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Full text of "Indogermanische Forschungen"

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SttHogfnttatttlil^  j^briiltoiiQnt 

ZBITSCHEIFT 

fOb 

INDOGERMANlSGIiB  SPRACH-  UND  ALTERTDMSKDNDB 


HEBAÜ80B6BBBN 


TON 


KABL  BRUGMANN  und  WILHELM  STREITBBRG 


ZWBIUiroZWANZIOSKKB  BAND 


STBASSBUBG 

▼EBLAO  TOM  EASL  J.  TBOBMEB 
1907/1908. 


ITHE  NEW  YORkI 

[PUBLIC  LIBRARY 


A8T0R,  LENOX  ANO 
TILOIN  FOUNDATION». 
^  1900 


IC  DaMont  SehAnberg,  Strafibarg  i.  R. 


Inhalt 

Seite 
A.  Thnmb  Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogie- 
bildungen   1 

H.  Hirt  Untersuchnngen  zur  indogermanischen  Altertnmsknnde .  .  66 
Chr.  Bartholomae  Zu  den  arischen  Wörtern  fQr  *der  erste'  und 

•der  zweite* 96 

IL  M.  Meyer  Die  germanische  Sprachbewegnng 116 

F.  A.  Wood  Rime-words  and  Rime-ideas 183 

K.  Brngmann  Die  Anomalien  in  der  Flexion  von  griech.  Kwi^y 

armen,  kin  und  altnord.  kona 171 

H.  Schröder  Etymologisches 193 

K.  Brngmann  Griechisch  Twoc  nnd  övoc 197 

L.  Schi  achter  Statistische  Untersuchnngen  über  den  Gebrauch  der 

Tempora  und  Modi  bei  einzelnen  griechischen  Schriftstellern  .  202 

Fr.  Stolz  Lavema 242 

N.  van  Wijk  Germanisches 260 

C.  Hentze  Aktionsart  und  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homeri- 
schen Gedichten 267 

T.  E.  Karsten  Zur  Frage  nach  den  'gotischen'  Lehnwörtern  im 

Finnischen 290 

W.  Streitberg  Gotisch  dugunnun  wisan 307 

J.  Wackernagel  Zur  Umschreibung  der  arischen  Sprachen      .    .  310 

W.v.  d.  Osten-Sa cken  Zur  slayischen  Wortkunde 312 

E.  Rodenbusch  Zur  Bedeutungsentwicklung  des  griechischen  Per- 
fekts      323 

W.  van  Helten  Zu  IF.20,  361ff. 331 

G.  Marstrander  Germ,  rukkan- 332 

W.  Stokes  «-Presents  in  Irish 336 

H.  Krebs  Alt-Preußisch  Mixskai 336 

K.  Brngmann  Der  slav.  Instr.  Plur.  auf  -y  und  der  aw.  Instr.  Plur.  ' 

auf-«. 386 

Otto  Behaghel  Zur  Etymologie  von  man  *nur' 840 

W.  V.  d.  Osten-Sacken  Nachträge  zu  IF.  22,  S. 316— 18  und  S.320  840 

H.  Pedersen  Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre  3^ 
K.  Brngmann  u.  A.  Leskien   Zur  Frage  der  Einfahrung  einer 

künstlichen  internationalen  Hilfssprache 366 

E.  Rodenbusch  Präsensstamm  und  perfektive  Aktionsart    .    .    .  402 


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r.. 

Psychologische  Studien  ftber  die  sprachliehen  Analogie- 

bildongen. 

Wer  es  unternimmt^  für  seine  eigene  Wissenschaft  die  Er- 
gebnisse einer  Nachbarwissenschaft  nutzbar  zu  machen,  setzt  sich 
leicht  der  Gefahr  aus,  daß  die  Fachgenossen,  die  mit  den  Methoden 
und  Zielen  der  herangezogenen  Wissenschaft  nicht  genügend  ver- 
traut sind,  Bedenken  tragen,  sich  mit  den  ungewohnten  Dingen 
bekannt  zu  machen,  oder  gar  Mißtrauen  und  Skepsis  in  Punkten 
äußern^  die  zum  wohlerworbenen  Besitz  der  fremden  Wissenschaft 
gehören.  Das  ist  auch  dem  Schriftchen  passiert,  in  welchem  ich  zu- 
sammen mit  K.  Marbe  die  experimentelle  Psychologie  zur  Unter- 
suchung der  sprachlichen  Analogiebildung  heranzogt).  Viele  haben 
kritisiert,  wenige  haben  unsere  Untersuchungen  richtig  einge- 
schätzt, kaum  einer  der  Kritiker  hat  aber  im  gleichen  Sinn  weiter- 
gearbeitet In  der  Beurteilung  unseres  Schriftchens  zeigt  sich 
zwischen  den  rezensierenden  Sprachforschem  und  den  rezensieren- 
den Psychologen  eine  bemerkenswerte  Verschiedenheit:  diese 
haben  sich  gehütet,  in  sprachwissenschaftlichen  Dingen  ein  Urteil 
zu  fällen,  aber  jene  haben  bisweilen  an  elementaren  Lehren  und 
Regeln  der  experimentellen  Psychologie  Kritik  geübt.  Da  ich  mich 
der  Mitarbeit  eines  methodisch  geschulten  Psychologen  erfreute, 
so  war  ich  vor  falscher  Darstellung  psychologischer  Lehren  ge- 
schützt, und  die  Philologen  hätten  hin  und  wieder  besser  getan, 
sich  mit  den  Elementen  der  Experimentalpsychologie  zu  be- 
schäftigen, bevor  sie  über  das  psychologische  Experiment  und 
seine  Bedeutung  Urteile  äußerten^).  Da  ich  mich  in  den  folgenden 
Ausführungen  in  erster  Linie  an  sprachwissenschaftliche  Kreise 
wende,  so  kann  ich  nicht  umhin,  außer  der  Verteidigung  und 


1)  A.  Thumb  und  K.  Marbe  Experimentelle  Untersuchungen  über 
die  psychologischen  Grundlagen  der  sprachlichen  Analogiebildung.  Leipzig 
Engelmann  1901. 

2)  Wiederholten  Besprechungen  mit  meinem  Freunde  K.  Marbe  ver- 
danke ich  auch  jetzt  wieder  manch  sachkundigen  Rat. 

IndogermBaiäcJie  Foncbungen  XXII.  \ 


2  A.  Thumb, 

Erläuterung  meiner  Anschauungen  auch  einige  elementare  Dinge 
aus  der  experimentellen  Psychologie  zur  Sprache  zu  bringen. 
Ich  würde  aber  kaum  hoffen,  daß  ich  dadurch  allein  das  Interesse 
der  Philologen  auf  den  Gegenstand  zu  lenken  vermöchte,  und 
ich  würde  um  dessentwillen  allein  nicht  zur  Feder  greifen,  wenn 
mich  nicht  einige  psychologische  Arbeiten,  die  z.  T.  unter  der 
Leitung  Marbes  im  psychologischen  Institut  der  Universität 
Würzburg,  z.  T.  von  mir  in  Gemeinschaft  mit  meinem  psycho- 
logischen Kollegen  N.  Ach  ausgeführt  worden  sind,  mich  in  den 
Stand  setzten,  neues  zu  geben  und  sowohl  in  der  Fragestellung 
wie  in  der  Behandlung  der  Probleme  weiterzukommen. 

I. 

Schuchardt')  wirft  mit  Bezug  auf  den  Titel  unseres  Schrift- 
chens die  Frage  auf,  ob  man  nicht  besser  von  *  psychischen* 
statt  von  'psychologischen*  Grundlagen  der  Analogiebildung 
spreche.  Ich  lasse  hier  ganz  bei  Seite,  dass  die  Psychologen 
selbst  die  beiden  Worte  oft  als  Wechselbegriffe  verwenden,  und 
ich  will  den  Umfang  und  die  Berechtigung  dieses  Sprachge- 
brauches nicht  weiter  prüfen:  aber  ich  glaube,  daß  man  den 
von  uns  gewählten  Terminus  rechtfertigen  kann,  auch  wenn 
man  jenen  Sprachgebrauch  nicht  billigt:  was  ich  untersuchte, 
sind  die  von  der  Psychologie  gegebenen  und  untersuchten,  also 
doch  wohl  "psychologisch*  zu  nennenden  Grundlagen,  auf  denen 
die  Lehre  von  den  sprachlichen  Analogiebildungen  und  diese 
selbst  beruhen.  Weiter  sei  ein  Mißverständnis  in  Kürze  abgetan, 
das  mir  brieflich  geäußert  wurde:  wir  nennen  unsere  Versuchs- 
personen gelegentlich  "Beobachter* ;  das  ist  ein  Ausdruck,  der  bei 
den  experimentellen  Psychologen  gang  und  gäbe  ist;  ob  er  be- 
sonders glücklich  ist,  haben  diese  unter  sich  auszumachen. 

Doch  wichtiger  sind  Einwürfe,  die  gegen  die  angewandte 
Methode  des  Experimentes  erhoben  worden  sind.  Wenn  Herzog 
in  seiner  Besprechung  unserer  Schrift*)  zweifelt,  ob  die  Häufig- 
keit des  Auftretens  von  Assoziationen  und  ihr  zeitlicher  Ablauf 
"streng  genommen  wirklich  meßbar  sind'*,  so  weiß  ich  nicht, 
was  er  im  Grunde  bezweifelt,  ob  überhaupt  die  Meßbarkeit 
psychischer  Vorgänge  oder  nur  die  unserer  Assoziationen.  Daß 

1)  Literaturbl.  f.  germ.  u.  rom.  Philol.  1902,  393. 

2)  Zcitschr.  f.  franz.  Spr.  u.  Lit.  25,  125.  Wenn  ich  im  folgenden 
einfach  auf  Herzog  verweise,  so  ist  immer  diese  Besprechung  gemeint. 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.      8 

diese  mit  bekannten  Methoden  gemessen  werden  können,  ergaben 
ja  unsere  Versuche,  die  außerdem  zu  einer  bestimmten  gesetz- 
lichen (funktionellen)  Beziehung  zwischen  Häufigkeit  und  Schnel- 
ligkeit der  Assoziationen  geführt  haben  <) ;  über  die  prinzipielle 
Seite,  die  Meßbarkeit  psychischer  Vorgänge,  möge  der  Philologe 
sich  vom  Psychologen  einfach  belehren  lassen;  jedenfalls  hat 
der  Laie   nicht  das  Recht,   die  Methode   einer  ihm  fremden 
Wissenschaft  kurzerhand  anzuzweifeln.  Denn  daß  z.B.  Herzog  mit 
der  Handhabung  des  psychologischen  Experiments  nicht  vertraut 
ist,  sieht  man  aus  der  Art  und  Weise,  wie  er  unsere  Versuche 
kritisiert  und  nachmacht    Er  meint  (S.  131),  wir  hätten  unsere 
Versuchspersonen  instruiert  "sie  sollen  jenen  Begriff  angeben, 
der  mit  dem  ausgerufenen  am  festesten  assoziiert  ist" !  Wie  soll 
denn  die  Versuchsperson  diese  Aufgabe  ausführen  ?  Die  Aufgabe 
war  vielmehr  nur  die,   daß   die  Versuchsperson   angefordert 
wurde,  auf  ein  zugerufenes  Wort  möglichst  schnell  ein  anderes 
auszusprechen.   Und  daß  tatsächlich  unsere  Versuche  nicht  in 
dem   angeblichen  Sinn   determiniert  sein  können,   ergibt  sich 
aus  eiuer  Erwägung,  die  Herzog  selbst  anstellt,   aber  in  ihren 
Eonsequenzen  nicht  zu  Ende  denkt:  er  bemerkt  nämlich,  daß 
sich  im  angenommenen  Fall  "zwischen  Frage  und  Antwort  ein 
kurzer  Denkprozeß  einschiebt,  der  die  Suche  der  Antwort  er- 
leichtert, indem  sie  ihr  eine  gewisse  Richtung  gibt".  Wie  weiter 
unten  zu  besprechende  Assoziationsversuche  zeigen  werden,  ver- 
langsamt nun  aber  jeder  zwischen  Reaktions-  und  Assoziations- 
wort eingeschobene  ßewußtseinsvorgang  den  Ablauf  der  Asso- 
ziation ;  unsere  reinen,  d.  h.  durch  keinerlei  Zwischenglied  ge- 
störten Wortassoziationen  Vater — Mutter,  leicht  —  schwer  sind 
dagegen  kürzer  als  alle  andern,  durch  Zwischenerlebnisse  ver- 
mittelten Wortassoziationen*).    Hätten  wir  aber   unsere   Ver- 
suchspersonen in  dem  Sinne  angewiesen  wie  Herzog  meint,  so 
hätte  die  Einschiebung   eines  entsprechenden  Denkaktes  (Auf- 
suchen der  'festesten'  Assoziation)  nur  verzögernd  gewirkt,  was 
gar  nicht  in  unserer  Absicht  liegen  konnte.    Nun  hat  Herzog 

1)  Über  dieses  psychologisch  interessante  Gesetz  s.  S.  45  f.  unserer 
Schrift.  Ich  bemerke  zugleich,  daß  der  Begriff  Assoziation  in  meiner  Arbeit 
in  dem  Sinne  angewendet  wird,  wie  ihn  Marbe  in  unserer  Schrift  (S.  11) 
definiert:  "Wenn  eine  Vorstellung  a  eine  Vorstellung  b  ins  Bewußtsein 
ruft,  so  sagen  wir,  ...  es  finde  eine  Assoziation  statt  zwischen  der  Vor- 
stellung a  und  der  Vorstellung  b*'. 

2)  S.  unten  S.  18  f. 


4  A.  Thamb, 

unsere  Versuche  bei  seiner  Frau  und  drei  Schülern  nachgemacht 
und  gefunden,  daß  die  Antworten  **fast  sämtlich"  in  die  Kategorie 
der  bei  uns  durch  eine  Versuchsperson  (Roos)  vertretenen 
Assoziationen  gehören.  Da  Herzog  die  Ergebnisse  seiner  Ver- 
suche nicht  mitteilt  (Zeitmessungen  hat  er  wohl  nicht  gemacht) 
und  die  Technik  des  psychologischen  Experiments  nicht  zu 
beherrschen  scheint,  so  sind  seine  Angaben  nicht  zu  verwerten; 
wir  werden  weiter  unten  Gelegenheit  haben,  über  jenen  besonderen 
Assoziationstypus  und  über  das  Ergebnis  von  Versuchen  mit 
Kindern  zu  handeln.  Wenn  aber  H.  meint  (S.  132),  daß  '*gänz- 
lich  unbe&ngene  Antworten''  ein  Resultat  ergeben  könnten,  das 
unsere  eigenen  Versuche  belanglos  macht,  so  sei  dem  gegenüber 
entschieden  betont,  daß  unsere  Untersuchungen  ^gänzlich  un- 
befangene Antworten*  zur  Voraussetzung  hatten.  Ich  selbst^) 
habe  einige  Male  die  Versuche  im  Rohen  an  Gruppen  von 
40  —  50  Personen  wiederholt  (natürlich  ohne  irgend  eine  An- 
deutung zu  machen,  in  welcher  Richtung  assoziiert  werden  müsse !) 
und  dabei  immer  gefunden,  daß  das  Resultat  unseren  ursprüng- 
lichen Versuchen  durchaus  entspricht  und  die  exakten  Versuche, 
welche  im  weiteren  Verlauf  meines  Aufsatzes  zur  Sprache  kommen 
sollen,  erweisen  immer  das  Gleiche.  So  zunächst  die  neuen 
Versuche,  die  auf  Veranlassung  Marbes  im  psychologischen 
Institut  der  Universität  Würzburg  von  IL  J.  Watt  ausgeführt 
wurden  zu  dem  Zweck,  die  von  H.  Oertel  angestellten  Versuche 
nachzuprüfen. 

Oertel*)  hatte  nämlich  seinerseits  an  10  Personen  Assozia- 
tionsvei-suche  mit  Zahlwörtern  in  folgender  Weise  ausgeführt: 
eine  Anzahl  der  verschiedensten  Wörter,  darunter  die  Zalilwörter 
2,  5,  7,  wurden  in  schwarzen  Lettern  auf  weißem  Hintergrund 
je  5  Sekunden  lang  dem  Beobachter  geboten ;  dieser  mußte  nach 
15  weiteren  Sekunden  die  Assoziationsreihe  angeben,  die  er  ge- 
bildet hatte.  Unter  den  84  Assoziationen,  die  der  Verf.  verzeichnet, 
sind  nur  2  Falle,  wo  unmittelbar  folgende  Zahlen  (2  — >  3,  4  und 
8  — >-  9),  2  Fälle,  wo  andere  Zahlen  (5  ->  5  x  5  =  25 ;  7  ->  7  und 
11)  reproduziert  werden.  ^These  figures  differ  so  materially  from 
thosc  obtained  by  Thumb  and  Marbe,  that  a  renewed  examination 
of  the  associations  with  numerals  seems  advisable."    Daß  aber 


1)  Ebenso  gelegentlich  auch  K.  Marbe. 

2)  On  the  association  of  numerals.   Am«r.  Journ.  of  Philol.  XXII 
(1902)  261—267. 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen,     b 

bei  dieser  total  yerschiedenen  Yersachsanordnung  etwas  anderes 
als  bei  uns  herauskam,  war  von  vornherein  zu  erwarten;  denn 
wer  primäre  Assoziationen  feststellen  will,  muß  wie  wir  die 
Yersuchsanordnimg  wählen,  die  von  den  experimentellen  Psycho- 
logen erprobt  ist,  und  darf  nicht  aufe  Geratewohl  drauf  los  ex- 
perimentieren. K  Marbe  ^)  hat  bereits  darauf  hingewiesen,  daS 
die  Versuchsanordnung  Oertels  seltsam  und  ungeeignet  ist  Ab- 
gesehen davon,  konnten  jedoch  die  Ergebnisse  Oertels  die  Ver- 
mutung nahelegen,  daß  vielleicht  die  Versuche  mit  Gesichtsbildem 
(statt  mit  akustischen  Beizen)  zum  Teil  wenigstens  das  abweichende 
Besultat  bedingten.  Doch  haben  die  Versuche  von  H.  J.  Watt') 
gezeigt,  daß  optisch  gebotene  Reizworte  die  gleichen  Reaktionen 
liefern,  wie  unsere  zugerufenen  Worte.  Ich  greife  die  Reaktionen 
auf  Zahlen  heraus,  weil  Oertel  selbst  nur  mit  diesen  Versuche 
machte ;  da  die  Anzahl  der  Versuchspersonen  bei  Watt  und  bei 
uns  die  gleiche  ist  (8),  so  füge  ich  den  Angaben  seiner  Tabelle  ") 
jeweils  in  Klammer  die  unsrigen*)  bei;  n  bedeutet  die  Häufig- 
keit, D  die  durchschnittliche  Dauer  der  Reaktionen. 

Tabelle  I. 


Bevorzugte 

Nächst  bevorzugte 

Übrige 

Reizworte 

Reaktion 

Reaktion 

Reaktionen 

n 

D 

n 

I> 

n 

D 

1.  eins 

zwei 

5(6) 

0,98(1,20) 







8(3) 

2,68(2,13) 

2.  zwei 

drei 

4(4) 

1,04(1,15) 

— 

— 

— 

M*) 

4,78(1,76) 

adrei 

vier 

ö(5) 

0,81(1,32) 

— 

— 

— 

3(3) 

6,73(2,00) 

4.  vier 

fünf 

4(6) 

0,87(1,13) 

— - 

— 

— 

4(2) 

3,63(2,20) 

5.  fünf 

sechs 

4(6) 

1,03(1,17) 

— 

— 

— 

*(2) 

2,30(6,70) 

6.  sechs 

sieben 

5(5) 

0,99(1,16) 

Zahl 

2 

4,14 

1(3) 

3,50(2,00) 

7.  sieben 

acht 

5(6) 

1,07(1,83) 

— 

— 

— 

3(2) 

4,75(2,20) 

8.  acht 

neun 

3(6) 

1,11(1,43) 

fsieben 
IZahl 

2 
2 

0,90 
3,23 

1(2) 

6,86(6,00) 

9,  neun 

zehn 

5(5) 

1,12(1,52^ 

— 

— 

— 

3(3) 

4,00(1,87) 

la  zehn 

zwölf 

(zwanzig) 

2(3) 

0,70(1,60) 

elf 

2(2) 

1,34(1,20) 

4(3) 

2,61(2,33) 

1)  The  Amer.  Journal  of  Psychol.  XHI  (1902)  450  f. 

2)  Ober  Assoziationsreaktionen,  die  auf  optische  Reizworte  erfolgen. 
Zeitschr.  f.  Psychol.  u.  Physiol.  d.  Sinnesorgane.  XXXVI  (1904)  417  fr. 

3)  Watt  hat  die  Zeiten  in  a  (Tausendstel  Sekunden)  registriert;  ich 
berücksichtige  nur  2  Dezimalen. 

4)  A.  a.  0.  S.  36,  Tab.  XXII  und  XXHI. 


6  A.  Thumb, 

Auch  unser  Beziehungsgesetz  zwischen  Geläufigkeit  (Häuflg- 
keit)  der  Assoziationen  und  ihrer  mittleren  Dauer  wird  durch  die 
Wattschen  Versuche  bestätigt:  bei  je  mehr  Individuen  eine  be- 
stimmte Assoziation  auftritt,  um  so  schneller  verläuft  sie  durch- 
schnittlich bei  diesen  Individuen.  Vgl.  Tabelle  U,  die  neben 
Watts  Zahlen  die  unsrigen  in  Klammem  enthält: 

Tabelle  n. 


Geläufigkeit 

Mittlere  Dauer 

1 

4,20    (2,11) 

2 

1,89    (1,78) 

3 

1,29    (1,63) 

* 

1,13    (1,42) 

6 

1,04    (1,44) 

(6) 

-     (1,37) 

(7) 

-      (1,35) 

(8) 



Daß  die  absoluten  Größen  der  Zahlen  Watts  mit  den  unsrigen 
nicht  übereinstimmen,  ist  nicht  verwunderlich;  denn  folgende 
drei  Punkte  sind  zu  berücksichtigen:  1.  Bei  unseren  Versuchen 
schob  sich  bei  der  Hemmung  der  ühr  die  Reaktionszeit  des  Ver- 
suchsleiters ein,  während  bei  Watt  die  Versuchsperson  selbst 
vermittelst  eines  Schalltrichters  die  Hemmung  der  Uhr  bewerk- 
stelligte. 2.  Es  ist  seit  langem  bekannt,  daß  die  Reaktionszeiten 
auf  optische  Reize  länger  sind  als  die  auf  akustische  Reize.  8.  Aus 
der  Wattschen  Arbeit  ergibt  sich^),  daß  Kinder  längere  Assozia- 
tionszeiten haben  als  Erwachsene ;  unter  Watts  8  Versuchspersonen 
waren  aber  5  Kinder.  Wie  sich  der  Einfluß  dieser  drei  Faktoren 
bei  der  Gestaltung  der  Zeitunterschiede  zwischen  unseren  und 
den  Wattschen  Versuchen  geltend  macht,  läßt  sich  nach  dem  vor- 
liegenden Material  natürlich  nicht  mit  Bestimmtheit  ausmachen. 

Oertel  hat  inzwischen  selbst  zugegeben*),  daß  seine  Ver- 
suchsergebnisse mit  den  unsrigen  und  denen  Watts  nicht  zu 
vergleichen  sind  "because  of  the  essential  difference  of  method". 
Daß  bei  jeder  beliebigen  Bewußtseinskonstellation  auf  Zahlen 
immer  oder  vorwiegend  mit  Zahlwörtern  bezw.  der  nächst  höheren 

1)  Wie  übrigens  schon  Ziehen  Ideenassoziation  des  Kindes  II,  be- 
sonders S.75f.  betonte. 

2)  Am.  Journ.  of  Phil.  XXVI  95. 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.      7 

Zahl  reagiert  werde,  ist  von  uns  nicht  behauptet  worden  und 
ist  auch  nicht  der  Fall.  "Denn  es  wäre  um  unser  Denken  in 
der  Tat  schlimm  und  unökonomisch  bestellt,  wenn  wir  fast  jedes- 
mal, wenn  wir  ein  Zahlwort  hören  (oder  sprechen),  die  nächst- 
höhere Zahl  aussprechen  würden,  oder  wenn  wir  z.  B.  beim  Ge- 
brauch der  Logarithmentafel  immer  andere  Zahlen  assoziierten  als 
diejenigen,  welche  wir  sehen.  Ob  ein  Wort  ein  anderes  assoziiert 
und  welches  andere  es  assoziiert,  ist  eben  keineswegs  ausschließ- 
lich von  dem  Wort,  sondern  ebensosehr  von  der  Gesamtheit 
der  Bewußtseinsverhältnisse,  der  sogenannten  'Konstellation'  ab- 
hängig. Eine  bestimmte  Konstellation  war  für  unsere  Versuchs- 
personen allerdings  durch  die  Instruktion  gegeben,  auf  ein  ge- 
hörtes (bezw.  bei  Watt  gesehenes)  Wort  baldmöglichst  ein  anderes 
Wort  auszusprechen.  Denn  derjenige,  welcher  den  Einfluß  der 
Tatsachen  der  Assoziation  auf  die  Sprache  untersuchen  will,  muß 
doch  seiner  Betrachtung  vor  allem  solche  Assoziationen  zugrunde- 
legen, bei  welchen  ein  Wort  ein  anderes  Wort  ohne  irgendwelche 
Zwischenglieder  anderer  Art  hervorruft.  Dies  trifft  bei  der  von 
uns  hervorgerufenen  KonsteUation  zu*'*). 

Auch  gegen  die  Wahl  imserer  Versuchspersonen  wurden 
Bedenken  ausgesprochen,  weil  sie  keine  allgemeingiltigen  Resul- 
tate verbürge;  so  meint  Herzog  a.  a.  0.  S.  130:  unsere  Versuchs- 
personen seien  alle  Doktoren  und  Studenten,  "in  deren  Köpfen 
sich  doch  offenbar  die  Sprachelemente  anders  gruppieren  als  in 
dem  des  gemeinen  Mannes".  "Denn  man  muß  bedenken,  daß 
die  Sprache  der  Hauptsache  nach  vom  Gros  des  Volkes  abhängig 
ist,  das  keine  Schule  durchgemacht  hat"  (S.  131).  Da  behauptet 
Herzog  zunächst  etwas  objektiv  Unrichtiges :  für  Deutsche  und 
überhaupt  für  alle  wirklichen  Kulturvölker  Europas  gilt  doch  viel- 
mehr der  Satz,  daß  das  Gros  des  Volkes  eine  Schule  durchgemacht 
hat!  Aber  ganz  abgesehen  davon:  für  den  Gebildeten  gelten 
jedenfalls  keine  andern  psychologischen  Grundgesetze  als  für  den 
ungebildeten.  Reine  Wortassoziationen  sind  bei  allen  Individuen  zu 
erwarten ;  denn  die  ihnen  zugrundeliegenden  Erscheinungen  bilden 
die  Voraussetzung  für  die  Volksetymologien  und  überhaupt  für  die 
Analogiebildungen,  die  gerade  in  der  Volksmundart  ungehemmter 
auftreten  als  in  der  Sprache  der  Gebildeten.  Natürlich  müssen 
Versuche  mit  Ungebildeten  auch  einmal  —  am  besten  in  Ver- 

1)  Die  angeführten  Sätze  entnehme  ich  einem  von  Marbe  an  Oertel 
gerichteten  und  mir  von  jenem  zur  Verfügung  gestellten  Brief. 


8  A.  Thumb, 

bindung  mit  der  Dialektforschung  —  vorgenommen  werden ;  aber 
bei  den  Versuchen,  die  ich  wiederholt  und  bei  sehr  verschiedenen, 
auch  weiblichen  (und  nicht  nur  'akademisch'  gebildeten)  Per- 
sonen in  summarischer  Weise  oder  in  exakter  Durchführung 
vornahm,  ergab  sich  immer  ein  prinzipiell  gleichwertiges  Resultat. 
Der  Sprachforscher,  der  uns  die  beschränkte  Zahl  unserer  Ver- 
suchspersonen vorhält,  könnte  z.  B.  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden,  daß  der  Experimentalphonetiker  nur  mit  wenigen  Ver- 
suchspersonen arbeitet  und  doch  seine  Ergebnisse  nicht  als  indi- 
viduell, sondern  als  typisch  für  größere  Gruppen  ansieht.  Wie 
weit  etwa  bestimmten  Assoziationen  bei  bestimmter  Bewußtseins- 
konstellation die  Eigenschaft  der  Allgemeingültigkeit  zukommt, 
läßt  sich  noch  nicht  sagen.  Kinkel  *)  wirft  die  Frage  auf,  ob  die 
Übertragung  unserer  Resultate  auf  andere  Sprachen  erlaubt  sei ; 
hierauf  kann  vorläufig  so  geantwortet  werden :  wenn  die  Psycho- 
logie annimmt,  daß  ihre  Assoziationsgesetze  ein  allgemeines  Merk- 
mal der  menschlichen  Psyche  sind,  so  dürfen  wir  auch  a  priori 
annehmen,  daß  die  Beziehungen,  welche  wir  zwischen  Assoziation 
und  Analogiebildung  in  einer  Sprache  annehmen,  allgemein 
gelten;  wenn  wir  sehen,  daß  im  Deutschen  bestimmte  Adjektiva 
vorzugsweise  solche  von  gegensätzlicher  Bedeutung  hervorrufen 
{dick  —  dimn,  leicht  —  schwer)^  daß  andererseits  vulgärlat  grevis 
(für  gravis)  nach  levis  aus  der  Voraussetzung  jener  Assoziations- 
tendenz  erklärbar  ist,  so  haben  wir  schon  einen  Beweis  für  die 
Übertragbarkeit  unserer  Resultate  auf  andere  Sprachen  sowie  für 
eine  *Allgemeingiltigkeit*  gewisser  Wortassoziationen.  Natürlich  hat 
jede  Sprache  auch  ihre  besonderen  Wortassoziationen,  die  z.  B.  in 
der  besonderen  Form  der  Sprache  ihren  Grund  haben;  darum  muß 
eben  wie  die  Artikulationsbasis  so  die  "Assoziationsbasis'  jeder 
Sprache  festgestellt  werden,  damit  ihre  Analogiebildungen  psycho- 
logisch erklärt  werden  können. 

Während  die  **Fruchtbarkeit  des  psychologischen  Experi- 
ments" für  unsere  Probleme  von  Kinkel  hervorgehoben  wird,  haben 
nicht  nur  Philologen  (worunter  Schuchardt),  sondern  auch  Wilhelm 
Wundt  den  Wort  unserer  Versuche  für  gering  erklärt;  auf  die  Ein- 
wendungen des  Psychologen  geziemt  es  sich  genauer  einzugehen. 

Wundt*)  meint,  das  Studium  der  Analogiebildungen  sei 

1)  Lit.-Bl.  f.  germ.  u.  roman.  Philol.  1902,  404. 

2)  IF.  Anz.  XII,  17—20.  Ähnlich  Grundzüge  der  physiolog.  Psychol. 
III»  572. 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.     9 

zwar  geeignet  uns  über  Voigänge  der  Assoziation  anbuklären, 
das  Assoziationsexperiment  vermöge  aber  nicht  das  Wesen  der 
Analogiebildungen  aufzuklären,  weil  die  Versucbsanordnung  bezw. 
die  jeweilige  Konstellation  des  Bewußtseins  bei  unseren  Versuchen 
**der  bei  den  Analogiebildungen  stattfindenden  Konstellation  so 
unähnlich  wie  möglich  war";  es  sei  zweckentsprechender,  aus  den 
sprachlichen  Erscheinungen  auf  die  psychologischen  Prozesse 
Rückschlüsse  zu  machen  statt  umgekehrt  auf  **die  sprachlichen 
Torgänge  aus  Experimenten  zu  schließen,  die  unter  gänzlich  ab- 
weichenden Bedingungen  ausgeführt  worden  sind".  Aber  das 
ist  doch  schließlich  Sache  der  besonderen  Fragestellung; 
der  Psychologe  und  Kulturhistoriker  wird  allerdings  in  den 
Analogiebildungen  toter  Sprachen  ein  wertvolles  Hilfsmittel  sehen, 
die  Assoziationsvorgänge  oder  die  Vorstellungswelt  vergangener 
Menschengeschlechter  kennen  zu  lernen.  Aber  bei  uns  handelt  es 
sich  vielmehr  darum,  das  Wesen  der  Analogiebildung  und  ihr 
Verhältnis  zu  der  Assoziationstätigkeit  zu  untersuchen :  daß  die 
Analogiebildung  durch  Assoziationstendenzen  hervorgerufen  wird, 
wußte  man;  aber  die  weitere  Frage  war:  welche  Eigenschaften 
muß  eine  Assoziation  haben,  damit  sie  sprachlich  wirksam  werde? 
unsere  Untersuchungen  sollten  ein  Anfang  in  dieser  Richtung 
sein;  daß  man  in  der  Beantwortung  der  Frage  noch  weiter 
kommen  kann,  als  es  beim  ersten  Versuch  gelungen  ist,  wird 
der  positive  Teil  dieser  Abhandlung  zeigen.  Wenn  Wundt  uns 
entgegenhält,  daß  man  bei  Verwandtschaftsnamen  wie  Vater^ 
Mutter  eine  begriffliche  Assoziation  auch  dann  annehmen  würde^ 
•"wenn  diese  sich  nicht  in  den  ktinsüichen  Assoziationsexperi- 
menten ebenfalls  als  eine  sehr  häufige  herausgestellt  hätte",  so 
ist  das  zuzugeben:  denn  es  gibt  genug  Fälle,  wo  die  Annahme 
einer  Analogiebildung  so  auf  der  Hand  liegt,  daß  es  unnötig  ist, 
die  zugrundeliegende  Assoziationstendenz  als  tatsächlich  festzu- 
stellen. Aber  setzen  wir  den  Fall,  unsere  Experimente  hätten 
ergeben,  daß  Assoziationen  wie  Vater — Mutter^  ich — du,  leicht  — 
schwer  usw.  nicht  oder  nur  ganz  selten  vorkommen,  so  ständen 
wir  vor  einem  Rätsel:  wir  würden  uns  fragen,  wie  es  kommt, 
daß  die  experimentell  gewonnenen  (geläufigsten)  Assoziationen 
so  total  verschieden  sind  von  den  durch  die  Analogiebildungen 
vorausgesetzten.  Man  würde  dann  allerdings  sagen,  daß  wir  eben 
bei  unserem  Experiment  nicht  die  Bedingungen  herstellen  konnten, 
die  beim  natürlichen  Sprechen  gelten.    Nun  hat  sich  aber  gerade 


10  A.  Thamb, 

durch  unsere  Versuche  ergeben,  daß  die  von  der  Spracli  Wissen- 
schaft geforderten  Assoziationen  in  einer  Reihe  typischer  Fälle 
nicht  nur  beliebig  oft  eintreten  können,  sondern  ganz  bestimmte 
Eigenschaften  zeigen :  sie  treten  am  häufigsten  auf  und  verlaufen 
bei  der  Gesamtheit  der  einzelnen  Personen  durchschnittlich  am 
schnellsten,  und  beide  Eigenschaften  stehen  zu  einander  in  einem 
funktionellen  Verhältnis,  wie  die  S.  46  unserer  Schrift  mitgeteilte 
Kurve  und  Tabelle  zeigen  ^).  Unsere  Versuche  haben  zu  einem 
psychologischen  Gesetz  gefülirt,  das  die  Assoziationsphänomene 
in  einem  wichtigen  Punkte  aufklärte.  Schon  Jahre  lang,  bevor 
ich  zusammen  mit  K.  Marbe  die  experimentellen  Untersuchungen 
unternahm,  hatte  ich  die  Vermutung,  daß  nicht  nur  das  *'spon- 
tane  Zusammentreffen  vieler  Individuen"*),  sondern  vor  allem 
auch  ein  gewisser  Ablauf  der  geläufigsten  Assoziationen  für  die 
sprachlich  wirksamen  Assoziationstendenzen  charakteristisch  sei  — 
und  das  Experiment  hat  meine  Vermutung  in  einer  Weise  be- 
stätigt, wie  ich  es  selbst  nicht  zu  erwarten  gehofft  hatte.  Aber 
das  Zusammenstimmen  von  Experiment  und  lebender  Sprache 
erlaubt  uns  nun  auch  anzunehmen,  daß  unsere  Experimente  und 
die  Vorgänge  beim  natürlichen  Sprechen  nicht  "unter  gänzlich 
abweichenden  Bedingungen"  stattfinden.  Wenn  wirklich  die  Kon- 
stellation des  Bewußtseins  in  beiden  Fällen  **so  unähnlich  wie 
möglich*'  wäre,  so  müßte  man  sich  wundern,  daß  trotzdem  die 
Assoziationsergebnisse  gerade  diejenigen  sind,  deren  wir  zur  Er- 
klärung der  Analogiebildimg  bedürfen:  da  nun  aber  gerade  die 
postulierten  Assoziationen  sich  einstellen,  so  darf  man  von  vorn- 
herein vermuten,  daß  die  Bewußtseinskonstellation  bei  unseren 
Vorsuchen  derjenigen  ähnlich  sei,  die  auch  beim  Sprechen 
selbst  eintritt,  während  z.  B.  die  Bedingungen,  unter  denen  Oertel 
experimentierte,  davon  abweichen  und  darum  auch  keine  brauch- 
baren Resultate  ergaben.  Es  läßt  sich  überdies  positiv  zeigen,. 
daß  unsere  Versuchsbedingungen  den  natürlichen  Verhältnissen 
analog  sind.  Wundt  meint,  bei  unseren  Experimenten  werde  der 
Beobachter  gezwungen,  "seine  ganze  Aufmerksamkeit  dem  zu- 
gerufenen Wort  zuzuwenden  und  dann  rasch  sein  Gedächtnis 


1)  Daß  eine  solche  Beziehung  zwischen  Geläufigkeit  und  Schnellig- 
keit der  Assoziation  auch  für  komplizierte  Vorgänge  des  Denkens  gilt^ 
zeigt  Watt  Experimentelle  Beiträge  zur  Theorie  des  Denkens.  Diss.  Würz- 
burg 1904,  68  ff. 

2)  S.  unsere  Schrift  S.  80. 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    11 

anzustrengen,  damit  es  ihm  irgend  ein  passendes^)  anderes 
Wort  zur  Verfügung  stelle";  "willkürliche  Gedächtnisarbeit"  und 
**Einflüsse  der  Aufmerksamkeit*'  spielten  dagegen  beim  natür- 
lichen Sprechen  keine  Rolle:  ungewollt  stellten  sich  Analogie- 
bildungen ein.  Ungewollt  stellen  sich  aber  auch  Wortassoziationen 
wie  leicht — achtcer  usw.  ein,  und  der  Beobachter  gibt  sich  erst 
nachträglich  darüber  Rechenschaft,  wie  er  assoziiert  hat.  Der 
Versuch  verläuft  doch  nicht  ganz  so  wie  Wundt  es  darstellt  Von 
irgendwelcher  Instruierung,  sich  anzustrengen,  um  ein  passendes 
Wort  zu  finden,  ist  keine  Rede :  die  Instruktion  war  viel  einfacher, 
wie  schon  oben  (S.  3)  betont  worden  ist;  um  einen  Rekocd  der 
Schnelligkeit  handelt  es  sich  dabei  nicht*).  Der  Beobachter  gibt 
entweder  ein  Wort  an,  von  dem  er  nachher  nur  zu  sagen  weiß, 
daß  es  rein  automatisch  aufgetaucht  sei,  oder  er  hat  irgendwelche 
(meist  visuelle)  Vorstellungen,  an  die  sich  eine  Wortvorstellung 
anschließt  Sobald  die  Bewußtseinslage  der  Anstrengung  oder  das 
Suchen  nach  einem  Wort  vorhanden  ist,  so  ergeben  sich  gewöhn- 
lich Ajssoziationen,  die  ganz  zufällig  sind  imd  nichts  mit  dem 
Problem  der  Analogiebildungen  zu  tun  haben;  besonders  be- 
merkenswert ist  folgendes  (öfter  beobachtete)  Erlebnis :  die  Ver- 
suchsperson ist  über  die  automatisch  auftretenden  Assoziationen, 
die  ihm  stumpfsinnig  erscheinen  (etwa  drei :  wör),  ärgerlich,  sucht 
nach  einem  'passenden'  Wort  und  findet  auch  ein  solches,  aber 
die  automatische  Wortassoziation  ist  bisweilen  so  stark,  daß  der 
Beobachter  schließlich  doch  nichts  als  das  zuerst  aufgetauchte 
Wort  anzugeben  weiß.  Solche  Fälle  sind  bei  gehöriger  Instruktion 
selten;  die  Zeitmessung  erlaubt  in  Verbindung  mit  der  Proto- 
kollierung des  Erlebten,  diese  Fälle  leicht  zu  erkennen. 

Die  experimentell  festgestellten  Assoziationen,  welche  als 
sprachlich  wirksam  erkannt  werden,  treten  fast  unmittelbar  und 
ungewollt  auf.  Vergegenwärtigen  wir  uns  nun  die  Konstellation 
beim  natürlichen  Sprechen,  wozu  ich  das  schon  in  unserer  Schrift 
S.50  genannte  Beispiel  ausMeringer  und  Mayer')  wähle,  weil  nach 
Wundt  selbst  ''hier  (beim  Versprechen)  die  Bedingungen  der  indi- 
viduellen Erscheinungen  mit  den  generellen  der  Sprache,  wie  wir 

1)  Von  mir  gesperrt. 

2)  Wie  der  Rekord  der  Schnelligkeit  die  Assoziationstätigkeit  be- 
einflußt, habe  ich  zusammen  mit  N.  Ach  im  Sommer  1906  experimentell 
untersucht;  darüber  werden  wir  uns  noch  besonders  äußern. 

3)  Versprechen  und  Verlesen  (Stuttgart  1895)  S.  ö9. 


12  A.  Thumb, 

annehmen  dürfen,  sehr  nahe  übereinstimmen".  In  dem  Satz  *das 
Wsssevverdumpft*  hat  eine  Kontamination  der  Wörter  verdampft  x 
verdunstet  stattgefunden,  die  man  (nach  Meringer)  so  darstellen  kann : 

das  Wasser  — >•  I         ,..[->  verdampft 
{  verdunstet  } 

Während  der  Satz  gesprochen  wurde,  rief  die  im  Bewußt- 
sein auftretende  Wortvorstellung  verdampft  die  Wortvorstellung 
verdunstet  hervor,  und  dieses  automatische  Aufti-eten  einer  zweiten, 
an  sich  nicht  gewollten  Wortvorstellung  beeinflußte  die  ursprüng- 
lich gewollte  Wortform.  Das  Vorhandensein  eines  ganzen  Satzes 
scheint  mir  dabei  irrelevant,  weil  der  Vorgang  sich  unmittelbar 
und  nur  an  das  eine  Wort  anknüpft*).  Unser  Experiment  ruft 
einen  ähnlichen  Prozeß  hervor;  denn  daß  zugerufene  Verba  unter 
anderem  synonyme  Verba  als  bevorzugteste  Assoziation  auslösen, 
ergibt  sich  aus  unseren  Versuchen  (S.  42 — 44),  vgl.  fluchen — 
schwören/schimpfen^  gehen  —  laufen^  heißen  —  nennen^  laufen  — 
springen^  rufen — schreien^  senden  —  schicken^  springen  ^hüpfen, 
wenden  —  drehen.  Bei  unseren  Versuchen  wurde  dem  Beobachter 
durch  das  Zurufen  eines  Wortes,  z.  B.  senden,  eine  Wortvorstel- 
lung geboten,  genau  so,  wie  im  Laufe  eines  Gespräches  durch 
den  Inhalt  desselben  bestimmte  Wortvorstellungen  dargeboten 
werden ;  die  Wortvorstellung  löst  im  Experiment  ebenso  unwill- 
kürlich wie  beim  Sprechen  gewisse  Wortvorstellungen  aus,  und 
diese  tragen  die  Kraft  in  sich,  die  zuerst  gewollte  Wortinner- 
vation  zu  stören:  der  Unterschied  zwischen  unseren  Versuchen 
und  der  vollzogenen  sprachlichen  Kontamination  ist  der,  daß  im 
letzteren  Fall  der  Vorgang  des  Sprechens  samt  den  Wirkungen 
der  Assoziation  zu  Ende  geführt  ist,  während  wir  die  Bewußt- 
seinsvorgänge vor  der  vollständigen  Ausführung  des  Sprechaktes 
(z.  B.  beim  'Versprechen'),  d.  h.  nur  die  innere  Sprachform  fest- 
zustellen suchen,  durch  die  der  Sprechakt  beim  'Versprechen* 
selbst  zu  erklären  ist  So  wenig  beim  Auftauchen  der  Wort- 
vorstellung verdampft  das  Wort  schon  ausgesprochen  ist,  ebenso- 
wenig wird  bei  unseren  Versuchen  die  dargebotene  Wortvor- 
stellung zum  gesprochenen  Wort  Damit  statt  verdampft  die 
Wortform  verdampft  hervorgebracht  werde,  muß  vor  dem  Aus- 

1)  Schuchardt  (p.397),  der  dasselbe  Beispiel  erläutert,  hält  allerdings 
den  Salz  mit  dem  Subjekt  für  wesentlicli:  aber  ich  glaube,  daß  der  Be- 
deutungsinhalt des  Wortes  verdampfen  (von  beliebiger  Flüssigkeit)  genügt, 
am  das  Synonym  ret-dufuien  hervorzurufen. 


Psychologische  Stadien  üher  die  sprachlichen  Analogiebildungen.     18 

qyrechen  (der  zweiten  Silbe)  des  ge\^ollten  Wortes  die  Assoziar 
tionstendenz  verdampft  ->  verdunsUt  in  irgendeiner  Weise  gewirkt 
haben.  Diese  Assoziationstendenz  wirkte  nun  auch  bei  unseren 
Versuchen.  Unser  Versuch,  soweit  er  hier  in  Betracht  konmit, 
ist  eigentlich  in  dem  Augenblick  vollendet,  wo  die  Innerrierung 
des  Reaktionswortes  beginnt,  und  ist  bis  dahin  der  psychischen 
Konstellation  ähnlich,  die  beim  natürlichen  Sprechen  (und  Yer^ 
q>rechen)  der  Wortinnervation  unmittelbar  vorausgeht  Wenn 
wir  das  vollständige  Aussprechen  des  Reaktionswortes  nicht 
hemmen,  so  dient  das  nur  dazu,  um  das  assoziierte  Wort  kennen 
zu  lernen  und  um  die  Zeitgrenze  festzustellen,  innerhalb  deren 
sich  der  Assoziationsakt  vollzieht:  denn  daß  unsere  Zeitmaße 
viel  größer  sind  als  der  zeitliche  Ablauf  der  Assoziation  an  sich, 
ist  selbstverständlich;  aber  da  dieses  Plus  an  Zeitdauer  gegen- 
über der  veränderlichen  Größe  der  Assoziationszeit  eine  an- 
nähernde Eonstante  ist,  so  sind  die  gewonnenen  Bruttozeiten 
doch  ein  unmittelbares  Maß  für  die  Assoziationsvorgänge. 

So  glaube  ich  also,  daß  man  "die  eigentümlichen  Bedin- 
gungen, die  bei  der  Entstehung  der  Analogiebildungen  wirksam 
waren",  im  Experiment  so  genau  feststellen  kann,  wie  man  über- 
haupt beim  psychologischen  Experimentieren  (z.B.  bei  Versuchen 
über  das  Gedächtnis)  die  natürlichen  psychischen  Vorgänge  zu 
untersuchen  vermag^).    (Vgl.  den  Exkurs.) 

Ich  mache  durchaus  nicht  die  allgemeine  Voraussetzung 
(wie  Wundt  S.  20  meint),  **das  psychologische  Experiment  müsse 
erst  beweisen,  daß  die  in  der  Sprache  gefundenen  Assoziations- 
wirkungen auch  wirkliche  Assoziationen  sind" ;  wir  untersuchten 
vielmehr,  wie  diese  Assoziationen  beschaffen  sind,  um  so  den 
gesetzmäßigen  Beziehungen  zwischen  Assoziation  und  Analogie- 
bildung auf  die  Spur  zu  kommen.  Nun  erklärt  aber  Wundt,  es 
sei  gar  nicht  mehr  möglich,  für  das  Experiment  alle  die  Be- 
wußtseinskonstellationen wieder  herzustellen,  die  beim  Eintreten 
bestimmter,  in  den  verschiedenen  Sprachen  gegebener  Analogie- 
bildungen bestanden  haben.  Selbstverständlich  kcmnen  wir  die 
Assoziationstendenz,  welche  z.  B.  zwischen  dem  Tempel  der  Juno 
Mimeta  und  der  römischen  Münzstätte  bestanden  hat  und  dem 
Wort  Moneta  die  Bedeutung  Münze  gab,  nicht  mehr  auf  natür- 

1)  Damit  erledigen  sich  auch  die  Gregenbemerkungcn  von  Herzog 
S.  128,  3.  Absatz  und  von  Reckendorf  Orient.  Lit.-Zeitung  1901,  335,  der 
übrigens  den  Wert  unserer  Versuche  anerkennt. 


14  A.  Thumb, 

lichem  Wege  hervorrufen,  weil  ganz  bestimmte  historische  Ver- 
hältnisse jene  räumliche  Verknüpfung  der  beiden  Dinge  bedingten. 
Aber  Wundt  gibt  selbst  zu,  daß  gewisse  Assoziationen,  wie  Fötor — 
Mutter^  groß — kUin^  ich — du  vor  Jahrtausenden*)  gerade  so  gut 
wie  noch  heute  eine  Bolle  gespielt  haben;  und  darum  habe  ich 
auch  in  voller  Absicht  mein  Material  so  ausgewählt,  daß  es  eine 
gewisse  Allgemeingiltigkeit  der  Assoziationen  verbürgt  Warum 
daher  Wundt  es  tadelt,  daß  wir  unsere  Versuche  "ganz  und  gar 
auf  die  Bevorzugung  bestimmter  Assoziationen"  anlegten,  ist  mir 
nicht  klar  geworden :  wenn  man  das  Problem  auf  experimentellem 
Weg  in  Angriff  nehmen  wollte,  mußte  man  mit  einer  Auswahl 
typischer  Fälle  beginnen ;  diese  Versuche  müssen  späterhin  na- 
türlich immer  mehr  individualisiert  werden  (wofür  besonders  die 
Dialektforschung  in  Betracht  kommt),  und  auch  in  der  Verfeine- 
rung der  Versuchsmethoden  ist  selbstverständlich  noch  nicht  das 
letzte  Ziel  erreicht  Das  Bedenken  Wundts,  daß  die  natürliche 
Bewußtseinskonstellation  im  Laufe  einer  Versuchsreihe  durch 
induzierende  Einflüsse  der  schon  angeführton  Versuche  gestört 
werden  könne,  ist  berechtigt;  man  kann  aber  dieses  Bedenken 
gegen  die  meisten  Versuche  der  experimentellen  Psychologie 
äußern,  und  doch  hat  man  sich  dadurch  nicht  abhalten  lassen, 
aus  solchen  Versuchsreihen  Folgerungen  zu  ziehen.  Allerdings 
muß  eine  umsichtige  Versuchsanordnung  dafür  sorgen,  daß  die 
störenden  Einflüsse  möglichst  ausgeglichen  werden:  wir  haben 
dafür  Sorge  getragen  durch  reichliche  Einmischung  beliebiger 
Wolter.  Bei  derjenigen  Versuchsperson  (Dr.  Roos),  die  überhaupt 
reine  Wortassoziationen  vermied,  hat  sich  tatsächlich  nichts  ergeben, 
was  auf  eine  bestimmte  Einstellung  des  Bewußtseins  im  Sinne 
'korrelativer  Begriffe'  hinwiese.  Diejenigen  Personen,  welche  solche 
Assoziationen  wie  Vat^  — Mutter^  leicht — schtver  bevorzugten, 
haben  dies  schon  bei  den  ersten,  zugerufenen  Worten  getan; 
und  so  oft  ich  auch  meine  Versuche  bei  irgendwelcher  Gelegen- 
heit wiederholte,  hat  es  nicht  irgendeiner  Determinierung  des 
Bewußtseins  bedurft,  um  Assoziationen  wie  Vater  —  Mtäter^ 
leicht  —  schwer  usw.  gleich  von  Anfang  an  hen^orzurufen.  — 

1)  und  in  den  verschiedensten  Sprachen!  Reckendorf  Orient.  Lit.- 
Zeitung  1901,  386  gibt  Belege  aus  den  semitischen  Sprachen  für  Analogie- 
bildungen bei  Zahlwörtern  und  Verwandtschaftsnamcn,  Barth  Form- 
angleichung  bei  begrifflichen  Korrespondenzen  (Orient.  Studien  Th.  Nöldeke 
gewidmet,  1906,  S.  787  ff.)  desgleichen  für  Wörter  wie  Anfang  —  Ende, 
oben  —  unteHj  Tag  —  Nachts  rechU  —  links. 


Psychologische  Studien  üher  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    16 

Da  die  Zeitmessung  ein  wichtiges  Hilfsmittel  für  unsere 
Untersuchungen  ist  —  die  Zeitdauer  ist  eine  der  wichtigsten 
Eigenschaften  der  Assoziationen  — ,  so  hat  Wreschner  *)  bedauert, 
daß  *'die  Zeitmessung  in  so  wenig  exakter  Weise  vorgenommen 
wurde".   Ich  bemerke,  daß  jüngst  auch  andere  Psychologen  sich 
der  Pünftel-Sekunden-Uhr    bei    Assoziationsversuchen    bedient 
haben*).    Unsere  Zeitmessung   gibt   natürlich   keine  absoluten 
Zahlen  für  den  Assoziationsvorgang  selbst,  sondern  nur  relative 
Zahlen,  welche  die  zeitliche  Verschiedenheit  der  einzelnen  Asso- 
ziationen, d.  h.  ihr  relativ  schnelleres  oder  langsameres  Eintreten 
mm  Ausdruck  bringen.    Daß  dieses  Verhältnis  durch  unsere  ver- 
einfachte Art  der  Messung  nicht  verwischt  oder  verdunkelt  wird, 
haben  die  Wattschen  und  eigene  Versuche  gezeigt,  die  mit  Hilfe 
des  Hippschen  Chronoskop  vorgenommen  wurden,  aber  nichts 
andersartiges  ergeben  haben.    Wir  bieten  also  den  Philologen' 
ein  zuverlässiges  und  durchaus  genügendes  Verfahren,  das  ohne 
umständliche  Versuchsanordnung  gestattet,  das   psychologische 
Experiment  bei  künftigen  Dialektunt^rsuchungen  anzuwenden, 
wie  ich  a.  a.  0.  empfohlen   habe.    Eine  Arretier-Uhr,  welche 
'/6-Sekunden  zu  messen  gestattet,  ist  ja  so  kompendiös  und  so 
leicht  zu  handhaben,  auch   so  billig  (etwa  25  M.),   daß  jeder 
Dialektforscher  sich  ihrer  bedienen  kann;   der  Phonetiker,  der 
auch  nur  die  einfachsten  Registrierinstrumente  benützt,  ist  in 
ganz  anderer  Weise  belastet   Wie  ich  schon  früher  gesagt  habe, 
verspreche  ich  mir  gerade  bei  Untersuchung  lebender  Dialekte 
aus   Assoziationsversuchen  den  größten  Nutzen:   wer  die   ge- 
läufigsten Assoziationen  innerhalb  einer  Sprechgemeinschaft  fest- 
stellt, wird  dadurch  einen  Fingerzeig  erhalten,  in  welchen  Worten 
nnd  Formen  eines  Dialektes  das  Wirken  der  Analogie  zu  er- 
warten  ist.    Natürlich   setzen  sich  nicht  alle  Assoziationen  in 
Analogiebildung  um"),  aber  jede  Analogiebildung  hat  eine  be- 
stimmte Assoziationstendenz  zur  Voraussetzung.    Wer  in  einem 
lebenden  Dialekt,  d.  h.  in  dessen  jüngsten  Vorgängen,  irgend- 
eine Kontamination  oder  Analogiebildung  annehmen  wollte,  auch 
wenn  die  erforderlichen  Assoziationen  völlig  fehlen,  der  würde 

1)  Ztschr.  f.  Psychiatrie  UX  (1902)  56*. 

2)  So  Jung  und  Ricklin  Diagnostische  Assoziationsstudien.  Journ. 
f.  Psycho!,  u.  Neurol.  111  (1904)  ööfT.  (vgl.  besonders  S.  58),  VI,  2  f. 

3)  Risop  BegrilTsverwandtschaft  und  Sprachentwicklung  (Progr.  Berlin 
1903)  S.  4  spricht  richtig  (vom  Standpunkt  unseres  gegenwärtigen  Wissens) 
von  "fakultativ  eintretenden  linguistischen  Effekten'*. 


16  A.  Thumb, 

m.  R  einen  schweren  methodischen  Fehler  begehen;  die  An- 
nahme einer  an  sich  imgewöhnlichen  Analogiebildung  —  und 
wer  kennt  in  der  Sprachwissenschaft  nicht  Beispiele  für  derlei 
Annahmen  —  kann  dagegen  als  richtig  erwiesen  werden,  wenn 
das  Assoziationsexperiment  damit  in  Einklang  steht  ^).  Im  übrigen 
verweise  ich  wegen  dieser  Dinge  und  wegen  der  prinzipiellen 
Bedeutung  derartiger  Dialektstudien  auf  meine  früheren  Aus- 
führungen (a.  a.  0.  S.  84  ff.). 

Auf  einige  weitere  Einwände,  die  Herzog  gemacht  hat, 
gehe  ich  nicht  ein,  so  wenn  er  S.  128.  130  die  Brauchbarkeit 
der  Versuche  für  Kontaminationsbildungen  zwar  zugibt,  für 
Veine*  Analogie-  (oder  Proportions)bildungen  aber  bestreitet,  oder 
wenn  er  (S.  131  Anm.)  an  dem  Beziehungsgesetz  zwischen 
Schnelligkeit  und  Geläufigkeit  einer  Assoziation  Ausstellungen 
macht;  es  will  mir  scheinen,  als  ob  Herzog  den  Sinn  des  Gesetzes 
nicht  erfaßt  hätte;  wenn  er  ernsthafte  Assoziationsversuche 
längere  Zeit  hindurch  gemacht  hätte  und  die  einfachen  Assozia- 
tionsvorgänge von  Vorgängen  der  Determination  zu  trennen 
wüßte,  würde  er  den  Vorgang  beim  Abhören  französischer 
Vokabeln  (Mutter  —  m^)  nicht  mit  unsern  Assoziationsversuchen 
auf  die  gleiche  Linie  gestellt  haben. 

Gar  keinen  Anlaß  habe  ich,  mich  mit  den  Einwänden 
K.  Voßlers*)  zu  beschäftigen;  zwischen  dem,  was  ich  für  die 
Aufgabe  der  Wissenschaft  halte  —  sei  sie  Sprachwissenschaft 
oder  Psychologie  —  und  dem  Tiefsinn'  Voßlers  ist  eine  solche 
Kluft,  daß  es  zwecklos  ist,  in  eine  längere  Erörterung  einzu- 
treten ;  den  Vorwurf  des  "Mangels  an  Logik"  nehme  ich  daher 
nicht  tragisch. 

Man  darf  von  unsern  Versuchen  zunächst  nicht  mehr 
erwarten,  als  was  sie  beantworten  können.  Sie  sind  ein  erster 
Vorstoß,  der  aber  doch  schon  zwei  wichtige  Merkmale  der 
sprachlich  wirksamen  Assoziationstendeuzen  ergeben  hat  (siehe 
oben  S.  6  und  a.  a.  0.  S.  80).  Daß  sich  die  Versuchsmethode  ver- 
feinem und  ausbauen  läßt,  wurde  schon  gesagt;  und  daß  wir 
selbst  bereits  weiter  gekommen  sind,  wird  sich  noch  zeigen. 
Wir  haben  uns  zunächst  auf  eine  bestimmte  Fragestellung  be- 
schränkt und  haben  es  z.  B.  abgelehnt,  die  Frage  zu  untersuchen, 

1)  Durcli  meine  Ausfülirungcn  werden  auch  die  Bemerkungen 
Schuchardts  S.393f.  erledigt. 

2)  Sprache  als  Schöpfung  und  Entwicklung,  Heidelberg  1905,  24  ff. 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    17 

warum  überhaupt  gewisse  Wortassoziationen  auftreten  (s.  a.  a.  0. 
S.  83),  obwohl  die  Beantwortung  dieser  Frage  für  unser  Problem 
nicht  bedeutungslos  ist  Der  Naturforscher,  der  die  Wirkung  be- 
stimmter Ursachen  au&ucht,  geht  eben&Us  Schritt  für  Schritt 
Yor:  er  isoliert  zunächst  einige  Erscheinungen,  um  die  Richtung 
XQ  finden,  in  welcher  gewisse  Ursachen  aufzusuchen  sind.  Ich 
möchte  das  Ver&faren,  das  ich  begonnen,  aber  noch  nicht  bis 
2um  letzten  Ende  geführt  habe,  mit  demjenigen  des  physiologisclien 
Chemikers  vergleichen,  der  die  spezielle,  physiologisch  wirksame 
(chemische)  Substanz  in  einem  bestimmten  Organ  oder  in  einer 
Heil-  oder  Giftpflanze  usw.  zu  bestimmen  und  zu  isolieren  sucht 
Was  die  spezifischen  Ursachen  der  Analogiebildungen  be- 
trifft, so  stehen  wir  erst  im  Anfang  der  experimentellen  ünter- 
sachung.  Wir  wissen,  daß  gewisse  Assoziationstendenzen  sprach- 
liche Wirkungen  ausüben  und  daß  sie  sich  durch  Zeitdauer  und 
Geläufigkeit  von  andern  Assoziationen  unterscheiden ;  diese  Asso- 
ziationstendenzen rufen  jedoch  die  sprachlichen  Wirkungen  nicht 
immer  und  unter  allen  Umständen  hervor.  Uns  ist  demnach  erst 
ein  Teil  der  Bedingungen  bekannt,  unter  denen  die  sprachliche 
Wirkung  der  gefundenen  Assoziatioustendenzen  eintritt;  weitere 
Bedingungen  können  teils  außerhalb,  teils  innerhalb  des  Assozia- 
tionsvorgangs liegen.  Die  Untersuchung  kann  sich  zunächst  auf 
die  Frage  erstrecken,  ob  den  sprachlich  wirksamen  Assoziations- 
tendenzen noch  sonstige  Eigenschaften  außer  den  schon  ge- 
fundenen zukommen,  die  das  Eintreten  einer  Analogiebildung 
begünstigen.  Je  mehr  Eigenschaften  wir  feststellen,  desto  kleiner 
wird  der  Kreis  der  Assoziationen  oder  Assoziationsarten,  welche 
für  die  psychologische  Erklärung  der  Analogiebildung  maßgebend 
sind  —  und  damit  gewinnen  wir  verrautiich  immer  bessere  und 
reinere,  d.  h.  gesetzmäßige  Beziehungen  zwischen  dem  assozia- 
tiven und  sprachlichen  Vorgang.  Der  folgende  Abschnitt  soll 
zeigen,  daß  und  wie  man  in  dieser  Richtung  weiterkommen  kann. 
Es  handelt  sich  zunächst  darum,  ob  für  die  Festigkeit  und  das 
Wesen  des  Assoziationsvorganges,  den  wir  für  die  Analogiebildung 
voraussetzen,  außer  Geläufigkeit  und  Zeitdauer  noch  andere 
Merkmale  zu  gewinnen  sind. 

n. 

K.  Marbe  (a.  a.  0.  11  ff.)  und  daran  anschließend  J.  Orth^) 
haben  darauf  hingewissen,  daß  die  übliche  Einteilung  der  Assozia- 
1)  Ztschr.  f.  Psychol.  u.  Pacdog.  1901,  1  fif. 
laäo^ermanucbe  Fonobnageü  XXII,  ^ 


18  A.  Thumb, 

tionen  nicht  eine  Einteilung  dieser  psychischen  Prozesse,  son- 
dern der  "Bedeutungsverhältnisse  der  aneinander  assoziierten 
Worte"  sei.  Eine  psychologische  Klassifizierung  hat  die  Aufgabe, 
die  Assoziationen  nach  ihren  psychischen  Merkmalen  zu  gruppieren. 
Wir  konnten  schon  bei  unsem  fi-ühem  Versuchen  öfter  fest- 
stellen, daß  ein  Teil  der  ausgelösten  Assoziationen  sich  unmittel- 
bar ohne  jegliches  Zwischenerlebnis  an  das  Reizwort  anschließt, 
daß  bei  anderen  (besonders  bei  einer  Versuchsperson)  das  zu- 
gerufene Wort  zunächst  eine  (oft  visuelle)  Vorstellung  auslöste,  die 
dann  benannt  wurde ;  in  diesem  Fall  waren  die  Reaktionszeiten 
durchschnittlich  viel  länger  als  sonst  Wir  mußten  bei  der  Ver- 
arbeitung unserer  Versuche  diese  Erscheinung  unberücksichtigt 
lassen,  weil  sie  sich  erst  im  Verlauf  der  Versuche  herausstellte 
und  uns  damals  für  unser  nächstes  Ziel  nicht  wesentlich  schien. 
Auf  die  Veranlassung  Marbes  haben  nun  zwei  seiner  Schüler, 
K.  Mayer  und  J.  Orth,  die  psychischen  Erlebnisse  beim  Assozia- 
tionsvorgang genauer  untersucht  und  für  die  Einteilung  der 
Assoziationen  verwertet*).  Die  Resultate  dieser  Untersuchung 
scheinen  mir  für  die  Erkenntnis  des  Analogiebildungsprozesses 
verwertbar  und  haben  mich  zu  eigenen  neuen  Versuchen  ver- 
anlaßt. 

Die  Verfasser  arbeiteten  mit  einem  Wortmaterial  (408  ein- 
silbigen Substantiven),  das  schon  bei  früheren  Assoziations- 
versuchen (von  Trautscholdt  und  Aschaffenburg)  verwendet 
worden  war;  die  Untersuchung  von  1224  Assoziationen,  die 
von  4  Beobachtern  gewonnen  waren,  bestätigte  die  Existenz 
zweier  verschiedenen  Assoziationstypen,  nämlich  einer  Form  der 
Assoziation  ohne  eingeschaltete  Bewußtseinsvorgänge  und  einer 
solchen  m  i  t  eingeschalteten  Bewußtseinsvorgängen ;  wir  wollen  sie 
im  Folgenden  kurz  als  'spontane'  und  'vermittelte'  Assoziationen 
bezeichnen.  Die  vermittelten  Assoziationen  traten  in  diesen  Ver- 
suchen im  allgemeinen  viel  häufiger  auf  als  die  spontanen; 
sie  betragen  zwischen  64,3  und  92,8 ®/o  aller  Assoziationen. 
Wenn  auch  jede  Versuchsperson  beide  Typen  bot,  so  ergab  sich 
doch  bei  einem  Beobachter  eine  besonders  starke  Vorliebe  für 
vermittelte  Assoziationen.  Wie  weit  dieses  Ergebnis  durch  die 
Wahl  der  Reizworte  bedingt  ist,  ist  aus  der  Arbeit  nicht  er- 
sichtlich :  soviel  aber  sehen  wir  deutlich,  daß  die  Art  des  Asso- 

1)  K.  Mayer  u.  J.  Orth  Zur  qualitativen  Untersuchung  der  Association. 
Ztschr.  f.  Psychol.  u.  Physiol.  d.  Sinnesorgane  XXYl  (1901). 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    19 

ziierens  bei  verschiedenen  Menschen  verschieden  ist  Die  Zeit- 
dauer der  vermittelten  Assoziationen  war  bei  allen  Versuchs- 
personen im  Durchschnitt  größer  als  die  der  spontanen  Asso- 
ziationen; der  Unterschied  betrug  im  Mittel  0,32  bis  0,94 
Sekunden ;  er  war  um  so  größer,  je  mehr  Bewußtseinsvorgänge 
zwischen  Beiz-  und  Reaktionswort  eingeschaltet  waren;  irgend 
welche  Willensbetätigung,  so  das  Suchen  nach  einer  Beziehung 
zu  dem  gehörten  Wort,  verlangsamte  den  Assoziationsverlauf  in 
noch  stärkerer  Weise  (um  durchschnittlich  0,48  bis  0,77  Sek.) 
gegenüber  allen  andern  Assoziationen.  Auch  gefühlsbetonte  (ins- 
besondere unlustbetonte)  Bewußtseinsvorgänge  verlangsamen  er- 
heblich (um  durchschnittlich  0,40  bis  1,07  Sek.)  den  Assoziations- 
prozeß. Wie  weit  Bewußtseinsvorgänge,  die  sich  nicht  einschalten, 
sondern  Reiz-  oder  Reaktionswort  nur  begleiten,  den  Ablauf  der 
Assoziation  beeinflussen,  bleibt  noch  zu  untersuchen. 

Da  die  Verfasser  die  einzelnen  Reaktionen  nicht  mitteilen, 
so  ist  es  nicht  möglich,  über  die  sprachlichen  Eigenschaften  der 
Reiz-  und  Reaktionsworte  zu  urteilen.  Offen  bleibt  auch  noch  die 
Frage,  ob  wirklich  die  vermittelten  Assoziationen  durchweg 
häufiger  auftreten  als  die  spontanen:  das  hängt  nicht  nur  von 
den  Versuchspersonen,  sondern  auch  von  dem  Charakter  der 
Reizworte  ab.  Die  Reizworte  Trautscholdts  und  Aschaffenburgs 
sind  nach  psychologischen,  nicht  sprachwissenschaftlichen  Ge- 
sichtspunkten ausgewählt:  wir  müssen  nun  die  Frage  besonders 
untersuchen,  wie  die  sprachlich  bedeutsamen  Assoziationen  sich 
verhalten,  zu  welchem  Assoziationstypus  sie  gehören.  Man  kann 
a  priori  annehmen,  daß  Assoziationen,  die  durch  besondere  Be- 
wußtseinsvorgänge, d.  h.  eingeschaltete  Gesichts-  und  andere 
Vorstellungen,  Willensbetätigungen,  Gefühle  vermittelt  sind,  auf 
Assoziationstendenzen  beruhen,  die  schon  deshalb  nicht  sprach- 
lich wirksam  werden,  weil  die  fraglichen  Assoziationen  zu  langsam 
eintreten,  um  im  Verlauf  des  Sprechens  die  Innervation,  bezw. 
Lautform  eines  Wortes  zu  beeinflussen.  Nur  eine  solche  Wort- 
vorstellung, die  durch  ein  gegebenes  Wort  ohne  Zwischenglied 
ausgelöst  wird,  wird  induzierend  (störend)  auf  das  primäre  Wort 
wirken  können.  Auch  eine  visuelle  oder  allgemein  akustische 
(nicht  speziell  sprachliche !)  Vorstellung  kann,  so  unmittelbar  sie 
auch  auftreten  mag,  ein  innerviertes  Wort  in  seiner  Lautform 
nicht  beeinflussen.  Wir  dürfen  also  erwarten,  daß  nur  Wort- 
vorstellungen, die  unmittelbar,  d.h.  ohne  Einschaltung  sonstiger Be- 


20  A.  Thamb, 

wußtseinsvorgänge  hervorgerufen  werden,  für  Analogiebildungen 
in  betraeht  kommen,  alle  andern  Assoziationen  aber  unwirksam 
bleiben :  wir  können  die  letzteren  für  das  Studium  des  Wesens 
der  Analogiebildung  ausschalten  und  brauchen  nur  die  spontanen 
Assoziationen  weiter  zu  untersuchen.  Nicht  selten  war  freilich 
bei  den  Versuchen  von  Mayer  und  Orth  eine  Wortvorstellung 
das  Mittelglied  zwischen  Reiz-  und  Reaktionswort  *) ;  auch  diese 
vermittelten  Reaktionen  sind  künftighin  auszuschalten,  weil  es  ja 
auf  die  erste  Wortvorstellung  allein  ankommt,  die  in  diesen 
Fälen  der  Messung  entzogen  ist*). 

Die  Reaktionen,  welche  wir  in  unsem  früheren  Versuchen 
als  sprachwissenschaftlich  bedeutsam  erkannten,  waren  jeweils 
die  durchschnittlich  schnellsten;  die  für  uns  bedeutungslosen 
Reaktionen  verliefen  langsamer.  Jene  werden  also  meist  dem 
spontanen,  diese  meist  dem  vermittelten  Assoziatioustypus  an- 
gehört haben  (wie  schon  von  uns  bei  einer  Versuchsperson 
[Roos]  beobachtet  werden  konnte).  Ob  das  wirklich  zutrifft, 
darüber  kann  natürlich  nur  das  Experiment  Auskunft  geben: 
wo  dieses  eine  Au^be  lösen  kann,  hat  es  vor  jeder  theoretischen 
Erörterung  den  Vorzug. 

Ich  hatte  für  meine  Versuche,  die  im  Sommer  1905  im 
physiologischen  Institut  der  Universität  Marburg  ausgeführt 
wurden,  7  Versuchspersonen,  nämlich  vier  Studierende  und  einen 
Privatdozenton  der  Universität,  einen  Lehrer  und  eine  jüngere 
Dame.  Aus  den  Reizworten,  mit  denen  Marbe  und  ich  schon  früher 
operiert  hatten,  wählte  ich  folgende  für  die  neuen  Versuche  aus : 
10  Verwandtschaftswörter  (Vater,  Mutter,  Sohn,  Tochter, 
Bruder^  Schwester,  Vetter,  Base,  Schivager,  Schtmgerin),  10  Ad- 
jektiva  (groß^  kl^in,  leicht,  schtver^  alt,  jung,  dkk,  dünn,  weiß, 
schcarz),  10  Zahlen  (1  —  10),  10  Verba  (geben,  nehmen,  essen, 
trinken,  fahren,  reiten,  lesen,  schreiben,  binden,  finden),  sowie  die 
8  Formwörter  ich,  du,  wir,  ihr,  wo,  da,  hier,  dort.  Die  Ver- 
suchsanordnung war  folgende'):  der  Taster,  den  ich  beim  Zu- 


1)  S.  a.  a.  0.  S.  8. 

2)  Daß  man  bei  diesem  Verfahren  der  Ausschaltung  nicht  den 
Fehler  macht,  den  Aschaffenburg  und  Orth  (Ztschr.  f.  Psychol.  u.  Paedag. 
1901,  S.  8)  Münsterberg  vorwerfen,  liegt  auf  der  Hand. 

3)  Mein  Kollege  Prof.  Dr.  N.  Ach  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  so- 
wohl die  Apparate  zusammenzustellen  wie  auch  bei  den  Versuchen  selbst 
mitzuwirken,  wofür  ich  ihm  auch  an  dieser  Stelle  danke. 


Psychologische  Studien  über  die  apiacklichen  Analogiebildungen.    2| 

mfen  des  Wortes  niederdrückte,  setzte  das  Hippsche  Chrono- 
skop  in  Bewegung;  die  Versuchsperson  sprach  das  assoziierte  Wort 
in  einen  Schalltrichter,  dessen  Membran  die  Unterbrechung  des 
elektrischen  Stroms  bezw.  die  Arretierung  des  Ghronoskops  be- 
wirkte. Das  Chronoskop  wurde  von 'Herrn  N.  Ach  bedient  und 
kontrolliert,  der  die  Zeiten  (in  c,  d.  L  Viooo  Sek.)  aufschrieb, 
während  ich  die  Assoziationsworte  samt  den  Erlebnissen  der 
Versuchspersonen  protokollierte.  Die  48  Versuche  waren  für 
jede  Versuchsperson  auf  drei  (nicht  aufeinander  folgende !) 
Nachmittage  verteilt;  um  außerdem  noch  einer  gegenseitigen 
Beeinflussung  der  zugerufenen  Worte  entgegenzuwirken,  wurden 
zwischen  hinein  beliebige  andere  Worte  zugerufen. 

Die  Versuche  lehrten  zunächst  in  ihrer  Gesamtheit  dasselbe, 
was  schon  die  früheren  Versuche  ergeben  hatten;  vgl  die 
folgenden  Tabellen  III — VII,  wobei  in  Klammem  die  Zahlen 
der  früheren  Versuche  beigefügt  sind;  nur  die  bevorzugtesten 
Beaktionen  sind  hier  berücksichtigt,  da  nur  diese  die  Ueberein- 
Stimmung  mit  den  früheren  Versuchen  illustrieren  können. 
Abweichende  Beaktionen  sind  kursiv  gedruckt 

unter  Via  ist  eine  Tabelle  hinzugefügt,  welche  nach  Ver- 
suchen von  Dr.  phil.  Menzerath  das  Verhalten  der  Zehner  (aus 
8  neuen  Versuchspersonen)  zeigt 


Tabelle  m. 

Reizwort 

Bevorzugteste 
Reaktion 

Häufigkeit 

Durchschnittl. 
Dauer  in  Sek. 

Vater 

Mutter 

7    (5) 

1,16    (1,24) 

Mutter 

Vater 

6    (3) 

0,99    (1,67) 

Sohn 

Vater 

4    (5) 

1,23    (1,36) 

Tochter 

Schwester 

3    (0)») 

1,18     (-) 

Bruder 

Schwester 

6    (6) 

1,15    (1,33) 

Schwester 

Bruder 

6    (4) 

1,02    (1,90) 

Vetter 

Base«) 

4    (3) 

1,60    (1,40) 

Base 

Vetter 

3    (6) 

1,81    (1,88) 

Schwager 

Schwester 

2    (0)') 

1,80     (-) 

Schwägerin 

Schwager 

4    (0)^) 

1,32     (-) 

1)  Tochter  —  Mutter  trat  als  nächstbevorzugte  Reaktion  2  mal  auf 
(früher  als  bevorzugteste  4  mal). 

2)  Bezw.  Cousine. 

3)  Früher  Schwager  —  Bruder  (2  mal). 

4)  Früher  ohne  bevorzugteste  Reaktion. 


22 


A.  Thumb, 


Tabelle  IV. 

Reizworte 

Bevorzugteste 
Reaktion 

Häufigkeit 

Durchschnittl. 
Dauer 

groß 

klein 

7     (7) 

0,85      (1,29) 

klein 

groß 

7     (6) 

0,85      (1,37) 

leicht 

schwer 

7     (7) 

1,01      (1,46) 

schwer 

leicht 

6     (6) 

0,89      (1,23) 

alt 

jung  *) 

7  0(6) 

1,71«)  (1,30) 

jung 

alt 

6     (7) 

0,79      (1,17) 

dick 

dünn») 

6»)  (7) 

0,96      (1,26) 

dünn 

dick 

6     (7) 

0,83      (1,29) 

weiß 

schwarz 

4     (7) 

0,92      (1,63) 

schwarz 

weiß 

ö     (6) 

0,77      (1,43) 

1)  Darunter  einmal  neu. 

2)  Diese  lange  Zeitdauer  ist  bedingt  durch  eine  einzige  vermittelte 
Reaktion  alt  —Jung,  die  6,337  Sek.  brauchte,  vgl.  dazu  die  Bemerkungen 
S.U. 

3)  Darunter  einmal  mager. 


Tabelle  V. 


Reizworte 

Bevorzugteste 
Reaktion 

Häufigkeit 

Durchschnittl. 
Dauer 

ich 

du 

6    (4) 

0,92       (1,25) 

du 

er 

2     (5) 

0,71       (1,28) 

wir 

ihr«) 

3    (3) 

0,98       (1,47)«) 

ihr 

wir 

3    (3) 

0,92»)    (1,60) 

wo 

da,    2  dort,    hier 

4    (5)*) 

1,35       (1,60)*) 

hier 

dort,     1  da 

5    (6) 

1,04      (1,37) 

da 

2  hier,    2  dort 

4    (4) 

0,88       (1,50) 

dort 

2  da,     2  hier 

4    (5)«) 

0,92       (1,32) 

1)  wir  —  uns:  2  (3). 

2)  Durchschnitt  von  ihr  und  uns. 

3)  Nur  aus  zwei  Fällen  berechnet  (wegen  Ausfallens  einer  Zeit- 
messung). 

4)  4  da,  1  dort. 

5)  Mit  Hinzuziehung  von  dort. 

6)  Nur :  hier. 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    83 


Tabelle  VI. 


Reizworte 

Bevorzugteste 
Reaktion 

Häufigkeit«) 

Dnrchschnittl. 
Dauer 

eins 

zwei 

6   (6)     (7) 

0,96      (1,20) 

zwei 

drei 

*   (*)    (7) 

1,91«)  (1,16) 

drei 

vier 

fi   (6)    (7) 

1,11      (1,32) 

vier 

fünf 

6   (6)    (8) 

0,71      (1,13) 

fünf 

sechs 

*   (6)     (6) 

0,68     (1,17) 

sechs 

sieben 

4    (5)    (6) 

0,84«)  (1,16) 

sieben 

acht 

4   (6)     (4) 

0.85     (1,33) 

acht 

neun 

3    (6)    (6) 

0,87     (1,43) 

neun 

zehn 

4   (6)    (7) 

1,00     (1,62) 

zehn 

\    zwölf 

|2   (2)')  (6) 

0,86     (1,20) 
0,99        — 

1)  Die  an  dritter  Stelle  in  Klammer  gegebenen  Zahlen  ergaben  sich 
bei  den  Versuchen  von  Dr.  phil.  Menzerath  (s.  o.). 

2)  Die  bevorzugteste  R.  war  früher  zwanzig  (3 mal);  elf  die  nächst- 
bcTomigte. 

3)  Bedingt  durch  eine  R.  von  5,71  Sek. 

4)  Nur  aus  drei  Messungen. 


Tabelle  Via. 


Durchschnittl. 

Reizworte 

Bevorzugteste 

Häufig- 

Durchschnittl. 

Dauer 

Reaktion 

keit 

Dauer 

der  übrigen 
Reaktionen 

zehn 

elf 

6 

0,839 

1,436 

zwanzig 

dreißig 

7 

0,884 

1,131 

dreißig 

vierzig 

7 

0,973 

2,249 

vierzig 

fünfzig 

6 

0,734 

0,887 

fünfzig 

sechzig 

6 

0,851 

1,054 

sechzig 

siebzig 

4 

0,977 

1,474 

siebzig 

achtzig 

6 

0,725 

0,964 

achtzig 

neunzig 

7 

1,002 

1,085 

neunzig 

hundert 

7 

1,072 

1,320 

hundert 

tausend 

6 

1,139 

1,802 

24 


A.  Thumb, 


Tabelle  VIL 

Reizwort 

Bevorzugteste 
Reaktion 

Häufigkeit 

Durchschnittl. 
Zeit 

binden 

Strick  •) 

2     (-) 

1,58      (-) 

essen 

trinken 

5     (6) 

1,06    (1,13) 

fahren 

gehen  ■) 

4     (-) 

1,18      (-) 

finden 

suchen 

4     (4) 

1,11     (1,40) 

geben 

nehmen 

4     (4) 

1,29    (175) 

lesen 

schreiben 

4     (5) 

0,91    (1,16) 

nehmen 

geben 

6     (6) 

1,05    (1,33) 

reiten 

fahren 

5     (3) 

1,01     (1:27) 

schreiben 

lesen 

4     (4) 

0,96    (1,15) 

trinken 

essen  *) 

4     (-) 

1,05      (-) 

Die  Wiederholung  von  Assoziationsversuchen  bestätigt  also 
unsere  früheren  Ergebnisse*),  und  mithin  beruhen  auch  die 
folgenden  Ausführungen  auf  einem  ganz  gleichartigen  Material 
wie  dasjenige,  an  welches  wir  unsere  früheren  Erörterungen  an- 
knüpften. Unser  Material  soll  aber  nunmehr  mit  Rücksicht  auf 
die  Vorgänge  geprüft  werden,  die  sich  bei  der  Reproduktion 
abspielen,  indem  wir  die  Reaktionen  einteilen  in  1)  spontane 
(bezeichnet  mit  Ra),  wo  sich  das  Reaktionswort  ohne  Erlebnis 
unmittelbar  an  das  Reizwort  anschloß,  2)  in  solche  mit  Begleit- 
vorstellungen (Rh),  3)  vermittelte  d.  h.  mit  zwischeugeschalteten 
Vorstellungen  (R  c).  Da  öfter  nicht  zu  entscheiden  war,  ob  Typus  2) 
oder  3)  vorliegt,  so  sind  diese  Fälle  besonders  als  R(bc)  zu- 
sammengefaßt Übjer  die  Häufigkeit  und  die  Zeitdauer  dieser  Asso- 
ziationsformen gibt  Tabelle  VIII  in  den  vier  mit  R  a  usw.  be- 
zeichneten Hauptkolumnen  Auskunft;  jede  Kolumne  enthält  die* 
Häufigkeit  (H)  und  die  durchschnittliche  Zeitdauer  (Z)  der  Re- 
produktionen in  Sekunden;  die  letzte  Kolumne  (K)  gibt  an,  wie 
viele  der  unter  Ra,  Rb,  Rc,  R(bc)  verzeichneten  Reaktionen 
reine  Klangassoziationen  sind.  Die  Versuchspersonen  sind  in  der 


1)  Früher  finden  (2). 

2)  Früher  reiten  (5). 

3)  Früher  winken  (2). 

4)  Das  gilt  auch  für  unser  Geläuiigkeitsgesetz ,  das  ich  hier  nicht 
weiter  erörtere,  weil  ea  von  meinem  Hörer  Menzerath  an  gröiierem  Ma- 
terial nochmals  geprüft  werden  wird. 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    26 

1.  Kolumne  mit  den  Ziffern  I — VII  bezeichnet ;  die  eingeklam- 
merte Zahl  dahinter  gibt  die  Anzahl  der  verwerteten  Versuche  an  *). 

Tabelle  Vm. 


Ra 

Rh 

Rc 

R  (bc) 

K 

Versachsperson 

H 

Z 

H 

Z 

H 

Z 

H 

Z 

H 

I  m 

lY    (46) 

in  (46) 

VI    (47) 

VU    (45) 

V    (47) 

n    (48) 

35 
32 
21 
21 
17 
13 
8 

0,944 
0,867 
0,906 
1,074 
0,814 
1,025 
1,157 

6 
10 

9 
1 
8 
4 
4 

0,867 
0,934 
0,768 
0,772 
0,717 
0,94S 
1,179 

3 
4 
13 
13 
15 
20 
23 

1,565 
1.245 
1,272 
2,391 
1,136 
1,768 
1,576 

8 

4 
12 

5 
10 
18 

1,414 

1,005 
0,969 
0,717 
1,269 
1.296 

19 
1 
1 

Summe 
und  Zeitmittel 

147 

0,944 

42 

0,868 

91 

1,603 

46 

1,131 

21 

in  •/• 

45 

— 

13 

— 

28 

— 

14 

— 

6,5 

Die  Kolumnen  Ra  und  Rc  der  Tabelle  zeigen  zunächst  in 
Übereinstimmung  mit  den  Resultaten  von  Mayer  und  Orth  die 
zeitliche  Verschiedenheit  zwischen  spontanen  und  vermittelten 
Assoziationen;  bemerkenswert  ist  ferner,  daß  eine  Begleitvor^ 
Stellung  (Kolumne  Rb)  den  zeitlichen  Ablauf  nicht  ungünstig 
beeinflußt  (d.  h.  nicht  verlangsamt),  daß  also  diese  Assoziationen 
offenbar  spontan  (wie  R  a)  eintreten.  Wenn  die  Zeitangaben  der 
Kolumne  R  (bc)  zwischen  denen  von  R  b  und  R  c  stehen,  so  er- 
gibt sich  daraus,  daß  ein  Teil  jener  Reaktionen  zu  R  b,  ein  Teil 
zu  R  0  gehört  Aber  sie  scheiden  im  Folgenden  als  nicht  mit 
Sicherheit  einzuordnende  Fälle  aus.  Rb  könnte  zusammen  mit 
Ra  dem  Typus  Rc  gegenübergestellt  werden;  wir  ziehen  es  aber 
zur  Vereinfachung  der  Diskussion  vor,  R  a  allein  mit  dem  Typus 
Rc  zu  vergleichen*). 

1)  D.  h.  die  Fehlversuche  sind  abgezogen ;  auf  jede  Versuchsperson 
kommen  48  zugerufene  Worte. 

2)  Mentz  Lit.  Centralbl.  1902,  74  legt  Wert  darauf,  daß  festgestellt 
wurde,  welche  Begleit  Vorstellungen  bei  den  einzelnen  Assoziationen  auf- 
treten. Diese  haben  aber  für  den  Prozeß  der  Analogiebildung  keine  Be- 
deutung —  höchstens  für  die  Untersuchung  der  Ursache  der  Assoziation ; 
denn  gerade  die  spontanen  Reaktionen,  denen  jede  Begleitvorstellung  fehlt, 
besitzen  ihrer  Natur  nach  die  Fähigkeit,  unwillkürlich  induzierend  zu  mtki^tL. 


26  A.  Thumb, 

Daß  bei  meinen  Versuchen  im  Gegensatz  zu  Mayer  und 
Orth  die  spontanen  Reaktionen  deutlich  überwiegen  (45  ®/o  gegen- 
über 28  ®/o),ist  offenbar  nicht  durch  die  Versuchspersonen,  sondern 
durch  das  Wortmaterial  bedingt :  Worte,  welche  an  sich  die  Tendenz 
haben,  geläufige  Wortassoziationen  hervorzurufen,  und  die  deshalb 
auch  zu  Untersuchungen  über  Analogiebildungen  geeignet  sind  ^), 
rufen  eben  überwiegend  spontane  Assoziationen  hervor. 

Man  kann  erwarten,  daß  die  verschiedenen  Wortkategorien 
sich  hinsichtlich  des  Auftretens  spontaner  Assoziationen  ver- 
schieden verhalten;  wenngleich  mein  Material  nicht  groß  genug 
ist,  um  gesetzmäßige  richtige  Zahlen  für  solche  Verschiedenheiten 
zu  liefern,  so  zeigt  doch  die  folgende  Tabelle  deutlich  das  Eine, 
daß  die  Zahlwörter  stärker  als  die  anderen  Versuchswörter  spon- 
tane Assoziationen  hervorrufen: 

Tabelle  IX. 


Reizwort 

Anzahl  •)  von  Ra 

Anzahl  •)  aller 
übrigen  Reaktionen 

Verwandtschaftsnamen  .    .     . 
Pronomina  und  Adverbia  .     . 

Adjektiva 

Verba 

Zahlwörter 

39 
41 
43 
U 

51») 

59 
51 
56 
55 

48 

Es  ist  somit  ein  Mittel  gewonnen,  die  Disposition  zu  reinen 
Wortassoziationen  (Ra)  für  die  einzelnen  Wörter  und  Wortarten 
experimentell  zu  bestimmen;  damit  erhalten  wir  zugleich  die  Mög- 
lichkeit, die  Disposition  zu  Analogiebildungen  quantitativ  abzu- 
schätzen. Denn  daß  das  Auftreten  spontaner  Assoziationen  (R  a)  mit 
dem  Prozeß  der  Analogiebildung  zusammenhängt,  ergibt  sich  aus 
der  genaueren  Prüfung  der  Assoziationstypen,  die  jeweils  bei  den 
verschiedenen  reproduzierten  Wörtern  auftreten  bezw.  bevorzugt 
werden.   Schon  frühere  Versuche*)  hatten  gezeigt,  daß  die  re- 

1)  Meine  Versuchsworte  sind  ja  seinerzeit  mit  Rücksicht  auf  die 
dabei  leicht  auftretenden  Analogiebildungen  ausgewählt  worden. 

2)  in  Vo;  die  Fehl-Reaktionen  sind  weggelassen. 

B)  Die  Versuche  meines  Schülers  Menzerath  ergaben  hinsichtlich 
der  Zahlen  1—10  und  der  Zehner  10—100  ein  noch  stärkeres  Überwiegen 
von  R  a  für  die  reproduzierten  Zahlen,  nämlich  77,5  ®/o  und  81  ^o- 

4)  Thumb  und  Marbe  a.a.O.  S.  17 f. 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    27 

produzierten  Wörter  vorwiegend  der  gleichen  sprachlichen  Kate- 
gorie angehören  wie  das  Heizwert;  d.  h.  ein  Substantiv  bevorzugt 
ein  Substantiv,  ein  Adjektiv  ein  anderes  Adjektiv  usw.  Analogie- 
bildungen vollziehen  sich  ebenfalls  überwiegend  innerhalb  der 
gleichen  Wortkategorie.  Auch  qualitativ  sind  nun  die  Reaktionen 
aus  der  gleichen  Wortkategorie  von  anderen  Reaktionen  ver- 
schieden :  bei  Assoziationen  der  gleichen  sprachlichen  Kategorie 
sind  die  spontanen  Reaktionen  (R  a)  verhältnismäßig  häufiger  als 
bei  sonstigen  Assoziationen.  Das  ergibt  sich  aus  der  Tabelle  X ; 
in  der  zweiten  und  dritten  Kolumne  sind  alle  Reaktionen  zu- 
sammengestellt, bei  denen  auf  das  Reizwort  mit  einem  Wort  der 
Reichen  Kategorie  reagiert  wurde,  wobei  also  auf  das  Verwandt- 
schaftswort ein  Verwandtschaftswort,  auf  das  Adjektiv  ein  Adjektiv 
der  gleichen  Bedeutungssphäre,  auf  das  Pronomen  ein  Pronomen, 
auf  das  Ortsadverb  ein  Ortsadverb,  auf  das  Zahlwort  ein  Zahl- 
wort, auf  das  Verbum  ein  Verbum  folgte  ^). 


Tabelle  X. 


A.  Reaktionen 

aus  der  gleichen 

Kategorie 

aus  1 

B.  Reaktionen 
inderen  Wortklassen 

Reizwort 

Gesamtzahl 

ohne  die 
Klangassoz. 

Ra 

Rc 

Ra 

Rc 

Ra 

Rc 

Ferwandtschaftswörter 

24 

27 

3 



3 



Adjektiva 

Pronomina 

29 
11 

7 

4 

1 
1 

2 
6 

— 

2 
4 

Adverbia 

8 

6 

4 

2 

3 

2 

Zahlwörter«) 

Verba 

33 

26 

12 
15 

4 
5 

3 

4 

3 

3 
4 

181 

71 

18 

16 

9 

16 

Das  Verhältnis  der  Zahlen  von  Ra  und  Rc  ist  in  der 
Gruppe  A,  d.h.  bei  den  Reaktionen  der  gleichen  Kategorie,  dem 
Verhältnis  in  der  Gruppe  B,  d.  h.  bei  Reaktionen  aus  andern 
Wortklassen,  direkt  entgegengesetzt;  im  ersten  Fall  überwiegt 

1)  Warum  eine  6.  und  7.  Kolumne  mit  Abzug  der  Klangassoziationen 
gebildet  wurde,  kommt  später  zur  Sprache,  s.  S.  11  Fußn.«). 

2)  Bei  den  Versuchen  des  Herrn  Menzerath  ergaben  sich  für  die 
Einer  und  Zehner  (8  Versuchsperaonen)  die  Zahlen  117  :15,  ^*.T,  \\^.    - 


A.  Thumb, 


B  a,  im  zweiten  (Kol.  6  und  7)  Rc.  Daß  nun,  wie  schon  be- 
merkt, Analogiebildungen  sieh  häufiger  zwischen  Wörtern  der 
gleichen  Klasse  als  zwischen  solchen  verschiedener  Klassen  ein- 
stellen, wird  mitliin  durch  das  Experiment  in  einem  weiteren 
Punkte*)  psychologisch  verständlich:  jener  sprachlichen  Ver- 
schiedenheit entspricht  ein  differenziertes  Verhalten  der  zugrunde 
liegenden  psychischen  Prozesse ;  der  Prozeß  der  Analogiebildung 
steht  also  mit  dem  Auftreten  des  Assoziationstypus  R  a  in  einem 
inneren  (funktionellen)  Zusammenhang. 

Ein  Überwiegen  der  spontanen  Assoziation  (Ba)  zeigt  sich 
aber  nicht*  nur  allgemein  innerhalb  der  gleichen  sprachlichen 
Kategorie;  es  macht  sich  noch  stärker  geltend,  wenn  man  die 
bevorzugtesten  (geläufigsten)  Assoziationen  (wie  Vater  :  Mutter^ 
leicht :  achioer)  mit  allen  übrigen  vergleicht,  worüber  Tabelle  XI 
Auskunft  gibt. 

Tabelle  XL 


Reizwort 


A. 

Gesamtzahl 

der 

bevorzugtesten 

Assoziationen 


Ra 


Rc 


B. 
Anzahl  der  übrigen  Assoa. 


Gesamtzahl 


Ra       R  c 


ohne  die 
Klangassoz. 


Ra       R  c 


Verwandtschaf tswOrte  r 

Adjektiva 

Pronomina 

Adverbia 

Zahlwörter*)  .     .    .     . 
Verba 


19 
28 

8 

7 

28(110) 
19 


109 


15 
6 

1 
5 

4(4) 
12 


8«) 
2 
4 
5 

9(9) 
12 


14«) 

8») 
3 

11(18) 
9 


4 
1 
3 
4 

6(8) 
7 


14 
3 

7 
3 

11(15) 
8 


40 


48 


24 


46 


Wie  eine  Vergleichung  dieser  und  der  vorigen  Tabelle 
zeigt,  wird  also  der  Gegensatz  in  der  Verteilung  der  Assoziations- 
typen Ra  und  Rc  noch  größer,  wenn  man  die  bevorzugtesten 

1)  Außer  dem  quantitativ  h&ufigeren  Auftreten  von  Assoziationen 
der  gleichen  Kategorie. 

2)  Eingeschlossen  sind  2 : 4  'nächstbevorzugte*  Reaktionen. 

3)  Mit  Einschluß  von  2  nächstbevorzugten  Reaktionen. 

4)  Die  eingeklammerten  Zahlen  stammen  aus  den  Versuchen  des 
Herrn  Menzerath. 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    M 

Assoziationen  allen  anderen  gegenüberstellt;  denn  während  Ra 
bei  den  Reaktionen  der  gleichen  Wortklasse  (Tab.  X)  die  An- 
ahl  von  Rc  um  das  1,8  fache  übertrifft  (131  :  71),  übertrifft 
das  Auftreten  von  R  a  bei  den  bevorzugtesten  Assoziationen  die 
Anzahl  von  Rc  um  das  2,5 fache.  Entsprechend  wird  auch  der 
Gegensatz  bei  den  vereinzelten  Assoziationen  (B)  stärker;  denn 
Rc  übertrifft  hier  Ra  in  Tabelle  X  um  das  1,7 fache,  in  Tabelle 
XI  um  das  1,9  fache. 

Wenn  ich  auch  hier  wieder  die  Klangassoziationen  in  Ab- 
zug bringe  ^),  so  geschah  das  deshalb,  weil  sie  unter  eigenartigen 
Bedingungen  (bei  einer  besonderen  Bewußtseinskonstellation)  ein- 
treten ;  über  Versuche,  die  X.  Ach  und  ich  in  dieser  Hinsicht  unter- 
nommen haben,  soll  bei  anderer  Gelegenheit  berichtet  werden*). 

Nachdem  wir  schon  früher  festgestellt  haben,  daß  die  zu 
den  Analogiebildungen  in  Beziehung  stehenden  Assoziationen 
auch  die  geläufigsten  und  durchschnittlich  schnellsten  sind,  haben 
wir  nunmehr  für  diese  Assoziationen  ein  drittes  Merkmal  ge- 
wonnen: sie  sind  überwiegend  spontane,  an  das  induzierende 
Wort  unmittelbar  sich  anschließende  Reaktionen.  Wir  können 
sie  auch  'reine  Wortassoziationen*  nennen.  Die  Disposition  einer 
Sprachform  zur  Analogiebildung  oder  die  'analogiebildende  Kraft* 
einer  Sprachgemeinschaft  kann  daher  definiert  werden  als  Funk- 
tion von  Geläufigkeit,  Zeitdauer  und  Typus  der  Assoziationen, 
welche  eine  Sprachform  hervorzurufen  imstande  ist.    Also 

1.  Je  geläufiger  (häufiger)  eine  Assoziation  ist,  desto  größer 
ist  ihre  analogiebildende  Kraft;  wir  bezeichnen  diese  mit  An, 
wobei  n  die  Anzahl  der  Individuen  bedeutet,  für  welche  die 
Assoziationsbasis  untersucht  wird.  Wenn  wir  die  Häufigkeit 
einer  bestimmten  Assoziation  mit  H,  die  Geläufigkeit  mit  G  be- 

zeichneu,  dann  ist  G  =  — ;   da  nun  ein  Wachsen  von  G  das 

°  H 

Wachsen  von  An  bedingt,  so  kann  auch  —  unmittelbar  als  ein 

^  H 

Maß  der  analogiebildenden  Kraft  betrachtet  werden,  d.  h.  An  =  — . 


1)  Man  sieht  übrigens  aus  Tab.  XI,  daß  dadurch  das  Resultat  nur 
quantitativ  sich  etwas  verschiebt,  daß  aber  unsere  allgemeinen  Sätze  da- 
von nicht  berührt  werden. 

2)  Auch  über  die  Frage,  wie  weit  Lautähnlichkeit  überhaupt  bei 
Assoziationen  bezw.  Analogiebildungen  eine  Rolle  spielt,  habe  ich  keinen 
Anlaß,  mich  zu  äußern,  bevor  positive  Untersuchungen  vorliegen;  vgl.  auch 
meine  Bemerkungen  a.  a.  0.  S.  81. 


30  A.  Thumb, 

Der  günstigste  (höchste)  Wert  wird  erreicht,  wenn  H  =  n 
wird;  dann  ist  An  =  1.  H  muß  mindestens  den  Wert  2  haben, 
weil  sonst  von  einer  Geläufigkeit  bezw.  von  einer  'bevorzugten* 
Assoziation  überhaupt  nicht  gesprochen  werden  kann. 

2.  Je  schneller  eine  Assoziation  im  Durchschnitt  eintritt, 
desto  leichter  kann  sie  das  induzierende  Wort  beeinflussen;  wenn 
Z  die  durchschnittliche  Zeitdauer  der  häufigsten  Assoziationen 

bezeichnet,  dann  ist  An  =  -^  (d.  h.  mit  dem  Wachsen  von  Z 

1  ^' 

wird  der  Wert  von  -=-  immer  kleiner).  Die  Grenzwerte  sind  em- 
L 

pirisch  bestimmt  durch  die  Zeitdauer,  innerhalb  deren  die  häufig- 
sten (bevorzugtesten)  Assoziationen  auftreten.   Wenn  wir  jedoch 

statt  -=-  den  Bruch  einsetzen  *),  so  nähert  sich  der  Grenz- 

L  Z  -j-  1 

wert  von  An  mit  der  Abnahme  von  Z  ebenfalls  immer  mehr 
dem  Werte  1. 

8.  An  ist  abhängig  von  dem  Auftreten  des  Assoziations- 
typus Ra;  d.  h.  An  nimmt  zu,  je  mehr  von  den  geläufigen 
Assoziationen  dem  Typus  R  a  angehören ;  wenn  wir  mit  R  a  die 
Anzahl  der  entsprechenden  spontanen  Assoziationen,  mit  H  die 
Anzahl  der  im  ganzen  vorkommenden  geläufigen  Assoziationen 

bezeichnen,  dann  ist  An  =  -ri^-    Der  günstigste  Fall  tritt  ein, 

wenn  Ra  =  H  ist;  dann  ist  An  =  1.  Wird  aber  Ra  =  0,  so 
wird  auch  An  =  0 :  in  diesem  Falle  wäre  also  keine  Neigung 
zur  Analogiebildung  anzunehmen. 

4.  Das  Zeitmoraent  (s.  Nr.  2)  kann  mit  dem  Auftreten  von 
R  a  (Nr.  3)  kombiniert  werden':  wir  dürfen  annehmen,  daß  eine 
Störung  des  induzierenden  Wortes  umso  leichter  eintritt,  je 
schneller  dasselbe  eine  reine  Wortassoziation  hervorruft.  Wenn 
also  z  die  durchschnittliche  Dauer  der  Assoziation  R  a  bezeichnet, 

dann  ist  An  =  -^rr-'-  z    oder  =7 .   Auch  hier  nähert  sich  der 

H  Hz 

Wort  des  Bruches  immer  mehr  dem  Werte  1,  je  kleiner  z  und 

je  größer  Ra  wird  (vgl.  den  Grenzwert  1  bei  Nr.  3). 

Wir  verzichten  darauf,  die  unter  l — 4  aufgestellten  Formeln 


1)  Darauf  machte  mich  Herr  Prof.  Richarz  aufmerksam,  als  ich  die 
Hauptresultate  der  vorliegenden  Untersuchung  in  der  Marburger  "Gesell- 
schaft zur  Beförderung  der  gesamten  Naturwissenschaften"  vortrug. 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    31 

zu  einer  einheitlichen  mathematischen  Formel  zu  verbinden ;  es 
wäre  das  ein  rein  mathematisches  Problem,  das  erst  dann  für 
unsere  Frage  Bedeutung  gewinnt,  wenn  die  Formeln  empirische 
Anwendung  fänden,  bezw.  empirisch  verifiziert;  werden  können. 
Vielleicht  ist  3  und  4  das  wichtigste  Maß  der  Neigung  zur  ana- 
logischen Umbildung.  Tabelle  XII  mag  zeigen,  was  für  Zahlen 
die  4  Formeln  (Kolumne  3 — 6)  bei  den  Wört;ern  Vater,  Mutter^ 
Base  ergeben  (auf  gnind  der  in  Tab.  in  mitgeteilten  Versuche) : 

Tabelle  XU. 


Rpiz^ÄTort 

Geläufigste 
Assoziation 

An  nach  Formel 

I 

II 

lU 

IV 

Vater 

Mutter 

Base 

Mutter 

Vater 

Vetter 

1,00 
0,86 
0,43 

0,86 
1.01 
0,65 

0,71 
0,67 
0,33 

0,69 
0,76 
0,24 

Alle  vier  Formeln  zeigen  übereinstimmend  in  ihren  Zahlen- 
ergebnissen, daß  die  assoziative  Verbindung  von  Base  —  Vetter 
riel  schwächer  ist  als  die  von  Vater  —  Mutier  oder  Mutter  — 
Vater.    Man  könnte  daraus  (für  das  Deutsche)  schließen,   daß 
Analogiebildungen  in  den  beiden  letzten  Fällen  häufiger  als  im 
ereten  Fall  auftreten  werden.    Den  Versuch,  dies  empirisch  mit 
Hilfe  der  deutschen  Dialektgeographie  zu  prüfen,  habe  ich  leider 
aufgeben  müssen,  weil  das  nötige  sprachliche  Material  fehlt  Aber 
das  Problem  einer  Verifizierung  und  Auswertung  der  Formeln 
muß   im  Auge  behalten   werden.    Außer  der  Dialektforschung 
steht  uns  noch  ein  anderer  Weg  offen,  um  die  Formeln  auf 
ihre  tatsächliche  Geltung  hin  zu  prüfen:  es  ist  das  Experiment, 
welches    darauf   ausgeht,    künstlich   Analogiebildungen   zu   er- 
zeugen, eine  Aufgabe,  über  deren  Ausführung  ich  unten  noch 
einige  Bemerkungen  machen  werde. 

Ich  habe  mich  auch  in  den  neuen  Experimenten  darauf 
beschränkt,  die  Beziehungen  zwischen  den  gegebenen  Assozia- 
tionen und  den  eventuellen  Analogiebildungen  festzustellen ;  die 
Frage,  warum  gewisse  Assoziationen  auftreten,  gehört  zunächst 
(wie  ich  schon  früher  [a.  a.  0.  S.  86]  deutlich  gesagt  habe)  nicht 
hierher:  in  der  Besprechung  unserer  Arbeit  wurde  trotzdem 
dieses  Problem,  das  ein  Untersucbungsgebiet  für  s\c\i  \iM^\^ 


82  A.  Thumb, 

immerfort  eingemengt  Wer  untersucht,  unter  welchen  Be- 
dingungen bestimmte  Assoziationstendenzen  sprachlich  wirksam 
werden,  der  braucht  nicht  auf  den  Inhalt  der  korrespondierenden 
Wörter  einzugehen,  wie  ß.  Meyer  ^)  meint  Ob  ein  Wort  findm 
eine  Assoziation  suchen  oder  eine  Assoziation  Flinte  hervorruft, 
ist  an  sich  für  den  Prozeß  der  Analogiebildung  gleichgiltig :  es 
kommt  für  das  Zustandekommen  einer  solchen  nur  darauf  an, 
ob  die  Wortassoziation  suchen  oder  Flinte  gewisse  Merkmaie 
hat,  welche  eine  sprachliche  Beeinflussung  des  induzierenden 
Wortes  begünstigen.  Warum  die  Assoziation  solche  Merkmale 
hat,  ist  wieder  eine  Frage  für  sich.  Es  ist  falsch,  mit  Herzog*) 
zu  sagen,  daß  Laut-  und  Bedeutungsähnlichkeit  oder  die  Anzahl 
der  beeinflussenden  Formen  u.  dgl.  begünstigende  Momente  für 
das  Zustandekommen  der  Analogiewirkung  sind:  sie  kommen 
vielmehr  nur  als  begünstigende  Faktoren  für  das  Zustandekom- 
men gewisser  Assoziationstendenzen  in  Betracht  3)  —  und  wie 
weit  dies  der  Fall  ist,  muß  der  Psychologe  empirisch  unter- 
suchen; bloße  Meinungsäußerungen  führen  nicht  zum  Ziel. 
Die  Vermutung,  daß  geläufige  Redensarten,  wie  jung  und 
dU^  durch  dick  und  dünn  die  entsprechenden  Reaktionen  jung 
—  aÄ,  dick  —  diinn  erzeugen*),  liegt  natürlich  nahe;  ein  Weg, 
um  die  Frage  zu  lösen,  wäre  die  von  Sütterlin  vorgeschlagene 
Statistik  des  Wortgebrauchs.  Noch  allgemeiner  faßt  Schuchardt  ^) 
das  Problem:  die  Verknüpfung  der  Wörter  im  Satz  schafft  die 
Assoziation;  Schuchardt  denkt  dabei  auch  an  mehr  gelegentliche 
Verknüpfung  von  Worten,  wie  fluchen  ->  Matrose^  brennen  — 
Haus^  leicht  — ►  {wie  eim)  Feder^  und  zeigt  an  gut  gewählten  Bei- 
spielen, wie  leicht  sich  die  assoziativ  vorkommenden  Wörter  in 
der  Sprache  berühren :  denn  die  Worte  "fliegen  allerdings  nicht 
frei  in  der  Luft  herum",  sondern  loben  nur  in  der  gesprochenen 
Rede,  d.  h.  in  Sätzen,  da  wir  in  Sätzen  reden.  Wird  durch  diese 
Feststellung  für  die  exakte  Lösung  des  Problems  etwas  ge- 
wonnen ?    Alle  beliebigen  Wörter  können  sich  in  der  Rede  tag- 

1)  in  seiner  Besprechung  im  Anz.  f.  d.  deutsche  Altertum  1J)02,  279  f. 

2)  a.a.O.  S.  126f. 

3)  Hier  drückt  sich  Mentz  richtig  aus,  wenn  er  z.  B.  die  Frage  auf- 
wirft, ob  nicht  "der  besondere  Reichtum  der  Flcxionssysteme  für  Zeit- 
und  Personenbezeichnung  in  bezug  auf  das  Reproduzieren  gleicher 
Klasse  günstig  oder  ungünstig  wirkt"  (a.  a.  0.  75). 

4-)  Herzog  (S.  132)  und  andere. 
5)  a.  a.  0.  395  IT. 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.     33 

a^ch  verknüpfen  —  aber  wirken  beliebige  Wörter,  auch  wenn 
sie  fortwährend  in  Sätzen  sich  zusammenfinden,  aufeinander  ein  ? 
Xein  —  denn  sie  erzeugen  nicht  ohne  weiteres  geläufige  Asso- 
ziationen. Also  muß  doch  wohl  das  Experiment  uns  Auskunft 
geben,  welche  Wörter  in  assoziativer  Beziehung  stehen  und  in 
welchem  Maß  dies  der  Fall  ist  In  welcher  Weise  aber  geläufige 
Wortverbindungen  der  Sprache  assoziativ  wirksam  sind  und  wie 
sie  sich  darin  zu  sonstigen  Wörtern  verhalten,  das  ist  inzwischen 
auf  meine  Veranlassung  hin  (durch  Dr.  Menzerath)  bereits  ex- 
perimentell untersucht  worden;  ich  begnüge  mich  daher,  hier 
auf  die  bevorstehende  Publikation  der  Arbeit  hinzuweisen. 

m. 

Ich  habe  schon  oben  darauf  hingewiesen,  daß  man  unsere 
Versuche   bemängelt  hat,  weil  unsere  Versuchspersonen   **alle 
Doktoren  und  Studenten"  sind.  Und  Herzog  (S.  131)  meint,  "am 
interessantesten  wären  jedenfalls  Kinder  gewesen"  und  "nur  für 
Leute,  die  auf  Schulbänken  gesessen  sind,  ist  ich  du  er  sie  es 
eine  so  feste  Reihe  wie  eins  zwei  drei".    Uns  ist  es  nie  zweifel- 
haft gewesen,  daß  weitere  Versuche  in  dieser  Richtung  notwendig 
sind  und  zu  neuen  Aufschlüssen  führen  können;  ist  es  doch 
für  die  Sprachwissenschaft  ein  interessantes  Problem,  wie  weit 
die  Umbildung  der  Sprache  durch  die  Kindersprache,  d.  h.  durch 
die  aufwachsende  neue  Generation,  beeinflußt  wird.    Ich  hätte 
mich  gefreut,  wenn  irgendein  Philologe  sich  durch  unsere  Arbeit 
veranlaßt  gesehen  hätte,  durch  exakte  Untersuchungen  das  Problem 
zü  fördern:  ein  Einzelner  kann  nicht  alles  auf  einmal  machen. 
Wie  Herzog  "in  dieser  Hinsicht  ein  wenig  abzuhelfen  und  zu 
ergänzen"  versucht,  habe  ich  schon  oben  für  durchaus  unzu- 
länglich erklären  müssen.    Da  wir  die  Notwendigkeit  von  Ver- 
suchen mit  Kindern  von  vornherein  erkannt  hatten,  so  veran- 
laßte  K.  Marbe  unmittelbar  nach  Abschluß  imserer  Schrift  einen 
seiner  Schüler,  solche  Versuche  vorzunehmen;  die  Ergebnisse 
liegen  vor  in  der  Arbeit  von  Friedrich  Schmidt  Experimen- 
telle Untersuchungen  zur  Assoziationslehre.    Ztschr.  f.  Psychol. 
u.  Physiol.  d.  Sinnesorgane.  XXVIH  (1902)  65—94.  Diese  Arbeit 
ist  von  sprachwissenschaftlicher  Seite  nicht  beachtet  worden :  es 
ist  daher  nicht  überflüssig,  über  ihren  Inhalt  genauer  zu  berichten 
und  die  Resultate  vom  sprachwissenschaftlichen  Standpunkt  aus 
zu  beleuchten. 

IndogermBBJMcbe  FonebnageB  XXn.  ^ 


u 


A.  Thumb, 


Wir  hatten  seinerzeit  ^)  auch  mit  Verbalformen  als  Reiz- 
worten Versuche  gemacht,  jedoch  ausdrücklich  hervorgehoben, 
daß  diese  an  4  Versuchspersonen  gewonnenen  Ergebnisse  nur 
eine  vorläufige  Orientierung  bilden;  wir  hatten  (um  in  kurzer 
Zeit  ein  sicheres  Material  zu  erhalten)  dreien  unserer  Versuchs- 
personen die  Instruktion  gegeben,  "auf  eine  zugerufene  Verbal- 
form die  zuerst  auftretende  Verbalform  (nicht  ein  beliebiges  Wort) 
anzugeben".  K  Marbe  stellte  Herrn  F.  Schmidt  die  Aufgabe, 
die  Versuchsergebnisse  mit  größerem  Material  und  ohne  jene 
Determination  nachzuprüfen').  Schmidt  wählte  8  etwa  10  Jahre 
alte  "normalbefähigte"  Knaben  der  Würzburger  Stadtschule;  sie 
waren  "in  der  Konjugation  der  Verba  in  der  Schule  bisher  nicht 
unterrichtet  werden,  weshalb  ein  Einfluß  des  grammatischen  Unter- 
richts auf  die  Reaktionsworte  ausgeschlossen  war".  Die  zu- 
gerufenen Worte  waren  die  von  mir  schon  gewählten  Verbal- 
formen (Indic.  Präs.  und  Iraperf.,  Infin.  Präs.  und  Partiz.  Prät)  von 
30  Verben;  somit  ergaben  sich  8  (14  •  30)  =  3360  Versuche.  Abge- 
sehen von  den  5  Verben  können,  tcissen^  twUen^  haben^  sein  befanden 
sich  unter  den  Versuchsworten  17  starke  und  8  schwache  Verba. 

Zunächst  ergibt  sich  aus  unseren  früheren  und  den  Schmidt- 
schen  Versuchen  eine  charakteristische  Verschiedenheit  zwischen 
den  Reaktionen  auf  Infinitive  und  denen  auf  Verbalformen  über- 
haupt: die  von  Schmidt  verwendeten  14  x  30=420  Verbalformen, 
unter  denen  sich  nur  30  Infinitive  befanden,  riefen  in  weit  über- 
wiegender Zahl  Verbalfonnen  hervor,  während  bei  uns  die  Infini- 
tive^) häufiger  mit  Substantiven  beantwortet  werden.  Das  Zahlen- 
verhältnis geht  aus  folgender  Tabelle  hervor,  welche  unter  I  unsere 
früheren  Versuche,  unter  II  diejenigen  Schmidts  zusammenfaßt: 

Tabelle  Xm. 


Reizwort 

Reaktionen  in  <*/o 

Verbalform 

Substantiv 

Sonst.  Worte*) 

I.  Infinitiv 

II.  Verbalformen  verschie- 
dener Art  (überwiegend 
finite) 

42      «/o 
89,65  > 

51,7    «/o 
4,82  0/0 

6,3    7« 
5,53  o/o 

1)  a.a.O.  66 ff. 

2)  D.  h.  es  konnte  (wie  bei  unsern  sonstigen  Versuchen)  mit  be- 
liebigen Worten  reagiert  werden. 

3)  Vgl.  S.  36  ff.  4)  Adjektiva,  Adverbia,  Pronomina  usw. 


P^chologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    96 

Leider  teilt  uns  Schmidt  nicht  mit,  wie  viele  der  Reaktionen, 
die  nicht  Verbalformen  sind  (4,82  o/o  +  5,53  ®/o  =  10,35  ^/o),  durch 
die  30  Infinitive  hervorgerufen  sind;  es  ist  wahrscheinlich,  daß 
die  Mehrzahl  der  nicht  zum  Yerbum  gehörigen  Reaktionen  von 
Infinitiven  ausgelöst  worden  ist;  der  Gegensatz  zwischen  Infinitiv 
und  finiten  Verbalformen  würde  dann  noch  schärfer  hervortreten. 
Das  Resultat  ist  sprachpsychoiogisch  nicht  uninteressant:   wir 
betrachten  den  Infinitiv  als  Träger  der  Verbalbedeutung,  als  die 
abstrakte  Verbalform  und  können  daher  a  priori  verstehen,  daß 
der  Infinitiv  mit  sonstigen  Wortklassen  durch  die  Wortbedeutung 
assoziativ  enger  verknüpft  ist  als  eine  finitive  Verbalform,  deren 
assoziative  Beziehungen  mehr  durch  die  formale  Seite  bestinunt 
sind.  Der  Infinitiv  ist  mithin  nicht  nur  vom  sprachlichen  Stand- 
punkt aus  eine  dem  Verbum  finitum  gegenüberstehende  selb- 
ständige Formkategorie,  sondern  er  ist  auch  rein  psychologisch 
in  besonderer  Weise  charakterisiert.  Das  Ergebnis  der  Schmidt- 
schen  Versuche  ist  um  so  bedeutsamer,  d.  h.  es  ist  der  Ausdruck 
für  eine  psychische  Disposition,  weil  es  an  Versuchspersonen 
(Kindern)  gewonnen  ist,  bei  denen  Einflüsse  der  schulmäßigen 
Einübung  noch  keine  Rolle  spielen.    Aber  noch  etwas  lehren 
die  Versuche.    Wenn  man  uns  immer  wieder  belehrt,  daß  die 
Wortverbindungen  im  Satz  erste  Ursache  für  Assoziation  und 
Analogiebildung  sind,  so  ist  dem  folgendes  entgegenzuhalten :  in 
der  gewöhnlichen  Rede  verbinden  sich  Substantiva  und  andere 
Wörter  mit  Verben  zu  Sätzen,  d.  h.  Verknüpfungen  eines  Verbums 
z.  B.  mit  einem  Subjekt  und  Objekt  sind  ungleich  häufiger  als 
solche  von  zwei  Verbalformen.  Aber  assoziativ  spielen  jene  Ver- 
knüpfungen so  gut  wie  keine  Rolle:  den  89,65 ^/o  Verbalformen 
(=  3012  Versuche)  stehen  nur  4,82^/0  Substantive  (162  Versuche) 
gegenüber!   Noch  mehr:  Wortverbindungen,  die  doch  besonders 
nahe  liegen  müßten,  treten  nur  in  26  Fällen  =  0,77 o/o  auf! 
So  wenig  ich  den  assoziativen  Einfluß  bestimmter  fester  Wort- 
verbindungen verkenne,  so  muß  ich  doch  Hypothesen  zurück- 
weisen, die  der  empirischen  Grundlage  durchaus  entbehren.  Das 
Problem,  wie  Wortassoziationen  von  einer  gewissen  Geläufigkeit 
und  Festigkeit  Zustandekommen,  ist  zu  schwierig,   als  daß  es 
durch  eine  einfache  Hypothese  der  *Wortverknüpfung  im  Satz' 
gelöst  werden  könnte'). 

1)  Da  man  beobachtet  hat,  daß  die  Assoziationen  der  frühen  Jugend- 
zeit am  festesten  haften ,  to  darf  man  besonders  von  exakten  Uoiei- 


36 


A.  Thumb, 


Was  die  Verbalreaktionen  für  sich  allein  betrifft,  so  er- 
geben dip  Schmidtschen  Versuche  ein  Bild,  das  in  großen  Zügen 
unseren  früheren  Versuchen  gleichartig  ist 

So  stellen  auch  die  8  Versuchspersonen  Schmidts  zwei  Typen 
dar,  indem  5  vorzugsweise  mit  Formen  desselben  Verbums  (Typus 
A),  3  mit  denen  eines  anderen  Verbums  (Typus  B)  reagierten; 
man  vergleiche  mit  unserer  früheren  Tabelle  (S.  69)  die  folgende 
Schmidts : 

Tabelle  XIV. 


Anzahl  der  Reaktionen 

Versuchspersonen 

des  gleichen 
Verbums 

eines  andern 
Verbums 

I 

U 

Typus  A        m 

IV 

V 

378 
376 
369 
311 
201 

28 
16 
28 
50 
51 

VI 

Typus  B       VII 

VIII 

ÖO 
48 
41 

363 
3a3 
339 

1774 
=  62,8  7o 

1238 
=  36,85  o/o 

Ich  bemerke,  daß  auch  die  Neigung,  überhaupt  mit  gleichem 
Verbum  öfter  zu  reagieren,  sich  schon  bei  unseren  früheren  Ver- 
suchen ergeben  hat 

Das  von  Marbe  S.  45  unserer  Schrift  formulierte  "Ge- 
läufigkeitsgesetz*, d.  h.  der  Satz,  daß  eine  Reaktion  durchschnitt- 

suchungen  der  kindlichen  Sprache  auch  eine  Aufklärung  des  oben  be- 
rührten Problems  erwarten.  Die  Verknüpfung  der  Wörter  im  Satz  erklärt 
nicht,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  die  Assoziationstondenz  zwischen 
Verben ;  zu  beachten  ist  aber,  daß  das  sprechenlernende  Kind  überhaupt 
mehr  Verba  (oder  Wörter  verbalen  Charakters)  gebraucht  als  der  Er- 
wachsene. Amerikanische  Psychologen  haben  festgestellt,  daß  im  Wort- 
schatz kleiner  Kinder  ca.  60  ^/o  Substantiva  und  20  7o  Verba  auftreten, 
während  der  gebildete  Amerikaner  gegenüber  60^0  Substantiva  nur  11  7» 
Verba  gebraucht;  im  wirklichen  Sprechen  überwiegen  die  Verba  beim 
Kind  überhaupt :  Gale  beobachtete  z.  B.,  daß  ein  Kind  an  einem  Tage 
372  Nomina  gebrauchte,  dagegen  1322  mal  seinen  Vorrat  an  Verben  aus- 
nützte. Ich  entnehme  das  Meumann  Die  Sprache  des  Kindes  S.70f. 


psychologische  Stndien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    37 


üch  omso  schneller  verläuft,  je  geläufiger  sie  ist  (bei  je  mehr 
Fersuchspersonen  sie  auftritt),  trifft  auch  für  die  Yerbalformen 
zu:  die  mittlere  Dauer  der  bevorzugtesten  Reaktionen  betrug 
1,90  Sekunden,  der  nächstbevorzugten  2,04,  aller  übrigen  2,17 
Sekunden.  Ich  hatte  außerdem')  ein  zweites  Oeläufigkeitsgesetz 
von  anderer  Art  aufgestellt:  *'die  von  einem  Individuum  be- 
vorzugtere Assoziation  (einer  Verbalform)  ist  auch  die  schnellere  •), 
d.  h.  sie  stellt  sich  rascher  ein  als  die  minder  bevorzugte  oder 
seltenere".  Mit  Bezug  auf  Schmidts  Erörterung  würde  ich  jetzt 
richtiger  das  Gesetz  so  formulieren:  Je  häufiger  eine  Verbal- 
form (bei  einem  oder  mehreren  Individuen  zusammen)  eine  be- 
stimmte andere  Verbalform  reproduziert,  umso  schneller  erfolgt 
die  Reaktion ;  man  vergleiche  dazu  im  einzelnen  meine  Tabellen. 
Ober  das  Verhalten  der  Schmidtschen  Versuchspersonen  gibt  die 
fünfte  seiner  Tabellen»)  Auskunft: 

Tabelle  XV. 


Wortklassen 


Anzahl  der 
Reaktionen  in  ^/o 


Mittlere  Dauer 


Farmen  desselben  Verbums  . 
Fonnen  eines  andern  Verbums 

Substantiva 

Adjektiva  und  gleichlautende 

Adverbia    

Pronomina 

Wortverbindungen  .... 

Zahlwörter 

Orts-  und  Zeitadverbien  .    . 
Übrige  Worte 


52,80 

36,85 

4,82 

2,47 
1,65 
0,77 
0,15 
0,12 
0,48 


10,35  »/o 


1,90 
2,01 
2,27 

1.95 
2,14 


2,68 
1,40 
1,65  J 


2,15 


Leider  hat  Schmidt  das  zeitliche  Verhalten  der  einzelnen 
formalen  Kategorien  des  Verbums  nicht  untersucht,  weshalb  ich 
nur  für  Tab.  XXVIII  der  früheren  Arbeit  (S.  69)  Vergleichs- 
material  habe:  aber  daß  eine  Beziehung  im  Sinne  meines  Ge- 
setzes besteht,  geht  aus  der  Tabelle  hervor,  wird  übrigens  auch 


1)  a.a.O.  69fir. 

2)  Schmidt  S.  85  Foßn.  macht  uns  auf  das  Versehen  aufmerksam, 
daß  S.69,  Z.  2  v.u.  unserer  Schrift  das  Wort  "geläufigere**  statt  "schnellere" 
gebraucht  sei. 

3)  Von  mir  etwas  modifiziert. 


38  A.  Thumb, 

Yon  Schmidt  nicht  bestritten  (vgl.  S.  86).  Schmidts  Tabelle  scheint 
freilich  außerdem  zu  zeigen,  daß  mein  Gesetz  nicht  allgemein 
giltig  ist,  d.  h.  sich  nicht  auf  die  übrigen  Wortklassen  (Substantiva 
usw.)  ausdehnen  läßt  Ob  dem  wirklich  so  ist,  oder  ob  infolge  der 
sehr  viel  geringeren  Anzahl  von  Versuchen  die  gewonnenen 
mittleren  Zeiten  mehr  *Zufallsresultate'  sind,  kann  ich  «vorläufig 
nicht  entscheiden.  Man  beachte  aber,  daß  die  mittlere  Dauer 
aller  Reaktionen,  die  nicht  Verbalformen  sind  (10,35 ^/o  der 
G^amtzahl  der  Versuche)  2,15  Sek.  beträgt,  also  langsamer  ist 
als  die  erste  und  zweite  Gruppe  von  Reaktionen. 

Wie  die  einzelnen  Verbalformen  assoziativ  wirken,  zeigt 
Tabelle  VI  der  Schmidtschen  Abhandlung.  Ich  ziehe  es  vor, 
diese  Tabelle  so  zu  zerlegen,  daß  ich  Typus  A  und  B  in  Über- 
einstimmung mit  meiner  früheren  Darlegung  gesondert  gebe; 
auch  werden  die  Fälle,  wo  die  gleiche  Form  des  gleichen  Verbums 
von  der  Versuchsperson  einfach  wiederholt  wurde,  unberück- 
sichtigt gelassen,  weil  sie  ja  überhaupt  keine  sprachwissenschaft- 
lich bedeutsamen  Assoziationen  sind  ^). 

Daß  ein  Infinitiv  oder  Partizipium  als  weitaus  bevorzugteste 
Assoziation  bei  Typus  A  jeweils  die  gleiche  Form  eines  anderen 
Verbums  hervorrufen,  lehren  auch  die  neuen  Versuche  in  ekla- 
tanter Weise.  Der  Typus  B  war  in  imseren  früheren  Versuchen 
nur  durch  Reaktionen  auf  das  Partizipium  Prät.  vertreten:  es 
wurde  weit  überwiegend  darauf  mit  dem  Infinitiv  des  gleichen 
Verbums  reagiert;  Schmidts  Versuche  ergaben  für  Infinitiv  und 
Partizip  als  bevorzugteste  Reaktion  die  1.  Sing.  Präs.  des  gleichen 
Verbums  (37  bezw.  32  Fälle);  an  nächster  Stelle  stand  beim 
Partizip  die  1.  Sing.  Perf.  (20  mal)  und  erst  an  dritter  Stelle  der 
Infinitiv  (15  mal). 

Wie  auf  finite  Verbalformen  beim  Typus  A  reagiert  wird, 
zeigt  die  folgende  Tabelle,  die  aus  Schmidts  Tabelle  VI  losgelöst 
ist  und  deren  Zahlen  in  Klammem  diejenigen  der  gleich  an- 
geordneten Tabelle  XXX  unserer  früheren  Arbeit  beigefügt  sind; 
H  bedeutet  die  Anzahl  der  Reaktionen;  die  Anzahl  aller  selte- 
neren Assoziationen  (in  der  7.  Kolumne)  kann  aus  der  Arbeit 
Schmidts  nur  schätzungsweise  bestimmt  werden,  ist  jedoch  die 
mögliche  Maximalzahl,   die  höchstwahrscheinlich  zu  hoch  ist: 


1)  Die  Fälle  sind  nicht  ganz  selten ;  so  wurde  auf  die  1.  Sing.  Präs. 
37  mal  mit  der  identischen  Form  reagiert. 


psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    89 
Tabelle  XVI. 


Reizwort 

Bevorzugteste 
Reaktion 

H 

Nächstbevor- 
zugte Reaktion 

H 

Seltenere 
Reaktionen 

H 

Formen  des 
Präsens 

Formen  des 
Präteritums 

Gleiche  Form 

Gleiche  Form 
des  Präsens 

436 

(169) 

281 

(18) 

(Gleiche 

Form  des 

Präteritums) 

Gleiche 

Form  des 

Präteritums 

(16) 

71 

(124) 

Varia 
Varia 

(12) 

171») 

(11) 

Die  Versuchspersonen  reagierten  also  ganz  vorzugsweise 
mit  der  gleichen  Form  des  Präsens,  gleichviel  ob  das  Reizwort 
Präsens  oder  Präteritum  war. 

Wenn  Formen  des  gleichen  Verbums  assoziiert  worden 
{Typus  B),  so  ergab  sich  ein  mannigfacheres  Bild,  wie  wir  es 
schon  früher  für  die  Formen  der  3.  Pers.  feststellen  konnten; 
ȟber  Einzelheiten  vgl.  Tabelle  XVn,  worin  die  in  Klammer  bei- 
gefügten Zahlen  meiner  früheren  Tabelle  XXXIII  (a.  a.  0.  S.  72) 
entstammen. 

Tabelle  XVH. 


Be- 

Nächst- 

Dritt- 

Reizwort 

vorzugteste 
Reaktion 

H 

bevorzugte 
Reaktion 

H 

bevorzugte 
Reaktion 

H 

1.  S.  Präs. 

2.  8.  PrOe. 

20 

3.  S.  Präs. 

10 

r  3.  PL  Präs. 
\  1.  S.  Perf. 

(» 

2.  S.  Präs. 

87 

1.  S.  Perf. 

11 

3.  S.  Präs, 

7 

3.  S.  Präs. 

61(9) 

3.  PL  Präs. 

25 

— 

— 

1.  PL  Präs. 

48 

40 

3.  S.  Präs. 

14 

2.  PL  Präs. 

l.S.Präg. 

50 

35 

»»    »j      ?} 

15 

3.  PL  Präs. 

47(7) 

3.  S.  Präs. 

f  2.  S.  Prot. 
\  3.  S.  Präs. 

32 
11 

1.  PL  Präs. 

21 

1.  S.  Prät 

60 

11 

— 

^"^ 

2.  S.  Prät. 

58 

2.  S.  Präs. 

56 

3.  S.  Prät. 

3.  S.  Präs. 

49 

1.  S.  Präs. 

44 

( 1.  S.  Prät. 
\  3.  PL  Prät. 

pi 

121 

i.  PL  Prät. 

3.  PL  Prät. 

34 

31 

1.  S.  Prät. 

21 

2.  PI.  Prät. 

1.  S.  Präs. 

28 

3.  PI.  Prot, 

26 

( 1.  S.  Prät. 
\3.  S.  Prät. 

po 

\20 

3.  PL  PräL 

8.  S.  Prät. 

39 

1.  S.  Prät. 

31(5) 

1.  S.  Präs. 

28 

1)  etwa  16  >  aller  Fälle. 


40  A.  Thumb, 

Die  in  obiger  Tabelle  enthaltenen  Formen  sind  rund  •/* 
aller  in  Betracht  kommenden  Reaktionen;  die  an  vierter  und 
späterer  Stelle  erscheinenden  sind  unberücksichtigt  gelassen,  da 
schon  die  Gesamtzahl  aller  an  vierter  Stelle  anzuführenden 
Formen  (56)  nur  den  vierten  Teil  der  vorhergehenden  Stelle 
beträgt 

Der  am  meisten  charakteristische  Zug  in  den  Versuchs- 
ergebnissen ist  die  sehr  starke  Bevorzugung  der  1.  Pers. 
Sing.  Präs.  des  Verbums  bei  allen  Formen^);  nur  die  1.  Sing. 
Präs.  selbst  ruft  an  erster  Stelle  die  2.  Sing.  Präs.  hervor.  Im 
übrigen  ist  die  Assoziation  der  jeweils  folgenden  Person  nicht 
so  ausgeprägt,  wie  das  bei  unseren  früheren  Versuchen  der 
Fall  war*).  Hier  scheint  also  ein  psychologischer  Unterschied 
zwischen  dem  Kinde  und  dem  Erwachsenen  vorzuliegen :  beim 
Erwachsenen  wird  vielleicht  das  "Durchkonjugieren"  der  Schule 
einen  Einfluß  auf  die  formalen  Assoziationstendenzen  ausgeübt 
haben,  während  man  vor  diesem  Stadium  die  vorwiegende  Asso- 
ziation mit  *ich  . . .'  psychologisch  gut  verstehen  kann. 

unsere  und  die  neuen  Versuche  haben  aber  in  ihrem  Wesen 
zu  so  gleichartigen  Ergebnissen  geführt,  daß  die  sprachwissen- 
schaftlichen Bemerkungen,  die  ich  früher  dazu  gab,  auch  für 
die  Schmidtsche  Untersuchung  gelten.  Es  bleibt  künftigen  Dialekt- 
untersuchungen vorbehalten,  die  speziellen  Beziehungen  zwischen 
den  formalen  Assoziationen  und  den  formalen  Analogiebildungen 
festzustellen.  Die  sprachwissenschafüiche  Prüfung  hatte  mich  zur 
Folgerung  geführt,  daß  die  verschiedenen  Richtungen,  welche 
sich  in  den  analogischen  Umbildungen  eines  Formensystems 
zeigen,  verschiedenen  Zeiten  angehören:  ich  hebe  hervor,  daß 
Wundt  mir  darin  zustimmt  ^) ;  natürlich  beruht  mein  Satz  "andere 
Zeiten  —  andere  Analogiebildungen'  auf  dem  Satz  "andere  Zeiten 
—  andere  Assoziationen'  (Wundt  S.  20);  um  nicht  mißverstanden 
zu  werden,  füge  ich  aber  folgendes  zur  Erläuterung  hinzu :  ver- 
schiedene Assoziationsrichtungen  kommen  zwar  gleichzeitig  so- 
gar beim  gleichen  Individuum  vor,  aber  bestimmte  formale  Asso- 
ziationstendenzen sind,   wie  wir  gesehen  haben,  stark  präpon- 

1)  Im  ganzen  542  Reaktionen,  also  fast  die  Hälfte  aller  (114S)  Re- 
aktionen, die  in  Tab.  XVII  enthalten  sind. 

2)  Die  folgende  Person  (1./2.  oder  2./3.)  ist  in  der  Tabelle  mit  99 
Fällen  vertreten. 

3)  a.  a.  0.  S.  18. 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    41 

derierend:  nicht  immer  (zu  jeder  Zeit)  und  überall  (bei  allen 
Individuen)  sind  die  gleichen  Assoziationen  am  meisten  bevor- 
zugt; sobald  aber  in  einer  Sprachgemeinschaft  in  einem  gewissen 
Zeitpunkte  starke  Bevorzugung  einer  Kategorie  von  Assoziations- 
tendenzen vorliegt,  so  ist  eine  Bedingung  dafür  gegeben,  daß 
eine  entsprechende  Analogiebildung  ausgelöst  wird.  Warum  aber 
überhaupt  gewisse  formale  Oruppen-Assoziationen  auftreten  und 
unter  welchen  Umständen  eine  bestimmte  Kategorie  von  Asso- 
ziationen (z.  B.  1.  P.  Sing.  —  2.  P.  Sing.)  einer  Bevorzugung  teil- 
haftig wird,  ist  ein  Problem  für  sich.  Wir  werden  sowohl  mit 
der  Summation  einzelner  Wirkungen  wie  mit  einer  *Totalkraff 
im  Sinne  Wundts  zu  rechnen  haben,  die  durch  Summation  von 
Einzelvorgängen  zustande  konmit  Denn  wenn  Wundt  (S.  18) 
meint,  ich  leugnete  überhaupt  die  Wirkung  einer  Totalkraft,  so 
bin  ich  darin  von  ihm  mißverstanden  worden :  ich  ging  zunächst 
eben  nur  darauf  aus,  den  durch  psychologische  Beobachtung 
direkt  gegebenen  Zustand  zu  untersuchen.  Ich  möchte  aber  diese 
Totalkraft  lieber  Perseveration  nennen ;  Perseveration  ist  gewisser- 
maßen das  Beharrungsgesetz  der  Psyche.  Wenn  also  z.  B.  irgend- 
eine Assoziation  wie  leicht  —  schtver  oder  ich  gebe  —  du  gibst 
sich  eingestellt  hat,  so  wird  sie  sich  dann  wieder  einstellen,  wenn 
das  gleiche  Wort  oder  die  gleiche  Form  als  Reizwort  in  nicht 
zu  weitabstehender  Zeit  wieder  und  wieder  geboten  wird;  je 
öfter  aber  die  Assoziationen  aufgetreten  sind,  umso  stärker  ist 
die  Perseveration :  d.  h.  wenn  sie  in  n  Fällen  eingetreten  ist,  wird 
sie  in  n+1,  w  +  2  usw.  Fällen  umso  wahrscheinlicher  eintreten, 
je  größer  n  wird.  Gewiß  sind  auch  diese  Vorgänge  der  Asso- 
ziation —  ob  wir  sie  Totalkraft  oder  Perseveration  nennen  — 
exakter  Untersuchung  zugänglich ;  daß  die  Psychologie  in  solchen 
Dingen  vorangehen  muß,  indem  sie  den  Mechanismus  der 
Assoziationen  nach  allen  Seiten  untersucht,  habe  ich  schon 
a.  a.  O.  S.  83  betont,  indem  ich  auf  das  Problem  hinwies,  wie 
weit  die  Stärke  des  Gedächtnisses  die  sprachliche  Wirkung  einer 
Assoziation  zu  verhindern  vermöge^).  Den  geringsten  Widerstand 
gegen  formale  Analogiebildungen  bietet  jedenfalls  das  Kindes- 

1)  Ein  ganz  gutes  Beispiel  für  das  Wirken  einer  Totalkraft  sind 
die  Versuche  F.  Schmidts  Ztschr.  f.  Psychol.  XXVIII,  90  ff. :  sie  zeigen, 
wie  stark  die  Neigung  ist,  auf  Adjektiva  mit  solchen  entgegengesetzter 
Bedeutung  zu  reagieren;  diese  Tendenz  rief  sogar  Reaktionen  wie  unvoU, 
unewig  hervor. 


4&  A.  Thumb, 

alter,  wo  die  zuströmenden  Worte  und  Formen  au^enommen 
werden;  hier  beginnt  die  Bildung  von  Assoziationen.  Indem 
schrittweise  Form  um  Form  dargeboten  wird,  vermehrt  das  Kind 
seinen  Formenbestand,  wobei  es  nach  dem  vorhandenen  Formen- 
vorrat ich  komme  —  du  kommst^  ich  gehe  —  du  gehst  neue  Formen 
(ich  gebe  —  du  gebä)  bildet  i),  ohne  durch  die  Gegenwirkung  ge- 
dächtnismäßig eingeprägter  Formen  gehindert  zu  sein.  Aber  ich 
kann  mir  die  Entstehung  einzelner  wie  Gruppenassoziationen 
nicht  anders  denken  als  so,  daß  durch  allmähliche  Summation 
der  dargebotenen  sprachlichen  Eindrücke  immer  festere  Asso- 
ziationen gestiftet  werden«). 

Aber  wenn  auch  zahlreiche  —  und  wie  es  scheint  gerade 
die  rein  formalen  —  Assoziationen  schon  im  Kindesalter  gestiftet 
und  sprachlich  wirksam  werden,  so  fragt  es  sich  doch,  ob  die 
Weiterentwicklung  der  Sprache  selbst  geradezu  dem  Kindesalter, 
d.  h.  dem  Zeitpunkt  der  Übertragung  der  Sprache  auf  die  jüngere 
aufwachsende  Generation  zugeschrieben  werden  soll.  Es  ist  eine 
ziemlich  weit  verbreitete,  auch  von  mir  früher^)  gebilligte  An- 
schauung, daß  sich  der  Wandel  der  Sprache,  so  vor  allem  der  Laut- 
wandel, in  dieser  Weise  vollzieht.  Gerade  für  die  Analogiebildungen 
liegt  die  gleiche  Annahme  nahe ;  **backte  für  buk  usw.  ist  nicht 
unter  Sprachfesten,  sondera  unter  Sprachlemern,  unter  Kindern 
entstanden"  meint  Schuchardt  (Sp.  398),  und  Herzog  (S.  128) 
drückt  denselben  Gedanken  noch  viel  stärker  aus  "daß  die  Ana- 
logiebildung überhaupt  nur  von  den  sprachlernenden  Individuen 
ausgeht".  Ich  bin  überhaupt  nicht  geneigt,  die  Wandlungen 
der  Sprache  vorwiegend  auf  das  Konto  der  sprachlernenden  Gene- 
ration zu  setzen,  glaube  vielmehr,  daß  hier  der  Schein  trügt 
Das  Problem  des  Lautwandels  will  ich  gar  nicht  anschneiden; 
aber  die  Beobachtung,  daß  das  Kind  zahlreiche  Analogiebildungen 

1)  Vgl.  dazu  auch  Meumann  Die  Sprache  des  Kindes  (Zürich  1903)  S.  72. 

2)  Ich  bemerke  das  mit  Rücksicht  auf  Wundts  Einwendungen  S.  18. 
Daß  in  Analogiebildungen,  wo  man  von  Proportionen  oder  Gruppenbildung 
redet,  psychologisch  nichts  anderes  vorliege  als  bei  den  sog.  Kontami- 
nationen, das  scheint  auch  die  Auffassung  Schuchardts  zu  sein  (Sp.  398 
oben).  Auch  Herzog,  der  den  Unterschied  von  Kontamination  und  Ana- 
logiebildung (Proportionsbildungen)  betont  (S.  125. 127),  gibt  selbst  Zwischen- 
stufen zu  (S.  129).  Wenn  z.  B.  aus  tag  nach  täges  ein  tag  entsteht,  so 
ist  das  ebenso  eine  Verschmelzung  von  Bestandteilen  zweier  Formen  wie 
gravis  X  levis  =  grevis. 

3)  a.  a.  0.  S.  11. 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    43 

Tollzieht  (ick  rufte^  ich  kwnmte\  beweist  noch  nicht,  daß  die 
Analogiebildungen  der  Erwachsenen  auf  diejenigen  der  Kindheit 
zurückgeben.  Man  wird  sich  fragen  müssen,  ob  denn  die  Asso- 
ziationstätigkeit der  Kinder  durchweg  so  beschaffen  ist,  daß  sie 
das  Eintreten  von  Analogiebildungen  begünstigt  Für  die  Flexions- 
formen scheint  das  der  Fall  zu  sein.  Da  aber  das  Kind  gerade 
die  darauf  beruhenden  Analogiebildungen  wieder  aufgibt,  so  muß 
doch  für  die  Entwicklung  der  Sprache  der  8atz  gelten,  daß  nur 
solche  Assoziationstendenzen,  welche  auch  beim  Erwachsenen 
Torhanden  sind,  die  Sprache  der  Erwachsenen  beeinflussen  und 
eine  dauernde  Wirkung  haben.  Die  Bedingung  ist  vorhanden: 
beim  Kind  und  beim  Erwachsenen  haben  wir  übereinstimmend 
wesensgleiche  formale  Assoziationen  festgestellt  Aber  für  die 
Kategorie  der  stofflichen  Assoziationen  und  Analogiebildungen 
liegen  die  Verhältnisse  verschieden.  Wie  schon  Ziehen^)  an 
Kindern  zwischen  8  und  14  Jahren  beobachtet  hat,  sind  Verbal-, 
d.  h.  reine  Wortassoziationen  überhaupt  selten');  am  häufigsten 
sind  Wortergänzungen  [Post-karte) ;  geläufige  Wortverbindungen, 
und  Beimassoziationen  sind  sehr  viel  seltener  als  bei  Erwach- 
senen'): wir  sehen  also  schon  hieraus,  daß  bei  Kindern  die 
Bedingungen  viel  seltener  erfüllt  sind,  die  wir  für  das  Zustande^ 
kouMnen  von  Analogiebildungen  voraussetzen  müssen:  Geläufig- 
keit, Schnelligkeit  und  Spontaneität  der  Assoziationen^).  Die 
Versuche  Watts  ^)  gestatten  es,  die  Assoziationen  Erwachsener 
und  Kinder  hinsichtlich  unseres  Materials*)  unmittelbar  mit 
einander  zu  vergleichen,  da  unter  den  8  Versuchspersonen  5 
Schulkinder  (vom  2. — 5.  Schuljahre)  waren.  Tabelle  XVill  gibt 
in  der  2.  Kolumne  (G)  an,  in  wie  vielen  Fällen  die  einzelnen 
Versuchspersonen  an  der  geläufigsten  Assoziation  Anteil  hatten, 

1)  Ideenassoziation  des  Kindes.  I  und  II  Berlin  1898.  1900.  (Samm- 
long  von  Abhandl.  aus  dem  Gebiet  der  pädagog.  Psychol.  u.  Physiol.  Bd.  I 
Nr.  6  and  in  Nr.  4i).  Aus  dieser  Arbeit  ergibt  sich  die  starke  Verschie- 
denheit der  kindlichen  und  reifen  Assoziationstätigkeit. 

2)  Ziehen  fand  kaum  2  ®/o  Verbalassoziationen,  nur  bei  einem  Schüler 
24^0,  vgl.  besonders  1, 26  fit.  Übrigens  bemerke  ich,  daß  Ziehens  Begriff  der 
Yerbalassoziation  sich  nicht  völlig  mit  meinem  Assoziationstypus  Ra  deckt. 

3)  Ziehen  a.  a.  0.  I,  29. 

4)  Das  Auftreten  'geläufiger'  und  'spontaner'  Assoziationen  ist  von 
Ziehen  nicht  untersucht  worden. 

6)  Ztschr.  f.  Psychol.  36,  417  ff. 

6)  10  Verwandtschaftsnamen,  10  Adjektiva,  10  Pronomina,  10  Ad- 
verbia  der  Zeit,  10  Adverbia  des  Ortes,  10  Zahlwörter. 


u 


A.  Thumb, 


in  der  3.  Kolumne  (K),  wie  oft  Wörter  aus  der  gleichen  Kate- 
gorie assoziiert  wurden ;  die  4.  Kolumne  (z)  enthält  die  durch- 
schnittliche AssoziatioDSzeit  der  geläufigsten  Assoziationen,  die 
5.  Kolumne  (Z)  die  durchschnittliche  Assoziationszeit  der  Gesamt- 
zahl der  Vei*suche. 


Tabelle  XVEI. 


Versuchspersonen 

G 

K 

z 

Z 

Reinhard   .    .    . 
Scheunert  .    .    . 
Dürr 

63 
34 

60 
53 
60 

0,99 

0,82 
0,88 

1,06 
0,86 
0,73 

1 

Durchschnitt  in  «/o 
und  Zeitmittel 

74  > 

96  »/o 

0,96 

0,88 

1 

Bader    .... 
üelein   .... 
K.  Baden  .    .    . 
H.  Baden  .    .    . 
Bauer    .... 

42 

42 

2 

1 

67 

62 

6 

3 

1,71 
1,65 
2,94 
2,66 

1,49 
1,91 
6,27 
7,23 
2,21 

Durchschnitt  in  ®/o 
und  Zeitmittel 

29  «/o 

390/0 

2,72 

3,62 

Die  Kolumne  G  lehrt,  daß  die  Erwaclisonen  an  den  ge- 
läufigen Assoziationen  sehr  viel  stärker  (74®/o)  beteiligt  sind  als 
die  Kinder  (29  0/0);  aus  Kolumne  K  sehen  wir  femer,  daß  die 
Erwachsenen  viel  stärker  als  die  Kinder  geneigt  sind,  mit  Wörtern 
der  gleichen  Kategorien  zu  reagieren  (96®/o  gegenüber  39®/o), 
und  die  beiden  letzten  Kolumnen  (z  und  Z)  zeigen  endlich,  daß 
sowohl  die  geläufigen  wie  die  vereinzelten  Assoziationen  beim 
Kind  durchschnittlich  viel  langsamer  als  beim  Erwachsenen  er- 
folgen. 

Wenn  ich  auch  diese  Tabelle  nur  für  etwas  Vorläufiges 
halte  —  weitere  Versuche  mit  jeweils  mehreren  Kindern  gleicher 
Altersstufe  müssen  noch  angestellt  werden  —  so  läßt  sie  doch 
erkennen,  daß  bei  Kindern  nicht  in  dem  Maße  wie  bei  Er- 
wachsenen die  Bedingungen  ei-füllt  sind,  welche  wir  für  das 
Zustandekommen  von  Analogiebildungen  voraussetzen :  die  kind- 
lichen Assoziationen  gehen  stärker  auseinander,  d.  h.  der  Anteil 
an  geläufigen  Assoziationen  ist  geringer,  die  Zeitdauer  durchweg 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    45 

großer^);  zwar  geben  uns  diese  Versuche  (ebensowenig  wie  die 
Ziehens)  keine  direkte  Auskunft  über  die  Verteilung  von  spon- 
tanen und  vermittelten  Assoziationen,  können  aber  in  Verbindung 
mit  dem,  was  wir  oben  festgestellt  haben,  in  folgendem  Sinn 
interpretiert  werden:  die  drei  Erwachsenen  gehören  offenbar 
zum  Typus  Ka  (s.  oben  S.  18.24);  von  den  5  Kindern  gehören  2 
zum  Typus  R  a,  3  ziun  Typus  R  c').  Daß  es  sich  auch  in  sprach- 
wissenschaftlicher Beziehung  verlohnt,  die  Versuche  fortzuführen, 
leuchtet  ein:  wenn  wir  ein  exaktes  Mittel  haben,  die  Frage  zu 
lösen,  ob  und  wie  weit  die  Sprache  des  Kindes  geeignet  ist,  die 
Entwicklung  der  Sprache  überhaupt  zu  bestimmen  oder  zu  be- 
einflussen, so  ist  es  Sache  der  allgemeinen  Sprachwissenschaft, 
solchen  exakten  Untersuchungen  sich  zu  widmen;  es  kommt 
dabei  mehr  heraus,  als  wenn  man  sich  in  allgemeinen  theo- 
retischen Erörterungen  ergeht 

Die  Ergebnisse  der  Kinderversuche  sind  psychologisch  leicht 
zu  verstehen:  die  Wortassoziationen  werden  erst  allmählich  ge- 
stiftet, sie  erlangen  erst  mit  zunehmender  Herrschaft  über  die 
Sprache,  d.  h.  mit  zunehmendem  Alter  diejenige  Festigkeit,  die 
sie  einer  induzierenden  Wirkung  fähig  machen  *).  Wie  es  aber 
kommt,  daß  in  Verbindung  damit  die  menschlichen  Individuen 
hinsichüich  ihrer  reinen  Wortassoziationen  sich  nivellieren,  das 
ist  eine  Frage,  deren  Beantwortung  den  Psychologen  in  erster 
Linie  zusteht  Gelegentiich  sind  diese  Ursachen  leicht  zu  erkennen: 


1)  Die  größere  Zeitdauer  ist  schon  von  Ziehen  (II)  festgestellt 
worden,  wird  also  durch  die  Wattschen  Versuche  bestätigt.  Ziehen  stellte 
femer  fest  (II  50  ff.),  daß  "die  Assoziationsgeschwindigkeit  Jahr  für  Jahr 
nicht  unwesentlich  wächst". 

2)  Man  wird  sich  daher  nicht  wundern,  wenn  Herzog  bei  seinen 
oben  erwähnten  Versuchen  (mit  3  Kindern  und  einer  Frau)  Resultate 
erlangte,  die  von  unsem  Versuchen  verschieden  waren :  Herzogs  Versuchs- 
personen gehören  dem  Typus  Rc  an.  Wer  die  von  Ziehen  (I)  mitgeteilten 
Versuchsergebnisse  durchmustert,  ersieht  daraus,  daß  der  Typus  Rc  beim 
Kinde  eine  sehr  große  Rolle  spielt. 

3)  Vgl.  dazu  auch  die  Bemerkungen  Ziehens  ü,  59.  Instruktiv  sind 
die  daselbst  S.  61  ff.  mitgeteilten  Versuchsreihen,  welche  zeigen,  wie  bei 
2  Knaben  sich  die  Ässoziationszeit  in  einem  Zeitraum  von  -4  (bezw.  3) 
Jahren  änderte  (beschleunigte) ;  vgl.  z.  B. 

18%  1900 

weiß        schwarz        1,97  Sek.        schwarz  1,13  Sek. 
grün  blau  2,40  gelb     1,50 

blau  rot  1,57  gelb     1,06. 


46  Ä.  Thumb, 

SO  unterliegt  es  z.  B.  keinem  Zweifel,  daß  die  Reproduktion  der 
Zahlwörter  durch  das  von  Kindheit  an  geübte  Zählen  bedingt 
ist  Weiter  ist  der  Einfluß  der  gleichartigen  Schulbildung  nicht 
zu  unterschätzen;  wenn  die  Orthographie  auf  die  Aussprache 
einwirkt,  warum  soll  nicht  auch  das  Deklinieren  und  Konjugieren 
in  der  Schule  Analogiebildungen  verursachen  können?  Reim- 
bildungen (bezw.  lautliche  Anklänge)  sind  endlich  psychologisch 
gut  zu  verstehen,  wenn  man  sieht,  daß  die  allerschnellsten  Asso- 
ziationen in  dieser  Richtung  erfolgen :  Reimbildungen  zeigen  außer- 
dem, wie  die  lautliche  Beschaffenheit  einer  bestimmten  Sprache 
spezifische  Assoziationen  hervorrufen  muß.  Die  besondere  Kon- 
stellation, welche  Klangassoziationen  sprachlich  wirksam  macht,  ist 
noch  besonders  zu  untersuchen  (s.  oben  S.  11  Fußn.  *)  und  S.  29). 
Ich  hoffe  durch  meine  Ausführungen  gezeigt  zu  haben,  daß 
die  experimentelle  Psychologie  in  Verbindung  mit  der  Sprach- 
wissenschaft die  Mechanik  sprachlicher  Vorgänge  in  wichtigen 
Punkten  aufzuklären  vermag.  Die  Fragestellung  ist  gegeben ;  die 
Beantwortung  der  Fragen  kann  aber  nur  schrittweise  stattfinden. 
Doch  kann  man  auch  über  das  hinaus,  was  ich  im  Vorhergehenden 
festgestellt  habe,  schon  ahnen,  in  welcher  Weise  einzelne  Fragen 
einmal  exakte  Beantwortung  finden  werden.  Man  hat  z.  B.  ein- 
geworfen: frz.  rendre  ist  zwar  aus  reddere  nach  Analogie  von 
prendre  (prendere)  umgestaltet  worden ;  warum  aber  nicht  prendre 
nach  rendre,  da  doch  die  Assoziationen  geben  ^  nehmen  gemäß 
unsem  Versuchen  wechselseitig  sind  ?  Hierin  steckt  gewiß  ein 
besonderes  Problem.  Unsere  früheren  Versuche  zeigten  allerdings, 
daß  jedes  der  beiden  Worte  mit  dem  anderen  assoziativ  verbunden 
ist;  aber  darum  müssen  die  beiden  Assoziationen  gebefi  ->  nehmen 
und  nehmen -^  geben  psychologisch  noch  nicht  völlig  gleich  sein: 
denn  auch  der  Assoziationstypus  ist  zu  berücksichtigen.  Wenn 
wir  z.  B.  nach  unserer  3.  oder  4.  Formel  (s.  oben  S.  30)  die 
Festigkeit  der  beiden  Assoziationen  berechnen,  so  ergibt  sich,  daß 
bei  unsern  Versuchspersonen  die  Assoziation  geben  ->  nehmen 
fester  ist  als  die  Assoziation  nehmen  —^^  geben,  d.  h.  daß  geben 
leichter  nehmen  hen'^orruft  als  umgekehrt.  Unsere  Versuchsper- 
sonen würden  also  (wie  das  Französische)  dazu  disponiert  sein, 
das  Verbum  geben  nach  nehmen  umzugestalten.  Um  Mißverständ- 
nissen vorzubeugen,  betone  ich  aber,  daß  ich  dieses  Zusammen- 
treffen unserer  Versuchspersonen  mit  dem  Französischen  vor- 
läufig  als  einen  Zufall  betrachte ;  denn  einmal  darf  man  nicht  außer 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    47 

Acht  lassen,  daß  Versuche  an  Deutschen  in  solchen  Einzelheiten 
nicht  ohne  weiteres  auf  das  Französische  angewendet  werden 
können;  ferner  ist  unsere  Formel  aus  einer  zu  geringen  Anzahl 
von  Fällen  berechnet,  um  Anspruch  darauf  machen  zu  können,  daß 
sie  die  tatsächliche  *Ajssoziationslage'  der  deutschen  Sprache  oder 
eines  bestinmiten  Dialektes  wiedergebe.  Doch  mag  man  aus  diesem 
Beispiel  sehen,  wie  künftigeForschung,  besonders  Dialektforschung, 
vorzugehen  hat,  um  das  Walten  der  Analogie  in  seiner  psychischen 
Bedingtheit  zu  erkennen. 

In  diesem  Zusammenhang  sei  auf  einige  feine  Beobachtungen 
Risops  *)  hingewiesen,  die  sich  mit  der  zuletzt  aufgeworfenen  Frage 
berühren.  Er  nimmt  an,  daß  bei  völlig  gleichwertigen  (reziproken) 
Assoziationen  ''die  Angleichung  eine  wechselseitige  sein  kann", 
betont  aber,  daß  die  Gleichartigkeit  der  Assoziationen  oft  nur 
scheinbar  ist,  da  die  betreffenden  Begriffe  "im  Verhältnis  logisch 
wirklich  nachweisbarer  oder  nur  psychisch  empfundener  Unter- 
ordnung zu  einander  stehen*'*).  So  ist  z.  B.  im  Französischen  das 
Verbum  sequere  durch  fugere  beeinflußt,  aber  nicht  umgekehrt. 
"Nun  sieht  man  ohne  sonderliche  Mühe  ein,  daß  die  Vorstellung 
seqtiere  ohne  die  Vorstellung  fugere  überhaupt  nicht  gedacht 
werden  kann ;  fugere  ist  vielmehr  eine  Art  Komplement  zu  sequere^ 
ohne  daß  der  durch  letzteres  versinnlichte  Vorgang  .  .  .  um  ein 
wesentliches  Merkmal  verkürzt  erscheinen  müßte,  während  der 
Inhalt  von  fugere  sehr  wohl  vorgestellt  werden  kann,  ohne  daß 
der  von  sequere  sich  zugleich  ins  Bewußtsein  drängt  Das  heißt 
psychologisch  gesprochen:  durch  .  .  sequere  wird  .  .  fugere  mit 
2:wingender  Notwendigkeit  assoziiert,  während  die  durch  . .  fu^gere 
etwa  hervorgerufenen  Assoziationen  nicht  unbedingt  in  der  Rich- 
tung der  Vorstellung  sequere  zu  verlaufen  haben.  Und  so  ist  es 
denn  gewiß  nicht  nur  Zufall,  wenn  das  von  Thunib  und  Marbe 
sieben*)  Versuchspersonen  zugerufene  Wort  fliehen  bei  keinem 
einzigen  von  ihnen  die  Assoziation  von  folgen,  verfolgen  ergeben 
hat.  Das  umgekehrte  Experiment  ist  leider  nicht  gemacht  worden, 
doch  bin  ich  sicher,  daß  im  gegebenen  Falle  unter  den  durch 
die  Vorstellung  folgen^  verfolgen  bewirkten  Assoziationen  die  von 

1)  Begriffsverwandtschaft  und  Sprachentwicklung  S.  8  ff. 

2)  Daß  der  übergeordnete  Begriff  schneller  als  der  untergeordnete 
reproduziert  wird,  ist  bekannt;  vgl.  besonders  Catlell  Philos.  Stud.  IV, 
241  ff.  und  zuletzt  Watt  Theorie  des  Denkens  S.  26,  95  ff.  (101  ff.). 

3)  Vielmehr  "acht". 


48  A.  Thnmb, 

ßiehen  nicht  die  letzte  Stelle  einnehraen  würda  Die  hier  ge- 
machte Erfahrung  läßt  sich  vielleicht  zu  dem  Satze  verall- 
gemeinern, daß  immer  da,  wo  eine  Vorstellung  a  die  Vorstufe 
zu  einer  Vorstellung  b  darstellt,  ...  6  durch  a  assoziiert  wird 
und  damit  Einfluß  auf  die  sprachliche  Gestaltung  des  letzteren 
gewinnt,  sofern  ...  die  Lautverhältnisse  nur  irgend  günstig 
liegen."  Hier  berührt  ßisop  ein  Problem,  das  der  experimen- 
tellen Untersuchung  durchaus  zugänglich  ist;  daß  wir  noch  in 
vielen  Dingen  im  Dunkeln  tappen,  darf  uns  nicht  abhalten,  mit 
Hilfe  der  exakten  Methoden,  die  uns  die  Psychologie  bietet,  dem 
Wirken  psychischer  Gesetze  im  Sprachleben  nachzuspüren.  Denn 
wenn  irgendwo  im  Gebiet  der  Geisteswissenschaften,  so  können 
wir  in  der  allgemeinen  Sprachwissenschaft  den  Gedanken  verwirk- 
lichen, der  Wundts  Völkerpsychologie  beherrscht:  die  Erkenntnis 
der  kausalen  Bedingtheit  auch  der  "verwickelten  Erscheinungen 
der  Völkerpsychologie" ;  sie  hat  zur  Voraussetzung,  "daß  man  . . . 
zuerst  durch  die  exakte  Analyse  der  elementaren  Bewußtseins- 
vorgänge, wie  sie  die  Methoden  der  experimentellen  Psychologie 
vermitteln,  den  Blick  geschärft  und  die  Fähigkeit  psychologisch 
zu  denken  geübt  haben  muß"^). 

Wenn  die  experimentellen  Wissenschaften  irgendeinen  Vor- 
gang mit  Hilfe  des  Experiments  analysiert  haben,  so  betrachten 
sie  es  als  ihre  weitere  Aufgabe,  durch  Synthese,  d.  h.  durch 
künstliche  Kombinationen  der  festgestellten  Bedingungen,  den 
Vorgang  nachzubilden  und  damit  gewissennaßen  die  Probe  aufs 
Exempel  zu  machen.  Das  ist  natürlich  im  Gebiet  der  historischen 
Wissenschaften  so  gut  wie  ausgeschlossen ;  es  ist  aber  nicht  ganz 
ausgeschlossen  in  den  Fragen,  die  uns  im  Vorstehenden  be- 
schäftigt haben.  Mit  anderen  Worten :  ist  es  vielleicht  möglich, 
künstlich  bei  Verauchspersonen  Analogiebildungen  (Kontamina- 
tionen) hervorzurufen  ?  Ich  muß  es  mir  v^orläufig  versagen,  hier 
die  Versuchsanordnung  zu  beschreiben,  die,  wie  ich  glaube,  zum 
Ziel  führen  würde.  Gelegentliche  Versuchsergebnisse  dieser  Art 
liegen  schon  vor:  so  hat  z.  B.  Watt*)  "Interferenzwirkungen 
zweier  Eeproduktionstendenzen"  erhalten,  wenn  er  die  Aufgabe 
stellte,  zu  einem  Ganzen  einen  Teil  zu  finden :  zwei  Worte,  die 
der  Aufgabe  entsprachen,  drängten  sich  gleichzeitig  ins  Bewußt- 

1)  Vorrede  zu  Bd.  U,  1  (S.  VI). 

2)  Experimentelle  Beiträge  zu  einer  Theorie  des  Donkens.  Arch.  f. 
d.  ges.  Psychol.  IV  289  ff.  (im  besonderen  S.  332). 


Psychologische  Stadien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    49 

sein  und  ergaben  als  Antwort  eine  regelrechte  Kontamination 
in  folgenden  Fällen: 

Zimmer:  Tuxik  =  Stuhl  x  Tisch. 

Haus:  Stür=  Türe  x  SiuU. 

Kloster:  Nönch  =  Nonne  x  Mönch. 

Flinte:  Schahn  =  Schuß  x  Hahn. 
Ganz  ähnliche  Beobachtungen  haben  N.  Ach  und  ich  auch 
bei  den  Versuchen  gemacht,  die  wir  zum  Studium  der  Klang- 
assoziationen im  S.  S.  1906  unternahmen.  Wenn  es  gelingen  wird, 
Analogiebildungen  experimentell  zu  erzeugen  —  natürlich  an 
einem  sprachlich  völlig  neutralen  Material,  d.  h.  an  künstlichen 
Lautgebilden  — ,  so  werden  wir  imstande  sein,  die  bis  jetzt  er- 
kannten Bedingungen  des  Vorganges  in  ihrem  Wirken  qualitativ 
und  quantitativ  >)  zu  studieren  und  weiteren  Faktoren  der  Ana- 
logiebildung auf  die  Spur  zu  kommen.  Mag  auch  mancher  das 
für  Zukunftsmusik  halten  oder  gar  ungläubig  darüber  den  Kopf 
schütteln,  —  die  Überzeugung  steht  bei  mir  fest,  daß  ein  Weiter- 
arbeiten in  der  von  mir  eingeschlagenen  Richtung  nicht  nutzlos 
sein  wird.  Man  muß  freilich  Tositivist*  sein,  d.  h.  die  wissen- 
schaftliche Lösung  allgemeiner  Probleme  der  Geisteswissenschaften 
in  dem  Sinn  anstreben,  wie  dies  W.  Wundt  nicht  nur  für  die 
Psychologie,  sondern  von  da  aus  für  die  Sprachwissenschaft,  die 
Kunstgeschichte,  die  Mythologie  in  seiner  "Völkerpsychologie" 
angebahnt  hat 

Exkurs. 
[Zu  S.  13.] 

Daß  bei  allen  Assoziations versuchen  die  Konstellation  des 
Experiments  derjenigen  des  natürlichen  Vorstellungsablaufs  nur 
ähnlich,  nicht  gleich  ist,  hat  die  Psychologen  nicht  gehindert,  die 
Assoziationsvorgänge  auf  experimentellem  Wege  zu  erforschen 
und  die  gewonnenen  Ergebnisse  für  die  Erkenntnis  des  natür- 
lichen Assoziationsverlaufs  zu  verwerten. 

In  jüngster  Zeit  hat  Max  Levy*)  betont,  daß  der  übliche 
Assoziationsversuch  von  dem  normalen  Vorstellungsverlauf  mehr 
abweiche  als  man  gewöhnlich  annimmt  (a.  a.  0.  1351);  der  natür- 
liche Ablauf  finde  unter  einer  Konstellation  statt,  die  im  Ex- 

1)  Vgl.  die  S.29f.  aufgestellten  Formeln. 

2)  Stadien  über  die  experimentelle  Beeinflussung  des  Vorstellungs- 
verlaufs. Ztschr.  f.  Psychol.  42  (1906)  128  ff. 

lodo^rmuiiiGhe  Vonchnogen  XXII.  4e 


50  A.  Thumb, 

periraent  nicht  gegeben  sei.  Interessant  auch  für  unser  Problem 
sind  die  S.  157  mitgeteilten  Versuche,  welche  den  Einfluß  einer 
bestimmten  Konstellation  auf  die  Assoziationstätigkeit  nachweisen. 
Den  Versuchspereonen  wurden  zunächst  die  Keiz werte  in  der 
üblichen  Weise  geboten;  nach  einem  Zwischenraum  von  1 — 3 
Tagen  wurden  dieselben  Wörter  nochmals  geboten,  jedoch  wurde 
vor  Beginn  einer  Wortgruppe  die  Aufmerksamkeit  auf  einen  be- 
stimmten Gegenstand  gelenkt  Ein  Einfluß  auf  die  Assoziation 
wurde  zwar  konstatiert  —  aber  ich  hebe  im  Gegensatz  zu  Levy 
hervor,  daß  dennoch  die  *Normalassoziation'  *)  nur  imter  ganz  be- 
stinMnten  Umständen  beeinflußt  wurde:  unter  15  Wörtern,  die 
sich  auf  3  Versuchspersonen  verteilen,  kehrt  9  mal  die  gleiche 
Assoziation  wieder  (z.  B.  bemerke  xc<ischen  —  Wäsche^  Gold  — 
Söfcr,  heute  —  morgen^  Bier  —  Schnaps !) ;  nur  in  4  Fällen  wird 
die  Reaktion  beeinflußt:  das  Vorzeigen  eines  kleinen  Kammes 
bewirkte  bei  Versuchsperson  I  die  Antwort  Haar  —  kämmen  (vor- 
her Kopf)^  ein  Z wimfaden  bei  11  Knopf —  annähen  (vorher  Kafik)^ 
eine  Stricknadel  bei  ÜI  (einer  Frau)  Schuh  —  Strumpf  (vorher 
Stiefel)  und  Wolle  —  Strumpf  (vorher  Schaf),  Wir  sehen  also, 
daß  der  'normale'  Assoziationsverlauf  nur  gestört  wurde,  wenn 
das  Reizwort  mit  dem  die  Aufmerksamkeit  ablenkenden  Gegen- 
stand in  einem  inhaltlichen  Zusammenhang  stand.  Beim  natür- 
lichen Sprechen  ist  selbstverständlich  der  Ablauf  der  Vorstellungen 
durch  den  Gesprächstoff  bedingt,   d.  h.  der  Sprechende  ist  von 
der  Assoziationstätigkeit  selbst  abgelenkt.  Wenn  wir  in  zusammen- 
hängender Rede  z.  B.  sagen  *mein  Vater  ist  tot;  er  starb  infolge 
eines  Schlaganfalles'  oder  'dieser  Gegenstand  ist  schwer;  ich  kann 
ihn  nicht  aufheben',  so  werden  sich  selbstverständlich  die  Asso- 
ziationen Vater  —  Mutter  oder  schwer  —  leicht  nicht  jedesmal 
einstellen;  aber  sie  können  sich  jedesmal  einstellen,  wie  die 
Versuche  Levys  zeigen,  und  während  die  anderen  Assoziationen 
durch  die  Einzelkonstellation  bedingt  sind,  ist  die  geläufigste 
(Wort-)Assoziation  diejenige,  welche  von  den  einzelnen  durch 
Denken  und  Sprechen  gegebenen  Konstellationen  unabhängig  ist: 
die  geläufigste  Assoziation  ist  nicht  durch  unser  Wollen  determi- 
niert, d.  h.  sie  ist  latent  immer  vorhanden  und  tritt  ungewollt 
auf.  Durch  welche  Umstände  (oder  Bewußtseinskonstellation)  das 
Auftreten  spontaner  Assoziationen  begünstigt  wird,  das  zeigen 

1)  Wir  könnten  in  den  meisten  Fällen  auch  sagen  'die  reine  Wort- 
assoziation*. 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.    51 


die  interessanten  Versuche  von  Jung  und  Ricklin^),  die  mit  38 
Yersuchspersonen  im  Ganzen  12400  Assoziationen  lieferten.  Leider 
beruht  die  Einteilung  der  Assoziationen  auf  begrifflichen  statt 
rein  psychologischen  Merkmalen,  und  das  Verhältnis  zwischen 
den  verschiedenen  Assoziationstypen  (s.  oben),  sowie  das  Verhalten 
hinsichtlich  des  Auftretens  der  geläufigen  Assoziationen  ist  nicht 
untersucht  worden,  da  von  den  Verfassern  zu  den  betreffenden 
Arbeiten  Marbes  und  seiner  Schüler  keine  Stellung  genommen 
wird.  Man  erhält  weder  über  die  Gesamtheit  der  Versuchsworte 
noch  über  die  der  Reaktionen  Auskunft  Immerhin  sieht  man 
soviel,  daß  das,  was  ich  *reine  Wortassoziation'  (R  a)  nenne,  unter 
den  Rubriken  ^sprachlich  motorische  Formen'  {dunkd—hell^  Krieg 
und  Frieden^  finden  —  fand)^  •Wortergänzungen'  {Tisch  — hein\ 
•Klang  und  Reim'  untergebracht  ist;  die  sprachliche  Form  ist 
hinsichtlich  der  grammatischen  Kategorie,  der  Endung,  der  Silben- 
zahl, Alliterati«!  und  'Konsonanz'  (d.  i.  Übereinstimmung  des  Vokals 
der  ersten  Silbe  in  Reiz-  und  Reaktionswort)  berücksichtigt 

Von  sprachlichem  Interesse  ist  zunächst  die  Feststellung 
des  Verhaltens  Gebildeter  und  Ungebildeter  beim  üblichen  nor- 
malen Assoziationsversuch*).  Tabelle  XV')  zeigt,  bei  welchen 
Assoziationen  die  Gebildeten  stärker  beteiligt  sind  als  die  Un- 
gebildeten : 

Tabelle  XIX. 
(Die  Zahlen  bedeuten  Prozente.) 


Sprachl.  motor.  Formen 
Wortergänzung  .... 

Klang  

Reim 


Gebildete 


36,8 
1,3 
1,5 
0,6 


Ungebildete 


26,1 
0,1 
0,3 
0,1 


Die  Gebildeten  sind  hiemach  durchweg  mehr  als  die  Un- 
gebildeten zu  Wortassoziationen  disponiert.  Femer  sind  Klang 

1)  Diagnostische  Assoziationsstudien.  I.  Experimentelle  Unter- 
SQchungen  über  Assoziationen  Gesunder.  Journ.  f.  Psychol.  u.  Neurol.  III 
<19(H)  oöff.  l^ff.  193  ff.  283  ff.  IV  24  ff. 

2)  Eine  charakteristische  Verschiedenheit  zwischen  Männern  und 
Frauen  ergab  sich  nicht,  vgl.  IV  48  f. 

3)  Ich  entnehme  aus  den  Tabellen  der  Verff.  jeweils  nur  die  Stücke, 
die  meinen  Zwecken  dienen.  Meine  Beurteilung  weicht  zum  Teil  er- 
heblich von  derjenigen  Jungs  und  Ricklins  ab. 

4* 


52  A.  Thumb, 

und  Reim  auch  hier  wieder  so  vereinzelt,  daß  wir  ihnen  im  Leben 
der  Sprache  keine  große  Bedeutung  beimessen  dürfen.  Beide  spielen 
in  der  Analogiebildung  eine  geringe  Bolle,  ebenso  wie  die  Wort- 
ergänzungen. Überraschend  ist  mir  das  beträchtliche  Überwiegen 
der  'sprachlich  motorischen  Formen'  bei  Gebildeten ;  man  müßte 
die  Reaktionen  selbst  kennen,  um  dieses  Ergebnis  hinsichtlich 
der  Frage  beurteilen  zu  können,  ob  wirklich  die  Gebildeten  an 
sprachlich  wirksamen  Assoziationen  stärker  beteiligt  sind;  die 
höhere  Zahl  scheint  mir  vorerst  auf  eine  größere  Beherrschung 
der  Sprache  hinzuweisen.  Diese  sprachliche  Differenzierung  der 
Gebildeten  und  Ungebildeten  erscheint  umso  merkwürdiger,  wenn 
wir  die  Fälle  ansehen,  wo  die  Ungebildeten  stärker  beteiligt  sind: 

Tabelle  XX. 
(Die  Zahlen  bedeuten  Prozente.) 


Gleiche  grammat.  Kategorie 

Gleiche  Endung 

Gleiche  Silbenzahl .... 

Alliteration 

Konsonanz 


Gebildete 


51,5 
9,5 

38,2 
8,7 

10,2 


Ungebildete 


59,2 
13,8 
42,5 
9,3 
12,3 


Hieraus  ergibt  sich  deutlich,  daß  Ungebildete  eine  stärkere 
Neigung  haben,  Assoziationen  von  ähnlicher  sprachlicher  Form 
oder  gleicher  Kategorie  hervorzubringen.  Da  nun  die  sprachlich 
wirksamen  Assoziationstendenzen,  welche  die  grammatische  Form 
beeinflussen,  in  der  gleichen  Richtung  zu  suchen  sind,  so  darf 
man  aus  der  Tabelle  den  Schluß  ziehen,  daß  Ungebildete  mehr 
als  Gebildete  zu  formalen  Analogiebildungen  disponiert  sind.  Die 
Ungebildeten  scheinen  also  hinsichtlich  ihrer  Assoziationen  den 
Kindern  näher  zu  stehen. 

Noch  wichtiger  scheinen  mir  für  das  psychologische  Ver- 
ständnis der  Analogiebildungen  die  Assoziationsversuche  mit  Ab- 
lenkung der  Aufmerksamkeit  ^) :  eine  *äußere'  Ablenkung  wurde 
dadurch  erreicht,  daß  die  Versuchsperson  gleichzeitig  mit  Me- 
tronomschlägen (60,  später  100  in  jeder  Minute)  Bleistiftstriche 
von  etwa  1  cm  Länge  zu  machen'  hatte.  Die  'innere*  Ablenkung 
(die  jedoch  nur  mit  den  Gebildeten  versucht  wurde)  wurde  da- 

1)  a.a.O.  m58f. 


Psychologische  Studien  über  die  sprachlichen  Analogiebildungen.     53 


durch  erzielt,  daß  der  Yersuchsperson  aufgegeben  wurde,  **ihre 
Aufmerksamkeit  möglichst  konzentriert"  ...  der  "Summe  der- 
jenigen psychologischen  Phänomene'*  zuzuwenden,  **welche  un- 
mittelbar durch  die  Perzeption  des  akustischen  Reizes  hervor- 
gerufen werden".  Das  Ergebnis  war:  "Die  hochwertigen  inneren 
Assoziationen  treten  in  der  Ablenkung  zurück  gegenüber  den  zu- 
nehmenden äußeren  Assoziationen  und  Elangreaktionen"  (IV  45). 
Mit  andern  Worten,  d.  h.  im  Sinne  meiner  Ausführungen,  heißt 
das:  die  mechanischen,  meist  rein  sprachlichen  Reaktionen  nehmen 
bei  Ablenkung  der  Aufmerksamkeit  zu.  Man  vergleiche  die  beiden 
folgenden  Tabellen: 

Tabelle  XXI. 

A.  Ungebildete. 


Männer 

Frauen 

normal 

äußere 
Ablenkung 

normal 

äußere 
Ablenkung 

Sprachl.  molor.  Formen  . 
Wortergänzungen     .    .     . 

Klang 

Reim 

Gleiche  gramm.  Kategorie 
Gleiche  Silbenzahl  .    .     . 
Gleiche  Endung  .... 

AUiteration 

'Konsonanz* 

24,0 

0,6 

59,5 
39,0 
16,3 
9,2 
12,5 

28,8 

1,1 
0,95 
66,1     • 
46,95 
16,25 
10,2 
21,1 

28,3 

0,3 

0,7 

0,3 

58,9 

46,0 

11,3 

8,4 

12,2 

28,8 

0,35 

1,85 

1,2 

62,35 

46,1 

13,85 

11,1 

17,1 

Tabelle  XXH. 
B.  Gebildete. 


Männer 


Sprachl.  mot.  Formen 
Wortergänzung  .    . 

Klang 

Reim 

Gleiche  gramm.  Kat. 
Gleiche  Silbenzahl . 
Gleiche  Endung.    . 


normal 

34,2 

1,1 

1,9 

0,6 
49,1 
35,0 

8,5 


Ablenkung 
innere    äußere 


38,6 
4,3 

15,8 
0,6 

50,5 

44,6 
8,3 


39,0 
1,9 
6,9 

1,1 
55,5 
43,7 
10,6 


Frauen 


normal 

39,5 
1,5 

1,1 

0,7 
53,9 
41,5 
10,5 


Ablenkung 
innere    äußere 


30,5 

4,5 

5,1 

2,0 

59,0 

45,5 

11,8 


32,35 
2,6 
6,0 

1,1 
53,5 
45,6 
12,35 


M    A.  Thumb,  Psycholog.  Studien  über  die  sprachl.  AnalogiebildULgen. 

Diese  Versuche  sind  deshalb  so  interessant,  weil  sie  zeigen^ 
durch  weicheUmstände*äußere*  Assoziationen  begünstigt  werden, 
d.  h.  diejenigen  Assoziationen,  welche  beim  Problem  der  Ana- 
logiebildungen in  betracht  kommen.  Eine  direkte  Verwertung  der 
Versuche  ist  nicht  möglich,  weil  die  Verfasser  folgende  Punkte 
nicht  behandeln:  1)  wie  wird  das  Auftreten  des  Assoziation»- 
typus  Ra  durch  die  Ablenkung  beeinflußt?  2)  wie  wirkt  die 
Ablenkung  auf  das  Auftreten  'geläufiger'  Assoziationen?  Es  ist 
zu  vermuten,  daß  unter  dem  Einfluß  der  Ablenkung  die  geläufigen 
Assoziationen  (leicht  —  schtver)  und  damit  zugleich  die  'spontanen* 
Reaktionen  (R  a)  häufiger  werden.  Für  künftige  Versuche  besäßen 
wir  also  ein  Mittel,  die  'Konstellation'  in  dem  Sinne  herzustellen, 
daß  die  sprachlich  wirksamen  Assoziationen  noch  häufiger  auf- 
treten und  so  eine  noch  größere  Übereinstimmung  der  verschie- 
denen Individuen  zustande  kommt  Wir  nähern  uns  eben  noch  ge- 
nauer derjenigen  Konstellation,  welche  beim  natürlichen  Sprechen 
besteht  und  bei  der  Entstehung  von  Analogiebildungen  (bezw. 
beim  Versprechen)  wirksam  ist:  unsere  Aufmerksamkeit  ist  beim 
Sprechen  natürlich  auf  den  Inhalt  des  Gespräches  gerichtet,  d.  h. 
hinsichtiich  der  Wortassoziationen  äußerlich  oder  innerlich  ab- 
gelenkt Um  so  leichter  werden  sich  also  die  geläufigen  Wort^ 
assoziationen  ungewollt  einstellen  und  den  Sprechprozeß  beein- 
flussen können.  Letzteres  tritt  nicht  immer  ein :  wir  versprechen 
uns  ja  nur  gelegentiich.  Aber  da  bei  gewissen  Worten  immer 
wieder  die  gleichen  (nämlich  die  geläufigen  und  spontanen)  Re- 
aktionen auftreten  können,  so  ist  von  vornherein  nur  für  diese 
die  Voraussetzung  gegeben,  daß  sie  einmal  dauernd  das  induzie- 
rende Wort  beeinflussen,  während  die  mannigfachen  sonstigen 
Assoziationen  teils  gar  nicht,  teils  nur  vorübergehend  die  Inner- 
vation von  Worten  und  Formen  stören  *).  Denn  es  ist  klar,  daß 
alle  durch  Worte  hervorgerufenen  Assoziationen,  die  nicht  sprach- 
lich motorischer  Art  sind,  also  visuelle  Vorstellungen,  nicht- 
sprachliche Schallvorstellungen,  gefühls-  und  willensbetonte  Be- 
wußtseinsvorgänge, überhaupt  keine  Wirkung  auf  die  sprachliche 


1)  Man  beachte  die  beiden  folgenden  Assoziationsgesetze:  1.  **Je 
stärker  eine  Assoziation  ist,  um  so  mehr  wird  sie  durch  eine  Neuwieder- 
holung verstärkt'*.  2.  **Eine  Neuwiederholung  wirkt  auf  diejenige  Asso- 
ziation am  stärksten  ein,  die  zu  einer  beliebigen  Zeit  vorher  am  stärksten 
eingeprägt  worden  war".  Vgl.  H.  Lipmann  Ztschr.  f.  Psychol.  35  (1904?) 
221  und  225. 


H.  Hirt,  Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.     56 

Artikulation  haben  können,  auch  wenn  sie  weiterhin  eine  Wort- 
assoziation  (Rc)  hervorrufen.  Andererseits  können  wohl  gele- 
gentliche reine  Wortassoziationen  (Ra)  Formen  des  Versprechens 
erzeugen ;  sie  sind  jedoch  schon  für  das  sprechende  Individuum 
vorübergehend  und  sind  vollends  für  die  übrigen  Individuen 
einer  Sprachgemeinschaft  ohne  Wirkung,  da  ihnen  das  Merkmal 
der  'Geläufigkeif  fehlt;  nur  wenn  gleiche  Assoziationen  *mit- 
klingen',  also  bei  'geläufigen*  Assoziationen,  wird  eine  individuelle 
Analogiebildung  (Form  des  Versprechens)  infolge  jenes  Mitklingens 
Aussicht  haben,  Eigentum  einer  Sprachgemeinschaft  zu  werden. 
Wie  sich  der  Übergang  von  der  individuellen  und  okkasionellen 
zur  usuellen  Analogiebildung  vollzieht,  darüber  wage  ich  vor- 
läufig noch  keine  Vermutung:  es  ist  ebensogut  möglich,  daß  der 
Vorgang  bei  einem  Einzelindividuum  beginnt  und  sukzessive  sich 
ausdehnt,  wie  daß  spontan  eine  Mehrheit  von  Individuen  die 
gleiche  Analogiebildung  schafft. 

Marburg  i.  H.  Albert  Thumb. 


Untenuehungen  znr  indogermnniseheii  Altertmnskande. 

Während  auf  dem  Gebiet  der  indogermanischen  Grammatik 
ein  reges  Leben  herrscht  und  eine  große  Anzahl  von  Forschem 
an  der  Lösung  der  Probleme  beteiligt  sind,  beschäftigen  sich 
nur  wenige  mit  der  indogeitnanischen  Altertumskunde,  vielmehr 
ist  diese  seit  Jahren  fast  ein  Monopol  von  0.  Schrader  gewesen. 
Es  ist  nun  niemals  gut,  wenn  alle  Arbeit  im  wesentiichen  auf 
den  Schultern  eines  Mannes  ruht,  denn  jeder  Mensch  ist  unvoll- 
kommen und  er  sieht  die  Dinge  immer  nur  von  einer  Seite  an. 
Wenn  man  bedenkt,  wie  die  grammatischen  Probleme  hin-  und 
hergewendet  werden,  ehe  wir  zu  festen  Ergebnissen  kommen, 
wenn  man  sieht,  wie  langsam  sich  die  richtige  Erkenntnis  hier 
Bahn  bricht,  so  wird  man  es  wohl  für  wünschenswert  halten, 
wenn  auch  die  Probleme  der  indogermanischen  Altertumskunde 
einmal  unter  das  Kreuzfeuer  der  Kritik  genommen  werden.  Das 
hat  ja  P.  v.  Bradke  getan,  leider  ist  er  aber  der  Wissenschaft 
allzu  früh  entrissen  worden.  Seine  Stäike  bestand  in  der  Kritik, 
aber  Kritik  ist  auf  unserm  Gebiet  und  vor  allem  gegenüber 
den  Arbeiten  0.  Schraders  dringend  nötig.  P.  v.  Bradke  hat  sein 


66  H.  Hirt, 

Buch  **Über  Methode  und  Ergebnisse  der  arischen  (indogermani- 
schen) Altertumswissenschaft",  Gießen  1890,  der  Kritik  der  ersten 
Auflage  von  0.  Schraders  Sprachvergleichung  und  Urgeschichte 
gewidmet,  imd  wenn  auch  Bradkes  Buch  nicht  gerade  geschickt 
und  glücklich  geschrieben  ist,  sachlich  hat  er  in  fast  allen  Punkten 
recht  Er  will  im  wesentlichen  ja  nur  die  Frage  erörtern  (S.  1), 
"unter  welchen  Bedingungen  wir  von  der  Etymologie  Auskunft 
über  die  Kultur  der  arischen  Urzeit  erwarten  dürfen,  was  sich 
für  diese  aus  sprachlichen  Gleichungen  ergibt  und  ob  und  wie 
weit  Ergebnisse  dieser  Art  fest  genug  stehen,  um  weitere  Fol- 
gerungen tragen  zu  können".  In  der  Tat  hat  v.  Bradke  gerade 
diese  Seite  erörtert,  und  wenn  das  Ergebnis  des  Buches  im  wesent- 
lichen negativ  ist,  wenn  es  sich  zeigt,  daß  sich  aus  den  sprach- 
lichen Tatsachen  recht  wenig  ergibt,  so  lag  darin  ein  Ergebnis 
vor,  das  später  Kretschmer  undKossinna  ihrerseits  hervorgehoben 
haben.  Auch  ich  habe  durch  Bradke  gelernt,  daß  die  Folgerungen 
aus  der  Sprache  nur  mit  großer  Vorsicht  zu  ziehen  sind. 

Die  zweite  Auflage  von  Schraders  Werk  hat  v.  Bradke  in 
den  Gott.  Gel.  Anz.  1890,  897  ff.  besprochen,  durchaus  sachlich 
und  gerecht;  er  erkennt  an,  daß  in  dem  Buche  manche  Fort- 
schritte zu  verzeichnen  sind,  faßt  aber  sein  Urteil  in  folgenden 
Worten  zusammen :  "Wenn  der  Herr  Verf.  fortfährt,  sein  Buch 
in  der  Richtung  solcher  'Angriffe'  wie  des  meinigen,  die  er  als 
besonders  unbegründet  'gelegentlich  auch  einmal  zurückweisen 
zu  sollen  glaubt',  fleißig  umzuändern,  so  würde  ich  es  nicht  mehr 
für  ausgeschlossen  halten,  daß  es  etwa  in  4.  oder  5.  Auflage  von 
den  gröbsten  Fehlem  ziemlich  frei  wäre;  nur  müßte  er  mit  der 
Aufnahme  neuen  Stoffes  vorsichtiger  werden**.  Das  Urteil  v.  Bradkes 
wiegt  nun  sicher  ungleich  schwerer  als  das  vieler  anderer  Forscher, 
die  doch  schließlich  den  behandelten  Problemen  femer  stehen, 
und  es  ist  wohl  an  der  Zeit,  dieses  Urteil  wieder  einmal  anzu- 
führen. 

Jetzt  erscheint  Schraders  Werk  in  dritter  Auflage,  und  es 
ist  daher  dringend  geboten,  eine  Reihe  von  Problemen  neu  zu 
erörtern,  da  auch  in  der  neuen  Auflage  ein  wesentlicher  Fort- 
schritt nicht  zu  verzeichnen  ist. 

Unterdessen  hat  0.  Schrader  ein  neues  großes  Werk  ver- 
öffentlicht, das  Reallexikon  der  indogermanischen  Altertumskunde. 
Ich  habe  dies  Werk  IF.  Anz.  13,  5  ff.  angezeigt  und  dabei  ver- 
sprochen, darauf  zurückzukommen.  Wenn  dies  bis  jetzt  noch  nicht 


Untersnchnngen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  57 

geschehen  ist,  so  lag  das  an  dem  Mangel  an  Zeit,  aber  wenn 
ich  auch  spät  komme,  so  komme  ich  doch,  und  die  folgenden 
Ao&ätze  werden  sich  vielfach  mit  Schraders  Werken  und  Auf- 
fassungen beschäftigen  müssen. 

Ich  habe  mich  seit  meiner  Studentenzeit  mit  den  kultur- 
historischen Problemen,  die  die  europäische  Urzeit  betreffen,  be- 
schäftigt, ich  habe  mein  erstes  Kolleg  über  die  Urgeschichte  der 
Indogermanen  gelesen  und  dies  in  regelmäßigem  Turnus  bis  jetzt 
wiederholt  Ich  habe  natürlich  meine  ersten  Kenntnisse  aus  Hehn 
geschöpft  und  bin  durch  v.  Bradke  auf  die  Bedeutung  Schraders 
hingewiesen  worden.  Schon  im  Jahre  1891  erschien  mir  Schraders 
Sprachvergleichung  und  Urgeschichte  als  ein  unzureichendes 
Werk,  und  ich  faßte  damals  den  Plan,  meinerseits  ein  anderes 
Werk  zu  schreiben,  das  nun  endlich  vollendet  vorliegt  Auch 
dieses  Werk  erfordert  noch  einige  Ergänzungen,  es  muß  manches, 
was  dort  nur  angedeutet  wurde,  näher  begründet  werden,  und 
ich  hoffe,  daß  sich  auch  andere  Mitforscher  an  der  Erörterung 
beteiligen  werden.  Im  Verlauf  der  Zeit  gedenke  ich  also  an 
dieser  Stelle  eine  Reihe  von  Aufsätzen  zu  veröffentlichen,  die 
sich  mit  der  indogermanischen  Altertumskunde  befassen. 

1.  Wann  können  wir  ein  Wort  für  indogermanisch  ansehen? 

Will  man  den  Wortschatz  der  indogermanischen  Ursprache 
für  kulturhistorische  Schlüsse  verwenden,  so  muß  doch  zunächst 
die  Frage  entschieden  werden,  wann  wir  ein  Wort  für  indo- 
germanisch ansehen  können.  Der  idealste  Zustand  ist  es  natürlich, 
wenn  ein  Wort  noch  in  allen  Sprachen  erhalten  ist,  aber  dieser 
Fall  ist  recht  selten,  und  es  ist  ganz  sicher,  daß  schon  Worte, 
die  nur  noch  in  drei  oder  vier  Sprachen  vorliegen,  für  die  idg. 
Ursprache  in  Anspruch  zu  nehmen  sind.  So  lange  eine  be- 
stimmte Stammbaumtheorie  gebilligt  wurde,  war  die  Sache  ver- 
hältnismäßig einfach.  War  ein  Wort  in  je  einer  Sprache  einer 
Gruppe  belegt,  so  hatte  man  eigentlich  die  volle  Gewähr  für 
die  Herkunft  aus  der  Urzeit  Aber  mit  dieser  Stammbaumtheorie 
steht  es  ja  vorläufig  schlecht,  und  man  wird  auf  sie  nicht  bauen 
können.  Schrader  hat  sich  nun  ein  eigentümliches  System  zurecht 
gemacht   Sprachvergleichung  und  Urgeschichte '  S.  174  sagt  er: 

"Mir  scheint  die  Sache  so  zu  stehen,  daß  wenn  ein  Wort 
wenigstens  in  einer  arischen  und  in  einer  europäischen  oder 
wenigstens  in  einer  nord-  und  in  einer  südeuropäischen  oder 


68  H.  Hirt, 

wenn  es  auch  nur  im  Griechischen  und  Lateinischen  nachge» 
wiesen  werden  kann,  darin  eine  Garantie  seines  hohen  Alters* 
liegt"  "Diese  Auffassung,"  heißt  es  in  der  Anmerkung,  **habe 
ich  schon  in  der  Vorrede  zu  meinem  Reallexikon  p.  XIII  deutlich 
ausgesprochen  und  bin  ihr  in  meinem  Buch  gefolgt  Es  ist  daher 
nicht  meine  Schuld,  wenn  H.  Hirt  nicht  hat  entdecken  können, 
welche  Grundsätze  mich  bei  dem  Gebrauch  des  "Wortes  "indo- 
germanisch* geleitet  haben."  Ein  anderes  sind  offenbar  Grund- 
sätze, und  ein  anderes  ist  es,  ob  man  sie  befolgt  Wir  müssen 
also  einerseits  die  Frage  beantworten,  ob  diese  Grundsätze  richtig 
sind,  und  anderseits,  ob  0.  Schrader  sie  befolgt  hat  Daß  letzteres 
nicht  der  Fall  ist,  läßt  sich  leicht  zeigen,  und  da  Schrader  die 
Grundsätze  schon  in  seinem  Beallexikon  befolgt  haben  will,  so 
wählen  wir  die  Beispiele  daraus. 

Zunächst  haben  doch  die  BL!S.8  zusammengestellten  Aus- 
drücke für  Ackerbau,  da  auf  sie  alle  die  Bedingungen  zutreffen,  die 
Schrader  aufstellt,  nämlich  daß  sie  in  einer  nord-  und  einer  süd- 
europäischen Sprache  oder  im  Griechischen  und  Lateinischen  auf- 
treten, ein  volles  Recht  für  indogermanisch  zu  gelten.  Man  kann 
also  dai*aus  nichts  anderes  schließen,  als  daß  die  Indogermanen  den 
Ackerbau  gekannt  haben.  Aber  diese  Ausdrücke  sind  nach  Schrader 
europäisch-indogermanisch,  womit  ein  neuer  Begriff  eingeführt 
oder  vielmehr  ein  alter  beibehalten  wird.  Aber  wir  haben  ja 
auch  eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  arisch-europäischer  Aus- 
drücke, wie  Schrader  S.  10  hervorhebt,  z.  B.  ai.  ydm-,  griech. 
Zed,  ai.  pü^  giiech.  ttticcu),  lat  hordeum^  npers.  zurd^  mndd. 
terice^  ai.  därvä.  Hier  wird  aber  wieder  von  geringerer  geo- 
graphischer Verbreitung  gesprochen.  Was  hat  aber  das  mit  un- 
serer Frage  zu  tun,  da  die  erwähnten  Ausdrücke,  da  sie  in  ge- 
trennten Sprachen  Asiens  und  Europas  vorkonunen,  nach  Schrader 
indogermanisch  sind. 

Anderseits  erklärt  Schrader  folgende  Gleichungen  für  indo- 
germanisch: unter  Feuer:  got /ow,  sltn.  fune^  altpr.  panno,  also 
eine  nur  germ.-preußische  Gleichung.  Wels  und  altpr.  kalis^ 
d.  lachs^  slav.  fosogf  haben  dann  doch  dasselbe  Anrecht  Ver^. 
darüber  übrigens  Schraders  Reallexikon  S.  495.  Während  die 
Gleichung  nöp,  lunbr.  pir^  ahd.  /i'wr,  armen,  hur  indogermanisch 
ist  (S.  239),  ist  TreuKri,  altpr.  j^tiae,  lit  pttssüs^  ahd.  fiukta^  ir.  ochtach 
nur  europäisch.  Ich  habe  mich  vergebens  bemüht,  hier  Grundsätze 
zu  entdecken.  Ob  für  die  Milch  ein  indogerm.  Ausdruck  vor- 


Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  69 

banden  war,  sagt  Schrader  nicht  ausdrücklich.  Wir  finden  be* 
kanntlich  verschiedene  Ausdrücke,  "die  sich  merkwürdigerweise 
immer  auf  zwei  Sprachen  beschränken:  ai.  dadhdn^  apr.  dadan\ 
griech.  T<iXa,  lat  lae\  got  miluks  =  ir.  mdg^.  Ich  glaube,  auch 
Schrader  wird  diese  Ausdrücke  für  indogermanisch  halten.  Aber 
dann  haben  doch  got  gulß^  abg.  zlato,  lett  ziUs^  die  sogar  Ablaut 
zeigen,  griech.  xoXkoc,  abg.  ^eUzo  dasselbe  Anrecht,  für  die  Ur- 
sprache in  Anspruch  genommen  zu  werden. 

Ich  könnte  noch  mehr  Beispiele  anführen,  aber  sie  würden 
nur  beweisen,  daß  es  etwas  anderes  ist,  Grundsätze  aufzustellen^ 
nnd  etwas  anderes,  sie  zu  befolgen.  Wenn  man  aber  alle  der- 
artigen Fälle  zusammenhält,  so  berechtigen  sie  wohl  zu  dem 
Urteil,  daß  man  nicht  imstande  ist,  Schoraders  Grundsätze  zu 
ermitteln.  Schraders  Vorgehen  ist  aber  trotz  des  Mangels  an 
irgend  welchen  leitenden  Prinzipien  ziemlich  klar.  Er  hat  sich 
seit  geraumer  Zeit  bestimmte  Ansichten  über  die  Kultur  der 
Indogermanen  gebildet,  Ansichten,  die  z.  T.  auf  V.  Hehn  zurück- 
gehen, und  nach  diesen  Ansichten  werden  die  Tatsachen,  ich 
kann  nicht  anders  sagen,  gepreßt  Weil  die  Indogermanen  nach 
Schrader  Nomaden  waren,  darum  sind  die  Ackerbauausdrücke 
nicht  indogermanisch,  weil  sie  in  der  Steppe  wohnten,  darum 
können  es  die  Baumnamen  ebensowenig  sein.  Damit  wird  aber 
unsere  ganze  Wissenschaft  hinfällig.  Ich  habe  in  meinen  Indo- 
germanen schon  hervorgehoben,  daß  wenn  man  die  Ausdrücke, 
die  sich  auf  die  Viehzucht  beziehen,  mit  demselben  Maß  müJt, 
wie  die  Ackerbauausdrücke,  man  dann  auch  dazu  kommen  kann, 
den  Indogermanen  die  Viehzucht  abzusprechen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  Grundsätzen  selbst  Schrader 
erkennt  also  im  Prinzip  idg.  Gleichungen  an,  die  nur  in  je  zwei 
Sprachen  belegt  sind.  Das  ist  in  der  Tat  richtig.  Man  wird  hinzu- 
fügen können,  daß  gewiß  viele  Worte  des  Indogermanischen  über- 
haupt verloren  gegangen  sind,  andere  sich  nur  in  einer  Sprache 
erhalten  haben.  Daß  wir  mit  dieser  Tatsache  rechnen  müssen,  er- 
gibt sich  aus  den  Parallelen,  die  die  moderne  Entwicklung  bietet 
Nicht  wenige  Worte,  die  sich  in  den  altgermanischen  Zeiten 
finden,  sind  in  den  modernen  Dialekten  gänzlich  ausgestorben» 
Liegt  mhd.  geswio^  agerm.  ehu  Tferd'  noch  irgend  wo  vor?  und 
wenn  sie  irgendwo  belegt  sein  sollten,  wie  könnten  wir  ihr  hohes 
Alter  erhärten,  wenn  wir  nicht  die  alten  Quellen  hätten  ?  Sollen 
die  Slaven  etwa  den  alten  idg.  Ausdruck  pqtir  nie  besessen 


60  H.  Hirt, 

haben  ?  Ein  Romanist  kann  gewiß  viele  lat  Worte  nachweisen, 
die  im  Romamscben  völlig  ausgestorben  sind  oder  sich  vielleicht 
nur  in  einer  einzigen  Sprache  erhalten  haben.  Mit  diesen  völlig 
verlorenen  Worten  können  wir  natürlich  nichts  anfangen,  wohl 
aber  müssen  wir  unsere  Aufmerksamkeit  auf  die  isolierten 
Worte  der  Einzelsprachen  richten. 

Wir  haben  natürlich  in  den  Fällen,  wo  ein  Wort  einer 
Einzelsprache  in  den  verwandten  Dialekten  nicht  wiederkehrt, 
nur  geringen  Anhalt,  um  das  höhere  Alter  des  Wortes  zu  er- 
härten. Aber  wir  haben  doch  manchmal  einen  Anhalt.  So  kann 
man  annehmen,  daß  germ.  hand  ein  indogerm.  Wort  ist,  erstens 
weil  man  an  einen  Zusammenhang  mit  dem  Zahlwort  zehn,  idg. 
ddcrpt  denken  kann,  und  zweitens  weil  es  ein  konsonantischer 
Stamm  ist  Neue  konsonantische  Stämme  sind  aber  im  Germa- 
nischen kaum  noch  gebildet  worden,  denn  wir  haben  es  hier  mit 
ganz  geringen  Resten  einer  einst  weiter  verbreiteten  Flexion  zu 
tun,  die  wohl  schon  im  Indogerm.  unproduktiv  geworden  ist 
Kahle  "Zur  Entwicklung  der  konsonantischen  Stämme  im  Ger- 
maniBchen"  verzeichnet  die  Stämme,  die  nach  der  konsonantischen 
Deklination  im  Germanischen  gehen,  und  von  diesen  sind  folgende 
ganz  sicher  indogermanisch :  Fuß^  Zahn,  Monat,  Maus,  Gans,  Nachi, 
Tür,  Kuh.  Bei  den  andern  spricht  jedenfalls  nichts  dagegen, 
es  sind  Winter,  Genosse,  Magd,  Hand,  Brust,  Burg,  Buch,  Bruch, 
Eiche,  wenn  sie  auch  in  andern  Sprachen  nicht  belegt  sind. 
Bei  hand  ist  gegen  die  Ableitungen  von  got  hinßan  'fangen' 
semasiologisch  nichts  einzuwenden,  wohl  aber  von  Seiten  der 
Form.  Im  Germanischen  kann  das  Wort  nicht  erst  abgeleitet 
sein,  weil  jede  Analogie  fehlt 

Wir  haben  also  in  der  Form  ein  Hilfsmittel,  das  Alter 
eines  Wortes  zu  bestimmen,  und  wer  dieser  Frage  einmal 
systematisch  nachgeht,  der  wird  zu  ganz  interessanten  Ergebnissen 
kommen.  Man  nehme  einmal  die  Worte  für  König.  Indoger- 
manisch ist  reks,  ai.  rOjä,  lat  rex,  kelt  rix.  Die  sonstigen 
Ausdrücke  der  Einzelsprachen  sind  aber  meist  ganz  deutliche 
Ableitungen,  und  es  steht  der  Annahme  nichts  im  Wege,  daß 
sie  erst  im  Leben  der  Einzelsprache  neu  gebildet  sind,  wenn 
sie  auch  z.  T.  nicht  neu  gebildet  sein  müssen.  So  z.  B.  ahd. 
Jcuning,  zu  kuni  'Geschlecht',  got  ßiudans  zu  ßiuda  *Volk',  ahd. 
iruhtin  zu  truht  *  Schar',  got  kindins:  lat  gens.  Mit  diesen 
durchsichtigen  Bildungen  vergleiche  man  einmal  die  germanischen 


Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  61 

Ausdrücke  für  die  See  und  die  Seelandschaft  Zwar  kehren  sie 
in  den  verwandten  Sprachen  nur  selten  wieder,  aber  sie  zeigen 
ein  durchaus  altertümliches  Gepräge.  Meistens  mangelt  daher 
auch  jede  Etymologie. 

Dahin  gehören  got  saiws^  d.  See  (die  Beziehung  zu  lat 
eaefms  ist  doch  nur  ein  Notbehelf.  Wie  will  man  den  t-Stamm 
erklären?),  altn.  hafj  ags.  hc^j  d.  Haff  (ist  ebenso  unklar),  got 
flödus^  ahd.  fluot  (sieht  durchaus  alt  aus.  Ebenso)  got  wegs^  ahd. 
wäc  *Woge'  (woher  der  »-Stamm  ?),  altn.  Mify  ahd.  d^  'Klippe^ 
altn.  sundy  ags.  sund^  d.  jBt/f,  Gfeest  usw.  Bei  allen  diesen  Worten 
ist  der  Verdacht,  daß  sie  viel  älter  sind  als  die  germanische 
Sonderentwicklung  durchaus  berechtigt 

Da  die  Vriddhibildungen  kaum  anderswo  als  im  Indischen 
produktiv  geworden  sind,  so  haben  Bildungen  dieser  Art,  die  nur 
in  einer  Sprache  vorliegen,  die  Gewähr  hohen  Alters.  Wer  dies  be- 
denkt, wird  an  dem  hohen  Alter  von  ahd.  ewägur  kaum  zweifeln. 
Entsprechend  wird  man  für  ahd.  huon  indogermanisches  Alter  in 
Anspruch  nehmen.  Sachlich  hat  das  gar  keine  Schwierigkeiten, 
da  H(Mhn  und  Huhn  nicht  nur  das  Haushuhn  bezeichnen,  sondern 
in  der  Jägersprache  auch  das  Rebhuhn,  sowie  den  männlichen 
und  weiblichen  Vogel  überhaupt 

Man  muß  sich  also  die  Worte,  die  nur  in  einer  Sprache 
belegt  sind,  auf  ihre  Bildung  ansehen,  ehe  man  sie  für  eine 
spezifische  Neubildung  erklärt,  ja  man  kann  sogar  sagen,  was 
nicht  als  deutliche  Ableitung  in  einer  Sprache  erkennbar  ist, 
ist  hohem  Alters  sehr  verdächtig.  —  Größere  Sicherheit  für 
Herkunft  aus  der  indog.  Ursprache  erlangen  wir,  wenn  ein 
Wort  aus  zwei  Sprachen  belegt  ist  Hier  schließt  nun  aber 
Schrader  gewisse  Sprachgruppen  aus,  nämlich  etwa  keltisch- 
germanische  und  germanisch-lituslavische,  aber  auch  keltisch- 
slavische  Gleichungen,  falls  er  nicht  etwa  keltisch  zum  Süd- 
europäischen rechnet  In  dieser  Ansicht  haben  wir  offenbar  eine 
Nachwirkung  der  Schmidtschen  Wellentheorie.  Ob  diese  be- 
gründet ist,  will  ich  hier  nicht  untersuchen,  sondern  später 
noch  einmal  darüber  sprechen.  —  Die  erwähnten  Sprachgruppen 
sind  einander  in  historischer  Zeit  benachbart,  und  es  liegt  daher 
der  Verdacht  nahe,  daß  die  eine  von  der  andern  Wörter  ent- 
lehnt hat;  wie  wir  wissen,  haben  die  Germanen  von  den  Kelten^ 
die  Slaven  von  den  Germanen  empfangen.  Handelt  es  sich  nun 
um  Worte,  bei  denen  der  Verdacht  der  Entlehnung  nicht  aus- 


«2  H.  Hirt, 

2usch)iefien  ist,  so  wird  man  sie  besser  nicht  zu  Bückschlüssen 
auf  die  ältere  Zeit  verwenden,  bei  allen  andern  steht  dem  aber 
nichts  im  Wege.  Ich  sehe  durchaus  keinen  Grund,  Gleichungen 
wie  d.  /oAs,  iit.  hSiää^  russ.  hsost^  got.  gulß^  abg.  zlato  nicht 
gelten  zu  lassen.  Auch  an  d.  Stute^  slav.  stado  kann  man  keinen 
Anstoß  nehmen,  sowie  an  anderen  Gleichungen,  die  sich  auf 
zwei  nordeuropäische  Sprachen  beschränken.  Wenn  man  sich 
einmal  klar  gemacht  hat,  wo  die  Germanen  und  die  Slaven 
ursprünglich  gesessen  haben,  die  einen  in  Schleswig-Holstein 
usw.,  die  anderen  hinter  den  Karpathen,  so  wird  man  kein  Be- 
denken tragen,  Gleichungen,  die  in  diesen  beiden  Sprachgruppen 
auftreten,  zu  verwenden.  Wer  dagegen  ist,  müßte  nachweisen,  daß 
die  Germanen  und  Slaven  eine  Zeit  der  gemeinsamen  Sonderent- 
wickiung  durchgemacht  haben.  Ich  will  die  Beweise  hierfür  ab- 
warten, vorläufig  aber  beharre  ich  auf  meiner  Ansicht,  daß 
zwischen  Slavisch  und  Germanisch  keine  besondem  Berührungen 
vorhanden  sind,  und  daß  wir  demnach  Worte,  die  nur  in  diesen 
beiden  Gruppen  auftreten,  sehr  wohl  für  die  Erschließung  der 
indogermanischen  Kultur  verwenden  können.  Man  kann  ja  auch 
den  Gegenbeweis  antreten.  Welche  germanisch -slavische  Glei- 
chung dürfen  wir  nicht  der  indogermanischen  Ursprache  zu- 
schreiben, weil  etwa  kulturhistorische  Erwägungen  allgemeiner 
Art  dagegen  sprechen?  Ich  bin  auf  den  Nachweis  einer  solchen 
Gleichung  gespannt. 

Und  ebenso,  wie  mit  den  slavisch-gemianischen  steht  es 
mit  den  keltisch-germanischen.  Zwar  sieht  J.  Schmidt  im  Kel- 
tischen sozusagen  das  Mittelglied  zwischen  Italisch  und  Ger- 
manisch, aber  er  stützt  sich  nur  auf  die  Argumente  Ebels; 
diese  sind  indessen  kaum  haltbar,  und  neue  sind  nicht  beigebracht 
worden.  Ich  habe  mich  bemüht,  neue  Gründe  beizubringen.  Aber 
weder  bei  Kluge  Pauls  Grd.  1,  325,  noch  bei  Bremer  ebd.*  3,  27 
ist  irgend  etwas  verzeichnet.  Die  Frage  bedarf  erneuter  Unter- 
suchungen, sagen  beide  Forscher.  Ich  habe  mich  an  Thumeysen 
um  Auskunft  gewendet,  aber  auch  er  konnte  nichts  mitteilen, 
was  für  nähere  Beziehungen  des  Keltischen  und  Germanischen 
wesentlich  in  die  Wagschale  fiele.  Ich  bin  daher  auf  den  Ge- 
danken gekommen,  daß  die  Nachbarschaft  der  Kelten  und  Ger- 
manen verhältnismäßig  jung  ist,  und  daß  daher  auch  keltisch- 
germanische  Gleichungen  unbedenklich  zu  verwenden  sind, 
unter  Beachtung  der  oben  hen'orgehobenen  Kautelen. 


Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  63 

Während  wir  bei  den  etymologischen  Untersuchungen  und 
Yergleichungen  häufig  mit  Wurzeln  operieren,  können  uns  diese, 
wenn  wir  Kulturgeschichte  treiben,  wenig  nützen.  In  diesem  Fall 
bedürfen  wir  der  vergleichbaren,  möglichst  genau  stinmienden 
Worte.  Wenn  man  einmal  ein  Wörterbuch  derartiger  Worte  zu- 
sammenstellte, 80  würde  man  sehen,  wie  klein  der  erschließbare 
Wortschatz  des  Indogermanischen  noch  immer  ist.  Er  würde  so 
klein  ausfallen,  daß  man  sich  sofort  sagen  würde,  das  kann  nicht 
alles  sein,  da  muß  vieles  verloren  gegangen  sein,  und  wir  könnten 
schon  deshalb  nicht  auf  die  Gleichungen,  die  nur  in  zwei  Sprachen 
belegt  sind,  verzichten. 

Und  selbst  kelto-italische  oder  indo-iranische  Gleichungen 
sind  wertvoll ;  denn  mag  man  so  niedrig  rechnen  wie  man  will, 
um  1200  müssen  sich  doch  wohl  die  Italiker  von  den  Kelten 
getrennt  haben,  und  man  wird  für  die  Trennung  der  Inder  und 
Iranier  vielleicht  noch  zu  einer  früheren  Zeit  kommen.  Da  es 
die  Aufgabe  der  indogermanischen  Altertumskunde  ist,  die  prä- 
historische Zeit  aufzuhellen,  so  sind  auch  Gleichungen,  die  nur 
diesen  Sprachen  angehören,  wichtig.  Unsere  Hilfsmittel  sind  viel 
zu  dürftig,  als  daß  wir  auf  irgend  ein  Moment  verzichten  dürften. 

Jedenfalls  glaube  ich  gezeigt  zu  haben,  daß  weder  Schraders 
Grundsätze  haltbar  sind,  noch  daß  er  die  von  ihm  aufgestellten 
Grundsätze  befolgt,  und  daß  sich  meine  Anschauungen  sehr  we- 
sentlich von  den  seinigen  unterscheiden. 

Haben  wir  nun  die  Wortformen  festgestellt,  so  kommt  die 
Frage  nach  der  Bedeutung  hinzu.  Auch  in  diesem  Punkt  braucht 
man  nicht  allzu  ängstlich  zu  sein.  Wir  wissen,  daß  Bedeutungs- 
tibergänge gleicher  Richtung  oft  genug  an  den  verschiedensten 
Stellen  vorkommen,  aber,  soweit  meine  Kenntnis  reicht,  ist  der  Fall 
außerordentlich  selten,  daß  der  gleiche  Bedeutungsübergang  bei 
demselben  Wort  eintritt.  Der  Fall  also,  den  Hehn  angeführt  hat, 
daß  Worte,  die  ursprünglich  "zerreiben*  bedeutet  haben,  in  die  Be- 
deutung 'mahlen*  übergehen,  ist  denkbar,  unwahrscheinlich  aber, 
daß  das  gerade  selbständigbei  demselben  Worte  molo  eingetreten  sein 
soUte?  Gesetzt,  die  idg.Wurzel  schabe 'werfen' bedeutet,  so  ist  es  nicht 
glaublich,  daß  sich  im  Ital.,  Kelt.,  Germ,  und  Lit-Slav.  überall  erst  in 
einzelsprachlicherZeit  die  Bedeutung  *säen'  sollte  entwickelt  haben. 

Diese  Frage  bedarf  aber  noch  weiterer  Ausführungen,  die  ich 
auf  eine  spätere  Zeit  verschiebe.  Nur  das  möchte  ich  noch  hervor- 
heben, daß  schon  A.  Kuhn  ein  nach  meiner  Auffassung  richtigeres 


H.  Hirt, 


zuschließen  ist,  so  wird  man  sie  besser  nicht  zu  Rückschlüssen 
auf  die  ältere  Zeit  verwenden,  bei  allen  andern  steht  dem  aber 
nichts  im  Wege.  Ich  sehe  durchaus  keinen  Grund,  Gleichimgen 
wie    (I.  lahs.   lit.  laSiäa.   russ.   Iososl  got.  gidß,  abg.  zlato   nicht 
gelten  zu  lassen.  Auch  an  d.  Shite.  slav.  stado  kann  man  keinen 
-Anstoß  nehmen,  sowie  an   andei'en  Gleichungen,  die  sich  auf 
zwei   nordeuropäische  Sprachen  beschränken.   Wenn  man  sich 
einmal   klar  gemacht   hat,  wo   die  Gennanen  und  die  Slaven 
ursprünglich  gesessen  haben,   die   einen  in  Schleswig-Holstein 
usw.,  die  anderen  hinter  den  Karpathen,  so  wird  man  kein  Be- 
denken tragen,  Gleichungen,  die  in  diesen  beiden  Sprachgnippen 
auftreten,  zu  verwenden.  Wer  dagegen  ist,  müßte  nachweisen,  daß 
die  ( Jormanen  und  Slaven  eine  Zeit  der  gemeinsamen  Sondereut- 
wicklung  durchgemacht  haben.  Ich  will  die  Beweise  hierfür  ab- 
warten, vorläufig  aber   beharre  ich  auf  meiner  Ansicht,  daß 
zwischen  Slavisch  und  Germanisch  keine  besondem  Berührungen 
vorhanden  sind,  und  daß  wir  demnach  Worte,  die  nur  in  diesen 
beiden  Gruppen  auftreten,  sehr  wohl  für  die  Erschließung  der 
indogermanischen  Kultur  verwenden  können.  Man  kann  ja  auch 
den  Gegenbeweis  antreten.  Welche  germanisch -slavische  Glei- 
chung dürfen  wir  nicht  der  indogermanischen   Ursprache  zu- 
schreiben, weil  etwa  kulturhistorische  Erwägungen  allgemeiner 
Art  dagegen  sprechen?  Ich  bin  auf  den  Nachweis  einer  solchen 
Gleichung  gespannt 

Und  ebenso,  wie  mit  den  slavisch-germanischen  steht  es 
mit  den  kelti8ch*genii«ni8cheiL  Zwar  sieht  J.  Schmidt  im  Kel- 
tischen FiiiMi»HKW^^^^^B|H>^liMl  /IM  ( liMii  Italisch  und  OeiA 
niiuiisch,  «ber  ür  stöM  sich  nor  auf  die  Argumente  Ebelsj 
<1joso  sind  indc  >[-n  Vnimi  hfiJthar  und  nmie  sind  lucht  beigebracht 

worden,  I<jh  imr-  Ij  bemiili^  neu oö runde  beizubringen.  AM 

wed*>r  bei  lüug^  IVula  l»n[,  1,  3J6,  novb  bei  Bremer  ebd.*  3,  2^ 
Itt  itgnA  ^ti¥«0  vi^i-  T(^    l^toj^  bodari  i^neuter  Cntern 

inu^"*  T'*^*  habe  mich  an  Thumeysen 

■:ir*     rnohts  mitteilen, 

laiiisehen 

den  Gt?- 

«nd  tter- 

keltJMch- 

erwenden    sind, 

lutolen. 


Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  63 

Während  wir  bei  den  etymologischen  üntersuchangen  und 
Vergleichungen  häufig  mit  Wurzeln  operieren,  können  uns  diese, 
wenn  wir  Kulturgeschichte  treiben,  wenig  nützen.  In  diesem  Fall 
bedürfen  wir  der  vergleichbaren,  möglichst  genau  stimmenden 
Worte.  Wenn  man  einmal  ein  Wörterbuch  derartiger  Worte  zu- 
sammenstellte, 80  würde  man  sehen,  wie  klein  der  erschließbare 
Wortschatz  des  Indogermanischen  noch  immer  ist.  Er  würde  so 
klein  ausfallen,  daß  man  sich  sofort  sagen  würde,  das  kann  nicht 
alles  sein,  da  muß  vieles  verloren  gegangen  sein,  und  wir  könnten 
schon  deshalb  nicht  auf  die  Gleichungen,  die  nur  in  zwei  Sprachen 
belegt  sind,  verzichten. 

Und  selbst  kelto-italische  oder  indo-iranische  Gleichungen 
sind  wertvoll;  denn  mag  man  so  niedrig  rechnen  wie  man  will, 
um  1200  müssen  sich  doch  wohl  die  Italiker  von  den  Kelten 
getrennt  haben,  und  man  wird  für  die  Trennung  der  Inder  und 
Iranier  vielleicht  noch  zu  einer  früheren  Zeit  kommen.  Da  es 
die  Aufgabe  der  indogermanischen  Altertumskunde  ist,  die  prä- 
historische Zeit  aufzuhellen,  so  sind  auch  Gleichungen,  die  nur 
diesen  Sprachen  angehören,  wichtig.  Unsere  Hilfsmittel  sind  viel 
zu  dürftig,  als  daß  wir  auf  irgend  ein  Moment  verzichten  dürften. 

Jeden&lls  glaube  ich  gezeigt  zu  haben,  daß  weder  Schraders 
Orandsätze  haltbar  sind,  noch  daß  er  die  von  ihm  aufgestellten 
Grundsätze  befolgt,  und  daß  sich  meine  Anschauungen  sehr  we- 
sentlich Ton  den  seinigen  unterscheiden. 

Hiaben  wir  nnn  die  Wortformen  festgestellt,  so  kommt  die 
Äiifpen«^  d«p  Bedeutung  hinzu.  Auch  in  diesem  Punkt  braucht 
man  nicht  allzu  ängstlich  zu  sein.  Wir  wissen,  daß  Bedeutungs- 
Übergäoge  gleicher  Richtung  oft  genug  an  den  verschiedensten 
Stoilen  vorkommen  T  aber  soweit  meine  Kenntnis  reicht,  ist  der  Fall 
anflerordentlich  selten^  daß  der  gleiche  Bedeutungsübergang  bei 
demselbeu  Wort  eintritt.  Der  Fall  also,  den  Hehn  angeführt  hat, 
daß  Worte,  die  ursprünglich 'zerreiben' bedeutet  haben,  in  die  Be- 

rnahlen'  übergehen,  ist  denkbar,  unwahrscheinlich  aber, 
rade  selbßtänd  i^bei  demselbenWorte  mdo  eingetreten  sein 
et2t,die  idg. Wurzel  s#habe 'werfen' bedeutet,  so  ist  es  nicht 
^  sich  im  Ital.,  Keit,  Germ,  und  Lit-Slav.  überall  erst  in 
^päierZeit  die  Bedeutung *säen'  sollte  entwickelt  haben. 
^Bg«  bedarf  aber  noch  weiterer  Ausführungen,  die  ich 
^ra  Zeit  verschiebe.  Nur  das  möchte  ich  noch  hervor- 
^^^Kuhn  ein  nach  meiner  Auffassung  richtigeres 


02  H.  Hirt, 

2uschließen  ist,  so  wird  man  sie  besser  nicht  zu  Bückschlüssen 
auf  die  ältere  Zeit  verwenden,  bei  allen  andern  steht  dem  aber 
nichts  im  Wege.  Ich  sehe  durchaus  keinen  Grund,  Gleichimgen 
wie  d.  lahs^  lit.  laSiiä,  russ.  losost^  got  gulß^  abg.  zlato  nicht 
gelten  zu  lassen.  Auch  an  d.  SttUe,  slav.  stado  kann  man  keinen 
Anstoß  nehmen,  sowie  an  anderen  Gleichungen,  die  sich  auf 
2wei  nordeuropäische  Sprachen  beschränken.  Wenn  man  sich 
einmal  klar  gemacht  hat,  wo  die  Germanen  und  die  Slaven 
ursprünglich  gesessen  haben,  die  einen  in  Schleswig-Holstein 
usw.,  die  anderen  hinter  den  Karpathen,  so  wird  man  kein  Be- 
denken tragen,  Gleichungen,  die  in  diesen  beiden  Sprachgruppen 
auftreten,  zu  verwenden.  Wer  dagegen  ist,  müßte  nachweisen,  daß 
die  Germanen  und  Slaven  eine  Zeit  der  gemeinsamen  Sonderent- 
wicklung durchgemacht  haben.  Ich  will  die  Beweise  hierfür  ab- 
warten, vorläufig  aber  beharre  ich  auf  meiner  Ansicht,  daß 
zwischen  Slavisch  und  Germanisch  keine  besondem  Berührungen 
vorhanden  sind,  und  daß  wir  demnach  Worte,  die  nur  in  diesen 
beiden  Gruppen  auftreten,  sehr  wohl  für  die  Erschließung  der 
indogermanischen  Kultur  verwenden  können.  Man  kann  ja  auch 
den  Gegenbeweis  antreten.  Welche  germanisch -slavische  Glei- 
chung dürfen  wir  nicht  der  indogermanischen  Ursprache  zu- 
schreiben, weil  etwa  kulturhistorische  Erwägungen  allgemeiner 
Art  dagegen  sprechen?  Ich  bin  auf  den  Nachweis  einer  solchen 
Gleichung  gespannt 

Und  ebenso,  wie  mit  den  slavisch-germanischen  steht  es 
mit  den  keltisch-germanischen.  Zwar  sieht  J.  Schmidt  im  Kel- 
tischen sozusagen  das  Mittelglied  zwischen  Italisch  und  Ger- 
manisch, aber  er  stützt  sich  nur  auf  die  Argumente  Ebels; 
diese  sind  indessen  kaum  haltbar,  und  neue  sind  nicht  beigebracht 
worden.  Ich  habe  mich  bemüht,  neue  Gründe  beizubringen.  Aber 
weder  bei  Kluge  Pauls  Grd.  1,  325,  noch  bei  Bremer  ebd.*  3,  27 
ist  irgend  etwas  verzeichnet.  Die  Frage  bedarf  erneuter  Unter- 
suchungen, sagen  beide  Forschor.  Ich  habe  mich  an  Thumeysen 
um  Auskunft  gewendet,  aber  auch  er  konnte  nichts  mitteilen, 
was  für  nähere  Beziehungen  des  Keltischen  und  Germanischen 
wesentlich  in  die  Wagschale  fiele.  Ich  bin  daher  auf  den  Gre- 
danken  gekommen,  daß  die  Nachbarschaft  der  Kelten  und  Ger- 
manen verhältnismäßig  jung  ist,  und  daß  daher  auch  keltisch- 
germanische Gleichungen  unbedenklich  zu  verwenden  sind, 
unter  Beachtung  der  oben  hen^orgehobenen  Kautelen. 


Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  03 

Während  wir  bei  den  etymologischen  Untersuchungen  und 
Vergleichungen  häufig  mit  Wurzeln  operieren,  können  uns  diese, 
wenn  wir  Kulturgeschichte  treiben,  wenig  nützen.  In  diesem  Fall 
bedürfen  wir  der  vergleichbaren,  möglichst  genau  stimmenden 
Worte.  Wenn  man  einmal  ein  Wörterbuch  derartiger  Worte  zu- 
sammenstellte, so  würde  man  sehen,  wie  klein  der  erschließbare 
Wortschatz  des  Indogermanischen  noch  immer  ist  Er  würde  so 
klein  ausfallen,  daß  man  sich  sofort  sagen  würde,  das  kann  nicht 
alles  sein,  da  muß  vieles  verloren  gegangen  sein,  und  wir  könnten 
schon  deshalb  nicht  auf  die  Gleichungen,  die  nur  in  zwei  Sprachen 
belegt  sind,  verzichten. 

Und  selbst  kelto-italische  oder  indo-iranische  Gleichungen 
sind  wertvoll ;  denn  mag  man  so  niedrig  rechnen  wie  man  will, 
um  1200  müssen  sich  doch  wohl  die  Italiker  von  den  Kelten 
getrennt  haben,  und  man  wird  für  die  Trennung  der  Inder  und 
Iranier  vielleicht  noch  zu  einer  früheren  Zeit  kommen.  Da  es 
die  Aufgabe  der  indogermanischen  Altertumskunde  ist,  die  prä- 
historische Zeit  aufzuhellen,  so  sind  auch  Gleichungen,  die  nur 
diesen  Sprachen  angehören,  wichtig.  Unsere  Hilfsmittel  sind  viel 
zu  dürftig,  als  daß  wir  auf  irgend  ein  Moment  verzichten  dürften. 

Jedenfalls  glaube  ich  gezeigt  zu  haben,  daß  weder  Schraders 
Grundsätze  haltbar  sind,  noch  daß  er  die  von  ihm  aufgestellten 
Grundsätze  befolgt,  und  daß  sich  meine  Anschauungen  sehr  we- 
sentlich von  den  seinigen  unterscheiden. 

Haben  wir  nun  die  Wortformen  festgestellt,  so  kommt  die 
Frage  nach  der  Bedeutung  hinzu.  Auch  in  diesem  Punkt  braucht 
man  nicht  allzu  ängstlich  zu  sein.  Wir  wissen,  daß  Bedeutungs- 
übergänge gleicher  Richtung  oft  genug  an  den  verschiedensten 
Stellen  vorkommen,  aber,  soweit  meine  Kenntnis  reicht,  ist  der  Fall 
außerordentlich  selten,  daß  der  gleiche  Bedeutungsübergang  bei 
demselben  Wort  eintritt.  Der  Fall  also,  den  Hehn  angeführt  hat, 
daß  Worte,  die  ursprünglich 'zerreiben' bedeutet  haben,  in  die  Be- 
deutung "mahlen*  übergehen,  ist  denkbar,  unwahrscheinlich  aber, 
daß  das  gerade  selbständigbei  demselbenWorte  mclo  eingetreten  sein 
sollte?  Gesetzt,  die  idg.Wurzel  schabe 'werfen 'bedeutet,  so  ist  es  nicht 
glaublich,  daß  sich  im  ItaL,  Kelt,  Germ,  und  Lit-Slav.  überall  erst  in 
einzelsprachlicherZeitdieBedeutung'säen'  sollte  entwickelt  haben. 

Diese  Frage  bedarf  aber  noch  weiterer  Ausführungen,  die  ich 
auf  eine  spätere  Zeit  verschiebe.  Nur  das  möchte  ich  noch  hervor- 
heben, daß  schon  A.  Kuhn  ein  nach  meiner  Auffassung  richtigeres 


U  H.  Hirt, 

Bild  von  der  Kultur  der  Indogermanen  entworfen  hat  als  0.  Schrader, 
weil  er  sich  eben  nicht  auf  eine  vorgefaßte  Meinung  stützte, 
sondern  weil  er  sich  an  die  Tatsachen  der  Sprache  liielt 

2.  Läßt  sich  ans  dem  Fehlen  von  etymologiBohen  Oleiohnngen 
für  gewisse  Begriffe  etwas  erschließen  ? 

Es  ist  ganz  sicher,  daß  wir  den  Wortschatz  der  indoger- 
manischen Ursprache  niemals  vollständig  erschließen  können,  eben- 
sowenig wie  wir  den  lateinischen  aus  den  romanischen  Sprachen 
ganz  rekonstruieren  können.  Nun  tritt  nicht  selten  der  Fall  ein, 
daß  Worte  für  bestimmte  Begriffe  fehlen.  So  gibt  es  kein  er- 
schließbares Wort  für  'Dampfschiff  oder  "Eisenbahn*.  Solche  Fälle 
wird  aber  wohl  jeder  ausschließen,  da  es  sich  um  Dinge  handelt, 
die  nachweislich  spät  aufgekommen  sind.  Anders  steht  es,  wenn 
Gleichungen  für  Dinge  fehlen,  die  in  der  Urzeit  vorhanden  ge- 
wesen sein  können.  Im  allgemeinen  ist  man  zu  der  Erkenntnis 
gekommen,  daß  aus  dem  Fehlen  von  etymologischen  Gleichungen 
nichts  zu  erschließen  ist  Wenn  wir  keine  Gleichungen  für  *Löwe, 
Tiger,  Kamel,  Palme'  antreffen,  so  beweist  das  nicht,  daß  die 
Urheimat  in  einem  Gebiet  lag,  das  diese  Tiere  nicht  kannte:  denn 
wenn  die  Urheimat  diese  Tiere  besaß,  die  Indogermanen  aber  die 
Gegend  verließen,  so  mußten,  wenn  die  Tiere  aus  dem  Gesichts- 
kreis verschwanden,  auch  die  Worte  verloren  gehen.  Ähnlich  ist 
das  Wort  *Elch'  den  deutschen  Dialekten  verloren  gegangen, 
weil  das  Tier  aus  dem  größten  Teil  Deutschlands  verschwunden 
ist,  usw.  Das  erkennt  Schrader  Spr.  u.  U.'  161  auch  an,  er  fügt 
aber  S.  162  hinzu:  **Nun  soll  aber  damit  keineswegs  gesagt  sein, 
daß  dem  Abhandensein  urverwandter  Gleichungen  für  die  Er- 
schließung der  Urzeit  jeglicher  Wert  abzusprechen  sei.  Im  be- 
sonderen wird  man  nicht  an  ein  zufälliges  Aussterben  einst  vor- 
handener Ausdrücke  denken  dürfen,  wenn  es  sich  um  ganze 
Begriffskategorieen  handelt".  Er  sucht  dies  an  den  Fisch- 
namen zu  zeigen  und  fährt  fort:  "Ebenso  bezeichnend  wie  die 
Armut  einer  urverwandten  Terminologie  auf  dem  eben  erörterten 
Gebiete  der  Fischerei  erscheint  mir  die  gleiche  Erscheinung  auf 
dem  der  Schiffahrt  gegenüber  dem  des  Wagenbaus,  dem  der 
Blumenzucht  gegenüber  dem  des  Ackerbaus,  dem  der  Ver- 
Schwägerungsbezeichnungen  des  Mannes  gegenüber  denen 
des  Weibes,  auf  dem  Gebiet  der  Götternamen  gegenüber  dem 
der  Personennamen  usw." 


Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  66 

Ich  stehe  auf  einem  andern  Standpunkt  und  habe  in  meinen 
Indogermanen  und  auch  sonst  den  Satz  ausgesprochen,  daß  sich 
aus  dem  Fehlen  von  Worten  nie  etwas  schließen  läßt.  Vielleicht 
ist  der  Satz  in  dieser  Schärfe  nicht  ganz  richtig,  vergL  oben 
die  Bemerkung  über  "Dampfschiff  und  'Eisenbahn',  aber  ich 
kenne  bisher  keinen  Fall,  durch  den  er  widerlegt  würde.  Jeden^ 
taüs  müssen  wir  uns  zunächst  mit  den  Schraderschen  EAtego* 
rien  beachäftigen,  um  zu  untersuchen,  ob  bei  ihnen  die  Schluß- 
folgerangen des  Autors  wirklich  zulässig  sind. 

A.  Der  Mangel  an  Fischnamen. 

Es  scheint  eine  fable  convenue  zu  sein,  daß  es  indoger- 
manische Fischnamen  nicht  gibt  Ich  vermute,  daß  sie  im  letzten 
Grunde  darauf  zurückgeht,  daß  Pictet  Les  origines  indoeuro- 
ptennes  keine  Fischnamen  verzeichnet  ^).  Es  wäre  aber  wirklich 
gut,  wenn  dieser  Punkt  endlich  einmal  aus  der  Erörterung  ver- 
schwände. 

Wir  haben  zunächst  einen  indogermanischen  Ausdruck  für 
Fisch;  lit  iuvis^  armen,  jukn^  griech.  ixOOc  sichern  auch  nach 
Schrader  den  Begriff  für  das  Indogermanische.  Aber  auch  lat 
fiaeis^  ir.  toM?,  goi  fisks  müßte  doch  nach  demselben,  da  eine 
nord-  und  eine  südeuropäische  Sprache  zeugt,  indogermanisch 
sein.  Wir  haben  femer  das  Wort  für  Aal,  lat  anguüla^  griech. 
£tx^^<^  I<^b  h^^  ^'  ^^'  13,  S.  14  au&  neue  auf  diese  Gleichung 
hingewiesen,  worauf  Schrader  Sprachvergl.  und  ürgesch.'  S.  162  in 
der  Anmerkung  hervorhebt,  "ich  gäbe  den  gegenwärtigen  Stand 
unseres  Wissens  unrichtig  an,  wenn  ich  die  Verwandtschaft  von 
(tx^^^  und  lat  anguäla  für  eine  ausgemachte  Sache  erklärte", 
und  er  verweist  dafür  auf  Waldes  etymologisches  Wörterbuch. 
Nun  Walde  in  allen  Ehren,  aber  ein  Kronzeuge  ist  er  in  diesem 
Falle  denn  doch  nicht  Hier  muß  die  eigene  Untersuchung  ein- 
setzen, nicht  die  des  Verfassers  eines  lateinischen  Wörterbuches 
—  denn  für  ihn  ist  es  verhältnismäßig  gleichgiltig,  ob  anguiUa 

1)  Ich  benutze  die  Gelegenheit,  um  über  Pictets  Werke  einiges  zu 
sagen.  Die  Sammlung  des  Wortschatzes  ist  für  die  damalige  Zeit  wirkUch 
aUen  Lobes  wert,  und  in  dieser  Sammlung  liegt  noch  heute  die  Bedeutung 
dieses  Buches.  Es  ist  doch  wahrlich  kein  großes  Verdienst,  die  unhalt- 
baren Gleichungen  dieses  Werkes  zu  erkennen  und  ein  paar  neue  hin- 
zuzutun. Daß  der  prinzipielle  Standpunkt  Pictets  unhaltbar  ist,  wissen  wir 
durch  Hehn  und  nicht  durch  Schrader,  diesem  gegenüber  bietet  Pictet  in 
▼ielen  Punkten  besseres,  weil  er  die  Tatsachen  ruhig  sprechen  läßt 

IndogermBDwelie  Fonebangen  XXJL  b 


66  H.  Hirt, 

mit  Jtx^Xwc  verwandt  ist  — ,  wohl  aber  für  den,  der  die  Urheimat 
der  Indogermanen  bestimmen  will  und  der  solche  Behauptungen 
über  die  Fisehnamen  aufstellt  wie  Schrader. 

Nun  wird  wohl  jeder,  dem  die  Gleichung  Itx^Xuc  lat  anguäla 
vorgelegt  wird,  zuerst  an  Urverwandtschaft  denken;  denn  die 
Worte  decken  sich  nicht  nur  im  Stamm,  sondern  auch  «n  dem 
merkwürdigen  Suffix.  Allerdings  bleiben  einige  Schwierigkeiten. 
Die  eine  bildet  die  Verschiedenheit  der  Vokale.  Hier  hat  uns 
J.  Schmidts  hochbedeutender  Aufsatz  KZ.  32,  321  ff.  geholfen,  und 
Schmidt  hat  denn  auch  schon  bemerkt,  daß  der  Gen.  dix^woc 
aus  '*'äTX^X^oc  hergeleitet  werden  könne,  das  stände  doch  mit 
tcipox)  aus  dx^pou  ganz  auf  einer  Linie.  Die  zweite  wichtige  Frage 
ißt,  konnte  fTX^Xuc  im  Griechischen,  angutUa  im  Lat  mit  den 
Suffixmitteln  der  Sprache  neugebildet  werden?  Aber  die  Suffix- 
form von  fTX^^c  ist  im  Griechischen  ganz  vereinzelt,  vgl  L.  Meyer 
Handbuch  der  griech.  Etym.  1, 425.  Mit  Suffix  lu  kenne  ich  nur 
GfiXuc.  Außerdem  ist  der  Stamm  4tx-  ™  Griechischen  nicht  be- 
legt, sondern  nur  4x*--  Es  müßte  denn  also  wohl  (x^Xoc  oder 
fxiXuc  heißen.  Es  ist  doch  wirklich  ein  starkes  Stück,  ein  Wort 
in  einer  Sprache  für  eine  Neubildung  zu  halten,  wenn  weder  der 
Stamm  belegt,  noch  das  Suffix  produktiv  ist  So  lange  diese 
Schwierigkeiten  nicht  gehoben  sind,  würde  ich  das  griechische 
Wort  nach  den  oben  gegebenen  Ausführungen  für  indogermanisch 
halten,  selbst  wenn  es  in  keiner  andern  Sprache  belegt  wäre. 

Fast  ebenso  schwierig  ist  auch  die  Annahme,  daß  lat  anguäla 
neugebildet  sei.  Allerdings  haben  wir  hier  das  Grundwort  anguiSj 
aber  das  Suffix  ist  ebenfalls  selten  und  nicht  produktiv,  abge- 
sehen von  den  Fällen,  wo  es  Diminutiva  bildet  und  durch  Assi- 
milation aus  r  l  usw.  entstanden  ist  Aber  schon  Prise,  gramm.  11 
115,  13  bemerkt,  anguis  anguiUa^  unguis  ungula^  nubes  nubilum^ 
quae  magis  denotninativa  sunt  existimanda  quam  diminuiiwn^  quippe 
non  habent  dimintdivorum  significaiionem^  sed  fortnam  tantum.  Ich 
bestreite  es  nun  entschieden,  daß  der  Aal  eine  kleine  Schlange 
ist,  wenigstens  in  Europa  sind  kaum  Schlaugen  vorhanden  ge- 
wesen, denen  gegenüber  der  Aal  als  klein  erschienen  wära  Ich 
glaube  daher  nicht,  daß  -lüa  in  anguäla  das  Diminutivsuffix  ist 

Außerdem  ist  zu  beachten,  daß  anguis  ein  Maskulinum  war, 
weshalb  ist  also  anguiüa  wie  auch  Jtx^^c  meist  im  Griechischen 
Femininum,  da  doch  auch  piscis  Maskulinum  ist?  Das  sind  doch 
alles  ganz  einfache  Erwägungen,  die  jeder  anstellen  muß,  der 


Untenuchungen  zur  indogennanischen  Altertumskunde.  67 

ach  mit  diesen  Worten  beschäftigt.  Aach  Thumeysen  ist  im 
Thesanros  zu  dem  Ergebnis  gekommen,  daß  anguiUa  und  Itx^^^c 
rieileicht  zusammengehören. 

Gefördert  ist  unser  Problem  schon  längst  durch  einen  Auf- 
satz von  W.  Meyer  KZ.  28,  162  ff.,  in  dem  er  S.  163  anguäla  auf 
eine  Flexion  *anguilüj  *anguüuä8  zurückführt,  einer  Bildung  wie 
ai.  fxidhüf^  griech.  irp^cßo.  Diese  Auffassung  hat  sich  Johannsson 
KZ.  30,  425  angeeignet,  wie  ich  glaube  mit  vollem  Recht.  Zu- 
nächst freilich  ist  noch  die  Frage  zu  erörtern,  ob  Iw  zu  U  im  Lat 
assimiliert  ist,  was  Brugmann  Ordr.  I'  325  etwas  zweifelhaft  er- 
scheint, während  sich  Stolz  Lat  Gr.*  88,  Sommer  Handbuch  226 
dafür  aussprechen.  Ich  muß  mich  ihnen  durchaus  anschließen 
trotz  Solmsen  KZ.  38,  437  ff.  Ich  halte  an  Gleichungen  wie  paUi- 
dus  und  lit  palvas^  altbulg.  plavuj  ahd.  falo,  poUen  zu  pr.  pdtco^ 
abg.fliva  *Spren'  entschieden  fest  Und  angutÜa  fällt  nicht  minder 
in  die  Wagschale.  Wie  will  man  denn  die  Suffixgestalt  erklären  ? 
Nehmen  wir  aber  anguäua  als  Grundform  an,  so  haben  wir  eine 
fast  vollständige  Übereinstimmung  zwischen  dem  griechischen 
,  und  lat  Wort*).  Es  bleibt  nur  noch  die  Verschiedenheit  der 
Gutturale.  Aber  hier  kann  entweder  anguiüa  sein  u  von  anguis 
bekommen  haben,  oder  £tx^Xuc  hat  sein  u  im  Griechischen  ver- 
loren (wegen  des  folgenden  u?),  vielleicht  schon  im  Indogerma- 
nischen. —  Aber  wir  haben  noch  eine  zweite  Gleichung  für 
den  AaL  Hesych  überliefert  uns  f^ßtipic  frx^Xuc  MeGu^vaToi. 
Das  Wort  steht  an  richtiger  etymologischer  Stolle,  wir  haben 
also  keinen  Grund  es  zu  beanstanden.  Diesem  Wort  entspricht 
im  Lit  ungurysj  russ.  ugri.  Die  Gleichung  ist  auch  tadellos,  und 
es  ist  auch  hier  kaum  denkbar,  daß  die  Worte  erst  in  den  Einzel- 
sprachen mit  ihren  Suffixmitteln  gebildet  seien. 

Schließlich  haben  wir  noch  ein  drittes  Wort  für  *Aal*  in 
germ.  Aalj  das  bisher  unerklärt  ist;  denn  E.  Schröders  Herleitimg 
aus  edlas  "der  Fresser'  (ZfdA.  42,  63)  ist  doch  nur  ein  Notbehelf 
und  unterliegt  lautlichen  wie  semasiologischen  Bedenken.  Viel- 
leicht läßt  sich  aber  das  Wort  doch  aufklären.  Das  griechische 
Wort  fTX^Xuc  kann  vom  Standpunkt  des  Griechischen,  wie  wir 
sahen,  kaum  neu  gebildet  sein.  Aber  auch  vom  Indogermanischen 
aus  gesehen,  d.  h.  wenn  wir  das  Wort  für  indogermanisch  halten, 

1  Lat  helvos  und  germ.  gM^  die  Solmsen  a.  a.  0.  ins  Feld  führt, 
können  sich  nicht  genau  entsprechen,  da  urital.  helvaa  zu  holvos  hätte 
werden  müssen,  vgl.  Sommer  Hdh.  S.  76. 


68  H.  Hirt, 

bereitet  es  große  SehwierigkeiteD,  da  wir  offenbar  zwei  YoUstufen 
neben  einander  haben.  Außerdem  ist  Suffix  4u  außerordentlich 
selten  und  -du  ist  ganz  und  gar  nicht  nachweisbar.  Das  Wort 
für  Schlange  idg.  *angh^is^  von  dem  man  es  abzuleiten  versuchen 
könnte,  ist  deutlich  t-Stamm,  lat  anguis^  lit  angia  usw.  So  kommt 
man  unwillkürlich  auf  den  Gedanken,  daß  das  Wort  ein  Eom^ 
positum  ist  a»gh'*'-elti8^  und  dieses  zweite  Element  -dus  könnte 
mit  deutsch  ^02,  urgerm.  ehs  zusammenhängen,  (tx^^^  ^Äre  dann 
eine  Bildung  wie  Adler  aus  adslrar^  und  in  el  (Dehnstufe  zu  d) 
würde  ich  also  die  ursprüngliche  Bezeichnung  des  Aales  sehen. 
Was  dies  eigentlich  bedeutete,  können  wir  nicht  wissen.  Ob  ea 
sich  bei  der  Bildung  des  Wortes  um  verschiedene  Suffixgestalt 
handelt,  oder  ob  w  nach  l  im  Indogermanischen  unter  beson- 
deren Umständen  schon  geschwunden  ist,  läßt  sich  kaum  sagen. 
Jedenfalls  gibt  es  Mittel  genug,  um  aus  diesen  Schwierigkeiten 
herauszukommen.  Den  Stamm  d  haben  wir  im  Deutschen  noch 
in  einem  Fischnamen,  in  ahd.  alunt^  anord.  ^unn^  dessen  Stamm 
man  schon  längst  mit  dem  von  Aal  verglichen  hat  Äußerlich 
haben  die  beiden  Fische  freilich  wenig  gemein.  Aber  auch  wenn 
meine  Erklärung  des  Wortes  Aal  nicht  richtig  wäre,  so  würde 
ich  in  ihm  doch  immer  einen  indogermanischen  Fischnamen  an- 
sehen, weil  er  aus  germanischem  Sprachgut  nicht  zu  erklären  ist^). 

Eine  ähnliche  Eompositionsbildung  für  Aal  haben  wir  auch 
in  ir.  esc-ung,  dessen  letzten  Bestandteil  man  vielleicht  mit  lat 
anguis  zusammenbringen  kann.  Ob  auch  der  zweite  Teil  von  griech. 
!^ß-npic  ein  selbständiges  Wort  ist  weiß  ich  nicht  zu  sagen. 

Jedenfalls  sieht  man,  welche  Bewandtnis  es  mit  Schraders 
Behauptung  hat,  daß  es  keine  gemeinsamen  indogermanischen 
Fischnamen  gäbe').  Außerdem  gibt  es  aber  noch  andere  Fisch« 

1)  Schrader  will  seine  verlorene  Position,  daß  die  Indogermaneu 
am  Schwarzen  Meer  saßen,  dadurch  retten,  daß  er  ein  Gutachten  ver- 
öffentlichen will,  nach  dem  der  Aal  von  jeher  im  Schwarzen  Meer  vorge* 
kommen  wäre.  Gut,  wenn  es  gelingt  Ich  konnte  diese  Untersuchungen 
nicht  kennen,  konnte  mich  vielmehr  nur  auf  die  verbreitete  Ansicht  der 
Zoologen  sttitzen,  daß  der  Aal  im  Schwarzen  Meer  nicht  vorkommt  Im 
übrigen  wird  jeder  aus  der  Darstellung  in  meinen  'Indogermanen'  ersehen, 
wie  wenig  für  mich  diese  tiergeographischen  Argumente  ins  Gewicht  fallen. 
Weshalb  Schrader  nicht  versteht,  wie  ein  gemeinslavischer  Name  des  Aalea 
vorhanden  sein  kann,  weiß  ich  nicht,  vielleicht  belehren  ihn  aber  die 
Karten  bei  Niederle  Siovansk6  Staroiitnosti. 

2)  Daß  der  Aal  bei  Homer  nicht  zu  den  Fischen  gerechnet  wird» 
kann  nicht  besonders  auffallen. 


Untersnchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  99 

namen.  Ahd.  lahs^  mss.  losodj  lit  laüfä  ist  eine  Gleichung,  der 
so  gut  indogerm.  Alter  zukommt  wie  jeder  andern;  denn  das  Wort 
kann  nicht  aus  einer  Sprache  in  die  andere  entlehnt  sein,  und  an 
besondere  Berührungen  zwischen  Germanisch  und  Litu-Slavisch 
glaube  ich  nicht,  s.  o.  S.  62.  Der  Lachs  kommt  bekanntlich  nur 
in  den  Flüssen  vor,  die  zu  den  nördlichen  Meeren  fließen.  Das 
Wort  mußte  also  den  südlichen  Sprachen  verloren  gehen.  Ich 
würde  lachs  für  ein  idg.  Wort  halten,  auch  wenn  es  nicht  im 
Slavisch-Lit  vorkäme,  weil  die  Bildung  aus  germ.  Sprachgut  ab- 
solut unerklärbar  ist  Das  Wort  muß  aber  schon  die  Entwicklung 
der  Gutturale  zu  Zischlauten  mitgemacht  haben. 

Wir  besitzen  femer  die  Gleichung  altpr.  kaliSy  mhd.  toeU 
und  Watfisck^  die  wir  ebenfalls  als  indogerm.  ansprechen  dürfen, 
selbst  wenn  nicht  lat  s^ua/tia,  vgl  Walde  Etym.  Wtb.  s.  v.,  dazu 
gehört  Osthoff  Etym.  Parerga  S.  321  hat  in  ausführlicher  Be- 
gründung griech.  qpdXXaiva  zu  wal  gestellt 

Lid6n  hat  uns  noch  eine  Reihe  anderer  Fischnamen  kennen 
gelehrt  Btr.  15,  509  findet  sich  die  Gleichung  nnord.  harr  *die 
Asche*,  lit  kariis  'der  Brachsen',  kirSlys  *Äsche'.  Uhlenbeck 
hat  Arkiv  f.  nord.  fil.  15,  154  f.  nschw.  gärs  'Kaulbarsch*,  nach- 
dem Lid6n  es  Btr.  15,  508  besprochen  hatte,  zu  ai.^'Aa^  gestellt, 
was  er  auch  in  seinem  Et  Wtb.  des  Aind.  beibehält  Torbiömson 
die  gemeinslavische  Liquidametathese  35  hat  dazu  russ.  iirech 
^Seepferdchen'  gefügt 

Das  deutsche  SWr^  ahd.  sturio  stimmt  in  seinen  Lauten  auf- 
fällig zu  abg.  ^'esd^ni  russ.  ositrü^  lit  oiitras.  Die  indogerm.  Grund- 
form würde  ich  als  ositeros  ansetzen,  aus  der  sich  die  slav.  und 
germ.  Formen  durch  Ablaut  ergeben.  Die  Gleichung  ist  schon 
früher  veröffentlicht  worden,  ich  weiß  aber  nicht  von  wem. 

In  den  üppsalastudier  S.  99  hat  Lid6n  femer  aisl.  här  llaj' 
mit  aind.  gafdhif  *ein  best.  Wassertier*  (unbelegt)  verglichen.  Dazu 
auch  (akuläs  *ein  Fisch*.  Auch  Uhlenbeck  hat  diese  Etymologie 
in  seinem  aind.  Wtb.  aufgenonmien.  Sie  ist  gewiß  nicht  sicher, 
aber  zweifellos  möglich.  Griech.  xf^Toc  kann  wohl  mit  Lid6n 
auch  dazu  gestellt  werden. 

Geben  wir  die  Gleichung  d.  tcal  1.  squältis  auf,  so  findet 
doch  dieses  einen  Verwandten  in  griech.  ckuXiov  *eine  Haifisch- 
arf ,  vgl.  Osthoff  Etym.  Parerga  325. 

Ich  stelle  femer  kelt  esox  *Lachs'  zu  deutsch  Asche^  Äsche. 
Daß  der  Fisch  im  Germ,  nach  seiner  aschgrauen  Farbe  benannt 


70  H.  Hirt, 

wäre,  ist  mir  wenig  wahrscheinlich,  da  der  Fisch  gar  nicht  be- 
sonders grau  ist  esoks  und  ahd.a«to  bilden  eine  tadellose  Gleichung 
mit  Schwebeablaut  und  müssen  schon  deshalb  in  die  Ursprache 
zurückgehen.  Ich  bemerke  noch,  daß  die  Asche  zu  den  Lachs- 
fischen gerechnet  wird. 

Mit  ahd.  farhana  Torelle*  hat  Lid6n  Uppsalastudier  S.  92 
ir.  ark  (aus  *park)  *salmo*  und  weiter  lat  perea^  griech.  irepiq 
•Barsch'  verglichen.  Daß  der  Name  im  letzten  Grunde  mit  griech. 
trepKvoc  *bunt',  alpfgni-  *gesprenkelf  zusammQuhängt,  ist  möglich, 
aber  es  kann  dieser  Zusammenhang  auch  so  au%efaßt  werden, 
daß  *perkn6s  von  *ferk  Torelle*  abgeleitet  ist. 

Schrader  RL.  332  hat  selbst  einen  Namen  für  den  Hering 
entdeckt;  die  Gleichung  ir.  9catan^  sgadan  *allec*,  nir.  sgadan^ 
manx.  skeddan^  kymr.  ysgadan^  ags.  sceadd^  engl.  ^Md,  norw.  skaddj 
nhd.  (mundartl.)  schade^  schaden  kann  sehr  wohl  urverwandt  sein. 

Mhd.  smerl^  smef'le  wird  bei  Kluge  mit  griech.  c^apic  *ein 
kleiner  gering  geachteter  Meerfisch'  verglichen,  wogegen  gar- 
nichts  einzuwenden  ist.  Die  Gleichung  russ.  sigti,  an.  sfkr  *salmo 
lavaretus*  steht  bei  Schrader  RL.  495.  Man  sieht  also,  daß  eine  ganz 
beträchtliche  Zahl  von  Fischnamen  vorliegt,  die  ebensogut  indo- 
germanisch zu  gelten  ein  Anrecht  haben,  wie  andere  Gleichungen. 

Der  einzige  auffällige  Punkt  ist  dabei,  daß  die  Gleichungen 
sich  nur  in  wenigen  Sprachen  erhalten  haben.  Aber  man  braucht 
zur  Erklärung  nur  an  die  heutigen  Verhältnisse  zu  denken.  Wer 
nur  einigermaßen  gereist  ist,  weiß,  wie  die  Fischnamen  von  Gegend 
zu  Gegend  wechseln.  Derselbe  Fisch  heißt  hier  so,  dort  so.  Außer- 
dem sind  gewisse  Fische  auf  bestimmte  Gegenden  beschränkt 
Für  den  Hering  kann  ein  Ausdruck  im  Süden  nicht  vorhanden 
sein,  für  den  Felchen  keiner  im  Norden  usw.  Daraus  läßt  sich 
also  nichts  folgern. 

Man  kann  nun  auch  einmal  die  ganze  Frage  von  einer 
andern  Seite  betrachten.  Man  kann  fragen,  was  besitzen  wir  in 
den  Einzelsprachen  an  Fischnamen  und  woher  stammen  sie  ?  Aus 
den  modernen  Dialekten  ließe  sich  sicher  ein  großes  Material 
zusammenbringen,  ich  kann  aber  darauf  nicht  eingehen.  Ich  wähle 
zunächst  eine  Reihe  altdeutscher  Fischnamen,  die  im  Summarium 
Heinrici  stehen  (Steinmeyer-Sievers  Ahd.  Glossen  3,  83). 

ipoccus  :  Aflso,  nach  Kluge  auch  ndd.  bezeugt  Daß  das  Wort 
mit  öech.  poln.  tcyz  zusammenhängt,  ist  klar,  doch  kann  wohl 
nur  das  slavische  Wort  aus  dem  Germanischen  entlehnt  sein. 


Untersachongeii  zur  indogermanischen  Altertomskunde.  71 

Bb  ist  bis  jetzt  keine  Ableitung  des  germ.  Wortes  gelungen,  und 
es  sieht  auch  sehr  altertümlich  aus. 

rombits  :  sturo,  duriOj  ndl.  gteur^  ags.  styrie^  ('ftyra)^  Etymon 
nach  Kluge  dunkel,  siehe  aber  oben  S.  69. 

esox :  lahs,  idg.  s.  o.  S.  69. 

gamarus  :  salmo^  nach  Kluge  aus  dem  Keltischen,  aber  dort 
nicht  nachgewiesen;  lat-galL  scdmo  ist  wahrscheinlich  ein  Lehn- 
wort Ich  sehe  eigentlich  keinen  Grund,  das  deutsche  Wort  für 
ein  keltisches  Lehnwort  zu  halten,  da  es  gut  deutsch  aussieht 

capUo:  ahd.  alant  oder  munua.  Das  zweite  Wort  ist  ganz 
unklar,  das  erste  zu  as.  cdund^  an.  glunn  *ein  Fisch'.  Ursprung 
dunkel.   Über  die  Verwandtschaft  mit  dem  Worte  Aal  s.  o.  S.  68. 

dama  :  ag  ist  mir  unklar. 

lucius  :  heehit^  as.  hacud,  ags.  hacad.  Nach  Kluge  zu  ahd. 
hecken  'stechen',  also  "der  Stecher'.  Das  ist  möglich,  aber  das 
Suffix  ist  selten,  und  die  Bildung  sieht  recht  altertümlich  aus. 
Es  heißt  auch,  wie  ich  aus  Brehm  entnehme,  schnöck^  schnocky 
Was9eruH)lf. 

porca  :  bersichj  ndl.  baars^  ags.  biers^  schwed.  abborre^  dän. 
abarre,  nach  Kluge  zu  börste^  bürste  gehörig.  Die  Ableitung  ist 
wieder  dunkel. 

timaUus  :  aschOj  vgl.  oben  S.  69. 

tactuca  :  forhanc^  s.  o. 

anguiUa  :  Aal^  s.  o. 

yemerentMy  grece  myrena .  lanpreda^  entlehnt 

grcudm :  chresse  'Gründling'  unklar 

turcnUla  :  grundda  zu  grund 

balene  :  tvaürun,  cete  :  taü^  s.  o. 

Charakteristisch  ist,  daß  sich  Entlehnungen  unter  diesen 
Fischnamen  so  gut  wie  gar  nicht  finden  und  nur  wenige  deut- 
liche Ableitungen. 

Außer  den  im  ahd.  belegten  Worten  gibt  es  aber  noch 
eine  ganze  Reihe  anderer. 

Ahd.  karpfoy  ndl.  karper,  anord.  karfe^  spätlat.  carpa^  frz. 
carpe^  ital.  carpiane^  russ.  karop^  serb.  feirp,  lit  kdtpa.  Das  Wort 
ist  im  Germanischen  wahrscheinlich  ein  Lehnwort,  worauf  schon 
das  inlautende  p  hinweist  Es  hindert  aber  nichts  frz.  carpe^ 
und  russ.  hinypu  zu  vereinigen.  Uhlenbeck  hat  PBrB.  19,  331 
mit  unseim  Wort  aL  ^'j^ra-^  caphari^  ein  häufig  belegtes  Wort 
für  eine  E[arpfenart  verglichen,  für  das  er  Dissimilation  aus 


72  H.  Hirt, 

*fairphara  annimmt  Dagegen  ist  gamichts  einzuwenden.  Schrader 
sagt  zwar  RK  409,  die  Anknüpfung  habe  wenig  Wahrscheinlich- 
keit,  aber,  wenn  es  sich  nicht  um  einen  Fischnamen  handelte, 
würde  er  die  Gleichung  sehr  wohl  billigen. 

Ahd.  dio^  ags.  diw  'Schleie'  nach  Kluge  zu  Schleim  wegen 
der  schleimigen  Schuppen,  was  mir  kaum  glaublich  ist  Eher 
ist  der  Ksch  nach  der  Farbe  benannt  "Gewöhnlich'  sagt  Brehm, 
zeigt  das  Kleid  der  Schleihe  ein  dunkles  ölgrün,  durch  welches 
ein  schimmernder  Goldglanz  geht  Daher  könnte  man  germ. 
*dftms  zu  lat.  liveo,  liwr^  abg.  diva  'Pflaume'  stellen.  Aber  das 
Wort  hat  auch  Verwandte  im  Lit-slav.  nämlich  lit  Zj^os,  altpr.  limt^ 
le.  fo'ns,  abg.  Uni.  Bemeker  Die  preußische  Sprache  S.  304  stellt 
dazu  griech.  Xiveuc,  wogegen  gamichts  einzuwenden  ist 

Weiter  liegt  ein  wgerm. Fischname  vor  in  ndd.nicA«,  ndL rocA, 
ags.  reohha.  Auch  dieses  Wort  hat  ein  höchst  altertümliches  Aus- 
sehen. Ein  Zusammenhang  mit  lat  räja  ist  allerdings  kaum  möglich. 

Außerdem  wäre  noch  der  BuU  zu  nennen.  Auch  hier  ist 
eine  etymologische  Anknüpfung  noch  nicht  gefunden. 

Das  Elbinger  Vokabular  bietet  uns  ebenfalls  eine  Fülle 
von  Fischnamen.  Es  ist  vielleicht  angebracht,  auch  diese  hier 
anzuführen,  damit  man  erkennt,  wie  sich  einheimisches  Gut  zum 
fremden  verhält  Erwähnt  sind  schon  suckis  *Vysch*  zu  lit  j^uvIsj 
lasasso  *Lachs',  angurgis  *aor,  esketres  *Stör',  kalis  'Wels*,  Unis 
*slye'.  Die  andern  sind :  liede  *Hecht*,  lit  lydekä^  le.  lidaka^  lideks. 

hcutis  'Brassen'. 

starkis  *Zant',  lit  sUrkas^  le.  darks. 

wilnis  *Quappe' :  das  von  Bemeker  verglichene  litt  wünis 
Tilz'  gehört  kaum  dazu. 

smerlingis  *schmerle'  aus  dem  Deutschen. 

seabre  *Czerte',  d.  i.  *Zärte',  lit  Jtchrys^  lett  zibris. 

assegis  Tersk*,  d.  i.  Barsch,  lit  e^egys  'Kaulbarsch',  poln.jaidi. 

brunse  Tletze',  lit  brunszis;  sylecke  'Hering',  lit  sÜekSy  lett. 
siUds',  sarote  'Karpfen',  lit  iaroias  'schimmernd';  Uingis  *Blei', 
hlingo  'Mutterlosen';  grundalis  'Gmndel'  entlehnt;  malkis  'Stint'; 
dubdis  'Halbfisch'  aus  deutsch  dßbd.,  dr&ydes  Tobel';  rapii 
'Rape';  sweikis  'Dorsch'. 

Auch  hier  ist  das  meiste  unklar,  einige  Fischnamen  sind 
entlehnt,  aber  das  meiste  macht  doch  einen  recht  altertümlichen 
Eindruck.  Vielleicht  gelingt  es  mit  der  Zeit  noch  einen  oder 
den  anderen  aufzuklären. 


Untenachongen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  78 

Bekanntlich  handelt  &8t  das  ganze  siebente  und  achte  Buch 
des  Atbenaios  Yon  den  Fischen.  Die  Fülle  der  dort  angezählten 
Namen  ist  zu  groß,  als  dafi  ich  sie  hier  anführen  könnte.  Es 
finden  sich  darunter  viele  ganz  verständliche  Bildungen,  andere 
Worte  machen  aber  einen  höchst  altertümlichen  Ausdruck. 

Aus  andern  Sprachen  fehlen  mir  Sammlungen. 

Um  nun  schließlich  das  Maß  vollzumachen,  besetzen  wir  im 
Germ,  ein  Wort  für  den  Fischrogen  ahd.  rogan^  an.  hrogn^  engl 
roan.  Das  Wort  ist,  ich  weiß  nicht  von  wem,  mit  lit  kurkulat 
•Froschlaich'  verglichen.  Die  Vergleichung  ist  jedenfalls  tadellos. 

"Auf  keinen  Fall  können  die  Indogermanen  ausschließliche 
Ilschesser  gewesen  sein  . . .  oder  auch  nur  dem  Fischfang  oder 
dem  Fischgenuß  eine  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet 
haben".  Warum  denn  nicht?  Aus  der  Sprache  können  wir 
weder  dies  noch  das  Oegenteil  beweisen.  Waren  denn  aber  die 
Fische  ein  Nahrungsmittel,  das  überall  zur  Verfügung  stand? 
Nein,  sondern  es  gab  sie  nur  an  gewissen  Stellen  in  bedeutender 
Menge,  und  da  werden  die  Menschen  sie  auch  schon  benutzt 
haben.  Wir  wissen  dies  von  den  Bewohnern  der  dänischen  Küchen- 
abfalle,  und  auch  Bewohner  der  friesischen  Inseln,  sowie  der 
Nordseeküste  werden  sie  nicht  verschmäht  haben.  Ebenso  hat 
es  bei  den  Griechen  fischessende  Bevölkerungsschichten  gegeben, 
soweit  sie  eben  an  dafür  geeigneten  Stellen  saßen. 

Aus  dem  vorhergehenden  folgt  also  mit  Sicherheit,  daß  es 
indogermanische  Fischnamen  gibt,  und  daher  fällt  das  ganze 
Gebäude  Schraderscher  Schlußfolgerungen  zusammen.  Die  prin* 
zipielle  Frage  ist  daher  hier  noch  nicht  zu  entscheiden. 

B.  Schiffahrt  und  Wagenbau. 

Es  ist  bekannt,  daß  wir  eine  ausgebildete  Terminologie 
für  den  Wagen  haben.  Der  reichen  Fülle  gegenüber  soll  die 
Armut  in  bezug  auf  die  Terminologie  der  Schiffahrt  ins  Gewicht 
fallen.  Nun  steht  doch  über  allem  Zweifel  fest,  daß  die  Indo- 
germanen Worte  für  Schiff  und  Ruder  besessen  haben,  aber  das 
genügt  Schrader  nicht.  RL.  S.  711  sagt  er:  "Wo  immer  ein 
Volk,  wenn  auch  neben  andern  Beschäftigungen,  Jahrhunderte 
lang  dem  Gewerbe  der  Schiffahrt  obliegt,  wird  sich  unfehlbar 
auch  eine  nautische  Terminologie  herausbilden.  Für  die  charak- 
teristischen Merkmale  der  Seelandschaft,  für  das  Wetter  auf 
See,  für  die  bedeutendsten  Seetiere,  für  die  Winde,  für  die 


74  H.  Hirt, 

Himmelsgegenden,  für  den  Fisch&ng,  für  Arten  und  Teile  der 
Fahrzeuge  usw.  werden  feste  Namen  geschaffen  werden,  wie 
dies  uns  handgreiflich  in  dem  urgermanischen  Sprachschats  ent- 
gegentreten wird.  Wären  derartige  Wörter  nur  in  einigem  Um- 
fang schon  in  der  idg.  Grundsprache  vorhanden  gewesen,  so 
würden,  wie  auf  dem  Gebiete  der  Viehzucht  und  des  Ackerbaus, 
die  Spuren  derselben  in  idg.  Gleichungen  vorliegen.  Solche  fehlen 
aber,  von  den  obigen  abgesehen,  nahezu  gänzlich". 

Vielleicht  werden  sich  einige  durch  diese  schön  gesetzten 
Worte  bestechen  lassen ;  wer  aber  wirklich  einmal  das  Meer  und 
die  Schiffahrt  gesehen  hat,  dem  wird  das  Haltlose  dieser  Aus- 
führungen sofort  klar  werden.  Ist  denn  Ackerbau  und  Viehzucht 
mit  der  Schiffahrt  auf  eine  Linie  zu  stellen  ?  Nein,  denn  Acker- 
bau und  Viehzucht  sind  die  Grundbedingungen  aller  Wirtschaft 
durch  fast  ganz  Europa  hindurch,  die  Schiffahrt  ist  aber  nur 
an  wenigen  Stellen  möglich,  nämlich  am  Meer  und  auch  hier 
nur,  wo  Häfen  vorhanden  sind,  auf  Seen  und  Flüssen.  Es  hat 
also  immer  nur  ein  kleiner  Teil  der  Indogermanen  die  Schiffahrt 
betreiben  können,  die  Hauptmasse,  die  im  Binnenland  saß,  aber 
nicht  Tatsächlich  mußten  die  Völker,  die  von  der  See  ins 
Binnenland  zogen,  ihre  nautischen  Fertigkeiten  und  ihre  nau- 
tischen Ausdrücke  aufgeben,  darüber  sind  wir  doch  alle  einig. 
Man  vergleiche  z.  B.,  daß  got.  saiws  *Landsee'  heißt  gegenüber 
der  Bedeutung  *Meer*  in  den  übrigen  Sprachen.  Wir  wissen 
femer,  daß  die  gemeingermanischen  Ausdrücke,  die  sich  auf  die 
See  beziehen,  im  Oberdeutschen  vielfach  fehlen.  Selbst  wenn 
wir  nicht  einmal  ein  idg.  Wort  für  Schiff  erschließen  könnten, 
würde  daraus  folgen,  daß  die  Bewohner  der  Nord-  und  Ostsee- 
küste keine  Indogermanen  gewesen  wären?  Auch  der  Vergleich 
mit  der  Terminologie  des  Wagens  hinkt,  weil  eben  der  Wagen 
in  der  Liandwirtschaft  immer  gebraucht  wird,  das  Schiff  aber 
nicht  die  gleiche  Verbreitung  hat 

Außerdem  ist  die  nautische  Terminologie  keineswegs  so 
arm,  wie  das  Schrader  hinstellt 

Außer  dem  idg.  Wort  näus  haben  wir  noch  griech.  tciuXöc, 
ahd.  kiol  'großes  Schiff',  altn.  kfÖU^  ags.  ceöl. 

Wir  haben  nicht  nur  einen  Ausdruck  für  *Ruder*,  sondern 
wahrscheinlich  zwei,  neben  dper^dc  steht  an.  ags.  Jr,  das  Lidön 
Studien  zur  aind.  und  vergl.  Sprachg.  S.  65  zu  lit  toairas^  watra^ 
lett  (dris  gestellt  hat 


Unteisachungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  7& 

Deutsch  mast  entspricht  lat  malus.  Schrader  meint  nun 
zwar  RL.  S.  755,  man  könne  hier  von  der  Bedeutung  *Stange* 
ausgehen,  die  im  ir.  mcUde  =  *masdo8  lignum,  baculus'  die  einzig- 
herrschende  ist  Ich  muß  es  für  den  größten  Zufall  erklären, 
wenn  zwei  Worte  in  ihrer  Bedeutungsentwicklung  derartig  sollten 
zusammengetroffen  sein,  vgl.  meine  Indogermanen  8.239.  Dagegen 
ist  es  ganz  leicht  verständlich,  wenn  ein  Ausdruck  für  Mast  in 
die  Bedeutung  "Stange*  umschlägt  Wir  reden  ja  auch  von  Fahnen- 
masten usw.  Schrader  sagt  nun  zwar,  im  Lateinischen  und 
im  Althochdeutschen  sei  die  Bedeutung  "Stange,  Baum'  noch 
so  lebendig,  daß  nichts  im  Wege  stehe,  diese  als  die  ursprüng- 
liche anzunehmen. 

Die  Tatsachen  liegen  folgendermaßen.  Für  das  Ahd.  belegt 
Graff  mast  malus  Tr,  malum  VA.  V.  487,  mastin  malis  Aid.  1, 
masÜHjum.  Erst  im  Mhd  tritt  die  Bedeutung  'aufrecht  stehende 
Stange'  auf,  wie  das  DWB.  angibt  In  der  ags.  Poesie  ist  mces^ 
in  der  Bedeutung  "Mast'  überliefert  B.  1898,  Gn.  C.  24,  B.  36^ 
1905,  An.  465,  und  nur  an  einer  Stelle  Gen.  1470  bedeutet  es 
Baumstamm,  Ast  Hier  ist  aber  die  Überlieferung  nicht  in  Ordnung. 
Es  heißt  dort  bei  Grein 

gefeah  Uiäemod^ 
Pcßs  pe  heö  gesette  swxde  teerig 
an  treowes  tdgum  torhtum  moste. 

Man  will  hier  mceste  für  moste  lesen,  besser  ist  aber  wohl 
mit  Grein  meiste  als  Yerbum  zu  nehmen,  und  gesette  in  gesUtan 
zu  ändern,  wie  Wülcker  auch  tut  most  für  messt  wäre  doch 
sehr  auffallend 

Wenn  im  Nordischen  nMstr  in  älterer  Zeit  nicht  vorhanden 
ist,  sondern  dafür  siglutre  gebraucht  wird,  so  wird  doch  damit 
nicht  bewiesen,  daß  das  Wort  nie  vorhanden  war,  sondern  es 
ist  einfach,  wie  das  so  oft  geschieht,  durch  eine  Umschreibimg- 
ersetzt  worden. 

Es  ist  bedauerlich,  daß  für  das  Lat  malm  der  thesaurus. 
noch  nicht  vorliegt  Aber  schon  aus  Georges  ist  zu  ersehen, 
daß  Schrader  kaum  recht  hat  Georges  gliedert  die  Bedeutungen 
so:  malus  *jeder  senkrecht  stehende  Balken,  ein  Ständer'  I  im 
allgemeinen,  und  das  wird  mit  einer  Stelle  aus  Frontin.  strat 
3,  8,  3  belegt:  malos  exaequantes  aUitudinem  jugi  surrexit,  II 
insbes.  der  Mast,  Mastbaum.  Daß  diese  hier  angenommene  Be- 
deutungsentwicklung höchst  unsicher  ist,  muß  sich  jeder  sagen. 


76  H.  Hirt, 

Ich  habe  nun  noch  den  Forcellini  nachgeschlagen  und  dort 
keinen  einzigen  Fall  gefunden,  der  für  Schrader  spräche,  sondern 
€S  liegt  überall  die  Bedeutung  *Mast*  vor. 

Man  sieht  also,  was  es  mit  der  Behauptung  Schraders  auf 
sich  hat,  im  Althochdeutschen  und  Lateinischen  sei  die  Bedeutung 
*8tange,  Baum'  noch  so  lebendig,  daß  nichts  im  Wege  steht, 
diese  für  die  ursprüngliche  anzunehmen. 

Es  ist  also  auch  für  das  Lateinische  höchst  wahrscheinlich 
von  der  Bedeutung  *Mast'  auszugehen,  und  da  diese  auch  für 
das  Germanische  zugrunde  liegt,  so  rechtfertigt  die  Sprache  die 
Annahme,  daß  die  Indogermanen  den  Mast  gekannt  haben.  Ob 
die  Sprache  gegenüber  andern  Indizien  Recht  behält,  ist  eine 
andere  Frage,  die  ich  in  meinen  Indogermanen  behandelt  habe. 

Wenn  nun  die  Indogermanen  *Schiffe*  mit  'Rüdem*  und 
'"Masten'  besessen  haben,  was  haben  sie  damit  gemacht?  Sie 
haben  die  Flüsse  befahren,  werden  auch  die  See  nicht  gescheut 
haben,  wenn  sie  an  ihr  saßen. 

Schrader  weist  mit  Emphase  auf  die  Fülle  urgermanischer 
Worte  hin,  die  sich  auf  die  Seefahrt  beziehen,  imd  die  die  Be- 
kanntschaft der  Germanen  mit  der  Seeschiffahrt  erweisen.  Kr 
hätte  aber  die  indogermanischen  Ausdrücke  nicht  übergehen  sollen. 

Ich  stelle  diese  daher  zusammen 

griech.  iiTreipoc  aus  *äperjos  hat  man  längst  mit  d.  Ufer, 
mhd.  uover^  mndd.  ötw,  ndl.  oever^  ags.  öfer  verglichen.  Die 
Gleichung  ist  tadellos,  und  es  kann  demgegenüber  die  oberd. 
(baier.)  Form  urvar  gamicht  in  Betracht  kommen.  Da  das  Wort 
den  oberdeutschen  Dialekten  noch  heute  fremd  ist,  man  sagt 
dafür  *Staden',  so  wird  es  sich  bei  urvar  um  eine  Volksety- 
mologie handeln. 

Latportus  *Hafen*  entspricht  ganz  genau  aisl.  ^jforrfr  *Bucht*. 
In  andern  Dialekten  liegt  die  Bedeutung  *Furt*  vor,  scw.  p^Sui 
'Furt',  p9rdtuB  ^Durchgang,  Eingang,  Pforte,  Furt,  Brücke',  ahd. 
furi^  gall.  rüu- 

ai.  ärmijf  *die  Welle,  Woge',  entspricht  ags.  wylm  m.  fMet, 
wateres  toylm 

d.  weüe^  ahd.  wäla  kehrt  wieder  in  lit  Vl7n^  abg.  Mna  *  Welle* 

ags.  lagUj  lat.  lacus^  air.  loch  bilden  eine  tadellose  Ent- 
sprechung. Das  Wort  bezieht  sich  offenbar  auf  einen  Landsee. 

Namen  für  die  Himmelsgegenden  sind  nicht  bloß  germanisch, 
«ondem  schon  indogermanisch.    Es  entspricht  bekanntlich  Ut 


Untersachnngen  znr  indogermanischen  Altertumskunde.  77 

Uomfi  'Nordwind*,  abg.  tiimrii  'Nord*,  lat.  caurus  'Nordostwind' 
dem  ahd.  sk&r  *üngewittei^,  nhd.  schauer,  got  skOra  windis  *  Wirbel- 
wind*, ags.  ikür  •Schauer*.  Die  besondere  Entwicklung  des  Ger- 
manischen ist  leicht  verständlich,  da  der  Nord-  oder  Nordwest- 
wind meist  zu  böigem  oder  stürmischem  Wind  ausartet  Für 
die  Bewohner  der  Nordseeinseln  sind  die  Nordwestwinde  am 
gefiihrlichsten. 

An  der  Gleichung  d.  süden,  ahd.  mndurint,  ags.  8üdan  Von 
Süden  her',  ags.  süß,  ndL  zuid,  as.  süth  *Süden'  mit  griech.  v6toc 
*Südwind*  aus  *8not08  halte  ich  durchaus  fest. 

Daß  in  zwei  Fällen  die  Worte  für  Windrichtungen  zur 
Bezeichnung  der  Hinmielsgegenden  geworden  sind,  halte  ich  für 
recht  auffallend. 

Auch  sonst  haben  wir  noch  Wetterbezeichnungen:  lat 
vmitua,  got  winds  usw. ;  as.  toedar  "Wetter,  Witterung,  Sturm' 
entweder  zu  abg.  vedro  'gutes  Wetter*  oder  zu  vitrü  *Luft,  Wind*. 
Auch  d.  Sturm  kann  ein  altes  Wort  sein,  da  es  im  Germanischen 
schwerlich  abgeleitet  sein  kann.  Natürlich  beziehen  sich  diese 
Worte  nicht  notwendig  auf  die  Seelandschaft 

Schrader  sagt  weiter  S.  715:  ürgermanische  Tiemamen 
der  nördlichen  Fauna  s.  u.  Möwe,  Schwan,  Seehund,  Wal- 
fisch. Für  Walfisch  läßt  sich,  wie  wir  oben  gesehen  haben, 
ein  idg.  Wort  erschließen.  Für  den  'Seehund*  bestehen  eine 
Beibe  dunkler  Ausdrücke,  griech.  (piuioi,  altn.  se/r,  ags.  ssolh,  ahd. 
stlah.  Letzteres  hat  man  zu  griech.  c4Xaxoc  'Knorpelfisch*  ge- 
stellt Das  ist  aus  bekannten  Gründen  nicht  ganz  sicher.  Immer- 
hin sieht  aber  germ.  sdh  recht  altertümlich  aus. 

Für  'Schwan*  haben  wir  in  ahd.  cdbiz,  abg.  lebedi  eine 
sichere  idg.  Gleichung,  weil  sie  Ablaut  zeigt 

Von  den  verschiedenen  Bezeichnungen  für  'Möwe*  sieht 
die  germ.  ahd.  mäh,  altn.  mär,  ags.  maw  recht  altertümlich  aus, 
wenngleich  sich  bei  der  beschränkten  Verbreitung  dieser  Tiere 
naturgemäß  kein  weit  verbreiteter  Name  nachweisen  läßt 

Die  größere  Bedeutung  des  Fischfangs  macht  sich  geltend, 
sagt  Schrader,  in  urgermanischen  Gleichungen  wie  altn.  pnguUj 
ahd.  angul  'Angel',  got  nati,  ahd.  nezzi  'Netz*,  altn.  vadr,  mhd. 
wate  *Zugnetz',  altn.  hragn,  ahd.  rogan  'Rogen',  dän.  leeg,  mndd. 
Mfe-  "Laich'. 

Von  diesen  Worten  entspricht  angul  dem  griech.  dincuXoc 
"gekrümmt,  gebogen'  ganz  genau  und  von  dem  zugrunde  ÜÄgen- 


78  H.  Hirt, 

den  Stamm  ist  tö  ärxicTpov  ^Angelhaken'  abgeleitet  Unser  deutsches 
Wort  netz  hat  wahrscheinlich  in  lat  tuusa  eine  Verwandte.  Wate 
kann  ein  neues  germanisches  Wort  sein.  Über  Sogen  s.  o.  Über 
Laich  weiß  ich  nichts  zu  sagen. 

Die  urgermanischen  Fischnamen  Aalj  Lache^  Stör  haben 
wir  oben  für  indogermanisch  erklärt  Für  den  Namen  des 
Herings  hat  Schrader  selbst  den  Anfang  dazu  gemacht,  und 
80  bleibt  einzig  der  Barsch, 

Man  sieht  also,  was  es  mit  Schraders  Ausführungen  auf 
sich  hat 

Ich  füge  noch  hinzu,  daß  eine  Reihe  anderer  Seeausdrücke 
durchaus  altertümlich  aussehen,  so  ndd.  düne  zu  ags.  dün  *Hüger 
(engl,  doums  *Dünen'),  wozu  auch  engl,  doum  'herab'  aus  ags. 
adüne  ofdüne  eig.  Vom  Hügel  herab'.  Kluge  vergleicht  dies 
weiter  mit  air.  dün  'Hügel*.  Dies  Wort  ist  dann  von  den  Germ, 
entlehnt  als  tün^  d.  Zaun.  Vielleicht  ist  aber  unser  *düne*  ver- 
wandt mit  griech.  9ic,  6iv,  6iv6c  *die  Sandhügel  am  Meeresufer, 
die  Dünen*. 

Das  ndd.  uxxt  entspricht  lat  vadum  *Furt*.  Unser  deutsches 
Wort  Strand  sieht  höchst  altertümlich  aus,  ebenso  wie  Ebbe. 

Es  gibt  also  eine  Fülle  für  die  idg.  Ursprache  zu  erschließen- 
der Ausdrücke,  die  sich  auf  die  Schiffahrt  und  die  See  be- 
ziehen, und  diese  machen  es  durchaus  wahrscheinlich,  daß  die 
Indogermanen  an  der  See  gewohnt  haben.  Jedenfalls  sind  aber 
auch  hier  wieder  die  Schlüsse  aus  dem  Schweigen  der  Sprache 
hinfällig. 

C.  Blumenzucht  und  Ackerbau. 

Daß  die  Indogermanen  keine  Blumenzucht  getrieben  haben, 
folgt  natürlich  nicht  aus  dem  Mangel  an  Ausdrücken  dafür  — 
wir  haben  ja  Ausdrücke  für  Blume  — ,  sondern  aus  andern 
kulturhistorischen  Momenten.  Ich  denke,  ich  kann  diesen  Punkt 
ganz  übergehen. 

D.  Die  Verschwägerungsbezeichnungen  des  Mannes 
gegenüber  denen  des  Weibes. 
Delbrück  und  Schrader  haben  ziemlich  gleichzeitig  den 
Nachweis  aus  der  Sprache  zu  führen  versucht,  daß  die  Ver- 
schwägerungsbezeichnungen sich  auf  das  Verhältnis  der  Frau 
zu  den  Angehörigen  des  Mannes  beziehen,  und  daß  wir  daher 
ein  rein  ag^natisches  Verhältnis  für  die  Urzeit  anzunehmen  haben. 


Untersachnngen  zur  indogermanischen  Altertumskunde. 


79 


Diese  Ausführangen  haben  ursprünglich  auch  auf  mich  Eindruck 
gemacht,  und  ich  habe  ihnen  einige  Beweiskraft  beigemessen. 
Heute  muß  ich  das  zurücknehmen^  und  ich  will  zu  zeigen  ver- 
suchen, daß  Schraders  Folgerungen  —  die  Delbrücks  gehen  ja 
nicht  so  weit  —  falsch  sind. 

Es  ist  sicher,  daß  die  Verwandtschaftsbezeichnungen  im 
Laufe  der  Zeit  immer  mehr  verringert  worden  sind,  weil  man 
kein  Bedürfnis  hatte,  die  einzelnen  Orade  noch  so  stark  zu  unter- 
scheiden, wie  man  in  alten  Zeiten  tat  Heute  kommen  wir  mit 
sehr  wenig  Worten  aus,  weil  sich  unsere  Familienformen  gelockert 
haben. 

Wollen  wir  nun  ermitteln,  welche  Bezeichnungen  in  alter 
Zeit  nötig  waren,  so  tut  man  zunächst  gut,  sich  einmal  an  die 
Völker  zu  wenden,  die  die  alten  Verwandtschaftsnamen  und 
die  alten  Formen  der  Familie  am  besten  erbalten  haben,  das 
sind  die  Litauer  und  die  Slaven.  Bei  den  heutigen  Südslaven 
besteht  noch  die  Oroßfamilie,  und  sie  besitzen  die  alten  Aus- 
drücke djiver^  zaova,  jitrve  u.  a.  Aber  sie  haben  eine  ausge- 
bildete Nomenklatur  der  Verwandtschaftsworte  nicht  etwa  nach 
einer  Seite,  sondern  nach  beiden.  Es  ist  wichtig,  das  einmal 
übersichtlich  zu  zeigen,  vgl  Delbrück  S.  404. 

Litauer     Slaven  (Serben) 


Vater 

ticas 

otac 

Mutter 

moHna 

matt 

Sohn 

8üni^ 

9in 

Tochter 

dukti 

hdi 

Bruder 

brolis 

brat 

Schwester 

sesu 

sestra 

Ältere  Schwester 

Ijelna 

Vaters  Bruder 

dedis 

stric 

dessen  Frau 

dedSn$ 

ürina 

des  Vaters  Schwester 

dede 

strina,  tetka 

ihr  Mann 

dedena 

der  Mutter  Bruder 

avytMS 

ujak 

seine  Fran 

avynene 

ujna,  ujaöa 

der  Mutter  Schwester 

teUa 

teta,  tetka 

ihr  Mann 

ieUenas 

tetak,  tetac 

des  Weibes  Vater 

uoivis 

tost,  punac 

des  Weibes  Mutter 

uo^ 

tasta,  punica 

des  Mannes  Vater 

üSuras 

svekar 

80 


H.  Hirt, 


des  Mannes  Mutter 
des  Mannes  Bruder 
des  Mannes  Schwester 
des  Weibes  Bruder 
des  Weibes  Schwester 
Männer  zweier  Schwestern 
Frauen  zweier  Brüder 
Eidam 
Schnur 


Slayen  (Serben) 
9vekrva 

dj€V€T 
ZOOM 

iura 

pai&nog 
jetrve 
zei 
snaha. 


Litauer 

anyta 

deveris 

möia 

laigonas 

3vaine 

svainis 

gente 

^enteis 

marti 

Man  könnte  ja  einmal  versuchen,  ohne  Bücksicht  auf  die 
übrigen  Sprachen  den  urlitauisch-slavischen  Stand  der  Dinge  zu 
erschließen.  Es  fehlten  dann  Ausdrücke  für  Vater,  für  den  Bruder 
und  die  Schwester  des  Vaters,  für  die  Schwiegertochter;  sie  wären 
aber  vorhanden  für  die  Mutter,  den  Bruder  und  die  Schwester 
der  Mutter,  und  für  den  Schwiegersohn.  Wenn  das  nicht  auf 
Mutterrecht  weist,  so  weiß  ich  nicht,  was  es  anders  bedeuten 
soll.  In  Wirklichkeit  ist  natürlich  die  Schlußfolgerung  falsch. 

Die  Fülle  der  Verwandtschaftsbezeichnungen  setzt  einiger- 
maßen in  Erstaunen,  aber  da  schließlich  die  Litauer  und  Slaven 
nicht  die  Indogermanen  sind,  so  haben  diese  wahrscheinlich 
noch  mehr  besessen.  Jedenfalls  liegt  kein  Grund  vor,  anzu- 
nehmen, erst  die  Litauer  und  Slaven  hätten  das  Bedürfnis  emp- 
funden, derartige  ausgeprägte  Verwandtschaftsbezeichnungen  zu 
schaffen.  Es  ist  sehr  wohl  möglich,  daß  alle  diese  verschiedenen 
Unterscheidungen  im  Indogerm.  vorhanden  waren,  daß  aber  in 
den  Einzelsprachen  eine  Reihe  davon  verloren  ging,  weil  eine 
immer  größere  Verallgemeinerung  eintrat  So  waren  *8wek'uro8 
und  sivek'rü  ursprünglich  die  Bezeichnungen  für  den  Schwieger- 
vater und  die  Schwiegermutter  der  Frau,  sie  wurden  aber  auch 
allmählich  für  das  Verhältnis  des  Schwiegersohnes  zu  seinen 
Schwiegereltern  gebraucht,  unter  Verdrängung  anderer  Aus- 
drücke. Tatsächlich  bezeichnen  alle  Sprachen  dies  Verhältnis 
irgend  wie,  und  da  die  Sachvergleichung  das  wichtigere  ist,  so 
ist  daraus  zu  schließen,  daß  es  auch  im  Indogermanischen  be- 
zeichnet wurde.  Wir  sind  nur  nicht  imstande,  die  indoger- 
manischen Ausdrücke  festzulegen,  weil  die  Sprachen  ausein- 
andergehen. 

Sehen  wir  uns  nun  die  sprachlichen  Tatsachen  noch  etwas 
näher  an. 


Untersachongen  zur  indogamanischen  Altertamskiinde.  81 

Der  Aasdrack  für  den  Bruder  des  Vaters  ist  nur  in 
Tier  Sprachen  erhalten,  nämlich  aind.  päfVffas^  griech.  Trdrpiuc, 
L  pcUruit&f  ahd.  fetiro. 

Für  den  Mutterbruder  ist  zwar  ein  so  genau  überein- 
stimmender Ausdruck  nicht  vorhanden.  Aber  fünf  Sprachen  be- 
zeichnen ihn  mit  demselben  Stamm  ou»,  lai  avunculus^  kelt  eviter^ 
germ.  öheini,  lit  avyna&f  slav.  ufi.  DaB  das  kein  ZufiiU  sein  kann, 
dürfte  mit  Delbrück  für  jeden  außer  Schrader  auf  der  Hand 
liegen.  Es  wäre  höchst  merkwürdig,  wenn  alle  Völker  denselben 
Stamm  gewählt  hätten. 

Daß  für  die  Schwiegertochter  ein  alter  Ausdruck  besteht, 
ist  sicher,  aber  ebenso  so  sicher  auch  für  den  Schwiegersohn. 
Die  Obereinstimmung  zwischen  dl,jamäiar^  av.  zämäiar^  griech. 
TOfißpöc,  1.  gener  kann  nicht  zufallig  sein,  wenngleich  es  uns 
entgeht,  wie  diese  Worte  zu  vereinigen  sind,  ya^ißpöc  und  gener 
würde  man  unter  Annahme  eines  idg.^^f^nros  vergleichen  können. 
Ebenso  decken  sich  aLjämöiar,  falls  aus  jämü  mit  späterem 
Suffix  -ar  mit  lit  slav.  *ien9t^  falls  man  §*mnH  als  Grundform 
annimmt.  Aber  wie  dem  auch  sein  mag,  es  ist  mir  ganz  un- 
glaublich, daß  alle  Sprachen  selbständig  auf  denselben  Stamm 
zur  Bildung  dieses  Namens  verfallen  sein  sollten. 

Man  darf  doch  nicht  vergessen,  daß  sich  auch  bei  uns  im 
Lauf  der  Zeiten  die  Ausdrücke  geändert  haben.  Das  alte  Wort 
'Eidam'  ist  verschwunden  und  durch  'Schwiegersohn',  Tocbter- 
mann',  engl,  son  in  law  ersetzt  Da  englisch  und  deutsch  aus- 
einander gehen,  so  müßte  man  wieder  schließen,  daß  die  Ger- 
manen kein  Wort  für  •Schwiegersohn'  gehabt  hätten. 

Für  die  Schwiegereltern  des  Mannes  sollen  sich  keine  Aus- 
drücke nachweisen  lassen.  Nur  wir  finden  ai.  fodguras^  gtxifHl, 
1.  eocer^  eocruA,  alb.  vieher^  viikef9^  germ.  Schtcäher  und  Schuneger^ 
d.  h.  in  vier  Sprachen  dient  ein  und  dasselbe  Wort  auch  zur 
Bezeichnung  der  Schwiegereltern  des  Mannes.  Es  kann  daher 
auch  so  schon  im  Indogermanischen  gewesen  sein.  Wir  finden 
außerdem  griech.  TrevOepöc,  TrevOepd,  lit  üivis^  üSve  und  abug.  tisti, 
tüta.  Wenn  nun  auch  diese  Worte  nicht  übereinstimmen,  so 
kann  dodi  eines  und  das  andere  schon  im  Indogermanischen  in 
dem  Sinne  von  Schwiegervater  gebraucht  worden  sein.  Wenn 
ich  aber  wie  Schrader  schließen  wollte,  so  würde  ich  sagen,  im 
Indogermanischen  bezeichnete  ^Kupoc  auch  den  Vater  der  Frau, 
und  erst  in  einigen  Einzelsprachen  ist  das  Bedürfnis  au^e- 

Indogermaiijjelrtf  Fonchnngen  XXIL  & 


82  H.  Hirt, 

kommen,  den  Schwiegervater  der  Frau  durch  ein  besonderes 
Wort  zu  bezeichnen.  Das  ist  in  einzelnen  Fällen  durchaus  mög- 
lich. Man  sieht  also,  wie  wenig  Schraders  Schlußfolgerungen 
wirklich  das  beweisen,  was  sie  beweisen  sollen. 

Wir  müssen  aber  noch  auf  einen  anderen  Punkt  eingehen. 
IF.  17,  11  hat  Schrader  über  Bezeichnungen  der  Heiratsverwandt- 
schaft bei  den  idg.  Völkern  gehandelt.  Dieser  Aufsatz  bedarf 
dringend  einer  eingehenden  Besprechung,  da  er  eine  ganze  Beihe 
höchst  zweifelhafter  und  evident  falscher  Dinge  enthält.  Die 
Ausführungen  über  das  deutsche  Wort  schwäger  bilden  freilich 
den  Gipfelpunkt  der  Schraderschen  Methode.  Dieses  Wort  soll 
aus  dem  Slavischen  swök  entlehnt  sein.  Dann  sei  es  nach  «ndc, 
mäges  zu  *9wak^  *9wages  und  schließlich  unter  Einfluß  von  sunger 
und  stoeher  zu  stcäger  umgestaltet.  Zunächst  ist  es  schon  höchst 
zweifelhaft,  ob  die  Germanen  solch  Wort  von  den  Slaven  haben 
entlehnen  können,  und  der  Zweifel  wird  in  keiner  Weise  dadurch 
beseitigt,  daß  Schrader  ein  paar  Entlehnungen  des  Germanischen 
aus  dem  Slavischen  für  kulturhistorische  Begriffe  anführt,  näm- 
lich für  Pelze  und  Pelztiere  und  einige  Namen  für  Vögel  und 
Fische.  Glücklicherweise  ist  Schraders  Annahme  durch  W.  Schulzes 
Ausführungen  KZ.  40,  400  definitiv  beseitigt  worden,  und  es 
lohnt  sich  nicht,  weiter  darauf  einzugehen.  Schwager  enthüllt  sich 
als  eine  indogermanische  Bildung  gleich  ai.  gväguras  *dem  Schweher 
gehörig'. 

Schrader  nimmt  weiter  an,  daß  es  einen  Ausdruck  für 
*Schwiegersohn'  nicht  gegeben,  und  daß  griech.  TOl^ßpöc  und 
ähnliche  Worte  zunächst  'Heiratsverwandter*  bezeichnet  habe. 
Das  ist  deshalb  durchaus  unwahrscheinlich,  weil  wir  bei  den 
Verwandtschaftsnamen  durchaus  das  Prinzip  der  Verallgemeine- 
rung finden.  Die  beiderseitigen  Schwiegereltern  werden  schließ- 
lich mit  einem  Ausdruck  bezeichnet,  ebenso  die  Oheime  und 
Tanten  usw.  Schrader  ist  auf  seine  Ansicht  gekommen,  weil  yaMßpöc 
'Schwiegersohn,  Schwager'  und  schließlich  auch  'Schwiegervater' 
bedeutet.  Daß  die  Bedeutung 'Schwiegersohn'  in  die  von 'Schwager* 
übergehen  kann,  ist  außerordentlich  leicht  verständlich.  Wie 
leicht  kann  ein  erwachsener  Sohn  von  unserm  'Schwiegersohn' 
reden.  Daß  dieser  Punkt  gar  nichts  beweist,  zeigt  auch  vuöc, 
das  gleichfalls  in  dem  doppelten  Sinne  der  Schwiegertochter  und 
der  Schwägerin  vorkommt  Hier  wissen  wir,  daß  die  erste  Be- 
deutung die  alte  ist. 


Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  83 

To^xßpöc  bedeutet  freilich  auch  den  Schwiegervater,  aber  nur 
in  poetischen  Texten  (Delbrück  S.  115).  Delbrück  erklärt  dies 
durch  Anredewechsel,  und  das  genügt  vollständig  trotz  des  Wider- 
spruches von  Schrader.  Es  kommt  hinzu,  daß  ahd.  9uehur  auch  im 
Sinne  von  levir  belegt  ist  Voraussetzung  für  diese  Bedeutungs- 
übergänge ist  nur,  daß  die  ursprüngliche  Bedeutung  verblaßt  ist 

Es  ist  also  eine  durchaus  gewöhnliche  Bedeutungsentwick- 
lung, die  wir  vor  uns  haben,  und  jeder,  der  die  Belege  vor- 
eingenonunen  prüft,  wird  mit  Delbrück  zu  der  Ansicht  kommen, 
daß  eben  eine  einfache  Bedeutungserweitung  vorliegt,  wenn  wir 
die  Ausdrücke  für  'Schwiegersohn*  auch  in  der  Bedeutung 
•Schwager*  finden. 

Natürlich  können  inmier  wieder  neue  Worte  für  den  Schwager 
oder  den  Schwiegersohn  aufkommen,  auch  Worte,  die  einst  eine 
allgemeine  Bedeutung  gehabt  haben. 

Außer  j^0nar-Ta^ßpöc  läßt  sich  aber  noch  mancherlei  für  die  Be- 
zeichnung der  Verwandtschaft  nach  der  weiblichen  Seite  anführen. 

Wir  finden  nämlich  bei  Hesjch  diXioi  *  oi  dbeXcpac  T^ivaiKac 
icm^ärec  und  alXioi  *  cuTTajLißpoi.  Bei  Pollux  3,  32  steht  femer 
eiXiovec  (oi  b'  dbeXcpdc  THMAVTec  ö^ÖT0l^ßpOl  fi  cuTToiMßpoi  f|  ^dXXov 
cmpciiöecTai  •  Kttl  irapd  toTc  iroiriTaic  etXiovec).  Das  ei  ist  hier 
allerdings  unklar,  aber  da  es  ein  dichterischer  Ausdruck  ist, 
können  wir,  wie  bei  eivdnip,  mit  metrischer  Dehnung  rechnen. 
Wir  kommen  also  zu  ^iovec  Die  Wörter  dlXioi  usw.  dürften  das 
bekannte  Präfix  a  enthalten.  Mit  diesem  Wort  hat  nun  schon 
Kluge  KZ.  26,  86  an.  stnli  'a  brother  in  law*,  PL  smlar  ^tiie  hus- 
bands  of  two  sisters'  zusanunengebracht  Wir  finden  im  Indischen 
femer  sjfälä'  'der  Frau  Bruder*.  Delbrück  meint  zwar,  das  Wort 
könne  nichts  mit  den  beiden  erwähnten  zu  tun  haben,  aber  so 
unbedingt  ausgeschlossen  scheint  mir  das  nicht  zu  sein,  da  man 
den  verschiedenen  Anlaut  vielleicht  unter  einem  Ansatz  stoj- 
vereinigen  könnte.  Jedenfalls  folgt  schon  aus  dem  griechischen 
und  germ.  Wort,  daß  es  eine  Bezeichnung  für  die  Männer  zweier 
Schwestern  gab.  Allerdings  kann  sich  eine  solche  auch  in  der 
Hausgemeinschaft  des  Mannes  einstellen,  wenn  zwei  Brüder  oder 
Vettern  zwei  Schwestern  geheiratet  hatten,  aber  sicher  ist  das 
keineswegs.  Es  ist  vielmehr  wahrscheinlicher,  daß  diese  Be- 
zeichnung von  der  weiblichen  Seite  ausgeht  Delbrück  hält  es 
für  durchaus  möglich,  daß  ein  Mann  in  die  Familie  der  Frau 
hineintrat,  und  ich  schließe  mich  dem  durchaus  an. 


84  H.  Hirt, 

Schließlich  ist  doch  der  Vorgang  dem  der  Adoption  zq 
vergleichen.  Auch  hier  tritt  ein  Mann  in  eine  fremde  Familiei 

Mit  mhd.  gestmge^  geswfej  ahd.  gesuio  *levir,  sororis  maritna 
n.  a.'  weiö  Delbrück  nichts  anzufangen.  Aach  Schraders  Deatong 
IF.  17,  25  ist  nichts  weniger  wie  sicher.  Ich  wundere  mich 
eigentlich,  daß  man  die  fast  genaue  Übereinstimmung  mit  iit 
mxifnis  nicht  erkannt  hat  svatnis  heißt  im  Iit  der  Bruder  meiner 
Frau,  also  genau  das,  was  geswio  auch  in  den  meisten  Fällen 
bedeutet,  vgl.  z.  B.  Meier  Helmbrecht  1664.  aoafms  geht  zwar 
nach  der  jo-Deklination,  aber  es  ist  sehr  wohl  möglich,  daß  hier 
erst  ein  Metaplasmus  vom  Akk.  Sing,  stattgefunden  hat,  genau 
wie  bei  senis  *der  Alte',  lat  genem^  (Inis  *Hirsch',  slav.  jdmh  u.  a. 
Dann  mußte  also  der  Nom.  ursprünglich  "^swaiö  lauten,  und  das 
wäre  eine  einfache  ablautende  Form  zu  ahd.  ge-8wSö.  Die  An- 
nahme, daß  stcainis  aus  dem  Slav.  entlehnt  (Leskien  Nom.  Bild. 
S.  371)  scheint  mir  durchaus  nicht  erwiesen  zu  sein. 

Um  den  Au&atz  von  Schrader  ganz  zu  erledigen,  füge  ich 
hier  noch  einen  Punkt  hinzu.  Schrader  will  sich  für  seine  Er- 
klärung von  mväger  noch  auf  einer  andern  Entlehnung  aus  dem 
Slavischen  stützen,  ahd.  eninchiU  sei  aus  slav.  fmnukü  entlehnt 
Hier  erheben  sich  schon  lautlich  einige  Schwierigkeiten.  Die 
slav.  Grundform  ist  (monh-  und  daraus  läßt  sich  enin  trotz  des 
Verweises  auf  poln.  umek  nicht  herleiten.  Wir  müssen  also  bd 
der  Herleitung  aus  dem  Deutschen  bleiben.  Nun  hat  A.  Zimmer- 
mann IF.  15,  339  ein  paar  schöne  Belege  beigebracht  über  daa 
Verhältnis  des  Namens  'Großvater'  zu  "Enkel*.  Wir  finden  lat 
aviatkus^  das  deutlich  zu  avos  gehört;  und  auch  ir.  axte  könnte 
auf  *avios  zurückgehen.  Das  ist  alles  ganz  richtig,  und  nur  in 
der  Ansetzung  der  Bedeutungsentwicklung  hat  man  geirrt  Waa 
heißt  denn  avkUicm?  Nun  nach  Beispielen  wie  vineaHcus  *zam 
Weinberg  gehörig',  cenaticus  *zur  Mahlzeit  gehörig*  heißt  es  *zum 
Großvater  gehörig',  'Großvaters  Kind'  sozusagen.  Was  damit 
gemeint  ist,  braucht  nicht  erörtert  zu  werden.  Genau  dasselbe 
müssen  wir  für  kelt  *(mo3  annehmen,  auch  das  bedeutet  *zum 
Großvater  gehörig*.  Unser  deutsches  enenkd  wird  also  ebenso  zu 
erklären  sein.  Wie  ist  hier  die  Suffixbildung  aufzufassen  ?  Kluge 
Et  Wtb.  s.  v.  Enkel  sieht  in  ahd.  eninchäi  ein  selbständiges  Suffix 
wie  in  huonifiJdin  'Hühnchen*,  l^witMfn  "kleiner  Löwe'  u.  a.  Wil- 
manns  Deutsche  Gr.  2,  322  zerlegt  sogar  en-in-ldin^  zu  ano.  Dann 
kämen  wir  aber  immer  nur  auf  die  Bedeutung  'Großväterohon'. 


Untersnchongen  zur  indogennanischen  Altertumskunde.  85 

Aber  dieses  Suffix  '4nküf  muß  doch  irgendwie  durch  Zu- 
sammensetzung entstanden  sein,  und  da  wir  auch  mhd.  enenkd 
finden,  so  kann  man  wohl  darin  die  ursprüngliche  Form  sehen, 
der  ein  noch  ursprünglicheres  anbnkoß  zugrunde  liegt  Auf  diese 
Form  weist  ja  auch  slav.  vünükii  Daß  diese  Worte  zasammen- 
gehören,  scheint  mir  klar  zu  sein.  Da  aber  die  Suffixe  nicht 
stimmen,  so  wird  man  am  ehesten  an  Entlehnung  denken  dürfen, 
nicht  aber  des  Germanischen  aus  dem  Slavischen,  sondern  um- 
gekehrt, des  Slavischen  aus  dem  Germanischen.  Die  Suffixgestalt 
-io  ist  im  Germanischen  zwar  nicht  häufig,  aber  doch  genügend 
belegt,  und  zwar  auch  in  der  Bedeutung  "gehörig  zu*  so  briKh 
chaeh  "zona,  balteum'  zum  brucih  gehörig,  funko  zu  got  fön  *zum 
Feuer  gehörig'  u.  a.  So  deute  ich  denn  *aninko  als  *zum  Ahn 
gehörig'.  Man  kommt  also  ganz  gut  mit  dem  Deutschen  aus,  und 
diese  Stütze  der  Schraderschen  Ansicht  ist  hinfällig^). 

Im  Slavischen,  wo  wir  am  ehesten  alte  Verwandtschafts- 
ausdrücke zu  finden  hoffen  können,  treffen  wir  auch  abg.  tisti^ 
tüta^  mss.  tesH^  teida^  serb.  tast^  taita,  Delbiück  bemerkt  S.  155 
dazu,  es  lasse  sich  über  die  Etymologie  nichts  Sicheres  sagen. 
Darum  braucht  das  Wort  natürlich  noch  nicht  jung  zu  sein.  Ich 
möchte  fragen,  ob  dies  nicht  mit  dem  bei  Schmeller  1,  583 
belegten  fränk.  Uchier  'Enkel'  zusammenhängt.  Die  slavischen 
Formen  weisen  auf  tiktj^  und  davon  könnte  tichter  eine  Ableitung 
sein.  Schwierigkeiten  macht  natürlich  das  t  Der  Mangel  der 
Überlieferung  läßt  nicht  klar  erkennen,  ob  dies  auf  urgerm.  ß 
zurückgehen  kann. 

Ich  fasse  also  zusammen.  Es  ist  mir  durchaus  unwahr- 
scheinlich, jedenfalls  ist  es  in  keiner  Weise  zu  erweisen,  daß 
bei  den  Indogermanen  die  Verwandtschaftsgrade  nach  der  weib- 
lichen Seite  nicht  bezeichnet  worden  wären.  Wir  haben  einige 
Ausdrücke  dafür,  die  indogermanisches  Alter  haben,  andere  sind 
wahrscheinlich  verloren  gegangen.  Zu  fragen  ist  nur,  weshalb  dies 
gerade  bei  den  Bezeichnungen  für  die  weibliche  Verwandtschaft 
geschehen  ist  Nun  in  vielen  Fällen  hat  einfach  eine  Verallge- 
meinerung der  Begriffe  stattgefunden,  es  wird  der  Ausdruck 

1)  Anders  erklärt  Pogatscher  das  Suffix  -inkil,  vgl.  Anglia  23,  310  ff. 
Dagegen  Eckhardt  Engl.  Stud.  32,  325  ff.  und  wiederum  Pogatscher  Anglia 
Beibl.  1904>,  238 — 247.  Pogatscher  sieht  darin  ein  wgerm.  mhküa  'Kind*. 
Auch  diese  Deutung  würde  tninehü  tadellos  erklären.  W.  Schulze  KZ.  40, 
<i06  sieht  in  Enhtl  einfach  ein  Diminutivum,  was  ja  schließlich  auch 
möglich  ist. 


86  H.  Hirt, 

Vaterbruder  für  Onkel  allgemein  gebraucht,  aber  auch  umgekehrt 
Und  daß  die  Ausdrücke  *svekur(>8  *8vekrü  gesiegt  haben,  ist 
schließlich  nicht  wunderbar,  da  ja  die  Frau  in  das  Haus  des 
Mannes  eintritt  Ich  habe  früher  an  die  Schrader-Delbrückschen 
Schlußfolgerungen  geglaubt,  aber  wie  man  sieht,  mit  Unrecht 
Wundt  hat  in  seinen  kritischen  Bemerkungen  ganz  recht 

So  erweist  sich  also  auch  dieser  Punkt,  den  Schrader  für 
den  festesten  hielt,  als  unhaltbar.  Die  agnatische  Struktur  der 
indogerm.  Familie  folgt  nicht  aus  der  Sprache,  sondern  höchstens 
aus  der  Übereinstimmung  der  Sitten  in  den  ältesten  historischen 
Zeiten. 

Aber  in  diesen  zeigt  sich  eine  streng  agnatische  Ordnung 
doch  nur  in  sehr  modifiziertem  Sinne. 

E.  Götter-  und  Personennamen. 

Bei  diesem  Punkte  brauche  ich  mich  nicht  lange  aufeu- 
halten.  Wer  den  Ausführungen  Useners  in  seinen  Göttemamen 
aufmerksam  gefolgt  ist,  dem  wird  der  Grund,  weshalb  wir  ver- 
hältnismäßig wenig  vergleichbare  Gt)ttemamen  nachweisen  können, 
ganz  klar  sein.  Es  gab  eben  zahlreiche  göttliche  Gestalten  und 
dementsprechend  zahlreiche  verschiedene  Ausdrücke,  und  von 
diesen  sind  in  der  einen  Sprache  die,  in  der  andern  die  übrig 
geblieben.  Im  übrigen  sind  auch  die  Gleichungen  bei  weitem 
nicht  so  gering,  als  es  Schrader  hinstellt 

F.  Sonstiges. 

RL.  S.  847  zeigt  Schrader,  daß  die  Ausdrücke,  die  in  ein- 
zelnen Sprachen  *Tanzen'  bedeuten,  in  andern  eine  rasche  Be- 
wegung ausdrücken.  Eine  solche  Bedeutungsveränderung  können 
wir  ja  noch  heute  beobachten,  man  denke  an  unser  "drehen, 
walzen*  u.  v.  a.  Wenn  wir  also  Gleichungen  haben  wie  ai.  f- 
ghayati  *tobt,  bebt',  griech.  dpx^ojiai  'tanze*,  lit  ääras  *eine  be- 
stimmte Art  des  Gehens*,  griech.  \opbc  'Chortanz,  Beigen*  u.  a., 
so  folgt  für  jeden  auch  nur  einigermaßen  in  der  Geschichte  der 
Wörter  Bewanderten,  daß  hier  Bedeutungsübergänge  allergewöhn- 
lichster  Art  stattgefunden  haben.  Da  sich  aber  nicht  dasselbe 
Wort  in  mehreren  Sprachen  in  der  Bedeutung  'tanzen'  nach- 
weisen läßt,  so  schließt  Schrader  schnell  aus  dem  Negativen 
folgendes :  "Was  man  aus  diesen  Tatsachen  wird  schließen  dürfen, 
istj  daß  man  in  der  Urzeit  noch  kein  Bedürfnis  empfunden 


Untersuchnngen  zur  indogennanischen  Altertumskunde.  87 

haben  kann,  den  Begriff  der  feierlichen  oder  leidenschaftlichen 
Bewegung  von  dem  des  Tanzes  sprachlich  zu  unterscheiden, 
wohl  aus  dem  einfachen  Grund,  weil  man  den  die  Lokomotions- 
bewegungen  zu  Tanzbewegungen  erhebenden  Rhythmus,  der 
sich  aus  gewissen  Arten  der  ersteren  mit  Notwendigkeit  ergibt, 
noch  nicht  als  etwas  besonderes  anzusehen  gelernt  hatte".  Ich 
konnte  diese  Worte  überhaupt  erst  gar  nicht  verstehen,  und 
muBte  erst  die  von  Schrader  zitierten  Ausführungen  von  Oroße 
Anfänge  der  Kunst  S.  213  nachschlagen,  um  zu  erkennen,  was 
der  Verf.  gemeint  haben  könnte.  Er  fährt  dann  weiter  fort: 
"Tatsächlich  müssen  auch  auf  dem  Gebiet  der  Einzelsprachen 
dieselben  Ausdrücke  noch  lange  das  Gehen,  Hüpfen,  Springen 
und  Tanzen  bezeichnet  haben'*.  Ich  kann  dem  Verfasser  ver- 
raten, daß  diese  Sache  heute  noch  nicht  aufgehört  hat  *Hüpfen' 
und  "Sprii^en*  werden  noch  heute  im  Sinne  von  Tanzen  ge- 
braucht. Vielleicht  folgt  daraus,  daß  wir  heute  *hüpfen,  springen 
und  tanzen'  noch  nicht  unterscheiden.  **Wie  könnte  sonst  auf 
römischem  Gebiet",  ruft  der  Verfasser  emphatisch,  "der  Name 
der  altehrwürdigen  Salier,  die  doch  sicher  rhythmisch  hüpften 
von  salio  und  nicht  von  saUo  abgeleitet  sein?"  Ja,  wie  könnte 
sonst?  daß  der  Name  älter  sein  kann,  als  das  Aufkommen  des 
Verbums  aaUare^  daß  salio  ursprünglich  "tanzen*  bedeutet  haben 
kann  und  erst  später  zu  der  Bedeutung  "springen'  kam,  diese 
Möglichkeiten  und  andere  fallen  dem  Verf.  nicht  ein. 

Alles  in  allem  halte  ich  den  ganzen  Abschnitt  für  voll- 
ständig verfehlt,  er  zeigt  nur,  daß  sich  der  Verf.  niemals  ein- 
gehender und  genauer  mit  der  Bedeutungsgeschichte  einzelner 
Worte  beschäftigt  hat. 

Genau  dieselben  Schlüsse  finden  wir  nun  unter  'Dichtkunst 
und  Dichter'  gezogen  (S.  129):  "So  deutlich  der  Begriff  des  ge- 
sprochenen Wortes  in  idg.  Gleichungen  wie  ai.  väcas^  griech. 
Ittoc,  lat  verbumj  got  uxiürd  hervortritt,  umso  weniger  ausgebildet 
muß  die  Terminologie  des  Gesanges  in  der  idg.  Grundsprache  ge- 
wesen sein".  Und  weshalb?  "Die  Bezeichnungen  der  Einzelsprachen 
für  'Gesang*  sind  fast  ausschließlich  aus  Wörtern  hervorgegangen, 
welche  ursprünglich  verschiedene  Arten  des  Sprechens  oder 
Schreiens  ausdrücken".  Das  schließt  Schrader  daraus,  daß  der- 
selbe Stanmi  in  der  einen  Sprache  *singen',  in  der  andern  "schreien, 
sprechen'  bedeutet.  Daß  die  Bedeutung  'sprechen,  schreien'  ur- 
sprünglich ist,  liegt  in  den  Tatsachen  absolut  nicht  daxvn^  Mud  o^ä 


88  H.  Hirt, 

ist  ebensc^t  eineBedeatongseiitwicklung  von'singen'  zu 'schreien' 
möglich  wie  umgekehrt  Man  wird  oft  hören  können,  er  singt  nicht 
mehr,  er  schreit  oder  er  krächzt,  aber  daß  wir  ein  Gekrächz  ein 
Singen  nennen,  ist  wohl  weniger  häufig.  Daß  man  den  Hahn  den 
Sänger  nennt,  ist  ganz  natürlich.  Otfrid  sagt  tatsächlich  thaz  huan 
9ang  und  ebenso  sprechen  die  Südslaven  von  dem  Gesang  des 
Hahnes.  Es  ist  zwar  keine  Melodie  in  dem  Krähen  des  Hahnes, 
wohl  aber  sind  Klänge  und  wenig  Geräusche  darin.  Ich  empfehle 
die  ganzen  Ausführungen  RL.  auf  S.  130  der  Beachtung  der 
Wortforscher,  sie  werden  ihre  helle  Freude  daran  haben. 

Zu  allen  diesen  Folgerungen  kommt  aber  Schrader  nur, 
weil  er  aus  dem  Negativen  Schlüsse  zieht,  und  ich  glaube  nun 
wohl  hinreichend  bewiesen  zu  haben,  daß  man  das  besser  unter- 
läßt Es  gebricht  mir  an  Zeit,  das  ganze  Beallexikon  auf  diesen 
Gtesichtspunkt  hin  durchzugehen.  Wer  eine  Nachlese  halten  will, 
wird  noch  genug  finden. 

3.  Die  partiellen  Gleichungen. 

Unter  partiellen  Gleichungen  verstehe  ich  solche  Wort- 
vergleiche,  die  nur  in  wenigen  Sprachen  vorliegen.  Der  Aus- 
druck ist  zwar  etwas  mangelhaft,  doch  ist  er  kurz  und  verständlich 
und  mag  daher  beibehalten  wei*den.  Die  partiellen  Gleichungen 
haben  durch  J.  Schmidts  Untersuchung  über  die  Verwandtschafts- 
verhältnisse eine  gewisse  Berühmtheit  erlangt,  indem  dieser  z.  T. 
mit  auf  sie  sein  System  der  Verwandtschaftsverhältnisse  gründete. 

Daß  Gleichungen  nur  in  zwei  Sprachen  vorliegen,  kann 
darauf  beruhen,  erstens  daß  alle  andern  Sprachen  das  betreffende 
Wort  verloren  haben.  Anderseits  werden  in  allen  Sprachperioden 
neue  Wörter  gebildet,  und,  wenn  zwei  Sprachen  eine  längere  Zeit 
gemeinsam  durchlebt  haben,  muß  sich  dies  in  ihrem  Wortschatz 
zeigen.  Da  wir  aber  dies  nur  für  wenige  Sprachen  annehmen, 
so  kann  uns  das  nicht  viel  nützen.  Drittens  aber  sind  Worte 
oftmals  nur  über  einen  Teil  des  Sprachgebietes  verbreitet,  und  sie 
konnten  sich  dann  eben  nur  in  den  Sprachen  erhalten,  die  diesem 
alten  Gebiet  angehören.  Das  ist  der  Sinn,  den  Joh.  Schmidt  mit 
den  partiellen  Gleichungen  verbindet  Ob  sich  Schmidts  Ansicht 
für  die  Kulturgeschichte  verwerten  läßt,  ist  eine  besondere  Frage. 

Schrader  kommt  Sprach v.  134  auf  etwas  zu  sprechen,  das 
hierher  gehört,  und  verweist  auf  die  Ausführungen  in  Kretschmers 
Einleitung.  Kretschmer  S.  10  hat  darauf  Gewicht  gelegt,  daß  wir 


Untersnchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde.  89 

riel&ch  nicht  so  einem  einheitlichen  Wortschatz  der  indogermani- 
schen Orondsprache  durchdringen  können^  weil  wir  für  einen 
Begriff  mehrere  Gleichungen  finden.  Er  gibt  als  Beispiel  die 
Terschiedenen  Zahlworte  für  *eins*: 

ai.  ihor 

altpers.  otmi,  aw.  omr-,  griech.  oIFoc  'allein',  also  in  der 
Bedeutung  abweichend. 

griech.  oiWi,  1.  oiiu»,  altir.  oen^  got  oins,  lit  vinas^  abg.  ini\ 
ai.  €na^  das  vielleicht  verwandt  ist,  bedeutet  jedenfalls  *er'. 

griech.  elc,  äTTa£,  ai.  sakfi  'einmal',  L  semd,  singuli,  rimplex. 

Kretschmer  meint  dazu  S.  12 :  'In  der  Zeit,  als  sich  das 
Bedürfnis  nach  einer  Bezeichnung  der  Einzahl  geltend  machte, 
wurden  dafür  Wörter  von  der  Bedeutung  'allein',  'zusammen', 
'gleich'  oder  ähnlichen  verwendet  und  zwar  setzten  sich  in  den 
einzelnen  Teilen  des  idg.  Gebietes  verschiedene  Ausdrücke  fest". 
Der  Fall,  den  Kretschmer  erörtert  hat,  steht  nicht  vereinzelt 
da,  es  lassen  sich  hunderte  von  Beispielen  zusammenbringen^ 
wo  eine  sprachliche  Gleichung  nur  in  einzelnen  Sprachen  vor- 
handen ist,  während  in  einem  andern  Gebiet  ein  anderes  Wort 
herrscht  Wie  sollen  wir  das  erklären?  Die  Annahme  dialek- 
tischer Verschiedenheit,  wie  sie  Kretschmer  vorschlägt,  ist  na- 
türlich möglich,  sie  wird  dadurch  nahe  gelegt,  daß  noch  heute 
in  nahe  verwandten  Mundarten  verschiedene  Bezeichnungen  der- 
selben Begriffe  bestehen.  Die  Annahme  ist  also  möglich,  aber  sie 
ist  nicht  die  einzige  und  sie  ist  auch  nicht  recht  wahrscheinlich. 

Schrader  hat  in  seinem  Beallexikon  die  Grundsätze  auf- 
gestellt, in  wie  vielen  Sprachen  und  in  welchen  ein  Wort  vor- 
handen sein  mufi,  um  es  für  indogermanisch  zu  erklären,  s.  o. 
S.  57.  Nach  diesen  Grundsätzen  müßte  er  die  drei  letzten  Worte 
für 'indogermanisch  erklären,  und  es  wird  auch  keiner  daran 
zweifeln,  daß  *(riuH)^  *<rino  und  *sem  bis  in  die  Urzeit  zurück- 
gehen. Aber  sie  haben  gewiß  nicht  ein  und  dieselbe  Bedeutung 
gehabt  Ein  Wort  für  •eins*  muß  natürlich  vorhanden  gewesen 
sein,  denn  erstlich  kennen  wohl  alle  Völker  ein  Wort  dafür, 
und  zweitens  wird  man  oft  genug  gezählt  haben  1,  2,  21,  22. 
Insofern  ist  Kretschmers  Satz :  "Als  sich  das  Bedürfnis  einstellte, 
die  Eins  zu  bezeichnen",  sehr  anfechtbar.  Dieses  Bedürfnis  ist 
gewiß  sehr  viel  älter,  als  die  Zeit,  in  die  wir  vordringen  können. 
Daß  mehrere  Worte  für  'eins'  bestanden  haben,  ist  nicht  glaublich, 
weil  der  Sprache  der  Luxus  fremd  ist   Hier  kommt  nun  eüi 


d4   H.  Hirt,  Untersuchungen  zur  indogermanischen  Altertumskunde. 

nicht  mehr  hervorhob.  Ich  möchte  hierfür  noch  ein  Beispiel  an- 
führen. Für  uns  Stadtleute  ist  es  von  Bedeutung,  ob  es  regnet 
oder  nicht  regnet,  ob  man  also  einen  Schirm  braucht  oder  nicht 
Ganz  anders  ist  es  auf  dem  Lande,  da  macht  man  eine  Fülle 
von  Unterschieden.  J.  H.  Campe  sagt  in  seinem  Wörterbuch  zur 
Erklärung  und  Verdeutschung  der  fremden  Ausdrücke,  Braun- 
schweig 1813  S.  57 :  "Für  die  verschiedenen  Abstufungen  des 
schwachem  oder  starkem,  des  feinem  oder  grobem  Regens,  kann 
ich,  nach  einem  kurzen  Besinnen,  acht  niederdeutsche  Stufen- 
wörter aus  dem  Gedächtnisse  angeben ;  sehr  möglich,  oder  viel- 
mehr sehr  wahrscheinlich,  daß  es  deren  noch  eine  größere  Anzahl 
gibt  Es  sind:  1)  es  mistet,  von  dem  feinsten  Staubregen;  2)  es 
schmuddert,  d.L:  es  regnet  ein  wenig  und  fein ;  3)  es  stippert, 
d.  i.  es  fallen  einzelne  und  zwar  gleichfalls  feine  Begentropfen,  die 
aber  doch  schon  etwas  größer  als  bei  dem  Misten  und  Schmuddem 
gedacht  werden;  4)  es  regnet;  5)  es  pladdert,  d.i.  es  regnet 
stark  und  laut;  6)  es  guddert,  wodurch  das  Geräusch  des  bei 
einem  sehr  starken  Hegen  von  den  Dächern  herabströmenden 
Wassers  ausgedrückt  wird;  7)  es  gießt,  und  8)  es  gießt  mit 
Mollen,  für  den  stärksten  Grad  des  Platzregens". 

Campe  gibt  auch  noch  anderes  Material,  das  hierher  ge- 
hört So  hat  das  Ndd.  einen  besonderen  Ausdmck  für  •schnell 
laufen',  nämlich  Meppen^  wovon  Klepper.  "Ebenso  hat  er  nicht 
bloß  für  den  Begriff  des  starkem  Eilens  hasten^  sondern  auch 
für  den  höchsten  Grad  desselben,  welcher  mit  Verwirrung  und 
Unordnung  verbunden  zu  sein  pflegt,  das  sehr  ausdrucksvolle 
Wort  hasterbastem".  Schließlich  gibt  es  ja  auch  für  das  Wehen 
des  Windes,  vom  sanften  Wehen  bis  zum  Sturm  eine  Fülle  von 
abstufenden  Bezeichnungen. 

Wir  wollen  aber  auf  den  Regen  zurückkommen.  Schrader 
sagt :  "Eine  indogermanische  Bezeichnung  liierfür  liegt  in  ai.  varM-^ 
ir.  frass^  griech.  Ipct]  (letzteres  *Tau').  Sonst  gehen  die  Namen 
auseinander".  Sicher  ist  also  das,  was  wir  für  die  indogermanische 
Gmndsprache  erschließen  können,  außerordentlich  dürftig,  und 
es  ist  wohl  ganz  sicher,  daß  die  Indogermanen  über  eine  Fülle 
von  Ausdrücken  verfügt  haben.  So  bedeutet  lit  lytüs  eigentlich 
den  *Guß',  lat  pluä  zu  ahd.  fliozzan  vielleicht  etwas  ähnliches, 
und  deutsch  regen  wird  wieder  eine  besondere  Art  des  Regens 
bezeichnet  haben. 

Für  Nebel  haben  wir  auch  zwei  Ausdrücke  griech.  Ö)li(xXiI) 


Chr.  Bartholomae,  Zu  d.  arischen  Wörtern  f.  *der  erste'  u.  'der  zweite*.   95 

abg.  tmgUij  und  lat  ndnda^  d.  nebd  (letzteren  Ausdruck  vergifit 
Schrader  merkwürdigerweise),  und  auch  hier  werden  ursprüng- 
lich Terschiedene  Bedeutungen  anzunehmen  sein. 

Ich  denke,  es  ist  nun  klar,  daß  die  partiellen  Gleichungen 
keineswegs  mit  Notwendigkeit  oder  auch  mit  Wahrscheinlichkeit 
auf  dialektiscbeVerschiedenheiten  innerhalb  der  indogermanischen 
Grundsprache  hinweisen,  sondern  daß  sie  ebenso  gut  gedeutet 
werden  können,  wenn  wir  annehmen,  daß  eine  Fülle  besonderer 
Unterscheidungen  bestand,  die  die  Sprachen  im  Verlauf  der  hohem 
Kulturentwicklung  nicht  beibehielten.  Wenn  also  Schrader  9 
Gleichungen  anführt,  die  eine  andere  Bewegung  als  das  Gehen 
ausdrücken,  so  wird  jede  dieser  Gleichungen  eine  besondere 
Nuance  ausgedrückt  haben.  Man  bedenke,  wie  viel  verschiedene 
Ausdrücke  wir  noch  haben:  schleichen  (langsam  gehen),  schlendem 
gehen^  schreiten,  irippdn,  stolzieren,  marschieren,  springen,  laufen, 
eüen,  hasten,  hasterbastem,  hüpfen,  stürmen,  rennen,  rasen,  und  wir 
tanzen  nicht  nur,  sondern  wir  walzen,  wir  galoppieren,  die 
jungen  Mädchen  hüpfen  wie  die  Lämmer,  er  tanzt  wie  ein 
Bär,  wir  schwofen,  wir  drehen  uns  u.  a. 

Diesen  zweifellos  wichtigen  Gesichtspunkt  kennt  nun  Schrader 
gar  nicht,  obgleich  er  längst  bekannt  war,  und  es  ist  deshalb  seine 
ganze  Betrachtung  der  sprachlichen  Tatsachen  nicht  zutreffend. 
Die  Betrachtungsweise  der  altem  Forschung,  die  einfach  die  sprach- 
lichen Tatsachen  an  einander  reihte,  ist  im  Gmnde  viel  besser, 
weil  sie  eben  den  sprachlichen  Tatsachen  keine  Gewalt  antat 
[Fortsetzung  folgt.] 
.       Leipzig-Gohüs.  H.  Hirt 


i 


Za  den  arischen  Woriiem  fttr  *der  erste'  and  *der  zweite'. 

A.  primus  und  prior  im  Arischen. 

1.  Ob  die  altarischen  Dialekte  die  Begriffe  'der  erste'  von 
mehreren  und  'der  erste'  von  zweien  durch  dieselben  sprach- 
lichen Mittel  zum  Ausdruck  gebracht  haben  oder  durch  ver- 
schiedene wie  das  Lateinische  durch  primus  und  prior,  darüber 
geben  unsre  Granmiatiken,  soweit  ich  sehe,  keine  Auskunft  In 
der  Tat  hat  eine  solche  Unterscheidung  bestanden,  und  es  sind 
zur  Darstellung  der  beiden  Begriffe  je  mehrere  Wörter  gebraucht 


86  H.  Hirt, 

Vaterbruder  für  Onkel  allgemein  gebraucht,  aber  auch  umgekehrt 
Und  daß  die  Ausdrücke  *svekuras  *9vekrü  gesiegt  haben,  ist 
schließlich  nicht  wunderbar,  da  ja  die  Frau  in  das  Haus  des 
Mannes  eintritt.  Ich  habe  früher  an  die  Schrader-Delbrückschen 
Schlußfolgerungen  geglaubt,  aber  wie  man  sieht,  mit  Unrecht 
Wundt  hat  in  seinen  kritischen  Bemerkungen  ganz  recht 

So  erweist  sich  also  auch  dieser  Punkt,  den  Schrader  für 
den  festesten  hielt,  als  unhaltbar.  Die  agnatische  Struktur  der 
indogerm.  Familie  folgt  nicht  aus  der  Sprache,  sondern  höchstens 
aus  der  Übereinstimmung  der  Sitten  in  den  ältesten  historischen 
Zeiten. 

Aber  in  diesen  zeigt  sich  eine  streng  agnatische  Ordnimg 
doch  nur  in  sehr  modifiziertem  Sinne. 

E.  Götter-  und  Personennamen. 

Bei  diesem  Punkte  brauche  ich  mich  nicht  lange  aufzu- 
halten. Wer  den  Ausführungen  Useners  in  seinen  Oöttemamen 
aufmerksam  gefolgt  ist,  dem  wird  der  Grund,  weshalb  wir  ver- 
hältnismäßig wenig  vergleichbare  Göttemamen  nachweisen  können, 
ganz  klar  sein.  Es  gab  eben  zahlreiche  göttliche  Gestalten  und 
dementsprechend  zahlreiche  verschiedene  Ausdrücke,  und  von 
diesen  sind  in  der  einen  Sprache  die,  in  der  andern  die  übrig 
geblieben.  Im  übrigen  sind  auch  die  Gleichungen  bei  weitem 
nicht  so  gering,  als  es  Schrader  hinstellt 

F.  Sonstiges. 

RL.  S.  847  zeigt  Schrader,  daß  die  Ausdrücke,  die  in  ein- 
zelnen Sprachen  Tanzen'  bedeuten,  in  andern  eine  rasche  Be- 
wegung ausdrücken.  Eine  solche  Bedeutungsveränderung  können 
wir  ja  noch  heute  beobachten,  man  denke  an  unser  Mrehen, 
walzen'  u.  v.  a.  Wenn  wir  also  Gleichungen  haben  wie  ai.  f- 
ghäyati  *tobt,  bebt',  griech.  öpx^o^ai  'tanze*,  lit  zäras  *eine  be- 
stimmte Art  des  Gehens',  griech.  xop^c  *Chortanz,  Reigen'  u.  a., 
so  folgt  für  jeden  auch  nur  einigermaßen  in  der  Geschichte  der 
Wörter  Bewanderten,  daß  hier  Bedeutungsübergänge  allergewöhn- 
lichster  Art  stattgefunden  haben.  Da  sich  aber  nicht  dasselbe 
Wort  in  mehreren  Sprachen  in  der  Bedeutung  *tanzen*  nach- 
weisen läßt,  so  schließt  Schrader  schnell  aus  dem  Negativen 
folgendes :  "Was  man  aus  diesen  Tatsachen  wird  schließen  dürfen, 
ist,  daß  man  in  der  Urzeit  noch  kein  Bedürfnis  empfunden 


Unteranchiiiigen  zur  indogennanischen  Ältertmnskimde.  87 

!  haben  kann,  den  Begriff  der  feierlichen  oder  leidenschaftlichen 
Bewegung  von  dem  des  Tanzes  sprachlich  zu  unterscheiden, 
wohl  aus  dem  einfachen  Orund,  weil  man  den  die  Lokomotions- 
bewegnngen  zu  Tanzbewegungen  erhebenden  Rhythmus,  der 
sich  aus  gewissen  Arten  der  ersteren  mit  Notwendigkeit  ergibt, 
noch  nicht  als  etwas  besonderes  anzusehen  gelernt  hatte".  Ich 
konnte  diese  Worte  überhaupt  erst  gar  nicht  verstehen,  und 
mußte  erst  die  von  Schrader  zitierten  Ausführungen  von  Große 
Anfänge  der  Kunst  S.  213  nachschlagen,  um  zu  erkennen,  was 
der  Verf.  gemeint  haben  könnte.  Er  fährt  dann  weiter  fort: 
Tatsächlich  müssen  auch  auf  dem  Gebiet  der  Einzelsprachen 
dieselben  Ausdrücke  noch  lange  das  Gehen,  Hüpfen,  Springen 
und  Tanzen  bezeichnet  haben".  Ich  kann  dem  Verfasser  ver- 
raten, daß  diese  Sache  heute  noch  nicht  auj^hört  hat  *Hüpfen' 
und  *Springen'  werden  noch  heute  im  Sinne  von  Tanzen  ge- 
braucht. Vielleicht  folgt  daraus,  daß  wir  heute  "hüpfen,  springen 
und  tanzen*  noch  nicht  unterscheiden.  "Wie  könnte  sonst  auf 
römischem  Gebiet",  ruft  der  Verfasser  emphatisch,  **der  Name 
der  altehrwürdigen  Salier,  die  doch  sicher  rhythmisch  hüpften 
von  salio  und  nicht  von  saUo  abgeleitet  sein?"  Ja,  wie  könnte 
sonst?  daß  der  Name  älter  sein  kann,  als  das  Aufkommen  des 
Verbums  aaUare^  daß  sdlio  ursprünglich  *tanzen'  bedeutet  haben 
kann  und  erst  später  zu  der  Bedeutung  'springen'  kam,  diese 
Möglichkeiten  und  andere  fallen  dem  Verf.  nicht  ein. 

Alles  in  allem  halte  ich  den  ganzen  Abschnitt  für  voll- 
ständig verfehlt,  er  zeigt  nur,  daß  sich  der  Verf.  niemals  ein- 
gehender und  genauer  mit  der  Bedeutungsgeschichte  einzelner 
Worte  beschäftigt  hat. 

Genau  dieselben  Schlüsse  finden  wir  nun  unter  'Dichtkunst 
und  Dichter'  gezogen  (S.  129):  '"So  deutlich  der  Begriff  des  ge- 
sprochenen Wortes  in  idg.  Gleichungen  wie  ai.  vdcas^  griech. 
?Troc,  lat  verbum^  got  uxiiird  hervortritt,  umso  weniger  ausgebildet 
muß  die  Terminologie  des  Gesanges  in  der  idg.  Grundsprache  ge- 
wesen sein",  und  weshalb?  "Die  Bezeichnungen  der  Einzelsprachen 
für  'Gesang'  sind  fast  ausschließlich  aus  Wörtern  hervorgegangen, 
welche  ursprünglich  verschiedene  Arten  des  Sprechens  oder 
Schreiens  ausdrücken".  Das  schließt  Schrader  daraus,  daß  der- 
selbe Stamm  in  der  einen  Sprache  'singen',  in  der  andern  'schreien, 
sprechen'  bedeutet.  Daß  die  Bedeutung  'sprechen,  schreien'  ur- 
sprünglich ist,  liegt  in  den  Tatsachen  absolut  nicht  darin,  und  es 


M   H.  Hirt,  Untenachuni^  zur  indogermanischen  Ältertumskande. 

nicht  mehr  hervorhob.  Ich  möchte  hierfür  noch  ein  Beispiel  an- 
führen. Für  uns  Stadtleute  ist  es  von  Bedeutung,  ob  es  regnet 
oder  nicht  regnet,  ob  man  also  einen  Schirm  braucht  oder  nicht 
Oanz  anders  ist  es  auf  dem  Lande,  da  macht  man  eine  Fülle 
von  Unterschieden.  J.  H.  Campe  sagt  in  seinem  Wörterbuch  zur 
Erklärung  und  Verdeutschung  der  fremden  Ausdrücke,  Braun- 
schweig 1813  S.  57 :  *Tür  die  verschiedenen  Abstufungen  des 
schwachem  oder  starkem,  des  feinem  oder  grobem  Regens,  kann 
ich,  nach  einem  kurzen  Besinnen,  acht  niederdeutsche  Stufen- 
wörter aus  dem  Gedächtnisse  angeben ;  sehr  möglich,  oder  viel- 
mehr sehr  wahrscheinlich,  daß  es  deren  noch  eine  größere  Anzahl 
gibt  Es  sind:  1)  es  mistet,  von  dem  feinsten  Staubregen;  2)  es 
schmuddert,  d.i.:  es  regnet  ein  wenig  und  fein ;  3)  es  stippert, 
d.  i.  es  fallen  einzelne  und  zwar  gleichfalls  feine  Regentropfen,  die 
aber  doch  schon  etwas  größer  als  bei  dem  Misten  und  Schmuddem 
gedacht  werden;  4)  es  regnet;  5)  es  pladdert,  d.i.  es  regnet 
stark  und  laut;  6)  es  guddert,  wodurch  das  Geräusch  des  bei 
einem  sehr  starken  Regen  von  den  Dächern  herabströmenden 
Wassers  ausgedrückt  wird;  7)  es  gießt,  und  8)  es  gießt  mit 
Mollen,  für  den  stärksten  Grad  des  Platzregens". 

Campe  gibt  auch  noch  anderes  Material,  das  hierher  ge- 
hört So  hat  das  Ndd.  einen  besonderen  Ausdmck  für  'schnell 
laufen',  nämlich  Ideppen^  wovon  Klepper.  **Ebenso  hat  er  nicht 
bloß  für  den  Begriff  des  starkem  Eilens  hasten^  sondern  auch 
für  den  höchsten  Grad  desselben,  welcher  mit  Verwirrung  und 
Unordnung  verbunden  zu  sein  pflegt,  das  sehr  ausdrucfasvolle 
Wort  hasterbastem".  Schließlich  gibt  es  ja  auch  für  das  Wehen 
des  Windes,  vom  sanften  Wehen  bis  zum  Sturm  eine  Fülle  von 
abstufenden  Bezeichnungen. 

Wir  wollen  aber  auf  den  Regen  zurückkommen.  Schrader 
sagt :  "Eine  indogermanische  Bezeichnung  hierfür  liegt  in  ai.  «arfrf-, 
ir.  frase^  griech.  Jpcn  (letzteres  *Tau').  Sonst  gehen  die  Namen 
auseinander".  Sicher  ist  also  das,  was  wir  für  die  indogermanische 
Gmndsprache  erschließen  können,  außerordentlich  dürftig,  und 
es  ist  wohl  ganz  sicher,  daß  die  Indogermanen  über  eine  Fülle 
von  Ausdrücken  verfügt  haben.  So  bedeutet  lit  lytüs  eigentlich 
den  *Guß',  lat  pluit  zu  ahd.  fliozzan  vielleicht  etwas  ähnliches, 
und  deutsch  regen  wird  wieder  eine  besondere  Art  des  Regens 
bezeichnet  haben. 

Für  Nebel  haben  wir  auch  zwei  Ausdrücke  griech.  ö^CxXn, 


; 


Chr.  Bartholomae,  Za  d.  arischen  Wörtern  f.  *der  erste*  a.  *der  zweite*.   95 

abg.  mtgk^  und  lat  nebula^  d.  n^M  (letzteren  Ausdruck  vergißt 
Schrader  merkwürdigerweise),  und  auch  hier  werden  ursprüng- 
lich verschiedene  Bedeutungen  anzunehmen  sein. 

Ich  denke,  es  ist  nun  klar,  daß  die  partiellen  Gleichungen 
keineswegs  mit  Notwendigkeit  oder  auch  mit  Wahrscheinlichkeit 
auf  dialektische  Verschiedenheiten  innerhalb  deriadogermanischen 
Grundsprache  hinweisen,  sondern  daß  sie  ebenso  gut  gedeutet 
werden  können,  wenn  wir  annehmen,  daß  eine  Fülle  besonderer 
Unterscheidungen  bestand,  die  die  Sprachen  im  Verlauf  der  hohem 
Kulturentwicklung  nicht  beibehielten.  Wenn  also  Schrader  9 
Gleichungen  anführt,  die  eine  andere  Bewegung  als  das  Gehen 
ausdrücken,  so  wird  jede  dieser  Gleichungen  eine  besondere 
Nuance  ausgedrückt  haben.  Man  bedenke,  wie  viel  verschiedene 
Ausdrücke  wir  noch  haben:  schleichen  (langsam  gehen),  schlendem 
gehen^  schreiten^  trippeln,  stolzieren,  marschieren,  springen,  laufen, 
eäen,  hasten,  hasterhastem,  hiipfen,  stürmen,  rennen,  rasen,  und  wir 
tanzen  nicht  nur,  sondern  wir  walzen,  wir  galoppieren,  die 
jungen  Mädchen  hüpfen  wie  die  Lämmer,  er  tanzt  wie  ein 
Bär,  wir  schwofen,  wir  drehen  uns  u.  a. 

Diesen  zweifellos  wichtigen  Gesichtspunkt  kennt  nun  Schrader 
gar  nicht,  obgleich  er  längst  bekannt  war,  und  es  ist  deshalb  seine 
ganze  Betrachtung  der  sprachlichen  Tatsachen  nicht  zutreffend. 
Die  Betrachtungsweise  der  altem  Forschung,  die  einfach  die  sprach- 
lichen Tatsachen  an  einander  reihte,  ist  im  Grunde  viel  besser, 
weil  sie  eben  den  sprachlichen  Tatsachen  keine  Gewalt  antat 
[Fortsetzung  folgt.] 

Leipzig-Gohlis.  H.  Hirt 


Zu  den  ariseheii  Wörtern  fOr  Mer  erste'  nnd  'der  zweite'. 

A.  primus  und  prior  im  Arischen. 

1.  Ob  die  altarischen  Dialekte  die  Begriffe  *der  erste'  von 
mehreren  und  Mer  erste'  von  zweien  durch  dieselben  sprach- 
lidien  Mittel  zum  Ausdruck  gebracht  haben  oder  durch  ver- 
schiedene wie  das  Lateinische  durch  primus  und  prior,  darüber 
geben  unsre  Grammatiken,  soweit  ich  sehe,  keine  Auskunft.  In 
der  Tat  hat  eine  solche  Unterscheidung  bestanden,  und  es  sind 
zur  Darstellung  der  beiden  Begriffe  je  mehrere  Wörter  gebraucht 


96  .  Chr.  Bartholomae, 

worden.  Diejenigen  unter  ihnen,  die  man  mit  Orund  der  arischen 
Sprachperiode  zuweisen  darf,  sind  untereinander  etymologisch 
in  ähnlicher  Weise  verwandt,  wie  die  lateinischen  Wörter  prior 
und  primtis^  und  zugleich  auch  mit  diesen  selbst 

L  AI  prathamd-^  Awest  frat$ma-  (usw.)  *primus'. 

2.  Als  erste  Ordinalzahl  wird  in  den  altindischen  Gram- 
matiken prathamd'^  in  den  awestischen  frat9mch  aufführt  Die 
Wörter  treffen  lautlich  nicht  genau  zusammen;  das  erstere  setzt 
eine  arische  Wortform  mit  tt,  das  letztere  eine  solche  mit  t 
voraus.  Zu  ai.  praihamdh  stimmen  pa.  pathamo  und  prakr.  pa- 
dhamo,  anderseits  zum  j Awest  fratmnö  apers.  fratamä  (Nom. 
Plur.),  buchpahl.  fratom  (Paz.  fradum)  und  turfanpahl.  fratam-in. 
Da  nun  im  Altindischen  neben  praihamdh  *primus'  das  Ad- 
verbium pratamdm  *inprimis'  bezeugt  ist,  so  glaubte  man  die 
lautliche  Verschiedenheit  so  erklären  zu  dürfen,  daß  man  von 
einer  arischen  Wortform  ^pratama-^  mit  t  ausgehend,  d.  i.  von 
einer  regelrechten  Superlativbildung  aus  idg.  *prOj  das  Auftreten 
der  Aspirata  in  den  indischen  Wörtern  auf  den  Einfluß  jener 
Ordinalien  zurückführte,  die  im  Arischen  auf  iha-  endigten, 
eine  Ausgangsform,  die  durch  ai.  caturthdk  *quartus',  pancatha^ 
*quintus',  ^a^thdk  *sextus',  saptdthah  *septimus*,  sowie  jAwest 
puxSö  (mit  xd  =  ar.  kth)  *quintus'  und  hapta^ö  *septimus*  ge- 
sichert ist  Das  so  gewonnene  ar.  ^pratama-  *primus*  konnte  als 
regelrechte  Superlativbildung  zum  Komparativ  *pmtora-  *prior* 
gelten,  der  sich  in  jAwest  fratar9m^  fraUirahe  usw.,  sowie  in 
den  ai.  Adverbien  pratardm^  pratardm  fortsetzt  und  im  griech. 
TTpoiepoc  sein  europäisches  Gegenstück  findet;  s.  unten  §  29.  Die 
Annahme,  die  uns  schon  bei  Bopp  begegnet  und  der  auch  ich 
mich  im  Handb.  d.  altiran.  Dial.  §  119  angeschlossen  habe,  wurde 
zuletzt  von  Thumb  Handb.  d.  Sanskrit  380  und  Brugmann  Grdr. 
d.  vgl.  Gramm.2  2,  227  vertreten. 

3.  Gegen  sie"  spricht,  daß  sich  jene  Zahlen  an  *der  erste* 
in  der  Keihenfolge  nicht  unmittelbar  anschließen.  Aber  der 
Grund  ist  nicht  ausschlaggebend.  Zwei  der  Zahlen,  *der  vierte' 
und  *der  siebente',  bilden  mit  *der  erste*  die  Anfänge  gleicher 
kleiner  Reihen.  Ihrem  Einfluß  die  angenommene  lautliche  Yer- 
änderung  zuzuschreiben,  steht  m.  E.  nichts  entgegen;  vgl.  dazu 
Bartholomae  Zum  AirWb.  69  f.  —  Den  umgekehrten  Weg  zur  Er- 
klärung jener  lautlichen  Verschiedenheit  schlägt  Wackemagel  ein, 


Zu  den  arischen  Wörtern  für  *der  erste*  und  'der  zweite*.         97 

der  Ai.  Gramm.  1,  121  schreibt:  "av.  frat9mch  *der  erste':  ved. 
fraihamdr  ...  hat  <  statt  vom  Superlativsuffix  tama-".  Eine 
nähere  Begründung  hat  er  seiner  Fassung,  die  an  sich  gerade 
so  gut  möglich  ist,  nicht  beig^eben^),  auch  der  entgegenstehenden 
älteren  keine  Erwähnung  getan.  Welche  von  den  beiden  Er- 
klärungen trifft  das  Richtige?  Auf  Grund  theoretischer  Erwä- 
gungen ist  der  Entscheid  darüber  nicht  zu  gewinnen. 

4.  Den  Hauptgrund  für  den  Ansatz  des  arischen  Worts 
mit  f,  nicht  th  bildet,  wie  schon  erwähnt  wurde,  die  Tatsache, 
daß  im  Altindischen  ein  Adverb  pratamdm  *inprimis'  überliefert 
ist  Es  besteht  aber  doch  auch  die  Möglichkeit,  darin  eine  mit 
dem  Ordinale  nur  ganz  weitläufig  verwandte  Bildung  zu  sehen, 
die  —  vielleicht  erst  recht  spät  —  auf  prd  aufgebaut  wurde 
wie  anutamdm  auf  dnu^  äiamäm  auf  ö,  atitamäm  auf  äti^  ent- 
weder nach  diesen  Vorbildern  oder  nach  irgend  einem  andern, 
das  in  der  Literatur  nicht  bezeugt  ist  Dabei  hat  man  in  An- 
schlag zu  bringen,  daß  keines  jener  Adverbien  auf  -tamdm  in 
der  älteren  vedischen  Literatur  vorkommt;  sie  gehören  der 
Brähmaoa-  oder  selbst  noch  jüngerer  Zeit  an;  dadurch  wird  die 
Wahrscheinlichkeit  des  besprochenen  Ansatzes  jedenfalls  nicht 
erhöht 

5.  Lassen  wir  nun  pratamdm  bei  Seite,  so  scheint  der 
Stoff  für  die  Feststellung  der  arischen  Wortgestalt  so  gelagert 
zu  sein,  daß  alle  indischen  Belege  für  th^  alle  iranischen  für  t 
einstehen.  Allein  die  oben  S.  96  gegebene  Wörterliste  ist  nicht 
ganz  vollständig. 

6.  Die  indischen  Wörter  allerdings  weisen  ohne  Ausnahme 
auf  ein  urind.  Wort  mit  /A,  und  zwar  auf  *praihama', 

Exkurs  1. 
Prakr.  pahila-;  carimor, 
a)  Ein  urind.  ^prathüa-^  das  Pisehel  Gramm.  d.Prakritsspr. 
319  zur  Erklärung  des  prakr.  und  neueren  pahila-  (usw.)  vor- 
auszusetzen scheint,  hat  es  m.  E.  nicht  gegeben.  Der  Aus- 
gang üa-  (ma-)  hat  doch  erst  innerhalb  der  mittelindisehen 
Sprachperiode   jene  Verwendung   erlangt,    die   Hemacandra 


1)  Wackernagel  zitiert  Burnouf  Komment.  508;  hier  steht:  *'.  .  .  le 
sanscrit,  oü  cependant  on  peut  d6coiivrir  quelques  traces  de  Temploi  d'un 
th  inorganique  pour  an  t  radical,  par  exemple  dans  prathama-  pour 
pratamo''', 

Indogermanifche  For8c2iiii]t^6i7  XXU,  *? 


98  Chr.  Bartholomae, 

2,  49  durch  sein  svärthe  ausdrückt;  s.  Pischel  a.  a.  0.  402  ft 
So  viel  ich  ^ehe,  können  zwei  Wege  zu  pahila-  geführt  haben. 
Erstlich :  dem  mind.  ^paihama-  *primus'  (pa.  pathama-^  prakr. 
pa(ihama-\  das  das  ai.  prathamd-  fortsetzt,  kann  ein  gleich- 
bedeutendes *pathila'  (prakr.  pahüa-)  deshalb  zur  Seite  ge- 
treten sein,  weil  neben  dem  synonymen  ^ädima-  (pa.  CLdima-\ 
der  Nachform  des  ai.  ädima-^  in  gleichem  Sinn  auch  ^ädüor 
(prakr.  ädüla'\  die  Erweiterung  aus  ai.  Mi-h  üblich  war;  s. 
auch  die  zur  gleichen  Bedeutungsgruppe  gehörigen  Paare 
prakr.  majjhiUa-  und  majjhama-^  majjhimch  *medius'  und  pa- 
cchäla-  und  pacchima-  'ultiraus',  die  die  Neuerung  unterstützt 
haben;  wegen  des  i  der  tma-Stämme  s. unter  b.  Sodann  zweitens: 
neben  dem  mind.  ^pathamäa-  *primus'  (prakr.  padhamäla'\  der 
Fortbildung  aus  ^paihama-^  konnte  *pathila'  (prakr.  pahila-) 
aufkommen,  weil  neben  dem  bedeutungsverwandten  majjhi- 
miUa"  *medius',  das  auf  ai.  madhyamä-  aufgebaut  ist,  im  selben 
Sinn  auch  majjhiUa-  gebraucht  wurde,  das  auf  ai.  tnddhya- 
fußt.  Natüriich  schließt  der  eine  Weg  den  andern  nicht  aus; 
sie  treffen  sich  am  gemeinsamen  Ziel. 

b)  Über  die  Herkunft  des  i  von  prakr.  carima-  *ultimus' 
und  anderen  Wörtern  ähnlicher  Bedeutung  haben  Pischel 
KZ.  34,  570,  Gramm,  d.  Prakritspr.  85  und  Jacobi  KZ.  35,  572 
verschiedene  Ansichten  aufgestellt.  Nach  Pischel  wäre  das 
prakr.  i  lautgesetzlich  aus  sanskr.  a  hen^orgegangen,  weil  die 
folgende  Silbe  den  Hauptton  hatte.  Jacobi  sieht  das  i  in 
pacchima-  für  alt  an,  da  das  Wort  schon  im  ai.  paäcimd-  lautet, 
und  führt  das  i  der  begriffsverwandten  Stämme  mit  ima'  auf 
den  Einfluß  dieses  Worts  zurück.  Dabei  macht  er  gegen 
Pischel  geltend,  daß  die  Ordinalien  5.,  7.,  8.,  9.,  10.,  (ai.  pan- 
camd'^  saptamd'j  a^taynd'^  navamd-^  daiamd-)  immer  auf  ama-^ 
nicht  auf  ima-  ausgehen  (prakr.  pancama-^  sattama-^  afthama-^ 
ftavama-^  dasama-)^  trotz. der  Endbetonung.  Diesem  Einwand 
sucht  Pischel  Gramm,  d.  Prakritspr.  87  dadurch  zu  begegnen 
daß  er  auf  den  vei-schiedenen  etymologischen  Wert  des  sans- 
kritischen a  in  madhyama-^  utiama-  (prakr.  tdtima-)  usw.  und 
in  jenen  Ordinalien  verweist.  Dort  liege  ein  alter  a- Vokal 
zugrunde,  hier  dagegen  ein  *aus  an  entstandenes  a*;  ein 
solches  gehe  nie  in  i  über:  "Dies  hat  Jacobi  nicht  erkannt" 
Die  Möglichkeit  einer  solch  verschiedenen  Gestaltung  je  nach 
dem   etymologischen   Wert  gestehe   ich    ohne  Rückhalt   zu. 


Za  den  arischen  Wörtern  für  'der  erste'  und  *der  zweite'.         99 

Aber  die  Voraussetzung  dabei  ist  doch,  daß  mit  der  ety- 
mologischen Verschiedenheit  auch  eine  lautliche  Hand  in  Hand 
ging,  für  den  vorliegenden  Fall  also,  daß  die  Folgelaute  der 
kurzen  a- Vokale  der  Ursprache  und  des  sonantischen  Nasals 
—  oder  wie  man  sonst  die  fragliche  Erscheinung  nennen 
mag  —  sich  voneinander  abhoben,  noch  zu  der  Zeit,  als  die 
von  Fischöl  angenommene  Entwicklung  einsetzte. 

c)  Erachtet  Fischöl  diese  Voraussetzung  für  gegeben? 
Ich  verweise  dazu  auf  meine  Ausfühnmgen  in  IF.  7,  82 ff., 
wo  ich  mich  auch  gegen  die  Annahme  gewendet  habe,  daß 
noch  im  U rindischen  die  lirsprachlichen  Sonanten  a,  e,  o  und 
^,  ifl  lautlich  getrennt  gewesen  seien.  Ich  sehe  einstweilen 
keine  Veranlassung,  meine  Ansicht  zu  ändern.  Gerade  ja  das 
ai.  pancamdh  *der  fünfte'  läßt  sich  mit  als  Beweis  für  den 
Zusammenfall  jener  Laute  anführen.  Die  ältere  Bildungsweise 
des  Ordinales  wird  durch  jAy^est  ptixSö,  ahd.  funfto,  lat.  qufnttis 
und  griech.  Tre^irroc  usw.  vertreten,  pancamdh  ist  sicher  eine 
Neubildung  nach  da^mdh  =  lat  decimm.  Das  setzt  aber  doch 
voraus,  daß  die  Fünfzahl  und  die  Zehnzahl  den  nämlichen 
Ausgang  bekommen  hatten,  oder,  anders  ausgedrückt,  daß 
idg.  e  (der  Ausgang  der  Fünfzahl :  lat  quinque)  und  idg.  ip 
(der  Ausgang  der  Zehnzahl :  lat  decem^  got  taihun)  zusammen- 
gefallen waren.  Dieser  Zusammenfall  ist  eine  Besonderheit  der 
arischen  Dialekte,  daher  auch  nur  sie  jene  Neubildung  aufweisen. 

d)  Der  von  Jacobi  aufgezeigte  Weg  zur  Erklärung  des 
i  in  prakr.  tUtima-^  carima-,  majjhima-  scheint  mir  durchaus 
gangbar.  Ich  möchte  nur  hinzufügen,  daß  dabei  als  Muster 
doch  nicht  allein  das  ai.  paädmd-  (pa.  pacchima-)  in  Betracht 
kommt,  sondern  auch  noch  die  ebenfalls  begriffsverwandten 
Wörter  agrima-^  antima-  und  auch  ädima-  (pa.  aggima-^  antima-^ 
adima-).  Das  erste  darunter,  agrimd-  neben  dgra-  ist  bereits 
im  Rigveda  bezeugt  Sollen  wir  das  Wort  für  prakritisch  an- 
sehen? Das  dürfte  sich  schwer  rechtfertigen  lassen.  Eine 
Vermutung  über  die  Herkunft  des  i  darin  bei  Bezzenberger 
FEPAI  174  Note,  wo  agrimd-  nach  Fick  BB.  16,  170  mit 
griech.  ößpi^oc  gleichgesetzt  wird.  Von  weiteren  raurabe- 
zeichnenden  Adjektiven  auf  ima-  führe  ich  noch  an  pa.  |)ä- 
rima-^  purima-  und  uparima-.  Das  letzte,  zu  tipari  'oben* 
gehörig,  hat  sicher  seit  seiner  Schaffung  nie  einen  andern 
Vokal  als  i  vor  dem  m  gehabt 


100  Chr.  Bartholomae, 

e)  Das  einzige  nicht  raumbezeichnende  Adjektiv  auf 
ima-:  prakr.  kaima-  'welcher  (von  mehreren)?*  neben  A:a(2ama-, 
pa.  kaUxma'^  ai.  hatamd-  hat  nach  Jacobi  sein  i  durch  Anschluß  an 
fe»,  pa.  farti,  ai.  kdU  Vie  viele?*  erhalten.  Ich  erachte  diese 
Trennung  nicht  für  notwendig  und  nicht  für  richtig.  Es  ist 
ja  klar,  daß  es  sich  bei  der  Frage  'welcher  (ist  es)?*  häufig 
um  den  vordersten  (obersten),  mittelsten,  hintersten  einer  Reihe 
handelt  Wenn  aber  der  Fragende  die  Wörter  dafür  im  Kopf 
hat,  so  kann  er  auch  leicht  dazu  gelangen,  das  Wort,  mit 
dem  er  fragt,  jenen  Wörtern  anzugleichen,  deren  eines  er  als 
Antwort  auf  seine  Frage  erwartet 

f)  Bei  Jacobis  EAlärung  versteht  man  es  auch  leichter 
als  bei  der  Fischöls,  weshalb  das  hi,  praüiamd'  durch  prakr. 
padhamor  vertreten  ist,  und  nicht,  wie  es  doch  Fischöls  Ge- 
setz entsprechend  der  Betonung  verlangte,  durch  *pa4hima'. 
Fischöl  gibt  für  die  Ausnahme  von  seiner  Regel  keine  be- 
sondere Erläuterung.  In  der  Tat  bildet  aber  pcufhama-  keine 
Ausnahme.  Es  war  ja  auch  in  gewissem  Maß  dem  Einfluß 
der  raumbezeichnenden  Adjektiva  auf  urind.  tmo-  :  agrimd-^ 
jpa^md-  ausgesetzt,  aber  doch  nicht  in  gleichem  Maß,  wie  jene 
andern  raurabegrifflichen  Wörter.  Und  es  mußte  ihm  um  so 
weniger  unterliegen,  als  es  ja  an  den  andern  Ordinalien  auf 
amor  :  pancamch^  sattama-  usw.  kräftigste  Unterstützung  fand. 

Ergänzen  wir  jedoch  das  iranische  Wörterverzeichnis,  so 
stellt  sich  heraus,  daß  wir  für  die  iranischen  Wörter  mit  einem 
entsprechend  (s.  §  5)  angesetzten  uriran.  *fr(xtama-  nicht  aus- 
kommen. 

7.  In  engstem  Zusammenhang  mit  dem  apers.  fratama-^ 
das  überall  Mer  erste  an  Rang*  bedeutet,  steht,  wie  man  längst 
weiß,  buchpahl.  pahlom  (geschrieben  p  aa  m  m ;  s.  dazu  WZKM. 
21,  3),  femer  turfanpahl.  jjoArow,  wie  jedenfalls  bei  F.W.K.  Müller 
Handschriftenreste  78  herzustellen  ist.  Beide  sind  im  gleichen 
Sinn  gebraucht  wie  das  apers.  fratama-,  Ihre  gemeinsame  ira- 
nische Grundlage  ist  ^parx^^ama-  (Hübschmann  Fers.  Stud.  208). 
Und  das  nämliche  Wort  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch 
in  den  von  Dio  Cassius  (und  anderen)  überlieferten  Namen 
parthischor  Fürsten  enthalten :  TTapea^dcipic  und  TTapOaiiacTrdTTic  ^). 

1)  Eine  sonst  gleiche  Wortform,  aber  mit  t  statt  &  scheinen  die 
Lehnwörter  hebr.  partamim  (D^OrnD)  'die  Vornehmen'  und  arm.  p'ar- 


Za  den  arischen  Wortern  fär  *der  erste*  und  *der  zweite*.        101 

8.  Ton  den  neuiranlschen  Dialekten  sind  es  nur  zwei,  die 
für  den  B^riff  'primus*  noch  das  alte  Wort  gebrauchen  *).  Im 
Albanischen  lautet  es  vrumbai  und  im  Wachldialekt  der  Pamir- 
gruppe (PDw.)  pursam.  Ob  im  äff.  r  ©in  iranisches  t  oder  & 
aufgehoben  ist,  läßt  sich  nicht  feststellen;  denn  es  ergeben  alle 
arischen  dentalen  Verschlußlaute  mit  vorhergehendem  r  pnd  f 
das  nämliche  r;  s.  (Jeiger  Etym.  u.  Lautl.  des  Afghan.  45,  §  12, 
4.  Da  nun  das  anlautende  v  von  vj^umbai  auf  uriran.  f  weist, 
das  nur  vor  konsonantischem  r  aus  ar.  p  hervorgegangen  ist, 
so  muß  das  afr.  Wort  auf  einer  lautlichen  Verschweißung  der 
Nachformen  von  uriran.  fra9  und  par^  (oder  auch  pf>)  beruhen; 
s.  Bartholomae  Zum  AirWb.  53  No.  PDw.  pursam  scheint  mir 
nur  auf  ein  uriran.  ^pf^ama-  oder  allenfalls  *par9amar  zurück- 
geführt werden  zu  können.  Freilich  kann  ich  für  s  aus  ^  kein 
zweites  Beispiel  beibringen.  Aber  auch  kein  Gegenbeispiel  Und 
t  wäre  sicher  als  t  erhalten  geblieben. 

9.  Die  iranischen  Wörter  für  'der  erste*  setzen  also  für 
den  fraglichen  Konsonanten  zum  Teil  ein  uriran.  t^  zum  Teil 
ein  ^  voraus.  Nun  läßt  sich  ja  allerdings  fürs  Indische  die 
Annahme  vertreten,  daß  unter  dem  Einfluß  von  ca^t<rtA<i/b*quartus' 
und,  in  zweiter  Linie,  sapMihak  *septimus'  ein  ar.  ^pratama- 
durch  prathama-  ersetzt  worden  sei,  aber  fürs  Iranische  bleibt 
eine  gleichartige  Annahme  sehr  mißlich,  da  hier  ein  dem  ai. 
caturthdh  entsprechendes  Ordinale  nicht  nachzuweisen  ist;  was 
ich  im  Gdr.  Iran.  Phil.  1,  113  über  buchpahl.  tas<m  "quartus*  be- 
hauptet habe,  ist  falsch;  denn  daß  t  ddn  m  wirklich  so  zu  lesen, 
ist  jetzt  durch  das  Turfanpahlavi  durchaus  gesichert;  s.  Sale- 
mann  Man.  Studien  1,  128. 

Exkurs  2. 
Buchpahl.  tasom  und  apers.  ^^ 
a)  Salemann  Man.  Studien  1,  128  schreibt:  "Jetzt  glaube 
ich  auf  dem  rechten  Wege  zu  sein,  wenn  ich  das  anlautende 
t  als  Dissimilation  auffasse  und  die  Gleichung  aufstelle  tarn- : 


fam  'reich*  vorauszusetzen,  sofern  bei  diesem  Wort,  entgegen  der  Ansicht 
Hübschmanns  Arm.  Gramm.  1,  254f.,  die  Entlehnung,  bei  jenem  die  Punk- 
tierung für  sicher  gelten  darf. 

1)  Die  übrigen  Dialekte  brauchen  Wörter  von  ähnlicher  Bedeutung 
dafür  oder  aber  Neubildungen.  Eine  solche  ist  z.  B.  buchpahl.  evakom^ 
npers.  yahum\  es  liegt  ihr  das  Kardinaie  evak  =»  yak  zugrunde.  Zut  an^^Tti 


102  Chr.  Bajrtholomae, 

Awest  ca^ru'  =  ap.  Ä&fiy  :tis  .  . .,  denn  wenn  apers.  kaidiy 
zu  mpers.  kos  wurde,  mußte  diäciy  zunächst  als  Vis  erschei- 
nen, woraus  das  zu  erwartende  tis  (tis)  jetzt  sicher  belegt  ist 
Auch  in  TeicTinc ;  Öaiipü^  Ticca94pvnc  :  ci^^'afamah  könnte 
das  T  auf  dialektische  Aussprache  im  Iranischen  hinweisen". 
Ich  nehme  Salemanns  Erklärung  als  Grundlage  an,  weiche 
aber  im  Aufbau  von  ihm  ab.  Wie  Htibschmann  IF.  Anz.  10, 
29  bezweifle  ich  es,  daß  mpers.,  npers.  kos  'irgend  einer'  mit 
kaiciy  der  achämenidischen  Kanzleisprache  gleichgesetzt  werden 
darf.  Das  hätte  zu  *kaS  geführt*).  Ich  mache  dafür  buchpaliL 
und  turfanpahl.  diä  "irgend  etwas'  geltend,  —  s.  dazu  Bar- 
tholomae  Zum  AirWb.  61  Note  — ,  das  ja  auch  Salemann 
selber  im  Gdr.  Iran.  Phil.  1,  293  direkt  mit  dem  apers.  cüdiy 
zusanunenstellt.  Das  von  mir  IF.  1,  486  ff.  entwickelte  Gesetz 
über  die  Gestaltung  des  uriran.  -sd-  (-stS-)  zu  -Sc-  (-ätS)  — 
8.  auch  Gdr.  Iran.  Phil.  1,  165  —  braucht  ja  nicht  in  dem 
Dialektgebiet  giltig  gewesen  zu  sein,  aus  dem  das  npers.  kas 
stammt  Das  wird  auch  durch  turfanpahl.  cü  nicht  verlangt; 
es  ist  nicht  nötig,  für  dessen  i  ein  uriran.  -sc-  aus  -t  +  c- 
(ar.  *k'itk'it)  vorauszusetzen,  es  kann  auch  uriran.  -id-  enthalten, 
d.  h.  das  erste  Glied  der  Zusammenrückung  kann  ar.  *k'ü 
*was?'  sein,  dessen  Existenz  mir  durch  j Awest  d^üf  *was?', 
ai.  kih  *was  ?'  als  Frageeinleitung,  ndkih  *nicht',  mdkih  Vn', 
jAwest  na^dii  'nicht',  nava,öiä  *nicht  mehr'  verbürgt  erscheint 
Das  oben  angesetzte  ar.  *k'ük'it  steckt  vielmehr  im  npers.  ciz 
"irgend  etwas*,  das  im  Mitteliranischen  *cid  gelautet  haben 
muß;  s.  dazu  Bartholomae  IF.  12,  94. 

b)  Bei  der  Ferndissimilation  der  Konsonanten  kommt 


Ersatzklasse  gehören  z.  B.  buchpahl.  nazdist^  eigentlich  'proximus'  und 
tMxust,  turfanpahl.  naxust,  npers.  nuxust^  ebenfalls  eigentlich  'proximus*, 
zu  got.  fieh)  (Bartholomae  Zum  AirWb.  48).  Auch  das  Wort  für  'propin- 
quus*  dient  in  gleichem  Sinn:  turfanpahl.  nox  (NVX)  und  muevin  (beide 
zu  got.  neÄ;,  s.  eben) ;  der  Gebrauch  ist  alt,  wie  das  alte  arm.  Lehnwort 
neue  'zuerst*  erweist,  Hübschmann  Arm.  Gramm.  1,  200.  Im  Nordbalutschi 
braucht  man  für  'primus'  peif,  eigentlich  'der  an  der  Spitze',  zu  buch- 
pahl. peS  'vorn,  voran'.  Häufig  und  in  verschiedenen  Dialekten  —  so  im 
Neupersischen,  Afghanischen,  Kurdischen,  Südbalutschischen  —  findet 
sich  die  Verwendung  des  arab.  avväl^  das  auch  mehrfach  mit  dem  sonst 
bei  den  Ordinalien  üblichen  Ausgang  versehen  erscheint ;  so  npers.  avvatin 
(wie  duyumfn  'der  zweite'),  yarn.  aivalS  (wie  tifärä  'der  vierte*). 

1)  Vgl.  Gdr.  Iran.  Philol.  1,  262,  wo  Salemann  das  Verhältnis  von 
mpers.  kas  zu  apers.  kaidiy  wegen  des  s  a\a  \mklar  bezeichnet. 


Zu  den  arischen  Wörtern  für  'der  erste*  und  'der  zweite*.        103 

es  nicht  immer  zu  einer  Einheitsform;  es  kann  die  Mutter- 
form neben  der  oder  den  dissimilatorisch  veränderten  be- 
stehen bleiben.  Als  Beispiel  dafür  führe  ich  lat.  cribrum  an 
mit  den  daraus  durch  Dissimilation  in  verschiedener  Richtung 
hervorgegangenen  Wörtern  dbrum  und  crfbum.  Solches  gilt 
auch  für  die  fraglichen  iranischen  Wörter,  bei  denen  es  sich 
überall  um  die  Aufeinanderfolge  eines  d  (dA.ti)  und 
eines  ^-Lauts  handelt  Durch  Dissimilation  in  verschiedener 
Richtung  entstand,  so  nehme  ich  an,  entweder  t  aus  d(=tS) 
oder  aber  s  aus  dem  ^-Laut  Für  den  letzteren  Vorgang  habe 
icli  freilich  keinen  unzweideutigen  Beleg. 

c)  Ein  durch  Dissimilation  aus  d  vor  i  erzeugtes  t  liegt 
ganz  deutlich  vor  in  kurd.  täSt  *matin6e  entre  9  et  10  heures' 
gegenüber  npers.  däSt  'Frühstück*.  Dialektisch  kommt  auch 
cait  vor.  Vgl.  Justi-Jaba  Dictionnaire  92,  Socin  Gdr.  Iran.  Philol. 
Ib,  262.  Ebenfalls  im  Kurdischen  findet  sich  tiSt  *chose, 
objet*,  und  auch  hier  steht  eine  Dialektform  mit  d  daneben. 
diit.  Das  Wort  stimmt  —  und  zwar,  wenn  man  mit  Socin 
a.  a.  0.  in  dem  schließenden  t  den  Restbestand  des  zweiten 
der  alten  Wortglieder  erkennen  darf,  aufs  genaueste  —  zum 
apers.  ci^iy  (s.  oben),  sowie  zu  turfanpahl.  diS.  Im  Buch- 
pahlavi  wechselt  du  mit  dem  Ideogramm  mn  dn  m.  Dies  aber 
wird  von  den  Pazandisten  nicht  nur  durch  diS  wiedergegeben, 
sondern  auch:  in  awestischen  Buchstaben  durch  »i^  und 
^«,  darin  das  Anlauts-^  wie  immer  t  meint  in  arabischen 
durch  ^f^  (t  §).  Die  ^-Form  des  Wortes  bedarf  keiner  besondem 
Erläuterung  mehr;  sie  stellt  sich  zu  diä  wie  im  Kurdischen 
tat  zu  diät.  Auffällig  ist  aber  die  s-Form  tis^  deren  Echtheit 
früher  mehrfach  angezweifelt  wurde,  jetzt  aber  durch  die 
Turfanhandschriften  sichergestellt  ist  Wenn  man  annehmen 
darf,  daß  auch  eine  nach  vorwärts  wirkende  Dissimilation  statt- 
gefunden hat,  durch  die  diS  zu  *dis  wurde,  so  läßt  sich  jenes 
tis  als  eine  Ausgleichsbildung  aus  den  beiden  Dissimilations- 
ergebnissen betrachten.  Doch  könnte  auch  tiS  'irgend  was' 
unter  dem  Einfluß  von  kos  'irgend  wer'  zu  tis  geworden  sein. 
Gleich  tu  aus  diä  mag  auch  endlich,  wie  man  mit  Salemann 
annehmen  darf,  jene  Aussprache  dos  Eigennamens  ÖaiäpiS 
(oder  ÖiSpiä)  entstanden  sein,  die  seiner  griechischen  Wieder- 
gabe durch  TeiCTTtic  zugrunde  liegt. 

d)  Nach  Salemann  kommt  aber  als  griechisch^!  L^w^'^ 


104  Chr.  Bartholomae, 

für  den  Dissiniilationsvorgang  nicht  nur  Teicmic,  sondern 
auch  Ticcaq)^pVTic  in  Betracht,  dem  zweifellos  ein  achämeni- 
disches  *Ö0*'afamä  entsprechen  würde.  Damit  kehre  ich 
zu  buchpahl.,  turfanpahl.  iasom  *der  vierte'  zurück,  das  den 
Anlaß  zu  der  vorliegenden  Anmerkung  bietet  tos  in  tasom 
deckt  sich  mit  dem  jAwest  da^r  in  da^rtA,  dä^ruJcarana 
usw.  So  gelangen  wir  wieder  von  einer  andern  Seite  her 
aufe  Neue  zu  der  Frage:  wie  hat  sich  das  arische  tr  auf 
jenem  Dialektgebiet  Irans  entwickelt,  aus  dem  das  npers.  pus 
■*Sohn'  =  ai.  ptdrdh^  jAwest  pu^ö  stammt?  Daß  damit  die 
Frage  nach  der  Aussprache  des  altpersischen  Zeichens,  das 
ich  nach  den  Vorschriften  für  die  iSransskription  im  Grund- 
riß der  Iranischen  Philologie  mit  &*"  wiedergebe  (s.  dazu  Bar- 
iholomae  Zum  AirWb.  5  f.),  aufs  engste  verknüpft  ist,  scheint 
mir  unzweifelhaft;  apers.  pi^^'a*  ist  die  Vorstufe  des  npers. 
pus.  Zu  der  im  Gdr.  Iran.  PhiL  1,  160  angeführten  Literatur 
nehme  man  noch  Hüsing  Die  iran.  Eigennamen  (Königsberger 
Dissertation  1897)  12 ff.,  Foy  KZ.  35,  12  Note  2,  Hübsch- 
mann  KZ.  36,  178,  Hüsing  KZ.  36,  562,  Foy  KZ.  37,  491  ff. 
e)  Hübschmann  sagt  a.  a.  0.  mit  Recht:  **^»'  war,  wie 
die  Schrift  zeigt,  weder  -i^r  noch  -«  noch  -^",  Was  also? 
Das  es  ein  Zischlaut  war,  dafür  sprechen  die  Transskriptionen 
durch  ii  im  Flämischen:  IrtakiaSia,  Miiia^  ZiiSantakma, 
durch  cc  im  Griechischen:  Ticca9^pvnc,  sowie  das  s  der 
jüngeren  Zeit.  Aber  das  gewöhnliche  8  kann  nicht  dafür  ge- 
sprochen worden  sein,  auch  nicht  i^,  und  ebensowenig  i;  sonst 
hätte  man  es  nicht  nötig  gehabt,  ein  besonderes  Zeichen  dafür 
zu  erfinden  und  einzuführen.  Ich  nehme  an,  daß  der  frag- 
liche Zischlaut  (S)  ein  Mittelding  zwischen  den  üblichen  s- 
und  ^-Lauten  war,  so  daß  er  einerseits  in  fernerer  Entwicklung 
leicht  mit  dem  s  zusammenfallen  konnte,  anderseits  aber  auch 
dieselbe  dissimilatorische  Wirkung  auf  ein  vorhergehendes 
d  (tg)  auszuüben  vermochte  wie  das  gewöhnliche  S,  Die  Ent- 
wicklungsreihe für  pahl.  tosom  war  somit  die  folgende :  ar. 
*k'atr^  =  ir.  dai^ro  (mit  c  =  tä):  daS^  :  taS^  :  tas^. 

Nachschrift. 

Die  vorstehenden  Bemerkungen  waren  bereits  abge- 
schlossen, als  mir,  am  31.  März  durch  HeiTU  F.  W.  K.  Müllere 
>Güte  dessen  neueste  Veröffentlichung  aus  dem  Schatz  iranischer 


Za  den  arischen  Wörtern  für  'der  erste*  und  *der  zweite*.        106 

Turfanhandschriften  zuging,  die  vier  Fragmente  im  'Dialekt' 
enthält,  SPreußAW.  1907,  260  ff.  Das  erste  Stück  bietet  auf 
der  letzten  Zeile  der  Vorderseite  das  Wort  tOpuH  *Haus- 
sohn';  s.  Galater  4,  1:  kXtipovo^oc,  heres.  Es  entspricht  also 
danach  dialektturfanisch  (*soghdisch')  pui  *Sohn'  dem  gemein- 
turfanischen  und  buchpahlavischen  pus  und  puhr.  Darf  man 
darin  eine  Bestätigung  erkennen  für  die  oben  vorgetragene 
Ansicht  über  die  alte  Aussprache  des  aus  ar.  ir  hervorge- 
gangenen Zischlauts?  Ich  finde  sonst  in  den  bisher  bekannt 
gemachten  Dialektbruchstücken  kein  zweites  Wort,  das  über 
die  Gestaltung  der  Konsonantengruppe  Aufschluß  gäbe.  In 
dem  bilinguen  Stück,  das  F.  W.  K.  Müller  Handschriftenreste 
100  f.  veröffentlicht  hat,  erscheint  für  püsar  'Sohn*  in  der 
Dialektversion  zweimal  ein  andres  Wort:  prazdtty  und  zätty. 
Warum  das  Dialektwort  für  Tater'  ebenda  durch  patrt^  pcftf^y^ 
jetzt  durch  pitrt  wiedergegeben  wird,  nicht  vielmehr  durch 
otofo,  o^ro,  ist  mir  nicht  deutlich.  Daß  das  Wort  etwa  dem 
sbaL  pis,  nicht  aber  dem  npers.  pidar  entspräche  —  s.  dazu 
Bartholomae  BB.  9,  130  — ,  halte  ich  für  ausgeschlossen. 

10.  Um  fürs  Iranische  ins  Reine  zu  kommen,  müßte  man 
schon  annehmen,  daß  bereits  in  arischer  Zeit  *praihamar^  die 
<A-Form,  neben  dem  älteren  *pratama-  aufgekommen  und  üblich 
geworden  sei.  Ins  Iranische  wären  alsdann  beide  Formen  des 
Zahlwortes  übergegangen,  ins  Indische  nur  die  jüngere.  Ich 
halte  eine  solche  Konstruktion  nicht  gerade  für  ausgeschlossen, 
aber  doch  für  recht  wenig  wahrscheinlich.  Zweifellos  wurde 
ja  das  Ordinale  *der  erste'  mindestens  nicht  weniger  oft  einem 
Superlativ  neben-  und  gegenübergestellt  als  den  Zahlwörtern 
*der  vierte'  und  *der  siebente';  z.  B.  in  Verbindungen  wie  *der 
erste  und  beste',  *der  erste  und  oberste',  'der  erste  und  der 
letzte'  usw.  Ist  es  nun  wahrscheinlich,  daß  ^praiama-  *der  erste* 
trotz  der  engen  begrifflichen  Beziehungen  zu  den  Superlativen 
aus  dem  lautlichen  Zusammenhang  mit  ihnen  losgerissen  wurde, 
um  eine  Ausgangsform  thama-  dafür  einzutauschen,  durch  die 
es  in  eine  völlig  vereinsamte  Stellung  rückte  ?  Ist  es  nicht  viel- 
mehr um  vieles  wahrscheinlicher,  daß  ein  *prathama-  seinen 
durchaus  alleinstehenden  Ausgang  thatna-  mit  dem  geläufigen 
Ausgang  der  Superlative  vertauscht  hat,  mit  denen  es  sich  in 
der  Bedeutung  so  nah  berührte  ?  Und  dazu  kommt,  daß  \«l  d^t 


106  Chr.  Bartholomae, 

Ausgang  tama-  auch  im  Ordinale  selber  geläufig  war;  nicht 
nur  die  Wörter  für  *der  zwanzigste,  dreißigste  usw.,  hundertste, 
tausendste'  gingen  sicher  alle  auf  tamch  aus,  sondern  auch  die 
für  Mer  siebente*  und  *der  achte',  wenn  auch  hier  die  Her- 
kunft des  Ausgangs  eine  andre  ist  als  dort  Sie  würden  doch 
mindestens  das  Aufkommen  von  *prathama-  an  Stelle  eines 
ererbten  ^pratama-  nicht  begünstigt  haben. 

11.  Ich  gebe  aus  diesen  Gründen  das  früher  ausgesprochene 
Urteil  über  das  Verhältnis  von  ai.  prathamd-  *primus'  zu  jAwest. 
fraUma-  auf  und  setze  nunmehr  die  gemeinsame  (arische)  Vor- 
form mit  th  an.  Freilich  erhebt  sich  dann  die  Frage,  wie  eine 
solch  alleinstehende  Bildung  erwachsen  sein  kann.  Über  ganz 
unsichere  Vermutungen  werden  wir  dabei  nicht  hinauskommen. 
Ich  möchte  annehmen,  daß  in  arischer  Zeit  zwei  gleichbedeutende 
Wörter  verschweißt  w^orden  sind,  die  beide  auf  dem  ürwort  für 
das  räumliche  und  zeitliche  Voransein  aufgebaut  waren,  das 
eine  mit  dem  Ausgang  <Ao-,  das  andere  mit  mo-^).  Für  das 
letztere  verweise  ich  auf  griech.  Ttpo^oc  und  numbr.  promomy 
aengl.  forma^  lit  pirtnas^  die  der  Reihe  nach  auf  ursprachlichem 
^pramo-s,  *ppn0'8^  *pfinO'S  zu  beruhen  scheinen*).  Zugunsten 
des  andern  vorausgesetzten  Ordinales  mit  th  kann  ich  allerdings 
ein  geschichtlich  beglaubigtes  Wort  nicht  gellend  machen.  Das 
griech.  Trpüüxoc,  wobei  man  sich  wegen  des  x  auf  das  Verhältnis 
von  griech.  xeiapTOC  und  ?ktoc  zu  ai.  caturfMh  und  ^ßthdh  be- 
rufen könnte,  darf  wegen  der  dialektischen  Nebenform  TTpdxoc 
nicht  herangezogen  werden,  die  es  nicht  gestattet,  für  Trpüüxoc 
ein  *pfio8  als  Vorform  aufzustellen,  was  ja  an  sich  möglich 
wäre^). 


1)  Vgl.  dazu  Benfey  Vollst.  Gramm,  d.  Sanskritspr.  236 :  ''thama  in 
prathama-  von  pra  mit  i?ta-  und  tna-^'y  von  dem  S.  148  bemerkt  wird,  es 
sei  hier  sekundär. 

2)  Ich  fasse  ihr  Nebeneinander  so  auf:  *pfmo«  und  *ppno8  sind 
die  üblichen  Wechselformen  (s.  ijnten  S.  112f.  zu  *pftiiia-))  *promos  ist 
daraus  durch  nachmaligen  Anschluß  an  *pro  'vor*  hervorgegangen.  Auf 
die  selbe  Dreiheit  in  der  ersten  Silbe  weisen  buchpahl.  paMom^  PDw. 
puraam  und  aind.  prathamd^.    Sie  wird  wohl  auch  ebenso  zu  deuten  sein. 

3)  S.  jetzt  zu  irpdiToc  und  irpäroc  Hirt  IF.  21,  164.  Nach  Hirt 
würde  irpäroc  zur  Stütze  der  angenommenen  th-Form  des  Worts  im  Arischen 
herangezogen  werden  können.  Die  Bedenken,  die  Hirt  bezüglich  der  Her- 
leitung von  TTpiDToc  aus  ♦iTpiJü Farce  «äußert,  halte  ich  jedenfalls  für  durch- 
aus berechtigt. 


Zu  den  arischen  Wörtern  für  'der  erste*  und  *der  zweite*.       107 

n.  Ai.  pürvyd'^  Awest.  paoirya-  (usw.). 

12.  Wenn  wir  in  unsern  altindischen  Grammatiken  den 
Abschnitt  über  die  Zahlwörter  aufscUagen,  so  finden  wir  unter 
*der  erste*  zumeist  nur  das  eine  Wort  prathama-  verzeichnet. 
Benfey  Vollst  Gramm.  329  gibt  noch  agrimd-  und  ädimd-  an, 
und  Whitney  Gramm.*  488  fügt  adya-  und  adima-  hinzu,  aber 
mit  der  Bemerkung,  daß  jenes  zuerst  in  der  Sütraliteratur,  dieses 
noch  später  erst  zum  Vorschein  komme.  Fürs  Awestische  habe 
ich  im  Gdr.  Iran.  Philol.  1,  112  neben  frcdama-  noch  paouruyor^ 
paoirya-  angeführt 

13.  Der  Gebrauch  des  j Awest  fraidma-  an  der  Stelle  Yt 
5.  50  deckt  sich  nun  allerdings  völlig  mit  dem  vedischen  von 
prathamd'.  Es  steht  dort:  avcti  äyaptam  dazdi  me  ...  yai  vispanqm 
yuxtanqm  ctz9m  fratamam  x9anjayeni  d.  i.  ".  .  .  daß  das  Gespann, 
das  ich  lenke,  von  allen  das  erste  sei  (werde)".  Man  halte  dazu 
RV.  8.  80.  5  prathamdrß  no  rdtharß  kfdhi  "mach  unsem  Wagen 
zum  ersten*'.  Desgleichen  entspricht  die  Zusammenstellung  von 
upama-^  mdbdma'^  frat9ma-  in  Tt  11.  18  —  eine  freilich  nicht 
ganz  einwandsfreie  Stelle  —  der  von  uttamd-^  madhyamd-  und 
prathamd-  in  MS.  3.  8.  2  und  MBh.  Aber  im  Ganzen  tritt 
fratama-  doch  stark  hinter  dem  andern  Wort  für  *primus'  zu- 
rück. Insbesondere  muß  es  auffallen,  daß  das  Awest  fratama- 
in  der  Aufzählung  —  neben  der  zweite,  dritte  usw.  —  durch- 
aus vermieden  wird,  während  hier  das  ai.  prathamd-  die  Regel 
bildet,  so  z.  B.  RV.  2.  18.  2,  10.  45.  1 :  prathamdm  .  .  .  dvUiyam 
. .  .  tj[ityam\  femer  AV.  15.  15.  3 ff.,  16.  Iff.  usw.  Die  Sprache 
des  Jüngern  Awesta  —  für  das  ältere  fehlt  es  an  Beispielen  — 
braucht  in  solchem  Fall  für  *primus*  durchweg  paoirya'  z.  B. 
Y.  9.  3,  6,  9,  12 :  paoiryö  .  .  .  hityö  .  .  .  t^rityö  .  .  .  tüiryö\  fem  er 
Yt  14.  2ff.,  V.  4.  2  usw.;  s.  mein  AirWb.  874. 

14.  Das  Wort  geht  auf  uriran.  *paruiia'  und  *paruia-  zu- 
rück und  entspricht  lautlich  dem  si.  pürvyd-  (das  im  Rigveda 
stets  dreisilbig  zu  lesen  ist).  Aber  im  Gebrauch  der  Wörter  be- 
steht ein  ganz  wesentlicher  Unterschied. 

15.  Im  Rigveda  wird  pürryd-  weit  überwiegend  in  kom- 
parativischem Sinn  verwendet,  in  der  Bedeutung  *prior,  priscus* 
lind  synonym  mit  parva-.  So  findet  es  sich  insbesondere  wie 
dies  im  Gegensatz  zu  nätana-  'jetzig*;  z.  B.  RV.  2.  11.  6  (stdvä 
nü  ta  indra  pürvyä  mahäny  uiä  staväma  nütanä  IcftdniY  ^* 


108  Chr.  Bartholomae, 

55.  8  {ydt  pürvydm  maruto  ydc  ca  nätanafn)^  6.  44.  13  {ydh 
pürvyäbhir  tdd  niitanäbhir  girbMr  vävfdhS)^  1.  105.  4,  3.  1. 
20  und  anderseits  1.  1.  2  (agnih  p4rvebhir  fßibhir  tdyo  näta- 
nair  utd)^  5.  31.  6  (prd  te pürväni  kdraväni  vocamprd  nütanä)\ 
sodann  im  Gegensatz  zu  ndv(i)ya8'  'novior,  neuerlich*;  so  RV.  1. 
156.  2  {jfdh  pürvydya  vedhdae  ndviyase  . . .  vi^v^ve  dddäiaii) 
und  anderseits  8. 27. 10  (prdnah pürvastnai suvUdyavocaiamak^ 
sumnäyandvyase)]  s.  auch  1.  61. 13,  3.  36.  3  (unten  S.  111);  weiter 
vergleiche  man  6.  37.  2  {indro  no  asyd  pürvydh papiyäd  . . .  wd- 
dasya)  mit  10.  112.  1  (indra  piba  .  .  .  suidsya  .  . .  tdva  hi  pur- 
vdpitih]  endlich  verweise  ich  auf  10.  14.  7  (prihi  paihibhih 
pürvyibhir  ydträ  na^  pärve  pitdrah  pareyüh).  Bemerkens- 
wert scheint  mir  auch  und  bezeichnend  für  die  wesentlich  kom- 
parativische Bedeutung  des  Worts,  daß  es  nirgend  mit  dem 
partitiven  Genetiv  des  Plurals  verbunden  ist,  während  er  bei 
prathamd'  oft  genug  vorkommt,  z.  B.  1.  113.  8,  15;  124.  2;  6. 
41.  1  usw.  Die  Stelle  8.  63.  1,  für  die  man  einen  von  pürvyd- 
abhängigen  Gen.  Plur.  angenommen  hat  {sd  pürvyö  mahdnäm 
vendh  krdtubhir  änaje\  ist  zum  mindesten  recht  strittig.  Ebenso 
ist  bei  pürva-  ein  partitiver  Gen.  Plur.  nicht  bezeugt  An  der 
komparativischen  Bedeutung  von  pürvyd'  liegt  es  auch,  daß  es 
nicht  gebraucht  wird,  wenn  ein  erster  einem  letzten  gegenüber- 
gestellt werden  soll,  und  ebensowenig  in  der  Reihenfolge  der 
erste,  zweite,  dritte.   In  beiden  Fällen  dient  prathamd', 

16.  Fast  durchaus  gleiche  Verwendung  wie  das  vedische 
praihamä'  zeigt  das  awestischo  paouruya-^  paoirya-^  dem  also 
im  Gegensatz  zu  seinem  vedischen  Gleichstück  pürvyd-  im  wesent- 
lichen die  superlativische  Bedeutung  eignet  Es  findet  sich  daher 
auch  mit  partitivera  Gen.  Plur.  verbunden,  z.  B.  V.  4.  50  (paairfm 
aetaiSqm  Syaot99nanqm)^  5.  50  (paoirim  x''ar9^anqm\  N.  105 
(paoiryäi  ddhmanqm)  usw.  Somit  besteht  in  Hinsicht  auf  den 
Gebrauch  der  auf  arischem  *pfuiia'  beruhenden  Wörter  im 
Veda  und  Awesta  die  nämliche  Verschiedenheit,  wie  sie  uns 
im  Gebrauch  der  Nachkommen  des  nah  verwandten  ursprach- 
lichen *pfu(h  auf  arischem  und  slavischem  Gebiet  entgegentritt; 
das  ai.  pürva-  und  das  Awest  paurva-  bedeuten  übereinstimmend 
•prior*,  das  kslav.  prüm  dagegen  *primus*.  Es  ist  an  sich  wahr- 
scheinlich, daß  auch  das  arische  *p'tuija'  zunächst  nichts  anderes 
bedeutet  hat  als  *pfua'^  so  daß  es  sich  —  allenfalls  erst  im 
Arischen  geschaffen  —  in  jeder  Beziehung  ebenso  dazu  ver- 


Zu  den  arischen  Wörtern  für  'der  erste*  und  'der  zweite*.       109 

hielte,  wie  das  lat  tertius  (aus  älterem  tri(9)  zum  griech.  rpiToc. 
Zugunsten  dieser  Annahme  lassen  sich  auch  einige  Tatsachen 
aus  dem  Iranischen  anführen. 

17.  Im  Altpersischen  kommt  das  Wort  nur  in  der  Ver- 
bindung Jmcä  paruviyata^  vor;  sie  bedeutet  aber  unzweifelhaft 
Von  früher,  von  Alters  her';  das  apers.  paruviya-^)  hat  also 
darin  den  Sinn  des  ai.  pürvyd-  und  pürva-.  Die  elamische  Über- 
setzung gibt  es  mit  demselben  Wort  wieder  wie  paranam  *prius, 
antea',  nämlich  durch  kiiäa. 

18.  Im  Awesta  kann  ich  nur  eine  Stelle  mit  sicher  kom- 
parativischer Bedeutung  unsres  Wortes  nachweisen,  d.  i.  Vr.  7. 
4:  avä  dämqn  .  .  .  yä  hdnti  paoiryö.däta  pcunryö^fraSwarSta 
aindaida  apäaüa  z^mäatda  **]ene  Schöpfungen  . .  .,  die  früher 
geschaffen,  früher  gebildet  sind  als  der  Himmel  und  das  Wasser 
und  die  Erde*'.  Die  Ablative  (der  Vergleichung)  hängen  von 
dem  ersten  Glied  der  vorausgehenden  Zusammensetzungen  ab, 
das  also  unzweifelhaft  komparativischen  Sinn  gehabt  haben  muß. 
Das  hat  schon  der  Zandist  erkannt,  der  paoirya-  hier,  anders 
als  an  den  übrigen  Stellen  —  dazu  gehört  auch  das  Ende  des 
selben  Paragraphen,  wo  die  gleichen  Komposita  noch  einmal 
vorkommen  — ,  durch  peä  *prior,  prius*  wiedergibt,  während  er 
sonst  fratom  'primus,  primum'  verwendet.  Spiegel  hat  sich  da- 
durch bestimmen  lassen,  paourvö.däta  paaurvö.fra^imrSta  und, 
nur  an  zweiter  Stelle,  paoiryö.däta^  p(mryö.frat9icarSta  in  den 
Text  zu  setzen.  Aber  die  Handschriften  geben  dafür  keinerlei 
Anhalt  Man  hätte  schon  eine  alte  Textverderbnis  anzuerkennen, 
die  eingedrungen  sein  müßte,  nachdem  der  Wortlaut  der  Über- 
setzung festgestellt  war.  Angesichts  der  Tatsache,  daß  die  selben 
beiden  Zusammensetzungen  im  selben  Paragraphen  zweimal  ent- 
halten sind,  wird  man  allerdings  die  Möglichkeit  nicht  leugnen 
dürfen.  Zum  Ausgleich  ähnlich  lautender  Stellen  kann  ein  Ab- 
schreiber ebensowohl  durch  Stumpfsinn  als  durch  ein  Übermaß 
von  Gescheitheit  geführt  werden. 

19.  Sonst  finde  ich  die  Übersetzung  peS  statt  fratom  für 
unser  Wort  nur  noch  einmal,  zu  Y.  51.  15:  hyai  mizd^m  zara- 
t9uMrö  magavabyö  cöiSt  parä  garö  damäne  ahurö  mazdä  jasat 
pouruyö.  Die  Lesung  des  Worts  ist  einmütig  bezeugt;  ich  be- 
zweifle aber,  daß  es  der  Zandist  richtig  gefaßt  hat.  In  meinen 
Gathas   des  Awesta  habe  ich  so  übersetzt:   "Was  Zaraduätra 

1)  S.  übrigens  unten  S.  112  Note. 


110  Chr.  Bartholomae, 

den  Bündlern  als  Lohn  in  Aussicht  gestellt,  was  im  Haus 
des  Lobs  Mazdäh  Ahura  als  erster  erlangt  hat  (,  des  versehe 
ich  mich  durch  euren  Nutzen,  o  VohuManah,  und  durch 
den  des  A§a)".  Was  verheißen  wird,  ist  der  Aufenthalt  im  Pa- 
radies, wo  Mazdäh  Ahura  von  Anfang  an,  als  erster  von  allen 
seine  Wohnung  genommen  hat  Auch  Darmesteter  hat  die  Strophe 
ganz  ähnlich  gefaßt,  in  starker  Abweichung  von  der  heimischen 
Fassung.  Er  übersetzt  Zend-Avesta  1.  336:  "Mais  la  recompense 
que  Zarathushtra  a  promise  aux  purs,  ce  Garodamana"  —  in 
der  Note  *le  Paradis*  —  "oü  Ahura  Mazda  est  venu  le  premier 
(c'est  le  prix  de  Vohu-Mano  et  des  bienfaits  d'Asha)'*.  Meines 
Erachtens  kann  die  Stelle  für  die  komparativische  Bedeutung^ 
des  fraglichen  Worts  nicht  in  Betracht  kommen. 

20.  Von  größerem  Belang  scheint  mir  eine  andre  Stelle 
des  altern  Awesta,  Y.  30.  7,  wo  die  Neuausgabe  so  bietet: 
aeSqm  iöi  ä  aßhaj  ya^ä  aya'0hä  ädändiS  pouruyö.  Der  Zandist 
bietet  für  p^  das  übliche  fratom.  Ich  kann  aber  seine  Über- 
setzung: öSän  i  tö  ö  ast  ke  etön  äyet  digön  dahün  i  fratom 
mit  dem  überlieferten  Wortlaut  ebensowenig  vereinigen  wie  die 
von  Darmesteter,  die  ja  einigermaßen  durch  sie  bestimmt  zu 
sein  scheint:  "Qu'ils  soient  tous  avec  toi  qu'ils  furent  avec  le 
premier  homme !"  Justi  Preuß.  Jahrb.  88,  241  gibt  die  Über- 
setzung: "damit  er  dir  über  diese  voran  sein  (triumphieren) 
möge  durch  das  Eisen  und  Rückzahlungen".  Meine  Übersetzung 
in  den  Gathas  des  Awesta  lautet:  "so  daß  er  bei  Deinen  Heim- 
zahlungen durch  das  Metall  vor  ihnen  erster  werden  wird*'; 
vgl.  dazu  mein  AirWb.  875,  wo  von  paotimya-  gesagt  ist,  daß 
es  *mit  asU  und  ä  mit  Gen.*  (der  den  Ablativ  vertritt)  *er  ist 
voraus  vor-,  hat  den  Vorzug  vor  — '  bedeute.  Danach  hätte 
also  das  Wort  komparativischon  Sinn.  Es  ist  aber  nicht  außer 
acht  zu  lassen,  daß  in  den  Gathas  bei  27  maligem  Vorkommen 
des  Worts  unsre  Stelle  die  einzige  ist,  wo  paauruya-  und 
paourva-  etwa  gleich  gut  bezeugt  sind;  Pt  4,  Mf  1  u.  a.  stehen 
für  ^ruyöy  K  5,  J  2  u.  a.  für  ^rvö  ein.  Sonst  ist  die  y-Form  meist 
ohne  jede  Abweichung  überliefert;  nur  zu  Y.  31.  7,  44.  11  und 
4G.  6  findet  sich  eine  y-lose  Variaute  in  untergeordneten  Hand- 
schriften. Und  dazu  kommt,  daß  auch  das  Metrum  für  unsre 
Stelle  die  Lesung  von  K  5  und  J  2  begünstigt,  ein  umstand, 
der  mich  schon  bei  meiner  Ausgabe  der  Gathas  (1879)  ver- 
anlaßt hat,  paourvö  in  den  Text  zu  setzen.    Aber  entscheidend 


Zu  den  arischen  Wörtern  für  "der  erste*  und  'der  zweite*.       111 

ist  die  Metrik  doch  aacb  nicht;  und  in  dem  Maße,  wie  sie 
für  die  Lesung  paourvO  eintritt,  wird  anderseits  die  Lesung 
paouruyö  durch  die  Pahlaviübersetzung  fratom  unterstützt.  Es 
ist  immerhin  möglich,  daß  die  awestische  zu  Y.  30.  7  bezeugte 
Verbindung:  aeäqm  .  .  .  ä  a^hat  paouruyö  auf  einer  ähnlichen 
Anschauung  beruht,  wie  man  sie  für  homerisch  fKeiio  hl  vela- 
Toc  dfXXuiv  Z  295  und  für  vedisch  viivasmät  sfm  adhamdtß 
indra  ddsyün  .  .  .  akjrtoh  RV.  4.  28.  4  angenommen  hat;  s.  Del- 
brück Vgl.  Syntax  1.  417.  Schließlich  verweise  ich  darauf,  daß 
auch  das  vedische  prathamd-^  dessen  Gebrauch  ja  dem  des 
awestischen  paouruya-^  paoiryor  entspricht,  einige  Male  kom- 
parativisch verwendet  zu  sein  scheint;  so  insbesondere  RV.  7. 
98.  5,  wo  es  den  Gegensatz  zu  nätana-  bildet :  prindrasya  vocam 
pratfutmd  kftäni  prd  nutanä;  vgl.  2.  11.  6,  wo  an  ganz  älmlicher 
Stelle  pürtryd  steht  (oben  S.  107);  ferner  RV.  3.  36.  3,  wo  sich 
praihamd  und  imi  gegenüber  stehen:  tdva  gliä  sutdsa  indra  so- 
mäsah  praih<imd  uUmi\  man  nehme  dazu  den  Schluß  der  Strophe, 
wo  einander  in  gleichem  Sinn  pürmfdn  und  ndviyän^)  gegen- 
übergestellt werden :  ydthdpibah  pünyydtß  indra  sdmärß  evd  pähi 
pdnyo  adyd  ndmyän\  sodann  RV.  1.  145.  2,  wo  praihamd-  im 
Gegensatz  zu  dpara-  gebraucht  ist:  nd  mj'ßyate  praihamdm  nd- 
paratß  täcah]  man  erwartete  vielmehr  ^nwm;  s.  unten  S.  114; 
und  endlich  RV.  10.  27.  23,  wo  die  prathamdh  im  Gegensatz 
zu  den  üparäh  erscheinen;  doch  ist  der  Lihalt  der  Strophe  nicht 
eben  sehr  durchsichtig. 

21.  Besonders  auffällig  erscheint  mir  der  Gebrauch  des 
gathischen  paouruya-  in  Verbindung  mit  aiahav-  *Leben'.  a»AwÄ 
paouruyö  gehört  zu  den  Schlagwörtern  der  zarathustrischen  Lehre 
und  bezeichnet  das  diesseitige  Leben  im  Gegensatz  zum  jen- 
seitigen. Im  gleichen  Sinn  wird  auch  von  *diesem  Leben' 
und  von  dem  *1  eiblichen  Leben*  gesprochen,  während  für  das 
jenseitige  Leben  die  Ausdrücke  *das  geistige  Leben'  und  Mas 
zweite  (daibitya-)  Leben*  verwendet  werden;  vgl.  mein  AirWb. 
1071  Daß  es  sich  dabei  um  eine  Zweiheit  von  Leben  handelt, 
ist  ohnehin  klar  und  wird  durch  den  Gebrauch  des  Duals  an 
der  Stelle  Y.  28.  2 :  ahvd  astvatascä  hyatpä  manaidhö  "der  beiden 

1)  So  viel  als  nävTt/asap  in  Ausgleich  mit  pürvi/än  und  sömän.  Die 
hergebrachte  Fassung  von  ndvlyän  als  Nom.  Sing,  scheint  mir  sehr  hart 
und  beeinträchtigt  den  Sinn.  Einen  'Stamm'  ndmi/a-  anzusetzen,  wie 
Graßmann  tut,  ist  wertlos. 


112  Chr.  Bartholomae, 

Leben,  des  leiblichen  und  des  geistigen''  in  nachdrücklichster 
Weise  bestätigt.  Nun  ließe  sich  ja  im  Anschluß  an  das  zuvor 
Gesagte  für  paourHya-  in  jener  Zusammenstellung  die  konipara- 
tivische  Bedeutung  *prior*  ansetzen.  Dabei  kämen  wir  aber  doch 
nur  zu  einer  halben  Eiidärung.  Es  ist  nicht  weniger  auffällig, 
daß  das  jenseitige  Leben  durch  daibitya-  (zu  ai.  dvMya-)  bezeichnet 
wird,  das  Wort  für  der  zweite  von  mehreren,  während  man  apara- 
erwartete,  und  auch  nicht  minder  auffällig,  daß  an  der  Stelle 
T.  44.  19,  wo  ebenfalls  vom  Diesseits  und  Jenseits  die  Rede  ist, 
dem  für  das  Diesseits  gebrauchten  paouruych  der  Superlativ 
aphna^  *postremus'  gegenübergestellt  ist,  wieder  statt  des  za 
erwartenden  Komparativs  aparor.  Ich  vermag  eine  Erklärung 
der  Absonderlichkeit  nicht  zu  geben,  möchte  es  aber  wenigstens 
als  Vermutung  aussprechen,  daß  die  Erklärung  überhaupt  auf 
anderem  Gebiet  zu  suchen  ist  als  auf  dem  der  Sprachgeschichte. 

22.  In  Betreff  des  eigentlichen  Sinns  des  jAwest  paoiryö.- 
Jücaeior^  das  der  Zandist  nur  umschreibt  —  und  zwar  ohne  Er- 
läuterung — ,  der  Sanskritist  dagegen  mit  pürvanyäyavän  über- 
setzt, d.  i.  *cuius  est  prior  norma',  bleibe  ich  bei  dem  stehen, 
was  ich  im  AirWb.  877  dazu  bemerkt  habe.  Zu  dem,  was  die 
Pahlavisten  darunter  verstanden  wissen  wollten,  verweise  ich 
noch  auf  den  Text,  den  jüngst  Freiman  WZKM.  20,  169ff.  ver- 
öffentlicht hat  —  hier  werden  in  §  1  die  pöryötldiän  als  fratom 
däniänän  bezeichnet  —  und  auf  den  Parsifrahang  in  SWienAW. 
67,  841  Z.  25,  wo  als  gleichbedeutend  piri  bihdini  und  pöryödkeii 
verzeichnet  werden. 

23.  Was  die  jüngeren  Dialekte  angeht,  so  scheint  das  arische 
*pfti[i)ia'^  dem  Awest  pcuniruya-^  paoirya-  und  ai.  pürvyd-  ent- 
sprechen, nur  im  Judenpersischen  bewahrt  zu  sein.  In  dem  von 
Salemann  herausgegebenen  jüdischbucharischen  Gedicht  Chudaidät 
(Judaeo-Persica  1,  Petersburg  1897)  finden  sich  die  Wörter  |)^ 
•alt*  und  peri  •Alter'  (Vers  272  und  56);  bei  dem  letzteren  Wort 
wird  die  Aussprache  e  durch  die  Schrift  erwiesen;  bei  dem 
ersteren  ist  allerdings  i  geschrieben,  aber  die  Aussprache  e  wird 
durch  den  Reim  auf  seri  'Sattheit'  verlangt,  ein  Wort,  das  mit 
e  geschrieben  ist  und  auch  im  altern  Xeupersischen  mit  ^  ge- 
sprochen wurde,  per  weist  auf  *pari  (aus  *pat'Mi).  Sonst  ist  nur 
die  alte  Kompositionsform  zu  ar.  *pfu(i)i(i'  erhalten  geblieben, 
nämlich  *pru(i)vi';  s.  dazu  Bartholomae  IF.  7,  70,  Hirt  Ablaut  19^). 

1)  Das  apers.  P<'R**UViIY<*  kann  ebensowohl  auf  ^pj^iia-  als  auf 
*jffyo  zurückgehen. 


Zu  den  arischen  Wörtern  für  'der  erste*  und  'der  zweite*.        118 

Sie  steckt  in  npers.  pfr^  pira  *bejahrt,  alt*  und  den  zugehörigen 
Wörtern  (s.  Hörn  Gdr.  Neup.  Etym.  78),  sowie  in  npers.  pfrär 
*das  vorvergangene  Jahr*;  vgl.  zum  Lautlichen  Hübschmann  Pers. 
Stud.  45,  131,  146,  Hörn  Gdr.  Iran.  PhU.  Ib,  28.  Daß  für  beide 
Fälle  von  der  Bedeutung  'prior',  nicht  etwa  'primus*  auszugehen 
ist,  scheint  mir  unbestreitbar.  Die  eigentümliche  Beziehung  von 
pfrär  auf  das  dem  letzten  vorausgegangene  Jahr  hat  sein  Gegen- 
stück im  npers.  parer  'vorgestern*,  das  aus  der  Zusammensetzung 
von  ar.  *pfua-  *prior*  und  *aiar-  Tag*  erwachsen  ist  (Hübsch- 
mann Fers.  Stud.  167,  Hom  Gdr.  Iran.  Phil.  Ib,  34  —  anders 
164),  während  in  pirär  die  Wörter  *pnia'  und  ^iär-  *Jahr*  ent- 
halten sind*);  die  Verwendung  des  ersten  Kompositionsglieds 
ist  also  hier  und  dort  die  nämliche.  Die  Ähnlichkeit  mit  alb. 
parvjü  Vor  zwei  Jahren'  ist  wohl  nur  scheinbar;  man  berück- 
sichtige jedenfalls,  daß  alb.  pardie  Vorgestern*  neben  dje  'gestern* 
steht,  und  daß  vjet  allein  Voriges  Jahr*  bedeutet  In  bemerkens- 
werter Deutlichkeit  würde  die  komparativische  Bedeutung  des 
buchpahl.  pir  noch  an  der  Stelle  DkBomb.  28  (Vol.  1),  Z.  1  zu- 
tagetreten, wenn  dort  wirklich  an  i  man  ha^  arüm  pir  dän  über- 
liefert ist,  und  wenn  die  Worte  wirklich  den  Sinn  haben,  den 
ihnen  der  Übersetzer  S.  24  beilegt:  "our  religion  which  is  older 
than  that  of  Rum'*.  Ich  gestehe  aber,  daß  ich  weder  dem  Her- 
ausgeber traue,  noch  dem  Übersetzer;  was  der  letztere  will, 
würde  doch  in  korrektem  Pahlavi:  an  i  man  den  i  had  an  i 
arüm  pfr  zu  lauten  haben. 

24.  Ich  ziehe  aus  dem  vorgeführten  Material  den  Schluß, 
daß  in  der  Tat,  wie  es  schon  oben  S.  108  f.  auf  Grund  allgemeiner 
Erwägungen  für  wahrscheinlich  hingestellt  wurde,  das  arische 
^pfu^iß'  (=  ai-  pürvyä-)  die  gleiche  Bedeutung  gehabt  hat,  wie 
*pfua'  (=  ai.  parva-),  nämlich  die  Bedeutung  *prior',  daß  aber 
späterhin  diese  Bedeutung  in  demselben  Maße  durch  *primus* 
ersetzt  wurde,  als  der  lebendige  Gebrauch  des  alten  Worts  für 
'primus'  (ai.  praihamd-)  nachließ.  Aus  welchen  Gründen  dies 
geschah,  weiß  ich  nicht  Es  schuf  aber  die  anderweite  Ver- 
wendung von  *pifuiiar  keine  Lücke,  da  das  üblichste  Wort  ftir 
•prior*  sicher  *pfm'  gewesen  ist 

1)  Npers.  jfirär  ist  das  einzige  Wort,  dann  sich  das  alte  ^iar- 
'Jahr'  erhalten  hat.  Das  läßt  auf  frühzeitige  Verwachsung  und  Versteine- 
rung schließen.  Sollte  nicht  *prt^iaiär'  schon  in  alter  Zeit  haplologisch 
zu  *prPiäro  geworden  sein,  das  alsdann  weiter  zu  pfrär  führte? 

IiidogermaniBche  Forschungen  XXIL  % 


IH  Chr.  Bartholomae, 

in.  AI  pärva-j  AvrQst  paurva-  (usw.)  •prior*. 

25.  Das  erweisen  ebensowohl  die  altindischen  als  die  alt* 
iranischen  Nachkommen  des  arischen  Worts;  sie  zeigen  über- 
einstimmend die  Bedeutung  des  lateinischen  prior  in  seinen  An- 
wendungen auf  Raum,  Zeit  und  Rang.  Der  üblichste  Ausdruck 
für  das  Gegenstück  dazu  war  (ar.)  *aparch  'posterior*.  Die  Ver- 
wendung des  Woris  im  Sinn  unseres  *der  erste,  zuerst*  können 
folgende  Beispiele  verdeutlichen. 

26.  Aus  dem  Indischen;  sä.  pärva^  pa.  |?tiMo,  prakr. 
puvw^  puruwo^  ptduvo  (inschr.);  s.  dazn  Johansson  Dialekt  der 
sogen.  Shähbäzgarhi-Redaktion  68  f.  RV.  6.  47.  15:  pddäv  im 
prahdrann  anydmanyarß  kp}öH  pArvam  dparatß  idcfbhih  **wie  seine 
beiden  Füße  abwechselnd  einen  andern  vorwärts  stellend  macht 
er  mit  seinen  Fähigkeiten  den  ersten  zum  letzten**  (Ludwig  Rig- 
veda  2,  153;  4,  120);  —  RV.  1.  185.  1:  katard  parva  katari- 
paräyöh  "welche  von  den  beiden  (Gottheiten)  ist  die  erste*), 
welche  die  zweite*)?'*;  —  AV.  10.  1.  27:  utd  hanti  pürvOislnarß 
.  . .  dpara  i^vä  utd  pArvasya  nighnatö  ni  hantydparah  prdti  **him 
that  first  hurls  (the  arrow),  the  other  . . .  slays  with  the  arrow, 
and  while  the  first  deals  the  blow,  the  other  retums  the  blow" 
ßloomfield  SBE.  42,  75,  zum  Teil  nach  Roth  ZDMG.  48,  681)«); 
—  AV.  9.  5.  27 :  yd  pärvatß  pdtim  viHväthänydtß  vinddti  *param 
"eine  Frau,  die  einen  ersten  Gatten  gehabt  hat  und  dann  einen 
andern  zweiten  bekommt**.  Dazu  nehme  man  die  Zusammen- 
setzungen pürvapak^h  (pa.  pubbapakkho)  —  aparapak^dh  (pa. 
aparapakkho)  Mie  erste  —  die  zweite  Hälfte  der  Mondphase*;  — 
pürvarätrdh  [^XdiVi,  puvvaratto)  —  apararätrdh  (prakr.  awirotto)*) 
*die  erste  —  die  zweite  Hälfte  der  Nacht';  — pürväpararätrau 
'in  der  ersten  und  in  der  letzten  Hälfte  der  Nacht'.  Die  syn- 
taktische Verbindung  des  Nom.  Sing,  von  dpara-  mit  dem  Akk. 
Sing,  von  pürva-  entspricht  ganz  der  lateinischen  Fügung  alter 
alterum\  so  RV.  1.  124.  9:  dpara  (nämlich  misä)  pärväm  ahhy 


1)  Nach  Zeit  und  Rang.  Die  übliche  Übersetzung  der  fraglichen 
Wörter  durch  'die  frühere'  und  'die  spätere*  scheint  mir  dem  Sinn  der 
Stelle  nicht  voll  gerecht  zu  werden,  da  sie  eben  nur  das  zeitliche  Voran 
berücksichtigt. 

2)  Whitney  AtharvaVedaSamhitä  566  bezeichnet  allerdings  die 
Strophe  als  'obscure  and  probably  corrupt'. 

3)  Doch  offenbar  haplologisch  statt  *avararaUo.  Pischel  Gramm,  d. 
Prakritspr.  hat  die  Erscheinung  der  Haplologie  (s.  S.  113  f.)  nicht  behandelt. 


Zu  den  arischen  Wörtern  für  *der  erste*  und  'der  zweite*.       116 

iU  paäcät  •'die  eine  (Schwester)  folgt  der  andern  nach";  —  RV. 
10.  18.  5:  ydihä  nd  pärvam  äparo  (nämlich  ftüh)  jähätt  *Veluti 
non  altemm  alter  deserit*',  d.  i.  ""wie  (unabänderlich)  sich  eine 
(Jahreszeit)  an  die  andere  anschließt". 

27.  Aus  dem  Iranischen;  A^vest  paurvch^  apers. parut»-; 
npers.  nur  in  parer  Vorgestern',  s.  oben  S.  113.  Ich  verweise 
insbesondere  auf  die  Awestastellen  N.  44 :  paaurum  vd  naim9m 
yär9  apamn  vä  **daa  erste  Halbjahr  oder  das  zweite"  und  N.  37 : 
paurvaj  vä  naemät  aparät  vä  "von  der  ersten  Hälfte  (gewisser 
Texte)  an  oder  von  der  zweiten".  Die  Zendisten  geben  das  Wort 
durchweg  mit  peS  wieder;  s.  oben  S.  109. 

28.  Über  die  gelegentliche  Ersetzung  von  parva-  im  Veda 
durch  prathamd^  und  von  paurva-  im  Awesta  durch  paouruya^^ 
paoirya^  ist  bereits  oben  S.  109  ff.  gesprochen  worden.  Im  In- 
dischen nimmt  späterhin  der  Gebrauch  von  prathama-  auf  Kosten 
von  parva-  überhand;  neben  und  an  Stelle  von  pürvärdhah  *die 
erste  Hälfte'  erscheint  so  prathamärdhah;  die  beiden  Anuväka 
des  14.,  15.  und  16.  Eä^da  in  der  Atharvavedasamhitä  werden 
mit  prathamah  und  dvüfyah  bezeichnet  —  s.  dagegen  oben  §  27 
die  Awestastelle  N.  37  — ;  usw. 

IV.  Awest. /"ra^ara-  'prior'. 

29.  Als  ein  weiterer,  viel  seltener  gebrauchter  Ausdruck 
für  "prior*  dürfte  in  arischer  Zeit  die  Komparativbildung  *praiara- 
gedient  haben.  Ihr  Alter  scheint  mir  allerdings  weniger  durch 
das  Zusammengehen  der  arischen  Dialekte  gewährleistet  —  denn 
auf  indischem  Gebiet  ist  das  Wort  nur  durch  die  vedischen 
Adverbien  pratardm  und  pratardm  vertreten,  in  denen  gar  wohl 
verhältnismäßig  recht  junge  Bildungen  stecken  könnten,  s.  oben 
S.  97  zu  pratatnäm^  als  durch  das  Griechische,  wo  TTpöiepoc 
den  gewöhnlichen  Ausdruck  für  *prior'  bildet  ^).  Auf  iranischem 
Boden  setzt  sich  das  Wort  zunächst  in  jAwest  fratara-  fort,  das 
mehrfach  ganz  wie  paurva-  als  Gegenstück  von  apara-  erscheint; 
8.  mein  AirWb.  979f.  (und  —  zur  Stelle  T.  10,  2  —  1786).  Später- 
hin scheint  das  iran.  "^fratara-  seine  Bedeutung  im  nämlichen  Sinn 
verengert  zu  haben  wie  "^par^ama-  *primus';  s.  oben  §  7.    Nach 

1)  Das  Alter  der  germanischen  Bildungen  ahd.  fordaro,  aengl.  furdra, 
die  man  zu  griech.  npörcpoc  in  Ablautsverhältnis  gestellt  hat,  geht  meines 
£rachtens  nicht  über  das  Germanische  hinaus.  Das  nosk.  pruter  'prius* 
enthält  *prö,  nicht  *pro. 


116  R.  M.  Meyer, 

Andreas  Ephemeris  f.  semit  Epigr.  2,  213  haben  wir  ein  mittel- 
iranisches fratarak  als  persischen  Beamtentitel:  fFe8tangs)kom- 
mandant,  (Provinzial)gouvemeur'  anzuerkennen;  er  findet  ihn 
einmal  auf  Münzen  der  während  der  Arsakidenzeit  in  der  Persis 
herrschenden  Fürsten,  sodann  auf  einem  aramäischen  Papyrus 
aus  Ägypten.  Ich  halte  Andreas  Lesung  und  Deutung  der  frag- 
lichen Wörter  für  sehr  ansprechend,  doch  nicht  für  durchaus 
sicher*).  In  den  neuiranischen  Dialekten  ist  das  alte  ^fratarchj 
soviel  ich  sehe,  nicht  nachzuweisen.  [Fortsetzung  folgt] 

Gießen,  1.  Mai  1907.  Chr.  Bartholomae. 


/ 


Die  germanisehe  Sprachbewefung.      >^\ 

**Alle  Wissenschaft  strebt,  bei  sorgfältigster  Beobachtung 
des  Einzelnen,  nach  Zusammenfassung  und  Vereinfachung*', 
sagt  H.  Schuchardt  in  einer  Klage  über  die  wissenschaftliche 
•Atomisierung*  in  der  Philologie  (Litbl.  f.  germ.  u.  rom.  Phil.  1892 
S.  811),  "und  der  Erfolg  pflegt  nicht  auszubleiben".  Warum  wollten 
oder  sollten  gerade  wir  uns  mit  hundert  und  aber  hundert 
Gesetzchen  begnügen?  Als  einen  bescheidenen  Versuch,  in 
diesem  Sinn  über  zahllose  Einzelregeln  zur  Erkenntnis  größerer 
Tendenzen  in  der  Sprachentwickelung  zu  gelangen,  bitte  ich  diesen 
Aufsatz  anzusehen. 

Ich  gehe  aus  von  der  allgemein  bekannten  Tatsache,  daß 
oft  auf  ganz  getrennten  Sprachgebieten  dieselben  Vorgänge  sich 
wiederholen.  Wie  oft  hat  man  zur  Beurteilung  eines  Vorganges 
in  der  germ.  Sprachgeschichte  eine  analoge  Erscheinung  etwa 
aus  dem  Lat  oder  Kelt  anziehen  können  !  Aber  der  Parallelismus 
geht  über  einzelne  Erscheinungen  weit  hinaus.  Man  hat  die 
Entwickelung  vom  Altgriech.  zum  Neugriech.  (z.  B.  in  bezug  auf 
die  Ersetzungen  von  Dativ  und  Komparativ,  das  Eintreten  von 
Deminutiven  für  Grundworte)  mit  der  des  Romanischen  ver- 
glichen (Thumb  Die  neugriech.  Sprache,  Anm.  76);  darauf  hat 
Thumb  mit  Rocht  erwidert,  dieser  Parallelismus  erkläre  sich 
leicht  aus  der  allgemeinen  Ähnlichkeit  sprachlicher  Umbildung, 

1)  S.  jetzt  noch  Mseriantz  Strasburgskij  egipetsko-aramejskij  papiros 
fMoskva  1906)  21  f.,  38  f. 


Die  germanische  Sprachbewegung.  117 

und  man  könne  daher  ebensogut  die  parallele  Entwicklung  des 
Ahd.  zum  Nhd.,  des  Skr.  zum  Prakrit  vergleichen  (a.  a.  0.  S.  14). 
In  der  Tat  steht  für  eine  ganze  Eeihe  sprachlicher  ümbildungs- 
gruppen  fest,  daß  sie  typische  'Alterserscheinungen'  sind.  Vor- 
zugsweise gilt  das  für  Vorgänge,  die  auf  dem  Grenzgebiet 
zwischen  Flexionslehre  und  Syntax  liegen :  Umschreibung  statt 
der  Flexion  beim  Verb  wie  beim  Nomen  ist  allen  durch  langen 
Gebrauch  abgeschUffenen  Sprachen  gemein.  Doch  auch  lautliche 
Erscheinungen,  wie  die  Verwitterung  der  Endsilben,  fehlen  kaum 
irgendwo.  Starke  Neigungen  zu  Assimilationen,  Durchführung 
etymologischer  Analogien,  Mechanisierung  der  Betonung  stellen 
sich  fast  überall  ein. 

Wenn  aber  auch  dies  allgemein  anerkannt  und  wirklich  zwei- 
fellos ist|  fehlt  es  doch  noch  an  einer  festen  Sammlung  der  Kriterien 
für  sprachliche  Alterserscheinungen.  Wir  sind  daher  noch  gar 
nicht  gewöhnt,  chronologische  und  dialektische  Vorgänge 
streng  zu  sondern.  Weil  die  Philologie  die  Gesetze  der  einzebien 
Sprachen  zu  isolieren  pflegt,  fragt  sie  kaum  je,  ob  die  betreffende 
Ekitwicklung  nur  die  lokale  Modifikation  eines  allgemeinen  Vor- 
gangs oder  aber  ein  rein  individueller  Schritt  ist  Diese  Unter- 
scheidung ist  aber  doch  durchaus  wichtig,  wenn  wir  zu  einer 
exakten  Charakteristik  der  einzelnen  Idiome  gelangen  wollen. 

Dabei  versteht  es  sich,  daß  zu  einer  solchen  Charakteristik 
auch  die  allgemeineren  und  allgemeinsten  Entwicklungen  bei- 
tragen. Die  zweite  Lautverschiebung  ist  eine  den  hd.  Dialekten 
gemeinsame  Bewegung ;  aber  Zeit  und  Intensität  ihrer  Durch- 
führung bietet  gerade  zur  Scheidung  dieser  Dialekte  das  beste 
MitteL  Nur  Mangel  an  Material  läßt  die  erste  Lautverschiebung 
als  einen  wesentlich  geschlossenen  einheitlichen  Akt  erscheinen ; 
aber  von  Verschiedenheiten  der  germ  Urdialekte  gibt  sie  selbst 
so  schon  Kunde.  —  Und  sogar  die  im  Wesen  der  Sprache  selbst 
begründeten  und  deshalb  nirgends  fehlenden  Verwitterungen  sind 
durch  die  Individualität  der  Idiome  modifiziert:  der  Verfall 
der  Endungen,  die  Umschreibung  der  Tempora  und  Kasus  sind 
germ.  anders  geartet  als  romanisch,  englisch  wiederum  anders 
als  deutsch  usw. 

Ein  gutes  Beispiel  für  die  Verschiedenheit  von  Alters-  und 
Dialektunterschieden  gibt  z.  B.  die  Geschichte  des  aus  idg.  S  ent- 
standenen germ.  ä.  Dies  neue  d  wird  sowohl  auf  nordischem 
wie  auf  westgermanischem  Boden   hervorgebracht;   nicht  aber 


118  R.  M.  Meyer, 

bei  den  Goten.  Nun  könnte  dies  eine  rein  chronologische  Ver- 
schiedenheit sein:  besäßen  wir  kein  gotisches  Denkmal,  das 
jünger  wäre  als  die  letzten  fränkischen  Spuren  des  alten  ^,  so 
könnte  man  meinen,  es  läge  eine  gemeingerm.  Bewegung  vor, 
von  der  die  Goten  nur  durch  ihr  frühes  Absterben  ausgeschlossen 
wären.  Dann  wäre  also  das  fehlende  ä  lediglich  für  den  got 
Dialekt  eine  Zeitmarkierung.  Tatsächlich  aber  besitzen  wir  sehr 
viel  spätere  got  Sprachproben,  und  in  diesen  ist  das  i  nicht 
ä  geworden,  sondern  i :  krimgot  crüan  ulf il.  grStan  —  altn.  grdta. 
Hieraus  also  wird  klar,  daß  die  Behandlung  von  S  für  got 
nicht  bloß  ein  chronologisches,  sondern  besonders  ein  dialektisches 
Merkmal  ist  Das  heißt:  die  Goten  sprachen  das  idg.  S  anders 
als  die  andern  Stämmen.  Ein  helleres  oder  dunkleres  i  —  das 
ist  die  dialektische  Urdifferenz.  In  jedem  Fall  aber  hat  der  Laut 
die  Tendenz,  sich  konsequent  fortzuentwickeln,  und  dadurch 
wird  denn  auf  jedem  der  beiden  Dialektgebiete  —  dem  des 
helleren  und  dem  des  dunkleren  6  —  die  Durchführung  des 
neuen  Lautes  zum  zeitbestimmenden  Kriterium.  Aber  doch  immer 
nur  zum  dialektischen  Zeitmaß  —  nicht  zum  rein  chronolo- 
gischen Kriterium  wie  etwa  der  Verfall  der  Endungen. 

Wir  müssen  also  die  wichtigsten  germ.  Lautbewegungen 
durchgehen,  um  zu  prüfen,  wie  weit  sie  typische  Alterserschei- 
nungen, wie  weit  von  spezifisch  idiomatischem  Charakter,  d.  h. 
wie  weit  sie  für  die  germ.  Sprachbewegung  als  solche  charak- 
teristisch sind.  In  letzterem  Fall  haben  wir  wieder  gemeingerm. 
Eigenheiten  (die  den  germ.  ürdialekt  als  solchen  von  seinen  idg. 
Geschwistern  unterscheiden)  von  Eigenheiten  einzelner  germ. 
Dialekte  zu  sondern.  Wir  beschränken  uns  daher  zumeist  auf 
die  großen  Hauptdialekte  und  nehmen  auf  die  Mundarten  der 
Gegenwart  aus  methodischen  Gründen  keine  Rücksicht  Denn 
mindestens  einstweilen  muß  es  bedenklich  erscheinen,  die  in 
zahllosen  Nuancen  vorliegenden  kleinen  Lautbewegungen  der 
gesprochenen  Mundarten  den  größeren  Umgestaltungen  auf 
breiterer  Basis  völlig  gleichzustellen.  Dem  Ursprung  nach  sind 
sie  ihnen  gewiß  gleichartig,  und  daher  zur  Erklärung  des  ein- 
zelnen Vorgangs  an  sich  gewiß  mit  Recht  herbeizuziehen;  andrer- 
seits muß  doch  aber  irgend  ein  unterscheidendes  Moment  vor- 
handen sein,  das  diese  dialektischen  Schwankungen  in  lokale 
Grenzen  bannt,  die  von  jenen  größeren  Bewegungen  überschritten 
werden.  Es  liegen  hier  eben  individuelle,  zentrifugale  Neigungen 


Die  gennanische  Sprachbewegung.  119 

vor,  die  den  großen,  zentripetalen  Richtungen  unaufhörlich  ent- 
gegenarbeiten. 

L  Wir  beginnen  mit  der  Lautverschiebung  selbst 
Nach  der  älteren  Anschauung  handelte  es  sich  bei  den 
beiden  Lautvei-schiebungen,  der  germanischen  und  der  hoch- 
deutschen, um  zwei  von  einander  isolierte,  aber  in  sich  zusammen- 
hängende Gruppen  von  Lautveränderungen.  In  beiden  Punkten 
ist  ein  Umschwung  der  Meinungen  eingetreten.  Früh  erkannte 
man,  daß  der  zweite  Punkt  nicht  haltbar  sei;  jene  schöne, 
militärisch  einfache  Operation,  wonach  einfach  jedesmal  ein 
neues  Lautkorps  in  die  von  dem  vorigen  geräumten  Quartiere 
einrückte,  mußte  seit  R.  v.  Raumer  aufgegeben  werden.  Man 
nimmt  jetzt  wohl  allgemein  an,  die  einzelnen  Akte  innerhalb 
jeder  Lautverschiebung  seien  voneinander  völlig  unabhängig.  — 
Dagegen  ist  in  bezug  auf  den  ersten  Punkt  die  nötige  Reform 
der  Meinungen  noch  nicht  völlig  durchgedrungen.  Obschoa  Vor- 
gänge wie  die  Durchführung  des  Vemerchen  Gesetzes  und  später 
die  gemeindeutsche  Umsetzung  von  ß  in  d  sichtlich  auf  der 
Verbindungslinie  zwischen  den  beiden  großen  Verschiebungen 
liegen,  spricht  man  vielfach  noch  von  diesen  wie  von  zwei 
einsamen  Revolutionen.  Wir  glauben,  daß  man  vielmehr  die 
beiden  'Lautverschiebungen'  nur  als  Höhepunkte  gewißer  konti- 
nuierlicher LautbeweguDgen  ansehen  darf  —  gerade  ebenso,  wie 
man  längst  die  sog.  'Völkerwanderung'  als  einen  einzelnen  Akt 
in  einer  großen  Kette  unaufhörlicher  Volksbewegungen  erkannt 
hat  Von  der  Zeit,  in  welcher  die  idg.  Ten.  aspir.  im  Munde 
der  Urgermanen  ihren  Hauchlaut  verlor,  bis  zu  der,  in  welcher 
die  Tennis  im  Anlaut  neuhochdeutscher  Worte  eine  neue  Aspi- 
ration gewann,  ist  sie  beständig  Schwankungen  ausgesetzt  ge- 
wesen. Kontinuierlich,  in  unmerklichen  Übergängen,  in  wechseln- 
den Grenzen  vollzieht  sich  zeitlich  wie  räumlich  jede  Sprach- 
veränderung; wie  besonders  Braune  dies  für  die  gleichzeitigen 
Dialekte  in  bezug  auf  die  Lautverschiebung  dargetan  hat,  so 
gilt  es  auch  für  die  auf  gleichem  Boden  sich  folgenden  Epochen. 
Auf  den  urgerm.  Wechsel  von  kh  th  ph  mit  x  /  /?  von  k  t  p 
mit  denselben  urgerm.  Lauten,  von  g  d  b  mit  k  t  p  folgt  noch 
in  urgerm.  Zeit  der  an  bestimmte  Akzentverhältnisse  gebundene 
Tausch  von  x  ß  f  (und  s)  mit  f  d  b  (und  z).  Dann  kommt  die 
junggerm.  Lautverschiebung:  f  d  b  werden  z.T.  g  db;  hier 
sind  bereits  starke  dialektische  Differenzen  vorhanden.  Es  fol?^ 


130  R.  M.  Meyer, 

die  westgerm.  Lautverschiebung:  g  d  i  werden  von  einer 
großen  Reihe  von  Konsonanten  geminiert  Dann  die  gemein- 
deutsche: p  wird  (durch  d  hindurch)  zu  d.  Nun  wieder  eine 
große  Haupt-  und  Staatsaktion:  die  hochdeutsche  Lautver- 
schiebung mit  sehr  mannigfaltigen  Schattierungen  nach  Dialekt, 
Zeit,  Lautstellung.  Noch  in  ahd.*Zeit  beginnt  die  auf  den  Aualaut 
beschränkte  mhd.  Lautverschiebung:  Med.  wird  Ten.,  auch 
wird  —  ein  keineswegs  bloß  orthographisches  Gegenstück  zur 
westgemi.  Konsonantendehnimg  — ,  ebenfalls  nur  im  Auslaut, 
Doppelkonsonanz  vereinfacht  —  Den  Schluß  macht  endlich  — 
bis  auf  weiteres  —  die  nhd.  Lautverschiebung:  |>,  A,  in  der 
Regel  auch  t  werden  aspiriert;  im  Auslaut  wird  mhd.  k  gern 
Spirans.  Doch  ist  dieser  letzte  Zug  noch  in  dialekt  Grenzen  ein- 
geengt; seine  Ausdehnung  ist  walirscheinlich. 

Daß  diese  sämtlichen  Vorgänge  eine  Kette  sich  beständig  ab- 
lösender Lautveränderungen  wirklich  darstellen,  scheint  zweifellos. 
Wir  nennen  freilich  z.  B.  die  mhd.  *Lautabstuf ung'  im  Auslaut  ge- 
wöhnlich nicht*Lautverschiebung'.  Aber  eine  Terminologie  ist  noch 
kein  Argument !  Richtig  ist,  daß  jene  Lautabstufung  in  zwiefacher 
Hinsicht  der  hd.  Lautverschiebung  nachsteht:  erstens  bezüglich  des 
Sprachgebiets,  in  dem  sie  stattfindet,  zweitens  bezüglich  der  Laut- 
stellung. In  beiderlei  Hinsicht  steht  sie  der  got  Verhärtung  der 
stimmhaften  Spiranten  im  Auslaut  gleich.  Sie  ist  intensiv  und  exten- 
siv in  engere  Grenzen  gebannt  Aber  sind  darin  nicht  die  verschie- 
denen Akte  der  hd.  Laut\'erschiebung  unter  sich  ebenfalls  verschie- 
den ?  Es  ist  also  eine  spezielle  Nachprüfung  nötig,  um  den  Charakter 
dieser  auf  hd.  Boden  sich  aneinanderhängenden  Sprachänderungen 
zu  beurteilen.    Wir  folgen  dabei  der  chronologischen  Ordnung. 

Es  ist  noch  nicht  lange  bekannt  und  wohl  erst  durch 
Brugmanns  Grundriß  zum  Gemeingut  geworden,  daß  die  Keime 
der  unter  dem  Namen  der  germ.  Lautvei-schiebung  zusammen- 
gefaßten Lautveränderungen  in  die  idg.  Urzeit  zurückreichen. 
Mit  der  verschieden  großen  Ausdehnung,  welche  die  betreffenden 
Neigungen  schon  vor  der  Sprachtrennung  gewonnen  haben, 
«clieiut  gleichzeitig  ein  chronologischer  Faden  gegeben  zu  sein, 
dessen  Angaben   durch  andere  Erwägungen   bestätigt  werden. 

1.  Nur  Skr.  hält  durchaus  fest  an  den  idg.  Aspiraten.  In  den 
übrigen  Sprachen  werden  daraus  teils  Spiranten,  teils  Verschluß- 
laute. —  Germ,  wird  gh  zu  t,  hh  zu  6,  dh  z\x  d:  Media  Aspirata 
wird  tönender  Reibelaut. 


Die  germanische  Sprachbewegung.  121 

Daß  also  die  idg.  Aspirata  verändert  wird,  ist  ein  ordialekt 
Vorgang  der  idg.  Zeit;  wie  sie  verändert  wird,  das  wird  durch 
die  Eigenart  der  einzelnen  Urdialekte  bestimmt  —  genau  dieselbe 
Begrenzung  der  Übereinstimmung,  wie  wir  sie  z.  B.  beim  ags. 
und  altn.  w-Umlaut  finden  werden.  Aber  schließlich  ist  auch 
iran.  kelt  baltoslav.  Med.  aspir.  zur  Media  geworden.  —  Mit 
späteren  germ.  Lautänderungen  kann  diese  älteste  nicht  verglichen 
werden,  weil  die  späteren  keine  Aspirata  mehr  vorfinden. 

Aber  dieser  erste  Akt,  die  Verschiebung  der  Aspiraten, 
geht  urgerm.  nicht  bloß  so  weit,  dass  er  schon  vor  der  Dialekt- 
trennung überall  y  b  dj  x  f  P  durchsetzt,  sondern  noch  weiter 
in  dem  Sinne,  daß  er  überall  die  Keime  fernerer  Entwicke- 
Inngen  austreut  Sie  werden  teils  durch  die  Zeit  ihres  Eintritts, 
teils  durch  den  Grund  der  Durchführung  zu  germ.  Dialekt- 
kriterien. —  Nur  f  bleibt  gewöhnlich  unberührt  Dagegen  werden 
"(  b  d  zu  g  b  d;  ß  (durch  d  hindurch)  zu  d;  x  zu  einfachem 
Hauchlaut 

a)  Nach  der  Gliederung,  die  besonders  durch  J.  Schmidts 
Wellentheorie  für  die  ursprünglichen  Nachbarschaften  der  ur- 
dialekte wahrscheinlich  wird,  bildeten  diese  einen  Ring  folgender 
Art :  Arier —  Slaven — Germanen — Kelten — Italier — Griechen — 
Arier.  Die  eine  Hälfte  dieser  Kette,  von  den  westlichen  Ariern 
bis  zu  den  Kelten,  hat  gleichsam  die  Aufgabe,  Med.  aspir.  zur 
einfachen  Media  umzuformen.  Aber  nur  langsam  und  zögernd 
vollziehen  die  Germ,  diesen  Auftrag. 

Sie  beginnen  ihn  mit  dem  Anlaut  Und  hier  ist  gleich 
ein  Wort  über  Ursachen  des  Lautwandels  zu  sagen.  Man  pflegt 
kombinatorischen  und  spontanen  Lautwandel  zu  scheiden.  Diese 
sehr  nützliche  Unterscheidung  ist  aber,  wie  alle  derartigen  Anti- 
thesen nur  als  eine  Unterscheidung  des  Grades  au&ufassen. 
(Dies  hat  neuerdings  Vossler,  Sprache  als  Schöpfung  und  Ent- 
wicklung S.  37,  trefflich  ausgeführt).  Keine  Laut  Veränderung 
ist  ausschließlich  kombinatorisch.  Denn  es  muß  doch  z.  B.  an 
der  Art  des  deutschen  a  liegen,  daß  es  von  einem  i  der  folgen- 
den Silbe  umgelautet  wird,  während  in  anderen  -Sprachen  das  i 
diese  Wirkung  nicht  hat  Und  keine  Lautveränderung  ist  rein 
spontan.  Wie  oft  sehen  wir  eine  später  ganz  allgemeine  Laut- 
entwickeluiig  anfänglich  nur  unter  ganz  bestimmten  Voraus- 
setzungen eintreten,  oder  eine  partielle  Wiederholung  einer 
allgemeinen  ^spontanen'  Lautentwicklung  auf  bestimmte  Vor- 


122  R.  M.  Meyer, 

aussetzangen  beschränkt  bleiben !  Es  ist  eben  hier  nicht  anders 
als  überall  im  Leben :  damit  ein  gewisser  Vorgang  erfolge,  müssen 
bestimmte  äußere  Einwirkungen  auf  bestimmte  innere  Anlagen 
treffen.  Aber  bald  kann  die  Anlage  so  stark  sein,  daß  ein  kaum 
bemerkbarer  Anstoß  genügt,  bald  der  äußere  Einfluß  so  mächtig, 
daß  er  auch  auf  eine  schwache  Vorbereitung  wirkt 

So  ist  es  also  hier.  In  einer  großen  Dialektgruppe  der 
Urzeit  steht  die  Media  Aspirata  der  Media  nahe.  Die  geringe 
Modifikation,  die  die  Aussprache  der  (aus  Med.  asp.  entstandenen) 
tönenden  Spiranten  im  Anlaut  erfährt,  genügt,  um  den  neuen 
Laut  in  die  Bahnen  des  alten  zurückzulenken.  Ausnahmslos 
durchgeführt  wird  ein  Lautgesetz  ja  doch  nur  auf  dem  Papier. 
Während  die  Mehrzahl  der  ürgerra.  schon  t  sprach,  existierte 
gewiß  noch  die  Aussprache  gh-g^  und  das  anl.  t  konnte  sich  an 
diese  anschließen. 

Am  längsten  gewahrt  bleiben  die  Reibelaute  im  Inl.  nach 
Vokalen.  Weshalb,  ist  in  meinem  Aufsatz  über  die  germ.  An- 
lautgesetze  (HZ.  38,  29 1)  gezeigt :  weil  postvokalischer  Inlaut 
tatsächlich  vom  Wortanlaut  nur  dem  Grad  nach  verschieden  ist 
Nun  liebt  der  Deutsche  im  Anlaut  keine  reinen  Verschlußlaute. 
Im  Wortanlaut  konnte  die  neue  Media  mit  leiser  Aspiration 
gesprochen  werden,  eben  gerade  so  wie  jenes  gh-g  der  idg. 
Dialektgruppe;  ebenso  stand  ja  auch  urgerm.  Ten.  der  nhd. 
leicht  aspirierten  Ten.  näher  als  der  reinen  Ten.  der  idg.  Ur- 
sprache und  der  Romanen.  Dagegen  im  Silbenanlaut  war  die 
Aspiration  erschwert ;  das  verhinderte  eine  Zeitlang  die  Durch- 
führung der  Media. 

An  allen  Stellen  hält  sich  nur  t  gemeinwestgerm.  Aber 
die  niedenvestgerm.  Dialekte  (as.,  altfries.,  ags.),  die  dem  Ost- 
germ, näher  stehen  als  das  Hd.,  bewahren  es  länger  als  dies. 
Zuerst  scheint  in  der  Gemination  g  durchgedrungen,  und  zwar 
ahd.  ebenso  wie  got  in  triggws  (vgl.  Braune  Ahd.  Gr.  §  82,  4), 
wenn  es  hier  als  Verschlußlaut  aufgefaßt  werden  darf. 

Außer  T  sind  noch  b  und  d  anl.  gewahrt  bloß  im  Altn. 
Aber  auch  hier  beginnt  schon  im  8.  Jahrh.  die  Ersetzung  durch 
b  d  g.  Befördert  scheint  der  Übergang  durch  die  Nähe  von 
Nasalen  und  Liquidae,  die  überhaupt  in  den  ältesten  germ.  Laut- 
entwicklungen eine  große  Rolle  spielt 

Inl.  nach  r  ist  ebenfalls  nur  nord.  lange  Zeit  Spirans  er- 
halten worden  und  zwar  nur  eine:  d. 


Die  germanische  Sprachbewegung.  123 

Inl.  nach  Yok.  und  ausl.  sind,  wenn  man  den  Schreibungen 
trauen  darf,  ostgot  noch  t  und  b  erhalten,  in  Spuren  auch  d. 
Nur  T  und  b  sind  gewahrt  (altn.,  as.,  ags.);  ebenso  langob.:  6au- 
dus,  aber  Marivadus.  Oot  ist  die  Verschiedenheit  zwischen  anl. 
Media  und  inl.  Spir.  bis  in  die  letzten  Denkmäler  erhalten; 
nicht  bloß  west-  und  ostgot  Urkunden  scheiden  b  und  6,  son- 
dern sogar  krimgot  steht  noch  sUvir  (wie  altn.  silfr)  gegen. 
bruder  (wie  altn.  brödir). 

Die  drei  Spiranten  haben  also  jede  ihre  Eigenart:  t  bleibt 
am  längsten  anl.,  d  nach  r;  b  bleibt  im  postvokal.  Inl.  wenigstens 
länger  als  d.  Ganz  ähnliche  Differenzen  treffen  wir  bei  der  hd. 
Lautverschiebung.  —  Die  Ostgerm,  halten  den  Reibelaut  länger 
fest  als  die  Westgerm,  und  wieder  die  Skandinavier  länger  als 
die  Vandilier.  Im  Großen  und  Ganzen  aber  ist  die  alte  An- 
schauung, daß  idg.  Aspir.  zur  germ.  Media  wird,  doch  berechtigt 
nur  wird  diese  gemeingerm.  Entwickelung  mit  dialektisch  ver- 
schiedener Energie  und  Schnelligkeit  vollzogen. 

Je  eher  ein  germ.  Dialekt  von  Spir.  zur  Med.  tibergeht, 
desto  größere  Neigung  hat  er,  von  der  Med.  weiter  zur  Ten. 
zu  gehen.  — 

2.  Auch  die  Tenuis  aspir.  bleibt  idg.  nur  ausnahmsweise 
erhalten.  Sie  wird  gern  zur  Ten.  gewandelt  Dies  geschah 
griech.  und  ind.  allgemein,  wenn  die  nächste  Silbe  mit  Asp. 
(oder  s  +  Asp.)  anfing.  Es  geschah  femer  baltoslav.  nach  s,  iran. 
allgemeiner  nach  «,  i  und  Nasalen.  Hier  aber  scheint  dies  auf 
dem  Umweg  über  Spir.  geschehen  zu  sein:  nach  b  entsteht 
nämlich  lat.  germ.  Spir.,  die  weiterhin  zu  Ten.  wird,  während 
iran.  gerade  nach  s  nicht,  sonst  aber  immer  Spir.  eintritt.  — 
Es  scheint  also  auch  hier  ein  idg.  Dialektvorgang  vorzuliegen. 
Ten.  aspir.  wird  Spir.,  zunächst  nach  s ;  auf  dieser  Stufe  bleiben 
lat  und  germ.  vorerst  stehen.  Später  verschieben  beide,  wie 
iran.  und  baltoslav.  schon  früher,  die  Spir.  zur  Ten. ;  iran.  läßt 
dann  einen  Nachschub  der  übrigen  Ten.  asp.  bis  zur  Spir.  folgen. 
Dies  tut  seinerseits  auch  germ.,  aber  so  früh,  daß  die  Schick- 
sale der  idg.  Ten.  aspir.  nach  s  und  an  andern  Stellen  zu- 
sammenfallen. Die  Entwicklung  ist  sehr  ähnlich  derjenigen, 
die  auf  germ.  Boden  von  p  über  d  zw,  d  erfährt  Jedenfalls 
sind  idg.  Ten.  und  idg.  Ten.  aspir.  germ.  früh  zusammengefallen. 
Im  übrigen  ist  die  Beurteilung  dieser  Vorgänge  dadurch  er- 
schwert, daß  der  Umfang  der  Ten.  aspir.  im  Idg.  so  unsicher  ist 


124  R.  M.  Meyer, 

3.  Die  Verschiebung  der  idg.  Tenues  i  ^  p  ist  ebenfalls 
urgerm.  nur  die  Weiterfübrung  eines  urdialekt  Anstoßes.  *Tjn 
ürgerm.  wurden  p  und  k  vor  t  und  «  zu  /"  und  x  analog  wie 
im  Iran.,  ümbr.,  Samn.  und  Kelt."  (Brugmann  I  §  527),  und 
erst  später  scheint  diese  Verschiebung  der  Tenues  verallge- 
meinert (ebd.  528).  Dabei  wird  dann  auch  drittens  allgemein 
t  ZM  p.  —  Über  die  weiteren  Schicksale  von  f  x  p  i^t  nun  noch 
zu  handeln ;  sie  sind  dieselben,  ob  nun  diese  Spir.  aus  idg.  Ten. 
oder  idg.  Ten.  aspir.  entstand. 

a)  p  wird  d  und  dies  zu  d.  Diese  Bewegung  beginnt  in 
der  Stellung  nach  Vokalen :  hierauf  bleibt  der  Wandel  von  p 
zu  d  umord.  beschränkt  Ags.  wird  auch  nach  l  die  tonlose 
Spirans  tönend,  und  dann  schreitet  sie  auch  zur  Media  fort 
Im  allgemeinen  ist  die  gleiche  Bewegung  gemeindeutsch.  Sie 
beginnt  im  Hd.  des  9. — 10.  Jahrb.,  das  Nd.  folgt  im  10. — 11. 
Jahrh.  Schon  die  zur  ahd.  &ruppe  gehörigen  langob.  Denkmäler 
zeigen  öfters  d  für  p. 

Den  Übergang  von  altem  dzud  haben  alle  nord-westgerm. 
Dialekte.  Aber  auch  vandilische  Mundarten  zeigen  oft  d:  ost- 
und  westgot.  sowie  vandaL  haben  fast  regebnäßig  d,  bürg,  zeigt 
neben  häufigem  d  sogar  schon  die  weitere  Stufe  ^,  welche  krim- 
got  überwiegt 

Sämtliche  germ.  Dialekte  haben  also  die  Tendenz,  nach  So- 
noren /  zu  d  zu  wandeln.  Wieder  machen  die  Westgerm,  den 
Schritt  am  schnellsten  und  allgemeinsten,  wieder  sind  die  Skan- 
dinavier noch  konservativer  als  die  Vandilier. 

Eine  Neigung,  die  Media  zur  Ten.  weiterzuschieben,  ist 
auch  hier  vorhanden,  nicht  nur  bei  den  Hd.  und  den  von  ihnen 
beeinflußten  Burg.,  sondern  auch  bei  den  Mösogoten. 

b)  X  wird  fast  überall  zum  einfachen  Hauchlaut  Dies  dürfte 
eine  Altersei-scheinung  sein.  Sie  beginnt  im  Anlaut  und  bleibt 
großenteils  auf  ihn  beschränkt  Im  Anl.  aber  stellt  die  Abschwächung 
sich  bei  den  germ.  Dialekten  auch  so  gut  wie  ausnahmslos  ein 
imd  schreitet  westgot  und  bes.  krimgot,  ostgot,  vand.,  bürg,  so 
gut  wie  nhd.  oft  bis  zu  völligem  Schwund  des  h  fort  Eine  leise 
Aspiration  ist  überall  den  Germanen  der  liebste  Anlaut;  daher 
wird  einerseits  x  zu  A  abgeschwächt,  andererseits  springt  ahd.  und 
mhd.  h  gern  vor  Vokale  (auch  das  Dehnungs-Ä  des  Nhd.  ist  wohl 
ursprünglich  nicht  rein  orthographisch).  Besonders  ist  dies  im 
Alem.  der  Fall,  w^o  x  stärker  als  sonst  bewahrt  wird. 


Die  germanische  Sprachbewegung.  126 

• 
c)  f  bleibt  in  der  Regel.   Es  ist  ein  germ.  lieblingsiaut 

namentlich  für  den  Anlaut  Hier  rekrutiert  es  sich  germ.  aus  /. 
Dies  geschieht  nord-westgerm.  regelmäßig  im  Aul.  vor  l :  ßiukan 
—fUohoH  (doch  vgl.  H.  Z.  38, 44);  der  führende  Dialekt  des  AhA, 
der  fränkische,  liebt  aber  auch,  wo  kein  l  folgt,  anl.  ßzxi  fzii 
wandeln ;  dasselbe  begegnet  langob.  Und  die  Erscheinung  springt 
sogar  ins  Yandilische  über,  wenn  wirklich  bürg,  hlifim  =  hletheui 
ist  (Wackemagel  KL  Sehr.  3,  358).  Es  würde  dann  dies  (wie  die 
bürg.  Verwandlung  von  t  in  ä)  fränk.  Einfluß  zuzuschreiben  sein. 
—  Auch  engl,  berühren  sich  p  und  f  (Pauls  Grundriß  S.  852 
§  72).  —  Umgekehrt  vertiert  f  seine  Stelle  öfters  im  Inlaut,  be- 
sonders vor  i.  Vor  i  tauschen  nd.  und  mfr.  germ.  ck  für  f  ein : 
aehier ;  vor  t  (und  s)  wird  f  nord.  zu  p.  Nord,  wird  es  femer 
nach  Vok.  und  /,  r  (wenn  kein  «,  ^,  p  folgt)  zu  6.  In  6  scheint 
es  auch  ae.  überzugehen,  wo  nicht  tonlose  Eons,  oder  Pause 
folgen  (ebd.  S.  858  §  77).  — 

Überblicken  wir  die  bisherigen  Betrachtungen.  Überall 
glaubten  wir  für  die  großen  Verschiebungen  erstens  Vorbereitung 
in  idg.-dialekt  Neigung,  zweitens  Anstoß  in  bestimmten  Laut- 
verbindungen zu  finden.  Die  Verschiebung  von  Med.  aspir.  zur 
Spirans  ist  nur  die  erste  Hälfte  der  Verschiebung  zur  Media. 
Diese  beruht  auf  der  Schwächung  der  Aspir.  in  einer  großen 
idg.  Gruppe,  beginnt  im  Anl.  und  wird  im  Inl.  nach  Vok.  zu- 
letzt durchgeführt  —  Die  Verschiebung  von  Ten.  aspir.  zur  Spir. 
ist  nur  die  erste  Hälfte  der  Verschiebung  zur  Ten.  Diese  beruht 
auf  den  Tendenzen  einer  großen  (mit  der  vorigen  nicht  völlig 
identischen)  idg.  Gruppe  und  beginnt  im  Inl.  nach  «.  —  Die 
Verschiebung  von  idg.  Ten.  beginnt  in  einer  großen  Dialekt- 
gruppe (in  neuer  Zusammensetzung)  vor  t  und  «.  Die  weitere 
Wandlung  von  /  zu  ef  beginnt  in  der  Stellung  nach  Sonoren, 
die  von  x  »iim  einfachen  Hauchlaut  im  Anlaut.  —  Auf  engere 
Grenzen  bleiben  die  Änderungen  von  f  beschränkt:  anl.  p  wird 
gern  f^  inl.,  besonders  vor  ^,  wird  f  zu  ch  oder  zu  6. 

Dreierlei  Stellungen  finden  wir  wichtig:  die  im  Anl.  (für 
idg.  Med.  asp.,  urgerm.  x  und  ß%  die  nach  s  (idg.  Ten.  asp.)  und 
die  vor  t  und  s  (idg.  Ten.,  urgerm.  f).  Anlaut  zweiten  Ranges 
liegt  auch  bei  der  Stellung  nach  Sonoren  (für  urgerm.  ß — d)  vor. 

4.  Nachdem  aspirierte  Media  mitTenuis  urgerm.  zusammen- 
gefallen ist,  wird  allgemein  idg.  Media  zu  urgerm.  Tenuis :  g  db 
zjx  k  i  p. 


126  R.  M.  Meyer, 

Diese  Laute  werden  in  der  sog.  zweiten  Lautverschiebung 
weiter  entwickelt  und  zwar  zunächst  fast  allgemein  hd.  zur 
Affrikata  kh  tz  pf.  Diese  Stufe  wird  aber  wieder  auch  außerhalb 
des  hochdeutschen  Gebietes  erreicht;  nur  die  Konsequenz  ihrer 
Durchführung  auf  diesem  Gebiete  gibt  uns  das  Recht,  sie  'hoch- 
deutsche Tjautverschiebung*  zu  nennen.  Am  häufigsten  wird 
außerhd.  k  zur  Affrikata,  besonders  krimgot  im  AnL,  aber  auch 
westgot:  Chintüa\  im  Auslaut  steht  öfters  cA;  für  ^:  krimgot  rinck^ 
wo  also  k  als  Durchgangsstufe  anzunehmen  ist  Seltener  erscheint 
t  als  Affrikata;  so  ist  aber  wohl  krimgot  gdtz  sUUz  zu  deuten 
(von  Sievers  Grundr.  I  416  als  Bewahrung  der  alten  Spirans 
aufgefaßt)  ebenso  bürg.  Burgunziones  Scanzia.  Danach  scheint  t 
besonders  nach  Liquida  verschoben  zu  werden.  —  Dagegen  ist 
Verschiebung  von  f  zu  pf  bei  den  Vandiliem  nicht  nachzu- 
weisen; nur  Förstemann  hat  mit  kühner  Vermutung  aus  der 
Wandlung  von  p  und  k  zu  f  und  h  bei  den  Magyaren  Schlüsse 
auf  gleiche  Vorgänge  bei  den  Gepiden  gezogen  (Gesch.  d.  d. 
Sprachstammes  I  356  11  182),  was  denn  pfkh  voraussetzen  Ueße. 
Doch  ist  dabei  die  Seltenheit  des  p  (besonders  im  urgerm.  Anl.) 
zu  bedenken.  —  Auf  dieser  Stufe  bleibt  die  hd.  Verschiebung 
nach  Kons,  und  in  der  Gemination  stehen.  Nach  Vok.  geht  sie 
weiter  zur  harten  Doppelspirans  zz,  ff,  hh. 

Merkwürdig  ist,  daß  gerade  diejenige  Verschiebung,  die 
hd.  die  intensivste  ist:  die  der  harten  Verschlußlaute  nach  Vo- 
kalen zu  harten  Doppelspiranten,  außerhd.  zu  fehlen  scheint, 
und  daß  umgekehrt  gerade  der  Wandel,  der  hd.  die  geringste 
Ausdehnung  hat:  A  zu  M  (nur  oberdeutsch)  vandilisch  am 
häufigsten  ist  Nun  ist  noch  daran  zu  erinnern,  daß  auch  ags. 
im  AusL,  allerdings  nur  unter  bestimmten  Bedingungen,  g  zw,  h 
wird,  gleichsam  eine  Fortsetzung  jener  krimgot  Entwickelung 
von  ulf.  *hriggo  as.  ags.  hring  zu  rinck:  die  Affrikata  >vird  zu 
(ausl.  vereinfachter)  Doppelspir. :  bedh ;  die  Zwischenstufe :  k  zu  kh 
(cÄ,  ck  geschrieben)  liegt  in  northumbr.  folches  u.  dgl.  vor  (Sievers 
Ags.  Gramm.  210,  3).  Vielleicht  haben  wir  hier  ein  merkwürdiges 
Beispiel,  wie  dieselbe,  urgerm.  sozusagen  präformierte  Neuerung 
dialektisch  modifiziert  wird.  Die  Tenues  haben  die  Neigung,  zur 
Affrikata  überzugehen ;  diese  Neigung  scheint  aber  auf  dem  hd. 
Gebiet  (mit  Einschluß  des  langob.)  durch  die  Stellung  nach  Vokal, 
außerhalb  desselben  durch  die  nach  Liquida  begünstigt  zu  werden. 
Zu  einer  Zeit,  wo  die  Verschiebung  nach  Vok.  hd.  schon  so 


Die  germanische  Sprachbewegung.  127 

weit  gediehen  war,  daß  sie  weiter  zur  Doppelspir.  geführt  werden 
konnte,  war  sie  anderswo  nach  Yok.  noch  gar  nicht  eingetreten. 
Dagegen  schließt  der  Guttural  sich  gerade  dem  Nasal  am  engsten 
an,  wie  schon  die  griechisch-ulfilanische  Schreibung  gg  und  seine 
sprachgeschichtliche  Ursache  im  Griechischen  erweisen;  wo  ge- 
rade Liq.  auf  die  Verschiebung  einwirkte,  wurde  daher  k  zumeist 
zu  cA.  Auch  Dent  tritt  zu  Liq.  und  Nas.  in  enge  Verbindung, 
wie  das  öftere  Einwirken  z.  £.  von  l  auf  d  zeigt;  Labialis  und 
Liq.  aber  fließen  wie  Wasser  und  öl  auseinander,  und  f  bleibt 
deshalb  vandilisch  unverschoben. 

5.  Die  zweite  oder  hd,  Lautverschiebung,  in  deren  Bereich 
wir  hiermit  schon  eingetreten  sind,  wandelt  femer  auch  die  aus 
idg.  gh  bh  dh  allmählich  entwickelten  Mediae:  g  zn  k^  b  zu  p^ 
d  zu  t  Die  Zeit  und  Gründlichkeit  der  Durchführung  dient  zur 
Abgrenzung  der  deutschen  Dialekte,  wobei  wieder  einerseits 
zwischen  Anl.,  postvokal,  und  postkonsonant  Lil.  Verschieden- 
heiten hervortreten.  —  Auch  diese  Erscheinung  aber  ist  nicht 
auf  deutsches  Sprachgebiet  beschränkt.  Die  Verschiebung  von  d 
zu  i  ist  krimgot  fast  durchgeführt  und  begegnet,  wie  erwähnt,  auch 
bürg.;  g  wird  krimgot  im  Anl.  zu  k  (inl.  zu  jA,  auch  ch  für  k\ 
ebenso  zuweilen  vandal.  Dagegen  treffen  wir  für  p  aus  b  krimgot 
nur  ein  Beispiel :  plut.  —  Im  Ausl.  allein  treffen  wir  dieselbe  Wand- 
lung spät-ahd.  mhd,  vereinzelt  auch  ags.  (Sievers  a.  a.0. 190  Anm.). 

Wir  sehen  also:  die  hd.  Lautverschiebung  steht  nirgends 
vereinzelt,  und  die  urgerm.  Lautverschiebung  bleibt  nirgends 
ohne  weitverstreute  Folgen.  Ohne  hier  schon  weitergehende  Ur- 
teile zu  wagen,  verfolgen  wir  das  gleiche  Problem  durch  einige 
weitere  Erscheinungen  der  Lautlehre. 

IL  Beim  kons.  Auslautgesetz  wird  urgerm.  m  der  Endung  zu 
n :  gotpana-  idg.  *toi»,  isUm.  Diese  Änderung  (die  ja  z.  B.  auch  alt- 
griech.  begegnet)  wiederholt  sich  innerhalb  des  germ.  Sprachlebens 
periodisch:  ahd.  in  Flexionssilben,  mhd.  auch  in  wortbildenden 
Suffixen :  buosem^  wo  es  dann  nhd.  durchgeführt  wird.  —  Diese 
Erscheinung  ist  aber  nicht  auf  das  hd.  beschränkt;  auch  nd. 
hat  dagun^  spätags.  dagon ;  altfries.  aber  nur  im  Rüstringer  Dial. 
und  nur  nach  kurzem  (ags.  überwiegend  nach  unbetontem)  Vokal. 

Die  Änderung  von  m  zu  n  scheint  durchaus  auf  den  Auslaut 
beschränkt  (denn  bei  Assimilationen  an  nicht  homorgane  Folge- 
laute geht  m  einfach  mit  den  andern  Nasalen  zusammen).  Nur 
vor  f  wird  m  ebenso  hd.  zu  n :  finf. 


128  R.  M.  Meyer, 

in.  ürgerm.  verklingt  n  vorx:  got  brahta.  Ähnliches  wieder- 
holt sich  oft,  aber  unter  modifizierten  Bedingungen,  in  den  Dia- 
lekten: um.  schwindet  n  vor  r,  s,  Z;  krimgot  dagegen  nach  r: 
kor  =  Ulf.  kaum.  Sehr  weit  ist  die  Neigung  verbreitet,  n  im  Inl. 
vor  Spir.  (bes.  tonloses  Spir.)  zu  unterdrücken:  gemein-nieder- 
westgerm.  /?/*,  krimgot.  jes  =  Ulf.  jaim^  herul.  FtUmtäh,  Deutsch 
unterdrückt  das  9  auch  gern  vor  Gutt.  in  Suffixen,  wenn  n  voran- 
geht (wie  Edward  Schroeder  so  schön  nachgewiesen  hat) :  Pfenmy* 
—  Femer  wird  ausl.  n  vielfach  beseitigt,  so  altn.,  fries.  und  in 
dem  dem  Fries,  am  nächsten  stehenden  ags.  Dial.,  dem  northnmbr., 
in  ahd.  Zeit  besonders  im  ostfränk.,  in  mhd.  Zeit  bes.  im  bair. 
Dialekt.  Es  ist  klar,  daß  die  Vorgänge  —  wie  in  anderen  hier 
besprochenen  Fällen  —  nicht  identisch  sind;  aber  alle  zeugen 
sie  für  Eins :  für  eine  Neigung  der  Germanen,  das  n  zu  unter- 
drücken, um  es  in  gewohnter  Schopenhauerianischer  Willens- 
mythologie auszudrücken;  für  eine  Schwäche  des  germ.  n,  um 
es  realistischer  zu  formulieren. 

IV.  Eine  ähnliche  Schwäche  zeigt  das  germ.  w.  Ein  un- 
zweifelhaft vor  der  Dialekttrennung  vorbereiteter  Akt,  den  dann 
aber  die  Dialekte  mit  sehr  ungleicher  Schnelligkeit  vollziehen, 
ist  die  Beseitigung  des  anl.  w  vor  r  und  l ;  völlig  ist  sie  ja 
noch  heute  nicht  durchgeführt,  denn  in  nd.  Eigennamen  besitzen 
wir  noch  heute  die  Anlaute  Wrede^  Wrege^  und  geringen  ist  so- 
gar von  dem  nd.  Gebiet  aus  in  die  norddeutsche  Schriftsprache 
eingedrungen.  Aber  auch  im  Inl.  neigen  nord-westgerm.  zur 
Verflüchtigung  oder  doch  wenigstens  zur  Vokalisierung  von  u?, 
während  es  got  überhaupt  nur  nach  kurzem  Vokal  und  ferner 
nur  im  Ausl.,  vor  dem  9  des  Nom.  Sg.  (das  dann  wohl  gar  nicht 
gesprochen  wurde,  wie  das  elisionsfähige  tß  der  lat  Akkusative) 
und  nach  j'  vokalisiert  wird :  kniu  —  altn.  s(mg  zu  syngva  gegen 
got.  saggq^  ags.  sae  gegen  got  äwV«,  altfries.  SMier^  kuma  gegen 
got  9fri8tar,  qino. 

V.  Ähnlich  schwindet  in  den  meisten  Stellen  (ahd.  zuerst) 
j  nach  Kons.,  während  es  umord.  im  Anl.  unterdrückt  wird. 
Die  *Grenzlaute*  erfreuen  sich  bei  den  Germ,  fast  nirgends 
besonderer  Liebe  oder  Schonung;  trotzig  auf  eigenem  Boden 
stehende  oder  typische  Laute  wie  r,  «,  ^,  /*  —  das  sind  germ. 
Sprachlieblinge. 

VI.  Besonders  charakteristisch  für  das  manchmal  späte 
Aufgehen  fi-üher  Keime  scheint  mir  die  Verstufung  von  ausl. 


Die  germanische  Sprachbewegung.  129 

d  und  g.  Schon  umord.  werden  ausl.  d  und  g  (faktisch  nur  in 
den  Verbindungen  Id  und  rg  vorkommend)  zu  t  und  k  (Noreen 
Gramm.  §  186).  Das  Gleiche  geschieht  spätahd :  d  wird  t  (Braune 
Ahd.  Gr.  167,  6),  und  schon  bei  Isidor  wird  wenigstens  zuweilen 
ausL  ^  zu  c  (ebd.  148,  1);  mhd.  wird  das  dann  allgemeine  Regel: 
toc,  tages^  nUj  nides.  Vereinzelt  begegnet  die  Erscheinung  auch 
sonst 

Vil.  Vereinzelt  treffen  wir  auch  anderwärts  über  weite 
Entfernungen  hin  konsonantische  Übereinstimmungen  wie  jenes 
krimgot  acA  für  ^  im  Anl. :  schlipen^  schtvester  wie  nhd. ;  oder  das 
(schwerlich  nur  orthographische)  Einschieben  von  k  zwischen 
8  und  /:  bes.  im  Anglofries.  beliebt  (vgl.  Sievers  Ags.  Gr.  210,  1) 
erstreckt  es  sich  auf  ahd.  Gebiet  (Braune  169,  3).  Möchte  ich 
hier  aber  urgerm.  Anlage  kaum  behaupten,  so  scheint  sie  da- 
gegen bei  größeren  Bewegungen  wahrscheinlich,  wie  wenn  die 
anglofries.  Palatalisierong  der  Gutturalen  auch  im  jüngeren 
Westgot  und  Burg,  auftritt  Immerhin  handelt  es  sich  hier  nicht 
um  konsequent  durchgeführte  Neuerungen.  — 

Im  Vokalismus  zeigt  sich  ein  gewisses  Vorwalten  gemein- 
germ.  Tendenzen  nicht  minder  deutlich  als  im  Konsonantismus. 

Vni.  Die  große  erste  Tat  auf  diesem  Gebiet,  die  Wand- 
lung von  ^  zu  ä  ist  nordisch,  burgundisch,  westgerm. ;  die  Goten 
aber,  wie  schon  erwähnt,  bleiben  aus  dialektischen,  nicht  bloß 
aus  chronologischen  Gründen,  abseits  und  werfen  dasselbe  e  von 
gretan^  das  altn.  zu  dem  ä  von  grata  wurde,  in  die  Höhe :  crüen, 
Oder  vielmehr  eben  nicht  dasselbe  €\  es  muß  ja  bei  den  Goten 
heller  geklungen  haben. 

EL  Die  zweite  große  germ.  Tendenz  auf  vokal.  Gebiet, 
an  Bedeutung  fast  der  kons.  Lautverschiebung  vergleichbar,  ist 
der  i-ümlaut  Er  bricht  im  Westgot  (und  Gepid.?  Förstemann 
S.184)  an:  EgOa  für  AgOa  (Sievers  bei  Paul  S.  416).,  ReginpeH 
folgt  im  Longobard.  des  8.  Jahrhs.  und  wird  im  Altn.  durchgeführt, 
ist  im  fränk.  Dial.  der  ahd.  Zeit  weitergediehen,  aber  altoberdeutsch 
noch  zurückgehalten.  Mhd.  endlich  wirkt  er  ganz  besonders 
einflußreich  auf  die  Gestaltung  der  Sprache.  Es  ist  ein  Vorgang 
von  unverkennbarer  Art:  eine  Art  Vokalharmonie  wird  ange- 
strebt. Deshalb  gehört  er  den  Sprachperioden  und  Dialekten, 
die  die  Isolierung  des  Wortes  begünstigen  im  Gegensatz  zu 
anderen,  die  auf  die  Einheit  des  Satzes,  auf  Sandhi  im  weitesten 
Sinne  des  Wortes  hinarbeiten,  wie  z.  B.  ahd. 

IndogtrmmDiBcbe  Fonebun^n  XXII.  ^ 


ISO  R.  M.  Meyer, 

X.  Aber  auch  den  u-Umlaut  zweier  großer  Hauptdialekte 
darf  man  nur  unter  diesem  Gesichtspunkt  betrachten.  Wir  haben 
ihn  ja  auch  drittens  im  Burgund.,  denn  was  ist  die  Epenthese 
von  u  vor  u  anders:  Ounddbaudus  zu  bada  {Wackernagel  S.  366). 
Vereinzelt  begegnet  das  (ebd.)  auch  fränk.  und  alem.,  und  solche 
Harkbaudes  und  Baudegisdm  bat  schon  Förstemann  (Ghesch.  d. 
d.  Sprachstamms  S.  203)  mit  altn.  Bpdvildr  verglichen. 

Der  ags.  Umlaut  ist  älter:  Spuren  schon  in  den  Epinaler 
Glossen  (7.-8.  Jh.;  Sievers  Ags.  Gr.  §  178),  aber  nirgends  streng 
durchgeführt  (ebd.  §86 — 87  und  103—7),  obschon  er  so  nahe- 
stehende Erscheinungen  wie  den  o-ümlaut  und  die  i^vEinflü&se 
zur  Vei-stärkung  neben  sich  hatte;  der  altn.  gehört  dem  Ende 
der  umord.  Zeit  d.  h.  dem  10.  Jh.  (Noreen  Altn.  Gr.  §  72)  oder 
gar  erst  der  nord.  Dialektperiode  (Noreen  bei  Paul  S.  455  u. 
467)  an,  ist  aber  streng  durchgeführt. 

Gleich  ist  nur  daß,  aber  nicht  wie  w  in  beiden  Sprachen 
Umlaut  bewirkt;  die  altn.  Art  stimmt  besser  zu  der  burg.-fiünk.- 
alem.  als  die  ags.,  die  vielleicht  durch  die  Brechung  beein- 
flußt ist. 

XI.  Diese  'Brechung'  oder,  wie  J.  Schmidt  (Vokalismus  2, 
451  f)  sich  ausdrückt,  die  'Schicksale  von  Vokalen  vor  Liquidal- 
verbindungen*  wird  demnach  zwischen  altn.  und  ags.,  also  einem 
ostgerm.  und  einem  westgemi.  Haupt  schwerlich  eine  zufällige 
Übereinstimmung  bilden.  Auch  hier  stimmt  ja  nur  der  Vorgang 
selbst,  nicht  seine  Art;  aber  altn.  hjarta  und  ags.  heorte  stehen 
sich  doch  erheblich  näher  als  Umlautprodukte  wie  jofurr  und 
eafora.  Auch  ist  in  beiden  Dialekten  die  Brechung  älter  als  der 
Umlaut  (sicher  ags.,  wo  sie  in  den  Epinaler  Glossen  bereits 
durchgeführt  ist),  und  in  beiden  ist  sie  folgerechtes  Lautgesetz. 
Es  ist  nicht  undenkbar,  daß  altn.  einfach  die  ags.  Brechung 
voraussetzt  und  sie  nur  weitergeführt  hat,  wie  das  für  die 
Wandlung  von  e  vor  A  ja  klar  zutage  liegt:  ags.  bleibt  es  als 
Ergebnis,  altn.  wird  es  zu  e  fortgeführt  (J.  Schmidt  a.  a.  0.). 

XII.  Man  mag  gerade  diese  Übereinstimmung  für  nur 
'dialektisch'  erklären,  wie  andere,  die  ags.  und  altn.  teilen,  z.  B. 
die  altn.  und  allgemein  anglofries.  Metatliesis  von  r:  Aors  für 
hrosB  (vgl.  Noreen  §  227  Sievers  §  179,  Hejme  Laut-  iL  Flexions- 
lehre S.  129),  die  freilich  vereinzelt  doch  auch  ahd.  und  as. 
vorkommt  (Heyne  S.  23,  3  Braune  S.  120,  4).  Aber  über  alle 
Dialektgrenzen  geht  wieder  die  Neigung  zur  Monophthongierung 


Die  germanische  Sprachbewegung.  131 

.  Ton  au^  die  (wenn  auch  unter  verschiedenen  Bedingungen)  nicht 
nur  bei  allen  niederwestgerm.  Dialekten  auftritt,  sondern  auch 
got  und  bei  den  Ejimgoten  wie  bei  den  Gepiden  über  o  zu  ti 
fortgeführt  wird :  broe,  janis  altn.  bratid^  hoef^  caput  ags.  heafeod^ 
gepid.  üstrigothus.  — 

Ich  stelle  noch  einige  kleinere  Züge  zusammen,  die  min- 
destens drei  nicht  unmittelbar  zusammengehörigen  Dialekten 
gemein  sind: 

Xin.  ü  wird  ö  niederwestgerm.,  bürg.,  mhd.,  nhd. 

XIV.  e  wird  f  krimgoi,  ostfries.,  in  den  ahd.  Gesprächen. 

XV.  aga  wird  ai  westgot,  langob.,  anglofries.,  mhd. 

XVI.  ejr,  eye,  ige  wird  ei  kentisch,  altfries.,  as.,  mhd. 

XVII.  Anaptyxis  wird  begünstigt  umord.,  krimgot,  ahd. 
XVnL  Diphthonge  werden  infolge  Zirkumfiektierens  der 

Aussprache  zerspalten  {lahib  fär  laib)  bürg.,  longob.,  ahd. 

XIX.  ai  wird  ei  vandaL,  altn.,  ahd. ;  in  den  spätesten  Resten 
wird  dies  ei  dann  zu  e  monophthongiert  {armes  =  armais)  und 

XX.  diese  Verdichtung  liegt  schon  auf  dem  Wege  des 
klassischeno  Gotisch  (wie  die  doppelte  Bedeutung  der  Schreibang 
ai  beweist)  und  sie  kehrt,  wenn  auch  unter  verschiedenen  Be- 
dingungen und  in  verschiedenen  Formen,  altn.  wie  westgerm. 
beinahe  überall  wieder.  — 

Was  nun  beweist  dies  alles?  Nur  ein  Kreuz  und  Quer 
der  Entwickelungen,  wie  J.  Schmidt  es  in  den  'Verwandtschafts- 
verhältnissen' nachwies?  Aber  dagegen  spricht  die  fast  über- 
all vorhandene  Einheitlichkeit  der  Tendenz.  Verschiedenartige 
dialektische  Neuerungen,  entgegengesetzte  Tendenzen  fehlen  ja 
nicht:  so  wenn  got.  das  e  zu  immer  hellerer  Färbung  treibt, 
die  andern  Dialekte  es  in  ä  ausklingen  lassen;  oder  unter  den 
ostgerm.  Dialekten  wenn  ö  got  zu  t*,  nord.  aber  zu  ä  wird ;  oder 
auf  noch  engerem  Baum,  wenn  das  wunderliche  Gesprächbüch- 
lein im  Gegensatz  zum  altnfr.  d  zu  o  entwickelt.  Oder  liegen 
auch  hier  an  sich  historisch  notwendige  Erscheinungen  vor, 
wie  das  Abschwächen  der  Endungen  spätgot,  bürg.,  deutsch, 
wie  gewisse  syntaktische  Erscheinungen?  wie  vielleicht  auch 
die  nhd.  und  fries.  auftretende  Dehnung  der  Tonsilben  es  sind? 
Dann  wieder  könnten  diese  Entwicklungen  nicht  einen  so 
spezifischen  Charakter  haben  wie  etwa  der  ?/-Umlaut.  Oder  gar 
zufallige  Übereinstimmung?  Bei  Erscheinungen  von  solchem 
Um&ng  wie  dem  i-Umlaut? 


132  R.  M.  Meyer,  Die  germanische  Sprachbewegong. 

Nein;  ich  glaube,  man  muß  von  einer  im  wesentlichen  ein- 
heitlichen germanischen  Sprachbewegung  sprechen,  die  nur 
eben  bei  den  vielen  Dialekten  so  wenig  streng  und  einheitlich 
sich  auswirken  konnte  wie  auch  nur  die  zweite  Lautvei-schiebung 
im  Ahd.  Es  hen-scht  von  den  ersten  proethnischen  Anstößen 
an  eine  große  Rührigkeit  bei  dem  urgerm.  Dialekt  Die  Ost- 
germanen —  ich  muß  an  dieser  Hauptscheidung  festhalten  — , 
wie  sie  früher  in  die  außergerm.  Welt  eingetreten  sind,  schließen 
auch  die  sprachliche  Entwickelung  früher  ab.  Immerhin  nicht 
überall:  zuweilen  entwickelt  sich  das  Got  fort,  so  daß  Krimgoi 
gegen  Ulfilas  mit  Altn.  stimmt,  wenn  inl.  b  zu  v  w'ird  {süvir 
altn.  süfr  gegen  Ulf.  silubr)  oder  wenn  es  das  v  in  singhen  gegen 
Ulf.  saggq  aufgibt;  und  ebenso  zeigt  das  Yandalische  Ansätze 
zum  westgerm.  Auslautgesetz  (Wrede  Sprache  der  Yandalen 
S.  105).  Im  Ganzen  aber  bleiben  sie  stehen,  und  nun  übernehmen 
die  Westgermanen  die  Fortführung  der  urgerm.  präformierten 
Entwickelungen.  Ich  gebrauchte  schon  das  Gleichnis  von  den 
Völkerwanderungen.  So  sind  etwa  die  vielfachen  Bewegimgen 
auf  dem  Gebiet  besonders  des  deutschen  Konsonantismus  nicht 
isolierte  dialektische  Erscheinungen,  sondern  Fortsetzungen  des- 
selben Anstoßes,  dem  die  urgerm.  Ijautverschiebung  verdankt 
wird.  (Dieser  meiner  alten  Anschauung  hat  neuerdings  Uhl  in. 
seinem  bedenklichen  Büchlein  über  unsere  Muttersprache  eine 
—  von  mir  natürlich  völlig  unabhängige  —  Formulierung  ge- 
geben, die  es  mir  leider  verbietet,  mich  meines  so  viel  ich 
weiß  bis  jetzt  einzigen  Bundesgenossen  zu  freuen).  Ganz  analog 
entwickeln  sich  ja  auch  bei  den  Germ,  die  Schrift,  die  Syntax, 
selbst  die  Interpunktion. 

Diese  Auffassung  liegt  ja  auf  der  Hand  bei  denjenigen 
Neuerungen,  die  alle  jüngeren  Dialekte  von  dem  Got  unter- 
scheiden :  nord-westgerm.  d  =  got.  S,  nord-westgerm.  um  =  got 
am ;  nord-westgerm.  r  =  got  2?,  s ;  vielleicht  auch  nord-west- 
germ. ß  =  got.  //,  wenn  hier  nicht  umgekehrt  got  (wie  bürg.  ?) 
f  in  ß  gewandelt  hat  (vgl.  ZfdA.  38,  44).  Aber  ist  das  Nach- 
wirken der  ersten  Lautverschiebung  weniger  deutlich?  gibt  es 
doch  kaum  einen  späteren  Dialekt,  der  nicht  in  einzelnen  Punkten 
Teilnahme  an  der  'deutschen'  Lautverschiebung  zeigt! 

Eine  Sprache  ist  mehr  als  bloß  gemeinsame  Erbschaft 
eines  Wortschatzes  und  eines  Formensystems:  sie  ist  der  Aus- 
druck eines  gemeinsamen,  fortwirkenden  Geistes,  wie  neuer- 


F.  A.  Wood,  Rime-words  and  Rime-ideas.  133 

dings  Vossler  wiederholt  so  kräftig  und  glücklieh  betont  hat 
Sie  ist  auch  nicht  eine  tote  Masse,  die  durch  die  Stümperei  des 
Unmündigen  fortdauernd  verunstaltet  wird ;  dies  hat  gegen  Auf- 
fassungen wie  die  von  Thumeysen  Knck  mit  fast  zu  eifrigem 
Scharfsinn  ausgeführt  Es  gibt  auch  nicht  bloß  'Sprechende',  son- 
dern wirklich  eine  'Sprache':  einen  Kosmos  von  innerlich  zu- 
sammenhängenden Formen,  der  von  jeder  neuen  sprachlichen 
Äußerung  Anpassung  fordert  und  erlangt  Und  zu  diesem  *Geist 
der  Sprache'  d.  h.  zu  den  von  allem  Anfang  an  vorhandenen, 
aber  immer  deutlicher  entwickelten  Tendenzen  steht  der  einzelne 
Dialekt  und  die  einzelne  Epoche  fast  so  wie  der  einzelne  Mensch: 
die  Macht  des  Vorhandenen,  die  Triebkraft  des  Entstehenden 
zwingt  auch  die  Stärksten  unter  ihr  Gebot! 

Berlin.  Richard  M.  Mever. 


^  ■ 
Bime-words  and  Bime-ideas.  K  ' 


Rime-words  in  the  widest  sense  are  synonymous  or  seman- 
tically  related  words  containing  the  same  characteristic  sound 
or  combination  of  sounds.  They  may  be  divided  into  four  classes 
BS  foUows: 

1.  Words  with  the  same  consonants  but  belonging  to 
different  ablaut  series,  as  :  OHG.  daf  'schlaff',  släfan  'schlafen' : 
dtfan  'gleiten,  gleitend  sinken  etc.' :  diofan  'schliefen,  schlüpfen'; 
Lith.  baiginu  'schrecke',  baiffus^  baiksztüs  'scheu,  schüchtern' :  bau- 
ginu  'schrecke',  baugiis  'furchtsam,  furchtbar';  bauksztüs  'scheu, 
furchtsam';  6k.  qpXibdw  'fließe  über,  strotze' :  qpXubduj  'fließe  über, 
zerfließe'.  These  are  perhaps  the  most  important  of  all  rime- 
words.  They  can  be  given  by  the  thousand  and  must  certainly 
have  had  a  wide  influence  upon  the  development  of  the  IE.  lang- 
uages.  As  I  have  discussed  them  at  length  in  my  book,  "Indo- 
European  o*  :  a*f :  a*t«",  I  need  not  consider  them  f  urther  here. 

2.  Bases  of  the  same  ablautseries  having  the  same  final 
consonant  or  consonants  but  different  initial  consonants,  as  : 
schleissen  :  spleissen  :  reissen.  Such  examples  are  very  conimon 
and  will  be  discussed  below. 

3.  Words  or  bases  belonging  to  the  same  ablautseries  that 
begin  with  the  same  consonants  but  have  different  {ioal  eo\i^Q- 


18*  F.  A.  Wood, 

nants.  These  are  often  regarded  as  related  words  with  different 
determinatives.  Perhaps  the  most  commoa  of  these  are  parallel 
forms  with  labials  and  gutturals.  For  examples  see  Zapitza, 
Germ.  Gutt.  35  ff.  6ut  the  principle  is  the  same  whatever  the 
final  consonant  may  be.  In  how  far  such  words  are  related  it 
is  not  always  possible  to  say.  Bat  certainly  they  are  at  least 
related  as  rime-words  to  each  other  or  to  other  words  even 
though  they  may  not  be  derivatives  of  a  primitive  base.  That 
is,  from  a  base  deifh  might  be  formed  other  bases  deik-  and 
deü'  from  the  analogy  of  synonymous  words  with  k  and  t^  even 
though  no  base  slei-  existed.  As  Zupitza  has  given  examples  of 
rime-words  with  labials  and  guttunds,  I  will  add  here  other 
examples  with  labials  and  dentals.  This  means  that  there  are 
rime-words  with  p^t^k;  b^d^g\  bh^  dh,  gh,  These  are  so  nume- 
rous  that  it  can  not  be  all  a  matter  of  chance. 

Skt.  tibhndti  *hält  zusammen',  Gk.  uqpaiviu,  OHG.  weban 
Veben'  :  Lith.  dtidmi  *webe',  Goth.  gawidan  'verbinden*,  icindan 
•winden*.  —  Skt.  vipate*Tegt  sich,  zittert*,  ON.  veifa  *in  schwingen- 
der, zitternder  Bewegung  sein* :  Goth.  tvißön  'schütteln*.  —  Gk. 
{>in[x)  'schwanke,  neige  mich',  Alb.  vrap  'schneller  Gang,  Lauf*, 
lith.  virpiu  'zittere*  :  Skt  vdrtate  'dreht  sich,  rollt,  verläuft*,  Lat 
verto  etc.  —  Lith.  verbiü  'wende  um*,  verbä  'Weidenrute,  Beis*, 
vifbas  'ßeis,  Gerte'  :  Gk.  ^abaviZ^iü  'schwinge*,  ^dbaiivoc  'junger 
Zweig',  fidöiE  'Zweig,  Bute*,  Goth.  waurts  'Wurzel*.  —  Gk.  jiiTrri 
'Schwung,  Andrang*,  ^mrui  'werfe',  jimoc  'geflochtene  Matte'  : 
OE.  ivrißan  'twist,  bind*,  ON.  riöa  'winden,  drehen,  knüpfen^ 
flechten*.  —  Ski  pibcUi  'trinkt*,  Ir.  fWm,  Lat  bibo  :  Gk.  Tnba£ 
'Queir,  TTibuiu  'lasse  durchsintern',  ON.  feitr  'fett*.  —  NE.  bump  : 
bunt  —  NE.  thump:  Lat  tundo.  —  Gk.  tuttfuj  'schlage*  :  OE.  ßod- 
dettan  'stoßen',  Gk.  TUTdvn  'Dreschflegel*.  —  Lith.  tempiü  'spanne, 
dehne* :  Lat  tentus^  OE,  geßind  *swelling',/»«c?an  'swell;  be  angry*. 

—  MHG.  verdarben  'zu  nichte  werden,  zu  Schaden  kommen, 
umkommen',  OHG.  darben  'darben'  :  ChSl.  tratüi  'verbrauchen*, 
Lith.  trötyti  'an  Leib  und  Leben  schädigen*.  —  Lith.  trgpiü  'trete, 
stampfe*  :  Lat  trfttis,  —  ON.  pyrpa  'drängen*  :  ßrdta  'zanken*. 

—  OKßreapian  'rebuke,  reprove,  afflict*  ißriatian  'press,  urge; 
afflict,  rebuke,  threaten*,  Lat  trüdo,  —  NE.  ihroppü  throttle'  : 
NE.  throtile.  —  Gk.  rpöTrauj  'bohre*,  Tpörra  'Loch*,  ChSl.  trupu 
•venter,  vulnus,  truncus,  membrum'  :  ChSl.  trutüi  'laedere*,  Gk. 
äki'TpOTOc  'sea-worn'.  —  ON.  Ufa  'schnell  gehen' :  MLG.  Hdmi 


Rime-words  and  Rime-ideas.  136 

•sich  wohin  begeben,  zu  etwas  eilen;    nach  etwas  hinstreben*. 

—  Ski  däpayaU  *teilt',  Gk.  fearrTUi  'zeiTeiße',  Lat.  daps :  Gk.  haiio* 
Mtti  •teile',  Skt  ddtu  Teir.  —  Gk.  beiTivov  'Mahl* :  feaic,  hoxn\ 
Tortion,  Mahl'.  —  MHG.  zipf,  zipfd,  NE.  iip  :  MLG.  tUte  'Zitze', 
tütd,  NE.  iäüe  Tiinktchen*.  —  ON.  toj^  'Spitze,  Zopf,  OHG. 
zopf:  OHG.  zOa  'Zotte',  MHG.  zuigd  "Sauglappen'.  —  MLG.  teppen 
'zupfen,  pflücken'  :  NHG.  Bav.  zetzen  'vexieren,  foppen*.  — 
MLG.  tobben  'zupfen,  zerren',  NHG.  gupfen  :  ON.  tuUa  'zupfen, 
pflücken'.  —  MLG.  toven^  tuven  'aufhalten,  anhalten,  hindern; 
warten,  zaudern'  :  NHG.  gaudem^  MHG.  zoten  'langsam  gehen, 
schlendern'.  —  Goth.  daufs  'verstockt,  taub',  OHG.  Umb  'stumpf- 
sinnig, taub',  ON.  dofmn  'trage,  stumpf  :  ON.  dode  'träge,  matt', 
dadna  'ermatten'.  —  Skt  dhüpchs  'Räucherwerk' :  Bai.  düt^  NPers. 
dad  'Bauch'.  —  Sw.  dimpa  'schwer  fallen',  ON.  dumpa  'stoßen, 
schlagen',  NE.  dump  :  Sw.  dial.  dätta,  ON.  deUa  'dimpa',  OE.  dytU 
'stroke,  blow,  bruise*,  NE.  dint,  dent,  —  Skt  göbhcUi  'ist  schmuck', 
fumbhati  'schmückt',  (ubhrd^s  Schmuck,  schön,  glänzend*,  Arm. 
8urb  'rein,  heilig' :  Skt  QÜndhati^  gödhayati  'reinigt',  gundhyiirß 
'schmuck'.  —  Skt  göpha-s  'Geschwulst,  Geschwür'  :  gdtha-s  'An- 
schwellung, Aufgedunsenheit'.  —  ON.  hlifa  'schützen,  schonen' : 
OE.  Uidan  'bedecken'.  —  OE.  htmsprian,  OHG.  hu>{»palOn  'flüs- 
tern, wispeln' :  OE.  hwisUian  'whistle*.  —  Skt  cöpati  'bewegt 
sich' :  Lat  quaUo.  —  ChSl.  kypiti  'sieden,  wallen'  :  Skt  kväthati 
•kocht,  siedet'.  —  OE.  hwöpan  'drohen'  :  Goth.  hwötjan  'drohen'. 

—  Lith.  kerpä  'schere',  Lat  carpo  :  Lith.  kertü  'haue',  Skt  kär- 
iati^  kfntäti  'schneidet'.  —  ChSl.  krejm  'fest,  stark,  starr'  :  Gk. 
KpaTuc  'fest,  stark,  hart*.  —  ON.  hrapa  'stürzen'  :  hrata  schwan- 
ken, taumeln',  OE.  hratian  'rush,  hasten'.  —  Lat  crepo  :  Gk.  Kpo- 
T^uj  'klatsche,  schlage',  KpoxaXov  'klapper* ;  OE.  hraide^  NE.  ratüe^ 
MHG.  razzdn  'rasseln'.  —  Gk.  Kpaiirvoc  'hurtig',  Lith.  kreipiü 
'wende,  kehre' :  Lett  kraitäb  'taumeln',  OE.  hrißian  *have  fever', 
OHG.  ridön  'zittern'.  —  Lith.  kraupiü  'schrecke  auf :  krutü  'rühre 
mich,  rege  mich'.  —  ON.  hriüfr  'schorfig':  hrüdr  'Schorf.  — 
Lat  erwpo  'swing,  brandish,  etc.' :  ON.  hrista  'schütteln.  —  Lith. 
knybau  'dränge',  Lett  knebt^  MLG.  nipen  'kneifen'  :  ON.  hnita 
'stoßen',  Gk.  icvi2:uj  'ritze,  kratze'.  —  Lett  knäbt  'picken,  zupfen', 
Lith.  knabu  'schäle  ab',  Gk.  Kvriqpri  'Jucken',  KvdTrriu  'walke,  kratze': 
KvriBiü  'schabe,  kratze'.  —  Goth.  dis-hniupan  'zerreißen',  OSw. 
niäpa  'kneifen'  :  Gk.  kvü2:iü  'kratze',  Lett  knudet  'jucken'.  —  ON. 
hnüfa  'abhacken' :  hniöda  'hämmern'.  —  Lith.  knubu  bin  gebückt' : 


136  F.  A.  Wood, 

ON.  hniöta  *straucheln'.  —  Lith.  Maupiia  'kniee  nieder*  :  Lett 
M'atd^  'sich  anlehnen*.  —  ON.  knappr  *Knopf  :  knottr  'Bair. 
—  ON.  kneift  kind  of  nippers*,  knifr  *knife',  JAt\i.gnijbiu  *kneife* : 
OE.  cnidan  *beat*,  MHG.  knitschen  'quetschen*.  —  ON.  kneyfa 
•drücken',  MHG.  knouf  *Knauf,  Knopf,  kniibel  'Knöchel*,  knüpfen^ 
knüpfet :  OHG.  knodo^  knoto^  ON.  knütr  'Knoten*,  knüta  'Knochen*, 
MHG.  kniUzm  'zerquetschen*,  kniUd  'Knüttel*.  —  MHG.  klaber 
'Klaue,  Kralle*  :  klate  'Kralle*.  —  Lat  globus^  gleba,  ON.  kleppr 
•Klotz,  Klumpen,  Knebel*,  MHG.  klimpfen  'drücken*  :  ON.  kldi 
•Schwertknauf,  MDu.  cloet  'Kuderstange*.  —  OHG.  Uapfön,  MHG. 
klappern^  klaffen :  OE.  datrian  'clatter*.  —  OHG.  kliban  'anhangen, 
kleben*,  klfba,  OE.  dffe  'Klett»*,  MHG.  kleip  'Leim,  Lehm' :  OE. 
at-dißan  'adhere*,  diße,  dide^  däte  *bur*,  dißa  'poultice,  plaster*, 
jAih.gliU  'Hebrigkeit,  Fischleim*,  Lett.  glidet  'schleimig  werden*, 
NE.  dial.  dite  *clay,  mire*.  —  ON.  klgpa  •(zusammen)kneifen*,  OHG. 
kiopf&n  'klopfen,  schlagen*,  MHG.  klüpfd  'Knüppel* :  MLG.  Mute 
•Klumpen,  Ball*,  OHG.  klöz  'klumpige  Masse,  Knäuel;  Kugel, 
Knauf,  MHG.  Moz^  -izes  'klumpige  Masse*.  —  OHG.  krampf  'ge- 
krümmt; Krampf,  MHG.  krimpfen  'krumm  oder  krampfhaft  zu- 
sammenziehen', ON.  ÄTcppa  'zusammenbiegen,  -drücken,  krümmen, 
kneifen'  :  Pruss.  grandis  'Ring',  Lith.  grandis  'Armband',  gran- 
dinis  'ringförmig,  kreisförmig',  OHG.Äran^. — OHG.  krumb  'krumm, 
gekrümmt',  krapfo  'Haken,  Kralle*,  ON.  krafla  'mit  den  Händen 
kratzen;  ergreifen'  :  Skt.  grathndti  'knüpft,  windet*,  grantha-s 
'Knoten,  Gefüge',  Gk.  TpovGoc  'geballte  Faust,  Schildkrampe*.  — 
MHG.  krebe  'Korb',  OHG.  knppa  'Krippe*,  OE.  cribb  'crib* :  OE. 
cradol  'cradle',  OHG.  kratto  'Korb*.  —  MHG.  kraspdn  :  krastdn 
'rascheln,  knistern*.  —  Gk.  tpöttoc  'gekrümmt,  gebogen*  :  OE. 
crüdan  'press  crowd*.  —  ON.  gap  'opening,  chasm*,  gapa  *yawn, 
gape' :  gat  'hole,  opening,  gap*.  —  LG.  gfpen  'gaffen  :  gierig  sein ; 
nach  Luft  schnappen*,  OE.  gipian  'yawn*,  gffre  'greedy,  rave- 
nous ;  desirous' :  OHG.  gft  'Gierigkeit,  Geiz'.  —  ON.  gialpa  'brau- 
sen, plätschern',  OE.  gidpan  •boast,  exult',  NE.  ydp  'bellen*,  MHG. 
gelfefi  'bellen,  schreien,  prahlen* :  ON.  gdta  'bellen*,  OHG.  gelgön 
'aufschreien,  delatrare',  Gk.  KaxXd2:uj  'klatsche,  plätschere*.  — 
ON.  glepia  'confound',  glap  'flaw*,  gljipr  'crime' :  OE.  gylt  'fault, 
crime,  guilt*,  ON.  glata  'lose'.  —  Lith.  glebu  'glatt,  schlüpfrig 
sein  oder  werden*  :  glodüs  'glatt  anliegend*,  Lat  glaber^  OHG. 
glat  —  NE.  gltb  'smooth;  slippery*,  MHG.  glipfen  'gleiten*,  glffen 
'schräge,  abschüssig  sein* :  OE.  glidan^  OHG.  glitan  'gleiten*.  — 


Rime-words  and  Rime-ideas.  137 

OFries.  glüpa  •lauernd  blicken' :  NE.  gloat,  MHG.  glotgen.  —  Goth. 
graban  *graben',  ON.  grdp  "Aushöhlung*,  OE.  grßpe  *trench,  ditch' : 
OE.  grindan  'grind',  JÄth.grSndu  "reibe,  scheure',  grandau  "schabe*, 
Dan.  dial  grotte  "mahlen*.  —  ON.  greypa  "ineinander  fugen,  ein- 
zapfen, falzen*,  OSw.  gripa  "aushöhlen*,  OE.  grgjpe  "trench,  ditch*, 
MHG.  (md.)  grope^  groppe  "weiter  eiserner  Kochtopf*  :  NE.  dial. 
grout  "wühlen*,  O^.gryta  "Hafen,  Grapen*,  Sw.  jrryto  "Kochtopf*. 

—  Sw.  gröpa  "schroten*,  MHG.  is-grüpe  "Hagelkorn*,  NHG.  Graupe, 
graupdn  :  OE.  grüt  "coarse  meal*,  greot  "sand,  dust*,  ON.  grautr 
"Brei*,  OHG.  fergriozan  "ausstreuen*,  MHG.  griezen  "zermalmen ; 
streuen*.  —  ChSl.  svepiti  "agitare*,  Lith.  supü  "wiege,  schaukele* : 
Lith.  siaucziü  "tobe,  wüte*.  —  Skt.  svapiti  "schläft  ein,  schläft', 
OE.  stvefan  "cease,  sleep,  be  dead' :  OE.  sweßrian  "cease,  subside*, 
stcodrian  "be  drowsy,  sleep  heavily*.  —  OHG.  sweibön  "schweben, 
schweifen*  :  lith.  smiczioH  "irre  reden*.  —  NHG.  schnappen  : 
schnattern.  —  ON.  myri-snipa  "moor-snipe*,  ME.  snipe  :  OE.  snite 
"snipe*.  —  MHG.  snüfen  "schnaufen*,  snüben  "schnarchen*,  snupfe 
"Schnupfen* :  MHG.  snüden  "schnaufen,  schnarchen*,  snüde  "Nasen- 
verstopfung*. —  ON.  snappa  "Schnauze* ;  NE.  snoui  "Schnauze*. 

—  lith.  dabnas  "schwach*,  ON.  dapa  "los  hangen*,  sldpr  "schlaffer 
Mensch',  deppa  "entschlüpfen*,  MHG.  dampen  "schlaff  herabhangen* : 
OSw.  dinta  "gleiten*,  MHG.  dengic  "träge,  müde*.  —  Lith.  depiü 
"verberge,  verstecke*  :  daiau  "sich  vor  etwas  ducken,  drücken*, 
Lat  laieo.  —  OHG.  difan  "(aus)gleiten ;  schleifen*  :  ON.  deita 
"Schlaffheit,  Trägheit*,  OE.  dttan  "tear,  rend*,  MHG.  dizen  "ab- 
streifen, abschälen,  zerreißen*.  —  Goth.  diupan  "schlüpfen,  schlei- 
chen*, OE.  düpan  "glide*  :  ON.  düta  "hang  down,  slouch*,  slota 
"hang  down,  be  limp ;  slacken,  become  calm*.  —  OE.  diefan  "slip 
on*  (dress),  dieve  "sleeve*,  ODu.  släve  "velum,  tegmen,  folliculus*, 
LG.  düve  "Hülse,  Schlaube*  :  MHG.  diude  "Schwertscheide'.  — 
NE.  sloven  "ein  schlotteriger,  schlumpiger  Mensch* :  MHG.  slotem 
"schlottern*  düder-affe  "Müßiggänger*,  ON.  dydra  "Mattigkeit,  Un- 
tätigkeit*. —  NE.  slop  :  sleet  —  Gk.  ^üttoc  "Schmutz',  ^uttoc  "Mol- 
ken' :  Lith.  snUä  "Jauche*,  Gk.  ^ut6c.  —  Lith.  sriubä  "Sauce; 
Suppe*,  sriaubiü  "schlürfe* :  Lith.  srudziu  "mache  blutig*,  Av.  raod- 
"fließen*.  —  OE.  doepe  "step,  pace*,  stapol  "pillar,  prop,  flight 
of  Steps*,  OS.  stapd  "Säule*  :  Gk.  cxdöioc  "stehend,  unbeweglich, 
steif.  —  Skt  sthäpayati  "steUf,  ChSl.  stopa  "Tritt',  stepeni  "Stufe*, 
LBuss.  stop  "Säule'  :  Lith.  statau  "stelle*,  Lat.  status,  staiuo,  Goth. 
staßs  "Stätte,  Stelle*.  —  Skt  stabhndti  "stützt,  hemmt*,  danibha-s, 


138  F.  A.  Wood, 

Lett  Stabs  'Pfeiler,  Säule' :  Gk.  cTaGMÖc  •Standorf,  Ijat  skAulum^ 
stabäis.  —  OHG.  stumpf  Vei-stümmelt,  unvollkommen'  :  OSw. 
stunter  *kurz',  OE.  siunt  'stupid',  NE.  siunted.  —  6k.  cTvnroc 
*Stock,  Stier,  OE,  stofn  'stem,  trank;  shoot,  twig;  foundation', 
stybb^  ON.  stüfr  'stump'  :  OE.  sttidu^  stußu  'pillar,  post,  stud', 
OHG.  studen  'feststellen',  stüda  'Staude,  Strauch',  MHG.  stud 
'Stütze,  Pfosten,  Säule'.  —  MDu.  stupen  'stäupen*,  MHG.  stüpfen 
"stechend  stoßen'  :  Goth.  statäan  'stoßen*.  —  Gk.  cTp6ßoc  'Her- 
umdrehen', crpeßXoc  'gedreht',  cTp6|üißoc  'Kreisel,  Wirbelwind*, 
Du.  Strampelen  'stolpern,  straucheln'  :  MHG.  stürgen  'stürzen,  um- 
wenden, umsinken,  fallen*,  stergen  'sich  rasch  bewegen,  umher- 
schweifen ;  steif  emporragen',  OE.  stearüian  'stolpern,  straucheln'. 
—  ON.  sfarf  'Arbeit,  Mühe,  Anstrengung',  stiarfe  'Starrkrampf, 
Gk.  crdpcpviov  •  ckXtipöv,  cxepeov  :  ChSl.  strada  'Arbeit,  Mühe', 
stradati  'leiden'.  This  probably  has  IE.  d,  so  that  it  is  not  quite 
parallel.  —  Gk.  cx^picpoc,  crpicpvöc  'starr,  hart,  fest*  :  OHG.  «Tri- 
ton 'streiten*,  einstrüi  'hartnäckig',  ON.  dHdr  'hartnäckig,  streng, 
stark'.  —  MHG.  streifen  'streifen,  gleiten,  ziehen ;  abhäuten' : 
ON.  strüa  "zerren,  reißen',  stritask^  streüask  'sich  anstrengen,  sich 
sträuben'.  —  Gk.  crpöcpvoc  'herb,  hart,  fest*,  OHG.  strüben  'starr 
stehen,  sträuben',  MHG.  strObe  'starrend,  struppig' :  OE.  sitrlttian 
*stand  out  stiffly,  be  rigid',  MHG.  strotgen^  striuzen  'sträuben,  sprei- 
zen', strüz  'Strauß,  Strauch ;  Widerstand,  Streit'.  Germ,  t  in  these 
words  may  come  from  IE.  dhn.  Otherwise  the  two  sets  of  words 
are  not  quite  parallel.  —  MHG.  strumpf  'Stumpf,  Stummel*  : 
strunge  'Stumpf,  Stummel'.  —  ON.  striüpe^  OSw.  strüpe  'Kehle*, 
Sw.  strypa  'erdrosseln'  :  OLG.  strota^  MDu.  stroot  'Kehle'.  —  Gk. 
CK^TTTi  'Schutz',  CKeTTduj  'bedecke'  :  ckotoc  'Dunkelheit',  Goth. 
skadus  'Schatten'.  —  MHG.  schöpf  'Wetterdach*,  MLG.  achoppe 
'Schuppen,  Scheune'  :  Gk.  ckötoc  'Haut',  Lat  scütum.  —  Gk. 
CKaiißoc  'krammbeinig'  :  Skt  skdndati  'springt,  spritzt*.  —  OHG. 
skaban  'schaben'  :  skintan  'schälen'.  —  OHG.  aciba  'Scheibe'  : 
scft  'Scheit'.  —  MHG.  schiben  'rollen  lassen,  wälzen,  drehen,  schie- 
ben' :  ON.  skeida  'traben',  skeid  'Lauf.  —  Lith.  skubüs  'geschwinde, 
eilig'  :  skudrm  'flink'.  —  OHG.  scarbön  'in  Stücke  schneiden', 
screvön  'incidere*  :  scart  'zerhauen,  verwundet*,  scrintan  'bersten. 
Risse  bekommen'.  —  Lett  skarbit  'splittern',  OE.  scecnpan^  scre- 
pan  'scrape'  :  Lett.  skardit  'zerteilen',  Lith.  skerdHü  'Risse  be- 
kommen, platzen',  MHG.  scherte  'abgeschnittenes  Stück',  schrans 
'Bruch,  Riss,  Spalte'.  —  Lat.  scribo  :  Goth.  dis-skreitan  'zerreißen*. 


Rime-words  and  Rime-idpas.  189 

—  Lat  KTüpus  Vough,  sharp  stone* :  sarüta  *broken  stuff,  OBL 
9cread  'slired,  paring*.  —  ON.  skriüpr  •fragile,  brittle,  weak*  : 
lith.  dcraudus  "brüchig,  rauh'.  —  ON.  skialfa  'beben,  zittem% 
9hdfa  *8chätteln' :  OHG.  scalian  *in  Bewegung  setzen,  stoßen, 
fortstofien*.  —  Lat.  scalpo^  sculpo  :  Lith.  skUtis  'abgeschnittene 
Scheibe*. 

most  of  the  pairs  in  the  above  list  are  no  doubt  related 
in  some  way.  Some  of  them  are  plainly  rime-words.  Otliers  are 
derivatives  of  a  common  base  formed  independenüy.  The  rest 
are  anrelated  parallel  forms  that  are  accidentally  synonymous. 
As  in  all  such  lists,  no  definite  line  can  be  drawn  between 
the  different  dasses.  Moreover,  such  lists,  though  instructive,  are 
always  one-sided;  for  they  leave  out  part  of  the  evidence.  The 
only  fair  comparison  is  to  bring  together  all  forms  that  may 
be  snpposed  to  be  related  in  any  way.  In  some  cases  this  may 
lead  US  to  regard  as  doubtful  what  by  itself  would  seem  certain. 

4.  A  fourth  class  of  rime-words  consists  of  synonymous 
words  in  which  the  rime-element  is  the  only  part  in  common, 
i.  e.  the  words  may  belong  to  different  ablautseries  but  have 
a  common  dement  which  conveys  a  certain  idea.  Examples  are 
Idth.  Uazgiti  'klappern',  bruzgäi  "rascheln*,  düzgSH  'dumpf  dröhnen*, 
rüzgiti  'brausen*,  tüzgSH  'klopfen*,  vizgiti  'schlottern*  (cf.  Leskien, 
DF.  13,  175t).  For  many  other  examples  see  Leskiens  article. 
If  we  should  select  only  the  words  of  the  same  ablautseries, 
we  could  then  classify  them  under  2.  The  different  classes  are 
given  for  convenience  of  discussion  not  because  they  differ 
essentially  from  each  other. 

In  this  paper  I  shall  not  attempt  to  distinguish  between 
real  rime-words,  i.  e.  words  in  which  one  or  more  of  a  group 
were  modeled  after  others,  and  accidental  rime-words.  For  it 
is  impossible  to  draw  a  line  between  them.  We  may,  for  example, 
feel  sure  that  Lith.  baiginu^  baigus^  baiksztüs  were  formed  from 
the  base  hhei-^  bhoi-  in  Lith.  bajüs^  baütis^  baimm^  etc.  after  the 
analogy  of  bauginü^  baugüs^  bauksztüs  from  the  IE.  base  bheiig-y 
but  we  do  not  know  whether  dit  and  split  were  real  rime-words, 
except  as  any  determinative  may  be  regarded  as  a  rime-element 

Equally  active  with  the  rime-element  in  the  formation  of 
words  is  the  rime-idea.  The  rime-element  fixes  the  outward 
form;  the  rime-idea  the  inward  meaning.  The  one  gives  to  the 
Word  the  body;  the   other  the  souL    And  a&  word^  laa.^  Vi^ 


140  F.  A.  Wood, 

cognate  in  form  and  yet  unrelated  in  meaning;  so  they  may 
be  kindred  in  meaning  though  alien  in  form.  In  one  case  they 
rime  to  the  ear;  in  the  other  to  the  mind.  But  in  order  to 
embody  rime-ideas  words  must  not  only  be  alike  in  meaning 
but  alike  in  the  development  of  that  meaning.  Thus  6k.  KÖTrroiuiai 
'bewail,  lament'  and  Ooth.  -ßöhin  'beklagen'  contain  rime-ideas, 
for  both  mean  primarily  'beat  oneself .  But  OE.  reotan  *weep, 
lament*  does  not  contain  a  rime-idea  to  the  above,  for  it  goes 
back  to  the  meaning  *roar,  cry  out*.  OE.  reotan  and  Goth.  -flckan 
are  therefore  as  remote  in  their  primary  meaning  as  they  are 
in  form. 

K,  however,  words  fall  together  in  meaning,  they  will 
have  a  tendency  to  be  assirailated  in  form  if  they  are  already 
somewhat  alike.  This  may  result  in  the  formation  of  real  rime- 
words.  K  then  we  find  such  forms  as  OE.  dtofnan  *d windle' 
and  pwinan  *dwindle',  our  first  step  should  be  to  discover  whether 
they  come  from  the  same  primary  meaning.  If  they  do  not, 
then  there  is  no  more  reason  for  connecting  them  than  there 
is  for  combining  either  one  with  the  synonymous  OE.  ä-aanan 
or  0H6.  swinan  or  Gk.  cpGfvuj.  And  even  if  they  did  go  back 
to  the  same  meaning,  that  would  be  no  evidence  that  the  words 
were  related.  The  most  we  could  say  of  them  is  that  they  are 
rime-words  with  rime-ideas.  For  example,  we  may  give  a  number 
of  forms  parallel  with  OE.  pwinan^  in  all  of  which  the  primary 
meaning  is  *melt  dissolve*. 

OE.  ßätman  *thaw,  melt'  :  ßwfnan  Mwindle,  schwinden*.  — 
ChSl.  tajati  *sich  auflösen,  schmelzen  :  vergehen',  Lr.  tinaid  Ver- 
schwindet*. Lat  täbere  shows  the  same  development  in  meaning 
but  is  not  a  rime-word  to  the  above.  —  Skt  galati  'träufelt 
herab,  fällt  herab'  :  galita-8  Verschwunden,  gewichen*,  gldyoH 
Ist  verdrossen,  schwindet*.  —  Skt  rindti  'läßt  fließen,  löst  ab' : 
rinors  "aufgelöst,  verschwunden*. 

In  these  words  relationship  is  out  of  the  question.  And 
yet  they  are  as  closely  related  in  meaning  as  they  could  possibly 
be.  It  is,  however,  not  stränge  that  a  few  examples  of  parallel 
forms  can  be  found  out  of  the  many  synonymous  words.  Many 
more  rime-ideas  might  be  found  from  other  synonymous  words. 
Por  many  examples  of  rime-ideas  under  a  variety  of  forms  see 
IF.  18,  18—36. 

And  yet  in   combining  words  simply  because  they  are 


Rime-words  and  Rime-ideas.  141 

synonymous  —  a  practice  which  seems  to  be  gaining  groiind 
—  litüe  or  no  consideration  is  given  to  the  fact  that  the  words 
night  be  otherwise  explained  or  that  often  thej  are  not  from 
the  same  primary  meaning.  To  illustrate  again  with  0£.  dtoinan 
and  ptdnafij  a  favorite  example  with  those  who  are  carried 
away  with  the  idea  that  synonymy  implies  relation :  The  former 
meant  primarily  "be  scattered,  fall  away*,  while  the  latter  meant 
*melt,  dissolve*.  Where  then  is  the  similarity? 

When,  therefore,  those  who  agree  with  Siebs  hold  that  a 
movable  9-  makes  it  possible  to  connect  any  Germ,  word  of  the 
type  gax'  with  any  other  of  the  types  skax-^  hax-j  kax-^  they 
have  a  task  much  greater  than  they  can  perform.  First  they 
must  show  that  these  various  forms  come  from  the  same  pri- 
mary meaning.  Secondly  they  must  prove  that  their  movable  a- 
actually  produced  the  results  they  ascribe  to  it.  This  could  be 
done  only  by  historical  evidence,  and  nothing  short  of  historical 
evidence  could  establish  such  a  theory.  For  even  if  it  were 
proTed  that  a  certain  phonetic  change  may  take  or  might  have 
taken  place,  it  does  not  carry  with  it  the  proof  that  it  actually 
did  take  place.  So  when  such  a  grave  Charge  is  laid  at  the 
door  of  *movable  s-',  we  can  well  afford  to  give  it  the  benefit 
of  the  doubt 

But  how  shall  we  disprove  it?  One  witness  swears  that 
he  believes  *movable  s-'  is  responsible  for  certain  phonetic  aber- 
rations.  Another  expresses  his  doubt  that  'movable  s-*  had  any- 
thing  to  do  with  them.  The  one  is  satisfied  with  rime;  the 
other  demands  rime  and  reason. 

Now  though  the  theory  of  'movable  s-  can  not  be  abso- 
lutely  disproved,  we  can  at  least  take  from  it  the  only  prop 
on  which  it  rests  :  the  argument  from  synonymy.  For  in  pro- 
poi-tion  as  we  show  the  unreliability  of  synonymy  as  a  test 
of  the  relation  of  phonetically  unlike  words,  we  shall  weaken 
this  theory  and  every  other  theory  that  depends  for  its  proof 
upon  similarity  in  meaning.  To  do  this  we  have  only  to  put 
by  the  side  of  words  like  OE.  dwinan  and  ßtvinan  other  syno- 
nymous rime-words  that  can  not  possibly  be  regarded  as  related. 
The  more  we  can  produce  such  forms,  the  more  probable  will 
it  become  that  the  words  assumed  to  be  akin  are  merely  rime- 
words,  real  or  accidentaL 

The  examples  given  below,  it  seems  to  me,  prove  con- 


142  F.  A.  Wood, 

clusively  that  such  words  as  OE.  dmnan  and  pmnan  can  not 
be  regarded  as  related  simply  because  they  are  synonymous. 
Per  these  examples  show  that  synonymy  of  like-soonding  words 
is  of  so  frequent  occurrence  that  litüe  weight  can  be  attached 
to  it.  Tbis  similarity  of  sound  and  meaning  is  in  some  cases 
plainly  the  result  of  the  fonnation  of  rime-words;  in  others  it 
is  purely  aecidental. 

In  the  lists  given  below  each  group  is  headed  by  a  word 
that  serves  as  a  type  of  that  group.  Such  groups  of  rime-words 
could  be  given  without  limit. 

OE.  dunnan  *dwindle*. 

OE.  divfnan  *become  sraaller,  d windle;  waste  away',  OX. 
duhui  'abnehmen,  hinschwinden,  aufhören',  pre-  Genn.  base 
*c?Awi-yW  'shake,  scatter,  fall  off,  dwindle'  from  dhui-^  dhu-uh^ 
dhoH-io-  in  ON.  efeyta* 'sterben',  dyia  'schütteln*,  Skt,  dhüifati 
*wird  geschüttelt',  Lat.  suf-fio  'fumigate*,  suf-fimen  f umigation*. 
These  are  from  the  base  dheu-  in  Skt  dhunöfi  'schüttelt,  bewegt 
hin  und  her,  schüttelt  aus,  ab,  entfernt,  beseitigt*,  dhvdmaati 
•zerstiebt,  zerstreut*,  dhvasti'^  'Verschwinden*,  etc.  (cf.  Color- 
Names  and  their  Congeners  103  f.).  —  OE.  pmnan  'dwindle, 
schwinden',  ßwänan  'meisten,  soften',  päwian^  O^.ßeyia  'tauen, 
schmelzen*,  Skt  töya-m  'Wasser*,  etc.  (et  AJP.  21,  180).  —  Ir. 
tinaid  'verschwindet',  ChSl.  tajaii  'sich  auflösen,  schmelzen,  ver- 
gehen*, tina  'Schlamm',  OE.  ßinun  'become  meist*,  etc.,  base  fä-t-, 
t(-  from  tä'  in  Lat  täbes  'Hinschwinden,  Auszehrung*,  etc.  (cf. 
AJP.  21,  180).  —  Skt  k^ydte  'schwindet  hin,  nimmt  ein  Ende', 
k^itä'S,  k^nä'S  'hingeschwunden,  zu  Ende  gegangen*,  k^indti  'ver- 
nichtet*, Gk.  cpOivuj,  qpOiu)  'schwinde  hin',  qpGixoc  'geschwunden, 
vergänglich',  etc.  (cf.  e.  g.  Brugmann,  Grd.  P,  791).  To  these  Brug- 
mann  adds  Ir.  tinaid.  —  6k.  niicic  'Vemichtimg*,  ipivoiiai  'an- 
gesetzte Früchte  abfallen  lassen'  are  referred  by  Prellwitz,  Et 
Wb.  867,  to  qpGiu).  They  should  rather  be  connected  with  Gk. 
ipiiü  'zermalme,  zerkaue',  ipaiui  'reibe,  zermalme',  i^xaliü  'tröpfele', 
ipnv  'reibe,  wische',  Skt  psdti  'zehrt  auf,  zerkaut*,  etc.  —  0H6. 
swinan  '(hin)schwindeu,  abnehmen*,  MHG.  streinen  'verringern, 
schwächen,  vernichten',  MDu.  zwirnen  'schwindelig  werden,  in 
Ohnmacht  fallen,  abnehmen*,  MHG.  ver-smmen  'verschwinden', 
swfmen  'sich  hin  und  her  bewegen,  schwanken,  schweben*,  base 
sifeir^  3ttf-  'swing,  sway,  swerve,  fall  away*,  probably  from  seu- 


Rime-wordfl  and  Rime-ideas.  143 

in  Ski  sdvaii^  mvdti  'treibt  an*  (cf.  Color-Names  32).  For  meaning 
cp.  OE.  duinan  above.  —  OE.  a-cwfnan  Mwindle,  become  extinct', 
MLG.  gufnen  •hinschwinden,  allmählich  abnehmen,  kränkeln',  qufn 
'Abnahme,  Hinschwinden*,  Skt.  jimti  'altert*,  jyäni-^  Tergäng- 
lichkeit,  Altersschwäche',  etc.  —  NE.  dial.  crine  'zusammen- 
schrumpfen, hinwelken,  sich  abhärmen',  Norw.  hrine  'Schnörkeln*, 
Gk.  Aeol.  Tpivoc  'Häuf,  Lith.  grynau  'verarme'  (cf.  IF.  18,  15  f.). 

—  Skt  glAyati  Ist  verdrossen,  fühlt  sich  erschöpft,  schwindet*, 
galati  'träufelt  herab,  fällt  herab*,  galita-s  'verschwunden,  ge- 
wichen', 0H6.  qudlatij  etc.  —  Skt.  lindti^  Idyate  'duckt  sich, 
kauert,  verschwindet,  etc.*,  pra-l,  'sich  verstecken,  sich  auflösen 
in,  verschwinden,  sterben*,  pra-Hna-s  'geschwunden,  verstorben*, 
Goth.  aßinnan  'fortgehen,  weichen',  etc.  —  Skt.  rfna-s  'aufgelöst, 
verschwunden',  rindti  'läßt  fließen,  entläßt,  löst  ab',  rtyate  'gerät 
ins  Fließen,  löst  sich  auf,  Gk.  öpivuj  'bewege',  etc.  —  Skt.  ^yate 
'fällt  aus,  fällt  ab,  zerfällt,  schwindet,  geht  zu  gründe',  gSte^  Gk. 
KeiToi  'liegt'  (cf.  Uhlenbeck,  Ai.  Wb.  312).  — 'SktÄfnrf-s  'ver- 
lassen, zurückgeblieben,  mangelhaft*,  hiydte*yfiiA  verlassen,  kommt 
zu  Schaden,  nimmt  ab,  verschwindet',  jähäti  'verläßt,  etc.',  OHG. 
gin  'gehen*,  etc.  —  Skt  mindti  'mindert,  schädigt',  miyate  'mindert 
sich,  vergeht,  geht  verloren*,  ud-m,  'verschwinden',  Lat.  minuo  etc. 

Leim, 

OHG.  lim  'Leim',  leimo  'Lehm',  Lat  limm  'Schlamm,  Schmutz', 

Uno  'bestreiche,  beschmiere'  Gk.  dXiveiv  •  dXeiqpeiv.  —  OE.,  MHG. 

dim  'Schleim*,  OHG.  dimen  'glatt  machen,  blank  schleifen',  Ir. 

demcdn  'lubricus',  Lith.  sdejimas  'Schleichen',  sdäti  'schleichen*. 

—  OE.  däm  'Lehm*,  dctmen^  ON.  Meima  'anschmieren',  Idina 
'schmieren*,  Gk.  tXivt]  'Leim',  ChSl.  glina  'Lehm',  glenü  'Schleim', 
Lr.  glenim  'hafte',  Lett.  glidet  'schleimig  werden*,  NE.  dial.  dite 
'clay',  OHG.  Uiban  'festhalten',  kleben'  etc.  —  NE.  grime,  MDu. 
grijmsd  'Schmutz,  Ruß',  MLG.  grimet  'schwarzgestreift*,  Gk. 
Xpi^a  'Salbe*,  xpiwj  'bestreiche*.  —  Icel.  krim  'Schleim',  Dan.  krim 
'Schnupfen*.  —  ON.  hrim  'Ruß ;  Reif,  hrina  'berühren',  Skt  (U^ä-s 
'Haften,  kleben*,  ^^mä  'klebriger  Stoff,  Schleim',  gnndti  'mischt, 
mengt,  kochf ,  (rdyati  'kochf .  —  Lat  fimus^  fimum  'düng,  dirt*, 
fodeoj  suf'fio  {ct.  Walde,  Et  Wb.  224).  The  primary  meaning  was 
probably  'something  scattered*  as  in  OHG.  zetten  'zerstreuen* 
:  ON.  tedia  'bemisten*,  tad  'Dünger*.  So  Skt  dhüydte  'wird  ge- 
schüttelf  :  Lat  fimus. 


lU  F.  A.  Wood, 

Lith.  szleivas  'krummbeinig'. 
Lith.  szletvas  'krummbeinig',  sdiväti  'mit  krummen  Beinen 
lahm  gehen*,  ssslajüs  'schief,  schräg',  Lat.  divus^  -dinäre  etc.  — 
Lith.  klifXM  'krummbeinig',  klajus  'irreführend',  Idaßti^  UdidHoii 
'umherirren',  kliszas  'schiefbeinig*,  Meipiü  'schief  treten'.  —  Lith. 
kretvas  'gewunden,  schief,  kreivöti^  krivdti  'schief  treten',  ChSl. 
krivü  'schief,  Lith.  kreipiü  'wende,  kehre',  ikrypat  'schräg'.  — 
Lat  laevos^  Gk.  \ai6c,  ChSl.  livü  link',  primarily  'beut'  as  in  Goth. 
hleiduma  'link'  from  Äfet-  'clinare'.  —  Gk.  CKaiöc,  Lat.  scaevos  'link, 
linkisch',  perhaps  from  a  base  sqii-  in  MHG.  schiefe  ON.  skeifr 
'schief;  MHG.  schiec  'schief;  ON.  skeika  'schwanken,  wanken'; 
^eid  'Lauf. 

Schief. 

ON.  skeifr,  MLG.  sche'f  MHG.  schief  'schief,  MLG.  schivden 
'schwanken,  auf  die  andere  Seite  treten,  abfallen ;  unredlich  han- 
deln', Lett.  schk'ibs  'schief,  schMbt  *kippen'  (cf.  Zupitza,  Germ. 
Gutt  154),  MHG.  schfben  'wälzen,  drehen,  wenden,  schieben',  eta 
—  MHG.  ^Iffen  'schräge,  abschüssig  sein',  ^leif  'schief,  schräge*, 
gleifen  'schräge  sein,  hin  und  her  irren',  glipfen  'gleiten',  MLG. 
glipperich,  glibberich  'schlüpfrig'.  —  Lett  slipt  'gleiten;  schief 
werden',  Lith.  slimpa  'entschlüpft',  prov.  E.  slive  'sneak,  schleichen', 
MHG.  dimp,  -bes  'schief,  schräge;  verkehrt'. 

Compare  the  same  change  of  meaning  in  NE.  slope  'Schräge, 
Abhang';  neigen,  senken;  schief  sein',  which  represents  either 
an  OE.  släp-  or  slop-.  In  the  first  case  compare  Germ,  slipan  'slip*; 
in  the  second,  sleiipan,  düpan  'slip'.  So  also  NE.  dant  is  related 
to  OSw.,  Sw.  dinta  'gleiten,  ausgleiten*;  and  ON.  daJcke  'slope', 
to  OE.  slincan  'slink', 

Gk.  CKlcpoc  'karg*. 

Gk.  CKiqprj  'Geiz',  CKiqpoc  'karg',  CKi(|ui)7rruj  'drücke  ein,  kauere 
hin',  Lett.  schk&>t  'kippen',  schk'ibs,  ON.  skeifr  'schief,  MHG.  schiben 
'wälzen,  drehen,  wenden,  schieben*  etc.  Compare  OE.  hnäg  'bowed 
down,  prostrate;  contemptible ;  niggardly'.  —  Gk.  Kvicpoc,  kvittoc 
'knickerig,  knauserig',  kvittou)  'knickere',  Lett  knä>t  'kneifen',  Lith. 
knibu  'klaube,  zupfe',  knybau  'dränge',  etc.  —  Gk.  Tv(<pujv  'Knicker, 
Geizhals',  Lith.  gnjHu  'kneife*.  ON.  knifr  'Messer*.  —  Gk.  ckvIttoc 
'knauserig',  ckvithuj  'kneife,  knickere*.  Even  these  may  be  only 
fc  rime-words  to  kvittöc  etc.,  and  certainly  not  related  to  Tvi9ujv. 


Rime-words  and  Rime-ideas.  146 

Reißen. 

OS.  hrttan  'schreiben',  MLG.  riten  'reißen,  zerreißen',  Gk. 
öittKpiöov  •abgesondert',  Kpivuj  'scheide',  ChSl.  krwti  'schneiden*, 
Lett  krijäi  'schinden'.  —  Goth.  dis-skreüan  'zerreißen',  Swiss. 
schrfssen^  schreissen  'heftig  reißen',  Bav.  schrüzen  'schlitzen',  Lith. 
skridinys  'G^rbeisen*,  skrSju  'sich  im  Kreise  bewegen;  mit  dem 
Zirkel  einen  Bogen  einreißen,  einschneiden'.  —  OS.  ivritan  'zer- 
reißen, schreiben',  Goth.  tmits  'Strich',  Gk.  {)ivr]  'Feile,  Raspel' 
(cf.  Brugmann,  Grd.  U,  1052),  and  perhaps  Skt  vlfnäti  'drückt 
zusammen'.  —  ON.  dlta  'zerreißen,  spalten,  abnutzen',  MHG.  dizen 
'spalten,  zerreißen;  abstreifen,  abschälen;  aufbrauchen,  etc.'  pre- 
Germ.  base  slei-d-  'schleifen,  atterere,  abstreifen,  schleißen'  with 
which  compare  sfei-i- in  OHG.  siffan  'gleiten;  schleifen,  schärfen', 
from  stei-,  adei-  (cf.  AJP.  24,  45  ff.).  —  MLG.  spltten  'spleißen, 
auseinander  reißen,  in  Stückchen  spalten;  sich  spalten',  MHG. 
spitzen  'spalten,  trennen ;  sich  spalten,  bersten',  base  splei-d-^  Skt 
sphälayati  'läßt  anprallen,  schlägt  auf,  zerreißt'  (cf.  Zupitza,  Germ. 
Gutt  47).  —  MHG.  sptizen  'in  Splittern  auseinanderfliegen*,  ON. 
aprita  'ausbreiten',  Lett.  sprezu  'spanne,  schätze  ab',  base  sprei-^^ 
Skt.  sphärayati  'zieht  auseinander,  öffnet  weit,  spannt'.  —  OE. 
pwüan  'cut,  shave  off,  abschneiden',  gepunt  'chip',  ON.  piieita 
'kleine  Axf ,  pueüa  'schleudern,  werfen',  base  tuei-d-^  lith.  itxSju 
•prügele',  tvyczyju  'schlage,  stäupe',  etc.  —  Gk.  kvüIuü  'ritze,  kratze, 
reize',  kvät]  'Nessel',  ON.  hnüa  'stoßen',  Gk.  kvOu,  Kvaiu)  'schabe, 
kratze*.  —  Lith.  skSdHu  'scheide;  verdünne',  skSdyju  'von  ein- 
ander gehen,  bersten',  skSda^  Lett  s&iida  'Span',  skaidit  'verdünnen*, 
Gk.  cxiöapoc  'dünn',  cKiövaimai  'auseinander  gehen,  sich  verteilen*, 
base  sqei-d'^  Lat  de-sdsco  'set  oneself  loose,  separate  from',  ON. 
skeina  'seratch,  wound',  etc.  —  Skt  chindtti  'schneidet  ab,  spaltet*, 
eheda-s  'Schnitt,  Stück*,  Av.  sid-^  Gk.  cxiluj  'spalten',  cxiöt]  'Scheit*, 
Lat  scindo  'split*,  base  s&hei'd-,  Gk.  cxauj  'schlitze  auf,  Av.  sych 
•schneiden*,  Skt  chydti  'schneidet  ab'.  The  two  bases  sqei-  and 
skhep-  feil  together  for  the  most  part  in  the  centum"  group.  Their 
very  similarity  makes  it  more  probable  that  they  are  not  related. 
—  Lat  finde  'split',  Skt  bhindtii^  hhSdati  'spaltet,  reißt  auf,  zer- 
bricht, etc.*,  Goth.  beUan  'beißen',  base  bhet-d-^  ChSl.  biti  'schlagen*, 
Lat  per-fines  •perfringas',  etc.  —  Lett  spdidü  'drücken,  drängen*, 
MLG.  epüen  'verdrießen,  ärgern*,  OHG.  spiz  'Bratspieß',  spizzi 
'spitz',  Skt  sphyd'S  'Holzspan'.  —  MLG.  smUen  'schmeißen,  werfen; 

Indogermanif  ehe  Vonehnngen  XXII,  \Q 


h 


146  F.  A.  Wood, 

schlagen,  stäupen',  Goth.  6&m«öan 'bestreichen,  beschmieren',  base 
smeini'^  Gk.  c^nv  'abwischen,  schmieren*.  —  GotL  maitan  *hauen, 
schneiden*,  base  moi^-^  mei-d-  from  mei"  in  ON.  meida  'verletzen, 
beschädigen*,  MHG.  meOen  Verletzen,  verwunden ;  beflecken,  be- 
schmutzen*, OWelsh  maü  'mutilum*,  Skt  minäü  'schädigt,  mindert'. 
—  ON.  strüa  'zerren,  reißen',  stritask^  streüask  'sich  anstrengen, 
sich  sträuben',  base  strei-d-^  OE.  strimende  'resisting;  striving', 
Lith.  pa'St-siratnyju  'streben,  sich  anstemmen'. 

Kneifen. 
ON.  hnippa  'stoßen,  stechen',  MDu.  nipen  'kneifen',  ON. 
hnifr  'Messer',  Lett  knäd  'kneifen',  Lith.  knibu  'klaube,  zupfe', 
hnybau  'dränge',  Gk.  icvi<p6c,  kvittöc  'knickerig',  Kvaiuü  'schabe, 
kratze'.  —  MLG.  knipen^  Du.  knijpen  'kneifen',  MLG.  knip^  knff 
ON.  knifr  'Messer',  litli.  gnybiu  'kneife',  Gk.  yvicpuiv  'Knicker*. 
Du.  snippen^  NE.  snip  'schneiden,  ein-,  zuschneiden',  MHG.  snipfen 
'schnappen',  OSw.  snepa  'kastrieren',  MLG.  snoien  'einem  Baume 
die  Zweige  abhauen,  beschneiden'.  —  Lith.  grypiu  'zwicke',  MHG. 
greibe  'herb',  Gk.  xp\\nn\i}  'graze,  Scratch,  wound',  xP»w  'smear, 
anoint;  Scratch,  wound'.  —  ON.  klipa  'kneifen'  is  supposed  to 
be  for  an  older  Uypa^  but  compare  ON.  Jdippc^  ME.  dippen  *clip', 
difrian  'Scratch',  difer  'claw*,  öß^lifan  'anhaften'.  —  MLG.  glepe, 
glippe  'Eitze,  Spalf,  Sw.  dial.  gUpa  'offen  sein*,  glip  'Öffnung, 
Ritze,  Spalt*.  Here  'open'  comes  from  'slip,  fall  away':  MHG. 
gltfen  'schräge,  abschüssig  sein',  glipfen  'gleiten',  etc.  —  MLG. 
dippen  'einschneiden,  schlitzen,  zerreißen',  OE.  tö-difan  'split*, 
Lett  dipt  'gleiten,  schief  werden' ;  OHG.  dffan  'gleiten ;  schleifen, 
schärfen',  Lat.  de-libäre  'abstreichen,  abbrechen'.  —  OE.  ripan 
'reap',  rifter  'sickle',  Sw.  dial.  ripa  'ritzen' ;  ON.  rifa  'zerreißen', 
rifa  'Ritze,  Spalte*,  Gk.  dpeiTTU)  'stürze  um*,  Lat.  ripa.  —  Da.drippeti 
'Blätter  abstreifen*,  MHG.  streifen  'streifen,  gleiten,  ziehen ;  ab- 
häuten*. —  NE.  Chip  'Span*,  chip^  ME.  chippe  'cut  into  small 
pieces',  OE.  cipp  log;  ploughshare;  weaver's  beam',  OHG.  kipfa 
•Runge,  Stemmleiste  am  Wagen,  Achsennagel',  ON.  keipr  'Ruder- 
nagel',  kippa  'rücken,  haschen,  schnappen,  berauben',  MHG.  kippen 
'schlagen,  stoßen',  kiben  'scheltend  zanken,  keifen',  Bai.  zinay  'an 
sich  reißen,  hastig  ergreifen,  mit  Gewalt  wegnehmen',  Skt  ßnäH 
•raubt,  beraubt,  bedrückt'  etc.  (cf.  Color-Names  53 f.).  —  ON. 
Mfa  'in  Schnitte  schneiden',  OHG.  scivaro  'Steinsplitter',  sciba 
•Scheibe',  Gk.  ckoittöc  Töpferscheibe',  etc. 


Rime-words  and  Rime-ideas.  147 

Hauen. 

Liih.  piduju  'schneide,  schlachte'  Lat  jpario  'schlage,  stampfe', 
—  Gk.  ßuu),  ßöviuj  'stopfe',  OE.  pünian  'pound,  schlagen*.  — 
OHG.  bouuen^  leuuen  'drücken,  reiben,  conficere',  Lat  con-füto 
'niederschlagen'.  —  Lith.  käußi  'schlage,  schmiede,  kämpfe*,  ChSl. 
iavq  'schmiede*,  OHG.  houwan^  ON.  hpggua  'hauen'.  —  ChSL  suja 
'stosse,  schiebe',  Lith.  szäuju  'schieße*.  —  ON.  hnpggua  'stoßen', 
OHG.  {h)niuwan  'zerstoßen,  zerschlagen,  zerdrücken,  zerreiben', 
Gk.  Kvuuu  'schabe,  kratze'.  —  Gk.  Erfm  'kratze,  glätte',  Eup6c,  Skt 
k^urdrs  'Schermesser',  base  qsA'^  qeseu-  from  ^ea^  in  ChSl.  iesati 
'kämmen,  striegeln',  Lith.  kcmü  'kratze',  MHG.  hasdn  'glätten*.  — 
Skt  k^nduti  'schleift,  wetzt,  reibf ,  k^utd-s  'gewetzt',  Av.  -x^^to-, 
base  qmü-  from  qesen-  in  Lith.  hmnü  'kratze',  OHG.  hasan  'poli- 
tus*,  hamön  'polire',  Gk.  Eaivuü  'kratze,  kämme'  (cf.  IE.  (ficfi:  a'u 
93).  —  Gk.  ipauui  'berühre,  stosse  aneinander' :  Skt.  bdbhasti  'zer- 
malmt*. —  Skt  bhänxdi  'kaut,  verzehrt',  ChSl.  brysati  'abreiben'. 
It.  brüim  'zerschlage,  zerschmettere*,  etc.  —  Skt  cärvati  'zer- 
malmt, zerkaut',  Gk.  Kpoaivm  'stampfe*,  Kpoüuj  'stosse,  schlage*, 
ChSL  kruiUi  'brechen*.  —  Goth.  gormalujan  'zermalmen,  zer- 
stoßen', bligguxm^  OHG.  Uiuioan  'schlagen'  (cf.  Mod.  Lang.  Notes 
15,  326  f.).  —  Gk.  T^puc  aufgerieben,  schwach',  Tpuuj 'reibe  auf, 
ChSl.  tryti  'reiben*.  —  ON.  hnyia  'drive,  press  hard,  beat',  OE. 
cnüician  'pound*  (in  a  mortar),  MDu.  knouwen  'nagen',  MHG. 
kniuren  'prügeln,  knuffen',  LG.  knüsen  'drücken*,  etc.  —  ON. 
gnüa  'rub,  crush*,  gnaust  'clashing  together',  Gk.  xvauuj  'gnaw 
off,  nibble',  xvaö^a  'piece  cut  off,  xvaupöc  'dainty*.  —  OE.  dätmn 
'klauen,  kratzen',  Sw.  kld  'kratzen,  reiben ;  rupfen,  ausbeuteln, 
beschuppen ;  schlagen,  keilen,  auskeilen*,  OE.  cläwu  'Klaue*,  Skt 
gläu'9  *Ballen'.  —  OEß.  kroutcön  'kratzen,  krauen',  kratoü^  krouwü 
'dreizinkige  Gabel;  kralle,  klaue*,  Lat  con^ruo  'come  together*.  — 
Gk.  Aeol.  xpouui  'ritze,  verwunde',  dTXPauuj  'schlage  hinein',  Lat 
ingruo  'break  into,  attack',  Lith.  griüvü^  griünü  'in  Trümmer  ver- 
fallen', ON.  gruin  'Grütze,  Gries',  L-.  gro  'Gries*  from  gravo-,  — 
ON.  Ijiia  'klopfen,  schlagen',  Skt  lundti  'schneidet  ab*.  —  Skt 
rav-^  ru"  'zerschlagen,  zerschmettern*,  ChSl.  rüvq  'reisse  aus', 
rjijq  'grabe',  etc.  —  MDu.  tmwen  'agitare,  premere,  pressare', 
OHG.  gaiDin  'von  statten  gehen',  goutcen  'bereiten',  OE.  täwian 
'bereiten;  mißhandeln;  bedrücken*. 

10* 


148  F.  A.  Wood, 

Stoßen. 
OE.  patian  *butt,  göre;  prod*,  Gk.  ßu2:nv  'gedrängt  voll*, 
ßöviuj  •stopfe*,  OE.  pünian  'pound*  (ctlE.  a*  :  crt :  a*w  51).  —  ON. 
buta  •hauen',  batUa  •ersehlagen*,  OE.  beatan,  OHG.  b^an  •sehlagen, 
stoßen*,  bouwen  •drücken,  reiben*.  —  Lith.  piäudinu  'lasse  beißen*, 
pidiistau  •schnitze',  piäuju  •schneide ;  beiße*.  —  Skt  tudäH  'stößt, 
sticht,  stachelt*,  Lat.  tundo  •stoße*,  OE.  ä-ßgian  'exper,  Lith.  itxiH 
•tüchtig  prügeln*.  —  ON.  tutla  •zupfen,  pflücken*,  tata  'Schnabel, 
Rüssel*,  tüta  •a  projecting  point*,  MDu.  ioutcen  'agitare,  premere, 
pressare*.  —  Goth,  stautan  'stoßen,  schlagen',  MHG.  stutgen  'zurück- 
scheuen',  NSlov.  studiti  •verabscheuen',  ChSl.  styditi  sf  'sich 
schämen*,  studü  'kälte*,  Gk.  cniu)  'starre',  OHG.  sUmtcen  'anfahren, 
schelten,  Einhalt  bieten*,  Lith.  stumiü  'stoße',  etc.  —  Lat  cüdo 
'beat,  strike',  Skt.  cidati  'treibt  an',  ON.  hudta  'durchbohren*, 
OHG.  houtmn  'hauen*.  —  ON.  skiötn  'schieben,  stoßen,  schleudern, 
schießen',  Lith.  szdudau  'schieße  mehrfach*,  szduju  'schieße*.  — 
Gk.  KVuZiuj  'kratze',  Kvvla  'kratze*,  Lett  hiudet  'jacken',  Gk.  kvuu) 
'kratze',  ON.  hniöda  'schlagen,  hämmern,  stoßen'.  —  MHG  knütgen 
'zerquetschen',  ON.  knütr  'knoten*,  knüta  'knochen',  OE.  cneatian 
'dispute',  cnütvian  'pound'.  —  Goth.  gorkrutön  'zermalmen' ;  OE. 
crüdan  *press,  crowd',  OHG.  krouicön  'kratzen,  krauen',  MHG. 
griegen  'zermalmen,  zerkleinern ;  streuen,  schütten',  Lith.  griüd- 
Hu  'stampfe',  grüdas  'Korn',  griüpü  in  Trümmer  zerfallen',  Gk. 
Xpauuj  'ritze,  verwunde*.  —  Skt.  k^Ödafe  'zermalmt,  zerstampft, 
erschüttert',  kßöda-s  'Zerstampftes,  Mehl,  Staub',  Gk.  guw  'kratze, 
glätte'.  —  Skt.  nudöti  'stößt  fort,  vertreibt*,  nödayati  'treibt  an', 
namte  'wendet  sich,  kehrt  sich'.  —  Lat  plaudo  'beat,  clap*,  Lr. 
imhiadi  'exagitat',  imluad  'agitatio',  OE.  floterian  'float,  f ly,  flutter', 
fleotan  *float',  flöican  'flow*.  —  OE.  breotan  'break,  destroy,  kill*, 
gehrot  'fragmenf,  ON.  briöta  'zerbrechen',  brytia  'zerschneiden*, 
Skt  bhdrvati  'kaut,  vorzehrt'.  —  Lat  tfüdo  'thrust,  push,  crowd, 
drive',  ChSl.  tniditi  'beschweren,  quälen',  Goth.  ua-priutan  'be- 
schweren', OE.  preatian  'urge  on,  press,  afflict ;  rebuke,  threaten', 
prean  'oppress,  afflict;  punish;  threaten;  rebuke*,  Gk.  xpuui 
'distress,  afflict,  vex',  etc.  (cf.  Mod.  Lang,  Notes  16,26). 

Brechen. 
Gk.  d[Tvu)LU  'zerbreche',  drn  'Bruch'.  —  Gk.  ^rjTVUfuii  'zer- 
breche', ^ujTn  'Riß',  MLG.  tcrak  'beschädigt'.  —  Skt  bhanökU 


Rime-words  and  Rime-ideas.  149 

•bricht',  Ir.  bongaim  *breche',  OSw.  banka^  bunka  ^schlagen*.  — 
Skt  -bhraj'  'hervorbrechend*,  Lat.  frango^  Goth.  brikan  'brechen'. 
—  MH6.  spacken  'bersten  machen,  spalten*,  0H6.  spahha  'Holz- 
span',  MLG.  spaken  'abgefallene  Äste',  Gk.  ctp&lix)  'erschlage, 
sehlachte*.  —  Skt  sphärjati  'bricht  her^^or;  prasselt',  lith.spragü 
*platze,  prassele*  Lat  spargo^  etc.  —  OE.  spelc  'Splitter*,  ON, 
spiaüc  'dünnes  Holzstück*,  Lith.  spUgä  'Stecknadel*,  Skt  sp/iä- 
layati  'läßt  anprallen;  zerreißt*.  —  OFries.  Ar^A»  'reißen',  ON. 
hrekia  'quälen*,  Skt  karjati  'quält*.  —  OHG.  chrac  'Riß,  Sprung, 
Scharte ;  Krach*,  chrachän^  OE.  cracian  'crack,  crash*,  Skt.  garjaU 
•prasselt*.  —  MHG.  klac  'Bersten,  Brechen  und  damit  verbundener 
Schall,  Riß,  Krach,  Knack*,  Idecken  'tönend  schlagen ;  sich  spalten, 
platzen*,  Gk.  yXo^uj  'lasse  ertönen*.  —  NHG.  knack^  knacken^  MHG, 
huicken  'krachen,  knacken;  einen  Sprung,  Riß  bekommen*,  OS. 
cnagan  'zernagen*.  —  MHG.  schricken  'springen,  aufspringen, 
einen  Sprung  oder  Riß  bekommen',  OHG.  screckon  'springen, 
hüpfen,  etc.*  —  Gk.  Tpüüruj  *nage,  fresse*,  xpuirXn  'Loch*,  Goth. 
ßairkö  'Loch,  Öhr*,  Lat.  tergo  'rub  off,  wipe  off*.  —  ON.  sakadr 
'beschädigt,  wund*,  saka  'schaden,  anklagen*,  Gk.  \\ftfijj  'verkleinere, 
tadele':  ipüüxu)  'zerreibe',  ipnTMCi  'Bischen*. 

Krachen,  Krächzen. 
Skt  gdrjati  'brüllt,  brummt,  braust*,  OE.  cearcian  'creak; 
gnash*,  cracian^  OHG.  krahhön  'krachen*,  ON.  krdkr  'Rabe*,  krdka 
'Krähe',  OE.  cräceftan  'croak* ;  OHG.  kragü  'garrulus',  kragüön 
'schwatzen*,  Lat  gractdus  'Dohle*.  —  Gk.  KpdZiiJü  'schreie',  Kpibliu 
'krächze*,  Lith.  kregu,  krogiü  'grunze',  ON.  hrökr,  OE.  Äröc,  OHG. 
hruoh  'Krähe*,  rähhisön  'sich  laut  räuspern*,  OE.  hräcan  'clear 
the  throat,  spit*;  Lith.  krankiü  'krächze,  röchele,  schnarche',  kro- 
kiü  'röchele,  grunze*,  ChSl.  krektati^  Lat  crödo  'croak' ;  Gk.  kp^kuj 
'strike,  beat,  play  on  a  musical  Instrument',  ON.  hringia  'ring^, 
hringla  'clink,  clang,  ring*.  —  Skt  kharjati  'knarrt*,  khargäJä 
a  night  bird,  kharju-^  'Kratzen,  Jucken*,  ON.  harka  'zusammen- 
scharren*, hark  Tumult,  Lärm',  Dan.  harke  'sich  räuspern'.  — 
ON.  skark  'Lärm,  Gepolter*,  skrckkr  'Schrei',  skrcekia  'schreien' : 
OHG.  screckon  'aufspringen,  auffahren*  or  ChSl.  skrügati  'knir- 
schen*. —  Lat  dango^  clangor,  Gk.  KXaTrn  'Klang*,  kXolI^  'töne*, 
lAth.klagSti  'gackern',  O^.Makka  'schreien,  krächzen* ;  Gk.  kXujccuj 
'glucke*,  Goth.  Mahjan  'lachen*,  ChSl.  klakdü  'Glocke*.  —  ON. 
Maka  'twitter,  chatter;  wrangle*,  ME.  ctocAew 'clack',  OHG.  cfocc- 


150  F.  A.  Wood, 

Aa»,  MHG.  Uecken  'tönend  schlagen,  treffen;  einen  Eleck,  Fleck 
machen;  sich  spalten,  platzen*,  NE.  rffcX;  'ticken,  klappern',  6k. 
TXd2:uj  *singe,  lasse  ertönen'.  —  MHG.  knacken  'knacken,  krachen', 
Sw.  knacka  'klopfen,  pochen'.  —  ON.  braka  'krachen',  OE.  gd)rec 
'noise,  clamor',  bearhttn  'noise',  brecan  'break,  burst  forth',  lith. 
brejtü  'raschele',  Lat  fragor,  frango.  —  Skt  sphärjati  'bricht 
hervor,  dröhnt,  prasselt',  Gk.  ccpapcrr^uü  'strotze;  prassele',  lith. 
9pragSti  'platzen,  prasseln',  ON.  »praka  'prasseln',  OE.  sprecan 
'sprechen*.  —  MHG.  spacken  'bersten  machen,  spalten',  späht 
'Geschwätz,  lauter  Gesang*,  spehten  'schwatzen*,  OE.  ^pecan  'speak*. 

—  Goth.  flökan  'beklagen*,  loit  plango^  Gk.  TTXrJTVujii  beat;  ChSl. 
plakati  'weinen*,  Lith.  plakü  'schlage*.  —  ON.  snarka  flicker, 
sputter*,  MHG.  marchen  'schnarchen*,  marren  'schnarren,  schmet- 
tern, schwatzen'.  —  MHG.  macken  'schwatzen',  ON.  makinn  'quick, 
swift',  NE.  match  'erhaschen,  schnappen'  —  6k.  mottoc  'mit 
heiserer,  dumpfer  Stimme'.  —  Gk.  (pGÖTToc  'Stimme',  <p94TTO|Liai 
'gebe  einen  Laut  von  mir*.  —  OSw.  banka  'schlagen,  klopfen* ; 
ON.  hanga  'schlagen,  lärmen',  NE.  bang^  MLG.  bungen  'die  Trom- 
mel oder  Pauke  schlagen*.  —  NE.  smack  'klatschen,  knallen*, 
OE.  smacian  'antappen*,  Lith.  smogiu  'schlage,  peitsche*.  —  NE. 
ichack  'give  a  heavy  or  resounding  blow*,  whang  'beat,  bang, 
thwack,  whack*.  —  NE.  thteack  'sharp  blow  with  something  flat 
or  hard,  whack,  bang*,  ON.  ßukla  'befühlen*,  Skt  fujdti  'stößt*. 

—  NE.  dial.  iwack  'thwack*,  MH6.  gftmcken  'zupfen,  zerren*,  OE. 
tuiccian  'twitch,  zwicken*,  OHG.  gocchän^  giohan  zerren,  ziehen*, 
etc.  —  NE.  (hack  'thump,  thwack*,  OE.  paccian  'pat.  Aap*,  ON. 
piaka  'schlagen*,  Lat.  tango. 

Gellen. 
OHG.  galan  'singen*,  geUan  'laut  tönen,  schreien*.  —  OHG. 
scellan  'schallen,  tönen*,  ON.  skella  'klatschen,  knallen',  skiala 
'schwatzen',  6k.  ckoXXuj  'behacke*.  Cp.  OHO.  scaltan  'stoßen*  : 
Bceltan  'schelten'.  —  Sw.  dial.  skteella  'wiederhallen',  ON.  skuala 
'schreien,  lärmen',  Dan.  skvale  'plätschern,  schlagen,  sprudeln,  her- 
vorquellen*, Lith.  skaldnju  'spüle,  wasche',  etc.  (et  Color-Names 
121).  —  ON.  kalla  'call',  OHO.  kallön  'laut  schwatzen*,  ChSl. 
glasü  Ton,  Stimme',  Lat  gaUus  'Hahn*  —  6k.  KaXiuj,  Lat  calo 
Vufe*,  0H6.  halön^  holön  'rufen,  einladen',  Lett  kalüt  'schwatzen*, 
base  qalä'.  —  OHO.  Mlan  'ertönen,  hallen*,  6k.  KdXojuiai  'treibe 
an,  rufe*,  k^XXu)  'treibe  an*,  kXövoc  'Schlachtgetümmel*,  Skt  kala- 


Rime-words  and  Rime-ideas.  151 

na-m  *Schütteln,  Hinundherbewegen',  kaldyati  'treibt,  hält*.  These 
are  perhaps  related  to  the  preceding.  —  ON.  huMr  'laut  tönend*, 
OE.  hwdan  'resound*.  —  MHG.  knüllen  'schlagen',  erkneilen  *er- 
schaUen',  OR  cnyllan  'sound  bell',  NE.  kneU.  —  ON.  gnella 
'schreien*,  gnoUa  'knirschen'.  —  MHG.  snal  'rasche,  schnellende 
Bewegung  und  der  dadurch  entstehende  Lauf,  sneUen  '(fort)- 
schnellen;  schnalzen',  snalgen  'schnalzen',  OHO.  snd  'schnell  etc.' 
—  MHG.  grüUen  'höhnen,  spotten ;  grollen*,  grd^  gral  'Schrei*, 
grdUn  'vor  Zorn  schreien',  grMe  'das  Krallende,  Stechende; 
Dom,  Gabel,  Spieß*,  grd  "rauh,  grell,  zornig'.  —  NE.  shrill  'schrill', 
OE.  scraUettan  'sound  loudly,  shrill',  Sw.  skräUa  'gellen',  skrdla 
'schreien'.  —  Lat  ap-^Märe  'ansprechen,  anreden',  com-pellare 
'ansprechen,  anrufen,  schelten' :  pellere  'treiben'.  Cp.  Gk.  K^Xoiiiai 
'treibe  an,  rufe*;  Lat  citäre  'in  Bewegung  setzen,  herbeirufen'.  — 
Skt.  bala-s  'Krähe',  baldkä  'eine  Kranichart',  baUxüäkaröti  'stam- 
melt', Russ.  bolobölüi  'schwatzen*,  Lat.  balatro  'Possenreißer, 
Schwätzer*,  balbus  'stammelnd',  etc. :  Gk.  ßaXXKuj  'tanze',  Ski  bal- 
baliti  'wirbelt*  (vom  Rauche).  —  ON.  bdia  'bellow*,  bglia  'resound, 
roar',  MHG.  blcejen,  ChSI.  bUjq  'blöken',  Lith.  balsas  'Stimme, 
Ton',  OHG.  bellan  'bellen',  base  bhOe-  in  Gk.  (pUw  'strotze,  fließe 
über,  schwatze*,  qpXrivduj  'schwatze',  etc. 

Schreien. 
ON.  hrina  'schreien,  quieken,  wiehern',  hreina  'schreien*, 
Lett  krina  "Sau*,  ON.  hreimr  'Geschrei',  base  qrei-^  also  in  ON. 
hrikia  'knirschen*,  Gk.  Kpilw  'knarre,  kreische',  etc.  —  OHG. 
scrfan  'schreien,  rufen,  jammern',  screi  'Schrei,  Geschrei',  screiön 
'schreien*,  Lith.  skreju  'treibe  herum*.  —  MHG.  krfen  'schreien, 
bes.  den  Schlachtruf  erheben',  krei  'Geschrei*,  loanword  from 
French  crier  as  rime-word  to  schreien.  Cp.  also  foUowing.  —  OS. 
kräia  'Krähe*,  OHG.  chreia  'Kranich',  kräen  'krähen',  ChSl.  grajati 
'krächzen*,  Lith.  griju  'krächze,  schelte,  schmähe*.  —  MHG. 
güen  'schreien,  bes.  von  Raubvögeln*,  ON.  glima  'ringen*,  gleipa 
'schwatzen*,  Lat  glisco  'swell  up,  burst  out*.  —  ORuss.  gajaU 
'krähen*,  Skt  gdyaii  'singt*,  gftd-s  'gesungen',  etc.  —  Goth.  qainän 
'weinen*,  ON.  kueina,  OE.  ctcänian  lament,  trauern',  cmpan 
'lamenf,  ON.  kuida  'sich  ängstigen',  kueita  'überwältigen',  Skt 
jinäU  'überwältigt,  unterdrückt'  (cf.  Mod.  Lang.  Notes  16,26).  — 
OHG.  tceinön^  ON.  veina  'weinen,  klagen,  beklagen',  OE.  icänian 
'complain,  bewail',  Lith.  vain&ju  'schmähe,  schelte,  schimpfe', 


162  F.  A.  Wood, 

vainyju  Verspotte',  veßt  Verfolge',  etc.  (cf.  as  above  23  f.).  — 
ON.  hu{na  "kreischen*,  schreien',  OE.  htnnan  *make  a  shriU  soiind, 
whizz',  Sw,  hvina  "pfeifen,  schwirren',  OHG.  kweiön  'wiehern', 
hicis-palön^  ON.  huida,  huiskra  'flüstern,  zischen*  etc.  —  ON. 
gneggia  from  *gna%jm  'wiehern',  base  ghni-  'reiben,  knirschen'.  Cp. 
OE.  gnidan  'rub',  ON.  gnistu  'knirschen ;  heulen'.  Similarly 
ghnü'  :  6k.  xvauu)  'gnaw  off',  ON,  gnüa  'rub,  crush',  gnyia  *be 
noisy',  gnydia  'growl,  murmur*,  gnyr  'noise*,  OE.  gnyran  'creak', 
gnomian  'moum',  etc.  —  Icel  hneggja  'wiehern'  froni  *hnaijön^ 
Gk.  Kvuj,  Kvaiu)  'schabe,  kratze',  OE.  hn&gan  'neigh'.  Cp.  Gk.  kvüijü 
•schabe,  kratze',  kvooc  'Knarren  des  Rades',  Kvuldu)  'knurre, 
winsele'.  —  Dan.  tvine  'jammern,  weinen,  flennen',  Sw.  tvina^ 
OE,  pmnan  'schwinden'.  —  MHG.  UcRJen,  ChSl.  bUjq  'blöken', 
Gk.  qpXiuj  'fließe  über,  strotze'.  Cp.  Gk.  cpXduj  'fließe  über,  schwatze', 
cpXuui  'spifidele  auf,  schwatze',  qpXüoc  'Geschwätz',  lith.  lliäuju 
•brülle,  blöke'.  —  OHG.  Uöjan  'brüllen',  Lat.  dämo.  —  ChSl. 
lajq^  lajati,  Lith.  löju  'bellen',  Lat.  läträre^  lämmtum,  —  Skt 
rdyati  'bellt',  Kuss.  rajatt  'klingen,  schallen',  rqj  'Schall'  Lith. 
rSju  'brülle,  schreie',  OHG.  rerin  'brüllen'.  —  Skt  mäyii-^ 
•Blöken,  Brüllen',   rndya-s  'Boss',  mimäti  'blökt,   brüllt,  schreit'. 

Gk.  Kpilu)  'knarre,  kreische'. 

Gk.  KpKuj  'knaiTe,  kreische',  KpiTn  'Schwirren',  Kpitn  *Eule', 
ON.  hrikta  'knirschen',  OE.  hician  'cut,  cut  to  pieces',  ChSl.  h'oiti 
'schneiden',  Gk.  KpiKe  'kreische',  ChSl.  krikü  'Geschrei',  kricati 
'schreien'  OE.  hrägra,  OS.  hreiera  'Reiher'.  —  OHG.  heigir  'Reiher', 
hehara^  OE.  higora,  Gk.  Kicca,  Skt.  kiki-  'Häher*,  kekä  'Geschrei 
des  Pfauen'.  —  NE.  creak  'knarren,  knirren,  schwirren',  cricket, 
MLG.  krikü  'Heimchen',  kriken  'streicheln'.  These  are  perhaps 
recent  rime-words  to  crack^  OE.  cracian  etc.  —  ON.  skrlkia 
'zwitschern',  Sw.  skrika  'schreien',  skrika  'Häher',  ME.  schrike 
'shreak',  OE.  scric  'shrike'.  —  Gk.  TpKuj,  Teiplra  'zirpen,  schwirren, 
knirschen',  xpiTMOC  'Zischen,  SchwiiTen',  trig-  'rub',  cp.  Lat,  infer- 
trigo  'chafing  of  the  skin',  tri-vi^  tri-tm  etc.  —  Gk.  cTpixE  'Nacht- 
vogel mit  kreischender  Stimme',  Lat.  strix  'owl',  streig-  'streichen'. 

—  Lat  frigo  'squeak',  bhrei^-  'rub,  crush'  :  Lith.  bril;tiu  'kratze', 
ON.  brik  'Bretf ,  Lat.  /Wo,  fri-co.  —  Gk.  ciliu  'zische',  cTHic  'zischen*, 
perhaps  from  *kufg'^  cp.  ON.  hutka  'wanken'  or  huina  'kreischen'. 

—  Lith.  ivi;giü  'quiekend  schreien,  vom  Schwein  gebraucht*,  NHG. 
guieken^  NE.  squeak  seem  to  represent  a  similar  phonetic  form, 


Rime-words  and  Rime-ideas.  153 

and  yet  they  may  be  entirely  unrelated.  The  Germ,  words  are 
probably  secondary  ablaut-fonns  of  squawk^  quack,  Cp.  sqtuxU, 
9queaL  —  OE.  sücan  'sigh',  sicettan  *sigh,  lament',  MDu.  versfken 
'seufzen',  primarily  'sickern,  rieseln',  OE,  sicerian  'sickern',  Norw. 
Mka  'seihen',  sikle  'geifern;  (dial)  rieseln',  etc.  Cp.  OE.  sigan 
'sickern ;  seihen',  ME.  sighen  'seufzen' ;  MLG,  sipen  'sickern',  Lat 
atU/o,  Norw.  afjpa  'weinen,  heulen' ;  Serv.  sipiti  'fein  regnen',  0H6. 
aeivar  'Schaum,  Geifer,  ON.  stfra  'knurren'.  —  MHG.  kfchen 
•keuchen',  NHG.  kichern,  Sw.  kikna  'nach  Luft  schnappen,  keuchen', 
ON.  kikna  'give  way  suddenly'.  Cp.  ON.  kippa  'rücken,  haschen, 
schnappen',  Sw.  kippa  efter  anden  'nach  Luft  schnappen',  —  Sw. 
dial.  hikja  'keuchen',  Sw.  hicka  'schluchzen',  ON.  hixta  nach  Luft 
schnappen,  schluchzen*,  etc. 

Lett.  mauju  'brülle'. 
Lett.  mauju  'brülle*,  Czech  myjati  'muhen',  Gk.  fiü,  jiiu  'Aus- 
ruf des  Schmerzes'.  —  Lett.  nauju  'schreie',  Skt.  näuti,  ndvat^ 
'tönt,  jubelt,  preist'.  —  Skt  rduti,  ravati  'brüllt  schreit,  dröhnt', 
ChSl.  rei:^,  Gk.  dj-piJo|iai  'brülle',  Lat.  rümor,  etc.  —  Gk.  ßorj 
'Schrei',  ßoauj  'schreie',  ON.  püa  'blasen'.  —  Skt  kduti  'schreit', 
ChSl.  kujati  'murren',  Gk.  kuükuuj  'schreie,  wehklage'.  —  Skt 
ßgü'  'ertönen  lassen',  Gk.  rooc  'Klage',  Toduj  'wehklage',  OE. 
ciegan  'rufen',  ChSl.  govorü  'Lärm'.  —  Skt  hdmii,  hväyati  'ruft', 
ChSl.  20vq  'rufe',  etc.  —  Lith.  bliduju  'brülle,  blöke',  Gk.  qpXuapoc 
•geschwätzig',  qpXuuj  'walle  über,  sprudele  auf,  schwatze,  MHG. 
blödern  'rauschen'.  —  Lith.  pliaunyju  'schwatze',  Gk.  ttXuvuj 
•wasche'.  —  ON.  hli&mr  'Laut,  Ton',  hliöma  'ertönen',  Goth.  hliuma 
*Gehör,  Ohr*,  Gk.  kXuuj,  Skt  gjrriöü  'hört',  etc.  —  Gk.  KXaiuj  'weine', 
lcXaö^a  'Weinen'  :  koX^u},  Lat  caläre,  OHG.  hcdön  etc.  —  OE. 
hream  'shout,  uproar',  hrfeman  'shout :  lament ;  exult',  Lat  corvus, 
Skt  käravo^'8  'Krähe'.  —  Lat.  gru/)  'crunk,  Naturlaut  der  Kraniche', 
Gk.  YpO  'Grunzlaut  der  Schweine',  TpöXttuj  'grunze'  OHG.  krön 
'gamilus',  krönen  'schwatzen,  brummen,  schelten',  MHG.  krön 
Gezwitscher  der  Vögel',  MDu.  criynen  'jammern,  klagen',  MHG. 
kräu^  'Krähe;  Kranich;  Staar',  Lith.  girvä,  Lat  grüs  'Kranich'.  — 
OHG.  scrouwezen  'garrire,  gannire',  ON.  skruma  'shout,  boast', 
skraum  'boasting'  —  Lith.  griduju,  gridunu  'breche  nieder,  donnere*, 
6k.  Aeol.  xpoöuj  'ritze,  verwunde*.  —  Gk.  kv6oc  'Knarren  des 
Bades',  kvuMuj  'knurre,  winsele',  kvüuj  'schabe,  kratze',  ON.  hnpggua 
'stossen'.  —  ON.  gngia  'lärmen',  gnydr,  gnyr  'Lärm',  OE  gnyran 


164  F.  A.  Wood, 

•knarren*,  gttornian  'trauern',  Gk.  xvaupöc  *dainty',  xvotuuj  'gnaw 
off,  nibble*,  ON.  grnia  'rub,  crush',  —  Skt  tumukhs  'geräuschvoll, 
lärmend*,  Lattumtdius^  tumeo,  —  Gk.  6uuj  •stürme  einher,  tobe, 
etc.*,  ChSl.  dunqti  'blasen*,  ON.  dynia  •lärmen',  Skt  dhüni-^ 
•rauschend,  brausend,  tosend*,  dhvdnati  •tönt',  dhünöH  •schüttelt, 
bewegt  hin  und  her*,  OHG.  tümön  •sich  herumdrehen,  taumeln', 
MHG.  tumd  •betäubender  Schall,  Lärm*.  —  Gk.  6p£o|iai  •lasse  er- 
tönen, schreie*,  6pöoc  'lautes  Kufen*,  GpöXoc  •Geräusch',  OE.  driam 
•Jubel,  Lärm*,  —  Skt  stdidi,  stdvate  •lobt,  preist,  singt',  sUhnorS 
•Lob,  Preislied'.  —  Skt  svdnati  tönt,  schallt',  Lat  sano^  etc.,  perhaps 
from  Skt  mvdti^  sdvati  'treibt  an*.  —  Av.  mraaiti^  Skt  bräviti  'sagt, 
spricht',  Welsh  cy-frau  'Gesang,  Ton*.  —  OHG.  stouwen,  MHG. 
siöuic^  8tout4^€n  'anfahren,  schelten,  klagen;  Einhalt  tun,  gebieten; 
hemmen,  stauen*,  ChSL  stavüi  'stellen,  hemmen*,  Lith.  stöviu  'stehe*, 
Skt  sthävard'8  'stehend*. 

Lat.  niffio. 
Goth.  hrükjan  'krähen*,  ON.  hrauhr  'Seerabe*,  Gk.  Kpairpi 
•Geschrei*;  Lith.  kraukiü  •krächze*,  kriukiü  'grunze*,  hrauJdgs 
•Krähe*,  ChSl.  krvM  •Rabe';  Skt  krögati  •schreit*;  OE.  ArÄim 
•shout,  uproar',  Lat  corvus  etc.  —  Gk.  tp^Cuj,  fut  -Huj  'grunze*, 
OHG.  krönen  'schwatzen,  brummen*,  krön  'Gezwitscher  der  Vögel*, 
Lat  grü8  'crane*,  gruo  'crunk*.  —  ON.  brauk  'Lärm',  brauka 
•lärmen',  Gk.  (ppifw  'roast,  parch*.  Cp.  Lat.  frigo  'squeak*  :  frigo 
'parch* ;  OE.  brastlian  'crackle*,  Lith.  braszkiti  'prasseln',  bruzgüi 
'rascheln*  :  Skt  bhfjjdti  'röstet*.  —  Gk.  ßuCuj  'schreie  wie  der 
Uhu*,  ßuKTnc  'heulend*,  MHG.  phüchen  fauchen*,  ON.  jnia  'blasen*, 
Gk.  ßorj  'Schrei*.  —  Lat  mügio  'brülle*,  Gk.  ^uruJ  'stöhne*,'  ^UT- 
|Li6c  'Seufzer*,  OHG.  muckas8^  'mucksen*,  Lett  waw^ 'brüllen*,  etc. 
—  Lat  rugio  'brülle*,  Gk.  fipurov  'brüllte*,  JAth^rügCti  'murren*; 
ChSl.  rykati,  OHG.  rohön  'brüUen*,  Skt  ruvdti,  rduti  'brüllt*.  — 
Lat.  Jmjto,  -ere  *the  natural  note  of  the  kite*,  Lith.  dMugus  'schnar- 
rend*. —  Litn.  sugiu  'heule,  winsele*,  saugiu^  saukiu  'schalle, 
klinge*.  —  Lith.  staugiü  'heule*.  —  Lith.  szatüciü^  Lett  saucu 
'schreie,  rufe*.  —  Lith.  kaukiü^  Lett  kaucu  *heule*,  Skt  köka-s 
'Wolf ;  küjati  'knurrt,  brummt*  :  kduti  'schreit*.  * 

Lat  rädo. 
Lith.  udtffu  'schelte,  keife*  üddju  'ächze,  girre*,  vadinü  'rufe; 
nenne*,  Skt  üdUi'$  'Rede',  fxidati  'redet*,  Gk.  üö^uj  'besinge,  preise*, 


Rime-words  and  Rime-ideas.  löb^ 

auörj  'Laut,  Stimme'.  —  Skt  rödiü^  ruddti  Veint,  heult,  jammert* ^ 
Lat  rudo  "brülle,  schreie',  lith.  raudöju^  OE.  reotan  'weinen,  weh- 
klagen', —  OE.  greotan^  OS.  griatan  'weinen',  Lith.  graudoju 
'wehklage',  graudüs  'spröde';  rührend,  herzbewegend',  graudHü 
'tue  wehmütig*,  base  ghreud-  'crush;  be,  feel  crushed',  Lith. 
gnidüu  'stampfe*,  suche  das  Gemüt  durch  Ermahnung  zu  rüh- 
ren*, HH6.  griegen  'zermalmen,  etc.'  —  ON.  hriäia  'herabfallen ; 
losbrechen,  aufbrüllen;  schnarchen',  OE.  hrütan  'resound;  snore', 
OHG.  mgan  'rassehi,  schnarchen,  schnauben,  summen',  Norw. 
dial.  rflto  'stürmen,  lärmen,  sausen',  Pruss.  krüt  'fallen'.  —  Dan» 
skrgde  'prahlen,  brüllen*,  in  ODan.  'poltern,  brüllen,  schreien,. 
schnarchen*,  Sw.  dcryta  'prahlen',  dial.  'schnarchen',  MLG.  schrü- 
ten  'schnaufen,  schnarchen',  Lith.  ikraudus  'rauh,  brüchig'  (cL 
Color-Names  114).  —  Lith.  gaudüs  'wehmütig',  gaudiiü  'sause, 
jammere,  heule,  summe',  Lett  gaudüt  heulen,  wehklagen',  OE. 
cffta  •Rohrdommel;  Weihe',  MEG.kü^e  'Kauz'  (cf.  PBB.  24,  529). 
—  ME.  schonten,  NE.  shout  'laut  schreien,  rufen',  Lith.  skatidÜ9 
•gewaltig,  heftig;  schmerzhaft',  skündüu  'klage,  führe  Beschwerde', 
Lett  skundet  'ungehalten  sein',  Gk.  cKuCoiiiai  'bin  zornig*  ckuö- 
^aivui  'zürne'.  —  Gk.  KöödCuj  'schmähe,  beschimpfe',  OS.  far- 
hwätan  'verfluchen',  Goth.  hxcötjan  'drohen*,  ChSl.  kydati  'jacere, 
ßXacq)TiM€iv,  Skt  cödati  'treibt  an',  Lat  cüdo  'beat,  strike*  (cf. 
Mod.  Lang.  Notes  20, 43).  —  Gk.  xvuCduj,  -euj  'knune,  winsele*^ 
Kvöoc  'Knarren*,  kvuuj  'kratze'  —  Sw.  myia  'schnauben,  sneuzen*^ 
ON.  myta  'schneuzen*;  OHG  müden  'schnauben,  schnarchen*, 
MHG.  mouioen  'schnauben,  schijLaufen'.  —  OE.  ßeotan  ßütan  're- 
sound, howl*,  OHG.  diazan  laut  tönen,  tosen,  rauschen;  sich 
erheben,  quellen,  schwellen,  zucken'.  —  Goth.  fiauts  'prahlerisch', 
flautjan  'prahlen',  lith.  plüd;Hu  'schwatze,  plappere',  pliaünyju 
'schwatze',  Gk.  irXlJvuj  'wasche',  etc.  (cf.  Jour.  Germ.  Phil.  I,  461). 

Brausen, 

ChSL  puchati  'blasen',  opuchnqti  'aufschwellen',  Dan.  fuse 
•henrorströmen',Norw.dial.^sa'gewaltsamhervor8trömen,  sausen', 
fJ0ysa  'aufbrausen,  überwallen'.  —  MRG.phüsen  'schnauben', 
MLG.  pOsten,  ON.  püa  'blasen'.  —  Sw.  dial.  busa  'stark  blasen', 
ON.  bysia  'gush',  MHG.  büs  'Aufgeblasenheit,  schwellende  Fülle'^ 
Euss.  iMcAnw^fschwellen,  sich  werfen',  Pol.  buchnqc  'hervorbrausen, 
herausplatzen'  (cf.  Wadstein,  PBBr.  22,  2401).  —  ON.  fnysa 
'schnauben',  OE.  fnio9%n  *niesen',  Gk.  ttv^uj  'blase'.  —  Early  Du. 


156  F.  A.  Wood, 

fiuysen  *flow  with  violence',  ON.  flaustr  •hurry,  Auster*,  Skt 
|>&lt;a^*schwimmt,  schwebt,  fliegt,  springt*,  Lith.^rfafito 'Schnupfen'. 

—  Early  Du.  Uuyster^  NE.  blister  'Blase',  bluster  'brausen,  wüten, 
prahlen*,  Gk.  qpXuu)  'walle  über,  sprudele  auf,  schwatze*.  —  MHG. 
brüs  'Brausen',  brüsefi  'brausen'.  Du.  bruis  'Schaum,  Gischt*, 
OHG.  briuivan  "brauen*,  Lith,  bridutis  *sich  mit  roher  Gewalt 
vordrängen',  Lat  ferveo.  —  ON.  frysa^  Sw.  frusta  'schnauben', 
frusa  'heftig  hervorströmen',  ChSl.  |?rysnflrf«  'spritzen*,  Skt  pru^ti 
'spritzt,  bespritzt',  base  preu-  also  in  Skt  pröthati  'schnaubt', 
ON.  fraud  'Schaum'.  —  ON.  hniösa^  OHG.  niosan  'niesen',  Gk. 
Kvooc  'Knarren',  kvuuj  'schabe,  kratze'.  —  Skt  k^uti  'niest*, 
Gk.  Hduj  'kratze',  no  connection  with  the  above  or  foUowing.  — 
ME.  sn^se  'sneeze',  Sw.  snusa  'schnupfen',  Dan.  muse  'schnobern, 
wittern,  schnüffeln',  base  sneu-  in  MHG.  s«ät<?eti,s«ouu:^ 'schnauben, 
schnaufen',  MLG.  mauwen  'schnappen',  OHG.  snüden  'schnauben, 
schnarchen',  snüzen  'schneuzen',  MHG.  snüfen  'schnaufen*,  snüben 
^schnarchen',  snupfen  'schnaufen;  schluchzen*,  etc.  —  ON.  giösa 
'sprudeln',  gusa  'sprühen,  sprudeln',  gusta  'blasen,  pusten',  Norw. 
gjosa  'heftig  hervorströmen',  Gk.  xeuj  'gieße  aus',  etc.,  base  gheu-. 

—  Skt.  ghößoti  'tönt,  ruft  aus',  ghö^-s  'Lärm,  Getön*,  Av.  gaoSa- 
'Ohr'.  —  ON.  Pysia^  Pyria  'hervorstürzen',  /yss,  pa%i;m  'Lärm*, 
OE.  /ys  'storm',  OHG.  do^ön  'brausen,  rauschen,  tosen'.  —  Skt. 
dhvdrhsati  'zerstiebt,  zerstreut',  Lith.  düsas  'Dunst',  düsiü  'atme 
schwer  auf,  seufze  auf',  dusimas  'Keuchen',  Skt  dhünöti  'bewegt 
hin  und  her,  facht  an,  etc.'  —  OHG.  süsön  'sausen,  summen, 
zischen,  knarren,  knirschen',  ON.  süs  'Rauschen  des  Wellen- 
schlages', ChSl.  sysati  'pfeifen,  sausen'.  —  Skt  güsd-s  'gellend, 
klingend,  schnaubend,  mutig',  ^vdsiti  'atmet,  schnauft,  seufzt', 
Lat.  queror  klage*,  OE.  hwäsan  'wheeze',  perhaps  related  to  Skt 
fflnrf-8  'geschwollen,  aufgedunsen',  gvdyati  'schwillt  an'.  —  ON. 
ratisa  'schwatzen,  plappern',  Skt  rö^a-s  *Zorn,  Wut',  rö^ii  'ist 
unwirsch,  zürnt',  räuti  'brüllt*. 

IE.  l  :  r. 

A  very  large  number  of  rime-words  witli  l  and  r  occiu:. 
These  are  so  numerous  that  if  we  should  take  the  words  as 
they  stand  as  representing  the  simplest  form  of  the  base,  we 
should  be  forced  to  conclude  either  that  IE.  l  and  r  were  one 
in  origin  or  eise  had  become  inextricably  confused.  But  many 
of  these  parallel  forms  are  plainly  derivatives  of  the  same  base 


Rime-words  and  Rime-ideas.  157 

with  ihe  Suffixes  -Zo*-  and  -k^-^  as  in  Goth.  mela  *Sche£fer : 
ChSL  mira  *Maß'.  Others  are  accidental,  and  the  words  have 
no  pelation  to  each  other.  Still  others  were  brought  about  by 
changes  of  one  sound  to  the  other  from  various  causes.  But 
even  after  making  these  allowances  there  still  reniains  a  con- 
siderable  number  of  synonymous  bases  with  l  and  r.  I  call 
attention  especially  to  the  foUowing  with  their  derivatives  :  d- : 
er-  •drive,  set  in  motion*;  foi-  :  m-  *glide,  flow';  /^,  te-  :  r^, 
ror  'roar*;  tew-  :  reti-  *pluck,  break  off';  aleq-  :  ar^q-  *ward  off, 
protecf ;  ud-  :  uer-  Voll,  turn*;  md-  :  mer-  *grind,  crush';  fd- 
*swing,  drive,  etc/:2>er-  *fly,  wander,  etc.* ;  jjcZ- :  ^>^-  'pour; 
wash';  hlitur  :  hkrew-  *boil,  aufwallen*;  bhdeg-  :  bhereg-  *gleam, 
shine';  dd-  :  der-  'tear';  fed-  :  ker-  'freeze*;  qd-  :  qer-  'tum, 
twist';  qkf'X'  :  qrc^Q>-  *resound,  roar,  etc.*;  qoir  :  qer-  *beat,  cut'; 
9qd'  :  sqer-  *cut';  gel-  :  ger-  *draw  together';  gla^x-  :  grcfx-  *crash, 
resound';  ^d-  :  g^cr-  *swallow';  ^Ä^i-  :  gher-  *grow';  sd-  *glide, 
slide'  :  ser-  'flow*. 

These  and  other  apparently  priraary  bases,  together  with 
many  others  that  may  be  derivatives  of  theni,  fumish  an  in- 
teresting  group  of  rime-words.  They  belong  to  the  very  earliest 
period  and  furnish  the  starting-point  for  many  similar  rime- 
words. 

Gk.  dXduj,  l\(x\i\  'drive;  chase,  hunt;  thrust,  beat*  :  Gk. 
4p€ccu),  0^,röwan  *row'.  —  Gk.  ^uiai  *  ?px€Tai :  OE.  ear« 'schnell*, 
ON.  orna  'antreiben*,  Skt  pi6t%  'erhebt  sich,  bewegt  sich',  Gk. 
dpoüüü.  —  OHG.  do  'gelb* :  Arm.  arev^  Skt.  ravl-^  'Sonne',  arund-s 
'rötlich*.  —  Lat.  lütum^  lüieus  :  rutilm,  —  Skt.  lunäti  'schneidet 
ab*,  läva-s  'Schneiden,  Abschneiden,  Schur,  Wolle,  etc.',  OK 
hjia  'schlagen*  :  Skt  rav-  'zerschlagen',  Lith.  räuju  'ziehe  aus, 
raufe*,  ON.  ryia  'den  Schafen  die  Wolle  ausreißen'.  —  Lith.  hisztij 
huigti  'brechen',  Russ.  luzntdi  'schlagen,  stoßen'  :  Lat.  cor-ruguSy 
rüga,  runcäre^  etc.  —  Lith.  lüpti^  ChSl.  lupiti  'schälen,  abziehen*, 
Goth.  laufs  'Blatt'  :  ON.  riüfa  'brechen,  zerreißen',  Lat.  rumpo. 

—  Gk.  X^iruj  'schäle  ab',  X^ttoc,  Xottöc  'Rinde,  Schale'  :  Alb.  r;q> 
'ziehe  aus,  ab,  beraube',  Gk.  dpeirroiLiai  'rupfe,  fresse',  Lat.  rapio. 

—  ChSl.  lajati  'bellen,  schimpfen',  Lith.  löju  'belle',  Lat.  lämentum^ 
Iwträre^  Goth.  laian  'schmähen',  Ir.  Uim  'klage  an*  :  Skt.  rdyaH 
'bellt*,  Russ.  rdjati  'klingen,  schallen',  Lith.  rSju  'schreie  heftig 
los*,  ON.  römr  'Stimme,  Geschrei',  OHG.  ruod  'Gebrüll'.  —  Gk. 
Xf\poc  Tand,  Geschwätz',  Xripeuj  'schwatze'  :  ChSl.  rarü  'sonitus*. 


168  F.  A.  Wood, 

—  Gk.  XdcKUj,  Xtik^iü  *töne,  schreie,  spreche*,  Lat  loquar  :  lith. 
rekiü  *schreie*,  ChSl.  rekq  'spreche'.  —  Ski  IdsoH  'strahlt,  glänzt, 
ertönt,  spielt',  Lat.  lamvus  'ausgelassen,  geil' :  Skt  rdsaH  'brüllt, 
heult,  ertönt',  rdsate  'heult,  schreit',  MHG.  rasen  'toben,  rasen*, 
OE.  rcescan  'coruscate*.  —  Pol.  lasy  'begierig,  lüstern',  ON.  dska 
'lieben',  Skt.  W^o^t,  Gk.  XiXa{o|iai  'begehren* :  Gk.  ?pu)c  'Liebe, 
Verlangen',  ipawöc  'lieblich*,  ipacröc  'geliebt'.  —  OE.  ealgian 
'schützen',  Goth.  alhs  Tempel',  Gk.  dXoXKeiv  'abwehren*,  dXicri 
'Wehr,  Kraft*  :  Gk.  dpK^uj  'wehre  ab*,  Lat  arx^  Lith.  rakinä 
^schließe',  räktas  'Schlüssel',  OHG.  ngü  'Riegel'.  —  OE.  löcian 
'look',  OS.  J^hm  'schauen'  :  Lith.  regiü  'sehe,  schaue'.  —  Lith. 
l^u  'gieße',  lytüs  'Regen',  Welsh  Uiant  'Strom,  Meer' :  Skt  HfiäH 
'läßt  fließen  etc.',  ritH  'Strom,  Lauf,  OE.  n/B  'stream',  Lat 
ni^tts,  nrws,  Ir.  rian  'Meer',  Gk.  öpivuj  'bewege'.  —  OE.  ge4f9ian 
'slip,  glide',  MHG.  leise  'Geleise' :  OHG.  risan  'steigen,  fallen', 
Goth.  -reisan,  —  Gk.  Xtt6c  'glatt,  schlicht',  ON.  lida  'gleiten, 
schlüpfen,  gehen,  vergehen',  Goth.  leißan  :  ON.  rida  'bestreichen, 
beschmieren'.  —  Suffixes  -fo-,  -te-;  -K-;  -/w-  :  -fo-,  -rö-;  -ri-; 
-TU-,  —  Lith.  leilas  'dünn,  schlank*  :  Gk.  X€ip6c  'mager,  bleich'. 

—  Skt.  lilä  'Spiel,  Scherz,  Belustigung'  :  Gk.  Xipöc  'frech'.  — 
Skt  Idlati  'spielt,  scherzt,  tändelt',  Gk.  XdXoc  'geschwätzig',  XaXew 
'schwatze'  :  Gk.  Xflpoc  'Geschwätz,  Tand',  \r\piuj  'schwatze'.  — 
OHG.  ilen  'eilen',  Gk.  IdXXuj  'schicke,  werfe',  Skt  iyarti  'erregt, 
erhebt',  irte  'setzt  sich  in  Bewegung,  erhebt  sich,  hebt  an'  (or 
the  Skt  words  with  r) :  Goth.  airus  'Bote';  OE.  är,  ON.  rfr 'Ruder'. 

—  Skt  vdlati  'wendet  sich,  dreht  sich',  vdlaya-s  'Kreis,  runde 
Einfassung,  Armband'  :  Skt  ixlra-s  'Umkreis',  varatrd  'Riemen, 
Seil',  Ir.  ferenn  'Strumpfband'.  —  Skt  valana-m  'das  Wallen, 
Wogen',  Lith.  vünls,  OHG.  weOa  'Welle'  :  ON.  ver  'Meer',  Skt 
vär  'Wasser'.  —  Goth.  t4ndan  'sieden',  ON.  vella  'kochen'  :  Lith. 
virti^  ChSl.  variti  'kochen'.  —  Lat  vdvo^  Gk.  eJXiiuj  'wälze,  um- 
hülle', eiXü^ia  'Obergewand',  JXurpov  'Hülle' :  fpuc0ai  'schützen, 
hemmen',  ^örrip  'Retter',  Skt  varütd  'Beschirmer',  vfnöti  'bedeckt, 
umschließt'.  —  Goth.  waldan  'walten',  OHG.  waUan  'Gewalt 
haben,  herrschen  über,  besitzen,  etc.' :  Lith.  vercziü  'wende,  kehre, 
zwinge',  Lat  verto,  —  ON.  vdta^  OHG.  walzan  'walzen,  sich  wälzen, 
sieh  wälzend  oder  rollend  bewegen'  :  Goth.  ivratön  'wandern*, 
Gk.  {)Oibay/il{u  'schwinge'.  —  OHG.  tccUgön  'sich  wälzen,  sich  rollen, 
sich  bewegen,  ambulare'  :  OE.  uTingan  'wring,  press',  MLG. 
umringen  'drehen,  winden;  drücken'.  —  OE.  tvealcan  'roll,  fluctuate; 


Rime-words  and  Rime-ideas.  Iö9 

whirl,  twist,  wring',  ON.  vdlka  'rollen,  hin  und  her  bewegen' : 
Skt  vfiMcti  'wendet,  dreht,  dreht  ab',  OE.  terencan  'twist,  tum; 
be  deceitful',  Lat  vergo  "bend,  tum'.  —  Skt  vfka-s  'Wolf,  t?fW-^, 
ON.  ylgr  'Wölfin'  :  ON.  vargr  'Wolf.  —  Lith.  vylius  Tisf,  OE. 
teil  'wile,  trick',  ON.  vü  'Bedrängnis,  Not,  Elend',  veül  'schwach, 
krank',  Lat.  pilis  'low,  mean,  base*  :  Ir.  fiar  'umgebogen,  schief. 
—  Lith.  vOa  'Eisendraht' :  ON.  virr,  OE.  wir  'wire'.  —  Goth. 
malan  'mahlen',  Lat  nwlOj  Skt  mldyati  'welkt,  erschlafft,  wird 
schwach*  :  Skt  mfnöJU  'zermalmt,  zerschlägt',  6k.  ^apaiviw  'reibe 
auf*,  ^apac|i6c  'Verwelken'.  —  Goth.  ga-malwjan  'zermalmen, 
zerstoßen',  OE.  mdu  'meal,  ME.  mdice  'mellow,  soft'  :  OE.  mearu^ 
OHG.  maro^  murtci  'mürbe,  zart',  Welsh  merw  'weich,  faul'.  — 
Gk.  jLioXaKÖc  'weich,  sanft',  ßXdfE  'schlaff,  träge,  weichlich,  töricht*, 
Lat  mulcere^  mtdcäre  :  Lith.  merkiü  'weiche  ein',  Skt  marcdyati 
'Fersehrt,  beschädigt*,  Lat  marceo,  marcidus.  —  Gk.  d^dXruj,  Lat 
mtdgeo^  OHG.  mekhan  'melken',  Skt  mjjäti  'wischt,  reibt  ab' 
(or  this  perhaps  rather  with  r) :  Gk.  d^epruj  'streife  ab',  djaopTOC 
'auspressend*,  dfi6pTvO|ii  'wische  ab',  ON.  marka  'bezeichnen, 
mark  out,  etc.*  —  Ir.  ndäifh^  bläith  'weich,  sanft*  :  OHG.  bräto 
'weiches,  eßbares  Fleisch'.  —  ChSl.  mladü  'zart*,  Gk.  dfioXbuvuj 
'schwäche,  zerstöre',  Lat  moUis^  Skt  mräü-ß  'weich,  zaii;,  mild' : 
Skt  märdaJti  'reibt,  zerdrückt,  reibt  auf,  Lat  mordeo,  —  OHG. 
mdda  'Verrat,  Angeberei',  meldön  'angeben,  verraten' :  Gk.  fidpxuc 
'Zeuge*.  —  Lett  meist  'verwirrt  reden,  phantasieren*,  Ir.  mellaim 
'betrüge*,  meU  'Sünde,  Fehler*  :  Skt  mfsä  'umsonst,  vergebens ; 
irrig,  unrichtig',  OE.  mearrian  'go  astray,  err',  gemearr  'hindrance; 
heresy,  wrong-doing'.  —  Gk.  filXXaH  'Jüngling'  :  jueipaH  'Knabe, 
Mädchen'.  —  Gk.  ßXiiiidZiuj  'befühle'  from  *m/z-  'preß,  mb'  :  indpri 
'Hand*,  jndpic  'Hohlmaß',  mer-  'press  :  hold'.  —  Goth.  msla  'Zeit- 
punkt, Zeit',  mäa  'Scheffel'  :  ChSl.  mira  'Maß',  Gk.  ^i^poc  'share*, 
|i6pa  'division',  Lat  mora  'space  of  time;  delaying,  delay'  (cf. 
Color-Names  67).  —  Gk.  irdXXiw  'schwinge,  schüttele',  Lat  peUo^ 
ON.  falma  'tappen,  sich  schwankend  bewegen,  zittern'  :  ChSl. 
parüi  'fliegen,  schweben',  pirati  'fliegen',  Goth.  faran  fahren, 
wandern'.  —  Lith.  püü  'gieße,  schütte*,  MHG.  vUyen  'spülen, 
waschen;  sich  im  Wasser  hin  und  her  bewegen'  :  lHh.periü 
'bade*,  Pol.  prad  'waschen'.  —  ChSl.  plalcaii  'spülen'  :  Gk.  TrpuiH 
Tropfen*.  —  lith.  plasnüju  'klatsche*,  plesdenü  'flattere',  Sw. 
fldsa  'schnaufen,  schnauben* :  OE.  frOst  'breath,  blast',  OSw.  frasa 
'sprühen*,  ON.  farsa  'strömen,   brausen*.  —  Early  Du.  fluysen 


168  F.  A.  Wood, 

—  Gk.  XdcKU),  XriKdu)  'töne,  schreie,  spreche*,  Lat  loquor  :  lith. 
rekiü  "schreie*,  ChSl.  rekq  "spreche*.  —  Ski  IdsaH  'strahlt,  glänzt, 
ertönt,  spielt*,  Lat.  lasdvus  "ausgelassen,  geil' :  Skt.  risaU  "brüllt, 
heult,  ertönt*,  rdsate  "heult,  schreit',  MHG.  rasen  "toben,  rasen*, 
OE.  rcescan  "coruscate*.  —  Pol.  lasy  "begierig,  lüstern*,  ON.  elska 
*lieben*,  Skt.  W^o^t,  Gk.  XiXaCoiiiai  "begehren* :  Gk.  fpujc  "Liebe, 
Verlangen',  ipawöc  "lieblich*,  dpacroc  "geliebt*.  —  OE.  ealgian 
^schützen*,  Goth.  alhs  "Temper,  Gk.  dXoXKCiv  "abwehren*,  dXicri 
*Wehr,  Kraff  :  Gk.  dpKeiw  'wehre  ab*,  Lat  arx,  Lith.  rakinü 
^schließe*,  räktas  "Schlüssel*,  OHG.  rigil  "Riegel*.  —  OE.  löcian 
'look',  OS.  I-Okon  "schauen*  :  Lith.  regiü  "sehe,  schaue'.  —  Lith. 
Uju  'gieße',  lytüs  "Regen*,  Welsh  Uiant  "Strom,  Meer*  :  Skt.  ritiäH 
"läßt  fließen  etc.*,  n«-^  "Strora,  Lauf,  OE.  n^  "stream*,  Lat. 
rüus^  nvt4$^  Ir.  Han  'Meer',  Gk.  öpivuj  "bewege*.  —  OE.  ge4isian 
"slip,  glide*,  MHG.  leise  "Geleise* :  OHG.  risan  "steigen,  fallen*, 
Goth.  -reisan.  —  Gk.  Xit6c  'glatt,  schlicht*,  ON.  lida  "gleiten, 
schlüpfen,  gehen,  vergehen',  Goth.  leißan  :  ON.  Hda  "bestreichen, 
beschmieren*.  —  Suffixes  -to-,  -te-;  -K-;  4u-  :  -ro-^  -rö-;  -r»-; 
-TM-.  —  Lith.  leilas  "dünn,  schlank' :  Gk.  X€ip6c  "mager,  bleich*. 

—  Skt.  lila  "Spiel,  Scherz,  Belustigung*  :  Gk.  Xipöc  "frech*.  — 
Skt.  lälati  "spielt,  scherzt,  tändelt',  Gk.  XdXoc  "geschwätzig',  XaXeui 
'schwatze'  :  Gk.  Xfipoc  'Geschwätz,  Tand',  Xripeuj  'schwatze*.  — 
OHG.  ilen  'eilen*,  Gk.  IdXXuj  'schicke,  werfe*,  Skt.  iyarti  'erregt, 
erhebt*,  trte  "setzt  sich  in  Bewegung,  erhebt  sich,  hebt  an*  (or 
the  Skt.  words  with  r) :  Goth.  airus  "Bote';  OE.  är,  ON.  rfr  "Ruder'. 

—  Skt.  vdlati  "wendet  sich,  dreht  sich*,  vcdaya-s  "Kreis,  runde 
Einfassung,  Armband*  :  Skt.  vdra-s  "Umkreis*,  varairä  'Riemen, 
Seil',  Ir.  ferenn  'Strumpfband'.  —  Skt  valana-m  'das  Wallen, 
Wogen',  Lith.  vünls,  OHG.  weUa  'Welle'  :  ON.  ver  "Meer*,  Skt 
vär  'Wasser*.  —  Goth.  undan  "sieden',  ON.  vella  'kochen*  :  Lith. 
virti^  ChSl.  variti  "kochen*.  —  Lat  vdvo^  Gk.  eiXuuj  'wälze,  um- 
hülle', eiXü^ia  "Obergewand',  JXurpov  "Hülle*  :  ?puc0ai  "schützen, 
hemmen',  ^ürrip  "Retter',  Skt  varüid  "Beschirmer',  vfnöti  "bedeckt, 
umschließt'.  —  Goth.  waldan  "walten',  OHG.  waltan  "Gewalt 
haben,  herrschen  über,  besitzen,  etc.* :  Lith.  vercziü  "wende,  kehre, 
zwinge',  Lat  verto,  —  ON.  velta^  OHG.  walzan  "walzen,  sich  wälzen, 
sich  wälzend  oder  rollend  bewegen*  :  Goth.  wratön  "wandern', 
Gk.  {ictbavilvj  "schwinge*.  —  OHG.  xcalgön  "sich  wälzen,  sich  rollen, 
sich  bewegen,  ambulare'  :  OE.  wringan  "wring,  press',  MLG. 
wringen  'drehen,  winden;  drücken*.  —  OE.  wealcan  'roll,  fluctuate; 


Rime-words  and  Rime-ideas.  Iö9 

whirl,  twist,  wring*,  ON.  valka  "rollen,  hin  und  her  bewegen'  : 
Skt  vfväkH  "wendet,  dreht,  dreht  ab',  OE.  tcrencan  'twist,  tum; 
be  deceitful',  Lat  vergo  "bend,  tum*.  —  Skt  vfka-s  "Wolf,  vflct-^ 
ON.  ylgr  •Wölfin* :  ON.  vargr  "Wolf.  —  Lith.  vylius  Tist',  OE. 
teil  'wile,  trick*,  ON.  rfl  'Bedrängnis,  Not,  Elend',  ieiU  "schwach, 
krank',  Lat.  müs  "low,  mean,  base*  :  Ir.  fiar  'umgebogen,  schief. 
—  lith.  väa  "Eisendrahf  :  ON.  virr,  OE.  trfr  'wire'.  —  Goth. 
malan  "mahlen*,  Lat  woto,  Skt  mldyati  "welkt,  erschlafft,  wird 
schwach'  :  Skt  tnfnäti  'zermalmt,  zerschlägt',  Gk.  ^apalvui  "reibe 
auf*,  ^apac|i6c  "Verwelken'.  —  Goth.  ga-mdlwjan  "zermalmen, 
zerstoßen',  OE.  mdu  "meal,  ME.  mdwe  'mellow,  soft'  :  OE.  mearu^ 
OHG.  ifiaro,  murwi  "mürbe,  zart',  Welsh  merw  "weich,  faul'.  — 
Gk.  ^aXaK6c  "weich,  sanft',  ßXdfE  "schlaff,  träge,  weichlich,  töricht', 
Lat  mtdcere^  mulcäre  :  Lith.  merkiü  'weiche  ein',  Skt  marcdyaJti 
'versehrt,  beschädigt*,  Lat  marceo^  marcidus.  —  Gk.  d^^Xyiw,  Lat 
mulgeo^  OHG.  tndchan  "melken',  Skt  mjjäti  'wischt,  reibt  ab* 
(or  this  perhaps  rather  with  r)  :  Gk.  &\iipfw  "streife  ab',  d^iopTOc 
"auspressend*,  ö^öpTvöjLii  "wische  ab',  ON.  marka  "bezeichnen, 
mark  out,  etc.'  —  Ir.  ndäith,  Müh  "weich,  sanft*  :  OHG.  bräto 
'weiches,  eßbares  Fleisch'.  —  ChSl.  mlcuiü  'zart',  Gk.  djiaXbuvuj 
"schwäche,  zerstöre',  Lat  moUis^  Skt  mfclü-ß  "weich,  zart,  mild' : 
Skt  mdrdcAi  "reibt,  zerdrückt,  reibt  auf,  Lat  mardeo.  —  OHG. 
mdda  "Verrat,  Angeberei',  meldön  "angeben,  verraten' :  Gk.  indpiuc 
'Zeuge*.  —  Lett  meist  'verwirrt  reden,  phantasieren*,  Ir.  meUaim 
'betrüge',  meU  "Sünde,  Fehler*  :  Skt  mfsä  "umsonst,  vergebens; 
irrig,  unrichtig',  OE.  mearrian  "go  astray,  err*,  gemearr  "hindrance; 
heresy,  wrong-doing*.  —  Gk.  ^ilXXaH  "Jüngling'  :  fieipoE  'Knabe, 
Mädchen'.  —  Gk.  ßXT^dCuj  "befühle*  from  *mli'  "preß,  rub'  :  indpri 
"Hand',  jidpic  "Hohlmaß',  mer-  "press  :  hold'.  —  Goth.  mela  "Zeit- 
punkt, Zeit',  mäa  "Scheffel'  :  ChSl.  mira  "Maß*,  Gk.  ji^poc  "share*, 
fiöpa  "division',  Lat  mora  "space  of  time;  delaying,  delay'  (cf. 
Color-Names  67).  —  Gk.  irdXXiw  "schwinge,  schüttele',  Lat  pMo^ 
ON.  falma  "tappen,  sich  schwankend  bewegen,  zittern' :  ChSl. 
farüi  "fliegen,  schweben',  ptrati  "fliegen*,  Goth.  faran  "fahren, 
wandern*.  —  lith.  püü  "gieße,  schütte',  MHG,  üc^en  "spülen, 
waschen;  sich  im  Wasser  hin  und  her  bewegen'  :  Lith.  2>mfi 
'bade*,  PoL  prad  "waschen'.  —  ChSL  plakaU  "spülen*  :  Gk.  TrpujH 
Tropfen*.  —  lith.  plasnüju  'klatsche',  plesdenü  'flattere',  Sw. 
fldsa  "schnaufen,  schnauben* :  OE.  frOst  "breath,  blast*,  OSw.  fraaa 
"sprühen*,  ON.  f(n'8a  'strömen,  brausen*.  —  Early  Du.  fluysen 


160  F.  A.  Wood, 

•flow  with  violence*,  ON.  flaustr  *hurry,  fluster*  :  Sw.  frma  •heftig 
hervorströmen*,  C\&\.prymqti  •spritzen*.  —  \A\h,plaüti8  •Schnupfen' 
:  ^"ki.  pröthati  •schnaubt',  ON.  fraiAÖ  *Schaum'.  —  Gk.  cpXeu)  *strotze, 
fließe  über,  schwatze',  (pXuiü  •walle  über,  sprudele  auf,  schwatze*, 
MHG.  Modem  *rauschen*  :  Lat  ferveo  •siede,  walle',  OHG.  bfHuwan 
•brauen,  sieden*,  MHG.  brodeln.  —  NE.  blust^  •brausen,  wüten, 
prahlen*  :  MHG.  brüs  •Braus,  Brausen*.  —  OK  bcdcan  •voci- 
ferate*  :  bearcan  •bark*.  —  Gk.  cpXeTtü  •brenne,  leuchte',  Lat 
fulgeo^  flagro^  OHG.  blank  :  Goth.  bairhts  •hell,  glänzend',  Lith. 
berszti  •weiß  werden*.  —  Gk.  nidXXu)  •schnelle,  raufe*,  niaXaccuj 
•zapfe,  berülu^e*  :  ipTipoc  •zerreiblich,  dürr*,  ipuipoc  •krätzig*.  — 
Gk.  HiiXoc  •kahl,  nackt,  bloß'  :  ipaipu)  'streiche,  reibe*.  —  ChSl. 
Üükq^  Üiiti  •klopfen',  Russ.  tcHöci  'stoßen'  :  Lith.  trenkiü  •stoße 
dröhnend',  OHG.  dringan.  —  Ski  ddlaUi  •berstet,  springt  auf, 
dala-m  •Stück,  Teil,  etc.',  Lith.  dalis  Teil,  Erbteil',  daltnjä  •teile*, 
OHG.  zälen  'wegreißen,  rauben*  :  Goth.  ga-tairan  •zerreißen,  zer- 
stören*, Gk.  öepuj  •schinde',  Skt.  dfndti  'springt  auf,  berstet,  zer- 
reißt*. —  Gk.  b€v-öiXXuj  'tum  the  eyes  about,  glance  at,  make 
a  sign  to*,  OE.  täian  'strife  after,  intend,  attempt,  obtain',  OHG. 
zäen  •sich  beeilen,  eifrig  streben  nach' :  Norw.  tira  'stieren,  genau 
zusehen',  Pruss.  deirit  •sehen',  Lith.  dyrSti  'gucken,  lauem,  her- 
anschleichen'. —  Gk.  6oX6uj  'trübe,  verwirre' :  Goupoc  •anstürmend'. 

—  OHG.  'tieelnn  'torpere,  sopiri;  cessari' :  ON.  dura  'schluramera'. 

—  Lith.  szdlti  'frieren',  szdltas  'kalt',  szdltis  'Frost*,  szalnä  'Reif  : 
Bzarmä  •Reif,  Ami.  sapn  'Eis',  sapnum  'gefriere*.  —  ON.  hole 
•Schwanz,  spitzes  Ende,  Schaft',  Skt  galyd-s  •Keilspitze,  Dorn, 
Stacher,  gald-s  'Stab,  Stachel*  :  garu-^  'Geschoß,  Speer,  Keil*, 
Goth.  hairus  'Schwert*.  —  Lith.  at-si-költi  'sich  anlehnen*,  Gk. 
KcXXov '  cTpeßXöv,  TTXctTiov,  KuXXoc  •krumm*  :  KOpwvoc  'gekrümmt', 
KupTOc  'krumm',  Lat  curvus,  —  Gk.  kXujöuj  'spinne',  Skt  kldthati 
'dreht  sich,  ballt  sich'  :  kfruitti  'spinnt',  cftdti  'knüpft,  heftet', 
ChSl.  kretäjq  •flecto',  krqtü  'tortus',  Lat  crätes,  —  Lith.  klajiis 
•irreführend',  klivas  'krummbeinig'  :  kretvas  •gewunden,  schief, 
ChSl.  krivu  'schief.  —  Lith.  kleipiü^  klaipaü  'Schuhwerk  schief 
treten',  klypstü  •beim  Treten  die  Füße  seitlich  krumm  biegen'  : 
kreipul,  irflwpaö  •wende,  kehre',  irypsfw  •sich  unwillkürlich  wenden, 
drehen'.  —  Lat  dingo  *cingo,  cludo',  ON.  hlekker  'Kette',  OE. 
hlence  'armor,  Panzer',  hlinc  *ridge,  slope';  ChSl.  klfknqti  'nieder- 
knieen',  pofdfcati  'sich  biegen,  hinken'  :  ChSl.  sü-krüciti  sf  'sich 
zusammenziehen*, Boh.2)0-*rÄf 'runzeln';  ON.  hrokenn  'gekräuselt, 


Rime-words  and  Rime-ideas.  161 

nmrelig';  OR  hring  'ring,  circle,  circuif,  ChSl.  krqgü  •Ring, 
Kreis'.  —  Lat  depo^  GL  kWutiu  •stehle* :  Lett  kräpju  'stehle*.  — 
Gk.  xaX^uj,  Lat  calär$^  cUtmäre^  OHG.  hiaman^  rauschen,  brausen*: 
Lat  oomix,  Gk.  Kopiiivn  •Krähe*,  xopa^  •Rabe*.  —  ChSl.  Uopatii 
•strepitus*  iLaLcrepo.  —  lAtdanga^  Gk.  kXOiCu),  kXukcuj  '^ucke*,  ON. 
klakka  *8chr8ien;  jauchzen*,  Goth.  hlahjan  •lachen',  ChSl.  klahciü 
•Glocke*  :  Gk.  KpdZiui  •schreie*,  KpiLiiu  •krächze*,  OE.  kröc  •rook*, 
Lith.  kregu,  krogiü,  hrokiü  'grunze',  ChSl.  krakoH  •krächzen',  Lat 
crww.  —  Lett  IdSdzu  ^schreie*,  ChSL  Hikü  •Schrei*,  Lith.  klykiA 
•kreische' :  Gk.  kqHm)  •knarre,  kreische',  KpiTn  •Schwirren',  KpJxn 
I  •Eule*,  ChSL  Irikü  'Schrei*.  —  Gt  icXaiuj  Veine',  kXoOilux  •  Woinen* : 
OE.  hream  •shout,  uproar',  hrieman  'shout;  lament;  exult*.  — 
UÜi.kalü  'schlage,  schmiede*,  ChSL  X;2aff 'stechen*,  SVt  hold  'kleiner 
Teil*  :  Skt  kfndU  •verletzt',  Gk.  Keipuj  'schneide,  schere',  xdppa 
•Schnitzel',  Idth.  kefiü  •haue  scharf.  —  Russ.  kolöda  'Klotz,  Block', 
OHG.  hdz,  Gk.  icXdöoc  'Zweig*  :  ChSL  krada  'Holzstoß*.  These  are 
not  properly  rime-words  but  accidental  Synonyms.  —  Skt  kal- 
pdyaii  'ordnet  an,  verteilt,  teilt  zu'  :  Lith.  kerpü  'schneide*,  Lat 
carpo,  —  ON.  Attoi/^ 'Wölbung*,  hudfa  'wölben',  OE.  AuwZ/^'vaulted, 
hollow,  concave ;  vault,  arch',  Gk.  koXttoc  •Rasen'  :  OE.  hwearfian 
'tum,  revolve,  roll,  wander*,  ON.  huitfell  'Wirbel,  Zopf,  Ring, 
Kreis*,  Gtoth.  htcairban  'wandeln',  Gk.  KopTtoc  'Handwurzel'.  — 
Lat  glomuB  Twdl*,  gUmero  'crowd  together,  form  into  a  ball*,  OK 
dämm  *grasp;  bond,  chain',  demman  'contract',  OHG.  beklemman 
zusammendrücken,  einengen*  :  ON.  kremia  •drücken,  zerdrücken*, 
Sw.  krama  'drücken,  pressen*,  OE,  crimman  •cram,  insert',  cram- 
mian  'cram,  stuff* ,  OHG.  krimman  'die  Klauen  zum  Fange  krümmen, 
mit  gekrümmten  Klauen  oder  Fingern  packen,  etc.*  —  Lith. 
gUibiu  •umarme,  glöbiu  •umarme,  umhülle*,  Lat  gU^ms^  globo^  MHG. 
Idimpfen  fest  zusammenziehen,  drücken,  einengen',  Idampfer 
'Klammer*,  NE.  damp  :  OHG.  krimpfan  'krumm  oder  krampfhaft 
zusammenziehen*,  krampf  'gekrümmt;  Krampf,  ON.  krappr  'ein- 
gezwängt, schmal*,  ÄT«;)pa 'zusammenbiegen,  -drücken;  krümmen, 
kneifen',  NE.  crimpf  cramp.  —  OE.  dingan  'sich  zusammenziehen, 
shrink;  wither*,  bedingan  'einschließen,  binden',  ON.  kiengiask 
'sich  anklammem';  OHG.  klenken  'knüpfen,  binden,  schlingen', 
OR  bedencan^  NE.  dench  'die  Faust  ballen;  umfassen,  packen; 
befestigen* :  MHG.  krinc,  -ges  'Kreis,  Ring,  Bezirk*,  kränge  'Not, 
Bedrängnis',  ON.  kringr  'rund;  biegsam,  geschmeidig*,  OKcringan 
*fall,  perisfa',  NE.  cringe^  ChSl.  iü-grudiü  'sich  zusammenziehen', 

IndogfirmuiiBcbe  Fonchnagen  XXIJ,  W 


162  F.  A.  Wood, 

Serv.  grc  ^Krampf ;  lith.  greHü  'drehe,  winde',  MLG.  krink  *Ring, 
Kreis',  krunke  Talte,  Runzel,  Krause',  MHG.  kranc  "schmal, 
schlank,  gering,  schwach',  OE.  crincan  *fall,  perish'.  —  OX. 
Ueima^  OE.  ddtman  'anschmieren',  däm  *Lehm'  :  IceL  krim^  Sw. 
dial.  kHm(e)  'Schleim'.  —  Skt  gldu^  'Ballen',  OHG.  kliuwa  'Knäuel', 
kläwa  'Klaue',  klätven  'prurire,  scalpere'  :  Lat.  can-gruo  'come 
together',  OHG.  kraivil^  krouml  'Kralle,  Klaue',  krouxvön  'kratzen, 
krauen'.  —  MLG.  klüie  'Klumpen,  Ball',  OHG.  Möz  'klumpige 
Masse,  Knäuel;  Kugel,  Knauf;  OK  düd  'rock,  mass  of  rock*, 
NE.  dod  'Kloß,  Scholle*,  Gk.  tXoutöc  'Hinterbacken' :  OE.  crüdan 
'drücken,  drängen',  gecrod  'Gedränge*.  —  MHG.  Hohe  'Bündel, 
Büschel,  etwas  klemmendes,  Kloben',  khuber  'Klaue,  Kralle, 
Fessel';  OE.  dyppan  'embrace',  ON.  klgpa  'kneipen,  kneifen,  zu- 
sammenkneifen, einschließen'  :  Gk.  ypxjnbc  'gekrümmt,  gebogen', 
TpöTTOUj  'krümme';  OE.  cryppan  'bend,  crook',  criepan  'contract, 
clench',  ON.  kropna  'einschrumpfen,  vor  Kälte  erstarren',  kriüpa 
'knieen;  kriechen'.  —  OE.  dyccan  'bring  together,  clench',  ME. 
ducchen^  NE.  dutch  'ergreifen,  festhalten;  zusclüießen,  zumachen', 
Sw.  klyka  'Klammer'  :  ON.  kroka  'sich  krümmen',  ME.  crouchen^ 
NE.  crouch^  MHG.  kriechen  'sich  einziehen,  schmiegen ;  kriechen, 
schleichen'.  —  OX.  klaka  'twitter,  chatter;  wrangle,  dispute', 
ME.  docken  'clack',  MHG.  Hecken  'tönend  schlagen;  sich  spalten, 
platzen',  Gk.  yXdln)  'singe,  lasse  ertönen' :  OHG.  chrachön  'krachen', 
chrcic  'Riß,  Sprung;  Geräusch,  Krach',  OE.  cradan  'crack,  crash', 
cearcian  'gnash  (teeth);  creak',  Skt  garjati  'prasselt'.  —  NE.  dash 
'klirren,  rasseln,  mit  Geräusch  zusammenschlagen',  Goth.  klismö 
'Klingel'  :  MLG.  kraschen  'kratzen',  NE.  crash  'krachen,  knarren, 
zerschmettern',  Dan.krase  'zerschmettern',  MHG.  kraspdn^  krastdn 
'rascheln,  knistern',  OHG.  kerran  'knarren'.  —  ON.  kalla  'call', 
OHG.  kallön  'laut  schwatzen',  ChSl.  glasü  Ton,  Stimme',  Lat. 
gcdlus  :  OHG.  kerran^  OE.  ceorran  'knarren',  Dan.  krase  'zer- 
schmettern', etc.  —  OE.  cnyUan  'sound  bell',  NE.  kneU,  MHG. 
knüllen  'schlagen',  erkneUen  'erschallen',  NHG.  knall  :  MHG. 
knarren^  knirren^  NHG.  knurren,  —  MHG.  Meicen  'klagen,  winseln', 
NHG.  klohnen^  OE.  clümian  'mumble'  :  MDu.  crönen  'jammern, 
klagen',  OHG.  krönen  'schwatzen,  brummen,  schelten',  krön  *gar- 
rulus',  Lat  gmo  'make  the  noise  of  a  crane'.  —  OHG.  kda^  OE. 
cecle  'Keiile',  Ir.  gelim  'verzehre,  fresse',  gü  'Blutegel',  Lat  gid4n^ 
base  gd"'^  Gk.  beXeap  'Köder',  ßXujfioc  'Bissen  Brot',  KaßXeer 
KaTamvei  (Hes.),  ßX^ruec*  d  ßöiXXai  (Hes.),  base  g>e?-,  to  either  of 


Rime-words  and  Rime-ideas.  163 

which  may  belong  Skt  gakhs  'Kehle,  Hals*,  ChSl.  glütü  'Schluiid' : 
Skt  gard'8  Verschlingend*,  Gk.  ßop6c  'gefräßig',  Lat  ix>räre^  Lith. 
geriik  'trinke*.  —  Gk.  6€Xq)uc  'Gebärmutter*,  boXcpöc*  f|  fii^po, 
b^XqxzE  'Ferkel*,  döeXcpöc  'Bruder'  are  perhaps  from  the  base 
f^d'  in  the  sense  of  'chasm,  Schlund*,  and  similarly  Goth.  kalbö 
'Kalb*,  kilßei  'Mutterleib*  etc.  may  be  derived  from  the  base 
0g^  above  :  Gk.  ßpfcpoc  Ijeibesfrucht,  Kind',  ChSl.  ir%  'Füllen*, 
Skt  gdrbhchs  'Mutterleib,  Leibesfrucht'  may  be  referred  to  g*'er- 
above.  —  Lith.  Mti  'grünen',  ChSl.  zelenü  'grün'  :  OHG,  gruoen 
•grünen', gruani  *grün*,  Lett  farüt  'Äste  treiben;  Strahlen  werfen*. 

—  OHG.  gluoen  'glühen',  gluot  'Gluf  :  OhSl.  ziriti  'glänzen*,  Lith. 
J^&Sti  'strahlen*,  iarijas  'glühend,  feurig  glänzend*,  Lett  farM 
'Äste  treiben;  Strahlen  werfen*.  —  Gk.  xx\\x\  'Spalt,  Kerbe,  etc.* : 
XnpciMÖc  *Höhle,  Kluft*,  xapdöpa  'Riß,  Spalt,  Kluft',  x^J^poc  'Raum, 
Zwischenraum*.  —  ON.  geü,  gü  'Kluft',  MLG.  gil  'Schlund,  Kehle* : 
Gk.  x^P«c  'Riß,  Schrunde*,  xipoXdoc  'mit  aufgesprungenen  Händen 
und  Füßen*.  —  MLG.  gü  'Begehren,  Gier,  Verlangen,  Bettelei', 
gflen  'begehren,  betteln*,  MRG.  gflen  'betteln*  :  MHG.  ^«r,  gire 
'begehrend,  verlangend*,  gir  'Geier*,  MLG.  girhals  'Geizhals*.  — 
ON.  gnella  'schreien',  gnoUa  'knirschen'  :  MLG.  gnarren  'knurren*. 

—  OHG.  gellan  'laut  tönen,  schreien'  :  MHG.  garren  'pfeifen', 
gurren  'gurren,  girren',  OE.  gierran  'creak;  chatter*.  —  ON. 
glama^  glamra,  OSw.  glama  'lärmen',  glam  'Lärm',  OHG.  galm 
'Schall,  Lärm' :  Gk.  xpöjbioc  'Knirschen,  Wiehern',  xp^mKuj  'wiehere', 
ChSl.  gromü  'Donner',  Lith.  grumSnti  'leise  und  dumpf  donnern*, 
MLG.  grummen  'ein  dumpfes  Getöse  machen*.  —  ON.  geUa  'bellen*, 
OHG.  gelzön  'aufschreien,  delatrare*,  Gk.  KaxXdIuj  'klatsche, 
plätschere* :  MHG.  gräzen  'schreien,  aufschreien*,  ON.  grata  'laut 
jammern*,  Goth.jfr^ton  'weinen*,  Lith. jrrodiia  'poltert*,  ^Vthrddate 
'tönt*.  —  C\&\.  gladüi  'glätten',  L^t  glaber,  ORG,  glat  :  Lith. 
grindu  'reibe,  scheure',  grdndau  'schabe'.  —  ChSl.  gladü  'Hunger', 
gladostt  'Gier*,  ilüditi  'begehren* :  Goth.  gridm  'Hunger',  gredags 
'hungrig',  OHG.  grätag  'gierig*.  —  Lith.  selü  'schleiche',  ChSL 
sulaii  'schicken*,  Gk.  äXXoiiiai,  Lat  scdio  :  Skt.  süarti^  sdrcdi  'eilt, 
fließt*,  Gk.  öp^du)  'treibe  an,  stürme  los*.  —  Lith,  salä  'Insel', 
Lat  in-sula  (cf.  AJP.  24,  51) :  ChSl.  chsfrom  'Insel',  Lith.  sravä 
•Fließen'.  —  ON.  dafask  'nachlassen,  abnehmen',  Lith.  sÜpnas 
^schwach,  kraftlos',  Mpti  'schwach  werden' :  Skt.  sdrpati  'schleicht, 
gleitet,  kriecht',  Gk.  fpTru),  Lat.  serpo,  —  ON.  slefa  'geifern*,  NE. 
slav&r  'drivel*,  dahber^  NHG.  schlabbern  :  Gk.  ^09^ijü,  lith.  sräbiü 


16^  F.  A.  Wood, 

•schlürfe',  sttrbiü  "sauge*,  Lat  sorbeo.  —  ON.  dupra  "schlürfen*, 
MHO.  düpfen  'schlüpfen;  schlürfen*,  NR  dop  *begiefien,  bo^ 
schütten,  besudeln;  hastig,  gierig  trinken* :  Litii.mauifti'schlürfe*^ 
mivbä  "Sauce;  Suppe*;  Gk.  ^uttoc  "Schmutz,  ünreinlichkeit',  ^4u> 
etc.  —  MHG.  doie  "Schlamm*,  Scotch  dud  "Schmutz*,  dudder 
"unreinlich  essen* :  Lith.  sriUä  "Jauche*,  Skt  gndä-s  "fließend, 
geflossen*.  —  Goth.  bisauljan  "beflecken*,  Norw.dial.aaofa  "Schmutz*, 
OHG.  sol  "Kotlache*,  solön  "besudelt  werden*,  lith.  ^ulä  "Birken- 
saft* :  ON.  saurr  "feuchte  Erde,  Schmutz*,  sür-etfgr  "triefäugig*. 

—  MHG,  stcalm  "Bienenschwann*  :  stcarm  "Schwann*.  —  Gk. 
qiriXuj  •  c|idu>,  CjiiiXn  "Salbe*  :  OHG.  sfnero  "Fett,  Schmeer*,  Goth. 
WHOirßr  "Fett*,  smama  "Mist,  Kot*.  —  MHG.  smiden  "lächehi*, 
smaUen  "schmollen,  lächeln*  :  smieren  "lächeln*.  —  Du.  sm&ulen^ 
ME.  smoldere  "smolder* :  OE.  smorian  "choke,  sufficate*,  LG.  smaren 
"dämpfen,  ersticken ;  schmoren,  rösten*.  —  OHG.  snd  "schnell, 
behende,  tapfer*,  MHG.  med  "rasche,  schnellende  Bewegung  und 
der  dadurch  entstehende  Laut*,  snellen  "schnellen,  foilschnellen^ 
»chnalzen*,  studzen  "schnalzen*  :  OE.  mieran  "hasten*,  ON.  snara 
"in  schnelle  Bewegung  setzen,  werfen,  drehen*,  snarr  "hurtig*, 
MHG.  snarren  "schnarren,  schmettern,  schwatzen*,  snarz  "Zwitschern 
der  Schwalbe;  Spottwort,  Schelte,  Spott*,  NE.  snart  "schnauben^ 
schnaufen*,  ON.«»ar/fca"flicker,sputter*,MHG.«iwrcAen"schnarchen** 

—  Skt  phdlati  "prallt  zurück,  springt  entzwei,  berstet',  sphälayaU 
"läßt  anprallen,  schlägt  auf;  zerreißt* :  »phurdH  "stößt  weg,  schnellt, 
zuckt*.  —  Litli.  späliai  "Schaben*,  Gk.  ciraXic  "Schere*  :  OHG. 
sper  'Speer',  sparro  "Stange,  Balken*.  —  OR  «pefc  "splinf,  ON. 
spialk  "dünnes  Holzstück',  Lith.  9pilgä  "Stecknadel*  :  OE.  sprcec^ 
fpranca  "shoot,  twig',  Lith.  sprögii  'platzen,  einen  Sprung  be- 
kommen ;  ausschlagen ;  knospen*.  —  Lett  spidgikt  "glänzen,  funkeln', 
sptdgans^  spil^ans  "schillernd,  rötlich'  :  OE.  spearoa  "spark*,  speor- 
cian  "emit  sparks",  spkrcan  "sputter;  sparkle',  MLG.  sparke  "Funke*> 
tparken  "funkeln*,  sprankefi  "funkeln,  glänzen*,  Lat  sparyo.  — 
NE.  Splint  splinter :  MHG.  spreiz  "Aufsprießen;  Spalt*,  ON.  spreUa 
"springen,  aufspringen*,  spre^  wk.  v.  'lösen,  los  machen,  trennen*. 

—  Lat  splendeo :  MHG.  sprim  "Flimmern,  Farbenschmelz*,  ymM$ 
•flimmerndes,  glühendes  Stück;  Lanzensplitter*  sprenzen  "sprengen^ 
spritzen,  sprenkeln,  bunt  schmücken*.  —  NE.  splaUer  :  MHG. 
sprenzen  "s{M^ngen,  spritzen,  sprenkeln,  etc.*  —  MLG.  splUm 
•spleißen,  in  Stückchen  spalten;  sich  spalten',  MHG.  Spruen  "bersten^ 
sich  spalten;  spalten,  trennen* :  sprizen  "in  Stücken  oder  Splittern 


Rime-words  and  Rime-ideas.  165 

auseinander  fliegen',  sprize  *Span,  Splitter*.  —  Lett.  spfle  *Holz- 
nagel,  Holzgaber,  MLG.  späe  Münner  Stab',  NE.  sptfe,  Gk.  crriXoc 
*Klippe'  :  MLG.  8pir  'kleine  Spitze*,   OE.  spfr  *tapering  shoot', 
ON.  spira  'Spitze;  Rohr'.  —   Goth.  stilan  'stehlen*  :  Gk.  crepiui 
•beraube'.  —  Skt  sthälati  'steht',  sthäla-m  'Anhöhe,  Stelle',  Gk. 
CTTiXn   •Säule',  OHG.  stellen  'aufstellen,  feststellen' :  Skt  sthirds 
fest,   straff,  hart',  Gk.  crepeöc  'hart,  fest',   rnipiZuj  'richte  auf, 
stütze  fest',  OHG.  starin  'starren',  starren  'hervorstehen,  ragen*. 
—  Lat.  stüus  :  Lith.  stjrau  'stehe  steif  und  lümmelhaft  da'.  — 
Gk.  ctiXt]  Tropfen' :  Lat.  stlria  'frozen  drop'.  —  Gk.  cröXoc  'Säule' : 
craupoc  'Pfahl*,  Lat  re-stauräre^  Skt  sthävard-s  'stehend,  fest'.  — 
OLat  stlis  'Streit,  Zank'  :  OHG.  strU  'Streif.  —  Gk.  cicöXov  'Haut', 
CKuXoui  'verhülle',  ON.  skufl  'Schirmdach',  OFries.  skül  'Versteck' : 
ON.  skurm  'Schale,  Rinde',  Lith.  dcürä  'Rinde,  Leder',  OHG.  scür 
'Schutz,  Wetterdach',  sciura  'Scheuer',  Lat  obscürm.  —  ON.  sküia 
'spalten,  scheiden',  Lith.  skeliü   'spalte',   skdlä   'Holzspan',   Gk. 
ocdXXuj    'scharre,   hacke'  :  Lith.  skiriü   'trenne,   scheide',   OHG. 
xeran  'schneiden,  scheren',  scerran  'kratzen,  scharren'.  —  OE. 
scedlu^  sceolu  'Schar* :  OHG.  scara  'Heeresabteilung,  Schar*.  — 
Lith.  skädeju^  sküdHu  "platze,  berste,  spalte*  :  shirdeju^  skSrdziu 
'platze,  bekomme  viele  feine  Risse',  Lett  skardit  'zerteilen',  MHG. 
scherze  'abgeschnittenes  Stück',  schräm  'Bruch,  Riß,   Spalte', 
schremen  'spalten,  zerreißen*.  —  Lith.  släüis  •Scheibe,   Spalte* 
(von  der  Kartoffel  etc.),  Goth.  skildus  'Schild'  :  OE.  sceard,  OHG. 
scart  'zerhauen,  schartig,  verwundet',  scrintan  'bersten.  Risse  be- 
kommen'. —  Lith.  sklempiü  'behaue,   beschneide,  polire',  Lat 
sctdpo^  sccdpo  :  OHG.  scarbön  'in  Stücke  schneiden',  screvön  'ein- 
schneiden'. —  Lith.  sklypilju  'zerstücke',  sklypas  'Lappen,  Stück- 
chen', OE.  tä-difan  'spUt',  NE.  diver  'splinter',  ON.  sleif  'Rühr- 
löffel' :  Lett  skripat  'einritzen,  kratzen',  Lat  scriptdum.  —  ON. 
rfÄ«,  OE.  slitan,  OHG.  slizan  'schleißen,  zerreißen'  are  supposed 
to  come  from  pre-Germ.  *sqleido-^  but  this  is  very  doubtful,  but 
cp.  Lith.  skleidziü  'breite  aus'  :  Goth.  dis-skreitan  'zerreißen'.  — 
lith.  sklendziü,  sklandaU  'fliege,  schwebe' :  MHG.  scherzen  'hüpfen*, 
seharz  'Sprung*.  —  ON.  skialfa  'beben,  zittern',  skdfa  'schütteln', 
OE.  scidfan  'shake' :  Gk.  CK0p7riZ!tJü  'zerstreue,  jage  auseinander', 
ON.  skrefa  *go  or  spring  with  long  strides',  skrdfask  'zurück- 
weichen'. —  Gk.  cK€X€<pp6c,  cxXiiqppöc  'schmächtig'  (dTtocKXf^vai 
Verdorren*) :  Lith.  skrebiu  'werde  trocken*,   ON.  skarpr  'einge- 
schrumpft, dürr*,  MHG.  schrimpfen  'sich  zusammenziehen^  runzeln*. 


166  F.  A.  Wood, 


•Movable  m-/ 


If  long  lists  of  rime-words  are  not  siifficient  to  prove  that 
synonymy  is  of  itself  no  proof  whatever  of  the  relation  of 
words  and  that  comparisons  made  on  that  basis  are  utterly 
worthless,  we  will  approach  the  matter  from  another  angle.  If 
'movable  s-  is  established  by  synonymy,  then  we  will  bring 
*movable  m-'  to  its  rights  in  the  premises.  This  also  we  may 
regard  as  a  prefix.  When  prefixed  to  words  with  initial  vowel^ 
it  causes  no  change.  An  initial  fi  regularly  drops  after  m-.  So 
also  i  in  most  languages.  Prefixed  m-  before  l  ot  r  suffers  the 
wellknown  phonetic  change.  FoUowing  are  the  examples. 

Goth.  itan  *essen',  Gk.  döavöv  "Speise*  :  Goth.  mats  "Speise*. 

—  Gk.  öloc  'Zweig,  Ast*,  Goth.  asts  "Ast*  :  OHG.  tnasf  "Stange, 
Mastbaum',  Lat.  malus  "Mast*  from  *mazdos.  —  Gk.  dXew  "mahle* : 
Lat.  woto.  —  Skt.  drdati,  rddti  "fließt,  zerfließt*,  Gk.  dfpöa  "Schmutz*  : 
Lat.  merda  "Unrat,  Kot*.  —  Gk.  dpTOc  "hell*,  Goth.  tin-airkm 
"unrein*  :  lith.  mlrgu  "flimmere*.  —  OHG.  ero  'Erde*,  ON.  igrm 
"Sand*  :  Skt  maru-ß  "Sandöde*.  —  Lat.  armus^  artus  :  Gk.  jidpn 
'Hand*.  —  Gk.  dpvuinai  "erwerbe*  :  Lat  tnereo.  —  Gk.  oiöoc  "Ge- 
schwulst*, oibiuj  "schwelle*  :  Skt  mSdas  "Fett*,  tnSdyati  'wird  fett*. 

—  Lat  eo^  Ire  :  iwöo,  meäre  "gehen,  wandeln*,  Pol.  mijad  *prae- 
terire*.  —  Lat  imitor  "ahme  nach'  :  Gk.  |ii|ife|iai  "ahme  nach*. 

—  Skt  Sjati  "bewegt  sich*  :  Lat  migro  "wandere*.  —  Lith.  eüt 
"Reihe*,  Gk.  iXn  "Schar*  :  Lat  mlles.  —  Skt  inöti^  invati  'drängt, 
treibt',  base  ei(n)uo- :  Skt  mivati  "schiebt,  drängt,  bewegt',  Lat 
moveo  from  *m(j)<w-.  —  Lat  ünus  :  Gk.  jiovoc  "allein*  from  *w(i)on-. 

—  Gk.  iXuc  "Schmutz*  :  MHG.  tneilen  "beschmutzen,  beflecken*^ 
meüe  "befleckt,  schlecht*,  mal  "Fleck'  from  *m(i)el-.  —  OS.  idal 
"leer,  nichtig',  OHG.  Ual,  MHG.  ftd  'leer,  ledig,  eitel,  vergeblich, 
etc.*  :  OS.  gimed^  OHG.  gimeit  "eitel,  töricht',  Gk.  indiaioc  "eitel, 
nichtig*  from  *m(i)a^-,  base  *eiat'.  —  Lat  jaceo  "liege*  :  Skt 
myök^ati  "sitzt  fest,  befindet  sich*.  —  Lat  ^'ocfo  "werfen*  :  mico 
'sich  hin-  und  herbewogen'.  —  Av.  yat-  "streben*,  Gk.  lx\Ti\x} 
"suche*  :  inaieuj  "suche*  from  *m{j)<U'.  —  OE.  wecg,  OHG.  tcecH 
'Keil* :  Lat  m-ticro  "Spitze,  Schwert,  Pflugschar*,  Gk.  jioKpwva  •  töv 
öEuv  (Hes.)  from  w{m)oA:-  with  regulär  loss  of  u  after  m.  — 
Goth.  uizöyi  "schwelgen*,  Lat  vescor  :  OE.  mos  "food*.  —  Lith. 
vaidaü  "streite'  :  Goth.  tnaüan  'hauen,  schneiden'.  —  OE.  tvänian 
"complain,  bewail'  :  manan^  *mänian  "complain,  moan*.  —  Lat 


Rime-words  and  Rime-idßas.  167 

vitäre  :  OHG.  mfdan  'meiden'.  —  Ski  vdyati  'webt,  flicht',  väd-s 
•gewunden',  OE.  teißig  'band,  bond*,  trißße  'withy,  bond',  är- 
icißße  'oar-withe'  :  micU,  miß  'oar-thong;  horsös  bit*,  midlian 
'bridle,  restrain*.  —  OHG.  winnan  'in  heftiger  Aufregung  sein, 
toben,  streiten*  :  Gk.  jiaivojiai  'rase',  inevoc  'Kraft,  Mut,  Zorn, 
Streben'.  —  OHG.  tcuot  'Wut,  Raserei'  :  Goth.  möps  'Zorn,  Mut'. 

—  Skt  vdnati  'wünscht,  liebf ,  vdnas  'Lust'  :  OHG.  minna  'Minne*. 

—  OHG.  iconen  'wohnen'  :  Lat  manere.  —  Goth.  wukan  'wachen', 
aukan  'wachsen,  mehren' :  Goth.  miWfe,  Gk.  ^ifac  'groß'.  —  OE. 
icOt  'wet',  trcUer^  Goth.  tratö,  Gk.  uöwp,  Skt  udaiv-  'Wasser*, 
undtti,  undati  'quillt,  benetzt' :  Gk.  ji-uöoc  'Nässe,  Fäulnis',  juuöduj 
'feucht  sein,  faulen*,  jiööalvuj  'bewässere',  Lett.  mudet  'weich, 
schimmelig  werden',  Gk.  jiaöduj  'zerfließe'  from  *m-wrf-,  Lat 
madeo.  N otice  that  this  explanation  beautif  ully  (?)  combines  what 
were  formerly  regarded  as  three  distinct  bases !  —  ON.  vpkr 
'feucht*,  Gk.  vrrpöc  'naß,  feucht,  geschmeidig* :  Norw.  mauk  'Flüssig- 
keit', ON.  mixikr  'sanft,  weich',  NE.  muck  'Kot,  Unflat',  ON.  maka, 
ChSl.  mazaü  'schmieren'.  —  Skt.  vär  'Wasser*,  ON.  ver  'Meer' : 
Goth.  mar^j,  Lat  mare  'Meer*.  —  Lat.  vagio  :  mügio.  —  Skt 
väkti  'redet,  spricht',  Lat  voco  :  Gk.  |LiöK(io|Liai,  Czech.  mukati 
'brüllen*,  Gk.  ^Kdojiai  'blöke,  meckere',  Skt  mahayati  'quackt*. 

—  Skt  vamrd-s  'Ameise'  from  *mnwef-s,  base  ^auor-mo-^  Gk. 
ßopjiaE  :  Av.  maoirii^  ON.  maurr  from  *m-aur'j  ChSL  mravij^  Ir. 
moirb  from  ^m-uorw-^  Gk.  |li-up|litiH.  —  Skt  vdrpas  'Gestalf ,  base 
*uorp{h) :  Gk.  jicpcpi^i  'Gestalt'  from  "^m-uorphä,  —  Skt  vdsä  'Fett, 
Schmalz',  Av.vanhär  'spinal  marrow* :  Skt  m4s,  Lith.»iÄa 'Fleisch*. 

—  Skt  vdncati  'wankt,  wackelt'  :  mankü-^  'schwankend,  schwäch- 
lich'. —  OHG.  trascan  'waschen' :  Lith.  mcizgöti  'waschen,  spülen*, 
Lat.  mergo^  etc.  —  Skt  t>(üa-s 'Schweif,  Schweifhaar' :  mdlä  'Kranz*. 

—  OHG.  trerran 'verwirren;  hemmen,  stören,  schaden,  verdrießen* : 
merren  "behindem,  stören',  OS.  merrian  'ärgern;  stören,  hindern*. 

—  Goth.  weihan  'kämpfen',  Lat.  vinco  :  di-mko  'kämpfe'.  —  Lith. 
aunu  'ziehe  Fußbekleidung  an'  :  mduju  'streife  an,  auf,  Skt 
mavati  'bindet'.  —  Skt  arkä-s  'Strahl,  Feuer,  Lied',  drcati  'strahlt, 
lobsingt'  :  Lith.  nUrkiu  'blinzele',  Goth.  brahw  'Blinken',  MHG. 
brehen  'leuchten'.  —  OHG.  regan  'Regen'  :  Lith.  mergöt  'sanft 
regnen',  Gk.  ßp^xu)  'benetze,  regne'.  —  Skt  rduti  'brüllt,  schreit' : 
brdmti,  Av.  tnraoiti  'spricht*,  Welsh  ctj-frau  'Gesang'.  —  Skt 
rößo-s  'Zorn,  Wut*,  rö^ti^  ru^ti  'ist  unwirsch,  zürnt'  :  MHG. 
InUsen  'brausen'.  —  Lith.  rikti  'schneiden',  Skt  rikhdti  'ritzt' : 


168  F.  A.  Wood, 

Lat  fricäre  "abreiben*.  —  OX.  linr  'weich,  nachgiebig'  :  bUdr 
•mild,  sanft*.  —  Lith.  Uju  'gieße',  lytüs  *Eegen* :  Skt  mriiyoH 
'zerfällt,  löst  sich  auf'.  —  ChSl.  lajaii  "bellen,  schimpfen',  Ir. 
Itim  "klage  an*  :  MHG.  blcejen  "blöken'.  —  Skt  UmH  "strahlt, 
glänzt;  ertönt'  :  MHG.  blas  "Fackel',  OE.  bUBW  "torch,  fire',  ME., 
NE.  blare  "roar*.  —  ON.  lyia  "klopfen,  schlagen'  :  Goth.  Uiggtcan 
"bläuen,  schlagen'. 

New  if  I  were  in  earnest  in  claiming  a  raovable  w-,  how 
could  the  theory  be  disproved?  It  rests  on  as  good  evidence 
as  "movable  «-',  except  whero  the  latter  can  be  historically 
established.  If  synonymy  is  admitted  in  one  case,  it  must  be 
in  the  other.  But  what  Siebs  has  done  with  *-,  and  I  with  m-, 
and  others  with  «-,  might  be  done  with  any  sound.  For  any 
theory,  however  preposterous,  a  fine  array  of  examples  can 
be  found.  Synonymous  words  are  oasily  caught  and  are  ready 
to  prove  anything. 

Is  there  a  "movable  »-'? 

That  S'  dropped  from  cei^tain  words  is  a  wellknown  fact 
We  can  hardly  doubt  that  Skt  pdgyati  is  the  same  as  Av. 
spasyeäi;  and  Gk.  q)iXo-|i)Li€iör|C  shows  that  c-  has  fallen  from 
fieiöduj.  In  other  words  s-  was  no  doubt  prefixed  from  analogy 
with  synonymous  words  with  initial  s-.  Thus  NE.  splash  seems 
to  have  been  formed  from  ^rfasÄ  because  of  »platter. 

But  aside  from  words  that  can  be  shown  historically  to 
have  lost  or  added  an  s-,  or  in  which  the  correspondences  are 
so  close  as  to  leave  no  room  for  doubt,  there  is  not  sufficient 
evidence  to  connect  forras  with  and  without  8-.  For  example 
OHG.  weibön  :  stveibön  *sch weben'  are  better  explained  as  rime- 
words  than  as  the  same  word  under  different  forms.  For  there 
certainly  were  bases  uei-  and  suei-  from  which  the  paraUel  forms 
could  have  come.  Compare  the  following.  —  Skt  tfdyoH  "webt, 
flicht*,  vitd'8  "gewunden*,  ChSl.  viti  "drehen,  flechten,  winden*, 
Lat  vitiSj  vitneUj  etc.  :  MHG.  smmen  "sich  hin  und  herbewegen, 
schwanken,  schweben',  sireimen  "schweben,  schweifen,  fahren', 
etc.  —  Skt  väyati  "wird  erschöpft,  wird  müde*,  twyii-^  "matt, 
müde',  primarily  'sway,  falter'  :  MHG.  sxcimdn  "schwindeln*,  OE. 
ä-swämian  'aufhören',  ON.  mina  "nachlassen',  OHG.  swinan  "schwin- 
den, welken,  bewußtlos  werden*.  —  Skt  vydthate  "schwankt, 
taumelt,  geht  fehl*,  Goth.  mßän  "schütteln* :  Lith.  sväiczMi  "irre 


Rime-words  and  Rime-ideas.  169 

reden,  faseln*,  waitytia  fechten*.  —  Skt  vijäU  'ist  in  heftiger 
Bew^nng,  fährt  los,  eilt  davon*,  OHÖ.  mhhan  'weichen*,  tceih 
•weich':  OEQ.  swihkan  'nachlässig  werden;  im  Stiche  lassen, 
verlassen*,  «ufAAön 'schweifen*,  MLG.^eoAwi 'weichen,  entweichen*, 
MH6.  stceichm  'ermatten,  nachlassen*,  Russ.  svigat  'sich  herum- 
treiben', etc.  —  Gk.  elKUi  'weiche*,  Lett  dki  'sich  biegen*,  Skt 
rfci-^  Trug,  Verführung',  OE.  ioMgan  'afflict;  deceive';  ON.  suikiOy 
s^kua  'täuschen,  betrügen*,  OHG.  binmikhan  'betrügen',  etc.  These 
words  with  initial  9-  belong  to  those  just  above.  —  MHG. 
uiekelj  iciekdn  :  MHG.  ver-smckdn  'zusammenfalten*,  stricken 
'hüpfen,  tanzen;  winden,  binden,  heften*,  NE.  swüch.  These  belong 
to  the  Germ,  base  suik-  'swing,  sway,  swerve,  etc.*  Compare 
OHG.  stceifan  'schwingen,  winden*,  ON.  sueipa  'wickeln,  ein- 
wickeln, einhüllen,  etc.*  MHG.  trickdn^  on  the  other  band,  seems 
to  go  back  to  a  pre-Germ.  ^h-  (cf.  Lddön,  Stud.  z.  ai.  u.  vergL 
Sprachgesch.  27).  —  Lith.  veiküs  'schnell*,  vSka  'Kraft*,  ON.  veigr 
'Stärke'  :  Lith.  svetkas  'gesund*.  —  OHG.  triaga  'Wiege*,  MHG. 
iceigen  'schwanken*,  NHG.  Swiss  weiggen^  tcaicken  'wackelnd  be- 
wegen* :  OSw.  mmgha  'sich  neigen*,  ON.  sueigia  'biegen,  beugen*, 
Lith.  smiginSti  'umherschwanken'.  —  Lr.  fiar  'umgebogen,  schief* : 
OE.  «rfra,  ON,  suire  'Nacken'. 

Similarly  parallel  forms  uex-  :  sifex-  occur :  —  Skt.  vätave, 
öium  'weben*,  Ötu-ß  'Einschlag  eines  Gewebes';  Goth.  uindan 
'winden*  :  OK  sweßd  'bandage*,  swaßian  'swathe*,  Lith.  saucziü 
*amgebe,  umhülle*.  —  Goth.  iröds  'wütend' :  Lith.  siaucziü  'tobe, 
wüte*.  —  Goth.  icatö  'Wasser*,  OE.  icät  'wet* :  MHG.  swäz  'Aus- 
guß, Schmutz',  Skt  sAdorft  'Schlamm,  Schmutz*.  —  Skt  vadh- 
'schlagen,  töten* :  svddhüi-^  'Hackmesser,  Axt,  Beil',  ON.  suedia 
large  knife*,  suedia  'cut  to  pieces',  MLG.  sirade  'Sense*.  —  OE. 
tcafian  'wave,  brandish*,  ON.  txifa  'vibrate*,  vafra  'waver,  flutter*, 
Skt  txfpa/j  'wirft,  streut*  :  NSl.  svepati  'wanken*,  ChSl.  svepiti 
*agitare*,  Lith.  tupu  'schaukele*.  —  Lith.  vingis  'Bogen,  Krümmung*, 
OHG.  trinkan  'sich  seitwärts  bewegen,  schwanken,  nicken,  winken', 
ufankön  'wanken' :  MHG.  sivanken  'schwanken*,  swenken  'schwingen, 
schwenken,  eta*  —  Lat  vaciUo^  Skt  vdncati  'wankt,  wackelt*, 
vactfäie  'schwingt  sich,  fliegt'  :  sfmhc{a»)  'sich  leicht  wendend, 
gewandt*,  OHG.  sWn^an  'schwingen',  ChSl.  sukati  'drehen,  spinnen*. 

—  OHG.  tcaUan  'wdlen,  aufwallen,  wogen* :  siceUan  'schwellen*. 

—  OHG.  tcelc  feucht,  milde,  lau,  welk',  tcelken  'welken* :  swdcken 
'welk  werden  oder  sein*,  MHG.  sweic  'welk,  dürr*.  —  NE.  %oüt 


170  F.  A.  Wood, 

•(ver) welken,  hinwelken*  :  OHG.  Bwdzan  *sich  auflösen,  hin- 
schmachten', Goth.  stcilian  'hinsterben'.  —  OS.  tcänam  'glänzend*. 
Gk.  f|v-ov|i  funkelnd*  :  Av.  xwm-  'glänzen,  klirren',  Goth.  sunna 
'Sonne*.  —  OHG.  winnan  'wüten,  toben,  heulen,  etc.'  :  Skt 
svdnati  'tönt,  schallt',  Lat  sono,  —  MHG.  tvehen  'blinken,  strahlen', 
uwhe,  OHG.  wähi  'glänzend,  schön,  schmuck*  :  OS.  stvigli^  OB. 
8ir£gle  'bright,  beaming',  sicegl  'sky,  sun*.  —  Skt  vdr  'Wasser', 
Gk.  oupov,  Lat  ürina^  Ir.  feraim  'gieße*,  OX.  ver  'Meer*,  ür 
'Feuchtigkeit,  feiner  Regen'  :  ON.  sür-eygr  'tiefäugig',  saurr 
feuchte  Erde,  Schmutz*.  —  Gk.  etpw  'sage',  Lat  ver-bum  etc. : 
Skt  »vdrati  'tönt',  ON.  suara  'antworten',  Goth.  8waran  'schwören'. 
—  Lat  ver-mis^  Goth.  waurms  'Wurm',  Lith.  veriü  'mache  auf 
und  zu',  virvi  'Strick',  etc.,  base  uer-  'tum,  twist*  :  Lith.  svirtts 
'schwebend,  schwankend,  baumelnd*,  sveriü  *wäge',  etc.  —  Goth. 
icraiön  'wandern*,  Gk.  ^oöaviluj  'spinne',  ^aöaviluj  'schwinge' : 
Lith.  sverdu  'schwanke'.  —  Lith.  verpiü  'spinne',  virpiu  'zittere', 
Alb.  vrap  'schneller  Gang,  Lauf,  Gk.  ^otttj  'Wendepunkt,  Aus- 
schlag', {yifiuj  'schwanke,  neige  mich'  :  OHG.  swerban  'schnell 
hin  und  her  fahren,  schwirbeln,  wirbeln,  abwischen',  OFries. 
Bicerva  'wandern,  herumschweifen',  Goth.  bisimirban  'bewischen'. 
These  are  rime-words,  not  identical  bases  with  and  without  s-. 
Other  rime-words  occur  here  :  Goth.  hivairban  'wandeln',  OHG. 
hwerban^  hiverfan  'sich  wenden',  xcirbü  'Wirbel',  Gk.  KapTraXiinoc 
'schnell',  base  querp-  :  Skt  tfprd-s  'unruhig,  hastig',  Lat.  trepiduSj 
trepit  'vertit',  Gk.  tpeTTui  'drehe,  wende' :  Skt  dräpayati  'macht 
laufen',  Gk.  öpcfTttüv  'Ausreißer'. 

In  this  way  examples  of  synonymous  words  with  and 
without  8'  might  be  multiplied  almost  at  pleasure.  But  they 
can  not  be  used  as  evidence  of  a  'movable  s-\  At  most  they 
can  be  regarded  only  as  rime-words,  and  even  that  is  often 
doubtful.  For  parallel  forms  might  arise  entirely  by  accident, 
and  in  most  cases  it  is  impossible  to  decide  whether  the  pa- 
rallel forms  are  real  or  accidental  rime-words. 

We  may  therefore  draw  the  following  conclusions:  L 
We  may  safely  assume  the  loss  or  addition  of  initial  s-  only 
when  the  assumption  is  supported  by  historical  evidence.  2. 
Even  in  those  languages  in  which  initial  s-  is,  in  certain  po- 
sitions,  lost  phonetically  we  can  not  always  take  it  for  granted 
that  it  has  been  lost  For  example,  we  can  not  safely  compare 
Lat  Ifmm  'slime,  mud'  with  OE.  dfm  'slime',  since  it  may  equally 


K.  Brügmann,  Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  T^vi^,  etc.     17i 

well  go  with  OE.  lim  lime,  sticky  substance*.  3.  Such  word» 
as  0£.  lim  :  dim  are  to  be  regarded  in  most  cases  as  rime- 
words  rather  than  as  identical  words  with  and  without  s-.  4» 
Real  rime-words  C5an  not  always  be  distinguished  from  accidental 
parellel  forms.  5.  It  is  quite  probable  that  a  number  of  worda 
added  or  lost  initial  s-  from  analogy,  but  there  are  very  few 
words  of  which  this  C5an  be  safely  asserted.  6.  There  is  no  evi- 
dence  for  a  'movable  s-  aside  from  the  cases  enumerated  above^ 
and  no  evidence  whatever  for  an  «-prefix. 

University  of  Chicago.  Francis  A.  Wood. 


Die  AnomaUen  In  der  Flexion  yon  griech.  T^vrj,  armen,  kin         D  / 
nnd  altnord.  kona.  /   ^^^ 


1.  l' 

Der  gemeinidg.  Name  für  das  Weib,  der  ä-Stamm  ai.  gnä-^ 
arm.  Wn,  griech.  Ti^vi^i,  air.  ien,  preuß.  genna  aksl.  iena  und  der 
w-Stamm  got  jfnö  anord.  hma^  hat  in  vier  Sprachzweigen  eine 
unregelmäßige  Deklination,  und  zwar  steht  die  Anomalie  in 
jedem  von  diesen  Sprachgebieten  vereinzelt  da,  kein  anderes 
Nomen  desselben  Sprachgebiets  teilt  sie.  Es  handelt  sich  um 
folgende  Tatsachen. 

1.  Griech.  Tuvri  T^vaiKOC  -ami  -oiKa  Y^vai,  -aTxec  -aiKUJV 
-ai£i  -aiKac.  Dazu,  mit  anderer  Lautung  der  Wurzelsilbe,  böot^ 
ßavd,  Akk.  Hur.  (bei  Hesych)  ßavf^xac  (mit  n  aus  ai). 

2.  Armenisch  ün,  Instr.  Sing,  (in  der  Bibel)  hnav^  ver- 
mutlich aus  *kina'V  =  *fffenä'bhi^)  (lautgesetzlich  wäre  auch 
*gKnä-6Äi  möglich),  Gen.  Plur.  kana-f  (dazu  kana(n  *  weiblich^ 
weibisch*)  und  kanan-f,  Instr.  Plur.  kanam-bR  (der  gleichartige 
Instr.  Sing,  nur  in  der  Ableitung  kanambA  *Ehemann'),  Nom. 
Plur.  kanairlt^  Akk.  Plur.  kanai-s,  Gen.  Dat.  Lok.  Sing,  knoj^), 

3.  Altnordisch  kona  hat  im  Gen.  Plur.  nicht  nur  i/^mw  = 


^.r' 


1)  Das  Sternchen  vor  den  Formen  gebrauche  ich  nach  dem  Vor- 
schlag von  E.  Hermann  KZ.  41,  62  f.  in  dem  Sinne,  daß  keine  *Rekon- 
struktion*,  sondern  nur  eine  Tormer  gemeint  ist. 

2)  Ober  dieses  knof,  das  die  Fragen,  welche  uns  unten  beschäftigen 
werden,  nicht  berührt,  mag  gleich  hier  folgendes  bemerkt  sein.  Es  ist 
vermntlich  aus  *kinof  entstanden  und  zeigt  dasselbe  Bildungseiement  wie 


172  R.  Brngmann, 

^kuenan-dn,  sondern  auch  —  ost-  und  westnordisch  —  kuinna 
=  *kuenn'öfi,  eine  durch  das  i  der  ersten  Wortsilbe  als  urger- 
manisch sich  erweisende  Form  (Noreen  Altisl.  u.  altnorw.  Gramm. 
S.  86,  Pauls  Grundr.  1»,  615,  Bethge  in  Dieters  Laut-  u.  For- 
menl.  626). 

4.  Irisch  Jen,  Gen.  Plur.  ban  n-  (dazu,  als  vorderes  Glied 
in  Komposita,  ban-)^  Sing.  Gen.  mnä,  Dat  mnäiy  Akk.  mnäi  n-. 
Dies  repräsentiert  eine  Ablautverschiedenheit  *gw»- :  ^ginfn-  *gyfi-, 
und  innerhalb  der  Deklination  der  ä-Stämme  wechseln  sonst  bei 
keinem  andern  Wort,  weder  im  Keltischen,  noch,  meines  Wissens, 
in  einer  andern  idg.  Sprache,  Voll-  und  Schwundstufe  der  Wurzel- 
silbe^). Wozu,  damit  kein  Mißverständnis  entstehe,  zu  bemerken 
ist:  zwar  erscheint  auch  im  Altnordischen  ein  solcher  Wechsel 
der  Ablautstufe  in  unserm  Worte,  nämlich  Gen.  Plur.  kuenna^ 
kuintM  neben  Nom.  Sing,  kona  (kuna)  usw.,  aber  hier  handelt  es 
sich  nicht  um  einen  (germ.)  o-Stamm,  sondern,  wie  auch  in  allen 

Utvof  Lok.  zu  teti,  Gen.  tefvoy^  'Ort',  tv^nj-ean  Gen.  Dat.  zu  tiv  'Tag*, 
ge(f  Gen.  Dat.  zu  geut  'Dorf,  i  met\f  Abi.  zu  meJt  'wir*,  f  j0f\fAJb\.  zu  duJt 
'ihr*.  S.  Hübschmann  Armen.  Stud.  1,  88,  Torp  Beitr.  zur  Lehre  von  den 
geschlechtl.  Pron.,  Christiania  1888,  S.  32,  Verf.  Grundr.  2*,  815,  Pedersen 
KZ.  38,  223  f.  226.  Über  die  Herkunft  dieses  /  ist  noch  nichts  Glaub- 
würdiges ermittelt.  Pedersen  vermutet  Entstehung  aus  ♦-g*Ä#  und  ver- 
gleicht ai.  kärhi  und  griech.  iröOi;  ich  halte  aber  diese  Zurückführung 
von  ai.  -hi  und  griech.  -9i  auf  ^-g^hi  für  unrichtig  (Kurze  vergl.  Gramm. 
%  680.  583.  848).  Eher  ließe  sich  wohl  an  ^-dhi  denken,  das  Fonnan« 
von  ai.  d-dhi  griech.  irö-Gi  oöpavö-9i  osk.  pu-f  (s.  a.  a.  0.).  Dann  müßte 
-/  aus  antesonantischem  ^-dhi  d.  h.  aus  ^-ähf  entstanden  sein  und  sich  von 
da  aus  verallgemeinert  haben,  ^-dhi  hätte  sich  vor  allem  vor  dem  zum 
Ablativformans  gewordenen  Wort  e  eingestellt :  z.  B.  Abi.  i  teivoj-i  auf 
Grund  des  Lok.  t  tetvoj  (über  diese  Entwicklung  der  Ablativform  auf  -e 
s.  Pedersen  a.  a.  0.).  Ist  das  richtig,  so  hat  in  knqf  Übertragung  des  Aus- 
gangs -qf  von  den  o-Stämmen  her  stattgefunden,  womit  die  zu  5-Stämmen 
gehörigen  griech.  ^cxapöeev,  t>^Z6Qev,  'Ecriaiöecv  u.  dgl.  (Kühner-Blass 
Ausf.  Gramm.  2,  309)  zu  vergleichen  wären.  Aber  man  muß  auch  darauf 
gefaßt  sein,  daß  -/,  ähnlich  wie  das  -f  des  Gen.  Plur.,  ursprünglich  ein 
Stammformantisches  Element  gewesen  ist  (vgl.  -oj  in  orqf,  aloj^  Lidto 
Armen.  Stud.  23 ff.).  —  Über  die  weitere  Verbreitung  des  Ausgangs  -oJ 
von  knoj  aus  auf  Verwandtschaftswörter  im  neueren  Armenisch  handelt 
Meillet  M^m.  11,  18f. 

1)  Auch  der  Akzent  behält  bei  den  ä-Stämmen  in  den  Sprachen, 
wo  am  ehesten  altüberkommener  Akzentwechsel  erwartet  werden  könnte, 
im  Indischen,  im  Griechischen  und  im  Germanischen,  durch  alle  Kasus 
hindurch  regelmäßig  dieselbe  Stelle  (Hirt  Der  idg.  Akzent  251  ff.).  Die 
baltisch-slavischen  Akzentverhältnisse  kommen  hier  nicht  in  Betracht. 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  T^vi^,  arm.  Kit  u.  altnord.  kana,    17S 

andern  gormanischen  Dialekten,  um  einen  ön^Stamm  (vgl  got 
Jim,  ahd.  quena^  ags.  ewene).  Der  Wechsel  ben  :  mnä  läßt  ver- 
muten, daß  bei  unserm  Wort  im  Keltischen  ursprünglich  ver- 
schiedenartige Stämme  mit  verschiedener  Wurzelstufe  zu  einem 
Paradigma  vereinigt  waren,  etwa  nach  Art  von  Bi.pdnthäsipathdi 
pathib/ufj  und  daß  später  die  eine  von  diesen  Stammbildungen, 
die  ö^Elexion,  durch  alle  Kasus  durchgeführt  worden  ist 

Es  ist  nun  von  vornherein  wahrscheinlich,  daß  unser  Wort 
schon  in  der  Zeit  der  idg.  Urgemeinschaft  in  seiner  Flexions- 
weise nicht  in  dem  Sinne  etwas  Einfaches  war,  wie  sich  uns 
z.  B.  die  Wörter  ai.  ähä  lat  equa  lit  aszvä  oder  ai.  bhujä  griech. 
qpuTH  lat  fuga  in  den  verschiedenen  Sprachen  jedesmal  als  ein 
einheitliches  System  von  Kasusbildungen  darstellen.  Und  sollte 
vielleicht  auch  der  ö^  Stamm  schon  in  voreinzelsprachlicher  Zeit 
keinem  der  damals  vorhandenen  Kasus  und  Numeri  fremd  ge- 
wesen sein,  so  müßte  es  doch  wohl  auch  schon  damals,  sei  es 
auf  dem  ganzen  uridg.  Gebiet,  sei  es  in  einem  Teile  desselben, 
in  diesem  oder  jenem  Kasus  oder  in  dieser  oder  jener  Kasus- 
gruppe gleichwertige  oder  fast  gleichwertige  Formen  mit  anderer 
Stammbildung  gegeben  haben,  die  zu  einer  Abundanz  der  Dekli- 
nation unseres  Wortes  führen  konnten.  Jedenfalls  fordern  die 
angeführten  Anomalien  in  vier  Sprachzweigen  dazu  auf,  zuzu- 
sehen, ob  nicht  zwischen  ihnen  allen  oder  wenigstens 
zwischen  einem  Teil  von  ihnen  ein  vorhistorischer  Zu- 
sammenhang gewesen  ist,  so  daß  nicht  jede  Anomalie 
erst  in  der  betreffenden  Einzelsprache  neu  aufge* 
kommen  wäre. 

Ehe  wir  uns  aber  dieser  Aufgabe  zuwenden,  sind  noch 
einige  Vorfragen  zu  erörtern. 

2. 

Bezüglich  der  Wurzelstufe  stellen  sich  die  Formen  ann.  Wn, 
ir.  ben  zu  aksl.  J^ena  (russ.  ^end  serb.  i^nd),  preuß.  genna,  ferner 
die  Formen  att.  r^vi^  dor.  Tuvflf,  böot.  ßavd,  ir.  mnä  zu  ai.  gnä- 
gthav.  ^nä'  jgav.  y^nä-  ynä-.  Daß  t^vri  Schwundstufe  enthält, 
scheint  mir  sicher,  wenn  auch  eine  einleuchtende  Erklärung  für 
diese  auffallende  Lautung  und  die  vermutlich  mit  ihr  gleich- 
artige Lautung  kukXoc  (zu  ai.  cakrd-  usw.)  bis  jetzt  nicht  ge- 
funden ist  (vgl.  Mansion  Les  gutturales  grecques  49  ff.,  Hatzi- 
dakis  'AKabT^iüi.  dvorvujciüi.  1,  266  f.  2,  212,  Ribezzo  II  problema 
capitale   delle  gutturali  indoeur.,  Napoli  1905v  S.  4^,  1%^  ^ffiaft. 


170  F.  A.  Wood, 

*(veT) welken,  hinwelken*  :  OHG.  Btodzan  *sich  auflösen,  hin- 
schmachten', Goth.  stcütan  'hinsterben*.  —  OS.  wänam  'glänzend*. 
Gk.  f|v-ov|i  funkelnd'  :  Av.  x^in-  'glänzen,  klirren*,  Goth.  sunna 
'Sonne*.  —  OHG.  winnan  'wüten,  toben,  heulen,  etc.'  :  Ski 
svdnati  'tönt,  schallt',  Lat  sano.  —  MHG.  i4?ehen  'blinken,  strahlen*, 
UKBhe,  OHG.  wähi  'glänzend,  schön,  schmuck*  :  OS.  sivigli^  OE. 
steegle  'bright,  beaming',  siregl  'sky,  sun*.  —  Skt  vär  'Wasser', 
Gk.  oupov,  Lat  ürina^  Ir.  feraim  'gieße*,  ON.  ver  'Meer*,  ür 
'Feuchtigkeit,  feiner  Regen*  :  ON.  sur^ygr  'tiefäugig',  saurr 
feuchte  Erde,  Schmutz*.  —  Gk.  etpuj  'sage*,  Lat  ver-hum  eta : 
Skt  svdrati  'tönt*,  ON.  suara  'antworten*,  Goth.  8waran  'schwören*. 
—  Lat  ver-mis^  Goth.  waurms  'Wurm*,  Lith.  vertu  'mache  auf 
und  zu*,  virvi  'Strick*,  etc.,  base  fier-  'tum,  twist*  :  Lith.  svirtis 
'schwebend,  schwankend,  baumelnd*,  sveriü  *wäge*,  etc.  —  Goth. 
wraiön  'wandern*,  Gk.  ^ohavxhx)  'spinne*,  (iaöavi2[uj  'schwinge'  : 
Lith.  sverdu  'schwanke'.  —  Lith.  verpiü  'spinne',  virpiu  'zittere', 
Alb.  vrap  'schneller  Gang,  Lauf,  Gk.  {)owf\  'Wendepunkt,  Aus- 
schlag', ^4ttuj  'schwanke,  neige  mich'  :  OHG.  swerban  'schnell 
hin  und  her  fahren,  schwirbeln,  wirbeln,  abwischen',  OFries. 
Sicerva  'wandern,  herumschweifen*,  Goth.  bistcairban  'bewischen*. 
These  are  rime-words,  not  identical  bases  with  and  without  s-. 
Other  rime-words  occur  here  :  Goth.  htmirban  'wandeln*,  OHG. 
htverban^  hieerfan  'sich  wenden*,  irirbü  'Wirbel*,  Gk.  KapTrdXi^oc 
'schnell*,  base  querp-  :  Skt  tiprä-s  'unruhig,  hastig*,  Lat.  trepidus^ 
trepit  'vertit',  Gk.  TpeTtui  'drehe,  wende' :  Skt  dräpayati  'macht 
laufen',  Gk.  öpdTTujv  'Ausreißer*. 

In  this  way  examples  of  synonymous  words  with  and 
without  B-  might  be  multiplied  almost  at  pleasure.  But  they 
can  not  be  used  as  evidence  of  a  'movable  «-*.  At  most  they 
can  be  regarded  only  as  rime-words,  and  even  that  is  often 
doubtful.  For  parallel  forms  might  arise  entirely  by  accident, 
and  in  most  cases  it  is  impossible  to  decide  whether  the  pa- 
rallel forms  are  real  or  accidental  rime-words. 

We  may  therefore  draw  the  following  conclusions:  L 
We  may  safely  assume  the  loss  or  addition  of  initial  s-  only 
when  the  assumption  is  supported  by  historical  evidence.  2. 
Even  in  those  languages  in  which  initial  s-  is,  in  certain  po- 
sitions,  lost  phonetically  we  can  not  always  take  it  for  granted 
that  it  has  been  lost  For  example,  we  can  not  safely  compare 
Lat  Umu9  'slime,  mud*  with  OE.  dlm  'slime*,  since  it  may  equally 


K.  Brugmann,  Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  T^vi^,  etc.     17i 

well  go  with  OE.  lim  lime,  sticky  substance*.  3.  Such  words 
as  0£.  lim  :  dim  are  to  be  regarded  in  most  cases  as  rime- 
words  rather  than  as  identical  words  with  and  without  s-.  4* 
Real  rime-words  can  not  always  be  distinguished  from  accidental 
parellel  forms.  5.  It  is  quite  probable  that  a  number  of  worda 
added  or  lost  initial  s-  from  analogy,  but  there  are  very  few 
words  of  which  this  can  be  safely  asserted.  6.  There  is  no  evi« 
dence  for  a  *movable  s-  aside  from  the  cases  enumerated  above^ 
and  no  evidence  whatever  for  an  s-prefix. 

University  of  Chicago.  Francis  A.  Wood. 


Die  Anomalien  in  der  Flexion  yon  griech.  r^vii,  armen,  kin 
nnd  altnord.  kona. 

Der  gemeinidg.  Name  für  das  Weib,  der  ä-Stamm  ai.  gnä-j 
arm.  kin,  griech.  T^vri,  air.  Jen,  preuß.  genna  aksl.  zena  und  der 
n-Stamm  got  qinö  anord.  kona,  hat  in  vier  Sprachzweigen  eine 
unregelmäßige  Deklination,  und  zwar  steht  die  Anomalie  in 
jedem  von  diesen  Sprachgebieten  vereinzelt  da,  kein  andere» 
Nomen  desselben  Sprachgebiets  teilt  sie.  Es  handelt  sich  um 
folgende  Tatsachen. 

1.  Griech.  Tuvri  TuvaiKoc  -aixi  -oiKa  Y^vai,  -akec  -aiKiöv 
-ai£i  -aiKac  Dazu,  mit  anderer  Lautung  der  Wurzelsilbe,  böot* 
ßavd,  Akk.  Plur.  (bei  Hesych)  ßavf^xac  (mit  x]  aus  ai). 

2.  Armenisch  kin,  Instr.  Sing,  (in  der  Bibel)  knav,  ver- 
mutlich aus  *kina-v  =  *ßffenä-bhi^)  (lautgesetzlich  wäre  auch 
*fffnä-4>hi  möglich).  Gen.  Plur.  kana-p  (dazu  kana(n  *  weiblich^ 
weibisch*)  und  kcman-f,  Instr.  Plur.  kanam-bH  (der  gleichartige 
Instr.  Sing,  nur  in  der  Ableitung  kanamb-i  •Ehemann*),  Nom. 
Plur.  kanai-R,  Akk.  Plur.  kanai-s,  Gen.  Dat  Lok.  Sing,  knop), 

3.  Altnordisch  kona  hat  im  Gen.  Plur.  nicht  nur  Ä^w^ttwa  = 


1)  Das  Sternchen  vor  den  Fonnen  gebrauche  ich  nach  dem  Vor- 
schlag von  E.  Hermann  KZ.  41,  62  f.  in  dem  Sinne,  daß  keine  'Rekon- 
struktion*, sondern  nur  eine  Tormel*  gemeint  ist. 

2)  Ober  dieses  Arno/,  das  die  Fragen,  welche  uns  unten  beschäftigen 
werden,  nicht  berührt,  mag  gleich  hier  folgendes  bemerkt  sein.  Es  ist 
vermutlich  aus  ^kinof  entstanden  und  zeigt  dasselbe  Bild\m^«e\Am^Ti\.  "«rvA 


172  R.  Brugmann, 

^huenan-ön^  sondern  auch  —  ost-  und  westnordisch  —  kuinna 
=  *kuenn'On^  eine  durch  das  t  der  ersten  Wortsilbe  als  urger- 
manisch sich  erweisende  Form  (Noreen  Altisl.  u.  altnorw.  Gramm. 
S.  86,  Pauls  Grundr.  1«,  615,  Bethge  in  Dieters  Laut-  u.  For- 
menl.  626). 

4.  Irisch  Jen,  Gen.  Plur.  ban  n-  (dazu,  als  vorderes  Glied 
in  Komposita,  banr\  Sing.  Gen.  mwä,  Dat  mnäi^  Akk.  mnäi  n-. 
Dies  repräsentiert  eine  Ablautverschiedenheit  *gw»- :  *ffHtip-  *gyfi-, 
und  innerhalb  der  Deklination  der  ä-Stämme  wechseln  sonst  bei 
keinem  andern  Wort,  weder  im  Keltischen,  noch,  meines  Wissens, 
in  einer  andern  idg.  Sprache,  Voll-  und  Schwundstufe  der  Wurzel- 
silbe^). Wozu,  damit  kein  Mißverständnis  entstehe,  zu  bemerken 
ist:  zwar  erscheint  auch  im  Altnordischen  ein  solcher  Wechsel 
der  Ablautstufe  in  unserm  Worte,  nämlich  Gen.  Plur.  kuennoi 
kuinna  neben  Nom.  Sing,  kofia  {kund)  usw.,  aber  hier  handelt  es 
sich  nicht  um  einen  (germ.)  ö-Stamm,  sondern,  wie  auch  in  allen 

tetvof  Lok.  zu  tefiy  Gen.  tetvoy,  *Ort*,  tv9nj-ean  Gen.  Dat.  zu  tiv  'Tag', 
geff  Gen.  Dat.  zu  geut  'Dorf,  f  met^f  Abi.  zu  me^  'wir*,  t  j0f\fAJbh  zu  duJf 
"ihr'.  S.  Hübscbmann  Armen.  Stud.  1,  88,  Torp  Beitr.  zur  Lehre  von  den 
geschlechtl.  Pron.,  Christiania  1888,  S.  32,  Verf.  Grundr.  2*,  815,  Pedersen 
KZ.  38,  223  f.  226.  Über  die  Herkunft  dieses  /  ist  noch  nichts  Glaub- 
würdiges ermittelt.  Pedersen  vermutet  Entstehung  aus  ♦-g>Ä»  und  ver- 
gleicht ai.  kärhi  und  griecb.  iröBi;  ich  halte  aber  diese  ZurückfOhrung 
von  ai.  -hi  und  griech.  -Bi  auf  *'g^hi  für  unrichtig  (Kurze  vergl.  Gramm. 
%  580.  583.  848).  Eher  ließe  sich  wohl  an  *'ähi  denken,  das  Formans 
von  ai.  ä-dhi  griech.  irö-Gi  oöpavö-Gi  osk.  pu-f  (s.  a.  a.  0.).  Dann  müßte 
"J  aus  antesonantischem  ^-dhi  d.  h.  aus  *'dhi  entstanden  sein  und  sich  von 
da  aus  verallgemeinert  haben,  ^-dhi  hätte  sich  vor  allem  vor  dem  ziun 
Ablativformans  gewordenen  Wort  e  eingestellt :  z.  B.  Abi.  t  teivoj-i  auf 
Grund  des  Lok.  i  teivoj  (über  diese  Entwicklung  der  Ablativform  auf  -e 
s.  Pedersen  a.  a.  0.).  Ist  das  richtig,  so  hat  in  knoj  Übertragung  des  Aus- 
gangs 'Oj  von  den  o-Stämmen  her  stattgefunden,  womit  die  zu  5-Stämmen 
gehörigen  griech.  ^cxapöGev,  {)iZ:de€v,  'EcriaiöBcv  u.  dgl.  (Kühner-Blass 
Ausf.  Gramm.  2,  309)  zu  vergleichen  wären.  Aber  man  muß  auch  darauf 
gefaßt  sein,  daß  -/,  ähnlich  wie  das  -f  des  Gen.  Plur.,  ursprünglich  ein 
Stammformantisches  Element  gewesen  ist  (vgl.  -o/  in  oroj,  alqf^  Lid6n 
Armen.  Stud.  23  fr.).  —  Über  die  weitere  Verbreitung  des  Ausgangs  -o/ 
von  knof  aus  auf  Verwandtschaftswörter  im  neueren  Armenisch  handelt 
Meület  M6m.  11,  18f. 

1)  Auch  der  Akzent  behält  bei  den  ä-Stämmen  in  den  Sprachen, 
wo  am  ehesten  altüberkommener  Akzentwechsel  erwartet  werden  könnte, 
im  Indischen,  im  Griechischen  und  im  Germanischen,  durch  alle  Kasus 
hindurch  regelmäßig  dieselbe  Stelle  (Hirt  Der  idg.  Akzent  251  ff.).  Die 
baltisch-slavischen  Akzentverhältnisse  kommen  hier  nicht  in  Betracht 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  T^vi^,  arm.  kin  u.  altnord.  kona.    17S 

andern  germanischen  Dialekten,  um  einen  ön^Stamm  (vgl  got 
qinä^  ahd.  quena^  ags.  cwene).  Der  Wechsel  ben  :  mnä  läßt  ver- 
muten, daß  bei  unserm  Wort  im  Keltischen  ursprünglich  ver- 
schiedenartige Stämme  mit  verschiedener  Wurzelstufe  zu  einem 
Paradigma  vereinigt  waren,  etwa  nach  Art  von  Bi.pdnthäsipathäs 
foüiibhii^  und  daß  später  die  eine  von  diesen  Stammbilduugen, 
die  ö-Elexion,  durch  alle  Kasus  durchgeführt  worden  isi 

Es  ist  nun  von  vornherein  wahrscheinlich,  daß  unser  Wort 
schon  in  der  Zeit  der  idg.  Urgemeinschaft  in  seiner  Flexions- 
weise nicht  in  dem  Sinne  etwas  Einfaches  war,  wie  sich  uns 
z.  B.  die  Wörter  ai.  dhä  lat  equa  lit  aszvä  oder  ai.  bhujä  griech. 
qpumi  lat  fuga  in  den  verschiedenen  Sprachen  jedesmal  als  ein 
einheitliches  System  von  Kasusbildungen  darstellen.  Und  sollte 
vielleicht  auch  der  ä- Stamm  schon  in  voreinzelsprachlicher  Zeit 
keinem  der  damals  vorhandenen  Kasus  und  Numeri  fremd  ge- 
wesen sein,  so  müßte  es  doch  wohl  auch  schon  damals,  sei  es 
auf  dem  ganzen  uridg.  Gebiet,  sei  es  in  einem  Teile  desselben, 
in  diesem  oder  jenem  Kasus  oder  in  dieser  oder  jener  Kasus- 
gruppe gleichwertige  oder  fast  gleichwertige  Formen  mit  anderer 
Stammbildung  gegeben  haben,  die  zu  einer  Abundanz  der  Dekli- 
nation unseres  Wortes  führen  konnten.  Jedenfalls  fordern  die 
angeführten  Anomalien  in  vier  Sprachzweigen  dazu  auf,  zuzu- 
sehen, ob  nicht  zwischen  ihnen  allen  oder  wenigstens 
zwischen  einem  Teil  von  ihnen  ein  vorhistorischer  Zu- 
sammenhang gewesen  ist,  so  daß  nicht  jede  Anomalie 
erst  in  der  betreffenden  Einzelsprache  neu  aufge- 
kommen wäre. 

Ehe  wir  uns  aber  dieser  Aufgabe  zuwenden,  sind  noch 
einige  Vorfragen  zu  erörtern. 

2. 
Bezüglich  der  Wurzelstufe  stellen  sich  die  Formen  arm.  Wn, 
ir.  len  zu  aksL  Jiena  (russ.  ^end  serb.  ih%a\  preuß.  genna^  ferner 
die  Formen  att  tw^i  dor.  y^vd,  böot.  ßavd,  ir.  mnä  zu  ai.  gnd- 
gthav.  5f*fiä-  jgav.  /nä-  ytiä-.  Daß  fxjyri]  Schwundstufe  enthält, 
scheint  mir  sicher,  wenn  auch  eine  einleuchtende  Erklärung  für 
diese  aufiallende  Lautung  und  die  vermutlich  mit  ihr  gleich- 
artige Lautang  kukXoc  (zu  ai.  cakrd-  usw.)  bis  jetzt  nicht  ge- 
funden ist  (Tgl.  Mansion  Les  gutturales  grecques  49  ff.,  Hatzi- 
dakis  ^Kabf]}i.  dvorvcüciu.  1,  266  f.  2,  212,  Ribezzo  II  probleraa 
capitale   delle  gutturali  indoeur.,  Napoli  190S,  S.  4^.  7%,  Bii\. 


172  R.  Brngmann, 

^kuenan-ön^  sondern  auch  —  ost-  und  westnordisch  —  kuinna 
=  *kuenn'ön^  eine  durch  das  i  der  ersten  Wortsilbe  als  urger- 
manisch sich  erweisende  Form  (Noreen  Altisl.  u.  altnorw.  Gramm. 
S.  86,  Pauls  Grundr.  1»,  615,  Bethge  in  Dieters  Laut-  u.  For- 
men!. 626). 

4.  Irisch  Jen,  Gen.  Plur.  ban  n-  (dazu,  als  vorderes  Glied 
in  Komposita,  ban')^  Sing.  Gen.  mwä,  Dat  mnät,  Äkk.  mnäi  n-. 
Dies  repräsentiert  eine  Ablautverschiedenheit  *gw»- :  *ffhfip-  *gyn-, 
und  innerhalb  der  Deklination  der  ä-Stämme  wechseln  sonst  bei 
keinem  andern  Wort,  weder  im  Keltischen,  noch,  meines  Wissens, 
in  einer  andern  idg.  Sprache,  Voll-  und  Schwundstufe  der  Wurzel- 
silbe^). Wozu,  damit  kein  Mißverständnis  entstehe,  zu  bemerken 
ist:  zwar  erscheint  auch  im  Altnordischen  ein  solcher  Wechsel 
der  Ablautstufe  in  unserm  Worte,  nämlich  Gen.  Plur.  ktienna^ 
kuinna  neben  Nom.  Sing,  kona  {kuna)  usw.,  aber  hier  handelt  es 
sich  nicht  um  einen  (germ.)  (>-Stamm,  sondern,  wie  auch  in  allen 

tetvoj  Lok.  zu  tefiy  Gen.  teivoy,  'Ort',  tf>9nj'ean  Gen.  Dat.  zu  tiv  Tag*, 
geif  Gen.  Dat.  zu  geui  'Dorf,  %  mih^f  Abi.  zu  fM^  'wir*,  f  ^'ei^  Abi  zu  du^ 
'ihr*.  S.  Hübschmann  Armen.  Stud.  1,  88,  Torp  Beitr.  zur  Lehre  von  den 
geschlechtl.  Pron.,  Christiania  1888,  S.  32,  Verf.  Grundr.  2«,  815,  Pedersen 
KZ.  38,  223  f.  226.  Über  die  Herkunft  dieses  /  ist  noch  nichts  Glaub- 
würdiges ermittelt.  Pedersen  vermutet  Entstehung  aus  ♦-g*W  und  ver- 
gleicht ai.  kdrhi  und  griech.  iröOi;  ich  halte  aber  diese  Zurückführung 
von  ai.  -hi  und  griech.  -6i  auf  ^-Q^hi  für  unrichtig  (Kurze  vergl.  Gramm. 
%  580.  583.  848).  Eher  ließe  sich  wohl  an  *-dhi  denken,  das  Formans 
von  ai.  ä-dhi  griech.  irö-Gi  oöpavö-Gi  osk.  pu-f  (s.  a.  a.  0.).  Dann  müßte 
"J  aus  antesonantischem  ^-dhi  d.  h.  aus  *'dhi  entstanden  sein  und  sich  von 
da  aus  verallgemeinert  haben,  '^-dhj  hätte  sich  vor  allem  vor  dem  zum 
Ablativformans  gewordenen  Wort  e  eingestellt :  z.  B.  Abi.  t  teivoj-i  auf 
Grund  des  Lok.  i  teivoj  (über  diese  Entwicklung  der  Ablativform  auf  -e 
s.  Pedersen  a.  a.  0.).  Ist  das  richtig,  so  hat  in  knoj  Übertragung  des  Aus- 
gangs 'Oj  von  den  o-Stämmen  her  stattgefunden,  womit  die  zu  ä-Stämmen 
gehörigen  griech.  ^cxapöGev,  {)iröe€v,  'Ecriaidecv  u.  dgl.  (Kühner-Blaas 
Ausf.  Gramm.  2,  309)  zu  vergleichen  wären.  Aber  man  muß  auch  darauf 
gefaßt  sein,  daß  -/,  ähnlich  wie  das  -p  des  Gen.  Plur.,  ursprünglich  ein 
Stammformantisches  Element  gewesen  ist  (vgl.  -oJ  in  oroj,  älqf^  Lid6n 
Armen.  Stud.  23  ff.).  —  Über  die  weitere  Verbreitung  des  Ausgangs  -of 
von  knoJ  aus  auf  Verwandtschafts  Wörter  im  neueren  Armenisch  handelt 
Meillet  M6m.  11,  18f. 

1)  Auch  der  Akzent  behält  bei  den  ä-Stämmen  in  den  Sprachen, 
WO  am  ehesten  altüberkommener  Akzentwechsel  erwartet  werden  könnt«, 
im  Indischen,  im  Griechischen  und  im  Germanischen,  durch  alle  Kasus 
hindurch  regelmäßig  dieselbe  Stelle  (Hirt  Der  idg.  Akzent  251  ff.).  Die 
baltisch-slavischen  Akzentverhältnisse  kommen  hier  nicht  in  Betracht 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  Twi^,  arm.  Kit  u.  altnord.  hana.    17S 

andern  germanischen  Dialekten,  um  einen  ön-Stamm  (vgl  got 
qinä^  ahd.  qitena^  ags.  ewene).  Der  Wechsel  ben  :  mnä  läßt  ver- 
muten, daß  bei  unserm  Wort  im  Keltischen  ursprünglich  ver- 
schiedenartige Stämme  mit  verschiedener  Wurzelstufe  zu  einem 
Paradigma  vereinigt  waren,  etwa  nach  Art  von  Bi.pdnthäs:pathd$ 
pcdhibhi^  und  daß  später  die  eine  von  diesen  Stammbilduugen, 
die  ä-Flexion,  durch  alle  Kasus  durchgeführt  worden  ist 

Es  ist  nun  von  vornherein  wahrscheinlich,  daß  unser  Wort 
schon  in  der  Zeit  der  idg.  Urgemeinschaft  in  seiner  Flexions- 
weise nicht  in  dem  Sinne  etwas  Einfaches  war,  wie  sich  uns 
z.  B.  die  Wörter  ai.  dhä  lat  equa  lit  aszvä  oder  ai.  bhujä  griech. 
qpuTn  lat  fuga  in  den  verschiedenen  Sprachen  jedesmal  als  ein 
einheitliches  System  von  Kasusbildungen  darstellen.  Und  sollte 
vielleicht  auch  der  ä- Stamm  schon  in  voreinzelsprachlicher  Zeit 
keinem  der  damals  vorhandenen  Kasus  und  Numeri  fremd  ge- 
wesen sein,  so  müßte  es  doch  wohl  auch  schon  damals,  sei  es 
auf  dem  ganzen  uridg.  Gebiet,  sei  es  in  einem  Teile  desselben, 
in  diesem  oder  jenem  Kasus  oder  in  dieser  oder  jener  Kasus- 
gruppe gleichwertige  oder  fast  gleichwertige  Formen  mit  anderer 
Stammbildung  gegeben  haben,  die  zu  einer  Abundanz  der  Dekli- 
nation unseres  Wortes  führen  konnten.  Jedenfalls  fordern  die 
angeführten  Anomalien  in  vier  Sprachzweigen  dazu  auf,  zuzu- 
sehen, ob  nicht  zwischen  ihnen  allen  oder  wenigstens 
zwischen  einem  Teil  von  ihnen  ein  vorhistorischer  Zu- 
sammenhang gewesen  ist,  so  daß  nicht  jede  Anomalie 
erst  in  der  betreffenden  Einzelsprache  neu  aufge- 
kommen wäre. 

Ehe  wir  uns  aber  dieser  Aufgabe  zuwenden,  sind  noch 
einige  Vorfragen  zu  erörtern. 

2. 

Bezüglich  der  Wurzelstufe  stellen  sich  die  Formen  arm.  Wn, 
ir.  hen  zu  aksl.  :^ena  (russ.  iend  serb.  iina\  preuß.  genna,  ferner 
die  Formen  att  r^vi^  dor.  juvöi,  böot.  ßavd,  ir.  mnä  zu  ai.  gnä- 
gthav.  jf*fiä-  jgav.  y^nä-  ynä-.  Daß  Tuvrj  Schwundstufe  enthält, 
scheint  mir  sicher,  wenn  auch  eine  einleuchtende  Erklärung  für 
diese  aufiallende  Lautung  und  die  vermutlich  mit  ihr  gleich- 
artige Lautang  tojkXoc  (zu  ai.  cakrd-  usw.)  bis  jetzt  nicht  ge- 
funden ist  {rgi.  Mansion  Les  gutturales  grecques  49  ff.,  Hatzi- 
dafa's  ^^Naörm«  dvorvdjciLi.  1,  266  f.  2,  212,  Ribezzo  II  problema 
capitale   delle  gutturali  indoeur.,  Napoli  190S,  S.  4^.  1%^  Bii\. 


174  K.  Brugmann, 

IF.  Anz.  18,  7,  E.  Hermann  KZ.  41,  51  f.).  ^ff^nä-  ist  im  Grie- 
chischen vertreten  durch  juvdoiiai  *ich  jfreie*  nach  Osthoffa  über- 
zeugender Etymologie  KZ.  26,  326  (vgl.  Verf.  Griech.  Gramm.* 
256);  zu  dem  Einwand,  den  Hirt  Ablaut  S.  12  gegen  diese  Er- 
klärung von  |üivdo|üiai  erhebt,  ist  auf  Mansion  a.  a.  0.  zu  verweisen. 
Man  mag  nun  fvvf\  mit  seinem  Anlaut  t^-,  wenn  man 
seine  etymologische  Zugehörigkeit  zu  ßavdf  ir.  ben  usw.  anerkennt, 
•deuten  wie  man  will,  nach  allem,  was  wir  über  die  idg.  Guttural- 
reihen bis  jetzt  wissen,  besteht  kein  Recht,  unser  allgemeinidg. 
Wort  mit  den  auf  *^en-  weisenden  ai.  jäna-ti  av.  zan-  arm.  ein 
griech.  TiTvojüiai  lat.  ffiff^o  usw.  etymologisch  zusammenzubringen, 
wie  man  oft  getan  hat  und  wie  soeben  wieder  Fay  Am.  Joum. 
of  Phil.  26,  380  tut.  Unser  Nomen  steht  in  den  idg.  Sprachen 
ziemlich  isoliert  da :  es  ist  zwar  selbst  Grundlage  für  verschiedene 
Ableitungen  geworden,  hat  aber  neben  sich  kein  wurzelgleiches 
primäres  Verbum,  sondern  nur  noch  ein  wurzelgleiches  und 
gleichbedeutendes  Nomen,  sd.  jäni-f  jdni  av.  Jani-^  dehnstufig  av. 
Jqni-  got  qens  (vgl.  unten  §  7  S.  185). 

3. 

Im  Griechischen  ist  der  ä-Stamm  im  Paradigma  einst  viel- 
leicht in  allen  Dialekten  auf  den  Nora.  Sing,  beschränkt  gewesen. 

Daß  die  nur  in  jüngerer  Zeit  auftretenden  Formen  y^vtic 
fuvri  usw.  erst  damals,  im  Anschluß  an  den  Nom.  Sing.,  ge- 
schaffen worden  sind,  liegt  auf  der  Hand.  S.  Kühner-Blass  Ausf. 
Gramm.  1,  458,  Krumbacher  KZ.  27,  529  ff.,  Mayser  Gramm,  der 
griech.  Pap.  S.  271  §  63,  1  Anm. 

Den  seit  Homer  belegten  Vok.  ^va\  haben  Ahrens  und 
andere  zu  Tuvrj  in  der  Art  in  nähere  Beziehung  gesetzt,  daß 
sie  ihn  dem  ai.  Vokativ  der  ä-Stämme  auf  -#,  z.  B.  «Ai^  von 
sAtä  *Heer*,  gleichstellten.  Mit  Recht  aber  bemerkt  J.  Schmidt 
KZ.  27,  381,  die  nächstliegende  Erklärung  von  pjvai,  die  aus 
*TuvaiK,  müsse  erst  widerlegt  werden,  ehe  man  an  jene  Deutung 
aus  dem  Indischen  denken  dürfe.  Neuerdings  vermutet  freilich 
wieder  Pedersen  KZ.  38,  408,  pJvai  enthalte  den  Ausgang  von 
ai.  sSne^  um  so  eine  Möglichkeit  der  Erklärung  des  ai  von  TvvaiKa 
YuvaiKi  usw.  zu  gewinnen :  diese  Kasus  sollen  nämlich  mit  ihrem 
ai  Analogiebildungen  nach  Tuvai  sein.  Wir  werden  aber  unten 
sehen,  daß  ywuik-  auch  ohne  die  Gleichstellung  von  Y^vai  mit 
sine  zu  verstehen  ist 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  T^v/j,  arm.  kin  u.  altnord.  kana,    175 

Eher  kommt  Tuvai-jnavric  'für  Weiber  schwärmend,  weibstoU*, 
das  nur  bei  Homer  belegt  ist  (f  39.  N  769  Auorapi  .  .  .  tuva^"- 
fAttvdc),  als  alter  Bestandteil  des  ä-Paradigmas  in  Betracht  Es  stehen 
sich  zwei  Ansichten  über  diese  Zusammensetzung  gegenüber: 

Nach  der  einen  wäre  von  *TuvaiK-iiavric  auszugehen :  gleich- 
wie bei  aiTToXoc  =  *aiT-7roXoc,  sagt  man,  sei  der  Schwund  des  Ver- 
schlußlauts, wie  er  zunächst  nur  im  wirklichen  Wortauslaut  laut- 
gesetzlich war,  auf  die  Kompositionsfuge  übertragen  worden  (vgl. 
IF.  17,  7).  Wobei  zu  beachten  ist,  daß  in  diesem  Falle  nicht,  wie 
sonst  zuweilen  bei  unregelmäßigen  Wortschöpfungen  des  epischen 
Dialekts,  Versnot  eine  Rolle  gespielt  haben  könnte;  denn  auch 
das  regelmäßig  gebildete  T^vaiKOjiavric  —  das  nebst  in^vaiKOiiaveuj 
und  T^vaiKojnavia  in  nachhomerischer  Zeit  vorkommt  —  fügte 
sich  dem  Hexameter.  Andere  dagegen  sehen  im  Vorderglied  von 
Tuval-^avr|c  einen  Lok.  Sing,  zu  x^vri  (s.  Tccp^inic  Td  cuvOexa  tflc 
iXk.  tXujcctic  Ulf.  155),  stellen  das  Kompositum  also  in  dieselbe 
Reihe  mit  TTuXai-fi^vric,  TruXai-juidxoc,  Grißai-Tevric,  TTuXoi-T€vric, 
öboi-TTopoc  u.  dgl.,  die  sicher  einen  Lok.  Sing,  enthalten. 

Nun  ist  klar:  existierte  das  epische,  also  wohl  ionische 
Tuval^avr|c  bereits  damals,  als  es  im  Ionischen  noch  Lokative 
auf  -ai  als  lebendige  Kasus  gab  und  als  in  dem  Kompositions- 
typus 0Tißai-T€vr|C  das  Vorderglied  noch  als  Lokativ  angeschaut 
wurde,  so  hindert  nichts,  anzunehmen,  daß  das  Vorderglied  Tuvai- 
der  Lok.  zu  ^yn\  war.  T^val-^avric  war  dann  etwa  als  inx  TuvaiKi 
|Llalv6^€voc  gedacht;  auch  noch  im  späteren  Altertum  wurde  der 
Sinn  dieses  Kompositums  mit  Hilfe  von  diri  verdeutlicht:  Hesychius 
paraphrasiert  im  juvaiEi  ^alv6^€voc,  im  T^vaiEi  |ül€^TlVtüc.  Hier- 
nach stammte  Yv^val^avr|c  aus  einer  Zeit,  wo  tuvaiK-  noch  nicht 
alle  andern  Kasus  des  ä-Themas  neben  Nom.  Tuvri  verdrängt  hatte. 
In  der  Tat  ist  diese  letztere  Deutung  die  nächstliegende  und 
einfachste.  Und  doch  ist  kein  Verlaß  auf  sie.  Denn  man  kann 
ja  auch,  von  *TuvaiK-|üiavr|C  ausgehend,  sagen :  nachdem  dieses  zu 
Tuvaijuavric  geworden  war,  hat  der  Umstand,  daß  durch  die  laut- 
liche Veränderung  eine  Form  von  dem  Aussehen  der  Komposita 
wie  0nßaiY€vric,  7^uXal^dxoc  entsprungen  war,  die  Form  T^vai- 
ILiaviic  noch  eine  Zeitlang,  im  epischen  Dialekt,  vor  weiterer  Ver- 
änderung, vor  Verwandlung  in  TuvalKO^avr|c,  geschützt 

Nur  eine  schwache  Stütze  hat  das  Vorderglied  von  in^vai- 
jüiavric  als  alte  Kasusform  zu  T^vn  an  dem  Adjektivum  pivaioc. 
Dieses  ist,  wie  ir^vai|üiavif)c,  ein  episches  Wort:  es  erscheint  b^v 


176  K.  Brugmann, 

Homer  in  pivaux  buipa  =  tuvaiKl  büjpa  'Geschenke  an  ein  Weib* 
•Jt .521.  o  247.  Dazu  gehört  noch  das  attische  Substantivum  pivaiov 
•Weib',  öfters  mit  verächtlichem  Beisinn,  etwa  'Weibsbild,  Weibs- 
stück' (Zacher  De  nominibus  Oraecis  in  aioc  140  f.).  Tv'vaioc  stellt 
sich  zu  den  zahlreichen  Adjektiva  auf  -aioc,  wie  ßiaioc  (ßia), 
bfKaioc  (5(kti),  trOXaioc  (ttuXti),  judraioc  (|üi<iTr|,  Adv.  iidTriv)  und 
ciroubaToc  (crroubn),  dpxaioc  (dpxn))*),  nnd  Grundr.  2*,  121.  1*, 
228 f.,  Griech.  Gramm.'  181  habe  ich,  wie  schon  andere  vor  mir, 
vermutet,  daß  diesen  Adjektiva  alte  Kasnsformen  auf  -äi  (-ai) 
BUgrunde  gelegen  haben.  Diese  Vermutung  wird  richtig  sein. 
Aber  daraus  ist  nicht  mit  Sicherheit  die  ehemalige  reale  Existenz 
eines  Kasus  *Tuvai  (*Tuvai)  zu  folgern.  Denn  es  hätte  ja  das  Vor- 
handensein des  Nom.  Sing,  tuvt)  genügt,  um  zu  ihm  nach  dem 
Verhältnis  z.  B.  von  ßiaioc  zu  ßia  ein  xuvaioc  bilden  zu  können  *). 
So  ist  denn  im  Griechischen  in  der  Tat  nur  eine  einzige 

1)  Die  Betonung  -aioc  war  ursprünglicher  als  die  Proparorytonierung. 
Der  Ton  rückte,  vielleicht  nur  im  attischen  Dialekt,  auf  die  drittletzte 
Silbe,  wenn  diese  kurz  war.  S.  Vendryes  Trait6  d'accentuation  grecque 
S.  167.  263,  M^m.  13,  221  f.  Die  Akzentuierung  dieser  Adjektivklasse  ist 
freilich  für  viele  Fälle  nicht  mehr  mit  Sicherheit  zu  ermitteln.  Ich  möchte 
aber  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  aufmerksam  machen,  daß  der  Tonsitz 
wohl  nicht  bloß  durch  die  Quantitätsverhältnisse  und  den  Rhythmus  im 
Einzelwort  bedingt  gewesen  ist.  Denn  erstlich  scheinen  auch  bei  kurzer 
Antepänultima  die  Formen  von  mehr  als  drei  Silben  die  alte  Tonstelle 
lautgesetzlich  beibehalten  zu  haben:  so  dTcXaioc,  dTopaioc,  ^iLiiroXaioc, 
^iriiToXaioc,  i^icuxaioc,  K€(paXaToc,  Kopuq>aioc,  irop9upaioc,  crabiaioc;  irpo- 
T€paioc,  b€UT€paioc,  ÖTboaioc.  Zweitens  ebenso  dreisilbige  Formen  mit 
kurzer  Antepänultima  dann,  wenn  sie  mit  Doppelkonsonanz  anlauteten: 
so  bpoimatoc,  KXofraToc,  Kpuq)aToc,  crpoqpaioc,  Tpowaioc,  Tpoxaioc,  cxoXaioc 
(hiernach  braucht  der  Akzent  von  xpixaToc,  im  Gegensatz  zu  dem  von 
T<»vaioc,  ßiaioc  usw.,  nicht  aus  Anlehnung  an  die  Betonung  Von  bcurcpaioc, 
Tcrapraioc  usw.  erklärt  zu  werden).  Vgl.  zu  diesen  Betonungsverhältnissen 
unserer  Adjektiva  auf  -aioc :  öimoioc  aus  öiiioioc  neben  ircpoioc,  Travroioc, 
diXXoioc;  T^oioc  neben  alboioc;  ^toi|uioc  aus  4toi|uioc;  ^prunoc  aus  ^pf^Moc; 
Akk.  Sing.  K^iixa,  X^ßrixa,  ^x^lTa,  ir^xa  neben  ^pirf^xa,  Twimvf^Ta,  dpr^jvo, 
X€pvf^Ta,  ^cOf^xa,  ipUf^xa  (Vendryes  a.  a.  0.).  —  Substantivische  Neutra 
der  Adjektiva  auf  -aioc  wurden  unabhängig  von  diesen  Gesetzen  pro- 
paroxytoniert :  Keq>dXaiov,  dvöiraiov,  irepivaiov  (vgl.  Meister  KZ.  32,  141), 
Tpöwaiov,  KdXXaiov,  ^q>/|ßaiov  (cir/|Xaiov  dürfte  anderer  Art  sein). 

2)  Man  lehrt  meistens,  daß  zwischen  ßiaioc,  ciroubaloc  imd  ß{9, 
ciToub/|  dasselbe  Verhältnis  bestehe  wie  z.  B.  zwischen  boOXcioc  und  boOXoc, 
Xpuc€ioc  und  xpücöc  u.  dgl..  und  nimmt  für  diese  beiden  Adjektivklassen 
den  gleichen  Entwicklungsweg  an.  In  ciroubaioc  und  in  boOXcioc  soU 
das  Adjektivformans  -loc,  das  in  rtimioc  (tiiii^,  ^cxdpioc  (^cxdpa)  und 
jn  fnmoc  Pnnoc),  ftypioc  (dypdc)  den  volcalischen  Stammauslaut  absorbiert 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  irvW|,  ann.  kin  u.  altnord.  kona.    177 

Kasusform,  der  Nom.  Sing.  fuvT\  ßavd,  mit  Sicherheit  dem  ö- 
Thema  unseres  Wortes  zuzuweisen.  Freilich  will  Prellwitz  Et 
Wtb.*  101  nicht  einmal  Tuvri  als  Form  des  ä-Stamms  unbedingt 

habe,  so  angetreten  sein,  daß  dieser  erhalten  blieb.  So  neuerdings  wieder 
Schalze  Lat.  Eigenn.4d5.  Dieser  rechnet  so :  die  Doppelheit  boOXeioc :  boOXioc 
stehe  der  Doppelheit  q>iX^ui  =  ♦q>iX€-jui  :  dTT^XXui  =  ♦dTT^X-iui  gleich ;  da 
nun  das  i-Element  im  Verbom  konsonantische,  im  Nomen  dagegen  so- 
nantische  Funktion  habe,  sei  das  nominale  -€io-  als  -cuo-,  und  entsprechend 
sei  -aio-  als  -ano-  zu  betrachten.  Ich  muß  die  Zulässigkeit  dieses  Analogie- 
schlusses bezweifehL  Zunächst  sind  das  nominale  »-Formans  und  das 
verbale  t-Formans  keineswegs  gleichartige  Bildungselemente  und  haben, 
wenn  überhaupt  einen,  nur  einen  entfernteren  etymologischen  Zusammen- 
hang. Sodann  sind  zwar  *<piX€-tu)  (cpiX^)  und  *Ti|uia-tuj  (Ti^dw)  und 
ebenso  boüXioc  und  riiiiioc  sicher  allgemeinidg.  und  uridg.  Bildungstypen, 
für  die  nach  Schulze  den  Verba  <p\Xiw  imd  Tifuiduj  entsprechenden  ad- 
jektivischen Formen  mit  -iio-  aber  ist  ein  gleichhohes  Alter  nicht  nach- 
zuweisen. Sind  diese  Adjektiva  aber  erst  in  späterer  Zeit  aufgekommen, 
dann  kann  der  Hinweis  auf  <piX^uj  und  Ti|uiduj  wenig  nützen;  denn  mit 
Bücksicht  auf  diese  Verbalformationen  sind  die  Adjektiva  gewiß  nicht 
geschaffen  worden.  Den  Typus  boOXcioc  sieht  Schulze  freilich  auch  in  den 
lat  Namenbildungen  auf  -EIVS,  wie  VeneteiuSj  Flacceiua,  Nöneius ;  doch 
bleibt  diese  Namenenduug  jedenfalls  mehrdeutig.  Zuversichtlicher  läßt 
sich  der  Typus  ciroubaioc  nur  mit  den  oskischen  Formen  wie  kerssnaiias 
'♦cenariae'  (zu  kersnä-  *cena*)  zusammenbringen,  und  vielleicht  stehen 
mit  den  osk.  Eigennamen  auf  -aiiü-  noch  die  altkeltischen  wie  ^nnati«, 
Bedaiua,  Vadnaiua  (Zeuß-Ebel  Gr.  C.  29  f.)  in  historischem  Zusammenhang. 
Drittens  ist  mir  überhaupt  zweifelhaft,  ob  das  €  von  boOXeioc  wirklich 
der  Stammauslaut  von  bouXc-,  der  alten  Ablautvariante  von  bouXo-,  ist 
Die  Adjektiva  auf  -ctoc  bilden  ein  schwieriges  und  noch  näher  zu  er- 
forschendes Kapitel  der  griechischen  Adjektivbildung,  und  man  braucht 
sie  am  so  weniger  mit  denen  auf  -aioc  zusammenzuspannen,  als  die  Be- 
tonungsverhältnisse beiderseits  nicht  die  gleichen  sind  (vgl.  Vendryes 
Mem.  13,  222). 

Lassen  wir  also  die  Formen  auf  -eioc  hier  beiseite  (zuletzt  hat 
über  sie  Jensen  KZ.  39,  ö87  Fußn.  1  gesprochen),  so  ist  mir  jetzt  im 
Gegensatz  zu  Grundr.  2«,  1,  194  und  zu  Gollitz  BB.  29,  109  f.  lU  (vgl. 
hierzu  Gubler  Die  Patron,  im  Alt-Ind.,  Gott  1903,  S.  78  ff.),  immer  noch 
die  Deutung  der  Formen  auf  -aioc  am  wahrscheinlichsten,  daß  sie  durch 
Antritt  von  -iio-  an  einen  Kasus  der  ä-Deklination  entstanden  sind, 
wofür  der  Lok.  (Lok.-Dat.)  auf  -öt  und  der  Instr.  auf  -5  in  Frage  kommen. 
An  und  für  sich  wäre  allerdings  möglich,  daß  ein  -aioc  =  *-acioc  (KV€(paio€ 
zu  icv^qKzc,  vgl  öpaoc  zu  tö  dpoc,  'ApT€toc  zu  t6  'ApToc)  auf  ä-Stämme 
übergegangen  war.  Aber  die  Zahl  solcher  Adjektiva  auf  -aioc,  neben  denen 
o-Stämme  liegen,  wie  ciroubaioc,  ß(aioc.  ist  so  groß  (s.  Zacher  a.  a.  Q. 
134ir.),  daß  man  nicht  ohne  Not  davon  abgehen  darf,  den  Ausgang  dieser 
Adjektiva  an  den  ö-Stämmen  selbst  entsprungen  sein  zu  lassen.  Die  Be- 
deoUing  sehr  vieler  von  diesen  Adjektiva  verträgt  sich  vorzüghch  mit 

lodogennaniiclie  'Fonchnngen  XXIL  \^ 


178  K.  Brugmann, 

gelten  lassen.  Er  sagt:  ''Der  Nom.  ruvri  könnte  für  *TwvaiK  und 
im  Ablaut  zu  in^vaiK-  stehen".  So  ohne  Kommentar  hingestellt, 
ist  diese  Vermutung  unverständlich,  mir  wenigstens,  und  ich 
fühle  mich  nicht  berufen,  bei  ihr  hier  zu  verweilen.  Und  auch 
nach  den  Spekulationen  von  Collitz  über  die  Herkunft  der  ä-De- 
klination  der  idg.  Sprachen  BB.  29,  81  ff.  bleibt  Tuvrj  für  mich 
ein  simpler  Nom.  Sing,  eines  ä-Stammes  auf  uridg.  -ä. 

4. 

Eine  weitere  Vorfrage,  die  wiederum  das  Griechische  be- 
trifft, ist  die :  wie  kommt  diese  Sprache  zu  der  Betonung  tuvaiKoc 

dem  Lokativ  als  Bildnngsgrundlage,  z.  B.  dteXaioc  (ßoOc  ärc^ain  bei  Homer 
das  Herdentier  im  Gegensatz  zum  Zagtier)  s.  v.  a.  *^v  äcfiXr}  tZiv,  in  einer 
Herde  befindlich',  oöpaioc  *am  Schwanz  befindlich',  irüraioc  'am  Steiß 
befindlich',  iruXaioc  (irOXaioc)  *am  Tor  befindlich'  (Zacher  S.  155),  ^TriiroXaioc 
'an  der  Oberfläche  befindlich',  itciLurratoc  'am  fünften  Tage,  {4y)  T^^^^mJ 
(/m^pqi)'.  Auf  ^v  €ÖvQ  scheint  ^veuvaiov  'Bettinlage,  Bettzeug'  (tt  Hö)  ebenso 
zu  beruhen,  wie  z.  B.  böot.  ^iTiiraTp6q>iov  "Vatersname'  von  ^irl  iraTp6q>i 
ausgegangen  ist.  eixaioc  schließt  sich  an  ciicQ  'auf  gut  Glück',  ciroubaioc 
an  ciToubfi  'mit  Eifer,  im  Ernst',  i^icuxaioc  an  i^cwxft  'ruhig'  (Zacher  S.  186) 
an.  In  ein  paar  Fällen  darf  aber  auch  an  Entstehung  auf  Grund  einer 
instrumentalischen  Form  auf  -3  gedacht  werden :  ^aOpaioc  zu  XdOpfi  hom. 
XdepT)  Adv.  'heimhch',  Kpuqpaioc  zu  dor.  Kpucpd  att.  Kpuq>f^  Adv.  'heimlich'. 
Wenn  dann  später  im  Gebrauch  solcher  Adjektiva  die  lokativische  oder 
instrumentalische  Bedeutung  verwischt  worden  ist,  so  ist  das  dieselbe 
Erscheinung,  wie  sie  bei  den  ebenfalls  von  Kasusformen  ausgegangenen 
Adjektiva  ^di^io-s  =  ai.  divyö-s  griech.  Moc  (vom  Lok.  divi,  AiFi  'im  Himmel), 
griech.  fi^pioc  (vom  Lok.  ♦fiepi  fjpi  'in  der  Frühe'),  i^ioc  (vom  Instr.  l-q)i 
'mit  Kraft')  u.  a.  zu  beobachten  ist. 

Zugunsten  dieser  Auffassung  dürfen  i^icuxakepoc  neben  f)cuxaioc, 
cxoXa(T€poc  neben  cxoXaioc,  icaircpoc  neben  (catoc,  lesb.  Inschr.  biKairaTa 
(n.  119,  C,  18  Hoffm.)  neben  biKoioc  (Kühner-Blass  Ausf.  Gramm.  1,  560f., 
G.  Meyer  Griech.  Gramm.'  493)  geltend  gemacht  werden,  insofern  sie  sicher 
auf  dem  Kasus  auf  -ai  (-ät)  fußen,  so  wie  iiiuxoiTaToc  auf  dem  Lok.  iiuxcT 
u.  dgl.  Und  sollte  nicht  ein  gleichartiges  *Tvva(-T€poc,  zu  T^vaioc,  Muster 
für  das  seltsame,  zunächst  dem  arkad.  dpp^vrepov  (xdi pp^vrcpov)  ver- 
wandte ^pceva(T€poc  'männlich*  auf  der  elischen  Inschrift  Jahresh.  des 
österr.  arch.  Inst,  in  Wien  1,  197  ff.  (Mdxc  ^pccvaiT^pav  indrc  BriXur^pav, 
vgl.  dazu  Danielsson  Eranos  3,  135)  gewesen  sein?  Als  Kontrastbildung 
erinnert  ^pccvalrcpoc  an  frciraiTcpoc,  den  Komparativ  zu  it^ttuiv  'mild, 
sanft*,  da  dieser  doch  wohl  nach  einem  zu  xparaiöc  gehörigen,  ebenfalls 
zufällig  unbelegten  *KpaTa(T€poc  (vgl.  TCpalrcpoc  zu  x^paiöc,  iroXatrcpoc 
zu  TToXaiöc)  geschaffen  worden  ist,  vgl.  ireitair^pa  ydp  imoipa  rf^c  TupawCboc 
Aesch.  Ag.  1365  und  die  imoipa  Kporai/)  bei  Homer.  Gerade  bei  den  Kom- 
parationsbildungen kommt  Neu-  oder  Umbildung  nach  dem  Wort  für  den 
gegensätzlichen  Begriff  öfters  vor,  s.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1897  S.  194 ff. 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  jwHi,  &nn.  kin  n.  altnord.  kana,    179 

luvaiKi  Tuvaka?  Warum  heißt  es  nicht  TwaiKOC  -aki  -aka  usw. 
wie  ßpabuTf^TOC  -fln  -nTO,  dvöpuuvoc  -ujvi  -löva,  b€Xq)Tvoc  -ivi  -iva, 
^orfipoc  'f\p\  -f)pa  u.  dgL?  Mit  seinem  Tonwechsel  erinnert  unser 
Paradigma  einerseits  an  den  Tonwechsel  in  den  sinnverwandten 
Wörtern  dvrip,  ^nnip,  B\r(dn\p:  dv^pa  dvbpa  :  dvöpöc,  jiTiT^pa  : 
fiTiTpöc,  OuTOT^pa  :  OuTorpöc  und  anderseits  an  den  in  einsilbigen 
Stämmen,  wie  Y^ocuKa  :  T^auKÖc 

Man  hat  angenonmien,  die  Betonung  von  juvri  sei  erst 
hinterher  mit  der  von  dvrip  usw,  harmonisch  gemacht  worden 
<so  z.  B.  Eühner-Blass  a.  a.  0.  1,  458),  und  das  läßt  sich,  so  lange 
die  Entstehung  der  Stammform  injvaiK-  im  Unklaren  ist,  nicht 
widerlegen.  Aber  so  lange  muß  auch  mindestens  als  gleich- 
wertig erscheinen  die  Annahme,  für  y^vaiK-  ßavaiK-  sei  einmal 
*ßvaiK-,  jünger  *|ivaiK-  (vgl.  |lvdo^al),  gesprochen,  damals  sei 
*ßvaiKa  :  *ßvaiK6c  betont  worden,  und  als  darauf  der  Anlaut  der 
''ßvaiK-Easus  an  den  des  Nom.  Sing.  T^vdf  ßavdf  angeglichen 
wurde,  sei  durch  diese  Neuerung  die  alte  Betonung  nicht  berührt 
worden.  Diese  letztere  Auffassung  paßt  sogar  besser  wegen  der 
Betonung  ruvaiEi,  wie  T^aufi,  Gripd  usw.,  im  Gegensatz  zu  dvöpdci, 
>iilTpdci  usw.,  man  müßte  denn  behaupten,  die  letzteren  Formen 
seien  für  *dvbpad  usw.  nach  dem  Wheelerschen  Gesetz  aufge- 
kommen, und  der  Anschluß  der  Betonung  der  TuvaiK-Kasus  an 
die  Betonung  von  dvrip  usw.  sei  vor  dem  Eintritt  der  Wirk- 
samkeit dieses  Akzentgesetzes  erfolgt  Daran,  daß  die  Betonungs- 
anomalie von  TuvaiKÖc  usw.  von  älterer  Einsilbigkeit  des  Stammes 
herrühre,  denkt  auch  Vendryes  Trait6  S.  222.  Allein  ich  verstehe 
nicht,  weshalb  er  das  Wort  gerade  im  Nom.  Sing,  einsilbig  ge- 
wesen sein  läßt,  um  von  diesem  Kasus  aus  der  unregelmäßigen 
Akzentuation  der  andern  Kasus  beizukommen. 


Fragt  man  nun,  welche  von  den  imregelmäßigen,  d.  h.  nicht 
der  ä-Deklination  angehörigen  Kasusbildungen  in  den  verschie- 
denen idg.  Sprachen  als  im  Stammformans  übereinstimmend  be- 
trachtet werden  können,  so  bieten  sich  dar  einerseits  die  grie- 
chischen TuvaiK-Kasus  und  arm.  Jcanat-R  kanai-s^  die  man  schon 
öfters  in  historischen  Zusammenhang  gebracht  hat  (so  auch  ich 
im  Grundr.  2',  1,  576  Fußn.  1),  anderseits  die  armen.  A:an^n-Kasus 
und  got.  qinOn", 

Hierauf  haben  wir  jetzt  näher  einzugehen. 


180  K.  Brugmann, 

6. 

Was  zunächst  tuvoik-  und  kanai-  betrifft,  so  ist  unter  den- 
jenigen bisherigen  Deutungsversuchen,  die  jede  von  beiden  Stamm- 
formen für  sich  gesondert  betrachtet,  keiner,  der  mich  überzeugte, 
und  unter  allen  Erklärungsversuchen  überhaupt  ist  keiner,  der 
dem  Umstand  Rechnung  trägt  und  ihn  begreiflich  macht,  daß 
die  beiden  Stammformen  kein  vollständiges  Paradigma  bilden 
und  mit  andern  Stammformen  in  der  Weise  gruppiert  sind,  wie 
es  in  der  historischen  Zeit  des  Griechischen  und  des  Armenischen 
der  Fall  ist.  Unmittelbar  einleuchtend  ist  an  den  bisherigen  Be- 
sprechungen von  TuvaiK-  nur  das,  daß  sein  K-Element  irgendwie 
im  Zusammenhang  steht  mit  dem  K-Element  in  Wörtern  wie 
ß^jiiß"^  -iKoc,  dor.  KXifH  Gen.  kXoikoc  (SGDI.  n.  3325,  110)  aus 
•icXaFiK-,  lat.  genetnx,  camix  oder  umbr.  cumcu:o^y 

S.  wegen  TuvaiK-  u.  a.  Curtius  KZ.  4, 216,  Grundz.^  175. 639. 
679,  Danielsson  Grammatiska  anmärkningar  1,  32  f,  Wheeler  Der 
griech.  Nominalacc.  18,  Kretschmer  Einleit  233  f.,  Prellwitz  Et 
Wtb.«  101  und  über  kanai-  Pedersen  KZ.  39,  398.  419.  466. 

Die  Verteilung  der  beiden  Stammformen  tuvuik-  und  kanai- 
versteht  man  leicht  unter  der  Voraussetzung,  daß  sie  ursprünglich 
einem  neutralen  Nom.  Akk.  Sing,  angehört  haben.  Es  handelt 
sich  dann  um  ein  altes  Abstraktum  ('weibliches  Wesen')  oder 
Kollektivum  f Weibervolk,  Harem')*),  und  aus  dem  Übergang  zur 
Bedeutung  des  einzelnen  Weibes  (vgl.  etwa  unser  tceibsen  =  mhd. 
mbes  nam{e\  oder  frauemimmer  'Gesamtheit  von  weiblichen  Per- 
sonen* und  jetzt  'einzelne  weibliche  Person')  wird  die  Verbindung 
mit  dem  Stamm  *gjf^nä-,  der  schon  von  früher  her  das  Individuum 
bezeichnete,  erklärlich. 

Im  Griechischen  wurde  dieses  *TyvaiK  mit  Rücksicht  auf  das 
natürliche  Geschlecht  zum  Femininum,  vgl.  die  häufigen  ähn- 
lichen Übergänge,  wie  nhd.  dial.  eine  deutsclie  fräulein,  mhd.  ein 
offeniu  süegiu  mp^  kleinruss.  Vubru  d'ivca  moioduju  *ich  liebe 
das  junge  Mädchen'.  Dazu  kamen  alsdann,  neben  xuvaiKÖc  -aiKi 

1)  Der  Meinung  0.  Frankfurters  (Über  die  Epenthese  von  j  (i)  F  (u) 
im  Griech.,  Gott.  1879,  S.  21),  t^vuiköc  sei  ein  adjektivischer  Nom.  Sing. 
Mask.  ♦Yuva-iKÖc  gewesen  mit  dem  Formans  von  qpuciKÖc  usw.,  hat  sich 
mit  Recht  niemand  angeschlossen. 

2)  War  der  Simi  ein  kollektivischer,  so  dürfen  verglichen  werden 
die  ebenfalls  Gutturalformantia  aufweisenden  Formen  wie  aisl.  feäffttr,  got 
bröprahans,  arm.  mardik  (Gen.  wwrdkan)  als  Plural  zo  mard  'Mensch*  . 
(Verf.  Grundr.  2*,  1,  604,  Pedersen  KZ.  38,  218.  39,  466). 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  giiech.  TvW|>  itrm.  kin  u.  altnord.  kona.    181 

-cnxuiv  -oili^  die  geschlechtigen  Easnsformen  KwaiKa  -akec  -aiKoc, 
während  der  Nom.-Akk.  *Twvai[K]  zwar  mit  Vokativbedeutung, 
als  pjvat,  fortlebte^),  in  der  Nominativfunktion  aber  dem  T^vri 
Platz  machte.  Nur  im  Gebrauch  als  Schlußglied  von  exozeu- 
tiischen  Komposita,  wo  man  auch  maskulinischer  Formen  be- 
notigte, kam  es  für  den  Nom.  Sing,  zu  einer  Neubildung:  d-Tuvat£ 
(Sopbokl.  Athamas  fr.  5  D.). 

Für  diese  Art  der  Überführung  eines  Neutrums  in  ge- 
schlechtige Deklination  vergleiche  man  lincriwp  'Ersinnung,  Be- 
ratung, Bat*,  das  zur  Bedeutung  *Ersinner  usw.*  kam  und  infolge 
davon  die  Kasusformen  -uipa  -u>p€C  erwarb  (IF.  19, 212  f.,  Grundr.  2*, 
1,  331  f.  580),  lat  Venus  =  ai.  Neutr.  vdnaSy  als  Nom.  und  Vok. 
unverändert  geblieben,  als  Akk.  aber  durch  Venerem  ersetzt  Zwei 
gleichartige  Fälle  ans  dem  Germanischen  ergeben  sich  aus  dem, 
was  Weyhe  PBrBeitr.  31,  71  ff.  über  die  ursprüngliche  Flexion 
von  magd  und  hdd  ermittelt  hat;  der  ags.  Nom.  Sing,  maj  war 
urgerm.  *ma^aßj  und  der  ags.  Nom.  Akk.  Sing,  hale  urgerm.  *h(üip\ 
diese  müssen  ursprünglich  Neutra  gewesen  sein;  dazu  wieder 
such  geschlechtige  Kasus,  z.  B.  got  magaps^). 

Im  Armenischen  wurde  der  Nom.  Akk.  N.  *fffnnaiq  (oder 
*QiH}näiq)  zu  *kanai.  Für  den  Abfall  des  Gutturals  im  Auslaut 
weiß  ich  zwar  keinen  andern  Beleg  (derjenige,  den  Scheftolowitz 
BB.  29,  59  vorbringt,  ist  höchst  unsicher),  aber  der  mehrfach 
sicher  belegte  Schwund  von  -t  (Grundr.  1  *,  900,  Meillet  Esquisse 
33)  läßt  die  Annahme,  daß  auch  uridg.  -q  abgefallen  sei,  als 
2demlich  unbedenklich  erscheinen.  *kanai  war  kollektivisch,  sei 
es,  daß  dies  überhaupt  die  uridg.  Bedeutung  dieser  Neutralbüdung 
war,  sei  es,  daß  sie  sich  erst  innerhalb  des  Armenischen  ent- 
wickelt hat  Da  nun  in  dieser  Sprache  der  Ersatz  des  Plurals 
durch  singularische  Kolleküva  gut  bezeugt  ist  (Pedersen  KZ.  39, 
466),  so  kann  es  nicht  auffallen,  daß  für  den  Nom.  Akk.  Sing. 


1)  Es  mag  gleich  hier  darauf  hingewiesen  sein,  daß  nach  den  Laut- 
gesetzen TuvaiK-  auf  *TuvaiK-  zuräckführbar  ist,  und  daß  nichts  im  Wege 
stehen  würde,  förs  Uridg.  ein  *s^{v)näig{oy  vorauszusetzen.  Dann  wäre 
för  den  Nom.-Akk.  ♦ruväi  als  die  lautgesetzliche  Form  zu  postulieren 
(vgl.  q)^pr|  aas  ♦q>€pY)iT,  xi^p  aus  *Kr\pb  u.  dgl.),  und  ♦y^vai  (tOvqi)  hätte 
sein  ai  nach  T^voticöc  usw.  bekommen:  vgl.  das  ion.  Neutrum  xdpn  für 
laiotgesetzliches  Kdpa  =  *Kapäcfi  (erhalten  in  ion.  att.  KapöboK^uj)  nach 
Kdpnva  »  »Kapacva  (IF.  18,  429). 

2)  Nentr.  waren  einst  auch  *men5t  got.  mena  (vgl.  aauil  N.)  und 
*n0pdi  ahd.  newo  (*Schwesterkind*).   Näheres  hierüber  anderswo. 


182  K.  Brngmann, 

*kanai  die  plnralischen  Formen  Nom.  kanai-H,  Akk.  kanop^  ein- 
getreten sind*). 

kanain  stimmt,  wie  man  bisher  allgemein  angenommen  hat, 
in  der  Ablantstofe  der  ersten  Silbe  zn  ßavd  Anders  jetzt  Pedersen 
EZ.  39,  419.  Ihm  ist  das  a  der  Anbngssilbe  Ton  hanaiR  kanais 
gleichwie  aach  das  a  der  Anfangssilbe  Ton  kananf  kanambU 
kanambi  kanani  durch  Femassimilation  aus  e  hervorgegangen, 
so  daß  diese  Formen  im  Ablaut  mit  kin  zusammengehörten.  Zur 
Begründung  sagt  er:  **Eine  idg.  Yokalaltemation  ist  bei  den 
EoUektivbildungen  *kanay  und  *kanan  und  in  der  Flexion  eines 
idg.  a-Stammes  (kanap  neben  kin)  ganz  unwahrscheinlich".  Aber 
wenn  man  im  Irischen  nebeneinander  mnä  tnnäi  usw.,  ban  n- 
und  ben^  im  Germanischen  aisl.  kana  kuna  und  got  qinö  und 
neben  aisl.  kana  (run.  Gen. Sing.  kunu(B))  die  Genitivi  Plur.  kuenna 
und  kuinna  hat,  ist  nicht  einzusehen,  warum  solcher  Wechsel 
im  Armenischen  ganz  unwahrscheinlich  sein  soll  Und  wie  be- 
urteilt Pedersen  knav?  War  das  ursprüngliches  *kenav,  warum 
wurde  dann  nicht  auch  hier  6  zu  a?  Hatte  es  aber  die  Stufe 
uridg.  *g¥nä'  (ai.  gnd-  usw.),  so  ist  Yokalaltemation  im  armen. 
Paradigma  gar  nicht  abzuleugnen.  Ich  bleibe  demnach  dabei, 
daß  kan^  in  kanaiH  und  kanais  uridg.  *gy9W-  war. 

7. 
Gibt  man  hiemach  als  wahrscheinlich  zu,  daß  die  Stamm- 
form Ti^vaiK-  aus  vorgriechischer  Zeit  ererbt  war,  so  ergibt  sich 
die  weitere  Frage,  wie  sich  *g^(^)ndiq'  entwicklungsgeschichtlich 
zu  *gif{n)nä'  verhält   Diese  Frage  wird  kaum  noch  zu  beant- 

1)  Obwohl  mir  diese  AufTassung  unserer  arm.  Formen  anter  der 
Voraussetzung,  daß  sie  wie  ifiJvaiK-  ein  g-Formans  gehabt  haben,  die  ein- 
fachste zu  sein  scheint,  möchte  ich  hier  doch  noch  auf  eine  andere  Mög- 
lichkeit hinzuweisen  nicht  unterlassen.  Uridg.  -q-  hinter  Vokalen  erscheint 
im  Armenischen  teils  als  Ar,  wie  in  ancuk  anjuk  'enge'  (=  aksl.  qzhkb\ 
teils  als  /?,  wie  in  oloH,  Plur.  cioHunlt,  'Schienbein,  Bein'  (zu  lat.  lacerius) ; 
wie  das  Verhältnis  zwischen  k  und  ff  ursprünglich  lautgesetzlich  geregelt 
war,  ist  noch  unklar,  s.  Lid6n  Armen.  Stud.  12  (wo  auch  die  ältere  Literatur 
über  die  Frage),  Scheftelowitz  BB.  29,  13f.  Es  wäre  nun  denkbar,  daß 
unser  Wort  ursprünglich  nicht  nur  g-Kasus,  sondern  auch  go-Kasus  gehabt 
hat,  wie  gerade  bei  den  Gutturalformantien  vielfach  konsonsuitische  und 
o-Deklination  nebeneinander  erscheinen :  z.  B.  griech.  vifiE :  aksl.  novak^y 
griech.  ineipaH :  ai.  maryakd-a^  lat.  ser^ex :  ai.  aanakd-s,  fürs  Neutrum  vgl. 
ai.  äaj'k,  if^ga-m,  griech.  öcrpaKOv  (Meringer  Beitr.  zur  Gesch.  d.  idg. 
Deklin.  8. 16f.,  Verf.  Grundr.  2«,  1,  809.  608.  510.  681).    So  könnte  der 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  t^vi^,  arm.  hin  u.  altnord.  kona,    183 

werten  sein.  Wenn  man  sagt,  t^vciik-  enthalte  eine  Suffixkom- 
bination  -ö-iA-  oder  -ä-iA:-,  oder  wenn  man  neben  *gif ^wä-  eine  ^Basis* 
*g^nnäi'  voraussetzt,  so  sind  das  kaum  mehr  als  Umschreibungen 
des  Tatbestands,  keine  wirklichen  genetischen  Deutungen. 

Hier  muß  denn  noch  das  altphrjg.  ßovoK  erwähnt  werden, 
welches  Abkürzung  eines  Akk.  Sing.  ßovoKav  mit  der  Bedeutung 
•Weib,  Gattin*  sein  soll,  und  das  man  als  ein  Lehnwort  aus  dem 
Griechischen  betrachtet  und  zunächst  mit  böot  ßavdf  ßavriKÖc 
zusammenbringt  (vgl  Ramsay  BB.  14,  310,  Kretschmer  Einleit 
2331,  Solmsen  KZ.  34,  40  ft,  Hirt  Indogerm.  2,  595).  Die  Be- 
urteilung des  Vokalismus  der  Form  oder  richtiger  der  Schreibung 
ist  so  unsicher,  daß  mit  dieser  Überlieferung  für  die  Erklärung 
des  -aiK-  von  x^vaiK-  kaum  etwas  anzufangen  ist,  und  jedenfalls 
ist  ßovoK  nicht  geeignet  zu  zeigen,  daß  im  Griechischen  neben 
ßavaiK-  ein  *ßavaK-  gestanden  hat. 

Von  Wichtigkeit  wäre  es,  wenn  sich  irgendwo  in  zuver- 
lässiger Überlieferung  ein  anderes  Nomen  fände,  das  sich  in 
formantischer  Beziehung  dem  x^vaiK-  an  die  Seite  stellte.  Ein 
solches  Analogon  scheint  mir  Danielsson  Grammatiska  anmärkn. 
1,  32f.  in  dem  Femininum  fpaiKec:  irap'  'AXKiidvi  al  toiv  *EXXn- 
vuiv  ^TlT€p€c  Ktti  TTttpa  Zoq)OKX€i  iv  TTol^€av  (Steph.  Byz.  s.  v., 
Hdn.  1,  397,  9)  gefunden  zu  haben.  Das  Wort  ist  vermutlich 
von  dem  Mask.  fpaiKCc,  dem  Namen  der  äolischen  Bewohner 
von  Parion,  nicht  zu  trennen,  und  dieser  Name  wiederum  nicht 
von  den  fpaiKoi  in  Epirus,  der  oropischen  Landschaft  fpaiKri 
und  dem  böotischen  Stadtnamen  fpaia  (vgl.  v.  Wilamowitz  Oropos 
und  die  Graer,  Hermes  21,  91  ff.,  Kretschmer  KZ.  31,  382,  Ein- 
leit 171,  Kossinna  Festschrift  für  Weinhold  S.  26ff.,  Fick  BB. 
24,  292).  Nach  Wurzel  oder  Formans  diese  Bildungen  für  un- 
griechisch zu  halten,  liegt  kein  triftiger  Grund  vor,  und  man 
bringt  sie  seit  alter  Zeit  ansprechend  mit  Tpctia,  TpctOc,  T^pujv 
zusammen. 

Das  Wortstück  Tpcti-  von  fpaiKec  fpaiKoi  ist  demnach  wahr- 
scheinlich dieselbe  morphologische  Einheit  wie  T^pai-  in  T€pai- 
T€poc  -TaToc,  T€pai6c  (mpaioc,  s.  Osthoff  IF.  19,  240),  repaicroc, 

Nom.  Flur,  kanaift  ursprünglich  Nom.  Akk.  Sing.  Neutr.  gewesen  sein  mit 
"i  als  ^o-Formans:  da  andere  Kasus  daneben  fehlten  und  die  Form  als 
Kollektivum  pluralische  Bedeutung  hatte,  so  erschien  sie  als  ein  Nom. 
Plur.,  und  nach  den  Doppelheitcn  wie  hogis  :  hogilt^  anjins  :  anjinR  usw. 
wurde  kanais  zu  kanaiH  hinzugebildet. 


18i  K.  Brn^mann, 

vielleicht  auch  dieselbe  wie  Tpai-  in  Tpaia.  1.  jepahepoc  und 
Tcpaiöc  wie  TraXcarepoc  und  TroXaiöc  (böot.  TraXriöc),  zu  TroXm  iraXai- 
qpoToc  7raXai-T€vr|c  u.  a.*).  Vgl.  ferner  Kporraiöc,  auf  dessen  un- 
belegten Komparativ  *icpaTaiT€poc  das  begrifflich  entgegengesetzte 
it€TraiT€poc  hindeutet  (S.  178),  mit  KpaTai-TuaXoi,  Kparai-Trebov, 
Kporai-Xeuuc  (daneben  ion.  Adv.  Kdprä);  äpai6c  att.  dpcnoc  mit 
'Apai-8up€Ti  B  571  (*Schmalpf orten*),  Name  einer  argivischen  Stadt, 
von  zweifelhafter  Etymologie  (s.  Sommer  Griech.  Lautst  114). 
2.  In  fepaicröc  (t  177),  dem  Namen  eines  Kaps  und  Hafenorts 
von  Euböa  mit  einem  Hain  und  Tempel  des  Poseidon  (Pape- 
Benseler  Griech.  Eigenn.  245,  Gruppe  Griech.  Myth.  und  Religionsg. 
1151)  sieht  Fick  BB.  21,  275  eine  besondere  Superiativbildung 
neben  TCpairaTOC,  indem  er  die  Bezeichnung  des  Poseidon  als 
TrpecßuraToc  u  142  vergleicht  Vielmehr  ist  fepaicröc  nach  TraXaicrrjc 
buc-irdXaicToc  neben  iraXaiiw  u.  dgl.  (J.  Schmidt  KZ.  27 ,  294, 
Solmsen  KZ.  29,  99)  zu  beurteilen  und  schließt  sich  seinem  Sinne 
nach  an  y^pac  (vgl.  Osthoff  IP.  19,  217  ff.)  an.  Was  endlich  3. 
Tpoia,  ion.  Tpain,  bei  Theokrit  fpaia  (Homer  hat  nur  den  Gen. 
TpaiTic,  a  438)  betrifft,  so  kann  es  verschieden  beurteilt  werden. 
Schulze  Quaest.  ep.  448  setzt  *TpaiFa  mit  ursprünglichem  Di- 
phthong ai  an  wegen  des  bei  Homer  neben  dem  einsilbigen  tph^c 
Tpnö  (wozu  TPn'^  =  att  Tpöt  aus  *TpaF-i)  erscheinenden  tPHÖc 
(auch  TPn^c  akzentuiert);  dieses  soll  aus  *Tpaiu-c  hervorgegangen 
und  ein  unmoviertes  Femininum  *Tpai-u-c  sein.  Auf  TP^lOc  tph^c 
ist  aber,  wie  ich  IF.  9,  372  gezeigt  habe,  kein  Verlaß:  wie  es 
schon  bei  Hdn.  2,  645,  30  als  öir]pTi|ievov  Kord  touc  "luüvac  be- 
trachtet ist,  dürfte  es  in  der  Tat  durch  die  sogen.  Zerdehnung 
(aus  TPnöc)  für  ursprüngliches  TPnic  in  den  Homertext  gekommen 
sein  (so  jetzt  auch  Walde  Lat  et  Wtb.  275)«). 

Wenngleich  sich  hiemach  mit  TPn^c  der  Ansatz  *TpaiFa 
mit  ursprünglichem  ai  nicht  erhärten  läßt,  so  könnte  dieser 
Diphthong  in  Tpaia  freilich  trotzdem  ursprünglich  und  deshalb 
das  Tpai-  von  ypdxa  unmittelbar  mit  dem  TP«»-  von  rpai-K€c 
identisch  sein:   Danielsson  erinnert  an  iiaia  neben  |uwt,  Mnirip. 

1)  Nach  T€paiöc  oder  iraXaiöc  oder  nach  beiden  zugleich  ist  bn^aiöc, 
zu  b/|v,  gebildet. 

2)  Hirt  rechnet  neuerdings  (IF.  21,  166)  freilich  wieder  mit  TPH^c 
als  einer  feststehenden  Größe  der  griechischen  Sprachgeschichte,  ohne 
meiner  Besprechung  der  Form  Erwähnung  zu  tun.  Er  will  mit  tphO^ 
seine  Meinung,  daß  pS  die  einzig  gesetzmäßige  Vertretung  von  uridg.  f 

{^^J  gewesen  seij  stützen. 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  von  griech.  t^vi^,  arm.  kin  u.  altnord.  bona.    185 

Anderseits  steht  aber  auch  nichts  im  Wege,  Tpctia  in  der  Weise 
an  Ypctöc  anzuschließen,  daß  man  es  aus  *TpaF-ia  oder  *TpS'^-ia 
entstanden  sein  läßt  Zu  solchem  Tpa^a  aus  *TpöiFia  vgl.  eL 
q)UTaö€iu)  aus  *q)UTabTi^Jliw  und  das  entsprechende  jutacreiei  auf 
einem  Bleiblättchen  aus  Dodona  (Solmsen  Rhein.  Mus.  59,  166); 
über  diesen  Lautwandel  Verf.  Griech.  Gramm. ^  307.  573. 

Welcher  Art  die  morphologische  Einheit  Ttpai-  Tpai-  neben 
Tepfi  (Plur.),  T^pa-c,  T€pa-p6-c  usw.  ist,  d.  h.  auf  Grund  wovon 
sie  zu  ihrem  i-Element  gekommen  ist,  bleibt  ebenso  undeutlich 
wie  die  Entstehung  von  injvai-  ßavai-  und  arm.  kanai-  neben 
ai.  gnä'  usw.  Man  kann  auch  hier  nur  wiederum  auf  andere 
Wörter  hinweisen,  die  unter  ähnlichen  Verhältnissen  einen  ver- 
mutlich gleichartigen  t- Diphthong  enthalten.  So  z.  B.  TaXai- 
Mevnc  TaXai-TTiwpoc  xaXai-qppujv  neben  xeXä-;  ^Xaivoi*  rd  Xa^7Tpuc- 
fiara  (Hesych),  ahd.  Meini  neben  T^Xä-^);  aisl.  hreinn  ags.  hrdn 
"Renntier'  zu  Kpioc  'Widder'  und  zu  Kepac  (Wiedemann  BB.  28, 
33  i):  got.  kraiwor  ahd.  (A)reb  *Leiche*,  ags.  aisl.  hrim  'Reif,  Ruß* 
neben  aksL  crivb  'Leib*  =  *kervb  (Walde  Lat  et  Wtb.  145);  av. 
sinUH^rä'  *ein  Teü  vom  Geschirr  des  mit  Pferden  bespannten 
Wagens*  zu  al  iamyä-  'Stock ;  Zapfen,  Holznagel,  Keil',  arm. 
sami'R  *zwei  Hölzer,  die  durch  die  beiden  Löcher  des  Joches 
gesteckt  und  unten  durch  einen  Strick  zusammengehalten  werden* 
und  zu  griech.  Kd^aE  *Stange,  Stock,  Pfahl*  (Lagercrantz  KZ.  34, 
396  ff.).  Da  bei  solchen  auf  einen  i-Diphthong  auslautenden, 
zweisilbigen  Basen  öfters  auch  -t-,  als  schwächste  Ablautstufe, 
auftritt,  so  können  übrigens  auch  die  »-Stämme  ai.  jäni-^  av. 
jaffU^i  =  *fffeni'S  und  ai.  -jäni-^  (vgl.  Grundr.  2*,  1,  1 69  Fußn.  1, 
Meillet  M6m.  14,  191  f.)  av.  jgni-i  got  qens  as.  qmn  =  *gifm-8*) 
in  der  Weise  hierher  gehören,  daß  ihr  Stammauslaut  -i-  ur- 
sprünglich eine  Schwundstufe  neben  dem  Diphthong  von  juvai-K- 
und  kanai-  war'). 

1)  Beiläufig  sei  bemerkt,  daß  dieser  Fonnkategorie  schwerlich  xivai- 
hoc  anzuschließen  ist  mit  Fick  BB.  28,  101,  Prellwitz  Et.  Wtb.*  223.  Es 
hat  vielmehr  wohl  Anlehnung  an  aibtbc,  aiboiov  stattgefunden. 

2)  *g^eni'8  war  vermutlich  Erweiterung  eines  Wurzelnomens  *g^en' 
nach  dem  Vorbild  von  *Q^eni-8.  Vgl.  Analoges  Grundr.  2*,  1,  168. 

3)  Keinesfalls  dürfte  man  dieses  Ablautverhältnis  nach  J.  Schmidt 
KZ.  27,  372  und  0.  Richter  IF.  9,  212  vergleichen  mit  ved.  pathe-Ufhä^ 
'am  Wege  stehend'  neben  pathi-kfi-  paihi-bhi^  usw.,  woneben  auch  noch 
eine  Stammgestalt  *pafUhäi^  mit  Langdiphthong  durch  pänthOa  pdnthäm 
(av.  pantd  pantqm)  vertreten  sein  soll.    Denn  paike'ffkd-  iaV,  m*^  ^OdiQtl 


186  K.  Brugmann, 

8. 

Die  andere  Übereinstimmung  zweier  Sprachzweige  in  der 
Bildung  von  Kasus  auf  anderer  Grundlage  ids  der  der  ä-Dekli- 
nation  ist  der  n-Stamm  im  Armenischen  und  im  Germanischen  : 
das  Armenische  hat  in  einigen  Kasus  kanan-^  das  überdies  in 
dem  KoUektivnm  kanani  (Gen.  kananvoy)  'Erauen*  auftritt,  und 
im  Germanischen  ist  unser  Wort  durchweg  n-Stamm,  got  qinö 
usw.  Das  hohe  Alter  dieser  w-Deklination  im  Germanischen  wird 
besonders  durch  den  aus  dem  Urgermanischen  stammenden  ost- 
und  westnord.  Gen.  Plur.  kuinna  (S.  172)  verbürgt,  dessen  Grund- 
form *kuennrön  in  derselben  Weise  schwache  Stammgestalt  zeigt 
wie  aisl.  mann-a  yxn-a  got  mann-e  aühsn-e  abn-e. 

Betrachten  wir  nun  diese  n-Formen  noch  etwas  näher. 

9. 

Arm.  kanan-  vergleicht  Meillet  M6m.  11,  18,  Esquisse  59 
mit  aran-  *Mann*  im  Instr.  Sing,  aram-b  Plur.  aram-bH  Gen.  Plur. 
aran-p  neben  Nom.  Sing,  air  Plur.  Nom.  ar-lt  Akk.  ar-s.  Dagegen 
sieht  Pedersen  KZ.  39,  350.  419.  473  f.  in  aran-  ein  Analogon 
zu  den  kollektivischen  jiran-  *Pferde*,  ü-aiv-  'Esel,  asini*,  haur^ 
an-  •Herde' 1). 

Beide  Gelehrte  werden  insoweit  Recht  haben,  als  es  sich 
im  Grunde  um  dasselbe  n-Formans  handelt  Doch  glaube  ich 
nicht,  daß  kanan-  an  sich  KoUektivum  gewesen  ist  wie  jian- 
usw.  Pedersen  vermutet  für  die  Bedeutung,  die  das  n-Formans  in 
ßan-  aufweist,  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  den  griechischen 
örüichkeitsbenennungen  auf  -düv  -oivoc,  wie  iTmifav  Tferdestall', 
baq)vtüv  *Lorbeerhain*,  und  sagt:  "in^vaiKuiv  'Wohnzimmer  für 
Frauen'  ist  mit  arm.  kanan-  (im  Gen.  Plur.  kanan-f)  *Frauen' 
parallel*'.  Formale  Verhältnisse  brauchen  uns  an  dieser  Verglei- 
ch ung  mit  iTnruJv  usw.  nicht  zu  hindern.  Denn  wenn  auch  in 
einem  Teil  der  Substantiva  auf  -ujv  dieses  Formans  nicht  an 
den  Stamm  des  zugrunde  liegenden  Nomons  selbst,  sondern  an 
eine  Weiterbildung  desselben  angetreten  erscheint,  z.  B.  xo^Keifav, 
pamph.  d(v)öpmiiv,  kypr.  eupaFujv,  (vgl.  Grundr.  2*,  1, 301  Fußn.  1 

Böhllingk-Roth  erkannt  haben,  dem  rathe-^fhä-  nachgeschafifen,  undpätUhOa 
pdfUhäm  gehören  mit  dem  Stamm  pänthän-  {pänthäfMm  pänthänaSy  av. 
pantämm  pantänO)  zusammen,  sind  also  nicht  mit  rd$^  räm  neben  räp'€u, 
sondern  mit  k^ds,  k^äm  neben  k^dm-as  zu  vergleichen. 
1)  Zu  hauran-  vgl.  Lid^n  Armen.  Stud.  26  f. 


Die  Anomalieii  i.  d.  Flexion  von  griech.  T^vi^,  ann.  kin  n.  altnord.  kona.    187 

und  aaßer  der  hier  zitierten  Idteratur  jetzt  noch  Ehrlich  EZ.  40, 
355),  so  ist  doch  wahrscheinlich,  daß  nicht  alle  (bv-Bildungen 
von  dieser  Art  waren,  sondern  ein  Teil  von  ihnen  das  Formans 
von  Haus  aus  unmittelbar  hinter  dem  Grundnomen  hatte.  Denn 
diese  BUdungsklasse  ist  dieselbe  wie  z.  B.  aiübv  (ai^v)  neben  ah 
aiec  aiei  lat  aevom^  x^^M^v  neben  x^^V^^  Ormujv  neben  -8rma  (dvd- 
Orma),  wo  nicht  daran  zu  denken  ist,  daß  in  -düv  ein  voraus- 
gegangener Vokal  durch  Kontraktion  aufgegangen  ist;  femer  ist 
in  derselben  Richtung  beweisend  die  Klasse  der  keltischen  Orts- 
namen auf  -M-,  wie  akelt  Äballö  (* Apfelpflanzung,  -stadt')  zu 
ir.  abhal  'Apfel*,  Cvlarö  ('Gurkenpflanzung,  -stadt*)  zu  ir.  Demin. 
ctdarän  *Gurke*,  womit  griechische  Ortsnamen  wie  *AvTpuJv  -ujvoc,. 
ZiKuiLv  -lüvoc  zu  vergleichen  sind  (Vendryes  M6m.  13,  387  ff.). 
Auch  darf  die  Bedeutung  nicht  hindern.  Denn  daß  die  Sub- 
stantiva  auf  -liv  zunächst  nur  kollektivisch  oder,  wie  man  viel- 
leicht besser  sagt,  ampliativ  gewesen  sind,  d.  h.  eine  gewisse 
Fülle  oder  Menge  des  Nominalbegriffs  bezeichnet  haben,  ergibt 
sich  aus  solchen  Nomina  wie  ttuXiIiv  *Torbau,  großes  Eingangs- 
tor' zu  TTuXn  *Tor*,  Töq)iüv  'Wirbelwind*  zu  TOq)oc  *Qualm*,  aidiv 
*Lebenszeitraum,  Zeitraum*  zu  lat  aevom^  Gimdiv  *Haufe*  zu  -Gfjjno, 
Xei^div  ^stürmisches  Wetter,  Winter*  zu  x€\\iOL  (Pott  BB.  8,  37ff., 
Verf.  Grundr.  2«,  1,  239.  301).  Es  läge  hiemach  also  an  und 
für  sich  der  Vergleichung  von  kanan-  mit  TuvaiKUJV  nichts  im 
Wege.  Aber  es  erscheint  doch  viel  natürlicher,  kanan-  von  aran- 
im  Formans  nicht  zu  trennen,  wie  man  auch  got.  qinö  aisl.  kona 
im  Formans  von  *manan'  (got  mannan-)  nicht  wird  trennen  wollen, 
für  das  den  Mann  bezeichnende  Wort  aber  kommt  für  die  alten 
Zeiten,  mit  denen  wir  es  hier  zu  tun  haben,  ein  dem  Begriff 
des  TuvaiKiiiv  entsprechender  Begriff  schwerlich  in  Betracht 

Ich  muß  hier  mit  ein  paar  Worten  auf  die  germanische 
'schwache'  Deklination  der  Substantiva  eingehen.  Die  femininen 
Stämme  des  Germanischen  mit  -ön-  als  Sekundärformans,  welche 
Sachen,Tiere  und  Menschen  bezeichnen,  gelten  gewöhnlich  schlecht- 
hin als  Neubildungen  dieses  Sprachzweigs;  sie  sollen  alle  einst 
ö-Stämme  gewesen  sein,  denen  auf  germanischem  Boden  im  An- 
schluß an  maskulinische  n-Stämme  ihr  Stammauslaut  -n-  zuge- 
führt wurde.  So  gilt  allgemein  auch  qinö  Gen.  qinäns  usw.  für 
eine  gemeingermanische  Umbildung  des  durch  aksl.  ;^ena  usw.  ver- 
tretenen ö^tanunes.  Durch  die  Erörterungen  von  Meillet  M6m.  13, 
250 f.  und  mir  IF.  18,  424  ff.  Grundr.  2«  1,  293 f.  305 f.  318  ist 


188  K.  Brngmann, 

«ber  jetzt,  denk'  ich,  festgestellt,  daß,  wie  ein  Teil  von  den  mask« 
und  den  neutr.  n-Stämmen  mit  e :  o-Yokalismus  des  Stammformans 
nnd  wie  ein  Teil  von  den  fem.  fn-Stämmen  aus  vorgennanischer 
Zeit  überkommen  war,  auch  ein  Teil  der  germ.  ön-Stämme  als 
n-Stämme  aus  dieser  Zeit  ererbt  war.  Freilich  hat  man  meines 
Wissens  noch  kein  eine  Person  bezeichnendes  Wort  mit  -an- 
als  vorgermanischen  öf»-Stamm  (oder,  was  nach  den  Lautgesetzen 
ja  auch  möglich  wäre,  als  vorgermanischen  än-Stamm)  ange- 
sprochen. Man  wird  jedoch  darauf,  auch  unter  diesen  ön-Feminina 
das  eine  oder  andere  schon  vorgermanische  Wort  mit  »-Flexion 
zu  suchen,  durch  die  Eonsequenz  geführt,  mit  der  gerade  die 
Benennungen  von  Frauen  n-Deklination  haben.  Es  gibt  nicht  nur 
die  Doppelheiten  wie  got.  garasmö  aisl.  granna  *N achbarin' :  got 
garazna  aisl.  granne  'Nachbar*  unter  den  Personenbenennungen, 
sondern  ^-Stämme  erscheinen  als  Frauenbezeichnung  auch  da, 
wo  ein  etymologisch  zugehöriges  Maskulinum  nicht  ein  n-Stamm 
ist,  wie  got  nipjö  *Base* :  Mask.  nipjis^  stmihrö  'Schwiegermutter^: 
Mask.  ahd.  strehur  (got  Mask.  swaihra  ist  erst  dem  Fem.  stmihrö 
nachgebildet  worden),  ahd.  friedila  'Geliebte* :  Mask.  friudä^  basa 
*  Vaterschwester*  :  ndd.  JckW,  und  femer  da,  wo  ein  wurzelgleiches 
Maskulinum  überhaupt  fehlt,  wie  got  iciduwO  'Witwe',  ahd.  muama 
*Muhme',  snura  'Schwiegertochter*.  Diesen  letzteren  schließt  sich 
unser  got  qinö  an.  Von  welchem  von  diesen  ön-Stämmön,  die 
eine  Frau  bezeichnen,  wäre  aber  a  priori  wahrscheinlicher,  daß 
er  die  Führung  gehabt  und  für  die  andern  Wörter  das  Muster 
abgegeben  hat,  als  von  diesem  qinö? 

Die  uridg.  -öw-Stämme  hatten  von  Haus  aus  ebenso  gut 
^schwache'  Kasus  mit  -n-  -9-,  wie  die  -d^-Stämme,  z.  B.  av.  maf^&nr- 
zu  mar^tän-^  s.  Grundr.  2*,  1,  293  f.  So  ist  eine  uralte  Stamm- 
abstufuDg  auch  die  Doppelheit  *stinön-  :  *sunn'',  worauf  das  Femi- 
ninum got  sunnö  ahd.  sunna  'Sonne*  beruht  (IF.  18, 423  ff.,  Grundr. 
2*,  1,  303).  Ein  anderer  Fall  ist  ahd.  hefihanna  hevianna  'Heb- 
amme* nach  der  einleuchtenden  Verknüpfung  des  Ausgangs  -anna 
mit  dem  schw.  F.  ahd.  ana  'Großmutter*  (neben  Mask.  ano)  bei 
Bezzenberger  und  Fick  BB.  6,  235,  v.  Holten  PBrBeitr.  30,  250 : 
-anna  stellt  ebenso  die  Vereinigung  von  *anOn-  und  ^ann-  zu 
*annön-  dar,  wie  sunna  die  von  *Bunan-  und  *sunn^  zu  sunnön-. 
Von  derselben  Art  ist  denn  auch  jener  anord.  Gen.  Plur.  kuinna. 
Er  muß  schon  in  urgermanischer  Zeit  bestanden  haben  und 
konnte  sich  im  Nordischen  um  so  leichter  behaupten,  als  hier 


Die  Anomalien  i.  d.  Flexion  ?oa  griech.  jv^tf],  wem.  hin  u.  altnord.  hma.    16t 

die  gelänfige  Bildung  des  Oen.  Plur.  der  ön-Feminina  in  bezog 
auf  die  Lantung  des  Stammfonnans  nicht  mit  den  andern  Kasos 
desselben  Paradigmas  ging,  sondern  mit  dem  Gen.  Plur.  der  maak. 
und  neutr.  n-Stämme:  kuenna  aus  ^hmULnön^  im  Gegensatz  zu 
got  qinonö  ahd.  qmnOno.  Überdies  hatte  kuinna  seit  urgerm.  Zeit 
eine  Stütze  an  dem  gleichartigen  Gen.  Plur.  des  begrifflichen 
Oppositums  mamna. 

kanan-  und  jwiön-  stelle  ich  hiemach,  ebenso  wie  ihre 
begrifflichen  Opposita  aran-  und  mannan-  (für  ^manan-  nach 
wiann-)  ^\  zu  der  uridg.  Klasse  der  ein  menschliches  Individuum 
benennenden  Substantiva  mit  sekundärem  n-Formans. 

Meist  hat  sich  bei  diesen  die  Ableitung  in  der  Art  voll«^ 
zogen,  daS  das  Individuum  auf  Grund  eines  ihm  anhaftenden 
Merkmals  benannt  ist  So  z.  B.  hat  home  (hemönem  hominem\  got 
guma^  lit  ^mu  •Mensch*  (zu  lat  humus  griech.  xödiv  usw.)  *wer 
das  Merkmal  des  Irdischen  an  sich  hat,  irdische  Person',  griech. 
TdcTpujv  'Bauchmensch,  Schlemmer*,  oöpaviujv  (zu  tö  oüpdviov) 
•Himmlischer*,  lat  stlo  -öh«  Tlattnasiger*,  ahd.  httvo  'Gatte'  hfwa 
•Gattin*  (zu  got  heitrch  •Heim,  Haus*),  aisl.  rüne  Treund*  rüna 
•Preundin*  (zu  got.  rüna  F.  •Geheimnis*),  lit  palaidu  (zu  pa-laida 
•Ausschweifung*)  •Ausschweifender';  dazu  zahlreiche  Eigennamen, 
wie  griech.  Zrpdßujv,  <t>iXuiv,  lat  Näso^  Capito^  ahd.  Wolfo.  Hario. 
Das  Grundnomen  kann  aber  auch  selbst  schon  Bezeichnung  einer 
Person  sein,  wobei  denn  für  die  »-Erweiterung  semantisch  der 
Charakter,  das  Wesen  dieser  Person  die  Gnindlage  der  Benennung 
bildete.  Von  solchen  Fällen  aus  wurde  alsdann  das  ^Formans 
mit  der  Zeit  zu  einer  fast  bedeutungslosen  Erweiterung  von  Namen 
für  menschliche  Wesen.  So  mag  z.  B.  av.  mar^tan'  •Sterblicher* 
mit  Rücksicht  auf  das  substantivische  Noutnim  mar'ta-  'Sterb- 
liches, Sterblichkeit'  entstanden  sein,  erschien  dann  aber  weiter- 
hin nur  noch  als  rein  formale  Erweiterung  von  maf^ta-  'Sterb- 
licher*. Hierher  gehören  also  unsere  arm.  aran-^  kanan-  und 
got  mannan-^  ^tnön-. 

Zu  aran-  und  mannan-  sind  zu  vergleichen  die  von  dem 
uridg.  Wort  für  den  Mann  ai.  tirfr-  griech.  dvrjp  usw.  ausgegangenen 
Formen  griech.  "Avöpujv  -uivoc  und  altital.  Nero  -(hm  (NeromSj 

1)  Auf  dem  älteren  *tnanan'  beruhen  noch  mana-aeps  und  mana- 
maürprya.  Die  Komposita  wahrten  hier  ebenso  das  Altertümlichere  wie 
2.  B.  bei  Homer  vaucf-xXuroc,  Navci-Sooc,  NauoHcdS  gegenüber  vriud)  der 
Seafaüdimg  mit  r\  sach  viiöc  usw. 


190  K.  Brugmann, 

quo  significatur  lingua  Sabina  forHs  ac  strenuuSj  Suet  Tib.  1). 
Mit  diesen  ist  aran-  auch  im  Wurzelteil  identisch,  falls  cdr  (Plur. 
ar-ß)  wirklich  mit  ai.  ndr-  usw.  zu  verbinden  ist  (vgl.  Hübsch- 
mann Arm.  GramnL  1, 417 f.,  Meillet  M6nLll,  181,  Esquisse  32. 58, 
Scheftelowitz  BB.  29,  25,  Pedersen  KZ.  39,  389). 

Solche  n-Substantiva,  wenn  sie  auch  ganz  überwiegend, 
namentlich  im  Griechischen  und  im  Lateinischen,  als  Maskulina 
auftreten,  waren  ursprünglich  generis  communis.  Die  zunehmende 
Einschränkung  auf  das  Maskulinum  geschah  unter  dem  Einfluß 
einer  andern  KJasse  von  n-Stämmen,  der  movierenden  Nomina 
wie  ai.  tdkfan-  tald^i-  griech.  t^ktujv  x^Kraiva  (Grundr.  2»,  1,  214), 
und  teilweise  wurde  später  der  ön-Stamm  durch  Überführung 
in  die  ä-Deklination  auch  äußerlich  als  Femininum  charakterisiert : 
-ujv-r|  im  Griechischen,  -ön-a  im  Lateinischen  (Pott  BB.  8,  59f., 
Osthoff  Zur  Gesch.  des  schwach,  deutsch.  Adj.  100.  152),  denen 
sich  lit.  zmon-ä  ^Frau'  neben  zmu  (und  neben  Plur.  ztndnes)  an 
die  Seite  stellt;  zu  dieser  Art  der  Femininisierung  durch  Über- 
führung in  die  ä-Deklination  vgl.  lat.  aurör-a  neben  hom.  i^iuc, 
ahd.  Plur.  tohterä  für  tohter  u.  dgl.  Auf  dem  ursprünglichen  Ge- 
brauch auch  als  Femin.  beruhen  noch   folgende  Formen.   Ai. 
tfö^rir  (Nom.  Plur.  yöfan-a$)  *junges,  zum  Liebesgenuß  geeignetes 
Weib,  Gattin'  (Oppositum  zu  cf^n-),  wozu  Ehrlich  KZ.  41,  285 
sehr  ansprechend  aus  dem  Lateinischen  den  Namen  der  Göttin 
der  Ehe  Jüno  -anis  und  den  Monatsnamen  Jünius  zieht.    Die 
ursprüngliche  Flexion  von  Jüno  war  *jtm^  Akk.  *jusöfiremj  Gen. 
*ju3n-e8^  woraus  *jün-e8]  das  jün-  von  yHn-es  wurde  in  die  starken 
Kasus  übertragen  und  nach  Jünönem  dann  der  Gen.  Jünönis  usw. 
neu  gebildet  (vgl.  S.  188  über  got.  sunnö).  Jünius  =  *jum-uhs  aber 
war  noch  direkt  von  *jusn'  aus   geschaffen,  wie  patr-tths  zu 
pater^  griech.  1TOl^vlov  zu  Tioimiv,  ai.  vfinya-s  zu  vffan-.  Femer 
gehörte  der  Nom.  Sing.  ai.  kanyä  av.  ka'ne  F.  *Mädchen'  zu  der 
schwachen  Stammform  kanin-,  war  also  ein  Nom.  Sing,  wie  oupa- 
vluiv  (Grundr.  2*,  1,  314f.).  Im  Griech.  erscheint  xpnpujv  Türcht- 
ling*  (zu  rpripöc)  als  Beiwort  des  Fem.  ir^Xeia.    Und  so  ist  es 
erlaubt,  auch  in  kanan-  (*g^^nfi-)  und  qinön-  einen  voreinzel- 
sprachlichen  fem.  n-Stamm  zu  sehen.   Man  mag  dabei  immer- 
hin behaupten,  daß  die  die  männliche  Person  bezeichnenden  n- 
Stämme  arm.  aran-  griech.  "Avbpuiv  lat.  Nero^  got.  mannan-^  ai. 
vf^^n-  u.  dgl.  früher  auf  dem  Plan  gewesen  sind  als  unsere  das 
Weib  bezeichnenden  n-Stämme.    Aber  man  darf  nicht  zuleicht 


Die  Anomalien  i.  cL  Flexion  von  griech.  tuv/|,  arm.  kin  u.  altnord.  kona.    191 

glaaben,  daß  man  mit  der  Bildung  der  letzteren  etwas  erzeugt 
habe,  was  gegen  eine  ältere  Genusregel  verstieß.  Diese  n-Klasse 
umschloß  von  Haus  aus  die  beiden  Geschlechter  ebenso,  wie 
die  Klasse  der  Verwandtschaftswörter  auf  -r  (irarrip,  baf\p  und 

^rrmp?  euTdinp). 

Wie  es  gekommen  ist,  daß  im  Germanischen  die  geschlechtigen 
Nomina  mit  -än^  (vorgerm.  -ön-)  alle  dem  maskulinischen  und 
die  geschlechtigen  Nomina  mit  -ön-  alle  dem  femininischen  Ge- 
nus verfielen,  ist  Grundr.  2*,  332.  334.  2«,  1,  305  ff.  317  f.  ge- 
zeigt Und  habe  ich  Recht  mit  der  Vermutung,  daß  qinönr-  zu 
den  vorgerm.  w-Stämmen  mit  -oiv-  in  den  starken  Kasus  gehört, 
so  ist  diese  germanische  Scheidung  der  -ön-  und  der  -ön-Stämme 
nach  den  Geschlechtem  jetzt  noch  ein  Teil  leichter  verständlich. 

10. 

Ob  von  dem  n-Stamm  kanan-  qinön-  sich  auch  noch  in 
andern  Sprachzweigen  Reste  erhalten  haben? 

Griech.  tuvvic  -löoc  *  weibisch*  (bei  Hesych  mit  beiXöc, 
ävavöpoc,  fvvaiKdiöric,  ^aXaK6c  erklärt),  für  das  Aeschylus  bei 
Aristoph.  Thesm.  136  der  älteste  Zeuge  ist,  ist  mit  seinem  vv 
den  Formen  verglichen  worden,  die  eine  auf  Affektaussprache 
beruhende  Konsonantengemination  aufweisen,  wie  z.  B.  mBri 
(neben  Ti6r|VTi),  OiXXioc  (Kühner-Blass  Ausf.  Gramm.  1,  2,  281, 
Solmsen  Rhein.  Mus.  56,  503,  Verf.  Grundr.  2«,  1,  44f.).  Dieser 
Deutung  tritt  jetzt,  denk'  ich,  als  mindestens  gleichwertig  die  an 
die  Seite,  daß  tuvvic  den  zu  *twvujv  gehörigen  schwachen  Stamm 
Tuw-  hatte  und  sich  zu  *twvujv  wie  T^crpic  (-iboc)  Mickbäuchig, 
gefräßig'  zu  T«CTr|P,  öpvic  zu  goi  ara  (aran-)  verhielt^). 

Aus  dem  Slavischen  kommt  der  Gen.  Sing,  ieny  in  Frage. 
Der  bekannte  Gedanke  von  Scherer,  daß  die  Form  des  Gen.  Sing. 
iöfiy,  2mij§  der  Nom.  Akk.  Plur.  sei,  dem  man  die  Funktion  des 
Gen.  Sing,  zuerteilt  habe  infolge  der  Gleichheit  des  ursprünglichen 
Ausgangs  dieses  Kasus  *-äs  mit  den  Ausgang  jener  Pluralkasus, 
ist,  obwohl  längst  von  Leskien  widerlegt  (Die  Dekl.  im  Slav.-Lit. 
u.  Germ.  421),  neuerdings  wieder  gutgeheißen  worden  von  Lja- 
punov,  ist  aber  auch  schon  wieder  durch  Jagiß  Arch.  f.  slav. 

1)  Ist  unsere  Auffassung  von  ahd.  hevianna'  Hebamme*  S.  188  richtig, 
so  fragt  es  sich,  ob  nicht  auch  griech.  dvv(c  'Großmutter'  die  schwache 
Form  eines  »-Stammes,  nämlich  die  Stammform  *ann-  neben  ^anön-  (ahd. 
Mask.  ano,  Fem.  ana\  enthält. 


192  K.  Brugmann, 

Phil.  28,  124  gebührend  zurückgewiesen  worden.  Wie  diese 
Deutung  von  ieny,  zmijf  verfehlt  ist,  so  halte  ich  auch  für  un- 
richtig, was  neuerdings  Vondrik  BB.  29,  218f.  über  diesen 
Genitiv  sagt;  auf  das  Einzelne,  was  dieser  Gelehrte  vorbringt, 
einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort 

Haltbar  ist  nur  eine  solche  Auffassung  dieses  Genitivs, 
welche  Einmischung  der  Genitivforni  von  n-Stämmen  annimmt, 
wobei  es  gleichgiltig  ist,  wie  man  sich  zu  den  russ.  westslav.  Geni- 
tiven auf  -i  stellt  Zuerst  hat  es  Friedr.  Müller  Revue  lingui- 
stique  4,  264  ausgesprochen,  daß  der  Gen.  vhdovy  mit  dem  got 
Gen.  tvidutcöna  zusammengehöre.  Dann  hat  MikkolaBB.  22,  2491 
mit  Rücksicht  auf  lit  vandu  -ehs  ai.  uddnr  usw.  den  Gen.  vody 
für  einen  Überrest  der  w-Starambildung  dieses  Wortes  erklärt 
S.  femer  Zubaty  Üb.  gewisse  Genitivend.  des  Lett,  Slav.  u.  Ai. 
(aus  den  Sitzungsber.  d.  böhm.  Ges.  d.  Wiss.  1897)  S.  22,  Arch. 
1  slav.  Phil.  15,  514.  Von  -y,  -f  kommt  man  zunächst  auf  ^-ons 
zurück,  das  nach  den  Lautgesetzen  ebenso  gut  ursprüngliches 
"^-ons  als  auch  ursprüngliches  *-ön8  gewesen  sein  kann  (zur 
Vokal  Verkürzung  vgl.  Gen.  Sing.  Part  imcßa  =  Hmantja^  zu  1, 
Plur.  ima-rm  'wir  haben*).  Dies  wäre  ein  Genitiv  mit  Formans 
•^  (nicht  -es  oder  -os),  wie  ai.  dhan^  av.  ayqr^  ir.  imbe  (J.  Schmidt 
Plur.  100,  Bartholomae  IF.  1, 178,  Verf.  Grundr.  2\  579).  FreiUch 
kann  nicht  wrfy,  wie  Mikkola  will,  die  älteste  dieser  Genitiv- 
formen im  Paradigma  der  ä-Feminina  gewesen  sein  —  denn 
dieses  Wort  ist  ursprünglich  ein  Neutrum  gewesen  — ,  vielmehr 
muß  ein  alter  femininischer  n-Stamm  die  Musterform  gewesen 
sein.  Da  kommt  man  denn,  wenn  im  Germanischen  ginön-  unter 
den  Wörtern  für  weibliche  Personen  bei  der  Ausbreitung  der  n- 
Deklination  die  Führung  gehabt  hat,  leicht  auf  iwty  als  älteste 
Musterform.  Diesem  Wort  hätten  sich  also  zunächst  vbdovcL, 
sestra  usw.  angeschlossen^),  wie  im  Germanischen  toiduwän-  usw. 
nach  unserer  Vermutung  nach  qinOn-  geschaffen  worden  sind. 

1)  Zu  der  Übertragung  einer  Kasusendung  eines  Wortes  auf  be- 
deutungsverwandte Wörter  vergleiche  man  die  schon  oben  S.  172  Fußn. 
berührte  Übertragung  des  Ausgangs  -oj  des  Gen.  Sing,  hnoj  'der  Frau'  auf 
die  Verwandtschaftswörter  im  neueren  Armenisch:  ftrof,  tcUof,  aketrof, 
nerof^  tirof^  womit  Meillet  M6m.  11,  19  die  ai.  Neubildungen  des  Gen.  Sing. 
pätyur,  adkhyur^  jdnyur  vergleicht,  und  womit  sich  auch  noch  hom.  uldci 
(kret.  uidci)  nach  irarpäa,  hom.  KpdT€cq)i  nach  CTyiOcc^i  und  manches 
andere  in  Parallele  setzen  läfit. 


H.  Schröder,  Etymologisches.  193 

Das  Eindringen  der  Form  auf  -y,  -§  in  den  Gen.  Sing. 
der  önDeklination  und  der  völlige  Untergang  des  alten  Aus- 
gangs *-<w  (vgl.  lit  rankos  got.  gibös  usw.)  ist,  wie  schon  andere 
gesehen  haben,  dadurch  veranlaßt  worden,  daß  nach  dem  ur- 
slavischem  Auslautgesetz,  wonach  -«  schwand,  der  Gen.  Sg.  mit 
dem  Nom.  Sing,  zusammenfiel. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


^ 


^  Etymologisches. 

/i 

1.  apreuß.  pde  *Weihe*,  lit  peUkä  Tischschwanz. 

Bemeker  Preuß.  Sprache  312  vergleicht  zu  apreuß.  pde 
'Weihe':  griech.  ttgXiöc  *grau',  TieXioc  *sch warzblau*,  ireXibvöc 
•dunkelfarbig*.  Ich  stelle  (unter  Bernekers  brieflicher  Zustimmung) 
apreuß.  fde  zur  idg.  Wurzel  (s)p{h)d  'spalten*.  Der  Vogel  hat 
seinen  Namen  von  seinem  gespaltenen,  gegabelten  Schwanz;  vgl. 
nbd.  gabdweih^  Schweiz,  gäbelivogd^  mecklenb.  ticälstartmh  {tuM 
*Gaber),  nhd.  scherschtranz  *falco  milvus*.  Der  Schwanz  der 
meisten  Weihen  ist  gegabelt  und  einem  Fischschwanz  in  der 
Form  sehr  ähnlich.  Daher  gehört  zu  apreuß.  pele  *Weihe*  auch 
lit  pdekä  Tischschwanz*  und  wahrscheinlich  auch  das  von  Ber- 
neker  a.  a.  0.  mit  diesem  verglichene  apreuß.  pelekis  'Giebel*. 

Genau  dieselbe  Vorstellung  liegt  dem  germ.  Namen  des 
Vogels  zugrunde:  nhd.  tmihe^  mhd.  tcte^  ahd.  wto  hat  nichts  mit 
irf  *jagen*  (weide^  umdmann)  oder  ahd.  mho  in  tcanno-wiho  (Kluge 
Et  Wb.)  zu  tun,  sondern  ist  zweifellos  eine  Bildung  von  der  idg. 
Wurzel  vi  *zwei*.  Zu  deraelben  Wurzel  gehört  auch  nhd.  getveih^ 
mhd.  gewige^  eigentlich  also  'gegabeltes  (Gehörn)',  vgl.  nhd.  gabier 
Vierjähriger  Hirsch*.  Vgl.  Falk  og  Torp  Et  ordb.  over  det  norske 
og  det  danske  sprog2,  510  a  s.v.  l<mvie, 

2.  apreuß.  pide  'Ziemer*. 

Das  Wort  ist  unerklärt  Ich  halte  es  für  entlehnt  aus  dem 
nd.  pesd,  pcead  (mit  e^  ce  aus  i)  'Ziemer,  Membrum  des  Stieres, 
Ochsen*,  buUenpa^sel  'Ochsenziemer'. 

Bemeker  schreibt  mir  dazu:  "Sehr  wohl  möglich;  c  müßte 
dann  als  z  (deutsch)  gelesen  werden**. 

IndogemiaiiifAAe  Fonchangen  XXIL  V^ 


194  H.  Schröder, 

3.  apreuß.  schläit  ^sondern;  ohne*. 

Apreuß.  schlau,  schklait,  sdait  'sondern;  ohne',  schläüiskan 
•insonderheit',  schläits  'sondern',  schkläits,  schläüs  'schlecht'  stellt 
Bemeker  a.  a.  0.  318  zu  lit.  sklaidaü  sklaidyti  'zerstreuen',  sX:2aMf äs 
'zerstreut'.  Ich  stelle  diese  Worte  (unter  Bernekers  Zustimmung) 
weiter  zu  gerra.  ^dait  *dtt  in  nhd.  schleißen,  schlitzen  usw.  aus 
*sqläid,  *sqlid,  wozu  vielleicht  auch  lat.  laedo,  Bedeutungsent- 
wicklung: spalten  zu  sondern,  trennen  zu  zerstreuen. 

4.  apreuß.  tealis  'Orschyt'. 

Apreuß.  imlis  'Orschyt'  des  Elbinger  Vokabulars  (Bemeker 
237  b  Nr.  252)  ist  unerklärt  Das  Wort  steht  in  einer  Gruppe  von 
Worten,  die  sämtlich  Teile  des  Pfluges,  der  Egge  oder  des 
Wagens  bezeichnen :  Stercz  (d.  i.  Pflugsterz),  Reutel,  Pflugbom, 
Rincke,  Orschyt,  Selen  (d.  i.  Siele),  Deysel  (d.  i.  Deichsel),  Egde 
(Egge)  usw.  Das  deutsche  Wort  orschyt  ist  daher  zweifellos  nhd. 
artscheit,  im  15.  Jahrh.  ortschyt  'Zugstange,  woran  die  Pferde, 
Ochsen  angesträngt  werden'.  Apreuß.  tcalis,  als  ursprünglich 
*Stange,  Stock'  stellt  sich  demnach  ganz  ungezwungen  zu  got 
UHÜus  'Stock,  Stab',  anord.  vdr,  afrs.  loalu  (in  tvalthbera  'Stab- 
träger' d.  i.  'Pilger'),  mnd.  wal,  nd.  (woraus)  nhd.  wall  'achtzig 
Stück  geräucherte  oder  zum  Räuchern  bestimmte  Fische  (die 
zum  Räuchern  auf  Stangen,  Stäbe  gesteckt  werden)'.  Das  preuß. 
Wort  kann  aus  dem  Germ,  stammen,  aber  auch  ebensowohl  halt 
oder  slav.  sein,  vgl.  lit  ap-toalüs  'rund'  zu  lit  vüti  'walken',  aksl. 
valiti  'wälzen',  ai.  valati  'wendet  sich,  dreht  sich'.  Vgl.  XJhlen- 
beck  Got  et  Wb.«  166  b,  Falk  og  Torp  Et  ordb.  over  det  norske 
og  det  danske  sprog  s.  v.  ol  2,  28b.  512  b. 

5.  apreuß.  tvisnaytos  'Kirschen'. 

IF.  17, 317  f.  habe  ich  nhd.  u?eichsel{kirsche),  mhd.  uAhsd,  ahd. 
uAhsda,  mnd.  wessd-,  toisselbere  usw.  mit  griech.  i£6c,  i£ia,  lat 
viscus  viscum  'Mistel'  verbunden  (S.  jetzt  auch  Walde  Lat  et  Wb. 
8.  V.  viscum).  Zu  dieser  Sippe  stelle  ich  auch  apreuß.  wisnaytos 
'Kirschen',  das  nach  Bemeker  Preuß.  Spr.  332  zu  lit  v^sznia,  abg. 
viäna  gehört  Bemeker  schreibt  mir  dazu:  "Das  lit  vysznä  mit 
Schleifton  (!)  deutet  auf  Entlehnung  aus  dem  Slav.  Am  preuß. 
Wort  ist  das  nicht  zu  entscheiden.  Das  slav.  Wort  könnte  sehr 
wohl  urverwandt  sein.  Das  preuß.  Wort  ist  wegen  nyszn^  natür- 
Jich  auch  verdächtig". 


Etymologisches.  195 

6.  abg.  koza:  mnd.  schege  *Ziege'? 

Die  meines  Wissens  zuerst  von  Zupitza  Germ.  Gutt  27 
gebrachte  Zusammenstellung  von  abg.  koza  *Z\ege* ykozüü  'bock* 
mit  mnd.  schege  *Ziege'  scheint  allgemein  angenommen  zu  sein, 
und  sie  wäre  auch  unanfechtbar,  wenn  in  mnd.  schege  das  seh- 
aus  germ.  sk  entstanden  wäre.  Leider  ist  das  aber  nicht  der 
Fall;  das  seh-  von  mnd.  schege  geht  vielmehr  zurück  auf  ein 
—  germ.  t-,  Schege  ist  nämlich  eine  (wegen  des  e  aus  i  in  offener 
Silbe:  frühe)  Entlehnung  aus  mhd,  zige^  eihd.  ziga  =  nhd,  Tiiege. 

Das  nd.  hat  bekanntlich  die  Affrikata  ts^  hd.  z  im  Anlaut 
überhaupt  nicht  In  Lehnworten  aus  dem  Hochdeutschen  wird 
das  2  im  Mittelniederdeutschen  ausgedrückt  am  häufigsten  durch 
s  (und  so  wird  es  auch  meistens  gesprochen  worden  sein),  aber 
auch  durch  &?,  te,  sowie  durch  cz^  sc  (worin  das  c  =  f»,  hd.  z 
aufzufassen  ist,  wie  im  spätlat  c  vor  palatalen  Vokalen),  und 
endlich  auch  durch  scä,  das  aber  nicht  als  ä  zu  lesen  war,  sondern 
als  sc  (worin  c  =  hd.  z)  +  h.  So  wurde  denn  mhd.  zige  *Ziege' 
mit  niederdeutschem  Übergang  des  f  zu  e  in  offener  Silbe  im 
Mittelniederdeutschen  geschrieben  sege^  czege^  tzege  und  auch 
schege.  So  wird  auch  das  aus  dem  mhd.  nhd.  zieren  übernommene 
Verbum  nebst  Sippe  im  Mittelniederdeutschen  bald  mit  »,  z,  tz 
bald  mit  seh  geschrieben.  Vgl.  Lübben  Mnd.  Gr.  S.  48. 

7.  Griech.  ^6vov:  nd.  man  *nur'? 

Rck  Vergl.  Wb.  1*,  519:  "jioOvoc,  iliovoc  (aus  ^ovFoc)  vgl. 
nd.  man  *nur*  ganz  wie  |li6vov  gebraucht;  lit  mindu  'durchaus, 
ja'".  Ebenso  Prellwitz  Griech.  et.  Wb.«,  298,  wo  jedoch  das 
litauische  Wort  mit  einem  Fragezeichen  versehen  ist 

Die  Gleichung  griech.  jiovov  :  nhd.  (aus)  nd.  man  sieht  ja 
auf  den  ersten  Blick  sehr  bestechend  aus,  ist  aber  dennoch 
grundfalsch.  Sie  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  daß  nd.  man 
ein  altes  m  im  Anlaut  habe.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall:  das 
m  ist  sehr  spät  und  zwar  lautgesetzUch  entstanden  aus  nw,  Mnd. 
fnan,  men  hat  sich  nämlich  entwickelt  aus  ne  wan^  ne  tven^  woraus 
zunächst  infolge  Betonung  des  zweiten  Teils  ntvan^  nwen  wurde 
und  dann  durch  Angleichung  des  dentalen  Nasals  und  der  labialen 
Spirans  zum  labialen  Nasal :  iwan,  men.  Formell  dasselbe  Wort 
wie  nordd.  man  ist  nhd.  md.  nün^  mhd.  niun  *nur'.  Wie  man  aus 
nu)an  aus  n{e)wdn  aus  ne  wan^  so  ist  infolge  der  Betonung  des 
ersten  Teils  md.  nün^  mhd.  niun  aus  ni^an  aus  m  wan  ^VL\&\»xAssi^ 


196  H.  Schröder,   Etymologisches. 

Im  Grunde  haben  wir  es  hier  also  mit  einer  Ablautsersehei- 
nung,  mit  einer  zweisilbigen  Basis  netvan^  tütran  zu  tun:  mhd. 
niun  zeigt  die  Vollstufe  I,  nd.  man  die  Vollstufe  11. 

Genau  dieselbe  Erscheinung  haben  wir  bei  nl.  maar:  glbd. 
nhd.  nur^  md.  nür^  mhd.  niur(e).  Dieses  stellt  die  Vollstufe  I  dar 
von  mhd.  ni  wäre  zu  nitcere  zu  niuere  zu  niure  zu  niur^  md. 
niJr;  jenes  die  Vollstufe  11  von  ne  tvdre  zu  n(e)wdre  zu  niedre 
zu  mare  zu  nnl.  mdar. 

Auf  demselben  Assimilationsprozeß  [nw  zu  m{fn)\  beruht 
auch  das  anlautende  m  einer  ganzen  Reihe  von  niederdeutschen 
Worten,  deren  ursprünglicher  Anlaut  w  war,  das  sich  mit  dem 
auslautenden  n  des  Artikels  zu  m  wandelte,  worauf  dann  durch 
falsche  Trennung  das  Woil,  auch  wenn  kein  n  vorherging,  ein 
m  im  Anlaut  erhielt  Auf  demselben  Vorgang  beruht  auch  der 
nhd.  mundartliche  Nominativ  mir,  mer  Vir*.  Dies  mir,  mer  hat 
sich  lautgesetzlich  in  der  Inversion  entwickelt:  hän  toir  'haben 
wir'  zu  hdmmer,  hammer^\  und  dann  selbständig  gemacht,  sodaß 
es  heute  auch  vor  dem  Verbum  gebraucht  wird:  mir  habm^  mir 
han  Vir  haben*. 

Nl.  maar  ist  schon  von  Franck  Nl.  et.  Wb.  603  und  Ver- 
coullie  Beknopt  NI.  et.  Wb.«,  179  richtig  erklärt;  an  beiden 
Stellen  ist  auch  auf  nhd.  nur  aus  mhd.  ne  wäre  hingewiesen. 
Nd.  man^  mnd.  man,  men  ist  von  Falk  og  Torp  Et.  ordb.^  509  f. 
richtig  gedeutet  Aber  dies  hat  die  neuerliche  Aufstellung  der 
Gleichung  griech.  |li6vov:  nd.  man  nicht  verhindern  können.  Da- 
her war  diese  Auseinandersetzung  wohl  nicht  überflüssig,  zumal, 
soweit  ich  sehe,  aus  deutschen  grammatischen  und  lexikalischen 
Werken  nirgends  eine  Auskunft  hierüber  zu  holen  ist 

Kiel.  Heinrich  Schröder. 


1)  Vgl.  Scheffels  bekanntes  Lied  "Am  Grenzwair,  dessen  Refrain 
lautet : 

Ha*  .  .  hamm'  .  .  hammer  dich  emol,  emol,  emol 
An  dei'm  verrissene  Camisol) 
Du  schlechter  Kerl! 


K.  Brugmann,  Griechisch  Iwoc  und  dvoc.  197 


if 


A 


Y  Oriechlseli  tvvoc  und  Svoc. 

^  Über  das  Vorkommen  von  iwoc,  das  seit  Aristoteles  belegt 

ist,  orientiert  gilt  R.  Meister  KZ.  32,  143  f.  Man  bezeichnete  mit 
dem  Wort  gewisse  Maultier-  oder  Mauleselfüllen,  auch  war  es 
scherzhafte  Benennung  kleiner  Kinder  sowie  ein  Name  für  die 
Pupille  im  Auge.  In  der  Überlieferung  ist  es  öfters  mit  dem 
bedeutungsverwandten,  aber  etymologisch  zu  trennenden  ifivoc 
zusammengeworfen.  Dieses  Xomen  ist  einmal  inschriftlich  be- 
zeugt aus  lalysos  auf  Bhodus,  SGDI.  n.4110,  23:  ^f\  Iütu)  iiriroc 
övoc  fijLiiovoc  tivoc  ^r]bk  dXXo  Xöq)oupov  jinöfcv.  Daher  erklärt  man 
jetzt  Twoc  für  die  'richtige'  Schreibung  gegenüber  den  sonst  in 
der  handschriftlichen  Überlieferung  begegnenden  tiwoc  und 
Tivvoc.  Aber  yivoc  war  im  späteren  Altertum  offenbar  ein  wenig 
gebrauchtes  Wort,  und  es  muß  dahingestellt  bleiben,  ob  es  nicht 
auch  in  der  Sprache  selbst  in  seiner  Liautung  durch  Tvvoc  be- 
einflußt worden  ist^).  Die  Herkunft  von  xivoc  ist  dunkel.  Vgl. 
zu  dem  Wort  außer  Meister  noch  Thesaurus  1.  Gr.  8,  100,  Lobeck 
Elem.  1,  92,  Dittenberger  Syll.«  n.  560  Anm.  8. 

ivvoc  kam  von  den  Griechen  zu  den  Römern,  die  es 
für  den  Abkömmling  von  Pferdehengst  und  Eselin  gebrauchten. 
Die  Form  hinnus  hat  sich,  wie  man  mit  Recht  annimmt,  unter 
dem  Einfluß  des  Verbums  hinnio  festgesetzt  Daß  hinnus  echt 
lateinisches  Wort  sei,  aus  *hetnos  oder  *het8no8^  zu  hetfa  *re8 
minimi  pretii'  gehörig,  wie  Niodermann  £  und  i  im  Lat,  Darmst. 
1897,  S.  54  f.,  im  Gegensatz  zu  der  üblichen  Annahme  von  Ent- 
lehnung aus  dem  Griechischen,  vermutet,  ist  aus  mehr  als  einem 
Grunde  ganz  unglaublich. 

Woher  nun  iwoc  ?  Nach  Schrader  Sprachvergl.  "^  385  soll 
es  von  der  "Wurzel  vis  'netzen,  flüssig  machen*"  kommen;  mit 
dieser  Wurzel  ist  die  Sippe  von  löc,  lat.  virus^  ai.  vi^d-ni  ('Flüssig- 
keit, Gift')  gemeint  R.  Meister  dagegen  a.  a.  0.  knüpft  an  ivdui 
ivfeui  'ich  entsende,  leere  aus*  usw.  und  ai.  ißnä-ti  'er  setzt  in 
rasche  Bewegung,  schnellt,  spritzt  aus*  usw.  an  (vgl.  hierzu 
Sommer  Griech.  Lautst  34  f.).  Beides  leuchtet  semasiologisch 
wenig  eiu.  Und  beides  ist  auch  in  formaler  Hinsicht  nicht  unbe- 

1)  Vgl.  etwa  im  Ags.  asal  (Durham  Book)  'Esel'  als  Mischung  von 
aua  mit  e9ol  (Kluge  Pauls  Grundr.  1 ',  929). 

Indogerwtuiißche  Foncbuagen  XXIL  W 


198  K.  Brugmann, 

denklich.  Denn  wegen  des  w  könnte  ein  ans  urgriechischer  Zeit 
stammendes  tvvoc  =  *icvoc  nur  lesbisch-äolische  oder  nordthes- 
salische  Form  sein,  und  es  ist  sonst  kein  Anhalt  dafür  vor- 
handen, daß  das  Wort  aus  einem  von  diesen  Dialekten  ins 
Attische  herübergekommen  ist*). 

Nach  einer  anderen  Bichtung  hin  weist  uns  die  Tatsache, 
daß  nach  den  Zeugnissen  des  Altertums  die  Maultierzucht  im 
pontischen  Kleinasien,  insbesondere  bei  den  paphlagonischen 
Enetcm  und  den  Mjsem,  zu  Hause  war,  und  daß  Thogarma, 
d.  i.  Armenien  oder  Kappadocien,  die  besten  Maultiere  lieferte. 
S.  Hehn-Schrader  Kulturpfl.  u.  Haust.'  132 ff.  581,  Schrader 
Reallex.  533  f.*),  Pedersen  KZ.  39,  448.  Aus  diesen  Gegenden 
wird  denn  unser  Wort  den  Griechen  zugekommen  sein.  Das 
Armenische  hat  eS^  Gen.  iSoy^  'Esel*,  mit  der  kollektivischen 
Nebenform  iäan  im  Plural  iSan-ß  'Esel,  asini*,  Gen.  üan-p '),  wo- 
zu iSanam  'patire  polluzione',  iSuk  'Eselsfüllen',  iäa-kes  und  Ms- 
eä  'Halbesel,  mulus'  (zu  i-fö,  Gen.  Arisoy,  'Mitte,  Hälfte;  halb'). 
Weiter  erscheint  das  Wort  im  Türkischen,  als  äiäk  ('Esel'),  wo- 
her wiederum  das  russ.  Udk  'Maulesel*  stammt  (Schrader  Reallex. 
20Ü,  Pedersen  ZDMG.  57,  561,  KZ.  39,  447).  Man  darf  hiemach 
unbedenklich  annehmen,  daß  ein  aus  Kleinasien  herübergewan- 
dertes *ün(h  oder  eine  diesem  ähnliche  Lautung  (vielleicht  *ü^fuh^ 
da  das  -an'  von  arm.  täan-  älteres  -p-  war)  in  Griechenland  in 
*(cvo-c  umgesetzt  worden  ist,  woraus  in  derselben  Periode  laut- 
gesetzlich  das  historische  tvvoc  ward,  in  der  das  vv  aus  cv  in 
den  Formen  wie  gvvöm,  Zlüjvvöm,  ttuvvoc,  TTeXoirövvTicoc  entstand 
(Griech.  Gramm,'  125  f.). 

Ist  das  richtig,  so  schließt  sich  unmittelbar  die  Frage  an,  wie 
sich  tvvoc  zu  den  Wörtern  övoc  und  lat  asinus  verhält  Denn 
bekanntlich  gelten  auch  diese  für  Entlehnung  aus  dem  Orient 
Für  das  lateinische  Wort,  welches  weiter  zu  den  Kelten,  den 
Germanen,  von  diesen  zu  den  Slaven  und  den  Balten  gewandert 


1)  In  der  mir  soeben,  nach  Niederschrift  dieser  Zeilen,  zugekom- 
menen 3.  Aufl.  seines  Buches  hat  Schrader  das  über  twoc  in  der  2.  Aufl. 
Gesagte  gestrichen.  Er  hat  also  die  Herleitung  des  Wortes  aus  einem 
♦Ficvoc  jetzt  wohl  aufgegeben. 

2)  Hierzu  jetzt  auch  Schrader  Sprachvergl.  "  2,  159  ff. 

3)  Zur  Erweiterung  iSan  sind  zu  vergleichen  jian  'Pferde*  (zu  ji, 
Gen.  jioy),  hauran  'Herde',  s.  Pedersen  KZ.  39,  350.  419.  473  f.,  Lid^n 
Armen.  Stud.  26. 


Griechisch  (woc  und  övoc.  199 

ist  (z.  B.  ir.  assan^  got.  asUm,  aksl.  osü^^  lit.  äsäasY)^  ist  diese  Her- 
kunft jetzt  allgemein  zugestanden.  Das  griech.  Svoc  aber,  das 
von  Homer  an*)  in  ganz  Griechenland  der  geläufige  Name  des 
Esels  war,  und  das  zu  asintis  lautlich  schlecht  stimmt,  möchte  nach 
A.  Weber  KZ.  10,  400  und  nach  Fick  Idg.  Wtb.*  1, 15.  368  auch 
noch  Prellwitz  (Et  Wtb.«  332)  für  echt  einheimisch  halten,  für 
urverwandt  nämlich  mit  dvta  lat.  onus  (aus  *eno8)  ai.  dna»-  und 
abgekürzt  aus  einem  Kompositum  mit  dem  Sinn  *lasttragend', 
eine  Erklärung,  der  das  von  T^iioc  *Last'  abgeleitete  neugriech. 
To^dpl  *Eser  (woher  das  alb.  gomdr  'Esel*)  und  das  aus  vulgär- 
lat  mgma  sauma  TacksatteF  (cdT|ia)  gebildete  miat  sagmarius  = 
italien.  somaro  *EseV  günstig  sind.  Aber  dagegen  spricht  und  ist 
auch  wiederholt  schon  von  anderen  eingewendet  worden,  daß 
der  Esel  in  Griechenland  in  der  ältesten  Zeit  nicht  als  eigent- 
liches Haustier,  sondern  nur  als  Zuchttier,  zur  Erzeugung  von 
Maultieren  und  Mauleseln,  benutzt  worden  ist;  erst  bei  Tyrtäus 
(fr.  6)  erscheint  das  Tier  als  Haustier  in  unserem  Sinne:  (ficrrep 
Ävoi  ^€TaXolc  dxBeci  T€ip6|i€voi  ktX.  Vgl.  Schrader  KZ.  30,  478  f., 
Hehn-Schrader  a.  a.  0.  1351»).  Auch  ergibt  sich  für  die  Ver- 
bindung von  övoc  mit  dvia  eine  lautliche  Schwierigkeit,  und  zwar 
dieselbe,  an  der  die  Schradersche  und  die  Meistersche  Deutung 
von  Tvvoc  (S.  198)  leiden:  für  dvia  heißt  es  im  Äolischen  nach 
einem  äolischen  Lautgesetz  övia,  und  so  müßte  die  Lautung  Svoc 
im  äolischen  Dialektgebiet  entstanden  und  sich  von  da  aus  über 


1)  Got.  asilus  ahd.  andd.  esil  ags.  esol  stammt  aus  dem  Lateinischen, 
aisl.  asne  aus  dem  Romanischen  (afranz.  astie)^  ags.  asaa  engl,  ass  aber 
aus  dem  Keltischen  (ir.  asaan). 

2)  Das  Simplex  bei  Homer  nur  A  558,  aber  häufig  kommt  bei  ihm 
fmiovoc  vor. 

3)  Schrader  Sprachvergl.  *  2,  160 :  "Der  Esel  wird  nur  an  einer 
einzigen  Stelle  der  homerischen  Gedichte,  nämlich  IL  XI,  558  genannt, 
wo  der  Telamonier  Ajax  mit  ihm  verglichen  wird.  Wir  tun  gut,  uns  hier- 
bei zu  erinnern,  daß  der  wilde  Esel  im  Orient  für  ein  Bild  der  Kraft  und 
des  Mutes  gilt,  so  daß  der  Kalif  Mervan  den  Namen  'Esel  Dschesiras*, 
d.  i.  Mesopotamiens,  führte.  In  keinem  Fall  kann  also  der  Esel  zu  den 
Haustieren  der  homerischen  Epoche  gehört  haben.  Unter  diesen  Um- 
ständen ist  es  nun  gewiß  auffallend,  daß  das  früher  auftretende  Maultier 
nach  dem  späteren  Esel  benannt  ist:  fmCovoc  :  övoc  'Halbesel' :  'Esel'.  Ich 
kann  mir  dies  nicht  anders  erklären  als  durch  die  Annahme,  daß  die 
Hellenen,  als  sie  sich  selbst  der  Zucht  von  Maultieren  zuwandten,  einzelne 
Esel  oder  Eselinnen  lediglich  zum  Beschälen  oder  Beschält  wer  den  aus  der 
Fremde  einführten,  die  viel  zu  kostbar  waren,  um  der  Feld-  wxvd  ^A.>a&- 
arbeit  zu  dienen.'* 


200  K.  Brugmann, 

die  anderen  Mundarten  verbreitet  haben ;  andere  Anzeichen  aber 
dafür,  daß  sich  der  Name  des  Tieres  von  dort  aus  auf  das 
übrige  Griechenland  verpflanzt  habe,  sind  nicht  vorhanden.  Frei- 
lich heißt  es  nun,  im  Orient  gebe  es  keine  Benennung  des  Elsels^ 
auf  die  die  Form  6voc  zurückführbar  sei.  Von  hebr.  'ätän  'Eselin* 
muß  in  der  Tat  abgesehen  werden,  s.  de  Lagarde  Arm.  Stud.  56 1, 
Aug.  Müller  BB.  1,  294  f.,  Muss-Arnolt  Semitic  Words  in  Greek 
and  Latin  96  f.  Aber  nicht  von  den  Dialekten  des  pontischen 
Eleinasiens,  falls  lat  (mnas,  wie  höchst  wahrscheinlich  ist,  von 
dorther  stammt  und  mit  arm.  iSan-  zusammengehört  (Pedersen 
KZ.  39,  449).  Nur  darf  man  eben  nicht  6voc  aus  *6cvoc  her- 
leiten wollen,  wie  G.  Meyer  IF.  1,  319  f.  trotz  Solmsen  KZ.  29, 
89  f.  tut  Denn  aus  einem  urgrioch.  *dcvoc  mit  ursprünglich  ein- 
fachem -»-  wäre  lesb.  *6vvoc,  ion.-att.  *ouvoc  usw.  geworden,  aus 
einem  erst  in  jüngerer  vorhistorischer  Zeit  aufgekommenen  *dcvoc 
aber  ion.-att.  usw.  *6vvoc  mit  verbleibendem  -vv-,  wie  tvvoc  (S.  198). 
Und  wie  man  durch  eine  Volksetymologische* Umbildung  von  einer 
von  diesen  beiden  lautgesetzlich  zu  erwartenden  Gestaltungen  aus 
sollte  zu  Svoc  übergegangen  sein,  ist  nicht  abzusehen. 

Man  hat  also  vielmehr,  denk'  ich,  von  einem  vorhistorischen 
*6covoc,  jünger  *dhovoc,  auszugehen.  Stellen  wir  zunächst  fest,  daß 
asinus  einstens  *aüerto8  gelautet  haben  muß  und  nicht  älteres  *amo8 
gewesen  sein  kann,  worauf  es  von  G.  Meyer  a.  a.  0.  (unter  Berufung 
auf  mina  =  jivd  und  techna  =  xdxvn)  «i^d  von  Stolz  IF.  13,  96  ff. 
zurückgeführt  wird.  Zwar  der  Ausgang  -^Um  von  aselltis  ent- 
scheidet in  dieser  Beziehung  nichts,  da  diese  Form  ebensogut  aus 
*asnelo8^  jünger  *asnlos  liergeleitet  werden  kann  (vgl.  scabellum 
aus  *sabnelom^  zu  scamnum  aus  *scabnom^  älter  *8capnom)  als  aus 
*a8en[e]lo8  (vgl  femella  aus  *femen\e\lä,  zu  femina  aus  *femenä). 
Aber  entscheidend  gegen  *asnos  spricht,  daß  als  Fortsetzung  von 
diesem,  auch  wenn  es  Lehnwort  war,  nichts  anderes  als  *äno8  er- 
wartet werden  dürfte,  vgl.  dieFornien  wie  cäntis :  osk.  pälign. oasnar, 
aenus  :  unibr.  ahesnes^  wo  der  Lautgruppe  -sn-  von  ältester  Zeit 
her  ein  Vokal  vorausging,  und  die  Formen  wie  cena  alat  cesna 
aus  *certsnä  :  osk.  kerssnaf  s,  lüna  pränest.  lösTia  aus  *loiicsnä  :  av. 
raoxSna'.  Vgl.  Niedermann  IF.  15,  118  f.,  Verf.  Grdr.  2«,  1,  366 
Fußn.  2.  Das  ältere  *asetw8,  auf  das  man  hiernach  zunächst  zu- 
rückkommt, läßt  sich  nun  nach  den  Lautgesetzen  für  noch  ältere 
Zeit  auch  als  *a8onos  oder  *asanos  ansetzen.  Das  für  6voc  soeben 
vorausgesetzte  *dhovoc  aber  kann  nach  den  Untersuchungen  von 


Griechisch  twoc  und  övoc.  201 

J.  Schmidt  über  Fernassirailation  von  Vokalen  im  Griechischen 
KZ.  32,  321  ff.  gleicherweise  die  Vorstufen  *6h€voc,  *ihovoc, 
*6havoc,  *dhovoc  gehabt  haben.  Wandel  von  *dhovoc  zu  *dhovoc 
vergliche  sich  z.  B.  dein  von  *Kaxujva  zu  Koxtiivn;   *Kax-  aus 
uridg.  *ghf^gh'^  vgl.  9\.  jaghäna-s  jdeghä  usw.  (J.  Schmidt  a.  a.  0. 
373  f.).   Wennschon  man  nun  auf  diese  Weise  ohne  Zwang  in 
*dhovoc  und  *a8onos  im  Vokalismus  genau  übereinstimmende  vor- 
historische Vorstufen  für  die  historischen  Formen  gewänne,  so 
kommt  hierauf  doch  nicht  viel  an.    Durch  das  stimmlose  s  von 
asinus  bleiben  nämlich  die  griechische  und  die  lateinische  Form 
doch  jedenfalls  getrennt,  und  wenn  die  beiden  Wörter  auch  letzten 
Endes  aus  derselben  Quelle  stammten,  so  ist  den  Römern  das  ihrige 
doch  nicht  durch  Vermittlung  der  Griechen  zugekommen,  sondern 
durch  Venuittlung  eines  der   nördlich  von  diesen  wohnenden 
Stämme.  Dann  braucht  aber  genaue  Übereinstimmung  im  Vokalis- 
mus zwischen  dem  griechischen  und  dem  lateinischen  Wort  nicht 
erwartet  zu  werden.  Es  kommt  mir  also  nur  auf  die  Feststellung 
an.  daß  asinus  und  das  für  övoc  vorausgesetzte  *dhovoc  in  der 
Vokalisation  nicht  so  auseinanderliegen,  daß  ihre  Zusammenge- 
hörigkeit von  vornherein  als  unwahrscheinlich  erscheinen  müßte. 
Wie  nun  z.B.  *€uhuj  zu  eüuj,  *ihap6c  zu  lapoc,  *ih€7rö^av  zu 
*4€iT6fiöiv  €l7^6^r|v  geworden  ist  (über  diese  Vorausnahme  von  -A- 
hat  eingehender  zuletzt  Sommer  Griech.  T^utst.  Iff.  gehandelt, 
wo  auch  die  ältere  Literatur  über  diese  Lauterscheinung  zu  er- 
sehen ist),  mußte  *dhovoc  zunächst  zu  *öovoc  werden.   Von  hier 
aus  mag  man  dann  auf  zwiefache  Weise  zum  historischen  6voc 
gelangt  sein.   Erstens  und  vornehmlich  so,  daß  man  den  Artikel 
6  aus  *6ovoc  heraushörte  oder  vielmehr  ihn  hineinhörte.  Ähnlich 
gab  TiiTavov,  als  t'  fiTavov  verstanden,  den  Anlaß  zur  Schöpfung 
von  JiTttvov,  bei  Anakreon  fr.  26  B.*  (Solmsen  Unters,  zur  griech. 
Laut-  und  Versl.  46),  im  Neugriechischen  z.  B.  oiKobecTioiva,  als 
f|  Koö^CTTOiva  verstanden,  den  Anlaß  zur  Schöpfung  von  Kobec- 
TToivcL    Aus  anderen  Sprachgebieten,  wo  gleichartige  Subtraktion 
eines  vermeintlichen  'Artikels'  vorkommt,  zum  Teil  häufiger  vor- 
kommt, seien  erwähnt :  Italien,  avello  =  lavello  (labeUum)  aus  VaveUo^ 
Schwab,  eit  =  nest  aus  9  neSt  *ein  Nest',  das  man  als  9n  eSt  auf- 
faßte, engl,  apron  =  napron  aus  a  mijpron^  das  man  als  an  apron 
auffaßte,  cUomy  =  anatomy  aus  an'atomy,  cademy  =  academy  aus 
a^eademy.  Siehe  über  diesen  Vorgang  außer  dem,  was  bei  Solmsen 
a.  a.  0.  und  bei  mir  Grdr.  1*,  882,  Kurze  vergl.  Gramm.  261 


202  L.  Schlachter, 

zitiert  ist,  noch  Jespersen  IF.  Anz.  5,  126,  Bloomfield  Am.  Joum. 
of  Phil.  17,  428  f.  (wo  noch  ein  Aufsatz  von  Scott  über  den 
Gegenstand  angeführt  wird,  der  mir  zur  Zeit  nicht  zugänglich 
ist),  W.  Hörn  PBrB.  22,  217,  V.  Henry  Revue  crit  1898  S.44. 
Dieser  Übergang  von  *6ovoc  zu  6  övoc  geschah  um  so  leichter,  als 
das  Wort  als  Fremdwort  ohne  weitere  Verwandtschaft  im  Griechi- 
schen dastand,  ihm  also  der  Schutz  für  seine  ursprüngliche  Lau- 
tung fehlte,  wie  ihn  so  oft  wurzel-  und  stammverwandte  Formen 
bieten.  Wandel  zu  övoc  war  aber  zweitens  auch  deshalb  möglich 
und  naheliegend,  weil  nach  dem  Übergang  von  *Ao  oÄona8(*der  Esel*) 
zu  *ho  hoonos  (im  Flur,  von  *ho[i\  ohonoi  zu  *ho[i]  hoonai)  diese 
Verbindung  dissimilatorischer  (haplologischer)  Kürzung  ausgesetzt 
war.  Vermutlich  hat  beides  zusammen  gewirkt. 

Nunmehr  käme  es  noch  darauf  an,  die  gemeinsame  Ur- 
heimat von  6voc  und  asinus  ausfindig  zu  machen.  Daß  ein  Zu- 
sammenhang mit  arm.  iSan-  besteht,  ist  sehr  glaubhaft,  und  ver- 
mutlich ist  es  nicht  zufällig,  daß  die  Griechen  wie  die  Armenier 
das  Bastardtier  als  Halbesel  benannten :  fmiovoc  und  iSakes,  kiseS^ 
Ob  aber  arm.  ei^  üan-  idg.  Erbwort  war  und  mit  lat  equos  identisch 
(Pedersen  KZ.  38,  197.  205),  bleibt  recht  fraglich. 

Zum  Schluß  noch  die  Frage:  rührt  das  merkwürdige  und 
vielbesprochene  i  in  'ittitoc,  *iTnroc  (in  Komposita  wie  Äpicx-imroc, 
rXauK-iTTiToc),  !kkoc  (Et  M.  474,  12)  von  einer  Vermischung  mit 
jenem  Wanderwort  her,  das  bei  den  Griechen  in  der  Lautung 
!vvoc  erscheint?  Die  Lautung  ikkoc  ist  kaum  echt  griechisch^ 
und  vielleicht  hat  zunächst  diese  Form,  dann  von  ihr  das  wenig- 
stens im  im  echt  griechische  'ithtoc  das  i  durch  diese  Mischung 
bezogen.   Vgl.  hierzu  Kretschmer  Einleit  247  ff. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


4 


Statistische  Untersncliangen  Aber  den  Oebraaeli  der  Temporav^ 
und  Modi  bei  einzelnen  griechischen  Schriftstellern.      ^ 

Motto:  Statistics  are  a  bugbear  to^*^^>^ 
many.  (Oildenleeve,  probL) 

L  bei  Homer. 

Seitdem  Curtius  in  seinen  *Erläuterungen'  (p.  177)  den 
Ausspruch  getan  hat,  daß  die  Unterscheidung  der  verschiedenen 
Zeitarten  im  Griechischen  in  lexikalischer  Hinsicht  noch  so  gut 


Statist  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    203 

wie  unausgebeutet  sei,  sind  von  verschiedenen  Seiten  Versuche 
und  Anstrengungen  gemacht  worden,  diese  Lücke  auszufüllen. 
Curtius  selbst  ist  mit  gutem  Beispiele  vorangegangen.  Seine 
bezüglichen  Aufstellungen  sind  von  Späteren  reproduziert  und 
erweitert  worden.  Trotzdem  wiederholt  sich  die  Klage  mehrmals 
mit  und  ohne  Beziehung  auf  Curtius.  In  seinen  "Demosthenischen 
Studien"  (Rhein.  Mus.  44)  äußert  sich  Blass,  daß  die  Lehre  vom 
Gebrauch  der  Tempora  im  Griechischen  bis  zur  Stunde  (1889) 
noch  unklar  und  in  ihren  Grundlagen  nicht  erkannt  sei,  und 
doch  hatte  Delbrück  in  den  "Syntakt.  Forschungen"  auf  den 
vorhandenen  Grundlagen  weitergebaut.  Weiteren  "Demosthe- 
nischen  Studien"  von  Blass  (Rhein.  Mus.  1892)  verdanken  wir 
weitere  Klärung  der  Begriffe,  z.  T.  auch  Bestätigung  einzelner 
Aufstellungen  Delbrücks.  —  Karl  Mutzbauer  beginnt  sein  be- 
kanntes, verdienstvolles  Werk  *'über  die  Grundlagen  der  grie- 
chischen Tempuslehre  und  den  homerischen  Tempusgebrauch" 
(Straßb.  1893)  mit  der  eben  erwähnten  Äußerung  von  Blass  und 
läßt  dann  den  auch  durch  Pfuhl  zitierten  Satz  von  Curtius  folgen, 
daß  man  bei  Betrachtung  der  griech.  Tempora  bewußt  oder 
unbewußt  von  der  latein.  Sprache  ausgegangen  sei,  deren  Be- 
dingungen völlig  andere  sind.  Durch  Mutzbauers  eingehende 
Arbeit  sind  unsere  Kenntnisse  bezüglich  des  Tempusgebrauchs 
dauernd  bereichert  worden,  und  dankbar  nehmen  wir  die  reiche 
Belehrung  an,  die  in  seinen  Erörterungen  über  die  deutsche 
Wiedergabe  zahlreicher  Tempusstämme  zu  finden  ist.  Immerhin 
müssen  wir  sagen,  daß  das  Festhalten  an  einer  bestimmten  Tempus- 
stammbedeutung bei  einer  Sprache,  die  einst  auch  in  Entwicklung 
begriffen  war,  uns  öfters  als  zu  starr  erscheint  —  Ihre  Be- 
deutung für  die  Lehre  von  der  verschiedenen  Aktion  der 
Tempora  hat  entschieden  auch  die  Dissertation  von  Eleanor 
Purdie  über  die  "perfektive  Aktionsart  bis  Polybius"  (IF.  9), 
mit  ihrer  Erörterung  einer  Anzahl  homerischer  Verbalstämme, 
und  nicht  minder  die  Besprechung  derselben  von  Hans  Meltzer 
im  12.  Bande  der  gleichen  Zeitschrift,  wo  mit  großer  Schärfe 
die  verschiedenen  Aktionen  der  Tempusstämme  auseinander- 
gehalten werden.  Die  in  G.  Herbig's  Abhandlung  über  "Aktionsart 
und  Zeitstufe"  niedergelegten  Anschauungen  scheinen  mir  in 
einem  gewissen  Gegensatze  zu  denen  von  Mutzbauer  u.  Meltzer 
zu  stehen,  insofern  als  zwischen  morphologischen  und  funktio- 
nellen Tempora  unterschieden  wird,  woraus  hervorgeht,  daß  nicht 


a04  L.  Schlachter, 

in  allen  Fällen  für  bestimmte  Formen  auch  bestimmte  Bedeu- 
tungen gefolgert  und  gefordert  werden  dürfen.  Wenn  übrigens 
auf  okkasionelle  und  usuelle  Diskrepanzen  zwischen  morpho- 
logischem und  physiologischem  Tempus  hingewiesen  wird,  was 
ja  eine  Durchbrechung  der  Aktionen  involviert,  so  stimmt  das 
Vorhandensein  usueller  Diskrepanzen  schon  mit  der  bloßen  Tat- 
sache der  Existenz  punktueller  Präsensstämme  überein.  Okkasio- 
nelle Diskrepanzen  sind  zwar  von  einzelnen  Forschem  oft  ge- 
funden worden,  werden  aber  fast  ebensooft  von  andern  in  Abrede 
gestellt  Trotzdem  H.  Meltzer  sich  mit  besonderem  Greschick  zu 
den  letztem  gesellt,  so  mildert  er  doch  in  seiner  neueren  Ab- 
handlung (IF.  17)  die  IF.  12  vertretene  Anschauung  in  etwas, 
ohne  indessen  ein  wirkliches  Durchbrechen  der  Aktionen  zuzu- 
geben, wozu  andere,  namentlich  französische  Forscher,  hinneigen. 
Wenn  in  diesem  Zusammenhange  der  von  Brugmann,  Streitberg 
und  Delbrück  ausgebauten  heutigen  Form  der  Aktionenlehre 
weiter  nicht  gedacht  wird,  so  geschieht  es  nur  deshalb,  weU 
sie  heute  den  selbstverständlichen  Ausgangspunkt  für  alle  da- 
hingehörigen Untersuchungen  bildet.  Das  bezeugt  in  schönster 
Form  auch  HL  Meltzer  trotz  allen  Einwendungen,  die  er  gegen 
einzelne  Delbrücksche  Lehren  erhebt.  Bei  der  Würdigung  dieser 
scharfsinnigen  Einwendungen  dürfte  sich  aber  die  Frage  auf- 
drängen, ob  nicht  am  Ende  die  Diskussion  der  einschlägigen  Dinge 
bei  einem  Punkte  angelangt  sei,  wo  das  subjektive  Moment 
allein  ausschlaggebend  ist,  und  wo  deshalb  keine  Übereinstimmung 
mehr  hergestellt  werden  kann.  Wenn  aber  eine  Frage  auf  einem 
solchen  Punkte  angelangt  ist,  so  dürfte  es  sieh  empfehlen,  etwas 
Objektivem  sich  zuzuwenden  in  der  Hoffnung,  daß  der  objektive 
Tatbestand  eine  Klärung  schaffen  könne,  eine  Hoffnung,  bei  der 
allerdings  nicht  vergessen  wird,  daß  bei  der  Deutung  objektiver 
Tatsachen  der  Subjektivismus  abermals  nicht  völlig  ausgeschaltet 
werden  kann. 

Zu  diesem  rein  gegenständlichen  Material  geholfen  die  Unter- 
suchungen über  den  Gebrauch  der  erzählenden  Tempora  bei 
einzelnen  Schriftstellern,  von  denen  wir  jetzt  eine  ziemliche 
Reihe  haben,  hauptsächlich  hervorgerufen,  wie  es  scheint,  durch 
Fr.  Hultsch's  gewaltige  Arbeit  über  Polybius.  Solche  Unter- 
suchungen sollen  es  uns  ermöglichen,  über  jenen  Gebrauch 
etwas  mehr  als  bloße  Eindrücke  zu  haben,  womit  man  sich 
bisher  meistens  begnügte.    Indessen  dürfte,  wie  mir  scheint, 


Statist.  Untersachungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    206 

Classen's  Bemerkung  in  seinen  "Beobachtungen  über  den  homer. 
Sprachgebrauch'*  etwas  mehr  Berücksichtigung  auch  in  der  vor- 
liegenden Frage  verdienen,  daß  nämlich  bestimmte  Zahlenan- 
gaben  höheren  Wert  haben  als  bloß  allgemeine.   Nun  fehlt  es 
aber   noch    fast  vollständig  an  einer  wirklichen  Statistik  der 
Verbalformen  von  ganzen  Literaturprodukten.  Ansätze  dazu  sind 
zwar  vorhanden,  einmal  von   Koch  (Jahrbuch  146)   über  die 
Verbalformen  der  vier  ersten  Bücher  von  Xen.  Anab.,   dann 
von  Miller  ein  Anfang  zu  einer  vergleichenden  Statistik  des 
Imperf.  u.  Aor.  (Am.  Joum.  16).  Dabei  wird  es  von  Koch  zum 
ersten  Male  wieder  ausgesprochen,  also  förmlich  neu  entdeckt, 
daß  im  Oriech.  kein  Unterschied  im  Tempusgebmuch  zwischen 
Haupt-  u.  Nebenhandlung  zu  finden  sei.  Diese  Erkenntnis  zu- 
sammen mit  der  andern,   daß  die  griechischen  Tempora  nicht 
zur  relativen  Zeitbestimmung  verwendet  werden,  ermöglicht  es 
nun  gewissermaßen,  durch  bloße  Zälüung  der  Imperfekte  und 
Aoriste  eine  besondere  Art  des  subjektiven  Empfindens  eines 
Schriftstellers  während  seiner  Darstellung  eines  Ereignisses  kennen 
zu  lernen.    Doch  soll  davon  später  die   Rede   sein.    Für  jetzt 
genügt  es,  in  Erinnerung  zu  rufen,   was   aus  der  Kochschen 
und   aus   der  Millerschen   Statistik   hervorgeht:    Wir  erfahren 
daraus,  daß  das  Imperfekt  einen  weit  ausgedehnteren  Gebrauch 
bat,  als  die  Mehrzahl  der  Oräzisten  früher  annahm  und  z.  T. 
heute  noch  annimmt    So  scheint  es,  daß  Schenkl  von  dieser 
Statistik  keine  Kenntnis  hatte,  als  er  (in  Bursian's  Jahresbericht 
Bd.  38)  sich  dahin  äußerte:    *'In  der  Keine  ist  das  Imperfekt 
allgemeines  Präteritum  geworden  und  hat  teilweise  den  Aorist 
verdrängt"  Ähnliche  Äußerungen  finden  sich  noch  bei  einigen 
andern  Beurteilern  der  späteren  Gräzität  Dagegen  findet  Wecklein 
(Burs.  Jahresber.  1878)  im  Gebrauch  der  Tempora  von  den  ältesten 
Stufen  bis  in  die  jüngste  Periode  des  Sprachlebens  eine  über- 
raschende Gleichmäßigkeit.  Auch  Godwin  ist  derselben  Ansicht, 
was  das  Sprachgefühl  der  Griechen  verschiedener  Zeiten  an- 
belangt, doch  denkt  er  sich,  daß  die  Griechen  nicht  immer  für 
nötig  erachteten,  ihrer  feinen  Unterscheidungsgabe  zu  folgen. 
Hatzidakis  versichert  uns,  daß  in  der  Keine  keine  Verwirrung 
zwischen  Imperf.  u.  Aorist  eingetreten  sei,  und  noch  das  Neu- 
griechische halte  die  beiden  Aktionen  scharf  auseinander.  (Vergl. 
darüber  auch  Thumb  im  Handbuch  der  neugriech.  Volkssprache.) 
Dagegen  nimmt  Dieterich  (Byz.  Anz.  I)  eine  vorübergehende^ 


20ß  L.  Schlachter, 

örtlich  beschränkte  Abschwächung  des  ünterscheidungsvermögens 
in  der  nachklassischen  Zeit  an.  Ebenso  urteilt  Thumb  (die  griech. 
Spr.  im  Zeitalter  des  Hellenismus).  Entdeckt  man  nun  aber,  daß 
die  beiden  Timotheusbriefe  gar  kein  Imperfekt  aufweisen,  sondern 
lauter  Aoriste,  daß  femer  in  der  Mehrzahl  der  Paulinischen 
Briefe  die  Iraperfekte  auch  sehr  schwach  vertreten  sind,  daß 
dasselbe  z.  B.  auch  vom  Buche  Henoch  gilt,  so  fragt  man  ^ich 
unwillkürlich,  ob  nicht  diesen  Erscheinungen  vielleicht  doch  noch 
zu  wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden  sei.  Jedenfalls  könnte, 
wer  etwa  in  Xenoph.  Anab.  seine  Aufmerksamkeit  den  Imper- 
fekten und  Aoristen  zuwendet  und  gleich  nachher  die  erzählenden 
Tempora  im  Buche  Henoch  verfolgt,  leicht  eine  Veränderung 
des  Sprachgefühls  in  diesem  Punkte  für  möglich  halten.  Wenn 
uns  H.  Meltzer  im  Anschluß  an  Norden  und  Stiebeling  sagt, 
daß  bei  Homer  "der  konstatierende  Aorist  von  selbst  zurück- 
treten mußte,  weil  Homer  als  Epiker  das  malende  Imperfekt 
vorzog,  wo  später  prosaische  Logik  den  nüchternen  Aorist  be- 
vorzugte", so  ist  dieser  treffliche  Kritiker  der  oben  erwähnten 
Abhandlung  von  E.  Purdie  doch  wohl  der  Meinung,  daß  eine 
Statistik  der  homerischen  erzählenden  Tempora  ein  Vorwiegen 
der  Aoriste  ergeben  müßte.  Dieses  Ergebnis  würde  aber  die 
psychologische  Deutung  zulassen,  daß  der  Dichter  das  meiste, 
das  er  erzählt,  in  seiner  Entwicklung  vor  sich  gehend  schaut. 
Ist  diese  Deutung  zutreffend,  so  wird  es  nun  auch  gestattet 
sein,  das  Vorherrschen  der  Aoriste  im  Henochbuche  z.  B.  so 
zu  erklären,  daß  der  Verfasser  die  dort  erwähnten  Erlebnisse 
nicht  als  sich  entwickelnde,  sondern  als  abgeschlossene  Hand- 
lungen hinstellt,  obgleich  er  sich  als  Seher  einführt  Wenn  wir 
nun  so  bei  einem  Schriftsteller  ein  Vorherrschen  der  Aoriste, 
bei  einem  andern  einen  Überschuß  an  Imperfekten  finden,  so 
würde  sich  damit  vielleicht  nicht  eine  Verschiedenheit  des  Sprach- 
gefühls, sondern  möglicherweise  nur  ein  Unterschied  in  den 
psychologischen  Beziehungen  der  Erzähler  zu  ihrem  Stoffe  ver- 
raten. Das  ist  aber  nicht  dasselbe.  Wer  in  Imperfekten  darstellt, 
der  steht  seinem  Stoffe  anders  gegenüber  als  wer  sich  der  Aoriste 
bedient  Es  kommt  mir  aber  vor,  es  sei  nicht  ganz  zutreffend, 
wenn  Mutzbauer  sagt,  daß  die  Rücksicht  auf  Anschaulichkeit 
und  Deutlichkeit  eine  immer  ausgedehntere  Verwendung  des 
Aorists  herbeigeführt  habe.  Ist  es  denn  nicht  gerade  das  Im- 
perfekt, das  im  Dienste  der  Anschaulichkeit  steht? 


Statist.  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    2Q7 

Wenn  somit  die  Bevorzugung  des  einen  oder  andern  Tempus 
psychologische  Gründe  hat,  dann  ist,  wie  oben  schon  angedeutet, 
eine  Statistik  der  Imperfekte  und  Aoriste  bei  verschiedenen 
Werken  desselben  Autors  ein  Instrument,  mittelst  dessen  wir 
die  psychologische  Stellung  eines  Autors  zu  seinem  Gegenstände 
zahlenmäßig  bestimmen  können.  —  Wenn  nun  aber  konstatiert 
werden  kann,  daß  der  Aorist  im  Laufe  der  Jahrhunderte  immer 
weitergehende  Verwendung  fand,  sollte  das  nur  der  Ausdruck 
für  die  Tatsache  sein,  daß  das  erzählende  und  darstellende  Subjekt 
mehr  und  mehr  in  eine  andere  Stellung  zu  seinem  Gegenstande 
trat,  und  würde  da  nicht  vielleicht  die  Deutung  die  richtigere 
sein,  daß  der  Aorist  in  das  ureigene  Gebiet  des  Imperfekts  ein- 
gedrungen ist?  Es  wäre  auch  denkbar,  daß  beides  zusammen- 
gewirkt habe,  daß  Übergriffe  des  Aorists  in  das  Gebiet  des 
Imperfekts  geschehen  sind,  und  daß  eine  andre  Stellung  des 
Erzählers  zu  seinem  Stoffe  nebenherging.  Eines  war  möglicher- 
weise die  Folge  des  andern,  und  es  wird  richtig  sein,  wenn 
man  die  psychologische  Stellung  des  Erzählers  zu  seinem  Stoffe 
als  den  primären  Grund  für  Veränderungen  des  numerischen 
Verhältnisses  zwischen  den  beiden  erzählenden  Tempora  ansieht 
Aus  der  häufigen  Verwendung  der  Aoriste  in  summarischen  Be- 
richten z.  B.,  wie  sie  schon  lange  üblich  war,  konnte  fürs  Erste 
eine  Gewöhnung  an  dieses  Tempus  erfolgt  sein  und  von  hier 
aus  das  Eindringen  des  Aorists  in  das  Gebiet  des  Imperfekts 
seinen  Anfang  genommen  haben. 

Wenn  nun  die  Frequenz  der  erzählenden  Formen  untersucht 
wird,  so  empfiehlt  es  sich,  um  eine  bessere  Deutung  der  Zählungs- 
resultate zu  ermöglichen,  nicht  in  der  Millerschen  Weise  bloß 
die  Indikative  zu  berücksichtigen,  sondern  in  der  Kochschen 
Manier  alle  Tempora  und  Modi.  Wenn  es  sich  nämlich  nach- 
weisen läßt,  daß  einzelne  Erzähler,  die  den  Indik.  Aor.  vor  dem 
Imperfekt  bevorzugen,  dann  auch  in  weiterer  Ausdehnung  als 
andere  die  Nebenmodi  des  Aorist  verwenden,  dann  ist  der  Beweis 
erbracht,  daß  bewußt  oder  unbewußt  der  gleiche  psychologische 
Vorgang  anstatt  zum  Präsens  zur  Wahl  eines  Konjunktivs,  Optativs, 
Imperativs,  Infinitivs,  Partizips  Aoristi  treibt,  der  unter  anderen 
Umständen  die  Bevorzugung  eines  Indikativ  Aoristi  vor  einem 
Imperfekt  zur  Folge  hatte.  Entspricht  aber  die  Verwendung  der 
Nebenmodi  des  Aorists  relativ  derjenigen  der  Indikative  Aoristi 
nicht,  so  dürfte  daraus  folgen,  daß  die  Stellung  der  Griechen 


208  L.  Schlachter, 

dem  Indikativ  gegenüber  bisweilen  verschieden  gewesen  sei 
von  der,  die  sie  zu  den  andern  Modi  einnahmen.  Ich  sage 
•bisweilen*;  denn  das  bleibt  doch  wohl  bestehen,  daß  in  ab- 
hängiger Rede  der  Aorist  beibehalten  bleibt,  wo  irgend  ein 
Modus  Stellvertreter  für  den  historischen  Indik.  Aoristi  der  un- 
abhängigen Bede  wird. 

Es  ist  nun  wohl  möglich,  daß  eine  so  mechanische  Auf- 
fassung von  den  psychologischen  Vorgängen,  die  den  Griechen 
beim  Reden  und  Schreiben  zur  Wahl  eines  Aoristes  oder  eines 
Präsens  führen  sollten,  Mißbilligung  finden  dürfte.  Wer  na- 
mentlich die  oben  erwähnten  "Demosthenischen  Studien"  von 
Blass  in  Erinnerung  hat,  wo  die  besondere  Berechtigung  bald 
dieser,  bald  jener  bestimmten  Ausdrucksweise  nachgewiesen  wird, 
oder  wer  Meltzer  IF.  17,  222  beherzigt^  der  dürfte  leicht  zur  An- 
sicht gelangen  oder  seine  vorherige  Ansicht  bestätigt  finden,  daß 
jeder  bessere  Schriftsteller,  gerade  wie  Demosthenes,  bewußt  bald 
zu  der,  bald  zu  jener  Form  greift  Er  wird  daraus  den  Schluß 
ziehen,  daß  keine  Gesetzmäßigkeit  herrschen  könne,  wo  bewußte 
freie  Wahl  vorliege.  —  Wenn  wir  uns  aber  vergegenwärtigen, 
wie  auch  bei  freier  Wahl  unter  den  zur  Verfügung  stehenden 
Formen  doch  wieder  der  Sprachgebrauch  seine  Gesetze  gibt, 
und  wie  andrerseits  auch  unser  subjektivstes  Fühlen  seine  eigene 
Gesetzmäßigkeit  hat,  also  bei  gleichen  Situationen  gleichmäßig 
reagiert,  so  können  wir  die  Möglichkeit  eines  allgemeinen  und 
eines  persönlichen  Determinismus  der  Ausdrucksweise  doch  nicht 
in  Abrede  stellen.  Diesem  doppelten  Detertninismus  nachzugehen, 
dazu  kann  eine  Formenstatistik  uns  helfen;  sie  kann  uns  sagen, 
ob  ein  solcher  vorhanden  sei  und  in  welchem  Grade.  In  den 
lateinischen  Sprachdenkmälern  würde  ein  persönlicher  Deter- 
minismus in  der  Anwendung  der  Verbalformen  weit  weniger 
zu  erwarten  sein,  weil  der  allgemeine  allzu  despotisch  wirksam 
ist  Die  griechische  Sprache  ist  schon  lange  als  die  indivi- 
duellere bekannt;  seitdem  wir  aber  in  ihr  die  Wirksamkeit  des 
Aktionsbegriffes  kennen  gelernt  haben,  sind  wir  berechtigt, 
noch  mehr  Subjektivität  in  den  griechischen  Sprachdenkmälern 
zu  erwarten  als  früher.  Mehr  Gesetzlosigkeit  bei  den  einzelnen 
griechischen  Schriftstellern  zu  finden,  dürfen  wir  aber  deswegen 
nicht  erwarten,  sondern  nur  verschiedene  Mischung  der  allge- 
meinen und  der  persönlichen  Gesetzmäßigkeit  Diese  Mischungs- 
verschiedenheit wird  vielleicht  auch  gestatten,  im  Verein  mit 


Statist.  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    209 

andern  Kriterien  charakteristische  Merkmale  für  einzelne  Autoren 
festzustellen. 

Es  ist  hier  der  Ort,  der  bisher  geübten  Methode  der  Sprach- 
statistik zu  gedenken,  die  von  Campbell,  Dittenberger,  Schanz, 
Ritter  u.  a.  angewandt  und  empfohlen  wurde  und  die  außer  bei 
den  Platoforschem  namentlich  bei  den  Kennern  des  neutestament- 
liehen  Sprachidioms  Verwendung  findet.  Manches,  was  von  Ritter 
zur  Rechtfertigung  dieser  Methode  vorgebracht  wurde,  gilt  auch 
für  die  hier  angewandte  Statistik.  In  der  Hauptsache  aber  hat 
sie  sich  selbst  zu  rechtfertigen.  Es  sollen  nicht  kleine  sprachliche 
Differenzen  zwischen  den  verschiedenen  Werken  eines  Schrift- 
stellers gesucht  werden,  sondern  größere  Strukturunterschiede 
zahlenmäßig  festgestellt  werden,  die  sich  im  Laufe  der  sprach* 
liehen  Entwicklung  eingestellt  haben.  So  wird  auch  nicht  etwa 
der  Versuch  gemacht,  ältere  von  jüngeren  Stücken  in  den  home- 
rischen Epen  zu  unterscheiden.  Wie  jeder  bisherige  Versuch, 
auf  Grund  bestimmter  sprachlicher  Kriterien  eine  Altersscheidung 
vorzunehmen,  sich  von  einer  petitio  principii  nicht  freihalten 
konnte,  so  würde  es  auch  bei  Anwendung  der  hier  gebrauchten 
Methode  gehen.  Wir  sind  meines  Erachtens  noch  lange  nicht 
weit  genug,  um  im  Homer  mit  sprachlichen  Kriterien  Quellen- 
scheidungen sicher  vornehmen  zu  können. 

Die  Statistik  der  homerischen  Verbalformen,  die  auf  den 
folgenden  Seiten  zu  finden  ist,  ist  an  Hand  der  Teubnerschen 
Ausgabe  Dindprf-Heuze  angelegt;  für  die  Ilias  wurde  die  Aus- 
gabe von  1903  verwendet,  für  die  Odyssee  die  von  1901.  Für 
die  sechs  ersten  Gesänge  der  Odyssee  kam  die  Kägische  Ausgabe 
zur  Verwendung.  Die  Zählung  ist  einmal  vorgenommen  worden 
und  erhebt  keinen  Anspruch  auf  Unfehlbarkeit.  Durch  die  Um- 
rechnung in  Prozente  verlieren  mögliche  Zählfehler  an  Wichtig- 
keit Kleinere  Ungenauigkoiten  in  der  prozentischen  Berechnung 
sind  ebenfalls  ohne  Belang,  da  in  der  Diskussion  der  gewonnenen 
Prozentzahlen  die  absolute  Höhe  derselben  keine  Rolle  spielt, 
sondern  nur  ihre  relative,  also  kleine  Zahlenunterschiede  keine 
Berücksichtigung  finden.  Es  erübrigt,  noch  ein  Wort  zu  sagen 
über  die  Deutung  gewisser  Verbalf oi-men ,  die  zweierlei  sein 
können,  wie  Konjunktive  Aoristi  sigmatischer  Natur  mit  kurzem 
Themavokal,  die  mit  Indikativen  Futuri  gleichlautend  sind.  Bei 
der  Deutung  derselben  bin  ich  in  den  sechs  ei-sten  Büchern 
der  Odyssee  durchweg  Kägi  gefolgt  und  habe  w ^it^iVim  m  öät 


210 


L.  Schlachter, 


Tabelle  la. 

Statistik  sämtlicher  Verbalformen  der  Ilias  nach  Tempora  und 

Modi  geordnet 


Aor. 
A. 


Aor. 
P. 


A.  absolute  Zahlen. 
Perf. 

XL. 

Impf.   PräB.   Fntor  Fator    Plpf. 
A: 


Indik. 

Partiz. 

Infm. 

Konj. 

Optat. 


5075   259   3686   1990 


1590  192 

724  53 

710  15 

418  12 


Imperat.    325       7 


2852 
901 

340 
254 
484 


A.H. 

759 

65 

214 


P. 
2 


464 

374 

31 

32 

9 

23 


Perf. 

IL 

Plpf. 

P. 

385 

251 

41 

2 

3 

13 


Vertre- 
Som-     tuDg 
men       der 
Fat     der       Modi 
ex.     Modi    in  %>) 

32  12652  67^ 

—  4824  21,7 

—  1964    8,9 

—  1099    6 

—  696    84 

—  852     8,9 


Summen 

der    18842 
Tempora 

538   3686   aS21    1038 

2       ! 

933     695     32 

22087-100»/o 
Oesamt- 

samme. 

B.  In  Prozente  der  Gesami 

tsumme  uni 

[gerechnet. 

AoriBt 
A.a.M. 

Aorist    Impt     Präs.      Fat 
P.                                  A.  M. 

Fat 
P. 

Perf. 

a.Plpf. 

A. 

Perf. 

a.Plpf. 

P. 

Fat  ex. 

% 

Vo          %          %          % 

% 

°/o 

% 

% 

Indik.    23 

1,2       16,6      9         3,5 

0 

2,1 

1,8 

0,1 

Partiz.     7,2 

0,9                 10,6      0,3 

1,7 

1,1 

Infin.       3,3 

0,2                   4,1       1 

0,1 

0,2 

Konj.       3,2 

0,07                 1,5 

0,1 

0,01 

Optat.      1,9 

0,05                 1,2 

0,04 

0,01 

Imperat.  1,5 

0,04                 2,2 

0,1 

0,06 

40 


2,4      16,6     28,6      4,7 


4,2      3,1         O.l^lOO'/o«) 


Bei  allen  Berechnungen  ist  als  Gesamtsumme  aller  Verbal- 
formen 22100  angenommen  worden. 


1)  Die  fettgedruckten  Zahlen  der  letzten  Kolumne  bilden  die  "modale 
Strukturformel"  der  Ilias ;  siehe  den  Text,  S.  214. 

2)  Temporale  Strukturformel  der  Dias;  siehe  den  Text,  S.  213  unten. 


Statist  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    211 

Tabelle  Ib. 

Statistik  sämtlicher  Verbalformen  der  Odyssee  nach  Tempora 
und  Modi  geordnet 


A.   Absolute  Zahlen. 


Perf.    Perf. 


Aor. 
A.]f. 


Aor.   Impf.   Präs.   Fat    Fat    Plpf.    Plpf. 
P.  A.1I.      P.        A.        P. 


Indik.   8790   154  3051  1943  570     — 


Partiz.  1270 
Infin.  664 
Konj.  546 
Optat.  460 
Impt.      310 


84 
39 
10 
13 
6 


1972  70 

727  127 

293  — 

276  — 

848  — 


391  311 
199  245 


13 

27 

4 

21 


26 
4 
5 
8 


Sam- 
men 
Fat         der 
ex.        Modi 

17  =  10227  = 

—  =   3840  = 

—  =    1596  = 

—  =      880  = 

—  =        758: 

—  =      688  = 


Vertre- 
tanfl: 
der 
Modi 

in  o/o«) 

=  66,8 
=  21,8 
»  8,8 
=  4,8 
=  4,8 
»    8,8 


Summen 
der 

m 

30ß  :^51  5554  767 

655 

599 

17  =  17989=:  100% 

Tempora 

Gesamt- 
Somme. 

B 

.   In 

Prozente  d 

er  Gesamt 

tsumme  um 

igerechnet 

Aorist 
A.1L 

Aorist 
P. 

Impf. 

Präs. 

Fat 
A.M. 

Fat 
P. 

Perf. 

a.Plpf. 

A. 

Perf. 

a.Plpf. 

P. 

Fat  ex. 

Vo 

% 

% 

% 

% 

7« 

Vo 

% 

% 

Indik. 

81 

0,9 

17 

10,8 

3,2 

— 

2,2 

1,7 

0,1 

Partiz. 

7 

0,5 

11 

0,4 

— 

1,1 

1,* 

— 

InRn. 

3,7 

0,2 

4 

0,7 

— 

0.07 

0,14 

— 

Konj. 

8 

0,06 

1,6 

— 

— 

0,15 

0,02 

— 

Optat 

2,6 

0,07 

1,-4 

— 

— 

0,02 

0,03 

— 

Impt. 

1,7 

0,03 

2,9 

— 

— 

0,1 

0,04 

— 

]^]    39         1,6       17      31         4,2       —       3,6       3,3       0,1=100%«) 

Bei  allen  Berechnungen  ist  als  Gesamtsumme  aller  Verbal- 
formen 18000  angenommen  worden. 

Anm.  Auf  dieser  und  den  beiden  folgenden  Tabellen  sind  die  Modus- 
zahlen, in  denen  die  aoristische  resp.  die  präsentische  Form  bevorzugt 
wird,  in  halbfettem  Druck  wiedergegeben-,  vgl.  darüber  den  Text  S.  223. 


1)  Die  fettgedruckten  Zahlen  der  letzten  Kolumne  bilden  die  '*modale 
Strukturformel"  der  Odyssee. 

2)  Temporale  Strukturformel  der  Odyssee. 


210 


L.  Schlachter, 


Tabelle  la. 

Statistik  sämtlicher  Yerbalformen  der  Ilias  nach  Tempora  und 

Modi  geordnet 


A.  absolute  Zahlen. 

Vertre- 
Perf.    Perf.  Som-     tnng 

Aor.  a.         IL  men       der 

A.      Aor.    Impf.   Präs.  Fntar  Fator    Plpf.    Plpf.    Fat     der       Modi 

P.         A:        P.       ex.     Modi    in  V) 


Indik.      5075  259 

3686 

1990 

769 

2 

464     385     32 

12652  «7,6 

ParÜz.     1590   192 

2852 

65 

— 

374     251     — 

4824  21,7 

Infin.         724     63 

901 

214 

— 

31 

41     — 

1964    8,9 

Konj.         710     15 

340 

— 

— 

32 

2     — 

1099    B 

Optat.       418     12 

254 

— 

— 

9 

3     — 

696    84 

Imperat.    326       7 

484 

— 

— 

23 

13     - 

852     8,9 

Summend 

der    18842   538 
TemporaJ 

3686 

6321 

1038 

2 

933     696     32 

22087-100'/o 
Gesamt- 

summe. 

B.  In  Prozente 

der  G 

esam 

tsumme  umgerechnet 

Aorist    Aorist 
A.U.M.       P. 

Impf. 

Präs. 

Fut. 
A.  M. 

Fut 
P. 

Perf. 

u.Plpf. 

A. 

Perf. 

ILPlpf. 

P. 

Fat  ex. 

%          % 

•/o 

% 

% 

% 

o/o 

% 

% 

Indik.    23         1,2 

16,6 

9 

3,5 

0 

2,1 

1,8 

0,1 

Partiz.     7,2      0,9 

10,6 

0,3 

1,7 

1,1 

Infin.       3,3      0,2 

4,1 

1 

0,1 

0,2 

Konj.       3,2      0,07 

1,5 

0,1 

0,01 

Optat.      1,9      0,05 

1,2 

0,04 

0,01 

Imperat.  1,5      0,04 

2,2 

0,1 

0,06 

40 


2,4       16,6     28,6      4,7 


4,2      3,1         0,l=100»/o«) 


Bei  allen  Berechnungen  ist  als  Gesamtsumme  aller  Verbal- 
formen 22100  angenommen  worden. 


1)  Die  fettgedruckten  Zahlen  der  letzten  Kolumne  bilden  die  "modale 
Strukturformel"  der  liias ;  siehe  den  Text,  S.  214. 

2)  Temporale  Strukturformel  der  Ilias;  siehe  den  Text,  S.  213  unten. 


Statist  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.   211 

Tabelle  Ib. 

Statistik  sämtlicher  Verbalformen  der  Odyssee  nach  Tempora 
und  Modi  geordnet 


A.   Absolute  Zahlen. 


Aor. 
A.1L 


Aor. 
P. 


Impf.   Präs.    Fat 
A.]i. 


Fat 
P. 


Perf.   Perf. 

a.        a. 
Plpf.    Plpf. 


Indik.   8790   154  3051  194.S  Ö70     — 


Partiz.  1270 

Infin.  664 

Konj.  546 

Optat.  460 

Impt.  310 


84 
39 
10 
13 
6 


1972  70 

727  127 

293  — 

276  — 

348  — 


A. 
391 
199 

13 

27 
4 

21 


P. 

311 

245 

26 

4 

5 

8 


Sam- 


Fat 
ex. 


Vertre- 
tang 
men  der 

der  Modi 

Modi         in  %>) 


17=10227  =  56,8 
_  =   3840=  21,8 

—  =    1596=    8,8 
_=      880=    4,8 

—  =      758  =    4,2 

—  =      688=    8,8 


Summen 

der 
Tempori 


"} 


m  306   :^51  5554  767     —     655    599 


17  =  17989=100% 
Geaamt- 
Samme. 


B.   In  Prozente  der  Gesamtsumme  umgerechnet 

Perf.      Perf. 
Fat    a.Plpf.  a.Plpf. 
P.  A.  P.      Fat  ex. 


Aorist 

Aorist 

Impf. 

Präs. 

Fat 

A.1L 

P. 

A.M. 

% 

% 

7o 

Vo 

% 

Indik. 

81 

0,9 

17 

10,8 

3,2 

Partiz. 

7 

0,5 

11 

0,4 

Infin. 

3,7 

0,2 

4 

0,7 

Konj. 

8 

0,06 

1,6 

— 

Optat. 

2,6 

0,07 

1,* 

— 

Impt. 

1,7 

0,03 

2,9 

— 

7o 


2,2 

1,1 

0.07 

0,15 


% 
1,7 
1,* 
0,14 
0,02 


% 
0,1 


0,02     0,03 
0,1       0,04 


]^]   39         1,6       17      31         4,2       —       3,6       3,3       0,l  =  1007o«) 

Bei  allen  Berechnungen  ist  als  Gesamtsumme  aller  Verbal- 
formen 18000  angenommen  worden. 

Anm.  Auf  dieser  und  den  beiden  folgenden  Tabellen  sind  die  Modus- 
zahlen, in  denen  die  aoristische  resp.  die  präsentische  Form  bevorzugt 
wird,  in  halbfettem  Druck  wiedergegeben;  vgl.  darüber  den  Text  S.  223. 


1)  Die  fettgedruckten  Zahlen  der  letzten  Kolumne  bilden  die  "modale 
Strukturformel'*  der  Odyssee. 

2)  Temporale  Strukturformel  der  Odyssee. 


212  L.  Schlachter, 

Odyssee  und  Ilias  den  in  seiner  oben  erwähnten  Ausgabe  nieder- 
gelegten Grundsätzen  mich  angeschlossen.  Bei  Verba  liquida, 
deren  Imperfekte  und  Aoriste  in  der  3.  Sing,  gleichlautend  sind, 
blieb  nichts  anderes  übrig,  als  jeden  Fall  genau  zu  überlegen. 
Es  sind  dadurch  ungefähr  gleich  viele  Formen  als  Imperfekte  wie 
als  Aoriste  gerechnet  worden.  Die  Konjunktive  Aoristi  und  Prä- 
sentis  einiger  Verba  liquida  sind  ebenfalls  gleichlautend.  Auch 
hier  wurde  jeweilen  genau  erwogen,  doch  habe  ich  mich  an- 
fangs häufiger  für  Konj.  Präs.  entschieden.  Erst  die  späteren 
Erfahrungen  haben  mich  belehrt,  daß  vielleicht  häufiger  eine 
solche  Form  hätte  als  Aorist  sollen  angesprochen  werden.  Sonst 
wurde  jede  Form  nach  ihrem  Äußeren  bestimmt,  nicht  nach 
ihrer  Funktion,  also  z.  B.  eipi  und  seine  Personen  stets  als  Präsens, 
ebenso  fJKw.  In  anderen  zweifelhaften  Fällen  wurde  den  Be- 
stimmungen von  Frohwein  "Verbum  homericum",  Teubner  1881, 
gefolgt 

In  der  Ilias  wurde  der  eigentliche  Schiffskatalog  wegge- 
lassen, in  beiden  Epen  aber  sämtliche  ^interpolierte*  Verse 
mitgerechnet.  Das  formelhafte  dyc,  ireirvuiiievoc  wurde  selbst- 
verständlich nicht  mitgezählt,  wohl  aber  alle  anderen  Formen, 
auch  wenn  sie  formelhaft  gebraucht  sind. 

Damit  die  in  Tabelle  la  und  Ib  dargestellten  Verhältnisse 
erstens  bei  den  beiden  Epen  unter  sich,  dann  aber  namentlich 
auch  bei  anderen  Literaturerzeugnissen  vergleichbar  werden,  dazu 
können  die  prozentischen  Umrechnungen  unter  B  dienen.  Da 
aber  die  Umrechnung  in  Prozente  der  Gesamtsumme  oft  nicht 
sprechend  genug  ist,  so  ist  ihr  eine  nach  einem  anderen  Gesichts- 
punkte angelegte  beigegeben  (Tabelle  Ic).  Es  können  nämlich 
die  absoluten  Zahlen  der  Tabellen  la  und  b  so  in  relative 
Zahlen  umgerechnet  werden,  daß  die  Summe  jeder  Moduslinie 
=  100  genommen  und  so  festgestellt  wird,  mit  wie  viel  Pro- 
zenten der  Indikativ,  Konjunktiv,  Optativ  etc.  eines  jeden 
Tempus  an  der  Zahl  100  beteiligt  ist.  Auf  diese  Weise  erhalten 
wir  größere  Zahlen  als  die  Tabellen  IB  sie  bieten.  —  Wir 
finden  so  beispielsweise,  daß  in  der  Ilias  an  der  Summe  aller 
Imperative  der  Aorist  A.  und  M.  mit  38®/o,  das  Präsens  mit 
57  "/o,  das  Perf.  Act.  mit  2,7  »»lo,  das  Perf.  P.  mit  1,5  «/o  be- 
teiligt ist 


Statist  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    218 

Tabelle  Ic. 
Tab.  I  a  u.  b  in  prozentischer  Umrechnung.  (Jeder  Modus  =  lOO<>/o.) 

Ilias. 


Aor. 
A.1L 

Aor. 
P. 

Impf. 

Prfte. 

Fnt 
A.  M 

Perf. 

Plpf. 

A. 

Perf. 

Plpf. 

P. 

Fut 
ex. 

Som- 
men 

hid. 

40 

2 

29 

15,7 

6 

3.7 

3 

0,26 

=: 

100 

Part 

33 

4 

— 

49 

1,8 

7,7 

6,2 

— 

= 

100 

Int 

37 

2,1 

— 

46 

11 

1,6 

2,1 

— 

= 

100 

Konj. 

64 

1,3 

— 

31 

— 

3 

0.2 

— 

= 

100 

Opt. 

60 

1,7 

— 

86 

— 

1,3 

0,4 

— 

= 

100 

Impt 

38 

0,8 

57 

Odyi 

ssee. 

2,7 

1,6 

100 

Aor. 
A.  M. 

Aor. 
P. 

Impf. 

Prita. 

Fut 
A.1L 

Perf. 

Plpf. 

A. 

Perf. 

Plpf. 

P. 

Fut 
ex. 

Sum- 
men 

hid. 

37 

1,5 

30 

19 

6,5 

3,8 

3 

0,17 

=s 

100 

Part. 

33 

2,2 

— 

51 

1,3 

5,2 

6,3 

— 

r= 

100 

hd. 

41,5 

2,4 

— 

45,5 

8 

0,8 

1,6 

— 

= 

100 

Koi^. 

68 

1,1 

— 

33 

— 

3 

0,3 

— 

= 

100 

Opt 

60,5 

1,7 

— 

36,5 

— 

0,6 

0,6 

— 

= 

100 

hnpt 

46 

0,8 

— 

60 

— 

3 

1,2 

— 

= 

100 

Die  durch  bloße  Zählung  und  prozentische  Umrechnung 
gefundenen  und  auf  Tabelle  I  mitgeteilten  Zahlen  haben  dort 
schon  doppelte  Verwendung  erfahren,  nämlich  zur  Feststellung 
der  modalen  und  der  temporalen  Strukturformel  der  beiden 
Epen.    Es  soll  zuerst  von  dieser  die  Rede  sein: 

Die  temporale  Strukturformel  wird,  wie  aus  der  Tabelle 
ersichtlich,  so  gewonnen,  daß  die  Beteiligung  eines  jeden  Tem- 
pus mit  all  seinen  Modi  an  der  Gesamtsumme  aller  Verbalformen 
in  Prozenten  berechnet  wird.  Die  temporale  Strukturformel  gibt 
also  die  quantitative  Zusammensetzung  irgend  eines  Literatur- 
ganzen aus  den  verschiedenen  Tempora  an.  Temporale  Struktur- 
formebi  gestatten  interessante  Vergleiche  einzelner  Literaturpro- 
dukte  unter  einander,  sie  spielen  aber  in  der  folgenden  Unter- 
suchung noch  keine  weitere  Rolle;  dagegen  werden  einzelne  Zahlen 
aus  denselben  zu  gewissen  Erörterungen  da  und  dort  Anlaß  geben. 

Anders  ist  es  mit  den  modalen  Strukturformeln. 

Indogermaniflclie  Forachniigeii  XXU.  \^ 


814  L.  Schlachter, 

Unter  'modaler  Strukturformer  verstehe  ich  die  quanti- 
tative Zusammensetzung  eines  Literaturganzen  aus  den  sechs 
Modi,  und  ich  finde  diese  Zusammensetzung,  indem  ich  bestimme, 
mit  wie  viel  Verbalformen  jeder  Modus  in  jedem  der  beiden 
Epen  vertreten  ist.  Zählt  man  nun  alle  Verbalformen  zusammen« 
so  läßt  sich  berechnen,  wie  viel  Prozente  ein  jeder  Modus  zu 
der  gefundenen  Gesamtsumme  liefert  Die  auf  solche  Weise  ge- 
fundenen Prozentzahlen  zeigen  nun  den  verbalen  Aufbau  des 
einzelnen  Epos  in  modaler  Beziehung  an,  bilden  also  die  modale 
Strukturformel  desselben.  Die  modale  Strukturformel  sagt 
also  aus,  welchen  Beitrag  jeder  der  sechs  Modi  zur  Gesamt- 
summe aller  Verbalformen  leistet. 

Die  Verbalformen  sind  ein  Schatz,  den  die  Sprache  dem 
Einzelnen  zur  Verfügung  stellt.  Dieser  bedient  sich  derselben 
in  freier,  wie  er  glaubt,  im  Grunde  aber  in  mehr  oder  weniger 
herkömmlicher  Weise.  Die  herkömmliche  Ausdrucksweise  andrer- 
seits wird  durch  den  Einzelnen  mehr  oder  weniger  beeinflußt 
und  beeinträchtigt  und  erleidet  dadurch  Wandlungen.  So  wird 
auch  die  Verwendungsart  der  von  der  Sprache  zur  Verfügimg 
gestellten  Modi  verändert  Das  wird  sich  in  den  modalen 
Strukturformeln  von  Literatui-produkten  verschiedener  Zeiten 
spiegeln.  Aber  die  Ausdrucksweise  wird  auch  in  gleichzeitigen 
Produkten  durch  den  Stoff  einigermaßen  beeinflußt  Somit  kann 
man  erwarten,  daß  die  modalen  Strukturformeln  der  einzelnen 
Gesänge  der  lUas  und  Odyssee  durch  den  verschiedenen  Inhalt 
verändert  werden  können.  Doch  läßt  sich  a  priori  nicht  sagen, 
in  welcher  Weise.  Immerhin  ist  da,  wo  selbst  bei  verschiedenem 
Inhalte  die  Ausdrucksweiso  eine  traditionelle  ist,  was  bei  Homer 
heute  niemand  mehr  bezweifelt,  große  Variabilität  in  den  Struktur- 
formeln einzelner  Teile  nicht  zu  erwarten. 

Soviel  über  die  Strukturformeln. 

Die  Zählungsresultate  werden  drittens  noch  Verwendung 
finden  zur  Feststellung  des  numerischen  Verhältnisses,  in  welchem 
die  Nebenmodi  zu  den  Indikativen  stehen.  Wenn  der  Indikativ 
allgemein  als  Hauptmodus  bezeichnet  wird,  so  gibt  man  damit 
der  Überzeugung  Ausdruck,  daß  dieser  Modus  beim  Gedanken- 
austausch am  meisten  Wichtigkeit  habe,  und  daß  er  demgemäß 
überall,  wo  ausführlicher  gesprochen  und  geschrieben  wird,  dui*ch 
die  größte  Individuenzahl  vertreten  sei  (eine  Ansicht,  die  aller- 
dings nicht  richtig  ist,   wie  wir  später  sehen  werden).    Wenn 


Statist.  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    216 

also  das  numerische  Yerhältnis  der  Nebeamodi  zu  den  Indi- 
kativen  bestimmt  wird,  so  wird  der  Indikativ  gleichsam  als  der 
jan  wenigsten  veränderliche  Mafistab  betrachtet,  an  dem  sich 
die  Häufigkeit  der  übrigen  Modi  am  besten  messen  läßt  Wir 
werden  sehen,  daß  die  Frequenz  der  Judikative  nicht  in  allen 
Tempora  gleichmäßig  ist;  gerade  dadurch  aber  erhält  die  Re- 
duktion auf  die  Anzahl  der  Judikative  einen  besonderen  Unter* 
suchuugswert  Die  rechnerische  Beziehung  der  übrigen  Modi 
auf  die  Judikative  kann  zur  Eontrolle  für  die  Tragweite  der 
auf  andere  Weise  gewonnenen  Ergebnisse  dienen.  Die  auf  diese 
Weise  gefundenen  Zahlenreihen  mögen  die  Bezeichnung  *Be- 
duktionsformeln'  erhalten.  Sie  kommen  erst  im  zweiten  Teile 
züT  Anwendung. 

Wir  wenden  unsre  Aufmerksamkeit  nun  den  berechnet«! 
modalen  Strukturformeln  zu.  E^  hat  sich  als  modale 
Strukturformel  der  Ilias  ergeben: 

Ind.  KonJ.  Opt  Imp.  Inf.  Part 

57,5  5  3,1  3,9  8,9  21,7 

und  als  solche  der  Odyssee: 

66,8  4,8  4,2  3,8  8,8  21,3. 

Dazu  ist  zunächst  zu  bemerken,  daß  der  Prozentsatz  der  Infinitive, 
wie  die  nachstehende  Zusammenstellung  ergibt,  ein  sehr  niedriger 
ist.  Er  wäre  aber  noch  weiter  heruntergegangen,  wenn  die  impera- 
tivischen  Infinitive  ausgeschieden  worden  wären,  die  bekanntlich 
in  der  epischen  Sprache  sehr  zahlreich  sind.  Im  übrigen  muß 
hervorgehoben  werden,  daß  die  Übereinstimmung  in  der  modalen 
Struktur  der  beiden  Epen  frappiert,  auch  wenn  man  in  solchen 
statistischen  Untersuchungen  Erfahrung  hat  Der  einzige  Unter- 
schied zwischen  Ilias  und  Odyssee,  der  aus  den  modalen  Struktur- 
formeln hervorschaut,  die  stärkere  Vertretung  der  Optative  in  der 
Odyssee,  ist  möglicherweise  zum  Teil  darauf  zurückzuführen,  daß 
in  den  benützten  Ausgaben  textkritisch  zwischen  Konjunktiven  und 
Optativen  bei  den  beiden  Epen  nicht  ganz  gleichmäßig  verfahren 
wurde.  Ich  sage  *zum  Teil',  weil  auch  die  vereinigten  Summen 
der  Konjunktive  und  Optative  in  beiden  Epen  rund  um  l^/o 
verschieden  sind,  wobei  das  Plus  wieder  auf  Seite  der  Odyssee 
ist  (vgl  überdies  S.  225).  Es  entspricht  vielmehr  diesem  Über- 
wiegen der  Optative  in  der  Odyssee  eine  stärkere  Vertretung 
der  Indikative  in  der  Ilias,  und  so  weit  meine  Zählungen  der 


216  L.  Schlächter, 

verschiedenen  Optativkategorien  reichen,  ist  die  potentielle  Aus- 
drucksweise  in  der  Odyssee  häufiger  als  in  der  Ilias. 

Wie  nun  diese  Übereinstimmung  in  der  modalen  Struktur 
der  beiden  Epen  zu  beurteilen  ist,  kann  nur  an  Hand  von  Yer- 
gleichungen  mit  anderen  Literaturerzeugnissen  erkannt  werden. 
Da  nun  aber  derartige  Untersuchungen  über  die  allgemeine 
modale  Struktur,  die  einen  Vergleich  erlauben,  noch  nicht  vor- 
lagen, so  war  es  geboten,  Berechnungen  in  ziemlicher  Aus- 
dehnung anzustellen.  Dieselben  sind  natürlich  sehr  zeitraubend 
und  stehen  mir  deswegen  noch  nicht  in  der  Menge  zur  Ver- 
fügung, wie  es  wünschenswert  wäre.  Ich  gebe  im  folgenden 
eine  Übersicht  über  den  größeren  Teil  der  von  mir  angestellten 
und  auf  selbstgemachten  Zählungen,  also  auf  übereinstimmenden 
Grundsätzen  beruhenden  Berechnungen.  Dieselben  mögen  zu- 
gleich zur  Rechtfertigung  der  hier  angewandten  Methode  dienen. 

Zusammenstellung  von  modalen  Strukturformeln  einiger 
Literaturerzeugnisse. 

Indik.    KonJ.      Opt  Imperat  Infln.  Partiz. 


Dias 

57,5 

5 

3,1 

3,9 

8,9 

21,7 

Odyssee 

56,8 

4,8 

^,2 

3,8 

8,8 

21,3 

Herodot  1 

45 

2,3 

2 

1 

15 

35 

Thucyd.  I  (ohne  Reden) 

46 

2 

1 

0,3 

15 

34 

Xen.  Anab.,  ganz          \  s 
„     Hellenica,  ganz       2 

47,6 

3,3 

6 

1 

17 

24 

44 

2 

6 

0,6 

16 

31,4 

„     Cyrop.  Ib.  I,  II,  VU    1 

43 

4,6 

6 

2 

20 

23 

Polybius  I 

31 

1,* 

1,3 

0,1 

18 

48 

mehr 

Maccabäer  II 

35 

1,3 

0,6 

1,4 

17 

44 

Parti- 

Diodor I 

24 

2 

1,4 

0,5 

30 

43 

zipien 

Dionys  I 

38 

1,3 

1,9 

0,4 

18 

41 

als 

Josephus  I,  jüd.  Gesch. 

35 

1 

3 

0,3 

20 

41 

hidi- 

Plularch  Themist. 

33 

1,2 

1,2 

0,5 

20 

43 

kative. 

Ev.  Matth. 

54 

7 

— 

9 

7 

22 

„    Marc. 

57 

7,6 

— 

6 

8 

22 

„    Luc. 

55 

5,3 

0,2 

7,4 

8,7 

23 

„    Joh. 

71 

8 

— 

4 

4 

12 

Acta  apost. 

50 

2 

0,2 

3,6 

12 

32 

Arrian  Anab.  I 

46 

0,2 

1,7 

0 

16 

35 

Durch  die  Sti-ukturformeln  werden  unsre  homerischen  Epen 
in  unmittelbare  Nähe  der  synoptischen  Evangelien  gerückt  Da 
diese  letzteren  auch  unter  sich  stilistisch  gerade  so  eng  zu- 
sammengehören wie  Ilias  und  Odyssee,  so  mag  es  gestattet  sein, 
die  Parallele  zwischen  diesen  beiden  Literaturreihen  weiterzu- 


Statist  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    217 

führen  und  für  Uias  und  Odyssee  gerade  so  wenig  einen  gemein- 
samen Verfasser  oder  Bearbeiter  zu  folgern  —  wozu  bei  der 
frappanten  Übereinstimmung  der  modalen  Strukturformeln  beider 
Epen  eine  neue  Versuchung  entsteht  —  als  wir  es  bei  den  synopti- 
schen Evangelien  tun.  Aber  wie  eine  stereotype  Ausdrucksweise 
eines  Oemeinschaftskreises  seinen  stilistischen  Niederschlag  in 
den  synoptischen  Evangelien  fand,  so  finden  wir  auch  in  den 
homerischen  Epen  eine  Ausdrucksweise  wieder,  die  längere  Zeit 
in  einem  uns  unbekannten  Kreise  üblich  war,  und  es  konnten 
sehr  wohl  zwei  verschiedene  Dichter  die  Vermittler  dieser  Aus- 
drucksweise sein,  so  sehr,  daß  sie  den  von  ihnen  benutzten 
älteren  Liedern  konform  auch  ihr  Eigentum  prägten,  was  aus 
dem  folgenden  weiter  hervorgehen  dürfte. 

Es  erhebt  sich  nämlich  die  Frage,  ob  denn  die  für  die 
beiden  Epen  gefundenen  Strukturformeln  sich  auch  im  einzelnen, 
d.  h.  in  größeren  und  kleineren  Partien  wiederfinden,  oder  ob 
die  angegebene  Struktur  nur  Mittelwerte  aufweise,  denen  mög- 
licherweise weit  auseinanderliegende  Grenzwerte  gegenüber- 
stehen. Die  Antwort  auf  diese  Frage  kann  aus  folgenden  Angaben 
herausgelesen  werden: 

In  der  Ilias  ergeben  sich  mit  Weglassung  der  Dezimalen 
folgende  Zahlen  in  Prozenten: 

Tabelle  IIa. 


Indik. 

Konj. 

Optat. 

Imperat 

Infin. 

Partiz. 

Ilias    1~6 

:       57 

5 

4 

Ö 

9 

21 

Dias    7—12 

56 

6 

3 

4 

9 

21 

nias  13-18 

57 

4 

3 

3 

9 

23 

nias  19-24. 

57 

5 

3 

4 

9 

21 

Die  vier  Gruppen  entsprechen  somit  der  Gesamtstruktur 
noch  fast  vollständig.  Ich  füge  hinzu,  daß  sich  unterschiede  bei 
den  meisten  Zahlen  in  den  Dezimalen  bemerklich  machen: 

Ähnliche  Verhältnisse  zeigt  die  Odyssee: 


Ta 

belle  IIb 

Indik. 

KODJ. 

Optat. 

Imperat 

Inflo. 

Partir. 

Od. 

1-6 

57 

5 

4 

4 

10 

20 

Od. 

7—12 

57 

4 

4 

3 

9 

23 

Od. 

13-18 

56 

5 

5 

4 

9 

20 

Od. 

19-24 

67 

5 

3 

5 

8 

22 

Sowie  nun  aber  die  modalen  Strukturverhältnisse  der  ein- 
zehien  Bücher  ins  Auge  gefaßt  werden,  zeigt  «\c\i  ^Viä^Sü^^^sa^ 


S18 


L.  Schlachter, 


eine  geringere  Eonstanz.  Ich  gebe  im  folgenden,  um  das  Auge 
nicht  allzusehr  mit  Zahlen  zu  ermüden,  nur  die  Prozentzahlen 
ftir  die  einzelnen  Bücher  an. 


T 

abell 

e  III  a. 

Ilias. 

Indik. 

EODj. 

Optat 

Imperat 

Infin. 

Partie. 

A 

56 

6 

2 

8 

9 

19 

(Vs. 

1-490)  B 

65 

6 

4 

5 

10 

20 

r 

56 

5 

4 

5 

8 

20 

A 

56 

5 

5 

3 

8 

22 

E 

59 

3 

3 

3 

8 

23 

Z 

55 

5 

4 

5 

9 

21 

H 

56 

8 

3 

4 

10 

18 

e 

58 

6 

3 

5 

7 

20 

1 

53 

8 

4 

5 

12 

18 

K 

56 

5 

5 

5 

9 

19 

A 

61 

4 

1 

2,6 

6 

24 

M 

55 

4 

4 

2 

11 

23 

N 

59 

2 

3 

1 

9 

25 

£ 

58 

6 

4 

3 

9 

20 

0 

55 

5 

2 

4 

10 

23 

n 

58 

4 

2 

4 

7 

23 

p 

56 

4 

8,6 

2 

9 

24 

I 

58 

4 

2 

3 

9 

23 

T 

52 

5 

3 

6 

11 

22 

Y 

57 

5 

8 

1 

10 

22 

0 

58 

4 

2 

3 

10 

22 

X 

54 

7 

3 

4 

8 

24 

Y 

60 

3 

2 

4 

8 

22 

Q 

58 

5 

5 

5 

8 

20 

Die  große  Mehrzahl  der  einzelnen  Gesänge  bleibt  somit 
den  Mittelzahlen  nahe.  Daneben  finden  sich  allerdings  einige 
mit  weit  auseinanderliegenden  Zahlen.  Ich  mache  namentlich 
aufmerksam  auf  I  und  A.  Berechnet  man  aber  von  beiden  das 
arithmetische  Mittel,  so  erhält  man  wieder  die  für  die  gesamte 
Dias  gefundenen  Normalzahlen.  Die  größten  Abweichungen  von 
diesen  weisen  H  bis  N  auf.  —  Die  dargestellten  Verhältnisse 
gemahnen  lebhaft  an  meteorologische  Beobachtungen,  die  auch 
für  eine  größere  Anzahl  von  Jahren  eine  Norm  erkennen  lassen, 
eine  Norm,  von  welcher  kleinere  Gruppen  wenig,  einzelne  Jahre 
aber  mehr  abzuweichen  pflegen.  Es  ergibt  sich  aber  für  stilistische 
Untersuchungen,  wie  sie  hier  angestellt  sind,  aus  dem  Verhält- 
nisse einzelner  Bücher  zu  größeren  Gruppen  die  Forderong,  daß 


Statist.  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    919 

die  zu  beurteilenden  Literaturprodukte  eine  gewisse  Größe  liaben 
müssen,  damit  ihre  Eigentümlichkeiten  zu  voller  Entfaltung 
kommen  können. 


T 

abell 

e  III  b. 

Odyssee. 

Indik. 

Konj. 

Optat. 

Imperat 

Infln. 

Partiz. 

a 

52 

6 

4 

5 

10 

22 

ß 

U 

7 

5 

5 

10 

19 

T 

61 

4 

5 

4 

9 

18 

h 

59 

3 

4 

3 

9 

22 

€  +  2 

69 

5 

4 

3 

10 

19 

n 

60 

3 

4 

3 

8 

21 

e 

67 

5 

4 

5 

8 

21 

i 

57 

3 

5 

1 

9 

25 

K 

56 

3 

3 

3 

10 

24 

X 

56 

4 

3 

3 

9 

23 

^ 

56 

6 

4 

3 

8 

22 

V 

56 

6 

4 

3 

8 

22 

H 

61 

4 

5 

2 

8,5 

19 

0 

54 

6 

5 

3 

9 

20 

IT 

55 

6 

4 

4 

11 

20 

P 

56 

4 

5 

*,5 

8 

21 

c 

52 

6 

8 

4 

10 

19 

T 

56 

6 

3 

4 

6 

23 

U 

57 

4 

6 

4 

8 

21 

q> 

56 

6 

3 

5 

10 

20 

X 

53 

5 

3 

6 

9,5 

22 

v 

60 

4 

3 

4 

8 

21 

uj         59         4  2  5  6  23 

Auch  hier  bleibt  die  Mehrzahl  der  Bücher  den  Mittel- 
zahlen nahe.  Die  angegebenen  Werte  schwanken  somit 

in  der  Dias: 

Im  Indik.       Im  Konj.     Im  Optat     Im  Imperat.     Im  Infln.    Im  Partie 
von  62— 61       2—8  1—5  1—8  6—12       18—25 

in  der  Odyssee: 

von  52— 61       3—7  2—8  1—5  6—11       18-25 

Es  ergibt  sich  aus  den  Strukturzahlen  der  einzelnen  Oe- 
sänge  die  wichtige  Tatsache,  daß  die  Verschiedenheit  des  Stoffes 
der  beiden  Epen  sowie  ihrer  einzelnen  Teile  keine  wesentliche 
Änderung  der  Strukturformeln  bedingt.  Die  vorgefundene  pro- 
sentisdie  Zusammensetzung  ist  demnach  offenbar  nur  der  zabte^- 


220  L.  Schlachter, 

mäßige  Ausdruck  der  parataktischen  Redeweise.  Wenn  wir  auf 
dem  vom  homerischen  Epos  weit  entlegenen  Gebiete  der  synop- 
tischen Evangelien  nahezu  die  gleichen  Formeln  wiederfinden, 
so  deuten  dieselben  mithin  die  parataktische  Yerwandtschaft  der 
beiden  Erzählungsreihen  an;  die  Ausdrucksweise  ist  bei  beiden 
Gruppen  sehr  stark  allgemein  determiniert  und  zeigt  nur  selten 
eine  individuelle  Note. 

In  den  bisherigen  modalen  Strukturformeln  ist  das  gegen- 
seitige Yerhältnis  der  Modi  zu  einander  ohne  jede  Rücksicht 
auf  die  Tempora  gekennzeichnet  Es  lassen  sich  nun  aber  auch 
modale  Strukturformeln  für  die  einzelnen  Tempora  feststellen. 
Diese  Tempusstrukturformeln  haben  offenbar  eine  andere  Be- 
deutung als  die  ersteren.  Die  modale  Strukturformel  eines  einzelnen 
Tempus  bringt  zum  Ausdruck,  wie  stark  die  Modi  eines  jeden 
Tempus  an  der  Gesamtsumme  seiner  Formen  beteiligt  sind. 
Während  die  Strukturformeln  der  ersten  Art,  weil  sie  alle  Tem- 
pora in  sich  schließen,  ein  zahlenmäßiger  Ausdruck  für  eine  Stil- 
gattung, für  eine  stilistische  Syntaxis  modorum  sind,  zeigen 
Strukturformeln  der  einzelnen  Tempora  zum  Teile  an,  in  weichem 
Entwicklungszustande  und  Gebrauchsumfange  der  epische  Dichter 
die  einzelnen  Tempora  vorfand.  Beide  Formeln  sagen  nicht 
absolut  Neues  aus.  Sie  wollen  nur  längst  bekannte  Verhältnisse 
in  wenige  Zahlen  zusammenfassen;  sie  ermöglichen  aber  auch 
einen  Vergleich,  die  einen  den  Vergleich  mit  der  Syntaxis 
modorum  einer  anderen  Stilgattung  oder  derselben  Stilgattung 
zu  einer  anderen  Zeit,  die  anderen  mit  dem  Gebrauchsumfange 
der  Tempora  zu  einer  anderen  Zeit. 

Nachdem  also  im  vorhergehenden  die  modale  Zusammen- 
setzung mit  Berücksichtigung  des  ganzen  Verbums  zur  Dar- 
stellung gekommen  ist,  lasse  ich  nun  die  der  einzelnen  Tem- 
pora folgen.  Es  ist  klar,  daß,  je  normaler  der  Gebrauch  der 
einzelnen  Modi  eines  Tempus  ist,  seine  Strukturformel  um  so 
mehr  mit  der  oben  aufgestellten  Normalformel  beider  Epen 
übereinstimmen  wird.  Wir  werden  also  überall  da,  wo  dieProzent- 
zahl  eines  Modus  von  der  der  Normalformel  abweicht,  auf  eine 
Anomalie  im  Gebrauche  des  betreffenden  Modus  hingewiesen. 
Ist  die  für  einen  Modus  gefundene  Zahl  kleiner  als  in  der  Normal- 
formel, so  ist  das  ein  Anzeichen,  daß  der  betreffende  Modus 
gemieden  wird;  ist  sie  aber  größer,  so  beweist  das,  daß  er  be- 
vorzugt wird.   Zeigt  es  sich  nun,  daß  in  beiden  Epen  die  gleichen 


Statist  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.   221 

Modi  des  einen  Tempus  gemieden  und  dafür  wieder  die  eines 
anderen  Tempus  bevorzugt  werden,  so  haben  wir  das  Recht,  von 
einem  Gesetze  zu  sprechen,  das  die  Sprache  in  einem  gewissen 
Zustande  ihrer  Entwicklung  beherrscht,  wenn  nicht  metrische 
Gründe  für  diese  Auswahl  verantwortlich  zu  machen  sind. 

Um  nicht  das  Auge  mit  Zahlen  allzusehr  zu  ermüden, 
werden  im  folgenden  wieder  keine  absoluten  Zahlen,  sondern 
lediglich  die  berechneten  Prozente  angegeben.  Zum  Yergleiche 
setze  ich  die  oben  herausgerechnete  Normalformel  wieder  an 
die  Spitze. 


Ta 

kbelle 
Ilias. 

IV. 

Indik. 

KODj. 

OpUt 

Imperat 

Infin. 

Partie 

in  ihrer  prozentisohen 
VeHretnng  dargeiteUt 

57,5 

5 

3,1 

3,9 

8,9 

21,7 

alle  Tempora 

66,7 

3,4 

2,6 

4.8 

9 

23 

Imperfectiva 

56,8 

7,7 

4,6 

3,6 

8,2 

19 

Aoriste 

74 

— 

— 

20 

6 

Futura 

50 

3,4 

1 

2,4 

3.3 

40 

aktive  Perfekte 

55,4 

0,3 

0,4 

1,8 

6,9 

36 

mediale  u.  pass.  Perf. 

( 

Odyssee. 

Indik. 

KOQJ. 

Optot. 

Imperat. 

lofln. 

Partie. 

in  ihrer  prozentisohen 
Vertretung  dargesteUt 

56,8 

*,8 

4,2 

3,8 

8,8 

21,3 

alle  Tempora 

57,7 

3,5 

2,6 

3,8 

9 

23 

Imperfectiva 

54 

lf> 

«,4 

^,2 

9,3 

18,3 

Aoriste 

75 

— 

— 

— 

16 

9 

Futura 

60 

4 

0,6 

3,2 

2 

30 

aktive  Perfekte 

51,8 

0.6 

0,8 

1,3 

4,3 

41 

mediale  u.  pass.  Perf. 

In  der  Tabelle  IV  scheiden  sich  vorerst  zwei  Gruppen  ab  : 
Es  stehen  die  Imperfectiva  und  Aoriste  auf  einer  Seite,  auf  der 
andern  die  Futura  und  die  Perfekte.  Die  erste  Gruppe  steht  in 
allen  Teilen  der  Normalformel  nahe,  die  zweite  weicht  in  ihren 
yerschiedenen  Komponenten  mehr  oder  weniger  von  ihr  ab.  Das 
Vereinigungsmerkmal  der  zweiten  Gruppe  ist  also  nur  ein  nega- 
tives, ein  positives  findet  sich  nicht  Bei  den  Puturformen  sind 
die  Indikative  und  Infinitive  bevorzugt,  während  die  Partizipien 
weit  unter  der  Normalzahl  stehen.  Bei  den  Perfekten  stehen 
gerade  die  Partizipien  im  Vordergrunde.  Kein  Partizip  ist  so 


888  L.  Schlachter, 

sehr  bevorzugt,  wie  das  perfektische.  Auf  Tabelle  V  werden  wir 
allerdings  sehen,  daß  der  Aorist  Passiv  ein  ähnliches  Verhalten 
zeigt,  wie  das  Perfekt,  weshalb  ich  hier  schon  auf  die  dort  an- 
gegebenen Zahlen  verweise.  Der  Passivaorist  ist  bekanntlich  eine 
relativ  späte  Bildung.  Wie  es  kommt,  daß  derselbe  in  Über- 
einstimmung mit  den  Perfekten  sich  gerade  einer  besonderen 
Frequenz  seiner  Partizipien  erfreut,  weiß  ich  nicht  zu  sagen; 
ich  denke  aber,  die  gemeinsame  Bedeutungsverwandtschaft  dieser 
Participia  mit  Adjektiven  werde  das  ihre  dazu  beigetragen  habexL 

Was  sonst  bei  den  Perfekten  zum  Vorschein  kommt,  ist 
bekannt:  daß  die  übrigen  Nebenmodi  wenig  gebräuchlich  sind. 
Indessen  frappieren  doch  einige  Modi  durch  ihre  unerwartet 
niedrigen  Vertretungszahlen. 

Von  den  verschiedenen  Tatsachen,  die  aus  Tabelle  IV  sonst 
herauszulesen  sind,  hebe  ich  noch  zwei  hervor.  Die  eine  ist  die, 
daß  die  verschiedenen  Modi  des  Aorists  und  Präsens 
verschiedene  Wege  gehen:  die  Konjunktive  und  Optative 
überflügeln  die  Normalzahlen,  die  Partizipien  bleiben  hinter 
ihnen  zurück.  Es  gilt  dies  für  beide  Epen.  Anderseits  erreichen 
Konjunktive  und  Optative  Präsentis  die  Normalzahlen  lange  nicht, 
während  das  Partizip  Präsentis  darüber  hinausgeht.  Zwischen 
diesen  beiden  Erscheinungen  muß  eine  innere  Verbindung  be- 
stehen. Es  scheint,  daß  komplementäre  Modi  innerhalb  ver- 
schiedener Tempora  vorhanden  seien.  Aber  dieser  Schein  ent- 
spricht nicht  unseren  heutigen  Anschauungen  von  der  Ver- 
schiedenheit der  Aktion  verschiedener  Tempora.  Ebensowenig 
paßt  der  oben  gesperrte  Satz  zur  Lehre  von  der  Gleichartigkeit 
der  Aktion  innerhalb  desselben  Tempus.  Immerhin  bleibt  ein 
Unterschied  zwischen  der  Sicherheit  beider  Sätze  bestehen:  Das 
verschiedene  Verhalten  der  verschiedenen  Modi  geht  aus  Tabelle  IV 
unmittelbar  hervor;  daß  aber  der  Konj.  Aor.  mit  dem  Konj. 
Präs.  einerseits,  der  Opt.  Aor.  mit  Opt  Präs.  andreraeits  komple- 
mentär seien,  ist  eine  Deutung  der  statistisch  bloßgelegten  Ver- 
hältnisse, neben  der  eine  andre  Deutung  möglich  sein  kann.  — 
Es  läßt  sich  nämlich  auch  denken,  daß  die  verschiedenen  Modi 
verschiedene  Affinität  zu  den  verschiedenen  Aktionen  haben, 
daß  sich  also  mit  einem  Konj.  und  Opt.  leichter  die  Neben- 
vorstellung der  abgeschlossenen  oder  ingressiven  Handlung  asso- 
aiert  als  z.  B.  mit  einem  Partizip.  Es  soll  nun  eine  Trennung 
der  verschiedenen  Aoristbildungen  vorgenommen  werden,  damit 


Statist.  Untersachungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    ttS 

die  Frage  beantwortet  werden  kann,  ob  alle  einzelnen  Aorist- 
formationen  an  den  geschilderten  Verhältnissen  teilnehmen.  Zum 
Vergleiche  sind  wieder  von  Tabelle  IV  die  Formeln  der  Im- 
perfektiva  (Präs.  +  Tmperf.)  reproduziert 

Tabelle   V. 

Modale  Strukturformeln  jeder  einzelnen  Aoristformation 

(Summe  einer  jeden  gleich  100). 

Ilias. 

Indik.    KonJ.       Optat    Imperat.      Infln.       Partis. 

66,8       7,7         4,6         3,5         8,2  19      aUe  Aoriste 


46 

2,8 

2.2 

1,3 

10 

35 

Aorist  Pass. 

69 

6,4 

4.2 

3,8 

7,8 

18 

a-Aoriste  inkl. 

liqaida 

56 

10 

6,4 

2,2 

8 

18 

asigmat.  Aor. 

55 

7,8 

4,4 

7 

10 

16 

athemat.  Aor. 

66,7 

3,4 

2,5 

4,8 

9 
Odyssee 

23 

1. 

Imperfectiva 

ladik. 

KonJ. 

OpUt 

Imperat 

Infla. 

Partie, 

M 

7,6 

6,4 

4,2 

9,3 

18,3 

alle  Aoriste 

50 

3,2 

4 

1,9 

12 

28 

Aorist  Pass. 

65 

6,« 

5,3 

4,3 

9,2 

19 

a-Aoriste  inkl. 

liqoida 

63 

10 

7,7 

3,2 

10 

16 

asigmat.  Aor. 

51 

6,4 

7,4 

8 

7,7 

19 

athemat.  Aor. 

57,7 

3,5 

2,6 

3,8 

9 

23 

Imperfectiva 

Nach  dieser  Tabelle  scheidet  sofort  der  Aorist  Passiv  aus^ 
weil  seine  Konj  aktive  und  Optative  die  Normalzahlen  der  ersten 
Linie  nicht  erreichen,  die  Partizipien  aber  weit  über  sie  hinaus- 
gehen. Es  fehlt  ihm  also  gerade  das,  was  für  die  Aoriste  als 
charakteristisch  gefunden  wurde.  Dagegen  vereinigen  sich  alle 
drei  übrigen  Aoriste  gegenüber  den  Imperfektiven  in  der  Be- 
vorzugung der  Konjunktive  und  Optative  und  in  der  Hintan- 
seteung  der  Partizipien,  während  die  Imperative  und  Infinitive 
sich  nach  dieser  Bechnungsweise  unentschieden  verhalten.  Auf 
diese  beiden  Modi  trete  ich  an  dieser  Stelle  nicht  ein;  wir 
werden  im  zweiten  Teile  (Tab.  VI  und  XIV)  Gelegenheit  haben, 
ihr  Verhalten  näher  zu  beleuchten.  Eine  vorläufige  Orientierung 
ist  aber  aus  Tabelle  I  zu  gewinnen,  und  zwar  aus  allen  drei 
Abteilungen  derselben,  aber  nur  über  den  Aorist  als  Ganzes  ge- 
nommen. Die  bezüglichen  Zahlen  sind  dort  durch  fetteren  Druck 
hervorgehoben.  Vgl.  die  Anm.  S.  211. 


224  L.  Schlachter, 

Über  den  Aorist  Passiv  darf  zum  oben  Bemerkten  nach- 
träglich noch  hinzugefügt  werden,  daß  er  sich  in  der  Odyssee 
den  drei  andern  Aoristformationen  quantitativ  besser  angeglichen 
zeigt  als  in  der  Sias. 

Fassen  wir  das  bisher  Gefundene  zusammen,  so  können 
wir  folgendes  hervorheben: 

In  beiden  Epen  stehen  die  Modi  in  einem  gewissen  Zahlen- 
verhältnisse. Dieses  Verhältnis  ist  in  den  einzelnen  Gesängen 
etwas  variabel.  Vergleicht  man  aber  größere  Partien  jedes  ein- 
zelnen Epos  unter  einander,  so  ist  die  Obereinstimmung  um  so 
größer,  je  größer  die  verglichenen  Partien  sind.  Die  modale 
Struktur  der  ganzen  Dias  entspricht  der  der  ganzen  Odyssee 
fast  vollständig.  Eine  Verschiedenheit  ist  allein  in  der  Anwendung 
des  Optativs  zu  erkennen.  Der  Optativ  findet  sich  in  der  Odyssee 
häufiger  als  in  der  Hias.  Am  Aufbau  der  verschiedenen  Tem- 
pora beteiligen  sich  die  Modi  quantitativ  verschieden.  Es  wird 
in  einem  Tempus  dieser  Modus  bevorzugt,  in  einem  andern 
Tempus  ein  andrer.  Da  in  dieser  Beziehung  zwischen  den  beiden 
Epen  gute  Übereinstimmung  herrscht,  so  verrät  diese  Erscheinung 
einen  bestimmten  Entwicklungszustand  der  Sprache,  dem  zu  einer 
andern  Zeit  ein  andrer  Zustand  entgegenstehen  dürfte.  Als  ein 
spezieller  Fall  dieser  Erscheinung  ist  es  zu  betrachten,  wenn  die 
Eonj.  und  Opt.  Präsentis  den  entsprechenden  Modi  des  Aorist 
gegenüber  zurücktreten,  die  Partizipien  sich  aber  umgekehrt  ver- 
halten. Es  scheint  femer  aus  einzelnen  der  gefundenen  Zahlen- 
verhältnisse hervorzugehen,  daß  die  einzelnen  Modi  die  ihrer 
Form  entsprechenden  Aktionen  nicht  mit  der  gleichen  Schärfe 
zum  Ausdruck  bringen. 

n.  Das  Verhältnis  der  Nebenmodi  zu  den  Indikativen. 

Aus  den  Strukturformeln  ist  nicht  direkt  ersichtlich,  in 
welchem  numerischen  Verhältnisse  die  Nebenmodi  zu  ihren  Indi- 
kativen stehen.  Um  dies  deutlich  zu  machen,  müssen  die  Indi- 
kative  als  Einheit  genommen  und  ihre  Nebenraodi  auf  diese 
Einheit  reduziert  werden,  was  im  folgenden  geschehen  soll. 
Reduktionen: 

Nimmt  man  die  Indikative  als  Einheit,  oder,  was  auf  das- 
selbe herauskommt,  setzt  man  für  alle  12652  Indikative  derllias 
die  Zahl  1000,  ebenso  für  die  10227  Indik.  der  Odyssee  1000, 
80  reduzieren  sich  die: 


Statist  UntersnchuDgen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.   225 

1099  Konj.  der  Rias  auf  87,  ebenso  die  880  Konj.  der  Odyssee  auf  86 

696  Opt.      „      „      „     66,       „        „     768  Opt.     „        „        „    74 

852  Imprt  „   „   „  67,   „    „  688  Imprt.  „    „    „  67 

1964  Inf.   „   „   „  155,   „    „  1596  Inf.   „    „    „  156 

4824  Part.     „      „      „  380,      „        ,.   3840  Part.    „        „        „  375 

Durch  diese  Berechnungsweise  kommt  die  gewiß 
interessante  Tatsache  an  den  Tag,  daß  die  Konjunk- 
tive, Imperative,  Infinitive  unsrer  beiden  Epen  sich 
jeweilen  numerisch  genau  entsprechen.  Fast  genau  gleich 
ist  beide  Male  die  relative  Anzahl  der  Partizipien.  Nur  die  Optativ- 
vertretung ist  proportional  verschieden.  Mögen  dies  immerhin 
Zufälligkeiten  sein,  beachtenswert  bleiben  sie  trotzdem. 

Auf  diese  Weise  treten  somit  die  Obereinstinmiungen  der 
beiden  Epen  rücksichtlich  ihres  modalen  Aufbaus  in  etwas  ver- 
änderter Form,  aber  nicht  minder  prägnant  zu  Tage  und  ebenso 
ihr  Unterschied  (vgl.  S.  215  unten).  Reduziert  man  nun  ganz  in 
derselben  Weise  die  für  die  einzelnen  Tempora  und  Modi  ge- 
fundenen absoluten  Zahlen  der  Tabellen  la  und  Ib,  welche  hier 
in  andrer  Gnippierung  reproduziert  als  Tabelle  VI  auftreten,  so 
empfiehlt  sich  auch  hier  die  Reduktion  auf  1  =  1000,  weil  wir 
dadurch  überall  ganze  Zahlen  erhalten.  Sie  hat  nur  den  Nachteil, 
daß  solche  Tempora,  die  quantitativ  nur  gering  vertreten  sind, 
wie  der  Aorist  Passiv,  viel  formenreicher  zu  sein  scheinen,  als 
sie  es  in  Wirklichkeit  sind. 

Tabelle  VI  =  Tabelle  la  u.  b. 
Ilias. 


Indik. 

KODj. 

Optat. 

Imperat. 

iDfin. 

Partiz. 

12652 

1099 

696 

852 

1964 

4824 

alle  Formen 

1990  Präs. 
3686  Impf. 

340 

254 

484 

901 

2852 

Imperfectiva 

5334 

710 

418 

325 

724 

1590 

Aoriste 

793 

— 



— 

214 

65 

Futura 

464 

32 

9 

23 

31 

374 

Pf.  u.  Ppf.  A. 

385 

2 

3 

13 
Odyssee. 

41 

251 

Pf.  u.  Ppf.  P. 

lodik. 

Konj. 

Optat. 

Imperat. 

Infln. 

Partiz. 

10227 

880 

758 

688 

1596 

3840 

alle  Formen 

1943  Präs. 
3051  Impf. 

y 

293 

276 

848 

727 

1972 

Imperfectiva 

3944 

656 

473 

316 

703 

1354 

Aoriste 

687 

— 

— 

— 

127 

70 

Futura 

391 

27 

4 

21 

13 

199 

Pf.  u.  Ppf.  A. 

311 

4 

5 

8 

26 

245 

P{.xx.^^l.^. 

L.  Schlachter, 


Aus  diesen  absoluten  Zahlen  ergibt  sich  folgende  Redoktioas- 


tabelle: 


Indik. 
1000 


Tabelle  VIL 
Ilias. 

KonJ.  Optat        Imperat         Infln.  Partiz. 

87  55  67  165  380       alle  Formen 


1000 

60 

U 

85 

158 

414 

Imperfectiva 

1000 

136 

80 

60 

143 

334 

Aoriste 

1000 

— 

— 

— 

270 

62 

Futura 

1000 

70 

20 

50 

60 

800 

Pf.  u.  Ppf.  A. 

1000 

5 

8 

34 

Odyssee. 

106 

6Ö0 

Pf.  u.  Ppt  P. 

Indik. 

KonJ. 

OpUt. 

Imperat 

Infln. 

Partiz. 

1000 

87 

74 

67 

166 

375 

alle  Formen 

1000 
1000 
1000 
1000 
1000 


60 
140 

70 
12 


46 
120 

10 
16 


66 
71 

53 
25 


154 

175 

210 

33 

83 


408 

338 
120 
510 
780 


IroperfectiTa 

Aoriste 

Futura 

Pf.  u.  Ppf.  A. 

Pf.  u.  Ppf.  P. 


Kombiniert  man  nun  die  Tabellen  IV  und  VII  mit  ein- 
ander, so  findet  man  folgende  Unterschiede  im  Modusgebrauch 
der  beiden  Epen : 

Es  sind  häufiger 


In  der  Ilias 

die  Indikative  und  Partiz. 

Indik.  Imp.  Inf.  Part. 

Indik. 

Inf. 

Opt.  Inf.  Part. 

Ind.  Imp.  Inf. 


im  Allgemeinen 

im  Präsens 

im  Aorist 

im  Futur 

im  Per  f.  Akt. 

im  Perf.  Pass. 


In  der  Odyssee 

die  Optative 
Konj.  und  Opt. 
alle  Nebenmodi 
Part. 
Indik.  Imp. 
Konj.  Opt  Part 


Daneben  zeigt  sich  vielleicht  in  Tabelle  VII,  und  zwar 
deutlicher  als  in  den  modalen  Strukturformeln  des  ersten  Teiles, 
eine  Korrespondenz  zwischen  Infinitiv  Aoristi  und  Infinitiv  Per- 


Statist.  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    287 

fekti.  Denn  daß  zwischen  der  äußerst  niedrigen  Perfekt  InfinitiT- 
Zahl  33  der  Odyssee  und  der  sehr  hohen  Aorist  Infinitiv-Zahl  175 
eine  komplementäre  Beziehung  bestehen  könnte,  dürfte  der  Ver- 
gleich mit  den  entsprechenden  Zahlen  in  der  Ilias  60  und  143 
nahelegen.  Die  genannten  Infinitivzahlen  könnten  uns  verraten, 
daß  einzelne  Infinitive  Aoristi  die  Funktion  von  Infinitiven 
Perfekti  erfüllen  (vgl.  dazu  öildersleeve,  probl.  S.  248/49)  und 
daß  dies  weit  häufiger  in  der  Odyssee  der  Fall  ist  als  in 
der  Ilias. 

In  den  Reduktionszahlen  der  Perf.  Med.  u.  Pass.  tritt  durch- 
weg eine  große^iskrepanz  zwischen  den  beiden  Epen  an  den 
Tag,  und  diese  verrät  die  größte  Freiheit  in  der  Verwendung 
des  vorhandenen  sprachlichen  Materiales.  Wo  so  viele  Überein- 
stimmungen zu  koustatieren  waren,  die  im  großen  Ganzen  und 
im  kleinen  Einzelnen  zutage  treten,  da  sind  auch  die  Verschie- 
denheiten von  Bedeutung. 

In  dubiis  libertas:  Da  in  denNebonmodi  der  mediopassiven 
Perfekte  die  größte  Zahlenverschiedenheit  zwischen  unseren  beiden 
Epen  besteht,  so  darf  daraus  wohl  geschlossen  werden,  daß  sich 
in  der  Anwendung  der  betreffenden  Formen  kein  bestimmter 
Brauch  fixiert  hatte,  daß  also  das  Sprachgefühl  des  äolisch-jonischen 
Dichters  der  epischen  Zeit  sich  auf  diesem  Gebiete  freier  be- 
wegen konnte  als  auf  jedem  andern  der  Verbalflexion. 

Imperfekt  und  Aorist.  Weil  in  diesem  Teile  das  nume- 
rische Verhältnis  der  Nebenmodi  zu  den  Indikativen  behandelt 
wird,  so  mag  es  gestattet  sein,  in  diesem  Zusammenbange  die 
beiden  erzählenden  Tempora  mit  ihren  Nebenmodi  zu  betrachten. 
Es  kann  dies  mit  Hilfe  der  Tabellen  I  und  VI  geschehen. 

Aus  Tab.  I  geht  hervor,  daß  nicht,  wie  die  Sage  geht,  die 
Imperfekte  in  den  homerischen  Epen  häufiger  sind  als  die  Aoriste, 
sondern  umgekehrt. 

In  der  Ilias  In  der  Odyssee 
beträgt  die  Summe  aller 

Indikative  Aoristi     5334  =  24    <>/o  8944  =  22  «/o  aller  Verbalformen 

„      Imperfekti  3686  =  16,6%  3051  =  17  >      „             „ 


Differenz:     1648=    7,4  «/o  893=    6> 

Somit  ist  der  Überschuß  der  Indikative  Aoristi  über  die 
Im  perfekte  in  der  Ilias  noch  größer  als  in  der  Odyssee,  und 


228  L.  Schlachter, 

derselbe  ist  weder  in  dem  einen,  noch  in  dem  andern  Epos  etwa 
nur  einigen  'späten'  Stücken  zu  verdanken,  sondern  er  findet 
sich  fast  ausnahmslos  in  allen  Teilen.  In  der  Ilias  weist  nur 
das  Z  einen  Oberschuß  der  Imperfekte  (192)  über  die  Aoriste 
(174)  auf,  während  einen  allerdings  das  Y  mit  bloß  68  Imperf. 
gegen  192  Aoriste  in  dieser  Hinsicht  schon  ganz  hellenistisch 
anmutet  Der  Überschuß  der  Imperfekte  über  die  Aoriste  be- 
ginnt im  Z  erst  mit  der  eigentlichen  ÖTiXorroüa,  also  erst  mit 
vs.  474.  Im  A  und  M  halten  sich  Imperf.  und  Aor.  ungefähr  die 
Wage,  und  häufig  zeigt  sich  auch  im  Anfange  eines  Gesanges 
eine  Bevorzugung  der  Imperfekte. 

In  der  Odyssee  ist  zufällig  auch  das  a  mit  einem  Plus 
von  Imperfekten  ausgezeichnet,  in  der  Kyklopie  stehen  die  beiden 
erzählenden  Tempora  mit  gleichen  Zahlen  da,  während  k  imd  \x 
nur  geringe  Überschüsse  der  Aoriste  zeigen. 

Um  nun  das  gegenseitige  Verhältnis  von  Imperfekt  und 
Aorist  bei  Homer  einigermaßen  beurteilen  zu  können,  ist  es  von 
Wert,  dasselbe  Verhältnis  in  einer  Anzahl  andrer  Literaturer- 
zeugnisse kennen  zu  lernen.  Wir  haben  darüber  schon  von  Miller 
Auskunft  erhalten,  wie  in  der  Einleitung  erwähnt  wurde.  Ich 
kann  also  seine  Angaben  mit  meinen  Zählungen  kombinieren. 
Die  meinigen  sind  freilich  insofern  unvollkommener  wie  die 
Millerschen,  als  sie  nicht  mit  und  ohne  Berücksichtigung  von  i^v, 
wie  bei  Miller,  angestellt  worden  sind.  Da  femer  meine  Zäh- 
lungsergebnisse in  Prozenten  aller  Verbalformen  eines  Stückes 
berechnet  wurden,  Miller  aber  nur  Imperfekt  imd  Aorist 
gegen  einander  abgewogen  hat,  so  kann  ich  zwar  wohl  meine 
Zahlen  in  die  seinigen  umrechnen,  leider  aber  das  Umgekehrte 
nicht  vornehmen,  so  lange  mir  nicht  die  Anzahl  aller  Verbal- 
formen der  von  ihm  berücksichtigten  Stücke  bekannt  ist  Un- 
sere Ergebnisse  sind  in  der  nebenstehenden  Tabelle  IX  zu- 
sammengestellt : 

Daraus  geht  hervor,  daß  von  Homer  an  der  Gebrauch  des 
Aorists  allmählig  abnalim,  und  bei  Xenophon  seinen  Tiefetand 
erreichte.  Später  drängte  er  sich  wieder  mehr  und  mehr  in  den 
Vordergrund  und  erreichte  seinen  höchsten  Stand  bei  den  neu- 
testamentlichen  Autoren.  Auf  diese  gehe  ich  hier  nicht  näher 
ein,  sondern  behalte  die  Behandlung  derselben  einer  besonderen 
Publikation  vor.  —  Wenn  wir  somit  von  der  Ilias  zur  Odyssee 
ein  Zurücktreten  des  Aorists  (Indikativ)  wahrnehmen  können,  so 


Statist  Untersuchungen  über  dea  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    989 

stimmt  diese  Erscheinimg  mit  der  unten  in  Zahlen  dargesteUten, 
im  Wechsel  der  Zeiten  wechselnden  Frequene  des  Aorists  überein. 


T 

'abelle  IX. 

Imperfekt 

und  Aorist  Indikativ. 

IB  Prosenten          In  PMcMten  der  Simmea 

aller  Verbal-         aUer  Imperfekte  o.  Aorif U. 

formen. 

Impf. 

Aoriflt                Impf. 

Aoriflt 

Dias 

16 

24                  40 

60 

Odyssee 

17 

22                  U 

66 

Herodot  I 

13 

13                   50 

50 

„      vn 

— 

—                  58 

42  nach  Miller 

„        Vffl 

— 

—                   60 

^     ,,         ,, 

Thucyd.  I,  ohne  Reden 

17 

19                   47 

53 

Reden 

3 

ö                  87 

63 

„      vn 

— 

-                  61 

39     „         „ 

Aeschylos  Perser 

11 

56 

Sopb.  Oed.  rex 

7 

56 

Eurip.  Iph.  taur. 

7 

63 

Xeno{^  anab. 

19 

12                  61 

39 

„        hellenica 

17 

16                  51 

49 

„        Cyrop(l., 

2.,  7.) 

16 

9                  64 

36 

»            »» 

— 

-                   68 

32     „         „ 

memorab.  l<pr\ 
"         mitgerechnet 

12 

4                  75 

25 

Poljbius  I 

12 

18                  48 

52 

„      i-v 

— 

-^                  48 

52  nach  Miller 

Maccabäer  II 

9 

18                  33 

66 

Diodor  I 

5 

7                  42 

58 

Dionys  I 

11 

10                  52 

48 

Josephus  I 

11 

13                  46 

54 

Plutarch  Them. 

10 

11                  4ß 

52 

Ev.  Matth. 

3 

21                   13 

87 

Ev.  Marc. 

11 

19                  27 

63 

Ev.  Luc. 

8 

23                  26 

74 

Acta  apost. 

10 

25                   29 

71 

Ev.  Job. 

7 

22                   21 

79 

Apoe.  Job. 

2 

27                     7 

93 

Arrian  I 

15 

17                   47 

53  so  auch  Miller. 

Nebenmodi  des  Präsens  und  Aorist.  Da  nun  die 
indikativen  Aoriste,  d.  h.  die  perfektiven  erzählenden  Formen, 
bei  Homer  häufiger  sind  als  die  Imperfekte,  so  ließe  sich  aus 

Indogermaniflclie  Forechnn^n  XXIL  16 


280  L.  Schlachter, 

psychologischen  Gründen  erwarten,  daß  die  perfektiven  Noben- 
modi  ebenfalls  häufiger  sein  müßten  als  die  imperfektiven 
Neben modi,  wenn  diese  nicht  zugleich  auch  Nebenmodi  des 
Präsens  wären.  Nun  sind  aber  die  Judikative  Präsentis  zusammen 
mit  den  Indikativen  Imperfekti  zahlreicher  als  die  Judikative 
Aoristi.  Somit  würden  auch,  wenn  die  Nebenmodi  in  einem  be- 
stimmten Verhältnisse  zu  den  Indikativen  stehen,  die  imperfek- 
tiven Nebenmodi  die  perfektiven  an  Menge  übertreffen  müssen, 
und  zwar  sollte  jeder  einzelne  Modus  des  Präsens  jedem  Modus 
des  Aorist  quantitativ  überlegen  sein.  Was  sagen  nun  die  Tat- 
sachen zu  dieser  aprioristischen  Konstruktion? 

Tabelle  VIII. 

Ilias. 

Imperfekt  Indik.  368B  =  16,&!9  aUer  Verbalfonnen 

+  Präsens     „  -f  1990  =    9   «/o     „  „ 

Summe  6676  =  25,6Vo  aller  Verbalformen 

—  Aorist  Indik.  —  Ö334  =  24f,lVo     „  „ 

Differenz  zugunsten  der  imperfektiven \  „.„  ^  -„, 

Indikative  /  ^^  =    l,öVo 

Nebenmodi  des  Präsens  4331  »  19,6^0  aller  Verbalformen 

—  „  „    Aorist  —  i046  =  18,3«/o     „ 

Differenz  zugunsten  der  imperfektiven  \  _oo  ^  ««/     n      tr    ^  i« 

Nebenmodi  f^=    ^'^1'  «"«'  Verbalformen 

Odyssee. 

Imperfekt  Indik.  3061  =>  17,1  <>/•  aller  Verbalformen 

+  Präsens    „  +  1943  =  10,9«/o     „  „ 

Summe  4994  =  28   •/«  aller  Verbalformen 

—  Aorist  Indik.  —  3944  ==  22   >     „  „ 

Differenz  zugunsten  der  imperfektiven  \.^^;^  ^     , 

Indikative  ^Ooü  =     6     /o 

Nebenmodi  des  Präsens  3611  =  20   7^  aller  Verbalformen 

—  „  „    Aorist  —  3402  =  18,8Vo      „  „ 


Differenz 


'"'"Sentdi"'''''""'")  ^  =    1.2>  aller  Verbalformen 


Tab.  VIII  sagt  uns,  daß  die  oben  ausgesprochene  Erwartung 
berechtigt  war :  die  Nebenmodi  des  Präsens  +  Imperfekt  sind 


Statist  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.   231 

als  Oanzes  genommen  in  beiden  Epen  etwas  zahlreicher  als  die 
des  Aorist  Die  samthaft  stärkere  Vertretung  der  präsentischen 
Nebenmodi  verteilt  sich  aber  durchaus  nicht  gleichmäßig 
auf  die  einzelnen,  wie  doch  ebenfalls  zu  erwarten  stand, 
sondern  nur  drei  derselben  nehmen  daran  teil.  Ein  Blick 
auf  Tabelle  VI  (S.  226)  zeigt  dies  mit  aller  Deutlichkeit,  wenn  die 
Zahlen  in  den  übereinanderliegenden  Reihen  der  "Imperfectiva" 
und  der  "Aoriste"  verglichen  werden.  Imperativ,  Infinitiv  und 
Partizip  allein  weisen  auf  der  Imperfektivlinie  höhere 
Zahlen  auf  als  auf  der  Aoristlinie;  Konjunktiv  und  Optativ 
hingegen  stehen  auf  der  Aoristlinie  mit  viel  stattlicheren 
Zahlen  da  als  bei  den  Imperfektiven.  Beides  gilt  für  beide  Epen; 
wir  haben  somit  wirklich  ein  Gesetz  des  Sprachgebrauchs,  oder 
wohl  eher  den  Zahlenausdruck  eines  Sprachzustandes  vor  uns, 
der  bisher  nicht  bekannt  war. 

Unser  Endergebnis  ist  also:  Wie  im  Indikativ  der 
Aorist  dem  eigentlichen  Imperfekte  vorgezogen  wird, 
so  wird  im  Konjunktiv  und  Optativ  ebenfalls  der  Aorist 
bevorzugt,  während  im  Imperativ,  Infinitiv  und  Partizip  das 
Präsens  im  Vordergrund  steht*). 

In  der  Ilias  sind  diese  Bevorzugungen  größer  als  in  der 
Odyssee,  ausgenommen  im  Partizip  und  im  Optativ. 

Unsre  eingangs  aufgeworfene  Frage,  ob  einer  Vorliebe  für 
Indikative  Aoristi  bei  einem  Schriftsteller  auch  eine  solche  für 
die  aoristischen  Nebenmodi  entspreche,  findet  somit  für  Homer 
eine  teilweise  Bejahung. 

Um  das  gefundene  Verhältnis  von  Präsens  und  Aorist  in 
den  Nebenmodi  objektiver  beurteilen  zu  können,  ist  es  nötig 
die  Lage  der  Dinge  bei  anderen  Autoren  zu  kennen.  In  unten 
folgender  Tabelle  X  beschränke  ich  mich  in  meinen  Mitteilungen 
darüber  auf  Konj.  Inf.  Part  und  mache  die  Angaben  in  Pro- 
zenten aller  Verbalformen. 

Auch  hier  zeigt  sich  wie  bei  den  Indikativen  ein  Vor- 
dringen der  präsentischen  (imperfektiven)  Ausdrucksweise  von 
Homer  bis  auf  Xenophon,  dann  aber  tritt  ebenfalls  eine  Wendung 
ein,  die  bis  zu  einer  starken  Bevorzugung  der  Aoriste  bei  den  neu- 
testamentlichen  erzählenden  Autoren  führt.  Nur  im  Partizip  bleibt 
sich  das  numerische  Verhältnis  von  Präs.  und  Aor.  im  Ganzen 

1)  Es  ist  selbstverständlich,  daß  dieser  Satz  nicht  für  einzelne  kon- 
krete Fälle  gilt,  sondern  nur  für  die  Gesamtheit  der  homerischen  Verbal- 
formen.  «g« 


m  U  SeliUeht«r, 

gleich.  -^  Stellt  ee  sich  somit  auch  im  weiterea  EntwicUung»- 
gange  der  Sprache  heraus,  daß  die  einaelnen  Modi  des  gleicheo 
Tempus  sich  verschiedea  verhalten,  so  kann  doch  öfters  die 
Neigung  8U  übereinstimmender  Behandlung  derselben  beobachtet 
Verden. 


Tab 

eile 

X. 

Prozente  aller  Verbalformen. 

Koajunktiv 

iBfloltlT 

PartuiF 

Prte. 

Am. 

?ria. 

Aor. 

Pfifc 

Aer. 

Qias 

1,6 

8 

4 

a 

10 

8 

OdTSsee 

1,6 

3 

4 

3 

10 

Iß 

Berodot  1 

0.8 

1,6 

e 

5 

17 

14 

Aeschylos  Pener 

ohne 

1 

1.7 

6 

6 

10 

10 

Soph.  Oed.  rex 

Chor- 

1 

1.7 

6 

5 

12 

8 

Eurip.  Iph.  taur. 

lieder 

1 

3,7 

5 

6 

11 

11 

Thocyd.  I 

1 

1 

9 

6 

17 

14 

Reden  von  I 

3 

2,7 

16 

8 

20 

8 

XemHPh.  Anab. 

3 

1 

12 

*,ö 

14 

8 

,,       Hellenica 

1 

1 

10 

4^ 

15 

11 

Cyrop.  I,  II,  VII,  mit  Reden 

2,3 

2 

14 

4,5 

14 

6 

Xenopb.  Mem.  I 

3 

1.* 

21 

M 

21 

5 

Polyb.  I 

0,7 

0,7 

11 

5 

82 

18 

llaccabäer  R 

0,3 

1 

8 

6.8 

17 

20 

Diodor  1 

0,6 

0,7 

13 

13 

21 

14 

Dionys  I 

0,3 

0.7 

9 

8 

17 

18 

Joseph.  I 

0,3 

0.6 

11 

8 

17 

17 

Plutarch  Them. 

0,3 

0,9 

11 

'  8 

23 

16 

Sv.  Matth. 

0,8 

6,8 

1,7 

5 

10 

10 

„    Marc. 

1,5 

6,* 

8 

4.6 

9 

13 

„    Luc. 

0,8 

4,4 

3 

5 

11 

9 

„    Joh. 

2,3 

5,2 

1,8 

2,4 

7 

3.6 

Acta  ap. 

0,1 

1,8 

5,4 

6,2 

14 

14 

Arrian  I 

— 



8 

6.5 

14 

16 

Wie  wir  nun  im  ersten  Teile  auf  Tabelle  V  eine  Analyse 
des  Aorists  vorgenommen  haben,  um  die  prozentischen  Beiträge 
der  verschiedenen  Äoristbildungen  zu  den  einzelnen  Modi  zu 
untersuchen,  so  sollen  auch  jetzt  die  quantitativen  Beziehungen 
der  aoristischen  Nebcnmodi  zu  ihren  verschiedenen  Judikativen 
festgestellt  werden,  wobei  wir  wieder  die  Judikative  gleich  1000 
setzen.    Dadurch  gewinnen  wir 


Statist  Untersuchungen  über  dei^  Gebreveh  der  Tempora  u.  Modi  usw.   SM 

Tabelle  XL 
Ilias. 

Indik.  KonJ.  Optat        Imperat        Infln.  Partie. 

1000  136  80  60  143  334      alle  Aonste 


1000 

58 

46 

27 

200 

740 

Passivaoriste 

1000 

110 

71 

65 

130 

310 

c  Aoriste 

1000 

180 

100 

40 

143 

320 

themat.  Aor. 

1000 

140 

80 

127 
Odyssee. 

160 

290 

athemat.  Aor. 

Indik. 

KoiU. 

Optat 

Imperat 

Infln. 

Parüa. 

1000 

140 

120 

71 

175 

338 

alle  Aoriste 

1000  65  80  40  250  540  Passivaoriste 

1000  120  96  78  100  350  a  Aoriste 

1000  187  146  60  190  300  themat.  Aor. 

1000  106  140  150  150  380  athemat  Aor. 

Es  stellt  sich  hier  heraus,  daß  im  Eonj.  und  Opt  die 
höchsten  Zahlen  bei  den  thematischen  Aoristen  gefunden  werden. 
Diese  stellen  also  die  höchsten  Beiträge  an  die  Repräsentation 
der  beiden  Modi.  Andrerseits  tragen  die  thematischen  Forma^ 
tionen  wenig  bei  zur  Vertretung  der  Imperative,  sondern  bei 
diesen  finden  sich  die  athematischen  Aoriste  hervorragend  ver- 
treten im  Vergleiche  zu  ihren  Leistungen  im  Indikativ.  Für  In- 
finitiv und  Partizip  zeigen  keine  der  verschiedenen  aktiven  und 
medialen  Aoristbildungen  besondere  Vorliebe,  im  Partizip  tut  sich 
nur,  wie  schon  oben  erwähnt,  der  Aorist  Passiv  besonders  hervor. 
Von  den  genannten  Tatsachen  erscheint  nun  aber  als  die  wich- 
tigste die  erstgenannte,  daß  die  themat  Aoriste  am  meisten 
und  besten  in  den  Konjunktiven  und  Optativen  zu 
Hause  sind.  Sie  vermag  uns  nämlich  die  Erklärung  zu  geben 
ftir  das  rätselhafte  Überwiegen  der  Konj.  und  Opt.  Aoristi  über 
die  gleichnamigen  Modi  des  Präsens,  von  dem  schon  mehrfach 
die  Rede  war.  Mögen  zu  all  diesen  Erscheinungen  metrische 
Gründe  mitgewirkt  haben,  so  dürfen  wir  doch  kaum  solche  als 
allein  wirksam  ansehen  bei  der  großen  Gewandtheit  der  epischen 
Dichter  jener  Zeit,  metrisch  a  priori  unbrauchbare  Formen  den* 
noch  brauchbar  zu  machen. 

Bevor  wir  uns  aber  an  die  Erörterung  dieses  Rätsds 
machen,  sollen  für  solche  Leser,  denen  die  Reduktionstabelleii 
nidit  sympathisch  sind,  die  gleichen  Vertiältnisse  an  folc|QR!Ä«t 


2M 


L.  Schlachter, 


Zusammenstellung  gezeigt  werden,  der  zum  Vergleich  und  zur 
Illustration  der  hier  waltenden  Gresetzmäßigkeiten  die  Indikative 
noch  beigefügt  sind. 

Tabelle  XII. 
llias. 

Indikative  sigmatisch 
,,         asigmatisch 
,,         athematisch 


Indikative 


Odyssee. 
1858  =»    49,1«/« 
li61  =    38,5V« 

471  =     12,i*/> 

Summe    5075  =  100   >  Summe  3790  =  100   V 


2524  =    49,5»/o 

1901  =    37,7«/o 

660  =    12,8Vo 


Konjunktive  sigmatisch 
„  asigmatisch 

,,  athematisch 


277  =    39   > 

341  =    48   % 

92  =    13   Vo 


Konjunktive  Summe 

Optative  sigmatisch 
„        asigmatisch 
.   ,,        athematisch 


710  =  100   «/o 

181  =    43    «/o 

185  =    44,5^0 

52  =    12,5Vo 


Optative  Summe 

Imperative  sigmatisch 
„  asigmatisch 

,,  athematisch 


418  ==»  100 

165  =  51 

77  =  24 

83  =  25 


233  =    41  V* 

273  =    50  V 

50  =      9  Vo 

Summe    556  =  100  •/» 

179  =    40  V 

213  =    45  •/• 

68  =     15  Vo 

Summe    460  =  100  •/ 


7o 

7« 


146  =  47 
90  =  29 
74  =    24 


Imperative 


Summe 


Infinitive  sigmatisch 
,y        asigmatisch 
„         athematisch 


325  =  100 
46 


336  = 
273  = 
115  = 


16 


•r9 
7a 


Infinitive 


Summe      724  =  100 


Summe    310  =  100  •/• 

312  =    47  «/o 

281  =    42  •/• 

71  =    11  0/» 

664  =  100  •/• 


Participia  sigmatisch  790  =    49 

,,         asigmatisch  611  =    38,4«/o 

athematisch  189  =    12   ®/o 


649  =  61 
442  =  35 
179  =    14 


Participia 


Summe    1590  =  100   ®/o 


Gesamtsumme    8842  Formen 

(ohne  Passivaoriste). 


Summe  1270  =  100  ^a 

7050  Formen 
(ohne  Puflivaoriite). 


Aus  Tabelle  XIII  geht  hervor,  daß  die  sigmatischen  einer- 
seits und  die  asigmatischen  nebst  den  athematischen  Aoristen 
anderseits  sich  im  Indikative  ziemlich  die  Wage  halten.  Man  sollte 
nun  erwarten,  daß  dies  in  den  Nebenmodi  ebenso  wäre.  Statt 
dessen  zeigen  dieselben  größere  und  geringere  Abweichungen. 
Diese  Abweichungen  entsprechen  sich  in  den  beiden  Epen.  Am 
nächsten  konmien  den  Indikativen  die  Partizipien,  während  Kon- 
junktive imd  Optative  am  meisten  von  den  Indikatiwerhältnissen 
abweichen.  Stellt  man  nun  aus  Tabelle  XTT  nach  Maßgabe  der 
asigmatischen  Bildungen  eine  Beihenfolge  unter  den  aoristischen 


Statist.  Untersachungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  a.  Modi  usw.    285 


Modi  her,  in  der  der  Modus  mit  den  meisten  asigmatischen 
Bildungen  zuerst  rangiert,  der  mit  den  wenigsten  aber  zuletzt 
kommt,  so  erhält  man  folgende  Anordnung: 


Tabelle  XIII. 

Ilias. 

Odyssee. 

Aorist  Konj.       61»/o 

Aorist  Optat.      60»/o 

Optat.      57> 

Koiy.       59®/o 

Infin.        MV 

asigmatische                 Infin.        ö3'/o 

asigmatische 

Indikat.    öl«/o 

Bildungen.                   Imperat.  53Vo 

Bildungen. 

Partiz.     ö(y>/o 

Indikat.    öl'/o 

Imperat.  ^O^/o 

Partiz.     i9> 

Wägt  man  aber  ohne  Berücksichtigung  der  übrigen  Tem- 
pora blos  die  gleichnamigen  Modi  des  Präsens  und  Aorist  gegen 
einander  ab,  wie  folgende  Zusammenstellung  zeigt,  und  sieht 
zugleich  darauf,  daß  sie  nach  Maßgabe  ihrer  prozentischen  Höhe 
geordnet  werden,  was  in  nachstehender  Tabelle  geschehen  ist, 


Tabelle  XIV. 

Ilias. 

Präsens 

Aorist 

Samme 

Konjunktiv    340  Formen 

Konjunktiv  '  710  Formen 

=  1050  Formen 

oder  32«/o 

68<»/o 

=  100«/o 

OpUtiv          245 

)• 

Optativ         410 

11 

=    664       „ 

oder  367o 

64> 

=  100^/0 

Infinitiv         901 

•» 

Infinitiv         724 

11 

=  1625       „ 

oder  5ö«/o 

4ö»/o 

=  100«/o 

Partizip.      2352 

»» 

Partizip.       1590 

11 

=  3940       „ 

oder  60«/o 

40«/o 

=  100> 

Imperativ      484 

»j 

Imperativ      325 

11 

=    809       „ 

oder  60«/o 

40<»/9 
Odyssee. 

=  100^/0 

PriseDS 

Aorist 

Summ« 

Konjunktiv   293  Formen 

Konjunktiv    546  Formen 

=    839  Formen 

oder  36«/o 

6ö«/o 

=  100> 

Optativ          276 

»> 

Optativ          460 

11 

=    736       „ 

oder  38«/o 

62«/o 

=  100«/o 

Infinitiv         727 

>» 

Infinitiv          664 

11 

=  1391       „ 

oder  ö3'/o 

47«/o 

=  1000/0 

Imperativ      343 

11 

hnperativ       310 

r? 

=  653         „ 

oder  öH'/o 

470/0 

=  1000/0 

Partizip.       1972 

11 

Partizip.       1270 

11 

=  3242        „ 

oder  61<>/o 

39«/o 

=  1000/0 

80  stellt  sich  heraus,  daß  die  Reihenfolge  der  Modi  des  Aorist 
auf  den  beiden  nach  ganz  verschiedenen  Grundsätzen  herge- 
stellten Tabellen  Xm  und  XIY  fast  vollständig  übereinetumsLl. 


886  L.  Schlächter, 

I>8  dit  nach  den  beiden  angegebenen  leitenden  Gesichts- 
paukten  tfOi^stellten  Bangordnungen  sich  so  gut  entsprechen, 
so  sind  wir  berechtigt,  aus  dieser  Übereinstimmung  den  Satz 
abzuleiten,  daß  in  Tabelle  XIY  ein  Modus  des  Aorists  einen 
um  so  höheren  Prozentsatz  aufweist,  je  zahlrdcher  die  asig- 
matischen  Bildungen  sind.  Der  Prozentsatz  eines  Aorist- 
modus ist  also  dem  der  asigmatischen  Bildungen  nahe- 
zn  direkt  proportional. 

Sucht  man  nach  einer  Erklärung  dieser  auffallenden  Tat- 
sache, so  liegt  es  am  nächsten  an  die  oft  sehr  geringe,  oft  völlig 
mangelnde  Differenzierung  zwischen  den  Nebenmodi  des  Präsens 
und  der  asigmatischen  Aoriste  zu  denken.  Man  ist  geneigt,  sich 
zu  sagen,  daß  eine  Kontamination  der  beiden  Moduszeiten  sehr 
leicht  möglich  war,  namentlich  dann,  wenn  nicht  ein  Aktions- 
unterschied im  Stamme  selbst  sich  aufdrängte.  Man  könnte  es 
also  für  möglich  halten,  daß  zur  Zeit  der  Entstehung  der  home- 
rischen Epen  manche  asigmatische  Aoristform  als  Präsens  ge- 
fühlt wurde  und  demnach  in  unsem  Epen  als  solches  funktio- 
niert Am  meisten  müßte  das  bei  einem  Konjunktive  Aoristi  II, 
etwas  weniger  häufig  bei  einem  Optative  vorgekommen  sein. 
Somit  würde  man  es  einer  Verirrung  des  Sprachgefühls  zu- 
schreiben, daß  Konjunktiv  und  Optativ  Aoristi  relativ  häufiger 
sind  als  die  andern  Modi  dieses  Tempus.  Freilich  ist  damit 
nicht  erklärt,  weshalb  ein  Konjunktiv  und  Optativ  eines  zweiten 
Aorists  leichter  als  ein  andrer  Modus  die  Funktion  eines  Präsens 
übernehmen  konnte. 

Nachdem  wir  schon  auf  S.  232  gesehen  haben,  daß  das  Ver- 
hältnis der  präsentischen  Nebenmodi  zu  den  aoristischen  sich 
bei  späteren  Autoren  verschoben  hat,  so  daß  zuerst  ein  Vor- 
dringen der  imperfektiven  Ausdrucksweise  konstatiert  werden 
kann,  nachher  aber  wieder  ein  Vordringen  der  perfektiven  zu 
beobachten  ist,  so  wäre  jetzt  das  Verhalten  der  starken  Aoriste 
bei  diesem  Rückwärts-  und  Vorwärtsgehen  zu  prüfen.  Es  wäre 
zu  untersuchen,  ob  diesen  veränderten  Verhältnissen  auch  ein 
entsprechendes  Rück-  und  Vorschreiten  der  starken  Aoriste  oder 
der  andern  asigmatischen  Bildungen  entspricht  Ich  verzichte 
darauf,  mein  auf  diese  Frage  bezügliches  Material  hier  zu  ver- 
öffenüichen,  sondern  begnüge  mich  damit,  ganz  summarisch  zu 
bemerken,  daß  von  Homer  an  zwar  im  Konj.  und  Opt  eine  Ab- 
nahme der  starken  Aoriste  zu  beobachten  ist,  dagegen  eine  Zu- 


Statist.  Untersachungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    MV 

nähme  im  In£  und  Part,  besonders  im  letzteren  Modus.  Ton 
einer  quantitativen  Beziehung  zwischen  der  Häufigkeit  eines 
Aoristmodus  und  der  Frequenz  starker  Aoriste  in  demselben,  so, 
wie  sie  oben  für  Ilias  und  Odyssee  festgestellt  werden  konnte, 
konnte  ich  jedoch  nichts  bemerken.  Wenn  aber  die  homerischen 
Epen  mit  diesem  Verhalten  alleinstehen,  so  ist  die  vorhin  aus- 
gesprochene Vermutung,  daß  das  Sprachgefühl  des  Griechen  jener 
Zeit  für  den  Unterschied  von  Konj.  und  Opt.  Präsentis  und  solchen 
zweiter  Aoriste  möglicherweise  nicht  durchweg  fein  genug  sein 
mochte,  näher  anzusehen.  Dabei  möchte  ich  folgende  Hypothese 
wagen,  deren  Berechtigung  zu  prüfen  die  Aufgabe  der  Indo- 
germanisten wäre: 

Der  Aorist  mochte  wohl  ursprünglich  in  erster  Linie,  wie 
ja  jetzt  allgemein  angenommen  wird,  auch  im  Indikativ  zeitlos 
oder  zeitstufenlos  sein,  was,  wie  Herbig  meint,  am  gnomischen 
Aorist  hoch  sichtbar  ist.  Als  der  Indikativ  später  temporale 
Bedeutung  annahm,  infolge  des  hinzutretenden  Augmentes,  teilte 
sich  diese  Bedeutung  auch  seinen  Stellvertretern  (Part,  Inf.,  Opt 
obliq.)  mit,  während  die  übrigen  Modi  (der  Konj.,  die  anderen 
Optative,  der  Imperativ)  zeitstufenlos  blieben.  Ebenso  beschränkte 
sich  der  rein  konstatierende  Gebrauch  des  Aorists,  der  übrigens 
nach  Delbrück,  Mutzbauer,  Molzer  (nicht  nach  Purdie!)  bei 
Homer  noch  selten  ist,  auf  den  Indikativ  und  seine  obgenannten 
Stellvertreter. 

Man  sollte  nun  erwarten,  daß  die  neue  Verwendung  der 
genannten  Aoristmodi  neben  der  alten  ihre  Verwendbarkeit 
quantitativ  gehoben  hätte.  Das  mochte  anfangs  so  gewesen  sein, 
wir  finden  es  aber  bei  Homer  nicht  mehr  so.  Es  scheint  mir 
vielmehr,  daß  die  alte  zeitstufenlose  Verwendbarkeit  durch  die 
neue  Anwendung  verringert  worden  sei,  und  daß  nur  diejenigen 
Modi,  die  an  der  veränderten  Bedeutung  des  Indikativs  ent- 
weder gar  nicht  teilnahmen,  wie  der  Konjunktiv,  oder  nur  teil- 
weise, wie  der  Optativ,  im  bisherigen  Umfange  verwendbar 
blieben,  nämlich  für  Vergangenheit,  Gegenwart,  Zukunft,  per- 
fektiv und  imperfektiv.  Sonach  hätte  also  der  Indikativ  am 
meisten  eingebüßt  von  dem  ursprünglich  zeitstufenlosen  Ge- 
brauch, indem  davon  nur  die  gnomische  und  die  komparative 
Verwendung  übrig  blieb.  Etwas  besser  wäre  sie  erhalten  ge- 
blieben im  Partizip,  noch  mehr  im  Infinitiv,  weit  besser  im 
Optativ,  am  allermeisten  aber  im  Konjunktiv.   Das  ist  aber  eben 


238  L.  Schlachter, 

die  Reihenfolge  der  Modi,  die  wir  auf  Tabelle  XTTT  finden.  (Den 
Imperativ  schließe  ich  von  dieser  Erörterung  aus,  da  er  be- 
sonderer Erwähnung  bedarf).  Da  nun  die  Zeitstufenlosigkeit  den 
Nebenmodi  des  Präsens  und  Aorist  gemeinsam  war,  so  war  natur- 
gemäß der  Bedeutungsunterschied  zwischen  den  morphologisch 
wenig  differenzierten  asigmatischen  Aoristen  und  den  Prasens- 
formen  am  geringsten,  so  daß  die  ersteren  als  indifferente  Bil- 
dungen da  am  meisten  Verwendung  finden  mußten,  wo  die 
Zeitstufenlosigkeit  am  wenigsten  gestört  worden  war,  im  Kon- 
junktiv und  Optativ.  Der  Aktionsunterschied,  den  wir  jetzt 
zwischen  den  präsentischen  und  aoristischen  Formenreihen  fühlen 
oder  nachzufühlen  uns  bemühen,  ist  ja  nicht  von  Anbeginn  bei 
allen  Verben  vorhanden  gewesen. 

Nun  noch  ein  Wort  über  den  Imperativ:  Es  ist  von 
Delbrück  (SF.  IV  S.  120)  darauf  hinge wi^en  worden,  daß  der 
Inf.  Aor.  erst  aufgekommen  sein  dürfte,  nachdem  der  Impt  Präs. 
sich  schon  eingebürgert  hatte ^).  Für  diese  Ansicht  spricht  nun 
das  Vorherrschen  der  Imperative  Präs.  in  Dias  und  Odyssee 
vor  denen  des  Aorists,  wie  unsre  Statistik  sie  lehrt,  dafür  spricht 
femer  ihr  stärkeres  Vorherrschen  in  der  Dias.  Andrerseits  ver- 
rät das  Schwanken  der  Imperativverhältniszahlen  in  den  einzelnen 
Gesängen  (vgl.  Tab.  XIV)  einen  Zustand  der  Sprache,  wo  noch 
keine  feste  Praxis  in  der  Verwendung  aoristischer  und  präsen- 
tischer Imperative  sich  ausgebildet  hatte.  Richtiger  würde  es 
vielleicht  sein,  zu  sagen,  daß  die  einst  feste  Praxis  durch  das  Ein- 
dringen der  neugebildeten  aoristischen  Imperative  ins  Wanken 
geraten  sei.  Dieses  Schwanken  zwischen  Imperat.  Präs.  und  Aor. 
ist,  wie  die  nachfolgende  Tabelle  XIV  lehrt,  in  der  Odyssee 
stärker  als  in  der  Dias. 

Wenn  nun  Delbrücks  Vermutung  richtig  ist  und  die  aus- 
gesprochene Ansicht  von  der  geringen  Differenz  zwischen  Prä- 
sensformeu  und  den  asigmatischen  Aoristformen  ebenfalls,  so 
sollten  bei  Verboten  Imperative  zweiter  Aoriste  neben  präsen- 
tischen Imperativen  bei  Homer  zu  finden  sein.  Es  sind  mir  aber 
nur  zwei  Beispiele  bekannt,  und  beide  Male  handelt  es  sich  um 
das  gleiche  Verb :  |uit^  ?v9eo  (uj  248  und  A  410).  Dieser  Befund 
also  spricht  gegen  die  Richtigkeit  obiger  Darlegung.  —  Ebenso 
sollte,  wenn  meine  Auffassung  richtig  ist,  bei  Homer  ein  Verbot 
außer  mit  Konj.  Aor.  auch  mit  |uif|  und  Konj.  Präs.  ausgesprochen 

1)  Siehe  auch  Vergl.  Synt.  d.  idg.  Spr.  II  S.  364. 


Statist.  Untersuchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    289 

werden  können.  Das  ist  nun  wirklich  der  Fall,  auch  wenn  wir 
von  Kixeiu)  A.  26  und  iKiDjuai  X  123,  die  beides  sein  können, 
absehen.  Ich  erwähne  tt  389  und  u)  462.  Häufig  ist  aber  auch 
diese  Erscheinung  nicht  Wenn  wir  indessen  in  abhängigen  jurj- 
Sätzen  den  Konj.  Präs.  neben  dem  Konj.  Aor.  finden  ^),  so  dürfte 
das  doch  wohl  darauf  hinweisen,  daß  in  älterer  Zeit  auch  in 
unabhängigen  Verboten  der  Konj.  Präs.  häufiger  war.  —  Dafür, 
daß  auch  der  Imperat.  starker  Aoriste  in  älterer  Zeit  neben  dem 
Präsens  gebraucht  worden  sei,  darf  kaum  die  Tatsache  als  Beweis 
angesehen  werden,  daß  die  Infinitive  Aoristi  mit  Imperativbedeu- 
tung negiert  vorkommen.  Wir  haben  also  hier  eine  Schwierigkeit, 
die  zugestanden  werden  muß. 

um  nun  schließlich  noch  das  gegenseitige  Zahlenverhältnis 
der  Nebenmodi  des  Präsens  und  Aor.  in  den  einzelnen  Gesängen 
zur  Darstellung  zu  bringen,  lasse  ich  die  Tabellen  XV  a  und  b 
folgen.  Die  Zahlen  erheben  nicht  Anspruch  auf  absolute  Rich- 
tigkeit Gelegentliche  Nachprüfungen  haben  kleinere  Differenzen 
ergeben;  es  wird  aber  dadurch  an  den  Gesamtresultaten  im 
wesentlichen  nichts  geändert  Ich  bemerke  noch,  daß,  wenn  die 
Addition  der  gleichnamigen  Modi  des  Präs.  und  Aor.  nicht  100 
gibt,  die  Differenz  auf  Perf.  und  Fut  oder  auf  beide  zusammen- 
fällt (Inf.  u.  Part.).  Die  Tabellen  zeigen,  verglichen  mit  Tab.  XIV, 
daß  auch  für  die  einzelnen  Gesänge  das  Vorwiegen  der  Konj. 
und  Opt  Aor.  gilt,  sowie  das  Vorherrschen  der  Part  Präs.  und 
das  schwankende  Verhalten  der  Infinitive  in  beiden  Epen  und 
das  des  Imperativs  in  der  Odyssee. 

Tabelle  XV  a. 

Nebenmodi  des  Präsens  und  Aorist  in  ihrem  gegenseitigen 
Zahlenverhältnis. 


llias. 

Nebenmodi  des  Prftseni 

in  Prozenten 

Nebenmodi  des  Aoriit  in  Prozenten 

KooJ.      Opt.      Impt. 

Infln. 

Part. 

Konj. 

Opt      Impt 

Infln.     Part 

A     33        37        50 

50 

56 

60 

63        47 

33        32 

B     46        42        76 

65 

59 

54 

58        24 

31        32 

r     29        30        58 

51 

40 

69 

65        42 

49       44 

A     32        37        66 

54 

50 

60 

60        34 

37        35 

E     41        23        54 

52 

49 

59 

73        38 

29        33 

Z     35        44        52 

45 

51 

59 

52        47 

41        36 

1)  Delbr.  Vgl.  S.  d.  idg.  Spr.  U  363. 


MO  L.  Schiachter, 

Nebenmodi  d«i  Priseni  in  Prozenten  Nebenmodi  den  Aotiit  in  Pronatai 

EonJ.     Opt     Impt     Infln.     Part  Eoi^.     Opt     In^t     Infln.     Part. 

HlS8768a8       45  8763346440 

e     84       33       64       89       54  70       67       30       49       37 

4     59        46634949  4652893837 

K     41        26        60        59      49  57        74       46        29      49 

A     26        46       56        53        50  71        53        40        26        36 

M355068      86        41  6445254039 

N     32        29  80        46        48  64        71        20        37        34 

£40        36  6246        47  5864383839 

0  38  40  62  41  47  61  60  29  38  39 
n2920  46  5548  65  76  693440 
P     24        31  50        52        45  74        70        50        32        42 

1  36        36  90      94        52  64        58       61       67        33 

T  82  38  44  96  44  76  62  47  40  39 

Y  29  43  72  51  49  66  67  5  34  49 
0  19  35  72  43  49  79  65  25  42  31 
X  23  27  56  96  49  73  73  36  62  37 

Y  24  67  70  99  53  71  99  27  49  37 
Q  18  43  49  99  53  80  57  67  46  32 

Die  Ton  der  Regel  abweichenden  Zahlen  sind  fett  gedruckt. 

Tabelle  XV  b. 

Nebenmodi  des  Präsens  und  Aorist  in  ihrem  gegenseitigen 

Zahlenverhältnis. 

Odyssee. 

Nebenmodi  des  Präsens  in  Prozenten  Nebenmodi  des  Aorist  in  Prozenten 

KonJ.      Opt.      Impt     Infln.     Part.  KonJ.      Opt      Impt      Iniin.    Part 


a  40 

30 

64 

61 

51 

54 

70 

32 

34 

28 

ß  27 

34 

99 

61 

56 

66 

66 

60 

32 

26 

T  26 

43 

49 

48 

54 

70 

47 

47 

48 

36 

b  38 

32 

46 

94 

50 

62 

68 

69 

66 

32 

*^)35 

34 

46 

99 

47 

62 

61 

61 

69 

33 

n  29 

32 

56 

41 

60 

53 

68 

44 

49 

30 

e  43 

60 

99 

48 

47 

54 

47 

70 

40 

40 

i  42 

44 

27 

49 

46 

50 

54 

79 

46 

46 

K  24 

35 

68 

49 

52 

72 

65 

32 

41 

36 

X  35 

49 

40 

49 

52 

61 

51 

66 

46 

.29 

Vi     35 

10 

52 

99 

48 

65 

90 

37 

62 

41 

V  37 

37 

65 

99 

53 

58 

63 

35 

49 

29 

E  17 

30 

64 

46 

49 

77 

62 

26 

49 

39 

0  33 

40 

58 

49 

49 

66 

58 

42 

49 

40 

ir  36 

43 

48 

54 

53 

64 

57 

45 

39 

40 

p  37 

35 

54 

53 

53 

62 

63 

40 

38 

34 

c  34 

47 

53 

54 

40 

63 

61 

35 

37 

41 

Statist  Untersnchungen  über  den  Gebrauch  der  Tempora  u.  Modi  usw.    Ml 

Neteoiiiodi  iet  PräMiu  in  ProzentM  Mebenmodi  des  Aoriat  in  ProsentMi 

EonJ.     Opt     Impt     Infin.     Part  KonJ.     Opt     Impt     Infln.     Part 


T 

36 

80 

56 

53 

58 

60 

66 

40 

42 

28 

V 

39 

31 

S2 

66 

60 

61 

70 

44 

29 

27 

V 

82 

23 

60 

81 

50 

66 

79 

39 

69 

41 

X 

8 

28 

46 

50 

48 

83 

72 

49 

40 

33 

V 

30 

23 

66 

39 

54 

71 

65 

43 

48 

31 

Ul 

36 

28 

44 

40 

52 

50 

72 

55 

40 

37 

Die  von  der  Regel  abweichenden  Zahlen  sind  fett  gedruckt. 

Fassen  wir  nun  auch  die  Ergebnisse  des  zweiten  Teiles 
zusammen,  so  sind  es  folgende: 

1.  In  beiden  Epen  überragen  die  Judikative  Aoristi  die 
Imperfekte  an  Zahl  beträchtlich. 

2.  In  der  Ilias  sind  die  Indikative  Aoristi  noch  mehr  be- 
Torzugt  als  in  der  Odyssee. 

3.  Dieser  Bevorzugung  der  Aoriste  im  Indik.  entsprechen 
unter  den  Nebenmodi  nur  Eonj.  und  Opt 

4.  Im  Imperativ,  Infin.,  Part  ist  die  präsentische  Ausdruck»- 
weise  häufiger  (Tab.  XIV  u.  XV). 

5.  In  der  Ilias  ist  sowohl  der  Überschuß  der  Konj.  u.  Opt 
Aoristi  über  Konj.  und  Opt.  Präsentis  als  auch  der  von  Infin. 
u.  Imperat  Präs.  über  Inf.  u.  Imp.  Aoristi  relativ  größer  als  in 
der  Odyssee  (vgl.  Tab.  XIV). 

6.  Im  Konj.  u.  Opt  Aor.  wiegen  die  asigmatischen  Bildungen 
stark  vor  (Tab.  XI  u.  XII). 

7.  Der  Aorist  Passiv  ist  von  der  epischen  Sprache  den 
übrigen  Aoristformationen  funktionell  noch  nicht  völlig  assimiliert. 
In  der  Odyssee  zeigt  er  sich  ihnen  etwas  besser  angeglichen 
als  in  der  lUas  (Tab.  V  u.  XI). 

8.  Sonst  ist  dieBeteiligungderverschiedenen  Aoristbildungen 
an  den  einzelnen  Modis  unter  sich  zwar  verschieden,  in  beiden 
Epen  aber  von  übereinstimmender  Verschiedenheit  (Tab.  XII). 

Aus  den  angestellten  und  zum  Teil  hier  mitgeteilten  statisti* 
sehen  Erhebungen,  soweit  sie  über  Homer  hinausgehen,  ergibt 
sich  die  für  die  Aktionslehre  wichtige  Tatsache,  daß  das  Ver- 
hältnis zwischen  Imperfekt  und  Aorist  Indikativ  im  Laufe  der 
Zeiten  wechselt,  und  daß  somit  nicht  zu  allen  Zeiten  die 
gleichen  Grundsätze  bei  der  Wahl  des  einen  oder  andern 
Tempus  herrschten  (vgl.  S.  229). 

Für  die  Aktionslehi-e  ist  die  weitere  Tatsache  von  Wichtig- 


242  Fr.  Stolz, 

keit,  daß  sich  zwar  allezeit  mit  dem  einen  Modus  leichter  die 
imperfektive  Aktion  verbindet,  mit  dem  andern  die  perfektive, 
daß  aber  auch  in  dieser  Beziehung  verschiedene  Zeiten  durch 
verschiedenes  Fühlen  geleitet  werden,  wozu  auch  die  nächste, 
Herodot  behandelnde  Publikation  einen  Beleg  bringen  wird. 
Bern.  L.  Schlachter. 


Laverna. 


Die  bis  zur  Stunde  geltende  Erklärung  des  lateinischen 
Göttemamens  Lavema^  über  deren  Literatur  Vaniöek  Et  Wb. 
2.  Aufl.  253  Aufschluß  gibt  (vgl.  auch  Osthoff  IF.  5,  311),  hat 
auch  Walde  in  seinem  mit  Recht  von  allen  Seiten  beifällig  auf- 
genommenen etymologischen  Wörterbuch  S.351  angenommen,  wo 
Lavema  'Göttin  des  Gewinns,  Diebsgöttin*,  ebenso  wie  lücrum^ 
zu  W.  *iatt-  'gewinnen,  genießen'  gestellt  werden,  eine  Deutung, 
die  auch  von  mir  Hist  Gramm.  1, 161  angenommen  worden  war, 
ohne  daß  bis  jetzt,  soweit  mir  bekannt  ist,  über  die  auf^lige 
Bildung  des  Wortes  irgend  eine  Bemerkung  vorgetragen  worden 
wäre.  Und  doch,  wenn  man  die  offenbar  in  ihrer  Bildung  nächst- 
verwandten Substantive  cavema  lucema^  um  von  anderen  ähn- 
lichen Bildungen  zunächst  abzusehen,  ins  Auge  gefaßt  hätte, 
wäre  die  Beantwortung  der  Frage  der  Bildung  und  Bedeutung 
dieses  Göttinnennamens  nicht  zu  umgehen  gewesen.  Aber  auch 
abgesehen  von  dieser  formalen  Schwieriglceit,  die  später  zur  Er- 
örterung kommen  wird,  ist  von  den  Sprachforschem,  welche  die 
oben  erwähnte  Etymologie  von  Laverna  gutgeheißen  haben,  über- 
sehen worden,  daß  diese  Erklärung  auch  zur  Sachforschung 
nicht  stimmt,  da  die  Funktion  dieser  Göttin  als  'Diebsgöttin' 
keineswegs  die  ursprüngliche  gewesen  zu  sein  scheint.  Über  diese 
ursprüngliche  Wesenheit  der  Göttin  gibt  Wissowa  bei  Röscher 
Lexikon  II,  1917  f.  und  Religion  und  Kultus  der  Römer  S.  190 
erwünschten  Aufschluß.  Ich  führe  die  letztere  Stelle  wörtlich  an: 
*Eine  verschollene  Unterweltsgöttin  ist  wahrscheinlich  auch  La- 
verna,  die  am  Aventin,  nahe  der  nach  ihr  benannten  Porta 
Lavemalis,  einen  Altar  (Varro  de  1. 1.  V  163)  und  außerdem  einen 
heiligen  Hain  besaß:  wir  kennen  sie  außer  durch  die  Inschrift 
einer  Tonschale  (CIL.  I,  47)  nur  aus  zahlreichen  Erwähnungen 
römischer  Dichter,    bei    denen   die   Göttin   des   Dunkels    zur 


Lavema.  243 

Schützerin  der  Spitzbuben  geworden  ist:  aber  noch  in  einem 
Zeugnisse  aus  der  Zeit  Hadrians  wird  Lavema  als  Vertreterin 
der  Unterwelt  den  —  durch  Pallas  repräsentierten  —  himm- 
lischen Gottheiten  gegenüber  gestellt/  Dieses  Zeugnis,  auf  das  von 
Wisse wa  aufmerksam  gemacht,  auch  Wünsch  (Inscr.  Graecae  III 3, 
App.  S.  IV)  verweist,  stammt  von  dem  Dichter  Septimius  Serenus 

und  lautet: 

Inferis  manu  sinistra 
imroolamas  pocula: 
laeva  quae  vides  Lavernae, 
Pallad i  sunt  dextera.  *) 

Es  braucht  wohl  nicht  ausdrücklich  darauf  hingewiesen  zu 
werden,  wie  vortrefflich  zu  diesem,  allerdings  späten,  literarischen 
Zeugnis  die  Tatsache  stimmt,  daß  uns  aus  alter  Zeit  eine  Ton- 
schale mit  der  Aufschrift  'Lavemai  pocolom'  erhalten  ist  Daß 
aber  die  *ünterweltsgöttin'  ursprünglicher  und  älter  sem  muß 
als  die  'Göttin  der  Diebe',  erhellt,  von  allem  andern  abgesehen, 
schon  aus  der  aprioristischen  Erwägung,  daß  die  Umwandlung 
einer  *Göttin  der  Diebe'  in  eine  *ünterweltsgöttin'  überhaupt 
als  eine  bare  Unbegreiflichkeit  erscheint,  während  die  umge- 
kehrte Entwicklung,  worauf  schon  Wissowa  bei  Röscher  a.  a.  0. 
hingewiesen  hat,  sich  aus  den  Worten  des  Horatius  EpistI16,60f. 
recht  leicht  begreifen  läßt  Dort  heißt  es  von  einem  nur  dem 
äußeren  Scheine  nach  rechtschaffenen  Mann: 

Labra  movet  metuens  audiri:  *pulchra  Laverna, 
Da  mihi  fallere,  da  iusto  sanctoque  videri, 
Noctem  peccatis  et  fraudibus  obice  nubem*. 

Sonach  ist  es  nichts  mit  der  'Göttin  des  Gewinnes',  son- 
dern die  Erklärung  des  Namens  muß  nach  einer  andern  Richtung 
gesucht  werden.')  Es  klingt  nicht  unglaublich,  unser  Laverna 
mit  den  Worten  lateo  IcUebra  in  Verbindung  zu  bringen,  die  von 
der  W.  lä:  U  abgeleitet  sind.  Speziell  sei  daran  erinnert,  daß 
lateo  gewiß  mit  Recht  als  eine  Ableitung  des  to-  Partizips  idg. 
*l9iö-  angesehen  und  mit  fateor^  abgeleitet  von  *bh9tö'y  lat  */a^i 
auf  eine  Linie  gestellt  wird.  Wie  hätten  also  in  dem  Namen 
der  Göttin  Lavema  die  schwache  Wurzelgestalt  zu  suchen,  idg. 
fo.  =  lat  kh. 


1)  Als  eine  der  eigentlichen  Unterweltsgottheiten  bezeichnet 
Lavema  anch  Steading  bei  Röscher  Lexikon  II  24ö,  58. 

2)  Aach  die  Deutung  von  Lua  (Walde  349)  wird   nach  Wissowa 
Religion  171  abgeändert  werden  müssen. 


Ui  Fr.  Stolz, 

Es  wird  sich  nun  empfehlen,  die  bereits  oben  erwähnte 
Bildung  cavema  näher  ins  Auge  zu  fassen,  die  wir  entschieden 
zur  gleichen  Wurzel  stellen,  wie  das  Adjektivum  cawm^).  eavemm 
Kun,  aus  *c69amä  *c&ü§r-nä^  woraus  nach  dem  Inslebentreten  der 
regulierenden  Tätigkeit  der  Antepänultima  mit  Übergang  des 
nunmehr  rortonigen  co-  in  ca-  cavima  wurde,  dürfte  eine  Weiter- 
bildung eines  ursprünglichen  r-Stammes  *covar^  vgl.  griedL  Kuap 
aruL  8or  'Höhle,  Loch'  (vgl.  Brugmann  Grundriß  2i-,  281),  mit 
dem  Suffix  -nä,  und  'hohler  Raum,  Höhle,  Höhlung'  mitbin 
die  Grundbedeutung  des  lateinischen  Wortes  gewesen  sein.  Was 
nun  die  Bildung  des  mit  cavema  reimenden  Lavema  anlangt, 
so  vermag  ich  allerdings  für  dieses  einen  ursprünglichen  r-Stamm 
sonst  nicht  nachzuweisen.  Aber  entsprechend  dem  Yerhältnis 
cavama:  cavos,  die  jedenfalls  nach  dem  wohl  schon  in  vor- 
historischer Zeit  erfolgten  Verluste  des  einfachen  *covar  in  un- 
mittelbare Beziehung  miteinander  gesetzt  wurden,  dürfen  wir 
auch  Laverna:  Havos  erschließen.  Dieses  letztere,  Grdf.  *l9u6s^  ist 
eine  dem  to-  Partizip  *l9t6s  parallele  Bildung  mit  passiver  Be- 
deutung 'verborgen*.  Zu  Bildung  und  Bedeutung  genau  ent- 
sprechende Fälle  sind  curvus  neben  griech.  Kupiöc,  wenn  auch 
beide  Worte  nur  mehr  in  adjektivischer  Geltung  vorliegen,  andere 
jfo-  Bildungen  mit  gleicher  Bedeutung  verzeichnet  Brugmann 
Grundriß  2i*,  202  f.,  z.  B.  ai.  üvds  'vertraut',  griech.  xavadc 
'gestreckt',  kymr.  gwyw  'verwelkt'  u.  a.  Somit  dürfen  wir  für 
Laverna  die  Grundbedeutung  'verborgener  Ort'  erschließen,  woraus 
sich  durch  metonymische  Umdeutung  "die  an  dem  verborgenen 
Orte  weilende  oder  hausende  Gottheit"  entwickelte.  Elin  Ana- 
logen hiezu  bietet  das  anord.  hd  ags.  hell  ahd.  hella^  ursprüng- 
lich 'Ort  der  Verbergung',  erst  später  personifiziert  zur  G<)ttin 
Hei,  Diese  Bedeutungsentwicklung  nimmt,  um  nur  diesen  einen 
Gewährsmann  zu  nennen  (vgl.  auch  Mogk  Germanische  Mytho- 
logie (Sammlung  Göschen,  1906)  S.  38:  "Hei  hat  wie  got  halja, 
nhd.  hella  zunächst  rein  lokale  Bedeutung;  erst  spätere  Dichtung 
läßt  über  das  Reich  eine  Hei  walten  usw."),  meines  Erachtens 
Schrader  Reallexikon  869  mit  Recht  an  im  Gegensatze  2U  jener  \ 

1)  Nicht  mit  Hirt  PBrB.  23,  310  aus  *cajie8ina:  ahd.  hüs  herzu- 
leiten, wie  auch  Walde  S.  109  dafürzuhalten  geneigt  ist;  wenn  auch  laut- 
gesetzlich der  Hirt'schen  Etymologie  nichts  im  Wege  stünde,  scheint  mit 
doch  die  Bedeutung  des  Wortes  entschieden  auf  Zusammenbang  mit  cavos 
cavua  zu  deuten. 


Laverna.  846 

Auffassang,  die  den  umgekehrten  Gteng  anzunehmen  geneigt  ist 
und  von  der  persönlichen  Bedeutung  der  Gk)ttheit  ausgeht,  eine 
Auffassung,  die  allerdings  von  Jakob  Grimm  ausgegangen  ist 
und  in  Osthoff  IF.  8,  55  f.  unter  besonderer  Berufung  auf  das 
lateinische  Orcus,  das  im  alten  Latein  nach  dem  Nachweise  von 
J.  S.  Speijer  ''nur  den  Gott,  dasselbe  was  Du  pater^  nicht  die 
Lokalität,  in  der  er  baust,  also  nicht  das  *Totenreich,  die 
Unterwelt',  bezeichne",  einen  besonders  warmen  Vertreter  ge- 
funden hat.  Doch  ist  nicht  zu  übersehen,  daß  R.  Peter  bei 
Boscher  Lex.  s.  v.  'Orcus'  ausdrücklich  bemerkt:  "Die  ursprüng- 
liche Bedeutung  des  Wortes  Orcus  als  Bezeichnung  für  den 
Unterweltsraum  tritt  nur  in  wenigen  Stellen  der  Schrift- 
steller hervor,  vgl.  Paul.  S.  128  manalem  lapidem  ptäabatU  esse 
asHutn  arci^  per  quod  animae  inferortim  ad  superos  manarent] 
Lucret  1,  115  an  tenebras  orci  visat  vasiasque  lacutMS^  6,  7631 
ianua  ne  forte  his  orci  regumibus  esse  credatur  ....  Propert  3, 
19,  27  non  tarnen  immerito  Minos  sedet  arbiter  orci".  Allerdings 
darf  nicht  verschwiegen  werden,  daß  auch  Wissowa  für  die 
persönliche  Auffassung  von  Orcus  zu  sein  scheint,  da  er  Re- 
ligion und  Kultus  der  Römer  S.  192  sagt:  "Denn  die  gespen- 
stigen Erscheinungen  der  lanxie  und  des  Orcus,  die  nicht  der 
Religion,  sondern  dem  volkstümlichen  Aberglauben  angehören, 
haben  stets  etwas  ganz  Unbestimmtes  behalten  und  nie  feste 
charakteristische  Züge  angenommen".  Von  der  Heranziehung 
des  griech.  *'Aibnc  nehme  ich  Umgang,  da  hierbei  meines 
Erachtens  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  an  den  'unsichtbaren' 
Gott,  also  an  die  Persönlichkeit,  nicht  an  die  örtlichkeit,  *wo 
man  nicht  gesehen  werden  kann'  zu  denken  ist,  wenn  auch 
V  244  *'Aiöi  Keu0u)jiai  sicher  *im  Totenreiche'  bedeutet  (Baunack 
Studien  1,  294).  Auf  einen  'persönlichen'  Gott  würde  auch  die 
von  Wackernagel  (Literatur  bei  Prellwitz  Et  Wb.*  S.  13  f.) 
vorgeschlagene  Etymologie  weisen,  derzufolge  *AiFibnc  die 
Grundform  gewesen  sein  und  das  Wort  mit  dem  im  latei- 
nischen saeüus  vorliegenden  Stamm  verbunden  werden  sollte.  Man 
wird  aber  den  Ausführungen  Solmsens  Untersuchungen  zur 
griech.  Laut-  und  Verslehre  71  ff.  beipflichten  müssen,  denen 
zufolge  "es  für  das  Epos  bei  der  alten  Auffassung  von  'Aib- 
'Aibnc  als  dem  ^unsichtbaren'  sein  Bewenden  haben*'  müsse. 
Auch  Gruppe  J.  v.  Müllers  Handbuch  V  399  *  erklärt  sich  für 
diese  ältere  Etymologie  und  die  ursprünglich  persönliche  Auf- 

Indogermaniiche  Yonchnngen  XXIL  VI 


846  Fr.  Stolz, 

fassung  des  Wortes,*)  so  daß  der  Schradersche  Versuch  (Beal- 
lexikon  869,  Sprach vergl. » II  434)  das  Wort  von  der  örÜichkeit 
(*dFiba,  woraus  später  "Aibnc,  wie  vcoviac  von  *veavSa",  zu  deuten^ 
dem  vor  allen  semasiologische  Bedenken  im  Wege  steh^oL,  ent- 
schieden unberücksichtigt  bleiben  dart  [Giardi-Dupr66  Ausfüh- 
rungen über  das  Wort  habe  ich  nicht  einsehen  können;  vgl 
IF.Anz.  20,  86.  K.-N.]. 

Um  nun  aber  wieder  zu  unserer  Lavema  zurückzukehren, 
80  scheint  die  von  mir  vorgeschlagene  Erklärung  des  Wortes 
nicht  nur  gar  wohl  möglich,  sondern  mit  Rücksicht  auf  alle  in 
Betracht  kommenden  Umstände  geradezu  geboten,  wenn  es  über* 
haupt  gestattet  ist,  auf  Grund  des  vorliegenden,  allerdings  etwas 
dürftigen  Materials,  das  doch  fast  zweifellos  den  ursprüngiiehen 
Charakter  unserer  Gröttin  als  *Unterweltsgöttin'  hervortreten  läBt, 
einen  Erklärungsversuch  zu  unternehmen,  der  eine  tadellose 
und  sinngemäße  Deutung  ergibt  und  auch  die  entschieden  auf- 
fallende Bildung  des  Wortes  in  befriedigender  Weise  erklärt 

In  formaler  Hinsicht  bleibt  nur  fraglich,  ob  wir  bei  Er- 
klärung unseres  Wortes  von  einem  r- Stamme  auszugehen  haben, 
wie  dies  bei  eaverna  und  lucema  (vgl.  Johansson  Beiträge  rar 
griechischen  Sprachkunde  14.  Brugmann  Grundriß  2i*,  281) 
sicher  der  Fall  ist,  oder  ob  ein  durch  Abstraktion  gewonnener 
Suffixkomplex  -ema  anzunehmen  ist,  wie  er  doch  wohl  in  tabema 
(aus  Hrabema  (vgl.  Solrasen  Kuhns  Zeitschr.  38,  456  fl  und 
Walde  s.  v.),  cistema  vorliegt,  da  das  letztgenannte  Wort,  dessen 
entschieden  örtliche  Bedeutung  den  Anschluß  an  aivema  und 
iaberna  außerordentlich  wahrscheinlich  macht,  am  ehesten  als 
eine  Neubildung  zu  cista  zu  betrachten  ist  (von  Planta  Gramm, 
d.  osk.-umbr.  Dial.  II,  21).  Während  in  den  angeführten  Fällen 
den  Bildungen  auf  -erna  eine  lokale  Bedeutung  anhaftet,  zeigt 
das  wegen  der  Übereinstimmung  mit  ir.  locham  luadiam  F. 
kjmr.  Uugom  'Leuchte'  als  voritalisch  anzusetzende  Iticema  eine 
andere  Bedeutungsfärbung  des  zugrunde  liegenden  Substantiv- 
stammes*). Trotz  der  Verschiedenheit  der  Vokalquantität  mochten 

1)  Vgl.  auch  noch  1182«,  wo  auf  Hoffmann  Griech.  Dial.  3,  319  ver- 
wiesen ist,  und  Röscher  Lex.  s.  v.  Tluton*  (Nachtrag  zu  1,  1778  f.).  Walde 
Lat.  Et.  Wb.  erwähnt  s.  v.  'saevus*  die  Wackemagelsche  Deutung^  von 
*Aibiic  gar  nicht. 

2)  Zu  luetrna  von  einem  r -Stamme  vgl.  die  Ableitungen  von  *- 
Stämmen  catetia  actcena  verhina  (Skutsch  De  nom.  Lat.  suff.  -no-ope  form. 
8f.,  Hist.  Gramm.  1, 123,  Brugmann  Grundriß  2i',  282). 


Laverna.  247 

die  Sprechenden  doch  lux  liie-is  usw.  in  eine  Beihe  bringen  mit 
litc-ema;  so  könnte  sich  nach  lüc^  :  luc-ema  wohl  auch  fusHa  : 
fii$^-ema  erklären.  [Hier  dürfte  auch  bastema  anzuschließen  sein, 
das  am  ehesten  Ton  bastutn  abzuleiten  ist.  K.-N.]  unklar  bleibt 
lacertia,  das  Walde  nach  Fick  ^^  238  an  ir.  2^  *Hemd'  an- 
schließt und  das  doch  wohl  auch  denselben  Suffixkomplex,  wie 
die  vorausgegangenen  Wörter  enthält  (vgl.  Hist  Gramm.  1, 480). 

nassUema  (nOsiUma)^  das  man  mit  nömis  (nOsm)  zu  ver- 
binden haben  wird  (s.  Walde  S.  405),  schließt  sich  wegen  seines 
-t-  nicht  unmittelbar  an  die  früher  behandelten  Bildungen  an 
<vgl.  das  "i-  von  lantema  fustemä).  [pincema  und  santema  bleiben 
b^ser  unberücksichtigt  K.-N.] 

Von  sachlicher  Seite  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  das 
Vorhandensein  eines  Ortes  Lcnvemae^  zwischen  Gorfinium  und 
Sulmo  ^)  sicher  auch  dafür  spricht,  daß  der  Charakter  der  Oöttin 
ursprünglich  der  einer  Unterweltsgöttin,  nicht  der  einer  "Be- 
schützerin der  Diebe"  gewesen  ist  W.  Schulze  Zur  Geschichte 
lateinischer  Eigennamen  S.  480^  erwähnt  unseren  *pagas  Lar 
vemus*  und  erinnert  daran,  "daß  der  Hain  der  LibiUna  (Wissowa 
Religion  197)  einfach  lucus  Lubüina  CIL.  VI,  9974  (oder  LMHna 
10022)  genannt  wird."  Schulze  führt  das  letzte  Beispiel,  in 
welchem  'Ubitina'  sozusagen  als  Apposition  steht,  wie  wir 
Deutsche  ganz  gut  sagen  können,  "Der  Hain  Lubitina",  nur 
deshalb  an,  um  zu  zeigen,  daß  bei  dem  'pagus  Lavemus*  das 
Fehlen  eines  ableitenden  Suffixes,  wie  es  regdrecht  in  dem  von 
Cicero  ad  Att  7,  8,  4  erwähnten  Lavemium  vorliegt,  nicht  auf- 
jrafallen  brauche,  für  uns  bietet  der  *iucus  Lubitina'  auch  eine 
sachliche  Analogie  zum  *pagus  Lavemae',  insofern  als  zwischen 
der  *Begräbnisgöttin'  (Wissowa  Religion  und  Kultus  197)  und 
einer  *ünterweltsgöttin'  eine  gewisse  sachliche  Verwandtschaft 
besteht 

Von  der  ünterweltsgöttin  'Lavema'  führt  uns  eine  zwang»- 
lose  Ideenverbindung  zum  "lucus  Avemus",  jenem  kleinen 
Kratersee  in  Kampanien,  welcher  bekanntlich  der  Proserpina 
geheiligt  war  und  als  Eingang  zur  Unterwelt  angesehen  wurde 
(Boscher  Lexikon  I,  739).  Bezüglich  des  Namens  sagt  B.  Feter, 
der  Verfasser  des  Artikels :  "Der  Name  Avemus  ist  eine  Uni- 
bildung  des  griechischen  dfopvoc  (Serv.  Aen.  3,  442),  womit  man 

1)  Vgl.  CIL.  IX,  S.  296 :  "Prezza  ubi  nunc  est,  ibi  fuisse  olim  La- 
vemas  pagnm  innotuil  ex  3138.    Flut.  Sulla  6  'Aoß^pvn'*" 

17* 


2i8  Fr.  Stolz, 

örüichkeiten  bezeichnete,  an  denen  ein  der  Erde  entsteigender 
giftiger  Dunst  den  Aufenthalt  tötlich  machte,  so  daß  über  sie 
nicht  einmal  ein  Vogel  zu  fliegen  wagte/'  Im  Thesaurus  heißt 
es  nur:  **arf  etymon  dopvoc  referunt  inter  Latinos  LVOR.  6,  740 
(infra  l  70),  VERG.  Aen.  6,  242  (l  73),  SIL.  12,  123,  NON.  14 
Avemus  lacus  idcirco  appellatus  est,  quia  est  odor  eins  avibus 
infestissimus  {laudcU  LYCR  VERG.)".  Dann  wird  noch  auf  die 
oben  von  Peter  zitierte  Stelle  des  Serenus  verwiesen,  und  Corp. 
Gloss.  V,  649,  7  und  IV,  131,  12  angeführt,  an  deren  erster  diese 
ganze  Weisheit  in  die  Worte  zusammengefaßt  wird:  **Avemus 
quod  avis  non  ferat,  a  graeco,  omea  enim  avis  dicitur".  Auch 
Corp.  Gloss.  III,  237,  12  tö  Eöopvov  Avemus  wird  noch  ange- 
führt Bei  Pauly-Wissowa  II,  2286  heißt  es:  "Avemus  lacus 
(meist  "Aopvoc  die  Griechen,  wegen  der  Ableitung  von  ä-opvic; 
'Aouepvic  Dio  Cass.  XLVm,  50)".  Nun  läßt  sich  ja  allerdings 
die  Möglichkeit  der  Entstehung  von  Avemus  aus  griech.  dfopvoc, 
was  die  lautliche  Seite  der  Frage  anlangt,  nicht  bestreiten,  da 
in  lat  avetia  "Felteisen,  Mantelsack",  das  griech.  dopifi  'KJeider- 
sack'  vorliegt,  das  nach  Solrasen  Studien  zur  lat.  Lautgeschichte, 
S.  23  f.,  dem  Lindsay  The  Latin  Language,  197  zustimmt  (vgl. 
auch  Hist  Gramm.,  I,  616),  in  der  Lautgestalt  *afx>rta  in  den 
lateinischen  Sprachschatz  aufgenommen  und  dann  regelrecht  zu 
averta  weiter  entwickelt  worden  ist,  wie  vortö  vorsus  vortex  zu 
vertö  versus  Vertex. 

Zur  Voraussetzimg  hat  diese  Erklämng  allerdings,  daß  das 
Wort,  welches  außer  in  den  Glossensammlungen  nur  in  späten 
Quellen  bezeugt  ist  (s.  die  Belege  im  Thesaurus'  s.  v.)  schon 
vor  der  Zeit  des  Übergangs  von  vo-  in  ve-  in  den  Spi'achschatz 
der  lateinischen  Vulgärsprache  aufgenommen  worden  ist 

So  könnte,  rein  theoretisch  betrachtet,  auch  ein  griech. 
dfopvoc  durch  avornos  zu  avemus  umgestaltet  worden  sein.  Indes 
spricht  doch  alles  dafür,  daß  Avemus  ein  einheimischer  italischer 
Name  ist,  und  als  solchen  betrachten  ihn  auch  die  meisten 
Sprachforscher,  z.  B.  von  Planta  Gramm.  II,  19,  der  neben  einer 
Anzahl  anderer  italischer  Ortsnamen  (Salemum^  Tifemus^  Tifer- 
num^  Aesernia^  Privemum^  Prifernum^  Aternus^  Lavemae^  ager 
Falernus)  auch  unser  lacus  Avernus  aufführt  ^).  Gewiß  mit  Recht: 

1)  Brugmann  Grundriß  II 1 ',  281  führt  keinen  der  italischen  Namen 
an,  sondern  nur  "gall.  Tigernum  Name  eines  Kastells"  und  "-4rremi, 
Hibemia".     Gewiß  wird  in  manchen  oben  angeführten  Bildungen  der 


Laverna.  249 

denn  sicher  ist  griech.  dopvoc  gelehrte  Umformung  des  italischen 
Originalwortes  Ävemm,  Ich  sage  ausdrücklich  "gelehrte  Um- 
formung", während  Lindsay  a,  a.  0.  von  dem  italischen  Worte 
sagt,  es  sei  **popularly  connected  with  dfopvoc";  denn  die  ganze 
Sage  von  dem  Eingang  in  die  Unterwelt  durch  den  lacus  Avemus, 
bei  der  Odysseus  und  Äneas  eine  hervorragende  Rolle  spielen, 
ist  sicher  ein  Erzeugnis  der  griechischen  Dichter,  nicht  des 
volkstümlichen  Denkens,  geradeso  wie  das,  was  wir  "bei  römi- 
schen Dichtem  von  der  Unterwelt  und  ihren  Schrecken"  lesen, 
"ebenso  auf  griechischen  Vorbildern,  wie  die  Darstellungen  etrus- 
kischer  Grabgemälde",  beruht  (Wissowa  Religion  usw.,  S.  192  mit 
Fußnote  1). 

Nach  der  eben  gegebenen  Auseinandersetzung  ist  es  kaum 
statthaft,  eine  Vermutung,  die  schon  Bopp  Vergl.  Gramm.*  III, 
4911  unter  Berufung  auf  Weber  ausgesprochen  hat  (darnach 
auch  Vaniöek  Lat  W.*  31)  in  etwas  veränderter  Form  wieder 
aufzunehmen.  Wenn  es  nämlich  a.  a.  0.  heißt,  es  sei  "in  aver- 
nu-s  ein  Schwesterwort  des  sanskritischen,  von  ava  stammenden 
ävaras  inferus  ...  zu  erkennen",  so  müßte  diese  Auffassung  da- 
hin abgeändert  werden,  daß  Avernus  eine  Bildung  sei,  wie  super- 
nu'8  (neben  dem  Adverbium  supem'e)^  infemus  (fnfem-e)  internus^ 
d.  h.  eine  Weiterbildung  des  Adverbiums  *av€r  mittels  des  Suffixes 
'-fUh.  Einen  ähnlichen  Gedanken  spricht  Persson  Studia  etymo- 
logica  120  aus:  "Sanscrita  igitur  adiectiva,  quae  sunt  abhyarnch 
'nahe'  apäma-  "entfernt'  in  memoriam  revocant  lat.  super-nu»^ 
awr-niis^  germ.  fer-n  sim.  Et  ducta  sunt  fortasse  ex  r-formis 
*abhyar  *apar'^  *abhyar  :  abhi  =  ?vep  :  iv  e.  q.  s.".  Wenn  also 
nach  dieser  ohne  Frage  sehr  hypothetischen  Auffassung  Avemm 
synonym  mit  fnfernus  wäre,  so  ließe  sich  diese  Bezeichnung 
des  Sees  wohl  insofern  rechtfertigen,  als  die  volkstümliche,  frei- 
lich später  durch  Agrippa  als  irrig  erwiesene  Ansicht  von  seiner 
unergründlichen  Tiefe  ihn  als  einen  'unterirdischen'  erscheinen 
lassen  konnte.  Indessen  ist  diese  ganze  problematische  Erörte- 
rung aus  dem  bereits  oben  erwähnten  Grunde  wohl  überflüssig. 

Da  sich  Avemus^  wenigstens  nach  dem  mir  bekannten 
augenblicklichen  Stande  der  italischen  Namenkunde,  auch  nicht 

Soffixkomplex  -ern-  zur  "Bezeichnung  der  Zugehörigkeit"  dienen,  wie  dies 
Hirt  Die  Indogermanen,  S.  710  unter  Berufung  auf  got.  widuwairna  (eigent- 
lich •Witwensohn*,  vgl.  Brugmann  a.  a.  0.,  Kluge  *  s.  v.  'Dirne',  wo  aber 
die  Ableitungssilbe  irriger  Weise  als  'Diminutiv'  bezeichnet  wird),  ahd. 
dioma  von  Arvemij  Bastemi  behauptet  wird. 


850  N.  van  Wijk, 

unter  die  von  Schulze  Zur  Geschichte  lateinischer  Eigennamen 
S.  161  ff.  behandelte  Namenklasse  mit  dem  stammerweitemden 
Wortbildnngselement  -er-  einreihen  läSt,  so  müssen  wir  vorläuJB; 
darauf  verzichten,  diesen  Eigennamen  deuten  zu  wollen.  [Walde 
S.  54  s.  y.  *aveo'  denkt,  wie  ich  erst  später  ersehen  habe,  an  die 
Möglichkeit  Avemus  zum  Flußnamen  Awns  (davon  AwntinuB)  zu 
stellen.  K.-N.] 

Nachschrift  In  dem  Aufsatze  von  Vollgraff  'AABRYS* 
im  Rhein.  Mus.  61,  149  ff.  wird  L(Xf)erna  als  etruskisch  erklärt^ 
wozu  trotz  Sa9ßma  (Schulze  Zur  Ghesch.  lat  Eigennamen  94)  und 
den  Personennamen  auf  -ema,  wie  F^rpema^  CdesUma^  die 
Hübner  in  J.  v.  Müllers  Handbuch  1*  667  auch  für  etruskisch 
erklärt,  nach  den  oben  stehenden  Ausführungen  keine  aus- 
reichende Berechtigung  vorliegt  Überhaupt  enthält  jener  Auf-  ^ 
Satz  in  etymologischer  Hinsicht  vieles  recht  Problematische. 

Innsbruck.  Fr.  Stolz.  .  % 


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Germanisches*  ^ 

1.  Germanisches  ä  in  auslautenden  Silben.       ^\ 

In  diesem  Au&atz  möchte  ich  die  These  verteidigen,  daB 
germ.  ä  in  auslautenden  Silben  nicht  in  allen  Fällen  in  ö  über- 
gegangen ist  In  den  letzten  Jahren  ist  über  diese  Frage  viel 
geschrieben  worden,  und  meine  Ansicht  ist  derjenigen  der  Mehr- 
zahl der  Forscher  gerade  entgegengesetzt.  Ich  werde  aber  so 
wenig  wie  möglich  die  Meinung  anderer  bestreiten,  auch  werde 
ich  nicht  jedesmal  auf  die  Übereinstimmung  zwischen  meinen 
Ausführungen  und  denen  von  andern  (z.  B.  Jellinek  AfdA.  20,  24, 
ZfdA.  39,  144  ff.,  der  auch  a  und  ö  von  einander  trennt)  hin- 
weisen: denn  Van  Holten  hat  wohl  recht,  wenn  er  (PBrB.  17,  272) 
der  Bemerkung,  daß  die  Sache  a  priori  nicht  zu  entscheiden  ist, 
die  Worte  hinzufügt:  "Eine  Entscheidung  ließe  sich  hier  nur 
für  den  Fall  erzielen,  daß  es  gelänge,  die  Genesis  der  westgeruL 
Vokale  mit  der  einen  oder  mit  der  andren  Hypothese  in  Ein- 
klang zu  bringen". 

In  nichtletzten  Silben  sind  ä  und  ö  vollständig  zusammen- 
gefallen, und  zwar  finden  wir  nicht  bloß  in  denjenigen  Silben, 
auf  weiche  auch  in  der  historischen  Periode  noch  andere  Silben 
folgen,  sondern  auch  in  Fällen  wie  Dat-Instr.  PI.  *;fflb&miz  und 


Germanisches.  261 

2.  Pers.  S.  *9albä8i  (-«i),  wo  infolge  des  Schwundes  des  letzt^i 
Vokales  das  a/ö  in  die  Schlußsilbe  geraten  ist,  regelmäßig  den 
Vokal  äf  der  allerdings  in  einer  späteren  Periode  wieder  a-Timbre 
bekommen  konnte,  z.  B.  an.  kallar^  ags.  sealfa^t).  Ich  bespreche 
also  bloß  ursprünglich  auslautende  Silben,  und  daher  kommen 
nur  sehr  wenige  Lautgruppen  in  Betracht:  -ä,  -an  (aus  -öm), 

Bevor  ich  auf  die  einzelnen  Fälle  eingehe,  möchte  ich  da- 
rauf hinweisen,  daß  ich  nicht  in  erster  Linie  eine  Scheidung 
mache  zwischen  nach  dem  Jüngern  germanischen  Akzentge- 
setz betonten  und  nichtbetonten  Silben,  sondern  zwischen  aus- 
lautenden und  nichtauslautenden  Silben.  Wenn  wir  die  germa- 
nischen  Auslautgesetze  besprechen,  sind  wir  geneigt,  vor  allem 
an  die  Wirkung  der  expiratorischen  Anfangbetonung  zu  denken; 
und  das  ist  sehr  begreiflich,  denn  durch  diese  Betonung  ist  die 
Quantität,  oft  auch  die  Qualität  der  nachhaupttonigen  Vokale 
bedeutend  modifiziert  worden.  Es  gibt  aber  auch  Auslautgesetze 
von  einer  andern  Art,  solche,  die  durchaus  nicht  von  der  An- 
fangbetonung abhängig  sind.  Hierher  gehört  z.  B.  der  Schwund 
des  -m  (-n),  der  sowohl  im  germ.  *ßätn  wie  in  *3«ftäm  einge- 
treten ist.  Im  allgemeinen  treten  uns  in  einer  Sprache  mit  freiem 
Akzente,  wie  der  urslavischen,  diese  Lautgesetze  viel  deutlicher 
entgegen,  hier  wird  niemand  auch  in  solchen  Fällen,  wo  wir  es 
mit  vokalischem  Lautwandel  zu  tun  haben,  diesen  für  eine  Folge 
der  nachhaupttonigen  Stellung  halten.  Ich  erinnere  z.  B.  an  die 
verschiedene  Behandlung  von  ot,  ai  im  Auslaut,  wo  sie  zu  f 
werden,  und  im  Inlaut,  wo  i  daraus  entsteht  Solche  Gesetze 
existieren  ebensogut  in  andern  Sprachen,  und  auch  dem  Ger- 
manischen darf  man  sie  von  vornherein  nicht  absprechen.  Über 
ihre  Ursache  fasse  ich  mich  kurz :  für  einen  Teil  ist  sie  gewiß 
wohl  in  qualitativen  Betonungsunterschieden  zwischen  auslauten- 
den und  andern  Silben  zu  suchen :  es  versteht  sich  von  selber, 
daß .  es  im  altem  Germanischen  Lautverbindungen  von  einer  ge- 
wissen Qualität  und  Betonung  gab,  die  auf  den  Auslaut  beschränkt 
waren ;  z.  B.  haben  Langdiphthonge  wie  am,  an  die  im  Inlaute 

1)  -andM  (got.  frijönds  u.  dgl.)  braucht  nicht  besprochen  zu  werden, 
weil  hier  ein  starker  Systemzwang  herrscht.  Auch  -ad  behandle  ich  nicht : 
«erstens  ist  es  sehr  schwierig,  zu  entscheiden,  in  welchen  Fällen  Ablativ- 
formen  vorliegen,  zweitens  ist  der  o- Vokalismus  dieser  Endung  sehr  hypo- 
thetisch (vgl.  Brugmann  K.  vgl.  Gr.  382,  Fußn.). 


252  N.  van  Wijk, 

schon  viel  früher  gekürzt  worden  sind,  im  Auslaute  bis  in  die 
Periode  der  Auslautgesetze  bestanden.  Ob  tautosyllabische  Laut- 
gruppen wie  äs,  ÖS  im  Inlaut  in  derselben  Gestalt  wie  im  Aus- 
laut bestanden  haben,  das  wissen  wir  nicht;  gewiß  aber  dürfen 
wir  es  für  die  letzte  Periode  der  germanischen  Spracheinheit 
bezweifeln.  Wenn  nun  in  einer  Gruppe  wie  -ön,  -Ös  der  Schluß- 
konsonant schwand,  so  wurde  dadurch  wohl  die  Qualität  des 
Akzentes  wieder  ein  wenig  modifiziert,  obgleich  die  Natur  solcher 
Veränderungen  kaum  zu  bestimmen  ist  Die  neue  Betonungs- 
qualität stimmte  aber  wohl  mit  keiner  der  unter  andern  Ver- 
hältnissen vorkommenden  Intonationen  vollständig  überein:  da- 
raus versteht  es  sich,  daß  solche  Silben  eine  ganz  eigentümliche 
lautliche  Entwicklung  haben  konnten. 

Der  erste  Ausgang,  den  ich  bespreche,  ist  von  jeher  aus- 
lautendes -ä.  Die  Formkategorien,  wo  diese  Endung  vorliegt,  findet 
man  u.  a.  bei  Van  Helten  PBrB.  28,  503  i  Hier  werden  sie  zu- 
sammen mit  den  Formationen  auf  ursprüngliches  -0  angeführt; 
und  das  darf  man  tun,  weil  in  diesem  Falle  die  beiden  Endungen 
unleugbar  in  derselben  Gestalt  auftreten.  Weil  es  uns  aber  bloß 
um  die  d-Formen  zu  tun  ist,  stelle  ich  diese  noch  einmal  zu- 
sammen: 1.  N.  S.  F.  *sä,  *jfibä\  —  2.  D.  (Instr.)  S.  F.  %ebä^)',  — 
3.  N.  A.  PL  N.  *;Bä,  *6amä;  —  4.  2.  Pers.  S.  Imp.  der  2.  schwachen 
Konjugation :  *8albä.  Die  letztgenannte  Formation  zeigt  in  keiner 
Sprache  die  regelmäßige  Fortsetzung  von  germ.  -a,  denn  dieser 
Imperativ  ist  überall  fortwährend  dem  Einflüsse  des  Indikativs 
unterworfen  gewesen;  got.  salbö^  ahd.  salbOj  as.  salbo^  ags.  sealfa, 
an.  kaUa  haben  denselben  Vokal  wie  die  3.  Pers.  S.  des  Ind.  got 
scdböß^  ahd.  salböt^  as.  salbod,  ags.  secUfad^  an.  kcdlar  und  andere 
Personen  desselben  Modus.  Die  übrigen  drei  Bildungen  aber 
zeigen,  soweit  sie  in  den  Einzelsprachen  vorkommen :  got  ö,  bei 
Kürzung  a,  nord-  und  westgerra.  ü  bzw.  u.  Ich  gebe  bloß  für 
den  N.  S.  F.  einige  Beispiele :  got  so,  an.  sii,  got  giba^  an.  gipf 
(mit  w-Umlaut),  ags.  ^iefu.  Die  westgermanischen  Dialekte*)  haben 
die  einsibige  Pronominalform  aufgegeben:  daher  hat  ahd.  diu, 
as.  thiu  ein  kurzes  u.  Dieselben  zwei  Mundarten  haben  beim 
Substantiv  die  Nominativform  durch  die  des  Akk.  ersetzt:  ahd. 
geba^  as.  geba.  Früher  entschloß  man  sich  nicht  so  leicht,  in  an. 
8Ü  die  lautgesetzliche  Fortsetzung  des  orthotonierten  sä  zu  sehen ; 

1)  Über  den  Ursprung  dieser  Form  sind  die  Forscher  nicht  einig. 

2)  Bloß  im  Mittelniederländischen  finden  wir  soe ;  vgl.  darüber  S.  265  f. 


Germanisches.  253 

aber  stets  allgemeiner  wird  in  diesem  Falle  der  Parallelismus 
zwischen  betontem  und  unbetontem  Auslaut  anerkannt  (vgl.  z.  B. 
Kluge  P.  Gr.  1*,  463,  Noreen  das.  620).  Diese  Vertretung  von  idg. 
'ä  (und  -0}  findet  man  nirgends  sonst  als  im  ursprünglichen 
Auslaut  Wenn  nun  meine  Ansicht,  die  ich  in  diesem  Aufsatz 
zu  begründen  gedenke,  richtig  ist,  daß  in  allen  andern  aus- 
lautenden Silben  das  -a  seine  Klangfarbe  bewahrt  hat,  wenigstens 
auf  westgerm.  Gebiete,  so  läßt  sich  dieser  eigentümliche  Über- 
gang von  a  in  ö  im  unmittelbaren  Auslaut  mit  einem  ähnlichen 
Lautprozeß  im  Oskischen  und  ümbrischen  vergleichen :  "ö,  ex- 
cept  when  final,  remains  unchanged".  sagt  Bück  A  grammar  of 
Oscan  and  ümbrian,  S.  30,  §  33;  im  Auslaut  aber  wird  ä  zu 
einem  o-Laut  (vgl.  Bück  §  34),  z.  B.  osk.  viü  Via*,  tatäo  *civi- 
tas',  umbr.  muta^  mutu  'multa',  atrti,  atro  *atra'.  Im  ümbrischen 
scheint  dieser  Vorgang  das  Vorspiel  zu  einem  ä-ö- Wandel  auch 
in  andern  Stellungen  gewesen  zu  sein;  vgl.  Bück  §  35:  **In 
Umbrian  this  rounding  of  the  ä  takes  place  also  before  final 
-fe  (from  'ia-s  or  -<f-s  by  vowel-syncope)".  Durch  diese  Ver- 
gleichung  einer  germanischen  und  einer  oskisch-umbrischen  Aus- 
lautregel bin  ich  zuerst  auf  den  Gedanken  gekommen,  daß  viel- 
leicht der  germanische  ä-o- Wandel  ein  aus  mehreren  Einzelakten 
bestehender,  sich  möglicherweise  über  Jahrhunderte  erstreckender 
Prozeß  sei,  und  daß  der  Anfang  desselben  bei  dem  von  jeher  aus- 
lautenden -a  gesucht  werden  müsse.  Bei  einer  Untersuchung  der 
überlieferten  Formen  ergab  sich  mir,  daß  die  in  dieser  Weise 
formulierte  Hypothese  kaum  beweisbar  ist:  soviel  ich  sehe,  muß 
die  Annahme,  daß  *^ebä  früher  zu  *^ebö  geworden  sei,  als  *3e- 
bam(%)z  zu  *3eftöm(*)5J  oder  etwa  *mäder  zu  *mödir^  eine  bloße 
Vermutung  bleiben:  auch  wenn  beide  Übergänge  gleichzeitig 
gewesen  sind,  wäre  die  weitere  Entwicklung  von  ö  zu  ti  im 
Auslaut  sehr  gut  möglich:  wohl  aber  wird  sich  uns  ergeben, 
daß  in  andern  auslautenden  Silben  ä  nicht  bloß  nicht  so  frühe 
als  im  unmittelbaren  Auslaut,  sondern  —  wenigstens  im  West- 
germanischen —  gar  nicht  zu  ö  geworden  ist 

Es  empfiehlt  sich,  bei  den  jetzt  zu  besprechenden  Ausgängen 
jede  von  den  drei  Dialektgruppen,  Ost-,  Nord-  und  Westgerma- 
nisch, für  sich  zu  betrachten :  denn  in  jeder  von  ihnen  hat  der 
Auslaut  seine  eigene  Geschichte  gehabt  Eine  von  diesen  drei 
Oruppen,  das  Ostgermanische,  bleibt  wohl  besser  unbesprochen : 
es  genügt,  wenn  ich  der  Besprechung  der  einzelnen  Lautver- 


254  N.  van  Wijk, 

bindungen  in  den  andern  Dialekten  einige  allgemeine  Bemer- 
kungen über  die  gotische  Sprache  vorausschicke. 

Wenn  uns  keine  andere  germanische  Mundart  als  die  go- 
tische bekannt  wäre,  würden  wir  geneigt  sein,  die  Entwicklung 
des  altgermanischen  Lautsystems  für  eine  verhältnismäßig  ein- 
fache Sache  zu  halten:  z.  B.  würden  wir,  was  die  kurzen  ö-  und 
df- Vokale  betrifft,  uns  damit  begnügen,  daß  wir  sagten,  diese  Laute 
seien  in  a  zusammengefallen;  ebenso  treten  im  Got  d  und  ö  regel- 
mäßig als  ö  auf,  wenn  aber  Kürzung  eingetreten  ist,  als  d.  Was 
d  und  ö  betrifft,  so  hat  man  längst  eingesehen,  daß  die  ein- 
fachen Verhältnisse  des  Gotischen  nicht  gemeingermanisch  sind, 
bei  den  entsprechenden  Längen  werden  wir  zum  selben  Schlüsse 
gelangen.  Aus  dem  bereits  Mitgeteilten  ergibt  sich  schon,  daß 
die  eigentümliche  Vertretung  von  unmittelbar  auslautendem  a 
und  ö,  die  dem  Nord-  und  Westgennanischen  gemeinsam  ist,  im 
Grotischen  fehlt  Ob  nun  in  diesem  und  in  ähnlichen  Fällen  die 
Einförmigkeit  des  gotischen  Vokalismus  sich  allmählich  aus  einem 
verwickeiteren  Zustand  entwickelt  hat,  der  für  einen  Teil  bereits 
in  die  germ.  Periode  hinaufreicht,  oder  ob  das  Ostgermanische 
in  einer  kurzen  Zeit,  gewissen  Tendenzen  folgend,  ganz  unab- 
hängig von  den  andern  Dialekten  seine  eigenen  Wege  gegangen 
ist,  das  wissen  wir  nicht:  es  versteht  sich  daher,  daß  das  Go- 
tische im  folgenden  besser  unbesprochen  bleibt 

-am.  Im  Westgermanischen  liegt  die  Portsetzung  eines  hoch- 
tonigen  -am  im  Akk.  Sg.  Pem.  ags.  dä^  afri.  thä  vor.  Die  anderen 
westgermanischen  Mundarten  haben  den  einsilbigen  Pronominal- 
stamm durch  einen  zweisilbigen  ersetzt,  und  daher  finden  wir 
dort  eine  gekürzte  Endung,  deren  Vokal  aber  ebenfalls  a-Timbre 
hat:  ahd.  dea,  dia^  as.  ihia.  Auf  entsprechende  Weise  begegnen 
wir  einem  auslautenden  -a  in  Akk.  Sing,  der  d-Substantive :  ahd. 
geba^  as.  geba^  afri.  jeve^  ags.  ^iefe^  und  auch  die  Adverbialendung 
ahd.  as.  -a  (z.  B.  wela\  afri.  ags.  -e  (z.  B.  longe)  kann,  wie  oft  an- 
genommen wird,  dem  lat  -am  in  palam  u.  dgl.  entsprechen.  Daß 
das  unbetonte  westgermanische  a  im  anglofrisischen  Sprach- 
zweige zu  €  geworden  ist,  ist  ja  eine  allgemein  bekannte  Tatsache. 

Fürs  Westgermanische  kommen  wir  also  sehr  gut  aus  ohne 
die  Annahme  eines  urwestgerm.  ö.  Sogar  erklären  sich  die  über- 
lieferten Formen  auf  diese  Weise  viel  einfacher.  Wenn  man  von 
*/dm,  *^eböm  ausgeht,  muß  man  entweder  mit  Streitberg  ürg. 
Gr.  271  in  ags.  dd  eine  ursprünglich  schwachbetonte  Formsehen, 


Germanisches.  255 

XU  welcher  Hypothese  außer  Streitberg  auch  viele  andere  ihre 
Zoflacht  genommen  haben,  —  oder  wenn  man  öd  für  eine  hoch- 
tonige  Form  hält,  muß  man  an  einen  Übergang  zuerst  von  a  in  5 
und  dann  wieder  von  ö  in  a  glauben.  Eine  solche  Auffassung 
findet  man  bei  Paul  PBrB.  4,  341  f.,  der  fürs  Nordgermanische 

—  wovon  nachher  die  Rede  sein  wird  —  und  fürs  Westger- 
manische den  Übergang  ä  >  0  >  ö,  bei  Kürzung  a  annimmt  Eine 
ähnliche  Hypothese  findet  man  bei  Walde,  Die  germanischen 
Auslautgesetee  81.  Dieser  nimmt  aber  an,  daß  der  ö  >  ä- Wandel 
im  Sonderleben  des  Ags.  eingetreten  sei.  Ich  glaube,  daß  die 
Panische  Fassung  der  Regel  einer  Modifizierung  bedarf.  Wenn 
im  Westgermanischen  die  Endung  -am  den  a- Vokalismus  bewahrt 
hat,  und  wenn  sich  nun  nachweisen  ließe,  daß  urspr.  ö  +  Nasal 
in  derselben  Gestalt  auftritt,  so  ist  es  viel  einfacher,  bloß  einen 
Wandel  von  ö(n)  in  a(n)  anzunehmen,  ohne  diesem  einen  anderen 
von  aHn)  in  fl(n)  vorausgehen  zu  lassen.  In  der  Tat  scheint  mir 
auch  bei  urspr.  ö  +  Nasal  keine  Spur  der  alten  o-Farbe  nachge- 
wiesen zu  sein,  und  deshalb  glaube  ich,  wenigstens  fürs  West- 
germanische, folgende  Lautgesetze  aufstellen  zu  dürfen:  ä  +  Nasal 
bleibt  ä  oder  wird  zu  a  verkürzt,  ö+ Nasal  wird  -ö,  bei  Kürzung  o. 
Eine  einsilbige  Form,  die  ursprünglich  auf  ö+ Nasal  auslautete  und 
wobei  wir  also  wgerm.  ä  anzusetzen  hätten,  ist  mir  nicht  be- 
kannt Die  mehrsilbigen  stimmen,  so  viel  ich  sehe,  zu  der  von 
mir  aufgestellten  Regel.  Die  hierhergehörigen  Bildungskategorien 
findet  man  in  dem  Aufsatz  von  Van  Holten,  worauf  ich  bereits 
hingewiesen  habe,  PBrB.  28,  507  f.;  von  jeder  Kategorie  gebe 
ich  ein  Beispiel :  1 .  ahd.  nerita^  as.  nerida^  ags.  nerede^  —  2.  aonfränk. 
BS.  thanc^  afries.  thene,  ags.  done^  —  3.  afries.  htoeie^  —  4.  ahd.  MhIj 

—  5.  ahd.  zungüj  as.  tunge,  ags.  tun^e^  —  6.  ahd.  herza^  as.  herta, 
ags.  A136,  —  7.  ahd.  uHUa  (?,  vgl.  PBrB.  28,  548).  Auf  die  einzel- 
nen Fälle  gehe  ich  nicht  ein.  Nicht  von  allen  ist  es  sicher,  daß 
sie  aus  Bildungen  auf  -ön  entstanden  sind:  dieser  Umstand  ist 
aber  für  die  Beurteilung  der  wgerm.  Vertretung  von  -m  von 
keinem  Belang;  denn  es  gibt  keine  ursprünglich  auf  -ö»  aus- 
lautende Formation,  wofür  eine  andere  urgerm.  Entwicklung  nach- 
saweisen  ist. 

-&  ist  der  Ausgang  des  Gen.  Sing,  und  Nom.  Akk.  Plur. 
der  ö-Feminina,  vgl.  got  ffibös  in  diesen  drei  Kasus;  von  einem 
Pronomen:  ßizäs  (G.  Sg.),  ßös  (N.  A.  Plur.)  In  welcher  Gestalt  tritt 
diese  Endung  im  Westgermanischen  auf?  Genitive  mit  wy%^t« 


256  N.  van  Wijk, 

hochbetontem  Sz  gibt  es  nicht,  weil  die  Genitive  der  Pronomina 
schon  im  Urgerm.  zweisilbig  waren,  Genitive  mit  urspr.  unbe- 
tontem -az  liegen  in  ahd.  geba^  as.  gdni,  ags.  ^iefe  vor.  -o?  scheint 
also  ebenso  behandelt  zu  sein  wie  -äfft,  abgesehen  davon,  daS 
wir  im  Ahd.  noch  einen  langen  (oder  halblangen)  Yokal  an- 
setzen müssen.  Aber  diese  Frage  bespreche  ich  weiter  unten. 
Der  Nom.  Akk.  Plur.  bietet  uns  größere  Schwierigkeiten 
dar,  weil  uns  zweierlei  Formen  begegnen:  1.  solche  mit  dem 
Vokal,  der  im  Ahd.  und  As.  als  a,  im  Ags.  als  e  auftritt,  2.  solche 
mit  ahd.  as.  o,  ags.  a.    Die  Formen  sind  folgenderweise  verteilt: 
im  Ahd.  finden  wir  bei  Substantiven  -ö,  dessen  Länge  durch 
Notker  bezeugt  wird,  z.  B.  gd)ä;  im  Alem.  aber  auch  kÄo.   Beim 
Pronomen  ist  -o  die  häufigste  Endung:  cbo,  dio,  in  mehreren 
Quellen  aber  findet  man  auch  Formen  mit  -a:  <lea.    Beim  Ad- 
jektiv ist  -0  Regel  Die  einzige  einsilbige  Form  mit  langem  ö  ist 
ztcö^  das  anstatt  des  häufigeren  ztvä  in  einigen  Quellen  vorliegt 
Das  As.  hat  gebc^  daneben  liegt  in  G.  viermal  die  Form  thiodo 
vor,  die  freilich  von  Van  Holten  PBrB.  20,  520  dem  as.  Dialekt 
abgesprochen  wird;  beim  Pronomen  und  Adj.  ist  -a  die  regel- 
mäßige Endung,  obgleich  ebenso  wie  im  Ags.  die  maskulinen 
und  femininen  Endungen  nicht  mehr  scharf  voneinander  getrennt 
werden,  -o  fehlt  beim  Adj.,  wohl  aber  kommt  vom  Zahlwort  *zwei* 
neben  dem  gewöhnlichen  Fem.  ttvä  einmal  in  M.  twö  vor.  Was 
das  Ags.  betrifft:  nach  Sievers  PBrB.  17,  274  Fußnote  ist  im 
Mercischen  cb,  e  die  gebräuchliche  Endung,  im  Kent  und  auch 
wohl  im  Westsächs.  -a.    Ursprünglich  einsilbige  Formen  liegen 
vor  in  öd  und  twd.  Neuerdings  ist  es  Kern  gelungen,  PBrB.  31, 
272  ff.,  aus  dem  angelsächsischen  Formbestand,  und  zwar  aus 
dem  der  älteren  westsächs.  Quellen,  das  ursprüngliche  Verhältnis 
der  a-  imd  e-Formen  zu  bestimmen.    Beim  Adjektiv  ist  der  alte 
Zustand  viel  stärker  als  beim  Subst  verändert  worden,  weil  bei 
ersterem  der  Einfluß  des  Mask.  auf  -e  gewirkt  hat   Bei  einer 
Untersuchung  der  substantivischen  Formen  aber  hat  sich  er- 
geben, daß  die  von  Sievers  a.  a.  0.  geäußerte  Vermutung,  daß 
ahd.  -0,  ags.  -a  der  ursprüngliche  Nominativausgang,  ahd.  as.  -o, 
ags.  -e  derjenige  des  Akk.  sei,  richtig  ist  Über  Öd  und  tuni  spricht 
Kern  nicht    Obgleich  ich  nicht  nachweisen  kann,  daß  dem  ahd. 
ziDö  im  Ags.  eine  andere  Form  als  twd  entsprechen  würde,  glaube 
ich  doch,  daß  wir  in  öd  und  ttvd  Formen  mit  einem  dem  ahd. 
0wä  entsprechenden  Vokalismus  sehen  dürfen ;  bei  der  Verall- 


Germanisches.  257 

gemeinerung  von  öd  kann  der  Einfluß  des  M.  mit  d  aus  ai  mitge- 
wirkt haben.  Wenn  die  Vermutung,  daß  dem  ahd.  sstpö  ein  ags.  twd 
entsprechen  würde,  richtig  ist,  sind  in  ttpd  die  zwei  Formen  laut- 
lich zusammengefallen.  Keinesfalls  aber  müssen  wir  öd  und  twd 
ausschließlich  für  Äquivalente  von  ahd.  o-Formen  halten. 

Mit  Kerns  Entdeckung  ist  die  Geschichte  der  ahd.  Formen 
vollständig  im  Einklang.  Beim  Subst  zeigt  das  Ahd.  eine  ge- 
wisse Neigung,  die  Nominativform  durch  den  Akk.  zu  ersetzen : 
N.  Akk.  Sing,  geba,  kuo  (vgl.  Verf.  IF.  19,  393  ff.),  ebenso  im  Plur. 
g^KL  Beim  Adj.  finden  wir  das  Umgekehrte :  der  Nom.  Plur.  M. 
blinte  hat  auch  die  Funktion  des  Akk.  übernommen,  ebenso  der 
femin.  Nom.  blinto. 

Es  kommt  nun  darauf  an,  den  Ursprung  der  mitgeteilten 
Formen  aufzuspüren. 

Zweierlei  halte  ich  für  sicher:  1.  daß  die  einsilbigen  Formen 
mit  -d,  ahd.  2u?ö^  as.  twö  auf  eine  Linie  mit  den  mehrsilbigen  auf 
-0  gestellt  werden  müssen,  während  die  einsilbigen  a-Formen  den 
mehrsilbigen  vom  Typus  gd>a  entsprechen;  2.  daß  die  letztge- 
nannte Endung  auf  -äz  zurückgeht 

Was  1.  angeht:  hierüber  haben  viele  Forscher  eine  andere 
Meinung  ausgesprochen,  indem  sie  in  -ä  die  den  pro-  und  en- 
klitischen Formen  zukommende  Endung  erblickten,  während  -ö 
der  unter  dem  Hochtone  bewahrte  aus  ä  entstandene  ö- Vokal 
sein  sollte.  So  z.  B.  Walde  Auslautges.  35,  vgl.  auch  Van  Helten 
IF.  18,  89,  der  allerdings  twä^  zwä  für  Neubildungen  nach  einem 
Proklitikum  *pä  hält,  das  neben  orthotonem  *pö  gestanden  habe. 
Sogar  will  man  in  ztw.  twö  den  Beweis  finden,  daß  -ö  die  haupt- 
tonige  Form  der  Endung  -&<-&  repräsentiere  (vgl.  Walde  a.  a.  0. 
33).  Es  versteht  sich,  daß  man  zu  einer  solchen  a  priori  nicht 
sehr  wahrscheinlichen  Ansicht  kommen  muß,  wenn  man  von  -& 
ausgeht  Setzt  man  aber  -äz  an,  so  kommt  man  viel  einfacher 
aus,  indem  man  in  gebä,  zwä^  pron.  *pä  parallele  Formen  erblickt, 
während  zwo  sich  mit  Uinto  vergleichen  läßt,  für  welche  Form 
es  auch,  wenn  wir  die  Endungen  von  zwo  und  gebä  für  identisch 
halten,  schwierig  ist  eine  richtige  Deutung  zu  finden.  Waldes 
Hypothese  a.  a.  0.  51,  -o  entspreche  dem  Akk.-Ausgang  -ö"2f  aus 
-äfw,  ist  durch  den  bereits  erwähnten  Aufsatz  von  Kern  wider- 
legt worden. 

2.  schließt  sich  unmittelbar  an  das  zaletzt  Bemerkte  an: 
es  ist  nämlich  auch  behauptet  worden,  ^  sei  aus  -8z  entstanden« 


268  N.  van  Wijk, 

Kern  a.  a.  0.  nimmt  an :  ahd.  as.  -o,  ags.  -a  aus  -äzj  ahd.  a&  ^ 
ags.  e  aus  gestoßenem  -Oz^  und  ebenso  hatte  sich  vor  ihm  Yan 
Helten  PBrB.  28,  508  f.  ausgesprochen.   Woher  aber  -^?   Tan 
Holten  a.  a.  0.  vergleicht  lit  -äs  in  mergds.  Diese  Endung  ist  aber 
wohl,  wie  Wiedemann  Handbuch  der  litauischen  Sprache  49  t 
annimmt,  innerhalb  des  Lit  aus  -ans  entstanden,  während  der 
idg.  Akk.  Plur.  auf  -äs  aus  -ans  (ai.  diväs^  got  gibos)  vermudich 
schleifende  Betonung  gehabt  hat    Wenn  dieses  idg.  -ans  wirk- 
lich einmal  bestanden  hat,  so  war  es  wohl  eine  Neubildung  nach 
anderen  Akkusativen  auf  -na,  in  erster  Linie  nach  denen  aaf 
-Otts.    Eine  solche  Neubildung  konnte  natürlich  auch  spätw  in 
den  Einzelsprachen  von  neuem  entstehen,  und  auf  diese  Weise 
ist  wohl  lit  *fnergan8  aus  *inergäns  zu  erklären.  Was  Van  Heltens 
Deutung  noch  unwahrscheinlicher  macht,  ist  der  umstand,  daB 
er  genötigt  ist,  für  den  mit  geba  formell  übereinstimmenden  Oen. 
Sing,  ebenfalls  Entstehung  aus  *geböz  mit  gestoßener  Endung 
anzunehmen.    Dieses  -öz  soll  (a.  a.  0.  513)  "durch  Einfluß  von 
-ö  und  -ön  bezw.  -öm  des  Nora,  und  Akk.  Sing,  für  -dz  ein- 
getreten" sein.    Insofern  schließe  ich  mich  Van  Helten  an,  daS 
ich  im  Gen.  Sing,  und  im  Nom.  Akk.  Plur.  auf  ahd.  -ä  lautlich 
identische  Formen  erblicke;  daß  im  Gen.  Sing,  die  Länge  des 
-a  niemals  in  den  Texten  angegeben  wird,  ist  bloß  dem  Um- 
stände zuzuschreiben,  daß  Notker  diese  Form  nicht  gebraucht 
(vgl.  Braune  Ahd.  Gr.  §  207  A.  3 ;  anders  über  die  Länge  des 
-a  Van  Helten  a.  a.  0.  509  f.).  Diese  Übereinstimmung  aber  führt 
mich  zu  der  meines  Erachtens  viel  einfacheren  Folgerung,  daß 
in  den  beiden  Fällen  das  ahd.  ä,  a,  as.  a,  ags.  e  dem  idg.  -ds, 
urgerm.  -az  entspricht,  nicht  nur  im  Gen.  Sing.,  sondern  auch 
im  N.  Akk.  Plur.    Nun  könnte  man  fragen,  ob  denn  nicht  der 
Umstand,  daß  das  Verhältnis  von  *gebo  zu  gebä  ein  Nom.-Akk.- 
Verhältnis  ist,  sich  dieser  Annahme  widersetzt    Nach  meiner 
Ansicht  ist  das  nicht  der  Fall.    Im  Idg.  ging  sowohl  der  Nom. 
wie  der  Akk.  auf  -as  aus,  obgleich  der  Ursprung  dieser  Endung 
in  den  beiden  Easus  vielleicht  nicht  derselbe  ist:  ai.  dioös,  got 
giboi^  ai.  tds^  got  pos.    Nun  glaube  ich,  daß  der  Akk.  und  nicht 
der  Nom.  seine  alte  Form  bewahrt  bat  und  daß  der  Nom.  auf 
-0  auf  Neubildung  beruht.  Jellinek  weist  HZ.  39,  148  Fußnote 
auf  Grund    davon,  daß   die  Länge   des  -ä   von  gebä  nur  von 
Notker  bezeichnet  wird  und  daß  bei  demselben  Notker  Formen 
mit  -0  nicht  vorkommen,  auf  die  Möglichkeit  hin,  daß  das  -o 


Gennanisches.  860 

von  Ufnto,  htbo  quantitativ  mit  dem  -a  von  geba  übereingestimmt 
haben  kann.  Wenn  das  wirklicii  so  gewesen  ist,  läßt  sich  die 
Nominativendong  auf  -o  ziemlich  leicht  erklären.  Es  bestanden 
im  ürgerm.  diese  zwei  Paradigmen: 

N.    daj^öz  jfibäz 

G.     da;(^Ön  j^fcdn') 

D.     da^otniz  ^ebämiz 

A.    da^onz  ^ebäz 

Wenn  nun  in  irgend  einer  Periode,  entweder  in  der  Zeit 
der  germanischen  Spracheinheit  oder  in  der  westgerm.  Zeit,  das 
Sprachbewußtsein  die  Kategorien  Nominativ  und  Akkusativ  so 
scharf  voneinander  getrennt  hat,  daß  man  das  Bedürfnis  einer 
formellen  Differenzierung  empfand,  konnte  diese  sehr  leicht  da- 
durch herausgebildet  werden,  daß  der  Nom.  PI.  Fem.  die  Endung 
des  mskl.  Nom.  annahm,  in  der  Gestalt  (Sz  oder  öj  ö\  die  dieser 
Ausgang  in  jener  Periode  hatte. 

Wenn  wir  nicht  das  Recht  hätten,  ein  Notkersches  -ö  vor- 
auszusetzen, —  weshalb  aber  sollten  wir  das  nicht  haben  ?  — , 
so  hätten  wir  anzunehmen,  daß  zuerst  das  aus  -öz  entstandene 
-o  genau  denselben  Lautwert  und  dieselbe  Intonation  erhalten 
hätte  wie  das  infolge  des  früheren  Schwindens  des  -n  auch 
früher  gekürzte  o  des  Gen.  Plur.  Diese  Hypothese  ließe  sich  mit 
derjenigen  vergleichen,  die  Van  Holten  für  den  Gen.  Sing,  auf 
-^^  statt  -&  aufgestellt  hat.  Vgl.  oben. 

Bei  diesen  Ausführungen  nahm  ich  an,  daß  der  Ausgang 
-&  im  Gegensatz  zu  dem  oben  besprochenen  -oft  seine  o-Farbe 
bewahrt  hat  und  niemals  mit  -äz  zusammengefallen  ist  Ich 
glaube,  daß  diese  Annahme  nicht  allzu  kühn  ist,  1.  weil  -Ai 
sich  auf  dieselbe  Weise  entwickelt  hat  (ahd.  as.  dago^  ags.  daza)y 
2.  weil  diese  Hypothese  uns  bei  der  Erklärung  der  as.  afries. 
und  ags.  Endungen  des  N.  PI.  M.  -os,  bezw.  -^r^  -as  helfen  kann. 
Diese  Endungen  sind  noch  inmier  unerklärt,  denn  die  von 
mehreren  Forschem  angenommene  Hypothese,  daß  sie  dem  im 
Vedischen  neben  -äs  vorkommenden  -äsas  entsprechen,  ist  so 
unwahrscheinlich,  daß  man  meines  Erachtens  besser  täte,  wenn 
man  überhaupt  keine  Deutung  versuchte.  Die  Annahme,  daß 
dieses  -äw  etwa  zweitausend  Jahre  vor  Christi  Geburt  in  der 


1)  Hierauf  geht  got.  ffibö,  an.  aaga,  ahd.  ^gebo,  as.  g^y  ags.  ^iefm 
nröek.  Vielleicht  hat  bereits  in  der  idg.  Periode  der  Gen.  Plur.  bei  dieser 
Stammklasse  die  Endung  -om  gehabt.  Vgl.  Bragmann  K.  vgl.  Gr.  396. 


260  N.  van  Wijk, 

idg.  Sprache  neben  -äs  bestanden  habe,  und  daß  die  beiden 
Endungen  in  zwei  weit  voneinander  entfernten  Teilen  des  idg. 
Sprachgebiets  erhalten  geblieben  seien,  sodaß  dann  im  Osten 
ein  kleines  Jahrtausend,  im  Westen  beinahe  drei  Jahrtausende 
nach  der  Sprachtrennung  das  in  anderen  Gegenden  geschwundene 
-öses  neben  -ös  wieder  zum  Vorschein  gekommen  sei,  ist  wohl 
imbedingt  abzulehnen.  Der  Umstand,  dafi  sich  in  afries.  -ar 
neben  as.  -os^  ags.  -as  eine  alte  Betonungsdifferenz  zeigen  könnte, 
macht  die  Sache  nicht  wahrscheinlicher.  Auch  dürfen  wir  an- 
gesichts der  unbedeutenden  Rolle,  die  die  »-Deklination,  in  erster 
Linie  die  geschlechtige,  im  Germ,  spielt,  wohl  nicht  eine  parallele 
Neubildung  des  Ai.  und  Wgerm.  annehmen.  Auf  diese  Weise 
bliebe  auch  das  Verhältnis  von  -ar  zu  -os,  -as  unaufgeklärt 

Wir  kommen  viel  weiter,  wenn  wir  von  keinem  andern 
Nominativausgang  als  idg.  -ö«  ausgehen.  Ich  kann  mich  freiUch 
nicht  dazu  entschließen,  mit  Van  Holten  a,  a.  0.  515  an  die 
Möglichkeit  zu  glauben,  daß  das  bewahrt  gebliebene  -s  auf  ein 
"eig.  den  oxytonierten  Formen  zukommende[s]*'  Ss  zurückzu- 
führen sei:  -öS  wurde  nach  meiner  Ansicht  immer  über  -&, 
-^,  -ö  zu  anglo-fries.-sächs.  -o  (woraus  dann  weiter  im  Anglofries. 
-a  entstehen  mußte).  Aber  eben  dieses  -o  konnte  Anlaß  zu  einer 
Neubildung  geben.  Aus  der  idg.  Flexion  N.  -Ä?,  G.  -öiw,  D.  -omiSj 
A.  -ans  entstand  in  dieser  westlichsten  Dialektgruppe  des  Germ. 
-0,  -0,  -om^  -a^).  Nun  wurde  die  Gleichheit  des  N.  und  G.  als 
eine  Anomalie  empfunden,  und  es  entstand  das  Bedürfnis,  diese 
Kasus  zu  differenzieren :  das  Mittel  hierzu  lieferte  die  Anhängung 
eines  -s  bezw.  -z;  so  entstand  -os,  afries.  -ar^  ags.  -as.  Allerdings 
bin  ich  nicht  imstande,  den  Ursprung  des  -s  oder  -z  nach- 
zuweisen; dadurch  aber  wird  meine  Hypothese  nicht  widerlegt 
Es  gibt  ja  auch  andere  Fälle,  wo  der  Ursprung  eines  Aus- 
gangs, den  die  Sprache  zur  Formdifferenzierung  verwendet  hat, 
gamicht  bekannt  ist,  sogar  gehören  hierher  solche  Fälle,  wo  die 
Neubildung  in   der   historischen   Periode   einer  Sprache   statt- 

1)  Daß  Entstehung  von  -a  aus  -ons  unmöglich  sei,  glaube  ich  auch 
nach  Van  Helten  PBrR.  28,  536  fif.  nicht.  Wir  haben  es  hier  wohl  mit 
einer  bereits  im  Urwestgerm.  angefangenen  Entwicklung  aus  wg.  -onz  > 
-am  zu  tun.  Dies  ward  wohl  zuerst  zu  -an,  nachher  zu  -a.  Wenn  Walde 
Recht  hat  (a.  a.  0.  183  fr.),  ein  urgerm.  stoOtoniges  *taHtg  anzusetzen 
(diese  Annahme  kommt  mir  sehr  wahrscheinlich  vor,  vgl.  auch  Hirt  Arkiv 
för  nordisk  Filologi  18,  374),  so  besteht  wohl  ein  gewisser  Parallelismus 
zwischen  -tz  :  -t:  -t  und  -anz  :  -an  :  -a. 


Germanischeg.  961 

gefunden  hat  In  erster  Linie  denke  ich  hier  an  die  für  die 
Slayisten  noch  immer  dunkle  Gen.-PIur.-Endung  -ä  des  ^tok»- 
vischen  und  Slovenischen,  die  wohl  aufgekommen  ist,  nachdem 
bei  mehreren  Nomina  der  Gen.  Flur,  mit  dem  Nom.  Sing,  formell 
sosammengefallen  war.  Ebenso  ist  wohl  die  in  einigen  slar. 
Dialekten  auftretende  Endung  -me^  -mo  der  1.  Ps.  Flur,  ein  ähn- 
liches Differenzierungsmittel;  darauf  deutet  hin:  1.  das  Fehlen 
dieses  Ausgangs  im  Abg.,  wo  regelmäßig  -tm  auftritt,  dessen 
-n  im  Sonderleben  aller  slav.  Sprachen  schwinden  mußte,  2.  die 
Konjugation  verschiedener  slav.  Dialekte,  wo  die  1.  Fl.  eben  dort 
die  verlängerte  Endung  hat,  wo  die  1.  Sg.  auf  -m  ausgeht,  z.  B. 
neubulg.  1.  Konj.  bodh  :  bod6fn^  2.  Konj.  dalam  :  dalame^  3.  Konj. 
metk :  svdim.  Angesichts  des  Fehlens  von  -m«,  -mo  im  Abg.  be- 
zweifle ich,  ob  wir  —  wie  manche  Forscher  annehmen  —  hierin 
die  regelrechte  Fortsetzung  indogermanischer  Endungen  sehen 
dürfen.  Ein  drittes  Beispiel  liefert  wohl  das  Ahd.  Dies  ist  die 
einzige  germ.  Mundart,  wo  das  -w  der  1.  Fs.  Sg.  sein  Gebiet 
bedeutend  ausgebreitet  hat:  auch  findet  man  nur  hier  die  eigen- 
tümliche Endung  -mffs  in  der  1.  PL,  die  nirgends  in  derselben 
Gestalt  wiedergefunden  worden  ist.  Hier  berühre  ich  diese 
Fälle,  wo  wir  ein  unaufgeklärtes  Differenzierungsmittel  antreffen, 
bloß  im  Vorübergehen.  Vor  kurzem  habe  ich  die  Sache  aus- 
führlicher besprochen  Tijdschrift  voor  nederlandsche  taal-  en 
letterkunde  26,  86  ff. 

-ät.  Über  diese  Endung  kann  ich  kurz  sein.  Bloß  im 
Anglofries.  haben  die  ä-Substantive  diesen  Ausgang  bewahrt, 
und  das  ags.  afries.  -e  stimmt  vollkommen  zu  meinen  obigen 
Ausführungen.  Ob  aber  die  Entwicklungsgeschichte  von  -ät 
genau  mit  derjenigen  von  -äs  übereinstimmt,  darf  bezweifelt 
werden,  weil  das  -»  gewiß  schon  früh  die  Qualität  des  -ä 
wird  beeinflußt  haben.  Und  dasselbe  gilt  auch  wohl  für  einen 
eventuellen  Ausgang  -öi.  Vgl.  die  Formen,  für  welche  Van  Helten 
PBrB.  28,  513  f.  diesen  Ursprung  annimmt 

Über  die  nordgermanischen  Verhältnisse  handle  ich  kürzer. 
Denn  was  diesen  Gegenstand  angeht,  so  wage  ich  es  nicht, 
über  alle  Einzelheiten  ein  positives  Urteil  auszusprechen.  Das 
umordische  Material  ist  sehr  interessant,  aber  nicht  reich: 
wenn  uns  aus  einer  so  alten  Periode  mehr  Formen  bekannt 
wären,  könnten  wir  vielleicht  mit  größerer  Sicherheit  über  die  nord- 
germanischen als  über  die  westgermanischen  ä-ö-Lautc  sprechen. 

ladogermaDiflche  Forschungen  XXII.  18 


262  N.  van  Wijk, 

Bekanntlich  weichen  die  nordgermanischen  Auslautgesetze  so- 
wohl von  den  ost-  wie  von  den  westgermanischen  bedeutend 
ab,  u.  a.  werden  die  auslautenden  Konsonanten  s  und  z  in 
den  drei  Dialektgruppen  verschieden  behandelt  ^  z  sind  im 
Nordgermanischen  im  Gegensatz  zum  Westgermanischen  nicht 
geschwunden.  Wenn  wir  also  im  Nordgerm,  einen  Übeigang 
von  -äz  in  oB  (öB)  antreffen,  so  kann  die  von  der  wg.  ab- 
weichende Behandlung  des  d  daraus  erklärt  werden,  daß  dort 
das  -ä  schon  sehr  frühe  im  Auslaut  stand,  während  im  Nord- 
germ, das  -B  den  Auslaut  bildete,  sodaß  -ö-  sich  als  ein  in- 
lautender Vokal  entwickelte.  Auffälliger  ist  die  verschiedene 
Behandlung  betonter  und  unbetonter  Lautgruppen,  z.  B.  in  um. 
ßüB  und  rünoB.  Solche  Unterschiede  dürfen  aber  keinesfalls 
gegen  meine  Hypothesen  über  den  westgerm.  Auslaut  angeführt 
werden;  denn  gerade  wo  es  den  Auslaut  gilt,  muß  jede  der 
drei  Dialektgruppen  für  sich  betrachtet  werden.  Einige  Aus- 
lautgesetze sind  wohl  gemeingermanisch,  aber  nur  ein  paar  von 
den  allerältesten. 

-ät  liegt  nur  in  an.  ßeir(r)e  und  den  ihm  in  anderen  nor- 
dischen Dialekten  entsprechenden  Formen  vor.  -äw  und  -az 
haben  in  einsilbigen  Wörtern,  wo  die  Endungen  also  betont 
waren,  das  -ö  bewahrt:  Akk.  Sing.  an.  ßd^  N.  A.  Fl  ßch-^  twhr. 
Die  Ansicht  Noreens  PGr.  P  621  und  anderer,  um.  /oä,  on. 
ßär,  wn,  ßch'  sei  eine  ursprünglich  schwachbetonte  Form,  die 
sekundäre  Dehnung  erlitten  habe,  leuchtet  mir  gamicht  ein. 
Eine  solche  Auffassung  dieser  und  anderer  dergleichen  Formen 
im  Nord-  und  Westgermanischen  ist  wohl  dadurch  entstanden, 
daß  man  den  Schwierigkeiten,  die  diese  Formen  der  Erklärung 
boten,  doch  irgendwie  aus  dem  Wege  gehen  mußte.  Was  in 
unbetonten  Schlußsilben  aus  -ätn  geworden  ist,  wissen  wir  nicht 
ürn.  minino  (Strand)  beweist  ja  bloß,  daß  im  6.  Jahrh.  das  alte 
-ö  aus  -ön  noch  seine  alte  Lautfarbe  hatte,  aber  über  -an  lehrt 
es  uns  nichts. 

-äz  erhielt  wohl  o-Timbre :  runoB  (=  rünöB\  obgleich  es 
mit  -8  aus  -ön  in  dieser  Periode  noch  nicht  zusammengefallen 
ist,  denn  in  derselben  Zeit  wo  o  aus  ä  bereits  a  geworden  war 
(runaB^  Istaby),  hat  der  Gen.  Plur.  noch  -o  (rwno,  Björketorp). 

Auf  die  schwierigen  Runenformen  Akk.  Plur.  runo  und 
paiaB  (nach  der  Bedeutung  =  aisl.  pckr)  gehe  ich  an  dieser  Stelle 
nicht  ein. 


Germanisches.  263 

2.  An.  tuau,  ßau^  aschw.  ßjBf. 

Kock  hat  PBrB.  15,  250  einige  Einwände  gegen  die  An- 
sicht Noreens  (PGr.  1 1  §  184,  13,  §  195,  3)  angeführt,  daß  an. 
tuau,  ßaiif  aschw.  ßjBf  alte  Dualfonnen  seien.  In  der  zweiten  Auf- 
lage des  Grundrisses  hat  Noreen  seine  Hypothese  nicht  aufge- 
geben, und  noch  immer  halten  viele  Forscher  sie  für  richtig. 
Ich  möchte  aber  lieber  ebenso  wie  Kock  eine  andere  Erklärung 
suchen;  denn  auch  mir  gefällt  die  Annahme,  daß  ein  mask.  Dual 
die  Funktion  des  neutr.  Duals  und  Plurals  angenommen  habe,  durch- 
aus nicht;  vgl.  auch  Van  Holten  IF.  18,  87  f.  Fußnote  3.  Kocks 
Meinung  kommt  mir  aber  wenig  glaubhaft  vor.  pdu  wäre  nach 
ihm  aus  einem  *pä  =  got. /o  entstanden,  dem  die  Endung  -u 
von  gödu  angehängt  wäre,  in  tuau  erblickt  er  eine  Weiterbildung 
mittels  desselben  Ausgangs  -w  aus  ttm  =  got  twa  (über  aschw. 
iud  vgl.  jetzt  Van  Holten  a.  a.  0.)  Diese  Hypothesen  sind  deshalb 
unrichtig,  weil  in  *ßä  das  ursprünglich  auslautende  -ä  im  Nord- 
germanischen  über  -ö  zu  -ö  werden  mußte;  dem  got  N.  Plur. 
ßo  würde  im  Nordgermanischen  *ßü  entsprechen,  ebenso  wie 
neben  got  so  das  an.  sü  steht.  Auch  der  N.  Plur.  N.  *ttoä  mußte 
zu  *f(w)ti,  tu  werden,  und  diese  Form  besteht  in  der  Tat  im 
Altschwedischen.  Das  got  ttca  ist  ja  wohl  eine  erst  im  Gotischen 
entstandene  Form ;  es  ist  eine  Analogiebildung;  nach  Uinda  neben 
Mskl.  blindai^  Fem.  Mindos;  vgl.  auch /n/a.  Was  ßat^ßjBf  betrifft, 
so  glaube  ich,  daß  wir  es  hier  mit  einer  ähnlichen  BUdung  zu 
tun  haben  wie  in  den  von  Franck  HZ.  40,  1  ff.  besprochenen 
ahd.  und  as.  Formen  dea^  dia,  ihea^  thia  u.  dgl.,  die  dadurch  ent- 
standen sind,  daß  die  Endungen  einem  durch  das  Sprachgefühl 
abstrahierten  Stamme  ßB-  angehängt  wurden:  kann  nicht  ebenso 
im  Nordischen  an  den  aus  ßat  abstrahierten  Stamm  ßa-  die 
.  Endung  -i«  getreten  sein?  Im  Altnordischen  ist  freilich /crt  die 
gewöhnliche  Form  des  Neutrums.  Aber  in  der  Runenperiode  war 
ßat  noch  gebräuchlicher  (vgl.  Noreen  PGr.  1*  620).  Nach  ßau 
wurde  tuau  gebildet.  Bei  beiden  Formen  kann  bei  der  Ent- 
stehung einer  Neubildung  der  Umstand  mitgewirkt  haben,  daß 
die  Endung  -ti  als  etwas  anomales  empfunden  wurde.  Dies  gilt 
hauptsächlich  für  *ßu. 

Nicht  zu  ü  verschobenes  ö  aus  ä  liegt  bekanntlich  in  an. 
iottogo  aus  *tö'tugu  vor,  wo  das  alö  wie  sonst  in  inlautenden 
Silben  als  ö  auftritt 

18* 


«4  N.  van  Wijk, 

3.  YokaÜBch  au8la«tende  Instrumentale 
von  Pronominalstämmen. 

Im  Nord-  und  Westgermanischen  ist  das  aus  auslaatenden 
idg.  -ä  oder  -ö  entstandene  -ö  in  betonten  Silben  in  -n  übeq|;e- 
gangen  (vgl.  S.  252  f.)  Zu  den  Bildungskategoriea,  wo  wir  dieseai 
Lautwandel  begegnen,  gehört  der  anglofriesische  Instrumental  Adi, 
dessen  Endung  von  Janko  IF.  20,  235  gewiß  richtig  gedeutot 
wird:  J.  führt  das  -ü  von  hü  und  das  -ii  vor  ahd.  tagu  ' —  im  An- 
schluß an  Bethge  —  auf  idg.  -Ö  zurück;  und  obgleich  die  Hf- 
pothese,  daß  dieses  -^  vor  der  Sprachtrennung  aus  noch  älterem 
-^  entstanden  sei  (vgl.  u.  a.  Hirt  IF.  17,  49  f.),  nicht  wideri^ 
werden  kann,  füliren  uns  sowohl  die  germ.  wie  die  litauisch^ft 
Formen  {vükü  u.  dgl.,  Streitberg  IF.  1,  272  ff.)  zu  einem  idg.  -^  und 
nicht  weiter.  Das  got.  Pronomen  gibt  uns  keine  Belege  für  diese 
Endung  -ö:  anstatt  *htoo  oder  *ho  finden  wir  htm,  das  wohl  einet 
mit  ö  in  regelrechtem  Ablaut  stehenden  Anfang  -S  enthält,  der 
auch  für  hwamma^  hieammeh  angesetzt  werden  darf.  Wie  mußte 
sich  nun  dieses  -i  in  haupttonigor  Silbe  im  West-  und  Nord- 
germanischen entwickeln?  Wenn  in  diesen  Dialekten  der  Wandel 
von  "€  in  -ä  älter  wäre,  als  der  vor  -ö  in  -ä,  hätten  wir  -ä  vol 
erwarten;  wenn  aber  die  umgekehrte  Chronologie  angenommen 
werden  muß,  so  dürfen  wir  einen  dem  Übergang  von  -d  in  -tf 
entsprechenden  Wandel  von  -e  in  -f  postulieren,  —  nicht  wie 
Janko  a.  a.  0.  242  annimmt,  in  e^.  Und  die  vorliegenden  Formen 
stimmen  vorzüglich  zu  diesem  Postulat  Auf  -^  führe  ich  zurück: 
an.  aschw.  ß{^  huH^  ags.  dis,  hwi,  as.  hwf^  mnl.  Je-Ä,  i-wi  (v^ 
Van  Helten,  Tijdschrift  voor  ndl.  taal-  en  letterkunde  5,  2048., 
Franck  HZ.  40,  21,  ein  wenig  anders  Van  Helten,  MndL  spraak- 
kunst  451  f.).  Ob  das  wn.  pu{,  das  nach  Noreen  PGr.  I"  621 
auch  dem  on.  ßu'fu  zugrunde  liegt,  das  u  dem  Einflüsse  von 
hui  verdankt,  ist  nicht  sicher;  denn  diese  Form  könnte  auch  durch 
eine  Kontamination  vor ßtl  und  j&/ entstanden  sein.  Ebenso  können 
ahd.  diu^  htnu^  anfr.  thiu^  mnl.  die^  bedie^  as.  thiu,  hmu,  afri.  thiu  att{ 
zwei  Weisen  erklärt  werden.  Man  kann  hier  ebenfalls  an  Konta- 
mination denken;  es  wäre  aber  vielleicht  auch  möglich,  daß  an 
einen  aus  andern  Kasus  abstrahierten  Stamm  )B^-,A*rc- die  Endung 
-u  angetreten  und  dann  -eu  in  -iu  übergegangen  wäre  (vgl.  Franck 
a.a.O.  15 f.).  Ags. /y,  hwi/  sind  bekanntlich  schwierige  Formen: 
haben  wir  hier  vielleicht  ältere  Formen  auf  -ui  anzusetzen  und 
eine  ähnliche  Kontamination  wie  in  an.  ßd  anzunehmen? 


GermanischeB.  ^66 

Bisher  hielt  man  gewöhnlich  die  Formen  auf  -f  für  Lokar 
ive,  vgl.  u.  a.  Streitberg  Urg.  Gr.  273.  Lautlich  ist  dagegen  nichts 
anzuwenden;  es  scheint  mir  aber,  daß  die  Bedeutung  vielmehr 
Ue  von  mir  gegebene  Erklärung  empfiehlt  Das  got  peii  das 
armeil  dem  an.  pi  usw.  entsprechen  könnte,  ist  eine  Eonjunk- 
ion  mit  der  Bedeutung  "daß,  damit",  während  Pe  und  hwe  Kasus 
änd,  die  zwar  mit  Präpositionen  verbunden  Konjunktionen  bilden 
können  (z.  B.  bipe)^  aber  an  und  für  sich  Kasus-  bezw.  ad- 
rerbielle  Bedeutung  haben:  dieser  syntaktischen  Funktion  ent- 
{{tricht  diejenige  von  an.  /r/,  as.  hid  usw.  So  ist  z.  B.  mnL  bedi 
lieselbe  Form  wie  got  bipe\  der  Bedeutungsunterschied  (als  Adv: 
deswegen':  "nachher*,  als  Konj.  *weil':  "als,  nachdem')  wird  bloß 
lorch  die  respektiven  Bedeutungen  der  Präp.  hervorgerufen. 

Neben  den  bisher  besprochenen  Formen  haben  im  XJrger- 
nanischen  noch  andere  existiert,  die  ebenfalls  sowohl  mit  o-  wie 
nit  ß-Yokalismus  auftreten,  und  zwar  —  abgesehen  von  den 
nterrogativen  Adverbien,  die  mit  got  hwaitca  zu  vergleichen 
dnd  — :  wn.  hi^^  pui^  ahd.  hwe^^)  as.  hwö^  huo^  ndl.  hoe.  Ich 
;laube,  daß  diese  Formen  mit  e  und  ö  am  einfachsten  erklärt 
werden,  wenn  wir  von  geschleiftem  ^  5  ausgehen,  indem  wir 
jntweder  lit.  tu  vergleichen  oder  Ablative  auf  -äi,  -öd  ansetzen. 

Es  fällt  uns  auf,  daß  bei  den  zwei  Kategorien  von  Bil- 
lungen,  die  ich  besprochen  habe,  sowohl  die  o-  wie  die  e-  Stufe 
tolegt  ist*)  Vgl.  den  Gen.  S.  got  d<igi8:  urn.  a[n]ÄM-jiÄiias.  Wenn 
in  so  vielen  Kasusendungen  die  beiden  Ablautstufen  so  viele 
Jahrhunderte  lang  bewahrt  geblieben  sind,  versteht  es  sich,  daß 
im  Gotischen  neben  dem  Gen.  Plur.  *da;{fi[fn]  eine  Neubildung 
^dajfi[m\  aufkommen  konnte.  Diese  letzte  gelangte  später  zur 
Alleinherrschaft,  wie  überhaupt  das  Got  die  e-Stufe  bevorzugt 
EU  haben  scheint 

Bisher  ließ  ich  noch  eine  ganz  eigentümliche  Form,  die 
lern  got  so  entspricht,  unerwähnt,  nämlich  das  mnl.  aoe.  Diese 
^rm  scheint  hauptsächlich  im  flämischen  Dialekt  bestanden  zu 
tiaben.  Sehr  häufig  findet  man  sie  z.  B.  im  älteren  Reinaert  und 
bei  Maerlant  (vgl.  J.  W.  MuUer,  Tijdschrift  voor  nederlandsche 
Ual-  en  letterkunde  7,  79,  Franck,  Mittelniederl.  Grammatik  145). 

1)  Vgl.  Franck  HZ.  40,  20,  anders  über  das  Verhältnis  von  hwM, 
kwio  zu  hwi  Van  Hellen  PBrB.  30,  238. 

2)  Für  ö  hätte  ich  S.  264  außer  anglofries.  hü  auch  as.  hü^  aschw. 
kü{likin\  anorw.  hü,  aschw.  ßü,  aisl.  pü(at)  anführen  können. 


266  N.  vanWijk,  Germanisches. 

oe  entspricht  lautlich  ungefähr  dem  deutschen  u;  der  durch  dieses 
Zeichen  angedeutete  Vokal  ist  die  gewöhnliche  Fortsetzung  von 
urgerm.  ö,  nicht  aber  von  ö.  ^Müssen  wir  nun  annehmen,  daß 
der  Übergang  von  urspr.  auslautendem  -ö  in  -«  nicht  gemein- 
westgermanisch ist,  sondern  daß  in  einem  Teil  des  Gebietes  das 
-0  unverändert  gebheben  ist?  Dagegen  spricht  der  Umstand,  daS 
in  denselben  Mundarten,  wo  die  Form  soe  auftritt,  auch  hedi  und 
iwi  vorkommen:  wenn  aber  -^  in  einen  engem  Vokal  überge- 
gangen ist,  dürfen  wir  dasselbe  auch  für  -6  voraussetzen.  Woher 
kommt  es  denn,  daß  dieses  -ü  aus  -ö  sich  anders  entwickelt  hat 
als  das  urgerm.  -ä?  Bloß  eine  Hypothese  kann  ich  hierüber  mit- 
teilen. Im  Westniederfränkischen  ist  Hin  ü  übergegangen.  Wenn 
wir  nun  den  Anfang  dieses  Prozesses  in  eine  sehr  frühe  Periode 
setzen,  so  dürfen  wir  vielleicht  annehmen,  daß  das  alte  -«  be- 
reits von  seinem  urspr.  Lautwert  abgewichen  war,  als  das  aus- 
lautende '(P*  in  -ö  überging.  Der  letztgenannte  Lautwandel  ist  ge- 
meinnord-  und  westgermanisch,  aber  wie  so  viele  übereinstim- 
mende Lautveränderungen  ist  er  keinesfalls  in  eine  Periode  zu 
versetzen,  wo  diese  beiden  Gerraanengruppen  noch  auf  einem 
kleinen  Gebiete  zusammen  wohnten :  wir  dürfen  wohl  nicht  weiter 
als  Christi  Geburt  zurückgehen.  Wenn  nun  Te  Winkel  Recht 
hat,  der  Handelingen  en  Mededeelingen  van  de  maatschappij  der 
Ndl.  Letterkunde  1904/05,  S.  69  den  Wandel  von  «  in  tf  der 
Mischung  einer  germanischen  und  einer  keltischen  Bevölkerung 
zuschreibt,  so  wäre  vielleicht  ein  sehr  frühes  Eindringen  von 
Friesen  in  West-Flandern  anzunehmen,  die  noch  lange  bevor  die 
Franken  so  weit  westlieh  gekommen  waren,  der  keltischen  Be- 
völkerung dieses  Landes  ihre  germanische  Sprache  aufgezwungen 
hatten.  Es  ist  ja  eine  bekannte  Tatsache,  daß  einmal  das  Gebiet 
der  Friesen  sich  bis  nach  Flandern  ausstreckte.  Vielleicht  aber 
verhalten  sich  die  Sachen  viel  einfacher :  in  mehreren  ndl.  Mund- 
arten hat  das  ausl.  ü  bis  jetzt  sein  ö-Timbre  bewahrt  So  sagt 
man  in  Zeeland  und  einem  Teil  von  Flandern  wo,  jü  (aus  *iu 
mit  Dehnung  des  u).  Aus  dem  u  von  mnl.  nu^  (j)u^  du  darf 
man  daher  nicht  schließen,  daß  ausl.  ü  regelmäßig  ü  geworden 
sei  und  vielleicht  entspricht  soe  ebenso  genau  einem  wg.  sü 
wie  noe  (spr.  nü)  einem  nü. 

Haag.  N.  van  Wijk. 


/ 


C.  Hentze,  Aktionsart  u.  Zeitstufe  der  Infinit,  i.  d.  homer.  Gedichten.    267 


^ 


Aktionsart  und  Zeltstnfe  der  InflnitiTe  in  den  homerisehen 

Gediehten.  ~ 

Nachdem  im  Griechischen  die  aus  der  jfrüheren  Sprach- 
entwicklung überkommenen,  teils  fertigen,  teils  werdenden  In- 
finitive an  die  verschiedenen  Tempusstämme  sich  angegliedert 
hatten,  übernahmen  sie  von  den  entsprechenden  Indikativen  die 
Aktionsart,  nicht  aber  die  Zeitstufe.^)  Der  Infinitiv  des 
Präsens  bezeichnete  also  die  Handlung  in  der  Regel  als  ver- 
laufend, seltener  als  punktuell,  der  Inf.  Perf.  als  abgeschlossen 
oder  den  dadurch  erreichten  Zustand,  der  Inf.  Aor.  aber  teilte 
mit  dem  Ind.  Aor.  teils  die  ingressive,  teils  die  effektive  Be- 
deutung. Auf  welcher  Zeitstufe  die  Handlung  verlaufend,  ab- 
geschlossen oder  eintretend  gedacht  werden  sollte,  ergab  der 
Zusammenhang  der  Rede. 

Die  mannigfachen  Punktionen,  welche  von  diesen  Grund- 
lagen aus  die  Infinitive  nach  und  nach  übernommen  haben, 
liegen  in  den  homerischen  Epen  im  wesentlichen  bereits  ent- 
wickelt vor.  Wenn  diese  aber  nach  begründeter  Annahme  den 
Niederschlag  einer  Sprachentwicklung  von  vielleicht  sechs  Gene- 
rationen darstellen,  so  wird  sich  auf  Grund  dieses  reichen  alten 
Materials  die  Entwicklung  jener  Funktionen  noch  einigermaßen 
verfolgen  lassen.  Insbesondere  werden  die  Einflüsse  erkennbar 
sein,  welche  die  Ausbildung  der  dem  Griechischen  eigentüm- 
lichen Form  der  abhängigen  Rede  auf  diese  Entwicklung  aus- 
geübt hat  Nach  diesen  Gesichtspunkten  ist  im  folgenden  der 
homerische  Gebrauch  der  Infinitive  in  bezug  auf  Aktionsart  und 
Zeitstufe  einer  genauen  Untersuchung  unterzogen. 

1.  Der  Infinitiv  Praes.  bezeichnet  der  überwiegenden  Be- 
deutung des  Ind.  Präs.  entsprechend  die  Handlung  als  verlaufend 
und  teilt  mit  ihm  die  aus  dieser  Grundanschauung  hervorgehenden 
Gebrauchsweisen.  Aus  dem  Begriff  der  verlaufenden  Handlung, 
für  den  ein  bezeichnendes  Beispiel  ist  o  278  öiuiK^iiievai  t^P  <i»uj 
"daß  sie  auf  der  Verfolgung  begriffen  sind",  erklärt  sich  zu- 
nächst der  nur  seltene,  sogenannte  Gebrauch  de  canatu.  Mutz- 
bauer Die  Grundlagen  der  griech.  Tempuslehre,  S.  45  bemerkt 
mit  Bezug  auf  das  Imperf.  mit  Recht,  daß  in  der  Form  nichts 


1)  Vgl.  Delbrück  Die  Grundlagen  der  griech.  Syntax  S.  121  ff.  und 
Vergl.  Syntax  II  S.  451  ff.,  Capelle  im  Philologus  37  S.  114. 


268  C.  Hentze, 

von  einem  Versuch  liege.  So  ist  Kreiveiv  in  a  39  irpö  oi  €T1ro^€v 
—  ^irr'  auTÖv  icreivctv  ^nxe  |üiväac9ai  dKomv  nichts  andereR  ab 
*mit  Tödten  beschäftigt  sein'  d.  i.  in  Gedanken  und  vorbereiten- 
den Handlungen  den  Mord  betreiben,  KaTaKretveiv  ir  400  einen 
Mordanschlag  machen,  vgl  432,  iXdcKecGat  A  386  die  Versöhnung 
betieiben,  vgl.  47 2. M  Die  Handlung  ist  femer  in  ihrem  Verlauf 
gedacht,  wenn  es  sich  um  die  Fortsetzung  oder  Beendigung 
einer  bisher  geübten  Tätigkeit  handelt:  so  in  der  Konstruktion 
des  Inf.  Präs.  nach  idv,  wie  E  32  f.  ouk  fiv  hi\  Tpüjac  iiiw  ddcco- 
^ev  Kai  'AxaioCfc  ^äpvac9al  ^weiter  kämpfen',  nach  iraüeiv,  wie 
A  442  r^TOi  ^dv  {>'  f^'  fTiaucac  dm  Tpüjecci  ^dx€c8ai,  oder  um  das 
Fortbestehen  eines  Zustandes  im  Gegensatz  zum  Aufhören  oder 
einer  Unterbrechung,  wie  0  246  veöce  bi  ol  Xaöv  c6ov  (pfievoi 
ouö'  dTToXdcOai  ^erhalten  bleiben',  Z  87  vaieiv  *wohnen  bleiben', 
uj  435  21uj^^€v  'weiter  leben',  q)  239  dKf|v  £^€vat  irapd  ipvv 
'ruhig  bei  der  Arbeit  bleiben'  (Gegensatz  |ir|  ti  GüpoZe  irpo- 
ßXüjoceiv).  Wird  die  Handlung  während  eines  längeren  Zeitraumes 
ununterbrochen  verlaufend  gedacht,  so  ergibt  sich  die  Vorstell- 
ung der  Dauer,  wie  p  551  TTeipaiov  bi  ^lv  ^vüJTta  TTpoxi  oikov 
drovra  ivbuKduiC  qpiXeeiv  Kai  xie^ev  ete  ö  k€v  ?X9uj  "Gastfreund- 
schaft und  Ehre  erweisen',  B  280  ciuiTidv  "Schweigen  beobachten'^ 
X  129  (ppd2:€c9ai  *im  Auge  behalten'.  Eine  solche  Handlung 
setzt  sich  aber  öfter,  wie  p  55  f.  zeigen  kann,  aus  einer  Reihe 
einzelner  gleicher  Akte  zusammen,  daher  der  Inf.  Präs.,  wie  der 
Ind.,  auch  zur  Bezeichnung  einer  wiederholten  Handlung  ver- 
wendet wird.  So  von  gewohnheitsmäßigem  Tun  t  48  iirei  icai 
TouTOv  öiofiai  dGavdxoiciv  eöxecGai  'daß  er  jederaeit  sich  im  G^ 
bet  an  die  Götter  wende'  vgl.  Z  207  f.,  und  in  den  zahlreichen 
Beispielen,  in  denen  im  Nebensatz  ein  wiederholter  Fall  gesetzt 
wird,  wie  A  229  f.  f\  ttoXu  Xübiov  dcri  —  öujp'  dTioaipeicGai,  6c  nc 
deev  dvTiov  eiTiri,  vgl.  B  214  f.  Z  228  f.  T  228  f.  t  355.  b  196. 
e  119f.  8  45.  K  22.  73  f.  E  5221;  daher  auch  von  einer  jeder- 
zeit sich  betätigenden  Eigenschaft,  wie  P  675  dexöc,  6v  fid  xi 
qpaciv  dEuTttTov  ö^pK€c9ai  d.  i.  die  schärfste  Sehkraft  habe. 


1)  Hieher  scheint  auch  der  Inf.  Präs.  ßdWciv  in  E  51  f.,  MboEc  yäp 
"ApTCMic  aÖTi?!  ßdXXeiv  ftypia  irdvra  gezogen  werden  zu  müssen,  wo  man 
den  Inf.  des  effektiven  Aor.  ßoXciv  erlegen  erwartet.  Der  Inf.  Präs.  be- 
sagt eigentlich  'schießen  auf  allerlei  Wild',  die  Jagd  auf  jegliche  Art  von 
Wild  betreiben'.  Vgl.  auch  k  305  xoXciröv  hi  r'dpOccciv  'danach  xu  graben*, 
nicht  'ausgraben':  Delbrück  Vergl.  Synt.  II  S.  39. 


Aktionsart  u.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    268 

Wenige  Präsensstämme  bezeichnen  eine  punktuelle  Aktion 
in  dem  von  Delbrück  Vergl.  Synt  2,  14  festgestellten  Sinne,  daß 
die  Handlung  mit  ihrem  Eintritt  zugleich  yollendet  ist,  oder 
aach  verschiedene  Aktionsarten.  Zu  den  ersteren  gehört  vor 
allem  €l^^  dessen  futurischer  Gebrauch  sich  aus  der  punktuellen 
Aktion  erklärt.  Futurisch  wird  dies  Yerbum  nach  Delbrück  2, 691 
im  Ind.  Präs.  bei  Homer  besonders  in  der  1.  und  2.  Person  ge- 
braucht, zugleich  aber  verlaufend  gedacht  K  335  TÖqppa  T^p  ic 
CTpOTÖv  €1^1  bia^Tiepec,  öqpp'äv  lKUi^al  vf]'  *ATa|ie^vovdiiv  und  Y  362, 
während  die  3.  Person  meist  präsentisch  von  verlaufender  Ak- 
tion gebraucht  wird.  Der  Infinitiv  zeigt  nun  folgende  Aktions- 
arten. In  abhängiger  Rede  überwiegt  die  punktuell-futurische 
Bedeutung:  P  709  ouö4  mv  oiiw  vöv  tevai,  Y  365  qpdro  b'  T^evat 
dfvr'  AxiXi^öc  vgl  371.  In  Z  4561  Kai  mv  öiuj  aurif»  (dKOvri)  ciq- 
icTÖ^cvov  Kaxi^ev  ö6mov  *Aiöoc  efcuj  und  vielleicht  auch  Y  141 L 
^dXa  b*  (Lku  &taKptvddvTac  öiiu  fivp  T^ev  OuXu^ttövöc  GetLv  ^ed' 
öiLiriTupiv  äXXuüv  ist  die  Bewegung  zugleich  verlaufend  gedacht^ 
wie  im  Ind.  K  325  und  Y  362.  Gegenwärtig  verlaufend  aber 
K  355  f.  ÄTieTo  ydp  Kaxd  8u^öv  dTrocrpevpovrac  ^ratpouc  ix  Tpuiuüv 
Uvai,  wo  Dolon  die  ihn  verfolgenden  Odysseus  und  Diomedes 
hat  kommen  hören,  und  auch  N  99  ff.  i^  ^idra  Gaö^a  xoö'  öqpGoX- 
^otav  6plü^al,  8  oö  ttot'  If^  ye  xeXeuiricecGai  fqpacKov,  Tpdiac  iqp' 
flMCxepac  levai  vfiac,  denn  hier  erklären  die  letzten  Worte  x6ö€, 
zwar  eine  Tatsache,  die  aber  unter  Einwirkung  des  vorher- 
gehenden Relativsatzes  als  Vorstellung  gefaßt  ist:  daß  die  Troer 
im  Anrücken  gegen  unsere  Sclüffe  begriffen  sind.  Punktuell  ist 
die  Aktionsart  des  Inf.  im  Imperativischen  Gebrauch,  sowohl  im 
selbständigen:  H  87.  839.  O  297.  2:  298.  G  12.  k  405.  512.  p  600, 
als  im  abhängigen:  A  686.  a  374,  auch  in  Abhängigkeit  von 
Verben  des  Antreibens,  Befehlens,  Wollens,  Verlangens,  nur  in 
ß  364  ttO  ö'^G^Xeic  Uvat  TToXXfiv  dTri  tatav;  b  483  und  o  79  ist 
die  Bewegung  verlaufend  gedacht  In  der  Verbindung  ßn  b'  tevcu 
und  den  ähnlichen  (Lpxo,  T^px€  ijiiev,  sowie  in  Abhängigkeit  von 
iri^iretv,  irpot^vai  u.a.  bezeichnet  der  Inl  die  dem  Ansatz  zum  Gehen 
folgende  Bewegung  in  ihrem  Verlauf:  vgl.  A  44  ßi^  bk  kox'  0^ 
Xü^iTOio  Kapnvujv  *er  setzte  seinen  Fuß  herab  von  .  . .',  mit  47 
ö  ö'  fiie  vuicxi  £oiKd)c  *er  schritt  dahin*. 

Der  Ind.  von  v€o^at  hat  überwiegend  futurische  Bedeu- 
tung, präsentische  nur  in  der  Odyssee:  ^  188.  k  192  und  viel- 
leicht V  61.   Die  Infinitive  v^ecGat  und  dirov^ecGai  zeigen  die 


270  G.  Hentze, 

punktaell-futiirische  Bedeutung  in  abhängiger  Rede:  nach  xmir 
CX6T0  Kai  Kaxdveuce  B  113.  I  20,  ÖTidcrav  B  288,  imdcnmev  E  716, 
dmiTTeiXnce  Z  46,   ddüXTrei  T  330,  dveveuce  TT  252,  <pimi  E  221. 

Y  212,  (paci  ß  237.  X  176,  (pdvxo  ui  460,  öiiu  M  73.  c  260,  in 
der  Uias  also  fast  nur  nach  Verben,  deren  Bedeutung  eine  Rich- 
tung auf  die  Zukunft  enthält,  in  der  Odyssee  nur  nach  qpimi  und 
öiui.  Femer  ist  die  Bedeutung  des  Inf.  punktuell  im  Impera- 
tivischen Gebrauch,  selbständig  tt  132,  abhängig  tt  350,  und  auch 
sonst  überall  in  Abhängigkeit  von  Verben;  nur  wird  in  den  nach 
dem  Muster  von  ßf]  b'  ievai  gebildeten  Verbindungen  f  ßav  v^€c6ai 

V  229.  E  87,  T^pxe  veecGai  B  84,  Tii}xm\\  veecGai  I  240.  «  48.  598 
und  in  der  Od.,  lei  v.  A  397,  expevpe  v.  M  32,  öipOveiv  v.  in  der 
Od.  die  Bewegung  in  ihrem  Verlauf  gedacht  sein. 

Wenn  dem  Verbum  ?px€c9ai,  wie  Delbrück  Vergl.  Synt  2, 61 
annimmt,  ursprünglich  terminative  Aktion  eigentümlich  war,  so 
daß  es,  je  nachdem  der  Ausgangspunkt  oder  der  Endpunkt  der 
Bewegung  in  das  Auge  gefaßt  wurde,  entweder  Veggehn*  oder 
'kommen*  bezeichnete,  so  hat  es  doch  bei  Homer  im  Ind.,  wie 
in  andern  Formen  des  Präs.,  daneben  nicht  selten  auch  kursive 
Aktion.  Ich  hebe  nur  einige  Beispiele  heraus:  fpxo^al  A  839. 
N  256.  E  301  in  der  Bedeutung  *ich  bin  auf  dem  Wege*,  vgl 
auch  ^eT4pxo^al  t  83,  fpxeiai  H  208  'schreitet  dahin',  Jpxovroi 
*ziehen  heran,  sind  im  Anmarsch*  B  801,  ipxo^€vuiv  *wie  sie 
dahin  zogen*  f  14.  Dementsprechend  zeigt  auch  der  Infin.  neben 
der  terniinativen,  zum  teil  auch  kursive  Aktion;  erstere  f  392 ff. 
ovbi  K€  qpairjc  dvöpi  ^axncd^€VOv  rovy'  dXOeiv,  dXXd  xopovbe  ?p- 
XecG'  f\k  xopoio  veov  XriTovra  KaGiZieiv  *zum  Reigentanz  auf- 
breche oder  zu  gehen  im  Begriff  sei  (nicht  *auf  dem  Wege  sei') 
im  Gegensatz  zu  dXGeiv  'zurückgekommen  sei',  vgl.  l  65,  so  auch 
wohl  K  562  qpdcOe  vu  ttou  oiKovbe  —  IpxecOai  Mm  Begriff  sein 
zu  gehen',  nicht  *auf  dem  Wege  sein',  vgl.  561,  ^fortgehen*  0  161 
=  177.  ß  265.  TT  86.  u  362,  'kommen*  a  190.  o  514.  0  400. 
Dagegen  sicher  kursive  Aktion  2;  40.  261.  X  121. 

Die  vermutlich  aus  Perfekten  entstandenen  Präsentia  ikuj 
und  o^xo^ul,  die  im  Ind.  neben  der  präsentischen  auch  Per- 
fektbedeutung haben,  zeigen  die  letztere  auch  im  Infin.:  v  325 
ou  Tdp  6m  'iKeiv  (so  Bekker  und  Neuere,  handschriftlich  nur 
f^Keiv)  eic  *l9diaiv,  Z  345  die  ^'  öqpeX'  —  oixecGai  Tipoqpepouca  KaKf| 
äv^^0l0  GiieXXa  eic  öpoc,  b  639  ou  yäp  Jqpavro  Ic  TTuXov  oTx^cGai- 
—  iKdvu)  zeigt  im  Infin.  ö  29  punktuell-präsen tische,  aber  ö  139 


Aktionsart  u.  Zeitstnfe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    271 

o'i  Tiv€^  oibe  dvbpaiv  euxexoujvTai  lKav4^ev  f\\xiTepoy  bdj  Perfekt- 
bedeutung. —  Die  scheinbar  perfektische  Bedeutung  der  Präs. 
äxouui  (Q  543.  o  403)  *ich  habe  gehört'  und  viKduj  *ich  bin 
Sieger'  (B  370.  t  121)  wiederholt  sich  in  den  Infin.  dKOud^ev 
=  125  und  b  94,  viKdv  X  548. 

Auf  welcher  Zeitstufe  die  Handlung  des  Infin.  Präs.  in 
den  nachgewiesenen  Aktionsarten  vor  sich  gehend  gedacht  werden 
sollte,  ergab  der  Zusammenhang  der  Rede.  So  lange  nun  der 
Gebrauch  der  Infinitive  im  wesentlichen  auf  die  finale  und 
konsekutive  Bedeutung  beschränkt  war,  fiel  die  Handlung  des 
Infin.  seiner  ursprünglich  dativischen  Natur  entsprechend  in  die 
Zukunft,  die  in  Beispielen,  wie  V  618  tt]  vöv,  Kai  coi  toöto, 
T^pov,  K€i^f|Xtov  ?CTUJ,  TTaipoKXoio  xdqpou  ^vf\^'  £^^€ vai,  vom 
.  Standpunkt  der  Gegenwart  des  Redenden  aus  bestimmt  wurde, 
in  Beispielen,  wie  €  256  qppdEe  bi  mv  ^iTiecci  öla^7Tepk  öicu- 
tvriav  Ku^aToc  eiXap  ?^ev,  vom  Standpunkt  der  in  der  Ver- 
gangenheit handelnd  eingeführten  Person  aus.  Erst  durch  die 
Ausbildung  der  abhängigen  Rede  erweiterte  sich  der  Gebrauch 
des  Infin.  Präs.  dahin,  daß  er  auch  eine  in  der  Gegenwart  ver- 
laufende Handlung  oder  einen  in  der  Gegenwart  dauernden 
Zustand  bezeichnen  konnte,  ebensowohl  vom  Standpunkt  des 
Sprechenden  aus:  eöxo^ai  eivai,  als  vom  Standpunkt  einer  in 
der  Vergangenheit  sprechend  eingeführten  Person  aus:  eöxero 
eivai.  Die  letzte  Stufe  der  Entwicklimg  war  die,  daß  der  Infin. 
Präs.  auch  verwendet  wurde,  um  eine  in  der  Vergangenheit  ver- 
laufende Handlung  (Zustand)  zu  bezeichnen,  ohne  daß  die  Zeit- 
stufe der  Vergangenheit  aus  dem  Verbum  des  regierenden  Satzes 
entnommen  werden  konnte,  wie  x  321  ei  \ikv  bi\  ^€Td  toTci 
9UOCKÖOC  eöxeai  eivai,  wo  die  Bedeutung  ^gewesen  zu  sein*  nur 
aus  den  vorhergehenden  Worten  des  Leodes  313  —  319  ver- 
ständlich ist  Dieser  sog.  imperfektische  Gebrauch  des  Infin. 
Präs.  findet  sich  überhaupt  nur  in  10  Beispielen  (II.  3,  Od.  7) 
und  steht  noch  in  den  Anfängen  der  Entwicklung.  Er  wird  sich 
zunächst  auf  den  Infin.  eivai  bei  Angabe  von  Eigenschaften  und 
Zuständen  beschränkt  haben:  die  drei  Beispiele  der  Uias  in  AEQ 
enthalten  nur  diesen  Infinitiv  und  von  den  7  Beispielen  der 
Odyssee  5  denselben,  und  nur  2  solche  Infinitive,  welche  eine 
in  der  Vergangenheit  vollzogene  Handlung  bezeichnen.  Von 
selbst  ergab  sich  die  Beziehung  des  Inf.  Präs.  auf  die  Ver- 
gangenheit in  A  264  dXX'  öpceu  TToXe^övö',  ofoc  Tidpoc  eO^^ai 


272  G.  Hentze, 

€ivai,  wo  irdpoc  nach  Beispielen,  wie  8  36.  A  825,  mit  eivai  zq 
verbinden  ist:  hier  lag  die  bereits  proethnische  (Delbrück  YeigL 
Synt  2,  265  ff.)  und  bei  Homer  geläufige  Verbindung  von  irdpoc 
mit  Ind.  Präs.  zu  Grunde,  die  eine  in  der  Vergangenheit  bis 
zur  Gegenwart  betätigte  Eigenschaft  bezeichnet  Nötig  war  der 
Zusatz  von  tö  irptv  beim  Infin.  Präs.  noch  Q  543  xa\  c^  iipov, 
TÖ  Tipiv  ^^v  dKouo^ev  öXßiov  etvai,  weil  eine  scharfe  Qrenze 
zwischen  Vergangenheit  und  Gegenwart  zu  ziehen  war.  In  E  638 
dXX'  oTöv  Tivd  q)aa  ßinv  'HpaicXneinv  eivat  ist  von  den  Helden 
einer  frühem  Generation  die  Bede,  in  9  180  dv  irpujToiciv  6iui 
f^üievai  folgt  der  Zusatz  öqpp'  fißrj  re  TieTToiGea  x^pci  x'  ^M^ov,  in 
ß  118  K^pöed  9\  oF  oö  irib  tiv'  dKOuo^ev  sc.  dmcracdai  folgt 
ouöfc  TToXaiOüv,  xduiv,  a'i  Tidpoc  r^cav  —  'Axaiai.  —  Das  regierende 
Verbum  steht  im  Prät  X  237  qpi^  bi  (die  Seele  der  Heroine  Tyro) 
KpnOfioc  Tuvf|  £^^€val  und  X  540  miOocuvn  (die  Seele  Achills), 
ö  oi  uiöv  {qpnv  dpiöeiKeTov  eivai.  —  Den  Endpunkt  der  Entwick- 
lung bezeichnen  die  2  Beispiele  der  Odyssee,  in  denen  vergangene 
Handlungen  durch  den  Infin.  Präs.  bezeichnet  werden:  0  516 
dXXov  b'  dXXq  deiöe  ttoXiv  KepCLili\xe\  afiniv  und  x  322  (ei  }A^ 
br\  |i€Td  ToTci  GuocKÖoc  euxeai  eivai)  TioXXdKic  ttou  |i4XXetc  dprj^cvoi 
—  TTiXoö  d^oi  vöcToio  teXoc  T^uKepoTo  tevkOai.  Es  ist  zu  be- 
achten, daß  im  ersten  Beispiel  dem  Infin.  Präs.  in  V.  514  eine 
von  ?ieibev  abhängige  Bede  in  der  Form  ibc  dcru  öifeirpaSov  ulec 
""Axaidiv  vorhergeht  und  im  zweiten  das  eivat  des  Vordersatzes 
schon  eine  der  Vergangenheit  angehörende  Stellung  des  Ange- 
redeten bezeichnet 

2.  Verhältnißmäßig  gering  ist  der  Gebrauch  der  abhängigen 
Infinitive  Pert,  von  denen  sich  nur  102  Beispiele  finden 
(II.  67,  Od.  35).  Am  häufigsten  sind  vertreten  die  Inf.  ^crdjicv 
(4cTd^€val)  und  KeicOai  nebst  Kompositis  und  fjcOat  (in  32  Beisp.) : 
kTdM€v(ai)  A  342.  K  480.  A  410.  M  316.  N  56.  0  666.  675.  Z  374. 
9  261,  X  121,  7rap€CTdM€vai  0  255.  P  563.  O  231.  b  827.  u  94, 
i<pecTdM€V  a  120;  KeicGai  E  685.  848.  0  126.  A836.  0  118.  473. 
P  300.  T  9.  X  73,  KaTttKeiceai  Q  523;  fjcGai  A  134.  416.  N  253- 
280.  n  160.  T  120.  Von  Verben,  die  eine  körperliche  Bewegung 
bezeichnen,  liegen  die  Inf.  Perf.  vor:  ߀ßd^ev  P  359.  510,  dqnxOoi 
l  297,  TieqpuTM^vov  eivai  Z488.  i  455,  Tiecp.  revkOai  X  219,  dXd- 
XncGai  ß  370.  |i  284.  o  276.  u  206;  körperliche  Zustände  be- 
zeichnen TeGvd^ev  0  497.  P  405.  T  335.  Q  225.  tt  107.  u  317. 
9  155,  7T€<pdcGai  N  447.  E  471.  Q  254,  dtpnTÖpGai  K  67 ;  geistige 


Aktionsart  u.  Zeitstafe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    27S 

Zustände:  !b^ev(al)  A  719.  N  273.  b  200.  493.  6  146.  213.  ^  154, 
n€pi{ÖM€vai  N  728,  MeMvflcGai  T  231.  b  353,  XeXac^idvov  €?vai  N  269, 
bcbtbdxOai  A  831,  ireTnicGai  P  641,  ircTTvöcGai  V  440.  k  495;  Ge- 
mütszustände: KexoXuicOai  I  523.  17  61.  Q  114.  135.  n  310.  c  227. 
X  59,  dxaxficeai  T  335.  6  806,  öeiöiMev  i  274.  k381,  TeTXd^€V 
T  209.  l  190.  Außerdem  finden  sich  dmiceai  I  402,  dKrerd^iev 
E  248.  Y  106.  209,  KeKdcGm  Q  546,  t€TU)v^m€v  0  223.  A  6,  und 
die  Inf.  Perf.  Pass.TexuxGai  0  110.  a  391,  TTpoTeruxGai  TT  60.  Z  112. 
T  65,  XeXeTcpBai  Q  256.  494,  TCTiMncGai  I  38.  608.  V  649,  t€T€i>- 
Xflcecei  X  104,  KaieipucGai  E  332.  t  289,  KeKXf\cGai  E  268 »). 

Daß  die  Perfekta,  von  denen  Infinitive  vorliegen,  den  durch 
eine  vorhergehende  Handlung  erreichten  Zustand  bezeichnen 
nnd  nicht  einem  Teil  derselben  intensive  Bedeutung  beizulegen 
ist,  hat  Delbrück  Vergl.  Synt.  II,  177  ff.  wahrscheinlich  gemacht 
Im  einzelnen  ist  danach  folgendos  zu  bemerken :  ßeßd^ev  P  359. 
510  bezeichnet  weder  ^schützend  schreiten  um',  noch  einfach 
'schützen',  sondern,  wie  der  Gegensatz  357  f.  vcKpoö  xd2l€cGai 

—  Ttpo^dxecGai  'Axaid)v  ßoxov  dXXuiv  und  132  f.  d^qpi  Mevomdöij 

—  kTr|K€iv  verglichen  mit  137  Tiepi  TTaTpÖKXiu  —  ßeßfjKeiv  zeigt, 
"stehen  bleiben  vor'  (zum  Schutze).  Wenn  man  femer  reGvdiLiev 
P  405.  Q  225.  0  497  intensive  Bedeutung  beilegt,  so  zeigt  doch 
in  P  405  der  Gegensatz  dXXd  2!ujöv  dTTovocrriceiv,  daß  es  viel- 
mehr den  tatsächlichen  Zustand  des  Patroklos  bezeichnet:  er- 
schlagen liegen;  ähnlich  ist  Q  225  eJ  bi  \io\  aica  T€Gvd|ievai 
napd  vnudv  Äxaidiv  *tot  liegen  bleiben  bei  den  Schiffen  der 
Achaeer'  statt  lebend  aus  dem  Schiffslager  zurückzukehren,  und 
in  0  497  oö  ol  deiKec  &^\)\o\iivw  Tiepi  Tidipric  TeGvd^ev,  wo  man 

1)  KcicOai  und  fjcOai  sind  mit  verzeichnet  auf  Grund  der  wahrschein- 
lichen Annahme,  daß  Kei^ai  und  fj^ai  aus  Perfekten  umgebildete  Präsentia 
sind,  vergl.  Delbrück  Vergl.  Synt.  II,  68,  187.  Dagegen  sind  die  Formen 
irctroXdcOai  i  331  und  bebdacBai  tt  316  als  zweifelhaft  ausgeschlossen.  In 
beiden  Stellen  ist  es  schwer,  die  erforderliche  Bedeutung  aus  einem  Per- 
fekt des  erreichten  Zustandes  abzuleiten,  auch  erwartet  man  eher  Infini- 
tive des  Aor.  Für  b€bdac0oi  hat  Wackemagel  in  Bezzenbergcrs  Beitr.  IV 
S.  310  die  Möglichkeit  eines  Inf.  Aor.  erwiesen  und  an  Stelle  von  ircira- 
XdcOai  ist  von  Döderlein  TrewaX^ceai  als  Inf.  Aor.  vermutet ;  Delbrück  Vergl. 
Synt.  II  S.  205  neigt  zu  der  Annahme,  daß  TreiraXdcGai  Inf.  Aor.  sei.  — 
Hinsichtlich  der  imperativisch  gebrauchten  Inf.  Perf.  ist  zu  bemerken,  daß 
die  Ihas  nur  das  eine  Beispiel  M'  343  ircqiuXaTM^voc  elvai  aufweist;  die 
übrigen  Beispiele  gehören  der  Odyssee  an :  fjcOai  k  ö07,  536,  \(i  365,  ^€- 
livf^cOai  c  267,  TCxXd^cvai  v  307 ;  2  Beisp.  3.  Person :  KcicBai  o  128  und 
K€KpumA^vov  €lvai  X  443;  die  1.  Person  im  Wunschsalze  ^9tCTd\kt>ia\>»^y^. 


274  C.  Hentze, 

den  Inf.  Aor.  erwarten  könnte,  ist  der  Inf.  Pert  bedingt  durch 
TeGvdTUi  49(5,  dieses  Perf.  bezeichnet  aber,  wie  der  Vordersatz 
Sc  be  K€v  —  GdvaTov  Kai  ^^6T^ov  imcm)  fordert,  den  dem  Eintritt 
des  Todes  folgenden  Zustand,  wie  auch  der  Int  Port  tt  106 
durch  KaTaKTd^evoc,  u  317  und  qp  155  durch  die  im  Zusammen- 
hange vorausgesetzte  Tötung  bedingt  ist  VgL  auch  T  334  t  Wie 
femer  T€9vd^€v  P  405  den  Zustand  bezeichnet,  in  dem  sich 
Patroklos  befindet,  so  ist  ähnlich  Q  254  ai9'  ä^a  irdvTCC  ''EKTopoc 
djqp^ex'  dvxi  Oorjc  Im  vnud  7r€q)dc9ai  die  Wahl  des  Int  Perf. 
^erschlagen  liegen*  bedingt  durch  die  Beziehung  auf  Hektor, 
der  im  Schiffslager  tot  liegt,  wie  in  E  471  r^  {>'  oux  oöroc  dvfjp 
TTpo9or|vopoc  dvii  7T€q)dc9ai  d£ioc;  durch  den  Hinblick  auf  die 
am  Boden  liegende  Leiche  «des  eben  Oefallenen,  ähnlich  N  447. 
—  KexoXüjc9ai  'in  Zorn  versetzt,  von  Zorn  erfüllt  sein'  be- 
zeichnet I  523  und  x  59  im  Gegensatz  zu  den  Bemühungen,  den 
Zürnenden  zu  versöhnen,  TT  61  (mit  dcrrepxk)  in  Beziehung  zu 
^^vl9^öv  KaTa7Tauc€^€v  das  dauernde  Grollen.  In  Q  114  =  135 
scheint  KexoXiüc9ai  eine  Steigerung  des  vorhergehenden  ocüle- 
c9ai  zu  bezeichnen:  Von  Groll  erfüllt  sein',  vgl.  auch  c  227, 
während  man  in  n  309  t  ou  jlioi  toioOtov  dvi  crriOeca  qpiXov  icfip 
pavpibiujc  KexoXujcOai  nach  306  \x^  ttuic  Kai  coi  Gu^öc  dniciaiccarro 
ibovTi  eher  den  Int  Aor.  erwartet 

Recht  augenfällig  ist  der  Int  Perf.  als  Ausdruck  des  durch 
eine  vorhergehende  Handlung  bewirkten  Zustandes  in  den  Ver- 
bindungen x  121  ToEov  }xlv  Tipöc  CTa9^öv  —  fxXiv'  kTd^eval, 
P  298  dK  b'  dpa  x^ip^v  TTaxpOKXoio  Tioöa  —  fJKe  xciMd2l€  xeTcOai, 
O  472  t  ßiov  liiv  la  —  KeicOai  vgl.  465  toEov  bi  ol  {k7T6C€  x^^P^c 
und  in  der  öfter  in  bezug  auf  einen  eben  Gefallenen  gebrauchten 
Wendung  idv  KeicOai,  von  welcher  T  8  f.  toOtov  ^ev  ddco^ev  — 
K€ic0ai  hinüberleiten  kann  zu  der  eigenartigen  Formel  dXXd  xd 
jitv  TTpoTeiuxOai  ddco)Liev  TT  60.  Z  112.  T  65,  die  kaum  anders 
verstanden  werden  kann,  als  nach  den  Alten  (Schol.  Dind.  IV 
S.  206  zu  T65):  doch  wir  wollen  das  vorhergeschehen  sein 
lassen  d.  i.  als  ein  für  aUemal  abgetan  auf  sich  beruhen  lassen, 
und  zu  der  Wendung  aXtea  b'  l^-nric  iv  Oumli  KaiaKeTcGai  Wcojiev 
Q  522  t  Durch  kqi  verbunden  sind  die  Handlung  und  der  da- 
durch herbeigeführte  Zustand  E  267 1  ifd)  bi  toi  Xapixujv  ^(av 
ÖTiXoTepduJV  öijücuj  ÖTTuie^evai  Kai  cf|v  KCKXncOai  dKoixiv;  umge- 
kehrt ist  das  dauernde  Ergebnis  vorangestellt  b  493  lb^€val  Kai 
iaflvai  und  8  213  n)^ev  Kai  TreipnOnMevai  dvrriv.  Aber  nicht  überall 


Aktionsart  u.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    276 

ist  die  Wahl  des  Inf,  Perf.  statt  dos  Inf.  Aor.  ohne  weiteres  ver- 
ständlich. Zu  dem  schon  erwähnten  Beispiel  x]  309  f.  kommen 
T230f.  öccoi  ö' äv  TToXe^oio  irepi  cruTcpoTo  XiTTUJVTai,  |üie^vfic8ai 
[sc  xPn]  TTÖcioc  Kai  iönxuoc,  X  104  Tereuxf^cGai  fäp  d[^elVov,  wo 
'eingedenk  sein'  und  ^gewappnet  sein'  nur  nachdrucksvoller  statt 
^VTicac9al  und  leuxea  bövai  gesagt  scheint 

Die  periphrastische  Verbindung  des  Partiz.  Perf.  mit  eivai 
prägt  den  Begriff  des  Zuständlichen  noch  kräftiger  aus,  als  der 
einfache  Inf.  Perf.  So  ist  Z  488  ^Olpav  ö'  oönvd  qpn^i  Treqpirr- 
^6vov  ?^^€val  dvöpiüv  — ,  dirnv  id  Trpüüia  T^vniai,  nicht  *deni 
Verhängnis  entronnen  sein'  als  erfahrungsmäßige  Tatsache,  sondern 
*in  Sicherheit  sein  vor  dem  Verhängnis',  i  455  5v  ou  ttüj  qpnM* 
iT€q>uTM^vov  f |i^ev  öXeGpov  'noch  nicht  sicher  vor  dem  Verderben'. 
Nahezu  adjektivisch  als  Bezeichnung  einer  Charaktereigenschaft 
erscheint  das  Partiz.  Perf  mit  eivai  N  269  ouö^  tdp  oub'  k\xi  qpimi 
X€Xac^€vov  ?)Ll^eval  dXKf\c  immemorem  esse^  vgl.  V  343  TTeqpuXcrr- 
^ivoc  eivai  *sei  auf  deiner  Hut,  sei  vorsichtig*.  So  werden  selbst 
Verbindungen  möglich,  wie  X  219  oö  ol  vöv  fn  t'  fcn  Treqpur- 
|i€vov  dM^e  T€V€c9ai  "dahin  zu  gelangen,  daß  er  vor  uns  beiden 
in  Sicherheit  sei*,  vgl.  V  69  XeXac^evoc  ?7TXeu. 

Die  Zeitstufe  ergibt  sich  auch  für  den  Inf.  Perf.  aus  dem 
Zusammenhange  der  Rede.  Zeitlos  ist  er  in  allgemeinen  Sätzen, 
z.  B.  N  280  ouöe  ol  drp^iLiac  ncGai  dpirnieT'  4v  qppeci  Guiioc,  A  409. 
Der  näheren  Zukunft  gehört  der  Abschluß  der  Handlung  und 
der  dadurch  erreichte  Zustand  an  z.  B.  l  297  aurdp  dirfiv  f\\xiac 
fknrji  TTOTi  büü|LiaT'  dqpixOai,  0  117  ei  Tiep  ^ol  Kai  ^oTpa  Aiöc  ttXti- 
lf€vn  Kepauviö  KeTcOai  6^oö  veKuecci,  Q  225.  qp  155,  der  Zukunft 
überhaupt  tt  107  ßouXoiVnv  k'  dv  d^olCl  KaxaKTainevoc  ^etapoiav 
Te6vd^€v,  u  317.  Die  den  Zustand  bewirkende  Handlung  liegt 
schon  in  der  Vergangenheit,  während  der  Zustand  in  die  Gegen- 
wart hineinreicht:  Z  471  f\  {)'  oux  ouroc  dvfjp  TTpo9or|vopoc  dvri 
irecpdcOai  d£ioc ;  und  T  9  toOtov  )li^v  ddco^€V  KeTcOai,  in  Sätzen, 
die  von  Verbis  sentiendi  abhängen:  0  110  f\br]  yäp  vOv  fXTTO^i' 
"Apnl  T€  m^^a  T€Tux8ai,  T  335  f|ön  yäp  TTnXfid  r  öioMai  rj^  ^oja 
wd^TTov  T€evd^€v,  P  404  t6  mv  ou  TTOie  fiXTieio  Gumjj  TeGvd^€v, 
a  120  veiieccriGTi  b'  M  Gumui  Eeivov  önGd  Guprjciv  d(p€CTd^ev.  In  den 
zwei  letzten  Beispielen,  wie  auch  schon  in  den  S.  257  verzeichne- 
ten (wie  X  121  t65ov  fKXive  kid^evai)  wird  durch  das  Tempus  des 
regierenden  Verbums  der  durch  den  Int  Perf.  bezeichnete  Zustand 
in  die  Vergangenheit  gerückt   Die  letzte  Stufe  der  Entwicklung 


«76  C.  Hentze, 

bezeichnen  zwei  Beispiele,  in  denen  der  Inf.  Peif.  in  abhängig« 
Rede  nach  q>ad  so  steht,  daß  der  bezeichnete  Znstand  nicht  mehr 
in  die  Gegenwart  des  Sprechenden  hineinreicht,  also  als  soge- 
nannter Inf.  Imperfecti  I  401  ff.  ou  f&p  iiioi  hiuxt)c  ävräBov  oiW 
Bca  <padv  "IXiov  öctt^cGoi  —  tö  trpW  dtr'  clpnviic,  irpiv  ikBeiv  utotc 
*Axaiaiv  und  Q  546  tujv  c€,  T^pov,  TrXoiirui  T€  xa\  uida  q>ad  kgc4- 
cOai,  beide  Male  aber  nicht  ohne  die  Zeitbezeichnung  durch 
irp(v,  welche  in  Q  in  dem  einleitenden  Satze  543  xm  c4,  T^pof, 
TÖ  TTplv  ^1^  dKOuo^ev  fiXßiov  eivai  vorangegangen  ist*). 


1)  Dafi  der  Oebrauch  des  Inf.  Perf.  während  der  Periode  der  home- 
rischen Dichtung  noch  in  fortschreitender  Entwicklung  begriffen  gewesen 
ist,  ergibt  sich  auch  aus  folgenden  Beobachtungen.  Ein  hohes  Alter  wird 
für  den  Gebrauch  der  Inf.  ^crdvai,  KeTcOai,  fjcOai  angenommen  werden 
dürfen;  auf  diese  entfällt  ein  Drittel' sämtlicher  Beispiele  (32  von  102). 
Diesen  stehen  an  Frequenz  des  Gebrauchs  am  nächsten  reevdficv  (7  Beisp.) 
Tb^icv  (8),  k€xo\ijDc8oi  (7),  während  alle  Übrigen  Inf.  Perf.  entweder  ganz 
vereinzelt  oder  nur  mit  ein  paar  (zwei  bis  vier)  Beispielen  vertreten  sind. 
Ferner  bietet  von  den  ihrem  Hauptbestande  nach  sicher  ältesten  Gesängen 
der  llias  AATTX  der  erste  Gesang  nur  f\cQa\  in  zwei  Beispielen,  A  ^crdMev 
und  K€Tc0oi  in  je  einem ;  tb|ui€v  (719)  gehört  einer  allgemein  anerkannten 
späten  Interpolation,  t6Tujv^|ui€v  (6),  bibdxOai  (881)  wahrscheinlich  jüngeren 
Partien  des  Gesanges  an.  Auch  TT  und  X  bieten  nur  je  zwei  Beispiele, 
TT  außer  KexoXujcOai  das  eigenartige  TrpoTerOxOai  (60),  X  außer  KcfcOai  das 
auffallende  irctpuTM^vov  "xevicQai  (219),  beide  in  Partien,  die  von  der  Kritik 
beanstandet  sind.  Weiter  ergibt  sich  innerhalb  der  llias  ein  auffallender 
Unterschied  des  Gebrauchs  zwischen  den  beiden  Hälften  des  Epos:  die 
erste  weist  21,  die  zweite  47  Beispiele  auf.  Von  den  21  Beispielen  der 
ersten  Hälfte  aber  entfallen  auf  ^crdMCv,  xeTcOai  und  ncOai  10  Beispiele; 
vereinzelt  treten  auf:  in  E  fciorcTd^ev  (noch  in  Y),  in  Z  1r€q|>uY^^vov  civoi 
(rtoch  in  i),  in  0  yeruiv^^ev  (auch  in  A  6),  in  K  ^TPnT<^pöai ;  I  weist  auf 
T€Ti|uif^ceai  (zweimal,  noch  in  Y),  KcxüXuicÖai,  ^icxf^cOai  (imperfektisch).  In 
der  zweiten  Hälfte  der  llias  treten  außer  den  Komposita  7^ap€CTd^€val, 
ir€pi(b|ui€vai  und  KaraKeicBai  neu  auf  die  Passiva  ir€(pdc0ai,  T€T(fx6ai  und 
irpoT€Tux0ai,  \€\€tq)0ai,  xcKXf^cBai,  dKaxf^cÖai,  die  periphrastischen  Inf.  Xc- 
Xac^i^vov  eivai  und  ireqpuTM^vov  ycv^cOai,  ferner  ßcßducv,  rcOvd^cv,  m^- 
^xvf^cOai,  ireTTucGai,  weTTvöcBai,  KCKdcÖai  (Inf.  Imperfecti).  Der  Odyssee  eigen- 
tümlich sind  außer  ^(pecrd^ev :  d(pix6ai,  dXdXricOai,  b€ib(|ui€v,  xcrXd^ev  und 
die  Passiva  xereuxT^cÖai  und  KareipucGai.  Es  ergibt  sich  eine  fortschreitende 
Zunahme  des  Gebrauchs  dos  Inf.  Perf.  besonders  in  der  Richtung,  daß 
er  auf  passive  Perfekta  (nebst  xcOvducv)  und  solche  aktive  und  mediale 
ausgedehnt  wird,  die  einen  geistigen  oder  einen  Gemütszustand  bezeichnen- 
—  Noch  mag  bemerkt  werden,  daß  in  der  ersten  Hälfte  der  llias  die  Ge- 
sänge BPH  ohne  jedes  Beispiel  des  Gebrauchs  sind,  während  in  der  zweiten 
kein  Gesang  desselben  entbehrt  und  die  Gesänge  NOPTÖ  sogar  mit  je  6 
bis  8  Beispielen  ^vertreten  sind.    Der  Gesang  I  steht  dcmen  der  zweiftm 


ktionsart  u.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    277 

3.  Die  Aktionsart  des  Aorist  bezeichnet  man  im  Oegen- 
atz  zu  der  des  Präsens  treffend  als  punktuell  und  unterscheidet 
unächst,  je  nachdem  der  Anfangs-  oder  der  Schlufipunkt  der 
landlung  herausgehoben  wird,  ingressive  und  effektive  Aoriste. 
)azu  kommt  nach  Mutzbauer  Die  Grundlagen  der  Griech.  Tempu»- 
ehre  S.  11  ein  dritter  Typus,  in  welchem  *die  ganze  Handlung 
les  Yerbums  als  konzentrierte,  in  einen  Moment  zusammenge- 
aßte,  sozusagen  als  Mittelpunkt  erscheint*.  Diesen  Typus  hat 
Lann  Delbrück  Vergl.  Synt  2,  237  f.  als  denjenigen  bezeichnet,  in 
welchem  die  Handlung  punktualisiert  erscheine,  und  näher  da- 
nn bestimmt,  daß  der  Aorist  im  Vergleich  mit  der  Handlung  des 
Präs.  nicht  einen  Anfangs-  oder  Endpunkt  darstelle,  sondern  die 
;anze  Handlung  des  Präs.,  aber  in  einen  Punkt  zusammenge- 
bogen, wie  z.  B.  in  öc  ^ctXa  iroXAdt  TrXdrx^n  ^^  vielfältige  7rXd2[e- 
:6ai  im  Bückblick  in  einen  Punkt  zusammengezogen  erscheint 
gegenüber  dem  effektiven  Aor.  TrXaTxOelc  Verschlagen*;  vgl.  auch 
Brugmann  Griech.  Gramm.*  S.  47 5  f.  Es  wird  aber  nicht  nur 
^as  in  der  Vergangenheit  öfter  vorgekonmien  ist,  sondern  auch 
w-as  sich  länger  hingedehnt  hat,  im  Aor.  in  einen  Punkt  za- 
uunmengezogen,  wie  N  465  f.  öc  c€  Tictpoc  t^  TOjLißpöc  ^duv  £0p6Mi€ 
iöiioic  lv\  tutOöv  dövra.  Beides  beruht  auf  dem,  dem  Aorist  im 
jfegensatz  zum  erzählenden  Imperf.  eigenen  konstatierenden  Ge- 
brauch, welcher  Wiederholung  und  Dauer  der  Handlung  nicht 
lusdrückt,  sondern  ignoriert,  vgl.  Delbrtlck  a.  0.  S.  283  und  302f& 

Daß  der  Infin.  Aor.  vom  Indikativ  nur  die  Aktionsart, 
nicht  aber  die  Zeitstufe  übernahm,  also  nicht  eine  Handlung  der 
Vergangenheit  bezeichnete,  ist  schon  deshalb  selbstverständlich, 
preil  er  des  auf  die  Vergangenheit  weisenden  Augments  ent- 
behrte. ZeiÜos  erweist  sich  der  Inf.  Aor.  noch  in  einer  Reihe 
ron  Beispielen,  in  denen  er  in  Abhängigkeit  namenüich  von 
terbis  sentiendi  scheinbar  die  Bedeutung  des  Infin.  Fut  hat 
Dieser  Gebrauch  erklärt  sich  ohne  weiteres,  wenn  er  von  Verben 
und  Wendungen  abhängt,  deren  Begriff  schon  auf  die  Zukunft 
weist.  Zunächst  von  Verben  des  Hoffens:  f  112  iX7^6^evol  irauca- 
c6ai  6i2:upoO  iroXe^ioio.  M  407  ol  Oujioc  ieXTrexo  (Aristarch,  v.  1. 
dlXöeio)  Köboc  dpecGai.  t  319  ö0ev  ouk  IXttoito  T€  öu^lu  4Xed|üi€V. 
rp  157  vöv  m4v  TIC  Kai  ^Xirex'  ivi  (ppeciv  i\bk  ^levoivqi  V\W^\  TTrive- 

Bälfte  dadurch  näher,  daß  er  mit  diesen  die  Passiva  K€XoXdic6at  und  ren- 
piltcOai  teilt  und  das  erste  Beispiel  des  imperfektischen  Gebrauchs  des 
Inf.  Perf.  bietet,  wovon  ein  zweites  sich  noch  in  ß  findet 

Indogermanische  Yonchungen  XXII.  ^ 


278  G.  Hentze, 

XÖTTCiav,  nach  iXTrujprj  toi  {Treira  ß  280  TcXcuiflcai  rdbc  ffrfu^ 
l  314t  =  T]  16  (piXouc  t'  iöd€iv  Kai  iK^c6ai  oikov.  Hier  beg^net 
sich  der  dem  Verbuni  fXTiecGai  zu  Grande  liegende  Begriff 
•wählen,  wünschen*  (vgl.  L.  Meyer  Griech.  Etym.  1,  488  f.,  Prell- 
witz Etym.  Wtb.  S.  92)  mit  der  dativisch-faturischen  Richtung 
des  Infin.  und  insbesondere  der  effektiven  Bedeutung  des  Infin. 
Aor.  :  TiaucacOai  "loskommen,  freiwerden*,  ipicQai  "erringen*,  Ä- 
G^^iev  *heimgelangen',  v\\ia\  *zur  Gattin  gewinnen',  TeXeiirffcai  *zu 
Ende  führen'.')  —  Nicht  anders  steht  es  mit  dem  Infin.  Aor. 
nach  bioc  kii:  M  246  diroXkOai,  €  347  nadiew  und  diroXkOai, 
0  563  TTrmav6f)vai  und  äiToXecOai.  —  Ebensoleicht  erklärt  sich 
der  Infin.  Aor.  nach  den  Verben:  vo€uj  in  dem  Sinne  *ich  denke 
darauf :  X  235  vöv  ö'  In  Kai  luiäXXov  vo^uj  cppeci  n^ricacOai.  Q  560 
voduj  bk  Kai  auTÖc  "EKTopd  toi  XOcai,  nach  (ppdZo|üiai  *ich  bin  darauf 
bedacht'  T  401  dXXujc  bl  (ppä2Iec6e  cau)C^|üiev  fjvioxna  fiqi  Aavaüjv 
k  6|LiiXov,  und  nach  cppovduj  P  286  cppövcov  bl  ^dXicra  dcru 
TiÖTi  ccperepov  dpuciv  Kai  kOöoc  dpkOai.  In  den  drei  letzten  Bei- 
spielen ist  die  effektive  Bedeutung  des  Infin.  Aor.  verständlich 
und  an  der  Stelle:  Xöcai  "losgehen*,  cauJrf^€v  "lebend  zurück- 
bringen*, vgl.  403,  dpkOai  "erringen*,  der  Endpunkt  der  mit  dem 
Infin.  Präs.  ipueiv  bezeichneten  Bemühungen,  den  Leichnam  zu 
sich  herüberzuziehen.  Dagegen  läßt  in  X  235  der  Zusammen- 
hang für  den  Infin.  Tl^ricac0al  die  effektive  Auffassung  "zu  Ehren 
bringen'  nicht  zu  (vgl.  233  tö  Trapoc  ttoXü  cpiXTaxoc  f\cQa\  son- 
dern verlangt  ein  dauerndes  Ehre  erweisen,  und  so  empfiehlt 
sich  nach  Eustath.  Ti|üiricec9ai  zu  schreiben,  obwohl  von  voeui 
überall  nur  Infin.  Aor.  abhängen. 

Auffallender  ist  der  Inf.  Aor.  nach  Verben  des  Schwörens 
in  futurischem  Sinne:  X  119  Tpujciv  b'  au  ^exömcOe  TCpouciov 
öpKOV  Äuj|Liai  ixi\  T\  KaTaKpüi|;eiv,  dXX'  dvöixa  Tidvia  ödcacGai.  ß  373 
dXX'  ö^ocov  ^f|  lüwiTpi  (piXrj  rdöe  jAuOrjcacöai,  irpiv  t'  8t'  fiv  tvöeKorn 
T€  öuu)beKdTTi  T€  T^vtiTai.  b  253  iii|üioca  Kapiepöv  öpKOV  jirj  ^fev 
irpiv  'Oöucfla  ixerä  Tpujecc'  dvacpfivai,  irpiv  t^  töv  k  vfidc  t€  Oodc 
KXicCac  t'  dcpiKkOai.  In  dem  ersten  Beispiel  haben  die  neueren  Her- 
ansgeber meist  nach  Stephanos  und  Heyne  den  nach  KoraKpuiiieiv 

1)  In  u  329  ist  mit  Ludwich  nach  der  ältesten  Odysseehandschrift 
G  und  Eüstath.  gegen  La  Roche  Hom.  Unters.  II  S.  99  voct/|C€iv  zu  schreiben ; 
das  in  den  Qbrigen  Handschriften  gelesene  vocrfjcai  ist  in  diese  Stelle  irrig 
QbcrtragüQ  aus  £  424,  9  204,  wo  der  Inf.  Aor.  nach  ^ttcCixcto  irdci  eeoici 
^n  der  Stelle  ist. 


Aktionsart  a.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  (xedichten.    279 

überaus  befremdlichen  Inf.  Aor.  ödcacGai  ersetzt  durch  ödcecGai; 
vielleicht  ist  ödcacOai  aus  Z  511  hierher  geraten.  Jedenfalls  sind 
die  Versuche,  den  Inl  Aor.  im  Unterschiede  vom  Inf.  Put  zu  er- 
klären nicht  überzeugend.  Auch  in  ß  373  kann  man  zunächst 
geneigt  sein,  imuGrjcecGai  als  Lesart  des  Aristarch  (Ludwich 
Ar.  H.  T.  I,  527)  der  handschriftlichen  ^uGrjcacGai  vorzuziehen, 
vgl.  auch  b  746.  Dagegen  spottet  in  b  253  die  Lesart  dva(pfivai 
aller  Versuche,  dafür  einen  Inf.  Fut.  einzusetzen.  Dies  Beispiel  hat 
aber  mit  dem  vorhergehenden  das  Gemeinsame,  daß  ein  Zeit- 
punkt, bis  zu  welchem  das  dvaqpf^vai  nicht  erfolgen  soll,  durch 
TTpiv  mit  Inf.  Aor.  genau  fixiert  wird.  Die  gleiche  Erscheinung 
findet  sich  in  einem  Teil  der  Handschr.  E  287 :  drdp  ou  [xiv 
cq)uji  t'  <i»w)  Tipfv  t'  dTiOTraücacGai  (Ven.  A^,  Vindob.  49  u.  a.),  Tipiv 
t'  f\  ?Tep6v  T€  Trecövra  ai|üioTOc  dcai^Apno,  wo  freilich  nach  andern 
Handschr.  dTroiraucccGai  geschrieben  wird,  und  u  180  TrdvTUJC 
ouK^Ti  vOjx  öittKpivacGai  (3  Handschr.)  öiuj  irpiv  x^^pw^v  T^ücacGai, 
wo  aber  nach  der  bessern  Überlieferung  allgemein  öiaKpivkcGm 
gelesen  wird.  Jedenfalls  scheint  in  diesen  Beispielen  der  Inf. 
Aor.  nach  den  Verben  des  Schwörens  und  diuj  mit  der  Kon- 
struktion von  TTpiv  mit  Inf.  Aor.  derart  im  Zusammenhang  zu 
stehen,  daß  der  Eintritt  beider  Handlungen  zeitlich  zusammen- 
treffend gedacht  wird,  und  es  ist  dann  wohl  begreiflich,  daß 
es  dem  Sprachgefühl  wichtiger  schien,  den  Eintritt  der  Hand- 
lung im  Inf.  Aor.  zu  bezeichnen  (dvacpflvai  "zur  Kenntnis  zu 
bringen'),  als  die  Zeitstufe  der  Zukunft  —  Auch  in  ß  198  ou 
TÖtp  TTpiv  TiaucacGai  6lo\ia\  ulac  Äxaiüjv  |üivT]cnjoc  dpToX^nc  ist  die 
besser  beglaubigte  Lesart  TiaucacGai,  für  welche  La  Roche  Hom. 
Unters.  H,  98  eintritt  Da  hier  aber  der  Wille  der  Freier  zu 
deutlichem  Ausdruck  zu  bringen  war,  so  haben  die  Herausgeber 
mit  Recht  fast  allgemein  den  Inf.  Fut  geschrieben,  i) 

In  den  Beispielen  f  366  r^  t'  dqpd^riv  licacGai  'AXÖavöpov 
KQKÖTTiTOC,  f  28  (pdio  T^p  TicacGai  dAeiniv,  u  121  (pdro  Top  Tica- 
cacGai  dXedac  ist  der  Inf.  Aor.  besser  beglaubigt,  als  der  Inf. 
Fut,  während  in  u)  470  (pf\  ö'  ö  T€  licecGai  Tiaiböc  cpövov  nur 

1)  In  ß  171  Kai  Tdp  Keivifj  <pr\\i\  TcXeuTrjef^vm  dTravra  ist  der  Inf. 
Aor.  nicht  mit  La  Roche  in  futurischem  Sinne  zu  verstehen,  sondern  von 
der  Vergangenheit,  vgl.  Capelle  im  Philol.  37  S.  120.  —  hi  r  173  statt  des 
überlieferten  TraOcecB'  mit  La  Roche  traOcacO'  zu  schreiben  in  dem  Sinne 
'daß  meine  Leiden  jetzt  ein  Ende  gefunden  haben,  wirklich  aufhören 
werden',  ist  unnötig,  da  der  Zusammenhang  das  iraOcecOai  auf  die  Gegen- 
wart beschränkt:  jetzt  aufhören  werden. 

19* 


280  C.  Hentze, 

Yind.  50  -ricacOon  bietet  Wenn  nun  Menelaos  T  366  die  Worte 
f\  t'  iq>d|üiiiv  rCcacOai  klagend  an  Zeus  richtet,  den  er  kun  vor- 
her (351)  angefleht  hat:  böc  TicacOoi,  5  )kie  irpörcpoc  Kdx'  fopTCV, 
so  führt  diese  Besdehung  zu  der  Erklämng:  ich  dachte  (im  Yeiv 
trauen  auf  deine  Gerechtigkeit,  die  ich  angerufen)  die  Strafe  n 
voUsiehen  (effektiv  gedacht:  zum  Vollzug  der  Strafe  su  gelang^ji 
Die  andere,  von  Leaf  in  der  Ausgabe  vertretene  Erklärung: 
I  ihougkt,  fvhen  dsaiing  ihe  blow,  that  I  kad  {naw)  goi  my  vm- 
geafkce^  würde  hier  zwar  passen,  weniger  dagegen  f  28,  wo  ledige 
lieh  der  Anblick  des  Paris  in  Menelaos  den  Gedanken  der 
Rache  erregt,  und  am  wenigsten  u  121,  wo  Odysseus  ans  den 
auf  seine  Bitte  von  Zeus  gesendeten  Wahrzdchen  die  Hoffnung 
schöpft,  daß  die  geplante  (aber  erst  am  Abend  des  Tages  ver- 
zogene) Rache  gelingen  werde.  Die  Möglichkeit,  etwas,  was  matt 
mit  Sicherheit  erwartet,  im  Aor.  als  bereits  eingetreten  zu  be- 
zeichnen, ist  zuzugeben  für  i  496  Kai  öfj  q)d^€V  ainöB^  öX^cOai: 
hier  konnten  die  Gefährten  des  Odysseus  angesichts  der  vom 
Kyklopen  unmittelbar  drohenden  Gefahr  sagen:  diXöjieOa  "wir 
sind  verloren*,  vgl.  N  772  vOv  löXeio  rrdca  kqt'  dfKpnc'IXioc  aiireiWi. 

Auch  in  Z  284  f.  ei  kcivov  je  ftoi|LU  KareXBovr'  "Aiboc  dcui, 
<pairiv  K€  q)p€v'  drep  ttou  (so  Aristarch,  die  Vulgata:  dx^pTTOu) 
öi2!uoc  ^icXeXaOecOon  schwankt  man  in  der  Erklärung  des  Inf.  Aor. 
ixXeXaOecOai  zwischen  me  Mitum  esse  (Ariston.  Priedl.  S.  122 
4KXeXf}cöai)  und  futurischer  Auffassung:  daß  mein  Herz  gänzlich 
vergessen  werde.  Wäre  nun  cpairiv  k€  zu  verstehen:  so  könnte 
(oder  würde)  ich  sagen,  so  würde  ixXeXaOecOai  den  Ind.  Aor.  der 
direkten  Rede  vertretend  zu  fassen  sein:  bei  mir  sei  völliges 
Vergessen  eingetreten,  ich  dächte  nicht  mehr  daran.  Ist  <pa\r\y 
K€  aber  mit  Aristarch  zu  verstehen  ö6£at|Lii  <5v,  so  ist  der  Int 
Aor.  zu  fassen:  daß  bei  mir  völliges  Vergessen  eintrete,  daß 
ich  vergessen  könne.  —  In  x  '^^  ^  kuvcc  ou  ^i'  It'  iqxxaceG' 
inroTpoTTOV  okab'  iKccGai  (2  Handschr.  bieten  ohabe  veTcOoi)  wird 
der  Sinn  sein :  ihr  dachtet  nicht  mehr,  daß  meine  Rückkehr  ein- 
trete, nicht  mehr  an  die  Möglichkeit  meiner  Rückkehr. 

Der  Inf.  Aor.  in  f  98  cppoveuj  bi  biaKpivörmevai  if\br\  Ap- 
T€touc  Kai  Tpüuac,  direi  Kaxd  iroXXd  irdTracöe  e'ivcK'  i^f\c  2 p«boc  xai 
'AXeEdvbpou  gv€K'  ävf\c^)  wird  auf  dreifache  Weise  erklärt:  fu- 


1)  Zenodot  las :  qppov^uj  bi  biaKpive/||ui€vai  fjbn,  'Apr^Toi  Kai  Tptöcc 
tmd  erklärte:  'ich  glaube,  daß  bereits  entschieden  ist',  vgl.  Ribbeck  im 
Philol.  9  S.  148;  diese  Lesart  und  Erklärung  wurde  aber  von  Aristarch 


ktionsart  u.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    281 

arisch  von  Gapelle:  *ieh  denke,  daß  nunmehr  die  Scheidung 
ich  voUziehe  zwischen  Ai^yern  und  Troern'  (als  Ausdruck  zu* 
ersichtlicher  Erwartung  des  Eintritts).  Leaf  stellt  zwei  Möglich- 
:eiten  der  Erklärung  auf,  entweder:  My  mind  »8,  ihat  Ärgion 
\nd  Troes  be  ai  onee  separated  i.  e.  I  desirs  to  aee  ihem  separaied^ 
»der:  /  deem^  that  they  are  already  separaied^  i.  e.  I  acoept  the 
haUencej  and  think  that  an  end  hos  thereby  been  put  to  ihe  tvar. 
3ieser  letzteren  Auffassung  steht  entgegen,  daß  die  Worte  102 
iXXoi  bk  öiaxpivOeire  TdxicTO,  die  doch  wieder  den  Gedanken  von 
ST.  98  aufnehmen,  die  Entscheidung  des  Zweikampfes  voraus- 
setzen, nach  der  beide  Völker  in  Frieden  sich  scheiden  werden. 
Die  futurische  Auffassung  des  Inf.  Aor.  aber  wird  unwahrschein- 
ich  durch  die  Bedeutung  des  Verbums  q)pov^uJ,   welches  bei 
Somer  als  ein  einfaches  "denken,  meinen'  nicht  nachweisbar  ist, 
sondern  außer  'erwägen,  bedenken'  vorzugsweise  bedeutet :  seine 
[bedanken  auf  etwas  richten,  was  man  erstrebt,  hofft,  wünscht 
äo  scheint  die  Stelle  im  Sinne  der  ersten  Erklärung  von  Leaf 
gefaßt  werden  zu  müssen:  meine  Meinung  geht  dahin,  daß  Argiver 
and  Troer  nunmehr  sich  scheiden,  d.  i.  in  Frieden  auseinandeiv 
gehen  (sollen),  nachdem  ihr  so  viele  Leiden  erduldet  habt,  wo- 
mit Menelaos,  wie  die  Schol.  Townl.  Maaß  V  S.  103  bemerken, 
betont,   daß   er  durch   das  Mitleid   mit  den  durch  den  Krieg 
hart  geplagten  Völkern  sich  znr  Annahme  des  Zweikampfes  be- 
stimmen lasse. 

Das  einzige  Beispiel  eines  futurischen  Lif.  Aor.  in  eigent- 
licher oratio  obliqua  ist  N  666  TioXXdKi  t^P  oi  feiire  T^pujv  dyaBöc 
TToXiiiöoc  voücuj  utt'  dpTaXcr)  cpGicOai  ofc  iv  ^leTotpoiciv  F|  |üi€t'  'Axaiiöv 
vnuciv  uTTÖ  Tpujecci  ba^ifivai.  Treffend  bemerkt  Capelle  im  PhiL 
37,  S.  116,  daß  der  Inf.  Aor.  in  bezug  auf  die  Zukunft  hier  be- 
sonders passend  stehe,  weil  er  die  Verwirklichung  der  Tatsache 
(als  effektiver  Aor.)  kräftiger  und  bestimmter  hinstelle,  als  der 
Inf.  Fut.  tun  würde,  was  dem  Tone  zuvei-sichtlicher  Weissagung 
durchaus  entspreche,  und  vergleicht  b  561  f.  und  k  472  f.,  wo 
von  0ecq)aTÖv  ^cxi  Infinitive  Aor.  abhängen,  wie  von  ^oipa  und 
aica.  Noch  näher  aber  liegt  der  Vergleich  von  I  412  ff.,  wo  Achill 
den  Inhalt  der  ihm  von  seiner  Mutter  verkündigten  Weissagung 
mit  den  Worten  ausführt:  €l  ^ev  k'  auGi  inevujv  Tpdiujv  iröXiv  d^q>i- 
^äxuj^ai,  uiXero  \xiv  }io\  vöctoc,  didp  kXcoc  dcpGiTOV  f ctai  *  ei  bi 


als  dem  homerischen  Gebrauch  von  biaxpivecOai  widersprechend  mit  Recht 
zurückgewiesen. 


282  C.  Hentze, 

Kev  okaö'  ikuü^i  cpiXriv  k  Traipiöa  foiav^  ifiXeiö  ^oi  kX^oc  dc6X6v, 
im  öripöv  bi  ^ol  aiüjv.  Dieser  Gebrauch  des  Aor.,  von  dem  sich 
bei  Homer  nur  noch  das  Beispiel  A  161  findet,  gehört  zu  den 
Fällen,  wo  nach  Brugmann  Griech.  Gramm.  *  S.  490  f.  vgl.  Del- 
brück Vergl.  Syntax  11  S.  285  f.  der  Zeitpunkt  der  Aoristhand- 
lung  von  einer  angenommenen  Gegenwart  aus  bestimmt  ist, 
und  zwar  *so,  daß  der  Sprechende  eine  Situation  fingiert  und 
gegenüber  der  durch  einen  Bedingungssatz  gegebenen  Voraus- 
setzung ein  Ereignis  als  bereits  eingetreten  erscheinen  läßt': 
*dann  ist  mir  die  Heimkehr  verloren*.  VgL  auch  i  496  oben 
S.  263.  Die  inhaltliche  Übereinstimmung  von  I  412  ff.  mit  N  666  ff. 
ist  nicht  zu  verkennen :  den  dort  in  den  Bedingungssätzen  ent- 
haltenen Voraussetzungen  entsprechen  hier  die  lokalen  Bestim- 
mungen olc  dv  neTdpoici  und  ^€T'  Axaiujv  vriuci:  *wenn  er  zn 
Hause  bleibe'  und  *wenn  er  mit  den  Achaeern  nach  Troja  fahre'. 
Die  Inf.  Aor.  geben  also  die  Indikative  IcpGico  und  iöd|iT]c  der 
direkten  Rode  wieder. 

Vereinzelt  findet  sich  auch  ein  Beispiel,  daß  von  einem 
Verbum  des  Versprechens  ein  Inf.  Aor.  in  futurischem  Sinne 
abhängt:  0  246  veuce  bi  ol  Xaöv  coov  ?^^€val  oöö' dTioXkGai, 
wo  freilich  ein  Teil  der  Herausgeber  mit  Aristarch  dTroXeTcöco 
schreibt.  Aber  das  zeitlose  diroXecGai  markiert  auch  hier  schärfer, 
als  diroXeicGai,  und  besonders  passend  im  Gegensatz  zu  dem  den 
fortdauernden  Zustand  bezeichnenden  Inf.  Praes.  fmnevai  den 
Eintritt  der  Handlung :  *daß  das  Volk  erhalten  bleibe  und  nicht 
der  Untergang  eintrete',  ähnlich  wie  A  117  ßouXo^i'  ifix)  Xaöv 
c6ov  f|Li|Lievai  f\  diroXecGai,  auch  I  230  iv  boirj  bl  coac  ?^€v  (nach 
Bentleys  Emendation  statt  des  handschr.  cau)c^^ev)  f|  diroXkOai  vfiac. 

In  dem  Beispiel  Z  499  f.  6  ^i^v  eöxeio  Trdvr'  dTroöoövai  — , 
6  ö'  dvaiveio  ^r]bkv  4X€c0ai,  dessen  Erklärung  sehr  bestritten 
ist,  legen  manche,  wie  auch  Delbrück  Vergl.  Synt.  2,  472,  1,  den 
Infinitiven  futurische  Bedeutung  bei,  Andere  präteritale,  vgl. 
Ameis-Hentze  Anhang  zur  Ilias  6*,  162. 

Es  sind  etwa  zwanzig,  auf  beide  Epen  sich  ziemlich  gleich- 
mäßig verteilende  Beispiele,  in  denen  wir  den  Gebrauch  des 
Inf.  Aor.  in  futurischem  Sinne  festgestellt  haben.  Von  diesen 
zeigen  nur  drei  (E  287.  0  246.  x  ^5)  die  Konstruktion  des  Acc. 
c.  Inf.,  die  übrigen  den  einfachen  Infinitiv.  Das  einzige  Beispiel 
erzählter  Rede  ist  N  666.  Ein  solcher  Inf.  Aor.  in  futurischera 
Sinne  wird  zuerst  in  Abhängigkeit  von  Verben  verwendet  sein, 


Aktionsart  u.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    283 

doroa  Begriff  auf  die  Zukunft  hinwies  (IXTioimai  und  vodiu,  cppo- 
vcU),  (ppälo\xa\  in  der  Bedeutung  "bedacht  sein  auf,  die  Absicht 
haben').  Dieser  Gebrauch  mag  noch  in  die  Zeiten  zurückreichen, 
in  welchen  der  Inf.  Fut  noch  nicht  völUg  ausgebildet  war,  und 
neben  diesem  sich  später  noch  behauptet  haben,  wenn  es  galt 
den  Eintritt  der  Handlung  schärfer  zu  betonen,  als  die  Zeitstufe. 
Jünger  scheint  der  Gebrauch  zu  sein  nach  Verben  des  Glaubens 
und  Meinens:  er  findet  sich  in  der  Bias  nur  in  den  Gesängen 
FEZ.  Die  Gesänge  AAITX  weisen  überhaupt  kein  Beispiel  eines 
futiirischen  Inf.  Aor.  auf. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  dem  Gebrauch  des  Inf.  Aor.  in 
präteritaler  Bedeutung.  Ich  gebe  zunächst  eine  Übersicht 
sämtlicher  Beispiele.  Der  Inf.  Aor.  steht  präterital:  im  Acc.  c. 
Inf.:  nach  (pdvm  sagen,  und  zwar  nach  cpimi  B  350.  Z  98,  qp^c 
P  174,  K^  (pai'nc  r  393,  cpaci  A  375.  «  160.  a  220.  t  85.  188. 
245,  b  201.  387.  ir  143.  c  128,  (pdcGm  (Imperativisch)  i  504,  cpi^c 
£  117,  (pdTO  e  520.  £  327.  t  29Ö,  «(paace  9  565  (dTdcacGai,  Ari- 
starch  dTdcecGai).  v  173  (=  0  565);  nach  q)dvai  glauben,  und 
zwar  nach  cptmi  P  28.  ß  171,  (pdv  Z  109.  c  342,  cpdcav  x  32; 
nach  IkXuov  aubricavToc  K  48,  deiöe  Imperf.  9  518.  —  Der  ein- 
fache Inf.  Aor.  nach  cpdvai  sagen,  und  zwar  nach  cpimi  Z  206. 
e  239.  I  329  (Inf.  zu  ergänzen).  Y  187.  b  141.  t  380.  x  314, 
cpnci  TT  63,  «(pncOa  A  398,  (pnc  n  239,  ?(pn  M  390,  cpf^  Q  608.  b 
504.  £  382.  p  142,  cpdro  Z  185,  (pdcxe  X  306.  2  322.  p  115;  nach 
eöxecGai  sich  rühmen  und  zwar  nach  €Öxec9ai  (Imperativisch) 
0  501,  €Ö2aT0  0  254,  eöxeio  Z  499.  X  261,  ^f|  <p9aiT]  i7^€uEd^evoc 
nach  Praet  K  368,  euxeidoviai  ^  99 ;  nach  ö^ivuvai,  und  zwar 
nach  ^^oO|ial  f  133,  ö^vu9l  V  585,  öixwijix)  T  176,  ö\xma\  I  275; 
nach  dvaivero  Z  500,  nach  cieÖTai  er  behauptet  p  525.  Im 
Acc.  c.  Inf.  nach  öfeiv,  und  zwar  nach  öfuü  A  558.  K  551.  E  455. 
V  467.  T  28.  b  756,  6\om  «  173.  £  190.  ir  59.  224.  t  569,  nach 
JXTTOMtti  H 199,  ?Xtt€to  0289.  v|i346,  ÖiTTOMevoi  nach  Prät  TT  282 1). 
Ton  diesen  74  Beispielen  gehören  der  Ilias  32,  der  Odyssee 
aber  42  an.  Der  Gebmuch  nimmt  also  in  der  Odyssee  ganz 
erheblich  zu.  Zu  den  aufgezählten  präteritalen  Infinitiven  Aor. 
nach  verbis  dicendi  und  sentiendi  kommen  noch  die  nach  ^eXXlü 

1)  Vgl.  La  Roche  Hom.  Unters.  II  S.  83  ff.,  der  über  einige  Stellen 
anders  urteilt.  In  I  645  und  t  196  den  Inf.  Aor.  präterital  zu  fassen  sehe 
ich  keinen  zwingenden  Grund.  In  T  22  kann  der  Inf.  Aor.  präterital  ge- 
faßt werden.  In  E  190,  wo  er  die  allein  überlieferte  Lesart  TrpotdHieiv 
verwirft  und  irpolfdiiiai  fordert,  läßt  sich  der  Inf.  Fut.  TecYvXiwNi^ctL. 


284  G.  Hentze, 

als  Ausdruck  einer  Vermutung  oder  des  auf  Grand  von  Tat- 
sachen Wahrscheinlichen:  N  776.  I  362.  O  83.  Q  46.  0  274. 
378.  H  134,  auch  b  181,  wenn  mit  La  Boche  dräccacOai  statt 
drdccecOou  zu  schreiben  ist  Dieser  Grebrauch,  der  sich  in  keinem 
der  ältesten  Teile  des  Epos  findet,  ist  vermutlich  jünger.  —  Ton 
passiven  Aoristen  mit  passiver  Bedeutung  findet  sich  nur  das 
eine  Beispiel  TeXcurnOfivai  ß  171. 

Nach  Delbrück  VergL  Synt  ü,  274  ist  die  Vorstellung 
der  Zeitstufe  der  Vergangenheit  in  den  Inf.  des  Aor.,  wie  des 
Praes.,  durch  Übertragung  hineingekommen,  indem  *man  bei 
Infinitiven,  die  von  verbis  dicendi  oder  sentiendi  abhängig  sind, 
noch  sehr  deutlich  die  Vorstellung  haben  kann,  daß  sie  bei 
Umwandlung  der  Bedeformen  aus  Augmentformen  zu  Infinitiveo 
geworden  sind',  und  Brugmann  Griech.  Gramm.'  S.  521  sagt: 
*Die  von  verba  sentiendi  oder  declarandi  abhängigen  Infinitive 
erscheinen,  gleich  wie  die  entsprechenden  Optative  der  obliquen 
Bede,  als  Beflexe  der  Indikative  der  direkten  Bede*.  Versudien 
wir  näher  nachzuweisen,  unter  welchen  besonderen  Bedingungen 
sich  mit  dem  Inf.  Aor.  leicht  die  Vorstellung  einer  vergangenen 
Handlung  verknüpfen  konnte.  Die  Übertragung  der  Zeitstnfe 
des  Ind.  Aor.  auf  den  Inf.  wird  zunächst  im  Wechselverkehr 
von  Bede  und  Gegenrede  sich  vollzogen  haben  und  dann  erst 
bei  Wiedergabe  fremder  vergangener  Bede  in  Anwendung  ge- 
konmien  sein,  überwiegt  doch  auch  der  praeteritale  Gebrauch 
des  Inf.  Aor.  nach  Hauptzeiten  der  regierenden  Verba  überhaupt 
den  nach  historischen  Zeiten  (43  Beisp.  gegen  31),  und  während 
von  dem  Gesamtgebrauch  der  Ilias  (32  Beisp.)  nur  etwa  ein 
Drittel  (11  Beisp.)  den  Inf.  Aor.  in  Abhängigkeit  von  einem 
historischen  Tempus  zeigt,  nimmt  dieser  Gebrauch  in  der  Odyssee 
so  zu,  daß  er  sich  bis  etwa  zur  Hälfte  der  Beispiele  steigert 
(20  :  42). 

Ohne  weiteres  übertrug  sich  die  Zeitstufe  des  Ind.  Aor. 
auf  den  Inf.,  wenn  der  Sprechende  eine  im  Ind.  Aor.  getane 
Äußerung  des  Mitunterredenden  aufnahm  und  in  abhängiger 
Form  wiedergab,  wie  Hektor  z.  B.  P  174  den  Vorwurf  des  Glaukos 
166  dXXd  cu  t'  Aifavioc  |Li€Ta\r|TOpoc  ouk  irciXaccac  crrmevai  dlvra 
in  den  Worten  öc  xe  ^le  cpfjc  Afayra  TreXii^piov  oux  viTTOineivau 
Ebenso  x]  829  vgl.  152,  2  117  vgl.  68.  In  andern  Fällen  weisen 
die  vorhergehenden  Worte  des  Sprechenden  auf  die  Vergangen- 
heit,  sodaß  im  Zusammenhange  mit  diesen  der  Inf.  Aor.  von 


Aktionsart  a.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    286 

selbst  in  die  gleiche  Zeitsphäre  gerückt  wird,  wie  A  557  i^epfr] 
jap  coi  T€  7rap^2l€TO  Kai  Xdße  yoiiviüv  •  tQ  c*  öf uü  KaTOveOcoi,  so 
Y  465 ff.  K  546.  551.  a  ITlff.  i  502 ff.  Insbesondere  wird  auch 
bei  der  beliebten  Form,  durch  (pr^i  mit  Infinitivkonstruktioii 
eine  Tatsache  der  Vergangenheit  nachdrücklich  in  Erinnerung 
zu  bringen  oder  festzustellen,  die  in  11  Beispielen  vorliegt,  die 
im  Inf.  Aor.  bezeichnete  Handlung  meist  durch  den  Zusammen- 
hang mit  dem  Vorhergehenden  in  die  Zeitsphäre  der  Vergangen- 
heit gerückt:  P  24  ouöfe  ^^v  obbl  ßin  Tireprivopoc  imroöd^oio 
fic  fjßnc  d7r6vr|0'"  —  obbi  ^  (pr^xi  ttööccci  T€  ofci  Kiovra  €iJ9pfivai 
dXoxov.  Z  206  'liTTTÖXoxoc  ö'  l^'  Itxkt€,  Kai  4k  toO  q)imi  t^v^cOoi. 
B349f.  I  828f.;  anderwärts  durch  besondere  Zeitangaben,  wie 
f\br]  Kai  dXXoTe  Y  187  und  0  238  oö  ^^v  örj  ttot^  q>T]\i\  t€Öv 
irepiKaXXea  ßiü^öv  yn\\  TroXuKXrjiöi  7rapeX64^€V  ivOdöe  fppuüv. 
Überwiegt  bei  diesen  Inf.  Aor.  die  effektive  Aktionsart  des  Ind., 
so  finden  sich  doch  auch  Beispiele  der  punktualisierten  Aktions- 
art (vgl.  S.  260),  wie  schon  in  0  238;  so  in  t  379  i  TroXXoi  bi\ 
fcivoi  ToXaTieipioi  4v9dö'  kovro,  dXX'  oö  ttüj  Tivd  cpimi  ioiKfrra 
iibe  ibicQaij  vgl.  b  141,  und  x  313  ou  tdp  ttiIi  nvd  qpHMi  T^voi- 
Kvwv  iv  ^€TdpolClv  efireiv  ovbi  n  ^^Hai  dtdcGaXov.  Punktualisierte 
Aktion  im  Inf.  Aor.  liegt  außerdem  vor  in  den  Beispielen :  nach 
qwici  TT  63,  (paciv  y  245.  ir  143,  euxeTouüvrai  \i  99,  fcpacKCv  f  322 
und  p  115,  eöxeio  X  261,  ouö'  JkXuov  auörjcavioc  K  58,  d|üioO)üuii 
I  133  =  275  =  T  176.  Noch  sind  die  Beispiele  herauszuheben, 
in  denen  der  Inf.  Aor.  von  eben  Geschehenem  verwendet  wird, 
entsprechend  dem  bei  Homer  keineswegs  so  seltenen  Gebrauch 
des  Ind.  Aor.,  das  Ergebnis  einer  eben  vollzogenen  Handlung 
festzustellen:  so  Z  454  ou  ^dv  aur' öiiü  ^eTaeu^ou  TTaveoTöao 
X€ipöc  diro  crißapflc  äXiov  mibncai  dKOvra  von  dem  soeben  ent- 
sandten Speer,  ebenso  nach  öiiw  V  467,  nach  qprmi  Z  98,  nach 
qKxiric  Ke  f  393,  wie  nach  den  Praet  q)dv  imd  qpdcav  Z  108. 
c  342.  X  31. 

Eine  bedeutende  Rolle  spielen  in  den  verzeichneten  Bei- 
spielen die  von  der  ersten  Person  Sing,  cpimi  und  öiiu  ab- 
hängigen Infinitivkonstruktionen:  sie  finden  sich  so  zahlreich, 
daß  sie  fast  ein  Drittel  des  Gesamtgebrauchs  ausmachen.  Bei 
diesen  Beispielen  begreift  sich  besonders  leicht,  wie  die  präteritale 
Bedeutung  des  Ind.  Aor.  bei  abhängiger  Form  sich  unmittelbar 
auf  den  Inf.  Aor.  übertrug.  Denn  diesen  Konstruktionen  lagen 
ursprünglich  parataktische  Gedankenfolgen  zu  Grunde^  wi^  H  l^i 


286  C.  Hentze, 

dXX'  öiiü  x^ccovrm  inr'  ItX^oc  und  ß  255,  x  1^  Jvbov  j6p^ 
öio^ai,  ouÖ€  TTT)  aXXq  teuxta  KorGkOnv  'Obucciic  Koi  qpoibifioc 
uiöc,  sodaß  z.  B.  Z  454  parataktisch  lautete :  oä  fyiäv  aOr'  öfui  ^ 
äXioc  (i)7Tr|öric€V  äkiüv. 

4.  Die  Aktionsart  des  Futurum  läßt  sich  nicht  allgemein 
feststellen :  sie  ist  teils  punktuell,  teils  durativ.  Da  die  Wurzel 
meist  punktuell  ist,  so  überwiegt  die  punktuelle  Aktion.  Es 
machen  sich  aber  noch  Einflüsse  anderer  Tempora  geltend,  von 
denen  aus  Futura  gebildet  werden,  des  Präsens,  des  Aorists, 
des  Perfekts,  sowie  gewisse  Analogiewirkungen :  vgl.  Brugmann 
Griech.  Gramm.»,  479 f.  und  Delbrück  Vergl.  Syntax  ü,  252 ft 
Im  folgenden  ist  die  Aktionsart  einiger  der  wichtigsten  Futura 
und  ihrer  Infinitive  genauer  untersucht 

Das  von  der  Wurzel  es  sein  mit  durativer  Aktion  gebildete 
Futurum  zeigt  dieselbe  Aktion  ausschließlich  in  der  1.  und  2.  Per- 
son Sing,  und  Plur.,  wenigstens  finde  ich  kein  Beispiel,  in  dem 
punktuelle  Aktion  außer  Zweifel  stünde.  Dagegen  ist  in  der  3. 
Person  Sing,  daneben  punktuelle  Aktion  in  zahlreichen  Beispielen 
nachzuweisen.  Ich  hebe  nur  die  heraus,  die  keinen  Zweifel 
lassen:  fccerai  (fcxai)  wird  werden,  eintreten:  iröXeiioc  A  83. 
GdvQTOC  A  271.  Ticic  a  40.  <pövoc  X  444.  dXroc  Z  462.  dxoc  tr 
87.  KOKov  <D  92;  Icceiai  f\^ap  A  164.  i^iuc  O  111.  vuH  c  272; 
Ictai  6t'  äv  0  373;  fcceim  dXXujc  E  218;  es  wird  geschehen 
Z  266.  (p  257;  ujc  Jceiai  trep  A  211.  t  312.  (p  212;  es  soll  ge- 
schehen (Zusage)  «  223.  Q  669.  X  348.  tt  31.  p  599;  wird  zu 
Teil  werden  böcic  K  213.  mcGoc  K  304.  ödipov  a  312.  Wie  der 
Ind.  Fut  in  der  1.  und  2.  Person,  zeigt  auch  der  Inf.  ?cec9ai 
in  Bezug  auf  die  1.  und  2.  Person  durative  Aktion:  1.  Sing, 
n  270.  1.  Plur.  M  324.  2.  Sing.  X  332.  t  375.  b  494,  punktuelle 
vielleicht  E  644.  In  bezug  auf  die  3.  Person  Sing,  und  Plur.  hat 
gcecGai  teils  durative  Aktion:  =  56.  68.  0  613.  P  278.  c  146, 
teils  punktuelle :  Z  339  (daß  es  so  besser  werden  wird).  A  444. 
0  292.  «  533.  V  310.  2  176.  tt  311.  x  40.  V  287.  b  108.  l  165. 
i  230.  Es  überwiegt  also  in  der  3.  Person  bei  weitem  die  punk- 
tuelle Aktion,  die  Odyssee  bietet  (außer  c  146  direccecOai)  über- 
haupt kein  Beispiel  von  durativer  Aktion.  Offenbar  verwandte 
die  Sprache  das  Fut  von  ei|ii  zum  Teil  als  Ersatz  für  das  von 
TiTvo^ai  nicht  gebildete  Futurum. 

Von  den  beiden  Futurbildungen  ?Su)  und  cxncui  schließt 
sich  die  erstere  an  das  Präsens  1%^^  ^^^  letztere  an  den  Aorist 


Aktionsart  u.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    287 

Ecxov  an,  und  dem  entsprechend  weist  Mutzbauer  S.  78  jener 
die  Bedeutung  Verde  haben,  behalten',  dieser  die  Bedeutungen 
"werde  abbringen  von  etwas,  hintreiben  nach*  zu  (Brugmann 
Griech.  Gramm.  8,  480:  Verde  anhalten,  abbringen').  Indeß  läßt 
sich  diese  Unterscheidung  nicht  durchführen.  Zwar  ist  die  dura- 
tive Bedeutung  von  Suü  überall  deutlich,  nur  liegt  vielleicht 
c  73  i^  Tdxa  —  iiriCTracTov  kuköv  fSei  die  Auffassung  *wird 
bekommen,  sich  zuziehen'  näher.  Dagegen  zeigt  cxrjcuj  neben 
der  punktuellen  Bedeutung  (P  182.  X  70.  x  70.  248)  öfter  die 
durative:  N  151  oö  toi  öripöv  i^i  cxncouciv 'Axaioi  Verden  aus- 
halten, Stand  halten',  so  A  820,  x  1'72  ^vncrf^pac  cxnco^iev  Ivto- 
cOev  ^€T(ipu)v  Verden  zurückhalten',  daß  sie  nicht  herausbrechen 
können  (nicht  Verden  zurücktreiben'),  E  100  ou  T<3ip  'Axaiol 
qcncouciv  TToXe^iov  vt]ujv  ä\ab'  4XK0^€vdu)v  Verden  den  Kampf 
nicht  aushalten',  nicht:  werden  von  den  Schiffen  abbringen 
(vr^uiv  4Xk.  ist  Gen.  absol.),  Q  670  cxncu)  yäp  7^6Xe^ov  toccov 
Xpövov,  öccov  äviDyac  Verde  den  Kampf  zurückhalten,  die 
Wiederaufnahme  des  Kampfes  verhindern',  vgl.  658  Xaöv  ipuKiu, 
nicht:  Verde  zum  Stillstand  bringen'.  Der  nur  zweimal  vor- 
kommende Inf.  ?H€iv  hat  E  473  deutlich  die  durative  Bedeutung 
•du  werdest  behaupten',  aber  o  522  ^T^T4p'  i^i\v  fa}iie\y  Kai  *Oöuc- 
d\oc  fipac  ^2eiv  liegt  neben  der  punktuellen  Bedeutung  von 
TOjLi^fiv  Verde  zur  Frau  gewinnen'  auch  für  Ö€iv  die  Bedeutung 
Verde  erhalten'  näher,  als  Verde  besitzen',  cxnceiv  ist  M  4, 
wenn  Tpuiac  zu  ergänzen,  'zurückhalten*,  wenn  intransitiv  ge- 
sagt, Vorhalten',  M  166  'aushalten,  standhalten'.  Das  Med.  cxn- 
cecOai  ist  mit  Gen.  verbunden  N  747  ouk4ti  nayxv  lidxnc  cxncecOai 
öi'u)  *sich  des  Kampfes  enthalten,  vom  Kampfe  ruhen  werde*, 
also  durativ,  dagegen  punktuell  P  503  *den  Ansturm  aufgeben* 
und  I  655  Vom  Kampf  ablassen,  den  Kampf  aufgeben',  ohne 
Gen.  oöb'  In  cx-,  dXXd  irerfecOai  *daß  sie  sich  nicht  mehr  zurück- 
halten, stehenbleiben,  sondern  einbrechen  werden*  I  235.  P  639, 
•sich  halten,  standhalten  werden'  M  107.  126.  dvcxncecGai  E  104. 
285  ist  durativ  "aushalten  werden*.  Mithin  überwiegt  bei  cxncuj, 
cxnceiv  und  cxnceceai  die  durative  Aktion. 

Das  Fut  öi|;o^ai  hat  dem  Begriff  der  Wurzel  entsprechend 
die  punktuelle  Bedeutung  *ich  werde  erblicken':  X  450.  |üi  101.  o 
516  (wird  dich  nicht  zu  sehen  bekommen),  p  7.  A  353.  V  620.  Q  601. 
Wenn  aber  mit  dem  Objekt  ein  die  Handlung  in  ihrem  Verlauf 
bezeichnendes  Partiz.  Präs.  prädikativ  verbunden  ist,  wie  9  475 


288  C  Hentze, 

i^oOc  öf|  Kai  fidXXov  urrepiüievea  Kpovtujva  6i|i€ai  of  k^  £8£Xqc9a  -^ 
öXXuvT"ApT€iu)v  TTOuXuv  CTpoTÖv  und  I  359.  ui  511,  so  ist  daiir 
ÜTe  Aktion  wahrscheinlicher:  *du  wirst  schauen  (können),  wie 
er  vernichtet',  dqiecee  Q  704  und  9  313  ist  wohl  ImperatiT  des 
gemischten  Aor.  :  'schaut*.  Der  Infin.  ö^l€c6al  hat  überall  punk- 
tuelle Aktion  ^erblicken  werden',  durative  sicher  nur  E  120  outl 
}xi  q)Ticiv  önpöv  It'  öv|iec9ai  Xa^7^pov  cpdoc  i^cXioio.  Während  ferner 
ic6i|io^ai  nur  bedeutet  'ich  werde  erblicken'  (E  212.  Q  206), 
zeigt  ^7rl6^lo^al  teils  die  Bedeutung  Verde  ausersehen,  aus- 
lesen' (I  167.  ß  294),  teils  Verde  schauen'  (E  145.  u  233).  Die 
durative  Aktion  ist  dem  Einfluß  des  Präsens  öpduj  zuzuschreiben. 
Dem  Präsens  öiöuj^i  nachgebildet  ist  das  Fut  öiödicui  *um  der 
Form  bdicuj  gegenüber  die  präsentische  Aktion  zu  betonen' 
(Brugmann  Griech.  Gramm.  ^  S.  481).  Auf  dieser  beruht  die 
iterative  Bedeutung  von  öibilico^iev  v  358  dt&p  xai  öuipa  öi- 
öujco^ev  ibc  TÖ  TTdpoc  rrep.  Dagegen  ist  es  zweifelhaft,  ob  der 
Infin.  uü  314  0u^öc  b'  (j\  vüüiv  diiiÄTieiv  ^i2€c9al  geviij  f\b'  dcfkaä 
bujpa  bibujceiv  von  wiederholter  Handlung  gedacht  ist;  )ii£€c6ai 
hat  l  136,  wie  ^iiYncecGai  K  365  punktuelle  Aktion. 

Vom  Perfektstamm  gebildet  ist  ^€^vr|CO^al  X  390  in  per- 
fektisch-durativer Bedeutung  *ich  werde  eingedenk  bleiben'  (im 
Gegensatz  zu  389  KaTa\r|0ovTai).  Der  Infin.  t  581  =  cp  79  toö 
TioT^  ^€^vlF|C€c0al  6io|Liai  fv  Tiep  öveipiu  wird  wegen  ttot^  *manch- 
mal'  iterativ  gedacht  sein;  ^ivr|cec0ai  in  T  64  (bripöv  |lxv.)  hat 
durative  Aktion,  in  ß  724  und  wohl  auch  in  ^i  212  ingressive 
Bedeutung,  letztere  in  Übereinstimmung  mit  A  172. 

Der  Inf.  eib r|ceiv  hat,  wie  der  Ind.  eibriceic  r\  327,  punk- 
tuelle Aktion:  kennen  lernen,  erfahren  werde:  A  546.  l  257. 
Vom  Fut.  eico^iai  ist  der  Inf.  nicht  gebildet  —  Punktuelle  Aktion 
zeigt  (p€u£ec0ai  imd  zwar  so,  daß  der  Schlußpunkt  des  cpeuTöV 
bezeichnet  wird :  entkommen,  entrinnen  werden :  A  590.  N  89. 
O  700.  <t>  93.  X  67,  während  der  Ind.  Fut.  I  307  den  Anfangs- 
punkt bezeichnet:  ich  werde  die  Flucht  ergreifen;  in  B  159.  175 
kann  die  Aktion  verlaufend  gedacht  sein.  Ziemlich  selten  sind 
Inf.  Fut.  von  Verben  des  Affekts  und  der  Affektsäußerung.  Von 
Xaipeiv  *froh  sein'  finden  sich  die  Ini  x^iPHCCiv  Y  363  oub^ 
Tiv'oruü  TpuiCüv  xaiprjceiv,  6c  Tic  cxeböv  frx^oc  EXOij  und  Kexa- 
pnce^iev  0  97  oube  ti  q>r\^i  Trdciv  ö^iiwc  Oujiiöv  K€xapr|C€^€v,  — 
el  TT^p  TIC  ?Ti  vOv  baivuTQi  eöqppujv.  Der  Inf.  xaipr|ceiv  wird  erklärt 
Verde  froh  sein',  aber  wahrscheinlicher  ist  doch  ingressive  Aktion 


Aktionsart  u.  Zeitstufe  der  Infinitive  in  den  homerischen  Gedichten.    fl89 

Verde  froh  werden',  negiert  in  dem  Sinne  *es  werde  ihm  übel 
ergeben*.  Der  In£  Kcxotpric^^ev,  der  zam  Perfekt  Kcxopiiöra 
H  812  zu  stellen  ist,  wie  ^c^vrico^at  zu  ^^^vn^ai,  wird  durative 
Aktion  haben,  denn  der  folgende  Nebensatz  et  irep  —  £0q)pujv 
Bötigt  zu  verstehen  *froh  bleiben  werde*.  Dieselbe  Bedeutung 
18t  auch  für  das  Med.  K€xapf|C€Tai  ip  266  annehmbar.  —  Von 
Xn^^tti  hat  der  Ind.  Fut  6  378  f\  ym  —  "Eicruip  Tnöi^cei  Ttpo- 
^povivTE  dvä  1^^oXd^olO  T€q>upac  punktuelle  Aktion:  erfreut  werden 
wird^  aber  der  Inf.  in  N  414  ff.  dXXd  H  cprmi  eic'Aiöoc  Tiep  iövra 
Rukäprao  Kporepoio  TH^n^^^v  Karä  Ou^öv,  iizü  {)a  o\  dhraca  tto^- 
növ  durative  *froh  sein  werde,  obwohl  er  auf  dem  Wege  in  das 
Haas  des  Hades  ist,  weil  er  einen  Begleiter  haf.  —  öeiöu)  zeigt 
im  Ind.  Fut  Y  130  ingressive  Bedeutung  "wird  in  Furcht  ge- 
raten', dagegen  im  Inl  0  299  öeicecSoi  Aavaujv  Korraöuvoi  öjuuXov 
durative  *sich  scheuen  werde*.  —  Der  Inf.  Fut  dTdccecOai 
liegt  nach  Aristarchs  Schreibung  6  565  und  v  173  (vulg.  didc- 
cocdoi)  vor  mit  ingressiver  Bedeutung  Verde  Eifersucht  fassen', 
in  b  181  wird  dieselbe  Form  nach  lüi^Xev  als  Inf.  des  gemischten 
Aor.  zu  fassen  sein.  —  dTXaUTcGai  K  331  und  dTraTXaUTcGai 
£  133  haben  durative  Aktion.  —  |üi€TaKXauc€c6ai  A  764  steht 
in  Übereinstimmung  mit  dem  Ind.  (Z  340.  Y  210.  X  87)  durativ. 

Es  ist  noch  ein  Wort  zu  sagen  über  die  von  Verben  des 
Strebens  und  WoUens  abhängigen  Inf.  Fut  Die  Yerba  sind:  ^£- 
Mova  H  36.  =  89.  0  482.  o  522,  ^ikixaa  B  544.  M  198.  200.  218. 
O  105.  u)  395,  |üi€V€atvui  0  176.  q>  125,  i(pop)Liiu^ai  qp  399.  Die 
Inf.  Fut.  haben  sämtlich  punktuelle  Aktion.  Dieser  den  sonst 
überwiegenden  Inf.  Präs.  und  Aor.  gegenüber  befremdende  Ge- 
brmuch  mag  mit  Kühner  Griech.  Gramm.^  II,  1, 184  und  Bi-ugmann 
Griech.  Gramm.  •,  S.  497  daraus  erklärt  werden,  daß  diese  Verba, 
wenigstens  zum  Teil,  ursprünglich  den  Sinn  des  Denkens  oder 
Meinens  gehabt  haben,  wie  ^€|üiova  *ich  habe  den  Gedanken  ge- 
iaßf ,  oder  nach  G.  Gurtius  den  Begriff  des  strebenden  Denkens 
in  sich  enthielten.  Daß  der  Gebrauch  aber  als  eine  Antiquität 
anzusehen,  ist  unwahrscheinlich,  da  die  Beispiele  den  Gesängen 
der  Ilias  B  (Schiffskatalog)  HMEOO,  also  nur  jüngeren  Gesängen 
oder  jüngeren  Partien  angehören. 

Göttingen.  C.  Hentze. 


290  T.  E.  Karsten, 


Znr  Frage  nach  den  ^gotischen'  Lehnwörtern  IMq  n 
Finnischen. 


H.^ 


Wilh.  Thomsens  epochemachende  üntersachung  über  den 
Einfluß  der  germanischen  Sprachen  auf  die  finnisch-lappischea 
stammt  wie  bekannt  v.  J.  1869.  Mit  den  bei  Thomsen  und  seinen 
Vorgängern  gesammelten  Wortmaterialien  ist  dieses  sprachge- 
schichtlich so  wichtige  Lehngut  jedoch  lange  nicht  erschöpfend 
bekannt  gemacht  Die  Zahl  der  Entlehnungen,  die  seitdem  ge- 
funden worden  sind,  ist  in  der  Tat  eine  erhebliche,  und  ein  Ver- 
such, das  gesammte  Lehnmaterial  au&  neue  zusammenzufassen 
und  zu  würdigen,  dürfte  sich  lohnen. 

Einer  der  interessantesten  neueren  Beiträge  zu  dieser 
Forschung  ist  die  im  Album-Donner  —  in  der  dem  bekannten 
finnländischen  Sprachforscher  0.  Donner  von  der  finnisch- 
ugrischen  Gesellschaft  zu  Helsingfors  i.  J.  1905  gewidmeten  Fest- 
schrift —  vorliegende  Untersuchung  von  E.  N.  Setälä:  "Zur 
Herkunft  und  Chronologie  der  älteren  germanischen  Lehnwörter 
in  den  ostseefinnischen  Sprachen"  (S.  1 — 50).  Setäläs  Schrift 
gibt,  wie  auch  ihr  Titel  andeutet,  zwar  keine  erschöpfende  Ge- 
samtdarstellung des  betreffenden  Gegenstandes.  Weil  aber  die 
älteren  dieser  Entlehnungen  auch  die  sprachhistorisch  wichtigsten 
sind,  leuchtet  es  ohne  weiteres  ein,  daß  Setäläs  Untersuchung 
gerade  für  die  Hauptfragen  des  Themas  ein  besonderes  Interesse 
haben  muß. 

Nach  Thomsen  (Einfluß  S.  124)  sollte  der  finnische  Stamm 
vor  wenigstens  anderthalb  oder  zwei  Jahrtausenden  dem  Ein- 
flüsse verschiedener,  wenn  auch  einander  nahestehender  ger- 
manischer Sprachgestaltuugen  ausgesetzt  gewesen  sein,  und  zwar 
teils  einer  gotischen,  die  aber  auf  einer  älteren  Stufe  gestanden 
haben  muß  als  die,  welche  wir  aus  Wulfila  kennen,  teils  einer 
nordischen,  teils  vielleicht  einer  noch  älteren  gemeinsamen  got- 
isch-nordischen. Den  Einfluß  noch  weiter  zurückzuschieben  bis 
zu  der  Zeit  vor  der  ersten  Trennung  der  germanischen  Stämme, 
ja  vor  dem  Eintreten  der  Lautverschiebung,  findet  Thomsen  zu 
gewagt  und  auch  nicht  notwendig. 

Diese  Ansichten  sind,  was  speziell  die  gotischen  Entleh- 
nungen betrifft,  nicht  ganz  einstimmig  gebilligt  worden.  So  hat 
Wimmer  die  finnischen  Wörter  niekla  *Nader  und  miekka  *Schwerf 


Zur  Frage  nach  den  •gotischen*  Lehnwörtern  im  Finnischen.     291 

schon  längst  aas  dem  Nordischen  (nicht  mit  Thomsen  aus  dem 
(Gotischen)  herleiten  wollen,  und  zwar  aus  einer  Sprachform,  in 
der  das  urgerm.  a  noch  erhalten  gewesen  wäre.  Ausführlicher 
-wird  die  IVage  nach  den  gotischen  Lehnwörtern  im  Finnischen 
bei  K.  B.  Wiklund  in  seiner  Schrift  "När  komme  svenskame 
tili  Pmland?"  (üppsala  1901)  erörtert  Ähnlich  wie  Wimmer 
spricht  Wiklund  den  finnischen  Wörtern  mit  fo-Diphthong  jede  Be- 
weiskraft für  gotische  Herkunft  ab.  Der  sprachliche  Einfluß  der 
Ostsee-Goten  auf  die  Finnen  sollte  nach  Wiklund  ziemlich  un- 
bedeutend gewesen  sein.  Als  gotisch  dürften  nur  diejenigen 
Wörter  erklärt  werden,  die  es  unbedingt  sein  müßten:  germ.  ö- 
Stämme  wie  muUa  'Stauberde*  (got.  mtdda\  nidda  "Nadel*  (got 
nepia)  mit  -a  in  der  Endung.  Die  umordischen  Elemente  — 
die  Hauptmasse  der  Entlehnungen  —  wären  nach  Wiklund  in 
Finnland,  nicht,  wie  Thomsen  glaubte,  im  Lande  südlich  von 
Ladoga  hereingekommen.  Setäläs  Schrift  scheint  zunächst  von 
der  Wiklundschen  veranlaßt  worden  sein,  denn  diese  war  in 
wesentlichen  Punkten  gegen  Setälä  (seinen  Aufsatz  **När  komme 
svenskame  tili  Finland?"  in  *Valvoja'  und  'Atheneum*  1900)  ge- 
richtet. Die  Hauptfrage  bei  Wiklund  —  die  Schwedenbesiedelung 
Finnlands  —  vorübergehend,  beschränkt  sich  Setälä  an  dieser 
Stelle  zu  untersuchen,  "ob  die  von  Tliomsen  angeführten  gotischen 
Kennzeichen  der  germanischen  Lehnwörter  des  Finnischen  noch 
heute  als  solche  gelten  können  oder  ob  sich  vielleicht  Merkmale 
nachweisen  lassen,  die  in  der  einen  oder  anderen  Bichtung  aus- 
schlaggebender sein  könnten  als  die  früher  aufgestellten". 

Als  bestimmte  Spuren  des  Gotischen  im  Gegensatz  zum 
Nordischen  hatte  Thomsen  die  folgenden  herangezogen: 

1)  die  auf  Formen  mit  einem  langen  e  zurückgehenden 
finnischen  miekka  (got.  mekeis  Akk.  meki)  imd  niekla  (got  neplä)\ 

2)  den  Ausgang  -a  bei  fem.  ö-Stämmen,  wie  akana  *Spreu* 
(got  ahana\  kansa  *Volk'  (got  han8a%  kauta  'Oberleder  am  Schuh' 
(got  skauda-raip)^  multa  (got  mtäda)^  niekla  (got  nipla\  paäa 
(got  paidä); 

3)  einzelne  Wörter,  die  durch  ihr  Vorkommen,  ihre  Form 
oder  ihre  Bedeutung  auf  das  Gotische  hinweisen,  wie  kaunis 
*schön'  (got  skauns),  lunastcta  'auslösen'  (got  lun  XuTpov),  paita 
*Hemd*  (got  paida)^  äiti  "Mutter*  (got  aißet)^  lammas  *Schaf '  (got 
lamh  dass.,  awn.  lamm  'Lämmchen'),  autia  'desertus'  (got  aupja-^ 
awn.  audr)^  usw. 


292  T.  K  Karsten, 

Unter  diesen  Kennzeichen  sind  aber  —  wie  sowohl  8e- 
tälä  als  Thomsen  selbst  zugeben  —  die  aus  dem  Wortromte 
gewonnenen  mehr  oder  weniger  unsicher,  und  zwar  weil  man 
nicht  wissen  kann,  in  welchem  Orade  dieser  sich  im  Lanfe  der 
Zeiten  verändert  hat. 

Aber  auch  das  unter  1)  aufführte  Merkmal  wird  bei 
Setälä  mit  vollem  Recht  als  'mehrdeutig'  bezeichnet:  in  der  Be- 
wahrung des  langen  e  könne  man  nur  eine  Frage  der  Zeit  sehen, 
da  man  ja  auch  im  Umordischen,  wenn  man  auf  ältere  Zeiten 
zurückgeht,  ein  et  vorauszusetzen  hat  Das  den  betreffende 
finn.  Wörtern  mit  -ie-  (germ.  -#-)  in  der  Stammsilbe  nicht  mehr 
dieselbe  Bedeutung  zugemessen  werden  kann,  wie  vor  bald  vier- 
zig Jahren  hat  auch  Thomsen  später  —  in  seinen  '*Beröringer 
mellem  de  finske  og  de  baltiske  Sprog**  (S.  30,  Note  2)  —  einge- 
räumt Er  fügt  aber  hinzu,  daß  wenigstens  niekia  wegen  seiner 
a-Eudung  gotisch  sein  müsse,  und  wenn  dem  so  ist,  wäre  es 
höchst  wahrscheinlich,  daß  auch  die  andern  Wörter,  bei  denen 
die  übrige  Form  keine  Aufklärung  gibt,  aus  derselben  Quelle 
stammen.  Aus  diesem  Grunde  betrachtet  auch  Setälä  niekia  för 
sicher  gotisch.  Wie  alle  seine  Vorgänger  in  der  Behandlung 
unserer  Frage  (auch  Wiklund  a.a.  0.  S.  18)  sieht  nämlich  Setäli 
in  dem  Ausgang  -a  bei  den  finnischen  Vertretern  germanischer 
ö-Feniinina  ein  sicheres  Kriterium  für  gotischen  Ursprung. 

Aber  auch  das  zuletzt  erwähnte  Argument  erweist  sich, 
allem  Beifallo,  dessen  es  sich  erfreuen  kann,  zum  Trotze,  bei 
näherer  Prüfung  vom  Stande  unseres  heutigen  Wissens  als  hin- 
fällig. Die  übrige  Lautforra  einiger  germanisch-finnischen  Lehn- 
wörter der  betreffenden  Flexionsklasse  gibt  hierbei  den  Aus- 
schlag. Die  einschlägigen  Fälle  von  germanischen  J-Feminina 
mit  a-Ausgang  im  Finnischen  sind  (nach  Thomsen,  Einfi.  S.  91): 
akana  'Spreu'  (got.  ahana\  kansa  *Volk'  (got  han9a)^  kasa  Haufen* 
awn.  kos  f.),  kauta  'Oberleder  am  Schuh'  (got  skauda')^  laita  *Seite' 
(awn.  leid  f.),  markka  'Geld,  Maß'  (awn.  mgrk  f.,  mhd.  mark(e)  1) 
midta  =  got.  mulda^  niekia  (fieidä)  =  neph^  nnotta  *Netz*  (awn. 
not  f.),  paita  =  got  paida,  panka  'Metallspange'  (awn.  spgng  f.), 
saha  *Säga'  (awn.  sog  f.).  Von  diesen  Entlehnungen  gehen  jedoch 
vielleicht  einige  ab,  welche  ihrer  Form  nach  zweideutig  sind: 
vgl  nt4oUa  und  awn.  nöfr  m.,  kasa  und  nschw.  diaL  kas  ul,  kose  m. 
(Rietz,  dial.  lex.  S.  311),  aahci  und  nschw.  d.  sag,  säg  m.  (Riet» 
S.  555,  Vendell :  Pedersöre-Purmo  m&tets  ordbok  S.  415);  finn. 


Zur  Frage  nach  den  'gotischen*  Lehnwörtern  im  Finnischen.     296 

mha  ist  anklar  auch  wegen  seines  A-Lautes.  Von  den  übrig 
gebliebenen  gehören  aber  akana  (wenn  es  nämlich  auf  got  ahana 
zurückgeht  und  nicht  zunächst  mit  awn.  pgn  f.,  aschw.  cyhn  t^ 
ahd.  agana  f.  zu  verbinden  wäre),  kansa  und  niefda  zu  der  äl- 
testen Kategorie  der  finnisch-germanischen  Berührungen.  Wegen 
ihren  it-Lautes  (für  germ.  A  d.  h.  x)  erweisen  sich  akana  und 
kansa  als  frü hurfinnische  Entlehnungen*),  indem  sie  vor  den 
nrfinnischen  Lautübergängen  z  zu  h  bezw.  i  zu  A  über- 
nommen sein  müssen  (vgL  Setälä,  Herkunft  und  Chronologie  S.  43), 
und  finn.  niekla  stellt  sich  auf  Grund  seines  m- Diphthonges 
(=  urgerm.  bezw.  got  e)  etwa  zur  selben  Altersgruppe.  Als  Zeit- 
raum der  ältesten  germanisch-finnischen  Berührungen  setzt  aber 
Setälä  (S.  47)  die  Zeit  um  Christi  Geburt  und  die  nächstvoraus- 
gehende Periode  an.  Der  von  Wulfilas  Bibelsprache  (eig.  von 

1)  In  Anbetracht  der  -a-Endung,  die  meines  Dafürhaltens  frühnr- 
germanisch  ist,  scheint  mir  finn.  akana  anf  urgerm.  ^axana,  nicht  anf 
*a^na,  zurückzugehen.  —  Die  Wortgleichung  finn.  kanaa  :  got.  hanaa  wird 
bei  Setälä  S.  35  ohne  ersichtlichen  Grund  mit  ?  versehen.  Die  Richtigkeit 
dieser  allgemein  angenommenen  Etymologie  (s.  Thomsen  Einfluß  S.  170 
u.  z.  6.  Noreen  Aschwed.  Gramm.  73,  2)  kann  jedoch  nicht  in  Zweifel  ge- 
zogen werden.  — 

Zu  den  bei  Setälä  S.  35  ff.  verzeichneten  Fällen  des  Lautwechseb 
finn.  k :  germ.  h  {%)  kommt  noch  der  folgende,  den  ich  in  der  finn.  Zs. 
"Virittäjä"  (Helsingfors  1906)  ausführlich  behandelt  habe: 

Finn.  kunta  'complexus,  collectio,  societas*,  nur  in  Komposita  wie 
hansakunta  *populus,  natio,  gens',  kylä-k.  'pagus',  maa-k,  'regio,  provincia' 
08W.,  enthält  meines  Erachtens  nicht  —  wie  Thomsen  vermutet  —  germ. 
'hunda  in  got  -kunds  :  guma-k.,  himina-k,  usw.,  sondern  germ.  *xunaa{rap\ 
das  eine  Gattung  von  Bezirken  ("Hundertschaften")  bei  Deutschen  und 
Skandinaviern  in  der  Zeit  der  Rechtsdenkmäler  bezeichnet :  vgl.  alamann. 
hufUari  (auch  in  Ortsnamen  auf  -hunteri,  s.  Förstemann  II),  lat.  von  den 
Franken  durch  ceniena  übersetzt  (daher  mht.  zent\  aschwed.  hundari;  -ur- 
sprünglich wohl  für  eine  nicht  als  Zahl  von  100  oder  120,  sondern  als 
"Menge*  zu  denkende  Volksabteilung,  die  einen  rein  persönlichen  Verband, 
ein  Heereskontingent  und  eine  Gericbtsversammlung  ausmacht,  nachher 
erst  —  als  Wohnplatz  dieses  Verbandes  —  räumlicher  BegrifT"  (Pauls  Grdr. 
in  S.  122).  Man.  vgl.  hiermit  mhd.  hunt-dinc  'Centgerichf,  hunt-schaß 
'Gericht  der  centenarii*.  Nach  Waitz  Deutsche  Verfassungsgesch.  I  S.  218 
wurden  kleinere  Distrikte  in  den  Gegenden  des  Rheins  hundsehaften  {huna- 
riat)  genannt.  In  Schweden  steckt  germ.  hunda-  (das  wohl  eine  Kürzung 
von  *hunda-rap,  hundariisi)  in  den  bekannten  schwedischen  (uppländischen) 
Gaunamen  Attundaland  (eig.  att-hunda-),  Fiofprundaland  {fiafprhunda-\ 
Tiundaland  (fi'hunda-)y  s.  Noreen  Aschw.  Gr.  §  246.  Hierher  gehört  auch  der 
finnlftndische  Landschaftsname  Satakunta^  eine  tautologische  Zusammen- 
setzung (finn.  sota  =  hundert,  iranisches  Lehnwort). 

IndogermaniMlie  FoivciiajD^eii  2XII.  ^ 


294  T.  E.  Karsten, 

den  um  oder  nach  500  geschriebenen  ostgot  Bibelhss.)  bekannte 
Lautübergang  -tf  zu  -a  in  Endsilben  wäre,  hiemach  zu  urteilen, 
somit  schon  frühurfinnisch  oder  späturgermanisch  durchgefühlt 
worden.  Mit  dieser  Voraussetzung  erwartet  man  indessen  Spuren 
der  betreffenden  a-Endung  auf  einem  viel  ausgedehnteren  Sprach- 
gebiete zu  finden  als  in  Wirklichkeit  der  Fall  ist  NominatiT- 
ausgänge  auf  -a  bei  germ.  ö- Feminina  erscheinen  im  West- 
gotischen (Wulfilas),  im  Ostgotischen  (Italien)  sowie  spurenweise 
im  Wandalischen  (noch  im  Anfang  des  5.  Jahrhs.)  und  Burgon- 
dischen  (Südgallien),  s.  Loewe  HZ.  Anz.  27,  107,  KZ.  39,  321.  Da 
die  Nord-  und  Westgermanen  das  fragliche  urgerm.  -6  wie  be- 
kannt in  -u  verwandeln,  muß  die  Lautentwicklung  -4  zu  -<i  als 
eine  jüngere  ostgermanische  Neuerung  angesehen  werden.  Die 
Ostgermanen  waren  aus  den  Weichselgegenden  wahrscheinlich 
schon  längst  abgezogen  und  weit  nach  Süden  gelangt,  als  ihre 
Sprache  die  hier  berührte  Lauterschwächung  {-d  zu  -a)  vollzog. 
Sonst  versteht  man  nicht,  warum  die  recht  zahlreichen  alt- 
germanischen Elemente  des  Baltisch-Slavischen,  die  wesentlich 
oder  wenigstens  zum  großen  Teil  Von  den  Goten  übernommen  sein 
müssen,  keinen  einzigen  sicheren  Fall  femininer  ö-Stämme,  die  im 
Nom.  Sing,  auf  -a  enden,  aufweisen.  Unter  den  litauischen  und  preu- 
ßischen Lehnwörtern  fehlen  sichere  Beispiele  femininer  ö-Stämme 
überhaupt,  aber  mehrere  von  den  germanischen  Entlehnungen 
im  Slavischen  gehören  zu  dieser  Formklasse:  vgl  abg.  buky 
:  got.  böka  'Buchstabe',  chorqgy  :  got.  hrugga  "Stab*,  loky  :  got  *laka^ 
ahd.  lahha^  ags.  lacu  *Lache*,  *raky  (chek.  rakev^  kroat  rakva) 
*6rab'*):  got  arka^  awn.  ork.  ags.  earc^  ahd.  archa.  Diese  slav. 
y-Formen  wollen  Möller  Beitr.  7,  487  Note,  Kluge  P.  Grdr. « I  362, 
Hirt  Beitr.  23,  336  unmittelbar  auf  urgermanische  ö-Feminina 
zurückführen.  Löwe  KZ.  39,  320  meint  zwar,  das  aus  idg.  ä  ent- 
standene ostgerm.  ö  sei  in  der  Zeit,  bevor  es  wieder  zu  got  a 
gekürzt  wurde,  sicher  offen  gewesen  und  habe  deswegen  nicht 
durch  slav.  -ö  ersetzt  werden  können.  Der  Übertritt  germanischer 
ö-Stämme  in  die  slavische  u-Deklination  könnte  nach  Löwe  von 
dem  gleichen  Übertritt  germanischer  femininer  n-Stämme  nicht 
getrennt  werden.  Die  ersteren  wären  schon  auf  germanischem 
Boden,  in  einem  jungen  ostgermanischen  (balkan-germanischen) 


1)  Die  abg.  Nebenform  raka  'Grab'  kann  aus  dem  AltsÄchsischen 
fibemommen  sein,  s.  Löwe  KZ.  39,  322. 


Zur  Frage  nach  den  'gotischen*  Lehnwörtern  im  Finnischen.     296 

Dialekt  in  die  feminine  n-Deklination  übergetreten  (ygl.  z.  B.  die 
n-Stämme  abg.  crukt/  :  got  *kiriköj  ahd.  chirihha^  hrady  *Barte' 
T  got  *bardöj  awn.  barda).  Daß  aber  eine  ursprünglich  so  reich 
vertretene  Flexionsklasse  wie  die  der  femininen  ö-Stämme  von 
einer  anderen  schon  in  dieser  frühen  Periode  gänzlich  absorbiert 
worden  wäre,  ist  mir  a  priori  höchst  unwahrscheinlich.  Im  Fin- 
nischen z.  B.  bilden  die  umordischen  -ä-(-t<-)Feminina  eine  recht 
zahlreiche  Wortgruppe,  die  teils  auf  -ö  (d.  h.  -d),  teils  auf  -u  aus- 
geht Im  Betracht  dieser  erklären  sich  die  slavischen  y-8ub- 
stantiva  germanischer  Herkunft  am  natürlichsten  aus  urgerma- 
nischen Nominativformen  auf  (geschlossenes)  -d.  Die  gotischen 
und  übrigen  ostgermanischen  o-Nominative  sind  uns  ihrer  Aus- 
sprache nach  völlig  unbekannt  Wahrscheinlich  spiegeln  sie  dia- 
lektisch gefärbte  Sprechformen  mit  offenem  -ö  (-d)  wieder,  wobei 
auch  die  Möglichkeit  der  Beeinflussung  seitens  der  Akkusativ- 
formen (auf  urgerm.  -a**,  d*^)  zu  berücksichtigen  bleibt  Außerdem 
könnte  vielleicht  auch  die  lateinische  Schrift  mit  ihren  o-Femi- 
nina  auf  die  gotisch-ostgermanische  Schreibweise  eingewirkt 
haben.  Sei  dem  aber  wie  es  will.  Bei  dem  gänzlichen  Mangel 
an  ostgermanischen  o-Feminina  im  Baltisch-Slavischen  wirkt  die 
große  Zahl  **speziell  gotischer''  a-Feminina  im  Finnischen  sehr 
befremdend. 

Sonach  schon  an  und  für  sich  unwahrscheinlich  wird  die 
hier  besprochene,  herkömmliche  Auffassung  dadurch  umso  un- 
glaublicher, als  die  betreffenden  o-Endungen  sich  unschwer  auch 
anders  erklären  lassen.  Das  auslautende  -a  der  frühurfinnischen 
Entlehnungen  akana  und  kansa  kann  an  sich  nicht  nur  das  aus 
urgerm.  ö  entwickelte  got  o,  sondern  auch  das  unverschobene 
oridg.  (verkürzte)  ä  widerspiegeln,  welches  späturgermanisch  in 
betonten  und  unbetonten  Silben  zu  ö  wurde,  aber  noch  so  spät 
wie  zu  Cäsars  Zeit  im  Germanischen,  sogar  in  betonter  Stellung, 
vorhanden  war  (vgl  silva  Bacenis  De  hello  galL  =  Boccnia^  Bwh 
chunna  Förstemann  11  289).  Bezüglich  der  genannten  Wörter 
kann  wegen  ihres  hohen  Alters  meines  Erachtens  nur  die  letztere 
Alternative  das  Richtige  treffen.  Aber  dann  ist  es  höchst  wahr- 
scheinlich, daß  auch  niekla  und  die  anderen  Wörter,  die  ihrer 
Form  nach  sowohl  urgermanisch  als  gotisch  sein  können,  wie 
die  beiden  erstgenannten  zu  beurteilen  sind. 

Außerdem  braucht  die  zugrundeliegende  frühurgermanische 
(wohl  schon  verkürzte)  ä-Endung,  um  von  den  Finnen  m\\.  a 


896  T.  E.  Karsten, 

wiedergegeben  cu  werden,  gar  nicht  ein  reiner  a-Laut  gewesen 
tu  sein.  Auch  eine  Übei^gangsstufe  von  urgerm.  ä  >  ö,  die  aber 
dem  Klange  eines  a-Lautes  näher  lag,  kann  dnrch  finnisobe  Laat- 
snbstitution  zum  selben  Eiigebnis  geführt  haben:  vgl.  e.  B.  finn. 
fxi^Ma  *frei'  zu  slav.  wobod^  finn.  aiJcuna  Tenster'  zu  sUy.  dam 
usw. ;  bei  den  slavischen  Formen  kamen  die  ^Laute  sowohl  der 
betonten  als  der  unbetonten  Silben  dem  Klange  eines  a-Lautes 
nahe,  waren  aber  keine  reinen  o-Laute  (s.  Mlkkola  Beriihrongea 
der  slav.  u.  westfinn.  Spr.  S.  36  f.). 

Finn.  akana  und  ka$%8a  könnten  nur  in  dem  Fall  aus  dem 
Gotischen  stammen,  daß  die  spätostgermanischen  o-Ausgftnge 
direkte  Fortsetzungen  des  idg.  und  urgerm.  ä  wären,  aber  diese 
Annahme  ist  vom  Stande  unseres  heutigen  Wissens  nicht  haltbar. 

Nur  mit  der  hier  vertretenen  Auffassung  —  dafi  also  die 
fraglichen  finnischen  a-Endungen  auf  urgerm.  ^  (-d)  ausgehen 
—  wird  es  auch  völlig  begreiflich,  wie  von  den  germanischen 
4-,  ö-Stämmen  im  Finnischen  ein  und  dasselbe  Wort  nicht  selten 
in  zweifacher  Auslautgestaltung  (in  einer  s.  g.  gotischen  mit  < 
und  einer  umordischen  mit  -o,  -ti)  erscheinen  kann:  vgl.  finn. 
panka  :  panko^  panku  (urgerm.  ^spangä,  -ö)^  kauta  :  kauiOy  kautu 
(got  8ka%idaraip)^  kasa  =  kaso.  Zu  den  für  germanische  ä-,  ö- 
Stämme  im  Finnischen  bisher  bekannten  zweien  Auslautformen 
auf  -ö  und  -w  treten  die  betreffenden  a-Ausgänge  hiemach  als 
eine  Vorstufe  aus  derselben  Sprachquelle. 

Eine  gute  Parallele  bietet  sonst  der  indogermanische  o-Laat, 
der  im  Grermanischen  in  unbetonten  Silben  noch  in  den  ersten 
Jahrhunderten  n.  Chr.  erhalten  blieb  und  sich  in  mehreren  fin- 
nischen Lehnwörtern  in  dieser  Stellung  noch  als  offenes  ö  wider- 
spiegelt: z.  B.  in  finn.  pelto  *Acker*  (germ.  *felßo-  :  ahd.  as.  /iW), 
jt4kko  *Joch'  (got  juk  n.,  awn.  6k  n.) ;  vgl.  Setalä  Zur  Herkunft 
u.  Chronol.  S.  24.  In  dieser  Weise  angefaßt,  bezeugen  die  fin- 
nischen -a-FoiTuen  germanischer  -ii-Stärame  noch  weiter  die  auch 
sonst  bekannte  Tatsache,  daß  man  im  Germanischen  für  ver- 
hältnismäßig späte  Zeiten  eine  dem  Indogermanischen  sehr  ähn- 
liche Stufe  erschließen  kann  (vgl.  Hirt  Indogermanen  2,  618). 

Nachdem  ich  diese  Bemerkungen  schon  niedergeschrieben 
hatte,  fand  ich,  daß  meine  hier  verfochtene  Ansicht  schon  früher, 
freilich  nur  als  bloße  Vermutung,  ausgesprochen  worden  war. 
Bei  Ferd.  Dieter  Laut-  und  Formenlehre  der  altgerm.  Dialekte 
S.  8  liest  man  folgendes :  "ug.  ä  in  unbetonter  Silbe  bewahren 


Zur  Frage  nach  den  'gotischen*  Lehnwörtern  im  Finnischen.     897 

▼ielleicht  finnische,  aus  dem  Germanischen  entlehnte  Wörter 
wie  niekla  aus  ug.  nißlä  (später  neplö,  daraus  got.  neßla  usw.)  nnd 
iansa  aus  ug.  *handä  (später  *han8öy  daraus  got  ahd.  hama)^  wäh- 
rend andere  Lehnwörter  das  jüngere  ö  zeigen:  runo  *6edichf, 
sakko  *BuBe'  usw."  Diese  Hypothese  bestätigt  sich  nun  durch 
den  Konsonantismus  der  von  mir  herangezogenen  Lehnwörter 
{4itana  und  kansa)  als  richtig. 

Auch  Setälä  gesteht  indessen  (S.  6),  daß  ein  einziges  go- 
tisches Kennzeichen  (-a  aus  -ö)  immer  etwas  wenig  ist  und  daß 
es  erwünscht  wäre,  zahlreichere  Merkmale,  und  zwar  solche,  die 
nicht  verschiedene  Deutungen  zulassen,  nachweisen  zu  können, 
um  den  gotischen  Ursprung  eines  Teils  der  germanischen  Ele- 
mente des  Finnischen  aufrecht  zu  erhalten.  Ein  solches  Merkmai 
glaubt  S.  auch  gefunden  zu  haben,  und  zwar  in  einer  Anzahl 
finnischer  Lehnwörter,  die  in  Übereinstimmung  mit  der  gotischen 
Bibelsprache  ein  auf  älteres  germ.  e  zurückgehendes  •  in  der 
Stammsilbe  enthalten.  Diesem  Kennzeichen  hatte  Thomsen,  dem 
die  meisten  der  bei  Setälä  besprochenen  Falle  bekannt  waren, 
keine  Beweiskraft  zugemessen.  Es  sind  im  ganzen  8  Lehnwörter, 
die  Setälä  auf  diesem  Grunde  für  gotisch  hält: 

1.  Finn.  mitta  *Maß',  mitata  (Inf.)  "messen*  usw.  :  got  mitan 
^messen*  usw.  Man  vergleiche  indessen  ags.  müta  m.  *a  measure* 
(Sweet  The  students  dictionary  of  Anglo-Saxon,  Oxf.  1897,  S.119) 
sowie  das  hiermit  identische  ahd.  mizzo^  mhd.  mitze  "kleineres 
Trockenmaß*,  die  auf  westgenn.*iwÄ(;an-(aus  *inetjan)  zurückgehen 
(Kluge  Wtb.*  Motze*).  Finn.  mitta  'Maß*  erklärt  sich  ebenso  gut 
aus  dieser  westgerm.  Wortform  wie  aus  einem  got  *fnü  n.  (St  *iwÄa-). 
Auf  nordischem  Sprachboden  ist  der  betreffende  jan-Stamm  zwar 
nicht  bekannt,  aber  dieser  Umstand  hat  keine  entscheidende  Be- 
deutung für  die  Frage,  denn  auch  zu  anderen  finn.  Lehnwörtern 
sind  die  Originalformen  nur  aus  dem  Westgerm,  zu  belegen 
(vgl.  unten). 

2.  Finn.  siula  "margo  naviculae  superior**,  karel.  iikla  "Ende 
des  Netzes*  verbindet  Setälä  (nach  Tunkelo)  mit  awn.  segl  n^ 
ags.  segd  n.  usw.  "Segel*.  Das  vorauszusetzende  germ.  *sizl€h 
braucht  aber  nicht  mit  Setälä  aus  dem  Gotischen  erklärt  zu 
werden,  sondern  geht  zunächst  auf  aschw.  sigdj  sigiU  n.  "Segel* 
zurück.  Beweisend  hiefür  ist  die  in  finnländ.  (schwed.)  Mundarten 
ziemlich  allgemein  verbreitete  Form  sigäl  n.  (vgl.  das  finnl.  Vb. 
mgäl  "segehi'). 


298  T.  E.  Karsten, 

3.  Knn.  pihaUo  'Viehhof,  härkä-^  lehmär^  lammaa^.  usw. 
"Ochsen-,  Kuh-,  Sehafstair  hält  Setälä  (im  Anschlafi  an  einen 
alten  Deutungs Vorschlag)  für  eine  finnische  Derivation  (mit  Suffixe 
-tto)  aus  vorgot  *fihu  =  wulfilan.  faihu.  Früher  hat  man  das 
Wort  allgemein  (vgl.  z.  B.  Ahlqvist  Kulturwörter  der  westfinn. 
Sprachen,  S.  118)  mit  dem  echtfinnischen  Worte  püta  'area, 
Hof,  Hofraum'  (urspr.  *Zaun')  zusammengestellt,  eine  Etymologie, 
die  in  den  finn.  Komposita  katja-pika  "eingezäunter  Hof  für  das 
Vieh',  hevos-piha  'Pferdestall'  eine  starke  Stütze  findet  DaßpihaUo 
•Viehhof  in  erster  Hand  von  gem.  fehu  'Vieh'  hervorgegangen 
ist,  scheint  jedoch  auch  mir  wahrscheinlicher:  vgl.  besonders 
die  mit  pihatto  gleichbedeutenden  finn.  karjetto  aus  katja  *Vieh* 
und  omatto  aus  otna  'eigen,  Eigentum'  (vgl.  got  faihu  'Vermögen, 
Geld'!).  Im  Sprachbewußtsein  gilt  aber  pihaUo  'Viehstall,  -hof 
ganz  sicher  als  Ableitung  von  dem  form-  und  sinnverwandten 
jwÄa  'Hof  (vgl.  noch  finn.  pihatto  =  schwed.  ladt^drd;  hnn.piha 
'Hof  =  schwed.  gdrd).  Wenn  auch  somit  germ.  fehu  das  ur- 
sprüngliche Stammwort  für  finn.  pihatto  ist,  beruht  der  f- Vokal 
des  Wortes  höchst  wahrscheinlich  auf  Formassoziation  mit  finn. 
piha^  das  —  wie  Setälä  Finn.-ugr.  Forsch.  2,  221  nachgewiesen 
hat  —  ein  finnisch-ugrisches  Wort  ist.  pihaUo  enthält  folglich 
kein  'gotisches  Lautmerkmal'. 

4.  Finn.  virka  'Beschäftigung,  Dienst,  Amt'  ist  nicht  mit 
awn.  verk  n.  Tat,  Arbeit',  sondern  —  wie  ich  in  Journal  de  la 
Soc.  Finno-ougr.  23,  20,  S.  1  dargetan  habe  —  mit  awn.  aschw. 
virke  n.  (St.  virkia-)  'Tat  Werk'  zu  verbinden.  In  der  Bed.  'Dienst, 
Amt'  ist  das  Wort  von  mndd.  verk  'Gewerk,  Amt,  Innung,  Zunft* 
und  von  dem  hieraus  entlehnten  schwed.  (embets)värk  beeinflußt 
worden. 

5.  Finn.  juhla  'Fest'  ist  als  gotisches  Lehnwort  unmöglich. 
Got  jiideis^  awn.  yZtr,  ags.geola  m.,  geol  n.,  awn.  iöl  'Weihnachten' 
erklären  sich  aus  urgerm,  je(;i)wld-.  Finn.  juhla  verbinde  ich  zu- 
nächst mit  ags.5röAo/,5reoA(rfn. 'Weihnachten',  das  auf  \XTg,jeh(w)ula 
(idg.  jeq^alo-,  vgl.  Falk-Torp  Ordbog  S.  339)  zurückgeht.  Ags.geohol 
enthält  in  -eo-  einen  angelsächsischen  Brechungsdiphtong.  Finn. 
^wA/a  spiegelt  meines  Erachtens  urn.*ytwA(u)ia(aus  älterem  *^uAu^ 
urg.  *jehwula)  wieder ;  hier  ist  -iu-  (-cw-),  analog  mit  -«>-  in  ags. 
geohd,  ein  umordischer  Brechungsdiphthong,  der  dem  Gotischen 
ganz  abging. 

6.  Finn.  kium  'irritamentum  etc.',  Humta  'irritare'  kann  auch 


Zur  Frage  nach  den  'gotischen'  Lehnwörtern  im  Finnischen.     299 

nach  Setälä  ^'möglicherweise  als  späte  Entlehnung  aus  dem 
Nordischen  aufgenommen  worden  sein*',  wenn  auch  schon  wegen 
der  Bedeutung  und  Verbreitung  gotische  Herkunft  ihm  wahr- 
scheinlicher vorkommt.  Was  zuerst  die  Bedeutungen  anbelangt, 
ist  die  Verschiedenheit  fast  gar  keine.  Got  kitisan,  awn.  Inösoj 
ags.  c&osan,  ahd.  kiosan  bedeuten  alle  etwa  dasselbe:  'prüfen, 
wählen'.  Auch  nicht  die  Ausbreitung  des  Wortes  verhindert  die 
Annahme  nordischer  Herkunft  Denn  auch  im  Ostbalticum  gab 
es  der  neueren  archäologischen  Forschung  zufolge  (s.  A.  Hack- 
man  Die  ältere  Eisenzeit  in  Finnland  1,  Helsingfors  1905,  S.  337, 
354)  noch  in  der  jüngeren  Eisenzeit  (d.  h.  nach  400)  eine  ger- 
manische Bevölkerung,  von  der  die  estnischen  und  livischen 
Belege  unseres  Wortes  übernommen  sein  dürften. 

7.  Finn.  Kwto,  liuta-ihminen  "homo  blandiens  et  astutus'  habe 
ich  in  "Nordiska  studier,  tillegnade  Adolf  Norreen"  S.  53  mit 
got  liuta  'Heuchler'  und  Huts  'heuchlerisch'  zusammengestellt 
Dasselbe  Wort  kommt  aber  auch  nordisch  vor,  wenn  auch  in 
etwas  abweichender  Bedeutung:  awn.  IMr  'häßlich,  abscheulich 
a)  körperlich,  b)  geistig  oder  moralisch*,  nschw.  dial.  Ijot  1)  'häßlich, 
mißgebildet,  2)  schlimm,  böse*,  vgl.  aschw.  lijta  (Ptz.  lytter)  'Ge- 
brechen zufügen*.  Finn.  liuta  stimmt  sowohl  formell  als  begrifflich 
ganz  genau  mit  got.  litUa,  Es  kann  aber  auch  nordisch  sein. 
In  bezug  auf  den  iVDiphthong  wäre  es  dann  mit  finn.  kiiMa 
zu  vergleichen.  Für  jüngeren  (nordischen)  Ursprung  spricht 
einigermaßen  auch  ihr  Vorkommen  nur  in  Finnland.  Hin- 
sichtlich der  Bedeutung  ist  litäa  in  diesem  Falle  ein  ostnor- 
discher Beleg  für  den  sonst  nur  aus  dem  Gotischen  bekannten 
übertragenen  Begriff  'betrügerisch*  (vgl.  got  lütön  'betrügen', 
ags.  ht  'Betrug*,  aslav.  ludüi  'betrügen'),  dem  jedoch  die  alt- 
westnordische   Bedeutungsnuance  'moralisch   abscheulich*  (vgl. 

bei  Fritzner*  s.  v.  liötr  :  sakir ^  er  lidtastar  eru  mälim 

manna,  annat  hvdrt  rdn  eda  stuldir  [d.  h.  Diebstahle])  sehr 
nahe  kommt 

8.  Finn.  liuta  'Schar,  Menge,  Haufen*  braucht  ebensowenig 
gotisch  zu  sein.  Das  germanische  Quellwort  war  ein  f-Stamm: 
awn.  liödr^  lydr  m.  'Volk*  (Nom.  plur.  -ir),  ahd.  liuti  m.  n.  pl.  (sg. 
Hut  m.  n.  'Volk*),  ags.  leode  pl.  'people*,  bei  dem  die  Stammsilbe 
schon  sehr  früh  (gemeingermanisch?)  mit  fw-Diphthong  erscheinen 
mußte.  Der  finn.  o- Ausgang  wäre  dann  wahrscheinlich  analogisch; 
vgl.  finn.  harras  =  got  hardus.    Sonst  könnte   finn.  liuta  auch 


800  T.  E.  Karsten, 

einen  späteren  umordischen  neutralen  a-Stamm  Kuda-  (=  ahd 
üut  n.)  wiedergeben;  vgl.  oben  kiusa  und  {tiifo(7)!^) 

**Es  unterliegt"  —  meint  Setälä  —  **kaum  einem  Zweifel 
daß  diese  Wörter  mit  •  gotische  Lehnwörter  sind  and  aui 
einer  gotischen  Sprachstufe  stammen,  in  welcher  e  wirklich  in : 
übergegangen,  also  mit  i  zusammengefallen  war."  Wie  ici 
aber  oben  nachgewiesen  zu  haben  glaube,  lassen  sich  die  be 
treffenden  t-Laute  samt  und  sonders  auch  anders  erklären  unc 
sind  folglich  als  Beweismittel  für  das  vermeintliche  GK>tentaD 
dieser  Wörter  nicht  zu  verwerten. 

Die  Annahme  einer  so  großen  Anzahl  finnischer  Lehn- 
wörter mit  speziell  gotischem  Stammsilbenvokalismus  scheint  mii 
aber  auch  von  einem  anderen  Gesichtspunkte  höchst  bedenklich 
Bei  einem  sehr  nahe  liegenden  Vergleiche  mit  den  bisher  be 
kannten  germanischen  Lehnwörtern  im  Baltischen,  die  wegei 
der  geographischen  Lage  der  Balten  viel  zahlreicher  wie  dh 
des  Finnischen  sein  müßten,  ist  der  fast  gänzliche  Mangel  ai 
baltischen  Beispielen  gotischer  t-(=  germanischer  0-)  Laute  seh] 
auffällig.  Das  einzige  wirklich  alte  einschlägige  Lehnwort:  apreuß 
kdmis  (und  chelmö)  *Hut'  aus  frühurgot.  */elfna8  zeigt  im  G^gentei 
^Vokalismus  (vgl.  Berneker  Die  preuß.  Sprache  289,  Hirt  Beitr 
23,  347,  Lid6n  Beitr.  31,  602).  Mit-f-  in  der  Stammsilbe  erschein 
meines  Wissens  nur  preuß.  ämis  *Bark  (Scheune  ohne  Wände)' 
das  Lid6n  Beitr.  23,  600  ff.  wohl  mit  Recht  als  urgot.  *hämai 
auffaßt.  Diese  Entlehnung  ist  aber  offenbar  jünger  wie  kdmis 
dafür  spricht  entschieden  schon  der  Ä-Schwund  im  Wortanlauti 
(vgl.  Lid6n  a.  a.  0.  S.  601).*)  Der  Formenwochsel  */dmaz  :  *hämai 
eines  und  desselben  ostgermanischen  (d.  h.in  diesem  Falle  sicherlicl 
urgotischen)  Wortes  scheint  mir  zur  Genüge  zu  beweisen,  was  mai 
schon  öfters,  zwar  nicht  ohne  Widerspmch,  vermutet  hat  (vgl 
Scherer  ZGDS.«  51,  Anm.,  Braune  Beitr.  9,  548,  Wrede  QF.  68 
162,  Hirt  Beitr.  23,  341,  andrerseits  Löwe  IF.  13,  26,  KZ.  39 
317),  daß  nämlich  dem  einförmigen  got  i  im  Frühurgotischei 

1)  Die  bei  Setälä  als  'neu'  bezeichnete  Zusammenstellung  finde 
man  schon  bei  Sax6n  "Lisiä  suomalais-germaanilaisten  kosketusten  valai 
semiseksi**  [Beiträge  zur  Klärung  der  finnisch-germanischen  Berührungen] 
Tammerfors  1896,  S.  10. 

2)  Ein  Lehnwort  aus  einer  späteren  got.  Sprachform  ist  gleichfall 
wohl  abg.  hn  (got.  *liva)  =  ahd.  leOy  lewo  aus  lat.  leo.  Abg.  älimk  dagegei 
stammt  vielleicht  aus  dem  Westgermanischen  (ahd.  as.  Ae/m),  abg.  niUh 
"Milch*  vielleicht  aus  dem  Balkangermanischen  (vgl.  Löwe  KZ.  39,  317] 


Zur  Frage  nach  den  'gotischen*  Lehnwörtern  im  Finnischen.     801 

ein  Wechsel  e-t  vorhergegangen  sein  muß.  PreuB.  ämi$  stammt 
ans  einer  gotischen  Sprachform,  die  wohl  nicht  mehr  an  der 
unteren  Weichsel  gesprochen  wurde.  Da  die  Ooten  aber  auch 
nach  ihrer  in  der  2.  Hälfte  des  2.  Jahrh.  erfolgten  Auswanderung 
nach  dem  Schwarzen  Meere  während  eines  langen  Zeitraumes  — 
nach  B.  Salin  Die  altgerm.  Tieromamentik  S.  355  wenigstens  bis 
anf  etwa  350  n.  Chr.  —  einen  regen  Verkehr  mit  den  Gegenden 
an  der  Weichselraündnng  unterhielten,  ist  es  gar  nicht  nn- 
möglicli,  daß  ein  wichtigeres  got  Lehnwort  vom  Pontus  einen 
Weg  nach  Norden  finden  konnte.  Außerdem  ist  es  ja  immer 
möglich  und  sogar  wahrscheinlich,  daß  ein  Rest  des  Gotenvolkes 
an  den  alten  Wohnsitzen  zurückgeblieben  war. 

Wenn  wir  aber  gotische  Lehnwörter  auch  im  Finnischen 
hätten,  könnten  diese  gewiß  nur  dem  älteren  Typus  *xdmaz  ge- 
hören. Sie  könnten  nur  von  einer  gotischen  Kolonie  stammen, 
welche  sich  bei  der  gotischen  Übersiedelung  aus  Skandinavien 
von  der  Hauptmasse  des  Volkes,  die  in  das  Weichselgebiet  aus- 
wanderte, getrennt  hätte  und  nach  den  heutigen  Ostseeprovinzen 
gezogen  wäre  (vgl.  die  Goten  der  Lisel  Gotland?).  Denn  daß  auch 
die  Urfinnen,  die  südlich  vom  finnischen  Meerbusen  und  dem 
Ladogasee  mit  Düna  etwa  als  Südgrenze  gewohnt  haben  sollten, 
unter  der  Einwirkung  eines  vom  Süden  hergekommenen  spät- 
gotischen Volks-  und  Kulturstromes  gestanden  hätten,  dafür  fehlt 
es  an  jedem  Anhalt  Die  Annahme  bedeutet,  daß  die  Goten 
außer  der  Gegend  an  der  unteren  Weichsel  noch  eine  weite 
Landstrecke  der  Ostseite  der  Ostsee  innegehabt  und  hier  eine 
Sprachform  entwickelt  hätten,  die  in  der  Behandlung  der  gemL 
e-Laute  mit  der  historisch  bekannten  Gotischen  konform  ge- 
wesen wäre.  Aber  nach  den  bei  griechischen  und  römischen 
Schriftstellern  gegebenen  Nachrichten  über  die  Goten  kann  die 
gotische  Besiedelung  östlich  der  Weichsel  sich  nur  über  ein 
sehr  kleines  Gebiet  erstreckt  haben  (vgl.  Löwe,  Die  ethnische 
und  sprachl.  Gliederung  der  Germanen  S.  21,  L.  Schmidt  Gesch. 
der  deutschen  Stämme  bis  zum  Ausgange  der  Völkerwanderung 
1,1  S.  51  f.,  R.  V.  Erckert  Wanderungen  und  Siedelungen  der 
germ.  Stänmie  in  Mittel- Europa,  KartbL  V)^).    Li  gutem  Ein- 

1)  Die  episch  wohl  stark  übertriebene  Erzählung  bei  Jordanes  von 
der  über  ganz  Scythien  und  Germanien  (u.  a.  über  die  Thindos  d.  h.  Finnen) 
ausgedehnten  Herrschaft  des  Ostgotenkönigs  Ermanarik  (f  375)  kann  selbst- 
verständlich in  dieser  Hinsicht  keine  Bedeutung  haben  (vgl.  auch  Wiklund 
När  kommo  svenskame  tili  Finland?  S.  18). 


802  T.  E.  Karsten, 

klänge  hiermit  ist  auch  die  Zahl  wirklich  alter  germanischer 
Lehnwörter  im  Litauischen  gegenüber  denjenigen  im  Preußischen 
und  besonders  im  Slavischen  sehr  gering.  In  Anbetracht  dessen 
spricht  Hirt,  Beitr.  23,  350  die  Vermutung  aus,  daß  die  got 
Entlehnungen  des  Litauischen  nicht  direkt,  sondern  durch  die 
Vermittlung  des  Preußischen  übernommen  wären. 

Der  von  Setälä  gemachte  Versuch,  das  behauptete  Goten- 
tum  eines  nicht  unbedeutenden  Teils  der  ältesten  germanischen 
Lehnwörter  im  Finnischen  auf  sprachlichem  Wege  aufrecht  zu 
erhalten,  hat  sich  somit  als  verfehlt  herausgestellt,  und  in  der 
historischen  Überlieferung  findet  die  Hypothese  auch  keine 
Stütze.  Es  bleiben  dann  nur  die  archäologischen  Beweisgründe 
übrig,  die  man  mit  den  sprachlichen  gerne  zu  kombinieren  pflegt 

Nach  den  Ergebnissen  der  vorgeschichtlichen  Archäologie 
umfaßte  die  Bevölkerung  der  ostbaltischen  Landschaften  während 
des  älteren  Eisenalters  von  den  Zeiten  um  Christi  Geburt  an 
mehrere  Nationalitäten:  eine  finnische,  eine  lettisch-litauische 
und  eine  germanische.  Die  Finnen  werden  damals  wie  noch  heute 
mehr  nördliche,  die  Letten  mehr  südliche  Sitze  innegehabt  haben. 
"Mitten  unter  diesen  Stämmen  müßten  sich  aber  zahlreiche  ger- 
manische (gotische)  Kolonien  befunden  haben;  denn  nur  unter 
dieser  Voraussetzung  findet  der  in  den  Sprachen  sowohl  wie  in 
der  eisenzeitlichen  materiellen  Kultur  der  Finnen  und  Letten- 
Litauer  zum  Vorschein  kommende  starke  germanische  Einfluß 
eine  annehmbare  Erklärung",  so  äußert  sich  hierüber  A.  Hack- 
man  in  seiner  großen  Arbeit  "Die  ältere  Eisenzeit  in  Finnland  1" 
(Helsingfors  1905)  S.  335  ff.,  wo  die  Frage  zuletzt  behandelt  worden 
sein  dürfte.  Wenn  aber  die  Archäologen  von  *Goten'  sprechen, 
kann  das  Wort  kaum  anders  als  in  einem  allgemeineren  (zunächst 
wohl  geographischen)  Sinne  von  *Ostgermanen*  verstanden  werden. 
Auch  Hackman  räumt  a.  a.  0.  S.  335  ein,  daß  das  früheisenzeitUche 
Fundmaterial  der  Ostseeprovivzen  in  ethnographischer  Beziehung 
schwer  zu  deuten  sei.  Eine  einwandfreie  Lösung  dieser  Be- 
völkerungsfrage sei  den  Archäologen  gegenwärtig  kaum  möglich. 

Welcher  Nationalität  gehörten  nun  diese  ostbaltischen  Ger- 
manen, denen  die  Finnen  ihre  ältesten  germanischen  Lehnwörter 
schulden  ?  Nach  Setälä  Herkunft  und  Chronologie  S.  49  f.  wäre  die 
Quelle  der  älteren  germanischen  Lehnwörter  der  ostsee-finnischen 
Sprachen  in  einer  germanischen  Sprachform  von  wesentlich 
urgermanischem  Gepräge  zu  suchen,  w^elche  allmählich  eine 


Zur  Frage  nach  den  'gotischen'  Lehnwörtern  im  Finnischen.     90S 

Gestaltung  annahm,  die  wesentlich  mit  der  gotischen  gleich- 
zustellen wäre.  Diese  ältesten  finnisch-germanischen  Berührungen^ 
sowohl  die  finnisch-ur(ost)germanischen,  die  schon  um 
Christi  Oeburt  und  in  der  nächstvorangehenden  Zeit  stattgefunden 
hätten,  als  die  etwas  jüngeren  finnisch-gotischen,  welche  also 
eine  unmittelbare  Fortsetzung  der  ersteren  gewesen  wären,  ver- 
legt Setalä  in  die  urfinnische  Heimat  südlich  von  dem  finnischen 
Meerbusen.  Was  die  finnisch-nordischen  Berührungen  be- 
trifft, wären  die  Wörter  mit  sicher  nordischen  (nicht  mehrdeutigen) 
Kennzeichen  nicht  zahlreich.  Wenn  man  aber  eine  umordische 
Sprachform  von  wesentlich  urgermanischem  Gepräge  als  Aus- 
gangspunkt voraussetzen  würde,  wäre  auch  umordischer  Ursprung 
vieler  von  diesen  Lehnwörtern  und  daher  eine  gleichzeitige  Nach- 
barschaft der  ürfinnen  mit  Goten  und  Nordgermanen  möglich. 
Es  gäbe  aber  nichts  Zwingendes  in  dieser  Annahme.  Setälä  findet 
es  ebensowohl  möglich,  daß  die  finnisch-nordischen  Berührungen 
im  allgemeinen  etwas  jünger  wären  als  die  früher  besprochenen 
und  daß  sie  erst  nach  der  Immigration  der  Finnen  nach  Finn- 
land (spätestens  im  4.  Jahrh.)  ihren  Anfang  genommen  hätten. 

Richtig  ist  von  Setäläs  hier  besprochenen  Ergebnissen  meines 
Erachtens  nur  die  Annahme  einer  ethnographischen  und  sprach- 
lichen Kontinuität  der  finnisch-germanischen  Berührungen  in 
der  finnischen  Urheimat :  das  'Gotische*  im  Urfinnischen  stammt 
ohne  Zweifel  von  demselben  germanischen  Volkstamme,  der  die 
älteren  *urostgermanischen'  Lehnwörter  abgegeben  hat  Bisher 
unbegründet  und  irreführend  ist  dagegen,  wie  ich  hoffe  dar- 
getan zu  haben,  die  ganze  Rede  von  'gotischen'  Lehnwörtern 
und  'speziell  gotischen'  Lautmerkmalen. 

Mit  Evidenz  unrichtig  ist  auch  die  Vermutung,  die  finnisch- 
nordischen Beziehungen  wären  ausschließlich  nach  Finnland  zu 
verlegen. 

In  seiner  oben  zitierten  Schrift  (S.  50)  hebt  Setälä  hervor, 
daß  eben  die  germanischen  Dialekte,  aus  welchen  die  ältesten 
germanischen  Lehnwörter  herrühren,  ausgestorben  wären  und 
daß  die  Lehnwörter  der  ostseefinnischen  Sprachen  ihre  einzigen 
bewahrten  Denkmäler  ausmachten ;  dies  gälte  auch  von  dem  ur- 
nordischen Dialekt,  der  in  Finnland  gesprochen  wurde,  denn  daß 
die  jetzigen  finnländisch-schwedischen  Mxindarten  unmittelbare 
Fortsetzungen  des  in  Finnland  gesprochenen  Umordischen  wären, 
das  hält  Setälä  für  ausgeschlossen.  In  diesen  Behauptungen  lie^<^\i 


804  T.  E.  Karsten, 

aber  weitere  Fehlschlüsse.  Es  kann  nämlich  nach  allem,  was 
die  Archäologie  und  Ortsnamenforschung  der  letzten  Jahre  ans 
Licht  gebracht^)  —  namentlich  seitdem  es  archäologisch  nach- 
gewiesen worden  ist,  daß  die  schwedisch-finnische  Mischkultur 
des  jüngeren  Eisenalters  (der  Vikingerzeit)  keinen  Abbrach  in 
unserer  vorgeschichtlichen  Kulturentwickelung  bildet,  wie  man 
früher  angenommen  hat,  —  kaum  mehr  einem  Zweifel  unter- 
liegen, daß  die  jetzige  Schwedenbevölkerung  an  den  finnländisch^ 
Küsten,  wenigstens  in  den  Landschaften  Egentliga  Finnland, 
Satakunda  und  österbotten,  wesentlich  eine  direkte  Fortsetmng 
unserer  eisenzeitlichen  Schwedenkultur  bildet  Daß  die  Haupt- 
masse der  etwas  jüngeren  umordischen  Lehnwörter  im  eigent- 
lichen Finnischen  in  Finnland  —  in  verschiedenen  Teilen  des 
Landes  —  aufgenommen  sind,  ist  unzweifelhaft;  aber  ebenso 
sicher  ist  es,  daß  eine  ganze  Anzahl  anderer  umordischer  Lehn- 
wörter aus  der  gemeinfinnischen  Urheimat  mitgeführt  worden 
sind.  Haben  wir  doch  auch  südlich  vom  finnischen  Busen  in 
einigen  Orten  der  Nordwestküste  von  Esthland  und  auf  den  be- 
nachbarten Inseln  sowie  auf  Runö  im  livländischen  Meerbusen 
eine  schwedische  Bevölkerung,  die  in  unserer  Zeit  zwar  nur 
etwa  5000  Personen  umfaßt  Dieses  Sprachgebiet  ist  aber  früher 
nur  in  Ehstland  mehr  als  doppelt  größer  gewesen,  indem  es 
durch  die  Ehsten  im  Laufe  der  Zeit  in  hohem  Grade  beein- 
trächtigt worden*).  Die  genannten  schwedischen  Niederlassungen 
an  der  Ostsee  treten  zwar  sehr  spät,  erst  im  13.  Jahrh.  (1294) 
in  das  Licht  der  Geschichte,  ganz  wie  die  schwedischen  An- 
siedelungen in  Finnland.  Daß  sie  aber  hier  sowohl  wie  dort 
schon  in  vorgeschichtlichen  Zeiten  ihren  Anfang  genommen,  ist 
nicht  zu  bezweifeln.  In  dieser  Richtung  äußert  sich  —  was  die 
Schweden  in  Ehstland  betrifft  —  übrigens  schon  Thomson  in 
seinem  "Einfluß  der  germ.  Sprachen  auf  die  finnisch-lappischen'* 

S.  20  (also  vor  bald  40  Jahren):  " —  man   kann 

[sagt  T.]  in  dieser  Bevölkerung  nur  ein  lebendiges  Zeugnis  für 
die  vorgeschichtliche  stetige  Verbindung  der  Skandinavier,  be- 
sonders der  Schweden,  mit  den  östlichen,  von  Finnen  bewohnten 


1)  Vgl.  T.  E.  Karsten  österbottniska  ortnamn.  Spräkhistorisk  och 
etnografisk  undersökning  I  (Holsingfors  1905)  **Inledning*'  und  die  daselbst 
zitierte  archäologisch-onomatologische  Literatur. 

2)  S.  A.  Noreen  Värt  Spr&k  I  S.  90  f ,  G.  DaneU  Nord.  Tidskr.  (Stock- 
hohn) 1907  S.  175  ff. 


Zur  Frage  nach  den  'gotischen'  Lehnwörtern  im  Finnischen.     805 

Gegenden  erblicken/'  Außerdem  dürfte  es  in  diesem  Zusammen- 
hange nicht  unangemessen  sein,  an  die  bekannten  altschwedischen 
Ansiedelungen  in  Rußland  und  an  die  daraus  erfolgte  Orundlegung 
des  russischen  Reiches  (durch  Schweden  i.  J.  862)  zu  erinnern. 

Besonders  wichtig  für  unsere  Frage  ist  aber,  finde  ich,  die 
durch  die  archäologische  Wissenschaft  jüngst  erwiesene  kultu- 
relle Verbindung  zwischen  der  älteren  und  jüngeren  Eisenzeit 
im  Ostbalticum.  Analog  mit  den  finnländischen  Funden  haben 
nach  Hackman  Die  ältere  Eisenzeit  1  S.  335  auch  die  ostbal- 
tischen solche  Typen  aufzuweisen,  welche  von  den  Formen  der 
älteren  Eisenzeit  zu  denen  der  jüngeren  herüberleiten  und  so- 
mit bezeugen,  daß  in  der  kulturellen  Entwicklung  der  Ostseepro- 
vinzen keine  jähe  Unterbrechung  stattgefunden  hat,  welcher  Fall 
doch  hätte  eintreten  müssen,  wenn  die  herkömmliche  Ansicht 
richtig  wäre,  daß  die  frühere  germanische  Bevölkerung  etwa 
um  das  Jahr  400  durch  einwandernde  finnische  Stämme  zum 
Verlassen  ihrer  Wohnsitze  genötigt  worden  wäre.  Allerdings 
wäre  die  große  Mehrzahl  dieser  Typen  im  Süden  des  Gebietes 
zum  Vorschein  gekommen.  Im  Norden,  im  estnischen  Oebiet 
wären  Altertümer,  die  eine  ununterbrochene  Besiedelung  be- 
zeugen, selten.  Doch  fehle  auch  hier  nicht  die  verbindende 
Brücke  zwischen  den  beiden  Perioden  des  Eisenalters. 

Daß  die  heutigen  Schweden  an  den  ehst-  und  livländischen 
Küsten  ein  letzter  Rest  dieses  prähistorischen  Germanentums  ist 
—  also  derjenigen  Germanen,  denen  die  Finnen  ihr  ältestes  ger- 
manisches Lehngut  verdanken  —  liegt  also  kein  triftiger  Grund 
vor,  in  Zweifel  zu  ziehen.  Sind  sie  ja  doch  das  einzige  in  Be- 
tracht zu  nehmende  Germanenvolk,  das  noch  in  historischer  Zeit 
in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  urfinnischen  Heimat  lebt  und 
gelebt  hat,  —  insofern  diese  Urheimat  wirklich,  wie  allgemein 
angenommen  wird,  etwa  nach  dieser  Gegend  zu  verlegen  ist. 

Da  diese  selben  Lehnwörter  sich  durch  nichts  als  'gotisch' 
erweisen,  sich  vielmehr  aus  verschiedenen  Entwickelungsstufen 
des  ümordischen  —  von  denen  die  alleralteste  zwar  ein  geradezu 
urgermanisches  Gepräge  trägt  —  erklären  lassen,  scheint  mir 
die  alte  Hypothese  von  einer  gotischen  Ansiedelung  in  dem  nörd- 
lichen Teile  der  Ostseeprovinzen,  welche  —  wenn  man  von  den 
vermeintlich  gotischen  Lehnwörtern  im  Finnischen  absieht  — 
sonst  keine  Spuren  hinterlassen  hat,  als  völlig  unbegründet  ab- 
gelehnt werden  zu  müssen. 


306         T.  E.  Karsten,  'Gotische'  Lehnwörter  im  Finnischen. 

Das  einzige,  was  von  gotischen  Spuren  in  den  fraglichen 
Lehnwörtern  dem  Anschein  nach  übrig  bleibt,  liegt  in  dem  Wort- 
schatze: im  Vorkommen  oder  in  der  Bedeutung  oder  in  der 
Form  einiger  Wörter,  die  auf  das  Gotische  hinweisen,  vgL  oben 
S.  291!  Aber  diesen  Kennzeichen  ist,  wie  schon  hervorgehoben 
wurde,  keine  entscheidende  Bedeutung  beizulegen.  Gibt  es  ja 
<ioch  einige  vereinzelte  Übereinstimmungen  auch  mit  dem  West- 
germanischen gegenüber  dem  Nordischen  und  Gotischen,  ob- 
schon  an  irgendwelche  westgermanische  Nachbarschaft  für  die 
ürfinnen  nicht  zu  denken  ist :  z.  B.  finn.  kuningas :  ahd.  as.  kumng^ 
aber  awn.  konungr  und  got  ßiudam;  finn.  ptikko  *  Woche* :  ags. 
mce,  f.  neben  toicu^  aber  got  toikö^  awn.  vika ;  finn.  saippio  'Seife* : 
ahd.  seifa  (*8aißjö)^  aber  awn.  pvdU^  schwed.  tväl.  Die  schein- 
baren Gotizismen  des  Finnischen  sind  wohl  nichts  anders  als 
Erinnerungen  an  die  den  germanischen  Stämmen  einstens  ge- 
meinsame Urheimat  Als  die  verschiedenenVölker  sich  allmählich 
trennten,  differenzierten  sich  auch  ihre  Sprachen.  Die  finnisch- 
germanischen Übereinstimmungen  mit  dem  Gotischen  und  West- 
germanischen gegenüber  den  nordischen  Sprachen  stanmien  gewiß 
von  den  Zeiten  der  allerältesten  Berührungen  zwischen  Finnen 
und  Germanen  her.  Die  aus  Skandinavien  in  femer  Urzeit  nach 
den  Ostseeländem  übergesiedelten  Volkselemente  haben  nrsprach- 
liche  Züge  mitgebracht,  die  dem  Muttervolke  im  Laufe  der  Zeiten 
verloren  gegangen,  die  aber  noch  im  Finnischen,  an  anderen 
Boden  umgepflanzt,  forüeben.  Wenn  außerdem  die  Goten  mi- 
sprünglich  nur  eine  Verzweigung  des  nordgermanischen  Volks- 
stammes bilden  —  ihre  skandinavische  Herkunft  ist  wohl  kaum 
mehr  zu  bezweifeln  (vgl.  Much  PBB.  17,  178  f.,  Löwe  Die  eth- 
nische und  sprachliche  Gliederung  S.  16  ff.,  Streitberg  Gotisches 
Elementarbuch,  2.  Aufl.,  Einl.)  —  sind  die  gotischen  Züge  der 
finnischen  Lehnwörter  um  so  leichter  zu  erklären.  Auch  die  von 
Bugge  (Norges  Indskrifter  S.  148  ff.)  aufgestellten  Vermutungen 
über  die  gotische  Herkunft  der  Bewohner  der  Lisel  GoÜand, 
die  sich  selbst  Gutar  nennen,  sowie  über  die  sprachlichen  Be- 
ziehungen zwischen  Gotisch  und  Gutnisch  —  eine  Theorie,  worüber 
Löwe  a.  a.  0.  S.  20  ff.  noch  näher  handelt  —  haben  ein  gewisses 
Interesse  für  unsere  Frage.  Ist  ja  doch  Gotiand  schon  in  der 
Vorzeit  ein  wichtiges  Zentrum  für  den  nordischen  Handel  gewesen. 
Auch  durch  gotländische  Vermittlung  könnten  sonach  'gotische' 
Sprachelemente  einen  Weg  zu  den  Finnen  gefunden  haben. 


W.  Streitberg,  Gotisch  Justin»«»  tcüan,  307 

Diese  Goten  waren  aber  nicht  nur  ethnographisch  son- 
dern auch  sprachlich  wesentlich  Nordgermanen.  Zur  Zeit,  da  die 
Goten  noch  in  Skandinavien  oder  überhaupt  im  Norden  saßen 
(wohl  sogar  noch  während  der  Periode  der  gotischen  Wohn- 
sitze an  der  unteren  Weichsel),  dürften  erhebliche  dialektische 
Unterschiede  zwischen  den  nordgermanischen  Yölkerstämmen 
nicht  bestanden  haben.  Die  bekannten  charakteristischen  Züge 
der  gotischen  Sprachentwicklung  —  wie  z.  B.  die  Lautübergänge 
e  zu  i  und  -ö  zu  a  —  können,  wie  schon  Löwe  a,  a.  0.  S.  19  f. 
hervorhebt,  wohl  nur  als  Ergebnisse  eines  längeren  Sonderlebens 
des  Volkes  verstanden  werden.  Li  finnischen  Lehnwörtern  spiegeln 
sie  sich  auch  sonach  schwerlich  wieder'). 

Helsingfors.  T.  E.  Karsten. 


Gotisch  dugunnun  wüan. 

Als  Übersetzung  von  fjpHavro  €uq)paiv€c6ai  lesen  wir  Luk.  15, 
24  in  CA  dugunnun  wisan.  Nun  wird  unmittelbar  vorher,  V.  23, 
€uq)pav6ujp6v  durch  imsam  waila  übertragen  und  nur  wenig 
später,  V.  32,  finden  wir  waila  unsan  als  Wiedergabe  von  €u- 
q)pavef^vai.  Zu  diesen  beiden  Stellen  stimmt  Luk.  16, 19  eöcppai- 
vö^evoc*  waila  wisands. 

Dieser  Tatbestand  legt  den  Gedanken  nahe,  daß  in  V.  24 
eine  Textverderbnis  vorliege,  daß  auch  hier  wisan  waila  oder 
waila  unsan  die  ursprüngliche  Übersetzung  von  euq>patv€c6ai 
sei.  Man  versteht  daher  die  neuerdings  ausgesprochene  Forderung, 
daß  das  versehentlich  weggelassene  waHa  wieder  in  den  Text 
der  gotischen  Bibel  einzusetzen  sei,  vgl.  ZZ.  31,  91. 

Diese  jüngst  vorgeschlagene  Ergänzung  haben  die  alten 
Herausgeber  Junius,  Stjemhjelm  und  Benzel  als  etwas  Selbst- 
verständliches ohne  weiters  vorgenommen ;  die  neuem  Ausgaben 
dagegen  sind  ihnen  in  diesem  Punkte  samt  und  sonders  nicht  ge- 
folgt Ich  glaube,  mit  Recht  Denn  so  verlockend  die  Ergänzung 
auf  den  ersten  Bück  erscheint,  so  zweifelhaft  wird  sie,  wenn  man 
versucht,  die  Gründe  für  und  wider  gegen  einander  abzuwägen. 

1)  Korrekturnote :  Wegen  fimi.  saha  (S.  292)  vgl.  jetzt  H.  Ojansun 
Neuphil.  Mitteilungen  (Helsingfors)  1907  S.  93.  —  Zu  finn.  pihatto  (S.  298): 
Eine  gemeinnord.  Form  fiku  (=  got.  fathu)  ist  vielleicht  belegt  in  /fu. 
Cod.  Leiden  (Noreen  Pauls  Grdr.  1',  611). 


808  W.  Streitberg, 

Erstlich  ist  zu  bedenken,  worauf  schon  Gabelenfa-Lobe 
aufmerksam  gemacht  haben,  daß  man  in  Yers  24  ein  waäa  aas 
dem  vorausgehenden  Verse  supplieren  könne.  Die  genanntn 
Forscher  haben  bereits  auf  Liik.  19,  6  als  Parallele  verwiesen: 
hier  ist  oreucac  Korrdßn  bloß  durch  sniumjands  atstaiff  wieder- 
gegeben. Das  Richtungsadverb,  das  im  Gotischen  —  schwer- 
fällig genug  —  die  griech.  Präposition  ersetzen  muß,  fehlt  T.  6 
offenbar  nur  deshalb,  weil  sniumjands  dalaß  aUteig'  circucoc 
KoraßiiGi  unmittelbar  vorhergeht  Ganz  ebenso  wird  auch  Lot  15, 
24  die  Schwerfälligkeit  des  gehäuften  waüa  mit  Absicht  vom 
Übersetzer  vermieden  worden  sein. 

Dazu  kommt  noch  ein  Zweites:  wäre  waüa  unumgäng- 
lich nötig,  damit  der  Bedeutung  von  €uq)paiv€c6ai  Genüge  ge- 
schähe, so  entstünden  neue  Schwierigkeiten.  Es  wäre  nämlich 
in  diesem  Fall  unverständlich,  wie  gatcizneigs  im  (Rom.  7,  22) 
dazu  käme,  das  griech.  cuvrjöofiai  zu  übertragen.  Man  müßte  denn 
annehmen,  der  Übersetzer  habe  eine  wichtige  Nuance  der  Vor- 
lage unberücksichtigt  gelassen. 

Schon  längst  hat  man  für  (tvaila)  unsan;  trizanj  andaunzns 
•öipdiviov,  XP^ict',  waüamzns^)  '\dctus*(Skeireins),  gawizfteigs  engere 
etymologische  Vei-wandtschaft  angenommen  und  auf  die  Bedeu- 
tung von  ae.  wist  *sustenance,  food,  luxury*  ahd.  mhd.  wid 
'Lebensunterhalt*,  aisl.  vist  'Nahi-ungsmittel,  Speise*  hingewiesea 
Sie  kennzeichnen  klar  die  Bedeutungssphäre  von  (%oaiUi\  tnsan 
*€Öq)paiv€c9ai*. 

Zur  selben  Bedeutungsgnippe  gehört  natürlich  auch  MiMt- 
jaw  euqppavOuj,  das  Luk.  15,  29  belegt  ist  Hier  zeigt  sich  am 
deutlichsten,  daß  es  mit  einem  Einschub  von  %vaUa  bei  dug%mniim 
wisan  nicht  getan  ist  Denn  was  für  dugunnun  tcisan  recht  ist, 
müßte  für  biicesjau  billig  sein.  Noch  niemand  aber  hat,  soviel 
ich  sehe,  den  Mut  gehabt,  auch  bei  biweyau  ein  umla  hinzu- 
zufügen. Auch  nützte  es  nichts,  zu  behaupten,  daß  in  der  Prär 
Position  W-  ein  dem  Adverb  toaäa  ähnlicher  Begriff  enthalten 
sei;  denn  die  Willkür  einer  solchen  Behauptung  ergäbe  sich 
ohne  weiters  aus  einer  Vergleichung  der  übrigen  mit  W-  zu- 
sammengesetzten Verba.  Liegt  aber  kein  Grund  vor,  die  Über- 
lieferung in  Luk.  15,  29  irgendwie  anzutasten,  so  folgt  daraus 
mit  zwingender  Notwendigkeit,  daß  weder  in  der  Präposition  Äin, 
noch  in  dem  Adverbium  tcaila  eine  wesentliche  Ergänzung 

1)  tcailawizna  :  andawizns  =  waila  wisan  :  biwisan. 


Gotisch  dugunnun  ufiwn,  909 

von  teisan  enthalten  sein  kann,  die  zur  Übersetzung  von  eü- 
q>patv€(TOai  unentbehrlich  wäre.  Selbstverständlich  soll  damit 
nicht  geleugnet  werden,  daß  der  Zusatz  von  waäa  zu  ioisan  ver- 
deutlichend wirke. 

Nun  könnte  man  freilich  versucht  sein,  für  V.  29  einen 
Einwurf  zu  machen.  Griesbach  (NT.,  editio  secunda,  S.  368)  hat 
bekanntlich  in  dem  got  biwesjau  nicht  die  Übersetzung  von  €u- 
q)pav6ui,  sondern  den  Reflex  von  dpicrrjciw  (D,  dazu  prandeam  d) 
zu  erblicken  geglaubt  Wäre  dies  richtig,  so  hätte  biwesjau  als 
Zeuge  auszuscheiden.  Aber  schon  Gabelentz-Löbe  haben  Gries- 
bachs  Behauptung  zutreffend  als  kühn  bezeichnet  Die  Sonder- 
lesart von  D  erklärt  sich  zweifellos  am  einfachsten  durch  Be- 
einflussung von  Seiten  der  altlateinischen  Übersetzungen  und 
gehört  zu  den  Beispielen,  die  v.  Soden  Die  Schriften  des  NT.  1, 
1332  zusammenstellt:  überall  ist  ein  gewählterer  griech.  Aus- 
druck im  Anschluß  an  af  oder  it  durch  das  üblichere  Wort 
verdrängt  worden.  An  unserer  Stelle  liegt  aber  kein  Anlaß  vor, 
den  Einfluß  einer  solchen  ^Rückübersetzung'  auf  den  gotischen 
Text  anzunehmen.  Das  got  Wort  hat  durchaus  nicht  die  spezia- 
lisierte Bedeutung  der  Lesart  von  D ;  es  verhält  sich  vielmehr 
zu  dem  normalen  €uq>pav6d»  etwa  ebenso  wie  das  fast  durchweg 
in  den  altlateinischen  Übersetzungen  auftretende  epularer.  Das- 
selbe Verbum  wenden  die  Lateiner  auch  in  den  vorausgehenden 
Versen  an;  Gabelentz-Löbe  haben  daher  sicherlich  mit  Recht 
in  ihrer  Umschreibung  des  got  Textes  epulari  ohne  Unterschied 
für  (waäa)  tvisan  xmd  bitvisan  gewählt 

Daß  eine  Bedeutung  wie  *schmausen'  für  die  verschiedenen 
Stellen  des  fünfzehnten  nnd  die  eine  schon  vorhin  erwähnte 
Stelle  des  sechzehnten  Kapitels  anzusetzen  ist,  lehrt  die  Ver- 
gleichung  der  beiden  noch  übrigen  Stellen,  an  denen  euq>pa(v€c9ai 
vorkommt  Rom.  15,  10  lesen  wir  für  €Ö(ppdv9r]T€  l^vx]  sifaip 
piudoe  und  entsprechend  Gal.  4,  27  für  eucppavOnn  CT€ipa  sifai 
sknro.  In  derselben  Bedeutungssphäre  liegt  die  Übersetzung  der 
einzigen  belegten  Aktivform  2.  Kor.  2,  2 :  k/M  ist  saei  gailjai  mik' 
Tic  icnv  6  cOqppaiviJüv  ^€.  Man  sieht,  wie  scharf  sich  die  vorher 
erwähnte  Gruppe  von  den  Beispielen  der  zweiten  Klasse  ab- 
hebt Bei  dieser  wäre  eine  Übersetzung  von  €uq)pa(v€cOai  durch 
(waäa)  wimn  usw.  ganz  imdenkbar;  dort  dagegen  ist  die  Ver- 
engung des  Begriffs  durch  die  Lage  der  Dinge  gegeben:  dia 
Freude  findet  einen  sehr  konkreten  Ausdruck. 

Indogermanüclie  Forschnngen  XXH.  21 


310  J.  Wackernagel, 

Wie  verhält  sieh  nun  das  Simplex  wisan  in  der  Fügung 
dugunnun  tvisan  zu  dem  Kompositum  bkaesjau?  Offenbar  ebenso 
wie  marzjai'  CKavöaXiCij  zagchmarzjai'  acavöaXiqi  af-marz^tindau' 
ocavbaXicGfiTe,  vgl.  IF.  21,  193  f.  Hier  wie  dort  hat  der  Aorist 
das  perfektive  Kompositum  neben  sich,  wisan '  eu<ppa{v€c6at  ist 
normal,  zudem  fordert  duginnan  seiner  Bedeutung  nach  noir 
wendig  ein  Imperfektiv,  vgl.  PBrB.  15,  114.  Bei  UHiäa  wiaan  tritt 
dagegen  ein  Unterschied  der  Aktionsarten  nicht  hervor. 

Ich  denke,  diese  Erörterungen  genügen,  um  darzutun,  daß 
wir  nicht  verpflichtet,  ja  nicht  einmal  berechtigt  sind,  Luk.  15, 24 
im  got  Texte  toaila  zu  ergänzen ;  denn  wir  setzen  uns  der  Ge- 
fahr aus,  durch  diesen  Einschub  eine  beabsichtigte  Variation 
zu  zerstören.  Das  gleiche  gilt  für  bitvesjau  V.  29.  Auch  dieses 
konnte  eines  verdeutlichenden  adverbialen  Zusatzes  um  so  eher 
entbehren,  als  in  nächster  Nachbarschaft  (Y.  32)  uxula  wisan  m  * 
finden  war. 

Münster  W.  Wilhelm  Streitberg.  \^J 


/ 


Zur  Umschreibung  der  arischen  Sprachen.  ^ 

Dem  Protest  Bartholomaes  gegen  Hirts  Vorschlag  zu  einer 
neuen  Transkription  kann  ich  mich,  soweit  dabei  das  Altindische 
in  Betracht  kommt,  nur  anschließen.  Durch  die  empfohlene 
Neuerung  würde  die  Verwirrung,  die  *Misere*,  nur  erhöht  Das 
ist  der  Hauptgrund. 

Aber  es  muß  doch  gesagt  werden,  daß,  was  Hirt  selbst 
bringt,  nicht  einmal  objektiv  richtig  ist  1)  "Daß  der  Anusvara 
im  wesentlichen  dem  nasalen  Klang  im  Nasalvokal  entspricht, 
scheint  mir  sicher  zu  sein.  Es  ist  daher  die  Schreibung  q  usw. 
die  gewiesene".  Hiezu  vergleiche  man  die  §  223  a  meiner  Ai. 
Grammatik  I.  zusammengestellten  Zeugnisse,  aus  denen  unweiger- 
lich der  Wert  des  Anusvara  als  eines  auf  den  Vokal  folgenden 
Lauts  hervorgeht  Ich  verweise  noch  auf  Haradatta  zu  Mantrap. 
1,  11,  2:  ke  cid  ükärät  param  anusväram  adhiyate  und  auf 
Hörnle-Grierson  Vorr.  zum  Dictionary  of  the  Bihärl  language 
p.  5:  (the  anusvara)  is  emplojed  to  sigmfy  a  peculiar  nasal 
soxmd,  intermediate  between  a  vowel  and  a  consonant,  ukich  is 
not  a  mere  fiasalisation  of  a  vowd,  but  an  independent  sound 


Zur  Umschreibung  der  arischen  Sprachen.  311 

foUowing  a  wtcd.  2)  Ohne  ein  Wort  der  Rechtfertigung  verwirft 
H.  die  Sehreibung  der  Vrddhi-Diphthonge  mit  ai,  au  und  ver- 
langt df,  Ott.  Nun,  daß  die  Vrddhi-Diphthonge  vorgeschichtlich 
mit  langem  erstem  Komponenten  gesprochen  wurden,  ist  selbst- 
verständlich. Aber  schon  die  ältesten  Zeugnisse  über  Aussprache 
kennen  nur  d(»,  äu  (AL  Gr.  1,  §  36,  S.  40);  den  Belegen  für  Ver- 
vf  echslung  zwischen  ai  xmd  ayt  sei  beispielsweise  noch  AV.  10, 
24,  6  anayit  st  anait  (Bartholomae  ZDMG.  50,  687),  ChU.  4,  3,  3  ff. 
ratfikva-  st  raikva-,  Epigr.  Ind.  4,  83  ff.  Z.  9  jainä  st  jayinä  bei- 
gefügt Wer  Altindisches  umschreibt,  hat  sich  nur  um  den  im 
Altindischen  selbst  gültigen  Lautwert  zu  kümmern,  nicht  imi 
vorgeschichtliche,  später  bloß  durch  Sandhi  u.  dgL  wiederge- 
spiegelte Verhältnisse;  sonst  müßte  man  zur  Weise  älterer  Sprach- 
vergleicher zurückkehren  xmd  auch  ai^  au  für  «,  o  einsetzen. 

Auch  mir  persönlich  ist  nicht  alles  sympathisch,  wozu  ich 
mich  der  Übereinstinunung  zulieb  bequeme,  g  z.  B.  ist  aus 
ästhetischen  Gründen  ansprechender  als  i.  Aber  es  verlohnt 
sich  nicht  deswegen,  wie  leider  auch  die  amerikanischen  Mit- 
forscher tun,  beim  Alten  stehen  zu  bleiben,  i  ist  nicht  ganz 
sinnlos:  als  vor  dreizehn  Jahren  in  Basel  in  einer  Sitzimg  der 
Morgenländischen  Gesellschaft  über  die  Umschrift  des  Sanskrit  be- 
raten wurde,  empfahl  Bühler  i  gegen  g  mit  dem  Hinweis  auf  die 
Störung,  die  die  Schreibxmg  mit  g  bei  Anfertigung  von  Namen- 
registern mit  sich  bringe  (vgl.  ZDMG.  48  p.  XXTT.).  Der  wirk- 
lichen Aussprache  wird  g  übrigens  noch  weniger  gerecht  als  rf, 
weil  8  ein  willkürliches  Zeichen,  dagegen  g  durch  seinen  Ge- 
brauch im  Französischen  für  den  stimmlosen  dentalen  Zischlaut 
8  festgelegt  ist 

Noch  etwas  spricht  gegen  eine  Änderung  des  nun  einmal 
Angenommenen.  Mit  kleinen  Abweichxmgen  haben  sich  auch  in 
den  Ländern  englischer  Zunge  viele  zur  internationalen  Trans- 
skription des  Sanskrit  bequemt  Aber  noch  ist  diese  nicht  durch- 
gedrungen; noch  immer  sträuben  sich  viele  dagegen,  das  scheuß- 
liche ch  xmd  chcch  für  palatale  Tennis  xmd  Tenuis  aspirata  fallen 
zu  lassen.  Wer  jetzt  an  unserm  ^,  ch  rüttelt  und  j  für  y  ein- 
führen will,  unterstützt  diesen  Hyperkonservatismus,  gegen  den 
man  nur  auf  Grund  imiverseller  Gleichmäßigkeit  dos  Gebrauchs 
ankämpfen  kann. 

Die  äußerste  Konzession,  die  ich  machen  könnte,  wäre  die, 
daß  man  in  allgemein-sprachwissenschaftlichen  Werken  den  rezi- 

21 


318  W,  y.  d.  Osten-Säcken, 

pierten  Zeichen  genauere  Marken  beifügte,  also  etwa  iöijli 
statt  e  0  cj  ^  schriebe,  gerade  wie  man  bei  Setaimg  Yon  Ataient- 
nnd  Quantitätszeichen  auch  sonst  nach  Bedürfnis  und  Belieben 
yerfährt,  und  wie  umgekehrt  in  Drucken  von  Sanskiitweriiaii 
einzelne  sonst  übliche  diakritische  Zeichen  vernachlässigt  werden 
können,  und  z.  B.  m  statt  i^,  n  statt  nü^  h  statt  ^  ohne  Ge&dir 
eines  Mißverständnisses  geschrieben  werden*  kann;  vgL  Jaoobi 
Rämäyana  S.  4  f. 

Oöttiugen.  J.  WaokernageL 


^< 


Zur  slavischen  Wortkoude.  7 

1.  Westslav.-russ.  Äaii^f.  ^  ^r 

Öech.  baiüi  ^streben,  verlangen,  sich  sehnen,  gelüsten'  mas. 
Dial.  (auch  klniss.)  baHt'  *sich  sehnen,  begehren,  dürsten'  (dazu 
klruss.  b($hd  ^Begierde,  Sehnsucht')  ist  das  ehemalige  Kausativ 
zu  abg.  biig  bi^ati  'fliehen,  laufen'  und  entspricht  dem  lit  hog^U 
'flüchten,  fortschaffen'  auch  intrans.  Vohin  jagen'  (die  Vermischung 
der  lit.  Yerba  auf  Anti  und  -y/t  ist  bekannt)  und  bis  auf  die 
Vokalquantität  dem  griech.  q)oß^u>  'scheuche,  schrecke'.  Die  für 
das  Slavische  älteste  Bedeutung  'streben'  hat  sich  durch  die 
Zwischenstufe  'verfolgen'  aus  'treiben'  in  der  Weise  entwickelt, 
daß  einerseits  der  'Treibende'  als  selbst  'in  Bewegung  geraten' 
gedacht  wird,  anderseits  sein  von  vornherein  nach  vom  ge- 
richteter Blick  sieh  vom  Objekte  des  Treibens  zum  Endpunkte 
der  Bewegung  verschoben  hat;  vgl.  d.  *ein  Ziel  verfolgen'.  Die 
umgekehrte  Entwicklung  liegt  in  russ.  ochdta  (zu  abg.  dioUü  chUU 
•wollen')  'Lust,  Jagd'  vor.  Das  Reflexiv  scheint,  wenigstens  teil- 
weise, schon  früh  dem  Primärverbum  resp.  dessen  Iterativ  we- 
sentlich gleichbedeutend  geworden  zu  sein,  wie  aus  poln.  bazyisif 
nabazy^  fn§  'sich  aufblähen'  (besonders  im  übertragenen  Sinne 
'sich  brüsten';  das  Simplex  auch  'sich  gelüsten')  und  öech.  nabOtaÜ 
nabihnoiUi  'anlaufen,  anschwellen'  hervorgeht. 

2.   Russ.  h}iga^  hüzat'. 

Russ.  Dial.  büga  'niedrig  am  Fluß  gelegener  Wald,  nie- 
driges bewaldetes  Flußufer^  der  Überschwemmung  ausgesetztes 


Zur  slavischen  Wortkunde.  3111 

Waldgebiet'  =  lit.  btmgä  *Woge,  Welle'  lett  bäga  •steiniger,  mit 
Gesträuch  bewachsener  Platz  im  Felde'  ai.  hhangds  m.  •ßrach^ 
Welle*  zu  ai.  hhanäkti  'bricht'  (ühlenbeck  Et  Wb.  d.  ai.  Spr. 
s.  y,\  wie  d.  hruch  'feuchte  Wiese'  zu  brechen.  Hierzu  gehört 
auch  russ.  Dial.  hüJt(x(  (bei  Dal',  Slovai'  zivogo  velikorussk.  jazyka 
mit  ?  versehen)  'Sand  oder  Lehm  ausgraben,  Steine  aus  der 
Erde  brechen',  das  offenbar  das  Iterativ  zu  einem  verloren  ge- 
gangenen *bgiüi  ist  Ein  anderes  huiaC  kommt  im  folgenden 
Abschnitt  zur  Sprache. 

3.   Russ.  bygdi^  buzat\  pugdt'. 

Die  weitverzweigte  Sippe  von  ai.  bhujdH  'biegf  gr.  q>€uTU) 
•fliehe'  hat  auch  mehrere  slavische  Angehörige,  die  allerdings 
zunächst  teils  durch  die  weitabliegende  Bedeutung,  teils  durch 
die  abweichende  Lautgestaltung  befremden.  Die  Worte  der  ersten 
Kategorie  gehen  auf  Intrans.  'sich  einbiegen,  einziehen,  zusammen- 
ziehen' zurück  und  haben  die  Wandlung  zu  a)  'zusammen- 
schrumpfen, vertrocknen'  b)  'hinschwinden,  verschwinden'  durch- 
gemacht Es  sind  dieses  meines  Erachtens  die  folgenden:  russ. 
bygdt  'trocknen  intr.,  dahinschwinden,  verderben*  podbygnuf 
'trocken  werden'  büzaf  'verenden,  krepieren'  (Dal'  mit  ?,  wie 
bei  dem  gleichlautenden  Worte  s.  2;  kaum  zu  lit  bengiü  bengti 
'beendigen'  päbangas^  pabangä  'Beendigimg').  Das  zweite  Wort  ist 
formal  die  regelrechte  Entsprechung  des  lit  bügstu  bügti  intrs. 
'erschrecken'  (das  russ.  Prät  podbyg^  -la  spricht  für  hohes  Alter 
des  Inchoativverbums),  das  dritte  kann  dem  lit.  baugitis  'sich 
fürchten' (Juäkevifi  Litovsk.  Slovaf  I;  Ableitung  von  Äatiyti« 'furcht- 
sam') gleich  sein;  jedoch  ist  bei  solchen  Denominativen  (das 
slav.  Gnindnomen  ist  verloren  gegangen)  auch  einzelsprachlicher 
Ursprung  nicht  ausgeschlossen,  zumal  in  Anbetracht  der  geringen 
räumlichen  Verbreitung.  Der  Bedeutung  'erschrecken*  liegen 
offenbar  die  durch  den  Schreck  hervorgerufenen  krampfartigen 
Körperbewegungen  zugiiinde.  Zur  Illustration  dieser  Verhältnisse 
mögen  folgende  Parallelen  dienen:  1)  lett  krupt  'verschrumpfen' 
kraupet  'trocken  werden'  (vom  Ausschlag)  lit  kruptis  'erschrecken' 
(Leskien  Ablaut  300);  2)  abg.  Igkg  l§Ui  'biegen'  sloven.  dqknem 
d^kniti  'sich  einziehen,  sich  schlank  machen*  öech.  udM  'ver- 
gehen, sterben*  osorb.  daknyd  nsorb.  die  'verenden'  sloven.  de^im 
dfUfati  'hocken'  Ifcnem  Ifknüi  'auffahren  (vom  Hasen),  erschrecken, 
erstaunen'  poln.  l§kngd  'schrecken'.  —  Unklar  ist  klruas.  h^t4% 


dU  W.  V.  d.  Osten-Sacken, 

'Lüsternheit,  Sehnsucht*.  Am  ehesten  dürfte  es  als  Mas  Hin- 
schwinden, Verschmachten,  Dürsten'  aufzufassen  sein,  kaum 
als  *geneigt  sein*,  wie  in  d.  ^Zuneigung'  lit  linkSti  *sich  neigen, 
geneigt  sein,  jemandem  etwas  wünschen*  wegen  der  altruistischen 
Färbung  dieser  Worte.  Eine  bessere  Etymologie  für  b^ha  ist 
mir  nicht  bekannt,  denn  an  das  ai.  Desiderativ  bubhukiaU 
leidet  Hunger*  (bubhukää  *Hunger*;  zu  bhundkU  hhunjaU  'genießt* 
Uhlenbeck  Et  Wb.  d.  ai.  Spr.  s.  v.)  darf  schwerlich  gedacht 
werden. 

Die  zweite  Kategorie  besteht  aus  dem  dem  litauischen 
Kausativ  bauglnti  bedeutungsgleichen  russ.  pugdt'  klruss.  puhaUf 
'schrecken,  scheuchen*,  russ.  ispug  'Schreck'  und  Ableitungen. 
Ihr  p-  erklärt  sich  durch  gemeinrussische  Analogie  nach  russ. 
puMt'  klruss.  püzaty  (klruss.  pud^aty  ist  eine  jüngere  Form, 
vgl.  Sobolevskij  Lekcii  po  istorii  russk.  jaz.*  126  f.)  aus  *p^jaHy 
Iterativ  zu  russ.  pudW  ds.  abg.  pgdüi  'treiben*. 

4.  Sloven.  düzati, 

Sloven.  düzam  düzati  'stoßen,  drängen  düznem  düznüi  'einen 
Stoß  geben'  zu  lit.  datüiü  daüzti  'stoßen'  dauiaü  dau^j^i  Iter.  ds. 

5.  Altöech.  panost 

Die  Wurzelsilbe  von  aöech.  panost  Trunkenheit'  wird  von 
Gebauer  Hist.  Äfluvn.  öesk.  jaz.  I,  21,  Prusfk  KZ.  35,  600  (danach 
auch  Walde  Lat.  Et.  Wb.  s.  v.  bibo)  auf  uridg.  *pä-  in  gr.  irdivu) 
'trinke'  lat.  pötm  'trank'  lit.  püta  'Zechgelage*  zurückgeführt,  so 
daß  hierdurch  diese  Ablautstufe  der  Wurzel  *pö(i)-  *pi-  auch 
füi*  das  Slavische  als  erwiesen  betraclitet  wird.  Nun  kann  aber 
öech.  -a-  der  normale  lautgesetzliche  Vertreter  einer  ganzen  Reihe 
von  urslavischen  Lautungen  sein;  namentlicli  kann  es  als  Kon- 
traktionsprodukt verschiedentlicher  Art  auftreten.  Demnach  stimmt 
adech.  panost  Laut  für  Laut  mit  serb.  pjdnöst  osorb.  pjanosc  aus 
*pyanosth  überein.  Das  zugrunde  liegende  Adjektiv  ahg.pijanb 
pbjam  tritt,  vne  auch  die  Ableitungen,  in  den  verschiedenen 
Sprachen  in  beiden  Lautgestalten  auf,  vgl.  serb.  pijan  pjän^  russ. 
pjdnyj^  poln.  pijany^  ^Qoh.  pijan  m.  Trinker,  Säufer';  es  fehlt  die 
Berechtigung,  daneben  noch  ein  *pam  anzunehmen.  Über  die 
lautliche  Seite  vgl.  Gebauer  Hist  Mluvn.  I,  126  f.  und  die  Bei- 
spiele für  ähnliche  Kontraktionsprodukte  a.  o.  0.  IH,  2,  398. 


Zur  slavischen  Wortkunde.  315 

6.  Slavisch  *derm, 

Torbiörnsson  Gemeinslav.  Liquidametathese  2, 13  f.  scheidet, 
im  Anschluß  an  Zupitza  BB.  25, 101  f.  dreierlei  urslavische  *demb: 
1.  "Stiel,  Griff,  Handhabe*;  2.  "Schüssel,  Pfanne*;  3.  •Kinnbacken*. 
Bei  dieser  vom  slavischen  Standpunkte  einwandfreien  Dreiteilung, 
der  auch  in  der  Hauptsache  richtige  Etymologien  zur  Seite 
stehen,  fehlt  jedoch  die  Berücksichtigung  einiger  Gesichtspunkte, 
die  zur  Beurteilung  der  Worte  imd  ihres  Verhältnisses  zu  den 
Entsprechungen  der  anderen  Sprachen  wichtig  sind.  Die  fol- 
genden Zeilen  enthalten  erstens  den  Versuch,  einige  lauüiche 
Schwierigkeiten  bei  der  Vereinigung  der  slavischen  und  der 
außerslavischen  Worte  zu  beseitigen,  woraus  sich  für  das  zuerst 
genannte  die  etymologische  Trennung  in  zwei  verschiedene  er- 
geben wird ;  zweitens  aber  liegt  ihr  Hauptzweck  darin,  nament- 
lich für  *derm  2.,  dessen  Bedeutungsangabe  eine  auf  etymo- 
logischen Rücksichten  beruhende  Ungenauigkeit  enthalt,  gewisse, 
bisher  nicht  beachtete  semasiologische  Momente  in  den  Vorder- 
grund zu  rücken. 

Ich  folge  bei  der  Betrachtung  der  einzelnen  Worte  Tor- 
biömssons  Einteilung. 

1.  Serb.  cren  *manubrium',  russ.  ciren  "Heft,  Stiel*,  derendk 
"Heftchen,  Pfropfreis',  klruss.  derinka  "Messerschale,  Griff,  poln. 
irzon  "Stiel  eines  Pilzes,  Griff,  Knoten*,  öech.  stfen  "Griff,  Stiel, 
Heft,  Schale*.  In  "Stiel*  vereinigen  sich  zwei  Bedeutungen: 
1)  "Pflanzenbestandteil,  Pfropfreis,  Pflanzenstiel* ;  2)  "Handhabe, 
Griff,  Stiel  eines  Messers  usw.*  Die  jeder  dieser  Bedeutungen 
gerecht  werdenden,  von  Torbiörnsson  miteinander  vereinigten, 
etymologischen  Entsprechungen  weisen  in  semasiologisch  und 
lautlich  getrennte  Verbände. 

1)  *demb  "Pflanze,  Pflanzenteil*,  wozu  noch  russ.  diren  F. 
"Eichenholz*  zu  ziehen  ist,  gehört  mit  lit.  k\ma  "Strauchband*, 
pr.  kimo  "Strauch*  unter  dem  Ansätze  ^cf^emo-  *q¥ptä  (Zupitza 
Germ.  Gutt  110  setzt  wegen  ahd.  rahd.  hart  "Wald*  q-  an,  doch 
ist  die  germanische  Vertretung  von  *q^0'  bekanntlich  noch  nicht 
einstimmig  entschieden)  zu  einer  Reihe  von  Ausdrücken  für 
"Baum,  Holz,  Wurzel  usw.*  vgl.  z.  B.  lit.  keras  "Baum,  Stumpf, 
Staude*,  lett  zers  "Strauch,  knorrige  Baumwurzel*  und  wegen  des 
Anlautes  kymr.  prenn  'Baum,  Holz*  (Fick  VgLWb.  II*,  63;  Zupitza 
a.  a.  0.;  Walde  Et  Wb.  s.  v.  comus).  Auch  abgesehen  von  der  Zu- 


a 


316  W.  Y.  d.  Osten-Säcken, 

gehörigkeit  des  keltischen  Wortes  schließen  diese  ausgespnx 

Pflanzenausdrücke  die  Verbindung  mit  dem  Worte  für  'Han 

aus  wegen  der  in  dessen  Verwandten  hervortretenden  Bedi 

einer  sinnlichen  Tätigkeit 

>^ J  2)  *derm  'Handhabe,  Griff  hat  seine  bis  auf  den  Y 

'4»i  vokal  identische  Entsprechung  in  ai.  kdrnctö  M.  'Handhabe 

jj'  Ohr',  kymr.  cam  'Handhabe*,  die  auf  uridg.  *qam<h  weisei 

,^  was  bisher  noch  nicht  beachtet  ist,  offenbar  mit  lett  aifka 

*  I    .  rühren,  antasten'  verwandt  sind.    Das  slavische  -e-  mui 

^  jünger  sein,  als  das  arisch-keltische  -a-,  doch  stammt  es, 

y  I  stens  in  seinen  Keimen,  aus  einer  vorslavischen  Period 

steht  in  inniger  Beziehung  zu  dem  Vokal  des  lett  k'ert  'g 

fassen',  nach  oder  mit  dem  es  entstanden  ist  Folglich  is 

zelins  (BB.  29, 190)  zur  Erklärung  des  k'-  statt  des  lautges 

zu  erwartenden  z-  vorgeschlagene  Annahme  einer  einzels 

liehen  Anlehnung  des  Verbums  -kart  an  lett  twert,  lit 

'fassen'  unhaltbar.    Überhaupt  hebt  die  Eliminierung  ein< 

zelnen  Falles  mit  unregelmäßigem  palatalem  Guttural  di 

Sache  nicht  auf,  daß  solche  Beispiele  mehrfach  da  exis 

wo  von  sekundären  Prozessen  keine  Rede  sein  kann  \l 

sie  nur  durch  Entlehnung  aus  dem  Litauischen  oder,  wen 

genaue  Entsprechungen  nicht  vorhanden  sind,  durch  Mis 

mit  einem  ausgestorbenen  Grenzdialekt  erklärt  werden  k 

(vgl.  Zupitza  KZ.  37,  402).    Eine   Beziehung  zwischen   1 

Verben  besteht  aber  insofern,  als  sich  lett  twe'H  (akzei 

nach  Bielenstein),  das  zu  lit  tvirti  nicht  stimmt,  in  der  Bet 

nach  k'e'rt  gerichtet  zu  haben   scheint;  denn   dieses  pi 

russ.  cSren  (über  serb.  cren  s.  Torbiörnsson).    Übrigens  i 

Bedeutung  der  Wurzel  *tuer-  außerhalb  des  Baltischen  i 

der  Bedeutung  'fassen  —  zusammenfassen'  (Walde  Et  Wb 

torm)^  niclit  aber  als  'fassen  —  greifen'  belegt,  sodaß  aii 

eine  urbaltisch-slavische  Beeinflussung  von  *Ļr-  durch 

nicht  zu  denken  ist  [vgl.  Nachträge]. 

-•  Eine  befriedigende  Erklärung  des  Verhältnisses  -a-l-( 

mag  ich  zwar  nicht  zu  geben ;  trotzdem  sei  es  mir  gestatt 

einige  Punkte,  die  dabei  in  Betracht  kommen  können, 

r*4j  weisen.    Ein  gewisser  Parallelismus  findet  sich  bei  den  n 

BH  Sippe  des  'Greifens'  im  Lettischen  verquickten  Worten  des  Tj 

|H  Höhnens,  Spottens',  nämlich  in  dem  Verhältnis  von  abg. 

^^K  ^Schmähung',   ir.  caire  'Tadel*,   deren  Vokal   durch  die 


Zur  slavischen  Wortknnde.  317 

gleichung  lat  carinäre  'höhnen,  spotten'  =»  lett  harinät  *necken, 
reizen'  als  uridg.  -a-  erwiesen  wird,  einerseits,  zu  den  unver- 
wandten gpech.  K^pTo^oc  'höhnend',  lit  iszkemöU  Verleumden, 
schlecht  machen'  anderseits  (Zupitza  Oerm.  Gutt  109  mit  vielem 
falschen ;  Walde  Et  Wb.  s.  v.  carino).  Da  bei  ^qar-  'tadehi'  eine 
sinnliche  Bedeutung  außerhalb  des  Lettischen  nicht  belegt  ist, 
erscheint  ursprünglicher  Zusammenhang  mit  *g«r-  'anrühren*  un- 
wahrscheinlich (vgl.  Leskien  Ablaut  der  Wurzelsilben  331),  so- 
daß  die  Bedeutungen  in  lett  kHma  'Plackerei,  Händel',  Kirinäi 
(eigentlich  iter.  zu  k'ert)  'zergen',  karinäJt  (s.  oben,  kann  auch 
als  iter.  zu  -hart  fungieren)  'zergen'  (Bielenstein  Lett  Spr.  I,  425), 
wohl  erst  sekundär  als  Bindeglieder  zwischen  beiden  Sippen  ent- 
wickelt worden  sind.  So  darf  auch  nicht  die  Existenz  eines 
ursprachlichen  *qer-  'greifen*  aus  *qer-  'höhnen'  gefolgert  werden, 
zumal  dieses  erst  aus  *(s)qer'  'schneiden'  entstanden  (Brugmann 
IF.  15,  97  f.)  und  nur  außerhalb  des  Primärverbums  belegt  ist 
Immerhin  ist  es  nicht  unmöglich,  daß  späterhin  in  formantisch 
gleichartigen  Worten  die  Vokaldoppelheit  der  einen  Bedeutungs- 
gruppe von  der  anderen  nachgeahmt  wurde.  Beachtenswert  in 
dieser  Beziehung  ist  die  Gleichung:  griech.  Kdpvr]  "Strafe*  :  lit 
*'kerna  (in  iszkernöü ;  vielleicht  auch  ir.  cem  *Sieg'  Zupitza  a,  a.  0.) 
=  ai.  kdrncis^  kymr.  cam  :  slav.  *demb.  Es  ist  schwer  zu  ent- 
scheiden, ob  ihr  ein  Gewicht  beizulegen  ist,  da  die  Verbalabstrakta 
den  nomina  instrumenti  begrifflich  fernstehen.  Jedenfalls  ist  die 
Ausdehnung  der  Doppelheit  bis  auf  das  Primärverbum  von  dieser 
Grundlage  aus  nicht  zu  verstehen.  Umgekehrt  können  wir  sagen, 
daß  die  Verallgemeinerung  des  -e-  im  Nomen  ausschließlich  vom 
Verbum  abhängig  ist,  indem  es  die  von  -kart  abweichende  Be- 
deutungsnuancierung  von  k'ert  teilt 

Für  das  Verbiim  hilft  uns  vielleicht  eine  andere  Proportion 
aus,  die  sich  mit  den  Verbalformen  einer  bedeutungsverwandten 
Wurzel  ergibt:  nämlich  lett  k'ert :  -kart  —  lett  k'ept  'haften,  mit 
den  Klauen  anpacken' :  lat  capto,  lett  kampt  'ergreifen,  fassen* 
[vgl,  auch  Nachträge].  Trotz  Walde  (Et.  Wb.  s.  v. ;  das  russ.- 
kd.  deph  F.  'Kette'  ist  wohl  eher  eine  dialektische  Nebenform 
für  russ.  cep'  F.  ds.,  wie  im  Altrussischen  auch  sonst  d  und  e 
wechseln)  sehe  ich  keine  Veranlassung,  lett  k'ept  aus  dieser 
Verbindung  zu  trennen,  insofern  nur  lat  Perf.  dpi  eine  alte 
Ablautstufe  enthält;  denn  der  Ablaut  -e-l-e-l-d-  ist  namentlich 
im  Baltischen  nicht  selten  (vgl.  lit  kvepiti  'duften*,  kvipti  'hauchen*, 


320  W.  y.  d.  Osten-Sacken, 

Irisch  Glosses,  Dublin  1860,  S.90);  ähnlich  aisLAufmo,  vgLEgüsBon 
Lex.  Poet  Antiq.  Ling.  Septentr. ;  ja  aisL  huerr  kann  sogar  %■» 
aquae  fervidae,  thermae'  (Egilsson  a.  a.  0.),  und  zwar  in  sakralem 
Sinne  als  die  Varmen  Quellen  in  Lokis  Haine'  bezeichnen.  Ab- 
weichend ist  ir.  cernin$  ^Schüssel  zum  Auftragen  der  Speiaen' 
(Cormacs  Olossary  transl.  by  O'Donovan,  ed.  by  Stokes,  Calcntia 
1868,  S.  37),  das  die  Bedeutung  ^Kochtopf  voraussetzt^  elbean 
wie  *Gefäß  mit  warmem  Wasser*  auf  'Siedekessel*  zurückgeht 
Ai«  carii^  bedeutet  im  Rigveda  im  allgemeinen  *Ee6sel,  Topf, 
ohne  daß  sich  aus  den  einzelnen  Stellen  eine  speziellere  De- 
finierung feststellen  ließe.  Rigv.  10, 167, 4  bezeichnet  es  ein  mit 
*Soma'  gefülltes  Gefäß,  speziell  ein  *Gefäß,  aus  dem  Soma  ge- 
trunken wird' ;  die  Vorstufe  dazu  kann  aber  gewesen  sein  "Ge- 
fäß, in  dem  der  Soma  zubereitet  wird'.  In  der  späteren  Sprache 
kommt  es  häufiger  als  'Opferbrei'  d.  h.  'Gekochtes*  vor,  wobei 
also  eine  Verschiebung  vom  'Kochtopf  auf  dessen  Inhalt  statt- 
gefunden hat;  gleichzeitig  kann  der  'Brei*  aber  auch  als  Inhalt 
der  'Opferschüssol'  aufgefaßt  werden  [vgl.  Nachträge]. 

In  der  Bedeutung  stehen  ai.  caruö  und  ir.  oemine  dem  slaT. 
*cemb  sehr  nahe  und  können  geradezu  direkte  Fortentwicklungen 
aus  der  vorausgesetzten  Grundbedeutung  'Feuergrube*  sein.  Da- 
bei ist  namentlich  der  sakrale  Sinn  des  ai.  Wortes  zu  beachten, 
der  gleichfalls  der  slav.  Bedeutung  'Herd'  anfangs  innegewohnt 
haben  kann  (vgl.  Schrader  Realloxikon  368).  Das  oben  erwähnte 
aisl.  htierr  weicht  in  dieser  Beziehung  viel  stärker  von  ai.conijab. 

Den  übrigen  keltischen,  sowie  den  germanischen  Worten 
haftet  die  Bedeutung  'Siedekessel*  so  stark  an,  daß  wir  diese 
wohl  als  die  ursprüngliche  ansehen  können.  Daraufhin  lassen 
sie  sich  mit  abg.  skvhrg  skvreti  'schmelzen',  sloven.  cvrhn  cvr^ 
'in  Fett  backen  oder  braten,  prägein,  rösten'  (Torbiörnsson  a.  a.  0. 
II,  80;  Miklosich  Et.  Wb.  s.  skver-)  verbinden.  Die  ursprünglichste 
Bedeutung  dieser  Sippe  war  wohl  'knistern,  prasseln*,  wenn  die 
bei  Miklosich  a.  a.  0.  genannten  Schallworte  mit  dazu  gehören; 
jedoch  ist  diese  bei  einem  Teile  primärer  Bildungen,  wie  abg. 
skvara  'Dampf,  Fett*,  poln.  skwar  'Hitze'  volllständig  verloren  ge- 
gangen, und  da  aus  'dampfen,  Dampfkessel'  ein  'Sieden,  Siede- 
kesser  leiclit  herleitbar  ist,  kann  der  Umstand  wohl  schwerlich 
stark  ins  Gewicht  fallen,  daß  sonst  diese  Worte  außerhalb  des 
Slavischen  keine  sicheren  Entsprechungen  haben.  Ahd.  acart-iiam 
*Rost',  mhd.  schart  'Tiegel,  Pfanne*,  abg.  skrada,  skürada  'Pfanne' 


Zur  slaTischen  Wortknnde.  821 

(in  jüngeren  ksl.  Quellen  auch  'Herd,  Scheiterhaufen*,  wohl  durch 
Yennischung  mit  abg.  hrada  ds.)  können  als  "^squord-  gedeutet 
werden,  denn  das  -9-  kann  im  Slavischen  interkonsonantisch  ge- 
schwunden sein  (wegen  des  Germanischen  s.  das  oben  betreffs 
mhd.  hart  Gesagte);  jedoch  dann  müßten  sie  von  lett.  skards^ 
tkarde  'Blech*,  skarda  'Sparbüchse'  getrennt  werden,  und  so  sind 
sie  doch  vielleicht  zu  ahd.  A^rrf,  slav.  *demb  usw.  zu  ziehen  trotz 
des  bei  dieser  Sippe  sonst  nicht  vorhandenen  s^Anlautes. 

Die  Bedeutungen  in  den  beiden  Sippen  berühren  sich  in 
manchen  Punkten.  So  ist  es  nur  sehr  wahrscheinlich,  dafi  die 
morphologisch  gleichartigen  Nominalbildungen  *3«r-it-  und  ^quer-n- 
im  letzten  Grunde  auf  6ine  zurückgehen,  wobei  ich  die  Priorität 
der  slavischen  Fonn  annehmen  möchte.  Übrigens  ist  ir.  eem 
sicher  und  ai.  eaniä  vielleicht  lautlich  mehrdeutig,  sodaß  volle 
Sicherheit  in  bezug  auf  ihre  Einreihung  nicht  besteht  Indessen 
kommen  die  rituellen  Momente,  sowie  die  gleich  zu  erwähnenden 
Verhältnisse  von  griech.  K^pvoc  für  die  oben  vorgetragene  Deu- 
tung in  Betracht 

Die  Ansichten  über  griech.  K^pvoc,  K^pvov  'Opferschüsser 
sind  geteilt  Entweder  wird  es  mit  aisl.  huema  usw.  verbunden, 
was  Zupitza  durch  den  für  das  Griechische  nach  Hirt  IF.  17, 
390  sehr  bedenklichen  Ansatz  *quer'  zu  bewerkstelligen  sucht 
(die  Ausdehnung  von  qu-  auf  das  Slavische  mit  Zupitza  ist  aus- 
geschlossen. Vgl.  abg.  cvht^  cmsti  'blühen',  ö.  kvit  'Blüte,  Blume'), 
oder  es  wird  mit  k-  angesetzt,  wofür  zwei  Etymologien  vorliegen. 
Unter  diesen  ist  Uhlenbecks  Anknüpfung  an  ai.  Mras  N.  'Haupt, 
Kopf,  Spitze'  (Et.  Wb.  s,  v.),  griech.  Kpdvov  'Schädel*  usw.  abzu- 
weisen wegen  der  dieser  Sippe  zugrundeliegenden  Bedeutung 
'in  die  Höhe  ragen,  starren'  (Fick  Vgl.  Wb.  I*,  423),  die  auch 
noch  in  griech.  Kpdvoc  'Helm'  Kopuc  ds.,  d.  h.  'Oberes,  Kopf- 
bedeckung' stark  hervortritt  und  sich  in  keinem  verwandten  Worte 
nach  der  Richtung  der  allgemeinen  Gefäßbezeichnung  verflüchtigt 
hat  Dagegen  ist  Hirts  (Abi.  173)  Verbindung  mit  K€pa^oc  Topf er- 
erde,  Ziegel,  Topf,  Krug'  zunächst  bestechend,  da  K^pvoc  in  der 
Hauptsache  ein  'irdenes'  Gefäß  ist  Die  weiteren  Verwandten 
griech.  KCpdwum  'mische',  ai.  irindH  'mengt,  mischt,  kocht,  brät*, 
iriiffxH  'kocht,  brät'  und  namentlich  das  ai.  kaus.  Srapdyafi  'kocht, 
brät,  röstet,  brennt'  (Töpfe  usw.)  zeigen,  daß  die  älteste  Bedeu- 
tung von  K^pa^oc  *Töpfererde,  d.  h.  Gebranntes'  ist,  wodurch 
die  schon  an  sich  höchst  unglaubhafte  Annahme  der  umgekehrten 


322  W.  T.  d.  Osten-Sacken,  Zur  slaviflchen  Wortknnde. 

Entwicklungsreihe  'Kochtopf  zu  Töpfererde'  von  Prellwitz  (Et 
Wb.  *  s.  V.)  widerlegt  wird.  Nun  besteht  eine  ungeheuere  Kluft 
zwischen  dem  jedes  *irdene'  Gefäß  bezeichnenden  x^pa^oc  und 
dem  stark  individuellen  Kdpvoc.  Dieses,  bei  Daremberg  et  Saglio 
Dict  des  Antiq.  Grecq.  et  Rom.  3, 1, 822  ff.  ausführlich  besprochene 
Gefäß,  das  nur  in  ganz  bestimmter  ritueller  Yerwendung  in  der 
ältesten  Zeit  bekannt  ist,  war  auch  ein  Unikum  in  seiner  sehr  kom- 
plizierten Konstruktion,  sodaß  es  sehr  unwahrscheinlich  ist,  daß 
es  den  Namen  von  dem  Material  sollte  bekommen  haben,  zumal  auch 
Exemplare  aus  Erz  und  Marmor  vorhanden  sind.  Über  den  In- 
halt des  Hauptbeckens  der  mit  vielen  kleineren  Ge&ßchen  ver- 
bundenen Schüssel  sind  die  Archäologen  nicht  einig;  charakte- 
ristisch aber  ist,  daß  man  als  solchen  ^Weihrauch,  brennende 
Kerzen,  Gebäck,  oder  den  KUKeübv*  (Grupper  Griech.  Belig.  u.  Kunst- 
gesch.  II,  1172*)  vorgeschlagen  hat  Nach  letzterer  Deutung 
stände  K^pvoc  in  seiner  Bedeutung  dem  griech.  xporrip  *Misch- 
krug'  (zu  Kepdwufit)  sehr  nahe,  anderseits  aber  weisen  alle  diese 
Annahmen  auf  Vorstellungen,  die  mit  denen,  die  ich  für  slav. 
*cfernb^  ai.  carüf  vorausgesetzt  habe,  enge  Berührungen  haben; 
namentlich  fällt  auch  hier  wieder  das  sakrale  Moment  sehr  stark 
ins  Gewicht  Da  nun  für  den  uridg.  Ansatz  eines  *qerfws  Teuer- 
grube, Stätte  des  heiligen  Feuers,  Gefäß,  in  dem  die  Opferspeise 
bereitet  wird  usw.'  auch  sonst  Anzeichen  genug  vorhanden  sind, 
und  da  *qer'  und  *^-,  das  erst  sekundärerweise  'brennen  trs/ 
bedeuten  kann,  durchaus  nicht  als  Parallelwurzeln  gelten  können, 
wäre  doch  die  Annahme  eines  neben  *qemo8  stehenden  *leemos 
•Gefäß,  in  dem  die  Opferspeise  bereitet  wird'  ein  Spiel  des  Zu- 
falles, mit  dem  wir  nicht  zu  rechnen  brauchen. 

8.  Slovak.  dren  'Kinnbacken',  ksl.  drincvmt  "molaris*  criwh 
vitbCb  *dens  molaris',  öech.  trenov  'Mühlstein',  ifenavec  'Backen- 
zahn' (Rank,  'Mahlzahn*),  klruss.  öerenjdk  'Backenzahn'  usw.  Als 
sichere  Entsprechung  kann  ich  nur  kymr.  cem  'Kinnbacken', 
breton.  kern  'Mühltriehter'  ansehen,  die  nach  der  Analogie  von  lat 
<iens  molaris  und  giiech.  ^uXoc  'Mühle,  Backenzahn'  sämtlich  auf 
den  Grundbegriff  des  'Zermalmenden*  zurückgehen  und  sich  gut  an 
die  weitverzweigte  Sippe  *{3)qer'  'schneiden*  anknüpfen  lassen.  Der 
Zusammenhang  mit  den  anderen  von  Zupitza  hergestellten  Worten 
ist  aber  doch  sehr  fraglich;  sie  können  ebensogut,  wie  früher 
Angenommen  wurde,  auf  ^kermo-  zurückgehen.  Sollte  breton.  kern 
•Scheitel,  Tonsur'  wirklich  ein  anderes  Wort  sein,  wie  kern  'Kopf- 


S.  Rodenbusch,  Zur  Bedeutungsentwicklung  des  griech.  Perfekts.      828 

wiTheV  (Fick  Vgl.  Wb.  n*,  81  •sommet  de  la  tete';  Zupitza  Germ. 
3utt  185;  Walde  Et  Wb.  s.  v.  cerebrum^  wo  jedoch  auch  kjrmr. 
^em  'Kinnbacken'  fälschlich  angeführt  ist)?  Da  die  Ableitungen 
ron  *qem(h  mit  der  Bedeutung  'Backenzahn',  wie  aus  obigem 
aervorgeht,  nicht  wie  kymr.  cüddant^  sloven.  kötnik  (zu  kymr.  eil 
"Winker,  sloven.  kpt  'Ecke,  Winkel')  als  Eckzahn  zu  fassen  sind, 
jo  ist  der  Zusammenhang  mit  ir.  cem  'Ecke,  Winkel*  kein  so  un- 
mittelbarer. Vielmehr  berührt  sich  dieses  sehr  eng  mit  ai.  Uras 
'Spitze',  und  wird  wie  dieses  von  der  Bedeutung 'Gipfel,  obere  Spitze' 
ausgehen,  woraus  schließlich  'Spitze,  Ecke*  werden  konnte,  sodaß  es 
mit  obigem  breton.  kern  identisch  ist  —  Anderseits  möchte  ich  aber 
iuch  auf  lit.  kerczä  'Winkel,  Gehrsaß*  (Leskien  Bildung  der  Nomina 
311)  hinweisen,  das  in  der  Betonung  nicht  zu  sldrti  'scheiden' 
[Wurzel  *(8)qer'  'schneiden'),  sondern  zu  dem  mit  Determinativ 
v-ersehenen  kertü  kifsti  'hauen'  paßt  Demgemäß  wäre  'Einschnitt, 
Spitze'  als  zugrundeliegende  Bedeutung  anzunehmen,  und  es  wäre 
fidlerdings  Verwandtschaft  mit  den  Worten  für  'Backenzahn'  vor- 
handen, aber  keine  so  ganz  nahe,  wie  Zupitza  annimmt 
Leipzig.  W.  Frhr.  v,  d.  Osten-Sacken. 


Zur  Bedeatangsentwlcklang  des  griechischen  Perfekts. 

Da  wir  nicht  wissen,  wie  das  Perfekt  zu  seinen  wesent- 
lichsten formalen  Merkmalen,  dem  Ablaut  und  den  ihm  eigen- 
tümlichen Personalendungen  gekommen  ist,  so  ist  von  dieser 
Seite  her  eine  Aufhellung  seiner  Bedeutungsentwicklung  nicht 
möglich.  Wohl  aber  erhalten  wir  in  dieser  Hinsicht  einigermaßen 
Aufschluß  durch  die  allmähliche  Ausbreitung  der  Perfektform 
auf  die  verschiedenen  Verbalstämme  sowie  die  verschiedenartige 
Verteilung  der  Genusformen  des  Verbums  auf  Präsens  und  Per- 
fektum.  Auch  Satzelemente,  die  außerhalb  der  Verbalformen  ge- 
legen sind,  können  uns  hierbei  dienlich  sein.  Und  schließlich  fin- 
den wir  in  der  Perfektbedeutung  selbst  gewisse  Anhaltspunkte  zu 
einer  Beurteilung  ihrer  allmählichen  Ausbreitung  xmd  Entwicklung. 

Als  Grundbedeutung  des  griechischen  Perfekts  wird  all- 
gemein die  Angabe  dos  auf  einer  abgeschlossenen  Handlxmg 
beruhenden  Zustandes  angesehen  (Brugmann  K.  vergl.  Gr.  565). 
Dabei  ist  freilich  hier  schon  abgesehen  von  den  im  Griechischen 


324  E.  Rodenbuscb, 

durch  oÄa  vertretenen  Präteritopräsentia,  bei  denen  durch Weitn^ 
entwicklung  der  ursprünglichen  Bedeutung  die  Yorsteümig  der 
Vorhandlung  ganz  geschwunden  ist;  und  fernerhin  Ton  Perfohi 
wie  T^TTlOa,  rdOriXa,  die  der  Bedeutung  der  entsprechenden,  sd 
es  vorauszusetzenden,  sei  es  tatsächlich  vorhandenen  Prisentii 
nahekommen.  Sie  sind  IF.  21, 132  ff.  als  jüngere  Analogiebilduiig 
aufgefaßt  worden. 

Dagegen  finden  sich,  in  Übereinstimmung  mit  der  obigen 
Formulierung,  in  der  übrigen,  weitaus  überwiegenden  Hasse 
der  Perfekte  zwei  Vorstellungen  zu  einer  einheitlichen  Gtesamt- 
vorstellung  verschmolzen:  1.  die  untergeordnete  Vorstellung  der 
abgeschlossenen  Handlung  und  2.  die  dominierende  Yorstelluiig 
des  daraus  sich  ergebenden  Zustandes.  Da  diese  als  Perfekt- 
bedeutung bezeichnete  Gesamtvoretellung  nicht  durch  einen 
einzigen  Wahmehmungsakt  perzipiert  werden  kann,  vielmehr 
beide  als  selbständig  gedachte  Vorstellungen  in  dem  Verhältnis 
von  sachlicher  und  zeitlicher  Folge  zu  einander  stehen,  so  er- 
hellt hieraus,  daß  es  sich  dabei  um  eine  zusammengesetzte,  nicht 
et^va  um  eine  noch  niclit  differenzierte  Gesamtvorstellung  handelt 
Es  ist  also  zu  einer  zuerst  allein  vorhandenen  eine  zweite  hin- 
zugetreten. Dabei  kann  nicht  die  Vorstellung  des  Folgezustandes 
die  ursprüngliche  gewesen  sein.  Denn  der  Mechanismus  zeitr 
lieber  Verechiebung,  der  durch  die  stetig  vorrückende  G^enwtrt 
des  Sprechenden  in  Gang  gesetzt  wird  (EP.  21,  135),  setzt  von 
selbst  an  Stolle  des  ursprünglich  vorhandenen  Vorgangs  den 
Folgezustand.  Dagegen  führt  kein  ebenso  elementarer  und  ein- 
deutiger Weg  vom  Folgezustand  zur  Vorhandlimg  zurück.  Der 
Ausgangspunkt  der  perfektisclien  Vorstellung  war  somit  die  dem 
Folgezustand  vorausgehende  Handlung.  Die  Handlung  aber  in 
ihrem  Verlauf,  sei  es  mit  oder  ohne  Abschluß  darzustellen,  war 
Aufgabe  der  präsentischen  Aktionsart. 

Somit  ist  die  perfektische  Aktionsart  durch  zeitliche  Ver- 
schiebung aus  der  präsentisclien  hervorgegangen,  ein  Vorgang, 
der  sich  in  historischer  Zeit,  wenn  auch  ohne  formale  Ände- 
rungen, wiederholt  hat  (IF.  21, 135  ff.).  Die  große  Mannigfaltig- 
keit der  präsentischen  Aktionsart  wurde  dabei,  ähnlich  wie  bei 
dem  Übergang  zu  aoristischer  Aktionsart  (IF.  21,  123  u.  126)  ab- 
gestreift: eine  Tatsache,  die  sich  aus  der  Art  der  Bedeutong&- 
entwicklung  unmittelbar  erklärt  Denn  während  der  durch  das^ 
Präsens  dargestellte  Verlauf  selbst  die  mannigfachsten  VariaticHien 


Zur  Bedeutungsentwicklung  des  griechischen  Perfekts.  325 

■eigen  kann,  stellt  der  Aorist  nur  einen  durch  Abstraktion  ge- 
wonnenen Moment  (a.  a.  0. 130  f.),  das  Perfekt  aber  einen  starren 
Zustand  dar.  Die  Entwicklung  von  präsentiscber  zu  perfektischer 
Bedeutung  mußte  nun  von  selbst  dahin  fuhren,  daß  die  Yor- 
tumdlung  hinter  den  Folgezustand  zurücktrat  oder,  wie  bei  den 
Präteritopräsentia,  ganz  verschwand.  Und  ebenso  erklärt  es  sich 
durch  den  kontinuierlich  von  der  einen  zur  andern  Aktionsart 
sich  vollziehenden  Übergang,  daß  sich  das  Perfekt  mit  dem  Prä- 
sens zu  einem  auf  einheiüicbem  Stamm  beruhenden  Verbal- 
system  verbunden  hat,  trotzdem  präsentische  und  perfektische 
Vorstellung  auf  real  verschiedener  Grundlage  beruhen.  Baß  die 
!^tstehung  der  perfektischen  Bedeutung  sUter  war  als  die  der 
aoristischen,  läßt  sich  vermuten;  denn  jene  deckte  ein  sachliches 
Bedürfnis,  während  diese  stilistischer  Natur  war. 

Die  Tatsache,  daß  der  auf  der  Vorhandlung  beruhende  Zu- 
stand die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Perfekts  darstellt,  von 
der  alle  weitere  Entwicklung  ausging,  reflektiert  sich  noch  in 
seiner  im  Vergleich  zum  Präsens  häufiger  begegnenden  intransi- 
tiven Bedeutung  imd  im  Zusammenhang  damit  in  dem  eigen- 
tümlichen Vorwiegen  seiner  aktiven  Endungen. 

Weitaus  die  meisten  homerischen  Perfekta  kommen  in  in- 
transitiver oder  passivischer  Verwendung  vor.  Von  den  passiven 
Perfekta  sehen  wir  zunächst  ab,  da  die  Entstehung  des  Passivs 
erst  jungem  Datums  ist  Unter  den  intransitiven  Perfekta  be- 
finden sich  einige,  deren  Präsentia  transitiv  waren,  so  dpapioctfi 
und  reuxui.  0uui  war  zwar  ursprünglich  intransitiv  (Delbrück 
Vergl.  Synt  2,417);  als  es  jedoch  transitiv  wurde,  behielt  doch 
ir4q)UKa  die  im  Perfekt  fester  haftende  intransitive  Bedeutung. 
Bei  andern  Verben  wie  icttuli,  ^rJTvu|ii  erklärt  sich  die  intransi- 
tive Bedeutung  des  medialen  Präsens  erst  aus  der  besonderen 
Wendung  des  medialen  Sinnes;  es  standen  also  auch  in  solchen 
Fällen  vielleicht  einmal  ausschließlich  transitives  Präsens  und 
intransitives  Perfekt  gegenüber. 

Somit  ersclieint  die  Annahme  gerechtfertigt,  daß  das  Per- 
fekt anfänglich  wenn  nicht  ausschließlich,  so  doch  überwiegend 
in  intransitivem  Sinne  gebraucht  wurde.  Diese  Erscheinung  steht 
in  innerem  Zusammenhang  mit  der  Entstehung  der  perfektischon 
Aktionsart  Auf  dem  Wege  zeitlicher  Verschiebung  konnte  sich 
aus  der  präsentischen  Aktionsaii:  zunächst  nur  dann  die  perfek- 
tische als  selbständige  grammatische  Kat^orie  herausbilden,  wenn 

Indogermanische  Forschungen  XXII.  22 


324  E.  Rodenbuscb, 

durch  oÄa  vertretenen  Präteritopräsentia,  bei  denen  dnrchWeiteF- 
entwicklung  der  ursprünglichen  Bedeutung  die  Yorst^Oting  der 
Vorhandlung  ganz  geschwunden  ist;  und  fernerhin  von  Perfekti 
wie  T^TTlOa,  t^OtiXo,  die  der  Bedeutung  der  entsprechenden,  sei 
es  vorauszusetzenden,  sei  es  tatsächlich  vorhandenen  Präsentia 
nahekommen.  Sie  sind  IF.  21, 132  ff.  als  jüngere  Analogiebildung 
aufgefaßt  worden. 

Dagegen  finden  sich,  in  Übereinstimmung  mit  der  obigen 
Formulierung,  in  der  übrigen,  weitaus  überwiegenden  Hasse 
der  Perfekte  zwei  Vorstellungen  zu  einer  einheitlichen  Oesamt- 
vorstellung  verschmolzen:  1.  die  imtergeordnete  Vorstellung  der 
abgeschlossenen  Handlung  und  2.  die  dominierende  Vorstellung 
des  daraus  sich  ergebenden  Zustandes.  Da  diese  als  Perfekt- 
bedeutung bezeichnete  Gesamtvorstellung  nicht  durch  einen 
einzigen  Wahmehmungsakt  perzipiert  werden  kann,  vielmehr 
beide  als  selbständig  gedachte  Vorstellungen  in  dem  Verhältnis 
von  sachlicher  und  zeitlicher  Folge  zu  einander  stehen,  so  er- 
hellt hieraus,  daß  es  sich  dabei  um  eine  zusammengesetzte,  nicht 
etwa  um  eine  noch  nielit  differenzierte  Gesamt\'orstellung  handelt 
Es  ist  also  zu  einer  zuerst  allein  vorliandenen  eine  zweite  hin- 
zugetreten. Dabei  kann  nicht  die  Vorstellung  des  Folgezustandes 
die  ursprüngliche  gewesen  sein.  Denn  der  Mechanismus  zeit- 
licher Verschiebung,  der  durch  die  stetig  vorrückende  Gegenwart 
des  Sprechenden  in  Gang  gesetzt  wird  (EP.  21,  135),  setzt  von 
selbst  an  Stolle  des  ursprünglich  vorhandenen  Vorgangs  den 
Folgezustand.  Dagegen  führt  kein  ebenso  elementarer  und  ein- 
deutiger Weg  vom  Folgezustand  zur  Vorhandlung  zurück.  Der 
Ausgangspunkt  der  perfoktischen  Vorstellung  war  somit  die  dem 
Folgezustand  vorausgellende  Handlung.  Die  Handlung  aber  in 
ihrem  Verlauf,  sei  es  mit  oder  ohne  Abschluß  darzustellen,  war 
Aufgabe  der  präsentischen  Aktionsart 

Somit  ist  die  perfektische  Aktionsart  durch  zeitliche  Ver- 
schiebung aus  der  präsentisclien  herv^orgegangen,  ein  Vorgang, 
der  sich  in  historischer  Zeit,  wenn  auch  ohne  formale  Ände- 
rungen, wiederholt  hat  (IF.  21, 135  ff.).  Die  große  Mannigfaltig- 
keit der  präsentischen  Aktionsart  wurde  dabei,  ähnlich  wie  bei 
dem  Übergang  zu  aoristischer  Aktionsart  (IF.  21,  123  u.  126)  ab- 
gestreift: eine  Tatsache,  die  sich  aus  der  Art  der  Bedeutongs- 
entwickliing  unmittelbar  erklärt.  Denn  während  der  durch  das« 
Präsens  dargestellte  Verlauf  selbst  die  mannigfachsten  Variationen 


Zur  Bedeutungsentwicklang  des  griechischen  Perfekts.  827 

auszeichneten  1).  In  diesen  Endungen  fand  ursprünglich  jene  eigen- 
tümliche Verbindung  von  Aktionsart  und  intransitiver  Bedeutung 
ihren  Ausdruck.  Zu  aktiven  Endungen  wurden  sie  erst,  als  man 
bei  der  Übertragung  der  Perfektaktion  auf  transitive  Verba 
iß.  u.)  das  Bedürfnis  empfand,  Aktiv  und  Medium  auch  im  Perfekt 
XU  differenzieren;  vgl.  Delbrück  a.a.O.  415. 

Freilich  steht  dieser  Auffassung  anscheinend  der  Umstand 
im  Wege,  daß  auch  das  mediale  Perfekt  in  der  1.  und  3.  Person 
Sing,  ursprünglich  (in  vorgriechischer  Zeit)  besondere  Endungen 
hatte.  Die  Besonderheit  der  perfektischen  Personalendungen 
könnte  demnach  nicht  für  die  perfektisch-intransitive  Bedeutung, 
soweit  sie  über  dem  Gegensatz  von  Aktivum  und  Medium  stand,  in 
Anspruch  genommen  werden.  Die  auf  -ai  ausgehenden  Endungen 
der  1.  und  3.  Sing.  Perf.  Med.  können  jedoch  jünger  sein  als  die 
Entstehung  des  intransitiven  Perf.  Akt  Sie  sind  vielleicht  nur  eine 
an  -mai  und  -tai  angelehnte  Übertragung  von  -a  und  -e  ins  Medium. 

Nach  dem  Muster  intransitiver  Verben  konnten  nun  auch 
transitive  die  Zustandsbedeutung  des  Perfekts  in  der  ursprüng- 
lichen Weise  entwickeln,  wenn  der  Zustand  nicht  nur  am  Ob- 
jekt, sondern  auch  am  Subjekt  sichtbar  wurde,  wie  bei  K^KTimai, 
€upTiKcu  etXricpa.  Viel  stärker  aber  wurde  der  Kreis  der  Perfekta 
durch  die  Ausbildung  des  Passivs  erweitert;  bei  Homer  sind 
wohl  die  meisten  Perfekta  passivisch.  Der  Grund  der  Affinität 
zwischen  Perfekt  und  Passiv  war  derselbe  wie  der,  der  das  Perfekt 
zuerst  an  Intransitiven,  die  ja  dem  Passiv  bedeutungs verwandt 
waren,  erwachsen  ließ.  Hier  wie  dort  konnte  sich  die  Bedeutung  der 
Zuständlichkeit  am  freiesten  entfalten.  Die  Annahme  Bimgmanns 
K.  vgl.  Gr.  601,  daß  das  Passiv  vielleicht  an  Perfekta  wie  fcrpujTai 
ins  Leben  getreten  sei,  scheint  mir  dadurch  nicht  bedingt;  viel- 
leicht war  die  Differenzierung  zwischen  Aktiv  und  Medium  im 
Perfekt  noch  gar  nicht  durchgeführt,  als  das  aus  dem  Medium 
entwickelte  Passiv  anderwärts  schon  auftrat  Das  Passiv  hatte 
vielmehr  zu  allen  Tempora  die  gleiche  Tendenz,  dagegen  siedelte 
sich  das  Perfekt,  seiner  Bedeutung  entsprechend,  vorzugweise 
im  Bereiche  des  Passivs  an,  nicht  umgekehrt  Sobald  also  ein- 
mal das  Perfekt  zur  Unterscheidung  aktiver  und  medialer  und 
weiterhin  auch  passiver  Diathese  befähigt  war,  breitete  es  sich 
stärker  als  andere  Tempora  im  Passiv  aus,  obwohl  es  erst  später 
zu  dieser  Diathese  Zutritt  erlangt  hatte. 

1)  Nach  ursprünglicher  Verteilung  vielleicht  auch  die  1.  Person 
plar.  (Brugmann  K.  Vgl.  Gramm.  591).  22* 


aeS  E.  Rodenbnscrk, 

Wafarsefaeinlic^  schon  in  uTÜg,  Zeit  hatte  das  PerfiBkt  < 
Erweiterong  über  die  nrRprünglichen  Grrenzen  seiner 
erfahren.  I>rs  Perfekt  winrde  nonmefar  nach  Amdogie  das  ent- 
geschaffenen Tjpus  auch  von  solchen  V^ben  gebiMet^  bei  den^i 
sich  ein  realer  Folgezustand  des  Subjekts  aus  der  Haadkiiif 
nicht  ergab,  z.  B.  Demosth.  1,  22  Morfvnciav  KCiajuXumicnr  TUxCepa 
Allerdings  folgt  dem  abgeschlossenen  Vorgang  ein  an  dem  Objekt 
haftender  Zustand,  und  Delbrück  (a.a.O.  217)  wie  Brvgmaa 
(Gr.  Ghr.  ^  479)  sehen  das  W^en  solcher  Perfekta  eben  dan% 
daß  die  Wirkung  der  Handlung  am  Objekt  sichtbar  wisd.  Ab« 
diese  Vorstellung  des  am  Objekt  sichtbar  werdeode»  ZustendK 
liegt  keineswegs  in  der  Verbindung:  Subjekt  +  Perfekt  +  Objekt 
selbst,  sondern  kann  daraus  doch  erst  auf  dem  Wege  der  SeUof- 
folgerung  gewonnen  werden,  was  in  deutschen  Übenetzangea 
wie  XeXuKotci  'sie  haben  gelöst,  und  er  ist  nun  los'  deutlie)»  xma 
Ausdruck  kommt.  Nach  allseitig  durchgeführter  spraeUieber 
Gewöhnung  gelten  die  formalen  Elemente  der  Verbalbedeutung 
nicht  etwa  vom  Standpunkt  des  Objekts,  sondern  nur  des  Sab»- 
jekts^);  für  dieses  aber  ergibt  sich  im  obigen  Falle  kein  fod 
bestimmter  Zustand  aus  dem  Abschluß  der  Handlung. 

Indem  jedoch  der  Typu^  XeXuKa  dem  Typus  ledvnw»  9tUh 
logisch  nadigesehaffen  wurde,  so  stellte  sich  auch  hier  neben 
der  Vorstellung  der  abgeschlossenen  Handlung  die  eines  in  der 
Gegenwart  des  Sprechenden  weiter  bestehenden  ZuStandes  ein. 
Da  die  reale  Unterlage  fehlte,  so  wurde  die  Vorstellung  von 
selbst  auf  ein  abstrakteres,  geistigeres  Gebiet  übergeführt  An 
die  Stelle  eines  real  vorhandenen  Zustandes  trat  die  Vorstellung 
einer  irgendwie  gearteten,  von  der  abgeschlossenen  Handtnng 
aus  in  die  (legenwart  des  Sprechenden  reichenden  Besiehung 
oder  Bedeutung ;  X^XuKa  ist  also  im  Hinblick  auf  die  C^enwart 
gesagt  In  den  Reden  des  Demosthenes  trägt  das  stark  hervor- 
tretende Perfekt  mit  dazu  bei,  den  aktuellen  Charakter  der  Rede  sa 
erhöhen ;  auch  was  vergangen  ist,  wird  dadurch  in  wirksame  Be- 
ziehung zur  Gegenwart  gesetzt.  In  einer  Verbindung  wie  XcXuHXi 
Totc  CTiovbdc   kann  sich  weiterhin  von   hier  aus  die  Bedeutung 


1)  Soweit,  was  uns  hier  nichts  angeht,  nicht  der  Standpunkt  des 
Redenden  in  dorn  Bedeutungscharakter  der  Verbalform  seinen  Ausdraek 
fand,  wie  bei  den  Tempora  und  in  der  Regel  bei  den  außerindikativischeii 
Modi ;  vgl.  dazu  Brugmann  Gr.  Gramm.  ^  §  551.  1. 


Znr  fiedentniigBentwiekking  des  griechiBcheii  Perfekts.  329 

4w  Perfekts  zu  «ioem  dem  Subjekt  anhaftendea  geistigen  Za- 
ttKoA  verdichten  ('sie  sind  vertragsbrüchig'). 

Andrerseits  tritt  da,  wo  die  Vorstellung  eines  realen  Folge- 
austandes  sich  verflüchtigt,  mit  dem  Schwinden  der  auf  die 
Gegenwart  sielenden  Beziehung  die  Bedeutung  des  Yorüberseins 
der  Handlung  wieder  stärker  hervor.  Dies  bedeutet  eine  An- 
näiherang  an  den  Aorist  und  hat  bekanntlich  in  der  spätem 
GM&zität  eine  wirkliche  Vermischung  beider  Tempora  herbeige- 
führt (Brugmann  Gr.  6r.  ^  494 f.);  vgL  auch  schon  Demosth.  19, 
206  oöt'  i^iwxXnca  oöre  ßeßiacibiaL  Für  das  Hervortreten  der  Ver- 
l^genheitsbedeutuDg  führt  Delbrück  215  eine  Anzahl  Beispiele 
an;  namentlich  ist  beweisend  p  371  t^  -^dp  }x\v  irpöcOev  öiruma; 
femer  Eurip.  Holen.  226  iv  KÜiiaciv  ßiorov  XeXoiirev.  Auch  in- 
transitiv und  passiv  gebrauchte  Perfekta  können  an  dieser  Ent- 
wicklung teilnehmen.  So  ist  zwar  ßeßitüxe  sachlich  dasselbe  wie 
Te^K€  und  kann  den  auf  den  abgeschlossenen  Vorgang  des 
Lebens  folgenden  Zustand  des  Totseins  bezeichnen.  Es  kann  aber 
«ach  der  Nachdmck  auf  die  Verweisung  des  Vorgangs  in  den 
Zeitraum  der  Vergangenheit  gelegt  werden;  so  Isoer.  15,  27 
oÜTUJ  ßeßiuiica  töv  TrapeXGovra  xpövov.  Ähnlich  in  der  auf  die 
Katilinarier  bezüglichen  Äußemng  Ciceros  vixerunt^  und  noch 
entschiedener  in  Virgils  fuimus  Troes,  Für  das  Passiv  bringt 
Bmgmann  a.  a.  ü.  478  Beispiele  bei. 

Eis  entspricht  wiederum  der  Entstehung  der  perfektischen 
Aktionsart,  wenn,  ähnlicli  wie  beim  Aorist,  in  zahlreichen  Fällen 
der  Abschluß  der  Handlung  erst  an  der  Schwelle  der  Gegenwart 
erfolgt;  vgl.  Delbrück  215,  wo  namentlich  Beispiele  für  das  zu- 
sammenfassende Perfekt  angeführt  werden.  Aber  auch  bei  Einzel- 
Torgängen  steht  es  in  dieser  Weise;  so  Soph.  El.  73  dpr\Ka  [liv 
vuv  Tauia;  Plat  Prot  328  C  toutov  Xotov  eifpriKa;  aKTiKOore  (iiüpd- 
lorre)  nach  der  Zeugnisverlesung  bei  den  Rednern. 

Daß  in  der  Tat  zuweilen  mehr  der  Gedanke  der  Verweisung 
ftB  die  Vergangenheit  bei  dem  Gebrauch  des  Perfekts  vorschwebte, 
als  der  daraus  entwickelte  Zustand,  läßt  sich  gegebenen  Falls 
auch  an  adverbialen  und  präpositionalen  Bestimmungen  erkennen. 
Freilich  der  Gebrauch  von  eic  in  Fällen  wie  E  204  aördp  ireilöc 
de  "IXiov  eiXrjXouBa  ist  mit  Rücksicht  auf  irapf^cav  eic  noch  kein 
zwingender  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung.  Aber 
4er  überwiegende  Gebrauch  von  bewegunganzeigenden  Präpo- 
flitioiien  bei  Perfekta,  deren  Präsentia  Verba  der  Bewegung  sind, 


330     E.  Rodenbusch,  Zur  Bedeutangsentwicklung  des  giiech.  Perfekti. 

läßt  doch  kaum  eine  andere  Auffassang  zu,  als  daß  die  Yor- 
stellung  der  in  die  Vergangenheit  gerückten  Handlung,  nicht  aber 
der  daraus  sich  ergebende  bewegungslose  Zustand  das  Wesent- 
liche ist  Auch  Zusätze,  wie  irpocöev  p  371;  vnöc  dw'  dXXorpinc 
uj  300 ;  iv  Ku|iaa  Eurip.  Hei.  226 ;  töv  irapeAGövra  xpövov  Isokr.  15, 
27  lassen  die  präsentische  Auffassung  als  gekünstelt  erscheinen. 
Bei  diesem  Doppelcharakter  des  Perfekts  verstehen  wir  es  wohl, 
wenn  das  Altertum  das  Perfekt  bald  als  Tempus  der  Yergangenheit, 
bald  als  Tempus  der  Gegenwart  auffaßt  Aber  auch  da,  wo  das 
Perfekt  als  Tempus  der  Vergangenheit  aufgefaßt  werden  mofi, 
ist  doch  stets  die  Beziehung  auf  die  Gegenwart,  die  Herstellung 
eines  geistigen  Bandes  zwischen  vergangenem  Ereignis  und  der 
Gegenwart  des  Sprechenden  festgehalten. 

Es  ist  also  auch  in  dem  Perfekttypus  X^Xuko  schon  ein  be- 
deutender Schritt  von  dem  ursprünglichen  zu  dem  Zustand  der 
nachalexandrinischen  Zeit  zu  erkennen.  Lange  Zeit  aber  hatte  das 
Griechische  die  Abstraktionen,  die  durch  den  jungem  Perfekt- 
typus auf  der  einen  und  den  ingressiven  und  effektiven  Aorist 
auf  der  andern  Seite  vertreten  sind  (IF.  21,  1301),  auseinander- 
gehalten, obwohl  der  genannte  Perfekttypus  und  der  effektive 
Aorist  gegen  einander  konvergierten:  ein  Beweis  dafür,  daß 
das  Griechische  ein  außerordentlich  feines  Gefühl  für  aktioneile 
Differenziening  liatte.  Im  Lateinischen  und  vielleicht  auch  Ger- 
manischen waren  jene  Tempora  vor  Beginn  der  Überlieferung 
in  ein  Tempus  zusammengeflossen,  was  hauptsächlich  durch  das 
Zurückweichen  der  ingressiven  und  effektiven  Bedeutung  des 
Aorists  vor  der  konstatierenden  bewirkt  sein  muß.  Im  Latei- 
nischen trat  an  Stelle  beider  Tempora  bekanntlich  ein  Misch- 
tempus, im  Germanischen  geschah  entweder  dasselbe  (vgl.  Janko 
IF.  20,  262  ff.)  oder  es  fand  Verdrängung  des  Aorists  statt 

Vergleiciit  man  liiermit,  was  IF.  21, 126  über  das  Verhält- 
nis von  Präsens  und  Aorist  gesagt  worden  ist,  so  leuchtet  ein, 
daß  die  starre  schematische  Abgrenzung  der  Aktionsarten  wohl 
zur  Orientierung  nützlich  ist,  aber  nicht  die  historische  Ent- 
wicklung sowie  die  dadurch  bedingte  Mannigfaltigkeit  der  Diffe- 
renzienmg  erkennen  läßt 

Noch  eine  andere  allgemeine  Bemerkung  möge  hier  Platz 
finden.  Man  sieht  allgemein  in  den  verschiedenen  Aktionsarten 
des  griechischen  Verbums  Erscheinungen,  die  alle  auf  demselben 
Boden  erwachsen  sind.  Zum  Zwecke  genauerer  Orientierung  er- 


W.  van  Hellen,  Zu  IF.  20,  861  ff.  881 

geben  sich  jedoch  von  selbst  zwei  Gruppen.  Auf  der  einen  Seite 
schließen  sich  alle  Varietäten  des  Präsensstammes  in  ihrem 
Wesen  zu  einer  einheitlichen  Gruppe  zusammen  gegenüber  der 
Beihe,  die  durch  das  Präsens  in  seiner  Gesamtheit,  das  Perfek- 
tum  und  den  Aorist  vertreten  wird.  Jene  Varietäten  der  Prä- 
sensaktion stellen  die  Handlungen  in  ihrem  Verlauf  nach  den 
in  der  Wirklichkeit  gegebenen  verschiedenartigen  Merkmalen 
dar;  als  solche  werden  sie  schon  von  Anfang  an  Elemente  der 
Yerbalbildung  gewesen  sein,  ja  z.  T.  aus  einer  Zeit  stammen,  wo 
sich  Nomen  und  Verbum  noch  nicht  formell  von  einander  ge- 
trennt hatten.  Anders  verhält  sich  die  Reihe:  Präsens,  Perfekt 
und  Aorist.  Aus  der  präsentischen  Aktionsart  haben  sich  Per- 
fekt und  Aorist  durch  zeitliche  Verschiebung  entwickelt,  und 
zwar  ein  Teil  des  Perfekts  und  der  Aorist  erst  in  späterer  Zeit 
Nur  der  älteste  Perfektiypus  bezeichnet  gegenüber  der  Präsens- 
aktion eine  sachlich  selbständige  Vorstellung  und  reicht  deshalb 
vielleicht  auch  in  dieselbe  Zeit  zurück  wie  die  ältesten  Typen 
der  pi'äsentischen  Aktionsunterschiede.  Die  jungem  Perfekta  so- 
wie der  Aorist  waren  Weiterbildungen  wesenüich  stilistischer 
Natur,  die  durch  allmählichen  Bedeutungswandel  zu  der  Funk- 
tion gelangten,  den  Ausdruck  über  naturgetreue  Objektivität  in 
die  Sphäre  geistiger  Subjektivität  zu  erheben. 

Duisburg-Meiderich.  E.  Rodenbusch. 


^' 


■C 


v<? 


Zq  IF.20,  861ir. 


jx  ■  Aus  dem  Artikelchen  "Die  Entstehung  von  -öz-  in  der 
•^  germ.  Komparation"  ersehe  ich,  daß  der  Verfasser  desselben  das 
IF.  16,  65  f.  über  dies  Suffix  ausgeführte  oberflächlich  gelesen. 
Sonst  hätte  er  es  ja  unterlassen,  einerseits  als  seine,  von  meiner 
Ansicht  abweichende  Fassung  vorzubringen,  was  bereits  IF.  16, 
65  gesagt  wurde,  andrerseits  mir  die  unmögliche  Behauptung 
zuzuschieben,  daß  die  Substituierung  von  -äz-  für  -iöz-  bezw. 
"jOsh  bei  der  Komparativbildung  zu  o-Stämmen  die  Folge  ge- 
wesen sei  von  Analogiebildung  nach  -io«-,  -iöz-  zu  Positiven 
mit  -»0-,  -10-,  -f(-).  Nach  der  von  mir  vertretenen  Ansicht  hätten 
wir  folgende  Entwicklimg  zu  statuieren: 


332  C.  Marstrander, 

1.  durch  Einfluß  der  h-  bezw.  -^losen  Suffixe  des  Poo- 
tivs  der  o-Stämme  entstand  im  Komparativ  neben  -t»-  ein  Suffix 
-äz-  für  -iöZ'  bezw.  -iöz-  (s.  IF.  16,  65); 

2.  die  so  durch  Verwendung  von  -öa-  und  -£p-  in  im 
Majorität  der  Komparativbildimgen  zur  Norm  gewordenen  Doppel- 
suffixe beeinflußten  die  Minorität,  d.  h.  die  zu  -t-  bezw.  -f 
haltigem  Positiv  gebildeten  Komparative;  es  wirkte  hier  abo 
der  nämliche  Faktor,  der  die  Verallgemeinerung  der  Adverbien 
auf  altes  -o-  bezw.  -f,  d.  h.  die  Ven^  endung  der  -v-  bezw.  -f4o8e» 
Suffixe  auch  beim  nicht  zu  o-Adjektiven  stehenden  Adveib 
veranlaß  te; 

3.  von  -öe-  und  -te-  der  zu  -»-  bezw.  -;t*haltigem  PosiÜT 
stehenden  Komparative  kam  in  der  Folge  ersteres  außer  Ge- 
brauch, indem  das  -t-,  -f-,  -t  des  Positivs  eine  Vorliebe  für 
-iz-  hervorrieft). 

Strömbergs  Behauptung  (20,  362)  "Femer  muß  in  Betracht 
kommen,  daß  die  Komparativsuffixe  wohl  immer  noch  in  der 
Regel  an  die  Wurzel  antraten;  wemi  nun  -öz-  als  Träger  des 
Steigerungsbegriffes  empfunden  wurde,  mußte  es  auch  den 
Wurzeln  der  -lo- Stämme  angehängt  werden"  erfordert  keine 
Widerlegung. 

(Ironingen.  W.  van  Helten. 


Germ,  rukkan-  ^x 

habe  ich  IF.  XXI,  346  ff.  aus  ^uftkon-  erklärt  und  auf  die  Wurzel 
*uert  Mrehen'  bezogen. 

In  formeller  sowie  in  begrifflicher  Hinsicht  wird  man  gegen 
diese  Etymologie  kaum  einen  erhebliclien  Einwand  machen  können. 
Damm,  daß  idg.  uf  vor  Konsonant  in  vielen  Fällen  durch  ru  ver- 
treten wird,  kommt  man  doch  nicht  vorbei.  Und  was  das  -tk"  betrifft, 
so  bin  ich  noch  nicht  davon  überzeugt,  daß  dies  im  Urgenna- 
nischen  in  -sk-  verschoben  sei.  Brugmann  vermutet  zwar  Grdr.*  2, 
702  f.  für  das  -sk-  mehrerer  germanischen  Wörter  einen  derartigen 


1)  Die  IF.  16,  GG  als  Parallele  zu  diesem  Vorgang  herangezogene 
Entstehung  der  Adverbialbildungen  vesfe,  ide  usw.  möchte  ich  jetzt  lieber 
auf  Rechnung  der  Einwirkung  des  umgelauteten  Vokals  bezw.  Diphthongs 
der  Adjektive  stellen. 


Germ,  rukkam-  83B 

ÜTqnnng,  aber  er  hat  seine  Annahme  kaum  mit  einem  einsigeii 
Euverlässigen  Beispiel  belegt  Wenn  ich  nichtsdestoweniger  meiiUD 
eigene  Etymologie  verwerfen  mufi,  so  sind  für  mich  dazu  in 
erster  Reihe  die  beiden  folgenden  Wörter  bestimmend  gewesen  : 
das  bei  O'CIery  aufgeführte  irische  ruckt  i,  inar  und  das  ger- 
manische  ^rukhp-  im  altnorw.  rokkr^  ahd.  roc.  Die  Übereinstim- 
mnng  in  Form  und  Bedeutung  zwischen  diesen  Wörtern  wir* 
schwerlich  eine  zufällige  sein,  und  da  das  gerro.  *rulcka-  mit 
^rukkan-  'Spinnrocken'  eng  zusammenzugehören  scheint,  so  kann 
•niArfain-  nicht  aus  *uftk(m-  entstanden  sein.  Die  Wörter :  germ. 
^rukkan-  "Spinnrocken*,  *rtjJcka-  'gesponnenes  Kleid,  Rock*,  ir. 
*r%üetU'  'rokkr'  weisen  alle  auf  eine  Wz.  ruklg-  'drehen'  hin,  welche 
aber  nirgends  belegt  ist  Nehmen  wir  aber  für  das  ru-  Ent- 
stehung aus  älterem  uf-  an,  so  ergibt  sich  die  aus  beinahe  allem 
idg.  Sprachen  bekannte  Wz.  ^uerg-  'drehen,  flechten',  zu  welcher 
imsere  Wörter  sich  ganz  ungezwungen  stellen  lassen.  "'rtcArJran- 
aus  ^ufg-n-ir^  zeigt  doppeltes  n-Suffix  ganz  wie  ^sunndn-^  *rukkar 
ist  ein  altes  Partizipium,  aus  ^ufgnd-  ('das  Gesponnene')  entstanden, 
nnd  ^ruk-tu-  aus  *ufg-tii-  eigentlich  ein  Abstraktum  zu  derselben 
Wurzel. 

Die  Beurteilung  dieser  Wurzel  ist  in  vielen  Fällen  sehr 
schwierig  ^).  Das  gesamteMaterial  wieder  hervorzuziehen,  liegt  außer 
dem  Zwecke  dieses  Aufsatzes.  Nur  möchte  ich  in  aller  Kürze  auf 
folgendes  aufmerksam  machen :  Neben  idg.  "^uerg-  'drehen'  stand 
in  der  idg.  Ursprache  eine  mit  palataleni  Guttural  determinierte 
Wz.  *uer^'j  an  der  schon  damals  die  Bedeutung  'tun,  wirken' 
haftete.  Dies  ergibt  sich  aus  mehreren  iranischen  Wörtern,  die 
in  andern  idg.  Sprachen  ihre  genauste  Entsprechung  finden.  So 
z.  B.  aw.  wr92'  'wirken'  (im  Gegensatz  zu  denken  und  sprechen, 
s.  Bartholomae),  das  nicht  vom  germ.  *uurkian-  (vielleicht  auch 
nicht  vom  mir.  fairged  'machtf)')  getrennt  werden  kann*).  Besonders 
bemerkenswert  ist  die  völlige   Übereinstimmung  zwischen  aw. 

1)  Außer  der  in  Bartholomaes  Iran.  Wb.  S.  1426  a  erwähnten  Literatur, 
vgl.  noch  Meringer  IF.  17,  153  ff.  und  Walde  Et.-Lat.  Wb.  S.  659  f. 

2)  Interessant  ist  die  Übereinstimmung  zwischen  aw.  frä-vardz- 
(z.  B.  Vidövdät  3,  21 :  yezida  JU  ant/a  aya  Syaof^na  fravarSta :  *wenn  er 
aber  andere  Übeltaten  nicht  begangen  hat')  und  got.  frawaurkyan.  Ebenso 
die  zwischen  aw.  ua-vctr?»-  (uavanzdi  'um  wieder  gut  zu  machen'  [was 
von  mir  falsch  getan  wurde]  s.  Barth.  S.  1378)  und  got.  ustoaürkts  (opp. 
frmwaürhts  Matth.  9,  13).  Got.  U8  ist  freilich  vom  iran.  us  etymologisch  ver- 
schieden, stimmt  aber  im  Gebrauch  öfters  mit  diesem  ttberein. 


334  C.  Marstrander,  Germ.  mU»»-. 

V9r9zya^^  N.  'Arbeit'  und  dem  gleichbedeutenden  altnorw.  yrld^ 
und  die  zwischen  aw.  i7ar»sa-  (freilich  Mask.)  und  *^er§o-  in 
Neutren  griech.  ?pTov,  gerni.  *uerka-.  Neben  *yierg-  'drehen*  koi 
(mindestens  im  Baltisch-Slavischen)  ein  *iwr^-  mit  derselben 
deutung  vor,  aber  dem  *|»r^-  Virken'  steht,  mir  bekannt,  nirge 
ein  *uerg'  oder  überhaupt  irgendeine  Wurzelvariante  zur  S< 
Es  scheint  mir  deshalb  ziemlich  kühn,  wenn  Meringer  und  mit  i 
auch  andere  Gelehrte  annehmen,  diese  Wurzeln  seien  eigentl 
identisch.  Die  semasiologischen  Schwierigkeiten  wollen  sie  du 
die  Annahme  beseitigen,  daß  *uerg-^  weil  im  Indogennaniscl 
auf  die  Weberei  angewendet,  zu  einem  Ausdruck  für  *8cbafl 
sich  produktiv  betätigen*  überhaupt  wurde.  Dazu  ist  jedoch 
bemerken,  daß  diese  Bedeutungsentwicklung  sich  in  einer  s 
frühen  Zeit  der  indogermanischen  Gemeinschaft  vollzogen  bal 
müßte,  und  das  will  mir  nicht  einleuchten.  Man  wäre  wohl 
dem  Falle  auch  imstande  gewesen  eine  derartige  Entwickle 
bei  einer  so  weit  verbreiteten  Sippe  näher  zu  verfolgen. 

Das  folgende  Verzeichnis  enthält —  ohne  auf  Vollständigk 
Anspruch  zu  machen  —  eine  Zusamenstellung  von  Wörtern, 
meines  Erachtens  zur  Wz.  ^uerg-  'drehen*  gehören. 

Basis  uere[n]g  'drehen,  flechten,  spinnen*. 

Akzent  I,  idg.  *uerg  :  *uSrgeti,  skr.  vdrjati,  lat.  vergü,  lett  we 
'drehen,  wenden*,  sawergt  'einschrumpfen',  lit.  verfiü^  wr 
'einengen,  schnüren',  altnorw.  tirgül  'Strick,  Schnur*,  al 
werih  'Werg',  kymr.  cy-warch.  Kaum  hieher  skr.  valgd  F.  "Zau 
Zügel',  das  besser  zum  lett  tvalgs  'Schnur*  gestellt  wird.  Ül 
lat  virga  'Rute'  und  skr.  valguHkä-  'Kiste,  Kasten*  ist  nid 
Sicheres  zu  sagen. 

Akzent  II,  a)  idg.  *ure\n]g^  *\fyo[n\g :  skr.  vrajä-  'Zaun,  Umhegui 
Hürde'»),  ir.  fraig  'Wand'^)  (vgl.  skr.  kudya-  zu  *kert'\  (fraif 
Grdf.  *urogi'^  lit  rengtis  'sich  biegen',  ags.  wrenc  'Krümmui 
Drehung,  Ränke',  wrencmC  drehen',  icrincle  'Runzel*,  altnor 
rangr  'schief,  unrecht'  und  mehrere  germ.  Wörter,  s.  besond( 
Falk  u.  Torp  Ordbog  vrang. 

b)  idg.  *urig,  urög  :  gr.  ^fjToc  Teppich',  ^üjE  'eine  Spinnenai 

1)  Skr.  vraja-  Trupp,  Schwann'  ist  eigentlich  dasselbe  Wort ;  es 
derselben  Bedeutungsentwicklung  unterworfen  gewesen  wie  altnorw.  Hd 
"Schar',  vgl.  rida  'drehen,  flechten*. 

2)  Mir.  Im  neuirischen  ist  die  Bedeutung  'Dachsparren'  all« 
herrschend.  Atkinsons  fraige  Ancient  Laws  VI,  414  muß  bestimmt  x 
richtig  sein. 


W.  Stokes,  9-Presents  in  Irish.  33& 

MinJmalstufe  I  mit  Ausstoßung  der  folgenden  Silbe :  idg.  *^fg :  rug^ 
*tipig  :  rung  :  skr.  vjjind-  'krumm,  falsch',  abg.  vrbzq  *binden% 
altnorw.  urga  *Seilstumpf ,  as.  umrgil  *Strick',  germ.  *rukkan- 
*Spinnrocken',  *rukka-  'das  Gesponnene',  ir.  ^ruktU"  *das  Spinnen, 
das  Gesponnene'.  Hieber  kann  auch  das  von  Falk  u.  Torp 
(Ordbog,  Anhang  I,  rok)  mit  *rukkan-  verglichene  schwedische 
rukka  'hin  und  her  bewegen'  gehören.  Hinsichtlich  der  Bedeu- 
tung entsprichtgenau  das  verwandte  skr.  varjaycUi  in  Wendungen 
wie  mürdhdnam^  irötrdni  varjayati  Bemerkenswert  ist  schwed. 
runka  mit  eingeschobenem  Nasal,  vgl.  skr.  med.  pp%kU  (statt 
*runktS  durch  Systemzwang). 
Minimalstufe  II  mit  Ausstoßung  der  vorausgehenden  Silbe,  idg. 

*^r^gj  unag  :  got.  u?rung6  *Schlinge'. 
idg.  *utg  im  lat  rüga  'Runzel'  verhält  sich  zu  *uirgeti  (lat.  vergü) 
genau  so  wie  skr.  rüpa-  zu  varpas-^  skr.  lütd-  'Spinne'  zu  vartaii. 
Zuletzt  noch  ein  paar  Worte  über  die  Vertretung  des  indo- 
germanischen uf  vor  Konsonant  im  Irischen.  Wie  in  den  übrigen 
Sprachen  muß  auch  hier  eine  doppelte  Vertretung  anerkannt 
werden,  teils  und  am  gewöhnlichsten  durch  /W,  teils  durch  ru. 
Ein  Beispiel  letzterer  Art  ist  außer  dem  oben  erwähnten  rudit 
vielleicht  noch  ruth  'Kette',  das  offenbar  zur  Wz.  *uert-  gehört 
ebenso  wie  lat.  tarquis  zu  tarquSre^  ir.  fiamh  zu  *fiei-  im  lat 
ttmen.  Am  nächsten  kommt  aw.  varatc^  'Ball,  Klotz',  ru-  aus  f^f 
zeigt  noch  ir.  droch  'böse',  vgl.  aw.  dru/8  'Gespenst'  und  *dÄfier- 
im  skr.  dhvara^-  'Dämon',  rem  ist  in  der  Bedeutung  'Wald'  (Süd- 
irland) kaum  mit  prakr.  rukkho  'Baum'  zu  vergleichen,  sondern 
vielmehr  mit  rass  'Promontorium'  (Nordirland),  skr.  prchstha^ 
•Bergebene,  Plateau'  identisch.  Vgl.  altnorw.  dtögr  'Wald'  im 
Verhältnis  zu  skcigi  'Promontorium*. 

Christiania.  Carl  Marstrander. 


8-Presents  in  Irish. 

In  his  Grundriß  JI,  §  663,  Professor  Brugmann  writes: 
"Keltisch.  «-Praesentia  scheinen  nicht  vorzukommen".  But  I 
think  tbat  there  are  at  least  three  in  Irish,  viz. 

1.  es8im  'I  ask',  'I  seek*,  imperat.  pl.  2  essidh  Lism.  Lives, 
4143,  deponential  «-pret  sg.  3  eissisUr  .i.iarfaigis  LU.  134  b.  10, 
eiseagiairA,  do  ghuidh  se,  O'Cl. 

Here  essim  is  from  *e^,  *pet96^  cognate  with  Lat  peto^ 
Strachan  Archiv  für  celt  Lexicographie  1,  36. 


334  C.  Marstrander,  Germ.  rukka$t^. 

t9r99ya'^  N.  *Arbeif  und  dem  gleichbedeutenden  altnorw.  yrlei^  N^ 
und  die  zwischen  aw.  vardzc^  (freilich  Mask.)  und  *f§er§o-  in  den 
Neutren  griech.  f pTov,  gerni.  ^uerka-.  Neben  *uerg-  Mrehen*  kommt 
(mindestens  im  Baltisch-Slavischen)  ein  *tter§-  mit  derselben  Be- 
deutung vor,  aber  dem  *^»r§-  ^wirken'  steht,  mir  bekannt,  nirgends 
ein  *u€rg-  oder  überhaupt  irgendeine  Wurzelvariante  zur  Seite. 
Es  scheint  mir  deshalb  ziemlich  kühn,  wenn  Meringer  und  mit  ihm 
auch  andere  Gelehrte  annehmen,  diese  Wurzeln  seien  eigentlich 
identisch.  Die  semasiologischen  Schwierigkeiten  wollen  sie  durch 
die  Annahme  beseitigen,  daß  *^erg-^  weil  im  Indogermanischen 
auf  die  Weberei  angewendet,  zu  einem  Ausdruck  für  'schaffen, 
sich  produktiv  betätigen*  überhaupt  wurde.  Dazu  ist  jedoch  zu 
bemerken,  daß  diese  Bedeutungsentwicklung  sich  in  einer  sehr 
frühen  Zeit  der  indogermanischen  Gremeinschaft  vollzogen  haben 
müßte,  und  das  will  mir  nicht  einleuchten.  Man  wäre  wohl  in 
dem  Falle  auch  imstande  gewesen  eine  derartige  Entwicklung 
bei  einer  so  weit  verbreiteten  Sippe  näher  zu  verfolgen. 

Das  folgende  Verzeichnis  enthält —  ohne  auf  Vollständigkeit 
Anspruch  zu  machen  —  eine  Zusanienstellung  von  Wörtern,  die 
meines  Erachtens  zur  Wz.  ^uerg-  Mrehen'  gehören. 

Basis  uere[n]g  "drehen,  flechten,  spinnen*. 

Akzent  I,  idg.  *uerg  :  *u6rgeti^  skr.  vdrjati^  lat.  vergü^  lett  ufent 
"drehen,  wenden*,  sawergt  'einschrumpfen',  lit.  veriiüy  vefJrti 
"einengen,  schnüren',  altnorw.  virgill  'Strick,  Schnur',  ahd. 
werih  'Werg*,  kymr.  cy-warch.  Kaum  hieher  skr.  valgd  F.  'Zaum, 
Zügel',  das  besser  zum  lett  tcalgs  'Schnur*  gestellt  wird.  Über 
lat  virga  'Rute'  und  skr.  valgulikä-  'Kiste,  Kasten*  ist  nichts 
Sicheres  zu  sagen. 

Akzent  II,  a)  idg.  *ure\n]g^  *uro[n\g :  skr.  vrajd-  'Zaun,  Umhegung, 
Hürde'*),  ir.  fraig  'Wand'«)  (vgl.  skr.  ku4ya-  zu  *kert'\  (fraigh) 
Grdf.  *urogi'^  lit  rengtis  'sich  biegen',  ags.  wrenc  'Krümmung, 
Drehung,  Ränke',  wrencan^  drehen',  wrincle  'Runzel*,  altnorw. 
rangr  'schief,  unrecht'  und  mehrere  gerni.  Wörter,  s.  besonders 
Falk  u.  Torp  Ordbog  vrang, 

b)  idg.  *urig,  urög  :  gr.  jifiToc  Teppich',  ^üjE  'eine  Spinnenart'. 

1)  Skr.  vraja-  Trupp,  Schwärm'  ist  eigentlich  dasselbe  Wort ;  es  ist 
derselben  Bedeutungsentwicklung  unterworfen  gewesen  wie  altnorw.  ridmü 
'Schar',  vgl.  rida  'drehen,  flechten'. 

2)  Mir.  Im  neuirischen  ist  die  Bedeutung  'Dachsparren*  allein 
herrschend.  Atkinsons  fraige  Ancient  Laws  VI,  414  muß  bestimmt  un- 
ricbtig  sein. 


K.Brugmana,  Der  slav.  Instr.  PI.  auf  -y  u.  der  aw.  Instr.  PI.  auf  -4i.    887 

Es  hig  nahe  genüg,  rdnf  mit  lit  täkctts^  ai.  vfkäik,  griech. 
Ocoüc^),  08k.  mmmois  lat.  lupis  zusammenzubringen.  Aber  keinear 
▼on  den  einschlägigen  Versuchen,  dem  Lautlichen  gerecht  m 
werden  (Schulze  KZ.  27, 421,  Wiedemann  Lit  Prät  47,  JohuMsom 
BB.  20,  101,  Pedersen  KZ.  38,  823«.,  Portunatov-Ljapunov  bei 
Jflgiö  Arch.  f.  slay.  Ph.  28, 123),  ist  befriedigend,  weil  man  nach  dea 
erkennbaren  slav.  Lautgesetzen  Entwicklungv on  uridg.  -öfö  über  -öi$ 
(=  lit  -ais)  etwa  zu  -»  oder  zu  -d^zu  erwarten  hätte,  jedenfalls  aber 
keinen  t#-VokaL  Anderseits  schwebt  das  *-An,  worauf  Hirt  D.  idg.  Akz. 
88  f.  and  Mikkola  BB.  22,  249  -y  zurückführen,  ganz  in  der  Lofi. 

DaB  Pedersen  a.  a.  0.  meint,  jede  andere  Deutung  als  aus 
*-mB  sei  'unmöglich',  schreckt  mich  nicht  ab,  die  Frage  zu  tim^ 
ob  nicht  *'ü8  zugninde  Hegt  und  dies  vou  den  t<-Stäamien  aas 
auf  jene  andern  Stammklassen  sich  ausgebreitet  hat  Nehnmi 
wir  einmal  an,  im  Urslav.  habe  bei  den  «»-Stämmen  neben  -wrs 
ein  -y  =  *-«8  gestanden,  so  wäre,  bei  der  uralten  Vermischung  der 
«►-  und  der  o-Deklination  im  Slav.  (für  das  Aksl.  s.  Leskien  Handb.^ 
7 1  f.  7  6  ff.),  nicht  auffallend,  wenn  sich  der  Ausgang  -y  der  w-Stämine 
an  die  Stelle  von  *'(ns  oder  von  einer  Weiterentwicklung  von  *-em 
gesetzt  hätte.  Geschah  die  Übertragung  nach  Abfall  ron  -«,  was 
anzunehmen  nichts  hindert,  so  wird  die  Ausbreitung  vou  -jr  dar 
durch  begünstigt  worden  sein,  daß  so  eine  Scheidung  gegen  den 
Nom.  Plur.  (rabi^  vhci)  oder  den  Lok.  Sing,  (rabi^  vhci)^  beim  N. 
gegen  diesen  und  den  Nom.-Akk.  Du.  (/Ä^,  izi)  erreicht  ward*). 

1)  Ich  bleibe  dabei  (vgl.  Kurze  vergl.  Gr.  S.  397),  daß  griech.  -oic 
^otc,  Tofc)  nicht  blafi  die  Fortsetzung  des  Lok.  PL  auf  -oici  war,  sondern 
augleich  die  des  uridg.  Instr.  PI.  auf  *-öis.  Gegen  die  Theorie  von  J. 
Schmidt  KZ.  38,  3  ff.  wendet  sich  jetzt  auch  Krelschmer  Glotta  1,  56  f. 
Dieser  denkt  bei  xoic  BeoTci,  das  er  gleichwie  Schmidt  aus  xoici  GeoTci  ent- 
standen sein  läßt,  an  eine  Art  von  haplologischer  Kürzung,  doch  gibt  es 
für  diese  Art  keine  genauere  Parallele.  Man  kann  ein  zunächst  nur  ante- 
sonantisches  roic*  vor  konsonantischen  Anlaut  eingeführt  haben  in  dem 
Bestreben,  die  Artikel  formen  in  bezug  auf  die  Silbenzahl  zu  uniformieren 
(toic  wie  ql,  tOjv,  toöc);  eine  Parallele  dazu  bietet  thess.  Gen.  Sg.  toi  aus 
•n^  =  Toto ;  ist  doch  auch  alt.  touc  =  tövc,  Ocoöc  =  ecövc  ursprünglich 
nur  antesonantische  Form  (neben  töc  usw.  vor  Kons.)  gewesen.  Auch  das 
ist  aber  immer  nur  Notbehelf  gegenüber  der  Annahme,  daß  rote  Instr.  Fl. 
war,  der  sich  gegenüber  -oici  mit  Rücksicht  auf  die  Silbenzahl  der  andern 
Kasus  desselben  Paradigmas  behauptet  hat.  Mir  ist  keine  Tatsache  aus 
der  Geschichte  der  Formen  auf  -oici  -oic  (-aici  -aic)  bekannt,  die  sich  • 
dieser  Auffassung  nicht  leicht  fügte. 

2)  Das  Verhältnis  von  -i  zu  -i  in  diesen  Formen  ist  noch  ziemlich  un- 
klar; bekanntheh  gibt  es  mehrere  Theorien  darüber.  Für  nnsem  Zweck  kommt 
nicht  viel  darauf  an,  wie  diese  LautungsverschiedenheVl  eii\a\»JvÖÄtL SjbX. 


BK  H.  Krebs,  Alt-Preußisch  Mixskai. 

2.  güshn  *I  cry',  pL  3  gessit  buar,  ^kine  bettow\  TigeniMk 
A.D.  546,  pret  sg.  3  gässis,  Ir.  Texte  1,  69. 

Here  ^n&stm  is  f rom  *gmcsi6^  *gangsi&,  as  jüA'm  *(3ebrall'  from 
^9911^011,  cognate  with  Gr.  tottw2I€iv,  0.  SIäv.  gggngti  etc.  For 
tbe  compensatorj  lengthening,  see  8trachan  BB.  20.  36,  37. 

3.  Ussaim^  now  Uasaim  1  beat  violently',  Dinner  t iw  Ihad 
*«iutual  beating',  Cath  Catharda,  1.  300  etc. 

Here  lismni  is  froDi  *la$icsö^  *plane9&j  *fllang-a6^  cognate 
vith  LoitflUmgo^  planxi,  plancium^  Gr.  n\riccui,  nXrJTVUMi,  OotL 
faiflokun  etc.  The  modern  English  verb  to  la»  or  imc$  'to 
beat,  flog',  seems  a  loan  from  the  Irish. 

Ijondon.  Whitley  Stokes. 


Alt-Prenßisch  MixskaL 

In  seinen  Bemerkungen  "Zum  Alt-Preußischen  Wortschatz" 
(vgl.  IF.  21,  358  f.)  erklärt  Prof.  F.  Kluge  den  altpreuB.  Eigen- 
namen Mkcskai  (Adv.  auf  deutsch)  als  eine  Abkürzung  von  iw-- 
miskai  und  leitet  ihn  als  Lehnwort  aus  der  polnischen  und 
russischen  Bezeichnung  für  deutsch:  nimecki  ab.  Es  sei  mir 
gestattet,  darauf  hinzuweisen,  daß  dieselbe  durch  Eluge  nun- 
mehr neubegründete  Deutung  jenes  nur  als  "Hapax  Legomenon" 
im  Titel  des  altpreuß.  Katechismus  von  1561  vorkommenden 
Namens  von  G.  H.  F.  Nessclmann  bereits  als  Vermutung  vorge- 
schlagen wurde.  In  seiner  Untereuchung  über  "Die  Sprache  der  \ 
alten  Preußen  au  ihren  Überresten  erläutert",  aus  dem  Jahre 
1845,  findet  man  S.  117  unter  ""Mixkai  adv..  Deutsch,  a.  d.  Titel"^ 
die  in  Parenthese  beigefügte  Hypothese:  ("Vielleicht  ver- 
stümmelt aus  dem  russ.  Nimetski  und  poln.  niemifckai**)       ^^ 

Oxford.  H.  Krebs.         i^ 


Der  8laY.  lustr.  Plur*  auf  -y  und  der  aw.  Instr.  Plnr.  auf  -M. 

-y  erscheint  im  Altkirchenslavischen  als  Ausgang  des  Instr. 
Plur.  M.  und  N. :  bei  den  mask.  und  neutr.  o-Stämmen,  wie  raiy, 
lity^  bei  den  neutr.  konsonantischen  Stämmen,  wie  dovesg^  *imenf^ 
*t€l§ty  (nslov.  dovesi^  imeni^  teleti)^  und  bei  mask.  konsonantischen 
Stänmien  wie  delately  und  zemljany,  in  lakUy^  noghty^  desfty  so- 
wie in  dhny  (Zogr.  Joh.  2,  19)  neben  dhnhmi.  Dazu  in  Adverhieo 
von  o-Stänmaen,  wie  maly  'ein  wenig',  latinksky  *Äuf  Liateinisch'. 
Hinter  j  erscheint  -»  f  ür  -y :  konji,  pdjL  v 


Der  slav.  Instr.  Plur.  auf  -y  und  der  aw.  Instr.  Plur.  auf  -M.      889 

▼gl.  ai.  kärmathä)^  so  hatte  der  Instr.  Plur.  der  u-Stämme  neben 
-AF  den  Ausgang  -j^iF,  dessen  Schlußelemente  -ti  mit  dem  ent- 
sprechenden Formans  des  Instr.  Plur.  der  konsonantischen  Stämme 
(nämh^-ii)  identisch  war. 

Den  aw.  Schreibungen  -i;^,  -^ä  -ui  ist  aus  bekanntem  Grunde  ^ 
nicht  anzusehen,  ob  sie  uriran.  *-i3,  *-iM  oder  *-üf,  *-ui  darstellen. 
Bei  'Ui  -tiiF  ist  uriran.  *'üi  von  vornherein  darum  wahrschein- 
licher, weil  der  Instr.  Plur.  nicht  dem  Nom.  Sing,  gleich  ge- 
wesen sein  wird.  Freilich  will  Bartholomae  weder  *-ilS  noch 
*-iM  als  uriran.  gelten  lassen.  Er  vermutet  (Altiran.  Wtb.  1284, 
Zum  altiran.  Wtb.,  Straßb.  1906,  S.  135),  -uS  sei  für  -t*f  d.  i. 
-^uvfi  (-ma*njfuä  für  *-yf«»J3,  yätuä  für  *-tupfS)  geschrieben.  Hier- 
für ist  jedoch  keine  genügende  Parallele,  daß  umgekehrt  einige 
male  i  für  yu  (üu)  geschrieben  erscheint  Und  solche  *ifäiuv(8j 
*pUuvfä  sind  in  sich  selbst  unwahrscheinlich  wegen  yä^wgm^ 
xra9wä  usw.  Ein  *-üä  bei  den  w-Stämmen  neben  einem  *-fi  bei 
den  konson.  Stämmen  dürfen  wir  getrost  anerkennen.  Denn  auch 
anderwärts  stehen  in  dieser  Weise  -f-  und  -ü-  als  nominale  Wort- 
bildungselemente einander  gegenüber,  wobei  zu  beachten  ist,  daß 
-t-  zu  den  Formantien  -»-,  -(t)}(>-  und  -(tlfä- :  -f-  engeren  etymologi- 
schen Bezug  hat :  z.  B.  ai.  napt-4-  -iy-  (Nom.  Sing,  naptt-h)  neben 
näpa^  napt-  gegenüber  tanä-  -titv  (Nom.  Sing,  tanü-h)  neben  tawlh. 

Schreiben  wir  hiemach  *-ii^  und  ^-ii  dem  Iran,  als  forman- 
tische  Ausgänge  des  Instr.  Plur.  zu,  so  ist  klar,  daß  hier  etwas 
Uraltes,  aus  vorarischer  Zeit  Überkommenes  vorliegt,  wie  man 
ja  auch  bisher  schon  näm^ii  mehrfach  als  eine  uridg.  Formation 
angesprochen  hat  Der  Vergleich  mit  der  uridg.  Doppelbildung 
des  Instr.  Sing.,  z.  B.  ai.  mati  und  arm.  srti-v  aksl.  p^h-nih^  ist 
unmittelbar  gegeben.  So  dürfte  denn  der  ar.  Doppelheit  *'üä : 
*'Urbha  im  Slav.  ♦-os  :  -^mi  gegenübergestanden  haben,  und  *-üs 
ist  unser  -y.  Und  selbst  für  den  an  sich  viel  weniger  wahr- 
scheinlichen Fall,  daß  aw.  -tö  urar.  *'US  repräsentierte,  wäre 
unsere  Zusammenstellung  von  diesem  mit  dem  slav.  -y  nicht  un- 
bedingt zu  verwerfen:  vgl.  slav.  -mi  =  *-mw  gegenüber  dem 
urgerm.  ♦-mfe  (aisl.  -mr)  und  ai.  -bhih^). 

Leipzig.  K.  Brugmann. 

1)  [Hinterher  finde  ich,  daß  schon  Leskien  Declin.  im  Slav.-Lit  u. 
Germ.  104  zur  Erklärung  von  vhky  von  »yny  neben  synbmi  ausgegangen 
i«t.  Seine  Zurückfuhr ung  der  Form  ayny  auf  *9ünvai8  ist  freilich  heut- 
zutage nicht  mehr  angängig.] 


388  K.  Brugmann, 

Wegen  Instr.  Plnr.  raby :  Akk.  Plur.  raby  ist  natürlich  ifcofi^' :  imiji 
zn  berücksichtigen.  Daß  -y  zu  allen  neutralen  konsonantisdien 
Stämmen  kam,  aber  nicht  zu  allen  maskulinischen  (imem/  g^gen 
kamentmi)^  hängt  wohl  auf  jeden  Fall  damit  zusammen,  dafi  Nom.- 
Akk.  Plur.  imena  mit  lita^  Nom.-Akk.  Du.  itneni  mit  IM  harmonierta 
Man  begriffe  jetzt  auch,  weshalb  solches  -y  den  o-Pronomina  fremd 
ist:  es  heißt  ja  timi  gegen  lit  tais^  ai.  iaili^  griech.  toTc,  osk.  raoii 
lat  istis. 

Dieses  *-lls  hat  nun  seinen  Anhalt  in  der  Bildung  des 
Instr.  Plur.  der  u-Stämme  im  Awestischen.  In  dieser  Sprache 
ist  (nach  Bartholomaes  Altiran.  Wtb.)  bei  sechs  u-Stänmien  für 
-Urbti  der  Ausgang  -üi  belegt:  die  sechs  Formen  sind  avawhiü 
'Ui  (a-vavhur  'ungut,  böse"),  awröma^nyui  9p9ntOma*nyui  (ovrö- 
mafnyu-  *dem  bösen  Geist  entstammt',  sp^nt&ma^nyu-  *dem  heiligen 
Geist  entstammt'),  p9r'näyui  (p9r*näyu'  Volljährig'),  yaiui  {yäiu- 
M.  'Zauberer'),  püui  (pitu-  M.  'Speise'),  mzuS-da  (vizu-  M.  Name 
eines  Nahrungsmittels).  Längt  ist  erkannt,  daß  diese  Formation 
gleichartig  ist  der  des  Instr.  Plur.  auf  -ii^  für  welche  gthaw. 
nämSnU  und  jgaw.  aiaomS  die  sichersten  Belege  sind.  Vgl.  über 
alle  diese  Formen  Jackson  Av.  Gramm.  67  f.,  Bartholomae  Gr. 
d.  iran.  Ph.  1, 134  und  die  dort  erwähnte  Literatur.  Mit  der  Frage, 
ob  dieses  aw.  -^{g  in  dem  uridg.  *-öw  der  o-Stämme  als  dessen 
Schlußteil  steckt,  was  Bezzenberger,  Bartholomae  u.  a.  ange- 
nommen haben,  brauchen  wir  uns  hier  nicht  zu  befassen.  Wohl 
aber  geht  uns  das  Verhältnis  von  aw.  -ü$  zu  -iä  an.  In  Y.  12,4 
nämlich,  wo  es  heißt  vi  daeväiä  ayäiä  avavhüS  anar*täü  akö. 
däbiä  sardtn  mruye  *ich  entsage  der  Gemeinschaft  mit  den  bösen, 
schlechten,  unheiligen,  übeltuenden  Daeva*,  bieten  die  Hand- 
schriften avai9hü§^  -huS,  -Äf5,  -huiä,  -hüig  (sie!)  ist  offenbar  verderbt 
{vgl.  J.  Schmidt  Plur.  2681).  -hüä  haben  die  Ausgaben  aufge- 
nommen. Für  'hiä  aber  entscheidet  sich  Bartholomae  a.  a  0. 
und  Altiran.  AVtb.  174  (wo  avaehiä  Druckfehler  für  avavhü  ist). 
Bartholomae  setzt  avaehfS  gleich  ^a-uasufg  (zum  Lautlichen  vgl. 
vfvaehd  Y.  9,  4 :  ai.  vivdsvän).  Dies  wird  richtig  sein.  Aber  an 
sich  sind  doch  wohl  avaehiä  und  avaehuä  richtige  Sprachforraen 
gewesen.  Sie  verhalten  sich  nämlich  zu  einander  wie  im  Instr. 
Sing.  z.  B.  gthaw.  xratü  und  xra^toä  {=  ai.  krdtvä).  D.  h.:  gleich- 
wie der  Instr.  Sing,  der  w-Stämmc  neben  -ü  (vgl.  noch  mahiyu^ 
vohu^  daenu)  den  Ausgang  -uä  hatte,  dessen  -ä  das  Formans 
des  Instr.  Sing,  der  konsonantischen  Stämme  war  (z.  B.  maeaman-a^ 


H.  Pedersen,  Die  idg.-semitische  Hypothese  u.  die  idg.  Lautlehre.     341 


Die  idg.-semitische  Hypotliese  und  die  idg.  Lautlehre  M. 

Das  neuerschienene  Buch  von  Hermann  Möller,  worin  er 
die  laiitgesetzlichen  Entsprechungen  des  Semitischen  und  des 
Indogermanischen  nachzuweisen  versucht,  wird  manchen  Fach- 
genossen  überraschender  gekommen  sein  als  mir.  Denn  während 
mehrere  Indogermanisten  sich  der  indogermanisch-semitischen 
Hypothese  gegenüber  äußerst  skeptisch  oder  ganz  ablehnend 
verhalten  haben,  habe  ich  schon  in  meiner  Erstlingsarbeit  mit 
ihr  gerechnet  (KZ.  32,  271),  später  (ZDMG.  57,  560)  die  Ver- 
wandtschaft  der  beiden  Sprachstämme  als  zweifellos  bezeichnet 
und  schließlich  (KZ.  40, 155. 156)  eine  Reihe  von  morphologischen 
Parallelen  zwischen  denselben  gezogen.  Vielleicht  ist  es  nicht 
überflüssig,  ausdrücklich  hervorzuheben,  daß  mein  Standpunkt  von 
H.  Möller  gänzlich  unabhängig  war.  Ich  kannte  seine  Ansichten 
bezüglich  dieses  Problems  absolut  nicht,  bis  meine  Äußerungen 
in  der  ZDMG.  ihm  die  briefliche  Mitteilung  entlockten,  daß  er 
nicht  nur  an  die  Verwandtschaft  des  Idg.  mit  dem  Sem.  glaubte, 
sondern  zugleich  eine  sich  darauf  beziehende  Arbeit  in  Vorbe- 
reitung hatte.  Diese  Mitteilung  kam  mir  ebenso  unerwartet  wie 
die  Zustimmung  zu  meiner  "nostratischen*  Hypothese  von  anderer, 
sehr  autoritativer  (nicht-dänischer)  Seite ;  von  dem  Inhalt  der  H. 
MöUerschen  Arbeit  habe  ich  nicht  früher  als  die  übrigen  Leser 
irgend  etwas  erfahren.  Jetzt,  wo  das  Problem  in  eine  ganz  neue 
Phase  eingetreten  ist,  hege  ich  ganz  natürlich  den  Wunsch,  meinen 
eigenen  früheren  Standpunkt  ausführlich  zu  begründen,  dem  neuen 
Buche  gegenüber  Stellung  zu  nehmen  und  die  Konsequenzen 
der  neuen  Ansichten  für  die  idg.  Lautlehi-o  zu  besprechen. 

Ich  neigte,  als  ich  meine  Bemerkungen  in  der  ZDMG.  schrieb, 
zu  der  Ansicht,  daß  die  Dürftigkeit  des  Materials  die  Ermittelung 
der  Lautgesetze  nur  in  sehr  geringem  Umfang  erlauben  würde; 
ich  glaubte  daher  den  ganzen  Nachdruck  auf  die  anderweitigen 
AVahrscheinlichkeitsmomente  legen  zu  sollen  und  berief  mich 
daher  auf  "eine  Reihe  von  Pronomina,  Negationen,  zum  Teil  auch 
Zahlwörtern,  welche  sich  durch  mehrere  Sprachstämme  verfolgen 
lassen".  Ich  dachte  dabei  für  das  Semitische  natürlich  in  erster 


1)  Man  vergleiche  die  Besprechung  von  H.  Grimme  im  nächsten 
Heft  des  Anzeigen. 

lodofonnaiiiielie  Fonchongen  XXH.  23 


342  H.  Pedersen, 

Linie  an  die  Personalpräfixe  des  Imperfektums :  arab.  3.  Sing.  TL 
ja-  (idg.  Demonstrativ-  und  Relativstamm  *yo-),   3.  Sing.  F.  for 
(grieeh.  X.to),  2.  Person  ta-  (lat.  tu  usw.,  vgl  Brugmann  Grdr.  2,802), 
1.  Sing.  5  a-  (grieeh.  d-Tib,  vgl.  Brugmann  Grdr.  2, 801,  Brockelmann 
Semitische  Sprachwissenschaft  S.  98),  1.  Plur.  na-  (vgl  lat  n» 
usw.);  ferner  an  das  fragende  Pronomen:  arab.  kam  *wie  viel?, 
kaifa  *wie?'  (idg.  Stamm  *A*'o-).    Um  einen  leeren  Zu&ll  kann 
es  sich  hier  nicht  handeln.  Die  (nicht  seltenen)  zufäUigen  sprach- 
lichen Übereinstimmungen  stehen  immer  isoliert  da  und  sind 
durch  die  interne  Betrachtung  der  betreffenden  Sprachen  meist 
leicht  als  zufällig  zu  erkennen.  In  unserem  Falle  handelt  es  sich 
aber  um  eine  das  ganze  Pronominalsystem  durchziehende  Über- 
einstimmung, und  die  interne  Betrachtung  der  beiden  Sprach- 
stämmo  fördert  nichts  an  den  Tag,  was  einen  Zufall  vermuten 
lassen  könnte.  Und  wie  die  Identität  des  deutschen  Mutter  mit 
dem  lat.  mäter  auch  ohne  eine  genaue  Kenntnis  der  Lautgesetze 
durch  das  Vorhandensein  eines  genau  entsprechenden  Wortes 
im  Griechischen,  im  Keltischen,  im  Baltischen,  im  Slavischen,  im 
Albanesischen,  im  Armenischen,  im  Iranischen,  im  Indischen  über 
allen  Zweifel  erhoben  wird,  so  wird  die  Identität  der  idg.  und 
semitischen  Pronomina  durch  das  Vorhandensein  entsprechender 
Formen  in  einer  Eeihe  von  (dem  Idg.)  benachbarten  Sprach- 
stämmen meiner  Ansicht  nach  ganz  sichergestellt  In  erster  Linie 
kommt  das  ügrofinnische  in  Betracht:  finn.  Eelativstamm  jo-, 
Demonstrativstamm  tä-,  Pronomen  der  2.  Sing,  sinä  mit  si-  aus 
*ti-,  vgl.  läpp,  don  *du*,  finn.  2.  Plur.  te  *ihr',  fragender  Stamm 
ku-  (s.  Wiklund  Le  mondo  oriental  I  53).  Nur  für  die  semitischen 
Präfixe  \a  und  na-  versagt  das  Ügrofinnische,  und  zwar  deshalb, 
weil  ihre  Stelle  (wie  in  einigen  jüngeren  idg.  Sprachen)  mit  einem 
mit  m-  anlautenden  Stamm  besetzt  worden  ist:  finn.  minä,  läpp, 
mon  *ich',  fiun.  Plur.  me  *wir'  (vgl.  ir.  me  *ich*,  lit  mes,  arm. 
meR  'wir'  usw.,  Brugmann  Grdr.  2,  805).  Das  gleiche  Pronominal- 
system (mit  der  gleichen  Eigentümlichkeit  der  1.  Person)  liegt 
unverkennbar  auch  iniTürkisch-Mongolisch-Mandschuischen  vor: 
mong.Ja^on  *was?'  (zur  fragenden  Bedeutung  vgl.  etwa  poln.  jaki 
*was  für  ein?*),  mong.  te-re^  Plur.  ie-de  'dieser',  mandsch.  te-r«, 
Plur.  te-se  'dieser',  mong.  2.  Plur.  ta  'ihr*;  türk.  fttm,  mong.  ken 
'wer?';  türk.  (Orchon)  man  'ich',  mong.  Stamm  min-^  mandsch. 
mi  'mich*.   Daß  es  auch  im  Eskimoischen  vorliegt  (ühlenbeck 
ZDMG.  59,  7  60  ff.),  und  daß  ich  überhaupt  meine  "nostratische* 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  843 

Sprachgruppe  nicht  bestimmt  abzugrenzen  vennag,  darf  nicht 
abschrecken.  Es  wäre  eine  petitio  principii,  sich  auf  die  großen 
ethnographischen  Verschiedenheiten  oder  auf  die  großen  geo- 
graphischen Abstände  (wie  etwa  zwischen  den  Grönländern  und 
den  Arabern)  berufen  zu  wollen  und  a  priori  zu  behaupten,  eine 
für  uns  ^wahrnehmbare  sprachliche  Verwandtschaft  könne  sich 
nicht  scf-weit  ausdehnen.  Was  wissen  wir  denn  von  den  Be- 
völkeru»-,  Eroberungs-  und  Kulturwellen  der  vorhistorischen 
Zeiten?  OTid  es  dürfte  unmöglich  sein,  die  Übereinstimmung  als 
eine  von  bestimmten  physiologischen  oder  psychologischen  Ge- 
setzen bewirkte  parallele  Entwickelung  in  nicht  verwandten 
Sprachen  zu  erklären. 

Diesen  Gesichtspunkt  hat  man  dagegen  bei  den  von  mir 
gleichfalls  in  die  Wagschale  gelegten  Negationen  geltend  zu 
machen  versucht  Arab.  mä  "was  ?'  und  *nicht*  stelle  ich  zu  griech. 
\xr\  (Pragepartikel  und  Negation;  die  Gleichung  fehlt  bei  H.  Möller), 
türk.  mi,  wy,  Fragepartikel,  und  -tnä',  -tna-^  Negation,  finn.  Stamm 
mi-  *was?'.  Hier  hat  man  aber  auf  einen  abwehrenden  "Naturlauf 
der  Kindorsprache  und  auf  eine,  wenn  mir  recht  ist,  in  Österreich 
gebräuchliche  verneinende  Interjektion  m  verwiesen.  Aber  bei 
solchen  Naturlauten  und  Interjektionen  ist  nach  meiner  Erfahrung 
die  Mundartikulation  ziemlich  gleichgültig.  Der  Lippenverschluß 
ist  keineswegs  da,  um  die  Abwelir  symbolisqfi  auszudrücken, 
sondern  ist  einfach  von  der  Sprechfaulheit  als  die  bequemste 
Artikulation  gewählt  worden  und  kann  daher  mit  anderem  Ton 
auch  ganz  andere  Bedeutung  haben  (kindliche  freudige  Erwartung 
eines  Leckerbissens,  im  Dänischen ;  *ja'  im  Grönländischen  nach 
Thalbitzer  The  Eskimo  Language  S.  74).  Und  der  Weg  von  einer 
Interjektion  zu  einem  regelmäßigen  syntaktischen  Sprachworte 
ist  so  lang,  daß  mir  dieser  ganze  Gesichtspunkt  für  unseren  Fall 
ziemlich  belanglos  zu  sein  scheint 

Die  Zahlwörter  darf  man  nur  mit  Vorbehalt  zu  den  stabilen 
Teilen  des  Wortschatzes  rechnen.  Die  Neigung,  die  Zahlbegriffe 
möglichst  anschaulich  auszudrücken,  bewirkt  bei  ninden  Zahlen 
oft  den  Ersatz  des  ererbten  abstrakten  Zahlwortes  durch  ein 
konkretes  Zähl  wort  (so  bei  40  im  Russischen,  bei  100  im  Armeni- 
schen, KZ.  39,  369);  auf  primitiver  Kulturstufe  wird  aber  das  Be- 
dürfnis einer  solchen  Veranschaulichung  schon  be  10  empfundenL 
Ältere  Zahlwörter  werden  durch  neue  anschaulichere  Multipli- 
kationen oder  Subtraktionen  ersetzt:  60,  80  wird  3x20,  4x20 

23* 


342  H.  Pedersen, 

Linie  an  die  Personalpräfixe  des  Imperfektums :  arab.  3.  Sing, 
ja-  (idg.  Demonstrativ-  und  Relativstamm  *ji(h),  3.  Sing.  F. 
(griech.  N.to),  2.  Person  ta-  (lat.  tu  usw.,  vgl.  Brugmann  Grdr.  2,ft 
1.  Sing.  50-  (gi'iech.  i-fd)^  vgl.  Brugmann  Grdr.  2, 801,  Brockelnu 
Semitische  Sprachwissenschaft  S.  98),  1.  Plur.  na-  (vgL  lat 
usw.);  ferner  an  das  fragende  Pronomen:  arab.  kam  *wie  vic 
kaifa  'wie?'  (idg.  Stamm  **•*(>-).  Um  einen  leeren  Zufall  h 
es  sich  hier  nicht  handeln.  Die  (nicht  seltenen)  zufalligen  spra 
liehen  Übereinstimmungen  stehen  immer  isoliert  da  und  s 
durch  die  interne  Betrachtung  der  betreffenden  Sprachen  m 
leicht  als  zufällig  zu  erkennen.  In  unserem  Falle  handelt  es  s 
aber  um  eine  das  ganze  Pronominalsystem  durchziehende  Ül 
einstimmung,  und  die  interne  Betrachtung  der  beiden  Spra 
Stämme  fördert  nichts  an  den  Tag,  was  einen  Zufall  venna 
lassen  könnte.  Und  wie  die  Identität  des  deutschen  Mutter  i 
dem  lat.  mäter  auch  ohne  eine  genaue  Kenntnis  der  Lautgese 
durch  das  Vorhandensein  eines  genau  entsprechenden  Woi 
im  Griechischen,  im  Keltischen,  im  Baltischen,  im  Slavischen, 
Albanesischen,  im  Armenischen,  im  Iranischen,  im  Indischen  ül 
allen  Zweifel  erhoben  wird,  so  wird  die  Identität  der  idg.  i 
semitischen  Pronomina  durch  das  Vorhandensein  entsprechen! 
Formen  in  einer  Eeihe  von  (dem  Idg.)  benachbarten  Spra 
Stämmen  meiner  Ansicht  nach  ganz  sichergestellt  In  erster  Li 
kommt  das  ügrofinnische  in  Betracht:  finn.  Relativstamm  j 
Demonstrativstanim  tä-,  Pronomen  der  2.  Sing,  sinä  mit  si- 
*ti-,  vgl.  läpp,  dou  *d\i\  finn.  2.  Plur.  te  *ihr',  fragender  Stai 
ku-  (s.  Wiklund  Le  monde  oricntal  I  5B).  Nur  für  die  seniitisc 
Präfixe  la  und  na-  versagt  das  Ügrofinnische,  und  zwardesh 
weil  ihre  Stelle  (wie  in  einigen  jüngeren  idg.  Sprachen)  mit  eii 
mit  m-  anlautenden  Stamm  besetzt  worden  ist:  finn.  minä,  h 
mon  *ich',  finn.  Plur.  nie  *wir'  (vgl.  ir.  me  *ich*,  lit  mes,  a 
meR  *wir*  usw.,  Brugmann  Grdr.  2,  805).  Das  gleiche  PronomL 
System  (mit  der  gleichen  Eigentümlichkeit  der  1.  Person)  1 
unverkennbar  auch  im  Türkisch-Mongolisch-Mandschuischen  ^ 
monfi:.  jaqon  *was?'  (zur  fragenden  Bedeutung  vgl.  etwa  poln.  j 
*was  für  ein?*),  mong.  te-re,  Plur.  te-de  *dieser',  mandsch.  U 
Plur.  te-se  'dieser*,  mong.  2.  Plur.  ta  'ihr* ;  türk.  Um,  mong. 
"wer?*;  türk.  (Orchon)  man  *ich',  mong.  Stamm  mtV,  mand 
mi  'mich*.  Daß  es  auch  im  Eskimoischen  vorliegt  (ühlent 
ZDMG.  59,  7  60  ff.),  und  daß  ich  überhaupt  meine  "nostratis^ 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  843 

Sprachgrappe  nicht  bestimmt  abzugrenzen  vermag,  darf  nicht 
abschrecken.  Es  wäre  eine  petitio  principii,  sich  auf  die  großen 
ethnographischen  Verschiedenheiten  oder  auf  die  großen  geo- 
graphischen Abstände  (wie  etwa  zwischen  den  Orönländem  und 
den  Arabern)  berufen  zu  wollen  und  a  priori  zu  behaupten,  eine 
für  uns  ^wahrnehmbare  sprachliche  Verwandtschaft  könne  sich 
nicht  s<f  t.weit  ausdehnen.  Was  wissen  wir  denn  von  den  Be- 
Tölkeruia|-,  Eroberungs-  und  Kulturwellen  der  vorhistorischen 
Zeiten?  ^d  es  dürfte  unmöglich  sein,  die  Übereinstimmung  als 
eine  von  bestimmten  physiologischen  oder  psychologischen  Ge- 
setzen bewirkte  parallele  Entwickelung  in  nicht  verwandten 
Sprachen  zu  erklären. 

Diesen  Gesichtspunkt  hat  man  dagegen  bei  den  von  mir 
gleichfalls  in  die  Wagschale  gelegten  Negationen  geltend  zu 
machen  versucht  Arab.  md  "was  ?'  und  *nicht'  stelle  ich  zu  griech. 
\xf\  (Fragepartikel  und  Negation;  die  Gleichung  fehlt  bei  H.  Möller), 
türk.  mi^  wy,  Pragepartikel,  und  -ma-,  -ma'^  Negation,  finn.  Stamm 
mi-  *was?*.  Hier  hat  man  aber  auf  einen  abwehrenden  *Naturlaut* 
der  Kindersprache  und  auf  eine,  wenn  mir  rocht  ist,  in  Österreich 
gebräuchliche  verneinende  Interjektion  m  verwiesen.  Aber  bei 
solchen  Naturlauten  und  Interjektionen  ist  nach  meiner  Erfahrung 
die  Mundartikulation  ziemlich  gleichgültig.  Der  Lippenverschluß 
ist  keineswegs  da,  um  die  Abwehr  symbolisqh  auszudrücken, 
sondern  ist  einfach  von  der  Sprechfaulheit  als  die  bequemste 
Artikulation  gewählt  worden  und  kann  daher  mit  anderem  Ton 
auch  ganz  andere  Bedeutung  haben  (kindliche  freudige  Erwartung 
eines  Leckerbissens,  im  Dänischen ;  *ja*  im  Grönländischen  nach 
Thalbitzer  The  Eskimo  Language  S.  74).  Und  der  Weg  von  einer 
Interjektion  zu  einem  regelmäßigen  syntaktischen  Sprachworte 
ist  so  lang,  daß  mir  dieser  ganze  Gesichtspunkt  für  unseren  Fall 
ziemlich  belanglos  zu  sein  scheint 

Die  Zahlwörter  darf  man  nur  mit  Vorbehalt  zu  den  stabilen 
Teilen  des  Wortschatzes  rechnen.  Die  Neigung,  die  Zahlbegriffe 
möglichst  anschaulich  auszudrücken,  bewirkt  bei  runden  Zahlen 
oft  den  Ersatz  des  ererbten  abstrakten  Zahlwortes  durch  ein 
konkretes  Zählwort  (so  bei  40  im  Russischen,  bei  100  im  Armeni- 
schen, KZ.  39,  369);  auf  primitiver  Kulturstufe  wird  aber  das  Be- 
dürfnis einer  solchen  Veranschaulichung  schon  be  10  empfundeni. 
Ältere  Zahlwörter  werden  durch  neue  anschaidichere  Multipli- 
kationen oder  Subtraktionen  ersetzt:  60,  80  wird  3x20^  4x20 


344  H.  Pedersen, 

usw.  (so  im  Dänischen,  Neukeltischen,  Französischen,  im  slavischea 
Dialekt  des  Resia-Tales,  im  Albanesischen,  im  Ossetischen  usw.); 
18  wird  3  X  6  (im  Bretonischen) ;  10  wird  2  x  5  (so  ist  das  irische 
zweisilbige  deac  vielleicht  zu  erklären) ;  8,  9  wird  10-^-2,  10-=-l 
(so  sehr  deutlieh  im  Ugrofinnischen;  daraus  läßt  sich  auch  die 
Dualform  bei  8  im  Indogermanischen  und  Semitischen  erklären, 
die  kaum  als  2x4  zu  fassen  ist).  Runde  Zahlwörter  werden, 
wie  die  konkreten  Zähl  Wörter  (Dutzend  usw.),  ziemlich  leicht 
entlehnt  (100  im  Albanesischen  aus  dem  Lateinischen,  im  Ru- 
mänischen aus  dem  Slavischen,  im  Ugrofinnischen  aus  dem 
Iranischen  usw.;  1000  ist  in  vielen  Sprachen  Lehnwort;  10 
stammt  im  Magyarischen  aus  dem  Iranischen  usw.);  aber  auch  die 
übrigen  Zahlwörter  können  entlehnt  werden  (so  im  Japanischen 
aus  dem  Chinesischen).  1  variiert  im  Indogermanischen,  weil 
das  vermutlich  älteste  Wort  (giiech.  elc  usw.)  in  den  meisten 
Sprachen  durch  ein  ui-sprüngliches  demonstratives  Pronomen 
(lat  ünus  usw.;  Verf.  Les  pronoms  dömonstratifs  de  Tancien 
armönien  [Abhandl.  d.  Königl.  Dan.  Ges.  d.  Wiss.,  phil.-hist  Kl.  6, 
VI,  3]  S.  18ff.)  ersetzt  worden  ist;  bei  der  Variabilität  dieses 
Zahlwortes  ist  übrigens  auch  der  Umstand  in  Rechnung  zu  ziehen, 
daß  der  Begriff  1  unter  Umständen  imausgedrückt  bleiben  kann 
(Bmgmann  IF.  21,  Iff.);  vgl.  noch  neuir.  ceann  'ein  Stück,  eins, 
einer'  usw.  2  ist  im  Indogermanischen  stabil,  aber  mit  Spuren 
älterer  pronomen- ähnlicher  Variation:  lat  vl-ginti  und  idg. 
*de-kfii(t)  'zehn',  s.  M.  v.Blankenstein  TF.  21, 110 ;  vgl.  die  Variation 
bei  der  Ordnungszahl,  den  in  sehr  vei'schiedener  Weise  ausge- 
drückten Begriff  Taar*  (griech.  leOfoc:  neuir.  beirt,  das  direkt 
•zwei'  bedeuten  kann)  und  schließlich  die  synonymen  Begriffe 
lat.  gemini,  ambo  (im Äthiopischen  hat  *beide'  das  alte  semitische 
Zahlwort  für  2  verdrängt)  usw.  Wir  brauchen  uns  also  nicht 
darüber  zu  wundem,  daß  z.  B.  im  Ugrofinnischen  der  Ausdruck 
für  10  sehr  variiert  (finn.  kymmenen,  läpp,  loqe,  magy.  tlz), 
und  daß  8  und  9  im  Magyarischen  (nyolc,  kilenc)  mit  dem 
Finnischen  (kahde-ksan,yhde-ksän)absolutnicht  stimmen.  Mit 
dem  Semitischen  stimmt  das  eng  verwandte  Ägyptische  höchstens 
bei  fünf  Zahlworiern  der  Reihe  1 — 10. 

Auf  diesem  Hintergrand  ist  die  Übereinstimmung  des  Indo- 
germanischen mit  dem  Semitischen  bei  den  Zahlwörtern  recht 
imponierend.  Die  Ähnlichkeit  ist  bei  6  und  7  augenfällig,  und 
auch  bei  3  und  5  habe  ich  längst  ebenso  wie  jetzt  H.  Möller 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  346 

Identität  angenommen.  Die  Übereinstimmung  ist  größer  als 
zwischen  dem  Indogermanischen  und  dem  Türkischen  (ich  habe 
im  Türkischen  bei  5  und  7  Identität  mit  dem  Indogermanischen 
vermutet;  außerdem  könnte  4  in  Beti-acht  kommen,  wobei  dann 
teils  der  türkische  Ausdruck  für  40,  teils  die  mongolischen  Formen 
für  4  und  40  und  die  mandschuische  Form  für  4  zu  vergleichen 
wären).  Noch  geringer  ist  die  Übereinstimmung  des  Indoger- 
manischen mit  dem  Ugi'ofinnischen  (wohl  nur  bei  7). 

Die  Übereinstimmungen  der  idg.  Zahlwörter  mit  den  hier 
in  Betracht  gezogenen  nicht-indogermanischen  Sprachen  fallen 
also  alle  in  die  Reihe  3 — 7,  die  man  mit  guten  Gründen  als 
den  konstantesten  Teil  der  ganzen  Zahlwörterreihe  betrachten 
kann.  Besonders  bedeutsam  ist  der  Umstand,  daß  gerade  bei  7 
die  Übereinstimmung  sich  am  weitesten  verfolgen  läßt  7  war 
eben  keine  runde  Zahl,  keine  in  der  Natur  häufig  und  augen- 
fällig vorkommende  Zahl,  keine  bei  der  Warenzählung  häufig 
benutzte  Zahl,  konnte  durch  Multiplikation  gar  nicht,  durch  Sub- 
traktion nicht  bequem  ausgedrückt  werden.  Der  schwer  analy- 
sierbare und  mit  nichts  vergleichbare  Charakter  dieser  Zahl  (der 
wohl  auch  die  Heiligkeit  derselben  bewirkt  hat)  ist  an  der  großen 
Stabilität  des  Zahlwortes  Schuld. 

Es  folgt  aus  dieser  Sachlage,  daß  ich  denjenigen  Etymo- 
logen, die  die  Zahlwörter  aus  speziell  indogermanischen  Mitteln 
deuten  wollen,  den  Rat  erteilen  möchte,  sich  auf  die  Zahlwörter 
1—2  und  8 — 10  zu  beschränken.  (HL  Möller  will  die  erste  Silbe 
von  idg.  *oK-töu  "acht*  und  arab.  ^ai^un  *zehn*  identifizieren; 
falls  das  idg.  Wort,  wie  ich  vermute,  auf  Subtraktion  beruht,  ist 
die  Deutung  beachtenswert;  Bedeutung  etwa  *zehn,  zwei  (fehlend)*. 
Man  erwartet  dann  für  9  den  Ausdruck  *zehn,  eins  fehlend*, 
eventuell,  indem  der  Begriff  *eins*  nach  der  oben  erwähnten  GFe- 
wohnheit  unausgedrückt  bleibt,  *zehn,  fehlend*.  Will  man  dies  in 
idg.  *enur}  suchen,  so  muß  durch  eine  andere  Ellipse  als  beim  vor- 
hergehenden Zahlwort  *zehn'  weggelassen  worden  sein.  Trombetti 
L'unita  d  origine  del  linguaggio  S.  97  will  das  *-m»  dieses  Zahl- 
wortes mit  griech.  euvic  usw.  verbinden.  Vielleicht  bedeutet  *oi'-(ö|r 
en-ui}  geradezu  *zehn,  zwei  (und)  eins  fehlend' ;  die  Aufeinander- 
folge der  Zahlen  beim  Zählen  würde  erklären,  weshalb  die  Ellipse 
in  dem  einen  Fall  anders  als  in  dem  anderen  Fall  ausgefallen  wäre. 

Keineswegs  aber  darf  man  aus  dem  Umstand,  daß  bei  den 
Zahlwörtern  über  7  keine  Übereinstimmung  des  Indogermanisctv^^ 


346  H.  Pedersen, 

mit  dem  Semitischen  stattfindet,  die  Folgerung  ziehen,  dafi 
urindogermanisch-semitischer  Zeit  die  Zahlwörterreihe  nur  bi 
reichte.  Das  semitische  8  findet  sich  recht  deutlich  im  Ägr 
sehen  wieder.  Dem  semitischen  9  (arab.  Hs^un)  könnte  (mit  ] 
tathese  der  Radikale  s  und  *Ajin)  türk.  dokuz  entsprechen,  do- 
*neun*  neben  sä-kiz  *acht*  (die  Verschiedenheit  der  Vokale 
hängt  von  der  Vokalharmonie  ab)  läßt  eine  Subtraktion  vennui 
umso  mehr,  weil  die  Endungen  -kiz  -km  nach  türkischen  Ls 
gesetzen  auf  *'ksä  *-k$a  zurückgehen  und  eine  Nebenform 
finnischen -ksan -ksän  in  kahde-ksan*acht*yhde-ksän'ne 
[Stamm  kahte-  *zwei*  yhte  *eins']  sein  könnten;   vgl.  KZ. 
445.  456  Z.  3:  40,  156  §  32.  Aber  dies  ist  für  die  Vergleicht 
mit  dem  Semitischen  nicht  hinderlieh,  da  nach  meiner  sc! 
oben  ausgesprochenen  Vermutung  die  Dualform  bei  *acht' 
Semitischen  gleichfalls  auf  eine  Subtraktion  deutet 

Der  Gedanke,  daß  die  uridg.-semitische  Ursprache  bis  1 
zählen  konnte,  hat  für  mich  nichts  Abschreckendes.  Aber  tro 
dem  stehe  ich  dem  Versuch  H.  Möllers,  das  idg.  Wort  für  1 
mit  anib.  hindun  *100  (Kamele)'  zu  identifizieren,  ziemlich  kt 
gegenüber.  Es  wäre  allerdings  möglich,  das  iji  des  idg.  *k'9iU< 
durch  volksetymologischen  Anschluß  an  die  Zehnerbezeichnung 
zu  erklären,  und  man  kann  vielleicht  sogar  sagen,  daß  die  Deutu 
von  *k'tßtom  als  eine  Ableitung  von  *dek'tp(t)  *zehn*  nicht  ga 
einwandfrei  ist,  weil  der  dabei  anzunehmende  Schwund  der  Sil 
*cfe-  im  Anlaut  nicht  durch  den  Schwund  im  Inlaut  bei  20 — 
hinlänglich  gestützt  wird.  Aber  auf  das  Alter  des  arabischen  Zäl 
wertes  (nicht  Zahlwortes)  hindun  kann  man  kein  unbedingi 
Vertrauen  haben. 

So  viel  darf  man  jedenfalls  aus  der  Betrachtung  der  Zal 
Wörter  folgern,  daß  sie  eher  für  als  gegen  meine  ^nostratiscl 
Hypothese  und  ganz  besonders  für  die  Verwandtschaft  des  Ine 
germanischen  mit  dem  Semitischen  sprechen. 

A  priori  von  der  Verwandtschaft  des  Indogermanischen  u 
des  Semitischen  übei-zeugt,  stelle  ich  an  das  Material,  worauf  c 
uridg.-semitischen  Lautgesetze  aufzubauen  sind,  nur  dieselben  A 
f orderungen,  die  man  auch  an  das  für  die  idg.  LauÜehre  v^ 
wendete  Material  stellt.  Gern  gebe  ich  zu,  daß  ein  beträchtlich 
Teil  des  von  H.  Möller  vorgebrachten  Materials  diesen  Anforc 
rungen  nicht  genügt.  Für  die  schwachen  Seiten  seiner  Arb 
habe  ich  überhaupt  den  Blick  ebenso  offen  wie  nui'  irgend  jemai 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  347 

Aber  es  wäre  Kaumverschwendung,  hier  darauf  einzugehen,  da 
ich  keine  Anzeige  schreiben  >yill,  und  da  sowieso  ein  genügendes 
Material  übrig  bleibt  (ich  zähle  etwa  130  glaubwürdige  Gleichungen). 
Um  wenigstens  anzudeuten,  in  welcher  Richtung  meine  Aner- 
kennunggeht, verweise  ich  ganz  beispielsweise  auf  die  Gleichungen 
für  lat  cornü,  oculus,  ös  *Mund*,  griecb.  d[^q)rlv  *Hals',  abulg. 
mazgu  'Gehirn*  griech.  ßaivuj  (vgl.  dazu  KZ.  39,  481),  üükuc,  qpiiuj, 
lat  sedere,  stäre,  gignö,  skr.  süte  'erzeugt,  gebiert',  aevum, 
juvenis,  senex,  griech.  övo^a,  47Tpld^rlv,  inerpov,  4Kdjv,  lat  far, 
skr.  dhäna-8  'Getreidekörner',  griech.  oivoc,  an.  J)jörr  'Stier'  (ich 
finde  bei  diesem  und  dem  vorhergehenden  Wort  keinen  Anlaß, 
Entlehnung  anzunehmen),  griech.  ittttoc,  dTUj,  dTeipuj  (S.  289), 
T^pcoinai,  skr.  tamas  'Finsternis',  ahar  "Tag*,  d.  Sommer,  skr. 
apara-  'hinterer*,  griech.  irpoiToc,  7T€Tdvvö|Lii. 

Indem  ich  zur  Erörterung  der  H.  MöUerschen  Lautgesetze 
übergehe,  wähle  ich  als  Ausgangspunkt  seine  Theorien  über  die 
Gestalt  der  idg.  Wurzeln.  Diese  sind  seiner  Ansicht  nach  ur- 
sprünglich entweder  zweisilbig  oder  dreisilbig  gewesen,  und  zwar 
so,  daß  jede  Silbe  mit  nur  einem  unsilbischen  Laut  anlautete; 
die  unsilbischen  Gruppen  sind  erst  durch  den  Ablaut  ins  Leben 
gerufen.  Das  trifft  zweifellos  in  sehr  vielen  Fällen  zu.  Die  Wich- 
tigkeit des  Wechsels  zwischen  Vollstufe  I  und  Vollstufe  11  wird 
immer  mehr  anerkannt  (ßp^qpoc  aus  ^g'^erebhe-^  Zeiic  aus  *d^efie- 
usw.),  und  die  heute  ziemlich  verbreitete  Ansicht,  daß  das  be- 
wegliche s  (griech.  crifijj  :  lat  tegö  usw.)  ein  Präfix  ist,  führt 
uns  einen  Schritt  weiter  in  derselben  Richtung.  Trotzdem  ist  es 
mir  zweifelhaft,  ob  es  nötig  ist,  eine  so  vollkommene  Regelmäßig- 
keit anzunehmen,  wie  sie  H.  Möller  voraussetzt.  Im  Semitischen 
ist  sie  zweifellos  vorhanden,  braucht  aber  nicht  ursprünglich  zu 
sein.  Bis  ich  eines  besseren  belehrt  werde,  werde  ich  also  fort- 
fahren das  SU  von  idg.  *suek's  dem  einfachen  ursemitischen  i 
(arab.  sädisun  'der  sechste')  gegenüber  als  das  ältere  zu  betrachten. 

Weiterhin  nimmt  H.  Möller  an,  daß  man  ursprünglich  nur 
einen  einzigen  silbischen  Vokal  und  zwar  a  (idg.  e)  gehabt  hat 
Sicher  ist  es  allerdings,  daß  es  im  idg.  Ablautsystem  keine  tt- 
und  f-Reihen,  sondern  nur  eu-  und  «-Reihen  gibt  Femer  halte 
ich  es  für  durchaus  sicher,  daß,  wie  Saussure  und  H.  Möller 
angenommen  haben,  die  'schweren*  Vokalreihen  aus  der  Ver- 
schmelzung kurzer  Vokale  mit  einem  Konsonanten  entstanden 
sind ;  ich  habe,  Les  pronoms  dömonstratifs  S.  37 — 45,  diese  An- 


3^  H.  Pedersen, 

sieht  durch  neue  Argumente  zu  stützen  versucht  (dabei  habe  ich 
diesen  hypothetischen  Konsonanten  v  geschrieben  und  phonetisch 
als  ein  q  zu  bestimmen  versucht).  Viel  weniger  sicher  ist  es,  ob 
es  nur  eine  einzige  leichte  Votabeihe  gegeben  hat  BJs  könnte 
neben  der  ^-Reihe  (e:o:  Schwund)  eine  o-Reihe  {0:0:  Schwund) 
und  eine  a-Reihe  gegeben  haben.  Sollte  es  eine  o-  und  o-Beihe 
nicht  gegeben  haben,  so  kannte  das  Indogermanische  allerdings 
ebenso  wie  das  Semitische  nur  eine  Vokalreihe.  Aber  der  sich 
in  einer  einzigen  Vokalreihe  bewegende  Ablaut  braucht  keines- 
wegs darauf  zu  beruhen,  daß  es  in  einer  noch  älteren  Periode 
nur  einen  einzigen  silbischen  Vokal  gegeben  hätte  (vgl.  IF.  2, 323; 
KZ.  36.  86;  38,  399;  Les  pronoms  d^monstratifs  S.  44  Fußnote). 
Es  ist  durchaus  möglich,  daß  die  Alternation  eu  :  u  im  Indo- 
germanischen in  einigen  Fällen  lautgesetzlich  (auf  dem  Schwund 
des  urspr.  e  beruhend),  in  anderen  Fällen  analogisch  (bei  einem 
Gnindvokal  u)  ist  Und  ebenso  könnte  im  Semitischen  die  Alter- 
nation a:u  in  einigen  Fällen  lautgesetzlich  (Grundvokal  o),  in 
anderen  Fällen  analogisch  (Grundvokal  u)  sein.  Ich  trage  daher 
prinzipiell  kein  Bedenken,  ein  semitisches  u  eventuell  einem  idg.  u 
(oder  ßw,  ou)  gleichzusetzen,  gestehe  aber  gern  zu,  daß  Fälle,  die  eine 
solche  Gleichsetzung  empfehlen  oder  erfordern,  außerordentlich 
selten  sind.  Ferner  könnte  sowohl  im  Semitischen  wie  im  Indo- 
germanischen (oder  eventuell  nur  im  Sem.)  eine  alte  Dreiheit 
e,  a,  0  in  einen  Vokal  zusammengefallen  sein. 

Die  Frage,  ob  der  semitische  Ablaut  zu  dem  idg.  Ablaut 
historische  Beziehungen  hat,  wird  von  H.  Möller  wohl  mit  Recht 
bejahend  beantwortet  (S.  357,  143,  363).  Es  ist  dann  nötig,  das 
semitische  a  in  gewissen  Fällen  der  Reduktionsstufe  zuzuweisen; 
so  das  erste  a  in  arab.  k'atala,  das  sich  zum  Schwunde  im  Impf. 
jfchk'tulu  ebenso  verhalten  würde  wie  griech.  ireöä  zu  M-ßöat. 
Femer  müßte  ein  guter  Teil  der  im  Semitischen  nur  ge- 
schwächten und  als  a,  i,  u  erscheinenden  Vokale  im  Indo- 
germanischen geschwunden  sein.  Das  Indogermanische  müßte 
einen  Teil  seiner  dehnstufigen  Vokale  mit  dem  Semitischen 
gemeinsam  einen  anderen  Teil  selbständig  entwickelt  haben. 

Für  die  Entstehung  der  schweren  Vokalreihen  im  Indo- 
germanischen macht  H.  Möller  die  drei  semitischen  Gutturale 
'Aleph,  h  (bei  H.  Möller  h)  und  *Ajin  verantwortlich.  So  weit 
stimme  ich  ihm  gern  bei;  die  Einzelheiten  scheinen  mir  aber 
dunkel  zu  sein.  H.  Möller  läßt  nicht  die  drei  Konsonanten  in 


Die  idg.-semitische  Hypothese  and  die  idg.  Lautlehre.  349 

emen  (etwa  mein  v=q)  zusammenfallen,  sondern  schreibt  jedem 
von  ihnen  eine  besondere  Wirkung  zu.  *Ajin  soll  die  Wirkung 
haben,  ein  folgendes  0  in  o  umzufärben  (griech.  övoinai  *schmähe, 
schelte'  övoina  *Name*:  arab.  ^anna  *gave  a  bad  name;  titulo 
insignivit  librum',  ^inmnun  Titer),  n  gibt  dem  e  die  a-Färbung 
(griech.  dKUJKri  usw.:  arab.  Haddun  *edge',  Hadidun  *scharf).  Bei 
*Aleph  nimmt  tt  Möller  in  einigen  Fällen  eine  a- färbende 
Wirkung  an  (griech.  d(v€^oc  usw.:  arab.  lanaHa  *anhelavit'),  in 
anderen  liegt  eine  solche  Wirkung  aber  entschieden  nicht  vor 
(griech.  d-Yiu:  arab.  Präfix  der  T.  Sing.  5  a-).  Da  das  semitische 
*Aleph  im  Ägyptischen  zweierlei  Vertretung  hat  (als  'Aleph  oder 
als  i;  s.  Erman  Ägypt.  Gr.*  S.  9),  so  nimmt  H.  Möller  an,  daß 
im  Semitischen  zwei  Laute  zusammengefallen  sind.  Aber  das 
an  lautlichen  Neuerungen  reiche  und  noch  vergleichend-etymo- 
logisch zu  wenig  erforschte  Ägyptische  ist  eine  schwache  Stütze, 
und  ich  vermisse  eine  Andeutung  darüber,  von  welcher  Art 
der  phonetische  Unterschied  zwischen  den  beiden  Aleph  gewesen 
sein  sollte.  Denkbar  wäre  es  natürlich,  daß  nur  das  eine  'Aleph 
ein  wirklicher  uridg.-semi tischer  Laut  ('fester  Einsatz')  gewesen 
wäre,  das  andere  'Aleph  hingegen  sich  erst  auf  semitischem 
Boden  bei  ursprünglich  rein  vokalischem  Anlaut  (mit  leisem 
Einsatz)  entwickelt  hätte.  Aber  damit  kommt  man  nicht  aus; 
es  wäre  dann  unmöglich,  den  häufigen  Wechsel  zvrischen  e  und 
a  im  Anlaut  (Les  pronoms  dömonstratifs  S.  45)  zu  erklären.  Ich 
ziehe  daher  vor,  die  mit  dveinoc  parallelen  Fälle  als  schwund- 
stufig die  mit  d-rdi  parallelen  Fälle  als  vollstufig  zu  betrachten. 
In  der  Schwimdstufe  erscheinen  alle  drei  Gutturale  als  europä- 
isches o,  dem  in  bestimmten  Fällen  (vgl.  EZ.  36,  85)  ein  arisches 
f  (nach  H.  Möller  bei  ursprünglichem  'Ajin  skr.  f,  was  kaum 
bewiesen  ist)  gegenübersteht  (skr.  ganitar-  'Erzeuger*:  arab. 
d^anaiat  *she  brought  forth',  cTaniun  *offspring,  children*,  d'iniun 
•origin,  root,  race';  griech.  Trerdwöini :  arab.  fataua  *aperuif; 
skr.  starimath  "Ausbreitung,  Ausstreuung*:  arab.  dara^a  'to  streich 
forth  or  extend  the  arm*);  und  mag  man  über  die  ganze  idg. 
o-Frage  denken  wie  man  will,  es  ist  jedenfalls  nicht  nachge- 
wiesen, daß  anlautendes  schwundstufiges  a  (t>)  im  Arischen  anders 
als  vollstufiges  a  behandelt  wird.  Ich  schreibe  also  dem  *Aleph 
keine  umlautende  Wirkung  zu.  Mit  Bezug  auf  h  und  *Ajin 
könnte  H.  Möller  aber  Recht  haben ;  die  Belege  sind  für  ihn 
nicht  ungünstig;  das  Auftreten  des  e  in  der  *Aiinteili^  (jx.  ^tjl- 


aöO  H.  Pedersen, 


ech,  cymr.  en-ep  'Gesicht'  und  lit  jenkü,  jökti  *blind  werdea' 
zu  lat  oculus,  arab.  ^ajnun  *Auge';  arm.  p-is,  *Hals'  KZ.  3S, 
487  zu  griech.  dfinqpriv,  arab.  ^unk*un  'Hals')  und  in  der  IF-Beihi 
(arm.  j-esan  'Wetzstein'  trotz  Lid6n  Arm.  Studien  S.  55  i  n 
griech.  dKÖvri)  ist  in  der  Tat  so  selten,  daß  es  einen  Sinn  haba 
kann,  darin  Entgleisungen  oder  Sonderentwicklungen  der  ein- 
zelnen Sprachen  zu  sehen.  Nimmt  man  den  in  die$;er  Weise 
übrig  bleibenden  Kern  der  H.  Möllerschen  Ansichten  an,  so  mul 
man  den  Anlautswechsel  e  :  a  immer  in  die  'Alephreihe  ▼e^ 
weisen,  und  die  Häufigkeit  dieser  Altemation  wäre  für  die 
Ansicht  ein  günstiges  Omen,  es  habe  im  Indogermanischai 
ebenso  wenig  wie  im  Semitischen  rein  vokalischen  Anlaut  ge- 
geben (eine  Yennutung,  die  schon  bei  mir  dämmerte,  als  ich 
meinen  Aufsatz  Les  pronoms  dömonstratifs  schrieb).  Auch  för 
den  von  mir  KZ.  38,  404  angenommenen  Ablaut  g :  ä  wäre  nur 
in  der  'Alephreihe  Raum  (die  Sippe  von  ir.  11  im  *klage  an'  mit 
idg.  i  neben  lit.  lö-ti  'bellen',  lat  läträre  mit  idg.  ö  wäre  also 
bei  H.  Möller  S.  341  falsch  beurteilt).  Die  von  mir  für  den  Ab- 
laut e  :  a  beigebrachten  Beispiele  lassen  sich  mehren ;  mit  Un- 
recht habe  ich  aber  die  Möglichkeit  einer  nicht  dehnstufigen 
Altemation  e  :  ö  neben  g :  ä  abgeleugnet;  mit  Unrecht :  denn 
die  ümlautstufe  braucht  nicht  aus  einem  Gusse  zu  sein. 

Den  Schwerpunkt  der  H.  Möllerschen  Untersuchungen 
bildet  die  Darstellung  der  Verschlußlaute.  Es  kommt  hier  vor 
allem  auf  die  Kekonstruktion  des  ursemitischen  Lautstandes  an; 
man  wird  aber  sagen  können  —  und  dies  ist  das  größte  Lob  — , 
daß  H.  Möller  in  dieser  Beziehung  kaum  etwas  neues  vorbringt; 
aber  seine  Yenvertung  der  Errungenschaften  der  semitischen 
Grammatik  ist  genial.  Eine  äußerst  wichtige  Rolle  spielt  die 
Auffassung  der  "emphatischen'  Konsonanten  des  Semitischen. 
Daß  es  sich  bei  diesen  I^auten  um  eine  bestimmte  Artikulations- 
art handelt,  geht  u.  a.  klar  aus  verschiedenen  Erscheinungen 
der  hebräischen  Grammatik  hen'or  (Strack  Hebr.  Gr.*  §  3  b, 
8  62  b  2 ;  vgl.  §  6  a),  und  zwar  waren  die  Laute  gewiß  ursemi- 
tisch, wie  man  längst  vermutet  hat,  und  wie  auch  Zinunem, 
vgl.  Gr.  S.  8 — 9,  und  Brockelmann  annehmen,  durch  einen  Kehl- 
kopfverschluß charakterisiert  ^).  Das  Ätliiopische  kennt  (im  Inlaut) 

1)  Demnach  müssen  diese  Laute,  deren  herkömmliche  Bezeichnung 
durch  einen  untergesetzten  Punkt  mit  dem  idg.  Transskriptionssystem, 
wonach  /,  ^  ein  kakuminales  t  und  d  bezeichnet,  nicht  vereinbar  ist,  als 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  351 

ein  emphatisches  p\  das  dem  h  der  übrigen  Sprachen  gegen- 
über gewiß  eine  Altertümlichkeit  ist;  sonst  wird  die  größte  Zahl 
von  emphatischen  Lauten  im  Arabischen  auseinandergehalten. 
Dabei  ist  allerdings  die  genaue  ursprüngliche  Aussprache  nicht 
immer  selbstverständlich.  Ich  glaube  aber,  daß  H.  Möller  mit 
Recht  den  durch  eine  Modifikation  des  f'-Zeichens  ausgedrückten 
nach  der  neuarabischen  Aussprache  als  z*  transskribierten  Laut 
als  die  dem  f  ursprünglich  entsprechende  Media  auffaßt.  Da- 
gegen spricht  nicht  die  stimmlose  Aussprache  in  den  übrigen 
semitischen  Sprachen  (z.  B.  syr.  t*\  da  ein  ähnliches  Stimmlos- 
werden auch  bei  anderen  emphatischen  Lauten  vorkommt;  auch 
nicht  die  neuarabische  Aussprache  (z*\  die  als  Zwischenglied 
ein  emphatisches  d*  voraussetzen  kann  und  andererseits  uns 
vielleicht  einen  Teil  des  Weges  vorzeichnet,  auf  dem  die  äthio- 
pische, hebräische,  assyrische  Aussprache  (=  «')  zu  verstehen 
ist  Das  arabische  s  war  nach  H.  Möller  ursprünglich  eine  Affri- 
kata  c';  damit  stimmt  die  äthiopische  Aussprache  (c);  damit 
stimmt  auch  die  ägyptisch -koptische  Entsprechung  (ägypt  dy 
kopt  ^,  Erman  Ägypt.  Gr.*  S.  13),  und  das  Vorhandensein  eines 
Mundverschlusses  wird  schließlich  noch  dadurch  gestützt,  daß... 
der  durch  eine  Modifikation  des  «'-Zeichens  ausgedrückte  stimm-  * 
hafte  Laut  neuarab.  d'  gesprochen  wird;  daneben  kommt  nach 
Völlers  Transactions  of  tlie  Ninth  International  Congress  of 
Orientalists  II  f46  die  Aussprache  als  (emphatisches?)^  vor,  die 
als  Vorstufe  für  die  syrische  Aussprache  (als  *Ajin)  betrachtet 
werden  darf;  sonst  ist  die  Aussprache  sibilantisch  (hebr.  s*  usw.); 
demnach  ist  eine  Affrikata  g*  als  ursprüngliche  Aussprache  nicht 
unwahrscheinlich.  Vgl.  Brockehnann  S.  65  f.  Im  Anschluß  an 
Grimme  nimmt  schließlich  H.  Möller,  auf  das  (nicht  ganz  klare) 
Zeugnis  des  Assyrisch-Babylonischen  gestützt,  an,  daß  im  arab.  V 
ein  stimmloser  und  ein  stinunhafter  Laut  zusammengefallen  sind. 
So  stellt  es  sich  heraus,  daß  die  emphatischen  Laute  ursprünglich 
immer  Verschlußlaute  (oder  Affrikatae)  gewesen  sind. 

Und  weiterhin,  daß  es  zwischen  der  A-Reihe  und  der  f- 
Eeihe  eine  durch  arab.  s*  und  d*  vertretene  palatale  Reihe  ge- 

i\  <r  usw.  (wie  schon  im  Kaukasischen  geschehen  ist)  geschrieben  werden 
(wodurch  ihr  phonetisches  Verhältnis  zu  idg.  <r  (=dh)  usw.  besonders 
klar  hervortritt).  Es  ist  aber  dann  nötig,  die  übliche  Transskription  von 
'Aleph  und  'Ajin  zu  ändern;  ich  schreibe  :  (wie  im  Ägyptischen)  und  £ 
(arabisches  Zeichen,  das  mit  dem  lateinischen  Alphabet  gut  harm.ori«x\.V 


360  H.  Pedersen, 

ech,  cymr.  en-ep  'Gesicht'  und  lit  jenkü,  jökti  *blind  werdai' 
zu  lat  oculus,  arab.  ^ajinun  *Auge';  arm.  thiz^  "Hals'  KZ.  39, 
437  zu  griech.  d[|Li(pTiv,  arab.  ^unk'un  *HaIs')  und  in  der  JEF-Beihe 
(arm.  j-esan  'Wetzstein'  trotz  Lid6n  Arm.  Studien  S.  551  in 
griech.  dKÖvri)  ist  in  der  Tat  so  selten,  daß  es  einen  Sinn  haben 
kann,  darin  Entgleisungen  oder  Sonderentwicklungen  der  ein- 
zelnen Sprachen  zu  sehen.  Nimmt  man  den  in  dieser  Weise 
übrig  bleibenden  Kern  der  H.  MöUerschen  Ansichten  an,  so  mal 
man  den  Anlautswechsel  e  :  a  immer  in  die  'Alephreihe  ver- 
weisen, und  die  Häufigkeit  dieser  Altemation  wäre  für  die 
Ansicht  ein  günstiges  Omen,  es  habe  im  Indogermanischoi 
ebenso  wenig  wie  im  Semitischen  rein  vokalischen  Anlaut  ge- 
geben (eine  Yennutimg,  die  schon  bei  mir  dämmerte,  als  ich 
meinen  Aufsatz  Les  pronoms  d6monstratifs  schrieb).  Auch  für 
den  von  mir  KZ.  38,  404  angenommenen  Ablaut  g :  ä  wäre  nur 
in  der  'Alephreihe  Raum  (die  Sippe  von  ir.  liim  *klage  an'  mit 
idg.  ^  neben  lit  16-ti  *bellen',  lat  läträre  mit  idg.  ä  wäre  also 
bei  H.  Möller  S.  341  falsch  beurteilt).  Die  von  mir  für  den  Ab- 
laut e  :  a  beigebrachten  Beispiele  lassen  sich  mehren ;  mit  Un- 
recht habe  ich  aber  die  Möglichkeit  einer  nicht  dehnstufigen 
Alternation  e  :  ö  neben  ^:  ä  abgeleugnet;  mit  Unrecht :  denn 
die  Umlautstufe  braucht  nicht  aus  einem  Gusse  zu  sein. 

Den  Schwerpunkt  der  H.  MöUerschen  Untersuchungen 
bildet  die  Darstellung  der  Verschlußlaute.  Es  kommt  hier  vor 
allem  auf  die  Rekonstruktion  des  ursemitischen  Lautstandes  an; 
man  wird  aber  sagen  können  —  und  dies  ist  das  größte  Lob  — , 
daß  H.  Möller  in  dieser  Beziehung  kaum  etwas  neues  vorbringt; 
aber  seine  Verwertung  der  Errungenschaften  der  semitischen 
Grammatik  ist  genial.  Eine  äußerst  wichtige  Rolle  spielt  die 
Auffassung  der  'emphatischen'  Konsonanten  des  Semitischen. 
Daß  es  sich  bei  diesen  Lauten  um  eine  bestinmitc  Artikulations- 
art handelt,  geht  u.  a.  klar  aus  verschiedenen  Erscheinungen 
der  hebräischen  Grammatik  hen^or  (Strack  Hebr.  Gr.«  §  3  b, 
§  62  b  2 ;  vgl.  §  6  a),  und  zwar  waren  die  Laute  gewiß  ursemi- 
tisch, wie  man  längst  vermutet  hat,  und  wie  auch  Zimmern, 
vgl.  Gr.  S.  8 — 9,  und  Brockelmann  annehmen,  durch  einen  Kehl- 
kopfverschluß charakterisiert  ^).  Das  Äthiopische  kennt  (im  Lilaut) 

1)  Demnach  müssen  diese  Laute,  deren  herkömmliche  Bezeichnung 
durch  einen  untergesetzten  Punkt  mit  dem  idg,  Transskriptionssystem« 
wonach  /,  4  ein  kakuminales  t  und  d  bezeichnet,  nicht  vereinbar  ist,  tb 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  351 

ein  emphatisches  p',  das  dem  b  der  übrigen  Sprachen  gegen- 
über gewiß  eine  Altertümlichkeit  ist;  sonst  wird  die  größte  Zahl 
von  emphatischen  Lauten  im  Arabischen  auseinandergehalten. 
Dabei  ist  allerdings  die  genaue  ursprüngliche  Aussprache  nicht 
immer  selbstverständlich.  Ich  glaube  aber,  daß  H.  Möller  mit 
Recht  den  durch  eine  Modifikation  des  ^'-Zeichens  ausgedrückten 
nach  der  neuarabischen  Aussprache  als  z*  transskribierten  Laut 
als  die  dem  f  ursprünglich  entsprechende  Media  auffaßt  Da- 
gegen spricht  nicht  die  stimmlose  Aussprache  in  den  übrigen 
semitischen  Sprachen  (z.  B.  syr.  t')^  da  ein  ähnliches  Stimmlos- 
werden  auch  bei  anderen  emphatischen  Ijauten  vorkommt;  auch 
nicht  die  neuarabische  Aussprache  {z'\  die  als  Zwischenglied 
ein  emphatisches  d'  voraussetzen  kann  und  andererseits  uns 
vielleicht  einen  Teil  des  Weges  vorzeichnet,  auf  dem  die  äthio- 
pische, hebräische,  assyrische  Aussprache  (=  s')  zu  verstehen 
ist  Das  arabische  s'  war  nach  H.  Möller  ursprünglich  eine  Affri- 
kata  c';  damit  stimmt  die  äthiopische  Aussprache  {c);  damit 
stimmt  auch  die  ägyptisch -koptische  Entsprechung  (ägypt  d, 
kopt  ^,  Erman  Ägypt  Gr.*  S.  13),  und  das  Vorhandensein  eines 
Mundverschlusses  wird  schließlich  noch  dadurch  gestützt,  daß... 
der  durch  eine  Modifikation  des  «'-Zeichens  ausgedrückte  stimm- 
hafte Laut  neuarab.  cT  gesprochen  wird;  daneben  kommt  nach 
Völlers  Transactions  of  the  Ninth  International  Congress  of 
Orientalists  II  f46  die  Aussprache  als  (emphatisches  ?)  <)  vor,  die 
als  Vorstufe  für  die  syrische  Aussprache  (als  *Ajin)  betrachtet 
werden  darf;  sonst  ist  die  Aussprache  sibilantisch  (hebr.  s'  usw.); 
demnach  ist  eine  Affrikata  g'  als  ursprüngliche  Aussprache  nicht 
unwahrscheinlich.  Vgl.  Brockelmann  S.  65  f.  Im  Anschluß  an 
Grimme  nimmt  schließlich  IL  Möller,  auf  das  (nicht  ganz  klare) 
Zeugnis  des  Assyrisch-Babylonischen  gestützt,  an,  daß  im  arab.  k* 
ein  stimmloser  und  ein  stimmhafter  Laut  zusammengefallen  sind» 
So  stellt  es  sich  heraus,  daß  die  emphatischen  Laute  ursprünglich 
inmier  Verschlußlaute  (oder  Affrikatae)  gewesen  sind. 

Und  weiterhin,  daß  es  zwischen  der  Ä;-Reihe  und  der  ^ 
Reihe  eine  durch  arab.  s*  und  d'  vertretene  palatale  Reihe  ge- 

f,  <r  usw.  (wie  schon  im  Kaukasischen  geschehen  ist)  geschrieben  werden 
(wodurch  ihr  phonetisches  Verhältnis  zu  idg.  (T  (=dh)  usw.  besonders 
klar  hervortritt).  Es  ist  aber  dann  nötig,  die  übliche  Transskription  von 
*Äleph  und  "Ajin  zu  ändern;  ich  schreibe  i  (wie  im  Ägyptischen)  und  £ 
(arabisches  Zeichen,  das  mit  dem  lateinischen  Alphabet  gut  harmoxvifötVV 


354  H.  Pedersen, 

getrennt  aufweist  Die  Zahl  der  Belege  für  die  idg.  Laallehn 
ist  in  einer  so  spät  überlieferten  und  lautlich  stark  geändeitea 
Sprache  naturgemäß  nicht  sehr  groß,  und  die  Zahl  der  Eäle^ 
denen  man  durch  die  Annahme  unwahrscheinlicher,  aber  imma^ 
hin  denkbarer  Analogiebildungen  Gewalt  antun  müßte,  um  die 
sogenannten  reinen  Yelare  mit  den  Labiovelaren  zu  identifizieren, 
ist  daher  aucli  nicht  groß.  Da  man  aber  sowieso  die  Dreireihen- 
theorie  nicht  los  wird,  so  halte  ich  eine  derartige  Yei^waltigong 
der  albanesischen  Tatsachen  für  unerlaubt  Aus  meinem  B«- 
spielverzeichnis  KZ.  36,  329  f.  mag  wirklich  der  eine  oder  der 
andere  Fall  als  für  die  Behandlung  der  *reinen  Velare*  nidit 
beweisend  oder  als  falsch  zu  streichen  sein;  ich  war  absichdich 
der  Tradition  gegenüber  so  konservativ  wie  möglich  gewesen; 
denn  es  kam  mir  in  meinem  Aufeatz  natürlich  in  erster  Linie 
auf  meine  neue  These  an,  daß  die  Labiovelare  vor  e  und  i  eine 
weit  vorgeschrittene  Palatalisation  aufweisen,  und  für  diesen 
Zweck  genügte  der  Nachweis,  daß  die  Beispiele  ohne  vorge- 
schrittene Palataüsation  sämtlich  der  "reinen  Velarreihe*  ge- 
hören. Jetzt  mag  man  diese  Beispiele  von  einem  anderen  Ge- 
sichtspunkt auf  eine  strengere  Wage  legen;  man  mag  mit  E. 
Hermann  drei  derselben  (Nr.  4,  10,  11)  als  falsch  ablelmen;  das 
ändert  aber  an  der  Sache  sehr  wenig.  So  lange  man  bei  jffii 
und  koh9  keine  glaubwürdige  Ausrede  gefunden  hat,  bleibt,  wie 
ich  glaube,  meine  Zurechtlegiing  wahrscheinlich.  Die  Vermutung, 
daß  die  *reinen  Velare'  auch  im  Griechischen  und  Lateinischen 
in  der  Stellung  vor  u  andei's  behandelt  werden  als  die  Labio- 
velare und  die  Palatale  (Brugraann  Kurze  vgl.  Gr.  S.  158),  habe 
ich  fi'üher  abgelehnt.  Beispiele,  die  eine  solche  Vermutung  nahe- 
legen, smd  aber  wohl  ti'otzdem  vorhanden;  und  phonetisch  ist 
die  Abneigung  der  *reinen  Velare'  gegen  die  Verbindung  mit 
einem  u  nicht,  wie  ich  mit  Unrecht  angenommen  hatte,  unver- 
ständlich. Sie  wird  durchaus  verständlich,  sobald  man  die  Veinen 
Velare'  als  hintei^te  A-Laute,  als  Uvulare  faßt  Nach  dieser 
Auffassung  (die  ich  schon  vor  mehr  als  einem  Jahre,  um  Neu- 
jalir  1906,  ohne  von  den  Forschungen  H.  Möllers  eine  Ahnung 
zu  haben,  Herrn  Dr.  E.  Hermann  brieflich  mitgeteilt  hatte)  sind 
die  drei  Reihen  als  k\  k**  und  q  zu  bezeichnen.  Der  im  Indo- 
germanischen nicht  seltene  Wechsel  der  A-Reihen,  wird  dann 
auf  Berührungen  der  Palatale  und  der  Labiovelare  beruhen; 
denn   die   Artikulationsstelle  der  Uvulare  ist  bestimmter  und 


DiQ  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  863 

dhänäs  "Getreidekömer* ;  assyr.  k*arärü  *Hitze*  :  griech.  6^poc. 
4)  sem.  emphatische  Media  =  idg.  Media  :  arab.  z'arra  'he  cut 
or  split  off  a  fragment  of  a  hard  stone  to  be  used  as  a  knife' : 
griech.  ö^puj;  hebr.  i'arcpjj 'Mutterleib*,  assyr.  ina  kirib  'in*  (assyr. 
k  aus  ursemit  g')  :  ßp^qpoc  (mit  l :  arab.  k^albun  *Herz'  :  griech. 
beXqpuc,  got  kalbö).  Ob  es  eine  emphatische  Media  der  Labial- 
reihe gegeben  hat,  läßt  sich  vom  semitischen  Standpunkt  nicht 
entscheiden ;  hat  sie  bestanden,  so  muß  sie  offenbar  (wenigstens 
außerhalb  des  Äthiopischen)  mit  der  labialen  emphatischen  Tennis 
das  gleiche  Schicksal  gehabt  haben.  Auch  das  Indogermanische 
lehrt  uns  nicht  viel;  eine  Media  b  kommt  hier  zwar  vor,  ist 
aber  bekanntlich  so  selten  gewesen,  daß  man  sie  schließlich  leicht 
überall  als  sekundär  (durch  sekimdären  Lautwandel  oder  Ent- 
lehnung entstanden,  vgl  Johansson,  EZ.  36, 389)  auffassen  könnte. 

Dies  System  der  idg.-semitischen  Entsprechungen  hat  mit 
den  aus  historischer  Zeit  bekannten  Lautverschiebungen  (der  ar- 
menischen und  der  germanischen  Lautverschiebung)  eine  be- 
deutende Ähnlichkeit,  die  ich  als  eine  Empfehlung  derselben 
betrachte.  Daß  die  seltenen  Tenues  aspiratae  nicht  als  eine  alte 
selbständige  Artikulationsart,  sondern  nur  als  eine  Abzweigung 
der  alten  Tenues  erscheinen,  ist  gleichfalls  sehr  glaubwürdig; 
das  Problem  ist  aber  noch  nicht  erschöpft;  u.  a.  scheint  mir  die 
Frage  berechtigt  zu  sein,  ob  nicht  im  Inlaut  gelegentlich  eine 
Tennis  aspirata  aus  einer  Media  aspirata  durch  einen  speziell 
idg.  lautlichen  Vorgang  entstanden  sein  könnte.  Die  Kehlkopf- 
artikulation der  emphatischen  Tenues  ist  im  Indogermanischen 
in  geänderter  Form  gebUeben,  die  Kehlkopfartikulation  der  em- 
phatischen Mediae  ist  (wie  später  in  den  meisten  idg.  Einzel- 
sprachen die  Kehlkopfartikulation  der  Mediae  aspiratae)  ge- 
schwunden. 

Eine  besondere  Beachtung  verdienen  die  Palatale  und  die 
h-loLuie.  Daß  es  im  Indogermanischen  ebenso  gut  wie  im  Semi- 
tischen zwei  nicht  palatale  Ä;-Reihen  gegeben  hat,  scheint  mir 
festzustehen;  wenigstens  ist  eine  andere  Rekonstruktion  des  idg. 
Lantsystems  nicht  als  möglich  nachgewiesen  worden,  auch  von 
E.  Hermann  KZ.  41,  32—60  nicht  Die  idg.  Dreireihentheorie 
beruht  nicht  auf  dem  Albanesischen ;  sie  ist  bekanntlich  ohne 
Berücksichtigung  des  Albanesischen  aufgestellt  worden  und  müßte 
auch  ohne  das  Albanesische  festgehalten  werden.  Aber  ich  halte 
durchaus  daran  fest,  daß  das  Albanesische  die  drei  ib-BfövVv^Ti 


356  H.  Pedersen, 

Boden  unter  den  Füßen  vollständig  weg;  das  einzige  Eritenom 
für  die  Unterscheidung  der  beiden  nicht  palatalen  Reihen  ist 
eben  im  Indogermanisehen  die  Labialisierung.  Will  man  die 
beiden  idg.  Reihen  mit  den  beiden  semitischen  Reihen  paralkli- 
sieren,  so  muß  man  mit  Bezug  auf  die  Labialisierung  das  Indo- 
germanische für  die  Beurteilung  des  Semitischen  maßgebaid 
sein  lassen.  Die  Labialisierung  wäre  danH  auch  im  Semitischen 
ursprünglich  nur  bei  den  Velaren  vorhanden  gewesen  und  wäre 
im  Äthiopischen  bei  den  Uvularen  erst  eingetreten,  nachdem 
sie  zu  Velaren  verschoben  worden  waren  (ähnlich  habe  ich 
KZ.  39,  441  für  das  Arische  und  Annenische  ZusammenfaU  von 
ik"  und  q  in  i"  annehmen  zu  müssen  geglaubt).  Und  es  wäre 
als  eine  weitere  (vorläufig  unerklärte)  Neuerung  zu  betrachten, 
daß  die  Labialisierung  im  Äthiopischen  in  einem  Teil  der  Klle 
fehlt.  Wenn  man  aber  die  Vergleichung  der  beiden  nicht  pala- 
talen  i-Reihen  in  den  beiden  Sprachstämmen  in  dieser  Weise 
durchführen  will,  so  fällt  es  sofort  auf,  daß  die  Belege  ziemUch 
schlecht  stimmen.  Es  ist  nun  gewiß  möglich,  auf  verschiedene 
Fehleriiuellen  hinzuweisen,  die  teilweise  an  der  schlechten  Über- 
einstimmung Schuld  sein  können.  Ein  Teil  des  H.  Möllerschen 
Materials  kann  zu  verwerfen  sein;  mit  dem  oben  erwähnten  von 
mir  angelegten  ausgesäuberfen  Verzeichnis  von  130  besonders 
ansprechenden  Gleichungen  stimmt  die  Sache  schon  viel  besser 
als  mit  der  ungekürzten  H.  Möllei-schen  Sammlung.  Zweitens 
kann  unsere  idg.  Rekonstruktion  bisweilen  falsch  sein  (q  kann 
falsch  statt  k' :  i"  angesetzt  sein).  Drittens  kann  die  Labiahsation 
im  Indogermanischen  zum  Teil  sekundär  verloren  gegangen  sein 
(so  sicher  nach  u).  Die  schon  oft  hervorgehobene  Häufigkeit  der 
idg.  Uvulare  vor  a  läßt  sich  dagegen  gewiß  nicht  verwerten, 
da  der  Vokal  eher  von  dem  Uvular  abhängig  ist  als  umgekehrt 
Daß  schließlich  die  semitische  Velar-  und  Uvulaneihe  mit  der 
idg.  Labiovelar-  und  Uvularreihe  identisch  sind,  bin  ich  trotz 
der  Schwierigkeiten  geneigt  zu  glauben;  daß  aber  die  Drei- 
reihentheoric  in  dem  einen  oder  in  dem  andern  Spmchstamm 
durch  die  Vergleichung  des  Indogermanischen  mit.  dem  Semi- 
tischen eine  wesentliche  Stütze  erhielte,  darf  man  nicht  behaup- 
ten. Die  idg.-sem.  Beispiele  für  die  Uvulare  sind  denn  auch 
sehr  dünn  gesät.  Assyr.  xaxin  *ein  Domgewächs',  arab.  HOsun 
*a  certain  kind  of  thorny  plant  or  tree':  mhd.  hac  gen.  hages 
Domstrauch',  cymr.  cae  *Zaun'  mag  eine  richtige  Vergleichung 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  dö7 

sein ;  der  Wurzelauslaut  müßte  aber  im  Indogermauischen  eine 
Media  aspirata  sein,  was  unter  keinen  Umständen  zur  arabischen 
(mit  dem  Assyrischen  nicht  stimmenden)  Form  stimmen  würde ; 
und  dafür,  daß  der  Anlaut  im  Indogermanischen  ein  Uvular  ist, 
haben  wir  keine  Gewähr.  Für  die  uridg.-sem.  Media  finde  ich 
kein  mir  glaubhaftes  Beispiel.  Besser  sind  die  Beispiele  für  die 
emphatischen  Laute :  arab.  muxxun  *the  marrow  of  a  bone' :  an. 
mergr  *Mark',  asl.  mozgü  *Gehim',  awest.  mazga-  *Mark,  Gehirn*; 
daß  neben  idg.  gh  auch  g  bestanden  hat,  beweist  skr.  maigan-- 
'Mark' ;  dem  könnte  im  Semitischen  eine  Tennis  entsprochen,  vgl. 
Tigre  mäl^ät  Teig',  arab.  muHHun  *the  yolk  of  an  egg'  (idg.  zgjih) 
aus  g(A)s;  das  s  ableitend);  assyr.  oms'annu  ^Leibriemen ?',  xins'ä 
•Lenden',  syr.  Hos's'd  *hip,  haunch',  arab.  xas'run  Vaist,  the 
slender  part  above  the  hips  or  haunches',  äthiop.  k^*es*  *crus, 
tibia':  im  Indogermanischen  mit  umgekehrter  Stellung  des  Pa- 
latals und  des  Uvulars  skr.  gaeghä  *untere  Hälfte  des  Beins*, 
gagJMna-  'Hinterbacke',  lit.  zengiü  "schreite',  ahd.  gangan 
•gehen'  griech.  koxüjvh  *die  Stelle  zwischen  den  Schenkeln  bis 
an  den  After* ;  arab.  qurquratun  •Kropf,  Tigrina  g'^erg^^erit  •Kropf: 
griech.  TttpTctpeuJv  'uvula',  skr.  gargara-s  •Schlund*  (von  den  be- 
deutungsverwandten Wörtern  mit  Labiovelar  zu  trennen). 

Neben  den  Verschlußlauten  gab  es  im  Urindogermanisch- 
Semitischen   auch    Spii-anten.    Der  ursemitische    Bestand    war: 
ß  s  s  ä  X  H  h 

d      z     q  t 
Davon  kommt  $  für  die  Vergleichung  mit  dem  Indogermanischen 

in  Abzug,  da  es,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  aus  einem  prä- 
semitischen c  entstanden  sein  muß  (auch  im  Ostindogermani- 
schen  ist  kf  überall  —  von  den  Verbindungen  mit  einem  s  ab- 
gesehen —  spirantisch  geworden,  was  von  den  übrigen  Artiku- 
lationsarten der  palatalen  Verschlußlaute  nicht  gesagt  werden 
kann,  s.  KZ.  39,  489).  Das  ursemitische  s  (Samekh ;  bei  H.  Möller 
anders  transskribiert;  ich  habe  seine,  wie  mir  scheint,  wenig 
glückliche  Rekonstniktion  und  Transskription  der  stimmlosen 
nicht-emphatischen  Sibilanten  durch  die  meiner  Ansicht  nach 
allein  richtige  von  Zimmern  und  Brockelmann  vertretene  Re- 
konstruktion ersetzt)  ist  nach  H.  Möller  ursprünglich  ein  zur 
Palatalreihe  gehöriger  Reibelaut;  die  verschiedene  Entwicklung 
des  Reibelautes  und  der  Affrikata  mit  Bezug  auf  die  Mouillierung 
hat  in  anderen  Sprachen  eine  schlagende  Parallele  (s.  ZDMG. 

Indoirermanisclie  Fonchnngen  XXII.  ^ 


858  H.  Pedersen, 

57,  548 ff.).  Das  ursemitische  ä  (hebr.  ^  arab.  s)  entspricht  dem 
idg.  8^  und  es  ist  wohl  wahrscheinlich,  dafi  die  id^.  Aussprache 
älter  als  die  semitische  ist;  vgl.  das  Ägyptisch-Koptische,  Emum 
Äg.  Gr.  *  S.  12,  Hommel  Zs.  f.  äg.  Spr.  30,  9  ff.  (zum  semitischen  l 
aus  uridg.-sem.  s  vgl.  z.B.  den  Übergang  des  idg.  s  in  ^  im  Albane- 
sischen).  Die  Yergleichung  mit  dem  Indogermanischen  führt  la 
der  Annahme,  daß  im  sem.  z  zwei  Laute  zusammengefallen  sind: 
ein  dem  Samekh  entsprechender  urspr.  palataler  Laut  und  ein  dem 
sem.  i,  idg.  s  entsprechender  Laut  Femer  wird  es  eine  labiale 
Spirans  f  gegeben  haben,  die  im  Semitischen  zu  x  geworden  ist 
(vgl.  den  aus  mehreren  idg.  Sprachen  zu  belegenden  Übeigang 
eines  f  in  h). 

Im  Indogermanischen  sind  nun  nach  EL  Möller  zunächst 
sämtliche  stimmhafte  Mund-Spiranten  stimmlos  geworden ;  dann 
sind  sie  mit  Ausnahme  der  in  s  zusammengefallenen  Laute  zu 
Vei*schlußlauten  (reinen  Tenues)  geworden.  Beispiele  für  diese 
Kegel  wären  etwa:  arab.  luxurun  *the  back,  latter*:  skr.  apara- 
'hinterer*;  arab.  ßaurun  *Stier':  an.  pjorr  "Stier';  arab.  falada 
*secuit,  out^  cut  off*:  ahd.  s-paltan  (ein  anderes  Beispiel  für  (f 
ist  arab.  dara^a  *to  extend':  skr.  stariman-  'Ausbreitung');  hebr. 
«MS,  assyr.  »t5ä*Pferd*  (redupliziert):  lat  equus,  skr.  (t^va-s^  arab. 
saluatun  'corafort,  consolation',  hebr.  Saluä  'Sicherheit,  Buhe': 
lat.  salvus;  arab.  zamänun  *a  half  year*:  skr.  samä  "Halbjahr*: 
arab.  xarifun  *auctumnus',  äthiop.  xarif  *annus  praesens' :  griech. 
KapTTÖc  'Fi'ucht',  ahd.  herbist  "Herbst';  arab.  qaraba  *he  went  away', 
'ging  unter  (von  derSonne)' :  an.  Atw/a 'sich  wenden,  verschwinden*. 

Es  düi-fte  wohl  am  nächsten  liegen,  sem.  x  und  q  als  die 
Reibelaute  der  Velarreihe  aufzufassen.  Daß  die  Entsprechung  des 
X  im  Indogermanischen  keine  Labialisierung  zeigt,  braucht  nicht 
dagegen  zu  sprechen.  Dann  liegt  es  sehr  nahe,  die  semitischen 
Gutturale  h  und  £  als  die  Reibelauto  der  üvularreihe  aufzu- 
fassen; sie  wären  also  ursprünglich  keine  Gutturale,  sondern 
Mundlaute  gewesen.  Vgl.  die  Alteniation  g  :  £  (H.  Möller  S.  322). 
Dann  ergibt  sich  aber  die  Notwendigkeit  einer  Modifikation  der 
H.  MöUerschen  Regel  für  die  Entwicklung  der  Spiranten.  Ich 
vermute,  daß  nicht  die  stimmhaften  Spiranten  stimmlos,  sondern 
umgekehrt  die  stimmlosen  Spiranten  stimmhaft  geworden  sind. 
Die  zweite  Stufe  der  Entwicklung  bestand  darin,  daß  die  (alten 
und  neuen)  stimmhaften  Spiranten  teilweise  mit  den  nicht  em- 
phatischen stimmhaften  Verschlußlauten  zusammenfielen  und  mit 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  369 

diesen  im  weiteren  Verlauf  zu  idg.  reinen  Tenues  wurden.  Die 
Verschiebung  der  Spiranten  ist  also  älter  als  der  Anfang  der 
Verschiebung  der  Verschlußlaute. 

Die  Spiranten  sind  aber  nur  teilweise  zu  Vei^scldußlauten 
geworden.  Gewisse  Artikulationsstellen  sind  für  die  Bildung  eines 
vollständigen  Verschlusses  ungünstig.  Dies  gilt  vor  allem  von 
der  liintersten  Är-Stelle.  Hieraus  erklärt  es  sich  also  vollkommen, 
daß  die  dem  h  und  £  entsprechenden  idg.  Laute  nicht  zu  Ver- 
schlußlauten geworden  sind,  sondem  zunächst  als  g  (zweierlei  g, 
wenn  H.  Möller  ihnen  mit  Recht  eine  verschiedene  umlautende 
Wirkung  zuschreibt)  geblieben  und  schließlich  vokalisiert  wor- 
den sind. 

Schon  als  ich  Les  pronoms  d6monstratifs  schrieb,  dämmerte 
bei  mir  die  Ahnung,  daß  das  idg.  ^-Problem  mit  dem  Problem 
des  idg.  'spirantischen^*',  d.h.  q'  in  Verbindung  stand  und 
daß  ich  daher  genötigt  werden  könnte,  meinen  Widerspruch 
gegen  den  Ansatz  eines  solchen  Lautes  aufzugeben.  Der  Ver- 
such Sommers  (Gr.  Lautstudien  S.  137  ff.),  griech.  l  aus  j  zu  er- 
klären, hatte  mich  nicht  befriedigt  Er  hat  die  phonetischen  Vor- 
gänge nicht  genügend  beleuchtet  (wenn  l  zunächst  aus  hi  ent- 
standen wäre,  so  ist  der  stimmhafte  Charakter  desselben  uner- 
klärt); er  mutet  uns  schwer  glaubliche  Analogiebildungen  zu 
(z.  B.  bei  2[eid),  und  das  Wort  ucjuivri  stimmt,  wie  auch  Jacob- 
sohn Deutsche  Literaturzeitung  1906,  Sp.  676  gesehen  hat,  mit 
seinen  Regeln  nicht  Die  Frage  ist  also  offen.  Nach  H.  Möller 
entsprechen  dem  skr.  jäthii  Verbindet*,  griech.  leurvöiuu,  skr, 
jama-ti  *hält,  bändigf  (vgl.  griech.  lr\)i\a)  im  Semitischen  Formen, 
die  mit  z  anlauten :  arab.  zauuun  *a  pair  or  couple',  za^gun  *one 
of  a  pair  or  couple'  (mit  reicher  Sippe ;  bis  jetzt  als  Entlehnung 
aus  dem  Griechischen  beti-achtet;  arab.  g  :  griech.  g  ist  bei  Ur- 
verwandtschaft unregelmäßig),  zamma  *he  tied,  bound'  (zitnämun 
•nose-rein').  Ist  dies  richtig,  so  halte  ich  allerdings  die  Annahme 
für  unbedingt  nötig,  daß  griech.  l  hier  den  stimmhaften  Reibe- 
laut der  Palatalreihe  vertiitt  Vermutlich  war  q'  im  Anlaut  zu 
i  geworden,  woraus  im  Griechischen  2,  sonst  |.  Ein  Beispiel  bei 
H.  Möller,  S.  83  ist  zu  streichen.  Wie  das  alte  q'  im  Inlaut  be- 
handelt wurde  (j  oder  lc\  oder  beides,  je  nach  den  Bedingungen), 
ist  noch  nicht  nachgewiesen.  Nach  IL  Möller,  S.  224  ist  sq'  zu 
sk'  geworden,  wogegen  man  apriori  nichts  einzuwenden  haben 
kann.   Der  stimmlose  Reibelaut  af  braucht  nicht  durch  die  Asr 


3<^  H.  Pedersen, 

nähme  des  Stimmtons  mit  dem  alten  q'  zusammengefalle 
sein;  dies  kann  schon  zu  i  geworden  sein,  als  aus  dem  j 
neues  q'  entstand,  das  sich  in  re|2:elmäßiger  Weise  über  ^ 
entwickeln  konnte ;  v^L  H.  Möller,  S.  221  (der  jedoch  nur  \ 
Beispiele  für  idp.  k'  =  semit  s  im  Anlaut  bietet). 

Auch  d  war,  wie  ich  glaube,  schon  vor  dem  Stimm 
wenlen  des  /  in  den  meisten  Fällen  verschoben  worden,  und 
zu  z.  Nach  s  und  /  war  dies  nach  den  obea  angeführten 
spielen  nicht  der  Fall;  es  mag  auch  in  gewissen  andei'en  Stellu 
nicht  der  Fall  gewesen  sein  (u.  a.  pflegt  n  dieselbe  Wirkung 
ein  folgendes  d  auszuüben  wie  /).  Für  die  Verschiebung 
führe  ich  an:  arab.  M.  da.  F.  tä  'dieser* :  idg.  M.*«),  N.*forf;  i 
anib.  xudnun  *Ohr'  stelle  ich  noch  wie  KZ.  32,  271  zu  got  < 
Gen.  at«i>w;  das  gegenseitige  Verhältnis  der  Vokale  ist  ungewi 
lieh,  mir  aber,  wie  ich  schon  oben  ausgesprochen  habe,  e 
unglaublicli.  (Zwei  der  H.  Möllerschen  Belege  S.  217  muß 
dann  verwerfen.)  Von  diesem  (Gesichtspunkt  aus  wäre  es  ' 
leicht  möglich,  das  idg.  )6-Problem  in  Angriff  zu  nehmen, 
griech.  und  kelt.  t  in  Wörtern  wie  griech.  dpicxoc  ir.  art,  gri 
TeKTUJV  usw.,  dem  in  den  übrigen  Sprachen  ein  s  gegeni 
steht,  und  das  auch  innerhalb  des  Griechischen  und  Keltisc 
zweifellos  mit  s  gewechselt  hat  (in  Texvn  ist  ein  s  ausgefal 
könnte  auf  ein  d  zurückgehen,  das  in  diesen  beiden  Sprac 
nach  einem  Ä--Laut  andei-s  als  in  den  übrigen  Sprachen  behau 
wäre.  Statt  des  Ansatzes  /  wäre  also  eine  uridg.  dialektis 
•Doppellieit  t  :  s  aus  präidg.  ö  anzusetzen.  Die  Theorie  be( 
aber  noch  dov  Bestätigimg  durch   eine  imdg.-sem.  Etyniolo 

Es  kann  auffallen,  daß  bei  meiner  Theorie  die  Entwi( 
hing  des  präidg.  z  (aus  uridg.-sem.  s,  z,  ö)  anders  als  die  d( 
(aus  uridg.-sem.  q')  verlaufen  sein  muß.  In  dem  einen  Falle 
später  (jedenfalls  ei*st  nach  der  Vei'schiebiuig  der  Tenues)  Stir 
losigkeit  ein,  in  dem  anderen  nicht.  Dies  mag  daraus  zu  erklä 
sein,  daß  zur  Zeit,  wo  z  stimmlos  wurde,  die  Entwickelung  dt 
schon  weiter  vorgeschritten  war  und  zwar  dialektisch  teils  z\ 
teils  zu  t  (für  beide  Vei-schiebimgen  gibt  es  gute  phonetische  A 
logien).  Statt  des  bislierigen  Ansatzes  eines  uridg.  "spirantiscl 
j"  (d.  h.  q')  wäre  also  aucli  hier  eine  uridg.  Doppelheit  an 
nehmen,  die  sich  pmidg.  in  i  aus  uridg.-sem.  q'  vereinigt. 

Auch  im  Semitisclien  mögen  kleinere  Verschiebungen 
Spiranten  stattgefunden  haben.  Zunächst  gebe  ich  zu  erwäg 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  361 

ob  nicht  gelegentlich  S  an  die  Stelle  eines  s  getreten  sein  kann 
(vgl.  H.  Möller,  S.  241,  365);  arab.  xamsun  ^ünf,  hebr.  xämei 
könnte  dann  auch  im  dritten  Radikal  dem  idg.  *pe»k^e  (dessen 
ifc"  an  die  Stelle  eines  k'  getreten  wäre)  entsprechen.  Nach  H. 
Möller  entspricht  sera.j  bisweilen  einem  idg.  yfc-Laut  (arab.  ^atnun 
'Auge' :  lat  oculus,  arab.  lajlun  *Nacht' :  lat  nox).  Ich  würde 
hierin  nicht  den  Reflex  eines  besonderen  Lautes,  sondern  (mit 
Verwerfung  eines  Teils  des  H.  MöUerschen  Materials)  eine  unter 
ganz  besonderen  Bedingungen  entstandene  Modifikation  des 
Velaren  q  sehen.  Als  eine  Modifikation  des  palatalen  stimmlosen 
Reibelautes  würde  ich  sem.  h  betrachten,  wenn  es,  wie  IL  Möller 
annimmt,  einem  idg.  k-hsLUt  entsprechen  kann.  Die  Beispiele 
für  diese  Entsprechung  sind  aber  nicht  ganz  überzeugend.  Arab. 
hamc^un  *Hunger'  (arab.  g  aus  ursemit  g)  :  griech.  xifKex '  ireivqi, 
ahd.  hungar  *Hunger'  (von  lit  kankä  'Qual'  zu  trennen)  ist 
beachtenswert,  aber  kaum  viel  sicherer  als  die  oben  besprochene 
Gleichung  arab.  hindun  *100  Kamele* :  lat  centum.  Eine  bei  tt 
Möller  nicht  aufgenommene  Gleichung  arab.s'tArw«  Verschwägert*, 
griech.  4icup6c  *Schwiegervater*  will  mir  nicht  aus  dem  Kopf,  ist 
aber  recht  unsicher;  das  idg.  Wort  beniht  auf  einer  Wurzel 
*suel^uero-  (im  F.,  lat  socrus  usw.,  ist  -l^ur-  zu  -l^rfi'  umge- 
stellt worden);  die  beiden  u,  die  im  Semitischen  geschwunden 
sein  müßten,  en*egen  allerdings  bei  mir  kein  Bedenken,  wohl 
aber  das  arab.  s'\  man  könnte  für  das  Semitische  ebenso  wie 
für  das  Altindische  (svasura-s)  und  das  Litauische  eine  Assimi- 
lation annehmen,  auf  die  aber  eine  Dissimilation  gefolgt  sein 
müßte  (vgl.  etwa  skr.  sö^-s  'ausdörrend'  mit  S  aus  s  wegen  des 
folgenden  g).  Der  Übergang  eines  af  in  h  würde  im  Irischen 
eine  phonetische  Parallele  haben  (vgl.  mein  Buch  Aspirationen 
i  Irsk,  S.  18  über  die  Aussprache  des  ir.  fiche);  vgl.  auch  neu- 
arm, h-  aus  altarm.  j- ;  aber  die  Ratio  der  Spaltung  des  uridg.- 
sem.  sf  in  ursemit  8  und  h  wäre  gänzlich  dunkeL  Für  den  In- 
laut ninunt  H.  Möller  eine  andere  Entsprechung  des  sem.  h  an  : 
idg.  |.  Beispiele :  arab.  bahaia^  bcJiiia  T)ecame  familiär',  bcJiä^un 
'accustomed  to  her  milker',  bahmun  *agni  haedive  uno  grege 
comprehensi* :  griech.  ttuju  *Herde',  skr.  päjA-  "Hüter*  griech.  ttoi- 
inriv  *Hirt*;  hebr.  Perf.  läha^  *lieben'  arab.  habba  *was  excited 
with  lust,  by  desire  of  the  female' :  griech.  ofqpuj,  s\,  jebcUi  (r. 
jeb<Ui  und  jeti^  auch  reflexiv  jeti-sja  8  *mit  (jemandem)  Beischlaf 
haben',  sowohl  vom  Mann  als  von  der  Frau;  ähnUdv  \xxi^^^v 


362  H.  Pedersen, 

sehen,  was  doch  wohl  darauf  deutet,  daß  das  Wort  ursprünglidi 
nicht  die  eminent  transitive  Bedeutung  des  griech.  ßlvdui  gehibt 
hat;  allerdings  ist  nicht  zu  verschweigen,  daß  das  Wort  häufig 
in  Verwünschungen  verwendet  wird).  Dies  semit  h  =  idg.  i  ist 
nach  R  Möller  von  h  =  idg.  k'  ganz  verschieden  und  als  ein 
ursprünglicher  Guttural  (also  ein  uridg.-sem.  h)  aufeufassen.  Ich 
gestehe,  daß  mir  der  Übergang  eines  ä  in  i  nicht  recht  glaub- 
lich ist;  ein  idg.  i  aus  x  wäre  mir  dagegen  durchaus  verstand- 
licli;  daß  sfu  in  lat.  equus  und  griech.  4icup6c  nicht  zu  j  gefühlt 
hat  ist  kein  Einwand ;  gerade  die  Stellung  vor  u  kann  dem  aus 
a^  zunächst  entstandenen  q'  die  spirantische  Aussprache  erhalten 
haben.  Bemerkenswert  ist  die  Vermutung  Uhlenbecks,  Et  Wlb. 
d.  altind.  Spr.,  daß  zu  skr.  jabhati  *futuit'  auch  griech.  tt9upoc 
gehört;  arab.  hahba  bedeutet  auch  'flavit  ventus';  davon  habobatun 
*valido  Spirans  et  pulverem  commovens  ventus*  und  andere  Ab- 
leitimgen  mit  ähnlicher  Bedeutung;  die  Vermutung  verträgt  sich 
aber  schlecht  mit  der  (schwach  gestützten)  Ansicht  H.  MöUers, 
daß  dem  sem.  s-  und  A-  im  Anlaut  ein  idg.  A^Laut  entspricht; 
ob  man  H.  Möllei's  Beispiele  oder  Uhlenbecks  Etymologie  ver- 
werfen soll,  bleibt  zu  erwägen ;  absolut  unmöglich  ist  es  aller- 
dings nicht,  beides  anzuerkennen ;  oif  wäre  dann  im  Inlaut  und 
sekundären  Anlaut  mit  q'  zusammengefallen,  im  alten  Anlaut 
aber  nicht  (etwa  weil  es  im  Inlaut  früher  als  im  Anlaut  stimm- 
haft geworden  wäre?).  Oder  ist  das  semitische  h  teils  aus  x\ 
teils  aus  q'  entstanden? 

H.  Möller  nimmt  für  sem.  h  im  Anlaut  noch  eine  dritte 
idg.  Vertretung  an :  Schwund.  Und  es  ist  kaum  zu  bezweifeln, 
daß  arab.  hnua  *er',  hiia  *sie'  zu  skr.  ijam,  lat  e  a  *sie*,  der  arab. 
Artikel  al  (mit  geschwundenem  A,  vgl.  hebr.  ha)  zu  lat  ollus, 
das  arab.  Kompositum  härdä  *dieser'  zu  idg.  *0-io-  'dieser*  gehört 
Aber  die  nicht  pronominalen  Belege  für  die  Entsprechung 
scheinen  abgelehnt  werden  zu  können  (arab.  hataia  *edit  cibum' : 
lat  edö  hat  H.  Möller  selbst  mit  einem  Fi'agezeichen  versehen). 
Dann  möchte  ich  hier  die  besonderen  phonetischen  und  morpho- 
logischen Eigentümlichkeiten  der  Pronomina  zur  Erklärung  heran- 
ziehen. Entweder  hat  die  Unbetontheit,  sei  es  im  Semitischen 
(h  aus  H?),  sei  es  im  Indogermanischen  eine  lautliche  Sonder- 
entwickelung hervorgerufen,  oder  die  semitischen  Pronomina 
sind  komponiert  (vgl.  etwa  die  idg.  Partikel  *k^i). 

So  zeiclme  ich  also  von  der  Entwickelung  der  Spiranten 


Die  idg.-semitische  Hypothese  und  die  idg.  Lautlehre.  363 

ein  viel  bunteres  Bild,  als  H.  Möller  es  getan  hat.  Darin  dürfte 
aber  nichts  unwahrscheinliches  sein.  Die  Spiranten  sind  übei'all 
mit  Bezug  auf  die  Artikulationsstelle  viel  leichter  verschiebbar, 
als  die  Verschlußlaute. 

Ausführlich  behandelt  H.  Möller  die  Alternationen  der  ver- 
schiedenen Arten  der  Oeräuschlaute:  Wechsel  zwischen  empha- 
tischen und  nicht  emphatischen  Ijauten  (amb.  k'arnun  *Honi' :  idg. 
*J(^rn'\  zwischen  stimmlosen  und  stimmhaften  Lauten,  zwischen 
Verschlußlauten  und  Spiranten.  Die  Gesetze,  die  IL  Möller  für 
die  uridg.-sem.  Altemationen  aufstellen  will,  halte  ich  aber  für 
ganz  unbewiesen,  und  seine  Behandlung  des  sem.  Akzents  S.  135 
kann  ich  nur  als  verfehlt  betrachten.  Auch  bin  ich  überzeugt, 
daß  er  manchen  Altemationen  ein  zu  hohes  Alter  zuschreibt; 
namentlich  wird  der  Wechsel  zwischen  stimmlosen  und  stimm- 
haften Lauten  im  Wurzelauslaut  oft  auf  speziell  idg.  Boden  ent- 
standen sein.  Bisweilen  verlegt  H.  Möller  sogar  solche  Erschei- 
nungen, die  ich  als  einzelsprachlich  betrachte,  in  die  uridg.- 
semit  Urzeit 

Auch  die  Gesetze,  die  H.  Möller  für  den  Wechsel  zwischen 
l  und  r  aufstellt,  kann  ich  nicht  anerkennen.  Daß  ursprüngliches 
n  bisweilen  im  Semitischen  als  l  auftritt,  wird  anzuerkennen 
sein ;  vermutlich  findet  sich  dies  l  nur  in  proklitischen  Wörtern 
(arab.  la  *nicht' :  idg.  *ne\  hebr.  icd  *zu*  neben  assyr.  ana  *zu',  ina 
*in' :  griech.  dvi,  dvd)  und  als  Wü'kung  einer  Assimilation  (arab. 
lafiun  *lfacht',  idg.  ^nok^t-), 

Nachwort. 

Ich  bin  in  dem  vorstehenden  Aufsatz  mit  Bezug  auf  die 
Transskription  den  Vorschlägen  Hirts  IF.  21,  145 — 161  gefolgt. 
Denn  ich  bezweifle  nicht,  daß  Hirt  in  dieser  Frage  das  erlösende 
Wort  gesprochen  hat  Natürlich  gibt  es  Einzelheiten,  bei  denen 
man  anderer  Ansicht  sein  kann.  Zunächst  halte  ich  für  das  Ar- 
menische die  Transskription  y,  ^*,  k'  (aber  dann  allerdings  auch 
c'  und  d*)  für  notwendig,  u.  a.  um  p*  von  dem  etymologisch  und 
orthographisch  verschiedenen  ph  (z.  B.  in  sephdkan  *eigen')  unter- 
scheiden zu  können.  Konsequent  wäre  es,  nun  auch  für  das  In- 
dische p*,  V  usw.  zu  schreiben ;  ich  habe  aber  die  in  der  Schrei- 
bung j>A,  bh  hegende  Inkonsequenz  wie  einige  andere  als  vor- 
läufig unvermeidlich  und  ziemlich  unschädUch  betrachtet  Für 
das  Indische  schreibe  ich  statt  g  unbedenklich  i\  ob  der  Lawt 


362  H.  Pedersen, 

sehen,  was  doch  wohl  darauf  deutet,  daß  das  Wort  ursprünglidi 
nicht  die  eminent  transitive  Bedeutung  des  griech.  ßlvdui  gehabt 
hat;  allerdings  ist  nicht  zu  verschweigen,  daß  das  Wort  hiufi^ 
in  Verwünschungen  verwendet  wird).  Dies  somit  h  =  idg.  i  ist 
nach  H.  Möller  von  h  =  idg.  k'  ganz  verschieden  und  als  ein 
ursprünglicher  Guttural  (also  ein  uridg.-sem.  h)  aufzufassen.  Ich 
gestehe,  daß  mir  der  Übergang  eines  ä  in  /  nicht  recht  glaub- 
lich ist;  ein  idg.  i  aus  x'  wäre  mir  dagegen  durchaus  verständ- 
lich; daß  sfu  in  lat  equus  und  griech.  4icup6c  nicht  zu  j  gefahrt 
hat  ist  kein  Einwand ;  gerade  die  Stellung  vor  u  kann  dem  aus 
a^  zunächst  entstandenen  q'  die  spirantische  Aussprache  erhalten 
haben.  Bemerkenswert  ist  die  Vermutung  Uhlenbecks,  Et  Wtb. 
d.  altind.  Spr.,  daß  zu  skr.  jabhati  *futuit'  auch  griech.  liq^xy^xyc 
gehört;  arab.  haM>a  bedeutet  auch  'flavit  ventus*;  davon  habilbahm 
•valide  spirans  et  pulverem  commovens  ventus'  und  andere  Ab- 
leitimgen  mit  ähnlicher  Bedeutung;  die  Vermutung  verträgt  sich 
aber  schlecht  mit  der  (schwach  gestützten)  Ansicht  H.  Möllers, 
daß  dem  sem.  s-  und  h-  im  Anlaut  ein  idg.  it-Laut  entspricht; 
ob  man  H.  Möllers  Beispiele  oder  ühlenbecks  Etymologie  ver- 
werfen soll,  bleibt  zu  erwägen ;  absolut  unmöglich  ist  es  aller- 
dings nicht,  beides  anzuerkennen ;  af  wäre  dann  im  Inlaut  und 
sekundären  Anlaut  mit  q'  zusammengefallen,  im  alten  Anlaut 
aber  nicht  (etwa  weil  es  im  Inlaut  früher  als  im  Anlaut  stimm- 
haft geworden  wäre?).  Oder  ist  das  semitische  h  teils  aus  x\ 
teils  aus  q'  entstanden? 

H.  Möller  nimmt  für  sem.  h  im  Anlaut  noch  eine  dritte 
idg.  Vertietung  an :  Schwund.  Und  es  ist  kaum  zu  bezweifeln, 
daß  arab.  huua  'er',  hiia  *sie'  zu  skr.  ijam,  lat  e  a  *sie*,  der  arab. 
Artikel  al  (mit  geschwundenem  A,  vgl.  hebr.  ha)  zu  lat  ollus, 
das  arab.  Kompositum  härdä  Mieser*  zu  idg.  *0-io-  'dieser*  gehört 
Aber  die  nicht  pronominalen  Belege  für  die  Entsprechung 
scheinen  abgelehnt  werden  zu  können  (arab.  hataia  *edit  cibum' : 
lat  edö  hat  H.  Möller  selbst  mit  einem  Fragezeichen  versehen). 
Dann  möchte  ich  hier  die  besonderen  phonetischen  und  morpho- 
logischen Eigentümlichkeiten  der  Pronomina  zur  Erklärung  heran- 
ziehen. Entweder  hat  die  Unbetontheit,  sei  es  im  Semitischen 
(A  aus  /f  ?),  sei  es  im  Indogermanischen  eine  lautliche  Sonder- 
en twickelung  hervorgerufen,  oder  die  semitischen  Pronomina 
sind  komponiert  (vgl.  etwa  die  idg.  Partikel  *lt^i). 

So  zeichne  ich  also  von  der  Entwickelung  der  Spiranten 


K.  Brugmann  u.  A.  Leskien,  Zur  Einführ,  einer  künstl.  Hilfsspr.    366 

hätte  sie  aber  auch  gesperrt  drucken  können,  um  dadurch  die 
Schreibung  als  Originalorthographie  zu  bezeichnen,  da  doch  we- 
nigstens eine  Reihe  von  Schulbüchern  bei  den  Albanesen  nüt 
meiner  Schreibung  gedruckt  ist. 

Kopenhagen.  Holger  Pedersen. 


^ 


Zar  Frage  der  Einftthrnng  einer  kfinstllchen  inter- 
nationalen Hilfssprache. 

I. 

1.  Die  gegenwärtige  Weltsprachbewegung,  die  bekanntlich 
von  der  Pariser  Diligation  pour  Vadoption  d'une  langue  aimliair$ 
ifUematümcde  geleitet  wird,  befindet  sich  seit  Oktober  1907  in 
einem  neuen  Stadium.  Die  D616gation  hatte  die  "Internationale 
Assoziation  der  Akademien"  ersucht,  darüber  zu  entscheiden, 
welcher  von  den  konkurrierenden  künstlichen  Hilfssprachen, 
Esperanto  usw.,  der  Preis  zu  erteilen  sei.  Dieses  Urteil  des 
höchsten  wissenschaftlichen  Fonims  der  Gegenwart  sollte  für 
alles  Weitere  maßgebend  sein.  Darauf  hat  die  Assoziation  am 
29.  Mai  1907  durch  ihre  Delegierten  in  Wien  Stellung  zu  diesem 
Anerbieten  genommen,  und  zwar  hat  die  Mehrzahl  der  21  Aka- 
demien es  überhaupt  abgelehnt,  in  eine  Besprechung  der  Frage 
einzutreten.  Wozu  zu  bemerken  ist,  "daß  von  der  Minorität,  wie 
sich  aus  den  vorher  eingesandten  schriftlichen  Äußerungen  der 
betreffenden  Akademien  ergab,  nur  wenige  dem  Plane  der 
D616gation  freundlich  gegenüberstanden,  während  die  Mehrzahl 
auch  innerhalb  der  Minorität  nur  aus  Höflichkeit  eine  Diskussion 
wünschte,  dem  Projekte  der  Welthilfesprache  dagegen  selbst  ab- 
geneigt war"  ^).  Im  Programm  der  D616gation  war  der  Fall  der 
Ablehnung  seitens  der  wissenschaftlichen  Körperschaften  vor- 
gesehen und  bestimmt,  daß,  wenn  er  einträte,  an  die  Stelle  der 
Akademien  ein  von  der  D616gation  selbst  zu  wählendes  Comiti  sich 
der  Aufgabe  der  Auswahl  zu  unterziehen  habe.  Diese  Komitee- 
bildung ist  mittlerweile  erfolgt,  und  das  Komitee  hat  sich  im 
Oktober,  wie  vorauszusehen  war,  für  das  Esperanto  entschieden. 

1)  So  berichtet  Diels,  Sekretär  der  Berliner  Akademie,  in  der 
Deutschen  Literaturzeitimg  1907,  Sp.  1669  f.  Was  Ostwald  im  'Daheim*  1907, 
Nr.  4:2  S.  21  über  die  Abstimmung  in  Wien  sagt,  daß  sich  fast  die  Hälfte  der 
assozüerten  Akademien  zugunsten  der  Bestrebungen  der  Weltsprachfreonde 
ausgesprochen  habe,  ist  unrichtig. 


366  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

Für  uns  Sprachforscher  ist  dabei  von  besonderem  Intarene^ 
daß  in  dieses  Komitee  zwei  angesehene  Fachgenossen,  Baudouii 
de  Courtenay  (Petersburg)  und  Jespersen  (Kopenhagen),  eia- 
getreten  sind.   Damit  nimmt  unsere  Wissenschaft  zum  erstenmil 
auch  praktisch  teil  an  diesen  Bestrebungen.  Damit  ist  nunmdir 
aber  auch  die  erwünschte  Gelegenheit  gekommen,  daß  die  Axa- 
und  Durchführbarkeit  des  Programms  der  D61^tion  unter  den 
nächstzuständigen  Fachleuten  gründlicher  und  mit  Hoffnung  anf 
Verständigung  erörtert  werden  kann.  Denn  über  Art  und  Maß  der 
Schwierigkeiten,  die  sich  der  Ausführung  eines  Planes,  wie  der  in 
Rede  stehende  ist,  entgegenstellen,  und  über  die  Aussichten,  die 
dieser  somit  der  Wahrscheinlichkeit  nach  hat,  mit  begeisterten 
Anhängern  der  Idee,  die,  ohne  mehr  als  eine  Ahnung  vom  Wesen 
und  Leben  der  Sprache  zu  haben,  nur  nach  dem  Ziele  binstarren 
und  es  möglichst  rasch  und  glatt  erreichen  möchten,  zu  de- 
battieren, ist  eine  saure  und  undankbare  Arbeit  Womit  freilieb 
nicht  gesagt  sein  soll,  daß  eine  Einigung  unter  den  Fachmännern 
über  diese  Frage  jedenfalls  leicht  sein  müßte.    Bietet  doch  das 
Delegationsprogramm  eine  Aufgabe,  wie  sie  zwar  schon  oft  ge- 
stellt, aber  bisher  niemals  und  nirgends  ihrer  Lösung  auch  nur 
um  wenige  Schritte  entgegengeführt  worden  ist 

2.  In  der  von  mir  zusammen  mit  A.  Leskien  im  Frühjahr 
1907  herausgegebenen  Schrift  Zur  Kritik  der  künstlichen  Welt- 
sprachen (Straßburg  bei  K.  J.  Trübner)  habe  ich  an  die  beiden 
genannten  Sprachfoi^schcr  Baudouin  de  Courtenay  und  Jespersen 
und  an  den  Sprachfoi-scher  Hugo  Schuchardt  (Graz),  die  alle 
drei  das  offizielle  Programm  der  Pariser  D616gation  unterzeichnet 
hatten,  die  Aufforderung  zu  richten  mir  erlaubt,  "nun  auch  nicht 
länger  mehr  sozusagen  nur  vom  Zaun  aus  dem  ganzen  Getriebe 
[der  Agitation  der  nichtfachmännischen  Weltsprachfreunde]  zu- 
zuschauen", sondern  auch  praktisch  mitzuarbeiten,  damit, 
wenn  etwas,  wenigstens  das  Bestmögliche  zustande  komme. 
Daß,  wenn  nicht  etw^as  absolut  Vollkommenes,  so  doch  das  Best- 
mögliche dargeboten  werden  müsse,  hatte  Schuchardt  selbst,  und 
unzweifelhaft  mit  Recht,  betont.  Ich  hoffte  nun,  man  werde  von 
diesen  Fachmännern  bald  eine  Antwort  erhalten  auf  die  drei 
Hauptfragen,  um  die  sich  heute  alles  dreht  und  drehen  muß: 
1)  Ist  unter  den  im  Wettbewerb  stehenden  künstlichen  Hilfs- 
sprachen eine,  die  man  zum  Zweck  der  Ausführung  des  Pariser 
Programms  mit  gutem  Gewissen  den  obrigkeitlichen  oder  son- 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    367 

-  stigen  autoritativen  Instanzen  der  verschiedenen  Nationen  zur 
i:.  Einführung  in  den  Schulen  empfehlen  kann  ?  2)  Darf  eine  inter- 
^  nationale  künstliche  Hilfssprache  als  nach  allen  den  Richtungen 
';  hin,  nach  denen  sie  zufolge  dem  Programm  den  Verkehr  zwischen 
?i  den  verschiedenen  Völkern  erleichtem  soll,  brauchbar  bezeichnet 
werden?  3)  Sind  die  erforderlichen  Garantien  für  eine  längere 
'-  Dauer  der  einzuführenden  Sprache  nach  erfolgter  Einführung 
■    geboten? 

Da  hat  zunächst  Schuchardt  in  der  Beilage  zur  Allge- 
meinen Zeitung  vom  30.  Mai  1907  (S.  259—61)  eine  Antwort 
erteilt,  die  klar  genug  zeigt,  daß  er  praktisch  mitzutun  nicht 
gewillt  ist  Er  sagt:  "Ich  habe  nie  beabsichtigt,  aus  der  grauen 
Theorie  herauszutreten ;  ich  habe  nicht  einmal  eine  einzige  der 
vorgeschlagenen  künstlichen  Gemeinsprachen  studiert  Nur  mit 
dem  Esperanto  habe  ich  eines  Abends  flüchtige  Bekanntschaft 
gemacht".  Da  die  praktische  Seite  des  Problems  für  fast  alle,  die 
an  ihm  beteiligt  sind,  die  allein  wichtige  ist,  so  wird  dieses  Be- 
kenntnis eines  Sprachforschers,  den  die  Weltsprachler  der  letzten 
Jahrzehnte  wohl  häufiger  als  irgend  einen  andern  als  glaub- 
würdigen Zeugen  für  Realisierbarkeit  ihrer  Wünsche  genannt 
haben,  große  Enttäuschung  hervorgerufen  haben. 

Eine  klare  Antwort  haben  anderseits  auch  Baudouin  de 
Courtenay  und  Jespersen  bereits  insofern  ei-teilt,  als' sie  dem 
von  Paris  aus  an  sie  ergangenen  Rufe,  in  die  Oberleitung  des 
Unternehmens  einzutreten,  gefolgt  sind.  Und  Baudouin  de 
Courtenay  hat  seitdem  seine  Stellung  zu  der  Weltsprachfrage 
auch  kundgegeben  in  dem  Aufsatz  **Zur  Kritik  der  künst- 
lichen Weltsprachen,  veranlaßt  durch  die  gleichnamige 
Broschüre  von  K.  Brugmann  und  A.  Leskien",  Ostwalds 
Annalen  der  Naturphilosophie  VI  (1907)  S.  385—433. 

Es  berührt  wohltuend,  zu  sehen,  wie  B.  de  C.  in  dieser 
Antikritik  sich  Mühe  gibt,  den  Dingen  auf  den  Grund  zu  kommen. 
Es  ist  nicht  der  leichte  Tanzschritt,  in  dem  sich  andere  Führer 
der  Weltsprachbewegung  auch  über  die  größten' Schwierigkeiten 
hinweg  aufs  schöne  Ziel  los  bewegen ;  der  Verfasser  ringt  ernst 
und  ehrlich  mit  dem  Problem.  Doch  hat  ihm  der  Glanz,  in  dem 
er  das  Endziel  strahlen  sieht  ^),  das  sonst  so  scharfe  Auge  stumpf 

*)  S.  '428  heißt  es :  "Die  Existenz  einer  solchen,  die  ganze  Mensch- 
heit vereinigenden  Weltsprache  wird  dem  nationalen  und  staaüiclien 
Größenwahn  seinen  scharfen  und  giftigen  Zahn  abbrecYieii.  \>«a  ^Vc^«cl 


366  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

Für  uns  Sprachforscher  ist  dabei  von  besonderem  Interesse^ 
daß  in  dieses  Komitee  zwei  angesehene  Fachgenossen,  Baudouia 
de  Courtenay  (Petersburg)  und  Jespersen  (Kopenhagen),  ein- 
getreten sind.  Damit  nimmt  imsere  Wissenschaft  zum  erstenmal 
auch  praktisch  teil  an  diesen  Bestrebungen.  Damit  ist  nunmehr 
aber  auch  die  erwünschte  Gelegenheit  gekommen,  daß  die  Au&- 
und  Durchführbarkeit  des  Programms  der  D616gation  unter  den 
nächstzuständigen  Fachleuten  gründlicher  und  mit  Hoffnung  auf 
Verständigung  erörtert  werden  kann.  Denn  über  Art  und  Maß  der 
Schwierigkeiten,  die  sich  der  Ausführung  eines  Planes,  wie  der  in 
Rede  stehende  ist,  entgegenstellen,  und  über  die  Aussichten,  die 
dieser  somit  der  Wahrecheinlichkeit  nach  hat,  mit  begeisterten 
Anhängern  der  Idee,  die,  ohne  mehr  ids  eine  Ahnung  vom  Wesen 
und  Ijeben  der  Sprache  zu  haben,  nur  nach  dem  Ziele  hinstarren 
und  es  möglichst  rasch  und  glatt  erreichen  möchten,  zu  de- 
battieren, ist  eine  saure  und  undankbare  Arbeit.  Womit  freilich 
nicht  gesagt  sein  soll,  daß  eine  Einigung  unter  den  Fachmännern 
über  diese  Frage  jedenfalls  leicht  sein  müßte.  Bietet  doch  das 
Delegationsprogramm  eine  Aufgabe,  wie  sie  zwar  schon  oft  ge- 
stellt, aber  bisher  niemals  und  nirgends  ihrer  Lösung  auch  nur 
um  wenige  Schritte  entgegengeführt  worden  ist 

2.  In  der  von  mir  zusammen  mit  A.  Leskien  im  Frühjahr 
1907  herausgegebenen  Schrift  Zur  Kritik  der  künstlichen  Welt- 
sprachen (Straßburg  bei  K.  J.  Trübner)  habe  ich  an  die  beiden 
genannten  Sprachforscher  Baudouin  de  Courtenay  und  Jespersen 
imd  an  den  Sprachforscher  Hugo  Schuchardt  (Graz),  die  alle 
drei  das  offizielle  Programm  der  Pariser  Döl^tion  unterzeichnet 
hatten,  die  Aufforderung  zu  richten  mir  erlaubt,  "nmi  auch  nicht 
länger  mehr  sozusagen  nur  vom  Zaun  aus  dem  ganzen  Getriebe 
[der  Agitation  der  nichtfaclunännischen  Weltsprachfreunde]  zu- 
zuschauen", sondern  auch  praktisch  mitzuarbeiten,  damit 
wenn  etwas,  wenigstens  das  Bestmögliche  zustande  komme. 
Daß,  wenn  nicht  etwas  absolut  Vollkommenes,  so  doch  das  Best- 
mögliche dargeboten  werden  müsse,  hatte  Schuchardt  selbst,  und 
unzweifelhaft  mit  Recht,  betont.  Ich  hoffte  nun,  man  werde  von 
diesen  Fachmännern  bald  eine  Antwort  erhalten  auf  die  drei 
Hauptfragen,  um  die  sich  heute  alles  dreht  und  drehen  muß: 
1)  Ist  unter  den  im  Wettbewerb  stehenden  künstlichen  Hilfe- 
sprachen eine,  die  man  zum  Zweck  der  Ausführung  des  Pariser 
Programms  mit  gutem  Ge\vissen  den  obrigkeitlichen  oder  son- 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    367 

stigen  autoritativen  Instanzen  der  verschiedenen  Nationen  zur 
Einführung  in  den  Schulen  empfehlen  kann  ?  2)  Darf  eine  inter- 
jiationale  künstliche  Hilfssprache  als  nach  allen  den  Richtungen 
hin,  nach  denen  sie  zufolge  dem  Programm  den  Verkehr  zwischen 
den  verschiedenen  Völkern  erleichtem  soll,  brauchbar  bezeichnet 
werden?  3)  Sind  die  erforderlichen  Garantien  für  eine  längere 
Dauer  der  einzuführenden  Sprache  nach  erfolgter  Einführung 
geboten? 

Da  hat  zunächst  Schuchardt  in  der  Beilage  zur  Allge- 
meinen Zeitung  vom  30.  Mai  1907  (S.  259—61)  eine  Antwort 
erteilt,  die  klar  genug  zeigt,  daß  er  praktisch  mitzutun  nicht 
gewillt  ist  Er  sagt:  "Ich  habe  nie  beabsichtigt,  aus  der  grauen 
Theorie  herauszutreten ;  ich  habe  nicht  einmal  eine  einzige  der 
vorgeschlagenen  künstlichen  Gemeinsprachen  studiert  Nur  mit 
dem  Esperanto  habe  ich  eines  Abends  flüchtige  Bekanntschaft 
gemacht".  Da  die  praktische  Seite  des  Problems  für  fast  alle,  die 
an  ihm  beteiligt  sind,  die  allein  wichtige  ist,  so  wird  dieses  Be- 
kenntnis eines  Sprachforschers,  den  die  Weltsprachler  der  letzten 
Jahrzehnte  wohl  häufiger  als  irgend  einen  andern  als  glaub- 
würdigen Zeugen  für  Realisierbarkeit  ihrer  Wünsche  genannt 
haben,  große  Enttäuschung  hervorgerufen  haben. 

Eine  klare  Antwort  haben  anderseits  auch  Baudouin  de 
Courtenay  und  Jespersen  bereits  insofern  erteilt,  als  sie  dem 
von  Paris  aus  an  sie  ergangenen  Rufe,  in  die  Oberleitung  des 
Unternehmens  einzutreten,  gefolgt  sind.  Und  Baudouin  de 
Courtenay  hat  seitdem  seine  Stellung  zu  der  Weltsprachfrage 
auch  kundgegeben  in  dem  Aufsatz  "Zur  Kritik  der  künst- 
lichen Weltsprachen,  veranlaßt  durch  die  gleichnamige 
Broschüre  von  K.  Brugmann  und  A.  Leskien",  Ostwalds 
Annalen  der  Naturphilosophie  VI  (1907)  S.  385—433. 

Es  berührt  wohltuend,  zu  sehen,  wie  B.  de  C.  in  dieser 
Antikritik  sich  Mühe  gibt,  den  Dingen  auf  den  Grund  zu  kommen. 
Es  ist  nicht  der  leichte  Tanzschritt,  in  dem  sich  andere  Führer 
der  Weltsprachbewegung  auch  über  die  größten 'Schwierigkeiten 
hinweg  aufs  schöne  Ziel  los  bewegen ;  der  Verfasser  ringt  ernst 
und  ehrlich  mit  dem  Problem.  Doch  hat  ihm  der  Glanz,  in  dem 
er  das  Endziel  strahlen  sieht  ^),  das  sonst  so  scharfe  Auge  stumpf 

»)  S.  428  heißt  es :  "Die  Existenz  einer  solchen,  die  ganze  Mensch- 
heit vereinigenden  Weltsprache  wird  dem  nationalen  und  staaüiclien 
Größenwahn  seinen  scharfen  und  giftigen  Zahn  abbrechen.  Dsa  Stt%V^«eL 


370  K.  Brugmann  a.  Ä.  Leskien, 

liehen  Hilfssprache  verbaut   Wohl  niemand  verkeiint,  dafi  i 
Sprachforscher,  die  wir  es  mit  einem  Untersuchungsobjekt  za  ton 
haben,   dessen  Inneres  und  Innerstes  auBerge wohnlich  schwv 
zugänglich  ist  im  allgemeinen  mit  bildlichen  Ausdrücken  mekr 
operieren,  als  an  sich  wünschenswert  ist,  und  wohl  keiner  unta 
uns  ist  sich  dauernd  und  jedesmal  bewußt,  wie   metaphorisch 
wir  sind,  wenn  wir   das  Wesen  einer  Spracherscheinung  mit 
kurzem  Wort  zu  kennzeichnen  versuchen.   Aber  es  ist  nun  eis 
starkes  Stück,  daß  B.  de  C.  gerade  uns,  die  gegen  die  Wett- 
sprachagitation   schreiben,    dem    unserer   Wissenschaft   Fern- 
stehenden (denn  das  sind  wohl  fast  alle  Leser  von  Ostwalds  An- 
nalen)  als  Leute  erscheinen  läßt,  die  mit  irrigen  Bildern  wW- 
schaften,   und   deren  Anschauungen  vom  Sprachleben   in  "die 
Rumpelkammer  einer  längst  überwundenen  Gelahrtheit"  gehören. 
Gerade  diese  Forscher  sind  wie  wenige  andere  in  den  letzten 
Jahrzehnten  darauf  aus  gewesen,  jene  von  den  Vorfahren  über- 
kommene metaphorische  Terminologie,  die  um  die  Wirküchkeit 
einen  trüben  und  phantastischen  Schein  legt,  nach  Möglichkeit  za 
beseitigen,  nicht  nur  im  allgemeinen,  sondern  auch  gerade  in  be- 
zug  auf  diejenigen  Seiten  des  Sprachlebens,  um  die  es  sich  hier 
handelt    Wenn  ich  in  der  von  B.  de  C.  bekämpften  Abhandlung 
reichlicher  als  es  sonst  meine  Gewohnheit  ist  zu  bildlichen  Aus- 
drücken gegriffen  habe,  so  erklärt  sich  das  einfach  daraus,  daß 
sich  diese  Abhandlung  an  ein  weiteres  Publikum  wendet  (wie 
auch  in  der  Vorbemerkimg  hervorgehoben  ist)  und   man  weit- 
läufige Darlegungen  diesem  oft  mit  einer  kurzen  bildlichen  Wendung 
verdichten  und  versinnlichen  kann.  Aber  welcher  Art  sind  denn 
die  Bilder,  die  nach  B.  de  C.  so  verwerflich  sind?    Er  rügt  es 
z.  B.  (S.  890),  daß  ich  von  "toten"  und  "lebenden"  Sprachen,  wie 
Latein  und  Französiscli,  rede.   Die  Entgegnung,  daß  doch  auch 
das  Latein  lebendig  werden   könne,   wenn  man  es  nämlich  in 
den  Kopf  eines  jetzt  lebenden  Menschen  einführe,  ist  schlagend 
richtig.  Aber  selbst  der  Xichtfachmann  mochte  dieser  Belehrung 
entraten,   und  sie  ist  in  diesem  Fall  um  so  weniger  am  Platz, 
als  ich  an  der  von  B.  de  C.  angezogenen  Stelle  meines  Au&atzes 
von  dem  öfters  gemachten  Vorschlag  spreche,   das  Latein  des 
Mittelalters,  um  ein  internationales  Verständigungsmittel  zu  be- 
kommen, "zu  neuem  Leben  zu  erwecken",  d.  h.  doch  wohl:  in 
die  Köpfe  der  heute  lebenden  Menschen  einzuführen.    S.  386 
wird  es  als  "irrig"  bezeichnet,  daß  ich  der  französischen  Sprache 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    371 

und  so  jeder  "lebenden"  Sprache  im  Gegensatz  zu  den  inter- 
nationalen Kunstsprachen  eine  "Heimat"  zugeschrieben  habe. 
Denn  eine  Heimat  hätten  auch  diese,  sobald  sie  in  einzelne 
Köpfe  eingedrungen  seien.  Die  Vorstellung,  die  ich  mit  dem 
Wort  Heimat  verband  und  die  ich  im  Leser  hervorrufen  wollte, 
war  natürlich,  daß  nur  die  sogenannten  lebenden  Natursprachen, 
wie  z.  B.  Französisch,  von  so  und  so  viel  Menschen  als  Mutter- 
sprache erlernt  werden  und  in  einem  gewissen  begrenzten  Terri- 
torium —  das  Französische  hauptsächlich  in  Frankreich,  das 
Deutsche  hauptsächlich  in  Deutschland  usw.  —  das  herrschende, 
taglich  und  stündlich  überall  angewandte  und  die  Nationalität 
dieser  Menschen  ausmachende  Verkehrsmittel  sind.  Daß  B.  de  G. 
mich  hier  "irren"  läßt,  ist  pure  Wortklauberei.  Wie  auch  noch 
E.  B.  das,  was  er  S.  389  mir  wegen  meines  Ausdrucks,  daß  ver- 
schiedene Sprachen  "aufeinanderstoßen"  können,  aufmutzt 

Seltsamerweise  belehrt  uns  B.  de  C.  wieder  eindringlich 
darüber,  daß  auch  "natürliche"  Sprachen,  wie  Deutsch,  Französisch 
usw.,  wie  sie  heute  gesprochen  und  geschrieben  werden,  sich 
bisher  nicht  selbst  überlassen  geblieben,  daß  sie  künstlich,  durch 
bewußtes  Eingreifen  modifiziert  worden  sind  und  modifiziert 
werden.  Als  wenn  es  auf  die  Feststellung  dieser  Tatsache  an- 
käme, die  jedem  sprachwissenschaftlichen  Laien,  jedem  Schulkind 
geläufig  ist!  Der  springende  Punkt  ist  der,  ob  beim  Esperanto 
usw.  die  bewußte  "Kunst**  nach  Art  und  Umfang  richtig  ange- 
wendet ist,  so  daß  das  Ergebnis  der  Bemühung  den  Zweck,  den 
sie  verfolgt,  wirklich  erfüllen  kann.   Nur  dies  leugnen  wir. 

Und  seltsamerweise  kommt  femer  B.  de  C.  wiederum  mit 
den  "künstlichen  Grenzsprachen,  Mischsprachen,  welche  den  Ver- 
kehr zwischen  stammverschiedenen  Völkern,  z.B.  zwischen  Russen 
und  Chinesen,  zwischen  Engländern  und  Chinesen  usw.,  ver- 
mitteln" (S.395);  das  seien  doch  auch  wirkliche  Spracherfindungen. 
Man  mag  sie  meinetwegen  so  nennen.  Aber  leider  ist  ein  Unter- 
schied da,  der  mit  Rücksicht  auf  das,  worauf  es  ankommt,  den 
Vergleich  mit  Esperanto  usw.  völlig  illusorisch  macht  Das  Pidgin- 
Englisch  und  alle  gleichartigen  Sprachen  sind  in  der  wirklichen 
und  unmittelbaren  Not  eines  Verkehrs,  in  den  verschiedensprachige 
Menschen  miteinander  kamen,  entwickelt  worden,  wobei  das 
Badebrechen  nicht  erst  beim  Lernenden,  sondern  auch  schon 
beim  Lehrenden  begonnen  hat  Jeder  Vorgang  und  jeder  Fort- 
schritt auf  dem  Wege  der  "Erfindung"  dieser  Sprachen  war  ein 


370  K.  Bragmann  u.  Ä.  Leskien, 

liehen  Hilfssprache  verbaut  Wohl  niemand  verkennt,  dafi  wir 
Sprachforscher,  die  wir  es  mit  einem  Untersuchungsobjekt  za  tan 
haben,  dessen  Inneres  und  Innerstes  außergewöhnlich  schw« 
zugänglich  ist,  im  allgemeinen  mit  bildlichen  Ausdrücken  mebr 
operieren,  als  an  sich  wünschenswert  ist,  und  wohl  keiner  ontei 
uns  ist  sich  dauernd  und  jedesmal  bewußt,  wie  metaphorisch 
wir  sind,  wenn  wir  das  Wesen  einer  Spracherscheinung  mit 
kuraem  Wort  zu  kennzeichnen  versuchen.  Aber  es  ist  nun  ein 
starkes  Stück,  daß  B.  de  C.  gerade  uns,  die  gegen  die  Wete- 
sprachagitation  schreiben,  dem  unserer  Wissenschaft  Feni- 
stehenden  (denn  das  sind  wohl  fast  alle  Leser  von  Ostwalds  An- 
nalen)  als  Ijcute  erscheinen  läßt,  die  mit  irrigen  Bildern  wirt- 
schaften, und  deren  Anschauungen  vom  Sprachleben  in  "die 
Rumpelkammer  einer  längst  überwundenen  Gelahrtheit"  gehören. 
Gerade  diese  Forscher  sind  wie  wenige  andere  in  den  letzten 
Jahrzehnten  darauf  aus  gewesen,  jene  von  den  Vorfahren  über- 
kommene metaphorische  Terminologie,  die  um  die  Wirklichkeit 
einen  trüben  und  phantastischen  Schein  legt,  nach  Möglichkeit  za 
beseitigen,  nicht  nur  im  allgemeinen,  sondern  auch  gerade  in  be- 
zug  auf  diejenigen  Seiten  des  Sprachlebens,  um  die  es  sich  hier 
handelt.  Wenn  ich  in  der  von  B.  de  C.  bekämpften  Abhandlung 
reichlichei-  als  os  sonst  meine  Gewohnheit  ist  zu  bildlichen  Aus- 
drücken gegriffen  habe,  so  erklärt  sich  das  einfach  daraus.  daJ 
sich  diese  Abhandlung  an  ein  weiteres  Publikum  wendet  (wie 
auch  in  der  Vorbemerkung  hervorgehoben  ist)  und  man  weit- 
läufige» Darlegimgen  diesem  oft  mit  einer  kurzen  bildlichen  Wendung 
verdichten  und  versinnlichen  kann.  Aber  welcher  Art  sind  denn 
die  Bilder,  die  nach  B.  de  C.  so  verwerflich  sind?  Er  rügt  es 
z.  B.  (S.  800),  daß  ich  von  "toten"  und  "lebenden"  Sprachen,  wie 
Latein  und  Französisch,  rede.  Die  Entgegnung,  daß  doch  auch 
das  Latein  lebendig  werden  könne,  wenn  man  es  nämlich  in 
den  Kopf  eines  jetzt  lebenden  Menschen  einführe,  ist  schlagend 
richtig.  Aber  selbst  der  Nichtf achmann  mochte  dieser  Belehrung 
en traten,  und  sie  ist  in  diesem  Fall  um  so  weniger  am  Plati 
als  ich  an  der  von  B.  de  C.  angezogenen  Stelle  meines  Aufeatzes 
von  dem  öfters  gemachten  Vorschlag  spreche,  das  Latein  des 
Mittelalters,  um  ein  internationales  Verständigungsmittel  zu  be- 
kommen, "zu  neuem  Leben  zu  erwecken",  d.  h.  doch  wohl:  in 
die  K(>pfe  der  heute  lebenden  Menschen  einzuführen.  S.  386 
wird  es  als  "irrig"  bezeichnet,  daß  ich  der  französischen  Sprache 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    373 

globe-trotter  gewöhnlichen  Schlages  reisen,  wer  nicht  nur  die 
Bequemlichkeiten  internationaler  Hotels  geniefien  will,  die  sich 
überall  gleichen,  wird  sich  auch  um  die  gesamte  Kultur,  also 
auch  imi  die  Sprachen  der  Länder,  in  denen  er  reist,  kümmern 
müssen.  Leuten,  die  z.  B.  Italien  bereisen,  ohne  ein  Wort  Ita- 
lienisch zu  können,  wäre  wenig  gedient,  wenn  sie  den  Landes- 
kindern, statt,  wie  jetzt  etwa  die  Kenntnis  des  Englischen,  die  des 
Esperanto  besonders  vergüten  müßten;  imd  sie  würden  es  auch 
kaum  begi-eiflicher  finden.  Es  scheint  mir,  bessere  Belehining 
vorbehalten,  aber  auch  fraglich,  ob  für  Handel  und  Technik  das 
Bedürfnis  einer  internationalen  Hilfssprache  so  unabweisbar  ist 
Mit  den  drei  europäischen  Hauptsprachen  reicht  ein  Kaufmann, 
ein  Techniker  immer  noch  weit;  ti*eten  besondere  Aufgaben  an 
ihn  heran,  wird  er  eben  eine  Sprache  zulernen  müssen,  um  so 
besser,  wenn  er  schon  im  Sprachenlernen  geübt  ist  Ein  Kaufmann, 
der  sich  in  Rußland  niederläßt,  wird  russisch,  ein  Ingenieur 
der  Bagdadbahn  neugriechisch  oder  türkisch  lernen  müssen. 
Eine  allgemeine  Handelssprache  würde  den  Verkehi-  fi'eilich  sehr 
vereinfachen,  aber  auch  viele  Hände  frei,  beschäftigungslos  werden 
lassen  und  die  Konkurrenz  verschärfen.  Aber  so  weit  wird  es 
wohl  nie  kommen ;  auch  wenn  eine  internationale  Hilfssprache 
besteht,  wird  der  Kaufmann  im  Vorteü  sein,  der  mit  seinen 
Kunden  in  der  Landessprache  verkehren  kann.  Am  ehesten  kann 
man  in  der  Wissenschaft  von  einem  Bedürfnis  sprechen ;  es  sind 
namentlich  Vertreter  der  Naturwissenschaften  und  der  technischen 
Wissenschaften,  die  auf  Annahme  einer  internationalen  Hilfs- 
sprache dringen  ....  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  durch  die 
sprachliche  Zersplitterung  ein  nicht  geringes  Maß  wissenschaft- 
licher Arbeit  verloren  geht  Aber  ich  zweifle  dai*an,  daß  sich 
dies  durch  Einführung  einer  internationalen  Hilfssprache  wesent- 
lich ändern  wird.  Bei  den  Nationen,  die  jetzt  darauf  halten,  daß 
ihre  Gelehrten  in  ihrer  eigenen  Sprache  sclireibon,  wird  eine 
internationale  Hilfssprache  kaum  besseren  Rechtes  sein  als  eine 
nationale  Sprache,  namentiich  nicht  eine  Hilfssprache,  welche 
fast  ausschließlich  aus  romanischen  und  germanischen  Elementen 
genuscht  wäre.  Man  müßte  also  doch  den  größten  Teil  jener 
Arbeiten  erst  noch  in  die  Hilfssprache  übersetzen.  Nicht  viel 
•weniger  weit  kommt  man  aber  mit  den  bereits  vorhandenen  Hilfs- 
mitteln. Wenn  sich  die  osteuropäischen  Forscher  entschließen 
könnten,  ihren  Arbeiten  regelmäßig  einen  Auszug  in  einer  west- 

Indo^muuiifclie  FonchuBgen  XXJJ.  ^^ 


d?^  K.  Brugmann  a.  Ä.  Leskien, 

europäischen  Sprache  beizugeben  oder  einen  solchen  in  einer 
allgemein  verbreiteten  Zeitschrift  zu  veröffentlichen,  wäre  schon 
sehr  viel  gewonnen.  Beide  Wege  sind  in  letzter  Zeit  von  csechi- 
sehen  Sprachforschem,  von  denen  der  eine  seine  nationale  Gesin- 
nung in  hervorragender  Weise  betätigt  hat,  mit  Erfolg  beschritten 
worden.  Für  die  Annahme  einer  internationalen  Hilfssprache 
braucht  es  namentlich  viel  guten  Willen ;  mit  nicht  halb  so  viel 
gutem  Willen  könnte  die  Wissenschaft  mit  den  voiiiandenen 
Mitteln  auskommen.  Für  den  Gelehrten  genügt  es  zumeist,  wenn 
sein  Auge  mehrsprachig  ist;  wissenschaftlicher  Briefwechsel 
zwischen  Gelehrten  fremder  Zunge  wird  am  besten  so  geführt, 
daß  jeder  in  seiner  Muttersprache  schreibt,  wobei  die  Lasten 
gleichmäßig  sich  verteilen;  für  internationale  Kongresse  sind 
außer  der  Landessprache  im  allgemeinen  die  europäischen  Haupi- 
sprachen  zugelassen ;  was  der  Augenblick  den  Teilnehmern  vor- 
enthält, können  sie  nachher  in  Muße  in  den  Berichten  nachlesen; 
im  übrigen  habe  ich  nicht  den  Eindruck,  daß  sich  der  Fortschritt 
der  Wissenschaft  auf  Kongressen  vollziehe". 

Und  nun  wende  ich  mich  zu  den  Fragen,  die  im  gegen- 
wärtigen Zeitpunkt  der  Weltsprachbewegung  die  wichtigsten  sini 

4.  Zunächst:  ist  eine  der  konkurrierenden  internationalen 
Hilfssprachen,  so  wie  sie  uns  heute  dargeboten  sind,  so  be- 
schaffen, daß  ein  gewissenhafter  Ratgeber  sie  zur  Einführung, 
vor  allem  zur  Einführung  in  den  Schulen  der  verschiedenen 
Länder,  empfehlen  dürfte  ?  Nach  dem  Programm  der  D616gation, 
soweit  es  heute  realisiert  ist,  verengert  sich  uns  diese  Frage 
sofort  dahin:  ist  so  die  Sprache  Esperanto  beschaffen?  Denn 
nicht  die  künstlichen  Hilfssprachen  an  sich  bekämpfen  wir  — 
die,  so  lange  man  nicht  ihre  Einführung  in  die  allgemeine 
Praxis  betreibt,  ungeschoren  weiterexistieren  mögen  — ,  sondern 
nur  das  Programm  der  D616gation. 

Man  muß  es  unserm  Antikritiker  gutschreiben,  daß  er,  im 
Gegensatz  zu  so  manchem  andern  Weltsprachfreund,  in  der 
Bewunderung  des  Esperanto  Maß  hält.  Er  gesteht,  daß  das 
Esperanto  mancher  Verbesserung  bedürftig  ist  Er  erkennt  Mängel 
an,  die  von  andern  aufgedeckt  worden  sind,  erwähnt  auch  einen 
von  dem  Erfinder  dieser  Kunstsprache  selber  schon  im  Jahre  1894 
veröffentlichten  und  1907  wieder  abgedruckten  Reformentwurf 
mit  der  Bemerkung,  daß  Zamenhofs  Verbesserungsvorschläge 
nicht  immer  als  gelungen  anzusehen  seien,  und  er  fügt  von  sich 


! 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    375 

aus  neue  Besserungsvorschläge  hinzu.  Leider  scheint  aber  B. 
de  C.  doch  keinen  rechten  Einblick  darein  zu  haben,  in  wie 
großem  Umfang  an  Zamenhofs  Arbeit  verändert  werdeu  müßte, 
ehe  man  den  vielen  Millionen  von  Menschen  anständigerweise 
zumuten  dürfte,  dem  Werk  in  ihrem  Kopf  eine  Heimat  zu  ge- 
währen. Denn  außer  den  Gebrechen,  die  Leskien  namhaft  ge- 
macht hat,  und  die  nur  eine  kleine  Auswahl  darstellen  von 
denen,  die  sich  ihm  aufgedrängt  haben,  hat  ja  auch  noch  Prot 
Beermann  in  seinem  im  Sommer  1907  erschienenen  Buche  Die 
internationale  Hilfssprache  Novilatin  (Leipz.,  Dieterichsche  Ver- 
lagsbuchhandlung) ein  nicht  kleines  Register  von  offenkundigen 
Mängeln  des  Esperanto  aufgestellt,  namentlich  bezüglich  der 
Wortbildung  (S.  21—36).  B.  de  C.  erwähnt  dieses  Buch  nicht 
und  scheint  es  noch  nicht  zu  kennen. 

Xun  mag  ja  das  eine  oder  andere  Beispiel  in  dem,  was 
Leskien,  und  dem,  was  Beermann  als  verbesserungsbedürftig 
vorgeführt  hat,  nicht  ganz  glücklich  gewählt  sein;  ich  glaube 
z.  B.  mit  B.  de  C,  daß  Leskien  die  im  Esperanto  verwendeten  Di- 
phthonge ai  (q/),  u»  (uß  nicht  hätte  der  Franzosen  wegen  so  stark 
tadeln  dürfen.  Aber  es  bleibt  jedenfalls  genug  und  übergenug 
übrig,  um  die  Behauptung  zu  rechtfertigen,  daß  das  Esperanto- 
projekt mit  Rücksicht  darauf,  wie  diese  Sprache  heute  aussieht, 
noch  völlig  unreif  ist  Mit  ein  paar  Flickbesserungen,  wie  sie  in 
der  Eile  anzubringen  sind,  ist  sicher  nicht  durchzukommen,  und 
man  kann  sich  nur  wundem,  wenn  Ostwald,  der  ebenfalls  Mit- 
glied des  Komitees  und  dessen  Präsident  ist,  in  seinem  kürzlich 
in  der  'Woche'  (1907,  Nr.  47  S.  2047  ff.)  gegebenen  Bericht  be- 
merkt: "Es  besteht  begründete  Hoffnimg,  daß  das  dauernde 
Komitee,  das  die  Arbeiten  der  Kommission  zur  Reife  zu  bringen 
bestimmt  ist,  noch  vor  Jahresschluß  [d.  h.  vor  dem  1.  Jan.  1908] 
der  Welt  die  Hilfsspra'che  in  der  Form  vorlegen  wird,  die  es 
nach  eindringender  Arbeit  als  die  zurzeit  zweckmäßigste  em- 
pfiehlt". Wozu  diese  Eile?  Es  liegt  doch  kein  allgemein  em- 
pfundener Notstand  vor,  dem  schleunigst  abgeholfen  werden 
müßte,  wie  man  etwa  einer  drohenden  Epidemie  entgegenzutreten 
genötigt  wäre,  sondern  es  ist  ja  zunächst  nur  eine  Annehmlich- 
keit und  Bequendichkeit,  die  für  den  Völkerverkehr  zu  schaffen  ist 
Da  sollte  man  sich  doch  so  viel  Zeit  lassen,  um  wirklich  das  Best- 
mögliche liefern  zu  können.  Auch  ist  sicher:  je  mehr  UnvoD- 
kommenheiten  gleich  nach  der  Einführung  der  Hilfssprache  noch 


374  K.  Bragmann  n.  A.  Leskien, 

europäischen  Sprache  beizugeben  oder  einen  solchen  in  einer 
allgemein  verbreiteten  Zeitschrift  zu  veröffentlichen,  wäre  schon 
sehr  ^iel  gewonnen.  Beide  Wege  sind  in  letzter  Zeit  von  dedd- 
sehen  Sprachforschem,  von  denen  der  eine  seine  nationale  Gesin- 
nung in  hervorragender  Weise  betätigt  hat,  mit  Erfolg  beschritten 
worden.  Für  die  Annahme  einer  internationalen  Hilfssprache 
braucht  es  namentlich  ^iel  guten  Willen;  mit  nicht  halb  so  vid 
gutem  Willen  könnte  die  Wissenschaft  mit  den  Torhandenen 
Mitteln  auskommen.  Für  den  Gelehrten  genügt  es  zumeist,  wenn 
sein  Auge  mehrsprachig  ist;  wissenschaftlicher  Briefwechsel 
zwischen  Gelehrten  fremder  Zunge  wird  am  besten  so  gefohlt, 
daß  jeder  in  seiner  Muttersprache  schreibt,  wobei  die  Lasten 
gleichmäßig  sich  verteilen;  für  internationale  Kongresse  sind 
außer  der  Landessprache  im  allgemeinen  die  europäischen  Haupt- 
sprachen zugelassen;  was  der  Augenblick  den  Teilnehmern  vor- 
enthält, können  sie  nachher  in  Muße  in  den  Berichten  nachlesen; 
im  übrigen  habe  ich  nicht  den  Eindruck,  daß  sich  der  Fortsehritt 
der  Wissenschaft  auf  Kongressen  vollziehe". 

Und  nun  wende  ich  mich  zu  den  Fragen,  die  im  gegen- 
wärtigen Zeitpunkt  der  Weltsprachbewegung  die  wichtigsten  sini 

4.  Zunächst:  ist  eine  der  konkurrierenden  internationale 
Hilfssprachen,  so  wie  sie  uns  heute  dargeboten  sind,  so  be- 
schaffen, daß  ein  gewissenhafter  Ratgeber  sie  zur  Einführung, 
vor  allem  zur  Einfühning  in  den  Schulen  der  verschiedenen 
Länder,  empfehlen  dürfte?  Nach  dem  Programm  der  D6I6gation, 
soweit  es  heute  realisiert  ist,  verengert  sich  uns  diese  Frage 
sofort  dahin:  ist  so  die  Sprache  Esperanto  beschaffen?  Denn 
nicht  die  künstlichen  Hilfssprachen  an  sich  bekämpfen  wir  — 
die,  so  lange  man  nicht  ihre  Einfühmng  in  die  allgemeine 
Praxis  betreibt,  ungeschoren  weiterexistieren  mögen  — ,  sondern 
nur  das  Programm  der  D616gation. 

Man  muß  es  unsenn  Antikritiker  gutschreiben,  daß  er,  im 
Gegensatz  zu  so  manchem  andern  Weltsprachfreund,  in  der 
Bewunderung  des  Esperanto  Maß  hält.  Er  gesteht,  daß  das 
Esperanto  mancher  Verbesserung  bedürftig  ist  Er  erkennt  Mängel 
an,  diu  von  andern  aufgedeckt  worden  sind,  erwähnt  auch  einen 
von  dem  Erfinder  dieser  Kunstsprache  selber  schon  im  Jahre  1894 
veröffentlichten  und  1907  wieder  abgedruckten  Reformentwurf 
mit  der  Bemerkung,  daß  Zamenhofs  Verbesserungsvorschläge 
nicht  immer  als  gelungen  anzusehen  seien,  und  er  fügt  von  sich 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    375 

ans  neue  Besserungsvorschläge  hinzu.  Leider  scheint  aber  B. 
de  C.  doch  keinen  rechten  Einblick  darein  zu  haben,  in  wie 
großem  Umfang  an  Zamenhofs  Arbeit  verändert  werden  müßte, 
ehe  man  den  vielen  Millionen  von  Menschen  anständigerweise 
zumuten  dürfte,  dem  Werk  in  ihrem  Kopf  eine  Heimat  zu  ge- 
währen. Denn  außer  den  Gebrechen,  die  Leskien  namhaft  ge- 
macht hat^  und  die  nur  eine  kleine  Auswahl  darstellen  von 
denen,  die  sich  ihm  aufgedrängt  haben,  hat  ja  auch  noch  Prol 
Beermann  in  seinem  im  Sommer  1907  erschienenen  Buche  Die 
internationale  Hilfssprache  Novilatin  (Leipz.,  Dieterichsche  Ver- 
lagsbuchhandlung) ein  nicht  kleines  Register  von  offenkundigen 
Mängeln  des  Esperanto  aufgestellt,  namentlich  bezüglich  der 
Wortbildung  (S.  21—36).  B.  de  C.  erwähnt  dieses  Buch  nicht 
und  scheint  es  noch  nicht  zu  kennen. 

Nun  mag  ja  das  eine  oder  andere  Beispiel  in  dem,  was 
Leskien,  und  dem,  was  Beermann  als  verbesserungsbedürftig 
vorgeführt  hat,  nicht  ganz  glücklich  gewählt  sein;  ich  glaube 
z.  B.  mit  B.  de  C,  daß  Leskien  die  im  Esperanto  verwendeten  Di- 
phthonge ai  (q/),  ui  {ly)  nicht  hätte  der  Franzosen  wegen  so  stark 
tadeln  dürfen.  Aber  es  bleibt  jedenfalls  genug  und  übergenug 
tibrig,  um  die  Behauptung  zu  rechtfertigen,  daß  das  Esperanto- 
projekt mit  Rücksicht  darauf,  wie  diese  Sprache  heute  aussieht, 
noch  völlig  unreif  ist  Mit  ein  paar  Flickbesserungen,  wie  sie  in 
der  Eile  anzubringen  sind,  ist  sicher  nicht  durchzukommen,  und 
man  kann  sich  nur  wundem,  wenn  Ostwald,  der  ebenfalls  Mit- 
glied des  Komitees  und  dessen  Präsident  ist,  in  seinem  kürzlich 
in  der  'Woche'  (1907,  Nr.  47  S.  2047  ff.)  gegebenen  Bericht  be- 
merkt: "Es  besteht  begründete  Hoffnung,  daß  das  dauernde 
Komitee,  das  die  Arbeiten  der  Konmiission  zur  Reife  zu  bringen 
bestimmt  ist,  noch  vor  Jahresschluß  [d.  h.  vor  dem  1.  Jan.  1908] 
der  Welt  die  Hilfsspra'che  in  der  Form  vorlegen  wird,  die  es 
nach  eindringender  Arbeit  als  die  zurzeit  zweckmäßigste  em- 
pfiehlt". Wozu  diese  Eile?  Es  liegt  doch  kein  allgemein  em- 
pfundener Notstand  vor,  dem  schleunigst  abgeholfen  werden 
müßte,  wie  man  etwa  einer  drohenden  Epidemie  entgegenzutreten 
genötigt  wäre,  sondern  es  ist  ja  zunächst  nur  eine  Annehmlich- 
keit und  Bequemlichkeit,  die  für  den  Völkerverkehr  zu  schaffen  ist 
Da  sollte  man  sich  doch  so  viel  Zeit  lassen,  um  wirklich  das  Best- 
mögliche liefern  zu  können.  Auch  ist  sicher:  je  mehr  UnvoD- 
kommenheiten  gleich  nach  der  Einführung  der  Hilfssprache  uoek 


376  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

aufgedeckt  werden  —  das  Suchen  darnach  wird,  wie  die  Menschen 
nun  einmal  sind,  nicht  aufhören !  — ,  um  so  größer  ist  die  Ge- 
fahr, daß  die  ganze  neue  Einrichtung  bald  in  sich  wieder  su- 
sammenfäUt  Und  Eile  tut  hier  um  so  weniger  not,  als  die 
Weltsprachfreunde  von  heute,  wie  uns  B.  de  C.  belehrt  (s.  oben 
S.  368),  nicht  schon  ebien  Nutzen  für  sich  selber  erstreben,  die 
Andern  aber  gewiß  alle  gerne  warten  werden,  bis  ein  wenigstens 
einigermaßen  zweckmäßiges  und  sauberes  Verkehrsinstrument 
angeboten  wird.  Auch  handelt  es  sich  ja  um  eine  Verkehrseio- 
richtung,  die,  wie  Ostwald  u.  a.  versichern,  auf  viele  Jahrhunderte, 
ja  Jahrtausende  hinaus  der  Menschheit  müßte  dienen  können. 

Es  kann  hier  nicht  meine  Aufgabe  sein,  in  eine  Be- 
sprechung der  Einzelheiten  einzutreten,  die  das  Urteil  allzu 
großen  Zurückbleibens  des  Esperanto  hinter  dem  Ideal  einer 
ki'mstlichen  internationalen  Hilfssprache  begründen.  Xur  einige 
wenige  von  ihnen  seien  erwähnt,  weil  ich  an  sie  eine  allgemeine 
Bemerkung  anknüpfen  möchte. 

Leskien  hatte  Lautgruppen  des  Esperanto  wie  Artti,  Hu,  efM, 
die  häufig  sind  und  stets  zweisilbig  gesprochen  werden  sollen, 
für  unzweckmäßig  erklärt,  weil  zu  erwarten  sei,  daß  mehrere 
Vfilker  die  vom  Esperantogrammatiker  vorgeschriebene  Aus- 
sprache nach  der  ihnen  auf  Grund  ihrer  Landessprache  eigen- 
tümlichen Sprechweise  abändern  werden,  daß  das  i  den  voraus- 
gehenden Konsonanten  verundeutlichen  oder  überdies  in  j  übe^ 
gehen  werde.  Ferner  hatte  er  die  einzig  auf  dem  unbetonten 
Vokal  der  Endsilbe  beruhende  Unterscheidung  z.  B.  von  im 
ämas  *ich  liebe',  mi  dmos  *ich  werde  lieben*,  mi  dmus  'ich  würde 
lieben'  beanstandet  weil  man  annehmen  müsse,  bei  einem  Deut- 
schen oder  Engländer  werden  die  Endsilben  -o«,  -os,  -iw  mit 
einem  dumpfen  unterschiedslosen  Vokal  gesprochen  werden,  so 
daß  die  Bedeutungsunterschiede  der  Formen  verschwänden.  B. 
de  C.  seinerseits  ist  in  bezug  auf  solche  Lautungsverhältnisse 
durchaus  Optimist.  Er  glaubt,  es  werde  genügen,  vor  falscher 
Aussprache  zu  warnen,  zu  lehren,  daß  keine  Silbe  als  lautlich 
bevorzugt  hervorzuheben  imd  jeder  Laut,  jede  AussprachesteUe 
deutlich  ausgesprochen  werden  solle;  man  piüsse  dabei  die  Me- 
thoden des  Sprachunterrichts  durch  Anwendung  der  Resultate 
der  Anthropophonik  (Lautphysiologie)  vervollkommnen  (S.  406. 
410).  Man  steUe  sich  nun  einmal  einen  solchen  Unterricht  in 
den  Elementarschulen  der  verschiedenen  Länder  vor !  Und  wenn 


Zur  Einfühning  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    877 

die  kleinen  oder  auch  die  großen  Esperantisten  den  Esperanto- 
unterricht, der  von  verhältnismäßig  kurzer  Dauer  sein  soll,  hinter 
sich  haben,  die  allenneisten  aber  von  ihnen  später,  wie  bestimmt 
zu  erwarten  ist,  nur  in  unregehnäßigen  längeren  Zwischen- 
räumen in  die  Lage  kommen,  das  Gelernte  praktisch  zu  verwerten, 
was  dann?   Naturam  expellas  — . 

S.  411  kommt  B.  de  C.  auf  das  berüchtigte  Esperantowort 
für  Mutter,  patrino^  eigentlich  *Vaterin',  zu  sprechen,  ein  Wort, 
das  nicht  nur  Leskien  und  andere  dem  Esperanto  Abholde, 
sondern  auch  Leute,  die  die  Weltsprachidee  keineswegs  ablehnen, 
für  mißlungen  erklärt  haben.  Er  sagt,  er  verstehe  nicht,  warum 
dieses  unglückliche  patiino  so  viel  böses  Blut  verursache.  Ein- 
fach darum  ist  dies  der  Fall,  weil  die  Mutter,  als  Nuancierung 
des  Vaters  aufgefaßt,  etwas  ganz  Verstandes-  und  Vernunft- 
widriges ist  Dergleichen  kommt  zwar  auch  in  '•natürlichen" 
Sprachen  vor,  aber  doch  nur  so,  daß  niemand  außer  dem,  der 
über  den  Ausdruck  nachgrübelt,  mehr  an  den  ursprünglichen 
""buchstäblichen  Sinn"  denkt  und  nur  der  Vergleich  der  gegen- 
wärtigen wirklichen  Bedeutung  mit  der  älteren  Bedeutung  eine 
Widersinnigkeit  hervorruft.  Beim  Esperanto  aber  trägt  das  vom 
Erfinder  geschaffene  Wort  seinen  etymologischen  Sinn  noch  klar 
an  der  Stirn,  das  Wort  soll,  wie  es  von  Zamenhof  komponiert 
ist  durch  sich  selbst  das  besagen,  was  dieser  mit  ihm  bezeichnet 
wissen  will.  Soll  man  doch  als  Esperantosprecher  auch  selbst 
nach  Bedürfnis  mit  Hilfe  der  von  Zamenhof  bereit  gestellten 
Sprachelemente  Ableitungen  vornehmen  dürfen ;  wodurch  die  Auf- 
merksamkeit stetig  auf  den  buchstäblichen  Sinn  der  Worte  gelenkt 
wird.  Femer  soU  Esperanto  nicht  schon  von  Wickelkindem  ge- 
lernt werden,  die  bloß  papageienmäßig  in  sich  aufnehmen  und 
reproduzieren,  sondern  erst  von  älteren,  beim  Lernen  nach- 
denkenden Kindern.  Da  muß  denn  "das  Sprachgefühl"  bei  einer 
Bildung  wie  patrino  notwendigerweise  rebellieren.  Wie  leicht 
aber  wäre  dieses  törichte  Gebilde  zu  vermeiden  gewesen!  Es 
sei  übrigens  nicht  unterlassen,  noch  zu  bemerken,  daß  auch 
B.  de  C.  selbst  mit  diesen  femininen  Wörtern  wie  patrino  *Mutter' 
von  pairo  'Vater*,  fratino  'Schwester'  von  frato  'Bruder'  nicht 
ganz  zufrieden  ist:  er  sieht  (S.  412)  in  ihnen  eine  Art  von 
Ungerechtigkeit  gegen  das  weibliche  Geschlecht! 

Was  ich  gegen  patrino  zu  bemerken  hatte,  führt  hinüber 
zu  einer  andern  Schöpfung  Zamenhofe,  die  ebenfslX^  *N\^V\3?5ä^ 


378  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

Blut  verursacht  hat",  zu  pregefo  *Kirche*.  B.  de  C.  S.  414  be- 
zeichnet Leskiens  kritische  Bemerkung  über  dieses  Wort  (Zur 
Kritik  S.  35)  als  mißlungen,  nachdem  sie  auch  schon  andefe 
Esperantisten  in  den  derbsten  Ausdrücken  au&  Korn  genommen 
hatten.  Sehen  wir  näher  zu !  Die  Endung  -^  bedeutet  den  Ort, 
wo  etwas  ist  oder  wo  man  etwas  vornimmt  pre^  ist  Twteii*, 
und  so  ist  pre§ejo  so  viel  als  Betört  Zamenhof  hat  dieses  Wort 
in  seinem  Fundamento  de  Esperanto  (Paris  1906  S.  20)  ohne  jede 
Erläuterung  aufgestellt  für  Kirche^  Sglise^  drko^;  er  muß  also 
angenommen  haben,  daß  es  dafür  ausreiche.  Nun  hat  Leskien 
mit  vollstem  Recht  darauf  hingewiesen,  daß  man  unter  Kirche 
nicht  bloß  das  Gebäude,  sondern  auch  die  Institution  und  den 
Inbegriff  aller  Gläubigen  verstehe,  und  daß  deshalb  pre^o  ver- 
fehlt sei.  Freilich  hat  Zamenhof  selbst  oder  ein  andrer  Espe- 
rantist (darauf  kommt  hier  nichts  an)  hinterher  das  Verfehlte  der 
Bildung  eingesehen.  Denn  in  den  Wörterbüchern  wird  nun  neben 
pre^ejo  noch  eklezio  vorgeschrieben  zur  Bezeichnung  der  Ge- 
meinschaft der  Gläubigen.  Dieses  eldezio  hätte  von  Zamenhof 
sofort  aufgestellt  werden  sollen;  es  hätte  beide  Seiten  des  Be- 
griffs Kirche  vollkommen  gedeckt!  Aber  bei  der  absoluten  Un- 
antastbarkeit des  Fundamento  war  der  Schaden  nicht  wohl  andere 
gut  zu  machen  als  in  der  angegebenen  Weise,  und  so  haben 
wir  nun  statt  6ines  Wortes  zwei  —  ganz  im  Einklang  mit  dem 
Grundsatz  dieser  Hilf ssprache,  mit  den  Sprachmitteln  zu  sparen, 
die  Sprachen  zu  vereinfachen!  Und  triumphierend  heben  nun 
begeisterte  Esperantisten,  die  es  Leskien  zum  Verbrechen  an- 
rechnen, daß  er  nur  das  Fundamento  berücksichtigt  hat,  noch 
hervor,  wie  viel  feiner  das  Esperanto  in  der  Begriffsunterschei- 
dung sei  als  die  natürlichen  Sprachen!  Das  Schönste  an  der 
Sache  ist  aber,  daß  jetzt  B.  de  C.  findet,  die  zwei  Wörter  für 
Kirche  im  Esperanto  seien  nicht  genug,  er  vermisse  nämlich  in 
dieser  Sprache  noch  ein  Wort  für  die  Kirche  einfach  als  Gebäude 
ohne  Rücksicht  darauf,  ob  man  darin  betet  oder  gebetet  hat  oder 
beten  wird !  Der  Fehler,  den  Zamenhof  begangen  hat,  als  er  Kirche^ 
church^  iglise^  drkov'  usw.  ins  Esperanto  zu  übersetzen  hatte,  und 
der  ihn  und  seine  Freunde  hier  aus  dem  Regen  in  die  Traufe 
kommen  ließ,  ist  ein  Fehler,  den  das  Esperantowörterbuch  auch 
sonst  häufiger  aufweist  Er  wird  von  Beermann  a.  o.  0.  26  f. 
zutreffend  so  charakterisiert:  "Nicht  bloß  Stämme  und  Suffixe, 
sondern  auch  ganze  Wörter  sollen  trotz  ihrer  Intemationalitat 


I 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    379 

Opfer  der  Vereinfachung  werden.  Es  soll  nicht  mehr  Schule^ 
Fauna ^  Havarie^  Bann^  Typographie^  Vakanz^  negativ  heißen, 
sondern,  teilweise  wohl  nur,  um  die  Bildungsfähigkeit  des  Espe* 
ranto  zu  zeigen,  lemejo^  hestaro^  difektajo^  ekzilordono^  preeatio^ 
neokupatecOj  nea.  Solche  Wörter  aber  bieten  trotz  der  angeblichen 
Durchsichtigkeit  ihrer  Bildung  uns  Indogermanen  keine  Erleichte- 
rung beim  Erlernen,  da  wir  bei  den  uns  bekannten  internatio- 
nalen Wörtern  des  Lernens  überhaupt  überhoben  sind.  Was  aber 
die  Durchsichtigkeit  betrifft,  die  wenigstens  den  Nichtindoger- 
manen  zugute  kommen  würde,  so  überschätzt  Zamenhof  offenbar 
die  Physis  Piatos  gegenüber  der  Thesis.  Daß  lemejo  z.  B.  (d.  h. 
Lfem-ort)  Schule  bedeuten  soll,  und  nicht  etwa  Akademie  oder 
Lehre^  kann  man  nicht  aus  der  Bildung  des  Wortes  entnehmen, 
sondern  muß  es  aus  dem  Wörterbuch  lernen,  ebenso,  daß  bestafv 
(d.  h.  Tiersammlung)  Fauna  bedeutet,  und  nicht  etwa  Zoologisches 
Museum  oder  Tierbude  (Menagerie).  Günstigenfalls  —  aber  auch 
dies  nicht  immer,  da  viele  sehr  wunderbare  und  manche  offenbar 
falsche  Bildungen  vorliegen  —  kann  man  von  solchen  esperan- 
tischen  Neulingen  sagen,  daß  sie  die  geforderte  Bedeutung  haben 
können,  nicht  aber,  daß  sie  sie  haben  müssen,  und  nichts 
erscheint  mir  falscher  als  der  Glaube  (Wörterb.  I,  VorredeX  Es- 
peranto gäbe  die  Mittel  an  die  Hand,  die  es  jedem  ermöglichten, 
aus  einer  Wurzel  eine  ganze  Beihe  abgeleiteter  Wörter  selb- 
ständig zu  bilden.  Das  ist  wie  in  den  Natursprachen  wohl  bei 
einer  gewissen  Anzahl  von  Suffixen  der  Fall,  im  übrigen  aber 
muß,  wie  bei  den  Stämmen,  auch  hier  erst  ein  Übereinkommen 
(Thesis)  getroffen  werden,  und  niemand  ist  da  des  Lernens  über- 
hoben". 

Zum  Schluß  dieses  Abschnitts  noch  ein  Wort  über  folgende 
Äußerung  B.  de  C.'s  S.432:  "Bei  der  Billigung  oder  Mißbil- 
ligung  irgend  welcher  sprachlicher  Formen  haben  die  an  dem 
betreffenden  Sprachverkehre  beteiligten  Individuen  das  erste 
entscheidende  Wort  Wenn  die  Esperantisten  selbst  mit  gewissen 
bizarr  aussehenden  Bestandteilen  ihrer  gemeinsamen  Sprache 
einverstanden  sind,  haben  die  anderen  zwar  das  unbeschränkte 
Recht  zu  urteilen,  aber  ohne  praktische  Einmischung  in  die 
internen  Angelegenheiten  der  esperantischen  Sprachgenossen- 
schaft (§§  28,  32,  33,  36,  37)".  Ich  vermag  aus  diesen  Worten 
nur  herauszulesen,  daß  dem  Esperantisten  nichfr  bloß  allgemeine 
abfällige  Urteile  über  Esperanto  unbequem  sind  (das  wäre  ver- 


880  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

eeihlicli),  sondern  auch  solche  Urteile,  mit  denen  von  Leaten, 
die  sich  nicht  zur  Gemeinde  rechnen,  der  Finger  aal  eimehM 
schwache  Stellen  dieser  Sprachei-findung  gelegt  wird,  die  sich 
Terbessem  ließen.  Aber  haben  die  Esperantisten  denn  nicht 
selbst  ihre  Sache  längst  zu  einer  öffentlichen  gemacht,  su  einer, 
die  schließlich  jeden  gebildeten  und  ungebildeten  Europäer 
und  Amerikaner  direkt  angeht?  Besteht  nicht  z.B.  ein  •*Inter- 
nationaler  Wissenschaftlich-Esperantischer  Verein**  (unter  dem 
Vorsitz  von  H.  Sebert  und  C.  Bourlet),  der  uns  Gelehrten  öffent- 
lich auffordert,  auf  den  Kongressen  nur  Esperanto  zu  reden,  in 
wissenschaftliehen  Zeitschriften  Aufsätze  in  Esperanto  anäa- 
nehmen  und  jedem  in  einer  nationalen  Sprache  redigierten  Auf- 
satz eine  Inhaltswiedergabe  in  Esperanto  beizufügen?  Da  kann 
man  nur  staunen,  wenn  unsere  und  Anderer  Kritik  als  Ein- 
mischung in  Interna  zurückgewiesen  wird,  besonders  wenn  ein 
Mann  diese  Kritik  abwehrt,  der  über  die  Nichtbeteiligung  so 
vieler  Sprachforscher  an  dieser  großen  Frage  öffentlich  und  in 
scharfer  Form  Klage  führt. 

6.  Nach  dem  Programm  der  D616gation  soll  die  Hilfe- 
spracho  ebensowohl  den  Bedürfnissen  des  täglichen  Lebens  zn 
dienen  imstande  sein  (man  soU,  wie  uns  Couturat,  Ostwald  ii.  a 
sagen,  in  ihr  z.  B.  mit  dem  Fabrikarbeiter,  dem  Dienstmann  and 
dem  Bauer  sich  verständigen  können),  wie  den  Zwecken  des 
Handels  und  Verkehrs,  wie  endlich  den  Aufgaben  der  Wissen- 
schaft. Ist  also  das  Esperanto,  wie  es  heute  ist  oder  wie  es  in 
kürzester  Frist  verbessert  vorliegen  könnte,  alles  das  zu  leisten 
imstande  ? 

Beginnen  wir  mit  der  Wissenschaft  B.  de  C.  sagt  S.427: 
"Auch  der  Wissenschaft  könnten  seitens  einer  solchen  Sprache 
gewisse  Dienste  geleistet  werden.  Ich  brauche  nur  an  inter- 
nationale Kongresse  und  an  den  internationalen  Verkehr  mit 
kleineren,  weniger  verbreitete  Sprachen  redenden  Völkern  zu 
erinnern".  Daß  wir  in  der  Wissenschaft  die  fremdsprachliche 
Literatur  und  damit  die  Fremdsprachen  auf  viele  Jahre  hinaus 
nicht  los  werden  können,  weil  sich  die  heute  in  die  National- 
sprachen gekleidete  wissenschaftiiche  Literatur  nicht  in  Kurzem 
in  Esperanto  übersetzen  läßt,  und  weil  der  Verlagsbuchhandel 
Umgestaltungen  zu  eifahren  hätte,  die  ebenfalls  in  Kurzem  nicht 
zu  ermöglichen  sind,  wird  auch  B,  de  C.  zugeben.  Aber  wenn 
er  ti'otzdem  wünscht,  daß  auch  schon  wir  heutigen  Leute  der 


Zur  Einfahrung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    881 

Wissenschaft  des  wissenschaftlichen  Verkehrs  wegen  eine  inter- 
nationale Gemeinsprache,  d.  h.  Esperanto,  annehmen,  so  muß 
noch  auf  etwas  anderes  hingewiesen  werden,  was  dem  sonnen- 
klar entgegensteht  Esperanto  kann,  wenn  nicht  der  größte  Wirr- 
warr entstehen  soll,  nicht  eher  Sprache  der  einzelnen  Wissen- 
schaften werden,  als  bis  sein  Wortschatz  dafür  die  nötige  Er- 
weiterung und  Präzisierung  erfahren  hat  Mit  Recht  bemerkt  aber 
Diels  Deutsche  Lit-Zeitung  1907,  Sp.  1671  f.:  'TDa  Dr.  Zamenhof 
trotz  seiner  Universalität  nicht  in  aUen  Fächern  der  Kunst  und 
Wissenschaft  Sachkenntnis  besitzen  kann  und  doch  nur  der 
Sachverständige  ein  richtiger  Wortschöpfer  sein  kann,  so  muß 
das,  wenn  erst  diese  Kunstsprache  wirklich  den  Interessen  der 
Wissenschaft  und  Technik  dienstbar  gemacht  werden  soll,  wie 
schon  die  darin  vorgelegten  Proben  beweisen,  zu  ärgerlichen 
Mißverständnissen  und  unheilbaren  Schäden  führen.  Denn  die 
einmal  approbierten  Wörter  lassen  sich  ebenso  schwer  wie  appro- 
bierte Dogmen  wieder  abschaffen  oder  umändern.  Wenn  schon 
die  Regelung  gleichgültiger  Dinge  wie  Orthographie  in  den  ein- 
zelnen Ländern,  wo  man  dies  versucht,  einen  Sturm  von  Auf- 
regung und  Zwistigkeit  herbeiführt,  selbst  wenn,  ja  gerade  wenn 
die  kompetentesten  Fachleute  damit  betraut  werden,  so  kann 
man  sich  denken,  was  aus  Esperanto  werden  wird,  wenn  statt 
des  Papstes  ein  vielstimmiges  Konzil  entscheiden  soll".  Man 
hat  sich  zwar  auch  schon  in  Paris  mit  dem  Gedanken  getragen, 
daß  Wörterbücher  für  die  einzelnen  Wissenschaftszweige  durch 
Kommissionen  ausgearbeitet  werden  müßten,  aber  über  die  Zeit, 
die  zur  Fertigstellung  und  Approbation  nötig  wäre,  scheint  man 
sich  merkwürdigen  lUusionen  hinzugeben.  Und  so  ist  auch  nicht 
einzusehen,  was  Esperanto  gegenwärtig  schon  auf  den  wissen- 
schaftlichen Kongressen  soll.  Denn  die  wissenschaftlichen  Vor- 
träge, die  doi-t  gehalten  werden,  sollen  doch  nicht,  nur  damit 
Esperanto  schnell  hochkommt,  an  Gehalt  von  dem  Niveau  herab- 
sinken, das  sie  bisher  hatten,  wo  ihr  Gewand  das  einer  nationalen 
Sprache  war;  einzig  und  allein  wegen  der  unwissenschaftlichen 
Teile  der  Kongresse  aber  die  neue  Sprache  hinzuzulernen,  dazu 
werden  sich  höchstens  Kongreßhabitu6s  entschließen.  Es  wird 
übrigens  für  die  eine  Wissenschaft  leichter  als  für  die  andere  ein 
esperantisches  Wörterbuch  zu  konstruieren  sein,  z.  B.  für  die 
Mathematik  leichter  als  für  die  Sprachwissenschaft,  und  daß  die 
auf  Herstellung  solcher  Wörterbücher  gerichtete  Arbeit  gleicbiiSLÄi 


K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 


I 


der  schwierigsten  alier  einschlägigen  Aufgaben,  der  Herstellung 
eines  Lexikons  für  die  Philosophen,  eingesetzt  hat,  ist  recht  kenn-    ! 
zeichnend  für  die  ganze  heutige  Weltsprachbewegung. 

Wie  stellt  sich  unser  Antikritiker  weiter  zu  der  Frage  der 
Verwendung  der  Hilfssprache  in  der  sogenannten  schönen 
Literatur?  Er  bemerkt  S.  391 :  "Einen  doppelten  Anstrich  van 
*Aristokratismus'  ti-ägt  an  sich  auch  die  Erwähnung  der  'schönen 
Literatur'  und  der  'ästhetischen  Befriedigung'  (Brugmann  S.  20-21). 
Erstens  muß  bei  der  Betrachtung  der  Weltsprachefrage  die 
'schöne  Literatur'  und  die  'ästhetische  Befriedigung*  hinter  die 
plebejischen  Bedürfnisse  des  täglichen  Lebens  zurücktreten. 
Zweitens  gebührt  einer  'künstlichen  Sprache*  auch  in  Anwendung 
auf  die  schöne  Literatur  eine  nicht  zu  unterschätzende  Bolle"; 
man  könne,  heißt  es  weiter,  mit  der  Hilfssprache  zur  Populär 
risierung  von  literarischen  Meisterwerken  kleiner  Völker  unge- 
mein viel  beitragen.  Was  liier  wieder  der  "Aristokratismus'*  soll, 
verstehe  ich  nicht  Denn  ich  habe  nirgends  behauptet,  die  Be- 
dürfnisse des  Alltagslebens  seien  an  sich  die  minder  wichtigen. 
Auch  wird  ja  B.  de  C.  nicht  meinen,  daß  das  Esperanto  von 
heute,  als  Gefäß  für  ein  Meisterwerk  einer  Nationalliteratur  (v^ 
Zamenhofs  Hamletübersetzung),  zwar  für  Feinschmecker  nicht 
ausreiche,  worauf  es  nicht  ankomme,  wohl  aber  für  das  ge- 
wöhnliche Volk.  Das  Esperanto,  imd  nicht  nur  dieses,  sondern 
jede  derartige  Kunstsprache,  ist  überhaupt  unfähig,  ein  Literatur- 
werk eines  Volkes  einem  andern  Volk  irgend  genügend  zu 
vermitteln,  wie  es  vollends  eine  Utopie  der  Weltsprachfreunde 
ist,  wertvolle  dichterische  Schöpfungen  könnten  sich  fortan  auch 
gleich  des  Esperantos  als  ihres  sprachlichen  Kleides  bedienen 
—  ein  bequemes  Mittel  allerdings  für  den  Poeten,  um  von  vom 
herein  der  Weltliteratui'  anzugehören!  Es  ist  hierüber  schon 
Treffliches  von  mehreren  Andern  gesagt  worden,  aber  B.  de  C. 
wohl  noch  nicht  zu  Ohren  gekonmien.  Ich  erlaube  mir  folgendes 
aus  Th.  Gomperz'  Aufsatz  "Zur  Frage  der  internationalen  Hilfe- 
spracho"  (Deutsche  Eevue,  Dez.  1907)  herzusetzen ;  "Eine  Samm- 
lung von  Eedewendimgen,  wie  sie  der  Verkehr  mit  Schaffnern, 
Kutschern,  Wirten,  Warenverkäufern  erheischt  —  solch  ein  Ge- 
sprächsbüchlein mag  allerdings  ohne  allzu  große  Mühe  dem 
Gedächtnis  kunstsprachlicher  Novizen  eingeprägt  werden.  Ein 
unabsehbar  weiter  Weg  aber  führt  von  hier  bis  zur  Bewältigung 
der  Unmassen  von  Ausdrucksmitteln,  über  die  eine  Literatur- 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    888 

spräche  notgedrungen  verfügen  muß.  Die  Devise  der  Kunst- 
sprachler ist  und  muß  sein  Sparsamkeit  und  Armut ;  der  litera- 
rische, vor  allem  der  poetische  Ausdruck  hingegen  heischt  Reichtum, 
ja  Verschwendung.  Der  Dichter,  aber  auch  der  Historiker,  der 
Bedner,  ja  selbst  der  wissenschaftliche  Darsteller  seelischer  Vor- 
gänge und  all  der  Themen,  die  man  die  geisteswissenschaftlichen 
nennen  darf,  muß  mit  seinem  Gegenstande  in  voller  Freiheit 
schalten,  alle  Gebiete  der  Natur  und  des  Menschenlebens  in 
buntemWechsel  zum  Behuf  e  der  Verdeutlichung,  der  Beleuchtung 
seiner  Darlegungen,  nicht  zum  mindesten  auch  behufs  der  Aus- 
schmückung seiner  Rede  durchmustern  und  verwerten  können. 
Keine  sprachliche  Ersparungsrücksicht  darf  hier  walten  und  die 
Bewegungsfreiheit  hemmen.  Größten  Reichtum  und  äußerste 
Armut,  diese  Gegensätze  zu  versöhnen  —  dazu  kann  kein  Genie 
eines  Spracherfinders  ausreichen".  Man  bildet  sich  wohl  ein, 
bei  der  Arbeit  der  Übersetzung  von  großen  Werken  der  Natio- 
nalliteraturen in  die  Kunstsprache  den  nötigen  Vorrat  an  Worten 
und  Wendungen  allmählich  beschaffen  zu  können.  Aber  gesetzt 
auch,  dies  ginge  an,  wer  liefert  das  betreffende  Wörterbuch  oder 
richtiger  die  betreffenden  Wörterbücher  für  alle  beteiligten 
Nationen,  und  wann  hofft  man  sie  der  Welt  zur  Benutzung  vor- 
legen zu  können? 

Femer  Handel  und  Verkehr.  Ich  habe  Zur  Kritik  S.  19 
gesagt,  daß  hier  eine  Sprache  wie  das  Esperanto  vielleicht  noch 
am  ehesten  am  Platze  sei,  für  die  Korrespondenz  mit  dem  Aus- 
land, wenn  auch  der  strebsamere  Handelsherr  auf  die  in  der 
fremden  Landessprache  erscheinende  Handelsliteratur  keineswegs 
verzichten  könne.  Bei  Verkehr  dachte  ich,  wie  Gomperz  a.  a.  0., 
zunächst  etwa  an  den  Verkehr  von  Eisenbahnverwaltungen,  Tele- 
graphenämtem  u.  dgl,  an  die  Sprache,  in  welcher  Reisebillette, 
vielleicht  auch  Wechselblankette  und  ähnliche  Instrumente  des 
wirtschaftlichen  Weltverkehrs  abgefaßt  sein  könnten.  In  bezug 
auf  diese  Gebiete  des  Völkerverkehrs  habe  ich  mich  denn,  scheint 
es,  bis  zu  einem  gewissen  Grad  des  Beifalls  meines  Kritikers 
zu  erfreuen,  da  dieser  mir  S.  427  darin  Recht  gibt,  daß  man 
sich  mit  einem  derartigen  "bescheidenen  Anfang  begnügen  solle'*. 
Wo  bleibt  denn  aber  da,  frage  ich,  das  Programm  der  D616gation, 
wie  es  uns  bisher  von  seinen  Hauptvertretem  erläutert  worden 
ist,  und  dessen  Ausführung  in  Bausch  und  Bogen  B.  de  C.  doch 
sonst  nachdrücklich  zu  verlangen  scheint?   Machen  wir  uns 


884  K.  Brugmann  ü.  A.  Leskien, 

übrigens  klar,  daß  auch  in  diesen  Gebieten  des  Handels  und 
Verkehrs  vorerst  noch  sehr  vieles  in  den  betreffenden  Kreisen 
vereinbart  werden  müßte,  daß  es  durchaus  nicht  wahrscheinlidi 
ist  das  Esperanto,  wie  es  heute  ist  oder  morgen  sein  kann,  könnte 
wenigstens  hier  schlichtweg  angenonmien  werden. 

Beiläufig  mag  es  mir  erlaubt  sein,  hier  noch  eine  Fngs 
zu  beantworten,  die  Schuchardt  a.  a.  0.  an  mich  gerichtet  hat 
Er  fragt,  ob  meiner  Meinung  nach,  bei  gutem  Erfolg  auf  diesem 
beschränkten  Gebiete,  später  die  Grenzen  weiter  gezogen  werdmi 
dürften.  Ich  sage:  das  ist  der  Zeit  und  den  Umständen  sa 
überlassen;  jedenfalls  tun  Leute,  die  ein  Weltreich  gründen  wollen 
und  kaum  die  Mittel  in  der  Hand  haben,  das  Nächstgelegene  ni 
bewältigen,  gut,  nicht  gleich  Expeditionen  an  die  äußersten 
Grenzen  ihres  Zukunftstraums  zu  schicken,  um  diese  zu  besetzen 
und  besetzt  zu  halten. 

6.  Letzte  Pi-age :  vermag  die  D616gation  irgendwelche  Ga- 
rantien für  eine  längere  Dauer  der  einzuführenden  Hilfe- 
sprache zu  geben?  Espemnto  soll  ja  auf  Jahrhunderte,  sogar  Jahr- 
tausende hinaus  für  schriftlichen  und  mündlichen  Gebrauch  Welt- 
sprache werden,  und  ein  baldiger  Zusammenbruch  der  Institution, 
wie  sie  von  der  D616gation  geplant  ist,  wäre  für  jedes  Volk,  das 
die  Fremdsprachen  zugunsten  der  6inen  Hilfssprache  auch  nur 
um  Weniges  zurückgestellt  hätte,  ein  unermeßlicher  Schaden. 

Ich  habe  in  meinem  Aufsatz  die  Frage,  wie  Andere,  z.  R 
Diels  und  Mauthner,  entschieden  verneint,  habe  näher  ausgeführt, 
daß  trotz  aller  erdenkbaren  Gegenmittel  die  Hilfesprache  auf 
ihrem  Territorium,  neben  den  Landessprachen  und  mit  unter  ihrem 
Einfluß,  mit  der  Zeit  sich  in  einer  Weise  differenzieren  müßte, 
daß  ihr  Zweck,  Verständigungsmittel  für  die  verschiedenen  Völker 
zu  sein,  vereitelt  würde. 

Dabei  hatte  ich  die  Hilfssprache  natürlich  als  gesprochene 
im  Auge.  Ich  muß  das  betonen,  weil  jetzt  Schuchardt  a.  a.  0. 
(S.  259)  wieder  fragt:  "Wamm  könnte  die  künstliche  Gemein- 
sprache nicht  eine  ähnliche  Rolle  spielen,  wie  das  Latein  min- 
destens ein  Jahrtausend  hindurch  gespielt  hat?**  Dieser  Vergleich, 
der  ein  Versuch  sein  will,  der  D616gation  zu  Hilfe  zu  kommen, 
trifft  nicht  zu.  Denn  das  mittelalterliche  Latein  war  nur  die 
Sprache  des  Klerus  und  der  Gebildeten,  eine  papieme  Sprache, 
die  allerdings  auch  viel  gesprochen  wurde,  aber  doch  nur  so, 
daß  die,  die  sich  ihrer  in  mündlichem  Verkehr  bedienten,  ihr 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    385 

Leben  lang  auch  niit  den  Augen  Zusammenhang  mit  der  pa- 
piemen  Norm  behielten.  Die  Mitglieder  der  D616gation  aber 
wollen  und  auch  B.  de  C.  will  das  Esperanto  auch  dem  niederen 
Yolk  zuführen.  Und  glaubt  man  nun  im  Ernst,  daß  ein  Mann 
aus  dem  Volk,  nachdem  er  in  der  Volksschule  Esperanto  gelernt, 
sich  später  um  das  geschriebene  Esperanto  noch  viel  kümmern 
würde  ?  Man  denke  etwa  an  die  Italiener,  die  als  Arbeiter  für 
Wegebau  u.  dgl.  auf  deutsches  Sprachgebiet  herüberkommen, 
oder  an  die  aus  den  verschiedensten  Teilen  von  Europa  nach 
den  Vereinigten  Staaten  Auswandernden,  die  den  niederen  Volks- 
klassen angehören :  man  stelle  sich  vor,  diese  Leute  hätten  als 
Schulkinder  Esperanto  gelernt  und  kämen  nun  als  Träger  der 
internationalen  Verkehrssprache  ins  fremde  Land! 

Da  die  Esperantogrammatik  noch  einer  gründlicheren  — 
drücken  wir  uns  milde  aus !  —  Revision  bedarf,  und  da,  was  noch 
wichtiger  ist,  das  Esperantowörterbuch,  nicht  nur  was  den  Wort- 
vorrat an  sich  betrifft,  sondern  namentlich  auch  in  phraseolo- 
gischer Hinsicht,  selbst  für  die  einfachsten  Verkehrsverhältnisse 
noch  auf  lange  hinaus  nicht  die  erforderliche  Abgeschlossenheit 
und  Vollständigkeit  haben  wird,  da  also  hier  recht  Vieles  noch 
in  flutendem  Werden  ist,  so  ist  klar,  daß,  wenn  das  Esperanto 
jetzt  schon  in  den  Schulen  eingeführt  würde,  die  später  hinzu- 
kommenden Verbesserungen  die  allergrößte  Gefahr  für  den  Be- 
stand des  Ganzen  bildeten.  Aber  stellen  wir  uns  auch  einmal 
vor  Augen,  man  wäre  mit  aUem  fertig  (was  man  so  fertig  nennen 
könnte !),  wie  wäre  dann  das  Ganze  auf  die  Dauer  in  der  nötigen 
Übereinstimmung  zu  erhalten?  Denn  es  gälte  nicht  nur,  das, 
was  bestehen  bleiben  muß,  unverrückt  festzuhalten,  sondern  auch 
den  immer  und  allerorten  neu  hinzukommenden  Anforderungen 
an  die  Sprache  gerecht  zu  werden. 

Wie  die  D616gation  oder  das  von  ihr  gewählte  Komitee, 
die  diesen  so  wichtigen  Punkt  jetzt  endlich  ebenfalls  ins  Auge 
gefaßt  haben,  darüber  denken,  mag  man  aus  darauf  bezüglichen 
Äußeiningen  von  Ostwald  und  von  B.  de  C.  ersehen.  Ostwald 
sagt  a.  a.  0.  (S.  2049) :  "Es  ist  undenkbar,  daß  ein  so  ver- 
wickelter Apparat  wie  eine  allgemeine  Sprache,  selbst  wenn  die 
augenblicklich  befriedigendste  Form  gefunden  sein  sollte,  nun- 
mehr unveränderlich  bleiben  könnte  ...  So  spricht  alles  dafür, 
nicht  nur  die  als  notwendig  erkannten  Verbesserungen  jetzt  an- 
zubringen, sondern  gleichzeitig  eine  feste  und  dauernde  Insti- 


886  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

tution  zu  schaffen,  der  die  künftige  Verwaltung  des  neuen  Spndh 
gutes  tiberantwortet  sein  wird  ...  Je  größer  die  Anzahl  der 
Menschen  wird,  die  sich  der  Hilfssprache  bedienen,  um  so 
häufiger  wird  man  Abweichungen  und  Ereiheiten  beobachten, 
die  sich,  wenn  sie  zweckmäßig  sind,  durchsetzen  werden.  Dis 
internationale  Sprachamt  wird  dann  nicht  die  Aufgabe  haben, 
solche  Neubildungen  zu  unterdrücken,  sondern  sie  zu  prüfen. 
Zunächst  daraufhin,  ob  sie  mit  den  allgemeinen  Grundsätzen  in 
Widerspruch  stehen.  Ist  dies  der  Fall,  so  wird  es  eine  Warnung 
gegen  den  Gebrauch  erlassen.  Ist  es  nicht  der  Fall,  was  bei 
weitem  häufiger  vorkommen  wird,  so  wird  sie  [lies:  es]  zunächst 
nur  statistisch  das  Schicksal  der  Neubildung  studieren  und  je 
nach  dem  Ergebnis  diese  als  lebensfähig  oder  zum  Aussterben 
bestimmt  erkennen.  Eine  entsprechende  Benachrichtigung  der 
Allgemeinheit  wird  dann  den  Aufnahme-  bzw.  Ausscheidunp»- 

vorgang  beschleunigen  und  bestimmter  machen So  hoffe 

ich  selbst  noch  den  Tag  zu  erleben,  wo  zur  Pflege  der  immer 
mannigfaltiger  und  wichtiger  werdenden  internationalen  Insti- 
tutionen .  .  .  auch  das  internationale  Sprachamt  gefügt  wird, 
das  die  eben  beschriebenen  Arbeiten  neben  vielen  anderen 
durchführt.  Alle  solche  Dinge  haben  ihren  Ursprung  aus  pri- 
vater Initiative  genommen,  der  die  Aufgabe  zufällt,  die  Aus- 
führbarkeit der  Sache  nachzuweisen.  Sowie  aber  diese  erkannt 
und  begriffen  ist  [von  wem?],  treten  die  Staaten  mit  ihren 
größeren  Mitteln  und  ihrer  größeren  Autorität  ein**.  Gegenüber 
diesem  beneidenswerten  Optimismus,  mit  dem  ein  Naturforscher 
das  künftige  internationale  Sprachamt  nach  Art  des  internatio- 
nalen Bureaus  für  Gewichte  und  Maße  u.  dgl.  walten  und  schalten 
sieht,  wäre  kein  Wort  zu  verlieren,  wenn  nicht  zu  vermuten 
stände,  daß  das,  was  der  Sprachfoi-scher  B.  de  C.  über  den  Gegen- 
stand sagt,  in  den  Augen  dieses  oder  jenes  Laien  eine  Be- 
stätigung biete.  B.  de  C.  bemerkt  (S.  425):  wie  das  internationale 
Maß-  und  Gewichtssystem,  ^vie  die  internationale  Münze  usw., 
so  müsse  auch  die  internationale  Sprache  einer  ständigen  und 
sorgfältigen  Kontrolle  unterliegen ;  alle  Idiotismen  und  lokal  ge- 
färbte Eigentümlichkeiten,  wie  ich  sie  in  meinem  Aufsatz  be- 
fürchte, könnten  zu  keinem  Zerfall  führen,  wenn  sie  durch  die 
Kontiolle  seitens  des  vom  Bewußtsein  geregelten  Sprachunter- 
richts neutralisiert  würden.  Halten  wir  uns  nun  wieder,  wie 
wir  immer  müssen,  um  einen  festen  Standpunkt  gegenüber  den 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    387 

Weltsprachfreundeu  einnehmen  zu  können,  an  das  Programm 
der  D6i6gation,  und  nehmen  wir  die  Mensehen  der  europäischen 
Kulturwelt,  wie  sie  von  jeher  gewesen  sind,  und  nicht  wie  man 
wünscht,  daß  sie  für  gewisse  Zwecke,  denen  man  nachstrebt, 
sein  möchten,  so  muß  behauptet  werden:  weder  der  Sprachunter- 
richt, dem  der  Einzelne  allermeist  nur  kurze  Zeit  unterworfen 
werden  kann,  noch  alle  Maßregeln  eines  internationalen  Sprach- 
amts werden  ausreichen,  eine  stetige  Vergrößerung  der  schon 
gleich  im  Anfang  nach  den  verschiedenen  Ländern  in  Lautung, 
Syntax  und  Phraseologie  vorhandenen  "dialektischen"  Differenz 
des  Esperanto  zu  verhindern.  Der  Vergleich  der  Wirkungsart 
und  des  Wirkungserfolgs  der  internationalen  Meterkommission  und 
ähnlicher  Institute  mit  der  Wirksamkeit  des  erhofften  internatio- 
nalen Sprachamts  (oder  wie  immer  man  die  zukünftige  Zentral- 
stelle für  Aufrechterhaltung  der  Einheitlichkeit  des  Esperanto 
nennen  will)  ist  äußerst  unpassend.  Denn  im  Sprachlichen  ist 
an  den  Einzelnen  entfernt  nicht  so  heranzukommen,  wie  an  den, 
dem  ich  zumute,  sich  dieses  Maßes  oder  Gewichtes  zu  bedienen 
und  keines  anderen;  denn  boim  Sprechen  ist  man,  mag  man 
seine  Muttersprache  oder  Esperanto  sprechen  und  schreiben, 
nicht  bloß  einer  Norm  folgend  und  reproduzierend  (einigermaßen 
rein  reproduzierend  ist  man  nur  etwa,  wenn  man  ein  gelerntes 
Gedicht  hersagt,  bei  Grußformeln  u.  dgl.),  man  ist  dabei  immer 
zugleich  schöpferisch  tätig.  Und  von  den  statistischen  Studien 
und  Prüfungen,  wie  sie  Ostwald  in  Aussicht  stellt,  wäre  nur 
dann  eine  Rnicht  zu  erwarten,  wenn  das  Sprachamt  viele  viele 
Tausende  in  den  beteiligten  Ländern  als  Wächter  der  Ordnung 
anzustellen  in  der  Lage  wäre,  und  selbst  der  auf  diesem  Wege 
zu  erzielende  Gewinn  wäre  voraussichtlich  ein  äußerst  geringer, 
keiner,  der  irgend  im  Verhältnis  stände  zu  dem  gemachten  Auf- 
wand. B.  de  C.  verspricht  sich  augenscheinlich  Erkleckliches  von  der 
Wirkung  der  künftig  an  die  Esperantosprechenden  zu  erlassenden 
Warnungen.  Ich  fürchte  aber,  es  ist  die  alte  Geschichte:  weü 
man  selber  von  dem  Wert  und  der  Nützlichkeit  einer  für  das 
Wohl  der  Mitmenschen  zu  schaffenden  Einrichtung  voll  über- 
zeugt und  für  diese  Einrichtung  begeistert  ist,  stellt  man  sich 
auch  diese  Mitmenschen  alle  von  gleichen  Gefühlen  beseelt  vor. 
Gütliches  Zureden  wird  schwerlich  viel  nützen.  Und  Zwangs- 
maßregeln, wie  man  sie  etwa  bei  Maß  und  Gewicht  hat,  sind 
gegenüber  den  Vorgängen  in  und  zwischen  den  Menschen,  die 
man  die  menschliche  Sprache  nennt,  nicht  anwofndiV^vc. 


388  K.  Brngmann  o.  A.  Leskien, 

7.  So  ergibt  sich  uns,  von  welcher  Seite  her  wir  uns  i»  \ 
Programm  der  D616gation  ansehen,  ein  merkwürdiges  Bild.  Man 
glaubt  zu  wissen,  in,  der  und  der  Richtung  liege  ein  herrliches 
Land,  wo  man  es  sich  könne  wohl  gehen  lassen.  Man  hat  ein 
großes  Vehikel  konstruiert,  das  soll  uns  hinbringen.  Man  hat  zn- 
nächst  gute  Freunde,  denen  man  davon  erzählt  hat,  überredet 
einzusteigen,  und  sie  sind  eingestiegen.  Nun  weiß  man  aber 
nicht,  ob  es  Straßen  zu  dem  Land  hin  gibt,  die  für  das  Fahrzeug 
passierbar  sind,  ob  die  Wege  nicht  vermöge  ihrer  Beschaffen- 
heit schon  vor  dem  Ziel  das  Fahrzeug  ruinieren  werden.  Femer 
vermögen  es  die  Zugtiere,  die  man  bereits  vorgespannt  hat, 
kaum  zwei  Schritt  weit  von  der  Stelle  zu  bringen.  Und  an 
der  Ausrüstung  des  Fahrzeugs  selber  fehlen  noch  gar  manche, 
auch  sehr  wichtige  Bestandteile,  ohne  die  man  eine  so  weite 
Fahrt  nicht  wagen  darf. 

Was  ist  da  zu  tun? 

Ob  die  Freunde  einstweilen  in  dem  Wagen  Platz  behalten 
wollen,  indem  sie  das  Unternehmen  mit  B.  de  C.  sub  specie  aetemi 
betrachten,  das  ist  ihre  Sache,  es  geht  uns  Andern  nichts  an. 
Jedenfalls  aber  rate  ich,  wie  die  Dinge  heute  liegen,  keinem, 
noch  dazu  einzusteigen.  Die  Döl^ation  aber  wird,  wenn  sie 
nicht  vorzieht  auf  alles  zu  verzichten,  und  wenn  sie  auf  Mit- 
wirkung der  Zeitgenossen  rechnen  wül  (und  auf  diese  Mitwirkung 
muß  sie  doch  rechnen),  vor  allem  gut  tun,  ihr  bisheriges  Pro- 
gramm ganz  wesentlich  einzuschränken.  Ich  wiederhole:  weniger 
wäre  mehr  gewesen !  Und  die  nach  dieser  Richtung  hin,  scheint 
es,  zustimmenden  Bemerkungen  von  B.  de  C.  S.  427  erwecken  die 
Hoffnung,  daß  wenigstens  er  sich  überzeugen  wird,  daß  nur 
von  einem  wirklich  neuen  Programm  et\vas  zu  hoffen  ist 

Sollte  jedoch  die  Esperantobewegung  demnächst  demselben 
Schicksal  verfallen  wie  weiland  die  Volapükbewegung,  so  ist 
denke  ich,  jetzt  doch  nicht  alles  umsonst  gewesen.  Es  ist  in 
der  Debatte  von  verschiedenen  Seiten  auf  diesen  oder  jenen 
wichtigen  Punkt  schärfer  hingewiesen  worden,  der  früher  un- 
beachtet geblieben  ist,  es  sind  neue  Erfahrungen  gesammelt 
Vielleicht  empfiehlt  es  sich,  daß  jemand,  der  Lust  und  Zeit  dazu 
hat,  eine  bibliographische  Übersicht  über  alles  das  verfaßt, 
was  aus  Anlaß  des  Esperanto  und  anderer  künstlieher  Welt- 
sprachen in  diesen  Jahren  in  den  verschiedenen  Ländern  ge- 
schrieben worden   ist  und  vermutlich  noch  wird  geschrieben 


Zur  EinlÜhnuig  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    389 

werden.  Wenn  dann  später  wiederum  diesen  oder  jenen  die 
Lust  anwandeln  sollte,  zugunsten  einer  internationalen  künst- 
lichen HUfssprache  (es  könnte  auch  eine  zweite,  wesentlich  er- 
weiterte und  verbesserte  Auflage  des  Esperanto  sein)  eine  Agi- 
tation einzuleiten,  so  könnte  er,  falls  er  überhaupt  aus  der  Ge- 
schichte zu  lernen  fähig  ist,  sicher  viel  daraus  lernen,  und  es 
würde  sich  vermutlich,  im  Gegensatz  zu  heute,  so  oder  so  eine 
erfreul^  jhe  Energieersparung  konstatieren  lassen. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


n. 

Der  Abschnitt  von  Baudouins  Abhandlung  Zur  Kritik  der 
künstlichen  Weltsprachen  (Ostwalds  Annalen  der  Naturphilosophie 
VI  385  ff.),  der  meine  Kritik  des  Esperanto  widerlegen  soll,  ist 
mir  dadurch  erfreulich,  daß  er  wohl  allen  klar  macht,  wie  viel  Mühe 
und  beständig  wiederholte  Übung  nötig  ist,  um  diese  Sprache 
richtig  zu  sprechen,  d.  h.  so  zu  sprechen,  wie  es  von  ihrem  Er- 
finder verlangt  wird.  Baudouin  leugnet  nicht,  daß  manche  der 
im  Esperanto  vorkommenden  Laute  und  Lautgruppen  ganzen 
großen  Völkern  nicht  geringe  Schwierigkeiten  bereiten,  findet 
aber  daran  nicht  viel  zu  tadeln,  und  zuletzt  läuft  es  inmier  darauf 
hinaus,  daß  in  die  Beschaffenheit  des  Esperanto,  wie  es  von 
Dr.  Zamenhof  festgelegt  und  wie  es  von  seinen  Anhängern  ge- 
billigt und  angenommen  ist,  die  übrige  Menschheit  nichts  drein 
zu  reden  habe,  sondern  sich  anstrengen  möge  zu  lernen,  wenn 
es  ihr  auch  noch  so  unbequem  sei. 

Ich  hatte  (Zur  Kritik  der  künstl.  Weltspr.  S.  82)  getadelt, 
daß  den  Deutschen  zugemutet  wird,  die  ihnen  ungewohnten,  z. 
T.  in  ihrer  Sprache  gar  nicht  vorkommenden  Laute  tsch^  dschj 
franz.  j  in  einer  Menge  von  Esperantowörtem  anzuwenden.  Bau- 
douin antwortet  darauf  (S.  400) :  "Was  die  Laute  betrifft,  so  kann 
man  vor  allem  der  deutschen  Aussprache  diejenige  vieler  anderer 
Völker  (Italiener,  Franzosen,  Engländer,  alle  slavischen  Völker 
usw.)  entgegenstellen.  Die  Deutschen  könnten  also  diese  kleinen 
Opfer  bringen  und  sich  der  Aussprache  dieser  ihnen  von  Geburt 
an  fremden  konsonantischen  Laute  ganz  einfach  anbequemen,  wie 
wieder  anderen  Völkern  eine  Anbequemung  an  andere  Laute  und 
Lautkombinationen  zufallen  würde".   Baudouin  wird  mir  wohl 

Imäogtnnaniäebe  Fonebnngen  XXIJ.  ^^ 


390  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

Äutrauen,  daß  ich  beim  Niederschreiben  jener  Zeilen  die  Existeni 
von  tsch  usw.  im  Italienischen,  Slavischen  u.  a.  gekannt  und  dann 
gedacht  habe,  auch  gewußt  habe,  daß  ein  Deutscher  alle  diese 
Laute  lernen  kann.  Darum  handelt  es  sich  gar  nicht,  sondern 
darum,  daß  der  Verfertiger  einer  Weltsprache  die  verdammte 
Pflicht  und  Schuldigkeit  hat,  die  Sprachgewohnheiten  der  großen 
Kulturvölker  zu  berücksichtigen,  und  nicht  nach  seinem  Gut- 
dünken die  von  ihm  aufgestellte  Sprache  mit  Lautgobilden  über- 
laden darf,  die  eine  davon  nicht  kennt  Wenn  ein  Italiener, 
Fi'anzose  oder  Slave  von  mir  verlangt,  ich  solle,  wenn  ich  seine 
Sprache  lerne,  mich  auch  seiner  Aussprachsweise  anbequemen, 
so  hat  er  vollkommen  rocht,  und  jeder  wäre  ein  Narr,  der  es 
nicht  täte.  Woher  aber  dem  Dr.  Zamenhof  die  Bereehtigunp 
kommt,  von  den  Deut8chen  zu  verlangen,  sich  seinen  Einfällen 
anzubequemen,  möchte  ich  erst  nachgewiesen  haben. 

Icli  hatte  (S.  32)  bemerkt  daß  die  Diphthonge  au^  eu,  ai 
usw.,  von  denen  das  Esperanto  voll  ist,  den  Franzosen  eine  Menge 
für  sie  schwer  sprcclibarer  Silben  aufbürdet  Baudouin  sagt,  diese 
Schwierigkeit  bestehe  nicht.  Daß,  wie  er  meint  diese  Laute  "gerade 
für  die  Franzosen  gar  keine  Schwierigkeit"  bieten,  leuchtet  mir 
nicht  ein.  Aber  mag  das  Beispiel  ungeschickt  gewählt  sein,  die 
Wortliste  im  Fundamente  de  Esperanto  beweist  daß  der  Ver- 
fasser gar  nicht  daran  gedacht  hat^  den  Franzosen  die  für  sie 
schwierigsten  Lautverbindungen  zu  ei^sparen,  z.  B.  spron-  Sporn, 
schprutS'  spritzen,  schraub-  Schraube,  schtrump-  Strumpf  usw.  Daß 
Franzosen  lernen  können,  solche  Silben  zu  sprechen,  bezweifle 
ich  natürlicli  gar  niclit,  ich  frage  nur  wieder,  wie  kommt  der 
Esperantoerfinder  dazu,  aus  dem  Deutschen  Silben  wie  schtrump-, 
die  nicht  bloß  für  Franzosen,  sondern  für  viele  Völker  äußerst 
schwierig  sind,  in  eine  Weltsprache  aufzunehmen.  Die  Antwort 
ist  für  mich,  weil  er  gedankenloserweise  sich  die  Schwierig- 
keiten nicht  klar  gemacht  hat. 

Getadelt  hatte  ich  (S.  32)  die  Aufnahme  des  deutschen  *Knabe' 
als  knabo  in  das  Esperanto,  weil  den  Engländern  eine  ihnen 
nicht  bekannte  Lautverbindung  kn  aufgelialst  wird.  Darauf  ant- 
wortet Baudouin  (S.  404),  man  brauche  den  Engländern  gegen- 
über nicht  so  zuvorkommend  sein,  "daß  man  ihretwegen  gewisse 
Lautgruppen  aus  seiner  künstlichen  Sprache  verjagt  Wenn  die 
Engländer  das  P]speranto  erlernen  wollen,  müssen  sie  es  so 
nehmen,  wie  es  ist,  und  sich  bemühen,   alle  Laute  und  Laut- 


Zur  Einführung  einer  künsüichen  internationalen  Hilfssprache.    391 

Verbindungen  genau  auszusprechen".  Also  die  Engländer 
müssen;  warum?  weil  Dr.  Zamenhof  sie  vult,  sie  jubet; 
nach  meiner  Meinung  mußte  er  vielmehr  auf  die  Engländer 
Rücksicht  nehmen  und  die  zwei  Wörter,  die  er  im  Pundaraento 
mit  kn  hat,  knab-  Knabe,  kned-  kneten,  nicht  aufnehmen.  Wenn 
mir  jemand  einen  vernünftigen  Grund  angibt,  warum  er  diese 
beiden  deutscheu  Wörter  seiner  Sprache  einverleibt  hat  anstatt 
irgend  welcher  anderen,  die  nicht  mit  kn  beginnen,  werde  ich 
mich  freuen ;  bis  dahin  nehme  ich  an,  der  einzige  Grund,  wes- 
halb die  Wörter  dastehen,  ist  Gedankenlosigkeit  des  Esperanto- 
erfinders. 

Ich  hatte  (S.  33)  darauf  hingewiesen,  daß  die  im  Esperanto 
zahlreichen  Lautverbindungen  von  Konsonant  +  i  +  Vokal  (z.  B. 
kiu  tiu  tschia  usw.)  sich  im  Munde  der  verschiedenen  Völker 
wegen  der  eigentümlichen  Einwirkung  der  t- Artikulation  auf 
vorangehende  Konsonanten  leicht  und  stark  verändern.  Baudouin 
meint  (S.  408),  ich  habe  stark  übei-trieben,  wenn  ich  behaupte, 
das  Esperanto  wimmele  von  solchen  Silben.  Wenn  man  aber  be- 
denkt, daß  gerade  außerordentlich  häufig  in  der  täglichen  Rede 
gebrauchte  Wörter  wie  'welche'  kiuj^  *jene'  tiuj,  *alle*  tschiuj, 
solche  Lautverbindungen  enthalten,  wird  man  wohl  zugeben,  daß 
die  Rede  des  Esperantosprechenden  von  solchen  Silben  voll  ist 
Indes,  ob  mehr  oder  weniger,  darauf  kommt  es  nicht  an,  sondern 
auf  die  prinzipieUe  Seite  der  Sache,  die  in  Baudouins  Antwort 
liegt;  er  sagt  nämlich  (S.  408):  "Gesetzt  sogar,  es  sei  wirklich 
wahr"  (daß  das  Esperanto  von  Silben  wie  kiu  usw.  wimmle), 
"müßte  man  doch  als  die  höchste  Instanz  das  gegenseitige  Ein- 
verständnis der  esperantischen  Sprachbeteiligten  betrachten:  wenn 
solche  Lautgruppen  in  den  in  erster  Linie  Interessierten  keinen 
Anstoß  erregen,  können  sich  die  Fremdlinge  alle  Besorgnisse 
ersparen".  Also,  Dr.  Zamenhof  stellt  eine  "künstliche*  Spraehe 
zusammen,  die  als  internationale  Verkehrssprache  für  alle  er- 
denklichen Mitteilungszwecke  von  aUen  Klassen  von  Menschen 
verwendet  werden  soll;  eine  Anzahl  gelehrter  und  ungelehrter 
Leute  sind  mit  ihr  zufrieden  wie  sie  ist,  nehmen  sie  an  und 
werben  für  ihre  Verbreitung.  Wer  außerhalb  dieser  Gemeinde 
steht,  ist  ein  Fremdling  und  hat  einfach  das  Maul  zu  halten, 
wenn  ihm  diese  Art  Weltsprache  nicht  gefällt,  obwohl  er  doch 
auch  zu  der  Welt  gehört,  die  si(j  annehmen  soll. 

Die  Gefahr,  daß  die  Vokale  a,  o,  u  in  unbetonten  Eud- 


L  • 


I 


388  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

7.  So  ergibt  sich  uns,  von  welcher  Seite  her  wir  uns 
Programm  der  D6l6gation  ansehen,  ein  merkwürdiges  Bild.  3 
glaubt  zu  wissen,  in,  der  und  der  Richtung  liege  ein  heiriic 
Land,  wo  man  es  sich  könne  wohl  gehen  lassen.  Man  hat 
großes  Vehikel  konstruiert,  das  soll  uns  hinbringen.  Man  hat 
nächst  gute  Freunde,  denen  man  davon  erzählt  hat,  überr 
einzusteigen,  und  sie  sind  eingestiegen.  Nun  weiß  man  i 
nicht  ob  es  Straßen  zu  dem  Land  hin  gibt,  die  für  das  Fahn 
passierbar  sind,  ob  die  Wege  nicht  vermöge  ihrer  Beschaf 
heit  schon  vor  dem  Ziel  das  Fahrzeug  ruinieren  werden.  Fei 
vermögen  es  die  Zugtiere,  die  man  bereits  vorgespannt 
kaum  zwei  Schritt  weit  von  der  Stelle  zu  bringen.  Und 
der  Ausrüstung  des  Fahrzeugs  selber  fehlen  noch  gar  man 
auch  sehr  wichtige  Bestandteile,  ohne  die  man  eine  so  w 
Fahrt  nicht  wagen  darf. 

Wa«  ist  da  zu  tun? 

Ob  die  Fieunde  einstweilen  in  dem  Wagen  Platz  beha 
wollen,  indem  sie  das  Unternehmen  mit  B.  de  C.  sub  specie  aeü 
betrachten,  das  ist  ihre  Sache,  es  geht  uns  Andern  nichts 
Jedenfalls  aber  rate  ich,  wie  die  Dinge  heute  liegen,  kein 
noch  dazu  einzusteigen.  Die  D6l6gation  aber  wird,  wenn 
nicht  vorzieht  auf  alles  zu  verzichten,  und  wenn  sie  auf  1 
Wirkung  der  Zeitgenossen  rechnen  will  (und  auf  diese  Mitwirk 
muß  sie  doch  rechnen),  vor  allem  gut  tun,  üir  bisheriges  I 
gramm  ganz  wesentlich  einzuschränken.  Ich  wiederhole:  weni 
wäre  mehr  gewesen !  Und  die  nach  dieser  Richtung  hin,  seh 
es,  zustimmenden  Bemerkungen  von  B.  de  C.  S.  427  erwecken 
Hoffnung,  daß  wenigstens  er  sich  überzeugen  wird,  daß 
von  einem  wirklich  neuen  Programm  et\vas  zu  hoffen  ist 

Sollte  jedoch  die  Esperantobewegung  demnächst  demsel 
Schicksal  verfallen  wie  weiland  die  Volapükbewegung,  so 
denke  ich,  jetzt  doch  nicht  alles  umsonst  gewesen.  Es  isl 
der  Debatte  von  verschiedenen  Seiten  auf  diesen  oder  je 
wichtigen  Punkt  schärfer  lüngewiesen  worden,  der  früher 
beachtet  geblieben  ist,  es  sind  neue  Eiiahrungen  gesamn 
Vielleicht  empfiehlt  es  sich,  daß  jemand,  der  Lust  und  Zeit  d 
hat,  eine  bibliogi-aphische  Übemcht  über  alles  das  verf 
was  aus  Anlaß  des  Esperanto  und  anderer  künetlieher  W 
sprachen  in  diesen  Jahren  in  den  verschiedenen  Ländern 
schrieben   worden   ist  und  vermutlich  noch  wird  geschrie 


Zur  Einführung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    389 

werden.  Wenn  dann  später  wiederum  diesen  oder  jenen  die 
Lust  anwandeln  sollte,  zugunsten  einer  internationalen  künst- 
lichen Hilfssprache  (es  könnte  auch  eine  zweite,  wesentlich  er- 
weiterte und  verbesserte  Auflage  des  Esperanto  sein)  eine  Agi- 
tation einzuleiten,  so  könnte  er,  falls  er  überhaupt  aus  der  Oe- 
schichte  zu  lernen  fähig  ist,  sicher  viel  daraus  lernen,  und  es 
würde  sich  vermutlich,  im  Gegensatz  zu  heute,  so  oder  so  eine 
erfreul^jhe  Energieersparung  konstatieren  lassen. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 


II. 

Der  Abschnitt  von  Baudouins  Abhandlung  Zur  Kritik  der 
künstUchen  Weltsprachen  (Ostwalds  Annalen  der  Naturphilosophie 
VI  385  ft),  der  meine  Kritik  des  Esperanto  widerlegen  soll,  ist 
mir  dadurch  erfreuhch,  daß  er  wohl  allen  klar  macht,  wie  viel  Mühe 
und  beständig  wiederholte  Übung  nötig  ist,  um  diese  Sprache 
richtig  zu  sprechen,  d.  h.  so  zu  sprechen,  wie  es  von  ihrem  Er- 
finder verlangt  wird.  Baudouin  leugnet  nicht,  daß  manche  der 
im  Esperanto  vorkommenden  Laute  und  Lautgruppen  ganzen 
großen  Völkern  nicht  geringe  Schwierigkeiten  bereiten,  findet 
aber  daran  nicht  viel  zu  tadeln,  und  zuletzt  läuft  es  immer  darauf 
hinaus,  daß  in  die  Beschaffenheit  des  Esperanto,  wie  es  von 
Dr.  Zamenhof  festgelegt  und  wie  es  von  seinen  Anhängern  ge- 
billigt und  angenommen  ist,  die  übrige  Menschheit  nichts  drein 
zu  reden  habe,  sondern  sich  anstrengen  möge  zu  lernen,  wenn 
es  ihr  auch  noch  so  unbequem  sei. 

Ich  hatte  (Zur  Kritik  der  künstl.  Weltspr.  S.  32)  getadelt, 
daß  den  Deutschen  zugemutet  wird,  die  ihnen  ungewohnten,  z. 
T.  in  ihrer  Sprache  gar  nicht  vorkommenden  Laute  tsch^  dsch^ 
franz.  y  in  einer  Menge  von  Esperantowörtem  anzuwenden.  Bau- 
douin antwortet  darauf  (S.  400) :  "Was  die  Laute  betrifft,  so  kann 
man  vor  allem  der  deutschen  Aussprache  diejenige  vieler  anderer 
Völker  (Italiener,  Franzosen,  Engländer,  alle  slavischen  Völker 
usw.)  entgegensteUen.  Die  Deutschen  könnten  also  diese  kleinen 
Opfer  bringen  und  sich  der  Aussprache  dieser  ihnen  von  Geburt 
an  fremden  konsonantischen  Laute  ganz  einfach  anbequemen,  wie 
wieder  anderen  Völkern  eine  Anbequemung  an  andere  Laute  und 
Lautkombinationen  zufallen  würde".   Baudouin  wird  mir  wohl 

laiogfrmanijehe  Fonehnngen  XXII.  ^^ 


390  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

zutrauen,  daß  ich  beim  Niederschreiben  jener  Zeilen  die  Ebusteiu 
von  tsch  usw.  im  Italienischen,  Slavischen  u.  a.  gekannt  und  dann 
gedacht  habe,  auch  gewußt  habe,  daß  ein  Deutscher  alle  diese 
Laute  lernen  kann.  Darum  handelt  es  sich  gar  nicht,  sondern 
darum,  daß  der  Verfei-tiger  einer  Weltsprache  die  verdammte 
Pflicht  und  Schuldigkeit  hat,  die  Sprachgewohnheiten  der  großen 
Kulturvölker  zu  berücksichtigen,  und  nicht  nach  seinem  Gut- 
dünken die  von  ihm  aufgestellte  Sprache  mit  Lautgebilden  über- 
laden darf,  die  eine  davon  nicht  kennt.  Wenn  ein  Italiener, 
Fianzose  oder  Slave  von  mii*  verlangt,  ich  solle,  wenn  ich  seine 
Sprache  lerne,  mich  auch  seiner  Aussprachsweise  anbequemen, 
so  hat  er  vollkommen  recht,  und  jeder  wäre  ein  Narr,  der  es 
nicht  täte.  Woher  aber  dem  Dr.  Zamenhof  die  Berechtigung 
kommt^  von  den  Deutschen  zu  verlangen,  sich  seinen  Einfällen 
anzubequemen,  möchte  ich  erst  nachgewiesen  haben. 

Ich  hatte  (8.  32)  bemerkt  daß  die  Diphthonge  aii,  eu^  ai 
usw.,  von  denen  das  Esperanto  voll  ist,  den  Franzosen  eine  Menge 
für  sie  schwer  sprechbarer  Silben  aufbürdet  Baudouin  sagt,  diese 
Schwierigkeit  bestelle  nicht.  Daß,  wie  er  meint,  diese  Laute  "gerade 
für  die  Franzosen  gar  keine  Schwierigkeit"  bieten,  leuchtet  mir 
nicht  ein.  Aber  mag  das  Beispiel  ungeschickt  gewählt  sein,  die 
Wortliste  im  Fundamente  de  Esperanto  beweist,  daß  der  Ver- 
fasser gar  nicht  daran  gedaclit  hat^  den  Franzosen  die  für  sie 
schwierigsten  I^utverbindungen  zu  ersparen,  z.  B.  spran-  Sporn, 
schprutS'  spritzen,  schraub-  Schraube,  schtrump-  Strumpf  usw.  Daß 
Franzosen  lernen  können,  solche  Silben  zu  sprechen,  bezweifle 
ich  natürlich  gar  nicht  icli  frage  nur  wieder,  wie  kommt  der 
Esperantoerfinder  dazu,  aus  dem  Deutschen  Silben  wie  schtramp-, 
die  nicht  bloß  für  Franzosen,  sondern  für  viele  Völker  äußerst 
schwierig  sind,  in  eine  Weltsprache  aufzunehmen.  Die  Antwort 
ist  für  mich,  weil  er  gedankenloserweise  sich  die  Schwierig- 
keiten nicht  klar  gemacht  hat 

Getadelt  hatte  ich  (S.  82)  die  Aufnahme  des  deutschen *Knabe* 
als  knaho  in  das  Esperanto,  weil  den  Engländern  eine  ihnen 
nicht  bekannte  Lautverbindung  kn  aufgehalst  wird.  Darauf  ant- 
woi1;et  Baudouin  (S.  404),  man  brauche  den  Engländern  gegen- 
über nicht  so  zuvorkommend  sein,  "daß  man  ihretwegen  gewisse 
Lautgruppen  aus  seiner  künstlichen  Sprache  verjagt.  Wenn  die 
Engländer  das  Esperanto  erlernen  wollen,  müssen  sie  es  so 
nehmen,  wie  es  ist,  und  sich  bemühen,   alle  Laute  und  Laut^ 


Zar  Einfuhrung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    B91 

Terbindungen  genau  auszusprechen".  Also  die  Engländer 
müssen;  warum?  weil  Dr.  Zamenhof  sie  vult,  sie  jubet; 
nach  meiner  Meinung  mußte  er  vielmehr  auf  die  Engländer 
Rücksicht  nehmen  und  die  zwei  Wörter,  die  er  im  Pimdaraento 
mit  kn  hat,  knab-  Knabe,  kned^  kneten,  nicht  aufnehmen.  Wenn 
mir  jemand  einen  vernünftigen  Gnmd  angibt,  warum  er  diese 
beiden  deutschen  Wörter  seiner  Sprache  einverleibt  hat  anstatt 
irgend  welcher  anderen,  die  nicht  mit  kn  beginnen,  werde  ich 
mich  freuen ;  bis  dahin  nehme  ich  an,  der  einzige  Grund,  wes- 
halb die  Wörter  dastehen,  ist  Gedankenlosigkeit  des  Esperanto- 
erfinders. 

Ich  hatte  (S.  33)  darauf  hingewiesen,  daß  die  im  Esperanto 
zahlreichen  Lautverbindungen  von  Konsonant  +  i  +  Vokal  (z.  B. 
kiu  tiu  tschia  usw.)  sich  im  Munde  der  verschiedenen  Völker 
wegen  der  eigentümlichen  Einwirkung  der  i-Ärtikulation  auf 
vorangehende  Konsonanten  leicht  und  stark  verändern.  Baudouin 
meint  (S.  408),  ich  habe  stark  übertrieben,  wenn  ich  behaupte, 
das  Esperanto  wimmele  von  solchen  Silben.  Wenn  man  aber  be- 
denkt daß  gerade  außerordentlich  liäufig  in  der  täglichen  Rede 
gebrauchte  Wörter  wie  'welche'  kiuj^  *]eue'  tiuj^  *alle*  tschiuj^ 
solche  Lautverbindungen  entlialten,  wird  man  wohl  zugeben,  daß 
die  Rede  des  Esperantosprechenden  von  solchen  Silben  voU  ist 
Indes,  ob  mehr  oder  weniger,  darauf  kommt  es  nicht  an,  sondern 
auf  die  prinzipielle  Seite  der  Sache,  die  in  Baudouins  Antwort 
liegt;  er  sagt  nämlicli  (S.  408):  "Gesetzt  sogar,  es  sei  wirklich 
wahr"  (daß  das  Esperanto  von  Silben  wie  kiu  usw.  wimmle), 
"müßte  man  docli  als  die  höchste  Instanz  das  gegenseitige  Ein- 
verständnis der  esperantisehen  Sprachbeteiligten  betrachten :  wenn 
solche  Lautgruppen  in  den  in  erster  Linie  Interessierten  keinen 
Anstoß  erregen,  können  sich  die  Fremdlinge  alle  Besorgnisse 
ersparen".  Also,  Dr.  Zamenhof  stellt  eine  'künstliche'  Sprache 
zusammen,  die  als  internationale  Verkehrssprache  für  alle  er- 
denklichen Mitteilungszwecke  von  allen  Klassen  von  Menschen 
venvendet  werden  soll;  eine  Anzahl  gelehrter  und  un gelehrter 
Leute  sind  mit  ihr  zufrieden  wie  sie  ist,  nehmen  sie  an  und 
werben  für  ihre  Verbreitung.  Wer  außerhalb  dieser  Gemeinde 
steht,  ist  ein  Fremdling  und  hat  einfach  das  Maul  zu  halten, 
w(»nn  ihm  diese  Art  Weltsprache  nicht  gefällt,  obwohl  er  doch 
auch  zu  der  Welt  gehört,  die  sie  annehmen  soll. 

Die  Gefahr,  daß  die  Vokale  a,  o,  u  in  unbetonten  End- 


892  K.  Brugmann  u.  A.  Leskien, 

Silben  leicht  zusammen  fallen  —  ich  habe  dabei  natürlich  in 
Sprachen  mit  stark  exspiratorischem  Akzent  gedacht  —  und  da- 
durch Formenunterschiede  des  Esperanto,  wie  etwa  mi  äma 
ich  werde  lieben,  mi  dmus  ich  würde  lieben,  im  Sprechen  ver- 
schwinden, habe  ich  S.  33  betont  Daß  es  so  kommen  muß  bei 
Deutschen,  Russen  usw.,  leugnet  Baudouin  an  sich  auch  nicht, 
aber  er  hat  wieder  das  bekannte  Mittel  (S.  410) :  *T)ie  das  Espe- 
ranto als  gesprochene  Sprache  anwendenden  Deutschen,  Russen, 
Slovonen,  Engländer  .  .  .  müssen  sich  abgewöhnen,  unbetonte 
Silben  zu  schwächen  und  zu  reduzieren  und  infolge  dessen 
einzelne  Vokale  und  überhaupt  Laute,  wie  man  sagt,  zu  ver- 
schlucken". Es  ist  doch  eigentlich  arg;  die  Millionen  von  Deut- 
schen, Russen  usw.  müssen  wieder,  nur  Dr.  Zamenhof  mußte, 
wie  es  scheint,  nie  etwas.  Nach  meiner  Ansicht  mußte  er  da- 
rauf bedacht  sein,  die  oben  genannten  Verbalformen  durch  irgend 
welche  Mittel  so  deutlich  zu  unterscheiden,  daß  auch  die  Hun- 
derte von  Millionen  Menschen,  die  nun  einmal  die  Gewohnheit 
haben,  unbetonte  EndsUben  schwach  zu  artikulieren,  sie  doch 
ohne  Mühe  auseinanderhalten  konnten. 

Baudouin  hat  völlig  recht,  wenn  er  sagt  (S.  405):  "Eine 
ideale  Leiclitigkeit  der  Aussprache  ist  in  einer  künstlichen  Sprache 
ebenso  schwer  zu  en*eichen,  wie  in  den  bestehenden  traditio- 
nellen Sprachen.  Wenn  man  sieh  eine  künstliche  Sprache  an- 
eignen will,  muß  man  sich  ebenso  üben,  wie  bei  jeder  anderen 
Sprache".  Allerdings,  aber  ich  habe  eine  solche  ideale  Leichtigkeit 
garnicht  erwartet  oder  verlangt,  sondern  was  ich  wollte,  scheint 
mir  deutlich  genug  S.  32  ausgesprochen:  "Man  dürfte  erwarten, 
daß  jemand,  der  für  alle  jene  Völker  ein  gemeinsames  Ver- 
ständigungsmittel aufstellen  will,  sich  die  Frage  vorlegt:  welche 
Laute  und  Lautverbindungen  sind  ihnen  allen  gemeinsam  oder 
annähernd  bei  ihnen  gleich.  Darnach  hätte  er  weiter  zu  fi-agen: 
welche  Laute  und  Lautverbindungen  sind  nach  allgemeinen 
lautphysiologischen  Erwägungen  und  nach  Analogie  der  vor- 
handenen, allen  gemeinsamen  Laute  noch  als  leichter  sprechbar 
anzusehen.  Auf  Grundlage  dieser  Festsetzung  wäre  dann  das 
Wortmaterial,  also  ein  für  die  betreffenden  Völker  im  ganzen 
leicht  spreehbares,  festzustellen  und  zu  formen".  Damit  ist  ein 
Prinzip  aufgestellt,  und  ich  gestehe  ein,  daß  ich  so  schwach 
bin,  nicht  begreifen  zu  können,  wie  ohne  ein  solches  Prinzip 
etwas  Befriedigendes   geschaffen  werden  kann.   Daß   man  das 


! 


Zur  EinfQhrung  einer  künstlichen  internationalen  Hilfssprache.    393 

Prinzip  nie  wird  strenge  durchführen  können,  daß  man  laut- 
liche Schwierigkeiten  behalten  wird,  ist  ebenso  gewiß,  aber  das 
hebt  die  Verpflichtung  nicht  auf,  für  möglichste  Beseitigung 
der  Schwierigkeiten  zu  sorgen ;  eine  solche  wahllose  Zusammen- 
würfelei, wie  sie  Zaraenhof  geliefert  hat,  ist  damit  nicht  ge- 
rechtfertigt Er  und  sein  Anhang  können  freilich  wieder  sagen: 
Prinzip  hin,  Prinzip  her,  uns  hat  es  so  beliebt,  ihr  anderen 
habt  zu  schweigen  und  zu  gehorchen. 

In  bezug  auf  die  Lautverhältnisse  komme  ich  noch  auf 
eine  Bemerkung  Baudouins  (S.  407),  die  einzige  in  seiner  Schrift, 
die,  wie  ich  gestehen  muß,  mich  geärgert  hat  Ich  hatte  (S.  33) 
gesagt :  "Das  t  solcher  Silben  (nämlich  wie  kia,  tiu  u.  dgl.)  ver- 
wandelt sich,  mag  auch  der  Esperantogrammatiker  vorschreiben, 
man  solle  es  deutlich  aussprechen,  ohne  weiteres  mj'\  Er  be- 
merkt dazu :  "  "Es  verwandelt  sich"  ",  "aber  wo  verwandelt  es 
sich?  Doch  nicht  in  der  Luft?"  Folgt  dann  eine  kurze  Be- 
lehrung über  das  Wesen  der  sog.  Lautgesetze.  Den  Laien  — 
und  von  den  Lesern  des  Aufsatzes  werden  wohl  mehr  als  neun 
Zehntel  sprachwissenschaftliche  Laien  sein  —  muß  ich  demnach 
als  der  Dummkopf  erseheinen,  der  glaube,  ein  irgendwo  selbst- 
ständig  herumschwebendes  i  verwandle  sich  in  irgend  etwas 
anderes  und  wirke  auf  eben  solche  Wesen  irgendwie  ein.  Ich 
weiß  nicht,  ob  mir  jemand  zutraut,  daß,  wenn  ich  z.  B.  sage: 
der  Barockstil  ist  aus  dem  Renaissancestil  entstanden  oder  aus 
ihm  hervorgegangen,  ich  damit  sagen  will,  der  Renaissancestil 
habe  durch  generatio  aequivoca  den  Bai'ockstil  aus  sich  hervor- 
gebracht oder  ihn  mit  einem  anderen  Wesen  erzeugt,  und  nicht 
vielmehr  meine,  daß  denkende  und  empfindende,  mit  der  Hand 
zeichnende  imd  bauende  Menschen  unter  Veränderung  des  bis- 
her in  der  Baukunst  Üblichen  Gebäude  neuer  Art  geschaffen 
haben.  Es  ist  doch  eine  wunderliche  Pedanterie,  mir  den  kurzen 
Ausdruck  "verwandelt  sich"  aufzumutzen,  den  kein  heutiger 
Sprachforscher  anders  versteht,  als  daß  Menschen  unter  be- 
stimmten physischen,  psyelnschen  und  sozialen  Bedingungen 
ihre  Sprechweise  wandeln. 

Auf  den  Teil,  der  das  Morphologische  behandelt  (S.  411  f.), 
gehe  ich  nicht  ein;  auch  Baudouin  hat  da  viel  am  Espe- 
ranto auszusetzen;  es  heißt  aber  S.  416  doch:  "Übrigens  wenn 
es  sich  um  Billigung  oder  Tadel  esperantischer  Formen  handelt, 
muß  man  vor  allem  die  Esperantisten  selbst  befrajgeti.  ^^xiw 


d94  K.  Bragmann  u.  A.  Leskien, 

ihnen  ihre  ge-frataj,  g&-amikqj  usw.  ebenso  wie  patrino  neböD 
fatro  und  ähnliehe  munden,  muß  man  damit  einverstanden  sein 
und  die  Tatsaehe  so  nehmen,  wie  sie  ist".  Immer  der  gleiche 
Refrain,  die  Esperantisten  und  ihr  Häuptling  können  tun,  was 
sie  wollen,  wir  andern  armen  Menschenkinder  müssen. 

Zum  Schluß  noch  eins:  Ich  habe  S.  38  bemerkt,  daß  mir 
das  Erlernen  des  Esperanto  schwer  geworden  sei,  habe  damit 
natürlich,  wie  dort  aus  dem  Zusammenhang  hervorgeht  sagen 
wollen,  daß  es  mir  nicht  leichter  vorgekommen  ist  als  andere 
Sprachen,  die  ich  gelernt  habe.  Baudouin  will  S.  419  seine  Er- 
fahnmg  dagegen  geltend  machen :  "Wenn  ich  die  Zeit  zusammen- 
rechne, die  ich  auf  das  Esperanto  verbraucht  habe,  werden  es 
höchstens  zwei  Wochen  sein,  selbstverständlich  Wochen  inten- 
siver Arbeit  nicht  mit  einem  achtstündigen,  sondern  wenigstens 
mit  einem  zwölfstündigen  Arbi^tstage.  Jetzt  verstehe  ich,  biß 
auf  wenige  hie  und  da  zei'streute  Worte,  jeden  esperantischen 
Text  ohne  Schwierigkeit  Selbst  zu  sprechen  oder  zu  schreiben 
habe  ich  bis  jetzt  weder  versucht  noch  Gelegenheit  gehabt,  glaube 
aber,  daß  es  mir  nach  einer  verhältnismäßig  kurzen  Praxis  ge- 
lingen würde".  Hier  haben  wir  also  eine  bestimmte  Angabe  der 
Arbeitszeit,  die  gebraucht  >vurde;  der  Lernende  ist  ein  Mann 
von  außerordentlicher  Sprachbegabung  —  wir  sind  alte  Freunde, 
und  ich  weiß  genau,  daß  er  mich  darin  und  in  der  Anzahl  der 
ihm  geläufigen  Sprachen  weit  übertrifft  — ,  er  kannte  die  in.^ 
Esperanti)  übernoninienen  romanischen  Wörter,  ebenso  auch 
die  deutschem  und  englischen,  selbstverständlich  die  slavischen, 
er  ist  ein  geschulter  Sprachfoi'scher,  der  durch  langjährige  Praxis 
und  systematische  Beti'achtung  imstande  ist  sprachliche  Dinge 
schnell  zu  übei-sehen.  Dieser  ^lann  hat  nun  gegen  14  x  12  Stunden 
=  108  Stunden  gebraucht  und  hat  es  unter  den  denkbar  günstig- 
sten Vorbedingungen  dahin  gebracht  einen  Esperantotext  ohne 
Schwierigkeit  zu  verstehen.  Ein  besseres  Zeugnis  gegen  die  Leich- 
tigkeit des  Esperanto  konnte  ich  mir  gar  nicht  wünschen.  Ich 
denke  mir  di»m  gegenüber  einen  deutschen  Arbeiter,  ordentüch 
begabt  aber  ohne  Kenntnis  des  Franz()sischen,  überhaupt  andrer 
Sprachen  als  seiner  Muttersprache,  und  nehme  an,  er  hal>e 
wöchentlich  zwei  Stunden  zum  Esperantolernen  übrig  (mehr  wird 
wohl  selten  sein),  so  braucht  er,  immer  vorausgesetzt  er  lerne 
trotz  der  mangelnden  Vorkenntnisse  ebenso  schnell  wie  Baudouin, 
84  Wochen,  also  über  anderthalb  Jahre;  bei  drei  wöchentlichen 


Zur  Einfährung  einer  künstlichen  internatiionalen  Hilfssprache.    895 

Stunden  immer  noch  über  ein  Jahr.  Rechnet  man  aber,  was 
sicher  gering  gerechnet  ist,  daß  der  gänzliche  Mangel  erleich- 
ternder Vorkenntnisse  das  Lernen  um  das  Dreifache  erschwert, 
so  kommen  fast  5,  resp.  reichlich  3,  und  selbst  bei  sechs  wöchent- 
lichen Stimden  immer  noch  über  anderthalb  Jahre  heraus.  Wenn 
mich  ein  solcher  Mann  fragte,  ob  er  Esperanto  leraen  solle, 
würde  ich  ihm  antworten:  "Lieber  Freund,  lassen  Sie  das  sein; 
mit  der  Zeit  und  Arbeit,  die  Sie  auf  das  Esperanto  verwenden 
müßten,  können  Sie  soviel  Englisch  lernen,  daß  Sie  sicli  unter 
den  125  Millionen  englisch  redenden  Menschen  damit  forthelfen 
können,  haben  außerdem  den  Gewinn,  eine  nach  allen  Seiten 
wunderbar  n^iche  Literatur  benutzen  und  genießen  zu  können. 
Haben  Sie  noch  weiter  ebenso  viel  Zeit  und  Lust,  so  lernen 
Sie  Französisch  dazu  und  haben  dann  die  gleichen  Vorteile  auf 
französisciiem  Sprachgebiet". 

Baudouin  meint  (S.  419),  ich  sei  wohl  an  das  Studium  des 
Esperanto  von  vorn  herein  mit  einem  gewissen  Widerwillen  her- 
angetreten, ein  solches  Unbehagen  aber  hemme  die  Arbeitskraft 
und  veraögere  den  Erfolg.  Es  ist  wahr,  daß  ich  keine  Schwärmerei 
für  künstliehe  Weltsprachen  habe  und  mir  von  ihnen  keinen 
Gewinn  für  die  Menschheit  verspreche;  allein  einen  Wider- 
willen gegen  einen  der  vielem  Versuche  derartiger  künstlicher 
Sprachen  habe  ich  nie  gehabt  und  habe  auch  das  Esperanto 
in  aller  Ruhe  betrachtet.  Ferner  weiß  ich  mich  ganz  frei  von 
dem  Fachmännerhochmut,  den  Baudouin  S.  391f.  sehr  energisch 
bekämpft  Was  der  ist,  der  es  unternimmt,  eine  künstliche  Sprache 
aufzustellen,  ob  Spi-achforscher  oder  etwas  andres,  ist  mir  ganz 
gleichgiltig ;  ich  frage  nur,  ob  das  fertige  Werk  etwas  taugt  oder 
nicht  Ein  Recht  der  Kritik  habe  ich  wie  jeder,  vielleicht  als 
Sprachforscher  doch  etwas  mehr  als  die  Tausende,  die  sich  zum 
Gebrauch  des  Esperanto  überreden  lassen,  wie  sie  sich  zu  jeder 
beliebigen  Weltsprache  üben-eden  lassen  würden,  wenn  eine  ge- 
nügend kräftige  Agitation  sie  antriebe.  Jedenfalls  darf  man  mir 
nicht  damit  kommen:  die  Esperantisten  haben  beschlossen,  es 
soll  so  sein,  damit  ist  die  Sache  erledigt:  wollen  Sie  mitmachen, 
gut;  wollen  sie  nicht  so  schweigen  Sie  gefälligst  Von  der  seit 
dem  Erscheinen  unsrer  kleinen  Schrift  von  esperantistischer  Seite 
herausgekommenen  Literatur  über  das  Slsperantc}  ist  mir  nur 
zufällig  eins  oder  das  andere  zu  Gesicht  gekonmien ;  aus  dem, 
was  ich   davon  gelesen   habe,  imd  aus  Briefen,  die  mir  von 


396  E.  Fraenkel, 

Esperantisten  zugegangen  sind,  habe  ich  mit  Verwunderung  ge- 
sehen, wie  stark  das  Selbstgefühl  der  Esperantisten  ist,  namenüidi 
aus  den  Briefen,  unter  denen  natürlich  auch  die  unumgänglichen 
anonymen  Postkarten  nicht  fehlen.  Hübsche  Prädikate  bekomme 
ich  da :  lächerlich,  rückständig,  voreingenommen,  vorurteilsvoll, 
leichtfertig,  kritiklos,  unwissend,  verständnislos,  ein  zehnjähriges 
Kind  habe  mehr  Einsicht  als  ich ;  es  soll  mich  nicht  wundem, 
wenn  ich  nächstens  lesen  werde,  ich  sei  verrückt  oder  blödsinnig. 
Ich  nehme  es  nicht  übel,  denn  ich  weiß,  daß  Fanatikern  aller  Art 
der  Gegenstand  ihrer  Verehrung  als  sakrosankt  gilt,  und  daß 
sie  daher  alle,  die  ihn  nicht  ebenso  verehren,  für  dumm  oder 
schlecht  halten  müssen.  Wer  einen  Götzen  angreift,  muß  ge- 
wärtig sein,  daß  dessen  Anbeter  ihn  steinigen.  Wenn  die  Mensch- 
heit sich  von  den  Eiferern  zum  Esperanto  bekehren  läßt,  ist  alle 
Kritik  hinfällig,  dann  hat  niemand  etwas  drein  zu  reden  und 
wird  niemand  drein  reden;  so  lange  aber  nur  ein  winziger 
Bruchteil  selbst  der  europäischen  Menschheit  sich  dazu  bekehrt 
hat,  wird  es  nicht  ausbleiben,  daß  die  Seelen  der  Esperantisten 
zuweilen  durch  Kritiken  empört  werden. 

Leipzig.  A.  Leskien. 


\ 


\ 

Griech.  6u)c  'Schakal'.  > 

Eine  einleuchtende  Etymologie  der  griech.  Bezeichnung  des"^ 
Schakals  ist  bisher  meines  Wissens  noch  nicht  gegeben  worden; 
denn  Ficks  Zusammenstellung  des  Worts  mit  Goöc  'schnell*,  ödoc 

uTTÖ  0puTUJv  XuKoc  Hesvcli  ^)  unterliegt  lautlich  mannigfachen 

Bedenken  und  wird  von  Solmsen  KZ.  34, 49  mit  Recht  verworfen. 
Die  Zugehörigkeit  von  0ujc  zu  Wz.  0eF-  läßt  sich  höchstens  in 
der  Weise  annehmen,  daß  man  wie  Brugmann  Grundr.  2*,  140*) 
öiüc  auf  ein  älteres  *0ujuc  zurückführt,  das  sich  zu  GeTv  ver- 
halten würde  wie  K\d)\\f  zu  KXeTrreiv  oder  q)ujp  zu  qpepeiv.  Daß 
der  Schakal  aber  als  'Läufer*  bezeichnet  worden  sei,  ist  aus 
semasiologischen  Gründen  wenig  wahrscheinlich;  denn  eine  solche 
Benennung  würde  ziemlich  matt  sein.  Gelingt  es,  eine  Deutung 
zu  geben,  die  auch  zu  dem  ganzen  Wesen  des  Tieres  besser  paßt, 
so  ist  diese  jedenfalls  der  Brugmannschen  vorzuziehen.  Nun  stellt 

1)  Spracheinheit  der  Indogcrmanen  Europas  S.  412  ff. 

2)  Ebenso  Bechtel  Hauptprobl.  S,  274  ff. 


Griech.  OOic  'Schakal*.  397 

Eretschmer  Einl.  in  die  Gesch.  d.  gr.  Spr.  S.  221  das  phrygische 
baFoc  sehr  einleuchtend  mit  slav.  daviti  Vürgen'  zusammen,  wozu 
weiter  lit  dowfti  *umherjagen,  abquälen',  1yd.  KavöaüXiic  =  kuv- 
drxnc  Hipponax  fr.  1  Bgk.*  *)  kommen.  Daß  die  Phryger  den  Wolf 
nach  seiner  Raubgier  und  Blutdilrstigkeit  als  nach  seiner  spezi- 
fischen Eigenschaft  benannt  haben,  wird  niemand  auffällig  finden 
und  es  gewiß  billigen,  wenn  wir  auch  öujc  auf  eine  Wurzel  von 
der  Bedeutung  "fressen,  verzehren'  zurückführen.  Stehen  sich 
doch  Schakal  und  Wolf  auch  sonst  nahe,  was  bereits  die  Alten 
mehrfach  hervorheben  *).  Glücklicherweise  brauchen  wir  bei  der 
Erklärung  nicht  einmal  in  die  Feme  zu  schweifen,  da  das 
Griechische  selbst  eine  Verbalwurzel  liefert,  mit  der  sich  Gibc 
ungezwungen  vermitteln  läßt: 

Giücöai  •  öaivucöai,  öoiväcöai,  euiüXticOau  AicxüXoc  AiicruouX- 
Koic  (fr.  49  N.*).  Hesych,  GoiTar  euGnveiTai,  GoTvaiai.  Gaivrai* 
eoivoivrai,  €uuJxoövTai,€uGTivouvTai.  GibcacGai  •  eutüxnöfjvai.  GiüGfivar 
q)aT€Tv,  T^ücacGai.  Id.,  idGuüiai  •  leGoivriTai  Phot,  fut  GujcouiieGa 
Epich.  fr.  189  Kaib.,  dazu  mit  anorganischem  c  (wie  öpTiCTrjp, 
jLivTicrrip,  dpxncTfip,  -Tr|c)  Guücrripia  •  euuixnTnP»«-  ^al  övo)Lia  <feopTfic>  ^) 
Hesych,  vgl.  Guüciripid  G'  ä[x'  iiraivei  'lobt  unsere  Schmauserei, 
unser  Fest*  Alkman  fr.  28  (Parthen.),  81  Bgk.*,  s.  Diels  Hermes  31, 
366,  von  Wilamowitz  ibd.  82,  257  *). 

Die  Wurzel  Guj-  enthält,  wie  W.  Schulze  KZ.  27,  425  nach- 
gewiesen hat  *)  Langdiphthong  *öf ,  vgl.  das  mit  ihr  ablautende 
GoiVTi,  GoivdcGai,  mit  dem  unsere  Sippe  mehrfach  interpretiert 

1)  Sobnsen  KZ.  34,  77  ff.  [Vgl.  auch  Brugmann  Ztschr.  f.  celt.  Phil.  3^ 
596  f.  und  v.  Rozwadowski  MateryaJy  i  prace  kom.  jezykowej,  Tom.  II 
(Krakau  1907)  S.  344  ff.  —  K.  B.]. 

2)  Aristot.  hist.  anim.  2,  p.  507  b,  17  ^x«  hi  Kai  6  Bdic  irdvra  rd 
^vTÖc  ö^oia  XCiKip,  Hesych  s.  v.  ed)c  •  clboc  6npiou  XOKip  ö^oiov. 

3)  Suppl.  Reiske. 

4)  Bei  Epich.  fr.  71,  3  stellt  Kaibcl  für  das  korrupte  eujx^puj  Bibcrpiov 
'eibus'  her,  das  er  mit  cxerdcxpiov,  eepicrpiov,  cpain^dcTpia  •  rd  Hiaicrd.  Kai 
iopvf]  TIC  Hesych  (ad  gloss.  It.  no.  4)  in  der  Suffixbildung  vergleicht.  eujx0€(c  • 
euipTixOcCc,  ^ceucBcic.  Io<poKXf^c  AiovuciaKip  (fr.  175  N.  *).  Hesych,  ebenso 
Phot.  enthält  schwerlich  die  mit  einem  Guttural  erweiterte  Wurzel  6u)-, 
sondern  gehört  offenbar  mit  x^ewKrai  •  T€eöuujTai.  tcBujtm^voi  •  TeBuimuj- 
^^voi,  ^€^€euc^^voi.  OüjSar  ^cBOcai,  irXnpOücai  Hesych  zusammen,  und  diese 
Bildungen  sind  wohl  mit  Oi'itciv  'wetzen'  zu  verbinden,  vgl.  de  Saussure  m6m. 
S.  155,  Bechtel  Hauptprobleme  S. 236;  vgl.  auch  Qälax-  ^cOOcai.  TcBatiüi^voi • 
^€M€euc^^voi.  T^eaSai  *  (^€)^^9ucai  Hesych  und  Ahrens  Dial.  2,  182. 

5)  S.  auch  Hirt  Ablaut  §  79,  S.  35. 


398  E.  Fraenkel, 

wird.  Dafür,  daß  Ooivri  nicht  nur  von  Oastmählem,  sondern  aui 
vom  Fräße  der  Tiere  im  Gebrauche  ist,  mangelt  es  nicht  an  Betef^: 

Eur.  Ion  504  '{va  TexoOcd  nc  j  TiapOevoc,  (b  peX^ot,  ßpeq»oc| 
<|)oißiu,  TTTttVoic  iHibpice  öoivav  |  Oripci  t€  qpoiviav  ödira,  mKpw 
Td)Liujv  I  iißpiv.  Rhes.  515  crricu)  Treieivoic  T^ijii  Goivcrnipiov.  Ion 
1495  oiiüVU)v  TciIi9n^ciTc  (p6veu|ia  Goivaiiid  x'  €ic  |  "Aiöav  ^xßoXXei^). 
Audi  öaic  wird  bekanntlich  katachrestisch  gebraucht: 

A  4.  5  auTOuc  bk  iXibpia  xeuxe  Kuvecav  |  oiuivotci  t€  öaiia^i, 
Q  48  (Xeu)v)  öc  x'  ^Ttel  äp  lieroXri  x€  ßiq  Kai  dfrivopi  Qv}x\b  \  eKoc 
€ic' iiTi  [xx]ka  ßpoxu)v,  'iva  baixa  Xdßrjciv^),  nachhomerisch  außw 
der  bereits  zitierten  Stelle  aus  Eur.  Ion,  wo  sich  öaic  neben  Ooiyt) 
findet,  Soph.  Phil.  957  dXX'  auxöc  xdXac  |  Gavujv  TrapeEui  ödö*, 
ucp'  u)v  ^(pepß6|ir|v,  Eur.  Hecub.  1078  kuci  X€  cpoviav  öatx'  dvrJM^pov 
usw.  (vgl.  Lehrs  Aristarch«,  S.  161). 

Die  Erklärung  von  Gdbc  als  Tresser*  wird  durch  die  griech. 
Literatur  selbst  an  die  Hand  gegeben  und  bestätigt  Von  der 
Gefräßigkeit  der  Schakale  weiß  bereits  Homer  zu  erzählen.  N  103 
nennt  er  sie  zusammen  mit  raubgierigen  Pardeln*)  und  Wolfen: 

dXd(poici aixe  kqö*  üXriv  |  GibiüV  TrapöaXiuiv  xe  Xükuiv 

x'  f|ia  TreXovxai. 

Ganz  schlagend  aber  ist  A  474  ff.  Dort  werden  die  Odysseus 
umringenden  Troer  mit  bacpoivoi  GiLec  (so  474)  verglichen,  die 
sich  um  einen  von  einem  Jäger  angeschossenen  Hirsch  scharen. 
Das  Tier,  das  nur  durch  schnellen  Lauf  seinem  Verfolger  ent- 

1)  Vgl.  auch  Goivciceai  =  'fressen'  von  Geschwüren  :  Eur.  fr.  71^  N.* 
(pax^baiv'  de{  mo^  cdpKa  Boivärai  TToböc  [:  Äsch.  fr.  253  N.*  qpax^baiv'  dci 
^ou  cdpKac  ^c9iei  iroböc].  Übrigens  ist  cpax^buiva,  das  zu  q)ax€Tv  gehört,  wie 
auch  die  zitierten  .Stellen  bestätigen,  eine  neue  Stütze  für  Kretscluners  » 
Etymologie  (Einieit.  S.  207,  Anm.  5,  Wochenschr.  für  klass.  Pbilol.  1907, 
Sp.  513) :  TdTTpaiva  zu  cypr.  Tpd  •  cpdyc  Hesych,  TPdcÖi  HofTinann  Üial.  I, 
Nr.  144, 1,  ^Tpote  KalUni.  fr.  200  Sehn.,  ^pdccjuaro  'res  consumptae*  (Meister, 
M.  Fraenkel)  Argos  I.  G.  lY,  554^,4^,  Tpaiveiv  ^cOieiv  Hesych.  Die  Zusammen- 
stellung von  fdfxpaxya  und  Tpdiw  rät  bereits  E.  M.  p.  219,  28  sq. 

2)  So  hat  Zenodot  (Athen.  1,  p.  12  e),  während  in  unsere  fiss.  träci 
geraten  ist,  durch  V^ermittlung  eines  Grammatikers  (wahrscheinlich  des 
Aristarch,  der  freilich  nicht  genannt  wird),  da  nach  Ansicht  der  Analogisten 
Homer  baic  nur  vom  Schmause  der  Menschen  gebraucht,  s.  Cauer  Homer- 
krit.  S.  20. 

3)  Diese  Interpunktion  ist  jedenfalls  der  hinter  ^?\ka  vorzuziehen, 
welche  ihrerseits  ebenfalls  nur  jener  einseitigen  Beobachtung  über  den 
'homerischen'  Gebrauch  des  Wortes  baic  zuliebe  gemacht  ist. 

4)  Ebenso  zählt  Herodot  4, 192  unter  den  Tieren  Libyens  auch  eiö€c 
Kai  irdvenpcc  auf. 


Griech.  SOic  'Schakal*.  399 

rönnen  ist,  gerät  in  die  Gewalt  dieser  u))iO(päTOi  Oukc  (479),  die 
schon  dabei  sind,  es  zu  zerfleischen.  Ein  reißender  Löwe  aber 
stört  die  Bestien  in  ihrer  Arbeit ;  die  Schakale  ergreifen  die  Flucht 
und  geben  das  getötete  Wild  dem  Löwen  preis.  Es  lohnt  sich, 
die  Verse  479 — 481,  die  für  uns  besonders  wichtig  sind,  wörtlich 
hier  anzuführen: 

u))iO(päToi  fiiv  (£Xaq)ov)  6ai€C  £v  oöpeci  bapödirrouciv 

iy/  y/i[xe\  cKieptu  •  im  t€  Xiv  fy^aye  öai|iujv 

ciVTTiv  9ui€C  |i€v  T€  öi€Tp€cav  *  auTttp  6  bdirrei. 

Den  besten  Kommentar  hierzu  liefert  Äristot  bist  anim.  9, 
p.  610a,  13  sq.: 

TToX^fiioi  b^  Kai  ö  \i\DV  Kai  ö  Qiuc  dXXrjXoic  djjiocpdTOi  Totp 
ÖVT£C  dTTÖ  Tuiv   aUTlJÜV  2!diciv. 

In  der  Tat  ist  es,  als  habe  Homer  durch  die  den  90j€c  und 
dem  XTc  gegebenen  Epitheta  die  Urbedeutung  dieser  Tiemamen 
gleichsam  paraphrasieren  wollen.  Denn  auch  Xeiiüv  (1.  Xrjiwv),  Xdujv, 
Xic  gehören  nach  W.  Schulzes  schöner  Etymologie  ^)  zu  einer  Wurzel 
*dei'  :  ^slei-^  *di'  in  dem  Sinne  'zerreißen*  (vgl  germ.  ditan^)). 
Lit  liütas^)  *Löwe*  aber  ist  wahrscheinlich*)  Entlehnung  von 
slav.  Ijutb  *xctX€7r6c,  ÄTPioc*.  Bemerkenswerterweise  findet  sich 
slav.  Ijutb  zwar  nicht  als  selbständige  Bezeichnung  des  Löwen, 
wohl  aber  als  Epitheton  reißender  Tiere,  in  Sonderheit  des  Löwen, 
vgl  namentlich  Izbomik  vom  Jahre  1073^):  cto  bo  jedh  hwa 
Ijutije  ?  Auch  die  Schlange  (zmija)  führt  oft  dieses  Beiwort,  woraus 
sich  slav.  Ijutica  'Viper'  erklärt*).  Hier  können  wir  mithin  den 
sprachgeschichtlichen  Prozeß,  demzufolge  ein  besonderes  Charak- 
teristikum allmählich  zur  Bezeichnung  seines  Hauptträgers  ver- 
verwandt wird,  im  Lichte  der  Geschichte  deutlich  verfolgen. 

Daß  Schakal  und  Löwe ')  den  Griechen  höchstwahrscheinlich 
von  Anfang  an  nicht  bekannt  waren,  enthält  keinen  Einwand 

1)  Quaest.  ep.  S.70ff. 

2)  Stitan  :  alt-  =  giutan  :  xu-,  s.  Schulze  a.  0. 

3)  Germ,  lewo,  slav.  Itict  sind,  wie  Schulze  ibd.  Anm.  4  zeigt,  Ent- 
lehnungen des  lat.  leo  mit  nachträglich  eingefügtem  w,  leo  wiederum  von 
griech.  X^wv. 

4)  Jagiö  Archiv  für  slav.  Phil.  2,  S.  364,  Brückner  slav.  Fremdwörter 
im  Litauischen  S.  lOö. 

ö)  Brückner  und  Jagiö  a.  0. 

6)  S.  die  genannten  Forscher  in  den  zitierten  Abhandlungen. 

7)  Nach  Schrader  Reallex.  S.  709  sollen  die  Griechen  den  Schakal 
erst  auf  kleinasiatischem  Boden  kennen  gelernt  haben,  da  «t  uv  ^A^xoiV'^ 


400  E.  Fraenkel, 

gegen  unsere  Deutung,  im  Gegenteil,  es  ist  eine  neue  Stütze  ffii 
ihre  Richtigkeit  Ebendeshalb  scheinen  sie  diese  Tiere,  als  sie 
ihnen  zum  ersten  Male  begegneten,  nach  demjenigen  ihrer  Züge 
benannt  zu  haben,  der  am  meisten  hervortrat  und  für  die  Mensd- 
heit  die  größten  Gefahren  in  sich  barg.  Auch  die  nächsten  Ver- 
wandten der  Griechen,  die  Macedonen,  haben  sich  von  ähnlidien 
Gesichtspunkten  leiten  lassen,  wenn  sie  den  Löwen  xäpuiv  nannten*); 
sie  haben  also  ölttö  Tf\c  xapoTroTriToc*)  den  Namen  gewählt,  während 
bei  den  Hellenen  xctpoiroc  nur  als  Epitheton  des  Xeuiv  fungiert 
(X  611,  hymn.  Hom.  Merc.  569,  Yen.  70;  13,  4,  Hes.  theogon.  321, 
scut  177). 

Charakteristisch  für  die  Art  der  Benennung  von  Tieren, 
mit  denen  die  Griechen  erst  verhältnismäßig  spät  bekannt  wurden, 
sind  auch  die  Bezeichnungen  des  Hahns  als  dX^icTUjp  und  dXex- 
Tpuibv.  Der  Hahn  wird  Literarisch  nicht  vor  Theognis  erwähnt, 
ist  aber  vielleicht  schon  im  7.  Jahrhundert  nach  Ausweis  der 
Yasenbilder  aus  dem  Orient  nach  Griechenland  hier  und  da  im- 
portiert worden,  vgl.  Kretschmer  KZ.  33,  559  ff.  Kretschmer  ist 
daher  mit  Recht  der  Ansicht  3),  daß  dieser  TTepaKÖc  dpvic  von 
den  Griechen  mit  jenem  "aus  dem  Epos  in  doppelter  Form  be- 
kannten heroischen  Namen"  benannt  worden  ist,  "dessen  Bedeu- 
tung [dXeKTUjp  =  'Streiter,  Abwehrer,  Kämpfer']  dem  streitbaren 
Charakter  des  Vogels  entsprach".  Wenn  also  auch  dieser  Fall  den 
obigen  nicht  ganz  analog  ist  so  lernen  wir  doch  soviel  aus  ihm, 
daß  auch  hier  eine  charakteristische  Eigentümlichkeit  bei  der  Be- 
nennung eines  in  Griechenland  erst  in  historischer  Zeit  heimisch 
gewordenen  l'ieres  zum  mindesten  mitgewirkt  hat 

Giüc  und  Xic  bestätigen  endlich  auch  eine  auf  dem  Gebiete 
der  idg.  Wortforschung  vielfach  zu  machende  Beobachtung.  Auch 
an  der  Hand  weiterer  Beispiele  läßt  sich  wahrscheinlich  machen, 
daß  sog.  zu  Yerbalwurzeln  in  Beziehung  stehende  und  ihrer  Be- 
deutung nach  der  Klasse  der  nomina  agentis  angehörende  Wurzel- 

nicht  vorkam ;  der  Löwe  war  nach  ilim  ibd.  S.  508  ff.  einst  in  ganz  Europa 
verbreitet,  hatte  sich  aber  schon  bei  Beginn  der  neolithischen  Periode  nur 
noch  in  den  an  Asien  unmittelbar  angrenzenden  Landstrichen  unseres  Erd- 
teils erhalten. 

1)  Tzetzes  zu  Lykophron  455  [xdpuivoc  d)|uiriCToO  bopd]  :  xdpujv  ö 
X^ujv  KttTÄ  MaKebövac.  S.  Hoffmann  Maced.  S.  43. 

2)  Hesych  s.  v.  xc^piwv.  Hoffmann  erklärt  richtig  xdpxuv  als  Kurz- 
form von  xapoTTÖc. 

3)  Schon  vor  ihm  gibt  dieselbe  Erklärung  Fick  Curt.  Stud.  9, 169. 


Griech.  Oibc  'Schakal'.  401 

nomina  ebenso  wie  die  nomina  agentis  auf  -6c  ^)  als  Simplicia 
&st  nur  in  übertragenem  Sinne  auftreten,  vgl.  außer  Oujc  und 
XTc  noch  öopH  "Gazelle*  (ö^pKecOai),  xpö  ein  Vogel  (Kpexeiv),  ocviqi 
Ameisenart  (acviirreiv),  ipüug  'Nager,  Wurm*  (ipiuTeiv),  q)ujp  *Dieb' 
(q)^p€iv)  u.  a.*),  mit  -i-Erweiterung,  z.  B.  ttXujc  Tisch'  (TrXiOeiv, 
TiXeiv),  önc  'Lohnarbeiter,  Knecht*  (zu  Geiv  ?)  ^). 

Als  zweite  Glieder  von  Komposita  dagegen  fangieren  solche 
Nomina  als  reine  nomina  agentis^): 

KpucToXXoTTrig  'glacie  constrictus*,  öHuTrXriH  'scharf  treffend', 
KuaMOipuiH  'Bohnenfresser'  u.  a.,  mit  -t-  ätviIic  'nicht  kennend'  und 
•unbekannt',  dK^rjc  'unermüdet',  capKoßpujc,  ciönpoßpiiic  'camem, 
ferrum  edens*  u.  v.  a. 

Ich  komme  auf  diese  ganze  Frage  demnächst  in  größerem 
Zusammenhange  zurück. 

Leipzig.  Ernst  Fraenkel. 

1)  Ober  letztere  s.  Verf.  griech.  Denom.  S.  210  mit  Anm.  2. 

2)  Die  eigentliche  Bedeutang  eines  nomen  agentis  haben  6d)\|f 
"Schmeichler*  (TcOirir^vai  etc.,  de  Saussure  m6m.  S.  156)  und  KXib\|f  'Dieb* 
(xX^irretv)  bewahrt.  Von  den  zweisilbigen  Nomina  wie  dpiraS,  köXoE,  6^pa\|f 
sehe  ich  hier  ab.  Bemerkenswert  ist  unter  den  Einsilblern  namentlich 
trriiiS.  Es  erscheint  X  310  [irrOtiKa  Xorfujöv]  noch  ganz  im  eigentlichen  Sinn 
'schüchtern,  feige*,  P  676  dagegen  [iröbac  xaxOc  —  irrdiH]  ersetzt  es  geradezu 
das  gebräuchlichere  Xotujöc,  Xorribc.  Übrigens  ist  vielleicht  auch  XaTuiöc 
nach  einer  bekannten  Eigentümlichkeit  des  Hasen  geprägt  worden,  vgl. 
Xdrvoc  *geir  und  Solmsen  Unters.  S.  111. 

3)  Brugmann  IF.  19,  389. 

4)  Es  bedarf  wohl  kaum  einer  besonderen  Hervorhebung,  daß  schon 
idg.  Wurzelnomina  auch  die  Bedeutung  von  nomina  actionis  haben  können 
und  in  solcher  Funktion  natürlich  sehr  oft  auch  unkomponiert  auftreten, 
z.  B.  {)üiH  'Riß,  Ritze',  q)p(H  'Aufschauem',  <pXöH  'Glut,  Entzündung,  Flamme', 
mit  -T-  baic  'Anteil,  Portion,  Mahl*  [daneben  bakTi  und  bairöc,  vgl.  altind. 
stut"  'Lob,  Preis'  und  stuH-f],  bibc  'Gabe',  mit  Präpositionen  irpoßXi^c  Tor- 
spmng'  (bei  Homer  nur  adj.,  verb.  mit  dicxi^  und  cköttcXoc),  cövkXcitoc 
(gen.)  Larisa  Coli.  345, 10  =  HofTmann  Dial.  H,  Nr.  16  u.s.f.  Für  das  Alt- 
indische sei  der  Kürze  halber  auf  Whitney  §  383  und  384  verwiesen.  Es 
ist  ja  bekannt,  daß  diese  nomina  actionis  seit  Urzeiten  feminines  Geschlecht 
haben.  Wie  nahe  sich  nomina  agentis  und  nomina  actionis  der  Bedeutung 
nach  stehen,  sei  an  einem  charakteristischen  Beispiele  demonstriert :  Hesiod 
op.  356  bdjc  draO/j,  dpiraS  hi  kok/i,  OavdTOio  bÖTcipa.  dpiraE  bedeutet 
hier  abweichend  von  seinem  gewöhnlichen  Sinne  ^räuberisch')  Haub, 
Räuberei',  wie  altind.  druh-  nicht  nur  'beleidigend,  beschädigend,  Peiniger, 
Unhold',  sondern  auch  als  fem.  'Kränkung,  Schädigung'  heißt. 


402  E.  Rodenbusch, 


Präsensstamm  und  perfekÜTe  AktionsArt.        ^ 

■i 

Um  zu  einem  klaren  Urteil  über  das  Verhältnis  swiscbei 
Präsensstamm  und  perfektiver  Aktionsart  zu  gelangen,  erschäit 
zunächst  eine  Erörterung  des  letztgenannten  B^riffes  erfordo^ 
lieh.  Über  den  ersteren  sei  nur  soviel  bemerkt,  daß  damit  an 
dieser  Stelle  die  Gesamtheit  der  Präsentia  und  Imperfekta  nnto* 
Ausschluß  der  starken  Aoriste  gemeint  sein  solL 

Der  Ausdruck  'perfektive  Aktionsart*  wird  von  den  Öpracb- 
forschern  in  doppeltem  Sinne  verwendet  Am  deutlichsten  unter- 
scheidet Delbrück  A^gl.  Synt.  2,  151  beide  Arten,  wenn  er  sagt: 
"Entweder  kann  man  sich  vorstellen,  daß  die  Handlung  in  ihr«: 
Entwicklung  und  außerdem  der  Punkt  der  Vollendung  dai^ge- 
stellt  werden  soll.  .  .  Oder  es  kann  die  Handlung  lediglich  im 
Punkte  der  Vollendung  erfaßt  werden".  S.  152  bezeichnet  er 
diesen  Unterschied  mit  linear-  und  punktuell-perfektiv.  Dabei 
ist  jedoch  zu  beachten,  daß  Delbrück  und  unter  Berufung  auf 
ihn  auch  Brugmann  den  Ausdruck  auf  die  mit  perfektivierenden 
Präpositionen  zusammengesetzten  Verben  einschränkt,  während 
er  bei  einfachen  Verben  im  ersten  Fall  von  terminativer  Be- 
deutung (des  Präsensstammes)  und  im  zweiten  Fall  von  effek- 
tiver Bedeutung  (des  griechischen  Aorists)  spricht*). 

Veranlassung  zu  dieser  Einschränkung  gibt  Delbrück,  wie 
er  S.  14G  sagt,  die  Rücksichtnahme  auf  die  richtige  Erfassung 
der  geschichtlichen  Zusammenhänge.  Für  Delbrück  ist  die  Ponk- 
tualität  ein  ursprüngliches,  immanentes  Element  der  meisten 
Verbtdwurzeln  (S.  14);  dagegen  sieht  er  in  der  Perfektivierung 
durch  Präpositionen  offenbar  eine  jüngere,  einzelsprachliche  Er- 
scheinung, die  eine  längere  Bedeutungsentwicklung  der  Präpo- 
sitionen voraussetzt;  vgl.  dazu  auch  Bnigmann  Gr.  Gramm.' 
482  f.  Beide  Elemente  der  Perfektivierung  sind  allerdings  zweifel- 
los verschiedenen  Alters,  ihrem  Wesen  nach  aber  vollkommen 
gleich.  Die  Punktualität  einer  Handlung  ist,  gleich  der  Perfek- 
tivierung durch  Präpositionen,  nicht  ein  in  dem  Wesen  der  be- 
treffenden Wurzeln  liegendes  Moment,  sondern  ein  im  Vergleich 
zur  präsentischen  Aktionsart  jüngerer  Erwerb  (IF.  21, 123  und  130). 

Somit  ist  auch  zwischen  terminativer   und   linear-perfek- 

1)  [Die  schworen  Hedenken,  die  man  gegen  Delbrücks  Auffassung 
geltend  machen  muü.  sind  IF.  11,  56  fT.  ausführlich  erörtert.  W.  Str.] 


I 


Präsensstamm  und  perfektive  Aktionsart.  408 

tiver  Aktionsart  kein  wesentlicher  Unterschied*).  Die  Erscheinung 
der  Perfektivierung  durch  Präpositionen  ist,  soweit  sie  Präsens 
und  Imperfekt  betrifft,  als  die  anderer  Mittel  sich  bedienende 
Erneuerung  der  ursprünglichen,  aber  namentlich  im  Imperfekt 
im  Kampfe  mit  der  aoristischen  Aktionsart  immer  mehr  zurück- 
weichenden Bedeutungsweite  des  Präsensstammes  anzusehen,  die 
auch  Vorhandlung  +  Abschluß  als  natürliche  Einheit  einer 
Handlung  zum  Ausdruck  bringen  konnte  (IF.  21, 119  und  123)*). 
Aus  diesem  Typus  hat  sich  durch  Abschwächung  des  Moments 
der  Perfektivierung  diejenige  Variante  der  terminativen  Be- 
deutung entwickelt^  bei  der  nicht  die  Vollendung  selbst  aus- 
gedrückt sondern  nur  als  Ziel  ins  Auge  gefaßt  ist;  vgl.  dazu 
die  von  Delbrück  S.  53  ff.  angeführten  Beispiele,  von  denen 
namentlich  k  123  dvbpuiv  T'öXXu|i€vuiv  vr|U)v  Q'ä}xa  dtvu^evduiv 
das  angegebene  Verhältnis  veranscliaulichen  mag. 

Diese  Auffassung  der  Präsensaktion  als  eines  Mittels,  die 
Handlung  in  ihrer  Vollständigkeit  auszudrücken,  steht  freilich 
mit  der  üblichen  in  Widerspruch.  Zwar  hat  Delbrück  an  der 
oben  angeführten  Stelle  (S.  151)  die  Möglichkeit  einer  perfek- 
tiven Aktionsart  in  dem'Sinn,  daß  Vorhandlung  und  Vollendung 
ausgedrückt  werden  sollen,  zugegeben  (vgl.  auch  Brugmann 
a.  a.  0.  483)  und  dann  hiermit  im  Gebiet  der  einfachen  Verba 
die  terminative  Aktionsart  verglichen  (S.  152).  Aber  hiervon 
abgesehen  wird  allgemein  dem  Präsensstamm  das  Moment  der 
Vollendung,  soweit  es  ein  tatsächlicher  Bestandteil  der  Handlung 
ist,  abgesprochen ;  vgl.  noch  Brugmann  a.  a.  0.  488. 

Demgegenüber  suchten  die  Ausführungen  IF.  21,  118  ff. 
an  der  Hand  von  Beispielen  und  allgemeinen  Erwägungen  nach- 
zuweisen, daß  namenüich  bei  Homer,  aber  auch  später  noch 
der  Präsensstamm  die  sich  bis  zum  Abschluß  entwickelnde 
Handlung,  also  linear-perfektive  Aktionsart  enthalten  kann.  An- 
gesichts jedoch  des  streng  gegensätzlichen  Standpunkts  Herbigs 
IF.  6,  200  ist  es  erwünscht,  die  Realität  perfektiver  Präsens- 
aktion durch  weitere  Argumente  zu  erhärten. 

1)  Abgesehen  natürlich  davon,  daß  die  Bezeichnung  'terminativ'  auch 
von  initiven  Verben  wie  6pvu|uii  gebraucht  wird. 

2)  Daß  auch  der  Aorist  an  dieser  Perfektivierung  durch  Präposi- 
tionen teilnahm,  widerspricht  nicht,  da  ja  auch  er  die  perfektive  Be- 
deutung mehr  und  mehr  einbüßte  (Brugmann  a.  a.  0.  482).  Wenn  Meltzer 
Gr.  Gramm.  2,  32  die  Perfektivierung  durch  Präpositionen  leugnet,  so 
geschieht  dies  offenbar  auch  in  dem  Bemilhen,  die  perfektive  Aktionsart 
vom  Präsensstamm  fernzuhalten. 


404  K  Rodenbasch, 

Herbig  spricht  nur  von  der  Unvereinbarkeit  des  Indici- 
tivus  •  temporis  praesentis  mit  der  actio  perfectiva.  In  der  Tit 
muß  es  sich  auch  schwieriger  gestalten,  mit  der  Natur  das  ent- 
sprechenden Tempus  der  Vergangenheit,  des  Imperfekts,  die 
actio  perfectiva  als  unverträglich  zu  erweisen.  Aber  nor  eine 
scheinbare  actio  perfectiva  gesteht  Herbig  S.  209  dem  Imperfekt 
zu;  die  von  unserm  Standpunkt  vorhandene,  aber  nicht  betonte 
Perfektivität  der  Handlung  stecke  in  all  diesen  Fällen  nicht  im 
Imperfekt,  sie  ergäbe  sich  lediglich  aus  dem  Zusammenhang. 
Schon  IF.  21,  128  Anm.  ist  aus  sprachpsychologischen  Oründeo 
hiergegen  Stellung  genommen.  Solche  Einwürfe  sucht  die  hier 
vorgetragene  Auffassung  zu  vermeiden.  Man  hat  sogar  ein  Rechti 
die  Handlung  in  ihrer  Totalität  neben  der  unvollendeten  als  das 
psychologische  und  sprachgeschichtliche  Prius  anzusehen;  die 
Vorstellung  der  nicht  abgeschlossenen  Handlung  setzt  die  der 
abgeschlossenen  voraus. 

Hinsichtlich  des  Präsens  bemerkt  Herbig  a.  a.  O.:  "Der 
Augenblick  der  Perfektivität  ist  ein  Punkt,  der  genau  genom- 
men mit  jenem  andern  [dem  Zeitpunkt  der  Gegenwart]  nicht 
zusammen  treffen  kann.  Denn  jedes  Diktum  beruht  auf  einer 
innem  oder  äußern  Wahrnehmung,  und  die  Wahrnehmung  maß 
als  Grund  des  Dikturas  diesem  vorausgehen;  die  Perfektivität 
der  Verbalhandlung  einer  solchen  Wahrnehmung  gehört  also, 
wenn  sie  sprachlich  wiedergegeben  wird,  bereits  der  Vergangen- 
heit an".  Das  ist  in  der  Hauptsache  nur  richtig,  wenn  es  sich 
um  einen  momentan-perfektiven,  d.  h.  um  einen  aoristisch  auf- 
gefaßten Vorgang  handelt.  Zwei  Punkte,  die  an  einander  vorbei- 
eilen, der  Moment  des  Geschehens  und  die  (in  solchem  Fall  nur 
momentan  zu  denkende)  Gegenwart  des  Sprechenden,  stehen  eben 
nur  einen  einzigen  Augenblick  in  Konjunktion.  Auf  diesen 
Augenblick  wäre  noch  die  Aussprache  zu  fixieren;  und  damit 
der  Bedingung  zu  präsentischer  Zeitgebung  zu  genügen,  ist  frei- 
lich eine  mathematisch  genau  kaum  zu  erfüllende  Forderung. 

Die  nach  psychologischen  Rücksichten  verfahrende  Sprech- 
tätigkeit zieht  sich  hier  doch  weitere  Grenzen;  von  diesem  Stand- 
punkt ist  auch  die  Möglichkeit  präsentischer  Auffassung  nicht 
ganz  von  der  Hand  zu  weisen.  Griechische  Beispiele  wüßte  ich 
freilich  kaum  in  diesem  Sinne  zu  verwerten.  Wenn  aber  Herzog 
Wilhelm  bei  Uhland  im  Hinstürzen  ruft:  Ich  fass^  und  ergreiß 
dich^  Engeüand^  so  läßt  eine   Stelle  dieser  Art   die.  fragUche 


I 


Präsensstamm  und  perfektive  Aktionsart.  405 

Deutung  nicht  nur  zu,  sondern  die  präsentische  Auffassung  ver- 
dient auch  in  psychologischer  Würdigung  der  Situation,  worauf 
es  allein  ankommt,  vor  präteritaler  oder  futurischer  den  Vorzug. 
Darauf,  ob  die  Worte  zeitlich  mit  dem  momentanen  Vorgang 
genau  zusammenfallen,  kommt  es  nicht  so  sehr  an;  das  Ent- 
scheidende ist  vielmehr,  daß  der  Sprechende  beides  in  dem  Trieb, 
den  Ausdruck  möglichst  aktuell  und  lebendig  zu  gestalten,  auf 
einen  Moment  verlegen  will,  und  diese  Absicht  ist  an  der  an- 
geführten Stelle  zweifellos  vorhanden.  Dem  Sinne  nach  ist  dies 
auch  bei  Xenoph.  Anab.  1,  8,  26  xöv  dvöpa  6pu>  der  Fall;  ist 
diese  Beurteilung  der  Stelle  richtig,  so  würde  daraus  hervor- 
gehen, daß  das  kursive  öpüj  mangels  einer  punktuellen  Gegen- 
wartsform die  Funktion  einer  solchen  übernommen  hat  Ähnlich 
erscheint  die  Sachlage  2,  5  16  dXX'  f^bo^ai  (Mas  macht  mir  aber 
Freude*),  namentlich  wenn  wir  unter  denselben  Umständen  ver- 
wendetes ficQriv  zur  Vergleichung  herbeiziehen,  worüber  unten 
S.  382  mehr.  Nahe  gelegt  wird  die  lebhaftere  punktuelle  Auffassung 
von  fiöo^ai  auch  durch  das  charakteristische  dXXä;  gemeint  ist 
also  der  Kulminationspunkt  der  freudigen  Erregung,  der  die 
gleichzeitige  Aussprache  auslöst  Eine  solche,  wenn  auch  nur 
annähernde  Gleichzeitigkeit  des  momentanen  Vorgangs  und  der 
auf  ihn  bezüglichen  Aussprache  wird  namentlich  dann  für  den 
Sprechenden  möglich  sein,  wenn,  wie  in  dem  letztgenannten 
Beispiel,  der  Moment  des  Geschehens  vorauszusehen  ist 

Leichter  aber  assoziiert  sich  mit  präsentischer  Bedeutung 
die  terminative  oder,  was  von  unserm  Standpunkt  aus  dasselbe 
ist,  die  linear-perfektive  Aktionsart  Ein  Ausweichen  des  Mo- 
ments der  Perfektivität  in  die  Vergangenheit  oder  Zukunft  wird 
hier  dadurch  erschwert,  daß  dieser  Zeitpunkt  durch  die  innige 
Verbindung  mit  der  als  gegenwärtig  gedachten  und  im  Augen- 
blick des  Abschlusses  zur  Aussprache  drängenden  Vorhandlung 
einen  festen  Halt  gewinnt  und  umgekehrt  ihr  einen  solchen  ge- 
währt Es  ist  psychologisch  sehr  natürlich,  daß  in  solchen  Fällen 
der  Sprechende  mit  dem  in  lebendiger  Gegenwart  erfaßten  Augen- 
blick der  Vollendung  die  in  ihm  sich  erfüllende  Vorhandlung 
auch  in  einheitlicher  Zeitgebung  zu  einem  sachlichen  Ganzen  ver- 
bindet; ein  signifikantes  Beispiel  dieser  Art  ist  Penelopes  Wort 
i[f  230  TreiOcic  örj  iiox  Ou^iöv,  das  von  langem  Bemühen  und  seinem 
eben  eintretenden,  die  starre  Zurückhaltung  der  Königin  lösen- 
den Erfolg  berichtet  Euer  und  in  ähnlichen  Fällen  vikd  «t%\.  ^^ 

laäogermmnitebe  Fonebangea  XXJL  ^ 


406  E.  RodenbQBch, 

sich  vollendende  Handlang  namhaft  gemacht,  erst  sie  hat  An- 
spruch auf  den  der  Verbal wurzel  eigentümlichen  Bedeutungsinhalt 

Falls  sich  der  Augenblick  des  Abschlusses  merklich  später 
einstellt  als  die  Äußerung,  so  wird  allerdings  die  perfektive  Be- 
deutung von  selbst  in  die  kursive  übergehen,  aus  ireiOeic  =  du 
überredest  wird  ein  kursives  Präsens  werden  in  der  Bedeutung 
du  redest  zu.  und  in  dieser  Richtung  hat  sich  in  der  Tat  die 
Bedeutungsentwicklung  der  Präsentia  in  der  attischen  Zeit  viel- 
fach bewegt;  vgl.  Delbrück  a.  a.  0.  83.  Andererseits  wird  der 
Sprechende  da,  wo  eine  bis  zu  ihrem  natürlichen  Ziele  geführte 
Vorhandlung  vorliegt,  den  Eintritt  des  perfekti vierenden  Mo- 
ments noch  leichter  als  bei  momentanem  Geschehen  voraussehen 
und  danach  den  Zeitpunkt  seiner  Äußerung  regulieren  können. 

Wie  aus  der  linear-perfektiven  Bedeutung  auch  ohne  irr- 
tümlich gewählten  Moment  der  Äußerung  durch  stetige  Ver- 
schiebung der  Gegenwart  des  Sprechenden  perfektische  Bedeu- 
tung entstehen  kann,  ist  IF.  21, 135ff.  gezeigt.  Grade  die  Mög- 
lichkeit einer  solchen  Verschiebung  beruhte  auf  linear-perfek- 
tivem Präsens;  vgl.  a.  a.  0.  S.  136. 

Das  Ergebnis  ist  also,  daß  das  perfektive  Präsens  weder 
einen  Widerspruch  in  sich  trägt,  noch  auch  dem  Griechischen 
tatsächlich  fremd  ist  Zuzugeben  ist  nur,  daß  es  seiner  Natur 
nach  leicht  gewissen  Modifikationen  ausgesetzt  ist  Die  Modifi- 
kation, die  das  linear-perfektive  Präsens  erleiden  kann,  ist  schon 
erwähnt  Die  momentan-perfektive  Aktionsart,  die  im  Bereich  der 
Vergangenheit  sich  ungehemmt  im  Aorist  entfaltet  hat,  weicht 
in  der  Gegenwart  leicht  in  das  Bereich  präteritaler  oder  futu- 
rischer Bedeutung  aus.  Futurische  Bedeutung  konnte  sich  dann 
mit  ihr  assoziieren,  wenn  der  zeitliche  Unterschied  zwischen 
der  früher  erfolgenden  Aussprache  und  dem  spätem  Eintritt  des 
Geschehnisses  so  merklich  war,  daß  vielleicht  nicht  nach  der 
Absicht  des  Sprechenden,  wohl  aber  nach  dem  tatsächlichen  Ein- 
druck der  temporale  Charakter  der  Äußerung  sich  von  selbst  in 
futurischem  Sinne  verschieben  mußte.  Im  Griechischen  ist  diese 
Verschiebung  nur  bei  wenigen  Verben  usuell  geworden  (vgl 
Delbrück  a.a.O.  120).  In  andern  Fällen  hat  die  momentan-per- 
fektive Aktionsart  einen  Übergang  von  präsentischer  zu  präte- 
ritaler Bedeutung  zur  Folge  gehabt,  eine  Modifikation,  die  ihren 
Ausdruck  in  der  Anwendung  des  Aorists  findet;  vgL  dazu  Brug- 
mann  Gr.  Granmi. »  490  und  IF.  21,  137. 


Präsensstamm  und  perfektive  Aktionsart.  i07 

Meist  lag  jedoch  ein  Bedürfnis  zu  punktueller  Ausdrucks- 
weise im  Präsens  gar  nicht  vor,  und  man  verblieb  innerhalb 
präsentischer  Aktionsart.  Dasselbe  meint  Delbrück,  wenn  er,  ge- 
mäß seiner  Ansicht  von  derürsprünglichkeit  punktueller  Aktions- 
art, von  einer  Anziehung  der  punktuellen  Präsentia  durch  die 
zahllosen  Indikative  des  Präsens  der  andern  Klassen  spricht  (a. 
a,  0.  71).  Aus  diesen  Gründen  unterblieb  die  Ausbildung  einer 
besondem  Form  für  einen  aoristischen  Indikativ  des  Präsens. 
Wenn  man  gleichwohl  in  gewissen  Fällen,  wie  den  angeführten 
Beispielen  aus  Xenophons  Anabasis,  wo  eine  punktuelle  Auf- 
fassung nahe  liegt,  zur  Form  der  präsentischen  Aktionsart  griff 
oder  greifen  mußte,  so  konnte  doch  die  zutreffende  aktionelle 
Färbung  durch  die  Gesamtsituation  hindurchscheinen. 

Das  Fehlen  einer  punktuellen  Präsensform  hielt  vom  In- 
dikativ des  Präsens  die  Konkurrenz  fem,  die  dem  Imperfekt 
und  den  Modis  des  Präsens  aus  dem  Aorist  erwuchs ;  man  müßte 
denn,  wozu  man  ein  Eecht  hat,  eine  solche  in  Aoristen  wie 
tfiXaca^  ^cOnv  usw.  erblicken  (IF.  21,  137).  Über  die  Wirkungen 
jener  Konkurrenz  vergleiche  man  IF.  21,  128f.>).  Dagegen  ist 
das  Umsichgreifen  kursiver  Bedeutung  beim  Indikativ  des  Prä- 
sens in  attischer  Zeit  wohl  nicht  mit  Delbrück  auf  den  Gegen- 
satz von  qpeuTU)  und  ?qpuTov  (a.  a.  0.  71),  sondern  auf  den  oben 
S.  381,  Z.  4  ff.  erwähnten  Umstand  zurückzuführen. 

Es  erübrigt  noch,  nach  außergriechischen  Parallelen  des 
perfektiven  Präsens  umzuschauen.  Ein  Orientierungsmittel  hier- 
zu bietet  die  Ļnw-Bedeutung  der  linear-perfektiven  Aktionsart 
des  Präsens  (und  Imperfekts);  vgl.  dazu  die  Ausführungen  IF. 
21,  120  f.  Beachtenswert  ist  nun,  daß  auch  das  Slavische  und 
namenüich  das  Irische  diese  Aann- Bedeutung  des  perfektiven 
Präsens  entwickelt  haben,  worüber  das  Nähere  bei  Sarauw 
KZ.  38,  173ff.  zu  ersehen  ist. 

Eine  weitere  Stütze  für  die  Tatsache  eines  linear-perfek- 
tiven Präsens  im  Griechischen  bietet  eine  germanische  Paral- 
lele, die  durch  die  Vergleichung  mit  dem  griechischen  Sprach- 
gebrauch ihrerseits  eine  schärfere  Beleuchtung  erhält. 

Die  fainw-Bedeutung  des  zielstrebig -perfektiven  Präsens 
(und  Imperfekts)  hat,  wie  aus  der  obigen  Verweisung  hervor- 
geht, im  Griechischen  zuweilen  an  seine  Stelle  die  Umschroi- 

*)  Es  muß  an  dieser  Stelle  statt  Präsens  schlechthin  genauer  na- 
türlich Indikativ  des  Präsens  heißen. 


406  E.  RodenbuBch, 

sich  vollendende  Handlung  namhaft  gemacht,  erst  sie  hat  An- 
spruch auf  den  der  Verbalwurzel  eigentümlichen  Bedeutungsinhait 

Falls  sich  der  Augenblick  des  Abschlusses  merklich  spiter 
einstellt  als  die  Äußerung,  so  wird  allerdings  die  perfektiye  Be- 
deutung von  selbst  in  die  kursive  übergehen,  aus  7reiO€ic  =  dK 
aberredest  wird  ein  kursives  Präsens  werden  in  der  Bedeutung 
du  redest  zu^  und  in  dieser  Richtung  hat  sich  in  der  Tat  die 
Bedeutungsentwicklung  der  Präsentia  in  der  attischen  Zeit  viel- 
fach bewegt;  vgl.  Delbrück  a.  a.  0.  83.  Andererseits  wird  der 
Sprechende  da,  wo  eine  bis  zu  ihrem  natürlichen  Ziele  gefühlte 
Vorhandlang  vorliegt,  den  Eintritt  des  perfektivierenden  Mo- 
ments noch  leichter  als  bei  momentanem  Geschehen  voraussehen 
und  danach  den  Zeitpunkt  seiner  Äußerung  regulieren  können. 

Wie  aus  der  linear-perfektiven  Bedeutung  auch  ohne  irr- 
tümlich gewählten  Moment  der  Äußerung  durch  stetige  Ver- 
schiebung der  Gegenwart  des  Sprechenden  perfektische  Bedeu- 
tung entstehen  kann,  ist  IF.  21, 135 ff.  gezeigt.  Grade  die  Mög- 
lichkeit einer  solchen  Verschiebung  beruhte  auf  linear-perfek- 
tivem Präsens;  vgl.  a.  a.  0.  S.  136. 

Das  Ergebnis  ist  also,  daß  das  perfektive  Präsens  weder 
einen  Widerspruch  in  sich  trägt,  noch  auch  dem  Griechischen 
tatsächlich  fremd  ist  Zuzugeben  ist  nur,  daß  es  seiner  Natur 
nach  leicht  gewissen  Modifikationen  ausgesetzt  ist  Die  Modifi- 
kation, die  das  linear-perfektive  Präsens  erleiden  kann,  ist  schon 
erwähnt  Die  momentan-perfektive  Aktionsart,  die  im  Bereich  der 
Vergangenheit  sich  ungehemmt  im  Aorist  entfaltet  hat,  weicht 
in  der  Gegenwart  leicht  in  das  Bereich  präteritaler  oder  futu- 
rischer Bedeutung  aus.  Futurische  Bedeutung  konnte  sich  dann 
mit  ihr  assoziieren,  wenn  der  zeitliche  Unterschied  zwischen 
der  früher  erfolgenden  Aussprache  und  dem  spätem  Eintritt  des 
Geschehnisses  so  merklich  war,  daß  vielleicht  nicht  nach  der 
Absicht  des  Sprechenden,  wohl  aber  nach  dem  tatsächlichen  Ein- 
druck der  temporale  Charakter  der  Äußerung  sich  von  selbst  in 
futurischem  Sinne  verschieben  mußte.  Im  Griechischen  ist  diese 
Verschiebung  nur  bei  wenigen  Verben  usuell  geworden  (vgl. 
Delbrück  a.  a.  0.  120).  In  andern  Fällen  hat  die  momentan-per- 
fektive Aktionsart  einen  Übergang  von  präsentischer  zu  präte- 
ritaler Bedeutung  zur  Folge  gehabt,  eine  Modifikation,  die  ihren 
Ausdruck  in  der  Anwendung  des  Aorists  findet;  vgl  dazu  Brug- 
mann  Gr.  Granmi. »  490  und  IF.  21,  137. 


Präsensstamm  und  perfektive  Aktionsart.  i07 

Meist  lag  jedoch  ein  Bedürfnis  zu  punktueller  Ausdrucks- 
weise im  Präsens  gar  nicht  vor,  und  man  verblieb  innerhalb 
präsentischer  Aktionsart.  Dasselbe  meint  Delbrück,  wenn  er,  ge- 
mäß seiner  Ansicht  von  der  Ursprünglichkeit  punktueller  Aktions- 
art, von  einer  Anziehung  der  punktuellen  Präsentia  durch  die 
zahllosen  Judikative  des  Präsens  der  andern  Klassen  spricht  (a. 
a.  0.  71).  Aus  diesen  Gründen  unterblieb  die  Ausbildimg  einer 
besondem  Form  für  einen  aoristischen  Indikativ  des  Präsens. 
Wenn  man  gleichwohl  in  gevrissen  Fallen,  vne  den  angeführten 
Beispielen  aus  Xenophons  Anabasis,  wo  eine  punktuelle  Auf- 
fassimg  nahe  liegt,  zur  Form  der  präsenüschen  Aktionsart  griff 
oder  greifen  mußte,  so  konnte  doch  die  zutreffende  aktionelle 
Färbung  durch  die  Gesamtsituation  hindurchscheinen. 

Das  Fehlen  einer  punktuellen  Präsensform  hielt  vom  In- 
dikativ des  Präsens  die  Konkurrenz  fem,  die  dem  Imperfekt 
und  den  Modis  des  Präsens  aus  dem  Aorist  erwuchs ;  man  müßte 
denn,  wozu  man  ein  Secht  hat,  eine  solche  in  Aoristen  wie 
^^Xaca,  ncOnv  usw.  erblicken  (IF.  21,  137).  Über  die  Wirkungen 
jener  Konkurrenz  vergleiche  man  IF.  21,  128f.>).  Dagegen  ist 
das  Umsichgreifen  kursiver  Bedeutung  beim  Indikativ  des  Prä- 
sens in  attischer  Zeit  wohl  nicht  mit  Delbrück  auf  den  Gegen- 
satz von  qpeuTU)  und  ?qpuTov  (a.  a.  0.  71),  sondern  auf  den  oben 
S.  381,  Z.  4ff.  erwähnten  Umstand  zurückzuführen. 

Es  erübrigt  noch,  nach  außergriechischen  Parallelen  des 
perfektiven  Präsens  umzuschauen.  Ein  Orientierungsmittel  hier- 
zu bietet  die  Ļnw-Bedeutung  der  linear-perfektiven  Aktionsart 
des  Präsens  (und  Imperfekts);  vgl.  dazu  die  Ausführungen  IF. 
21,  120  f.  Beachtenswert  ist  nun,  daß  auch  das  Slavische  und 
namenüich  das  Irische  diese  Axinn- Bedeutung  des  perfektiven 
Präsens  entwickelt  haben,  worüber  das  Nähere  bei  Sarauw 
KZ.  38,  173ff.  zu  ersehen  ist. 

Eine  weitere  Stütze  für  die  Tatsache  eines  linear-perfek- 
tiven Präsens  im  Griechischen  bietet  eine  germanische  Paral- 
lele, die  durch  die  Vergleichung  mit  dem  griechischen  Sprach- 
gebrauch ihrerseits  eine  schärfere  Beleuchtung  erhält. 

Die  fainw-Bedeutung  des  zielstrebig -perfektiven  Präsens 
(und  Imperfekts)  hat,  wie  aus  der  obigen  Verweisung  hervor- 
geht, im  Griechischen  zuweilen  an  seine  Stelle  die  Umschrei- 

^)  Es  muß  an  dieser  Stelle  statt  Präsens  schlechthin  genauer  na- 
türlich Indikativ  des  Präsens  heißen. 


406      E.  Rodenbusch,  PräBensstamm  und  perfektive  Aktionsart 

bung  mit  buvajiai  und  dem  Infinitiv  (meistens  Aoristi)  treten 
lassen;  ou  Tavuuj  =  ou  &uva)Liou  ravücai  =  ick  kann  nicht  spamm. 
In  positiven  Sätzen,  in  denen  die  ionn-Bedeutiing  weniger  scharf 
hervortritt,  ist  mir  ein  Beispiel,  das  als  Ersatz  des  perfektiven 
Präsens  durch  buvajiai  mit  dem  Infinitiv  gedeutet  werden  könnte, 
nicht  bekannt  Mit  der  umschreibenden  Wendung  des  Griechi- 
schen ist  nun  zu  vergleichen  der  mit  gc^  {g^-)  zusammengesetzte 
Infinitiv  nach  mag  {kann),  Streitberg  hat  PB.  15,  1071  gezeigt 
daß  diesem  beweglichen  ga-  {ge-)  des  Gotischen  und  des  älteren 
Deutschen  perfektivierende  Kiuft  innewohnt,  wenn  sie  auch  viel- 
fach durch  die  ältere  Stufe  soziativer  Bedeutung  und  durch 
jüngere  Mechanisierung,  namentlich  im  Dienste  der  Metrik,  ver- 
dunkelt wird.  Daß  die  Partikel  so  häufig  vor  die  von  nujy  (kann) 
abhängigen  Infinitive  tritt,  erklärt  er  aus  der  Bedeutung  dieser 
Verba.  Der  griechische  Gebrauch  zeigt  uns,  daß  es  wohl  richtiger 
ist,  ga-  nicht  auf  die  Einwirkung  von  mag  zurückzuführen,  son- 
dern beide  Elemente,  ga-  imd  mag  aus  dem  zielstrebig-  perfek- 
tiven Sinn  herzuleiten,  der  dem  im  Infinitiv  stehenden  Verbum 
vom  Sprechenden  beigelegt  wird.  Eine  weitere  in  der  Natur  der 
Sache  liegende  Übereinstinmiung  zwischen  griechischem  und  ger- 
manischem Sprachgebrauch  zeigt  sich  darin,  daß,  entsprechend 
dem  griechischen  ou  öuva^iai  mit  dem  Infinitiv  des  Aorists,  im 
Germanischen  ga-  vor  dem  von  mag  abhängigen  Infinitiv  am 
häufigsten  in  negativen  Sätzen  erscheint,  vgl  v.  Monsterberg 
ZfdPh.  18,  315. 

Die  Vergleichung  von  ou  lavOu)  und  Ähnlichem  mit  ver- 
wandten Erscheinungen  anderer  idg.  Sprachen  soU  natürlich 
nicht  auf  eine  historische,  sondern  lediglich  auf  eine  psycholo- 
gische Verwandtschaft  hindeuten.  Aber  auch  so  erhält  das  per- 
fektive Präsens  des  Griechischen  eine  erwünschte  Anknüpfung 
an  entsprechende  Erscheinungen  verwandter  Sprachen. 

Duisburg-Meiderich.  E.  Rodenbusch. 


! 


Sachregister. 


Aal  im  Schwarzen  Meer  68. 

Ablaut,  semitischer  und  indo- 
germanischer S-tö.  Schwundstufol73. 
349.  ai—i  185.  e—ä  350.  Schwere 
Vokalreihen  347.  348. 

Adjektiva  26. 

Abstraktion,  falsche  des  Ar- 
tikels 201. 

Adverbia  26. 

Affektaussprache  verursacht 
Konsonantengemination  191. 

Ägyptisch  349. 

A  k t i o n sa r  t e n  330,  nicht  scharf 
abgegrenzt  330.  Perfektivierung 
durch  Präpositionen  403.  Präsens- 
stamm und  perfektive  Aktionsart 
402.  Aktionsart  und  Zeitstufo  in 
den  homerischen  Gedichten  267, 
Inf.  Präs.  267,  Imperf.  de  conatu  268, 
Präsensstämme  mit  punktueller  Ak- 
tionsart 269,  dm  269,  Inf.  269,  v^o- 
\ia\  269,  €px€ceai  270,  Vkiw  270,  otxo- 
\ia\  270.  Aktionsart  des  Futurums 
286,  «ccTai  286,  «Eu)  cxi^cu)  286  f., 
6i)io^ai  287,  bibüücu)  288,  ^e^V1^co^al 

288,  €(bf|C€iv  288,  xaiP^cciv  288, 
KCxapnc^MCv  288,  möi^ic^iv  289,  b€(- 
b\u  289,  äTdcc€ceai  289,  dTXaicTceai 

289,  ^€TaKXaöc€ceai  289.  Aktions- 
arten in  der  Koine  205,  im  Ngriech. 
aa'i,  Zeitarten  im  Griech.  202  ff. 

Akzent  bei  den  a-Stämmen  172, 
vongriech.yuvaiKÖc  179,von-aToc  176. 

Aorist,  Aktionsart  237.  277, 
Aoristgebrauch  bei  Homer  234.  S. 
Imperfektum,  Infinitiv,  Modus. 

Altertumskunde.  Wann  kön- 
nen wir  ein  Wort  für  indogermanisch 

Indogermanische  Forscliun^en  XXII. 


erklären  67.  Wörter  nur  in  einer 
Sprache  belegt  59,  in  zwei  Sprachen 
61,  slavisch-germanische  Gleichun- 
gen 62,  keltisch- germanische  62, 
kelto-italische  63,  indoiranische  63. 
Fehlen  etymologischer  Gleichungen 
für  gewisse  Begriffe  64,  Etymologie 
und  Altertumskunde  56. 

Alterserscheinungon, 
sprachliche  117. 

Analogiebildungen,  Ur- 
sachen 17,  im  Kindesalter  42.  43. 
Psychologische  Studien  über  A.  1  ff. 
A.  und  Assoziation  9.  A.,  ihre  Be- 
dingungen im  Experiment  festzu- 
stellen 13.  A.  bei  Zahlworten  und 
Verwandtschaftsnamen  14.  Umbil- 
dung nach  dem  gegensätzlichen  Be- 
griff beim  Komparativ  178.  Kasus- 
endung eines  Wortes  auf  bedeutungs- 
verwandte Worte  übertragen. 

Archäologie.  Bevölkerung  der 
ostbaltischen  Landschaften  auf  ar- 
chäologischer Grundlage  302.  Eisen- 
zeit, ältere  und  jüngere  im  Ost- 
baltikum 305. 

Artikel,  falsche  Abstraktion  des 
A.s  201. 

Assoziation  3.  Einteilung  18. 
Assoziationstypen  18.  Spontane  und 
vermittelte  A.  18.  Ihre  Zeitdauer  19. 
A.  verschieden  zu  verschiedenen 
Zeiten  40.  spontane  A.  28.  Klang- A. 
29.  A.  bei  Kindern  34.  35.  Geläußg- 
keitsgosetz  der  Assoziationen  36. 
A.  erfolgt  mit  einer  gewissen  Regel- 
mäßigkeit 10.  Einfluß  der  Schnellig- 
keit auf  die  A.  11.  Kinder  und  Er- 


410 


Sachregister. 


wachsen e  in  ihrem  Verhalten  zu 
Assoziationen  43.  44. 

Bedeutungswandel  86.  87.  B. 
gleichartiger,  bei  demselben  Worte 
verschiedener  Sprachen  selten  63. 

Blumenzucht  und  Acker- 
bau 78. 

Dehnung,  metrische  83. 

Deklination.  Kons,  und  ©-De- 
klination nebeneinander  182.  Flexion 
von  Tuvi'i  usw.  171.  Stammabstufung 
bei  den  -ön-Stämmen  188.  Schwache 
Deklination  der  Subst.  im  Germ.  187. 
Kons.  Stämme  im  Germ,  nicht  mehr 
neu  gebildet  60.  Kasusendung  eines 
Wortes  auf  bedeutungsverwandte 
W^orte  übertragen  192.  Genitive  mit 
'8  192.  Awest.  Instr.  Plur.  auf  -iW, 
-iV  386.  griech.  Dat.  Plur.  auf  -oic 
337.  Nom.  Akk.  Plur.  im  Germ.  256, 
auf  -fl  und  -o  258,  as.  afries.  ags. 
-08,  -ar,  -08  259.  Gen.  Plur.  got.  auf 
-e2iib.  Instrumentale,  vokalisch  aus- 
lautende im  Germanischen  von  Pro- 
nominalstämmen 264.  Lit.  Akk.  Plur. 
-äü  258.  Slaw.  Gen.  Sing,  -y,  -f  192, 
Instr.  Plur.  auf  -y  336.  Gen.  Plur- 
des  Stokaw.  und  Slowen.  auf  -« 
261.  Ersatz  des  Plurals  durch  kol- 
lektive Singulare  im  Armen.  181. 
Kasusendung  eines  Wortes  auf  be- 
deutungverwandte Worte  übertragen 
192. 

Dissimilation.  Ferndissimila- 
tion von  Konsonanten  103.  Vor- 
wärtswirkende Dissimilation  103. 

Esel  198  f. 

Esperanto  365. 

Farben bezeichnun gen  93. 

Finnisch-  nordische  Berührun- 
gen 303. 

Fischnamen  65fi'. 

Germanen,  ostbaltische  302. 

Geschlecht,  Wechsel  180. 
Neutra  zu  Mask.  Fem.  180  f.  ;i- 
Subst.  generis  communis  190. 

Götter-  und  Personen- 
namen 86. 


Hei  244. 

Imperativ  238. 

Imperfektum  und  Aorist,  ihr 
Verhältnis  wechselt  im  GriecL  241, 
bei  Homer  227,  bei  anderen  Schrift- 
stellern 228  fr.  I.  hat  im  Griechischen 
einen  ausgedehnten  Gebrauch  205. 
Imperfektum  und  Aorist,  Vorherr- 
schen des  einen  und  des  anderen 
bei  verschiedenen  Schriftstellern 
206.  I.  de  conatu  268. 

Indogermanisch-  Semitisch 
341. 

Infinitiv  35.  Inf.  Präs.  im  im- 
perfekti vischen  Gebrauch  271.  Inf. 
Aor.  in  futurischem  Sinn  282,  in 
präteritalem  Sinn  283.  Inf.  Aor.  nach 
Verben  des  Schwörens  usw.  277  ff. 
Inf.  Aor.  und  Perfekti  bei  Homer  227. 
Inf.  Perf.  zeitlos  275.  Gebrauch  des 
Inf.  Perf.  bei  Homer  276,  abhängig 
272,  bezeichnet  den  bewirkten  Zu- 
stand 274.  Part.  Perf.  mit  elvm  275. 

Jägersprache  90. 

Kindersprache  undihr  Einfluß 
auf  die  Sprachentwicklung  33. 

Komparative  auf  -Dz  im  Genn. 
331. 

Komposita  bewahren  Alter- 
tümlichkeiten 189.  Übertragung  auf 
die  Kompositionsfuge  175. 

Konsonantismus.  Konso- 
nantengemination durch  Affektaus- 
sprache 191.  Ferndissimilation  von 
Konsonanten  103.  Tenues  aspiraL 
und  tenues  353.  Bewcghches  8- 141. 
Idg.i353.  Idg.j5360.  Uriran. -«'> 
^^  102.  Ar.  ir  im  Iran.  104.  Apers.  Or 
Lautwert  104.  <?  vor  ^  zu  t  dissimi- 
liert im  Kurdischen  103.  Abfall  des 
Gutturals  im  Arm.  181.  Uridg.  q 
hinter  Vokal  armen,  zu  Ar  und  ^  182. 
-cv-  im  Griech.  200.  Velare  vor  y 
im  Griech.  u.  Lat.  354.  3  ^--Reihen 
im  Alban.  354.  Lat.  -Iw-  zu  U  67. 
Idg.  lif  zu  ru  332,  im  Irischen  335. 
Germanisch.  Idg.  tk  zu  8k  332. 
Erste  und  zweite  Lautverschiebung 


Sachregister. 


411 


119.  Zweite  Lautversch.  117.  127. 
Westgerm.  Lautversch.  120.  Mhd. 
nhd.  Lautversch.  120.  Die  Keime 
der  Lautverschiebung  schon  idg.  120. 
Veränderung  der  Aspiraten  121.  Ten. 
asp.  des  Idg.  im  Germ.  123.  Tenuis- 
-Verschiebung  im  Germ.  124.  Reibe- 
laute, erhalten  nach  Vokalen  122. 
Germ,  ß  zu  d  zud  124,  germ.  x  124, 
germ.  f  125.  germ.  g,  d,  b  125.  n- 
Schwund  im  Germ.  128.  Germ,  tc 
128.jl28.  Indogerm.-semitische 
Spiranten  357,  Palatale  353,  Labio- 
velare  355,  Gutturale  348.  sem.  i 
=  idg.  k  361.  sem.  h  361.  spirant.  j 
359.  Zwei  ik-Reihen  im  Semit.  352. 
Emphatische  Konsonanten  im  Se- 
mitischen 350.  semit.  *Aleph  349. 
semit.  ä  für  s  361.   semit.  x'  zu  h 

361.  semit.  h  =  idg.  i  362,  =  idg.  k 

362.  semit.  h  im  Idg.  geschwunden 
362. 

Kontamination  42. 

Lautwandel,  kombinatorischer 
und  spontaner  121. 

Laverna  242. 

Lehnworte,  germanische  aus 
dem  Slavischen  82,  niederdeutsche 
aus  dem  Hochdeutschen  195,  bal- 
tische aus  dem  Germanisclien  300, 
slavische  aus  dem  Germanischen 
294,  fmnische  aus  dem  Gotischen 
290,  zu  erkennen  an  dem  Auslaut 
-a  292,  an  dem  Wandel  von  e  zu  i 
297. 

Maultierzucht  in  Kleinasien 
198. 

Mischsprachen  371. 

Modus.  Tempora  und  Modi  im 
Griechischen,  statistische  Unter- 
suchungen darüber  202,  bei  Homer 
202  ff.  Modale  Struktur  der  Ilias  ent- 
spricht der  der  Odyssee  224.  Modi 
des  Aoristes  und  Präsens  gehen 
verschiedene  Wege  222.  Modale 
Strukturformeln  einiger  griechischer 
Literaturerzeugnisse  266.  Modale 
Strukturformeln  der  einzelnenAorist- 


formationen  223.  Modi  des  Aorists 
von  asigmatischen  Bildungen  bevor- 
zugt 236.  Nebenmodi  des  Präsens 
und  Aorists  in  ihrem  gegenseitigen 
Zahlenverhältnis  239.  Verhältnis  der 
Nebenmodi  zu  den  Indikativen  229. 
Nebenmodi  des  Imperfektivs  und 
Aorists  bei  Homer  230,  bei  anderen 
Schriftstellern  231  ff.  Optativ  weniger 
stark  vertreten  in  der  Ilias  als  in  der 
Odyssee  215.  Indikativ  im  Griech. 
208. 

Negation  343. 

Ortsnamen,  keltische  auf  -ön 
187. 

Partielle  Gleichungen  88. 

Perfekt,  griechisches  Bedeu- 
tungsentwicklung 323.  Grundbedeu- 
tung 323.  aus  der  präsentischen 
hervorgegangen  324.  homerische 
Perfekte  325.  Perfektum  intransitiv 
325.  Erweiterung  der  Bedeutung  im 
Idg.  328.  Aktive  P.  zu  medialem 
Präsens  326.  mediale  Perfekte 
meistens  in  passivischer  Bedeutung 
bei  Homer  327.  Perf.  Med.  und  Pass. 
bei  Homer  227.  Endungen  des  Perf. 
326  f.  Inf.  Perf.  zeitlos  275,  Gebrauch 
des  Inf.  Perf.  bei  Homer  in  fort- 
schreitender Entwicklung  276.  Inf. 
Perf.  u.  Aoristi  bei  Homer  227. 

Präsens,  punktuelle  Präsens- 
stämme 204. 9-Präsentien  im  Irischen 
335. 

Pronomina  26.  Pronominal- 
slämme  in  verschiedenen  Sprachen 
342. 

psychisch  und  psycholo- 
gisch 2. 

Reduktionsformeln  215. 

Reim  52.  Reimworte  133. 

Schiffahrt  und  Wagenbau  73. 

Schweden  in  Finnland  304. 

Sprache,  künstliche  und  natür- 
liche S.  370.  Bildliche  Ausdrücke 
für  die  Sprache  370. 

Sprachentwicklung,  gotische 
307. 


4U 

Wortregister. 

eärrati  147. 

(2;brd«*M<i  142.  156. 

crtäti  160. 

dhvaras  335. 

cödati  148.  155. 

(i^ra«^'/  142. 

eopati  135. 

ncfH»  102. 

ehimUti  145. 

ndr  189. 

chSdas  145. 

mfra^e  148.  153. 

cAyd/i  145. 

fMvamd'  98. 

jaghana-  357. 

NtM^cf/t    148. 

,/a»^Äfl  357. 

niitana-  107. 

jdfiati  174. 

nödayaii  14S. 

janUat'  349. 

Mdu/t  153. 

yrfni/  174.  185. 

pathi'fc/t  185. 

jrf»»  174. 

patM^m^  185. 

jciA«»  143. 

pathe-^fhd'  185. 

jani^  lao. 

pancamd-  98. 

jämätar  81. 

pancatnd^  99. 

iina^*  143.  146.  151. 

pdntham  185. 

jd^ß-  153. 

pdnthäa  185. 

jyäni^  143. 

paäcimd-  t)8.  99.  100. 

yÄai?cfo  69. 

;x/iy(i/i  168. 

tdk^an-  190. 

/)flyM-  361. 

faWpF  190. 

pitj^vyas  81. 

te^rf-  92. 

/)iia^»  134. 

tamaa  347. 

i>#V-  58. 

/li/rf^i  150. 

^Mfrrf*  104. 

iudiUi  148. 

jt><irca-107.108.109.113. 

tumulaa  154. 

114. 

tfprds  170. 

pürvapak^df^  114. 

%am  142. 

pürväpararätrau  114. 

(^ae^Af/n  59.  92. 

pürvdt'dhaii  115. 

(W/flrfi  160. 

I)f7rry(/.   107.   108.  109. 

(^a/aifi  160. 

113. 

dasamd-  98. 

p/-^?!-  70. 

daäamdf^  99. 

pratamdm  96.  97. 

c/d^ti  135. 

pratardm  96.  115. 

däpayati  135. 

pratardm  96.  115. 

rfipyrfÄ  178. 

prathamd  96.   97.    100. 

rfiirrä  58. 

101.    106.    107.    108. 

rfn»d*f  160. 

111.  113. 

dräpayati  170. 

prathamd^  106. 

drwÄ-  401. 

prafkamCträhafi  115. 

dri7<ya-  112. 

pra-stha-  335. 

dhänäs  347.  353. 

pralmas  143. 

dÄiiw^i  154. 

pru^nÖH  156. 

dhünöti  142.  154.  156. 

;>rdfÄa<»  156.  160. 

dhüpas  135. 

pldvate  156. 

c^Awyate  142.  143. 

iwd/f  142. 

dhüdnaii  154. 

/>Ärf/a<i  164. 

I  MMa««i  147. 
■6af«  151. 

6a/^d  151. 

balbaläkardti  151. 

balbatiH  151. 

»uMMit^/^  314. 

&rrfp?f>  151.  167. 

hhawgds  313. 

MaiMfA-ft  148.  313. 

bhdrvati  147.  148. 

hhari-^jaii  352, 

bhindtti  145. 

Mii;Vf/i  313. 

hkrxidti  154. 

öAAia/i  145. 

iÄrrf;  149. 

makayati  167. 

mavitW  167. 

majjan-  357. 

mddhya-  98. 

madhyamd'  98.  107. 

mdyas  152. 

marw/  166. 

tnarcdyati  159. 

tndrdati  159. 

maryakds  182. 

malinas  93. 

mavciti  167. 

mdA*i»  102. 

mäyü^f  152. 

md/a  167. 

md«  167. 

mind/i  143.  146. 

mimäti  152. 

mJyati  143. 

minist  1()6. 
i  miydti  159. 
j  miytäti  159. 

m/Y^tV  159. 

m/sö  159. 

mA2(M  166. 

m/dyati  166. 

mydkfati  166. 

mntyati  168. 

mldycUi  159. 

yabkati  362. 

yamo^i  359. 

ydpo-  58. 


Wortregister. 


I.   Indogermanische  Sprachen. 


Altindisch. 
agrimd  99.  100.  107. 
aiitatnäm  97. 
ddhi  172. 
änas  199. 
anutamätn  97. 
antima-  99. 
apara-  3i7.  358. 
abhyarna-  249. 
apararäiräp  114. 
apärna-  249. 
arunda  157. 
arA'rf«  167. 
rfrca^i  167. 
<irc/a/i  166. 
dparas  249. 
a^ra«  358. 
affamd-  98. 
^«/•ifc  182. 
rfÄöw  192. 
ahanf  355. 
aÄar  347.  355. 
ätamäm  97. 
ärfiwrf-  98.  99.  107. 
ä(i»^  98. 
arfya-  107. 
ii/am  362. 
/yarff  158. 
i^^äti  197. 
/W?  158. 
uttamd'  98.  107. 
ttrfa«-  167.  192. 
üditi^  154. 
«nd»f  167. 
iifkia/i  167. 


upari  99. 
ubhnäti  134. 
ürmi^  76. 
rffhili/ati  86. 
/•drf^f  166. 
^Ara-  89. 
^Jfl/»  166. 
ena-  89. 
rf^wm  169. 
rf/M/  169. 
k'dfas  319. 
katamd-  100. 
Ä;rff#  100. 
kdrakas  319. 
A:arai9A:a«  319. 
^*aflytk  190. 
harjati  149. 
A*dnia«  316 
Ä-rfr/a/t  135 
itrfrÄf  172. 
kälanam  150. 
käldyati  151. 
ÄraM  161. 
kalpdt/ati  161. 
käravas  153. 
it/;tf-  152. 
iki*  102. 
küjati  154. 
ÄTTirf//»  160. 
ÄTTirf^f  161. 
ÄT^rf/i  135. 
A;ßA-rt  152. 
kdkas  154. 
A;dti<>  153.  154 
kröiati  154. 


;.  317. 


A-/rf/Äa/f  160. 
kvdthati  135. 
it^Vrf«  142. 
k^nda  142. 
Är^twd^i  142. 
Ar^fyo/e  142. 
k^urds  147. 
Mm^i  156. 
k^Ödate  148. 
A-^örfa«  148. 
k$nutd8  147. 
A'iJffidM/»  147. 
khargdlä  149. 
kharjati  149. 
ÄrÄar;«^  149. 
^arrf«  163. 
gargaras  357. 
i/rfr/o^f  149.  162. 
gdrhhas  163. 
^a/a^t  140.  143. 
^a/a«  103. 
^ffWa«  140.  143. 
gdtfoti  151. 
^'nd-  171.  173. 
grathnäti  136. 
granthaa  136. 
^r/dya^i   140.  143. 
i^/dM«  147.  162. 
ghjid-  92. 
^Ärf^o/f  156. 
ghö^aa  156. 
cakrd'  173. 
catuHhdp  101.  106. 
canV  318.  320.  321.  322. 
340. 


4U 


Wortregister. 


edrrati  147. 

crtäti  160. 

cödati  148.  löö. 

cöpati  135. 

ehindtti  145. 

rAedfl»  145. 

ehyäti  145. 

jaghana-  357. 

javghä  357. 

jänati  174. 

janiiar-  349. 

irfwf/  174.  185. 

^*rf»»  174. 

>rfÄ«»  143. 

Jö»*/  185. 

Jämätar  81. 

>fn«i  143.  146.  151. 

>d^ö-  153. 

jyänt^  143. 

yÄo^cfo  69. 

/rfik^an-  190. 

<aÄ:^t  190. 

tatd-  92. 

/amo«  347. 

<M;(i^i  150. 

iudäti  148. 

tumulaa  154. 

tj'prds  170. 

tdyam  142. 

dtwiÄrf»  59.  92. 

drf/crf»  160. 

dal  am  160. 

da^md-  98. 

daäamd^  99. 

c/^u  135. 

däpayati  135. 

divyds  178. 

(fiirFä  58. 

d/^d*i  160. 

dräpayati  170. 

rfrMÄ-  401. 

dvittya-  112. 

c^^nä«  347.  353. 

(ifAiJni^  154. 

(^Atf/id^»  142.  154.  156. 

dhüpas  135. 

(i^fiyale  142.  143. 

dhvdnaii  154. 


dhvdtksati  142.  156. 
dhvaras  335. 
dhvastif  142. 
mfH»  102. 
nrfr  189. 
mfroe«  148.  153. 
napamcf-  98. 
ntM^rf/t  148. 
niitana-  107. 
nddayaii  148. 
Mati^t  153. 
pathi-kft  186. 
p^ühi-hhi^  185. 
path^^fhä-  ISÖ. 
pancamd"  98. 
pancatnd^  99. 
pdnthäm  185. 
pdnthäs  185. 
paäcimd-  98.  99.  100. 
/jrf^yo/»  168. 
/)flyM-  361. 
piffvyas  81. 
/)i^^t  134. 
i>»^-  58. 
^M<r#  104. 
p^rra-107.108.109.113. 

114. 
pümtpak^tf^  114. 
pürmparar^trau  114. 
pürvärdhafi  115. 
pörpyrf-  107.   108.  109. 

113. 
p/-^/-  70. 
praiamdm  96.  97. 
pratardm  96.  115. 
pratardm  96.  115. 
prathamd  96.   97.    100. 

101.    106.    107.    108. 

111.  113. 
prathamd^  106. 
prathamäf^dhfx^  115. 
pra-stha-  335. 
pralinas  143. 
pru^nöti  156. 
pröthati  156.  160. 
pldvate  156. 
l>8d/i  142. 
/>^^i  164. 


MMa««t  147. 
&|/<M  151. 
do/^ä  151. 
balbaläkaröti  151. 
halbatUi  151. 
bubhukfati  314. 
6rrfriäf»  151.  167. 
bhawgds  313. 
ftAaiMlit^t  148.  313. 
6A<<r90<f  147.  148. 
bhari^^Jaii  ,"^2. 
MiiMl^/i  145. 
MK;Vf/>  813. 
bhjiidti  154. 
M^^/»  145. 
Mrrf;  149. 
makayati  167. 
mawkü4  167. 
mav'ait-  357. 
rnddhya-  98. 
madhyamd'  98.  107. 
tndyas  152. 
mart^  166. 
marcdyati  159. 
mdrdati  159. 
maryakds  182. 
malinaa  93. 
macati  167. 
mdik»^   102. 
mäyu4  152. 
mitö  167. 
md«  167. 
mtn^i  143.  146. 
m»mä<»  152. 
mtya//  143. 
mteo^t  166. 
tnpdti  159. 
mpfäti  159. 
m/^t^  159. 
m/sä  159. 
m^o«  166. 
m^dt/uti  1Ö6. 
mtjdkmi  166- 
mHtyati  168. 
m/dyo/f  159. 
yaMo^t  362. 
yamo^t  359. 
ydpo-  58. 


Wortregister. 


416 


yuvaAas  355. 

^Ö^an-  190. 

yüuti  359. 

rac  Ul.  157. 

rarati  153. 

rarV  157. 

räsati  158. 

rn/ä  60. 

rdya^i  152.  157. 

rdsatt  158. 

rikhäti  107. 

rf>d<#  140.  143.  158. 

ri^as  140.  143. 

r«/^  158. 

ritjatt  143. 

rwldti  155. 

ruviiti  15*4. 

rii^rf/»  167. 

ru/xi  335. 

rdditi  155. 

rö^a/#  156.  167. 

rö^o«  156.  167. 

rdtt/i   153.   154.    156. 

167. 
Idyate  143. 
Idlati  158. 
Mro«  157. 
/rf^<*  158. 
Id^ati  158.  168. 
/ind/»  143. 
niä  158. 
/iind^i  147.  157. 
lütä  335. 
rrfifc^i  167. 
vaei^äte  169. 
rcincofi  167.  169. 
vddati  154. 
r(M2A-  169. 
tKufAO/  67. 
vdnati  167. 
r^no«  167.  181. 
vdpati  169. 
vamrds  167. 
fKfyof»  167.  168. 
«oyij/  168. 
varatrd  158. 
iMfrcM  158. 
«orü/d  158. 


vdrjati  3at. 
varjayati  335. 
vdrtate  134. 
rar/a/«  335. 
rcfr/Mw  167.  335 
rar^d'  94. 
rrf/a/»  158.  194. 
vcäanam  158. 
valayaa  158. 
raZ/^d  334. 
ralgulikä  ^34. 
rarf-  355. 
rcfoä  167. 
rd/are  169. 
rdya/i  168. 
r«r  158.  167 
vdlasA&l, 
tijdte  169. 
rii^rfm  197. 
vtH4  169. 
pFM«  167.  168. 
vfkas  159. 
rz-Ä/^  159. 
vfvkte  a35. 
r/:;i/irf  335. 
vjr^dkH  159. 
r/'pöti  158. 
r/^a«-  190. 
rZ/w^e  13-4. 
vydthate  168. 
ri-o/rf-  3ai 
vlfnäti  145. 
iakülds  69. 
iavAni^  69. 
Aaphara'  71. 
äapharJ  71. 
^myä  185. 
^aru/  160. 
^7(i«  160. 
^a/yd«  160. 
^ra«  321.  323. 
^Vd«  244. 
^y«/«  143. 
iiimM^ifi  135. 
äundhyii^  135. 
A<6Ärcfo  135. 
jhimbhati  135. 
^tiiid«  156. 


170. 


^a«(f«  156. 
äpaga-m  182. 
^/*ti^t  355. 
^d/i  153. 
äiie  143. 
^d/Ao«  135. 
Aödhayati  135. 
iöphas  135. 
idM<i/e  ia5. 
iö^a«  361. 
Srapdyati  321. 
ArdycUi  143. 
irdya^f  321. 
^/npd/#  143.  321. 
^^^d«  143. 
i/^md  143. 
ärdyati  156. 
iüd^uras  81.  361. 
ira^/-|{  81. 
irdM^i  156. 
ivaiuras  82. 
^c'eM«  93. 

«anaitfi«  182 
saptamd'  98. 
«amä  358. 
«dra^i  163. 
adrpati  163. 
*dra/f  143.  154. 
aisarti  163. 
«ü^a^t  352. 
stird^i  143.  154. 
aüte  347. 
ird^fa«  169. 
skdndati  138. 
stabhndti  137. 
stambha-s  137. 
«/arfmait-  349.  358. 
stdcate  154. 
8<tf/-  401. 
«^ti</-/  401. 
«^dmo«  154. 
«/dM/>  154. 
sthdJati  165. 
sthdlam  165. 
«<^-  352. 
sthäpayati  137. 


m 


Wortregister. 


tthävards  154.  165. 
tthirds  165. 
tphärayaU  14ö. 
fphälayati  145. 149. 164. 
tj^urdti  164. 
sphürjati  149.  150. 
^phyd'8  145. 
^y«W-  83. 
nu^i«  164. 
tvdnc{a8)  169. 
fvddhiti^  169. 
wdnati  154.  170. 
Wapiti  137. 
ipdrati  170. 
^arf>rf-  93. 
Wri/a-  93. 
hdrate  153. 
^t«rf«  143. 
fiFyrf/e  143. 
^rdc^a^?  163. 
hrdyati  153. 

Prakrit. 

jffhama-  98. 
ivaratto  114. 
utt/wa-  98.  99. 
ta/afwa-  100. 
toi  100. 
l*a(^(ima  100. 
tai   100. 
taiwia-  1(X). 
rarima-  98.  99. 
iasama-  98. 
narama-  98. 
pacchima-  98. 
pacchiUa-  98. 
pa^cama-  98. 
patifhama-  100. 
paihamo  96. 
padhama-  98. 
paÄtVa-  97.  98. 
puruüvo  114. 
pt/Zuro  114. 
pMe?t>o  114. 
majf/^nui-  98. 
\najjhima-  98.  99. 
majjhimilla  98. 
najjhilla'  98. 


nfitilrAo  335. 
sattama-  98. 

PalL 

aggima-  99. 
antima-  99. 
ä(fima-  98.  99. 
uparimO'  99. 
pacchima  99. 
pathama-  98. 
pathamo  96. 
pärima-  99. 
pubbapakkho  114. 
/)m6^  114. 
purima-  99. 

Awestisch. 

atftYi  89. 
ay^n  192. 
upama  107. 
uS'VardZ'  333. 
gaoSa-  156. 
AaOic  190. 
^tw-  173. 
XP«w-  170. 
xSnuta-  147. 
T*wfl-  173. 
T««  173. 
(f«er-  104. 
(»aerw-  102. 
tV^  102. 
JaUiiS  185. 
/ci«»-  174. 
/((jin#.  174. 
y<ji«i^  185. 
daibifija  112. 
rfrttx«  335. 

ptwirt/a-  107.   108.  109. 
7>fl  otrjfö.'tkae^a-'  112. 
;>aoMriiya-107.  108. 110. 

111. 
paourva-  110.  111. 
jwiwrtYi-  114.  115. 
pantqm  185. 
paiifd  185. 
p9rd1uä  76. 
/»^u^  76. 


INixbö  99. 
imOrJ  104. 
fratara-  115. 
fraiardhe  96. 
ftxUarom  96. 
/f-a<9ma-96.97.106.l07. 
frd-var9z  333. 
iiaA*i;#  102. 
nava-öü  102. 
ndmyän  111. 
maoirii  167. 
mab^mo-  107. 
mar^a-  189. 
marHan-  189. 
tnüzga-  357. 
mraoiti  154.  167. 
ya^  166. 
varahä  167. 
r<if9^a  335. 
raraar  aS3. 
rarara-  334. 
V9t'9zya  334. 
raorf-  137. 
»»(f  145. 
ftimÖiQra  185. 
apasyeiti  168. 
«ya-  145. 
zairifa-  93. 
zaw  174. 
zämätar  81. 

Altpersisch. 

aira-  89. 
(^aii/)i^  102. 
Ä-a^(fi>  102. 
diQ'-afamah  102. 
<«irf«y-  102.  103. 
jyf*rufa-  llfV 
P»R»*UriIY**  112. 
paniviga  109. 
jj^e^'a*  104. 
fratama-  100. 
fratamä  96. 

Mittelpersiseh. 

A-flw  102. 
fratarak  116. 


Wortregister. 

Pehlevi. 

Kurdisch. 

«am»-^  185. 

^vakom  101. 

daift  103. 

«apn  160. 

uasdisi  102. 

^lÄ  103. 

sapnum  160. 

M  102.  103. 

täit  103. 

wr  24-^. 

ta^om  101.   104. 

^irf^  103. 

8urb  135. 

Bfä  103. 

p-»>  350. 

eis  103. 

Pamir-Dialekte. 

/c/ro/  172. 

pahrom  100. 

pursam  101.  106. 

tv^njf-ean  172. 

^po^om  100.  106. 

p'ati'am  100. 

pir  113. 
/>?^  102. 
fratom  96. 

Turfan. 

Phrygisch. 

prcLzdfiy  105. 

ßovoK  183. 

fratam-Tn  96. 
naxiist  102. 

/?i<^  105. 
rWi>Mii  105. 

bdoc  3J)6. 
baFoc  397. 

tiaxvin  102. 

zdfhj  105. 

nox  102. 

Armenisch. 

Albanesisch 

dje  113. 

Neupersisch. 

fliV  190. 

dah  92. 

avraltn  102. 

aran  186.  189.  190. 

^omrfr  199. 

<?^äÄ  103. 

arcp  157. 

^«»li  354. 

<!T;?  102. 

geij  172. 

koh9  354. 

cfüef  135. 

?i  198. 

;;art:;V^  113. 

dugumfn  102. 

eS  202. 

pardie  113. 

Äa«  102. 

Wfl-Av*  198.  202. 

i7>/)  157. 

fiMarw«/  102. 

iäan  198.  200.  202. 

ricÄ^f  81. 

jKir^  118.  115. 

iäanam  198. 

vjet  113. 

pWar  105. 

i^M^-  198. 

rra/)  lai.   170. 

iwr  113 

cm  174. 

pirär  113. 

-ci  355. 

Griechisch. 

i>«.9  104. 

A;aMai  182. 

ÄTdccaceai  284. 

yakum  101. 

katiai-8  179. 

ÄTdcceceai  289. 

rwrrf  58. 

hanai'R  179. 

dTdpuj  347  356. 

^•«#Min-  186.  189. 

dTcXaioc  176.  178. 

Jüdiseh-Persisch. 

Ä-?«  198. 

dTi^  148. 

per  112. 

itm  171.  173. 

ÄTKiCTpov  78. 

i>#H^  112. 

kes-eS  198. 

dTKÖXoc  77. 

A:wei  202. 

ärXaiciceai  289. 

Pazend. 

knav  182. 

&Tvum  148. 

fradum  96. 

Arno/  171. 

ÄTopaioc  176. 

Ättr  58. 

ÄTOCTÖc  92. 

Afghaniseh. 

hauran  198. 

d-rOvaig  181. 

rrumöai  101. 

i-Ma»  350. 

&TW  347.  355. 

jian-  186. 

db€X<p6c  163. 

Balntschi. 

i»a»  198. 

"Aibnc  245. 

diW  135. 

marrfj^  180. 

d^ioi  83. 

l>w  105. 

me/f  342. 

atboioc  176. 

p^m-  102. 

iwar  102. 

d€l  187. 

zinoT  146. 

Jukn  65. 

at^v  187. 

417 


418 


Wortregister. 


aiic  187. 
all  187. 
aUioi  83. 
aliröXoc  17Ö. 
atdiv  187. 

dKQxf^ceai  273.  276. 
dKÖvn  350. 
dKoOu)  271. 
dKujKi^  349. 
dXdXnceai  272.  276. 
dXaXK€iv  158. 
dX€KTpudjv  400. 
dX^KTUjp  400. 
dXiM)  166. 
dX(v€iv  143. 
dXhpuToc  134. 
dXK/|  158. 
dXXoioc  176. 
dXXoMQi  163. 
dXepöc  93. 
djLiaXbuvu)  159. 
ä^ikXM)  159. 
djLi^pTU)  159. 
d|LiopYÖc  159. 
&|i<pnv  347.  350. 
dvd  363. 
dva<pf\vai  279. 
"Avbpiwv  189.  190. 
&v€|ioc  349. 
dvi^p  189. 
dv(a  199. 
dvvic  191. 
dvÖTiaiov  176. 
'Avrpüüv  187. 
dopvoc  247.  248.  249. 
doprri  248. 
dTToH  89. 
dTToboOvai  282. 
dTro8vilcK€i  326. 
dTToX^cBai  278.  282. 
d7TO7Ta0c£c8ai  279. 
dirocicXf^vai  165. 
'ApaiBup^n  184. 
dpaiöc  184. 
dpapfcKU)  325. 
dpTf^Ta  176. 
dpTÖc  166. 
&pba  166. 


dp^cOai  278. 

dpK^u)  158. 

ftpKTOC  360. 

dpvufüiai  166. 

dpiraS  401. 

dpp^vTcpov  178. 

drra  92. 

aOb/|  155. 

dcpixOai  272.  276. 

ßaivu)  347. 

ßoUiru)  151. 

ßavdl  171.  173.  174.  177. 

183. 
ßavf^KQC  171. 
ßeßdficv  272.  273.  276. 
ßeßiacMai  329. 
ߣß(u)Ke  329. 
ßiv^u)  362. 
ßXdE  159. 
ßX^Tuec  162. 
ßXiiLidru)  159. 
ßXu))üi6c  162. 
ßodu)  153. 
ßoi^  153.  154. 
ßöpfüiaS  167. 
ßopöc  163. 

ßp^cpoc  163.  347.  353. 
ßp^XWi  167. 
ßOrnv  148. 
ßuCuj  154. 
ßÖKTTlC   154. 

ßüv^u)  147.  148. 
ßuuj  147. 
TdTTPOiiTa  398. 
TdXa  59.  92. 
TQMßpöc  81.  82.  83.  355. 
Td^ioc  355. 
TapTap€djv  357. 
TdcTpiwv  189. 
yauXöc  74. 
T^TnOa  324. 
T^Tova  326. 
T€TU)v^|Li€v  273.  276. 
T^Xoioc  176. 
T^pa  185. 
T€paiöc  184. 
fepaiCTÖc  183.  184. 
T€pa(-Tepoc  183.  184. 


TcOcacOot  279. 
Tn6V|C€iv  289. 
ffWiai  278. 
Tnpai<^c  183. 
TiTvoiiai  174. 
Tivvoc  197. 
Tiwoc  197. 
Tivoc  197. 
TXdtoc  92. 
TXd2:iü  149.  150.  162. 
TXaivoi  185. 
TXivn  143. 
TXoutöc  162. 
TXukOc  92. 
Tvicpiuv  144.  146. 
Todu)  153. 
TOTT^reiv  336. 
Tovf^cc  93. 
Töoc  153. 
Tpd  398. 
fpato  183.  184. 
rpaiK€C  183. 
fpaiKi^  183. 

fpaiKoi  las. 

Tpa(v€iv  398. 
TpdcOi  398. 
TpdcciüKrra  398. 
Tpntc  184. 
TPnOc  184. 
TPnOc  184. 
Tpivoc  143.    - 
TpövOoc  136. 
Tpö  153. 
Tpölu)  154. 
YpüXiZlu)  153. 
TpÜTTÖc  136.  162. 
TpöTTÖu)  162. 
Tu^vf^Ta  176. 
TOvai  174. 
TvvaiK-  183. 
TuvaiKo^av/|C  175. 
Tuvai|üiavf|c  175. 
fOvaiov  176. 
tOvqioc  175.  176. 
Tuvi^  171.  173.  174.  i: 

178. 
Tuvq  174. 
Tvv^c  174. 


Wortregister. 


419 


Töwic  191. 
haic  13Ö.  401. 
hairx]  135.  401. 
baiTuc  401. 
ba^f^vai  281. 
bdcacOai  279. 
bdiTTUJ  135. 
boT^ofiai  135. 
bcbdaceai  273. 
bcbibdxeai  273. 
b€iblM€v  273.  276. 
b€Tirvov  135. 
b€(c€ceai  289. 
b^eap  162. 
b^cpaS  163. 
bcXcpuc  163.  353. 
b€vb(Uiu  160. 
b^puj  160.  353. 
b€UT€paioc  176. 
bnvaiöc  184. 

biaKpiböv  145. 

biaxplvacOai  279. 

biaKpiv^ccOai  279. 

biaKpiv6/||i€vai  280. 

bibdxOai  276. 

bibOjciu  288. 

biKaCrara  178. 

bioc  178. 

boXcpöc  163. 

böpE  401. 

bpo^aioc  176. 

bpdiriüv  170. 

bOva^ai  408. 

bucirdXaiCToc  184. 

buipov  92. 

bOjc  401. 

^rxeXuc  65.  66.  67.  68. 

^rpa€  398. 

^pnTÖpOai  272.  276. 

tfxpaijiii  147. 

^lü  342.  349. 

ibavöv  166. 

€(b/|C€iv  288. 

cixaioc  178. 

€lKU)   169. 

€lX/|Xouea  329. 

€(X(0V€C  83. 

€Wv\ia  158. 
clXOui  158. 


€lm  269. 
€lvai  271.  272. 
ctvdnip  83. 
ctpTiKa  329. 
clpuj  170. 
€lc  89.  344. 
^icT€TdM€v  273.  276. 
^KTf^cBai  273.  276. 
^KXcXae^ceai  280. 
«KTOC  106. 
^Kupöc  361.  362. 
^Küjv  347.  355. 
€Xa|ii  157. 
i\dM3  157. 
4X^c6ai  282. 
^6^M€v  278. 
aircceai  278. 
€XüTai  157. 
IXuTpov  158. 
^fitroXaioc  176. 
^vl  363. 
^vcOvaiov  178. 
«H€iv  287. 
«uj  286.  287. 
^TraTXai€k9ai  289. 
^TTlßbai  348. 
^TTiöi^o^ai  288. 
^irnroTpöcpiov  178. 
^TtmoXatoc  176.  178. 
iTfp\d\iY\v  347.  352. 
^pavvöc  158. 
^pacTÖc  158. 
«PTov  334. 

^pclTTUJ   146. 

dp^iTToiiai  157. 
ipiccu)  157. 
^p€T)i6c  74. 
lpY\^oc  176. 
^pTTfjTa  176. 

«PTTUJ   163. 

dpc€va(T€poc  178. 
lpcY\  94. 
SpucOai  158. 
€px€ceai  270. 
Ipxuc  158. 
icQ?\Ta  176. 
dcÖHfoiiai  288. 
€cc€Tai  286. 


€cTai  286. 
^CTd^cv  272. 
icrdyax  276. 
^cxapöOev  172. 
^TCpoioc  176. 
«Toi^oc  176. 
€Övic  345. 
d(p€CTd^€v  276. 
^(p€CTd|Li€vai  273. 
^cpi^lßmov  176. 
ixr\Ta  176. 
Ud  58. 
Z;€(rrvüMi  359. 
CcOtoc  344. 
Z€Öc  347. 
«cpupoc  362. 
lY\\i{a  359. 
lr\TiM3  166. 
fjYoivov  201. 
f^bo^ai  405. 
fl^pioc  178. 
f^lovoc  199.  202. 
f|V0Mi  170. 
fivibx^nca  329. 
f|ir€ipoc  76. 
fipuTov  154. 
f\ceai  272.  273.  276. 
f^cenv  405. 
ficuxatoc  176.  178. 
f]Cuxa(T€poc  178. 
flibc  190. 
6d£ai  397. 
e^vap  92. 
e^pani  401. 
e^poc  353. 

enßüiiT€vf|c  175. 

ef|T€iv  397. 
OfjXuc  Gß, 
-en^a  187. 
QY\>i\bv  187. 

ef|c  401. 
ecc  78. 

OoivöcOai  897.  398. 
Oolvn  398. 
6oX6ui  160. 
Ooöc  396. 
eoOpoc  160. 
Op^o^ai  154. 


420 


Wortregister. 


epöoc  154. 
epOXoc  154. 
e6ui  154. 
eüjTai  397. 
ea)Eai  397. 

eüüc  i^m.  39a 

eujcOai  397 
eu)CTi*|pia  397. 
ediCTpiov  397. 
Ouixecic  397. 
eOjMi  401. 
(dUu)  158. 
lbM€v  276. 
tbM€v(ai)  273. 
tKKOC  202. 
tKui  270. 
Un  166. 
iXÖc  166. 
tußnpic  67.  68. 
ivdu)  197. 
tv^uj  197. 
tvvoc  197.  202. 
ilia  194. 
CHöc  194. 
löc  197. 

i:TriTOC  202.  347. 
IcaCrepoc  178. 
i'cTriMi  325. 
!<pioc  178. 
ixeOc  65. 
KaßX^ei  162. 
KoX^uj  150.  153.  161. 
KdXXaiov  176. 
KduaE  185. 
KapäboK^uj  181. 
Kdpn  181. 
Kdprjva  181. 
KapirdXinoc  170. 
KapTTÖc  161.  358. 
xdpTo  18-1'. 
KdpraXoc  319. 
KaraKeicOai  276. 
KaT€ipOceai  273.  276. 
KaxXdZu)  136.  163. 

K^TK€l  361. 
K€(puj  161. 

Kckeai  272.  273.  276. 
KCKdcGai  273.  276. 


KcicXf^ceai  273.  276. 
xacpumi^vov  elvai  273. 
KÖliiTa  176. 
KcUöv  160. 
K^uj  150. 
Kiko\ia\  150.  151. 
K^pa^oc  321.  322. 
K€pdvvu^i  321. 
K^pac  185. 
K^p^a  161. 
K^pva  319. 
K^pvai  319. 
K^pvov  318.  321. 
K^pvoc  318.  321.  322. 

K^pTO^OC   317. 

K€q)dXaiov  176. 
K€(paXaioc  176. 
K6xapric^^€v  289. 
K€xap/|C€Tai  289. 
K€xoXiüceai  273.274. 276. 

KfJTOC  69. 

Kivaiboc  185. 
Kicca  152. 
KXarri^  149. 
KXdboc  161. 
KXdlw  149. 
KXaiu)  153.  161. 
KXaOjia  153.  161. 
kX^ittu)  161. 
kXövoc  150. 
KXoiraioc  176. 
kXuuj  153. 
Kkihlw  161. 
KXdbeu)  160. 
KXdbccu)  149.  161. 
KXdbMi  401. 
Kvaiuj  li5.  146.  152. 

KVdTTTUJ    135. 

Kvi^ieuj  135. 
Kvi'iq)!!  135. 
KvibY]   145. 
Kvilw  135.  145. 
KviTTÖc  144.  146. 

KVllTÖC    144. 

Kvmöu)  144. 
Kviq)öc  144.  146. 
Kvöoc  152.153.155.156. 
KvOra  148. 


Kvuldui  152.  153.  ISL 
KvOIui  135.  148. 
icv6uil47.  148.152.151 

155.  156. 
KvO)  145. 
KÖXag  401. 
KÖXiroc  161. 
KÖirro^ai  140. 
Köpag  161. 
Köpuc  321. 
Kopuq>aioc  176. 

KOpdlVT)   161. 

Kopujvöc  160.  319. 
KoxiOvri  201.  357. 
xpdlui  149.  161. 
Kpaiirvöc  135. 
Kpdvov  321. 
Kpdvoc  321. 
Kporai-  184. 
Kporaiöc  184. 
KpäT/jp  322. 
Kparuc  135. 
Kpauirt  154. 
Kp^KU)  149. 
KP«  401. 
KplTn  152.  161. 
KpiTi^  152.  161. 
Kp{ruj  151.  152.  161. 

Kp{K€    152. 

Kp(vu)  145. 
KpTöc  185. 
Kpoaivuj  147. 
KpÖToXov  135. 
KpOT^lü   135. 
Kpouu)  147. 
KpucTaXXoTr/|E  401. 
Kpucpatoc  176.  178. 
Kpibru)  149.  161. 
Kua^oTpibE  401. 
K6ap  244. 
KübdZiiü  155. 
KUK6ÜJV  322. 

k6kXoc  173.  352. 
KuXXöc  160. 
KupTÖc  160.  244. 
KiüicOuj  153. 
XdTvoc  401. 
XoTuiöc  401. 


Wortregister. 


423 


i  397. 
:  324. 
€v  272.  273.  274. 

•uj  274. 

€  326.  329. 

i^voi  397. 

rai  397. 

c  102.  103.  104. 

/a  190. 

'  190.  360. 

qef^vai  284. 

f^cai  278. 

ai  M7.  352. 

147. 

oc  106. 

fjceai  273.  275. 

ceai  273. 
€v  273.  276. 
ai  273.  276. 

325. 
360. 

191. 
XI  279. 
II  279. 

.^pvnc  102.  104. 
191. 

93. 

170. 
V  190. 
c  152. 
152. 
)C  176. 

109. 
.ov  176. 
ioc  176. 
oc  176. 

134. 
jj  134. 
147.  148. 
n  149. 
»  149. 
401. 

134. 
1  134. 

187. 


ÖTpöc  167. 

<)bi\u  154. 

öbuip  167. 

0(pa(vu}  134. 

q)aT^baiva  398. 

(p€UTUJ  313. 

(p€uH€ceai  288. 

(p9^YT0Mai  150. 

cpelvuj  140.  142. 

(peicBai  281. 

cpeiTöc  142. 

cpetuj  142. 

q)9oYT<^c  150. 

OiXXioc  191. 

q)iXo)i)Li€ibr{c  168. 

cpX^TUi  160. 

cpX^u)  151.  152.  160. 

q)XT]v^u)  151. 

9Xibduj  133. 

(pX(uj  152. 

9XÖS  401. 

9Xuäpoc  153. 

9Xubduj  133. 

(pXOoc  152. 

(pXuuj  152. 153. 156. 160. 

90ß^uj  312. 

cppdrcceai  268. 

9piH  401. 

9puTU)  154. 

(pu^abcioj  185. 

(puuj  325.  347.  352. 

(pd)Kr|  77. 

q)iJjp  401. 

Xaipr{c€iv  288. 

XaXKÖc  59. 

xapdbpa  163. 

XapoTTÖc  400. 

X€i|na  187. 

Xeijuidjv  187. 

X€pvf|Ta  176. 

X^ui  156. 

XnXrl  16.3. 

XnpaiLiöc  163. 

xeOjv  189. 

XipaX^oc  163. 

xTpdc  163. 

XvaO|Lia  147. 

Xvaupöc  147.  154. 


Xvaöui  147.  152.  154. 

Xopöc  86. 

XpaOuj  147.  148.  153. 

Xp  Mi^uj  163- 
XpT^a  143. 
XpiMirro)  146. 
Xpiu)  143.  146. 
Xpö^oc  163. 
XU>poc  163. 
H^aipu)  160. 
x^aiw  142. 
\|;aXdccu)  160. 
HidXXuj  160. 
i^iaOu)  147. 
y^ifw  149. 
\|;f|T|Lia  149. 
M;f|v  142. 
\\ir\p6c  160. 
\\ixdl\X}  142. 
\|;iXf|Ta  176. 
M;TXöc  160. 
i^tvo^ai  142. 
\|jicic  142. 
\|;iu)  142. 
\|jujpöc  160. 

i^üjX^  l*^^- 
d)Kuc  347. 
ibpOofiai  153. 

Neugriechisch. 

To^dpi  199. 
Kob^ciToiva  201. 

Makedonisch. 

Xdpvjjv  400. 

Lateinisch. 

aenua  200. 
Äesernia  248. 
aevom  187.  347. 
agitö  355. 
albus  93. 

after  alterum  114. 
ambo  344. 

anguiUa  65.  66.  67. 
anguis  66.  68. 
antfquua  355. 
appellärg  151. 


422 


Wortregister. 


ireitoXdcOai  273. 
iT€irvOceai  273.  276. 
ir€iTuceai  273.  276. 
ir€pi(b^€vai  276. 
ircpivaiov  176. 
ir^pKr)  70. 

ITCpKVÖC   70. 

it€Tdvvum  347.  3i9. 
it€UKr|  58. 

iT€(pdceai  272.  274.  276. 
ir€(pUTM^vov  T€v^c9ai 

276. 
ir€(puY|i^vov  elvai  276. 
ir€(puXorrii^voc  €lvai  273. 

275. 
Trrmav9f^vai  278. 
iribaS  IS-i. 
iribuiü  134. 
itX/|Tvu|uii  150.  336. 
itX/|CCU)  336. 
itXuvu)  153.  155. 
itXujc  401. 

TTV^lü    155. 

iTÖBi  172. 
iToiiirjv  361. 
TTOXlÖC   193. 
iTop9upaioc  176. 
TrpdToc  106. 
irp^cßa  67. 
irpoßXi^c  401. 
irpoidn^ai  283. 

TTpÖ|UlOC   106. 

iTpoTepmoc  176. 
irpörepoc  96.  115.  352. 
iTpoT€Tux0ai  273.  276. 
irpdjH  159. 
iTpuiToc  106.  347. 

TTTlCCtü    58. 
TTTlJbS  401. 

iTüY^ioc  178. 
iruXaijuidxoc  175. 
TTuXai^^vr^c  175. 
iTuXaioc  178. 
TTuXoiT€vi'|C  175. 
ituXOjv  187. 
irOp  58. 
1TÜIVU)  314. 
iTiüu  361. 


{»dba^ivoc  134. 
tiabavlliii  134. 168. 
{>dbiS  134. 
tiiitxu  134.  170. 
tiiM)  164. 

Mtvu^i  148.  325. 
i)fjToc  334. 
()iröe€v  172. 
()ivr)  145. 
ti\ivf\  134. 
tiiTtoc  134. 
tiiwTw  134. 
j>obav(Iiü  170. 
{)oin^  170. 
j>o(p^u)  163. 
{)uiToc  137.  164. 
()öt/|p  158. 
tiVTÖc  137. 
tixu-fif]  148. 
j>d)S  334.  401. 
capKoßpd)c  401. 
caujc^incv  278. 
cicr\'na  326. 
cibiipoßpüic  401. 
dlM)  152. 
IiKud)v  187. 
'  ciHic  152. 
1  ciuJTTäv  268. 
j  CKoiöc  144. 
,  cxdXXtü  150.  165. 
;  CKOMßöc  138. 

!  CK€X€(ppÖC   165. 
i  CK€Trduj  138. 
I  CKiTir\  138. 
I  CKibapoc  145. 

CKibva^ai  145. 

CKi(^)'Fmjj  144. 

CKVilTÖC   144. 

CKi9r|  144. 
CK19ÖC  144. 
CKXrjcppöc  165. 
ckv(tttu)  144. 
CKvi^v  401. 
CKomöc  146. 
CKopnilKU  165. 
CKÖTOC   138. 
CKubfiaivuj  155. 
CKuZ!o)iai  155. 


I  ocOXiov  69. 
170.    ckOXov  165. 
oojXöu)  165. 
ckOtoc  138. 
c^ap{c  70. 
c^idui  164. 
c\ii]\Y\  164. 
cyJ]\w  164. 
CMfJv  146. 
ciroXCc  164. 
cin*|Xaiov  176. 
ciTiXoc  165. 
ciTOubaioc  178. 
CTabiaioc  176. 
CTdbioc  137. 
crae^öc  138. 
CTaupöc  165. 
crifxx)  347. 
CT€p€ÖC   165. 
CT€p^U)   165. 
CT^picpoc  138. 
CT^pq)viov  138. 
CTT^Xn  165. 
CTTipii^oj  165. 
cx{\r\  165. 
crpcßXöc  138. 
CTplrH  152. 
CTpicpvöc  138. 
CTpößoc  138. 
cTpÖMßoc  138. 
CTpoq)aioc  176. 
CTpü(pvöc  138. 
ctOXoc  165. 
CTUTTOC   138. 
CTUUJ  148. 
ccpdZIu)  149. 
C(papaT^u)  150. 
cxdu)  145. 
cxi^ceiv  287. 
cxi^ctü  286.  287. 
cxtbn  145. 
cxiCuj  145. 
cxoXaioc  176. 
cxoXaiTcpoc  178. 
TaXmn^vTic  185. 
ToXaliTUjpoc  185. 
ToXaicppiuv  185. 
Tavaöc  244. 


-T^eoHai  397. 
T^eriXa  324. 
-rcevdMcv  272.  273.  274. 

276. 
TeövdTUj  274. 
-r^evnK€  326.  329. 
TeOiUfiJLivox  397. 
x^eujKTai  397. 
T€«cirnc  102.  103.  104. 
T^KTaiva  190. 
T^KTu>v  Idi).  360. 
-r€X€UTn**?lvai  284. 
TcXturficai  278. 
T^pco^jiai  347.  352. 
T^puc  147. 

T^TOpTOC   106. 

T€T€uxf1ceai  273.  275. 

27(5. 
T€Tl^f|ceal  273. 
T£TXdMev  273.  276. 
TCTuxBai  273.  276. 
T6UXUI  325. 
T^Xvn  360. 

Tiei^vn  191. 

xicaceai  279. 
Ticecem  279. 
Ticcacp^pvTic  102.  104. 
Tixen  191. 
Tö  342. 

TOK^CC   93. 

Tp^iruj  170. 
xpi^piuv  190. 
TpiTM<^c  152. 
Tpilw  152. 
TpiTaioc  176. 
xpiToc  109. 
Tpöiraiov  176. 
Tpoiraioc  176. 
Tpoxaioc  176. 
TpOira  134. 
TpuTidu)  134. 
xpöui  147.  148. 
Tpiii^Xn  149. 
Tpibyw  149. 
TpOiE  401. 
tOtttu)  134. 
TurdvTi  134. 
Tü(piiiv  187. 


Wortregister. 

ÖTpöc  167. 
Obdu)  154. 
öbuip  167. 
0(pa(vuj  134. 
q)aT^baiva  398. 
(peiTfui  313. 
cpeOSeceai  288. 

cpetvuj  140.  142. 

9e(ceai  281. 

(peiTöc  142. 

cpetu)  142. 

(pGoYT^ic  150. 

OiUioc  191. 

(piXo)i^€ibr{c  168. 

cpX^TW)  160. 

9X^uj  151.  152.  160. 

q)Xr)v^u)  151. 

(pXibduj  133. 

(pX(uj  152. 

(pXöS  401. 

(pXudpoc  153. 

(pXubduj  133. 

(pXuoc  152. 

9X6UJ  152. 153. 156. 160. 

(poß^uj  312. 

9pdZ€ceai  268. 

cppiH  401. 

q)puTUJ  154. 

(puTabeiuj  185. 

(puuj  325.  347.  352. 

(pd)Kr|  77. 

(pdjp  401. 

Xaipricew  288. 

XoXköc  59. 

Xapdbpa  163. 

XapOTTÖc  400. 

XeT^a  187. 

X€i.ua)v  187. 

X€pvf|Ta  176. 

X^uj  156. 

XnXrl  163. 

XnpoiM^ic  163. 

xedbv  189. 

XipaX^oc  163. 

xTpdc  163. 

XvaO^a  147. 

Xvaupöc  147.  154. 


423 


Xvaöui  147.  152.  154. 

xopöc  86. 

Xpaöu)  147.  148.  153. 

xpe^Jlt^:uJ  iö3. 

XpiMa  143. 
Xp(|iimü  146. 
Xpiuj  143.  146. 
Xp6|uioc  163. 
Xuipoc  163. 
ifiaipuj  160. 
\\iaiKU  142. 
ipaXdccuj  160. 
MidXXu)  160. 
\|;auuj  147. 
y^i-iw  149. 
Hir^TMCi  149. 
\|;fjv  142. 
Minpöc  160. 
\|;id2Iu)  142. 
H^iXf^Ta  176. 
ipiXöc  160. 
ipivo^ai  142. 
i^icic  142. 
\|;(u)  142. 
\^{i)p6c  160. 
i|iü>X^  l'^9. 
ibKOc  347. 
ibpöo|Liai  153. 

Neugriechisch. 

To^dpi  199. 
Kob^ciTOiva  201. 

Makedonisch. 

xdpuiv  400. 

Lateinisch. 

aenu8  200. 
Aeaernia  248. 
aevom  187.  347. 
agitö  355. 
albus  93. 

after  alterum  114. 
ambo  344. 

anguilla  65.  66.  67. 
anguis  m.  68. 
antfquu8  355. 
appelläre  151. 


4U 


Wortregister. 


armus  166. 

artus  166. 

Arvemus  247.  248.  249. 

arx  158. 

asellM  200. 

Minw«  198.  200. 

Aternus  248. 

aurOra  190. 

Avemus  249. 

ortfWa  248. 

aviaticua  84. 

aro«  84. 

atmncWti«  81. 

halatro  151. 

to/^6  151. 

bastenia  247. 

^'^  134. 

ca/äre  153.  161. 

ca/o  150. 

cäfiM«  200. 

capto  317. 

carinäre  317. 

car/Ki  71. 

carpo  135.  161. 

catena  246. 

cavema  244. 

caurus  77. 

cenaticus  84. 

cefUum  361. 

c#p»  317. 

cfÄrwm  103. 

cisterna  246. 

citäre  151. 

clämäre  161. 

c/«mo  152. 

c/an^o  149.  161. 

clangor  149. 

c/e/)o  161. 

clinäre  144. 

c/m^o  160. 

cltviis  144. 

compelläre  151. 

confüto  147. 

congruo  147.  162. 

cornix  161. 

corwM  347. 

cor-rugus  157. 

corvus  153.  154. 


crS/Ä  160. 

c»*€(po  135.  161. 

crfÄmm  103. 

cri;&i4m  103. 

CTMrpO  135. 

cr^ycto  149.  161. 

CMcfo  148.  155. 

curmi«  160.  244.  319. 

(ieip»  135. 

(2€cem  99. 

decimus  99. 

delibare  146. 

descTaco  145. 

(^mtco  167. 

Dxspoier  245. 

dulcis  92. 

«a  362. 

ecfo  362. 

eo  166. 

egwo«  202.  362.  358. 

Fabemus  248. 

/ar  347. 

/o/eor  243. 

/erreo  156.  160. 

/SmMin  143. 

/SmtM  143. 

/fwrfo  145. 

/«d^ro  160. 

foeteo  143. 

fornus  318. 

fragor  150. 

/Vaw^o  149.  150. 

fricäre  168. 

frFco  152. 

fri^ro  152.  154. 

fr  10  152. 

fuger e  47. 

/•M/5r<?o  160. 

/"wimi«  329. 

fustertia  247. 

fi«r/i>  247. 

^a//M«  150.  162. 

gemini  344. 

^ew^r  81. 

gignö  174.  347. 

5f/a^»er  136.  163. 

gleba  136. 

^/i«co  151. 


globo  161. 
^Mi»  136.  161. 
ffhmero  161. 
glomus  161. 
graeulus  149. 
^rtio  153.  154.  162. 
^m«  153.  154. 
^uto  162. 
hdvos  67.  98. 
Ae/to  197. 
hinnus  197. 
Aomo  189. 
hordeum  58. 
Attinii«  189. 
tm»^or  166. 
infemus  249. 
ingruo  147. 
fii«ui^  163. 
internus  249. 
interirigo  152. 
Joceo  166. 
jocio  166. 
jw^o  154. 
Jünius  190. 
Jtiiio  190. 
juvenis  347.  352. 
/(w  59.  92. 
lacema  247. 
/oüiM  76. 
/oaio  194. 
/aero«  144. 
/ämen^Mm  152.  157. 
lantema  247. 
lascivus  158. 
7flrf«*ra  243. 
/a^eo  137.  243. 
läträre  152.  157.  350 
lavema  242.  246.  2d( 
Lavemae  247.  248. 
/uo  300.  399. 
Libitina  247. 
ftinii*  170. 
/tno  143. 
Umus  143. 
/iwo  72. 
livor  72. 
loquor  158. 
Irua  243. 


Wortregister. 

m  2i2, 

patruus  81. 

scrtpulum  165. 

»  157. 

INifffo  147. 

«crö/H«  139. 

t  157. 

peUere  151. 

«crüto  139. 

»47. 

l>e//o  159. 

setäpo  139.  165. 

0  167. 

perca  70. 

«CM^tim  138. 

s  75.  166. 

perfines  145. 

s^ere  347. 

re  167. 

l)tf/o  335. 

«elfte/  89. 

eo  159. 

pincema  247. 

senex  182.  347. 

idus  159. 

/>Mci8  65. 

eejMei'e  47. 

167. 

yan^o  150.  336. 

serpo  163. 

166. 

|);aiM;o  148. 

ei&»/o  153. 

a  166. 

pluU  94. 

«/o  189. 

>  166. 

polten  67. 

Simplex  89. 

0  167. 

/»r/iM  76. 

«in^M«  89. 

166. 

Prifemum  248. 

socer  81. 

?  166. 

primus  96. 

«ocrw«  81.  361. 

166. 

pnor  96.  114. 

8ono  154.  170. 

200. 

Prir«mi«m  248. 

«or*eo  164. 

0  143. 

^Ma/io  135. 

spargo  149.  164. 

rw  322. 

queror  156. 

«li/em/eo  164. 

8  159. 

quinque  99. 

squalus  69. 

159.  166. 

quinttis  99. 

«toW/w  138. 

ra  13. 

rä;a  72. 

stabulum  138. 

159. 

ra|>io  157. 

«töre  347. 

eo  159. 

restauräre  165. 

e/o/tfo  137. 

?  166. 

r«a:  60. 

Status  137. 

0  166. 

r»/>a  146. 

8<t7ti«  165. 

0  154.  167. 

ri^M«  158. 

e^ina  165. 

ire  159. 

rlpt«  158. 

stlts  165. 

Fre  159. 

rttdo  154.  155. 

«<rfx  152. 

eo  159. 

ruga  157.  335. 

suf-ftmen  142. 

.  78. 

rM^io  154. 

«ttr-/lo  142.  143. 

ftfrwa  247. 

t-ümor  153. 

Supern  US  249. 

la  247. 

rwfn/>o  157. 

/ä^re  140. 

a  95. 

runcäre  157. 

toöema  246. 

190. 

rutilus  157. 

täbis  142. 

142. 

«ac^ha  246. 

ton^o  150. 

m. 

«aerM«  61.  245. 

teehna  200. 

rus  165. 

aagmarius  199. 

/e<70  347. 

s  347.  350. 

Salemum  248. 

^eM^M^  134. 

89. 

«a/io  86.  163. 

tergo  149. 

362. 

«a/^o  86. 

/erftf«  109. 

199. 

«a/riM  358. 

Tifernum  248. 

8  245. 

aanterna  247. 

Tifernus  248. 

7. 

«cotfPM«  144. 

trepidus  170. 

«  254. 

«ca//)o  139.  165. 

/re/)»^  170. 

iu8  67.  93. 

scindo  145. 

^ri/i«  134. 

i/M  93. 

«crt*o  138. 

<rit?»  152. 

425 


ido^rmanische  FonchuDgen  XXII. 


^ 


Wortregister. 


irüdo  134.  148. 
tu  a(2. 
tumeo  154. 
iumHltuM  154. 
tundo  13  (.  148. 
ünu8  im,  344. 
ürina  170. 
rori7/o  1(>9. 
radum  78. 
ni^io  li>7. 
mjwr  318. 

t€iHtUM  77. 

IVmm«  181. 

r#i*dMiM  170. 
riryiY  ;i34.  335. 
rffj/o  159. 
vermh  170. 
r«Tfo  134.  158. 
rf<«cor  1(U>. 
riyin/i  34t. 
rf/w  155). 
rlmi»H   U>8.  335. 
ri»ir<)  U>7. 
nnettticHit  84. 
nVyd  .-13 1-. 
nrMi»  11)7. 
riVriij»  15)i. 
vUäf'f  1(>7. 
ri/i>  KW. 
roro  l(?7. 
n)/ro  158. 
iH}rilt'r   KkI. 

Italisch. 

Oskisch. 

casnar  2<K). 
kersanah'tiif  177. 
pruter  115. 
/)ii/'  172. 

Umbrisch. 

aAf«nf«  200. 
^ir  58. 
promom  106. 


Fransösiscli. 

o^fi«  199. 
carpe  71. 
cn'er  151. 
prendre  46. 
rtndre  46. 

Italieniscli. 

ai^/o  201. 
carpiane  71. 
«omaro  199. 

Keltiscli. 

.4&a//(;  187. 
^nnaiti«  177. 
Bacfnis  295. 
Bedaius  177. 
rw/nrö  187. 
e»öx  (59. 
mVer  81. 
rix  m. 
Vadnaius.  177. 

Galliscli. 

Arrerni  248. 
Uibtrnia  248. 
ri/M  76. 
Tigentum  248. 

Irisch. 

rtÄArt/  187. 

«r/  3(>0. 

(!,<«(?  n  1J)J>. 

aue  SL 

Afir/  3W. 

6<iw  «-  182. 

^w   171.  174.   172. 

W.iiVA   159. 

bomjaim  149. 

briiim   147. 

Cd  irr  316. 

ffflMW   3-t-t. 

rrrw  :U7.  318.  321. 

cermne  320. 

foiVr  318.  319. 

ctdarän  187. 

rfrac  344. 

drofÄ  335. 


182. 


323. 


dün  78. 
en-ech  349. 
eseung  68. 
mtm  335. 
/bir^«?  333. 
feraim  170. 
ferenn  158. 
/SamA  335. 
/iar  159.  169. 
/fcA«  361. 
/"rai^  334. 
ff^ige  334. 
//•OM  94. 
giim  336. 
^e/fift  162. 
^cH  92. 
ges9im  336. 
5ri7  162. 
glenim  143. 
^ro  147. 
fa«c  65. 
ibim  134. 
im^  192. 
im-lesad  336. 
tm/iMic;  148. 
imluadi  148. 
feasaim  336. 
/?w«  247. 
lessaim  336. 
/Tim  157.  168.  350. 
/ocÄ  76. 
lücharn  246. 
maide  Ib. 
me  312. 
mr/^jr  59.  92. 
me//  159. 
meUaim  159. 
m/AiVA  159. 
m/m  172.  182. 
moirb  167. 
ochtach  58. 
orn  89. 
orA-  70. 
rfa;«  158. 
ross  335. 
rucA/  333. 
t^th  335. 
an  70. 


Wortregister. 

scatan  70. 

^»VAte  160. 

slemain  143. 

beitan  145. 

tinaid  140.  142. 

bhauljan  164. 

hismeitan  146. 

Bretonisch. 

biswairhan  170. 

kern  319.  322.  323. 

^:^?  265. 

biwesjau  308.  309. 

Kymrisch. 

WiV^nra»  147.  168. 

cae  356. 

^Ä;a  294. 

carn  316.  317. 

6raA  167. 

cern  322.  323. 

*raA/a  128. 

eil  323. 

6n'Aran  149. 

cilddant  323. 

broprdhans  180. 

^ry-Z-raw  154.  167. 

rfrtii/«  135. 

cy-warcÄ  334. 

cfiV/imtt/Kin  136. 

en-ep  350. 

diS'Skreitan  138.  145. 

^iryir  244. 

1(k5. 

//lö»/  158. 

c^M^NniiMn  wisan  807. 

Uugom  246. 

faiflökun  336. 

»fwii7  146. 

/aiÄii  298. 

mertc  159. 

/aran  159. 

l)a»r  318. 

/?«Ä:*  65. 

i)öir-*  355. 

flauijan  155. 

peir  318. 

/l««/«  155. 

preitn  315. 

/fckf««  61. 

ysgadan  70. 

flOkan  140.  150. 

fön  58. 

Manx. 

frairaurkjan  333. 

slr^dan  70. 

ga-krutOn  148. 

gamalwjan  147.  159. 

Gotisch. 

garaztia  187. 

fl*»-«  186. 

garazhö  187. 

aflinnan  143. 

gatairan  160. 

oÄawa  291.  292.  293. 

gawidan  134. 

ai>w  89. 

gawizneigs  im  308. 

atVtt«  158. 

graban  137. 

ai^«»  291. 

gredags  16B. 

alhs  158. 

i)rr?rftt«  163. 

andawizna  308. 

^r?/an  118.  163. 

arJla  294. 

5rM//>  59.  62. 

<»to  166. 

^kmo  189. 

o^iVm«  199. 

Gundobaudus  130. 

atia  92. 

äaiVm^  160. 

atJAn«  318. 

Aan^a  291.  292.  293. 

aii/wi-e  186. 

Aar(/u«  299. 

aukan  167. 

AiVi^an  60. 

au*ö  360. 

A/flA/an  149.  161. 

aupja-  291. 

hleiduma  144. 

427 


A/»Mma  153. 
hraiica  185. 
hrugga  294. 
hrükjan  154. 
A'a/rÄa»  161.  170. 
Ivairnei  318.  319. 
haiwa  265. 
A?e  264. 
Avite  93. 
hötjan  135.  155. 
iVan  166. 
jaitw  128. 
>itt/tfM  298. 
j«Ä-  296. 
Aa///<7  163.  353. 
Ä;ati;-n  128. 
iiVy^e»  163. 
kindins  60. 
kiusan  299. 
A:/i>mö  162. 
-A'MMr/«  293. 
/a»aM  157. 
/amA  291. 
laufs  157. 
leißan  158. 
/f  u/a  299. 
/im/«  299. 
Zun  291. 
lüfOn  299. 
maga/M  181. 
nuiiVflrn  146.  166. 
malan  159. 
nianamaurprja  189. 
manassps  189. 
mannan  189.  190. 
manne  186. 
mar  ei  167. 
ma/«  166. 
niekeis  291. 
m€/rt  157.  159. 
m«Mr<  181. 
miA'fV«  167. 
m^MA*«  59.  92. 
mi/an  297. 
mö/«  167. 
mti/flfa  291.  292. 
tw^i  77. 
ti^A;  102. 


^%* 


428 


Wortregister. 


nepia  271.  292. 

nipjis  187. 

nipjö  187. 

paida  291.  292. 

qainön  151. 

g«#w  174.  185. 

qino  171.  173.  182.  186. 

187. 
qinOn  189. 
reisan  158. 
«aiir«  61. 
«Äroc^ti«  138. 
skauda-raip  291.  292. 
»Araun«  291. 
8hildu8  165. 
sibfira  iWik^m  77. 
sliupan  137. 
8mairpi'  164. 
smarna  164. 
8/a/«  137. 
9/aw/a/i  138.  148. 
rti7an  165. 
»Unna  170. 
suHfio  187. 
stcaihra  187. 
9wa(hrö  187. 
wa/Yiw  170. 
iwiltan  170. 
'diAun  99. 
'ira  268. 
&afVA:Ö  149. 
&awa  127. 
5e»  265. 

bitKians  60.  306. 
bliuhan  125. 
&o  263. 
mairkns  166. 
isßriutan  148. 
iswaürhts  333. 
cailawizits  308. 
paAran  167. 
oaldan  158. 
pa/MÄ  194. 
ra/ö  167.  169. 
vaurms  170. 
vaurt8  134. 
p?(7«  61. 
^eihan  167. 


widuwaima  249. 
widuwO  187. 
iTfikd  306. 
windan  184.  169. 
irinci»  77. 
iTMan  308. 
iw^n  134.  168. 
irisrön  166.  308. 
MTöei«  169. 
irro^ö»  158.  170. 
f^Hte  145. 
wruggö  335. 
tciUan  158. 

Westgotiscli. 

ChirUüa  126. 

Krimgotiseh. 

*ro«  131. 
*rw<fcr  123. 
criVan  118. 
^ro/te  126. 
Äo«/'  131. 
>«  128. 
Äor  128. 
rinck  126. 
«i7rir  123. 
8tatz  126. 

Bnrgundisoh. 

Burgunziones  126. 
Ä/»7?»«  125. 
Scanzia  126. 

Gepidisch. 

Ustrigothus  131. 

Heralisöh. 

Filimuth  128. 

Langobardisch. 

Baudus  123. 
Marivaäus  123. 

Althochdeutsch. 

oa/  71. 
a<7  11.  71. 
agana  293. 


oZan/  71. 
a/W«  77. 
o/ttfi/  68. 
aita  187. 
an^w^  77. 
«HO  187. 
archa  294. 
cMcAo  71. 
cwito  70. 
hasa  187. 
Baudegiselus  130. 
hMemman  161. 
M/(in  151. 
hersich  71. 
&etitt€fi  147. 
bi'Swfkhan  169. 
^anAr  160. 
ö/iMiran  147. 
Boconia  295. 
öotfMen  147. 
^MN^eft  148. 
6öran  148. 
6rä<o  159. 
Muwan  156.  160. 
BtiocAttnna  295. 
(forden  134. 
dea  254.  263. 
dm  254.  263. 
diorna  249. 
diozan  155. 
flftti  264. 
(^o«ön  156. 
dringan  160. 
einstrtti  138. 
e/o  157. 
eninchüf  84. 
ero  166. 
w^/  199. 
/o/o  67.  93. 
feld  296. 
fergriozan  137. 
/«<iro  81. 
/iMA/a  58. 
/Iwr  58. 
fliohan  125. 
fliozzan  94. 

/fMO^  61. 

fordaro  115. 


Wortregister. 

429 

70.  71. 

holz  161. 

kratto  136. 

187. 

houwan  147.  148. 

ÄrrairiV  147.  162. 

187. 

{h)reo  185. 

kreia  151. 

>9. 

hruoh  149. 

chresso  71. 

o. 

hungar  361. 

krimman  161. 

huntari  293. 

krimpfan  161. 

-hunteri  293. 

ib-i/>pa  136. 

50. 

/luon  61. 

ibrön  153.  154.  162. 

;3. 

Äß«  244. 

Jfcrönen  153.  154.  162. 

357. 

ÄM«0  70. 

krouwü  147.  162. 

150.  163. 

Äir^  265. 

A-roM/rön  147.  148.  162 

hweiön  152. 

krun^  136. 

136.  163. 

Ļr^  818. 

Arunt>t<7  60.  306. 

1. 

hwerban  170. 

lahha  294. 

S4. 

hwerfan  170. 

/aA«  69. 

166. 

hwispalön  135.  152. 

lanpreda  71. 

Atn'u  264. 

/eimo  143. 

5.  163. 

»/«•  158. 

leo  300. 

136. 

ftfl/  166. 

/eM'O  300. 

163. 

^-a//ön  150.  162. 

/»m  143. 

53. 

karpfo  71. 

^iw^i  299. 

163. 

Ä-c/a  162. 

maro  159. 

a  71. 

Ä?«rm»  162. 

mast  166. 

163. 

Jeiol  74. 

m?Ä  77. 

163. 

ÄrtOÄflrn  299. 

me/(^a  159. 

50.  153. 

kipfa  146. 

melddn  159. 

judes  130. 

chirihha  295. 

melchan  159. 

5. 

Ä:/a/?^n  136. 

merr^n  167. 

147. 

Ä:/äM^a  162. 

m&^o  297. 

147. 

A:/ä«7en  162. 

mrrfan  167. 

71. 

kleini  185. 

minna  167. 

71. 

clecchan  149. 

ntucA^aff^n  154. 

na  187. 

A;/«nA;6n  161. 

muntM  71 

ta  187.  191. 

c/c/?  61. 

muoma  187. 

152. 

Ä??F^»a  136. 

muftci  159. 

152. 

hUhan  136.  143. 

wwo  181. 

44. 

A-/»Mira  162. 

nears'i  77. 

150. 

klopfön  136. 

niosan  156. 

30. 

Är/Ö^  136.  162. 

9Me/;an  143. 

358. 

knodo  136. 

^fwena  173. 

18.  321. 

Ärno/o  136. 

rähhisOn  149. 

119. 

Arrä<jn  151. 

r«^an  167. 

89. 

krahhön  149. 

reren  152. 

89. 

chrachön  149.  162. 

ritfön  135. 

161. 

cÄrac  149.  162. 

ri(7i7  158. 

152. 

Ärrami?/'  136.  161. 

fnaan  158. 

ran  147. 

kränz  136. 

ro^an  73.  77. 

L50. 

Arrap/b  136. 

roc  333. 

490 


Wortregister. 


rohdn  154. 
ruod  157. 
rüfan  155. 
seivar  153. 
selah  77. 
skaban  138. 
«(»//a»  139.  150. 
seat-bön  138.  165. 
acara  165. 
«corf  138.  165. 
seart-isarn  320. 
scellan  150. 
isceltan  150. 
scefan  165. 
tfwrran  165. 
«ciÄw  138.  146. 
scivaro  14(5. 
skintan  138. 
*CÄ  138. 
sciura  165. 
«A-ör  77.  165. 
«crW  151. 
screiön  151. 
screcl'ön  l-ü). 
screvön  138.  165. 
Hcrian  151. 
scrintan  13H.  165. 
scrouwezen  153. 
«/a/-  133. 
släfan  133. 
«/f/*a;i  133.  137. 145. 
sUmen  143. 
«/fo  72. 
»liofan  133. 
slTzan   165. 
«m«ro  1()4. 
«w«/  151.  164. 
snüden  155.  156. 
snura  187. 
snüzen  156. 
«0/  16'i'. 
«o/öN  164. 
spahha  149. 
apaltan  358. 
aparro  16k 
«/)«r  164. 
«^i>  145. 
spizzi  145. 


146. 


«for?ii  165. 

«ftf/^en  165. 

Starren  165. 

stoutcen  148.  154. 

««nr  165. 

«/rtte»  138. 

«^rö^n  138. 

«/üc/a  138. 

8/M<i^   138. 

stumpf  138. 

«/tirto  69.  71. 

sundwifU  77. 

«Mn;ia  187. 

«ü«on  156. 

«irMwr  83.  187. 

sirefbrm  137.  168. 

sweifan  169. 

sirdchfn  169. 

swellan  169. 

swelzan  170. 

aicerban  170. 

8frrA/kin  169. 

swJhhOn  169. 

«irFwa«  140.  142.  168. 

Siringan  169. 

^oÄ/em  190. 

/0M&  135. 

^ri(Ä^r;i  60. 

fiimUn  15i. 

ticelan  l(i0. 

iräÄi   170. 

icalgOn  1,78. 

Mv7c  61. 

icalirun  71. 

frrt//a«  169. 

iraltan  158. 

walzan  158. 

wankün  169. 

icascan  UM. 

iceban  13i. 

ir«»/!©  193. 

tveibün  168. 

fr<?iÄ  169. 

ireinön  151. 
I  M^tfcA-t  166. 
}trf/.-  169. 
I  «r^/A?^/*  1(;9. 

ircZ/a  76.  158. 


treriA  3B4. 
irerroi»  167. 
tciaga  169. 
fTtAAan  169. 
irt^e/a  194. 
winkan  169. 
fTinna»  167.  170. 
trio  193. 
wirbil  170. 
iriVr^  308. 
wonen  167. 
ITMOt   167. 
rii/en  160. 
zatcen  147. 
2rf//«i*  143. 
«i^a  195. 
2ri7?n  160. 
ziohan  150. 
zocckOn  150. 
zo/)/"  135. 
ro/a  135. 
zouwen  147. 
-rirö  256.  257. 

Mittelhochdeatsch. 

W«y>n  151.  152.  168. 
6/ajr  168. 
Wöd^m  153.  160. 
brehen  167. 
Ärw/Ww  KK). 
ftrö*  156.  160. 
örüjr^n  156.  167. 
öüjf  155. 
enenkel  85. 
erknellen  151.  162. 
verderben   134. 
rer-sicickeln  1(59. 
rfr^irfmen  142. 
p^«^«-  332. 
vlajen  159. 
garren  163. 
^f//"«»  136. 
gesicfe  84. 
geswTge  84. 
geswTo  59. 
gewJge  193. 
^i^^ii  163. 
^ir  163. 


Wortregister. 

163. 

knObel  136. 

slote  164. 

163. 

ifcnß//«!!  151.  162. 

«^frn  137. 

•144. 

knOpfa  136. 

släderaffe  137. 

>if  144. 

knüpfen  136. 

«/fli>/'«i»  164. 

1  151. 

Anfl/rf  136. 

«n45W  70. 

n  136.  lU.  146. 

ArwtWzirn  136.  148. 

smielen  164. 

''en  136.  144.  146. 

kränge  161. 

smollen  164. 

:en  137. 

Ärrawc  162. 

«nacAren  150. 

en  163. 

kraspeln  136.  162. 

«naZ  151.  164. 

!>^  146. 

Aro^^/n  136.  162. 

«Ma/r^n  151.  164. 

151. 

Ärrfiir«  153. 

snarchen  150.  164. 

>  151. 

krebe  136. 

snarren  150.  164. 

r^M  137.  151. 

Ä:m  151. 

««an»  164. 

ren  14«.  155. 

kriechen  162. 

snüwen  156. 

(/>>  137. 

ATftn  151. 

«»«//ifn  151.  164. 

len  151. 

krimpfen  136. 

snieren  iO-i. 

vpw  163. 

A-nnc  161. 

snipfen  146. 

35(). 

Arrön  153. 

snouiren  155.  156. 

315.  321. 

kütze  155. 

«iiii*<p«  137.  156. 

fit  117. 

m«/  166. 

snüde  137. 

-dinc  293. 

marA:(«)  292. 

«iiurf«!  137. 

-«cÄafr  293. 

tneile  166. 

«iim/'<p«  137.  156. 

ipe  137. 

m«7en  146.  166. 

snupfe  137. 

166. 

metze  297. 

snupfen  156. 

•  146. 

«IM»  195. 

«IxicÄ^n  149.  150. 

m  153. 

niufie)  196. 

«/MiA^  150. 

im  146. 

phüchen  154. 

»pehten  150. 

fr  136. 

phüsen  155. 

«/>/Fz«n  145.  164. 

149. 

r««««  158. 

spranz  164. 

e»  136. 

razzeln  135. 

sprenzen  164. 

i>/-«r  161. 

w;ir^»<f»  138.  144. 

sprinz  164. 

pern  136. 

«cÄiV/^  144. 

sprinze  164. 

136. 

«cAiVc  144. 

«/>rfoe  165. 

136. 

«cÄricA-ew  149. 

sprTzen  1*45.  164. 

en  149.  150. 

sc/iar^  320. 

«/erfi?»  138. 

?n  162. 

schar  z  165. 

sfouwen  154. 

Ofen  136.  161. 

*cA<prrc  13H.  165. 

«r#ei/e»  138.  146. 

162. 

scherzen  165. 

striuzen  138. 

itfr  162. 

wÄopf  138. 

«Proteen  138. 

136. 

schranz  138.  165. 

«^rti^»«  138. 

^d  136. 

schrenzen  UM}. 

strumpf  138. 

fcen  149.  150. 

schrimpfen  165. 

«^rwwre  138. 

'■  162. 

slampen  137. 

«/rü;  138. 

rf»  162. 

»/cwfic  137. 

«^Md  138. 

-en  162. 

^r/fm  143. 

«<fli>/>n  138. 

cÄ^n  136. 

«/im/>  144. 

««flrre»  138. 

ren  147. 

sUude  137. 

«/M^j^en  148. 

r  136. 

«/r^^n  137.  145. 

swalm  164. 

431 


432 


Wortregister. 


8U?anken  169. 
89carm  164. 
swäz  169. 
suf  eichen  169. 
aweimen  168. 
sireinen  142. 
«ir#/c  169. 
awenken  169. 
swicken  169. 
«MHTmtfit  142.  1()8. 
swimeln  168. 
fMm«/  154. 
iiover  76. 
f«FÄe  170. 
iro/tf  77.  78. 
weigen  169. 
wehen  170. 
tre/6  69. 
iriVA-^/  169. 
/rwWn  169. 
K^ftf  193. 
wThsel  194. 
trtV/  308. 
zige  195. 
ra^2r^/  135. 
zipf  135. 
Zipfel  135. 
ro/«n  135. 
zwacken  150. 

Nenhochdeutäch. 

aa/  (>7.  68.  78. 
acht  23. 
achlzig  23. 
«(i/^  68. 
a//ei»  91. 
alt  20.  22. 
annähen  50. 
a«cA«,  <?«cA6  69. 
barsch  78. 
Ba«tf  20.  21.  31. 
J5>>r  50. 
binden  20.  24. 
«»/awÄ:  50. 
borgte  71. 
brausen  155. 
^rucA  60.  313. 


Brurfer  20.  21. 
Brutt  60. 
BucA  60. 
bunt  134. 
B«r^  60. 
Bm«  72. 
da  20.  22. 
rf/cÄ:  20.  22. 
dSbel  72. 
rfor<  20.  22. 
drehen  95. 
rfre»  23. 
dreißig  23. 
dw  20.  22. 
dünn  20.  22. 
«^►^  78. 
Eiche  60. 
«V^n  95. 
ein  91. 
«f  n«  23.  90. 
elf  23. 
CMtfit  20.  24. 
eSt  201. 
/flfÄreti  20.  24. 
fern  249. 
A'i/'  127. 
/fi>Ä««  48. 
F/iM^c  32. 
/Jwrfe»  20.  24.  32. 
folgen  47. 
frauenzimmer  180. 
fö/i/'  23. 
fünfzig  23. 
fV  60. 
gübelivogel  193. 
gabelweih  193. 
^rtW^  193. 
galoppieren  95. 
G«w«  60. 
^ei»fn  20.  24.  46. 
Ö^e«r  61. 
<7eAßn  24.  95. 
gelb  67. 
Genosse  60. 
GtfireiA  193. 
^rif/Tf  94. 
GoW  50. 
graupe  137. 


graupdn  137. 

^ro/r  20.  22. 

guädert  94. 

/faar  50. 

Äa/f  61. 

AaAH  61. 

hand  60. 

Aü^en  94.  95. 

hasterbastem  94.  95. 

A^tö  181. 

hering  78. 

Aeii<«  50. 

hier  20.  22. 

hundert  23. 

hüpfen  95. 

fcA  20.  22. 

»Ar  20.  22. 

ywn^  20.  22. 

kämmen  50. 
I  kichern  153. 
'iA:/«<a:^n  162. 
I  ««iw  20.  22. 
.  klepper  94. 
I  klöhnen  162. 
I  i-nacJt  149. 
I  knacken   149. 
I  Knopf  50, 
!  A-itMrr^n  162. 
,  Kopf  50. 

JITmä  60. 
'  Kusine  21. 

/acA«  58.  62.  71.  78. 

Laich  78. 

laufen  95. 
I  /«cÄ/  20.  22. 
,  leise  158. 
!  lesen  20.  24. 
I  LeFM^e  399. 

Magd  60.  181. 

mager  22. 

marschieren  95. 

mo«^  75. 

Ifaujf  60. 
I  mir  196. 
i  mistet  94. 
!  3fona/  60. 
I  morgen  50. 
j  münze  13. 


Wortregister. 

r  20.  21.  31. 

5cÄiiÄ  50. 

verfolgen  47. 

•  60. 

Schwager  20.  21.  82. 

Te^/er  20.  21.  31. 

95. 

Schicägerin  20.  21. 

F#>r  23. 

m  20.  24.  46. 

Schwäher  81. 

vierzig  23. 

78. 

schwarz  20.  22. 

waicken  169. 

►2. 

«cÄM^er  20.  22. 

ff-b/MA  69. 

23. 

Schwester  20.  21. 

walzen  95. 

rig  23. 

Schwieget'  81. 

IT^TecÄe  50. 

k  49. 

schwofen  95. 

waschen  50. 

I«  340. 

»ecÄ«  23. 

Wasserwolf  71. 

195. 

sechzig  23. 

weibsen  80. 

196. 

senden  12. 

weichsei  194. 

.  81. 

«ete^n  135. 

weiggen  169. 

5^  194. 

sieben  23. 

treibe  193. 

en  152. 

siebzig  23. 

irem  20.  22. 

ii>  128. 

5t7Aer  50. 

M?e//e  76. 

ert  94. 

.SoÄn  20.  21. 

f^e/e  58. 

95. 

Sommer  347. 

wink-efi  24. 

94. 

spie  issen  133. 

innrer  60. 

<  94. 

springen  95. 

irir  20.  22. 

71  133. 

5/*e/"e/  50. 

«^0  20.  22. 

t  20.  24. 

stippert  94. 

iroWe  50. 

m  95. 

stolzieren  95. 

TTrerfe  128. 

31. 

67^r  69. 

TTre^e  128. 

332. 

^Vör  78. 

wringen  128. 

>  71. 

Än/nrf  78. 

Z«Än  60. 

e  70. 

6>r#VÄr  24. 

<?eAM  60. 

en  70. 

Strumpf  50. 

zaudern  135. 

«^50. 

ÄM'r  49. 

a-aiin  78. 

n  49. 

d^urm  77. 

2reÄn  23. 

fer  77. 

stürmen  95. 

^e^men  340. 

schwänz  193. 

5^M/e  02. 

Zimmer  49. 

&6em  163. 

suchen  24. 

2rw/>/Vn  135. 

'^en  95. 

»i7(fen  77. 

zwanzig  23. 

•^en  133.  194.  399. 

tanzen  95. 

iPtrei  23. 

%dei'n  95. 

^»VÄ/e*-  85. 

^en  194. 

TocÄ/er  20.  21. 

Altsächsisch 

yuidert  94. 

trinken  20.  24. 

a/Mmf  71. 

i/>pen  137. 

trippeln  95. 

cnagan  149. 

»/>«  50. 

rar  60. 

farhwätan  155. 

Utern  137. 

TwwÄ  49. 

feW  296. 

•cÄ:  71. 

twälstartwih  193. 

^imetf  166. 

kk  71. 

C/yer  76. 

griotan  155. 

f^en  20.  24. 

Mrrar  76. 

Äocutf  71. 

issen  145. 

Ta^er  20.  21.  31. 

Ae/m  300. 

f/en  95. 

verdampfen  12. 

Äer^A  318. 

säen  145. 

verdumpft  12.  13. 

hreiera  152. 

tzen  145. 

verdunsten  12. 

Ainton  145. 

433 


484 

hü  205. 
huo  265.  264. 
hun  265. 
hiciu  264. 
hwö  265. 
f(/a/  166. 
fcrätrt  151. 
kuning  306. 
/(;A*on  158. 
merrian  167. 
gMä»  185. 
stapoi  137. 
«/ro/a  138. 
*ö/Ä  77. 
awigli  170. 
/Aia  254. 
/Afu  26  k 
icänam  170. 
wPdar  11. 
wntan  l-iö. 
wurgil  335. 

Mittelniederdeutsch. 

bungen  150. 
^f/  163. 
^f/«i  163. 
girhah  163. 
^/«p«  146. 
glibberich  144. 
glippe  146. 
glipperich  l-i-i. 
gnarren  163. 
grlmet  143. 
grummen  163. 
^•/w/e  13f>.  162. 
Ä-ziF/*  146. 
kraschen  162. 
kriken  152. 
ArriX-i/  152. 
Ä^rin^•  162. 
Ä-^-ttwÄ-«  162. 
Ä-rfip  146. 
krüpen  146. 
/«A:  77. 

mon,  mc»  195. 
(H>«r  76. 
pusten  155. 
^mnen  143. 


Wortregister. 

ripen  135. 

ira/7  194. 

rüffi  145. 

ufoi  78. 

«eA^/'  144. 
«rA^^ff  195. 

Altniederfrlnkisck 

schivelen  144. 

Miw  264. 

schoppe  138. 
achrüten  155. 

AltniederlSndlMk 

<rp«n  153. 

slöve  137. 

Wippen  146. 

^■'««-«-AlM«A^AMlll«>JIS«Ak 

mnF/eff  145. 

Mittelniederimnoiscl 

snaiiiren  156. 

bM  264.  265. 

snoien  146. 

&€(ft>  2(i4. 

spaken  149. 

die  264. 

«parite  164. 

i^f-vW«/  143. 

sparken  164. 

c/oef  136. 

«pF/e  165. 

knouwen  147. 

«pFr  165. 

ordnen  153.  162. 

«pF/^n  145. 

Nfpen  146. 

«p/t/en  145.  164. 

2wF»  143. 

spranken  164. 

8oe  252.  265. 

«trarf«  169. 

»/roo<  138. 

8i/i^il^»  169. 

stupen  138. 

/epp^ii  135. 

/OMir^n  147.  148. 

^erire  58. 

fwi  264. 

/F</fn  13-k 

rer^FA^e»  153. 

/iV/f  135. 

^irFmen  142. 

tiitel  135. 

^T  ^ • 1 1  •»        j  • V 

tobben  135. 

Neuniederländiscn. 

/OFcn  135. 

baars  71. 

/MFtf/i  l:i5. 

blutfster  156. 

»ra/  194. 

öru/»  156. 

werk  298. 

fluysen  156.  159. 

<rM««/-  194. 

Ao«  265. 

trissel  194. 

karper  71. 

//7raA;  148. 

krijpen  146. 

wringen  158. 

ffioar  196. 

Neuniederdeutsch. 

ocr^r  76. 
rocÄ  72. 

6««^  187. 

9tneulen  164. 

(ffl//«  78. 

snippen  146. 

gipen  136. 

«/cur  71. 

knüsen  147. 

strippen  146. 

iwa/i  195.  3K). 

stromptlen  138. 

p<P^«/  193. 

zruid  77. 

pesel  193. 
riicī  72. 

Friesisch. 

«/i7r<f  137. 

^/üpa  137. 

smoren  164. 

ÄreAa  149. 

Wortregister. 

i 

;. 

clüd  162. 

gi^pan  136. 

55. 

clümian  162. 

gier  ran  163. 

170. 

clyccan  162. 

ürf/*re  136. 

L 

clyppan  162. 

gipian  136. 

M. 

cneatian  148. 

/7/rrfan  136. 

94. 

cnTdan  136. 

gntdan  152. 

cnüwian  147. 

148. 

gnornian  152.  154. 

^elsächsisch. 

cnyllan  151. 

162. 

gnyran  152.  153. 

in  140.  143. 

cräcian  149. 

152.  162. 

^reo^  137. 

78. 

rra€?o/  136. 

greotan  155. 

158. 

crammian  161. 

^r?;)C  137. 

e  1(>7. 

criA*  136. 

grindan  137. 

)1. 

crfepan  162. 

/7rM/  137. 

}9. 

crimman  161 

^r^pc  137. 

ian  168. 

crincnn  162. 

iry/<  136. 

n  im. 

cringan  161. 

Äacorf  71. 

i  iiS. 

crörfa/i  136. 

148.  162. 

A«/^  61. 

160. 

cryppan  162. 

Ä«/e  181. 

1. 

cicänian  151. 

Ä<«W  24^1.. 

n  150. 

cir«n«  173. 

Äfa/'orf  131. 

148. 

cwlpan  151. 

Ä€orrf  318. 

an  161. 

c^/a  155. 

higora  152. 

an  161. 

dream  Ib-i. 

A/ence  160. 

1  160. 

dün  78. 

hlfdan  135. 

68. 

dwTnan  140. 

142. 

;»/inc  160. 

in  154. 

rfj^n/  135. 

Äm7<7  144. 

150. 

ealgian  158. 

hnagan  152. 

»  148. 

earc  294. 

Är«can  149. 

71  149.  162. 

carii  157. 

hrägra  152. 

^rf«  332. 

Ärfln  185. 

62. 

/?«o/an  148. 

Ärof^*/«  135. 

f  162. 

flotei'ian  148. 

hratian  135. 

299. 

/löiran  148. 

Aream  153.  154.  161 

158. 

fneosan  155. 

hrician  152. 

43.  162. 

/•o/fna  106. 

hrJeman  153.  161. 

161. 

frcP*<  159. 

Arfm  185. 

^  143.  162. 

/•i/rrfr«  115. 

AriM^  161. 

36. 

^eftr^c  150. 

hrißtan  135. 

n  136. 

^rg^ro^  148. 

Äröc  149.  161. 

147. 

gecrod  162. 

hrütan  155. 

147. 

^Mo/  298. 

Äü  264. 

in  161. 

geUsian  158. 

huealf  161. 

36. 

gemearr  159. 

Air(»8an  156. 

36. 

^coÄo/  298. 

hwearfian  161. 

1  161. 

^eo/  298. 

hwelan  151. 

tö. 

^^o/a  298. 

ÄiTfr  318. 

[36. 

5re)5im?  134. 

Atr*  264. 

36. 

r/f/M^iV  145. 

Äirinan  152. 

435 


4d6 


Wortr^ister. 


hicisprian  135. 
kwUÜian  135. 
Atropa  ff  135. 
kw§  264. 
laeu  2^. 
lagu  76. 
/eorfe  299. 
Ixm  171. 
löcian  158. 
2o<  299. 
ffUEf  181. 
ffutfMin  166. 
nuBst  Ib. 
mühe  77. 
meat^ian  159. 
mearu  159. 
m^M  159. 
midi  167. 
mfdlian  167. 
m»/to  297. 
fwf//  167. 
ifitftf  166. 
ofdüne  78. 
(J/^er  76. 
potian  148. 
pünian  147.  148. 
rcescan  158. 
reohha  72. 
reotan  140.  155. 
ri/7<rr  146. 
yTpan  146. 
r?;»  158. 
röwan  157. 
sceadd  70. 
scealu  165. 
Bceard  165. 
sceolu  165. 
scearpan  138. 
scielfan  165. 
serallettan  151. 
Bcread  139. 
screpan  138. 
«crfc  152. 
«^«7«^  297. 
wo/Ä  77. 
«fcan  153. 
Hcerian  153. 
sicettan  153. 


«r^fi  153. 
tlM/an  137. 
tlTere  137. 
tlTm  143.  170. 
slincan  144. 
«/tir  72. 
«/t/an  137.  165. 
slüpan  137. 
smacian  150. 
«mortan  164. 
«nterafi  164. 
«m/e  137. 
spearea  164. 
spearcian  164. 
specan  150. 
«pif/c  149.  164. 
spierean  164. 
«pir  165. 
«/>nvc  164. 
spranca  164. 
sprecan  150. 
«to^pe  137. 
8tapol  137. 
steartlian  138. 
«/o/'n  138. 
«/nmeml«  146. 
strütian  138. 
«/wdM  188. 
«/MiK  138. 
«/w/u  188. 
«fyftft  138. 
«/5^f>  71. 
jfiim;  61. 
Sudan  77. 
»w/  77. 
swapian  169. 
fncefan  187. 
*ir^^/  170. 
swegU  170. 
«€?<?/>«/  169. 
sweprian  187. 
«rtra  169. 
swodrian  137. 
täwian  147. 
/t/ian  160. 
td-sltfan  146.  165. 
/M^rf  256.  257. 
twiecian  150. 


tfif  254.  256.  257. 
paedan  150. 
/atrtan  140.  142. 
^^eoton  155. 
/tiian  142. 
^iMton  134. 
ifi^  264. 
ßodettan  134. 
^Mft  148. 
ßreapian  134. 
preatian  134.  148. 
^^iiton  155. 
Ptc€tnan  142. 
^trtfirin  140.  142.  152. 
pwftan  145. 
^  264. 
^«  156. 

tcafian  169. 

wagan  169. 

tränian  151.  166. 

irdW  167.  169. 

trorter  167. 

wealcan  158. 

trec^  166. 

M^ce  306. 

tctcit  306. 

M^/  159. 

trtr  159. 

iri/t>  167. 

trtj/«  167. 

trreittf  334. 

trr^nean  159.  334. 

trr/nc/e  334. 

wringan  158. 

trrt/afi  134. 

try/m  76. 

Mittelenglisch. 

Mare  168. 
c/aciben  149.  162. 
c/i/er  146. 
clifrian  146. 
cltppen  146. 
clucchen  162. 
croucAen  162. 
melwe  159. 
op-difan  146. 
schauten  155. 


Wortregister. 

4 

?  152. 

roan  73. 

j&aÄ  262. 

153. 

shad  70. 

^l<  263. 

re  164. 

shout  155. 

56. 

ahrill  151. 

Altwestnordisch, 

137. 

sleet  137. 

altisländisch. 

«/op  137. 

är  74.  158. 

eaenglisch. 

slabber  163. 

asne  199. 

201. 

«/««<  144. 

«Mrfr  231. 

d. 

«/o/>«  144. 

to«^a  150. 

201. 

slaver  163. 

barda  295. 

50. 

W>>e  144. 

tou/a  148. 

168. 

8liver  165. 

blidr  168. 

156. 

«/op  164. 

Bi^vildr  130. 

156.  160. 

sloven  137. 

ftraiba  150. 

134. 

«/i^  164. 

ftraiiA:  154. 

f  201. 

jf/M</<;er  164. 

brauka  154. 

16. 

smack  150. 

^^aiicf  131. 

161. 

««flrfcÄ  150. 

6r/ifc  152. 

L62. 

«ni>  146. 

ftrid/a  148. 

161. 

snort  164. 

br6dir  123. 

50. 

snoti^  137. 

ftryfia  148. 

36. 

spile  165. 

büta  148. 

>2. 

«iT^o^A  168. 

6i^/ki  151. 

162. 

«l)/a«er  164.  168. 

6y«ta  155. 

161. 

splinter  164. 

detta  135. 

162. 

«i)/»n<  164. 

deyw  142. 

152. 

aqueah  152. 

dofenn  135. 

152. 

«/M;t^e<;  138. 

darf«  135. 

161. 

8witch  169. 

dodwa  135. 

L43. 

^ÄacA;  150. 

duina  142. 

161. 

thropple  134. 

dumpa  135. 

162. 

/Äro«/tf  134. 

diira  160. 

35. 

^^p  135. 

dyia  142. 

55. 

thump  134. 

rfynta  154. 

78. 

fÄM^ocfc  150. 

ehka  158. 

78. 

^MYicÄr  150. 

/a/ma  159. 

135. 

whack  150. 

feitr  134. 

J6. 

tohang  150. 

/•«f^ar  180. 

37. 

tritt  169. 

öorrfr  76. 

143. 

ye//>  136. 

flu  307. 

137. 

/fauÄfr  156.  160. 

151.  162. 
J6. 

Urnordisch. 

fnifsa  155. 
/or«a  159. 

\6. 

minino  262. 

fraud  156.  160. 

35. 

rwno  262. 

/ry«a  156. 

167. 

runöÄ  262. 

fune  58. 

168. 

jHiiaR  262. 

/7«j»  136. 

135. 

/ÖÄ  262. 

^o/wj  136. 

488 


Wortregister. 


9ia  lae. 

gtil  lt3. 
$^ta  \m.  183. 
gimlpa  136. 
9a  163. 
$i6*a  106. 
glama  163. 
$lamra  163. 
j7/<i/>  136. 
jr/<i/<i  13(). 
j^/ri/Ki  151. 

57/fmci  151. 
5r/i>/»r  13«?, 
^fnattüt  147. 
,aMraj7'<i  152. 
^rnW/ci   151.  163. 
j^nista   152. 
irN<»//(i  15  i.  163. 
ynilfi  147.  152.  154. 
ffhifia  152.  153. 
yMifr  152.   153. 
j/H^ia   152. 
f/Hjfda  15.*^. 
j/niNNf*  187. 
j/l*rlNNfl    187. 
5;n»/«i   118.   Kk^. 
l/ttiHtr  187. 
5;»yy;Hi   137. 
yriil»!   1 47. 
yn>^»   1 87. 
«Ifrvfd   137. 

j/M.<ff     1 5(). 

j/Mjt/d    15l>. 
W  (U. 
A(i/^   1(U). 

hark  Mi), 
hnrka   149. 
hei  2U. 
hiarne  319. 
hixta   \üS. 
hlaklra  149.  161. 
hlekker  160. 
A///-»  135. 
hlidma  153. 
A/i(Jmr  153. 
hniösa  156. 


AfifVSra  136. 

AniVStfa  135.  148. 

hnippa  146. 

An/to  135.  146. 

hnt^gua  147.  153. 

hgggua  147. 

Am/m  135. 

Aro/d  135. 

ArfiMi-r  154. 

hreimr  151. 

hreina  151. 

AmMM  185. 

AnfHa  149. 

Äni-^a  151.  152. 

hHm  143.  186. 

hr(na  143.  151. 

hringla  149. 
|*ri>i^»a  149. 
!  hriöta  155. 
i  hrista  135. 
1  Ariilfr  135. 
IAnm/ci  135. 
!  hrogn  73.  77. 

Ai*oi*eMM  1(»0. 

ArtJil'r  149. 

hrudr  135. 

Ai/n//-  161. 

Ļm7a  148. 
1  Ar«*'  265. 

huelfa  161. 

AM*»///-   151. 

hrfrfa  ;k">8. 

ÄMfr«  318.  319. 

huerna  318.  320.  321. 
I  huetr  318.  320. 

huika  152. 

hufna  152. 
'  ÄMir/-^//  161. 

huisk-ra  152. 

hu  isla  152. 
i  »(W  298. 

I  Aa//a  150.  162. 
j  karff  71. 
j  Ar«ij>r  146. 
Ik'ihia  153. 


iyo//  74. 
kiiisa  299. 


l;i>fMf  146.  158. 

klaka  149.  162. 

Heiffui  143.  162. 

klengiask  161. 

W^/jpr  136. 

klif  61. 

AZ/na  143. 

M//KI  146. 

klippa  146. 

ib^  136. 

kl^pa  136.  162. 

knappr  136. 

^•|lel/'  136. 

ibnfj^a  136. 

Ärn/fr  136.  144.  146. 

kngttr  136. 

knüta  136.  148. 

Aviii/r  136.  148. 

kni^ia  147. 

Äromi  171.  182. 

konungr  306. 

Ärp«  292. 

krafla  136. 

ArrfÄa  149. 

Irraitr  149. 

krappr  161. 

Ärrejjjpa  136.  161. 

kremia  161. 

kringr  161. 

kriüpa  162. 

A-ro*ra  162. 
j  kt-opna  162. 
I  Atieina  151. 
j  k-ueita  151. 
I  i*Menna  171. 
,A:ii/nital72.186.188.U 

il-ii/ifa  151. 
j  kuna  182. 
I  /amm  291. 

leid  292. 

/i»r  168. 
;  li^r  299. 
i  /#(kfr  299. 
i  //<fa  158. 

/jrta  147.  157.  16a 

l^r  299. 

tfioJto  167. 

manna  186. 


Wortregister. 

skraum  153. 

8viU  83. 

159. 

akrefa  165. 

8u/na  168. 

167. 

»^-rOria  152. 

8uire  169. 

[46. 

sknüpr  139. 

«wftd  61. 

357. 

«Arrttma  153. 

8Ür-eygr  164.  170. 

167. 

skudla  150. 

«li«  156. 

92. 

skurm  165. 

«^ibfia  169. 

{pa  137. 

«/aAwJb  163. 

tad  143. 

«?aA:A-«  144. 

/e/wi  151. 

«/a/?a  137. 

tedia  143. 

\. 

släpr  137. 

«/'a  134. 

».  71. 

«/«/•a  163. 

^o/)pr  135. 

77. 

«?«/  165. 

tota  148. 

^ 

sleita  137. 

/oWo^o  263. 

3.  154.  155. 

«Z«/>/)a  137. 

tuau  263. 

56. 

slüa  145.  165. 

/i^^a  148. 

ß. 

s/o/a  137. 

/M//a  135.  148. 

4.  158. 

slupra  164. 

pau  263. 

57. 

«/li/a  137. 

^aw«n  156. 

VI, 

«/i^rfra  137. 

Peir(r)e  262. 

}9. 

snakinn  150. 

/»«yta  142. 

19. 

«/lara  164. 

^^265. 

7. 

snarka  150.  164. 

Piaka  150. 

149. 

«wnrr  164. 

)5;<Jrr  358.  347. 

64.  170. 

anoppa  137. 

prcka  134. 

1 
f. 

«»y/a  155. 

)&P(f//  306. 

«p^r  292. 

pü  (at)  265. 

)3. 

spialk  149.  164. 

/i4^  265. 

«/>/ra  165. 

pueita  145. 

3. 

spgng  292. 

/^m/  264. 

49. 

spraka  150. 

^M/'/a  150. 

165. 

Ä;;r«^/a  164. 

pi/ria  156. 

44. 

«pr/Ya  145. 

J&i^ri>a  134. 

144. 

«/«r/-  1H8. 

pgsia  156. 

145. 

atiarfe  138. 

/yi«  156. 

58.  144. 

slreitask  138.  146. 

«r  170. 

138. 

«/riYa  138.  146. 

rdfa  169. 

39.  165. 

stritask  146. 

ra/'ra  169. 

50. 

/<<r/(fr  138. 

valka  159. 

150. 

«/Wi/>e  138. 

rar^r  159. 

139.  165. 

stiifr  138. 

rarf/'  77. 

t6. 

«a  252. 

veifa  134. 

^. 

«uara  170. 

m^r  169. 

15. 

suetgia  169. 

veiU  159. 

48. 

sueipa  169. 

r^ina  151. 

h  165. 

Mierrfia  169. 

rß//a  158. 

149. 

«Ma-ki  169. 

velia  158. 

149. 

«r*7ar  83. 

f;er  158.  167.  170. 

m 


Wortregister. 


m-k  298. 
nka  306. 
^  159. 
?irke  298. 
^rr  159. 
Hst  308. 
?<)fcr  167. 
^p/r  194. 
r/^-  159. 
flir  298. 

Nenisländlsch. 

kneggja  152. 
br/m  143.  162. 

Ostnordisch. 

&irfM  264. 

Altnorwegisch. 

kii  265. 
»•an^r  334. 
ida  334. 
^«W  334. 
^okh-  333. 
rArdj^i  335. 
?Ä?ö^r  335. 
urga  335. 
Hrgill  334. 
/rAr»  334. 

Neanorwegisch. 

5oy»a  155. 
^ju8a  155. 
^'o»a  156. 
7t<^a  156. 
\arr  69. 
Wwc  143. 
nauk  167. 
^w/a  155. 
rau/a  164. 
nka  153. 
r»A7«  153. 
npa  153. 
rA^flkW  70. 
»ra  160. 


Altschwedisch. 

aghn  293. 
daiO»  149.  150. 
bufOca  149. 
/Väw  159. 
glam  163. 
^fama  163. 
gröpa  137. 
AOf'/tikiii;  265. 
Air/ 264. 
lyta  299. 
ntu/Ni  135. 
«/>«/  297. 
9igm  297. 
8/iit/a  137.  144. 
8hepa  146. 
«frfij>«  138. 
stunUr  138. 
«irf^Aa  169. 
/f  264. 
Pb  263. 
/»li  265. 
rirA:e  298. 

Neaschwedisch. 

abborre  71. 

Mtundaland  293. 

6u«a  155. 

rff?/^a  135. 

dimpa  135. 

Ficeprundaland  293. 

/7^rt  159. 

/Vm««  156.  160. 

/^rM«fa  156. 

gärs  69. 

i7/t>  146. 

gtxpa  146. 

^r^i;pa  137. 

^ryfa  137. 

hicka  153. 

Ä/Ä:Jrt  153. 

hvina  152. 

Arrt«  292. 

^•(wc  292. 

kikna  153. 

kippa  153. 

Är/a  147. 


£/yA»  162. 
knaeka  150. 
itmifta  161. 
ib-im(e)  162. 
IjU  299. 
rtpa  146. 
mJtika  335. 
runka  835. 
M(^  292. 
$dg  292. 
«oita  149. 
«Ard^a  151. 
skräla  151. 
<ib-iA:a  152. 
skrgta  155. 
«A^«/to  150. 
«nu«a  156. 
snyta  155. 
«eryiKi  138. 
tvina  152. 
Tiundaland  293. 
<m2/  306. 
«Irib  298. 

Dänisch. 

aborre  71. 
/fWtf  155. 
^ro/^e  137. 
harke  149. 
Arrake  162. 
A;r*m  143. 
leeg  11. 
skryde  155. 
skvale  150. 
«wii«6  156. 
^mne  152. 

Litauisch. 

angls  68. 
an^a  80. 
ap'valüs  194. 
a»/ifrflw  69. 
dsilas  199. 
atkimpu  340. 
a/A;^i>^t  340. 
a/-Är^Hi  340. 
atsikolti  160. 


Wortregister. 

44 

134. 

gaudüs  155. 

kirilf8  69. 

67. 

gaudiiü  155. 

Wa^Äf  149. 

79.  81. 

geltaa  93. 

kldidiioti  144. 

e  79. 

getUe  80. 

ib/aipaM  160. 

i  133.  139. 

geriü  163. 

Ho/t^  144.  160. 

133. 

girv€  153. 

klajäi  144. 

*  133. 

glibiu  161. 

klaupitts  136. 

139. 

^/eftu  136. 

it/ei/»*!^  144.  160. 

139. 

glüi  136. 

«yWÄ  161. 

.39. 

^/(J^IK   161. 

klgpstü  160. 

151. 

gladüs  136. 

it/ifl^cw  144. 

313. 

^»yWu  136.  144.  146. 

«ircM  144.  160. 

41  313. 

ffranäau  137    163. 

knabu  135. 

!»  314. 

grandlnia  136. 

Arnytoti  135.  144.  146. 

'4  133.  139. 

grandis  136. 

knibu  144.  146. 

133.  139. 

graudoju  155. 

knubu  135. 

\9  133.  139. 

graudüs  155. 

kraipaü  160. 

313. 

graudiiü  155. 

ibranÄ:»i>  149. 

160. 

^r^mii*  137.  163. 

Arrauitii^  154. 

t*  139. 

^rfiiÄ  162. 

kraukljfs  154. 

152.  153. 

griduju  153. 

kraupiü  135. 

312. 

gridunu  153. 

itr/^u  149.  161. 

1  154. 

grynau  143. 

A:re/>iÄ  135.  144.  160. 

152. 

^ryp»w  146. 

kretvas  144.  160. 

.50. 

griüdziu  148. 

Arreird^i  144. 

»  156. 

^nürÄ  147.  14«. 

krgptttä  160. 

79. 

^rcx/iia  163. 

;tritiA;ti^  154. 

%  72. 

^<yi«  151. 

^*r>r<$^i  144. 

i  139.  154. 

^nWflw  14«. 

krogia  149.  161. 

313. 

^nWiit/  155. 

ÄrroÄriÄ  149.  161. 

60. 

gruminti  163. 

krupth  313. 

160. 

{krypat  144. 

Arru^M  135. 

314. 

iszkernöti  317. 

kurk-ulat  73. 

1. 

j>Ä:/»  350. 

fcr<f/>Äi  317. 

79. 

jVnJtÄ  350. 

kvfpti  317. 

79. 

A;a/u  161. 

laigonas  8o. 

9. 

A-anika  361. 

feii^  62.  69. 

80. 

A:<fr/)a  71. 

/cmiy^i  157. 

160. 

Aarii«  69. 

Zei/o«  158. 

397. 

A-flwaii  147. 

Uju  158.  168. 

'9. 

A;<Mmw  147. 

/ydfita  72. 

56. 

A;<fK;M  147. 

ll/naa  72. 

»  156. 

A;at«^•fi^  154. 

/y/Ä«  94.  158.  168. 

.56. 

kiras  315. 

Uütas  399. 

139. 

ifce/cra  323. 

W>  152.  157. 

r  154. 

kerpü  135.  161. 

liki  350. 

5. 

itcr^iV  135.  161.  323. 

/w;)/»  157. 

72. 

kirna  315. 

lüszti  157. 

germaniBclie  Fojvcliaiigeii  XXII. 


^ 


442 


Wortregister. 


marti  80. 
mäyju  167. 
mazg&ti  167. 
mergdt  167. 
merkik  159. 
m/ribtf  167. 
me«  342. 
iiMSni  167. 
mtWu  196. 
mlrgu  166. 
motina  79. 
moia  80. 
pabangä  313. 
pabangas  313. 
iM/duffT  189. 
pafvas  67. 
jpa-«t-<^afnx;u  146. 
l^e^eiba  193. 
periiV  159. 
l>irfK;M  147.  148. 
pidustau  148. 
I>i7t^  159. 
pirmas  106. 
/>/aA^  150. 
plasniiju  159. 
pldudinu  148. 
/>/afi/i«  156.  160. 
plesdenh  159. 
pliaünyju  153.  155. 
plüdziu  155. 
pxiszh  58. 
raÄ-iwt^  158. 
rdktas  158. 
raudöju  155. 
rrffi/M  157. 
rtf^iÄ  158. 
r/;M  152.  157. 
r^A:»M  158. 
r/Ä:/»  167. 
rengtis  334. 
rügöti  154. 
rüzg/ti  139. 
«a/a  163. 
saucziü  169. 
saugiu  154. 
saukiu  154. 
seiejimas  143. 
«c/Äi  143. 


»eZi^  163. 
<eail  79. 

«taMceti^  137.  169. 
^/eX;e  72. 
^pno«  163. 
^;>/f  163. 
«X:aM  165. 
skalduju  150. 
ahildtju  165. 
«ite/ti^  165. 
«Ar^Witf  165. 
skird^u  165. 
Bkerdiiü  138. 
skirdiiu  165. 
«itAJa  145. 
«ätÄä/m  145. 
8ikiUi»ti  145. 

8iH//i9   165. 

«ibtWi^  165. 
»Wr<»  323. 
8klaidnjf  194. 
sklaidüs  194. 
sklandaü  165. 
skleidziü  165. 
sklempiU  165. 
sklendziü  165. 
jfA-l/^t«  139. 
«it/^/;flw  165. 
sklypüju  165. 
sitrnu^^tM  155.  139. 
akrebiu  165. 
«Ärr^ftw  145.  151. 
skridinfs  145. 
skaudüs  155. 
«/7W&iV«  138. 
skudrus  138. 
skündiiu  155. 
skürä  165. 
sldbnas  137. 
«/a/flfw  137. 
s/«/>iÄ  137. 
slimpa  144. 
smogiu  150. 
spdliai  164. 
«i»/i)ra  149.  164. 
sprag^ti  150. 
apragü  149. 
sprdgti  164. 


«ramk  163. 
^^»fi^  163. 
<i*mimM'i^  137.  164. 
«TIMM  137.  164. 
8rud£iu  137. 
«r«<a  137.  164. 
«totow  137. 
staugiü  154. 
*/^rifea«  72. 
st^rau  165. 
s^driti  154. 
a/um»*f^  148. 
«fi^M  154. 
«u/a  164. 
«Mni^  79. 
8upik  137.  169. 
8Mr6ti^  164. 
svaiczioii  137.  168. 
svaiginAi  169. 
svaine  80. 
svainis  80.  84. 
svaUgtU  169. 
aveikas  169. 
«renfu  170. 
«MriÄ  170. 
OTiVi«  170. 
a?a/fia  160. 
«zrc^cw  160. 
02a/<t  160. 
«ar^/i»  160. 
«zanfKi  160. 
azdudau  148. 
«^K;u  147.  148. 
szaukiü  154. 
SiSuras  79. 
Siaurffs  11. 
szlajüs  144. 
szletvas  144. 
«^/irt&i  144. 
^empit^  134. 
/^a«  79. 
<««a  79. 
teUenas  79. 
^rewJfctÄ  160. 
/rypiÄ  134. 
<ro/y<»  134. 
^U2r^^'  139. 
^1^265. 


Wortregister. 

316. 

£obrgs  72. 

s^-rr^)«^  165. 

yu  Üb. 

Suvis  65.  72. 

akundei  155. 

14Ö. 

icygiü  152. 

*M  144.  146. 

148. 

spdidtt  145. 

154. 

Lettisch. 

«prÄJt«  14o. 

154. 

aiVj«  74. 

apile  165. 

•y«  67. 

aizkaH  316. 

spilgam  164. 

81. 

6«^a  313. 

ifpulgans  164. 

31. 

^aM(2d/  155. 

«iwZ^ö^  164. 

79. 

^/id?^  136.  143. 

«fa6«  138. 

r  79. 

kaW  150. 

«/arAr«  72. 

Ä  154. 

jfcampf  317. 

wÄAr^ft^  1^. 

ü  166. 

karinät  317. 

«c^/Pr&9  144. 

iu  152. 

Arautfu  154. 

twe'rt  316. 

»11  151. 

Rept  317.  340. 

iro/^Ä  334. 

74. 

yP«r/  316.  317.  340. 

werst  334. 

r  74. 

Ririfiät  317. 

riA-^  169. 

l  192. 

^*rwa  317. 

«<fHl<  163. 

r  169. 

kVautSs  136. 

zäruot  163. 

152. 

Ar/^c/;?u  161. 

«c7/«  59. 

194. 

knäU  135. 

zeri  318. 

134. 

^•n^^^  135.  144.  146. 

^er«  315. 

i  134. 

knudet  135.  148. 

^rjftrw  72. 

Ä  158. 

ibra//a^  135. 

170. 

kraupet  313. 

Prenfiisch 

i  170. 

Avyä^  145. 

^  33-1. 

krina  151. 

angurgis  72. 

169. 

krdpju  161. 

assegia  72. 

LÖ9. 

ArrM^  313. 

Wtw^i«  72. 

89. 

/frfaA:«  72. 

WtVi^o  72. 

r  .159. 

n^rfeÄ»  72. 

brunse  72. 

72.  76. 

Uns  72. 

cÄe/mo  300. 

r  169. 

maw/M  153. 

darfan  59.  92. 

r  134. 

mnu^  154. 

deirtt  160. 

t  134.  170. 

mäift  159. 

(/u6«;»8  72. 

158. 

mwd^<  167. 

esketres  72. 

170. 

nauju  153. 

^€nna  171.  173. 

ia  194. 

«auru  154. 

grandis  136. 

1»  139. 

aawergt  384. 

grundalia  72. 

86. 

«//A-w  72. 

»7mi^  300. 

w  163. 

skaida  145. 

A:a/«  58.  69.  72. 

M  72. 

jfA;aiV/ft  145. 

kelmiB  300. 

163. 

«Ararft«  138. 

Hrw)  315. 

ü  357. 

«Arai-da  321. 

krüt  155. 

»  80. 

skarde  321. 

1080880   72. 

:  163. 

«ArareHf  138. 

/iW«  72. 

\  190. 

8kardit  165. 

/i>iw  72. 

189.  190. 

«A:ar(i»  821. 

/ocii^M  72. 

443 


444 


Wortregister. 


malkis  72. 
mixskai  336. 
panno  58. 
peU  193. 
pelelntf  193. 
j)*/iro  67. 
I^eiw«  58. 
pide  193. 
ropw  72. 
sarote  72. 
«cAAlatY  194. 
schläitiskan  194. 
«cA/äifo  194. 
«fÄ/«iY  194. 
sclait  194. 
seabre  72. 
smerlingis  72. 
«terÄTM  72. 
siroysles  72. 
«i/rA*t>  72. 
sweikis  72. 
8y1ecke  72. 
Mv/^  194. 
fri7nw  72. 
tcuniayt08  194. 

Altbalgarisch. 

Miq^  312. 
ftiVi  146. 
W<;<?  151.  152. 
*rady  295. 
hryaati  147. 
ftM^•y  294. 
chorqgg  294. 
fÄo/^/i  312. 
c^i{^^/»'  312. 
cnJAry  295. 
cri7<?  321. 
drinorinü  322. 
örinovüicf  322. 
<5r^rtf  185. 
c?arfY»  397. 
dunqti  15-i. 
gqgnqti  336. 
^^odiVi  163. 
gladostf  163. 
^/cMfflr  163. 
^/flwö  150.  162. 


^/^ii«  143. 
^/tita  143. 
gmü  163. 
gatforü  153. 
grajati  151. 
^romä  163. 
tit«  89. 
jeM^nK  69. 
Jboibtf  355. 
klakolü  149.  161. 
it/a/f  161. 
klfknqii  160. 
WiiW  161. 
ilr/o/K)/«  161. 
kovq  147. 
Ä?02ra  195. 
koziflü  195. 
itroAi  161.  321. 
krqgü  161. 
itraArol»  161. 
ilrq(/i{  160. 
krektati  149. 
Arf^a;>  160. 
kripü  135. 
An<?flr/t  152. 
AWiW  152.  161. 
krivü  144.  160. 
k^oiti  145.  152. 
ArniÄ-Ä  154. 
kru^iti  147. 
Ä-H/a^t  153. 
kydati  155. 
Ay;>Äi  135. 
/q/<?  152. 

lajati  152.  157.  168. 
/«ft^dr  77. 
Ifkq  313. 
/fÄ»  313. 
livü  144. 
/ruf  72. 
/rrtf  300.  399. 
Jjutica  399. 
//w/Ä  399. 
loky  294. 
/o«o^  58. 
luditi  299. 
/ttpi/i  157. 
masati  167. 


160. 


m#ra  157.  169. 

mfgla  95. 

m/atf«  159. 

m/#ibo  300. 

mcggü  347.  357. 

mravij  167. 

ffittlro/t  167. 

fiomiM  182. 

oküno  296. 

opuchnqti  155. 

a»f?a  199. 

Mfrortf  163. 

offcf  92. 

p^tii  314. 

paHti  159. 

I>l;a«*  314. 

pirati  159. 

/>/oika/t  150.  159. 

plavü  67.  93. 

p^ra  67. 

poklfcati  160. 

i>Hlrf{  108. 

prysnqti  156. 

puchati  155. 

raifca  294. 

rarÄ  157. 

reibq^  158. 

r«f^  153. 

rüv<f  147. 

|-y>q^  147. 

rykati  154. 

«Ä^eril  77. 

«ibrcufa  320. 

skrügati  149. 

«Arrara  320. 

skrrada  320. 

«ifcrfr<l^  320. 

«ifcrrÄt  320. 

slira  72. 

«fddo  62. 

staviti  154. 

stepenf  137. 

</opa  137. 

«/roe^a  138. 
I  stradati  138. 
!  «/iidi{  148. 
I  styditi  8f  148. 
I  8Ü-grüditi  161. 


Wortregister. 

pokrdüi  160. 

luznuH  157. 

). 

i>»;an  314. 

ocWto  312. 

sf  160. 

rakev  294. 

o«e^HI  69. 

»^/«n  315. 

pjdnyj  314. 

7.  169. 

/rÄior  322. 

porfÄy^  313. 

16. 

trhiovec  322. 

podbygnut'  313. 

w/^^i  313. 

l>u(ift'  314. 

I. 

wyz  70. 

pw^rf^'  313.  314 

.  142. 

Polnisch. 

puidt'  314. 
r«;  152. 

15. 

6a^yy(f  «if  812. 

rajaH  152.  157. 

tö. 

buchnqc  155. 

W^Ä  70. 

czara  319. 

svigat  169. 

k 

jaki  342. 

^e^ff  85. 

8. 

Jai(/f  72. 

foWcf  160. 

/a«y  158. 

ugri  67. 

L 

Ifknqö  313. 
myac'  166. 
nabazyö  sif  312. 

i^/-tffÄ  69. 

Kleinrussis 

J. 

pijany  314. 

bahd  312. 

prad  159. 

6yAa  313. 

«ArMwr  320. 

Meli  318. 

/reron  315.  318. 

öerenjdk  322. 

wnfk  84. 

öerdnka  315. 

«^y^f  70. 

pudiaty  314. 

Rassisch. 

i>ti5a<y  314. 
«^op  137. 

). 

baiW  312. 
bolob6lit{  151. 

Serbisch. 

4.  85. 

W^a  312. 

*ra<  79. 

163. 

buchnuti  155. 

cr^«  315. 

. 

iiiio/'  313. 

rf;>r«r  80. 

62. 

fty^rf/'  313. 

^r<f  162. 

c<p'  317. 

höi  79. 

dra  319. 

i«/rM  80. 

173. 

^«^i»  317. 

karp  71. 

deren  318. 

OWna  79. 

13. 

J^ren  315. 

ma6'  79. 

if^reii  315. 

oiac  79. 

öerendk  315. 

paJfenog  80. 

)chi8ch. 

^o/a«  151. 
Mk  198. 

pi/an  314. 
/yrfnö«^  314. 

1 

/«/>M^  314. 

jmnac  79. 

je&rf^r  361. 

puniea  79. 

3. 

jeti  361. 

raAn^  294. 

\i  312. 

A-o/(Wa  161. 

eestra  79. 

J12. 

korop  71. 

«iH  79. 

4. 

/o«(wr  62.  69. 

«liw^i  153. 

446 


Uß 

Wortregister. 

anaha  80. 

Hfna  79. 

/#lbit»i  313. 

stric  79. 

2;aora  80. 

afMi  313. 

strina  79. 

zH  80. 

«/e^/in  313. 

svast  80. 

<7(jihii/f  313. 

svekar  79. 

Sloyakiscli. 

slpknem  313. 

(f/7!n  322. 

«fiMff/t  148. 

ifura  80. 

avepati  169. 

/o«/  79.  86. 
tasta  79. 

Sloveniscli. 

NiedersorbiscL 

«efa  79. 
tetac  79. 

cvrim  320. 
cw^^f  320. 

«/fc  313. 

<efaA:  79. 

düzati  3U. 

Obersorbisch. 

/^A»  79. 

Ä-(J^  323. 

ujaöa  79. 

;tp/niA;  323. 

slaknyd  313. 

M;a^•  79. 

liknem  313. 

pjanosö  314. 

U.  Nichtindogermanisehe  Sprachen. 


Arabisch. 

5o  342.  349. 
labun  352. 
^ucfNwn  300. 
ianaHa  Md. 
^anna  349. 
^ainun  350.  361. 
^<w'rw»  855. 
^aSrun  345. 
^inifänun  349. 
^MnAr'wn  350. 
«/  362. 
arwi/  102. 
bahala  361. 
öa^TSuH  361. 
Z>a^i*'a  361. 
bahmun  361. 
(Tamma  355. 
(fa/f^Mn  349. 
rf'awa'f  349. 
dara^a  349.  358. 
dHnXun  349. 
(f5  360. 
/a/cKfa  358. 
/"o^aj^a  349. 
furrun  352. 
Aa^a  361.  362. 
habObatun  362. 
Aa-<fä  362. 


hamajun  361. 
Aato*'(i  362. 
Ļia  362. 
Hindun  346.  361. 
AMya  362. 
Haddun  349. 
Hadfdun  349. 
Ää^Mn  356. 
Haäada  355. 
HnSara  355. 
f>/un  352. 
i«  342. 
jjafa^a  352. 
ia-ktulu  348. 
Ä:ay/a  342. 
^•  a/^Mn  353. 
;tam  342. 
A;V/rnMn  363. 
^•'o/a/a  348. 
/ä  363. 

laflun  361.  363. 
ma  343. 
muHUun  357. 
muxxun  357. 
na-  342. 
nadija  352. 
qaraba  358. 
qurqurcUun  357. 
sädisun  347. 


«d^an  352. 
aal^atun  358. 
«tÄrun  361. 
äarana  355. 
/d-  342. 
tö  360. 
toro^ra  352. 
fiHnun  352. 
<w£  346. 
/li  103. 
pafirun  358. 
uarurtin  358. 
fiadda  355. 
xäm^tin  361. 
xartfun  358. 
xas'run  357. 
zamüHun  358. 
^'amma  359. 
z'arra  353. 
za^jun  359. 
;?atr|(tfn  359. 
zimamum  359. 

Assyrisch. 

ana  363. 
iMa  363. 
tna  ibiW»  353. 
h'arärü  353. 
«itfw  358. 


36. 
57. 
K  357. 

ihiopisch. 

»7. 

352. 

>8. 

Ilamisch. 

#ia  104. 

.04. 

09. 

ikma  104. 

speranto. 

379. 
0  379. 
378. 

ono  379. 
377. 
t;  394. 
r*  394. 
1. 

J90. 
)1. 
379. 

2/eco  379. 
377. 
378. 

0  379. 
1. 
391. 

Finnisch. 

1. 
291.292.293.296. 

1  296. 

m, 

299. 
^a  298. 

m. 

396. 

(riran  344.  346. 
J91. 292. 293. 296. 
I  298. 


Wortregister. 

karja-piha  298. 

Hebrliseh. 

kaw  292.  296. 

:äAaß  361. 

ikatini«  291. 

5«/  363. 

kauta  291.  292. 

'ä/ön  200. 

Aairfa,  -0,  -i#  296. 

*-If-;  352. 

itit^a  298. 

j^iV^d/  352. 

it^MM/a  298. 

ha  362. 

'ksan  346. 

ir'irrcrß  353. 

-itȀn  346. 

k-r-i  352. 

ku'  342. 

part9mfm  100. 

kuningas  306. 

«M«  358. 

-Aruw^a  293. 

io/trd  358. 

kymmenen  344. 

iae  352. 

Zatto  292. 

iäM  352. 

/ammo«  291. 

2öifa#361. 

/into  299. 

lunastaa  291. 

marÄrl»  292. 

Karelisch. 

m«  342. 

AWa  297. 

mi  343. 

miVArJta  290.  291. 

Lappisch. 

minä  342. 

möa/a  297. 

don  342. 

mi//a  297. 

/o^ue  344. 

mülta  291.  292. 

man  342. 

nieA:/a290.291.292.293. 

Lydisch. 

295. 

nuotta  292. 

KavbaöXrjc  397. 

oififlÄo  298. 

paUa  291.  292. 

Mai^arisch. 

^nAra  292. 

kilenc  344. 

panka,  -o,  -•*  296. 
l>«//o  296. 
piha  298. 

nyo/c  344. 
Uz  344. 

/>iÄatto  298.  307. 

saha  292.  293.  307. 

Mandschurisch 

aaippio  306. 

mt  342. 

sa^a  293. 

te-re  342. 

Satakunta  293. 

/e-4?6  342. 

*t>dfZ  297. 

<ifi<7-  342. 

aiula  297. 

Mongolisch. 

«-  342. 

jaqan  342. 

^0  342. 

Aren  342. 

vapaa  296. 

min  H42. 

rüibAro  306. 

to  342. 

pirka  298. 

<d-ii«  342. 

yhd€-k8än  344.  346. 

<#-r«d42. 

447 


448 

Wortregister. 

Syrisch. 

TfirkiBch. 

Ha^i^ä  357. 

Tigre. 

ff^erff^erU  367. 
mäk^^at  367. 

äiäk  198. 
doitrti«  346. 
kirn  342. 
-ifio-  343. 
-INJ-  343. 

Leipzig-Gohlis. 

man  342. 
iHfty  my  343. 
säMz  .S46. 


a  Hirt 


Beriehti^ngen. 

Anzeiger  XX  S.  166  Z.  38  lies :  Y.  10.  12  statt  9.  28. 

—  —  S.  170  Z.  13  lies :  pMubya  tictoraeibya  vayaeibya  patar9taiibf 

—  —  S.171  Z.11  lies:  *hük9hrpa  statt  '*hük9hrp(ike. 

—  —  S.  172  Z.  26  lies :  326,  Z.  9  sUtt  328,  Z.  9. 

IF.  XXII.  S.  407  Z.  23  v.  o.  lies:  S.  406  sUtt  S.  381. 


ANZEIGER 

FÜR 

IHDOGERNAVISCHE  SPRACH-  DND  ALTERTDNSKDNDL 

BEIBLAH  ZD  DEN  IND06ERMANISCHEN  FORSCHUNGEN 

HERAUSGEGEBEN 
VOH 

WILHELM  STEtEITBERG 


ZWEIÜNDZWANZIGSTKR  BAND 


STBASSBÜBG 

TERLAG  TON  KARL  J.  TRÜBNER 

1908. 


THE  NEW  YORK 

PUBLIC  LIBRARY 


ASTOR,  LCNOX  AND 
TILDEN  fOÜNOATION«. 

R  1909  L 


M.  DaMont  Schaaberg,  Strafibarg  i.  E. 


Inhalt 

Seite 

3ücherbesprechungen : 1—68 

Brugmann  Karl  u.  August  Leskien.  Zur  Kritik  der  künstl. 

Weltsprachen  (Richard  M.  Meyer) 1 

Möller  H.  Semitisch  und  Indogermanisch.  I.Teil  (H.  Grimme).  2 
Brugmann  K.  und  B.  Delbrtlck,  Grundriß  der  vergleichenden 
Grammatik  der  indogerm.  Sprachen  IL  Band.  I.Teil.  (K.  Brug- 
mann)      6 

Brugmann  K.  Die  distributiven  und  die  kollektiven  Numeralia 

der  indogerm.  Sprachen  (K.  Brugmann) 10 

Horrwitz  E.  A  Short  History  of  Indian  Literature  (M.Wintemitz)  11 

Bartholomae  Chr.  Zum  altir.  Wörterbuch  (Louis  H.  Gray)    .  13 

Lid^n  E.  Armenische  Studien  (A.  Meillet) 16 

Fraenkel  E.   Griechische  Denominativa  in  ihrer  gesch.  Ent- 
wicklung und  Verbreitung  (A.  Debrunner) 17 

Lambertz  M.  Die  griechischen  Sklavennamen  (Albert  Thumb)  18 
Reik  K.   Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Alexandria 

(Hans  Meltzer) 19 

Wahr  mann  F.   Prolegomena  zu  einer  Geschichte  der  griech. 

Dialekte  (Albert  Thumb) 29 

Meister  R.  Beiträge  zur  griech.  Epigraphik  und  Dialektologie 

(Albert  Thumb) 30 

Inscriptiones  graecae  ad  inlustrandas  dialectos  selectae 

scholarum  in  usum  iterum  ed.  F.  Solmsen  (Albert  Thumb)  31 

Kretschmer  P.  Der  heutige  lesbische  Dialekt  (Albert  Thumb)  31 
Hahn  L.  Rom  und  Romanismus  im  griechisch-römischen  Osten 

(Albert  Thumb) 39 

Meillet  A.   De  quelques  innovations  de  la  d^clinaison  latine 

(Fr.  Stolz) 42 

Fr  an  Filologiska  Föreningen  i  Lund  Spräkliga  uppsater  m. 

(August  Gebhardt) ^ 

Delbrück  B.  Synkretismus  (Otto  Mensing) 47 

Suter  P.  Die  Züricher  Mundart  (P.  Schild) 60 

Endzelin  J.  LatySskije  predlogi  (J.  Zubatf ) 66 

Brentano  H.  Lehrbuch  der  Lettischen  Sprache  (J.  Zubatf)    .  62 

[itteilungen : 64-80 

Bericht  über  die  indogerm.  Sektion  (H.  Meltzer) 64 

Formans  oder  Formativum?  (K  Brugmann) 69 

Die  Benennung  der  Aktionsarten  (Wilhelm  Streitberg)      ...  72 

Victor  Henry  (A.  Meület) 74 


IV  Inhalt 

John  Strachan  f  (R.  Thumeysen) 79 

Erster  Kongrefi  für  sachliche  Yolkskande 80 

Georg  Cartins-Stiftimg 81 

Ergänzungsheft: 

Bibliographie  des  Jahres  1905.  Erste  HSlfte 81-146 

I.  Allgemeine  indogermanische  Sprachwissenschaft 
und  Altertnmskunde  (0.  Dittrich,  E.  Schwyzer  und  Ant 

Reichel) 81 

A.  Bibliographie  S.  81.  —  B.  Allgemeine  Sprach¥ri88en8chaft 
S.  82.  —  C.  Indogermanische  Sprachvnssenschaft  S.  87.  — 
D.  Indogermanische  Altertumskunde  und  Kultorgeschichte. 

U.  Arisch  (E.  Schröter) 109 

A.  Indo-Iranisch  S.  109.  —  B.  Indisch  S.  110. 


ANZEIGER 

FÜR  IBOGERMAmSCl  SPMCH-  UND  ALTERTIMSKIDE. 

BEIBLATT  ZU  DEN  INDOGERMANISCHEN  FORSCHUNGEN 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

WILHELM  STBEFTBEBe. 

ZWEIUNDZWANZIGSTER  BAND. 


Bragmaxm  Karl  u.  August  Leskien  Zur  Kritik  der  künstlichen  Weltsprachen. 
Straßburg,  Karl  J.  Trübner,  1908.  80.  38  S.   J^  0,80. 

Vor  mehr  als  fünfundzwanzig  Jahren  war  ich  in  Kissingen  mit  einem 
holländischen  Kaufmann  zusammen,  der  lebhaft  für  die  Universalsprache 
focht ;  und  als  ich  bei  meinem  Widerspruch  beharrte,  wurde  er  ärgerlich 
und  sagte :  '"Natürlich,  die  Philologen  wollen  sich  ihr  Geschäft  nicht  ver- 
derben lassen !"  Vielleicht  habe  ich  in  diesem  Vierteljahrhundert  in  meiner 
Kenntnis  der  künstlichen  Weltsprachen  etwas  Fortschritte  gemacht ;  aber 
daß  die  'Weltsprachler'  in  ihrer  Beurteilung  der  philologischen  Bedenken 
Fortschritte  gemacht  hätten,  kann  ich  nicht  linden. 

Deshalb  darf  man  nicht  aufhören,  diese  Bedenken  ruhig  und  sachlich 
vorzubringen.  In  meiner  Studie  über  "Künstliche  Sprachen'  suchte  ich  sie 
wissenschaftlich  zu  begründen;  Diels  hat  sie  in  der  bekannten  Akademie- 
rede vorzugsweise  vom  praktischen  Standpunkt  aus  vorgetragen;  Brug- 
mann  und  Leskien  fassen  nun,  wie  vor  ihnen  Gustav  Meyer,  theo- 
retische und  praktische  Bedenken  übersichtlich  und  klar  zusammen  — 
Brugmann  die  gegen  die  sprachlichen  Homunculi' Überhaupt,  Leskien 
gegen  den  dermaligen  Favoriten  'Esperanto',  der  wohl  trotz  der  Zurufe 
begeisterter  Chemiker  und  Mathematiker  wie  'Volapük'  und  Genossen  vor 
dem  Ziel  zusammenbrechen  wird.  Die  sklavische  Abhängigkeit  der  Zamenhof- 
sehen  Erfindung  von  den  Nationalsprachen  setzt  sie  dabei  noch  tief  unter 
die  geistreicheren  Dekokte  früherer  Spracherfinder,  über  die  soeben 
L.  Wiener  (in  der  'Internationalen  Wochenschrift*)  eine  lehrreiche  Parade 
abhält. 

Die  Zweifel,  die  Brugmann  gegen  eine  universale  Brauchbarkeit  der 
Universalsprachen  vorträgt,  die  berechtigte  Kritik  der  berühmten  'leichten 
Erlernbarkeit'  durch  Leskien,  die  Verwahrung  gegen  die  übliche  Verwechse- 
lung jedes  beliebigen  auf  anderem  Gebiet  ausgezeichneten  Gelehrten  mit 
Sachverständigen  auf  dem  Gebiet  des  Sprachlebens  (wobei  mir  doch  das 
allgemeine  Urteil  über  Max  Müller,  nicht  das  in  dieser  Spezialfrage, 
etwas  hart  scheint)  —  dies  alles  scheint  mir  unwiderleglich.  Nur  in  einem 
Punkt  möchte  ich  Brugmanns  Einwurf  —  den  ich  früher  ebenfalls  aus- 
gesprochen habe  —  nicht  mehr  so  unbedingt  wiederholen.  Ist  wirklich 
auch  bei  einer  solchen  künstlichen  Sprache  die  Dialektbildung  notwendig 
von  so  unbegrenzter  Ausdehmmg  wie  bei  Nationalsprachen?  Kann  sie 
nicht  durch  die  unveränderliche  Schriftsprache  stark  in  Zaum  gehalten 
werden  wie  —  trotz  dem  mündlichen  Gebrauch  der  Kleriker,  der  Ungarn 

Anxeiger  XXJL  V 


2  Möller  Semitisch  und  Indogennanisch. 

und  Polen  —  das  mittelalterliche  Latein  es  blieb  ?  Könnte  bei  dem  starken 
internationalen  Tauschverkehr  der  Esperantisten  nicht  die  Ausgleichont 
zentripetaler  wirken  als  bei  den  yerhältnismäßig  genngfSgigen  der  dialekt- 
sprechenden Bewohner  eines  Landes? 

Doch  das  ist  eine  reine  Doktorfrage.  Zur  praktischen  Lösung  wird 
sie  schwerlich  kommen,  da  eine  Durchführung  der  künstlichen  Weltsprache 
Vorbedingung  für  dies  interessante  Experiment  wäre.  Aber  all*  die  sonder- 
baren Vorzüge,  die  Leskien  dem  Esperanto  nachweist,  werden  den  Herren 
Couturat  und  Leau  wohl  kaum  den  Sieg  über  die  bösen  Philologen  — 
und  die  schUmmeren  Verhältnisse  ermöglichen.  Eine  künstliche  Sprache 
ist,  wie  Peter  Schlemihl,  ohne  Schatten:  nur  vemunftmäßige  Klarheit  (wenn 
auch  überhaupt  die !),  nichts  von  den  klanglichen,  assoziativen,  historischen 
Reizen  der  gewordenen  Sprache.  So  mag  Peter  Schlemihl  denn  mit  Sieben- 
meilenstiefeln wandern  —  heimisch  wird  er  nicht  werden  und  sein  Glück 
nicht  machen! 

Berhn.  Richard  M.  Meyer. 


Möller  H.  Semitisch  und  Indogermanisch.  I.  Teil :  Konsonanten.  Kopen- 
hagen, H.  Hagerup,  1907.  80.  XVI  u.  395  S. 

Möller  macht  in  seiner  Studie  über  Semitisch  und  Indogermanisch, 
deren  erster  die  Konsonanten  behandelnder  Teil  vor  uns  liegt,  den  kühnen 
Versuch,  den  weiten  Abgrund  zu  überbrücken,  der  anscheinend  Semitisch 
von  Indogermanisch  trennt.  Zum  erstenmale  wird  hier  von  einem  mit 
genauer  Kenntnis  beider  Sprachgebiete  ausgerüsteten  und  dabei  me- 
thodisch geschulten  Forscher  etwas  gewagt,  was  vielen  von  vornherein 
für  unausführbar  gilt.  Aber  auch  solche,  die  keine  prinzipiellen  Bedenken 
dagegen  haben,  sind  leicht  geneigt,  ein  Unternehmen,  wie  Möller  es  ins 
Werk  setzt,  für  verfrüht  anzusehen.  Sind  doch  die  beiden  zu  vergleichenden 
Faktoren  bisher  sehr  ungleich  durchforscht  und  erkannt :  dem  Indogerma- 
nischen, dessen  Entwickelungsphasen  bis  in  seine  Urzeit  hinein  ziemlich 
aufgedeckt  sind,  steht  das  Semitische  als  ein  Komplex  von  Sprachen  gegen- 
über, deren  Zusammengehörigkeit  mehr  gefühlt  als  definiert  ist,  und  hinter 
die  den  Horizont  einer  semitischen  Ursprache  zu  stellen  gerade  noch  in 
einem  mit  Möllers  Buche  gleichzeitig  erschienenen  Buche  ein  Thantom' 
genannt  wird,  dem  "ernsthafte  Forscher  heute  kaum  mehr  nachjagen** 
(Brockelmann,  Grundriß  der  vergl.  Gramm,  d.  sem.  Spr.,  Zur  Einführung.). 
Möller  erkennt  wohl  die  Schwierigkeiten  seines  Themas,  hat  aber  den  Mut 
dort,  wo  ihn  die  bisherige  semitistische  Forschung  im  Stiche  läßt  sich 
mit  eigener  Kraft  weiterzuhelfen.  So  ist  sein  erster  Band  eigentlich  von 
vorn  bis  hinten  Neuland  der  semitischen  Wissenschaft. 

Der  Wagemut  Möllers  zeigt  sich  auch  darin,  daß  er  dem  Semitischen 
den  hamitischen  Sprachkomplex  als  organische  Ergänzung  anhängt.  Weit- 
gehende Ähnlichkeiten  zwischen  semitischen  und  hamitischen  Sprach- 
erscheinungen werden  seit  längerer  Zeit  von  den  Semitisten  zugegeben; 
eine  eigentliche  Vergleichung  beider  Gebiete  gilt  jedoch  als  ein  Noli  me 
tangere.  Bezeichnend  ist  hierfür  die  Äußerung  Brockelmanns  (Grundr.  S.  i): 
•"Eine  voreilige  Vergleichung  hamitischer  Spracherscheinungen  mit  semiti- 
schen kann  daher  nur  zu  leicht  zu  irrigen  Schlüssen  führen".  Daß  aber 
das  Unterlassen  jeder  Vergleichung  von  zwei  als  ähnlich  erkannten  Sprach- 
Mlhildten  schlimmer  ist  als  gelegentliches  Irren  in  sprachlichen  Konklu- 


Möller  Semitisch  und  Indogennanisch.  8 

sionen,  und  daß  überhaupt  jeder  Fortschritt  der  Wissenschaft  naturgemäß 
mit  Fehlem  rechnen  muß,  wird  dabei  gem  übersehen.  Was  Möller  über 
die  Verbindung  des  Semitischen  mit  dem  Hamitischen  denkt,  steht  schon 
seit  langem  auf  dem  Programm  von  Leo  Reinisch;  wenn  M.  dieses  und 
damit  das  gewaltige  Lebenswerk  von  Reinisch,  die  Erschließung  der  leben- 
den hamitischen  Sprachen,  außer  Acht  gelassen  hat,  so  rächt  sich  das  bei 
ihm  dadurch,  daß  unter  seinen  Händen  Hamitisch  eigentlich  zu  Altägyptisch 
zusammenschrampft.  Diese  Sprache,  von  deren  Konsonantismus  vieles, 
von  deren  Vokalismus  aber  fast  alles  unerschlossen  ist,  hätte,  um  aus  ihr 
exakte  Begriffe  von  Hamitisch  zu  gewinnen,  unbedingt  erst  durch  ein 
paar  der  lebenden  hamitischen  Sprachen,  wie  Bilin  und  Somali,  gestützt 
und  ergänzt  werden  müssen. 

Um  den  hamitisch-semitischen  Sprachstammbaum  hat  sich  M.  an- 
scheinend nicht  gekümmert;  oder  liegt  eine  Behauptung,  daß  Hamitisch 
eigentlich  die  ältere  Schicht  des  Semitischen  sei,  in  der  Aufstellung,  daß 
die  Hamiten  sich  aus  asiatischen  Sitzen  über  Afrika  verbreitet  hätten? 
An  einem  Beweise  hierfür  läßt  M.  es  fehlen.  Beachtet  man  aber,  daß  wir 
hamitische  Sprachen  bisher  nur  in  Afrika  kennen,  und  zwar  in  reichster 
Mannigfaltigkeit,  so  könnte  man  mit  viel  größerer  Wahrscheinlichkeit  die 
Hypothese  von  der  afrikanischen  Herkunft  der  hamitischen  Sprachen  auf- 
stellen. M.'s  Ansicht  wird  lediglich  die  Konsequenz  davon  sein,  daß  nach 
ihm  auch  alle  semitischen  Sprachen  ursprünglich  in  Asien  beheimatet 
waren ;  dazu  steht  aber  gewissermaßen  im  Gegensatz,  daß  er  bei  den  afri- 
kanischen Semiten  eine  Gmppe  ursemitischer  Laute  (labialisierte  Gutturale) 
konstatiert,  die  er  den  asiatischen  Semiten  abhanden  gekommen  sein  läßt. 
In  letzter  Hinsicht  mußten  ihm  wohl  auch  deshalb  Hamiten  und  Semiten 
als  Asiaten  erscheinen,  weil  zu  ihrer  Verknüpfung  mit  den  Indogermanen 
kein  anderer  Boden  besser  geeignet  scheint  als  der  asiatische:  es  liegt 
somit  eine  petitio  principii  vor. 

Die  Beschränkung,  die  bei  M.  bezüglich  des  Hamitischen  besteht, 
läßt  die  Resultate  seiner  hamitischen  Untersuchungen  meines  Erachtens 
ziemlich  mager  ausfallen;  ungleich  reicher  ist  der  Anteil,  der  für  das 
Semitische  bei  seiner  Forschung  abfällt.  Vor  M.  bedeutete  semitische  Laut- 
lehre das  Nebeneinanderstellen  der  historisch  überlieferten  Laute  ohne 
Rücksicht  auf  ihr  organisches  Verhältnis  zueinander;  M.  stellt  dieser 
bequemen  Methode  die  schwierigere,  aber  auch  gründlichere  entgegen, 
die  historischen  Laute  mit  den  aus  ihnen  zu  erschließenden  vorhistorischen 
als  ein  organisches  System  zu  begreifen.  Es  ist  M.*s  hohes  Verdienst,  mit 
der  Anwendung  dessen,  was  in  der  indogermanischen  Lautforschung  als 
Anfang  aller  tieferen  Forschung  gilt,  auf  das  Semitische  einmal  Ernst 
gemacht  zu  haben.  Bei  dieser  Arbeitsweise  mußte  sich  ihm  auf  Schritt 
und  Tritt  Neues  einstellen.  Von  solchem  bezeichnet  er  selber  (S.  XV  ff.) 
als  Wichtigstes: 

1.  die  Nachweisung  der  palatalen  Reihe  i  (=3  ^),  d  (z),  fi,  (arab.)  4, 
sich  verhaltend  wie  t,  d,  f,  D  (zu  ^)  und  ib,  g,  K,  6r  (zu  ir); 

2.  die  Beleuchtung  der  Herkunft  der  emphatischen  Konsonanten; 

3.  der  Nachweis  der  ursprünglichen  Regelmäßigkeit  der  Beziehungen 
von  k,  tf  ä  za  <:,  /,  ^,  von  p  zu   *,  von  ^,  d^dzxx  O  (zu  t),  (arab.)  ^,  4- 

Diese  drei  Aufstellungen  hat  M.  untereinander  in  systematischen  Zu- 
sammenhang gebracht,  sodaß  Annahme  oder  Ablehnung  der  einen  von 
ihnen  leicht  die  der  übrigen  nachziehen  könnte.  Nun  liegt  ihre  Begründung 


4  Möller  Semitisch  nnd  Indogermanisch. 

bei  M.  ebensosehr  auf  indogermanischem  wie  auf  semitischem  Gebiete: 
das  erschwert  dem  Semitisten  eine  feste  Stellungnahme  zu  ihnen.  Ich  will 
von  vornherein  als  wohl  mögUch  hinstellen,  daß  M.  in  diesen  drei  Kardinal- 
punkten  recht  haben  könne,  möchte  aber  doch  einige  Einwände  nicht 
zurückhalten ;  wenn  sie  vielleicht  ein  Steinchen  des  Systems  lockern  soUten, 
so  würde  das  nach  dem  eben  Gesagten  gewichtige  Folgen  fQr  das  ganze 
System  nach  sich  ziehen. 

Wenn  M.  i^  z,  ^,  ^  aus  A-i,  gt,  Kt,  Gi  vornehmlich  durch  Palt- 
talisierung  entstanden  sein  läßt,  so  hat  das  etwas  bestechend  EinDaches  an 
sich  und  bietet  eine  gute  Erklärung  für  die  Erscheinung,  daß  das  historische 
Semitisch  mit  Spiranten  überreichlich  ausgestattet  ist  Aber  wie  stellt  sich 
dann  M.  zu  der  Tatsache,  daß  von  obigen  vier  Lauten  zweie  (J  im  Mehri 
und  4  im  Altarabischen)  lateral  auftreten?  Gibt  es  eine  Analogie  dafür, 
daß  Palatalisierung  zu  lateraler  Artikulation  führt?  Wird  man  nicht 
vielmehr  in  der  lateralen  Lautbildung  eine  ursemitische  Erscheinung  zn 
erblicken  haben?  Weiter  hätte  M.  beachten  sollen,  daß  neben  ^  im  Mehri 
in  häufigen  Fällen  ein  ^,  in  zahlreichen  anderen  Sprachen  gelegentlich  t 
(wohl  urspr.  ^)  steht ;  dieser  Laut,  der  gemäß  seiner  großen  Verbreitung 
alt  sein  dürfte,  paßt  aber  nicht  in  M/s  System  der  alten  palatalen  Laute. 

In  M.'s  Auffassung  der  Entstehung  der  Emphase  paart  sich  Eigenart 
mit  Einfachheit;  dennoch  ist  auch  hier  ein  Zweifel  am  Platze.  M.  kon- 
struiert hier  ganz  ohne  Berücksichtigung  des  Wesens  der  historischen 
Emphase:  man  findet  bei  ihm  keine  Bemerkung  darüber,  daß  zwischen 
der  afrikanisch-semitischen  und  der  asiatisch-semitischen  Emphase  ein 
großer  Unterschied  besteht,  noch  weniger,  welche  von  beiden  für  älter  zu 
nehmen  sei.  Jede  Emphase  ist  nach  ihm  die  Fortbildung  vorsemitischer 
Stimmhaftigkeit  der  Tenues  und  Medien.  Wäre  nun  dies  der  Fall,  so  er- 
wartete man  wohl,  daß  die  AfTektion,  welche  das  Wesen  der  Emphase  aas- 
macht, auch  einheitlicher  Natur  sei.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall :  z.  B.  gibt 
es  im  Arabischen,  dessen  Lautbestand  M.  trotz  des  Fehlens  der  labiaH- 
siertcn  Gutturale  für  den  altertümlichsten  erklärt,  sowohl  stimmhafte  wie 
stimmlose  emphatische  Laute.  Indem  ich  M.  zugebe,  daß  die  Emphase  unter 
den  Formen,  wie  sie  das  historische  Semitisch  zeigt,  nicht  im  Vorsemitischen 
bestanden  haben  wird,  möchte  ich  ihre  Entstehung  doch  unter  einem 
anderen,  weiteren  Gesichtspunkte  erklären.  Neben  der  Lautverstärkung, 
wodurch  z.  B.  t  zu  f,  k  za  (:  wird,  gibt  es  auch  noch  eine  (von  der  Ge- 
mination zu  trennende)  Dehnung:  z.  B.  von  Labialen  (vgl.  tunisisches 
m  und  Ä,  amharisches  m"  und  ä«),  von  r  und  /  (vgl.  amhar.  r-  und  /■, 
vielleicht  auch  neuarab.  /  in  'o/«ä  'Gott')  —  Erscheinungen,  die  M.  nicht 
berücksichtigt  hat.  Ich  halte  es  nun  für  möglich,  daß  diese  und  die  em- 
phatische Lautverstärkung  gleichen  Ursprungs  seien,  nämlich  auf  vor- 
semitische Konsonantdehnung  zurückgehen.  Unter  welchen  Umständen 
eine  solche  einmal  eingetreten  sei,  wäre  noch  näher  zu  untersuchen; 
vielleicht  trat  sie  nur  im  Gefolge  der  Begriffsbildung  auf  und  stellt  ein 
Gegenstück  zur  Stamnivokaldehnung  und  Silbenverdoppelung  der  inten- 
siven Aktionsarten  dar  (so  daß  einmal  katal,  kOial  und  katatal  [zu  kattal] 
naiho  verwandt  gewesen  wären). 

Mit  M.'s  zweiter  Aufstellung  hängt  seine  dritte  unmittelbar  zu- 
sammen: er  behauptet,  es  habe  einmal  ein  geordneter  Wechsel  im  Ge- 
brauche stimmhafter  (bezw.  emphatischer)  und  stimmloser  (bezw.  einfacher) 
Laute  innerhalb  der  Wurzeln  bestanden.  Ähnlich  wie  beim  indogerm. 'gram- 


Möller  Semitisch  und  Indogermanisch.  6 

malischen  Wechsel*  sei  der  Ton  in  seinen  verschiedenen  Abstufungen 
und  Stellungen  als  Ursache  dieses  Wechsels  anzusehen.  Hierfür  liefert 
aber  keine  semitische  Sprache  irgendwie  überzeugende  Belege.  Emphatische 
und  nichtemphatische  Wurzellaute  gehen  innerhalb  der  einzelnen  Sprachen 
unverändert  durch  alle  Phasen  der  Wortbildung  hindurch,  und  es  ist  schon 
etwas  seltenes,  wenn  sich  von  einer  zur  anderen  Sprache  das  Verhältnis 
der  emphatischen  Radikale  um  ein  Geringes  verschiebt.  Hat  ein  stärkerer 
Ton,  wie  M.  andeutet,  als  Ursache  der  Emphase,  bezw.  Stimmhaftigkeit,  zu 
gelten,  so  muß  man  es  auffällig  finden,  daß  keines  der  Erweiterungselemente 
(Präfixe,  Suffixe,  Infixe)  einen  emphatischen  Laut  aufweist  —  sie,  die  in 
alter  Zeit  doch  wohl  zu  den  tonstärksten  Wortelementen  gehört  haben 
werden.  Hinsichtlich  der  Fälle,  wo  emphatische  Wurzelelemente  einer  Sprache 
nichtemphatischen  einer  anderen  Sprache  gegenüber  stehen,  wird  man  sich 
einstweilen  begnügen  müssen,  daran  zu  appellieren,  daß  ein  emphatischer 
Radikal  nicht  selten  den  benachbarten  auch  emphatisch  werden  läßt,  femer 
anzunehmen,  daß  sich  einige  alt-  oder  ursemitische  emphatische  Laute 
nicht  hätten  halten  können  und  in  einen  verwandten  emphatischen  oder 
auch  einfachen  Laut  übergegangen  seien,  z.  B.  ^  in  ^  oder  ?,  stimmh.  q 
in  stimml.  f  oder  ^,  Mn  jp,  |>  oder  b.  Mit  der  Existenz  des  erwähnten  b  sowie 
eines  p  im  Ursemitischen  rechnet  M.  —  wie  ich  meine  —  durchaus  mit  Recht. 
Im  historischen  Semitisch  läßt  er  sie,  mit  Ausnahme  von  sporadisch  vor- 
kommendem p,  alle  in  b  übergegangen  sein ;  dabei  hat  er  aber  übersehen, 
daß  das  Syrische  in  einer  Reihe  von  Wurzeln  ein  p  hat,  welchem  arab., 
hebr.,  auch  äthiop.  b  gegenüber  steht  (z.  B.  pH  'schön  sein* :  arab.  bahifa ; 
pdpä  'Seite*  :  klass.-arab.  'ibfu*,  neuarab.  bäf  'Achsel';  pfld  'Elefant': 
klass.-arab. 't6t7tf»,  beduin.-arab.  6trKamel(e)*;|xi^^» 'befreien*:  äih.bfyatfa; 
päta^  'geziemend':  äth.  baie^eia  'geziemend  s.';  pa^M  'schwatzen':  arab. 
bafffpa\  p9id  'blöken':  arab.  fto^^ti**  'Geblök').  Sucht  man  nach  einer 
Erklärung  für  diesen  auffälligen  Wechsel,  so  dürfte  am  nächsten  liegen, 
ihn  mit  untergegangenem  ^  in  Verbindung  zu  bringen. 

War  für  M.  das  Vorkommen  von  p  im  Altäthiopischen  entscheidend, 
um  den  gleichen  Laut  dem  Ursemitischen  zuzusprechen,  so  trägt  er  auch 
kein  Bedenken,  die  durch  die  äthiopischen  und  kuschitischen  Sprachen 
weit  verbreiteten  labialisierten  J^-Laute  in  das  vorsemitische  Lautsystem 
einzusetzen.  Er  folgt  darin  im  wesentlichen  meinen  Ausführungen  in 
Z.  D.  M.  G.  55,  411fr.,  die  für  Brockelmann  (Grundr.  S.44)  wegen  der 
dabei  "befolgten  Methode  der  Etymologie  unannehmbar"  sind.  Nur  möchte 
M.  für  den  von  mir  aufgewiesenen  Obergang  zahlreicher  labialisierter 
Gutturale  des  Äthiopischen  in  Hintergaumen-  oder  Kehlkopfspiranten  nicht 
meine  Erklärung  gelten  lassen,  daß  hier  Aspiration  oder  altes  wurzelhaftes  h 
im  Spiele  sei,  sondern  läßt  eine  Reihe  hinterster  iC-Laute  (ohne  Labiali- 
sation)  Vorgänger  dieser  Laute  gewesen  sein.  Ich  bin  geneigt,  ihm  zuzugeben, 
daß  bezüglich  der  Fälle,  wo  regelmäßiger  Wechsel  zwischen  äthiopischem 
labialisierten  Guttural  und  asiatisch-semitischer  Spirans  vorliegt,  seine 
Ansicht  manches  für  sich  hat,  falls  man  sie  dahin  modifiziert,  daß  die 
ursem.  Reihe  schon  labialisiert  gewesen  sei;  doch  halte  ich  daran  fest,  daß 
auch  die  mechanische  Verbindung  velarer  üT-Laute  mit  h  zur  Spirierung 
geführt  habe,  und  daß  solche  besonders  dort  anzunehmen  sei,  wo  neben 
labialisierter  Explosiva  des  Äthiopischen  im  asiatischen  Semitisch  bald 
einfache  Explosiva,  bald  Kehlkopfspirans  steht. 

Unschwer  ließen  sich  gegen  M.*s  Aufstellungen  noch  weitere  !^rla- 


1 


6    BropoBum  a.  Ddbrack  Gtuadnll  d.  Tcr^  GranwiuiHk  d.  idg.  Sprachen. 

zipieile  Bedenken  oder  Zvctlel  TOtbrinfen.  So  wird  es  ▼ermaüich  anf 
Seiten  der  indocemmnislen  nidit  an  Einwdrfen  fehlen  g^en  seine  These 
von  den  XsckwirkoBfen  alter  Gottnrale  Ton  der  Art  des  semitischen  'Aleph, 
Heth  and  :  Ajin.  Aoch  Ton  meinen  Standpunkte  hahe  ich  gegen  seine 
Gattnraltlieone  einzuwenden.  daA  die  Annahme  eines  Torsemitiflchen 
doppelten  Aleph  •  At  and  At)  dnrdi  den  alleinigen  Hinweis  auf  das  Ägyp- 
tische  imgenfigend  begründet  ist;  denn  was  hier  die  durch  *Adler'  imd 
*Schilfblatt*  anagedrnckten  Laote  eigentlich  and,  bezw.  ob  nnd  wodurch 
sie  sich  ron  einander  onteiacheiden.  ist  den  Agyplologen  selber  noch  ein 
RltseL  Wenig  ftberzengt  bin  ich  anch  Ton  der  Annahme  M.s,  daß  im  semit  h 
anfler  vorsem.  h  aoch  Torsem.  x^r  oder  daA  im  sem.  / anch  vorsem.  gi  ent- 
halten seL  Mir  sdieint  die  x«  tmd  gi  stehen  in  Ujb  Laotsystem  an  einer 
Stelle,  wo  man  sie  recht  got  TermisMn  ktente.  Bezfigiich  der  orsem. 
S-Laote  mit  ihren  historischen  Vertretern  hätte  M.  vermatlich  manches 
anders  oder  genauer  dargestellt  wenn  er  die  Sibilanten  des  Amharischen 
in  seine  Forschongen  einbezogen  hätte;  so  wfirden  Beispiele  wie  amL 
^mfoiai  •  mit  f^  Tliege  am  Kinn* :  arab.  jw^if  Tlaomhaar*,  anÜLis^Ai 
liineinstecken*  :  arab.  xakmt^  amh.  sisisiT  'schandem'  (hehr.  Mmarl): 
arab.  iziamrrm  's.  sträuben  (vom  Haare)*  ihm  gezeigt  haben,  daß  ursem.  i 
nicht  aDein  in  a.  sondern  anch  in  i  nachlebt 

Es  wird  gut  sein,  bei  der  Benrteilnng  Ton  M.'s  Bach  voriäofig  von 
allen  Rleinif  keiten  abzasehen«  besonders  anch  nicht  an  manchen  bedenklich 
scheinenden  Beispielen  heramzomäkeln,  znmal  der  vorliegende  Band  ans 
noch  über  die  Ansicht  des  Verfassers  bezöglich  der  Stammerweitenmgs- 
mittel  im  Ungewissen  lädt.  Hingegen  wäre  dringend  zu  wünschen,  dafi 
seine  prinzipieUen  Aufstellongen  eine  vielseitige,  eingehende  Debatte  hervor 
riefen.  Die  Enischeidong  darüber,  ob  M.,  wie  er  hofR,  mitgewirkt  habe,  "die 
Gewinnung  eines  erweiterten  Gebietes  und  erweiterter  Erkenntnismittel  für 
die  indogermanische  wie  für  die  semitisch-hamitische  Sprachforschung  des 
20.  Jahrhunderts  anzubahnen**,  wird  wohl  auf  indogermanischer  Seite  fallen 
müssen:  würde  man  hier  M.  z.  B.  in  seinem  kühnen  Vorgehen  zur  Rekon- 
struierung vorindogermanischer  Kehlkopflante  Recht  geben,  dann  dürften 
auch  die  meisten  seiner  anderen  Thesen  haltbar  sein.  Immerhin  will  ich 
schon  jetzt  nicht  mit  dem  Geständnis  zurückhalten,  dafi  M.*s  Buch  auf  mich 
einen  bedeutenden  Eindruck  gemacht  hat.  Mag  M.  in  seinen  Einzelanf- 
stellimgen  Recht  oder  Unrecht  haben :  durch  die  geistvolle  Art,  wie  er  Pro- 
bleme erkennt  und  zu  lösen  trachtet,  hat  er  sich  ein  Verdienst  um  die 
semitische  Wissenschaft  und  vollen  Anspruch  auf  Beachtung  seitens  ihrer 
Vertreter  erworben. 

H.  Grimme. 


Bragmann  K.  und  B.  Delbrück.  Grundriß  der  vergleichenden  Grammatik 
der  indogermanischen  Sprachen.  Kurzgefaßte  Darstellung  der  Geschichte 
des  Altindischen,  Altiranischen  (Avestischen  und  Altpersischen).  Alt- 
armenischen, Altgriechischen,  Albanesischen,  Lateinischen,  Oskisch- 
Umbrischen,  Altirischen,  Gotischen,  Althochdeutschen,  Litauischen  und 
Altkirchenslavischen.  2.  Band :  Lehre  von  den  Wortformen  und  ihrem 
Gebrauch,  von  KarlBrugmann.  1.  Teil:  Allgemeines.  Zusammen- 
setzung (Komposita).  Nominalstämme.  Zweite  Bearbeitung.  Straßburg, 
Karl  J.  Trübner,  1906.  Gr.  8o.  XIV  u.  685  S.  Ult  17,ö0. 


Bmgmann  u.  Delbrück  Grundriß  d.  vergl.  Grammatik  d.  idg.  Sprachen.    7 

Der  vorliegende  Teil  der  Nenbearbeitang  meines  Grandrisses  ent- 
spricht den  ersten  462  Seiten  des  2.  Bandes  der  ersten  Auflage.  Das  Mehr 
▼on  226  Seiten,  das  die  nene  Auflage  aufweist,  ist  hauptsächlich  hervor- 
gerufen durch  Hinzufagung  eines  'Motive  und  Arten  der  Wortbildungs- 
vorgänge' betitelten  Abschnitts  zu  den  Vorbemerkungen  und  durch  eine 
mehr  ins  Einzelne  gehende  Neubearbeitung  des  Abschnitts  über  die  Be- 
deutung der  Nominalstammklassen,  der  von  29  auf  103  Seiten  ge- 
kommen ist. 

Im  Verhältnis  zu  dem  Raum,  der  der  Betrachtung  der  Form  der 
Nominalstämme  gewidmet  ist,  hätte  diese  Bedeutungslehre  freilich  immer 
noch  erheblich  ausführlicher  sein  dürfen.  Aber  nicht  an  meiner  Neigung 
1mg  es,  daß  das  in  dieser  Beziehung  heute  Wünschenswerte  in  der  neuen 
Auflage  noch  nicht  geleistet  ist,  sondern  die  Rücksicht  auf  den  Umfang 
des  ganzen  Werkes  gebot  Beschränkung  und  Verzicht  Ist  doch  über- 
haupt —  bei  der  Fülle  und  Mannigfaltigkeit  des  zu  verarbeitenden  Materials 
und  bei  dem  Umstand,  daß  gerade  die  Einzelerscheinung  mit  ihren  Be- 
sondeiiieiten  in  der  Regel  das  Interessanteste  und  oft  auch  das  Lehr- 
reichste ist  —  dem  Bearbeiter  eines  solchen  das  Ganze  kurz  zusammen- 
fassenden Werkes,  wie  dieser  Grundriß  ist,  während  der  Ausarbeitung 
ununterbrochen  Entsagung  auferlegt. 

Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  einige  Verbesserungen,  Zusätze  und 
sonstige  Bemerkungen  zu  dem  vorliegenden  1.  Teil  des  2.  Bandes  anzu- 
bringen. Die  Verbesserungen  —  natürlich  sind  es  nicht  alle  Korrekturen, 
die  ich  jetzt  schon  vorzunehmen  hätte  —  sind  großenteils  durch  die 
Rezensionen  von  Henry  Rev.  crit.  1906  S.  261fr.  und  Streitberg  Liter. 
Zentralbl.  1907  Sp.  167  fr.  an  die  Hand  gegeben  worden.  S.  18  Z.  6  v.  u. 
und  S.  74  Z.  14  v.  u.  ist  für  ad  aiteram  se  convertere  zu  lesen  ad  aiterum. 
Denn  da  man  eheliche  Treue  urspriUiglich  nur  von  der  Frau  forderte, 
wird  aduUerarey  auf  dem  aduUer,  aduUera  beruhen,  zunächst  nur  von 
der  Frau  gesagt  worden  sein.  Vielleicht  ist  es  nicht  zufällig,  daß  von 
den  entsprechenden  Adjektiven  des  Altindischen,  anyo-^o-,  anya-gämin- 
das  Petersb.  Wtb.  nur  das  Femininum  {anyaga-,  anyagämim-)  belegt 
(Kathäs.  19,  27.  21,  ö6).  —  S.  22  Z.  1  v.  u.  und  S.  106  Z.  18  v.  o. :  Da 
ich  für  vi^KECToc,  Witpctoc  u.  dgl.  auf  meinen  Aufsatz  Ber.  der  sächs.  Ges. 
der  Wiss.  1901  S.  99 ff.  verweise,  sei  bei  dieser  Gelegenheit  bemerkt,  daß 
ich  mittlerweile  darauf  aufmerksam  gemacht  wurde  —  was  mir  bis  jetzt 
entgangen  war  — ,  daß  bereits  Hirt  Der  idg.  Akz.  1895  S.  312  geäußert 
hat,  vielleicht  sei  vt]-  eine  falsche  Abstraktion  von  Formen,  in  denen 
ne-  mit  einem  anlautenden  Vokal  kontrahiert  war.  Freilich  ist  Hirts 
Ausdruckweise  mindestens  unklar,  weil  man  seine  Worte  logischerweise 
so  verstehen  muß,  als  halte  er  vr)-  in  allen  unmittelbar  vorher  von  ihm 
aufgeführten  Beispielen  —  worunter  sich  auch  solche  wie  yi^tp^toc 
(^f  €ipu)),  v/|V€^oc  (&v€^oc)  befinden  —  für  eine  falsche  Abstraktion,  während 
diese  Bezeichnung  nur  auf  vr)-  in  vi^-iroivoc  (iroivi^)  u.  dgl.  anwendbar 
ist.  Überdies  verkennt  Hirt,  daß  man  anzunehmen  genötigt  ist,  *ne  sei 
von  uridg.  Zeit  her,  genauer  von  derjenigen  Zeit  her,  in  die  wir  von 
den  historischen  Einzelsprachen  aus  zunächst  zurückgelangen,  nur  die 
Negation  des  Verbums  gewesen.  Immerhin  war  aber  Hirt  mit  jener 
Äußerung  bereits  auf  dem  richtigen  Weg  zur  Ldsung  des  Problems,  und 
dies  hier  hervorzuheben,  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht.  —  S.  23  Anm. : 
Zu  den  lat.  Zahlwortbildungen  Ämf,  tertn  trint  usw.  vergleiche  man  jetzt 


8    Brugmann  u.  Delbrück  Grandriß  d.  Tergl.  Grammatik  d.  idg.  Sprachen. 

Verf.  Die  distributiven  und  die  kollektiven  Numeralia  der  idg.  Sprachen. 
Leipzig  1907.  —  S.  41  Z.  11  v.  u. :  Die  Worte  'un  ultra  ==  ultralibMi  u. 
dgl.*  hat  Henry  S.  264  mißverstanden;  *u?traliMral  u.  dgl.*  sollte  kurzer 
Ausdruck  für  Einen  sein,  der  in  seinen  politischen  Ansichten  zu  extrem 
ist.  Daß  ultra  auch  einen  Ultraliberalen  bedeutet,  lehren  die  Lexika.  — 
S.  43  Z.  10  V.  u.  lies:  (über  got.  Ulfila  Wulfila  s.  Luft  KZ.  36,  264),  statt: 
(got.  Wulfila).  —  S.  88  Z.  14  v.  u. :  Lat.  cini-fio  ist  zu  streichen.  Deim  wahr- 
scheinlich war  das  Wort  volksetymologische  Zustutzung  eines  griechischen 
Wortes,  dessen  Anfangsbestandteil  kikiwo-  war.  Vgl.  Keller  Lat.  Volksetym. 
102.  Solche  Formen  dürfen  mit  echt  einheimischen  bezüglich  der  Stamm- 
bildungsverhältnisse nicht  auf  gleiche  Linie  gestellt  werden.  —  S.  106 
Z.  7  V.  0. :  Zu  askl.  ne-Jfvirb,  ne-Jf9yth  sieh  jetzt  die  Nachträge  zu  Meillets 
ätudes  (S.  506),  wo  jf-  anders  und,  wie  es  scheint,  richtiger  beurteilt 
wird.  —  S.  127  Z.  12  v.  u.  lies :  rauschend,  statt :  ranchend.  —  S.  198 
zum  Formans  -tio-  und  S.  254  zu  den  no-Formantien  füge  hinzu :  Jul 
Schwede  De  adiectivis  materiem  significantibus  quae  in  prisca  Latinitate 
suffixorum  -no-  et  -eo-  ope  formata  sunt,  Breslau  1906.  —  S.  208  Fußn.  2: 
Füge  hinzu  F.  Ribezzo  II  tipo  tematico  -öüS)  nella  declinazione  indo- 
europea,  Napoli  1906.  —  S.  211  Z.  8  v.  u.  und  S.  217  Z.  10  v.  u. :  Zn 
Sommers  Deutung  des  lat.  mVle  sieh  Streitberg  S.  168  und  Verf.  IF.  21. 
12  f.  —  S.  218  Z.  12  Y.  o.  sind  die  Worte  ai.  mdhii%  bis  mdhi^vant-  zu 
streichen  —  S.  244  Z.  14  v.  u. :  Neben  die  Deutung  von  ö^voc,  daß  es 
zu  0^/|v  gehöre  (Gurt.  Stud.  9,  256),  ist  jetzt  die  ebenfalls  mögliche  und 
ansprechende  Erklärung  von  W.  Schmid  (Rhein.  Mus.  61,  480)  getreten, 
wonach  das  Wort  aus  ♦öb^oc  (zu  Ob^ui)  hervorgegangen  ist  —  S.  271 
Z.  10  v.u.  lies:  tuenner  'zwei*,  statt  tuenner  'je  zwei'.  Denn  tuenner 
heißt  zwar  Distributivum,  ist  das  aber  nicht.  —  S.  327  Z.  7  v.  u.  lies': 
Vendryes,  statt:  Niedermann.  —  S.  330  Z.  10  v.  o.  lies:  öcrpoc,  statt  öcroc 
—  S.  333  Z.  4  V.  o.  lies :  ^sj^hor-,  statt  *Sf^^r-.  —  S.  371  Z.  1  ▼.  o.  lies: 
currülis  curülis  (1  S.  815)  zu  currus.  —  S.  383  Z.  9  v.  u.  füge  hinter 
got.  riurs  hinzu :  (Nom.  Sg.  unbelegt).  —  S.  394  §  291  Z.  19  lies :  ad- 
jektivischer, statt :  adjektischer.  —  S.  440  §  328 :  Die  von  Henry  S.  265 
gegen  meine  Auffassung  der  Feminina  auf  -tüc  gerichtete  Bemerkung, 
que  les  th^mes  latins  en  -tut-  ofTriraient  une  corr^lation  plus  approch^e, 
beruht  auf  einem  Mißverständnis.  Denn  ich  selber  habe  ja  -tO-  dem 
Bestandteil  -iü-  des  lateinischen  Formans  -tut-  gleichgesetzt.  S.  dazu 
S.  453.  —  S.  469  Z.  4  v.  o.  Zu  den  griech.  Nomina  auf  -ab-  sieh  jetzt 
Ciardi-Dupr6  Sui  temi  nominali  in  -ab-,  Studi  italiani  di  filol.  class.  14, 
177ff.  — S.537  Z.13  v.u.  lies:  fiisnam,  statt:  fifsnüm.  —  S.538  §411 
füge  hinzu:  uridg.  *snu86'8  'verwandtschaftliche  Verbindung',  dann  Be- 
zeichnung der  Schwiegertochter,  zu  ai.  sndcan-  'Band,  Sehne"  griech. 
vcOpov  aksl.  «norrt/i  o-snyvati:  das  Wort  als  o-Stamm  erhalten  arm  ww. 
Gen.  nvoy,  griech.  vuöc,  in  die  «-Deklination  übergegangen  lat.  nurus,  in 
die  ä-Deklination  übergegangen  ai.  snu^d  ags.  snoru  aksl.  smcha  (IF.  21, 
315  IT.).  —  S.  541  §  414  füge  lat.  aexus  -üs  hinzu.  Ursprünglich  ^sekso-in^  zum 
Neutr.  secus  'Geschlecht'.  Der  Gen.  sexüs  war  vielleicht  eine  alte  Dual- 
form (Danielsson  Paulis  Altital.  Stud.  3,  187  ff.,  Walde  Et.  lat.  Wtb.  569), 
doch  ist  diese  dann  auf  den  Stamm  ^sekso-^  nicht  (mit  Walde)  auf  den 
Stamm  ^sekea-,  zu  beziehen.  —  S.  563  §  443  a  und  S.  570  §  449.  Daß  der 
uridg.  Nom.  Sg.  Mask.  und  Neutr.  auf  *-u8  (neben  Nom.  Sg.  Mask.  *-|i5*, 
Neutr.  *'f^)  auch  ins  Italische  gekommen  ist,   dafür  ist  das  zu  sequor 


Bartholomae  Zum  altiranischen  Wörterbuch.  13 

usgezeichnete  Forscher  das  Buch  empßehlt,  etwas  ganz  anderes  als  das, 
ras  es  bietet. 

Prag.  M.  Winternitz. 


(axtholomae  Chr.  Zum  altiranischen  Wörterbuch.  Beiheft  zum 
19.  Band  der  ''Indogermanischen  Forschimgen'*.  Straßburg,  Karl  J.  Trübner, 
1906.  8o.  Xlll  und  287  S.  10  Jf>  (Für  die  Abonnenten  der  "Indogerma- 
nischen Forschungen",  9  M>\ 

In  so  vast  a  work  as  the  Altiranisches  Wörterbuch  a  certain 
umber  of  typographical  errors,  and  even  of  omissions,  were  almost  ine- 
itable,  despite  the  marvellous  exactitude  and  care  of  the  author.  Of  this 
is  own  list  of  addenda  and  corrigenda  is  sufUcient  proof.  But  there 
re  two  other  elements  to  be  reckoned  with  —  the  accumulation  of  additional 
laterial  and  the  results  of  later  investigations.  To  the  latter  two  factors 
[le  book  under  consideration  is  devoted,  and  all  who  make  any  use  of 
[le  Altiranisches  Wörterbuch,  which  is  absolutely  indispensible  to 
ny  investigations  whatsoever  of  the  literature  of  Ancient  Iran,  must 
ecessarily  consult  this  supplementary  work  of  its  author. 

The  book  is  divided  into  two  parts:  a  masterly  'excursus'  on  the 
owels  and  vowel-signs  in  the  Estrangelo  Middle  Iranian  manuscripts  of 
'orfan;  and  a  detailed  supplementary  discussion  of  specific  articles  in 
lie  Wörterbuch  in  which  Bartholomae  has  feit  himself  constrained  either 
3  criticise  the  comments  of  others  or  to  set  forth  the  results  of  inves- 
igations  subsequent  to  the  appearance  of  his  dictionary.  These  two  parts 
re  preceded  by  a  brief  introduction  defending  certain  problems  of  trän- 
cription.  That  this  latest  contribution  of  Bartholomae's  is  a  most  admirable 
iece  of  work  goes  without  saying.  Whatever  Bartholomae  does,  is  well 
one.  His  progress  from  the  Alt  iranisches  Verbum  in  1878  to  this 
ontribution  twenty-eight  years  later  epitomises  in  itself  the  progress  of 
ranian  philology.  No  longer  are  we  bound  to  a  tradition  which,  however 
aluable,  true,  and  suggestive  it  be  in  many  passages  —  almost,  we  might 
ay,  in  the  majority  of  cases  — ,  often  plays  us  false;  nor  are  we  restricted 
3  the  'linguistic'  method,  foisting  alien  concepts  on  Iranian  thought.  The 
ruth,  seif  evident  yet  too  often  ignored,  is  that  both  tradition  and  com- 
arative  linguistics  must  be  combined  into  a  happy  synthesis,  wherein 
istory  and  the  science  of  religion  must  also  be  considered,  if  a  true 
nowledge  of  either  the  Avesta  or  the  Old  Persian  inscriptions  is  to  be 
ttained. 

Tnrning  from  the  general  remarks  to  a  more  detailed  discussion, 
re  may  first  consider  Bartholomae's  prefatory  notes  on  transcription 
f)p.  6—16).  Though  1  no  more  claim  to  be  an  expert  in  Iranian  palaeo- 
raphy  than  Bartholomae  himself,  it  seems  to  me  that  he  has  effectually 
stablished  his  position  with  regard  to  the  three  signs  ä-,  i,  and  t- 
tartholomae's  remarks  with  regard  to  ä*  and  t  may  be  dismissed  with 
imple  approval,  but  as  to  i  the  case  is  more  involved.  At  all  events,  the 
haracter  can  scarcely  be  a  ligature  of  "^ni»  "<^^  "®®^  ^*  necessarily 
epresent  nnH-  ^*y  ^^  ^^^  equally  well  be  a  ligature  of  f)*^,  thus  ex- 
laining  the  equations  Skt.  mafi^a,  OPers.  martiyaj  Av.  majfya,  NPers.  mard? 
his  is,  of  course,  to  be  regarded  merely  as  a  tentative  Suggestion,  not 
8  a  positive  theory.    At  all  events,  it  seems  safe  to  conclude,  with 


14  Bartholomae  Zum  altiranischen  Wörterbuch. 

Bartholomae  (p.  12),  that  the  evidence  is  incondnsive  that  the  charactcr 
usually  transcribed  i  was  pronounced  either  hr  or  ukr.  What  ita  exad 
connotation  was,  remains  to  be  determined.  The  defence  of  the  tetm 
*Avesta*  for  the  language  of  the  Iranian  scriptores  has,  it  may  be  remarked 
in  passmg,  the  reviewer's  füll  approval  (pp.  16—20). 

Perhaps  the  most  valuable  portion  of  the  book,  in  the  sense  of& 
general  and  sweeping,  rather  than  a  detailed  and  minute,  addition  to  cor 
knowledge  of  Iranian,  is  the  'excursus'  on  the  Tarfan  vowels  and  Towel- 
signs  (pp.  2ö — 90),  in  which  Bartholomae*s  accoracy  and  scholarship  appear 
in  their  happiest  expression;  while  a  wealth  of  new  forms  and  readinss 
are  here  added  to  the  material  for  some  futore  Pahlavi  dictionary  —  one 
of  the  most  urgent  needs  of  Iranian  scholarship.  Yet  here  we  intss  any 
information  concerning  the  treatment  of  the  consonants  in  the  Turfan 
manuscripts;  and  though  the  Turfan  consonantism  differs  little  from  that 
of  the  book-Pahlavi,  some  general  Statement  of  this  fact  might  well  have 
been  given.  Attention  might  surely  have  been  called  to  the  late  character 
of  the  consonant-system,  as  evidenced,  for  instance,  by  Turfan  vQzwr$ 
(p.  33),  'great*,  but  book-Pahlavi  vazurk\  Turfan  mdn-bid^  "lord  of  the  house" 
(p.  41),  but  book-Pahlavi  män-pat;  or  the  change  of  intervocalici^  and  ^ 
to  y  (pp.  27—28,  76 — 77);  or  the  development  of  a  prothetic  vowel  before 
an  initial  consonant-group  (pp.  79 — 83).  Furthermore,  we  have  a  tantali- 
singly  brief  allusion  to  points  of  resemblance  between  the  Turfan-Pahlavi 
and  the  Persian  Central  dialects  (pp.  31,  note  1,  60,  61—62).  We  thos 
ßnd  in  this  *excursus'  a  mass  of  valuable  detail,  but  no  generalisation, 
such  as  would  be  most  acceptable;  and  but  half  the  phonology  is  dis- 
cussed,  the  consonantism  receiving  scarcely  a  mention. 

The  remainder  of  the  Zum  altiranischen  Wörterbuch,  except 
for  a  list  of  errata  in  the  Wörterbuch  itself  (pp.  247—256)  and  the  very 
complete  indices  (pp.  261—287),  is  devoted  to  the  addenda  and  corrigenda 
of  the  werk  to  which  it  forms  a  Supplement.  This  portion  of  the  bock  is 
unfortunately  marred  by  a  spirit  of  criticism  of  other  scholars  which  can 
scarcely  be  termed  anything  but  polemic.  The  matter  of  Bartholomae's 
critiques,  however,  is  to  the  point  and  convincing  in  practically  every 
casc;  while  the  addenda  are  of  the  utmost  value.  The  reading  of  this 
section  in  particular  accentuates  a  desire  that  I  have  long  feit,  that  the 
author  of  the  Altiranisches  Wörterbuch  may  some  day  give  us  a  new 
translation  of  the  Avesta  itself,  on  the  same  general  lines  as  his  version 
of  the  Gäthäs.  Of  such  a  translation  there  is,  it  seems  to  me,  a  very 
distinct  need,  and  of  all  living  scholars  Bartholomae  is  the  best  qualified 
to  prepare  one  from  the  linguistic  point  of  view,  with  due  regard  to 
Iranian  traditional  renderings  at  the  same  time. 

In  discussing  Bartholomae's  addenda  and  corrigenda,  I  shall  mentioo 
but  two  points.  On  p.  227,  the  comments  on  riWn,  "zum  (königlichen) 
Haus  gehörig",  seem  to  loose  sight  of  the  fact  which  I  have  sought  to 
bring  out  in  my  forth-coming  article  on  the  Achsemenians  in  Hasüngs's 
new  Dictionary  of  Religion  and  Ethics,  that  the  word  must  still  be 
held  to  mean  'all',  as  is  clear  from  the  Babylonian  and  New  Sosian  rende- 
rings by  gabbi  and  marpepia,  'all',  in  passages  of  the  Achsemenian  in- 
scriptions  (Babylonian:  Persepolis  H.  24;  Ca.  11, 13;  Cb.  21,  25;  Van.  26; 
New  Susian :  Persepolis  H.  21).  I  think  that,  methodically,  I  have  at  least 
some  justiücaüotv  Cot  adhering  still  to  my  view  as  there  expressed.  In 


i 


Horrwitz  A  Short  History  of  Indian  Literature.  11 

tauft  und  im  Wörterbuch  und  in  der  Grammatik,  zur  Unterscheidung  von 
M,  trfs  usw.,  mit  *je  zwei*,  *je  drei'  usw.  übersetzt,  obwohl  sie  diesen 
Sinn  nie  und  nirgends  gehabt  haben.  In  der  slavischen  Grammatik,  wo 
bei  dvoje,  trcje  usw.  der  gleiche  Namensmißbrauch  geschah  und  geschieht^ 
ist  doch  seit  einigen  Jahrzehnten  für  Distributiva  daneben  auch  der  zu- 
treffendere Name  Kollektiva  in  Gebrauch,  und  diese  Bezeichnung  ist  es^ 
die  ich  für  das  ganze  idg.  Sprachgebiet  akzeptiert,  d.  h.  auf  die  ent- 
sprechenden Zahlwortklassen  der  andern  idg.  Sprachen  ausgedehnt  habe. 

Es  werden  nun  beide  Klassen,  die  distributive  und  die  kollektive, 
durch  alle  idg.  Sprachen  hindurch  sowohl  nach  der  formalen  als  auch  nach 
der  semasiologischen  Seite  hin  näher  behandelt.  Ich  versuche  fQr  sie  zu- 
nächst alles,  was  der  Bildungsweise  nach  zusammengehört,  zusammen- 
zubringen und  dann  bezüglich  der  mannigfachen  Bedeutungsentwicklungen 
wenigstens  die  Grundlinien  festzustellen.  In  letzterer  Hinsicht  war  diese 
Beschränkung  geboten,  weil  der  Stoff  überreich  ist  und  es  eines  umfäng- 
lichen Buches  bedurft  hätte,  um  jeder  Einzelheit  in  den  verschiedenen 
Sprachen  und  Dialekten  ihren  Platz  im  Ganzen  der  Entwicklung  zuweisen 
zu  können.  Auch  hätte  für  eine  solche  erschöpfende  Behandlung  in 
mehreren  Sprachzweigen  meine  Kenntnis  der  betreffenden  Sprachquellen 
nicht  ausgereicht. 

Besonders  störend  war  mir  meine  Unbewandertheit  im  Nord- 
germanischen. An  der  Hand  der  mir  in  Wörterbüchern  und  grammatischen 
Darstellungen  zugänglichen  Zitate  aus  den  altnordischen  Texten  vermochte 
ich  nur  das  zu  konstatieren,  daß  den  Skandinavisten  das  bedeutungs- 
geschichtliche Verhältnis  zwischen  tttennr  tuenner,  ßrennr  ßrenner^  femer 
und  den  andern  Zahlwortklassen  bisher  dunkel  geblieben,  und  daß  der 
von  ihnen  jener  Klasse  zugeschriebene  distributive  Sinn  ihr  abzusprechen 
ist  Was  ich  nun  so,  von  den  andern  Sprachen  herkommend,  nur  ver- 
mutete, wurde  durch  eine  eingehendere  Untersuchung  des  Gebrauchs,  den 
mein  Kollege  E.  Sievers  an  der  Hand  der  Texte  vornahm,  bestätigt. 
Seine  Darstellung,  die  er  mir  freundlichst  zur  Verfügung  stellte,  und  durch 
die  der  wahre  Sinn  der  Zahlwortkategorie  tuennr  usw.  jetzt  zum  ersten- 
male  zur  Anschauung  gebracht  wird,  ist  als  Anhang  meiner  Schrift  bei- 
gegeben. 

Leipzig.  K.  Brugmann. 

Horrwitz  E.  A  Short  History  of  Indian  Literature.  With  an  Introduction 
by  Prof.  T.  W.  Rhys  Davids.  London,  T.  Fisher  Unwin,  1907.  80.  XXXI 
and  188  S. 

Eine  Literaturgeschichte  ist  das  vorhegende  Büchlein  in  keinem 
Sinne  des  Wortes.  Es  sind  einige  flüchtig  hingeworfene  Skizzen  über 
allerlei  aus  der  indischen  Literatur,  Religion,  Philosophie  und  Geschichte. 
Vom  Veda  hören  wir  auf  drei  Seiten  nur  einige  Oberflächlichkeiten  über 
▼edische  Mythologie,  für  die  eigentliche  Vedaliteratur  werden  wir  auf 
einen  zweiten  Band  vertröstet.  Ebenso  wird  das  Drama  bloß  im  Vorwort 
erwähnt ;  ein  zweiter  Teil  soll  sich  ausführlich  damit  beschäftigen.  Trotz- 
dem wird  das  Buch  auf  dem  Titelblatt  nirgends  als  'erster  Band'  oder 
'erster  Teil*  bezeichnet.  Ziemlich  flüchtige  und  ungenaue  Inhaltsangaben 
von  Mahäbhärata  und  Rämäya^a  müssen  für  die  volkstümliche  Epik  ge- 
nügen. Nach  den  Epen  folgt  erst  eine  Seite  über  die  zum  Veda  ge- 
hörigen Brähma^as  und  einige  armselige  Seiten  über  die  Upanisads.  Daran 


12  Horrwitz  A  Short  History  of  Indian  Literature. 

schließen  sich  einige  Mitteilungen  aus  dem  Inhalt  der  Sütraliteratnr.  Ein 
*Vedänta'  überschriebenes  Kapitel  endet  mit  einer  Verherrlichung  des 
Christentums  und  der  britischen  Herrschaft  in  Indien,  aber  von  der  in- 
dischen Vedäntaphilosophie  erfährt  der  Leser  herzlich  wenig  daraus.  &ne 
dürftige  Buddhabiographie  ist  alles,  was  uns  vom  Buddhismus  und  tob 
der  buddhistischen  Literatur  erz&hlt  wird.  Nach  einigen  Mitteilongen 
aus  Manus  Gesetzbuch  folgen  —  man  weiß  nicht  recht  warum  —  zw« 
historische  ^)  Kapitel  über  Xater  Phases  of  Buddhism*  und  The  Huns  and 
the  Rise  of  Ujain*.  Von  den  Puränas  weiß  der  Verfasser,  daß  sie  um  das 
6.  Jahrhundert  zuerst  niedergeschrieben  wurden  —  leider  verrät  er  mis 
nicht,  woher  ihm  diese  Kenntnis  kommt.  Neu  und  überraschend  ist  auch, 
daß  die  Mythen  und  Legenden  der  Puränas  von  'Altertumsforschern  und 
Theologen'  ähnlich  gesammelt  worden  sein  sollen,  wie  die  ICinder-  und 
Hausmärchen'  von  den  Brüdern  Grimm.  Leider  hinkt  der  Vergleich  allzn 
sehr.  Nach  den  Kapiteln  über  Turä^as  und  Tantras*  und  *Hindn  Legends 
and  Festivals'  kommt  der  Verfasser  plötzlich  wieder  zur  Nala-Episode  des 
Mahäbhärata  zurück  und  vridmet  auch  dem  Sävitrilied  ganze  fünf  Zeüen, 
worauf  mit  ein  paar  Seiten  über  die  Gedichte  KäUdäsas  und  das  Gita- 
govinda  die  ganze  indische  Kunstdichtung  eriedigt  wird.  Darauf  werden 
Bänas  Harsacarita  zwei  Seiten  gewidmet  und  Subandhu  ehrend  erwähnt  — 
damit  sind  'History  and  Fiction'  abgetan.  Einige  Zeilen  über  die  Jätakas 
und  ein  paar  Seiten  über  Pancatantra  und  Hitopadeäa  genügen  für  die 
Märchenliteratur.  Und  damit  ist  die  ganze  indische  'Literatur*  auch  schon 
zu  Ende,  denn  das  noch  folgende  Schlußkapitel,  Xanguages  and  Nations' 
betitelt,  enthält  nur  noch  einige  Notizen  über  Sanskrit,  Pali,  Hindi  and 
Hindustani.  Recht  ausführlich  sind  die  sehr  gelehrt  aussehenden  Indices. 

Als  eine  Art  Aufputz  zieht  sich  durch  das  ganze  Buch  eine  reiche 
Fülle  etymologischer  Belehrung,  teils  in  Anmerkungen,  teils  in  Ex- 
kursen. Diese  Etymologien,  welche  oft  nur  in  allerentfemtester  Beziehung 
zu  dem  behandelten  Gegenstande  stehen,  sind  ohne  Zweifel  manchnud 
richtig,  manchmal  aber  auch  recht  —  merkwürdig.  Mehr  als  merkwürdig 
ist  die  Erklärung  des  Sanskritwortes  avatära:  **Latin  ab  (from)  corrc- 
sponds  to  Sanskrit  ava,  and  trans  (beyond)  to  tär.  Avatär  means  *froni 
beyond'  the  skies,  heaven-descended"  (S.  102).  Dampati  soll  gleich  pater 
familiae  sein  (S.  77).  Manu  'bedeutet' (signifies !)  mind,  manas,  mens (S. 83). 
Und  S.  55  f.  werden  mäyä,  matter,  mater,  material,  measure,  manas,  mantra, 
metre  zusammengebracht,  und  von  der  Mutter  heißt  es  da :  *The  mother 
provides  a  body  for  her  babes;  she  cuts  out  their  physical  material,  so 
to  speak;  hence  she  is  calied  mater  in  Latin".  Parama  ist  'dasselbe 
Wort'  wie  supreme  (S.  106).  Sonderbar  ist  auch  die  Erklärung  von 
vänaprastha;  sie  sind  'Hhe  sages  of  antiquity  who,  in  a  spirit  of  seif- 
sacrifice,  went  forth  (pra)  from  their  native  villages,  henceforth  to  stay 
(st ha)  in  the  solitude  of  the  'forest'  (vana)"  (S.  151). 

Sehr  interessant  ist  die  wertvolle  Einleitung  von  Rhys  Davids. 
Doch  erwartet  man  nach  den  wohlwollenden  Worten,  mit  denen  dieser 


1)  Zur  Charakteristik  des  Verfassers  als  Historiker  genügt  die  naive 
Bemerkung  auf  S.  90 :  '*To  make  our  point  clear  we  have  taken  the  liberty 
to  Paraphrase  and  intermingle  the  interesting  accounts  of  Indian  life  given 
by  Megasthenes  and  Hiouen  Thsang,  although  the  two  distinguished  writers 
are  separated  by  the  interval  of  a  thousand  years". 


Bartholomae  Zum  altiranischen  Wörterbuch.  13 

usgezeichnete  Forscher  das  Buch  erapßehlt,  etwas  ganz  anderes  als  das, 
ras  es  bietet. 

Prag.  M.  Winternitz. 


Uuriholomae  Chr.  Zum  altiranischen  Wörterbuch.  Beiheft  zum 
19.  Band  der  'Indogermanischen  Forschungen".  Straßburg,  Karl  J.  Trübner, 
1906.  80.  Xm  und  287  S.  10  vÄ  (Für  die  Abonnenten  der  "Indogerma- 
nischen Forschungen'*,  9  J^), 

In  so  vast  a  work  as  the  Altiranisches  Wörterbuch  a  certain 
.mnber  of  typographical  errors,  and  even  of  omissions,  were  almost  ine- 
itable,  despite  the  marvellous  exactitude  and  care  of  the  author.  Of  this 
is  own  list  of  addenda  and  corrigenda  is  sufficient  proof.  But  there 
xe  two  other  elements  to  be  reckoned  with  —  the  accumulation  of  additional 
laterial  and  the  results  of  later  investigations.  To  the  latter  two  factors 
be  book  under  consideration  is  devoted,  and  all  who  make  any  use  of 
he  Altiranisches  Wörterbuch,  which  is  absolutely  indispensible  to 
ny  investigations  whatsoever  of  the  literature  of  Ancient  Iran,  must 
lecessarily  consult  this  supplementary  work  of  its  author. 

The  book  is  divided  into  two  parts:  a  masterly  'excursus'  on  the 
owels  and  vowel-signs  in  the  Estrangelo  Middle  Iranian  manuscripts  of 
Hu'fan;  and  a  detailed  supplementary  discussion  of  specific  articles  in 
be  Wörterbuch  in  which  Bartholomae  has  feit  himself  constrained  either 
D  criticise  the  comments  of  others  or  to  set  forth  the  results  of  inves- 
igations  subsequent  to  the  appearance  of  bis  dictionary.  These  two  parts 
je  preceded  by  a  brief  introduction  defending  certain  problems  of  tran- 
cription.  That  this  latest  contribution  of  Bartholomae's  is  a  most  admirable 
•iece  of  work  goes  without  saying.  Whatever  Bartholomae  does,  is  well 
lone.  His  progress  from  the  Alt  iranisches  Verbum  in  1878  to  tliis 
ontribution  twenty-eight  years  later  epitomises  in  itself  the  progress  of 
ranian  philology.  No  longer  are  we  bound  to  a  tradition  which,  however 
aluable,  true,  and  suggestive  it  be  in  many  passages  —  almost,  we  might 
ay,  in  the  majority  of  cases  — ,  often  plays  us  false;  nor  are  we  restricted 
0  the  'linguistic'  method,  foisting  aUen  concepts  on  Iranian  thought.  The 
ruth,  seif  evident  yet  too  often  ignored,  is  that  both  tradition  and  com- 
•arative  linguistics  must  be  combined  into  a  happy  synthesis,  wherein 
listory  and  the  science  of  religion  must  also  be  considered,  if  a  true 
Bowledge  of  either  the  Avesta  or  the  Old  Persian  inscriptions  is  to  be 
.ttained. 

Turning  from  the  general  remarks  to  a  more  detailed  discussion, 
ire  may  first  consider  Bartholomae's  prefatory  notes  on  transcription 
pp.  6 — 16).  Though  I  no  more  claim  to  be  an  expert  in  Iranian  palaeo- 
raphy  than  Bartholomae  himself,  it  seems  to  me  that  he  has  effectually 
stablished  his  position  with  regard  to  the  three  signs  h-,  ^,  and  i. 
(artholomae's  remarks  with  regard  to  h'  and  i  may  be  dismissed  with 
imple  approval,  but  as  to  ^  the  case  is  more  involved.  At  all  events,  the 
haracter  can  scarcely  be  a  ligature  of  ^ni»  ^^^  "®®^  ^^  necessarily 
epresent  mH-  ^^Y  ^^  ^^^  equally  well  be  a  ligature  of  p*^,  thus  ex- 
»laining  the  equations  Skt.  marfya^  OPers.  martiya,  Av.  m<iSya^  NPers.  mai-d? 
'bis  is,  of  course,  to  be  regarded  merely  as  a  tentative  Suggestion,  not 
s  a  positive  theory.    At  all  events,  it  seems  safe  to  conclude,  with 


14  Bartholomae  Zum  altiranischen  Wörterbuch. 

Bartholomae  (p.  12),  that  the  evidence  is  inconclosive  that  the  chartcter 
usually  transcribed  ä  was  prononnced  either  hr  or  ühr,  What  its  exid 
connotation  was,  remains  to  be  determined.  The  defence  of  the  term 
*Avesta*  for  the  language  of  the  Iranian  scriptares  has,  it  may  be  remarked 
in  passing,  the  reviewer^s  füll  approval  (pp.  16 — 20). 

Perhaps  the  most  valaable  portion  of  the  bock,  in  tbe  sense  oft 
general  and  sweeping,  rather  than  a  detailed  and  minute,  addition  to  oar 
knowledge  of  Iranian,  is  the  'excursus'  on  the  Turfan  vowels  and  yowel- 
signs  (pp.  25—90),  in  which  Bartholomae*s  accoracy  and  scholarship  appear 
in  their  happiest  expression;  while  a  wealth  of  new  forma  and  readinp 
are  here  added  to  the  material  for  some  futnre  Pahlavi  dictionary  —  ooe 
of  the  most  urgent  needs  of  Iranian  scholarship.  Yet  here  we  miss  any 
information  concerning  the  treatment  of  the  consonants  in  the  Tarfan 
manuscripts;  and  though  the  Turfan  consonantism  differs  little  from  that 
of  the  book-Pahlavi,  some  general  Statement  of  this  fact  might  well  haTe 
been  given.  Attention  raight  surely  have  been  called  to  the  late  character 
of  the  consonant-system,  as  evidenced,  for  instance,  by  Turfan  ranvy 
(p.  33),  'great',  bul  book-Pahlavi  vazurh;  Turfan  män-Ud,  Hord  of  the  hoose" 
(p.  41),  but  book-Pahlavi  män-pai;  or  the  change  of  intenrocalic  <f  and  f 
to  y  (pp.  27—28,  76 — 77);  or  the  development  of  a  prothetic  vowel  before 
an  initial  consonant-group  (pp.  79 — 83).  Furthermore,  we  have  a  tantali- 
singly  brief  allusion  to  points  of  resemblance  between  the  Turfan-Pahlavi 
and  the  Persian  Central  dialects  (pp.  31,  note  1,  60,  61—62).  We  tbos 
fmd  in  this  'excursus'  a  mass  of  valuable  detail,  but  no  generalisation, 
such  as  would  be  most  acceptable;  and  but  half  the  phonology  is  dis- 
cussed,  the  consonantism  receiving  scarcely  a  mention. 

The  remainder  of  the  Zum  altiranischen  Wörterbuch,  except 
for  a  list  of  errata  in  the  Wörterbuch  itself  (pp.  247—266)  and  the  vcrf 
complete  indices  (pp.  261—287),  is  devoted  to  the  addenda  and  corrigen<U 
of  the  work  to  which  it  forms  a  Supplement.  This  portion  of  the  bock  is 
unfortunately  marred  by  a  spirit  of  criticism  of  other  scholars  which  can 
scarcely  be  termed  anything  but  polemic.  The  matter  of  Bartholomae's 
critiques,  however,  is  to  the  point  and  convincing  in  practically  every 
case ;  while  the  addenda  are  of  the  utmost  value.  The  reading  of  this 
section  in  particular  accentuates  a  desire  that  I  have  long  feit,  that  the 
author  of  the  Altiranisches  Wörterbuch  may  some  day  give  os  a  new 
translation  of  the  Avesta  itself,  on  the  same  general  lines  as  his  version 
of  the  Gäthäs.  Of  such  a  translation  there  is,  it  seems  to  me,  a  verf 
distinct  need,  and  of  all  living  scholars  Bartholomae  is  the  best  qualified 
to  prepare  one  from  the  linguistic  point  of  view,  with  due  regard  to 
Iranian  traditional  renderings  at  the  same  time. 

In  discussing  Bartholomae's  addenda  and  corrigenda,  I  shall  mention 
bul  Iwo  points.  On  p.  227,  the  comments  on  w'^'n,  ''zum  (königlichen) 
Haus  gehörig*',  seem  to  loose  sight  of  the  fact  which  I  have  sought  to 
bring  out  in  my  forth-coming  article  on  the  Achsemenians  in  Hastings's 
new  Dictionary  of  Religion  and  Ethics,  that  the  word  must  still  be 
held  to  mean  'all*,  as  is  clear  from  the  Babylonian  and  New  Susian  rende- 
rings by  gabbi  and  marpepta^  'all',  in  passages  of  the  Achemenian  in- 
scriptions  (Babylonian:  Persepolis  H.  24;  Ca.  11,  13;  Cb.  21,  25;  Van.  26: 
New  Susian:  Persepolis  H.  21).  I  think  that,  methodically,  I  have  at  least 
lome  justification  for  adhering  still  to  my  view  as  there  expressed.  In 


Lidön  Annenische  Stadien.  15 

the  second  place,  I  still  miss  a  word  which,  though  it  does  not  occur  in 
an  Iranian  text,  should,  I  think,  have  been  included  —  the  Markaganai 
of  Bh.  3, 43.  if  this  represents,  as  it  would  seem,  an  Old  Persian  margazanay 
•T)ird-brood  (month)**. 

The  great  value  and  importance  of  this  tatest  work  of  the  brilliant 
Orientalist  of  Giessen  is  incontestible,  and  it  is  in  itself  a  justification  of 
the  honourable  name  which  he  has  won  in  the  realm  of  scholarship. 

Newark,  N.  J.,  U.  S.  A.  Louis  H.  Gray. 


IddtoE.  Armenische  Stadien,  Göteborg,  1906.  8o.  150 S.  (Göteborgs 
Högskolas  Arsskrift,  XU,  2). 

Durant  de  longaes  anndes,  les  recherches  de  phon^tique  et  de  mor- 
phologie  historiques  ont  absorb^  le  meillear  des  forces  des  comparatistes, 
et  r^tymologie  proprement  dite  a  6t6  relativement  n^glig^e  ;  les  hypothdses 
^tymologiqaes  n'apparaissaient  ga^re  que  comme  les  cons^quences  oa  les 
accessoires  d*6tades  sar  le  döveloppement  des  phonömes  ou  des  formes 
grammaticales.  Maintenant  qae  le  gros  du  travail  sar  ces  questions  fon- 
damentales  semble  fait,  on  revient  aux  Stades  de  vocabulaire,  et  Föty- 
mologie  indo-enrop^nne  s'enrichit  presque  joamellement  de  nouveaux 
rapprochements,  dont  la  plupart  sont,  U  est  vrai,  ou  övidemment  faux  ou 
donteux.  C*est  que  le  terrain  n'est  gu^re  solide  ici.  En  effet,  les  formes 
grammaticales  ne  s'empruntent  gudre  d*une  langue  k  Tautre,  et  Ton  part 
du  principe  qu'un  ^tat  morphologique  donn^  doit  trouver  dans  un  4tat 
morphologiqae  antörieur  tous  les  öl^ments  de  sa  formation  —  la  direction 
de  r^volution  pouvant  du  reste  6tre  d^termin^e  par  des  influences  ötran- 
g^res  comme  le  montrent  les  parlers  cr^oles.  Au  contraire,  les  mots  sont 
^minemment  sujets  ä  Temprunt;  et  Ton  n*est  jamais  en  droit  d'afßrmer 
a  priori  qu'an  mot  donnö  est  d'origine  indo-europ^enne ;  Thypoth^se  d'un 
emprunt  est  presque  toujours  ögalement  licite,  sinon  plus  vraisemblable 
a  priori.  Et  Ton  n'a  rien  gagnö  quand  on  a  constat^  que  le  mot  ^tudi^ 
n*est  empruntö  k  aucun  idiome  connu;  car,  en  couvrant  TEurope  entiöre 
et  une  partie  de  VAsie,  les  idiomes  indo-europ4ens  ont  ^limin^  quantitö 
de  langues  dont  il  ne  subsiste  plus  de  traces,  ou  dont  il  reste  seulement 
des  noms  propres.  Pour  Evidente  qu'elle  soit,  cette  proposition  semble 
ignor^e  de  beaucoup  d'^tymologistes  qui  raisonnent  comme  si  tout  mot 
d*une  langue  indo-europöenne  devait  6tre  tenu  pour  indo-europ4en  jusqu*ä 
preuve  de  Temprunt. 

II  ne  dopend  pas  de  M.  Lidön  que  ce  principe  ne  vienne  pas  mettre 
un  ^l^ment  de  doute  sur  la  plupart  des  ^tymologies  indo-europ^ennes ; 
tout  au  plus  peut-on  lui  reprocher  —  comme  k  tous  les  ^tymologistes  — 
de  ne  pas  le  rappeler  express^ment  et  de  ne  pas  marquer  assez  quelle 
incertitude  principielle  subsiste  en  pareille  matiöre.  Mais  on  louera  sans 
r^serve  le  tact  dont  fait  preuve  M.  L.  dans  ses  rapprochements,  la  rigueur 
avec  laqaelle  il  6vite  d^admettre  la  moindre  infraction  aux  lois  phon^- 
tiques  ou  de  comparer  des  mots  trop  ^loign^s  pour  le  sens ;  ses  discussions 
sont  des  modMes  de  correction  et  pour  la  phon^tique  et  pour  la  s^man- 
tique.  Et  cette  correction  ne  nuit  pas  k  Tinvention ;  personne,  depuis  quel- 
ques annöes,  n*a  propos^  plus  de  rapprochements  heureux  que  M.  L.  L'au- 
teur  a  d'ailleurs  un  sens  juste  de  ce  qui  est  possible  et  vraisemblable, 
et  Ton  en  peut  citer  un  exemple  piquant.   Les  dictionnaires  arm^niens 


16  Lid^n  Armenisch^  Studien. 

ont  un  mot  qui  se  transcrit  toair  dans  le  Systeme  de  Hübschmann  (poor 
transcrire  lettre  k  lettre,  je  noterais  tuaj^)^  et  qui  est  traduit  par  *dot 
donn^e  par  le  mari  k  la  femme' ;  le  mot  a  ^tö  rapprochö  de  certains  antret 
noms  de  sens  un  peu  difTerent ;  M.  L.  repousse  le  rapprochement,  et  fl  t 
bien  raison ;  car,  n'^tant  atlest^  qu'au  XU«  siöcle,  k  en  joger  par  le  die- 
tionnaire  de  Venise,  tuayr  doit  en  r^alit^  se  lire  duayr,  et  c'est  le  fran^ 
douaire.  Partout  on  se  sent  en  süretö  avec  M.  L.  qui  sait  onir  TinventioD 
k  la  prudence. 

L'ouvrage  se  compose  de  88  notes  ^tymologiques  ind^pendantes, 
dont  chacune  appellerait  une  discussion  distincte.   Un  bon  nombre  des 
etymologies  sont  suspectes  par  cela  seul  qu'elles  portent  sur  deux  groapes 
de  dialectes  seulement;  sauf  certains  cas  particuliers,   oü   des   circoos- 
tances  speciales  viennent  confirmer  le  rapprochement,  la  ressemblance 
de  mots  communs  seulement  k  deux  langues  indo-europ^ennes  ne  peot 
passer  pour  probante ;   pour  que  Thypothtee   d'une  ressemblance  fo> 
tuite  soit  exclue,  il  faut  en  g^n^ral  Taccord  d'au  moins  trois  langues. 
Quand  donc  M.  L.  rapproche  le  mot  —  assez  tardivement  et  assez  pea 
attestö  —  arm.  tuar  'brebis,  troupeau*  de  v.  h.  a.  zebar  Victime',  v.  angl. 
tfber  (et  got.  tibr?),  on  demeurera  sceptique,  malgr^  la  correction  de  la 
phon^tique  et  la  ressemblance  du  sens;  le  mot  obtenu  est  trop  isoleeo 
indo-europ^en,  et  a  une  physionomie  trop  singuli^re  pour  un  mot  isole. 
Si  Ton  6tait  assur^  que  arm.  tik  'outre'  est  d'origine  indo-europ^enne, 
ou  si  mdme  la  glose  hila  *  aVL.  AdKuivec  Hes.  se  laissait  exactement  con- 
cilier  avec  le  terme  germanique  occidental  v.  h.  a.  ziga  'chfevre',  v.  angl. 
ticcen  'chevreau',  on  serait  peut-ßtre  convaincu;  mais,  en  T^tat  des  choses, 
pourra-t-on  faire  plus  que  d'admirer  la  science  et  ring^niositö  de  Tauteur? 
Parfois  ces  rapprochements  entre  deux  langues  seulement  viennent  Scheuer 
devant  quelque  difücult^  phonötique ;  par  exemple,  M.  L.  compare  arm. 
otork  'poli,  uni'  et  irl.  lerg  'plaine';  mais  i.-e.  /  n'est  repr^sent^  par  arm. 
i  qu'en  fm  de  mot  ou  devant  consonne;  quand  on  trouve  /  intervocalique, 
c'est  dans  des  formes  obscures,  ou  par  suite  d'extensions  analogiques,  ou 
par  transformation  de  r  (par  dissimilation  dans  Temprunt  k  Tiranien  saia- 
wüi-t  'casque'  par  exemple).   Mais,  lä  oü  il  s'agit  de  mots  peu  suspects 
d'CHre  emprunt^s  comme  la  famille  du  got.  qipan  'dire'  par  exemple,  on 
a  lieu  de  croire  a  priori  que,    tout  isol^  qu'il  soit,    le  verbe  qipan  est 
d'origine  indo-europ^enne ;  en  rapprochant  arm.  kofem  *j'appelle',  M.  L. 
comble  d'une  maniere  heureuse  une  lacune  accidentelle ;  mais  il  ne  faut 
sans  doute  pas  identiiier  exactement  arm.  ko^em  k  v.  sax.  queddian,  etc., 
comme  le  fait  M.  L.,  p.  69 ;  il  ne  scmble  pas  que  le  verbe  arm^nien  soit 
un  it6ratif-causatif  du  type  indo-europ^en  en  ♦-eye- ;  c'est  plutöt  un  pre- 
sent  en  -t/e-  ä  vocalisme  radical  o,  comme  v.  sl.  borjg,  kdjg ;  le  vocalisme 
0  apparalt  en  eilet  en  particulier  dans  les  pr^sents  de  verbes  indiquant 
des  bruits  (v.  MSL.  14,  335). 

M.  L.  est  au  courant  de  tout  ce  qui  a  ^tö  ^crit  sur  la  grammaire 
compar6c  de  Tarm^nien;  il  manie  le  vocabulaire  armönien  avec  aisance  et 
süret6.  On  peut  n'ßtre  pas  d'accord  avec  lui  sur  tel  detail  —  et  le  detail 
prßterait  ä  des  discussions  infmies  — ,  mais  on  ne  peut  contester  la  pr^ 
cision  de  ses  connaissances.  On  ne  s'arr^tera  ici  qu'ä  un  petit  point, 
touche  incidemment  par  M.  L.  On  lit,  p.  61,  que  arm.  alikh  *barbe  blanche, 
vagues'  aurait  un  a  initial  r^pondant  ä  Vo  de  gr.  iroXiöc ;  mais  d'abord 
cet  a  n'a  pas  toujours  ete  initial;  il  y  avait  ä  Torigine  un  h,  issu  de  p, 


Fraenkel  Griech.  Denominativa  i.  ihrer  gesch.  Entwicklung  u.  Verbreitung.  17 

et  surtout  rien  ne  prouve  quMl  ne  s'agisse  pas  ici  d'un  degr^  z^ro  du 
vocalisme,  soit  ^politfo-,  comme  dans  lat.  palumbis,  et  aussi  dans  paUeO, 
paUidus ;  car  on  ne  voit  pas  comment  Va  latin  pourrait  s'expliquer,  sinon 
par  ^päUdo-  (de  ^p^lido-  ou  ^p^Mo-y  cf.  iicXib-vöc,  ou  de  *pelitO') ;  la  voyelle 
Interieure  a  ^tö  syncop^e ;  le  traiteroent  est  le  m6me  que  dans  lat.  Poilux 
ou  dans  meUis  en  face  de  gr.  liAiroc.  On  voit  par  uolnus  qu'on  ne  saurait 
poser  ici  un  suffixe  ^-no-,  car  -In-  se  conserve  en  latin  apr^s  syncope. 

Presque  tous  les  rapprochements  propos^s  par  M.  L.  sont  corrects 
et  plausibles,  et  un  bon  nombre  doivent  passer  pour  des  enrichissements 
durables  de  T^tymologie  indo-europ^enne ;  par  exemple  la  comparaison 
de  ofot  'tonnerre'  et  de  s\.  perunü  semble  Evidente,  de  m6me  que  celle 
de  harkanem  'je  frappe'  et  de  irl.  orgaim  'je  frappe,  je  tue* ;  dans  les  deux 
cas,  il  s'agit  d'une  möme  racine,  et  M.  L.  constate  avec  raison  qu'il  y  a  ici 
une  confirmation  de  la  remarque  due  ä  M.  Pedersen  que  le  h  issu  de  p 
initial  est  sujet  k  tomber  devant  o:  cf.  otn  *pied'  et  het  'trace  de  pas', 
orth  'veau'.  11  est  impossible  de  relever  tout  ce  qu'il  y  a  lieu  de  tirer 
de  d^fmitif  de  Touvrage  de  M.  L.,  et  il  serait  superflu  de  le  tenter ,  car 
on  y  trouvera  tant  de  choses  que  tous  ceux  qui  s'int^ressent  aux  questions 
etymologiques  devront  T^tudier  de  pr^s.  L'auteur  promet  une  suite  k  cette 
premi^re  s^rie;  il  est  ä  souhaiter  qu'il  ne  la  fasse  pas  attendre  trop 
longtemps. 

Paris.  A.  Meillet. 

Fraenkel  E.  Griechische  Denominativa  in  ihrer  geschichtlichen  Ent- 
wicklung und  Verbreitung.  Göttingen,  Vandenhoeck  und  Ruprecht,  1906. 
VI  u.  296  S.  (ursprünglich  Berliner  Dissertation).   8  Jt 

Fraenkels  Abhandlung  bedeutet  entschieden  einen  wichtigen  Fort- 
schritt in  der  Erforschung  der  großen  griechischen  Denominativtypen. 
Am  meisten  gilt  das  vom  ersten  Buch,  das  die  Nasalbildungen  unter- 
sucht. Hier  ist  es  Fr.  in  einer  Untersuchung  über  den  Weg  der  Aus- 
breitung des  Suffixes  -a(vu)  großenteils  gelungen  nachzuweisen,  wie  die 
analogische  Übertragung  von  -a(vui  auf  Bedeulungsverwandtschaft  be- 
ruht, indem  -a{vu)  von  einigen  wenigen  alten  Vorbildern  aus  produktiv 
wurde  zur  Bildung  von  Faktitiva  und  Intransitiva  in  gruppierbaren  Spezial- 
bedeutungen.  Für  -Ovui  verzichtet  Fr.  fast  ganz  auf  eine  ähnliche  Unter- 
suchung und  schreibt  das  Übergreifen  von  -Ovu>  hauptsächlich  einem 
dissimilatorisch-rhythmischen  Prinzip  zu;  dem  gegenüber  habe  ich  in 
meiner  Dissertation  (Zu  den  konson.  i'o-Präsentien  im  Griech.,  Straßb. 
1907,  S.  70(r.  =  IF.  21,  82  ßf.)  darzulegen  versucht,  wie  auch  bei  -uvui  die 
Begriffdverwandtschaft  der  maßgebende  Faktor  gewesen  ist;  auf  dieselbe 
Arbeit  kann  ich  für  Einzelheiten  über  -aivuj  und  -Ovui  verweisen,  ebenso 
für  Fr.'s  Exkurs  (S.  286  (f.),  der  eine  neue  Hypothese  über  die  Entstehung 
der  Verba  auf  -Ovui  darstellt.  —  Das  zweite  Buch  enthält  eine  Revision 
der  Auseinandersetzungen  von  L.  Sütterlin  (Zur  Geschichte  der  verba 
denom.  im  Altgriechischen,  Straßb.  1891)  über  die  Verba  auf  -öui.  Das 
Gesamtbild  der  Entwicklung  von  -öuj  wird  allerdings  wenig  verändert; 
am  wichtigsten  ist  die  entscheidende  Beantwortung  der  Frage  nach  dem 
Zustandekommen  des  Typus :  Fr.  erbringt  S.  108  ff.  mit  Hilfe  einer  Statistik 
der  homerischen  Formen  von  -6ui  den  unwiderleglichen  Beweis,  daß  bei 
der  Neuschöpfung  des  Typus  in  erster  Linie  der  Aorist  beteiligt  war 
(also  -löcai  nach  -äcai),  während  Sütterlin  (S.  96  fr.)  ähnliches  bloß  ver- 
Anzeiger \xn.  "^ 


18  Lambertz  Die  griechischen  Sklavennamen. 

mutet  hatte.  Im  Übrigen  folgt  Fr.  in  der  ganzen  Anlage  großenteils,  in 
einzelnen  BegrifTsgruppierongen  nnd  Worterkläningen  öfter  den  Sporen 
Sütterlins  *),  ist  aber  fast  überall  durch  neue  Spezialisierung  und  Grappienmi 
tiefer  eingedrungen.  —  In  entsprechender  Weise  bebandelt  Fr.  im  dritten 
Buch  den  Typus  -cOui,  wo  er  wieder  ohne  nennenswerte  Vorart)eiter  ist 
Für  die  nicht  von  Subst.  auf  -€6c  abgeleiteten  stellt  er  einzeln  oder 
gruppenweise  in  vielen  Fällen  eine  Bedeutungsverbindung  mit  den  Ana- 
logievorbildem,  den  von  -cOc  abgeleiteten,  her;  der  Rest  liefie  sich  gewiß 
durch  eine  erneute  genaue  Vergleichung  aller  Yerba  anf  -civui  auf  ein 
viel  kleineres  Minimum  reduzieren.  —  Das  vierte  Buch,  das  'die  Ab- 
leitungen auf  -^ia  und  -cic  von  den  behandelten  Denominativbildungen* 
bespricht,  liefert  manchen  wichtigen  Beleg  fSr  den  Einfluß  des  Ionischen 
auf  den  Wortschatz  der  koiv/i.  —  Noch  ein  Wort  über  Fr.'s  Material- 
sammlung. Fr.'s  Listen  umfassen  die  Belege  bis  auf  Aristoteles;  för  die 
spätere  Zeit  sollen  sie  nur  eine  zufällige  Auslese  geben,  womit  ein  Ver- 
folgen der  Entwicklung  über  die  klassische  Zeit  hinaus  ausgeschlossen 
wird.  Aus  den  Inschriften  läßt  sich  z.  B.  mit  Hilfe  von  Sütterlin  (S.  111  fit 
und  128)  das  Fehlen  verschiedener  Belege  aus  Collitz  und  aus  CIA  kon- 
statieren. Ergänzungen  zum  Material  über  -aivui  und  -Ovui,  auch  einige 
aus  klassischer  Zeit,  sind  in  meiner  obengenannten  Dissertation  jeweilen 
gegeben.  Aufgefallen  ist  mir  bei  Fr.,  daß  aus  Xenophon,  besonders  aas 
den  'Scripta  minora'  eine  Reihe  von  Belegen  fehlen  und  zwar  nicht  nur 
Komposita  wie  0iT€pce|ivuvec6ai  (Zuiiw.  3,  11),  biaTiXarOveiv  (AaK.  iroJL  2.  6), 
€tcoiK€io0c6ai  (*  EXX.  V  2,  25),  sondern  auch  diraE  cipim^va  der  klassischen 
Zeit  wie  TopToOcOai  (TTepl  linr.  10,  4),  KimoOv  (ibd.  5,  3),  XukoOcOqi  (Kup. 
YIIl  3,  41),  CKuXaKcOeiv  (KuvnT-  7,  1).  —  Doch  alle  diese  Aussetzungen 
sollen  dem  Gesamtwert  der  Arbeit  keinen  Abbruch  tun;  sie  bleibt  eine 
wertvolle  Förderung  unserer  Kenntnis  der  griechischen  Sprachgeschichte 
und  bildet  einen  weitern  Baustein  für  eine  Gesamtgeschichte  der  griechischen 
Denominativa,  zu  der  Fr.  S.  205  ff.  durch  die  Ermittelung  des  Verhältnisses 
von  -€uuj  zu  -ixi)  einen  beachtenswerten  Anfang  gemacht  hat. 

Schiers  (Graubünden).  A.  Debrunner. 


Lambertz  M.   Die  griechischen  Sklavennamen.  S.-A.  aus  dem  57.  u.  58. 

Jahresbericht  des  K.  K.  Staatsgymnasiums  im  8.  Bezirk  Wiens.  Wien 

Im  Selbstverlag  des  Verfassers  1907.  89  S. 

Der  Verfasser  behandelt  die  griechischen  Sklavennamen,  die  inner- 
halb Griechenlands  durch  Inschriften  und  Literatur  (Komödie)  überhefert 
sind.  Der  reichhaltige  Stoff  ist  gruppiert  nach  den  verschiedenen  Arten 
der  Sklavenbenennung  (Name  des  Herrn,  Heimat,  Spitznamen  usw.).  M.  E. 
hätte  es  sich  wohl  empfohlen,  die  Einteilung  Bechtels  (in  seinen  "Attischen 
Frauennamen")  zu  wählen,  vor  allem  die  zwei  Hauptgruppen,  Vollnamen 
mit  ihren  Kurzformen  einerseits  und  die  sonstigen  Namen  anderseits, 
einander  gegenüberzustellen,  statt  die  Vollnamen  mitten  einzuordnen,  jt 
sie  sogar  auf  zwei  getrennte  Abschnitte  zu  verteilen  (8.  Vollnamen,  welche 
als  ersten  Bestandteil  den  Namen  eines  Gottes  haben,  14.  Vollnamen  mit 

1)  Vgl.  z.  B.  -6ui  für  Krankheiten  bei  Fr.  94  f.  und  97  mit  Sütt.  121. 
-öui  für  'Bestrafen  mit  etw.'  bei  Fr.  72  f.,  95,  98  f.  mit  Sütt.  123,  banavdw 
bei  Fr.  96  mit  Sütt.  128,  CT€^^aTöu)  bei  Fr.  99  mit  Sütt.  122. 


Reik  Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Älexandria.  19 

ihren  Kurzformen).  Aach  würde  ich  innerhalb  der  einzelnen  Gruppen  eine 
chronologische  Anordnung  vorgezogen  haben,  damit  die  Resultate  der 
Untersuchung  unmittelbar  in  die  Augen  springen.  Unter  diesen  Resultaten, 
die  S.  73  ff,  gegeben  werden,  ist  kulturgeschichtlich  am  meisten  bemerkens- 
wert, daß  die  Namengebung  der  Freien  und  Sklaven  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte allmählich  ausgeglichen  wird,  d.  h.  daß  die  charakteristischen 
Unterschiede  beider  immer  mehr  verschwinden.  Im  Athen  der  klassischen 
Zeit  war  der  Vollname  den  Sklaven  verwehrt,  in  der  hellenistischen  Zeit 
kommen  Vollnamen  auch  bei  Sklaven  mehr  und  mehr  in  Gebrauch,  und 
in  der  Kaiserzeit  tragen  Bürger  wie  Sklaven  beliebige  Namen ;  in  andern 
Landschaften  beobachtet  man  größere  Zurückhaltung  in  der  Verwischung 
der  beiden  Klassen  —  mit  Ausnahme  von  Lakonien,  wo  die  Sklaven  durch- 
gängig wie  die  freien  Bürger  benannt  werden.  Diese  Ergebnisse  zeigen; 
wie  dankbar  die  Bearbeitung  des  Themas  war.  Aus  dem  Stoffe  ist  übrigens 
besonders  hinsichtlich  seiner  kulturhistorischen  und  literarischen  Ver- 
wertung noch  nicht  alles  herausgeholt,  was  herauszuholen  ist.  Aber  der 
Verfasser  hat  mit  seiner  fleißigen  und  umsichtigen  Sammlung  die  Grundlage 
für  weitere  Beobachtungen  gegeben.  Ich  vermisse  z.  B.  eine  genauere  Un- 
tersuchung des  Verhältnisses  von  Voll-  und  Kurznamen,  sowie  der  dichte- 
rischen Sklavennamen  im  Verhältnis  zur  Wirklichkeit  des  Lebens.  Ich 
begnüge  mich  mit  diesen  allgemeinen  Bemerkungen,  da  eine  erneute  Be- 
arbeitung und  Ergänzung  des  Themas  von  anderer  Seite  in  Aussicht  steht. 
Marburg.  Albert  Thumb. 


Reik  K.  Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Älexandria.  Leipzig, 
Buchh.  Gust.  Fock,  1907.  8o.  XII  u.  197  S.  vÄ  3,50. 

Der  Verfasser  der  W.  Schmid  in  Tübingen  gewidmeten  Doktor- 
abhandlung hat  die  beiden  vielfach  von  einander  abweichenden  Vertreter 
des  hellenistischen  Griechisch  mit  Absicht  einander  gegenüber  gestellt  — 
u.  a.,  um  ihr  Verhalten  zu  dem  seit  dem  zweiten  vorchristl.  Jahrh.  begin- 
nenden Rückgang  des  Optativs  zu  untersuchen.  Dabei  beschränkt  er  sich 
für  Polybios  auf  die  kritisch  herausgegebenen  fünf  ersten  Bücher,  in  der 
durch  Stichproben  bestärkten  Überzeugung,  daß  auch  die  Herbeiziehung 
des  weiteren  für  ihn  noch  zur  Verfügung  stehenden  Materiales  kein  we- 
sentlich anderes  Ergebnis  zutage  fördern  würde ;  bei  Philo  berücksichtigt 
er  die  ihm  acht  erscheinende  Schrift  De  aetemitcUe  tnundi  in  der  Aus- 
gabe von  Cumont ;  überhaupt  hat  er  durchweg  die  besten  Hilfsmittel  zu- 
grunde gelegt. 

Zunächst  behandelt  er  den  Optativ  bei  Polybios  nach  Form  und 
Inhalt.  Der  des  Präsens  der  Kontrakta  ist  selten,  der  des  Perfekts  Akt. 
kommt  nur  1  mal  vor,  ebenso  der  des  Mediums.  Der  Opt.  Aor.  Akt.  er- 
scheint in  der  3.  Person  Sg.  20mal  mit  -m,  nur  vor  Konsonanten  18 mal  mit 
-€i6(v),  14  mal  vor  Kons.,  4 mal  vor  Vokalen,  in  der  3.  Plur.  23  mal  mit  -aicv, 
1  mal  mit  -ciav;  der  Aor.  Pass.  auf  -Btiv  zeigt  3  mal  -Beiev,  dazu  1  mal  ^m- 
pai€v,  der  auf  -nv  2  mal  -cfiicav,  dazu  1  mal  ctncav.  Ferner  ist  zu  erwähnen, 
iTp66oiTo  (irpoeoiTo)  Imal  wie  auch  im  Attischen. 

Was  die  Syntax  (bezw.  Semasiologie)  des  Optativs  anbelangt,  so  ist 
zu  unterscheiden  der  modale  und  der  temporale  Gebrauch,  wobei  unter 
letzterem  die  sog.  Aktions-  oder  Zeitart  verstanden  ^-ird.  Als  Grund- 
bedeutung faßt  Reik  mit  Kühner-Gerth  die  der  Vorstellung. 


20         Reik  Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Alezandm. 

Im  wünschenden  Sinne  kommt  der  Optativ,  wie  in  einem  Geschichts- 
werk leicht  erklärlich  ist,  nur  3  mal  vor,  darunter  2  mal  mit  €\r\.  Als  Po- 
tentialis  erscheint  er,  sowohl  im  selbständigen  als  im  abhängigen  Satz, 
und  zwar  fmdet  man  in  Hinsicht  auf  das  Genus  Yerbi :  es  kommen 
im  selbständ.  Satz    im  abhäng.  Satz.    Zus. 
auf  das  Aktiv  Ö9  +  34  93 

Medium  10  -f  11  21 

Passiv  5+2  7 

Depon.  Pass.    2  4-1  3 

124  Fälle. 
Außerdem  hebt  Reik  hervor,  daß  die  Zahl  der  den  Optativ  beim 
Präsens  verwendenden  Verben  sehr  beschränkt  sei,   während  der 
Aorist  erheblich  größere  Freiheit  aufweise.  Der  Optativ  Praesentis  ist 
gebunden  unter  24  Fällen 

in  16  (14  im  selbständ.  4-  ^  iin  abh.  Satz)  an  eivai 
in    6  (2  -|-  4)  an  büvacöai 

in    2  an  ßo6X€c6ai,  dazu  gesellen  sich  8  Einzelfälle. 
Dagegen  haben  wir  bei  den  79(80)  Optativen  des  Aoristes 
11  Fälle  (8  im  selbst.  +  *^  im  abh.  Satz)  bei  €t)p(cKciv  (1  mal  6v  cöpcOcin) 
5  Fälle  (1  +  4)  bei  To\|uäv 
4  Fälle  3  +  1)  bei  cpaivccOai 
3  Fälle  (2  +  1)  bei  boK€iv 
8  Fälle  (i.  selbst.  S.)  bei  cliieiv 
3  Fälle  (ebenso)  .bei  q)f\cai 
8  Fälle  (ebenso)  bei  6au^d2l€lv 

8  Fälle  (in  abh.  Satz)  bei  woicTv  (1  mal  med.  iioii^caiTo) 
3  Fälle  (nur  im  Inf.)  bei  Tra6€iv 
2  Fälle  (im  selbst.  Satz)  bei  dTropcTv 
2  Fälle  (1  +  1)  bei  XP^^cGai 
2  Fälle  (im  selbst.  Satz)  bei  vo|ui{Z;€iv 
2  Fälle  (1  +  1)  bei  X/|T€Iv 
2  Fälle  (i.  selbst.  Satz)  bei  ^cpiicvciceai 
2  Fälle  (1  +  1)  bei  buvaceai. 
Was  die  Bedeutung  des  Potentials  im  einzelnen  betrifft,  so  stehen 
68  Fälle  für  die  Möglichkeit 
41  Fälle  für  die  gemilderte  Behauptung 
3  Fälle  für  den  Willen 
1  Fall  für  den  Wunsch 
Zus.  113  Fälle. 
Hinzuzufügen  ist,  wie  im  Attischen,  daß  dv  niemals  fehlt,  daß  eben- 
sowenig Optat.  Fut.  mit  dv  auftritt  wie  Infin.  oder  Indikat.  Fut  mit  &v,  daß 
dagegen  der  Dpi.  Präs.  oder  Aor.  mit  &v  manchmal  futurähnlich  erscheint, 
daß  der  Optat.  mit  6v  sich  auf  Zukunft  und  Gegenwart  beschränkt  und 
nicht  (wie  bei  Herodot)  auch  auf  die  Vergangenheit  übergreift.  Abweichend 
vom  Attischen  wird  vermißt  der  Optativ  mit  Äv  in  der  Schlußfolgerung 
und  der  Optativus  urbanitatis.  Die  zwei  Hauptergebnisse  lauten  (S.  20): 
1.  Der  Potentiale  Optativ  ist  beiPolybius  sowohl  in  Tempus  als  Verwendung 
im  Rückgang  begriffen,  im  Präsens  auf  wenige  bestimmte  Verbalaasdrücke 
(stereotyp)  beschränkt  und  in  rhetorischem  Gebrauche  selten.  2.  Im  übrigen 
wird  er  in  schlichter,  natürlicher,  mit  dem  attischen  Vorgang  fiberein- 
stimmender Weise  gesetzt. 


Reik  Der  Optativ  bei  Polybios  und  Philo  von  Alexandria.         21 

Es  folgt  nunmehr  der  Optativ  im  abhängigen  Satz,  dessen  ein- 
zelne Arten  erschöpfend  behandelt  werden.  An  erster  Stelle  steht  der 
ideelle  Optativ,  d.  h.  der  in  Aussagesätzen  mit  öti,  die  usw.  nach 
Nebentempora,  wozu  auch  das  Präs.  historicum  gehört.  Dabei  entsprechen 
die  Optative  der  verschiedenen  Verbalstämme  den  betr.  Indikativen.  Im 
E^räsens  tritt  eine  Vorliebe  für  wenige  bestimmte  Verben  hervor :  8  cTn, 
1  irapcin.  1  b^oi,  2  bövairo,  3  Ix^x.  Dabei  soll  Wechsel  zwischen  Optativ 
and  Indik.,  z.  B.  I,  32,  4  cq>aX€{ncav-buvi^covTai  auf  den  Unterschied  des 
[subjektiveren)  Frage-  und  des  (objektiveren)  Aussagesatzes  weisen.  An 
anderen  Stellen  wie  III,  11,  5 — 6  i<pr\  —  im^Xci  —  Koracircicai  —  ßoOXcTai 
soll  ein  Wechsel  des  Standpunktes  mitgewirkt  haben :  die  Optative  geben 
nach  Reik  die  Worte  Hannibals,  der  Indikativ  (im  indirekten  Fragesatz)  die 
seines  Vaters  wieder.  III,  26,  3 — -1;  Oirdpxoicv  —  Ibex  —  Oircp^ßaivov  soll  der 
Wechsel  der  Modi  auf  einen  Standpunktwechsel  des  Polybios  selbst  hin- 
deuten, indem  er  zuerst  als  Kritiker  des  Philinos,  dann  aber  einfach  als 
Referent  von  dessen  Worten  auftrete.  Derartige  Fälle  zählt  der  Verfasser 
noch  mehrere  auf  und  erklärt  sie  in  derselben  Weise.  Im  allgemeinen 
stellt  er  fest,  daß  Polybios  den  Optativ  selten  gebraucht  und  fast  stets 
den  Indikativ  angewandt  hat  und  zwar  gewöhnlich  auch  im  Tempus  der 
direkten  Rede;  jedoch  soll  dem  Präsens  5 mal  das  Imperfekt  und  dem 
Perfekt  Imal  das  Plusquamperfekt  entsprechen.  Statistisch  ausgedrückt 
ist  das  Verhältnis  von  Optativ  zu  Indikativ  =  23  :  216  =*  1  :  9,4.  Wenn 
schon  das  Attische  eine  Vorliebe  für  die  Beibehaltung  des  Modus  der  un- 
abhängigen Rede  hat,  so  ist  diese  bei  Polybios  noch  weit  stärker.  Da  nun 
bei  ihm  der  Indikativ  auch  da  steht,  wo  die  Äußerung  oder  der  Gedanke 
gar  nicht  der  Wirklichkeit  entspricht,  z.  B.  nach  irpöq>acic  u.  ä.,  so  hält 
sich  Reik  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  daß  das  Zurücktreten  des  Optativs 
bei  ihm  nicht  auf  einen  inhaltlichen  Grund,  d.  h.  der  Verschiedenheit  des 
Subjektivitätsgrades,  sondern  "auf  einer  tatsächlichen  Abneigung  des 
Schriftstellers  gegen  den  Gebrauch  des  Optatives"  beruhe  (S.  29).  Auf 
derselben  Seite  jedoch  macht  der  Verfasser  darauf  aufmerksam,  daß  die 
verschiedenen  Satzarten  sich  verschieden  verhalten  im  Gebrauch  des  Op- 
tativs und  Indikativs,  und  zwar  ergibt  sich  für  die  Aussagesätze  1 :  10,4,  für 
die  ideell  abhängigen  Relativsätze  1 :  19,5,  für  die  andren  ideell  abhängigen 
Nebensätze  1  :  Id,  dagegen  für  die  Fragesätze  1:4,  9,  d.  h.  also,  in  letz- 
teren tritt  der  Optativ  doppelt  oder  dreimal  so  häufig  auf  als  in  den  an- 
deren Satzarten:  diese  Tatsache  nun  führt  Reik  auf  den  subjektiveren 
Charakter  der  Frage  zurück  und  meint,  das  verschiedene  Frequenz  Ver- 
hältnis sei  somit  "ein  natürlich  gegebenes  und  wohlbegründetes"  und  es 
sei  darin  "klar  ausgesprochen,  daß  auch  bei  dem  relativ  seltenen  Gebraucli 
dieser  Art  des  Optativs  Polybius  sich  doch  dessen  natürlicher  Bedeutung 
und  der  korrekten  Verwendungsweise  wie  sie  von  den  Attikem  entwickelt 
worden  war,  noch  wohl  bewußt  war". 

Was  die  Zeitformen  anbetrifft,  so  verhalten  sich  Optativ  zu  Indi- 
kativ im  Präsens  wie  13 :  106,  im  Perfekt  wie  1 :  19,  im  Aorist  wie  7  :  19, 
im  Futur  wie  2  :  53,  d.  h.  1:8,  1  bezw.  19  bezw.  2,  7  bezw.  26, 5,  d.  h.  sehr 
selten  ist  der  Optativ  des  Futurs  und  des  Perfekts,  recht  häufig  der  des 
Aorists,  während  auch  hier  das  Präsens  zurücktritt.  Hieran  anschließend 
sucht  Reik  nochmals  nachzuweisen,  daß  da,  wo  der  Optativ  trotz  der 
Abneigung  des  Schriftstellers  gegen  diesen  Modus  steht,  er  durch  innere 
Gründe  hervorgerufen,  um  nicht  zu  sagen  entschuldigt  sei :  so  bei  ^p^oXciv, 


22         Reik  Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Alexandria. 

wo  er  mit  Ausnahme  einer  einzigen  Stelle  immer  auftrete,  weil  es  ein 
Verbum  des  Affektes  sei;  ja  III,  15, 12  öti  .  .  ein  iroXc^irr^ov  caqiiDc  elbÖTEC 
soll  heißen  '*mit  Bedauern  einsehend,  daß  der  Krieg  nicht  zu  vermeiden 
sei"  und  die  *'Farbe  des  Affekts**  tragen.  Ähnlich  soll  in  abhftngigen  Frage- 
sätzen I,  33, 3  ^ßouXcOovTo,  irtdc  Kai  ri  irpatcr^ov  ein  und  III,  84, 5  bioßou- 
Xcuö^ievoi,  tI  bct  irpdTT€iv  dort  ein  "subjektives  Stimmungsbild**,  hier  ein 
"einfacher  objektiver  Bericht'*  gegeben  sein  oder  Y,  20,  2  f|ir6pouv,  ri  b^ov 
etr)  TToictv  der  Schriftsteller  von  seinem  eigenen  Standpunkte  aus  über 
die  Motive  der  Messenier  berichten,  dagegen  I,  60,  6  biniröpci,  ri  bct  xpV 
cOai  "eine  lebhafte  Hineinversetzung  in  den  Gedankengang  des  Lutatius" 
stattfinden. 

Reik  glaubt  hieraus  schließen  zu  dürfen,  daß  Polybios  da,  wo  er 
den  Optativ  neben  dem  viel  häufigeren  Indikativ  beibehält,  ein  begründetes 
und  natürliches  Verfahren  befolge:  wo  er  ihn  überhaupt  gebraucht,  da 
geschehe  dies,  "wenn  er  die  zu  berichtende  Äußerung  oder  Yorstellong 
nicht  in  der  ursprünglichen,  klaren,  authentischen  Form,  wie  sie  ge- 
sprochen  oder  gedacht  wurde,  sondern  mehr  unbestimmt,  etwa  als  Symp- 
tom einer  Stimmung,  eines  Affekts,  ohne  Rücksicht  und  Betonung  der  ur- 
sprünglichen Form,  auffaßt,  d.  h.  wenn  er  seinen  Gregenwartsstandpunkt, 
nicht  den  der  Vergangenheit,  einnimmt**. 

In  einem  Nachtrag  verbreitet  sich  der  Verfasser  sodann  noch  über 
den  Acc.  c.  inf.  bei  Relativen.  Wie  im  Lateinischen  und  Attischen  tritt  er 
dann  auf,  wenn  der  Nebensatz  nur  in  loserem  Zusammenhang  mit  dem 
Hauptsatze  steht,  also  in  den  Fällen,  für  die  kürzlich  Stahl  in  seiner  Syntax 
des  griechischen  Verbums  den  Ausdruck  "parathetisch**  geprägt  hat:  Reik 
hndet,  daß  Polybios  diese  Art  der  Anreihung  da,  wo  er  nicht  den  Indi- 
kativ beibehält,  immer  noch  der  optativischen  vorzieht.  Obrigens  möchte 
ich  zur  Erwägung  stellen,  ob  nicht  111,11,6  ^ircl  b^  KoXXicpi^cac  Koracirei- 
cai  .  .  .  Kai  TTOi/icai  Td  vo|LiiZ:ö|Li€va  vielmehr  Koracircicai  und  iroif^cai  zn 
lesen  angebracht  wäre. 

Der  Potentiale  Optativ  mit  Äv  wird  bei  Polybios  so  wenig  als  bei 
den  Attikern  durch  die  abhängige  Rede  beeinflußt;  er  tritt  84  mal  auf. 
Die  Frage,  ob  der  Optativ  an  Stelle  des  Konjunkt.  deUberat.  nach  Neben- 
tempus vorkommt,  entscheidet  Reik  negativ:  I,  62,  2  iroioic  f|T€u6av 
TroXeM)')C€iav  oOk  cixov  hat  die  beste  Oberlieferung  1roX€^l^celv;  außerdem 
findet  sich  der  Konj.  delib.  selbst  in  den  ö  ersten  Büchern  (und  vielleicht 
auch  sonst)  nicht ;  endlich  bedient  sich  Polybios  sonst  der  Umschreibungen 
mit  bei,  b^ov  etr|,  XP»*!  oder  dem  Adj.  verb.  oder  dem  Futur.  Darum  schlägt 
der  Verfasser  vor,  "aus  dem  Tro\e^i/|C€iv  das  der  Form  nach  wenig  ab- 
weichende ^^oXe^TlT^ov  zu  korrigieren"  und  so  den  an  Stelle  des  Konjunkt. 
dehber.  tretenden  Optat.  obliq.  endgültig  auszumerzen ;  ich  bekenne,  nicht 
überzeugt  zu  sein.  Zusammenfassend  ergibt  sich :  1.  in  ideell  abhängigen 
Sätzen  tritt  der  Optativ  hinter  dem  objektivierenden  Indikativ  auffallend 
zurück  und  steht  für  den  Konj.  delib.  vielleicht  gar  nicht.  2.  Andererseits 
zeigt  Polybios  ein  richtiges  Verständnis  für  die  Eigenart  des  Modus  und 
bewegt  sich  hier  in  den  Bahnen  der  Attiker. 

Was  den  Optativ  nach  Nebentempus  in  Final-  und  Befürch- 
tungssätzen angeht,  so  erscheint  er  im  Finalsatz  nur  1  mal,  im  Be- 
ftirchtungssatz  8  mal,  dagegen  der  Konjunktiv  dort  39  mal  (22  mal  im 
Präsens,  17  mal  im  Aorist),  hier  33  mal  (22  mal  im  Präsens,  11  mal  im 
Aorist),  d.  h.  der  Optativ  ist  hier  neben  dem  Konjunktiv  fast  völlig  ge- 


Reik  Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Alexandria.         23 

seh  wunden.  Reik  ist  nun  durch  dieses  merkwürdige  Zahlenverhältnis  zu 
der  Frage  geführt  worden,  ob  nicht  auch  hier  sachliche  Gründe  mitherein 
spielen  und  glaubt  solche  wirklich  zu  ßnden:  Der  Konjunktiv  ercheint 
nach  ihm  da,  wo  der  regierende  Satz  das  Subjekt  enthält,  dessen  Ab- 
sicht der  abhängige  Satz  mitteilt,  und  der  Schriftsteller  hat  entsprechend 
seiner  scharf  ausgeprägten  Neigung  zu  objektiver  Darstellung  den  Modus 
der  direkten  Rede  beibehalten,  indem  er  sich  auf  den  Standpunkt  des 
redenden  bezw.  denkenden  oder  aber  des  handelnden  Subjekts  stellt ;  in 
6  Fällen  reicht  die  Handlung  bis  in  die  Gegenwart  herein.  Dagegen  ist  in 
dem  einzigen  Beispiele  mit  Optativ  (111,43, 3)  das  übergeordnete  Subjekt  eine 
Sache,  die  nicht  zum  Träger  ''bewußter  Absicht,  bewußten  Handelns  ge- 
macht werden  kann.  Der  Schriftsteller  kann  sich  also  hier  nicht  auf  den 
Yergangenheitsstandpunkt  eines  handelnden  Subjekts  stellen,  dessen  Ab- 
sicht er  durch  einen  Konjunktiv  objektiv  berichten  könnte;  er  kann  die 
beabsichtigte  Handlung  nur  noch  von  seinem,  der  Gegenwart,  Standpunkt 
aus  vorgestellt  —  durch  den  Optativ  — ,  nicht  mehr  als  vom  handelnden 
Subjekt  erwartet  —  durch  den  Konjunktiv  —  bezeichnen**.  Auch  in  den 
übrigen  Büchern,  außer  I— Y  soll  diese  Unterscheidung  zutreffen.  In  VIII, 
28,  4tva  —  KUTOirTcOcij  . .  .  ,  dXX'  ol  \iiv  —  Tivoivro  .  .  .  ,  ol  b^dvoT- 
T^XXoicv  soll  '*der  Moduswechsel  sehr  wohl  durch  einen  Wechsel  des 
Standpunktes  des  Schriftstellers  erklärbar  sein,  indem  der  Konjunktiv 
"unmittelbar  den  Befehl  Hannibals**  wiedergibt,  die  Optative  dagegen 
die  Folgen  des  von  Hannibal  negativ  gefaßten  Zweckes  des  Befehls  in 
positiver  Form  als  Ergänzung  des  Schriftstellers  weiter  ausführen. 

Noch  näher  liegt  es  bei  den  Verben  desFürchtens,  daß  der  Be- 
richtende, sich  auf  den  Standpunkt  des  Subjekts  stellend,  nach  Neben- 
tempus den  Konjunktiv  gebrauche :  imter  33  Fällen  tut  er  es  tatsächlich 
30  mal  und  bei  den  3  Optativen  läßt  sich  überdies  ein  besonderer  Grund 
aufdecken :  IV,  71, 6  cuvccran^vov  cl^  ist  das  Ereignis  schon  eingetreten 
und  darum  die  Vorstellung  hiervon  stärker  als  der  Wunsch  des  Gegen- 
teils; sonst  mag,  meint  Reik,  optativische  Umgebung  oder  ein  potentialer 
Nebengedanke  mitgewirkt  haben.  Auch  der  Indikativ  Perfekti  kommt 
einmal  (III,  111, 1)  vor:  der  Verfasser  denkt  daran,  daß  die  Vorstellung 
der  Wirklichkeit  in  Betracht  zu  ziehen  sei,  jedoch  genügt  es,  auf  das 
attische  Vorbild  hinzuweisen,  das  diesen  Gebrauch  bekanntlich  ebenfalls 
kennt.  Das  Gesamtergebnis  lautet  auch  hier  wieder:  1.  Der  Optativ  ist 
fast  verschwunden.  2.  wo  er  steht,  ist  er  dem  korrekten  attischen  Ge- 
brauch entsprechend  verwandt.  Interessant  sind  die  Vergleichszahlen,  die 
zeigen,  daß  sich  Konjunktiv  und  Optativ  verhalten  bei  Herodot  wie  86  :  47 
(1, 8  :  1),  bei  Thukydides  wie  168  :  60  (2,8  :  1),  bei  Polybios  I— V  aber  wie 
72  :  4  (18  :  1),  insgesamt  (nach  Diel)  wie  IfJ-i  :  13  (12, 6  :  1).  Nach  Reik 
ist  dies  ein  zweifelloses  Anzeichen  für  den  natürlichen  Rückgang  des 
Optativs. 

In  Relativsätzen  steht  der  Optativ  bei  Nebentempus  wie  im 
Attischen  entweder  als  Iterativus  oder  als  Obliquus  bei  ideeller  Abhängigkeit 
für  den  Konjunktiv  mit  dv,  der  übrigens  nach  Reik  auch  im  ersteren  Fall 
zugrunde  liegt,  wofür  ich  einen  Beweis  vermisse,  ohne  den  ich  diese  An- 
sicht nicht  für  begründet  halten  kann.  Der  Iterativus  erscheint  16  mal 
(nach  ÖT€,  6irÖT€,  €t,  citc  4 mal  im  Präsens,  12  mal  im  Aorist,  das  re- 
gierende Verb  stets  im  Imperfekt) ;  I,  2,  2  öcqkic  ^TÖX^l^cav  . . .  ^KivbOvcucav 
ist  auch  nach  attischer  Norm  korrekt,   weil  es  sich  hier  um  einen  zu- 


24         Reik  Der  Optatir  bei  Polybius  and  Philo  von  Älezandria. 

sammenfassenden  Gesamtüberblick  handelt.   Alles  in  allem  genommen 
zeigt  *'daß  der  iterative  Optativ  in  Temporalsätzen  sich  bei 
Polybius  seine  volle  Geltung  bewahrt  hat"*.    Ganz  anders  ist  es 
bei  dem  Optativus  obliquus  an  Stelle  von  Konjunktiv  -f-  ftv :  hier  ist  das 
Verhältnis  nur  wie  2  :  30  (1  :  15).   Er  tritt  hier  also  wie  auch  sonst  fast 
ganz  zurück.   Dabei  glaubt  Reik  gefunden  zu  haben,  daß  Polybios  auch 
hier  ein   festes  Prinzip  befolgte,  indem   er  sich  da,  wo    er  die  ver- 
gangenen Worte  oder  Gedanken  in  klarer,  bestimmter  Form  vor  Augen 
habe,  auf  den  Standpunkt  des  Redenden  oder  Denkenden,  also  den  der 
Vergangenheit,  stelle  und  im  ursprgl.  Modus  berichte,  sonst  aber  den 
Optativ  wähle.   Ja,  selbst  der  inhaltliche  Unterschied  der  Verben  soll  her- 
einspielen.   ßoOX€c6ai  als  ein   Wort  der  Absicht    schlechtweg  soll  den 
Optativ  begünstigen,  xpivui  dagegen,  bei  dem  es  sich  um  einen  klar  be- 
stimmten, in  scharf  ausgeprägter  Fassung  gedachten  Entschluß  handle, 
soll  dem  Konj.  mit  ftv  näherliegen  u.  ä.,  und  die  Abneigung  gegen  den 
ideellen  Optativ  denkt  sich  der  Verfasser  sogar  soweitgehend,  daß  er 
annimmt,  in  Fällen  wie  I,  30,  9  oök  dv^jutctvov  ?uic  irapcrdHavTO,  wo  die 
Handlung  des  Nebensatzes  doch  augenscheinlich  rein  gedacht  sei,  weil 
sie  gamicht  wirklich  werde,  sei  der  Indikativ  eigentlich  wider  den  Sinn 
gesetzt,  nur  um  dem  Optativ  zu  entgehen,  eine  Ansicht,  die  mir  angesichts 
ähnlicher  attischer  Fälle  und  der  Möglichkeit,  im  deutschen  schließlich 
ebenso  Tiatten'  zu  setzen,  wie  Tiätten*  nicht  zwingend  erscheint    An 
zwei  Stellen  (IV,  32,  5—6  und  XIH,   7,  10)  will  er  ötov  mit  Ind.  Ipf. 
bezw.    Aor.    halten    und    darin    ein   Zeichen   erblicken :    **davon ,   daß 
Polybius'  Sprache  sich  von  der  Korrektheit  des  Gelehrten  fernhält  and 
mit    der   lebendigen   Sprache   seiner    Zeit    in    Berührung   stehf;    auf 
Grund  welches  Zeugnisses  er  der  letzteren  diese  Erscheinung  zuschreibt, 
gibt  er  nicht  an,  da  die  Verweisungen  auf  Schmids  Attizisraus  kaum 
zureichen  werden,  ihr  Vorhandensein  zu  erhärten.  Er  hätte  wohl  besser 
getan,  den  Indikativ  des  histor.  Tempus  mit  örav  für  Polybius  ebenso 
anzuzweifeln  wie  er  örav  mit  Optativ  bestreitet.    Das  Gesamtergebnis 
für  diesen  Abschnitt  lautet :    1.  Der  Optat.  iterat.  entspricht    dem  gut 
attischen  Sprachgebrauch.   2.  Der  Opt.  obliq.  an  Stelle  des  Konj.  mit  4v 
tritt  völlig  zurück.   3.  Gar  nicht  findet  er  sich  zur  Bezeichnung  der  in 
der  Vergangenheit  erwarteten  Handlung. 

Auch  im  Relativsatz  ist  der  Optativus  iterativus  an  6  Stellen  "in 
ungeschmälertem  Umfang  und  in  korrekter  Weise  gebraucht". 

Was  den  Optativ  im  hypothetischen  Satzgefüge  betrifitt,  so  ist 
der  Potentiale  Fall  7  bezw.  9 mal  ganz  nach  attischer  Art  gebraucht; 
dazu  würde  ich  1,  4,  6  zählen,  wo  Reik  statt  öiroXdßci  vielmehr  ötro- 
XttMßdvei  vermutet,  während  mir  wirklich  öfroXdßoi  näher  zu  liegen  scheint; 
das  ÖTT€p  ^CTiv  oöbaibiüöc  cIköc  spricht  nicht  dagegen,  weil  cCköc  nicht  wie 
der  Verf.  sagt,  die  'Nichtwirklichkeit',  sondern  nur  die  Nichtwahrschein- 
lichkeit  der  Behauptung  bezeichnet,  ei  mit  Optativ  anstatt  ^dv  mit  Konj. 
erscheint  18 mal,  von  denen  13  die  Folgen  des  ursächlichen  Verhält- 
nisses als  gewiß,  5  als  in  der  Zukunft  möglich  darstellen.  Dagegen  ist 
idy  mit  Konj.  beibehalten  an  57  Stellen  (21  mit  Präs.,  36  mit  Aor.),  wobei 
IV,  35,  3  dcq)dX€iav  TrapecKeuaCe  t6  lepöv,  k&v  GavdTou  xtc  ^  KoraKCKpi- 
M^voc  gefaßt  wird  als  eine  Art  sehr  freier  oratio  obliqua  mit  Nachv^irkung 
der  formelhaften  Tempelgesetzessprache.  Während  sich  also  im  Temporal- 
satz der  Optat.  obl.  zu  &v  mit  Konj.  verhält  wie  2  :  30  ==  1  :  15,  im  hypo- 


Reik  Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Alexandria.         25 

thetischen  Relativsatz  wie  3  :  16  =  1  :  5,  3,  bietet  das  Bedingungsgefüge 
die  Zahlen  18  :  57,  d.  h.  1  :  3,  2,  und  ist  darnach  dem  Optativ  günstiger. 
Dabei  wird  wieder  auf  einen  inhaltlichen  Unterschied  der  regierenden 
Verben  hingewiesen :  bei  Verben  des  Sagens  stehen  nur  2  Optative  gegen 
41  Konj.  mit  &v,  bei  solchen  des  Denkens  aber  16  gegen  16,  d.  h  dort 
ist  das  Verhältnis  1  :  21,  hier  1:1.  Bei  eigentlich  indirekter  Rede  also 
behält  auch  hier  Polybius  fast  immer  den  ursprünglichen  Modus  bei  und 
verschmäht  den  Optativ.  Wo  Wechsel  stattfindet  wie  in  IV,  15,  9  f.  ^dv 
dcpiCTuivrai  .  .  .  ^\|iii<pfcavTo,  dann  aber  et  .  .  .  &toi€v  .  .  .,  ^TTyjTTcXXov, 
€f  .  .  .  ^XoivTO  .  .  .,  ^iroiouv,  soll  der  Konj.  in  durchaus  objektiver 
Weise  den  Wortlaut  des  Beschlusses  wiedergeben;  dann  aber  komme 
mit  irpärima  irdvriuv  dXoTdiTaTov  ein  Urteil  des  Schriftstellers  und  dieses 
begründe  er  im  folgenden,  insofern  er  den  Beschluß  nun  in  dem  Lichte 
vorführe,  in  dem  er  ihm  erscheine;  wir  hätten  es  demnach  wieder  mit 
einem  Standpunktwechsel  des  Schriftstellers  zu  tun.  V,  104,  1  lfpr\  beiv  . . . 
Xdpiv  ?x€iv  .  .  .  €l  .  .  .  bövaivTo  stimmt  allerdings  zu  diesem  Gesichtspunkt 
nicht,  aber  Reik  meint,  dieser  Fall  beweise  höchstens,  'daß  Polybius  in 
seiner  Modusbehandlung  nicht  nach  der  Schablone  verfahren  ist*.  Im 
übrigen  jedoch  betont  er,  daß  auch  hier  ein  Unterschied  der  Verba  fest- 
zustellen sei:  nach  denen  des  Erkennens  und  Überlegens  überwiege  der 
Konjunktiv  mit  &v,  nach  denen  der  Annahme,  des  Wollens  und  Affektes 
der  Optativ.  Im  einzelnen  steht  bei  Ausdrücken  der  Annahme  7  mal  der 
Optativ,  Imal  der  Konj.,  nach  denen  des  Wollens  3 mal  bezw.  Imal,  nach 
denen  des  Affekts  2  mal  bezw.  Omal,  dagegen  nach  denen  des  Erkennens 
Imal  bezw.  9 mal,  des  Überlegens  Omal  bezw.  2 mal.  Nach  Reik  folgt 
hieraus,  daß  beim  Konj.  mit  &v  "der  Schriftsteller  den  vom  vorstellenden 
Subjekt  vollzogenen  geistigen  Akt  selbst  gewissermaßen  mitvollzogen,  also 
auch  die  in  demselben  enthaltene  Erwartung  mitempfunden  hat  und  sie 
nun  im  Sinn  des  erwartenden  Subjekts  reproduziert,  während  er  uns  im 
zweiten  Fall,  sich  auf  den  Standpunkt  seiner  Gegenwart  stellend,  die 
Erwartung  zur  bloßen  Vorstellung  abgeschwächt  zeigt".  Selbst  wo  gleiche 
oder  synonyme  Verben  verschieden  konstruiert  werden,  soll  derselbe 
Unterschied  hervortreten,  so  I,  82,  2  gegenüber  II,  33,  3,  wo  dort  öpiöv 
mit  Optat.  eine  innere  Wahrnehmung  subjektiver  Natur,  dagegen  hier 
cuveujpaKdrcc  eine  durch  objektive  äußere  Wahrnehmung  gewonnene  Er- 
fahrung bezeichnen.  Wiederum  lautet  das  Ergebnis  des  Verfassers  dahin, 
daß  Polybius  den  Optat.  an  Stelle  des  Konj.  mit  &v  nur  dann  verwendet 
habe,  wenn  er  das  Vergangene  vom  Standpunkt  der  Gegenwart  aus  be- 
richten wollte;  er  tat  das  selten,  dann  aber  in  ganz  korrekter  Weise.  II,  50, 
8  f|Twv(a  .  .  .,  €(  .  .  .  ßouXcOcoiTo,  ji»*!  .  .  .  dvaXdßri  wird  der  auf- 
fallende Moduswechsel  in  ausführlicher  psychologischer  Ausdeutung  gleich- 
falls auf  einen  Wechsel  im  Standpunkt  des  Schriftstellers  zurückzuführen 
versucht.  Endlich  ist  zu  erwähnen,  daß  10  Fälle  von  €{  mit  Indik.  in 
abhängiger  Rede  nur  1  mit  Umsetzung  in  den  Optativ  gegenübersteht: 
**die  Beibehaltung  des  ursprünglichen  Modus  ist  also  hier  die 
Reger.  Das  Gesamtergebnis  für  die  Wennsätze  lautet:  1.  Der  Optativ 
tritt  gegenüber  idv  c.  Conj.  stark  zurück,  wird  aber,  wo  er  auftritt,  richtig 
gebraucht.  2.  In  den  übrigen  Formen  der  hypothetischen  Periode  "verfährt 
er  in  der  Optativbehandlung  durchaus  nach  den  Grundsätzen  des 
attischen  Sprachgebrauchs".  3.  Unregelmäßigkeiten  begegnen  nicht 
(außer  in  einem  überdies  anscheinend  anfechtbaren  Falle). 


26         Reik  Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Alexandria. 

In  völlig  entsprechender  Weise  wird  der  Optativ  bei  Philon  bis 
in  seine  Einzelheiten  verfolgt  und  dabei  hinsichtlich  der  Aktionsarten 
dasselbe,  dagegen  hinsichüich  der  modalen  Seite  ein  wesentlich  ab* 
weichendes  Ergebnis  gewonnen :  Während  der  Optativ  bei  Polybiosäußeriidi 
im  Rückgang  begriffen  ist,  dabei  aber  mit  richtigem  Sprachgefühl  gesetxt 
erscheint,  befmdet  er  sich  äußerlich  betrachtet  bei  Philon  wieder  im 
Vordringen,  wird  dagegen,  wie  mannigfache  Erscheinungen,  besonders 
sein  Vorwiegen  als  obliquus  nach  Haupttempus,  zeigen,  in  unnatürlicher 
Verwendung  gebraucht  und  verdankt  dies  lediglich  einer  künstlichea 
Wiedereinführung.  So  bietet  uns  der  eine,  im  Mutterlande  lebende,  Schrift- 
steller das  Bild  der  natürlichen  Sprache  seiner  Zeit,  der  andere,  in 
Alexandria  angesessene,  dagegen  verrät  bereits  den  Einfluß  des  nach- 
ahmenden Attizismus;  in  Wirklichkeit  spricht  er  dafür,  daß  der  Optativ 
noch  weiter  erloschen  war  als  bei  Polybios. 

Wir  stimmen  diesem  Ergebnis  Reiks  bei  und  zweifeln  nicht,  dafi 
es  als  gesicherter  Posten  in  die  Bücher  der  historischen  Syntax  des 
Griechischen  aufgenommen  werden  wird.  Jedoch  weichen  wir  von  seiner 
Auffassung  in  einigen  Punkten  ab,  die  wir  mit  Beschränkung  auf  Fragen 
von  grundsätzlicher  Bedeutung  hiermit  zur  Sprache  bringen. 

Fürs  erste  möchte  ich  bemerken,  daß  die  von  dem  Verfasser  einfach 
aus  Krüger,  Kühner-Grerthusw.  herübergenommenen  Ansätze  für  die  Aktions- 
arten des  Präsens-  und  Aoriststammes  nicht  durchweg  zutreffend  sind  und 
nicht  ohne  weiteres  stets  die  beste  Unterlage  für  die  Interpretation  abgeben, 
wie  dies  u.  a.  von  mir  dargelegt  worden  ist  in  Bd.  12  und  17  der  IF.  und 
zuletzt  in  einer  ausführlichen  Besprechung  der  Abhandlung  von  Mario 
Barone  "Süll  uso  delF  aoristo",  welche  denmächst  in  der  Berl.  philol. 
Wochenschr.  erscheinen  wird. 

Sodann  ist  nicht  über  allen  Zweifel  erhaben,  daß  der  Konjunktiv, 
wo  er  abhängig  von  einem  Nebentempus  steht,  das  Ursprüngliche  sei: 
der  ausgezeichnete  amerikanische  Gelehrte  Basil  E.  Gildersleeve  macht 
auf  Seite  129  seiner  feinen  "Problems  of  Greek  Syntax'*  (Baltimore  1903) 
unter  Hinweis  auf  Bd.  5  und  8  des  von  ihm  geleiteten  American  Journal 
of  Philology  die  Bemerkung:  "Nothing  would  be  more  unhistorical  than 
the  Statement  that  after  historical  tenses  the  optative  is  permissible  only, 
not  necessary  .  .  .  It  is  the  —  unconventionaÜty  of  the  subjective  after 
the  historical  tenses  that  gives  it  the  charm  of  dramatic  directness,  of 
what  is  called  repraesentatio".  Gildersleeve  bemerkt  noch,  daß  der  Anfang 
dieser  revolution  bei  Herodot  zu  suchen  sei,  und  Wackemagel  nebst  Thumb 
liaben  kürzlich  auf  der  Basler  Philologenvcrsammlung  den  Gedanken  ge- 
äußert, es  möchte  die  geradezu  einen  Bruch  mit  dem  Attischen  darstellende 
Verdrängung  des  Optativs  durch  den  Konjunktiv  im  späteren  Griechisch 
ähnlich  wie  die  des  attischen  Passivfuturs  auf  -co^al  durch  das  auf 
-(6)r|Co^ai  auf  Rechnung  des  Ionischen  zu  setzen  sein,  das  ja  unbestreitbar 
von  den  Mundarten  am  meisten  zum  Aufbau  der  Kotvfi  beigetragen  hat. 

Im  Zusammenhang  hiermit  mochte  ich  dem  Zweifel  Ausdruck  ver- 
leihen, ob  es  denn  überhaupt  wahrscheinlich  sei,  daß  sich  Polybios  noch 
eines  inhaltlichen  Unterschiedes  von  Konjunktiv  (und  Indikativ)  einerseits, 
Optativ  andrerseits  bewußt  gewesen  wäre.  Reiks  Bemühungen,  dies  durch 
den  Hinweis  besonders  auf  die  Eigenart  der  regierenden  Verben  darzutun, 
sind  ebensoviele  Zeugnisse  seines  Scharfsinnes,  bewähren  sich  aber  meines 
Erachtens  bei  näherem  Zuschauen  nicht  als  stichhaltig.   Selbst  wenn  seine 


Reik  Der  Optativ  bei  Polybius  und  Philo  von  Alexandria.         27 

Annahme  für  eine  frühere  Zeit  Geltung  hätte,  so  wörde  diese  sich  nicht 
ohne  weiteres  auf  Polybios  erstrecken,  weil  die  Schöpfung  eines  Sprach- 
gebrauches doch  ein  ander  Ding  ist  als  seine  —  je  nachdem  typiscli- 
konventionell  erstarrte  —  Fortpflanzung:  auf  die  uns  drohende  Gefahr,  in 
den  Schriftsteller  mehr  hinein  zu  deuten  als  in  ihm  liegt,  hat  soeben 
Hans  Jakobsthal  in  seiner  Schrift  Z.  Gebr.  d.  gr.  Temp.  u.  Mod.  i.  d.  gr.  Dial. 
Inschr.  im  Beiheft  zu  den  IF.  21,  besonders  S.  15  und  38  hingewiesen. 
Allein  ich  gehe  weiter,  indem  ich  behaupte,  daß  der  von  Reik  (augen- 
scheinlich im  Anschluß  an  Kroger)  behauptete  Unterschied  in  Wahrheit 
gar  nicht  bestanden  habe.  Dabei  stütze  ich  mich  außer  auf  mein  eigenes 
Sprachgefühl  sowie  die  Tatsache  der  Personenverschiebung  und  der  Bei- 
behaltung des  Indikativs  Präs.  und  Perf.  nach  Nebentempus  zum  Ausdruck 
der  Vergangenheit  auf  einen  der  ersten  Kenner  dieser  Dinge,  den  gar  nicht 
hoch  genug  zu  schätzenden  Ad.  F.  Aken,  der  auf  S.  258  seiner  auf  eigenen 
wissenschaftlichen  Forschungen  aufgebauten  Schulgramm.  (Berl.  1868)  klipp 
and  klar  sagt:  **Z wischen  Opt.  or.  obliq.  und  Indik.  Präs.  besteht  hier  nicht 
der  mindeste  Unterschied:  <pX^T€Tai  .  .  .  soll  nur  Behauptung  des  Mel- 
denden, nicht  des  Schriftstellers  sein,  gerade  wie  <pX^TOiTo;  ebenso  soll 
in  beiden  Fällen  als  wirklich  gemeldet  sein.  Der  Unterschied  ist  also 
rein  formell  wie  zwischen  —  (a+b)  und  —  a— b,  daher  gibt  es  den  Indik. 
häoiig  von  Unwahrheiten  und  Lügen,  auch  vom  Schriftsteller  so  an- 
gesehenen**. Aken  nennt  auch  den  psychologischen  Grund  der  Erscheinung; 
er  findet  ihn  in  der  Auffassung  des  Objektsverhältnisses  solcher 
Sätze,  sodaß  Erklärungen  wie  die  durch  *'bloß  ideelle  Abhängigkeit,  Wirk- 
lichkeit, Lebhaftigkeit"  sich  als  nichtssagend  erweisen.  Wie  bereits  be- 
merkt, zeigt  in  CXcrev  öti  ßoCXcrai  schon  die  Beibehaltung  des  Tempus 
(Präsens),  daß  das  Wollen  aus  dem  Sinne  des  Redenden  und  nicht  aus 
dem  des  Schriftstellers  zu  ersehen  ist;  €X€T6v  öti  ^ßoOXcTo  dagegen  wäre 
doppeldeutig,  weil  es  bedeuten  könnte  1.  aus  dem  Gedanken  des  Redenden 
heraus:  er  sagte,  *'daß  er  gewollt  habe",  2.  vom  Standpunkte  des  Bericht- 
erstatters aus:  **daß  er  damals  wollte".  Im  letzteren  Fall  haben  wir  über- 
haupt keine  abhängige  Rede  im  herkömmlichen  Sinne  vor  uns,  und  dar- 
nach scheint  mir  die  Auffassung  der  7  von  Reik  auf  S.  26  angeführten 
Sätze  zu  berichtigen.  Ganz  in  dieselbe  Richtung  weisen  nun  aber  auch 
die  Worte  des  neuesten  Darstellers  dieser  Probleme,  J.  Stahls,  in  seiner 
Syntax  des  griechischen  Verbums ,  Straßburg  1907,  S.  552 ,  und  ganz  be- 
sonders S.  329;  es  "ersclieinen  oft,  besonders  bei  Herodot  und  Thucydides 
in  demselben  Satzgefüge  beide  Ausdrucksformen  nebeneinander  oder  ent- 
sprechen sich,  woraus  sich  ergibt,  daß  es  verkehrt  ist,  hier  einen  Unter- 
schied in  der  Sache  annehmen  zu  wollen,  wie  es  mitunter,  namentlich 
bei  Finalsätzen,  geschehen  ist.  Die  relative  Modalität,  die  in  beiden  Fällen 
vorhanden  ist,  gelangt  in  dem  einen  auch  zum  formalen  Ausdrucke,  in 
dem  andern  nicht".  Auf  S.  332  erfahren  wir,  daß  sich  bei  Herodot  und 
Thucydides,  ganz  im  Unterschied  von  Xenophon,  zumal  in  Finalsätzen,, 
eine  große  Vorliebe  für  die  Form  der  direkten  Rede  geltend  macht  und  diese 
sich  zu  der  obliquen  verhält  wie  2  : 1  bezw.  2,5 : 1;  ob  das  wohl  irgendwie 
in  Zusammenhang  steht  mit  dem  ionischen  bezw.  ionisierenden  Charakter 
ihrer  Schreibweise?  Auf  S.  481  wird  für  die  abhängigen  Finalsätze  noch- 
mals ausdrücklich  festgestellt:  "Ein  Bedeutungsunterschied  ist  zwischen 
dem  Konjunktiv  und  dem  obliquen  Optativ,  abgesehen  davon,  daß  die 
indirekte  Rede  bei  diesem  auch  zum  formalen  Ausdruck  gelangt,  nicht 


28         Reik  Der  Optativ  bei  Polybias  und  Philo  von  Alexandiia. 

vorhanden**.  Dabei  wird  wieder  auf  die  parallelen  Stellen  verwiesen.  Im 
übrigen  muß  noch  erwähnt  werden,  daß  zwischen  den  Verben  des  Sagens 
und  denen  des  Wahrnehmens  ein  deutlicher  Unterschied  obwaltet:  die 
letzteren  begtlnstigen  ja  bekanntlich  die  nicht  oblique  Darstellung,  d.h. 
die  mit  dem  Nebentempus,  die  ich  allein  als  'objektivierend'  gelten 
lassen  würde. 

Gegen  des  Verfassers  an  nicht  wenigen  Stellen  stark  hervortretendes 
Streben,  den  Wechsel  von  Indikativ  und  Optativ  aus  inhaltlichen  Gründen 
begreiflich  zu  machen,  habe  ich  noch  zweierlei  einzuwenden.  Erstens,  wenn 
er  bei  Verben  des  Affekts  und  in  abhängigen  Fragesätzen  den  Optativ 
für  angebrachter  hält  wegen  ihrer  ausgeprägteren  Subjektivität,  so  belehrt 
uns  ein  Blick  auf  Kühner  S.  54,  2  eines  anderen;  es  genügt  zu  verweisen 
auf  Xen.  Anab.  III,  5,  13  deciövro  6au^d2:ovT€C  öwoi  ttori  Tp^^iovrai  ol 
*'EXXiiv€c  Kttl  t(  iv  vtü  ^xoi€v:  hier  erklärt  sich  der  Wechsel  innerhalb 
derselben  Satzgattung,  der  Frage,  nicht  inhaltlich,  sondern  formal  aus  der 
Abneigung  gegen  den  Optativ  des  Futurs.  Sodann  aber  hat  sich  mir  ein 
Bedenken  methodologischer  Art  aufgedrängt:  wurde  der  Indikativ  auf  der 
einen,  der  Optativ  auf  der  andern  Seite  vom  Sinne  selbst  gefordert  oder 
meinethalben  auch  nur  nahegelegt,  so  lag  für  den  Schriftsteller  des 
attischen  Zeitalters  ebensowie  für  den  des  hellenistischen  keine  oder  doch 
eine  geminderte  Veranlassung  vor,  den  letzteren  zu  verwenden,  wo  die  ihm 
günstige  Voraussetzung  wegfiel.  Dann  aber  ist  in  solchen  Fällen  das  Nicht- 
auftreten  des  Optativs  für  sprachgeschichtliche  Schlüsse  nicht  zu  brauchen. 

Endlich  möchte  ich  aufmerksam  machen  auf  eine  sehr  beherzigens- 
werte Mahnung  von  Gildersleeve,  die  er  in  dem  ersten  Artikel  seiner 
angeführten  'Problems*  in  überzeugender  Weise  ausgefOhrt  hat.  Er  warnt 
dort  (S.  6)  vor  den  Versuchungen  der  zahlenmäßigen  Betrachtung  des 
Sprachlebens  und  spricht:  *'of  that  Statistical  dulness  into  which  we  have 
been  drifting  of  late";  demgegenüber  dürfe  der  Forscher  nie  vergessen, 
daß  "aesthetic  syntax  is  an  organic  part  of  bis  work,  an  inevitable  part 
of  his  work  .  .  .  The  sphere  must  be  considered.  Each  department  of 
literature  has  a  history  of  its  own;  each  author  has  a  stylistic  syntax 
of  his  own  .  .  .  Grammatical  figure  cannot  be  divorced  from  rhetohcal 
figure  .  .  .  Language  as  art,  is  the  art  of  arts  ...  he  did  good  service 
who  entitled  his  book  Grammar  of  omaments  (SytUaxis  omata)**.  Es 
scheint  ein  Bedürfnis,  daß  fortan  die  Sprachstatistik  sich  immer  mehr 
an  diesem  stilistisch-ästhetischen  Moment  orientiere.  Vielleicht  in  keiner 
Literatur  ist  der  eidographische  Gesichtspunkt  von  so  ausschlaggebender 
Wichtigkeit  wie  in  der  griechischen,  in  der  die  Tradition  der  Typen  eine 
solche  Rolle  spielt;  es  sei  hier  verwiesen  außer  auf  E.  Nordens  Antike 
Kunstprosa  besonders  auf  B.  Croces  Storia  ed  arte',  Roma  1896,  sowie 
K.  Vosslers  Sprache  als  Schöpfung  und  Entwicklung,  Heidelberg  1905. 

In  der  virtuosen  Handhabung  eben  der  statistischen  Methode,  in 
der  sich  der  Verfasser  als  Meister  erweist,  liegt  die  Glanzseite  der  übrigens 
auch  in  der  Interpretation  in  die  Tiefe  dringenden  Arbeit,  in  der  Art,  wie 
er  den  Stoff  sammelt,  sichtet  und  anordnet,  offenbart  sich  eine  außer- 
gewöhnliche Schärfe  des  Denkens  und  Schließens,  verbunden  mit  der  Kunst 
übersichtlicher  Vorführung,  die  auch  in  Tabellen  und  Zusammenstellungen 
ihren  gedrängten  Ausdruck  findet.  Fügen  wir  noch  hinzu,  daß  der  Stil 
sorgfältig  gefeilt  und  der  Druck  sehr  gut  überwacht  ist,  so  gelangen  wir 
zu  dem  Endurteil,  daß  wir  eine  Leistung  vor  uns  haben,  die  als  ein  sehr 


Wahrmann  Prolegomena  za  einer  Geschichte  der  griech.  Dialekte.     29 

wertvoller  Beitrag  zur  historischen  Syntax  der  späteren  Gräzität  bczeiclinet 
werden  mufi  and  der  gegenüber  gesagt  werden  darf,  daß  sie  in  der  her- 
vorgehobenen Richtung  als  Muster  für  Untersuchungen  ähnlicher  Gattung 
zu  dienen  berufen  sein  wird. 

Stuttgart.  Hans  Meltzer. 


Wahrmaim  P.  Prolegomena  zu  einer  Geschichte  der  griechischen  Dialekte 
im  Zeitalter  des  Hellenismus.   8«.   23  S. 

Der  Verfasser  der  buch  Händler  isch  nicht  genauer  bezeichneten  Ab- 
handlung (!)  hat  sich  eine  interessante  Aufgabe  gestellt :  die  Kriterien  zu 
untersuchen)  die  wir  für  das  Fortleben  der  griechischen  Dialekte  in  helle- 
nistischer Zeit  besitzen.  Anknüpfend  an  meine  Ausführungen  (Die  griech. 
Sprache  S.  28  ff.)  möchte  er  beweisen,  daß  sich  die  Dialekte  zäher  be- 
hauptet haben,  als  ich  im  allgemeinen  annehme.  Mit  meinem  Hauptargu- 
ment und  Ausgangspunkt,  der  Tatsache,  daß  die  alten  Mundarten  heute 
überhaupt  geschwunden  sind,  und  daß  dieser  Vorgang  aus  sprachlichen 
Gründen  mindestens  in  die  Zeit  des  ausgehenden  Altertums  gesetzt  werden 
müsse,  beschäftigt  sich  der  Verfasser  nicht,  dagegen  werden  die  Zeugnisse 
der  Alten  eingehend  erörtert.  Daß  der  ionische  Dialekt  noch  in  der  Zeit 
des  Crassus  bestanden  habe,  halte  ich  für  absolut  ausgeschlossen  und  kann 
darum  der  Qaintilianstelle  Inst.  or.  XI  2,  50  auf  keinen  Fall  die  Bedeutung 
beimessen,  die  ihr  W.  gibt,  wenn  ich  auch  auf  meiner  eigenen  Hypothese 
keineswegs  bestehe.  Der  Verfasser  kommt  S.  7  zu  der  Folgerung,  "daß  im 
2.  Jahrhundert  der  Fortbestand  des  Dorischen  mit  Sicherheit,  der  der  übrigen 
Dialekte  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen  sei .  .  .  Es  ist  nicht 
ausgeschlossen,  daß  die  alten  Mundarten  nur  mehr  in  stark  veränderter, 
durch  die  Koine  beeinflußter  Form  bestanden  und  ihr  bereits  so  gut  wie 
erlegen  waren".  Diese  Auffassung  steht  der  meinen  sehr  nahe ;  ich  habe 
ja  selbst  die  Ansicht  ausgesprochen,  daß  es  in  der  Kaiserzeit  noch  Reste 
des  Dorischen  sowie  vielleicht  eine  stark  ionisierende  Koine  (in  Klein- 
asien) gegeben  habe ;  der  letzteren  stand  eine  mehr  neutrale  Sprachform 
in  den  griechischen  Expansionsgebieten  gegenüber,  wo  wir  einen  ägyp- 
tischen und  asiatischen  Kreis  unterscheiden  können.  Auf  die  Grammatiker- 
ausgaben über  das  Fortleben  der  Dialekte  dürfen  wir  schon  deshalb  nicht 
zuviel  Gewicht  legen,  weil  die  jüngeren  die  älteren  abschrieben  und  weil 
sie  ihre  Kenntnisse  überwiegend  (wie  auch  der  Verf.  hervorhebt)  aus  lite- 
rarischen Dialektquellen  schöpften.  Der  Verf.  unterschätzt  meines  Erachtens 
die  Bedeutung  der  Inschriften  für  das  in  Rede  stehende  Problem.  Warum 
man  z.  B.  den  lakonischen  Lautwandel  von  6  in  c  *'viel  höher"  über  die 
Zeit  der  inschriftlichen  Belege  hinaufrücken  soll,  wird  nicht  begründet. 
Und  auch  für  das  siegreiche  Vordringen  der  Koine  haben  wir  die  In- 
schriften als  Abbild  der  wirklichen  Verhältnisse  zu  betrachten,  solange 
nicht  das  Gegenteil  bewiesen  wird.  W.  bekämpft  meine  Heranziehung  der 
Inschriften,  indem  er  **den  Ursprung  und  Charakter  der  letzten  Inschriften 
auf  griechischem  Boden  durchprüft'*.  Dabei  ergibt  sich,  daß  die  Dialekt- 
inschriften  des  1.  und  2.  Jahrhunderts  n.  Chr.  weit  überwiegend  öffentliche 
Urkunden,  die  dialektfreien  (hellenistischen)  privater  Natur  sind.  W.  meint, 
daß  die  Gemeinden  an  ihrer  dialektischen,  überkommenen  Kanzleisprache 
aus  "Partikularismus"  festgehalten  haben.  Warum  aber  finden  wir  dann 
in  den  vorhergehenden  Jahrhunderten  ein  Zurücktreten  dieser  Kanzlei- 


:-)0    Meister  Beiträge  zur  griechischen  Epigraphik  und  Dialeklologio. 

spräche?  Die  Tatsachen  scheinen  durchaus  meiner  eigenen  Auffassung 
Recht  zu  geben:  der  Dialekt  war  eben  aus  dem  lebenden  Gebrauch  ge- 
schwunden —  daher  sein  Fehlen  in  Privatinschriften  — ,  aber  die  offiziellen 
Urkunden  verfielen  in  erster  Linie  der  Tendenz,  die  in  der  Kaiserzeit 
herrschte,  dem  bewußten  Archaisieren  der  gebildeten  Kreise.  Gerade  die 
mundartlichen  Texte  der  Kaiserzeit  verraten  durch  das  Künstliche  ihrer 
Sprache,  daß  man  nicht  mehr  an  den  lebenden  Dialekt  anknüpfen  konnte, 
weil  er  nicht  mehr  bestand.  Wollte  der  Verf.  meine  Methode  der  Inschriften- 
verwertung nachprüfen,  so  hätte  er  das  Verfahren  anwenden  müssen,  das 
ich  auf  die  Inschriften  von  Rhodos  und  Lesbos  angewendet  habe.  Aber 
der  Verf.  übergeht  mit  völligem  Stillschweigen  das  von  mir  gewoimene 
Ergebnis,  daß  der  Prozeß  der  Dialektnivellierung  (Abiuihme  der  Dialekt- 
formcn  und  Zunahme  der  hellenistischen  Formen)  kontinuierlich,  d.  h.  ge- 
setzmäßig verläuft :  so  gesetzmäßig,  daß  sich  der  Prozeß  in  einer  charakte- 
ristischen Kurve  darstellen  läßt.  Selbstverständlich  handelt  es  sich  dabei 
um  Vorgänge  der  gesprochenen,  nicht  der  geschriebenen  Sprache;  was 
S.  20  über  schriftliche  und  mündliche  Koine  gesagt  wird,  scheint  mir 
schief  und  mißverständlich. 

Die  Fragen,  die  der  Verf.  von  neuem  angeschnitten  hat,  sind  kom- 
plizierter Natur:  eine  Erörterung  der  Methoden  ist  durchaus  berechtigt 
und  nützlich,  besonders  wenn  sie  von  neuen  Einzeluntersuchungen  be- 
gleitet ist;  wenn  der  Verf.  die  Einzeluntersuchungen  weiterführen  wird, 
so  wird  ihm  die  Wissenschaft  dafür  dankbar  sein. 

Marburg  i.  H.  Albert  Thumb. 


Heister  R.  Beiträge  zur  griechischen  Epigraphik  und  Dialektologie.  V.  Ab- 
druck aus  den  Berichten  der  phil.-hist.  IGasse  der  K.  Sachs.  Gresellsch. 
der  Wiss.  zu  Leipzig.  57.  B.  1905.  S.  272—286. 

Der  Verfasser  handelt  in  diesem  Beitrag  über  pamph.  ^uH^a 
=  ?XXui|jav  (d.  i.  ^TX^ipav)  auf  einer  Münzaufschrift,  dann  über  eine  neue 
lakonische  Inschrift  (Annual  of  Ihe  Brit.  School  of  Athens  10,  173  und 
188,  nr.  15),  sowie  über  einige  böotische  Inschriften  (Bull,  de  corr.  hellen. 
fe3,  193  fr.,  25,  361  f.,  28,  431),  für  welche  neue  Lesungsvorschläge  geboten 
werden.  Am  meisten  sprachliches  Interesse  erregen  die  beiden  ersten 
Aufsätze.  Die  Deutung  von  ^uipa  scheint  mir  einwandfrei  zu  sein;  ob 
aber  gerade  eine  Assimilation  von  yX  zu  XX  vorliegt,  ist  mir  nicht  so  sicher. 
M.  hat  selbst  in  seiner  Behandlung  der  Inschrift  von  Sillyon  (Ber.  der 
Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1904)  auf  Indizien  für  spirantische  Greltung  des  t  (z-  B. 
in  nheiaXexi)  aufmerksam  gemacht,  und  so  möchte  ich  vermuten,  daß  auch 
in  ^Xun;a  nichts  anderes  vorliegt  als  die  ungenaue  Darstellung  eines  5/ 
durch  einfaches  X. 

Die  lakonische  Inschrift  aus  Thalamae  ist  wichtig,  *Veil  sie  —  wie 
der  Verfasser  selbst  bemerkt  —  in  dem  altdorischen  Dialekt  verfaßt  ist, 
den  wir  bisher  fast  nur  aus  Sparta  kennen".  Sie  macht  daher  die  An- 
nahme Meisters  um  so  unwahrscheinlicher,  daß  die  jungen,  außerhalb 
Spartas  gefundenen  lakonischen  Inschriften  Zeugen  eines  besonderen 
Periökendialektes  seien  (vgl.  Ref.  Neue  Jahrb.  1905,  386  ff.);  M.  scheint 
denn  auch  in  seiner  Hypothese  schwankend  geworden  zu  sein,  wie  die 
Bemerkungen  S.  280  f.  vermuten  lassen. 

Was   die  Erklärung  der  Inschrift  betrifft,  so  ist  M.'s  Auffassung 


Inscriptiones  graecae.  —  Kretschmer  Der  heutige  lesbische  Dialekt.    31 

von  xp^crai  als  xpf^cOai  ohne  weiteres  anzuerkennen ;  daß  wir  nun  auch 
in  Lakonien  einen  zweiten  Beleg  für  ct  =r  c6  erhalten,  ist  mir  mit  Rück- 
sicht auf  meine  Ausführungen  über  die  lakonische  Entwicklung  von  er 
und  ce  wichtig  (vgl.  Neue  Jahrb.  a.  a.  0.).  Aber  M/s  Übersetzung  des  fol- 
genden Passus  will  mir  nicht  einleuchten:  irpoßcmdhac  Td(c)  ciCü  itot* 
*Avbp(av  cuv€90p€OovTa  dvi[c]TdM€v  NiKOcOcvibav  ^v]  tOüi  ([cjpioi  "weil 
einstens  die  Göttin  laut  und  öffentlich  gesagt  hatte,  Nikosthenidas  solle 
die  Statue  des  Andrias,  seines  Genossen  im  Ephorat,  im  Heiligtum  er- 
richten". Ich  ziehe  wot*  als  irori  (nicht  wot^  im  Sinne  des  ersten  Heraus- 
gebers vor  und  übersetze  lieber  "weil  die  Göttin  gegenüber  Andrias  .  .  . 
erklärt  hatte,  Nikosthenidas  solle  (eine  Statue)  errichten*'.  Daß  das  Objekt 
"eine  Statue*'  zu  dvicrd^cv  ausdrücklich  hinzugefügt  werden  müsse,  wie 
M.  verlangt,  scheint  mir  nicht  nötig,  da  es  ja  auch  in  den  Einleitungs- 
worten (nach  dv^diKc)  nicht  ausgedrückt  ist. 

Marburg  i.  H.  Albert  Thumb. 

Inscriptiones  graecae  ad  inlustrandas  dialectos  selectae  scholarum  in 
usum  iterum  edidit  F.  Solmsen.  Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1905.  VIU  u.  96  S. 

Das  rasche  Erscheinen  einer  zweiten  Auflage  zeigt,  wie  sehr  das 
Büchlein  einem  dringenden  Bedürfnis  abgeholfen  hat.  In  der  Anlage  und 
in  der  Auswahl  der  Texte  ist  es  unverändert  geblieben  (vgl.  die  Besprechung 
der  ersten  Auflage  im  Anz.  15,  230) ;  jedoch  hat  der  Verfasser  im  einzelnen 
seine  Texte  sorgfältig  revidiert  und  die  neu  erschienene  Literatur  gewissen- 
haft benützt  und  hinzugefügt.  Besonders  der  Labyadeninschrift  ist  eine 
neue  Revision  von  A.  Nikitskij  zugute  gekommen,  die  die  Lesung  in  nicht 
unwichtigen  Punkten  berichtigt.  Auch  der  inzwischen  vorgenommenen 
Neunumerierung  der  verschiedenen  Abteilungen  des  Inschriftenwerkes 
der  Berliner  Akademie  (Durchzählung  nach  Bänden)  hat  S.  Rechnung 
getragen,  indem  er  die  alten  Verweise  entsprechend  veränderte. 

Marburg.  Albert  Thumb. 

Kretschmer  P.   Der  heutige  lesbische  Dialekt  verglichen  mit  den  übrigen 
nordgriechischen  Mundarten.  Mit  einer  Karte.  Wien,  Alfred  Holder,  1905. 
XIu.614Sp.  26  Ji  [Kais.  Akad.  d.W.:  Schriften  der  Balkankommission. 
Linguistische  Abteilung  III.   Neugriechische  Dialektstudien,  1.  Heft.] 
Unter  den  nordgriechischen  Dialekten  war  bisher  nur  einer,  der 
von  Velvendos  in  Makedonien,  durch  eine  exakte  wissenschaftliche  Dar- 
stellung (von  'E.  Mirouvniivac  in  den  *Apx€Ta  rf^c  veuiT^pac  iK\r\v.  xX^ccnc 
I,  2,  Athen  1892)  bekannt.   Ich  selbst  hatte  einmal  vor  Jahren  die  Absicht, 
den  Dialekt  von  Thasos  zu  studieren,  wurde  aber  durch  widrige  Umstände 
solange  im  Pontosland  festgehalten,  daß  ich  meinen  Plan  nicht  verwirk- 
lichen konnte.  Was  bisher  an  VeröfTentlichungen  über  die  nordgriechischen 
Dialekte  dem  Verfasser  bekannt  gewesen  ist,  hat  er  in  dem  vorliegenden 
Werk  Sp.  10  ff.  verzeichnet.    Zur  Vervollständigung  dieses  Verzeichnisse« 
und  der  Bibliographie  G.  Meyers  (in  den  Neugriech.  Studien  I).  die  von  K. 
nicht  vollständig  wiedergegeben  ist,  vermag  ich  folgende  nachzutragen: 
L  Festland. 

1.  Thrakien  (bezw.  Bulgarien):  A.  KpdxTOTXouc,  IuXXoti?i  tu»v 
^v  Bdpvi}  Kai  xotc  ir^piE  aOrf^c  ^v  xP^cci  brmuibuüv  irapoiiiiiuüv.  Athen  1880 
(mir  nur  dem  Titel  nach  bekannt).    Ober  einen  bulgarisch-griechischen 


32    Kretschmer  Der  heatige  lesbische  Dialekt  verglichen  mit  den  übrigen  usv. 

Mischdialekt  im  Rhodopegebirge  vgl.  G.  Meyer  Nengriech.  Stad.  2. 90 ff. 
Über  den  Dialekt  von  Stenimachos  (Bulgarien)  einiges  in  der  Zeitschr.f. 
allg.  Erdkunde  VUI  (1860)  384  f. 

2.  Makedonien:  Für  den  Dialekt  von  Serrai  kommt  Byz.  Zeitschr.ä, 
284£f.  in  Betracht,  wo  auch  eine  Studie  von  M.  TciKÖirouXoc  angeführt 
ist;  über  ein  Wörterverzeichnis  von  Salonik  vgl. 'Ecria  1893  (II)  221. 

4.  Epirus:  Ich  mache  auf  einen  älteren  Text  aufmerksam,  eine 
Biographie  in  4500  Versen,  verfaßt  von  einem  mohammedanischen  Epiroteo 
in  einer  allerdings  nicht  rein  volkstümlichen  Sprache,  die  jedoch  stark 
dialektisch  gefärbt  ist,  vgl.  dartUser  Leake  Travels  in  Northern  Greecel, 
463 ff.  (wohl  identisch  mit  der  Reimchronik,  von  der  zahlreiche  Proben 
bei  'ApaßavTivöc,  *lcTop(a  *AXfj  TTacä,  Athen  1895.  531  ff.  mitgeteilt 
sind?). 

7.  Lokris:  über  den  Dialekt  von  Doris  und  Phokis  verzeichnet  K. 
nichts;  zu  jenem  vgl.  MriXiapdKric,  NcoeXXriviicfi  Tcurrpacpiicfi  cpiXoXoTia 
(Athen  1889)  Nr. 456;  über  den  Dialekt  im  Gebiet  des  Parnaß  vgl.  Ulrichs 
Reisen  und  Forschungen  in  Griechenland  I  (1840)  123.  132ff.  141  ff.  Ross 
Königsreisen  1,  50  f.  58  (wenig  charakteristisch). 

II.  Die  nordgriechischen  Inseln. 

I.  Thasos:  K.  hat  übersehen,  daß  Conze  Reise  auf  den  Inseln 
des  thrak.  Meeres  S.  5  auch  ein  Volkslied  aus  Thasos  mitteilt. 

9.  Tenos:  Lexikalisches  Material  bei  *A.  N.  BdAXiivbac  TTäpcpra 
(piXoXoTiKd  TTOvriiidTia.  'Ep^oÖTtoXic  1887. 

10.  Andros:  Wescher  im  Annuaire  pour  Tencouragement  desR 
gr.  IV  (1870)  136-146. 

II.  Euboea,  Kyme:  Ein  kleines  unvollendetes  Glossar  bei  Tp(Mnc, 
KumaiKd  (Athen  1894)  71—80  (wenig  wert!). 

III.  Kleinasien.  Ich  beschränke  mich  auf  den  Nordwesten,  der 
allein  eine  engere  Beziehung  zu  den  genannten  Dialekten  hat. 

Kyzikos:  einiges  Material  bei  <t>iX/|VTac,  fpaiijiotTiic^  ri^c  {»lüjxdi- 
Kf|C  TXdjccnc  (Athen  1902). 

Aber  mit  Ausnahme  des  schon  genannten  MirouvTibvac  sind  alle 
bisherigen  Mitteilungen  über  einzelne  nordgriechische  Dialekte  entweder 
sehr  lückenhaft  oder  ungenügend  in  der  genaueren  Wiedergabe  des  mund- 
artlichen Tatbestandes  und  zwar  gerade  hinsichtlich  desjenigen  Merkmals, 
das  für  die  nordgricchischen  Dialekte  besonders  charakteristisch  ist,  näm- 
lich der  Behandlung  von  unbetontem  e-  und  o-,  »-  und  M-Laut.  Wie  vor 
allem  der  Schwund  von  i  und  u  das  ganze  Lautbild  der  Wörter  beeinflußt, 
wußten  wir  bis  auf  MirouvTdivac  nur  durch  die  zwar  treffliche,  aber 
doch  nur  summarische  Erörterung  von  Hatzidakis  (Einleitung  342  ff.),  von 
dem  die  Einteilung  in  nord-  und  südgriechische  Dialekt»  stammt.  Aus 
Kretschmers  Werk  (65—94)  lernen  wir  jetzt  die  mannigfachen  Wirkungen 
der  nordgriechischen  Vokalgesetze  in  extenso  kennen  und  zwar  nicht  nur 
für  Lesbos,  sondern  auch  für  eine  Reihe  anderer  nördlichen  Mundarten; 
das  aus  gedruckten  Quellen  zugängliche  Material  hat  K.  durch  eigene 
Feslstellungen  aus  Lemnos,  Skopelos,  Skyros  und  sonst  ergänzt.  Der  er- 
gebnisreichen Darstellung  stinune  ich  in  allen  wesenthchen  Punkten  zu. 
Wie  alt  die  nordgriechischen  Vokalgesetze  (insbesondere  die  Reduktion 
der  I-  und  M-Laute)  seien,  wird  in  der  Einleitung  (6  ff.)  besprochen.  Die 
Frage  ist  wichtig  für  die  weitere  Frage  nach  dem  Alter  der  neugriechischen 
Dialekte.   Ich  verlege  die  Anfänge  der  Vokalgesetze  noch  ins  erste  Jahr- 


Kretschmer  Der  heutige  lesbische  Dialekt  verglichen  mit  den  übrigen  usw.    83 

tausend  unserer  Zeitrechnung  (Die  griech.  Sprache  S.  166,  Neue  Jahrb.  f, 
d.  kl.  Altertum  1906,  259) ;  K.  ist  geneigt,  den  Vorgang  fOr  ziemlich  jung 
zu  halten,  wenn  er  auch  die  Möglichkeit  zugibt,  **daß  die  nordgriechischen 
Dialektmerkmale  in  eine  sehr  alte  Zeit  zurückreichen".  Meine  Vermutung 
stützt  sich  Torlftufig  mehr  auf  allgemeine  Erwägungen  als  auf  texthche 
Zeugen ;  denn  die  letzteren  i^ind  mehrdeutig,  wie  K.  mit  Recht  hervorhebt. 
Es  ist  jedoch  zu  beachten,  dafi  die  älteren  griechischen  Elemente  des 
Slavischen  (Aksl.,  Russ.)  vielfach  nordgriechischen  Charakter  zeigen,  vgl. 
Vasmer  Greko-slavjanskie  etjudy  (Petersburg  1906).  Eine  genauere  sprach- 
geschichtliche Untersuchung  dieser  Elemente,  die  uns  hofiTentlich  bald  von 
Vasmer  zuteil  werden  wird  ^),  wird  daher  feste  chronologische  Anhaltspunkte 
für  das  Alter  der  nordgriechischen  Yokalgesetze  ergeben.  Übrigens  brauchen 
wir  nicht  den  vollen  Schwund,  sondern  nur  den  Beginn  der  Reduktion 
für  alt  zu  halten,  d.  h.  die  starke  quantitative  Verschiedenheit  zwischen 
betonten  und  unbetonten  Vokalen,  die  dem  Nordgriechischen  eigen  ist 
(vgl.  Hatzidakis  Einl.  342  f.).  Diese  Quantitätsverteilung  mochte  den  Anfang 
der  großen  Dialektspaltung  bilden :  sie  hat  in  den  verschiedenen  Sprach- 
gebieten des  Nordens  bald  stärker  bald  schwächer  den  Vokalismus  be- 
einflußt. Da  jenes  Quantitätsprinzip  noch  heute  in  den  nordgriechischen 
Dialekten  besteht,  so  läßt  sich  auch  verstehen,  daß  die  Vokalschwächungs- 
gesetze noch  in  neuerer  Zeit  eintreten  bezw.  zu  Ende  geführt  werden 
konnten.  Haben  wir  nicht  etwas  ähnliches  auch  in  der  deutschen  Sprach- 
geschichte ?  Die  exspiratorische  Betonung,  welche  im  Obergang  vom  Alt- 
hochdeutschen zum  Neuhochdeutschen  die  Schwächung  der  unbetonten 
Vokale  bedingte,  wirkte  in  jüngerer  Zeit  in  den  süddeutschen  Mundarten 
weiter,  indem  sie  z.  B.  das  auslautende  -^beseitigte  {der  Bot  =  Bote,  die 
Blum,  die  Nacht  =  Nächte);  das  gilt  auch  für  Entlehnungen  aus  der 
Schriftsprache. 

Wir  haben  das  wichtigste  Merkmal  des  lesbischen  Dialekts  in  den 
Vordergrund  gestellt;  die  Stellung  des  Dialekts,  über  die  K.  eingehend 
Sp.  51  ff.  handelt,  wird  natürlich  durch  jenes  Merkmal  allein  nicht  bestimmt. 
Der  Verfasser  zeigt  in  sehr  instruktiver  Weise,  daß  die  Dialektgruppe, 
zu  der  Lesbos  samt  anderen  Inseln  (wie  Lemnos,  Samos,  Skyros,  Skopelos) 
gehört,  zwar  als  'nordgriechischer  Inseldialekt'  an  die  nordgriechischen 
Festlandsdialekte  anzugliedern  ist,  daß  aber  jene  Gruppe  und  insbesondere 
der  Dialekt  von  Lesbos  durch  eine  Reihe  von  besonderen  Zügen  (Kon- 
trakta  wie  ätoitiD  [nicht  Ärairdou],  die  Endungen  -ouci  und  -aci,  Typus 
ßaciX^)  Berührungen  mit  den  südgriechischen  Inseldialekten  zeigt;  wir 
erwarten  das  auch  nicht  anders.  Von  den  ganz  speziellen  Eit;entümlich- 
keiten,  die  man  nach  dem  gegenwärtigen  Stand  der  neugriechischen  Dialekt- 
forschung deih  Lesbischen  zuweisen  kann  (67  f.),  scheinen  mir  der  "Kappa- 
zismus"  (Entwickelung  eines  Dentals  zu  einem  Ar-Laut),  der  Imperativ  Aor. 
Pass.  auf  't$i  (^  ♦-k€)  und  die  Pronominalbildung  ijttaus,  ijteinua  am  be- 
/nerkenswertesten.  Wie  ferner  in  §  4  (45 ff.  ''Dialektverhältnisse  auf  Lesbos**) 
gezeigt  wird,  gibt  es  auf  der  Insel  wiederum  eine  Reihe  zum  Teil  erheb- 
licher Dialeklvarietäten,  die  vom  Verfasser  durchgehends  berücksichtigt 
worden  sind. 

Schon  aus  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  geht  hervor,  daß  der 


1)  Inzwischen  erschienen  als  2  Heft  der  genannten  Studien  (Peters- 
burg 1907)  [Korr.-Note]. 


34   Kretschmer  Der  heutige  lesbische  Dialekt  verglichen  mit  den  öbrigenusv. 

Verfasser  einen  guten  Griff  getan  hat,  indem  er  sich  zur  Aofzeichnong  und 
Bearbeitung  des  neulesbischen  Dialekts  entschloß.  K.  hat  sein  Material 
im  wesentlichen  durch  systematisches  Ausfragen  geeigneter  Bewohner  der 
Insel  gewonnen  (s.  das  Vorwort)  —  ein  Verfahren,  das  auch  ich  angewendet 
habe ;  man  besitzt  ja  immer  in  der  Beobachtung  des  zwanglosen  Sprechens 
der  Einheimischen  eine  Kontrolle  für  das  durch  Ausfragen  erhaltene  Mate- 
rial. K.  hat  ganz  Recht,  wenn  er  dieses  Verfahren  vorläufig  für  das  gang- 
barste erklärt ;  denn  in  einem  Sprachgebiet,  wo  noch  so  viel  sprachlicher 
Rohstoff  gänzlich  unbearbeitet  ist,  kommt  man  so  am  schnellsten  zu  sprach- 
wissenschaftlich brauchbaren  Ergebnissen.  Wer  jetzt  schon  mit  Hilfe  feiner 
Beobachtungsmethoden  in  phonetische  Details  einzudringen  versucht,  bevor 
wir  über  das  **Gröbste*'  orientiert  sind,  der  kommt  mir  wie  ein  Geograph 
vor,  der  die  topographische  Aufnahme  eines  unerforschten  Landes  mit 
Meßtischaufnahmen  beginnen  wollte. 

Der  sprachwissenschaftlichen  Darstellung  des  Dialekts  nat  K.  zwei 
Abschnitte  über  die  Geographie  und  Geschichte  der  Insel  (25  ff.)  voraus- 
geschickt (wozu  außerdem  der  Anhang  Sp.  579  fif.  gehört).  Wir  finden  hier 
auch  die  Literatur  über  die  Insel  verzeichnet.  Zur  Bibliographie  über  die 
Insel  ist  nachzutragen  L.  de  Launay  Description  g^ologique  des  lies  de 
M6telin  et  de  Thasos.  Paris  1891  und  Chez  les  Grecs  de  Turquie.  Les 
Pays  et  les  moeurs.  Paris  1897,  S.  35  ff.  (Da  sich  K.'s  Bibliographie  auf 
Volkskunde  überhaupt  nicht  erstreckt,  so  unterlasse  ich  die  Anführung  der 
mir  bekannten  Literatur.) 

Besonderes  sprachwissenschaftliches  Interesse  bietet  die  Sp.  39  be- 
rührte Frage  nach  den  Nachwirkungen  des  antiken  aeolischen  Lokal- 
dialekts. Nur  bei  einigen  Ortsnamen  läßt  sich  daran  denken;  und  von 
den  wenigen  Fällen,  die  K.  anführt,  scheinen  mir  nur  "ApTcvvoc  (mit  seinem 
w)  sowie  die  dOviKd  auf  -ayMs  (Vrisayöts  u.  a.,  vgl.  dazu  Sp.  188  f.) 
ernsthaft  in  Frage  zu  kommen ;  Vriaayöts  wird  auf  altlesb.  BpncaJjTiic  für 
BpncaiiijTr]c  zurückgeführt  und  soll  den  lesb.  Obergang  von  ai  in  a  vor 
Vokalen  (wie  MunXi^vaoi)  zeigen.  Eine  vom  Verfasser  nicht  beachtete 
Schwierigkeit  scheint  mir  darin  zu  liegen,  daß  ein  in  die  Koivi^  gelangtes 
BprjcadiTnc  vermutlich  zu  ^BpricdTnc  geworden  wäre  (wie  xadivui  zu  xdvu)) : 
doch  gebe  ich  zu,  daß  die  Kontraktionserscheinungen  der  Koivi^  in  diesem 
Punkt  noch  nicht  völlig  aufgeklärt  sind  (vgl.  K.  Dieterich  Untersuch.  76).  — 
K.'s  Werk  ist  die  vollständigste  Darstellung  eines  neugriechischen 
Dialekts,  die  wir  besitzen ;  sie  übertrißt  an  Reichtum  des  Inhalts  und  der 
Belehrung  z.  B.  die  Arbeiten  Morosis  über  griechische  Mundarten  Unter- 
italiens. Außer  der  Grammatik  im  engeren  Sirm  (worin  die  Lautlehre  den 
größten  Raum  einnimmt,  Sp.  65—265)  enthält  das  Buch  im  2.  Teil  (349  ff.» 
eine  Darstellung  der  Wortbildung  und  des  Wortschatzes,  im  3.  Teil  (473  Cf.) 
Sprachproben,  unter  denen  die  Märchen  (aus  verschiedenen  Teilen  der 
Insel)  sprachlich  am  wertvollsten  sind ;  der  Verfasser  bemerkt  mit  Recht 
(Sp.  549),  daß  die  Volkslieder  "viel  weniger  treue  Dialektproben  als  pro- 
saische Texte  bilden**,  und  ist  daher  auf  das  Sammeln  von  Volksliedern 
weniger  ausgegangen.  Den  274  Sprichwörtern  ist  eine  Obersetzung,  ge- 
legentlich auch  ein  Nachweis  von  Parallelen  beigegeben.  Hinsichtlich  der 
Schreibweise  der  Dialektformen  hat  K.  ein  zweifaches  Verfahren  gewählt : 
in  der  Grammatik  bedient  er  sich  einer  phonetischen  (lateinischen)  Um- 
schrift, während  der  lexikalische  Teil  und  die  Texte  überwiegend  in  grie- 
chischer (historischer)  Orthographie  geschrieben  sind.  Natürlich  läßt  sich 


Kretschmer  Der  heutige  lesbLscheDialekt  verglichen  mit  den  übrigen  usw.    35 

gegen  die  Wahl  einer  rein  phonetischen  Umschrift  vom  sprachwissenschaft- 
lichen Standpunkte  aus  nichts  einwenden ;  wenn  aber  K.  selbst  die  grie- 
chische Orthographie  nicht  ganz  ausschloß,  so  scheint  er  wohl  empfunden 
zu  haben,  daß  praktische  Gründe  es  empfehlen,  sich  an  die  übliche,  in 
vielen  Punkten  allerdings  zu  verbessernde  Schreibweise  der  Griechen  an- 
zuschließen. Da  wir  es  dringend  wünschen  müssen,  daß  die  Griechen  sich 
mehr  als  bisher  der  wissenschaftlichen  Erforschung  ihrer  Dialekte  an- 
nehmen, so  möchte  ich  dem  widerraten,  daß  europäische  Gelehrte  in  der 
Transkription  ein  besonderes  Verfahren  wählen :  wenn  man  sich  der  grie- 
chischen Orthographie  im  Prinzip  anschheßt  und  damit  der  Einheitlichkeit 
der  schriftlichen  Fixierung  ein  kleines  Opfer  bringt,  so  werden  beide  Teile 
am  besten  fahren.  Doch  das  sind  Äußerlichkeiten,  die  den  inneren  Vor- 
zügen von  K.'s  Buch  keinen  Abbruch  tun.  Indem  K.  die  speziellen  Dialekt- 
erscheinungen in  die  gesamte  Entwickelungsgeschichte  des  Neugriechischen 
einreihte,  förderte  er  zugleich  das  Verständnis  der  neugriechischen  Gram- 
matik überhaupt :  die  verschiedenen  sprachgeschichtlichen  Probleme  sind 
mit  Umsicht  und  unter  gründlicher  Prüfung  der  Tatsachen  sowie  der  ein- 
schlägigen Literatur  behandelt.  Daher  wirft  das  Buch  auch  einen  Gewinn 
ab  hinsichtlich  jenes  älteren  Abschnitts  der  griechischen  Sprachgeschichte, 
der  vor  allen  mit  dem  Neugriechischen  in  ständiger  Fühlong  sein  muß, 
ich  meine,  der  KoiWj.  Der  Gewinn  liegt  natürlich  mehr  im  gesamten  Re- 
sultat als  in  den  Einzelheiten.  Aber  auch  für  Einzelheiten  springt  immer 
etwas  heraus.  Ich  verweise  z.  B.  auf  die  Erörterung  des  (alt-  und  neu- 
griechischen) dissimilatorischen  Vokalausfalles  (109  ff.)  in  CKÖp(o)bov  u.  dgl. 
Ich  hatte  K.'s  Behandlung  der  Sache  schon  früher  (gegen  K.  Dietrich)  zu- 
gestimmt :  jedoch  möchte  ich  ^öv  =  jiövo  »)  nicht  hierher  rechnen,  femer 
(peloponnesisches)  dXiroO  Tuchs*  (113)  etwas  anders  erklären:  K.  geht  von 
der  Grundform  dXouiroO  aus,  nimmt  also  an,  daß  dissimilatorischer  Vokal- 
verlust auch  eintrat,  wenn  die  beiden  gleichen  Vokale  durch  eine  Ex- 
plosiva (it)  getrennt  waren.  Hier  gibt  K.  sein  eigenes  Lautgesetz  auf,  wo- 
nach der  Schwund  des  einen  von  zwei  gleichen  Vokalen  dazwischenstehende 
Liquida  oder  Nasalis  zur  Voraussetzung  hat.  Wir  haben  vermutlich  neben 
dXuiirdi  eine  hellenistische  Grundform  ^dXairUi  (mit  Vokalassimilation 
wie  6Xo6p€0ui  zu  ÖXcOpoc,  KoXavbai  =  lat.  calendae)  anzusetzen,  sodaß  ich 
statt  K.'s  Stemma  (Sp.  101)  folgende  Entwicklung  annehme: 
hellenist.  dXuiinJj  ♦dXonrJj 

dXcinJj   ♦dXiriij 

I  I 

neugriech.  dXouiroO        dXciroO  dXiroO. 

Wir  ordnen  auf  diese  Weise  neugriech.  dXciroO  (nordgriech.  dXmoO) 
in  den  Lautwandel  a  zu  €  (dXaKorn  zu  neugriech.  dXcKdrn  u.  dgl.)  ein,  den 
ich  Griech.  Spr.  17  und  196  f.  besprochen  habe,  während  ^dXirUi  aus  *dXairiij 
nach  Kretschmers  Gesetz  zu  erklären  ist.  Das  erschlossene  *dXuiriij  (das 
uns  vielleicht  einmal  ein  Papyrus  oder  eine  Inschrift  als  belegte  Form 
beschert)  und  das  überlieferte  dXwTTiJj  sind  vermutlich  mundartliche  Va- 
rianten der  Koiv/|.  Daß  neugriechische  Dialektverschiedenheiten  unter 
Umständen  in  die  hellenistische  Zeit  zurückzuprojizieren  sind,  ist  ein 
Grundsatz,  den  auch  K.  anerkennt  und  anwendet;  ein  schönes  Beispiel 

1)  Bei  dieser  Gelegenheit  mache  ich  auf  \x'b  =  ^övo  6  aufmerksam, 
das  ich  in  einem  maniatischen  Lied  aufgezeichnet  habe. 


S6   Kretsehmer  Der  hentige  lesbische  Dialekt  yerglichen  mit  den  fibrigen  uw. 

dafür  ist  seine  Erörterung  von  neugriech.  dial.  bouXctrrui  (statt  bouX€Öui) 
und  was  dazu  gehört  (193  ff.).  Daß  die  neugriechische  Dialektdifferenz 
-€öuj  —  -€Otui  in  die  Koivi^  zurQckreicht,  wird  von  K.  in  sehr  einleuch- 
tender Weise  ausgeführt ;  ich  bemerke  dazu,  daß  dieser  Gedanke  implicite 
schon  in  meinen  Ausführungen  über  das  'irrationale*  t  Griech.  Spr.  188  f.  ent- 
halten ist.  Die  phonetische  Begründung  des  in  bouX€<rru'  nsw.  vorliegenden 
Lautwandels  scheint  mir  einwandfrei  bis  auf  das  seltsame  airfö  'Ei',  das 
ich  auch  nach  K/s  Darlegung  nicht  für  aufgeklärt  halte.  — 

Ich  muß  natürlich  darauf  verzichten,  weiter  im  Einzelnen  anzu- 
führen, was  alles  der  Verfasser  zum  Verständnis  der  neugriechischen 
Sprachgeschichte  beigetragen  hat.  Ich  gebe  dafür  lieber  noch  einige  An- 
merkungen zu  Punkten,  wo  ich  nicht  ohne  weiteres  zustimme  oder  etwas 
hinzuzufügen  habe.  —  (80  ff.)  In  Fällen  wie  lesb.  ayttrdjs  =  dropdlcic, 
^yurdfs  •=  9d  d^opdcijc,  <&>o  =  itr\ca  oder  ikarisch  9d  T^pinc  =  Öd  jv- 
piojc  möchte  ich  daran  festhalten,  daß  es  sich  um  Dissimilation  eines 
Zischlautes  handelt ;  es  mag  sein,  daß  die  Dissimilation  an  ein  dazwischen 
stehendes  (ursprüngliches)  i  gebunden  ist ;  vielleicht  gehört  auch  die  Stel- 
lung des  Akzents  unmittelbar  vor  dem  dissimilierten  Laut  zu  den  Be- 
dingungen der  Dissimilation  {^yuräja^  sheraydrtuis  =  dropdccc).  —  (120ff.) 
Daß  meine  Erklärung  von  6  ßaciX^c  =  ßaoX^ac  nicht  ohne  Schwierigkeiten 
ist  (die  sich  aber  überwinden  lassen),  gebe  ich  zu ;  aber  mit  der  üblichen 
Erklärung  (ßaoX^c  sei  Umgestaltung  eines  aus  der  Schriftsprache  ent- 
lehnten vasilefs)  kann  ich  mich  noch  weniger  befreunden.  Man  wundert 
sich,  warum  dann  die  Form  nur  auf  einem  geographisch  engbegrenzten 
Gebiet  vorkommt  und  sich  nicht  an  beliebigen  Orten  (vor  allem  in  der 
Umgangssprache)  findet.  Solange  keine  bessere  Erklärung  gefunden  wird, 
sehe  ich  keinen  Anlaß,  meine  eigene  Hypothese  aufzugeben.  Wenn  K.  ein- 
wendet, daß  das  aus  ea  kontrahierte  r\  in  irddri  u.  dgl.  im  Neugriechischen 
zu  f  geworden  sei,  niemals  aber  zu  e,  so  ist  darauf  zu  erwidern,  daß  jenes 
attische  r\  und  das  in  relativ  junger  Kontraktion  entstandene  dorische 
r\  von  ßaciXi^  phonetisch  nicht  gleichartig  sein  müssen.  —  (125  f.)  Die 
Formen  ctiba  (in  Skopelos),  vd  clibOö,  €hb^  u.  dgl.  (im  Gebiet  des  Pelion) 
sind  wohl  nicht  durch  Analogiebildung,  sondern  vielmehr  durch  Epenthese 
ans  *€tbia,  vd  '6it£i  zustand  gekommen.  Regelmäßige  Epenthese  dieser  Art 
habe  ich  in  der  südlichen  Maina  (Ritta)  beobachtet :  so  nicht  nur  dcKdtba 
=  icxdbia,  ndiTtt  =  ^dria,  irojfbd  =  irobid  'Schürze',  böivra  =  bövria.  kou- 
Xouipa  =  KouXoupia,  gbdrjTce  =  ^bidßriKC,  iroitbd  {peidd)  =  iraibid,  sondern 
auch  cppujba  (ft^ida)  =  (ppubia,  <p(iba  =  9ibia.  —  (149)  Meiner  Liste  der 
Dialekte,  welche  A;-Laut  palatahsiercn,  hat  R.  u.  a.  Kumi  auf  Euboea  hinzu- 
gefügt ;  Kyrae,  das  er  kurz  vorher  aus  meiner  Liste  anführt,  ist  mit  jenem 
Kumi  identisch.  —  (153)  Den  Wandel  von  c  in  ^  vor  Konsonant  {^Hzu 
=■  cxiJ^iu,  ck{([ui)  kennt  K.  nur  aus  Epirus;  ich  habe  diese  Aussprache  auch 
sonst  öfter,  besonders  im  Peloponnes,  beobachtet  (MtpTbfAdt  u.  dgl.).  — 
(161)  Zu  dem  Lautwandel  x^P^*  aus  x^pi  (auf  Skyros),  wo  pt  eine  V  sibi- 
lans'  darstellt,  ist  zu  vermuten,  daß  er  nur  die  Kombination  pj  (x^Pia) 
betrifft  und  daß  Fälle  wie  x^P^i  statt  x<^pi  nach  X^p^oO,  tipta  analogisch 
geschaffen  sind ;  dazu  stimmen  die  aus  Nisyros  und  Patmos  angeführten 
Formen  x^wp^ö  ^  x^Pl*?  dvrio  =«  aöpio.  Es  handelt  sich  bei  dieser  Be- 
handlung von  j  wohl  um  einen  Spezialfall  des  Wandels  von  j  in  i',  den 
ich  in  der  Maina  beobachtet  habe  (TtcX^i'ta  ==  TTcXotte  u.  ä.).  Der  Über- 
gang von  spirantischem  j  in  z   entspricht  dem  ziemlich  weit  verbreiteten 


Eretschmer  Der  heutige  lesbische  Dialekt  verglichen  mit  den  übrigen  usw.    37 

Wandel  von  x'  in  /  und  i,  vgl.  Handbuch  §  21.  —  (162  f.)  Zum  Wandel 
von  Xinp  in  ^piriba  u.  ä.  vgl.  jetzt  auch  Psichari  Essai  de  grammaire 
historique  sur  le  changement  de  X  en  p  devant  consonnes  (Paris  1905, 
aus  den  "M^moires  orientaux").  —  (173  ff.)  Zu  den  Belegen  für  yX^irou, 
bX^iTou  und  X^iTOU  =  ßX^irui  füge  ich  noch  X^irou  aus  der  Maina  hinzu. 
—  (220)  K.  äußert  berechtigte  Zweifel  an  der  Erklärung,  die  Okonomides 
für  die  pontische  Artikelform  ti  (Gen.  S.)  gegeben  hat :  eine  lautliche  Ab- 
leitung aus  ToO  halte  ich  für  unmöglich,  eine  analogische  Erklärung  liegt 
dagegen  nahe.  K.'s  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Artikelformen 
sei  zunächst  durch  die  von  mir  im  Pontos  (in  der  Gegend  von  Samsun) 
aufgezeichneten  Artikelformen  ergänzt: 

Singular: 
Nom.  m.  6,  f.  #|,  n.  tö 
Gen.  m.  f.  n.  ti,  vor  Vokalen  t  (z.  B.  x'  'Apdir  =  toO  Apdirn,  x*  'Q^p^o- 

voc  =  xf\c  *€X^mc) 
Akk.  m.  xöv,  f.  x^jv,  n.  xö. 

Plural: 
Nora.  m.  f.  ot,  n.  xd 
Gen.  m.  f.  n.  <»,  vor  Vokalen  t, 
Akk.  m.  H  (auch  «),  f.  <»,  vor  Vokalen  ^  n.  xd. 

Das  Bestreben,  die  verschiedenen  Formen  einander  ähnlich  oder 
gleich  zu  machen  (vgl.  allgemein  Nom.  m.  f.  ot,  Akk.  f.  xoic),  äußert  sich 
in  den  Dialekten  in  verschiedener  Weise.  So  ist  der  Gen.  PI.  ti  statt  xO&(v) 
offenbar  dem  Nom.  Plur.  ol  angeglichen;  der  Gen.  S.  m.  ti  erscheint  mir 
auf  einem  Ausgleich  zwischen  xoO  und  xf^c  zu  beruhen,  wobei  die  Diffe- 
renzierung von  Dekhnationstypen  wie  m.  xoO  KX^9xri  und  f.  xf^c  Mdxnc 
mitgewirkt  haben  mag;  wenn  dann  ti  auch  auf  das  Femininum  übertragen 
wurde  (für  xf^c),  so  hat  das  der  schon  vollzogene  Ausgleich  im  Plural 
(Gen.  imd  Nom.)  bewirkt.  Für  den  Akk.  PI.  ti  denke  ich  mir  endlich 
folgende  Entwicklung:  zunächst  entstand  für  m.  xo6c  und  f.  x^c  eine  Aus- 
gleichsform *ti9  nach  dem  Nom.  m.  f.  ol,  worauf  sich  Nom.  i,  Akk.  ♦/!> 
noch  weiter  ausglichen  zu  der  Differenzierung  i  —  ti.  Der  pontische  Zu- 
stand bezeichnet  noch  nicht  das  Ende  der  Ausgleichsbewegung:  denn 
während  im  Pontos  wie  sonst  Nom.  S.  m.  ö  und  f.  #|  noch  geschieden 
sind,  ist  in  anderen  Dialekten  (so  auch  in  Lesbos)  auch  dieser  Unterschied 
gefallen  (i  für  Mask.  und  Fem.),  worüber  man  genaueres  bei  K.  findet.  — 
(259  f.)  Die  Erklärung  von  iftos  neben  ftos  =  oCrxöc  (bzw.  aöxoc)  als  junge 
Zusammensetzung  eines  deiktischen  ^  *)  +  f^^^  will  mir  nicht  einleuchten. 
Wie  man  in  ^xoOxoc  eine  Analogiebildung  nach  dKctvoc  (neben  xctvoc)  sieht, 
so  wird  man  in  Formen  wie  ^ouxoc,  ^ftos  ein  Weiterwuchern  jenes  i-  an- 
nehmen dürfen;  die  Akzentverhältnisse  scheinen  mir  keine  Schwierig- 
keiten zu  machen.  —  (270)  Auch  die  Erklärung  von  xtxoioc  (x^xoioc)  als 
Kontamination  von  x(  &vepunToc  'was  für  ein  Mensch"  und  xotoc  ÄyOpuiwoc 
*ein  solcher  Mensch'  kann  ich  mir  nicht  zu  eigen  machen:  ich  verstehe 
nicht  recht,  wie  diese  Kontamination  zustande  gekommen  sein  soll,  und 
würde  erwarten,  daß  ein  so  entstandenes  xixoioc  'qualis',  aber  nicht  *talis' 
bedeutet.  Warum  die  alte  Erklärung  (enkl.  xi  +  xoioc)  nicht  möglich  sei, 
sehe  ich  nicht  ein.  —  (278)  Werm  K.  von  den  bisherigen  Erklärungen 

1)  Der  Verf.  belegt  diese  Partikel  nur  aus  Leukas ;  sie  ist  mir  jedoch 
aus  der  Konversation  ziemlich  geläufig. 


38   Kretschmer  Der  heutige  lesbische  Dialekt  verglichen  mi  t  den  übrige  usw. 

des  -i  in  ^1  (=  &)  nicht  befriedigt  ist,  so  stimme  ich  ihm  darin  bei;  aber 
auch  sein  eigener  Vorschlag  (Si  nach  ctxoci)  ist  nur  ein  Notbehelf  und 
scheint  den  Urheber  selbst  nicht  zu  befriedigen.  —  (3^)  Was  den  Ge- 
brauch des  blofien  Akkusativ  statt  cic  c  acc.  (auf  die  Frage  wohin?) 
betrifft,  so  möchte  man  wissen, -ob  es  sich  um  eine  allgemeine  Ver- 
wendung des  Akkusativs  im  angegebenen  Sinn  handelt  oder  ob  die  Kon- 
struktion sich  nur  in  gewissen  Redensarten  findet;  denn  eine  Wendung 
wie  ird^e  cidri  'gehen  wir  nach  Hause'  ist  ganz  gewöhnlich,  so  daß  die 
vom  Verfasser  aus  dem  Dorf  Mesotopos  belegte  Konstruktion  niclit  gerade 
isoliert  ist. 

Der  zweite  Teil  des  Werkes  "Zur  Wortbildung  und  zum  Wort- 
schatz" bringt  nicht  so  viel  Eigenartiges  wie  die  Laut-  und  Formenlehre; 
es  ist  aber  sehr  dankenswert,  daß  der  Verfasser  auch  diesen  Dingen 
seine  Aufmerksamkeit  zugewendet  hat.  Kap.  I  behandelt  die  Stammbildung 
(hervorzuheben  sind  die  Diminutiva  auf  -el  =  -^XXiov),  ü.  die  Adverbia, 
III.  die  Partikeln ;  das  IV.  Kapitel  (367  ff.)  gibt  eine  hübsche  Cbersicht 
über  Herkunft  und  Geschichte  der  neugriechischen  Namengebung.  wobei 
zum  Verständnis  der  Sache  auch  geeignete  folkloristische  und  kultur- 
historische Bemerkungen  eingestreut  sind.  Nicht  nur  Tauf-  und  Familien- 
namen, sondern  auch  Spitznamen,  sowie  Tier-  und  Monatsnamen  sind 
berücksichtigt.  Endlich  ist  Kapitel  V  (406  ff.),  das  die  'Lehnwörter*  des 
Dialekts  bietet,  eine  wichtige  Ergänzung  der  vorhandenen  lexikalischen 
Zusammenstellungen.  Natürlich  sind  die  italienischen  Elemente  am  zahl- 
reichsten, während  die  slavischen,  albanesischen  und  rumänischen  Ele- 
mente völlig  zurücktreten.  Warum  die  an  Zahl  jedenfalls  nicht  wenigen 
türkischen  Lehnwörter  nicht  besonders  behandelt,  sondern  in  das  allge- 
meine Glossar  {43b  ff.)  eingereiht  sind,  dafür  gibt  der  Verfasser  keinen 
Grund  an.  Die  meisten  der  angeführten  Lehnwörter  sind  natürlich  sonst 
schon  (besonders  bei  G.  Meyer)  verzeichnet.  Diejenigen,  bei  denen  dies 
nicht  der  Fall  ist,  brauchen  jedoch  deshalb  nicht  speziell  lesbisch  zu  sein: 
bei  unserer  mangelhaften  Kenntnis  des  mundartlichen  Wortschatzes  läßt 
sich  die  Verbreitung  vieler  Lehnwörter  überhaupt  noch  nicht  feststellen. 
Ich  kann  z.  B.  folgendes  nachtragen : 

biX'^TTou  =  biglietto:  mir  aus  der  Umgangssprache  bekannt;  vgl. 
auch  ^TTouX^TO  bei  AuKoöbrjC  in  der  'EcrCa  1894  (I)  äS. 

dWja  =  gioia:  vgl.  tIötiu  bei  EcvöirouXoc,  'Ecrfa  1893  (II)  37. 

Kdrca  'Jagd' :  CTf|v  k.  töv  dßdXave  'sie  machten  Jagd  auf  ihn*  in  den 
'EeviKd  Äcnaxa  (Athen  1896)  S.  115. 

fiiXiTOuv  'Million':  wohl  allgemein  mXiouvi. 

fiöba  'Mode',  irairaTdXXoc  'Papagei',  iroOpo  'Zigarre':  weit  verbreitet. 

pdTca  'Rasse':  bei  ZcvöirouXoc,  'Ecxia  1893  (II)  29. 

xpardpou  'bewirte':  wohl  ziemlich  verbreitet;  in  der  Bedeutung 
'handeln'  finde  ich  das  Wort  in  einer  Urkunde  aus  Naxos  v.  J .  1818,  s. 
'EcTia  1892  (II)  %U  f. 

TCiTdpou  'Zigarette*:  allgemein  gebraucht. 

Die  lateinischen  Elemente  hat  K.  im  allgemeinen  Glossar  unter- 
gebracht; KaXiKcuo)  'reiten*  (lesb.  kaVts^irfu)  wird  meines  Erachtens  fälsch- 
lich zu  den  zwei  oder  drei  rumänischen  Elementen  gerechnet ;  es  handelt 
sich  offenbar  um  ein  lateinisches  oder  genauer  'balkan-lateinisches'  Lehn- 
wort (vgl.  alban.  kal  'Pferd'). 

Das   allgemeine  Glossar  (435  ff.)  beschließt   die   sprachliche  Dar- 


Hahn  Rom  und  6omanismus  im  griechisch-römischen  Osten.      S9 

Stellung  der  Mandart;  es  ist  eine  Ergänzung  zum  Wortregister  (591  ff.), 
mit  dem  es  am  besten  zusammengearbeitet  worden  wäre;  es  enthält  nur 
die  selteneren  und  merkwürdigen  Wörter  und  gibt  gelegentlich  Belege 
aus  anderen  Dialekten  und  etymologische  Bemerkungen.  Da  ich  nicht 
weifi,  nach  welchem  Grundsatz  der  Verfasser  diese  Beigaben  ausgewählt 
hat,  so  verzichte  ich  darauf,  weitere  Belege  beizusteuern;  so  ist  mir  z.  B. 
die  Redensart  €lv€  crouinri  *er  ist  total  betrunken'  (458)  ganz  geläufig: 
sie  scheint  allgemein  im  Gebrauch  zu  sein. 

lieber  den  dritten  Teil,  die  Texte,  habe  ich  schon  oben  gesprochen. 
—  Zu  den  Nachträgen  noch  eine  Bemerkung:  epir.  Saiit  ist,  wie  K.  (118) 
richtig  gesehen  hat,  eine  Umbildung  von  corövi  (Ersetzung  des  Suffixes 
-övi,  -o6vi  durch  -o6Xi);  das  alban.  und  epir.  tiaiil'  hat  den  Verfasser 
nachträglich  irregemacht :  doch  ist  die  Entlehnung  des  alban.  Wortes  aus 
dem  Griechischen  ganz  sicher,  wie  übrigens  schon  Bugge  BB.  18,  188  ver- 
mutete. Der  Uebergang  des  Zischlautes  in  eine  AfTrikata  («,  i  zu  fo,  ^ 
ist  gerade  aus  dem  Griechisch  von  Epirus  (sowie  aus  dem  Albanesi sehen) 
zu  belegen,  vgl.  Ref.  IF.  14,  3ö8.  — 

Jeder  Neogräzist  wird  dem  Verfasser  für  seine  schöne  Gabe  dankbar 
sein;  es  gebührt  sich  aber  auch,  mit  Dank  hervorzuheben,  daß  dieses 
Werk  durch  die  reichen  Mittel  ermöglicht  worden  ist,  über  welche  die 
'Balkankommission'  der  Wiener  Akademie  offenbar  verfügt,  und  man  muß 
sich  freuen,  daß  sich  die  Balkankommission  in  so  liberaler  Weise  der 
neugriechischen  Dialektforschung  annimmt.  Denn  die  Griechen  selbst, 
denen  diese  Aufgabe  naturgemäß  zukäme,  tun  so  gut  wie  nichts :  tüchtige 
Anläufe  zu  einer  Förderung  neugriechischer  Dialektstudien  sind  infolge 
Mangels  an  Geld  und  an  wissenschaftlich  geschulten  Kräften  stecken  ge- 
blieben. Wenn  die  griechische  Regierung  oder  reiche  Griechen  sich  die 
Tätigkeit  der  Rumänen  oder  der  Balkankommission  zum  Muster  nehmen 
würden,  so  ließe  sich  gewiß  in  kurzer  Zeit  recht  Ansehnliches  erreichen. 

Marburg  i.  H.  Albert  Thumb. 


Hahn  L.  Rom  und  Romanismus  im  griechisch-römischen  Osten.  Mit  beson- 
derer Berücksichtigung  der  Sprache.  Bis  auf  die  Zeit  Hadrians.  Eine  Studie. 
Leipzig,  Dieterich'sche  Verlagsbuchhandlung,  1906.  XVI  u.  278  S.  8  ul 
Der  Verfasser  ist,  wie  die  Vorrede  (S.  V)  zeigt,  durch  eine  Bemerkung 
von  mir  (Die  griech.  Spr.  S.  157)  angeregt  worden,  den  Einfluß  Roms  auf 
die  griechisch-orientalische  Welt  zu  untersuchen.  Er  nennt  seine  Arbeit 
eine  'Studie',  da  er  den  Gegenstand  nicht  nach  allen  Seiten  erschöpfend 
behandelte.  Der  Wege  sind  verschiedene,  um  das  Thema  zu  bearbeiten. 
So  konnte  —  um  von  rein  sprachgeschichtlicher  Betrachtung  abzusehen 
—  das  Auftreten  lateinischer  Lehnwörter  nach  Inhalt,  Ort  und  Zeit  fest- 
gestellt werden,  damit  man  daraus  ein  Bild  des  römischen  Einflusses 
gewinne;  es  ist  der  gewöhnliche  Weg  solcher  Untersuchungen.  H.  wählt 
den  entgegengesetzten  Weg:  er  schildert  die  geschichtlichen  Verhältnisse, 
welche  zu  einer  Durchdringung  des  Ostens  mit  römischem  Wesen  führten, 
beschreibt  die  mannigfachen  Beziehungen  zwischen  Westen  und  Osten 
im  öffentlichen  und  privaten  Leben  und  weist  so  die  äußeren  Bedingungen 
nach,  durch  welche  die  sprachliche  Beeinflussung  gegeben  war.  Der  Stoff 
ist  nach  fünf  Zeitabschnitten  gegliedert:  Italische  Zeit,  von  Pyrrhos  bis 
Polybios,  von  der  Zerstörung   Korinths  bis   zur   Schlacht   bei   Actium, 


40      Hahn  Rom  und  Romanismas  im  griechisch-römischen  Osten. 

Zeit  des  Augustus,  erste  Kaiserzeit.  Jedes  Kapitel  (außer  I)  schließt  mit 
einer  Darstellung  der  'lateinischen  Sprache  im  Osten**;  der  EinGuß  des 
liateinischen  auf  das  Griechische  wird  jeweils  gesondert  behandelt  nach 
den  verschiedenen  Sprachdenkmälern  (Schriftsteller,  Papyri,  Inschriften), 
sodaß  wir  die  verschiedenen  Texte  der  griechischen  Sprache  nach  der 
Stärke  ihrer  fremden  Beeinflussung  beurteilen  können.  Diese  Behandlang 
hat  ihre  Vorzüge,  wenn  auch  daneben  eine  Zusammenfassung  (nach  Zeit- 
abschnitten) sehr  erwünscht  wäre. 

Der  Verfasser  hat  eine  gewaltige  Fülle  von  Tatsachen  der  antiken 
Geschichte,  Kultur  und  Literatur  gesammelt  und  geordnet ;  die  Masse  der 
Einzelheiten  schließt  sich  zu  einem  großen,  allerdings  oft  nur  mosaik- 
artigen Bilde  zusanunen.  H.  verfügt  über  eine  ausgedehnte  Belesenheit 
Die  großzügige  Art,  wie  er  sein  Thema  behandelt,  verrät  einen  weiten 
philologischen  Gesichtskreis;  man  vergleiche  z.  B.,  wie  die  Stellung  des 
Apostels  Paulus  in  den  Rahmen  des  Themas  eingefü^  ist  (153  ff.).  FreiUch 
war  hierbei  nicht  ganz  die  Gefahr  zu  vermeiden,  daß  gelegentlich  Dinge 
zur  Sprache  kamen,  die  zum  Thema  selbst  nur  in  loser  Beziehung  stehen. 

Immer  wieder  zeigt  der  Verfasser,  wie  imponierend  Rom  und  seine 
Herrschaft  auf  den  hellenistischen  Orient  in  allen  Lebensgebieten  ein- 
wirkte. Um  so  auffallender  ist  die  relativ  geringe  sprachliche  Wirkung, 
die  sich  aus  der  Darstellung  Hahns  ergibt.  Ich  glaube,  daß  der  Verfasser 
die  Kraft  des  Romanismus  überschätzt  —  wenigstens  für  den  Zeitraum, 
den  er  bearbeitet  hat;  es  ist  eine  Übertreibung  zu  sagen  (S.  70):  "Die 
Masse  der  Römer  und  Italiker,  die  sich  von  den  Provinzen  des  Orients 
nährten  und  immer  mehr  zunahmen,  mußte  eine  ähnUche  romanisierende 
Wirkung  auf  die  Bevölkerung  gehabt  haben,  wie  sie  sich  im  Westen  in 
einem  allerdings  weit  stärkeren  Grade  (!)  geltend  nuLchte**.  Denn  die  Tat- 
sachen zeigen  eben,  daß  zwischen  den  Provinzen  des  Westens  und  dem 
griechischen  Osten  ein  wesentlicher  Unterschied  besteht:  jene  erlagen 
wirklich  der  Macht  des  Romanismus,  diese  aber  —  nicht.  Und  man  muß 
die  Frage  aufwerfen,  warum  der  griechische  Osten  nicht  dem  gleichen 
Schicksal  verfiel.  Der  Verfasser  meint:  "Roms  Kräfte  waren  für  eine 
gleichzeitige  Besiedelung  des  Okzidents  und  Orients  unzureichend"  (S.  96). 
gibt  aber  auch  zu,  daß  die  Griechen  *'weit  schwerer"  zu  romanisieren 
waren  (S.  97,  vgl.  auch  S.  110).  Der  Verfasser  scheint  mir  an  anderer 
Stelle  (S.  149)  der  Sache  näher  zu  kommen,  wenn  er  sagt:  "Je  entfernter 
sich  diese  Kolonien  von  den  Zentren  des  Hellenismus  befanden  und  je 
mehr  sie  in  barbarische  Gegenden  hiuausgeschoben  waren,  umsomehr 
Bestand  hatte  der  Romanismus"  (vgl.  auch  S.  216).  Tatsächhch  haben  die 
Römer  auch  im  Osten,  nämlich  im  Norden  der  Balkanhalbinsel,  dieselbe 
Kraft  wie  im  Westen  eingesetzt  und  haben  auch  dasselbe  erreicht:  eine 
fast  völlige  Romanisierung  dieser  Gebiete.  Da  aber  die  Römer  in  den 
griechischen  Ländern  nicht  nach  der  Art  der  Seldschuken  und  Türken 
verfuhren,  die  in  Kleinasien  die  Bevölkerung  einfach  ausrotteten  oder 
ihre  Nationalität  mit  roher  Gewalt  zerstörten,  so  fand  die  Romanisierung 
an  der  alten  Kultur  des  Ostens  von  selbst  einen  Widerstand;  diese  Kultur 
wollten  die  Römer  nicht  vernichten,  nachdem  sie  von  ihr  bereits  stark 
beeinflußt  waren.  Sie  haben  dagegen  im  Osten  in  gleicher  Weise  wie  im 
Westen  Erfolge  erreicht,  wo  sie  nicht  mit  der  griechischen  Kultur  in 
Wettbewerb  traten;  und  andererseits  ist  auch  im  Westen  die  Romani- 
sierung griechischer  Gebiete  wie  Massilia,  Unteritalien  und  Sizilien  nur 


Hahn  Rom  und  Romanismas  im  griechisch-römischen  Osten.      41 

selir  langsam  vor  sich  gegangen,  ja  im  Altertum  überhaupt  nicht  zu  Ende 
geführt  worden.  Endlich  läßt  sich  kaum  die  Meinung  des  Verfassers  auf- 
recht erhalten,  daß  die  größere  oder  geringere  ethnographische  Verwandt-  ' 
Schaft  der  Unterworfenen  und  der  Römer  den  Prozeß  der  Romanisierung 
erleichtert  habe:  denn  die  Griechen  standen  den  Römern  näher  als  die 
nicht-indogermanischen  Iberer,  bei  denen  die  Romanisierung  überraschend 
leicht  gelang. 

Es  wäre  eine  lohnende  Aufgabe,  einmal  die  numerische  und  geogra- 
phische Verbreitung  griechischer  und  lateinischer  Inschriften  in  den  Außen- 
ländern festzustellen;  H.  macht  darüber  nur  ganz  allgemeine  Angaben 
(S.  221).  Jiri^iek  (Die  Romanen  in  den  Städten  Dalmatiens.  I.  Denkschr.  d. 
Wiener  Akad.  48.  Bd.  Nr.  3  [1902])  hat  mit  Hilfe  der  Inschriften  die  Sprach- 
grenze zwischen  Romanen  und  Griechen  in  der  nördlichen  Balkanhalbinsel 
bestimmt:  ich  vermisse  diese  wichtige  Abhandlung  in  dem  Buche  Hahns, 
wenn  sie  auch  nicht  unmittelbar  in  den  Rahmen  der  Arbeit  gehört.  Wer 
aber  den  eben  berührten  Problemen  nachgeht,  muß  das  Thema  zeitlich 
weiter  fassen,  als  es  der  Verfasser  getan  hat.  So  verdiensthch  und  gelehrt 
das  vorliegende  Buch  ist,  so  mußte  es  doch  gerade  in  seinen  sprachlichen 
Ergebnissen  Stückwerk  bleiben,  weil  die  Darstellung  der  behandelten 
Probleme  nicht  bis  zum  Ausgang  des  Altertums,  bezw.  bis  zur  Trennung 
des  Ostens  und  Westens  fortgeführt  wird.  Gerade  der  sprachliche  Einfluß, 
den  der  Verfasser  besonders  berücksichtigen  wollte,  wird  erst  in  der  Zeit 
nach  Hadrian  immer  stärker  bemerkbar.  Die  Zahl  der  lateinischen  Lehn- 
wörter ist  z.  B.  in  den  Papyri  der  vom  Verfasser  gesteckten  Zeitgrenzen 
noch  sehr  gering  (S.  282  ff.),  wächst  aber  in  der  Kaiserzeit  von  Jahrhundert 
zu  Jahrhundert.  Man  braucht  nur  einen  Abschnitt  der  griechischen  Fassung 
des  Edictum  Diocletiani  anzusehen,  um  den  Unterschied  vor  und  nach 
der  Zeit  Hadrians  zu  erkennen.  Einen  guten  Maßstab  für  die  Stärke  dieses 
lexikalischen  Einflusses  besitzen  wir  in  den  lateinischen  Elementen  des 
Neugriechischen.  Ngr.  Wörter  wie  öcTr(Ti(ov)  =  hospäium  und  iröpTo  =  porta^ 
die  für  Hahns  Zeitbegrenzung  noch  nicht  in  Betracht  kommen,  d.  h.  noch 
nicht  belegt  sind,  zeigen  die  nachhaltige  Wirkung  des  Romanismus  weit 
besser  als  die  Entlehnung  speziell  römischer  BegrifTe,  die  in  den  Wortlisten 
des  Verfassers  die  Hauptrolle  spielen;  er  hat  nur  selten  Gelegenheit,  auf 
das  Fortleben  lateinischer  Wörter  im  Neugriechischen  hinzuweisen,  und 
doch  ermöglichen  eben  die  lateinischen  Elemente  des  Neugriechischen 
ein  abschließendes  Urteil  über  die  Wirkungen  des  Romanismus  im  Osten. 
Denn  für  die  Frage,  in  welchem  Umfang  lateinische  Wörter  Fremd-  oder 
Lehnwörter  geworden  sind,  ist  das  Neugriechische  ein  zuverlässiger  Aus- 
gangspunkt. Die  StoflTanordnung  des  Verfassers  erschwert  eine  sichere 
Entscheidung  in  dieser  Hinsicht.  Ein  wichtiges  Kriterium  ist  die  durch 
das  Griechische  besorgte  Vermittlung  lateinischer  Wörter  an  die  orienta- 
lischen Sprachen:  der  Verfasser  hat  diesen  Punkt  wohl  beachtet,  aber 
leider  sind  wir  über  die  griechischen  und  lateinischen  Elemente  der 
orientalischen  Sprachen  noch  unvollkommen  unterrichtet.  H.  verwertet 
nur  die  Untersuchungen  von  Krauß  (über  griechische  Elemente  des  rab- 
binischen  Schrifttums),  scheint  aber  meine  Arbeit  über  die  griechischen 
Elemente  des  Armenischen  nicht  zu  kennen ;  ich  habe  Byz.  Zschr,  IX,  430  ff. 
über  das  Problem  "Griechisch  als  Durchgangsstation  für  lateinische  Wörter" 
eingehender  gesprochen.  Nebenbei  bemerke  ich,  daß  der  Verfasser  auch 
den  keltischen  (und  nordischen)  Wörtern,  welche  durch  das  Lateinische 


42         Meillet  De  quelques  iimoYalioiis  de  la  dtelinaison  latine. 

nach  dem  Osten  ^elan^  sind,  seine  Aufmerksamkeit  geschenkt  hat  (vgl 
den  Index  S.  274>;  er  ergänzt  dadurch  meine  Bemerkungen  a.  a.  0.  (Die 
griech.  Spr.  S.  141  f.)  in  wesentlichen  Stocken.  —  Ohersehen  ist  übrigens 
vom  Verfasser,  dafi  (^«€pdTopa  bereits  auf  einer  rhodischen  Inschrift  t. 
J.  70  V.  Chr.  erscheint  (Ref.  a.  a.  0.  159). 

Der  Verfasser  hat  nicht  nor  die  Frage  des  direkten  sprachlichen 
Einflusses,  sondern  aach  die  Einwirkung  der  lateinischen  auf  die  griechische 
Ausdrucksweise  wiederholt  erörtert  Dahin  gehören  z.  B.  die  griechischen 
Obersetzungen  römischer  Begriffe,  worin  schon  Magie  De  Romanomm 
iuris  publici  sacrique  vocatralis  (Leipzig  1906)  vorgearbeitet  hat.  Es  ist 
bemerkenswert  dafi  die  Ausdrucksweise  des  Griechischen  nur  selten  durch 
die  des  lateinischen  Begriffes  in  enge  Fesseln  geschlagen  worden  ist  — 
wenigstens  innerhalb  der  Zeitgrenzen  des  Verfassers;  man  braucht  als 
Beispiel  nur  ein  so  gut  griechisches  Wort  wie  dpxicpcöc  als  Obersetzung 
von  pofUifex  maximu«  zu  nennen.  Auch  die  Phraseologie  ist  nur  in  ge- 
ringem Grade  vom  Lateinischen  beeinflußt  worden,  und  ganz  unbedeutend 
ist  die  grammatische  Einwirkung.  Dafi  in  griechischen  Urkunden  des 
rumischen  Staates  oder  bei  Schriftstellern,  die  sich  mit  römischen  Dingen 
beschäftigen,  der  lateinische  Untergrund  gelegentlich  durchschimmert  ist 
nicht  verwunderlich.  Den  Polybios  aber  als  **Typus  des  so  seltenen  romani- 
sierten  Griechen"  zu  bezeichnen  (S.  42),  schiefit  meines  Erachtens  über 
das  Ziel  hinaus:  die  Sprache  berechtigt  sicher  nicht  dazu.  Man  darf  über- 
haupt in  der  Annahme  von  Latinismen  nicht  zu  weit  gehen,  wie  W.  Schulze 
in  dem  Programm  "Graeca  Latina"  (Göttingen  1901)  gezeigt  hat.  Dafi  z.  B. 
Kivciv  dem  lat.  movere  die  Bedeutung  'aufbrechen'  (so  auch  im  Ngr.)  ver- 
danke (S.  43),  halte  ich  nicht  für  ausgemacht  Ein  so  vulgärer  Text  wie 
das  Neue  Testament  ist  von  Latinismen  so  gut  wie  unberührt,  obwohl 
er  in  seinen  lateinischen  Lehnwörtern  durchaus  den  Charakter  der  Um- 
gangssprache zeigt  (S.  264 ff.);  wenn  demgegenüber  das  Evangelium  des 
Lukas  auffallend  wenige  lateinische  Wörter  besitzt  (264),  so  ist  daran  die 
attizistische  Neigung  des  Schriftstellers  schuld.  Von  den  wenigen  inneren 
Latinismen,  die  H.  aus  dem  Neuen  Testament  anführt  (S.  259  f.).  ist  mir 
TÖ  Uavöv  iTOi€iv  =  satisfacere  und  besonders  ircXeidlu)  (Apokal.  20.  4) 
=  ngr.  ircXcKui  zweifelhaft:  was  soll  überhaupt  das  letztere  Wort  im  La- 
teinischen sein? 

Ich  habe  aus  dem  gelehrten  Werke  des  Verfassers  einige  Punkte 
herausgegriffen,  die  besonders  den  Sprachhistoriker  interessieren  und  zur 
Diskussion  anregen.  Dafi  auch  der  Kulturhistoriker  in  dem  Buche  reiche 
Anregung  und  mannigfaches  Material  ßndet,  wurde  schon  angedeutet:  ich 
muß  es  mir  versagen,  auf  diese  Seite  der  verdienstlichen  Arbeit  näher 
einzugehen. 

Marburg  i.  H.  Albert  Thumb. 


Meillet  A.     De   quelques   innovations   de    la   d^clinaison   latine.    Paris, 
C.  Klincksieck,  1906.   47  S.   2  Fr. 

Der  Inlialt  der  vorliegenden,  L.  Havel  gewidmeten  Schrift  besteht 
aus  drei  Kapiteln,  von  denen  sich  das  erste  mit  der  'instabilit6'  der  la- 
teinischen Kasusfonnen,  das  zweite  mit  der  Reduktion  der  grammatischen 
Kategorien  (Zahlen,  Geschlechter,  Kasus),  das  dritte  mit  der  Vermischung 
der  »-Stämme  mit  den  konsonantischen  beschäftigt.  Dem  zweiten  Kapitel 


MeiUet  De  quelques  innovations  de  la  declinaison  latine.         4^ 

ist  ein  Exkurs  über  das  Neutrum  des  Adjektivs  beigegeben,  dem  dritten 
je  einer  Ober  die  Adjektivthemata  von  der  Art  von  praecox  usw.  und 
über  die  Bildung  des  Genitivs  und  Dativs  der  Demonstrativpronomina. 
Der  rühmlichst  bekannte  Sprachforscher  hat  eine  Reihe  zum  großen  Teil 
nicht  neuer  Beobachtungen  aus  dem  Bereiche  der  lateinischen  Sprach- 
geschichte nach  den  angegebenen  Gesichtspunkten  zu  geschlossenen 
Bildern  vereinigt  und  in  ihrem  engen  Zusammenhang  mit  den  entspre- 
chenden Erscheinungen  der  indogermanischen  Grundsprache  zur  Darstellung 
gebracht.  Aus  dem  reichen  Inhalt  des  Schriftchens  sei  insbesondere  hervor- 
gehoben, dafi  der  Verfasser  hinsichtlich  der  Auffassung  der  Bildung  des 
Akkusativs  des  Singulars  der  t-Stämme  und  Dativs  des  Singulars  überhaupt 
von  den  gegenwärtig  herrschenden  Ansichten  abweicht.  Er  betrachtet  die 
Akkusative  auf  -em,  welche  von  t-Stämmen  abgeleitet  sind,  als  die  laut- 
gesetzliche Entwicklung  aus  den  Grundformen  auf  -im,  während  die 
tatsächlich  vorhandenen,  in  der  historischen  Latinität  nachgewiesenen 
Akkusative  auf  -im  ihrem  Grundstocke  nach  auf  t-Stämme  zurückgehen 
sollen.  Dieser  Auffassung  entsprechend  wird  auch  quem  als  die  lautgesetz- 
liche Entwicklung  von  *quim  betrachtet.  Hinsichtlich  des  Dativs  kehrt 
M.  zu  einer  schon  früher  von  Fick,  Henry,  HofTmann  vertretenen  Ansicht 
zurück,  derzufolge  die  zur  Bildung  dieses  Kasus  in  der  indogermanischen 
Grundsprache  verwendete  Endung  *-«t  gewesen  sei.  Das  dazu  gehörige 
schwundstufige  -i  erkennt  M.  in  den  griechischen  Dativen  auf  -i,  z.  B. 
KU  vi  (neben  ai.  hlne,  lat.  cawi),  das  er  demnach  nicht,  wie  es  bisher 
geschehen  ist,  für  eine  Lokativ  form,  sondern  für  eine  echte,  alte  Dativ- 
form hält.  Es  läßt  sich  leicht  denken,  daß  ein  Sprachforscher  von  der 
Bedeutung  M.'s  eine  von  ihm  aufgestellte  Ansicht  mit  Scharfsinn  und 
Umsicht  begründen  wird,  trotzdem  kann  ich  nicht  umhin,  einzugestehen^ 
daß  mich  seine  Ausfühnmgen  im  vorliegenden  Falle  nicht  zu  überzeugen 
vermochten.  Hinsichtlich  des  Exkurses  über  die  Bildung  des  Genitivs  und 
Dativs  des  Singulars  der  geschlechtigen  Pronomina  sei  noch  bemerkt, 
daß  M.,  der  den  letzten  von  Sommer  Handbuch  S.  470  ff.  gemachten 
Erklärungsversuch  wohl  nicht  mit  Unrecht  als  wenig  wahrscheinlich 
bezeichnet,  die  Dativform  cuf  als  ein  Kontaminationsprodukt  aus  *quei 
(Dativ  des  t-Stammes)  und  *quöi  (von  M.  mit  einem  Fragezeichen  versehen) 
auffaßt,  während  er  hinsichtlich  des  Genitivs  cuius  überhaupt  davon  ab- 
sieht, 'arbitraires  et  inv^rifiables'  Hypothesen  aufzustellen.  Es  darf  be- 
zweifelt werden,  daß  die  angeführte  Erklärung  allgemeinen  Beifall  finden 
werde.  SchUeßlich  gestatte  ich  mir  noch  die  Bemerkung,  daß  M.  doch 
wohl  nicht  mit  Recht  in  dem  Kapitel  vom  Dual  (S.  8  f.)  die  von  einigen 
Gelehrten  als  Nominative  des  Duals  erklärten  Formen  auf  -o  in  den  in- 
schriftlichen Belegen  M.  C,  Pomplio  N.  f.  dedron  Hercole  (von  Wilamowitz 
bei  Leo  Plaut.  Forsch.  333),  Q.  K.  Gestio  q.  f.  Hercole  dedero  (W.  Schulze 
Berl.  phil.  Woch.  1896,  136ö)  und  T.  C.  Vomanio  (Ders.  Zur  Geschichte  la- 
teinischer Eigennamen  S.  117)  gänzlich  totgeschwiegen  hat.  Mag  er  viel- 
leicht auch  auf  dem  Standpunkt  Emouts'  (M6m.  d.  1.  s.  d.  lingu.  13,  346) 
stehen,  der  die  Formen  in  wenig  glaubhafter  Weise  als  Nominative  des 
Plurals  mit  geschwundenem  -«  erklärt,  so  durften  die  Ausführungen  von 
Schwyzer  IF.  14,  287  f.  (vgl.  17,  442  f.)  und  die  Bemerkung  Brugmanns 
KVG.  §  473  Anm.  1  doch  nicht  vollständig  ignoriert  werden. 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 


4i       Frän  Filologiska  Föreningen  i  Lund  Spräkliga  appsatser  OL 

Fr&n  Filologiska  Föreningen  i  Lnnd  Spr&kliga  appsatser  IIL  Tillegnade 
Axel  Kock.  Lund,  Gleerupska  Univ.-Bokhandeln  und  Leipzig,  O.  Harrasso- 
witz.  80.  IV  u.  315  S.  5  Kr.  =  Ul  ö.öO. 

Diese  dritte  Sammlung  sprachlicher  Aufsätze  ist  von  der  philolo- 
gischen Gesellschaft  zu  Lund  ihrem  Wortführer  Axel  Kock  gewidmet  and 
beginnt  mit  einem  Beitrag  'Gibt  es  im  Altsächsischen  einen  Gen.  Sing. 
ßuno?*  von  Ernst  A.  Kock,  worin  die  Form  9uno  5790  Gott,  die  vielfach, 
so  noch  von  Holthausen,  für  einen  altertümlichen  Genetiv  erklärt  worden 
ist,  mit  Sievers  als  Akkusativ  aufgefaßt  und  diese  Auffassung  durch  Par- 
allelstellen unterstützt  wird. 

S.  5  folgt  E.  Walberg  mit  'Classification  des  manuscrits  de  la 
Vengeance  d' Alexandre  de  Jean  de  Nevelon',  deren  Ergebnis  folgender 
Stammbaum  ist: 

Original 


M        Q«       P  S  Q»        N  X 

I 
0 

S.  31fr.  behandelt  Fredrik  Wulff  'Le  D^veloppement  de  la  canzone 
Jlmor,  se  vuoi,  de  Pötrarque,  selon  le  ms.  Vat.  lat  3196,  fol.  12  recto*.  d.  h. 
er  stellt  die  Zeitfolge  der  Entstehung  der  verschiedenen  Strophen  und 
Redaktionen  dieser  Canzone  und  Che  debb'  io  fest. 

S.  43  untersucht  Hjalmar  Lind  rot h  den  Ursprung  und  die  ver- 
schiedenen Formen  des  Wortes  'Dagsmeja*  in  den  nordischen  Mundarten. 
Dagsmeja  bedeutet  die  tauende  Sonnenwärme  zur  Mittagszeit  in  der  zweiten 
Winterhälfte  und  kommt  im  Beginn  des  16.  Jahrh.  einmal  als  dags  megn, 
einmal  als  dagzmedhen  vor.  In  den  einzelnen  Mundarten  hat  sich  nun  das 
Wort,  dessen  sicher  erklärbare  Formen  auf  ein  altes  meg(ijn  'Kraft'  zu- 
rückgehen, mit  allen  möglichen  Wörtern  assoziiert,  vor  allem  mit  midja 
'Mitte',  aber  auch  mit  meim  'Streifen',  mit  meja  'tauen*  u.  a. 

S.  59  folgt  'Svenska  kippa  m.  m.  En  semologisk-etymologisk  Studie' 
af  Emil  01s on.  Das  Schwedische  kennt  ein  Zeitwort  kippa  in  zweierlei 
Bedeutungen:  in  der  Sippe  kippa  ned  skot^a  'die  Schuhe  nachlässig  an- 
ziehen', d.  h.  entweder  so,  daß  man  das  Afterleder  umtritt,  oder  ohne  erst 
vorher  Strümpfe  anzulegen,  dazu  kippskodd  'barfuß  in  den  Schuhen',  und 
dann  in  dem  Ausdruck  kippa  efter  andan,  efter  luft  usw.  'nach  Atem,  nach 
Luft  schnappen*.  Daneben  kommt  vor  kipa  'keuchen*.  Olson  untersucht 
nun  das  Vorkommen  beider  und  sucht  sie  etymologisch  zu  erklären.  Dabei 
lehnt  er  einen  Zusammenhang  von  kippa  mit  isl.  skeifr  'schief  ab,  weil 
'die  Bedeutungen  nämlich  alle  auf  den  Begriff  "heftige,  plötzliche  Bewegung'* 
als  den  zentralen  hinweisen'.  Meines  Erachtens  mit  Unrecht.  Ich  bin  ge- 
neigt, in  kippa  {ned  ekorna  usw.)  das  gleiche  Wort  zu  sehen  wie  in  deutsch 
kippen  'auf  die  Kante  stellen,  ohne  den  Gegenstand  von  der  Stelle  zu 
entfernen',  umkippen  intr.,  'so  umfallen,  daß  eine  am  Ort  festbleibende  Kante 
die  Drehungsaxe  bildet'.  Und  beim  Schnappen  wird  ja  auch  der  beweg- 
liche von  den  beiden  Kiefern  in  der  gleichen  Weise  bewegt,  daß  die 


Frin  Filologiska  Föreningen  i  Lnnd  Spräkliga  uppsatser  III.       45 

Drehung  um  eine  unveränderliche  Axe  geht.  Und  wer  weiß,  oh  nicht  doch 
unser  mitteldeutsches  schnappen  'hinken'  etymologisch  eins  ist  mit  dem 
'schnappen'  nach  etwas:  der  Winkel,  den  der  Körper  des  Hinkenden 
mit  dem  Boden  macht,  wechselt  bei  jedem  Schritte  genau  so,  wie  beim 
Schnappen  der  Winkel,  den  die  beiden  Kierer  zu  einander  bilden.  Anders 
bekanntlich  das  Deutsche  Wörterbuch  und  Kluge,  Etym.  Wb.  Vielleicht 
können  wir  dann  überhaupt  die  beiden  Sippen  von  schnappen  =  hinken 
und  von  schnappen  (nach  Luft),  Schnabel  zusammenbringen  in  eine  mit 
der  Grundbedeutung  'sich  im  Sinne  des  "Gewerbes"  —  nicht  des  "Ge- 
lenkes" —  bewegen*.  Wir  hätten  also  in  schnappen  und  kippen,  schwed. 
Inppa  zwei  etymologisch  verschiedene,  aber  in  der  Bedeutung  und  ihrer 
Entwicklung  vollständig  die  gleichen  Wege  gegangene  Wortsippen,  kipa 
'keuchen'  trennt  Olson  wohl  mit  Becht  von  kippa  'umtreten',  dagegen 
möchte  ich  seine  Anerkennung  der  Möglichkeit  von  kipa  'keuchen' 
>  kippa  'schnappen'  ablehnen,  nicht  infolge  etymologischer  Schwierig- 
keiten, sondern  weil  das  schwedische  kippa  ned  skoma  nach  meiner 
Cberzeugung  dasselbe  ist  wie  unser  deutsches  kippen:  es  wird  ja  das 
Afterleder  um  die  Kante  gekippt.  Die  Bedeutung  'barfuß  in  die  Schuhe 
schlüpfen*  ist  dann  natürlich  erst  später  entwickelt  auf  dem  Weg  über 
die  Zwischenstufe  'nachlässig  und  hastig  die  Schuhe  anziehen'. 

S.  75  ff.  teilt  uns  Gustav  Ernst  den  Hauptinhalt  mit  von  'La  gram- 
maire  fran^aise  de  Pourel  de  Hatrize  (1650)',  der  ersten  schwedischen 
Grammatik  des  Französischen,  denn  die  von  Du  Clou  1626  bestand  doch 
nur  aus  Ausspracheregeln.  Für  uns  ist  natürlich  auch  bei  Hatrize  die 
Aussprache  das  Wichtigste,  weil  sie  in  ihren  Beispielen  auch  die  Geschichte 
der  schwedischen  Aussprache  beleuchtet. 

Einen  langen  Aufsatz  'De  latini  verbi  finiti  collocatione  et  accentu 
quaestiones'  scripsit  Axel  W.  Ahlberg  S.  95—128,  in  dem  er  nachweist, 
daß  1.  das  Aussageverbum  außer  in  der  Kunstsprache  durchaus  nicht  den 
Satz  zu  schheßen  braucht,  wie  meist  gelehrt  wird,  und  daß  2.  die  Enkli- 
tiken, also  auch  die  enklitischen  Verbalformen  («tim,  es^  est  usw.  vis,  do, 
das  usw.)  in  der  Begel  die  zweite  Stelle  im  Satz  einnehmen. 

Die  'Kleinen  Notizen'  von  Axel  Moberg  S.  129  ff.  (1.  Das  Begen- 
buch  Ihn  Doreids  in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin,  2.  Gedichte  Baiais  im 
Cod.  Orient.  Palat.  No.  71  der  Biblioteca  Mediceo-Laurentiana  in  Florenz) 
entziehen  sich  als  semitische  Literaturgeschichte  meiner  Berichterstattung, 
doch  erkenne  ich  soviel :  1.  ist,  wie  schon  Brockelmann  vermutet  hatte, 
identisch  mit  dem  Werkchen,  das  Wright,  Opuseula  arabica  S.  15 — 16 
herausgegeben  hat,  und  unter  2.  untersucht  eben  Moberg,  was  in  der 
angegebenen  Sammlung  Balai  zuzuschreiben  ist. 

Auf  das  Berührungsgebiet  von  Altertumskunde  und  Mythologie  führt 
tins  der  Beitrag  von  Knut  Stjerna  'Mossfynden  och  Valhallstron'  S.  137  ff. 
Bekanntlich  sind  die  Gegenstände  der  Moorfunde  so  gut  wie  alle  vor  der 
Versenkung  in  die  Moore  unbrauchbar  gemacht  worden:  Schwerter  zer- 
brochen oder  verbogen,  Schildbuckel  eingedrückt.  Hinge  und  Kettenpanzer 
zerschnitten  usw.  Dies  ist  nach  Stjemas  Ansicht  geschehen,  damit  die  Seelen 
dieser  Gegenstände  der  Seele  ihres  Herrn  im  Jenseits  dienen  konnten; 
daher  mußten  diese  Waffen  usw.  auch  sterben,  d.  h.  unbrauchbar  gemacht 
werden.  Die  Moore,  in  denen  solche  Funde  gemacht  werden,  sind  alte 
Schlachtfelder  oder  solchen  benachbart,  imd  die  Seelen  der  Gefallenen 
hatten  ihre  WafTen  im  Jenseits  nötig,  weil  sie  —  nach  dem  Grundsatz  der 


46       Fräa  Filologiska  Föreningen  i  Land  Sprlikliga  uppsatser  III. 

Iteration  (Reiteration)  —  in  Ewigkeit  ihren  letzten  Kampf  weiterkämpfen 
mußten.  Und  von  diesem  Emstkampf  des  älteren  Glaubens  ist  der  Schein- 
kampf der  Einherjer  in  Valhall  nur  eine  spätere  Umgestaltung. 

S.  162(1.  bringt  Theodor  Hjelmqvist  Hättelser  och  förklarin{ar 
tili  nigra  äldrc  nysvenska  texter*,  indem  vielfach  von  den  Herausgebern 
und  Exzerptoren  beanstandete  Lesungen  sich  nach  erneuter  Einsicht  der 
Urschriften  doch  als  richtig  erweisen  und  auch  durch  Parallelen  aos  dem 
zeitgenössischen  Schrifttum  ihre  Erklärung  finden. 

S.  169  fr.  bespricht  Ernst  J.  Wigforss  'Nigra  fall  av  oregelbunden 
behandling  av  framljudande  vokal  i  de  nordiska  spriken*,  die  da  zeigen, 
daß  in  gewissen  Fällen  anlautender  Vokal  gedehnt  worden  ist  in  L&ut- 
gruppen,  wo  im  Inlaut  keine  Dehnung  eingetreten  wäre,  und  daß  unter 
sonst  gleichen  Umständen  anlautender  Vokal  früher  gedehnt  worden  ist  als 
inlautender,  z.  B.  halländisch  fä  Strudel  =  isld.  ida^  aber  lera  =  Schrspr. 
lifca^  d.  h.  alte  Dehnung  von  i  zu  t,  jüngere  zu  e. 

An  12  ter  Stelle  erklärt  Evald  Ljunggren  S.  181— 185  das  dänische 
Wort  'Passiar'  Plauderei  als  durch  die  Seemannssprache  aufgenommen 
übers  holländische  püsjaren  aus  dem  malajischen  hitjära  Überlegung,  Be- 
ratschlagung, das  seinerseits  wieder  aus  dem  aind.  mcara  entlehnt  ist. 

Unter  der  Überschrift  'De  Plutarcho  atticista'  bringt  Claes  Lindskog 
S.  185  ff.  aus  den  Lebensbeschreibungen  des  Theseus  und  Romulus  ein 
paar  Beispiele  dafür,  daß  auch  Plutarch  gegen  seinen  eigenen  Willen  bis- 
weilen dem  Sprachgebrauch  der  Attizisten  folgt. 

31  Seiten  widmet  E.  Walls tedt  der  Frage  'Enklisis  oder  nicht? 
Zur  Betonung  des  Possessivums  bei  Plautus  und  Terentius'  und  kommt 
an  der  Hand  einer  langen  Reihe  von  Gegenüberstellungen  zu  dem  Er- 
gebnis, *daß  sie  (d.  h.  die  Enklisis)  sehr  oft  vorgekommen  sein  muß,  aber 
immer  als  eine  natürliche  Folge  gewisser  äußeren  Bedingungen,  welche, 
wenn  das  dem  Possessivum  unmittelbar  vorausgehende  Wort  spondeisch 
trochäisch,  iambisch  oder  anapästisch  war,  nicht  vorhanden  waren'. 

'Skärkindsstenens  runinskrift'  ist  nach  Julius  SwenningS.  220—222 
zu  lesen  sk[i]npale  ubaR,  das  wäre  aisl.  *Skinnle  Ufr^  also:  dem  Skin- 
nal  (setzte)  Üfr  (diesen  Stein). 

S.  223  f.  *ln  legem  Bantinam'  annotationem  scripsit  Martin  P.  Nüs- 
sen, in  der  er  ausführt,  in  den  Worten  der  lex  Bantina  v.  4  neire  isin 
poplico  lud  praetextam  neive  soleas  h[aheto\  liege  kein  Beispiel  für  ein 
seltenes  lux  masc.  vor,  sondern  lud  sei  eine  Variation  zu  in  poblico^  ein 
Wort  gleichbedeutend  mit  palam. 

Die  nächsten  37  Seiten  nehmen  Carl  Co  11  ins  'Semasiologiska  studier 
üver  abstrakter  och  konkreter'  ein,  in  denen  er  sich  gegen  Darmesteters 
Aufstellung  wendet  'Dans  aucune  langue  dont  nous  pouvons  studier  This- 
toire,  il  n'y  a  de  mot  abstrait  qui,  si  Ton  en  connait  T^tymologie,  ne  se 
r^solve  en  mot  concrct'  und  an  zahlreichen  Beispielen  aus  germanischen 
und  bes.  nordischen  Sprachen  nachweist,  daß  wenigstens  auf  dem  Gebiete 
des  Substantivs  das  Umgekehrte  weit  häufiger  der  Fall  ist.  Gewöhnhch 
geht  die  Bedeutungsentwicklung  auf  gewisse  verbale  Wendungen  zurück, 
so  konnte  z.  B.  ein  Glas  bis  zur  Neige  leeren  so  verstanden  werden,  dafi 
auch  der  Bodensatz  mit  ausgetrunken  wurde,  und  es  nahm  das  Wort  Neige 
die  Bedeutung  'Bodensatz,  Rest'  an,  oder  weil  der  Isländer  eben  so  gut 
sagen  konnte  ganga  til  huilu  'zur  Ruhe  gehen'  wie  ganga  til  rekhiu  'zu 
Bett  gehen,  so  nahm  das  Wort  huila  allmählich  auch  die  Bedeutung  Bett 
'-statt)  an. 


Delbrück  Synkretismus.  47 

S.  262— 278  behandelt  Ebbe  Tuneld  *Udbhatas  fraroställning  av 
upamä,  Eit  kapitel  ur  den  indiska  poetiken',  wobei  er  aber  nicht  nur 
über  dieses  breiteste  Kapitel  in  Udbhatas  AUnkkänuänuangrtika  Bericht 
erstattet,  sondern  auch  auf  die  Behandlung  des  poetischen  Vergleiches  bei 
seinen  Vorgängern  eingeht. 

Herman  Söderberg  untersucht  im  nächsten  Aufsatze  'Dentvistaf- 
viga  takten  i  svensk  hexameter*.  Schon  Beckman  und  Sylwan  wollen  die 
Bezeichnung  Spondeus  aus  der  schwedischen  Metrik  entfernen,  und  da- 
raufhin hat  nun  Söderberg  die  neuschwedische  Dichtung  in  Hexametern 
durchgesehen  und  ist  auch  zu  dem  Ergebnis  gelangt,  daß  der  Unterschied 
zwischen  Spondeus  und  Trochäus  fürs  Schwedische  tatsächlich  nicht  auf- 
recht ziT  erhalten  ist,  und  man  eigenttich  nur  von  einem  zweisilbigen 
Versfuß  sprechen  kann,  der  aber  überhaupt  nicht  sehr  häufig  ange- 
wendet wird. 

Der  21.  und  letzte  Aufsatz  der  Sammlung  *  Labet  och  bet^  hat  Nils 
Robert  Palmlöf  zum  Verfasser,  der  sich  gegen  die  bisherige  Auffassung 
wendet,  das  in  Stiemhielms  Hercules  v.  153  vorkommende  Wort  la-bete 
sei  'ein  anderer  Name  für  das  L'Hombre-Spiel*,  denn  die  Quelle  dieser 
Ansicht,  Maison  des  Jeux  acad^miques  Paris  1668,  verbindet  ja  in  den 
Worten  'L'homme,  autrement  dit  la  Beste'  gar  nicht  das  La  Böte-Spiel 
mit  dem  L'Hombre,  sondern  mit  einem  ganz  anderen  Spiel.  Der  schwe- 
dische Spielausdruck  labet  geht  nun  offenbar  zurück  auf  faire  la  bSte  'das 
Spiel  verlieren'  im  französischen  L'Homme-Spiel,  während  bet  =  Straf- 
einsatz vielleicht  früher  als  im  L'Homme  im  L'Hombre  sich  entwickelt 
hat,  möglicherweise  unter  dem  Einfluß  des  spanischen  pueeta. 

Erlangen.  August  Gebhardt. 


Delbrück  B.   Synkretismus.   Ein  Beitrag  zur  germanischen  Kasuslehre. 
Straßburg,  Karl  J.  Trübner,  1907.  8».  VU  und  276  S.  7  Ul 

Delbrück  ist  der  erste  gewesen,  der  mit  der  Erschließung  der  ur- 
germanischen Syntax  Ernst  gemacht  hat.  Was  er  in  seinem  Aufsatz  in 
Paul  und  Braunes  Beiträgen  Bd.  29  (nicht  19,  wie  leider  im  Vorwort  steht) 
für  den  germanischen  Optativ  versuchte,  das  unternimmt  er  jetzt  in  einem 
besonderen  Buch  für  das  schwierige  Gebiet  der  Kasuslehre.  Nachdem 
Winklers  Untersuchung  über  den  gotischen  Dativ  in  ihrer  jeden  Synkre- 
tismus leugnenden  Grundanschauung  ziemlich  allgemeine  Ablehnung  er- 
fahren hatte,  galt  es  zwar  wieder  als  Tatsache,  daß  im  germanischen 
Dativ  vier  idg.  Kasus  zusammengefallen  seien;  es  fehlte  aber  noch  immer 
an  einer  gründlichen  Prüfung  des  einschlägigen  Materials,  es  fehlte  an 
einem  Versuche,  die  vorgeschichtlichen  Vorgänge,  die  sich  beim  Zusammen- 
fall der  Kasus  abgespielt  haben,  durch  vergleichendes  Verfahren  aus  dem 
Bestände  der  Einzelsprachen  nach  Möglichkeit  aufzuhellen.  Diese  Aufgabe 
hat  nun  Delbrück  herzhaft  angefaßt  und  ihre  Lösung  besonders  durch 
Beschaffung  zuverlässigen  Materials  in  bestimmten  Punkten  erheblich 
gefördert.  Freilich  ist  auch  nach  D.'s  eindringender  Arbeit  noch  vieles 
im  Dunkeln  geblieben.  Das  konnte  gar  nicht  anders  sein.  Für  Rekon- 
struktionsversuche liegen  die  Verhältnisse  auf  syntaktischem  Gebiet  sehr 
Yiel  ungünstiger  als  auf  dem  Gebiet  der  Laut-  und  Formengeschichte. 
Es  fehlt  eben  überall  das  Zwingende  der  Gesetzmäßigkeit.  Auch  für  die 
älteste  uns  erreichbare  Stufe  und  selbst  bei  annähernd  gleichen  Stilformen 


48  Delbrück  Synkretismus. 

muß  doch  die  Individualität  des  Autors  als  nnmefibarer  Faktor  in  Rechnung 
gezogen  werden.  Bei  der  Dürftigkeit  der  Belege  kann  oft  nicht  entschieden 
werden,  ob  eine  syntaktische  Erscheinung  als  Ausdruck  des  allgemeinen 
Stilgefühls  oder  als  subjektive  Äußerung  des  einzelnen  Schriftstellen 
gebucht  werden  muß;  und  das  ist  natürlich  grade  für  die  Beurteilung  der 
Obergänge,  der  Vermengungen  und  Vermischungen  ursprünglich  verschie- 
dener Formationen  von  größter  Wichtigkeit.  So  kann  denn  auf  diesem 
Gebiet  vieles  gar  nicht  über  das  Niveau  der  Vermutung  erhoben  werden. 
Doch  die  Arbeit  mußte  unternommen  werden,  auch  wenn  sie  verhältnis- 
mäßig geringen  Ertrag  an  unumstößlichen  Ergebnissen  versprach.  Es 
konnte  für  sie  nicht  leicht  einer  besser  gerüstet  sein  als  Delbrück,  dem 
die  unersetzliche  Erfahrung  in  der  ein  Leben  lang  geübten  sprachver- 
gleichcnden  Methode  zur  Seite  stand.  Die  Sicherheit  in  ihrer  Handhabung 
wiegt  meines  Erachtens  reichlich  das  auf,  was  der  weniger  auf  die  Samm- 
lungen anderer  angewiesene  Grermanist  an  genauerer  Kenntnis  des  Materials 
einzusetzen  gehabt  hätte.  Besonders  dankbar  muß  man  Delbrück  daför 
sein,  daß  er  —  entsprechend  seiner  ganzen  wissenschaftlichen  Vergangen- 
heit —  nicht  in  blendenden  Hypothesen  zu  machen  sucht,  zu  denen  der 
Stoff  einen  minder  besonnenen  und  abgeklärten  Forscher  leicht  verführen 
konnte,  sondern  in  vollster  wissenschaftlicher  Ehrlichkeit  sein  ignoramos 
zu  sprechen  nicht  müde  wird.  Bei  dieser  Lage  der  Dinge  bleibt  für  den 
Kritiker  kein  weiter  Spielraum;  denn  ob  er  eine  vom  Autor  als  wahr- 
scheinlich oder  möglich  hingestellte  These  um  eine  Nuance  wahrscheinlicher 
oder  unwahrscheinlicher  findet,  kann  niemanden  sonderlich  interessieren. 
Wo  sich  stärkere  Zweifel  regen,  da  findet  man  fast  immer  irgendwie 
angedeutet,  daß  auch  dem  Verfasser  Bedenken  gekommen  sind ;  und  damit 
fällt  die  Nötigung.  Widerspruch  zu  erheben,  weg. 

Nur  weniges  möchte  man  ohne  Vorgang  des  Verfassers  mit  einem 
Fragezeichen  versehen.  So  erscheint  es  zweifelhaft,  ob  der  bei  ahd.  Cber- 
setzern  begegnende  Dativ  neben  dem  Komparativ  noch  als  Fortsetzer  des 
alten  Ablativs  anzusehen  ist.  Auch  die  Abgrenzung  von  Dativ  und  Ablativ 
bei  den  Verben  der  Trennung  (S.  201  f.)  entspricht  nicht  ganz  meinem 
Gefühl;  ich  finde,  daß  sämtliche  Fälle  eine  rein  dativische  Auffassung 
zulassen.  Wenn  S.  158  in  der  Otfridsclien  Wendung  thu  hungiru  nirsUrbüt 
ein  Instrumentalis  der  Tolge'  gefunden  wird,  so  ist  diese  Bezeichnung 
wohl  nicht  zutreffend;  der  Hunger  ist  doch  nicht  die  Folge,  sondern  die 
Veranlassung  des  Todes  (wie  auch  S.  172  gesagt  wird).  Man  kann  übrigens 
den  Kasus  in  dieser  Wendung  meines  Erachtens  unbedenklicih  als  Instru- 
mentalis des  Mittels  auffassen  und  braucht  darin  nicht  eine  Singularität 
zu  finden,  wie  S.  166  geschieht,  wo  es  heißt,  daß  "dieser  Ausdruck  nicht 
einem  bestimmten  Typus,  wie  etwa  dem  des  Mittels  angehört".  Aber  das 
sind  für  das  Ganze  belanglose  Kleinigkeiten.  Nützlicher  als  sie  zu  häufen 
mag  es  sein,  hier  in  raschem  Durchblick  durch  das  Buch  die  wichtigsten 
Ergebnisse  herauszuheben  und  mit  ein  paar  beurteilenden  Bemerkungen 
zu  begleiten. 

Den  umfangreichsten  und  wichtigsten  Teil  des  Buches  (S.  5—151) 
bildet  eine  sorgfältige  alphabetisch  geordnete  Zusammenstellung  der 
erschlossenen  urgermanischen  Verba,  Adjektiva  und  Präpositionen  mit 
ihrer  Kasusrektion,  ziemlich  gleichmäßig  aufgebaut  auf  dem  Bestände  des 
Gotischen,  Altisländischen,  Angelsächsischen,  Altsächsischen  und  Althoch- 
deutschen.   Ein  solches  Verzeichnis  wird  hier  zum  erstenmal  gegeben; 


Delbrack  Synkretismus.  49 

mag  es  im  einzelnen  der  Vervollständigung  fähig  sein,  so  ist  es  doch  schon 
in  seiner  jetzigen  Gestalt  außerordentlich  lehrreich  und  von  bleibendem 
Wert,  auch  für  den,  der  aus  dem  vorgelegten  Material  andere  Schlüsse 
ziehen  will.  Es  bildet  die  Grundlage  für  die  folgenden  abhandelnden 
Kapitel.  Von  diesen  bringt  das  erste  eine  Darstellung  des  erhaltenen. 
Instrumentalis  nach  seiner  Form  und  Anwendung.  Delbrücks  Aus* 
führungen  darüber,  so  verdienstvoll  sie  im  einzelnen  sind,  leiden  doch 
stark  unter  der  UnvoUständigkeit  des  Materials  und  bilden  dadurch  eine 
lebhafte  Mahnung  an  die  Fachgenossen,  dies  Gebiet  endlich  aufzuarbeiten. 
Es  folgt  ein  Abschnitt  über  den  urgerman.  Instrumentalis,  wie  er 
sich  teils  aus  dem  erhaltenen  Instrumentalis,  teils  aus  dem  Dativ,  in  dem 
er  aufgegangen  ist,  erschließen  läßt.  Als  urgermanisch  ergeben  sich  im 
wesentlichen  dieselben  Gebrauchstypen  wie  sie  aus  dem  Indogermanischen 
bekannt  sind:  der  komitative  Instrumentalis,  der  Instrumentalis  der  be- 
gleitenden thnstände,  des  Zusammenkommens,  des  Agens  beim  Passivum 
usw.  Den  breitesten  Raum  nahm  unzweifelhaft  der  Instrumentalis  zur 
Bezeichnung  des  Mittels  ein;  doch  läßt  sich  sein  Umfang  aus  den  Einzel- 
sprachen nicht  mit  voller  Sicherheit  nachweisen,  da  er  hier  noch  eine 
lebendige  Kategorie  darstellt  und  in  manchen  Fällen  gewiß  als  Neuschöpfung 
anzusehen  ist.  Der  Instrumentalis  bei  Verben  des  Beraubens  (z.  B.  alts. 
hobdu  hihautean\  den  D.  firüher  auf  den  Ablativ  zurückgeführt  hatte, 
wird  jetzt  mit  Bernhardt  als  Instrumentalis  der  Beziehung  ('am  Haupte*) 
erklärt;  das  ist  durchaus  einleuchtend  und  bringt  zugleich  eine  erwünschte 
Vereinfachung  in  die  synkretistischen  Vorgänge ;  denn  damit  entfällt  über- 
haupt die  Nötigung,  eine  Vertretung  des  Ablativs  durch  den  Instrumentalis 
anzunehmen.  Da  nun  auch  der  sogenannte  Genitiv  der  Trennung,  wie 
schon  öfters  ausgesprochen  ist  und  von  D.  im  einzelnen  erörtert  wird, 
sich  offenbar  nicht  auf  ablativischer  Grundlage  entwickelt  hat,  sondern 
einen  echten  Genitivgebrauch  darstellt,  so  kommen  wir  zu  einer  weiteren 
Vereinfachung  der  verwickelten  Verhältnisse:  der  idg.  Ablativ  ist  weder 
mit  dem  Instrumentalis  noch  mit  dem  Genitiv  verschmolzen,  sondern  allein 
im  Dativ  aufgegangen.  Da  ferner  gewiß  noch  ein  Teil  der  Fälle,  die  man 
als  ablativischen  Dativ  anspricht  (vgl.  S.  200  ff.),  als  echt  dativisch  in  Abzug 
zu  bringen  ist,  so  ist  es  klar,  daß  der  Ablativ  im  Urgermanischen  von 
vorneherein  nur  eine  sehr  mäßige  Ausdehnung  gehabt  haben  kann;  er 
wurzelte  nicht  allzu  tief  im  Sprachbewußtsein,  und  da  er  überdies  im 
Plural  seit  alters  auch  formell  mit  dem  Dativ  übereinstimmte,  so  war 
sein  Schicksal  besiegelt.  —  In  dem  Abschnitt  über  den  Dativ  stellt  D. 
die  Verba  zusammen,  die  sich  im  Urgermanischen  entweder  mit  diesem 
Kasus  allein  verbanden  oder  außer  ihm  noch  einen  Objektskasus  (Akkusativ 
oder  Genitiv)  zu  sich  nehmen  konnten.  Es  ergibt  sich,  daß  schon  das 
Urgermanische  transitive  Verba  kannte,  die  nicht  auf  den  Akkusativ  als 
Objektskasus  angewiesen  waren,  sondern  sich  auch  mit  dem  Dativ  ver- 
binden konnten.  Die  Wahl  des  Kasus  war  offenbar  davon  abhängig,  wie 
intensiv  die  Einwirkung  der  Verbalhandlung  auf  das  Objekt  gedacht  war: 
der  Akkusativ  bezeichnete  die  betroffene,  der  Dativ  die  beteiligte  Person. 
Hier  zeigt  sich  also  ein  ganz  ähnliches  Differenzierungsbedürfinis  wie  es 
bei  der  Unterscheidung  des  partitiven  Genitivobjekts  vom  Akkusativobjekt 
zutage  thtt.  -^  Besondere  Sorgfalt  hat  D.  der  Untersuchung  des  Dativ- 
gebrauchs im  Altnordischen  zugewendet;  als  Resultat  kann  eine  ziemlich 
starke  einzelsprachliche  Ausdelmung  des  Dativs  bei  Verben  des  Bewegens 

Anzeiger  XXII.  ^ 


52        Suter  Die  Zürcher  Mundart  in  M.  Utteris  Dialektgedichten. 

der  Konsonanten  die  tonlosen  Explosivlenes  durch  hd §  wiedergibt  nnd 
nicht  durch  p  t  k^  wie  das  jetzt  in  einigen  Arbeiten  Mode  geworden  ist 
und  in  der  Zeitschrift  fOr  hochdeutsche  Mundarten  gefordert  wird.  Eine 
Gefahr,  die  süddeutschen  bezw.  schweizerischen  6,  d,  g  den  entsprechenden 
romanischen  auch  qualitativ  gleichzustellen,  besteht  keineswegs,  darf  mtn 
doch  als  allgemein  bekannt  voraussetzen,  dafl  diese  Beziehung  nur  in 
quantitativer  Beziehung  Berechtigung  hat 

Wenn  also  S.,  indem  er  in  diesem  Punkt  an  dem  überlieferten 
Schriftbild  festgehalten  und  sich  dem  Vorgange  anderer  schweizerischer 
Forscher  angeschlossen  hat,  so  verdient  er  volle  Zustimmung.  Für  die 
Reibelaute  werden  drei  Spielarten  namhaft  gemacht:  Lenes,  Portes,  Ge- 
minatae.  Bei  den  Sonorlauten  sei,  abgesehen  von  den  genannten  be- 
nachbarten Ortschaften,  Geminataartikulation  sehr  zweifelhaft,  und  ob 
auf  dem  Land  Verschlußgeminatae  vorkommen,  wird  nicht  gesagt. 

Was  die  Darstellung  der  Doppelvokale  anbelangt,  so  kann  diese 
nicht  gerade  als  glücklich  bezeichnet  werden.  *'Um  nicht  unnötigerweise 
von  der  Oberlieferung  abweichen  zu  müssen**,  sagt  der  Verfasser,  "werden 
die  Zeichen :  ai  für  dfi,  au  für  äu,  äu  für  ifi  gewählt**.  Das  ist  keineswegs 
jMichahmungswert.  Gerade  hier  war  es  besonders  geboten,  von  der  Tradition, 
d.  h.  vom  gewöhnlichen  Schriftbild  zu  lassen.  Einmal  sind  diese  Ent- 
sprechungen nicht  für  ein  beträchtliches  Gebiet  der  alemannischen  Idiome 
zutreffend,  sodann  ist  es  überhaupt  für  jedermann  etwas  ganz  Ungewohntes, 
beim  Durchgehen  einer  Dialektstudie  genötigt  zu  sein,  fortwährend  eine 
Umwertung  der  fraglichen  Lautzeichen  vornehmen  zu  müssen. 

Bezüglich  der  Diphthonge  wäre  die  Auskunft  erwünscht  gewesen, 
ob  sie  kurz  oder  lang  ausgesprochen  werden. 

Hinsichtlich  der  einfachen  Vokale  notieren  wir  die  Angabe,  daß  die 
Züricher  Mundart  die  mittlere,  d.  h.  halboffene  Klangfarbe  des  e  nicht 
besitzt,  daß  sie  nur  geschlossene,  offene  und  überofTene  #  kennt.  Letzteres 
ist  für  die  Züricher  meines  Erachtens  recht  kennzeichnend. 

Die  kurzen  i,  u  und  ü  sind  nach  S.  nicht  so  geschlossen,  wie  die 
entsprechenden  Längen.  Hiebei  will  ich  nicht  unterlassen,  darauf  hinzu- 
weisen, daß  einige  Mundarten  des  Landbezirks  die  betreffenden  Laute, 
sofern  sie  in  der  Tonsilbe  stehen,  ganz  geschlossen  artikulieren. 

So  sagt  Bülach:  Uf  d^r  Rapperiwiltr  bruk  lig9d  drä  t^nj,  hoij, 
Igrf,  lawfy  rörlf  und  dur  dh  drü  tün9,  höh;  Ura  rMf  Uvn^d  d'  /Ä 
r/lcht  red9. 

Die  Notiz,  daß  a  eine  leichte  Neigung  nach  o  habe,  ist  wohl  ein 
Versehen.  Die  Angabe  bezieht  sich  doch  zweifellos  nur  auf  den  Fall,  wo 
mhd.  d  in  der  Züricher  Mundart  zunächst  in  -6  übergegangen  ist  und  sich 
dann  wieder  dem  -d  genähert  hat,  ohne  aber  die  o-Färbung  zu  verlieren. 
S.  macht  indessen  zwischen  diesen  verschiedenen  a  keinen  Unterschied, 
was  sehr  befremdend  ist  (vgl.  S.  27). 

Über  den  Vokalismus  sei  ferner  folgendes  hervorgehoben: 

Umgelautetes  mhd.  a  erscheint  als  #,  f  oder  ä-  f  begegnet  vor  r- 
Verbindung:  hfrM^  hfrt,  gfrt^l,  ffrtig. 

Umlauts-0  erscheint  vor  Nasal  und  Nasalverbindungen  stets  als  9, 
Besonders  kennzeichnend  ist  dieses  ä  vor  (vereinfachtem)  Doppelnasal: 
hrän»,  iwäm9  etc. 

Den  Übergang  des  a  zu  «  zu  ff  in  üpfü,  löffü  illustriert  die  Züricher 
Mundart  auch  noch  mit  iihMl  (schemel). 


Suter  Die  ZOrcher  Mondart  in  M.  Utterit  Dialektgedichten.        ö8 

Mhd.  i  ist  in  ä  d.  h.  überoffenes  #  gewandelt  worden  und  hat 
sich  mit  dem  Sekundärumlattt  vermischt. 

Mhd.  i  settt  sich  in  einigen  Beispielen  als  ü  fort:  tHÜ9  (drillen), 
briU9  (brille),  hrün»  (brinnen),  i%oüm9,  wüm»  (windemen),  ioü989,  ztcüii9t  etc. 

In  der  Landschaft  ist  mhd.  o  in  a  übergegangen: 

häf  (hof),  trüg  (troc).  Suter  hält  dafür,  daß  dieser  Prozeß  sich  auch 
in  der  Stadt  vollzogen  habe,  daß  aber  später  ¥rieder  o  eingetreten  sei. 
Reste  dieses  Wandels  finden  sich  noch  bei  den  Formen  knä,  nänig. 

Mhd.  u  und  t  sind  in  Übereinstimmung  mit  den  meisten  Schweizer 
Dialekten  vor  Nasal  und  Nasalverbindungen  erhalten:  suf»^  9um9r  etc. 

Ich  muß  jedoch  auf  die  interessante  Sonderstellung  des  Rafzer 
Dialektes  (Norden  des  Kantons  Zürich)  aufmerksam  machen.  Hier  heißt 
es:  sanw  (nhd.  Sonne),  ipp%n9  (nhd.  spinnen),  k^nn9  (nhd.  gesponnen). 

Daß  mhd.  d  in  6  übergegangen  ist  und  sich  dann  wieder  dem  A 
genähert  hat,  ist  oben  bemerkt  worden.  Es  mag  darauf  hingewiesen 
werden,  daß  nicht  alle  Mundarten  des  Kantons  Zürich  an  dieser  rück- 
läufigen Bewegung  teilgenommen  haben.  O  für  mhd.  A  (außer  vor  Nasal) 
wird  beispielsweise  noch  in  der  Mundart  Rafz,  die  sich  überhaupt  stark 
von  den  Züricher  Idiomen  abhebt,  gesprochen.  Femer  begegnet  ö  für 
mhd.  A  z.  B.  am  rechten  Seeufer,  von  Uetikon  aufwärts,  im  Oberland 
und  Bauernland.  Über  die  Formen  mön9i  moae  hätte  etwas  bemerkt 
werden  sollen. 

Seite  29  heißt  es:  Die  Bemer  haben  entsprechend  ihrer  Mundart 
die  ä-Formen  außer  in  Man.  Diese  Angabe  ist  nicht  ganz  richtig.  In 
den  nördlichen  Gebieten  dieses  Kantons  sind  alle  langen  alten  a  in  o 
gewandelt  worden,  während  die  südlichen  Gegenden  den  betreffenden 
Laut  unangetastet  gelassen  haben.  Sigriswyl  (im  südlichen  Teil)  nimmt 
eine  Ausnahmestellung  ein,  indem  auch  hier  mhd.  4  in  ö  übergegangen 
ist,  aber  nur  vor  Nasal!  Man  sagt  also  dort:  ÄäAra,  jär,  äfe,  aber  stö^ 
gOj  lö  etc. 

Kuhn  und  Wyss,  deren  Mundarten  zum  a-Gebiet  gehören,  haben 
das  Wort  mön  den  nördlichen  Dialekten  entlehnt  oder  sind  vom  Schrift- 
deutschen beeinflußt  worden. 

Für  Kuhn  wäre  eine  Anlehnung  an  die  Mundart  von  Sigriswyl, 
wo  er  einige  Jahre  als  Vikar  amtete,  denkbar. 

Über  die  ä-  ^Linie,  soweit  sie  den  Kanton  Bern  betrifft,  mag  hier 
beiläufig  folgendes  angemerkt  werden. 

Sie  beginnt  südöstlich  von  Ins  an  der  Freiburger  Grenze,  geht 
zwischen  Kallnach  und  Siselen  hin  gegen  den  Bielersee,  wendet  sich 
nördlich  von  Walperswyl  nach  Osten,  läuft  zwischen  Bühl  und  Kappelen 
nördlich  von  Frienisberg  gegen  Münchenbuchsee,  das  zum  ä-Gebiet  gehört, 
berührt  dann  Hindelbank  und  Burgdorf.  Von  dort  bildet  die  Emme  auf 
eine  Strecke  die  Grenze.  Südlich  von  Rüegsau  und  nördlich  von  LÜtzelflüh 
sich  hinziehend,  schlägt  sie  die  Richtung  nach  Nordosten  ein  und  streicht 
zwischen  Sumiswald  und  Wasen  gegen  den  Napf. 

Der  oben  angeführte  Wandel  des  0  (aus  A)  in  a  ist,  wie  mir  der 
Mitredaktor  des  schweizerischen  Idiotikons,  Herr  Dr.  Schoch,  gütigst  mit- 
teilt, in  einigen  Gegenden  des  Kantons  Zürich  im  17.,  bei  andern  am 
Ende  des  18.  Jahrh.  eingetreten. 

Auch  aus  der  heutigen  Sprache  kann  der  Beweis  erbracht  werden, 
daß  fragliches  ö  einmal  existiert  hat.   Die  Formen  Spöter,  8pr6M9^  hörli 


54        SDter  Die  ZOrcher  Mundart  in  M.  Usteris  Dialektf^chten. 

können  nur  einen  Umlaut  von  o  aufweisen,  was  S.  richtig  bemerkt  Wararn 
es  aber  mfndig,  gfb,  nfm  usw.  heißt,  möchte  man  ebenfalls  erfahren. 

Den  mhd.  i,  6,  cb  entsprechen  durchweg  geschlossene  Laute  in  der 
Züricher  Mundart 

Beim  Kapitel  der  Diphthongierung  der  alten  Längen  I,  il,  im  Hiatus 
(§  28),  treffen  wir  die  Formen  In  (bei),  hü  (im  Sinne  von  Dfinger,  sonst 
bou\  ehnü  (Knie),  welche  dem  Spaltungsprozeß  im  Gegensatz  zu  dni  ans 
dri,  frei  aus  fri  usw.  Widerstand  geleistet  haben. 

Ein  ganz  besonders  interessanter  Fall  begegnet  bei  den  Diphthongen, 
die  infolge  Verflfichtigung  eines  Nasals  vor  Spirans  entstanden  sind.  (Es 
ist  das  Wort  MSÜckhöf  aus  Münehhof.)  Die  Züricher  Mundart  gehört  nicht 
zu  den  Sprachsippen,  die  den  Nasal  vor  gutt.  Spirans  verflüchtigen  lassen. 
Und  diese  Erscheinung  wird  um  so  auffälliger,  wenn  man  weiß,  daß  in 
(regenden,  wo  der  Schwund  des  Nasals  in  besagter  Nachbarschaft  ein 
striktes  Lautgesetz  darstellt,  die  Formen  münch  beziehungsweise  mMcft 
vorkommen. 

Mhd.  ei  verwandelt  sich  in  äi  oder  ^'. 
Mhd.  ou  wird  zu  äu,  öu  zu  gi, 

Mhd.  ei  und  öu  münden  also  in  manchen  Fällen  in  denselben  Laut 
aus.  Wie  störend  Suters  Transkription  ist,  ersieht  man  besonders  aus 
dem  hier  beigebrachten  Material. 

Bei  den  Entsprechungen  germ.  eu  :  mhd.  sm,  ie  (§  34)  finden  wir 
in  den  Verbalformen  «f  vor  Lab.,  Gutt.  u.  Dent  wie  in  Schaflhausen, 
während  Mundarten  wie  z.  B.  Basel,  Aargau  (Fricktal)  durchweg  99  oder 
Leerau  (südl.  Aargau)  vor  Dental  i9,  vor  andern  Konsonanten  ü  aufweisen. 

Wenn  Usteri  das  Adjektiv  teuf  verwendet,  so  haben  wir  es  ohne 
Zweifel  mit  einer  Entlehnung  aus  deif  Schriften  von  Kuhn  oder  Wyss  zu  ton. 

Ober  die  quantitativen  Veränderungen  der  Vokale  sei  folgendes 
bemerkt: 

Kurzer  Vokal  wird  vor  auslautender  Lenis  gedehnt.  Ausgenommen 
sind  die  Verbalformen.  Der  neue  Laut  ist  offener  als  die  Kürze :  b}r  bin, 
birli,  ipjl,  ipÜ9r,  tär,  türli,  elfg  (PL),  älegli,  giff,  gufe,  8}  (Sinn),  eim  (Verb). 

Seine  eigenen  Wege  hat  0  eingeschlagen,  indem  es  nach  Suters 
Notierungen  in  der  Dehnung  qualitativ  sich  gleich  bleibt:  höf^  -hofd  in 
Zusammensetzungen,  bor»,  ipor»,  gibor»,  ferlör»  usw. 

Von  inlautender  Lenis  weisen  a,  ä,  f  Dehnung  auf,  außer  vor  m 
und  den  Bildungssilben  -«/,  -er: 

mäh  (maln),  grab»,  wäg»,  trag»,  läd»r,  jäe»  —  aber  cham^r,  hamer, 
zäd»l,  hab»r, 

e,  i,  u,  ü  werden  nicht  gedehnt:  red9,  tribe,  böge,  gufe. 

Im  Gegensatz  zu  der  Nordwestgruppe  der  Schweizer  Dialekte  (Basel- 
Stadt,  Basel-Land,  Sololhurn  und  der  nordwestliche  Teil  des  Aargaos) 
und  einiger  Mundarten  des  St.  Gallischen  Rheintales,  welche  die  Dehnung 
der  Vokale  vor  in-  und  auslautender  Lenis  konsequent  durchgeführt  haben, 
ist  die  Züricher  Mundart  auf  halbem  Wege  stehen  geblieben.  Welches 
der  weitere  Dehnungsprozeß  in  diesem  Idiom  sein  wird,  bleibt  abzuwarten. 
Suter  neigt  der  Ansicht  zu,  daß  unter  dem  Einfluß  benachbarter  Dialekte 
eine  Rückbildung  sich  vollziehe. 

Was  die  durch  Monophthongierung  entstandenen  Kürzungen  an- 
betrifft (§  39),  so  sind  sie  eine  gemeinschweizerische  Erscheinung:  find, 
fründ  usw. 


Suter  Die  Zürcher  Mundart  in  M.  Usteris  Dialektgedichten.        66 

Die  älteren  Lftngen  I,  ü,  tu  sind  von  keinem  quantitativen  Wandel 
betroffen  worden,  auszunehmen  sind  blofi  sitb,  iwig9  (swlgen),  hüi  (hiute), 
da  wir  die  Formen  usa  (üze),  uff  (üfe,  üffe)  aus  satzphonetischen  Gründen 
aus  dem  Spiel  lassen  können. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Konsonanten  mag  auf  folgende  Punkte  auf- 
merksam gemacht  werden.  Wie  hinsichthch  der  obigen  vokalischen  Längen 
hat  sich  die  Mundart  in  betreff  der  auslautenden  Explosivlenes  und  -fortes 
konservativ  verhalten.  Wir  finden  allerdings  im  Vergleich  zum  Mittelhoch- 
deutschen einige  Potenzierungen  der  Dentallenes,  die  aber,  die  Nordwest- 
gruppe ausgenommen,  in  den  meisten  Schweizer  Mundarten  sich  zeigen, 
nur  wäre  es  wünschenswert  gewesen,  wenn  der  Verfasser  die  Fälle,  in 
denen  ma.  t  auf  germ.  d  (d)  oder  ß  zurückgeht,  vollständig  aufgeführt  und 
reinlich  geschieden  hätte  (vgl.  §  64). 

Eine  Parallele  zu  der  Reduktion  in  tum  (tump),  tum9,  ehHm9 
(klimben)  bieten  die  Formen:  äwüm»  (swimmen),  bruM,  kchäw,  brüm 
(brinnen),  rür»^  9^^^,  femer:  faU,  Meh,  weh  (wellen).  Bemerkenswert  ist 
femer  die  Schwächung  der  spirantischen  Fortis  as  in  mO^ta,  löM  (Koi^. 
Präs.);  ff  bleibt  durchweg  unangetastet.  An  Stelle  des  tc  ist  n  getreten 
in:  blän9y  grata  (zu  Ud,  grd);  t^  ist  in  6  übergegangen:  ebig,  ruabß. 

Wir  hätten  noch  der  Intensitätsverringerung  der  rom.  Fortes  vor 
der  Tonsilbe  zu  gedenken,  doch  ist  das  Gesetz  nicht  völlig  durchgedrungen. 
Bei  §  69  wäre  als  Ausnahme  hchapdl  beizufügen  (vgl.  §  142). 

Das  Züricher  Idiom  gehört  zu  den  Dialekten,  deren  sämtliche 
Verben  im  Plural  Präs.  Ind.,  sowie  im  PI.  Präs.  und  Prät  Koi\j.  auf  den- 
talen Verschlußlaut  endigen.  Im  Plur.  Präs.  Ind.  gilt  die  Endung  -ad,  im 
Konj.  Präs.  -id,  im  Konj.  Prät.  -Mf,  doch  häufiger  -ad. 

Die  ahd.  -Ai,  -^-Verben  haben  in  den  Schweizer  Mundarten  tief- 
gehende Spuren  hinterlassen.  Die  Zugehörigkeit  dieser  Klassen  wird  er- 
wiesen durch  die  Bindevokale  i  und  9  in  der  2.  und  3.  Sing,  des  Präs.  Ind., 
femer  durch  die  Endung  9t  im  Part.  Prät.: 

tankehiät,  badiit^  flu9chiät,  taükchat,  bad9t  usw.  Doch  sind  durch 
analogische  Obertragungen  die  ursprünglichen  Verhältnisse  da  und  dort 
getrübt  worden. 

Die  Endung  der  starken  und  schwachen  Verben  im  Präs.  Konj.  1.  u. 
3.  Sing,  ist  -t. 

In  §  106  führt  S.  die  starken  Verben  an,  die  sich  dieser  Regel 
entziehen,  nennt  daranter  aber  auch  die  Form  haig  des  schwachen 
Verbes  haben. 

Es  sind  indessen  nicht  nur  einige  starke  Verben,  die  sich  obiger 
Regel  nicht  fügen,  sondern  auch  die  Prät.  Präs.,  eine  Erscheinung,  die  in 
manchen  Mundarten  wiederkehrt,  so  z.  B.  in  Kerenzen  (vgl.  Winteler 
Kerenzer  Mundart  S.  159  ff.). 

S.  92  vermißt  man  die  naheliegende  Erklärung  des  t  in  waisaL 

S.  96  wäre  über  die  Analogiebildungen  chind»,  käir9r  etwas  zu  be- 
merken gewesen.  Als  Kuriosum  mag  notiert  werden,  daß  Usteri  in  einem 
Dialektgedicht  noch  das  Imperfekt  anwendet,  das  zweifellos  schon  be- 
deutend früher  der  Mundart  nicht  mehr  geläufig  war. 

Bei  tuan{9)  gan{9)  usw.  wäre  es  wohl  ratsamer,  eine  Beeinflussung 
durch  zweisilbige  Verbalformen  anzunehmen,  als  von  syntaktischen  Vor- 
aussetzungen auszugehen. 

S.  99  finden  wir  einsilbige  Substantivformen,  denen  in  manchen 


56  Endxelin  LatySskge  predlogi  (Lettische  Präpositioneii). 

Gegenden  zweisilbige  gegenüberstehen :  flüg,  hjr,  chirz,  chron,  f^ats,  glok, 
güfj  kßij  kchapdlf  muk,  pflatut,  mUb^  tu«,  4^^  ^f  ^^,  ^i  ^Pf- 

S.  100  sollte  zwischen  kird  und  erd9  der  Bedeatongsnnterschied 
hervorgehoben  sein. 

S.  102.   Der  Komparativ  Mtor  zu  wi  ist  höchst  merkwürdig. 

S.  109  (§  1^)  ist  wahrscheinlich  dorch  den  Setzer  eine  Verschiebang 
der  Aasdrücke  Neutram  and  Femininom  eingetreten. 

Bei  den  Possessivpronomen  verweise  ich  aof  die  Formen  Plor.  N. 
Akk. :  tmn9r,  mtm,  mifiar,  tRn^r,  tRni,  tRn9r  osw.,  die  zwar  bei  Usteri  sich 
nicht  finden  and  mehr  den  ländlichen  Dialekten  eignen. 

In  den  syntaktischen  Aasführongen  werden  zweierlei  genitivische 
Endongen  der  Familiennamai  genannt  Der  Ausgang  der  staricen  Deklination 
begegnet  bei  mehrsilbigen  Namen,  die  mit  r,  l  oder  Vokal  schließen,  wäh- 
rend die  schwache  Flexion  bei  einsilbigen  auftritt,  femer  bei  allen  auf 
Zischlaut  endigenden  und  allai  mehrsilbigen,  deren  Aaslaut  nicht  r,  l  oder 
Vokal  ist. 

Ich  vermute,  daß  die  von  Aci^ektiven  abgeleiteten  Familiennamen, 
wie  «-  Böt9^  8'  Fr€i9  und  die  mit  Zischlaut  endigenden  das  Muster  fär 
sämtliche  Fälle  der  schwachen  Flexion  abgegeben  haben. 

In  dem  letzten  Abschnitt,  der  von  dem  Wortschatz  handelt,  weist 
S.  darauf  hin,  daß  Usteri  auch  hier  unter  dem  Einfluß  der  Bemer  Dichter 
stand  und  bietet  sodann  eine  schöne  Lese  von  alten  Wörtern  der  Züricher 
Mundart,  die  dem  heutigen  Dialekt  teilweise  verloren  gegangen  sind. 

Bei  Besprechung  der  Vorsilbe  sm^^  die  dem  Züricher  Idiom  fremd 
ist,  könnte  man  vermuten,  der  Verfasser  habe  an  eine  Entlehnung  aus  dem 
Schriftdeutschen  gedacht.  Es  möchten  indessen  dem  Dichter  Usteri  wohl 
schweizerdeutsche  Formen  vorgeschwebt  haben,  singt  ja  doch  sein  Freund 
Kuhn:  Der  Ustig  wot  cho,  der  Schnee  zergeid  scho. 

In  dem  resümierenden  Schlußsatz  hebt  S.  unter  anderem  hervor, 
daß  weit  stärker  als  die  mundartUchen  Vorbilder  die  Schriftsprache  auf 
die  Gestaltung  von  U.'s  Mundart  eingewirkt  hat.  Denn  so  vertraut  ihm 
diese  war,  wenn  er  sie  sprach  oder  sprechen  hörte,  trat  sie  ihm  doch 
jetzt,  da  er  sie  schreiben  sollte,  als  ein  Neues,  Fremdartiges  gegenüber. 
Da  drängte  sich  die  Schriftsprache,  die  ihm  geläufig  war,  dienstfertig  her- 
bei und  bot  ihm  ihre  reicheren  Mittel  an.  Vor  allem  fand  U.  in  ihr  eine 
ausgebildete  Orthographie.  Indem  er  sich  dieser  zur  Fixierung  der  Mund- 
art bediente,  übertrug  er  oft  die  Lautform  der  Schriftsprache  auf  die  Mund- 
art und  gab  so  ein  verzerrtes  Bild  der  letzteren.  Zur  richtigen  Würdigung 
von  U/s  Dialektgedichten  muß  aber,  wie  schon  angedeutet  wurde,  in  Be- 
tracht gezogen  werden,  daß  sie  mit  wenigen  Ausnahmen  nicht  für  die 
öfTentlichkeit  bestimmt  waren. 

Ich  schließe  mit  dem  Wunsche,  es  möchten  bald  andere  Zürcher 
Dialekte  so  allseitig  und  gründlich  behandelt  werden. 

Basel.  P.  Schild. 


Endzelin  1.  Latyäskije  predlogi  (Lettische  Präpositionen).  I  öasf  Jufjev 
(Dorpat)  Tipogratija.K.  Mattisena  1905.  gr.  8o.  VIII  und  220  S.,  II  casl' 
ebd.  1906.   IV  und  144  S. 

Der  1.  Teil  der  Schrift  beginnt  mit  zwei  §§,  die  mit  dem  eigent- 
lichen Thema  nur  lose  zusammenhängen.   Im  §  1  ist  die  Rede  von  -r[»J 


Endzelin  LatySskije  predlogi  (Lettische  Präpositionen).  57 

n  gewissen  slavisclien  Präpositionen :  in  slav.  bes{i\j  lett.  bez  neben  lit.  bP 
deht  E.  ein  affigiertes  vorslav.  *-^.  Was  die  slavische  Präpositionendung 
4U  anbelangt,  stimmt  der  Verfasser  Brandt  zu,  welcher  slav.  *per^j  fia-dt 
lach  dem  Nebeneinander  von  po  (echte  Präp.)  und  podi^  (:  lit.  pddas,  slav. 
jocto,  poda  'Boden',  zn  urspr.  griech.  irÄov  usw.)  entstehen  läßt.  Ich  möchte 
lier  doch  an  ai.  bahir-dhä  'draußen*  neben  baMit  aufmerksam  machen, 
emer  auf  die  bekannten  Fälle,  wo  wahrscheinlicherweise  Ableitungen  der 
Nz.  dhi'  mit  uralten  Präpositionen  verbunden  werden,  lit.  iü-deut,  inda 
Gefäß'  u.'  dgl.  Leskien  Die  Bildung  der  Nomina  (Abh.  d.  kgl.  sächs.  Ges. 
J.  Wiss.  XII)  198  f.,  233,  n«-<W  'Sünde*  281  (auch  pra-d^  =  pra-dHä  'An- 
ang',  pradAn  'beständig*  bei  Mieiinys),  ai.  sam'^ä  'Obereinstimmung*  u. 
igl.,  saifi'dhyä,  sam-dhifi  m.,  vi-dhä,  vi-dhift  m.  u.  dgl.,  slav.  sq-db  'Ge- 
"icht,  Faß':  ich  kann  mir  ganz  wohl  vorstellen,  daß  gewisse  uralte  zur 
MTz.  dhe-  gehörige  Nominalbildungen  (bezw.  Adverbialbildungen  nominalen 
[Charakters)  in  slav.  ^per-db,  na-db  (ja  vielleicht  auch  in  der  Präp.  und 
luch  im  Nomen  p<hdb)  zugrunde  liegen  könnten.  Wenn  man  von  einer 
Wz.  dhe-  spricht,  so  muß  man  doch  wohl  heute  nicht  mehr  in  erster  Reihe  die 
r  e  r  b  a  1  e  Wurzel  vor  Augen  haben  *)?  —  §  2  handelt  von  Schwankungen  in  der 
Schreibung  von  Präpositionen  im  Preußischen  («n  :  ön,  ab- :  eb-  u.  dergl),  wo- 
bei auch  die  Frage  auftaucht,  ob  das  Preußische  ein  A  gehabt :  E.  verneint 
sie.  —  §  3—75  werden  nun  die  lettischen  Präpositionen  einzeln  besprochen. 
E.  gibt  genaue  Auskunft  über  deren  Lautform  und  Gebrauch  in  ver- 
schiedenen Mundarten  und  sonstigen  Quellen,  wobei  auch  die  bei  Prä- 
[M>sitionen  allerdings  so  oft  Schwierigkeiten  bereitende  Etymologie  so- 
Hrie  die  Rolle  der  Präpositionen  in  nominalen  Zusammensetzungen 
m  Worte  kommt;  es  sei  hier  ausdrücklich  auf  den  Hexensabbath  ver- 
ichiedener  durcheinander  fließender  Formen  aufmerksam  gemacht,  die 
E.  unter  alz  behandelt:  ob  da  alles  je  mit  Sicherheit  zu  entwirren  sein 
Bvird,  wird  erst  die  Zukunft  zeigen.   Ich  kann  hier  nur  einige  Randglossen 

1)  Im  RV.  II,  12,  3  liest  man  ein  rätselhaftes  apadhd  :  yd  gd  uddjad 
%padhä  valdMya.  Man  sucht  in  diesem  Worte  einen  Instrumental  der 
rrennung  (etwa  'aus  dem  Versteck  des  Vala'),  oder  einen  Instrumentalis 
instrumenti  Cmittels  des  ErÖffners  des  Vala*  Ludwig  V,  53).  Apadhd 
könnte  zu  dpa  in  demselben  Verhältnis  stehen  wie  bahirdhd  zu  baMfi; 
vielleicht  bedeuten  jene  Worte  weiter  nichts  als  'welcher  (Indra)  die  Kühe 
binaustrieb,  weg  vom  Vala,  in  der  Richtung  vom  Vala  weg';  der  Gen. 
valdaya  würde  gut  zu  dem  nominalen  Charakter  des  Wortes  stimmen; 
wenn  bei  bahirdhd  'im  Außen  von  .  .  .'  der  Ablativ  steht,  so  ist  er 
natürlich  ebensogut  zu  begreifen.  Wer  bei  einem  Adverbium  genau  wissen 
muß,  welcher  Kasus  darin  stecken  mag,  kann  in  bahirdhd,  apadhd  meinet- 
wegen einen  Instrumentalis  sehen.  Slav.  po  scheint  z.  T.  urspr.  *dpo  zu 
repräsentieren ;  ist  dies  wahr,  steht  slav.  podb  vielleicht  etymologisch  gar 
nicht  sehr  weit  von  ved.  apadhd  entfernt.  Ich  halte  die  adverbielle  Be- 
deutung in  diesen  (und  in  manchen  anderen)  Formationen  für  die  ur- 
sprüngliche :  falls  sich  nachträglich  in  einzelnen  Fällen  die  rein  nominale 
z.  B.  auch  einen  Nominativ  ermöglichende  Bedeutung  entwickelt  hat  (z.  B. 
vielleicht  in  slav.  podb,  lit.  pddas  'was  unter  mir,  unter  einem  Gegenstande 
ist'),  so  ist  dies  wohl  um  kein  Haar  weniger  begreiflich,  als  wenn  z.  B. 
der  Deutsche  von  ein3m  Nebeneinander,  Hintereinander  u.  dgl. 
spricht.  —  Ähnlich  ^jti-dhd  'in  richtiger  Art  und  Weise'  neben  i^ü. 


58  Endzelin  LatySskija  predlogi  (Leltische  Präpodtionen). 

wagen:  eine  Reproduktion  des  Inhaltes  der  einzelnen  Abschnitte  wüide 
selbstverständlich  gar  zu  viel  Ranm  einnehmen  müssen.  —  Was  die  Ve^ 
stümmelungen  im  Auslaat  anbelangt,  die  eine  so  große  Rolle  im  Letüscbea 
spielen,  so  kann  man  nie  mit  Bestimmtheit  sagen,  was  eigentlich  ibfe- 
fallen  ist.  Z.  B.  zem  'unter*  deutet  E.  vermutungsweise  aus  zeme  (Lok. 
Sing.),  bezw.  zemen  (37):  ebensogut  könnte  man  an  ein  ^:temi  denken, 
welches  (in  der  Endung)  dem  griech.  xa^<>{  Qsw.  entsprechen  würde  *).  — 
Daß  slav.  t  'et,  etiam'  zu  lit  if  gehöre  (40),  ist  doch  wenig  wahrschein- 
lich; man  würde  doch  im  Slavischen  ein  anl. »-,  bezw.  j»-  erwarten?  — 
Zu  S.  4ö  ^  sei  bemerkt,  daß  auch  Ulmann  ar  mit  Gen.  (aUerdings  nur  Fem.) 
kennt.  Das  Kapitel  über  ar  'mit'  bietet  ein  interessantes  Beispiel,  wie 
eine  ursprünglich  nicht  übliche  oder  höchstens  fakultative  Präposition  all- 
mählich sich  verbreiten  und  obligat  werden  kann,  ein  umso  interessanteres, 
als  ja  ar  sicherlich,  wie  auch  E.  annimmt,  ursprünglich  keine  Präposition, 
sondern  eine  kopulative  Partikel  'auch'  ist  {tiv9  gäja  ar  düu  bedeutete 
ursprünglich,  als  das  Lettische  noch  auch  mit  dem  bloßen  soziatiren 
Instrumental  d&u  ausreichte ,  offenbar  dasselbe  wie  £ech.  cUe  M  i  [ar] 
se-synem  [dHu]  'pater  ibat  etiam  cum-filio',  was  wie  ein  verstärkter 
Soziativ,  etwa  wie  d.  der  Vater  gieng  eamnU  dem  Sohne  gebraucht  wird). 
Das  Lettische  fand  in  diesem  ar  ein  bequemes  Mittel,  den  ursprünghchoi 
präpositionslosen  Instrumental,  welcher  im  Laufe  der  Zeit  im  Sing,  mit 
dem  Akkus.,  im  Flur,  mit  dem  Dat.  zusammengefallen  war,  von  diesen 
Kasus  zu  unterscheiden.  Es  ist  übrigens  merkwürdig,  daß  der  Soziativ 
und  Instrumental  auch  sonst  eine  so  große  Neigung  zeigt,  sich  mit  Prä- 
positionen zu  verbinden.  Ai.  eahä  ist  unsprünglich  ein  fakultatives,  später 
sogut  wie  obligates  Umstandswort  des  Soziativs  (eigentUch  ursprüi^cb 
ein  Adverb  wie  griech.  d^a),  verbindet  sich  aber  frühzeitig  (St-Petersburger 
Wtb.  VII,  885  f.  ?)  mit  dem  Instrumentalis  instrumenti,  in  abhyanujnßtum 
icchamaii  eahäilfhir  munipumgaväifi  Räm.  III,  8,  7  (Bombay)  'enÜassen 
werden  wollen  wir  von  diesen  BüßeranfiUirem*  erscheint  es  mit  dem  In- 
strumental des  aktiven  Subjektes:  wie  man  sieht,  die  Präposition,  die 
ursprünglich  ihre  bestimmte  Bedeutung  gehabt,  sinkt  zum  bloßen  formellen 
Bestandteil  des  Instrumentals  herab.  Analoges  gibt  es  auch  sonst,  z.B. 
im  Iranischen.  —  S.  55  hätte  die  schwierige  Frage  von  dem  Verhältnis  von 
lit.  atölasy  lett.  atäls,  pr.  attolis  'Grummet',  lett.  attaUtie  "wieder  zu  sich 
kommen*,  lit.  atö-dina  'desselben  Tages',  atöd-ügiai  'Roggen,  der  in  dem- 
selben Sommer  gesäet  und  gemäht  wird',  auch  (UM-augiai  geschrieben, 
atö-reiei  atd-rdczei  'Sommerkorn,  Sommerweizen',  slav.  otava  berührt  werden 
sollen.  —  S.  59*  wird  slav.  opftt  'zurück,  wieder"  u.  dgl.  wohl  richtig  zu 
lit.  atpenti  atpent  atpencz  und  pintie  m.  'der  Rücken  der  Axt,  der  Sense' 
gestellt ;  ich  vermisse  hier  das  semasiologisch  hier  so  wichtige  slav.  pfla 


1)  Es  scheint  mir,  E.  gehe  zu  weit,  wenn  er  z.  B.  so  oft  {zemen: 
zenij  secen  :  sec  usw.)  den  Wegfall  von  urspr.  zweisilbigen  Endungen  zu- 
läßt. Aber  es  läßt  sich,  wie  gesagt,  darüber  nicht  leicht  etwas  bestimmtes 
sagen.  Aber,  wie  im  Ai.  im  wesentlichen  mit  gleicher  Bedeutung  säeä, 
sdci  äat.  Br.  IV,  1,  3,  7,  eäkdm  (im  Altiran,  haiä  haia,  hakafi  nebeneinander 
steht  (vgl.  Listy  filol.  XXX,  6  f.),  kann  das  Baltische  einmal  neben  lett.  secen 
(aus  halt.  *8ekenq  oder  dgl.)  auch  eine  dem  ai.  edcä  (*eeql)  oder  sää 
{*seqi)  entsprechende  Form  besessen  haben,  die  dann  in  lett  eec  stecken 
würde. 


Endzelin  Latyiskije  predlogi  (Lettische  Präpositionen).  5^ 

Ferse'  (und  ferner  lit  pmUlnoM  'Sporn')  Miklosich  Etym.  Wtb.2d9.  —  S.  62  f. 
bespricht  E.  das  schwierige  Verhältnis  zwischen  slav.  dee»,  lett  bez^  lit  H 
3hne*,  ai.  hdhH  'dranflen'  (preoß.  *h€  hk€  *iind'  kann  man  wohl  beiseite 
usen,  ebenso  lit  bH  'aber");  er  hält  es  für  möglich,  lett  &ear  sei  aas  ^ 
Inrch  slavischen  Einfloß  schon  in  jenen  Zeiten  entstanden,  wo  das  Lettische 
nit  dem  Slavischen  noch  so  verwandt  war,  daß  die  Vorfahren  der  heute 
eschiedenen  Völker  noch  einander  verstehen  konnten.  So  weit  zurück 
»raucht  man  wohl  angesichts  der  unzweifelhaften  Beeinflussung  des 
.attischen  durch  das  Slavische  auch  in  den  historischen  Zeiten  nicht  zu 
eben,  vorausgesetzt,  daß  sich  der  Urlette  mit  dem  Urslaven  wirklich  je 
lat  verständigen  können;  das  Adverbium  b^-iä  läßt  sich,  wie  auch  E.  sieht, 
lur  aus  *be-tjä  begreifen,  und  ein  russifiziertes  bez  für  echt  halt,  be  ist 
im  nichts  unbegreiflicher  als  das  russifizierte  Zahlwort  lett  Mri  'vier*, 
ch  möchte  slav.  bea,  halt  be  von  ai.  bah-i^  (offenbar  mit  derselben  En- 
Inng  wie  äv-i^  gebildet)  nicht  trennen :  slav.  *bez  :  halt  b4  aus  vor-bslav. 
bei  *bheih  können  ja  am  Ende  weiter  nichts  als  leicht  begreifliche  Satz- 
loubletten  sein?  —  S.  168  ist  unter  den  Belegen  der  Postposition  -p  mäjup 
nach  Hause'  nachzutragen  (Austrums  Xlü,  606,  669;  XIV  93).  Die  Endung 
up,  'üp  enthält  jedenfalls  eine  Kasusendung  mit  der  Postposition: 
im  welchen  Kasus  es  sich  da  handelt,  ist  schwer  zu  sagen.  In  k^fup 
^j4tp  'auf  die  Füße*  sucht  E.  einen  urspr.  Gen.  PL,  wohl  mit  Recht, 
lachdem  -pi  -p  im  Litauischen  auf  die  Frage  wohin?  den  Genitiv,  auf 
ie  Frage  wo  ?  den  Lokal  regiert  Aber  es  scheint,  die  Endung  -up,  -^ip 
ei  frühzeitig  einfach  zu  einer  grammatisch  nicht  mehr  verstandenen 
Ldverbialendung  erstarrt,  und  es  dürfte  nicht  recht  sein,  in  l^up,  augiup 
ugHp  usw.  Akkussative  Sing,  mit  -p  zu  suchen :  es  sind  dies  mechanische 
Tachbildungen  nach  käjup  kqfüp,  deren  Zustandekommen  vielleicht  gar 
nch  noch  durch  ndd.  Adverbien  auf  -up  {-auf)  mit  begünstigt  wurde. 
Utvrup  'abseits'  (Lerch  II,  66  schreibt  aawruhp,  also  mit  langem  u)  deutet 
I.  aus  ^iavur-p,  wie  tur-p  'dorthin*,  äur-p  Tiieher*,  kur-p  'wohin' :  es  gibt 
Bdoch  kein  ^savur  (etwa  'bei  sich*?).  Bei  Mie2inys  steht  ein  lit.  Murüpei 
vooL  sponte',  welches  den  Eindruck  macht,  als  ob  es  zu  rüp/ii  'am  Herzen 
legen'  gehören  sollte,  und  welches,  falls  verbürgt,  sicherlich  nicht  von 
stt  savrup  zu  trennen  ist.  Leider  hat  man  da  mit  Schwierigkeiten  zu 
ämpfen,  die  sich  öfters  wiederholen,  handelt  es  sich  um  lettische  Endungs- 
ilbc^ :  ist  -u-  in  diesen  Bildungen  kurz  oder  lang  ?  Dieses  lit.-lett.  -j>(0 
ftus  *p/  im  Auslaut  gekürzt,  wie  alit.  tos-pie-g  S.  169  zwar  nicht  beweist 
.her  höchst  wahrscheinlich  erscheinen  läßt)  dürfte  samt  der  lett.  Präp.  pe 
loch  wohl  zu  griech.  iroi  'irpöc'  gehören.  Endzelin  verneint  dies  S.  170, 
adem  er  meint,  iroi  lasse  sich  nicht  von  irori  trennen.  Wenn  man  alle 
Präpositionen,  deren  Gebrauch  sich  in  verschiedenen  Sprachen  und  Mund- 
arten deckt,  für  etymologisch  identisch  erklären  sollte,  müßte  dies  ja  z.  B. 
►uch  von  griech.  irpoxi :  irori,  ai.  präti  :  av.  paiti,  griech.  jicxd  :  viha  usw. 
:elten:  und  wenn  heutiges  Pi-balga  (Pebalg  in  Livland)  im  13.  Jahrb. 
loch  Pre-balga  hieß,  so  beweißt  dies,  daß  pri  im  Lettischen  allmählig 
'or  p9  weichen  mußte,  aber  nicht,  daß  pS  selbst  nicht  ursprünglich  sei. 
kuch  noch  sonstige  Tatsachen  machen  es  höchst  wahrscheinlich,  die  Ur- 
prache  müsse  einen  bedeutenden  Vorrat  an  partikelhaften  Adverbien  ge- 
iaht haben,  die  zur  näheren  Bestimmung  lokaler  und  sonstiger  Verhältnisse 
lienten,  im  Laufe  der  Zeit  mitunter  zu  Umstandswörtern  wurden,  deren 
^ahl  jedoch  dadurch  reduziert  wurde,  daß  ein  einziges  Umstandswort  die 


€0  Endiclin  LatySsk^e  predlofi  (Lettische  Pir^ostüoiicn). 

Rolle  anderer  mit  äbernafam:  ein  solcher  Torfmnf  erscheint  andi  anfe- 
sichts  des  Verhältnisses  Ton  lit-lett  -piy  "pi-^  pri,  pi  nsw.  Tiel  wihr- 
scheinlicher,  als  z.  B.  Endzelins  oder  Schmidts  Annahme,  friech.  «oti  wi 
zn  *iröT  und  *«o  reduziert,  *«o  djum  wiederam  durch  Nachahmimg  des 
Verhältnisses  *«6t  :  «ort  ahermals  zu  ^«dt,  «oiO  erweitert  worden.  —  Mctk- 
wfirdife  Schwankungen  in  der  Endung  bietet  des  Vorwort  jrsr  'gegen': 
prefh.  prete,  pretä,  preii,  preimi,  pr^Om^  prtifm,  preün  (prtii  ?),  prHUe  prM 
(im  Katechismus  1586  und  Psahnen  1587) ;  dazu  kommt  slar.  praii  (denes 
-t  ja  nicht  urspr.  -i  sein  kann),  kslav.  proHw^  kasch.  proeiwi^  wmss.  prm, 
poln.  przeciw  Ü89f.).  Welche  von  diesen  Endungen  mögen  alt,  welche 
Neubildungen  sein?  Und  nach  wekhen  Mustern  mögen  diese  Nenbildangen 
zustande  gekommen  sein?  Im  Inflantischen  kommen  sogar  Formen  wie 
pti,  petim  vor.  die  an  griech.  «ori,  airan.  ^pati  anklingen.  Endzdin  wagt 
es  nicht,  diese  Rätsel  zu  lösen.  Nebenbei  gesagt :  die  Form  prwlibe,  prdA 
(wohl  mit  langem  f  zu  lesen,  wie  die  Schreibung  prwMke  mit  nicht  Tcr- 
doppeltem  b  nahe  zu  legen  scheint)  neben  pr^9m,  welches  ja  einen  Vokal 
verloren  haben  muß,  erinnert  in  rerföhrerischer  Weise  an  den  bekannten 
Wechsel  M  :  m  in  der  Deklination.  —  Zu  lit  vidÜM  'das  Innere*  usw.  (200) 
möchte  ich  an  das  ai..  leider  nicht  belegte  Nomen  vidu^  m.  'die  zwischen 
den  beiden  Erhöhungen  auf  der  Stirn  des  Elephanten  befindtiche  Gegend* 
erinnern.  —  S.  202  f.  folgen  nicht  uninteressante  Einzelnheiten  über  Sandhi- 
erscheinungen  an  Präpositionen  (auch  in  Komposition),  S.  206  f.  eine  kurze 
Erörterung  der  merkwürdigen  Doppelformigkeit  einiger  halt.  Präpositionen 
(wie  lit.  ni,  pri\  nii-,  pri-).  Die  schwächeren  Formen  leitet  E.  mit  großer 
Wahrscheinhchkeit  aus  den  stärkeren  als  Produkte  der  Proklise  ab :  z.  E 
statt  nu,  pri  als  Präposition  hat  das  Lit  im-,  pri-  als  Prärerbium,  nach- 
dem das  Präverbium  meist  vortonig  ist  Doch  erfordert  die  ganze  E^ 
scheinung,  die  sich  ja  nicht  bloß  auf  das  Baltische,  sondern  auch  auf  das 
Slavische  zu  erstrecken  scheint,  eine  eingehendere  und  umfassendere  Be- 
trachtung, als  ihr  E.  gewidmet  hat:  es  gehören  sicher  auch  Fälle  wie  Ut.  sp/: 
npi'  :  apy  u.  dergl..  höchst  wahrscheinlich  Intonationswechsel  wie  lit.  p^ 
und  j)dr'^  z.  B.  auch  wohl  Quantitätsschwankungen  wie  £ech.  p^t-t^i  pH- 
v^zti  'überfahren*,  'zuführen'  neben  pHtoz  'Überfahrt,  Zufahrt'  usw..  Dinge, 
die  noch  manche  Belehrung  über  Detailfragen  der  baltisch-slavischen 
Akzent-  und  Intonationsverhältnisse  zu  bringen  Tersprechen.  Dazu  gehört 
aber  auch  noch  §  82  f.  (S.  208)  bei  E.,  "Die  Intonation  der  Präpositionen 
und  der  Präfixe",  ein  Thema,  welches  unmöglich  auf  2 — 3  S.  zu  er- 
ledigen ist. 

Der  II.  Teil  bringt  zunächst  ein  Kapitel  von  der  Rektion  der 
Präpositionen,  welches  im  Lettischen  etwas  verwickelter  ist  als  sonst 
Wir  stoßen  da  zunächst  auf  die  Frage,  warum  die  lett.  Präpositionen  nie, 
die  htauischen  sogut  wie  nie,  den  Lokal  regieren :  dieselbe  läßt  sich  wohl 
nicht  im  allgemeinen  geben,  sondern  man  müßte  auf  einzelne  Präpositionen 
eingehen,  bei  denen  man  einen  Lokal  zu  erwarten  hätte.  Cbrigens  er- 
innere ich  daran,  daß  auch  im  Ai.,  etwa  antdr  abgerechnet,  welches  ein  Ad- 
verbium ist,  sowie  das  im  Veda  und  Avesta  so  farblos  auftretende  postposi- 
tive d,  welches  dieselbe  Rolle  spielt,  wie  *en  in  baltischen  Lokalen  (IF.  6, 
289  f.),  der  Anteil  des  Lokals  an  Präpositionalausdrücken  kein  besonders 
großer  ist.   Sonst   erklärt  E.  z.  B.  den  Nominativ  bei  Präpositionen  wie 


*)  Kennt  man  den  Akzent  von  gr.  iroi  'irpöc'? 


Endzelin  LatySskije  predlogi  (Lettische  Präpositionen).  61 

Mahlenbach  IF.  13, 235  f.  (Märchentitel  wie  ap  diw  hröVi  gudri,  treä  duraks 
möchte  ich  jedoch  lieber  etwa  Von  zwei  klugen  Brüdern,  der  dritte  ein 
Dammkopr  übersetzen,  also  frei  duraks  als  selbständige,  vom  Umstands- 
wort nicht  abhängige  Ergänzung  betrachten).  Verbindungen  wie  yar  kam 
'warum',  par  tarn  'darum*  usw.,  vgl.  Mühlenbach  ebd.  241  f.,  zu  welchen 
richtig  auch  lit.  patdm  'darnach'  (so  auch  po  maidm  'nach  kurzem*,  povisäm 
'gänzlich*,  Kurschat  §  1472),  pri-g-tdm  *dazu,  daneben*  gestellt  wird, 
deutet  E.  so,  daß  sie  zu  einer  Zeit  aufgekommen  seien,  als  die  Präpo- 
sitionen noch  Adverbien  waren,  welche  wie  Adverbien  auch  sonst  mit 
Dativen  verbunden  wurden.  Femer  werden  die  Formen  des  Pron.  pers. 
(Tgl.  Mühlenbach  263  f.),  feminine  Genitivformen  (ebd.  262)  bei  Präp.,  die 
Verbindungen  aiz  k^  'warum*  u.  dgl.  (ebd.  2ö8),  endlich  die  merkwürdige 
Erscheinung  besprochen,  daß  alle  Präpositionen,  mögen  sie  im  Singular 
welchen  Kasus  immer  regieren,  im  Plural  den  Instrumental  (Dat.)  ver- 
langen (ebd.  147f.).  —  Es  folgt  ein  Kapitel  über  den  Gebrauch  von 
Präverbien  (S.  18 f.),  abermals  mit  reichem  Material  an  Belegen  aus 
verschiedenen  Mundarten  und  Quellen  ausgestattet.  Nach  dem  einleitenden 
§  3,  welcher  insbesondere  auch  die  Tmesis  im  Lett.  und  Lit.  berührt 
(interessant  ist  sad^r  mizis  ar  apini,  sa  zälüe  ar  äMu  'zusammen  paßt 
Gerste  mit  Hopfen,  zusammen  Gras  mit  Klee')  werden  die  einzelnen 
E^verbien  durchgenommen.  Selbstverständlich  kommen  da  auch  die 
Aktionsarten  zu  ihrem  Rechte:  und  einzelnen  hierher  gehörigen  Er- 
scheinungen ist  noch  speziell  das  letzte  Kapitel  (S.  106  f.)  gewidmet.  Hier 
finden  wir  u.  a.  eine  ausführliche  Besprechung  der  Art  und  Weise,  wie 
Mch  die  Sprache  in  jenen  Fällen  behilft,  wo  ein  Präverb  zwar  seine 
eigentliche  Bedeutung  auch  in  der  Komposition  behält,  aber  dem  Verbum 
gleichzeitig  die  perfektive  Bedeutung  verleiht:  das  Ycrbum  erscheint  da 
ohne  das  Präverbium,  und  die  BegrÜTsmodifikation,  welche  durch  das 
Präverbium  hätte  zum  Ausdruck  kommen  sollen,  wird  durch  ein  ent- 
sprechendes selbständiges  Adverbium,  oder  sonst  durch  eine  Adverbial- 
bestimmung, eventuell  auch  gar  nicht  ausgedrückt:  man  sagt  z.  B.  at«- 
tUi  aizkrägni  (oder  atz  kräsns)  'hinter  den  Ofen  sich  verkriechen',  wo 
atr-  etwa  'hinter*  bedeutet  aber  gleichzeitig  das  Verbum  list  zu  einem 
Perfektivum  umwandelt,  nicht  perfektiv  dagegen  IM  aizkräsne;  oder  aiz-et 
'fortgehn*  perfektiv,  prüjam  it  'weg  gehn'  imperfektiv ;  oder  atd^U  'zurück- 
geben* perfektiv,  riUcä  dlU  (eig.  'in  die  Hand  geben')  imperfektiv.  Natürlich 
kann  die  selbständige  Adverbialbestimmung  auch  bei  komponiertem  Verbum 
perfekt,  stehen  (uzkäpt  augää  pft.,  käpt  augiä  impft,  'hinaufsteigen'):  doch 
werden  insbesondere  selbständige,  im  wesentlichen  mit  dem  Präverbium 
gleichbedeutende  Adverbien  in  diesem  Fall  lieber  vermieden.  Das  Ad- 
verbium fehlt  auch  beim  Imperfektiv  um,  wenn  es  die  Deutlichkeit  zuläßt: 
z.  B.  ai'V€9t  pft.,  vMt  impfk.  '(herbeiführen*,  nu^rst  pft.,  eini  impft,  '(ab)- 
hauen*  u.  ä.  E.  führt  (aus  Kurschat)  auch  lit.  Analogien  an,  wie  isz-evti  pft., 
laükan  eüi  impft,  'hinausgehen*.  Das  Slavische  hat  den  Mangel  eines  im- 
perfektiven Kompositums  dadurch  wettzumachen  gewußt,  daß  seine  Rolle 
durch  von  Haus  aus  iterative,  durative  u.  ä.  Komposita  übernommen  wird: 
doch  findet  man  die  offenbar  ältere,  dem  lit.  und  lett.  Gebrauche  ent- 
sprechende Weise  daneben  noch  immer  am  Leben,  und  z.  B.  in  Böhmen 
ist  sie  gerade  bei  der  sprachlich  konservativeren  Landbevölkerung  meist 
die  üblichere.  C.  zalezu  za  pec  'ich  verkrieche  mich  hinter  den  Ofen*,  per- 
fektiv, hat  in  der  Regel  die  Futurbedeutung  (daneben  kann  es  unter  Um- 


62    Brentano  Lehrbuch  der  Lettischen  Sprache  for  den  Selbstunterricht 

ständen  die  perfektive  zeitlose  Form  sein,  z.  B.  in  lebhafter  Erzählanf 
das  Präs.  histor.) ;  das  Präsens  dazu  (impft)  kann  wohl  lauten  zalhdm » 
peei  doch  bedeutet  dieses,  insbesondere  auf  dem  Lande,  eher  *ich  pflege 
mich  hinter  den  Ofen  zu  verkriechen*,  und  als  einfaches  Präsens,  'ich 
verkrieche  mich  hinter  den  Ofen'  wird  lieber  Uzu  za  pee  gesagt  (eig.  blöd 
'ich  krieche  hinter  den  Ofen*).  Hierbei  stimmt  das  Slavische  insofern  ehef 
mit  dem  Litauischen  überein,  als  das  Lettische  bei  Imperfektiven  mitonier 
selbständige  Adverbia  setzt,  die  dem  Litauer  oder  Slaven  überflüssig  er- 
scheinen, wie  citi  *fest*,  vaTäm,  uü'ä  los'  (wie  tUzslig^  pft.,  tiegt  cH  impft 
'verschließen').  Auf  mich  haben  dergleichen  Adverbien  immer  den  Ein- 
druck gemacht,  sie  seien  dem  deutschen  Einflüsse  zuzuschreiben:  £. 
führt  sie,  wie  es  scheint  mit  Recht,  auf  den  Einfluß  des  Livischen  (und 
Esthnischen)  zurück  (136  f.). 

Cber  die  Aktionsarten  des  lettischen  (und  im  wesentlichen  auch 
des  litauischen)  Zeitworts  äußert  sich  E.  (teilweise  in  Anschluß  an  Ul'janoT 
Anz.  8, 100 f.,  teilweise  von  ihm  abweichend)  S.  13^ f.  wie  folgt:  "Es  gibt 
Zeitwörter  ohne  Aktionsbedeutung  und  solche  mit  Aktionsbedeutung.  Zu  den 
ersteren  gehören  alle  nichtzusammengesetzte  Stämme  mit  Ausschluß  der 
Iterativstämme,  femer  solche  zusammengesetzte,  die  . . .  den  Charakter  von 
nichtzusanmiengesetzten  angenommen  haben  [dies  ist  der  FaJl,  wo  nichtzn- 
sam mengesetzte  Zeitwörter  wenig  gebräuchlich  oder  ungebräuchlich  sind 
oder  in  der  Bedeutung  gar  zu  abweichen,  z.  B.  jpa-2^  "kennen',  wo  es  kein*^ 
gibt;  S.79].  Diese  Stämme  können  sowohl  imperfektive  als  perfektive  Hand- 
lungen bezeichnen  . . .  Zur  anderen  Gruppe  gehören  nichtzusammengesetzte 
Iterativstänmie,  und  alle  zusanunengesetzte  Stämme  (mit  Ausschluß  der- 
jenigen, die  den  Charakter  von  nichtzusanmiengesetzten  angenommen  haben): 
diese  sind  perfektiv".  Belege  mit  imperfektiver  Bedeutung  kommen  bei 
den  leztgenaimten  z.B.  im  VolksUed  als  Archaismen  vor :  wie  die  Möglich- 
keit einer  Tmesis,  die  außerhalb  des  Volksheds  nicht  vorkommt,  ist  dies 
mit  der  ursprünglichen  Selbständigkeit  des  Präverbiums  in  Zusammen- 
hang zu  stellen.  Doch  gibt  es  Fälle  [die  eingehend  besprochen  werden], 
wo  perfektive  und  imperfektive  Stämme  ohne  Unterschied  gebraucht  werden: 
besonders  oft  stehen  so  Partiz.  Präs.  auf  -n/-,  -dama,  -ams  von  zusammen- 
gesetzten Zeitwörtern  für  imperfektive  Handlungen,  wie  es  äJtiti^s  izauffdama 
'ich  glaubte  mich  emporwachsend  .  . .'. 

Der  Hauptwert  von  Endzelins  Arbeit  liegt  in  sorgfältigen  Samm- 
lungen von  syntaktischem  Material,  vorwiegend  aus  Volkstexten  stammend. 
Daß  z.  B.  in  den  etymologischen  Erörterungen  über  die  lett.  Präpositionen 
auch  nach  Endzelin  gar  manches  dunkel  bleibt,  darunter  manches,  was 
Endzelin  zu  deuten  versucht  und  vielleicht  gedeutet  zu  haben  vermeint, 
wird  gerade  auf  diesem  so  schwierigen  Gebiete  wohl  jedermann  begreiflich 
finden.  Endzelins  Name  gehört  in  Letticis  bereits  zu  den  (leider  so  wenigen) 
wohlbekannten,  und  auch  seine  Magisterdissertation  ilber  die  lett.  Prä- 
positionen bedeutet  eine  sehr  wesentliche  Förderung  unseres  Wissens. 

Smichow.  J.  Zubat)\ 


Brentano  H.  Lehrbuch  der  Lettischen  Sprache  für  den  Selbstunterricht. 
Mit  zahlreichen  Beispielen,  Übungsaufgaben,  Lesestücken  nebst  An- 
merkungen, einem  lettisch-deutschen  und  deutsch-lettischen  Wörter- 
verzeichnisse (Die  Kunst  der  Polyglottie,  94.  Teil).  Wien  und  Leipzig. 
A.  Hartleben^s  Verlag  (s.  a.V  kl.  8o.  yill  und  183  S.  K.  2.20  =  2  M. 


Brentano  Lehrbuch  der  Leitischen  Sprache  für  den  Selbstunterricht.    63 

Ein  anstelliges  BQchlein,  welches  zwar  zunächst  praktische  Ziele 
verfolgt,  aber  auch  sprachwissenschaftlichen  Kreisen  anempfohlen  sein 
mag.  Die  schöne  und  dem  Litauischen  gegenüber  so  selbständige  lettische 
Sprache  verdient  es  ja,  wegen  ihres  inneren  Wertes,  sowie  wegen  ihrer 
aufstrebenden  Literatur  nicht  immer  gewissermaßen  als  eine  D4pendance 
des  Litauischen  angesehen  zu  werden.  Das  Material  wird  hier  sehr  voll- 
ständig vorgeführt;  vielleicht  wird  sogar  mehr  geboten  als  der  Anfänger 
auf  einmal  wird  bewältigen  können.  Ob  es  für  den  Unterrichtszweck 
dienlich  ist,  mit  den  Deklinationen  anzufangen  und  gleichzeitig  in  den 
Obungen  dem  Lernenden  noch  unbekannte  Verbalformen  anzubringen, 
wollen  wir  dahingestellt  sein  lassen.  An  und  für  sich  sind  die  Übungen 
reichlich ;  es  reihen  sich  daran  3  Seiten  Sprichwörter  und  einige  Zusammen- 
hängende Stücke  (einzelne  sind  schon  früher  im  Buche  gelegentlich  als 
Cbungen  verwertet  worden),  darunter  eine  längere  Erzählung  von  A.  Needra. 

S.  6  würde  ein  Sprachforscher  wohl  mehr  über  die  Ictt.  Tonqualitäten 
zu  hören  wünschen«  es  wäre  ihm  z.  B.  auch  lieb  gewesen,  dieselben  wenig- 
stens im  Wörterbuch  angegeben  zu  finden ;  doch  ist  das  Buch  in  erster 
Reihe  nicht  für  Sprachforscher  bestimmt.  Auch  das,  was  §  9,  2  über  die 
Länge  von  Endungen  gegeben  wird,  ist  gar  zu  dürftig  ausgefallen.  Sonst 
ist  mir  folgendes  aufgefallen.  S.  8  beefchi  ween  bedeutet  nicht  *oft  allein*, 
sondern  etwa  *gar  oft';  ebd.  ist  die  angegebene  Aussprache  für  nofagi 
(als  nubamkkt  für  nudafakt)  falsch.  §  19  wird  den  Eindruck  erwecken, 
ta9  werde  in  der  Weise  des  deutschen  Artikels  der  gebraucht.  §  24  genügt 
es  nicht  zu  sagen,  das  verneinende  Fürwort  schließe  die  nochmalige  Ver- 
neinung beim  Zeitwort  nicht  aus :  es  hätte  sollen  gesagt  werden,  die  Ver- 
neinung müsse  wiederholt  werden  {neweens  runä  wHirde  unlettisch  sein). 
§  13  hätte  ich  gerne  gelesen,  daß  das  Lettische  einen  Instrumental  besitzt, 
der  allerdings  lautlich  im  Sing,  mit  dem  Akk.,  im  Plur.  mit  dem  Dat.  zu- 
sammengefallen ist.  Ein  grammatisch  geschulter  Kopf  —  und  andere  werden 
sich  wohl  kaum  mit  dem  Buche  beschäftigen  —  wird  z.  B.  stutzen,  findet 
er  S.  72  in  kakjäm  un  degunu  *mit  den  Füßen  und  mit  der  Schnauze' 
den  Dat.  mit  dem  Akk.  in  einem  Gespann,  wo  es  sich  in  Wirklichkeit  nur 
um  ^wei  Instrumentale  handelt.  Der  Verfasser  (oder  die  Verfasserin)  selbst 
scheint  von  dem  Instr.  nicht  zu  wissen :  sonst  wüßte  er,  daß  die  Präp.  ar 
'mit*  den  Instr.  regiert  (nach  der  landläufigen  Regel  §  59  regiert  ar  im 
Sing,  den  Akk.,  im  Plur.  den  Dat. ;  auch  S.  72  wäre  ar  kahjätn  un  ar  degunu 
geläufiger)  und  hätte  S.  18  nicht  den  groben  Fehler  machen  können,  ar 
zweimal  mit  dem  Akk.  Plur.  zu  verbinden,  einen  Fehler,  den  ich  mir  nur 
so  erklären  kann,  daß  an  den  sonst  richtigen  Übungsbeispielen,  die  urspr. 
ar  mit  Sing,  gehabt,  eine  des  Lettischen  unkundige  Hand  sich  nachträglich 
herumgetummelt  haben  muß.  Solche  Schnitzer  liegen  auch  in  tee  meitas 
•illi  puellae'  Nom.  Plur.,  leeli  azis  S.  14,  20  vor,  wo  weibl.  Subslantiva  mit 
männl.  Attributen  konstruiert  werden.  Hoffentlich  wird  solches  Zeug  nie- 
mand damit  entschuldigen,  daß  es  lett.  Dialekte  gibt,  welche  ar  mit  dem 
Akk.  Plur.  verbinden  (Endzelin  Latyäskije  predlogi  1,  49f.,  11,8),  oder  das 
Femininum  allmählich  aufgeben?  §  56  liest  der  Schüler  vom  Stammwechsel 
in  Komposition,  in  den  Beispielen  findet  er  aber  ohne  weiters  auch  solche 
ohne  Stammwechsel.  §  70  hätte  ausdrücklich  auch  das  Reflexivum  dativum 
Erwähnung  finden  sollen ;  wie  wird  sonst  der  Leser  z.  B.  die  Sätze  S.  58, 
Z.  17  verstehen  können?  §  88  Anm.  1  steht  in  Widerspruch  mit  §  78.  Nach 
§  95  ist  die  Vokativendung  -o  im  Adj.  nur  männlich;  und  doch  stehen 


64  Mitteilungen. 

S.  27  im  Buche  selbst  Beispiele,  wo  die  Form  ein  Femininum  ist  Druck- 
fehler, in  einem  Übungsbuch  immer  ein  mißliches  Ding,  sind  —  und  zwar 
gerade  in  lettischen  Wörtern  —  durchaus  nicht  selten.  Falsch  ist  woW 
bklre  S.  4,  Z.  3,  sonst  ist  z.  B.  zu  lesen  biß  14,  33,  sulait%im  88,  28,  imi^ 
rauj  38,  31,  grib^i  38,  36,  aulainis  64,  16;  71,  2,  mtkl^u  70,  34,  wohl 
nekahda  1:?9,  20,  krahfna  138,  39,  ifHokkt  134,  40.  Das  Angeführte,  sowie 
noch  einige  sonstige  Ungereimtheiten  stimmen  natürlich  die  Freude  an 
dem  Büchlein  um  einiges  herunter. 

Smichow.  J.  Zubaty. 


Mitteilungen. 

Bericht  Aber  die  Indogemu  Sektion 
auf  der  Basler  PhilologeiiYersanimliiiig  1907. 

Die  indogermanische  Sektion  der  49.  Versammlung  deutscher  Phi- 
lologen und  Schulmänner  in  Basel  1907  begründete  sich  am  Montag, 
den  23.  Sept.  um  2  V«  Uhr.  Zu  Obmännern  wurden  gewählt  Prof.  Dr.  F. 
So  mm  er- Basel  und  Dr.  E.  Seh  wyz  er- Zürich,  zu  Schriftführern  Dr.E 
Meltzer-Stuttgart  und  Dr.  A.  Debrunner-Basel.  Die  Zahl  der  einge- 
schriebenen Teilnehmer  erreichte  die  stattliche  Ziffer  30.  Vorträge  wurden 
in  3  Sitzungen  9  gehalten,  darunter  3  gemeinsam  mit  der  philologischen 
Sektion,  nämlich  4,  5  und  6. 

1.  Am  Mittwoch,  den  25.  Sept.  sprach  zuerst  Dr.  M.  Niedermann- 
Zug  über  Ein  rhythmisches  Gesetz  des  Lateinischen.  Abweichend 
von  Thurneysen-Berneker-Meillet  nimmt  er  an,  daß  der  idg.  Zustand  der 
Verben  auf  -io  —  kurzvokalisches  Suffix  nach  kurzer,  langvokalisches  nach 
langer  Wurzelsilbe  —  im  Italischen  stark  zugunsten  des  langvokalischen 
verändert  wurde  und  zwar  in  der  Weise,  daß  auf  ungerade  Morenzahl 
des  präfixalen  Wortstückes  kurzvokalisches,  auf  gerade  aber  langvokali- 
sches Suffix  folgte  {säpiri,  aber  risipfri).  Ausnahmen  erklären  sich  nach 
den  experimentalphonetischen  Untersuchungen  von  E.  A.  Meyer  daraus, 
daß  im  heutigen  Englisch  ein  Vokal  vor  l  r  t^  wesentlich  länger  ist  als  vor 
Verschlußlaut,  während  das  Schwanken  von  Örior  zurückzuführen  ist  auf 
die  von  Victor,  Grögoire  und  Rousselot  beobachtete  Tatsache,  daß  die 
Dauer  eines  Vokals  abnimmt  in  dem  Maße  wie  die  Zahl  der  folgenden 
Laute  wächst,  was  bei  den  zahlreichen  Kompositis  von  ÖriÖv  der  Fall  ist. 

An  der  Erörterung  beteiligten  sich  die  Herren  Thurneysen  und 
Sommer;  der  Vortrag  soll  in  den  M^langes  Meillet  erscheinen. 

2.  Sodarm  verbreitete  sich  Dr.  Hans  Meltzer-Stuttgart  über  Rasse 
und  Sprache  in  der  griechischen  Urgeschichte.  Auf  dem  Boden 
Griechenlands  haben  sich  im  2.  Jahrtausend  v.  Chr.  augenscheinlich  zwei 
Rassen  gemischt,  eine  einheimische,  mittelmeerische  und  eine  zugewan- 
derte, nordische.  Damit  stimmt  überein  die  besonders  von  P.  Kretschmer 
imd  A.  Fick  nachgewiesene  Mögfichkeit,  in  der  griechischen  Sprache  zwei 
Bestandteile  zu  scheiden,  einen  ägäischen  und  einen  arischen.  Der  erstere 
geht  zurück  auf  die  Urbevölkerung,  die  uns  unter  mannigfachen  Bezeich- 
nungen entgegentritt  als  Eteokreter,  Karer,  Leleger,  Pelasger,  Tyrrhencr, 


Mitteilungen.  65 

auch  <t>o(viK€C  sind  ursprünglich  kaum  die  erst  viel  später  in  jenen  Ge- 
genden zu  größerer  Bedeutung  gelangenden  Thöniker*,  sondern  vielmehr 
die  Hothäute'  (zu  cpoivöc  vgl.  lat.  Poenus).  Ihre  Spuren  haben  sie  zurück- 
gelassen nicht  nur  in  einer  stattlichen  Reihe  von  Eigennamen,  besonders 
für  örtlichkeiten,  und  von  Einzelworten,  meist  für  Tiere,  Pflanzen  und 
Gebrauchsgegenstände,  sondern  auch  in  ganzen  Klassen  von  Formativen, 
vor  allem  -v6oc  und  -ccöc  (-rröc).  Mit  Hilfe  der  eindringenden,  an  tatsäch- 
lichen Verhältnissen  der  Gegenwart  gewonnenen  Beobachtungen  von 
Schuchardt,  Windisch,  Hempl,  Sarasin,  Finck  u.  a.  läßt  sich  der  Versuch 
wagen,  eine  anschauliche  Vorstellung  davon  zu  gewinnen,  wie  es  tatsächlich 
bei  solchen  Sprachverdrängungen  zugeht  und  wie  es  im  besonderen  zuge- 
gangen sein  mag,  als  die  Nordländer  im  Mittehneergebiet  festen  Fuß  faßten. 
Wahrscheinlich  ist  dabei  weniger  an^  eine  einmalige  Oberrennung  als  viel- 
mehr an  einen  in  wiederholten  Nachschüben  erfolgenden  und  Jahrhunderte 
beanspruchenden  Einsickerungs-  und  Durchdringungsprozeß  zu  denken. 
Der  Vortragende  machte  zum  Schluß  noch  darauf  aufmerksam,  wie  frucht- 
bar sich  neuerdings  der  Bund  zwischen  Sach-  und  Sprachforschung  ge- 
staltet habe,  und  betonte  die  Notwendigkeit,  künftighin  bei  der  Etymologie 
griechischer  Wörter  der  vorarischen  Unterschicht  erhöhte  Aufmerksamkeit 
zuzuwenden,  etwa  in  der  Art,  wie  vor  kurzem  J.  E.  Harrison  in  den  Tro- 
legomena  to  the  study  of  Greek  religion'  diesen  Gesichtspunkt  auf  einem 
verwandten  Gebiet  zur  Geltung  gebracht  hat. 

An  der  Erörterung  beteiligten  sich  die  Herren  Osthoff,  Wackemagel 
und  Schwyzer. 

3.  Prof.  Dr.  R.  Thurneysen-Freiburg  i.  B.  spendete  Beiträge 
aus  der  keltischen  Philologie  zur  indogermanischen  Gram- 
matik. 

a)  Ai.  pibati  'trinkt"  sowie  air.  *ibraid  'wird  geben*  neben  iropcW 
legt  die  Vermutung  nahe,  daß  frühidg.  b  im  Anlaut  zu  p  verschoben  wurde. 
So  könnten  XKtpötäre  und  griech.  iropciv  ursprüngl.  mit  b  begonnen  haben; 
vielleicht  ist  auch  vtnibua  *Weinsäuferin*  bei  Lucilius  zu  pötäre  zu  stellen, 
ebenso  wie  de-UlU  zu  polUd,  pascö  zu  ßöcKui,  paliU  zu  lit.  balä,  pinguü, 
iraxOc  zu  ai.  bahuh. 

b)  Eine  genaue  Entsprechung  zu  der  Erklärung  der  sogenannten 
epischen  Zerdehnung  durch  Wackemagel  bieten  irische  Texte,  in  denen 
in  ursprünglich  zweisilbigen,  später  einsilbigen  Wörtern  der  Vokal  ver- 
doppelt wird ;  z.  B.  wird  für  (einsilbiges)  mittelir.  coir  eooir  geschrieben^ 
für  iriar  siur  triaar  siuur, 

c)  Eine  gewisse  Parallele  zum  historischen  Infinitiv  des  Lateinischen 
treffen  wir  in  keltischen  Sprachen  des  Mittelalters.  Im  Mittelkymrischen 
findet  man  Weiterführung  der  Erzählung  nach  einem  Verbum  finitum  durch 
Infinitiv :  "Peredur  stand  auf  und  gehen  zu  spielen  mit  dem  braunen  Bur- 
schen und  die  Hand  erheben  gegen  ihn  und  ihm  einen  gewaltigen  Streich 
hauen".  Oder  nach  dem  Präteritum  von  *tun* :  '* Aufstehen  tat  Peredur  und 
ein  Pferd  nehmen  und  . .  .  aufbrechen*'.  Oder  in  ko^junktionellen  Neben- 
sätzen: '*Als  seine  Mutter  ihn  aufgezogen  hatte  und  sein  zu  Jahren  Ge- 
kommensein**,  wohl  ausgegangen  von  präpositionalen  Wendungen  wie 
"Nach  seiner  Erziehung  und  seinem  zu  Jahren  Gekommensein**.  Endlich 
im  Zusammenhang  mit  der  explikativen  Verwendung  des  Verbalab- 
straktums  mit  do:  **Wenn  dieses  Tor  geöffnet  wird  und  der  Teufel  dort 
hineinzulassen**. 

Anzeiger  XXII.  ^ 


66  Ifitteilnngen. 

An  der  Erörterung  beteiligten  sich  die  Herren  Osthoff,  Sommer, 
Sütterlin,  Meltzer. 

4.  Am  Donnerstag,  den  26.  Sept.  entwickelte  Prof.  Dr.  G.  Haie- 
Chikago  seine  Indogermanische  Modnssyntax,  eine  Kritik  und 
ein  System.  Nach  einer  Beleachtnng  der  auf  metaphysische  Spekula- 
tionen, besonders  Wolfs  und  Kants,  aufgebaaten  früheren  syntaktichen 
Theorien,  wandte  sich  der  Redner  Delbrück  zo,  dessen  Verdiensten  er 
zunächst  warniie  Anerkennung  zoUte,  um  jedoch  hierauf  eine  abweichoide 
Auffassung  einiger  Hauptpunkte  zu  begründen:  Relativsätze  mit  &v,  kc 
sind  nach  ihm  nicht  volitiv,  sondern  prospektiv.  Ebenso  kann  der  Optativ 
nicht  in  dem  Umfang  als  potential  gefaßt  werden,  wie  es  meist  geschieht: 
so  z.  B.  nicht  der  Optativus  obliquus,  bei  dem  ftv,  kc  stets  fehlt. 

Leider  nötigte  die  Kürze  der  Zeit  Herrn  Haie  seine  Ausführungen 
stark  zusammenzudrängen  und  liefi  es  rätlich  erscheinen,  auf  eine  Erör- 
terung zu  verzichten. 

5.  Prof.  Dr.  Osthoff- Heidelberg  führte  an  der  Hand  eines  umfas- 
senden, auf  Lichtglanzerscheinungen  bezüglichen  Vergleichungsmateriales 
in  seinen  Darlegungen  über  Regenbogen  und  Götterbotin  aus, 
daß  ipic  ^aus  (F)ipic  zu  (F)i(i)€jiai,  (F)oI>ioc,  sanskr.  mtä,  otfAi,  lat,  rfa  usw.) 
ursprünglich  'Streifen,  Pfad"  bedeutet  habe.  *lpic  sei  auf  dem  Wege  der 
bekannten  Metonymie,  nach  der  sich  aus  einem  Abstraktum  ein  Konkre- 
tum  entwickeln  kann,  in  der  Weise  entstanden,  daß  sich  der  Begriff  m 
zu  dem  von  viätrfx  fortgebildet  habe,  deutsch  etwa  *Gängerscbaft*  za 
'Gängerin*.  Nach  Homer  habe  die  mythenschaffende  Volksphantasie  zwischen 
dem  Eigennamen  und  dem  verwandten  Gattungsnamen  ein  neues  Band 
geschlungen,  wodurch  die  homerische  Götterbotin  zur  Personifikation  des 
Regenbogens  wurde. 

Der  Vortrag  ist  in  ausführlichem  Wortlaut  in  Dieterichs  "Archiv 
für  Religionsgeschichte"  11,  44  ff.  erschienen. 

An  der  Besprechung  nahm  teil  Herr  Finsler-Bem. 

6.  Prof.  Dr.  Jakob  Wackernagel  behandelte  Probleme  der 
griechischen  Syntax,  a)  Die  neuerdings  fast  nur  von  J.  Stahl  abge- 
wiesene Lehre,  daß  die  passiven  Futura  auf  -cojiai  und  -e/|Co^al  (-/|CO|iai) 
sich  imterscheiden  nach  dem  Gesichtspunkt  der  imperfektischen  und 
aoristischen  Aktion,  ist  nicht  zu  halten.  Seit  etwa  300  v.  Chr.  ist  -co^iai 
erloschen  und  höchstens  künstlich  neubelebt,  während  es  umgekehrt 
vor  Aischylos  die  regelrechte  Form  war  und  -6/|C0^ai  noch  ganz  fehlte. 
Der  Unterschied  beider  Bildungen  liegt  nicht  in  der  Bedeutung,  sondern 
ist  rein  formaler  Natur;  q)avoO|Liai  heißt  so  gut  'werde  erscheinen'  als 
'werde  scheinen'.  Seit  dem  5.  Jahrh.  tritt  9av]^co^ai  auf;  da  dieses,  aller- 
dings nach  ^q)dvriv,  überwiegend  aoristisch  gebraucht  wurde,  so  wandte 
sich  q)avoO|Liai  mehr  nach  der  imperfektischen  Seite. 

b)  Im  hellenistischen  Griechisch  wird  der  Optativ  durch  den  Kon- 
junktiv verdrängt.  Das  Attische  bevorzugt  den  ersteren,  das  Überwuchern 
des  letzteren  ist  wohl  auf  den  freilich  in  seinen  letzten  Gründen  noch 
unerklärten  Einfluß  des  Ionischen  zurückzuführen. 

c)  Der  vokativischo  Gebrauch  von  deua  ist  durch  die  Christen  auf- 
gekommen und  stammt  aus  dem  6  Oeöc  der  griechischen  Bibel,  das  selbst 
Hebraismus  ist  wie  Xaöc  ^ou  in  der  Anrede.  Andere  Fälle  von  Nominativ 
für  Vokativ  sind  uralt,  besonders  die  Ac(jektive  haben  wohl  keine  eigene 
Vokativform  gehabt  ((pfXoc  (b  Mev^ae),  zumal  die  possessiven  (ro^ßpo^ 
^juöc,  oculus  meusV 


Mitteilungen.  67 

d)  Daß  Dativ  und  Lokativ  in  der  2.  Deklin.  durch  ursprüngl.  Dativ-, 
in  der  3.  durch  ursprängl.  Lokativform  gegeben  werden,  ist  nicht  erst 
griechisch;  denn  ebenso  ist  es  bei  9ud  'mit*  im  Armenischen;  vielleicht 
sind  auch  manche  der  lateinischen  o-Formen  von  o-Stämmen  bei  Prä- 
positionen dem  Dativ  und  nicht  dem  Ablativ  zuzuweisen. 

In  die  Debatte  griffen  ein  die  Herren  Thumb,  Osthoff,  SUtterlin,  Diehl. 

7.  Der  Freitag,  27.  Sept.,  brachte  zuerst  den  Vortrag  von  Prof. 
Dr.  Hoffmann-Krayer  über  Ursprung  und  Wirkungen  der  Ak- 
zentuation.  Wälirend  anfänglich  die  drei  Arten  der  Betonung,  die  nach 
Stärke,  Höhe  und  Dauer  völlig  frei  gewaltet  und  die  spätere  Flexion  er- 
setzt haben,  sind  sie  dann  erstarrt  Beobachten  lassen  sie  sich  heute  noch 
beim  Kinde  und  in  der  volkstümlichen  Rede,  u.  a.  auch  an  Wirkungen, 
die  sie  hinterlassen  haben  und  die  durch  sprechende  Beispiele  veran- 
schaulicht wurden.  An  der  Erörterung  beteiligten  sich  die  Herren  Wacker- 
nagel und  Sütterlin. 

8.  Prof.  Dr.  Thumb- Marburg  gab  an  der  Hand  von  zwei  Tabellen 
lehrreiche  Aufschlüsse  über  experimentelle  Versuche  Zur  Psychologie 
der  Analogiebildungen.  Darnach  sind  Geläufigkeit,  Schnelligkeit  und 
Spontaneität  die  drei  Gesichtspunkte,  die  hiebei  in  Betracht  kommen. 
Wertvoll  ist  Ablenkung  der  Aufmerksamkeit.  Gebildete  und  Ungebildete 
zeigten  keine  Verschiedenheiten  in  der  Reaktion,  wohl  aber  Erwachsene 
und  Kinder,  woraus  die  Hoffnung  zu  schöpfen  ist,  daß  später  noch  ein- 
mal der  Kindersprache  förderliche  Erkenntnisse  für  die  allgemeine  Sprach- 
wissenschaft abgewonnen  werden  können,  in  der  Art,  die  W.  Wundt  kürzlich 
angebahnt  hat. 

An  der  Erörtenmg  beteiligten  sich  die  Herren  Sütterlin,  Reisch  und 
Bohnenblust.  Der  Vortrag  wird  im  22.  Bd.  der  Idg.  Forschungen  erscheinen; 
ein  Auszug  ist  in  dem  Sitzungsber.  d.  Ges.  z.  Bef.  der  ges.  Naturwissensch. 
z.  Marburg  1907,  Nr.  2,  veröffentlicht. 

9.  Prof.  Dr.  Osthoff  unterbreitete  der  Sektion  einige  Vorschläge 
Zur  Technik  des  Sprachforschungsbetriebes,  bes.  a)  die  Schrei- 
bung für  die  drei  indog.  Gutturalreihen  ^  ^,  3  g,  ff*  g^  ist  dahin  umzu- 
ändern, daß  künftig  für  die  r^invelaren  schlechthin  k  g  und  für  die  labio- 
velaren  einfach  q  g  gewählt  wird ;  in  den  seltenen  Fällen  der  Unbestimm- 
barkeit  möge  zu  k^  g*  gegriffen  werden,  b)  Die  Anführung  einzelner  Sanskrit- 
wörter soll  durchweg  in  der  'Pausaform'  oder  'Form  des  absoluten  Auslauts* 
geschehen.  So  soll  -^  (Visarga)  für  etymologisches  -»  und  r,  die  Tenues 
tk  p  auch  für  etymologische  Mediae  und  Mcdiae  aspiratae,  sowie  Tenues 
aspiratae  erscheinen.  Insbesondere  ist  zu  verwerfen  die  Setzung  von  -8  für 
jedes  wortschließende  idg.  -«,  aber  auch  die  Schreibung  -i  oder  -9  für  den 
zerebralen  Zischlaut  hinter  nicht  tf- Vokalen,  letzteres,  weil  es  meistens 
historisch  unbezeugte,  nur  erschlossene  Wortformen  zu  verwenden  Ver- 
anlassung gibt,  c)  Als  Vertreter  altindischer  Verbal-  und  Nominalsysteme 
hat  man  für  die  Verba  nicht  die  nackte  Wurzel,  sondern  in  der  Regel  die 
3.  Sing.  Ind.  Akt.,  für  die  Nomina  nicht  die  Stammform,  sondern  den  Nom. 
Sing,  zu  setzen,  letzteres  wegen  der  Übereinstimmung  mit  dem  sonst  bei 
der  Schreibung  von  Worten  aus  anderen  idg.  Sprachen  allgemein  üblichen 
Verfahren.  —  d)  Im  Griechischen  sind  die  Verba  kontrakta  nicht  offen  zu 
schreiben  Ti^diu,  q)iX^u),  bouXöui,  sondern  ti^Cü  usw.,  da  man  sich  auch 
sonst  an  die  attische  Gestalt  hält;  zu  näherer  Kennzeichnung  könnte  man 
im  Bedürfnisfall  den  Verbalcharakter  in  Klammer  andeuten,  mithin  Tt^ui(5), 


68  Mitteilungen. 

(piXi&(n),  bouXiZi(ui)  schreiben.  —  e)  Der  von  Brugmann  in  Umlauf  gesetzte 
Ausdruck  Formans  als  zusammenfassende  Bezeichnung  für  die  Unter- 
begriffe  Suffix,  Präfix,  Infix,  Wurzeldeterminativ  ist  zu  vermeiden,  weil  er, 
wie  insbesondere  das  dazugehörige  Adjektiv  formantisch,  eine  des  ge- 
nügenden analogischen  Rückhaltes  entbehrende  Mißbildung  ist.  Vorzuziehen 
ist  der  von  Brugmann  früher  vorgeschlagene,  von  Wackemagel  aufgenom- 
mene Terminus  Formativ(um)  mit  dem  Adjektiv  formativisch. 

An  der  Erörterung  beteiligten  sich  die  Herren  Wackemagel,  Sutterlin, 
Thurneysen,  Thumb.  Dabei  wurden  Punkt  a),  b)  und  e)  einstimmig  zu  Be- 
schlüssen erhoben  mit  dem  Anfügen,  es  solle  von  ihnen  Brugmann  brief- 
lich Kenntnis  gegeben  und  an  ihn  das  Ansuchen  gerichtet  werden,  sich 
den  von  der  Sektion  gutgeheißenen  Änderungen  anzuschließen ').  Ober 
Punkt  c)  gelangte  man  zu  keiner  Einigung.  Bei  Punkt  d)  stimmte  man  ein- 
hellig Brugmann  in  der  Verwerfung  von  Tl^dul,  cpiX^ui,  bouXöui  bei,  ein 
Teil  der  Sektion  jedoch  empfahl  die  Infinitive  Ti^dv,  cpiXciv,  bouXoOv  zq 
verwenden,  dann  aber  entsprechend  auch  bei  den  unkontrahierten  Verben 
nicht  mehr  die  1.  Pers.  Sing.  Ind.  Präs.  Akt.,  sondern  den  Infinitiv  zn 
brauchen. 

f)  Die  Syntaktiker  werden  ersucht,  die  verwirrende  Mannigfaltig- 
keit in  der  Benennung  der  Aktionsarten,  wonach  Ausdrücke  wie 
momentan,  perfektivisch,  punktuell  usw.  zur  Bezeichnung  der- 
selben Aktion  nebeneinander  gebraucht  werden,  zugunsten  einer  einheit- 
lichen Terminologie  aufzugeben. 

In  die  Erörterung  griffen  ein  die  Herren  Thurneysen,  Sutterlin, 
Meltzer,  indem  sie  besonders  betonten,  daß  die  Verschiedenheit  der  Be- 
nennung auf  einer  Verschiedenheit  der  Auffassung  beruhe  und  darum  Ober- 
einstimmung schwer  zu  erzielen  sein  werde.  Die  Sektion  einigte  sich  auf 
den  Vorschlag,  die  beiden  Hauptaktionen  künftighin  vorläufig  als  imper- 
fektive und  aoristische  zu  benennen'). 

g)  Als  eine  stilistische  Unart  wird  gerügt  die  Setzung  von  mit  bei 
passiver  Verbalform,  also  nicht  bloß  **man  kann  ein  griechisches  Wort 
mit  Fick  zu  einem  altindischen  stellen",  sondern  darnach  auch  "das 
griechische  Wort  kann  mit  Fick  zu  dem  altindischen  gestellt  werden**, 
oder  gar  verneinend:  "Die  .  .  .  Namen .  .  .  machen  mit  Prellwitz  .  .  .  Ent- 
lehnung nicht  sehr  wahrscheinüch**'). 

Bei  der  einleuchtenden  Richtigkeit  dieser  Bemerkung  fand  eine  Aus- 
sprache darüber  nicht  statt. 

Sodann  erlangte  allgemeine  Zustimmung  eine  Anregimg  von  ProL 
Dr.  Osthoff,  wonach  die  Sektion  sich  das  Recht  etwaiger  Ersetzung  der 
vorläufig  ernannten  Obmänner  durch  eine  Neuwahl  vorbehält. 

Die  unter  lebhafter  Beteiligung  verlaufenen  Sitzungen  fanden  einen 
würdigen  Abschluß  durch  die  Ehrung  des  verdienten  Keltologen  Strachan, 
dessen  soeben  erfolgtes  Hinscheiden  Prof.  Dr.  Kuno  Mayer  aus  Liverpool 
mitteilte  und  zu  dessen  Gedenken  sich  die  Anwesenden  von  ihren  Sitzen 
erhoben. 


1)  Brugmann  ist  benachrichtigt  worden;   seine  Erwiderung  siehe 
S.  69  fr. 

2)  Siehe  die  Bemerkungen  Streitbergs  S.  72  ff. 

3)  (IF.  21,  198  Fußn.)  und  selbst  derartiges  wie  "[etwas]  dürfte  mit 
Delbrück  ...  auf  der  Hand  liegen*'  (IF.  22,  81). 


Mitteilungen.  69 

Mit  Befriedigung  sieht  die  idg.  Sektion  der  49.  Philologenversammlung 
auf  ihre  diesmalige  Tagung  zurück  und  ruft  ihrer  Nachfolgerin  in  Graz 
im  Jahre  1909  ein  fröhliches  "Auf  Wiedersehn  r  zu. 

Stuttgart.  H.  Meltzer. 


Formans  oder  FormatiTum? 

Anlaß,  auf  diese  beiden  Kunstausdrücke  an  dieser  Stelle  einzu- 
gehen, gibt  mir  der  Umstand,  daß  mir  die  Indogermanische  Sektion  der 
Baseler  Philologenversammlung  durch  ihren  ersten  Schriftführer  Herrn 
Prof.  Meltzer  unter  dem  30.  Sept.  d.  J.  den  Wunsch  hat  zugehen  lassen, 
ich  möge  die  Ausdrücke  das  Formans  und  formantisch,  die  ich  seit 
1903  in  meinen  Schriften  für  Suffix  und  Infix  und  für  suffixal  und 
infixal  gebrauche,  fürderhin  ersetzen  durch  das  Formativum  und 
formativisch.  Die  Anregung  zu  diesem  Wunsch,  heißt  es  in  dem  Schreiben, 
sei  durch  einen  Vortrag  des  Herrn  Prof.  Osthoff  *Zur  Technik  des  Sprach- 
forschungsbetriebes* gekommen,  und  es  sei  betont  worden,  **die  Worte 
Formans  und  for  man  tisch  klängen  nicht  gut  und  entbehrten  des 
breiteren  analogischen  Rückhaltes". 

Diesem  von  so  hochautoritativer  Seite  mir  zugekommenen  Ersuchen 
entspräche  ich  mit  dem  größten  Vergnügen  und  sofort  —  ich  arbeite  zur 
Zeit  an  meinem  Grundriß  der  vergleich.  Gramm,  der  idg.  Sprachen  2 «,  2  — , 
wenn  ich  nicht  glauben  müßte,  unserer  Wissenschaft  fromme  mehr,  daß 
ich  bis  auf  weiteres  bei  dem  4nit  dem  Makel  korporativer  Mißbilligung 
behafteten  Terminus  verbleibe. 

Ich  frage  zunächst:  ist  die  Wortschöpfung  das  Formans  wirklich 
so  mißraten,  wie  es  Osthoff  und  der  Sektion  offenbar  erschienen  ist? 
Und  ist  das  von  der  Sektion  auf  den  Schild  gehobene  Formativum,  das 
freilich  ebenfalls  mein  Fabrikat  ist,  wirklich  irgend  schöner  und  besser  ? 
Und  wenn  ich  diese  Fragen  verneinen  muß,  so  frage  ich  weiter:  hat 
Formativum  etwa  bereits  in  weiterem  Umfang  in  der  sprachwissen- 
schaftlichen Literatur  Eingang  gefunden  als  Formans,  so  daß  es  von 
dieser  Seite  her  Vorzug  und  Vorrang  besäße?  Und  wenn  ich  auch  dies 
verneinen  muß,  so  frage  ich  mich  endlich:  darf  es  mir  gleichgiltig  sein, 
daß  ich,  nachdem  ich  mich  im  1.  Bande  der  Neubearbeitung  meines  Grund- 
risses des  Terminus  Suffix  und  in  2,1  dafür  des  Terminus  Formans 
bedient  habe,  jetzt  in  2, 2,  ohne  daß  die  Sache  damit  besser  bezeichnet 
wird,  dem  Leser  den  Terminus  Formativum  auftische?  Auch  da  sage 
ich  nein. 

Diese  formantisch- formativische  Streitsache  gehört  gottseidank 
nicht  zu  den  wichtigeren  Angelegenheiten  unserer  Wissenschaft ,  und  ich 
wünschte,  ich  brauchte  ihretwegen  nicht  die  Feder  einzutauchen.  Aber 
der  Baseler  Urteilsspruch  kommt  ja  demnächst  durch  die  'Verhandlungen* 
an  die  breitere  Öffentlichkeit,  und  da  ich  keine  Lust  spüre,  lediglich  als 
verstockter  Sünder  zu  erscheinen,  wenn  man  mich  weiterhin  mit  For- 
mantien wirtschaften  sieht,  so  muß  ich  versuchen,  mein  Nichteingehen 
auf  den  mir  kundgegebenen  Wunsch  durch  Eingehen  auf  die  inkriminierte 
Wortschöpfung  so  gut  als  es  geht  zu  rechtfertigen. 

Formativum  ist,  wie  schon  angedeutet,  von  mir  selber  1897, 
Grundriß  1*,  ä9f.,  für  Suffix  und  Infix  vorgeschlagen  worden,  um  hint- 


70  Mitteilungen. 

anzuhalten  die  Vorstellung  des  An-  und  Einfdgens  nrsprOnglich  nach  Art 
eines  Wortes  selbständig  gewesener  Sprachelemente  an  und  in  ein  Wort, 
eine  Vorstellung,  die  nun  einmal  von  alter  Zeit  her  an  diese  Termini 
geknüpft  ist,  und  die  dem  Durchdringen  richtiger  Anschauungen  Ton  dem 
realen  Vorgang  des  Sprachlebens  nur  zu  lange  und  zu  oft  hinderlich  ge- 
wesen ist  ^).  Ich  blieb  aber  in  der  Praxis  vorerst  doch  noch  bei  Suffix 
und  Infix.  Erst  als  ich  meine  Kurze  vergleichende  Grammatik  verfaßte, 
glaubte  ich  diese  Bezeichnungen  aufgeben  zu  sollen,  und  ich  wählte  nun- 
mehr Formans  für  Formati v  (s.  IF.  14,  Iff.,  Kurze  vergl.  Gr.  S.  285). 
Formans  schien  mir  —  ganz  abgesehen  davon,  daß  es  um  eine  oder 
zwei  Silben  kürzer  ist  als  Formativ(um)  —  das  Wesen  der  Sache  besser 
zu  treffen ;  der  Wechsel  im  Ausdruck  aber  war  an  sich  selbst  belanglos, 
weil  Formativ  noch  von  niemandem  aufgegriffen  und  eingeführt  worden 
war.  Ich  habe  denn  seitdem  stets  Formans  gebraucht,  auch,  wie  schon  er- 
wähnt, neuerdings  in  Grundriß  2*,  1.  Wenn  mir  nun  zunächst  entgegen- 
gehalten wird,  Formans  und  formantisch  klängen  nicht  gut,  so  darf  ich 
wohl  von  diesem  Argument  vollständig  absehen ;  es  kann  in  der  Diskussion 
und  bei  der  Entscheidung  unmöglich  eine  wesentliche  Rolle  gespielt  haben. 
Weiter,  das  ist  die  Hauptsache,  sollen  meine  Wörter  des  breiteren  ana- 
logischen Rückhalts  entbehren.  Hiermit  aber  steht  es  so.  Das  Formans 
war  gedacht  als  elementum  formans,  als  Wortelement,  das  —  ent- 
weder für  sich  allein  oder  in  Verbindung  mit  andern  gleichartigen  Wort- 
elementen —  das  Wort  formt,  bildet,  ihm  sein  Gepräge  als  grammatische 
Form  gibt,  kurz  als  Bildungsmittel.  Dabei  schwebten  mir  in  formantischer 
Hinsicht  substantivierte  Neutra  vor,  die  in  verschiedenen  Wissenschaften 
und  Literaturzweigen  gang  und  gäbe  und  von  ähnlicher  Bedeutung  sind, 
wie  das  Agens,  Reagens,  Movens,  Expediens,  Stimulans  (in  der 
Heilkunde  auch  noch  Incarnans,  Incrassans,  Laxans.  Obstipans, 
Obstruens,  Purgans,  Relaxans,  Remolliens,  Reserans,  Resor- 
bens,  Sedans,  Temperans  und  wohl  noch  anderes  der  Art),  und  zu- 
gleich substantivische  Neutra  intransitiven  Sinnes,  das  Accidens.  das 
Ingrediens  und  das  uns  Grammatikern  allen  geläufige  Präsens.  Als 
Plural  habe  ich  teils  Formantia,  teils  Formantien  gebraucht,  vgl. 
Präsentia  und  Präsentien  usw.  Warum  soll  nun  hier  nicht  genug 
analogischer  Rückhalt  sein?  Mir  ist  das  unverständlich. 

1)  Delbrück  Einleit.*  137  sagt:  '*Brugmann  wählt  in  seinem  neuesten 
Werke  [Kurze  vergleich.  Gramm.],  um  die  Neben  Vorstellung  der  Zusammen- 
setzung, welche  dem  Ausdruck  Suffix  anhaftet,  fernzuhalten,  dafür  das 
Kunstwort  'Formans'.  Mir  scheint  es  zweifelhaft,  ob  eine  solche  Umtaufung 
nötig  ist.  Man  erreicht  dasselbe,  wenn  man  den  Leser  darauf  hinweist, 
daß  unsere  Terminologie  wechselnden  Bedeutungsinhalt  hat,  und  daß  uir 
augenblicklich  in  bezug  auf  alle  Ursprungshypothesen  einen  resignierten 
Standpunkt  einnehmen".  Der  hier  empfohlene  Hinweis  nützt  nach  meinen 
Erfahrungen  in  der  Regel  wenig,  wenigstens  beim  Anfänger,  der  sich  seine 
Vorstellungen  von  den  Dingen  doch  immer  wieder  an  der  Hand  der  ihm 
vorgeführten  Terminologie  zu  bilden  versucht.  Daß  sich  aber  der  ursprüng- 
liche Wortsinn  bei  Suffix  mit  der  Zeit  noch  von  selbst  stark  verdunkeln 
werde,  etwa  wie  es  bei  Genitiv  oder  Konjunktiv  und  sonst  vielfach 
wirklich  geschoben  ist,  ist  mir  beim  Danebenstehen  von  Infix  und  Präfix 
mehr  als  zweifelhaft. 


Mitteilungen.  71 

Freilich  werde  ich  mittlerweile  von  zwei  Seiten  privatim  und  un- 
offiziell belehrt,  daß  sich  der  Tadel  in  Basel  mehr  gegen  mein  Adjektiv 
formantisch  als  gegen  das  Substantiv  Formans  gekehrt  habe;  die 
Parallele  präsentisch  zu  Präsens  sei  zu  vereinzelt.  Auch  diesen  Tadel 
verstehe  ich  nicht.  Ich  will  nicht  davon  reden,  daß  doch  auch  im  naiven 
Sprachleben  oft  genug  einer  Form  nur  eine  Form  analogisch  nachge- 
schafTen  wird,  ohne  daß  dies  die  Sprachforscher  bisher  beunruhigt  hat. 
Aber  wenn  man  präsentisch  nach  den  der  gleichen  Begriffssphäre  an- 
gehörenden Adjektiva  aoristisch,  perfektisch  u.  dgl.  gebildet  hat, 
warum  in  aller  Welt  soll  man  nicht  formantisch  sagen  dürfen  etwa 
im  Anschluß  an  morphologisch,  semasiologisch  oder  auch  nach 
adjektivisch,  substantivisch,  syllabisch,  konsonantisch  usw., 
wie  ja  auch  das  gebilligte  formativisch  nach  solchen  Adjektiva  ge- 
macht ist?  Und  muß  ich  in  bezug  auf  das  rein  Formale  erst  auch  noch 
daran  erinnern,  daß  wir  in  Deutschland  z.  B.  generisch  zu  Genus, 
tellurisch  zu  Tellus,  junonisch  zu  Juno  haben?  Die  Adjektiva  auf 
-isch,  von  Fremdwörtern,  sind  abgeleitet,  großenteils  eine  direkte  Um- 
setzung von  lat.  griech.  Adjektiva  auf  "icus  -ikoc  ins  Deutsche  *);  und  da 
die  Römer  bei  sich  santicus  zu  wns,  getUicus  zu  gena  hatten,  wäre  auch 
ein  lat.  ^praeaetUieua  als  ideelles  Vorbild  für  präsentisch  keine  abnorme 
Schöpfung.  Es  ist  wahr,  zu  der  Formdoppelheit  präsentisch:  Präsens 
gibt  es  keine  größere  Anzahl  von  ganz  genauen  und  direkten  Parallelen 
(konsonantisch,  gigantisch  u.  dgl.  lasse  ich  aus  dem  Spiel,  weil  man 
ihre  Existenzberechtigung  vielleicht  von  der  Substantivform  auf  -nt,  Kon- 
sonant,Gigant,  wird  abhängen  lassen  wollen).  Aber  das  liegt  doch  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  nur  daran,  daß  keine  größere  Anzahl  von  ent- 
lehnten neutralen  Substantiva  auf  -na,  -ntis  vorhanden  war,  zu  denen 
man  eine  Adjektivform  zu  haben  wünschte,  und  man  hat  durchaus  nicht 
nötig,  für  präsentisch  erst  in  den  demselben  engeren  Begriffsk reis  an- 
gehörigen  Formen  aoristisch,  perfektisch  usw.  eine  Entschuldigung 
zu  suchen.  Und  so  ist,  wenn  -isch  zur  Schöpfung  eines  Adjektivs  zu 
einem  Substantivum,  das  den  Sinn  'Bildungselement,  Bildungsmittel*  hat, 
überhaupt  zulässig  ist,  auch  gegen  mein  formantisch  nichts  weiter 
mit  Recht  einzuwenden.  Der  'analogische  Rückhalt'  für  dieses  ist  völlig 
ausreichend. 

Aber  selbst  wenn  dem  nicht  so  wäre,  wenn  mein  Adjektivum 
formantisch  fallen  müßte,  so  müßte  darum  das  Hauptwort  Formans 
keineswegs  nach,  wie  der  Herzog  dem  Mantel.  Wer  nun  einmal  eine 
unüberwindliche  Abneigung  gegen  formantisch  hat,  der  dürfte  nach 
dem  Muster  von  suffixal,  nominal,  pronominal,  adverbial,  modal 
usw.  formantal  sagen,  so  wie  man  akzidental  (auch  akzidentell) 
neben  Akzidens  hat:  schon  im  4.  Jahrb.  n.  Chr.  (s.  Thcs.  L.  L.)  gab  es 
aecidentalis  =  quod  ad  accidens  pefiinet.  Und  ein  noch  viel  einfacheres 
Gegenmittel  böte  sich.  Wenn  ich  nicht  irre,  hatte  man  zu  Suffix  (Infix, 
Präfix)  in  den  ersten  Jahrzehnten  unserer  Indogermanistik  überhaupt 


1)  Daher  die  (heute  in  der  Sprache  der  Juristen  selbst  ziemlich 
allgemein  gemiedene,  aber  früher  auch  bei  ihnen  weiter  verbreitet  ge- 
wesene) Adjektivform  juridisch,  die  aus  jutndicua  umgesetzt  ist,  als 
wenn  dieses  jurid-icus  wäre.  Von  Einfluß  auf  unser  juridisch  war  zu- 
gleich das  trdJiZ,  juridique^  wie  diphtnatique  usw. 


72  Mitteilungen. 

kein  Adjektivum,  das  Wort  suffixal  (infixal,  präfixal)  ist  erst  seil 
ein  paar  Jahrzehnten  geläufiger  geworden,  wird  aber  wohl  auch  hente 
noch  von  diesem  oder  jenem  Fachgenossen  gemieden.  Es  Ulfit  sich  ja 
allenthalben  bequem  auch  ohne  suffixal  auskommen:  z.  B.  lißt  sich 
in  Hinsicht  auf  das  Suffix  (die  Suffixe)  fOr  in  suffixaler  Hin- 
sicht, die  Suffixverhältnisse  des  Wortes  fOr  die  suffixalen 
Verhältnisse  des  Wortes  usw.  sagen.  So  kann  man  mithin  auch 
formantisch  und  jede  andere  adjektivische  Ableitung  von  Formans, 
wenn  man  will,  überall  ohne  Schwierigkeit  umgehen. 

An  sich  also  könnte  sich,  meine  ich,  jeder  Sprachforscher  Formans 
gefallen  lassen,  ohne  daß  er  sich  dem  Ruf  aussetzt,  er  mache  einen 
mißratenen  Terminus  technicus  mit.  Und  so  fragt  sich,  wenn  Formans 
erträglich  ist,  nur  noch,  ob  Formativum  das,  was  ausgedrückt  werden 
soll,  so  viel  treffender  und  klarer  bezeichnet,  daß  es  sich  darum  empföhle. 
Formans  fallen  zu  lassen.  Ich  für  meine  Person  kann  das  nicht  finden. 
Auch,  wie  ich  mitteilen  darf,  Professor  Leskien  nicht,  dem  ich  das 
Schreiben  der  Sektion  an  mich  zu  lesen  gegeben  habe.  Leskien  wird 
demnächst  eine  im  Manuskript  schon  abgeschlossene  Grammatik,  in  der 
er  Formans  für  Suffix  durchgeführt  hat,  in  den  Druck  geben  und  wird 
Formans  stehen  lassen.  Auch  ein  zweiter  Fachgenosse,  auf  dessen  Urteil 
in  solchen  Fragen  ich  viel  glaube  geben  zu  müssen,  und  dem  ich  den 
Streitfall  vorgelegt  habe,  erklärt  mir,  daß  er  Formans  nicht  für  schlechter 
halte  als  Formativ,  vielmehr  fQr  viel  besser. 

Den  Beweis,  daß  Formativ(um)  in  sich  trefflicher  ist,  mögen 
somit,  wenn  sie  können,  die  liefern,  die  über  Formans  den  Stab  ge- 
brochen haben.  Gelingt  er  ihnen,  so  will  ich  der  erste  sein,  der  aas 
dem  Lager  der  Formantisten  in  das  der  Formativisten  übergeht. 

Leipzig,  am  Völkerschlachttag  1907.  K.  Brugmann. 


Die  Benennung  der  Aktionsarten. 

Gewiß  ist  die  Verschiedenheit  in  der  Benennung  einer  und  der- 
selben Erscheinung  vom  Obel ;  gewiß  ist  auch,  daß  eine  größere  Einheit- 
lichkeit in  der  Terminologie  der  indogermanischen  Sprachwissenschaft  nur 
von  Nutzen  sein  könnte.  Dennoch  weiß  ich  nicht,  ob  es  ein  glücklieber 
Gedanke  war,  Streitfragen  der  Terminologie  durch  Majoritätsbeschlüsse 
aus  der  Welt  zu  schaffen,  wie  es  Osthoff  jüngst  in  Basel  versucht  hat. 
Denn  die  Verschiedenheit  in  der  Bezeichnung  entspringt  in  der  Regel  einer 
Verschiedenheit  in  der  Auffassung :  das  ist  mit  gutem  Recht  Osthoff  so- 
fort entgegen  gehalten  worden.  Sobald  einmal  volle  Obereinstimmung  in 
der  Beurteilung  eines  Problems  vorhanden  ist,  wird  sich  auch  die  Ober- 
einstimmung in  der  Formulierung  früher  oder  später  mit  Notwendigkeit 
ergeben.  Solange  jedoch  eine  Obereinstimmung  in  der  Sache  fehlt,  so 
lang  ist  die  Uniformierung  der  Terminologie  nicht  bloß  praktisch  undurch- 
führbar, sondern  auch  theoretisch  durchaus  verwerflich.  Denn  ge- 
setzt den  Fall,  es  ließe  sich  die  Gleichförmigkeit  der  Benennung  erreichen, 
ohne  daß  eine  Gleichförmigkeit  des  Urteils  bestünde,  so  wäre  damit  ein 
Zustand  geschaffen,  der  in  hohem  Grade  unerfreulich  wäre :  jede  der  sich 
bekämpfenden  Parteien  müßte  wohl  oder  übel  einen  und  denselben  Namen 
in  ganz  verschiedenem  Sinn  gebrauchen.  Ich  glaube,  die  letzten  Dinge 
wären  in  diesem  Fall  ät^et  a\%  ^\^  ^t^v^tv. 


Mitteilungen.  73 

Nun  ist  allerdings  nicht  zu  leugnen,  daß  heute  eine  bunte,  fast  ver« 
wirrende  Fülle  von  Ausdrücken  für  die  einzelnen  Aktionsformen  besteht. 
Dieser  Wirrwarr  rührt  zum  guten  Teile  daher,  daß  Delbrück  im  zweiten 
Bande  der  idg.  Syntax  die  alte  Terminologie  durch  eine  ganz  neue  ersetzen 
zu  müssen  glaubte.  Es  tut  hier  nichts  zur  Sache,  daß  der  Anstoß  zu  dieser 
Nenschöpfung  wohl  in  dem  Mißverständnis  einer  Definition  Leskiens  zu 
suchen  ist:  was  auch  für  Delbrück  der  Ausgangspunkt  gewesen  ist,  die 
entscheidende,  innere  Ursache  zur  Umbildung  der  Terminologie  war  für 
ihn  doch  die  Tatsache,  daß  die  geltenden  Definitionen  dem  Bilde  zu 
widersprechen  schienen,  das  er  selbst  sich  von  den  Tatsachen  gemacht 
hatte,  daß  der  neue  Wein  auch  neue  Schläuche  forderte. 

Ein  Teil  der  Forscher  hat  die  Neubildungen  Delbrücks  ohne  Be- 
denken übernommen,  ein  Teil  sie  mehr  oder  weniger  umgeformt,  wodurch 
das  Verständnis  nicht  eben  erleichtert  worden  ist.  Andere  endlich  haben 
sie  im  Prinzip  abgelehnt.  Zu  dieser  dritten  Gruppe  gehöre  ich  selber.  Ich 
habe  meinen  Widerspruch  in  der  Kritik  des  zweiten  Syntaxbandes  (IF.  Anz. 
11,  56  ff.)  genau  formuliert  und  ausführlich  begründet.  Von  dem  damals 
Gesagten  habe  ich  auch  heute  nicht  das  Geringste  zurückzimehmen,  wohl 
aber  könnte  ich  ihm  gar  Manches  hinzufügen.  Eine  Einigung  herbeizu- 
führen ist  mir  jedoch  so  wenig  gelungen  wie  den  andern  Forschem,  die 
in  den  letzten  Jahren  das  fruchtbare  Thema  der  Aktionsarten  erörtert  haben. 

Unter  diesen  Umständen  muß  es  überraschen,  ja  befremden,  daß 
eine  Uniformierung  der  Terminologie  überhaupt  vorgeschlagen  wird.  Der 
Zeitpunkt  für  einen  solchen  Vorschlag  konnte  kaum  unglücklicher  ge- 
wählt sein. 

Aber  wenn  auch  die  Aussicht  auf  eine  allgemeine  Verständigung 
weniger  hoffnungslos  wäre,  als  sie  meiner  Überzeugung  nach  ist :  nicht 
nur  der  Vorschlag  an  sich,  auch  das  Ergebnis  des  Vorschlags  unter- 
liegt den  schwersten  Bedenken. 

Der  alte  Gegensatz  imperfektiv  :  perfektiv  soll  —  'vorläufig*,  heißt 
es  mit  einer  in  diesem  Zusammenhang  überraschenden  Zurückhaltung 
—  dem  neuen  offiziell  proklamierten  Gegensatz  imperfektiv  :  ao riet is eh 
weichen. 

Die  neue  Formel  erinnert  einigermaßen  an  die  alte  vom  Imperfekt- 
präsens  und  Aorietpräsens.  Das  ist  kein  gutes  Omen.  Denn  so  wenig  sich 
das  ältere  Paar  im  Kampf  ums  Dasein  behaupten  konnte,  so  wenig  wird 
dies,  furcht'  ich,  dem  jungem  gelingen.  Wie  andere  in  dieser  Frage  denken, 
weiß  ich  freiüch  nicht.  Das  aber  weiß  ich,  daß  ich  auf  Grund  langer  Er- 
fahrung die  neue  Formel  a  limine  abzuweisen  genötigt  bin. 

Sie  schlichtet  die  bestehende  Verwirrung  nicht,  sondern  erhöhl  sie. 

Nun  wird  man  mir  vielleicht  entgegenhalten :  Du  selbst  hast  dich 
einst  (PBB.  lö,  189)  jenen  Forschem  angeschlossen,  die  der  syntaktischen 
Kategorie  des  Aorists  als  ursprüngliche  Bedeutung  Perfektivfunktion 
zugeschrieben  haben.  Das  ist  richtig.  Ich  halte  heute  noch  diese  Theorie 
für  sehr  wahrscheinlich.  Sicher  dagegen  ist  mir,  daß  niemand  an  jene 
hypothetische  Grundbedeutung  denken  wird,  wenn  von  'aoristischer  Aktion' 
die  Rede  ist,  sondem  jedermann  sich  unwillkürlich  an  die  herrschende 
Aoristbedeutimg  im  Sanskrit,  im  klassischen  Griechisch  und  im  Slavischen 
erinnern  muß.  Diese  aber  fällt  nicht  mit  der  Perfektivbedeutung  zusammen. 

Sollen  wir  nun,  dem  Basler  Vorschlag  zuliebe,  für  den  Terminus 
'aoristische  Aktion*  in  Zukunft  zwei  verschiedene  Bedeutungen  ansetzen? 


74  Mitteilnngen. 

Sollen  wir  etwa  eine  aoristische  Aktion  ersten  nnd  zweiten  Grades 
unterscheiden  ? 

Und  wie  steht*s  mit  dem  Slavischen?  Hier  haben  wir  bekanntlich 
ein  reich  entwickeltes  Perfektivsystem  und  einen  Aorist  nebeneinander. 
Die  Kreise  beider  Kategorien  schneiden  sich  mitunter,  decken  sich  jedoch 
in  keiner  Weise.  Sollen  wir  hier  vielleicht  statt  vne  bisher  von  einem 
'perfektiven*  in  Zukunft  von  einem  *aoristischen*  Aorist  reden? 

Kurzum,  mir  scheint,  auch  die  in  Basel  vorgeschlagene  neue  Ter- 
minologie bringt  uns  keinen  Schritt  weiter.  Im  Gegenteil,  sie  wirkt  hemmend; 
denn  sie  vermehrt  nur  die  Zahl  der  Konkurrenzformen  um  eine  neue, 
höchst  anfechtbare  Nununer.  Oberlassen  wir  sie  daher  ruhig  ihrem  Schicksal 
und  warten  wir  in  Geduld,  bis  sich  die  Ansichten  so  weit  geklärt  haben, 
daß  sich  ganz  von  selbst  aus  der  Obereinstimmung  der  Anschauungen 
auch  die  Obereinstimmung  der  Terminologie  ergibt. 

Welche  Bezeichnungen  aus  dem  Wettkampf  schließlich  als  Sieger 
hervorgehen  werden,  ist  mir  persönlich  schon  heute  nicht  zweifelhaft 
Die  Namen  perfektive  und  imperfektive  Aktion  sind  aus  der  slavischen 
Grammatik  entlehnt.  Sie  haben  in  ihrem  Heimatboden  so  fest  Wurzel  ge- 
schlagen,  daß  eine  Ausrottung  hier  völlig  undenkbar  erscheint.  Ist  das 
aber  der  Fall,  behaupten  sie  sich  dauernd  in  der  slavischen  Granmiatik, 
so  werden  sie  sich  über  kurz  oder  lang  trotz  aller  Anfechtungen  auch  die 
allgemeine  idg.  Grammatik  erobern.  Denn  es  widerspräche  aller  Logik, 
eine  und  dieselbe  Sache  in  der  slavischen  Grammatik  so,  in  der  idg. 
Grammatik  anders  zu  benennen. 

Ich  vermag  auch  keinen  Grund  abzusehen,  der  uns  zwänge,  diese 
natürliche  Entwicklung  der  Dinge  zu  beklagen  oder  gar  zn  bekämpfen. 
Es  ist  wahr,  der  Name  perfektiv  ist  recht  nichtssagend.  Aber  erstens  teilt 
er  diese  Eigentümlichkeit  mit  dem  Namen  imperfektiv,  der  in  Basel  un- 
angetastet blieb;  zweitens  ist  grade  diese  Inhaltlosigkeit  des  Namens  sein 
Vorzug:  sie  läßt  der  Definition  völlige  Freiheit.  Und  darauf  kommt  es 
allein  an.  Wilhelm  Streitberg. 


Victor  Henry. 

Victor  Henry,  n6  k  Colmar  le  17  aoüt  1850,  a  d'abord  ^tudi6  le 
droit.  Dds  la  fin  de  1872,  il  enseignait  la  16gislation  usuelle,  T^conomie 
politique  et  la  g^ographie  commerciale  k  Tlnstitut  du  Nord,  6cole  de  com- 
merce ^tablie  k  Lille.  En  juin  1880,  il  devenait  conservateur  en  chef  de 
la  biblioth^que  municipale  de  Lille,  fonction  qu'il  a  occup^e  trois  ans. 
Rien  ne  semblait  donc  Torienter  vers  la  linguistique ;  mais  ces  etudes 
Tattiraient,  et  il  consacrait  k  des  recherches  sur  les  langues  le  temps  que 
lui  laissaient  ses  oecupations.  S'il  avait  eu  des  maltres  et  avait  re^a 
Tenseignement  universitairc  de  la  linguistique,  il  aurait  sans  doute  com- 
mencd  par  l'^tude  des  langues  indo-europ4eimes  ou  des  langues  s^mitiques; 
mais  il  travaillait  seul  et  dans  un  isolement  complet;  il  foumit,  on  le 
remarquera,  Fun  des  tr^s  rares  exemples  oü  Ton  voit  un  autodidacte  par- 
venir,  simplement  avec  des  livres,  ä  se  cr6er  une  m^thode  rigoureuse  et 
correcte,  exactement  conforme  k  celle  qui  est  enseign^e  dans  les  Uni- 
versit^s. 

C'est  par  Tam^ricanisme  qu'il  a  abord6  la  linguistique.  En  1877, 
il  soumettait  au  congr^s  des  am^ricatvi&tes  un  memoire:  Le  Quichua  eei-ü 


Mitteilangen.  75 

une  langu€  artfennef  (dmgr.  d.  amirie.j  II,  t.  U,  Lnxembourg,  1877).  En 
1878,  il  publiait  une  Eaquis$e  d'une  grammatre  de  la  langue  Innok  (Eskimo), 
et  commen^ait  k  coUaborer  k  la  Revue  de  Unguisiique;  nne  ^tude  sur  Les 
troU  racines  du  verbe  'Stre*  dane  lee  langues  indo-europ^ennee  parue  la 
m^me  ann4e  dans  les  Mimoiree  de  la  SccUti  de»  scieneee,  de  VagricuUure 
ti  des  arte  de  Lilie  n'^tait  encore  que  de  la  vulgarisation,  mais  attestait 
qae  Tauteur  ne  n^gligeait  pas  les  langues  indo-europ^ennes.  En  1879, 
dans  son  Esquiese  d'une  grammaire  raisonnSe  de  la  langue  alioute,  il 
s'effor^ait  de  mettre  au  point  les  r^sultats  qu'on  peut  tirer  des  publica- 
tions  du  Russe  Venjaminov;  il  apportait  au  Congr^s  des  am^ricanistes 
de  Bruxelles  une  Qrammaire  comparSe  des  trois  langues  hgperhoriennes 
[gro^nlandais,  tchiglesk,  aI6oute).  En  1880,  il  publiait  en  collaboration 
avec  M.  Adam,  VÄrte  g  vooabulario  de  la  Lengua  Chiquita,  et,  seul,  une 
Note  sur  le  parier  dee  Kammes  et  le  parier  des  femmes  dans  la  langue 
thiquila. 

A  ce  moment,  Tattention  de  V.  Henry  commence  ä  se  porter 
i'un  autre  c6t^;  la  grammaire  compar^e  des  langues  indo-europ6ennes 
§tait  alors  en  pleine  r^novation;  il  importait  de  s'associer  k  ce  travail 
lai  devait  aboutir  k  poser  une  m^thode  rigoureuse,  utilisable  pour  toutes 
[es  langues,  et  il  importait  en  mßme  temps  de  faire  connaltre  en  France 
les  r^ultats  acquis.  Aussitöt,  et  bien  qu'il  füt  ä  ce  moment  charg^  tout 
k  la  fois  de  son  enseignement  et  de  la  biblioth^que  de  Lille,  et  tout  en 
'aisant  des  Conferences  (Sur  la  distriöution  giographique  des  langues,  Lille, 
1881),  il  pröpare  ses  th^ses  de  doctorat  ^  lettres,  donnant  ainsi  la  mesure 
le  sa  rare  capacit^  de  travail.  La  Facult^  des  lettres  de  Paris,  moins 
riebe  en  personnel,  moins  accueillante  et  moins  large  aussi  qu'elle  ne 
'est  aujourd'hui,  lui  refusait  une  ^tude  sur  Tafgban;  il  la  public  dans  la 
Re^e  de  linguistique,  vol.  XIV  (1881),  p.  327-372,  et  XV  (1882),  p.  113-161. 
rirant  habilement  parti  de  documents  insuffisants,  il  aboutit  ä  la  conclu- 
sion,  maintenant  indiscut^e,  que  Tafghan  est  un  dialecte  iranien.  En  1882, 
)arait  dans  le  volume  I  du  Musion,  le  premier  article  de  la  s^rie  des 
Esquisses  morphologiques:  Considirations  sur  la  nature  et  l'oHgine  de  la 
texion  indo-europienne.  Entr4  k  la  Soci6t6  de  Unguistique  de  Paris  le 
22janvier  1881,  il  commen^ait  sa  collaboration  aux  Mimoires  d^s  1882, 
3ar  une  petite  note  sur  Bein  et  Femen,  vol.  V,  223.  En  mai  1883,  il  sou- 
:enait,  avec  un  succ^s  öclatant,  devant  la  Facultö  de  Paris,  ses  th^ses 
le  doctorat  ös  lettres:  iStude  sur  Vanalogie  en  giniral  et  sur  les  forma- 
'i&ns  analogiques  de  la  langue  grecque  et  De  sermonis  humani  origine  et 
uUura  M.  Terentius  Varro  quid  senserit. 

Par  ses  Esquisses  morphologiques,  dont  le  deuxi^me  article.  sur  les 
Thhnes  fhninins  ä  racine  fliehte,  paraissait  en  1884,  le  troisiöme,  sur  le 
Suijonctif  latin,  on  1885,  le  quatri^rae  sur  le  Nominatif-accusatif  pluriel 
teutre,  en  1887,  et  le  demier,  sur  les  Infinitifs  latins,  en  1889  (tous  dans 
e  Musion),  et  par  son  ^tude  sur  Vanalogie,  V.  Henry  entrait  au  coeur 
ie  la  grande  s^rie  de  recherches  qui  s'ötait  ouverte  quelques  ann6es  au- 
)aravant.  Le  livre  sur  VÄncdogie  pr^sentait  moins  une  thöorie  generale 
le  Tanalogie,  qui  aurait  ^t^  pr^matur^e  ä  ce  moment,  qu'uno  collection 
rillustrations  grecques  du  principe  de  Tanalogie  morphologique  qui  venait 
retre  reconnu.  Et  les  Esquisses  tnorphologiques  offraient  des  essais  de 
syst^matisation  de  certains  groupes  de  faits  grammaticaux ;  la  premiöre 
ies  Esquisses  renferme  des  hypoth^ses  tr^s  hardies  et  Tindication  de 
;h6ories  tr^s  larges,  tendant  m6me  k  rejoindre  rindo-e\iTO^^eiv.«ML^4xciv\.v3^^. 


76  Mitteilungen. 

Aussitöt  docteur,  V.  Henry  avait  ^t^  (le  21  aoüt  1883),  sor  la  re- 
commandation  de  M.  Bröal,  chargö  d^un  cours  de  philologie  classiqQe  k 
la  Facultö  des  lettres  de  Dooai  (transf^röe  k  Lille  en  1887).  L'enseigoe- 
ment  de  la  grammaire  compar^e  qu'il  y  donnait  Ta  amen^  ä  r^ger  nn 
ouvrage  dont  Tötude  sur  VAnalogie  n'^tait  au  fond  qu'une  premi^ 
^bauche,  et  qui  a  6t^  le  plus  achev^  et  le  plus  utile  de  tous  ses  livTes, 
celui  aussi  dont  le  succ^s  a  €i€  le  plus  vif:  le  PrieU  de  grammair%  com- 
parie  du  grec  et  du  Uäin,  Paris,  1888,  qui  est  en  France  k  la  sixi^me 
Edition  (la  derni^re  vient  de  paraltre),  et  qui  a  6t^  traduit  en  angliis 
(1890)  et  en  italien.  Au  moment  oü  cet  ouvrage,  admirableroent  dair  et 
bien  proportionn^,  a  paru,  le  Chrundrise  de  M.  Brugmann  6tait  loin  d^Mre 
achev^;  et,  en  France,  il  n'existait  aucun  livre  qui  perralt  de  se  mettre 
au  courant  de  T^tat  des  connaissances  sur  la  grammaire  compar^  des 
langues  indo-europ6ennes ;  le  Pride  de  V.  Henry  mettait  k  la  port^  da 
^tudiants  les  demiöres  döcouvertes  de  la  grammaire  compar^e  et  amenait 
ä  la  linguistique  des  amis  nouveaux.  Le  service  rendu  par  Touvrage  de 
V.  Henry  a  ^t^  immense ;  le  Pride  apportait  un  v^ritable  renouvellement 
aux  vues  qui  avaient  cours  dans  le  public,  et  faisait  entrer  en  circulation, 
sous  une  forme  arr^t^e  et  pr^cise,  Tessentiel  des  r^sultats  aequis  par  la 
linguistique  indo-europ^enne  depuis  1870. 

En  mßme  temps  qu'il  pr^parait  cet  ouvrage  d^cisif,  V.  Henry  com- 
pl^tait  sa  connaissance  du  sanskrit ;  d^s  1885,  il  publie  et  traduit  trente 
stances  du  Bhäminf-Vildea ;  en  1888,  il  traduit  le  Sceau  de  Rak^asa^  en 
1889  Agnimitra  et  Mälavikä.  Gette  6tude  du  sanskrit  avait  pour  conse- 
quence  un  nouvel  ordre  de  recherches:  la  syntaxe  comparöe,  sujet  trop 
n^gligd,  surtout  alors.  Un  premier  artide  sur  cette  matiöre,  La  propoeiium 
infinitwey  est  de  1889;  un  second,  La  relation  locative  dane  lee  languet 
italiquee,  de  1897  (tous  deux  dans  la  Revue  de  linguistique). 

Dans  une  direction  toute  diff^rente,  il  publiait  en  1885,  sa  Contri" 
bution  ä  Vitude  dee  origines  du  Dicasyllahe  roman. 

La  mort  accidentelle  d'Abel  Bergaigne  avait  rendu  vacante  en  aoüt 
1888  la  chaire  de  sanskrit  et  grammaire  compar^e  de  la  Facult6  des  lettres 
de  Paris ;  en  d6cembre  de  la  m6me  ann6e,  Henry  6tait  charg^  du  cours 
de  grammaire  compar^e,  tandis  que  le  cours  de  sanskrit  6tait  confi^  k 
M.  Sylvain  L6vi ;  par  la  suite,  M.  S.  L6vi  ayant  6t6  appel6  au  College  de 
France,  V.Henry  a  r6uni  les  deux  enseignements,  et  a  6t6  enßn  nomm^ 
profcsseur  titulaire  de  sanskrit  et  grammaire  compar6e ;  il  aura  sans  doute 
^t^  le  dernier  ä  porter  ce  titre,  car  la  cbaire  a  6t6  divis^e  de  nouvean 
apr^s  sa  mort,  et  cette  fois,  ä  ce  qu'il  semble,  de  manifere  definitive. 

V.  Henry  dlargissait  toujours  ses  connaissances ;  il  joignait  bientöt 
Tenseignement  de  la  grammaire  comparöe  des  langues  germaniques  k 
celui  des  langues  classiques;  la  chose  lui  6tait  facilit^e  par  le  fait  qu'il 
savait  tr^s  bien  pratiquement  rallemand  et  Tanglais.  II  a  ainsi  et6  con- 
duit  par  son  enseignement  ä  6crire  son  Pride  de  grammaire  comparee 
de  Vanglais  et  de  Vallemand,  qui  a  paru  en  1893,  a  ^te  aussitöt  traduit 
en  anglais  (1894)  et  a  eu  une  seconde  Edition  en  1906. 

La  mort  de  Bergaigne  avait  laissö  les  ^tudes  v6diques  sans  repr^ 
sentant  en  France ;  V.  Henry  s'est  donn6  pour  mission  de  continuer  Ber- 
gaigne et  d'enseigner  la  philologie  v^dique.  En  1890,  il  publiait  le  Manud 
pour  itudier  le  eanscrit  vidique,  pr6par6  par  Bergaigne;  en  1892-94,  les 
Quarante  hymnes  du  Rigvida,  traduits  par  Bergaigne  (dans  les  Mimoiret 
de  Ja  Society),  ßn  m&me  lem^^^  W  «.Y^^tdaii  la  premi^re  tradnction  de 


Mitteilungen.  77 

l'Atharvav^da;  le  livre  Xm  pandssait  en  1891,  le  livre  VII  en  1892,  les 
livres  VID  et  IX  en  1894,  les  livres  X,  XI  et  XII  en  1896.  En  1903,  11 
tradüisait  la  Religion  du  VSda  de  M.  Oldenberg ;  en  1905,  il  tirait  de  ses 
Stades  sur  TAtharvav^a  nn  livre  snr  la  Magie  dana  rinde  antique ;  enfin 
il  a  döcrit  le  sacrifice  de  Soma  dans  un  grand  ouvrage  fait  en  collabo- 
ration  avec  M.  Galand,  YAgni^fama,  dont  il  a  pu  voir  encore  paraltre  le 
Premier  voltune  et  dont  11  achevait  de  corriger  les  ^preuves  quand  la  mort 
l*a  surpris.  En  outre,  V.  Henry  a  fait  parattre  de  nombreuses  notes  sur 
des  points  particuliers,  notamment  dans  les  Mhnoires  de  la  Soci^t^  (DC, 
X  et  XIV),  dans  le  Journal  aeicttique,  la  Revue  de  linguietique,  les  M6- 
langes  de  Harlez  et  Kern,  les  publications  des  congr^s  d'orientalistes,  le 
Journal  des  savants ;  Tarticle  Quelques  mifthes  naturalistes  miconnus  {Rev, 
d.  et.  gr.,  V,  en  1892)  porte  aussi  au  fond  sur  les  choses  v6diques.  —  En 
1904,  il  avait  publik  un  livre  de  vulgarisation  sur  les  Litth-atures  de  VInde, 

Tout  en  poursuivant  avec  cette  activit^  ses  4tudes  et  ses  publi- 
cations sur  le  V6da,  V.  Henry  ne  n^gligeait  pas  la  linguistique.  Outre  les 
Esquisses  morphologiques  et  les  Atudes  de  sgntaxe  comparie  d^jä  signal^es, 
il  publiait  en  1900  son  Lexique  itymologique  des  termes  les  plus  usuels 
du  Breton  moderne  et  son  Dialeete  alaman  de  Colmar.  Le  Lexique  ity- 
mologique  a  ^t^  provoqu6  par  des  s^jours  faits  en  Bretagne ;  c'est  le  seul 
qui  existe  pour  le  breton.  L'^tude  sur  le  dialeete  de  Colmar  n'est  pas 
falte  sur  le  parier  actuel,  mais  sur  celui  que  Tauteur  a  parlö  dans  son 
enfance,  avant  Tannexion  de  FAlsace  k  TAllemagne ;  c'est  un  travail  d'une 
rare  pr^cision.  En  1902  paraissaient  les  Piments  de  sanscrit  dassique, 
et  en  1904  le  Prieis  de  grammaire  pdlie^  tous  dcux  Berits  pour  la  col- 
lectlon  de  F^cole  fran^aise  d'Extreme-Orient ;  en  1904  aussi,  Tarticle  sur 
Ija  didinaison  en  Jpabhrampa  (M.  S.  L.,  XIV,  149-162). 

Les  questions  les  plus  g^n^rales  de  la  linguistique  (la  nature  du  lan- 
gage,  Torigine  du  langage,  le  langage  et  la  pensöe)  ont  ^t4  trait^es  avec 
clart^  dans  les  Antinomies  Hnguistiques  (1896),  ouvrage  remarquable  et  qui 
ne  paralt  avoir  6t^  ni  lu  autant  qu'il  le  m^ritait  ni  appr^ci^  k  sa  tr^s 
haute  valeur;  on  notera  cependant  qu'il  a  4t6  traduit  en  hollandais  par 
MM.  Hesseling  et  Salverda  de  Grave  (1898).  Et  T^tude  sur  le  Langage 
martien  (1901;  extrait  de  la  Revue  de  linguistique)  a  montrö  quel  parti 
V.  Henry  savait  tirer  de  faits  au  premier  abord  simplement  curieux. 

Cependant  V.  Henry  collaborait  k  la  Revue  critique  avec  une  sin- 
gnliöre  assiduitö;  11  lisait  tout,  et  avec  attention,  donnait  sur  tout  un  avis 
indulgent,  mais  dont  rien  ne  pouvait  älterer  la  sinc^rit^.  Si  Topinion 
fran^aise  est  parvenue  ä  une  appr^ciation  juste  des  choses  et  des  per- 
sonnes  en  linguistique,  c'est  en  grande  partie  k  la  droiture  et  k  la  con- 
science  de  V.  Henry  qu*on  le  doit.  Et  sur  bien  des  points,  il  a  contribu6 
k  rectifier  les  id^es,  k  pr6ciser  les  d6tails.  Par  leur  m^thode  g^n^rale  et 
par  les  critiques  de  d<^tail  qu'ils  renferment,  ses  comptes  rendus  ont  large- 
ment  contribu^  au  progr^s  de  la  science. 

Durant  les  derni^res  ann^es,  V.  Henry  k  publik  des  articles  de 
vulgarisation  dans  des  revues,  des  articles  d'indianisme  dans  la  Revue  de 
Paris  (1901 — 1905),  et  la  s^rie  sur  les  Indo-europiens  (Vhistoire  avatit 
Thistoire)  dans  la  Revue  bleue  (1904 — 1907).  On  notera  aussi  une  Con- 
ference sur  Soma  et  Haoma  dans  les  publications  du  Musie  Guimet  (1907) 
et  le  livre  sur  le  Parsisme  (1907). 

La  simple  Enumeration  qui  pr^cEde  donne  une  idöe  de  Tampleur 
de  connaissaiice9;  de  la  vasle  curiositE,  de  VactWVl^  *ml«AA^a)ö\^  ^V.  ^^'^- 


78  Mitteilungen. 

stantc  do  V.  Henry.  Et  encore  les  notes  parues  dans  divers  recueits  ny 
ont-elles  pas  ^t^  signal^es  en  detail:  k  vrai  dire,  ces  notes  n'ont  pasla 
mßme  iroportance  que  les  grands  ouvrages.  Non  pas  qu*elles  aient  ete 
faites  avec  moins  de  soin:  V.Henry  pensait  et  ^crivait  tont  autantun compte- 
rendu  de  dix  lignes  qu'une  page  d*un  grand  ouvrage,  et  ii  n'y  a  den  de 
n^glig^  dans  son  oeuvre.  Mais  11  n'ötait  pas  Thomme  des  recherches  de 
detail.  Dnrant  toute  sa  carriöre  scientifique,  son  objet  a  ät^  d'ezposer  de 
larges  ensembles,  d'en  präsenter  les  diverses  parties  k  leur  plan  exact, 
avec  les  proportions  justes,  de  mettre  en  ^vidence  le  gronpement  logiqae 
et  rinterd^pendance  des  faits.  Et  c'est  ce  qui  le  rendait  si  ^minemment 
apte  k  la  vulgarisation,  d4jä  tr^s  estimable,  qui  r^pand  dans  le  public  les 
conclusions  scientifiques  acquises,  et  plus  encore  k  cette  vulgarisation  plus 
haute  et  vraiment  cröatrice,  qui  en  mettant  au  point  pour  la  premi^re 
fois,  dans  des  trait^s  d'ensemble,  des  r^sultats  qui  jusque-lä  deroeuraient 
6parS)  leur  donne  par  lä  leur  valeur  et  leur  force.  Dans  ces  grands  ex- 
pos4s,  le  detail  est  toujours  soign^,  les  formes  eitles  sont  scrupuleusement 
correctes,  la  pr^cision  est  parfaite;  mais  rien  n'est  fait  en  vue  du  detail; 
V.  Henry  n  4tait  pas,  comme  la  plupart  des  linguistes,  venu  k  la  linguistique 
par  la  philologie;  et  il  n'avait  pas  le  goüt  du  travail  sur  les  textes,  de 
la  poursuite  du  fait  curicux  et  in^dit ;  tous  ses  expos^s  sont  fondes  sor 
des  faits  d^jä  connus,  et  de  pr^f^rence  sur  de  grands  groupes  de  fait& 
L'^tude  sur  le  Dialecte  de  Coimar  est  sans  doute  la  seule  de  ses  publi- 
ca! ions  qui  repose  sur  des  observations  personnelies  et  nc  soit  pas  U 
misc  au  point  et  la  systematisation  logique  de  choses  d6jä  not^es ;  or,  c  est 
Ic  r^sultat  d'observations  faites  par  Tauteur  principalement  sur  lui-m^me 
Le  rOIe  de  V.  Henry  dans  la  linguistique  de  son  temps  aura  6te  avant  toul 
de  grouper  d'une  mani^re  rigoureusement  m^thodique  les  faits  connus,  et 
de  donner  des  expos6s  bien  ^quilibr^s,  clairs  et  coli^rents  qui  onl  fait 
apparaitre  en  pleine  lumi^re  les  resultats  acquis. 

C'est  dire  que  V.  Henry  a  6te  un  professeur.  Son  action  sur  les 
Kleves  iHait  grand e.  La  nettetä  de  sa  pens6e,  le  ton  oratoire  qu'il  pretait 
naturellement  k  ses  id^es  donnaient  k  son  enseignement  un  caract^re 
saisissant.  La  Conference  sur  VEmploi  de  la  grammaire  historique  dans 
les  Confirences  du  mus^e  pidagogique  (1906)  en  peut  donner  quelque  idee. 
Les  personnes  qui  ont  connu  personnellement  V.  Henry  garderonl 
de  lui  un  souvenir  ^mu.  La  conscience  tr^s  haute  qu'il  avait  de  ce  qu'ü 
devait  k  la  science  et  k  la  fonction  dont  il  4tait  charg^  n'enlevait  rien 
k  sa  bienveillance;  les  jeunes  linguistes  dont,  comme  professeur  de 
Sorbonne,  il  a  eu  ä  examiner  et  k  discuter  les  thöses  savent  avec  quelle 
prompt itude,  quelle  attention  et  quel  soin  il  les  lisait,  comment  il  les 
conseillait,  les  encouragcait  et  les  soutenait;  tous  sont  restes  ses  oblig^ 
11  y  avait  quelque  gravite,  quelque  solennit^  mßme  dans  le  savant  etle 
professeur ;  mais  ceux  qui  ont  approch^  V.  Henry  savent  quelle  sensibi- 
lit6  vive,  presque  maladive  k  force  d'intensit^,  se  cachait  derri(;re  cette 
premiöre  apparence. 

Le  savant  qui  ne  prenait  gu^re  de  repos  et  qui  n'a  cess^  de  tra- 
vailler  et  de  produiro,  le  professeur  d6vou6  qu'^tait  V.  Henry  a  eu  la  fin 
qu'il  meritait:  il  est  mort  debout.  Le  mercredi  6  f^vrier  1907,  il  6tait  veni 
k  Paris,  il  avait  fait  k  la  Sorbonne  ses  deux  cours  habituels;  il  6tait  rentre 
k  Sceaux,  comme  de  coutume;  et  le  soir,  en  quelques  minutes,  il  est  moit 
d'une  angine  de  poWtme  ^iv\.t^  l^%  bras  de  la  compagne  de  sa  vie. 
Paris.  ft^  Mein  et. 


Mitteilungen.  79 

John  Strachan  f. 

In  Dr.  John  Strachan,  der  am  25.  Sept.  1907  im  Alter  von  45  Jahren 
urch  eine  kurze  Krankheit  dahingerafft  wurde,  hat  die  keltische  Philologie 
ine  Arbeitskraft  ersten  Ranges  verloren,  der  sie  vieles  verdankt,  von  der 
ie  noch  vieles  erwarten  durfte. 

Im  J.  1862  zu  Keith  in  BanlTshire  geboren,  studierte  Strachan  erst 
n  schottischen  Lehranstalten,  dann  in  Cambridge  mit  ungewöhnlicher  Aus- 
eichnung,  kam  auch  1880  nadi  Göttingen,  1883 — 84  nach  Jena  herüber,  wo 
;h  ihn  als  Schüler  im  Altirischen  kennen  lernte.  Schon  1885  wurde  er  Pro- 
issoT  des  Griechischen  in  Owen's  College  in  Manchester  (er  hat  als  solcher 
891  das  sechste  Buch  Herodots  herausgegeben),  1889  außerdem  Professor 
er  vergleichenden  Sprachwissenschaft,  1905  auch  'Celtic  Lecturer* 
n  derselben  Anstalt,  die  sich  im  Lauf  der  Jahre  in  eine  Universität  um- 
estaltet  hatte.  Außerdem  benützte  er  oft  die  Ferien,  um  an  der  1903 
egründeten  School  of  IrishLearning  in  Dublin  altirischen  Unter- 
[cht  zu  erteilen.  Trotz  der  umfassenden  Lehrtätigkeit  fand  sein  uner- 
lüdlicher  Fleiß  Zeit,  eine  große  Anzahl  von  Arbeiten  in  seinem  Lieblings- 
ebiet,  dem  der  keltischen  Grammatik,  zu  veröffentlichen.  Zusammen  mit 
tokes  besorgte  er  die  Neuausgabe  und  Obersetzung  der  ältesten  irischen 
prachdenkmäler  (Thesaurus  palaeohibernicus  1901,  1903).  Seine 
raktischen  Selections  from  the  Old  Irish  glosses  (1904)  und  Old 
fish  paradigms  (1905)  legte  er  seinem  Unterricht  zugrunde.  Äußer- 
em ist  eine  lange  Reihe  von  Aufsätzen,  Sammlungen,  auch  kleineren 
dizionen  früher  meist  in  den  Schriften  der  Philological  Society,  dann  in 
er  von  ihm  mitredigierten  Zeitschrift  Eriu  erschienen,  aber  auch  in 
nderen  deutschen,  französischen  und  englischen  Zeitschriften.  Ließen 
inige  seiner  ersten  Arbeiten,  wie  sie  unsern  Lesern  z.  B.  aus  Bezzen- 
ergers  Beiträgen  14 — 20  vertraut  sind,  noch  hie  und  da  den  Anfänger 
rkennen,  so  zeigen  die  späteren,  etwa  seit  Mitte  der  90er  Jahre,  den 
ollendeten  Sprachkenner  und  reife  Kritik.  Seine  Sammlungen  betrafen 
roßenteils  die  altirische  Grammatik  (The  Substantive  Verb  in  the 
rish  glosses,  The  sigmatic  future  a.  subjunctive  in  Irish,  The 
articlei'o-in  Irish,  Action  a.  time  in  the  Irish  verbusw.);  darunter 
igte  die  Abhandlung  On  the  use  of  the  subjunctive  mood  in  Irish 
en  ersten  festen  Grund  zu  einer  irischen  Moduslehre.  Namentlich  inter- 
ssierte  ihn  sodann  der  grammatikalische  Obergang  vom  Alt-  zum  Mittel- 
ischen,  vgl.  The  deponent  verb  in  Irish,  The  verbal  systera  of 
he  Saltair  na  Rann,  Contributions  to  the  history  of  Middle 
rish  declension,  The  infixed  pronoun  in  Middle  Irish  (Eriu  I), 
rammatical  notes  (Z.  f.  Celt.  Philol.  II.  III)  u.  a.  Diese  Aufsätze  sind  von 
nschätzbarem  Wert  für  die  zeitliche  Bestimmung  irischer  Literaturwerke. 

Sein  Lehramt  für  keltische  Sprachen  führte  ihn  in  den  letzten 
ihren  auch  zur  Untersuchung  des  älteren  Kymrischen,  das  von  den 
ymren  selber  merkwürdigerweise  fast  ganz  vernachlässigt  wird.  Gleich 
ie  ersten  Arbeiten  (Eriu  IL  III)  zeigten  als  wichtigstes  Resultat,  daß  die 
(testen  Phasen  der  britannischen  Dialekte  grammatisch  dem  Irischen 
aßerordentlich  nahe  stehen,  daß  ihre  spätere  Verschiedenheit  also  sekun- 
ärer  Art  ist.  Eine  kurze  mittelkymrische  Grammatik,  zu  der  er  selber 
en  Stoff  gesammelt  hatte,  war  bei  seinem  Tode  druckfertig,  nur  der  zweite 
eil  (Texte  u.  Glossar)  noch  auszuarbeiten. 


80  Mitteilungen. 

Auf  einem  so  schwach  besetzten  Forschungsgebiet  ist  ein  solcher 
Verlust  besonders  schmerzlich.  Möchte  es  ihm  gelungen  sein,  seine  kritisch 
sichere  Methode  auf  zahlreiche  Schüler  zu  übertragen !  Seine  feurige  Tat- 
kraft war  freilich  nicht  lehrbar  und  ist  unersetzlich. 

Freiburg  i.  B.  R.  Thurneysen. 


Erster  Kongrefi  für  saehllehe  Yolkskunde, 

September  1909  in  Graz. 

Im  September  1909  findet  in  Graz  die  50.  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schulmänner  statt.  Dieser  wichtige  Gedenktag  gibt  Ver- 
anlassung, den  Blick  auf  Vergangenheit  und  Zukunft  zu  lenken. 

Schon  Jakob  Grimm  hat  'Wörter*  und  'Sachen*  in  einem  Atem  ge- 
nannt, aber  erst  die  letzten  Jahre  haben  zur  klaren  Erkenntnis  geführt, 
daß  die  Sprachforschung  der  Sachforschung  als  notwendiger  Ergänzung 
bedarf,  daß  die  Etymologie  der  Kenntnis  der  'Sachen*  nicht  entraten  kann, 
daß  das,  was  die  Archäologie  für  die  klassische  Philologie  bedeutet  in 
entsprechender  Weise  auch  für  die  anderen  philologischen  Disziplinen  ge- 
schaffen werden  muß. 

Die  sachliche  Volkskunde  bietet  dazu  die  MitteL  Deshalb  wollen  die 
Unterzeichneten  als  Ergänzung  des  Arbeitsplanes  der  dO.  Versammlang 
deutscher  Philologen  und  Schulmänner  die  Bildung  einer  Sektion  bean- 
tragen, welche  die  Forschungen  über  die  IJrbeschäftigungen*  (Ackerbau, 
Fischerei,  Hirtenwesen),  über  das  Haus  und  seine  Greräte  sowie  über  die 
im  Hause  geübten  Techniken  (Nähen,  Spinnen,  Flechten,  Weben  usw.)  zam 
Gegenstande  ihrer  Verhandlungen  machen  soll. 

Die  Beschränkung  auf  diese  Teile  der  allgemeinen  Volkskunde  ist 
darin  begründet,  daß  die  berührten  Fragen  zur  Zeit  im  Mittelpunkt  des 
Interesses  —  auch  für  die  Schule  —  stehen,  sowie  femer  darin,  daß  es 
unmöglich  ist,  der  ganzen  ungeheuren  Reichhaltigkeit  der  Volkskunde  in 
dem  gegebenen  Rahmen  gerecht  zu  werden.  Die  Bildung  einer  eigenen 
Sektion  für  die  sachliche  Volkskunde  empfiehlt  sich  auch  deswegen,  weil 
ihre  Gegenstände  nicht  wie  die  geistigen  Erzeugnisse  der  Volksseele  (Sagen, 
Märchen,  Bräuche  usw.)  in  den  anderen  Sektionen  zur  Besprechung  ge- 
langen können. 

Die  Unterzeichneten  bitten,  diesen  Aufruf  weiter  zu  verbreiten  und 
sehen  Zustimmungserklärungen  entgegen,  die  baldigst  an  R.  Meringer, 
Graz,  Universität,  gerichtet  werden  mögen. 

Sobald  eine  ausreichende  Unterstützung  des  Planes  gesichert  ist, 
sollen  weitere  Mitteilungen  erfolgen. 

Graz,  im  Januar  1908.      Hugo  Schuchardt.  Rudolf  Meringer. 


Georg  Cnrtins-Stiftnng. 

Der  vorjährige  Zinsertrag  der  G.  Curtius-Stiftung  ist  Herrn  Dr.  Hans 
Jacobsihal  in  Straßburg  i.E.  verliehen  worden  als  Preis  für  seine  Doktor- 
schrift 'Der  Gebrauch  der  Tempora  und  Modi  in  den  kretischen  Dialekt- 
inschriften' (Straßburg  i.  E.  1907). 

Leipzig,  10.  Februar  1908.  Das  Kuratorixun : 

Dr.  K.  Brugmaim.  Dr.  H.  Lipsius.  Dr.  R.  Meister. 


ANZEIGER 

FÜR  llOGERHAMSCl  SPRiCH-  UND  ALTERTISKUNDE. 

BEIBLATT  ZU  DEN  INDOGERMANISCHEN  FORSCHUNGEN 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

WILHELM  STREITBEB6. 

ZWEIUXBZWANZI6STER  BAND.  ERGÄNZUNGS-HEFT. 

Bibliographie  des  Jahres  1905. 

Erste  Hälfte. 


Vorbemerknng.  Auf  Wunsch  von  Herrn  Professor  Streitberg  habe 
ich  von  jetzt  an  die  Redaktion  der  Bibliographie  übernommen.  Bei  ihrer 
Bearbeitung  habe  ich  mich  der  Unterstützung  der  alten  bewährten  Herren 
Mitarbeiter  zu  erfreuen  gehabt;  außerdem  haben  sich  eine  Reihe  neuer 
Kräfte  mit  dankenswerter  Bereitwilligkeit  in  den  Dienst  der  Sache  gestellt. 
Zu  besonderem  Danke  bin  ich  den  Herren  Prof.  Dr.  D.  Andersen  in 
Kopenhagen,  Prof.  Dr.  A.V.W.  Jackson  in  New- York  und  Prof.  Dr.  J.  Zu- 
bat^  in  Prag  verpflichtet,  die  mit  großer  Liebenswürdigkeit  mich  über 
sonst  schwer  zugängliche  skandinavische,  amerikanische  und  slavische 
Erscheinungen  auch  aus  anderen  als  den  von  ihnen  übernommenen  Biblio- 
graphieabteilungen unterrichtet  haben.  —  Die  in  einigen  Abteilungen  den 
Titeln  beigefügten  Besprechungen  sollen  die  Brauchbarkeit  der  Bibliographie 
erhöhen.  Leider  gestattete  die  Kürze  der  Zeit  (da  die  Bibliographie  sehr 
im  Rückstand  ist)  nicht,  diese  Neuerung  überall  durchzuführen;  in  späteren 
Jahrgängen  soll  es  nach  Möglichkeit  geschehen. 

Die  schon  früher  von  Prof.  Streitberg  ausgesprochene  Bitte  um  Zu- 
sendung namentlich  schwerer  erreichbarer  Aufsätze,  Dissertationen,  Pro« 
gramme,  Gelegenheitsschriften  usw.  erlaube  ich  mir  angelegentlichst  zu 
wiederholen ;  denn  nur  auf  diese  Weise  kann  die  erstrebte  Vollständigkeit 
und  Genauigkeit  der  Berichterstattung  erreicht  werden.  Allen  den  Herren 
Verfassern,  die  mir  bereits  zu  diesem  Zwecke  Schriften  eingesandt  haben, 
sage  ich  hiermit  meinen  verbindlichsten  Dank. 

Straßburg  i.  E.,  April  1908.  Ferdinand  Mentz. 


I.  Ailgemeine  indogermanische  Sprachwissenschaft  nnd 
Altertumskunde. 

A.  Bibliographie. 

L.  Philologiae  Novitates.  Bibliographie  neuer  Erscheinungen  aller  Länder 
aus  der  Sprachwissenschaft  und  deren  Grenzgebieten.  Herausgeg.  v. 
0.  Ficker.  1.  Jahrg.   190Ö.  Heidelberg  Ficker.  2  BL,  25^  S. 

Anz^ger  XXII,  Ergänxungahett  V 


82    I.  Allgemeine  indogenn.  Sprachwissenschaft  und  Altertomskimde. 

2.  Hartmann  F.  Allgemeine  Sprachwissenschaft  Jahresber.  d.  germ.PhiloL 
26,  1904,  15—40.  [Ersch.  1905]. 
Bibliographie  des  Jahres  1904. 

B.  Allgemeine  Sprachwiflsenschaft. 

a)  Geschichte  und  Theorie  der  Sprachwissenschaft. 

1.  Buliö  S.  K.  O^erk  istoriji  jazykoznanija  v  Rossiji  [Abriß  der  Geschichte 
der  Sprachwissenschaft  in  Rußland].  I.  [13.  Jahrh.  bis  1825.  Mit  der 
Beilage  **£inleitung  in  das  Sprachstudium**  von  B.  Delbrück  statt  Ein- 
leitung.]  St.  Petersburg  Buliö  und  Pantel€jev.  XI  u.  1248  S.    6  RbL 

Angex.  Yon  J.  Znbaty  lA.  19, 49—54. 

2.  Dittrioh  0.  Die  Grenzen  der  Sprachwissenschaft.  Ein  programmatischer 
Versuch.  (Aus  Jahrbb.  f.  d.  klass.  Altertum,  Geschichte  u.  deutsche  Lite- 
ratur.) Leipzig  Teubner.  20  S.   0,80  M. 

Tritt  im  Gegensatz  zu  H.  Pauls  Identifikation  von  Sprachwissen- 
schaft mit  Sprachgeschichte  für  eine  Erweiterung  des  Begriffes  'Sprach- 
wissenschaft' ein  und  stellt  folgende  Klassifikation  der  sprachwissenschaft- 
lichen Disziplinen  auf:  1.  Morphologischer  Teil :  Allgemeine  Formenlehre 
der  Bedeutungszeichen  und  Zeichenbedeutungen;  2.  Chronologisch-topo- 
logischer  Teil:  Sprachgeschichte,  -geographie,  -Statistik;  3.  Rationeller 
(ätiologisch -teleologischer)  Teil:  Sprachphysiologie,  -psychologie,  -ent- 
wicklungstheorie,  -anthropogeographie,  -kulturätiologie  (bes.  -Soziologie), 
-ethnologie,  -technik,  -philosophie. 

3.  Finck  F.  N.  Die  Aufgabe  und  Gliederung  der  Sprachwissenschaft.  Halle 
Haupt.  VIII  u.  55  S.   2  M. 

Sucht  die  Notwendigkeit  der  Scheidung  der  Sprachwissenschaft  in 
einen  beschreibenden  und  einen  erklärenden  Teil  zu  erweisen. 

4.  Figneiredo  C.  de.  Problemas  de  linguagem.  LissaboiL   367  S.  4,20  M. 

5.  Vinson  J.  Les  divers  buts  de  la  science  du  langage.  Rev.  de  linguist. 
et  de  philol.  comp.  38,  165—191. 

6.  —  Science,  critique  et  vanit^.  Rev.  de  linguist.  et  de  philol.  comp.  38, 
192—207. 

7.  Amor  Ruibal  A.  Los  problemas  fundamentales  de  la  filologia  com- 
parada,  su  historia,  su  naturaleza  y  su  diversas  relaciones  cientificas. 
2.  parte.  Santiago  Impr.  de  la  Universidad.  748  S.   UM. 

8.  Weyde  J.  Sprach-  und  Naturwissenschaft.  Sammlung  gemeinnütziger 
Vorträge  Nr.  318.  Prag  J.  ü.  Calve.   15  S.  0,20  M. 

9.  Salvadori  G.  Scienza  del  linguaggio  e  psicologia  sociale.  Riv.  Ital.  di 
Sociol.  8,  684—701. 

10.  Banmann  Fr.  Sprachpsychologie  und  Sprachunterricht.  Eine  krit. 
Studie.  Halle  Niemeyer.   143  S.  3  M. 

Sucht  die  Unzulänglichkeit  der  Sprachpsychologie  für  sprachp&da- 
gogische  Zwecke  darzutun. 

b)  Methodologie. 

11.  ThomeTsen  R.  Die  Etymologie.  Eine  akademische  Rede.  Freiburg  i.  B. 
Speyer  u.  Kaemer.  35  S.   IM. 

12.  Velics  A.  v.  Versuch  eines  natürlichen  Systems  in  der  Etymologie. 
Eine  Studie.  Breslau  Preuß  u.  Jünger.  74  S.  2  M. 


L  Allgemeine  indogenn.  Sprachwissenschaft  und  Altertomsknnde.    83 

13.  Spina  F.  Eine  neue  Methode  f.  sprachstatist.  Untersuchnngen.  Ztschr. 
l  d.  österr.  Gymn.  66,  701—706. 

14.  Tappolet  E.  Über  die  Bedeutung  der  Sprachgeographie  mit  besonderer 
Berücksichtigung  französischer  Mundarten.  (Aus :  Aus  roman.  Sprachen 
u.  Literaturen,  Festschr.  f.  H.  Morf.)  Halle  Niemeyer.  32  S.   1  M. 

15.  Temple  R.  A  Plan  for  a  Uniform  Scientific  Record  of  the  Languages 
of  Savages.  Rep.  of  the  Brit.  Assoc.  Adv.  Sei.  74,  708—709. 

c)  Theorie  der  Sprache. 

16.  Baadouin  de  Coortenay  J.  Jazykoznanije  (Sprachwissenschaft).  — 
Jazyk  i  jazyki  (Die  Sprache  und  die  Sprachen).  Enciklop.  Slovaf  41, 
517—27,  529-48. 

17.  Franke  E.  Die  Psychologische  Sprachenklassifikation  bei  Misteli  [^ech.]. 
V€stn.  C.  Akad.  14,  325—37,  443—55. 

18.  VoBsler  K.  Sprache  als  Schöpfung  und  Entwickelung.  Eine  theoretische 
Untersuchung  mit  prakt.  Beispielen.  Heidelberg  Winter.  VIII  u.  154  S.  4  M. 

Versucht  im  Anschluß  an  B.  Groces  Estetica  come  scienza  del- 
Fespressione  und  im  Gegensatz  zu  der  modernen  psychologischen  Auffassung 
der  Sprache  eine  ästhetisierende  Sprachbetrachtung  als  die  einzig  dem 
Wesen  dieser  Funktion  entsprechende  zu  erweisen. 

19.  ünger  R  Hamanns  Sprachtheorie  im  Zusammenhange  seines  Denkens. 
Grundlegung  zur  Würdigung  .der  geistesgeschichtl.  Stellung  des  Magus 
im  Norden.  Münchener  Hab.-Schrift.  Leipzig  Berger.  Vniu.272S.  6,50  M. 

20.  Trombetti  A.  L'unitä  d*origine  del  linguaggio.  Bologna  Beltrami.  VIII 
u.  224  S.  6  M. 

Versuch  einer  Zurückführung  aller  Sprachen  auf  eine  gemeinsame 
Wurzel. 

21.  Meyer-Rinteln  W.  Die  Schöpfung  der  Sprache.  Leipzig  Grunow.  XVI 
u.  256.  5  M. 

22.  Igungstedt  K.  Spraket,  dess  hf  och  Ursprung.  2.  genoms.  uppl  Student- 
föreningen  Verdandis  smäskrifter  Nr.  30.  Stockholm  Bonnier.  38  S.  0,50  M. 

23.  Tanbner  K.  Sprachenwurzel-Bildungsgesetz  und  harmonische  Welt- 
anschauung. Berlin  Kühl.  36  S.  1,20  M. 

Wertlos. 

24.  Marr  B.  Die  Symbolik  der  Lunation.  Von  der  Entstehungsursache 
des  Sprach-  und  Sagenschatzes  der  Gesamtmenschheit.  Dux  G.  Scheit- 
hauer. X  u.  161  S.  m.  Fig.  2,10  M. 

25.  Mucke  J.R.  Das  Problem  der  Völkerverwandtschaft.  Greifswald  J.  Abel. 
XXIII  u.  368  S.  7,50  M. 

26.  Schinz  A.  La  question  d'une  langue  internationale  artificielle.  Rev. 
philos.  de  la  France  60,  24—44,  157—172. 

27.  Thomson  V.  Videnskabens  Foellessprog.  Studier  fra  Sprog-  og  Oldtids- 
forskning,  udg.  af  det  philol.-hist.  Samfund  Nr.  65.  Kopenhagen  Klein 
1905.  38  S.  0,65  Kr. 

d)  Sprachpsychologie,  Grammatik. 

28.  Tan  Oinneken  J.  Grondbeginselen  der  Psychologische  Taalwetenschap. 
Eene  synthetische  Proeve.  I.  Lier  J.  van  In  A  Komp.  1904—5.  239  S. 


Si    L  Allgemeiiie  indocenn.  Sprachwiasenschaft  und  Altertnmskiiiide. 

I.  WoordYoorstdlingen.  IL  De  objectieYe  zaakvoorstellingen.  IIL  Het 

Terstand  en  ajne  beaming.  lY.  Gevoel  en  waardeering.  V.  Vrge  wil  en 

aatomatisme. 

29.  Baräsa  F.  Psicologia  delU  lingna.  Torin  Bocca.  202  S.  3  M. 

90.  Leroj  E.  B.  Le  langage.  Essai  sor  la  psychologie  normale  et  patho- 
logique  de  cette  fonction  (les  signes  et  les  difförentes  espöces  de  lan- 
gage;  la  perception  du  langage;  r^mission  da  langage;  rhaUadnation 
verbale).  Paris  Alcan.  300  S.  5  M. 

31.  Bnmotie  F.  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Gedankenlaatwerdens.  Diss. 
Gdttingen  1904.  38  S. 

32.  Krause  F.  Hören  and  Spreeben.  Pbysiologisch-psycbologische  Betrach- 
tang der  beiden  Sprachzweige,  nebsd  Hinweis  auf  deren  methodische 
Behandlung.  6  Vorträge.  Cötben.  Vm  a.  198  S.  2  M. 

33.  Pogodin  A.  L.  Podemu  ne  govorjat  iivotnyja?  [Waram  sprechen  die 
Tiere  nicht?]  Warschau.  [Aas  Univ.  Izv.  Warschau,  3,  4]  72  S. 

'*Weil  sie  eigentlicb  kein  inneres  Leben  haben,  weil  ihre  Geföhle 
in  Handlangen  unmittelbar  Ausdruck  finden,  oder  mit  anderen  Worten, 
weil  das  Tier  keine  in  bezug  auf  Angenehmheit  gleichgiltige  Vorstellongen 
kennt ;  Wissen  um  des  Wissens  wiUen  ist  ein  Privilegium  des  Menschen. 
Indem  sich  das  Tier  im  Zustand  eines  Halbtraumes  befindet  oder  sich  dem 
unwillkärlichen  Flusse  der  VorsteUungen  hingibt,  denkt  es  nicht,  analysiert 
es  nicht  die  Erscheinungen,  sondert  es  nicht  sein  Ich  heraus.  Wo  es  keine 
Analyse  gibt,  dort  gibt  es  keine  Begriffe  und  keine  Sprache". 

34.  Taylor  C.  0.  Ober  das  Verstehen  von  Worten  und  Sätzen.  Ztschr.  f. 
Psychol.  40,  225—251. 

35.  Lalande  A.  La  conscience  des  mots  dans  le  langage.  Joum.  de 
psychol.  norm,  et  pathol.  2,  37 — 41. 

36.  Meringer  R.  Wörter  u.  Sachen.  DI.  IF.  18,  204—296. 

37.  Chamberlain  AI.  Primitive  Hearing  and  Hearing -Words*.  Amer. 
Joum.  of  Psychol.  16,  119—130. 

38.  Exner  S.  Ober  den  Klang  der  eigenen  Stinune.  Zentralbl.  f.  Physid. 
17, 1904,  S.  488  f. 

39.  Lucae  A.  Zur  Prüfung  des  Sprachgehörs  unter  Angabe  eines  neuen 
Phonometers.   Arch.  f.  Ohrenheilk.  64,  155—166. 

40.  Boa  C.  Les  ^l^ments  affectifs  du  langage.  Ses  rapports  avec  les 
tendances  de  la  psychologie  moderne.  Rev.  Philos.  de  la  France  60, 
355—373. 

41.  de  la  Grasserie  R.  La  psychologie  de  T Argot  Rev.  philos.  de  la 
France  60,  260—289. 

42.  Mac  Dougall  R.  On  the  Psychology  of  Reading  and  Writing.  Addr. 
and  Proceed.  of  the  National  Educ.  Assoc.  44,  399 — 406. 

43.  Pergens.  La  lisibilitö  des  caract^res  d*impression.  Ann  d*0€uL  132, 
1904,402. 

44.  Seifert  J.  Zur  Psychologie  der  Schreibfehler.  Eine  sprachpsychol. 
Untersuchung.  Progr.  Karolinental  1904.  52  S. 

45.  Körting  G.  Bemerkungen  üb.  den  Begriff  u.  die  Teile  des  grammatischen 
Satzes.   Kiel,  Lipsius  u.  Tischer.  26  S.  0,60  M. 


I.  All^meine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertamskande.    85 

e)  Sprachphysiologie. 

46.  Sachs  H.  Gehirn  u.  Sprache.  (Grenzfragen  des  Nerven-  n.  Seelen- 
iebens 36).  Wiesbaden  Bergmann.  V  u.  128  S.  m.  1  Taf.  3  M. 

47.  Lobmann  H.  Sprechton  n.  Lautbildung.  Leipzig  Dürr.  40  S.  0,60  M. 

48.  Sntro  E.   Das  Doppelwesen  der  menschl.  Stimme.   Berlin  o.  J. 

Vgl.  die  Rez.  v.  L.  Sütterlin  in  Engl.  Stud.  35,  87  f. 

49.  Barth  E.  Zur  Lehre  vom  Tonansatz  auf  Grund  physiologischer  und 
anatomischer  Untersuchungen.  Berlin  A.  Hirschwald  1904.  23  S.  2  M. 

50.  Marage.  Sensibilit^  speciale  de  Foreille  physiologique  pour  certaines 
voyelles.  Gomptes  rend.  de  TAc.  des  Sciences  140,  87—90. 

51.  Lloyd  R  J.  Glides  between  consonants  in  English.  VI.  Die  neueren 
Sprachen  13,  270—279. 

52.  Hagen  H.  vom.  Ein  amerik.  Laboratorium  f.  experimentelle  Phonetik 
in  Deutschland.  Prometheus  17, 1—7. 

53.  Scripture  E.  W.  Ober  das  Studium  der  Sprachkurven.  Ostwalds  Ann. 
d.  Naturphilos.  4,  1904,  28-48. 

54.  Kraeger  F.  u.  Wirth  W.  Ein  neuer  Kehltonschreiber.  Wundts  Psychol* 
Stud.  1, 103—104. 

55.  Scripture  E.  W.  Report  on  the  Gonstruction  of  a  Vowel  Organ.  Smith- 
sonian  Mise.  Col.  47,  360—364. 

f)  Sprachpathologie,  -therapeutik,  -pädagogik.   Kindersprache. 

56.  Legel  0.  Die  Sprache  u.  ihre  Störungen  m.  bes.  Berücksicht.  der  Sprach- 
störungen geistig  Zurückgebliebener.  Ein  Handbuch  f.  Lehrer,  bearb.  u. 
mit  Zeichnungen  versehen.  Potsdam  Stein.  VIII  u.  322  S.  3,50  M. 

57.  Biachofawerder.  Bericht  über  die  Abteilung  für  Sprachstörungen  [der 
Neumannschen  Poliklinik  für  Kinderkrankheiten  in  Berlin].  Archiv  f. 
Kinderheilk.  42,82—34. 

58.  Gntzmann  H.  Das  Verhältnis  der  Affekte  zu  den  Sprachstörungen. 
Ztschr.  f.  klin.  Med.  57,385—400. 

59.  Mejer  A.  Aphasia.  Psychol.  Bull.  2,  261—277. 

60.  Kleist  K.  Ober  Leitungsaphasie.  Monatsschr.  f.  Psychiatr.  u.  Neurol. 
17,  503-532. 

61.  Halipri  A.  Aphasie  amn^sique.  Nouv.  Icon.  de  la  SalpMri^re  18,  36. 

62.  Bonvidni  G.  Ober  subkortikale  sensorische  Aphasie.  Jahrb.  f.  Psychiatr. 
u.  Neurol.  26,  126—127. 

63.  Boenninghana  0.  Ein  Fall  von  doppelseitiger  zerebraler  Hörstörung 
mit  Aphasie.  Ztschr.  f.  Ohrenheilk.  49,  165—208. 

64.  Heller  Th.  Zwei  Fälle  von  Aphasie  im  Kindesalter.  Wiener  klin.  Rund- 
schau Nr.  49. 

65.  Paterson  J.  V.  The  Gases  of  Word  Blindness.  Scot.  Med.  Surg.  Journ. 
17,  21—30. 

66.  Halben.  C6cit6  verbale  suivie  de  gu6rison,  avec  persistance  d'une 
h^mianopie  droite.  Ann.  d'Ocul.  132,  1904,  139—140. 

67.  Bramwell  E.  A  Gase  of  Alexia  with  Autopsy.  Scot.  Med.  Surg.  Journ. 
17,  15—20. 


84    I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertomsknnde. 

I.  Woordvoorstellingen.  ü.  De  objectieve  zaakyoorstellingen.  IIL^ 
verstand  en  zijne  beaming.  IV.  Gevoel  en  waardeering.  V.  Vr^e  wil  es 
automaiisme. 

29.  Bayizaa  F.  Psicologia  della  lingna.  Tarin  Bocca.  202  S.  3  IL 

30.  Leroj  E.  B.  Le  langage.  Essai  sur  la  psychologie  normale  et  patho- 
logique  de  cette  fonetion  (les  signes  et  les  diff^rentes  espöces  de  lau« 
gage;  la  perception  du  langage;  l'^mission  du  langage;  ThaUadnatioQ 
verbale).  Paris  Alcan.  300  S.  5  M. 

31.  Bnmotie  F.  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Gedankenlantwerdens.  Diss. 
Göttingen  1904.  38  S. 

32.  Krause  F.  Hören  und  Sprechen.  Physiologisch-psychologische  Betrach- 
tung der  beiden  Sprachzweige,  nebst  Hinweis  auf  deren  methodische 
Behandlung.  6  Vorträge.  Cöthen.  VIU  u.  198  S.  2  M. 

33.  Pogodin  A.  L.  Po^emu  ne  govorjat  iivotnyja?  [Warum  sprechen  die 
Tiere  nicht?]  Warschau.  [Aus  Univ.  Izv.  Warschau,  3,4.]  72  S. 

"Weil  sie  eigentlich  kein  inneres  Leben  haben,  weil  ihre  Gefühle 
in  Handlungen  unmittelbar  Ausdruck  finden,  oder  mit  anderen  Worten, 
weil  das  Tier  keine  in  bezug  auf  Angenehmheit  gleichgiltige  Vorstellungen 
kennt ;  Wissen  um  des  Wissens  willen  ist  ein  Privilegium  des  Menschen. 
Indem  sich  das  Tier  im  Zustand  eines  Halbtraumes  befindet  oder  sich  dem 
unwillkürlichen  Flusse  der  Vorstellungen  hingibt,  denkt  es  nicht,  analysiert 
es  nicht  die  Erscheinungen,  sondert  es  nicht  sein  Ich  heraus.  Wo  es  keine 
Analyse  gibt,  dort  gibt  es  keine  Begriffe  und  keine  Sprache**. 

34.  Taylor  C.  0.  Ober  das  Verstehen  von  Worten  und  Sätzen.  Ztschr.  f. 
Psychol.  40,  225—251. 

35.  Lalande  A.  La  conscience  des  mots  dans  le  langage.  Joum.  de 
psychol.  norm,  ei  pathol.  2,  37 — 41. 

86.  Meringer  R.  Wörter  u.  Sachen.  lU.  IF.  18,  204—296. 

37.  Chamberlain  AI.  Primitive  Hearing  and  'Hearing -Words*.  Amer. 
Joum.  of  Psychol.  16,  119—130. 

38.  Exner  S.  Ober  den  Klang  der  eigenen  Stimme.  Zentralbl.  f.  Physiol 
17,  1904,  S.  488  f. 

39.  Lucae  A.  Zur  Prüfung  des  Sprachgehörs  unter  Angabe  eines  neuen 
Phonometers.   Arch.  f.  Ohrenheilk.   64,  155—166. 

40.  Bos  C.  Les  41^ments  affectifs  du  langage.  Ses  rapports  avec  les 
tendances  de  la  psychologie  moderne.  Rev.  Philos.  de  la  France  60, 
355-373. 

41.  de  la  Grasserie  R.  La  psychologie  de  T Argot  Rev.  philos.  de  U 
France  60,  260—289. 

42.  Mac  Dougall  R.  On  the  Psychology  of  Reading  and  Writing.  Addr. 
and  Proceed.  of  the  National  Educ.  Assoc.  44,  399—406. 

43.  Pergens.  La  lisibilitä  des  caract^res  dUmpression.  Ann.  d'ocul.  132, 
1904,  402. 

44.  Seifert  J.  Zur  Psychologie  der  Schreibfehler.  Eine  sprachpsychol 
Untersuchung.   Progr.  Karolinental  1904.  52  S. 

45.  Körting  G.  Bemerkungen  üb.  den  Begriff  u.  die  Teile  des  grammatischea 
Satzes.    Kiel,  Lipsius  u.  Tischer.  26  S.  0,60  M. 


I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertumskunde.   87 

89.  Stern  W.  u.  G.  Erinnerung  u.  Aussage  in  der  ersten  Kindlieit.  Beitr. 
z.  Psychol.  der  Aussage  2,  31 — 67. 

90.  GheorgoT  J.  A.  Die  ersten  Anfänge  des  sprachl.  Ausdrucks  f.  das 
Selbstbewußtsein  bei  Kindern.  Rapp.  et  Compte  rendu  du  2«  Congr. 
intern,  de  Philos.  520—536.  Arch.  f.  d.  ges.  PsychoL  5,  329—404. 

91.  Schädel  E.  Das  Sprechenlemen  unsrer  Kinder.  Nach  seiner  Ent- 
wicklung dargestellt  u.  mit  pädagog.  Winken  u.  Ratschlägen  Eltern, 
Lehrern,  Kindergärtnerinnen  u.  überhaupt  allen,  die  es  mit  Erziehung  der 
Kleinen  zu  tun  baben,  gewidmet.  Leipzig,  Brandstetter.  132  S.  1,50  M. 

92.  Hudson-Makuen  G.  Retarded  Development  of  Speech  in  Young  Ghildren. 
New  York  Med.  Joum.  81,  436-439. 

Leipzig.  0.  Dittrich. 

C.  Indogermanisclie  Sprachwissensehaft. . 

(Allgemeines.   Lautlehre.   Wortlehre.   Syntax.) 

1.  Bmgmann  K.  Abr6g6  de  grammaire  compar^e  des  langues  indo-euro- 
p^ennes,  traduit  par  J.  Bloch,  A.  Cuny  etA.  Ernout  sous  la  direction 
deA.Meillet  etR.  Gauthiot.  Paris Klincksieck.  XXI u. 856 S. mit  4 Tab. 

2.  Steyrer  J.  Der  Ursprung  und  das  Wachstum  der  Sprache  indogerma- 
nischer Europäer.  Wien  Holder.  IV  u.  176  S.  5,20  M. 

Wertlos ! 

3.  Vinson  J.  Les  langues  indo-europ6ennes  (suite).  Rev.  d.  ling.  38, 97—113. 

Vgl.  37, 335  f.  S.  106:  sous  le  nom  d'aoristej  c'est-ä-dire  "sans  heure". 
S.  109 :  Un  savant  allemand,  M.  0.  Schrader,  partage  les  Aryens  en  deux 
grands  groupes  suivant  qu'ils  expriment  le  nombre  eerit  par  un  mot  ä 
initiale  dure  dont  la  premi^re  syllabe  est  nasalis^e,  kentvm,  ou  par  un  mot 
ä  initiale  douce,  sans  nasalisation ,  satam  .  .  .  Mais  un  seul  mot  peut-il 
suffire  ä  6tablir  un  classement  et  k  4chafauder  une  th6orie?  [!] 

4.  Hirt  H.  Die  Indogermanen  I.  Straßburg  Trübner.  X  u.  407  S.  9  M. 

Hier  zu  erwähnen  wegen  Buch  I,  2  "Die  idg.  Sprachen,  ihre  Ver- 
breitung und  ihre  Urheimat",  vgl.  besonders  Kap.  10 :  *'Die  idg.  Sprachen 
und  ihre  Stellung  im  Kreise  der  übrigen  Sprachen". 

5.  Die  idg.  Sektion  auf  der  48.  Versammlung  deutscher  Philologen  und 
Schulmänner  in  Hamburg  3.-6.  Okt.  1905.  lA.  18,  81—88. 

Referate  über  die  Vorträge  von  Chr.  Bartholomae  (Ist  im  Altiran, 
noch  die  Klangfarbe  der  idg.  a- Vokale  nachzuweisen?),  E.  Hermann  (Die 
Rekonstruktion  als  Grundlage  der  idg.  Sprachwissenschaft),  F.  Solmsen 
(Ober  griech.  Etymologie),  K.Zacher  (Die  dämonischen  Urväter  d. Komödie), 
A.  Thumb  (Prinzipien  der  kg iv/| -Forschung),  F.  Skutsch  (Über  einige  aus- 
gewählte Punkte  der  lat.  Grammatik). 

6.  Maory  L.  La  grammaire  compar6e  dans  l'enseignement  secondaire,  une 
exp^rience  su6doise.  Revue  internationale  de  Tenseignement  49, 391 — 395. 

7.  Pedersen  H.  Neues  und  Nachträgliches.  KZ.  40,  129—217. 

I.  Exegetische  und  syntaktische  Fragen.  §§  1—6:  Zum  Altiranischen. 
Daraus  von  allgemeinerem  Interesse  S.  130 f.:  Bedeutungsentwicklung  von 
'um'  zu  *bei,  auf  der  andern  Seite,  entfernt  von,  ohne*.  §  7—21 :  Subjektlose 
Sätze,  deren  Verb  aktiv.  Form  hat,  deren  *Subj.*  im  Instrumental  steht 
(so  russ.  und,  mit  Beschränkung  auf  das  Neutr.,  avest. :  dies  der  ältere 
Sprachgebrauch).  Gegen  die  Annahme  enger  Grenzen  subjektloser  Verba 


86   I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  and  Altertnmskimde. 

68.  Bechterew  W.  v.  Über  eine  Form  der  Paraphasie.  Monatsschr.  t 
Psychiat.  u.  Neurol.  18,  625—531. 

69.  Mann  M.  Otitischer  Hirnabszeß  im  linken  Schläfenlappen  mit  einer 
seltenen  Form  v.  Sprachstörung.  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  85,  96—108. 

70.  Pick  A.  Zur  Analyse  der  Elemente  der  Amusie  und  deren  Vorkommen 
im  Rahmen  aphasischer  Störungen.  Monatsschr.  f.  Psychiatr.  u.  NeuroL 
18,  87—95. 

71.  Stransky  E.  Ober  Sprachverwirrtheit.  Samml.  zwangl.  Abh.  a.  d.  Gebiete 
der  Nerven-  u.  Geisteskrankh.  Bd.  6.  H.  4/5.   108  S. 

72.  Reich.  Ein  Fall  von  alogischer  Aphasie  u.  Asymbolie.  Allg.  Ztschr.  f. 
Psychiatr.  62,  825—836. 

73.  Maß  0.  Beitrag  zur  Kenntnis  hysterischer  Sprachstörungen.  Berl.  klin. 
Wochenschr.  42,  1495—1498. 

74.  Tixier  L.  Aphasie  hyst^rique  cons^cutive  k  un  trauroatisme  rolandique 
gauche.  Arch.  g6n.  de  M6d.  196,  3028. 

75.  Roy  et  Jaqneller.  Aphasie  motrice  k  r^p^tition  chez  une  morphino- 
raane.  Journ.  de  psychol.  norm,  et  pathol.  2,  1 — 15. 

76.  Gutzmann  H.  Ober  die  Sprache  der  Taubstununen.  Med.  Klinik  1, 
156—160. 

77.  Lingnerri.  Particolari  alterazioni  del  linguaggio  in  un  caso  di  demenza 
primitiva.  Riv.  sperim.  di  freniatria  31,  136—150. 

78.  Gutzmann  H.  Die  Sprachstörungen  als  Gegenstand  des  klinischen 
Unterrichts.  Berliner  Antrittsvorlesung.  Leipzig  G.  Thieme.  39  S.  IM. 

79.  Trömner  E.  Zur  Pathogenese  und  Therapie  des  Stotterns.  Wiener 
klin.-therap.  Wochenschr.  12,  189—196.  219—223. 

80.  Mehnert  M.  Ober  die  Beseitigung  des  Stotterns  u.  Stammeins  durch 
den  ersten  Unterricht  in  der  Volksschule.  Monatsschr.  f.  d.  ges.  Sprach- 
heilkunde 15,  257—262. 

81.  Franz  S.  J.  The  Recducation  of  an  Aphasie.  Journ.  of  Philos.,  Psychol. 
and  Scient.  Methods  2,  589—597. 

82.  Wray  C.   The  Treatment  of  Word-Blindness.  Lancet  169,  885—886. 

83.  Mohr  F.  Zur  Behandlung  der  Aphasie  (mit  bes.  Berücksicht  des 
Agrammatismus).  Arch.  f.  Psychiatr.  und  Nervenkrankh.  39,  1904^/5, 
1003-1069. 

84.  Frenzel  Fr.  Der  Sach-  und  Sprachunterricht  bei  Geistesschwachen. 
Mediz.-pädag.  Monatsschr.  f.  d.  ges.  Sprachheilkunde.  Stolp  Hildebrandt 
18  S.  1  M. 

85.  Stern  W.  Helen  Keller.  Die  Entwicklung  u.  Erziehung  einer  Taub- 
stummblinden als  psychol.,  pädag.  u.  sprachtheoret.  Problem.  (Sammlung 
V.  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  pädagog.  Psychologie  u.  Physio- 
logie Bd.  8  Nr.  2.)  Beriin  Reuther  u.  Reichard.   ÜI  u.  76  S.   1,80  M. 

86.  Combe  L.  Sur  le  langage  des  enfants.  Bull.  Soc.  Etüde  Psychol.  de 
TEnfant  5,  571—577. 

87.  Tögel  H.  16  Monate  Kindersprache.  Beitr.  z.  Kinderforsch,  u.  Heil- 
erziehung  13.   Langensalza  Beyer  u.  S.  36  S.  0,50  M. 

88.  Stern  W.  Die  Sprachentwicklung  eines  Kindes  insbesondere  in  gram- 
mat.  u.  logischer  Hinsicht.  Ber.  üb.  d.  1.  Kongreß  f.  exper.  PsychoU 
1904,  106-112. 


I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertumskunde.    89 

15.  Bragmaan  K.  Zur  Wortzusammensetzung  in  den  idg.  Sprachen.  IF.  18, 
69—76. 

1.  Die  Stellung  der  Bahuvrihi  im  Kreis  der  Nominalkomposita.  Die 
eigentlichen  Bahuvrihi  bilden  mit  den  Imperativkomposita,  den  präposi- 
tionalen  Komposita  von  der  Art  des  griech.  ^ir(Taioc  und  einigen  andern 
eine  einheitliche  Bildungskategorie,  deren  wesentliches  Merkmal  ist,  daß 
der  Begriffisinhalt  der  Zusammensetzung  einem  außerhalb  stehenden  Sub- 
stantivbegrifT  als  Eigenschaft  beigelegt  ist;  sie  stehen  als  exozentrische 
den  esozentrischen  Nominalkomposita  gegenüber.  Zu  ihrer  Erklärung 
ist  Jacobis  Nebensatzhypothese  überflüssig,  sie  beruhen  auf  Hypostasierung 
(sind  also  auch  nicht  Mutata).  In  die  Zeit  vor  Ausbildung  der  Kasusflexion 
hinaufreichend,  waren  sie  von  den  esozentrischen  Komp.  nicht  nur  durch 
die  sich  aus  dem  Zusammenhang  ergebende  Bedeutung,  sondern  auch 
durch  die  Betonungsweise  unterschieden  (Biipörpocpoc  :  -Tpöcpoc).  Später 
erhält  ihre  Funktion  formalen  Ausdruck  durch  die  Kasusendungen  (teil- 
weise Oberführung  in  die  o-Flexion,  zur  Kennzeichnung  adj.  Geltung  dient 
häufig  -t}0-,  z.  B.  egregius).  Teilweise  findet  sich  auch  Mischung  mit  den 
esozentrischen  Komp.  Griech.  {^obobdxTuXoc  u.  ä.  waren  ursprünglich  halb- 
namenartige  Substantiva  von  der  Art  der  deutschen  Krummbein,  Freigeist^ 
Dreifu88.  —  2.  Der  dpx^Kaxoc-Typus  und  Verwandtes.  Wie  beim  dpx^Ka- 
Koc-Typus  das  erste  Glied  Imperativisch  zu  fassen  ist,  so  beim  Typus 
^KccftreirXoc :  hier  ist  das  erste  Glied  ein  konjunkt.>imperativ.  Infinitiv 
(die  Stammform  der  ^t-Abstrakta  oder  der  Lokativ  von  ^-Stämmen  in  in- 
finitiv.  Geltung).  Dagegen  ist  der  Typus  vidddvasu-  eine  arische  Neuerung 
für  *vidäva8U'  unter  dem  Einfluß  der  ptc.  praes.  auf  -n<-. 

16.  Stolz  F.  Zur  griechischen  Kompositionsbildung.  Wiener  Studien  27, 
208—10. 

Erklärt  sich  mit  Brugmanns  Auffassung  des  dpx^KaKoc-Typus  ein- 
verstanden. 

17.  Brugmann  K.  Der  Kompositionstypus  ^veeoc.  IF.  18,  127—29. 

Dieser  exozentrische  Typus  beruht  auf  adverbialen  Ausdrücken  mit 
Ellipse  des  Yerbums,  zumeist  wohl  auf  Imperativischen  nach  Art  des  nhd. 
Hut  ab/  Kopf  zurück/ 

18.  Blatt  G.  Neuere  Anschauungen  über  die  Genesis  der  Flexion  in  den 
indoeur.  Sprachen.  [Polnisch.]  Eos  11, 126 — 142. 

Kritische  Übersicht  über  die  Anschauungen  von  Bopp,  Ludwig  und 
insbesondere  Hirt  (IF.  17). 

19.  Oertel  H.  and  Morris  E.  P.  An  examination  of  the  theories  regarding 
the  nature  and  origin  of  Indo-European  inflection.  Harvard  studies  in 
class.  philol.  16,  63—122. 

In  der  Hauptsache  war  für  die  Entstehung  der  idg.  Flexion  die 
Adaptation  die  wirkende  Kraft  —  Stammbildungs-  und  Flexionssuffixe, 
zunächst  ohne  bestimmte  Bedeutung,  erhielten  ihre  Bestimmtheit  erst  vom 
Wortsinn  und  durch  den  Satzzusammenhang  — ;  freilich  gab  es  auch 
durch  Agglutination  entstandene  Flexionen.  Die  Unregelmäßigkeit  und 
Systemlosigkeit  des  idg.  Formenbaus  stimmt  schlecht  zu  der  durchsichtigen 
Regelmäßigkeit  sicher  agglutinierender  Sprachen.  Mit  der  Adaptations- 
hypothese ist  die  Annahme  von  Grundbegriffen  für  die  Flexionsendungen 
unvereinbar;  dies  ist  auch  wichtig  für  die  Syntax  der  Einzelsprachen. 
Die  Scheidung  zwischen  Konjunktiv  und  Optativ  war  nur  in  den  Vorstufen 
des  Arischen  und  Griechischen  durchgeführt;  in  den  übrigen  Sprachen 


88     I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertmnsknnde. 

im  Idg.  Kell,  und  An.  Beispiele.  Von  den  es-Sätzen  sind  die  man-Sitze 
zu  scheicien  (z.  B.  an.  skal  *man  soll"),  letztere  bes.  häufig  im  Westslavischen 
(die  Beispiele  z.  T.  von  Zuhatf  gesammelt).  §  22—32 :  Glottogonisches  über  die 
Subjektkonstruktion  und  das  grammatische  Genus  im  Idg.  *es*-  und  *inan*- 
Sätze  bildeten  urspr.  eine  Kategorie  von  Sätzen,  die  vollständig  subjektlos 
waren.  Im  Uridg.  stand  bei  intrans.  Verbb.  das  Subj.  in  der  (auch  als  Obj. 
fungierenden)  Grundform,  bei  trans.  Vbb.  stand  das  Obj.  in  der  Grundform, 
das  Subj.  aber  im  Gen.,  wenn  es  ein  lebendes  Wesen,  im  Instrum.,  wenn  es 
ein  unpersönlicher  Begrifif  war.  Auf  dem  urspr.  Unterschied  zwischen  belebten 
Wesen  und  unbelebten  Gegenständen  (tätigem  und  untätigem  genus)  beruht 
die  spätere  Dreiheit  des  genus ;  Bedeutung  der  Personifikation  dafür.  Das  idg. 
Fem.  hängt  möglicherweise  mit  dem  semit.  zusammen.  §§83—39:  Das  urspr. 
fehlende  Passiv  wird  in  den  idg.  Sprachen  durch  verschiedene  Mittel  aosge 
drückt  (Med.,  verbale  Stamrabildung :  griech.  nv,  Ptz.  auf  -to-  und  -m>-,  refl.). 
§§  40—46:  Das  italokelt.  Passiv  ist  aus  dem  Reflexiv  hervorgegangen  (z.  B.  ir. 
berid  aus  *bheret  ae).  Nachtrag  über  'man*-Sätze  im  Griech.,  Lett.,  Cech.,  Finn. 
II.  Gelegentüche  Bemerkungen  zur  Lautgeschichte  und  Wortge- 
schichte. §  1.  Zu  Vemers  Gesetz.  §  2.  idg.  qh  und  q*^h  im  Slav.  §  4.  Die 
armen.  Lehnwörter  im  Türkischen.  (S.  187  für  die  asiat.  Urheimat).  §4. 
Zur  armen.  Laut-  und  Wortgeschichte.  §  5.  Der  baltisch-slav.  Akzent. 

8.  Vendryes  J.  M^langes  Italo-celtiques.  MSL.  13,  384—408. 

1.  Le  Suffixe  latin  -esiria.  —  2.  L'extension  du  suffixe  -ö(n)  en  gan- 
lois.  —  3.  gaulois  Bigodulum,  *Brivodulum.  —  4.  gaulois  NemöMos  "Ne- 
mours*.  —  5.  L*6volution  du  suffixe  -to-  en  celtique.  —  6.  v.-irl.  nach  'ni'. 
—  7.  Sur  quelques  formes  interrogatives  du  v.-irl.  —  8.  bret.  kougoh, 
gall.  gogof,  irl.  cüa.  —  9.  v.-irl.  derCy  drias,  draigen  (:  Tpdxvoc,  T^pxvoc). 

9.  Wirth  H.  Indogermanische  Sprachbeziehungen.  Progr.  Gymn.  Bruchsal. 
Karlsruhe  Druckerei  Fr.  Gutsch.  24  S.  4o. 

Beschlägt  die  idg.  Lautlehre,  auch  die  Etymologie. 

10.  Kretschmer  P.  Die  slavische  Vertretung  von  indogerm.  o.  Arch.  f.  slav. 
Phil.  27,228-40. 

Aus  der  Wiedergabe  slav.  Wörter,  besonders  Eigennamen,  in  früh- 
mittelalterlichen griech.  und  lat.  (dalmatinischen)  Quellen,  auch  aus  slar. 
Lehnwörtern  des  heutigen  Griechischen  wird  geschlossen,  daß  slav.  o  (aas 
idg.  0  oder  a)  die  Stufe  a  durchlaufen  hat. 

11.  Zupitza  E.  Lit.  naüjas.  KZ.  40,  250—5. 

n.  beweist  nichts  gegen  das  Gesetz  idg.  e^  zu  slav.  ju,  lit.  tau,  da 
es  aus  ^ne-^ja-  entstand,  wobei  e  unter  dem  Einflüsse  des  konsonant.  y 
zu  a  wurde ;  "erst  dann  entstand  der  Diphthong,  jetzt  natürlich  au,  nicht  tau'. 

12.  Wood  F.  A.  Indo-European  a^  :  a»i  :  a'u.  A  study  in  ablaut  and  in 
word-formation.  Straßburg  Trübner.  VII  u.  159  S.  4  M. 

13.  Hirt  H.  Der  indogermanische  Ablaut.  N.  Jb.  f.  d.  klass.  Altertum  15, 
465—75. 

Stellt  die  im  'idg.  Ablaut*  vertretenen  Anschauungen  für  einen  wei- 
teren Kreis  dar. 

14.  Sommer  F.  Griechische  Lautstudien.  Slraßburg  Trtibner  1905.  VII  u. 
172  S.  5M. 

Hier  besonders  wegen  Abschnitt  IV  S.  137  ff.  zu  erwähnen,  in  welchem 
die  idg.  Spirans  Jod  bekämpft  wird. 


I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertmnskimde.    91 

punkts  des  Satzvorgangs  . . .  Rechts,  links,  oben,  unten,  nah,  fern  u.  dgl. 
ohne  einen  Ausgangspunkt  zu  denken,  ist  jedoch  ein  kaum  vorauszu- 
setzendes Kunststück,  und  der  kleine  Fehler  "von  rechts*  statt  'rechts  von' 
nicht  gerade  schwer  zu  begreifen." 

26.  SchuLse  W.  KZ.  40,  120-121. 

Sammelt  Beispiele  zur  verbalen  Suppletion  {bibo  potum  u.  ä.). 

27.  Uhlenbeck  C.  C.  Zu  den  Personalendangen.  KZ.  40, 121—123. 

Gegen  Hirts  Gleichsetzung  des  -t,  -ai  in  den  Personalendungen  -mi, 
-«f,  -<»',  -n/»;  -«a»,  -to»,  -ntai  mit  -t,  -ai  des  Lok.  und  Dat.  (IF.  17,  70flf.). 
-t»,  -^f,  'tUi  sind  die  Tiefstufen  von  sai,  -taij  -tUai;  -«,  -4,  -nt  teils  aus 
'90,  'tOy  'fUOj  teils  konjunkte  Formen  von  -«,  -/t,  -tUi;  -«  der  2.  Fers,  hängt 
vielleicht  mit  demonstrat.  so  (neben  to)  zusammen.  Mit  Hirt  glaubt  U.  an 
den  durchaus  nominalen  Ursprung  des  idg.  Vb.  fin.,  aber  die  Verbalformen 
seien  wenigstens  zum  Teile  mit  Pronominalelementen  (Possessiv-Suffixen) 
versehene  Nomina. 

28.  CKurtchen  P.  Die  primären  Präsentia  mit  o-Vokalismus.  Diss.  Breslau. 
61  S. 

29.  Fay  E.  W.  A  semantic  study  on  the  indo-iranian  nasal  verbs.Part  IL  UI. 
Am.  J.  of  phil.  26,  172—208;  377—408. 

30.  Skntach  F.  Su  alcune  forme  del  verbo  latino.  [Deutsch.]  Atti  del  Congr. 
internaz.  di  sc.  stör.  2,  191 — 204. 

Gegen  die  Annahme  eines  Infinitivs'  in  ama-bantj  lege-bam  usw. 

31.  Wolif  Fr.  Die  Infinitive  des  Indischen  und  Iranischen.  1.  Teil.  Ein- 
leitung. Erster  Abschnitt:  Die  abl.-genet.  Inf.  Zweiter  Abschnitt:  Die 
akkusat.  Inf.  KZ.  40,  1—111.   [Auch  als  Gießener  Diss.  erschienen.] 

Die  Einleitung  (S.  1—5)  stellt  Kriterien  auf  för  die  Scheidung  des 
Inf.  vom  Vb.  fin.  und  vom  Subst. 
31  a.  Jensen  Th.  V.  En  Gerundiv-Gruppe  i  Sanskrit  og  de  latinske  Verber 

paa-#rtf.  Kort  Udsigt  over  det  philoL-hist.  Samfunds  Virksomhed.  Okt. 

1899— Okt.  1904.   Kopenhagen  1904.   S.  105. 

32.  vanWijk  N.  Zur  Konjugation  des  Verbum  substantivum.  IF.  18, 49—59. 

Für  ursprünglich  thematische  Flexion  des  verb.  subst.  (Wurzel  ese-, 
nicht  es-)  sprechen  das  ptc.  präs.  ^sent-,  ^sont-,  idg.  (und  urital.)  *8or  in 
umbr.  benmo,  couoriusOj  germ.  *sum  (worauf  an.  erom  usw.  beruhen)  lat. 
9umu8  aus  *89fnd8  (Nebenform  zu  *08m^),  dagegen  sind  lat.  sunt,  abg.  sqti, 
ital.  *8om  (lat.  sum,  osk.  süm)  Analogiebildungen.  S.  50  f.  Exkurs  von 
K.Brugmann  über  das  Verhältnis  von  'Suffix'  zu  'Wurzel*  oder  'Basis". 

33.  Abel  C.  Ober  Gegensinn  und  Gegenlaut  in  den  klassischen,  ger- 
manischen und  slavischen  Sprachen.  Heft  I — II.  Frankfurt  a.  M.  Diester- 
weg  1905/6.  m  u.  128  S.  2,80  M. 

34.  Tappelet  E.  Phonetik  und  Semantik  in  der  etymologischen  Forschung. 
Archiv  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  115,  101 — 123. 

Erklärt  sich  für  die  namentlich  von  Schuchardt  ausgesprochene, 
freilich  als  'ideal"  bezeichnete  Forderung:  die  etymologische  Forschung 
hat  ebensogut  mit  der  Gesetzmäßigkeit  des  Bedeutungswandels  zu  rechnen, 
wie  sie  es  bisher  mit  derjenigen  des  Lautwandels  getan  hat. 

35.  Wood  Fr.  A.  How  are  words  related?  IF.  18, 1—49. 

Verlangt  stärkere  Berücksichtigung  der  Bedeutung  ("the  idea  behind 
the  Word  is  after  all  the  real  word,  and  that  should  be  the  etymologist's 


92    I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertnmskimde. 

aim**).  Der  Fonn  nach  verwandte  Wörter  können  ganz  yerschiedene  Be- 
deutungen haben,  der  Bedeutung  nach  verwandte  Wörter,  denen  die  gleiche 
Idee  zugrunde  liegt,  können  von  ganz  verschiedenen  Basen  herkommen. 
Bei  Vergleichungen  soll  man  aber  mehr  auf  die  Form  als  auf  die  Bedeutung 
achten.  Synonyme  Basen,  die  nur  unter  Annahme  von  Verlast  oder  Zu- 
satz auf  einer  Seite  verglichen  werden  können,  sind  im  allgemeinen  nicht 
verwandt.  Äimlichkeit  in  der  Bedeutung  hat  oft  formale  Angleichung  zur 
Folge.  Zahlreiche  Beispiele  für  semasiologische  parallele  Benennung  der 
gleichen  Gegenstände ;  wenn  eine  Benennung  ihre  deskriptive  Kraft  verliert 
oder  abstirbt,  kommt  oft  eine  andere  auf,  die  von  der  gleichen  Idee  ausgebt. 
—  Schallwörter  werden  oft  mit  Unrecht  als  onomatopoetisch  bezeichnet 

36.  Mexinger  R.  Zu  dfiaSa  und  zur  Geschichte  des  Wagens.   Ein  Beitrag 
zur  Methode  der  Etymologie.  KZ.  40,  217—234. 

Verteidigt  auf  Grund  der  Sachforschung  seine  Deutung  von  d^oSa 
als  ^stf^-atsia  'Einachser'  gegen  Kretschmer  KZ.  39,  549  flf.  —  Forderung 
einer  vergleichenden  Sachwissenschaft.  Entwicklung  des  Wagens.  S.  230  ff. 
Verteidigung  der  in  den  Artikeln  "Wörter  und  Sachen"  (vgl.  Nr.  37)  be- 
folgten Methode  gegen  Uhlenbeck  PBB.  30,  252  ff.  (Wie  Urformen  sind 
Urbedeutungen  zu  rekonstruieren,  bei  den  Bedeutungsänderungen  sind  die 
sozialen  und  materiellen  Verhältnisse  der  betreffenden  Zeit  zu  befragen). 

37.  Meringer  R.  Wörter  u.  Sachen.  Ul.  IF.  18,  204—96. 

I.  Wörter  mit  dem  Sinne  von  'müssen*.  1.  "Viele  Wörter  haben 
den  Sinn  'müssen'  erst  durch  die  soziale,  gesellschaftliche  oder  nur 
momentane  Lage  des  Sprechenden  erhalten".  2.  got.  gabaür  'Gebühr,  ge- 
bühren'. 3.  gr.  q>öpoc,  lat.  refert.  4.  ahd.  gafOri,  gifuori,  5.  ags.  gafcl.  6.  lat. 
opiM  est.  7.  deutsch  müssen.  8.  aksl.  tribb  'necessarius*.  9.  got.  ganah,  bindk. 
10.\2ii.  oportet.  li.ldX.debeo.  12.  lit.  r^iX^a 'es  ist  nötig*.  13.  altmailänd.  ar«'^ 
'es  ist  nötig*.  14.  span.  es  menester  'es  ist  notwendig*.  15.  frz.  besain  —  goL 
bisunjane.  16.  ags.  behöfad  'es  ist  nötig*.  17.  frz.  il  faut.  18.  gr.  xpf\.  19.  got 
paürban.  20.  lit.  tureti  'sollen*.  21.  engl,  ought  'sollte,  mußte".  22.  ai.arA^t 
•muß*.  23.  lat.  negotium.  24.  ags.  b4n  'Geheißarbeit*?  25.  got.  *skulan  'sollen*. 
26.  got.  dulgs.  27.  gr.  bei.  28.  Übersicht.  29.  'Mußarbeif  und  'Mühsal, 
Schmerz*.  —  II.  Zur  Viehzucht.  Allgemeine  Bemerkung  über  das  Re- 
konstruieren (S.  233).  Behandlung  von  Wörtern,  die  aus  der  Viehzucht 
stammen:  genießen,  agere,  treiben,  halten,  Wonne,  Weide,  Rast,  Weile,  yipuu 
usw.,  an.  landnäm.  —  III.  Zum  Ackerbau.  2.  lat.  solum,  solere,  deutsch  Sal. 

3.  reuten,  roden.  4.  alban.  trXiouap,  pl*uar  Tflug*.  5.  6.  Zum  Pflug.  7.  Ge- 
meinsames Ackern.  8.  Einige  Wörter  für  'Scholle*.  9.  d.  arm  zu  arart. 
10.  ags.  earu  'schnell*.  11.  germ.  ^aruntio-  "Ackerung*  und  ^airuntio-  'Bot- 
schaft'. 12.  13.  aksl.  orqdije.  14.  Wz.  *ifal  'wühlen,  wenden*.  15.  *ver 
'ziehen'.  16.  17.  *selqfi  ^elq^  'ziehen,  ackern*.  18.  Der  ai.  Pflug.  19.  Der 
Pflug  im  Avesta.  —  avest.  hüiti^  Name  des  vierten  Standes.  —  IV.  Zu 
Zaun  und  Stadt.  1.  ahd.  etar.  2.  Der  Zaun  im  Rechte.  3.  d.  Hag,  Hecke; 
Hagestolz.  4.  d.  Forst.  5.  oppidum,  oppido.  6.  bergen,  Burg,  Berg.  — 
V.  Zum  Hause.    1.  Zum  Erdhause.   2.  Zum  Dache.  3.  Dach  für  Haus. 

4.  d.  Hof.  5.  paries.  6.  copöc.  7.  got.  ans,  8.  got.  gamains;  communis. 
10.  Zum  ags.  Runenkästchen.  11.  Zu  an.  vindauga.  11.  Zum  Worte  'Stube*. 
12.  Der  Herd.  —  VI.  Zum  Brauch  und  zum  Recht.  1.  Der  verehrte 
Pflock.  2.  d.  Weichbild.  3.  engl,  to  wed  'heiraten*.  4.  lat.  testis.  4.  [?]  Zu  den 
Ausdrücken  für  'Recht'.  5.  Zu  Ehe,  Eid,  Eidam. 


L  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertomskonde.    93 

38.  Osthoff  H.  Zwei  Artikel  zum  Ablaut  der  Sy-Basen.  BB.  29,  249—68. 

1.  Zur  Geschichte  des  Buchennamens.  Mit  dem  Buchennamen  (gr. 
q>5T<^c,  lat.  fägu8^  ahd.  buocha  usw.)  vereinigen  sich  unter  Annahme  einer 
Ablautsreihe  ä{if) :  vf^  {9fj)  :  ü  auch  isl.  btyki  n.  Buchenwald,  kurd.  büz  'eine 
Art  Ulme*,  mhd.  bilchen,  nhd.  hauchen  *mit  Lauge  (aus  Buchenasche)  waschen*, 
femer  auch  isl.  haukr  iBüchse',  nhd.  Bauch  eig.  'buchenes  Gefäß',  viell.  auch 
(mit  der  Vokalstufe  -ü-)  gemeinslav.  *hbzb  Holunder";  dagegen  ist  die  Sippe 
von  Bottich  fem  zu  halten.  —  2.  Schimpf,  cküjittui.  Diese  Zusammenstellung 
ist  aufrecht  zu  halten:  gr.  ui  geht  auf  dy  zurück;  zu  den  Stufen  8kvffp(b)  und 
skup{b)'  gehören  aisl.  skaup  N.  'Spott,  Hohn",  gleichbedeutendes  aisl.  akop 
N.,  ahd.seop^'ludibrium',  mhd.^cAMfttpf^'Buhlerin*;  mhd.  «c^mp^ 'Schimpf, 
mnhd.  schimpf  zeigen  von  einem  Präs.  wgerm.  *8kumpö  ausgehende  Ab- 
lautsentgleisung. Auch  der  Vogelname  CKib\)f  gehört  hierher;  vielleicht  auch 
Küiiif,  Kuß/|vaic,  KÖiißa  (ebenfalls  Vogelnamen),  dagegen  nicht  cxairdpba. 

39.  Boiaacq  E.  Le  lapin  et  ses  d^nominations  dans  les  langues  europ^ennes. 
Revue  de  Tüniv.  de  Bruxelles  10,  1904/05,  527—681. 

40.  Brugmann  K.  Varia.  IF.  18,  381  f. 

1.  umbr.  puriifele.  2.  aksl.  Jcamykb.  3.  gr.  bpörn,  bpolTTi. 

41.  Charpentier  J.  Etymologische  Beiträge.  BB.  30, 153—66. 

1.  got.  hugs  :  ai.  küfola-,  —  2.  Kpi^cqpÖTCTov  :  got.  hröt.  —  3.  lat 
9entis  :  ai.  aattna-.  —  4.  lat.  acrutari  :  aisl.  hriößa.  —  5.  lat.  crux  :  got. 
hrugga,  —  6.  ai.  nakra  und  Verwandtes.  —  7.  a(cu^v/|Tiic.  —  8.  nschw. 
rom  :  lett.  krepas  usw.  —  9.  ai.  k/ptfa-  :  lat,  carpfnua.  —  10.  lat.  amea: 
ir.  dm.  —  11.  lat.  nuacitio  :  got.  bi-niuh^an.  —  12.  arm.  meic  :  gall.  marga, 
—  13.  ai.  cnäptra-  :  ahd.  anabul. 

42.  Trantmann  R.  Etymologien.  BB.  29,  307—11. 

Bespricht  asächs.  angaata^  ahd.  dechiato^  an.  laupty  lit.  lopazfa,  räati, 
ags.  aorij  gr.  xdtrn,  got.  pariha. 

43.  Brial  M.  Etymologies  grecques.  MSL.  13,  377—83. 

44.  Stokes  Wh.  Irish  Etyma.  KZ.  40,  243—250. 

45.  Bartholomae  Chr.  Beiträge  zur  Etymologie  der  germanischen  Sprachen 
IL  m.  Zeitschr.  f.  deutsche  Wortforschung.  6,  231  f.  354—6. 

46.  Uhlenbeok  C.  C.  Bemerkungen  zum  gotischen  Wortschatz.  Beitr.  zur 
Geschichte  d.  d.  Spr.  u.  Lit.  30,  252—327. 

Methodologische  Bemerkungen;  Polemik  gegen  Wood  und  Meringer 
(S.  252.  307  f.  322.  325). 

47.  Lidön  E.  Altenglische  Miszellen.  IF.  18,  407—16. 

48.  Meillet  A.  £tudes  sur  T^tymologie  et  le  vocabulaire  du  vieux  slave. 
Seconde  partie.  Paris,  Bouillon.   12,50  Fr. 

49.  Brugmann  K.  Homer.  dTocröc  und  ftrpn-  I^-   13, 129—32. 

Zu  Wurzel  äff-  'fangen,  ergreifen*;  -ct-  durch  Anbildung  an  ein 
anderes  der  Wörter  für  Hand,  für  welche  die  Lautgruppe  -at-  teilweise 
zu  einem  Bildungselement  geworden  war.  Allgemeines  über  die  Bedeutung 
der  Wörter  für  Hand. 

50.  Bugge  S.  Fricco,  Frigg  and  Priapoa.  Forhandl.  Vidensk.-Selsk.  Chri- 
stiania.  1904.  Nr.  3.  5  S.  [Deutsch.] 

Priapoa  ist  Umbildung  eines  mysischen  Priäqoa^  das  zu  W.  prX  und 
dem  Verbalstamm  pHä  in  got.  frijön,  ksl.  prijati  gehört;  dazu  die  im  Titel 
genannten  german.  Götternamen. 


92    L  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertamskunde. 

aim*").  Der  Form  nach  verwandte  Wörter  können  ganz  yerschiedene  Be- 
deutungen haben,  der  Bedeutung  nach  verwandte  Wörter,  denen  die  gleiche 
Idee  zugrunde  liegt,  können  von  ganz  verschiedenen  Basen  herkommen. 
Bei  Vergleichungen  soll  man  aber  mehr  auf  die  Form  als  auf  die  Bedeutmig 
achten.  Synonyme  Basen,  die  nur  unter  Annahme  von  Verlust  oder  Zu- 
satz auf  einer  Seite  verglichen  werden  können,  sind  im  allgemeinen  nicht 
verwandt.  Ähnlichkeit  in  der  Bedeutung  hat  oft  formale  Angleichung  zur 
Folge.  Zahlreiche  Beispiele  för  semasiologische  parallele  Benennung  der 
gleichen  Gegenstände ;  wenn  eine  Benennung  ihre  deskriptive  Kraft  veriiert 
oder  abstirbt,  kommt  oft  eine  andere  auf,  die  von  der  gleichen  Idee  ausgeht 
—  Schallwörter  werden  oft  mit  Unrecht  als  onomatopoetisch  bezeichnet 

36.  Meringer  R.  Zu  dfiaSa  und  zur  Geschichte  des  Wagens.  Ein  Beitrag 
zur  Methode  der  Etymologie.  KZ.  40,  217—234. 

Verteidigt  auf  Grund  der  Sachforschung  seine  Deutung  von  d^oEa 
als  *8iH'at8ia  'Einachser'  gegen  Kretschmer  KZ.  39,  549  ff.  —  Forderung 
einer  vergleichenden  Sachwissenschaft.  Entwicklung  des  Wagens.  S.  230  fr. 
Verteidigung  der  in  den  Artikeln  "Wörter  und  Sachen"  (vgl.  Kr.  37)  be- 
folgten Methode  gegen  Uhlenbeck  PBB.  30,  252  fr.  (Wie  Urformen  sind 
Urbedeutungen  zu  rekonstruieren,  bei  den  Bedeutungsänderungen  sind  die 
sozialen  und  materiellen  Verhältnisse  der  betreffenden  Zeit  zu  befragen). 

37.  Meringer  R.  Wörter  u.  Sachen.  111.  IF.  18,  204—96. 

I.  Wörter  mit  dem  Sinne  von  'müssen*.  1.  "Viele  Wörter  haben 
den  Sinn  'müssen*  erst  durch  die  soziale,  gesellschaftliche  oder  nar 
momentane  Lage  des  Sprechenden  erhalten".  2.  got.  gabatir  'Gebühr,  ge- 
bühren'. 3.  gr.  <pöpoc,  lat.  refert,  4.  ahd.  gafOri,  gifuori.  5.  ags.  gafcl.  6.  lat. 
opus  est.  7.  deutsch  müssen.  8.  aksl.  tribb  'necessarius*.  9.  got.  ganah,  binah. 
10.  lat.  oportet.  11.  lat.  debeo.  12.  lit.  reiTcja  'es  ist  nötig'.  13.  altmailänd.  arf^ 
'es  ist  nötig'.  14.  span.  es  menester  'es  ist  notwendig*.  15.  frz.  besain  —  got 
bisunjane.  16.  ags.  behöfad  'es  ist  nötig*.  17.  frz.  il  faut.  18.  gr.  xpA-  19.  got 
ßaiirban.  20.  lit.  ture'ti  'sollen*.  21.  engl,  ought  'sollte,  mußte*.  22.  ai.  arhati 
'muß*.  23.  lat.  negotium.  24.  ags.  Wn  'Geheißarbeit*?  25.  got.  *skulan  'sollen*. 
26.  got.  dulgs.  27.  gr.  bei.  28.  Übersicht.  29.  'Mußarbeif  und  'Mühsal, 
Schmerz*.  —  II.  Zur  Viehzucht.  Allgemeine  Bemerkung  über  das  Re- 
konstruieren (S.  233).  Behandlung  von  Wörtern,  die  aus  der  Viehzucht 
stammen:  genießen^  agere,  treiben,  halten,  Wonne,  Weide,  Basi,  Weile,  v^jiui 
usw.,  an.  landnäm.  —  III.  Zum  Acke rbau.  2.  lat.  solum,  solere,  deutsch  Sal. 

3.  reuten,  roden.  4.  alban.  irXiouap,  pVuar  Tflug'.  5.  6.  Zum  Pflug.  7.  Ge- 
meinsames Ackern.  8.  Einige  Wörter  für  'Scholle*.  9.  d.  arm  zu  arare. 
10.  ags.  earu  'schneU'.  11.  germ.  ^aruntjo-  'Ackerung*  und  *airutUio-  "Bot- 
schaft'. 12.  13.  aksl.  orqdije.  14.  Wz.  ♦|ra/  'wühlen,  wenden*.  15.  *^er 
'ziehen'.  16.  17.  *selq^  ^elq^  'ziehen,  ackern*.  18.  Der  ai.  Pflug.  19.  Der 
Pflug  im  Avesta.  — -  avest.  hüitiS  Name  des  vierten  Standes.  —  IV  Zu 
Zaun  und  Stadt.  1.  ahd.  etar.  2.  Der  Zaun  im  Bechte.  3.  d.  Hag,  Hecke; 
Hagestolz.  4.  d.  Forst.  5.  oppidum,  oppido.  6.  bergen,  Burg,  Berg.  — 
V.  Zum  Hause.    1.  Zum  Erdhause.   2.  Zum  Dache.  3.  Dach  für  Haus. 

4.  d.  Hof.  5.  paries.  6.  copöc.  7.  got.  ans,  8.  got.  gamains",  communis. 
10.  Zum  ags.  Runenkästchen.  11.  Zu  an.  vindauga.  11.  Zum  Worte  'Stube'. 
12.  Der  Herd.  — -  VI.  Zum  Brauch  und  zum  Recht.  1.  Der  verehrte 
Pflock.  2.  ^..Weichbild.  3.  engl,  to  wed  'heiraten*.  4.  lat.  testis.  4.  [!]  Zu  den 
Ausdrücken  für  'Recht'.  5.  Zu  Ehe,  Eid,  Eidam. 


L  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  nnd  Altertomskimde.    93 

38.  Osthoff  H.  Zwei  Artikel  zum  Ablaut  der  ay-Basen.  BB.  29,  249—68. 

1.  Zur  Geschichte  des  Buchennamens.  Mit  dem  Bachennamen  (gr. 
<pä^6c,  lat.  fäguSy  ahd.  buocha  usw.)  vereinigen  sich  unter  Annahme  einer 
Ablautsreihe  ä{ii) :  ofi  (9|^) :  ü  auch  isl.  betfki  n.  Buchenwald,  kurd.  büz  *eine 
Art  Ulme*,  mhd.  buchen^  nhd.  bauchen  'mit  Lauge  (aus  Buchenasche)  waschen*, 
femer  auch  isl.  baukr  'Büchse*,  nhd.  Bauch  eig.  'buchenes  Gefäß*,  viell.  auch 
(mit  der  Vokalstufe  -ü-)  gemeinslav.  *bbz»  Holunder*;  dagegen  ist  die  Sippe 
von  Bottich  fem  zu  halten.  —  2.  Schimpf,  cküjittui.  Diese  Zusammenstellung 
ist  aufrecht  zu  halten:  gr.  u)  geht  auf  ö|^  zurück;  zu  den  Stufen  skv^p^b)  und 
skup(by'  gehören  aisl.  skaup  N.  'Spott,  Hohn*,  gleichbedeutendes  aisl.  skop 
N.,  ahd.  «copf*  ludibrium*,  mhd.^cAwmpfis'Buhlerin*;  mhd.  «c^mpf*  Schimpf, 
mnhd.  schimpf  zeigen  von  einem  Präs.  wgerm.  ^skumpö  ausgehende  Ab- 
lautsentgleisung. Auch  der  Yogelname  CKib\)f  gehört  hierher;  vielleicht  auch 
Kd)\)f,  Kuß/|vaic,  KÖfLißa  (ebenfalls  Vogelnamen),  dagegen  nicht  cxair^pba. 

39.  Boisacq  E.  Le  lapin  et  ses  d^nominations  dans  les  langues  europ^ennes. 
Revue  de  TUniv.  de  Bruxelles  10,  1904/05,  527— 581. 

40.  Brugmann  K.  Varia.  IF.  18,  381  f. 

1.  umbr.  purtifde.  2.  aksl.  kamykb.  3.  gr.  bpOrn,  bpo(Tr^. 

41.  Charpentier  J.  Etymologische  Beiträge.  BB.  30,  153—66. 

1.  got.  hugs  :  ai.  kügala-.  —  2.  Kpiic<pÖT€Tov  :  got.  hrdt.  —  3.  lat. 
9entis  :  ai.  aattna-.  —  4.  lat.  scrutari  :  aisl.  hriößa,  —  5.  lat.  crux  :  got. 
hrugga.  —  6.  ai.  nakra  und  Verwandtes.  —  7.  alcu^v/|Tnc.  —  8.  nschw. 
rom  :  lett.  krepas  usw.  —  9.  ai.  kfptfa"  :  lat.  carpfnus.  —  10.  lat.  amea: 
ir.  dm.  —  11.  lat.  nuscitio  :  got.  bi-^itihsfan.  —  12.  arm.  meic  :  gall.  marga, 
—  13.  ai.  gnäptra-  :  ahd.  snabul. 

42.  Traatmann  R.  Etymologien.  BB.  29,  307—11. 

Bespricht  asächs.  angseta,  ahd.  dechisio^  an.  laupr^  Ut.  lopazfSj  rästi, 
ags.  wrl,  gr.  xdini,  got.  pariha, 

43.  Brial  M.  Etymologies  grecques.  MSL.  13,  377—83. 

44.  Stokes  Wh.  Irish  Etyma.  KZ.  40,  243—250. 

45.  Bartholomae  Chr.  Beiträge  zur  Etymologie  der  germanischen  Sprachen 
IL  III.  Zeitschr.  f.  deutsche  Wortforschung.  6,  231  f.  354—6. 

46.  Uhlenbeok  G.  C.  Bemerkungen  zum  gotischen  Wortschatz.  Beitr.  zur 
Geschichte  d.  d.  Spr.  u.  Lit.  30,  252—327. 

Methodologische  Bemerkungen;  Polemik  gegen  Wood  und  Meringer 
(S.  252.  307  f.  322.  325). 

47.  Lidön  E.  Altenglische  Miszellen.  IF.  18,  407—16. 

48.  Meillet  A.  £tudes  sur  T^tymologie  et  le  vocabulaire  du  vieux  slave. 
Seconde  partie.  Paris,  Bouillon.   12,50  Fr. 

49.  Brugmann  K.  Homer.  dTocröc  und  ätph-  IF-   18, 129—32. 

Zu  Wurzel  a§'  'fangen,  ergreifen*;  -ct-  durch  Anbildung  an  ein 
anderes  der  Wörter  für  Hand,  für  welche  die  Lautgroppe  -«<-  teilweise 
zu  einem  Bildungselement  geworden  war.  AUgemeines  über  die  Bedeutung 
der  Wörter  für  Hand. 

50.  Bugge  S.  Fricco^  Frigg  and  Priapos,  Forhandl.  Vidensk.-Selsk.  Chri- 
stiania.  1904.  Nr.  3.  5  S.  [Deutsch.] 

Priäpos  ist  Umbildung  eines  mysischen  Priäqos,  das  zu  W.  prt  und 
dem  Verbalstamm  pHä  in  got.  frijon^  ksl.  prijati  gehört;  dazu  die  im  Titel 
genannten  german.  Götternamen. 


94    L  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertmnskimde. 

61.  Hübschmaan  H.  Griech.  icrck.  Or.  Stadien  Nöldeke.  1077—80.  1906. 
Zu  iran.  ian-  *Kamm'. 

52.  Meillet  A.   Alt.  jn\\6c  dor.  iräXöc  MSL.  13,  291—292. 

Zu  aksl.  hah  *irnX6c',  lat.  squäiua^  squälidua,  griech.  cirorrUn,  o(- 
cirdTT),  otcmi. 

53.  Prellwits  W.  Lat.  cimex,  Kijuiujv,  iicrtvoc,  ticnc,  ticrcpoc  [zu  ai.  ^ySmdi 
'schwarzgrau*],  xippöc,  x^pCiXoc,  K€ipic  [zu  W.  tei,  h  usw.  ^schimmern*]. 
BB.  30,  176. 

54.  Regnand  P.   Gumöc  et  sa  famille.  Rev.  de  ling.  88,  146—148. 

eujüiöc  est  pour  6uv-Foc  . . .  6du)  pour  Ocv-fui  courir. 

55.  —  Note  sur  Tövolution  s^mantique  des  mots  grecs  et  latins  dont  le 
sens  est  celui  de  besoin.  Rev.  de  ling.  88,  217. 

necesse  aus  nencesse  zu  dvdTKii  usw. 

56.  Tetzner  F.  Geschichte  eines  Wortes.  Nord  und  Süd.  113,  257—263. 

Betrifft  das  idg.  Wort  für  10  und  seine  Entwicklung;  sowie  die  Ent- 
lehnung des  lat.  decem  in  moderne  Sprachen,  besonders  ins  Deutsche, 
und  seine  Entwicklung  zu  Eigennamen. 

57.  Commentationes  philologae,  in  honorem  Johannis  Paulsson 
scripserunt  cultores  et  amici.  Göteborg.  [Vgl  Bibl.  1904,  Nr.  402.] 

Rez.  von  F.  O.,  Finsk  Tidskrift  59,  IdS. 

Kleinere  und  zweifelhafte  idg.  Sprachen. 

58.  Sobolevsl4j  A.  Einige  Hypothesen  über  die  Sprache  der  Skythen  und 
Sarmaten.  Arch.  f.  slav.  Phil.  27,  240—244. 

Die  skythische  Sprache  setzte  im  Wortanlaute  und  intervokalisch 
an  Stelle  der  ältesten  und  sarmatischen  tönenden  Konsonanten  die  ton- 
losen; die  skythische  und  sarmatische  Sprache  hatten  ein  dumpfes  ä,  das 
im  Slav.  durch  »,  im  Griech.  durch  o^  o,  u  wiedergegeben  wurde  oder 
ausfiel.  Auf  Grund  dieser  Annahmen  werden  eine  Reihe  von  skyth.  und 
sarmat.  Fiußnamen  aus  dem  Iran,  oder  Ai.  gedeutet,  z.  B.  Tdvaic  (Demi) 
aus  osset.  -don  (Fluß),  awest.  dänu-  (id.). 

59.  Borckhardt-Biedermann  Th.  Der  thrakische  Gott  Heros.  Zur  Inschrift 
von  Seegräben  im  Kanton  Zürich.  Anz.  f.  schw.  Altert.  NF.  6, 114—116. 

60.  —  Die  Thracier  [!]  Mucapora  zu  Basel,  Mainz  und  sonst  Ebd.  116  f. 

61.  Sayce  A.  H.  Lydian  and  Karian  inscriptions  in  Egypt  Proc.  See 
Bibl.  Arch.  27,  123—128.  2  T. 

62.  MüUer  W.  M.   Mausolus.  Or.  Lz.  8,  511  f. 

63.  Sayce  A.  H.   The  Hittite  inscriptions.  Biblical  world.  26,  31—40. 

64.  —  The  Hittite  inscriptions  translated  and  annotated.  Proc.  Soc.  BibL 
Arch.  27,  191—254.  1  T. 

65.  —  The  discovery  of  archaic  Hittite  incriptions  in  Asia  Minor.  Ebd. 
27,  21—31,  43—47.  4  T. 

66.  Bates  W.  N.  The  etruscan  inscriptions  in  the  Museum.  Transactions 
of  the  Department  of  Archaeology,  Free  Museum  of  Science  and  art, 
University  of  Pennsylvania,  vol.  1,  156—158.  4  Tfln. 

67.  Carra  de  Vanx  D^chiffrement  des  inscriptions  ^trusques.  CR.  de  TActd. 
des  inscr.  1905,  52—54. 


I.  Allgemeine  indogenn.  Sprachwissenschaft  und  Altertumskimde.    95 

Bericht  von  Dieulafoy  über  eine  von  C.  d.  V.  der  Acad.  vorgelegte 
Studie  zur  Entzifferung  der  etr.  Inschriften  mit  Hilfe  des  Türkischen, 
Thraker,  Phryger,  Karer,  Kreter  seien  zur  tartarischen  Sprachfamilie  zu 
rechnen;  mit  ihnen  seien  die  nach  Italien  gewanderten  Tyrrhener  zu- 
sammenzubringen. 

68.  Carra  de  Vanx  Les  six  premiers  nombres  ^trusques.  CR.  des  s^ances 
de  TAcad.  des  inscr.  et  belles-lettres  190d,  388. 

Kurze  Notiz  über  einen  Vortrag  des  Verf.,  in  welchem  er  die  etr. 
Worte  für  die  Zahlen  1—6  aus  den  altaischen  Sprachen  erklären  will. 

69.  Cortsen  S.  P.  Nye  etruskiske  Indskrifter.  Nord.  Tidsskr.  f.  Filol.  13. 
109—115. 

70.  —  Talordene  i  Etruskisk.  Nord.  Tidsskr.  f.  Filol.  14,  1—34. 

Verf.  stellt  die  folgende  Ordnung  der  etruskischen  Zahlwörter  auf: 
tnax  (1),  zal  (2),  ci  (3),  äa  (4),  ^u  (5),  hu&  (6),  *meu  (7),  cerp  (8),  semtp 
(9),  nurd^  (10).  (Andersen.) 

71.  Torp  A.  Etruscan  notes.  Videnskabs-Selskabets  Skrifter.  II.  Hist.- 
filos.  Kl.  1905.  Nr.  1.  Kristiania  (Dybwad).  1905.  1  BL,  68  S.  8o.  1,70  Kr. 

72.  Torp  A.  Bemerkungen  zu  der  etruskischen  Inschrift  von  S.  Maria  di 
Capua.  Videnskabs-Selskabets  Skrifter.  IL  Hist.-filos.  Kl.  1905.  Nr.  5. 
Kristiania  (Dybwad)  1905.  20  S.  8o.  0,60  Kr. 

73.  Fick  A.  Vorgriechische  Ortsnamen  als  Quelle  für  die  Vorgeschichte 
Griechenlands.   Göttingen,  Vandenhoek  u.  Ruprecht.  VIII,  173.  5  M. 

Zürich.  E.  Schwyzer. 

D.  Indogermanische  Altertamaknnde  und  Kaltnrgeschichte. 

1.  Ausgrabungen  und  Funde, 
a)  Aus  allen  oder  mehreren  Perioden. 

1.  Christison,  Anderson,  Boss.  Report  on  the  society's  excavations  of 
forts  on  the  Foltalloch  Estate,  Argyll,  in  1904 — 05.  Proc.  of  the  soc. 
of  antiqu.  of  Scotland  39,  259—322. 

2.  Conwentz  H.  Das  Westpreussische  Provinzial- Museum  1880—1905. 
(Mit  80  Tafehi.)  Danzig  1905.  54  S.  4o. 

Zusammenfassender  Bericht  über  Entstehung,  Verwaltung  und  Tätig- 
keit des  Museums. 

3.  Engerrand  G.  Six  IcQons  de  pr^histoire.  Bruxelles  imp.  Veuve 
F.  Larcier  1905.  263  S. 

Diese  sechs  Vorträge  bieten  vor  allen  die  Ergebnisse  der  aus  bel- 
gischen Funden  gewonnenen  Resultate. 

4.  Naue  A.  W.  Die  Denkmäler  der  vorrömischen  Metallzeit  im  Elsaß. 
Straßburg  R.  Schultz  u.  Co.  1905.  529  S.  32  Tafeln.  4o. 

In  einem  ersten  Bande  gibt  der  Verfasser  ein  beschreibendes  In- 
ventar aller  vorrömischen  Metallzeitreste  des  Elsaß,  wobei  er  versucht, 
eine  wissenschaftliche  Terminologie  der  Fundtypen  einzuführen.  Der  zweite 
Band  wird  die  Resultate  bringen.  Die  Tafeln  sind  vom  Vater  des  Ver- 
fassers, Herrn  Dr.  J.  Naue  in  München. 

5.  Petersen  Th.  Fortsatte  udgravninger  i  Namdalen  III.  Aarsberetning 
(Kristiania)  1905,  353—378. 


96    L  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertnmifamde. 

6.  Pi^  J.  L.  Archäologische  Forschungen  im  Jahre  1904.  [BdhmiscL] 
Pamätky  archaeol.  21,  329—350. 

7.  Schumacher  K.  Vorgeschichtliche  Fände  nnd  Forschungen,  hauptsäch- 
lich in  Westdeutschland.  Bonner  Jahrbücher  113,  196—206. 

8.  Weinzierl  ▼.  Hervorragende  Neuerwerbungen  des  nrgeschichtlichen 
Zentralmuseums  für  Nordböhmen  zu  Teplitz.  Tätigkeitsbericht  d.  Ma- 
seums-Gesellschaft  z.  Teplitz  f.  1903—4,  26—29. 

b)  Älteste  Vorzeit 

9.  Beule  M.  L'origine  des  ^olithes.  L'Anthropologie  16,  25ö — 267. 

Verfasser  weist  darauf  hin,  daß  durch  natürliche  Vorgange,  wie 
z.  B.  in  den  Kreidemühlen,  Formen  entstehen,  die  den  Eolithen  durchaus 
gleichen. 

10.  Grant  Mac  Curdy  6.  The  eolithic  problem.  Americ  Anthropol 
7,  425—479. 

Verfasser  zollt  den  belgischen  und  englischen  Eolithen-Forschern 
volle  Anerkennung.  Der  Aufsatz  hat  durch  die  umfangreiche  Literatur- 
kenntnis  des  Verfassers  einen  erhöhten  Wert. 

11.  Hahne  H.  Ober  die  Beziehungen  der  Kreidemühlen  zur  Eolithenfrage. 
Zeitschrifl  für  Ethnologie  (Berlin)  37,  1024—1035. 

Wendet  sich  gegen  die  scharfe  Ablehnung  Boules  und  Obermaiers 
in  der  Eolithenfrage. 

12.  Klaatsch  H.  Die  tertiären  Silexartefakte  aus  den  subvulkanischen 
Sauden  des  Cantal.  (2  Tafeln.)  Archiv  für  Anthropologie  N.  F.  3, 153—160. 

Verfasser  tritt  auf  Grund  seiner  Funde  von  Poy-Gourny  und  Poy- 
Bondien  energisch  für  die  Existenz  des  Tertiärmenschen  ein. 

13.  Piette  Ed.  Les  fecritures  de  Tage  glyptique.  L' Anthropologie  16, 1905, 
1-11. 

Verfasser  vertritt  die  Ansicht,  daß  in  der  Renntierzeit  zwei  Schrift- 
arten im  Gebrauche  seien ;  eine  pictographische  in  der  ^poque  papalienne, 
eine  kursive  in  der  6poque  gourdanienne.  [!] 

14.  Schweinfurth  G.  Pseudoeolithen  im  nordischen  Geschiebmergel.  Zeit- 
schrift für  Ethnologie  (Berlin)  37,  912—915. 

15.  Verwom  M.  Die  archäolithische  Kultur  in  den  Hipparionschichten 
von  Aurillac  (Cantal).  Abhandl.  d.  kgl.  Gesellschaft  d.  Wissenschaft  z. 
Güttingen,  mathem.-physik.  Gl.   N.  F.  IV.  1905.   Nr.  4. 

Verfasser  gibt  eine  Behandlung  der  Eolithenfrage  auf  Grund  eigener 
Untersuchungen  und  kommt  schließlich  zu  folgendem  Resultate:  Es  ist 
nicht  statthaft,  die  Charakterisierung  einer  Kulturstufe  mit  ihrer  geolo- 
gischen Zeitstellung  zu  vermengen,  wie  dies  seit  Mortillet  vielfach  ge- 
schehen ist.  Unter  Eolithen  sind  jene  Kulturreste  zu  verstehen,  die  noch 
keine  künstliche  Bearbeitung  des  Feuersteins  erkennen  lassen.  Es  ergibt 
sich  sodann  folgendes  Schema: 

Eolithische  Kultur.  Verwendung  des  Steins  und  Gerät,  wie  ihn  die 
Natur  bietet. 

Archäolithische  Kultur.   Der  Stein  wird  künstlich  gespalten. 

Paläolithische  Kultur.   Verarbeitung  in  konventionelle  Formen, 

Neolithische  Kultur. 


I.  Allgemeine  indogenn.  Sprachwissenschaft  imd  Altertomsknnde.      97 

c)  Palftolithikum. 

16.  CartalUiae  et  Brenil.  Les  peintares  et  gravnres  murales  de  cavemes 
Pyr^n^nnes.  II.  Marsoulas  (prös  Salies-du-Salat,  Haute-Craronne).  L' An- 
thropologie 16,  iSl—Ui, 

Es  lassen  sich  drei  Schichten  der  Bfalerei  unterscheiden: 

1.  Schwarze  Tierfignren. 

2.  Polychrome  Tierfignren. 

3.  R&tselhafte  rote  Figuren,  Kreuze  und  zackige  Bänder. 

17.  Coli  A.  L.  Fra  helleristningemes  omraade  (tredie  stykke).  IV.  Om 
ristningemes  skibsfigurer.  Aarsberetning  (Kristiania)  1906,  1 — 34. 

18.  Brenil  H.  Pr^tendus  manches  de  poignard  sculpt^  de  T&ge  du  renne. 
L* Anthropologie  16,  629—632. 

19.  —  NouTelles  figurations  du  Ifammouth  grav^es  sur  os.  A  propos 
d'objets  d'art  d^couverts  k  St  Mihiel  (Meuse).  Revue  de  T^cole  d*an- 
thropologie  de  Paris  16,  160—166. 

20.  Favreau  P.  Neue  Funde  aus  dem  Diluvium  in  der  Umgegend  von 
Neuhaldensleben,  insbesondere  der  Kiesgrube  am  Schloßpark  von  Hundis- 
burg.  Zeitschrift  fOr  Ethnologie  (Berlin)  37,  276—296. 

21.  Fritach  G.  Eine  verzierte  Hirschgeweihstange.  Zeitschrift  für  Ethno- 
logie (Berlin)  37,  969—970. 

22.  CtoxjajMnri^Kramberger  K.  Der  paläolithische  Mensch  und  seine  Zeit- 
genossen aus  dem  Diluvium  von  Krapina  in  Kroatien.  Mitteilungen  d. 
anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien  36,  197—229. 

Verfasser  vertritt  auf  Grund  vergleichender  Untersuchung  der  ältesten 
Schädelformationen  die  Ansicht,  dafi  in  der  Entwicklung  des  Menschen 
vom  unteren  Diluvium  an  bis  zum  heutigen  Tage  keine  Unterbrechung 
stattgefunden  hat. 

23.  Patron!  G.  Tipologia  e  terminologia  dei  pugnali  di  selce  italiani. 
Bullettino  di  paletnologia  Italiana  31,  86—96. 

24.  Nüeseh  J.  Das  Keßlerloch  bei  Thayngen,  Kt.  Scha£Qiausen.  Neue 
Grabungen  und  Funde,  zweite  Mitteilung.  Anzeiger  f.  schweizerische 
Altertumskunde  N.  F.  6,  186—208. 

Funde  der  ältesten  Steinzeit.  Die  meisten  Artefakte  aus  den  Knochen 
und  dem  Geweih  des  Renntiers,  sowie  aus  den  Röhrenknochen  des  Alpen- 
hasen. Rundbildungen,  mit  figuraler  und  omamentaler  Zeichnung  ver- 
sehene Schnitzereien.  Das  Keßlerloch  ist  älter  als  das  Schweizerbild;  der 
Mensch  koexistiert  mit  dem  Mammut,  dem  Rhinozeros  und  dem  Höhlen- 
bären. Am  Ende  der  paläolithischen  und  in  der  frtlh-neolithischen  Zeit 
in  Europa  eine  kleine  Menschenrasse  von  Pygmäen. 
26.  Obermaier  H.  Les  restes  humains  quatemaires  dans  TEurope  cen- 
trale. L' Anthropologie  16,  886—410. 
26.  —  La  Station  pal^olithique  de  Krapina.   L' Anthropologie  16, 13—27. 

Auf  Grund  der  Höhlenfunde  von  Krapina  stellt  Verfasser  eine  Ein- 
teilung der  paläolithischen  Periode  auf,  deren  Giltigkeit  er  auch  auf 
Frankreich  ausdehnt: 

L     I.Hälfte  der  2.  Interglazialzeit :  Industrie  chell^enne. 

n.   2.  Hälfte  der  2.  Interglazialzeit:  Industrie  acheul^enne  oder  vom 
type  de  LevaUois. 

Änxeiger  XXU,  ErgänEnngatetU  ^ 


98     I.  Allgemeine  indogenn.  SprachwiBseiiBchaft  and  Alteitiimskonde. 

in.  3.  Eiszeit :  Monst^rien  k  fanne  froide. 

IV.  1.  Hälfte  der  3.  Zwischeneiszeit:  Pal6olithiqae  inf Prieme  (Moa- 

stallen  a  fanne  chande). 

V.  4.  Eiszeit  und  Ende  der  3.  Zwischeneiszeit:  Solntr^o-Magdai^en 

ou  Pal^olithique  snp^rieur. 

27.  VM  A.  Grotte  pr^historique  de  Lacave  (Lot).  (6poqne  de  Saliitr6.) 
L'Anthropologie  16,  411—229. 

28.  Wiegen  F.  Die  paläolithischen  Fände  ans  dem  Interglacial  toq 
Hnndisburg.   Zeitschrift  f.  Ethnologie  (Berlin)  37,  915—920. 

d)  Neolithikum. 

29.  Aberoromby  J.  The  omament  of  the  Beaker-Glass  of  pottery.  Proc. 
of  the  SOG.  of  antiq.  of  Scotland  39,  326—344. 

30.  Anderson  J.  Description  of  sepulchral  ums  exhibited  by  CoL  Mal- 
colm, C.  ß.,  of  Poltalloch.  Proc.  of  the  soc  of  antiq.  of  Scotland  89, 
232—244. 

31.  B&rthold.  Die  Nordgrenze  des  fazettierten  Hammers  und  ihre  Be- 
deutung. Jahresschrift  f.  d.  Vorgeschichte  d.  sächsisch -thüringischen 
Länder  4,  101—107. 

32.  Bryce,  Low.  Notes  on  a  human  skeleton  found  in  a  eist  with  a 
beaker  um,  at  Acharole,  West  Watten,  Caithness,  and  on  the  cranial 
form  associated  with  that  type  of  ceramic.  With  an  appendix  on  six 
skullis  found  with  beakers  in  the  North-East  Gounties.  Proc.  of  the  soc. 
of  antiq.  of  Scotland  39,  418—438. 

33.  Busse  H.  Das  Brandgräberfeld  bei  Wilhelmsan,  Kreis  Nieder-Bamim. 
Zeitschrift  f.  Ethnologie  (Berlin)  37,  Ö69— 590. 

Ein  von  dem  der  LaT^ne-  und  der  Hallstattperiode  wesenthch  ver- 
schiedenes Topfgerät. 

34.  Capitan  L.  £tude  d^une  s^rie  de  pi^ces  recueillies  par  M.  Am^lineaa 
dans  les  tombeaux  tr^s  archatques  d*Abydos.  Revue  de  T^ole  d*an- 
thropologie  de  Paris  16,  209—212. 

35.  Capitan  et  d'Agnel.  Rapports  de  Tägypte  et  de  la  Gaule  k  T^poque 
n^olithique.  Revue  de  T^cole  d'anthropologie  de  Paris  15,  302—316. 

Wie  Capitan  (Revue  1907)  selbst  berichtet,  eine  Mystifikation. 
86.  Claerhout  J.   L'habitation  des  N^olithiques.  Annales  de  la  sociale 
d*arch6ologie  de  Bruxelles  19,  79—91. 

37.  Coles  F.  Record  of  the  excavation  of  two  stone  circles  in  Kincar- 
Dineshire  —  in  Garrol  wood,  Durris;  in  Glassei  wood,  Banchory-Teman; 
and  report  on  stone  circles  in  Aberdeenshire  etc.  Proceedings  of  the 
Society  of  antiquaries  of  Scotland  39,  190—218. 

38.  Colini  G.  A.  Armi  di  selce  trovate  nei  diutomi  di  Roma  e  tomba 
eneolitica  di  Celle  Sannita  (Benevento).  BuUettino  di  paletnologia  Ita- 
liana  31,  1—13. 

39.  Delicis  P.  La  ligne  ondul^e  le  signe  de  Feau.  L'Honune  pröhistoriqne 
3, 1—13. 

Der  Mensch  erfindet  nichts,  fQhrt  Verfasser  aus.  Alle  seine  Ge- 
danken und  Handlungen  sind  Wiederholungen  einer  ursprünglichen  Nach- 
ahmung. LinienziJLi^e)  die  Nnr  heute  als  Ornamente  deuten,  waren  Zeicheüt 


I.  AUgemeine  indogeim.  SprachwiasenBchaft  und  Altertomskonde.    99 

die  mit  einfachen  Bildern  die  Mysterien  der  Erde  nnd  des  Himmels  be- 
schrieben. 

40.  Domas  U.  La  grotte  Nicolas,  commune  de  Sainte-Anastasie  (Gard). 
Revue  de  Töcole  d'anthropologie  de  Paris  15,  118 — 124. 

Bericht  über  eine  ganz  vereinzelt  dastehende  Bestattungsart.  Nach- 
dem der  Tote  mehr  oder  minder  lang  irgendwo  gelegen  hatte,  brachte 
man  die  Knochen  in  die  Grotte,  wo  sie  mit  Gefäßen  und  anderen  Arte- 
fakten zusammen  bestattet  wurden. 

41.  Ctorges  0.  u.  Seehnami  H.  Die  Riesenstube  am  ßruchberge  bei  Drosa. 
Jahresschrift  für  die  Vorgeschichte  der  sächsisch-thüringischen  Länder 
4,33-43. 

42.  Hoemes  M.  Die  neolithische  Keramik  in  Oesterreich.  Eine  kunst-  und 
kulturgeschichtliche  Untersuchung.  Jahrbuch  der  k.  k.  Zentral-Kommis- 
sion  N.F.  3,1— 128. 

Verfasser  führt  aus,  daß  nicht  die  Technik  der  Gefäßomamente  — 
Monochromie  oder  Polychromie,  leere  oder  weißgefüllte  eingeschnittene 
Verzierung  —  uns  zu  einer  Einteilung  der  neolithischen  Keramik  verhelfen, 
sondern  nur  die  Zusammenfassung  der  Gefäß-  und  Omamentsformen  unter 
Berücksichtigung  der  Steinwerkzeugtypen,  der  vereinzelten  Metallfunde, 
der  Lage  der  Siedelungen  und  der  wirtschaftlichen  Grundlage  des  Lebens. 
Dies  alles  zusammen  führt  auf  zwei  große  Stufen  der  jüngeren  Steinzeit, 
in  welche  sich  die  verschiedenen  Gruppen  der  neolithischen  Keramik 
einreihen  lassen.   Diese  sind  in  Osterreich: 

1.  in  den  Küsten-  u.  Alpenländem: 

a)  eine  ältere  Stufe.  Urolaufstil;  Höhlenfunde. 

b)  eine  jüngere  Stufe.  Rahmenstil;  Pfahlbauten, 
a)  altertümlichere  in  den  Salzkammergutseen. 
ß)  vorgeschrittene  im  Laibacher  Moor. 

2.  in  den  Donau-  u.  Sudetenländem : 

a)  ältere  Stufe  aus  flachen,  offenen  Ansiedelungen  oder  Höhlen. 

Umlaufstil  (auch  in  Malerei). 

b)  jüngere  Stufe.  Bergansiedelungen  u.  Gräber.  Rahmenstil. 

3.  in  den  nordkarpathischen  Ländern: 

a)  ältere  Stufe;  aus  Höhlen. 

b)  jüngere  Stufe ;  Flachansiedelungen. 

43.  Krauth  C.  G.  Ein  neolithisches  Hügelgrab  mit  Schnurkeramik  am 
Nordabhang  des  Steigers  bei  Erfurt.  Progr.  des  Realgymnas.  Erfurt  1905. 

44.  Lang  F.  Aus  Frankens  Urzeit.  Beiträge  zu  prähistorischen  Gräber- 
funden in  Unterfranken  und  Aschaffenburg.  Würzburg  1906.  8o.  30  S. 
8  Tafeln. 

Ein  Ausgrabungsbericht.  Neolithikum  bis  zur  Eisenzeit. 

45.  Mehlis  G.  Neue  neolithische  Funde  aus  mittelrheinischen  Niederlas- 
sungen. Archiv  f.  Anthropologie  N.  F.  3,  282—288. 

46.  Mertina  0.  SteinzeitUche  Werkzeuge  und  Waffen  in  Schlesien.  Jb.  d. 
schles.  Mus.  f.  Kunstgew.  3, 1—26. 

Typologische  Bearbeitung  der  neolithischen  Werkzeuge  und  Waffen 
Schlesiens. 

47.  Mortillet  P.  Les  Haches  polies  percöes.  L*Homme  pröhistorique 
3, 133—146. 


100   I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertomskqnde. 

^.  Peredolsld  W.  W.  Eine  bildliche  Darstellung  des  Menschen  auf  einem 
neolithischen  Tongefäfi  (mit  Tafel).  Archiv  f.  Anthropologie  N.  F.  3, 
289—294. 

49.  P&rot  F.  Inventaire  sommaire  des  m^lithes  du  Bonrbonnais.  LHomme 
pr^historique.  3,  289—307. 

50.  Sohmidt  H.  Die  Keramik  der  makedonischen  Tomali.  Zeitschr.  f.  Ethno- 
logie (Berlin)  37,  91—113. 

Die  untersuchten  Tumuli  lassen  sich  deutlich  in  2  Typen  scheiden. 
1.  Konische  Tumuli  mit  geringen  und  wenig  Scherben.  2.  Flache  Tomidi 
mit  großen  Scherbenmassen  aller  Epochen,  sowie  Hausgerät  aus  Stein  und 
Ton.  Verfasser  erklärt  die  enteren  als  Grabanlagen,  die  letzteren  als  Sie- 
delungsplätze.  In  techmscher  Hinsicht  sehen  wir  eine  Entwicklung  in  drei 
Perioden  von  einer  primitiven  Stufe  der  Handarbeit  bis  zur  vollendeten 
Drehscheibentechnik.  Der  älteste  Import  aus  dem  ägäischen  Kreise  bebt 
sich  deutlich  ab.  Die  3  Gruppen  makedonischer  Keramik  schreibt  Verf. 
thrakischen  Stämmen  zu ;  weiter  sollen  die  Funde  bestimmt  auf  den  Kreis 
hindeuten,  aus  dem  der  Ursprung  der  troischen  Keramik  abzuleiten  sei, 
d.  h.  auf  die  Gegenden,  aus  der  die  Troer  selbst  nach  Kleinasien  ge- 
wandert sind. 

51.  SchnippelE.  Reste  einer  steinzeitlichen  Ansiedelung  im  ostpreußischen 
Oberlande.  Zeitschrift  für  Ethnologie  (Berlin)  37,  952—969. 

52.  Somerville  J.  E.  The  great  Dolmen  of  Saumur.  Proceedings  of  the 
Society  of  antiquaries  of  Scotland  39, 148—152. 

53.  Wiercieäski  H.  Les  s^pullures  n^olithiques  de  Nal^zöw  (gouvemement 
Lubiia).  [Poln.]  Swiatowit,  annuaire  de  Tarch^ologie  pr^historique  Polo- 
naise 6,  81—88. 

e)  Bronze -Zeit. 

54.  Breuil.  L'äge  du  bronze  dans  le  bassin  de  Paris.  (Suite.)  L'Anthro- 
pologie  16,  149-171. 

55.  Coles  F.  R.  Notice  of  the  exploration  of  the  remains  of  a  caira  of 
the  Bronce-Age  at  Gourlaw,  Midlothian.  Proceeding  of  the  society  of 
antiquaries  of  Scotland  39,  411 — 418. 

56.  Colini  G.  A.  La  civiltä  del  bronzo  in  Italia.  II.  Sicilia.  (Fortsetzung.) 
Bullettino  di  paletnologia  Italiana  31, 18 — 70. 

57.  Dörpfeld  W.  Die  kretischen,  mykenischen  und  homerischen  Pal&ste. 
Mitteilungen  d.  k.  deutschen  archäolog.  Instit.  in  Athen  30,  257—297. 

Verfasser  weist  nach,  daß  im  Palaste  von  Phaestos  sich  eine  ältere 
und  jüngere  Bauperiode  unterscheiden  läßt  und  daß  diese  Unterscheidung 
auch  für  die  übrigen  Paläste  Kretas  Giltigkeit  hat.  Die  kretischen  und 
mykenischen  Paläste  stimmen  in  ihrer  Technik  überein,  sind  aber  in  ihrer 
Grundrißlösung  verschieden.  Da  der  jüngere  kretische  Palast  ein  dem 
festländischen  Typus  ähnliches  Megaron  zeigt,  kann  man  ihn  als  Zwischen- 
stufe zwischen  dem  altkretischen  und  mykenischen  Palast  auffassen. 
Träger  der  altkretisclien  Kultur  waren  die  Karer. 
59.  Dörpfeld  W.  Über  die  Verbrennung  und  Bestattung  der  Toten  im  alten 

Griechenland.  Vortrag  im  1.  intern.  Archäologen-Kongreß  in  Athen.  190&. 

Zeitschrift  für  Ethnologie  (Berlin)  37,  538—541. 

Verfasser  vetlnU  di«  Anschauung,  daß  in  Griechenland  von  der 


I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertumskunde.    101 

▼orhistorischen  und  mykenischen  Zeit  bis  zur  Einführung  des  Christentums 
die  Toten  gewöhnlich  zuerst  gebrannt  und  dann  beerdigt  wurden. 
69.  Dnssaud  R.  La  Troie  Hom^rique  et  les  r^centes  döcouvertes  cn  Cr^te. 
Revue  de  T^cole  d*anthropologie  de  Paris  15,  37 — 55. 
Ein  kurzer  Rericht  über  die  Forschungsergebnisse. 

60.  Förtsch  0.  Ein  Depotfund  der  älteren  Bronzezeit  aus  Dieskau  bei 
Halle.  Jahresschrift  f.d.  Vorgeschichte  der  sächsisch-thüringischen  Länder 
4, 3-33. 

61.  Halbherr  F.  Lavori  eseguiti  dalla  missione  archeologica  Italiana  in 
Greta.  Rendiconti  della  R.  Accademia  dei  Lincei  Ser.  5.  Vol.  14, 365 — i05. 

Bericht  über  die  Fortsetzung  der  Grabungen  in  Haghia  Triada  in 
Kreta.  Von  großer  künstlerischer  Bedeutung  ist  der  Fund  eines  trichter- 
förmigen Gefäßes  aus  Steatit  mit  reichen,  an  die  Becher  von  Vaphis  ge- 
mahnenden Skulpturen. 

62.  Höler  P.  Der  Pohlsberg  bei  Latdorf,  Kr.  Bemburg.  Jahresschrift  f.  d. 
Vorgeschichte  d.  sächsisch-thüringischen  Länder  4,  63—101. 

Ein  Steinkistengräber-Fund  mit  Beigaben  der  Neolithisch -Bronze- 
zeit. Schnurkeramik  von  großer  Ähnlichkeit  mit  der  der  nordwestdeutschen 
Megalithkeramik  (Nägelstedt).  Verf.  denkt  an  ein  mächtig  ausgebreitetes  Volk 
in  den  letzten  Jahrhunderten  des  vorchristlichen  Jahrtausends,  das  zur  Er- 
klärung von  bisher  rätselhaften  Übereinstimmungen  nordländischer  und 
mittelländischer  Formen  in  Religion,  Mythus  und  Gebräuchen  verhelfen  soll. 

63.  Krepp  P.  Die  minoisch-mykenische  Kultur  im  Lichte  der  Überlieferung 
bei  Herodot.  Mit  einem  Exkurs :  Zur  ethnograph.  Stellung  d.  Etrusker. 
Vortrag.  Leipzig  0.  Wigand  1905.  67  S.  m.  3  Abbildungen  u.  2  Tafeln. 
2.75  M. 

64.  Lehner.  Bericht  über  die  Tätigkeit  der  Provinzialmuseen.  (1.  April  1902 
bis  31.  März  1903.)  Bonner  Jahrbücher  113,  56. 

Vorgeschichtliche  Bronzeartefakte. 

65.  Lisaauer  A.  Eine  Doppelaxt  aus  Kupfer  von  Ellierode,  Kr.  Northeim, 
Hannover.  Zeitschrift  f.  Ethnologie  (Beriin)  37,  1007—1009. 

Diese  Kupferäxte  wurden  als  Kupferbarren  wahrscheinlich  aus  Kreta 
eingeführt  und  dienten  als  eine  Art  Ex  voto  oder  als  Würdenabzeichen. 

66.  —  Zweiter  Bericht  über  die  Tätigkeit  der  von  der  Deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft  gewählten  Kommission  für  prähistorische  Typen- 
karten. Zeitschrift  f.  Ethnologie  (Berlin)  37,  793—847. 

Eine  Typenkarte  der  Absatzäxte. 

67.  —  Doppelaxt  aus  Kupfer  von  Pyrmont.  Zeitschrift  f.  Ethnologie  (Berlin) 
37,  770—772. 

68.  —  Die  Doppeläxte  der  Kupferzeit  im  westlichen  Europa.  Zeitschrift 
f.  Ethnologie  (Beriin)  37,  519—525. 

69.  Mann  L.  Note  on  the  discovery  of  a  bronze  age  cemetery  containing 
burrials  with  ums  at  Newlands,  Longside,  Glasgow.  Proceedings  of  the 
Society  of  antiquaries  of  Scotland  39,  528—552. 

70.  Moriillet  A.  La  trouvaille  morgienne  de  Glomel  (Cötes-du-Nord.)  Revue 
de  r^cole  d'anthropologie  de  Paris  15,  337 — 343. 

71.  Naef  A.  Fibule  de  bronce  trouvöe  dans  le  Val  de  Travers.  Anzeiger 
für  schweizerische  Altertumskunde  N.  F.  6,  88—90. 


102    I.  Allgemeiiie  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertamskimde. 

72.  Orsi  P.  Necropoli  e  stazioni  sicole  di  transizione  V.  Necropoli  al 
Molino  della  Badia  presso  Grammichele.  Bollettino  di  paletnologU 
Italiana  31,  96—138. 

73.  Raehak  A.  Prähistorische  Funde  aus  Eisgrub  und  Umgebung.  Zeit- 
schrift d.  Mähr.  Landesmuseums  6,  AS, 

Sie  gehören  im  allgemeinen  dem  Formenkreise  des  schlesisch- 
lausitzischen  Typus  der  jüngeren  Bronzezeit  an.  Bemerkenswert  sind 
doppelhenklige  Schalen,  deren  Füße  in  der  Form  von  Menschenfaßen 
gebildet  sind. 

74.  Schenk  A.  Les  palafittes  de  Cudrefin  (Vaud).  Lac  de  Neuchätel.  (Äfe 
du  bronze.)  Revue  de  T^cole  d*anthropologie  de  Paris  15, 262—268. 

76.  Seger  H.  Das  Gräberfeld  von  Marschwitz,  Kreis  Ohlau.  Jahrbuch  d. 
schlesischen  Museums  für  Kunstgewerbe  und  Altertümer  3, 1904,  27—39. 

76.  Seger  H.  Einige  prähistorische  Neuerwerbungen.  Jahrbuch  d.  schlesisch. 
Mus.  für  Kunstgewerbe  u.  Altertümer  3,  1904,  51—58. 

77.  Smid  W.  Brouzebeile  von  St.  Johann  bei  TomiSelj  am  Laibacher  Moore. 
Mitteilungen  der  k.  k.  Zentral-Kommission  3.  F.  4,  277 — 278. 

78.  Szombathy  J.  Vorgeschichtliche  Funde  aus  Innerösterreich.  Mitteilungen 
der  k.  k.  Zentral-Kommission  3.  F.  4,  39—48. 

79.  Tmhelka  6.  Der  vorgeschichtliche  Pfahlbau  im  Sanebette  bei  Donja 
Dolina.  (Bezirk  Bosnisch-GradiSka.)  (Bericht  über  die  Ausgrabungen  bis 
1904.)  Wissenschaftliche  Mitteilungen  aus  Bosnien  und  der  Herzegowina. 
9, 1904,  3—156. 

80.  ^eser  Fr.  v.  Der  Umenfriedhof  von  Kufstein.  Zeitschrift  des  Ferdi- 
nandeums  für  Tirol  u.  Vorarlberg  3.  F.  49,  451^454. 

Dieser  schließt  sich  an  die  bekannten  nordtirolischen  Urnenfried- 
höfe an  und  gehört  der  jüngeren  Bronzezeit  an. 

f)  Eisenzeit. 

81.  Baglioni  S.  Beitrag  zur  Geschichte  des  Picenums,  Italien.  Zeitschrift 
f.  Ethnologie  (Berlin)  37,  257—264. 

82.  Bersa  J.  v.  Grabfunde  aus  Nona  (Dalmatien).  Mitteilungen  der  k.  k. 
Zentral-Kommission  3.  F.  4,  152—159. 

83.  Buchan  W.  Notes  on  a  bronze  caldron  found  at  Hattonknowe.  Dam- 
hall, in  the  County  of  Peebles.  Proceedings  of  the  society  of  antiquaries 
of  Scotland  39,  14—20. 

84.  Castelfranco  P.  Abbozzi  di  arie  mettailiche  rinvenuti  nel  Isola  Virginia 
(Lago  di  Varese).  BuUettino  di  paletnologia  Italiana  31,  195 — 203. 

85.  Furrer  A.  Die  Grabhügel  von  Obergösgen.  Anzeiger  f.  schweizerische 
Altertumskunde  N.  F.  6,  65—87. 

86.  Grempler  W.  Die  Bronzezeit  von  Klein-Zöllnig.  Jahrbuch  des  schle- 
sischen Museums  für  Kunstgewerbe  und  Altertümer  3,  1904,  40 — ib. 

87.  Gröbbels  J.  W.  Der  Reihengräberfund  von  Gammertingen.  München 
Piloty  und  Löhle  1905.  49  S.  21  Tafeln.  Fol. 

Das  Gräberfeld  ist  datiert  durch  die  tauschierten  Eisensachen ;  Verf. 
schließt  aus  der  Ähnlichkeit  mancher  Stücke  mit  solchen  aus  dem  Chil- 
derichgrabe,  daß  sie  noch  dem  6.  Jahrhundert  angehören.   Weiter  Raum 


I.  Allgemeine  indogenn.  Sprachwissenschaft  und  Ältertnmskonde.    103 

ist  der  Besprechung  des  Spangenhelms  gewidmet,  dessen  Typus  nach  dem 
Orient  weist 

88.  British  Mnsenm:  A  gnide  to  the  antiqoities  of  the  early  iron  age 
printed  by  order  of  the  tmstes.  London.  1906. 

89.  Hackman  A.  Die  ältere  Eisenzeit  in  Finnland.  I.  Die  Fonde  ans  den 
fQnf  ersten  Jahrhunderten  n.  Chr.  Helsinfors.  Aktiengesellschaft  F.  Tilg- 
manns  Buch-  und  Steindruckerei  1906.  876  S.  u.  Atlas  v.  22  Tafeki. 

Verfasser  unterscheidet  vorzügUch  zwei  Arten  von  Gräbern:  den 
mehr  oder  minder  runden  GrabhOgel  und  das  von  einer  Steinsetzung  um* 
gebene  Flachgrab.  Die  Gräber  sind  fast  ausschließlich  Brandgräber.  Die 
Grabformen  und  Altertümer  lassen  stärke  Einflüsse  aus  Schweden  und 
dem  nördUchen  Teil  der  baltischen  Provinzen  erkennen,  doch  sind  auch 
Anzeichen  vorhanden,  die  auf  Beziehungen  zu  Zentralrußland  und  dem 
Ural  hinweisen.  Verfasser  glaubt  deshalb,  daß  in  Finnland  während  des 
behandelten  Zeitabschnittes  eine  Mischkultur  vorhanden  war  und  sieht 
weiter  darin  einen  Beweis  für  die  Annahme,  daß  die  Einwanderung  der 
finnischen  Stämme  in  Finnland  bereits  im  4.  Jahrhundert  erfolgt  war. 

90.  Hoemes  M.  Die  HallsUttperiode.  Arch.  f.  Anthr.  N.  F.  3, 233—281. 

Eine  kurze  Monographie  der  Hallstattgeriode  in  Europa.  Verfasser 
warnt  energisch  vor  einer  allgemeinen  Systematisierung,  die  nach  dem 
heutigen  Stande  unserer  Kenntnisse  verfrüht  wäre,  und  stellt  lokale  Perioden 
auf,  die  er  in  einer  Tabelle  in  beiläufige  chronologische  Beziehung  bringt. 

91.  Hoemes  M.  Die  prähistorische  Nekropole  von  Nesactium.  Jahrbuch 
der  k.  k.  Zentral-Kommission  N.  F^  3,  325--344. 

Diese  Station  gehört  der  vorgeschichtlichen  ersten  Eisenzeit  Nord- 
ostitaliens (Gruppe  von  Este)  an.  Fragmente  skulpierter  Steine,  die  jeden- 
falls einem  älteren  Kultbaue  angehörten,  der  seinerzeit  für  die  Wahl 
dieses  Platzes  als  Gräberfeldes  ausschlaggebend  war,  weisen  in  die  jüngere 
Steinzeit  und  lassen  in  mykenischen  und  archaisch  griechischen  Funden 
Parallelen  erkennen. 

92.  Klose  0.  Die  Hügelgräber  bei  der  Fischer-Mühle  und  bei  Schleedorf. 
Mitteilungen  d.  Gesellschaft  f.  Salzburger  Landeskunde  45,  3—26. 

Diese  gehören  der  jüngeren  Hallstattperiode  an. 

93.  Lindner  A.  Die  Hügelgräber  im  Katlover  Walde  bei  Lippen.  Bezirk 
Budweis.  Mitteilungen  d.  anthropol.  Gesellschaft  in  Wien  35, 38 — 44. 

94.  Miske  K.  Frhr.  v.  Die  La  Ttoe  lll-Stufe  in  Velem-St.  Veit.  (Mit  66  Ab- 
bildungen.) Archiv  für  Anthropologie  N.  F.  3, 181—190. 

Die  Lat^neperiode  111  bildet  in  Velem-St.  Veit  eine  eigene  Schicht. 
Sie  ist  das  Kind  der  mit  Kraft  aufeinanderstoßenden  Latdneperiode  11  und 
der  vordringenden  römischen  Kultur.  Die  Vorläuferfibel,  die  sich  abwärts 
zur  eigentlichen  Flügelfibula  entwickelt,  besitzt  in  aufsteigender  Linie  ihre 
Urform  in  der  typischen  Lat^ne  11-Fibel.  Der  Übergang  der  Fibelformen 
von  La  T^ne  II  zu  La  T^ne  111  ist  nicht  durch  die  Form,  sondern  durch 
die  Technik  (Guß)  gegeben. 

95.  lüske  K.  Frhr.  v.  Mitteilungen  über  Velem-St.  Veit.  Mitteilungen  d. 
anthropolog.  Gesellschaft  in  Wien  35,  270—277. 

96.  Mortillet  A.  de  Les  tumulus  du  bronze  et  du  fer  en  France.  Revu» 
de  r^cole  d'anthropologie  de  Paris  15,  213—230. 

97.  P&rot  F.  üne  survivance  de  Tage  du  fer.  L'Homme  pr^historiqu» 
3,  276—277. 


10^    L  AUgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertomskonde. 

96.  Fund-  und  Ansgrabungsberichte  der  Bronze-  und  Hallstattzeit  Prä- 
historische Blatter  17.  1905. 

99.  BÖMler  E.  Bericht  Ober  archäologische  Ansgrabangen  in  Transkaukasien. 
Zeitschr.  f.  Ethnol.  37, 114—151. 

100.  Sehneider  L.  Vorgeschichtliche  Funde  aus  dem  nordwestlichen 
Böhmen.  Mitteilungen  der  k.  k.  Zentral-Kommission  3.  F.  4,  279—283. 

101.  übell  H.  Eine  Bronzeklinge  von  den  Schaf  böden  bei  Hinterstöder 
Bfitteilungen  der  k.  k.  Zentral-Kommission  3.  F.  4, 152. 

102.  Weinaierl  v.  Die  La  Ttoe-Kultur  im  nordwestlichen  Böhmen.  Tätig- 
keitsber.  d.  Museums-Gesellschaft  z.  Teplitz  f.  1903—4,  S.  31—37. 

Die  FrOh-LaT^ne-Kultur  wird  ins  2.,  die  Mittel-LaT^ne-Kultur  in 
das  1.  Jahrhundert  vor  Chr.,  und  die  Spät-LaT^ne-Zeit  in  das  1.  Jahr- 
hundert nach  Chr.  gesetzt.  Die  erste  und  zweite  Epoche  zeigen  die  Bei- 
setzung der  gestreckt  liegenden  Leiche,  während  erst  in  der  dritten  Epoche 
die  Leichenverbrennung  auftritt. 

103.  Zois  M.  Die  Etrusker  in  Krain.  Mitteilungen  des  Musealvereins  für 
Krain  18,  97—103. 

Verfasser  will  in  Watsch  und  anderen  Orten  Krains  alte  etruskische 
Kultur  erkennen. 

2.  Zusammenfassende  Darstellungen. 

104.  Hoemes  M.  Urgeschichte  der  Menschheit.  Mit  53  Abbildungen.  3.,  verm. 
u.  verbess.  Aufl.  (Sammlung  Göschen  [Neue  Aufl.]  42.)  Leipzig  G.  J.  Göschen 
1905.  161  S.  0,80  M. 

105.  Wilser  L.  Die  Urheimat  des  Menschengeschlechts.  Verhdlg.  d.  naturh. 
mediz.  Ver.  in  Heidelberg  N.  F.  8,  220—245. 

Verfasser  ist  der  Meinung,  daß  die  Frage  nach  der  Urheimat  des 
Menschen  nie  beantwortet  werden  wird;  diese  Frage  hänge  aber  engstens 
mit  der  nach  dem  Ursprünge  des  Lebens  zusammen.  Urzeugung  gehe 
heute  noch  vor  sich.  Verf.  stellt  folgende  Entwicklungsreihe  auf:  Pithecan- 
thropus  atavus,  Proantbropus  erectus  Dubois,  Homo  primigenius,  Homo 
priscus,  Homo  europaeus  Linn6. 

106.  Ghmpp  G.  Kultur  der  alten  Kelten  und  Germanen.  Mit  einem  Rückblick 
auf  die  Urgeschichte.  München,  Allgemeine  Verlags-Gesellschaft  1905. 
XU,  319  S.  80.  5,80  M.,  geb.  in  Leinw.  7,50  M. 

107.  Helm  K.  Die  Heimat  der  Indogermanen  und  Germanen.  Hess.  Bll. 
f.  Volksk.  4,  39—71. 

108.  Hirt  H.  Die  Indogermanen.  Ihre  Verbreitung,  ihre  Urheimat  und  ihre 
Kultur.  I.  Straßburg  K.  J.  Trübner  1905.  X,  407  S.  8o.  9  M. 

109.  Müller  S.  Urgeschichte  Europas.  Grundzüge  einer  prähistorischen 
Archäologie.  Deutsche  Ausgabe  unter  Mitwirkung  des  Verfassers  besorgt 
V.  0.  L.  Jiriczek.  Straßburg  K.  J.  Trübner  1905.  VUI,  204.  8o.  6  M., 
geb.  7  M. 

Verfasser  sucht  die  großen  Zusammenhänge  der  vorgeschichtlichen 
Kulturerscheinungen  in  ihrem  Verhältnisse  zum  Orient  klarzulegen.  Auf 
Grund  umfassendster  Materialkenntnis  schließt  er,  daß  der  Süden  und 
Orient  die  leitende  und  gebende  Kulturmacht  sei.  Dabei  zeigt  sich,  daß 
die  äußeren  Kulturkreise,  je  weiter  sie  vom  Zentrum  entfernt  sind,  den 
Inhalt  der  südl.-orient.  Kultur  erst  nach  und  nach  und  nur  im  Auszug« 


I.  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertumskunde.    105 

empfangen,  wohei  sich  gelegentlich  Änderongen  und  Umbildungen  der 
Urformen  einstellen.  Eine  grofie  Fülle  solcher  Formen  tritt  oft  im  Norden 
auf  in  einer  viel  späteren  Zeit,  als  diese  Elemente  im  Süden  vertreten  waren. 
Am  langsamsten  verbreitet  sich  die  Kenntnis  des  Rohmaterials 
(Bronze,  Eisen)  nach  dem  Norden,  sodaß  es  vorkommt,  daß  die  neuen 
Formen  im  Norden  mit  dem  alten  Material  bereits  hergestellt  werden, 
bevor  das  Material,  das  für  die  Formbildung  einst  bestimmend  war,  dort 
bekannt  wurde. 

110.  Krause  E.  Die  Werktätigkeit  der  Vorzeit.  Weltall  und  Menschheit. 
6, 1—96. 

Es  wird  der  Gedanke,  daß  der  Mensch  als  Werkzeug  schaffendes 
Wesen  eine  Machtstellung  in  der  Welt  erreicht  hat,  an  der  Hand  der  ältesten 
Reste  menschlicher  Tätigkeit  erläutert. 

111.  Majewski  E.  L'hypothöse  de  M.  Kossinna  sur  Torigine  germanique  des 
peuples  indo-europ4ens  et  la  v4rit6  scientifique.  [Poln.].  Swiatowit,  an- 
nuaire  de  Farch^ologie  pr^historique  polonaise  6,  89—144. 

112.  Sehrader  0.  Sprachvergleichung  und  Urgeschichte.  Linguistisch-histor. 
Beiträge  zur  Erforschung  des  indogerm.  Altertums.  8.  neubearb.  Aufl. 
I. :  Zur  Geschichte  und  Methode  der  Unguistisch-histor.  Forschung.  Jena 
H.  Costenobie  1906.  [Erschien  Ende  1905.]  8o.  V  u.  236  S.  8  M. 

3.  Einzelnes  zur  Kulturgeschichte  und  Altertumskunde. 

113.  Behlen  H.  Das  nassauische  Bauernhaus.  Annalen  des  Vereins  für 
nassauische  Altertumskunde  u.  Geschichtsforschung  25,  237—263. 

114.  Cervixika  L.  Zur  Vorgeschichte  Mährens.  Mitteilungen  der  k.  k.  Zentral- 
Kommission  3.  F.  4,  477—498. 

Es  ergibt  sich  folgende  Besiedelungsfolge :  Neolithische  Ansiedelung, 
Kultur  des  Geschlechtes  der  gekrümmten  Skelette,  Bronzealtertümer,  Brand- 
gr&ber,  ein  Galliergrab,  jüngere  Besiedelungen. 

115.  Hampel  J.  Altertümer  des  frühen  Mittelalters  in  Ungarn.  I— III. 
Braunschweig  Friedr.  Vieweg  u.  Sohn  1905.  I:  XXXIV,  853;  II:  XVI, 
1006;  ffl:  XIY  S.  Text  u.  539  Taf.  60  M. 

Verfasser  weist  einleitend  auf  die  große  Schwierigkeit  der  Altertums- 
forschung in  Ungarn  hin,  da  hier  im  Gegensatze  zum  westlichen  Europa 
vom  4.  bis  10.  Jahrhundert  ein  ununterbrochenes  Gewirre  von  kommenden 
und  gehenden  Völkern  herrschte,  bis  endlich  das  zuletzt  ankommende 
staatenbildende  Volk  der  Völkerwanderung,  die  Ungarn,  unter  dem  Einflüsse 
des  Christentums  sich  beruhigten.  Verfasser  teilt  die  Altertümer  der  ganzen 
Epoche  in  4  Gruppen. 

1.  Gruppe.  Germanen,  größtenteils  romanisiert ;  doch  auch  Kultur- 
besitz, der  aus  der  früheren  Heimat  am  schwarzen  Meere  stammt. 

2.  Gruppe.  Sarmaten  mit  Erzeugnissen  der  römischen  Provinzial- 
industrie,  die  sich  diese  besonders  intensiv  angeeignet  haben. 
Dazu  kommen  Motive  (Greifen,  Ranken)  aus  der  sarmatischen 
Heimat,  die  von  hellenistischer  Kultur  beeinflußt  sind. 

3.  Gruppe.  Heterogene  Elemente  verschiedener  Völker;  besonders 
die  Hinterlassenschaften  uralaltaischer  Reitervölker,  der  Avaren, 
die  um  565  in  Ungarn  erschienen  und  bis  ins  9.  Jahrhundert 
herrschten.  Meist  Reitergräber.  Waffen-  und  Pferdeschmuck 
werden  als  nationales  Eigentum  angesprochen  werden  können, 


106    I.  Allgemeine  indogenn.  Sprachwissenschaft  und  AltertmDskimde. 

während  die  Goldschmiedearbeiten  von  Bysanz  direkt  oder  in- 
direkt beeinflußt  sind. 

4.  Groppe.  Die  spexiHsch  ungarische  Periode.  Reitergriber,  die 
durch  Beigaben  durchlochter  römischer  Münzen  als  Schmuck 
chronologisch  bestimmbar  sind.  Sie  zeigen  meist  Prunk  und 
stehen  im  Gegensatz  zu  ärmlichen  Bestattungen  (Schläfenring^ 
Tongefäßen  mit  Wellenomament),  in  deren  Umgebung  sie  meist 
erscheinen. 

Die  Bestattung  in  allen  vier  Gruppen  erfolgt  meist  in  Reihengräbem. 

Der  Stoff  ist  über  die  3  Bände  wie  folgt  verteilt: 

1.  Bd.  Historischer  Rahmen,  Obersicht  der  Literatur,  Ornamentik 

und  Chronologie. 

2.  Bd.  Beschreibung  der  Funde. 

3.  Band.  Atlas  (539  Tafehi). 

116.  Hansen  A.  M.  Nogle  arkaeologisk-geologiske  Bemaerkninger.  Aais- 
beretning  (Kristiania)  1905,  161—192. 

117.  Heierli  J.  Archäologische  Funde  in  den  Kantonen  St  Gallen  und  Appen- 
zell. Anzeiger  für  schweizerische  Altertumskunde  N.  F.  6, 1—7. 

118.  —  Die  archäologische  Karte  des  Kantons  Solothum  nebst  Erläute- 
rungen und  Fundregister.  Solothum  Theodor  Petri  1905.  92  S.,  1  Karte 
u.  9  Tafeln. 

119.  Hoifiller  V.  Das  prähistorische  Grabfeld  in  Smi^an  bei  Gospi& 
Tjesnik'  der  kroatischen  archäologischen  Gesellschaft  in  Agram  N.  S. 
8,  193-208. 

120.  Keller  Gh.  Le  poulpe  de  Taille  couverte  du  Lufang  (Morbihan). 
Revue  de  r^cole  d'anthropologie  de  Paris  15,  239—243. 

Die  Steinzeichnung  eines  octopus  vulgaris  sucht  Verfasser  mit  ana- 
logen Zeichnungen  der  mykenischen  Periode  in  Beziehung  zu  bringen. 

121.  Kießling  M.  Das  ethnische  Problem  des  antiken  Griechenland  (erster 
Teil).  Zeitschrift  für  Ethnologie  (BerUn)  37,  1009—1124. 

Verfasser  tritt  dafür  ein,  daß  die  Urbevölkerung  Griechenlands,  dem 
ursprünglichen  Zusammenhange  der  Halbinsel  mit  dem  asiatischen  Kon- 
tinente entsprechend,  eine  asiatische  sei.  Die  Hellenen,  ein  von  Zentral- 
europa hereinbrechender  Völkerstamm,  lebten  lange  in  Gemeinschaft  mit 
den  Ureinwohnern.  (Ortsnamen  usw.  wurden  beibehalten.)  Die  dorische 
Wanderung  stellt  sich  als  ein  langsames  Verdrängen  der  hellenisch-asia- 
tischen) Bevölkerung  dar  durch  illyrisch-makedonische  Stämme,  die  die 
höhere  hellenische  Kultur  übernahmen. 

122.  Landau  W.  Frhr.  v.  Die  Bedeutung  der  Phönizier  im  Völkerleben. 
(Ex  Oriente  Lux  I,  4.)   Leipzig  E.  Pfeiffer  1905.  U  S. 

Eine  neue  Phönizier-Theorie.  Weil  man  zufällig  durch  die  Berührunj^ 
der  klassischen  Völker  des  Alteriums  mit  den  Phöniziern  von  diesen  mehr 
Kunde  hat  als  von  andern,  meinte  man  ihnen  eine  überlegene  Bedeutung 
zuschreiben  zu  müssen;  das  ist  ein  Irrtum.  Die  Kolonisation  des  Mittel- 
meeres von  Phönizien  aus  ist  ethnologisch  unmöghch,  da  hiezu  ein  Ober- 
schuß der  Bevölkerung  des  Mutterlandes  gehört,  der  faktisch  nie  vorhanden 
war.  Die  'phönizischen  Kolonien'  an  der  afrikanischen  und  spanischen 
Küste  erklären  sich  aus  einer  grofien  Invasion  orientalischer  Völker.  Es 
ist  dieselbe  Völkerbewegung,  die  die  Phönizier,  ein  stammverwandtes  VoU^t 
nach  Phönizien  dt&ii^^\  %o  ^xVA&tV.  ^\&h  auch  die  Verwandtschaft  der 


I.  AUgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Altertomskonde.    107 

Phönizier  mit  den  Völkern  der  *phönizischen  Kolonien*,  und  rechtfertigt 
sich  der  Irrtum  der  Volksgleichheit  omsomehr,  als  die  "Kolonien*  mit 
Phönizien  tatsächlich  Beziehungen  unterhielten. 

123.  MajewskiE.  Sur  les  *Kourgans*  contenant  les  squelettes  colorös  de 
hl  Russie  möridionale.  [Polnisch.]  Swiatowit,  annuaire  de  Tarch^ologie 
pr^historique  Polonaise  et  d^autres  pays  Slaves  6,  31 — 1:6. 

124.  Montelius  0.  L*Orient  et  TEurope.  Contribution  k  la  connaissance 
de  rinfluence  de  la  civilisation  Orientale  sur  TEurope  jusqu'au  cinqui^me 
si^cle  avant  J.-G.  (Deutsche  Ausgabe  von  der  Akademie  1899.)  Anti- 
quarisk  Tidskrift  för  Sverige  13,  1—252. 

125.  Murko  M.  Zur  Geschichte  des  volkstümlichen  Hauses  bei  der  Süd- 
slawen. Mitteilungen  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien  35, 
308—330. 

126.  Pogodin  A.  L.  Zur  Geschichte  der  Beziehungen  zwischen  den  Finnen 
und  Indoeuropäem  (russ.).  Izv.  russk.  jaz.  X  3,  1 — 23. 

I.  Wann  sind  die  Russen  an  die  Finnen  gestoßen?  1.  Nach  Aus- 
weis von  Ortsnamen  u.  dgl.  hat  die  russ.  Kolonisation  des  finn.  Nord- 
ostens zu  einer  Zeit  begonnen,  als  die  russ.  Laute  noch  den  ursl.  nahe 
waren  (t,  u,  ar,  al  in  russ.  Entlehnungen  im  Finnischen  für  russ.  »,  >, 
aro,  oh).  2.  Eine  intensive  Kolonisation  fällt  jedoch  in  spätere  Zeiten 
(nach  der  Verflüchtigung  von  »,  »,  als  or,  ol  vor  Kons,  dem  russ.  Ohr  nicht 
mehr  unliebsam  war).  3.  Die  nordruss.  geogr.  Nomenklatur  und  die  Chronik 
von  Novgorod  als  Quellen  zum  Studium  der  russ.  Kolonisation.  4.  Nichts 
zeugt  dafür,  dafi  die  russ.-finn.  Beziehungen  bis  in  die  ursl.  Zeit  reichen ; 
selbst  von  den  russ.  Stämmen  kommen  hierin  nur  die  nordruss.  in  Be- 
tracht —  II.  Russ.  kovriga  'eine  Art  Brot*  aus  finn.  *kaurik1ea  *Haferbrot*. 
—  III.  Der  finn.-ugr.  Name  für  'Sklave,  Knecht'  (finn.  orja  usw.)  vielleicht 
urspr.  ario'  "Arier*,  wobei  dunkel  bleibt,  von  welchem  idg.  Volke  der  Name 
entlehnt  wurde.   (Zubat^.) 

127.  Rhamin  K.  Ehe  und  Schwiegerschaft  bei  den  Indogermanen.  Globus 
87,  285—289. 

128.  ät'astnf  J.  Die  Thrakier.  [Cechisch.]  Prog.  des  Gymn.  Prag,  Komgasse. 
13  S. 

1.  Es  ist  wahrscheinUch,  daß  die  homer.  Sänger  schon  die  im 
späteren  Bithynien  ansässigen  Thrakier  kennen.  2.  Samothrake,  Lemnos, 
Thasos  sind  in  der  homer.  Zeit  von  thrak.  Bewohnern  besetzt;  daneben 
befindet  sich  auf  diesen  Inseln  die  später  gekommene  tyrsenische,  den 
Etruskern  verwandte  Bewohnerschaft.  3.  Der  Name  'Thrakier*  gehörte  ur- 
sprünglich einem  auf  der  thrakischen  Chersonesos  sitzenden  Stamme. 
4.  Schon  bei  Homer  bezeichnet  derselbe  auch  nördliche  Stämme  des 
späteren  Thrakiens.  —  Anz.  v.  E.  Perontka  Listy  fil.  83, 156—157.  (Zubat^.) 

129.  Sieinhausen  G.  Germanische  Kultur  in  der  Urzeit.  (Aus  Natur  und 
Geisteswelt,  75.  Bd.)  Leipzig  B.  G.  Teubner  1905.  156  S. 

Eine  Obersicht  über  germanisches  Leben  von  der  Urzeit  bis  zur 
Berührung  der  Germanen  mit  den  Römern. 

130.  Watadnger  C.  Griechische  Holzsarkophage  aus  der  Zeit  Alexanders 
des  Großen.  Wissenschaft!.  Veröffentlichungen  d.  Deutschen  Orientgesell- 
schaft. Heft  6.  Leipzig  Hinrichs  1905.  95  S. 

Eine  Beschreibung  der  bei  den  Ausgrabungen  der  Deutschen  Orient- 


106    L  Allgemeine  indogerm.  Sprachwissenschaft  und  Alterlomskimde 

gesellschaft  in  Abnkir  in  Ägypten  gefundenen  griechischen  Holzsarkophage 
und  der  meist  Hausform  zeigenden  Sarkophage  aus  Südrußland.  Verfasser 
benutzt  die  Gelegenheit,  über  Begr&bnissitten  interessante  Aufschlösse  za 
geben. 

131.  Wilke  Beziehungen  der  west-  und  mitteldeutschen  zur  donanlindi- 
schen  Spiral-Mäanderkeramik.  Mitteilungen  der  Anthropologischen  Ge- 
sellschaft in  Wien  3b,  249—269. 

Verfasser  sieht  in  der  Spiral-Mäander-Omamentik  ein  mathematisch- 
konstruktives Prinzip.  Als  Heimat  dieser  Dekorationsweise  wird  das  untere 
Donaugebiet  herangezogen.  Die  Spiral-Mftanderkeramik  Mitteldeutschlands 
und  der  Rheingegenden  ist  durch  Obertragung  der  Donau-Formen  ent- 
standen, ohne  daß  die  Kenntnis  des  konstruktiven  Prinzips  mit  übertragen 
wurde.  Daraus  erklärt  sich  einerseits  der  Mangel  an  Verständnis  für  diese 
Form  und  die  Tatsache,  daß  sie  sich  bald  verflüchtigt,  anderseits  wird  die 
Annahme  gerechtfertigt,  dafi  die  Obertragung  der  Form  nicht  durch  vor- 
dringende Vulkerstämme,  sondern  durch  Import  geschehen  ist. 

132.  Wilser  L.  Altgermanische  Zeitrechnung.  Verhandlungen  d.  Natur- 
wissenschaftlichen Vereins  in  Karlsruhe  18,  3 — 47. 

Verfasser  vertritt  mit  vielen  Ausfällen  gegen  die  Annahme  einer 
"orientalischen*  Beeinflussung  der  nordischen  Kultur  die  Ansicht,  daß  die 
Erflndung  der  Zeitrechnung  und  vieles  andere  (z.  B.  die  Runen)  Ureigentum 
der  nordischen  Völker  und  von  diesen  nach  dem  Süden  gelangt  sei.  (?) 

133.  Zaborowski  S.  L'Autochtonisme  des  Slaves  en  Europe,  ses  premiers 
d^fenseurs.  Revue  de  T^cole  d'anthropologie  de  Paris  lö,  3 — 17. 

Eine  Zusammenstellung  der  älteren  (slavischen)  Literatur,  die  die 
Autochthonie  der  Slaven  in  Europa  verfleht. 

4  Religionsgeschichtc. 
13^.  Dussaud  R.  Questions  myc^niennes.  Rev.  de  Thist.  des  rel.  51, 2^-~Gt 
18d.  Lehmann  E.  Primitive  Folks  Religion.  Grundrids  ved  folkelig  Uni- 
versitetsundervisning.  Nr.  98.  Kopenhagen  (Ersler)  1905.  16  S.  8o.  0,20  Kr. 

136.  Mannhardt  W.  Wald-  und  Feldkulte.  2.  Aufl.,  bes.  v.  W.  Heuschkel. 
2.  Bd.  Antike  Wald-  und  Feldkulte  aus  nordeuropäischer  Oberlieferung 
erläutert.  Berlin  Gebr.  Borntraeger  1905.  8o.  XLVIU  u.  359  S.  10  M. 

136  a.  Schrader  0.  Totenhochzeit.  Ein  Vortrag.  Jena  Costenoble  1904. 
38  8.  1,50  M. 

137.  Montelius  0.  Das  Rad  als  religiöses  Sinnbild  in  vorchristlicher  und 
christlicher  Zeit.  Prometheus;  illustr.  Wochenschrift  über  d.  Fortschritte 
in  Gewerbe,  Industrie  u.  Wissenschaft.  16,  Nr.  16—18  (1904/5),  1—22. 

Das  Rad  als  Sonnensymbol  findet  sich  in  den  ältesten  Zeiten  an  den 
verschiedensten  Gegenden  des  Erdballs  spontan  entstanden.  (Orient,  Europa, 
aber  auch  in  Amerika.)  Das  Triquetrum  und  das  Hakenkreuz,  welche 
beide  die  drehende  Bewegung  der  Sonne,  des  leuchtenden  HimmelsradeSf 
darstellen,  sind  bereits  in  vorgeschichtlichen  Zeiten  nach  dem  Norden 
gekommen  und  haben  hier  weite  Verbreitung  gefunden.  Mit  dem  Eintritt 
des  Christentums  findet  es  auch  als  göttliches  Symbol  in  der  neuen  Re 
ligion  Verwendung. 

138.  Oflthoif  H.  Etymologische  Beiträge  zur  Mythologie  und  Religions- 
geschichte. 2.  TiikMi^  und  T^pac.  Arch.  f.  Rel.-Wiss.  8,  51—68. 


A.  Arisch.  A.  Indo-Iranisch.  109 

139.  Sehroeder  L.  v.  Ober  den  Glauben  an  ein  höchstes  gutes  Wesen  bei 
den  Ariern.  Vortrag,  gehalten  auf  dem  2.  intemat  Kongreß  f.  allgem. 
Religionsgeschichte  in  Basel,  am  31.  August  1904.  WZKM.  19, 1—23. 

Früher  sah  man  den  Anfang  der  Religion  in  Naturverehrung, 
heutzutage  hat  sich  jedoch  die  Theorie  von  dem  Seelenkult  als  Ursprung 
der  Religion  mächtig  in  den  Vordergrund  gedrängt,  die,  wenn  auch  in 
vielfacher  Hinsicht  fruchtbar,  dennoch  zu  mancherlei  unmöglichen  Kon- 
sequenzen geführt  hat  Man  darf  keinesfalls  die  Naturverehrung  glattweg 
aus  dem  Seelenkult  herleiten  wollen.  Diese  beiden  verbinden  und  ver- 
schlingen sich  zwar  häufig,  sind  aber  im  Grunde  zwei  nebeneinander 
stehende  selbständige  Wurzehi  der  Religion.  Aber  nicht  die  einzigen.  Als 
dritte  mächtige  Wurzel  tritt  hinzu  eben  der  Glaube  an  ein  höchstes,  gutes 
Wesen,  dessen  Nachweis  bei  wohl  sämtlichen  arischen  Völkern  Aufgabe 
und  Zweck  des  Schroederschen  Vortrages  ist.  Dabei  ergibt  sich  hinsichtlich 
dieses  Glaubens  eine  Teilung  der  arischen  Völker  in  zwei  grofie  Gruppen: 
*'l.  in  eine  Ostlichere  Gruppe,  in  welcher  der  Gott  als  Bhaga-Bogü  hervor- 
tretend milde  und  gütig  charakterisiert  erscheint;  —  dazu  gehören  die 
Inder  und  Perser  mit  ihrem  Bhaga  (Bagha,  Baga),  die  Phryger  mit  ihrem 
Zeus  Bagaios,  resp.  auch  die  Armenier,  und  die  Slawen  mit  ihrem  Bogü; 
2.  in  eine  westlichere  Gruppe,  welcher  die  Bhaga-Bezeichnung  ganz  zu 
fehlen  scheint  und  welche  dafür  den  grofien  Himmelsgott  als  Kriegsgott 
ausgeprägt  hat,  welche  Eigenschaft  er  in  der  östlichen  Gruppe  gar  nicht 
oder  kaum  besitzt;  dahin  gehören  die  Griechen,  die  Römer,  die  Kelten 
und  insbesondere  die  Germanen**.  Es  ist  dieser  Gegensatz  ohne  Zweifel 
psychologisch  in  der  größeren  Kriegslust  der  letzteren  Völker  begründet. 
Die  Tatsache,  daß  man  in  dem  altarischen  Kult  immer  nur  von  Natur- 
oder Seelenkult,  nie  aber  von  dem  eines  höchsten  Gottes  hört,  ist  zwar 
anfällig,  darf  aber  nicht  weiter  irre  machen,  da  bekanntlich  bei  den 
primitiven  Völkern  das  höchste  Wesen  meist  nur  wenig  oder  gar  nicht 
kuUlich  verehrt  zu  werden  pflegt,  während  den  Natnrmächten  und  Geistern 
allerlei  Opfer  in  mannigfacher  Gestalt  dargebracht  werden.  (Schröter.) 

140.  t  H.  üaener.  Vgl.  Buch el er  F.  Neue  Jahrbb.  f.  d.  kl.  Alt.  15, 737-742. 
—  D[ieterich]  A.  Archiv  f.  Religionswiss.  8,  S.  I— XI. 

Wien.  Dr.  Ant.  Reichel. 

n.  Arisch. 

A.  Indo-Iranisch. 

1.  SchermanL.  Orientalische  Bibliographie  (begründet  von  August 
Müller)  .  .  .  bearbeitet  und  herausgegeben  von  Lucian  Scherman. 
XIX.  Band  (für  1906).  Drei  Hefte  in  einem  Bande.  Berlin,  Reuther  u. 
Reichard  1906.  VI,  376  S.  8o.  10  M. 

IV.  Indogermanen.  1.  Allgemeines  (S.  135—140).  2.  Indien  (S. 
140—182).  Rezensionen  zu  IV,  1—2  (S.  182—186).  3.  Iran  (S.  186-193). 
Rezensionen  zu  IV,  3  fr.  (S.  202—203). 

2.  Studi  Itoliani  di  filologia  Indo-Iranica  diretti  da  F.  L.  Pull4.  Anno 
V.  Vol.  5.  Firenze,  G.  Camesecchi  e  figli  1905.  XVII  u.  287  S.  8o.  18  M. 

Studi.  Cartografia antica deir  India.  Parte  IIa.  II Medio-evo europeo 
e  il  primo  Rinascimento  per  F.  L.  Pull6,  pp.  1—139. 

Appendici.  F.  L.  Pull^.  Due  versioni  italiane  della  Imago  Mündig 
con  una  nota  di  Giulio  Bertoni,  1—22.  —  Mario  Longhena,  Llndia  nelle 


110  II.  Arisch.  A.  Indo-Iranisch.  —  B.  Indisch. 

enciclopedie  di  Benzo  d' Allesandria,  di  Ricobaldo  da  Ferrara  e  delF 
Orbis  Descriptio,   1—23.  —  II  testo  originale  del  viaggio  di  Girolamo 
Adorno  e  Girolamo  da  Santo  Stefano,  1—56.  —  F.  L.  PaU6,  Una  carU 
itineraria  del  XV  secolo,  1 — IH. 
8.  Wolif  Fr.    Die  Infinitive  des  Indischen  ond  Iranischen.    I.  Teil.   Die 

ablativisch -genetivischen  und  die  akkosativischen  Infinitive.  KZ.  40, 

1—111.  [Erschien  auch  als  Gießener  Diss.] 

This  monograph  is  a  comparative  study  of  the  ablative,  genitive, 
and  accusative  formations  in  Sanskrit  and  Avestan.  (Jackson.) 

4.  Grierson  G.  A.  On  certain  suffixes  in  the  modern  Indo-Aryan  ver- 
nacuUrs.  KZ.  38  (N.  F.  18),  478—491. 

Der  Gegenstand  der  vorliegenden  Abhdlg.  ist  die  Untersuchung  des 
Ursprunges  derjenigen  Suffixe  in  den  modernen  indo-arischen  Mundarten, 
die  am  meisten  zur  Bildung  der  Genitive  und  Dative  beim  Nomen  und 
des  konjunktiven  Partizips  (entsprechend  dem  skr.  absoluten  Partizip  auf 
ya,  ti>ä)  beim  Verbum  verwendet  werden. 

5.  Fay  E.  W.,  A  semantic  study  of  the  indo-iranian  nasal  verbs.  P.  n.  HI. 
Americ.  Joum.  of  philol.  26, 172—203,  377—408. 

Fortsetzung  zu  25,  369—389.  Cber  Ziel  u.  Umfang  seiner  Unter- 
suchungen, sowie  über  die  Entstehung  dieser  nasalen  Verba  sagt  der  Ver- 
fasser selbst  aus:  *1  propose  to  make  a  semantic  study  of  the  Sanskrit 
[and  Avestan]  verbs  of  nasal  flexion  listed  by  Whitney  in  bis  Roots,  Verbs 
Forms,  etc.,  of  the  Sanskrit  Language,  adding  sundry  other  roots  from 
the  Dhatupäfha  as  taken  up  by  Uhlenbeck  in  his  Etym.  Woert  d.  alt- 
indischen Sprache. 

The  nasal-flexional  type  had  its  rise,  I  surmise,  in  contamination 
(syncretism)  of  roots  of  similar  (or  contrasting)  meanings.  The  evidence 
of  the  daily  speech  about  us  proves  that  such  contamination  is  actively 
in  progress  before  our  eyes.  When  I  hear  a  person  of  high  cultivation 
and  intelligence  say  smur  I  recognize  that  we  have  a  blend  of  smear 
and  blur.  In  this  scbooled  age  such  a  word  has  asmall  Chance  to  sur- 
vive.  The  conditions  were  much  more  favorable  to  survival  of  such  words 
in  a  preliterary  stage."  Dem  eigentlichen  Thema  gehen  Bemerkungen 
phonetischen  u.  anderweitigen  ähnlichen  Inhalts  voraus.  Die  sämtlichen 
181  behandelten  Verba  sind  eingeteilt  in  1.  Verba  der  nO-Klasse  {badhnäti)^ 
2.  Verba  der  nu- Klasse  (ainSti)  u.  3.  Verba  der  infigierten  NasaUdassen 

6.  Joret  Ch.  Les  plantes  dans  Pantiquit^  et  au  moyen  äge.  Premiere 
partie.  Les  plantes  dans  TOrient  classique.  U.  Llran  et  Finde.  Paris, 
Bouillon  1904.  XV,  657  S.  8o.  12  Fr. 

Bez.  Ton  Finot,  L.,  in  Ball,  de  l'^o.  friui«.  d'Extr.-0r. 5,  431 1 

B.   Indisch. 

Allgemeines.    Geschichte. 

[1.  The  Adyar  Library  Report  for  1905.  Adyar  Madras,  India,  Adyar 
Library  1906.  14  S. 

This  report  shows  the  existence  of  more  than  12000  Oriental 
manuscripts,  Sanskrit,  Southern  Indian,  Ceylonese,  Siamese,  Burmese, 
«tc,  in  the  Adyar  Library  of  the  Madras  Presidency,  and  that  an  or- 


IL  Arisch.  B.  Indisch.  111 

ganized  staff  of  pandits  is  engaged,  onder  the  snpenrision  of  a  European 
director,  in  catalogning  them. 

2.  Haraprmsäd  SistrL  Notices  of  Sanskrit  mss.  Second  Series.  Poblished 
ander  Orders  of  the  Government  of  Bengal.  Vol.  2,  pt.  2 ;  vol.  3,  pt  1. 
Galcntta.  190«.  8o. 

These  two  nombers  contain  descriptions  of  more  than  three  hundred 
manuscripts  on  various  subjects. 

3.  —  Notices  of  Sanskrit  mss.  (Extra  number.)  A  catalo^e  of  palm-leaf 
and  selected  paper  mss.  belonging  to  the  Durbar  Library,  Nepal,  to 
which  has  been  added  a  historical  introduction  by  Cecil  BendaU.  Cal- 
cutU  1906.  82  +  32  +  273  +  23  S. 

This  elaborate  list  of  an  extensive  coUection  of  manuscripts  is 
supplemented  by  a  succinct  account  of  the  Nepal  and  the  surrounding 
kingdoms. 

4.  äästri  Hrishikeäa,  and  Qni  Siva  Chandra.  A  descriptive  Catalogue  of 
Sanskrit  manuscripts  in  the  Library  of  the  Calcutta  Sanskrit  College. 
Nos.  19,  20,  21.  Calcutta,  Baneijee  1904.  8o. 

These  numbers  continue  the  list  of  manuscripts  on  the  following 
subjects:  nätaka,  alamkära,  chanda  ärarthaäästrasüci,  ko^a, 
vy&kara^a,  jyotisa,  and  nibandhana.    (Jackson.)] 

6.  Warren  W.  F.  Problems  still  unsolved  in  Indo-Aryan  Cosmology.  JAOS. 
26,  84-92. 

Bereits  im  Jahre  1890  konnte  Jensen  in  seiner  Kosmologie  (S.  184)  über 
das  kosmische  System  der  Inder  schreiben :  Daß  diese  Anschauung  nicht 
aus  Persien,  sondern  direkt  oder  indirekt  aus  Babylonien  stammt,  zeigt 
die  weit  größere  Gleichartigkeit  der  babylonischen  und  indischen  als  die 
der  persischen  und  indischen  Ideen*.  Zum  Beweise  dessen  führt  W.  20 
Punkte  an,  in  denen  der  Schlüssel  zum  Verständnis  indo-arischer  Vor- 
stellungen in  Babylon  zu  suchen  ist.  Außer  diesen  bereits  erledigten 
Fragen  harren  aber  noch  viele  andere  der  Lösung,  von  denen  W.  einigen 
näher  tritt.  Z.  B.  In  der  späteren  Literatur  werden  die  7  dvipas  ver- 
schiedentUch  als  feste,  horizontal  gelagerte  Ringe  angesehen.  W.  glaubt 
jedoch,  yohne  große  Schwierigkeit  den  Nachweis  erbringen  zu  können, 
daß  in  einer  prähistorischen  Zeit  die  indischen  Kosmologisten  die  den 
Babyloniem  entnommene  Vorstellung  von  7  konzentrischen  Kugeln  (kry- 
stallin.  Sphären)  hatten,  die  von  den  7  Planetengottheiten  beherrscht 
wurden.  Einige  andere  Punkte,  die  von  W.  nur  gestreift,  aber  nicht  näher 
behandelt  werden,  betreffen  strittige  Details  der  buddhistischen  u.  Jaina- 
Kosmologie,  ihre  Beziehungen  zur  brahmanischen  und  ihre  Abweichungen 
von  dieser,  namentlich  Zeit,  Ort  und  Ursachen  dieser  Modifikationen. 

7.  Klemm  K.  Inder  (bis  zur  Gegenwart).  Jahresber.  d.  Geschichtsw.  26, 1, 
69-78. 

8.  —  Indologie.  ZDMG.  69,  221—227. 

Besprechung  von: 

1.  Grierson,  G.  A.,  Linguistic  relationship  of  the  Shähbäzgarhl 
Inscription  (JRAS.  N.  S.  36,  1904,  726—731),  wonach  der  indo-arischen 
Grun<kprache  die  modernen  Paii&äci-Sprachen  näher  stehen  als  Sanskrit. 

2.  Rapson,  E.  J.,  In  what  degree  was  Sanskrit  a  spoken  lan- 
guage  (ebd.  436 — tö6).   Hiemach  ist  Sanskrit  von  der  vedischen  Periode 


112  IL  Arisch.  B.  Indisch. 

an  bis  anf  die  Muhammedan.  Inrasion  herab  ohne  Unterbrechung  ge- 
sprochen worden.  Ein  Abkömmling  der  von  den  ersten  Ansiedlem  im 
Nordwesten  gesprochenen  Sprache,  verbreitet  es  sich  zonftchst  über  den 
Norden  und  mit  dem  vordringenden  Brahmanismus  über  ganz  Indien. 
Von  einem  unbedeutenden  Bezirksdialekt  hat  es  sich  mit  Hülfe  der 
brahmanische  Religion,  resp.  Raste  zur  Kultursprache  ganz  Indiens  ent- 
wickelt. 

3.  Kielhorn,  F.,  A  List  of  Inscriptions  of  Southern  India  firom 
about  A.  D.  500.  Appendix  to  Epigraphia  Indica.  VoL  VII.  Calcutta. 
(Nicht  im  Handel.)  Verzeichnis  von  ungef&hr  210  Urkunden  auf  Kupfer- 
platten und  890  auf  Stein  in  Sanskrit,  Tamil,  Telugu,  Kanaresisch  und 
?nur  4)  in  altem  Präkrit.  Bfit  einer  Ausnahme  ist  der  Datierung  die  Saka- 
Ara  zugrunde  gelegt. 

4.  Smith,  Vincent  A.,  The  early  history  of  India  from  600  B.  C. 
to  the  Muhammedan  Conquest  including  the  Invasion  of  Alezander  the 
Great  Oxford,  Clarendon  Press. 

Ein  auch  für  Femerstehende  zur  Lektüre  angenehmes  Buch  mit 
guten  Karten  und  Abbildungen.  Den  Hauptbestandteil  bildet  die  Zeit  von 
600  V.  Chr.  bis  648  n.  Chr.  Eine  ausführlichere  Besprechung  behält  sich 
Klemm  vor. 

5.  The  Brhad-devatä  attributed  to  S'aunaka  ...  edited  . .  .  and 
translated  ...  by  Mac  doneil.  F.  I.  II.  Cambridge.  Die  erste,  allen  wissen- 
schaftlichen Anforderungen  genügende  Ausgabe,  bestehend  aus  Text  und 
Obersetzung  mit  7  Anhängen  (Glossar,  Verzeichnis  der  Prätikas,  der 
Zitate,  der  Gottheiten,  der  einzelnen  Geschichten  und  Nachweise  über 
die  Beziehungen  des  Textes  zu  andern  Werken). 

6.  The  S'rauta-Sütra  of  Drähyäya^a,  with  the  commentary  of 
Dhanvin.  Ed.  by  Reuter.  P.  L  London. 

Vorläufig  Patala  1^10  erschienen. 

7.  Hertel,  Johannes,  Ober  das  Tanträkhyäyika,  die  KaSmirische 
Rezension  des  Pancatantra  .  . .  Leipzig  190^  =  Abhandlgn.  d.  Kgl.  sächs. 
Ges.  d.  Wiss.,  philol.-histor.  Kl.  XXII,  5. 

8.  Mazumdar,  B.  C,  On  the  Bhattikävya  (JRAS.  N.  S.36,  1904, 
395—397). 

Nach  ihm  fällt  die  Abfassungszeit  des  Bhattik.  in  das  5.  Jahrh. 
Aus  einer  aulTälligen  Obereinstimmung  einer  Stelle  des  Bh.  mit  der  Man- 
dasor-Inschrift  (zu  Ehren  Kumäraguptas)  schließt  M.  auf  Vatsabhatti,  den 
Dichter  eben  dieser  Inschrift,  als  Verfasser  des  Bh. 

9.  Grierson,  G.  A.,  Guessing  the  Number  of  Vibhitaka  seeds 
(ebd.  355-357). 

Bericht  über  die  Kaniyas,  Leute  Nordindiens,  zum  Abschätzen  der 
Ernte  auf  Halm  und  Baum  eingerichtet,  die  es  hierin  zu  einer  erstaun- 
Uchen  Fertigkeit  und  wunderbaren  Sicherheit  bringen. 

10.  Franke,  Otto,  Kant  und  die  altindische  Philosophie.  In:  Zar 
Erinnerung  an  Imm.  Kant,  hrsg.  v.  d.  Univ.  Königsberg.  Halle  a.  S.  1904. 
S.  107—141. 

Ober  die  Berührungspunkte  der  Philosophie  Altindiens  mit  Kant, 
der  gewissermaßen  jene  fortsetzte  u.  vollendete,  indem  er  das  Schwer- 
gewicht auf  die  Kritik  der  Erscheinungen  legte,  während  jene  das  den 
Erscheinungen  zugrunde  liegende  Wesen  zum  Mittelpunkte  ihrer  Er- 
örterungen machte. 


n.  Arisch.  B.  Indisch.  113 

11.  La  Säipkhyakärikä  4tudi4e  k  la  lami^re  de  sa  version 
chinoise  par  M.  J.  Takakusn  (Bnlleiin  de  Töcole  fran^.  d'Extreme-Orient 
4,  1-65). 

Eine  sehr  eingehende  Behandlang  des  ältesten  Werkes  der  Sämkhya- 
Philcx>phie,  das  aber  in  der  hier  herangezogenen  chinesischen  Version, 
als  deren  Verfasser  Paramärtha,  auch  Kolanätha  genannt,  angegeben 
wird,  nicht  nur  von  dem  von  Gaudapäda  benutzten  u.  kommentierten 
Texte  abweicht,  sondern  auch  in  ein  bedeutend  früheres  Alter  hinauf- 
reicht (500  V.  Chr.,  während  der  Text  des  Gaudap.  um  700  n.  Chr.  an- 
zusetzen ist). 

Auch  sonst  finden  sich  sehr  wertvolle  Nachrichten  zur  Literatur- 
geschichte des  5.  u.  6.  Jahrhs.  aus  chines.  Quellen  darin. 

12.  The  Vedänta-sütras  with  the  commentary  of  Rämänuga 
transl.  by  Thibaut.  F.  UI.  Oxford  1904.  (Sacred  books  of  the  east  Vol.  48.) 

Hiermit  ist  dieses  Werk  zum  Abschluß  gekommen. 

13.  Pischel,  R.,  Bruchstücke  des  Sanskritkanons  der  Buddhisten 
ans  IdykutSari,  Chinesisch -Turkestan.  Mit  3  Tafeln.  (Sitz.-Ber.  d.  Kgl. 
Preuß.  Ak.  d.  W.  1904.  S.  807—827.) 

Ausführliche  Besprechung  des  von  Grünwedel  mitgebrachten  Holz- 
blockdmcks  in  zentralasiatiscber  Brähmi,  der  das  Vorhandensein  eines 
von  der  in  Päli-Sprache  erfolgten  südlichen  Aufzeichnung  unabhängigen 
Sanskritkanons  beweist  Die  veröffentl.  Bruchstücke  gehören  dem  Sam- 
ynktägama  an  und  entsprechen  6  Sütras  der  chines.  Obersetzung  dieses 
Werkes. 

14.  PulU,  F.  L.,  n  congresso  di  HanoY  per  gli  studi  deir  estremo 
Oriente.  (Studi  Italiani  di  ßlologia  indo-iranica.  Vol.  VI.) 

Inhalt :  Volkstypen,  Bericht  über  den  ethnolog.  u.  archaeolog.  Atlas 
von  Indo-China,  ein  Kapitel  über  Campä  u.  seine  Denkmäler,  sowie  eine 
Schilderung  von  Tonkin  u.  den  Verhandlungen  des  Kongresses. 

9.  Holdich  Th.  H.  India.  (Chapter  1:  Early  India).  London,  Frowde 
1904.  388  S.  80.  7  sh.  6  d. 

Rez.  von  IrviDe,  W.,  in  JRAS.  1005,  376—379. 

10.  Hoemle  A.  F.  and  Stark  H.  A.   A  History  of  India.  Cuttack,  Orissa 
Mission  Press.  Oxford,  Blackwell  a.  Co.  1904.  210  S.  1  R.  8  a. 

Bez.  von  Smith,  Y.  A.,  in  JRAS.  1905,  371— 37a 

11.  Jnsti  L  India.  [Edited  by  A.  V.  WilUams  Jackson.]  In:  A  History  of 
all  Nations  2,  293—329.  Philadelphia,  Pa.,  Lea  Brothers  1905.   Gr.  8o. 

12.  Miceli  Giov.  L'India  antica.  (Bihlioteca  del  popolo.  Vol.  358.)  Milano, 
Sonzogno  1905.  61  S.  15  L. 

18.  Sästri  T.  G.  Bhäratänuvarnanam,  or  description  of  India.  Trivandrum, 
Sästri  1905.  8  u.  159  S.  1  R." 

A  useful  httle  Sanskrit  Reader  composed  in  good  style,  without 
pedantry,  and  written  with  a  view  to  present  a  picture  of  India's  early 
civilization  as  well  as  to  instruct  the  pupil  in  the  Sanskrit  language. 
(Jackson.) 

14.  Smith  V.  A.  The  early  history  of  India  from  600  B.  C.  to  the  Muham- 
madan  conquest,  including  the  invasion  of  Alexander  the  great.  With  9 
plates  a.  6  maps.  Oxford,  Frowde  1904.  VI  u.  389  S.  8o.  14  sh. 

Res.  von  Haltzsch,  E..  in  JRAS.  1905,  S73f.  —  Bursesi,  L,  in  Ind.  Antiq. 

d4,195f. 

Anzeiger  XXII,  Erg&nsangsheft.  3 


112  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

an  bis  auf  die  Muhammedan.  Inrasion  herab  ohne  Unterbrechung  ge- 
sprochen worden.  Ein  Abkömmling  der  von  den  ersten  Ansiedlem  im 
Nordwesten  gesprochenen  Sprache,  verbreitet  es  sich  zonAchst  über  deo 
Norden  und  mit  dem  vordringenden  Brahmanismus  über  ganz  hidien. 
Von  einem  unbedeutenden  Bezirksdialekt  hat  es  sich  mit  Hülfe  der 
brahmanische  Religion,  resp.  Kaste  zur  Kultursprache  ganz  Indiens  ent- 
wickelt. 

3.  Kielhorn,  F.,  A  List  of  Inscriptions  of  Southern  India  from 
about  A.  D.  500.  Appendix  to  Epigraphia  Indica.  VoL  VII.  Calcutta. 
(Nicht  im  Handel.)  Verzeichnis  von  ungefähr  210  Urkunden  auf  Kapfe^ 
platten  und  890  auf  Stein  in  Sanskrit,  Tamil,  Telugu,  Kanaresisch  und 
(nur  4)  in  altem  Präkrit.  Mit  einer  Ausnahme  ist  der  Datierung  die  Saka- 
Ara  zugrunde  gelegt. 

4.  Smith,  Vincent  A.,  The  early  history  of  India  from  öOO  B.  C 
to  the  Muhammedan  Conquest  including  the  Invasion  of  Alexander  tbe 
Great  Oxford,  Clarendon  Press. 

Ein  auch  für  Fernerstehende  zur  Lektüre  angenehmes  Buch  mit 
guten  Karten  und  Abbildungen.  Den  Hauptbestandteil  bildet  die  Zeit  von 
600  V.  Chr.  bis  048  n.  Chr.  Eine  ausführlichere  Besprechung  behält  sich 
Klemm  vor. 

ö.  The  Brhad-devatä  attributed  to  S'aunaka  .  . .  edited  ...  and 
translated  ...  by  Macdon  eil.  F.  I.  IL  Cambridge.  Die  erste,  allen  wissen- 
schaftlichen Anforderungen  genügende  Ausgabe,  bestehend  aus  Text  und 
Obersetzung  mit  7  Anhängen  (Glossar,  Verzeichnis  der  Prätikas,  der 
Zitate,  der  Gottheiten,  der  einzelnen  Geschichten  und  Nachweise  über 
die  Beziehungen  des  Textes  zu  andern  Werken). 

6.  The  S'rauta-Sütra  of  Drähyaya^a,  with  the  commentary  of 
Dhanvin.  Ed.  by  Reuter.  P.  L  London. 

Vorläufig  Patala  1—10  erschienen. 

7.  Hertel,  Johannes,  Ober  das  Tanträkhyäyika ,  die  KaSmiriscbe 
Rezension  des  Pancatantra  .  . .  Leipzig  1904  =  Abhandlgn.  d.  Kgl.  s&chs. 
Ges.  d.  Wiss.,  philol.-histor.  Kl.  XXII,  5. 

8.  Mazumdar,  B.  C,  On  the  Bhattikävya  (JRAS.  N.  S.36,  190^ 
395-397). 

Nach  ihm  fallt  die  Abfassungszeit  des  Bhattik.  in  das  5.  Jahrh. 
Aus  einer  auffälligen  Obereinstimmung  einer  Stelle  des  Bh.  mit  der  Man- 
dasor-Inschrift  (zu  Ehren  Kumäraguptas)  schließt  M.  auf  Vatsabhatti,  den 
Dichter  eben  dieser  Inschrift,  als  Verfasser  des  Bh. 

9.  Grierson,  G.  A.,  Guessing  the  Number  of  Vibhitaka  seeds 
(ebd.  355-357). 

Bericht  über  die  Kaniyas,  Leute  Nordindiens,  zum  Abschätzen  der 
Ernte  auf  Halm  und  Baum  eingerichtet,  die  es  hierin  zu  einer  erstaun- 
lichen Fertigkeit  und  wunderbaren  Sicherheit  bringen. 

10.  Franke,  Otto,  Kant  und  die  altindische  Philosophie.  In:  Zor 
Erinnerung  an  Imm.  Kant,  hrsg.  v.  d.  Univ.  Königsberg.  Halle  a.  S.  190i 
S.  107—141. 

Ober  die  Berührungspunkte  der  Philosophie  Altindiens  mit  Kant, 
der  gewissermaßen  jene  fortsetzte  u.  vollendete,  indem  er  das  Schwer- 
gewicht auf  die  Kritik  der  Erscheinungen  legte,  während  jene  das  den 
Erscheinungen  zugrunde  liegende  Wesen  zum  Mittelpunkte  ihrer  Er- 
örterungen machte. 


II.  Arisch.  B.  Indisch.  115 

XL  Phrasen  der  Atoka-Inschriften.  Die  Sitte  der  Haarwaschong  des  Königs, 
die  mit  großen  Festlichkeiten  verbunden  war  (vgl.  Herodots  Bericht  über 
die  grausame  Rache  der  Amestris,  der  Frau  des  Xerxes,  an  dem  Weibe 
des  Masistes),  sowie  die  von  If egasthenes  erwähnte  entehrende  Bestrafung 
durch  Abschneiden  des  Haupthaares  (vgl.  einen  chinesischen  Bericht  des 
6.  Jahrhs.  A.D.  über  eine  ähnliche  Strafe  unter  den  Sassaniden-Herrschem). 
Aus  den  beiden  letzten  Beispielen  ergibt  sich,  daß  die  alten  Inder  das 
Haupthaar  lang  getragen  haben,  während  die  modernen  Hindus  mit  Aus- 
nahme der  Sikhs  u.  gewisser  Kasten  das  Kopfhaar  scheren,  eine  (Gewohn- 
heit, deren  Ursprung  u.  zeitliche  Entstehung  noch  nicht  erklärt  worden 
ist  Der  persische  Titel  Satrap  (Kshatrapa)  ist  in  der  Maurya-Periode  noch 
nicht  üblich  gewesen,  sondern  hat  erst  seit  den  Zeiten  Mithridates'  I.  (c. 
174—136  B.  G.)  Eingang  gefunden  u.  zwar  durch  fremde  Herrscher,  die  auf 
indischem  Boden  sich  Reiche  gegründet  hatten.  —  VI.  The  meaning  of 
sämamta  in  Rock  edict  IL  —  Das  fragliche  Wort,  das  mit  den  ungenannten 
Yöna  oder  hellenistischen  Königen  in  Verbindung  steht,  darf  nicht,  wie 
es  Bühler  getan  hat,  durch  Vasallenkönige  wiedergegeben  werden, 
sondern  ist  einfach  mit  benachbart,  angrenzend  zu  übersetzen,  welche 
Bedeutung  es  übrigens  auch  in  Ghilders'  P&li  Dictionary  hat.  —  VII.  The 
meaning  of  chiklchha  in  the  same  edict;  and  revised  translation  of  the 
edict  —  Dieses  Wort  bedeutet  weder  'system  of  caring  for  the  sick'  (Kern), 
noch  *remedies'  (Senart),  noch  liospitals*  (Bühler)  oder  'provident  arrange- 
ments'  (Bhandariuur),  sondern  (auf  Grund  von  Fa-hiens  Beschreibung  des 
HospitalB  in  P&taliputra)  'all  the  measures  taken  by  Ai&öka's  medical  de- 
partment  for  the  benefit  of  the  sick,  and  for  the  purpose  of  combating 
disease*.  —  VIH.  The  Kßralaputra  and  Satiyaputra  kingdoms.  —  Kerala 
(auch  Ch6ra)  ist  ein  noch  heutigen  Tages  gebräuchlicher  Name,  u.  das  be- 
treffende Reich  ist  ohne  Zweifel  in  dem  Küstenstrich  zwischen  den  West- 
Ghäts  u.  dem  Meere  von  12*  20*  n.  B.  bis  zum  Kap  Comorin  (Kumäri)  zu 
suchen.  Ober  Satiyaputra  gehen  die  Ansichten  allerdings  auseinander,  doch 
glaubt  Smith  es  mit  ziemlicher  Sicherheit  mit  dem  unmittelbar  nördlich 
von  K6nda  liegenden  Tuluva-Gebiet  identifizieren  zu  dürfen. 
17.  —  Asoka's  alleged  mission  to  Pegu  (Suvannabhumi).  Ind.  Antiq.  84, 
180-186. 

Ausführlichere  Begründung  der  von  Smith  bereits  früher  (Early 
history  of  India,  p.  166)  geäußerten  Bedenken  hinsichtlich  der  Wirklich- 
keit einer  angeblich  von  Atoka  nach  Pegu  beorderten  buddhist.  Mission. 
Smith  setzt  dabei  die  Richtigkeit  der  von  Colonel  Gerini  gemachten  Iden- 
tifizierung Suva9^abhumis  mit  dem  Golfe  von  Martaban  (d.  h.  der  Um- 
gegend der  Städte  Pegu  u.  Mulmein,  resp.  dem  Delta  u.  Unterlaufe  von 
Irrawaddy,  Sittang  u.  Salwen)  voraus.  Die  ganze  Erzählung  geht  in  letzter 
Instanz  auf  eine  Nachricht  im  Dtpavamsa  zurück.  Die  haupsächlichsten 
Gründe  für  das  ablehnende  Verhalten  Smiths  sind  das  Fehlen  des  Namens 
Suvannabhumi  auf  den  Edikten  Ai&okas  selbst,  und  das  Nichtvorhandensein 
von  Monumenten  aus  der  Zeit  des  Atoka  in  Burma,  sowie  daß  die  termini 
technici  des  burmes.  Buddhismus  im  weitesten  Umfange  nicht  dem  Päli, 
sondern  dem  Sanskrit  entlehnt  sind,  also  dem  Mahäyäna,  der  nördlichen 
Schule  angehören  u.  nicht  dem  Hlnayäna,  der  früheren  (südlichen)  Form 
des  Buddhismus,  schließlich,  daß  die  ältesten  bekannten  Skulpturen  nicht 
einem  brahmanisierten,  sondern  bereits  einem  hinduisierten  Buddhismus 
angehören.  Ebensowenig  glaubt  Smith  an  eine  abermalige  Belehrung  der 

3* 


114  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

15.  Hoemle  R.  Some  prohlems  of  ancient  Indian  history.  No.  DI:  The 
Gnrjara  clans.  JRÄS.  1905,  1—82. 

Bereits  früher  hat  H.  zu  Cmminghams  Theorie,  dafi  die  Kaiser  Ton 
Ranauj  Tomaras  waren,  seine  Zustimmong  ausgesprochen.  Diese  Tomaras 
werden,  soweit  H.  dieses  feststellen  konnte,  in  älteren  Berichten  nur  zwei- 
mal erwähnt,  in  der  Pehewa-Inschrift  aus  der  Zeit  des  Mahendra{»i]a 
(c.  885—910  A.  D.)  u.  in  der  Harsha-Inschrift  des  Chohan  Vigraharäja  973 
A.  D.  Aus  jener  Vermutung  u.  aus  Hypothesen  Mr.  Bhandarkars  folgt 
weiter,  daß  die  Tomaras  mit  den  Solankis  (Chaulukyas),  Parihars  (Pra- 
tihäras),  Parmars  (Paramäras),  Chohans  (Chähumänas  oder  Ghähurtoas), 
den  4  sogenannten  Agnikula  Qans  der  Rigputen  u.  den  Kachhwahas 
(Kacchapaghätas)  dem  Volke  der  GQrjaras  angehören.  An  der  Hand  des 
meist  inschriftl.  Quellenmaterials  gibt  H.  einen  Oberblick  über  Herkunft  o. 
weitere  Schicksale  dieser  Stämme,  sowie  über  ihren  Einfluß  auf  die  Ge- 
schichte Indiens,  dem  er  schheßlich  eine  gedrängte  Skizze  der  geschichtl. 
Ereignisse  Indiens  während  der  im  Vorhergehenden  gezeichneten  Periode 
(c.  500—1100  A.  D.)  hinzufügt.  Damach  fand  in  der  1.  Hälfte  des  6.  Jahrbs. 
ein  großer  Einfall  zentralasiatischer  Völkerschaften  (darunter  eben  auch  die 
Gürjaras)  in  Indien  statt,  der  sich  bis  nach  Gwaliyor  erstreckte.  Im  wei- 
teren Vordringen  durch  die  Kaiser  Yaäodharman-Vikramaditya  u.  Harsha 
Vardhana  aufgehalten,  teilten  sich  die  fremden  Horden  u.  wandten  sich 
in  der  Hauptmasse  nach  Rajputana  u.  nach  dem  Paigab,  während  die 
Chälukyas  südlich  zogen,  dort  ein  Reich  mit  der  Hauptstadt  Badami 
gründeten  u.  brahman.  Religion  u.  Gesittung  annahmen.  Die  folgenden  8 
Jahrhunderte  waren  eine  Zeit  friedlicher  Entwicklung,  innerer  politischer 
Erstarkung  u.  der  Verschmelzung  mit  den  Eingeborenen.  Um  780  wurde 
der  Vorstoß  nach  Osten  wieder  aufgenommen,  der  die  fremden  Eroberer  bii 
an  die  Grenze  von  Bengalen  führte,  überhaupt  trotz  mehrfacher  erfolg- 
reicher Gegenvorstöße  der  alteingesessenen  Bevölkerung  die  Expansions- 
politik so  erfolgreich  fortgesetzt,  daß  um  840  A.  D.  fast  der  ganze  Norden 
Indiens  zum  Reich  der  Gürjaras  gehörte.  Nach  diesen  glänzenden  Erfolgm 
trat,  zumeist  durch  verderbliche  Eifersüchteleien  u.  Streitigkeiten  unter 
den  herrschenden  Klassen  hervorgerufen,  eine  Erstarrung  u.  Schwächung 
des  polit.  Lebens  im  Innern  und  nach  außen  ein,  die  den  Verband  des 
Reiches  derartig  lockerten,  daß  es  um  950  A.  D.  nur  aus  einzelnen  un- 
abhängigen Staaten  bestand,  die  ohne  Bedeutung  für  die  Geschichte  Indiens 
ein  ruhmloses  Dasein  fristeten,  bis  sie  um  1050  A.  D.  von  dem  Gahärwär 
Chandra  Deva  erobert  u.  damit  aus  der  Liste  der  selbständigen  Staaten 
gestrichen  wurden. 

16.  Smith  V.  A.  Asoka  notes.  Ind.  Antiq.  34,  200—203,  245—251. 

IV.  Consular  oCficers  in  India  a.  Greece.  —  Die  zivilen  u.  militär. 
Einrichtungen  des  Maurya-Reiches,  wie  sie  in  den  A&oka-Edikten  u.  von 
den  griechischen  Schriftstellern  geschildert  werden,  waren  rein  indische, 
in  einigen  Einzelheiten  von  persischem  Einfluß  modifiziert,  u.  zeigen  keine 
Ähnlichkeit  mit  hellenischen  Gebräuchen.  Eine  einzige  Ausnahme  hiervon 
machen  die  von  Megasthenes  dcrOvo^oi  genannten  Offiziere,  die  mit  der 
Fürsorge  für  die  Fremden  betraut  waren  u.  in  verschiedener  Beziehong 
den  griechischen  irpöHevoi  genau  entsprechen.  —  V.  Persian  Influence  on 
Maurya  India.  —  Beispiele  hierfür  sind:  Die  Verwandtschaft  der  Aäoka- 
Säulen  u.  Basreliefs  mit  der  persischen  Architektur.  Der  Grebrauch  der 
Kharoshthi-Schrift  an  der  Nordwestgrenze  Indiens.    Verschiedene  Wörter 


IL  Arisch.  B.  Indisch.  117 

vemeint,  auch  die  neue  Hypothese  des  letzteren  darüber  ist  unhaltbar, 
da  die  Deutung  der  61os8e,t  die  L^vi  zu  seiner  Annahme  veranlaßt  hat, 
sich  mit  dem  chinesischen  Texte  nicht  deckt  Außerdem  "findet  sich  von 
einem  geographischen  Namen  Kharostra  in  der  ganzen  uns  bisher  be- 
kannten indischen  wie  chinesischen  Literatur  nicht  eine  Spur".  Schließlich 
wird  die  Möglichkeit,  daß  der  Inhalt  der  Glosse  eine  freie  Erfindung  der 
Glossisten  ist,  nachgewiesen. 

23.  VoBt  W.  Saketa,  Sha-Chi,  or  Pi-So-Kia.  JRAS.  1906,  437—449. 

Wie  über  die  Lage  vieler  ehemaliger  indischer  Stfldte,  so  herrscht 
auch  über  die  von  Säketa  große  Unsicherheit,  die  zu  einem  guten  Teil 
auf  der  schwankenden  u.  mannigfachen  Benennung  u.  den  dadurch  her- 
vorgerufenen Versehen  der  alten  chinesischen  Greographen  beruhen  dürfte. 
S.  war  eine  zwischen  Kanaig  u.  Pätali-putra  (jetzt  Patnä)  nördlich  vom 
Ganges  gelegene  Stadt,  deren  Existenz  sich  von  den  Tagen  Gautama 
Buddhas  an  bis  ungefähr  400  A.  D.  nachweisen  Iftßt.  V.  führt  nun  die 
bis  jetzt  über  S.  aufgestellten  Hypothesen  an,  wägt  sie  gegen  einander 
ab  und,  da  er  von  ihrer  Unzulänglichkeit  überzeugt  ist,  so  glaubt  er  die 
Lösung  dieser  geographischen  Frage  finden  zu  können,  indem  er  mit 
Cunningham  die  Reiche  Ayodhya,  Pi-so-kia  u.  Sha-chi  ziemlich  identisch 
sein  läßt,  die  sämtlich  zwischen  den  Flüssen  Ghägharä  u.  Ganges  sich 
befunden  haben  müssen,  u.  indem  er  weiterhin  Fa-hians  Beschreibung 
der  Hauptstadt  von  Sha-chi  u.  die  des  Yuan  Chwang  von  der  von  Pi-so-kia 
als  auf  ein  u.  dieselbe  Stadt  u.  zwar  auf  Säketa  sich  beziehend  annimmt. 
Unter  Verwertung  anderweiter  geographischer  Angaben  u.  der  tatsäch- 
lichen topographischen  Verhältnisse  weist  V.  nunmehr  das  alte  S.  im 
heutigen  Tusäran  Bihär  nach. 

Literaturgeschichte. 

24.  Henrj  V.  Les  litt^ratures  de  Tlnde :  Sanscrit,  Päli,  Präcrit.  Paris, 
Hachette  et  Co.  1904.  XH,  336  S.  8o.  3,60  Fr. 

Res.  von  Benel,  CiL,  in  Bey.  de  Thiit.  de«  reL51,  3101 

26.  Wintemiti  M.  Geschichte  der  indischen  Litteratur.  1.  Teil.  Einleitung 
u.  1.  Abschn.  der  Veda.  (Die  Litterataren  des  Ostens  in  Einzeldar- 
stellungen. 9, 1.)  Leipzig,  Amelang  1906.  268  S.  8o.  3,76  M. 

Bes.  von  Geiger,  B.,  in  WZKM.  19, 314 ff.;  von  D.  Andersen  in  Nord.  Tidskr. 

t  filoL  a  B.  14,  72-78. 

26.  Cimmino  F.  Studii  sul  Teatro  Indiano.  1.  Sul  dramma  Karpüramanjari. 
2.  Sul  dramma  Candakaui§ika.  Neapel  1906.  76  S. 

Exegetisch  und  literarisch. 

27.  Oertel  H.  Contributions  from  the  Jäiminiya  Brähma^a  to  the  history 
of  the  Brähmava  literature.  JAOS.  26,  176—196. 

Fünfte  Serie.  (Die  ersten  4  Serien  stehen  in  JAOS.  18,  S.  16;  19, 
S.  97;  in  Actes  du  11«  Congrds  intern,  des  Orient.  Paris  1897,  vol.  1  (1899), 
S.  226  u.  in  JAOS.  23,  S.  326.) 

1.  Indra  in  the  guise  of  a  woman  (JB.  II,  78).  —  Das  gleiche 
Motiv  finden  wir  in  Dandins  DäSakumäracarita,  wo  Pramati  durch  die 
nämliche  List  Eingang  zu  seiner  geliebten  Navamälikä  erlangt,  in  der 
griechischen  Geschichte  von  Leukippos  u.  Daphne  (bei  Pausanias  u.  Par- 
thenius),  des  öfteren  in  der  röm.  Komödie  (s.  Ribbeck  Geschichte  der  röm. 


116  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

Bonnesen  im  Baddhismns  durch  Baddhaghösa  (5.  Jahrh.  p.  C),  den  er 
Oberhaupt  nicht  für  eine  historische  Persönlichkeit  hält  Smith  ist  viel- 
mehr der  Überzeugung,  daß  die  gegenwärtige  Form  des  burmes.  Buddhis- 
mus aus  dem  5.  Jahrh.  p.  G.  datiert  u.  auf  eine  Reformation  unter  dem 
Könige  Dhammachßti  zurflckgeht  (vgl.  die  KalyäQl-Inschriften). 

18.  Peanon  C.  Alexander,  Porus,  and  the  Pa^jab.  Ind.  Antiq.  3^  253—261. 

(Mit  einem  Vorwort  von  V.  A.  Smith.)  Der  Aufsatz  handelt  über  das 
Datum  u.  die  Ortlichkeiten  der  kriegerischen  Operationen  Alexanders  im 
Panjab  326  a.  C,  speziell  über  die  Schlacht  am  Hydaspes,  deren  zeitlidien 
u.  lokalen  Verlauf  an  der  Hand  einer  Karte  festzulegen  versucht  wird. 
P.  untersucht  dabei  unter  Heranziehung  der  von  den  alten  Geschichts- 
schreibern gemachten  Angaben  die  von  Cunningham,  Abbott,  Smith  (Early 
history  of  India)  usw.  aufgestellten  Hypothesen,  ohne  bei  dem  gegen- 
wärtigen Stand  dieser  Frage  zu  einem  abschließenden  Urteil  zu  gelangen. 

19.  Orierson  6.  A.  Pisaca  «==  *Q^o(pdToc.  JRAS.  1905,  285—288. 

Der  Verfasser  gibt  teils  im  Auszug,  teils  in  wörtl.  Obersetzung  tos 
der  betrefTenden  Landessprache  verschiedene  altüberlieferte  Legenden, 
die  von  dem  ehemahgen  Vorhandensein  von  Kannibalismus  unter  den 
nordwestl.  Stämmen  Britisch-lndiens  (in  Gilgit,  Chitral  u.  Käfiristän)  Zeugnis 
ablegen.  Eine  davon,  die  Geschichte  vom  Zauberer  Shiribadatt,  der  mit 
der  Zeit  zum  ausschließl.  Menschenfresser  wurde,  erinnert  zweifellos  tn 
das  Mahä-sutasöma  Jätaka,  in  dem  vom  Helden  Brahma  Datta  dasselbe 
berichtet  wird.  Einer  Vermutung  Hoernles  Folge  gebend,  hält  auch  Gr. 
die  phonetische  Gleichung  Pashai-F^Säca  für  möglich  (die  Pashai  sind  ein 
Zweig  der  Räfirs).  Derartige  Erzählungen  sind  aber,  wie  aus  den  mitge- 
teilten Beispielen  erhellt,  über  das  ganze  moderne  PiSäca  verbreitet  Auf 
Grund  dieser  Tatsachen  sowie  der  ursprünglichen  Bedeutung  von  Pi§äca 
=  Ui)üio<pdToc,  an  eater  of  raw  flesh,  kommt  Gr.  zu  der  Annahme,  daß  die 
PiSäcas  der  Sanskritliteratur  im  Nordwesten  Indiens  ihren  Sitz  gehabt 
haben. 

20.  Aiyangar  S.  K.  The  Agnikula;  the  Fire-race.  Ind.  Antiq.  34,  261—264. 

Hoemle,  Some  problems  of  ancient  Indian  history  (JRAS.  1905, 
p.  liT.)  bezeichnet  die  Paramära  Räjputen  als  die  einzige  Familie,  die  zu 
den  Agnikulas  gehören,  wenn  auch  die  Legende  hiervon  über  die  Mitte 
des  11.  Jahrhunderts  (die  Zeit  der  Paramäras)  hinausreichen  kann.  Aiyangar 
weist  nun  in  der  klassischen  Tamil-Literatur  eine  Beziehung  zu  dieser 
Legende  nach,  sowie,  daß  in  jenem  Teile  Indiens  alte  Familien  existiert 
haben,  die  ihre  Herkunft  auf  die  Agnikulas  zurückführten.  Aiy.  konmit  in 
der  zeitlichen  Festlegung  dieser  Erzählung  bis  ins  2.  Jahrhundert  a.  C 

21.  Ettinghausen  M.  L.  Harsa  Vardhana,  empereur  et  po^te  de  Tlnde 
septentrionale  (606 — 648  A.  D.).  £tude  sur  sa  vie  et  son  temps.  [Tbese 
de  Paris.]  London,  Luzac  1906.  X,  194  S.  [nebst  1  Bl.  Errata  et  Ck)r- 
rigenda].  ö  Sh. 

22.  Franke  0.  Hat  es  ein  Land  Kharostra  gegeben?  Sitzber.  d.  K.  Fr. 
Ak.  d.  Wiss.  1905.  1,  238—248.  [Auch  bes.:  Berlin  (G.Reimer)  1905. 
11  S.  0,50  M.] 

Bereits  früher  hat  Fr.  im  Verein  mit  Pischel  (s.  Sitzber.  d.  K.  Pr 
Ak.  d.  Wiss.  1903,  S.  184fr.  u.  S.  735fir.)  die  Behauptung  Sylvain  Levis 
(s.  Le  pays  de  Kharostra  et  l'^criture  Kharostr!  in  Bulletin  de  T^c.  fran^.  de 
Textr.  or.  IV,  543 K.^  \oiv  d^i  Eidatenz  eines  Landes  Kharostra  entschiedeo 


II.  Arisch.  B.  Indisch.  119 

zuläßt,  betitelt  sich  KävyälaAkära,  besteht  aus  400  (meist  Anushtubh-) 
Versen  und  ist  in  6  Kapitel  eingeteilt:  1.  i&Tvm,  2.  u.  3.  alaAkäras,  4.  dösha, 
5.  nyäya,  6.  i&abda-duddhi.  Der  Stil  seines  Lehrbuches  ist  ein  vorzüglicher 
u.  entspricht  ganz  den  strengen  Anforderungen,  die  er  selbst  hinsichtlich 
der  Komposition  aufstellt. 

31.  Bamett  L.  D.  The  date  of  Bhämaha  and  Dandi.  JRAS.  1905,  841  f. 

Mit  Bezug  auf  Narasimhiengars  Aufsatz  "Bhämaha  the  rhetorician" 
(JRAS.  1905,  533  ff.)  bringt  B.  einige  weitere  Notizen  zur  Festlegung  der 
Lebenszeit  dieses  u.  seines  Vorgängers  Dandin.  Er  geht  hierbei  aus  von 
der  singhales.  Rhetorik  **Svabhäsälamkära**,  die  sich  auf  das  Kävyädari§a 
des  Dandin  stützt,  der  darin  -namentlich  aufgeführt  wird.  Glaubwürdiger 
Überlieferung  nach  ist  nun  dasSvabhasälamkära  im 8.,  spätestens  im  9.  Jahrb. 
entstanden.  Da  femer  Dandin  den  Kähdäsa  erwähnt,  der  gewöhnlich  in 
den  Anfang  des  5.  Jahrhs.  gesetzt  wird,  so  gewinnt  die  Annahme,  Dandin 
habe  im  6.  Jahrb.  gelebt,  nicht  unbedeutend  an  Wahrscheinlichkeit.  Aber 
auch  die  weitere  Schlußfolgerung  Narasimhiengars,  daß  Bhämaha  im  der 
1.  Hälfte  des  8.  Jahrhs.  gelebt  habe,  wird  durch  das  Svabhäsälamkära  ge- 
rechtfertigt Die  Colombo-Ausgabe  dieses  Werkes  bringt  den  Dandin  mit 
Vämana  zusammen.  Zwei  vorzüghche  Mss.  des  Britischen  Museums  lesen 
aber  statt  vämana  bämaha.  Was  ist  nun  das  richtigere  ?  Vämanas  Rhetorik 
ist  für  Jahrhunderte  in  ganz  Indien  maßgebend  gewesen,  während  Bhämaha 
ziemlich  unbekannt  geblieben  ist.  Deshalb  ist  doch  wohl  wahrscheinlicher, 
daß  irgend  ein  Schreiber  Bhämahas  Namen  mit  dem  des  berühmten  Vä- 
mana vertauscht  hat,  als  daß  es  sich  umgekehrt  verhalte.  Narasimhiengars 
Hypothese  ist  demnach  wohl  unbedenklich  beizustimmen. 

32.  Takaküsa  J.  A  study  of  Paramartha's  life  of  Vasu-Bandhu;  and  the 
date  of  Vasu-Bandhu.  JRAS.  1905,  33—53. 

Paramärtha  (A.  D.  499 — 569),  auch  Kula-nätha  genannt,  war  ein 
berühmter  Brahmane  aus  der  Familie  der  Bhäradväjas  u.  wurde,  als  der 
chines.  Kaiser  Wu-ti  den  Wunsch  nach  einem  gelehrten  Buddhisten  als 
Obersetzer  u.  Erklärer  der  Mahä-yäna-Texte  am  Hofe  zu  Magadha  zu  er- 
kennen geben  ließ,  ausersehen,  diesen  ehrenvollen  Posten  zu  übernehmen. 
Von  seinen  zahlreichen  Schriften  hat  nun  aber  den  höchsten  Wert  für 
uns  das  '"Leben  des  Vasu-Bandhu",  weil  es  ganz  unerwartet  Licht  über 
eine  dunkle  Periode  in  der  Geschichte  des  Buddhismus,  der  Sämkhya- 
Schule  u.  der  indischen  Literatur  überhaupt  verbreitet  *).  V.-B.,  in  Purusa- 
pura  (Peshawar)  geboren,  war  der  zweite  u.  berühmteste  unter  3  gleich- 
namigen Brüdern.  Zunächst  Hina-yänist,  wurde  er  von  seinem  älteren 
Bruder  zur  Mähä-yäna-Richtung  bekehrt,  als  deren  größter  und  bedeu- 
tendster Vertreter  er  im  Alter  von  80  Jahren  zu  Ayodhyä  gestorben  ist. 
Gewöhnlich  wurde  V.-B.  bisher  in  das  6.  Jahrb.  A.  D.  gesetzt  (so  von  Max 
Müller,  M.  Sylvain  L6vi),  doch  glaubt  T.  auf  Grund  seiner  Forschungen 
diese  Angabe  korrigieren  u.  rektifizieren  zu  können.  Die  Werke  des  V.-B. 
sind  bis  jetzt  nicht  im  Original,  sondern  nur  in  chinesischer  Obersetzung 
veröffentlicht,  weshalb  sich  seine  literarische  Tätigkeit  auch  nur  mit  Hilfe 
chines.  Autoritäten  sowie  aus  verstreuten  geschichtl.  Angaben  in  Para- 
märthas  Lebensbeschreibung  des  V.-B.  selbst  zeitlich  feststellen  läßt.  Da 
nun  Paramärtha  sich  von  546  bis  569  in  China  aufgehalten  hat  und  die 

1)  Eine  engl.  Obersetzung  davon  befindet  sich  im  Toung-Pao  vom 
Juli  1904,  von  Takakusu  verfertigt. 


120  n.  ArisclL  B.  IncUsch. 

meisten  Cbersetznngen  der  Werke  des  V.-B.  in  der  1.  Hälfte  des  6.  Jahrhs. 
A.  D.  erfolgt  sind,  da  es  fernerhin  zwar  möglich,  aber  nicht  wahrscheinlich 
irt,  daß  die  Schriften  des  V.-B.  unmittelbar  nach  ihrer  Abfassung  nach 
China  gebracht  worden  sind,  so  kommt  T.  im  Verein  mit  den  aus  der 
L^>ensbeschreibung  des  V.-B.  selbst  geschöpften  Kombinationen  zu  dem 
Ergebnis,  daß  V.-B.  nicht  nach  500,  sondern  vor  500,  ungefähr  420^500 
gelebt  haben  wird. 

33.  Bhaahja  Gharja  N.  The  age  of  Pataigaü.  New  and  revised  edition. 
(Adyar  Library  Sories.  L)  Madras- Adyar,  Theosophist  Office  1905. 25  S. 

Abdruck  aus  dem  *Theosophist**  vom  September  1889. 

34.  Jaeob  G.  A.  Vindhyavasin.  JRAS.  1905,  355  f. 

Zu  der  von  Takakusu  vorgeschlagenen  Identifizierung  der  bisher 
etwas  schattenhaften  Persönlichkeit  des  Vindhyavasin  mit  lävarakrisna, 
dem  Autor  der  Sänkhyakarikä,  bringt  J.  noch  eine  andere  Stelle  aus  dem 
Slokavärtika  mit  N^mung  des  Vindhyavasin.  In  dem  gleichfalls  zur  Zeit 
noch  sehr  wenig  bekannten  Värsaganya,  den  Takakusu  mit  Vrsagana,  dem 
Ldirer  des  Vindhyavasin  gleichsetzt,  vermutet  J.  umgekehrter  Weise  den 
Vindhyavasin  selbst,  der  als  **Nachfolger  u.  Schüler"*  des  Vrsagana  eben 
den  Namen  Värsaganya  erhalten  hat 

Grammatik. 

35.  Waekemagel  J.  Altindische  Grammatik.  II,  1.  Einleitung  zur  Wortlehre. 
Nominalkomposition.  Göttingen,  Vandenhoeck  A  Ruprecht  1905.  XII, 
329  S.  8  M. 

Res.  TOS  Leamaaii,  K.,  in  LZ.  1905,  119if.;  Henry,  V.,  in  Rev.  erit  VKb, 

5,  m-lM;  ühleabeek.  ac.  ia  Mueam  (Leiden)  la,  8»-a2L 

36.  Thumb  A.  Handbuch  des  Sanskrit  mit  Texten  und  Glossar.  I.  Teil: 
Grammatik.  II.  Teil:  Texte  u.  Glossar.  (Sammlung  indogerm.  Lehrbücher, 
herausg.  von  H.  Hirt  I.  Reihe :  Grammatiken.  1.  Bd.)  Mit  dem  Unter- 
titel :  "^Einführung  in  das  sprachwissenschaftliche  Studium  des  Altindi- 
schen*".  Heidelberg,  Winter  1905.  XVUI,  505 u.  V,  133 S.  8o.  UM.,  4M. 

Bes.  TonLenmann,  £.,  in  ZDMG.  50, 43B~441 ;  H[illebr«n]dt,  in  LZ.  1906, 
861—^63;  Piiohel,  R.,  in  DL.  1905,  2251—53;  2986—88;  Henry,  V.,  in  Rer.  crit.  ISOb 
1,  961-^363;  2.  258;  Ciardi-Dnprö,  G.,  in  OL  Soc  aa.it  18,  355-357;  Speier,  J.S., 
in  Mosenm  (Leiden)  13»  7  f. 

37.  laebieh  B.  Sanskrit-Lesebuch.  Zur  Einfahrung  in  die  altindische  Sprache 
u.  Literatur.  Leipzig,  Harrassowitz  1905.  X,  651  S.  8«.  10  M. 

Inhalt :  Einleitung  (Verzeichnis  der  benutzten  Texte  u.  Obersetzungen, 
Anweisung  zum  Gebrauch  des  Buches,  Aussprache  u.  Sandhi-Regeln).  — 
Naia.  —  Pancatantra.  I.  —  Somadeva's  Kathisaritsftgara.  I.  —  BhartrharL 
—  Kälidäsa*s  Kumärasambhava.  I.  —  Alles  in  lateinischer  Umschiift  q. 
mit  Obersetzung  von  Rückert,  Kellner,  Fritze,  Tawney,  Böhtlingk  u.  a.  — 
Femer  ein  ausfQhrliches  Wörterbuch. 

Bea.  von  HCnltaich],  K^  in  LZ.  1905,  1626. 

38.  Vidyabhuaana  S.  Ch.  Indian  Alphabets  during  the  Buddhist  period. 
Maha-Bodhi  12,  26--d3. 

Behandelt:  1.  Inscriptions  (±300  B.C.).  2.  Origin  of  the  Indian 
aiphabet  (±  900  B.  C.  ?).  3.  Antiquity  of  the  Indian  aiphabet.  4.  Evolution 
of  the  Indian  aiphabet    5.  The  rapid  progress  of  the  Nagari  aiphabet 

6.  Bengali  and  Tibetan  alpbabets. 

39.  Wecker  0.  Der  Gebrauch  der  Kasus  in  der  älteren  Upanisad-Literatur 


n.  Arisch.  B.  Indisch.  121 

verglichen  mit  der  Kasuslehre  der  indischen  Grammatiker.  BB.  30, 1—61 
u.  177—207. 

40.  Aufrecht  Th.  Wurzel  dhvar.  KZ.  38  (N.  F.  18),  499  f. 

Sie  soll  nicht  'beugen,  zu  Fall  bringen'  (wie  Roth  will),  sondern 
Verletzen,  beschädigen'  bedeuten  u.  dem  griech.  q>e€ip€iv  genau  entsprechen 
{adhcarä,  ursprüngl.  Adjektiv,  unverletzlich  =  &q>eopoc).  Aufzählung  der 
Stellen,  an  denen  dhvar  u.  dessen  Ableitungen  vorkommen. 

41.  CoUits  H.    Die  Herkunft  der  «-Deklination.  BB.  29,  81—114. 

Bisher  hat  man  die  zur  ersten  Deklination  der  griech.  u.  latein. 
Sprache,  zur  sogen.  a-Deklination  gehörigen  Stämme  fQr  alte  5-Stämme 
gehalten.  Gewisse  Parallelen  der  abgeleiteten  a-  u.  »-Deklination  im 
Sanskrit  führten  C.  zu  dem  Versuche,  die  Unregelmäßigkeiten  der  a-Dekl. 
zur  Erklärung  der  Unregelmäßigkeiten  in  der  »-Dekl.  zu  benutzen.  Es 
stellte  sich  dabei  eine  größere  Zusammengehörigkeit  beider  Deklinationen 
heraus,  als  bis  jetzt  angenommen  worden  ist,  so  daß  sich  G.  schließlich 
zu  der  Annahme  gedrängt  sah,  daß  die  a-Dekl.  von  Haus  aus  eine  äi- 
Dekl.  gewesen  sei.  —  Von  den  einzelnen  Abschnitten  der  Abhandlung 
kommen  fQr  die  vorliegende  Bibliographie  in  Betracht:  1.  Die  f- Dekli- 
nation im  Rigveda.  Rein  äußerlich  tritt  der  Stamm  in  3facher  Ge- 
stalt auf:  als  devi,  devi  u.  devyä-.  Das  ä  in  Formen  wie  devyäs^  devydi, 
depyäm  ist  dabei  sicherUch  zu  unterscheiden  von  dem  Instr.  Sing,  devpdy 
wo  das  ä  nur  die  Kasusendung  u.  das  übrigbleibende  devy'  den  Stamm 
dem  oder  besser  devi  darstellt.  IV.  Der  Parallelismus  der  a-  und 
der  »-Deklination  im  Altindischen.  Daß  wirklich  ursprünglich  in 
der  Flexion  devt  der  »-Stamm  in  dem  Umfange  geherrscht  hat,  wie  er 
im  Altind.  sich  vorfindet,  wird  durch  die  Vergleichung  der  ved.  ä- 
Flexion  bestätigt,  ä-  u.  »-Dekl.  stehen  hier  nämlich  in  einem  sehr  engen 
Zusammenhange  u.  bauen  sich  jede  aus  8  verschiedenen  Stämmen  auf, 
die  sich  aber  in  ihrer  Bildung  gleichen  u.  auch  in  ihrer  Verteilung  über 
die  einzelnen  Kasus  entsprechen.  Diese  Stämme  sind  bei  der  S-Dekl. : 
1.  5,  2.  e  (oder  aif),  3.  äy-  ö-,  bei  der  f-Dekl. :  1.  »,  2.  »  (oder  y),  3.  y-  5- 
(oder  »-d).  VI.  Zur  Vorgeschichte  der  f-Deklination.  Der  Stamm 
devi  ist  eine  gekürzte  Form  des  Stammes  devt,  u.  zwar  wurde  das  »  von 
devi  gekürzt  im  unmittelbaren  Auslaute  oder  vor  folgendem  kurzem 
Vokale,  wenn  es  den  Akzent  verlor.  Beim  3.  Stamme  devyd-  handelt  es 
sich  um  eine  Stammeserweiterung  von  devi  durch  das  angehängte  Suffix 
ä  (sei  es  ursprüngl.  betont  oder  nicht  betont).  VII.  Ergebnisse  für 
die  a-Deklination.  Nach  der  Erklärung  des  Stammes  devyä  aus  devi 
+  5  hat  man  in  der  d-Dekl.  den  Stamm  jihväyä-  in  jihväy  +  5  zu  zerlegen 
u.  für  den  Stamm  jihvä  eine  ältere  Form  ^Jihvay-  oder  *jihväi  anzu- 
nehmen, welche  Schlußfolgerung  durch  den  Stamm  jihvay  bestätigt  wird. 
Vm.  Abgeleitete  Stämme  auf  -eya-  im  Altindischen.  Ober  die 
Frage  nach  der  Erhaltung  der  ^»-Stämme  in  der  Wortbildung.  Im  all- 
gemeinen werden  die  Wortstämme  bei  der  Bildung  abgeleiteter  Wörter 
freier  behandelt  als  in  der  Deklination.  So  können  z.  B.  die  «»-Stämme  in 
der  Wortbildung  ihre  Endung  gänzlich  aufgeben.  Zuweilen  ist  es  auch 
zweifelhaft,  ob  das  y  ein  Rest  des  Stammes  oder  ein  Teil  der  Ableitung 
ist  Sicherlich  als  Ableitung  aufzufassen  sind  die  sekundären  Adjektive 
(bezw.  Substantive)  auf  -eya,  die  entweder  Patronymica,  resp.  Metronymica 
oder  Adjektiva  allgemeinerer  Bedeutung  bilden.  Die  im  Rigveda  belegten 
Bildungen  dieser  Art  gehören  zu  »'-  oder  a- Stämmen. 


120  II.  Arisch.  B.  Indisch. 

meisten  Ohersetzungen  der  Werke  des  V.-B.  in  der  1.  H&Ifte  des  6.  Jahibs. 
A.  D.  erfolgt  sind,  da  es  fernerhin  zwar  möglich,  aber  nicht  wahrscheinlich 
ist,  daß  die  Schriften  des  V.-B.  anmittelbar  nach  ihrer  Abfassong  nach 
China  gebracht  worden  sind,  so  kommt  T.  im  Verein  mit  den  ans  der 
Lebensbeschreibung  des  V.-B.  selbst  geschöpften  Kombinationen  zu  dem 
Ergebnis,  daß  V.-B.  nicht  nach  500,  sondern  vor  500,  ungefähr  420—500 
gelebt  haben  wird. 

33.  Bhashya  Charya  N.  The  age  of  Patanjaü.  New  and  revised  editioo. 
(Adyar  Library  Series.  I.)  Madras-Adyar,  Theosophist  Office  1905. 25  S. 

Abdruck  aus  dem  'Theosophisf*  vom  September  1889. 
84.  Jacob  6.  A.  Vindhyaväsin.  JRAS.  1905,  355  f. 

Zu  der  von  Takakusu  vorgeschlagenen  Identifizierung  der  bisher 
etwas  schattenhaften  Persönlichkeit  des  Vindhyaväsin  mit  lävaraknsns, 
dem  Autor  der  Sänkhyakärikä,  bringt  J.  noch  eine  andere  Stelle  aus  dem 
S'lokavärtika  mit  Nennung  des  Vindhyaväsin.  In  dem  gleichfalls  zur  Zeit 
noch  sehr  wenig  bekannten  Värsaganya,  den  Takakusu  mit  Vrsagana,  dem 
Lehrer  des  Vindhyaväsin  gleichsetzt,  vermutet  J.  umgekehrter  Weise  den 
Vindhyaväsin  selbst,  der  als  "Nachfolger  u.  Schüler**  des  Vrsagana  eben 
den  Namen  Värsaganya  erhalten  hat 

Grammatik. 

35.  WackemagelJ.  Altindische  Grammatik.  II,  1.  Einleitung  zur  Wortlehre. 
Nominalkomposition.  Göttingen,  Vandenhoeck  A  Ruprecht  1905.  Xu, 
329  S.  8M. 

Res.  von  Lenmsnn,  E.«  in  LZ.  1905,  1191  f.;  Henry,  Y.,  in  Rev.  erit.  1906, 
2,  121-124;  ühlenbeck,  C.  C,  in  Mnseam  (Leiden)  13,  89—92. 

36.  Thumb  A.  Handbuch  des  Sanskrit  mit  Texten  und  Glossar.  1.  Teil: 
Grammatik.  II.  Teil:  Texte  u.  Glossar.  (Sammlung  indogerm.  Lehrbücher, 
herausg.  von  H.  Hirt.  I.  Reihe :  Grammatiken.  1.  Bd.)  Mit  dem  Unter- 
titel :  ''Einführung  in  das  sprachwissenschaftliche  Studium  des  Altindi- 
schen".  Heidelberg,  Winter  1905.  XVIII,  505 u.  V,  133 S.  8«.  14 M.,  4M. 

Rez.  YonLeumson,  E.,  in  ZDMG.  59, 438-441;  H[illebr«n]dt,  in  LZ.  1906, 
861-«3:  Pischel,  R.,  in  DL.  1905,  2251--53;  2966-88;  Henry,  V.,  in  Rer.  crit.  VKb 
1,  361-363;  2.  258;  Cisrdi-Dnpre,  O.,  in  GL  Soc.  at-it  18.  355-357;  Speier,  J.S, 
in  Musenm  (Leiden)  13,  7  f. 

37.  Liebich  B.  Sanskrit-Lesebuch.  Zur  Einführung  in  die  altindische  Sprache 
u.  Literatur.  Leipzig,  Harrassowitz  1905.  X,  651  S.  8o.  10  M. 

Inhalt :  Einleitung  (Verzeichnis  der  benutzten  Texte  u.  Obersetzungen, 
Anweisung  zum  Gebrauch  des  Buches,  Aussprache  u.  Sandhi-Regeln).  — 
Nala.  —  Pancatantra.  I.  —  Somadeva's  Kathisaritsftgara.  I.  —  Bhartrhari. 
—  Kälidäsa*s  Kumärasambhava.  I.  —  Alles  in  lateinischer  Umschiift  Q. 
mit  Übersetzung  von  Rückert,  Kellner,  Fritze,  Tawney,  Böhtlingk  u.  a.  — 
Ferner  ein  ausführliches  Wörterbuch. 

Rez.  Yon  H[nltsich],  K^  in  LZ.  1905,  1626. 

38.  Vidyabhusana  S.  Gh.  Indian  Alphabets  during  the  Buddhist  period. 
Maha-Bodhi  12,  26—33. 

Behandelt:  1.  Inscriptions  (±300  B.  G.).  2.  Origin  of  the  hidian 
aiphabet  (±  900  B.  G.  ?).  3.  Antiquity  of  the  Indian  aiphabet.  4.  Evolution 
of  the  Indian  aiphabet.  5.  The  rapid  progress  of  the  Nagari  aiphabet. 
6.  Bengali  and  Tibetan  aipbabets. 

39.  Wecker  0.  Der  Gebrauch  der  Kasus  in  der  älteren  Upanisad-Iiteratar 


Arisch.  B.  Indisch.  123 

dieser  Umstand  darauf  hin,  daß  die  Regehi  eines  Pä^ini  u.  Patanjali  be- 
reits laaer  gehandhabt  wurden,  daß  folglich  zwischen  den  Werken  dieser 
Grammatiker  n.  jenen  Dichtungen  doch  wohl  ein  größerer  Zeitraum  ver- 
strichen sein  muß. 

45.  MeiUet  A.   Les  nominatifs  sanskrits  en  •/.  IF.  18,  417—421. 

I.  Die  im  Sanskrit  auf  einen  ursprfingl.  Palatal  {g  =  zd.  s,  J  oder 
h  =3  zd.  z)  ausgehenden  Stämme  haben  im  Nom.  teils  -k  (dik,  bhi^äk, 
U9^),  teils  -/  (r//,  rdf,  -vdf).  Den  A:-Typ  hat  man  bis  jetzt  durch  phonet. 
Einflüsse  u.  den  /-Typ  durch  Analogiebildung  erklärt.  Aber  diese  Folgerung 
ist  durchaus  nicht  zwingend.  M.  kommt  vielmehr  zu  der  Oberzeugung, 
daß  in  beiden  Fällen  das  Prinzip  der  Verteilung  von  k  xx.  f  ein  rein 
phonetisches  ist,  u.  untersucht  nunmehr  auf  Grund  dieser  Annahme  die 
besonderen  Bedingungen  der  beiden  Erscheinungen.  Die  Normalform  ist 
-/,  -k  tritt  ein:  1.  nach  r,  2.  wenn  das  Wort  einen  Dental,  3.  wenn  es 
einen  Cerebral  enthält. 

II.  Formen  wie  fdf  'sechs'  u.  -^df  'mit  Gewalt  nehmen*  zeigen, 
daß  der  ursprüngl.  Zischauslaut  das  vorhergehende  «  in  ^  verwandelt 
hat.  Diese  ehemab  ganz  allgemeine  Erscheinung  ist  aber  später  durch 
Analogiebildung  aufgehoben  worden  (z.  B.  Bdh^i  nach  adhate,  sehändfi 
usw.).  Bemerkenswert  ist,  daß  9  sich  nur  erhalten  hat  in  Fällen,  wo 
das  assimilierende  ^  später  abgefallen  ist.  Wie  steht  es  nun  in  den  Fällen, 
wo  das  assimilierte  ^  nicht  durch  den  Einfluß  der  Analogiebildung  ver- 
schwunden u.  das  assimilierende  ^  nicht  abgefallen  ist,  wie  in  ^^u^ka-, 
hervorgegangen  aus  ^au^ka-.  In  diesem  Falle  hat  das  Sanskrit  das  vor- 
ausgehende ^  in  f  dissimiliert. 

9dt  und  gufka  repräsentieren  daher  zwei  gesonderte  Typen,  die 
alle  beide  streng  phonetisch  sind. 

46.  Thommen  E.  Die  Wortstellung  im  nachvedischen  Altindischen  u.  im 
Mittelindischen.  KZ.  38  (N.F.  18),  504— öß3. 

Untersuchung  über  die  Wortfolge  an  nachved.-altind.  u.  mittelind. 
Texten  als  Fortsetzung  der  Delbrückschen  Forschungen  über  die  Wort- 
stellung in  der  ved.  Prosa.  Berücksichtigt  sind:  1.  Mahäbhärata  (ältere 
volkstüml.  Prosa),  2.  Daiakumäracarita  (Kunstsprache  der  klass.  Zeit),  3. 
Vetälapaiicavimdatikä  (Sanskrit  der  späteren  Zeit),  4.  die  Inschriften 
Ai&okas,  5.  Jätaka  (älteste  mittelind.  Prosa).  Trotz  dieser  Beschränkung 
zahlreiche  Divergenzen  in  Sprache  u.  Stil,  am  meisten  im  Dai§.  In  diesem 
ist  der  Grebrauch  des  Adjektivs  u.  der  Komposition  am  weitgehendsten 
(Sprachkünstelei).  Die  von  Delbrück  für  die  ved.  Sprache  gewonnenen  Ge- 
setze gelten  auch  für  die  hier  herangezogenen  Werke,  z.  B. :  das  Prädikats- 
nomen eröflhet  meistens  den  Satz ;  bei  normaler  Verbalstellung  steht  der 
Infinitiv  in  positiven  Aussagesätzen  unmittelbar  vor  dem  Verbum,  in  ne- 
gativen u.  fragenden  gewöhnlich  hinter  dem  Verbum;  das  Partizipium 
steht  häufiger  vor  als  nach  dem  Verbum ;  die  unechten  Präpositionen  gehen 
dem  Kasus  vorher.  Die  größten  Abweichungen  der  untersuchten  Texte 
liegen  auf  dem  Gebiete  der  Verwendung  der  okkasionellen  Stellungsmög- 
lichkeiten (besonders  im  Daä.)  und  des  Beibehaltens  von  Altertüralichkeiten 
(namentlich  im  Mbh.).  Der  Stoff  wird  eingeteilt  in :  A.  Grammatische  Ka- 
tegorien (Subjekt,  Vokativ,  Verbum  u.  Prädikatsnomen,  Bestimmungen  zum 
Prädikat,  attributives  Adjektiv,  attributiver  Genitiv,  Apposition,  Prä-  u- 
Postpositionen);   B.  Kategorien  auf  Grund  besonderer  Stellung   (Enklit. 


122  II.  Arisch.  B.  Indisch. 

42.  Kirste  J.  Srnkikfia,  JRAS.  1905,  358f. 

Etymologie  dieses  Wortes.  K.  findet  seine  bereits  vor  20  Jahren 
ausgesprochene  Hypothese  von  Thomas  (JRAS.  1904,  748)  bestätigt  Die 
Wurzel  kr  ist  identisch  mit  deutsch.  'gar%  isländ.  ger-,  angds.  gtaro  a. 
bedeutet  'kochen*,  saihskr  demnach  'gut,  genOgend  kochen'  (franz.  cmie 
k  point).  Vielfach  sind  nun  im  Sanskrit  Nomina  abgeleitet  von  der  Worzd 
kr  'kochen',  die  ein  s  im  Anlaut  hat,  also  'skf*  lautet  Diese  Wurzel  kr, 
^  'kochen'  ist  aber  wohl  zu  unterstreichen  von  der  Wurzel  'kf,  die 
gleichfalls  mit  initialem  «  vorkommt  C<^*)*  Bei  verschiedenen  Derivaten 
(wie  avtukara,  aveukära^  upaskära)  giebt  dieses  nun  zu  abweichender 
Auffassung  Anlaß,  indem  das  eine  bald  von  dieser,  das  andere  bald  von 
jener  Wurzel  hergeleitet  wird  u.  vice  versa.  Ob  solche  Fälle  (wie  eben 
avaskftra)  nur  mit  einer  oder  nicht  vielmehr  mit  2  Wurzeln  {kr  u.  kr, 
resp.  8kr  u.  skr)  in  Verbindung  zu  bringen  sind,  läßt  K.  dabei  unent- 
schieden. 

43.  Luders  H.    Sanskrit  äläna.  KZ.  38  (NF.  18),  431—433. 

äläna  ist  ein  erst  von  Kälidäsa  an  häufiger  auftretendes  Wort  n. 
bedeutet  zunächst  den  Pfosten,  an  den  der  Elefant  gebunden  wird, 
dann  aber  auch  die  Kette,  womit  dieses  geschieht,  u.  schließlich  Strick 
überhaupt.  Es  kommt  somit  der  Bedeutung  von  nidäna  u.  MoMäna 
ziemlich  gleich,  bei  denen  auch  ähnliche  Bedeutungsübertragungen  sich 
finden.  Daraus  schließt  L.,  daß  äläna  aus  ädäna  entstanden  ist,  welche 
letztere  Form  im  Atharvaveda  VI,  lOi,  1—3  u.  XI,  9,  3  erhalten  ist  Es 
ist  ein  weiterer  Beleg  des  Oberganges  von  dinl  ohne  die  beeinflussende 
Nachbarschaft  eines  r  oder  /.  Daß  sich  kein  Analogon  nüäna  findet, 
hat  seinen  Grund  darin,  daß  nidäna  schon  früh  aus  der  eigentl.  Volks- 
sprache geschwunden  ist.  L.  sieht  demnach  in  äläna  ein  Wort  der  nie- 
deren Volkssprache,  spez.  dem  Jargon  der  Elefantenwärter  u.  -Treiber 
entnommen. 

44.  Mazumdar  B.  G.   A  study  of  some  onomatopoetic  Deal  words.  JRAS. 
1905,  555—657. 

Dei§i-Worte  sind  Onomatopoetica,  Interjektionen,  Provinzialismen  u. 
andere  Laute  der  Volkssprache,  die,  ursprünglich  nur  dieser  eigen,  im 
Laufe  der  Zeit  auch  in  die  Literatursprache  übergingen.  Bis  zum  2.  Jahrh. 
a.  Chr.  ist  die  Sanskritliteratur  ganz  frei  davon  u.  enthält  nur  Vedische 
u.  Laukika  Wurzeln,  auch  im  strengsten  Sinne  der  von  PäQini  festge- 
setzten Grammatik.  Mit  dem  Anwachsen  der  literarischen  Erzeugnisse  a. 
der  mannigfacheren  Ausgestaltung  des  Inhaltes  machte  sich  naturgemäß 
ein  Mangel  an  passenden  Worten  fühlbar,  dem  durch  einfache  Herüber- 
nahme jener  Deäl-Worte  sowie  durch  selbständige  Neu-,  resp.  Analogie- 
bildungen abgeholfen  wurde.  Derartige  Worte  sind  im  Sanskrit  z.  B.: 
Kolähala,  Küikilä,  Halahalä,  Gadgada,  Humbhä,  ChTchtku,  Khaf-khat, 
J^han-fhan^  Ihan-IhaUj  Rafßaratßaka,  Ihankära,  Mara-mara^  Baf-paf,  Okar- 
ghara  usw.,  die  sogar  Weiterbildungen  unterworfen  waren,  wie:  Khaf" 
khafäyate,  Phurphuräyiti  u.  Maramaräj^i^ma.  Zuerst  nur  vereinzelt  auf- 
tretend, bürgern  sich  diese  Worte  in  der  Schriftsprache  immer  mehr 
ein,  bis  sie  bei  Schriftstellern  wie  Bä^abhatta,  Bhavabhüti  u.  S'üdraka 
die  freieste  u.  ausgedehnteste  Verwendung  finden.  Aus  der  Häufigkeit 
ihres  Auftretens  lassen  sich  deshalb  Schlüsse  auf  die  Entstehungszeit  mit 
ziemlichem  Verlaß  ziehen.  Wenn  daher  im  Mahäbhärata  u.  noch  mehr 
im  Rämäyai^a  De^\-V(oi\.«  tv^icJLvilv  teichlich  vertreten  sind,  so  deutet 


II.  Arisch.  B.  Indisch.  125 

Vols.  Vn— yni).  Cambridge,  Mass.,  Harvard  UniTorsity  1905.  CLXII, 

1046  S. ;  2  T.  [Portrait  of  Whitney  a.  facsimiles  of  Kashmirian  text].  5 1. 

Paragraphs  in  lieu  of  a  preface  by  Whitney.  Editor*s  preface.  Bio- 

graphical  and  related  matter  (Whitney*s  life  and  writings).  General  in- 

troduction,  P.  I:  by  the  editor;  P.  H:  partly  from  Whitney*s  material.  — 

Translation :  p.  1—1009.  Indexes  and  other  auxiliary  matter :  p.  1011 — iß. 

Bez.  in  Nation  (New  York)  82,  227t 

63.  ^nnaka.  The  Brhad-devatä,  attribated  to  Saunaka,  a  summary 
of  the  deities  and  myths  of  the  Rig-Veda :  critically  edited  in  the  original 
Sanskrit  with  an  introdaction  and  7  appendices,  and  transl.  into  Eng- 
lish  with  critical  and  illustrative  notes,  by  A.  A.  Macdon  eil.  P.  I.  In- 
trodaction a.  text  a.  appendices.  P.  II.  Translation  a.  notes.  2  vol. 
(Harvard  Oriental  Series.  Vol.  V  and  VI.)  Cambridge,  Massachusetts.  Publ. 
by  Harvard  University  1904.  XXXV,  198  u.  XIV,  334  S.  i9.  Je  1^1 
(6,25  M.). 

Rez.  von  Scheftelowitz,  J.,  in  ZDMG.  50,  420-427;  Winternitz,  IL,  in 

WZKIL  lA,422ff.;  Ph.  a  in  Le  Mns^n  6,  a9a 

54.  äatapathabrähmanam.  The  Qatapatha  Brähma^a  of  the  White 
Yajurveda,  with  the  commentary  of  Säya^a  Äc&rya.  Ed.  by  Pandit 
Satyavrata  Sämaprami.  (Bibl.  Ind.  New  Ser.  No.  1108. 1121.)  VolVlI. 
Fase.  6.  Vol.  m.  Fase.  7.  Calcutla,  As.  Soc.  1905.  8o.   Je  6  a. 

55.  [Bädaräyana.]  Brahmasutra,  with  a  gloss  called  Dwaitadwaitasid- 
dhantasetuka  by  Sree  Sundara  Bhatta  and  a  commentary  called 
Siddhantajähnavi  by  Sree  Devacharya  ed.  by  Sähityächärya  Pandit 
Dämodar  Lal  Goswämi.  Fase.  I.  (Chowkhambä  Skr.  Ser.  No.  94) 
Benares,  Chowkhambä  Skr.  Book  Depot  1905.  100  S.  1  R. 

56.  Brahmasütra-Shänkarbhäshy  am  with  the  comment  Ratnaprabhä, 
Bhämati  a.  Nyäyanirnaya  of  Shrigovindänanda,  Vächaspati  a.  Anandagiri. 
Ed.  byRS.Dhupakar  a.M.S.Bäkre.  Bombay  1904.  944 S.  gr.8o.  18 M. 

57.  [Bädaräyana.]  Pumaprajna  Darsana.  The  Vedanta  Sutras  with  the 
commentary  by  Sri  Madhwacharya.  *A  complete  translation  by  S. 
Subba  Hau.  Madras,  Minerva  Press  (Leipzig,  Harrassowitz)  1904.  LDC  u. 
294  S.  4  R.  8  a.  (8  M.) 

58.  Baudhäyana  S'rauta  Sütra  belonging  to  the  Taittiriya  Samhitä. 
Edited  by  W.  Caland.  Fase. 3.  [Bibl.  Ind.  New  Ser.  No.  1113.]  CalcutU, 
As.  Soc.  1905.  S.  193—298.  8o.  6  A. 

59.  Baudhäyana  Smärta  Kalpa  Sütra.  Ed.  by  M.  N.  Muttn  Dikshi- 
tar.   Madras,  Jnänasägara  Press  1905.   412  S.  2  Rs. 

60.  The  S'rauta-Sütra  of  Drähyäyana,  with  the  Commentary  of 
Dhanvin.  Ed.  by  J.  N.  Reuter.  Part'l.  (Reprinted  from  the  'Acta 
Societatis  Scientiarum  Fennicae',  T.  XXV,  P.  II.).  London,  Luzac  a.  Co. 
1904.  216  S.  40.  10  sh.  6  d.  (Subskr.-Pr.  8  sh.  6  d.). 

Rez.  von  Klemm,  K.,  in  ZDMG.  SO,  831  f.;  Winterniti,  U.,  in  WZKM. 
19,  321  f. 

61.  Pataiyali.  Yogasutra.  With  Vayu's  bhashya  a.  the  comment.  of 
Vachaspatimishra.  Poona  1904.  208,  65  S.  gr.  8o.  5,50  M. 

62.  The  Upanishads.  Text  a.  translation  by  S.  Sitarama  Sastri.  Vol. 
L  Isa,  Kena,  and  Mundaka.  2n<l  ed.  Madras,  V.  C.  Seshachari  1905. 
180  S.  1  Rs.  8  a. 


126  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

63.  Neuf  Upanishads,  traduites  en  anglais,  avec  un  avant-propos  et 
des  argumenta  analytiques  par  G.  R.  S.  Mead  et  Jagadisha  Chandra 
Chattopadhyaya  (Roy  Ghoadhuri).  Traduction  fran^aise  d*K  Mar- 
caul t.  (La  Th^osophie  des  V^das).  Paris,  Lihr.  de  Tart  ind^pendant 
1905.  XVU,  192  S.  2  Fr. 

6^.  Chandogya-Upanishad.  With  the  bhashya  of  Sri  Madhwa 
Charya  and  the  gloss  of  Sri  Vedesha  Thirtha.  Kumbakona  1904. 
624  S.  80.  11,60  M. 

65.  Kathöpanishad.  Sanskrit  text  with  English  notes  and  translation 
by  B.  Sris  Chandra  Vasu.  (Yedanta  Series.  Nr.  84).  Allahabad,  Panini 
Office  1906.  231  S.  1  R.  8  a. 

66.  BeUoni-Filippi  F.  La  Kftthaka-Upanisad  tradotta  in  italiano  e 
preceduta  da  una  notizia  sul  panteismo  Indiano.  Pisa  1904. 

67.  [VyäxasaTati.]  ÄtharvaQavyäsatirthiyatikä.  Kombakonam,  T.  R. 
Krfnäcärya  1903.  9  Bl.  Quer  4©. 

Kommentar  zu  Änandagiris  Bhä^ya  der  Atharva-Upanishad. 

68.  The  M&rkandeja  Pnr&na.  Transl.  by  F.  E.  Pargiter.  Fase  9. 
(Bibl.  Ind.  New'Ser.  No.  1104.)  Calcutta,  As.  Soc.  1905.  B».  12  a. 

69.  Sörenaen  S.  An  Index  to  the  names  in  the  Mahabharata  with  short 
explanations  and  a  concordance  to  the  Bombay  and  Calcutta  editions 
and  P.  C.  Roy*s  translation.  Part  I.  II.  London,  Williams  and  Norgate 
1904/06.  XLI  u.  96  S.  40.  7  sh.  6d.  pro  Part 

Res.  Ton  Fleet,  L  F^  in  Ind.  Antiq.  34, 91  f. 

70.  Die  Bhagavadgitä,  aus  dem  Sanskrit  übersetzt,  mit  einer  Einleitung 
über  ihre  ursprüngliche  Gestalt,  ihre  Lehren  and  ihr  Alter,  von  R.  Garbe. 
Leipzig,  H.  Haessel  1906.  169  S.  8«.  4  M.  

Res.  Ton  Hopkins, B.W.,  in  JRAS  190^  394-^89;  Sehroeder,  L.  ▼.,  in  WZIÜL 
19,  411  ff. 

71.  Die  Bhagavad-Gita,  das  Buch  der  Ergebenheit.  Ein  Lehrgespräch 
zwischen  Krishna,  dem  Gotte  der  Ergebung,  und  Arjuna,  dem  indischen 
Fürstensohn.  Nach  der  6.  amerikan.  Auflage  der  von  W.  Q.  Judge  ver- 
öffentl.  Ausg.  in  die  deutsche  Sprache  übertragen  von  C  J.  Glückselig. 
Nürnberg,  J.  Th.  HeUer  1906.  IX  u.  108  S.  (ill.)  2,26  Bl 

72.  Jadge  W.  Q.  Studien  üb.  die  Bhagavad-GiU.  Aus  dem  Engl,  übertr. 
V.  Glückselig.  Nürnberg,  J.  Zeiser  1906.  lY  u.  106  S.  8o.  2  M. 

73.  Kaviratna  A.  C.  Charaka-Samhita.  Translated  into  English.  Parts  33 
bis  37.  S.  1016—1174.  Calcutta^  Kaviratna  Press  190i/06. 

74.  Jayadeva.  Le  Glta-Govinda,  pastorale  de  Jayadeva.  Trad.  par  G. 
Courti liier.  Avec  une  pr^face  de  S.  L6vi.  (BibL  Orient  elz^virienne 
LXXVffl.)   Paris,  Leroux  1904.  X  u.  89  S.  2,60  Fr. 

Bez.  Ton  Benet,  C,  in  Rev.  de  Thiit  des  reL  49,  430f.;  Finot,  L^  in  BnlL 
de  l'äc  ftr.  d»Bxtr.-0r.4,756ff. 

76.  Hertel  J.  Das  Südliche  Pancatantra.  Obersicht  über  den  Inhalt  der 
älteren  *Tancatantra'*-Rezensionen  bis  auf  Pümabhadra.  [Aus:  **Ztschr. 
d.  deut.  morgenländ.  Gesellsch."]  Leipzig,  F.  A.  Brockhaus'  Sort  1904. 
68  S.  8o.  2,10  M. 

76.  —  Das  Südliche  Pancatantra.  Sanskrittext  der  Rezension  ß  mit 
den  Lesarten  der  besten  Hss.  der  Rezension  a.  Hrsg.  v.  J.  Hertel.  Des 
XXIV.  Bandes  der  Abhndlgn.  d.  phüol.-hist.  Kl.  d.  K.  S.  Ges.  d.  Wiss.  No.  V. 
Leipzig,  Teubner  1906.  XCVH  u.  140  S.  Lex.  8o.  10  M. 


IL  Arisch.  B.  Indisch.  127 

1.  Einleitang:  L  Älter  des  Pancatanlra  (Der  Verfasser  des  Pan- 
catantra,  das  ursprünglich  wohl  Tanträkhyäyika  geheißen  haben  wird, 
dürfte  nicht  allzu  lange  nach  der  Regierungszeit  des  Candragupta  u.  ASoka, 
also  annähernd  200  v.  Chr.  gelebt  haben).  —  II.  Der  südliche  Sanskrit-Text 
des  Pancatantra.  —  III.  Verhältnis  der  Rezensionen  des  SP  zu  einander 
und  zu  den  anderen  Rezensionen  des  Pancatantra.  —  IV.  Zweck  u.  Ein- 
richtung der  vorliegenden  Ausgabe.  Metrische  und  sprachliche  Eigen- 
heiten von  ß.  —  Nachträge.  —  2)  Text.  —  3)  Lesarten.  Anmerkungen. 
Strophen  Verzeichnis. 

77.  —  Ober  einen  südlichen  "textus  amplior**  des  Pancatantra.  Verhndlgn. 
d.  48.  Vers,  deutsch.  Phil.  u.  Schuhn.  Hamburg  1905.  S.  169. 

Diese  südindische,  in  einer  einzigen  Handschrift  überlieferte  Re- 
zension des  P.  ist  der  umfangreichste  von  allen  Pancatantra-Texten,  dem, 
wie  sich  aus  der  Sprache  ergibt,  südindische,  in  Volkssprachen  abgefaßte 
P.-Fassungen  zugrunde  liegen.  **Soweit  sich  jetzt  beurteilen  läßt,  ist  im 
Süden  kein  vollständiges  P.  vorhanden  gewesen;  ebenso  fehlt  es  in  Bengalen. 
Die  Jaina-Rezensionen  haben  aus  Säradä-Fassungen  (Tanträkhyäyika) 
geschöpft  Aus  inneren  Gründen  ergibt  sich,  daß  die  Urheimat  des  Pan- 
catantra Kaämir  ist.** 

78.  —  Die  Bühler-Mss.  des  Pancatantra.  WZKM.  19,  62—76. 

Bringt  einige  Nachrichten  über  die  von  Bühler  ZDM6.  42,  541  ver- 
zeichneten Mss.  85—89.  Aus  Ms.  85  teilt  H.  die  Erzählung  von  dem 
König,  der  seinen  Leib  verliert,  im  Sanskrittext  nebst  der  griech.  Ober- 
setzung des  Galanos  mit.  Der  Text  ist  im  großen  u.  ganzen  der  Pür^a- 
bbadras.   Verschiedentlich  werden  Angaben  B.*s  berichtigt. 

79.  Amitagati' s  Subhäsitasamdoha.  Sanskrit  und  Deutsch  herausgegeben 
vonR.  Schmidt  und'j.  HerteL  ZDMG.  59,  265—340,  523—577. 

Amitagati,  bereits  von  Colebrooke  (Mise,  essays  H,  53.  462  f.)  be- 
sprochen, wird  allgemein  um  das  Jahr  1000  angesetzt,  wenn  auch  über 
die  genaue  Datierung  eine  geringe  Meinungsverschiedenheit  besteht.  Außer 
dem  Subhäs.  hat  er  noch  die  Dharmaparikshä  verfaßt.  Seine  Autorschaft 
einiger  anderer  Werke  ist  ungewiß.  Die  vorliegende  Ausgabe,  der  Pandit 
Bhavadatta  S'ästri  in  der  Kävyamälä  (Nr.  82)  bereits  zuvorgekommen 
ist,  enthält  Text,  deutsche  Obersetzung,  einleitende  sprachliche  Bemer- 
kungen, Verzeichnis  des  Handschriftenmaterials  sowie  fortlaufenden  text- 
kritischen Apparat  Fortsetzung  u.  Schluß  erscheinen  später.  Einen  Be- 
griff von  dem  Inhalt  der  Schrift  mögen  die  einzelnen  Kapitelüberschriften 
geben:  1.  Betrachtung  der  Sinnendinge.  —  2.  Warnung  vor  dem  Zorne. 

—  3.  Warnung  vor  Dünkel  u.  Betrug.  —  4.  Warnung  vor  Habsucht.  — 
5.  Warnung  vor  der  Lust  der  Sinnesorgane.  —  6.  Prüfung  der  [Vor- 
züge und]  Fehler  der  Frauen.  —  7.  Schilderung  des  Irrtums  u.  der  Wahr- 
heit —  8.  Schilderung  des  Wissens.  —  9.  Schilderung  des  rechten 
Wandels.  —  10.  Schilderung  der  Familie.  —  11.  Schilderung  des  Alters. 

—  12.  Schilderung  des  Sterbens.  —  13.  Schilderung  der  allgemeinen  Un- 
beständigkeit —  14.  Schilderung  des  Schicksales.  —  15.  Schilderung  des 
Bauches.  —  16.  Ermahnung  der  Lebenden. 

80.  Leumann  E.  Zum  siebenten  Kapitel  von  Amitagati's  Subhäsitasamdoha 
(ZDMG.  S.  308—323).  ZDMG.  59,  578—588. 

L.,  der  die  Herausgeber  von  A's.  Subhäf  itas.  Hertel  u.  Schmidt  erst 
auf  den  Text  aufmerksam  gemacht  und  ihnen  verschiedenes  handschrift- 


126  II.  Arisch.  B.  Indisch. 

63.  Neuf  Upanishads,  tradnites  en  anglais,  avec  xm  avant-propos  et 
des  arguments  analytiques  par  G.  R.  S.  M ead  et  Jagadisha  Chandra 
Ghattopadhyaya  (Roy  Ghoudhuri).  Tradaeüoii  fran^aise  d*K  Ma^ 
cault.  (La  Th^osophie  des  V^das).  Paris,  Lihr.  de  Tart  ind^pendant 
1905.  XVU,  192  S.  2  Fr. 

6^.  Ghandogya-Upanishad.  With  the  bhashya  of  Sri  Madhwa 
Gharya  and  the  gloss  of  Sri  Vedesha  Thirtha.  Knmbakona  1904. 
524  S.  80.  11^  M. 

65.  Kathöpanishad.  Sanskrit  text  with  Eng^ish  notes  and  tianslatioii 
by  B.Sris  Chandra  Vasn.  (Yedanta  Series.  Nr.  M).  Ällahabad,  Panini 
Office  1905.  231  S.  1  R.  8  a. 

66.  Belloni-lilippi  F.  La  Kftthaka-Upanisad  tradotta  in  italiano  e 
preceduta  da  una  notizia  sul  panteismo  IndLano.  Pisa  1904. 

67.  [VyäxaaayatL]  ÄtharvaQavyäsatirthiyatlkä.  Kumbakonam, T. R. 
Krsnäcärya  1903.  9  81.  Quer  4o. 

Kommentar  zu  Änandagiris  Bhä^ya  der  Atharva-Upanishad. 

68.  The  M&rkandeja  Pnr&na.  Transl.  by  F.  E.  Pargiter.  Fase  9. 
(Bibl.  Ind.  New'Ser.  No.  1104.)  Calcutta,  As.  Soc  1905.  8o.  12  a. 

69.  Sörenaen  S.  An  Index  to  the  names  in  the  Mahabharata  with  short 
explanations  and  a  concordance  to  the  Bombay  and  Calcutta  editions 
and  P.  C.  Roy's  translation.  Part  I.  n.  London,  Williams  and  Norgate 
1904/05.  XLI  u.  96  S.  40.  7  sh.  6  d.  pro  Part 

Rec.  Ton  Fleet,  I.  F^  in  Ind.  Antiq.S4,91t 

70.  Die  Bhagavadgitä,  ans  dem  Sanskrit  übersetzt,  mit  einer  Einleitimg 
über  ihre  ursprüngliche  Gestalt,  ihre  Lehren  and  ihr  Alter,  von  R.  Garbe. 
Leipzig,  H.  Haessel  1905.  159  S.  8o.  4  M . 

Bes.  Ton  Hopkins,  B.W.,  in  JRAS  190^  394-^89;  Sdiroeder,  L.  v.,  in  WZKIL 
19,  411  ff. 

71.  Die  Bhagavad-Gita,  das  Buch  der  Ergebenheit.  Ein  Lehrgesprftch 
zwischen  Krishna,  dem  Grotte  der  Ergebung,  und  Arjuna,  dem  indischen 
Fürstensohn.  Nach  der  6.  amerikan.  Auflage  der  von  W.  Q.  Judge  ver- 
öffentl.  Ausg.  in  die  deutsche  Sprache  übertragen  von  G.  J.  Glückselig- 
Nürnberg,  J.  Th.  HeUer  1905.  DC  u.  108  S.  (iU.)  2,25  M. 

72.  Jndge  W.  Q.  Studien  üb.  die  Bhagavad-Gita.  Aus  dem  Engl,  übertr. 
V.  Glückselig.  Nürnberg,  J.  Zeiser  1905.  IV  u.  105  S.  8o.  2  M. 

73.  Kaviratna  A.  G.  Charaka-Samhita.  Translated  into  English.  Parts  33 
bis  37.  S.  1015—1174.  Calcutta^  Kaviratna  Press  190i/05. 

74.  Jayadeva.  Le  Gita-Govinda,  pastorale  de  Jayadeva.  Trad.  par  6. 
Cour til Her.  Avec  une  pr^face  de  S.  L^vi.  (BibL  Orient  elz^virienne 
LXXVffl.)   Paris,  Leroux  1904.  X  u.  89  S.  2,50  Fr. 

Rez.  von  Renet,  C,  in  Rev.  de  Thiit  des  reL  49,  430f.;  Finot,  L.,  in  BnlL 
de  r«sc  ftr.  d'Extr.-Or.  4, 756ff. 

75.  HertelJ.  Das  Südliche  Pancatantra.  Obersicht  über  den  Inhalt  der 
älteren  "Pancatantra"-Rezensionen  bis  auf  Pämabhadra.  [Aus :  *^Ztschr. 
d.  deut.  morgenländ.  Gesellsch."]  Leipzig,  F.  A.  Brockhans'  Bort  1904. 
68  S.  80.  2,10  M. 

76.  —  Das  Südliche  Pancatantra.  Sanskrittext  der  Rezension  ß  mit 
den  Lesarten  der  besten  Hss.  der  Rezension  o.  Hrsg.  v.  J.  Hertel.  Des 
XXIV.  Bandes  der  Abhndlgn.  d.  philoL-hist.  Kl.  d.  K.  S.  Ges.  d.  Wiss.  No.  Y. 
Leipzig,  Teubnet  i90o.  XCTOxi.  140  S.  Lex.  8o.  10  M. 


n.  Arisch.   B.  Indisch.  129 

nachgewiesen  hat,  daß  K^mendra  in  seiner  Bfhatkathämangarl  die  kaä- 
mirische  Rezension  des  hertUimten  Werkes  benutzt  u.  verschiedene  seiner 
Erzählungen  daraus  entnommen  hat,  ist  er  im  vorliegenden  in  der  Lage, 
den  letzteren  Nachweis  auch  auf  weitere  Teile  der  Brhatkathäm.  auszu- 
dehnen u.  vor  allen  Dingen  zugleich  Angaben  über  eine  2.,  zwar  jüngere, 
aber  ebenfalls  wichtige  Rezension  des  T.  zu  machen,  auf  Grund  zweier 
zwar  wieder  nicht  vollständiger,  aber  auch  so  höchst  wertvoller  Mss.  (in 
einem  Sammelbande  von  gepreßtem  Leder)  mit  Glossen  von  zweifacher 
Hand,  die  sich  über  den  ganzen  Band  erstrecken.  Auf  Grund  seiner  Be- 
trachtungen kommt  H.  zu  dem  Schlußergebnis,  daß  das  T.  in  zwei  Re- 
zensionen vorUegt,  deren  ältere  sich  von  der  Vorlage  der  Pahlavi-Über- 
setzung  nicht  allzusehr  unterscheidet,  während  die  jüngere  eine  Ober- 
arbeitUQg  einer  zum  Teil  sogar  sehr  altertümlichen  Fassung  ist  u.  bereits 
um  1000  vorhanden  gewesen  sein  muß,  da  ihr  Ksemendra  gefolgt  ist. 
Der  beiden  Rezensionen  zugrunde  liegende  Archetypus,  der  den  alten 
Pancatantra-Text  enthielt,  muß  bereits  ziemlich  fehlerhaft  gewesen  sein, 
aber  immerhin  bietet  er  in  den  zwei  von  ihm  abgezweigten  Rezensionen 
einen  noch  reineren  Text  dieser  Sammlung  als  die  Bearbeitungen  Soma- 
devas,  Ksemendras,  der  Pahlavi-Rezensionen  u.  des  südlichen  Pancatantra. 

87.  Vallabhadikshita.  Tattvärthadipa  with  a  commentary  in  Sanskrit  by 
the  author.  Ed.  by  Govardhanadasa.  Bombay  1904.  392,  22  S. 
gr.  80.  8  M. 

88.  Müakantatirtha.  Yögämritatarangini  ed.  by  P.  Krishna  Shastri. 
Mit  Abbildgn.   Bombay  1904.  25  S.  8o.   1  Mk. 

89.  Kressler  0.  Stimmen  indischer  Lobensklugheit.  Die  unter  Cänakya's 
Namen  gehende  Spruchsammlung  in  mehreren  Rezensionen  untersucht 
und  nach  einer  Rezension  übersetzt.   Frankfurt  1904.  Gr.  8o.  2,50  M. 

90.  Shamasastry  R.  Chanakya's  land  and  revenue  policy.  Ind.  Antiq.  34, 
6fif.  47ff.  llOff. 

Das  Kautaltya  Arthasästra  ist  ein  von  ChäQakya  verfaßtes 
Lehrbuch  der  Staatswissenschaft.  Gh.,  auch  Kautalya  oder  VishQugupta 
genannt,  lebte,  glaubwürdigen  Nachrichten  der  VishnupuräQa,  des  Nandi- 
sütra  und  Hemachandras  zufolge,  als  Minister  Chandraguptas  im  4.  Jhdt. 
V.  Chr.  Seine  Autorschaft  dieses  Staatshandbuchs  wird  bezeugt  von  Dandi 
(DaSakumäracharitä)  und  von  Kämandaka  (Nltisära).  Außerdem  nehmen 
das  Nandi-Sütra  der  Jainas,  das  Panchatantra  und  das  Nltiväkhyämrta 
des  Somadeva  Bezug  auf  das  Kaut.  Arthas.  Trotz  dieser  Bedeutung  und 
Verbreitung  des  Werkes  ist  es  aufißlllig,  daß  z.  Z.  nur  ein  einziges  Ms. 
erhalten  ist.  Eingeteilt  ist  es  in  15  Bücher  mit  150  Kapiteln,  die  in  6000 
granthas  180  verschiedene  Themata  behandeln.  Buch  1  erörtert  die  Er- 
ziehung, Ausbildung  und  persönliche  Sicherheit  der  Könige  und  ihrer 
Minister,  Buch  2  die  einzelnen  Departements  der  Verwaltung,  Buch  3  und  4 
die  Zivil-  und  Kriminalgesetzgebung,  Buch  5  die  Pflichten  der  Staats- 
diener gegen  den  König  und  umgekehrt,  Buch  6  den  Ursprung  und  die 
Weiterentwickelung  des  Staates,  Buch  7  die  sechsfache  Regierungskunst 
der  Könige,  Buch  8  die  Irrtümer,  denen  Könige  ausgesetzt  sind.  Buch  9 
bis  14  die  militärischen  Angelegenheiten,  Buch  15  enthält  eine  Obersicht 
über  Plan  und  Inhalt  des  Werkes.  Auszüge,  die  in  englischer  Obersetzung 
mitgeteilt  werden,  illustrieren  hinreichend  den  Charakter  und  die  Anlage 
des  Kaut.  Arthas. 

Anzeiger  XXII,  ErgänEUOgaheft.  4 


128  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

liches  Material  verschafft  hat,  beschäftigt  sich  hier  ein^ender  mit  dem 
7.  Kapitel,  das  er  im  Anschluß  an  die  Strophenfolge  sachlich  erUlit 
Der  Inhalt  dieses  Kapitels,  das  vom  samyaktva  (Frömmigkeit,  wahrer 
Glaube)  u.  vom  mithyätva  (Verstocktheit,  Irrglaube)  handelt,  wird  vcm 
L.  folgendermaßen  wiedergegeben :  **Für  die  Lebewesen  ist  das  mithyätva 
Gift  oder  Finsternis,  das  samyaktva  ein  höchstes  Gut.  Der  drei-  oder 
siebenfache  Schmutz  des  mi.  führt  zur  Hölle  u.  befördert  den  samsart; 
das  von  den  Jinas  gepredigte  sa.  bringt  Segen.  Beim  mi.  macht  sich  die 
Yierheit  'Zorn  usw.'  geltend;  beim  sa.,  das  sich  durch  die  Schonung  alles 
Lebenden  u.  durch  andere  Tugenden  auszeichnet,  hat  man  sich  vor  der 
Fünfheit  'Zweifel  usw.*  zu  baten".  Wenn  natürlich  auch  Gleichförmi^eit 
in  der  Ausdracksweise  u.  sich  ganz  von  selbst  ergebende  Wiederholungen 
bei  dem  Mißverhältnis  zwischen  Inhalt  u.  Umfang  nicht  zu  vermeiden 
waren  und  des  öfteren  ein  gewisser  Wortschwall  an  Stelle  eines  präzis 
gefaßten  u.  vorgetragenen  Gredankens  sich  breit  macht,  so  ist  doch  dem 
Autor  eine  dichterische  u.  trotz  des  vorherrschend  lehrhaften  Tones  un- 
schulmeisterliche Behandlung  des  Stoffes  nicht  abzusprechen.  —  Auf 
obigen  Artikel  bezieht  sich  eine  von  Hertel  u.  Schmidt  unterzeichnete 
'Erklärung'  (ZDM6.  59,  S.  819f.),  worin  sie  sich  namentlich  gegen  L's. 
ebenda  erhobenen  Vorwurf  verteidigen,  Umäsvätis  Tattvärtha  bei  der 
Obersetzung  nicht  gebührend  berücksichtigt  zu  haben,  gleichzeitig  aber 
die  Fortsetzung  ihrer  Arbeit  über  den  Su.  einstweilen  sistieren,  bis  die 
bereits  angekündigte  deutsche  Bearbeitung  des  Tattvärtha  in  ZDMG.  er- 
schienen sein  wird.  —  In  einer  'Erwiderung  auf  die  obige  Er- 
klärung' (S.  820  f.)  vertritt  L.  nochmals  seinen  Standpunkt  und  nimmt 
Stellung  gegen  einige  Einwände,  die  Hertel  u.  Schmidt  in  ihrer  *Erklärung' 
gemacht  hatten. 

81.  Bhavabhuti.  Maha  Vira  Charita.  Ed.  by  Sri  Lakshmana  Süri.  Madras 
1904.  280  S.   80.  4,50  M. 

82.  Näradiyasamhitä.  A  System  of  astronomy  taught  by  Brahma  and 
proclaimed  by  Närada.  Sanskrit  text  ed.  by  U.  Gupta.  Benares  1905. 
100  S.  80.  1,80  M. 

83.  Bänabhatta.  Rasamanjari.  WiththecommentaryVyangyärthakaumod! 
of  Ananta  and  prakäsa  of  Nägesa  Bhatta  ed.  by  Räma  Sästri  Tai- 
langa.  3  parts.  Benares  1904.  7  M. 

84.  HillebrandtA.  Das  sogenannte  S'ä]äkhäyanaprätiSäkhya.WZKM.  19, 289. 

Das  in  dem  'Catalogue  of  Vedic  Books  belonging  to  H.  H.  the 
Mahäräja  of  Alwar'  (Petersen,  a  second  report  1884)  auf  S.  169  zur 
S'äi&khäyanaSäkhä  Nr.  11  verzeichnete  Prätii§äkhya  ist,  wie  bereits  Buhler 
vermutet  (s.  Peterson  S.  4)  u.  eine  genauere  Durchsicht  Hillebrandts  jetzt 
bestätigt  hat,  weiter  nichts  als  eine  vielfach  korrigierte  Handschrift  des 
bekannten  u.  schon  von  M.  Müller  herausgegebenen  S'aunaka,  trotzdem 
auf  der  letzten  Seite  (72  b)  die  Bezeichnung  ääi&khäyanaääkhäyäm  prS- 
tiääkhyam  mit  der  Datierung  sainvat  1808  sich  findet. 

85.  Bhattoji  Dikshita.   Siddhänta  Kaumudi  of .  Vol.  I.  Transl.  by 

Srisa  ChandraVasu.   Bahadurganj  (AUahabad),  Panini  Office  1904. 
384  S.   Vollst.  20  Rs. 

86.  Hertel  J.  Eine  zweite  Rezension  des  Tanträkhyäyika.  ZDMG.  59, 1—30. 

Nachdem  H.  bereits  in  den  Abb.  d.  Kgl.  S.  Ges.  d.  Wiss.  XXII,  Nr. 
5  über  das  T.  höchst  wertvolle  Aufschlüsse  gebracht  u.  unter  anderen 


IL  Arisch.  B.  Indisch.  181 

dnd  diese  Daten  aber  durchaus  nicht  so  authentischer  Natur,  wie  sie 
vielleicht  erscheinen  mögen,  sondern  oft  nur  Vermutungen  und  Wahr- 
scheinlichkeiten, dem  sehr  natürlichen  und  leicht  verständlichen  Verlangen 
entsprungen,  ein  jedes  der  Lieder  einem  der  von  altersher  bekannten 
Autorennamen  unterzuschieben.  Vielfach  dürften  auch  Worte  im  Texte 
des  Liedes  die  Veranlassung  dazu  gewesen  sein.  R.  gibt  nun  ein  Ver- 
zeichnis der  mutmaßlichen  RiSis  der  Rigveda-Hymnen  und  daneben  die 
entsprechenden  Textworte  des  betreffenden  Liedes,  die  eventuell  bei  der 
Feststellung  der  Autorschaft  mit  von  Einfluß  gewesen  sein  könnten. 

95.  Henrj  V.  Physique  v6dique.  JA.  10 e  86r.,  6,  386—409. 

Ausgehend  von  dem  Sanskritwort  tapas,  welches  alles  mögliche 
bezeichnet  (chaleur,  souffrance,  mac^ration,  asc^tisme),  welches  die 
Menschen  mit  übernatürlichen,  magischen  Kräften  versieht  und  die  Götter 
in  den  Stand  gesetzt  hat,  die  ganze  sichtbare  Welt  zu  schaffen,  versucht 
H.  alles  in  der  heiligen  Literatur  Indiens  über  diesen  Gegenstand  enthaltene 
zu  sammeln,  überhaupt  das  dem  Weltall  zugrunde  liegende  physische 
System  in  diesem  Aufsatze  zu  erläutern  in  den  folgenden  5  Kapiteln: 
1.  L'haleine  (prO^),  c^est  la  vie.  —  2.  La  chaleur  {tapas\  c*est  la  vie. 
—  3.  Le  concept  sous  climat  temp^r^.  —  4.  Le  concept  sous  climat 
torride.  —  5.  Chaleur  et  extase.  —  In  einem  6.  Kapitel  (R^sumons-nous) 
rekapituliert  dann  U.  kurz  das  vorangegangene,  indem  er  zunächst  die 
arische  Anschauung  (über  den  präpa,  Hauch  im  menschlichen  Körper,  den 
Sitz  des  iapoM  (der  Wärme)  als  der  Quelle  des  Lebens  und  als  des  Mittels 
der  Schöpfung)  zusammenlaßt,  dann  den  intellektuellen  brahmanischen 
Standpunkt  kennzeichnet,  der,  durch  den  im  Laufe  der  Zeit  aus  der  Er- 
fahrung resultierenden  Ideenkonflikt  veranlaßt,  die  rein  physische  Auf- 
fassung ethisch  erweitert  und  ausbaut,  sodaß  sich  folgende  Entwicklungsreihe 
ergibt:  **chaleur  [douce]  zu  chaleur  [intense]  zu  souffrance  zu  asc^tisme**. 

96.  Kanwar  B.  R.  The  beauties  of  the  Vedic  Dharma.  Labore,  Punjab 
Printing  Works  1906.  42  S.  1  a.  3  p. 

97.  Hillebrandt  A.  Tiere  und  Götter  im  vedischen  Ritual.  Sonderabdruck 
aus  dem  83.  Jahresbericht  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vaterlän- 
dische Kultur.  Sitzung  der  orientalisch-sprachwissenschaftlichen  Sektion 
vom  17.  März  1904.  Breslau,  Aderholz  1905.  14  S.  0,80  M. 

Res.  in  Lnzso'i  Or.  List  18,  153f. 

98.  Strani  0.  Brhaspati  im  Veda.  (Diss.  Kiel.)  Leipzig,  Druck  von  F.  A. 
Brockhaus  1905.  VI  u.  61  S. 

99.  Oldenberg  H.  Noch  einmal  der  vedische  Savitar.  ZDMG.  69,  263—264. 

Bereite  ZDMG.  61,  473  ff.  hat  Oldenberg  gezeigt,  daß  Savitar  im  Rig- 
vcda  nicht  Sonnengott,  sondern  'Gott  Antreiber*  ist,  wogegen  Hillebrandt 
in  seiner  Ved.  Mythologie  (u.  ähnlich  Macdonell,  Ved.  Myth.)  lehrt,  "daß 
der  Sonnengott  in  seiner  Eigenschaft  als  'Erreger',  in  seiner  Wirksamkeit 
der  Grund  der  Personifizierung  ist".  Obgleich  sich  Hill,  gelegentlich  auch 
in  anderem  Sinne  äußert,  z.  B.  daß  zu  einer  gewissen  Zeit  Savitar  und 
Sonne  nicht  mehr  geschieden  waren  (das  Ursprüngliche  muß  demnach 
die  Geschiedenheit  gewesen  sein),  so  herrscht  doch  bei  ihm  die  Ansicht 
vor,  daß  der  Gott  von  Haus  aus  ein  Sonnengott  ist,  dem  sich  0.  im  vor- 
liegenden Aufsatz  entechieden  entgegenstellt  Wenn  auch  in  der  Argumen- 
tation Einzelheiten  des  Rituals,  sowie  einzelne  Stellen  des  Rigveda  sicherlich 
«rwogen  werden  müssen,  so  sei  doch  mehr  Gewicht  zu  legen  auf  2  Haupt- 

4* 


ISO  IL  Arisch.  B.  Indisch. 

91.  OldenbergH.  Vedafonchung.  Stoitgart  n.  Berlin,  Cottasche  Bachhandlf. 
Nachfolger  1905.  115  S.  8o.  2,60  M . 

Bes.  ▼.  Winternits,  IL,  in  WZKIL  19^  419ff.  —  Kirst«,  J.,  in  All«.  LU. 
190&,fieif. 

92.  —  Vedische  Untersochongen.  ZDM6.  59,  355—374 

14.  Vedisch  Awve,  tiufe  und  Verwandtes.  (Fortsetzung  zn  ZDM(l 
54,  599  ff.)  —  Neisser  (s.  Beiz.  Beitr.  20,  54 ff.  u.  27,  262 ff.)  sieht  in 
diesen  u.  Shnlichen  Formen  Infinitive  anf  -«  u.  -m  u.  zwar  als  Infinita' 
Träger  medialer  Funktion,  die  aber  nur  präteritalen  u.  imperatiyischen 
Medialforroen  entsprechen  u.  sich  finiten  Medialformen  mit  kollektiTer 
Bedeutung  anreihen.  Das  in  Verbindung  mit  ihnen  öfters  auftretende  vtt 
lasse  sie  als  2.  Plur.  erkennen,  woneben  auch  Belege  für  die  2.  Sing. 
Impty.  Med.,  ja  sogar  für  die  3.  Sing.  Imptv.  vorhanden  seien.  0.  hält 
zunächst  an  der  bisherigen,  altgeläufigen  Auffassung  von  hupe  als  der 
1.  Sing.  med.  (und  daneben  seltener  als  der  3.  Sing,  med.)  fest,  die  er 
durch  Belegstellen  aus  Atharva-  u.  Rigveda  (an  einigen  von  diesen  steht 
das  Subjekt  ahain  übrigens  ausdrücklich  dabei)  erhärtet  Weiterhin  pole- 
misiert 0.  gegen  die  Auffassung  NJs,  in  der  Verbindung  dieser  Formen 
mit  va^  eine  Stütze  für  das  Infinitum  huve  zu  sehen,  wobei  N.  unter 
seinen  vo^-Belegen  2  Typen  unterscheidet:  die  eine,  wo  ein  va^  regierendes 
Nomen  vermißt  wird  (A),  die  andere,  wo  auf  va^  eine  andere  Verbalform 
als  die  erwartete  2.  Plur.  folgt  (B).  Außer  an  huve  prüft  0.  N.'s  Argu- 
mentation noch  an  den  -e-Infinita  dadhe,  aüje,  jana^e,  name  u.  hkan, 
—  Zum  Schluß  untersucht  0.  den  Versuch  N.'s,  den  allgemeineren  Zu- 
sammenhang aufzuweisen,  in  den  dessen  kollektive  Imperative  wie  huv$ 
u.  stu^e  gehören  sollen,  welcher  Aufstellung  eines  derartigen  Mediums 
schon  Delbrück  (Synt.  11,  432.  447)  entgegengetreten  ist.  N.  geht  hierbei 
von  der  Form  stuvate  aus.  Warum  nicht  etuvanti?  Eben  weil  es  ein 
'verbales  Kollektivum'  sei.  Doch  finden  sich  nach  0.  z.  B.  im  Pancavimäa- 
Br.  eine  Unmasse  Stellen,  wo  das  Aktiv  etuvarUi  in  gleicher  Verwendung 
steht.  Außer  etuvate  bringt  N.  noch  24  Fälle,  in  denen  mediales  hhara- 
gleichfalls  nur  verständlich  werde,  wenn  es  als  Kollektivum  aufgefaßt  werde. 

93.  Ragozin  Z.  A.  Vedic  India,  as  embodied  principally  in  the  Rig-Veda 
(Story  of  the  naüons.  Vol.  41.)  London,  Unwin  1902.  XII,  467  S.  1  K.  (ill.) 
6  sh.  t.  I,ö0. 

Rez.  in  Ball.  Am.  ggr.  bog.  S7,  p.  319 f. 

94.  Regnaud  P.  Recherches  sur  le  point  de  döpart  des  noms  des  riSis 
v^diques.  JA.  10«  s6r.,  5,  77—104. 

Eine  der  Hauptfragen  bei  der  Interpretation  des  Veda  ist  die  nach 
der  Glaubwürdigkeit  und  Zuverlässigkeit  der  einheimischen  Quellen.  Ganz 
gleich  nun,  ob  man  die  lexikographische,  grammatische,  theologische, 
mythologische  oder  irgend  welche  andere  Seite  des  Veda  behandeln  will, 
stets  hat  man  sich  zuvor  darüber  klar  zu  werden,  ob  die  alten  Exegeten 
auch  den  eigentlichen  Sinn  des  betreCTenden  Textes  richtig  erfaßt  haben. 
In  der  vorliegenden  Abhandlung  nun  untersucht  R.  den  Ursprung  der 
Namen  der  vedischen  Dichter,  die  in  dem  Sarvänukrama^I  betitelten 
brahmanischen  Index  zusammengestellt  sind.  Auf  den  ersten  Blick  scheint 
die  Sache  hier  sehr  einfach  zu  liegen,  denn  die  einzelnen  Lieder  werden 
einem  der  Angehörigen  der  alten,  großen  und  berühmten  Priesterfamilien 
(wie  der  AAgirasas,  der  Känvas,  der  Atreyas  usw.)  zugeschrieben,  deren 
Eigentum  sie  auch  bekanntlich  waren  und  blieben.  Bei  näherem  Zusehen 


n.  Arisch.  B.  Indisch.  181 

sind  diese  Daten  aber  durchaus  nicht  so  authentischer  Natur,  wie  sie 
vielleicht  erscheinen  mögen,  sondern  oft  nur  Vermutungen  und  Wahr- 
scheinlichkeiten, dem  sehr  natürlichen  und  leicht  yerständlichen  Verlangen 
entsprungen,  ein  jedes  der  Lieder  einem  der  von  altersher  bekannten 
Autorennamen  unterzuschieben.  Vielfach  dürften  auch  Worte  im  Texte 
des  Liedes  die  Veranlassung  dazu  gewesen  sein.  R.  gibt  nun  ein  Ver- 
zeichnis der  mutmaßlichen  RiSis  der  Rigveda-Hymnen  und  daneben  die 
entsprechenden  Textworte  des  betreffenden  Liedes,  die  eventuell  bei  der 
Feststellung  der  Autorschaft  mit  von  Einfluß  gewesen  sein  könnten. 

95.  Henry  V.  Physique  v6dique.  JA.  lOe  s6r.,  6,  385—409. 

Ausgehend  von  dem  Sanskritwort  tapaa,  welches  alles  mögliche 
bezeichnet  (chaleur,  soufifrance,  macöration,  asc^tisme),  welches  die 
Menschen  mit  übernatürlichen,  magischen  KrSften  versieht  und  die  Götter 
in  den  Stand  gesetzt  hat,  die  ganze  sichtbare  Welt  zu  schaffen,  versucht 
H.  alles  in  der  heiligen  Literatur  Indiens  über  diesen  Gegenstand  enthaltene 
zu  sammeln,  überhaupt  das  dem  Weltall  zugrunde  liegende  physische 
System  in  diesem  Aufsatze  zu  erläutern  in  den  folgenden  5  Kapiteln: 
1.  L'haleine  (prä^),  c'est  la  vie.  —  2.  La  chaleur  (topos),  c'est  la  vie. 
—  3.  Le  concept  sous  climat  temp^r^.  —  4.  Le  concept  sous  climat 
torride.  —  5.  Chaleur  et  extase.  —  In  einem  6.  Kapitel  (R6sumons-nous) 
rekapituliert  dann  H.  kurz  das  vorangegangene,  indem  er  zunächst  die 
arische  Anschauung  (über  den  prä^a,  Hauch  im  menschlichen  Körper,  den 
Sitz  des  topos  (der  Wärme)  als  der  Quelle  des  Lebens  und  als  des  Mittels 
der  Schöpfung)  zusammenfaßt,  dann  den  intellektuellen  brahmanischen 
Standpunkt  kennzeichnet,  der,  durch  den  im  Laufe  der  Zeit  aus  der  Er- 
fahrung resultierenden  Ideenkonflikt  veranlaßt,  die  rein  physische  Auf- 
fassung ethisch  erweitert  und  ausbaut,  sodaß  sich  folgende  Entwicklungsreihe 
ergibt:  **chaleur  [douce]  zu  chaleur  [intense]  zu  souffrance  zu  asc^tisme". 

96.  Kanwar  B.  R.  The  beauties  of  the  Vedic  Dharma.  Labore,  Punjab 
Printing  Works  1905.  42  S.  1  a.  3  p. 

97.  Hillebrandt  A.  Tiere  und  Götter  im  vedischen  Ritual.  Sonderabdruck 
aus  dem  83.  Jahresbericht  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vaterlän- 
dische Kultur.  Sitzung  der  orientalisch-sprachwissenschaftlichen  Sektion 
vom  17.  März  1904.  Breslau,  Aderholz  1905.  14  S.  0,80  M. 

Res.  in  Lnzae's  Or.  List  16,  153f. 

98.  Straoi  0.  Brhaspati  im  Veda.  (Diss.  Kiel.)  Leipzig,  Druck  von  F.  A. 
Brockhaus  1905.  VI  u.  61  S. 

99.  Oldenberg  H.  Noch  einmal  der  vedische  Savitar.  ZDMG.  59,  258—264. 

Bereits  ZDMG.  51,  473  ff.  hat  Oldenberg  gezeigt,  daß  Savitar  im  Rig- 
veda  nicht  Sonnengott,  sondern  'Gott  Antreiber*  ist,  wogegen  Hillebrandt 
in  seiner  Ved.  Mythologie  (u.  ähnlich  Macdonell,  Ved.  Myth.)  lehrt,  "daß 
der  Sonnengott  in  seiner  Eigenschaft  als  'Erreger*,  in  seiner  Wirksamkeit 
der  Grund  der  Personifizierung  ist".  Obgleich  sich  Hill,  gelegentlich  auch 
in  anderem  Sinne  äußert,  z.  B.  daß  zu  einer  gewissen  Zeit  Savitar  und 
Sonne  nicht  mehr  geschieden  waren  (das  Ursprüngliche  muß  demnach 
die  Geschiedenheit  gewesen  sein),  so  herrscht  doch  bei  ihm  die  Ansicht 
vor,  daß  der  Gott  von  Haus  aus  ein  Sonnengott  ist,  dem  sich  0.  im  vor- 
liegenden Aufsatz  entschieden  entgegenstellt.  Wenn  auch  in  der  Argumen- 
tation Einzelheiten  des  Rituals,  sowie  einzelne  Stellen  des  Rigveda  sicherlich 
erwogen  werden  müssen,  so  sei  doch  mehr  Gewicht  zu  legen  auf  2  Haupt- 


Id2  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

süge:  auf  den  absolut  klaren  Namen  und  den  absolut  überwiegenden 
Vorstellungsinhalt,  die  beide  aufs  genaueste  zu  einander  paßten.  Auf  dieser 
Grundlage  fußend,  kommt  0.  (unter  Herbeiziehung  entsprechender  SteDen 
des  Rigveda)  zu  der  notwendigen  Schlußfolgerung,  daß  im  Bereiche  des 
die  Götter  so  gern  einander  näher  bringenden  Bigreda  natürlich  anch 
die  Tendenz  gelegentlich  zu  finden  ist,  dem  Sayitar  das  Aussehen  einei 
Sonnengottes  zu  geben,  was  bei  der  sich  so  vielfach  berührendai  und  in- 
einander übergehenden  Natur  beider  Göttergestalten  nicht  weiter  Ter- 
wunderlich  ist,  daß  aber  von  einem  solarischen  Savitar  des  Rigveda  in 
Wirklichkeit  nichts  übrig  bleibt. 

100.  Henrj  V.  La  Voie  Lact6e  dans  le  symbolisme  vödiqne.  Le  Mnsion. 
Nouv.  S«r.  6, 140—143. 

**En  expliqnant  par  une  devinette  stellaire  la  tr^s  curieuse  et  an- 
trement  inintelligible  stance  R.  V.  I.  164.  36  =  A.  V.  K.  10.  17  (vgl  hier- 
über  bereits  Actes  du  X«  congr.  des  oriental.  (Genöve  1894),  I,  p.  4S  sqq.), 
j'ai  du  supposer  que  les  termes  bhävanasya  ritas  —  je  corrigeais  riUua$  — 
d^signaient  m^taphoriquement  la  Voie  LacUe,  Le  sperme,  disais-je  k  ce 
propos,  est  blanc,  brillant  (^Qukrd),  et  il  est  aussi  naturel  de  voir  dans 
la  Voie  Laet^e  du  sperme  que  du  lait  r^pandu  .  .  .**  Zum  Beweise  seiner 
Hypothese  führt  H.  einen  Bericht  aus  dem  Aitareya-Brähmana  (lU,  33) 
an.  Damach  verfolgte  PrajäpaH  mit  seinen  Lüsten  seine  eigene  Tochter 
u.  verging  sich  in  verwandelter  Gestalt  an  ihr.  Die  Götter  beschloss^i, 
ihn  deshalb  zu  bestrafen  u.  schufen  zu  diesem  Zwecke  ein  neues  gött- 
liches Wesen,  den  Plagupati  (ein  Beiname  des  Budra).  Dieser  zog  gegen 
Prajäpaii  aus  u.  verwundete  ihn  mit  seinem  Pfeile,  u.  "celui-ci  (sc  Pro- 
jäpoUi)  bless^  s'envola  aa  ciel,  et  .  .  .  le  sperme  r^pandu  par  Prajäpaii 
se  mit  ä  couler,  et  ce  fut  le  Sarcu**,  Saraa  ist  so  viel  wie  *rivi^re'  (Floß) 
oder  '^tang*  (Teich).  ".  .  .  et  lequel  (sc.  corps  Celeste)  pourrait-on 
d^signer  par  ce  nom  de  «Rivi^re»,  sinon  la  Voie  LacUe,  que  nons 
voyons  ^pandre  son  flot  blanc  .  .  ." 

101.  Siecke  £.  Indra*s  Drachenkampf.  (Nach  dem  Rigveda.)  Programm 
des  Lessing-Gymn.  Berlin.  Berlin,  Weidmaim  1905.   18  S.  S«.  1  M. 

Bes.  von  Oldenberg,  H.,  in  DL.  1905,  S. 2314 f.  (Naeli  Siecke  iit  IndraaOe> 
■talt  vom  Monde  aosgegungen.) 

102.  Scheftelowitz  J.  Die  Apokryphen  des  Rigveda  (Khiläni)  herausg.  n. 
bearb.  (Indische  Forschungen  herausgeg.  von  A.  Hillebrandt.  1.  Heft) 
Breslau,  M.  u.  H.  Marcus  1906.  XU  u.  191  S.  10  M. 

Das  Verhältnis  der  Khiläni  zur  Rigvedasamhitä  n.  ihre  Stellung 
in  der  ind.  Literatur.  —  Beschreibung  des  Kaimirischen  Rigveda-Ms.  — 
Beschreibung  d.  Münch.  Sanskrit-Mss.  Nr.  äO  u.  155.  —  Text  der  Khila- 
Anukramanl  u.  der  Khiläni  nach  dem  KaSmir-Ms.  —  3.  Adhyäya  des 
SaiphitüraQyam  u.  die  Schlußworte  des  Ka§mir-Ms.  —  Die  nachträglich 
in  die  Khilasammlung  aufgenommenen  Verse.  —  Nachwort  etc. 

103.  Räjesvar  Gupta.  The  Big  Veda,  a  history  showing  how  the  Phoe- 
nicians  had  their  earliest  home  in  India.  CSalcutta,  printed  by  Sänyil 
a.  Co.  1905.  38  S. 

104.  Halivy  J.  Note  sur  la  g^graphie  de  TAtharva-Veda  (R6sum^).  Ret. 
s6m.  13,  352—368. 

Darnach :  Doea  » les  tribus  dahiennes.  S'Hära  =  Sudraka,  Sy(n)dracL 
Balhika  ss  Bactres.  [Uakä^pf^a  =s  Orsaci.  MHjavawt  a  Mozontes,  Morontes. 


II.  Arisch.  B.  Indisch.  133 

105.  Neisser  W.  Indische  Miszellen.  BB.  30, 299— 32ö. 

näm  anuti  TS.  II,  3,  5,  1.  —  paprOtha  RY.  VI,  17,  7.  —  nima,  —  uv^ 
(Interjektion  in  RV.  X,  86,  7).  —  vivek^i  RV.  VII,  8,  4.  —  sSdädyoni,  sddi. 
—  Zum  ya-Gerundium.  —  Zum  Suffix  der  1.  Plur.  des  Ind.  Präs.  Act.  (über 
Hmas  n.  -masi).  —  huve,  $tu^e  etc. 

106.  Arnold  E.  V.  Vedic  metre  in  its  historical  development  Cambridge, 
Univ.  Press  (New  York,  Macmillan)  1905.  XIY  u.  335  S.  12  sh.  3,50  |. 

1.  General  introduction.  2.  The  populär  Rigveda.  Appendix  1.  The 
linguistic  evidence  of  date.  Appendix  2.  Doubtful  hymns  and  fragments. 
8.  Rearrangement  of  the  Rigveda  proper.  4.  Sandhi.  ö.  Syllabic  restoration. 
6.  Quantitative  restoration.  7.  Dimeter  verse.  8.  Trimeter  verse.  9.  The 
less  usnal  metres-stanzas  and  strophes.  Appendix  8.  The  various  forms 
of  the  stanza.  10.  General  conclusions.  Appendix  4.  Table  of  hymns.  11. 
Metrical  commentary. 

Rez.inLazac*s  Or.  List  16,210;  von  Henry,  Y.,  in  Ber.crit  1906,11,  401  f. 

107.  Aufrecht  Th.   Coordination  statt  Subordination  im  Rigveda.  KZ.  38 
(N.  F.  18),  501  f. 

Z.  B.  Y,  59,  7:  vaga^  grept^  für  vtnd'ni  QrHft^,  YUI,  7, 10 :  mddhu 
für  mädhva^.  Y,  29,  7 :  sutäm  $6mam  für  autdsya  aömasya.  11, 15, 3 :  dtrgho' 
fäihaih  für  dirghayäthä'näm,  X,  68,  15:  puirakrthiahu  für  putrakfikä' ndm, 
IV,  19,  4:  hshäma  hudhndm  für  kshämpo  budhnäm.  I,  68, 10:  r^yo  für 

108.  —  Adjektive  im  Rigveda  als  Substantive  verwendet.  KZ.  38  (N.  F. 
18),  500  f. 

Derartige  Fälle  sind:  I,  7,  2;  II,  33,  U;  IV,  4,  ö  =  X,  116,  ö;  YUI, 
19,  20,  wo  sihirä'  u.  Hhiräm  durch  dhanväni  u.  dhanu8  zu  ergänzen  ist* 
Vm,  43,  26:  Agne  tigmina  didihi,  sc.  ^ockM  (mit  scharfem  Strahle).  YUI, 
84,  2 :  vigväsuj  sc.  vikshü  (bei  allen  Stämmen).  X,  17,  5 :  ähhayatamena^  sc. 
ptkkd'  (auf  dem  gefahrlosesten  Pfade).  X,  103,  9 :  prdtihitäbhir  (mit  an- 
gelegten sc.  Pfeilen).  Ähnlich  Av.  VI,  90,  3. 

109.  Jensen  Th.  V.  Die  vedischen  Gerundiva  auf  -öyya-  (5y»ya-).  KZ. 
39  (N.  F.  19),  586—593. 

Diese  nur  im  Rig-Veda  vorliegenden  Gerundiva  sind  nach  Bartholomae 
(BB.  15,  227  n,  Stud.  2,  92  n)  und  Brugmann  Weiterbildungen  dativischer 
Infinitive,  nach  Job.  Schmidt  (Plb.  d.  Neutr.  139),  wenigstens  teilweise,  die 
Gerundiva  zu  entsprechenden  Verba  denominativa,  die  allerdings  größten- 
teils nicht  belegt  sind.  J.  schlägt  eine  3.  Auffassung  vor,  die  von  einer 
Betrachtung  der  lateinischen  primären  Verba  auf -^<  und  der  entsprechenden 
germ.  auf  (got.)  -at-  ausgeht,  worin  eine  Einigkeit  z.  Zt.  noch  nicht  erzielt 
ist.  Als  das  Wahrscheinlichste  dünkt  es  J.,  daß  lat.  ptdi-s,  got.  widais, 
ahd.  'un^U  auf  ursprtUigl.  ^videje-  (nicht  ^vidisi  oder  *vid^est)  zurück- 
geht, das  sich  zu  *ffeid-  (vgl.  €Tbo^at,  got.  Hreiton,  lit.  vSizdu  usw.)  genau 
so  verhält  wie  mathäyä'  zu  mänth-  usw.  Wenn  nun  z.  B.  jxmtfyya-  einfach 
das  Gerundiv  zu  panäy-  ist,  wie  pdnya-  zu  iKin-,  warum  kann  dann  nicht 
friddyya"  Gerundiv  zu  *vid^d  sein,  ^ravdyya-  zu  ^llev^ö,  das  in  griech. 
kXcF^u),  lat.  clueo  vorliegt.  Die  anderen  vorhandenen  Gerundiva  können 
entweder,  wie  pandyya-,  viddyyO',  gravdyya-,  die  Gerundiva  zu  entspre- 
chenden Verba  finita  sein  (innerhalb  oder  außerhalb  des  Sanskrit  nach- 
weisbar), oder  'dy-ya-  ist  durch  Assoziation  als  einheitliches  Suffix  auf- 
gefaßt worden,  um  schließUch  selber  produktiv  zu  werden,  wie  es  offen- 


ia4  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

har  bei  pammpd^^m-  und  «pr^Wiy^jfya-  der  Fall  ist  —  In  einem  anschliefien- 
den  Exkors  befiüDdet  J.  des  breiteren  seine  Identifizierung  des  trans. 
kXcF^u)  mit  dem  intrans.  eiueo,  indem  er  folgendermaßen  schließt:  zwei 
fonnell  Terschiedene,  ursprünglich  bedeotongsgleiche  Formen  haben  sich 
später  Tielfach  in  der  Weise  differenziert,  daß  an  das  Suffix  der  längeren 
Form  eine  spezielle  Bedeutung  geknOpft  wurde,  die  daran  hängen  blieb. 
Es  ist  nun  wohl  möghch,  daß  bei  Verben,  die  von  Anfang  an  sowohl 
Irans,  als  aoch  intrans.  gebraucht  werden  konnten,  der  Begriff  der  Intran- 
siTität  (der  leicht  ins  Passivische  übergeht)  in  einigen  Fällen  an  -^ 
haften  bheb,  das  schließlich  als  intrans.  Suffix  gefühlt  wurde,  worauf 
es  leicht  weiter  wuchern  konnte. 

110.  KÜMit  A.  Die  Behandlung  des  Langdiphthongs  du  im  Nom.  Akk.  Vok. 
Dualis  einerseits  und  im  Lokativ  Sing,  andrerseits  im  Rigveda.  Inaug.- 
Diss.  Königsberg  i.  Pr.  1904/05.  Königsberg  i.  Fr.,  Leupold  1905.  62  S.  8«. 

111.  Sohulae  W.  Kakophonie.  KZ.  39,  612. 

Cber  jforaaMi/  (Rigveda  IX ,  69,  8)  an  Stelle  des  zu  erwartenden 

112.  AnMdd  E.  V.  Rigveda  VII.  la  KZ.  38  (N.  F.  18),  491-496. 

Prof.  Geldner  (Ved.  Stud.  3,  §  17)  hält  mit  den  meisten  Veda- 
Forschem  diese  Stelle  für  eine  der  ältesten  der  Sammlung.  Nur  Arnold 
setzt  es  in  eine  jüngere  Periode,  die  aber  doch  noch  der  eigentlichen 
Teriode  des  Mythos  und  der  Yolkssage**  vorausgeht  Gegen  die  Sonder- 
existenz einer  derartigen  Periode  (von  Arnold  mit  G  bezeichnet)  hat 
aber  Geldner  seine  Bedenken,  wie  ihm  überhaupt  der  Periodenaufban 
Arnolds  (dieser  unterscheidet  5  Perioden:  ABiBtCiCt)  zu  kunstvoll 
erscheint.  Arnold  verteidigt  im  Vorliegenden  sein  System  und  sieht  die 
Angriffe  Geldners  als  auf  einem  Mißverständnis  beruhend  an,  das  aller- 
dings einem  vorhandenen  Mangel  an  Klarheit  in  seinen  bisherigen  Artikeln 
entspringen  dürfte,  welchem  Cbelstande  er  im  Vorliegenden  abzuhelfen  sucht 

Dialekte. 

113.  Henry  V.  Prtös  de  grammaire  pälie  accompagn^  d'un  choix  de 
textes  gradu^s.  (Bibl.  de  V^c,  fran^.  d'Extr.-Or.  T.  2.)  Paris,  Leroux  1904. 
gr.  80.  9  M. 

114.  Andersen  D.  A  Päli  reader,  with  notes  and  glossary.  Part  II:  A  Päli 
glossary  including  the  words  of  the  Päli  reader  and  of  the  Dhammapada 
(first  half).  Kopenhagen  (Gyldendal)  1905.  116  S.  8o.  5  M. 

115.  Gray  J.  Elementary  Pali  grammar  or  Second  Pali  course.  Calcutta, 
printed  by  P.  Knight  (Leipzig,  Harrassowitz)  1905.  121  S.   6.  M. 

116.  —  First  Pali  delectus  or  companion  reader  to  the'^Second  Pali  course*. 
Calcutta,  printed  by  P.  Knight  (London,  Luzac)  1905.  92  S.  Zus.  mit  dem 
vorhergehenden  8  sh.  6  d. 

117.  Wickremasinghe  Don  M.  de  Zilva.  Index  of  all  the  Prakrit  words 
occurring  in  PischeFs  ''Grammatik  der  Prakrit-Sprachen".  lA.  34  (Appen- 
dix), 1—92. 

Mit  einer  Vorbemerkung  von  G.  A.  Grierson. 

118.  Die  Reden  Gotamo  Buddho's.  Aus  der  Sammlung  der  Bruchstücke 
Snttanipäto  des  Päli-Kanons.  Obersetzt  von  K.  E.  Neumann.  Leipzig, 
J.  A.  Barth  1905.  XU  u.  410  S.  4o.  20  M. 


n.  Arisch.  B.  Indisch.  136 

119.  MiehelBon  Tr.  The  Meaning  and  Etymology  of  the  Päli  word  od- 
hüfketUca-.  ZDMG.  59,  126—128. 

Dieses  Wort,  das  im  Majjhima  Nikäya  (s.  Päli  Text  Society)  vol.  I, 
p.  139  dreimal  vorkommt,  wird  von  Neumann,  Die  Reden  Grotamo  Buddho's, 
Erster  Band,  S.  231  mit  *  Unablenkbarer*  wiedergegeben,  was  jedoch 
Michelson  nicht  befriedigt,  da  jene  Übersetzung  keine  wörtliche  ist  u. 
den  Sinn  nicht  erschöpft.  Im  Päli  Dictionary  von  Childer  findet  sich 
das  Wort  nicht  M.  schlägt  deshalb  folgendes  vor.  Das  Wort  abbüpiesika^ 
ist  zusammengesetzt  aus  abbüflut-  u.  isikä-,  Skrt.  ä-^-tfr^ha-  u.  t^iifco-, 
wobei  das  -5-  auf  ursprüngliches  -f-  zurückgeht  Es  ist  nun  eine  be- 
kannte Tatsache,  daß  Skrt.  ia/ya-  u.  Päli  aalla-  'arrow*  (Pfeil)  oft  in 
dem  gleichen  metaphorischen  Sinne  gebraucht  werden,  um  eine  Beun- 
ruhigung, Erregung  oder  ähnliches  auszudrücken.  In  solchen  Fällen  nun 
findet  man  im  Päli  das  dem  Skrt.  ä  -j-  <T^  entsprechende  Wort  häufig 
in  Verbindung  mit  aalla-  verwendet.  Deshalb  hält  sich  M.  für  berechtigt, 
die  für  Skrt.  Mya-  Päli  salla-  erwiesene  metaphorische  Bedeutung  auch 
für  Päli  isikä'  anzunehmen  u.  abbüfhesika-  gleich  abbülhasaUa-  zu  setzen, 
was  nach  ihm  soviel  heißt,  wie  einer  'whose  arrow  is  torn  out'  (auf 
deutsch  Messen  Pfeil  herausgezogen  ist*). 

120.  Lepitre  A.   Langues  hindoues.  Ann6e  linguist.  2,  1—24 

Beabsichtigt  eine  Zusammenstellung  der  hauptsächUchsten  Publi- 
kationen über  die  arisch-indischen  Sprachen. 

121.  Thimm  C.  A.  Hindustani  self-taught  and  Hindustani  grammar.  Vol.  I. 
London,  Marlborough  1904.  gr.  8o.  5  M. 

122.  Grierson  G.  A.  Specimens  of  the  Marathi  language.  (Linguistic  Survey 
of  India.  Vol.  VII.  hido-Aryan  family.  Southern  group.)  Calcutta,  Office 
of  the  Superintendent  of  Govern.  Printing  1905.  X,  409  S.,  1  K.  9  sh.  9  d. 

123.  Borrow  G.  Romano  Lavo  Lil;  or,  the  word  book  of  the  Gypsy 
language.  London  1905.  8o.  6  M. 

Religionsgeschichte.    Altertumskunde. 
124r.  Chamberlain  H.  St.    Arische  Weltanschauimg.    (Die  Kultur.  Samm- 
lung ill.  Einzeldarstellungen.  Hrsg.  v.  C.  Gurlitt.  1.  Bd.)  BerUn,  Bard, 
Marquardt  &  Co.   1905.  VI,  87  S.  8o.  1,25  M. 
125.  La  Vallie  Ponssin  L.  de.   Religions  de  Finde.   Rev.  d*hist.  et  de 
litt  relig.  Ann.  X.  t  10,  189—216. 

Vgl.  hierzu  Revue,  t.  VI  (1899),  p.  70.  Die  vorliegende  Abhandlung, 
die  zugleich  eine  ausführliche  Bibliographie  (Quellen  u.  Obersetzungen) 
bietet,  enthält  zunächst  eine  gebührende  Würdigung  Cowells  auf  dem  in 
Frage  stehenden  Gebiete,  den  La  Vall.  Pouss.  'un  des  repr^sentants  les 
plus  sympathiques  de  Tlndianisme'  nermt,  dessen  Tätigkeit  zumeist  darauf 
gerichtet  ist,  schwierige  Werke  verständlich  zu  machen,  wie  z.  B.  das 
Nyayakusumänjali  ('ofTrande  fleurie  de  logique*),  das  die  Existenz 
eines  persönlichen  Gottes  lehrt.  La  Vall.  Pouss.  verbreitet  sich  dann  des 
längeren  über  den  philosophischen  Theismus,  sowie  über  die  Stellung, 
die  Udayana,  der  Verfasser  jener  Schrift,  in  den  buddhist.  Kontroversen 
eiimimmt.  Im  zweiten  Teile  behandelt  La  V.  P.  die  Lehre  von  der  bhakti, 
von  der  göttl.  Verehrung,  die  in  den  Bhaktisütras,  den  Werken  der 
theistischen  Schule,  niedergelegt  ist,  spez.  die  Verehrung  des  Krs^a.  Die 
Bhaktisütras  gehören,  ihrer  Entstehung  nach,  zur  Volksreligion  u.  zur 


136  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

transzendenten  Philosophie  der  Brahmanenu.  stehen  in  innigem  Zusammen- 
hang mit  der  Bhagavadgitä,  als  deren  Kommentar  sie  gewissermaßen 
angesehen  werden  können.  La  V.  P.  nimmt  hierbei  Stellang  zu  Hopkins' 
Argumentation  über  die  Beziehimg  zwischen  Bhagavadgitä  n.  der  christL 
Literatur,  sowie  über  den  christlichen  Einfluß  der  ersten  Jahrhunderte 
überhaupt.  Wenn  er  aoch  Hopkins  im  großen  u.  ganzen  beistimmt,  so 
möchte  er  doch  einige  Einschränkungen  gemacht  sehen,  weil  sich  die 
christL  Beeinflussung  doch  wohl  nicht  so  scharf  nachweisen  lasse. 

126.  Oldenberg  H.  Die  Erforschung  der  altindischen  Religionen  im  Gesamt- 
zusammenhang der  Religionswissenschaft  Ein  Vortrag.  Deutsche  Rund- 
schau 121,  248—261. 

Wie  schon  aus  der  Oberschrift  ersichtlich,  will  dieser  Vortrag,  der 
für  den  International  Congress  of  Arts  and  Science  zu  St. Louis 
(Septbr.  1904)  verfaßt  und  dort  gehalten  worden  ist,  die  Stellung  u.  Be- 
deutung der  altind.  Religionen  im  Dienste  der  Erforschung  der  Religions- 
wissenschaft im  allgemeinen  charakterisieren,  wie  man  z.  B.  von  den 
fiberkühnen  Kombinationen  früherer  Zeiten  zurückgekommen  ist,  die  aus 
den  mythol.  VorsteUungen  des  Veda  heraus  die  '*ganze  Reihe  europäischer 
Gebilde  von  der  Götterwelt  Homers  bis  zu  deutschen  Volksmärchen  und 
Kinderspielen  verstehen  lernen  wollten**,  wie  aber  auch  andererseits  z.  B. 
die  eingehenden  Schilderungen  des  indischen  Opferwesens,  die  uns  die 
einheimischen  Priester  namentlich  für  die  Zeit  seiner  vollen  Blüte  in  so 
reichem  Maße  hinterlassen  haben,  die  ''Fragmente  westlicheren  Opfer- 
wesens ergänzen  und  deuten**  müssen.  Die  Ergebnisse,  die  die  ind.  Reli- 
gionen für  den  Glauben  der  Indoeuropäer  haben  könnten,  sind  nach  O.'s 
Meinung  spärlich  u.  unsicher,  auch  die  für  das  indisch-iranische  Zusammen- 
leben auf  ein  ziemlich  enges  Gebiet  beschränkt.  Von  besonders  großer  Be- 
deutung für  die  allgemeinen  Probleme  der  Religionswissenschaft  hält  0.  unter 
den  ind.  Religionen  den  Buddhismus,  der  sich  ihm  "auf  einem  höchsten  Höhe- 
punkte alles  religiösenWesens"  darstellt.  Doch  können  die  hier  auftauchenden 
Fragen  u.  Rätsel  nicht  durch  die  Erforschung  des  Buddhismus  u.  Christen- 
tums allein,  sondern  nur  unter  Herbeiziehung  der  zumal  mit  dem  Buddhis- 
mus so  vielfache  Ähnlichkeiten  u.  Parallelen  aufweisenden  griechischen 
Philosophie  einer  Lösung  entgegengeführt  werden. 

127.  Oppert  G.  Die  Gottheiten  der  Indier.  Z.  f.  Ethn.  37, 296— 353,  501—Ö13, 
717—754. 

1.  Kapitel.  Einleitende  Betrachtungen  zur  Beurteilung  der  Bevölke- 
rung Indiens.  Nirgends  ist  der  religiöse  Trieb  so  entwickelt  wie  in  Indien, 
nirgends  aber  auch  berühren  sich  die  widersprechendsten  Extreme  so 
häufig  und  so  nahe,  wie  eben  hier.  Neben  dem  erhabensten  Idealismus 
macht  sich  der  sinnlichste  Materialismus  breit  Die  edelsten  u.  freisinnigsten 
Denker  und  Herrscher  wechseln  mit  den  verworfensten  u.  bmtalstenPriestem 
u.  Tyrannen.  In  dem  Entwickelungsgange  der  arischen  Bevölkerung  Indiens 
lassen  sich  vier  Perioden  unterscheiden.  In  der  ersten  urarischen  Zeit 
engstes  Nebeneinanderleben  aller  Angehörigen  der  Rasse.  In  der  zweiten 
Periode  Trennung  der  verwandten  Volksschichten,  nur  die  beiden  öst- 
lichsten, von  babylon.  Kultur  nicht  unbeeinflußten  Stämme  blieben  in  Iran 
u.  in  dem  Indien  benachbarten  Gebiet  in  Beziehung  zu  einander.  In  der 
dritten  Periode  Eindringen  der  an  den  Grenzen  Indiens  wohnenden  Arier 
in  letzteres  Land,  infolgedessen  alhnähliches  Aufhören  des  Verkehrs  mit 


II.  Arisch.   B.  Indisch.  137 

den  Iraniem  u.  schließliche  Entfremdung.  Einfluß  der  veränderten  kUmat. 
Verhältnisse  auf  Lebensweise  u.  religiöse  Anschauungen  der  Einwanderer. 
Die  uralten,  einer  anderen  Zone  angepaßten  Gottheiten  traten  in  den 
Hintergrund,  neue,  den  veränderten  Ansichten  mehr  zusagende  Vorstel- 
lungen schufen  neue  Götter,  z.  B.  den  Regen-  u.  Gewittergott  Indra.  Auch 
die  Berührung  mit  der  Urbevölkerung  trug  zur  Modifizierung  der  religiösen 
Ideen  der  arischen  Ansiedler  das  Ihrige  bei.   In  der  vierten  Periode  zu- 
nehmende Erstarkung  u.  endliche  Alleinherrschaft  des  fremden  Einflusses 
(so  in  der  Personifikation  der  Allmutter  Aditi),  Umgestaltung  des  Brahma- 
nismus  u.  Grundlage  zum  modernen  Hinduismus.  —  2.  Kapitel.  Über  die 
vedische  Theogonie  der  arischen  Indier.  Die  ersten  religiösen  Anschau- 
ungen der  Indier  knüpfen  an  die  Betrachtung,  Bewunderung  und  Verehrung 
der  alles  Irdische  beherrschenden  Naturmächte  an.  Entsprechend  den  drei 
Tor  Augen  liegenden  Sphären  (der  irdischen,   luftigen  u.   himmlischen) 
wirken  dreierlei  Gottheiten  im  Himmel,  im  Luftraum  u.  auf  der  Erde,  die 
allerdings  nicht  überall  die  gleichen  Namen  führen.  Während  einige  der 
Götter  ideale  Vertreter  gewaltiger  Naturerscheinungen  oder  das  mensch- 
liche Leben  beeinflussender  Himmelskörper,  zuweilen  auch  vergötterte 
Elemente  u.  Materien  sind,  sind  die  meisten  wohl  ledighch  ein  Gebilde 
der  erregten  Phantasie.  Eine  der  Besprechung  der  einzelnen  Gottheiten 
vorausgehende  Betrachtung  über  ihr  Wesen,  ihren  Ursprung  u.  ihre  Stellung 
im  allgemeinen  knöpft  0.  an  die  Ansichten,  die  die  Indier  ursprünglich 
von  den  Asuras  u.  Devas,  ihren  vornehmsten  Gottheiten,  gehabt,  u.  wie  sie 
diese  allmählich  geändert  haben.  Ihrer  Beziehung  nach  repräsentieren  die 
Asuras  die  lebendig  existierenden,  die  Devas  die  leuchtend  himmlischen 
Gottheiten.    Im  Veda  werden  die  höchsten  Götter  Asuras  genannt.   Sie 
waren  die  Urgötter,   die  lebendigen  Urgeister,  während  die  Devas  Grott- 
heiten  im  allgemeinen  waren  (s.  den  Ausdruck  vis've  deväs,  worunter 
sowohl  alle  Götter,  als  auch  eine  besondere  Klasse  von  ihnen  zu  verstehen 
sind).   Im  Laufe  der  Zeit  schwand  in  Indien  die  Macht  u.  das  Ansehen 
der  Asuras  dahin,  Unfriede  brach  unter  ihnen  aus,  Indra  verdrängte 
Varuna,  an  die  Stelle  der  Asuras  traten  die  Devas,  u.  die  Asuras  werden 
als  gottlos  (adeväs)  geschildert.   Aber  nicht  nur  ihren  Einfluß,  sondern 
auch  ihre  ganze  Respektabilität  verloren  sie,  so  daß  der  Ausdruck  asura 
sogar  als  Unhold  in  Verruf  kam,  während  er  sich  bei  den  Iraniern  als 
Ahura  Mazda  (als  höchster  Geist)  in  seiner  Bedeutung  erhielt.  Im  Gegen- 
satz hierzu  gebrauchten  die  Iranier  hinfort  das  Wort  div  als  Bezeichnung 
für  Teufel.  In  den  Brahmanas  wird  das  Verhältnis  der  Asuras  zu  den  Devas 
des  öfteren  eingehender  besprochen.  Die  Stellung  der  Devas  ist  übrigens 
im  Veda  recht  verschieden,  u.  die  Angaben  über  sie  stehen  vielfach  in 
Widerspruch  zu  einander,  was  auf  die  in  Gedanke  u.  Glaube  von  einander 
abweichenden  Ansichten  der  Verfasser  der  betreffenden  Lieder  zurückgeht 
Nach  diesen  einleitenden  Bemerkungen  werden  die  wesentlichsten 
Gottheiten  besprochen,  zuerst  die,  denen  eine  materielle  Existenz  zugrunde 
liegt  (Dyaus  u.  Prthivi  =  Himmel  u.  Erde,  Agni  =  Feuer,  Soma  =  Pflanze, 
Soma=  Mond,  Sürya  =  Sonne,  Usas  =  Morgenröte,  die  ASvins  =  Dioskuren), 
dann  die  mehr  auf  der  Gestaltungskraft  der  menschlichen  Phantasie  be- 
ruhenden Gottheiten  der  drei  Sphären  des  Weltalls:   1)  die  Ädityas,  die 
Licht-  oder  Sonnengottheiten,  an  ihrer  Spitze  der  Urgott  Varuna,  der  in 
der  höchsten  u.  heiligsten  Sphäre,  im  Himmel,  thront  u.  dem  Ahura-Mazda 
des  Zend-Avesta,  dem  Ouranos  der  Griechen  entspricht.   2)  Die  Rudras, 


188  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

deren  ursprünglicher  Repräsentant  der  Wind,  Väyii,  ist,  der  später  seine 
Stelle  an  Indra,  den  Regengott,  den  eigentlichen  Schotzgott  der  Indier 
in  dem  regen-  o.  gewitterreichen  Indien  abtreten  mufite.  Er  entspricht  dem 
Zeus  der  Griechen  u.  dem  Jupiter  der  Lateiner.  Seine  Hauptaufgabe  be- 
steht in  der  Vernichtung  der  den  Menschen  feindlichen  Dämonen,  die  die 
göttlichen  Wasser  hemmen  und  die  Regenwolken  in  ihren  Höhlen  ein- 
schließen. 8)  Die  Vasus,  die  Gottheiten  der  8.  Sphäre,  die,  ebenfalls  als 
Vertreter  von  Naturerscheinungen,  zunächst  unter  der  Leitung  des  Agni, 
später  des  Indra  standen.  Im  Laufe  der  Zeit  vollzog  sich  ein  Wechsel 
in  der  Anschauungsweise.  Die  dichterische  Begeisterung  wich  grüblerischem 
Nachdenken,  an  Stelle  der  SchOpfungstheorien,  Gebete  u.  Liturgien  traten 
Lobgesänge,  Dank-  u.  Bittlieder,  u.  die  alten  Götter  wurden  mehr  n.  mehr 
zu  ausschließlich  abstrakten  Grebilden,  wie  Brhaspati,  Herr  des  Gebetes 
u.  Nachfolger  des  Indra  in  der  Führung  der  Götter,  Prajäpati,  Herr  der 
Greschöpfe,  Yama,  der  Todesgott,  Aditi,  die  Göttermutter,  eine  von  Hans 
aus  unarische  Gottheit  usw.  —  3.  Kapitel.  Ober  den  Kultus  der  Urein- 
wohner Indiens.  Wie  die  vedischen  Gottheiten  einerseits  urindischen  An- 
schauungen zugänglich  wurden,  konnten  auch  die  urindischen  Gottheiten 
andererseits  arischem  Einflüsse  sich  nicht  entziehen.  Sie  verloren  unter 
der  fremden  Herrschaft  ihre  Unabhängigkeit,  behaupteten  aber  als  Lokal- 
gottheiten, alsGrämadevatäs,  ihre  maßgebende  Stellung,  so  daß  auch 
die  Brahmanen  selbst  z.  B.  diese  Lokalgottheiten  verehren,  wenn  sie  sich 
auch  zuweilen  dieses  Kultus*  schämen.  Die  eigentlichen  Verehrer  bleiben 
natürlich  die  Ureinwohner  Indiens.  An  der  Spitze  der  urind.  Grottheiten 
steht  der  höchste  Geist,  Ayya  oder  Appa,  meist  durch  Sanskritbezeich- 
nungen wie  Bhagavän  heutzutage  ersetzt,  u.  die  materielle  Natur,  Amma. 
Ersterer  erscheint  als  Vater  u.  Herr,  letztere  als  Mutter  u.  Ernährerin. 
Die  Hauptrepräsentantinnen  der  weiblichen  Grämadevatäs  sind  Ellama, 
skr.  Sarvämbä,  eine  mildtätige  Gottheit,  eine  Helferin  in  der  Gefahr,  daher 
bei  den  Schiffern  sehr  beliebt;  Kälamma  oder  Kall  (auch  Durgä),  im 
Gegensatz  zur  vorigen  eine  grausame  Groltheit,  wohl  die  am  meisten  ver- 
ehrte Göttin  Indiens,  speziell  die  Grämadevatä  von  Kalkutta;  Märi,  Märi 
Amma  oder  Märiyammai  (von  Skr.  mr,  sterben ;  märi  bedeutet  jede  töd- 
Ucbe  Krankheit),  eine  sowohl  gütige  wie  auch  böse  Gottheit,  die  bei 
Kranklieiten  angerufen  wird ;  Visahari  oder  Pidäri  u.  Manasä,  der  es  ob- 
liegt, das  Gift  aus  den  Wunden  der  von  Schlangen  Gebissenen  zu  ziehen, 
überhaupt  vor  Schlangenbiß  zu  wahren.  Außerdem  wird  die  urindische 
Grämadevatä  noch  unter  den  verschiedensten  Namen  u.  Gestalten  verehrt 
u.  mit  den  mannigfachsten  Beschäftigungen  in  Verbindung  gebracht  (die 
reichhaltigste  Aufzählung  der  Grämadevatäs  findet  sich  bei  Vopadeva  in 
der  Grämadevatäpratisthä).  Wenn  auch  im  Laufe  der  Zeit  durch  den  Einfloß 
fremdartiger  Volkselemente  die  Grämadevatä  manche  der  urindischen  An- 
schauung nicht  angehörige  Gestaltung  erfahren  hat,  so  ist  ihr  Grund- 
charakter doch  im  großen  u.  ganzen  derselbe  geblieben.  Zahlreiche  An- 
gaben über  das  bei  der  Verehrung  der  Grämadevatäs  übliche  ZeremonieU 
bilden  den  Hauptbestandteil  dieses  Kapitels. 

128.  Oldenberg  H.  Göttergnade  und  Menschenkraft  in  den  altindischen 
Religionen.  Rektoratsrede.  Kiel,  Lipsius  u.  Fischer  in  Kom.  1906.  18  S. 
0,60  M. 

129.  —  Altindisches  und  ChristUches.  ZDMG.  69,  625—628. 


II.  Arisclu  B.  Indisch.  189 

Gegen  Pischel  (vgl.  DLZ.  1904,  2939  u.  Sitz.-Ber.  der  Berl.  Akad. 
190d,  506 ff.),  der  erstens  Ev.  Luc.  2,  27,  wo  Simeon  in  den  Tempel  ^v 
Ti|i  irveOMom  kommt,  auf  dem  Vorbilde  des  buddhist.  Pfades  des  Windes, 
den  der  luftdurchfliegende  Heilige  wandelt,  beruhen  läßt  (s.  a.  Oldenbergs 
Abhdlg.  in  Theol.  L.  Z.  1905,  67  f.),  nnd  der  zweitens  das  Fischsymbol 
Jesu  aus  Indien  herüberholt,  nnd  zwar  durch  Vermittelung  von  Christen 
in  Tarkestan  im  2.  Jahrb.  —  1rv€0^a  ist  nach  Oldenberg  das  rechte, 
israelitische,  bezw.  christliche  1^ve0^a,  das  mit  dem  Luftwandeln  indischen 
Wunderglaubens  nichts  zu  tun  habe,  u.  der  Fisch  als  Symbol  Jesu  (aus- 
gehend von  dem  bekannten  Akrostichon)  lasse  sich  zur  Genüge  aus  Vor- 
aussetzungen innerhalb  der  christlichen  Kultussphäre  selbst  erklären  (Jesus 
als  der  im  Wasser  geborene,  als  Speise  der  Seinen  usw.). 

180.  Dilger  W.  Krischna  oder  Christus?  Eine  religionsgeschichtliche 
Parallele.  (Basler  Missionsstudien.  H.  26).  Basel,  Missionsbuchh.  1904. 
U  S.  0,60  M. 

181.  Erischnas  Weltengang.  Ein  ind.  Mythos.  In  20  Andachten  aus  dem 
Vischnupuränam  übertr.  v.  A.  Paul.  Mit  e.  Geleitworte  von  K.  E.  Neu- 
mann. München,  R.  Piper  &  Co.   1905.  132  S.  8o.  2,50  M. 

132.  Edmunds  A.  J.  Can  the  Päli  Pitakas  aid  us  in  fixing  the  Text  of 
the  Gospels  ?  Brochure.  Philadelphia,  Innes  and  Sons  1905.  7  S.  10  cents. 

A  parallel  is  drawn  between  Luke  2,  8—14  and  a  passage  in  the 
Sutta  Nipäto,  Mahävaggo  Nälaka-Suttam,  the  one  descriptive  of  the  joy 
of  the  angels  at  the  birth  of  Christ,  the  other,  at  the  birth  of  Buddha. 
Arguments  are  adduced  to  support  the  theory  that  the  Evangehst  Luke, 
a  physician  of  Antioch,  may  possibly  have  been  influenced  by  Buddhistic 
ideas  through  the  intercourse  existing  between  Palestine  and  India. 
(Jackson.) 

133.  Pischel  R.  Der  Ursprung  des  christlichen  Fischsymbols.  Sitzber.  d. 
Kgl.  Pr.  Ak.  d.  Wiss.  1905,  I,  506—532. 

**Es  wird  versucht  zu  zeigen,  daß  der  Fisch  als  Symbol  Christi, 
des  Erretters,  seinen  Ursprung  in  Indien  hat.  Der  Fisch,  der  Manu,  den 
Stammvater  der  Menschen,  rettet,  wird  als  der  Grott  Brahman,  oder  meist 
Visnu  aufgefaßt  Von  den  Visnuiten  übernahmen  das  Symbol  die  Bud- 
dhisten, bei  denen  die  Christen  es  in  Turkestan  kennen  lernten.  Bereits 
vom  5.  Jahrb.  v.  Chr.  an  ist  der  Fisch  in  Indien  als  Glückszeichen  (maiü- 
gala)  nachweisbar*'. 

134.  Caland  W.  et  Henry  V.  L'agnistoma.  Description  complMe  de  la 
forme  normale  du  sacrifice  de  Soma  dans  le  culte  v6dique.  T.  I.  Avec 
quatre  planches.    Paris,  Leroux  1906.    XVII  u.  257  S.   8«.   8  M. 

135.  Millon*  L.  de.   Le  Brahmanisme.   Paris  1905.   8o.   2.50  M. 

136.  Jahn  W.  Über  die  kosmogonischen  Grundanschauungen  im  Mänava- 
Dharma-Sästram.  Inaug.-Diss.  Würzburg  1903/04.  Leipzig,  Drugulin 
1904.   78  S.    80. 

137.  Roossel  A.  Les  id6es  religieuses  et  sociales  du  Mahäbhärata.  Ädi- 
parvan.    Le  Mus^on  N.  S.  6,  1—22.  156—177.  356—378. 

Die  vorliegende  Artikelserie  schließt  sich  an  eine  bereits  vor 
mehreren  Jahren  gleichfalls  im  Mus^on  veröffentlichte  Arbeit  über  den 
nämlichen  Gegenstand  an,  u.  es  sollen  ohne  allzugroße  Zeitintervalle  noch 
weitere  Abhandlungen  auf  diesem  selben  Gebiete  folgen.  Behandelt  wird 


140  n.  Arisch.  B.  indisch. 

an  erster  Stelle  die  Ehe.  Ausgehend  von  der  Antwort  der  ^untaU 
auf  die  Weigerung  des  Königs  Dufmanta,  sie  als  seine  Gattin  anzu- 
erkennen (s.  Mah.  LXXIV,  34:  '*Ich  bin  deine  Gattin  u.  deshalb  verdiene 
ich,  von  dir  gebahrend  geachtet  zu  werden*^  u.  der  darauf  folgenden 
Aufzählung  der  Eigenschaften  der  Frauen  (die  Frau  ist  die  Wurzel  des 
8 fachen  Glückes,  überhaupt  das  köstlichste  Gut  auf  Erden),  erwähnt  R. 
den  Ursprung  der  menschlichen  Ehe  nach  der  Vorstellung  im  Bhägavata 
(Teilung  des  Käya,  des  Körpers  des  Brahma,  in  eine  männliche  u.  eine 
weibliche  Hälfte)  u.  bringt  Beispiele  aus  dem  Mab.«  aus  denen  auf  die 
Meinung  der  alten  Inder  von  dem  Werte  der  Ehe  geschlossen  werden 
kann.  Obwohl  die  Polygamie  erlaubt,  war  doch  die  Polyandrie  verpönt, 
weil  sie  den  Sitten  u.  den  Vedas  zuwider.  Söhne  galten  bekanntlich  als 
ein  Mittel,  um  sich  von  der  Hölle  zu  befreien,  aus  diesem  Grunde  hat 
schon  frühe  die  Adoption  zu  Rechte  bestanden  u.  war  eine  Einrichtung, 
wie  das  Zölibat,  ein  Unding.  Weiterhin  spricht  R.  von  der  Familie 
(3  Dinge  braucht  man,  nach  dem  Ädiparvan,  um  seine  Familie  leben  zu 
lassen:  einen  König,  eine  Frau  u.  Geld),  von  den  Pflichten  im  all- 
gemeinen (viererlei  Pflichten  sind  es,  die  die  Menschen  bei  ihrer  Ge- 
burt —  so  lehrt  Pftndu  —  auf  sich  nehmen,  und  zwar  gegen  ihre  Vor- 
fahren, gegen  die  Götter,  gegen  die  ^shis  u.  gegen  ihresgleichen),  von 
den  Pflichten  derBrahmanen  (deren  oberste  Pflicht  es  ist,  den  Veda 
gründlichst  zu  studieren,  ihn  auch  mit  dem  Herzen  zu  erfassen  u.  die 
anderen  Zweimai-Geborenen  darin  zu  unterrichten),  von  den  Pflichten 
der  Könige  (die  darin  bestehen,  dafi  sie  die  Götter  durch  Opfer  er- 
freuen, die  Pitps  durch  die  ihnen  zukommende  Verehrung,  die  Annen 
durch  Almosen,  die  Brahmanen  durch  Erfüllung  ihrer  Gelübde,  die 
Fremden  durch  Gewährung  von  Speise  u.  Trank,  die  Vai^yas,  indem  sie 
diese  schützen,  die  (^üdras,  indem  sie  ihnen  in  keiner  Weise  nachteilig 
sind,  die,  welche  sich  vergangen  haben,  durch  gerechte  Bestrafung)  u. 
schließlich  von  den  Opfern  (der  erste,  der  zu  Ehren  der  Götter,  ßais 
u.  Pitrs  Opfer  darbrachte,  war  nach  Vai^ampftyana  Qantanu,  der  Sohn 
des  Pratlpa). 

138.  Oldham  C.  F.  The  sun  and  the  serpent:  a  contribution  to  the 
history  of  serpent-worship.  With  33  illustrations.  London,  Constable 
190Ö.   207  S.   8o.    10  Sh.  6  d. 

Rez.  von  Davids,  F.W.  BIl,  in  JRAS  190^  SSOfl 

139.  Schrader  0.  Maya-Lehre  und  Kantianismus.  Berlin,  Raatz  1904. 
30  S.  80.  1,25  M. 

Res.  von  Deassen,  F.,  im  Anzeiger  t  Indogerm.  Sprach-  vl  Altertiuii- 
knnde  17,  7  f. 

140.  Monseur  E.  L'äme  poucet.  Rev.  de  Thist.  des  rel.  51, 361—375. 

In  dem  nämlichen  Bande  dieser  Revue  hat  M.  bereits  über  eine 
von  ihm  pupilline  genannte  Seele  berichtet,  die  menschliche  Gestalt 
besitzt  und  ihren  Sitz  im  Auge  hat,  in  Wirklichkeit  natürlich  das  Spiegel- 
bild des  dem  Auge  Gegenüberstehenden  ist.  Eine  andere  Abart  der  Seele, 
die  aber  mit  der  pupilline  manche  Ähnlichkeit  hat,  wird  von  ihm  wegen 
der  ihr  zugeschriebenen  Größe  "poucet**  genannt.  M.  bringt  nun  aus  den 
Literaturen,  resp.  aus  dem  religiösen  Vorstellungsgebiete  verschiedener 
Völker  Belege,  die,  was  die  Indier  betrifTt,  alle  den  Upanishads  angehören 
(im  Speziellen  verweist  er  auf  die  Legende  von  der  S&vitrl).  Der  Sitz 
dieser  Seele  wird  entweder  überhaupt  nicht  näher  angegeben  oder,  wo 


ü.  Arisch.  B.  Indisch.  141 

dieses  geschieht,  unter  der  Hirnschale,  zuweilen  auch  in  der  Herzhöhle. 
Außerdem  wird  ihr  die  Fähigkeit  zugeschrieben,  ihren  Wohnsitz  (z.  B.  für 
die  Zustände  des  Wachens  und  Schlafens)  ändern  zu  können,  und  zwar 
▼ermittelst  einer  Ader,  die  vom  Herzen  zum  Kopfe  führt. 

141.  Hopkins  E.  W.  The  fountain  of  youth.  JAOS.  26, 1—67. 

Als  im  Jahre  1882  H.  fQr  Whitney  einige  Teile  des  3.  Buches  des 
Jaimimya-brähma^a  aus  Bumells  südindischem  (Grantham)  Ms.  abschrieb, 
worin  sich  die  auf  den  Mythus  vom  Jungbrunnen  gegründete  Cyavana- 
Legende  findet,  wurde  diese  von  Whitney  in  den  Proceedings  of  the  Americ. 
Orient  Soc.,  May  1883  sofort  in  Obersetzung  veröffentlicht,  ohne  Sanskrit- 
text, den  H.  im  Vorliegenden  nachholt  auf  Grund  des  leider  textlich  nicht 
ganz  korrekten  Ms.'s,  das  aber  zur  Zeit  noch  die  einzige  Quelle  hierfür 
ist  Sachliche  und  sprachliche  Erläuterungen  und  die  ähnliche  Erzählung 
von  Vidanvant  und  Cyavana  (Tändya  13,  11.  10)  schließen  den  Exkurs. 
In  der  vorausgeschickten  Einleitung  sucht  H.  das  geschichtliche  Problem 
und  die  mutmaßliche  Herkunft  dieser  Legende  zu  erhellen  auf  Grund 
eingehender  Prüfung  der  nicht  bloß  unter  den  Indo-Germanen,  sondern 
auch  unter  anderen  Völkern  und  Stämmen  weit  verbreiteten  gleichen  oder 
ähnlichen  Erzählungen.  H.  ist  dabei  geneigt,  Indien  als  die  Heimat  der 
europäischen  Fabel  zu  betrachten,  deren  Vermittelung  aber  nicht  durch 
die  Araber,  sondern  durch  die  Nestorianer  über  Syrien  erfolgte;  denn 
die  frühesten  arabischen  Reisenden  (400  Jahre  vor  Marco  Polo)  wissen 
nichts  von  einem  Jungbrunnen.  In  Indien  selber  ist  die  Geschichte  von 
Cyavana  sehr  alt,  viel  älter  als  die  Brähma^a-Periode.  Bereits  im  Rig- 
Veda  findet  sich  Cyavana  und  seinj  Verjüngung  erwälmt,  die  allerdings 
hier  nicht  mit  Hilfe  eines  Brunnens  (resp.  einer  Quelle),  sondern  durch  die 
Götter-Ärzte,  die  A^vins,  erfolgt.  Von  dieser  Zeit  an  läßt  sich  die  Fabel 
in  der  ganzen  Sanskrit-Literatur,  auch  in  der  epischen,  bis  zu  den  Puräpas 
herab  verfolgen,  natürlich  mit  verschiedentlichen  Variationen.  Am  aus- 
führlichsten steht  sie  im  Jaiminiya-Brähma^a.  —  Vielleicht  mit  am  ver- 
wunderlichsten an  dieser  Legende  ist  die  Tatsache  ihres  ununterbrochenen 
Fortlebens  in  einem  Lande  wie  Indien,  wo,  wie  in  keinem  anderen,  die 
Religion,  Brahmaismus  und  Buddhismus,  nicht  auf  eine  Erneuerung  der 
irdischen  Existenz,  sondern  auf  ein  Aufhören  jeglicher  Lebenstätigkeit 
als  das  erstrebenswerteste  und  höchste  Ziel  menschlicher  Einbildungskraft 
hinweist  Aber  diese  im  Volke  so  beliebte  und  mit  solcher  Zähigkeit 
festgehaltene  Erzählung  beweist  eben,  daß  unter  diesem  mehr  gesunder 
Menschenverstand  und  mehr  natürliche  Vernunft  aufgespeichert  ist,  als 
brahmanische  Priester  oder  buddhistische  Mönche  je  auszurotten  ver- 
mocht haben. 

142.  —  The  fountain  of  youth.  Second  paper.  JAOS.  26,  411—415. 

Dieser  Nachtrag  enthält  Ergänzungen  und  Berichtigungen  Hs.'s  selbst 
wie  verschiedener  anderer,  die,  durch  obige  Abhandlung  angeregt,  ihr 
Interesse  an  dem  Gegenstande  dem  Verfasser  dadurch  zum  Ausdruck 
gebracht  haben. 

143.  Stcherbatskoi  Th.  Notes  de  litt6rature  bouddhique.   La  litt^rature 
Yogäcära  d'aprfes  Houston.  Le  Mus6on  6,  144 — 166. 

Als  Gründer  der  Schule  der  Yogäcäras  gilt  gewöhnlich  ÄryäsaAga, 
der  nach  der  Legende  vom  Bodhisattva  Maitreya  dessen  Werke  erhalten 
haben  soll.   In  der  Folgezeit  schloß  sich  sein  Bruder  Vasubandhu  dem 


142  II.  Arisch.  B.  IndiBch. 

neuen  Dogma  &n.  Jene  6  Äbhandlongen,  die  dem  Maitreya  zngeschrieboi 
werden,  sowie  die  Schriften  des  ÄryäsaAga  und  ein  Teil  der  des  Yaso- 
bandho  bilden  den  Grandstock  dieser  Richtong.  Besonders  Vasnbandbi 
war  es,  der  die  Lehre  von  der  Welt  als  einer  bloßen  Yorstellang,  als 
einem  Attribut  des  Geistes  ausgebildet  und  als  in  Obereinstimmung  mit 
der  Lehre  Buddhas  hinzustellen  sich  bemüht  hat  Später  teilte  sich  die 
Schule  der  Yogäcäras  in  die  der  Logiker  und  die  der  Anh&nger  der 
Tradition,  welch*  letzterer  Äryäsaöga  und  Vasubandhu  zugehörten.  Der 
Aufsatz  enthält  dann  weiterhin  eine  Aufzählung  der  5  Qästras  des  Maitreya, 
der  Werke  des  Äryäsaöga  und  der  8  Abhandlungen  des  Vasubandhu  mit 
kurzen  Inhaltsangaben. 

Ii4.  Hackmaan  H.  Der  Ursprung  des  Buddhismus  und  die  Geschichte 
seiner  Ausbreitung.  (Religionsgeschichtl.  Volksbücher  f.  d.  deutsche 
Christi.  Gegenwart.  111.  Reihe.  4.  H.)  Halle,  Gebauer-Schwetschke  1905. 
47  S.  0,40  M. 

146.  Lehmann  E.  Buddhismen.  Grundrids  ved  folkelig  Universitetsunder- 
visning.  Nr.  100.   Kopenhagen  (Erslev)  190ö.  16  S.  8o.  0,20  Kr. 

146.  Oleott  H.  S.  Le  Bouddhisme  selon  le  canon  de  T^glise  du  Sud  et 
sous  forme  de  cat^chisroe.  Traduction  fran^aise.  87«  6d.  Paris,  Pobli- 
cations  th^osophiques  1905.  144  S.   1,60  Fr. 

Res.  von  Negelein,  J.  y.,  in  Or.  Ls.  8,  400—03;  S[eidenst&eker]  in 
BnddlLWelt  1,  Slf. 

147.  La  Vallöe  Pouasin  L.  de.  Pro  Minayeff.  L  Les  deux  premiers  conciles. 
Le  Mus^on.  6,  213—323. 

Eine  sehr  eingehende  und  kritische  Untersuchung  der  von  MinayefT 
aufgestellten  Ansichten  über  die  Ausbreitung  des  Buddhismus  in  den 
frühesten  Zeiten,  über  die  allmähliche  Festlegung  der  Orthodoxie  und 
über  den  Urspnmg  des  Kanons.  Die  Ausgrabungen  der  letzten  Jahre 
haben  ja  manche  Behauptung  Minayeffs  als  irrtümlich,  aber  auch  manches 
von  ihm  als  wahr  erwiesen,  und  selbst  dort,  wo  er  sich  getäuscht  hat 
(wie  über  das  Edikt  von  Babhra  [Bairat]),  ist  seine  Arbeit  sehr  nutz- 
bringend gewesen  und  hat  zur  Klärung  mancher  Probleme  der  ältesten 
buddhistischen  Geschichte  beigetragen. 

148.  Suzuki T.,Ck>rdier  P., La Vall6e Poussin  L.  de.  Dogmatique  bouddhique. 
Les  soixante-quinze  et  les  cent  dharmas.  D'apr^s  TAbhidharmako^, 
la  Vijnänamätrasiddhi  (T.  Suzuki)  et  la  Mahävyutpatti  (Dr.  P.  Cordier 
et  L.  de  la  Vall^e  Poussin).  Le  Musöon  6, 178—194. 

Der  Buddhismus  teilt  die  Dinge  (dharmas)  in  2  große  Kategorien :  in 
die,  welche  aus  einer  bestimmten  Ursache  (hetu)  u.  Bedingung  (pratyaya) 
hervorgehen,  die  dharmas  samskrtas,  und  in  die,  welche  absolut,  unbedingt 
sind,  die  dharmas  asamskrtas.  Im  Abhidharmako^a  wird  die  Zahl  dieser 
dharmas  auf  76,  auf  72  samskr.  u.  3  asamskr.,  angegeben,  in  den  Yogä- 
cäras auf  100,  u.  zwar  auf  94  samskr.  u.  6  asamskr.  Zweck  der  vor- 
hegenden  Zeilen  ist  es  nun,  durch  eine  Vergleichung  dieser  beiden  Listen 
die  bestehenden  Differenzen  aufzuklären.  Obrigens  stellt  La  V.  P.  weitere 
exegetische  Beobachtungen,  sowie  eine  Hinzufügung  der  chinesischen 
Äquivalente  in  Aussicht. 

149.  Walleser  M.  Die  Buddhistische  Philosophie  in  ihrer  geschichtlichen 
Entwicklung.     Erster  Teil:  Die  philosophische  Grundlage  des  älteren 


n.  Arisch.  B.  Indisch.  143 

Buddhismus.   Heidelberg,  C.Winters  Univ.-Buchhdlg  1904.  XI  u.  148  S. 
80.  4,80  M. 

Rez.  von  Davids,  C.Bh.,  in  JRAS.  1905,  995—402;  Oltramare,  F.,  in  Rev. 
de  riiist.  des  rel.  51,  271—76. 

150.  Bertholet  A.  Der  Baddhismus  und  seine  Bedeutung  für  unser  Geistes- 
leben. Tübingen,  Mohr  1904.  lY  u.  66  S.  8o.  1  M. 

151.  The  Light  of  Dharma.  A  religious  magazine  devoted  to  the  teachings 
of  Buddha.  Published  quarterly.  San  Francisco,  Cal.  ü.  S.  A.  Buddhist 
Mission  1905.  50  cents  per  year. 

152.  Barth  Fr.  Jesus  und  Buddha.  Vortrag.  Bern,  A.  Francke  1905. 
12  S.  0,85  M. 

153.  Dutoit  J.  Die  duskaracarya  des  Bodhisattva  in  der  buddhistischen 
Tradition.   Straßburg,  Trübner  1905.  4  Bl.,  99  S.  gr.  8©.  3  M. 

Rez.  von  Kirste,  J.,  in  LitZentralbl.  1905, 1256;  Oldenberg,  H.,  in  Dentsohe 
LiteraturE.1905,  2378f. 

154.  Geiger  W.  Dipavamsa  und  Mahävamsa,  und  die  geschichtliche  Ober- 
lieferung in  Ceylon.  Leipzig,  Böhme  1905.  VIII  u.  146  S.  8o.  4,50  M. 

Rez.  von  Davids,  T.W.  Rh.,  in  JRAS.  1905,  301—385;  Ezpoiitory  Timei  16, 
546 f.;  H[enry],  V.,  in  Rev.  crit,  1905,  II,  341  f. 

155.  Fleet  J.  F.  Notes  on  three  Buddhist  inscriptions.  JRAS.  1905, 
679—691. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  eine  der  zwei  Sönäri-Inschriften 
mit  dem  Namen  des  Käsapagöta.  Bekanntlich  wurden  nach  dem  3.  bud- 
dhist.  Konzil  im  18.  Jahre  des  Königs  A^öka  Missionen  abgeschickt,  die 
die  Verbreitung  des  buddhist.  Glaubens  in  allen  Teilen  Indiens  zum  Zwecke 
hatten.  Als  Führer  der  nach  dem  Himälaya  beorderten  Mission  wird  im 
Dipavamsa  Kassapagotta  genannt.  Die  indische  Tradition  jedoch,  an  ihrer 
Spitze  Buddhaghösha,  wie  auch  das  Mahänäma  (ein  Teil  des  Mahävamsa) 
setzen  Majjhima  an  dessen  Stelle.  Aus  unserer  Inschrift  aber  erhellt  zur 
Evidenz,  dafi  Käsapagöta,  der  hier  den  Beinamen  HemavatAchariya  führt, 
mit  der  Leitung  betraut  gewesen  war. 

156.  Kielhom  F.  Nagpur  Museum.  Buddhist  inscription  of  Bhavadeva 
Ranakesarin.   JRAS.   1905,  617—633. 

Einleitung,  Text  u.  teilweise  Übersetzung  einer  in  Ratanpur  (Rat- 
napura),  Zentralprovinzen,  aufgefundenen  buddhist.  Inschrift,  die  aus  43 
nicht  völlig  erhaltenen  Versen  besteht.  Die  Sprache  ist  Sanskrit.  Die 
sehr  sorgfältig  eingemeißelten  Schriftzeichen  gehören  der  nördlichen  Klasse 
der  indischen  Alphabete  an  u.  lassen  auf  die  Mitte  des  8.  Jahrhs.  A.  D. 
als  Zeit  ihrer  Abfassung  schließen.  Durch  sie  wird  die  Existenz  des 
Buddhismus  in  Zentralindien  im  8.  Jahrb.  erwiesen  und  ein  friedliches 
Nebeneinanderleben  der  brahmanischen  u.  buddhistischen  Religion  schrift- 
lich bezeugt. 

157.  Fleet  J.  F.  Note  on  a  Jain  inscription  at  Mathura.  JRAS.  1905, 
635-655. 

Eine  unedierte  Jaina-Inschrift  in  Brähmi-Charakteren  u.  in  einer 
Sprache,  die  zwischen  Präkrit  u.  Sanskrit  die  Mitte  hält.  Die  Zeit  ihrer 
Entstehung  dürfte  zwischen  14—13  a.  G.  u.  16—17  A.  D.  fallen.  Sie  ist 
bereits  einmal  von  Bühler  in  Epigraphia  Indica  I,  p.  396,  Nr.  33  ver- 
öfTentlicht  u.  übersetzt,  jedoch  infolge  falscher  Auffassung  des  vorkommenden 
Wortes  S'aka  mißverstanden  worden.   Bühler  glaubte  dieses  Wort  auf 


144  n.  Arisch.  B.  Indisch. 

den  Volksstamm  der  S'akas  beziehen  zu  dörfen,  die  unter  den  ehematigen 
Eroberem  Indiens  waren  n.  die,  nach  der  Oberlieferung  der  Hindasn 
nach  der  Ansicht  der  modernen  Forschung,  die  bekannte  78  A.  D.  be- 
ginnende Ära  gründeten.  Fl.  macht  jedoch  wahrscheinlich,  daß  S'aka  in 
diesem  Falle  eine  Bezeichnung  für  die  Buddhisten  ist,  desgleichen,  daß 
das  in  Verbindung  damit  genannte  Wort  Pothaya  nicht  die  im  Mahi-  . 
bhärata  u.  im  Vish9upurä9a  erwähnten  Pröshthas  bedeutet,  sondern  an! 
die  Digambara  Jainas  zu  beziehen  ist.    Die  vorliegende  Inschrift  erweist 
sich  somit  als  die  eines  Angehörigen  der  S'vetämbara-Sekte,  die  eben- 
sowohl den  Buddhisten  wie  den  Digambara  Jainas  in  Glaubenssachen 
feindlich  gegenüberstanden. 

158.  Foucher  A.  £tude  sur  Ticonographie  bouddhique  de  Finde  d^aprte 
des  textes  in^its.  Avec  7  illustrations  d'aprte  les  photographies  de 
Tauteur.  (Bibl.  de  V^c.  des  hautes  6t.  Sc.  relig.  vol.  13.,  2«  partie.)  Paris, 
Leroux  1905.    118  S.   8o.   4  fr. 

Res.  von  Alvtella,  0.d\  in  Roy.  de  rhitt  det  relifir. 52, 113-117;  Ronssel, 
An  in  BnlL  erit.28,  288-390;  H[illebrandt],  in  Lit  ZentralbL  V9Qb,  1102. 

Inhalt  des  Buches:  bitroduction  (Les  documents.  Les  manuscrits. 
Le  sädhana.  Methode  et  plan  du  travail).  Les  divinit^  masculines  (Le 
Buddha.  Les  Bodhisattvas.  Les  dieux  secondaires).  Les  divinit^  femi- 
nines (Tärä.  Les  d^esses  benignes.  Les  döesses  terribles).  Conclusions. 
Index. 

159.  —  L'art  gröco-bouddhique  du  Gandhära.  ätude  sur  les  origines  de 
rinfluence  classique  dans  Tart  bouddhique  de  Tlnde  et  de  TExtr^roe- 
Orient.  T.  1«:  Introduction;  les  ^ifices;  les  bas-reliefs.  Avec  300  illus- 
trations dans  le  texte,  1  planche  et  1  carte  hors  texte  (Publications 
de  r^cole  fran^aise  d'Extrßme-Orient  Vol.  6).  Paris,  Leroux  1905.  Xn 
u.  639.   8o.    12  M. 

Einteilung  des  Buches:  Introduction.  Le  Stüpa.  Le  Vihära.  D^ve- 
loppement  et  d^coration  du  Saöghäräma.  Les  motifs  d^coratifs.  La  legende 
du  Bodhisattva.  La  transformation  du  Bodhisattva  en  Buddha.  La 
carri^re  du  Buddha.  La  fin  du  Buddha.  Revue  g^n^rale  des  seines 
16gendaires. 

Rez.  von  Rein  ach,  S.,  in  Rev.  arch.  6,  960—371. 

160.  Sohrmann  H.  Die  altindische  Säule.  Ein  Beitrag  zur  Säulenkunde. 
Dresden,  Kühtmann  1906.   VIl  u.  79  S.  (ill).   6  M. 

161.  Patel  D.  N.  Kaiävant  or  science  of  Äryan  music.  Bombay,  Ch^rag 
Printing  Press  1905.    XIV  u.  194  S.    2  Rs. 

162.  Luders  H.  Indian  caves  as  pleasure-resorts.  Ind.  Antiq.  34, 199  f. 

Aus  den  Einrichtungen  einer  im  Rämgarh-Hügel  in  Sargüjä  (im 
Südosten  von  Bengalen)  entdeckten  Höhle  u.  aus  einer  darin  befindlichen 
Inschrift  hat  Bloch  in  ZDMG.  58,  455  auf  deren  theatralische  Verwendung 
geschlossen.  L.  bringt  nun  einige  Stellen  aus  der  poetischen  u.  epigraph. 
Literatur,  wo  von  ähnlichem  Gebrauch  die  Rede  ist  Die  Rämgarh-Höhle 
hat  deshalb  noch  ein  spezielles  Interesse,  weil  sie  nach  griechischem 
Muster  eingerichtet  ist.  Die  schon  so  viel  erörterte  Frage  der  Beein- 
flussung des  indischen  Theaters  durch  das  griechische  wird  durch  die 
jüngsten  Ausgrabungen  in  eine  neue  Beleuchtung  gerückt  u.  die  Wahr- 
scheinlichkeit einer  Verbindung  zwischen  dem  indischen  Drama  u.  dem 
antiken  Mimus  muß  immer  mehr  zum  Gegenstand  dahingehender  Erörte- 


IL  Arisch.  B.  Indisch.  146 

rongen  gemacht  werden.  Aber  anch  noch  zo  anderen  Zwecken  sind 
derartige  Höhlen  vielfach  verwendet  worden,  n.  fu  manche,  die  man 
bisher  für  die  Wohnong  firiedhcher.  einsamer  Mönche  gehalten  hat,  haben 
lieh  jetzt  als  die  Wohnsitze  von  ganikäs  n.  le^aiobhikäs  n.  ihrer  Lieb- 
haber herausgestellt 

168.  Beleües.  Der  ärztliche  Stand  bei  den  alten  Indem.  Äiztl.  Vereinsbl. 
Bes.  Ton  S[«d]iofrj  in  ICitL  s.  OMCk.  d.  Med.  m.  SwXmrm.  4,  154. 

164.  J0II7  J.  Mosqnitoes  and  fever  in  Sns'nita.  JRAS.  1905.  Ö58— 560. 
Die  Insektenstiche  u.  deren  Behandlang  werden  von  Sos'rnta  in 

dem  Kapitel  über  die  Insekten  iliitakalpah  behandelt,  das  den  Abschloß 
des  Boches  über  die  Fische  (Kalpasthanam  *  bildet  Die  ganzen  Insekten 
teilt  Sos'rota  in  6  maksikäs  i Fliegen  oder  Bienen*  o.  5  ma^käs  ilios- 
kitos  oder  Mücken).  Die  Heilmittel  gegen  die  Insektenstiche  sind  die 
nämlichen  wie  die  gegen  die  Ameisenstiche.  Bemerkenswert  ist.  daß 
Sos'rota  irgend  welche  Beziehongen  zwischen  Insektenstichen  o.  den  ver- 
schiedenen Ursachen  von  Fiebern,  namentlich  des  Malariafiebeis  nicht 
kennt  Wenn  die  einheimischen  Mediziner  Ceylons  der  modernen  Wissen- 
schaft die  Entdeckong  des  Zosammenhanges  zwischen  Malaria  o.  Mos- 
kitostich vorweg  genonuien  haben,  so  ist  das  onabhängig  von  Sos'rota 
o.  den  anderen  medizin.  Aotoritäten  ^wie  Charaka,  Vägbhata  o.  dem 
Aotor  des  Mädhava  Nidäna)  geschehen.  Vägbhata  nennt  zwar  onter  den 
symptomat.  Folgeerscheinongen  der  Insektenstiche  aoch  das  Fieber,  aber 
i  diese  Angabe  bezieht  sich  nor  aof  das  Wondfieber  als  die  Wirkung  des 

Stiches  o.  nicht  aof  die  Malaria. 

165.  Schmidt  R.  Liebe  ond  Ehe  im  alten  ond  modernen  Indien  (Vorder-, 
Hinter-  ond  Niederländisch-Indien).  Berlin,  H.  Barsdorf  1904.  571  S. 
Gr.  80.   10  M.,  geb.  11,50  M. 

Bes.  von  Kraaii,  Fr.  S.,  in  ZDMO.  50,  43i-43& 

166.  [P!nng]st  Matterschotz  im  alten  Indien.   Das  freie  Wort   5,  465  f. 
Mit  Bezug  aof  Chändogya-Up.  IV,  4. 

167.  mehos  H.  Das  Ram-Festspiel  Nordindiens.  Mit  7  Abbildungen  nach 
Originalaufnahmen.  Globus.  87,  58—61. 

Schilderung  dieses  Festspiels  speziell  in  Ghazipur.  Es  ist  eine  alte 
ond  originelle  Schaostellong,  die  die  Kriegstaten  des  Helden  Rama  feiert 
ond  die  Bevölkerung  aUjährlich  im  Oktober  zehn  Tage  lang  in  freudiger 
Aofregong  hält  und  je  nach  den  Mitteln,  die  den  einzelnen  Städten  zor 
Verfügung  stehen,  bald  bescheidener,  bald  in  großartigerem  Maßstabe  auf- 
geführt wird.  Das  Festspiel  selbst  ist  eine  dramatische  Umdichtong  des 
Valmikischen  Ramayana  durch  Tulsida.  Dieser  machte  den  Eindruck  der 
Dichtung  dadorch  noch  effektvoller,  daß  er  Ram  zom  Gott  erhob,  ihn  so 
einer  Fleischwerdong  Vishnos  stempelte,  die  in  ganz  Vorderindien  als 
solche  verehrt  wird.  Hieraus  resultiert  auch  die  mächtige  Begeisterung 
für  das  Festspiel,  dessen  Text  mit  dem  des  Tolsida  wörtlich  überein- 
stimmt Ober  das  Alter  dieses  Festspiels  sagt  Niehos:  **Fragt  man  die 
Hindos,  seit  wann  sie  dieses  Festspiel  hätten,  so  heißt  es:  **Seit  oralten 
Zeiten**.  Daß  sie  damit  recht  haben,  wird  jeder  glaoben,  der  die  Aof- 
führongen  sieht,  denn  sie  zeigen  das  Theater  in  den  Rinderschohen. 
Das  zähe  Festhalten  der  Hindos  am  Alten  hat  alle  Neoerongen  bei  den 
Aofführongen  aosgeschlossen.  Sie  erscheinen  daher  dem  verwöhnten 
Eoiopäer  einerseits  wie  ein  rührend  naives  Kinderspiel,  sie  sind  ihm  aber 

Anssiger  XIIT,  Ergänsniigiheft.  5 


\J 


146  n.  Arisch,  a  Indisch. 

andererseits  gerade  wegen  ihres  Alters  und  ihrer  Eigenartigkeit  aute^ 

ordentlich  interessant**. 

168.  Bmithy.  A.  Vais&li;  Seals  of  GnpU  Period.  JRAS.  1906,  152-154. 

Im  Auftrage  der  Regierung  von  Bengalen  hat  Dr.  Bloch  eine  genaue 
Dnrchforschnng  der  Ruinen  von  Vaisäli  vorgenommen,  dessen  Lage  durch 
die  modernen  Orte  Basä{(h)  u.  Bakhirä  gekennseichnet  werden  dürfte. 
Der  Hauptfund  besteht  in  Ober  700  Siegehi,  die  alle  zusammen  in  einer 
kleinen  Kammer  gefunden  wurden.  Sie  sind  zwar  zum  Teil  ganz  beträcht- 
lich beschädigt,  da  aber  sehr  viele  Dubletten  darunter  sind,  dQrfle  ihre 
«idgültige  Bntdfferong  dennoch  gelingen.  Die  Sammlung  umfaßt  Siegel 
eines  Richters,  Polizeioffiziers,  Schatzsufsehers  und  vieler  anderer  Be- 
amten neben  solchen  von  Privatpersonen.  Vom  größten  historischen  In- 
teresse sind  zwei  Siegel  der  Gupta-Dynastie.  Das  eine,  mit  der  Figur  eines 
sitzenden  Löwen,  gehört  der  Mahädevi  Dhruvasvämini,  der  Gattin  des 
Candragupta  u.  Mutter  des  Govindagupta,  welch'  letzterer  Name  neu  ist 
Das  zweite  trägt  die  Inschrift  S'ri  Gha^otkacaguptasya.  Noch  nicht  belegt 
ist  bisher  die  Hinzufügung  des  Wortes  gupta  zu  dem  Namen  Ghatotkaca. 
Beide  Siegel  gehören  demnach  dem  4.  u.  6.  Jahrhundert  an.  Aus  den 
gemachten  Funden  geht  hervor,  daß  Vaisäli  unter  den  Gupta-Herrschem 
eine  bedeutende  Stadt  war,  was  übrigens  auch  von  Fa-hien  bestätigt  wird, 
der  sie  403  A.  D.  besuchte.  Hiuen  Tsang  fand  sie  um  638  A.  D.  bereits 
fast  ganz  in  Trümmern  liegend. 

Leipzig.  Erich  Schröter. 


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