dazu gelangt dem Ursprung des Heimes nachzugehn, den er in der
kirchlichen Poesie der Syrer fand, und schlieBlich (1901) wagte
er auch einen VorstoB gegen die Bodenwiichsigkeit der ger-
manischen Allitteration — hier aber diirfte er einmal, was ibm
selten passierte, die G-renzen seines berufenen Urteils iiberschritten
haben.
W. M. hat die Metrik and die Eythmik niemals um ihrer-
selbst willen betrieben, sondern nur als den wichtigsten Teil vom
Nachricliten j goschaftliche Mitteilungon 1017, V 6
82
Edward Schrdder,
Studium der Kunstform. Alle Formen und Gattungen der poeti-
schen Litteratnr des Mittelalters warden ihm mehr nnd mehr ver-
traut, und er wuBte mit Kennerblick zu scheiden zwischen freier
und gebundener Kunst, zwischen Improvisationen und Klugeleien,
zwischen dem Yaganten, den er freilich nicht auf die HeerstraBe
verweisen mochte, und dem Buchgelehrten. Diese Studien fiihrten
ihn tief hinein in die Geschichte des Kirchengesangs und in die
Anfange des lateinischen Dramas im Mittelalter, fiber die wir
ihm die wertvollsten Aufschlfisse verdanken, doch er scheute sich
auch nicht, bei dem Studium der Anfange rythmischer Dichtung
abgelegene Gebiete aufzusuchen und anzubauen: so seit 1903 die
irische Liturgie, seit 1913 die sog. mozarabische Liturgie derSpanier.
Seine ganze Liebe aber gait der Blutezeit der strophischen Lyrik
im 12. Jahrhundert. Yon seinem alten Genossen, dem geistvollen
Mitbegrfinder der Philologie des mittelalterlichen Lateins Ludwig
Traube, trennte unseren Freund mehr und mehr die grundsatzliche
Auffassung: wahrend jener nicht aufhorte seine Studien unter dem
Gesichtspunkt des Fortlebens und Nachwirkens der Antike zu be-
treiben, interessierten W. Meyer vor allem die Neubildungen und
die fruchtbaren Beziehungen zu den Litteraturen der Vulgar-
sprachen, deren IJmfang und Bedeutung er wohl auch gelegentlich
iiberschatzte. In der Ablehnung des Ausdrucks B mittellateinisch“
durch Traube trat dieser Unterschied schon aufierlich hervor.
Im Jahre 1901 schenkte M. den Germanisten in der Gottinger
Festschrift fiber die B Fragmenta Burana“ die Vorstudien zu einer
Ausgabe der wertvollsten Sammlung der sog. Yagantenlyrik.
1905 vereinigte er in einem zweibandigen Korpus mit vielfachen
Bereicherungen die „Gesammelten Abhandlungen zur mittellateini-
schen Rythmik". Aber die Hoffnung, dafi er sich nunmehr ganz
auf die schonste, von ihm selbst als solche bezeichnete Aufgabe
konzentrieren werde, hat er nicht erffillt. Er war eben ein zu
glficklicher — und ein zu geschickter Finder, der sich immer
wieder abziehen lieB. Dabei strebte er alien seinen Funden eine
gewisse Rundung zu geben, auch wo sie Prolegomena blieben.
Schnitzel hat er nie drucken lassen, so wenig wie er je eine Re-
zension geschrieben oder Nachtrage zu den Arbeiten anderer ge-
liefert hat.
Seine Gelehrsamkeit war umfangreich, aber nicht eigentlich
umfassend; sie wurde nicht von vornherein auf eine planmafiige
Lektfire begrfindet, noch weniger freilich auf Handbficher gestutzt,
und ihr Ausbau blieb auch weiterhin dem Zufall seiner Katalogi-
sierungsarbeit wie den eigenen neuen Studienpfaden uberlassen.
'Wilhelm Meyer.
83
Bis zuletzt verriet sein Wissen hier und da auffallige Liicken,
so etwa in der Kenntnis der mittelalterlichen Prosa, nnd aufier-
dem war es fast eigensinnig mit Grenzzaunen nmliegt. Wilhelm
Meyer ist oft in der Lage gewesen, seinen Blick auf die Litte-
ratur der Volkssprachen romischen, germanischen , keltischen
Stammes zn richten, ja er hat durch sehr^bestimmte Hypothesen
Romanisten und Germanisten zum Nachdenken angeregt und zum
Widerspruch herausgefordert, aber niemals hat er sich eine dieser
Sprachen selbst vertraut gemacht, niemals sich mit ihrer Litteratur
zusammenhangend beschaftigt. Und ahnlich stand es eigentlich
anch mit der Geschichte , der Kunstgeschichte , der Kirchen-
geschichte.
Und doch, iiberall wo er zugriff bewies er ein sicheres Ange,
eine feste und, wo es sein muBte, eine zarte Hand. Wie er beim
Antiquar mit treffsicherer Auswahl die wenigen Stiicke von ge-
schichtlichem Wert und kiinstlerischer Eigenart aus dem aufge-
hauften Wust herausznsuchen wuBte, so hatte er beim Durch-
mustern der Bibliotheken und der Handschriftenkataloge einen er-
staunlich klaren Blick fur das historisch bedeutsame, das kiinst-
lerisch wertvolle, das litterarisch charakteristische, das menschlich
anziehende — niemals hat er aus rein antiquarischem Interesse
Kuriositaten ans Licht gezogen, dafiir aber alien Zweigen der Ge-
schichte, besonders der Geschichte des geistigen Lebens wertvolle
Quellen aufgetan. So hat er der Hagiographie und der Ikono-
graphie, der politischen und der Kirch engeschichte des Mittel-
alters urkundliches Material erschlossen und sauber zubereitet, die
Palaographie methodisch gefordert, fiir die Anfange des Buch-
druckes und Buchhandels, fiir Luther und Faust, Melanchthon und
Henricus Stephanus wichtige Beitrage geliefert. Er hatte in dieser
Art fruchtbarer Handschriftenforschung eine gewisse Wesens-
verwandtschaft mit den Humanisten des 15/16. Jhs: den Spruch
des alten Hartmann Schedel „ Colligite fragmenta ne pereant" hat
er sich als Bibliothekar zum Wahlspruch gemacht. In Miinchen
selbst hatte er einen Vorganger an Johann Andreas Schmeller, aber
auch der Yergleich mit dem einzigartigen Bibliothekar von Wolfen-
biittel, den mir ein Kollege nahebringt, ist nicht unberechtigt.
Wilhelm Meyer hat seinem Geburtsort Speyer ein zart-
liches Andenken bewahrt, er hat Miinchen geliebt: um seiner herr-
lichen Bibliothek willen und in der Erinnerung an einen heitern
Kreis strebsamer Ereunde, aber er hat in Gottingen seine Heimat
gefunden, von der er nie mehr hinwegstrebte, zu der er von alien
Reisen, die er sich im schonsten Sinne genufireich zu gestalten
84 Edward SchrGder, Wilhelm Meyer.
wufite, stets gem zuriickkehrte. Hier hat er die edle Frau be-
gr&ben, die ihm in den J ahren seines Ringens eine Stlitze gewesen
War, hier hat dem Wittwer eine nahe Freundin der Dahin-
geschiedenen die Hand zum neuen Lebensbnnde gereicht, nnd anch
als dieseii wieder der Tod sehied, ist er nicht einsam geblieben,
sondern hat im eigenen Hanse freundliche Fiirsorge nnd ver-
standnisvolle Anteilnahme an den einfachen nnd edeln Freuden
des Daseins gefunden: an Kunstgennfi, NaturgenuB — und am
heimlichen Wohltnn.
Denn dieser strenge nnd niichterne Philologe, der yielen sehr
zu Unrecht ein reiner Buchgelehrter schien, war ein von Herzen
gnter Mensch mit reichem Innenleben: ein Patriot, der fur die
Ehre seines Vaterlandes gliihte nnd an seinem Teil zn wirken
strebte nnd zn wirken sieher war, ein Frennd seiner Frennde,
seiner Schhler, aller Notleidenden. Sein Andenken wird in der
Wissenschaft fortleben, es wird von vielen im Stillen gesegnet
sein.
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Bericht
iiber die bffentliche Sitzung am 10. November 1917.
Herr Peter Debye hielt einen Vortrag mit Veisachen : Die
Atomwelt.
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