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Full text of "Indien und das Christentum eine Untersuchung der religionsgeschichtlichen ..."

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\ 







Indien 



und 



das Christentum 



Eine Untersuchung der 
religionsgeschichtlichen Zusammenhänge 



von 



Richard Garbe 




Tübingen 
Verlag von J. C B. Mohr (Paul Siebeck) 

1914 



lOAN STACK 



Copyright 1914 by J. C. ß. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. 



Alle Rechte vorbehalten. 



Druck von H. Laupp jr in Tübingen. 






Ernst Windisch 

in herzlicher Verehrung und Zuneigung;; 

gewidmet. 



990 



— V — 



Vorwort. 

Die Grundlage dieses Buches bildet eine Reihe von 
Aufsätzen, die ich in den letzten Jahren in verschiedenen 
Zeitschriften, meist in der Deutschen Bundschau, veröffent- 
licht habfe; sie erscheinen hier aufs neue, zu einem ein- 
heitlichen Ganzen zusammengefaßt, mit zahlreichen Ergän- 
zungen und einigen Berichtigungen. Mehrere Kapitel sind 
neu geschrieben, andere sehr erheblich umgearbeitet worden. 

Die voraufgegangene Veröffentlichung in Artikelform 
brachte den Gewinn, daß mir von Freunden und Kollegen 
allerlei Winke zu weiterer Behandlung des Stoffes gegeben 
wurden, die ich größtenteils dankbar benutzt habe. Am 
meisten verdanke ich zwei Männern, deren selbstlose Hilfs- 
bereitschaft schon manche Gelehrte vor mir erfahren haben: 
Th. Nöldeke, dem Altmeister der semitischen Philolo- 
gie, der meine Arbeiten auf diesem Gebiet mit dem freund- 
lichsten Interesse verfolgt und die Zusendung der einzelnen 
Aufsätze stets mit ausführlichen, zu neuen Untersuchungen 
anregenden Briefen beantwortet hat, und Ernst Kuhn, 
der die Güte hatte, mir aus dem reichen Schatz seiner 
bibliographischen Sammlungen eine große Menge Angaben 
zur Verfügung zu stellen, von denen mir viele unbekannt 
waren und manche sich für meine Arbeit als wertvoll er- 
wiesen. Was ich sonst an Förderung durch nützliche Mit- 
teilungen von anderer Seite erfahren habe, ist an den be- 
treffenden Stellen angegeben. 



— VI — 

r 

In meiner Darstellung sind die Erfolge der neuzeit- 
lichen christlichen Mission ausgeschlossen; sonst aber ist 
Vollständigkeit in allem Wesentlichen erstrebt worden. 
Einzelheiten sind mir bei dem großen umfang des Mate- 
rials, das ich durchzuarbeiten hatte, gewiß entgangen; ich 
darf aber hoffen, daß das, was ich etwa übersehen habe, 
von untergeordneter Bedeutung ist und nirgends eine an- 
dere Auffassung des von mir behandelten Gegenstandes 
nötig gemacht haben würde. 

Das Buch ist für alle berechnet, die an den in ihm 
behandelten Fragen ein rein wissenschaftliches Interesse 
nehmen. Gemeinverständliche Darstellung war deshalb ge- 
boten ; nur in Kap. III des zweiten Abschnitts waren fach- 
wissenschaftliche Auseinandersetzungen, die sonst in die 
Fußnoten verwiesen sind, nicht vollkommen zu vermeiden. 
Trotz des Fehlens jeder propagandistischen Tendenz hege 
ich doch die Hoffnung, daß meine Arbeit auch für Missio- 
nare, die in Indien wirken, von praktischem Nutzen sein 
wird. Ich denke dabei besonders an das letzte Kapitel; 
denn wer auf das religiöse Leben der gebildeten Hindus 
Einfluß zu gewinnen sucht, kann meines Erachtens nirgends 
besser anknüpfen als an die Elemente, die bereits aus dem 
Christentum in die Lehren hinduistischer Sekten Eingang 
gefunden haben. 

Tübingen, Februar 1914. R. Garbe. 



— VII — 



Inhalt. 



Seite 

Einleitung 1 

Erster Abschnitt: Indiens Einfluß anf das Christen- 
tum 12 

I. Buddhistische Einflüsse auf das Neue Testament? . . 12 

n. Der Physiologus und das christliche Fischsymbol . . 61 

III. Buddhistische Einflüsse auf die apokryphen Evangelien 70 

lY. Buddhistische Einflüsse auf die christliche Legenden- 
literatur 80 

1. Placidus = St. Eustachius (Eustathius) 86 

2. St. Christophorus 101 

3. Der Satan in der Gestalt des Heilands als Verführer 111 

V. Buddhistische Einflüsse auf den christlichen Kultus . 117 

Zweiter Abschnitt: Christliche Einflüsse auf die in- 
dischen Religionen 128 

I. Die ältesten Zeugnisse für das Christentum in Indien. 

Die Thomas-Legende 128 

n. Christliche Einflüsse auf die Entwicklung des Buddhis- 
mus 159 

III. Christliches und angeblich Christliches im Mahäbhärata, 
mit Ausschluß der Bhagavadgitä. Die Entstehung des 
Erischnaismus 191 

IV. Die Bhagavadgitä und die Lehre von der Gottesliebe . 228 

V. Christliches in dem späteren Erischnaismus und anderen 

hinduistischen Sekten 254 

Nachträge 290 

Register 295 



vm 



Abkürzungen. 

ER£ = Encyclopaedia of Religion and Ethics, edited by James 
Hastingd. 

A = Indian Antiquary. 

JAOS = Journal of the American Oriental Society. 

JRAS = Journal of the Royal Asiatic Society. 

SBA = Sitzungsberichte der Kgl. Preußischen Akademie der Wis- 
senschaften zu Berlin. 

SEE = Sacred Books of the East, edited by F. Max Müller. 

WZKM = Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes. 

ZDMG = Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. 



In Zitaten ist der gebräuchliche Unterschied von f. und ff. nicht 
gemacht worden; f. bezeichnet nicht nur die nächste Seite, sondern 
häufig mehrere folgende Seiten. 



Aussprache. 



In indischen Worten sind e und o stets lang, c und ch wie tsch, 
j wie dsch, r wie ri, v wie w, s scharf wie ß, s und s wie seh aus- 
zusprechen. 



— 1 



Eiuleitung. 

Da das Christentum in Abhängigkeit von der jüdischen 
Religion entstanden ist, enthält es mancherlei Lehren und 
Anschauungen, die diese bereits von fremden Religionen auf- 
genommen hatte. Aber auch ohne Vermittlung des Juden- 
tums haben andere Gedankenkreise schon auf die ursprüng- 
liche Gestalt des Christentums eingewirkt. Die Feststellung 
dieser fremden Elemente hat sich die religionsgeschicht- 
liche Forschung der Neuzeit mit Eifer angelegen sein lassen, 
so daß nur noch über den Umfang der fremden Elemente 
eine ernsthafte Meinungsverschiedenheit besteht. Unsere 
bedeutendsten Theologen, Männer wie H a r n a c k ^ und 
GunkeP, nennen das Christentum geradezu eine synkre- 
tistische Religion. 

An erster Stelle kommen entschieden die Glaubens- 
lehren in Betracht, die aus dem Parsismus herstammen. 

* Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei 
Jahrhunderten* I. 261 f. Seite 262/263 heißt es dort: „ Das Christen- 
tum ist seit der Mitte des 3. Jahrhunderts als synkretistische Re- 
ligion im vollsten Sinne zu betrachten Synkretistisch war 

es von Anfang an auf heidenchristlichem Boden — nicht als pures 
Evangelium ist es erschienen, sondern mit allem ausgestattet, was 
die jüdische Religion in ihrer langen Geschichte au sich gezogen 
hatte, und sofort auf alles das, was dort etwa noch fehlte, eingehend. 
Aber nun erst, um die Mitte des 3. Jahrhunderts, war die neue Re- 
ligion fertig als die synkretistische Religion par excellence " 

2 Zum religionsgeschichtlichen Verständnis des Neuen Testaments 
(Göttingen 1903) 95. 

Garbe, Indien and das Christentum. 1 



— 2 — 

Wir wissen, daß die Juden die Lehren von der Unsterb- 
lichkeit der Seele, von der Auferstehung und dem Gericht 
nach dem Tode, von Himmel und Hölle, von den Engeln 
und in der Hauptsache auch von dem Satan aus dem Par- 
sismus entlehnt haben, und daß diese ursprünglich zarathu- 
strischen Lehren aus dem Judentum ihren Weg in das 
Christentum gefunden haben. Fragen wir nach der Zeit, 
in der diese einen vollkommenen Umschwung bedeutenden 
religiösen Anschauungen in das Judentum eingedrungen 
sind, so wäre der nächstliegende Gedanke, daß die Ent- 
lehnung während des Exils in der (seit 538 persischen 
Provinz) Babylonien vor sich gegangen sei. Aber diese 
von vornherein so wahrscheinliche Annahme findet keine 
Stütze in dem Alten Testament. Der Glaube an die Un- 
sterblichkeit und Auferstehung ist dort erst so spät bezeugt, 
daß wir den Gedanken aufgeben müssen, daß der Parsis- 
mus schon während des Exils einen nennenswerten Einfluß 
auf die jüdische Religion ausgeübt habe. Erst im Buch 
Daniel (165 vor Chr.) tritt der Glaube an die Auferstehung 
auf S der dann im Neuen Testament ganz allgemein ver- 
breitet erscheint. Sonst aber ist auch in den nachexili- 
sehen Schriften des Alten Testaments nirgends von der 
Unsterblichkeit die Rede — mit einer Ausnahme, die je- 
doch gerade gegen den Glauben an die Unsterblich- 
keit zeugt. Der Prediger Salomo kennt den Glauben 
daran, zweifelt aber sehr, daß er berechtigt sei, 3. 20, 21 : 
„Es fähret alles an einen Ort; es ist alles von Staub ge- 
macht und wird wieder zu Staub. Wer weiß, ob der Geist 
der Menschen aufwärts fahre und der Odem des Viehes 
unterwärts unter die Erde fahre?" Die Psalmen, deren 
bei weitem größter Teil nachexilisch sein wird, wissen nichts 
von der Unsterblichkeit, die doch so gut in ihren Gedanken- 
» H. G u n k e 1 a. a. 0. 32. 



— 3 — 

kreis gepaßt hätte. Es spricht also alles dafür, daß diese 
Anschauungen erst in der griechischen Zeit — aber 
nicht von griechischer Seite her — zu den 
Juden gekommen, dann aber auch rasch bei ihnen populär 
geworden sind. 

Ich stimme mithin in diesem Punkte vandenBergh 
van Eysinga bei, der im Anschluß an Erik Stave 
den Einfluß des Parsismus auf das Judentum nicht als 
eine Folge unmittelbarer Berührung zwischen Juden und 
Persern in der Achämenidenzeit aufgefaßt wissen will, 
sondern aus den allgemeinen Zeitströmungen erklärt, die 
sich seit Alexander geltend gemacht haben ^. Auf diesem 
Standpunkt ist es auch ohne weiteres verständlich, wenn 
die parsistischen Lehren nicht in ihrer ursprünglichen reinen 
Form, sondern in einer Vermischung mit fremden, nament- 
lieh babylonischen Elementen Eingang in das Spätjuden- 
tum gefunden haben. H. Zimmern sagt darüber ^ : 
„Weit wichtiger [als das babylonische Material], weil noch 
schlagendere Parallelen zur neutestamentlichen Christologie 
aufweisend, erscheinen dagegen z. B. gewisse besonders an 
die Gestalt des Mithra anknüpfende Mythologeme des Par- 
sismus. Das ergibt sich ja auch schon rein vom chrono- 
logischen Gesichtspunkt aus als vollkommen begründet. 
Ist doch das Spätjudentum in Babylonien speziell mit der 
persischen Religion in enge, Jahrhunderte währende Be- 



* Indische Einflüsse auf evangelische Erzählungen* (Göttingeu 
1909) 111. — Noch in viel späterer Zeit sind parsistische Elemente 
unmittelbar in christliche Schriften eingedrungen. Ueber die Ein- 
kleidung der zoroastrischen Prophezeiung von dem zukünftigen Hei- 
land in christliches Gewand hat Ernst Kuhn eine interessante 
Abhandlung in dem „Festgruß an Rudolf von Roth* (Stuttgart 
1893) 217 f. geliefert. 

* Zum Streit um die „Christusmythe'' (Berlin 1910) 6; vgl. auch 
22, 50. 

1* 



— 4 — 

rührung gekommen. £s erscheint somit aufs beste erklär- 
lich, vienn z. B. in die Messiasvorstellungen des Spätjuden- 
tums gerade persische Elemente mehrfach eingedrungen 
sind. Und doch war es, wie bereits von verschiedenen 
Seiten mit Recht hervorgehoben worden ist, nicht die reine 
iranische Gestalt der persischen Religion, die auf das Ju- 
dentum in Babylonien eingewirkt hat, sondern vielmehr 
eine Form des Parsismus innerhalb Babyloniens, in die 
vielfach Elemente aus der daselbst vorgefundenen älteren 
babylonischen Religion Eingang gefunden hatten, die dem- 
nach eine Vermischung von babylonischem und persischem 
Religionsgut darstellt ^** 

Man darf aber diese babylonischen Beimischungen des 
Parsismus nicht zu hoch bewerten. Was schließlich von 
ursprünglich babylonischen Ideen im Christentum Platz ge- 
funden hat, ist viel geringfügiger als die bekannten Vor- 
kämpfer des Babylonismus, mit Jensen an der Spitze, 
annehmen. Auch der maßvolle und besonnene Zimmern^ 
scheint mir noch die Beweiskraft seiner Parallelen zu über- 
schätzen, die zum Teil keinen Vergleich mit den b u d dh i s- 
t i s c h - evangelischen Parallelerzählungen aushalten. Ab- 
gesehen von Einzelheiten in der Johannes- Apokalypse, denen 
unverkennbar babylonische Gedanken zugrunde liegen ^, und 
von der Dämonologie, „die im Zeitalter Jesu, wie die Syn- 
optiker lehren, eine große Rolle spielt, und die deutlich 
an Altbabylonisches erinnert** *, bleiben von Spuren der 
altbabylonischen Religion, die aus der jüdischen in die christ- 
liche Religion hineinragen, bei nüchterner Betrachtung kaum 

* In diesem Sinne spricht sich auch Gunkel aus, a. a. 0. 18, 

V 

30, 36, 76 (Mithra ist mit Samas identifiziert). 

^ In Eb. Schrader, Die Keilinschriften und das Alte Testa-. 
ment^ II. Hälfte, 345 f., sowie in der eben zitierten Schrift. 

8 G u n k e 1 a. a. 0. 3 f., 42 f. 

* Gunkel 29. 



— 5 — 

mehr als einige Ausschmückungen des Messiasbildes und 
der Ruhetag am Ende der siebentägigen Woche übrig. 

Den parsistischen Einflüssen auf das Christentum steht 
an Bedeutung am nächsten der hellenistische Einfluß, der 
sich — bekanntlich besonders im Johannes-Evangelium und 
noch mehr bei Paulus — in der Hereinziehung des Logos 
als der göttlichen Vernunft, in der Identifizierung Christi 
mit dem Logos, in der darauf beruhenden Lehre von der 
Präexistenz Christi und in allerhand allegorischen Deu- 
tungen zeigt. 

Zu den bisher genannten fremden Einflüssen auf das 
Urchristentum gehören wahrscheinlich noch andere, wenn 
sie sich auch nicht mit der gleichen Sicherheit erweisen 
lassen; vor allen Dingen die vielfach angenommenen Ein- 
flüsse alter orientalischer Glaubensformen, die einen ster- 
benden und wiederauflebenden Gott zum Gegenstand der 
Verehrung haben, auf die Erzählung vom Tode und Auf- 
erstehen Christi. L a g a r d e ^ sagt : „Jesu Tod transpo- 
niert diese alten Weisen in eine höhere Tonart, aus Moll 
in Dur" und deutet den Glauben an die Auferstehung des 
Heilands als unbewußte üebertragung dieser alten Mythen 
auf den geliebten Meister. Solche in den Mythologien der 
Nachbarländer auftretende Götter, die vermutlich sämtlich 
die im Winter ersterbende und im Frühling wiederauf- 
lebende Natur repräsentieren, sind der babylonische Tamüz, 
der phönizische Adon(i8), der ägyptische Osiris, der phry- 
gische Attis und der griechische (ursprünglich thrazisch- 
phrygische) Dionysos. 

Zu den uralten, weithin über die Erde verbreiteten 
Ideen, die in der Darstellung der Evangelien vom Leben 
Christi nachgewirkt haben, sind mit der gleichen Wahrschein- 
lichkeit zu rechnen die Vorstellungen von der Notwendig- 

* Deutsche Schriften, 231. 



— 6 — 

keit des Menschenopfers zum Heile der Gesamtheit und von 
der magischen Kraft der Wassertaufe und des Gottessens. 

Die üeberzeugung, daß alle diese fremden Einflüsse im 
Neuen Testament erkennbar sind und daß in unseren Evan- 
gelien nicht mehr Geschichte steckt als etwa — um ein mir 
naheliegendes Beispiel zu wählen — in den alten buddhisti- 
schen Päli-Quellen, gestattet aber noch keinen Zweifel an der 
Geschichtlichkeit der Person Christi. Mögen unsere Evange- 
lien auch einen zum Teil legendenhaften Charakter tragen, so 
leuchtet doch aus ihnen in scharfen Umrissen und voller Klar- 
heit die gewaltige Persönlichkeit Christi mit einer individuell 
gefärbten Lehre und Ausdrucksweise hervor. Und wenn die 
radikalste Richtung der modernen Jesusforschung auch dies 
nicht gelten läßt, so gibt es doch wenigstens ein Argument, 
das schwerer wiegt als alle in der neuesten Zeit für die 
Geschichtlichkeit Jesu zusammengestellten Gründe und das 
einen geradezu unwiderleglichen Beweis für den historischen 
Christus und für eine von den Evangelien benutzte authen- 
tische üeberlieferung aus seiner Zeit abgibt. Ich setze 
diesen Grund in den Worten A. Schopenhauers^ 
hierher, die nur noch wenig erwähnt werden und deshalb 
in Erinnerung gerufen zu werden verdienen: 

„Daß überhaupt unsern Evangelien irgendein Original 
oder wenigstens Fragment aus der Zeit und Umgebung 
Jesu selbst zum Grunde liege, möchte ich schließen ge- 
rade aus der so anstößigen Prophezeiung des Weltendes 
und der glorreichen Wiederkehr des Herrn in den Wolken, 
welche statthaben soll, noch bei Lebzeiten einiger, die bei 
der Verheißung gegenwärtig waren [Matth. 10. 23; 16. 28; 
Mark. 9. 1 ; Luk. 9. 27] ^. Daß nämlich diese Verheißungen 



^ In der Abhandlung „ lieber Religion**, Sämtliche Werke, ed. 
R e c 1 a m V. 403, 404. 

^ Diese Stellen für unecht zu erklären geht deshalb nicht an, 



— 7 — 

unerfüllt geblieben, ist ein überaus verdrießlicher Umstand, 
der nicht nur in späteren Zeiten Anstoß gegeben, sondern 
schon dem Paulus und Petrus Verlegenheiten bereitet hat, 
welche in des ßeimarus sehr lesenswertem Buche „Vom 
Zwecke Jesu und seiner Jünger** §§ 42 — 44 ausführlich 
erörtert sind. Wären nun die Evangelien, etwa hundert 
Jahre später, ohne . vorliegende gleichzeitige Dokumente 
verfaßt, so würde man sich wohl gehütet haben, dergleichen 
Prophezeiungen hineinzubringen, deren so anstößige Nicht- 
erfüllung damals schon am Tage lag. Ebensowenig würde 
man in die Evangelien alle jene Stellen hineingebracht 
haben, aus welchen Raimarus sehr scharfsinnig das 
konstruiert, was er das Erste System der Jünger nennt, 
und wonach ihnen Jesus nur ein weltlicher Befreier der 
Juden war; wenn nicht die Abfasser der Evangelien auf 
Grund gleichzeitiger Dokumente gearbeitet hätten, die solche 
Stellen enthielten.** 

Bei der Anführung der fremden Religionen, die Zu- 
taten zum Christentum geliefert haben, ist bisher von mir 
Indien nicht genannt worden. Da ich mir die Aufgabe 
gestellt habe, in diesem Buche die religionsgeschichtlichen 
Zusammenhänge zwischen Indien und dem Christentum 
zu untersuchen und darzustellen ^, werde ich in dem ersten 



weil man sich vergebens fragt, wer ein Interesse daran haben konnte, 
sie einzuschieben. Vgl. B. Weiß, Die Religion des Neuen Testa- 
ments, 809 : „ Es ist ganz vergeblich, mit exegetischen oder kritischen 
Gewaltmitteln die Tatsache fortschaffen zu wollen, daß Jesus der 
gegenwärtigen Generation seine Wiederkehr verheißen hat.* 

^ Diese Aufgabe hat der amerikanische Indologe E. Washburn 
Hopkins in dem oft zitierten Artikel „Christ in India* (in dem 
Werke Jndia old and new«, New York, London 1901, 120—168) nicht 
in zufriedenstellender Weise erfüllt, ganz abgesehen davon, daß Hop- 
kins den Gegenstand im Rahmen eines Aufsatzes nicht erschöpfend, 
unter Heranziehung alles erreichbaren Materials, behandeln konnte 
und wollte. Sein Artikel zerfällt in zwei Teile von ungleichem Wert. 



— 8 — 

Kapitel die viel erörterte Frage nach den buddhistischen 
Einflüssen auf das Neue Testament zu behandeln haben 
und hoffe, sie einer befriedigenden Lösung näher zu bringen, 
nachdem ich den interessanten Stoff jahrelang ohne jede 
Voreingenommenheit durchdacht habe. Daß von den indi- 
schen Religionen hier überhaupt nur der Buddhismus in 
Betracht kommen kann, und daß der Brahmanismus keinen 
Einfluß auf das Christentum ausgeübt hat, bedarf keines 
Beweises; denn der Krischnaismus, an den allein man 
denken könnte, hat keine Verbreitung außerhalb der indi- 
schen Welt erstrebt und gefunden. 

Die Frage nach den Einflüssen auf das Neue Testa- 
ment hat bei dem Buddhismus einen ganz anderen Sinn 
als hinsichtlich der Religionen, bei denen es sich um 
eine Einwirkung auf den Ursprung der christlichen Glau- 
benslehren handelt. Hinsichtlich des Buddhismus betrifft 
das Problem fast nur die üebermalung des Lebensbildes 
Christi in den Evangelien. Auf die christliche Lehre 
selbst kann der Buddhismus schon deshalb keinen irgend- 
wie erheblichen Einfluß ausgeübt haben, weil er als Reli- 
gion in seinen Voraussetzungen und Dogmen zu dem Chri- 
stentum im schärfsten Gegensatz steht. Ich brauche das 
nicht näher auszuführen, weil es oft genug von berufener 
Seite getan ist ^ — und noch öfter von unberufener. Wer 

In dem ersten, dessen Inhalt man nach dem Titel der Abhandlung 
dort nicht zu finden erwartet, untersucht Hopkins auf p. 120 — 145 
die Parallelen zwischen Christentum und Buddhismus in so vorsich- 
tiger und besonnener Weise, daß diese Ausführungen alle Anerken- 
nung verdienen. Anders aber steht es mit dem zweiten, von den 
christlichen Einflüssen auf das Mahäbhärata und den Krischnaismus 
handelnden Teile, den ich als gründlich verfehlt bezeichnen muß. 
Der christliche Einfluß auf Indien setzt in viel späterer Zeit ein, als 
Hopkins glaubt erweisen zu können. 

* Folgende Abhandlungen seien als besonders wertvoll hervor- 
gehoben: Nisikanta Chattopädhyäya, Buddhismus und Christentum, 



— 9 — 

sich die Mühe nimmt, die ^Orientalische Bibliographie" ^ 
daraufhin durchzusehen, findet Dutzende von Büchern, Aut- 
sätzen und Vorträgen über diesen Gegenstand. 

Wenn trotz der eben dargelegten Verhältnisse das 
Problem des buddhistischen Einflusses auf das Neue Testa- 
ment seit langer Zeit ein größeres und allgemeineres In- 
teresse erregt hat als die Frage nach den andern fremden 
Einflüssen auf das Urchristentum, so liegt das hauptsäch- 
lich an der auffallenden Aehnlichkeit, die viele Erzählungen 
und Aussprüche in den ältesten buddhistischen und christ- 
lichen Quellen trotz der grundsätzlichen Verschiedenheit 
der beiden großen Weltreligionen aufweisen. 

Diejenigen Aehnlichkeiten zwischen Buddhismus und 
Christentum, bei denen die Möglichkeit eines historischen 
Zusammenhanges ausgeschlossen ist und die selbständige 
Parallelentwicklung feststeht, liegen außerhalb der Grenzen 
dieser Arbeit und können deshalb hier nur gestreift werden ^. 
Womit nicht etwa gesagt sein soll, daß sie an sich eines 

zwei Vorträge in Jndische Essays* (Zürich 1883) 85 f.; A. Bertho- 
let, Buddhismus und Christentum* (Tübingen 1909); L. vonSchroe- 
der, «Buddhismus und Christentum, was sie gemein haben und was 
sie unterscheidet** in „Reden und Aufsätze** (Leipzig 1913) 85 f., und 
die knappen Antithesen von E. Windisch in , Buddhas Geburt 
und die Lehre von der Seelenwanderung ** (Leipzig 1908) 217, 218. 
L. von Schroeder, der doch das Christentum hoch über den 
Buddhismus stellt, zeigt sich am Schluß des genannten Aufsatzes 
gegen einige Vorzüge des Buddhismus nicht blind, sondern weist 
darauf hin, daß dieser mit seiner nie versagenden Milde und Tole- 
ranz gegen alle Andersgläubigen ein beschämendes Vorbild sei und 
sich auch dadurch auszeichne, daß Selbstgerechtigkeit und Glauben s- 
bochmut bei seinen Bekennern weniger als unter den Christen ver- 
breitete Untugenden seien. 

* Bearbeitet und herausgegeben von Lucian Scherman. 

^ K. E. Neumann, Die innere Verwandtschaft buddhistischer 
und christlicher Lehren (Leipzig 1891), schießt weit über das Ziel 
hinaus. VgL L. Leblois, Christianisme et Bouddhisme, Revue de 
rhistoire des religions, XXIII, 351. 



- 10 — 

geringeren Interesses wert seien. Derartige üebereinstim- 
mungen drängen sich in großer Zahl dem vergleichenden 
Blicke auf. Man denkt da zunächst an das analoge Ver- 
hältnis, in dem Buddhismus und Christentum zu den na- 
tionalen Religionen ihrer Heimatländer, zu Brahmanismus 
und Judentum, stehen, aus denen sie sich herausentwickelt 
und die sie erfolgreich bekämpft haben, um dann ihren 
weltbezwingenden Siegeslauf anzutreten — das Christentum 
nach Westen, der Buddhismus nach Osten, so daß jetzt 
der Stille Ozean ihr Verbreitungsgebiet trennt. Beide Re- 
ligionen haben sehr bald nach ihrer Entstehung ihren mis- 
sionierenden und universalistischen Charakter angenommen 
und weisen auch hinsichtlich der Entwicklung der Lehre 
und ihrer Feststellung auf großen Konzilen merkwürdige 
Aehnlichkeiten auf. Auch die äußere Form der ursprüng- 
lichen Lehre ist insofern übereinstimmend, als beide Reli- 
gionsstifter neben den markigen Sprüchen mit Vorliebe 
volkstümliche Gleichnisse und Parabeln verwendet haben. 
Auf Aehnlichkeiten in der literarischen Form der ältesten 
buddhistischen und christlichen üeberlieferung hat W i n- 
d i s c h ^ aufmerksam gemacht. Aber alles dieses ist nicht 
so wichtig als der Umstand, daß sowohl der Buddhismus 
wie das Christentum mit einem pessimistischen Grundzug 
in der Beurteilung des Welttreibens den Rückzug von der 
Welt und ihren Freuden predigt, daß sie beide Erlösungs- 
religionen sind — wenn sie auch die Erlösung in ganz ver- 
schiedenem Sinne verstehen, der Buddhismus als Befreiung 
vom Leiden und von der Notwendigkeit des Fortlebens, 
das Christentum als Befreiung von der Sünde und ihren 
Folgen — und daß von beiden Religionen auf sittlichem 
Gebiet fast ganz das Gleiche gefordert wird: Sanftmut, 
Güte, Geduld, Barmherzigkeit, Vergebung des Unrechts 

' Buddhas Geburt, 218, 219. 



— 11 — 

ja Selbstaufopferung und Feindesliebe. Von allem dem 
hat keine der beiden Religionen der anderen etwas nach- 
gebildet; alles ist selbständig, unabhängig voneinander ent- 
standen. 

Die nachfolgende Untersuchung beschränkt sich also 
auf diejenigen Stoffe, bei denen Entlehnung in Betracht 
kommt oder von urteilsfähigen Forschern irrtümlicherweise 
behauptet worden ist; sie besteht mithin zum Teil in der 
Kritik abweichender Ansichten. Nicht durchweg sind die 
Ergebnisse abschließend; an manchen Stellen, namentlich 
in Kap. I und V des ersten Abschnitts ist zurzeit noch 
keine Gewißheit, sondern nur Wahrscheinlichkeit zu er- 
zielen, meist aber hohe, für wissenschaftliche Zwecke brauch- 
bare Wahrscheinlichkeit. In den übrigen Teilen des Buches 
befinden wir uns auf festerem, wenn auch nicht durchweg 
ganz festem Boden. Wer nach Klarheit in Fragen von 
großer Wichtigkeit strebt, darf auch an den Stoffen nicht 
vorübergehen, bei denen exakte Untersuchungsmethoden 
versagen; denn durch wissenschaftlichen Takt und den 
Blick für das Richtige ist in solchen Fällen nicht selten 
ein Portschritt der Erkenntnis zu gewinnen. 



— 12 — 



Erster Abschnitt. 

Indiens Einfluss auf das Christentum. 



I. Buddhistische Einflüsse auf das Neue Testament? 

Die Aehnlichkeiten zwischen buddhistischen und neu- 
testamentlichen Erzählungen haben einen Tummelplatz des 
Dilettantismus geschaffen, auf dem seit langer Zeit ein 
fröhliches Leben herrscht. Man erklärt dort alles nur 
irgendwie Aehnliche für entlehnt und hält es nicht für nötig 
danach zu fragen, ob die Einzelheiten der Parallelen von 
der Art sind, um den Gedanken eines historischen Zusam- 
menhangs zu rechtfertigen, und ob nicht die Verhältnisse, 
Situationen und Stimmungen in Indien und Palästina sich 
so weit ähnlich gewesen sind, daß naturgemäß auch ein- 
zelne Erzählungen trotz unabhängiger Entstehung eine ge- 
wisse Verwandtschaft zeigen. Man kümmert sich dort auch 
oft nicht darum, wann etwa die herangezogenen buddhisti- 
schen Texte verfaßt worden sind. Bis vor kurzem war 
allerdings die Kenntnis der buddhistischen Literatur auf 
eine kleine Zahl von Fachleuten beschränkt; seitdem wir 
aber die vortreffliche und zuverlässige Darstellung von 
M. Winternitz^ besitzen, gibt es für niemand mehr 

^ Geschichte der Indischen Litteratur, Zweiter Band, Erste Hälfte 
(Leipzig 1913). 



— 13 — 

eine Entschuldigung, der an dieser wichtigen Vorfrage vor- 
übergeht. 

Auch über die Verbindungswege zwischen Buddhismus 
und Urchristentum sind die haltlosesten Behauptungen auf- 
gestellt worden, z. B. von Emile Burnouf^, der ja 
nicht mit seinem hochverdienten Vetter Eugene Bur- 
n o u f zu verwechseln ist. Schlimmeres als solche Phan- 
tastereien über die Essäer als Vermittler zwischen Buddhis- 
mus, Parsismus, Judentum, Gnosis usw. haben notorische 
Schwindler wie Jacolliot^ und Notovitch verübt, 
die den Glauben verbreiten wollten, daß Christus in Indien 
gewesen sei und sich von dort seine (später entstellte) 
Weisheit geholt habe, — Notovitch durch freche Fäl- 
schung eines angeblich von ihm in einem tibetischen Klo- 
ster entdeckten, in Päli (!) geschriebenen „Leben Jesu''". 

Nicht selten ist ferner das Entlehnungsproblem so be- 
bandelt worden, als ob durch seine Lösung der Wert von 
Christentum und Buddhismus berührt werde. Durch diesen 
Standpunkt war die Vorurteilslosigkeit ausgeschlossen, die 
eine Grundbedingung aller wissenschaftlichen Arbeit ist, 
und an ihre Stelle war die Tendenz getreten, je nach der 
religiösen Stellung des Autors das Christentum entweder als 

^ Le Bouddhisme en Occident, Revue des deux mondes, 15. Juil- 
let 1888, 340 f.; vernichtend besprochen in der Revue de Thistoire 
des religions XVIII. 106. Aeltere Phantasien desselben Verfassers über 
Einflüsse der vedischen Religion auf die Entstehung des Christen- 
tums haben die gebührende Beurteilung erfahren durch Max Mül- 
ler, Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft (Straß - 
bürg 1874) 33, 34; Stephan Pawlicki, Der Ursprung des Chri- 
stentums (Mainz 1885) 18 f. u. a. 

* La Bible dans l'Inde (^ Paris 1881; engl. Uebersetzung London 
1870). 

' La vie inconnue de Jesus-Christ C* Paris 1894; deutsche Ueber- 
setzung: Die Lücke im Leben Jesu, Stuttgart 1894). Vgl. van den 
B e r g h , Indische Einflüsse ^ 8, 9; L. von Schroeder, Reden 
und Aufsätze, 106, 107 Anm. 



— 14 — 

frei von buddhistischen Einflüssen oder unter solchem Ein- 
fluß stehend zu erweisen. Und doch handelt es sich in 
Wahrheit nur um Dinge, die für das Wesen beider Re- 
ligionen vollkommen belanglos sind. Weder Christentum 
noch Buddhismus haben durch die Beantwortung der Frage 
nach ihrem Zusammenhang irgend etwas zu gewinnen oder 
zu verlieren. Die ganze Frage hat keine religiöse, sondern 
lediglich literargeschichtliche Bedeutung. 

Von den Schriften, die bei einer Beschäftigung mit 
dem Gegenstand Berücksichtigung verdienen ^ , nenne 
und charakterisiere ich kurz die bedeutendsten. 

Das Verdienst, die Behandlung des Themas in wissen- 
schaftliche Bahnen gelenkt zu haben, gebührt Rudolf 
S e y d e 1. In seinen beiden Büchern „Das Evangelium von 
Jesu in seinen Verhältnissen zu Buddha-Sage und Buddha- 
Lehre" (Leipzig 1882) und „die Buddha-Legende und das 

* Aufgezählt bei W i n t e r n i t z a. a. 0., 280, Anm. 1. Hinzu- 
zufügen wäre dort: Karl von Hase, Neutestamentliche Parallelen 
zu buddhistischen Quellen (Gr.-Lichterfelde- Berlin 1905); 0. Wecker, 
Christus und Buddha^ (Münster i./Westf. 1910) und Carl Giemen, 
Religionsgeschichtliche Erklärung des Neuen Testaments (Gießen 1909) 
an den zahlreichen Stellen, wo die Frage des buddhistischen Ein- 
flusses berührt wird. Diese Gelehrten leugnen jeden Einfluß auf das 
Neue Testament, was ihnen wie den meisten Theologen Herzenssache 
zu sein scheint. Dasselbe gilt von Georg Faber, der in seiner 
Schrift „Buddhistische und Neutestamentliche Erzählungen, das Pro- 
blem ihrer gegenseitigen Beeinflussung untersucht** (Leipzig 1913) in 
unseren Evangelien keinen buddhistischen Einfluß findet und S. 67, 
das Resultat seiner Untersuchungen zusammenfassend, erklärt, daß 
„die Untersuchung der einzelnen in Frage kommenden Erzählungen 
meist keinerlei Anhalt für irgendwelche gegenseitige Entlehnungen 
ergibt, daß aber überall da, wo die Möglichkeit einer Beeinflussung 
besteht, Indien als der empfangende Teil erscheint" (!). Mein Ma- 
nuskript war abgeschlossen, als die Schrift von F a b e r zu meiner 
Kenntnis gelangte. Ihre Lektüre hat mir keinen Anlaß gegeben, an 
dem Wortlaut meiner Ausführungen etwas zu ändern; nur in ein 
paar nachträglichen Fußnoten habe ich auf Fabers Arbeit Bezug 
genommen. 



— 15 — 

Leben Jesu nach den Evangelien" (Leipzig 1884, ^Wei- 
mar 1897) hat Seydel geglaubt, den Einfluß des Bud- 
dhismus und zwar einer literarischen Quelle auf die Evan- 
gelien feststellen zu können , und hat dafür ebensoviel 
enthusiastischen Beifall als entschiedenen Widerspruch ge- 
erntet. Daß Seydel viel mehr hat beweisen wollen als 
beweisbar ist, wird heute auch von denen nicht bestritten, 
die im Neuen Testament buddhistische Einflüsse finden. 
Auch glaubt niemand mehr an S e y d e 1 s Hypothese von 
einem buddhistisch gefärbten christlichen Evangelium, das 
die Verfasser der kanonischen Evangelien neben ihren 
anderen Quellen benutzt hätten. 

Erheblich wertvoller und besonnener als die Werke 
S e y d e 1 s ist die Arbeit des holländischen Theologen 
G. A. van den Berghvan Eysinga „Indische Ein- 
flüsse auf evangelische Erzählungen" (^ Göttingen 1909), die 
auch für den buddhistischen Einfluß eintritt, ihn aber nur 
mit 6' Parallelen begründet, während Seydel 51 ins 
Feld führt. Dieses Buch stellt auch insofern einen erheb- 
lichen Fortschritt dar, als van denBergh keine Ab- 
hängigkeit evangelischer Erzählungen von buddhistischen 
Schriften, sondern nur von mündlich überlieferten 
Stoffen wahrscheinlich zu machen sucht ^ 

Höchst beachtenswert und nützlich ist trotz seiner er- 
heblichen Mängel das zweibändige Werk des amerkani- 
schen Gelehrten Albert J. Edmunds „Buddhist and 
Christian Gospels, now first compared from the Originals 



* Ein Jahr vor dem Erscheinen der ersten Auflage hatte schon 
Otto Pfleiderer in seiner Schrift „Das Christusbild des urchrist- 
lichen Glaubens in religionsgescHichtlicher Beleuchtung** (Berlin 1903) 
denselben Standpunkt vertreten; doch hat mich van den Bergh 
in einer Zuschrift vom 7. Juli 1910 darauf aufmerksam gemacht, daß 
die erste, schon 1901 in holländischer Sprache erschienene Ausgabe 
seiner Schrift Pfleiderer bekannt gewesen sei. 



— 16 — 

. . . . Edited witli English notes on Chinese ver- 
sions dating from the early Christian centuries by Masa- 
haru Anesaki" (* Philadephia I 1908, II 1909). Als gründ- 
licher Kenner der buddhistischen Päli-Literatur hat Ed- 
munds hier eine große Menge von Parallelen zu Stellen 
des Neuen Testaments gesammelt, in der ausgesprochenen 
Absicht, eine Handhabe zum besseren gegenseitigen Verständ- 
nis der beiden großen Religionsgemeinschaften zu bieten. Das 
Entlehnungsproblem erklärt er dem gegenüber mehrfach für 
nebensächlich. Wie sehr es ihm aber trotzdem am Herzen 
liegt, den buddhistischen Einfluß auf das Neue Testament 
zu erweisen, geht nicht nur aus verschiedenen Stellen sei- 
nes Werkes hervor, — namentlich aus denen, wo er wört- 
liche üebernahme von Wendungen aus Päli-Quellen in das 
Johannes-Evangelium finden zu können glaubt (II 79, 80, 
97) — sondern auch aus mehreren kleineren anderweitig 
veröffentlichten Abhandlungen. Aber Edmunds begrün- 
det ebenso wie van denBergh seine üeberzeugung von 
der Erkennbarkeit der buddhistischen Einwirkung nur durch 
eine Handvoll Belege. Die große Masse der von E d- 
munds gesammelten Parallelen ist in der Tat, mit Aus- 
nahme einiger weniger, von der Art, daß keinem unbefan- 
genen Beurteiler die Annahme der Entlehnung notwendig 
oder auch nur wahrscheinlich dünken kann. Manchmal 
sind die Aehnlichkeiten sogar derartig an den Haaren her- 
beigezogen, daß man sie ebenso gern missen würde wie die 
einfältige Geschichte von dem Spuk in der Bibliothek, mit der 
Edmunds sein Werk entstellt hat (II 202 f.). Was soll 
man dazu sagen, wenn der Opfertod Christi mit der Art 
von Selbstmorden verglichen w^ird, die Buddha bei seinen 
Anhängern gebilligt hat (II 65 f.), und der Tod Christi 
mit dem Buddhas bloß deswegen, weil beide unter freiem 
Himmel vor sich gegangen sind (II 169)! Wo läßt sich 



— 17 — 

eine größere Verschiedenheit finden als in den Berichten 
von dem Kreuzestod Christi und dem friedlichen Entschlum- 
mern des achtzigjährigen Buddha unter den blühenden Säl- 
bäumen im Kreise seiner Jünger ! ^ 

Von Schriften, die den entgegengesetzten Standpunkt 
vertreten, wären außer dem ersten Teil der schon S. 7 Anm. 1 
erwähnten Abhandlung von E. W. Hopkins „ Christ in 
India*' wegen ihrer lichtvollen Kritik als besonders wertvoll 
zu nennen die Abhandlungen von L. delaValleePoussin, „Le 
Bouddhisme et les Evangiles Canoniques ä propos d'une 
publication röcente" (gemeint ist die dritte Auflage des eben 
beschriebenen Werkes von Edmunds; Revue Biblique, 
Juillet 1906 — hier wird jedweder buddhistische Einfluß 
bestritten) 2 und von E. Windisch, „Die vergleichende 



^ Wunderlich erscheint es auch, daß Edmunds II. 264 f. nach 
dem Vorgang eines japanischen Gelehrten, KumagusuMinakata, 
die Legende von dem ewigen Juden mit der Geschichte von dem 
buddhistischen Mönch Pindola in Zusammenhang bringt und so- 
gar aus ihr ableiten will. Dieser Mönch war, um vor Ungläubigen 
seine Wunderkraft zu zeigen, in die Luft geflogen und wurde deshalb 
von Buddha getadelt, nach nordbuddhistischen Quellen mit den Wor- 
ten: „Du wirst das Nirväna nicht erreichen, so lange das Gesetz be- 
steht.'' Damit ist doch nichts anderes gesagt, als daß dieser eitle 
Mönch wie die meisten anderen Wesen in dem Kreislauf der Exi- 
stenzen festgehalten werden wird. 

^ In einer neueren Abhandlung „L'Histoire des Religions de Finde 
et TApologetique* (Revue des Sciences Philosophiques et Theologi- 
ques, 1912, 490 f.) geht L. de la Vallee Poussin erheblich wei- 
ter und leugnet auch die auf der Hand liegenden buddhistischen 
Einflüsse auf die apokryphen Evangelien und die katholischen Hei- 
ligenlegenden (s. unten Kap. III, IV) und, was danach zu erwarten 
war, auch die auf den christlichen Kultus (Kap. V). Nur den heili- 
gen Joasaph läßt er S. 524 wohl oder übel als buddhistisch gelten. 
Man kann sich bei der Lektüre dieser Abhandlung der Empfindung 
nicht erwehren, daß der hochgeschätzte katholische Gelehrte hier 
unter dem Zwange des Triebes steht, der in dem Worte l'Apologeti- 
que des Titels zum Ausdruck kommt, wenn er auch zum Schluß das 
Gegenteil versichert. Den Forschungsergebnissen auf diesem Gebiet 

Garbe, Indien und das Christentum. 2 



— 18 — 

Wissenschaft" (Kapitel XII in „Buddhas Geburt", S. 195 
—222). 

In seinen klaren Ausführungen kommt Windisch 
S. 221 zu dem Resultat: „Die Parallelen zwischen Bud- 
dhismus und Christentum soll man sich allerdings nicht ent- 
gehen lassen, aber das Wort Parallelen in dem Sinne ver- 
standen, den es eigentlich hat : Linien, die sich nicht be- 
rühren und nicht schneiden." Aber vorher hatte er doch 
die Möglichkeit einer entfernten Einwirkung zugegeben; denn 
S. 216 heißt es mit besonderer Beziehung auf den Buddhismus: 
„Was geschehen ist, kann vielleicht dahin formuliert wer- 
den, daß auch Ideen und Stoffe, die in den philosophischen 
Anschauungen der Zeit und in anderen ßeligionen ihren 
Ursprung haben und in Umlauf gekommen waren, den 
christlichen Ideen dienstbar gemacht worden sind*'^ Man 
vergegenwärtige sich dabei, daß um den Beginn unserer 
Zeitrechnung der Buddhismus die mächtigste ßeligion auf 
dem Erdenrund war. 

Noch vor einigen Jahren habe ich die Ueberzeugung 
vertreten, daß im Neuen Testament kein buddhistischer 
Einfluß zu finden sei ^, und bin dabei von der wesentlichen 
Verschiedenheit der angeblich buddhistischen Elemente 
in den kanonischen Evangelien und der wirklich bud- 



wird überall da die Anerkennung versagt bleiben, wo die Vorstellung 
herrscht, daß das Christentum etwas von seiner Glorie einbüßt, wenn 
es auch nur das Nebensächlichste dem Buddhismus verdankt. 

1 Aehnlich Hopkins a. a. 0. 136, 143, 144, 168. Von dieser 
Auifassung ist nicht mehr wesentlich verschieden, was Edmunds 
im Open Court, May 1911, 262 sagt: „My general attitude toward 
the Buddhist-Christian problem is this : Each religion is independent 
in the main, but the younger one arose in such a hot-bed of eclec- 
ticism that it probably borrowed a few legen ds and ideas from the 
older, which was quite accessible to it.* 

2 In dem Aufsatz „Was ist im Christentum buddhistischer Her- 
kunft?« Deutsche Rundschau XXXVI (Juli 1910) 73 f. 



— 19 — 

dhistiscfaen Elemente in den apokryphen Evangelien ausge- 
gangen. Ich charakterisierte diese Verschiedenheit mit fol- 
genden Worten : „die Erzählungen der kanonischen Evan- 
gelien, die an buddhistische Erzählungen anklingen, tragen 
nicht einen spezifisch buddhistischen oder überhaupt spezifisch 
indischen Charakter; ihre Entstehung ist auch ohne die 
Hypothese indischer Herkunft vollkommen verständlich. 
Wogegen die Geschichten der apokryphen Evangelien, zu 
denen sich Parallelen in der buddhistischen Literatur fin- 
den, die echten Züge der indischen Märchenwelt aufweisen. 
Es handelt sich hier um echt indische Wundergeschichten: 
nicht um durch die Situation gegebene Wunder, die erhe- 
ben, erbauen oder für die Annahme des Glaubens werben 
sollen, sondern um ganz unerhörte Wunder, deren Erfindung 
lediglich den Zweck hatte, das Staunen des Hörers oder 
Lesers zu erregen." Ich fragte damals: „Warum findet sich 
Aehnliches nicht im Neuen Testament?" und meinte, daß 
dieser durchgreifende unterschied für die Klärung der 
Sachlage von entscheidender Bedeutung sei. 

Die von mir gegebene Charakteristik der verschiedenen 
Haltung der kanonischen und apokryphen Evangelien dürfte 
als zutreffend gelten können; aber ich wage heute nicht 
mehr, aus dieser Verschiedenheit die einfache Formel ab- 
zuleiten: keine buddhistischen Einflüsse im Neuen Testa- 
ment, sondern erst in den apokryphen Evangelien. Daß 
ich es damals tat, ist der beste Beweis dafür, daß mir 
durchaus keine Neigung, das Neue Testament zu „buddhi- 
sieren", zur Last gelegt werden darf. Erst nach jahrelan- 
ger üeberlegung, bei der mir gewisse auffallende Ueberein- 
stimmungen im Neuen Testament und in alten buddhisti- 
schen Quellen immer weniger im Lichte reiner Zufälligkeit 
erschienen ^, habe ich meine üeberzeugung dahin geändert, 

* Ich bekenne gern, daß auf meine Meinungsänderung Edmun ds' 

2* 



— 20 — 

daß aus jener Verschiedenheit in der Haltung der kanoni- 
schen und apokryphen Bücher ein etwas anderer Schluß 
zu ziehen ist, den ich so formulieren möchte. Während 
in den apokryphen Evangelien ein unmittelbarer 
buddhistischer Einfluß unverkennbar ist, schimmert durch 
die kanonischen nur ein i n d i r e k t e r hindurch, und zwar in 
einigen Erzählungen, die buddhistischen Ursprungs sind, 
die dann aber außerhalb des Verbreitungsgebiets des Bud- 
dhismus auf dem Wege von Mund zu Mund ihren spezifisch 
buddhistischen Charakter verloren haben und schließlich 
dem christlichen Geiste assimiliert worden sind K Auch 
sind es, w^ie wir weiter unten (S. 23, 24) sehen werden, ver- 
schiedene Phasen des Buddhismus gewesen, die hier in Be- 
tracht kommen : eine ältere für die kanonischen, eine jün- 
gere für die apokryphen Evangelien. Mit dieser Auffas- 
sung habe ich mich dem Standpunkt von van den Bergh 
und Edmunds genähert. 

Ehe ich das Material zur Begründung meiner Auffas- 
sung zusammenstelle, ist die Vorfrage zu erledigen, ob die 
Zeugnisse über den Völkerverkehr die Annahme gestatten, 
daß schon im ersten Jahrhundert nach Chr. oder früher 
buddhistische Legenden und Gedanken so weit gewandert 
seien. Wer wie van den Bergh auf dem L o m a n- 
van Manen sehen Standpunkt steht, daß das ganze Neue 
Testament aus dem zweiten Jahrhundert stammt, für den 



Kritik an meinen „Contributions of BuddhismJ to Chris tianity" im 
Monist XXII (1912) 129 f. von Einfluß gewesen ist. Der erste Teil 
dieser im Monist XXI (1911) 509 f. und dann auch als selbständige 
Broschüre in Chicago erschienenen Abhandlung ist eine Erweiterung 
meines oben erwähnten Aufsatzes in der Deutschen Rundschau vom 
Juli 1910. 

* Dabei ist natürlich nicht mehr eine Uebereinstimmung aller 
Einzelheiten zu erwarten, die von manchen Forschern zur Bedingung 
für die Annahme des äußeren Zusammenhangs der Erzählungen ge- 
macht wird. 



— 21 — 

ist allerdings diese Frage fast bedeutungslos. Dieser Stand- 
punkt aber wird von keinem einzigen namhaften Theologen 
in Deutschland vertreten und ist auch trotz der Verteidi- 
gung, die ihm van denBergh van Eysinga un- 
längst 'm einem neuen Werke ^ hat angedeihen lassen, schon 
deshalb unhaltbar, weil er die Annahme der Unechtheit 
sämtlicher paulinischer Briefe zur Voraussetzung hat. In 
seinen Briefen tritt uns eben Paulus als eine geradeso wirk- 
liche, geschichtliche Persönlichkeit entgegen, wie Christus 
in den Evangelien. Wir werden uns an einen so beson- 
nen und klug alle Umstände erwägenden Führer wie 
AdolfJülicher halten dürfen, der — abgesehen von den 
für unsere Zwecke so gut wie gar nicht in Betracht kom- 
menden Pastoralbriefen (an Timotheus und Titus) und den 
sogenannten katholischen Briefen (I. II. Petri, Jacobi, Ju- 
dae, I. II. in. Johannis), die dem zweiten Jahrhundert 
angehören — nur drei Schriften des Neuen Testaments in den 
Anfang des zweiten Jahrhunderts herabrückt. Jülicher 
setzt die Apostelgeschichte um 105 ^, das Evangelium Lu- 
cae in die Zeit von 80 — 110^ und das Evangelium Johan- 
nis in dieselbe Zeit wie seine Briefe, d. h. zwischen 100 
und 125 \ 

* Die holländische radikale Kritik des Neuen Testaments (Jena 
1912). 

2 Einleitung in das Neue Testament ° «• • 395—397. 

* Ebendas. 295, 296; doch geht er nur zögernd über 100 her- 
unter, und seine Ausführungen klingen anders als die Worte Fi- 
sch eis, Leben und Lehre des Buddha 19: „Das Lukasevangelium 
schreibt die Kritik dem zweiten Jahrhundert nach Chr. zu.'' Dafür 
hat Lüders in der zweiten Auflage die Worte gesetzt „dem letzten 
Viertel des ersten Jahrhunderts nach Chr.** F i s c h e 1 hat sich auch 
sonst in der Frage nach den indischen Einflüssen auf die evange- 
lische Erzählungsliteratur allzu zuversichtlich geäußert (Deutsche 
Lit Ztg. 1904, Sp. 2938). Vgl. W i n t e r n i t z , Geschichte der Indi- 
schen Litteratur II. i. S. 280 Anm. 1. 

* Ebendas. 21?, 218, 359. 



- 22 — 

Wie steht es nun also mit der historischen Möglichkeit 
für die Annahme, daß buddhistische Stofife schon im ersten 
nachchristlichen Jahrhundert über Alexandria oder über 
Antiochia in Syrien, in die Heimat der neutestamentlichen 
Schriften gelangt seien? Die Möglichkeit ist auch schon 
für diese Zeit schlechthin zuzugeben; es genügt, auf die 
Zusammenstellungen der Nachrichten über den Völkerver- 
kehr zu verweisen, die nach dem Vorgang älterer Gelehr- 
ten unter anderen Edmund*sS van den Berghvan 
Eysinga^ Schöffe und Georg Faber* geliefert 
haben. Nur über die Ausführungen von Seh off, die in 
der amerikanischen Zeitschrift weniger leicht zugänglich, 
aber gerade für unsere Frage besonders wertvoll sind, 
möchte ich ein paar Worte bemerken. S c h o f f bringt 
zwar nichts Neues, aber seine auf die bekannten Zeugnisse 
über den alten Handelsverkehr gegründete Darstellung ist 
so eindrucksvoll, daß man ein deutliches Bild von dem aus- 
serordentlichen Aufschwung bekommt, den der römisch- 
indische Handel im ersten Jahrhundert nach Chr. und be- 
sonders in dessen erster Hälfte erfahren hatte, um welche 
Zeit in der vornehmen römischen Welt geradezu eine Manie 
für indische Luxusartikel geherrscht hat. Mit dem Tode Neros 

^ In dem einleitenden Kapitel 5 zu den Buddhist and Christian 
Gospels*, „The possibility of connection between Christianity and 
Buddhism**, I. 111—164. Vgl. dazu den neuen Aufsatz von Edmunds, 
The accessibility of Buddhist lore to the Christian Evangelists, The 
Monist XXIII. 517 f. (s. auch ebendas. 600 f.). 

^ Indische Einflüsse auf evangelische Erzählungen* III. „Be- 
ziehungen zwischen Indien und den westlichen Ländern in vorchrist- 
licher und altchristlicher Zeit", 88—104. 

3 First Century intercourse between India and Rome, The Monist 
XXII. 138 f. 

* Buddhistische und Neutestamentliche Erzählungen, Kap. III: 
Die Beziehungen zwischen Indien und der okzidentalischen bzw. vor- 
derorientalischen Welt, S. 10—29. Dieses Kapitel ist der beste Teil 
der F a b e r sehen Schrift. 



— 23 — 

(68 nach Chr.) flaute er vorübergehend ab, erhob sich aber 
noch zweimal zu voller Blüte, am Anfang und am Ende 
des zweiten Jahrhunderts. Nun ist allerdings viel zu viel 
behauptet und man kann es geradezu als eine petitio prin- 
cipii bezeichnen, wenn Seh off (p. 141 unten) sagt, daß 
die Kaufleute zur Zeit eines so lebhaften Handelsverkehrs 
Ideen nicht minder als Waren aus dem Lande der Ausfuhr 
in das der Einfuhr brächten. Gerade ein Uebersetzer des 
lleptTcXou^ vri(; ^puS-pai; S-aXaaarjg hätte aus seinem Text ent- 
nehmen können, daß die Seeleute und Händler jener Zeit 
nur wenig Sinn für irgend etwas anderes als ihren Kram 
hatten. Der Verfasser des Periplus, der seine Reise nach 
Indien zwischen 70 und 75 nach Chr. beschrieben hat, 
handelt nur von dem, was für den Kaufmann und Seefah- 
rer von Interesse sein konnte, zeigt sich aber sonst über 
die allerbekanntesten Dinge ununterrichtet und sagt kein 
Wort über Religion. Trotzdem kann bei dem außerordent- 
lich regen Verkehr der damaligen Zeit die Möglichkeit des 
Mitwanderns religiöser Geschichten nicht in Zweifel gezo- 
gen werden. Noch ein Punkt, auf den S c h o f f (p. 144, 
145) näher eingeht, ist wichtig, weil er die verschiedene 
Haltung der kanonischen und der apokryphen Evangelien 
den buddhistischen Stoffen gegenüber erklären hilft. Um 
das Jahr 100 nach Chr. wurde das große buddhistische 
Konzil zu Jälandhara in Kaschmir unter dem indoskythi- 
schen König Kaniska abgehalten, und seit der Zeit datiert 
die Blüte der Mahäyäna- Schule des Buddhismus, über die 
weiter unten nähere Angaben zu machen sein werden. Das 
Mahäyäna ist in Wirklichkeit eine neue Religion mit neuen 
Lehren und neuen heiligen Büchern und einer besonderen 
Vorliebe für phantastische Erzählungen. Es verbreitete 
sich seit der Zeit des Kaniska nach Innerasien und beson- 
ders nach Turkestan, in das klassische Land der Religions- 



— 24 — 

vermengungen. Dort kam es mit Christen in Berührung, 
und von dort aus übte es in den nächstfolgenden Jahr- 
hunderten seinen Einfluß auf die apokryphen Evangelien, ^ 
während der indirekte Einfluß auf die kanonischen Evan- 
gelien nicht von dem Mahäyäna, sondern von dem primi- 
tiven Buddhismus, dem sogenannten Hinayäna, ausgegan- 
gen ist. 

Die historische Möglichkeit für das Eindringen indi- 
scher Ideen und StoflFe in das Urchristentum läßt sich 
noch in ganz anderer Weise als durch die Nachrichten 
über den Handelsverkehr und aus viel älterer Zeit be- 
gründen; und zwar auf eine Weise, die uns unmittelbar zu 
unseren Betrachtungen hinleitet. Die bekannten üeberein- 
stimmungen zwischen den äsopischen und den indischen 
Fabeln liefern ja den Beweis dafür, daß trotz des Fehlens 
jeder Kunde von üebersetzungen aus jener Zeit ein tat- 
sächlicher literarischer Austausch zwischen Indien, Persien, 
Kleinasien und Griechenland schon im sechsten Jahrhundert 
V. Chr. bestanden hat 2. Wie viel von Indien nach Griechen- 
land und wieviel in umgekehrter Richtung gewandert ist, 
läßt sich nicht entscheiden ; sicher aber ist in einigen Fäl- 
len der indische Ursprung, wie z. B. bei dem charakteri- 
stischen Zuge, daß in indischen Fabeln oft der Schakal 
dem Löwen als Diejier folgt, wie der Fuchs in griechischen ; 
denn der Schakal streicht in Wirklichkeit hinter dem Lö- 
wen her, aber nicht der Fuchs. 

Im fünften Jahrhundert vor Chr. finden wir bei H e- 
rodot VI, 129 eine indische Fabel wieder, ins Mensch- 
liche übertragen , in der Geschichte von Hippokieides, 

^ Elemente aus dem alten Buddhismus kommen wenigstens dabei 
nur ganz nebensächlicli in Betracht. 

"^ Max Müller in dem Artikel „Coincidences" in Last Essays 
I. 269, 270 ; L. v. Schroeder, Indiens Literatur und Kultur, 518 f. ; 
H. Oldenberg, Die Literatur des alten Indien, 110, 111. 



— 25 — 

der sich durch unanständiges Tanzen die Braut verscherzt, 
genau so wie der Pfau in der buddhistischen Fabel, der 
von der Tochter des Vogelkönigs, des Schwans, unter allen 
versammelten Vögeln zum Gatten gewählt war *. Ferner 
begegnet uns bei H e r o d o t III, 1 1 9 (vgl. auch Sopho- 
kles, Antigene 909—912) eine Anekdote, die auch in 
Indien sehr alt ist und mehrfach erzählt wird; nämlich 
die Geschichte von der Frau, die das Leben entweder des 
Gatten oder eines Kindes oder des Bruders retten kann 
und das des letzten wählt, weil sie einen Gatten und Kin- 
der wieder bekommen könne, aber nach dem Tode der 
Eltern keinen Bruder mehr. Diese Anekdote und die 
überraschende Begründung in ihr „hat ebensowenig etwas 
charakteristisch Indisches als spezifisch Griechisches an 
sich, so daß es kaum zu entscheiden sein wird, wo ihre 
eigentliche Heimat zu suchen ist. Sicher scheint mir nur, 
daß sie nicht zweimal entstanden sein kann". ^ Pischel 
hatte indischen Ursprung angenommen \ 

Daß an diesem schon in alter Zeit stattgehabten Aus- 
tausch merkwürdiger Erzählungen Palästina nicht unbe- 
teiligt gewesen ist, lehrt das berühmte Beispiel des salo- 
monischen Urteils (I. Kön. 3. 16 — 28), das — wie schon 
Benfey*, Max Müller* und nach ihnen manche 

* Jataka Nr. 32. Winternitz, Geschichte der Indischen Lit- 
teratur II. i. 102, Anm. 3: ,,Die Fabel scheint schon sehr früh Über 

Persien nach Griechenland gewandert zu sein Denn daß, wie 

C. H. T a w n e y (Journal of Philology XII, 1883, p. 121) vermutet, 
die Geschichte von den Griechen, als sie in Baktrien herrschten, nach 
Indien gebracht worden sei, halte ich deshalb für unwahrscheinlich, 
"weil es leichter erklärlich ist, daß man eine Fabel auf menschliche 
Verhältnisse überträgt, als daß aus einer Anekdote eine Fabel ge- 
macht wird. Auch ist der Pfau, der, wenn er tanzt, sein Hinterteil 
entblößt, in Indien als Muster der Unverschämtheit sprichwörtlich.* 

2 Winternitz a. a. 0. 109. 

3 H e r m e 8 XXVIIII(1893) 465 f. * Pantsch atantra II. 544. 

* Last Essays I. 280. — Keinesfalls darf diese außerordentlich 



— 26 — 

andere betont haben — unzweifelhaft nur einen Ursprungs- 
ort haben kann und nach den andern Ländern, in denen 
die Geschichte erzählt wird, übertragen sein muß. B e n- 
fey vermutete allerdings, daß Indien das Ursprungsland 
sei — eine Annahme, die noch neuerdings Greßmann^ 
und Job. HerteP zu beweisen gesucht haben — , und 
Max Müller ließ die Frage ofifen. Sonderbarerweise, 
denn auf die Frage, wie in diesem Falle die Entlehnung 
stattgefunden habe, gab es doch eigentlich nur eine Ant- 
wort, solange von der buddhistischen Erzählung nur die 
tibetische Version im Kandjur bekannt war ^, die um Jahr- 
wichtige und interessante Parallele in einem Atemzuge mit der Aehn- 
lichkeit genannt werden, die zwischen der Erzählung von der Auf- 
findung und Errettung des Moses (Exod. 2. 2 f.) und der buddhisti- 
schen Geschichte von dem Prinzen Abhaya beobachtet worden ist, 
der ein von seiner Mutter in einem Korbe ausgesetztes Knäblein auf 
einem Schmutzhaufen findet und von Ammen aufziehen läßt (Maha- 
vagga 8. 1. 4 bei Edm. Hardy, Der Buddhismus nach älteren 
Pali- Werken 117, 5); denn Säuglinge sind in Körben auf der ganzen 
Erde häufiger ausgesetzt worden, als aus Rücksicht auf die Finder 
wünschenswert war. Es ist mir auifallend, daß Wecker (Christus 
und Buddha* 33, 34) diese beiden Parallelen zusammenstellt und 
auch in dem salomonischen Urteil keinen Beleg für irgendwelche 
Verbindung Indiens mit Palästina in alter Zeit finden will. 

1 Deutsche Rundschau, Bd. 130 (1907) 212 f., besonders 218. 

« Geist des Ostens I (1913, Heft 3) 192. Hertel weist darauf 
hin, daß in einigen indischen Fassungen der Streit der beiden Mut- 
ter um das Kind viel besser (durch eine Bestimmung des indischen 
Erbrechts) motiviert ist als in der Erzählung des Alten Testaments. 
Das ist unzweifelhaft richtig. Aber diese indischen Fassungen stam- 
men aus viel zu später Zeit, um das Original repräsentieren zu kön- 
nen; und es ist doch sehr gut denkbar, daß eine Erzählung auch 
einmal in der Kopie besser motiviert erscheint als im Original, wenn 
auch im allgemeinen der Grundsatz festzuhalten ist, von vornherein 
die besser motivierte Version als die ursprünglichere anzusehen. 

* Wie zur Zeit von B e n f e y und Max Müller und noch bei 
Hopkins, India old and new, 151 Anm. Andere, mir aber ganz 
unmöglich erscheinende Auffassungen finden sich bei T. W. R h y s 
Davids, Buddhist Birth Stories, I, p. XLIVf. 



— 27 — 

hunderte später als das erstmalige Eindringen christlicher 
Missionare in Tibet angesetzt werden mußte. Da war 
doch die Auffassung einfach gegeben, daß die Erzählung 
von dem salomonischen Urteil durch christliche Vermitt- 
lung nach Tibet gelangt sei. Die Sachlage aber änderte 
sich, als die Erzählung in der viel älteren Jätaka-Samm- 
lung vorgefunden wurde; denn nunmehr konnte die Ver- 
mittlung von in Tibet oder in Nordindien wirkenden christ- 
lichen Missionaren für die üebertragung in den Buddhismus 
nicht mehr in Betracht kommen, und für die Frage nach 
dem Weg der Entlehnung muß seitdem eine andere Ant- 
wort gesucht werden. 

In Jätaka 546 lesen wir^ wie „die wahre Mutter und 
ein Koboldsweib in menschlicher Gestalt um das Kind 
streiten. Der weise Richter zog eine Linie und legte das 
Kind genau auf deren Mitte. Dann ließ er das Kobolds- 
weib an den Händen, die Mutter an den Füßen anfassen 
und sprach: „Zieht jetzt beide, und welche das Kind auf 
ihre Seite ziehen kann, der soll es gehören." Da zogen 
sie beide. Das Kind aber, dem das Ziehen weh tat, fing 
zu schreien an. Das zerriß der Mutter das Herz; sie 
ließ den Sohn los und stand weinend da. Da fragte der 
Weise die Leute: „Wessen Herz ist wohl weich gegen das 
Kind, der wahren oder der falschen Mutter?" — „Der 
wahren Mutter Herz, o Weiser" — worauf ihr das Kind 
zugesprochen wird und sie, den Richter preisend, von 
dannen geht." 

Das Alter der hebräischen Erzählung, das nicht über 
das sechste Jahrhundert heruntergerückt werden kann, macht 
es für mich unzweifelhaft, daß diese Original und die bud- 
dhistische Parallele Entlehnung ist; denn die letztere ist 
sicher um mehrere Jahrhunderte, vielleicht um ein halbes 
* Bei Oldenberg, Die Literatur des alten Indien, 114. 



— 28 — 

Jahrtausend jünger. Greßmann macht für den indi- 
schen Ursprung geltend, daß Indien und China die klassi- 
schen Länder solcher weisen Richtersprüche seien; und in 
der Tat sind Geschichten, in denen ein Mann mit außer- 
ordentlichem Scharfsinn eine Aufgabe löst, die anschei- 
nend unlösbar ist, in Indien sehr verbreitet. Aber 
alles das ist in Indien erst in viel späterer Zeit be- 
legbar als das salomonische Urteil im Alten Testa- 
ment. Auch der barbarische, echt semitische Rohheit ver- 
ratende Zug, daß der richtende König Salomo befiehlt, 
das Kind mit dem Schwerte in zwei Teile zu zerhauen, 
zeugt für die Ursprünglichkeit der hebräischen Erzählung; 
in der buddhistischen Fassung, nach der an dem Kind v^on 
zwei Seiten gezogen werden soll, ist er aus dem Gefühls- 
leben einer höher entwickelten Kultur heraus in wohl- 
tuender Weise gemildert worden ^ 



* Die spätere buddhiatische Version, wie sie im Tibetischen er- 
balten ist, weist nocb eine Aenderung auf, die eine weitere Verfei- 
nerung der Erzählung bedeutet, daß nämlich der Ricbterspruch keinem 
Mann sondern einer Frau, der weisen Visakha, übertragen wird. Wer 
diese Abänderung vornahm, tat das in der Ueberzeugung, daß eine 
Frau mit besserem Verständnis als ein Mann mit dem weibliclien 
Empfinden zu rechnen weiß. 

Es gibt noch eine ganze Reihe spätindischer Versionen, unter 
denen die jinistische in Prakritversen — bei Haribhadra (Upa- 
desapada, ed. Bhaunagar 1909, p. 287 f., v. 21 f.) oder eigentlich 
erst bei dessen Kommentator Municandra — die beachtenswer- 
teste ist (mitgeteilt von Job. Hertel, Geist des Ostens I. 189 f.). 
Haribhadra hat nach Angabe der J a i n a s im fünften Jahrhun- 
dert nach Chr. geschrieben, wird aber von J a c o b i aus sprachliclien 
Gründen erst um 870 angesetzt (ZDMG. 40, 94 f.); und Munican- 
dra, den Hertel als Verfasser des Kommentars festgestellt hat, 
schrieb diesen gar erst im Anfang des zwölften Jahrhunderts. In 
seiner Darstellung soll das strittige Kind zersägt, in den jüngeren 
indischen Versionen, im Vikramodaya (s. Zachariae, Zeitschr. des 
Vereins für Volkskunde 16, 135 f.), in der tamulischen Kathamanjari 
und in der Telugu-Erzählung (bei Greßmann S. 218 f.), wieder 



— 29 — 

Aus allem hier Angeführten geht hervor, daß ein münd- 
licher Austausch von Erzählungen zwischen Indien und 
dem äußersten Westen Asiens schon seit mindestens dem 
sechsten -Jahrhundert vor Chr. stattgefunden hat. Nichts 
reist im Orient schneller als eine gute Geschichte, hat E d- 
munds einmal gesagt^; und das gilt offenbar schon für 
jene alten Zeiten, und nun stelle man sich vor, wie viel 
gangbarer die Verbindungswege, auf denen interessante 
Erzählungen schon lange zwischen Indien und den Ost- 
küsten des Mittelländischen Meeres hin und her gewandert 
waren, durch den Eroberungszug Alexanders des Großen 
werden mußten, und durch die Entstehung einer ganzen 
Anzahl griechischer Städte, die dieser längs der Grenze 
Indiens gegründet hat. Jahrhunderte lang haben dort 
nicht nur kriegerische Verwicklungen, sondern auch die eng- 
sten friedlichen Beziehungen zwischen Indern und Griechen 
bestanden. Von dem gewaltigen Reiche Alexanders gingen 
zwar alsbald nach seinem Tode die indischen Grenzgebiete 
der griechischen Herrschaft verloren. Aber nachdem gegen 
Mitte des dritten Jahrhunderts vor Chr. Diodotus das grie- 
chisch-baktrische Reich gegründet hatte, wurde dieses einige 

zerhauen werden. Da ist die alte Ueberlieferung, die im Buddhismus 
gemildert war und die in einem Seitenstrom sich erhalten haben 
muß, wieder hervorgetreten, wenn man nicht annehmen will, daß ein 
erneuter Einfluß der jüdischen Originalerzählung sich geltend ge- 
macht hat. Vgl. auch noch L. P. Tessitori, Two Jaina Version s 
of the story of Solomons Judgment, lA. 1913, 148 f. 

Wie die Geschichte vom salomonischen Urteil aus Indien über 
Tibet nach China gewandert ist, so hat sie auch im Westen sich von 
Palästina nach Syrien und Arabien und zu den Griechen und Römern 
verbreitet. — Eine in Indien entstandene und von dort nach Europa 
gewanderte Abart der Geschichte ist der Streit der zwei Frauen um 
das Garnknäuel in ebendemselben J&taka, in dem auch die buddhi- 
stische Version des salomonischen Urteils steht. S. Z a c h a r i a e in 
WZKM. 26 (1912), 418 f. 

* Buddhist and Christian Gospels* I. 153. 



— 30 — 

Jahrzehnte später von Euthydemus durch Eroberungen 
wieder weit nach Indien hinein ausgedehnt. Von dem grie- 
chisch-baktrischen Reiche löste sich im zweiten Jahrhun- 
dert das griechisch-indische Reich ab, dessen Begründer 
Demetrius um 175 den Sitz seiner Regierung in das Pend- 
schab verlegte. Der bedeutendste unter den griechisch-in- 
dischen Koniferen, Menander, der im letzten Drittel des 
zweiten Jahrhunderts ein ungeheures, bis über die Dschumna 
hinaus in das Gangestal reichendes Gebiet beherrschte; 
hat in langen Friedensjahren das lebhafteste Interesse für 
den Buddhismus betätigt, Disputationen mit buddhistischen 
Gelehrten abgehalten und schließlich deren Glauben ange- 
nommen. Davon handelt ein berühmtes Werk der bud- 
dhistischen Päli-Literatur, der Milindapafiha „die Fragen 
des Milinda (= Menander)". ^ Wenn ich daneben noch er- 
wähne, daß der Buddhismus unter den griechisch-baktri- 
schen Herrschern in Ostiran Eingang gefunden und im 
ersten Jahrhundert vor Chr. in Baktrien geblüht hat^, so 
dürfte damit die Voraussetzung, daß von dort aus in hel- 
lenistischer Zeit buddhistische Gedanken und Stoffe nach 
Syrien und Palästina gelangen konnten, ausreichend be- 
gründet sein. 

Daß für das Vorhandensein buddhistischer Einflüsse 
im Neuen Testament bisher kein zwingender Beweis bei- 
gebracht worden ist, muß ohne weiteres zugegeben werden. 
Ein solcher Beweis kann eben nach Lage der Dinge gar 



^ S. über dieses Buch meine „Beiträge zur indisclien Kulturge- 
schichte" (Berlin 1903) 95 f. und die Einleitung von F. Otto Seh ra- 
der, „Die Fragen des Königs Menandros, aus dem Päli zum ersten 
Male ins Deutsche übersetzt" (Berlin 1907). Diese Uebersetzung von 
Schrader bietet nur einen Auszug ; vollständig ist das Werk ins 
Englische übersetzt von R h y s Davids, SBE XXXV, XXXVI. 

^ J. Darmesteter, Le Zend-Avesta, Traduction nouvelle avec 
commentaire historique et philologique, III. p. XLVII, XLVIII. 



— 31 — 

nicht geführt werden, solange nicht das „Buddhist-Christian 
missing link" vorliegt, dessen Auffindung Edmunds in 
der Form einer griechischen üebersetzung oder Bearbeitung 
altbuddhistischer Texte von Ausgrabungen auf den Ruinen- 
feldern des nördlichen Afghanistan erhofft'. Ein solcher 
Fund könnte allerdings auf die Behandlung unserer Frage 
ein ganz neues Licht werfen. Bis er aber gemacht ist — 
und daß er je gemacht werden wird, ist doch nur eine 
etwas sanguinische Hoffnung — müssen wir uns mit dem 
erreichbaren hohen Grade von Wahrscheinlichkeit begnügen. 

Bevor ich an diejenigen Parallelen herantrete, bei 
denen die größte Wahrscheinlichkeit für die buddhistische 
Herkunft der neutestamentlichen Erzählung spricht, will 
ich zunächst eine Reihe von Fällen vornehmen, die beim 
ersten Anblick buddhistischen Einfluß zu verraten schei- 
nen und deshalb auch mehrfach als Stützen der Entleh- 
nungshypothese verwertet worden sind, die aber bei 
näher erBetrachtung derEinzelheiten oder 
aus chronologischen Gründen sich als nicht 
beweiskräftig erweisen. 

1. Hierher gehört die üebereinstimmung in der bud- 
dhistischen und christlichen Erzählung von der überna- 
türlichen Geburt des Heilands, aus der schon 
Edmunds und van den Bergh keine Abhängigkeit 
der christlichen von der buddhistischen Legende mehr ab- 
leiten. Zwar war die letztere schon im dritten oder vier- 
ten vorchristlichen Jahrhundert vorhanden (in dem Päli- 
Text Acchariyabbhuta-dhamma-sutta) ; daß aber von Thr ein 
Einfluß auf die christliche Legende ausgeübt worden sei, 
ist wegen der ungeheuren Verschiedenheit beider ausge- 



^ Buddhist and Christian Gospels* I. 155, The Open Court, Ja- 
nuary 1912, 61, 62. 



— 32 — 

schlössen. Der alte vorchristliche Buddhismus weiß nichts 
von der Jungfräulichkeit der Mutter Buddhas, im Gegen- 
teil, die älteren Texte sagen ausdrücklich, daß sie keine 
Jungfrau, sondern eine verheiratete Frau war, als der 
Bodhisattva (der zukünftige Buddha) aus dem Himmel der 
Tusita-Götter in Gestalt eines weißen Elefanten in ihren 
Schoß einging, um später aus ihrer rechten Seite ans Licht 
der Welt zu kommen. Ein weiterer Grund gegen die Ab- 
hängigkeit der christlichen von der buddhistischen Legende 
liegt in der bekannten Tatsache, daß viele B/Cligionsstifter 
und -lehrer im Orient — und oft genug auch außerhalb 
des Orients (Plato!) — auf übernatürliche Weise geboren 
sein sollen. Einige dieser Erzählungen, wie z. B. die par- 
sische Prophezeiung von der Geburt des zukünftigen Hei- 
lands, lassen sich weit besser mit der Legende von der 
unbefleckten Empfängnis Christi vergleichen als die indi- 
sche Legende von der übernatürlichen Geburt Buddhas. 

2. Die Seligpreisung der Mutter Jesu 
durch eine Frau aus dem Volke (Luk. IL 27) 
hat ^ine Parallele in der Erzählung der Nidänakäthä, in 
der eine edle Jungfrau, von der hoheitsvollen Erscheinung 
des vorbeiziehenden (nachmaligen) Buddha hingerissen, die- 
sem entgegenruft: „Selig fürwahr ist die Mutter, selig für- 
wahr der Vater, selig fürwahr die Frau, die einen so herr- 
lichen Gatten hat!" Worauf Gotama, durch das Wort 
„selig" angeregt, seine Gedanken auf die wahre Seligkeit 
des Nirväna richtet, wie auch Christus die Seligsprechung 
zum Anlaß nimmt, einen Ausspruch von tieferem religiösen 
Gehalt zu tun. 

S e y d e 1 hatte in dieser Szene eine Parallele aller- 
ersten Ranges gesehen und dieses Urteil durch etwas spitz- 
findige Hervorhebung von acht übereinstimmenden Einzel- 
heiten begründet. Van denBergh^49 schließt sich 



— 33 — 

ihm an mit den Worten: „Diese Uebereinstimmungen sind 
gewiß überraschend durch ihre Konkretheit und Anzahl. 
Die buddhistische Erzählung aber, aus einem südlichen 
kanonischen Werke, ist gewiß Jahrhunderte älter als das 
Evangelium des Lukas. "^ Das ist nicht richtig; die Nidäna- 
katbä, die Einleitung zu dem J&taka-Kommentar, stammt 
erst aus dem fünften Jahrhundert nach Chr. Nun findet 
sich allerdings unsere Erzählung auch in dem nordbuddhis- 
tischen Mabävastu (ed. Senart, II, p. 157); aber auch 
dieser Text, dessen Kern zwar wohl schon im zweiten 
Jahrhundert vor Chr. entstanden ist, hat sicher bis ins 
vierte, wahrscheinlich bis ins sechste nachchristliche Jahr- 
hundert Zusätze und Einschiebungen erfahren ^ Wenn 
also ein Zusammenhang zwischen den beiden Erzählungen 
bestehen sollte, so spricht Alter und Beschaffenheit der 
Quellen eher für die ürsprünglichkeit der christlichen, 
üebrigens verlieren die Uebereinstimmungen dadurch an 
Gewicht, daß in der buddhistischen Erzählung der zukünf- 
tige Buddha sein Perlenhalsband abnimmt und der Jung- 
frau sendet, die daraus den Schluß zieht, daß er sich in 
sie verliebt habe. 

3. Eine unstreitig sehr beachtenswerte Parallele zu dem 
Scher fl ein der armen Witwe (Mark. 12.41 — 44, 
Luk. 21. 1—4) bietet die buddhistische Erzählung von 
dem armen Mädchen, das auch zwei Kupferstücke in einer 
religiösen Versammlung zugunsten der Priesterschaft opfert, 
deren Oberhaupt darauf diese Gabe als wertvoller preist 
als die von den Reichen dargebrachten Schätze. Diese 
Geschichte, die den schönen ebenso buddhistischen wie 
christlichen Gedanken zum Ausdruck bringt, daß es bei 
einer Gabe nicht auf den äußeren Wert, sondern auf die 
gute Gesinnung ankomme, wird am Schluß in kläglicher 

* Winternitz, Geschichte der ind. Litt. IL i. 193. 

O a T b e , Indien und das Christentum. 3 



* Van den Bergh a. a. 0.^ 50 f., Winternitz, Gesch. d. 
ind. Litt. IL i. 282, 283. Anders E d v. L e h m a n n , Der Buddhis- 
mus, 89, 90, der die zwei Kupfer stücke ganz ühersieht. 

2 Von Ed. H u b e r ins Französische übersetzt (Paris 1908). Un- 
sere Erzählung findet sich dort p. 119 f. VgL auch S. Beal, Ab- 
stract of four Lectures on Buddhist Literature in China (London 
1882) 98, 99, 170 f. 

' Winternitz a. a. 0. 223. Rhys Davids in der EncycL 
Brit." IV. 748. 



— 34 — 

Weise verflacht. Das Mädchen wünscht nämlich, da£ seine 1 

Handlungsweise auch belohnt werden möge; und richtig 
wird es mit echt orientalischer Plötzlichkeit und üeber- 
treibung schon auf dem Heimweg von dem verwitweten 
König des Landes, der gerade seine Frau bestattet hatte, 
zu seiner Gattin erhoben. Aber das ist für unsere Frage 
Nebensache. Die Uebereinstimmung in einer so unterge- 
ordneten Einzelheit, wie es die zwei Kupferstücke sind, 
hat mit Recht schon mehrere Gelehrte zu der üeberzeugung 
geführt, daß die beiden Erzählungen nicht unabhängig von 
einander erfunden sein können ^ Die buddhistische Er- 
zählung steht in A^vaghosa's Süträlamkära, der um 100 
nach Chr. verfaßt, aber bis jetzt nur in einer dreihundert 
Jahre später angefertigten chinesischen üebersetzung ^ be- 
kannt ist. Wer nun weiß, wie . im ganzen Orient üeber- 
setzer und Bearbeiter ohne jedes Bedenken alles interpo- 
lieren, was gerade zu ihrer Kenntnis gelangt und ihnen 
in den Zusammenhang zu passen scheint, wird auch in 
diesem Falle geneigt sein, an die Ursprünglichkeit der christ- 
lichen Erzählung zu glauben. 

4. Dasselbe gilt von der buddhistischen Parallele zu der 
Samariterin am Jakobsbrunnen (Job. 4, 6 f.), 
die sich erst im Divyävadäna, dessen Redaktion eher in 
das dritte als in das zweite Jahrhundert nach Chr. gesetzt 
werden muß^, und in der chinesischen üebersetzung des 



— 35 — 

Kanons vorfindet. Buddhas Lieblingsjünger Änanda kommt, 
nach einer langen Wanderung müde und durstig, zu einem 
Brunnen und bittet ein Mädchen aus der tief verachteten 
Kaste der Cändälas, ihm zu trinken zu geben. Das Mäd- 
chen weicht scheu vor ihm zurück und macht ihn darauf 
aufmerksam, daß er sich ihr nicht nahen dürfe, ohne sich 
zu verunreinigen. Änanda aber erwidert : „Meine Schwester, 
ich frage nicht nach deiner Kaste noch nach deiner Familie; 
ich bitte dich nur um Wasser, wenn du es mir geben kannst.** 
Das Mädchen verliebt sich darauf hoffnungslos in Änanda, 
wird aber schließlich von Buddha selbst zu seiner Lehre 
bekehrt. Hier scheint allerdings der Charakter der ganzen 
Erzählung für buddhistische Originalität zu sprechen;^ aber 
die Jugend der Quellen legt doch den Gedanken nahe, daß 
es sich eher um eine Assimilierung der christlichen Erzäh- 
lung an indische Verhältnisse handelt. 

5. Vom Blindgeborenen heißt es Job. 9. 1—3: „und 
Jesus ging vorüber und sah einen, der blind geboren war. 
Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer 
hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, daß er ist blind 
geboren? Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt 
noch seine Eltern usw.** Diese Erzählung hat man in Zu- 
sammenhang gebracht mit der buddhistischen (wie brah- 
manischen) Lehre von der Seelenwanderung und von der 
Vergeltung heischenden Macht der Tat. Hopkins be- 
merkt ^, indem er einem richtigen Grundgedanken Aus- 
druck gibt, daß Christus, wenn er unter buddhistischem 
Einfluß gestanden hätte, nur die Antwort hätte geben 
können: „Dieser Mann**, In richtigerer Fassung würde 
dieser Satz lauten : daß der Verfasser des Johannes-Evan- 
geliums, wenn er unter buddhistischem Einfluß gestanden 

* Näheres darüber bei van den Bergh* 50 f. 

* India old and new, 127. 



— 36 — 

hätte, Christus nur die Antwort „dieser Mann' hätte in 
den Mund legen können. 

Noch heute ist seit alters in Indien die Anschauung 
verbreitet, daß Blindheit die Folge davon sei, daß der un- 
glückliche in einem früheren Leben einen anderen geblen- 
det habe. Ohne die Vorstellung einer solchen oder ähn- 
lichen, aus einer früheren Existenz nachwirkenden 
Schuld würde die Frage, die im Johannes-Evangelium die 
Jünger an Jesus richten, ganz unverständlich sein. Trotz- 
dem leugnet Hopkins mit vollem Recht, weil es aus Bud- 
dhas Leben keine Parallelerzählung zu der biblischen Er- 
zählung gibt S den Einfluß einer buddhistischen Quelle auf 
die letztere, bemerkt aber doch S. 127 Mitte: „The only 
parallel in the Gospel account is one of thought, for it is 
claimed tbat such an idea as is here presented in the dis- 
ciples' question implies a doctrine that is specially Bud- 
dhistic (namely, sin working out in disease in a new birth), 
because it is foreign to Jewish ways of thinking. But the 
latter point may be admitted without any necessity of ac- 
cepting the explanation, since an Egyptian source is quite 
as probable as a loan from India." ^ Ich war erstaunt 
darüber, daß Hopkins hier gar nicht den zweiten 
Teil der Frage in Betracht zieht, die von den Jüngern ge- 
stellt wird: nämlich ob die Sünde der Eltern schuld daran 



* Eine ähnliche Parabel von einem Arzt, der einen Blinden 
heilt und in üblicher Weise Blindheit als die Strafe früherer Sünden 
erklärt, findet sich erst in dem nordbuddhistischen Saddharma-pun- 
darika, dem „Lotus des guten Gesetzes", der nicht vor 200 nach 
Chr. entstanden sein kann und erst im dritten Jahrhundert seinen 
gegenwärtigen Umfang gewonnen hat (H. K e r n in der Einleitung 
zu seiner Uebersetzung des Werkes, SBE XXI p. XXII, Winter- 
n i t z , Gesch. d. ind. Lit. II. i. 237). 

* S. 136 Mitte sagt Hopkins: „it is possible that the idea of 
karma (d. h. des Gesetzes der Vergeltung für in einer früheren Exi- 
stenz begangene Sünden) may have been received from India." 



— 37 — 

sei, daß der Mann blind geboren wurde. Denn diese 
Fragestellung fußt doch auf dem furchtbaren alttestament- 
lichen Satze, der seine Bestätigung in der modernen Er- 
kenntnis der erblichen Belastung gefunden hat und dem 
Wirklichkeitssinn der alten Hebräer alle Ehre macht: „Ich 
der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heim- 
suchet der Väter Missetat an den Kindern bis ins dritte 
und vierte Glied« (II Mose 20. 5, vgl. IV Mose 14. 18, 
V Mose 5. 9). Der zweite Teil der Frage der Jünger, der 
also in einer echt-jüdischen Anschauung wurzelt, sollte 
uns den Weg zur richtigen Beurteilung des ersten Teiles 
weisen, da es von vornherein nicht wahrscheinlich ist, daß 
diese beiden Teile ihren Ursprung in den Ideenkreisen ver- 
schiedener Völker haben. Außerdem wird eine wissen- 
schaftliche Betrachtungsweise stets bemüht sein, die reli- 
giösen (und ebenso die philosophischen) Vorstellungen eines 
Volkes aus der Gedankenwelt des eigenen Volkstums ab- 
zuleiten und zu verstehen, und erst dann, wenn sich dort 
keine genügenden Anknüpfungspunkte finden, die Möglich- 
keit der Entlehnung aus der Fremde in Betracht ziehen. 
Um in unserem Fall die Voraussetzungen für den ersten 
Teil der Frage festzustellen, ob das Blindgeborensein des 
Mannes seine Ursache in einer eigenen (also in einer frühe- 
ren Existenz begangenen) Sünde habe, brauchen wir nicht 
bis nach Indien zu gehen ; wir werden sie aber auch nicht 
— was Hopkins für ebenso möglich hält wie eine Ent- 
lehnung aus Indien — in der ägyptischen Religion zu su- 
chen haben, zumal die volkstümliche ägyptische Vorstellung 
von der Verwandlungsfähigkeit der menschlichen Seele nach 
dem Tode keine genügende Grundlage liefert. Wir werden 
vielmehr zunächst zu prüfen haben, ob wirklich mit Hop- 
kins zugegeben werden muß, daß die Vorstellung der Prä- 
existenz der Seele oder der Seelenwanderung eine der jü- 



— 38 — 

dischen Gedankenwelt der damaligen Zeit fremde Idee ge- 
wesen ist. Das ist nun keineswegs der Fall. Denn die 
Idee der Seelenwanderung ist der jüdisch- alexandrinischen 
Philosophie durchaus nicht unbekannt. Philo, dessen 
Lehren bekanntlich ein Fundament des Johannes-Evange- 
liums bilden, teilt mit den Pythagoreem und Orphikern 
die Seelenwanderungslehre und hat sie aus diesen griechi- 
schen Gedankenkreisen übernommen. Ed. Zeller sagt 
darüber^: „Erst nach der Trennung vom Leibe gelangen 
diejenigen Seelen, welche sich von der Anhänglichkeit an 
denselben frei erhalten haben, wieder zum ungestörten Ge- 
nuß ihres höheren Lebens . . .; den übrigen stellt Philo, 
so selten er auch davon redet, die Seelenwanderung in 
Aussicht, welche seine Voraussetzungen forderten^. Die 
Anmerkung dazu gibt eine Reihe von Belegstellen. Van 
denBergh* 71 und O. Wecker^ 34 verweisen auch 
auf die „Weisheit Salomonis" 8. 19, 20, wo (gegen 100 
vor Chr.) dem Salomo die Worte in den Mund gelegt 
werden: „Da ich von guter Natur war, war ich auch in 
einen unbefleckten Leib gekommen^ und finden in diesem 
Ausspruch einen Beleg für den Glauben an die Präexistenz 
der Seele bei den alexandrinischen Juden. Wir haben also 
nicht den geringsten Grund, für die Geschichte von dem 
Blindgeborenen im Johannes -Evangelium buddhistischen 
Einfluß anzunehmen, und es ist begreiflich, daß Otto 
Pfleiderer, der zuerst in dieser Geschichte einen der 
besten Gründe für die Seydelsche Hypothese gesehen 
hatte, später ganz davon zurückgekommen ist. 

6. Die buddhistische Parallele zu dem Weltbränd 
im n Petrusbrief 3. 6, 7, 10, 12, 13 hält van den Bergh« 



^ Philosophie der Griechen III. 2*. 446. 

'^ S. auch S 451: ,Weil er die Verbindung der Seele mit dem 
Leibe selbst schon aus einer freien Tat ableitet** usw. 



— 39 — 

63 — 65 für sehr wichtig. Auf die Uebereinstimmung der 
dortigen Schilderung, nach der die Welt einstmals durch 
Wasser vernichtet worden ist und in Zukunft durch Feuer 
verzehrt werden wird, um neu und besser zu erstehen, mit 
der buddhistischen Vorstellung von den periodischen Welt- 
zerstörungen durch Wasser, Feuer und Wind hat zuerst 
S. B e a 1 hingewiesen ^ Diese Uebereinstimmung aber ist 
nur äußerlich und scheinbar ; denn in dem Petrusbrief wird 
auf die alttestamentliche Sage von der Sintflut Bezug ge- 
nommen, und der Glaube an die bevorstehende Weltver- 
nichtung durch Feuer ist durch die Erwartung des Gerichts 
bedingt, bei dem das Feuer, das die Verdammten empfängt, 
eine ausschlaggebende Rolle spielt. Außerdem bietet hier 
die analoge Vorstellung des Parsismus eine näher liegende 
Parallele. Daß der parsistische Ideenkreis hier wirklich 
seinen Einfluß ausgeübt hat, wird durch die v. 13 erwähnte 
Erwartung der neu erstehenden Welt sehr wahrscheinlich 
gemacht *. 

7. Edmunds hat wiederholt ^ besonderes Gewicht auf 
Joh. 7. 38 und 12. 34 gelegt, wo Zitate aus der Schrift 
(ypacpYj) und dem Gesetz (v6(io;) angeführt werden, die 
nicht in der jüdischen Literatur, wohl aber in dem bud- 



^ Romantic Legend of Säkya Buddha (London 1875), Introd. X, 
Note 1; s. auch 0. Franke, Deutsche Lit. Zeitg. 1901, 2760 f. 

* K i r 8 1 e , Lit. Zentralblatt 1905, Sp. 163 ; C. C 1 e m e n , Reli- 
gionsgeschichtliche Erklärung des Neuen Testaments, 128. 

' Buddhist Texts in John (Philadelphia- London 1906) und Bud- 
dhist Texts quoted in the Fourth Gospel, The Open Court 1911, 257 f. 

Auch das &7tag XsYöjievov des Neuen Testaments alwvtov ÄjidpTYjiia 
bei Mark. 3. 29, das allerdings ganz genau dem Pali kappatthika 
kibbisa entspricht (Edmunds, Buddhist and Christian Gospels * 
II. 228, 229) wird man schwerlich als eine wörtliche Herübemahme 
des buddhistischen Ausdrucks ansehen dürfen. Als eine solche bis 
an das Ende des Weltalters fortwirkende Sünde gilt im Buddhismus 
die Begründung eines Schisma. 



— 40 — 

dhistischen Päli-Kanon nachzuweisen seien. Wenn auch 
verschiedene Gelehrte von der Richtigkeit dieser Beobach- 
tung überzeugt sind (z. B. Schöffe — van den Bergh* 
61 nur in dem ersten, nicht in dem zweiten Fall), so kann 
ich mich ihnen doch nicht anschließen; denn in beiden 
Fällen sind die Verschiedenheiten zu groß, um einen hi- 
storischen Zusammenhang glaublich erscheinen zu lassen. 

Wenn es Job. 7. 38 heißt: „Wer an mich glaubet, 
wie die Schrift sagt, von deß Leibe werden Ströme des 
lebendigen Wassers fließen", so liegt hier deutlich ein bild- 
licher und bei vielen Völkern gebrauchter Ausdruck für 
den anregenden und belebenden Einfluß vor, der von dem 
Qläubigen ausgeht. Das ist etwas vollkommen anderes als 
das große Wunder des Tathägata (Buddha), das von den 
Schülern nicht nachgemacht werden kann, daß er nämlich 
im Stande ist, Feuer und Wasser aus seinem Leibe ausströ- 
men zu lassen ^. 

Für die zweite Stelle, Job. 12. 34: „Da antwortete 
ihm das Volk: Wir haben gehört im Gesetz, daß Christus 
ewiglich bleibe", lautet die von Edmunds vermeintlich 
entdeckte Quelle aus dem Mahä-parinibbäna-sutta^: „Anan- 
do, any one who has practiced the four principles of psy- 
chical power — developed them, made them active and 
practical, pursued them, accumulated and striven to the 
height thereof — can, if he so should wish, remain [on 
earth] for the aeon or the rest of the aeon. Now, Anan- 
do, the Tathägato has practiced and perfected these; and 
if he so should wish, the Tathägato could remain 
[on earth] for the aeon or the rest of the aeon." 

Diese Parallele verliert alle Bedeutung durch den Be- 



1 The Monist XXII (1912) 148. 

^ Patisambhidä-magga 1. 53 und sonst. 

^ Drgha-nikäya 16, übersetzt von Rhys Davids, SBE XI. 40. 



— 41 — 

dingungssatz, daß der Tathägata bis an das Ende der ge- 
genwärtigen Weltperiode (kappa) auf Erden leben könnte, 
wenn er das wollte, — was er eben zu seinem Glück 
nicht gewollt hat. Zudem soll Christus bis in Ewigkeit 
(eiQ TÖv atöva) bleiben, wovon bei dem Tathägata keine 
Rede ist. 

Daß die Zitate an den beiden Stellen des Johannes- 
Ei ^angeliums nicht mit Sicherheit in der jüdischen Literatur 
zu verifizieren sind, erscheint mir weniger bedenklich als 
[Edmunds; denn entweder kann nicht wörtlich zitiert oder 
die jüdische Quelle verloren gegangen sein, 

8. Der Glaube an die Höllenfahrt Christi ist 
im Neuen Testament wenigstens durch eine sichere Beleg- 
stelle (I Petr. 3. 19) bezeugt; doch scheint derselbe eher 
auf durch das Judentum vermittelte alte mythologische Vor- 
stellungen Babyloniens zurückzugehen ^ als auf die entspre- 
chende buddhistische Legende. Es ist nicht einmal wahr- 
scheinlich, daß diese in irgend einem Zusammenhang mit 
der ausführlicheren Darstellung der Höllenfahrt Christi in 
dem apokryphen Evangelium des Nikodemus steht ^. 

9. Zu dem Gleichnis vom Sämann (Matth. 13. 3 f., 
Mark. 4. 3 f., Luk, 8. 5 f.) hat O. Franke eine Parallele 
aus dem Samyutta-nikäya 42. 7 beigebracht^, wo Buddha 
spricht: „Der Landmann bestellt nicht nur den erstklassi- 
gen Boden, sondern auch den mittelguten und den ge- 
ringen, salzhaltigen, schlechten Dschangelboden ; denn er 
denkt: wenigstens Viehfutter wird darauf wachsen. Dem 
erstklassigen Boden sind zu vergleichen meine Mönche und 
Nonnen, .. , . dem mittelguten die Laienfreunde, . . . dem 

^ H. Zimmern in Eberhard Schrader, Die Keilinschrif- 
ten und das Alte Testament» II. Hälfte, 388. 

« Van den Bergh« 87, 88; Winternitz, Gesch. d. ind. 
Litt. IL I. 239, 240. 

8 Deutsche Lit. Zeitg. 1901, 2759. 



— 42 — 

schlechten die Anhänger anderer Religionsgemeinschaften. 
Auch ihnen predige ich die Lehre . . . ; denn wenn sie auch 
nur ein wenig davon verstehen, so kann ihnen das doch 
auf ewig zum Heil und Segen gereichen.** 

Bei der Vorliebe, die Buddha und Christus für para- 
bolische Lehrweise gehegt haben, sind Gleichnisse zu Schlüs- 
sen auf Entlehnung mit noch größerer Vorsicht zu ver- 
werten als Erzählungen, die Aebnlichkeiten aufweisen. 
Speziell in dem vorliegenden Fall ist die selbständige Er- 
findung des Gleichnisses hüben und drüben durchaus wahr- 
scheinlich; denn einer Ackerbau treibenden Bevölkerung 
gegenüber liegt das Bild des Sämanns für einen Beligions- 
lehrer außerordentlich nahe, ebenso wie die Dreiteilung des 
Bodens in gut, mittel und schlecht. Zustimmung aber ver- 
dient Franke unbedingt, wenn er den durch das Gleich- 
nis erläuterten Grundgedanken im buddhistischen Text 
höher stellt als den in den christlichen Evangelien. Nur 
theologische Befangenheit kann dieses urteil anfechten ^. 

Anhangsweise sei hier ein Wort über das Gleichnis 
von den anvertrauten Pfunden (Matth. 25. 14—30, 
Luk. 19. 12 — 27) bemerkt, zu dem H. Jacobi eine über- 
raschende Parallele in einem heiligen Jaina-Text, dem von 
ihm übersetzten üttarädhyayana (VII, 15—21) gefunden 
hat. Der Wortlaut ist folgender^: „Three merchants set 
out on their travels, each with bis capital; one of them 
gained there much, the second returned with his capital, 
and the third merchant came home after having lost his 
capital. This parable is taken from common life; learn 
(to apply it) to the Law. The capital is human life, the 
gain is heaven; through the loss of that capital man must 



* C. Giemen, Religionsgesch. Erkl. des Neuen Testaments 251, 
tut es. 

2 SBE XLV, 29, 30. S. auch Introduction XLII. 



— 43 — 

be bom as a denizen of hell or a brüte animal . . . He 
who brings back bis capital is (to be compared to) one 
who is bom again as a man . . . But he who increases 
his capital is (to be compared to) one who practises emi- 
nent virtues; the virtuous, excellent man cheerfuUy attain s 
the State of Gods." 

Aus van den Bergh^ 62,63 ersieht man, daß im 
Hebräer-Evangelium eine ältere und mit dieser jinistischen 
Parabel noch mehr übereinstimmende Form des christlichen 
Gleichnisses steht als bei Matthäus und Lukas. Doch scheint 
mir die Uebereinstimmung auch in diesem Fall ebenso 
beurteilt werden zu müssen wie bei dem Gleichnis vom Sä- 
mann. Man braucht in dem Satz, der oben davon handelt, 
an Stelle der auf den Ackerbau bezüglichen Ausdrücke 
nur solche einzusetzen, die sich auf den Handel beziehen; 
dann gilt er auch hier. Van den Bergh sagt nichts über 
die Entlehnungsfrage. Wird sie aufgeworfen, so ist jeden- 
falls in Betracht zu ziehen, was Jacobi in der Einleitung 
zu seiner Uebersetzung des üttarädhyayana p. XXXVIII 
bemerkt: daß nämlich diejenigen Teile des jinistischen Ka- 
nons, zu denen dieser Text gehört, zwar wahrscheinlich in 
den ersten Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung gesam- 
melt seien, daß aber „additions or alterations may have 
been made in the canonical works tili the time of their 
first edition under Devardhiganin (980 A. V. = 454 A. D.)." 
Die christliche Parabel könnte demnach, wenn durchaus 
Entlehnung angenommen werden soll, zu den Jainas ge- 
wandert sein ^. Jacobi hält die entgegengesetzte Annahme 
für wahrscheinlich. 



* Im jinistischen Kanon (in den Näya-dhamma-kahao im sechsten 
Anga) findet sich noch eine andere Version der Parabel, die aber 
deutlich jünger ist als die Geschichte von den drei Kaufleuten im 
üttarädhyayana und nur als ein verwässerter Ableger von ihr ange- 



— 44 — 

Für das Gleichnis von dem Kamel und dem 
Nadelöhr (Matth. 19. 24, Mark. 10. 25, Luk. 18. 25) fin- 
det K. E. N e u m a n n * die Quelle in einem bei den Bud- 
dhisten beliebten und schon in den Nikäyas vorkommenden 
Gleichnis zur Veranschaulichung des ganz Unwahrschein- 
lichen. Es ist das Bil^ von der einäugigen Schildkröte, 
die mit ihrem Hals zufällig in ein einlochiges Joch gerät, 
das ein Mann ins Meer geworfen hat. Hier ist alles ver- 
schieden mit Ausnahme der Vorstellung, daß ein Tier auf 
unglaubliche Weise in ein Loch gerät, literarischer Zusam- 
menhang also so gut wie ausgeschlossen. 

Es giebt noch eine ganze Reihe weiterer Parallelen aus 
dem Neuen Testament und der buddhistischen Literatur, 
die aber weniger bedeutsame Analogien aufweisen als die 
bisher angeführten und im üebrigen ebenso zu beurteilen 
sind wie diese: die Verkündigung der Geburt Jesu an 

sehen werden kann. Es ist die Geschiebte von dem Kaufmann Dhana, 
der seinen vier Schwiegertöchtern je fünf Reiskörner zur Aufbewah- 
rung giebt, um ihre wirtschaftlichen Talente auf die Probe zu stellen, 
üeber diese Erzählung haben gehandelt L e u m a n n , Gott. Gel. Anz. 
1899, 588, und in der Schrift , Religion und Universitäf* (Frankfurt 
a/M. 1902) 17 f., und sein Schüler Hüttemann, „Die Jnäta-Er- 
zählungen im sechsten Anga des Kanons der Jinisten** (Straßbarger 
Doktordiss. 1907) 7 f. Beide machen auf die merkwürdige Ueberein- 
stimmung dieser Geschichte mit der neutestamentlichen Parabel von 
den anvertrauten Pfunden aufmerksam, und Hüttemann spricht 
sich S. 9 für literarischen Zusammenhang aus, was an der Stelle nur 
Abhängigkeit der neutestamentlichen von der jinistischen Parabel 
bedeuten kann. Hüttemann pagt sogar, daß dieses Gleichnis bei 
den Indern schon 500 Jahre vor Christi Geburt gelehrt wurde. Das 
ist möglich, aber durchaus nicht sicher in Anbetracht der Zusätze, 
die der jinistische Kanon bis in die Mitte des fünften Jahrhunderts 
nach Chr. erfahren hat. Jedenfalls kommt die Erzählung von der 
Prüfung der vier Schwiegertöchter für die Vergleichung mit der neu- 
testamentlichen Parabel von den anvertrauten Pfunden gar nicht 
mehr in Betracht, seitdem das jinistische Gleichnis von den drei 
Kaufleuten bekannt geworden ist. 

^ Reden Gotamo Buddho's, III. 334 Anm. 



— 45 — 

Maria und die Prophezeiung der Geburt eines Wunder- 
kindes auf Grund eines Traumes der Mutter Buddhas ^ ; 
die Erzählungen von dem zwölfjährigen im Tempel wieder- 
gefundenen Jesus (Lukas 2. 41 f.) und dem bei einer Land- 
partie verloren gegangenen Buddhakinde, das in Meditation 
versunken unter einem Baum wiedergefunden wird, der 
ringsum in wunderbarer Weise Schatten wirft, obschon die 
Sonne sich bereits zum Untergänge neigt ^; die Zögerung 
Jesu, sich taufen zu lassen, und Buddhas, den Tempel der 
Götter zu besuchen ; die Erwählung der Jünger, die sowohl 
von Jesus wie von Buddha gleich beim ersten öffentlichen 
Auftreten berichtet wird; die Verklärung Jesu auf dem 
Berge und der buddhistische Bericht, daß die Hautfarbe 
Buddhas zweimal, als er die Erleuchtung gewonnen und 
kurz vor seinem Tode, in glänzendem Lichte gestrahlt habe ; 
die Parabel von dem verlorenen Sohn und anderes mehr. 
Die Einzelheiten sind am besten bei van den Bergh 
nachzulesen. 

Wie schon die von mir besprochenen Parallelen zeigen, 
sind die Aehnlichkeiten öfter geringer als die Verschieden- 
heiten, und zum Teil erklären sie sich vollkommen befrie- 
digend aus der ähnlichen religiösen Stimmung oder aus der 
Gleichheit der äußeren Verhältnisse. Dazu kommt, daß, 



^ Vgl. auch die aus der Zeit um 200 vor Chr. stammende In- 
schrift des Stüpa von Bharhut: ^Der herabgestiegene Engel Arha d- 
g u p t a (Arahaguta) verkündet der großen Versammlung die (bevor- 
stehende) Empfängnis des Erhabenen." flultzsch, ZDMG. 40, 
S. 69, No. 80; 0. Franke, Deutsche Lit. Zeitg. 1901, 2759. 

* Wenn in der chinesischen üebersetzung des mahay&nistischen 
Abhiniskramana-sütra das Alter des abhanden gekommenen Buddha- 
kindes auch auf zwölf Jahre berechnet v^ird (B e a 1 , The Romantic 
Legend of Sakhya Buddha, 72 f.), so ist das eine wegen der unter- 
geordneten Einzelheit doppelt beachtenswerte üebereinstimmung; 
aber die Jugend der buddhistischen Quelle macht Entlehnung aus 
dem Christentum höchst wahrscheinlich. 



— 46 — 

wenn diese Parallelen nur durch Entlehnung zu erklären 
wären, nach dem Alter der buddhistischen Quellen, in de- 
nen sie sich finden, meist der Buddhismus der entlehnende 
Teil sein müßte. Von den vier Thesen, in die R. Seydel 
das Ergebnis seiner Yergleichung des von ihm gesammelten 
Materials zusammenfaßt^, lautet die zweite: „Entlehnung 
buddhistischerseits ist unmöglich wegen chronologischer Ver- 
hältnisse und wegen buddhistischer Glaubens Verhältnisse/ 
Gerade das Gegenteil trifft zu. Die Geschichte von dem 
verlorenen Sohn z. B., die übrigens eigentlich nur den 
einen übereinstimmenden Zug aufweist, daß ein in die Feme 
gezogener Sohn arm und elend in das Vaterhaus zurück- 
kehrt, findet sich bei den Buddhisten erst in dem „Lotus 
des guten Gesetzes", also nicht vor 200 nach Chr.; das 
Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein ^ gar erst 
in der KasavähinT, einem ganz modernen Päli-Texte. Die 
meisten anderen Parallelen stehen — was selbst Seydel 
zugiebt ^ — im Lalitavistara, einer in der uns vorliegenden 
Form frühestens aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert 
nach Chr. stammenden nordbuddhistischen Buddha- Biogra- 
phie, in der altes und junges Material neben einander steht*; 
ferner im Mahävastu, einem ähnlichen, einer anderen nord- 
buddhistischen Sekte angehörigen Buche, und in der südbud- 
dhistischen Nidänakathä, also in Werken, über deren nach- 
christliche Abfassungszeit schon oben (S. 33) gesprochen 
worden ist. Wenn, wie wir gesehen haben, die alt testa- 
mentliche Erzählung von dem salomonischen Urteil ihren 
Weg in das Jätaka-Buch des Südens hat finden können — 
obschon sich der Weg im Einzelnen noch nicht verfolgen 



* Buddha-Legende * 22 Anm. 25. 

' S. bei £dv. Lehmann, Der Baddhismas, 91. 

* Evangelium Jesu, 300. 

* Näheres beiWinternitz, Gesch. d. ind. Litt. 11. i. 194—201. 



— 47 — 

läßt — , so konnten jedenfalls neu testamentliche Erzäh- 
lungen mit größerer Leichtigkeit in die spätere nordbuddhis- 
tische Literatur Eingang finden. 

Der nahe liegende Einwand, daß die buddhistischen 
Parallelerzählungen erheblich älter sein können als ihre 
literarische Fassung, ist ohne Zweifel berechtigt ; die Mög- 
lichkeit des höheren Alters der Erzählungen ist unbedingt 
zuzugeben. Wer aber diese Möglichkeit ganz im Allge- 
meinen zur Argumentationsbasis macht, yerliert allen festen 
Boden unter den Füßen. Ich selbst bin mit H. Kern und 
E. Kuhn^ davon überzeugt, daß die Buddha-Legende schon 
vor Christi Geburt eine feste Gestalt angenommen hatte. 
Damit ist aber nicht gesagt, daß diese Urform schon die 
in den späteren sektarischen Versionen stehenden Erzäh- 
lungen enthalten habe, die für die Entlehnungsfrage in Be- 
tracht kommen. Ich werde allerdings weiter unten sogar 
zwei Erzählungen, die erst aus dem fünften Jahrhundert 
nach Chr. belegt sind, benutzen, um die Abhängigkeit neu- 
testamentlicher Parallelen von ihnen wahrscheinlich zu ma- 
chen; aber in jedem solchen Fall müssen ausreichende 
Gründe dafür beigebracht werden, daß die spät bezeugte 
Erzählung an sich viel älter ist und daß sie als Quelle — 
oder Ausläufer der Quelle — der christlichen Parallele be- 
trachtet werden kann. 

Ich glaube, im Vorstehenden über die Entlehnungs- 
frage so ziemlich alles gesagt zu haben, was zu Gunsten 
der Originalität neutestamentlicher Parallelen angeführt 
werden kann. 

Ich wende mich nunmehr zu den Fällen — es sind 
vier an der Zahl — , bei denen ich mich nach langer üeber- 
legung davon überzeugt habe, daß buddhistischer Einfluß 
in den Erzählungen der Evangelien nicht zu leugnen ist. 

* Bei van den Bergh* 107. 



— 48 — 

Diese Ueberzeugung fußt im ersten und zweiten Fall we- 
sentlich auf deren neuester Darstellung aus Edmunds' 
Feder \ 

1\ Schon oftmals ist die buddhistische Erzählung yod 
dem greisen Heiligen Asita und seiner Ver- 
herrlichung des Buddha-Kindes mit der Ge- 
schichte von Simeon im Tempel (Luk. 2. 25 f.) zusammen- 
gestellt worden. Sie findet sich nicht nur in den nach- 
christlichen Biographien, in Agvaghosa's Biiddhacarita, im 
Lalitavistara, im Mahävastu und in der Nidänakatha, sondern 
auch im Suttanipäta, einer der ältesten Päliquellen, die uns 
um mehrere Jahrhunderte Yor Christi Geburt hinaufführt^ 
Der Heilige Asita sieht bei einem Besuch im Himmel, wie 
die göttlichen Scharen vor Freude jubeln, und erfährt von 
ihnen, daß eben der Welterlöser auf Erden geboren sei. 
Darauf eilt er — auf wunderbare Weise, wie Simeon zum 
Tempel — zu der Geburtsstätte des Kindes, das in strah- 
lendem Glänze leuchtet, nimmt es auf die Arme und preist 
es als den höchsten und herrlichsten der Menschen, bricht 
aber bald in Tränen aus, weil er sterben müsse, bevor 
der Knabe die Buddhaschaft erreicht haben werde. 

Trotz einiger Verschiedenheiten ist die üebereinstim- 
mung dieser Erzählung mit der Geschichte von Simeon 
größer als in den meisten anderen Fällen; aber sie wäre 
an sich noch nicht ausreichend, um die Abhängigkeit der 
christlichen von der buddhistischen Erzählung wahrschein- 
lich zu machen. Mit Recht hat man geltend gemacht, 
daß der Grundgedanke — ein Greis als Repräsentant der 
alten Zeit huldigt einem Kinde, das eine neue Zeit herauf- 

1 The Monist XXII (1912) 129 f. 

* Es ist also ganz unmöglich, mit Fausböll, Ausgabe des 
Suttanipäta S. VI, in der buddhistischen Geschichte christlichen Ein- 
fluß zu finden. Vgl. auch Oldenberg, Deutsche Rundschau, Ja- 
nuar 1910, 30 Anm. 



— 49 — 

führt — auf beiden Seiten aus allgemein menschlichen Er- 
wägungen zu erklären sei. Sogar Edmunds giebt die 
Schwäche der Asita-Simeon Parallele zu, wenn man sie 
allein für sich betrachte; ,,but its strength consists in its 
organic connection with the Angelic Hymn, both in Luke 
and the Sutta Nipäto" ^ 

Hier ist freilich zunächst eine Berichtigung nötig. Die 
Verbindung der Asita-Simeon-Parallele mit dem Preis der 
himmlischen Heerscharen ist nicht auf beiden Seiten eine 
„organische", sondern nur in dem Päli-Text; während bei 
Lukas die Geschichte von Simeon nicht in einem inneren 
Zusammenhang mit dem Preis der himmlischen Heerscharen 
(2. 9 — 14) steht, sondern nur in seiner unmittelbaren Nähe, 
durch sieben Verse getrennt. Aber auch schon diese üeber- 
einstimmung ist so merkwürdig, daß man an einen Zufall 
nicht glauben kann. Außerdem ist in der buddhistischen 
Quelle die Kenntnis Asitas von der Geburt des Wunder- 
kindes dadurch, daß er den Jubel der himmlischen Scharen 
hört, viel besser motiviert als die des Simeon bei Lukas. 

Der Wortlaut des himmlischen Jubels im Suttanipäta 

ist (in der Uebersetzung von Edmunds) folgender: „The 

heavenly hosts rejoicing, delighted, and Sakko the leader 

and angels white-stoled seizing their robes, and praising 

exceedingly, did Asito the hermit see in noonday rest. 

[He asks the angels why they rejoice, and they answer:] 

The Buddha-tO'be^ the best and matchless Jewel, is hörn 

* A. a. 0. 131 oben. — Pischel, Leben und Lehre des Buddha' 
18, hält, ohne diese Verbindung in Betracht zu ziehen, Entlehnung 
auf christlicher Seite für sehr wahrscheinlich, und auch Winter- 
n i t z , der für Entlehnungshypothesen sonst sehr wenig übrig hat, 
erklärt die Asita-Simeon-Parallele an sich für „eine der auffälligsten 
buddhistischen Parallelen zu den Evangelien" (Gesch. d. ind. Litt. 
IL I. 75, Anm. 2) und hält es (S. 281) für „einigermaßen wahrschein- 
lich, daß dem Verfasser der christlichen Erzählung die buddhistische 
Legende bekannt war.** 

Oa r b e , Indien und das GhriBtentam. 4c 



— 50 — 

for wedl and welfare in the world of men ^ in the town of 
the Säkyas, in the region of Lumbini. Therefore are we 
joyful and exceedingly glad.^ Darauf eilt Asita, dem neu- 
geborenen Heiland seine Verehrung zu bezeugen, wie bei 
Lukas die Hirten es tun. 

Eine engere Uebereinstimmung der buddhistischen Le- 
gende mit Lukas 2. 9 — 32 ist unter der oben begründeten 
Voraussetzung, daß die erstere durch mündliche Mitteilung 
von Baktrien nach Syrien gewandert sei, unmöglich zu er- 
warten. Man könnte eher darüber staunen, daß von dem 
buddhistischen Original bei der christlichen Umbildung so 
viele charakteristische ZvLgQ erhalten geblieben sind. 

2. Zu den auffallendsten und am meisten behandelten 
buddhistisch-evangelischen Parallelen gehört die Versu- 
chungsgeschichte; denn ein leibhaftiger Teufel er- 
scheint auf Erden sonst nirgends in der Bibel, aber beständig 
in dem buddhistischen Kanon. Nach der Darstellung bei 
Matthäus 4. 1 f. und Lukas 4. 1 f. wird Christus, nachdem er 
vierzig Tage lang in der Wüste gefastet hatte und von 
Hunger ergriffen wurde, vom Teufel aufgefordert, Steine 
in Brot zu verwandeln, sich von der Zinne des Tempels 
hinabzustürzen und ihn, den Teufel anzubeten, um dafür 
alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit als Lohn in 
Empfang zu nehmen. Da alle Versuchungen sich als ver- 
geblich erweisen, zieht sich der Teufel &yjpi xacpoO „bis zu 
einer günstigeren Gelegenheit" (Luk. 4. 13) zurück. 

Die buddhistische Literatur ist außerordentlich reich 
an ähnlichen Erzählungen, in denen Buddha bald in dieser, 
bald in jener Weise von dem Satan (Mära) versucht oder 
belästigt wird. Es kommen für unsere Zwecke aber nur 

* Ein unglücklicher Gedanke von Edmunds ist es, daß er die 
Worte bei Lukas 2. 14 §7il yf^^ elpijvYj iv Äv^pw^otg eöÖoxCa für wörtliche 
üebersetzung des Pali-Textes manussa-loke hita-suJchatäya jäto erklärt. 



— 51 — 

drei Stellen aus der ältesten Pali-Literatur (dem Padhäna- 
sutta, dem SaTpyutta-nikäya und dem Mah/l-parinibbäna- 
sutta) in Betracht, die sich in überraschender Weise zu 
einem Seitenstück zur christlichen Yersuchungsgeschichte 
ergänzen und die Gründe entkräften, die früher gegen die 
Entlehnungshypothese vorgebracht worden sind. 

Der ablehnende Standpunkt ist am besten von E. 
Windisch mit gewohnter Klarheit vertreten worden ^ 
Daß aber seine Ausführungen doch für die entgegengesetzte 
Auffassung Eaum lassen, hat schon van denBergh^ 
47, 48 betont, der das Kapitel über die Versuchungsge- 
schichte mit folgenden Worten schUeßt: „Die schlagenden 
üebereinstimmungen . . . : die Versuchung in der Einsam- 
keit durch einen persönlich erscheinenden und mit Buddha 
sprechenden Teufel (Mära), unter Anknüpfung an den 
Hunger, den ein langes Fasten verursacht hatte ^ ; die sieg- 
reiche Abweisung dieser Versuchung, worauf der Böse sich 
vornimmt, eine günstigere Zeit abzuwarten; das Anerbieten 
der Weltherrschaft, welche den Königssohn von seinem 
höheren Beruf abhalten soll: das gerade sind Momente, 
welche in der alten vorchristlichen Form der Mära-Ge- 
schichte bereits vorkommen.** Kurz vorher (S. 45, 46) 
hatte vandenBergh die Anschauung widerlegt, daß 
die entsprechende Legende des dem Urchristentum geogra- 
phisch und dogmatisch näherliegenden Parsismus, nach der 

1 Mara und Buddha (Leipzig 1895) 214 f. 

^ In dem Padhana-sutta wird erzählt, daß Buddha hei seinen 
übertriehenen asketischen üebungen, von deren Fruchtlosigkeit er 
sich später überzeugte, beinahe zu Tode gefastet habe vor der Er- 
leuchtung, und damit vor der für unsere Zwecke zum Vergleich 
heranzuziehenden Versuchung, die unmittelbar nach der Erleuchtung 
stattfand. Sowohl in der buddhistischen wie in der christlichen Le- 
gende dient also das Fasten dem gleichen Zweck, nämlich die völlige 
physische Erschöpfung des Erlösers als Angriffspunkt für den Ver- 
sucher zu motivieren. 

4* 



— 52 — 

(in Yendidäd 19) der böse Geist den Zarathustra durch 
das angebliche Angebot der Weltherrschaft dazu verlocken 
will ihn anzubeten, einen besseren Vergleichungspunkt für 
die christliche Versuchungsgeschichte darbiete. Die Paral- 
lelzüge bei Christen und Zarathustriern kämen in ganz 
verschiedenartiger Umgebung vor, während sich in dem 
ganzen Schema der buddhistischen und christlichen Ver- 
suchungsgeschichten mehr Uebereinstimmung finde ; auch 
handele es sich im Vendidäd-Text nicht um die Weltherr- 
schaft, sondern um das Glück des Landesfürsten Vadha- 
ghana, das Zarathustra als Lohn für die Abschwörung des 
Mazda- Glaubens in Aussicht gestellt wird. Ich möchte 
dem hinzufügen, daß mir die Abhängigkeit der Zarathustra- 
Legende von der buddhistischen Versuchungsgeschichte 
durchaus nicht unwahrscheinlich ist. Chronologische Schwie- 
rigkeiten bestehen jedenfalls für diese Annahme nicht. — 
Der böse Geist führt im Avesta das Epitheton mairya „ver- 
derblich", das von derselben Wurzel kommt und beinahe 
dasselbe Wort ist wie das buddhistische Mära. Aber es 
liegt hier einer der Fälle vor, in denen das beim ersten 
Anblick Wahrscheinliche nicht richtig ist; die beiden Worte 
mairya und Mära stehen zwar in etymologischem, aber 
nicht in historischem Zusammenhang. Im Avesta heißen 
alle bösen Wesen mairya] und wenn man auch vermuten 
könnte, daß dieses Epitheton von ihrem Gebieter auf sie 
übertragen sei, so ist doch das Alter der Avestaschriften, 
in denen es vorkommt, wenigstens zum Teil über den Ver- 
dacht buddhistischer Beeinflussung erhaben. 

An die soeben herausgehobenen Worte van den 
Berghs über die „schlagenden üebereinstimmungen" zwi- 
schen der buddhistischen und christlichen Legende knüpft 
Wecker^ die Frage : „Aber wo findet sich die ,alte, 

» Christus und Buddha» 21. 



— 53 — 

vorchristliche* Form der Mära- Geschichte, die alle diese 
Momente oder auch nur die meisten enthält? Es giht 
keine solche." Darauf ist zu erwidern: Eine solche gibt 
es in der Tat, wenn sie auch in den Literaturangaben van 
den Berghs nicht so deutlich zu Tage tritt wie in der 
von Edmunds neuerdings vorgelegten Kombination der 
Stellen aus der alten Päli-Literatur. Diese Kombination 
liefert sogar noch zwei weitere schlagende üebereinstim- 
mungen und hat dadurch hauptsächlich dazu beigetragen, 
daß ich meinen Standpunkt in der Entlehnungsfrage ge- 
ändert habe. Daß die alte, vorchristliche Form der Mära- 
Geschichte, die der christlichen Legende entspricht, aus 
verschiedenen Texten zusammengestellt werden muß, erregt 
keine Bedenken, wenn man den Einfluß auf die Evangelien 
durch Wanderung der buddhistischen Erzählungen von 
Mund zu Mund und nicht durch Benutzung einer litera- 
rischen Quelle erklärt. 

Der Wortlaut der Stellen, den Edmunds neben 
den Text aus Lukas 4 setzt, ist zu ausführlich, als daß ich 
ihn hier in extenso anführen könnte. Wer ihn vollständig 
vergleichen will, muß ihn im Monist XXII. 131 — 133 ein- 
sehen. Ich beschränke mich hier auf das für uns Wesent- 
liche und bemerke zunächst, daß die Zusammenfügung der 
Textstellen bei Edmunds am Anfang durch den Bericht 
des Padhäna-sutta ^ über das aufs Aeußerste gesteigerte 
Fasten Buddhas ergänzt werden muß. Darauf erst sollte 
die Erzählung aus dem Samyutta-nikäya (Mära-samyutta 2, 10) 
folgen — von der Versuchung, die weltliche Herrschaft 
anzunehmen und eine Substanz zu verwandeln — , ,die ich 
im Auszug nicht besser als mit den Worten Oldenbergs^ 

^ Uebersetzt von Fausböll, SBE X. 69 f. und besser von 
Windisch, Mära und Buddha, 9 f. 

* Buddha * 356 f. ; der Text ist vo Iständig übersetzt von Win- 
disch a. a. 0. 107 f. 



— 54 — 

wiedergeben kann: „Zu einer Zeit yerweilte der Erhabene 
im Lande Kosala, im Himalaya, in einer Waldhütte. Als 
der Erhabene da in der Einsamkeit zurückgezogen weilte, 
stieg in seinem Geist dieser Gedanke auf: ^Möglich ist es 
fürwahr als König mit Gerechtigkeit zu regieren, ohne daß 
man tötet oder töten läßt, ohne daß man Bedrückungen 
übt oder sie üben läßt, ohne daß man Schmerz leidet oder 
anderen Schmerz zufügt/ Da erkannte Mära der Böse in 
seinem Geist den Gedanken, der in des Erhabenen Geist 
aufgestiegen war, und er ging zu dem Erhabenen und sprach 
also: ,Möge, Herr, der Erhabene als König regieren, 
möge der Vollendete als König regieren mit Gerechtigkeit, 
ohne daß er tötet u. s. w. [wie eben]. Buddha entgegnet : 
,Was hast du im Auge, du Böser, daß du also zu mir 
redest?* Mära spricht: , Der Erhabene, Herr, hat die vier- 
fache Wundermacht sich zu eigen gemacht — ; wenn der 
Erhabene, o Herr, wollte, so könnte er fügen, daß der Hi- 
malaya, der König der Berge, zu Gold würde, und er 
würde zu Gold werden.' Buddha weist ihn ab: was hülfe 
es dem Weisen, wenn er auch einen Berg von Silber oder 
von Gold besäße? Wer das Leiden erkannt hat, woher 
es stammt, wie mag der Mensch sich den Lüsten ergeben? 
. . . Da sagte Mära der Böse: ,Der Erhabene kennt mich, 
der Vollendete kennt mich,* und betrübt und mißmutig hob 
er sich von dannen." 

Hier schließt Edmunds die Erzählung von der „temp- 
tation to commit suicide** aus dem Mahä-parinibbäna-sutta ^ 

^ An zwei Stellen dieses Werkes, das „mehr als irgendein ande- 
rer Text des Tipitaka an unsere Evangelien erinnert" (Winternitz, 
Gesch. d. ind. Litt. II. i. 31; Oldenberg, Die Literatur des alten 
Indien 94), nämlich 2. 7—9 und 3. 34, 35, richtet Mära an Buddha 
die Aufforderung, in das Nirväna einzugehen, — einmal unmittelbar 
nach der Erleuchtung, das andere Mal drei Monate vor Buddhas Tode. 
Nur die erste Versuchung dieser Art hat wirklich einen Sinn, die 



— 55 — 

an. Als Buddha bei üruvelä am Ufer des Elüßchens Neran- 
jarä unter dem Baum der Erkenntnis die Erleuchtung er- 
rungen und alles irdische Verlangen in sich ausgetilgt hatte, 
war er der Macht des Mära endgiltig entronnen. Das wußte 
der Böse wohl ; aber er hegte noch die Hoffnung, die übrige 
Menschheit weiter in seinem Bann zu halten, und suchte des- 
halb Buddha zu bestimmen, daß er auf die Verkündigung der 
errungenen Wahrheit yerzichten und jetzt gleich aus dem 
Leben scheiden möge. Er trat zu ihm und sprach: „Möge 
der Erhabene, o Herr, jetzt in das Nirväna eingehen ; möge 
der Vollendete jetzt erlöschen! Jetzt ist es Zeit, o Herr, für 
das Nirväna des Erhabenen.** Aber Buddha weist die Versu- 
chung zurück und erklärt, daß er seinem Leben nicht eher 
ein Ziel setzen werde, als bis er genügend Jünger gewon- 
nen habe, Mönche, Nonnen, Laienbrüder und Laienschwe- 
stem, durch die der Bestand seiner Lehre und des heiligen 
Wandels gesichert sei. 

Aus der Zusammenfügung dieser Textstellen ergeben 
sich außer den durch van den Bergh festgestellten und 
oben (S. 51) angeführten Uebereinstimmungen noch die 
folgenden. Sowohl in der altbuddhistischen wie in der 
entsprechenden christlichen Legende will der Satan den 
Erlöser verleiten, 1. durch Anwendung von Zauberkraft eine 
Substanz in eine andere zu verwandeln und 2. seinem 
Leben ein Ende zu machen ^. Da haben wir im Ganzen 
zu viele uebereinstimmungen, um uns bei Oldenbergs 



zweite ist alberne Wiederholung. Aber die zweite steht in unserem 
Text an der ersten Stelle und nimmt Bezug auf die frühere Ver- 
suchung, von der Buddha seinem Lieblingsjünger Ananda an der 
späteren Stelle berichtet. In unverständlicher Weise hat Edmunds 
die erste Textstelle aufgenommen, die natürlich durch die zweite zu 
ersetzen ist, deren Inhalt ich kurz anführe, soweit er von der frühe- 
ren Versuchung handelt. 

1 Edmunds a. a. 0. 133. 



— 56 — 

Erklärung zu beruhigen, daß an beiden Stellen die gleichen 
naheliegenden Motive die entsprechenden jSrzählungen wer- 
den haben entstehen lassen^. 

Was die Versuchung anlangt, Steine in Brot, be- 
ziehungsweise den Himalaja in Gold zu verwandeln, so 
stellt selbstverständlich die christliche Version das ungleich 
Natürlichere, durch die Situation Gegebene dar. Wären 
die Evangelien ebenso alt wie die buddhistische Quelle, so 
würde man keinen Augenblick zögern, die christliche Fas- 
sung für das Original und die buddhistische für eine ver- 
zerrte Kopie zu erklären. Da nun aber die buddhistische 
Quelle um Jahrhunderte älter ist, so muß man, wenn man 
von der Abhängigkeit der christlichen Versuchungsgeschichte 
von buddhistischen Vorbildern überzeugt ist, sich wohl oder 
übel zu der Auffassung bequemen, daß der echt-indische, 
groteske, ins Maßlose gehende Gedanke auf christlichem 
Boden einfacher, natürlicher gestaltet und der Situation 
angepaßt ist. 

3. Zu dem MeerwandelnPetri (Matth. 14. 25 f.) 
haben wir eine Parallele^, deren Aehnlichkeit weit über 
das gewöhnliche Maß hinausgeht, in der Einleitung zu Ja- 
taka 190. Dort wird von einem Jünger erzählt, der sich 
eines Abends zu Buddha begeben will und auf seinem Wege 
am Ufer des Flusses Aciravati das Fährboot nicht findet- 
In gläubigem Vertrauen auf Buddha betritt er das Wasser 



1 Buddha • 135 Anm. 2. 

* Der erste, vergessene Entdecker dieser Parallele war H. W e n- 
z e 1 , Coincidences in Buddhist literature and the Gospels, Academy 
1889 (Jan. 12), 27. Später ist dieselbe nachgewiesen worden von 
M. Müller in dem Artikel , Coincidences*, Last Essays I. 284 f. 
(Neudruck eines Vortrags vom Jahre 1896, s. Fortnightly Review, 
N. S. 60. 48 f.) und unabhängig von ihm auch von v. d. B e r g h, 
Indische Einflüsse ^ 52 ; denn das holländische Original dieses Buches 
ist in demselben Jahre (1901) erschienen wieM. Müllers Last Essays. 



— 57 — 

und wandert auf ihm wie auf festem Lande bis in die Mitte 
des Flusses. Da erwacht er aus den freudigen Gedanken 
an Buddha, in die er sich versenkt, bemerkt mit Schrecken 
die Wellen, und seine Füße fangen an zu sinken. Aber 
er zwingt sich zu erneuter Versenkung und gelangt durch 
deren Kraft glücklich ans andere Ufer und zu dem Meister. 

Bei der Vergleichung dieser buddhistischen- Erzählung 
mit der christlichen ist der übereinstimmende Zug, daß 
Petrus infolge seiner Kleingläubigkeit anfängt unterzusinken 
wie der Jünger Buddhas infolge der schwindenden Ver- 
senkung, viel wichtiger als das Motiv des Gehens auf dem 
Wasser. Es erscheint unmöglich, diese höchst merkwürdige 
Uebereinstimmung anders zu erklären als durch Entlehnung. 
Und da kann nur Entlehnung auf christlicher Seite in Be- 
tracht kommen, obwohl die buddhistische Erzählung nicht 
in dem Jätaka selbst steht, sondern in der Einleitung zu 
ihm, also zu den sogenannten „ Gegenwartsgeschichten " ge- 
hört, deren Abfassung uns in das fünfte nachchristliche 
Jahrhundert hinabführt. Aber diese „Gegenwartsgeschich- 
ten" rühren von demselben Verfasser her wie die „Vor- 
geburtsgeschichten", d. h. wie der Prosa-Kommentar zu 
den alten Päli- Versen; und der Kern der Jätaka-Prosa 
wird von den berufensten Beurteilern inhaltlich im All- 
gemeinen für ebenso alt gehalten wie die Verse \ 

Die Vorstellung, daß Menschen durch die Kraft ihrer 
Askese oder in Folge ihrer Tugend und Frömmigkeit auf 
dem Wasser wandeln können, ist in Indien alt und weit 
verbreitet; und dem Judentum ist sie ganz fremd. Wenn 
das Gehen auf dem Wasser in der späteren christlichen 



* Oldenberg, Nachr. d. K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, 1912, 
212; Jarl Charpentier, ZDMG. 66. 41, 42 Anm. ; Winternitz, 
Gesch. d. ind. Litt. IL i. 95. 



— 58 — 

Legende ein beliebtes Motiv geworden ist, so ist das in 
Abhängigkeit von dem Meerwandeln Petri geschehen. 

Den frühesten Beleg für diese Vorstellung aus der in- 
dischen Literatur findet Edmunds^ in Sütra 6 des Maj- 
jhima-nikäja, eines der ältesten Fäliwerke. Dort nennt 
Buddha unter den Kräften eines frommen Mönches die 
Fähigkeit, auf dem Wasser zu wandeln. Auch wird in 
den Quellen öfter erzählt, daß Buddha selbst über das 
Wasser binwegschritt oder flog. Die Vorstellung, daß 
außergewöhnliche Menschen auf dem Wasser zu gehen oder 
in einem Wagen zu fahren vermögen, gehört aber nicht 
nur dem buddhistischen, sondern auch dem brahmanischen 
Indien an. Im Mafaäbbärata wird dies von den frommen 
und tugendhaften Königen Dilipa (VII. 2267, 8) und Prthu 
Vainya (VII. 2402) berichtet*. 



1 The Monist XXII. 134, 135. R. Otto Franke hatte die Güte, 
mir das genaue Zitat in der Ausgabe des Majjhima-nikäja von Y. 
Trenckner und R. Chalmers (Pali Text Society) anzugeben : 
Vol. I, p. 34, 1. 16 f. Dort heißt es: „Wenn der Mönch wünscht »Ich 
möchte die verschiedenen Kräfte der Heiligkeit ausüben können, 
nämlich aus meiner einen Person mich in eine Vielheit verwandeln, 
aus der Vielheit wieder in die Einheit, mich offenbar oder unsicht- 
bar machen, durch Wände, Mauern, Berge ungehindert hindurchgehen 
wie durch den leeren Raum, in die Erde eintauchen wie ins Wasser 
und wieder heraus, und auf dem Wasser wie auf dem Erd- 
boden wandeln ohne daß es nachgiebt« dann 

möge er vollkommen werden in der sittlichen Zucht • Franke 

bemerkt dazu Folgendes: „Die Stelle ist nicht singulär, sondern 
kommt im Majjhima-nikäya häufiger vor, und sie ist älter als das M.; 
denn dieses Schema der iddhividhä [der Gesamtheit der Wunder- 
kräfte] gehört schon zu dem Heilsweg-Schema, das Kern und Grund- 
lage des ganzen Drgha-nikäya, des ältesten (mindestens Pro8a-)Textes 
des Kanons, bildet. Es steht Digh. II. 87 und entsprechend in allen 
folgenden D.-Suttas bis XIII. * S. auch Frankes Aufsatz „Das ein- 
heitliche Thema des Dighanikäya«, WZKM. XXVII, 198 f., 276 f. 

* E. W. Hopkins, Proceedings of the American Philosophical 
Society XLIX, No. 194 (1910), 38. 



— 59 — 

Edy. Lehmann, der sonst nicht an neutestament- 
liche Entlehnungen aus dem Buddhismus glaubt, sagt mit 
Bezug auf die hier behandelte Parallele^: „Will man hier 
eine Anleihe annehmen, so wäre das yielleicht kein Fehl- 
schluß; — das Christentum wird nicht ärmer, wenn es 
diese Geschichte einbüßt." Gewiß nicht; im Gegenteil! 
Welcher aufrichtige Verehrer Christi würde nicht gern in 
dessen Lebensbeschreibungen diese und einige andere zweck- 
lose Zaubereien missen, die dem Geschmack jener alten 
Zeiten entsprachen! Ich denke an die Verwandlung des 
Wassers in Wein auf der Hochzeit zu Kana (Job. 2. 1 f.) ; 
an die Münze, die Petrus in dem Maul des Fisches finden 
sollte, der zu diesem Zweck erst geangelt werden mußte 
(Matth. 17. 27); an die Verfluchung des Feigenbaumes, 
daß er verdorrte, weil er keine Früchte trug zu der 
Zeit, als es noch keine Feigen geben konnte (Matth. 21. 
19 f., Mark. 11. 13,20,21); an die häßliche Austreibung 
der Dämonen in die Herde Säue, die sich ins Meer stürzte 
und dort ersoff (Matth. 8. 30 f., Mark. 5. 11 f., Luk. 8. 32 f.), 
und anderes mehr. 

4. Das Brotwunder (Matth. 14. 15 f., Mark. 6. 35 f., 
Luk. 9. 13 f.) hat eine Parallele, die van den Bergh 
nicht erwähnt, die ich aber zu den schlagenden rechnen 
muß. In der Einleitung zu Jätaka 78^ wird erzählt, daß 
Buddha mit einem Brot, das ihm in seine Almosenschale 
gelegt war, zuerst seine 500 Jünger und dann noch alle 
Insassen eines Klosters sättigt und daß trotzdem noch viel 
Brot übrig bleibt, das in ein Loch neben dem Torweg ge- 

^ Der Buddhismus, 88. 

2 M. Müller, Last Essays I. 284 f. ; Franke, Deutsche Lit. 
Zeitg. 1901, 2760; Edmunds, Buddhist and Christian Gospels* IL 
253 f. M. Müller hat übersehen, daß diese und die unmittelbar 
vorher behandelte Parallele nicht in dem Jätaka-Text selbst, sondern 
in der späteren Einleitung dazu stehen. 



— 60 — 

worfen wird. Auch hier ist die Aehnlichkeit mit der iieu- 
testamentlichen Erzählung weniger um des Wunders als 
solchen willen auffallig, sondern vielmehr wegen des Zuges, 
daß auch in ihr zwölf Körbe voll Brocken übrig bleiben, 
und wegen der Wiederkehr der Fünfzahl. In den 
neutestamentlichen Berichten werden bekanntlich 5000 Men- 
schen mit 5 Broten (und 2 Fischen) gesättigt. Die ge- 
ringere Zahl 500 in der buddhistischen Erzählung hat ge- 
genüber den 5000 im Neuen Testament das Präjudiz der 
Ursprünglichkeit für sich. Und hauptsächlich kommt dazu, 
daß „the number 500 is eminently Buddhist, as we could 
prove by numerous texts.**^ 

Diese Gründe sind meines Erachtens ausreichend, um 
die buddhistische Geschichte für die Quelle der christlichen 
Parallele anzusehen und damit den Stoff der ersteren für 
viel älter zu halten als seine literarische Fassung in der 
„Gegenwartsgeschichte" aus dem fünften Jahrhundert 
nach Chr. 

Wenn man in diesen vier Fällen buddhistischen Ein- 
fluß auf das Neue Testament anerkennt^ — und ich 



1 Edmunds a. a. 0. IL 256. Dasselbe hat schon R. S e y d e 1, 
Das Evangelium von Jesu 285, Anm. 238, mit Bezug auf I Kor. 15. 6 
beobachtet. 

* Auch der Ausdruck xpoxög t^€ y^vsoscd^, Ep. Jacob. 3. 6, ist, 
worauf schon Schopenhauer aufmerksam gemacht hat, so spe- 
zifisch buddhistisch und überhaupt indisch, daß es mir schwer fällt, 
ihn anders als durch indische Herkunft zu erklären. Der ganze Wort- 
laut des Verses klingt buddhistisch ; denn auch Buddha vergleicht in 
einer der ältesten Reden die Sinnesorgane mit flammendem Feuer 
(Mahävagga I. 21. 2, 3: jivhä ädittä „die Zunge steht in Flammen" 
entspricht wörtlich dem t] y^öiooa Tiöp an unserer Stelle im Jakobus- 
Briefe). — Daß der xpoxög Tfjg ys^sastüc aus den Mysterien der Orphi- 
ker herstammt, woran mehrere Theologen gedacht haben (Giemen, 
Religionsgesch. Erkl. d. Neuen Test. 58) ist ebenso unwahrscheinlich, 
wie die von Edmunds (Buddhist and Christian Gospels ^ II. 263) im 
Anschluß an (j o b 1 e t d'A 1 v i e 1 1 a angenommene babylonische Herkunft. 



— 61 — 

glaube, man muß ihn anerkennen — , so ist die Vermutung 
kaum von der Hand zu weisen, daß er nicht nur hier son- 
dern auch an anderen Stellen in den Evangelien gewirkt 
hat, wo er sich nicht in demselben Grade wahrscheinlich 
machen läßt. Es sollte der Theologie nicht schwer fallen, 
sich mit diesem Oedanken zu befreunden, durch den die 
Ewigkeitswerte des Christentums keine Einbuße erleiden 
können. 

Wer die viel stärkeren fremden Einflüsse auf das Ur- 
christentum zugiebt, von denen ich in der Einleitung ge- 
handelt habe, der kann ohne Gefahr für den christlichen 
Glauben auch die harmlosen buddhistischen Einflüsse auf 
evangelische Erzählungen gelten lassen. Es ist aber höchst 
auffallend, daß sich manche Theologen, die von den tief- 
greifenden hellenistischen Einwirkungen auf das Neue Te- 
stament überzeugt sind, nicht entschließen können, irgend 
welchen Einfluß des Buddhismus anzunehmen. Wittern sie 
hier vielleicht eine größere Gefahr? 

II. Der Physiologus nnd das christliche Fisehsymbol. 

Bevor wir zu den Entlehnungen aus dem Buddhismus 
übergehen, die sich in den apokryphen Evangelien finden, 
sind hier noch zwei Dinge zu behandeln, die eine innere 
Verwandtschaft aufweisen, aber doch ganz verschieden zu 
beurteilen sind. Der erste Punkt betrifft die Spuren bud- 
dhistischen Einflusses auf den Physiologus, deren Bedeu- 
tung für unsere Untersuchungen Ernst Kuhn hervor- 
gehoben hat^. 

Unter dem Namen OuacoXoyoi; ist in Alexandria im 
ersten Viertel des zweiten Jahrhunderts ein kleines Werk 



* In dem Nachwort zu van den Berghs „Indischen Einflüs- 
sen« * 118. 



— 62 — 

über christliche Zoologie oder besser Tiersymbolik verfaßt 
worden. In ihm werden die Eigenschaften einer ganzen 
Menge wirklicher und fabelhafter Tiere, auch einiger Bäume 
und Steine, aufgezählt und auf Christus oder den Teufel 
gedeutet, daneben auch den Menschen als nachahmenswerte 
oder abschreckende Beispiele vorgehalten. Dieses wunder- 
liche Werkchen, das mithin alte Naturkunde und alte Na- 
turfabelei mit christlicher Auslegung enthält, hat in der 
christlichen Welt weite Verbreitung gefunden; es ist ins 
Aethiopische, Armenische, Syrische und Arabische über- 
setzt und in Europa im Mittelalter zu mehreren lateinischen 
Versionen verarbeitet worden, die weiter in die Sprachen 
der meisten germanischen und romanischen Völker über- 
tragen wurden. Die uns so fremdartig anmutende Tier- 
symbolik der mittelalterlichen Dichtung und bildenden Kunst 
hat ihren Ursprung im Physiologus. 

In dem griechischen Original dieses Buches sind fol- 
gende indische Elemente aufgefunden worden; der an erster 
Stelle zu behandelnde Fund ist allerdings nicht ganz über- 
zeugend. 

Im zweiten Kapitel wird als dritte Eigenschaft des 
Löwen angegeben, daß seine Jungen tot geboren und am 
dritten Tage von ihrem Vater durch sein Gebrüll zum Le- 
ben erweckt werden ; so habe auch Gott seinen Sohn Je- 
sus Christus am dritten Tage von den Toten auferweckt. 
Diese Löwengeschichte soll, wie Grün wedel zuversichtlich 
behauptet \ auf eines der ältesten Epitheta Buddhas zu- 
rückgehen, das später auch auf mehrere Bodhisattvas 
übertragen worden ist: skt. simhanäda, Päli slhanäda „der 
mit der Löwenstimme Rufende". Ich glaube diese Kom- 
bination so verstehen zu müssen : durch die Mitteilung von 

* ZDMG. 52. 460 Anm. 5 ; Mythologie des Buddhismus in Tibet 
und der Mongolei (Leipzig 1900) 128. 



— 63 — 

Buddhisten, daß „der Löwe aus dem Hause der Säkyas", 
wie Buddha oft genannt wird, durch seinen gewaltigen Ruf 
die Menschen zum wirklichen Leben, zur Erkenntnis der 
Wahrheit erweckt und ihnen den Weg zum ewigen Heil 
gewiesen habe, sei in Folge eines Mißverständnisses die al- 
berne Angabe im Physiologus entstanden. Einen anderen 
Zusammenhang zwischen dem Epitheton Buddhas und der 
Löwengeschichte des Physiologus kann ich mir wenigstens 
nicht vorstellen. Der ganze Gedanke ist an und für sich 
nicht sehr einleuchtend, aber er gewinnt an Wahrschein- 
lichkeit durch die Beobachtung, zu der wir jetzt übergehen. 
Ganz deutlich ist das Mißverständnis einer bekannten 
indischen Erzählung, das in Kap. 17 des Physiologus in 
dem Bericht über den Fang des Einhorns zwei Gelehrte 
unabhängig von einander nachgewiesen haben, F. W. K. 
Müller^ und Luderst Nach jenem Bericht kann man 
das sehr starke und listige Einhorn nur auf eine Weise 
in seine Gewalt bringen. Man muß ihm eine reine, be- 
kleidete Jungfrau entgegenschicken ; dieser nähert sich das 
Einhorn und legt zutraulich seinen Kopf in ihren Schoß. 
Darauf faßt die Jungfrau das Tier, das ihr willig folgt, 
und führt es in den Palast zu dem König. Der 
Schlußsatz liefert den Beweis dafür, daß dieses Märchen 
in Abhängigkeit von der indischen Erzählung von dem Ein- 
siedler „Einhorn" (Eka^rnga) entstanden ist, die sowohl 
in der buddhistischen wie in der brahmanischen Literatur 
verbreitet ist und deren älteste literarische Fassung, wie 
Lüders gezeigt hat, in Resten in Strophen des Jätaka 526 
erhalten ist. Wenn in der indischen Erzählung eine Kö- 
nigstochter mit List den Asketen Einhorn, dessen An- 



1 Festschrift für Adolf Bastian, 531—536, besonders 532. 

2 Nachr. v. d. K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Phil.-hist. Kl., 1897, 
115; 1901, 53 Anm. 2. 



— 64 — 

Wesenheit nötig ist, um die Dürre des Landes zu beseiti- 
gen, nach der Königsstadt in den Palast ihres Vaters 
lockt, so liegt es auf der Hand, daß die Anweisung über 
den Fang des Tieres Einhorn im Physiologus und seinen 
mittelalterlichen Ausläufern durch ein nahe liegendes Miß- 
verständnis der indischen Sage entstanden ist. 

Ebenso überzeugend ist der Nachweis der indischen 
Herkunft der Elefantengeschichte in Kap. 19 des Physio- 
logus, den Berthold Lauf er auf Grund einer chine- 
sischen Quelle geführt hat K Im Physiologus wird Folgen- 
des erzählt*: „Wenn der Elefant gefallen ist, kann er 
nicht aufstehen, denn seine Kniee haben keine Gelenke. 
Wie aber fällt er? Wenn er schlafen will, lehnt er sich 
an einen Baum und schläft so. Die Inder nun, da sie die 
Eigentümlichkeit des Elefanten kennen, gehen hinzu und 
sägen den Baum ein wenig an. Es kommt nun der Ele- 
fant sich anzulehnen, und sobald er sich dem Baum ge- 
nähert hat, fällt derselbe mit ihm zu Boden. Nachdem 
er nun gefallen ist, kann er nicht aufstehen! Er beginnt 
also zu weinen und zu schreien. Das hört ein anderer 
Elefant und kommt, um ihm zu helfen, aber er kann den 
Gefallenen nicht aufrichten. Darauf schreien die beiden, 
und es kommen zwölf andere. Aber auch diese sind nicht 
im Stande, ihn aufzurichten. Darauf schreien sie alle. 
Zuletzt von allen kommt der kleine Elefant und legt seinen 
Rüssel um den Elefanten und hebt ihn auf." 

Das Gleiche wird in dem aus Indien stammenden 
chinesischen Bericht, den Lauf er entdeckt hat, von dem 
Rhinozeros gefabelt. Daß dieser ursprünglicher ist als der 
des Physiologus, der ja auch ausdrücklich auf Indien Be- 
zug nimmt, geht schon daraus hervor, daß die Inder, die 

1 T'oung Pao XIV, Juillet 1913, 361 f. 

2 Nach der Uebersetzung von Emil Peters (Berlin 1898) 39. 



— 65 — 

mit dem Elefanten von jeher ganz vertraut waren, sich un- 
möglich diesen mit Beinen ohne Kniegelenke vorgestellt 
haben können. In Indien muß also die Fabel von dem 
Rhinozeros erzählt worden sein, das dort viel seltener ist 
als der Elefant und nur im Süden des Landes und auf den 
Inseln des indischen Archipels vorkommt. Der Physiolo- 
gus hat die Geschichte von dem Rhinozeros, das er gar 
nicht erwähnt, auf den Elefanten übertragen. 

Die echte und ursprüngliche Version hat der Chinese 
Wu Shi-Kao, ein Arzt aus der Zeit der T'ang-Dynastie 
(618 — 907), der in einer offiziellen Stellung an der Küste 
von Südchina lebte, aus dem Munde eines Schiffskapitäns 
gehört. Sie lautet mit den Worten Laufers: „The mari- 
time people intent on capturing a rhinoceros proceed by 
erecting on a mountain path many structures of decayed 
timber, something like a stable for swine or sheep. The 
front legs of the rhinoceros being straight without joints, 
the animal is in the habit of sleeping by leaning against 
the trunk of a tree. The rotten timber will suddenly break 
down, and the animal will topple in front without being 
able for a long time to rise. Then they attack and kill it." 

Auch den nachfolgenden Betrachtungen, die Lauf er 
an diesen Text knüpft, um die ürsprünglichkeit seines In- 
halts trotz der späten Bezeugung zu begründen, muß man 
durchweg zustimmen. Die chinesische Version erzählt folge- 
richtig von dem Fang des Rhinozeros durch die List der 
Jäger, die sich auf die angebliche anatomische Beschaffen- 
heit und Lebensgewohnheit des Tieres gründet. Wogegen 
der Physiologus bloß von der listigen Vorbereitung zum 
Fang berichtet, dann aber ganz die im Versteck lauernden 
Jäger vergißt und nur noch von der wunderbaren Erret- 
tung des umgefallenen Elefanten handelt, die nach dem 

Garbe, Indien nnd das Christentum. 5 



— 66 — 

religiösen Zweck des Buches den Anlaß zu der symboli- 
schen Deutung giebt. Der umgefallene Elefant ist Adam; 
der erste, der zu Hilfe kommt, das Gesetz ; die zwölf näch- 
sten, die aber ebensowenig etwas ausrichten können, sind 
die Propheten ; und der kleine, schließlich die Rettung 
bringende Elefant ist Christus, der sich selbst erniedrigt hat. 

Der chinesische Text nennt Indien nicht ausdrücklich, 
sondern spricht von den „maritime people", womit in un- 
bestimmter Weise die Bewohner der hinterindischen Küsten- 
länder oder der Inseln des Archipels gemeint sein müssen, 
jedenfalls Yolksstämme, die unter dem Einfluß der indi- 
schen Kultur standen. Im eigentlichen Indien muß 
unsere Geschichte, wie die Version des Physiologus zeigt, 
lange vor der Zeit verbreitet gewesen sein, als der von 
dem chinesischen Arzt erwähnte Schiffskapitän dieselbe 
nach China gebracht hat. Nach dem Westen der alten 
Welt ist sie etwas früher gelangt, als der griechische Phy- 
siologus verfaßt wurde; denn Plinius (Eist. Nat. VIII. 
39) und Caesar (De hello Gallico VI. 27) erzählen die- 
selbe Geschichte von dem Elch, der in den Beinen keine 
Gelenke habe und sich deshalb zum Schlafen an einen 
Baum lehne, den die Jäger ansägen, um das Tier zu 
fangen. Die Herkunft dieser Geschichte aus Indien und 
ihr Zusammenhang mit der Elefantenfabel im Physiologus 
und der Rhinozerosfabel in dem chinesischen Bericht liegt 
ebenso auf der Hand wie die Notwendigkeit der Annahme, 
daß die letztgenannte Version die Originalform des wunder- 
lichen Volksglaubens darstellt. 

Abhängigkeit von Indien ist noch an einer anderen 
Stelle des Physiologus vollkommen deutlich. Auch der in 
Kap. 38 behandelte Vogel x^paSpto^, der die Krankheit 
eines Menschen, dem er nahe gebracht wird, zu der Sonne 
emporträgt und dort verbrennt, ist nichts anderes als der 



— 67 — 

indische Vogel bäridravä^ auf welchen Bigveda 1. 50. 12 
und Atharvaveda 1. 22. 4 die Gelbsucht übertragen wird, 
die an letzterer Stelle in Vers 1 zur Sonne hinweggewünscht 
wird. 

Diese Entlehnungen aus Indien, die sich im Physio- 
logus finden, könnten an sich für den Zweck dieses Buches 
als ziemlich belanglos erscheinen; aber sie sind doch von 
großer prinzipieller Wichtigkeit. Zu derselben Zeit 
und in denselben Glaubens- und Vorstellungs- 
kreisen wie der Physiologus ist das Johannes- 
Evangelium entstanden: so gut wie in jenen 
konnten also auch in dieses indische Stoffe 
Eingang finden. Ich betone diese Möglichkeit mit um 
so größerer Entschiedenheit, als ich mich persönlich nach 
Prüfung der in Betracht kommenden Einzelheiten noch 
nicht von dem Vorhandensein buddhistischer Einflüsse im 
Johannes-Evangelium habe überzeugen können^. Aber auch 
das Eindringen buddhistischer Elemente in andere neutesta- 
mentliche Schriften erscheint im Lichte der indischen Phy- 
siologus- Geschichten verständlicher. 



Das christliche Fischsymbol ist nicht im Physiolo- 
gus erwähnt, und da es so vortrefflich in dessen Gedanken- 
kreis hineinpaßt, dürfen wir in diesem Fall dem argumen- 
tum e silentio volle Beweiskraft zuschreiben und behaup- 
ten, daß das Fischsymbol zur Zeit der Abfassung des Phy- 
siologus im Christentum noch keine Verwendung gefunden 
hat. Es ist zuerst aus dem Ende des zweiten Jahrhunderts 
bei Tertullian belegt. 



^ Ernst Kuhn im Nachwort zu van denBerghs „Indi- 
schen Einflüssen"* 118 Anm. 1, wo auch die ältere Literatur über 
diese Uebereinstimmung angegeben ist. 

2 Vgl. aber oben S. 34, 35, 39—41. 

5* 



— 68 — 

PischeP hat geglaubt, die Entlehnung dieses Sym- 
bols aus dem nördlichen Buddhismus nachweisen und ihre 
historische Grundlage in den in Turkestan zu Tage ge- 
kommenen Religionsvermengungen finden zu können. Diese 
These Pi seh eis hat zu einer lebhaften Beschäftigung mit 
dem Problem angeregt, darf aber jetzt endgiltig als unhalt- 
bar bezeichnet werden. Das Fischsymbol zur Bezeichnung 
des Erlösers ist im Christentum unabhängig vom Buddhis- 
mus entstanden und muß auf andere Quellen zurückge- 
führt werden. 

Aus einem gelehrten, auf massenhafte Materialsamm- 
lungen gegründeten Aufsatz von J. Scheftelowitz^ 
geht erstens hervor, daß die Auffassung des Fisches als 
Sinnbild des Christen aus dem Judentum stammt, das 
schon den Fisch als Symbol des Israeliten kennt; zweitens 
und hauptsächlich, daß auf der ganzen Erde die Vorstel- 
lung von dem Fisch als Symbol des Schutzes gegen dämo- 
nische Einflüsse und als glückbringendes Zeichen eine er- 
staunlich weite Verbreitung hat^, womit die ebenso ver- 
breitete Auffassung der Fische als Sitze der abgeschiedenen 
menschlichen Seelen und auch als Symbole der Frucht- 
barkeit im Zusammenhang steht. Das Fischsymbol zur 
Bezeichnung Christi als des Erretters wurzelt — ebenso 
wie dasselbe Symbol für rettende Götter und für Buddha 
in Indien, wie die babylonische Sage von dem frommen 
Par-napishtim, den der Fischgott Ea aus der Sintflut ret- 
tet, und vieles Aehnliche — in alten volkstümlichen Ideen, 
deren Ursprung uns bis zu den Anfängen der Menschheit 
zurückführt, bis zu den Zeiten, als der Mensch noch in 



* Der Ursprung des christlichen Fischsymbols, SBA 1905, 506 f. 
' Das Fischsjmbol im Judentum und Christentum, Archiv für 
Religionswissenschaft XIV (1911) 1 f., 321 f. 
> Ebendas. 343 f. 



— 69 — 

vielen ihm wegen ihrer Stärke und Fähigkeiten überlegenen 
Tieren höhere Wesen sah, die er deshalb vergöttlichte. 
Zu den ältesten Totemtieren gehört der Fisch, der wegen 
seiner Fähigkeit zu schwimmen und unter dem Wasser zu 
leben die Bewunderung des Menschen im Zustand der Wild- 
heit erregt hat^ 

Die unmittelbare Herkunft des christlichen Fisch- 
symbols zur Bezeichnung des Heilands haben wir in der 
Verwendung zu suchen, die der Fisch in der Symbolik des 
klassischen Altertums und bei anderen Mittelmeervölkern 
gefunden hat. 

Mit dieser Erkenntnis fällt auch die Auffassung Ol- 
denbergs^ daß man den Ursprung des christlichen Fisch- 
symbols vollkommen befriedigend aus dem bekannten Akro- 
stichon (txä-ös = 'Ii^aoO? XptoTÖ^ S-eoö \)lbq awr/jp) ohne Zu- 
hilfenahme fremder Einflüsse erklären könne. Die Ein- 
wendungen, die van den Bergh^ dagegen erhoben hat, 
beweisen schon, daß der christliche Gebrauch des Wortes 
iXÖ-^JS nicht aus jenem Akrostichon stammen kann. Wenn 
van den Bergh nachweist, daß die feste Aufeinander- 
folge jener fünf Worte im Sprachgebrauch durchaus nicht 
üblich war und in der alten Zeit überhaupt nicht zu flnden 
ist, daß auch nicht durch die besondere Größe der An- 
fangsbuchstaben bei inschriftlicher Verwendung die Zu- 
sammenstellung dieser Buchstaben zum Akrostichon nahe 
gelegt war, so ergiebt sich, daß die Beziehung des Wor- 
tes ix^'^i auf Christus nicht original sein kann. Van den 
Bergh sagt*: „Durch die Buchstabendeutung ist der Ich- 



^ Vgl. diö nützlichen Zusammenstellungen von Paul Carus, 
Animal Symbolism, The Open Court, 1911, 79 f. 
« ZDMG. 59. 625 f. 
» ZDMG. 60. 210 f. 
* A. a. 0. 212. 



— 70 — 

thys für die Christen brauchbar geworden und hat seinen 
heidnischen Aspekt ganz und gar verloren/^ Ich möchte 
die Erklärung etwas anders wenden und meinen, daß die 
damals im Heidentum ganz geläufige kultische und sym- 
bolische Bedeutung des Fisches im Sinne des Schutzes, 
der Rettung, des Glücks, der Gesundheit und Fruchtbar- 
keit die christliche Buchstabendeutung von txS-i^ veran- 
laßt hat. 

Wenn die obigen Angaben beweisen, daß der Buddhis- 
mus und Indien überhaupt keinen Einfluß auf den Ge- 
brauch des christlichen Fischsymbols ausgeübt hat, so ist 
an dieser Stelle kein Anlaß, auf die weiteren Arbeiten 
über den Gegenstand von Eisler, Dölger u. a. ein- 
zugehen. 

in. Buddhistische Einflösse auf die apokryphen Evan- 
gelien. 

Für nicht-theologische Leser schicke ich hier auf 
Wunsch des Herrn Verlegers die Bemerkung voraus, daß 
es nicht nur Apokryphen des Alten Testaments gibt (d. h. 
die Bücher, die als Anhang zu diesem von Luther größ- 
tenteils übersetzt sind), sondern daß wir auch eine ganze 
Anzahl von Apokryphen des Neuen Testaments besitzen, 
die keine Aufnahme in den Kanon gefunden haben, und 
daß einstmals eine noch viel größere Menge solcher Bücher 
existiert hat. Es sind das unechte Evangelien, Apostel- 
geschichten, Briefe und Apokalypsen, die meist dem drit- 
ten, vierten und fünften, zum Teil aber auch schon dem 
zweiten Jahrhundert angehören. Von den apokryphen 
Apostelgeschichten werden uns die Acta Thomae unten ^ 
näher beschäftigen; hier haben wir es nur mit den apo- 

^ In Kap. I des zweiten Abschnitts. 



— 71 — 

kryphen Evangelien zu tun, d. h. mit Schriften, die in phan- 
tastischer Art und mit einer Vorliebe für abenteuerliche 
Wundergeschichten hauptsächlich die Kindheit, aber auch 
das Leiden und die Auferstehung Jesu behandeln. 

Schon aus der Mitte oder dem Ende des zweiten Jahr- 
hunderts stammen das Protevangelium Jacobi und die Evan- 
gelien des Thomas und Nicodemus; das letzte zerfällt in 
zwei von verschiedenen Verfassern herrührende Teile, die 
Gesta (Acta) Pilati und den Descensus Christi ad inferos. 
Erst im fünften Jahrhundert ist das Evangelium Pseudo- 
Matthaei und in annähernd derselben Zeit das Evangelium 
de nativitate Mariae verfaßt worden. Das arabische Evan- 
gelium infantiae, wahrscheinlich Uebersetzung eines syri- 
schen Originals, ist von unbestimmbarem Alter. Sehr zu 
bedauern ist der Verlust des Hebräer-Evangeliums, des 
eigentlichen Evangeliums der Judenchristen, von dem nur 
einige Reste als Zitate bei Kirchenschriftstellern gefunden 
sind; es ist schon in der Zeit zwischen 70 und 100 abge- 
faßt und frühzeitig, sicher schon im zweiten Jahrhundert, 
ins Griechische übersetzt worden. Noch weniger Zitate 
sind von dem Ägypter-Evangelium erhalten, das im An- 
fang des zweiten Jahrhunderts entstanden und in dieser 
Zeit bei den ägyptischen Christen in Gebrauch gewesen 
ist. Das Evangelium Petri, von dem ein größeres Bruch- 
stück in Ägypten gefunden worden ist, stammt aus dem 
Ende des zweiten Jahrhunderts und ist wahrscheinlich in 
Syrien verfaßt worden. Von den zahlreichen anderen apo- 
kryphen Evangelien kennen wir meist nur die Namen. 

Die meisten dieser Bücher sind gnostischen Ursprungs. 
Das erklärt uns auch die Aufnahme nachweislich buddhis- 
tischer Erzählungen; denn die gnostischen Sekten haben 
unter starken buddhistischen Einflüssen gestanden \ Deut- 

* Lassen, Indische Alterthumskunde III. 379 f., Garbe, Säm- 
khya-Philosophie, 96 f. 



— 72 — 

lieh erscheinen diese Einflüsse in den Vorstellungen der 
Gnostiker von den zahlreichen Geisterwelten und Himmeln, 
die aus der Kosmogonie des späteren Buddhismus abge- 
leitet sind. Vollkommen von Buddhismus durchtränkt ist 
das System des Basilides (aus der ersten Hälfte des zwei- 
ten Jahrhunderts), der das Leiden für den Grundzug alles 
Daseins erklärte, die Seelenwanderung mit dem Gesetz der 
Vergeltung annahm und die Persönlichkeit als einen Kom- 
plex aus fünf Bestandteilen auffaßte (entsprechend den 
buddhistischen fünf Khandhas oder Daseinselementen) — 
um nur die hauptsächlichsten Entlehnungen aus dem Bud- 
dhismus zu erwähnen^. Edv. Lehmann^ nennt den 
Gnostizismus die „westliche Ablaufrinne orientalischer Spe- 
kulationen, die allerlei in die altchristliche Kirche hinein- 
brachte, und darunter Dinge, die das Christentum nie 
wieder losgeworden ist," und sagt, daß „buddhistische Fä- 
den sich sehr wohl aus diesem bunten Gewebe herausholen 
lassen." 



Die Parallelen mit buddhistischen Erzählungen, die 
sich in den apokryphen Evangelien finden, tragen einen 
ganz märchenhaften Charakter und sind wesensverschieden 
von denen in den kanonischen Evangelien. Es handelt 
sich dort um Wundergeschichten von echt indischem Gepräge. 
Wie schon oben (S. 23, 24) bemerkt worden ist, stammen 



* J. Kennedy, Buddhist Gnosticism, the System of Basilides, 
JRAS. 1902, 376 f. 

* Buddhismus, 267. Hier nennt Lehmann mit Recht Arthur 
Linie gescheiter als die modernen Theosophen, weil er in seinem 
Buche «Buddhism in Christendom " (London 1887) den Buddhismus 
durch den Gnostizismus in das Christentum einschlüpfen läßt. S. 
C h a p t e r XVIII : How did Buddhism reach the West ? p. 233 f. Im 
übrigen aber gehört A. Lillies Buch zu dem Dilettantischsten und 
Konfusesten, das über diese Frage geschrieben worden ist. 



— 73 — 

diese Erzählungen in der Hauptsache aus dem späteren 
Buddhismus, dem sogenannten Mahäyäna, und ihre Ueber- 
tragung in die apokryphen Evangelien ist auf unmittelbare 
Mitteilung zurückzuführen, während die spärlichen buddhis- 
tischen Erzählungen, die in die kanonischen Evangelien 
Eingang gefunden haben, dem ursprünglichen Buddhismus, 
dem Hinayäna, angehören und auf indirektem Wege über- 
tragen worden sind. 

Es ist das Verdienst von Ernst Kuhn, zuerst Ent- 
lehnungen aus dem Buddhismus in den apokryphen Evan- 
gelien nachgewiesen zu haben ^. Im Lalitavistara finden 
sich zwei Erzählungen, die aus sprachlichen Gründen zu 
den älteren Bestandteilen des Werkes zu rechnen sind. 
Sie berichten, wie der Bodhisattva, d. h. der nachmalige 
Buddha, „einst mit festlichem Gefolge nach dem Tempel 
der Götter gebracht wurde und bei seinem Eintritt die leb- 
losen Götterbilder von ihren Thronen aufstanden, um sich 
dem Bodhisattva zu Füßen zu werfen; ferner wie er zur 
Schule gebracht seinen Lehrer durch genaueste Kenntnis 
der 64 Schriftarten nicht wenig in Erstaunen setzte und 
während der Recitation des Alphabets die ganze Schule 

durch das Erschallen weiser Sprüche gar sehr erbaut 

wurde. "^ Die erste dieser beiden Geschichten begegnet 
uns in dem Evangelium Pseudo-Matthaei c. XXIII \ die 

* Gurupüjäkaumudl (Festgabe zum fünfzigjährigen Doctorjubiläum 
AlbrechtWeber dargebracht, Leipzig 1896) S. 116—119. — Der 
Vortrag, den Louis H. Gray über „some Indian parallels to the 
Apocryphal New Testament" vor der American Oiiental Society im 
Jahre 1901 gehalten hat (JAOS. 22. 398, 400), ist nicht im Journal 
der Gesellschaft und meines Wissens auch an keiner andern Stelle 
erschienen. 

2 Kuhn a. a. 0. 116. 

* S. auch N. Bonwetsch, Die apokryphe , Leiter Jakobs**, 
Nachr. d. K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, phil.-hist. Klasse, 1900, 
S. 85: »und alle Götzen fallen auf ihr Angesicht." 



— 74 — 

zweite in dem Evangelium Thomae c. VI in so frappanter 
Uebereinstimmung wieder, daß ihre buddhistische Herkunft 
in die Augen springt. Besonders beweiskräftig ist als ein 
echt indischer Gedanke in der zweiten Oeschichte die my- 
stische Bedeutung der Buchstaben, die das Christuskind 
dem Lehrer vorträgt. Auch kann es keine zufällige Ueber- 
einstimmung sein, daß sowohl in der Erzählung des Lali- 
tavistara wie. in der des Thomas-Evangeliums c. XIV der 
Lehrer beim Schulbesuch des Wunderkindes bewußtlos zu 
Boden fällt. Die Aufnahme dieser beiden Erzählungen in 
den christlichen Legendenschatz ist uns für die Zeit vom 
Ende des zweiten bis zur Mitte des vierten Jahrhunderts 
durch Irenäus, Eusebius und Athanasius bezeugt^. 

Diese glücklichen Beobachtungen Ernst Kuhns 
mußten die Erwartung erwecken, daß eine genauere Durch- 
forschung der apokryphen Evangelien noch manche andere 
buddhistische Elemente zu Tage fördern werde. Van den 
Bergh van Eysinga^ hat diese Erwartung erfüllt, wenn 
auch vielleicht noch weiteres Material zu finden sein wird. 
Der genannte Gelehrte hat folgende Zusammenhänge auf- 
gedeckt, die nicht durch die Annahme zufälliger Ueber- 
einstimmungen weggedeutet werden können. 

Im Lalitavistara steht, daß der zukünftige Buddha 
schon im Mutterleibe einen wunderbaren Glanz ausgestrahlt 
habe, wie auch brahmanische Quellen das Gleiche voi^ 
Krischna erzählen. Wenn das Evangelium Pseudo-Mat- 
thaei c. XIII dieselbe Erscheinung von Jesus vor seiner 
Geburt berichtet und daneben mitteilt: nulla poUutio san- 
guinis facta est in nascente, nuUus dolor in parturiente, 
was gleichfalls in alten buddhistischen Quellen (Digha-ni- 
käya 14, Majjhima-nikäya 13. 123) von der Geburt des 

' Ebendas. 118 Mitte. 
2 Indische Einflüsse » 75 f. 



— 75 — 

Bodhisattva erzählt wird, so liegt der buddhistische Ur- 
sprung dieser Schilderungen auf der Hand. Die in der 
zuletzt genannten Quelle sich findende Angabe, daß der 
Bodhisattva unmittelbar nach seiner Geburt stehen konnte 
und sieben Schritte nach Norden zu machte, hat van den 
Bergh wohl mit Recht in Zusammenhang mit der Erzäh- 
lung des Protevangelium Jacobi c. VI gebracht, daß die 
sechs Monate alte Maria, als sie von ihrer Mutter auf die 
Erde gestellt wurde, mit sieben Schritten auf die Mutter 
zu ging. Zur Begründung der indischen Herkunft dieser 
Erzählung möchte ich hinzufügen, daß die „sieben Schritte" 
ein von Alters her in Indien feststehender Begriff sind. 
Zu den allgemein üblichen Hochzeitsgebräuchen gehören 
schon in der vedischen Zeit die sieben gemeinsamen Schritte 
des jungen Paares ^. 

"Weit merkwürdiger aber ist die folgende Parallele. 
Vor der Geburt des Bodhisattva stockt nach dem Bericht 
des Lalitavistara alle Bewegung in der Natur und Men- 
schenwelt. Die halbgeöffneten Blumen blühen nicht auf; 
die Winde hören auf zu wehen; die Flüsse und Bäche 
fließen nicht weiter; Sonne, Mond und Sterne bleiben 
stehen; alle menschliche Tätigkeit erstarrt. Das gleiche 
Wunder nimmt Joseph vor der Geburt Jesu nach dem 
Protevangelium Jacobi c. XVIII wahr. Er blickt in die 
Höhe und sieht, wie im Luftraum und am Himmel alles 
plötzlich zum Stillstand gekommen ist. Die weitere Schil- 
derung, die ich hier mit den Worten van den Berghs 
(^ 77) anführe, ist offenbar eine eingehendere Ausführung 
der kürzeren Beschreibung des wunderbaren Stillstands 
im Lalitavistara : „Joseph selbst ging herum und ging nicht 
herum. Er sah, daß Arbeiter bei einer Schüssel saßen: 



* J. Jolly, Recht und Sitte (Grundriß der indo-arischen Philo 
logie und Alterturaskunde IL 8) 54. 



— 76 — 

diejenigen, welche kauten, kauten nicht; welche etwas her- 
ausholten, holten nichts heraus ; welche Speise in den Mund 
führten, führten sie nicht in den Mund; aber alle sahen 
aufwärts. Weitergetriebene Schafe standen still; der Hirte 
wollte sie mit seinem Stabe schlagen, aber seine aufge- 
hobene Hand blieb in der Luft stehen. Die Böcke streck- 
ten ihr Maul bis ans Wasser, aber tranken doch nicht. 
Alles stand in seinem Laufe still. ^ 

Auch für die Erzählung des Evangelium Pseudo-Mat- 
thaei c. XX, daß auf Befehl des Christuskindes ein Palm- 
baum sich bis zur Erde neigte und der von der Reise er- 
müdeten und durstigen Maria seine Früchte darbot, die 
ihr sonst unerreichbar gewesen wären, haben wir mehrfache 
Parallelen in der buddhistischen Literatur, unter ihnen 
kommt für die Vergleichung besonders die Erzählung von 
den Bäumen in Betracht, die der Mäyä, Buddhas Mutter, 
hilfreich ihre Zweige zuneigten, als sie im Freien von ihrer 
Niederkunft überrascht wurde. Das Motiv dieses und ähn- 
licher Wunderberichte ist echt indisch. Wenn aber van 
den Bergh^ 78 bis auf den Veda zurückgreifen und zu 
den indischen Erzählungen von Bäumen, die sich nieder- 
beugen, auch die Stelle Rigveda 5. 60. 2 rechnen will, wo 
es heißt, daß aus Furcht vor dem Anstürmen der Maruts, 
der Genossen Indras, sich die Wälder beugen und die Erde 
und das Gebirge erzittert, so ist das nicht richtig. Hier 
haben wir es einfach mit einer Schilderung der Naturer- 
scheinungen zu tun, die der Gewittersturm hervorruft, den 
die Maruts verkörpern. Das märchenhafte buddhistische 
Motiv der unter magischem Zwange oder aus Mitleid hilf- 
reich sich neigenden Bäume ist etwas davon total Ver- 
schiedenes. 

Buddhistischen Ursprungs sind auch die von v. d. Bergh 
in diesem Zusammenhang nicht erwähnten Schilderungen des 



— 77 — 

Evang. Pseudo-Matthaei c. 18, 19, wie die Drachen dem 
Jesuskind ihre Verehrung bezeugen, wie die Löwen und Pan- 
ther in der Wüste dasselbe tun, wie sie Jesus und seine 
Eltern begleiten, ihnen den Weg zeigend, und wie die wilden 
Tiere friedlich mit den Haustieren verkehren. Weitere ähn- 
liche Schilderungen finden sich in c. 35, 36^ (vgl. auch Mark. 
1. 13: „und war bei den Tieren"). Die Zähmung der 
wilden Tiere durch die magische Kraft des universellen 
Wohlwollens wird Buddha und den buddhistischen Heiligen 
allgemein zugeschrieben. Man vergleiche besonders, was 
Oldenberg aus dem Cariyäpitaka, einer Jätaka- Auswahl, 
über eine frühere Existenz Buddhas in der Person des 
Einsiedlers Säma anführt^. Buddha erzählt dort: „Auf 
der Bergeshalde weilend zog ich Löwen und Tiger durch 
die Kraft der Freundschaft zu mir. Von Löwen und Ti- 
gern, von Panthern, Bären und Büffeln, von Antilopen, 
Hirschen und Ebern umgeben weilte ich im Walde. Kein 
Wesen erschrickt vor mir, und auch ich fürchte mich vor 
keinem Wesen. Die Kraft der Freundschaft ist mein Halt ; 
so weile ich auf der Bergeshalde." Die buddhistische Be- 
gründung durch das allgemeine, auch die Tiere umfassende 
Wohlwollen ist natürlich bei der Verpflanzung dieser idyl- 
lischen Vorstellungen auf christlichen Boden, wo das Wohl- 
wollen gegen die Tiere geringer ist, in Wegfall gekommen. 
Daß für die Beschreibung der Höllenfahrt Christi in 
dem zweiten Teil des Nicodemus-Evangeliums, dem Des- 
census ad inferos, Abhängigkeit von einer buddhistischen 
Quelle kaum anzunehmen ist, wurde schon oben (S. 41) 
erwähnt. Auch van den Bergh^ 87,88 hält eine solche 
Abhängigkeit nicht für wahrscheinlich. Co well leitete 
sogar die vergleichbare buddhistische Legende im Käran- 

iVonDobschütz, Theolog. Lit. Ztg. 21 (1896), 443. 
« Buddha • 352. 



— 78 — 

davyuha, der zufolge der erbarmungsreiche Bodhisattva 
AvalokiteSyara in die schreckliche Hölle Avici hinabstieg, 
um durch sein bloßes Erscheinen die Verdammten von ihrer 
Qual zu befreien und die Hölle in einen Ort der Freude 
zu verwandeln, von der christlichen Darstellung im Nico- 
demus-Evangelium ab \ Die üebereinstimmungen sind aber 
nicht groß genug, um überhaupt einen literarischen Zu- 
sammenhang glaubhaft zu machen. 

Ich möchte hier eine prinzipielle, gegen 0. Franke 
gerichtete Bemerkung anschließen, daß nämlich aus bud- 
dhistischen Einflüssen auf Erzählungen in den apokryphen 
Evangelien keine Rückschlüsse auf solche Einflüsse in sinn- 
verwandten Stellen der kanonischen Evangelien gemacht 
werden dürfen. Franke sagt^: „Es ist doch wohl zwei- 
fellos, daß die Diskussion der Juden mit Jesus über sein 
Alter und ob er Abraham schon gekannt haben könne, 
Ev. Job. 8. 57 f., aufs Engste mit Pseudo-Matth. XXX 
zusammenhängt. Diese letztere Stelle aber, die ja auch 
ganz buddhistisch klingt, ist ziemlich sicher buddhistisch 
beeinflußt (vgl. Saddharmap. Kap. XIV u. XV, SEE XXI, 
S. 281 f.), um so sicherer, als die buddhistische Parallele 
durch eine weitere des Mabäbhärata (Bhagavadgltä 4) als 
echt indisch gesichert ist. Ist dem aber so, dann ergiebt 
sich durch einfachen Syllogismus auch die Abhängigkeit 
der Stelle Job. 8. 57 f. von der buddhistischen Legende. 
Aehnlich ist vielleicht das Verhältnis von Luk. 2. 22 — 24 
zu der . . . Stelle Pseudo-Matth. Kap. XXIII [die von den 
niederfallenden Götzenbildern handelt].** 

Hier ist zunächst der Schlußsatz anzufechten; denn 
die apokryphe Erzählung von dem Besuch der Maria mit 
dem Christuskinde in einem ägyptischen Tempel steht 

1 Journal of Philology VI (1876) 222 f., JA. VIII. 249 f. 

2 Deutsche Lit. Ztg. 1901, 2766. 



— 79 — 

in keinem greifbaren Zusammenhang mit der Darstellung 
Jesu im Tempel zu Jerusalem bei Luk. 2. 22 — 24. Auch 
ist mir sehr zweifelhaft, ob in der Stelle Pseudo-Matth. 
XXX mit Franke buddhistische Einflüsse zu finden sind. 
Aber alle Voraussetzungen Frankes zugegeben, so ist 
doch sein ,, einfacher Syllogismus^ meines Erachtens ein 
Trugschluß; denn wenn der Verfasser eines apokryphen 
Evangeliums an Stellen in kanonischen Eyangelien ange- 
knüpft, diese weiter ausgeschmückt und das unter dem 
Einfluß buddhistischer Gedanken oder Erzählungen getan 
hat, so folgt doch daraus ganz und gar nicht, daß eben 
diese Einflüsse schon auf die betreffenden Stellen der ka- 
nonischen Eyangelien eingewirkt haben. 



Anhangsweise sei hier bemerkt, daß sich buddhistische 
Anklänge in folgenden zwei christlichen Texten finden. 
In den klementinischen Bekognitionen, einem ju- 
denchristlichen, mit gnostischen Elementen durchsetzten 
Werk, das aus dem Ende des zweiten oder dem Anfang 
des dritten Jahrhunderts stammt, aber nur in der lateini- 
schen üebersetzung des Kufinus (340— 410) erhalten ist, 
wird an zwei Stellen (VIII. 48, IX. 19) von dem idylli- 
schen Leben der S eres als eines milden, sittenreinen Volkes 
berichtet, bei dem Verbrechen und Laster ebenso unbe- 
kannt seien wie Götzendienst, Tempel und Opfer. Darunter 
können nur die Buddhisten in Chinesisch-Turkestan zu ver- 
stehen sein ^ Das andere Werk sind die Acta Dispu- 
tationis Archelai et Manetis, ein gegen den Mani- 
chäismus gerichteter angeblicher Bericht über eine Dispu- 
tation eines Bischofs Archelaus von Kaskar mit Mani, der 
von einem Geistlichen der edessenisch- syrischen Kirche um 

^ Albert J.Edmunds, Early Christian eulogies of Buddhism, 
Light of Dharmall. 83 f., Buddhist and Christian Gospels* I. 131—133. 



— 80 — 

320 verfaßt, aber auch nur — von einigen griechischen 
Fragmenten abgesehen — in einer lateinischen Ueber- 
setzung auf uns gekommen ist^. In diesem Text hat Ernst 
Kuhn indische Parallelen gefunden ^ 

Ich begnüge mich mit diesen Hinweisen. Auf Aus- 
beutung der beiden abgelegenen und wenig erfreulichen 
Texte habe ich verzichtet, weil ich mir sagen konnte, daß 
der etwaige Ertrag für die Zwecke dieses Buches in keinem 
Verhältnis zu der aufzuwendenden Mühe stehen würde. 
Nach der Dissertation Adalbert Oblasihskis über das 
zweite der genannten Werke* scheint es, als ob in ihm 
eher brahmanische als buddhistische Einflüsse zu finden 
sind, wenn auch „Buddas, der von einer Jungfrau geboren 
sein wollte," öfter erwähnt wird. Die Vorstellungen von 
der Seelenwanderung und von dem Aufsteigen der Seelen 
zum Monde, die als Teil der manichäischen Lehre angege- 
ben werden, sind unverkennbar brahmanischer Herkunft. 

IT. Buddhistische Einflfisse auf die christliche 

Legendenliteratur. 

Es ist allgemein bekannt und verdient deshalb, hier 
der Vollständigkeit halber nur kurz erwähnt zu werden, 
daß im sechsten Jahrhundert nach Chr. ein baktrischer 
Mönch die Buddhalegende, wie sie in der nordbuddhisti- 
schen Literatur dargestellt ist, zu dem Roman Barlaam 
und Joasaph (griech., Josaphat lat.) verarbeitet hat, 
daß dieser Roman von Iran nach dem Westen ge- 

^ Kessler in Herzogs Realencyklopädie für protestantische 
Theologie und Kirche » Xü. 195, 196. 

' Im Nachwort zu van den Berghs , Indischen Einflüssen*^' 118. 

' Acta disputationis Archelai et Manetis. Ein Abschnitt aus 
einer Darstellung und Kritik der Quellen zur Geschichte des Mani- 
chäismus (Leipzig 1874) 10—16, 33, 42—44. 



— 81 — 

wandert ist und wegen der sinnreichen in ihn ein- 
gefugten Parabeln seinen Weg in alle europäischen 
Literaturen gefunden hat. Er handelt von der Be- 
kehrung des indischen Prinzen Joasaph durch den Asketen 
Barlaam. In den beiden Personen steckt Niemand anders 
als der eine Buddha. Wie und warum sich dieser so ver- 
doppelt hat, ist in der von staunenswerter Gelehrsamkeit 
zeugenden Schrift Ernst Kuhns über den Gegenstand^ 
nachzulesen. Dort ist (S. 34 f.) nachgewiesen, wie Joasaph 
durch Verwechselung orientalischer Buchstaben aus dem 
indischen Worte Bodhisattva entstanden ist. Dieser Roman 
ist für unsere Betrachtungen auch deshalb von Interesse, 
weil er den Anlaß dazu gegeben hat, daß die Personen 
Barlaam und Joasaph unter die Heiligen sowohl der grie- 
chisch- wie der römisch-katholischen Kirche aufgenommen 
worden sind. Die letztere erwähnt sie zuerst in einem 
Heiligen Verzeichnis des vierzehnten Jahrhunderts. Jeden- 
falls ist es ergötzlich, daß der Bodhisattva, zu Josaphat 
entstellt, in eine so merkwürdige Gesellschaft gekommen 
ist, daß seine Reliquien, „os et pars Spinae dorsi^, in Ve- 
nedig, dann in Lissabon und später in Antwerpen verehrt 
worden sind und daß dem heiligen Josaphat in Palermo 
eine Kirche erbaut worden ist ^. 

Schon mehrfach sind die buddhistischen Jätakas er- 
wähnt worden. Ich muß jetzt etwas näher auf diese Lite- 
ratur eingehen, weil die im Folgenden zu behandelnden 
katholischen Heiligenlegenden aus ihr entlehnt sind und 
diese Entlehnung ohne Kenntnis von Zeit und Charakter 
der Quellen nicht verständlich sein würde. 

Unter den heiligen Schriften der Buddhisten sind von 
besonderer Bedeutung — und zwar nicht bloß für die Er- 

^ Barlaam und Joasaph (München 1893) 19, 36. 
« Kuhn a. a. 0. 83, 84. 

Garbe, Indien und das Christentum. 6 



— 82 — 

forschung der Lehren und Zustände des indischen Bud- 
dhismus — die unter dem Namen Jätaka bekannten er- 
baulichen Erzählungen, in denen Erlebnisse des Bodhisat- 
tva, des nachmaligen Buddha, geschildert werden. In die- 
sen „Vorgeburtsgeschichten" tritt Buddha redend auf und 
berichtet im Anschluß an irgend ein Ereignis aus seiner 
Zeit und unter Nutzanwendung auf die durch dasselbe ge- 
schaffene Lage, daß er in einer früheren Existenz als 
Mensch, Fabelwesen oder Tier schon einmal etwas Aehn- 
liches erlebt habe. Buddha ist also der Held aller dieser 
in vergangene Zeiten zurückverlegten Geschichten. Wenn 
in ihnen noch mehrere andere Personen oder Tiere auf- 
treten, so werden die recht und gut handelnden am Schluß 
der Erzählung als frühere Daseinsforraen der Freunde und 
Anhänger Buddhas bezeichnet, die bösen mit seinen Fein- 
den und Gegnern identifiziert. Die Stoffe dieser Geschich- 
ten sind zum Teil uralt, zum Teil sind sie später erfunden 
worden ; doch dürften die jüngsten Erfindungen nicht über 
das dritte Jahrhundert nach Chr. hinunterreichen i. 

Diese phantasievollen und lehrhaften Erzählungen keh- 
ren zum großen Teil in der späteren didaktischen und 
ünterhaltungsliteratur Indiens wieder; denn sie haben sich 
bei den Indern, die ja von jeher ihre besondere Freude 
an Märchen und Fabeln gehabt haben, einer außerordent- 
lichen Beliebtheit erfreut. Viele von ihnen sind dann von 
ihrem Heimatlande aus- über Persien, Syrien und Arabien 
weiter ins Abendland gewändert und Gemeingut aller euro- 
päischen Völker geworden; auch im inneren, nördlichen 
und östlichen Asien haben sie sich zugleich mit dem Bud- 
dhismus verbreitet. 



* Ausgezeichnete Charakteristiken der Jätaka- Erzählungen findet 
man bei Oldenber^, Literatur des alten Indien, 103 — 129, und 
bei Winternitz, Gesch. d. ind. Litt. IL i. 89 f. 



— 83 - 

Die älteste Sammlung von Jätaka-Geschichten — und 
zugleich die älteste uns erhaltene Quelle der ganzen indi- 
schen Erzählungsliteratur ^ — liegt im Päli, der heiligen 
Sprache der südlichen Buddhisten, vor und umfaßt nicht 
weniger als 547 Erzählungen. Ihre frühesten Bestandteile, 
d. h. die später in Prosa* kommentierten Verse, stammen 
aus der Zeit um 400 vor Chr., während die Stoffe selbst, 
wie schon gesagt, teilweise viel älter sind. Von 34 der 
beliebtesten Jätakas besitzen wir eine Sanskritversion, die 
im Norden Indiens von ÄrjasQra unter dem Titel Jätaka- 
mälä „Vorgeburtsgeschichtenkranz" verfaßt worden ist. ^ 
Das Alter dieses Autors steht nicht fest; da aber ein an- 
deres Werk Äryasura's im Jahre 434 nach Chr. ins Chi- 
nesische übersetzt worden ist*, so kann er nicht später 
als im Anfang des vierten Jahrhunderts geschrieben haben. 



* Die im Veda vorliegenden Anfönge können wir hier außer Be- 
tracht lassen, zumal sie in der Jätaka- Literatur keine Fortsetzung 
gefunden haben. 

^ Ueber die Abfassungszeit des Prosakommentars und das höhere 
Alter seines Inhalts s. oben S. 57 ; näheres bei Winternitz, Gesch. 
d. ind. Litt. IL i. 91 f. 

' Das Päli-Original des Jätaka- Buchs ist von dem dänischen Ge- 
lehrten V. Fausböll herausgegeben, 7 Bände (London 1877—97) 
und ins Englische unter Leitung von E. B. C o w e 1 1 von verschie- 
denen jüngeren Indologen übersetzt worden, 6 Bände (Cambridge 
1895 — 1907). Von einer deutschen üebersetzung durch den Münchner 
Gelehrten Julius Dutoit sind bisher 4 Bände erschienen (Leipzig 
1908 — 1912). Von Uebersetzungen einzelner Teile seien hier nur die 
Buddhist Birth Stories von T. W, Rhys Davids, Vol. I (London 
1880) erwähnt, welche die ersten 40 Erzählungen enthalten. — Die 
Jätakamälä ist herausgegeben von Hendrik Kern (Boston 1891) 
und ins Englische übersetzt von J. S. Speyer (Oxford 1895). 

* No. 1 349 in Bunyiu Nanjio's Catalogue of the Chinese 
Translation of the Buddhist Tripitaka, the Sacred Canon of the Bud- 
dhists in China and Japan (Oxford 1883). Der Titel dieses Werkes, 
eines kleinen Traktats, ist Karma-phala-samksipta-nirdesa „Kurze Be- 
schreibung der Früchte der Werke". 

6* . 



— 84 — 

Denn ein Jahrhundert war in jenen Zeiten zum Minde- 
sten nötig, um ein Buch so berühmt werden zu lassen, 
daß seine Uebersetzung in eine fremde Sprache in Frage 
kommen konnte. 

Wenn auch die Sanskrit-Jätakas Äryasüra's im All- 
gemeinen den Päli-Jätakas gegenüber als jüngere Fas- 
sungen gelten müssen, so ist doch das Material, das in der 
Sanskritversion vorliegt, zum Teil ebenso alt und in ein- 
zelnen Fällen ursprünglicher. Ich erwähne dies, weil der 
umstand bei der Beweisführung weiter unten von Be- 
lang ist. 

Ein paar Jätakas sind als die Quellen katholischer 
Heiligenlegenden erkannt worden, und es läßt sich hier 
auch der Weg nachweisen, auf dem die buddhistischen 
Stoffe in den christlichen Legendenschatz gelangt sind. 
Bereits im Anfang des dritten Jahrhunderts gab es, wie 
wir durch Bardesanes (oder vielmehr den Schüler des 
Bardesanes in dem Dialog über das Fatum) und durch 
Origenes wissen, Christen in Parthien, Medien, Persien, 
Baktrien und möglicher Weise selbst im nordwestlichen 
Indien — also in Ländern, in die schon in früherer Zeit 
der Buddhismus eingedrungen war. Es sind also Christen 
damals mit der buddhistischen Weltanschauung und Kul- 
tur in Berührung gekommen; und das ist in den nächst- 
folgenden Jahrhunderten noch in anderen Gegenden Inner- 
asiens in steigendem Maße der Fall gewesen, namentlich 
in dem klassischen Lande der- Religionsvermengungen, in 
Turkestan, das wir als solches durch die epochemachenden 
Funde von Grünwedel, von le Coq, Stein und Anderen 
kennen gelernt haben. 

Durch das außerordentlich sanftmütige und wohlwol- 
lende Wesen der buddhistischen Mönche müssen sich die 
Christen angezogen gefühlt haben ; und die ethischen Leh- 



— 85 — 

ren dieser Mönche mußten ihnen als ein überraschend ähn- 
liches Abbild ihrer eigenen Anschauungen erscheinen. Wenn 
so alle Bedingungen für einen engeren Verkehr gegeben 
waren, kann es an Mitteilungen interessanter Erzählungen 
Ton der einen zur anderen Seite hin nicht gefehlt haben. 
Die Buddhisten waren aber früher an Ort und Stelle und 
hatten, ehe es dort Christen gab, Klöster (vihära) und Ee- 
liquien- oder Gedächtnismonumente (stQpa) errichtet. Man 
hat über 100 solcher Stüpas — großer massiver Bauten 
in Eorm einer Halbkugel oder Glocke, die unmittelbar auf 
dem Erdboden ruht — allein längs der alten indo-bak* 
trischen Eönigsstraße von Manikjäla im Osten des Indus 
an gezählt ^ Diese Bauwerke pflegten die Buddhisten mit 
bildlichen Darstellungen von Scenen aus den beliebtesten 
Jätakas zu versehen. Solche Darstellungen finden wir 
schon aus der Zeit um 200 vor Chr. auf den steinernen 
Umzäunungen des berühmten Stüpa von Bharhut und auf 
den Torwegen vor dem großen Stupa von Sänchi in Zen- 
tralindien. Diese Reliefs auf den Stüpas und in den Vor- 
hallen der buddhistischen Klöster haben gewiß auf die 
Phantasie der Christen einen starken Eindruck gemacht 
und die Entlehnung und Umgestaltung der buddhistischen 
Erzählungsstoffe im christlichen Sinne gefördert. Aber 
unmittelbar, ohne mündliche Erklärungen, haben sie die 
Entstehung der christlichen Legenden nicht bewirken kön- 
nen. — Auf diesem eben aufgezeigten Wege ist mehr Bud- 
dhistisches in das Christentum eingedrungen als in früherer 
Zeit durch den Gnostizismus^ 

Wenn bis jetzt nur die zwei katholischen Heiligen- 
legenden, von denen ich im Folgenden handeln will, als 
Umbildungen von Jätaka- Geschichten erwiesen worden sind, 

^ S. die Kachweise bei L. von Schroeder, Indiens Literatur 
und Kultur 765 Anm. 6. * Vgl. oben S. 72. 



— 86 — 

80 hoffe ich, daß diese Ausführungen den einen oder an- 
deren mit der christlichen Legendenliteratur vertrauten 
katholischen Gelehrten veranlassen werden, die hisher in 
diesem Forscherkreise wenig beachtete Jätaka-Literatur 
durchzustudieren. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafüi-, 
daß dort noch manche weitere Quelle entweder für ganze 
Heiligenlegenden oder für einzelne Züge zu entdecken sein 
wird. Besonders berufen für diese Aufgabe würde H. Gün- 
ter sein, der Verfasser der „Legenden-Studien" (Köln 1906), 
der in seinem späteren verdienstvollen Werke „ Die christliche 
Legende des Abendlandes" (Heidelberg 1910) in umfassen- 
der Weise die Quellen für die Motive der christlichen Hei- 
ligenlegenden aus vorchristlicher Zeit festgestellt hat, ohne 
jedoch dabei den Buddhismus zu berücksichtigen. 

1. Placidas =» St. Enstachias (Eastathias).^ 

Die Legende von dem heiligen Eustachius, dessen Ge- 
dächtnis in der römischen Kirche seit dem sechsten Jahr- 
hundert gefeiert wird, zerfallt in zwei Teile ; der erste han- 
delt von seiner wunderbaren Bekehrung, der zweite von 
seinen Leiden und seinem Märtyrertode ^ 

Placidus — im griechischen Text IlXaxiSa«; — war 
oberster Heerführer unter Trajan und stand in großer 
Ounst bei dem Kaiser. Er war ein sehr tugendhafter 



^ M. Gaster, The Nigrodha-miga-jätaka and the Life of St. 
Euatathius Placidus, JRAS. 1894, 335—340 (vgl. auch 1893, 869—871): 
J. S. Speyer, Buddhistische elementen in eenige episoden uit de 
legenden van St. Hubertus en St. Eustachius, Theologisch Tijdschrift 
40 (Leiden 1906) 427—453. 

* Stadler und Heim, Vollständiges Heiligen-Lexikon IL 129, 
Speyer 431. In der byzantinischen Welt wird diese Legende schon 
früher verbreitet gewesen sein. Speyer 435 setzt den griechischen 
Text der Vita Eustathii in den Acta Sanctorum (20. Sept.) in das 
fünfte Jahrhundert. 



— 87 — 

Mann von milder und sanfter Gemütsart, aber tapfer und 
ein großer Jäger. Von seiner Gattin Tatiana, die wie er 
selbst dem heidnischen Glauben anhing, hatte er zwei 
Söhne, deren Kindheit von dem Glanz der väterlichen Stel- 
lung umstrahlt war. Eines Tages geht Placidus auf die 
Jagd und trifft auf eine Herde von Hirschen, unter denen 
sich einer von auffallend schöner Gestalt befindet. Dieser 
trennt sich von der Herde, lockt Placidus von seinen Ge- 
fährten fort in das tiefste Dickicht des Waldes und bleibt 
auf einem Felsabhang stehen. Als Placidus sich dem 
Hirsch nähert, erblickt er zwischen dessen hohem Geweih 
ein hell strahlendes Kreuz mit dem Bilde des Heilands. 
Und der Hirsch — nach einer anderen Version der an 
dem Kreuz hängende Heiland — erhebt seine Stimme und 
spricht: „Placidus, warum verfolgst du mich? Ich bin 
Christus, den du verehrst, ohne es zu wissen. Gehe in die 
Stadt zurück und lasse dich taufen. " Placidus kehrt heim, 
erzählt seiner Gattin, was ihm begegnet ist, und wird noch 
in derselben Nacht samt Frau und Kindern von dem Bi- 
schof von Rom getauft. Bei der Taufe erhält er den Na- 
men Eustachius oder (in der griechischen Vita) Eustathius. 
Diese Legende von der Bekehrung durch einen Hirsch mit 
dem Crucifix ist später auf andere Heilige übertragen wor- 
den: auf St. Hubertus, St. Fantinus, St. Julianus, St. FoIul 
von Valois und andere mehr ^ Am bekanntesten unter 
diesen ist der heilige Hubertus, in dessen Lebensbeschrei- 
bung die Erscheinung Christi in Hirschgestalt aber lange 
nicht mehr so gut motiviert ist als in der zu Grunde lie- 
genden Geschichte von dem heiligen Eustachius. Der von 
den Jägern so gefeierte St. Hubertus ist übrigens ursprüng- 
lich nur der Patron gegen die Hunds wut gewesen^. 

1 S p e y e r 430, 434, Günter, Legenden-Studien 38, 39. 
«Ernst Kuhn, Beil. Allg. Ztg. 1906, IV. Quartal, 270. 



— 88 — 

Der zweite Teil der Eustachius-Legende nimmt in den 
Quellen einen erheblich größeren Raum ein als der erste; 
doch genügt hier eine kurze Inhaltsangabe. Die Leidens- 
und Prüfungszeit des Eustachius beginnt damit, daß er 
sein ganzes Vermögen verliert und daß alle seine Sklaven 
und Sklavinnen an der Pest sterben. Da er sich schämt, 
in vollständiger Armut an dem Orte zu leben, wo er bis- 
her reich und hochgeehrt war, wandert er mit seiner Frau 
und seinen beiden noch jungen Söhnen nach Ägypten aus. 
Weil er kein Geld zur Bezahlung der Ueberfahrt hat, läßt 
der Schiffer nur ihn und seine Söhne aussteigen und legt 
auf seine schöne Gattin Beschlag, die er als Sklavin bei 
sich behält. Bald darauf verliert Eustachius seine beiden 
Söhne, die beim Durchwaten eines Flusses von wilden Tieren, 
der eine von einem Löwen, der andere von einem Wolfe, 
geraubt werden. In völliger Verlassenheit fristet Eusta- 
chius sein Leben als Tagelöhner. Nach 15 Jahren erinnert 
sich Trajan seines alten Feldherrn ; denn er bedarf seiner, 
um einen Aufstand zu unterdrücken, und läßt ihn im gan- 
zen römischen Reiche suchen. Eustachius wird trotz seines 
elenden Zustandes erkannt und nach Rom zurückgeführt, 
wo er wieder das Oberkommando über die Truppen über- 
nimmt, die er zum Siege über die Aufständigen führt. 
Auf diesem Feldzug findet er in einem Dorf am Ufer des 
Hydaspes (!) nicht nur seine Gattin wieder, die trotz aller 
Anfechtungen keusch und fromm geblieben war, sondern 
auch seine beiden Söhne; denn diese waren damals nicht 
von den Raubtieren verschlungen, sondern durch Land- 
leute gerettet worden. Der siegreiche Feldherr kehrt mit 
den Seinigen nach Rom zurück und wird nach dem in- 
zwischen erfolgten Tode Trajans von dessen Nachfolger 
Hadrian mit großer Freundlichkeit empfangen. Als jedoch 
Hadrian erfährt, daß sein Feldherr sich weigert, in dem 



— 89 — 

Tempel Apollos zu opfern und sich als Christen bekennt, 
gerät er in sinnlose Wut und befiehlt, Eustachius mit Weib 
und Kindern den wilden Tieren vorzuwerfen. Da aber 
der Löwe, der in der Arena gegen die Märtyrer losge- 
lassen wird, sie nicht anrührt, läßt Hadrian sie in einen 
glühenden ehernen Stier werfen, in dem sie zwar den Tod 
finden, jedoch ohne daß ihnen auch nur ein Haar versengt 
wird. Die vier Leichname waren, als man nach drei Tagen 
die Reste entfernen wollte, unversehrt und glänzten heller 
wie Schnee — ein Wunder, das auf alle Augenzeugen, 
auch auf Hadrian, einen tiefen Eindruck machte. 

Nur beiläufig will ich zunächst erwähnen, daß — worauf 
mein Kollege E. Kornemann mich freundlichst aufmerk- 
sam gemacht hat — die Einkleidung des zweiten Teiles 
dieser Legende durchaus historisch ist. Der Aufstand 
unter Trajan ist der große Judenaufstand, der sich vom 
Ende der trajanischen Regierung in die des Hadrian hin- 
überzog und eine ungemein große Ausdehnung annahm, 
von Mesopotamien bis zur Kyrenaika, so daß sehr große 
Anstrengungen erforderlich waren, um ihn zu unterdrücken. 
Unter Hadrian ist schließlich ein Mann ritterlicher Her- 
kunft, Marcius Turbo, mit einem außerordentlichen Kom- 
mando zur Niederwerfung des Aufstandes betraut worden. 
Der siegreiche Feldherr kehrt also heim zu Hadrian. Das 
paßt alles sehr gut zu der Einkleidung unserer Legende. 

Das Merkwürdigste an der ganzen Legende ist der 
märchenhafte und der christlichen Anschauungswelt völlig 
fremde Zug der Erscheinung des Heilands in der Gestalt 
eines redenden Hirsches. Die Versuche, dieses Motiv auf 
alte Volkssage zurückzuführen ^ oder durch Bezugnahme 
auf die altchristliche Symbolik zu erklären, können nicht 
als gelungen bezeichnet werden. In Wetzer und Weite's 
* Günter, Legenden- Studien 38. 



— 90 — 

Kirchenlexikon ^ s. v. Hirsch^ heißt es: „Wie die Psalm- 
steile 42. 2 das Lechzen des Hirsches nach Wasserquellen 
zu einem lieblichen Bilde des Verlangens der Seele nach 
Gott ausgestaltete, so nahm auch die altchristliche Kunst 
diesen Gedanken auf und bereicherte ihn durch Bezug- 
nahme auf' Joh. 4. 13 f., so daß der Hirsch Sinnbild der 
gläubigen Seele wurde, welche nach den durch Christus 
erworbenen Gnadenströmen durstet." Hierzu bemerkt 
Speyer mit Becht, daß weder diese Bildersprache noch 
die in der altchristlichen Kunst sich findende Verwendung 
des Hirschsymbols zur Bezeichnung der nach Gottes Gnade 
oder nach der Taufe verlangenden Seele für die Erklärung 
des kreuztragenden Hirsches in der Legende von St. Eu- 
stachius von Nutzen ist. Denn in dieser Legende stellt 
der Hirsch nicht die nach Christus dürstende Seele, son- 
dern Christus selbst dar. 

Alles rätselhafte an der Erscheinung des Heilands in 
dieser Tiergestalt schwindet mit der Erkenntnis, daß es 
sich hier um eine Umgestaltung einer buddhistischen Ja- 
taka- Geschichte handelt. Es ist eine echt buddhistische, 
in den Jätakas so und so oft auftretende Vorstellung, daß 
Buddha in seinen früheren Existenzen ein Tier war; und 
insbesondere ist er mehrfach der „König der Hirsche" ge- 
wesen. 

Die unmittelbare Quelle des ersten Teils der Eusta- 
chius-Legende ist Jätaka 12 in der Päli- Sammlung. Diese 
Entdeckung haben zwei Gelehrte unabhängig von einander 
gemacht, was gewiß sehr für die Richtigkeit der Beobach- 
tung spricht: Gaster 1893 und Speyer, der den S. 86 
Anm. 1 erwähnten Gaster sehen Artikel nicht kannte, als 
er im Jahre 1906 auf Grund einer genauen Untersuchung 

^ Bei Speyer a. a. 0. 436. 



— 91 — 

des griechischen (ältesten) Textes der Eustachius-Legende 
in den Acta Sanctorum den gleichen Gedanken entwickelte 
und eingehender begründete. 

Daß das eben genannte Jätaka, das den Titel Nigro- 
dba-miga-jätaka „die Geschichte von dem Feigenbaum- 
Hirsch" ^ führt, reichlich alt genug ist, um als Quelle für 
den ersten Teil der Eustachius-Legende angesehen werden 
zu können, steht außer Zweifel. Die Erzählung war schon 
im dritten Jahrhundert vor Chr. weithin bekannt; denn 
es sind drei Scenen aus ihr auf einem Relief an der stei- 
nernen Umzäunung des S. 85 erwähnten Stüpa von Bhar- 
hut abgebildet. ^ 

Für die nachfolgende Inhaltsangabe des Jätaka be- 
nutze ich die üebersetzung von Dutoit mit allerlei Ab- 
änderungen und Kürzungen. 

Einstmals, als Brahmadatta König von Benares war, 
nahm der Bodhisattva seine Wiedergeburt als Hirsch. Als 
er den Leib seiner Mutter verließ, war er goldfarbig, seine 
Augen waren runden Edelsteinen ähnlich, sein Geweih sil- 
berfarbig, sein Mund von der Farbe roter Gewänder, seine 
Hufe waren wie von Lackarbeit gemacht, sein Schweif war 
wie der eines Yak ^ sein Körper aber war groß wie der 
eines Füllens. Er hatte seinen Aufenthalt im Walde, von 
500 Stück Wild umgeben, und hieß der Nigrodha-Hirsch- 

^ Das Wort miga bedeutet sowohl Hirsch wie Reh und Gazelle 
und wird gewöhnlich mit Gazelle übersetzt. Wenn Dutoit, Jäta- 
kam T. 64, Anm. 3 nigrodha als „ Bananenbaum " widergibt, so ver- 
'wechselt er das von den Engländern aufgenommene Wort banyan, 
das eine Bezeichnung der Ficus indica ist, mit Banane. 

* S. die Illustration in Rhys Davids' Buddhist India (London 
1903) 193. 

' Ein Grunzochse (bos grunniens), eine in Innerasien heimische 
Baffelart, mit seidenartigem, bis auf die Erde reichendem Haar und 
einem stark behaarten Schweif, der in Indien zu den Insignien des 
Königs gehört. 



— 92 — 

könig. Nicht weit von ihm lebte ein andrer Hirschkönig, 
auch von 500 Stück Wild umgeben, mit Namen Säkha. 
Auch dieser war goldfarbig. 

Zu der Zeit war der König von Benares leidenschaft- 
lich der Jagd ergeben ; ohne Fleisch speiste er nicht. Des- 
halb ließ er, indem er so die Leute in ihrer Beschäftigung 
störte, alle Städter und Landleute aufbieten und ging täg- 
lich auf die Jagd. Da dachten die Leute: „Dieser König 
stört uns in unsrer Beschäftigung. Wie, wenn wir im 
Park einen Futterplatz anlegen, Wasser herbeiführen und 
viel Wild in den Park hineintreiben, dann das Tor schlie- 
ßen und das Wild dem König übergeben würden?" Und 
so machten sie es. Durch ein großes Treiben jagten sie 
die Herden des Nigrodha-Hirsches und des Säkha-Hirsches 
in den königlichen Park und schlössen das Tor. Als der 
König sich nach seinem Parke begab, sah er dort die zwei 
goldfarbigen Hirsche und gewährte ihnen ünverletzlichkeit. 
Von da an ging er manchmal selbst, manchmal sein Koch, 
erlegte ein Tier und nahm es mit sich. Wenn nun die 
Tiere den Bogen sahen, liefen sie von Todesfurcht er- 
griflfen davon; wenn sie dann zwei oder drei Wunden er- 
halten hatten, wurden sie matt und schwach und starben. 
Dies berichtete die Herde dem Bodhisattva. Dieser ließ 
den Säkha zu sich rufen und sprach zu ihm: „Lieber, viele 
Tiere gehen zu Grunde. Da nun gestorben werden muß, 
sollen von nun an wenigstens nicht mehr die Tiere nutz- 
los verwundet werden, sondern es soll ein regelmäßiger 
Wechsel an der Schlachtbank stattfinden. An einem Tag 
soll meine Herde, am andern Tag deine Herde an der 
Eeihe sein. Das Tier aber, auf welches das Los fällt, soll 
seinen Kopf auf die Schlachtbank legen." Jener willigte 
ein. Eines Tages nun traf das Los eine trächtige Hindin 
aus der Herde des Säkha. Sie ging zu Säkha hin und 



- 93 — 

sprach: „Herr, ich bin trächtig, laß das Los an mir vor- 
übergehen." Er aber erwiderte: „Es geht nicht an, dein 
Los Anderen zu Teil werden zu lassen." 

Als sie nun bei diesem keine Gewährung fand, ging 
sie zum Bodhisattva bin und erzählte ihm die Sache. Die- 
ser antwortete: „Gut, gehe du, ich will das Los an dir 
Torübergehen lassen" ; und er ging selbst hin und legte sein 
Haupt auf die Schlachtbank. Als ihn der Koch sah, lief 
er rasch zum König und berichtete ihm: ;,Der Hirsch- 
könig, der ünverletzlichkeit erlangt hat, liegt an der Schlacht- 
bank. Was hat das zu bedeuten?" Der König bestieg 
sogleich seinen Wagen und kam mit großem Gefolge. Als 
er den Bodhisattva sah, sprach er: „Lieber Hirschkönig, 
habe ich dir nicht Unverletzlichkeit gewährt? warum liegst 
du da?" Der Bodhisattva erwiderte: „0 großer König, 
eine trächtige Hindin kam zu mir und sprach: ,Laß mein 
Los einen Andern trefifen.* Ich kann aber nicht das Todes- 
leid auf einen Andern übertragen. Deshalb habe ich ihr 
Geschick auf mich genommen und mich hier niedergelegt." 
Der König antwortete: „O Herr, goldfarbiger Hirschkönig, 
ich habe selbst unter den Menschen noch keinen gefunden, 
der so von Güte, Liebe und Mitleid erfüllt wäre wie du. 
Darum bin ich dir wohlgeneigt. Stehe auf, dir und jener 
gewähre ich Unverletzlichkeit." Darauf sprach der Bodhi- 
sattva: „Wenn zwei Unverletzlichkeit erlangt haben, wie 
soll es dann mit den Uebrigen werden, o König?" „Auch 
ihnen gewähren vrir Unverletzlichkeit, o Herr." Und so 
erwirkt der Bodhisattva weiter von dem König das Ver- 
sprechen, daß er auch alles Wild außerhalb des Parkes, 
ferner alle übrigen Vierfüßler, alle Vögel und Fische scho- 
nen werde. Da stand das „große Wesen" auf, belehrte 
den König über die fünf Gebote und sprach: „Handle 
nach dem Gesetz, o großer König. Wenn du gegen Vater 



— 94 — 

und Mutter, Söhne und Töchter, Brahmanen und Haus- 
Täter, Städter und Landieute nach dem Gesetz und in 
Friedfertigkeit handelst, so wirst du nach der Auflösung 
deines Körpers zur Seligkeit in den Himmel gelangen." 
Nachdem er so mit Buddha- Anmut dem König das Gesetz 
gepredigt hatte, verweilte er noch einige Tage in dem Park, 
ermahnte den König nochmals und begab sich dann, von 
seiner Herde umgeben, in den Wald. Der König aber, 
der bei der Ermahnung des Bodhisattva beharrte und gute 
Werke tat, gelangte an den Ort seiner Verdienste. 

Die Uebereinstimmungen zwischen dieser Erzählung und 
der Legende von St. Eustachius sind so mannigfach, daß 
sie nicht auf Zufall beruhen können. Die hauptsächlich* 
sten Züge sind vollkommen identisch ^ Der König Brah- 
madatta und Placidus sind beide leidenschaftliche Jäger. 
Beide sind trotzdem von milder Gemütsart, haben aber 
noch nicht die wahre Lehre in sich aufgenommen. Beiden 
tritt der Heiland der Welt (in der buddhistischen Erzäh- 
lung der zukünftige Erlöser) in der Gestalt eines präch- 
tigen Hirsches entgegen — in dem Jätaka mit silberfarbigem 
Geweih, in der christlichen Legende mit dem Crucifix in 
dem Geweih. In beiden Geschichten setzt sich der Hirsch 
der Gefahr aus, getötet zu werden, um mit Brahmadatta, 
beziehungsweise Placidus, zu reden und ihnen den Weg 
zum Heil zu weisen. Sowohl Brahmadatta wie Placidus 
werden durch den Hirsch bekehrt und gelangen in Folge 
dessen zur himmlischen Seligkeit. 

Bei allen Untersuchungen, die sich auf die Abhängig- 
keit einer Erzählung von einer andern beziehen, sind Ueber- 
einstimmungen in nebensächlichen, für den Verlauf uner- 
heblichen Zügen von ganz besonderer Beweiskraft. Ich 



1 G a s t e r 337, 340. 



— 95 — 

möchte deshalb noch auf eine solche üebereinstimmung 
aufmerksam machen, die bisher nicht beobachtet worden ist. 

Im Nigrodha-miga-jätaka wiederholt der Bodhisattva 
nach der entscheidenden Unterredung mit dem König an 
einem späteren Tage seine Ermahnung — ohne ersicht- 
lichen Grund, wahrscheinlich nur, weil die buddhistischen 
Texte die Wiederholungen lieben. Genau denselben Zug, 
nur in christlicher Färbung, finden wir in der Legende 
von St. Eustachius. Der griechische Text erzählt, daß der 
in Hirschgestalt erschienene Christus den Placidus auf- 
fordert, nachdem er die Taufe empfangen, am nächsten 
Tage wieder zu derselben Stelle zurückzukommen, um zu 
vernehmen, was Gott weiter von ihm verlange. Zurück- 
gekehrt erfährt Placidus, daß ihm schwere Prüfungen be- 
vorstehen, daß er aber, wenn er alle Anfechtungen sieg- 
reich bestanden habe, des höchsten himmlischen Lohnes 
teilhaft werden würde. 

Hier fragt man vergebens nach dem Zweck der zwei- 
ten Begegnung ; denn was Placidus da eröffnet wird, hätte 
ihm ebenso gut schon bei der ersten Begegnung gesagt 
werden können. Man wird keine andere Erklärung für 
die Wiederholung finden können, als daß diese eben aus 
der buddhistischen Quelle übernommen worden ist. 

Wer nach allem dem noch an der Abhängigkeit der Eu- 
stachius-Legende von dem Nigrodha-miga-jätaka zweifeln 
sollte, wird anderer Meinung werden, wenn er erfährt, daß 
auch für den zweiten Teil der Legende eine Quelle in 
der Jätaka- Literatur existiert. 

Wenn die beiden Entdecker des buddhistischen Ur- 
sprungs der Eustachius-Legende, Gaster und Speyer, 
hier zwei verschiedene Erzählungen als die Vorlage bezeich- 
nen — der erste die Geschichte von Patäcärä, der zweite 
die von Visvantara — , so hat das nicht viel zu bedeuten. 



— 96 — 

Denn die Erzählung von Patäcärä, die ihren Gatten und 
ihre beiden Kinder verliert (die letzteren beim Ueber- 
schreiten eines Stromes * wie Eustachius), ist eine Abzwei- 
gung aus demselben Stamm, dem auch die Visvantara- 
Geschichte entsprossen ist. Sie wendet den StoflF ins Weib- 
liche zur Verherrlichung einer Frau, die zu den Heiligen 
(Arhat) der buddhistischen Kirche gehört. 

Als die eigentliche Quelle des zweiten Teiles der Eu- 
stachius-Legende ist mit Speyer die Erzählung von Viä- 
vantara (Sanskrit) oder Vessantara (Päli) anzusehen, eine 
Erzählung, die unter den Buddhisten so bekannt und ver- 
breitet ist wie außer der Lebensbeschreibung von Buddha 
selbst keine zweite sonst. Da der Inhalt dieser Erzählung 
auf dem Boro Budur, dem berühmtesten buddhistischen 
Monument der Insel Java, bildlich dargestellt ist, so dür- 
fen wir annehmen, daß solche Darstellungen auch in an- 
deren buddhistischen Ländern zu der Zeit, als diese Ge- 
schichte christianisiert wurde, verbreitet waren. In Tibet 
ist noch heute der Stoff für dramatische Vorstellungen 
beliebt. 

Der Inhalt der Erzählung^ ist in den Hauptzügen 
folgender. Zu seiner vorletzten irdischen Existenz wurde 



1 Das eine Kind der Patäcärä ertrinkt, das andere wird von einem 
Adler geraubt. JRAS. 1893, 554, 558. Diese Einzelheit aus der Patä- 
cärä- Geschichte ist offenbar die Quelle für den gleichen Zug der 
Eustachius-Legende. Der Raub zweier Kinder durch wilde Tiere ist 
übrigens ein auch sonst in der indischen Erzählungsliteratur vorkom- 
mendes Motiv; er findet sich noch in dem Pürvakhanda des Dasa- 
kumära-carita. 

* In der Päli-Sammlung der Jätakas ist das ziemlich umfang- 
reiche Vessantara-jätaka das letzte, No. 547. Sein Inhalt ist aus- 
führlich erzählt von Spence Hardy, Manual of Buddhism 116 f., 
und von Heinrich Kern, Der Buddhismus und seine Geschichte 
in Indien I. 388 f., kurz auch von Oldenberg, Buddha • 346. In 
der Jätakamälä Aryasüra's ist das Visvantara-jätaka No. 9. 



— 97 — 

der Bodhisattva geboren als Prinz Viävantara, Sohn des 
Königs Sanjaya, in der Hauptstadt des S'ibi-Landes Jaya* 
turä (Päli Jetuttara). Um in einer zukünftigen Existenz 
Buddha zu werden und der Weit die Erlösung von den 
Leiden des fortgesetzten Daseins zu bringen, lebte der 
Prinz in dem Streben, jede an ihn gerichtete Bitte zu er- 
füllen und alles ihm Gehörige hinzugeben. Eines Tages 
kommt aus dem fernen Königreiche Kaliöga, in dem Dürre 
und Hungersnot herrschte, eine Gesandtschaft, um Yi^van- 
tara zu bitten, daß er seinen weißen Elefanten hergeben 
möge, der die Fähigkeit besaß. Regen herbeizuführen, un- 
verzüglich entspricht der Prinz dieser Bitte mit dem Be- 
dauern, daß die Gesandten nicht mehr von ihm verlangt 
hätten, z. B. sein Fleisch oder seine Augen. Aber das 
Volk ist gar nicht mit dem Verlust des Elefanten, der ihm 
von so großem Nutzen war, einverstanden und setzt bei 
dem König durch, daß der Prinz zur Strafe in die Wild- 
nis auf den Vaüka-Berg verbannt werde. Die Gattin des 
Prinzen besteht darauf, mit ihren beiden Kindern sein Los 
zu teilen. 

Am nächsten Morgen läßt Yii^vantara die Bettler zu- 
sammenrufen und verteilt seinen gesamten Besitz unter sie ; 
noch auf dem Wege verschenkt er an Bittende die Pferde 
und den Wagen, auf dem er mit den Seinigen abgefahren 
war, und setzt auf rauhen Wegen in der Sonnenglut die 
Reise zu Fuß fort. Auf dem Vanka-Berge leben die vier, 
wie Asketen gekleidet, in Laubhütten und nähren sich von 
den Früchten des Waldes. 

Da kommt nach sieben Monaten ein widerlicher alter 
Brahmane des Weges und bittet den Prinzen, ihm seine bei- 
den Kinder zu schenken, damit er Bedienung habe. Und der 
Vater, das „große Wesen", ist hocherfreut, eine Gelegen- 
heit zu haben, Wertvolleres als bisher zu verschenken, und 

Garbe, Indien und das Christentum. 7 



— 98 — 

giebt die beiden weinenden Eander hin, die der alte Brah- 
mane unter Stockschlägen forttreibt. Da erbebt die Erde, 
Blitze zucken und Donner erschallt in der Luft, und alle 
Oötter freuen sich, weil das große Wesen durch die Hin- 
gabe seiner geliebten Kinder getan hat, was zur Erlangung 
der Buddhaschaft nötig ist. Auch die eigene Mutter, die 
bei ihrer Rückkehr Yom Früchtesuchen die Kinder nicht 
mehr vorfindet, tröstet sich mit dem Gedanken: eine größere 
Gabe als seine Kinder kann Niemand geben. 

Am nächsten Tage stellt der Himmelskönig Indra die 
naheliegende yemünftige Erwägung an: „Gestern gab Vi- 
gyantara seine Kinder fort, und die Erde erbebte. Wenn 
jetzt ein gemeiner Mensch käme, ihn um seine unvergleich- 
liche, tugendhafte Gattin zu bitten, und diese mit sich fort 
nähme, so würde der Prinz hilflos und verlassen sein. 
Wohlan, ich will die Gestalt eines Brahmanen annehmen 
und Yidvantara um seine Gattin ansprechen. So werde 
ich ihn in den Stand setzen, die höchste Stufe der Voll- 
endung zu erreichen; ich werde es aber dabei unmöglich 
machen, daß die Gattin noch irgend Jemand sonst ge- 
schenkt werde, und dann werde ich sie zurückgeben." Willig 
liefert der Prinz dem vermeintlichen Brahmanen sein Weib 
aus, und wieder nimmt das ganze Weltall unter den glei- 
chen Wundererscheinungen an dieser beispiellosen Selbst- 
entäußerung freudigen Anteil. Indra aber sagte : „Jetzt 
gehört die Prinzessin mir, und was einem Andern gehört, 
darfst du nicht verschenken," gab sich dem Prinzen zu er- 
kennen und erstattete ihm sein Weib zurück. 

Die Schritte des alten Brahmanen, dem die beiden 
Kinder geschenkt worden waren, wurden inzwischen von 
Göttern nach der Hauptstadt Jayaturä gelenkt, wo der 
Brahmane genötigt wurde, die Kinder dem Könige, ihrem 
Großvater, gegen einen hohen Kaufpreis abzutreten, und 



— 99 — 

da das Volk Yon Kaiinga den regenspendenden weißen 
Elefanten aus freien Stücken zurückgeschickt hatte, weil 
nun im Lande Ueberäuß herrschte, war der Grund für die 
Verbannung des Prinzen hinweggeräumt. König Safijaya 
zog mit den beiden Kindern und einem ungeheuren Ge- 
folge nach dem Yanka-Berge und holte seinen Sohn unter 
großem Pomp und dem Jubel der Bevölkerung heim. 

Diese Erzählung weist mit dem zweiten Teil der Eu- 
stachius-Legende folgende Uebereinstimmungen auf^. Vi- 
§yantara und Eustachius gehören beide zu den Mächtigen 
der Erde. Beide verlieren Stellung und Reichtum, Frau 
und Kinder. Beide gehen in die Verbannung, wobei der 
eine — nach dem höchsten Ideal der buddhistischen Ethik 
— alles, auch das letzte und liebste, hingiebt, während der 
andere — nach christlicher Auffassung — von Gott durch 
den Verlust der Güter und der Familie und durch Leiden 
geprüft wird. Auch Vi§vantara wird einer Prüfung unter- 
zogen, und zwar durch den Himmelskönig Indra, der schon 
in früheren Existenzen des Bodhisattva die Holle des prü- 
fenden Gottes gespielt hat und diesmal in der Gestalt des 
Brahmanen sein Weib von ihm erbittet. ViSvantara und 
Eustachius erlangen schließlich wieder, was sie verloren 
haben *. 

Bei der Annahme, daß das Vii§vantara-jätaka für die 
christliche Legende benutzt worden ist, muß man zweierlei 
voraussetzen: 1. daß die indische Erzählung in den west- 
lichen Ländern unter Persem, Syrern und Griechen einige 
Umgestaltungen erfahren hat, wie die Christianisierung sie 
erforderte — denn Eustachius konnte nicht gut Frau und 



1 Speyer 450, 451. 

■ Sollte nicht vielleicht dasselbe Motiv in der Geschichte des 
Apollonius von Tyrus auch aus unserem Jätaka oder einer anderen 
buddhistischen Quelle stammen? 

7* 



— 100 — 

Kinder an Bettler fortschenken, sondern mußte sie auf 
andere Weise verlieren; 2. daß bei diesen Umgestaltungen 
die Bereicherung durch Motive aus anderen buddhistischen 
Erzählungen eine EoUe gespielt hat K 

Daß aber in Wirklichkeit die Erzählung von Vi§van- 
tara dem zweiten Teil der Eustachius-Legende als Quelle 
gedient hat und daß nicht etwa hier bloß zufällige Ueber- 
einstimmungen vorliegen, dafür kann ich einen Beweis bei- 
bringen, auf den weder Gast er noch Speyer gekommen 
ist, der mir aber den Ausschlag zu geben scheint. 

Der Aufstand, den der von Trajan zurückgerufene 
Placidus zu unterdrücken hat, war im fernen Osten des 
Reichs ausgebrochen, und auf diesem Feldzug findet, wie 
S. 88 erzählt worden ist, der siegreiche Feldherr sein Weib 
und seine Kinder in einem Dorfe am Ufer des Hydaspes 
wieder. Ich habe schon oben hinter Hydaspes ein Aus- 
rufungszeichen gesetzt; denn die Gegend am Hydaspes, das 
Pendschab, liegt so weit außerhalb der Grenzen des Im- 
perium Romanum, daß eine völlige Gedankenlosigkeit des 
Verfassers der griechischen Vita des Eustathius dazu ge- 
hörte, um den Aufstand gegen Trajan und den Feldzug 
des Placidus dorthin zu verlegen. Diese Gedankenlosigkeit 
aber ist für uns von großem Wert; denn wenn man bisher 
in Folge ihrer Nichtbeachtung nur mit hoher Wahrschein- 
lichkeit das Viövantara-jätaka als die Quelle des zweiten 
Teiles der Eustachius-Legende ansehen konnte, so läßt sich 
die Richtigkeit dieser Ansicht nicht besser erhärten als 
durch den Hinweis darauf, daß der Schauplatz der bud- 
dhistischen Erzählung in ganz mechanischer Weise in die 
christianisierte Umarbeitung übernommen worden ist, w^o 
er als ein Ding der Unmöglichkeit dasteht. Der Vater 
des Vi^vantara ist König im Lande der S'ibi (Päli Sivi, 

1 S. Anm. 1 auf S. 96. 



— 101 — 

griech. Stßat), und dieses Volk wohnte zwischen Indus und 
Hydaspes. Genau an der Stelle, wo ViSvantara Frau und 
Kinder wiedergewinnt und nach dem Schauplatz der ganzen 
Erzählung wiedergewinnen mußte, findet also Eustachius 
seine Gattin und seine Söhne wieder, obwohl er sie nach 
der Anlage der christlichen Erzählung dort nie hätte finden 
können. Das kann unmöglich, zumal bei Berücksichtigung 
aller sonstigen Uebereinstimmungen, als ein Spiel des Zu- 
falls angesehen werden^. 

Für den Schluß der christlichen Legende, das Marty- 
rium des Eustachius und seiner Familie, darf man natür- 
lich nicht nach einer buddhistischen Quelle suchen. Daß 
es sich hier um einen selbständigen Zusatz der christlichen 
Umarbeitung handelt, liegt auf der Hand. 

2. St. Christophorns. ' 

Die griechische ürredaktion der Legende vom heiligen 
Ohristophorus wird von Günter^ in das sechste Jahrhun- 



^ Auf den Jesuitenpater H. Delehaye hat aber auch dieser 
durchschlagende Grund, der ihm aus meinem Aufsatz in der Deut- 
schen Rundschau, Okt. 1911, S. 132, bekannt war, keinen Eindruck 
gemacht; denn eine katholische Heiligengeschichte kann und darf 
eben nicht Umbildung einer buddhistischen Legende sein. In einem 
Artikel „Les legendes de S. Eustache et de S. Christophe* (Mus^on 
XIII. 1, p. 91 f.) hält Delehaye nur für möglich, daß die buddhis- 
tische Jätaka-Erzählung nach langen Wanderungen und tiefgreifen- 
den Veränderungen einen Hagiographen zur Abfassung der Geschichte 
vom heiligen Eustathius inspiriert habe. Wir sollen also glauben, 
daß auf solchem wechselvollen Wege der indische Hydaspes immer 
mitgewandert sei! 

* J. S. Speyer, De indische oorsprong van den Heiligen Reus 
Sint Ohristophorus (Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde 
van Nederlandsch-Indie, Zevende Volgreeks, Negende Deel. Deel 
LXm der geheele Reeks. 'S-Gravenhage 1910, p. 368 f ). 

' Legenden-Studien 25. 



— 102 — 

dert gesetzt. Bei den Griechen heißt der Heilige vor seiner 
Bekehrung Tii^eßo^, bei den Lateinern Reprobus. Die 
Letzteren nennen den König, der in der Legende auftritt, 
Dagnus von Samos in Lykien ; in den griechischen Texten 
heißt er A£xio( ßaatXeö;, d. h. er trägt dort den Namen 
des typischen Christenverfolgers. Eine historische Person 
ist in diesem König nicht zu vermuten. 

Eine mittelalterliche, aber deutlich ältere Vorstellungen 
wiedergebende Quelle erzählt, daß der nachmalige Christo- 
phorus ein Riese von zwölf Ellen Länge gewesen sei, daß 
er einen Hundskopf gehabt habe und aus dem Lande der 
Menschenfresser gekommen sei. In den lateinischen Quellen 
wird er als Cananaeus bezeichnet. 

In dem Gefühl seiner ungeheuren Stärke wollte der 
Biese nur dem Mächtigsten dienen und nahm deshalb zu- 
erst Dienste bei einem gewaltigen König. Als er aber sah, 
daß der König sich vor dem Teufel fürchtete, trat er zu 
diesem über und wollte schließlich, weil sich der Teufel 
wiederum vor dem Bilde des Heilands ängstigte, Christus 
als dem Mächtigsten dienstbar sein. Die Taufe konnte er 
jedoch nicht erhalten, weil er sich weigerte, die verlangten 
Bußübungen zu erfüllen, und wurde deshalb beauftragt, 
armen Pilgern als Fährmann zu dienen und diese auf seinen 
Schultern durch einen Strom zu tragen. 

Da kam einstmals ein Kind, um sich hinübertragen 
zu lassen. Dieses wurde dem Träger beim Durchwaten 
des Flusses immer schwerer und schwerer und gab sich 
auf die Frage des Riesen, der nicht wußte wie ihm ge- 
schah, als den Herrn der Welt zu erkennen. Dann voll- 
zog es die eigentliche Bekehrung des Riesen und taufte 
ihn durch untertauchen ins Wasser. Dabei erhielt der 
Riese den Namen Christophorus „Christusträger". So, mit 
dem Christuskind auf den Schultern durch das Wasser 



— 103 — 

schreitend, ist der Heilige bekanntlich oft in der christ- 
lichen Kunst dargestellt worden, namentlich in den Vor- 
hallen der Kirchen. 

Christophorus bekehrte nach der Legende in Lykien 
viele Heiden und wurde deshalb vom König Dagnus ins 
Gefängnis geworfen und zum Märtyrertode verurteilt. Noch 
während seiner Martern bekehrte er viele Tausende. Nach- 
dem man ihn mit eisernen Ruten gepeitscht, versuchte man 
vergeblich, ihn auf einem Rost zu braten und durch Pfeil- 
schüsse zu tödten. Die Pfeile wurden durch heftige Winde 
zur Seite getrieben. Schließlich fand Christophorus den 
Tod durch Enthauptung. Von dem Martyrium geschieht 
zuerst im siebenten Jahrhundert Erwähnung ^. 

In dieser Legende bietet das für Heiligengeschichten 
typische Martyrium nichts Bemerkenswertes. Der übrige 
Inhalt aber ist höchst absonderlich und ohne Analogien 
in den Lebensbeschreibungen der Heiligen. Da von einer 
historischen Grundlage der Erzählung nicht die Rede sein 
kann, so hat man nach Luthers Vorgang versucht, sie alle- 
gorisch zu deuten. Als solche Erklärungen nicht befriedig- 
ten und die Auffassung sich Bahn brach, daß in der Ge- 
stalt des Riesen der Legende eine altheidnische volkstüm- 
liche Person verborgen sei, dachten Germanisten an Thor, 
Andere an Herakles. 

Diese Kombinationen aber waren nicht im Stande, den 
merkwürdigen, märchenhaften und offenbar alten Zug der 
Legende zu erklären, daß der heilige Christophorus ein 
Riese mit einem Hundskopf und ursprünglich ein 
Menschenfresser war. Nur dadurch, daß man von 



^ Stadler und Heim, Vollständiges Heiligen-Lexikon I. 610; 
Kirchliches Handlexikon, herausg. von Michael Buchberge r, I. 
926; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, herausg. von Schiele 
und Zscharnack, 1. 1788. 



— 104 — 

diesem Zuge ausging, war die Herkunft der Legende zu 
ermitteln. Man mußte eine alte Quelle finden, in der ein 
Biese von der beschriebenen Art auftritt und in der außer- 
dem dieser Biese den Welterlöser auf den Schultern trägt 
und von ihm bekehrt wird. Denn diese Episode ist Kern 
und Mittelpunkt der christlichen Legende, wenn sie sich 
auch in den griechischen Texten gar nicht und in den la- 
teinischen erst vom dreizehnten Jahrhundert an vorfindet \ 

Günter freilich meint, daß sich dieser Zug, der 
später zum Wesen des Heiligen gehöre, die Christustr äger- 
schaft nämlich, einzig auf Grund einer realistischen Wort- 
erklärung herausgebildet habe. Bei dieser Anschauung 
wird Günter gewiß nicht beharren, wenn er erfährt, daß 
gerade der Zug der Heilandsträgerschaft bei der Erzählung 
von einem tierköpfigen Biesen in der unten zu behandeln- 
den Vorlage eine wichtige Bolle spielt. Noch weit weniger 
annehmbar als Günters Auffassung erscheint die von 
Bichter^ der die kühne Behauptung aufstellt:" „Wir ver- 
meinten einigen Grund zu der Annahme zu haben, daß 
der Christusträger eine Ausgeburt deutscher Phantasie und 
deutschen Geistes war. Man kann vielleicht von allge- 
meinerem Standpunkt sagen, daß nur deutsches religiöses 
Empfinden den Christoph erfinden konnte.^ Es ist be- 
dauerlich, daß der deutsche Patriotismus auf dem JFelde 
der Wissenschaft gelegentlich solche Auswüchse treibt, für 
die Gelehrte des Auslands im günstigsten Fall nur ein iro- 
nisches Lächeln haben können. 

Ehe ich auf die Quelle der Christophorus-Legende ein- 
gehe, muß allerdings die Frage erledigt werden, ob die 
späte Bezeugung der Christusträgerschaft wirklich ein 



* Speyer 381 ; Günter, Legenden- Studien 25. 

* Der deutsche Christoph, Acta Germanica V (1896) 146, bei 
Speyer 380. 



— 105 — 

Grund sein kann, diesen Zug selbst für spät zuhalten. 
Ich glaube, Speyer hat diese Frage in dem S. 101 Anm. 2 
genannten Aufsatz mit Recht verneint. Er führt (S. 382) 
aus, daß der Mangel früherer literarischer Bezeugung für 
die Beurteilung dieses Falles nicht von entscheidender Be- 
deutung ist, da viel Quellenmaterial verloren gegangen ist 
und die Kirche natürlich das größte Interesse an dem Mar- 
tyrium hatte, so daß dahinter andere alte Züge zurücktraten. 
Außerdem betont Speyer, daß außer den literarischen 
Quellen auch die Erzeugnisse der Kunst, der Plastik und 
Malerei, in Betracht kämen und daß diese für ein höheres 
Alter des Christusträgers -zu sprechen schienen; denn die 
kunsthistorische Entwicklung des Christoph mit dem Chri- 
stuskind wiese auf alte Tradition und auf byzantinische 
Vorbilder hin. So haben denn auch die Meisten, die sich 
mit der Legende vom heiligen Christophorus beschäftigt 
haben, die Christusträgerschaft für ein wesentliches und ur- 
sprüngliches Element der Erzählung gehalten. Und keines- 
falls ist das Alter und die Ursprünglichkeit des Riesen, 
des Menschenfressers und des Hundskopfes zu bezweifeln. 
Diese drei Züge wollen gar nicht, und am wenigsten der 
Hundskopf, zu dem Bilde eines christlichen Glaubenshelden 
passen. Woher also stammen sie? 

Diese Frage hat Speyer in überzeugender Weise da- 
durch beantwortet, daß er als die Quelle der Christophorus- 
Legende das von dem Prinzen Sutasoma handelnde Jätaka ^ 
nachgewiesen hat. 



^ In der Päli- Sammlung No. 537 (Mahä-Sutasoma-jätaka), in der 
Jätakamälä No. 31. Speyer hat aus guten Gründen, freilich ohne 
etwas darüber zu bemerken, die beiden Fassungen, die des Päli- und 
die des Sanskrittextes, kombiniert, da einzelne Züge des letzteren 
in diesem Falle nicht nur als ebenso alt und echt wie die der aus- 
führlicheren Pali - Version , sondern als ursprünglicher anzusehen 
sind. — K. Watanabe, ein japanischer Gelehrter, hat alle Versionen 



— 106 — 

Die nachfolgende Inhaltsangabe der Jätaka-Erzählung 
ist in der Hauptsache eine Uebersetzung der zusammen- 
fassenden Darstellung Speyers (S. 383,384). 

Einstmals, als ein König Namens Eauravya über das 
Volk der Kuru herrschte, nahm der Bodhisattva seine 
Wiedergeburt als dessen Sohn und erhielt den Namen 
Sutasoma. Wie ein echter Märchenprinz war er unermeß- 
lich reich, dabei tugendhaft, von grenzenloser Nächsten- 
liebe, Mildtätigkeit und Sanftmut, kurz ganz so, wie eben 
der zukünftige Buddha, der sein Ziel nie aus den Augen 
verliert, sein mußte. In seiner Frömmigkeit fand er die 
größte Freude daran, treffende und sinnreiche Sprüche 
religiösen und moralischen Inhalts zu hören und sich an* 
zueignen. 

Eines Tages, als er sich mit einem kleinen Gefolge in 
dem Park bei seinem Palast erging und an der Frühlings- 
pracht des jungen Grüns und der eben erschlossenen Blüten 
erfreute, wurde ihm berichtet, daß ein fremder Brahmane 
angekommen sei, der solche Sprüche kenne und ihm vor- 
tragen wolle. Der Prinz wünscht sich sofort zu ihm zu be- 
geben, da kommen plötzlich einige Diener angelaufen mit 
der schreckenerregenden Meldung, daß der fürchterliche 
Menschenfresser in dem Park erschienen sei und den Prin- 
zen suche. Dieser Unhold, Kalmäsapäda mit Namen, war 
früher ein König gewesen, aber in Folge eines Fluches in 
einen mensehenfressenden Dämon mit tierischem Angesicht 
verwandelt worden; er hatte seiner blutdürstigen Schutz- 
göttin gelobt, ihr 100 Prinzen zu opfern ; 99 hatte er schon 
beisammen, und nun sollte Sutasoma der Hundertste sein. 

Kaum war dem Prinzen die drohende Gefahr gemeldet 



dieses Jätaka, die sich in der indischen, tibetischen und chinesischen 
Literatur finden, ausführlich behandelt, Journal of the Päli Text So- 
ciety, 1909, 236 f. 



— 107 — 

worden, da steht schon der Riese vor ihm. Sein Gefolge 
stiebt, zu Tode erschrocken, in wilder Flucht aus einander; 
nur Sutasoma verliert seine Ruhe nicht, tritt auf den Men- 
schenfresser zu und läßt sich ohne Gegenwehr von ihm auf 
die Schultern setzen. Auch als der Riese mit ihm schnell 
davonläuft, empfindet er keine Furcht. Erst als er in der 
scheußlichen Wohnung des Menschenfressers, die mit mensch- 
lichen Gebeinen und Schädeln angefüllt war, ankommt, 
steigen ihm Tränen in die Augen. Dieses Benehmen s^tzt 
den Unhold in Erstaunen; er fragt den Prinzen, warum 
er mit einem Mal anfange zu weinen, ob so ein weiser und 
verständiger Prinz noch nach der hinter ihm liegenden 
Welt Verlangen trage oder ob er Furcht vor dem Tode 
habe. „Nein^, erwidert der Bodhisattva, „nicht aus solchen 
Gründen weine ich, sondern weil mir die Gelegenheit ge- 
nommen ist, die schönen Sprüche aus dem Munde des 
Brahmanen zu hören, der noch auf mich warten sitzt. 
Wenn du mir erlaubst, noch einmal nach meinem Palast 
zurückzukehren, so könnte ich den Wunsch des Brahmanen 
und meinen eigenen befriedigen. Nachdem ich die Sprüche 
gehört habe, werde ich wieder zu dir zurückkommen, das 
gelobe ich dir." 

Der Menschenfresser ist über dieses Ersuchen aufs 
höchste erstaunt und weiß zuerst nicht, was er von ihm 
denken soll; dann erliegt er dem Zauber, den der Bodhi- 
sattva auf einen Jeden ausübt, mit dem er in Berührung 
kommt. Er gewährt dem Prinzen seine Bitte und denkt: 
wenn er nicht zurückkommt, werde ich mich zu trösten 
wissen. 

Aber der Bodhisattva läßt sich nicht durch die Bitten 
seiner Verwandten und Freunde halten und kehrt zu dem 
ßiesen zurück. Dieser, der ihn ankommen sieht, ist in- 
zwischen auf die schönen Sprüche neugierig geworden, die 



— 108 — 

der Brahmane dem Prinzen vorgetragen hat. Der aber 
will sie dem Menschenfresser nicht mitteilen und sagt: 
^Du bist viel zu schlecht und ein zu großer Missetäter. 
Nur fromme und tugendhafte Leute dürfen sie vernehmen." 

Aus diesem Anfang entwickelt sich ein langes Gespräch, 
in dessen Verlauf Sutasoma eine völh'ge Umwälzung in der 
Seele des Riesen zu Wege bringt. Der Unhold bekehrt 
sich, gelobt sein Leben zu bessern und kein Menschenfleisch 
mehr zu essen; er giebt die gefangenen Prinzen frei und, 
von allen seinen bösen Lüsten geheilt, gewinnt er sein 
Königreich wieder. Auch Sutasoma kehrt wohlbehalten zu 
den Seinigen zurück. 

Dieses Jätaka weist zwei Züge auf, die, wenn man sie 
als Quelle betrachtet, den märchenhaften und wunderlichen 
Inhalt der Christophorus-Legende erklären: 1. der Bodhi- 
sattva bekehrt einen Menschenfresser mit tierischem Kopf \ 
2, der Menschenfresser trägt den Bodhisattva auf seinen 
Schultern und eilt mit ihm davon. Die Verschiedenheiten 
der beiden Erzählungen erklären sich aus der Verschieden- 
heit der christlichen und buddhistischen Gedankenwelt. 
Wem sie zu groß erscheinen sollten, um das Jätaka als 
Vorlage der christlichen Legende anzuerkennen, der sei 
darauf hingewiesen, daß in diesem Fall die bildlichen Dar- 
stellungen der bei den Buddhisten sehr beliebten Erzählung 
von besonderer Bedeutung für ihre üebertragung in die 
christliche Welt gewesen sein werden. 

Auf dem Boro Budur (s. S. 96) ist die Sutasoma-Ge- 

^ Das „dierlijk aangezicht" bei Speyer bezieht sich gewiß auf 
die Beschreibung der Jätakamälä (S. 210, Z. 16, 17 in Kerns Aus- 
gabe) : yt die Haare hingen ihm unordentlich und schmutzbedeckt über 
das Gesicht, das außerdem von einem langen wirren Bart wie von 
Finsternis bedeckt war/ Das ist in der Tat eine Schilderung, deren 
bildliche Darstellung einem Hundskopf sehr ähnlich gesehen haben 
wird. 



--- 109 — 

schichte durch vier Reliefs vertreten, und eines von ihnen 
zeigt den Riesen, wie er sich den Prinzen auf die Schul- 
tern setzt ^. Es unterliegt keinem Zweifel, daß bildliche 
Darstellungen wie von vielen anderen Jätaka-Erzählungen 
so auch von dieser Geschichte an den buddhistischen Klö- 
stern und Gedächtnismonumenten nicht nur im fernen Java, 
sondern auch in den westlichen Ländern in großer Zahl 
angebracht waren. 

Speyer leugnet sogar einen inneren Zusammenhang 
zwischen der Sutasoma-Geschichte und der Christophorus- 
Legende und stützt seine Beweisführung ganz auf die Wir- 
kung der bildlichen Darstellungen. Er meint, daß die 
Christen das Bild, auf dem der Riese den Prinzen Suta- 
8oma auf seine Schultern setzt, in ihrer Weise interpretiert 
hätten. Ich glaube, eine solche Ausschaltung des literari- 
schen Einflusses geht zu weit. Christen hätten niemals 
lediglich aus dem Bilde den Stoff zu der Legende vom 
heiligen Christophorus entnehmen können. Das war nur 
dann möglich, wenn die Buddhisten ihnen dazu die Erklä- 
rung gaben, daß der von dem Riesen getragene Mensch 
der (zukünftige) Welterlöser sei. Und wenn die Buddhis- 
ten einmal das gesagt hatten, so werden sie in ihrer be- 
kannten Redseligkeit gewiß auch die ganze Geschichte er- 
zählt haben, die dann von den Christen umgedeutet worden 
ist. Ohne die Annahme eines Einflusses der Erzählung 
wäre für mich die Abhängigkeit der Christophorus-Legende 
von der buddhistischen Quelle nicht zu verstehen. 

Für diese Abhängigkeit aber glaube ich noch einen 



^ Nr. CLXV, 117 in dem L e e m a n s'schen ßilderatlas zu seinem 
Werke über den Boro-Boedoer (S. 320 des Textes). Vgl. auch den 
Aufsatz von S. v. Oldenburg, Notes on Buddhist Art (aus dem 
Bussischen übersetzt) JAOS. XVIII. I. 183 — 201, wo die ganze Reihe 
der zur Jätakamälä gehörenden Boro-Budur-Reliefs identifiziert ist. 



— 110 — 

neuen, von Speyer nicht angeführten Grund beibringen 
zu können. Nach der Päli-Version des Jätaka legt sich 
der Menschenfresser zum Zwecke des Prinzenraubs in den 
Hinterhalt, indem er in das Wasser eines in dem könig- 
lichen Park befindlichen Teiches steigt und sein Haupt 
unter einem Lotusblatt verbirgt, und packt den Prinzen in 
dem Augenblick, als dieser nach einem Bade aus dem Teiche 
steigt. Der Menschenfresser setzt also nach dem Päli-Jä- 
taka den Prinzen am Ufer eines Gewässers auf seine 
Schultern, wie in der christlichen Legende Christopborus 
den Heiland. Auch auf den buddhistischen Bildern mag 
der landschaftliche Hintergrund sichtbar gewesen sein. 
Diese Uebereinstimmung der Scenerie scheint mir nicht 
unwesentlich zu sein, da diese Nebensache des buddhisti- 
schen Vorbildes den christlichen Zug des Durchschreitens des 
Flusses erklärt, für den es nur einer geringen Umdeutung 
und Zutat bedurfte. Diese Auffassung scheint mir näher 
zu liegen als der Gedanke Speyers (S. 388), daß der 
Fluß, den St. Christophorus mit dem Christuskind durch- 
schreitet, seinen Ausgangspunkt in dem geläufigen buddhis- 
tischen Gleichnis habe, in dem die irdische Welt mit einem 
Strom verglichen wird, an dessen jenseitigem Ufer der 
Hafen der Erlösung liegt. 

Dagegen stimme ich Speyer bei, wenn er die Frage, 
wie man dazu gekommen sei, sich in der Legende Christus 
als Kind vorzustellen, damit beantwortet, daß der Aus- 
gangspunkt für diese Auffassung in dem Verhältnis des 
Getragenen zum Träger zu suchen sei, wie dieses in der 
bildlichen Darstellung der buddhistischen Erzählung vor- 
liegt. Die kleine Figur, die von dem Riesen getragen 
wird, hat auf die Beschauer den Eindruck eines Kindes 
gemacht. 

Speyer schließt seinen interessanten Aufsatz mit den 



— 111 — 

Worten: Habent sua fata . . . anthropophagi ! Es wird 
allerdings selten Jemand eine so glänzende Karriere ma- 
chen, wie der menschenfressende Riese der indischen Mär- 
chenwelt, der es bis zu einem der bekanntesten Heiligen 
der katholischen Christenheit gebracht hat. 

Es ist mir sehr auffallend, daß der sonst so klar 
blickende Winternitz jeden Zusammenhang zwischen der 
Legende vom heiligen Christophorus und dem Sutasoma- 
Jätaka bestreitet. Er sagt^: ,, Die beiden Legenden haben 
nichts gemeinsam als die Bekehrung eines menschenfres- 
senden Biesen; von dem eigentlichen Kern des buddhis- 
tischen Märchens ist in der christlichen Legende nichts zu 
bemerken.^ Da ist denn doch gerade die Hauptsache von 
Winternitz übersehen. In beiden Legenden trägt ein 
mißgestalteter, menschenfressender Riese den Welterlöser 
auf seinen Schultern und wird von ihm bekehrt. Diese 
frappante Uebereinstimmung, zusammen mit der hier vor- 
getragenen Begründung, nötigt doch wohl, den Zusammen- 
hang anzuerkennen. 

Es folgt hier eine weitere Entlehnung, deren Quelle 
sich jedoch nicht in der Jätaka- Literatur, sondern in einem 
späteren buddhistischen Werke findet. 

3. Der Satan in der Gestalt des Heilands als Verftihrer. * 

Der christliche Mönch Palladius, der längere Zeit in 
Ägypten gelebt hat, berichtet in seiner im Jahre 420 ver- 
faßten Historia Lausiaca (Aauaaix6v) von einem aus Palä- 
stina stammenden und in der Wüste Ägyptens lebenden 



1 Gesch. d. ind. Litt 11. i. 106, 107, Anm. 

2 E. Hardy, JRAS. 1902, 951-955. 



— 112 — 

Mönch, Namens Valens, der sehr aufgeblasen gewesen sei 
und, obwohl er mehrfach vom Teufel genarrt worden war, 
doch beharrlich geglaubt habe, daß diese Blendwerke des 
Bösen himmlische Erscheinungen seien. Das reizte den 
Teufel, sein Spiel aufs Aeußerste zu treiben. Er nahm 
das Aussehen Christi an und erschien, von tausend Dä- 
monen in der Gestalt fackeltragender Engel umgeben, dem 
Valens in einer Nacht. Einer der vermeintlichen Engel 
trat vor und sprach zu Valens: „Christus hat an deinem 
ausschweifenden Lebenswandel Gefallen gefunden und ist 
gekommen, dich zu besuchen.^ Darauf verließ der Mönch 
seine Zelle und betete den Teufel an. Am nächsten Tage 
erzählte er allen Mitgliedern der Mönchsgemeinde, daß 
Christus ihm erschienen sei, worauf die Väter ihn ein Jahr 
lang in Ketten legten, um ihn von seinem Wahnsinn zu heilen. 

Zu dieser Geschichte findet sich in Buddhaghosa's 
Manoratha-pürani ^ eine Parallelerzählung, in der jedoch 
der Mensch, an den die Verführung herantritt, sich viel 
einsichtsvoller benimmt. 

Der reiche Kaufmann Sürambhattha (oder kurz Am- 
battha) in Sävatthl, der bis dahin die Ketzer unterstützt 
hatte, wird eines Tages durch die Predigt Buddhas bekehrt, 
den der Almosengang in sein Haus geführt hatte. Da 
dachte Mära, der Böse: „Dieser Sürambhattha gehört mir. 
Heute aber ist Buddha in sein Haus gegangen und hat 
ihn vielleicht durch seine Rede für den Pfad der Heilig- 
keit gewonnen. Ich will doch sehen, ob er meiner Macht 
entronnen ist oder nicht." Da nahm Mära die Gestalt 
Buddhas an und stellte sich, indem er auch das Gewand 
und die Almosenschale ganz in der Weise Buddhas hielt, 
vor Sürambhattha's Haustür auf. 



1 D. h. in dem Kommentar zum Anguttara-nikäya (Etad-agga- 
Kapitel) I, p. 23 f. 



- 113 - 

Als der Kaufherr hört, daß Buddha noch einmal ge-> 
kommen sei, wundert er sich darüber, eilt aber, ihn zu be- 
grüßen, und sagt: „Eben erst hast du, o Herr, dein Mahl 
in diesem Hause eingenommen. Zu welchem Zweck bist 
du zurückgekehrt?** Der vermeintliche Buddha erwidert: 
„Ambattha, als ich dir die Lehre vortrug, da war ein Punkt, 
den ich vorher nicht überlegt hatte. Ich lehrte dir, daß 
alle fünf Daseinselemente ^ unbeständig, leidvoll und ohne 
ein beharrendes Selbst seien ; aber das tri£ft nicht für alle 
zu. Einige sind im Gegenteil beständig, beharrend und 
ewig.** 

Da dachte Sürambhattha : „Diese Bede ist nicht glaub- 
haft ; denn die Buddhas lehren nichts, ohne es vorher über- 
legt zu haben. Wir wissen, daß Mära Buddhas Feind ist. 
Sicher ist dies Mära.** Und er sprach: „Du bist Mfira.** 

Dieses Wort traf den Mära wie ein Schlag mit der 
Axt, so daß er seine Verwandlung nicht aufrecht erhalten 
konnte. „Ja, Ambattha, ich bin Mära**, gestand er. Dar- 
auf sagte dieser: „Wenn hundert, nein, tausend Märas wie 
du hierher kämen, sie würden nicht im Stande sein, meinen 
Glauben zu erschüttern. Als der große Gotama Buddha 
mir die Lehre vortrug, da unterwies er mich: >Alle Ge- 
staltungen sind unbeständig.« Pack dich fort von meiner 
Haustür!** Da versetzte Mära ihm einen Stoß und ver- 
schwand. 

Daß diese buddhistische Geschichte viel besser erzählt 
ist als die christliche Parallele bei Palladius, ist klar. Sie 
ist merkwürdiger Weise aus derselben Zeit überliefert; 
denn auch Buddhaghosa hat seine Werke im Anfang des 
fünften Jahrhunderts verfaßt. Aber die ungefähr 100 Le- 
genden dieser Art, die Buddhaghosa in der Manoratha- 
püranl erzählt, sind nicht von ihm erfunden, sondern nur 

1 S. oben S. 72 und 1 d e n b e r g , Buddha • 295 Anm. 1. 

Garbe, Indien und das Christentum. S 



— 114 — 

redigiert worden. Es besteht also durchaus die historische 
Möglichkeit dafür, daß die hier mitgeteilte buddhistische 
Erzählung die Quelle der christlichen Parallele ist, auch 
wenn die erstere ein paar Jahre später niedergeschrieben 
sein sollte als die Historia Lausiaca. Wer für die Unab- 
hängigkeit beider Erzählungen von einander geltend macht, 
daß der christliche Teufel in demselben Maße wie der bud- 
dhistische seine Verwandlungsfäbigkeit in der Legende zu 
betätigen pflegt ^, dem ist entgegenzuhalten, daß d er unge- 
heuerliche Gedanke der Erscheinung des Teufels in der 
Gestalt des Erlösers in der christlichen Literatur nur dieses 
eine Mal zu belegen ist, während er dem buddhistischen 
Ideenkreise auch schon in früherer Zeit nicht fremd war. 
In einer Erzählung^ des nordbuddhistischen Diyyäva- 
däna, das etwa 200 Jahre vor Buddhaghosa redigiert wor- 
den ist, nimmt Mära gleichfalls die Gestalt Buddhas an, 
allerdings aus einem ganz anderen Grunde als in der 
Geschichte der Manoratha-püranl. Dort wird nämlich 
— man staunt über eine so groteske Phantasie — Mära 
von dem Sthavira Upagupta bekehrt und dann von ihm, 
der erst 100 Jahre nach dem Hinscheiden des Erhabenen 
Mönch geworden sei und diesen deshalb nie Ton Angesicht 
gesehen habe, um die persönliche Gefälligkeit ersucht, ihm 
in der leibhaftigen Gestalt Buddhas zu erscheinen. Mära 
erfüllt dieses Verlangen kraft seiner Fähigkeit, jede be- 
liebige Gestalt anzunehmen, und tut noch mehr. Er bildet 
in seiner Umgebung Phantome von Buddhas Lieblings- 
jüngern und einem Gefolge von 1250 Mönchen ', so daß 



* üeber die verschiedenen Truggestalten des Mära s. Windi seh, 
Mära und Buddha, 199. 

' Von Windisch übersetzt ebendas. 163 f. (s. besonders 171 f.). 

3 Man denkt dabei unwillkürlich an die 1000 Dämonen-Engel, 
von denen Christi Scheingestalt bei Palladius umgeben ist. 



— 115 — 

Upagupta ein leibhaftiges Bild von dem Auftreten des Er- 
habenen in seiner Lebenszeit gewinnt. 

Diese Erzählung trägt freilich einen anderen Charakter 
als die aus derManoratha-püranI; aber die Grundidee von 
der Erscheinung des Satans in der Gestalt des Erlösers 
ist doch dieselbe, und wir sehen, daß diese Idee der bud- 
dhistischen Phantasie nicht anstößig gewesen ist. Dafür, 
daß die oben mitgeteilte Erzählung Buddhaghosas für die 
Vorlage der von Palladius mitgeteilten Geschichte zu hal- 
ten ist, spricht auch der Umstand, daß sie vortrefflich in 
den Rahmen der buddhistischen Kulturverhältnisse hinein- 
paßt, wogegen die Erzählung des Palladius absonderlich 
und unnatürlich ist. 

Mein Kollege H. Günter macht mich freundlichst 
darauf aufmerksam, daß Palladius zur Zeit der Abfassung 
der Historia Lausiaca in Aspona in Galatien gelebt hat, 
daß ihm aber indische Motive sehr wohl in dem interna- 
tionalen Alexandria zugegangen sein können, da sein Aufent- 
halt in der Nähe von Alexandria für Jahre und in der 
Stadt für Monate bezeugt ist.^ Wenn auch Alexandria in 
jener Zeit nicht mehr dieselbe Bedeutung für den Weltver- 
kehr gehabt hat, wie bis zum Anfang des dritten Jahrhun- 
derts, so ist es doch auch mir wahrscheinlich, daß Palladius 
jene indische Geschichte dort und nicht in dem kleinasiati- 
schen Landstädtchen kennen gelernt hat. 

Während ich also in diesem Falle einen historischen 
Zusammenhang zwischen der buddhistischen und der christ- 
lichen Legende annehmen zu müssen glaube, habe ich mich 
bei einem anderen Zuge aus der christlichen Legenden- 

^ C. Butler, The Lausiac history of Palladius (Cambridge 
1904), Vol. VI der Texts and studies, contributions to biblical and 
patristic literature, ed. by J. A. Robinson; Zö ekler in Her- 
zogs Realencyklopädie für prot Theol. u. Kirche' XIV. 610; Bar- 
denhewer, Patrologie' 271. 

8* 



— 116 — 

literatur, für den Abhängigkeit von buddhistischen Anschau- 
ungen behauptet worden ist ^, in Uebereinstimmung mit 
Winternitz' von einem solchen Zusammenhang nicht 
überzeugen können. 

Wie die heilige Lucie und die heilige Bri- 
gitta in christlichen Legenden sich beide Augen aus- 
reißen, weil die Jünglinge sich wegen ihrer Schönheit in 
sie verlieben, gerade so verfährt die buddhistische Nonne 
Subhä in einer Ballade der Therigäthäs. ^ Von einem Manne 
im Walde mit Liebesanträgen bestürmt, spricht Subhä von 
der Verwerflichkeit der Sinnenlust und von der Vergäng- 
lichkeit und Widrigkeit des Leibes. Um zu beweisen, daß 
dieses auch von den Augen gilt, reißt sie sich das eine aus 
und hält es dem Manne hin, der in tiefer Reue um Ver- 
zeihung bittet. Als aber die Nonne zu Buddha kommt, 
erstrahlt bei seinem Anblick ihr Auge unverletzt in der 
früheren Schönheit. 

Daß die Uebereinstimmung in diesen Geschichten sich 
durchaus befriedigend aus der gleichen asketischen Grund- 
stimmung erklärt, ist ohne Weiteres einleuchtend. Auch 
mag, worauf schon Winternitz hingewiesen hat, die 
Stelle bei Matth. 18. 9 von Einfluß auf die christlichen 
Legenden gewesen sein, obwohl dort das Aergernis am 
Auge in subjektivem, in den Legenden dagegen in objek- 
tivem Sinne gemeint ist. * 

^ Von Ed. Müller, Archiv für Religionswissenschaft III. 233. 
2 Gesch. d. ind. Litt. II. i. 86 Anm. 

• V. 366—399. 

* Nur in einer Anmerkung will ich hinzufügen — weil es sich 
um eine Parallele nicht aus der buddhistischen sondern aus der brah- 
manischen Literatur handelt — , daß ich nicht an einen historischen 
Zusammenhang zwischen den Legenden von dem heiligen Martinianus 
und dem Asketen Marrci in Dandins Dasa-kumära-carita (übersetzt von 
Johann Jakob Meyer, Leipzig 1902, 205 f.) glaube. T h. Z a- 
c h a r i a e hat mich freundlichst auf die Aehnlichkeit der beiden 



117 — 



y. Buddhistische Einflüsse anf den christlichen Kultus. 

Die im vorigen Kapitel behandelten üebertragungen 
aus der buddhistischen in die christliche Welt, die in die 
Zeit vom dritten bis zum sechsten Jahrhundert gesetzt 
werden müssen, sind geeignet, auf die vielfachen, schon 
längst beobachteten kultischen üebereinstimmungen der 
beiden Kirchen Licht zu werfen. ^ 



Erzählungen und auf die Abhandlung von Paul Rabbow, ,Die 
Legende des Martinian", Wiener Studien 17. 253 f., hingewiesen. Aus 
der Anm. 54 auf S. 266 sieht man, daß schon H. Jacobi diese 
Aehnlichkeit aufgefallen war. In beiden Legenden wettet eine He- 
täre (ebendas. 279, Z. 12: oüvdijxag 7coiY]oa|idvT), Daäakum. übersetzt 
von Meyer, 212), daß sie den asketischen Einsiedler zu Fall brin- 
gen werde. Die Verführung gelingt in der indischen, aber nicht in 
der christlichen Legende. Die Uebereinstimmung in den Motiven ist 
gewiß rein zuföllig; bei der außerordentlichen Aehnlichkeit der Ver- 
hältnisse des frommen Einsiedlerlebens liegt der Gedanke der Wette 
eines verführerischen Weibes hüben und drüben sehr nahe. Erzäh- 
lungen von gelungenen und mißlungenen Versuchen, einen Asketen 
in seiner Einsiedelei zu verführen, sind sowohl in Indien wie im 
Abendlande außerordentlich verbreitet. Außerdem hat die Legende 
von Martinianus einen Vorläufer in einer Erzählung des Palladius 
(bei Rabbow, 262), nach welcher der Teufel in der Gestalt eincR 
angeblich verirrten, reizenden Weibes einen Einsiedler in seiner Klause 
heimsucht und seinen Zweck erreicht. Palladius hat mindestens 
anderthalb Jahrhunderte vor Dandin geschrieben; also stammt die 
Versuchung des heiligen Martinianus gewiß nicht aus Indien. 

1 Als Kuriosität erwähne ich einen aus vorhistorischer Zeit stam- 
menden Zusammenhang zwischen den Namen zweier Embleme, von 
denen das eine für den Katholizismus ebenso charakteristisch ist 
wie das andere für den Buddhismus. Die Bezeichnung der päpst- 
lichen Krone, Tiara, bekanntlich ein Lehnwort aus dem Persi- 
schen, ist etymologisch identisch mit Sanskrit und Päli c T v a r a, 
ursprünglich ein Stück Zeug, dann technischer Ausdruck für das 
Bettlergewand Buddhas und seiner Mönche. Woran 
sich sinnreiche Betrachtungen knüpfen lassen. 



— 118 - 

Dem Buddhismus und dem Christentum sind folgende 
kultische Elemente gemeinsam : die Klöster mit dem Mönchs- 
und Nonnenwesen und dem unterschiede von Novizen und 
ordinierten Mönchen und Nonnen, das Zölibat und die 
Tonsur der Geistlichkeit, die Beichte, die Verehrung der 
Reliquien, der Rosenkranz, der Kirchturmhau, zu dem die 
turmförmigen buddhistischen Reliquien- und Gedächtnismo- 
numente eine Parallele bilden, der Gebrauch des Räucher- 
werks und der Glocken. ^ 

Die großen theologischen Nachschlagewerke der beiden 
christlichen Konfessionen erwähnen auch in den ausführ- 
licheren Artikeln von diesen üebereinstimmungen so gut 
wie nichts und erklären alle die eben genannten Erschei- 
nungen auf christlichem Boden für reine und selbständige 
Erzeugnisse des Christentums. Die üebereinstimmungen 
mit den äußeren Formen der buddhistischen Kirche sind 
aber so zahlreich und eng, daß es schwer fällt, sie für ein 
Spiel des Zufalls zu halten. Ebenso schwer wird man es 
glaubhaft machen können, daß alle diese Erscheinungen 
durch das Wesen der beiden Religionen bedingt und unab- 
hängig von einander der gleichen Geistesrichtung entspros- 
sen seien. Wenn man bedenkt, daß sie sämtlich im Bud- 
dhismus älter sind als im Christentum und daß Christen 
vom Anfang des dritten Jahrhunderts an mit ihnen in den- 
selben Gegenden bekannt geworden sind, in denen wir die 
Entlehnung buddhistischer Legendenstoffe annehmen müs- 
sen, d. h. in Persien, Baktrien und Turkestan, so werden 
wir mit Recht fragen dürfen, warum nicht die Aeußer- 
lichkeiten des religiösen Lebens der Buddhisten den Chri- 
sten ebenso gut als Vorbild gedient haben sollten wie die 

^ R. Spence Hardy, Eastern Monachism (London 1850) ; P e- 
ter von Bohlen, Das alte Indien (Königsberg 1830—31) I. 334—350; 
A. Weber, Indische Skizzen (Berlin 1857) 58, 64, 65, 92, üeber die 
Krishnajanmäshtami (Krishna's Geburtsfest, Berlin 1868) 340. 



— 119 — 

erbaulichen buddhistischen Erzählungen. Meines Wissens 
giebt es keinen durchschlagenden Grund gegen die An- 
nahme, daß die genannten kultischen Elemente vom Chri- 
stentum dem Buddhismus entlehnt seien. 

Die ersten klosterartigen Niederlassungen von christ- 
lichen Anachoreten sind in der ägyptischen Wüste aus dem 
vierten Jahrhundert nachgewiesen, und deshalb gilt Ägyp- 
ten als die Wiege des christlichen Mönchtums. ^ Aber 
fast ebenso früh — schon zu Beginn des letzten Viertels 
des vierten Jahrhunderts — finden wir es in anderen orien- 
talischen Ländern, namentlich in Syrien, wo es rasch zu 
großer Blüte gelangte. Die Mönche auf den Bergen bei 
Antiochia widmeten sich schon gegen Ende des vierten 
Jahrhunderts der Erziehung der männlichen Jugend. ^ Wenn 
auch die herrschende Annahme dahin geht, daß sich das 
Mönchtum dorthin von den oberägyptischen Anfängen 
aus verbreitet hat, so ist mir das doch nicht wahr- 
scheinlich. Grützmacher' wirft wenigstens die Frage 
auf, ob das christliche Mönchtum in Syrien ebenso wie in 
Ägypten autochthon sei, und sagt, es ließe sich das nicht 
sicher behaupten. Autochthon aber bedeutet für Grütz- 
macher nur die Möglichkeit, daß sich das christliche 
Mönchtum in Syrien ohne ägyptische Einflüsse aus dem 
altchristlichen Asketentum entwickelt hat; an die andere 

' Die Ansicht H. Wein gart en s und Albrecht Dieterichs, 
daß das christliche Mönchtum seinen Ausgang von den Sarapis- Klaus- 
nern genommen habe, ist gründlich von Erwin Preuschen, Mönch- 
tum und Sarapiskult* (Gießen 1903), widerlegt worden und kann 
seitdem als abgetan gelten. Der Versuch Hilgenfelds (Zeitschrift 
für wissenschaftliche Theologie, 1867, 105; 1868, 351; 1878, 149), die 
Anfange des christlichen Mönchtums in Ägypten aus dem Bud- 
dhismus abzuleiten, muß auch als gescheitert angesehen werden. 

* Funk in Fr. X. Kraus' Real-Encyklopädie der christlichen 
Altertumer IL 406. 

'In Herzogs Realencyklopädie für prot. Theol. u. Kirche * 
XIII. 221. 



— 120 — 

Möglichkeit, daß sich buddhistische Einflüsse aus den be- 
nachbarten östlichen Ländern geltend gemacht haben, in 
denen zu jener Zeit der Buddhismus mit seinen Klöstern 
und Mönchen verbreitet war, denkt er nicht. Mir scheint 
nichts näher zu liegen als dies. 

Daniel Völter^ bestreitet kurzer Hand jeden Ein- 
fluß des Buddhismus auf das christliche Mönchtum und 
verficht dann die ganz unwahrscheinliche Annahme, daß 
die sogenannten Circumcellionen in der Gegend von Kar- 
thago und die wirtschaftliche Not des vierten Jahrhunderts 
für die Entwicklung des Mönchtums von besonderer Be- 
deutung gewesen seien. 

Ein Muster von Methodelosigkeit und Voreingenom- 
menheit bei Behandlung dieser Frage bietet Julius 
Mayer.* Er beginnt mit der entschiedenen Behauptung 
dessen, was er beweisen will, daß nämlich das Mönchtum 
aus dem Christentum heraus und durch dessen Kraft ent- 
wickelt sei, daß es dem christlichen Geiste der Selbst- 
entsagung und Weltverleugnung, dem Streben nach einem 
höheren Grade der Vollkommenheit seinen Ursprung ver- 
danke. Weiter unten* betont er die „ganz außeror- 
dentliche Aehnlichkeit zwischen dem buddhistischen und 
christlichen Mönchtum" und formuliert das Problem folgen- 
dermaßen : 

»Endweder sind die beiden Erscheinungen, hier im 
Christentum wie dort im Buddhismus, unabhängig von ein- 
ander entstanden; 

oder es hat das buddhistische Mönchtum eine Ein- 
wirkung geübt bei der Entstehung und Ausbildung des 
christlichen ; 



^ Der Ursprung des Mönchtums (Tübingen und Leipzig 1900) 38. 
* Christliches Mönchthum und Buddhismus, Der Katholik, 65. Jahr- 
gang (1885. Zweite Hälfte), 630 f. » g. gsg. 



— 121 — 

oder aber drittens, es ist ein Einfluß des Christentums 
auf den Buddhismus anzuerkennen. 

Die erste Annahme der vollständigen Unabhängigkeit 
der beiden Erscheinungen ist bei der so großen Aehnlich- 
keit höchst unwahrscheinlich." Trotz dieser letzten 
richtigen Bemerkung entscheidet sich Mayer unmittelbar 
darauf für die erste, ihm ^höchst unwahrscheinliche" An- 
nahme, indem er als „triftigen Grund" dafür den tief in 
der menschlichen Natur wurzelnden Zug nach Askese und 
asketischem Leben anführt. Die zweite Möglichkeit wird 
unter Berufung auf schon damals längst veraltete Literatur 
mit Bestimmtheit zurückgewiesen, die dritte dagegen als eine 
durchaus glaubhafte Hypothese bezeichnet. Wie leicht hätte 
sich der Verfasser darüber unterrichten können, daß das bud- 
dhistische Mönchtum und Klosterleben schon Jahrhunderte 
vor Chr. vollkommen entwickelt war! Gleich darauf wird 
von dem „sicher stehenden Resultat aus obigen Ausfüh- 
rungen" gesprochen, von jedem Versuch anderer Beurtei- 
lung als einem Unternehmen, das „von vornherein als ver- 
fehlt gelten muß", „von dem auch im entartetsten Heiden- 
thum nicht völlig untergegangenen religiösen Bewußtsein 
und davon, daß alle heidnischen Religionen noch Spuren 
und Ueberreste von einer „wahren Urreligion der Mensch- 
heit in sich tragen", aber doch „eine furchtbare Carricatur 
der Religion" seien. Und alles das steht, von einem Dok- 
tor geschrieben, in einer Zeitschrift, die nach dem Titel- 
blatt der Wissenschaft dienen will. 

Die Forderung des Zölibats der Geistlichkeit taucht 
in der christlichen Kirche erst im vierten. Jahrhundert auf, 
wird aber 700 Jahre lang bekämpft und erst im elften 
Jahrhundert von Gregor VII zum Gesetz erhoben. 

Die herrschende Auffassung in der Theologie geht 



— 122 — 

wobl dahin, ^ daß das Zölibat von den Priestern schließlich 
nur deshalb verlangt worden ist, weil die Ehelosigkeit schon 
vorher, und zwar seit neutestamentlicher Zeit (I. Cor. 7. 
32, 33), Ideal und Bestandteil der höchsten Vollkommen- 
heit für alle Christen geworden war; daß also auch hier 
wie in anderen Hinsichten als Lebensordnung für die kleri- 
kalen und mönchischen Kreise aufgestellt worden ist, was 
ursprünglich als Ideal für Alle gegolten hatte. Ob aber 
diese Auffassung angesichts aller der andern hier zusam- 
mengestellten kultischen Uebereinstimmungen zwischen Bud- 
dhismus und Christentum haltbar ist? Sollte die Sach- 
lage nicht so zu beurteilen sein, daß das in den ersten 
christlichen Jahrhunderten hochgehaltene Ideal der Ehe- 
losigkeit den Boden vorbereitet hat, in den die buddhisti- 
sche Forderung des Zölibats der Geistlichen Aufnahme fand? 

Die Tonsur als Erkennungszeichen der Geistlichen er- 
scheint zuerst um die Wende des vierten zum fünften Jahr- 
hundert und wird ursprünglich mit der ersten Weihe als 
eine sie begleitende Zeremonie erteilt ^ — also wie im Bud- 
dhismus. * 

Die Beichte, eine der ältesten Einrichtungen des bud- 
dhistischen Gemeindelebens, ist im Christentum erst im 
dritten Jahrhundert eingeführt worden. 

Reliquienverehrung giebt es im Christentum nicht 
vor der zweiten Hälfte des dritten oder dem Anfang des vier- 
ten Jahrhunderts; man kann sie also nicht gut aus dem 
Reliquienkultus des griechischen und römischen Altertums 

* Vgl. P. Wendland, Die hellenistisch- römische Kultur in ihren 
Beziehungen zu Judentum und Christentum*"*' (Tübingen 1912) 237. 

* Sägmüller, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts* 175. 

* Doch darf nicht übersehen werden, daß auch in Ägypten von 
Alters her bei den Priestern der Isis und des Sarapis das Kahlsche- 
ren des Hauptes üblich gewesen ist, Hauck in Herzogs Real- 
encyklopädie « XIX, 837. 



— 123 — 

ableiten. In der Mitte des vierten Jahrhunderts erscheint 
es im Orient als allgemein verbreitete Sitte, die Eeste 
der Märtyrerleichen nicht zu bestatten, sondern zu vertei- 
len, um möglichst viele in den Besitz der Eeliquien zu 
setzen. * Diese Sitte hat im Buddhismus von jeher ge- 
herrscht ; schon im Jahre 477 vor Chr. sind die Reste von 
Buddhas Leib an eine größere Anzahl gläubiger Fürsten 
verteilt worden. 

üeber die buddhistische Herkunft des Rosenkranzes, 
von dem man gewöhnlich annimmt, daß er erst durch die 
Kreuzfahrer nach Europa gebracht worden ist, kann kein 
ernstlicher Zweifel mehr bestehen. Der Rosenkranz, den 
die Buddhisten mit brahmanischen Sekten gemeinsam haben, 
ist im nördlichen Buddhismus allgemein in Gebrauch ge- 
kommen. Die Unverständlichkeit des Wortes Rosenkranz 
(rosarium) hat Albrecht Weber auf einen einleuchten- 
den Gedanken gebracht, demzufolge der Name Rosenkranz 
nur eine mißverständliche Uebersetzung des indischen Wortes 
japamälä „Gebetskranz" wäre, das man irrtümlich sls japä- 
mala „Rosenkranz^ aufgefaßt habe {japä Gehet, japä Rose).* 

Den Beweis dafür, daß der christliche Rosenkranz 
wirklich aus Indien stammt und zwar ursprünglich aus dem 
Brahmanismus, liefert die dort verwendete Zahl der Ku- 
geln und die Art ihrer Gruppierung. Die Schivaiten ge- 
brauchen 84, die Vischnuiten 108 Kugeln, und die letztere 
Zahl haben die Buddhisten übernommen. Die Zahl 84 er- 
gab sich durch Multiplikation von 12 mit 7, indem man 
die 12 Zeichen des Tierkreises und die 7 Planeten (d. h. 
die mit unbewaffnetem Auge sichtbaren Planeten, einschließ- 
lich Sonne und Mond) zu Grunde legte; und die Zahl 108 

' Hauck ebendas. XVI. 631, 632. 

* KrishnajanmäshtamT 340, 341 ; lA. IV. 250; Ind. Literaturgesch.* 
326, 327 Anm. 



— 124 — 

dadurch, daß bei dieser Vervielfältigung der Mond dreifach 
gerechnet wurde, als zunehmender, voller und abnehmender, 
also 108 = 9 X 12. Diese Beziehung zur Astronomie 
ergiebt sich deutlich aus der Art der Anordnung der Ku- 
geln im Schivaismus, in 12 Gruppen zu 7. Hier findet 
also die Zahl der Kugeln eine ausreichende Erklärung, und 
daraus folgt die Ursprünglichkeit des Rosenkranzes im 
Brahmanismus. ^ 

Was den christlichen Turmbau betrifft, so haben schon 
Ricci (1867) und Unger (1860) seine Vorbilder in In- 
dien und Persien gefunden, wo die Wiege des christlichen 
Turmbaus zu suchen sei. ^ Die altbyzantinischen Bauwerke, 
besonders in Armenien, wo vom ersten bis zum vierten 
Jahrhundert eine indische Kolonie bestand, ^ stehen den 
buddhistischen überaus nahe.* Ja, die erste Autorität 
auf dem Gebiete der indischen Architektur, James Fer- 
g u s s n , hat sogar die Meinung vertreten, daß der Ur- 
sprung des christlichen Kirchenbaus überhaupt in bud- 
dhistischen Vorbildern zu suchen sei; nicht nur der kreuz- 
förmige Grundriß, sondern auch die einzelnen Teile der 
frühchristlichen Kirche, Haupt- und Seitenschiffe, Säulen- 
reihen und Apsis, seien aus der buddhistischen Baukunst 
entlehnt. Als Beweisstück beschreibt Fergusson^ den 

^ J. C. Oman, The Mystics, Ascetics and Saints of India » (Lon- 
don 1905) 40, Anm. 1. 

* K i r 8 c h in F r. X. K r a u s' Real-Encyklopädie IL 866. 

* Sylvain Levi, Revue de Thiatoire des religions, 23 (1891), 
45, 46. 

* A. Weber, Indische Skizzen, 58 Anm. 1. 

^ History of Indian and Eastem Architecture, revised and edited 
with additions by James Burgess and R. Phene Spiers, I. 143 — 145; 
vgl. auch Rüde Stone Monuments, 603, und Fergusson and Burgess, 
Cave Temples of India, 233. Eine Abbildung des Tempels von KärlT 
ist aus dem erstgenannten Werke (p. 146) in Cave Temples 233 (s. 
den Grundriß Plate XI) und bei Arthur Lillie, Buddhism in 
Ghristendom 206, reproduziert. 



— 125 — 

großen buddhistischen Felsentempel von Kärll in West- 
indien, den er in die Zeit um 78 vor Chr. verlegt: »The 
building . . . resembles, to a very great extent, an early Chris- 
tian church in its arrangements : consisting of a nave and 
side aisles, terminating in an apse or semi- dorne, round 
which the aisle is carried . . . Immediately under the semi- 
dome of the apse, and nearly where the altar Stands in 
Christian churches, is placed the Dägaba (der Reliquien- 
schrein).** Die Aehnlichkeit der ganzen Anlage bei diesem 
Tempel — sowie bei einem ähnlichen in Ajantä — und 
bei den ältesten christlichen Kirchen ist in der Tat frap- 
pierend, darf aber doch nicht als Beweis für die Abhängig- 
keit des ganzen christlichen Kirchenbaus von buddhisti- 
schen Vorbildern gelten. Alle Einzelheiten der altchrist- 
lichen Basilika erklären sich aus der Anlehnung an den 
Stil der öffentlichen Gebäude im klassischen Altertum. Die 
Aehnlichkeit der buddhistischen Caityas, d. h. der aus dem 
Felsen herausgehauenen Grottentempel, mit der christlichen 
Basilika, beruht auf der Beschaffenheit des Materials, Wie 
mir von sachverständiger Seite auseinandergesetzt wird, 
mußte man, um Haltbarkeit zu erzielen und Raum für 
möglichst viele Personen zu gewinnen, auf einen Plan ver- 
fallen, welcher dem der Basilika ähnlich war. Und Ver- 
schiedenheiten bestehen doch trotz der großen Aehnlich- 
keit. Fergusson^ macht selbst darauf aufmerksam, daß 
die Seitenschiffe in den buddhistischen Tempelgrotten sehr 
viel schmaler sind als in den christlichen Kirchen. 

Der Gebrauch des Räucherwerks, der im Buddhismus 
seit alter Zeit üblich gewesen ist, wurde von den Christen 
der Frühzeit geradezu verworfen, weil sie durch die Räu- 
cherungen zu sehr an den heidnischen Gottesdienst er- 
innert wurden. Der Weihrauch ist erst im Laufe des vier- 
* History of Indian and Eastern Architecture * I. 143. 



— 126 — 

ten Jahrhunderts in den christlichen Kirchen eingeführt 
worden. ^ 

Die Glocke als kirchliches Gerät ist im christlichen 
Gebrauch erst ziemlich spät nachweisbar; Gregor von 
Tours (gest. 595) ist der erste sichere Gewährsmann da- 
für. In den ersten Jahrhunderten, in denen die Christen 
den Verfolgungen der Heiden ausgesetzt waren, konnten 
die Aufforderungen zu gottesdienstlichen Versammlungen 
nur durch möglichst geräuschlose Zeichen gegeben werden, 
die die Aufmerksamkeit der Heiden nicht erregten. Erst 
durch Konstantins üebertritt (Anfang des vierten Jahr- 
hunderts) wurden geräuschvolle Zeichen als Einladungen 
zum Gottesdienst möglich. * Trotz ihrer späten Bezeugung 
werden die Kirchenglocken allgemein als ein Erzeugnis des 
Christentums angesehen, und es wird höchstens bemerkt, 
daß sie ihre Vorläufer im Judentum und Heidentum haben, 
z. B. in den goldenen Glöckchen, mit denen das Oberkleid 
des jüdischen Hohepriesters an seinem unteren Saum neben 
baumwollenen Granatäpfeln besetzt war. ^ Das ist aber 
doch etwas völlig anderes als die zum Gottesdienst laden- 
den Glocken des Buddhismus und des Christentums. In 
Indien sind die Glocken schon um 175 durch Bardesanes 
bezeugt. * 

Einzelne kultische Uebereinstimmungen würden für die 
Frage des historischen Zusammenhangs belanglos sein; 
aber eine solche Fülle, wie sie hier vorliegt, macht meines 
Erachtens bei der durchweg späteren Bezeugung der christ- 
lichen Parallelen Entlehnung auf Seiten des Christentums 
höchst wahrscheinlich, zumal da der Weg der von mir an- 



» TertuUian, Apolog. 42, bei B o h 1 e n I. 844, 345. 
2 Ebendas. I. 622, 623. 

* Nikolaus Müller in Herzogs Realencyklopädie * VI. 704. 

* Bohlen I. 346. 



— 127 — 

genommenen Entlehnung klar zu Tage liegt. Mehr als 
eine hohe Wahrscheinlichkeit läßt sich zur Zeit noch 
nicht behaupten; Gewißheit wäre nur von neuen ent- 
scheidenden Funden in den in Betracht kommenden Län- 
dern, namentlich in Turkestan, zu erhoffen. Schon jetzt 
ist es ja von großer Bedeutung, daß die Berliner Expe- 
ditionen in Turfan neben den buddhistischen und mani- 
chäischen Klöstern auch nestorianische gefunden haben, 
wodurch ein Kulturzusammenhang zwischen Ostturkestan 
und Mesopotamien festgestellt ist, ^ — wenn auch noch 
nicht für die Zeit, die für uns in Betracht kommt. 

Zum Schluß sei erwähnt, daß die dem Christentum 
und Buddhismus gemeinsame Verwendung des Heiligen- 
scheins im klassischen Altertum ihren Ursprung hat. Auf 
altrömischen Monumenten kommt der Nimbus bei den bild- 
Uchen Darstellungen der Götter und der vergöttlichten 
Kaiser wiederholt vor ; im Christentum findet er sich frühe- 
stens Ende des dritten Jahrhunderts. ^ In den Buddhis- 
mus ist er von den Griechen her übernommen worden, und 
zwar so frühzeitig, daß schon auf Münzen des Königs 
Kaniska ^ (gegen 100 nach Chr.) und ungefähr gleichzeitig 
auf zahlreichen Bildwerken der Gandhära-Kunst * die Bud- 
dhafigur mit dem Nimbus erscheint. Der Heiligenschein 
ist also nach Indien, wo er den Namen bhä-mandala oder 
jjra6Aä'mawda?a „Strahlenkreis" führt, unmittelbar aus dem 
Hellenismus gekommen, woher auch die Gandhära-Kunst 
stammt. 

* Vgl. L. von Schroeder in seinem Anhafig zu dem Werke 
, Amida, von Max van Berchem und Josef Strzygowski** 
(Heidelberg 1910) 380; WZKM. 25. 211 f., 233. 

2 De Waal bei Fr. X. Krau s a. a. 0. IL 496. 

' Senart, Journal Asiatique 1890, Ser. 8* t. 15, p. 146 f. 

* Grünwedel, Buddhistische Kunst in Indien • (Berlin 1900) 
159; F u c h e r , Les Bas-Reliefs Greco-Bouddhiques du Gandhära 
(Paris 1905) 270—340. 



— 128 — 



Zweiter Abschnitt. 

Christliche Einflüsse auf die indischen 

ßehgionen. 



I. Die ältesten Zeugnisse fBr das Christentum in Indien 

Die Thomas-Legende. 

Wenden wir nunmehr unsere Blicke in entgegengesetz- 
ter Richtung, um zu sehen, was Indien dem Christentum 
verdankt, so wird unsere erste Aufgabe sein müssen, die 
frühesten Möglichkeiten der Verbreitung des Christentums 
nach Indien zu erwägen und die ältesten Nachrichten über 
diese Verbreitung zu prüfen. 

Da wäre zunächst zu bemerken, daß die Annahme 
der Einführung christlicher Ideen nach Indien auf dem 
Wege über Alexandria sehr unwahrscheinlich ist. 
Das hat J. Kennedy^ in überzeugender Weise dargetan. 
Die über Alexandria gegangenen Handelsbeziehungen des 
römischen Reichs zu Südindien, die für die beiden ersten 
christlichen Jahrhunderte reichlich durch die in Südindien 
gemachten Funde römischer Münzen (von Augustus ab- 
wärts) bezeugt sind, haben mit Anfang des dritten Jahr- 
hunderts ein Ende. Um diese Zeit nahm der Handel nach 
dem ferneren Orient den Weg teils über den persischen 

' JRAS. 1907, 478, 479, 953—955. 



— 129 — 

Meerbusen, teils über das äthiopische Adule im roten Meer. 
Der Grund dafür ist das von Caracalla im Jahre 215 in 
Alexandria veranstaltete Blutbad, durch das Alexandrias 
Bedeutung für den Welthandel vernichtet wurde. Damals 
fand auch die Kolonie indischer Eaufleute in Alexandria, 
von der Dio Chrysostomus (Orat. 32) aus der Zeit 
Trajans berichtet, ihr Ende, und mit ihr der direkte 
Handelsverkehr Alexandrias mit Indien. Denn mit Cara- 
calla brechen die römischen Münzfunde in Südindien plötz- 
lich ab. 

Nun könnte aber doch die indische Kolonie in Ale- 
xandria vor 215 die Uebertragung christlicher Einflüsse 
nach Indien vermittelt haben? Hier eben liegt die große 
UnWahrscheinlichkeit, die vorher angedeutet wurde. Diese 
indischen Kaufleute, allem Anschein nach Inder dravidi- 
scher Rasse, waren nach dem Zeugnis des Dio Chryso- 
stomus (Orat. 35) ungebildete Leute. Sie werden sich 
für religiöse Fragen ebenso wenig interessiert haben wie 
die griechischen Händler jener Zeit. Die vollkommene 
Gleichgiltigkeit des Verfassers des Periplus des roten 
Meeres gegen religiöse Dinge ist schon oben (S. 23) er- 
wähnt worden. 

Die Inder in Alexandria werden zudem in der Zeit 
der Antonine kaum etwas vom Christentum gehört haben, 
weil die alexandrinischen Christen damals hauptsächlich 
Griechen waren und, da das Christentum verboten war, ihre 
Versammlungen geheim halten mußten. Es konnten zu 
jener Zeit also Christen von etwa in Alexandria anwesen- 
den indischen Buddhisten viel eher Mitteilungen über deren 
Religion erhalten, die die Inder nicht zu verheimlichen 
brauchten, als umgekehrt. 

Einzelne Beziehungen von Indem zu Alexandria aus 
späterer Zeit beweisen nichts für die Möglichkeit der üeber- 

0- a r b e , Indien und das Christentum. 9 



— 130 — 

tragung christlicher Lehren, wie der gegen 500 stattge- 
fundene Besuch der ,, unglaubliche Dinge erzählenden" Brah- 
manen in dem Hause des früheren Konsuls Severus in Ale- 
xandria, von dem Damascius^ berichtet, oder aus dem 
fünften und sechsten Jahrhundert die Bekanntschaft einiger 
gelehrter Inder mit der alexandrinischen Astronomie und 
Astrologie, — eine Kenntnis, die übrigens durchaus nicht 
unmittelbar aus Alexandria zu stammen braucht, sondern 
ebenso gut durch die berühmte Schule von Edessa, die 
später nach Nisibis übersiedelte, vermittelt worden sein 
kann. Beeinflussungen einer volkstümlichen Religion durch 
fremde Glaubensformen gehen nicht so plötzlich vor sich 
wie manchmal Bekehrungen einzelner Personen in Folge 
der überzeugenden und hinreißenden Rede von Missionaren ; 
sondern derartige Beeinflussungen setzen ein allmähliches 
Eindringen fremder Gedanken, mithin eine längere und 
enge Berührung zwischen zwei Religionsgemeinschaften vor- 
aus. Wir müssen uns also hier auf einen ganz anderen 
Standpunkt stellen als in Kap. I des ersten Abschnitts, 
in dem das Verhältnis der buddhistischen und evangeli- 
schen Erzählungen zu einander untersucht wurde. Merk- 
würdige Erzählungen wandern von Mund zu Mund und 
von Volk zu Volk, um schließlich in das Gewand einer 
anderen Religion gekleidet zu werden ; Glaubenslehren aber 
und Kultusgebräuche werden nur bei unmittelbarem, an- 
dauerndem und intimem Verkehr von den Bekennern einer 
anderen Religion übernommen, wenn der Boden für die 
Aufnahme solcher fremden Elemente durch ähnliche reli- 
giöse Stimmung oder Geistesrichtung vorbereitet ist. 

Kommt Alexandria demnach für die Vermittlung christ- 
licher Ideen nach Indien nicht in Betracht, so ist die 



' In Photii Bibliotheca, ed. B e k k e r , IL 340 bei J. Kennedy 
a. a. 0. 956. 



— 131 — 

nächste Frage, welchen Wert die üeberlieferung hat, daß 
der Apostel Thomas in Indien das Christentum gepredigt 
habe. 

In den Acta S. Thomae apostoli, deren syrischer Ur- 
text in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts verfaßt 
worden ist, wird berichtet, daß Christus seinen Sklaven 
Thomas nach Indien verkauft habe, damit er dem König 
der Inder Gondophares (Gundaphorus), der in Jerusa- 
lem einen geschickten Baumeister suchen ließ, einen Palast 
erbaue. Thomas reist auf dem Seewege nach Nordindien 
und erhält von dem König als Baugeld große Summen, 
die er aber sämtlich zu wohltätigen Zwecken für die Ar- 
men verwendet. Als Thomas deshalb von dem erzürnten 
König mit dem Tode bestraft werden soll, wird er durch 
die Erklärung gerettet, daß er von diesen Schätzen dem 
König einen Palast im Himmel erbaut habe. Diesen Pa- 
last sieht der König im Traum. Es gelingt darauf Thomas, 
den König und seinen Bruder Gad zum Christentum zu 
bekehren. Später aber wird er, nach zahlreichen Wunder- 
taten und Massenbekehrungen in einem Nachbarreich, in 
das er sich auf die Bitte eines Feldherrn Siforus begeben 
hatte, auf Befehl eines Königs Mazdai (Misdeus) durch 
Lanzenstiche hingerichtet und am Orte des Martyriums 
begraben. 

Dieser Ort wird in keiner Version der Thomas-Akten 
mit Namen genannt; erst vom siebenten Jahrhundert an 
heißt er KaXajjttvr] in griechischen, Calamina in lateinischen 
Quellen. 

Nach der kirchlichen Tradition sind die Gebeine des 
heiligen Thomas später von dort nach Edessa gebracht 
und im Jahre 394 aus einer älteren kleineren Kirche in 
eine große Basilika übergeführt worden. 

Eine von dieser Thomas-Legende abweichende üeber- 

9* 



— 132 — 

lieferung haben die einheimischen Christen in Südindien 
auf der Malabar- und Koromandel-Küste, die den Apostel 
Thomas als den Gründer ihrer Kirche betrachten und sich 
bis auf den heutigen Tag Thomas-Christen nennen. Nach 
ihrer Tradition soll der Apostel Thomas im Jahre 52 von 
der Insel Sokotara nach Malabar gekommen sein. Sie 
verlegen auch den Ort seines Martyriums und seiner Be- 
stattung, Calamina, nach Mailapur bei Madras. Das älteste 
Zeugnis für diese Lokalisierung findet sich aber erst bei 
Marco Polo, Ende des dreizehnten Jahrhunderts.^ 

Wer an solche Geschichten glaubt, kann den Gegen- 
satz, der zwischen diesen beiden üeberlieferungen besteht, 
nur dadurch ausgleichen, daß er zwei verschiedene Mis- 
sionsreisen des Apostels Thomas nach Indien annimmt. 

Die Tradition der südindischen Thomas- Christen hat 
in der Neuzeit nur vereinzelt in Gelehrtenkreisen Glauben 
gefunden. So bei ß. Collins, der seine üeberzeugung 
dahin ausgesprochen hat, daß der heilige Thomas der Apo- 
stel sowohl von Edessa wie von Malabar gewesen sei. ^ W. 
Germann^ hält die Missionierung Südindiens ebenso wie 
der indo-iranischen Grenzländer durch den Apostel Thomas 
für historisch und glaubt auch an seinen Tod in Mailapur 
bei Madras sowie an die üeberführung seines Leichnams 
von dort nach Edessa. Das ist begreiflich bei einem Manne, 
der auf dem Standpunkt steht, daß „ohne das größte Wun- 
der (die Auferstehung Christi) der christliche Glaube eitel 
wäre" (8. 32). A. E. Medlycott, Bishop of Tricomia, * 
teilt die üeberzeugung Germanns in allen Punkten, ohne 

^ Heute heißt der Ort so, wie die Portugiesen ihn bei ihrer An- 
kunft in Indien auf Grund der bei den Nestorianern vorgefundenen 
Legende genannt haben: St. Thome. 

2 lA. IV. 155. 

3 Die Kirche der Thomas- Christen (Gütersloh 1877). 
* India and the Apostle Thomas (London 1905). 



— 133 — 

sie durch die Masse seines gelehrten, aber für die Frage 
der Geschichtlichkeit belanglosen Materials beweisen zu 
können. In die Fußstapfen dieser Männer ist unlängst ein 
junger Forscher, Karl Heck, mit einer Untersuchung ^ ge- 
treten, die von wissenschaftlichem Ernst und umfangreichem 
Wissen zeugt, aber natürlich Unmögliches nicht beweisen 
kann. Heck begründet die Identifizierung von Mailapur 
mit Kalamine durch die Erklärung, daß Kalamine nichts 
anderes heiße als eine „Stadt des Eeiches Kola^ an der 
Koromandelküste (S. 34, 42). In Mazdai erkennt er einen 
südindischen König Mahädeva (S. 19). Das sind reine Phan- 
tasien, und wir werden weiter unten sehen, daß mit den 
Namen Kalamine und Mazdai noch ganz anderes' gemacht 
worden ist. Interessant sind die Ausführungen Hecks in 
dem ersten Teil seiner Schrift über die Verbreitung der 
Juden zur Zeit Christi — nach Hecks Meinung sind* die 
Judengemeinden im Orient die Anziehungspunkte für den 
Apostel Thomas und die Stationen seiner angeblichen Rei- 
sen gewesen (S. 13, 38, 40) — ; und anzuerkennen ist, daß 
Heck S. 39 für die Missionsreise des Apostels nach dem 
Reiche des Gondophares wenigstens den Landweg über 
Edessa, Nisibis und Seleucia annimmt und nicht mit der 
Erzählung in den Thomas-Akten den Seeweg. 

Im Allgemeinen hat in wissenschaftlichen Kreisen seit 
lange die Anschauung geherrscht, daß nicht nur die Tra- 
dition der südindischen Thomas-Christen, sondern auch die 
Legende der Thomas- Akten jeder historischen Grundlage 
entbehre. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich — 
namentlich in Frankreich, England und Amerika — ein 
Umschwung vollzogen, seitdem sich durch Münzfunde und 



* Karl Heck (Lehramtspraktikant in Radolfzell), Hat der hei- 
lige Apostel Thomas in Indien das Evangelium gepredigt? Eine hi- 
storische Untersuchung. 1911. 



— 134 — 

die Inschrift von Takht-i-Bahi ergeben hat, daß ein König 
Guduphara (= Grondophares) über Parthien und die indo- 
iranischen Grenzlande in der ersten Hälfte des ersten 
Jahrhunderts nach Chr. geherrscht hat, daß also der in 
dem ersten Teile der Thomas- Akten auftretende indische 
König für den Schauplatz und die Zeit des angeblichen 
Apostolats des Thomas historisch bezeugt ist. Diese Tat- 
sache hat einen starken Eindruck gemacht und bei einer 
ganzen Reihe namhafter Forscher die üeberzeugung her- 
vorgerufen, daß dem Teil der Thomas-Legende, der den 
Apostel in Parthien und im Nordwesten Indiens wirken 
läßt, eine glaubwürdige Erinnerung zugrunde liege. Diese 
üeberzeugung fand dann in Erwägungen über den inter- 
nationalen Handelsverkehr der damaligen Zeit eine weitere 
Stütze. 

Der erste, der die Frage aufgeworfen hat, ob nicht 
tatsächlich zeitgenössische Beziehungen zwischen dem Apos- 
tel Thomas und dem durch die Münzfunde als historisch 
erwiesenen König Gondophares bestanden haben, ist R e i- 
naud im Jahre 1849 gewesen. Aber mit dem Versuch 
wissenschaftlicher Begründung hat sich in diesem Sinne 
erst der ausgezeichnete französische Indologe Sylvain 
L e V i ausgesprochen ^ ; in dem Schlußsatze seines Artikels 
(S. 42) wird aber immerhin noch die Reise des Apostels 
Thomas nach Indien in einer Apposition als „reel ou ima- 
ginaire" bezeichnet. Völlig oder nahezu völlig von der 
Geschichtlichkeit dieser Reise überzeugt haben sich dann 
erklärt W.E. HopkinsS W. R. Phillips«, J. F. Fleet*, 
W. W. H unterS Vincent A. Smith«, G. Grier- 

* Journal Asiatique 1897, I, 27 f. 

* India old and new, 141. 

« lA. 32. 1 f., 145 f. * JRAS. 1905. 228 f. 

» The Indian Empire ^ 286. 

6 The early history of India« 218-221. 



— 135 — 

son^ und von deutschen Forschern hauptsächlich der Je- 
suitenpater Joseph Dahlmann, mit dessen Buch über 
den Gegenstand ^ wir uns näher beschäftigen müssen. 

Die genannten ausländischen Gelehrten haben dabei 
nicht bemerkt, daß sie Opfer eines Trugschlusses geworden 
sind. Sie haben daraus, daß der König der Thomas-Le- 
gende historisch ist, ohne weiteres den Schluß gezogen, 
daß auch das Apostolat des Thomas in dem Reiche dieses 
Königs historisch sei, und übersehen, wie außerordentlich 
häufig es vorkommt, daß in Legenden, hinter denen nie- 
mand einen geschichtlichen Vorgang vermuten wird, eine 
aus der Geschichte bekannte Persönlichkeit — insbesondere 
ein König — auftritt. Auf Dahlmann findet diese Be- 
merkung nicht Anwendung, denn er hat sich die Möglich- 
keit vorgehalten, „daß in das Gewebe der Sage einige wirk- 
lich historische Züge eingeflochten sind, und doch wäre 
mit dieser Feststellung für die Frage der Glaubwürdigkeit 
oder Unglaubwürdigkeit der sagenhaft ausgesponnenen 
Ueberlieferung wenig gewonnen. Denn es können einzelne 
geographische und geschichtliche Züge in die Sage ver- 
woben sein, Namen historischer Persönlichkeiten, 
Begebenheiten, deren Tatsächlichkeit außer Zweifel steht, 
Ortsangaben, die der Wirklichkeit entsprechen, und doch 
kann der ueberlieferung als solcher die innere Glaubwür- 
digkeit fehlen."* Ich kann aber nicht finden, daß Dahl- 
mann sich von dem kritischen Geist, der aus diesen 
Worten spricht, bei seiner Untersuchung hat leiten lassen. 

Ferner sagt Dahlmann S. 6: „In einen dunkeln 

» JRAS. 1907. 312; ähnlich ERE. IL ,548 b- 

^ Die Thomas-Legende und die ältesten historischen Beziehungen 
des Christentums zum fernen Osten im Lichte der indischen Alter- 
tumskunde (107. Ergänzungsheft zu den ^Stimmen aus Maria-Laach", 
Freiburg i./Br. 1912). 

8 A. a. 0. 12, 13. 



— 136 — . 

und verdächtigen Winkel der frühchristlichen Literatur, 
wo wir Schritt für Schritt auf das üppig wuchernde 
Schlingwerk freier Erfindung stoßen, sehen wir uns versetzt, 
wenn wir die Apokryphen zum Führer nehmen. Dichteri- 
sche Phantasie treibt da ein so willkürliches Spiel, daß es 
unmöglich scheint, die Grenze zwischen Wahrheit und Dich- 
tung, historischer üeberlieferung und willkürlicher Aus- 
schmückung zu ziehen. Die Erzählung von des Apostels 
Fahrt nach Indien macht hiervon keine Ausnahme. " Diese 
Bemerkungen sind vollkommen richtig; aber die Nutzan- 
wendung aus ihnen hat D ah Im an n nicht gezogen, sondern 
vielmehr die Thomas- Akten, die zudem , durchaus keine 
Kenntnis indischer Verhältnisse, Sitten und Bräuche oder 
auch nur indischer Landschaften verraten" ^, als eine his- 
torische Quelle von der größten Wichtigkeit ver- 
wertet. 

unter Benutzung dessen, was wir über den Seeverkehr 
und die Handelsbeziehungen im ersten Jahrhundert nach 
Chr. und über die Kunst des Gandhära-Landes (d. h. des 
Kabultales und der benachbarten Gegenden) wissen, und 
alles sonstigen für die Frage verwertbaren Materials hat 
Dahlmann mit der ihm eigenen Beredsamkeit beweisen 
wollen, was zu glauben ihm ein Herzensbedürfnis ist und 
was sich doch nicht beweisen läßt. Er befindet sich hier, 
wie schon bei mehreren früheren Arbeiten, in der bedauerns- 
werten Lage, daß er mit großer Gelehrsamkeit, Energie 
und Begeisterung für eine unhaltbare Position kämpft. Es 
gilt auch hier, was einst ein verdienter katholischer Indo- 
loge über ein älteres Werk von Dahlmann gesagt hat": 
„unabsichtliche Selbsttäuschung scheint in der Tat bei un- 



^Winternitz, Deutsche Lit. Ztg. 1913, 1755. 
«Edm. Hardyim Lit. Zentralbl. 1898, 1194. 



— 137 — 

serem Verfasser neben unverkennbarer Tendenz herzugehen 
und ihm einen bösen Streich zu spielen." 

Die Geschichtlichkeit des Kernes der Thomas-Legende 
liegt Dahlmann aus folgendem Grunde besonders am 
Herzen. Schon einige Jahre früher^ hatte er zu erweisen 
gesucht, daß die im Anfang unserer Zeitrechnung im äußer- 
sten Nordwesten Indiens entstandene Mahäyäna-Schule des 
Buddhismus ihre wertvollsten Gedanken christlichen Ein- 
flüssen verdanke und daß nur in Folge dieser Bereicherung 
der nördliche Buddhismus seine ungeheure Ausdehnung ge- 
wonnen habe. Die völlige Haltlosigkeit dieser Dahlmann- 
sehen These werde ich in dem nächstfolgenden Kapitel ein- 
gehend erweisen. 

Wenn man sieht, was Dahlmann bezweckt, so ver- 
steht man, wie viel ihm darauf ankommen mußte, den Be- 
weis dafür zu liefern, daß das Christentum schon um die 
Mitte des ersten Jahrhunderts in das indische Grenzland 
eingedrungen sei. Dazu gebrauchte er die Geschichtlichkeit 
des Apostolats des Thomas in jener Gegend notwendig. 
Zu den Gründen, die schon seine Vorgänger dafür beige- 
bracht hatten, hat Dahlmann in den „Indischen Fahrten** 
einep neuen hinzugefügt: die Vereinigung von Apostolat 
und Kunsthandwerk in der Person des Thomas. Dahl- 
mann glaubte durch die Wirksamkeit des Apostels Tho- 
mas in den indischen Grenzgebieten den vermeintlichen 
christlichen Einfluß in der Kunst von Gandhära erklären 
zu können. In seinem neuen Werke nimmt Dahlmann 
einen etwas abweichenden Standpunkt ein. Er giebt zu, ^ 
daß die allgemeinen Aehnlichkeiten, die zwischen der früh- 
christlichen Kunst und der Kunst von Gandhära bestehen. 



1 In seinen , Indischen Fahrten** (Freiburg i./Br. 1908, 2 Bde.) 
Kap. 25—27. 

* Thomas-Legende 96 f. 



— 138 — 

sich dadurch erklären lassen, daß die Künstler beider Grup- 
pen aus einundderselben Quelle geschöpft haben, nämlich 
aus der klassischen Kunst der römischen Kaiserzeit; und 
weiter^ sagt er: „Daß der Buddhatypus von Gandhära im 
Anschluß an einen Christustypus entstanden sein soll, wie 
Fergusson ebensowohl als Smith anzunehmen geneigt 
sind, ist nicht bloß unwahrscheinlich, sondern geradezu 
unmöglich. '^ Aber er legt doch das größte Gewicht darauf, 
„daß das dem Apostel in der Legende zugewiesene parthisch- 
indische Arbeitsfeld gerade durch besondere Beziehungen 
des Handels und der Kunst mit jener römischen Provinz 
(Syrien) verbunden ist, von der das Christentum ausging". « 

Der Argumentation mit der legendarischen Kunst- 
übung des Apostels möchte ich die treffende Bemerkung 
0. Weckers^ entgegenhalten, daß in der Thomas-Legende 
der christliche Apostel nicht mit jener Art von Kunsttätig- 
keit, die am klarsten den Zusammenhang zwischen Gandhära 
und dem Westen bekundet, mit der Skulptur, in Beziehung 
gebracht wird, sondern mit der Tätigkeit eines Baumeisters, 
Zimmermanns, Architekten, die vermutlich durch das dem 
christlichen Sprachgebrauch geläufige Bild von dem Bauen 
der Kirche oder des Tempels zu erklären sei. 

Dagegen hat Winternitz, der im üebrigen durch- 
aus auf dem von mir vertretenen Standpunkt steht, geltend 
gemacht*, daß in dem syrischen Text der Thomas- Akten 
der Apostel zu dem Kaufmann Habbän sagt, der ihn aus 



^ S. 100. « S. 108. 

8 Tübinger Theol. Quartal-Schrift, 92. 561. Wecker hat mit 
glücklicher Kritik die Beweisführung Dahlmanns entkräftet, ist 
aber dem Glauben an den geschichtlichen Charakter der Thomas- 
Legende nicht mit der wünschenswerten Entschiedenheit entgegen- 
getreten. Für ihn besteht noch die Möglichkeit, daß Thomas wirk- 
lich in Indien gewesen sei. Ebendas. 559, 560. 

* Deutsche Lit. Ztg. 1913, 1752. 



— 139 — 

Jerusalem holt: „In Holz habe ich gelernt Pflüge und 
Joche und Ochsenstachel zu machen und Ruder für Boote 
und Mäste für Schiffe; und in Stein Grabsteine und 
Monumente und Paläste für Könige.** Winter- 
nitz meint, daß man bei den Grabsteinen und Monumen- 
ten sowie bei der Ausschmückung der Paläste ja gewiß an 
die Gandhära-Skulpturen denken könne. Ich möchte das 
bestreiten; denn Thomas wird nach der Legende lediglich 
zu dem Zwecke geholt, dem König Gondophares einen Pa- 
last zu erbauen, und in der griechischen Version der 
Thomas-Akten erklärt Thomas an der entsprechenden Stelle 
nur, daß er verstehe „aus Steinen (Grab-) Säulen und Tem- 
pel und königliche Paläste** zu verfertigen. So wird wohl 
auch der syrische Text zu verstehen sein. Sehr richtig aber 
ist, was Winternitz weiter sagt: „So sicher historisch 
die Abhängigkeit der Gandhärakunst von dem Westen ist, 
so ist es nicht gerade wahrscheinlich, daß man die grie- 
chischen Künstler in den Straßen Jerusalems gesucht 
haben wird.** 

Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß der Apostel 
Thomas nach der Legende in dem Reiche des Gondophares 
gar nicht einmal gebaut hat und daß er nicht auf dem 
Landweg durch Syrien, sondern auf dem Seeweg in dieses 
Reich gekommen sein soll. Mit der Kunsttätigkeit des 
Apostels und mit den Beziehungen der Kunst zwischen 
dem parthisch-indischen Reich und Syrien ist also in Dahl- 
manns Sinne nichts anzufangen, und es ist ein einfacher 
Trugschluß, wenn dieser S. 109, 110 sagt: „Die histori- 
schen Elemente, welche in die Legende verwoben sind, 
lassen sich auf zwei grundlegende Data zurückführen: auf 
die Verbindung des Apostelnamens mit dem Namen eines 
parthisch-indischen Königs und auf dessen Beziehungen 
zur Kunst des Westens. Aus dieser doppelten Beziehung 



— 140 — 

ergiebt sich die Schlußfolgerung, daß der Kern der Ueber- 
lieferung, d. h. die Kunde von einer Missionsreise, welche 
den Apostel Thomas in Verbindung brachte mit einem 
parthisch-indischen Reiche, nicht erfunden sein kann, son- 
dern auf historischer Grundlage beruhen muß." 
Charakteristisch ist die Art, wie Dahlmann den 
zweiten Teil der Thomas-Legende von dem Martyrium und 
der Bestattung des Apostels in dem Reiche des Königs 
Mazdai seinen Zwecken dienstbar macht. Dahlmann 
übernimmt Sylvain Levis ganz zweifelhafte Identifikation 
des Königs Mazdai mit dem indoskythischen König Väsu- 
deva (inschriftlich BAZOAEO), in dem Sylvain Levi 
einen Zeitgenossen des Gondophares zu finden geglaubt 
hat. Nun hat aber Väsudeva erheblich später gelebt als 
Gondophares, aller Wahrscheinlichkeit nach erst um die 
Wende des zweiten und dritten Jahrhunderts, so daß Dahl- 
mann genötigt ist, das Martyrium des Apostels als er- 
duldet im Reiche des Königs Mazdai für eine Erfindung 
der dichtenden Phantasie zu erklären. Nichtsdestoweniger 
findet Dahlmann einen historischen Kern auch in die- 
sem Teil der Thomas-Legende ; für ihn ist nämlich Mazdai 
ein wirklicher König, der über das Gebiet, das den Wir- 
kungskreis des Apostels gebildet haben soll, zu der Zeit 
herrschte, als dessen Reliquien angeblich aus Indien nach 
Syrien gebracht wurden. „Der Anachronismus, wel- 
cher einen Fürsten, der 150 Jahre später lebte, in einen 
Zeitgenossen des Apostels verwandelte, wurde veranlaßt 
durch die Nachricht, daß die Ueberreste aus dem Reiche 
des Königs Mazdai kamen" (S. 147). Eine ganz willkür- 
liche Annahme! Daß Dahlmann auch an die Tradition 
von der üeberführung der Gebeine des Thomas nach Edessa 
glaubt, war nach dem ganzen Zusammenhang seiner Aus- 
führungen zu erwarten. 



— 141 — 

Auch die anderen Namen des zweiten Teiles der Tho- 
mas-Akten weiß Dahlmann historisch und geographisch 
zu deuten. Der Feldherr Siforus ist der parthische Satrap 
Sitapharna, der Ort des Martyriums Kalamine ist Kalyäna 
in der Nähe von Bombay, der Berg Gazus, auf dem nach 
der Passio Thomas den Tod findet, sind die Ghats (S. 153, 
156, 157). In phantasievollen Kombinationen ist Dahl- 
mann ein Meister. Selbst in der von ihm für unglaubwürdig 
gehaltenen Tradition der südindischen Thomas-Christen 
findet er in dem Schlußkapitel seines Buches ein wertvolles 
Zeugnis für den historischen Charakter der nordindischen 
üeberlieferung. 

In Wirklichkeit ist die ganze Thomas-Legende eben- 
so erdichtet, wie es ja selbst nach Dahlmanns Meinung 
das Martyrium des Apostels im Beiche des Mazdai ist. 
Das ist schon im Jahre 1864 durch die Kritik klar ge- 
stellt worden, die Alfredvon Gutschmid an der 
Thomas-Legende in seiner berühmten Abhandlung „Die 
Königsnamen in den apokryphen Apostelgeschichten"^ ge- 
übt hat. Gutschmid hat mit Recht die große innere 
UnWahrscheinlichkeit betont, daß das Christentum sich so 
frühzeitig nach einer so entlegenen Gegend verbreitet haben 
sollte, bevor es noch in Westiran irgendwo festen Fuß ge- 
faßt hatte ; denn der natürliche Weg von Syrien nach In- 
dien sei der Landweg gewesen. Gutschmid hat dann 
weiter den in der Hauptsache auch heute noch zu Recht 
bestehenden Nachweis geliefert, daß der erste Teil der Tho- 
mas-Legende die Umwandlung einer buddhistischen 
Missionsgeschichte ist^ Gerade in der Zeit, in der die 
Thomas-Legende spielt, ist Weiß-Indien oder Arachosien 
(also das eigentliche Reich des Gondophares) zum Buddhis- 

* Kleine Schriften, herausgegeben von Franz Rühl, IL 332 f. 
» Von Winternitz abgelehnt, Deutsche Lit. Ztg. 1913, 1754. 



— 142 — 

mus bekehrt worden. Es liegt also hier ein ganz ähnlicher 
Fall vor, wie bei der Bartholomäus-Legende, die ursprüng- 
lich eine jüdische Bekehrungsgeschichte war, deren Schau- 
platz Armenien oder Medien gewesen ist, die aber später 
in christlichem Sinne umgeformt und nach Indien verlegt 
worden ist*. Ernst Kuhn identifiziert nach einer brief- 
lichen Mitteilung in einleuchtender Weise den indischen 
König in der Passio Bartholomaei, Polymius, mit Pulu- 
mäyi. Ich nehme an, daß von den drei Ändhra-Königen 
dieses Namens Pulumäyi I (26 — 58) und nicht P. II (138 
bis 170) oder P. III (229—236) « gemeint ist. Wir hätten 
dann in der Bartholomaeus-Legende genau denselben Fall 
wie in der Thomas-Legende, daß nämlich ein bekannter 
indischer König aus der Mitte des ersten Jahrhunderts in 
die apokryphe Apostelgeschichte verwoben ist. 

Ebenso hat mich Ernst Kuhn freundlichst darauf 
aufmerksam gemacht, daß der Palast, den Thomas dem 
König Gondophares im Himmel erbaut haben will, den bud- 
dhistischen Vimänas entspricht, von denen das Vimänavat- 
thu seinen Namen erhalten hat (eine Beschreibung der 
himmlischen Wohnungen und ihrer Freuden mit Angabe der 
guten Werke, für welche die Bewohner dieser himmlischen 
Welten durch den Genuß solcher Wonnen belohnt werden). * 



» Wecker, Tüb. Theol. Quart.-Schr. 92. 556. 

* Die Regierungszeiten nach der annähernden Berechnung von 
Vincent A. Smith, The early history of India • auf der chrono- 
logischen Tafel hinter p. 202. 

' Diese Kombination wird von Winternitz, a. a. 0. 1754, mit 
meines Erachtens unzureichender Begründung bestritten. Vielleicht 
wird Winternitz seinen Widerspruch aufgeben, wenn er von der 
weiteren Beobachtung Kuhns erfährt, daß die Schilderung von Gads^ 
des Bruders des Gondophares, Besuch in der Hölle — wenigstens in 
dem syrischen Gedichte des Jakob von Sarug — geradezu an die 
Geschichte der Revati im Vimänavatthu (Kap. 52) erinnert. S. R. 
Schröter, Gedicht des Jakob von Sarug über den Palast, den der 



— 143 — 

Die Umschmelzung des buddhistischen Originals in 
die Thomas-Legende ist kaum vor Anfang des dritten Jahr- 
hunderts vorgenommen worden. Gutschmid hat die 
sehr wahrscheinliche Ansicht ausgesprochen, daß die Chris- 
ten die vorauszusetzende buddhistische Bekehrungsgeschichte 
durch den syrischen Gnostiker Bardesanes kennen gelernt 
haben, der über buddhistische und indische Zustände über- 
haupt gut unterrichtet gewesen ist. 

Vor dem dritten Jahrhundert hat es keinesfalls Chri- 
sten in den indischen Grenzgebieten gegeben. In der Mitte 
des zweiten beginnt ja überhaupt erst die weitere Ausbrei- 
tung des Christentums. Die älteste Nachricht über das 
Vorhandensein von Christen in Parthien und in dem nord- 
westlichen Indien bei Origenes — also aus der ersten Hälfte 
des dritten Jahrhunderts — ist eine indirekte^. In etwas 
frühere Zeit, d. h. in den Anfang des dritten Jahrhun- 
derts, würde uns die Angabe des Bardesanes führen, der 
von der Existenz christlicher Gemeinden in Parthien, Me- 
dien, Persien, unter den Baktrem und Gelen spricht. ^ Da 
nun aber nach neueren Forschungen das syrische Original 
„Vom Schicksal", aus dem diese Angabe stammt, nicht 
von Bardesanes selbst, sondern von einem seiner Schüler 
herrührt, so ist die Notiz wahrscheinlich jünger als die des 
Origenes. Wenn dieser Schüler des Bardesanes etwas von 
Christen in den indischen Grenzgebieten gewußt hätte, so 
würde er das gewiß bei seiner Aufzählung nicht verschwiegen 
haben. Es bleibt also immerhin zweifelhaft, ob das erst- 
malige Eindringen des Christentums in das Indusland schon 
in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts fällt. 

Apostel Thomas in Indien baute, ZDMG. 25, 360 f., und L. Scher- 
man, Materialien zur Geschichte der Indischen Visionslitteratur, 56 f. 

* Harnack, Mission und Ausbreitung des Christentums in den 
ersten drei Jahrhunderten* 11. 126. 

• Bei E u s e b i u s , Praep. Evangel. VI. 10. 



— 144 ~ 

Von Thomas wissen wir geschichtlich lediglich nichts, 
als daß er einer der zwölf Apostel gewesen ist, die 
W e 1 1 h a u 8 e n für ein nach Jesu Tode eingesetztes Kol- 
legium erklärt. Ich darf hier aus einem Briefe, den mir 
Th. Nöldeke am 6. Januar 1910 über diese Frage ge- 
schrieben hat, ein paar Sätze anführen, deren Mitteilung 
mir nützlich erscheint. „Die Einführung des Thomas im 
Johannes-Evangelium ist so willkürlich wie eine ganze An- 
zahl ähnlicher Anführungen von Personen und Ortsnamen 
im 4. Evangelium. — Die Angabe, daß die Leiche des 
Thomas nach Edessa transferiert worden ist (die älteren 
Quellen lassen das „aus Indien^ dabei noch weg), ist 
wohl nur eine Ausgleichung von zwei Traditionen: der einen, 
die ihn in Edessa begraben sein läßt, wo sein Sarkophag ge- 
zeigt werde, und der andern in der Legende [von seiner Be- 
stattung in Indien]. Historisch ist natürlich beides nicht." 

Alle Forscher, welche die Neigung haben, die Grund- 
lage der Thomas-Legende, d. h. das Apostolat in den indo- 
iranischen Grenzlanden, für historisch zu halten^, werden 
meines Erachtens dazu durch einen (vielleicht unbe- 
wußten) apologetischen Drang getrieben. Sie merken aber 
dabei nicht, wie sehr von ihnen, wenn sie Recht hätten, 
die „buddhistische Gefahr" für das Neue Testament ge- 



* Zu diesen ist neuerdings G. F a b e r getreten, der in seiner 
Schrift „Buddhistische und neutestamentliche Erzählungen" S. 24 sich 
dahin ausspricht, daß die Authentie der apokryphen Thomasakten 
,nach der kürzlich veröftentlichten, äußerst scharfsinnigen und um- 
fassenden Abhandlung von Joseph Dahlmann seines Erachtens 
nicht wohl mehr in Frage gestellt werden kann". Diesen Satz und 
die weiteren Ausführungen darüber S. 26, 27 würde F a b e r wohl 
nicht geschrieben haben, wenn er meine Besprechung des Dahl- 
mann sehen Buches in der Ostasiatischen Zeitschrift I. 360 f. oder 
Winternitz's spätere Kritik in der Deutschen Lit. Ztg. 1918, 
1750 f. gelesen hätte. Jedenfalls wird Faber unter den deutschen 
Tndologen keinen finden, der seinem Urteil beipflichtet. 



— 145 — 

steigert würde. Denn wenn es in einem von vielen Bud- 
dhisten bewohnten Lande schon um die Mitte des ersten 
Jahrhunderts, also vor der Abfassungszeit der Evangelien, 
Christen gegeben hätte, so würden die natürlichen Verbin- 
dungen dieser Christen mit Syrien und Palästina die um- 
strittene üebertragung buddhistischer Elemente in die Evan- 
gelien — besonders in die zwei, welche die Namen des 
Lukas und Johannes tragen — in viel klarerem Lichte er- 
scheinen lassen, als dies ohne die geschichtliche Grundlage 
der Thomas-Legende der Fall ist. 

Die völlige ünglaubwürdigkeit der Thomas-Legende 
mußte festgestellt werden, damit wir in wissenschaftlicher 
Weise an die Frage herantreten können, seit wann die so- 
genannten Thomas-Christen in den südindischen Küsten- 
ländern ansässig und woher sie gekommen sind. Leider 
ist die Vorfrage, wie der Name Thomas-Christen entstanden 
ist, nicht mit Sicherheit zu beantworten. Da bieten sich 
verschiedene Möglichkeiten der Erklärung. Entweder haben 
Reisende des frühen Mittelalters die von ihnen in Süd- 
indien vorgefundenen Christen auf Grund der bekannten 
Thomas-Legende „Christen des heiligen Thomas" genannt, 
und die eingeborenen Christen haben diese Bezeichnung 
angenommen und beibehalten. Das ist die Ansicht von 
Burneil. ^ Oder aber der Name ist nach einer nicht 
selten geäußerten Vermutung durch eine Verwechslung des 
Apostels Thomas mit Thomas von Cana (auch Thomas Kama 
oder ähnlich und Mar Thomas genannt) entstanden, unter 
dessen Führung im Jahre 746 eine größere Anzahl von 
Christen — angeblich aus Bagdad, Ninive und Jerusalem — 
in Malabar einwanderte und die dort bestehenden christ- 
liehen Gemeinden verstärkte, auf die dieser Zuzug einen 
1 lA. m. 309. 

Garbe, Indien und das Christentum. 10 



— 146 — 

starken Eindruck gemacht haben muß. Dieser Thomas hat 
für die neu eingewanderten Christen die Stadt Mahädeva- 
pattana in der Nähe von Cranganore gegründet, viele Kir- 
chen in jener Gegend erbaut, Seminarien für die Ausbildung 
der Geistlichen errichtet und den Thomas-Christen bedeu- 
tende Privilegien bei dem Landesfürsten erwirkt. ^ 

Es liegen auch noch andere Yerwechslungsmöglichkeiten 
vor; denn es hat in jenen Zeiten eine ganze Anzahl be- 
achtenswerter Männer mit dem Namen Thomas gegeben.^ 

Eine von diesen beiden Möglichkeiten abweichende 
Auffassung vertritt W. W. H u n t e r *, der von dem Ge- 
danken ausgeht, daß sich im siebenten Jahrhundert die 
persische Kirche den Namen der Thomas-Christen beigelegt 
habe und daß sich diese Bezeichnung mit der Zeit auf alle 
Abzweigungen jener Kirche, also auch nach Malabar aus- 



* G. M. Rae, The Syrian church in India, 162, 163; Lassen, 
Indische Altertumskunde II* 1121; Karl Heck, Hat der heilige 
Apostel Thomas in Indien das Evangelium gepredigt? 21, 22. Die 
Nachrichten über diesen „Thomas Gananaeus*^ widersprechen sich 
mehrfach; seine Herkunft wird auch nach Jerusalem und nach Ar- 
menien verlegt. Jedenfalls war er ein einflußreicher und sehr wohl- 
habender Kaufmann, der als Bischof der südindischen Christen sein 
Leben beschlossen hat. Er wird von K. Kessler in Herzogs Real- 
encyklopädie ' XIII. 785 in den Anfang des neunten Jahrhunderts ge- 
setzt, von G e r m a n n (Die Kirche der Thomaschristen 92) und An- 
deren (bei V. A. Smith, The early history of India* 222, Anm. 1) 
gar schon in das Jahr 345. Die Uebereinstimmung der beiden letz- 
ten Zahlen in den Daten 745 und 845 legt die Vermutung nahe, daß 
es sich bei der Angabe 845 um einen alten, weiter geschleppten 
Schreib- oder Druckfehler für 745 handelt. Ad. Lipsius, Die 
apokryphen Apostelgeschichten I (1888) 288 f., hat Germanns 
Angaben über die wirren, auf diesen Mann bezüglichen Traditionen 
übernommen, ohne an der Doppelzahi 845/745 Anstoß zu nehmen. 
Lassen a. a. 0. bietet das Jahr 485. Da haben wir wieder die 
drei Ziffern der Jahreszahl 845 in andrer Gruppierung. 

« Ger mann 99—101. 

8 The Indian Empire » 287. 



— 147 — 

gedehnt habe. Die alte Legende von dem Manichäer Tho- 
mas aus dem dritten Jahrhundert und die spätere Wirk- 
samkeit des eben genannten Thomas von Cana, des Er- 
neuerers der Kirche von Malabar, im achten Jahrhundert 
habe dann die Wertschätzung jenes Namens bei den süd- 
indischen Christen erhöht. Soweit scheinen die Annahmen 
Hunters in unbegründeten Vermutungen zu bestehen. 
Danach aber laufen seine Ausführungen auf die alte sehr 
wahrscheinliche Verwechslungstheorie hinaus, wenn er die 
Bemerkung anfügt, daß dann die südindischen Christen in 
ihrer verhältnismäßigen Isolierung und Unwissenheit viel- 
leicht die drei Namen zusammengeworfen und die Legenden 
von den drei Thomasen auf die Person des Apostels kon- 
zentriert haben. Vor Ablauf des vierzehnten Jahrhunderts 
habe dieser Prozeß seinen Abschluß in der üeberzeugung 
jener Christen gefunden, daß ihr heiliger Thomas und 
Christus ein und dieselbe Person sei. Der letzten Bemer- 
kung H u n t e r s liegt eine unzutreffende Vorstellung ' zu 
Grunde; denn Thomas, der „Zwillingsbruder des Herrn", 
ist auch sonst oft mit Christus verwechselt worden, nament- 
lich "von den syrischen Christen. Die Identifizierung ist 
also nicht das Werk der isolierten Thomas-Christen in 
Malabar gewesen, sondern stammt aus dem Heimatlande 
des Nestorianismus. 

Das Alter der Thomas- Christen in Südindien ist nicht 
leicht zu bestimmen. In seiner leider ganz kurzen Behand- 
lung des Gegenstandes sagt Harnack* mit Recht: „Daß 
die > Thomaschristen«, welche man im 16. Jahrhundert in 
Indien wieder entdeckte*, bis ins 3. Jahrhundert hinauf- 

^ Mission und Ausbreitung des Christentums* IL 126, 127. — 
H. Achelis, Das Christentum in den ersten drei Jahrhunderten 
(2 Bde., Leipzig 1912), berührt die Frage der Verbreitung des Chri- 
stentums nach Indien überhaupt nicht. 

* Harnack hat übersehen, daß schon Marco Polo Ende 

10* 



— 148 — 

gehen, läßt sich nicht erweisen.*" In Frankreich, England 
und Amerika ist man anderer Meinung. In diesen Län- 
dern scheinen die Gelehrten von dem Wunsche beseelt zu 
sein, die Glaubwürdigkeit apokrypher Legenden zu erweisen 
und die Verbreitung des Christentums in ein höheres Älter 
hinaufzurücken, als die strenge historische Kritik zugeben 
kann. Ich erinnere an die Beurteilung der Thomas-Legende 
von Seiten jener Gelehrten. Hopkins^ konstatiert ohne 
irgend welche Einschränkung, „that Pantaenus was expressly 
sent to teach the Brahmans in India, and found a Chri- 
stian church already established there in 190 A. D." Diesen 
Glauben teilen W. W. H u n t e r ^ und J. Kennedy^, 
während in Deutschland die allgemeine und wohlberechtigte 
Annahme dahin geht, daß unter dem Indien, in das Pan- 
taenus (nach Eusebius, Hist. eccl. V. 10) als Missionar 
aus Alexandrien gelangte, Südarabien zu verstehen ist. ^ 

des dreizehnten Jahrhunderts dies getan hat und daß darauf noch 
mehrere Zeugnisse aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert 
folgen. A. Burneil sagt lA. IIL 311 Anm. : ^The most important 
historical notices of Nestorians and Syrians in India which I can 
find are: 1) by Friar Odoricus, who about the beginning of the 14^^ 
Century was in S. India, and mentions 15 houses of Nestorians at 
St. Thomas's shrine; 2) by Nicolo Conti, who travelled in India in 
fhe 15'!» Century. Speaking of Malepur (St. Thome) he says; »Here 
the body of St. Thomas lies honourably buried in a very large and 
beautiful church ; it is worshipped by heretics who are called Nesto- 
rians and inhabit this city to the number of a thousand. These Ne- 
storians are scattered over all India.« (India in the 15**1 Century, 
published by the Hakluyt Society, p. 7).** Außerdem hat in der Mitte 
des vierzehnten Jahrhunderts der Reisende Giovanni de' Mari- 
g n o 1 1 i über den Platz und die an ihm haftende Thomas-Legende 
berichtet. Colonel Yule, Cathay and the way thither (Hakluyt 
Society, 1866) IL 375; Rae, the Syrian church in India, 124, 125; 
Encyclopaedia Britannica s. v. MarignoUi. 

^ India old and new, in dem Aufsatz „Christ in India*, 141. 

2 The Indian Empire» 285. 

8 JRAS. 1907. 479, 955, 956. 

* H a r n a c k , a. a. 0. 126 ; G. Krüger in Herzogs Real- 



— 149 — 

Ganz Südasien hieß dazumal India; und wenn Eusebius 
berichtet, daß Pantaenus in Indien schon eine christliche 
Gemeinde vorgefunden habe, die im Besitz des Evangelium 
Matthaei in hebräischer Sprache war, so kann man in der 
Tat nur an ein näher gelegenes Land, d.h. an Südarabien, 
denken, wo damals Juden in großer Zahl wohnten. 

Unmittelbar vor der eben angeführten Notiz über Pan- 
taenus sagt Hopkins ohne Quellenangabe: „We know 
also that a great colony of Jews emigrated from Palestine 
— ten thousand in all — and settled on the Malabar coast 
in A. D. 68." Nun gehört zwar diese Bemerkung gar nicht 
recht in den Zusammenhang des Aufsatzes „Christ in In- 
dia"; denn die Juden werden sich die Verbreitung des 
Christentums in Indien gewiß nicht haben angelegen sein 
lassen. Aber die ünglaublichkeit der Nachricht an sich 
liegt auf der Hand und wird noch durch die Erwägung 
gesteigert, daß es selbst in unsrer Zeit nach dem Zensus 
von 1911 nur 18000 Juden in ganz Indien giebt. Meine 
Nachforschungen nach der Quelle der phantastischen Mit- 
teilung von Hopkins sind erfolglos geblieben ; nur bei 
W. W. H u n t e r ^ habe ich die folgende Notiz gefunden : 
„Whether these Jews emigrated to India at the time of 
the Dispersion, or at a later period, local tradition assigns 
to their Settlements an origin anterior to the second Cen- 
tury of our era." Th. Nöldeke schrieb mir darüber 
vom 20. Jan. 1910: „Woher Hopkins die Nachricht 
von den 10,000 jüdischen Auswanderern nach Indien a. d. 

encyklopädie ^ XIV. 627 a. v. Pantaenus ; Die Religion in Geschichte 
und Gegenwart, herausg. von Schiele und Zscharnack, IIL 
468. R a e , The Syrian church in India 67 f., hält das Indien Ale- 
xanders des Großen, d.h. das Indusland, für die Wirkungsstätte des 
Pantaenus. Edmunds, Buddhist and Christian Gospels* I. 145, 
146, stimmt ihm zu. 

» The Indian Empire ^ 284. 



— 160 — 

68 hat, ahne ich nicht. Unsinn ist es jedenfalls (daher 
„we know" !). Ihre Vermutung, daß Südarabien [oder eher 
Abessinien {Al^'ionia, in weiterem Sinn)] hier Indien genannt 
sei, ist gewiß richtig, aber unhistorisch ist die Nachricht 
auch dann. Freilich haben die Juden sowohl dort wie hier 
Propaganda getrieben und namentlich in Abessinien mit 
großem Erfolg; aber über den Ursprung dieser Unterneh- 
mungen haben wir keine historische Nachricht, wie 
ja nicht einmal über die Juden, resp. zum Judentum be- 
kehrten Araber, in N or d arabien." 

Das älteste Zeugnis für die Existenz christlicher Ge- 
meinden an der Westküste von Südindien bildet in Wahr- 
heit der Bericht des Kosmas Indikopleustes, der auf Beob- 
achtungen aus den Jahren 525 — 530 beruht. Eosmas, ein 
ägyptischer Kaufmann, der in jungen Jahren mehrere Han- 
delsreisen nach Indien gemacht hatte und später Mönch 
geworden war, ist der Verfasser eines haarsträubenden 
Werkes, der „Christlichen Topographie", in der er mit 
großer Geschwätzigkeit die wissenschaftliche Geographie 
bekämpft und namentlich gegen den großen Geographen 
Ptolemäus polemisiert. Kosmas leugnet die Kugelgestalt 
der Erde und erklärt diese für eine längliche Scheibe, die 
von hohen Mauern umgeben sei, auf denen das Firmament 
wie ein Dach ruhe. Der Wechsel von Tag und Nacht 
werde dadurch verursacht, daß sich die Sonne um einen 
ungeheuren Berg im höchsten Norden drehe. Dieser mön- 
chische Blödsinn erweckt zwar kein günstiges Vorurteil für 
die Reiseberichte des Kosmas, und auch seine Glaubwür- 
digkeit wird nicht gerade dadurch erhöht, daß er am roten 
Meer noch die Radspuren von den Wagen Pharaos, der 
die Kinder Israel verfolgte, gesehen hat. Aber die Art, 
wie Kosmas inmitten seiner stupiden Erdbeschreibung das 
erzählt, was er früher als Kauffahrer in Indien gesehen 



— 161 - 

« 

hat, macht den Eindruck des wirklich Beobachteten. W. 
Vincent^ hat mit seiner Behauptung, Eosmas sei nie in 
Indien gewesen, keinen Anklang gefunden. Sie läßt sich 
schon durch den Hinweis auf die richtigen indischen Namen 
und Worte, die Kosmas anführt, widerlegen (xaoxoöpt ,Mo- 
schustier' in Buch XI ist beiläufig der älteste Beleg für 
skt. kasturi). Die Westküste Indiens und Ceylon sind 
Kosmas offenbar gut bekannt gewesen. Von dem, was er 
über diese Gegenden berichtet, ist hier für uns das Fol- 
gende von Interesse^: „Auf der Insel Taprobane (Ceylon) 
.... giebt es auch eine christliche Kirche und Kleriker 

und Gläubige, desgleichen auch in MaX£ (= skt. 

Malaya ,Malabar'), wo der Pfeffer wächst; und in der Stadt, 
die da KaXXcava heißt, giebt es auch einen Bischof, der 
von Persien aus ernannt wird." Und in dem Abschnitt 
„üeber die Insel Taprobane" in Buch XI ergänzt Kosmas 
die obige Mitteilung mit den Worten*: „Diese Insel besitzt 
auch eine Kirche für die dort wohnhaften persischen Chris- 
ten und einen von Persien aus ernannten Presbyter und 
einen Diakon und den ganzen kirchlichen Gottesdienst. 
Die Eingeborenen aber und die Könige gehören einem an- 
deren Volke an und haben viele Heiligtümer auf dieser 
Insel." Mit den letzten Worten weist Kosmas darauf hin, 
daß die Eingeborenen auf Ceylon sich zu einer anderen 
Keligion, d.h. zum Buddhismus, bekennen. 

Bei „Male, wo der Pfeffer wächst", soll man nach 
B u r n e 1 1 ohne Zweifel an die Hafenstadt Travancore zu 
denken haben; hinsichtlich der Stadt Kalliana (skt. Ka- 
lyäna) könne man zwischen zwei Häfen dieses Namens an 
der Westküste schwanken. Der eine, 33 engl. Meilen nord- 



* The voyage of Nearchus (1797) in der franzÖBischen Bearbei- 
tung von Billecoq, 363 Anm., 544 Anm. 

• Kosmas ed. Winstedt, III. p. 119. ^ P. 322. 



— 152 — 

östlich von Bombay, noch heute Kalyän am Flusse Ulhas, 
ist als alte Hauptstadt einer Provinz bekannt, der andere 
liegt etwa 32 englische Meilen nördlich von Mangalore. 
Diesen zweiten Platz, heute ein unbedeutendes Dorf, hält 
Burneil für die von Kosmas gemeinte Stadt; denn Kos- 
mas nenne als Ausfuhrartikel aus Kalliana hauptsächlich 
XaXx6(, worunter man nur Stahl verstehen könne, und 
Baumwollenstoffe. Stahl aber scheine nur in den südlichen 
Teilen des Dekkhan, in Maisur und Salem, produziert wor- 
den zu sein. ^ Diese Beweisführung ist leicht zu wider- 
legen ; denn X'^^'^^i heißt eben nicht Stahl oder gehärtetes 
Eisen. Es bedeutet natürlich, was es außer Bronze von 
Anfang an bedeutet hat, Kupfer, wofür ja das Griechische 
gar kein anderes Wort besitzt. Alle Wahrscheinlichkeit 
spricht dafür, daß die Mitteilung des Kosmas sich auf die 
alte berühmte Stadt Kalyäna (oder Kalyänl) in der Nähe 
von Bombay bezieht. 

Kosmas' Angaben über den in Persien ordinierten 
Bischof von Kalliana und über die ausschließlich persische 
Christengemeinde in Ceylon lassen keinen Zweifel über die 
Herkunft der südindischen Christen und über die Unrichtig- 
keit ihrer eigenen Tradition. Wenn Burneil sagt: „All 
the trustworthy facts up to the tenth Century . . . . go to 
show that the earliest Christian Settlements in India were 
Persian" ^, so ist er damit gewiß ebenso im Recht, wie mit 
seiner Annahme, daß es sich bei den ältesten Ansiedlungen 
in Südindien um manichäische Einwanderer handele, 
im Unrecht. Diese letztere Annahme und deren Begrün- 
dung ist schon von Collins* zurückgewiesen worden und 
hat seitdem keine Vertreter mehr gefunden. 



1 Burneil, JA. III. 310. 

2 A. a. 0. 311. S. auch J. Kennedy, JRAS. 1907. 956; O. 
Wecker, Tüb. Theol. Quart Sehr. 92 (1910), 541. ^ lA. IV. 153 f. 



— 153 — 

Für die persische Herkunft der südindischen Christen 
zeugen auch die Fehle wi-Inschriften, die in jenen Gegenden 
gefunden und von Burneil in dem mehrfach zitierten 
Aufsatz ^ behandelt worden sind. Die frühesten dieser In- 
schriften stammen freilich erst aus dem siebenten oder 
achten Jahrhundert.^ 

Wenn wir nach dem Anlaß für die ältesten Ansiede- 
lungen persischer Christen in Südindien fragen, so bieten 
sich außer Handelsinteressen am natürlichsten die persi- 
schen Christenverfolgungen der Jahre 343 und 414 dar, 
durch welche Flüchtlinge nach Indien getrieben sein mögen, 
wie ja auch später die vom Islam bedrängten Pärsis eine 
neue Heimat in diesem toleranten Lande gefunden haben, 
das religiöse Intoleranz erst durch die muhammedanischen 
Eroberer kennen gelernt hat. Da, wie wir gesehen haben, 
vor Kosmas kein glaubhaftes Zeugnis für das Vorhanden- 
sein von Christen an der indischen Südwestküste existiert, 
so dürfen wir annehmen, daß die ersten christlichen Kolo- 
nien in Malabar von verfolgten persischen Christen in der 
Mitte des vierten Jahrhunderts gegründet worden sind. 

J. Kennedy hat mehrfach behauptet ^ daß schon 
um dieselbe Zeit ein Kloster mit persischen Mönchen im 
Innern von Ceylon existiert habe. Nun wird Niemand, 
dem bekannt ist, daß erst in dieser Zeit die frühesten 
klosterartigen An^edelungen in der Wiege des christlichen 
Mönchtums, in Ägypten und Syrien, entstanden sind, es 
für möglich halten, daß schon damals die christliche Sitte, 
Klöster anzulegen, bis nach dem fernen Ceylon gedrungen 
sei. Zuerst dachte ich, daß Kennedy ein buddhistisches 
1 lA. III. 311 f. 

' Schwerlich aus dem fünften. Die Literatur s. bei Wecker 
a. a. 0. 

» JRAS. 1907. 480, 957 Anm. 3, nach Labourt, Le Christia- 
nisme dans TEmpire Perse, 306 (bei Kennedy steht fälschlich 606). 



— 154 — 

mit einem christlichen Kloster verwechselt habe ; dann aber 
hielt ich doch für nötig, K e n n e d y's Quelle nachzuschla- 
gen, und fand als solche zu meinem Erstaunen bei L a- 
b o u r t nur die legendarische Notiz : „S'il faut en croire 
l'hagiographe Zädoe, pretre et solitaire, chef du monast^re 
de Saint-Thomas dans le pays de l'Inde, dont le si^ge est 

fixe sous les pays de Qatraye, ä Ceylan, Tile noire, " 

Qatraye ist, wie mir mein Kollege S e y b o 1 d mitteilt, eine 
Bezeichnung für Ostarabien. 

Als einen Beweis für das frühzeitige Eindringen des 
Christentums in Indien führt Grierson^ an, daß „Chry- 
sostom (fourth Century) teils us of Christian treatises trans- 
lated into Indian languages". Damit meint er unzweifel- 
haft die öfter zitierte Stelle bei Johannes Chryso- 
stomus, hom. in Joh. 2. 2'^: dXka xat Supoc xat AbfÜTz- 
xtot.xal 'Iv5o^ xa^ Uepaac ocat At-ö-ioTce^ xac (xupca gxepa e-d-vrj 
d<; xijv aÖTöv {isxaßaXovxe«; yXöxxav xd napä xouxou Soyfiaxa 
etaaxä-evxa IfiaS-ov äv-d-pcDTiot ßapßapoc cptXoao^elv. Dieses 
Zeugnis aber ist, zumal in Anbetracht der damaligen Viel- 
deutigkeit von 'Iv56€ und 'IvSta, vollkommen wertlos; schon 
der Zusatz xat (xupca Sxepa IS-vtj zeigt, was von der Häufung 
der Völkernamen in dieser pathetischen Predigtstelle zu 
halten ist. Da sonst keine Spur von einer üebersetzung 
des Neuen Testaments oder einer anderen christlichen Schrift 
in indische Sprachen aus so alter Zeit noch auch aus allen 
darauf folgenden Jahrhunderten bis zum Beginn der Neu- 
zeit vorliegt, so haben wir in den Worten des Joh. Chry- 
sostomus kein historisches Zeugnis, sondern einen un- 
überlegten rhetorischen Ausdruck zu sehen.' 

^ JRAS. 1907, 498. Auch Edmunds, Buddhist and Christian 
Gospels* I. 146 hält dieses Zeugnis für glaubwürdig. 

2 Ed. M i g n e , Patrol. LIX. 32. 

3 Tiele, Theologisch Tijdschrift 1877, 71, bei Carl Giemen, 
Religionsgeschichtliche Erklärung des Neuen Testaments, 28 Anm. 



— 155 — 

Wann die Christen in Südindien in Abhängigkeit von 
den Nestorianern gelangt sind, ist mit ziemlicher Sicherheit 
festzustellen. Die Ansicht Burnells^, daß dies nicht 
vor dem elften oder zwölften Jahrhundert geschehen sei, 
weil wir erst bei den Reisenden des Mittelalters in Indien 
lebende Syrer erwähnt finden, bedarf keiner Widerlegung. 
Auch die Angabe W. K o c h s ^, daß die Nestorianer im 
siebenten Jahrhundert Beziehungen zu den Thomas- Christen 
in Vorderindien angeknüpft haben, ist nicht richtig, da uns 
der Anschluß der südindischen Thomas-Christen an den 
persischen Nestorianismus schon für den Anfang des sechs- 
ten Jahrhunderts bezeugt ist. Denn die Mitteilung des 
Kosmas, daß der Bischof von Kalliana und der Presbyter 
auf Ceylon von Persien aus ernannt seien, beweist die Ab- 
hängigkeit der dortigen Gemeinden von dem nestorianischen 
Patriarchat. Im Anfang des sechsten Jahrhunderts gab 
es ja kein anderes kirchliches Oberhaupt in Persien als den 
nestorianischen Katholikos von Seleucia-Ktesiphon, da in 
der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts König Pöröz 
(Pheroses) durch ein Edikt den Nestorianismus für die 
einzige in seinem Reich erlaubte Form des Christentums 
hatte erklären lassen, was zu der grausamen Vertilgung 
der der orthodoxen Kirche anhängenden persischen Christen 
führte*, und da im Jahre 498 der Bischof von Seleucia 
sich formell von Antiochia losgesagt und damit die Sonder- 
kirche der persischen Nestorianer gegründet hatte. 

Wenn M. H a u g * das Alter der nestorianischen Kirche 
in Indien bis in das fünfte Jahrhundert hinaufrücken wollte, 
so stand er gewiß unter dem Einfluß der katholischen Tra- 

* lA. m. 311. 

* In dem Artikel „Nestorianismus** in Michael Buchber- 
ge r s Kirchlichem Handlexikon IL 1104. 

8 R a e , The Syrian church in India, 107. 

* bei Ger mann, Die Kirche der Thomaschristen, 301. 



— 156 — 

ditioD, der zufolge der Nestorianismus sich gegen 486 von 
Babylon aus, d.h. wohl von der Gegend zwischen Euphrat 
und Tigris, nach Malabar ausbreitete. ^ Der Glaubwürdig- 
keit dieser Tradition steht aber die innere ünwahrschein- 
lichkeit entgegen, daß die Ausdehnung des nestorianischen 
Einflusses in ein fremdes Land in einer Zeit schwerer in- 
nerer Kämpfe stattgefunden habe. Man wird annehmen 
dürfen, daß dies erst im Anfang des sechsten Jahrhunderts 
nach der Consolidierung der persischen Sonderkirche ge- 
schehen ist. Das ist auch die Ansicht von R a e ^, der sie 
freilich nur mit der in der damaligen Zeit sich entwickeln- 
den Neigung der Perser zur Seeschiffahrt und zur Ver- 
größerung des Handelsverkehrs begründet. 

Die christlichen Gemeinden an der Westküste Indiens 
bildeten damals zusammen mit den in Arabien verstreuten 
einen Sprengel, der unter dem Metropoliten von Persien 
stand. Wir dürfen aber die Verbreitung des Christentums 
an der indischen Westküste in der damaligen Zeit nicht 
überschätzen. Wenn Kessler® meint, daß die ganze West- 
küste von Ostindien zu Anfang des siebenten Jahrhunderts 
noch christlich gewesen sein muß, so ist das eine bloße 
Vermutung; schon die Worte „gewesen sein muß** ohne 
Belege zeugen für die Schwäche der Position. Auch dafür, 
daß in dem vorangegangenen sechsten Jahrhundert die 
ganze Westküste von Indien christlich gewesen sei, fehlen 
die Beweise. 

Die weiteren Ausführungen von Kessler a. a. O. leh- 
ren, daß die Verbindung der christlichen Gemeinden in 
Indien mit dem nestorianischen Patriarchat in der Mitte 



» Hunt er, The Indian Empire» 279. 
2 The Syrian chiirch in India 116, 118. 

* in dem Artikel „Nestorianer'* in Herzogs Realencyklopädie» 
XIII. 728. 



— 157 — 

des siebenten Jahrhunderts stark gelockert und nach vor- 
übergehender Festigung im neunten Jahrhundert unterbro- 
chen worden ist. Ich führe die wichtigsten Sätze an: „Kurz 
nach Kosmas, um das Jahr 570, hatte der Presbyter Bödh 

als Periodeutes die Kirchen Indiens zu inspizieren; 

aber Jesujahb von Adiabene (Patr. 650 — 660) klagt in 
seinem Schreiben an Simeon, den Metropoliten von Persien, 
daß durch seine und seines Vorgängers Schuld die Kirchen 

von Indien ganz verwaist seien Die „Thomaschristen" 

in Indien erhielten zuerst unter dem Patriarchen Timotheus 

(778 — 820) einen Metropoliten Ihre Verbindung mit 

dem nestorianischen Patriarchat scheint bald unterbrochen 
worden zu sein.*"^ 

Die Zeit, in der die Thomas-Christen sich kirchlich 
unabhängig gemacht haben, fällt zusammen mit ihrer poli- 
tischen Selbständigkeit ; denn im achten und neunten Jahr- 
hundert erhielten die Christen in Malabar von den ein- 
heimischen Fürsten das Recht der Selbstverwaltung und 
so bedeutende Privilegien, daß sie vorübergehend einen 
selbständigen Staat mit eigenen Königen gebildet haben. ^ 
In ihrer Abgeschiedenheit haben die Thomas-Christen ihre 
Heligion nichts weniger als rein erhalten und im vierzehn- 
ten Jahrhundert sogar die Taufe aufgegeben. Bis zu der 
Verfolgung durch die Jesuiten aber haben sie wegen ihrer 
hohen Moral eine sehr geachtete Stellung in Südindien ein- 
genommen. ^ 

Heutzutage stellen die kleinen Gremeinden der Thomas- 
Christen in Südindien mit den nestorianischen Gemeinden 
im kurdischen Gebirge und am See von Urmia den spär- 
lichen Best dar, der sich von der einstmals in Mittel- und 



^ Ebendas. 728, 735. 

* Ebendas. 735 ; R a e , The Syrian church in India, 154 f. 

* Weber, Krishnajanmäshtami, 322. 



— 168 — 

Hochasien so kräftig entwickelten nestorianischen Kirche 
erhalten hat. * 

Das Ergebnis meiner Erörterungen in diesem Kapite 
für die nachfolgenden Untersuchungen kann ich dahin zu- 
sammenfassen : die kleinen christlichen Gemeinden in Süd- 
indien, die unter dem Namen der Thomas-Christen bekannt 
sind, bestanden zuerst — im vierten und zu Anfang des 
fünften Jahrhunderts — aus eingewanderten Persem ; dazu 
kamen später Juden und von indischen Eingeborenen An- 
gehörige der dravidischen Rasse. 

Christliche Einflüsse auf indische Religionen können 
von diesen Gemeinden erst im Neubrahmanismus, vom 
zwölften Jahrhundert an, ausgegangen sein ; denn in frühe- 
rer Zeit lagen die Zentren religiösen Lebens im Norden 
Indiens. Für diese frühere Zeit kommen als mögliche Ver- 
mittler christlicher Gedanken also nur Christen in den 
nordwestlichen Grenzgebieten in Betracht. 
Dort hat es, wie wir oben gesehen haben, möglicher Weise 
schon in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts Chri- 
sten gegeben; aber die Zeugnisse reichen nicht aus, um 
dies mit Bestimmtheit zu behaupten. Erst im siebenten 
Jahrhundert kommen nestorianische Christen weiter in das 
Innere von Nordindien. 

Von vorn herein darf man in der buddhistischen 
Sanskritliteratur eher christliche Einflüsse zu finden er- 
warten als in der brahmanischen, weil das indische Grenz- 
land in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung 
ganz buddhistisch war und außerdem fremde Elemente ho- 
mogener Natur viel leichter in den kosmopolitischen Bud- 
dhismus eindringen konnten als in den nationalistischen 
Brahmanismus. Man wird gut tun, sich das besonders bei 

* K e 8 s 1 e r a. a. 0. 733. 



— 169 — 

der Beurteilung des älteren Krischnaismus vor Augen zu 
halten. 

II. Christliehe Einliasse auf die Entwicklung des 

BnddUsmns. 

Die buddhistische Religion ist um die Mitte des dritten 
Jahrhunderts vor Ohr. in den äußersten Nordwesten Indiens 
eingedrungen. Dort ist ihre Entwicklung in der Richtung 
vor sich gegangen, die sich am~ entschiedensten in der Ver- 
göttlichung der Person Buddhas und in der Umwandlung 
des Nirvtoa- Begriffs zu der Vorstellung eines seligen Fort- 
lebens äußerte; dort ist das Wesentlichste von dem ent- 
standen, was den nördlichen Buddhismus von dem südlichen 
in Lehre und Kultus unterscheidet. Diese Entwicklung fand 
einen gewissen Abschluß in der Gründung einer neuen 
Schule, die sich den Namen Mahäyäna „das große Fahr- 
zeug** beilegte und in jener Gegend bis etwa zum achten 
Jahrhundert geblüht hat. Im Gegensatz zu dem Mahäyäna 
wird seit der Begründung dieser Schule der ältere ursprüng- 
liche Buddhismus als Hinayäna „das kleine Fahrzeug*^ 
bezeichnet. 

In den Darstellungen des Buddhismus wird das Ma- 
häyäna gewöhnlich mit Geringschätzung behandelt, weil es 
erstens auf die Aeußerlichkeiten des Kultus Wert lege und 
zweitens in seiner philosophischen Spekulation den stärksten 
Skeptizismus zeige mit seiner Lehre von dem Nichts als 
dem wahren Wesen der Dinge. Wichtiger aber als diese 
Seiten ist aus dem mannigfaltigen Inhalt des Mahäyäna das 
neue Lebensideal, das von ihm an Stelle der zwar wohl- 
wollenden, im Grunde jedoch egoistischen Gleichgiltigkeit 
— der Freiheit nicht nur von Leidenschaften, sondern auch 
von allen menschlichen Empfindungen — gesetzt worden 



— 160 — 

ist. Dieses neue Ideal, dem der altbuddhistische Heiligen- 
typus nicht mehr genügte, war das der liebevollen Hingabe 
und des tätigen Erbarmens. Mit Recht sagt H. Kern^: 
„Durch dieses Gefühl der inbrünstigen Hingebung, verbun- 
den mit der Lehre von der Betätigung des Mitleids, hat der 
Glaube die Sympathie vieler Millionen von Menschen ge- 
wonnen und ist eine Macht in der Geschichte der Mensch- 
heit geworden von viel größerer Bedeutung als der ortho- 
doxe Buddhismus." Der südliche Buddhismus, der dem 
alten Ideal treu geblieben ist, hat eine solche werbende 
Kraft nicht besessen. Auch ist von Wichtigkeit, daß nach 
dem alten Buddhismus nur der Mönch, nach der Lehre 
des Mahäyäna aber jeder Mensch ohne unterschied des 
Standes und der Geburt das Heil erreichen kann. 

Dazu kommt, daß das Mahäyäna Gemüt und Phanta- 
sie ansprechende Vorstellungen aufweist, die den Lehren 
des Hinayäna schnurstracks zuwiderlaufen. Der alte Bud- 
dhismus kennt keine im Kreislauf des Lebens beharrende 
Seele und keinen Gott; denn die von ihm anerkannten 
Volksgötter sind vergängliche, in . den Saiiisära gebannte 
Wesen. Im Mahäyäna .finden wir den Glauben an beides, 
an eine Art Gott und an die persönliche Seele. In einem 
Paradiese namens SukhävatI, wo ein Abglanz des irdischen 
Buddha, Amitäbha „das von unermeßlichem Licht um- 
strahlte Wesen", in wenigstens gottähnlicher Weise thront, 
werden die Seelen der Frommen nach dem Tode in den 
Kelchen von Lotusblumen wiedergeboren, um nach Ablauf 
einer ihren Verdiensten entsprechenden Zeit zur Blüte 
selbst aufzusteigen und auf deren Blättern ruhend zu hören, 
wie ihnen das gute Gesetz von Amitäbha gepredigt oder 
von Vögeln auf schönbelaubten Bäumen vorgesungen wird. ^ 

^ Manual of Indian Buddhism (Grundriß der indo-arischen Phi- 
lologie und Altertumskunde, IIL 8) 124. 

2 Teitaro Suzuki, Outlines of Mahäyäna Buddhism (London 



— 161 — 

Nach der herkömmlichen, auch noch von PischeP 
wiederholten Angabe ist das Mahäyäna von Nägärjuna ge- 
gründet worden, dessen Wirken wir in der zweiten Hälfte 
des zweiten Jahrhunderts nach Ohr. ansetzen dürfen. Aber 
diese Angabe ist nicht richtig. Nägärjuna, der als Stifter 
der Mädhyamika- Sekte die Lehre von dem Nichts als der 
einzigen Realität in den Buddhismus hineingetragen hat, 
ist wohl einer der bedeutendsten und einflußreichsten För- 
derer des Mahäyäna ^ und vermutlich der Organisator dieser 
Schule gewesen; aber ihr Ursprung ist etwa ein Jahrhun- 
dert früher anzusetzen. Ich bin bis vor Kurzem der Mei- 
nung gewesen, daß der berühmte und vielseitige Mönch 
A§vaghosa, über den gleich einige Angaben zu machen sein 
werden, als der Stifter der Mahäyäna-Schule anzusehen sei;' 
denn in Ohina, Japan und Tibet wird dem Advagho^a das 
grundlegende Werk dieser Schule, der Mahäyäna-sraddhot- 
päda „ die Entstehung des Mahäyäna-Glaubens*^ zugeschrie- 
ben, ein Lehrbuch, das nicht im Sanskrit-Original, sondern 
nur in zwei chinesischen Uebersetzungen erhalten ist. ^ Nun 
habe ich aber aus Winternitz' Darstellung der bud- 
dhistischen Litteratur^ gelernt, daß die Autorschaft des 

1907) ; H. Hackmann, Buddhism as a religion (London 1910) 50 f. 
(Die erweiterte englische Ausgabe ist dem deutschen Original vorzu- 
ziehen); Max Müller, Last Essays IL 804, 305; Winternitz^ 
Gesch. d. ind. Litt. IL i. 182 f., 253, 254. 

^ Leben und Lehre des Buddha. Zweite Auflage von H. L ü d e r s 
(Leipzig 1910) 104. Der gleiche Irrtum findet sich auch noch bei 
Edv. Lehmann, Der Buddhismus 227. 

2 H. Kern, Manual 6, 122,127; Teitaro Suzuki, A9va-^ 
ghosha's Discourse on the Awakening of Faith in the Mahäyäna, 
translated for the first time from the Chinese version (Chicago 1900) 43. 

^ Dahin habe ich mich in der Deutschen Rundschau, April 1912, 
75 ausgesprochen. 

* Bunyiu Nanjio, Catalogue of the Chinese Translation of 
the Buddhist Tripitaka (Oxford 1893), No. 1249, 1250. 

6 Gesch. d. ind. Litt. IL i. 210, 211. 

G ft r b e , Indien und dfts Christentum. 1 1 



— 162 — 

A^vagho^a mit Bezug auf dieses Werk höchst unwahr- 
scheinlich, ja geradezu ausgeschlossen ist, weil es Lehren 
enthält, die einer erheblich späteren Zeit angehören, und 
weil ein älterer Katalog chinesischer Texte dieses Werk 
ohne den Yerfassemamen A^vagho^as anführt. Von einem 
eigentlichen Stifter des Mahäyäna kann überhaupt nicht ge- 
sprochen werden; die Lehren dieser Schule sind vielmehr all- 
mählich im ersten Jahrhundert nach Chr. entstanden. Zwei 
Werke des A^vaghosa, die sicher von diesem verfaßt sind 
und der späteren Zeit seiner literarischen Tätigkeit ange- 
hören, zeigen entschiedene Hinneigung zum Mahäyäna ; ^ 
und dasselbe gilt von zahlreichen anderen Texten, die „so- 
zusagen mit einem Fuß in der Hinayäna- und mit dem 
anderen in der Mahäyänalitteratur stehen". ^ 

ASvaghosa, der in der letzten Zeit die Aufmerksam- 
keit der bedeutendsten Indologen in Anspruch genommen 
hat, war ein älterer Zeitgenosse des Königs Kaniska, hat 
also aller Wahrscheinlichkeit nach in der zweiten Hälfte 
des ersten Jahrhunderts nach Chr. gelebt. * Er war ein 
alter Mann zur Zeit der Geburt des Nägärjuna, d. h. als 
das letzte buddhistische Konzil zu Jälandhara unter König 
Kani§ka abgehalten wurde — gegen 100 nach Chr., wenn 
man die wahrscheinlichste, aber immer noch nicht ganz 
gesicherte Datierung des Königs Kaniska (letztes Viertel 

1 Ebendas. 207, 208. 

'^ Ebendas. 215; vgl. auch 180, 192, 215 Anm. 2, 230. 

^ Asvagho^a hat auBer seinem bekanntesten Werke, dem Bad- 
^hacarita, eine Sammlung didaktischer Erzählungen (Süträlamkära) 
und theologische Werke verfaßt und sich auch erfolgreich als Kom- 
ponist und Musiker betätigt. Neuerdings ist er durch eine glückliche 
Entdeckung von Lüders auch als Dramatiker erwiesen worden 
(SBA. 1911, 388 f., besonders 399). S. auch M. Anesaki, ERE. IL 
159, 160; S. Le vi, A9vagho8a, le Sütrftlamkära et ses sources, Journ. 
As., Ser. X, Tome 12, p. 57 f.; Winternitz, Gesch. d. ind. Litt. 
II. I. 201 f. 



— 163 — 

des ersten und Anfang des zweiten Jahrhunderts) der Be- 
rechnung zugrunde legen darf. Cunningham, Pischel, 
der Sinologe O. Franke und Fleet setzen Kaniska schon 
in das erste Jahrhundert vor Ohr.^ 

Es ist schon manchem der Gedanke gekommen, daß 
bei der Umgestaltung der buddhistischen Religion zum Ma- 
hSyäna christliche Einflüsse wirksam gewesen sein könnten. 
So hat Samuel BeaP in „A§yaghosas Schriften manche, 
offenbar aus fremden und vielleicht aus christlichen Quellen 
stammende Anspielungen und Erklärungen gefunden'' und 
ist zu der Ansicht gelangt, „daß vieles in der Entwicklung 
des Buddhismus, die unter dem Namen des ,großen Fahr- 
zeuges' bekannt sei, aus diesem Grunde erklärt werden 
könne". An einer anderen Stelle'* spricht er in entschie- 
denerem Ton von dem damaligen Verkehr zwischen Ost 
und West, welcher „der späteren Schule des Buddhismus 
eine pseudo-christliche Gestalt verliehen habe". 

Eine ähnliche Beurteilung hat in neuerer Zeit das 
oben genannte, falschlich dem ASvaghosa zugeschriebene 
Mahäyäna-Lehrbuch Mahäyäna-§raddhotpäda erfahren. Der 
Missionar Dr. Timothy Richard, der dieses Werk ins 
Englische übersetzt hat (Shanghai 1907), findet nämlich in 
ihm christliche Ideen und Einflüsse und giebt deshalb die 
buddhistischen Termini recht frei in ganz christlicher Aus- 
drucksweise wieder, * wogegen ein früherer und genauerer 

' Dagegen hat sich Oldenberg mit guten Gründen ausge- 
sprochen (Nachr. d. K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, 1911, 427 f.). Lü- 
ders, der früher die Ansicht der oben angeführten Forscher geteilt 
bat, stimmt neuerdings in der Hauptsache Oldenberg zu, rückt 
aber Eaniska in die Mitte des zweiten Jahrhunderts herunter (SBA. 
1912, 830).' 

^ Abstract of four Lectures on Buddhist Literature in China (Lon- 
don 1882) 95. 

» Ebendas. Introd. XIV. 

* The Open Court, April 1911, 251 f. 

11* 



— 164 — 

üebersetzer, der Japaner Teitaro Suzuki, ein Buddhist 
(s. S. 161, Anm. 2), in dem Buch keinerlei christliche Spu- 
ren entdeckt hat 

Mit großer Entschiedenheit und mit dem Versuch ein- 
gehender wissenschaftlicher Begründung ist dann unlängst 
christlicher Einfluß imMahäyäna von Joseph Dahlmann^ 
behauptet worden. Mit dessen Ausführungen werde ich 
mich im Folgenden zunächst kritisch auseinanderzusetzen 
haben. 

Dahlmann hat in den Kapiteln 25 — 27, die von der 
Kunst des Gandhära-Landes handeln, zu beweisen gesucht, 
daß diese buddhistischen Kunstdenkmäler, die den mahäyänis- 
tischen Vorstellungskreis widerspiegeln, nicht nur den allge- 
mein anerkannten griechisch-römischen, sondern auch tief- 
gehenden christlichen Einfluß verraten. Von der Mitte des 
ersten nachchristlichen Jahrhunderts an „begann sich in 
Gandhära jener Wandel in Kultus und Kunst zu vollziehen. 
Derselbe Buddha, dessen Gestalt ängstlich vermieden wurde, 
erscheint mit einem Male in den Denkmälern der buddhis- 
tischen Kunst, und zwar nicht als einfacher Herold der 
Erlösung wie in der altbuddhistischen Legende, sondern in 
einem Gewände, wie es während der ersten Jahrhun- 
derte der römischen Kaiserzeit in Antiochien 
und Alexandria, in Jerusalem und Rom von den 
höheren Klassen getragen wurde." ^ 

Richtig und merkwürdig ist allerdings der Umstand, 
daß das Buddhabild zuerst in der Kunst von Gandhära 
auftritt. Nach dem Grunde dieser auffälligen Tatsache 
haben die meisten Vertreter der indischen Archäologie ge- 
forscht und ihn zum Teil, wie Pergusson und Cunning- 



* Indische Fahrten II. 100 f. 
« A. a. 0. IL 157. 



I 



— 165 — 

ham, in der Annahme gefunden, daß die Buddhisten den 
Bilderdienst von den Griechen erlernt hätten, während Grtin- 
wedel das Aufkommen des Buddhabildes aus der natür- 
lichen Entwicklung des Buddhismus hat erklären wollen. 
In der älteren buddhistischen Kunst, wie sie in den Monu- 
menten von Sänchi, Bharhut und Buddhagayä in Mittel- 
indien, in der Urheimat des Buddhismus, seit der Mitte 
des dritten vorchristlichen Jahrhunderts vorliegt, fehlt das 
Bild Buddhas vollkommen. Wo es dort in den Darstel- 
lungen von Buddhas Leben und Wirken zu erwarten wäre, 
finden wir in merkwürdigem Kontrast zu den lebensvollen 
Bildern aller übrigen an den Vorgängen beteiligten Per- 
sonen an Stelle des Buddhabildes regelmäßig ein Symbol: 
den Baum der Erkenntnis, den Eeliquienschrein oder das 
ßad des Gesetzes. In der Kunst von Gandhära dagegen 
steht das Bild Buddhas im Mittelpunkt; überall erscheint 
es hier in überragender Gestalt, auch in denselben Szenen, 
in denen es in der alten Kunst durch ein Symbol ersetzt 
ist. Dieses Buddhabild ist von Gandhära mit dem Bud- 
dhismus in alle von ihm eroberten fremden Länder ge- 
drungen: nach Innerasien, China, Japan und der hinter- 
indischen Halbinsel. 

Daß diese überraschende Wandlung, die eine Epoche 
in der buddhistischen Kunst bezeichnet, nicht allein durch 
äußere Einflüsse erklärt werden kann, liegt auf der Hand ; 
wenn es auch als ganz natürlich erscheinen muß, daß sich 
die Künstler von Gandhära, als sich das Bedürfnis nach 
der Herstellung von Kultusbildem geltend gemacht hatte, 
an die ihnen bekannten griechischen Vorbilder anlehnten. 
Aber diese Vorbilder allein hätten den Umschwung nun 
und nimmermehr herbeiführen können. Dieser setzt eine 
Umgestaltung der buddhistischen Lehre voraus. Im ur- 
sprünglichen Buddhismus war Buddha nur ein Mensch, der 



— 166 — 

durch eigene Kraft die Erlösung von den Leiden des ewig 
fortgesetzten Daseins gefunden und den Weg gezeigt hatte, 
auf dem sie von jedem anderen zu gewinnen ist. Hier 
konnte es keinen Kultus geben, hier war die Lehre wich- 
tiger als die Person des Lehrers, wie ja auch ßuddha vor 
seinem Tode in seiner Abschiedspredigt gesagt hatte: „Die 
Lehre und die Ordnung, die ich euch gelehrt und verkün- 
det habe, die ist euer Meister, wenn ich hingegangen bin". ^ 
Die Kunst von Gandhära zeigt, daß Buddhas Persönlich- 
keit an die Stelle der Lehre getreten und zum Gegenstand 
des Kultus geworden war; sie ist das sichtbare Zeugnis 
einer Umwandlung fundamentaler Anschauungen, wie sie 
auf dem Wege zum Mahäyäna vor sich gegangen war. 

Den größten Wert aber legt Dahlmanns Beweis- 
führung auf die Rolle, die der zukünftige Buddha Mai- 
t r e y a im Mahäyäna spielt. Dahlmanns Standpunkt wird 
wegen der unten an ihm zu übenden Kritik am besten mit 
seinen eigenen Worten dargelegt ; ich hebe deshalb eine 
längere Stelle aus seinem Werke ^ heraus: 

„Dem Gotama Buddha waren in seinem Berufe als 



* Oldenberg, Buddha * 227. — Eine vollkommene üeber- 
einstimmung mit dem Buddhismus zeigt auch hier wie so oft die 
Religion der Jainas, worauf H. J a c o b i mich freundlichst aufmerk- 
sam gemacht hat. Auch in dieser Religion ist die Verehrung der 
Jinas im Bilde nicht ursprünglich, und die Jaina-Sekte der Sthäna- 
kaväsins verwirft sie noch heute. Nach einem Werkchen über diesen 
Gegenstand, das ich auch der Güte Jacobis verdanke, „Notes on 
the Sthanakwasi or the non-Idolatrous Shvetambar J a i n s by 
Seeker (ohne Druckort 1911)* stammen die ältesten Jina-Bilder aus 
der Zeit Kaniskas, also ungefilhr aus derselben Zeit wie die ältesten 
Buddha-Bilder. J a c o b i schreibt mir, daß im Paüma-cariya, das 
angeblich dem vierten Jahrhundert nach Chr. angehört, Jina-Bilder 
{pradimä, bimha) oft erwähnt werden und deren Verehrung damals 
schon eine große Rolle spielte. Aber der alte Jinismus kannte sie 
nicht. 

• IL 127, 128. 



— 167 — 

Lehrer der Menschheit viele andere Buddhas in großen 
Zwischenräumen vorausgegangen. Gotama selbst sollte als 
Fünfundzwanzigster die Keihe der Lehrer der Menschheit 
für immer schließen. Darum gründet sich alle Erlösungs- 
hoffnung auf die von ihm verkündete Lehre. Ein anderer 
Buddha als Lehrer der Erlösung war nicht mehr zu er- 
warten. Mit dieser Vorstellung brach eine neu erstehende 
Schule (das Mahäyäna), indem sie dem im gegenwärtigen 
Zeitalter verehrten Buddha einen Nachfolger als Lehrer 
der Erlösung gab . . . Den Mittelpunkt dieser Schule bildet 
Buddha Maitreya. Von Maitreya ist der älteren üeber- 
lieferung gar nichts bekannt. So nahe es gelegen hätte, 
den Faden der in periodischen Zwischenräumen wieder er- 
scheinenden Buddhas fortzuspinnen, so blieb der Mythus 
doch bei Gotama als dem letzten Buddha stehen. Buddha 
Maitreya ist in der uns überlieferten Gestalt eine Neu- 
schöpfung . . . Bei der Einführung des Buddha Maitreya 
handelt es sich aber nicht lediglich um einen neuen Buddha. 
Maitreya wurde in einem von dem alten Buddha 
grundverschiedenen Charakter der Mittelpunkt 
eines neuen Kultus, und dieser Charakter war der des 
liebevoll erbarmenden Erlösers, der einst kom- 
men wird, um die Welt aus den Banden der Lei- 
den zu befreien. Damit kam ein ganz neues, mit 
der alten üeberlieferung im Widerspruch stehen- 
des Element in die Erlösungslehre. Es trieb den Kul- 
tus gerade in jene Bahn, gegen die sich bis jetzt die Mönchs- 
gemeinde immer gewehrt hatte. Aus dem Lehrer wird 
ein Erlöser, aus dem menschlichen Wesen ein 
göttliches Wesen, dem man sich bloß vertrauensvoll 
zuzuwenden braucht, um erlöst zu werden. Mit anderen 
Worten: die in Buddha Maitreya verkörperte Heilands- 
idee ist es, welche das Mahäyäna ins Leben rief." 



— 168 — 

Daß diese Auffassung Dahlmanns in der Haupt- 
sache unnchtig und leicht zu widerlegen ist, werden wir 
weiter unten sehen. Hier ist nur eines vorwegzunehmen. 
Es muß zugegeben werden, daß im Mahäyäna dem zukünf- 
tigen Buddha Maitreja ein anderer Charakter gegeben ist 
als dem wirklichen Buddha in der früheren Zeit, und daß 
hierin in der Tat etwas Neues liegt, von dem die alte 
ü eberlieferung nichts gewußt hat. 

Dieses neue Element glaubt Dahlmann nur durch 
fremden Einfluß erklären zu können, und als fremder Ein- 
fluß kommt für ihn nur der christliche in Betracht. 

Die lebhafte Freude, mit der Dahlmann diese ver- 
meintliche Entdeckung verkündet, ist begreiflich. Hatte er 
doch in früheren Werken ^ den Untergang des Buddhismus 
in seinem Heimatlande durch seine innere Fäulnis erklären 
wollen. Wie gut stimmte nun zu diesem Standpunkt die 
Erkenntnis, die Dahlmann gewonnen zu haben glaubte, 
daß der Buddbismus seinen Siegeszug durch Inner- und 
Ostasien, seine Verbreitung über ein Drittel der gesamten 
Menschheit nicht seiner eigenen Kraft verdanke, sondern 
christlichen Ideen, durch die er im Nordwesten Indiens 
bereichert war und seine eigentliche welterobernde Lebens- 
kraft gewonnen hatte! Nicht der Buddhismus hätte somit 
die Völker Ostasiens sich Untertan gemacht, sondern ein 
Ableger des Christentums in buddhistischer Verhüllung. 

Ebenso verständlich wie Dahlmanns Entdeckerfreude 
ist der zum Teil enthusiastische Beifall, den seine These 
in der katholischen Presse gefunden hat. Schien doch 
durch die Sicherheit der Behauptung und die glänzende 
Darstellung, über die Dahlmann verfügt, ein für alle 
Mal „dem Buddhismus-Humbug ein Ende gemacht zu sein." 

* Nirväna, eine Studie zur Vorgeschichte des Buddhismus 
(Berlin 1896); Buddha, ein Kulturbild des Ostens (Berlin 1898). 



— 169 — 

Treten wir mit nüchterner Kritik an Dahlmanns 
begeisterte Beweisführung heran, so zerfließt sie in Nichts. 

Wie steht es zunächst um die chronologische Mög- 
lichkeit für die Annahme, daß das Auftreten des Buddha- 
bildes in der Kunst von Gandhära, die durch diese Kunst 
bezeugte Vergöttlichung Buddhas und die Auffassung Mai- 
treyas als eines göttlichen Erlösers durch christlichen Ein- 
fluß zu erklären sei? Daß die Gandhära- Kunst um die 
Wende des ersten und zweiten Jahrhunderts nach Chr. 
ihre Blütezeit gehabt hat, steht so ziemlich fest ; aber wann 
ihr Beginn anzusetzen ist, darüber herrscht noch keine 
Gewißheit. Die Wahrscheinlichkeit spricht für die vor- 
christliche Zeit. Die besten Sachkenner auf diesem Gebiet, 
Grünwedel und Aurel Stein, sind durch die neuen 
Funde in Turfan und Khotan geneigt gemacht, den Beginn 
der Gandhära- Kunst im ersten und vielleicht sogar im 
zweiten vorchristlichen Jahrhundert anzusetzen.^ Und der 
erste gegenwärtige Kenner des nördlichen Buddhismus, 
Louis de la Vallee Poussin, hat es so gut wie sicher 
gestellt^, daß die Vergöttlichung Buddhas in Mythologie 
und Kultus schon in vorchristlicher Zeit vor sich ge- 
gangen ist. 

Stellen wir uns aber trotzdem auf Dahlmanns 
Standpunkt, daß der Kultus und die Kunst von Gandhära 
in nachchristlicher Zeit entstanden sei, so müßten wir ihm 
weiter zugeben, daß das Christentum schon im ersten Jahr- 
hundert in das Kabul- und Industal gelangt ist — eine 
Annahme, deren „Möglichkeit heute von keiner Seite be- 
stritten wird" ^ (!). Dahlmann muß diese Annahme natürlich 
durch Verteidigung der Geschichtlichkeit der Thomas-Le- 



1 Wecker, Tübinger Theol. QuartSchrift 92. 432 Anm. 

* Bouddhisme, Opinions surTHistoire de laDogmatique (Paris 1909). 



» Dahlmann IL 138. 



— 170 — 

gende stützen, weil er das Apostolat des Thomas in den 
indo-iranischen Grenzgebieten für seine Beweisführung nötig 
hat. Da wir nun in dem vorigen Kapitel gesehen haben, 
daß von einem historischen Kern der Thomas- Legende 
keine Rede sein kann, daß vielmehr das Christentum frühe- 
stens erst im Anfang des dritten Jahrhunderts in das nord- 
westliche Indien eingedrungen ist, so ist damit für uns 
Dahlmanns Theorie eine geschichtliche Unmöglichkeit. 
Aber auch denjenigen, dem der unhistorische Charak- 
ter der Thomas-Legende nicht feststeht, dem also die Frage 
der Zeitverhältnisse keine Schwierigkeit bieten würde, 
Dahlmann auf seinem Wege zu folgen, können die von 
Dahlmann für den christlichen Einfluß auf die Kunst 
und den Kultus von Gandhära ins Feld geführten Argu- 
mente nicht überzeugen, wofern er nur mit richtiger reli- 
gionsgeschichtlicher Methode in dem alten Buddhismus die 
Anfänge der Entwicklung zu verfolgen weiß, die zu den 
späteren mahäyänistischen Erscheinungen in Lehre und Kul- 
tus geführt hat. Das hat O. Wecker, der die Geschicht- 
lichkeit der Grundzüge der Thomas-Legende immerhin für 
möglich hält, in hübscher und einleuchtender Weise gezeigt.^ 
Ihm erklärt sich alles, was für Dahlmann nur durch 
die Annahme christlicher Beeinflussung zu verstehen ist, 
ganz ungezwungen aus der natürlichen Entwicklung des 
Buddhismus. Einige seiner Sätze mögen hier im Wortlaut 
folgen.* „Zudem theoretischen üniversalismus der 
Heilsbotschaft stand von Anfang an in seltsamem Kon- 
trast die Schwierigkeit, mit der das erlösende Wissen zu 
fin den ist und die so groß ist, daß tatsächlich die Erlösung 
des Buddha nie eine Erlösung für alle, vor allem nicht 
für die vielen Kleinen und Armen und Schwachen werden 



1 A. a. 0. 441 f. 

2 S. 442—444. 



— 171 — 

konnte Sobald die Konsequenzen gezogen wurden 

aus dem üniversalismus des Heiles, den Buddha predigte, 
mußte die Exklusivität der reinen ßuddhalehre gesprengt 
werden; die Forderungen und Ideen mußten, sobald die 
Predigt Ernst machte mit dem „Kommet alle zu mir", not- 
wendig sich nivellieren und den Bedürfnissen der Durch- 
schnittsmenschen sich anbequemen. Und ist es nicht ge- 
schehen? Es genügt, auf die Umgestaltung des Nir- 
väna-Ideals^ zu verweisen, um an einem klassischen Ty- 

^ Wenn in diesem Buche von dem Nirväna die Rede ist, so ist 
die Erlösung nach dem Tode gemeint. Manche Erörterungen 
über den Nirvänabegriff leiden deshalb an großer Unklarheit, weil 
die Doppeldeutigkeit des Wortes Nirväna nicht beachtet ist, auf die 
zuerst Rhys Davids (Buddhismus, 118 f.) und später mit ausführ- 
licherer Begründung P i s c h e 1 (Leben und Lehre des Buddha" 71 f.) 
aufmerksam gemacht hat. Schon im alten Buddhismus wird das 
Wort Nirväna nicht nur im Sinne der eigentlichen Erlösung, die mit 
dem Tode des Vollendeten eintritt, d.h. im Sinne des Erlöschens der 
Existenz gebraucht, sondern auch zur Bezeichnung der „Erlösung 
bei Lebzeiten", d.h. des durch heiligen Wandel und die erlö- 
sende Erkenntnis herbeigeführten Zustandes der vollkommenen Ruhe 
und Sündlosigkeit, der bis zum Tode andauert. Zum Unterschied 
von dieser „Erlösung bei Lebzeiten**, die auch in den brahmanischen 
Systemen seit vorbuddhistischer Zeit bis auf den heutigen Tag ein 
ganz geläufiger Begriff ist, wird die eigentliche definitive Erlösung 
im Tode der Deutlichkeit halber manchmal Parinirväna „ vollkomme- 
nes Nirväna" genannt; aber meist wird diese Unterscheidung durch 
den Sprachgebrauch in den Texten nicht gemacht. 

Ich erwähne diese Doppeldeutigkeit des Nirvänabegrifis hier, weil 
sie auch im Mahäyäna fortdauert. Was der angebliche Aävaghosa 
in dem „Awakening of Faith* (Teitaro Suzuki p. 87) über das 
Nirväna sagt (As ignorance is thus annihilated, the mind is no more 
disturbed so as to be subject to individuation. As the mind is no 
more disturbed, the particularisation of the surrounding world is 
annihilated. When in this wise the principle and the condition of 
defilement, their products, and the mental disturbances are all anni- 
hilated, it is Said that we attain to Nirväna) und was der Ueber- 
setzer p. 119 Anm. als allgemeine Anschauung der Mahäyänisten über 
die vier Stufen des Nirväna angiebt, bezieht sich nicht auf das definitive 
Nirväna, sondern in ganz deutlicher Weise auf das Nirväna bei Lebzeiten. 



— 172 — 

pus den Umwandlungsprozeß zu illustrieren, der sich an 
die ümbiegung der reinen Buddbaiehre zur Volksreligion 

anschloß Eine ähnliche Umgestaltung der 

Person des Buddha war die natürliche Folge der- 
selben Entwicklung." 

Gerade die Umgestaltung des Nirväna-Begriffs, die 
übrigens nicht bloß durch die Ümbiegung der reinen Bud- 
dhalehre zur Volksreligion zu erklären ist, sondern auch 
durch das Vordringen der Lehre zu frischeren, von ande- 
ren Wünschen und Hoffnungen erfüllten Völkern, hätte 
von Dahlmann doch seinem Standpunkt entsprechend 
auf christlichen Einfluß zurückgeführt werden müssen. 
Merkwürdiger Weise hat aber Dahlmann bei seiner 
Beweisführung auf die Umwandlung des Nirväna-Ideals 
kein Gewicht gelegt. 

Nicht nur durch solche Erwägungen allgemeiner Art 
wie die eben angeführten läßt sich die Vergöttlichung der 
Person Buddhas aus der natürlichen Entwicklung der bud- 
dhistischen Lehre begreiflich machen ; wir können auch ^ 
ganz positive Anhaltspunkte für den Weg flnden, auf dem 
die Veränderung in der Auffassung Buddhas vor sich ge- 
gangen ist. Man hat an den Zauber zu denken, den Bud- 
dhas Persönlichkeit auf seine Umgebung ausübte, und an 
die Ehrfurcht, die dem Meister entgegengebracht wurde und 
sich nach seinem Tode naturgemäß steigerte. Schon in der 
Aufnahmeform el „Ich nehme meine Zuflucht bei Buddha 
u. s. w." ist in der ältesten Zeit des Buddhismus die Person 
des Stifters vor die Lehre gestellt. Dann mußte der Kul- 
tus der heiligen Stätten, die im Leben Buddhas eine be- 
sondere Rolle gespielt hatten, und die Reliquienverehrung, 
die gleich nach seinem Tode in Laienkreisen einsetzte, zur 



» Mit Wecker 445 f. 



— 173 — 

^Erhöhung seiner Person beitragen; ebenso die Legenden- 
bildung, bei der nicht nur das Leben des historischen 
ßuddha sondern auch alle seine angeblichen früheren Exi- 
stenzen von den Gebilden einer zügellosen 'Phantasie um- 
rankt wurden. Selbst die Denkmäler der alt buddhistischen 
Kunst zeugen dafür, daß die Erinnerung an den Stifter 
im Mittelpunkt des religiösen Denkens stand ; denn wenn 
auch das Buddhabild vermieden wurde — um prinzipiell 
zum Ausdruck zu bringen, daß es mehr auf die Lehre als 
auf den Lehrer ankomme — , so sind doch im Grunde 
schon alle jene alten Reliefs buddhazentrisch. ^ 

Mit Recht aber legt Wecker das Hauptgewicht auf 
die spekulative und dogmatische Entwick- 
lung des alten Buddhismus. Wenn sich hier die Gestalt 
des einen historischen Buddha vervielfältigt, wenn femer 
neben die (im Skt. pratyeka-y im Päli pacceka-huddha ge- 
nannten) Buddhas, die nur im Stande sind, das erlösende 
Wissen für sich zu gewinnen, aber nicht die Fähigkeit 
haben, Andere zur Erlösung zu führen, die SamyaA;-(Päli 
Sammä')samlyuddlias, die heiligen, universalen Buddhas, tre- 
ten, die zu bestimmten Zeiten in den verschiedenen Welt- 
perioden in dieser wie in anderen Welten mit ganz fest- 
stehenden Kräften und Merkmalen erscheinen, um die er- 
lösende Erkenntnis zu predigen, so hatte damit bereits „die 
Gestalt Buddhas im Glauben der Gemeinde die Grenzen 
irdisch-menschlicher Realität überschritten." * Diese Er- 
höhung in die Sphäre des Uebermenschlichen, die uns 
schon im Päli-Kanon oft genug entgegentritt, mag auch 
durch solche Erzählungen begünstigt worden sein, wie die 
von dem Gespräch mit dem Brahmanen Dona ^ in dem 

^ Wecker 451. 

* Oldenberg, Buddha» 374. 

' H. Kern, Manual 64. 



— 174 — 

Buddha ausdrücklich behauptet, daß die Menschen nach 
der Erlangung der Buddhaschaft eine besondere Wesens- 
kategorie bilden, verschieden von Göttern, Halbgöttern und 
Menschen. 

Mit der Vervielfältigung des historischen Buddha war 
der Glaube an die künftigen Buddhas gegeben, der 
schon in der kanonischen Päli-Litteratur belegbar ist. ^ 
Das Dogma von dem Buddha der Zukunft erklärt sich 
also ganz ungezwungen ebenso wie die Vergöttlichung des 
geschichtlichen Buddha aus der Entwicklung der buddhis- 
tischen Religion. Damit ist nicht bestritten, daß bei der 
Gestaltung der Vorstellungen von dem nächsten zukünfti- 
gen Buddha analoge fremde Elemente mitgewirkt haben. 
Wenn die historische Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit 
einer solchen Einwirkung anerkannt werden muß, so ist 
diese sogar sehr glaubhaft. Dahlmann wendet sich ^ 
mit großer Energie, aber mit ganz unzulänglicher Begrün- 
dung, gegen den Gedanken, daß die iranischen Vorstel- 
lungen von dem zukünftigen Heiland, dem Qaoshyant (spä- 
ter Sösiosh), auf den mahäyänistischen Ideenkreis einge- 
wirkt haben könnten. Und doch liegt nichts näher als 
dies, da es sich um eine Zeit handelt, in der iranische 
Einflüsse auf das nordwestliche Indien, z. B. auf die Mün- 
zen der Gandhära-Zeit, zur Genüge festgestellt sind. ^ Auch 

* Im Mahä-parinibbäna-sutta, Digha-nikäya XVI. 1. 16 (der Rhys 
Davids-Carpente r'scben Ausgabe IL 82) nach einer freundlichen 
Mitteilung von 0. Franke. 

« IL 131—134. 

3 Wecker a. a. 0. 439, 440, 455. Grünwedel, Buddhisti- 
sche Kunst* 167 : „Vielleicht ist es also berechtigt darauf hinzuweisen, 
daß auch hier wiederum Berührungen mit iranischen Ideen stattge- 
funden haben. Die Aehnlichkeit der Vorstellung von dem künftigen 
Buddha Maitreya mit dem Erlöser der Pärsireligion Saoshyant (Sö- 
siosh) ist ganz auffallend. Wenn wir nun auch nicht wissen, wann 
bei den Iraniern die Legende vom Saoshyant sich so entwickelt hat, 



— 175 — 

in den mahäyänistischen Spekulationen über die fünf Dhyäni - 
buddhas, die „aus der Meditation hervorgegangenen Bud- 
dhas** in transscendenten Welten, deren Reflexe die irdi- 
schen £uddhas sind, hat man die Einflüsse der iranischen 
Lehre von den Fravashis erkannt, den seit Ewigkeit her 
und bis in Ewigkeit hin im Jenseits existierenden Abbildern 
aller guten Wesen. 

Den Hauptgrund gegen Dahlmanns Theorie, der 
das ganze künstliche Gebäude mit einem Schlage zu Fall 
bringt und der merkwürdiger Weise von Wecker über- 
sehen worden ist, habe ich mir bis zuletzt aufgespart. Das 
Fundament, auf dem Dahlmanns Beweisführung ruht, 
bildet die Behauptung, daß der älteren üeberlieferung 
von Maitreya gar nichts bekannt sei, sondern daß in ihm 
eine Neuschöpfung des Mahäyäna vorliege. Diese Behaup- 
tung ist auch anderweitig zu flnden. Grünwedel, Bud- 
dhistische Kunst ^ 158 hat folgende Auslassung über Mai- 
treya: „Die nördliche Schule kennt ihn ganz ausführlich 
und legt ihm Offenbarungen in den Mund, ja er ist überall 
hochverehrt, fast mehr wie Gautama. Im südlichen Kanon 
kommt er, soweit ich sehen kann, nicht vor; doch kennt 
ihn die singhalesische Chronik Mahävansa. ** ^ Aehnlich 
heißt es im Supplementband von Brockhaus' Konversations- 
lexikon ^* in dem Artikel Buddhismus 229* über Maitreya 
(Päli Metteyya): „Die südliche Kirche erkennt ihn an, die 
kanonischen Schriften aber erwähnen ihn nicht. Die im 
Norden entstandene Mahäyänaschule aber wendet sich mit 

wie sie jetzt vorliegt, so ist doch die dominierende Stellung des 
Maitreya innerhalb der nördlichen Kirche sicher beeinflußt." 

* Die — von den späteren Fortsetzungen abgesehen — aus dem 
Ende des fünften Jahrhunderts nach Chr. stammt (die Belegstellen 
für Metteyya s. in Childers' Dictionary of the Pali Language). 
Metteyya ist übrigens auch im Milindapanha p. 159 genannt, der 
wahrscheinlich dem zweiten Jahrhundert nach Chr. angehört. 



— 176 — 

besonderem Eifer dem Maitreya-Kult und noch anderen 
Bodhisatvas zu." Von diesen beiden Sätzen ist nur der 
zweite richtig. Schon ein Blick in das bekannteste Werk 
über den Buddhismus^ lehrt, daß die Vorstellung des zu- 
künftigen Buddha Metteyya dem alten Buddhismus nicht 
fremd gewesen ist ; auch T. W. Rhys Davids* sagt 
ausdrücklich, daß „diese Lehre bereits einen Teil des Sy- 
stems des Kleinen Fahrzeugs (Hinayäna) bildet." 

Das von Oldenberg a. a. O. beigebrachte Zitat ist 
dem Cakkavatti-suttanta, einem Teile des Digha-nikäya, also 
der kanonischen Päli-Literatur entnommen; es lautet: „Er 
wird der Führer einer Jüngerschar von Hunderttausenden 
sein, wie ich jetzt der Führer einer Jüngerschar von Hun- 
derten bin." * 

Ferner ist im Buddhavaipsa, einer kurzen poetischen 
Lebensbeschreibung der 24 früheren Buddhas, die zu den 
Anhängseln des Suttapitaka gehört, Metteyya als der zu- 
künftige Buddha genannt (27. 19),* nachdem in dem vor- 
stehenden Verse Kakusandha, Konägamana und Kassapa 
als die drei in. dieser „gesegneten Weltperiode" (bhaddaka 
kappä) dem historischen Buddha voraufgegangenen Buddhas 
aufgezählt waren. Nun hat allerdings, wie der Heraus- 
geber bemerkt, der Buddhavaijisa ursprünglich mit Vers 18 
geschlossen; die beiden noch folgenden Verse und der 

» Buddha« 160 Anm., 375 Anm. 1. 

* De r Buddhismus, deutsch von A. P fu n g s t (Leipzig ohne Jahr) 208. 

* Digha-nikäya Sutta 26. Auch ein so guter Kenner der kanoni- 
schen Päli-Literatur wie 0. Franke hält diese Stelle für unver- 
dächtig und erklärt es für ausgeschlossen, daß sie in nachchristlicher 
Zeit interpoliert worden sei. Vgl. ferner C. A. F. Rhys Davids' 
Anzeige von Carpenters Ausgabe des DTgha-nikäya Vol. 111, JRAS. 
1911, 557; Edmunds, Buddhist and Christian Gospels* 11. 161. — 
Auf einen Teil der nachfolgenden Stellen hat mich Oldenberg 
freundlichst aufmerksam gemacht. 

* p. 67 der Ausgabe von Morris, Pali Text Society. 



— 177 — 

letzte Gesang (28) wären also eine spätere Zutat. Aber 
in Vers 19 ist nachträglich nur ausdrücklich ausgesprochen, 
was implicite schon in Vers 18 enthalten war. Denn nach 
buddhistischer Lehre erstehen in einem bhadda Jcappa (skt. 
bkadra halpa) nicht yier, sondern fünf Buddhas; die Er- 
wähnung eines solchen kappa begreift also die Erwartung 
des fünften Buddha in sich. ^ Die Weltperioden zerfallen 
in „leere" (skt. sünya^ Päli sunna), in denen kein Buddha 
auftritt, und „nichtleere ** (skt. aSünya, Päli asunna), also 
volle, in denen es einen oder mehrere Buddhas giebt; die 
„nichtleeren * Weltperioden führen je nach der Anzahl der 
auftretenden Buddhas (von 1 bis 5) besondere Bezeich- 
nungen. ^ Ein bhadda Tcappa mit fünf Buddhas, wie der 
gegenwärtige, tritt immer nur nach laugen Zwischenräu- 
men ein. 

Wir haben keinen Grund daran zu zweifeln, daß diese 
ganze Vorstellung von der Verschiedenartigkeit der Welt- 
perioden und den mit fünf Buddhas „gesegneten Weltpe- 
rioden ^ schon dem Buddhismus vor seiner Entwicklung 
zum Mahäyäna eigen war. Und da der Name Maitreya- 
Metteyya, der nach dem oben mitgeteilten alt (schon etwa 
dem vierten Jahrhundert vor Chr. angehörig) ist, von skt. 
maÜTh Päli niettä ,Liebe^ abgeleitet ist, so ergiebt sich 
daraus, daß man schon in der alten Zeit mit dem zukünf- 
tigen Buddha die Vorstellung eines „liebevollen Erbarmers" 
verbunden hat. 

Man sieht, daß kaum eine Streitfrage in der Religions- 
geschichte sich mit größerer Sicherheit entscheiden läßt 



* Oldenberg, Buddha* 375, Anm. 1 ; Koppen, Die Religion 
des Buddha I. 315. 

'Spence Hardy, a Manual of Buddbism 8; Childers 
Dictionary of the Pali Language s. v. kappo p. 186 ; P i s c h e 1 , Le- 
ben und Lehre des Buddha' 94. 

Oarbe, Indien und das Christentum. 12 



— 178 — 

als die von Dahlmann aufgeworfene und seiner Meinung 
nach unzweifelhaft im gegenteiligen Sinn entschiedene. Bei 
den Mitgliedern seines Ordens aber gilt Dahlmann 
als Autorität, und es wird deshalb in diesem Kreise auf 
dem vollkommen zusammengebrochenen Fundamente weiter 
gebaut. ^ 

In Wahrheit ist das Mahäyäna ohne jede Beeinflussung 
von Seiten des Christentums entstanden und hat aus 
eigener Kraft in gewaltigem Siegeszug die ostasiatische 
Welt bezwungen, und zwar ohne dabei einen Tropfen Blut 
zu vergießen, lediglich durch die Macht der üeberzeugung 
und des Vorbilds. Was für eine bis auf den heutigen Tag 
nachhaltige Wirkung das Mahäyäna auf die höhere Gei- 
steskultur Chinas ausgeübt hat, erfahren wir von dem gro- 
ßen Sinologen J. J. M. de Groot, der lange Jahre in 
China unter den buddhistischen Mönchen gelebt hat und 
die Buddhisten für die einzigen Chinesen erklärt, die Her- 
zensbildung besitzen, und für die einzigen, mit denen man 
über geistige Dinge reden könne* * 

Wenden wir uns jetzt zu der Frage, ob in späterer 
Zeit die nachweislichen Berührungen mit dem Christentum 
erkennbare Spuren in dem nördlichen Buddhismus hinter- 
lassen haben. Diese Frage bin ich geneigt zu bejahen, 
obwohl es hier schwer ist, einen positiven Beweis zu führen. 

Bevor ich auf den tibetischen Buddhismus eingehe, der 
hier hauptsächlich in Betracht kommt, habe ich noch fol- 
gende Bemerkung einzuschalten. 

* So von St. B eis sei, S. J., Einfluß des Christentums auf den 
Buddhismus in der spätrömischen Kaiserzeit, Stimmen aus Maria- 
Laach, 75. 353 f. Der Verfasser bezweifelt selbst den buddhistischen 
Ursprung der Legende von Barlaam und Joasaph (S. 354), scheint 
also E. Kuhns bahnbrechende Arbeit über den Gegenstand gar 
nicht zu kennen. 

■ Bei Edv. Lehmann, Der Buddhismus, 256. 



— 179 — 

Zu den bekanntesten Schriften der nordbuddhistischen 
Literatur gehören der „Lotus des guten Gesetzes" und die 
Buddhabiographien Lalitavistara und Mahävastu, die alle 
drei nicht vor 200 nach Chr. gesetzt werden dürfen. In 
diesen drei Werken finden sich die meisten Parallelen zu 
den Erzählungen der Evangelien, die man in der buddhis- 
tischen Literatur angetroffen hat.^ üeber diese Parallelen 
läßt sich zur Zeit leider nicht mehr sagen, als daß ihre 
Entlehnung aus dem Christentum möglich ist. Wenn in 
jüngeren Mahäyäna-Schriften von Buddha als dem Fischer 
gesprochen wird, der die Menschen wie Fische fängt, und 
dieses Gleichnis in die chinesische Kunst übergegangen 
ist, in der Buddha als Fischer mit Angelrute und Haken 
dargestellt wird, so ist hier eine üebertragung der christ- 
lichen Symbolik in die buddhistische Welt unverkennbar, 
weil der Fischfang eine ganz unbuddhistische Handlung ist. 

Dasselbe gilt von der bildlichen Darstellung der Mut- 
ter mit dem Buddhakinde. Daß diese auf christliche Vor- 
bilder zurückgeht, lehrt ein Blick auf die „buddhistische 
Madonna" aus Chinesisch Turkestan in dem Berliner Mu- 
seum für Völkerkunde.^ Erwähnt sei auch, daß selbst die 
Taufe in die entartete Form des Buddhismus aufgenommen 
worden ist.* 

Für solche üebertragungen waren damals die Bedin- 
gungen außerordentlich günstig. Kennedy erwähnt*, 
allerdings ohne seine Quelle anzugeben, daß im achten 
Jahrhundert ein christlicher Mönch und ein baktrischer 



1 S. oben S. 46. 

2 Als Titelbild in A. F o u c h e r's Beginnings of Buddhist art 
and other essays oa Indian and Central Asian Archaeology, trans- 
lated by L. A. and W. F. Thomas (Paris 1912). 

' Edmunds, Buddhist and Christian Gospels * I. 137 Anm. 54, 
230, 231. 

* JRAS. 1907, 481. 

12* 



— 180 — 

Buddhist gemeinschaftlich ein christlich-buddhistisches Lehr- 
buch verfaßt haben. Es handelt sich in Wahrheit dabei 
um den nestorianischen Missionar Adam, den ,,Pre8byter, 
Ohorepiscopus und Papas von China" — von den Chinesen 
King Tsing „der Ausgezeichnete und Reine" genannt — , 
der in Slnganfu, der alten Hauptstadt von China, zusam- 
men mit Frajna, einem Buddhisten aus KapiSa in Nord- 
indien, das buddhistische Satpäramitä-sütra aus dem üigu- 
gurischen ins Chinesische übersetzt hat.^ Durch die be- 
rühmte, von dem eben erwähnten Adam mit Hilfe anderer 
Nestorianer im Jahre 781 verfaßte chinesisch-syrische In- 
schrift von Slnganfu erfahren wir ferner, daß in einem 
dortigen Kloster damals buddhistische Mönche und nesto- 
rianische Christen kameradschaftlich zusammen gelebt und 
gewirkt haben.^ Solch ein freundschaftlicher Verkehr 
zwischen Buddhisten und Christen hat in jenen Zeiten ge- 
wiß auch in Zentralasien vielfach bestanden. 

In das eisige Hochland Tibet ist der Buddhismus nicht 
in Gestalt des Mahäyäna-, sondern des Yogäcära '-Systems 
gedrungen, das allerdings nur als eine besondere Schule 
des Mahäyäna angesehen werden will und das man nach 
seinen Lehrbüchern auch als Tantra-Schule bezeichnet. 
Diese Schule ist im sechsten Jahrhundert von dem Mönch 
Äryäsanga aus Peshawar gegründet, der die brahmanischen 
-7- insbesondere die Sivaitischen — Götter in den Buddhis- 

* Takakusu, I-Tsing, 224 Anm., und T'oung Pao Vn (1897), 
589—591 ;BertholdLaufer, The Open Court, August 1911, 451, 
452. Danach hat der Kaiser Tai-Tsung (780 — 804) geradezu eine War- 
nung vor der Vermengung der christlichen und buddhistischen Leh- 
ren erlassen. S. den Wortlaut bei Edmunds, Buddhist and Chri- 
stian Gospels* II. 273. 

^ Max Müller, Last Essays I. 258, IL 310 f., nach James 
Ij 6 g g 6 » Christianity in China (1888). 

^ wörtlich „Ausübung von Zauber", das Hauptmerkmal dieser 
Schule. Yogäcära bedeutet aber zugleich „üebung der Versenkung". 



— 181 — 

mus als Verteidiger der Kirche gegen die Welt der Dä- 
monen aufnahm und die Religion mit einer verworrenen 
Zaubertheorie ausstattete, bei der mystische Formeln {dha- 
rant) zur Gewinnung übernatürlicher Kräfte und zur Er- 
reichung aller möglichen sonstigen Wünsche im Vorder- 
grund standen. 

In dieser entarteten Form ist der Buddhismus in der 
Mitte des siebenten Jahrhunderts nach Tibet gelangt \ und 
etwa 100 Jahre später ist dort die unter dem Namen La- 
maismus bekannte Kirche, die sich bald zum Kirchenstaat 
entwickelte, von dem gerissenen „Zauberer" Padmasambhava 
gestiftet worden, den die indischen Missionare des Buddhis- 
mus aus seinem Geburtsland Kafiristan nach Tibet kommen 
ließen, um den Widerstand der einheimischen Schamanen 
zu überwinden.^ Diese Ueberwindung gelang Padmasam- 
bhava dadurch, daß er die Lehren und Gebräuche dieser 
im Volk einflußreichen Schamanen dem tibetischen Bud- 
dhismus einverleibte, in welchem sie seitdem einen Haupt- 
bestandteil bilden. 

Die Möglichkeit christlicher Einflüsse auf den Bud- 
dhismus in Tibet und China besteht nachweislich seit 635; 
denn aus diesem Jahre ist eine nestorianische Mission be- 
zeugt, die sich unter einem Führer Namens Olopan oder 
Alopen nach jenen Ländern begab.* Diese Mission wurde 
in Nordindien von dem berühmten König Öiläditya an sei- 
nem Hofe in Kanöj im Jahre 639 empfangen. * 

* Grünwedel, Der Lamaismus 141 (in H i n n e b e r g s Kultur 
der Gegenwart, Teil I, Abteilung III, i : Die orientalischen Religionen, 
Berlin und Leipzig 1906). 

* Ebendas. 143 ; L. Austine Waddell, The Buddhism of 
Tibet or Lamaism (London 1895) X, 24 f. (s. Index). 

8 Waddell, a. a. 0. 422. 

* Takakusu, I-tsing XXVIII, Anm. 8 ; Athenaeum, July 3, 1880, 
8 in der Besprechung 7 on Edkins' Chinese Buddhism ; Grierson, 
ERE. IL 548b* 



— 182 — 

Nach dieser Zeit ist in Nepal und Tibet der Glaube 
an den Ädibuddha aufgekommen, d. d. an einen allmäch- 
tigen und allwissenden ürbuddha, von dem man annahm, daß 
er durch seine Meditation die oben (S. 175) erwähnten fünf 
Dhyänibuddhas erzeugt habe, — also eine monotheistische 
Ausgestaltung des ursprünglich atheistischen Buddhismus. 
Khjs Davids^ setzt die Entstehung dieses Glaubens im 
Anschluß an Csoma de Koros in das zehnte Jahrhun- 
dert, L. de la Vallee Poussin* etwas früher. Der 
letztgenannte Gelehrte hat mich unlängst brieflich darauf 
aufmerksam gemacht, daß in einer Stelle des Mahäyäna- 
Süträlaijikära ^ von Asafiga, der um 400 ganz im Nord- 
westen Indiens gelebt hat, die Worte stehen: „Es giebt 
keinen Ädibuddha. *" Danach muß es also schon damals 
Leute gegeben haben, die an einen Ädibuddha glaubten; 
aber die Ausbildung und Ausbreitung eines solchen Glau- 
bens fand sicher erheblich später statt, und zweifellos sind 
H. Kern und Waddell*, der sich auf Kerns Autori- 
tät beruft, im Unrecht, wenn sie die Anfänge der Lehre 
von dem Ädibuddha schon in das erste Jahrhundert nach 
Chn verlegen. 

Poussin betrachtet diesen vollkommen theistischen 
{aiivarika) Buddhismus, der in mehrere — mindestens zwei 
— verschiedene Ädibuddha-Systeme zerfällt, lediglich als 
eine abschließende Entwicklungsstufe des Mahäyäna. !Er 
sagt^: „Buddhist in fact only in name and in so far 
as it employs Buddhist terminology, it nevertheless is, as 

^ Buddhismus 214. Ebenso Winternitz, Gesch. d. ind. Litt. 
II. I. 238, 239. 

■ In dem gelehrten und ausführlichen Artikel Ädibuddha, ERE. I. 
93 f., dem am Schluß reiche Literaturangaben angefügt sind. 

» Ed. S. Levi, IX. 77. 

* Buddhism of Tibet 126, 130. 

5 A. a. 0. 93 b. 



— 183 — 

it were, the consummation of the pbilosophical, mystical, 
and mytbological speculations of the Great Vehicle, 
and differs from several other Systems, widespread in the 
Buddhist world, only by its markedly 'theistic' colouring." 
Er konstatiert Beziehungen zum Hinduismus, erwähnt aber 
nicht einmal die Möglichkeit christlichen Einflusses auf die 
Entstehung und Ausbildung dieses Glaubens. Man wird 
ihm zugeben müssen, daß die Einfügung eines persönlichen, 
zwar im Prinzip untätigen, aber in Wirklichkeit doch 
schöpferisch gedachten Gottes, als welchen wir den Ädi- 
buddha ansehen müssen, in das phantastische System des 
späteren Mahäyäna ohne fremden Einfluß verständlich ist. 
Wie man zuerst die imaginären Dhyanibuddhas und Dhyäni- 
bodhisattvas über den irdischen Buddha und seine Verviel- 
fältigungen in Vergangenheit und Zukunft gesetzt und die 
letzteren als deren irdische Keflexe erklärt hatte, so konnte 
man später nach einem Grunde suchen, aus dem jene Phan- 
tasiegebilde abzuleiten waren, und diesen Grund in einem 
obersten Gotte finden. Auch ist denkbar, daß der Wunsch, 
in theistisch gerichteten Volkskreisen Anhänger für die 
buddhistische Keligion zu gewinnen, bei der Aufstellung 
des Ädibuddha mitgewirkt hat. Poussin hätte auf eine 
analoge Erscheinung in der Geschichte der brahmanischen 
Philosophie verweisen können, nämlich auf die Einfügung 
des persönlichen Gottes (isvara) in das atheistische Säni- 
khya-System, die in weniger vermittelter Weise bei der 
Ausgestaltung dieses Systems zur Yoga-Lehre vorgenommen 
wurde. Immerhin muß die Möglichkeit betont werden, daß 
der Glaube an den Ädibuddha, dessen Entstehung jetzt 
nach dem oben angeführten Beleg in die Zeit um 400 und 
in den äußersten Nordwesten Indiens verlegt werden muß, 
christlicher Herkunft sein kann und daß auch auf die spä- 
tere Ausbildung dieses Glaubens in Tibet christliche Ein- 



— 184 — 

fiüsse eingewirkt haben können, da ihr zeitlich unzweifel- 
haft im tibetischen Buddhismus religiöse Disputationen mit 
Nestorianem voraufgegangen sind. 

Mit größerer Bestimmtheit sind die vielfach angenom- 
menen christlichen Einflüsse auf die spätere Entwicklung 
des lam aistischen Kultus anzuerkennen, den man 
geradezu als ein Zerrbild des katholischen Kultus bezeich- 
net hat. Haben doch katholische Missionare, die nach 
Tibet gelangt waren, voll Entsetzen berichtet, daß der 
Teufel dort eine Karikatur der Einrichtungen der römisch- 
katholischen Kirche hervorgebracht habe, um diese zu ver- 
höhnen. 

Aus Grünwedels vortrefflicher Darstellung des 
Lamaismus ^ ist zu ersehen, daß sich die europäische christ- 
liche Mission um Tibet schon seit der ersten Hälfte des 
vierzehnten Jahrhunderts bemüht hat. Im Jahre 1330 fand 
der erste dorthin gelangte Europäer Odoricus von Pordenone 
in der Hauptstadt von Tibet — also in Lhasa — schon 
christliche Missionare und einige Konvertiten vor. Unter 
diesen Missionaren haben wir jedenfalls syrische Christen 
zu verstehen. Nach langer Pause folgte 1624 der portu- 
giesische Jesuit d'Andrada, der von Delhi aus nach der 
Stadt Tschaprang in Westtibet gelangte, von dem dortigen 
König ehrenvoll aufgenommen wurde und mit dessen Er- 
laubnis den Grundstein zu einer christlichen Kirche legte. 
Wir erfahren dann von einer Reihe weiterer Missionare, 
Dominikaner und Jesuiten, aus dem Anfang des achtzehn- 
ten Jahrhunderts, von mancherlei Schwierigkeiten, mit denen 



^ In Hinnebergs Kultur der Gegenwart, Teil I, Abteilung III, i: 
Die orientalischen Religionen, 136 f., X. Europäische Reisende in Ti- 
bet, 156 f. S. auch 0. W e c k e r , Lamaismus und Katholizismus (ein 
Vortrag, Rottenburg a/N. 1910) und Hackmann, Buddhism as a 
religion, 71 f., 154 f. 



— 185 — 

sie zu kämpfen hatten, aber auch von Schutz und Wohl- 
wollen seitens des Königs. Seit 1719 beginnt die Missions- 
tätigkeit der Kapuziner, denen es in Born gelungen war, 
den Alleinbetrieb der tibetischen Mission übertragen zu 
erhalten. Sie wird von den Kapuzinern gleich in umfas- 
senderem Maße in Angriff genommen. In dem genannten 
Jahre kam Horatio della Penna mit zwölf Kapuzinern nach 
Tibet, 1737 noch einmal mit neun, da von seinen ersten Be- 
gleitern die meisten gestorben oder arbeitsunfähig geworden 
Vikaren. Aber gegen Mitte des achtzehnten Jahrhunderts 
bald nach dem Tode Horatios gaben die Kapuziner die 
Missionierung Tibets auf. 

Von unmittelbaren Erfolgen aller dieser Bemühungen 
ist nichts bekannt geworden. Wenn Bekehrungen in er- 
heblichem umfang gelungen wären, so würden die Nach- 
richten darüber sicher nicht spurlos verloren gegangen sein. 
Die Missionare werden klug genug gewesen sein, um die 
Sachlage richtig zu beurteilen und die Aussichtslosigkeit 
einer beträchtlichen Verbreitung des Christentums in Tibet 
zu erkennen ; sie werden aber auch aus dem synkretistischen 
Charakter des Lamaismus, der nicht nur die brahmanischen 
Götter, sondern auch die nationalen Gottheiten der Tibeter 
und schließlich noch nach der Bekehrung der Mongolen 
auch die Vorstellungen dieses Volkes in sich aufgenommen 
hatte, die berechtigte Erwartung abgeleitet haben, daß in 
seinem Schoß auch Raum für christliche Ideen und Kul- 
tusformen sein würde. 

Von einer ähnlichen Anschauung sind Ende des sech- 
zehnten Jahrhunderts die Jesuiten in China ausgegangen, 
die 1581 unter Führung von Ricci dort ankamen, in der 
Kleidung buddhistischer Mönche, um sich eine freundliche 
Aufnahme zu sichern, und unter öffentlicher Teilnahme an 
dem konfuzianischen Gottesdienst christliche Ideen verbrei- 



— 186 — 

teten, so daß manche Chinesen das Christentum annahmen, 
aber deshalb doch nicht aufhörten, Konfuzianer, Taoisten 
oder Buddhisten zu sein; bis ein Machtspruch aus Rom 
dieser Anpassung des Christentums an die chinesischen Be- 
dürfnisse ein Ende machte.^ 

So werden auch die christlichen Missionare in Tibet 
in der Hauptsache auf die „friedliche Durchdringung" des 
Lamaismus mit christlichen Elementen ausgegangen sein, 
in der Hoffnung, ihn auf diese Weise mit der Zeit un- 
merklich zu christianisieren. Daß ihnen dies auf dem Ge- 
biet des Kultus besser gelungen ist als auf dem der Lehre, 
findet seine Erklärung darin, daß der Lamaismus im Ge- 
gensatz zu dem ursprünglichen Buddhismus wesentlich auf 
das Aeußerliche gerichtet war. In der Hochschätzung der 
Werkheiligkeit mußten sich ja Lamaismus und Katholizis- 
mus verständnisvoll begegnen. 

Ln Jahre 1760 schloß sich Tibet gegen europäische 
Besucher ab, und seitdem ist es nur vereinzelten Euro- 
päern — gewöhnlich in asiatischer Verkleidung — gelungen, 
in das Land einzudringen, aber ohne die Hauptstadt Lhasa 
zu erreichen, — mit Ausnahme der britischen Expedition 
unter Oberst Younghusband, dessen Einzug in Lhasa im 
Jahre 1904 uns noch in frischer Erinnerung ist. 

Jedenfalls war die Absperrung Tibets eine völlige, als 
die beiden Lazaristen-Patres Huc und Gäbet in der Tracht 
buddhistischer Geistlicher im Januar 1846 von der Mongolei 
aus nach einer anderthalbjährigen mühseligen Keise Lhasa 
erreichten, das sie schon im März wieder auf Verlangen 
des chinesischen Residenten verlassen mußten. Was Huc 
in seinem berühmten Buche ^ über den lamaistischen Kultus 

1 Max Müller, Last Essays IL 315—317. 

^ Souvenirs d'un voyage dans la Tartarie, le Tibet et la Chine 
(2 Bde, Paris 1850, •1853), auch in deutscher und englischer Ueber- 
setzung/ 



— 187 — 

mitgeteilt hat, ist eine Hauptquelle für Alle geworden, die 
über den Lamaismus geschrieben haben. 

Rhjs Davids' „Buddhismus^ schließt mit folgender 
zusammenfassender Beschreibung : „Fürwahr, der Lamaismus 
mit seinen geschorenen Priestern, seinen Glocken und Ro- 
senkränzen, seinen Bildern, seinem geweihten Wasser, den 
prachtstrotzenden Gewändern, seinem heiligen Dienste mit 
doppelten Chören, Prozessionen, Glaubenssätzen, seinem 
mystischen Ritual mit Weihrauch, wobei die Laien nichts 
als Zuschauer sind, mit seinen Aebten, Mönchen und Non- 
nen von vielen verschiedenen Rangstufen, seiner Verehrung 
der doppelten Jungfrau, von Heiligen und Engeln, mit 
seinem Pasten und Fegefeuer, seinen Beichten, Götzenbil- 
dern und Gemälden, seinen ungeheuren Klöstern und präch- 
tigen Kathedralen, seiner mächtigen Hierarchie, seinen Kar- 
dinälen und seinem Papste — zeigt, wenigstens auswendig, 
eine außerordentliche Aehnlichkeit mit der römisch-katho- 
lischen Kirche trotz der wesentlichen Verschiedenheit ihrer 
Lehren und der Art ihres Denkens." 

Man könnte diese Schilderung noch ergänzen durch 
den Hinweis auf den Krummstab und die Bischofsmütze, 
die Teufelsaustreibungen, das Rauchfaß mit fünf Ketten, 
das man nach Belieben schließen oder öffnen kann, die 
Segenerteilungen, bei denen der Lama seine rechte Hand 
auf das Haupt des Gläubigen legt, die geistlichen üebun- 
gen in der Zurückgezogenheit und anderes mehr. ^ Beson- 
dere Beachtung scheint mir ferner das Sichbekreuzen der 
höheren Lamas vor dem Beginn einer religiösen Handlung ^ 
zu verdienen, und eine Zeremonie, die eine merkwürdige 
Aehnlichkeit mit der Abendmahlsfeier hat. "^ Es handelt 



* H u c bei Wecker a. a. 0. 37. 
»Waddell, Buddhism of Tibet, 423. 
» Ebendas. 444 f. 



— 188 — 

sich hier um die Verteilung geweihten Brotes und Weines 
an die andächtige Menge. An Stelle des Brotes werden 
auch geweihte Pillen aus Butterteig erwähnt, und unter 
dem Wein muß wohl ein anderes alkoholisches Gebräu^ 
verstanden werden. Jedenfalls werden „Brot und Wein" 
von den Teilnehmern an dieser Festlichkeit „zur Gewin- 
nung von langem Leben" genossen. Bei dem langen Le- 
ben ließe sich an eine Umdeutung des christlichen ewigen 
Lebens denken. 

Stark katholisch mutet uns auch ein Grundgedanke 
des Lamaismus an, daß nämlich die Priester „hold the 
keys of hell and heaveu, for they have invented the com- 
mon saying : without a Lama in front (of the votary), there 
is (no approach to) God".^ 

Man könnte versucht sein, diese kultischen Ueberein- 
stimmungen zwischen Katholizismus und Lamaismus als 
Parallelerscheinungen durch den Satz zu erklären, daß der 
menschliche Geist, wenn er sich in derselben Richtung des 
Denkens und Fühlens bewegt, auch äußerlich zu den glei- 
chen Ergebnissen gelangt. Aber die üebereinstimmungen 
sind zu eng und zu zahlreich, als daß wir ohne die An- 
nahme der Entlehnung auskommen können. Wie ich mich 
oben in Kapitel V des ersten Abschnitts der Ueberzeugung 
nicht verschließen konnte, daß manche Grundzüge des Kul- 
tus von der alten christlichen Kirche aus dem Buddhismus 
übernommen sind, so haben umgekehrt in späterer Zeit viele 
christliche Kultusformen einer jüngeren Entwicklungsstufe 
in die entartetste Form des Buddhismus, in den Lamais- 
mus, Aufnahme gefunden. 

Ich habe oben (S. 185) angedeutet, auf welchem Wege 

* ,ambrosia brewed from spirit or beer**, W a d d e 1 1 445 unten; 
448 Mitte ist aber wieder von dem sacred wine die Rede. 

• Ebendas. 422, 423. 



— 189 — 

dies meiner Ansicht nach geschehen ist. H u c hat noch 
eine andere Möglichkeit in Betracht gezogen.^ Im drei- 
zehnten Jahrhundert zur Zeit der Mongolenherrschaft ka- 
men Gesandte der Weltherrscher nach Italien, Spanien, 
Frankreich und England und werden — so meint H u c — 
von dort einen tiefen Eindruck von dem Glanz und Ge- 
pränge des katholischen Kultus mit heimgenommen haben. 
Das mag richtig sein ; aber die etwaigen begeisterten 
Schilderungen dieser weltlichen Gesandten werden sich 
doch nur in allgemeinen Umrissen bewegt haben und 
können kaum auf den späteren Kultus der Mongolen 
Einfluß geübt haben. Noch weniger ist anzunehmen, daß 
die Mongolen die Spuren dieses Einflusses nach Tibet 
hineingetragen haben werden, da sie ja den Lamaismus, 
dessen treue Anhänger sie bis auf den heutigen Tag ge- 
blieben sind, aus Tibet bezogen haben. Zur Zeit ihrer 
höchsten Macht waren zudem die Mongolen, die damals dem 
Scbamanismus anhingen, religiös indifferent und ließen sich 
von den Sendboten des Buddhismus, des Islam und auch 
des Christentums vergeblich umwerben. Als Chubilai Chan 
sich Ende des dreizehnten Jahrhunderts zum Buddhismus 
bekehrte, war das mongolische Weltreich bereits in Stücke 
gegangen. 

Nach den Vermittlern des christlichen Einflusses auf 
den lamaistischen Kultus muß man schon in Tibet selbst 
suchen, und da ist allerdings die Vermutung Hucs^ nicht 
von der Hand zii weisen, daß der berühmte Reformator 
des Lamaismus Tsong-kha-pa (1356 — 1418), der den Ornat 
der Geistlichen und ein genau geregeltes Ritual einführte, 
unter dem Einfluß christlicher Missionare gestanden habe, 



^ bei Wecker, Lamaismus und Katholizismus, 37 — 39. 
• S. auch Waddell 59; Hackmann, Buddhism as a religion, 
74, 75, 180. 



— 190 — 

wenn uns auch gerade aus dieser Zeit keine Kunde yon 
einer katholischen Mission nach Tibet erhalten ist. Aber 
Zentralasien wurde damals von zahlreichen christlichen 
Missionaren durchreist. Der „Fremde mit der langen Nase 
und den in übernatürlichem Feuer leuchtenden Augen" \ 
mit dem Tsong-kha-pa verkehrt haben soll und in dem 
manche Forscher einen europäischen Lehrer Tsong-kha-pas 
vermutet haben, gehört allerdings in das Gebiet der Fabel. 
Er verdankt seine Entstehung nur dem Mißverständnis 
einer tibetischen Textstelle. Tsong-kha-pa selbst war der 
Besitzer der (für einen Mongolen) langen Nase und der 
leuchtenden Augen. ^ 

Jedenfalls hat es seit den Nestorianern des siebenten 
Jahrhunderts nicht an Vermittlem gefehlt, die für die Ein- 
führung christlicher Kultuselemente in den tibetischen Bud- 
dhismus in Betracht kommen können. 

Zum Schluß möchte ich eine Möglichkeit bestreiten, 
die mehrfach angedeutet worden ist, daß nämlich nicht der 
katholische Bitus den lamaistischen, sondern umgekehrt 
dieser jenen beeinflußt haben könnte. * Die dazu erforder- 
liche Kraft hat der Lamaismus niemals besessen. Der mo- 

1 H u c , Souvenirs* II. 106. 

•Günther Schulemann, Die Geschichte der Dalai Lamas 
(Heidelberg 1911), bei A. H. Francke, Deutsche Lit. Ztg., 1912. 
647, 648. 

* Wad dell 421, 422 : ,1t is still uncertain, how much of the La» 
maist symbolism may have been borrowed from Roman Catholicism, 
or vice versa'' ; P i s c h e 1 , Leben und Lehre des Buddha 124: „Ohne 
Zweifel ist vieles aus dem Lamaismus in die katholische Kirche ge- 
wandert, die ja auch Buddha selbst als Josaphat = Bodhisattva unter 
ihre Heiligen ins Martyrologium Romanum aufgenommen hat*^ — aber 
nicht aus dem Lamaismus ! Aus Pischels Feder stammt nach deut- 
lichen Anzeichen auch der Artikel „Indische Religionen" in Brock- 
haus' Konversations-Lexikon" XVII (Supplement), wo es 594^ heü&t: 
„. . . . so daß der Gottesdienst des Lamaismus genau dem katholischen 

gleicht, von dem manche ihn herleiten wollen Der umgekehrte 

Weg der Entlehnung ist aber ebenso wahrscheinlich." 



— 191 — 

ralisch und intellektuell um vieles Schwächere nötigt nicht 
dem Stärkeren seine Lebensformen auf. 

Wie wir gesehen haben, sind christliche Einwirkungen 
auf die Entwicklung des Buddhismus auf nebensächliche 
Erzeugnisse einer späten Zeit beschränkt; genau wie um- 
gekehrt buddhistische Einflüsse auf das Christentum nur 
in sein Wesen nicht berührenden Punkten nachzuweisen 
sind und aus Zeiten, in denen die christliche Glaubens- 
lehre schon ein festgegründeter Bau war. Alle Gleichheiten 
und Aehnlichkeiten in den Lehren -der beiden großen Welt- 
religionen sind, soweit es sich um wesentliche Dinge 
handelt, unabhängig von einander entstanden und deshalb 
für die Beligions Wissenschaft von ebenso großer Bedeutung, 
als wenn sie auf Entlehnung beruhen würden.^ 

III. Christliches und angeblich Christliches im Mahä- 
bhfirata^ mit Ausschluß der Bhagayadgitä. Die Ent- 
stehung des Krischuaismus. 

Von hier an bis zum Schluß des Buches wird uns die 
Frage nach den christlichen Einflüssen auf die Entwicklung 
des Brahmanismus und Hinduismus beschäftigen. Von den 
beiden großen indischen Epen kommt dabei für uns das 
Rämäyana nicht in Betracht; denn dieses ist sicher in vor- 
christlicher Zeit verfaßt und durch spätere Einschiebungen 
nicht über das zweite Jahrhundert nach Chr. hinaus er- 
weitert worden;^ auch liegt die Heimat des Rämäyana im 
Osten Indiens. Anders steht es mit dem Mahäbhärata, 
an dem mindestens ein Jahrtausend lang gedichtet worden 
ist. Wie wir jetzt wissen, hat das Mahäbhärata zwar seinen 
ungeheuren Umfang in der Hauptsache allmählich in der 

1 S. oben S. 9—11. 

«Winternitz, Gesch. d. ind. litt. I. 427 f., besonders 439, 440. 



— 192 — 

• 

Zeit vom vierten Jahrhundert vor Chr. bis zum vierten 
Jahrhundert nach Chr. gewonnen ; ^ aber es enthält doch 
nicht nur Stücke, die Yor diesem Zeitraum entstanden 
sind, sondern auch noch einzelne Zusätze aus späterer 
Zeit. .Die Ansicht Georg Bühlers, daß das Mahäbhä- 
rata so, wie es uns vorliegt, im sechsten oder siebenten 
Jahrhundert zum Abschluß gekommen ist, wird heute kaum 
mehr bestritten. Die historische Möglichkeit dafür, daß 
christliche Elemente in unsern Mahäbhärata-Text einge- 
drungen sind, ist also unzweifelhaft zuzugeben; aber es 
findet sich nur ein einziges Stück, von dem mit einer ge- 
wissen Wahrscheinlichkeit behauptet werden darf, daß es 
die Bekanntschaft mit christlichen Lehren und dem christ- 
licheu Kultus verrate. Das ist die Legende von dem Sve- 
tadvipa, der „weißen Insel ^ oder der „Insel (d. h. dem 
Lande) der Weißen", Mbh. XII, Kap. 337, 338 (ed. Calc). 
Alle kompetenten Beurteiler stimmen darin überein, 
daß dieses Stück seinem ganzen Charakter nach zu den 
letzten Einschiebseln des großen Epos gehört. Kennedy^ 
setzt es in das fünfte oder sechste Jahrhundert ; ich glaube, 
mich auf Grund der weiter unten anzustellenden Erwä- 
gungen für das sechste Jahrhundert entscheiden zu müssen, 
und lege Wert auf die Feststellung, daß diese für meine 
Erklärung des Stückes notwendige Datierung mit kriti- 
schen Gründen nicht anzufechten ist. Wenn der Abschnitt 
wirklich ein Zeugnis für Berührungen des Brahmanismus 
mit dem Christentum enthält, so liefert er zugleich einen 
Beweis dafür, daß zu der Zeit und in dem Lande, wo die 
endgiltige Redaktion des Mahäbbärata stattfand — im In- 
nern von Nordindien — noch keine nennenswerte Kennt- 
nis von den Lehren, dem Kultus und dem Gemeindeleben 



1 Ebendas. I. 389 f., besonders 396, 403. 
« JRAS. 1907, 481. 



— 193 — 

des Christentums yorbanden war; denn sonst hätte dieses 
dem Verfasser der Svetadylpa-Episode nicht als etwas so 
fremdartiges und wunderbares erscheinen können. 

Ich muß vorausschicken, daß keineswegs alle Fachge- 
lehrten die christliche Grundlage der Övetadvipa-Legende 
anerkennen, sondern daß Barth ^ Hopkins^ u. a. in 
ihr lediglich ein Erzeugnis dichterischer Phantasie erblicken. 
Ich selbst habe früher diesen Standpunkt vertreten ' und 
bin erst neuerdings zu der Ueberzeugung gelangt, daß 
Lassen*, Weber*, Grierson®, Kennedy' u. a. mit 
Recht in dem Abschnitt die Spuren einer Bekanntschaft 
mit dem Christentum finden. 

Der Inhalt der Legende ist kurz zusammengefaßt fol- 
gender. Das Mahäbbärata erzählt in dem ersten der beiden 
angeführten Kapitel, daß der weise Närada nach dem Öve- 
tadvipa gelangt sei und von dort die ihm durch den Gott 
Näräyana verkündete Päncarätra-Lehre (von der später ge- 
handelt werden muß) mitgebracht habe. In dem zweiten 
Kapitel legen die drei Söhne Brahmans Ekata, Dvita und 
Trita, d. h. Nr. I, ET und III, nebst den sieben Rsis den 
gleichen Weg zurück. Der Övetadvipa liegt in einer Ent- 
fernung von mehr als 32 000 Meilen (i^ojana) nordöstlich 
(Mbh. XIL 12703) oder nördlich (v. 12 774) von dem 
Berge Meru, am Nordrande des Milchmeeres. Die weißen 
hellleuchtenden Bewohner dieses Landes sind übernatür- 

1 Religions de Tlnde 132. 

• Religions of India 431, 432 ; jedoch hält Hopkins, India old 
and new, 161, eine rein äußerliche, durch eine Reise hervorgerufene 
Beziehung zu Christen in Herat oder Merv für möglich. 

3 Uebersetzung der Bhagavadgitä, Einl. 30. 

* Indische Altertumskunde II* 1118/9. 

* an zahlreichen Stellen, s. meine Uebersetzung der Bhagavadgitä, 
Einl. 30 Anm. 

• ERE. IL 549» und anderweitig. 
' JRAS. 1907, 481 f. 

Garbe, Indien und das Christentum. 1 3 



— 194 — 

liehe Wesen, sie haben keine Sinnesorgane, leben ohne Nah- 
rung, sind herrlich duftend und sündlos, sie blenden mit 
ihrem Glanz die Augen sündhafter Menschen und sind 
noch mit anderen fabelhaften Eigentümlichkeiten (wie vier 
Hoden, sechzig normalen Zähnen und acht Fangzähnen, 
V. 12 706) begabt. Diese übermenschlichen Wesen verehren 
den einen unsichtbaren Gott Näräyana im Herzen mit 
leise gemurmelten Gebeten und mit stets gefalteten Händen 
(v. 12 787) und sind von der höchsten Liebe zu ihm er- 
füllt (v. 12 798). Niemand unter ihnen hat eine hervor- 
ragende Stellung, sondern Alle genießen das gleiche An- 
sehen (v. 12 790). Diese letzten Angaben machen in der 
Tat den Eindruck, daß ihnen die Berührung mit einer 
christlichen Gemeinde zu Grunde liegt; aber eine Schilde- 
rung des Abendmahlsdienstes, die Grierson in dem Ka- 
pitel hat finden wollen \ habe ich nicht entdecken können. 

Für die Realität der Bewohner des Övetadvipa spricht 
jedenfalls, daß man ihr Land nicht mit dem in der indi- 
schen Literatur häufig genannten mythischen Lande der 
Seligen im höchsten Norden, der Uttarakurus *, vermengt 
hat. Wäre der Övetadvipa eine dichterische Fiktion, so 
hätte nichts näher gelegen als dies. 

Die ganze Övetadvipa- Legende ist voll von unerhörten 
Phantastereien, iiinter denen aber doch eine wirkliche 
Kunde von einem christlichen Lande zu stecken scheint. 
Dafür spricht außer den eben angeführten Zügen kultischer 
und sozialer Art die Angabe der Himmelsrichtung (Nord- 
osten oder Norden), in welcher der Övetadvipa liegen soll. 
Albrecht Weber hat trotz dieser deutlichen Angabe 



^ Pratäpa Chandra ßäy's Mahäbharata-Uebersetzung, Säntiparvan, 
Vol. II, p. 752 Anm., Grierson, JRAS. 1907, 316. 

* Lassen, Zeitschr. f. d. Kunde des Morgenlandes IL 62 f., 
Indische Altertumskunde I« 612, 613, 1018. 



— 195 — 

mit fast unbegreiflicher Hartnäckigkeit Jahrzehnte lang 
die Auffassung vertreten, daß der Bericht des Mahäbhärata 
nur dann verständlich werde, wenn man in ihm Traditionen 
über Reisen indischer Frommen nach Alexandria und 
über ihre dort .erlangte Bekanntschaft mit dem Christen- 
tum erkenne. Alexandria kann natürlich der Lage nach 
gar nicht in Betracht kommen, und über andere ganz un- 
sinnige Lokalisierungen will ich kein Wort verlieren. Las- 
sen hat, der Wahrheit jedenfalls näher als Weber kom- 
mend, vermutungsweise an Parthien gedacht \ wo einige 
Brahmanen das Christentum kennen gelernt und von wo 
sie einige christliche Lehren nach Indien gebracht haben 
mögen; aber seine Begründung mit dem Alter der Ueber- 
lieferung, daß der Apostel Thomas in diesem Lande das 
Evangelium verkündet habe, ist hinfallig. * 

Neuerdings hat Kennedy den Versuch gemacht, die 
Lage des Svetadvipa genauer zu bestimmen ■. Er geht da- 
von aus, daß die Angaben über seine Lage für ein ganz 
imaginäres Land zu bestimmt seien; sie könnten nur auf 
ein Land jenseits der großen Gebirgszüge hinweisen, d. h. 
auf Baktrien oder wahrscheinlich auf eine noch weiter 
nördlich gelegene Gegend, vielleicht auf das Ufer des Sees 
Issyk-kul, „where there is abundance of frozen sea**, wo- 
durch offenbar das mythische Milchmeer erklärt werden 
soll. Die letzte Vermutung begründet Kennedy damit, 
daß an dem Südrande des Issyk-kul zahlreiche nestoria- 
nische Gemeinden ansässig gewesen seien. 

Nun kann aber der Issyk-kul bei dem Versuch der 
Identifizierung des indischen „Milchmeeres" aus folgenden 
Gründen gar nicht in Betracht kommen. Dieser See liegt 



1 S. 193 Anm. 4. 

» S. oben Kap. I, S. 131 f. 

» JRAS. 1907, 482. 

13* 



— 196 — 

erstens nicht so weit Yon Indien ab, wie man es nach den 
Angaben des Mahäbhärata über die ungeheure Entfernung 
erwarten müßte; zweitens ist er nicht so groß, um die 
Vorstellung eines Meeres zu erwecken; und drittens friert 
er wegen seines auffallend warmen Wassers nicht zu. Das 
kirgisische Issyk-kul bedeutet „warmer See", ebenso wie 
seine chinesische Bezeichnung She-chaj. Die „abundance 
of frozen sea" kann also keinesfalls ausreichen, um den 
See im Winter einer milchigen Fläche ähnlich erscheinen 
zu lassen. 

Viel größeren Anspruch auf Identität mit dem indi- 
schen Milchmeer scheint mir der entferntere Balchasch- 
See^ zu haben, der heute etwa 20 000 Quadratmeter be- 
deckt, also ungefähr die Größe des Königreichs Württem- 
berg besitzt. Balchaschi Nor ist kalmückische Bezeichnung 
und bedeutet „großes Wasser". Verschiedene Anzeichen 
sprechen dafür, daß da, wo heute der Balchasch-See liegt, 
sich früher zeitweilig ein noch viel größerer See ausge- 
breitet hat. 

Der Gedanke, daß der Balchasch-See das indische 
Milchmeer sei, wird durch seinen kirgisischen Namen Ak- 
Dengis „weißes Meer" * nahe gelegt. Dieser Name wird 
schwerlich daher kommen, daß der See von Ende Novem- 
ber bis Anfang April mit Eis bedeckt ist, sondern folgen- 
den Grund haben. Der Balchasch-See ist außerordentlich 
seicht und hat nach den Messungen des russischen Geo- 
graphen L. S. Berg, der den See erstmals etwas genauer 
im Sommer 1903 untersucht hat, eine Mazimaltiefe von 
nur il Metern. Diese größte von Berg gemessene See- 



* Die Angaben über diesen See verdanke ich der Güte meiner 
geographischen Kollegen Gradmann und U h 1 i g. 

* E g 1 i , Nomina Geographica (Leipzig 1872) in dem Artikel Bal- 
kaschi Noor. 



— 197 — 

tiefe liegt in der Westhälfte, und wenn auch nach anderen 
anscheinend zuverlässigen Angaben im Osten Tiefen bis zu 
20 Metern vorkommen sollen, ist der See doch im Durch- 
schnitt viel weniger tief; insbesondere die Südwestecke und 
das ganze Südufer sind äußerst flach. Berg bezeichnet 
das Wasser als trüb ^, frühere Berichterstatter nennen es 
klar. Aber dieser Widerspruch hat nichts zu bedeuten; 
denn das Wasser eines so seichten Süßwassersees muß bei 
bewegter Luft bis zum Grunde aufgerührt werden und 
eine milchweiße Farbe annehmen. Das würde also 
in Verbindung mit der Größe und der Lage des Bal- 
chasch-Sees vortrefflich zu dem indischen Milchmeer 
stimmen. 

Wenn man dann in Betracht zieht, daß die wichtigste 
der alten innerasiatischen Handelsstraßen von Samarkand 
über Taschkent nach Kuldscha und Turfan an der Süd- 
seite des Balchasch-Sees vorbeiführte und daß die Nesto- 
rianer schon frühzeitig ihre Missionare weit in das innere 
Asien hineingeschickt haben, so dürfte der Annahme ne- 
storianischer Siedelungen am Balchasch-See im sechsten 
Jahrhundert — ungefähr IV2 Jahrhunderte nach der im 
Jahre 411 erfolgten Konstituierung der christlichen Kirche 
des Sassanidenreiches, von der solche Niederlassungen aus- 
gehen mußten — nichts im Wege stehen. Das durch 
seine einstmalige Fruchtbarkeit wohlbekannte Siebenstrom- 
land am Südostufer des Sees war in früherer Zeit dicht 
besiedelt; insbesondere sollen sich an den Flüssen Karatal 
und Ajagus viele Ruinen einer alten Kultur vorfinden. Es 
liegt die Vermutung nahe, daß diese alten Siedelungen in 
späterer Zeit Steppenvölkern oder auch der vorschreitenden 
Versandung zum Opfer gefallen sind. 



1 A. W e i k w in Petermanns Mitteilungen, 49 (1903), 285. 



— 198 — 

Th. Nöldeke hat mir darüber vom 6. Nov. 1911 ge- 
schrieben: „In der Gegend südlich vom Balchasch-See haben 
sich noch im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert ziem- 
lich große nestorianische Gemeinden befunden. Das wissen 
wir durch die sehr zahlreichen Grabsteine mit syrischer 
Schrift und größtenteils auch in syrischer, allerdings ent- 
setzlich mißhandelter Sprache, zum Teil in türkischer, wie 
denn die Leute ohne Zweifel türkisch sprachen und syrisch 
eben nur als Kirchensprache hatten."^ Die beiden Orte 
mit den nestorianischen Kirchhöfen, Pischpek und Tokmak, 
liegen an den Abhängen des Alexandergebirges ziemhch 
nahe dem Südzipfel des Balchasch-Sees. 

Daß in jenen Gegenden noch so spät nestorianische 
Gemeinden mit regulärem Klerus existierten, ist jedenfalls 
ein Beweis dafür, daß dort der Nestorianismus in früherer 
Zeit eine blühende Heimstätte gefunden hat. 

Durch alles von mir angeführte gewinnt die Identität 
des Balchasch-Sees mit dem indischen Milchmeer zum Min- 
desten eine solche Wahrscheinlichkeit, wie sie nach Lage 
der Dinge zu erreichen ist. ^ Ich nehme deshalb keinen 
Anstand, meine üeberzeugung dahin auszusprechen, daß 
nestorianische Niederlassungen, die im sechsten Jahrhun- 
dert am Gestade des Balchasch-Sees bestanden, die Grund- 
lag e für die Svetadvipa-Legende des Mahäbhärata geliefert 
haben. 



^ Chwolson, Syrische Grabinschriften aus Semirjetschie, Me- 
moires de TAc. Imper. des Sciences de St.-Petersbourg. VII* Serie, 
Tome XXXIV, No. 4 (St. Petersburg 1886), und Syrisch-nestoriani- 
sche Grabinschriften aus Semirjetschie, Neue Folge, vorgelegt der 
Akademie am 28. Febr. 1896 (St. Petersburg 1897). 

^ Wenn meine Identifizierung richtig ist, so muß auch den älte- 
ren indischen Sagen von dem Milchmeer, namentlich der von seiner 
Quirlung, schon eine dunkle Kunde vom Balchasch-See zu Grunde 
liegen. 



— 199 — 

Da schon Bardesanes (im Anfang des dritten 
Jahrhunderts) die Anwesenheit zahlreicher Brahmanen in 
Baktrien erwähnt^, so bietet die Annahme keine Schwie- 
rigkeit, daß die Nachricht, die der märchenhaft gestalteten 
Schilderung des christlichen Kultus und Gemeindelebens 
am Ufer des Milchmeeres zu Grunde liegt, über Baktrien 
nach dem nordwestlichen Indien gebracht worden ist. Von 
besonderer Bedeutung für das religiöse Leben Indiens ist 
aber diese Kunde nicht gewesen; denn es handelt sich um 
keine neue Idee, die mit ihr nach Indien gedrungen wäre. 
Wie wir später sehen werden, ist die Idee der Gottergeben- 
heit und der GottesUebe schon in viel früherer Zeit in 
Indien nachweisbar. Mit der Erzählung vom Svetadvlpa 
hat ihr Verfasser nur einen Beleg aus dem Ausland für 
die Lehre geben wollen, daß die Gottesliebe der sicherste 
Weg zum höchsten Heile sei. Auch auf die spätere indi- 
sche Literatur hat die Svetadvipa- Geschichte keinen wirk- 
lichen Einfluß ausgeübt ; nur in einer Legende des Kürma- 
puräna, nach der Siva im Himalaja seinen vier Schülern 
Sveta, Svetäöva, Svetasikha und Svetalohita das Yoga-Sy- 
stem vorgetragen hat, und in einer ganz ähnlichen Legende 
des Väyupuräna kann man entfernte Nachklänge unserer 
Episode finden.* Schwerlich ist mit Weber^ bei diesen 
Legenden an eine syrisch- christliche Mission, die sich im 
Himalaya niedergelassen hätte, zu denken. Noch ge- 
ringere Bedeutung als diese Legenden hat die Tatsache, 
daß in dem modernen Krischna- und - Räma-Bitual und 
in dem ganz jungen Kommentar Svapnedvara's zu den 

* Bei EusebiuB, Praepar. Evang. VI. 10 (ed. Gaisford, 
Vol. II, p. 83, 1. 2) : napd 'Ivöolg xal BdxTpoig siol yiiXi&de^ tzoXXolI xäv 
XeYO|idva)v Bpax|xöcv(i)v. 

• Lassen, Indische Altertumskunde 11*1119; Wilson, Selec- 
ted Works III. 148 f. 

^ Indische Studien I. 421 Anm., IL 398, ErishnajanmäsbtamT 322. 



— 200 — 

S&ndilyasütras auf die ^yetadYlpa-Geschichte Bezug genom- 
men wird.^ Eis ist eine maßlose Ueberschätzung, wenn 
Weber^ sagt, es könne kaum noch einem Zweifel unter- 
liegen, daß die jetzige Krischnaverehrung in Indien wesent- 
lich auf jenen Pilgerreisen beruhe, von denen uns die Kunde 
in der Svetadvlpa-Geschichte erhalten ist. 

Ich habe oben (S. 192) gesagt, daß die Svetadvipa- 
Legende das einzige Stück des Mahäbhärata sei, in dem 
mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit christlicher Einfluß 
angenommen werden könne. Hopkins' sieht noch eine 
ganze Reihe weiterer Möglichkeiten, die aber einer genaue- 
ren Prüfung nicht Stand halten und zudem auf der irrigen 
Voraussetzung beruhen, daß christliche Missionare schon 
von dem ersten Jahrhundert an im nordwestlichen Indien 
tätig gewesen seien. Wir haben oben in Kap. I gesehen, 
daß es vor Beginn des dritten Jahrhunderts keinesfalls 
Christen in Indien gegeben hat. 

Obwohl Hopkin 8 in verständiger Weise betont, „how 
remarkably similar may be bymerechance the phra- 
seology of different religions" *, und obwohl er die in diesen 
Worten liegende Warnung durch Anführung mehrerer 
merkwürdiger Parallelen zwischen dem Yeda und dem Al- 
ten Testament bekräftigt *, von denen keine hüben oder 
drüben in dem Verdacht stehen könne, Quelle oder Nach- 
bildung zu sein, läßt er sich doch durch die von ihm selbst 
gegebene Warnung nicht abhalten, aus den kühnsten Kom- 
binationen die Möglichkeit eines historischen Zusammen- 
hangs abzuleiten. Er ist offenbar von dem Wunsch erfüllt, 

^ Weber, ErishnajanmäshtamT 321. 

2 Ebendas. 319, 320. 

3 India old and new, 152 f. 
* Ebendas. 150. 

° Zum Teil im Anschluß an Ka e gi, Der Rigveda* (Leipzig 1881) 
63 f. 



— 201 — 

christlichen Einfluß im Mahäbharata und besonders in der 
Bhagavadgitä (wovon im nächsten Kapitel gehandelt werden 
soll) zu finden und den Krischnaismus möglichst frühzeitig 
in Abhängigkeit von dem Christentum erscheinen zu lassen. 
Zwar macht er mehrfach Einschränkungen, wie sie von 
einem so besonnenen Gelehrten zu erwarten waren, wenn 
er z. B. S. 159 „kein großes Gewicht auf die Parallelen 
legt, welche die Möglichkeit christlichen Einflusses nahe 
legen" oder sie S. 160 giebt „for what they are worth" ; 
auch ist Hopkins bei der Aufstellung der Parallelen 
immer sehr vorsichtig im Ausdruck; aber die ganze Dar- 
stellung ist doch darauf berechnet, auf Laien eine sugges- 
tive Wirkung auszuüben und den Glauben an einen weit- 
reichenden Einfluß des Neuen Testaments auf das Mahä- 
bharata zu erwecken. Bei der Wichtigkeit des Gegenstan- 
des und bei der Beachtung, die Hopkins' Aufsatz in 
weiten Kreisen gefunden hat, muß ich dagegen entschieden 
Verwahrung einlegen und darf mich deshalb nicht auf diese 
allgemeinen Bemerkungen beschränken, sondern muß näher 
auf die Einzelheiten eingehen, als mir lieb ist. 

Bei Hopkins 159 heißt es: „Krishna is a by-name 
of Vyasa, the author of the epic (in so far as the arranger 
of the mass may be called author), who, though not iden- 
tified with Krishna as Supreme God, is himself divine, 
and is described as >the unborn (that is, the eternal) 
and ancient one, the only son of God, born of 
a virgin, very part, anga, of God.« He is a figure 
unknown tili the end of the epic, and even his name Vya- 
sas, vyäsaSj has a certain similarity with iesos^.^ Vyäsa 
ist aber ein gut indisches Wort und bedeutet ,der Ordner* ; 
der diesen Namen tragende Seher gilt nicht nur als der 
Ordner der Massen des Mahäbharata, sondern auch als der 

' Gemeint ist natürlich 'lYjooög. 



— 202 — 

der vier Veden und als der Verfasser der Puränas. Nicht 
nur der Schluß des zitierten Satzes, wo aus einer belaüg- 
losen zufälligen Wortähnlichkeit, wie sie mit Leichtigkeit 
in Hunderten von Fällen aus den verschiedensten Sprachen 
beizubringen sind, die Möglichkeit einer Namensentlehnung 
abgeleitet ist, sondern der ganze Satz läßt die Objektivität 
und kritische Schärfe vermissen, die wir sonst an den Ar- 
beiten von Hopkins gewohnt sind. Ich habe bei diesem 
Urteil, das auch für die nachfolgenden Ausführungen von 
Hopkins gilt, hauptsächlich das von mir durch den Druck 
hervorgehobene Zitat im Auge, das einen christlichen Ein- 
druck machen soll. Dieses Zitat bat Hopkins aus Teilen 
von drei verschiedenen Versen des Mahäbhärata (XIL 13640, 
41, 88, ed. Calc.) zusammengestellt, um einen Anklang an 
christliche Ideen zu gewinnen! Natürlich ist dabei das 
Epitheton ,born of a virgin* besonders auffällig. Wie aber 
verhält es sich damit? Ich glaube die phantastische Er- 
zählung von der Geburt des Vyäsa am besten mit den 
Worten von Winternitz^ mitzuteilen: 

„Er ist der Sohn eines berühmten Asketen, des Esi 
Paräsara. Dieser große Heilige erblickt eines Tages die 
in einem Fische zur Welt gekommene und von Fischer- 
leuten aufgezogene SatyavatI und ist von ihrer Schönheit 
so entzückt, daß er ihre Liebe begehrt. Sie will ihm aber 
nur unter der Bedingung zu Willen sein, daß sie, nachdem 
sie ihm einen Sohn geboren, wieder ihre Jungfernschaft 
zurückerlange. Der große Heilige gewährt ihr diesen 
Wunsch, sowie auch den, daß sie ihren Fischgeruch ver- 
liere und einen wunderbaren Duft ausströme. Unmittelbar 
nachdem er ihr beigewohnt, gebiert sie auf einer Insel in 
der Jamnä einen Sohn, welcher Dvaipäyana, „der Insel- 
geborene", genannt wird. Der Knabe wächst heran und 

1 Gesch. d. ind. Litt. I. 268, 269. 



— 203 — 

ergiebt sich bald der Askese .... SatyavatI aber, wieder 
zur Jungfrau geworden, wurde später die Gemahlin des 
Kurukönigs Säntanu.** 

Aus diesem Grunde also wird Vyäsa, obwohl seine 
Geburt durch natürliche Zeugung veranlaßt war, ,Jungfem- 
sohn' (Jcänlnä) genannt; und doch hat Hopkins, dem bei 
seiner intimen Vertrautheit mit dem Inhalt des Mahäbhä- 
rata diese Erzählung sicher bekannt war, darin eine Paral- 
lele mit der Legende von der übernatürlichen Geburt Christi 
sehen wollen! 

Nach dem hier kritisierten Satz fährt Hopkins fort: 
„Then of the god Krishna it is said: »He, the guardian 
of his flock, the sinless God, the Lord of the world, con- 
sented to the death of (himself and) his race that he might 
fulfil the Word of the seers«, where, if we had shepherd 
and prophets, the comparison would be very striking." 

Es handelt sich bei diesem Zitat aus dem Mahäbhä- 
rata (XVI. 161 — 163, ed. Oalc.) um die in Folge eines 
Fluches der Gändhärl vor sich gegangene Vernichtung des 
Yädava- Stammes, dessen Anführer Krischna war. Die Män- 
ner geraten bei einem Trinkgelage in Streit und erschlagen 
sich gegenseitig mit Keulen; Krischna selbst aber wird im 
Walde von einem Jäger Namens Jarä ,das Alter' irrtüm- 
lich für eine Antilope angesehen und durch einen Pfeil- 
schuß in seine einzige verwundbare Stelle an der Fußsohle 
getötete Die von Hopkins angeführten Verse, die der 
leibliche Vater des Krischna, Vasudeva, spricht, lauten in 
wörtlicher üebersetzung : „Ihr .... erkanntet Govinda (den 
Herdengewinner, d. h. Krischna) als den ewigen, schuldlosen, 
unvergänglichen Gott; und dieser mein Sohn, der doch 
der mächtige Vischnu selbst war (d. h. in dem Vischnu sich 
verkörpert hatte), sah den Untergang seines eigenen Ge- 

* Winternitz a. a. 0. I. 317. 



— 204 — 

schlechtes mit an und ließ ihn geschehen. Er, der Herr 
der Welt, wünschte das Wort der Gändhärl und der Rsis 
jetzt nicht eitel erscheinen zu lassen, o Bedränger der 
Feinde.** Wer könnte wohl in diesem Ausspruch und in 
dem Vorgang, auf den er sich bezieht, bei unbefangenem 
Urteil christlichen Einfluß auch nur für möglich halten? 
Hopkins sucht — natürlich unbewußt — den Schein eines 
solchen Einflusses durch den suggestiven Zusatz ,of himself* 
und durch die christliche Färbung des Wortlauts seiner 
Uebersetzung zu erwecken. Krischna geht mit seinem Stamm 
nicht zu dem Zwecke zu Grunde, „that he might fulfil the 
Word of the seers**, sondern weil ein echt indischer Fluch 
sich erfüllt, wie das in der brahmanischen Erzählungs- 
literatur mit Widerwillen erregender Häufigkeit geschieht. 

Hopkins fährt fort: „Änother passage . . ., close to 
biblical phraseology, may be found in the description of 
the avenging spirits : »If thou goest into the depths of the 
earth, or if thou shouldst fly above, or if thou fleest to 
the further side of the sea, still thou shalt find no escape 
from them^ (Mbh. IV. 428); as compared with the Psal- 
mist's words, „Whither shall I fly . . . into heaven . . . Sheol 
. . . the uttermost parts of the sea?** (Ps. 139. 7 f.) 

Ließe sich diese Psalmstelle nicht ebenso gut verglei- 
chen mit dem um viele Jahrhunderte älteren Vers in dem 
berühmten Varuna-Liede des Atharvaveda (4. 16. 4): „Wer 
auch dem Himmel weit hinweg enteilte, nicht kam' er los 
von Varuna, dem König**, und hätten wir in dieser Paral- 
lele nicht eine neue Warnung vor dem Versuch zu sehen, 
mit solchen Aehnlichkeiten des Ausdrucks Entlehnungs- 
hypothesen zu stützen?^ Auch hier darf man wieder den 
Vers des Mbh. nicht losgelöst von der Situation betrachten, 
auf die er sich bezieht. Kicaka will die Draupadi ver- 

1 S. oben S. 200. 



— 205 — 

führen, sie aber weist ihn ab und droht ihm mit der Rache 
ihrer fünf Gatten, die Gandharven seien.- Und nun stelle 
man sich vor, daß der Dichter bei der Schilderung dieses 
Vorgangs an ein Psalmwort gedacht und sich angelehnt 
haben soll, während weit und breit im Umkreis dieser Ge- 
schichten keine Spur biblischen Einflusses zu finden ist! 
Auf den etwaigen Einwand, man müsse sich die Sache so 
denken, daß solche biblischen Wendungen sich zu jener 
Zeit in dem brahmanischen Indien bereits eingebürgert 
hätten und auch ohne Erinnerung an die Quelle verwendet 
worden wären, ist zu erwidern, daß dagegen — abgesehen 
von der großen inneren Unwahrscheinlichkeit — die außer- 
ordentliche Seltenheit wirklich auffallender Parallelen im 
Mahäbhärata spricht. Es ist nicht der geringste Grund 
vorhanden, die indische Originalität solcher Aussprüche in 
Erage zu ziehen. 

Das nächste Zitat „Thou seest the faults of others, 
though they be no larger than mustard, but thine own 
faults thou canst not see, though they be as large as a 
büva tree" (Mbh. I. 3069) weist auch nur eine aus allge- 
mein menschlichen Erwägungen sich erklärende Gleichheit 
des Gedankens mit d em bekannten Bibelspruch auf, 
nicht aber das charakteristische Bild von dem Splitter und 
dem Balken im Auge. 

Eine ganz absonderliche Parallele führt dann Hop- 
kins am Schlüsse des Absatzes an: „Even the crucifixion 
has its analogy in the story of the Stake-saint (impaling 
being the equivalent of crucifixion), who was unjustly im- 
paled with thieves, but he did not die like the thieves and 
so awakened the wonder of the royal guard. They went 
and told the king, who was frightened when he heard of 
it and came to the Saint on the Stake and besought his 
forgiveness, which was granted, as the king had acted 



— 206 — 

ignorantly. He is besung in all the worlds as the Impaled 

One It is perhaps not impossible that there is here 

the echo of Christian story." Das ist im Gegenteil ganz 
unmöglich und völlig ausgeschlossen. Man braucht sich 
nur die Geschichte im Mahäbhärata (I. Kap. 107 und 108) 
genauer anzusehen, um zu finden , daß die einzige Aehn- 
lichkeit mit der Kreuzigung Christi darin besteht, daß ein 
ÜDschuldiger hingerichtet wird. Das ist auf Erden oft 
genug geschehen und hat sich in den Literaturen aller 
Völker als ein wirksames Erzählungsmotiv erwiesen. Nicht 
einmal die Todesart ist in unserem Falle die gleiche. 

Der Inhalt der indischen Geschichte ist folgender. Der 
Asket Mändavya sitzt vor seiner Einsiedelei Jahre lang 
mit erhobenen Armen und beobachtet das Gelübde des 
Schweigens. Da kommen eines Tages Räuber angelaufen, 
die von der Polizei verfolgt werden, verstecken ihre Beute 
in der Einsiedelei und halten sich selbst in der Nähe ver- 
borgen. Die Verfolger fragen den Asketen, in welcher 
Richtung die Räuber geflohen seien, und erhalten von ihm 
natürlich keine Antwort. Bald aber fangen sie die Diebe 
und finden deren Beute in der Einsiedelei Mändavyas, 
worauf dieser unter dem Verdacht der Mitschuld zusam- 
men mit den Räubern ergriffen, dem König vorgeführt und 
zum Tode verurteilt wird. Die Henker pfählen Mändavya; 
er aber erhält sich trotzdem, und obgleich er keine Nah- 
rung bekommt, durch die Kraft seiner Askese am Leben 
und ruft durch eben diese Kraft andere Heilige herbei, die 
bei Nacht in der Gestalt von Vögeln kommen und ihn kum- 
mervoll fragen, um welcher Schuld willen er die Marter 
der Pfählung zu erleiden habe. Mändavya antwortet: 
„Wem soll ich die Schuld geben? Kein Anderer (außer 
mir selbst) tut mir das an^. Der König empfängt die Mel- 
dung, daß Mändavya in wunderbarer Weise am Leben 



— 207 — 

bleibe, eilt darauf, ihn um Verzeihung zu bitten und läßt 
den Marterpfahl herunternehmen. Als er aber dem As- 
keten den Pfahl aus dem Leibe ziehen will, bringt er das 
nicht fertig und haut ihn deshalb am Rande des Körpers 
ab. Mändavya geht mit der Holzspitze, die er für sein 
ferneres Leben im Leibe behält, von dannen und übt seine 
erfolgreiche Askese weiter. In der ganzen Welt aber heißt 
er fortan Ani-Mändavya „M. mit dem Pflock **. Eines 
Tages begibt er sich zu dem Wohnsitz des Dharma, des 
Gottes der Gerechtigkeit, und fragt den auf seinem himm- 
lischen Thron sitzenden, um welcher unwissentlich began- 
genen Schuld willen er so grausame Leiden zu erdulden 
habe. Dharma sagt ihm, es sei das die Strafe dafür, daß 
er als Kind einmal Insekten mit einem Schilfhalm in den 
Hinterleib gestochen habe. Darauf verflucht Mändavya 
den Gott, daß er als Südra wiedergeboren werden solle, 
weil er wegen eines kindlichen Vergehens eine so unver- 
hältnismäßig schwere Strafe verhängt habe. Der Fluch 
geht natürlich in Erfüllung. 

Springt nicht das echt indische Gepräge dieser phan- 
tastischen Erzählung in die Augen? Kanu man sich eine 
größere Häufung charakteristisch-indischer Züge denken, 
als den Typus des Asketen, die übernatürliche Kraft der 
Askese, die die unmöglichsten Wunder wirkt und der 
gegenüber selbst die Götter machtlos sind, den Gedanken 
der unausbleiblichen Vergeltung für jede Tat und den un- 
vermeidlichen Fluch am Ende? Wie kann ein sonst so klar 
blickender Gelehrter, der aus der zum Teil doch hundert- 
mal größeren Aehnlichkeit neutestamentlicher Erzählungen 
mit ihren buddhistischen Parallelen keine historische 
Abhängigkeit erschließt, es nur für möglich halten, daß in 
der eben erzählten Geschichte ein Echo des Berichts vom 



— 208 — 

Leiden Christi zu finden sei?^ Psychologisch begreiflich 
wird das wohl nur durch eine religiöse Grundstimmung, 
die das unwillkürliche Bedürfnis hat, Uebertragungen aus 
dem Christentum zu entdecken. Wer nach solchen Grün- 
den für christlichen Einfluß auf das Mahäbhärata sucht, 
beweist damit am besten, daß ein solcher Einfluß nicht 
existiert. 

Völlig unbegreiflich ist mir auch, wie Bauer jea^ 
und Weber' in der Geschichte vom Südra ^ambuka, die 
Mbh. XII. 5742 erwähnt und als bekannt vorausgesetzt 
wird, einen Einfluß der südindischen Christen an der Küste 
von Koromandel und Malabar haben vermuten können. 
Dieser Südra suchte, was nur den Angehörigen der ari- 
schen Kasten erlaubt ist, durch asketische Uebungen in die 
Gemeinschaft der Götter aufzusteigen, und wurde zur Strafe 
für seine Anmaßung von Räma zum Segen des Landes, 
dessen Ordnung durch das Streben des Südra gestört war, 
enthauptet. Diese Erzählung von echtestem brahmanischen 
Gepräge wird auch sonst mehrfach berichtet, schon im ßä- 
mäyana und später von Kälidäsa (im fünften) und Bha- 
vabhüti (im achten Jahrhundert). Die beiden genannten 
Gelehrten vermuteten in ihr eine Anspielung auf die unter 
dem Einfluß der südindischen Christen eingeführte Neuerung 
vischnuitischer Sekten, auch Öüdras in ihre religiöse Ge- 
meinschaft aufzunehmen, und einen Beleg dafür, wie an- 
stößig diese Neuerung den Anhängern des alten Systems 



^ In seinem Werke Religions of India, 432, hatte Hopkins in 
verständiger Weise diesen Gedanken für unmöglich erklärt: ,It is 
not of course due to Christian influence that the great ,saint of the 
stake' is taken by the »king's men', is crucified (or literally impaled) 
among thieves, and lives so long that the guard go and teil the 
king of the miracle." 

* The Närada Pancharätra (ed. Bibl. Ind., Calcutta 1865) Introd. 9. 

8 Indische Streifen III. 90 ; Die Griechen in Indien, SBA. 1890, 832. 



— 209 — 

erscheinen mußte. Diese Neuerung gehört aber, wie wir 
unten sehen werden, einer sehr viel späteren Zeit an als 
die Quellen, die von dem Südra §ambuka erzählen; und 
das Rämäyana, über dessen Alter freilich Banerjea und 
Weber damals noch ganz unrichtige Vorstellungen hatten, 
ist in vorchristlicher Zeit verfaßt worden.^ 

Von diesen Einzelheiten wende ich mich zu einer Frage 
von allgemeinerer Bedeutung, nämlich zu dem Problem der 
Entstehung des Krischnaismus, dessen älteste zusammen- 
hängende Quelle das Mahäbhärata ist. Ich habe schon in 
der Einleitung kurz darauf hingewiesen, daß der Krisch- 
naismus keinen Einfluß auf das Christentum ausgeübt haben 
kann. Das Gegenteil ist zwar auch von Dilettanten be- 
hauptet worden, muß aber schon deshalb als ausgeschlos- 
sen gelten, weil der Krischnaismus keine Propaganda außer- 
halb Indiens gemacht hat wie der Buddhismus. 

Was wir aus dem Mahäbhärata über die Entwicklung 
dieser Religion und den Zusammenhang, in den sie gehört, 
erfahren, ist kurz zusammengefaßt folgendes. 

In dem Kampf der Kauravas und Pändavas, der den 
Kern des Mahäbhärata bildet, steht Krischna, der Sproß 
aus dem Sätvata- Zweige des Tädava-Stammes und der An- 
führer dieses kleinen Hirtenvolkes, den Pändavas als Freund 
und Helfer zur Seite. Die Vermutung, daß die Gestalt 
Krischnas von einem nicht- arischen Volke herstamme, weil 
der Name „schwarz, dunkel" bedeutet und Krischna in der 
Kunst als ein Mann von indigoblauer Farbe dargestellt 
wird^ ist haltlos; denn nicht nur der Name Krischna, son- 



1 S. oben S. 191. 

^L. D. Barnett, Bhagavadgrtä translated, Introduction 50 ; 
J. Kennedy, JRAS. 1907, 961. 

Garbe, Indien und das Christentum. 14 



— 210 — 

dem auch die Namen seiner Eltern und seines Volkes sind 
gut arisch. 

In den ältesten Stücken des Epos ist Krischna nichts 
als eine menschliche, ja allzumenschliche Person ; denn die 
Pändavas vernichten ihre Feinde nicht im ehrlichen Kamp f, 
sondern durch List und Verrat, und immer ist es Krischna, 
der den Verrat anstiftet und verteidigt. Das mag aller- 
dings darin seine Erklärung finden, daß das Mahäbhärata 
ursprünglich ein Gedicht zum Preise der Kauravas war, 
das dem Freunde der Pändavas den Makel eines tücki- 
sehen und hinterlistigen Mannes anheftete, und daß es erst 
später in ein Pändava-Epos umgearbeitet wurde, in dem 
naturgemäß der Bundesgenosse seiner Helden verherrlicht 
werden mußte. Aber es ist doch bemerkenswert, daß jene 
Züge der Hinterlist und Verräterei bei der Umarbeitung 
des alten Epos an dem Charakter des Krischna nicht get ilgt 
worden sind ; denn das beweist uns, daß Krischna zu der 
Zeit, als diese Umarbeitung vorgenommen wurde, in der 
Erinnerung noch als eine durchaus menschliche Persönlich- 
keit gelebt hat. 

lieber den wahrscheinlichen Anlaß zu der Erhöhung 
Krischnas in die Sphäre des üebermenschlichen werde ich 
weiter unten handeln und zunächst nur das Tatsächliche 
mitteilen, soweit wir es hier gebrauchen. 

Aus dem Anführer eines halbwilden Hirtenvolkes ist 
Krischna zuerst zum Halbgott und dann zum Stammgott 
der Yädavas geworden, — ein Vorgang, für den noch aus 
dem neuzeitlichen Indien eine Analogie in der Erhebung 
des Mahratta-Häuptlings Sivaji zu göttlicher Würde beige- 
bracht werden kann. ^ 



^ Hopkins, India old and new, 105, in dem Aufsatz ,A. study 
of gods*. Ebendaselbst erklärt Hopkins Krischna und Räma für 
jOriginally local chieftains of Northern India**. Deutlicher kann man 



— 211 — 

Die Nachkommen der siegreichen Pändavas übernah- 
men den neuen Gott gern, der das Emporkommen ihrer 



seine Ueberzeugung von der ursprünglich menschlichen Natur Krisch- 
nas wohl nicht aussprechen. Aber von dieser Ueberzeugung hat 
Hopkins weiterhin in dem Buche, wo man es erwarten sollte, d.h. 
in dem Aufsatz „Christ in India**, bei der Behandlung Erischnas und 
des Krischnaismus keinen Gebrauch gemacht. Der eben genannte 
Aufsatz „A study of gods** ist zuerst 1899 veröfifentlicht, also unge- 
fähr um dieselbe Zeit geschrieben wie das 1898 erschienene Werk 
„Religions of India", in dem Hopkins p. 467, 468 Krischna für einen 
anthropomorphierten Gott erklärt. Man ist erstaunt das 
zu lesen ; 'denn ein paar Seiten vorher (p. 465) nimmt Hopkins 
historischen Charakter für Krischna in Anspruch und identifiziert ihn 
ganz richtig ^with the character mentioned in the Chändogya Upa- 
nishad, 3. 17. 6**, d.h. mit einem menschlichen Schüler. Man sieht, 
Hopkins' Ansichten über Krischna haben gewechselt, und nicht 
nur im Laufe der Zeit; sondern die einander widersprechenden An- 
schauungen werden in derselben Zeit, in denselben Werken, ja inner- 
halb weniger Seiten vorgetragen. 

Schon S. 208 Anm. 1 hatte ich einen Fall angeführt, in dem Hop 
k i n s eine frühere richtige Anschauung später durch eine unrichtige 
ersetzt hat. Da er dies stillschweigend getan hat, so muß man an- 
nehmen, daß die ältere Darstellung zum Schaden der Sache seinem 
Gedächtnis entschwunden war. Genau das Gleiche ist noch an einer 
anderen Stelle zu konstatieren. Religions of India 429 sagt Hop- 
kins: ,the teaching of Christianity certainly may be suspected, but 
it cannot be shown to exist in the Divine Song" (d.h. in der Bhaga- 
vadgitä), und p. 430 oben erklärt er den christlichen Einfluß in die- 
sem Text als „doubtful to the last degree". Drei Jahre später, India 
old and new 152 f., spricht er sich — ohne auf seine frühere An- 
schauung Bezug zu nehmen — auf Grund einer Menge von Paralle- 
len, die, wie wir weiter unten sehen werden, nach Lage der Dinge 
nichts beweisen, mit aller Entschiedenheit für die Abhängigkeit der 
BhagavadgTta von den Lehren des Christentums aus: „they [the pa- 
rallels] present a body of evidence that is, I think, almost conclusive 
in favor of one of the religions having borrowed from the other* 
(p. 155), was nach dem Zusammenhang nur Entlehnung aus dem 
Christentum bedeuten kann. Vgl. auch p. 158, wo das vierte Evan- 
gelium „peculiarly suitable to influence the Hindu divines** genannt 
wird. Auch in diesem Fall verdient der Hopkins von 1898 den 
Vorzug vor dem Hopki ns von 1901. 

14* 



— 212 — 

Vorfahren gefördert hatte, und ließen sich den Kultus der 
kraftYollen und volkstümlichen Gestalt angelegen sein. Und 
den Brahmanen, die zuerst gewiß diesem ausgesprochenen 
Kriegergott und ursprünglichen Stammgott unbrahmani- 
sierter Nomaden nicht hold gewesen sein werden, blieb 
nichts anderes übrig als sich mit dem neuen Kult zu be- 
freunden, wenn sie ihren Einfluß auf die Krischnaverehrer 
ausdehnen wollten. Sie konnten nichts besseres tun als 
unter Benutzung der bequemen Inkarnationstheorie Krischna 
für eine Erscheinungsform (avatära) des Gottes Vischnu 
zu erklären. ^ 

Daß dies schon spätestens im vierten Jahrhundert vor 
Chr. geschehen ist, hat zwar Kennedy bestritten;^ es 
ergiebt sich das jedoch mit Sicherheit aus der bekannten 
Tatsache, daß Megasthenes, der von 302 — 288 als Gesandter 
des Seleukos Nikator am Hofe zu Pätaliputra weilte, in 
seinen Berichten in unverkennbarer Weise den Krischna 
als Avatära des Vischnu unter dem Namen Herakles neben 
Dionysos (= Schiva) nennt. * 



^ Vgl. Grierson, ERE. II. 541 ^ : ,The incorporation was car- 
ried out in exactly the same way as that in which we see Brah- 
manism extending its frontiers at the präsent daj. The process is 
going on now before our eyes. Local or aboriginal deities are dis- 
covered to be identical with Siva or some other member of the ßräh- 
manical pantheon, and the distinction of caste is conferred upon the 
converts. üsually they are declared to be Räjputs, or, in other words, 
of the Ksatriya class. The aboriginal customs and belief s are at 
first left untouched, and in a couple of generations no more ardent 
Rupporters of the Claims of the Brähmanical priesthood are to be 
found than those who are still fetish-ridden savages.'' 

* Daß seine Gründe (JRAS. 1907, 962 f.) nichts beweisen, hat 
A. Berriedale Keith eben das. 1908, 170 f. dargetan. Daran hat 
auch K e n n e d y's Erwiderung p. 505 f. nichts geändert. 

* Lassen, Indische Altertumskunde II* 1107, 1126. Auch sind 
Näräyana, Väsudeva (zwei Beinamen Krischnas) und Vischnu schon 
Taittiriya Äranyaka 10. 1. 6 identifiziert, d.h. an einer Stelle, die 



— 213 — 

In den jüngeren Teilen des Mahäbbärata hat die Er- 
höhung Krischnas weitere Fortschritte gemacht ; denn er 
erscheint dort als Allgott, als eins mit der Weltseele, dem 
Brahman. 

Wie echt indisch diese ganze Entwicklung war, erkennen 
wir daraus, daß sie in genau derselben Weise noch an einem 
zweiten Beispiel festzustellen ist, nämlich an dem Helden 
des Rämäyana, dem ursprünglich auch rein menschlichen 
Räma, der ebenfalls zuerst zum Halbgott und schließlich 
zum Allgott umgewandelt worden ist und ebenso wie Krischna 
als eine Inkarnation Yischnus gilt. So wenig sonst auf 
dem Gebiet der Religionsgeschichte die euhemeristische 
Auffassung sich bewährt hat, so oft läßt sie sich doch ge- 
rade in Indien von Alters her bis in die neueste Zeit hin- 
ein als richtig erweisen. Nicht nur Helden und Sekten- 
stifter, sondern auch Autoren über nicht-religiöse Gegen- 
stände und Dichter sind in Indien oft mit Göttern iden- 
tifiziert oder einfach vergöttlicht worden.^ 

Es ist mir deshalb nie recht verständlich gewesen, daß 
manche Forscher wie Tiele, Senart, Barth, Ken- 
nedy, Berriedale Keith — im Grunde auch schon 
A.Weber, und in dem Hauptteil seiner Aeußerungen 
Hopkins — trotz der deutlichen Zeugnisse unserer Quel- 
len Krischna für eine ursprünglich rein mythische Gestalt, 
für einen Sonnengott oder einen Vegetationsdämon, haben 
erklären können. Gegen diese Auffassung spricht das 



spätestens dem dritten Jahrhundert vor Chr. angehört, aber wahr- 
scheinlich älteT ist. Vgl. Weber, Ind. Stud. 13. 353, Anm. 1 ; A. 
Berriedale Keith, JRAS. 1808, 171 Anm. 2. J. Kennedy, 
JRAS. 1907, 974, setzt die Identifizierung Krischnas mit Vischnu erst 
in die Zeit Kälidäsas, also in das fünfte Jahrhundert nach Chr.! 

^ H. Jacobi am Schluß seiner Abhandlung , Kultur-, Sprach- 
und Literarhistorisches aus dem Kautiliya", SBA. 1911 (XLIV), 973; 
Hopkins, Religions of India, 522 Anm., nach lA. XI. 56, 149. 



— 214 — 

Menschtum Krischnas in den ältesten Teilen des Mahäbhä- 
rata und die ganze im großen Epos zu verfolgende £nt- 
ivicklung. Auch wäre die Vermenschlichung eines ursprüng- 
lichen Gottes, die jene Gelehrten in üebereinstimmung mit 
der indischen Mythologie annehmen, den indischen Dich- 
tem zu gut gelungen^ um glaubhaft zu sein. Krischna ist 
nicht ein anthropomorphierter Gott, sondern ein deifizierter 
Mensch, und die Mythologie hat das wirkliche Verhältnis 
umgekehrt, was ja auch sonst bei Verwandlungsmythen 
nachweisbar ist. 

Daß später, als Krischna die volkstümlichste Götter- 
gestalt des indischen Pantheons geworden war und seine 
Verehrer immer mehr wunderbare Geschichten von ihm zu 
erzählen wußten, in seinen Mythen- und Sagenkreis allerlei 
Züge eingedrungen sind, die ursprünglich dem alten Son- 
nengott und anderen Göttern angehört haben, ist nur zu 
begreiflich. Die üebertragung von Sonnenmythen auf 
Krischna war eine notwendige Folge seiner Identifizierung 
mit Vischnu, der von Haus aus ein Sonnengott war. Grier- 
son* schätzt, allerdings ohne diesen Grund geltend zu 
machen, den Einfluß des Sonnenkultus ziemlich hoch ein, 
steht aber im übrigen durchaus auf dem hier vertretenen 
Standpunkt. Ferner mögen auch lokale Göttergestalten 
vollkommen mit Krischna verschmolzen und in ihm aufge- 
gangen sein.^ Dafür scheint die Tatsache zu sprechen, 
daß die Hauptstadt des erwachsenen Helden Krischna 
Dvärakä an der Westküste von Gujarat ist, während die 
seine Kindheit und Jugend betreffenden Sagen alle in das 
Innere des Landes nach Mathurä an der Yamunä (in der 
Nähe des heutigen Agra) und deren Umgebung verlegt 

* In dem wichtigen Artikel Bhakti-märga, ERE. 11. 540^. 
■ J. Kennedy, JRAS. 1907, 960 f., dessen wirren mythologi- 
schen Spekulationen ich jedoch keineswegs beipflichte. 



— 215 — 

sind. — Keine Ton solchen späteren Zutaten zudem 
Sa genkreis Krischnas darf man zur Grundlage der 
Erklärung macheu. 

Daß Ton allen Helden des Mahäbbärata gerade Krischna 
in so merkwürdiger Weise erhöht worden ist, wird schwer- 
lich auf einem unberechenbaren Zufall beruhen, sondern 
eine besondere Ursache gehabt haben. An Stammesfürsten 
und erfolgreichen Kriegern, die sich ebensogut oder besser 
zur Vergöttlichung geeignet hätten, ist im Mahäbbärata 
kein Mangel. Zur Erklärung der Auszeichnung Krischnas 
hat R. G. Bhandarkar, der bedeutendste Sanskritist 
unter den Eingeborenen Indiens, eine Vermutung vorge- 
tragen,^ die viel für sich hat und später von anderen mit 
weiteren Gründen gestützt worden ist.'-^ 

Danach wäre Krischna, der Sohn des Vasudeva und 
der Devaki, nicht nur ein Stammeshäuptling sondern auch 
der Begründer einer Religion gewesen, die zuerst unter den 
Yädavas Fuß gefaßt, sich aber bald über die Grenzen der 
Stammesgemeinschaft verbreitet hat und für die Entwick- 
lung des religiösen Lebens in Indien von ungeheurer Be- 
deutung geworden ist. Es handelt sich um die ursprüng- 
lich unbrahmanische, von der vedischen üeberlieferung un- 
abh ängige monotheistische Religion, deren An- 

* An zwei Stellen in übereinstimmender Weise : 1) in seinem Re- 
port on the search for Sanskrit Manuscripts in the Bombay Presi- 
dency during the year 1883—84, Bombay 1887, p. 74, und 2) in dem 
Aufsatz „The Rämänujiya and the Bhägavata or Päncharätra Systems '^ 
in den Verhandlungen des VlI. internationalen Orientalisten-Con- 
gresses, Arische Section (Wien 1888) S. 101 f., besonders 107 f. Vgl. 
auch G. Bühler, LA. 1894, 248, und R. G. Bhandarkar, Vais- 
navism, Saivism and minor religious Systems (Grundriß der indo-ari- 
sehen Philologie und Altertumskunde, III. 6) 8 f. 

* Einleitung zu meiner Uebersetzung der BhagavadgTtä, 19 f. ; 
Grierson, JRAS. 1908, 603 f. ; The Närayaniya and the Bhägavatas, 
lA. 1908, 251 f., besonders 253; Bhakti-märga, ERE. II. 539 f. und sonst. 



— 216 — 

Länger sich Bhägavatas und später Päücarätras nannten 
und das höchste Wesen unter den Bezeichnungen Bhaga- 
vat ,der Erhabene*^ und Purusottama ,der höchste Geist* 
verehrten. Als nach indischer Weise der Stifter dieser 
Religion yergöttlicht wurde, identifizierte man ihn mit dem 
von ihm verkündeten Gotte; und so wurden Krischna, sein 
Patronymikon Väsudeva ,Sohn des Väsudeva* und Näräyana 
yMenschensohn* (womit der Menschensohn im Juden- und 
Christentum nichts zu tun hat) zu weiteren Namen des- 
selben. Die spätere Brahmanisierung der Sekte hatte dann, 
wie schon vorher gesagt, zur Folge, daß Krischna auch zu 
einer Form des Gottes Vischnu gemacht wurde. 

Die Bhägavata-Religion, aus der nach dieser Auffas- 
sung der Krischnaismus erwuchs, ist von Haus aus eine 
volkstümliche Ksatriya-Beligion gewesen und hat wahr- 
scheinlich von Anfang an die Gottesliebe gepredigt und in 
viel stärkerer Weise als der Brahmanismus die ethische 
Seite betont, namentlich die Forderung der Pflichterfüllung. 
Dafür lassen sich manche Stellen aus dem Mahäbhärata 
anführen.^ Den Ausgangspunkt für die Annahme, daß 
Erischna der Stifter dieser Religion gewesen sei, liefert die 
Stelle der alten Ohändogya Upanisad (3. 17. 6) , an der 
Krischna, „der Sohn der Devaki", als Schüler eines be- 
rühmten Weisen, des Angirasiden Ghora, im Zusammen- 
hang mit Lehren genannt wird, die einen ausgesprochen 
ethischen Charakter tragen: Askese, Freigebigkeit, Recht- 
schaffenheit, Niemand Leides tun und die Wahrheit reden 
(v. 4), — diese Forderungen sollen an die Stelle des den 
Priestern schuldigen Opferlohns treten, und das Opfer selbst 
soll sich in der Art der ganzen Lebensführung darstellen. 

Hält man daneben die Tatsache, daß Krischna auch 



* Davon ist Bhägavata „Verehrer des Bhagavat** abgeleitet. 

* Einleitung zu meiner Uebersetzung der Bhagavadgitä, 24. 



— 217 — 

im Mahäbhärata der Sohn der Devaki ist und in den äl- 
teren Teilen als Krieger, Berater und Verkündiger 
religiöser Lehren auftritt, so ist die Identität der 
Personen nicht zu bezweifeln, und der Charakter Krischnas 
als eines religiösen Lehrers erscheint so gut beglaubigt, 
wie das nach der Beschaffenheit der Quellen zu erwarten 
ist. Die Religion, die Krischna im Mbh. verkündet, ist 
eben die Bhägavata-Religion, und ihr HauptlebrbuLch ist 
die Bhagavad^tä „der Gesang des Erhabenen^^ (d. h. des 
Krischna, der sich in ihr als der Allgott offenbart), die 
berühmteste Episode des Mbh. 

Die ganze hier vorgetragene Auffassung gewinnt an 
Wahrscheinlichkeit dadurch, daß Krischnas Patronymikon 
Väsudeva als Bezeichnung Gottes von Bhandarkar spe- 
ziell bei dem Yolksstamm nachgewiesen ist, dem Krischna 
nach der übereinstimmenden Ueberlieferung angehört. 

Die Chändogya Upanisad, in der Krischna genannt 
wird, stammt aus vorbuddhistischer Zeit, und da dem im 
Mbh. geschilderten Kampf zwischen den Kauravas und 
Pändavas, an dem Krischna teilnahm, sicher ein historischer 
Vorgang zu Grunde liegt, so ist Krischnas Lebenszeit er- 
heblich früher als Buddhas anzusetzen. Die indische My- 
thologie verlegt die Verkörperung Vischnus als Krischna 
in die Zwischenzeit zwischen dem Dväpara- und Kali- Alter, 
d. h. vor den Beginn des gegenwärtigen Weltalters. ^ Schon 
im sechsten Jahrhundert vor Chr. muß der Krischnakult 
in voller Blüte gestanden haben, weil die Ruinen des Tem- 
pels, die A. Führer bei Rummindei an der südöstlichen 
Grenze von Nepal im Dezember 1896 entdeckt hat, er- 
kennen lassen, daß die Vorfahren Buddhas u. a. dort 
auch die Rukmini, die Lieblingsgattin Krischnas, verehrt 



* Lassen, Indische Altertumskunde IP 1128, Anm. 4. 



— 218 — 

haben. ^ Der Ortsname Rummindei ist eine volkssprach- 
liche Entstellung von Rukmini devl „die Göttin Rukminl." 

Jedenfalls gehörte Krischna einem Zeitalter an, in 
dem die Ksatriyas einen stärkeren Anteil an der Förde- 
rung des geistigen Lebens in Indien gehabt haben als die 
Brabmanen, die in jenen Jahrhunderten ihre Kraft haupt- 
sächlich in der Ausbildung des Opferwesens und in Spe- 
kulationen über die Bedeutung der Opfer verbrauchten, 
bis sie von den höheren Gedanken, die von der Ksatriya- 
Kaste ausgingen, ergriffen und zu würdigerer Betätigung 
ihrer Fähigkeiten angeregt wurden. Den atheistischen Reli- 
gionsstiftern Buddha und Mahävira (dem Begründer der 
Jaina-Sekte) ging der theistische Religionsstifter Krischna 
wahrscheinlich um Jahrhunderte voran ; aber alle drei wa- 
ren Ksatriyas, ebenso wie es die Begründer der monisti- 
schen Lehre vom Brahman-Ätman nach dem Zeugnis der 
älteren üpanischaden gewesen sind. ^ 

So viel mußte ich über Krischna und die Entstehung 
des Krischnaismus voranschicken, um der wichtigsten Frage 
dieses Kapitels näher treten zu können. 

Daß in die späteren Phasen des Krischnaismus 
christliche Elemente eingedrungen sind, ist unverkennbar 
und wird von keinem Indologen bestritten. Davon wird 
weiter unten, in Kap. V, zu handeln sein. Darüber aber 
herrscht Uneinigkeit, von welcher Zeit an der christliche 

* Karl Eugen Neumann in dem einleitenden , Geleitwort' 
zu A. Pauls ^Krischnas "Weltengang* (München 1905) 6,7. Wenn 
Neumann am Schlüsse dieses Geleitworts sagt, „daß alle wesent- 
lichen und viele der unwesentlichen Stücke der Legende Krischnas 
der Epoche der alten vedischen Hymnen entstammen**, so ist damit 
ohne den Versuch eines Beweises etwas behauptet, wogegen der 
ganze Charakter der Erischnalegende spricht. In die altvedische 
Periode reicht sie keinesfalls hinauf. 

' S. meine Beiträge zur indischen Kulturgeschichte (Berlin 1903) 1 f. 



— 219 — 

Einfluß angenommen werden muß, ob er insbesondere schon 
in jüngeren, zu Krischnas Verherrlichung dienenden Teilen 
des Mahäbhärata zu finden ist. Einer der Vorkämpfer für 
die Bejahung dieser Frage, J. Kennedy, spricht im An- 
schluß an ältere Ausführungen von Wilson und Weber 
Ton einem vollständigen Wechsel in der Auffassung des 
Krischna.^ Bis etwa 500 nach Chr. sei Krischna ein durch- 
aus kriegerischer Gott gewesen, ein Vernichter von Riesen 
und Drachen ; dann aber habe sich sein Charakter plötz- 
lich und völlig geändert; er sei mit einem Mal zu einer 
idyllischen Hirtengottheit geworden, zu einem Kinde, das 
zu einem Jüngling heranwächst, und zu einem Gott der 
Liebe. Das Krischnakind insbesondere habe den älteren 
Krischna und die anderen Gottheiten in den Schatten ge- 
drängt und sei überall siegreich vorgedrungen. Die letzte 
Bemerkung ist richtig und stellt eine Tatsache fest, deren 
religionsgeschichtliche Bedeutung von Oldenberg weit 
unterschätzt wird, wenn er fragt, ^ was schließlich für das 
Hindutum das Idyll vom Krischnakind zu bedeuten habe. 
In einem späteren Aufsatz * erklärt dann Kennedy diesen 
angeblich plötzlichen Wechsel durch die Annahme, daß um 
die genannte Zeit von Norden gekommene skythische (d. h. 
zentral asiatische) Nomaden den „child-god^ nach Mathurä 
gebracht haben und mit ihm eine christliche Legende und 
ein christliches Pest. 

Diese ganze Theorie hält eine kritische Prüfung nicht 
aus. Der vermeintlich plötzliche Wechsel in der Auffassung 
des Krischna ist in Wirklichkeit eine ganz allmähliche üm- 



» JRAS. 1907, 486. 

■ Indien und die Religionswissenschaft (Stuttgart u. Berlin 1906) 20. 

3 The Child Krishna, Christianity and the Gujars, JRAS. 1907, 
951—992, besonders 976, 981 f., 989. Aehnlich schon Hopkins, 
India old and new, 162. 



— 220 — 

Wandlung gewesen, deren Anfange uns in sehr yiel frühere 
Zeit zurückführen, als Kennedy annimmt. Da dieser 
Gelehrte besonderes Gewicht auf das Heryortreten des 
Kindes Krischna legt, so will ich zuerst auf diesen Punkt 
eingehen. 

Die älteste zusammenhängende Darstellung von Krisch- 
nas Geburt und Kindheit ' findet sich in dem Harivamsa, 
„der Genealogie des Hari, d. h. des Vischnu", einem An- 
hängsel des Mahäbhärata, das schon im fünften Jahrhun- 
dert nach Chr. als ein Bestandteil des großen Epos galt^ 
und nicht wesentlich früher verfaßt sein kann. Der Hari- 
vaipSa handelt in seinem zweiten Teil — dem größten und 
wichtigsten der drei Abschnitte — von dem als Krischna 
menschgewordenen Vischnu, aber nicht von dem Kampf- 
genossen der Pändavas und dem Verkündiger religiöser 
Lehren, wie das eigentliche Mahäbhärata; er bietet vielmehr 
eine legendenhafte Lebensbeschreibung Krischnas von sei- 
ner Geburt an mit allen den Heldentaten, Abenteuern und 
Liebesgeschichten, die wir auch in der späteren Puräna- 
Literatur erzählt finden. Namentlich stimmt das fünfte 
Buch des Visnupuräna ^ und das zehnte des Bhägavatapu- 
räna, das allerdings viel ausführlicher ist, inhaltlich so ziem- 
lich mit dem Krischna-Abschnitt (Visnuparvan) des Hari- 
vaiii^a überein. 

Ich will nur den für uns besonders in Betracht kom- 
menden Anfang dieser Krischna-Biographie nach Winter- 
nitz' Inhaltsangabe^ mitteilen und den Rest mit wenigen 
Worten zusammenfassen. 

„In der Stadt Mathurä herrschte ein böser König 

^ Zwei nebensächliche Züge erwähnt kurz das Mbh. IL 1439, 40 
an einer anerkannter Maßen spät eingeschobenen Stelle. 
^ Winternitz, Gesch. d. ind. Litt., L 395. 
3 Deutsch von A. Paul, Krischnas Weltengang. 
* Gesch. d. ind. Litt. I. 381. 



— 221 — 

Kaipsa. Diesem yerkündete Närada, daß ihm von dem ach- 
ten Sohne der Devaki, der Schwester seines Vaters und 
der Gemahlin des Vasudeva, der Tod bevorstehe. Da be- 
schließt Kamsa, alle Kinder der Devaki zu töten. Er läßt 
Devalä durch seine Diener strenge bewachen, und sechs 
ihrer Kinder werden gleich nach der Geburt vernichtet. 
Das siebente Kind — es ist der später als ,,Räma mit 
der Pflugschar**, „Balaräma** oder „Baladeva** bekannte 
Bruder des Krsna — wird von Nidrä, der Schlafgöttin, 
dadurch gerettet, daß sie den Knaben, ehe er noch ge- 
boren ist, aus dem Mutterschoß der Devaki in den der 
Rohini, einer anderen Gemahlin Vasudevas, überträgt. Den 
achten Sohn aber — und dies war Krsna — vertauschte 

• • • 

Vasudeva selbst, um ihn vor Kamsa zu retten, gleich nach 
der Geburt mit der zur selben Zeit geborenen Tochter des 
Hirten Nanda und der Ya§odä. So wird das Töchterchen 
der letzteren von Kai)isa an einem Felsen zerschmettert, 
während Krsna als Sohn eines Hirten gilt und unter den 
Hirten aufwächst. Der Obhut der Hirtenfamilie wird von 
Vasudeva auch Räma anvertraut, und die beiden Knaben 
wachsen zusammen in der Hirtenstation auf.** 

Schon als Säugling giebt Krischna Proben seiner über- 
menschlichen Kraft und verrichtet als Knabe erstaunliche 
Wunder- und Heldentaten, die ihn besonders als Beschützer 
des Hirtenlebens erscheinen lassen. Er besiegt u. a. in der 
Yamunä einen furchtbaren Schlangen dämon und nötigt ihn, 
mit seinem ganzen Anhang zum Meere fortzuziehen ; und 
während eines fürchterlichen Unwetters hält er einen Berg 
sieben Tage lang als Schirm über die Hirten und ihre 
Herden, so daß diese unversehrt bleiben. Obwohl die Hir- 
ten ihn darauf als Gott verehren wollen, wünscht er doch 
unter ihnen nur als Freund und Verwandter sein Leben zu 
genießen. Es werden jetzt zum ersten Mal seine nächtlichen 



— 222 — 

Spiele, Scherze und Tänze mit den Hirtenmädchen beschrie- 
ben, die sämtlich in ihn verliebt sind und seine Helden- 
taten besingen. 

Von allen diesen Taten, durch die Erischna eine Un- 
menge Menschen, Dämonen und einmal selbst den Todes- 
gott in der Unterwelt bezwingt, braucht hier nur eine er- 
wähnt zu werden : die Rache an dem bösen Oheim Kamsa. 
Dieser hört in seiner Residenz Mathurä von den Helden- 
taten der beiden Hirtenjünglinge Krischna und Räma und 
beschließt aus Furcht vor ihnen, sie durch List aus dem 
Wege zu räumen. Er lädt sie nach seiner Hauptstadt zu 
einem Pest und zum Wettkampf mit seinen beiden stärk- 
sten Ringkämpfern ein. Die Heldenjünglinge kommen, 
töten die gewaltigen Ringer, und als der König Kainsa 
in seiner Wut befiehlt, die Sieger aus dem Lande zu ver- 
treiben, packt Krischna den König, schleift ihn auf den 
Kampfplatz und tötet ihn. 

In dem Anfang dieser legendenhaften Krischna-Bio- 
graphie sieht Kennedy — und andere haben das vor 
ihm getan — eine Nachahmung christlicher Vorbilder; die 
Tötung der Kinder des Vasudeva soll dem bethlehemitischen 
Kindermord und das Aufwachsen Krischnas in der Gesell- 
schaft der Hirten der Geburt Christi unter den Hirten 
nachgebildet sein. Die üebereinstimmungen sind nun bei 
beiden Parallelen gewiß nicht so merkwürdig, um von vorn 
herein die Abhängigkeit dieser Züge der Krischnalegende 
von den neutestamentlichen Erzählungen sehr wahrschein- 
lich zu machen. Doch brauchen wir uns in diesem Fall 
nicht auf solche allgemeinen Erwägungen zu stützen, 
sondern sind in der glücklichen Lage, die Unrichtigkeit 
der Entlehnungshypothese mit Sicherheit beweisen zu 
können. 

In Patanjalis Mahäbhäsya, dem großen Kommentar zu 



— 223 — 

Pänini's Grammatik, der in der Mitte des zweiten Jahr- 
hunderts vor Ohr. verfaßt worden ist, beziehen sich meh- 
rere Beispiele auf Krischnas feindliche Stellung zu seinem 
Oheim Kaijisa : „Krischna war feindselig gegen den Oheim" 
(zu 2. 3. 36), „Väsudeva tötete bekanntlich den Kaipsa** 
(zu 3. 2. 111), und zu 3. 1. 26 werden als geläufige Stoffe 
von rhapsodischen Vorträgen, dramatischen Aufführungen 
und Gemälden der Kamsavadha ,die Tötung des Kaipsa', 
und der Balibandha ,die Gefangennahme des (Dämons) 
Bali* erwähnt, d. h. zwei bekannte Taten Krischnas, be- 
ziehungsweise Vischnus. * Daß Feindschaft zwischen Krisch- 
na und seinem Oheim Kaipsa bestanden und dieser durch 
seinen Neffen den Tod gefunden hatte, waren also Züge 
der Krischnalegende, deren Kenntnis zur Zeit des Mahä- 
bhäsya bei Jedermann vorausgesetzt werden durfte. Das 
nötigt zu einer weiteren Schlußfolgerung. Die genannten 
Züge der Legende stellen jedenfalls eine so bemerkens- 
werte Abweichung von dem bei naher Verwandtschaft üb- 
lichen Zustand dar, daß da, wo eine Geschichte in Umlauf 
war, in welcher der Neffe der Feind seines Onkels ist und 
ihn erschlägt, auch die Ursache dieses abnormen Verhält- 
nisses einen Teil von ihr bilden mußte. Wer jene beiden 
Züge kannte, der mußte auch von den Versuchen des 
Onkels wissen, den gefürchteten Neffen zu beseitigen. Dar- 
aus ergiebt sich, daß zur Zeit des Mahäbhäsya auch schon 
diejenigen Begebenheiten allgemein bekannt waren, die sich 
nach der Erzählung des Harivaijisa vor, bei und nach der 
Geburt des Krischna zugetragen hatten, und daß insbeson- 
dere die Erzählung von der Ermordung der Kinder des 
Väsudeva älter ist als die Geschichte von dem bethlehemi- 
tischen Kindermord. 



1 A. Weber, Ind. Stud. 13. 353 f., 488 f. ; A. Berriedale 
K e i t h , JRAS. 1908, 172 f. 



— 224 — 

Im zweiten Jahrhundert vor Chr. spielte also im brah- 
manischen Indien nicht nur der gewaltige Held Kiischna, 
sondern auch bereits das Krischnakind eine bedeutende 
Bolle; und zwar das göttliche Kind, da — wie wir 
oben S. 212, 217 gesehen haben — Krischna sicher bereits 
im sechsten Jahrhundert vor Chr. in dem Heimatlande 
Buddhas als Gott verehrt worden ist^ und schon für das 
vierte Jahrhundert vor Chr. seine Identifizierung mit Visch- 
nu feststeht. Das göttliche Krischnakind taucht also nicht 
in Indien plötzlich gegen 500 nach Chr. auf, wie Ken- 
nedy lehrt , sondern ist mindestens schon 700 Jahre 
früher in Indien bekannt gewesen, und zwar in seiner 
besonderen Beziehung zum Hirtenleben. Seine Verehrung 
ist also echt indischen Ursprungs. 

Es wäre demnach nicht nötig, Kennedys Annahme, 
daß es die Gujars (skt. Gurjara) gewesen seien, die um 
600 nach Chr. den Kult des Christkindes aus Zentralasien 
nach Mathurä gebracht haben, kritisch zu beleuchten. Aber 
die völlige Haltlosigkeit der eben widerlegten Theorie wird 
noch deutlicher, wenn man erkennt, wie die Spekulationen, 
mit denen Kennedy seinen Standpunkt begründet, ganz 
in der Luft schweben. Wir sind weder über die ethno- 
logische Stellung noch über die ursprüngliche Heimat der 
Gujars im Klaren, die zuerst in der Mitte des sechsten 
Jahrhunderts nach Chr. im nordwestlichen Pandschab er- 
scheinen und sich später weiter nach Süden, namentlich 
über die nach ihnen benannte Halbinsel Gujarat, verbreiten. 
Auch haben wir keine Nachrichten darüber, daß die Gu- 



^ Auch die im zweiten Jahrhundert vor Chr. nach dem Westen 
von Hinterindien ausgewanderten brahmanischen Inder waren Ver- 
ehrer des Väsudeva; und dasselbe ist von denen anzunehmen, die 
sich auf der Insel Madura bei Java angesiedelt hatten. Lassen, 
Indische Altertumskunde IP 1112. 



— 225 — 

jaxs — und zwar schon um 500 nach Chr. — in die Ge- 
gend von Mathurä gelangt sind; nichts Ton dem, was wir 
von ihnen wissen, spricht dafür. Vor allen Dingen aber 
werden wir fragen : waren denn die Gujars Christen oder 
so von christlichen Anschauungen erfüllt, daß man anneh- 
men könnte, daß durch ihren Einfluß die Krischnalegende 
in christlichem Sinne umgestaltet worden sei? Und werden 
die auf viel höherer Kulturstufe stehenden brahmanischen 
Inder in Mathurä bereitwilligst die Belehrungen eines rohen 
einwandernden Nomadenstammes sich zu eigen gemacht 
haben? Als Antwort auf die erste Frage finden wir bei 
Kennedy^ die Vermutung, daß die Gujars „might have 
acquired some tincture of Christianity, either from their 
neighbours in Central Asia or from their connection with 
Christians among the Hünas'*. Die Gujars werden näm- 
lich in Verbindung mit den Hunnen genannt und sind wahr- 
scheinlich mit ihnen zusammen in Indien eingedrungen.^ 
Etwas weiter unten (p. 990) sagt Kennedy: „Probably 
the nomads who brought the new god to Mathurä knew 
little of Christianity except the stories of the Infancy." 
Also Menschen, die so wenig Tom Christentum wußten und 
möglicher Weise das nicht einmal, die nach Kennedys 
Darstellung im günstigsten Falle — ,might have* zeigt, wie 
unsicher sich Kennedy auf seiner Argumentationsbasis 
im Grunde fühlt — nur in eine ganz äußerliche Berührung 
mit dem Christentum gekommen waren, sollen ein Inter- 
esse daran gehabt haben, anderen Völkern die Lehre vom 
Christkind zu bringen! Zur Verbreitung religiöser Lehren 
unter Fremden und Andersgläubigen pflegt doch sonst der 
Feuereifer zu gehören, der von der innersten Ueberzeugung 
entfacht ist. 



1 JRAS. 1907, 989. 

* Hoernle and Stark, History of India, 61. 

Garbe, Indien und das Christentum. 15 



— 226 — 

Doch genug! Daß das Christentum, die Gujars und 
das Datum 600 nach Chr. nichts mit dem Auftreten des 
Krischnakindes in dem religiösen Leben Indiens zu tun 
haben, darf mit voller Bestimmtheit behauptet werden. 
Das Eindringen christlicher Züge in die Legende von 
Krischnas Geburt und Kindheit und in den Krischnakult 
hat frühestens zwei Jahrhunderte später stattgefunden und 
ist auf Rechnung der nestorianischen Missionen zu setzen. 

Aehnlich wie mit dem Anfang der Krischnalegende 
steht es mit einem anderen Zuge derselben, der in einer 
mir geradezu unbegreiflichen Weise von Hopkins^ auf 
ein christliches Vorbild zurückgeführt wird. Ich meine die 
Liebesspiele Krischnas mit den Hirtinnen, in denen Hop- 
kins einen Reflex des „äußerlichen Christentums" erbhckt, 
den er für ebenso „palpable wie shocking" erklärt. Was 
im Christentum geistig gemeint ist, sei in Indien physisch 
und fleischlich gedeutet. „The love of the Bridegroom 
is sensual; the brides of God are drunken dancing girls." 

In Wirklichkeit liegt auf beiden Seiten die gleiche 
Entwicklung vor. Die sinnliche Liebe, die in den alttesta- 
mentlichen Hochzeitsliedern des Hohenlieds gefeiert wird, 
ist von der christlichen Symbolik ins Geistige erhoben, 
wenn diese das Verlangen der menschlichen Seele nach 
dem Heiland unter dem Bilde des bräutlichen Verhältnisses 
darstellt. Ebenso ist in Indien die vielbesungene Liebe 
der Hirtinnen zu Krischna in späterer Zeit vergeistigt und 
zur inbrünstigen Liebe des Menschen zur Gottheit umge- 
deutet worden. 

Es wäre geradezu ein Wunder, wenn die Sage, die 
von dem Leben Krischnas unter den Hirten erzählt, dabei 
nichts von der mit Bewunderung gepaarten Liebe der Land- 
mädchen zu dem Helden und von seinen Liebesverhältnissen 

^ Religions of India, 430. 



— 227 — 

mit ihnen zu sagen gewußt hätte; denn alle Heroen von 
gewaltiger Kraft sind nach volkstümlicher Anschauung un- 
erschöpflich im Liebesgenuß, und das Erotische spielt im 
Leben der stark sinnlich veranlagten Inder trotz aller 
Weltentsagung und Askese eine viel größere Rolle als im 
Abendlande. Dieser Zug der Krischnalegende ist also 
nicht durch Herüberaahme und Herabwürdigung einer 
christlichen Idee entstanden, sondern er ist echt indisch, 
durch die Situation geradezu gegeben und außerdem älter 
als das Eindringen christlicher Einflüsse in das brahma- 
nische Indien. Denn wenn auch im HarivaipSa zum ersten 
Mal Krischnas Liebesspiele in dichterischer Darstellung be- 
handelt werden,* so stammt doch die Vorstellung von ihnen 
aus erheblich früherer Zeit. Schon Mahäbhärata II. 2291 
wird Krischna von Draupadi als „Geliebter der Hirtinnen" 
(gopl'jana-priya) angerufen — an einer den älteren Teilen 
des großen Epos angehörenden Stelle, wo von der Mög- 
lichkeit einer christlichen Beeinflussung, die nach Hop- 
kins „auf der Hand" liegen soll, noch keine Rede sein 
kann. 

So bleiben für unsere Untersuchung nur noch zwei 
schon im Mahäbhärata auftretende Züge des Krischnais- 
mus übrig, deren christliche Herkunft nicht selten behaup- 
tet oder vermutet worden ist: die Auffassung Krischnas 
als des die Menschheit liebenden Gottes und die Forde- 
rung der gläubigen Liebe zu Krischna. Diese beiden Züge 
treten am deutlichsten in der Bhagavadgitä, dem Prunk- 
stück des Mbh., hervor und haben dort ihren prägnantes- 
ten Ausdruck gefunden. Da die Bhagavadgitä wegen ihrer 
einzigartigen, bis auf den heutigen Tag in Indien behaup- 

* Am ausführlichsten ist das später im zehnten Buch des Bhäga- 
vatapurana und in künstlerisch vollendetster Weise in Jayadevas 
Gitagovinda geschehen. 

15* 



— 228 — 

teten Stellung und wegen ihrer zahlreichen Anklänge an 
das Neue Testament eine gesonderte Darstellung verlangt, 
so wird die in ihr gepriesene Gottesliebe — im zwiefachen 
Sinne — zweckmäßig im Zusammenhange mit dem übrigen 
Inhalt der Bhagavadgitä im nächsten Kapitel behandelt. 
Aber schon hier ist darauf hinzuweisen, daß aus Gründen, 
die dort zur Erwägung kommen werden, die Annahme 
christlicher Einflüsse auf die Bhagavadgitä unmöglich ist. 
Ich komme also auf das zurück, was ich zu Anfang dieses 
Kapitels festgestellt habe, daß nämlich der phantastische 
Bericht über den Svetadvipa im zwölften Buch des Mahä- 
bhärata als das einzige Stück des Epos bezeichnet werden 
muß, in dem mit annähernder Sicherheit eine dunkle Kunde 
vom Christentum zu finden ist. 



IT. Die Bhagayadgitä und die Lehre von der Gottes- 
liebe. 

Kein Werk der Sanskritliteratur ist in Indien und im 
Abendlande so bekannt und hochgeschätzt wie die Bhaga- 
vadgitä (Mbh. VI. 830 f.), „der Gesang des Erhabenen", 
d. h. der feierliche Lehrvortrag Krischnas. Ursprünglich 
ein Lehrbuch der Bhägavata-Sekte, hat die Bhagavadgitä 
mit der Zeit für das ganze brahmanische Indien eine solche 
Bedeutung gewonnen, daß sie für den gebildeten Inder 
zur Summe aller Weisheit geworden ist und von ihm im 
Verkehr mit Christen gegen das Neue Testament ausge- 
spielt wird, dessen Grundlehren schon in der nach indi- 
scher Anschauung viel älteren Bhagavadgitä enthalten seien. 
Andererseits haben europäische Gelehrte in keinem anderen 
indischen Werke so häufig christlichen Einfluß zu finden 
geglaubt als in der Bhagavadgitä. Aus diesen Gründen 
darf ich mich nicht darauf beschränken, diejenigen Punkte 



— 229 — 

herauszuheben und zu erörtern, die zu solchen Behaup- 
tungen Anlaß gegeben haben. Eine Darstellung der reli- 
gionsgeschichtlichen Beziehungen zwischen dem Christentum 
und Indien erfordert eine zusammenhängende Inhaltsan- 
gabe der Bhagavadgitä, ^ wenn ich mich auch mit voller 
ßestimmtheit dahin aussprechen muß, daß die oft behaup- 
tete Abhängigkeit der indischen Dichtung vom Neuen Tes- 
tament nur eine scheinbare ist. 

Nach langjährigem Hader rücken die beiden nahe ver- 
wandten aber feindlichen Geschlechter der Kauravas und 
Pändavas mit ihren Bundesgenossen und Heeresmassen auf 
dem Kurufelde, in der Nähe des heutigen Delhi, gegen 
einander zum Kampfe vor. Ein gewaltiges Getöse von 
Muscheln, Pauken, Trommeln und Trompeten erschallt, 
und schon beginnen die Pfeile aus beiden Heerlagern zu 
fliegen. Da erblickt Arjuna, der berühmte Bogenschütze 
der Pändavas, in dem feindlichen Heere seine nahen Ver- 
v^andten, seine Lehrer und die Freunde seiner Jugend, ist 
bei dem Gedanken sie zu töten erschüttert und läßt Bogen 
und Pfeile fallen, weil er lieber sterben als unter solchen 
umständen kämpfen und siegen will. Aber Krischna, der 
ihm in menschlicher Gestalt als Wagenlenker auf dem Streit- 
wagen zur Seite steht, ermahnt ihn, ohne Rücksicht auf 
die Folgen seine Pflicht zu tun, und überzeugt ihn von der 
Notwendigkeit, an dem Kampfe teilzunehmen. 

Diese Ermahnungen und Belehrungen Krischnas ver- 
tiefen sich immer mehr und mehr und behandeln in schwung- 
voller Rede — an manchen Stellen mit seltener Schönheit 
und Erhabenheit der Gedanken und des Ausdrucks — die 
höchsten Fragen nach dem Wesen der Gottheit und nach 
dem Verhältnis des Menschen zu ihr. Auf dem Grunde 



^ Es wird mir gestattet sein, dazu Auszüge aus der ausführlichen 
Einleitung zu meiner üebersetzung der BhagavadgitÄ zu benutzen. 



— 230 — 

der metaphysischen Spekulation baut sich hier eine groß- 
artige Sittenlehre auf. Allmählich merkt Arjuna, wer es 
ist, der zu ihm redet. Krischna offenbart sich ihm als den 
einigen Gott, als den Herrn aller Welten, der die Gestalt 
des Helden aus dem Yädava- Geschlecht angenommen hat, 
und zeigt sich dem Arjuna auf dessen Bitte im elften Ge- 
sänge in seiner überirdischen, flammenden, die ganze Welt 
erfüllenden Gestalt. 

Es ist längst erkannt worden, daß wir die Bhagavad- 
gitä nicht in ihrem ursprünglichen Text besitzen, sondern 
in einer Form, die das Ergebnis wesentlicher Umgestal- 
tungen ist. Die Lehren, die Krischna in der Bhag. in 
den Mund gelegt sind, bieten ein merkwürdiges Gemisch 
von pantheistischen und monotheistischen 
Ideen, von philosophischem Denken und reinem, tiefreli- 
giösem Gottesglauben. 

Ein persönlicher Gott tritt in menschlicher Gestalt 
auf, trägt seine Lehre vor, fordert von dem Hörer neben 
Pflichterfüllung vor allen Dingen gläubige Liebe zu ihm 
und Ergebung, offenbart sich dann in besonderer Gnade 
in seiner göttlichen, aber immer noch menschenähnlichen 
Gestalt und verheißt dem Gläubigen als Lohn der Gottes- 
liebe, daß dieser nach dem Tode zu ihm eingehen, in die 
Gemeinschaft Gottes gelangen werde. Und neben diesem 
so persönlich wie möglich gestalteten Gotte, der das ganze 
Gedicht beherrscht, steht manchmal als höchstes Prinzip 
das unpersönliche neutrale Brahman, das Absolute. 
Bald sagt Krischna von sich, daß er der einige, höchste 
Gott sei, der die Welt und alle Wesen geschaffen hat und 
das All regiert ; bald verkündet er die pantheistische Lehre 
von dem Brahman und der Mäyä, der kosmischen Illusion, 
und stellt als höchstes Ziel des Menschen hin, daß er die 
Mäyä überwinde und zum Brahman werde. 



— 231 — 

Diese beiden Lehren, die theistische und pantheistische, 
sind ineinander geschoben und folgen sich zuweilen ganz 
unvermittelt, zuweilen in loser Verknüpfung, und es wird 
nicht etwa die eine als niedere, exoterische, die andere als 
höhere, esoterische Lehre hingestellt; es wird nicht etwa 
gelehrt, daß der Theismus vorbereitende Stufe zur Er- 
kenntnis oder Symbol der Wahrheit und der Pantheismus 
die Wahrheit selbst sei; sondern die beiden Glaubensformen 
werden fast durchweg ganz so behandelt, als ob zwischen 
ihnen gar kein Unterschied bestehe, weder dem Werte 
noch dem Inhalte nach. 

Man hat sich über die Widersprüche in der Bhag. 
mit der Erklärung hinwegsetzen wollen, daß hier kein be- 
stimmtes System vorgetragen werde, sondern daß ein 
Dichter spreche, der die Gedanken nehme und forme, 
wie sie ihm zuströmen, ohne der Widersprüche zu achten, 
die sich im einzelnen ergeben. 

Aber durch Berufung auf den poetischen Charakter 
läßt sich der große durch die Bhag. gehende Widerspruch 
nicht beseitigen; man kann ihn nur durch die Annahme 
aufheben, daß eine der beiden heterogenen Lehren, die 
Krischna in der Bhag. verkündet, eine spätere Zutat sein 
muß. Adolf Holtzmann bat deshalb die Ansicht 
vertreten, daß die Bhag. ursprünglich ein rein pantheisti- 
sches Gedicht gewesen sei und später durch Anhänger des 
Vischnu-Krischna umgearbeitet worden sei, wodurch sie 
ihre gegenwärtige Gestalt erhalten habe. Aber auch diese 
Ansicht ist falsch; die Sache verhält sich vielmehr gerade 
umgekehrt. Der ganze Charakter des Gedichts ist der 
Anlage und Ausführung nach so überwiegend theistisch, 
daß man annehmen muß: die Bhag. ist von Haus aus ein 
rein theistisches Gedicht gewesen und erst später im pan- 
theistischen Sinne umgearbeitet worden, nachdem es den 



— 232 — 

Brahmanen gelungen war, die Religionsgemeinschaft der 
Bhägavatas, der Krischnaverehrer, durch Identifizierung 
Krischnas mit ihrem Gott Yischnu, der bereits zum All- 
gott geworden war, für sich zu gewinnen. In dem alten 
Gedicht spricht Krischna von sich — und Arjuna von 
Krischna — als von einem Individuum, einer Person, einer 
bewußten Gottheit; in den Zutaten der Bearbeitung tritt 
das neutrale Brahman als der höchste Begriff auf und 
wird gelegentlich mit Krischna gleichgesetzt. Kurz gesagt : 
indem alten Gedicht wird der auf die Sys- 
teme des Säipkhya und Yoga philosophisch 
fundierte Krischnaismus verkündigt; in 
den Zutaten der Bearbeitung wird der Brah- 
maismus, der Vorläufer des Vedänta-Sys- 
tems, vertreten. Man weiß ja längst, daß die Leh- 
ren des Sämkhya-Yoga im großen und ganzen die Grund- 
lage der philosophischen Betrachtungen der Bhag. sind und 
daß neben ihnen der Brahmaismus erheblich zurücktritt. 
Auf Grund dieser üeberzeugung habe ich in meiner üeber- 
setzung der Bhag; die ursprüngliche Form des Gedichts 
herauszuschälen gesucht und die Zutaten der brahmaisti- 
schen üeberarbeitung ausgeschieden. 

Meine hier vorgetragene Anschauung und mein auf 
ihr beruhender Versuch der Rekonstruktion der ursprüng- 
lichen Bhag. haben einigen Widerspruch, aber doch viel 
mehr Zustimmung gefunden, u. a. bei so hervorragenden 
Forschern wie Sir George Grierson und Winter- 
n i t z. Der letztgenannte Gelehrte sagt : ^ „ Wenn wir das 

1 Gesch. d. ind. Litt. I. 373. Vgl. auch WZKM. XXI. 196, 197. 
Ich möchte diese Gelegenheit zu einem Zugeständnis benutzen. Ich 
halte es für sehr möglich, daß Winternitz Recht hat, wenn er 
noch außer den von mir ausgeschiedenen Versen im Anschluß an 
W. von Humboldt die letzten Gesänge der Bhag., die erheblich 
gegen die ersten zwölf abfallen, in der Hauptsache für spätere Zutat 



— 233 — 

Gedicht mit Auslassung der von Garbe in seiner lieber- 
Setzung kleingedruckten Stellen lesen, so ergibt sich, daß 
dadurch keine Lücke entsteht, und daß sogar an vielen 
Stellen durch Weglassung der so bezeichneten Verse ein 
unterbrochener Zusammenhang wiederhergestellt wird. Es 
spricht auch durchaus für die Richtigkeit der Gar be- 
sehen Auffassung, daß unter den 170 von ihm ausgeschie- 
denen Versen höchstens etwa zehn oder zwölf genannt 
werden können, die irgendwelche poetische Schönheiten 
aufweisen.*^ Ich selbst hatte diese ästhetische Erwägung 
nicht angestellt, überzeugte mich aber nachträglich davon, 
daß die von mir rekonstruierte Bhag. an poetischer Schön- 
heit und Geschlossenheit den uns überlieferten Text weit 
übertriflFt und als das Werk eines echten Dichters anerkannt 
werden muß. 

Ich will nun zunächst die Lehren der echten ur- 
sprünglichen Bhag., d. h. des mit Elementen des 
Säijikhya-Yoga unter mehrfachen ümdeutungen ausgestat- 
teten Bhägavata-Glaubens, in möglichster Kürze darstellen. 
Es empfiehlt sich dabei nicht, dem Gedankengang der 
Bhag. zu folgen, der von einem zum andern abirrt und 
namentlich in den praktischen Forderungen die verschie- 
denen anerkannten Standpunkte beständig mit einander 
vermengt. Der religiöse Inhalt der Bhag. stimmt mit dem 
des Näräyanlya- Abschnitts des Mahäbhärata (XII. Kap. 
336 — 353), des zweiten alten Textbuchs der Bhägavatas, 
überein ; nur ist dieses etwas stärker brahmaistisch gefärbt 
als die Bhag. 

Als Einleitung zu meiner Darstellung werde ich einige 
Worte über die Bedingungen vorausschicken müssen, unter 
denen die Verbrämung der Bhägavata-Religion mit den 



ansehen zu müssen glaubt. Dadurch würde der Umfang der Ursprung 
liehen Bhag. noch wesentlich verringert. 



— 234 — 

eben genannten Philosophen! en vor sich gegangen ist.^ 
Als man in Folge der echt-indischen Neigung, Religion 
und Philosophie zu verschmelzen, und insbesondere durch 
den starken spekulativen Zug der K^atriya- Kaste angeregt, 
sich anschickte, dem Monotheismus der Bhägavata- Religion 
eine philosophische Basis zu geben, da wählte man dazu 
nicht den Pantheismus, der in den älteren Upanischaden 
zum Ausdruck gekommen war. Die Heimat dieses Pan- 
theismus, der Lehre vom Brahman oder All-Einen, war 
das sogenannte Mittelland (madhyadesa, die Gegend 
um und nördlich von Delhi), das Stammland brahmanischer 
Kultur und Machtentfaltung. Der brahmanische Pantheis- 
mus paßte schlecht zu dem populären Monotheismus der 
Bhägavatas, und deshalb richteten diese ihren Blick auf 
die beiden philosophischen Systeme, die „in der freieren 
Atmosphäre des weniger brahmanisierten Auslands" — 
um Griersons bequemen Ausdruck zu gebrauchen — 
entstanden waren, auf Säijikhya und Yoga. Von diesen 
beiden erwies sich das reine, atheistische und der Ethik 
gleichgiltig gegenüberstehende Säijikhya für ihre Zwecke 
nicht ausreichend; denn dieses System konnten die Bhäga- 
vatas nur bei der Ausbildung der Lehre von der Materie 
und deren Verhältnis zum Geist gebrauchen. Da die 
Bhägavata- Religion den Glauben an Gott und einen aus- 
gesprochenen ethischen Charakter besaß, so kamen ihre 
Anhänger besser auf ihre Rechnung, wenn sie sich mehr 
an das Yoga-System hielten, das Gott anerkannte und 
ethische Tendenzen verfolgte. Das Yoga-System ist eine 
Tochter des Säipkhya : es hat sämtliche Säijikhya- Anschau- 
ungen von Bedeutung, mit Ausnahme der Gottesleugnung, 
übernommen und auf ihnen seine Lehre von der Konzen- 



* Vgl. zu dem folgenden Grierson, Artikel Bhakti-märga. 
ERE. II. 541» 



— 235 — 

tration des Denkens und den dadurch zu gewinnenden 
Kräften aufgebaut. Der persönliche Gott ist nur ganz 
lose und unvermittelt in das Yoga-System eingefügt, und 
die Vermutung ist nicht unberechtigt, daß diese Einfügung 
dem Bunde mit der Bhägavata-Religion zu Liebe vorge- 
nommen worden ist; denn dadurch gewann das ursprüng- 
lich nur für die Passungskraft von Gelehrten bestimmte 
System Einfluß auf weitere Kreise. Die Bhägavatas ihrer- 
seits entnahmen dem Yoga- System mehrere BegriflFe, vor 
allem den des Yoga oder der Konzentration des Denkens, 
den sie allmählich im Sinne der Gottergebung umbildeten 
und dem Begriffe der Gottesliebe annäherten.^ 

Ich beginne meine Auseinandersetzung über die Lehren 
der Bhagavadgltä mit dem systematischen Teil und 
gehe von der Person Gottes aus. Gott ist ein bewußtes, 
ewiges und allmächtiges Wesen, der „anfanglose große 
Herr der Welt" (X. 3). Er ist nicht nur von der ver- 
gänglichen Welt verschieden, sondern auch von dem un- 
vergänglichen Geist der Wesen (XV. 17 — 19), also Geist 
in einer andern und höheren Potenz als die Seelen aller 
Geschöpfe. Wenn es VII. 4—6 heißt, daß Gott zwei Na- 
turen besitze, eine höhere geistige, durch die die Welt er- 
halten wird, und eine niedere materielle, die aus allem 
besteht, was nach dem Säipkhya zur Prakrti oder Materie 
gehört, so ist das nicht so zu verstehen, als ob die Materie 
eine Hälfte von Gottes Wesen ausmache; vielmehr ist da- 
mit gemeint, daß die Materie sich nicht selbständig, ihren 
blinden Trieben folgend, sondern unter der Leitung Gottes 
entfaltet; mit andern Worten: daß Gott in der Materie 
wirkt und durch sie handelt. Das wird durch andere 



1 Die Bedeutung des Yoga- Systems für die Bhägavata-Religion 
erscheint noch deutlich in der Legende von Akrüra, Bhäg. Pur. X. 
57. 29, bei G r i e r s n , lA. 1908, 257, Anm. 25. 



— 236 — 

Stellen der Bhag. außer Zweifel gestellt. Gott legt in die 
Materie den Keim zur Entfaltung (XIV. 3, 4), ist also der 
Vater aller Geschöpfe, während die Materie dem Mutter- 
schoß vergleichbar ist (XIV. 4). Gott leitet die Entstehung, 
Entwickelung und Auflösung des Universums (IX. 7, 8, 
10), und in diesem Sinne nennt er sich den Ursprung und 
das Ende der ganzen Welt (VII. 6, X. 8) und identifiziert 
sich mit dem Tode (XI. 32). Alle Zustände der Wesen 
stammen von ihm (X. 4, 5), er leitet ihr Geschick, d. h. 
vergilt ihnen nach ihren Taten, und läßt so die Wesen im 
Kreislaufe des Lebens „herumwirbeln gleich Figuren auf 
einer Puppenbühne" (XVIII. 61). Alles Handeln Gottes 
geschieht lediglich um der Welt willen, für ihn selbst giebt 
es keinen Wunsch, der zu erfüllen, kein Ziel, das zu er- 
reichen wäre (III. 22, 24). „Jedesmal, wenn das Recht 
im Abnehmen und das Unrecht im Zunehmen ist", er- 
schafft Gott, der doch von Ewigkeit her und unvergäng- 
lich ist, sich selbst aufs neue, d. h. nimmt neue Erschei- 
nungsformen an „zum Schutze der Guten und zur Ver- 
nichtung der Bösen, um das Recht zu befestigen" (IV. 
6 — 8). Weil Gottes Handeln Sache der von ihm regier- 
ten Materie ist und niemals einem egoistischen Motive 
entspringt, so wird Gott durch sein Handeln nicht gebun- 
den (IV. 13, 14, IX. 9); er kann also nie in das Welt- 
dasein verstrickt werden. Die visionäre Schilderung Gottes 
in Gesang XI ist dramatischer Aufputz, der auf die Phan- 
tasie wirken soll, aber für die eigentliche Lehre der Bhag. 
von geringer Bedeutung ist. 

Das Verhältnis Gottes zu der Menschenwelt ist nicht 
allein durch das starre Gesetz der Vergeltung bestimmt, 
sondern Gott liebt die Menschen, die ihn erken- 
nen und ihm von ganzem Herzen ergeben sind 
(VII. 17, XII. 14-20, XVni. 64, 65, 69), und er er- 



— 237 — 

löst denjenigen, der bei ihm allein seine Zuflucht 
nimmt, von allen Sünden (XVIII. 66). Hier (und 
ebenso XVIII. 56,58,62,73) liegt also schon der 
Glaube an die göttliche Gnade (prasäda) vor, den 
wir in einigen jüngeren Upanischaden antreffen und der 
in der Folge in den indischen Sekten eine so hervorragende 
Rolle spielt. 

Wenn auch Gott den Weltprozeß lenkt, so ist es doch, 
wie wir schon oben sahen, die Materie, die alle Werke 
tut (HI. 27, V. 14, XIII. 20, 29). Aus der ürmaterie ent- 
faltet sich die Welt und geht wieder in sie zurück (VIII. 
18, 19) ; die Idee der Evolution und Reabsorption sowie 
die Vorstellung der Weltperioden ist dem Säipkhya- System 
entnommen, üeberhaupt stimmen alle Anschauungen über 
die Materie in der Bhag. mit der Sämkhya-Lehre überein. 
Die drei Gunas oder Konstituenten der Materie ^ spielen 
hier dieselbe Rolle wie im Säipkhya-System : sie schlagen 
mit ihren Einflüssen den Geist in Fesseln (XIV. 5 f.), und 
die Folgen ihrer Wirksamkeit machen sich im Leben auf 
Schritt und Tritt bemerkbar, wie das sehr eingehend in 
Gesang XVII und XVIII ausgeführt wird. Auch die phy- 
siologischen Vorstellungen über die inneren Organe und 
die Sinne sind die des Säijikhya- Systems (III. 40, 42, XIII. 5). 
Alle diese üebereinstimmungen aber sind für die Lehren 
der Bhag. nicht von solcher Bedeutung wie die aus dem 
Sämkhya übernommene Grundanschauung über das Wesen 
der Materie, von der in Gesang II die philosophische Be- 
trachtung ausgeht. Zwar ist die Materie nicht etwa von 
Gott erschaffen, sondern besteht von Ewigkeit her, aber 
sie unterliegt unablässigem Wandel und Wechsel ; alle ihre 



^ S. meine Sämkhya-Philosophie, 209—220 und sonst; Sämkhya 
und Toga (Grundriß der indo-arischen Philologie und Altertumskunde, 
m. 4) 19, 20. 



— 238 — 

Produkte und Wirkungen sind yergänglich; ihre Einflüsse, 
namentlich Freude und Schmerz, kommen und gehen, ver- 
dienen also nicht, daß man sich durch sie bestimmen läßt 
(II. 14). 

Dieser Veränderlichkeit alles dessen, was die Materie 
hervorbringt, steht die ünveränderlichkeit des Geistes 
gegenüber. Wohl ist der Geist (die Seele, das Selbst) in- 
sofern der Materie gleich, als beide ewig und unzerstörbar 
sind ; denn was ist, ist immer gewesen und wird immer sein, 
„dem Nichtseienden wird keine Existenz zuteil, dem Seien- 
den keine Nichtexistenz" (IL 16) ; aber darin besteht der 
große Gegensatz zwischen Materie und Geist, daß dieser 
niemals einer Veränderung fähig ist. In Wahrheit wohnt 
der Geist absolut untätig im Leibe, „weder handelnd noch 
handeln lassend^ (V. 13 — 15) und bleibt unberührt von 
allen Einflüssen und Werken der Materie. Das ist in 
edler Sprache im zweiten Gesang der Bhag. ausgeführt. 
Wer da weiß, daß der Geist das wahre Ich ist, das die 
abgenutzten Körper verläßt und in neue eingeht, wie man 
alte Kleider ablegt und neue anzieht (IL 22), daß der Geist 
weder verwundet noch vernichtet werden kann, der klagt 
nicht über Leid und Tod eines Menschen, d. h. nicht über 
Dinge, von denen nur der vergängliche Körper betroflTen 
wird. 

Alles das ist reine Säijikhya-Lehre ; aber trotzdem ist 
die Auffassung des geistigen Prinzips in der Bhag. eine 
wesentlich andere als im Säijikhya- System, keine ausschließ- 
lich philosophische, sondern eine überwiegend religiöse. Die 
Einzelseele hat nach der Bhag., die den Glauben der Bhä- 
gavatas verkündet, nicht von jeher eine Sonderexistenz ge- 
führt, sondern sie hat sich als ein Teil von der göttlichen 
Seele losgelöst (XV. 7 ; vgl. auch X VI. 18, XVII. 6). Die 
Einzelseelen sind also göttlichen Ursprungs; sie sind mit 



— 239 — 

der Materie in eine Verbindung getreten, die an ihnen 
selbst keine Wandlung hervorzubringen imstande ist, die 
aber Leben und Bewußtsein in die Welt gebracht hat. Die 
Aufgabe des Menschen ist, sich so zu verhalten, daß seine 
Seele wieder zu ihrem Ausgangspunkt, zu Gott, zurück- 
kehren kann. 

Damit kommen wir zu dem praktischen Teil 
der Lehren der Bhagavadgltä. Hier stehen sich nun die 
beiden Heilswege gegenüber, von denen der eine in dem 
Kückzug aus dem weltlichen Leben und in dem Streben 
nach der Erkenntnis, der andere in pflichtgemäßem, wunsch- 
losem Handeln besteht. Obwohl der zweite Weg mehrfach 
(III. 8, V. 2, XVIII. 7) als der bessere bezeichnet wird und 
nach dem ganzen Zusammenhang der Bhag. als das eigent- 
liche Sittlichkeitsideal der Dichtung zu betrachten ist, hat 
der Verfasser doch nicht gewagt, den Heilsweg der Welt- 
entsagung und der abstrakten Erkenntnis zu verwerfen. 
Die Vorstellung, daß die Erlösung aus dem Kreislauf des 
Lebens durch Meditation in völliger Weltabgeschiedenheit 
zu gewinnen sei, war schon seit Jahrhunderten in den nach- 
denklichen Kreisen des indischen Volkes so eingewurzelt, 
daß sie nicht mehr ernstlich bekämpft werden konnte. Es 
blieb nichts anderes übrig, als die beiden Wege nebenein- 
ander gelten zu lassen und zu lehren, daß sowohl das rechte 
Handeln wie die Erkenntnis, die das Aufgeben der Werke, 
das Nichthandeln zur Voraussetzung hat, zur Erlösung 
führe. Dadurch, daß in der Bhag. bald der eine, bald der 
andere Standpunkt vertreten und gelegentlich geradezu das 
Ideal des Quietismus über das der Aktivität gestellt ist 
(VI. 3), haben sich allerlei Inkonsequenzen und Unklar- 
heiten ergeben, die bei entschiedener Ablehnung des quie- 
tistischen Standpunkts hätten vermieden werden können. 
Die beiden Standpunkte sind in der Bhag. einander ange- 



— 240 — 

ähnlicht durch die Erklärung, daß das pflichtmäßige Werk, 
welches ohne jede Rücksicht auf den Erfolg und ohne jedes 
persönliche Interesse vollbracht wird, seine nachwirkende 
Kraft verliert, für den Täter also keine Fortdauer des 
Weltdaseins im Gefolge hat. Derartiges Handeln kommt 
mithin in dieser Hinsicht dem Nichthandeln des Erkennt- 
nisweges gleich. 

Die auf dem quietistiscben Heilsweg zu erreichende 
Erkenntnis wird an mehreren Stellen (XIII. 23, XIV. 19) 
vollkommen im Sinne des Säipkhya- Systems beschrieben, als 
Unterscheidung von Geist und Materie; und als Erfolg 
dieser Unterscheidung wird (XIII. 23) ohne Rücksicht auf 
das Verhalten des Erkennenden die Befreiung von der 
Notwendigkeit der Wiedergeburt in Aussicht gestellt. Das 
darf als eine vereinzelte Anerkennung des echten Säipkhya- 
Ideals betrachtet werden. Im allgemeinen ist nach der 
Auffassung der Bhag. die erlösende Erkenntnis nicht auf 
die Unterscheidung von Geist und Materie beschränkt, son- 
dern diese Unterscheidung darf nur als eine Vorbedingung 
der Gotteserkenntnis betrachtet werden, die erst 
in Wahrheit den Menschen zum höchsten Heile führt. 

Der andere Heilsweg, der als selbstlose Pflichterfüllung 
gedeutete Yoga, wird in den verschiedensten Wendungen 
auf Schritt und Tritt in der Bhag. gepredigt. Die Pflicht- 
erfüllung allein würde nicht zum Ziele führen, solange sie 
noch irgendwie von der Hoffnung auf den Erfolg begleitet 
ist. Man soll das Gebotene tun ohne Leidenschaft, in 
Ruhe und Gleichmut, von derselben Gesinnung gegen Jeder- 
mann erfüllt. Angenehmes und Unangenehmes, Freude und 
Schmerz, Gelingen und Mißlingen für gleich erachtend, 
ohne jeden Wunsch und ohne irgend ein persönliches In- 
teresse. Wer in solcher Gemütsstimmung handelt, ohne 
sich um die vergänglichen Wirkungen der Materie zu küm- 



— 241 — 

mern (II. 14), lediglich nach dem Gebote der Pflicht und 
nach göttlichem Vorbild (III. 22), wer den Erfolg aller 
seiner Werke Gott überläßt, dessen Taten unterliegen 
nicht dem Gesetz der Vergeltung (IV. 22, 23, IX. 27, 28, 
XVin. 12, 17). Die Forderungen, die hier gestellt sind, 
bedingen die Verwerfung des vedischen Werkdienstes, die 
in der ursprünglichen Bhag. ohne jede Einschränkung aus- 
gesprochen ist. Alle Zeremonien des brahmanischen Ri- 
tuals dienen ja durchaus persönlichen Wünschen, stehen 
also in schroffem Gegensatz zu dem Sittlichkeitsideal der 
Bhag. „Gib alle heiligen Bräuche auf**, heißt es deshalb 
XVIII. 66, und 11. 42—45 wird mit offenem Hohn von 
den Verheißungen des Veda gesprochen, der nur auf die 
materielle Welt Bezug nehme und nur vergänglichen Lohn 
in Aussicht stellen könne (vgl. auch IX. 20, 21). Gleich- 
giltigkeit gegen die Vorschriften des vedischen Rituals ist 
also ebenfalls eine Vorbedingung für die Erreichung des 
Heils (II. 52, 53). Daß auch in dieser Forderung echte 
Säiiikhya- Yoga-Lehre vorliegt, ist jedem Kenner der indi- 
schen Systeme klar. 

Welchen der zwei Heilswege nun aber auch der Mensch 
betreten möge, in beiden Fällen muß er ein in seiner Na- 
turanlage liegendes Hindernis überwinden. Wenn III. 33 
gesagt ist, daß „die Wesen ihrer Natur folgen", und wenn 
XVI. 1 f. zwischen denjenigen Menschen unterschieden wird, 
die zu göttlichem Dasein, und denen, die zu dämonischem 
Dasein geboren sind, so ist diese Vorherbestimmung als 
eine Wirkung des früheren Verdienstes oder der früheren 
Schuld aufzufassen. Von einer eigentlichen Prädestination 
ist in der Bhag. keine Rede ; vielmehr ist durchweg in ihr 
die Voraussetzung sittlicher Freiheit erkennbar. Es steht 
durchaus dem Menschen frei, ob er die Hindernisse, die 
auf dem Wege zur Erlösung liegen, bekämpfen will oder 

Garbe, Indien und das Christentum. 16 



— 242 — 

nicht, ob er niederen Zielen oder dem höchsten Ziele zu- 
streben will. Auf dem Wege zu dem letzteren stellt sich 
der Erkenntnisübung das angeborene Nichtwissen entgegen 
(V. 16), der Pflichtübung die ebenso angeborene Begierde, 
die der eigentliche Feind des Menschen ist (III. 37, 43); 
aber auch Unglaube und Zweifelsucht sind verderblich (IV. 
40). Als ein Hilfsmittel zur erfolgreichen Bekämpfung 
dieser Hindernisse werden maßvolle Yoga- Hebungen an- 
empfohlen (V. 27, 28, VI. 10 f., Vm. 10, 12 f.). Auch 
wem die Versenkung nicht gelingt, dessen Yoga-Uebungen 
sind trotzdem nicht vergeblich; denn solch ein Mann wird 
unter günstigen Bedingungen wiedergeboren und erreicht 
schließlich doch das höchste Ziel (IL 40, VI. 41 f.). 

Zu der wichtigsten Anforderung, welche die Bhag. an 
den erlösungsbedürftigen Menschen stellt, kommen wir jetzt 
zum Schluß. Wie bekannt, ist die Bhag. das Hohelied der 
Bhakti, der gläubigen und vertrauensvollen üottesliebe. 
Sowohl auf dem Wege der Erkenntnis wie auf dem der 
selbstlosen Pflichterfüllung führt die Liebe zu Gott mit 
unbedingter Sicherheit zum Ziel. Von diesem Gedanken 
ist das ganze Gedicht erfüllt, um ihn zu verkünden ist es 
verfaßt worden. Aus der Gottesliebe entspringt die Got- 
teserkenntnis (XVin. 55), und sie bewirkt ebenso, 
daß der Gläubige alle Werke auf Gott bezieht und ihm 
den Erfolg anheimstellt. Jedem ohne Unterschied der Ge- 
burt oder des früheren Verhaltens gewährt die Bhakti die 
Gewißheit der Erlösung: selbst Bösewichten, Frauen, Vais- 
yas und Südras (IX. 30 — 32). Aber nicht um eine vor- 
übergehende Regung von Gottesliebe darf es sich handeln, 
sondern das ganze Wesen des Menschen muß von unwan- 
delbarer Gottesliebe erfüllt sein. Wenn das der Fall ist, 
so sind auch die Gedanken des Menschen in der Todes- 
stunde auf Gott gerichtet. Auf diesen Punkt wird in der 



— 243 — 

Bhag. (Vin. 5, 9, 10, 13) besonderes Gewicht gelegt, weil 
der Mensch in diejenige Daseinsform eingeht, an die er in 
der Todesstunde denkt (VIII. 6). 

Wie ist nun der Zustand der aus dem Weltdasein be- 
freiten und zu Gott eingegangenen Seele zu verstehen ? Als 
Bewußtlosigkeit, wie im Säipkhya-Yoga gelehrt wird? Er- 
lischt die Individualität der Seele, die einstmals als ein 
Teil der göttlichen Seele sich von dieser getrennt hat, bei 
der Rückkehr zu ihrem Ursprung? Nein! Die Erlösung 
wird = als ein glückseliger Zustand der in der Gegenwart 
Gottes individuell fortexistierenden Seele gedacht. 

Das ist für alle Folgezeit eine Grund- und Hauptlehre 
der Bhägavata-Religion geblieben. Gott hat alle Einzel- 
seelen aus sich zu gesondertem bewußten Dasein hervor- 
gehen lassen, und seitdem existieren sie für alle Ewigkeit 
als individuelle bewußte Wesenheiten. Wenn sie die Er- 
lösung aus dem Weltdasein gewonnen haben, so werden 
sie nicht z u Gott, aber gleich Gott und genießen zu 
seinen Füßen eine immerwährende Wonne, die lediglich 
darin besteht, daß sie ihm dienen^. Wie freilich eine Seele 
ohne Beziehung zur Materie nach den Voraussetzungen des 
Säipkhya-Yoga ein bewußtes Dasein führen kann, darüber 
gibt weder die Bhag. noch irgend ein späteres Bhägavata- 
Werk Auskunft. Offenbar handelt es sich hier um eine 
Anschauung, die aus den ältesten Zeiten der Bhägavata- 
Religion stammt und von jeher eine Stütze dieses Glaubens 
gebildet hat ; deshalb durfte sie bei seiner Verbrämung mit 
Elementen des Sämkhya-Yoga nicht von der entgegenge- 
setzten Lehre der beiden Systeme verdrängt werden. Ueber 
die methodischen Schwierigkeiten, die sich dabei ergaben, 
half die gläubige Zuversicht hinweg. Im Allgemeinen aber 
sind die religionsphilosophischen Lehren der ursprüng- 

1 Grierson, ERE. II. 544». 

16* 



— 244 — 

liehen Bhag., wie die eben gegebene Darstellung zeigt, 
von durchsichtiger Klarheit Diese Klarheit ist durch die 
pantheistische Umarbeitung sehr beeinträchtigt. Die über- 
lieferte Form des Gedichts, in der bald der persönliche 
Gott (Krischna), bald die unpersönliche Weltseele (das 
Brahman) als das höchste Prinzip auftritt und manchmal 
beide identifiziert werden, in der als höchstes Ziel mensch- 
lichen Strebens bald das bewußte Fortleben in der Gegen- 
wart Gottes, bald das Aufgehen in die Weltseele hingestellt 
wird, ist voll von inneren Widersprüchen. 

Blicken wir zurück, so treten uns in der Bhag« fol- 
gende Uebereinstimmungen mit christlichen Anschauungen 
entgegen : 1) der Glaube an die Liebe Gottes zu den Men- 
schen und an seine daraus entspringende Gnade und Ver- 
gebung der Sünden, 2) die an den Menschen gestellte For- 
derung der gläubigen Gottesliebe. ^ Aus diesen Ueberein- 
stimmungen haben sich allerlei Anklänge an die neutesta- 
mentliche Ausdrucksweise ergeben, die in begreiflicher 
Weise den Gedanken der Entlehnung nahe legten. 

Am weitesten ist in der Verfolgung dieses Gedankens 
L r i n s e r gegangen*, der mit großer Entschiedenheit 
seine Ueberzeugung vertritt, „daß der V^erfasser der ßhaga- 
vadgitä nicht nur die Schriften des Neuen Testaments ge- 
kannt und vielfach benutzt, sondern auch in sein System 
überhaupt christliche Ideen und Anschauungen verwoben 
hat", „daß dieses vielbewunderte Denkmal altindischen 
Geistes, dieses schönste und erhabenste didaktische Gedicht, 
welches als eine der edelsten Blüten heidnischer Weltweis- 
heit betrachtet werden kann, gerade seine reinsten und am 
meisten gepriesenen Lehren zum großen Teil christlichen 



1 S. 236 f., 242. 

' In der Einleitung, den Anmerkungen und dem Anhang zu sei- 
ner metrischen üebersetzung der BhagavadgTtä (Breslau 1869). 



— 245 — 

Quellen verdankt" (S. V), L o r i n s e r will sogar nach- 
weisen können, aus welchen Schriften des Neuen Testaments 
mehr und aus welchen weniger ^Sentenzen entlehnt sind", 
daß „die sämtlichen Briefe des heil. Paulus mit Ausnahme 
der an die Thessalonicher und an Philemon benutzt worden 
sind" (S. 285) und dergl. mehr. 

Heute würde Niemand mehr wagen, aus so ganz un- 
bestimmten Aehnlichkeiten in Gedanken und Ausdruck 
derartig kühne Schlußfolgerungen zu ziehen. Auch L o- 
r i n s e r hätte sich gewiß von seiner Entdeckerfreude nicht 
so weit über das Ziel hinaus treiben lassen, wenn er mit 
den indischen Gedankenkreisen besser vertraut gewesen 
wäre. ^ Selbst A. Weber, der doch stets geneigt war, 
an christliche Einflüsse auf Indien in weitem Umfang zu 
glauben, hat gemeint, daß L o r i n s e r die Tragweite sei- 
ner Beweisführung viel zu hoch angeschlagen habe, und 
daß die Frage, ob für die Bhag. eine Bekanntschaft mit 
den Lehren des Christentums angenommen werden müsse, 
noch immer sub judice sei.* 

Von fast allen anderen Indologen ist L o r i n s e r s 
Bsweisführung vollkommen abgelehnt worden, zuletzt von 
Winternitz,* nach dessen Meinung „von den mehr 
als hundert Parallelstellen aus den Evangelien, welche L o- 
r i n s e r zu Stellen der Bhagavadgltä anführt, höchstens 
25 von der Art sind, daß eine Entlehnung denkbar 
wäre". „In keinem einzigen Fall jedoch — so fährt Win- 
t e r n i t z fort — ist die Aehnlichkeit eine solche, daß die 
Annahme einer Entlehnung wahrscheinlicher wäre als die 



* Eine besonders auffallende Probe dieses Mangels bei Lorin s er 
habe ich in meiner üebersetzung der Bhagavadgltä 105 Anm. 3 be- 
sprochen. 

* Indische Literaturgeschichte* 367. 
3 Gesch. d. ind. Litt. I. 370, Anm. 3. 



— 246 — 

einer zufälligen Uebereinstimmung. Auch die Gottesliebe 
ist ja nicht auf das Christentum beschränkt. Ich erinnere 
nur an den Sufiismus, in welchem sie keine geringere Rolle 
spielt als bei den christlichen Mystikern.^ 

Die beste Kritik aber anLorinsers Theorie üefern 
die Zusammenstellungen von John M. Robertsons 
der aus der vorchristlichen griechischen und römi- 
schen Literatur Stellen anführt, die eine viel größere Aehn- 
lichkeit mit neutestamentlichen Gedanken aufweisen als die 
von L r i n s e r damit verglichenen Verse der Bhag. 

Dem Standpunkt Lorinsers hat sich von allen In- 
dologen am meisten Hopkins nach seinem Meinungs- 
wechsel * genähert. Hopkins hat * eine große Anzahl 
von Parallelen aus der Bhag. und dem Neuen Testament 
zusammengestellt und dabei dem Umstände besondere Be- 
deutung zugeschrieben, daß sich der größte Teil von ihnen 
in dem Johannes-Evangelium findet. Daß auf dem engen 
Raum dieses Evangeliums so viele Parallelen, „zum Teil von 
überraschender Aehnlichkeit", bei einander stehen, scheint 
Hopkins, in Anbetracht der üebereinstimmungen von 
mehr allgemeiner Natur in den anderen Evangelien, ein 
beinahe zwingender Beweis für die Abhängigkeit der Bhag. 
zu sein. Hopkins erklärt die in der Bhag. angeblich zu 
beobachtende Bevorzugung des vierten Evangeliums dar- 
aus, daß dieses — vielleicht nicht unbeeinflußt durch den 
Gnostizismus jener Zeit — wegen seines mystischen Tones 
besonders geeignet gewesen sei, die indischen Theologen 
zur Entlehnung solcher Ausdrücke und Gedanken zu ver- 



^ Christianity and Mythology (London 1900) 285, bei van den 
Bergh van Eysinga, Indische Einflüsse auf evangelische Er- 
zählungen^ 21 Anm. 4. 

2 S. oben S. 211 Anm. 

' India old and new, 148 — 159. 



— 247 — 



anlassen, die am besten zu der Auffassung Krischnas als 
eines Gottes der Liebe paßten.* 

Es würde zu weit führen und auch nicht lohnen, die 
yon Hopkins beigebrachten Parallelen im einzelnen zu 
besprechen, nachdem ich schon oben (S. 201 f.) die christ- 
lichen Anklänge in anderen Teilen des Mahäbhärata ge- 
nauer beleuchtet habe, bei denen Hopkins die Entleh- 
nung aus dem Neuen Testament für möglich hält. Alle 
jene Aehnlichkeiten erklären sich vollkommen befriedigend 
aus dem inneren Parallelismus der religiösen und religions- 
philosophischen Grundanschauungen der Bhag. und des 
Johannes-Evangeliums ; auch werden wir gleich sehen, daß 
das Alter der indischen Ideen die Annahme ihrer Ent- 
lehnung aus dem Christentum verbietet. Vorher will ich 
nur noch bemerken, daß P. Deussen in seiner Ueber- 
setzung der Bhag. ^ nur bei folgenden drei Versen auf sinn- 
verwandte Stellen des Neuen Testaments (im Ev. Joh. und 
im Galaterbrief) verweist, ohne auch nur die Möglichkeit 
der Entlehnung in Betracht zu ziehen. 



Bhag. 4. 4, 5 ( Ar juna fragt, 
nachdem Krischna ihm mit- 
geteilt hat, daß er die unver- 
gängliche Lehre von der Er- 
gebung in der Vorzeit dem 
Vivasvat verkündet habe) : 
Später ist deine Geburt, frü- 
her die Geburt Vivasvats; wie 
soll ich dies verstehen, daß du 
[die Lehre] zuerst verkündigt 
hast? 

(Krischna antwortet): Zahl- 
reich sind meine vergangenen 

^ Ebendas. 155, 158. ^ Der Gesang des Heiligen (Leipzig 1911). 



Ev. Joh. 8. 57, 58 : Da spra- 
chen die Juden zu ihm: Du 
bist noch nicht fünfzig Jahre 
alt, und hast Abraham ge- 
sehen ? 

Jesus sprach zu ihnen: 
Wahrlich, wahrlich, ich sage 
euch: Ehe denn Abraham 
ward, bin Ich. 



— 248 — 

Geburten .... die kenne ich : 

j 

alle, u. 8. w. j 

Bhag. 9. 29 : Ich bin der I Ev. Joh. 14. 20 : An dem- 
gleiche allen Wesen gegen- selbigen Tage werdet ihr er- 
über; Niemand ist mir ver-! kennen, daß ich in meinem 
haßt und Niemand lieb. Die Vater bin, und ihr in mir, 
mir aber in Liebe anhängen, und ich in euch, 
sind in mir, und in ihnen bin 
auch ich. ^ 

Bhag. 9. 32: Selbst diejeni- 
gen, Sohn der Prthä, welche 



Gal. 3. 28: Hier ist kein 
Jude noch Grieche, hier ist 
von niedriger Geburt sind, kein Knecht noch Freier, hier 

ist kein Mann noch Weib; 
denn ihr seid allzumal Einer 



Frauen, Vai§yas und Südras, 

gelangen ja, wenn sie zu mir 

ihre Zuflucht nehmen, zum , in Christo Jesu. 

höchsten Ziel. 1 

Ich komme nun zu der Frage : wie steht es überhaupt 
mit der historischen Möglichkeit für die Annahme christ- 
licher Einflüsse auf die Bhag.? Der überlieferte Text ge- 
hört einer Periode in der Entwicklung des Mahäbhärata 
an, die wir mit Hopkins^ in die Zeit zwischen 200 vor 

* Deussen hätte ebeuso gut noch bei folgenden zwei Versen 
der Bhag. auf die Parallelstelle im Johannes-Evange^um verweisen 
können: 4. 35: „Nicht wieder wirst du so in Verwirrung geraten, o 
Pändava, wenn du die Erkenntnis gewonnen hast, durch die du die 
Wesen ohne Ausnahme [zuerst] in dir und dann in mir erblicken 
wirst* und 6. 30: ,Wer mich in allem erblickt und alles in mir er- 
blickt, dem gehe ich nicht verloren, noch geht er mir verloren." 
Daß in diesen Versen der Bhag. die bekannte Grün dan schauung des 
Brahmaismus zum Ausdruck kommt, ist klar. Merkwürdiger Weise 
aber fehlen diese Parallelen zu Joh. 14. 20, die enger sind als alle 
anderen aus der Bhag. beigebrachten Uebereinstimmungen mit dem 
Neuen Testament, in Lorinsers Verzeichnissen der angeblichen 
Entlehnungen. 

^ S. die Einleitung zu meiner Uebersetzung der Bhagavadgrtä, 58 f. 



— 249 — 

Chr. und 100—200 nach Chr. verlegen müssen. Ich hatte 
geglaubt, für diesen Text (d. h. für die Umarbeitung der 
Bhag. im pantheistischen Sinne) das zweite nachchrist- 
liche und für die Abfassung des ursprünglichen Gedichts 
das zweite vorchristliche Jahrhundert ermittelt zu haben. ^ 
Ein beträchtlicher Abstand zwischen den beiden Fassungen 
ist deshalb anzunehmen, weil man in Indien erst nach ge- 
raumer Zeit wagen konnte, ein Werk, das als OflFenbarung 
der Gottheit galt und von dem Nimbus der höchsten Hei- 
ligkeit umgeben war, durch eine so eingreifende üeberar- 
beitung und Ergänzung umzugestalten. Aber über die Länge 
der Zeit, die diesem Abstand zuzuschreiben ist, kann man 
verschiedener Meinung sein. Das Problem ist jedoch für 
die eben aufgeworfene Frage von untergeordneter Bedeu- 
tung, da ja die Anhänger der Theorie von der christlichen 
Beeinflussung geltend machen können, daß dieser Einfluß 
erst bei der Umarbeitung der Bhag. gewirkt habe. Wenn 
meine eben angegebene Datierung der Umarbeitung richtig 
ist, so schließt sie die Annahme christlicher Einflüsse aus, 
weil wir erkannt haben, daß das Christentum frühestens im 
Anfang des dritten Jahrhunderts in den Nordwesten In- 
diens eingedrungen ist. Eine erhebliche Verschiebung jener 
Datierung nach unten ist ausgeschlossen ; immerhin aber 
verlegen einige Gelehrte wie Lassen, Weber und John 
Davies die Abfassung des überlieferten Textes der Bhag. 
erst in das dritte Jahrhundert, und für diese Zeit ist zwar 
nicht die Wahrscheinlichkeit, aber doch eine entfernte Mög- 

1 Meinen Hauptgrund für die letztere Datierung, der aus dem 
Alter der Yogasütras abgeleitet war (S. 62, 63 meiner Einleitung), 
kann ich nicht mehr aufrecht erhalten, nachdem H. J a c o b i in 
ebenso scharfsinniger wie überzeugender Weise erwiesen hat, daß 
der Verfasser der Yogasütras, Patanjali, nicht mit dem gleichnamigen 
Grammatiker identisch ist und daß er erst nach 450 p. Chr. geschrie- 
ben haben kann (JAOS. 31. 24 f.). 



— 250 — 

lichkeit christlicher BeeinfiussuDg zuzugeben. Da zudem 
einige angesehene Forscher an den historischen Charakter 
der Thomas-Legende glauben, soweit sie sich auf das indo- 
iranische Grenzland bezieht und damit christlichen Einfluß 
schon vom ersten Jahrhundert an für möglich halten, so 
wird der Beweis für das vorchristliche Alter der Gottes- 
liebe und des liebenden Gottes in Indien hier seine Stelle 
finden müssen. 

Von gelehrten Indern* ist behauptet worden, daß die 
Religion der Bhakti oder der gläubigen, vertrauensYcIlen 
Gottesliebe in Indien seit unvordenklichen Zeiten existiert 
habe. Die Behauptung ist in dieser Form sicher nicht 
richtig — schon deshalb nicht, weil eine Geisteskultur von 
solcher Höhe, wie sie zur Hervorbringung der Gottesliebe 
nötig ist, nirgends auf Erden in unvordenklichen Zeiten 
geherrscht hat — ; aber sie enthält doch ein Element der 
Wahrheit; denn die Bhakti ist nicht, wie Grierson ein- 
mal irrtümlich gesagt hat,^ blitzartig und unvermittelt als 
etwas ganz neues aufgetreten, wodurch die Erkenntnis (der 
vermeintlichen Wahrheit) aus ihrer die Eeligion beherr- 
schenden Stellung gedrängt worden sei, sondern sie läßt 
sich in ihren Anfängen und ersten Regungen bis in die 
altvedische Zeit zurückverfolgen.* Wenn im Rigveda die 
Götter oftmals Vater, Bruder, Freund u. s. w. genannt und 
unter allerlei Aeußerungen kindlichen Zutrauens um Hilfe 
und Schutz angefleht werden, so haben die alten Lieder- 
dichter solche Worte doch aus demselben Gefühle heraus 



^ Z. B. von R. G. Bhandarkar in seinen oben S. 215 Anm. 1 
genannten Abhandlungen: Report p. 74 unten und am Schluß seines 
Vortrags auf dem Wiener Orientalisten-Congreß. S. auch B. C. Ma- 
zumdar, JRAS. 1910, 171. 

2 JRAS. 1907, 313 unten, aber nicht mehr ebendas. 1910, 172; 
ERE. II. 539b unten. 

* Max Müller, History of ancient Sanskrit Literature, 537 f. 



— 251 — 

gebraucht, das sie mit den ihnen am nächsten stehenden 
Menschen verband. Dieses alte Gefühl der naiven Zunei- 
gung zu den Göttern wurde, als monotheistische Tendenzen 
die Oberhand gewonnen hatten, allmählich zur hingebenden, 
inbrünstigen, vertrauensvollen, den ganzen Menschen erfül- 
lenden Gottesliebe veredelt und gesteigert. In der Sekte 
der ßhägavatas, aus welcher der Krischnaismus erwuchs, 
wurde die Gottesliebe zuerst Gipfel und Mittelpunkt des 
religiösen Lebens; auch scheint sie bei den ßhägavatas 
zuerst die Bezeichnung bhakti erhalten zu haben, die von 
derselben Wurzel abgeleitet ist wie Bhagavat und Bhägavata. 
Aus Päninis Grammatik IV. 3. 95, 98 ergiebt sich, 
daß zur Zeit ihrer Abfassung das Wort bhakti nicht nur 
in dem weltlichen Sinne „Liebe, Ergebenheit, Anhäng- 
lichkeit** gebräuchlich war, sondern daß es auch auf das 
Verhältnis der Menschen zu Gott angewendet wurde. Die 
Beziehung des Wortes auf Väsudeva in Regel 98 ist ein 
Beweis dafür, der jetzt unanfechtbar ist, nachdem Grier- 
son endgiltig die Ansicht Kielhorns widerlegt hat, daß 
Väsudeva an dieser Stelle nicht Gottesname, sondern Name 
einer menschlichen Person sei.* Man hat bisher gewöhn- 
lich angenommen, daß Pänini um 300 vor Chr. gelebt habe, 
aber ein strikter Beweis für diese Datierung war nicht ge- 
führt. Jetzt wissen wir durch Jacobis Untersuchung des 
Kautillya^ mit Bestimmtheit, daß Pänini schon im vierten 
Jahrhundert vor Ohr. als grammatische Autorität aner- 

1 JRAS. 1909, 1122. S. auch R. G. Bhandarkar, ebendas. 
1910, 168—170. — Edm. Hardy, Lit. Centralblatt, 1903, Sp. 1269, 
hat ferner darauf aufmerksam gemacht, daß bhakti (in der Päliform 
bhatti) in der Bedeutung „Liebe, Hingebung" Jätaka V. 340. 8, 6; 
352. 11 erscheint, und hat wegen des Uebergangs in die spezifische Be- 
deutung „ Gottesliebe •* auf Theragätbä v. 370 verwiesen. Also auch 
hier haben wir aus dem fernen Süden einen weiteren Beweis für das 
vorchristliche Alter der indischen Gottesliebe. 

« SBA. 1911 (XLIV), 966. 



— 252 — 

kannt war. Die Bhakti in ihrer religiösen Bedeutung muß 
also, weil bei Pänini erwähnt, schon gegen 400 vor Chr. 
in Indien ein ganz geläufiger Begriff gewesen sein. Man 
hat also durchaus nicht nötig, die Syetäsvatara Upanisad 
wegen ihres Schlußverses „ Wer die höchste Liebe zu Gott 

empfindet {yasya devc parä ilwMih) " in spätere Zeit 

hinabzurücken. 

Wenn Hopkins sagt:^ „The doctrine of 6A0M, faith- 
ful love as a means of salvation, cannot be much older 
than the Song^ (d. h. die Bhagavad^tä), so ist dem gegen- 
über zu betonen, daß sie im Kreise der Krischna- Verehrer 
schon Jahrhunderte vor der Abfassung der ursprünglichen 
Bhag. verkündet worden sein kann. Eine neue Lehre wird 
anders vorgetragen als die von der Bhakti in der Bhag., 
wo diese Empfindung auf Schritt und Tritt wie etwas selbst- 
verständliches gefordert wird. Sie steht auch im engsten 
Zusammenhang mit der Lehre von der Ergebung {yoga)j 
die von Krischna im Anfang des vierten Gesanges aus- 
drücklich als uralt bezeichnet wird. 

Die Annahme, daß der Gebrauch des Wortes bhakti 
im spezifisch religiösen Sinne durch einen aus dem Christen- 
tum entlehnten Begriff veranlaßt worden sei, dürfte einer 
weiteren Widerlegung nicht bedürfen. Der Gedanke war 
auch von vorn herein deshalb sehr unwahrscheinlich, weil 
deutliche Spuren des religiösen Gefühls, das die Inder 
bhakti nennen, auch in der griechischen und römischen 
Religion in vorchristlicher Zeit zu finden sind.^ Auf die- 
sem Gebiet sind die Inder, die es doch von Alters her mit 
dem Seelenheil ernster genommen haben als die meisten 



^ Religions of India, 429. 

* Barth, Religions de l'Inde, 132; A. Berriedale Keith, 
JRAS. 1907, 490. 



— 253 — 

anderen Völker, in der Entwicklung hinter den Griechen 
und Römern gewiß nicht zurückgeblieben. 

So alt wie die Gottesliebe in Indien muß auch die 
Vorstellung Krischnas als des liebenden Gottes gewesen 
sein; denn die beiden Ideen sind durch einander bedingt. 
Nur ein liebender Gott konnte Liebe heischen. Aber ein 
liebender Gott übt auch Gnade und errettet vor dem sonst 
unausbleiblichen Verderben durch die Vergebung der Sün- 
den. Obschon das gewöhnliche Wort für die Gnade Gottes, 
prasäda^ erst in jüngeren üpanischaden ^ und an den schon 
oben (S. 237) angeführten Stellen der Bhag. erscheint, 
so ist doch die Vorstellung der göttlichen Gnade selbst 
viel älter. Ohne sie wären schon die zahllosen Bitten der 
vedischen Sänger um allerhand göttliche Gunsterweisungen 
nicht möglich gewesen. Hopkins^ führt als einen be- 
sonders charakteristischen Fall den Vers Rigveda 10. 125. 6 
an, wo die zu einer Göttin personifizierte Rede (Väc) er- 
klärt: „Wen ich liebe, den mache ich zu einem Gewalti- 
gen, zum Priester, zum Seher, zum Weisen". 

Mit dem siegreichen Vordringen des monotheistischen 
Glaubens an den liebenden Gott mußte die Ausbildung der 
Lehre von seiner Gnade Hand in Hand gehen. „The 
doctrine of prasäda, or grace, has formed an essential part 
of the Bhägavata religion so far back as literature takes 
US", sagt Grierson* und betont im Zusammenhang damit 
auf das Entschiedenste, daß Indien die Idee eines Gottes 
der Gnade, eines gütigen Vaters, den Bhägavatas verdankt. 



1 Kath. 1. 2. 20; Svet. 3. 20; 6. 21; Mund. 3. 2. 3 (Hopkins, 
Great Epic 188). Es handelt sich hier wahrscheinlich um eine Ent- 
lehnung aus der Bhägavata-Religion, da die Idee der Gnade gar nicht 
zu der Lehre der Upanischaden von dem pantheisti sehen Brahman 
paßt. G r i e r 8 n , lA. XXXVII (1908), 260 Anm. 34. 

' India old and new, 147 Anm. 

' In dem Artikel Bhakti-märga, ERE. IL 548 b, Anm. 



— 254 — 

Die scheinbar christliche Färbung der Bhagavadgitä 
und der inhaltlich verwandten jüngeren Stücke des Ma- 
häbhärata muß also nach allem, was ich hier dargelegt 
habe, als ein Ausfluß echt indischer Religiosität bezeichnet 
werden. 

y. Christliches in dem späteren Krischnaismns und 
anderen hindnistisehen Sekten. 

Wir betreten sicheren Boden, wenn wir uns mit der 
Frage nach dem christlichen Lehngut zu d e r Phase des 
Krischnaismus wenden, die uns in der Literatur der Pu- 
ränas, der puräna-artigen Werke und der sich inhaltlich 
an die Puränas anschließenden Schriften entgegentritt. 

Von allen indischen Religionen war der Krischnais- 
mus, wie Hopkins richtig bemerkt,^ seinem Wesen nach 
am leichtesten christlichen Einflüssen zugänglich. Der 
Buddhismus war, wenigstens in seiner ursprünglichen Ge- 
stalt, eine Religion, die keinen Gott und keine Seele aner- 
kannte; der Schivaismus legt das Hauptgewicht auf Riten 
und Kasteiungen ; der Krischnaismus aber in seiner volks- 
tümlichen Form ist eine Religion der Freude, er verwirft 
die blutigen Opfer und predigt die Liebe. Diesen von 
Hopkins hervorgehobenen Grundzügen der indischen Reli- 
gionen könnte man hinzufügen, daß auch der dem Buddbis- 
mus so nahe verwandte Jinismus, der sich bis auf den heu- 
tigen Tag in Indien erhalten hat, in seiner religiösen Stim- 
mung keine Aehnlichkeit mit dem Christentum besitzt. 
Dem gegenüber besteht eine innere Verwandtschaft zwi- 
schen Christentum und Krischnaismus, welche die Em- 
pfänglichkeit des letzteren für christliche Einflüsse erklärt. 
Zu dieser inneren Verwandtschaft tritt noch ein äußerer 



^ India old and new, 162. 



— 255 — 

Grund, auf den schon öfter hingewiesen worden ist: die 
Aehnlichkeit der Namen Christus und Krischna, mit der 
noch heutzutage von Indern in religiösen Gesprächen und 
Schriften vielfach gespielt wird, hat gewiß die Uebernahme 
christlicher Züge erleichtert. In manchen Gegenden In- 
diens wird das Wort Krischna wie Krishta ausgesprochen.^ 

Ich beginne mit einem Element des Kultus, das aller 
Wahrscheinlichkeit nach das älteste christliche Lehngut im 
Krischnaismus ist und außerdem die christlichen Einwir- 
kungen in solcher Klarheit erkennen läßt, daß es eine 
zweckmäßige Grundlage für die Untersuchung der übrigen 
Einflüsse des Christentums auf den Hinduismus abgiebt. 
Das ist die Feier von Krischnas Geburtsfest, über die wir 
die gelehrte und sehr eingehende — ich möchte sagen: 
allzu ausführliche — Abhandlung von A. W e b e r ^ haben, 
deren Hauptresultate unanfechtbar sind, wenn sie auch in 
mancherlei Einzelheiten nicht das Richtige getroffen hat. 

Wir hatten oben ^ gesehen, daß die Auffassung Krisch- 
nas als eines göttlichen Kindes, die so viel zur Verbreitung 
des Krischnaismus über ganz Indien beigetragen hat, au- 
tochthon ist. Die Feier von Krischnas Geburtstag aber 
ist eine Nachbildung des Christfestes. Weber beschreibt* 
zwölf vom dreizehnten Jahrhundert an datierbare Texte, 
in denen die Janmästami (Krischnas Geburtsfest) oder eine 
Abart mit Namen JayantI in größerer oder geringerer Aus- 
führlichkeit behandelt ist, und giebt dazu, was historisch 



» G r i e r 8 n , JRAS. 1907, 316. 

* üeber die ErishnajanmäsbtaiiiT (s. oben S. 118 Anm.) 217 f. Die 
ältere Literatur über die seit Mitte des achtzehnten Jahrhunderts 
vielfach behandelte Frage des Zusammenhangs zwischen christlichen 
und krischnaitischen Legenden ist S. 310 f. besprochen. Vgl. auch 
Hopkins, Religions of India, 430 f., India old and new, 162 f. 

8 S. 219—226. 

* A. a. 0. 218 f. 



— 256 — 

wichtiger ist, ein Verzeichnis der Puränas, die das Fest 
erwähnen, und der zitierten Puränastellen.^ Daraus er- 
giebt sich, daß beinahe alle Puränas solche Erwähnungen 
enthalten* und daß dabei hauptsächlich das Bhavisya- und 
Bhavisyottara-Puräna in Betracht kommen,^ denen zufolge 
Krischna selbst, unmittelbar nachdem er den Kamsa er- 
schlagen hatte, das Fest eingesetzt haben soll, und zwar 
unter allgemeinem Jubel für alle Kasten, auch für die 
Öadras, * 

Wenn Weber* das Krischnafest durch die Zitate 
aus den Puränas für etwa das elfte Jahrhundert als sicher 
verbürgt erklärt, so beruht dieser späte Ansatz auf der 
großen Unterschätzung des Alters der Puränas, die zu der 
Zeit, als Webers Abhandlung erschien (1868), und noch 
später bei den Sanskritisten allgemein herrschte. Weber 
fügt jedoch gleich den Satz hinzu: „Die Uebereinstim- 
mung so zahlreicher Werke der Art indeß führt uns 
wohl noch ein gut Stück höher hinauf, da eine solche all- 
seitige Anerkennung des Festes in der That wohl den 
Schluß erheischt, daß dasselbe zur Zeit ihrer Abfassung 



^ Ebendas. 221 f., besonders 239. Die Zitate aus der Smrti sind 
ziemlich belanglos, da es sich bei diesen versifizierten Texten trotz 
der alten Namen Paraäara, PaithTnasi, Bhrgu, Vasistha, Visnu, Vjäsa 
um ,, moderne Kompilationen von untergeordneter Bedeutung* han- 
delt. Jolly, Recht und Sitte, 24. 

^ Seltsamer Weise nicht das Bbägayata-Puräna trotz seines (na- 
mentlich im zehnten Buch besonders deutlichen) Erischna-sektarischen 
Charakters. Es beschreibt zwar eingehend den Zeitpunkt von Krisch- 
nas Geburt 10. 3. 1—8, sagt aber nichts von dem Fest. Das muß 
natürlich einen bestimmten Giund haben, der nach Weber 241 
darin zu suchen ist, daß „im Bhäg. Pur. die moderne Wendung des 
Krishna- Dienstes vorliegt, welche sich hauptsächlich mit den Lieb- 
schaften Krishna's beschäftigt, und bei welcher die Mutter des 
Gottes je später je mehr in den Hintergrund tritt**. 

8 Weber, 242 f 

* Ebendas. 248. » S. 240. 



— 267 — 

ein allgemein recipiertes war, womit dann eben eo ipso 
die weitere Annahme geboten ist, daß die A n s e t z u n g, 
oder resp. Einführung desselben in eine noch frü- 
here Zeit zurückgreift." Diese „frühere Zeit" sucht er 
weiterhin durch folgende Erwägungen genauer zu bestim- 
men, immer unter dem Banne seiner Ueberzeugung, daß 
die christlichen Einflüsse von dem ägyptischen Alexandria 
aus nach Indien gedrungen seien. ^ 

Weber geht von der Tatsache aus, daß das Geburts- 
fest Christi seit der Mitte des vierten Jahrhunderts in der 
christlichen Kirche gefeiert worden ist und daß in Alexan- 
dria eine Feier der Geburt Christi verbunden mit dem Fest 
seiner Taufe am 6. Januar bestanden hat, „ an deren Stelle 
daselbst erst kurz vor dem Jahre 431 eine selbständige und 
ausschließliche Feier des Weihnachtsfestes am 25. Dezember 
getreten ist**.* Weil nun die Namengebung auch einen 
integrierenden Teil von Krischnas Geburtsfest bildet, so 
scheint es Weber äußerst nahe zu liegen, daß die üeber- 
nahme des Festes durch die Inder in derjenigen Zeit statt- 
gefunden habe, „während welcher jener eigentümlich ägyp- 
tische Brauch, am 6. Januar die Geburt Christi zugleich 
mit seiner Taufe zu feiern, bestanden hat, d. i. also in 
der Zeit von der zweiten Hälfte des viertenJahr- 
hunderts bis zu dem Jahre 431, wo die Feier 
der Geburt allein, und zwar am 25. Dezember, an 
ihre Stelle trat". 

Daß diese Vermutung Webers und ihre Begründung 
auf recht schwachen Füßen steht, ist klar. Es ist aber 
nicht richtig, wenn J. Kennedy sagt,' daß „Webers 
chief arguments are drawn from the history of the legends 



1 Vgl. oben S. 195. 

* ErishnajanmäsbtamT, 337. 

» JRAS.* 1907, 483. 

Garbe, Indien und das Christentum. 17 



— 268 — 

regarding the Virgin and the representations of the Ma- 
donna lactans. On this basis he assigns the period 350— 
431 A. D. as the period to which the rise of the Krishna 
festival must be assigned^, und wenn er diese angebliche 
Beweisführung Webers mit den Worten bekämpft: „The 
legends of the Madonna were not known in Egypt until 
towards the close of the fifth Century, and were probably 
derived from Italy** u. s. w. Webers Hauptargumente für 
die Datierung 350 — 431 beruhen keineswegs auf den Le- 
genden von der Madonna und ihren ältesten Darstellungen 
mit dem Christuskinde — er bezeichnet diese Legenden 
und Bilder ausdriicklich^ nur als einen Teil des für den 
gesamten Kreis der Untersuchung in Betracht kommenden 
Materials — ; vielmehr hat er die Datierung 350 — 431 
lediglich auf die von mir eben angeführten Erwägungen 
gegründet. Kennedy hat sich hier also eine Flüchtig- 
keit zu Schulden kommen lassen. 

In Wirklichkeit scheitert W eb e r s Datierungsversuch 
daran, daß, wie wir oben' gesehen haben, Alexandria als 
Vermittlerin christlicher üebertragungen gar nicht in Be- 
tracht kommen kann, weil es schon im Anfang des dritten 
Jahrhunderts seine Bedeutung für den Welthandel und 
speziell den direkten Verkehr mit Indien verloren hat. 
Außerdem hätte das Christentum eine so starke Einwir- 
kung, wie sie beim Krischnaismus erkennbar ist, nicht aus 
weiter Ferne ausüben können. Dazu waren unmittelbare 
Berührungen erforderlich. Weber giebt auch gleich' 
seine Datierung preis und geht auf das Jahr 640 herunter 
als auf ein Datum, mit dem die Schlüsse aus dem Alter 
oder der literargeschichtlichen Stellung der die Geburts- 
feier Krischnas schildernden Texte sich in besonders 



^ Krishnajanmäshtaml, 836. 

« S.' 128, 129. * » A. a. 0. 338. 



— 259 — 

gutem Einklang befinden würden. Wie aus einer früheren 
Stelle^ hervorgeht, meint Weber das Jahr 640 als ter- 
minus ad quem, weil Alexandria in diesem Jahre durch die 
Moslims erobert worden ist. Wir haben also hier wieder 
Alexandria als Argumentationsbasis. 

Wenn nun auch Webers Begründung für die 
Zeit kurz vor 640 hinfällig ist, so fällt doch diese Datie- 
rung merkwürdig genau mit derjenigen zusammen, für die 
wir uns aus einem anderen Grunde entscheiden müssen. 
Aus dem Jahre 639 ist uns die erste nestorianische Mis- 
sion im mittleren Nordindien bezeugt;* und da ohne Zweifel 
von den Nestorianern die Feier des Christfestes und an- 
dere christliche Elemente in jene Gegend, d. h. in die Hei- 
mat des Krischnaismus, gebracht worden sind, so stimmt 
die Zeit (erste Hälfte des siebenten Jahrhunderts) sehr gut 
zu dem Alter der Puränas, die unsere ältesten Quellen für 
die Feier von Krischnas Geburtsfest sind. In diese Zeit 
fallen also die frühesten christlichen Beeinflussungen des 
Brahmanismus, wenn man von der dunklen Kunde absieht, 
die über die christliche Religion etwa ein Jahrhundert 
früher in der Svetadvipa-Legende des Mahäbhärata vorzu- 
liegen scheint. 

Bevor ich zu den Einzelheiten des Krischnafestes 
komme, verdient die Tatsache erwähnt zu werden, daß die 
Jahreszeit, in der dieses Fest in Indien begangen 
wurde und noch wird, nicht zu den Entlehnungen aus dem 
Christentum gehört. Der Geburtstag Christi ist zu Anfang 
auf den 5. oder 6. Jan., 28. März, 19. oder 20. April, 20. 
Mai oder 19. Nov. und erst später auf den 25. Dez. verlegt 
worden ; Krischnas Geburtsfest dagegen wurde nach un- 
seren Quellen zwar an verschiedenen Tagen gefeiert, immer 



Ebendas. 323. ^ S. oben S. 181. 

17 



— 260 — 

aber in der Zeit zwischen Juni und September. ^ Ob hierin 
eine Erinnerung an die wirkliche Geburtszeit Krischnas 
sich erhalten hat, muß dahingestellt bleiben. 

Die Feier des Geburtsfestes gilt nicht Krischna allein, 
sondern auch seiner Mutter Devaki, an deren Brust lie- 
gend er dargestellt wird, — in unverkennbarer Nachah- 
mung der christlichen Bilder der Madonna lactans. Die 
von Weber' eingehend behandelte Frage nach dem 
frühesten Vorkommen christlicher Bilder der Art berührt uns 
hier nicht; für unsere Zwecke genügt es zu wissen, daß die 
Marienverehrung und die Darstellung der Maria mit dem 
Kinde seit dem Beginn der nestorianischen Streitigkeiten 
im fünften Jahrhundert gangbar war.' Der christliche Ein- 
fluß auf das Krischnafest verrät sich ferner ganz deutlich 
darin, daß bei ihm die Szene der alten Krischna-Legende, 
nach der Krischna im Gefängnis unter Not und Gefahr 
geboren und schleunigst von seinem Vater fortgeschafft und 
gerettet wurde, völlig verändert erscheint. Krischnas Ge- 
burtsstätte ist ein friedlicher Kuhstall (gokula) geworden, 
in welcher Form zu dem festlichen Zwecke ein Wöchne- 
rinnenhaus {sutikägrha) herzustellen und mit einem Bilde 
der auf einem Ruhebett liegenden Mutter mit dem gött- 
lichen Kinde an der Brust sowie mit Gemälden oder plas- 
tischen Darstellungen von Krischnas Vater, von Hirten 
und Hirtinnen, Rindern, Eseln u. s. w., dazu von allerlei 
Göttern und Halbgöttern in der Luft auszustatten ist.* 
Also genau so wie im Christentum zu erbaulichen Zwecken 
die Szene nach der Geburt des Heilands unter den Hir- 
ten dargestellt wird. 



* Weber, KrishiiajanmäshtamT, 338 Anm. 1. 
a Ebendas. 32*4 f. * 

8 Trotz Kennedy, JRAS. 1907, 483, 484. 

* Weber, a. a. 0. 248, 252, 272, 273, 280, 281. 



— 261 — 

Nachdem der Stall in der eben beschriebenen Weise 
hergerichtet und ausgeschmückt ist, beginnt das eigentliche 
Krischnafest mit der Anbetung und Verehrung der heili- 
gen Familie, wobei allerhand vegetabilische Darbringungen 
stattfinden und die Anrufung der „Gottesmutter" {deva- 
niätar) eine besondere Rolle spielt.^ Das ganze Fest hat 
zur Folge gehabt, daß die christlichen Erzählungen von der 
Geburt Jesu in indischem Gewände bis auf den heutigen 
Tag unter den Hindus, auch wenn sie sonst nichts vom 
Christentum wissen, in weitestem Umfang bekannt sind. 

Im Anschluß an die Geburtsfeier sind weitere Züge 
der christlichen Legende in die Geschichte von Krischnas 
Kindheit und späterem Leben eingedrungen. Hierher ge- 
hören die Erzählungen des Visnupuräna, daß der Hirt 
Nanda, der Pflegevater Krischnas, zur Zeit von dessen Ge- 
burt mit seinem schwangeren Weibe YaSodä zu Wagen 
nach Mathurä reist, um seine Abgaben zu ent- 
richten (vgl. Lucas 2. 4, 5),^ und daß Krischna kurz 
vor seinem Einzug in Mathurä von der verkrüppelten Kubjä 
ein Gefäß voll Salbe erhält und die Spenderin zum Lohn 



1 Ebendas. 284, 310. 

* Ebendas. 338. Kurz vorher nennt Weber als indische Texte, 
in denen sich diese Entlehnungen aus dem Christentum finden, neben 
den Puränas und dem Jaimini-bhärata irrtümlich auch den HarivamSa 
und „einzelne eingeschobene Stellen des Mahäbhärata*^. Auf Krisch- 
nas Wundertaten in der Kindheit und Jugend nimmt das Mbh. über- 
haupt nur an einer, zu den spätesten Einschüben gehörenden Stelle 
(IL 1436—45) Bezug, nach Weber, 318 Anm. 5. Wer den Text 
nachliest, findet aber dort keine Parallele mit christlichen Erzäh- 
lungen. Hopkins, India old and new, 165 unten, hat offenbar 
Webers eben angeführte Feststellung benutzt. Wenn er aber be- 
merkt, daß an jener Stelle des Mbh. von den Taten des Kindes 
Krischna nur die Tötung eines Habichts angeführt werde, so ist das 
nicht richtig; denn v. 1440 ist auch das Umstürzen des Lastwagens 
durch den Säugling erwähnt. 



— 262 — 

dafür von ihrem Gebrechen heilt. ^ In dieser zweiten Ge- 
schichte, die von Weber* irrtümlich erst aus dem Jaimini- 
bhärata belegt wird, scheinen zwei oder drei bekannte neu- 
testamentliche Erzählungen' kombiniert zu sein. Die Hei- 
lung bewirkt Krischna in der Weise, daß er das verkrüp- 
pelte Mädchen mit dem Daumen und zwei anderen Fingern 
am Kinn faßt, ihr Haupt in die Höhe hebt, während er 
zugleich mit seineu Füßen ihre Füße niederdrückt, und sie 
so gerade zieht.* 

Diesen Erzählungen reihen sich die folgenden an, die 
Weber aus dem Jaimini-bhärata beigebracht hat, einem 
krischnaitischen Werke von puräna- artigem Charakter, über 
dessen Alter man nur sa gen kann, daß es vor dem Anfang 
des dreizehnten Jahrhunderts verfaßt sein muß, weil es um 
diese Zeit in das Kanaresische übersetzt worden ist.^ Die 
dort berichtete Legende von der Wiederbelebung des toten 
Sohnes der Duhdalä durch Krischna wird schon deshalb 
auf christlichen Einfluß zurückgeführt werden müssen, weil 
die ältere Form der Geschichte von Duhsalä, wie sie im 

^ Vifnup. 5. 20. 1 f. Eubjä heißt ,die Verwachsene' ; der eigent- 
liche Name ist nach dem Yisnup. Naikayakrä ,die an mehreren Stel- 
len gekrümmte\ nach dem Bhägavata Pur. 10. 42. 3, wo die Erzäh- 
lung in ähnlicher Weise berichtet wird, Trivakrä ,die an drei Kör- 
perteilen (Rücken, Brust und Hüften, nach Srldhara's Kommentar] 
gekrümmte^ Vgl. Vishnupuräna, transl. by H. H. Wilson, ed. by 
Fitzedward Hall, V, 21 Anm. • Krishnajanmäshtami 339. 

» Matth. 15. 30, 31; 9. 20 f. (Marc. 5. 25*f., Luc. 8. 43 f.); Luc. 
7. 37, 38. 

* J. Kennedy, JRAS. 1907,978 Anm. 2, sagt: „the manner in 
which Krishna puUs the unguent-maker straight is exactly the way 
in which the youthful Christ makes two pieces of wood equal by 
pulling them out to the same length (Pseudo-Matthew, c. 37). * Hier 
sind doch wohl zwei sehr verschiedene Dinge in Parallele gesetzt. 

'^ lieber eine Episode im Jaimini-Bhärata, Monatsber. d. Berl. 
Acad., 1869, 12 Anm. 3, 34 f. Die von Weber angenommenen Ent- 
lehnungen aus dem Christentum stehen mit den Stellen des Jaimini- 
bhärata S. 37, 38. 



— 263 — 

Mahäbhärata XIV. 2275 — 97 vorliegt, noch nichts von der 
Auferweckung des Sohnes veeiß.* Sehr wahrscheinlich we- 
nigstens, weil solche Dinge von Krischna in den älteren 
Quellen nicht erzählt werden, und zum Teil sicher ist ferner 
der christliche Einfluß bei den Berichten von Krischnas 
Speisung ganzer Asketenscharen durch ein einziges in einem 
Winkel des Topfes zurückgebliebenes Gemüseblatt; von 
dem blutflüssigen Weibe, das Heilung suchend seinen Füßen 
naht; von der Berührung seines Fußes als eines Mittels, 
den Tod zu verscheuchen; von seinem sofortigen Zuhilfe- 
kommen, sobald man flehend seiner gedenkt; von dem 
Wunsche eines Frommen, nicht eher zu sterben, als bis er 
ihn gesehen habe ; und von der sündentilgenden Kraft, die 
Krischnas Blick (oder Anblick) oder das Gedenken an ihn 
oder bloß das Nennen seines Namens haben soll. — Die 
Vorstellung von der Heilkraft seines Waschwassers ist 
jedenfalls eine üebertragung aus einem apokryphen Evan- 
gelium.^ 

So weit können wir mit Weber zusammengehen. 
Wenn er aber auch die Erzählung von den Nachstellungen 
und dem Kindermord des Kamsa in diesem Zusammen- 
hang für eine Entlehnung aus dem Christentum erklärt, so 
haben wir das schon oben* als einen Irrtum erkannt. 
Ebenso ist zu beurteilen, was Weber unmittelbar darauf 
„von dem Hinübertragen über den Fluß (Christophoros)" 
sagt, ohne eine Erklärung oder Begründung dazu zu geben. 
Hopkins* spricht das einfach nach: „we find too in the 
history of Krishna the late Christophoros legend", und doch 



^ Weber, ErishnajanmäshtamT, 315 Anm. 1, 318 Anm. 5, 339, 
Indische Streifen 11. 392 Anm. 2. 

* Weber, 339 Anm. 2, verweist auf eine Stelle in dem arabi- 
schen Evangelium von der Kindheit Christi. 

8 S. 222 f. * India old and new, 166 oben. 



— 264 — 

wäre hier, wo man sich überlegen muß, was Weber über- 
haupt meint, eine Nachprüfung am Platze gewesen. Weber 
kann nicht gut etwas anderes im Auge gehabt haben als 
den Zug der Legende, der von der Rettung des eben ge- 
borenen Krischna handelt, den sein Vater Vasudeva über 
die Tamunä trägt, um ihn der Hirtin Ya§odä zu bringen 
und mit deren neugeborener Tochter zu vertauschen.^ Daß 
Vasudeva bei dieser Gelegenheit die Yamunä durchschrei- 
ten muß, die ihn willig durch ihre Fluten hindurch läßt, 
ist also der einzige Grund, aus dem Weber hier eine 
üebertragung der Christophorus-Legende annimmt ! Schon 
die bildliche Darstellung der Szene auf der beigegebenen 
Tafel I hätte als Warnung vor einer so voreiligen Be- 
hauptung dienen können. Ein eben geborenes Kind, das 
sein Vater durch schleuniges Fortschaffen und Vertauschen 
vor dem sicheren Tode rettet, ist doch etwas ganz anderes 
als ein Knabe, den ein riesenhafter Fährmann sich auf die 
Schultern setzt. Daß die Christophorus-Legende bei den 
Beziehungen zwischen der indischen und christlichen Er- 
bauungsliteratur in einen ganz anderen Zusammenhang ge- 
hört, haben wir früher gesehen.^ 

Nicht anders als mit den beiden eben behandelten Ein- 
zelheiten steht es mit Webers Vermutung, „daß das 
ganze indische Sekten wesen, insofern sich dasselbe auf 
die ausschließliche Verehrung je eines einzigen persönlich 
gedachten Gottes gründet, seine Entstehung christlichen 
Einflüssen verdankt**, und mit seiner Annahme, daß „auch 
das ganze Avatärasystem aus einer Nachahmung des christ- 
lichen Dogmas von der Herabkunft Gottes entstanden sei."* 



* Vgl. oben S. 221 di« Inhaltsangabe des Harivamsa und We- 
ber, KrisbnajanmäshtamT, 251 Anm. 

* s/ioif. 

8 Ind. Stud. II. 169. 



— 265 — 

Die letzte Annahme ist schon von Lassen^ mit dem 
naheliegenden Grunde bekämpft worden, daß Krischna als 
Avatära des Yischnu schon dem Megasthenes, also um 
300 vor Chr., bekannt gewesen ist. Aber es lassen sich 
noch weitere Erwägungen dagegen ins Feld führen, die 
zugleich auch gegen Schroeders Auffassung^ gerichtet 
sind. Nach Schroeders Ansicht soll nämlich die brah- 
manische Avatäratheorie durch die buddhistische Lehre von 
den früheren Existenzen Buddhas, nach der dieser vor sei- 
ner letzten Geburt schon oftmals ein Gott (20 mal Indra, 
4 mal Brahman) gewesen und in den verschiedensten Da- 
seinsformen sonst aufgetreten war, beeinflußt und indirekt 
erzeugt worden sein. Die brahmanische Avatäratheorie ist 
aber älter als die Geschichten von Buddhas früheren Exi- 
stenzen, die ihren Ursprung in dem allgemeinen Glauben 
an die Seelenwanderung haben. Das lehrt uns die Er- 
zählung des Satapatha Brähmana. von dem übernatürlichen 
Fisch, der den Manu aus der Sintflut gerettet und in dem 
nach späterer Auslegung der Gott Brahman oder Vischnu 
verkörpert war.* 

Vischnus Inkarnation als Fisch steht an der Spitze 
der 10 (später 24 oder 28) Avatäras und muß schon wegen 
des Zusammenhangs mit dem Fisch im Satap. Br. als die 
älteste Vorstellung dieses Mythenkreises angesehen werden. 
Es ist ganz gewiß kein Zufall, daß gerade in den vier 
ersten Inkarnationen Vischnu in tierischer und in den 
sechs folgenden in menschlicher Gestalt erscheint. Wie 
dem Fisch, so liegt auch den nächstfolgenden Erscheinungs- 
formen, der Schildkröte, dem Eber und dem (Mann)löwen, 



* Ind. Altertumskunde II* 1126, und oben in diesem Buche S. 212. 

• Indiens Literatur und Cultur, 330. 

8 Pischel, Ursprung des christlichen Fischsymbols, SBA. 1905, 
512 f. 



— 266 — 

die uralte Verehrung von Totemtieren zu Grunde, die in dem 
Vischnukult aufgegangen ist. Aber nicht aus dieser Quelle 
allein stammt die Avatäratheorie, sondern aus einem Zu- 
sammenfluß mehrerer. Schon im Rigveda werden nicht 
selten alle Lichterscheinungen als Formen des Feuergottes 
Agni aufgefaßt; 5. 3. 1 heißt es sogar: „Du bist Yaruna, 
o Agni, wenn du geboren wirst; du wirst Mitra, wenn du 
entzündet bist; in dir sind alle Götter, o Sohn der Kraft, 
du bist Indra für den frommen Menschen'', und in jünge- 
ren Stücken werden schon die verschiedensten Götter nur 
als Namen des einen Gottes erklärt. In den Yajurveden 
und in der Brähmana-Literatur wird femer eine Reihe von 
Göttern mit irdischen Dingen und Wesen identifiziert: 
Püsan mit dem Vieh, alle Götter mit dem Wasser, Agni 
Vaiövänara mit dem Jahr, der Erde, der Sonne, Prajäpati 
mit der Sonne, der Erde, dem Opfer, hauptsächlich aber 
Vischnu mit dem Opfer. ^ Dieser alt- und echt-indische 
Identifikationstrieb ist, zumal in seiner jüngeren Betätigung 
in der vedischen Prosa, wo er in zügellos phantastischer, 
ja geradezu blödsinniger Weise wuchert, sicher nur eine 
unmittelbare Vorstufe der Gedankenrichtung, welche die 
Lehre von Vischnus Avatären und von der Verkörperung 
anderer Götter in ausgezeichneten Menschen hervorgebracht 
hat. Von christlichem Einfluß kann also hier keine Rede 
sein. 

Auch die dem ganzen Hinduismus zu Grunde liegende 
Idee von der Trimürti, der in den drei Gestalten Brahman, 
Vischnu und Schiva sich manifestierenden Gottheit, hat 
nichts mit der christlichen Dreieinigkeit zu tun; denn sie 
ist vorchristlich und knüpft an die altindische Vorstellung 
von der Heiligkeit der Dreizahl an. Wohl aber hat die 



* Schroeder a. a. 0. 134. 



— 267 — 

Trinitätslehre des Christentums ihren Einfluß auf die spä- 
tere Entwicklung der Bhägavata-Religion ausgeübt.^ 

Der Monotheismus der Bhägavatas hat sich in merk- 
würdiger Uebereinstimmung mit der christlichen Auffassung 
zu einer Lehre von der gleichzeitigen Einheit und Dreiheit 
des göttlichen Wesens gestaltet, das aus Gott, seinen In- 
karnationen und seiner wirkenden Kraft {4akti) besteht. 
Da der Gott der Bhägavatas, der »Erhabene' (Bhagavat) 
mit Krischna und dieser wiederum mit Vischnu zusammen- 
geflossen ist, so hat man dessen Gattin Laksml für die 
wirkende Kraft des , Erhabenen' erklärt. Dabei ist ohne 
Zweifel die Säipkhyalehre von der Prakrti, der schöpferi- 
schen Natur, die dem geistigen Prinzip gegenüber steht, 
beteiligt gewesen ; aber auch die christliche Lehre von dem 
heiligen Geist ; und zwar die letztere in der Form, wie sie 
bei den Nestorianern bestand. Die syrischen Christen faß- 
ten, da im Semitischen das Wort für Geist (hebr. rwch) 
ein Femininum ist, den heiligen Geist als ein weibliches 
Wesen auf und identifizierten ihn geradezu mit der Jung- 
frau Maria. Wenn man das berücksichtigt, so ist die Ueber- 
einstimmung zwischen der Trinitätslehre der nestorianischen 
Christen und der Bhägavatas außerordentlich eng. Bei den 
letzteren gilt die Sakti (oder ihre mythologische Personi- 
fikation Laksmi) als eins mit dem «Erhabenen' und doch 
als verschieden von ihm : „ Sie hat alles getan, was Er ge- 
tan hat, und wenn wir von Ihm sprechen, so sprechen wir 
von ihr.** Dabei aber tritt die Öakti als die tätige Ver- 
breiterin des rechten Glaubens auf, den sie von Ihm ge- 
lernt hat, — also als eine getrennte Person. 

Die Verehrung der Öakti als eines besonderen gött- 



^ Der folfü^ende Absatz ist unter freier Benutzung von Griersons 
Artikel Bhakti-märga, ERE. IL 542 b (vgl. auch JRAS. 1907, 323) ent- 
standen. 



— 268 — 

liehen Wesens spielt die hervorragendste Rolle in dem 
Schivakult, aber erst in den jüngeren schivaitischen Sekten ; 
wir dürfen also annehmen, daß die Schivaverehrer, die 
hauptsächlich den niederen Volksschichten angehören, sie 
von den Bhägavatas übernommen haben, wie sie das in 
Südindien in der gleichen Weise mit der Lehre von der 
Bhakti getan haben. Die Bhakti tritt jedoch in den schi- 
vaitischen (und verwandten) Sekten hinter dem unerfreu- 
lichen Asketentum und dem greulichen Zauber-, Dämonen- 
und Hexenkram ganz in den Hintergrund, auch ist die 
Schiva-bhakti ein bisher wenig erforschter Gegenstand, so 
daß ich mich, wenn ich in der Folge die Frage nach dem 
christlichen Einfluß auf die moderne Entwicklung der Bhakti- 
lehre zu behandeln haben werde, auf die vischnuitischen 
Sekten, d.h. auf die Krischnaiten und Rämaiten, beschrän- 
ken kann. 

Von den Rämaiten ist bisher nur einmal andeutungs- 
weise (S. 213) die Rede gewesen. Sie haben ebenso wie die 
Krischnaiten ursprünglich eine monotheistische Stammes- 
gemeinschaft gebildet und sich später über ganz Indien 
verbreitet. Ihr Gott Räma ist auf dieselbe Weise entstan- 
den wie der Gott Krischna, durch Erhebung eines mensch- 
lichen Helden zu göttlicher Würde. Schon im Rämäyana 
ist der bewunderte Held des Epos vergöttlicht und für eine 
Inkarnation Vischnus erklärt worden ; aber erst in solchen 
Stücken, die deutlich spätere Zutaten sind und deren Ein- 
fügung eben zu dem Zwecke erfolgt ist, um die göttliche 
Natur Rämas dem Leser oder Hörer zu Gemüte zu führen. 

Der Krischnaismus ist älter als der Rämaismus und 
bis auf den heutigen Tag in Indien verbreiteter; aber der 
Rämaismus ist religiös tiefer und vergeistigter und hat seine 
Anhänger deshalb hauptsächlich unter den feiner gebildeten 
Klassen der Hindus, die von einem Hang zu Kontemplation 



— 269 — 

und Philosophie erfüllt sind, während der Krischnaismus 
mehr den gut situierten und zu fröhlichem Lebensgenuß 
neigenden Mittelstand beherrscht.^ 

Der Rämaismus zerfällt in zwei verschiedene Sekten, 
die sich nicht nur durch Kleidung und Stirnabzeichen un- 
terscheiden — alle religiösen Bekenntnisse werden bei den 
Hindus durch farbige Striche und Punkte auf der Stirn 
angezeigt — , sondern die sich auch gegenseitig heftig be- 
feinden, während sie für die gemeinsamen Gegner viel 
freundlichere Empfindungen hegen. Darin scheint sich ein 
für die ganze Menschheit giltiges Gesetz zu betätigen. Hin- 
sichtlich ihrer theologischen Anschauungen gehen die beiden 
rämaitischen Schulen, die südliche und nördliche, darin 
auseinander, daß die erstere sich zu der , Katzenlehre', die 
letztere zu der , Affenlehre' bekennt. Nach der Katzenlehre 
errettet Gott (Räma) den Menschen, wie die Katze ihre 
Jungen aufnimmt, d.h. ohne Zutun und ohne freien Willen 
des Menschen; nach der Affenlehre muß der Mensch, um 
gerettet zu werden, Gott zustreben und sich an ihn klam- 
mern, wie ein Affe an seine Mutter. Also ein indisches 
Seitenstück zu dem Streit der Calvinisten und Lutheraner.^ 

Die beiden großen Religionsgemeinschaften der Krisch- 
naiten und Rämaiten sind nicht immer streng von einander 
geschieden gewesen. Die Bhägavatas — oder mit ihrem 
späteren Namen Päücarätras, der zuerst eine Unterabtei- 
lung der Bhägavatas bezeichnet hat — waren ursprünglich 
so ausschließlich Krischnaverehrer, daß wir für die ältere 
Zeit die Ausdrücke Bhägavata-Religion und Krischnaismus 
als Synonyma gebrauchen können. Das ist durch meine 
Darstellung in den beiden vorangehenden Kapiteln genügend 
klargestellt. 

^ Hopkins, Religions of India, 427, 499 ; G r i e r s o n , JRAS. 
1907, 501. «Hopkins, Religions of India, 500, 501. 



— 270 — 

Als aber die Bhägayata-Religion im zwölften Jahr- 
hundert durch Rämänuja reformiert wurde, war sie ent- 
weder schon rämaisiert oder wurde es durch ihren Refor- 
mator; und in noch höherem Grade geschah dies durch 
den bekanntesten Nachfolger Rämänujas, Rämänanda, der 
im vierzehnten Jahrhundert gelebt hat. Die anderen Bhä- 
gavata-Schulen haben jedoch (die von Madhva gegründete 
wenigstens in ihrem nordindischen Zweige) wieder Krischna 
zum Gegenstand der Verehrung gemacht. 

Jedenfalls sind die Bhägavatas die ersten wirklichen 
Monotheisten und die ersten Verkündiger der Bhakti in 
Indien gewesen. Sie haben ihren Glauben, wie ich ihn 
oben (S. 233 f.) als Inhalt der Bhagavad^tä dargestellt 
habe, bis in die Neuzeit in der Hauptsache rein 
erhalten, wenn er auch mancherlei Weiterbildungen erfah- 
ren hat, von denen namentlich zu nennen wären die Lehre 
von den 24 Inkarnationen des ,Erhabenen', deren letzte 
noch erwartet wird, die Klassifizierung der Seelen und die 
Ausbildung der eschatologischen Vorstellungen, in denen 
Säipkhya-Yoga- und pantheistische Ideen vermengt sind. 
Die Grundlehren aber von der Persönlichkeit Gottes, von 
der ewigen und individuellen Portdauer der Seelen und von 
dem höchsten Werte der Bhakti haben die Bhägavatas 
immer festgehalten. In die Zeit vom zwölften bis zum 
fünfzehnten Jahrhundert fällt die Gründung von vier ver- 
schiedenen Schulen {sampradäya), deren Stifter Rämänuja, 
Madhva (oder Änandatirtha), Visnusvämin und Nimbäditya 
gewesen sind. Die Lehren dieser Schulen und ihrer zahl- 
reichen Unterabteilungen, die zum großen Teil mit der 
Streitfrage zusammenhängen, in welcher Erscheinungsform 
der , Erhabene' zu verehren sei, können hier nicht im Ein- 
zelnen zur Darstellung kommen.^ Ei'wähnt sei nur, daß 

^ Am besten unterrichtet über sie G r i e r s o n in dem schon 



— 271 — 

in der dritten Schule, deren Hauptvertreter die Vallabhä- 
cäns sind, eine Liebe zu Gott (Krischna) gefordert wird, 
die nicht den Charakter der Liebe eines Sohnes zu seinem 
Vater, sondern der zwischen Jüngling und Jungfrau trägt. 
Dadurch ist in diesem Zweig des Krischnaismus wieder das 
sinnlich- erotische Element zur Geltung gebracht worden, 
das uns schon in älterer Zeit entgegentritt und schlimme 
Auswüchse gezeitigt hat. Interessant ist, wie die Vallabhä- 
cäils sich mit der Vedänta-Lehre von der absoluten AU- 
Einheit des Brahman abfinden. Auch sie schreiben die 
feststehenden Attribute desselben. Sein, Denken und Wonne 
(sac-cid-änandä), dem , Erhabenen' als dem persönlich auf- 
gefaßten Brahman zu, aber die Einzelseele im weltlichen 
Dasein erklären sie für den Erhabenen in einem Zustande, 
in dem das Attribut der Wonne unterdrückt ist, und die 
unbeseelte Materie für den Erhabenen in einem Zustande, in 
dem die Attribute des Denkens und der Wonne unterdrückt 
sind. Mit allen anderen Bhägavatas verwerfen sie die Lehre 
von der kosmischen Illusion (mäyä) und ihre Konsequenzen. 
Im Augenblicke der Erlösung gewinnt die Seele das Attri- 
but der Wonne zurück und wird für alle Ewigkeit mit dem 
Erhabenen wesensgleich. Im Uebrigen sind die philosophi- 
schen Differenzen der Bhägavata- Schulen nicht erheblich. 
So viel, als ich hier angeführt habe, muß von den 
religiösen Strömungen des Hinduismus wissen, wer an die 
Frage nach den christlichen Einflüssen auf ihn herantreten 
will. Er muß ferner wissen, daß der Hinduismus eine in 
beständigem Fluß befindliche Religion ist, die alles und 
jedes absorbieren kann, womit sie in Berührung kommt, 



mehrfach zitierten Artikel Bhakti-märga, ERE. II. 544 f., dem ich 
auch für meine Darstellung auf den folgei^den Seiten viel verdanke. 
Vgl. auch Griersons Aufsatz ^ Modern Hinduism and its debt to 
the Nestorians% JRAS. 1907, 311 f. 



— 272 — 

v(ie sie z. B. die Kulte und Gottheiten der indischen Abo- 
riginer in weitestem Umfang in sich aufgenommen hat. 

Daß die Lehre von der Bhakti und der väterUchen 
Liebe Gottes einheimisch-indischen Ursprungs ist, haben 
wir oben gesehen. Christliche Einflüsse konnten keinen 
besser vorbereiteten Boden finden als das Gebiet dieser 
Lehre. Sehen wir nun, unter welchen Bedingungen das 
Christentum seine Einwirkung geltend gemacht hat. 

Die Bhägavata-Eeligion, die eigentliche Religion der 
Liebe in Indien, die vor ihrer Reformation Eigentum einer 
vornehmen Volksklasse war und in der Sprache der Ge- 
lehrten und Gebildeten, dem Sanskrit, verkündet wurde, 
verlor ohne Fühlung mit breiteren Volksschichten im Laufe 
der Zeit an Boden und fiel vom neunten Jahrhundert an 
nahezu in Vergessenheit, um welche Zeit das höhere Geis- 
tesleben von ganz Indien unter den Bann des großen Ve- 
däntalehrers ^aipkara geriet, der den alten, halb theistischen 
halb pantheistischen Brahmaismus der Upanischaden in ein 
einheitliches und folgerichtiges philosophisches System 
brachte. Auch die politischen Umwälzungen und das furcht- 
bare Elend, das die muhammedanischen Eroberungen seit 
dem Anfang des elften Jahrhunderts über Indien brachten, 
begünstigten den Verfall der Bhakti-Religion. So war es 
gekommen, daß sie im zwölften Jahrhundert nur noch eine 
geringe Zahl in Südindien lebender Anhänger zählte. Hier 
aber wurde sie zu neuem Leben erweckt, und mit solchem 
Erfolge, daß seitdem alles, was in Indien unter dem Namen 
Vischnuismus geht, im Grunde nur eine Form der Bhakti- 
Religion ist. 

Es ist ganz gewiß kein Zufall gewesen, daß diese Neu- 
belebung der Bhakti-Religion in der nächsten Nähe der 
nestorianischen Niederlassung von St. Thome, dem angeb- 



— 273 — 

liehen Grabmal des Apostels Thomas, bei Mailapur unweit 
von Madras vor sich gegangen ist. Die dortigen Christen 
hatten in der damaligen Zeit die Taufe aufgegeben (aber 
nicht das Abendmahl) und einige religiöse Gebräuche des 
Hinduismus angenommen. Das läßt auf ein enges freund- 
schaftliches Zusammenleben mit den dortigen hinduistischen 
Sekten und auf einen gegenseitigen Austausch reli- 
giöser Elemente schließen. Noch heute giebt es christliche 
Altäre in Südindien, vor denen sowohl Christen wie Hin- 
dus ihre Verehrung darbringen, je in ihrer besonderen 
Weise. ^ 

Im Anfang des zwölften Jahrhunderts wurde Rämä- 
nuja, der vorher erwähnte Reformator der Bhägavata- Reli- 
gion, in Perumbür geboren und empfing seine gelehrte 
Ausbildung in Käncipura (jetzt Conjeeveram). Beide Orte 
liegen so dicht bei Mailapur, daß Rämänuja mit den nes- 
torianischen Christen in Berührung kommen mußte. Ich 
glaube es deshalb in Uebereinstimmung mit Grierson^ 
ihrem Einfluß zuschreiben zu müssen, daß Rämänuja, ur- 
sprünglich ein Anhänger Saiiikaras, des konsequentesten 
Monisten und Verächters der Bhakti, sich schon als junger 
Mann zur Bhägavata-Religion bekehrte und mit Feuereifer 
ihrer Ausbreitung widmete, wobei er allerdings noch mehr 
die philosophische als die eigentlich religiöse Seite betonte. ^ 
Der christliche Einfluß zeigt sich deutlich in einigen seiner 
Lehren, die ich weiter unten besprechen werde. In seinem 
berühmten Kommentar zu den Brahmasütras, dem Haupt- 



' Grierson, JRAS. 1907, 312. • Ebendas. 317. 

^ Auch Madhva, der Gründer der zweiten Hauptschule der Bhä- 
gavatas, zu deren Glauben er sich in reiferen Jahren bekehrte, war 
ursprünglich ein Vedäntist gewesen und hatte wie Räm&nuja im Be- 
reich christlicher Einflüsse gelebt. Er war an der Westküste Indiens 
gegen 1200 in Udipi bei Kalyäna, dem alten christlichen Bischofssitz, 
geboren. Grierson, ERE. IL 549^, Anm. 

Garbe, Indien und das Christentum. 18 



— 274 — 

lehrbuch der Vedänta-Philosophie, vertritt Rämänuja in 
sehr geschickter Weise die üeberzeugung aller Bhägavatas, 
daß sich die Dogmen ihrer Religion in Uebereinstimmung 
mit dem Hauptinhalt der Upanischaden befinden. 

Eine Disputation, in der Rämänuja seinen alten vedän- 
tistischen Lehrer widerlegte, erzeugte große Erbitterung 
gegen den Reformator, und Verfolgungen nötigten ihn zur 
Flucht. Das gereichte aber dem von ihm gepredigten Glau- 
ben zum größten Vorteil. Rämänujas Flucht war der An- 
laß, daß die Bhakti- Religion sich aufs Neue über den grö- 
ßeren Teil von Indien ausbreitete, von der Südspitze bis 
zum Himalaja. 

Die Tatsache, daß diese Religion in Südindien zu 
neuer Blüte erweckt und von dort wieder nach dem Norden 
gebracht worden ist, wo sie immer frische Nahrung aus 
dem Süden empfing, wird durch eine allegorische Erzäh- 
lung^ des Bhägavata-mähätmya, eines späten Anhängsels 
des Bhägavata-puräna, veranschaulicht. Närada erzählt (I. 
27 f.), wie er in dem gegenwärtigen Weltalter, dem Kali- 
yuga, durch ganz Indien gewandert sei und die Recht- 
schaffenheit nicht habe finden können. Endlich kommt er 
an das Ufer der Yamunä^ zu deni ehemaligen Schauplatz 
von Krischnas Taten. Dort trifft er zwei alte, im Sterben 
liegende Männer und eine junge Frau, die sie bejammert. 
Auf Näradas Frage, wer sie sei, antwortet sie: „Ich bin 
Bhakti. Diese zwei sind meine Söhne, Erkenntnis (jnäna) 
und Begierdelosigkeit {vairägya), die unter dem Einfluß der 
jetzigen Zeit alt und gebrechlich geworden sind .... Ich 
bin in Dravida (im östlichen Dekkhan) geboren und in 
Karnätaka (an der Südwestküste) aufgewachsen. Ich alterte, 
wie ich bald in Mahärästra (im Mahrattenlande) und bald 
in Gurjara (Gujarat) weilte. Dort wurden unter dem Ein- 

1 Mitgeteilt von Grierson, JRAS. 1911, 800, 801. 



— 276 — 

fluß des schrecklichen Kali- Alters meine Glieder von Ket- 
zern yerstümmelt, und ich verfiel mit meinen Söhnen in 
eine lang andauernde Schwäche. Seit ich aber zu dem 
Vrndä-Walde (auf dem linken Ufer der Yamunä in der 
Nähe von Mathurä) gekommen bin, habe ich mich erholt 
und bin nun wieder jung und schön. ^ Sie fragt, warum 
nicht auch ihre beiden Söhne wieder jung geworden seien, 
und Närada erklärt ihr, daß sie selbst durch den Einfluß 
der Heiligkeit des Vrndä- Waldes verjüngt sei, daß aber 
Erkenntnis und Begierdelosigkeit haben alt bleiben müssen, 
weil es Keinen mehr gebe, der etwas von ihnen wissen 
wolle. 

Der Verfasser dieser Erzählung will also sagen, daß 
die Bhakti-Lehre zuerst im Süden Indiens aufgetreten ist 
und daß sie von dort nach dem Norden, vornehmlich nach 
der Gegend von Mathurä, gekommen, hier aber zu beson- 
derer Blüte gelangt ist. Er scheint aber nicht gewußt zu 
haben, daß die ursprüngliche Heimat der Bhakti- 
Lehre gerade die Gegend gewesen ist, wo er ihre Verjün- 
gung vor sich gehen läßt. 

Ich kehre . von dieser Legende zu ßämänuja zurück. 
Die hinreißende Begeisterung, mit der er die trostreiche 
Lehre verkündete, daß ein persönlicher Gott, der einstmals 
in Rämas Gestalt auf Erden erschienen sei, im Himmel 
lebe und an allen Sorgen und Mühen der Menschen Anteil 
nehme, gewann allerorts die Herzen der Bedrückten. Auch 
Kämänujas Jünger zogen durch die Länder, in völliger 
Armut nur der Ausbreitung ihres Glaubens lebend, und 
fanden überall Schüler und Anhänger. Es war eine Zeit 
hochgespannter religiöser Erregung, in der Verzückungen, 
Visionen und angebliche Wunder etwas alltägliches waren. 
In vielen Gegenden entstanden klosterartige Niederlas- 
sungen {mathä), in denen die Wanderlehrer vorübergehende 

18* 



— 276 — 

Unterkunft fanden und, wenn sie alt und schwach gewor- 
den waren, ihr Leben beschließen konnten. 

Der christliche Einfluß auf Rämänuja scheint mir nicht 
nur in seiner theologischen Grundauffassung, sondern auch 
in folgenden Punkten wirksam gewesen zu sein. 

Die Sünde galt bis auf seine Zeit als Ungehorsam 
gegen die göttlichen Gebote, wie sie in den heiligen Texten 
verkündet waren, und als etwas, das man wegen der in 
einem künftigen lieben mit Sicherheit zu erwartenden Strafe 
unterlassen sollte. Seit E>ämänuja herrscht die höhere Auf- 
fassung, daß Sünde dasjenige ist, was nicht im Glauben 
getan wird: Sünde ist Sünde deshalb, weil sie mit dem 
Wesen des fleischgewordenen Gottes der Liebe unverein- 
bar ist. ^ 

Grierson^ hält auch die außerordentliche Vereh- 
rung, die in der Bhägavata- Religion dem geistlichen Lehrer 
gezollt wurde, für eine Nachahmung christlicher Gewohn- 
heit. Diese Verehrung kann durch das christliche Vor- 
bild genährt worden sein, ist aber im Grunde echt indisch; 
denn von Alters her hat sich in Indien der Lehrer (guru) 
einer geradezu übertriebenen Hochschätzung erfreut. 

Dagegen stimme ich Grierson bei, wenn er ^ das 
sakramentale Mahl, das in der Rämänuja-Gemeinde wie in 
vielen anderen Bhakti-Sekten * unter dem Namen Mahä- 
prasäda , große Gnade' gefeiert wird und eine ganz hervor- 
ragende Rolle spielt, für eine Nachbildung der christHchen 
Abendmahlsfeier erklärt. Die Richtigkeit dieser Auffassung 
hat allerdings Berriedale Keith^ bestritten , der 

» Grierson, ERE. IL 550»^. 

* Ebendas. und JRAS. 1907, 323, 324. 
» Ebendas. und JRAS. 1907, 326. 

* Eine genaue Beschreibung der Zeremonie, wie sie bei den 
Kabrrpanthis üblich ist, giebt G. H. Westcott, Eabir and the 
Kabir Panth (Cawnpore 1908), 127. « JRAS. 1907, 492, 493, 939. 



— 277 — 

unter Berufung auf F r a z e r s reiche Sammlungen und 
auf die Forschungen von Robertson Smith zur Reli- 
gion der Semiten geltend macht, daß solche sakramentalen 
Festmahle zu den am weitesten verbreiteten religiösen Ge- 
bräuchen gehören, daß sie älter seien als das Christentum 
und daß man sie bei Völkern auf niedriger Kulturstufe 
vorgefunden habe, die noch keinerlei Berührung mit dem 
Christentum gehabt hatten. Das ist ohne Zweifel richtig; 
aber die Art und Weise, wie die Mahäprasäda-Feier be- 
gangen wird, zeigt eine Reihe von üebereinstimmungen mit 
der christlichen Abendmahlsfeier, die nicht auf Zufall be- 
ruhen können. An dem Abend des festgesetzten Tages 
versammelt sich die Gemeinde, und der leitende zelebrie- 
rende Priester (mahant) hält eine Ansprache, worauf den 
Andächtigen eine kurze Zeit zum Beten und Nachdenken 
gelassen wird. Alle, die sich nicht würdig fühlen, an der 
eigentlichen Feier Teil zu nehmen, ziehen sich zurück. Die 
üebrigen nähern sich hinter einander dem eben erwähnten 
Priester und empfangen mit ihrer rechten Hand eine kleine 
geweihte Oblate und zwei andere geweihte Bissen. Darauf 
wenden sie sich zu einem andern Priester, der ihnen einige 
Tropfen Wasser in die Hand gießt. Diese Speise und 
dieses Wasser soll den Genießenden, die würdig sind sie 
zu empfangen, das ewige Leben sichern. Ein Teil der 
sakramentalen Nahrung wird zurückbehalten und sorgfältig 
zur Spendung für Kranke aufbewahrt. 

Grierson hat auch darin Recht, daß er die An- 
regung zur Einführung der Mahäprasäda-Zeremonie auf die 
südindischen Nestorianer und nicht — was andere getan 
haben — auf die Jesuiten an Akbars Hofe zurückführt. 
Gegen die letztere Annahme sprechen folgende Gründe : 
1) die weite Verbreitung der Mahäprasäda-Feier über ganz 
Indien, 2) ihre häufige Erwähnung in der weiter unten zu 



— 278 — 

behandelndeu Bhaktamälä, und 3) die Tatsache, daß bei 
den Kabirpanthls auf die Zeremonie ein großes Liebes- 
mahl folgt, das nicht eine römisch-katholische Einrichtung 
ist, wohl aber in den christlichen Gemeinden der Frühzeit 
üblich war und sich bei den südindischen von der Welt 
abgeschlossen lebenden Christen erhalten hatte. 

Ferner wird christlicher Einfluß in Rämänujas Lehre 
von der Gleichheit aller Kasten zu erkennen sein. Prak- 
tisch hat jedoch Rämänuja diesen humanen Grundsatz nicht 
betätigt ; denn zu seiner Zeit waren alle Lehrer und Leiter 
der neuen Gemeinde ausschließlich Brahmanen, und Leute 
aus niederen Kasten wurden nicht einmal als Schüler in 
den geistlichen Stand zugelassen. Aber gerade der um- 
stand, daß das Prinzip der allgemeinen Brüderlichkeit bei 
Rämänuja Theorie geblieben ist, darf als ein Beweis dafür 
angesehen werden, daß es auf christliche Anregung aufge- 
stellt worden ist. Als Bämänuja die Lehren, bei denen er 
mit dem Herzen beteiligt war, von den Christen annahm, 
hat er auch die von der Gleichheit aller Menschen nicht 
zurückweisen wollen, obwohl sie ihm als dem geborenen 
Brahmanen nicht sympathisch war. Er übernahm sie, 
machte aber keinen Gebrauch von ihr. 

Erst sein Nachfolger Rämänanda machte Ende des 
vierzehnten Jahrhunderts Ernst mit der Gleichberechtigung 
aller Kasten. Wie Rämänuja stand auch Rämänanda unter 
unmittelbarem christlichen Einfluß, und ebenso wie dieser 
geriet auch er in Streitigkeiten mit seinem Lehrer, d. h. mit 
Räghavänanda, dem Vorsteher des von Rämänuja in Serin- 
gapatam gegründeten Klosters. Der Anlaß zu dem Streit 
zeigt, wie sehr noch dieser Lehrer und der ihn umgebende 
Schülerkreis in brahmanischen Kastenvorurteilen befangen 
war. Rämänanda hatte größere Wanderungen gemacht, 
auf denen er nach der Meinung seiner Mitschiüer, der 



— 279 — 

Räghavänanda beitrat, die brahmanischen Speisegesetze 
nicht genau beobachtet haben konnte. Er wurde deshalb 
dazu verurteilt, abseits von den übrigen Schülern für sich 
allein seine Mahlzeiten einzunehmen. Dieser lächerliche 
Streit war für das religiöse Leben Indiens von außerordent- 
lichem Nutzen; denn er hatte eine ungeheure Verbreitung 
der Bhakti-Religion zur Folge, fiämänanda war über den 
ihm angetanen Schimpf aufs höchste erzürnt und entschloß 
sich, nach Nordindien auszuwandern, wo er die Sekte der 
!Rämänandis stiftete. 

Das große Verdienst dieses Mannes um die Förderung 
der Bhakti-Religion, die in dem auf ihn folgenden halben 
Jahrhundert die verbreitetste in Indien wurde, bestand in 
folgenden Neuerungen. Er brach mit der herrschenden 
Sitte, auf Sanskrit zu predigen und zu schreiben, und 
machte durch den Gebrauch der Volkssprache die Lehren 
seiner Religion allen Klassen der Bevölkerung zugänglich. 
Zugleich führte er das Prinzip der Brüderlichkeit aller 
Menschen praktisch durch, indem er die Angehörigen aller, 
auch der niedrigsten Kasten nicht nur als Mitglieder 
seiner Sekte aufnahm, sondern auch zu Lehrern machte. 
In unverkennbarer Anlehnung an die Zustände des 
Urchristentums sammelte Rämänanda zwölf Jünger um 
sich, unter denen sich ein Barbier, ein Lederarbeiter — 
also Männer aus tief verachteten Kasten — und der mu- 
hammedanische Weber Kablr befanden, welcher letzte ne- 
ben muhammedanischen besonders christliche Lehren an- 
nahm und jeden Götzendienst verwarf. Kablr lehrte, daß 
alle religiösen Aeußerlichkeiten wertlos seien und daß es 
allein auf den , inneren Menschen* ankomme. Einige Aus- 
sprüche Jesu gab er beinahe wörtlich wieder, und von dem 
,Wort* sprach er in Ausdrücken, die nur eine Paraphrase 
des Anfangs des Johannes-Evangeliums sind: „Im Anfang 



— 280 — 

war Gott allein, aber von ihm ging das Wort aus. Als 
GU>tt wollte, daß die Schöpfung ins Leben träte, gab er 
Befehl durch sein Wort, und so wurden durch das Wort 
alle Dinge gemacht, die da sind. Obwohl das Wort von 
G-ott ausging, ist es doch nicht verschieden von Gott, son- 
dern bleibt bei ihm, wie das Denken in dem Herzen des 
Menschen bleibt. Gottes Stimme erschallt, damit die Men- 
schen von dem Wort Kenntnis haben ; und so ist das Wort 
in der Welt und zugleich bei Gott." ^ 

Wie die Zwölfzahl der Jünger Rämänandas. ist auch 
offenbar die Zehnzahl der Gebote in der von Madhva ge- 
gründeten Bhägavata-Schule eine Nachahmung des Chris- 
tentums, wenn auch ihr Inhalt nur im großen und ganzen 
mit den christlichen zehn Geboten übereinstimmt: „Du 
sollst nicht lügen. Niemanden verunglimpfen, keine harten 
Worte gebrauchen, nicht müßig schwatzen, nicht stehlen, 
nicht ehebrechen, nicht töten, nicht Böses ausdenken, nicht 
hassen und nicht hochmütig sein."^ 

Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert ist der 
Einfluß der modernen christlichen Mission auf das indische 
Geistesleben schon so stark geworden, daß religiöse Dispu- 
tationen zwischen Hindus, Muhammedanern, Christen und 
Juden etwas ganz alltägliches waren, wie aus dem Dabistän, 
einem persischen im Jahre 1645 geschriebenen Werke, her- 
vorgeht. " Obschon die klar zu Tage liegenden neuzeit- 
lichen Verhältnisse eigentlich nicht mehr in den Rahmen 
meiner Darstellung gehören, so will ich doch aus der ge- 
nannten Zeit noch zwei von christlichen Einflüssen erfüllte 
Werke nennen, die auf das religiöse Leben Indiens eine 



1 G r i e r s o n , ERE. II. 550«, JRAS. 1907, 325 nach den Mit- 
teilungen von W e 8 1 c 1 1. 

^ Hopkins, Religions of India, 506. 
' Ebendas. 510 Anm. 



— 281 — 

sehr bedeutende Wirkung ausgeübt haben und noch aus- 
üben. Ich erwähne diese Werke auch namentlich deshalb, 
weil die Millionen von Hindus, die sie mit Begeisterung 
lesen, nicht wissen, daß aus vielen Stellen dieser Bücher 
christlicher Geist zu ihnen spricht. Es sind die Hindi- 
Bearbeitung des Rämäyana von Tulasidäsa (Tulsidäs) und 
die gleichfalls in dem älteren Hindi-Dialekt verfaßte Bhak- 
tamälä des Näbhädäsa (oder Näräyanadäsa). Beide Autoren 
haben gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts geschrie- 
ben und sind Lehrer der Rämänandl- Sekte gewesen; ihre 
Werke werden aber ebenso hoch auch von den anderen 
Bhägavata- Schulen geschätzt. 

Tulasidäsa (1532 — 1623) hat in mehreren Werken, 
namentlich aber in seinem volkssprachlichen Rämäyana, ^ 
das übrigens nicht eine Uebersetzung des alten Rämäyana 
Välmikis, sondern eine selbständige Darstellung des In- 
halts ist und eigentlich den Titel Räm-carit-mänas „See 
der Taten des Räma" führt, eine strenge Moral und be- 
sonders die Pflichten gegen den Nächsten gepredigt und 
dabei den Ton getroffen, der zu den Herzen der Massen 
spricht. Wenn die Greuel und der Unflat des Schivaismus 
und die sexuellen Ausschweifungen des späteren Krischnais- 
mus im modernen Indien eingedämmt sind, so ist das haupt- 
sächlich dem Einfluß dieses Werkes und überhaupt der 
Lehre des Tulasidäsa zu danken. In den Hütten der 
Bauern und in den Palästen der Räjäs ist das Rämäyana 
des Tulasidäsa zu finden, und auf den Märkten sieht man 
öffentliche Vorleser des Dichtwerks von aufmerksamen Zu- 
hörern aus allen Volksschichten umgeben. 

Die Grundzüge der religiösen Lehre des Tulasidäsa, 



^ Das Buch ist durch eine vortreffliche englische Uebersetzung 
von F. S. G r w 8 e (3 Bände, 5. Aufl. Cawnpore 1891) allgemein zu- 
gänglich gemacht worden. 



— 282 — 

in der christlicher Einfluß unverkennbar ist, lassen sich^ 
in folgende Sätze zusammenfassen. Der Mensch ist von 
Natur durchaus verderbt und unwürdig, von den Folgen 
der Sünde errettet zu werden. Aber das höchste Wesen 
ist in seiner unendlichen Barmherzigkeit zur Erde herab- 
gestiegen und in der Person des Bäma Mensch geworden, 
um die Welt von der Sünde zu erlösen. Zum EQmmel 
zurückgekehrt, weiß Gott aus eigener Erfahrung, wie groß 
die Schwächen und Versuchungen des Menschen sind, und 
übt schrankenloses Erbarmen in steter Bereitschaft, dem 
sündigen Menschen, der ihn anruft, zu helfen. Selbst der 
schlimmste Verbrecher, der ernstlich bereut, wird dadurch 
entsühnt.^ Aus diesen Grundanschauungen sind die Pflich- 
ten gegen den Nächsten und die Lehre von der Brüder- 
lichkeit aller Menschen abgeleitet. 

Die anderen Gottheiten des Hinduismus sind Gott 
(Räma) untergeordnet und werden zu ihm als in einem 
Verhältnis stehend gedacht, das dem der Engel und Hei- 
ligen zu Gott vergleichbar ist, wie es in der römisch-katho- 
lischen Kirche aufgefaßt wird. * Besonders bemerkenswert 
ist dabei die Stellung des Hanumat, der beständig als. Bä- 
mas persönlicher Diener im Himmel erscheint. Im Zu- 
sammenhang damit teilt Grierson eine schöne Legende 
mit, die zwar nicht von Tulasldäsa selbst berichtet worden 
ist, aber auf seinen unmittelbaren Einfluß zurückgeht. 

Ein elender Straßenkehrer, der an einer ekelhaften 
Krankheit litt, lag an einem widerwärtigen kotigen Ort 
und schrie in seiner Qual: „Ah Räm, ah Bäm (o Gott, o 
Gott!)." Hanumat flog gerade zu der Zeit vorbei und im 
Unwillen darüber, daß er den Namen seines Herrn in so 



» Mit Grierson, JRAS. 1903, 456. 457; 1907, 320. 
» Ebendas. 1903, 454, 455. 
» Ebendas. 457, 458. 



— 283 — 

schauderhafter Umgebung rufen hörte, versetzte er dem 
Mann einen Stoß auf die Brust. Als er an demselben 
Abend gewohnheitsgemäß Bämas Körper abrieb, erblickte 
er eine furchtbare Wunde auf der Brust des Gottes. Voll 
Entsetzen fragte Hanumat, was geschehen sei. ^Du hast 
einem armen Mann einen Stoß auf die Brust gegeben, als 
er meinen Namen anrief; und was du dem geringsten meiner 
Kinder antatest, das hast du mir getan. ^ 

Das andere vorher erwähnte Werk, die Bhaktamälä 
des Näbhädäsa mit dem Kommentar des Priyädäsa, nennt 
Grierson die Acta Sanctorum der vier großen Bbägavata- 
Schulen. ^ Nicht nur die Grundlehren dieses Werkes, son- 
dern manche Einzelheiten in ihm verraten christlichen Ein- 
fluß so deutlich wie nur möglich. So die Legenden von 
Gopäla, der, als er einen Streich auf die eine Backe er- 
hielt, dem Schlagenden auch die andere darbot (Bh. 106 
= Matth. 5. 39); von Vilvamaögala, dem sein Auge Aer- 
gernis gab, weil er einer Frau mit Verlangen nachgeblickt 
hatte, und der sich deshalb selbst blendete (Bh. 46 = Matth. 
5. 29); und von dem nicht mit Namen genannten König 
von Fun, der aus demselben Grunde sich seine rechte Hand 
abhieb und sie von sich warf (Bh. 51 = Matth. 5. 30). ^ 



* „It is a storehouse of legends regarding the saints, ancient and 
modern, of the Bhägavata religion. The importance of this book for 
a just comprehension of the religious attitude of modern Hinduism 
cannot be over-rated, and it is a matter for regret that the great 
difficulties of the text have deterred European students from its 
study. In its original form few natives can understand it nowadays, 
but numerous translation« into modern Indian languages have made 
its Contents familiär to every foUower of the cult. For Northern 
India, it and TulasT-däsa's Rämäyana are the two text-books of mo- 
dern Bhägavatism. •* ERE. 11. 546». Der Inhalt des Werkes ist aus- 
führlich dargestellt von Grierson in seinen Aufsätzen „Gleanings 
from the Bhaktamälä^ JRAS. 1909, 607 f.; 1910, 87 f., 269 f. 

2 G r i e r s n , JRAS. 1907, 322, 496 ; ERE. H. 548 *>. 



— 284 — 

In Bh. 204 werden Beispiele für die Güte gegeben, die 
der menschgewordene Gott seinen Dienern erwiesen hat. 
Eines von diesen ist, daß Krischna seinen Dienern die 
Füße wnsch. Schon im Mahäbhärata II. 1295 wird erzählt, 
wie Krischna sich herabließ, Brahmanen die Füße zu wa- 
schen; aber in der Bhaktamälä sind an die Stellen der 
Brahmanen „santas, d. h. von Bhakti erfüllte," getreten. 
Die ursprüngliche indische Legende scheint also durch 
diese Abänderung in Einklang mit der neutestamentlichen 
Erzählung (Joh. 13. 5) gebracht worden zu sein. ^ 

Daß die hier behandelten christlichen Einflüsse auf 
die verschiedenen Bhägavata-Schulen, soweit die Zeit \ot 
dem sechzehnten Jahrhundert in Betracht kommt, von den 
Thomas- Christen Südindiens ausgegangen sind, darf als ge- 
sichert gelten. Seit dem sechzehnten Jahrhundert können 
die nordindischen Bhakti-Sekten neue Nahrung durch die 
christliche Mission empfangen haben. Aber fast alle nam- 
haften Bhakti-Lehrer von Rämänuja bis Näbhädäsa — 
also vom zwölften bis zum Ende des sechzehnten Jahrhun- 
derts — sind Südinder gewesen und müssen deshalb ihre 
christlichen Anregungen von den südindischen Thomas- 
Christen erhalten haben, die ein mannigfach entstelltes 
Christentum besaßen. 

Damit erledigt sich die Annahme J. K e n n e d y's und 
anderer, daß die christlichen Einflüsse auf die Wiederbe- 
lebung und Reform der Bhakti- Religion durch Vermittlung 
des persischen Süfismus gewirkt haben. Süfistischer Einfluß 
kann nur für die nordindischen Bhakti-Sekten, die sich in 
muhammedanischer Umgebung gebildet haben, und für die 
spätere Zeit in Betracht kommen. In dieser Beschränkung 



* Kasiprasad Jayasw&l bei G r i e r s o n, JRAS. 1907, 322 Anm. 5. 



— 285 — 

muß er allerdings anerkannt werden. ^ Der frühere Mu- 
hammedaner Kablr (Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts) 
hat christliche mit süfistischen Lehren vermengt, und die 
moderne (gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts ge- 
gründete) Bhakti- Sekte der Rädhäsvämls (oder Hädhäval- 
labhls) beruft sich auf Kablr, die Süfis und das Evangelium 
Johannis. ^ 

Wenn auch mehrere Bhakti-Lehrer mit Prinzipien des 
Brahmanismus gebrochen haben, die diesem von Alters her 
als Grundpfeiler der religiösen Ordnung galten, so haben 
sie doch den Zusammenhang mit dem Brahmanismus nicht 
gelöst. Auch die Reformer der Neuzeit haben trotz der 
engeren Beziehungen, in die sie zum Christentum getreten 
sind, an bestimmten Elementen des Brahmanismus festge- 
halten oder an sie angeknüpft. 

Hauptsächlich sind hier Kam Mohan Roy (1772 — 
1833), der Begründer des Brahma Samäj, und seine Nachfol- 
ger in der Leitung dieser philanthropischen Sekte zu nennen. 
Der Brahma Samäj erstrebt bekanntlich höheres Menschen- 
glück durch Annäherung der großen Religionen unter Ab- 
lehnung aller besonderen Kultusformen. Räm Mohan Roy 
ging von dem Pantheismus der Upanischaden aus, gelangte 
aber später zu dem Glauben an einen persönlichen Gott 
und bekannte sich, obschon er nie die Zugehörigkeit zur 
Brahmanenkaste aufgab, im Laufe seiner geistigen Entwick- 
lung immer mehr zu den Lehren des Christentums, die er 
für die besten unter allen religiösen Lehren erklärte. Er 
glaubte schließlich an das jüngste Gericht, an die Begrün- 
dung der wahren Religion durch Christus und an die ihm 

> G r i e r s o n , ebendas. 501—503, ERE. II. 550^. 
* J. Kennedy, JRA.S. 1907, 487, leider, wie so häufig, ohne 
Beleg. 



— 286 — 

zugeschriebenen Wunder; aber das Dogma von der Trini- 
tät lehnte er ab. ^ 

Von den Nachfolgern Bäm Mohan Roys sei nur Ke- 
shabChunderSen erwähnt, der mit allen Vorurteilen des 
Hindutums brach und die heilige Schnur, das Abzeichen 
seiner Kaste, ablegte. Als er mit den von ihm angestrebten 
weitgehenden Reformen in dem Brahma Samäj nicht durch- 
drang, gründete er 1866 eine neue Kirche mit dem Namen 
Brahma Samäj of India, der die ekstatische Form der 
Bhakti ihr religiöses Gepräge gab. Mit der ihm eigenen 
Leidenschaftlichkeit verkündete K. Ch. Sen im Jahre 1880 
seinen Glauben an die Wahrheit des Christentums mit den 
Worten: „It is Christ who rules British India, and not the 
British Government. England has sent out a tremendous 
moral force in the life and character of that mighty prophet 
to conquer and hold this vast empire. None but Jesus, 
none but Jesus, none but Jesus, ever deserved this bright, 
this precious diadem, India, and Jesus shall have it . . . 
Christ is a true Yogi."* Aber Christus war für K. Ch. 
Sen trotz dieses Hymnus doch nur eine dem brahmanischen 
Ideal entsprechende Asketengestalt, und in späterer Zeit 
stellte K. Ch. Sen wieder eine Kombination von Hinduis- 
mus, Islam und Christentum als wahre Religion hin. Je- 
denfalls aber bildete bei diesen fortschrittlichen Reformern 
das Christentum einen starken Einschlag der religiösen 
Ueberzeugung. Es hat überhaupt auf den Brahma Samäj 
in seinen verschiedenen Entwicklungsstufen den förderlich- 
sten Einfluß ausgeübt, nicht nur in dogmatischer, sondern 
auch in moralischer und sozialer Hinsicht. In den sonn- 
täglichen Andachten werden jetzt Abschnitte aus der Bibel 



^ Monier Williams, Brahmanism and Hinduism* 488; Hop- 
kins, Religions of India, 516. 

* Monier Williams, a. a. 0. 516 ; Hopkins, a. a. 0. 521. 



— 287 — 

neben solchen aus dem Yeda, dem Avesta und dem Koran 
verlesen. 

J. N. Farquhar^ giebt die Anzahl der Gemeinden 
des Brahma Samäj im Todesjahr K. Ch. Sens (1884) auf 
173 an mit ungefähr 1500 „covenanted members^ und gegen 
8000 „adherents" ; der Zensus von 1901 führt 4050 Mitglieder 
(gegen 3051 im Jahre 1891) auf. Diese statistischen An- 
gaben zeigen, daß es sich immer nur um sehr kleine Ge- 
meinden gehandelt hat und daß die ganze Bewegung, wie 
nicht anders zu erwarten war, auf die geistig am höchsten 
stehenden Volksschichten beschränkt geblieben ist. 

Sieht man von dieser bewußt eklektischen Bewegung 
ab, so ist es nicht leicht, die Stärke und Verbreitung der 
in das heutige Hindutum durch verschiedene Kanäle einge- 
strömten christlichen Ideen richtig abzuschätzen. Grier- 
son, der kompetenteste Beurteiler dieser Imponderabilien 
und der beste Kenner der in Europa wenig gekannten 
modernen (volkssprachlichen) religiösen Literatur Nord- 
indiens, hat folgende bemerkenswerte Erklärung abgegeben : 
„I approached that terrain with a mind absolutely free 
from preconceived ideas, and with altogether different ob- 
jects. At first I was Struck by what I thought were coin- 
cidences, but as I went on and grew more and more fami- 
liär with the country, the Christian element in the atmo- 
sphere was more and more impressed upon me. There 
was plenty of nitrogen and carbonic acid, not to speak of 
argon, but the oxygen was identical with the teaching of 
our Gospels. This is a case of impression, which it is im- 
possible to justify by formal proof ; but there it is, and I 
oflfer it for what it is worth." * Mit diesen Worten muß 
man zusammenhalten, was Grierson an einer anderen 

1 In dem ausführlichen Artikel Brahma Samaj, ERE. II. 821». 

2 JRAS. 1907, 500, 501. 



— 288 — 

Stelle^ mit besonderem Nachdruck ausgesprochen hat : „At 
the present time it cannot be too emphatically sta- 
ted that modern Hinduism is at its base a reli- 
gio n of Monotheism. (Anmerkung dazu:) The gross 
cloud of combined polytheism and fetishism which Covers 
and hides this monotheism, is kept, even by the un- 
learned Hindus, upon a dififerent plane of thought. The 
monotheism has to do with the future life and with what 
we should call ,salvation'. The polytheism and fetishism 
serve only for the daily needs of the material world. In 
a country where, as in India, the majority of the people 
are poor and ignorant, the material overshadows the spiri- 
tual; but even the poorest recognizes (even if he think them 
too high for him) the truth of the doctrines conceming the 
One Supreme Being, which have descended to him from 
the Bhägavatas.^ 

Es wird mir nicht leicht, einem Gelehrten von Grier- 
s o n s Bedeutung, der ein Menschenalter unter und mit 
den Hindus gelebt und in dieser langen Zeit einen großen 
Teil seiner besten Kraft der Erforschung ihrer religiösen 
Zustände gewidmet hat, zu widersprechen. Aber es han- 
delt sich hier um ein Urteil von ganz subjektiver Art. Ich 
glaube deshalb, wenn sich auch mein Aufenthalt in Indien 
nur über anderthalb Jahre erstreckt hat, mit meiner üeber- 
zeugung nicht zurückhalten zu sollen, daß Grierson in 
seinem sympathischen Enthusiasmus den Umfang der mono- 
theistischen Tendenzen und der christlichen Elemente im 
heutigen Hinduismus überschätzt. Ich habe durchaus den 
Eindruck gehabt, daß Polytheismus und Fetischismus we- 
sentliche Charakterzüge des Hinduismus bilden und nicht 
bloß wie eine das wahre Wesen verhüllende Nebelschicht 
über ihm lagern. 

» lA. XXXVII (1908), 262. 



— 289 — 

In der Einleitung zu dem überaus wertvollen und von 
mir vielfach zitierten Artikel Bhakti-märga' sagt Grier- 
s o n , daß die Lehre von der Bhakti die Grundlage des 
modernen vischnuitischen Hinduismus bildet und daß sich 
zu ihr mindestens 150 Millionen der Bewohner Indiens be- 
kennen. Nun beläuft sich die Zahl der Hindus nach dem 
Zensus von 1911 auf 220 Millionen, und darin ist — ab- 
gesehen von über 10 Millionen Animisten — die Landbevöl- 
kerung eingerechnet, die doch die Mehrheit in Indien bildet 
und deren Religion in Wahrheit in der Verehrung einer 
unübersehbaren Menge von Stammes- und Lokalgöttern 
besteht. Bringt man ferner die große Masse der Schiva- 
iten in Abzug, so ergiebt sich, daß Grierson die Zahl 
der Vischnuiten (Hämaiten und Krischnaiten) viel zu hoch 
berechnet hat. 

In der Reihe der aus der indischen Literatur 
nachweisbaren christlichen Elemente, die ich in diesem 
letzten Kapitel zusammengestellt habe, wird kaum etwas 
erhebliches fehlen. Wenn man diese Parallelen je für sich 
betrachtet, so könnten vielleicht die meisten als bloße ana- 
logische Erscheinungen angesehen werden; aber in ihrer 
Gesamtheit lassen sie keinen Zweifel darüber, daß es sich um 
Entlehnung christlicher Anschauungen und Bräuche handelt. 

Man muß zugeben, daß diese christlichen Zutaten an 
Zahl von dem siebenten Jahrhundert an ziemlich beträcht- 
lich sind und eine wertvolle Bereicherung des indischen 
Religionsgutes darstellen; aber es läßt sich nicht behaupten, 
daß sie in ihrer Umgebung einen überragenden Platz ein- 
nehmen. In der gesamten religiösen Atmosphäre 
des heutigen Hinduismus spielen die christlichen Elemente 
naturgemäß eine weniger bedeutende Rolle als in der den 
gebildeteren Volksschichten gehörenden Literatur. 
' ERE. IL 539». 



Garbe, Indien und das Christentum. 19 



290 — 



Nachträge. 



Zu S. 14 Anm. Zu nennen wäre noch der Aufsatz von R. Steck« 
Der Einfluß des Buddhismus auf das Christentum, Schweizerische 
ftundschau 1893, I (Juni) 688 f. Steck bietet zwar nichts neues, 
formuliert aber das Problem klar und hält buddhistischen Einfluß 
auf das Neue Testament an einigen Stellen für glaubhaft. 

Za S. 21, Z. 7f. ü. V. Wilamowitz, Deutsche Lit. Ztg. 
1910, 285 sagt: «Wer die Originalität jener Briefe [d.h. der echten 
paulinischen] und die geschlossene Eigenart der Person, die hinter 
ihnen erscheint, verkennen kann, mit dem ist nicht zu reden.*' Aehn- 
lich P. Wendland, Die hellenistisch-römische Kultur in ihren Be- 
ziehungen zu Judentum und Christentum'"*' 212. 

Za S. 24 Anm. 2. Max Müllers Ausführungen in den Last 
Essays I zeigen, daß er am Ende seines Lebens im Begriff war, sei- 
nen ablehnenden Standpunkt gegen die Annahme buddhistischer 
Einflüsse auf das Neue Testament aufzugeben. Bei dem Meerwandeln 
Petri und dem Brotwunder Christi findet er eine üebereinstimmung 
mit den buddhistischen Parallel-Erzählungen, ,that can be accounted 
for by some historical contact and transference only"; in diesen 
Fällen ,we could hardly deny that communication and exchange 

must have been we can hardly fall back on mere chance" 

(p. 285, 286). Die buddhistischen Parallelen hält er für älter, wie 
er auch im Falle des salomonischen Urteils die buddhistische Version 
für ,more clever, more true psychologically than the judgment of 
Solomon" erklärt (p. 280). 

Dabei wiederholt M. Müller p. 279, was er im Jahre 1882 in 
,lndia what can it teach us?* gesagt hatte: ,1 shall feel extremely 
grateful if anybody would point out to me the historical Channel 
through which Buddhism influenced Christianity. I have been look- 
ing for such a Channel all my life, but bitherto I have found none." 
Wenn M. Müller hier bekennt, daß er einen Weg für die Entleh- 
nungsmöglichkeit nicht habe entdecken können, so will das nicht 



— 291 — 

recht zu den Worten stimmen: j|We seem perfectly within our rigbt 
when we look upon the numerous coincideuces between tbe fables 
of AesopuB and the fables occurring in Sanskrit and Päli literature 
as proving the fact that there was a real literarjr exchange between 
India, Persia, Asia Minor, and Greece, beginning with the sixth Cen- 
tury B. C* (p. 269, 270, s. auch 275 oben), namentlich aber nicht 
zu dem Satz: „In the second Century 6. G. Buddhist missionaries 
were, as Darmesteter has shown, hard at work in western Persia'^ 
(p. 262). Denn eine energische buddhistische Missionstätigkeit im 
westlichen Persien aus dem zweiten vorchristli- 
chen Jahrhundert würde mit Leichtigkeit ihren Weg durch 
Syrien zu den Ursprüngen des Christentums gefunden haben. 

Wie steht es nun aber in Wirklichkeit mit Darmesteters 
angeblicher Feststellung? Da mir M. Müllers Behauptung ganz 
unwahrscheinlich vorkam, habe ich die in Betracht kommenden Stel- 
len bei James Darmesteter, Le Zend-Avesta, Traduction nou- 
velle avec commentaire historique et philologique II. 509 Anm. 30, 
III. p. XLVII, XLVIII, nachgeschlagen. An der ersten sagt Darme- 
steter über die Avesta-Stelle Yast 13. 16 (»Der, über den unter- 
liegenden Gaotema siegreich, aus der Disputation weggehf, Bar- 
tholomaes Uebersetzung im Altiranischen Wörterbuch 481) : „Gao- 
tema a tout Tair d'etre un nom propre et Hang y a reconnu le 

Buddha Gotama (Essays ' 208). J'y verrais une allusion aux 

pol^miques victorieuses contre le Buddhisme. Le passage serait donc 
posterieur ä l'arrivee du Buddhisme dans l'I r a n o r i e n t al.* Und 
an der zweiten Stelle heißt es bei Darmesteter: „Le Buddhisme 
a commence ä sortir de Finde d^s le regne d'A9oka, qui envoie des 
missionaires dans Tempire des Seleucides; mais ce n'est que sous 
les princes grecs de la Bactriane qu'il se repand dans Tlran orien- 
tal. Fonde vers Tan 250, Tempire greco-bactrian franchit THindou- 
Eouch vers Tan 200, conquiert Caboul et le Panjäb et se transforme 

en empire indo-grec De ces faits, resulte la conclusion que 

le Buddhisme a pu penetrer Tlran oriental des le II» si^cle 
avant notre ^re, c'est-ä-dire des que les Gröco-Bactriens, en descen- 
dant dans les regions indiennes, eurent ouvert une voie de civilisa- 
tion de Tlndus ä TOxus. En fait, au I'«' siecle avant notre ere, il 
etait etabli en Bactriane." ^ 

An beiden Stellen spricht also Darmesteter nur von s t- 
iran, nicht von West persien, und von einer buddhistischen Mission 



* Chinesische Berichte erzählen von einer kräftigen buddhisti- 
schen Propaganda in Baktrien und Parthien in den ersten christlichen 
Jahrhunderten. Edmunds, Buddhist and Christian Gospels* I. 138. 

' 19* 



— 292 — 

,hard at work* sagt er überhaupt nichts, konnte auch nichts sagen 
wegen des Mangels geschichtlicher Zeugnisse. Max Müller ist 
mithin von seinem Gedächtnis im Stich gelassen worden. Nur mit 
Widerstreben habe ich diesen Lapsus eines Verstorbenen, der sieh 
so große Verdienste erworben hat, aufgedeckt, hielt dies aber doch 
wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes für geboten. 

Bartholomae a. a. 0. sagt mit vollem Recht über die oben 
genannte Avesta-Stelle: »Daß es sich dabei um die Disputation mit 
einem Buddhisten handle, ist unerweislich und mir unwahrscheinlich.'' 
Wenn Darmesteter in Gaotema einen iranischen Sammelnamen 
für die Buddhisten erblickt und aus diesem Grunde den IS^^n Yast 
in nachbuddhistische Zeit (in das zweite Jahrhundert vor Chr.) ver- 
legt (III p. XL VIII unten), so steht diese Datierung auf sehr schwa- 
chen Füßen. Ich wage zu behaupten, daß niemals irgendwo Gotama 
oder Gautama „Buddhist** bedeutet hat. Dieser Beiname Buddhas 
ist nicht auf seine Anhänger übertragen worden. Das Avesta enthält 
also keine Anspielung auf den Buddhismus. Gotama-Gaotema ist 
ein uralter Name aus der indo-iranischen Vorzeit; und deshalb ist 
auch die Annahme von DarabDasturPeshotan Sanjana^ 
abzuweisen, der in unserer Yast-Stelle eine Beziehung zu Indien in 
anderem Sinne findet, indem er den Näidhyaonh Gaotema mit dem 
vedischen Nodhas, Sohn des Gotama, identifiziert, der in der Disputa- 
tion mit Anhängern Zoroasters unterlegen sei. 

Zu S. 60, Z. 11. Die echt buddhistische Rundzahl 500 hat schon 
einen alten koptischen Erklärer des Neuen Testaments, möglicher- 
weise schon im vierten Jahrhundert, dazu bestimmt, den Vers I. Cor. 
15. 6 zu indianisieren. Die dort erwähnten mehr als 500 Brüder, 
denen der auferstandene Christus erschienen sein soll, werden näm- 
lich von diesem Ausleger für Brahmanen erklärt! S. Oskar 
vonLemm, Der Alexanderroman bei den Kopten (St. Petersburg 
1903) 119, 120: „Es ist in neuerer Zeit mehrfach der Versuch ge- 
macht worden, die Buddhalegende mit den evangelischen Berichten 
in Beziehung zu bringen ; ein ähnlicher Versuch liegt uns nun bereits 
aus weit älterer Zeit vor — wenn der Verfasser wirklich Schenüte 

ist — also schon aus dem vierten Jahrhundert Da in diesem 

Texte von den Brahmanen das gesagt wird, was sonst von den Bud- 
dhisten berichtet wird, so scheinen hier die einen mit den andern 
verwechselt worden zu sein.* 

Zu S. 108, Z. 23 f. Einfluß der buddhistischen auf die christliche 
Kunst aus viel späterer Zeit hat M. Dreger durch den Nachweis fest- 
gestellt, daß das Elefantenmuster auf einem Stoff aus dem Reliquien- 



1 JRAS. 1898, 391 f. 



— 293 — 

Schreine Karls des Großen ein aus dem buddhistischen Osten stam- 
mendes Motiv ist österreichische Rundschau 1906, 175 f. Vgl. 
Byzantinische Zeitschrift 16, 391. 

Za S. 109, Z. 11 f. Einflasse bildlicher Darstellung auf die Legen- 
denbildung haben auch bei einer sehr interessanten Parallele gewirkt, 
auf die mein Kollege Karl Müller mich freundlichst aufmerksam 
gemacht hat. Es handelt sich um das auf der Marc Aurel-Säule 
dargestellte Regenwunder, durch das im Markomannenkriege im Som- 
mer 174 das umzingelte und dem Verschmachten nahe römische Heer 
gerettet und zum Siege geführt wurde. Aus der von unten nicht 
deutlich sichtbaren Darstellung dieses Wunders haben sich zwei ver- 
schiedene Legenden über denselben Vorgang, eine heidnische und 
eine christb'che, gebildet. Auf dem Relief schwebt Hermes Aerios, 
den der Magier Arauphis nach der heidnischen Legende beschworen 
hat, mit ausgebreiteten Armen in der Luft und läßt die Regenfluten 
herabströmen, die das römische Heer erquicken und den Germanen 
Schaden bringen. Das haben die Christen auf ihren Gott gedeutet, 
die außerdem in einer langen Reihe von germanischen Kriegern, 
welche mit gebeugten Knien, die Schilde vorhaltend, den Römern das 
Ueberschreiten eines Flusses verwehren wollten, irrtümlich knieende 
und betende christliche Soldaten im römischen Heer gesehen haben. 
Aber auch die römische Legende bei Dio Cassius fußt auf einer 
merkwürdigen falschen Auslegung des Bildes. Nach ihr haben die 
fast verdursteten römischen Soldaten mit Schilden und Helmen den 
Regen aufgefangen, während die Photographie des Reliefs zeigt, daß 
die Schilde mit der Rundung nach oben, also zum Schutz gegen den 
Regen, gehalten sind und nur dessen Gewalt veranschaulichen sollen. 
S. Weizsäcker, Kanzlerrede vom 6. November 1894 (Einleitung 
zu der Akademischen Preisverteilung, Tübingen, besonders S. 10 — 12); 
außerdem Petersen, Mitteilungen des archäol. Instituts, röm. Ab- 
teilung, 9 (1894), 78 f., Rheinisches Museum 50 (1895), 453 f.; Do- 
maszewski, Rhein. Mus. 49, 612f.; Harnack, SBA. 1894, 835 f.; 
Mommsen, Hermes 30 (1895), 90 f. (besonders 103—106). 

Zu S. 117, Anm. 1. Meine ZurÜckführung von Tiara (bei Hero- 
dot Tiäpa, Ttdpyjg, Tiigpr^c) auf altpersisch *civara (aus den gleichlau- 
tenden Sanskrit- und Päliformen erschlossen) bedarf einer näheren 
Begründung. In semasiologischer Hinsicht besteht keine Schwierig- 
keit; denn ein Wort, das ursprünglich ^Zeug" bedeutete, konnte auch 
zur Bezeichnung der aus Zeug hergestellten, turbanartigen oder 
kegelförmigen Kopfbedeckung gebraucht werden. Auch die lautlichen 
Verhältnisse stimmen zu der Herleitung von Ttdpa aus civara. Bei 
Urverwandtschaft ist die Entsprechung von indo-iran. c und griech. 
T bekannt (z. B. in ca = ts) ; aber auch bei Lehnwörtern ist sie mehr- 



— 294 — 

fach belegt : altpers. Caispi(s) = TlaoTitg, TstaitYjs ( J u s t i , Iranisches 
Namenbuch, 152); besonders vor i: altpers. *CiO-rafarnä = Tta(o)acpsp- 
vYjc, Cid-ramtaxma = TpiTavTaCxiii^c, *Ci8'rawahista = TtO-pauoxTjg (eben- 
das. 164). Louis H. Gray schreibt mir freundlichst dazu vom 
19. Febr. 1914: ,Here too belongs, I suggest, a gloss cited by La- 
gard e , Gesammelte Abhandlungen 224 : xo IvSixöv, 5 xaXouai Ilipaai 
nimpi' Sv zobztp ^k iozi zo azpoffbXow, S xaXoOot iiüpxCÖavov. Lagarde, 
doubtless rightly, makes Savov represent Pers. dänahj ,kerner. I sug- 
gest that {lupTt may reproduce Sanskrit *mar|c2/o, an adjectival for- 
mation to Skt. maricat Pers. maric; so that p.i)pxt8avov would äqual 
Skt. *marlcyadhäna,* Ebenso wird der tönende Palatal j im Grie- 
chischen durch ö wiedergegeben. Justi, Iran. Namenbuch, 109, s. 
V. J&mäspa am Schluß: , Femin. AajiaoTita, Gattin des Artaxerxes L 
Mutter des Xerxes, f 425, Ktes. Pers. 44 (griech. d für pers. j» ^i^ 
t für c).* Auch Kosmas Indikopleustes hat yaödicv aus skt. yojana 
:gemacht (Garbe, WZKM. XIII, 304 Anm.). „The reverse change 
-occurs in Skt. ßtuma from Greek öiSuiiog", schreibt Gray in dem 
^ben zitierten Briefe. — Aus der Akzentverschiedenheit (skt. clvarä, 
-xidpa) wird man kein ernstliches Bedenken gegen meine Zusammen- 
fitellung ableiten können. Die Zurückziehung des Akzents auf die 
Paenultima bewirkte die Längung des ä, und die Kürzung des ur- 
sprünglich langen T erfolgte nach dem Gesetz: vocalis ante vocalem 
corripitur. 

Zu S. 131, Z. 8. Gundaphorus, später zu Gaspard, Gaspar, Caspar 
entstellt, ist Name eines der heiligen drei Könige geworden. Vgl. 
Justi, ZDMG. 49, 688 f.; Hugo Kehrer, Die heiligen 3 Könige 
in Literatur und Kunst (Leipzig 1908 — 9) I. 66, 69. 



Druckfehler. 

S. 7, Z. 12 1. Reimarus statt R a i m ar u s. 

S. 176, Anm. 1 1. Oldenberg, Buddha® u. s. w. 



— 295 — 



Kegister 

(ohne die Namen neuzeitlicher Autoren). 
Kleine Zahlen verweisen auf die Anmerkungen. 



Abendmahlsfeier, in den Lamais- 
mus übernommen, 187, 188 ; Nach- 
ahmung in den Bhägavata-Sek- 
ten 276 f. 

Abhaya, Geschichte vom Prinzen 
— , 25,5. 

Abhiniskramana-sütra 45, 2. 

Acchariyabbhuta-dhammasutta 31. 

Acta disputationis Archelai et Ma- 
netis 79, 80. 

Adam, uestorianischer Missionar, 

_ 180. 

Adibuddha 181—183. 

Adule 129. 

Affenlehre 269. 

Agni 266. 

aisvarika, theistische Form des 
Buddhismus, 182. 

Ajantä, Felsentempel von — , 125. 

Akrüra 235, i. 

Alexandria 22', 115, 128 f., 195, 
257 f. 

Alopen 181. 

Ambattha 112, 113. 

Amitäbha 160. 

Änanda 35, 40, 54, i. 

ÄnandatTrtha 270. 

d'Andrada 184. 

Anguttara-nikäya 112, i. 



Antiochia 22. 

Anvertraute Pfunde im Gleichnis 

42, 43. 
Apokryphen, neutestamentliche 

70 f., 263. 
ApoUonius von Tyrus 99,2. 
Arahaguta, Arhadgupta 45, i. 
Archelaus, angeblicher Bischof von 

Easkar, s. Acta disputationis etc. 
Arjuna 229 f. 
Aryäsanga 180. 
Äryasüra 83, 84, 96,2. 
Asanga 182. 
Asita 48 f. 

Asvaghosa 34, 48, 161 f. 
Avalokitesvara 78. 
Avatära 212 f., 264 f., 270. 
Avesta 52, 287. 

Babylonische Einflüsse im Neuen 

Testament 4, 5, 41. 
Baladeva, Balaräma 221. 
Balchasch-See 196 f. 
Balibandha 223. 
Bardesanes 84, 143, 199. 
Barlaam und Joasaph 80, 81, 178, i. 
Bartholomaeus-Legende 142. 
ßasilides 72. 
Beichte 118, 122. 



— 296 — 



bhadda[ka] kappa (Päli) 176, 177. 

bhadra kalpa 177. 

BhagavadjfTtä 78, 210, i, 217, 227 
—254. 

Bhagavat 216, 267 f. 

Bhägavata 216, 217, 228, 232 f., 
267 f. 

Bb&gavata-mäb&tmya 274. 

Bbägavata-purftna 220, 227, i, 256, 2, 
274. 

Bbaktamälä 278, 281, 283 f. 

bbakti s. u. Gottesliebe. 

bbä-mandala 127. 

Bharhut, Stüpa von — , 85, 91, 165. 

bbatti (Päli = skt. bbakti) 251, i. 

Bbavabhüti 208. 

Bhavisya-pur&na 256. 

Bbavisyottara-puräna 256. 

Bildliche Darstellungen, ihr Ein- 
fluß auf die Legendenbildung, 
108 f., 293. 

Blindgeborene, der (Job. 9. 1 — 3) 
35 f. 

Bodbisattva 32, 62, 73, 75, 78, 81 
u. s. w. 

Boro Budur 96, 108. 

Brabmaismus 232 f., 248, i. 

Brabman masc. 265, 266; neutr. 
230 f., 253,1, 271. 

Bräbmana-Literatur 266. 

Brahma Samäj 285—287. 

Brigitta, heilige 116. 

Brotwunder 59 f., 290. 

Buddha-Bilder in der Gandhära- 
Kunst 165 f. 

Buddhacarita 48, 162,3. 

Buddhagayä 165. 

Buddhaghosa 112 f. 

Buddhavamsa 176. 

Buddhismus, seine innere Ver- 
wandtschaft mit dem Christen- 
tum und seine Einflüsse 9 f. 



Caitya, buddhistische Grottentem- 
pel, 125. 

Cakkavatti-suttanta 176. 

Calamina, EaXapiCviQ 131 f., 141. 

(Jaoshyant (iran.) 174. 

Caracalla 129. 

Cariyäpitaka 77. 

Cb&ndogya Upanisad 210, i, 216, 
217. 

Christophorus, St. 101 f., 263, 264. 

Chubilai Chan 189. 

Circumcellionen 120. 

cTvara als Grundform von Tidpa 
117.1, 293, 294. 

Conti, Nicolo 147,2. 

Dabistän 280. 
Damascius 130. 
Dandin 116, 4. 

Dasa-kumära-carita 96, i, 116,4. 
DevakT 215 f., 221, 260. 
devamätar 261. 
dhärani 181. 
Dbyäni-bodhisattva 183. 
Dhyäni-buddha 175,' 182, 183. 
Digha-nikäya 40, 3. 58, i. 74, 174, i, 

176. 
Dilipa 58. 

Dio Chrysostomus 129. 
Dionysos, indischer, 212. 
Divyävadäna 34, 114. 
Dona, Brahmane, 173. 
Duhsalä, Sohn der — , 262 f. 
Dvärakä 214. 

Edessa 130 f., 140, 144. 
Einhorn, sein Fang im Phj'siolo- 

gus, 63, 64. 
Ekasrnga 63. 
Elefant, sein Fang im Physiologus, 

64 f. 
Elefantenmuster , buddhistisches 

— aus dem Reliquienschreine 

Karls des Großen, 292, 293. 



— 297 — 



Euhemerismus 213. 

Eustachius (Eustathius), St. 86 f. 

Fischsymbol, christliches, 67 f. 
Fravashi (iran.) 175. 

Gad 131, 142,3. 

Gandhära-Kunfit 127, 137 f., 164 f., 
169 f. 

Gändhärl 203, 204. 

Gaotema (iran.) nicht Buddhist 292. 

Gazus, Berg, 141. 

Geburt, übernatürliche — Christi 
und Buddhas, 31, 32. 

Ghora 216. 

Gitagovinda 227.1. 

Glocken im christlichen und bud- 
dhistischen Kultus 118, 126. 

YXßooa nöp (Ep. Jacob. 3. 6) 60, 2. 

Gnade, göttliche, 237, 253. 

Gnostiker, Gnostizismus 71, 72, 79; 
246. 

gokula 260. 

Gondophares 131 f. ; vgl. Gunda- 
phorus. 

Gopäla 283. 

Gottesliebe 216,2, 227 f., 242 f., 
268 f. Ihr Alter in Indien 250 
—252. 

Guduphara 134. 

Gujars 224 f. 

Gundaphorus 131 f. ; durch Namens- 
entstellung einer der heiligen 
drei Könige 294. 

Hanumat 282 f. 
Haribhadra 28, i. 
hftridrava (xapaöptög) 66. 67. 
Harivamäa 220, 223, 227, 261,2. 
Hebräer-Evangelium 43, 71. 
Heiligenschein 127. 
Hellenistische Einflüsse im Neuen 
Testament 5. 



Herakles, indischer, 212. 
i Himmlische Heerscharen , Preis 
\ der -, 48 f. 

Hmayäna 24, 73, 159 f., 162, 176. 
' Hippokieides 24 f. 

Höllenfahrt Christi 41, 77. 

Horatio della Penna 185. 

Hubertus, St. 87. 

iddhividhä (Pftli) 58, i. 

Indra 265. 

Inkarnationen s. u. Avatära. 

Issyk-kul 195. 

Isvara 183. 

Jacobus, Protevangelium des — , 
71, 75. 

Jaimini-bhärata 261,2, 262. 

Jälandhara, Konzil zu — , 162. 

Jakob von Sarug 142, 3. 

JanmästamT 255. 

japamftlä, japämälä 123. 

JÄtaka 25, 27, 33, 46, 56 f., 59 f., 
63, 77, 81 f., 90 u. s. w. ; vgl. Ma- 
hä-Sutasoma — , Nigrodhamiga 
— , Vessantara — , Viävantara — . 

Jätakamälä 83, 84, 96, 2, 105, i. 

Jayanti 255. 

Jesuiten 157, 185, 277. 

Jina-Bilder 166, i. 

Jinismus 254. 

Joasaph 80, 81. 

Johannes Chrysostomus 154. 

Josaphat 80, 81. 

Kabir 279, 285. 
KabirpanthTs 276,4, 278. 
Kakusandha 176. 
KaXaiiivyj s. u. Calamina. 
Kälidäsa 208. 
Kalmäsapäda 106. 
Kalyäna (KaXXidva), Kalyäni 151 f. 
155,273,3. 



— 298 — 



Kamel und Nadelöhr im Gleichnis 

44. 
Kamsa 221 f., 256, 263. 
Kamsavadha 228. 
Eandjur 26. 

Kaniska 127. 162, 163, 166, i. 
Kärandavyüha 77, 78. 
Kärli, Felsentempel von — , 124, 5, 

125. 
Kassapa 176. 
Kathämanjari 28, i. 
Katha Upanisad 253, i. 
Katzenlehre 269. 
Kaurava 209 f., 217, 229. 
Keshab Chunder Sen 286 f. 
Khandha, fttnf, 72, 113. 
King Tsing (cbines.) 180. 
Kirchenbau 124, 125. 
Kirchturmbau 118, 124. 
Kiemen tinische Rekognitionen 79. 
Klöster der Buddhisten 117, 119 f. ; 

— der Bhägavata-Sekten 275, 

278. 
Konägamana 176. 
Kosmas Indikopleustes 150 f., 155. 
Krischna 74, 199 f., 209—271. 
Krischnaismus, Krischnaiten 8, 159, 

201, 209-271, 281, 289. 
Krischnaitische , aus dem neuen 

Testament entlehnte Wunder- 
geschichten 261 f. 
Krsnajanmästami 255, 2. 
Kubjä 261 f.* * 
Kürmapuräna 199» 

LaksmT 267. 

Lalitavistara 46, 48, 73 f., 179. 
Lamaismus 181 — 191. 
Lausiaca, historia — , 111, 114. 
Legendenliteratur, christliche, 80 f. 
Lucie, heilige 116. 

Madhva 270, 273,3, 280. 
madhyadesa 234. 



Mädhjamika-Sekte 161. 
Madonna, buddhistische, 179; — 

lactans 258, 260. 
Mahäbhärata 7, i, 58, 78, 191-254. 
Mahäbhäsya 222, 223. 
Mahädeva-pattana 146. 
Mahä-parinibbäna-sutta 40, 51, 54 

174, 1. 
Mahäprasäda-Feier 276 f. 
Mahä-Sutasoma-jätaka 105, i. 
Mahävagga 60,2. 
Mahävamsa 175. 
Mahävastu 33, 46, 48, 179. 
Mahävira 218. 

Mahäyäna 23 f., 73, 137, 159—180. 
Mahäyäna-sraddhotpäda 161, 168, 

171,1. 
Mahäyäna- Süträlamkära 182. 
Mailapur 132, 133,' 147, 2, 273. 
mairya (iran.) 52. 
Maitreya (Päli Metteyya) 166 f., 

174_177. 

maitrT 177. 

Majjhima-nikäya 58, 74. 

MaXd (= skt. Malaya) 151. 

Mändavya 206, 207. 

Manes s. Acta disputationis etc. 

Manichäismus 79, 80, 152. 

Manoratha-püranT 112 f. 

Manu 265. 

Mära 50 f., 112 f. 

Mära-samyutta 53. 

Marco Polo s. u. Polo. 

Marici, Asket 116,4. 

MarignoUi, Giovanni de', 147,2. 

Mar Thomas 145. 

Martinianus, heiliger, 116,4. 

matha 275. 

Mathurä 214, 219, 220, 222, 224, 

225, 261, 275. 
Mäyä, kosmische Illusion, 230 f., 

271. 
Mazdai 131, 133, 140, 141. 



— 299 



Meerwandeln Petri 56 f., 290. 

Megasthenes 212, 265. 

mettä (PäH) 177. 

Metteyya (Päli) s. u. Maitreya. 

Milchmeer 193 f. 

Milindapanha 30. 

Misdeus 131. 

Mönchtum 117 f. 

Mundaka Upanisad 253, i. 

Manicandra 28, i. 

Näbhädäsa 281, 283 f. 

Nägärjuna 161, 162. 

Naikavakrä 262, i. 

Nanda, Hirt, 221, 261. 

Näräyana 193, 194, 212, 3, 216. 

Näräyanadäsa 281 f. 

NäräyaiiTya 233. 

Naturgötter, sterbende und wieder- 
auflebende, 5. 

Nestorianer, Nestorianismus 147 f., 
155 f., 180, 181, 184, 190, 195, 
197—199, 226, 259, 260, 267, 
272 f., 277 f. 

Nicodemus, apokryphes Evange- 
Hum des — , 41, 71, 77, 78. 

Nidänakathä 32, 33, 46, 48. 

Nigrodha-miga-jätaka 91, 95. 

Nimbäditya 270. 

Nimbus 127. 

Nirväna, Doppeldeutigkeit des Be- 
griffs, 171,1. 

Nisibis 130, 133. 

Odoricus vonPordenone 147,2, 184. 
Olopan 181. 
Origenes 84, 143. 

Pacceka-buddha (Päli) 173. 
Padhäna-sutta 51, 53. 
Padmasambhava 181. 
Palladius, Mönch, 111, 113 f., 116, 4. 
Päncarätra 193, 216, 269. 



Pändava 209 f., 217, 220, 229. 

Pänini 251, 252. 

Pantaenus 148, 149. 

Parinirväna 171, i. 

Parsismus, seine Einflüsse auf Ju- 
dentum und Christentum, 1 f., 
51 f. 

Parusie Christi 6, 7. 

Patäcärä 95, 96. 

Patanjali 222, 249, i. 

Paüma-cariya, Jaina-Text, 166, i. 

Periplus des roten Meeres 23. 

Pfunde, anvertraute, im Gleichnis 
42, 43. 

Philo 38. 

Physiologus 61 f. 

Pindola 17, i. 

Placidus 86 f. 

Polo, Marco, 132, 147,2. 

Polymius 142. 

prabhä-mandala 127. 

Prajna, buddhistischer Mönch, 180. 

Prakrti 235, 267. 

prasäda 237, 253. 

Pratyeka-buddha 173. 

Prthu Vainya 58. 

Pseudo - Matthaeus , apokryphes 
Evangelium des — , 71, 73, 74, 
76 f., 262,4. 

Pulumäyi 142. 

Puräna 254, 256, 259, 261, 2. 

Purr, König von — , 203. 

Purusottama 216. 

• 

^Rädhävallabhis (RädhäsvämTs) 285. 
Räghavänanda 278. 
Räma 199, 208, 210, i, 213, 268 f., 

275, 282 f. 
Rämaismus, Rämaiten 213, 268 f., 

289. 
Rämänanda 270, 278 f. 
RämänandTs 279, 281. 
Rämänuja 270, 273—278, 284. 



— 300 — 



Rtaäyana 191, 208, 209, 213, 268; 
seine Bearbeitung durch Tula- 
sTdäsa, 281, 283 1. 

Bäm-carit-mänas 281. 

Bäm Mohan Roy 285 f. 

RasaYähinT 46. 

Raucherwerk 118, 125. 

Regenwunder auf der Marc. Aurel- 
Säule 293. 

Rekognitionen s. Klementinische 
R. 

Reliquienverehrnng 118, 122. 

Tiitpsßoc, Reprobus 102. 

RevatT 142,3. 

Rhinozeros, sein Fang (Grundform 
der Fabel von dem Elefanten- 
fang im Physiologus) 64 f. 

Rigveda 266. 

Rosenkranz 118, 123, 124. 

Rukmini 217, 218. 

Rummindei 217, 218. 

sac-cid-änanda 271. 

Saddharma-pundarika 36, i, 46, 179. 

äakti 267. 

Salomonisches Urteil 26 f. 

Säma, Einsiedler, 77. 

Sämann, Gleichnis vom — , 41, 42. 

Samariterin am Jakobsbrunnen 

34 f. 
Sambuka, ein Südra, 208, 209. 
äamkara 272, 273. 
Sämkhya 183, 232 f., 267, 270. 
Sammä-sambuddha (Päli) 173. 
sampradäya 270. 
Samyak-sambuddha 173. 
Samyutta-nikäya 41, 51, 53. 
Sänchi, Stüpa von — , 85, 165. 
^ändilyasütra 200. 
Sarapis-Elausner 119, i. 
Satapatha Brähmana 265. 
Satpäramitä-Bütra 180. 
Sätvata 209. 



Satyavati 202, 203. 

Schenüte, koptischer Schriftsteller, 
292. 

Scherflein der armen Witwe 33 f. 

Schildkröte, einäugige — im bud- 
dhistischen Gleichnis, 44. 

Schiwa, Schivaismus, Schivaiten 
123, 199, 212, 254, 266, 268,281, 
289. 

Seleucia 133, 155. 

Seligpreisung der Mutter Jesu und 
Buddhas durch eine Frau aus 
dem Volke 32. 

Sen s. u. Keshab Chunder Sen. 

Seres. ein zentralasiatisches bud- 
dhistisches Volk, 79. 

Siforus 131, 141. 

sihan&da (Päli) 62. 

Siläditya 181. 

Simeon im Tempel 48 f. 

simhanäda 62. 

Sitaphama 141. 

äivaji, Mahratta-Häuptling, 210. 

Sösiosh (iran.) 174. 

Speisewunder Buddhas und Christi 
s. u. ßrotwunder; krischnaiti- 
sches — , 263. 

Stbänakaväsin, Jaina-Sekte, 166, i. 

St. Thome 132, i, 147, 2, 272. 

stüpa 85, 118. 

Subhä, buddhistische Nonne, 116. 

Süfismus 246, 284 f. 

SukhävatT 160. 

Sürambhattha 112, 113. 

Sutasoma 105 f. 

sütikägrha 260. 

Süträlamkära des Asvaghosa 34, 
162, 3 ; S. des Asanga s. u. Ma- 
häyäna- Süträlamkära. 

Suttanipäta 48. 

Svapnesvara 199. 

äveta, Svetalohita, Svetasikha, Sve- 
täsva 199. 



— 301 — 



Svetadvipa 192—200, 259. 
Svetäsvatara Upanisad 252, 253, i. 
Synkretismus der christlichen Re- 



ligion 1. 



Tai-Tsung, chinesischer Kaiser, 

180, 1. 
Takht-T-Bahi, Inschrift von — , 134. 
Tantra-Schule des Buddhismus, 

180, 181. 
Taprobane 151. 
Theragäthä 251, i. 
TherTgäthä 116. 
Thomas, Apostel 131 f, ; — Akten 

70, 131 f. ; apokryphes Evange- 
lium des — , 71, 73 f. 
Thomas von Gana, Th. Cananaeus, 

Th. Kama u. s. w. 145 f. 
Thomas, Manichäer 147. 
Thomas-Christen 132 f., 145 f., 284; 

vgl. Nestorianer. 
Tiara, als Lehnwort aus pers. *ci- 

vara erklärt, 117, i, 293, 294. 
Tonsur 118, 122. 
Travancore 151. 
Trimürti 266. 
Trivakrä 262, i. 
xpoxog Ysvdosü)g (Ep. Jacob. 3. 6) 

60, 2. 
Tsong-kha-pa 189, 190. 
Tulasidäsa (Tulsidäs) 281 f. 

Upagupta, Sthavira 114, 115. 
Upanischaden 234, 237, 253, 272, 

274, 285. 
Uttarädhyayana, Jaina-Text, 42 f. 

Väc 253. 

Yadha.ghana (iran.) 52. 

Valens, Mönch 112. 

Vallabhäcäris 271. 

Välmiki 281. 

Väsudeva 203, 215 f., 221 f., 264.; 



Väsudeva, Patronymikon Krisch- 

nas, 212, 3, 216, 217, 223, 224, i, 

251; indoskythischer König, 140. 
Väyupuräna 199. 
Vedänta 232, 271—273. 
VendTdäd 52. 
Verlorener Sohn, Parabel von dem 

— , 45, 46. 
Versuchungsgeschichte 50 f. 
Verwandlung von Wasser in Wein 

46. 
Vessantara 96 f. ; — ^jätaka 96, 2. 
vihära 85. 
Vikramodaya 28, i. 
Vilvamangala 283. 
Vimänavatthu 142. 
Vischnu 212 f., 232, 265 f. 
Vischnuismus, Vischnuiten 123, 

208, 272, 289. 
Visnupuräna 220, 261 f. 
Visnusvämin 270. 
Visyantara 95 f.; — jätaka 96,2, 

99, 100. 
Völker- und Handelsverkehr im 

ersten Jahrhundert nach Chr. 

22, 23. 
Vyäsa 201 f. 

Weihnachtsfest, im Krischnaismus 
nachgebildet, 255—261. 

Weltbrand 38, 39. 

Wunderkraft in Folge von Askese 
57 f. 

Wu Shi-Kao, chinesischer Arzt und 
Schriftsteller, 65. 

Yädava 209 f., 215, 230. 

Yajurveda 266. 

Yamunä 264, 274, 275. 

Yasodä 221, 261, 264. 

Yoga 183, 199, 232 f., 252, 270. 

Yogäcära 180. 

Yogasütra 249, i. 

Zölibat 118, 121, 122. 



Perlogpon 3. e. B. m o h r (Paul Siebeck) in CObingen. 



3)ie 9leIigiott 
. in ©efd^ici^te nnb ©egentpatt. 

ÄonbtPörterbuc^ in gcmcinüerpänbUc^cr ©mrficaung* 

Unter anitiotdung oon 

Qermaitit emM unb Otto Sd^eel 

herausgegeben oon 

$He6rid| Ütidlael $d|ie(e unb ttopolb Sfdlantadt. 

5 BSitöe. 

2ticiton 8. arat 69 mbilbungen unb 29 Xafeln. 

£a6eitprei$ m. HS — fOr 6a$ eleooni in Qalbfraii) 
ober in 20 leidste, biesfame Seineitbanbe sebtiitbetie ^ttmplat. 

Aus einer Kritik : 

^in Sianöaröroerf öer moöernen Heligionsmin^^' 
f (^ a f t. Hun i[t es fertig mit öem foeben erfc^ienenen fünften Banö, bas 
teligionsgefc^ic^tlic^e £ejiIon „Die Religion in ©efdbic^te unö ©egenroort". . . . 
3fc^arnaas öanferfülltes Dormort lögt Dor ollem nochmals an öen organifotorifc^« 
genialen Qauptreöalteur Schiele geöenfen, öer, n)ie TTIofes einft öen <E{n3ug in 
öas Zanb öer Der^eigung, infolge feines frühen (Eoöes öie unmittelbar beoorfte^enöe 
DoIIenöung öes IPerfes nic^t me^r erleben öurfte. Der 3n^alt öes fünften Banöes 
fc^Iiegt fic^ öen oorangegangenen roüröig an öurc^ unbefangenes Urteil, roiffen« 
fc^aftlic^e ^rünölic^feit, Heid^^altigfeit unö Dielfeittgfeit, Qeran3ie^ung befonoers 
öer moöernen £ebensgebiete 

Sagen roir's öoc^ geraöe^eraus: es iftöas U)erf öesöeutfc^en 
liberalen proteftantismus, unö nur öiefer war im ft an öe, 
foI(^einegIan3enöe roie grünöIi(^egeifti^eHrbeit3u 
liefern, öiei^m meöer in Deutfc^Ianö noc^ im Huslanoe 

jemanö fo leicht nad^mac^t Unö an folc^es $ro^gef ü^I 

[(fliege i(^ einen U)unfc^: möchte öiefes Stanöarömerf ^n xtxdi» 
lid^er Benu^ung übergeben in öie Bibliot^efen öer 
Staöte, Sd^ulen, £ojen, 3«itun jsr eö altionen, politifer, 
Dortragsreöner, rotffenfc^aftlic^en, literarifc^en unö 
fünftlerifc^en Bilöungsoereine ufu) 

Lic. 3. 3 ü n g ft in öer <Dftfee*3eitung, 1914, Hr. 82. 



9legffiterbant) 

= in 53orbereituttg» = 



Verlag von ?. C. B. IRohr (Paul Siebeck) in TQbingen. 



Lehrbuch der Reli2:ions2:eschichte 

in Yerbindang mit Dr. Th. Achelis (Bremen), Prof. Dr. J. J. M. de Grott 
f Leiden), Prof. Dr. A. E. J. Holwerda (Leiden), Prof. Dr. M. Th. Hontsnia 
(Utrecht), Dr. Friedr. Jeremias (Dresden-Trachenberge), Oberbibl. tL 0. Langte 
(Kopenhagen), Prof. Dr. J. J. P. Valeton jr. (Utrecht) * 

herausgegeben unter Redaktion von 

P. D. Chantepie de la Saussaye. 

In zwei Bänden. 

Dritte, vollständig neu bearbeitete Auflage. 

Gr. 8. 1905. M. 24.—, gebunden M. 29.— . 

(Sammlung Theologischer Lehrbücher.) 

P. D. Chantepie de la Saussaye. 

Die vers:leichende Relig:ionsforschung: 
und der relis:iöse Glaube. 

Vortrag gehalten auf dem ersten religionswissenschaftlichen Kongreß in 

Stockholm am 31. August 1887. 

8. 1898. M. —.60. 

(Sammlang gemeinverständlicher Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der 

Theologie und Relijrionsgeschichte Nr. 7.) 

Religionsgeschichtliches Lesebuch 

in Verbindung mit 

W. Grube f, K. Geldner (Marburg), C. Meinhof (Hamburg), 
t^ A. Mez (Basel) und M. Winternitz (Prag) u. a. 

herausgegeben von 

A. Bertholet (Tübingen). 
Lex. 8. 1908. M. 6.60, gebunden M. 8.—. 

Einzelausgaben : 

Die Religion der alten Chinesen von f Professor Dr. Wilhelm 

Grube, Berlin. Lex. 8. 1911. M. 2.—. 
Die Religion der Inder: Vedismus und Bralinianisniiis von 

Professor Dr. Karl F. Geldner, Marburg. Lex. 8. 1911. M. 2. — . 
Die Religion der Inder : Der Buddhismus von Professor Dr. M. 

Winternitz, Prag. Lex. 8. 1911. M. 1.50. 
Die zoroastrische Religion (Das AvestS) von Professor Dr. Karl F. 

Geldner, Marburg. Lex. 8. 1911. M. —.80. 

Von dem Beitrag: Der Islam. Der Koran von Professor Dr. A. Hez ist 

eine erweiterte Separatausgabe in Vorbereitung. 



Neue Folge 



Religionen der schriftlosen Völiter Afril£as von Professor Dr. 
C. Meinhof, Hamburg. Lex. 8. 1913. M. 1.20. 






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