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KABL BRUGMANN und WILHELM STREITBBRG
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STBASSBUBG
▼EBLAO TOM EASL J. TBOBMEB
1907/1908.
ITHE NEW YORkI
[PUBLIC LIBRARY
A8T0R, LENOX ANO
TILOIN FOUNDATION».
^ 1900
IC DaMont SehAnberg, Strafibarg i. R.
Inhalt
Seite
A. Thnmb Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogie-
bildungen 1
H. Hirt Untersuchnngen zur indogermanischen Altertnmsknnde . . 66
Chr. Bartholomae Zu den arischen Wörtern fQr *der erste' und
•der zweite* 96
IL M. Meyer Die germanische Sprachbewegnng 116
F. A. Wood Rime-words and Rime-ideas 183
K. Brngmann Die Anomalien in der Flexion von griech. Kwi^y
armen, kin und altnord. kona 171
H. Schröder Etymologisches 193
K. Brngmann Griechisch Twoc nnd övoc 197
L. Schi achter Statistische Untersuchnngen über den Gebrauch der
Tempora und Modi bei einzelnen griechischen Schriftstellern . 202
Fr. Stolz Lavema 242
N. van Wijk Germanisches 260
C. Hentze Aktionsart und Zeitstufe der Infinitive in den homeri-
schen Gedichten 267
T. E. Karsten Zur Frage nach den 'gotischen' Lehnwörtern im
Finnischen 290
W. Streitberg Gotisch dugunnun wisan 307
J. Wackernagel Zur Umschreibung der arischen Sprachen . . 310
W.v. d. Osten-Sa cken Zur slayischen Wortkunde 312
E. Rodenbusch Zur Bedeutungsentwicklung des griechischen Per-
fekts 323
W. van Helten Zu IF.20, 361ff. 331
G. Marstrander Germ, rukkan- 332
W. Stokes «-Presents in Irish 336
H. Krebs Alt-Preußisch Mixskai 336
K. Brngmann Der slav. Instr. Plur. auf -y und der aw. Instr. Plur. '
auf-«. 386
Otto Behaghel Zur Etymologie von man *nur' 840
W. V. d. Osten-Sacken Nachträge zu IF. 22, S. 316— 18 und S.320 840
H. Pedersen Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre 3^
K. Brngmann u. A. Leskien Zur Frage der Einfahrung einer
künstlichen internationalen Hilfssprache 366
E. Rodenbusch Präsensstamm und perfektive Aktionsart . . . 402
\-
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)^^
r..
Psychologische Studien ftber die sprachliehen Analogie-
bildongen.
Wer es unternimmt^ für seine eigene Wissenschaft die Er-
gebnisse einer Nachbarwissenschaft nutzbar zu machen, setzt sich
leicht der Gefahr aus, daß die Fachgenossen, die mit den Methoden
und Zielen der herangezogenen Wissenschaft nicht genügend ver-
traut sind, Bedenken tragen, sich mit den ungewohnten Dingen
bekannt zu machen, oder gar Mißtrauen und Skepsis in Punkten
äußern^ die zum wohlerworbenen Besitz der fremden Wissenschaft
gehören. Das ist auch dem Schriftchen passiert, in welchem ich zu-
sammen mit K. Marbe die experimentelle Psychologie zur Unter-
suchung der sprachlichen Analogiebildung heranzogt). Viele haben
kritisiert, wenige haben unsere Untersuchungen richtig einge-
schätzt, kaum einer der Kritiker hat aber im gleichen Sinn weiter-
gearbeitet In der Beurteilung unseres Schriftchens zeigt sich
zwischen den rezensierenden Sprachforschem und den rezensieren-
den Psychologen eine bemerkenswerte Verschiedenheit: diese
haben sich gehütet, in sprachwissenschaftlichen Dingen ein Urteil
zu fällen, aber jene haben bisweilen an elementaren Lehren und
Regeln der experimentellen Psychologie Kritik geübt. Da ich mich
der Mitarbeit eines methodisch geschulten Psychologen erfreute,
so war ich vor falscher Darstellung psychologischer Lehren ge-
schützt, und die Philologen hätten hin und wieder besser getan,
sich mit den Elementen der Experimentalpsychologie zu be-
schäftigen, bevor sie über das psychologische Experiment und
seine Bedeutung Urteile äußerten^). Da ich mich in den folgenden
Ausführungen in erster Linie an sprachwissenschaftliche Kreise
wende, so kann ich nicht umhin, außer der Verteidigung und
1) A. Thumb und K. Marbe Experimentelle Untersuchungen über
die psychologischen Grundlagen der sprachlichen Analogiebildung. Leipzig
Engelmann 1901.
2) Wiederholten Besprechungen mit meinem Freunde K. Marbe ver-
danke ich auch jetzt wieder manch sachkundigen Rat.
IndogermBaiäcJie Foncbungen XXII. \
2 A. Thumb,
Erläuterung meiner Anschauungen auch einige elementare Dinge
aus der experimentellen Psychologie zur Sprache zu bringen.
Ich würde aber kaum hoffen, daß ich dadurch allein das Interesse
der Philologen auf den Gegenstand zu lenken vermöchte, und
ich würde um dessentwillen allein nicht zur Feder greifen, wenn
mich nicht einige psychologische Arbeiten, die z. T. unter der
Leitung Marbes im psychologischen Institut der Universität
Würzburg, z. T. von mir in Gemeinschaft mit meinem psycho-
logischen Kollegen N. Ach ausgeführt worden sind, mich in den
Stand setzten, neues zu geben und sowohl in der Fragestellung
wie in der Behandlung der Probleme weiterzukommen.
I.
Schuchardt') wirft mit Bezug auf den Titel unseres Schrift-
chens die Frage auf, ob man nicht besser von * psychischen*
statt von 'psychologischen* Grundlagen der Analogiebildung
spreche. Ich lasse hier ganz bei Seite, dass die Psychologen
selbst die beiden Worte oft als Wechselbegriffe verwenden, und
ich will den Umfang und die Berechtigung dieses Sprachge-
brauches nicht weiter prüfen: aber ich glaube, daß man den
von uns gewählten Terminus rechtfertigen kann, auch wenn
man jenen Sprachgebrauch nicht billigt: was ich untersuchte,
sind die von der Psychologie gegebenen und untersuchten, also
doch wohl "psychologisch* zu nennenden Grundlagen, auf denen
die Lehre von den sprachlichen Analogiebildungen und diese
selbst beruhen. Weiter sei ein Mißverständnis in Kürze abgetan,
das mir brieflich geäußert wurde: wir nennen unsere Versuchs-
personen gelegentlich "Beobachter* ; das ist ein Ausdruck, der bei
den experimentellen Psychologen gang und gäbe ist; ob er be-
sonders glücklich ist, haben diese unter sich auszumachen.
Doch wichtiger sind Einwürfe, die gegen die angewandte
Methode des Experimentes erhoben worden sind. Wenn Herzog
in seiner Besprechung unserer Schrift*) zweifelt, ob die Häufig-
keit des Auftretens von Assoziationen und ihr zeitlicher Ablauf
"streng genommen wirklich meßbar sind'*, so weiß ich nicht,
was er im Grunde bezweifelt, ob überhaupt die Meßbarkeit
psychischer Vorgänge oder nur die unserer Assoziationen. Daß
1) Literaturbl. f. germ. u. rom. Philol. 1902, 393.
2) Zcitschr. f. franz. Spr. u. Lit. 25, 125. Wenn ich im folgenden
einfach auf Herzog verweise, so ist immer diese Besprechung gemeint.
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 8
diese mit bekannten Methoden gemessen werden können, ergaben
ja unsere Versuche, die außerdem zu einer bestimmten gesetz-
lichen (funktionellen) Beziehung zwischen Häufigkeit und Schnel-
ligkeit der Assoziationen geführt haben <) ; über die prinzipielle
Seite, die Meßbarkeit psychischer Vorgänge, möge der Philologe
sich vom Psychologen einfach belehren lassen; jedenfalls hat
der Laie nicht das Recht, die Methode einer ihm fremden
Wissenschaft kurzerhand anzuzweifeln. Denn daß z.B. Herzog mit
der Handhabung des psychologischen Experiments nicht vertraut
ist, sieht man aus der Art und Weise, wie er unsere Versuche
kritisiert und nachmacht Er meint (S. 131), wir hätten unsere
Versuchspersonen instruiert "sie sollen jenen Begriff angeben,
der mit dem ausgerufenen am festesten assoziiert ist" ! Wie soll
denn die Versuchsperson diese Aufgabe ausführen ? Die Aufgabe
war vielmehr nur die, daß die Versuchsperson angefordert
wurde, auf ein zugerufenes Wort möglichst schnell ein anderes
auszusprechen. Und daß tatsächlich unsere Versuche nicht in
dem angeblichen Sinn determiniert sein können, ergibt sich
aus eiuer Erwägung, die Herzog selbst anstellt, aber in ihren
Eonsequenzen nicht zu Ende denkt: er bemerkt nämlich, daß
sich im angenommenen Fall "zwischen Frage und Antwort ein
kurzer Denkprozeß einschiebt, der die Suche der Antwort er-
leichtert, indem sie ihr eine gewisse Richtung gibt". Wie weiter
unten zu besprechende Assoziationsversuche zeigen werden, ver-
langsamt nun aber jeder zwischen Reaktions- und Assoziations-
wort eingeschobene ßewußtseinsvorgang den Ablauf der Asso-
ziation ; unsere reinen, d. h. durch keinerlei Zwischenglied ge-
störten Wortassoziationen Vater — Mutter, leicht — schwer sind
dagegen kürzer als alle andern, durch Zwischenerlebnisse ver-
mittelten Wortassoziationen*). Hätten wir aber unsere Ver-
suchspersonen in dem Sinne angewiesen wie Herzog meint, so
hätte die Einschiebung eines entsprechenden Denkaktes (Auf-
suchen der 'festesten' Assoziation) nur verzögernd gewirkt, was
gar nicht in unserer Absicht liegen konnte. Nun hat Herzog
1) Über dieses psychologisch interessante Gesetz s. S. 45 f. unserer
Schrift. Ich bemerke zugleich, daß der Begriff Assoziation in meiner Arbeit
in dem Sinne angewendet wird, wie ihn Marbe in unserer Schrift (S. 11)
definiert: "Wenn eine Vorstellung a eine Vorstellung b ins Bewußtsein
ruft, so sagen wir, ... es finde eine Assoziation statt zwischen der Vor-
stellung a und der Vorstellung b*'.
2) S. unten S. 18 f.
4 A. Thamb,
unsere Versuche bei seiner Frau und drei Schülern nachgemacht
und gefunden, daß die Antworten **fast sämtlich" in die Kategorie
der bei uns durch eine Versuchsperson (Roos) vertretenen
Assoziationen gehören. Da Herzog die Ergebnisse seiner Ver-
suche nicht mitteilt (Zeitmessungen hat er wohl nicht gemacht)
und die Technik des psychologischen Experiments nicht zu
beherrschen scheint, so sind seine Angaben nicht zu verwerten;
wir werden weiter unten Gelegenheit haben, über jenen besonderen
Assoziationstypus und über das Ergebnis von Versuchen mit
Kindern zu handeln. Wenn aber H. meint (S. 132), daß '*gänz-
lich unbe&ngene Antworten'' ein Resultat ergeben könnten, das
unsere eigenen Versuche belanglos macht, so sei dem gegenüber
entschieden betont, daß unsere Untersuchungen ^gänzlich un-
befangene Antworten* zur Voraussetzung hatten. Ich selbst^)
habe einige Male die Versuche im Rohen an Gruppen von
40 — 50 Personen wiederholt (natürlich ohne irgend eine An-
deutung zu machen, in welcher Richtung assoziiert werden müsse !)
und dabei immer gefunden, daß das Resultat unseren ursprüng-
lichen Versuchen durchaus entspricht und die exakten Versuche,
welche im weiteren Verlauf meines Aufsatzes zur Sprache kommen
sollen, erweisen immer das Gleiche. So zunächst die neuen
Versuche, die auf Veranlassung Marbes im psychologischen
Institut der Universität Würzburg von IL J. Watt ausgeführt
wurden zu dem Zweck, die von H. Oertel angestellten Versuche
nachzuprüfen.
Oertel*) hatte nämlich seinerseits an 10 Personen Assozia-
tionsvei-suche mit Zahlwörtern in folgender Weise ausgeführt:
eine Anzahl der verschiedensten Wörter, darunter die Zalilwörter
2, 5, 7, wurden in schwarzen Lettern auf weißem Hintergrund
je 5 Sekunden lang dem Beobachter geboten ; dieser mußte nach
15 weiteren Sekunden die Assoziationsreihe angeben, die er ge-
bildet hatte. Unter den 84 Assoziationen, die der Verf. verzeichnet,
sind nur 2 Falle, wo unmittelbar folgende Zahlen (2 — > 3, 4 und
8 — >- 9), 2 Fälle, wo andere Zahlen (5 -> 5 x 5 = 25 ; 7 -> 7 und
11) reproduziert werden. ^These figures differ so materially from
thosc obtained by Thumb and Marbe, that a renewed examination
of the associations with numerals seems advisable." Daß aber
1) Ebenso gelegentlich auch K. Marbe.
2) On the association of numerals. Am«r. Journ. of Philol. XXII
(1902) 261—267.
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen, b
bei dieser total yerschiedenen Yersachsanordnung etwas anderes
als bei uns herauskam, war von vornherein zu erwarten; denn
wer primäre Assoziationen feststellen will, muß wie wir die
Yersuchsanordnimg wählen, die von den experimentellen Psycho-
logen erprobt ist, und darf nicht aufe Geratewohl drauf los ex-
perimentieren. K Marbe ^) hat bereits darauf hingewiesen, daS
die Versuchsanordnung Oertels seltsam und ungeeignet ist Ab-
gesehen davon, konnten jedoch die Ergebnisse Oertels die Ver-
mutung nahelegen, daß vielleicht die Versuche mit Gesichtsbildem
(statt mit akustischen Beizen) zum Teil wenigstens das abweichende
Besultat bedingten. Doch haben die Versuche von H. J. Watt')
gezeigt, daß optisch gebotene Reizworte die gleichen Reaktionen
liefern, wie unsere zugerufenen Worte. Ich greife die Reaktionen
auf Zahlen heraus, weil Oertel selbst nur mit diesen Versuche
machte ; da die Anzahl der Versuchspersonen bei Watt und bei
uns die gleiche ist (8), so füge ich den Angaben seiner Tabelle ")
jeweils in Klammer die unsrigen*) bei; n bedeutet die Häufig-
keit, D die durchschnittliche Dauer der Reaktionen.
Tabelle I.
Bevorzugte
Nächst bevorzugte
Übrige
Reizworte
Reaktion
Reaktion
Reaktionen
n
D
n
I>
n
D
1. eins
zwei
5(6)
0,98(1,20)
8(3)
2,68(2,13)
2. zwei
drei
4(4)
1,04(1,15)
—
—
—
M*)
4,78(1,76)
adrei
vier
ö(5)
0,81(1,32)
—
—
—
3(3)
6,73(2,00)
4. vier
fünf
4(6)
0,87(1,13)
— -
—
—
4(2)
3,63(2,20)
5. fünf
sechs
4(6)
1,03(1,17)
—
—
—
*(2)
2,30(6,70)
6. sechs
sieben
5(5)
0,99(1,16)
Zahl
2
4,14
1(3)
3,50(2,00)
7. sieben
acht
5(6)
1,07(1,83)
—
—
—
3(2)
4,75(2,20)
8. acht
neun
3(6)
1,11(1,43)
fsieben
IZahl
2
2
0,90
3,23
1(2)
6,86(6,00)
9, neun
zehn
5(5)
1,12(1,52^
—
—
—
3(3)
4,00(1,87)
la zehn
zwölf
(zwanzig)
2(3)
0,70(1,60)
elf
2(2)
1,34(1,20)
4(3)
2,61(2,33)
1) The Amer. Journal of Psychol. XHI (1902) 450 f.
2) Ober Assoziationsreaktionen, die auf optische Reizworte erfolgen.
Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorgane. XXXVI (1904) 417 fr.
3) Watt hat die Zeiten in a (Tausendstel Sekunden) registriert; ich
berücksichtige nur 2 Dezimalen.
4) A. a. 0. S. 36, Tab. XXII und XXHI.
6 A. Thumb,
Auch unser Beziehungsgesetz zwischen Geläufigkeit (Häuflg-
keit) der Assoziationen und ihrer mittleren Dauer wird durch die
Wattschen Versuche bestätigt: bei je mehr Individuen eine be-
stimmte Assoziation auftritt, um so schneller verläuft sie durch-
schnittlich bei diesen Individuen. Vgl. Tabelle U, die neben
Watts Zahlen die unsrigen in Klammem enthält:
Tabelle n.
Geläufigkeit
Mittlere Dauer
1
4,20 (2,11)
2
1,89 (1,78)
3
1,29 (1,63)
*
1,13 (1,42)
6
1,04 (1,44)
(6)
- (1,37)
(7)
- (1,35)
(8)
Daß die absoluten Größen der Zahlen Watts mit den unsrigen
nicht übereinstimmen, ist nicht verwunderlich; denn folgende
drei Punkte sind zu berücksichtigen: 1. Bei unseren Versuchen
schob sich bei der Hemmung der ühr die Reaktionszeit des Ver-
suchsleiters ein, während bei Watt die Versuchsperson selbst
vermittelst eines Schalltrichters die Hemmung der Uhr bewerk-
stelligte. 2. Es ist seit langem bekannt, daß die Reaktionszeiten
auf optische Reize länger sind als die auf akustische Reize. 8. Aus
der Wattschen Arbeit ergibt sich^), daß Kinder längere Assozia-
tionszeiten haben als Erwachsene ; unter Watts 8 Versuchspersonen
waren aber 5 Kinder. Wie sich der Einfluß dieser drei Faktoren
bei der Gestaltung der Zeitunterschiede zwischen unseren und
den Wattschen Versuchen geltend macht, läßt sich nach dem vor-
liegenden Material natürlich nicht mit Bestimmtheit ausmachen.
Oertel hat inzwischen selbst zugegeben*), daß seine Ver-
suchsergebnisse mit den unsrigen und denen Watts nicht zu
vergleichen sind "because of the essential difference of method".
Daß bei jeder beliebigen Bewußtseinskonstellation auf Zahlen
immer oder vorwiegend mit Zahlwörtern bezw. der nächst höheren
1) Wie übrigens schon Ziehen Ideenassoziation des Kindes II, be-
sonders S.75f. betonte.
2) Am. Journ. of Phil. XXVI 95.
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 7
Zahl reagiert werde, ist von uns nicht behauptet worden und
ist auch nicht der Fall. "Denn es wäre um unser Denken in
der Tat schlimm und unökonomisch bestellt, wenn wir fast jedes-
mal, wenn wir ein Zahlwort hören (oder sprechen), die nächst-
höhere Zahl aussprechen würden, oder wenn wir z. B. beim Ge-
brauch der Logarithmentafel immer andere Zahlen assoziierten als
diejenigen, welche wir sehen. Ob ein Wort ein anderes assoziiert
und welches andere es assoziiert, ist eben keineswegs ausschließ-
lich von dem Wort, sondern ebensosehr von der Gesamtheit
der Bewußtseinsverhältnisse, der sogenannten 'Konstellation' ab-
hängig. Eine bestimmte Konstellation war für unsere Versuchs-
personen allerdings durch die Instruktion gegeben, auf ein ge-
hörtes (bezw. bei Watt gesehenes) Wort baldmöglichst ein anderes
Wort auszusprechen. Denn derjenige, welcher den Einfluß der
Tatsachen der Assoziation auf die Sprache untersuchen will, muß
doch seiner Betrachtung vor allem solche Assoziationen zugrunde-
legen, bei welchen ein Wort ein anderes Wort ohne irgendwelche
Zwischenglieder anderer Art hervorruft. Dies trifft bei der von
uns hervorgerufenen KonsteUation zu*'*).
Auch gegen die Wahl imserer Versuchspersonen wurden
Bedenken ausgesprochen, weil sie keine allgemeingiltigen Resul-
tate verbürge; so meint Herzog a. a. 0. S. 130: unsere Versuchs-
personen seien alle Doktoren und Studenten, "in deren Köpfen
sich doch offenbar die Sprachelemente anders gruppieren als in
dem des gemeinen Mannes". "Denn man muß bedenken, daß
die Sprache der Hauptsache nach vom Gros des Volkes abhängig
ist, das keine Schule durchgemacht hat" (S. 131). Da behauptet
Herzog zunächst etwas objektiv Unrichtiges : für Deutsche und
überhaupt für alle wirklichen Kulturvölker Europas gilt doch viel-
mehr der Satz, daß das Gros des Volkes eine Schule durchgemacht
hat! Aber ganz abgesehen davon: für den Gebildeten gelten
jedenfalls keine andern psychologischen Grundgesetze als für den
ungebildeten. Reine Wortassoziationen sind bei allen Individuen zu
erwarten ; denn die ihnen zugrundeliegenden Erscheinungen bilden
die Voraussetzung für die Volksetymologien und überhaupt für die
Analogiebildungen, die gerade in der Volksmundart ungehemmter
auftreten als in der Sprache der Gebildeten. Natürlich müssen
Versuche mit Ungebildeten auch einmal — am besten in Ver-
1) Die angeführten Sätze entnehme ich einem von Marbe an Oertel
gerichteten und mir von jenem zur Verfügung gestellten Brief.
8 A. Thumb,
bindung mit der Dialektforschung — vorgenommen werden ; aber
bei den Versuchen, die ich wiederholt und bei sehr verschiedenen,
auch weiblichen (und nicht nur 'akademisch' gebildeten) Per-
sonen in summarischer Weise oder in exakter Durchführung
vornahm, ergab sich immer ein prinzipiell gleichwertiges Resultat.
Der Sprachforscher, der uns die beschränkte Zahl unserer Ver-
suchspersonen vorhält, könnte z. B. darauf aufmerksam gemacht
werden, daß der Experimentalphonetiker nur mit wenigen Ver-
suchspersonen arbeitet und doch seine Ergebnisse nicht als indi-
viduell, sondern als typisch für größere Gruppen ansieht. Wie
weit etwa bestimmten Assoziationen bei bestimmter Bewußtseins-
konstellation die Eigenschaft der Allgemeingültigkeit zukommt,
läßt sich noch nicht sagen. Kinkel *) wirft die Frage auf, ob die
Übertragung unserer Resultate auf andere Sprachen erlaubt sei ;
hierauf kann vorläufig so geantwortet werden : wenn die Psycho-
logie annimmt, daß ihre Assoziationsgesetze ein allgemeines Merk-
mal der menschlichen Psyche sind, so dürfen wir auch a priori
annehmen, daß die Beziehungen, welche wir zwischen Assoziation
und Analogiebildung in einer Sprache annehmen, allgemein
gelten; wenn wir sehen, daß im Deutschen bestimmte Adjektiva
vorzugsweise solche von gegensätzlicher Bedeutung hervorrufen
{dick — dimn, leicht — schwer)^ daß andererseits vulgärlat grevis
(für gravis) nach levis aus der Voraussetzung jener Assoziations-
tendenz erklärbar ist, so haben wir schon einen Beweis für die
Übertragbarkeit unserer Resultate auf andere Sprachen sowie für
eine *Allgemeingiltigkeit* gewisser Wortassoziationen. Natürlich hat
jede Sprache auch ihre besonderen Wortassoziationen, die z. B. in
der besonderen Form der Sprache ihren Grund haben; darum muß
eben wie die Artikulationsbasis so die "Assoziationsbasis' jeder
Sprache festgestellt werden, damit ihre Analogiebildungen psycho-
logisch erklärt werden können.
Während die **Fruchtbarkeit des psychologischen Experi-
ments" für unsere Probleme von Kinkel hervorgehoben wird, haben
nicht nur Philologen (worunter Schuchardt), sondern auch Wilhelm
Wundt den Wort unserer Versuche für gering erklärt; auf die Ein-
wendungen des Psychologen geziemt es sich genauer einzugehen.
Wundt*) meint, das Studium der Analogiebildungen sei
1) Lit.-Bl. f. germ. u. roman. Philol. 1902, 404.
2) IF. Anz. XII, 17—20. Ähnlich Grundzüge der physiolog. Psychol.
III» 572.
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 9
zwar geeignet uns über Voigänge der Assoziation anbuklären,
das Assoziationsexperiment vermöge aber nicht das Wesen der
Analogiebildungen aufzuklären, weil die Versucbsanordnung bezw.
die jeweilige Konstellation des Bewußtseins bei unseren Versuchen
**der bei den Analogiebildungen stattfindenden Konstellation so
unähnlich wie möglich war"; es sei zweckentsprechender, aus den
sprachlichen Erscheinungen auf die psychologischen Prozesse
Rückschlüsse zu machen statt umgekehrt auf **die sprachlichen
Torgänge aus Experimenten zu schließen, die unter gänzlich ab-
weichenden Bedingungen ausgeführt worden sind". Aber das
ist doch schließlich Sache der besonderen Fragestellung;
der Psychologe und Kulturhistoriker wird allerdings in den
Analogiebildungen toter Sprachen ein wertvolles Hilfsmittel sehen,
die Assoziationsvorgänge oder die Vorstellungswelt vergangener
Menschengeschlechter kennen zu lernen. Aber bei uns handelt es
sich vielmehr darum, das Wesen der Analogiebildung und ihr
Verhältnis zu der Assoziationstätigkeit zu untersuchen : daß die
Analogiebildung durch Assoziationstendenzen hervorgerufen wird,
wußte man; aber die weitere Frage war: welche Eigenschaften
muß eine Assoziation haben, damit sie sprachlich wirksam werde?
unsere Untersuchungen sollten ein Anfang in dieser Richtung
sein; daß man in der Beantwortung der Frage noch weiter
kommen kann, als es beim ersten Versuch gelungen ist, wird
der positive Teil dieser Abhandlung zeigen. Wenn Wundt uns
entgegenhält, daß man bei Verwandtschaftsnamen wie Vater^
Mutter eine begriffliche Assoziation auch dann annehmen würde^
•"wenn diese sich nicht in den ktinsüichen Assoziationsexperi-
menten ebenfalls als eine sehr häufige herausgestellt hätte", so
ist das zuzugeben: denn es gibt genug Fälle, wo die Annahme
einer Analogiebildung so auf der Hand liegt, daß es unnötig ist,
die zugrundeliegende Assoziationstendenz als tatsächlich festzu-
stellen. Aber setzen wir den Fall, unsere Experimente hätten
ergeben, daß Assoziationen wie Vater — Mutter^ ich — du, leicht —
schwer usw. nicht oder nur ganz selten vorkommen, so ständen
wir vor einem Rätsel: wir würden uns fragen, wie es kommt,
daß die experimentell gewonnenen (geläufigsten) Assoziationen
so total verschieden sind von den durch die Analogiebildungen
vorausgesetzten. Man würde dann allerdings sagen, daß wir eben
bei unserem Experiment nicht die Bedingungen herstellen konnten,
die beim natürlichen Sprechen gelten. Nun hat sich aber gerade
10 A. Thamb,
durch unsere Versuche ergeben, daß die von der Spracli Wissen-
schaft geforderten Assoziationen in einer Reihe typischer Fälle
nicht nur beliebig oft eintreten können, sondern ganz bestimmte
Eigenschaften zeigen : sie treten am häufigsten auf und verlaufen
bei der Gesamtheit der einzelnen Personen durchschnittlich am
schnellsten, und beide Eigenschaften stehen zu einander in einem
funktionellen Verhältnis, wie die S. 46 unserer Schrift mitgeteilte
Kurve und Tabelle zeigen ^). Unsere Versuche haben zu einem
psychologischen Gesetz gefülirt, das die Assoziationsphänomene
in einem wichtigen Punkte aufklärte. Schon Jahre lang, bevor
ich zusammen mit K. Marbe die experimentellen Untersuchungen
unternahm, hatte ich die Vermutung, daß nicht nur das *'spon-
tane Zusammentreffen vieler Individuen"*), sondern vor allem
auch ein gewisser Ablauf der geläufigsten Assoziationen für die
sprachlich wirksamen Assoziationstendenzen charakteristisch sei —
und das Experiment hat meine Vermutung in einer Weise be-
stätigt, wie ich es selbst nicht zu erwarten gehofft hatte. Aber
das Zusammenstimmen von Experiment und lebender Sprache
erlaubt uns nun auch anzunehmen, daß unsere Experimente und
die Vorgänge beim natürlichen Sprechen nicht "unter gänzlich
abweichenden Bedingungen" stattfinden. Wenn wirklich die Kon-
stellation des Bewußtseins in beiden Fällen **so unähnlich wie
möglich*' wäre, so müßte man sich wundern, daß trotzdem die
Assoziationsergebnisse gerade diejenigen sind, deren wir zur Er-
klärung der Analogiebildimg bedürfen: da nun aber gerade die
postulierten Assoziationen sich einstellen, so darf man von vorn-
herein vermuten, daß die Bewußtseinskonstellation bei unseren
Vorsuchen derjenigen ähnlich sei, die auch beim Sprechen
selbst eintritt, während z. B. die Bedingungen, unter denen Oertel
experimentierte, davon abweichen und darum auch keine brauch-
baren Resultate ergaben. Es läßt sich überdies positiv zeigen,.
daß unsere Versuchsbedingungen den natürlichen Verhältnissen
analog sind. Wundt meint, bei unseren Experimenten werde der
Beobachter gezwungen, "seine ganze Aufmerksamkeit dem zu-
gerufenen Wort zuzuwenden und dann rasch sein Gedächtnis
1) Daß eine solche Beziehung zwischen Geläufigkeit und Schnellig-
keit der Assoziation auch für komplizierte Vorgänge des Denkens gilt^
zeigt Watt Experimentelle Beiträge zur Theorie des Denkens. Diss. Würz-
burg 1904, 68 ff.
2) S. unsere Schrift S. 80.
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 11
anzustrengen, damit es ihm irgend ein passendes^) anderes
Wort zur Verfügung stelle"; "willkürliche Gedächtnisarbeit" und
**Einflüsse der Aufmerksamkeit*' spielten dagegen beim natür-
lichen Sprechen keine Rolle: ungewollt stellten sich Analogie-
bildungen ein. Ungewollt stellen sich aber auch Wortassoziationen
wie leicht — achtcer usw. ein, und der Beobachter gibt sich erst
nachträglich darüber Rechenschaft, wie er assoziiert hat. Der
Versuch verläuft doch nicht ganz so wie Wundt es darstellt Von
irgendwelcher Instruierung, sich anzustrengen, um ein passendes
Wort zu finden, ist keine Rede : die Instruktion war viel einfacher,
wie schon oben (S. 3) betont worden ist; um einen Rekocd der
Schnelligkeit handelt es sich dabei nicht*). Der Beobachter gibt
entweder ein Wort an, von dem er nachher nur zu sagen weiß,
daß es rein automatisch aufgetaucht sei, oder er hat irgendwelche
(meist visuelle) Vorstellungen, an die sich eine Wortvorstellung
anschließt Sobald die Bewußtseinslage der Anstrengung oder das
Suchen nach einem Wort vorhanden ist, so ergeben sich gewöhn-
lich Ajssoziationen, die ganz zufällig sind imd nichts mit dem
Problem der Analogiebildungen zu tun haben; besonders be-
merkenswert ist folgendes (öfter beobachtete) Erlebnis : die Ver-
suchsperson ist über die automatisch auftretenden Assoziationen,
die ihm stumpfsinnig erscheinen (etwa drei : wör), ärgerlich, sucht
nach einem 'passenden' Wort und findet auch ein solches, aber
die automatische Wortassoziation ist bisweilen so stark, daß der
Beobachter schließlich doch nichts als das zuerst aufgetauchte
Wort anzugeben weiß. Solche Fälle sind bei gehöriger Instruktion
selten; die Zeitmessung erlaubt in Verbindung mit der Proto-
kollierung des Erlebten, diese Fälle leicht zu erkennen.
Die experimentell festgestellten Assoziationen, welche als
sprachlich wirksam erkannt werden, treten fast unmittelbar und
ungewollt auf. Vergegenwärtigen wir uns nun die Konstellation
beim natürlichen Sprechen, wozu ich das schon in unserer Schrift
S.50 genannte Beispiel ausMeringer und Mayer') wähle, weil nach
Wundt selbst ''hier (beim Versprechen) die Bedingungen der indi-
viduellen Erscheinungen mit den generellen der Sprache, wie wir
1) Von mir gesperrt.
2) Wie der Rekord der Schnelligkeit die Assoziationstätigkeit be-
einflußt, habe ich zusammen mit N. Ach im Sommer 1906 experimentell
untersucht; darüber werden wir uns noch besonders äußern.
3) Versprechen und Verlesen (Stuttgart 1895) S. ö9.
12 A. Thumb,
annehmen dürfen, sehr nahe übereinstimmen". In dem Satz *das
Wsssevverdumpft* hat eine Kontamination der Wörter verdampft x
verdunstet stattgefunden, die man (nach Meringer) so darstellen kann :
das Wasser — >• I ,..[-> verdampft
{ verdunstet }
Während der Satz gesprochen wurde, rief die im Bewußt-
sein auftretende Wortvorstellung verdampft die Wortvorstellung
verdunstet hervor, und dieses automatische Aufti-eten einer zweiten,
an sich nicht gewollten Wortvorstellung beeinflußte die ursprüng-
lich gewollte Wortform. Das Vorhandensein eines ganzen Satzes
scheint mir dabei irrelevant, weil der Vorgang sich unmittelbar
und nur an das eine Wort anknüpft*). Unser Experiment ruft
einen ähnlichen Prozeß hervor; denn daß zugerufene Verba unter
anderem synonyme Verba als bevorzugteste Assoziation auslösen,
ergibt sich aus unseren Versuchen (S. 42 — 44), vgl. fluchen —
schwören/schimpfen^ gehen — laufen^ heißen — nennen^ laufen —
springen^ rufen — schreien^ senden — schicken^ springen ^hüpfen,
wenden — drehen. Bei unseren Versuchen wurde dem Beobachter
durch das Zurufen eines Wortes, z. B. senden, eine Wortvorstel-
lung geboten, genau so, wie im Laufe eines Gespräches durch
den Inhalt desselben bestimmte Wortvorstellungen dargeboten
werden ; die Wortvorstellung löst im Experiment ebenso unwill-
kürlich wie beim Sprechen gewisse Wortvorstellungen aus, und
diese tragen die Kraft in sich, die zuerst gewollte Wortinner-
vation zu stören: der Unterschied zwischen unseren Versuchen
und der vollzogenen sprachlichen Kontamination ist der, daß im
letzteren Fall der Vorgang des Sprechens samt den Wirkungen
der Assoziation zu Ende geführt ist, während wir die Bewußt-
seinsvorgänge vor der vollständigen Ausführung des Sprechaktes
(z. B. beim 'Versprechen'), d. h. nur die innere Sprachform fest-
zustellen suchen, durch die der Sprechakt beim 'Versprechen*
selbst zu erklären ist So wenig beim Auftauchen der Wort-
vorstellung verdampft das Wort schon ausgesprochen ist, ebenso-
wenig wird bei unseren Versuchen die dargebotene Wortvor-
stellung zum gesprochenen Wort Damit statt verdampft die
Wortform verdampft hervorgebracht werde, muß vor dem Aus-
1) Schuchardt (p.397), der dasselbe Beispiel erläutert, hält allerdings
den Salz mit dem Subjekt für wesentlicli: aber ich glaube, daß der Be-
deutungsinhalt des Wortes verdampfen (von beliebiger Flüssigkeit) genügt,
am das Synonym ret-dufuien hervorzurufen.
Psychologische Stadien üher die sprachlichen Analogiebildungen. 18
qyrechen (der zweiten Silbe) des ge\^ollten Wortes die Assoziar
tionstendenz verdampft -> verdunsUt in irgendeiner Weise gewirkt
haben. Diese Assoziationstendenz wirkte nun auch bei unseren
Versuchen. Unser Versuch, soweit er hier in Betracht konmit,
ist eigentlich in dem Augenblick vollendet, wo die Innerrierung
des Reaktionswortes beginnt, und ist bis dahin der psychischen
Konstellation ähnlich, die beim natürlichen Sprechen (und Yer^
q>rechen) der Wortinnervation unmittelbar vorausgeht Wenn
wir das vollständige Aussprechen des Reaktionswortes nicht
hemmen, so dient das nur dazu, um das assoziierte Wort kennen
zu lernen und um die Zeitgrenze festzustellen, innerhalb deren
sich der Assoziationsakt vollzieht: denn daß unsere Zeitmaße
viel größer sind als der zeitliche Ablauf der Assoziation an sich,
ist selbstverständlich; aber da dieses Plus an Zeitdauer gegen-
über der veränderlichen Größe der Assoziationszeit eine an-
nähernde Eonstante ist, so sind die gewonnenen Bruttozeiten
doch ein unmittelbares Maß für die Assoziationsvorgänge.
So glaube ich also, daß man "die eigentümlichen Bedin-
gungen, die bei der Entstehung der Analogiebildungen wirksam
waren", im Experiment so genau feststellen kann, wie man über-
haupt beim psychologischen Experimentieren (z.B. bei Versuchen
über das Gedächtnis) die natürlichen psychischen Vorgänge zu
untersuchen vermag^). (Vgl. den Exkurs.)
Ich mache durchaus nicht die allgemeine Voraussetzung
(wie Wundt S. 20 meint), **das psychologische Experiment müsse
erst beweisen, daß die in der Sprache gefundenen Assoziations-
wirkungen auch wirkliche Assoziationen sind" ; wir untersuchten
vielmehr, wie diese Assoziationen beschaffen sind, um so den
gesetzmäßigen Beziehungen zwischen Assoziation und Analogie-
bildung auf die Spur zu kommen. Nun erklärt aber Wundt, es
sei gar nicht mehr möglich, für das Experiment alle die Be-
wußtseinskonstellationen wieder herzustellen, die beim Eintreten
bestimmter, in den verschiedenen Sprachen gegebener Analogie-
bildungen bestanden haben. Selbstverständlich kcmnen wir die
Assoziationstendenz, welche z. B. zwischen dem Tempel der Juno
Mimeta und der römischen Münzstätte bestanden hat und dem
Wort Moneta die Bedeutung Münze gab, nicht mehr auf natür-
1) Damit erledigen sich auch die Gregenbemerkungcn von Herzog
S. 128, 3. Absatz und von Reckendorf Orient. Lit.-Zeitung 1901, 335, der
übrigens den Wert unserer Versuche anerkennt.
14 A. Thumb,
lichem Wege hervorrufen, weil ganz bestimmte historische Ver-
hältnisse jene räumliche Verknüpfung der beiden Dinge bedingten.
Aber Wundt gibt selbst zu, daß gewisse Assoziationen, wie Fötor —
Mutter^ groß — kUin^ ich — du vor Jahrtausenden*) gerade so gut
wie noch heute eine Bolle gespielt haben; und darum habe ich
auch in voller Absicht mein Material so ausgewählt, daß es eine
gewisse Allgemeingiltigkeit der Assoziationen verbürgt Warum
daher Wundt es tadelt, daß wir unsere Versuche "ganz und gar
auf die Bevorzugung bestimmter Assoziationen" anlegten, ist mir
nicht klar geworden : wenn man das Problem auf experimentellem
Weg in Angriff nehmen wollte, mußte man mit einer Auswahl
typischer Fälle beginnen ; diese Versuche müssen späterhin na-
türlich immer mehr individualisiert werden (wofür besonders die
Dialektforschung in Betracht kommt), und auch in der Verfeine-
rung der Versuchsmethoden ist selbstverständlich noch nicht das
letzte Ziel erreicht Das Bedenken Wundts, daß die natürliche
Bewußtseinskonstellation im Laufe einer Versuchsreihe durch
induzierende Einflüsse der schon angeführton Versuche gestört
werden könne, ist berechtigt; man kann aber dieses Bedenken
gegen die meisten Versuche der experimentellen Psychologie
äußern, und doch hat man sich dadurch nicht abhalten lassen,
aus solchen Versuchsreihen Folgerungen zu ziehen. Allerdings
muß eine umsichtige Versuchsanordnung dafür sorgen, daß die
störenden Einflüsse möglichst ausgeglichen werden: wir haben
dafür Sorge getragen durch reichliche Einmischung beliebiger
Wolter. Bei derjenigen Versuchsperson (Dr. Roos), die überhaupt
reine Wortassoziationen vermied, hat sich tatsächlich nichts ergeben,
was auf eine bestimmte Einstellung des Bewußtseins im Sinne
'korrelativer Begriffe' hinwiese. Diejenigen Personen, welche solche
Assoziationen wie Vat^ — Mutter^ leicht — schtver bevorzugten,
haben dies schon bei den ersten, zugerufenen Worten getan;
und so oft ich auch meine Versuche bei irgendwelcher Gelegen-
heit wiederholte, hat es nicht irgendeiner Determinierung des
Bewußtseins bedurft, um Assoziationen wie Vater — Mtäter^
leicht — schwer usw. gleich von Anfang an hen^orzurufen. —
1) und in den verschiedensten Sprachen! Reckendorf Orient. Lit.-
Zeitung 1901, 386 gibt Belege aus den semitischen Sprachen für Analogie-
bildungen bei Zahlwörtern und Verwandtschaftsnamcn, Barth Form-
angleichung bei begrifflichen Korrespondenzen (Orient. Studien Th. Nöldeke
gewidmet, 1906, S. 787 ff.) desgleichen für Wörter wie Anfang — Ende,
oben — unteHj Tag — Nachts rechU — links.
Psychologische Studien üher die sprachlichen Analogiebildungen. 16
Da die Zeitmessung ein wichtiges Hilfsmittel für unsere
Untersuchungen ist — die Zeitdauer ist eine der wichtigsten
Eigenschaften der Assoziationen — , so hat Wreschner *) bedauert,
daß *'die Zeitmessung in so wenig exakter Weise vorgenommen
wurde". Ich bemerke, daß jüngst auch andere Psychologen sich
der Pünftel-Sekunden-Uhr bei Assoziationsversuchen bedient
haben*). Unsere Zeitmessung gibt natürlich keine absoluten
Zahlen für den Assoziationsvorgang selbst, sondern nur relative
Zahlen, welche die zeitliche Verschiedenheit der einzelnen Asso-
ziationen, d. h. ihr relativ schnelleres oder langsameres Eintreten
mm Ausdruck bringen. Daß dieses Verhältnis durch unsere ver-
einfachte Art der Messung nicht verwischt oder verdunkelt wird,
haben die Wattschen und eigene Versuche gezeigt, die mit Hilfe
des Hippschen Chronoskop vorgenommen wurden, aber nichts
andersartiges ergeben haben. Wir bieten also den Philologen'
ein zuverlässiges und durchaus genügendes Verfahren, das ohne
umständliche Versuchsanordnung gestattet, das psychologische
Experiment bei künftigen Dialektunt^rsuchungen anzuwenden,
wie ich a. a. 0. empfohlen habe. Eine Arretier-Uhr, welche
'/6-Sekunden zu messen gestattet, ist ja so kompendiös und so
leicht zu handhaben, auch so billig (etwa 25 M.), daß jeder
Dialektforscher sich ihrer bedienen kann; der Phonetiker, der
auch nur die einfachsten Registrierinstrumente benützt, ist in
ganz anderer Weise belastet Wie ich schon früher gesagt habe,
verspreche ich mir gerade bei Untersuchung lebender Dialekte
aus Assoziationsversuchen den größten Nutzen: wer die ge-
läufigsten Assoziationen innerhalb einer Sprechgemeinschaft fest-
stellt, wird dadurch einen Fingerzeig erhalten, in welchen Worten
nnd Formen eines Dialektes das Wirken der Analogie zu er-
warten ist. Natürlich setzen sich nicht alle Assoziationen in
Analogiebildung um"), aber jede Analogiebildung hat eine be-
stimmte Assoziationstendenz zur Voraussetzung. Wer in einem
lebenden Dialekt, d. h. in dessen jüngsten Vorgängen, irgend-
eine Kontamination oder Analogiebildung annehmen wollte, auch
wenn die erforderlichen Assoziationen völlig fehlen, der würde
1) Ztschr. f. Psychiatrie UX (1902) 56*.
2) So Jung und Ricklin Diagnostische Assoziationsstudien. Journ.
f. Psycho!, u. Neurol. 111 (1904) ööfT. (vgl. besonders S. 58), VI, 2 f.
3) Risop BegrilTsverwandtschaft und Sprachentwicklung (Progr. Berlin
1903) S. 4 spricht richtig (vom Standpunkt unseres gegenwärtigen Wissens)
von "fakultativ eintretenden linguistischen Effekten'*.
16 A. Thumb,
m. R einen schweren methodischen Fehler begehen; die An-
nahme einer an sich imgewöhnlichen Analogiebildung — und
wer kennt in der Sprachwissenschaft nicht Beispiele für derlei
Annahmen — kann dagegen als richtig erwiesen werden, wenn
das Assoziationsexperiment damit in Einklang steht ^). Im übrigen
verweise ich wegen dieser Dinge und wegen der prinzipiellen
Bedeutung derartiger Dialektstudien auf meine früheren Aus-
führungen (a. a. 0. S. 84 ff.).
Auf einige weitere Einwände, die Herzog gemacht hat,
gehe ich nicht ein, so wenn er S. 128. 130 die Brauchbarkeit
der Versuche für Kontaminationsbildungen zwar zugibt, für
Veine* Analogie- (oder Proportions)bildungen aber bestreitet, oder
wenn er (S. 131 Anm.) an dem Beziehungsgesetz zwischen
Schnelligkeit und Geläufigkeit einer Assoziation Ausstellungen
macht; es will mir scheinen, als ob Herzog den Sinn des Gesetzes
nicht erfaßt hätte; wenn er ernsthafte Assoziationsversuche
längere Zeit hindurch gemacht hätte und die einfachen Assozia-
tionsvorgänge von Vorgängen der Determination zu trennen
wüßte, würde er den Vorgang beim Abhören französischer
Vokabeln (Mutter — m^) nicht mit unsern Assoziationsversuchen
auf die gleiche Linie gestellt haben.
Gar keinen Anlaß habe ich, mich mit den Einwänden
K. Voßlers*) zu beschäftigen; zwischen dem, was ich für die
Aufgabe der Wissenschaft halte — sei sie Sprachwissenschaft
oder Psychologie — und dem Tiefsinn' Voßlers ist eine solche
Kluft, daß es zwecklos ist, in eine längere Erörterung einzu-
treten ; den Vorwurf des "Mangels an Logik" nehme ich daher
nicht tragisch.
Man darf von unsern Versuchen zunächst nicht mehr
erwarten, als was sie beantworten können. Sie sind ein erster
Vorstoß, der aber doch schon zwei wichtige Merkmale der
sprachlich wirksamen Assoziationstendeuzen ergeben hat (siehe
oben S. 6 und a. a. 0. S. 80). Daß sich die Versuchsmethode ver-
feinem und ausbauen läßt, wurde schon gesagt; und daß wir
selbst bereits weiter gekommen sind, wird sich noch zeigen.
Wir haben uns zunächst auf eine bestimmte Fragestellung be-
schränkt und haben es z. B. abgelehnt, die Frage zu untersuchen,
1) Durcli meine Ausfülirungcn werden auch die Bemerkungen
Schuchardts S.393f. erledigt.
2) Sprache als Schöpfung und Entwicklung, Heidelberg 1905, 24 ff.
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 17
warum überhaupt gewisse Wortassoziationen auftreten (s. a. a. 0.
S. 83), obwohl die Beantwortung dieser Frage für unser Problem
nicht bedeutungslos ist Der Naturforscher, der die Wirkung be-
stimmter Ursachen au&ucht, geht eben&Us Schritt für Schritt
Yor: er isoliert zunächst einige Erscheinungen, um die Richtung
XQ finden, in welcher gewisse Ursachen aufzusuchen sind. Ich
möchte das Ver&faren, das ich begonnen, aber noch nicht bis
2um letzten Ende geführt habe, mit demjenigen des physiologisclien
Chemikers vergleichen, der die spezielle, physiologisch wirksame
(chemische) Substanz in einem bestimmten Organ oder in einer
Heil- oder Giftpflanze usw. zu bestimmen und zu isolieren sucht
Was die spezifischen Ursachen der Analogiebildungen be-
trifft, so stehen wir erst im Anfang der experimentellen ünter-
sachung. Wir wissen, daß gewisse Assoziationstendenzen sprach-
liche Wirkungen ausüben und daß sie sich durch Zeitdauer und
Geläufigkeit von andern Assoziationen unterscheiden ; diese Asso-
ziationstendenzen rufen jedoch die sprachlichen Wirkungen nicht
immer und unter allen Umständen hervor. Uns ist demnach erst
ein Teil der Bedingungen bekannt, unter denen die sprachliche
Wirkung der gefundenen Assoziatioustendenzen eintritt; weitere
Bedingungen können teils außerhalb, teils innerhalb des Assozia-
tionsvorgangs liegen. Die Untersuchung kann sich zunächst auf
die Frage erstrecken, ob den sprachlich wirksamen Assoziations-
tendenzen noch sonstige Eigenschaften außer den schon ge-
fundenen zukommen, die das Eintreten einer Analogiebildung
begünstigen. Je mehr Eigenschaften wir feststellen, desto kleiner
wird der Kreis der Assoziationen oder Assoziationsarten, welche
für die psychologische Erklärung der Analogiebildung maßgebend
sind — und damit gewinnen wir verrautiich immer bessere und
reinere, d. h. gesetzmäßige Beziehungen zwischen dem assozia-
tiven und sprachlichen Vorgang. Der folgende Abschnitt soll
zeigen, daß und wie man in dieser Richtung weiterkommen kann.
Es handelt sich zunächst darum, ob für die Festigkeit und das
Wesen des Assoziationsvorganges, den wir für die Analogiebildung
voraussetzen, außer Geläufigkeit und Zeitdauer noch andere
Merkmale zu gewinnen sind.
n.
K. Marbe (a. a. 0. 11 ff.) und daran anschließend J. Orth^)
haben darauf hingewissen, daß die übliche Einteilung der Assozia-
1) Ztschr. f. Psychol. u. Pacdog. 1901, 1 fif.
laäo^ermanucbe Fonobnageü XXII, ^
18 A. Thumb,
tionen nicht eine Einteilung dieser psychischen Prozesse, son-
dern der "Bedeutungsverhältnisse der aneinander assoziierten
Worte" sei. Eine psychologische Klassifizierung hat die Aufgabe,
die Assoziationen nach ihren psychischen Merkmalen zu gruppieren.
Wir konnten schon bei unsem fi-ühem Versuchen öfter fest-
stellen, daß ein Teil der ausgelösten Assoziationen sich unmittel-
bar ohne jegliches Zwischenerlebnis an das Reizwort anschließt,
daß bei anderen (besonders bei einer Versuchsperson) das zu-
gerufene Wort zunächst eine (oft visuelle) Vorstellung auslöste, die
dann benannt wurde ; in diesem Fall waren die Reaktionszeiten
durchschnittlich viel länger als sonst Wir mußten bei der Ver-
arbeitung unserer Versuche diese Erscheinung unberücksichtigt
lassen, weil sie sich erst im Verlauf der Versuche herausstellte
und uns damals für unser nächstes Ziel nicht wesentlich schien.
Auf die Veranlassung Marbes haben nun zwei seiner Schüler,
K. Mayer und J. Orth, die psychischen Erlebnisse beim Assozia-
tionsvorgang genauer untersucht und für die Einteilung der
Assoziationen verwertet*). Die Resultate dieser Untersuchung
scheinen mir für die Erkenntnis des Analogiebildungsprozesses
verwertbar und haben mich zu eigenen neuen Versuchen ver-
anlaßt.
Die Verfasser arbeiteten mit einem Wortmaterial (408 ein-
silbigen Substantiven), das schon bei früheren Assoziations-
versuchen (von Trautscholdt und Aschaffenburg) verwendet
worden war; die Untersuchung von 1224 Assoziationen, die
von 4 Beobachtern gewonnen waren, bestätigte die Existenz
zweier verschiedenen Assoziationstypen, nämlich einer Form der
Assoziation ohne eingeschaltete Bewußtseinsvorgänge und einer
solchen m i t eingeschalteten Bewußtseinsvorgängen ; wir wollen sie
im Folgenden kurz als 'spontane' und 'vermittelte' Assoziationen
bezeichnen. Die vermittelten Assoziationen traten in diesen Ver-
suchen im allgemeinen viel häufiger auf als die spontanen;
sie betragen zwischen 64,3 und 92,8 ®/o aller Assoziationen.
Wenn auch jede Versuchsperson beide Typen bot, so ergab sich
doch bei einem Beobachter eine besonders starke Vorliebe für
vermittelte Assoziationen. Wie weit dieses Ergebnis durch die
Wahl der Reizworte bedingt ist, ist aus der Arbeit nicht er-
sichtlich : soviel aber sehen wir deutlich, daß die Art des Asso-
1) K. Mayer u. J. Orth Zur qualitativen Untersuchung der Association.
Ztschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorgane XXYl (1901).
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 19
ziierens bei verschiedenen Menschen verschieden ist Die Zeit-
dauer der vermittelten Assoziationen war bei allen Versuchs-
personen im Durchschnitt größer als die der spontanen Asso-
ziationen; der Unterschied betrug im Mittel 0,32 bis 0,94
Sekunden ; er war um so größer, je mehr Bewußtseinsvorgänge
zwischen Beiz- und Reaktionswort eingeschaltet waren; irgend
welche Willensbetätigung, so das Suchen nach einer Beziehung
zu dem gehörten Wort, verlangsamte den Assoziationsverlauf in
noch stärkerer Weise (um durchschnittlich 0,48 bis 0,77 Sek.)
gegenüber allen andern Assoziationen. Auch gefühlsbetonte (ins-
besondere unlustbetonte) Bewußtseinsvorgänge verlangsamen er-
heblich (um durchschnittlich 0,40 bis 1,07 Sek.) den Assoziations-
prozeß. Wie weit Bewußtseinsvorgänge, die sich nicht einschalten,
sondern Reiz- oder Reaktionswort nur begleiten, den Ablauf der
Assoziation beeinflussen, bleibt noch zu untersuchen.
Da die Verfasser die einzelnen Reaktionen nicht mitteilen,
so ist es nicht möglich, über die sprachlichen Eigenschaften der
Reiz- und Reaktionsworte zu urteilen. Offen bleibt auch noch die
Frage, ob wirklich die vermittelten Assoziationen durchweg
häufiger auftreten als die spontanen: das hängt nicht nur von
den Versuchspersonen, sondern auch von dem Charakter der
Reizworte ab. Die Reizworte Trautscholdts und Aschaffenburgs
sind nach psychologischen, nicht sprachwissenschaftlichen Ge-
sichtspunkten ausgewählt: wir müssen nun die Frage besonders
untersuchen, wie die sprachlich bedeutsamen Assoziationen sich
verhalten, zu welchem Assoziationstypus sie gehören. Man kann
a priori annehmen, daß Assoziationen, die durch besondere Be-
wußtseinsvorgänge, d. h. eingeschaltete Gesichts- und andere
Vorstellungen, Willensbetätigungen, Gefühle vermittelt sind, auf
Assoziationstendenzen beruhen, die schon deshalb nicht sprach-
lich wirksam werden, weil die fraglichen Assoziationen zu langsam
eintreten, um im Verlauf des Sprechens die Innervation, bezw.
Lautform eines Wortes zu beeinflussen. Nur eine solche Wort-
vorstellung, die durch ein gegebenes Wort ohne Zwischenglied
ausgelöst wird, wird induzierend (störend) auf das primäre Wort
wirken können. Auch eine visuelle oder allgemein akustische
(nicht speziell sprachliche !) Vorstellung kann, so unmittelbar sie
auch auftreten mag, ein innerviertes Wort in seiner Lautform
nicht beeinflussen. Wir dürfen also erwarten, daß nur Wort-
vorstellungen, die unmittelbar, d.h. ohne Einschaltung sonstiger Be-
20 A. Thamb,
wußtseinsvorgänge hervorgerufen werden, für Analogiebildungen
in betraeht kommen, alle andern Assoziationen aber unwirksam
bleiben : wir können die letzteren für das Studium des Wesens
der Analogiebildung ausschalten und brauchen nur die spontanen
Assoziationen weiter zu untersuchen. Nicht selten war freilich
bei den Versuchen von Mayer und Orth eine Wortvorstellung
das Mittelglied zwischen Reiz- und Reaktionswort *) ; auch diese
vermittelten Reaktionen sind künftighin auszuschalten, weil es ja
auf die erste Wortvorstellung allein ankommt, die in diesen
Fälen der Messung entzogen ist*).
Die Reaktionen, welche wir in unsem früheren Versuchen
als sprachwissenschaftlich bedeutsam erkannten, waren jeweils
die durchschnittlich schnellsten; die für uns bedeutungslosen
Reaktionen verliefen langsamer. Jene werden also meist dem
spontanen, diese meist dem vermittelten Assoziatioustypus an-
gehört haben (wie schon von uns bei einer Versuchsperson
[Roos] beobachtet werden konnte). Ob das wirklich zutrifft,
darüber kann natürlich nur das Experiment Auskunft geben:
wo dieses eine Au^be lösen kann, hat es vor jeder theoretischen
Erörterung den Vorzug.
Ich hatte für meine Versuche, die im Sommer 1905 im
physiologischen Institut der Universität Marburg ausgeführt
wurden, 7 Versuchspersonen, nämlich vier Studierende und einen
Privatdozenton der Universität, einen Lehrer und eine jüngere
Dame. Aus den Reizworten, mit denen Marbe und ich schon früher
operiert hatten, wählte ich folgende für die neuen Versuche aus :
10 Verwandtschaftswörter (Vater, Mutter, Sohn, Tochter,
Bruder^ Schwester, Vetter, Base, Schivager, Schtmgerin), 10 Ad-
jektiva (groß^ kl^in, leicht, schtver^ alt, jung, dkk, dünn, weiß,
schcarz), 10 Zahlen (1 — 10), 10 Verba (geben, nehmen, essen,
trinken, fahren, reiten, lesen, schreiben, binden, finden), sowie die
8 Formwörter ich, du, wir, ihr, wo, da, hier, dort. Die Ver-
suchsanordnung war folgende'): der Taster, den ich beim Zu-
1) S. a. a. 0. S. 8.
2) Daß man bei diesem Verfahren der Ausschaltung nicht den
Fehler macht, den Aschaffenburg und Orth (Ztschr. f. Psychol. u. Paedag.
1901, S. 8) Münsterberg vorwerfen, liegt auf der Hand.
3) Mein Kollege Prof. Dr. N. Ach hatte die Liebenswürdigkeit, so-
wohl die Apparate zusammenzustellen wie auch bei den Versuchen selbst
mitzuwirken, wofür ich ihm auch an dieser Stelle danke.
Psychologische Studien über die apiacklichen Analogiebildungen. 2|
mfen des Wortes niederdrückte, setzte das Hippsche Chrono-
skop in Bewegung; die Versuchsperson sprach das assoziierte Wort
in einen Schalltrichter, dessen Membran die Unterbrechung des
elektrischen Stroms bezw. die Arretierung des Ghronoskops be-
wirkte. Das Chronoskop wurde von 'Herrn N. Ach bedient und
kontrolliert, der die Zeiten (in c, d. L Viooo Sek.) aufschrieb,
während ich die Assoziationsworte samt den Erlebnissen der
Versuchspersonen protokollierte. Die 48 Versuche waren für
jede Versuchsperson auf drei (nicht aufeinander folgende !)
Nachmittage verteilt; um außerdem noch einer gegenseitigen
Beeinflussung der zugerufenen Worte entgegenzuwirken, wurden
zwischen hinein beliebige andere Worte zugerufen.
Die Versuche lehrten zunächst in ihrer Gesamtheit dasselbe,
was schon die früheren Versuche ergeben hatten; vgl die
folgenden Tabellen III — VII, wobei in Klammem die Zahlen
der früheren Versuche beigefügt sind; nur die bevorzugtesten
Beaktionen sind hier berücksichtigt, da nur diese die Ueberein-
Stimmung mit den früheren Versuchen illustrieren können.
Abweichende Beaktionen sind kursiv gedruckt
unter Via ist eine Tabelle hinzugefügt, welche nach Ver-
suchen von Dr. phil. Menzerath das Verhalten der Zehner (aus
8 neuen Versuchspersonen) zeigt
Tabelle m.
Reizwort
Bevorzugteste
Reaktion
Häufigkeit
Durchschnittl.
Dauer in Sek.
Vater
Mutter
7 (5)
1,16 (1,24)
Mutter
Vater
6 (3)
0,99 (1,67)
Sohn
Vater
4 (5)
1,23 (1,36)
Tochter
Schwester
3 (0)»)
1,18 (-)
Bruder
Schwester
6 (6)
1,15 (1,33)
Schwester
Bruder
6 (4)
1,02 (1,90)
Vetter
Base«)
4 (3)
1,60 (1,40)
Base
Vetter
3 (6)
1,81 (1,88)
Schwager
Schwester
2 (0)')
1,80 (-)
Schwägerin
Schwager
4 (0)^)
1,32 (-)
1) Tochter — Mutter trat als nächstbevorzugte Reaktion 2 mal auf
(früher als bevorzugteste 4 mal).
2) Bezw. Cousine.
3) Früher Schwager — Bruder (2 mal).
4) Früher ohne bevorzugteste Reaktion.
22
A. Thumb,
Tabelle IV.
Reizworte
Bevorzugteste
Reaktion
Häufigkeit
Durchschnittl.
Dauer
groß
klein
7 (7)
0,85 (1,29)
klein
groß
7 (6)
0,85 (1,37)
leicht
schwer
7 (7)
1,01 (1,46)
schwer
leicht
6 (6)
0,89 (1,23)
alt
jung *)
7 0(6)
1,71«) (1,30)
jung
alt
6 (7)
0,79 (1,17)
dick
dünn»)
6») (7)
0,96 (1,26)
dünn
dick
6 (7)
0,83 (1,29)
weiß
schwarz
4 (7)
0,92 (1,63)
schwarz
weiß
ö (6)
0,77 (1,43)
1) Darunter einmal neu.
2) Diese lange Zeitdauer ist bedingt durch eine einzige vermittelte
Reaktion alt —Jung, die 6,337 Sek. brauchte, vgl. dazu die Bemerkungen
S.U.
3) Darunter einmal mager.
Tabelle V.
Reizworte
Bevorzugteste
Reaktion
Häufigkeit
Durchschnittl.
Dauer
ich
du
6 (4)
0,92 (1,25)
du
er
2 (5)
0,71 (1,28)
wir
ihr«)
3 (3)
0,98 (1,47)«)
ihr
wir
3 (3)
0,92») (1,60)
wo
da, 2 dort, hier
4 (5)*)
1,35 (1,60)*)
hier
dort, 1 da
5 (6)
1,04 (1,37)
da
2 hier, 2 dort
4 (4)
0,88 (1,50)
dort
2 da, 2 hier
4 (5)«)
0,92 (1,32)
1) wir — uns: 2 (3).
2) Durchschnitt von ihr und uns.
3) Nur aus zwei Fällen berechnet (wegen Ausfallens einer Zeit-
messung).
4) 4 da, 1 dort.
5) Mit Hinzuziehung von dort.
6) Nur : hier.
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 83
Tabelle VI.
Reizworte
Bevorzugteste
Reaktion
Häufigkeit«)
Dnrchschnittl.
Dauer
eins
zwei
6 (6) (7)
0,96 (1,20)
zwei
drei
* (*) (7)
1,91«) (1,16)
drei
vier
fi (6) (7)
1,11 (1,32)
vier
fünf
6 (6) (8)
0,71 (1,13)
fünf
sechs
* (6) (6)
0,68 (1,17)
sechs
sieben
4 (5) (6)
0,84«) (1,16)
sieben
acht
4 (6) (4)
0.85 (1,33)
acht
neun
3 (6) (6)
0,87 (1,43)
neun
zehn
4 (6) (7)
1,00 (1,62)
zehn
\ zwölf
|2 (2)') (6)
0,86 (1,20)
0,99 —
1) Die an dritter Stelle in Klammer gegebenen Zahlen ergaben sich
bei den Versuchen von Dr. phil. Menzerath (s. o.).
2) Die bevorzugteste R. war früher zwanzig (3 mal); elf die nächst-
bcTomigte.
3) Bedingt durch eine R. von 5,71 Sek.
4) Nur aus drei Messungen.
Tabelle Via.
Durchschnittl.
Reizworte
Bevorzugteste
Häufig-
Durchschnittl.
Dauer
Reaktion
keit
Dauer
der übrigen
Reaktionen
zehn
elf
6
0,839
1,436
zwanzig
dreißig
7
0,884
1,131
dreißig
vierzig
7
0,973
2,249
vierzig
fünfzig
6
0,734
0,887
fünfzig
sechzig
6
0,851
1,054
sechzig
siebzig
4
0,977
1,474
siebzig
achtzig
6
0,725
0,964
achtzig
neunzig
7
1,002
1,085
neunzig
hundert
7
1,072
1,320
hundert
tausend
6
1,139
1,802
24
A. Thumb,
Tabelle VIL
Reizwort
Bevorzugteste
Reaktion
Häufigkeit
Durchschnittl.
Zeit
binden
Strick •)
2 (-)
1,58 (-)
essen
trinken
5 (6)
1,06 (1,13)
fahren
gehen ■)
4 (-)
1,18 (-)
finden
suchen
4 (4)
1,11 (1,40)
geben
nehmen
4 (4)
1,29 (175)
lesen
schreiben
4 (5)
0,91 (1,16)
nehmen
geben
6 (6)
1,05 (1,33)
reiten
fahren
5 (3)
1,01 (1:27)
schreiben
lesen
4 (4)
0,96 (1,15)
trinken
essen *)
4 (-)
1,05 (-)
Die Wiederholung von Assoziationsversuchen bestätigt also
unsere früheren Ergebnisse*), und mithin beruhen auch die
folgenden Ausführungen auf einem ganz gleichartigen Material
wie dasjenige, an welches wir unsere früheren Erörterungen an-
knüpften. Unser Material soll aber nunmehr mit Rücksicht auf
die Vorgänge geprüft werden, die sich bei der Reproduktion
abspielen, indem wir die Reaktionen einteilen in 1) spontane
(bezeichnet mit Ra), wo sich das Reaktionswort ohne Erlebnis
unmittelbar an das Reizwort anschloß, 2) in solche mit Begleit-
vorstellungen (Rh), 3) vermittelte d. h. mit zwischeugeschalteten
Vorstellungen (R c). Da öfter nicht zu entscheiden war, ob Typus 2)
oder 3) vorliegt, so sind diese Fälle besonders als R(bc) zu-
sammengefaßt Übjer die Häufigkeit und die Zeitdauer dieser Asso-
ziationsformen gibt Tabelle VIII in den vier mit R a usw. be-
zeichneten Hauptkolumnen Auskunft; jede Kolumne enthält die*
Häufigkeit (H) und die durchschnittliche Zeitdauer (Z) der Re-
produktionen in Sekunden; die letzte Kolumne (K) gibt an, wie
viele der unter Ra, Rb, Rc, R(bc) verzeichneten Reaktionen
reine Klangassoziationen sind. Die Versuchspersonen sind in der
1) Früher finden (2).
2) Früher reiten (5).
3) Früher winken (2).
4) Das gilt auch für unser Geläuiigkeitsgesetz , das ich hier nicht
weiter erörtere, weil ea von meinem Hörer Menzerath an gröiierem Ma-
terial nochmals geprüft werden wird.
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 26
1. Kolumne mit den Ziffern I — VII bezeichnet ; die eingeklam-
merte Zahl dahinter gibt die Anzahl der verwerteten Versuche an *).
Tabelle Vm.
Ra
Rh
Rc
R (bc)
K
Versachsperson
H
Z
H
Z
H
Z
H
Z
H
I m
lY (46)
in (46)
VI (47)
VU (45)
V (47)
n (48)
35
32
21
21
17
13
8
0,944
0,867
0,906
1,074
0,814
1,025
1,157
6
10
9
1
8
4
4
0,867
0,934
0,768
0,772
0,717
0,94S
1,179
3
4
13
13
15
20
23
1,565
1.245
1,272
2,391
1,136
1,768
1,576
8
4
12
5
10
18
1,414
1,005
0,969
0,717
1,269
1.296
19
1
1
Summe
und Zeitmittel
147
0,944
42
0,868
91
1,603
46
1,131
21
in •/•
45
—
13
—
28
—
14
—
6,5
Die Kolumnen Ra und Rc der Tabelle zeigen zunächst in
Übereinstimmung mit den Resultaten von Mayer und Orth die
zeitliche Verschiedenheit zwischen spontanen und vermittelten
Assoziationen; bemerkenswert ist ferner, daß eine Begleitvor^
Stellung (Kolumne Rb) den zeitlichen Ablauf nicht ungünstig
beeinflußt (d. h. nicht verlangsamt), daß also diese Assoziationen
offenbar spontan (wie R a) eintreten. Wenn die Zeitangaben der
Kolumne R (bc) zwischen denen von R b und R c stehen, so er-
gibt sich daraus, daß ein Teil jener Reaktionen zu R b, ein Teil
zu R 0 gehört Aber sie scheiden im Folgenden als nicht mit
Sicherheit einzuordnende Fälle aus. Rb könnte zusammen mit
Ra dem Typus Rc gegenübergestellt werden; wir ziehen es aber
zur Vereinfachung der Diskussion vor, R a allein mit dem Typus
Rc zu vergleichen*).
1) D. h. die Fehlversuche sind abgezogen ; auf jede Versuchsperson
kommen 48 zugerufene Worte.
2) Mentz Lit. Centralbl. 1902, 74 legt Wert darauf, daß festgestellt
wurde, welche Begleit Vorstellungen bei den einzelnen Assoziationen auf-
treten. Diese haben aber für den Prozeß der Analogiebildung keine Be-
deutung — höchstens für die Untersuchung der Ursache der Assoziation ;
denn gerade die spontanen Reaktionen, denen jede Begleitvorstellung fehlt,
besitzen ihrer Natur nach die Fähigkeit, unwillkürlich induzierend zu mtki^tL.
26 A. Thumb,
Daß bei meinen Versuchen im Gegensatz zu Mayer und
Orth die spontanen Reaktionen deutlich überwiegen (45 ®/o gegen-
über 28 ®/o),ist offenbar nicht durch die Versuchspersonen, sondern
durch das Wortmaterial bedingt : Worte, welche an sich die Tendenz
haben, geläufige Wortassoziationen hervorzurufen, und die deshalb
auch zu Untersuchungen über Analogiebildungen geeignet sind ^),
rufen eben überwiegend spontane Assoziationen hervor.
Man kann erwarten, daß die verschiedenen Wortkategorien
sich hinsichtlich des Auftretens spontaner Assoziationen ver-
schieden verhalten; wenngleich mein Material nicht groß genug
ist, um gesetzmäßige richtige Zahlen für solche Verschiedenheiten
zu liefern, so zeigt doch die folgende Tabelle deutlich das Eine,
daß die Zahlwörter stärker als die anderen Versuchswörter spon-
tane Assoziationen hervorrufen:
Tabelle IX.
Reizwort
Anzahl •) von Ra
Anzahl •) aller
übrigen Reaktionen
Verwandtschaftsnamen . . .
Pronomina und Adverbia . .
Adjektiva
Verba
Zahlwörter
39
41
43
U
51»)
59
51
56
55
48
Es ist somit ein Mittel gewonnen, die Disposition zu reinen
Wortassoziationen (Ra) für die einzelnen Wörter und Wortarten
experimentell zu bestimmen; damit erhalten wir zugleich die Mög-
lichkeit, die Disposition zu Analogiebildungen quantitativ abzu-
schätzen. Denn daß das Auftreten spontaner Assoziationen (R a) mit
dem Prozeß der Analogiebildung zusammenhängt, ergibt sich aus
der genaueren Prüfung der Assoziationstypen, die jeweils bei den
verschiedenen reproduzierten Wörtern auftreten bezw. bevorzugt
werden. Schon frühere Versuche*) hatten gezeigt, daß die re-
1) Meine Versuchsworte sind ja seinerzeit mit Rücksicht auf die
dabei leicht auftretenden Analogiebildungen ausgewählt worden.
2) in Vo; die Fehl-Reaktionen sind weggelassen.
B) Die Versuche meines Schülers Menzerath ergaben hinsichtlich
der Zahlen 1—10 und der Zehner 10—100 ein noch stärkeres Überwiegen
von R a für die reproduzierten Zahlen, nämlich 77,5 ®/o und 81 ^o-
4) Thumb und Marbe a.a.O. S. 17 f.
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 27
produzierten Wörter vorwiegend der gleichen sprachlichen Kate-
gorie angehören wie das Heizwert; d. h. ein Substantiv bevorzugt
ein Substantiv, ein Adjektiv ein anderes Adjektiv usw. Analogie-
bildungen vollziehen sich ebenfalls überwiegend innerhalb der
gleichen Wortkategorie. Auch qualitativ sind nun die Reaktionen
aus der gleichen Wortkategorie von anderen Reaktionen ver-
schieden : bei Assoziationen der gleichen sprachlichen Kategorie
sind die spontanen Reaktionen (R a) verhältnismäßig häufiger als
bei sonstigen Assoziationen. Das ergibt sich aus der Tabelle X ;
in der zweiten und dritten Kolumne sind alle Reaktionen zu-
sammengestellt, bei denen auf das Reizwort mit einem Wort der
Reichen Kategorie reagiert wurde, wobei also auf das Verwandt-
schaftswort ein Verwandtschaftswort, auf das Adjektiv ein Adjektiv
der gleichen Bedeutungssphäre, auf das Pronomen ein Pronomen,
auf das Ortsadverb ein Ortsadverb, auf das Zahlwort ein Zahl-
wort, auf das Verbum ein Verbum folgte ^).
Tabelle X.
A. Reaktionen
aus der gleichen
Kategorie
aus 1
B. Reaktionen
inderen Wortklassen
Reizwort
Gesamtzahl
ohne die
Klangassoz.
Ra
Rc
Ra
Rc
Ra
Rc
Ferwandtschaftswörter
24
27
3
3
Adjektiva
Pronomina
29
11
7
4
1
1
2
6
—
2
4
Adverbia
8
6
4
2
3
2
Zahlwörter«)
Verba
33
26
12
15
4
5
3
4
3
3
4
181
71
18
16
9
16
Das Verhältnis der Zahlen von Ra und Rc ist in der
Gruppe A, d.h. bei den Reaktionen der gleichen Kategorie, dem
Verhältnis in der Gruppe B, d. h. bei Reaktionen aus andern
Wortklassen, direkt entgegengesetzt; im ersten Fall überwiegt
1) Warum eine 6. und 7. Kolumne mit Abzug der Klangassoziationen
gebildet wurde, kommt später zur Sprache, s. S. 11 Fußn.«).
2) Bei den Versuchen des Herrn Menzerath ergaben sich für die
Einer und Zehner (8 Versuchsperaonen) die Zahlen 117 :15, ^*.T, \\^. -
A. Thumb,
B a, im zweiten (Kol. 6 und 7) Rc. Daß nun, wie schon be-
merkt, Analogiebildungen sieh häufiger zwischen Wörtern der
gleichen Klasse als zwischen solchen verschiedener Klassen ein-
stellen, wird mitliin durch das Experiment in einem weiteren
Punkte*) psychologisch verständlich: jener sprachlichen Ver-
schiedenheit entspricht ein differenziertes Verhalten der zugrunde
liegenden psychischen Prozesse ; der Prozeß der Analogiebildung
steht also mit dem Auftreten des Assoziationstypus R a in einem
inneren (funktionellen) Zusammenhang.
Ein Überwiegen der spontanen Assoziation (Ba) zeigt sich
aber nicht* nur allgemein innerhalb der gleichen sprachlichen
Kategorie; es macht sich noch stärker geltend, wenn man die
bevorzugtesten (geläufigsten) Assoziationen (wie Vater : Mutter^
leicht : achioer) mit allen übrigen vergleicht, worüber Tabelle XI
Auskunft gibt.
Tabelle XL
Reizwort
A.
Gesamtzahl
der
bevorzugtesten
Assoziationen
Ra
Rc
B.
Anzahl der übrigen Assoa.
Gesamtzahl
Ra R c
ohne die
Klangassoz.
Ra R c
Verwandtschaf tswOrte r
Adjektiva
Pronomina
Adverbia
Zahlwörter*) . . . .
Verba
19
28
8
7
28(110)
19
109
15
6
1
5
4(4)
12
8«)
2
4
5
9(9)
12
14«)
8»)
3
11(18)
9
4
1
3
4
6(8)
7
14
3
7
3
11(15)
8
40
48
24
46
Wie eine Vergleichung dieser und der vorigen Tabelle
zeigt, wird also der Gegensatz in der Verteilung der Assoziations-
typen Ra und Rc noch größer, wenn man die bevorzugtesten
1) Außer dem quantitativ h&ufigeren Auftreten von Assoziationen
der gleichen Kategorie.
2) Eingeschlossen sind 2 : 4 'nächstbevorzugte* Reaktionen.
3) Mit Einschluß von 2 nächstbevorzugten Reaktionen.
4) Die eingeklammerten Zahlen stammen aus den Versuchen des
Herrn Menzerath.
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. M
Assoziationen allen anderen gegenüberstellt; denn während Ra
bei den Reaktionen der gleichen Wortklasse (Tab. X) die An-
ahl von Rc um das 1,8 fache übertrifft (131 : 71), übertrifft
das Auftreten von R a bei den bevorzugtesten Assoziationen die
Anzahl von Rc um das 2,5 fache. Entsprechend wird auch der
Gegensatz bei den vereinzelten Assoziationen (B) stärker; denn
Rc übertrifft hier Ra in Tabelle X um das 1,7 fache, in Tabelle
XI um das 1,9 fache.
Wenn ich auch hier wieder die Klangassoziationen in Ab-
zug bringe ^), so geschah das deshalb, weil sie unter eigenartigen
Bedingungen (bei einer besonderen Bewußtseinskonstellation) ein-
treten ; über Versuche, die X. Ach und ich in dieser Hinsicht unter-
nommen haben, soll bei anderer Gelegenheit berichtet werden*).
Nachdem wir schon früher festgestellt haben, daß die zu
den Analogiebildungen in Beziehung stehenden Assoziationen
auch die geläufigsten und durchschnittlich schnellsten sind, haben
wir nunmehr für diese Assoziationen ein drittes Merkmal ge-
wonnen: sie sind überwiegend spontane, an das induzierende
Wort unmittelbar sich anschließende Reaktionen. Wir können
sie auch 'reine Wortassoziationen* nennen. Die Disposition einer
Sprachform zur Analogiebildung oder die 'analogiebildende Kraft*
einer Sprachgemeinschaft kann daher definiert werden als Funk-
tion von Geläufigkeit, Zeitdauer und Typus der Assoziationen,
welche eine Sprachform hervorzurufen imstande ist. Also
1. Je geläufiger (häufiger) eine Assoziation ist, desto größer
ist ihre analogiebildende Kraft; wir bezeichnen diese mit An,
wobei n die Anzahl der Individuen bedeutet, für welche die
Assoziationsbasis untersucht wird. Wenn wir die Häufigkeit
einer bestimmten Assoziation mit H, die Geläufigkeit mit G be-
zeichneu, dann ist G = — ; da nun ein Wachsen von G das
° H
Wachsen von An bedingt, so kann auch — unmittelbar als ein
^ H
Maß der analogiebildenden Kraft betrachtet werden, d. h. An = — .
1) Man sieht übrigens aus Tab. XI, daß dadurch das Resultat nur
quantitativ sich etwas verschiebt, daß aber unsere allgemeinen Sätze da-
von nicht berührt werden.
2) Auch über die Frage, wie weit Lautähnlichkeit überhaupt bei
Assoziationen bezw. Analogiebildungen eine Rolle spielt, habe ich keinen
Anlaß, mich zu äußern, bevor positive Untersuchungen vorliegen; vgl. auch
meine Bemerkungen a. a. 0. S. 81.
30 A. Thumb,
Der günstigste (höchste) Wert wird erreicht, wenn H = n
wird; dann ist An = 1. H muß mindestens den Wert 2 haben,
weil sonst von einer Geläufigkeit bezw. von einer 'bevorzugten*
Assoziation überhaupt nicht gesprochen werden kann.
2. Je schneller eine Assoziation im Durchschnitt eintritt,
desto leichter kann sie das induzierende Wort beeinflussen; wenn
Z die durchschnittliche Zeitdauer der häufigsten Assoziationen
bezeichnet, dann ist An = -^ (d. h. mit dem Wachsen von Z
1 ^'
wird der Wert von -=- immer kleiner). Die Grenzwerte sind em-
L
pirisch bestimmt durch die Zeitdauer, innerhalb deren die häufig-
sten (bevorzugtesten) Assoziationen auftreten. Wenn wir jedoch
statt -=- den Bruch einsetzen *), so nähert sich der Grenz-
L Z -j- 1
wert von An mit der Abnahme von Z ebenfalls immer mehr
dem Werte 1.
8. An ist abhängig von dem Auftreten des Assoziations-
typus Ra; d. h. An nimmt zu, je mehr von den geläufigen
Assoziationen dem Typus R a angehören ; wenn wir mit R a die
Anzahl der entsprechenden spontanen Assoziationen, mit H die
Anzahl der im ganzen vorkommenden geläufigen Assoziationen
bezeichnen, dann ist An = -ri^- Der günstigste Fall tritt ein,
wenn Ra = H ist; dann ist An = 1. Wird aber Ra = 0, so
wird auch An = 0 : in diesem Falle wäre also keine Neigung
zur Analogiebildung anzunehmen.
4. Das Zeitmoraent (s. Nr. 2) kann mit dem Auftreten von
R a (Nr. 3) kombiniert werden': wir dürfen annehmen, daß eine
Störung des induzierenden Wortes umso leichter eintritt, je
schneller dasselbe eine reine Wortassoziation hervorruft. Wenn
also z die durchschnittliche Dauer der Assoziation R a bezeichnet,
dann ist An = -^rr-'- z oder =7 . Auch hier nähert sich der
H Hz
Wort des Bruches immer mehr dem Werte 1, je kleiner z und
je größer Ra wird (vgl. den Grenzwert 1 bei Nr. 3).
Wir verzichten darauf, die unter l — 4 aufgestellten Formeln
1) Darauf machte mich Herr Prof. Richarz aufmerksam, als ich die
Hauptresultate der vorliegenden Untersuchung in der Marburger "Gesell-
schaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften" vortrug.
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 31
zu einer einheitlichen mathematischen Formel zu verbinden ; es
wäre das ein rein mathematisches Problem, das erst dann für
unsere Frage Bedeutung gewinnt, wenn die Formeln empirische
Anwendung fänden, bezw. empirisch verifiziert; werden können.
Vielleicht ist 3 und 4 das wichtigste Maß der Neigung zur ana-
logischen Umbildung. Tabelle XII mag zeigen, was für Zahlen
die 4 Formeln (Kolumne 3 — 6) bei den Wört;ern Vater, Mutter^
Base ergeben (auf gnind der in Tab. in mitgeteilten Versuche) :
Tabelle XU.
Rpiz^ÄTort
Geläufigste
Assoziation
An nach Formel
I
II
lU
IV
Vater
Mutter
Base
Mutter
Vater
Vetter
1,00
0,86
0,43
0,86
1.01
0,65
0,71
0,67
0,33
0,69
0,76
0,24
Alle vier Formeln zeigen übereinstimmend in ihren Zahlen-
ergebnissen, daß die assoziative Verbindung von Base — Vetter
riel schwächer ist als die von Vater — Mutier oder Mutter —
Vater. Man könnte daraus (für das Deutsche) schließen, daß
Analogiebildungen in den beiden letzten Fällen häufiger als im
ereten Fall auftreten werden. Den Versuch, dies empirisch mit
Hilfe der deutschen Dialektgeographie zu prüfen, habe ich leider
aufgeben müssen, weil das nötige sprachliche Material fehlt Aber
das Problem einer Verifizierung und Auswertung der Formeln
muß im Auge behalten werden. Außer der Dialektforschung
steht uns noch ein anderer Weg offen, um die Formeln auf
ihre tatsächliche Geltung hin zu prüfen: es ist das Experiment,
welches darauf ausgeht, künstlich Analogiebildungen zu er-
zeugen, eine Aufgabe, über deren Ausführung ich unten noch
einige Bemerkungen machen werde.
Ich habe mich auch in den neuen Experimenten darauf
beschränkt, die Beziehungen zwischen den gegebenen Assozia-
tionen und den eventuellen Analogiebildungen festzustellen ; die
Frage, warum gewisse Assoziationen auftreten, gehört zunächst
(wie ich schon früher [a. a. 0. S. 86] deutlich gesagt habe) nicht
hierher: in der Besprechung unserer Arbeit wurde trotzdem
dieses Problem, das ein Untersucbungsgebiet für s\c\i \iM^\^
82 A. Thumb,
immerfort eingemengt Wer untersucht, unter welchen Be-
dingungen bestimmte Assoziationstendenzen sprachlich wirksam
werden, der braucht nicht auf den Inhalt der korrespondierenden
Wörter einzugehen, wie ß. Meyer ^) meint Ob ein Wort findm
eine Assoziation suchen oder eine Assoziation Flinte hervorruft,
ist an sich für den Prozeß der Analogiebildung gleichgiltig : es
kommt für das Zustandekommen einer solchen nur darauf an,
ob die Wortassoziation suchen oder Flinte gewisse Merkmaie
hat, welche eine sprachliche Beeinflussung des induzierenden
Wortes begünstigen. Warum die Assoziation solche Merkmale
hat, ist wieder eine Frage für sich. Es ist falsch, mit Herzog*)
zu sagen, daß Laut- und Bedeutungsähnlichkeit oder die Anzahl
der beeinflussenden Formen u. dgl. begünstigende Momente für
das Zustandekommen der Analogiewirkung sind: sie kommen
vielmehr nur als begünstigende Faktoren für das Zustandekom-
men gewisser Assoziationstendenzen in Betracht 3) — und wie
weit dies der Fall ist, muß der Psychologe empirisch unter-
suchen; bloße Meinungsäußerungen führen nicht zum Ziel.
Die Vermutung, daß geläufige Redensarten, wie jung und
dU^ durch dick und dünn die entsprechenden Reaktionen jung
— aÄ, dick — diinn erzeugen*), liegt natürlich nahe; ein Weg,
um die Frage zu lösen, wäre die von Sütterlin vorgeschlagene
Statistik des Wortgebrauchs. Noch allgemeiner faßt Schuchardt ^)
das Problem: die Verknüpfung der Wörter im Satz schafft die
Assoziation; Schuchardt denkt dabei auch an mehr gelegentliche
Verknüpfung von Worten, wie fluchen -> Matrose^ brennen —
Haus^ leicht — ► {wie eim) Feder^ und zeigt an gut gewählten Bei-
spielen, wie leicht sich die assoziativ vorkommenden Wörter in
der Sprache berühren : denn die Worte "fliegen allerdings nicht
frei in der Luft herum", sondern loben nur in der gesprochenen
Rede, d. h. in Sätzen, da wir in Sätzen reden. Wird durch diese
Feststellung für die exakte Lösung des Problems etwas ge-
wonnen ? Alle beliebigen Wörter können sich in der Rede tag-
1) in seiner Besprechung im Anz. f. d. deutsche Altertum 1J)02, 279 f.
2) a.a.O. S. 126f.
3) Hier drückt sich Mentz richtig aus, wenn er z. B. die Frage auf-
wirft, ob nicht "der besondere Reichtum der Flcxionssysteme für Zeit-
und Personenbezeichnung in bezug auf das Reproduzieren gleicher
Klasse günstig oder ungünstig wirkt" (a. a. 0. 75).
4-) Herzog (S. 132) und andere.
5) a. a. 0. 395 IT.
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 33
a^ch verknüpfen — aber wirken beliebige Wörter, auch wenn
sie fortwährend in Sätzen sich zusammenfinden, aufeinander ein ?
Xein — denn sie erzeugen nicht ohne weiteres geläufige Asso-
ziationen. Also muß doch wohl das Experiment uns Auskunft
geben, welche Wörter in assoziativer Beziehung stehen und in
welchem Maß dies der Fall ist In welcher Weise aber geläufige
Wortverbindungen der Sprache assoziativ wirksam sind und wie
sie sich darin zu sonstigen Wörtern verhalten, das ist inzwischen
auf meine Veranlassung hin (durch Dr. Menzerath) bereits ex-
perimentell untersucht worden; ich begnüge mich daher, hier
auf die bevorstehende Publikation der Arbeit hinzuweisen.
m.
Ich habe schon oben darauf hingewiesen, daß man unsere
Versuche bemängelt hat, weil unsere Versuchspersonen **alle
Doktoren und Studenten" sind. Und Herzog (S. 131) meint, "am
interessantesten wären jedenfalls Kinder gewesen" und "nur für
Leute, die auf Schulbänken gesessen sind, ist ich du er sie es
eine so feste Reihe wie eins zwei drei". Uns ist es nie zweifel-
haft gewesen, daß weitere Versuche in dieser Richtung notwendig
sind und zu neuen Aufschlüssen führen können; ist es doch
für die Sprachwissenschaft ein interessantes Problem, wie weit
die Umbildung der Sprache durch die Kindersprache, d. h. durch
die aufwachsende neue Generation, beeinflußt wird. Ich hätte
mich gefreut, wenn irgendein Philologe sich durch unsere Arbeit
veranlaßt gesehen hätte, durch exakte Untersuchungen das Problem
zü fördern: ein Einzelner kann nicht alles auf einmal machen.
Wie Herzog "in dieser Hinsicht ein wenig abzuhelfen und zu
ergänzen" versucht, habe ich schon oben für durchaus unzu-
länglich erklären müssen. Da wir die Notwendigkeit von Ver-
suchen mit Kindern von vornherein erkannt hatten, so veran-
laßte K. Marbe unmittelbar nach Abschluß imserer Schrift einen
seiner Schüler, solche Versuche vorzunehmen; die Ergebnisse
liegen vor in der Arbeit von Friedrich Schmidt Experimen-
telle Untersuchungen zur Assoziationslehre. Ztschr. f. Psychol.
u. Physiol. d. Sinnesorgane. XXVIH (1902) 65—94. Diese Arbeit
ist von sprachwissenschaftlicher Seite nicht beachtet worden : es
ist daher nicht überflüssig, über ihren Inhalt genauer zu berichten
und die Resultate vom sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus
zu beleuchten.
IndogermBBJMcbe FonebnageB XXn. ^
u
A. Thumb,
Wir hatten seinerzeit ^) auch mit Verbalformen als Reiz-
worten Versuche gemacht, jedoch ausdrücklich hervorgehoben,
daß diese an 4 Versuchspersonen gewonnenen Ergebnisse nur
eine vorläufige Orientierung bilden; wir hatten (um in kurzer
Zeit ein sicheres Material zu erhalten) dreien unserer Versuchs-
personen die Instruktion gegeben, "auf eine zugerufene Verbal-
form die zuerst auftretende Verbalform (nicht ein beliebiges Wort)
anzugeben". K Marbe stellte Herrn F. Schmidt die Aufgabe,
die Versuchsergebnisse mit größerem Material und ohne jene
Determination nachzuprüfen'). Schmidt wählte 8 etwa 10 Jahre
alte "normalbefähigte" Knaben der Würzburger Stadtschule; sie
waren "in der Konjugation der Verba in der Schule bisher nicht
unterrichtet werden, weshalb ein Einfluß des grammatischen Unter-
richts auf die Reaktionsworte ausgeschlossen war". Die zu-
gerufenen Worte waren die von mir schon gewählten Verbal-
formen (Indic. Präs. und Iraperf., Infin. Präs. und Partiz. Prät) von
30 Verben; somit ergaben sich 8 (14 • 30) = 3360 Versuche. Abge-
sehen von den 5 Verben können, tcissen^ twUen^ haben^ sein befanden
sich unter den Versuchsworten 17 starke und 8 schwache Verba.
Zunächst ergibt sich aus unseren früheren und den Schmidt-
schen Versuchen eine charakteristische Verschiedenheit zwischen
den Reaktionen auf Infinitive und denen auf Verbalformen über-
haupt: die von Schmidt verwendeten 14 x 30=420 Verbalformen,
unter denen sich nur 30 Infinitive befanden, riefen in weit über-
wiegender Zahl Verbalfonnen hervor, während bei uns die Infini-
tive^) häufiger mit Substantiven beantwortet werden. Das Zahlen-
verhältnis geht aus folgender Tabelle hervor, welche unter I unsere
früheren Versuche, unter II diejenigen Schmidts zusammenfaßt:
Tabelle Xm.
Reizwort
Reaktionen in <*/o
Verbalform
Substantiv
Sonst. Worte*)
I. Infinitiv
II. Verbalformen verschie-
dener Art (überwiegend
finite)
42 «/o
89,65 >
51,7 «/o
4,82 0/0
6,3 7«
5,53 o/o
1) a.a.O. 66 ff.
2) D. h. es konnte (wie bei unsern sonstigen Versuchen) mit be-
liebigen Worten reagiert werden.
3) Vgl. S. 36 ff. 4) Adjektiva, Adverbia, Pronomina usw.
P^chologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 96
Leider teilt uns Schmidt nicht mit, wie viele der Reaktionen,
die nicht Verbalformen sind (4,82 o/o + 5,53 ®/o = 10,35 ^/o), durch
die 30 Infinitive hervorgerufen sind; es ist wahrscheinlich, daß
die Mehrzahl der nicht zum Yerbum gehörigen Reaktionen von
Infinitiven ausgelöst worden ist; der Gegensatz zwischen Infinitiv
und finiten Verbalformen würde dann noch schärfer hervortreten.
Das Resultat ist sprachpsychoiogisch nicht uninteressant: wir
betrachten den Infinitiv als Träger der Verbalbedeutung, als die
abstrakte Verbalform und können daher a priori verstehen, daß
der Infinitiv mit sonstigen Wortklassen durch die Wortbedeutung
assoziativ enger verknüpft ist als eine finitive Verbalform, deren
assoziative Beziehungen mehr durch die formale Seite bestinunt
sind. Der Infinitiv ist mithin nicht nur vom sprachlichen Stand-
punkt aus eine dem Verbum finitum gegenüberstehende selb-
ständige Formkategorie, sondern er ist auch rein psychologisch
in besonderer Weise charakterisiert. Das Ergebnis der Schmidt-
schen Versuche ist um so bedeutsamer, d. h. es ist der Ausdruck
für eine psychische Disposition, weil es an Versuchspersonen
(Kindern) gewonnen ist, bei denen Einflüsse der schulmäßigen
Einübung noch keine Rolle spielen. Aber noch etwas lehren
die Versuche. Wenn man uns immer wieder belehrt, daß die
Wortverbindungen im Satz erste Ursache für Assoziation und
Analogiebildung sind, so ist dem folgendes entgegenzuhalten : in
der gewöhnlichen Rede verbinden sich Substantiva und andere
Wörter mit Verben zu Sätzen, d. h. Verknüpfungen eines Verbums
z. B. mit einem Subjekt und Objekt sind ungleich häufiger als
solche von zwei Verbalformen. Aber assoziativ spielen jene Ver-
knüpfungen so gut wie keine Rolle: den 89,65 ^/o Verbalformen
(= 3012 Versuche) stehen nur 4,82^/0 Substantive (162 Versuche)
gegenüber! Noch mehr: Wortverbindungen, die doch besonders
nahe liegen müßten, treten nur in 26 Fällen = 0,77 o/o auf!
So wenig ich den assoziativen Einfluß bestimmter fester Wort-
verbindungen verkenne, so muß ich doch Hypothesen zurück-
weisen, die der empirischen Grundlage durchaus entbehren. Das
Problem, wie Wortassoziationen von einer gewissen Geläufigkeit
und Festigkeit Zustandekommen, ist zu schwierig, als daß es
durch eine einfache Hypothese der *Wortverknüpfung im Satz'
gelöst werden könnte').
1) Da man beobachtet hat, daß die Assoziationen der frühen Jugend-
zeit am festesten haften , to darf man besonders von exakten Uoiei-
36
A. Thumb,
Was die Verbalreaktionen für sich allein betrifft, so er-
geben dip Schmidtschen Versuche ein Bild, das in großen Zügen
unseren früheren Versuchen gleichartig ist
So stellen auch die 8 Versuchspersonen Schmidts zwei Typen
dar, indem 5 vorzugsweise mit Formen desselben Verbums (Typus
A), 3 mit denen eines anderen Verbums (Typus B) reagierten;
man vergleiche mit unserer früheren Tabelle (S. 69) die folgende
Schmidts :
Tabelle XIV.
Anzahl der Reaktionen
Versuchspersonen
des gleichen
Verbums
eines andern
Verbums
I
U
Typus A m
IV
V
378
376
369
311
201
28
16
28
50
51
VI
Typus B VII
VIII
ÖO
48
41
363
3a3
339
1774
= 62,8 7o
1238
= 36,85 o/o
Ich bemerke, daß auch die Neigung, überhaupt mit gleichem
Verbum öfter zu reagieren, sich schon bei unseren früheren Ver-
suchen ergeben hat
Das von Marbe S. 45 unserer Schrift formulierte "Ge-
läufigkeitsgesetz*, d. h. der Satz, daß eine Reaktion durchschnitt-
suchungen der kindlichen Sprache auch eine Aufklärung des oben be-
rührten Problems erwarten. Die Verknüpfung der Wörter im Satz erklärt
nicht, wie wir oben gesehen haben, die Assoziationstondenz zwischen
Verben ; zu beachten ist aber, daß das sprechenlernende Kind überhaupt
mehr Verba (oder Wörter verbalen Charakters) gebraucht als der Er-
wachsene. Amerikanische Psychologen haben festgestellt, daß im Wort-
schatz kleiner Kinder ca. 60 ^/o Substantiva und 20 7o Verba auftreten,
während der gebildete Amerikaner gegenüber 60^0 Substantiva nur 11 7»
Verba gebraucht; im wirklichen Sprechen überwiegen die Verba beim
Kind überhaupt : Gale beobachtete z. B., daß ein Kind an einem Tage
372 Nomina gebrauchte, dagegen 1322 mal seinen Vorrat an Verben aus-
nützte. Ich entnehme das Meumann Die Sprache des Kindes S.70f.
psychologische Stndien über die sprachlichen Analogiebildungen. 37
üch omso schneller verläuft, je geläufiger sie ist (bei je mehr
Fersuchspersonen sie auftritt), trifft auch für die Yerbalformen
zu: die mittlere Dauer der bevorzugtesten Reaktionen betrug
1,90 Sekunden, der nächstbevorzugten 2,04, aller übrigen 2,17
Sekunden. Ich hatte außerdem') ein zweites Oeläufigkeitsgesetz
von anderer Art aufgestellt: *'die von einem Individuum be-
vorzugtere Assoziation (einer Verbalform) ist auch die schnellere •),
d. h. sie stellt sich rascher ein als die minder bevorzugte oder
seltenere". Mit Bezug auf Schmidts Erörterung würde ich jetzt
richtiger das Gesetz so formulieren: Je häufiger eine Verbal-
form (bei einem oder mehreren Individuen zusammen) eine be-
stimmte andere Verbalform reproduziert, umso schneller erfolgt
die Reaktion ; man vergleiche dazu im einzelnen meine Tabellen.
Ober das Verhalten der Schmidtschen Versuchspersonen gibt die
fünfte seiner Tabellen») Auskunft:
Tabelle XV.
Wortklassen
Anzahl der
Reaktionen in ^/o
Mittlere Dauer
Farmen desselben Verbums .
Fonnen eines andern Verbums
Substantiva
Adjektiva und gleichlautende
Adverbia
Pronomina
Wortverbindungen ....
Zahlwörter
Orts- und Zeitadverbien . .
Übrige Worte
52,80
36,85
4,82
2,47
1,65
0,77
0,15
0,12
0,48
10,35 »/o
1,90
2,01
2,27
1.95
2,14
2,68
1,40
1,65 J
2,15
Leider hat Schmidt das zeitliche Verhalten der einzelnen
formalen Kategorien des Verbums nicht untersucht, weshalb ich
nur für Tab. XXVIII der früheren Arbeit (S. 69) Vergleichs-
material habe: aber daß eine Beziehung im Sinne meines Ge-
setzes besteht, geht aus der Tabelle hervor, wird übrigens auch
1) a.a.O. 69fir.
2) Schmidt S. 85 Foßn. macht uns auf das Versehen aufmerksam,
daß S.69, Z. 2 v.u. unserer Schrift das Wort "geläufigere** statt "schnellere"
gebraucht sei.
3) Von mir etwas modifiziert.
38 A. Thumb,
Yon Schmidt nicht bestritten (vgl. S. 86). Schmidts Tabelle scheint
freilich außerdem zu zeigen, daß mein Gesetz nicht allgemein
giltig ist, d. h. sich nicht auf die übrigen Wortklassen (Substantiva
usw.) ausdehnen läßt Ob dem wirklich so ist, oder ob infolge der
sehr viel geringeren Anzahl von Versuchen die gewonnenen
mittleren Zeiten mehr *Zufallsresultate' sind, kann ich «vorläufig
nicht entscheiden. Man beachte aber, daß die mittlere Dauer
aller Reaktionen, die nicht Verbalformen sind (10,35 ^/o der
G^amtzahl der Versuche) 2,15 Sek. beträgt, also langsamer ist
als die erste und zweite Gruppe von Reaktionen.
Wie die einzelnen Verbalformen assoziativ wirken, zeigt
Tabelle VI der Schmidtschen Abhandlung. Ich ziehe es vor,
diese Tabelle so zu zerlegen, daß ich Typus A und B in Über-
einstimmung mit meiner früheren Darlegung gesondert gebe;
auch werden die Fälle, wo die gleiche Form des gleichen Verbums
von der Versuchsperson einfach wiederholt wurde, unberück-
sichtigt gelassen, weil sie ja überhaupt keine sprachwissenschaft-
lich bedeutsamen Assoziationen sind ^).
Daß ein Infinitiv oder Partizipium als weitaus bevorzugteste
Assoziation bei Typus A jeweils die gleiche Form eines anderen
Verbums hervorrufen, lehren auch die neuen Versuche in ekla-
tanter Weise. Der Typus B war in imseren früheren Versuchen
nur durch Reaktionen auf das Partizipium Prät. vertreten: es
wurde weit überwiegend darauf mit dem Infinitiv des gleichen
Verbums reagiert; Schmidts Versuche ergaben für Infinitiv und
Partizip als bevorzugteste Reaktion die 1. Sing. Präs. des gleichen
Verbums (37 bezw. 32 Fälle); an nächster Stelle stand beim
Partizip die 1. Sing. Perf. (20 mal) und erst an dritter Stelle der
Infinitiv (15 mal).
Wie auf finite Verbalformen beim Typus A reagiert wird,
zeigt die folgende Tabelle, die aus Schmidts Tabelle VI losgelöst
ist und deren Zahlen in Klammem diejenigen der gleich an-
geordneten Tabelle XXX unserer früheren Arbeit beigefügt sind;
H bedeutet die Anzahl der Reaktionen; die Anzahl aller selte-
neren Assoziationen (in der 7. Kolumne) kann aus der Arbeit
Schmidts nur schätzungsweise bestimmt werden, ist jedoch die
mögliche Maximalzahl, die höchstwahrscheinlich zu hoch ist:
1) Die Fälle sind nicht ganz selten ; so wurde auf die 1. Sing. Präs.
37 mal mit der identischen Form reagiert.
psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 89
Tabelle XVI.
Reizwort
Bevorzugteste
Reaktion
H
Nächstbevor-
zugte Reaktion
H
Seltenere
Reaktionen
H
Formen des
Präsens
Formen des
Präteritums
Gleiche Form
Gleiche Form
des Präsens
436
(169)
281
(18)
(Gleiche
Form des
Präteritums)
Gleiche
Form des
Präteritums
(16)
71
(124)
Varia
Varia
(12)
171»)
(11)
Die Versuchspersonen reagierten also ganz vorzugsweise
mit der gleichen Form des Präsens, gleichviel ob das Reizwort
Präsens oder Präteritum war.
Wenn Formen des gleichen Verbums assoziiert worden
{Typus B), so ergab sich ein mannigfacheres Bild, wie wir es
schon früher für die Formen der 3. Pers. feststellen konnten;
ȟber Einzelheiten vgl. Tabelle XVn, worin die in Klammer bei-
gefügten Zahlen meiner früheren Tabelle XXXIII (a. a. 0. S. 72)
entstammen.
Tabelle XVH.
Be-
Nächst-
Dritt-
Reizwort
vorzugteste
Reaktion
H
bevorzugte
Reaktion
H
bevorzugte
Reaktion
H
1. S. Präs.
2. 8. PrOe.
20
3. S. Präs.
10
r 3. PL Präs.
\ 1. S. Perf.
(»
2. S. Präs.
87
1. S. Perf.
11
3. S. Präs,
7
3. S. Präs.
61(9)
3. PL Präs.
25
—
—
1. PL Präs.
48
40
3. S. Präs.
14
2. PL Präs.
l.S.Präg.
50
35
»» »j ?}
15
3. PL Präs.
47(7)
3. S. Präs.
f 2. S. Prot.
\ 3. S. Präs.
32
11
1. PL Präs.
21
1. S. Prät
60
11
—
^"^
2. S. Prät.
58
2. S. Präs.
56
3. S. Prät.
3. S. Präs.
49
1. S. Präs.
44
( 1. S. Prät.
\ 3. PL Prät.
pi
121
i. PL Prät.
3. PL Prät.
34
31
1. S. Prät.
21
2. PI. Prät.
1. S. Präs.
28
3. PI. Prot,
26
( 1. S. Prät.
\3. S. Prät.
po
\20
3. PL PräL
8. S. Prät.
39
1. S. Prät.
31(5)
1. S. Präs.
28
1) etwa 16 > aller Fälle.
40 A. Thumb,
Die in obiger Tabelle enthaltenen Formen sind rund •/*
aller in Betracht kommenden Reaktionen; die an vierter und
späterer Stelle erscheinenden sind unberücksichtigt gelassen, da
schon die Gesamtzahl aller an vierter Stelle anzuführenden
Formen (56) nur den vierten Teil der vorhergehenden Stelle
beträgt
Der am meisten charakteristische Zug in den Versuchs-
ergebnissen ist die sehr starke Bevorzugung der 1. Pers.
Sing. Präs. des Verbums bei allen Formen^); nur die 1. Sing.
Präs. selbst ruft an erster Stelle die 2. Sing. Präs. hervor. Im
übrigen ist die Assoziation der jeweils folgenden Person nicht
so ausgeprägt, wie das bei unseren früheren Versuchen der
Fall war*). Hier scheint also ein psychologischer Unterschied
zwischen dem Kinde und dem Erwachsenen vorzuliegen : beim
Erwachsenen wird vielleicht das "Durchkonjugieren" der Schule
einen Einfluß auf die formalen Assoziationstendenzen ausgeübt
haben, während man vor diesem Stadium die vorwiegende Asso-
ziation mit *ich . . .' psychologisch gut verstehen kann.
unsere und die neuen Versuche haben aber in ihrem Wesen
zu so gleichartigen Ergebnissen geführt, daß die sprachwissen-
schaftlichen Bemerkungen, die ich früher dazu gab, auch für
die Schmidtsche Untersuchung gelten. Es bleibt künftigen Dialekt-
untersuchungen vorbehalten, die speziellen Beziehungen zwischen
den formalen Assoziationen und den formalen Analogiebildungen
festzustellen. Die sprachwissenschafüiche Prüfung hatte mich zur
Folgerung geführt, daß die verschiedenen Richtungen, welche
sich in den analogischen Umbildungen eines Formensystems
zeigen, verschiedenen Zeiten angehören: ich hebe hervor, daß
Wundt mir darin zustimmt ^) ; natürlich beruht mein Satz "andere
Zeiten — andere Analogiebildungen' auf dem Satz "andere Zeiten
— andere Assoziationen' (Wundt S. 20); um nicht mißverstanden
zu werden, füge ich aber folgendes zur Erläuterung hinzu : ver-
schiedene Assoziationsrichtungen kommen zwar gleichzeitig so-
gar beim gleichen Individuum vor, aber bestimmte formale Asso-
ziationstendenzen sind, wie wir gesehen haben, stark präpon-
1) Im ganzen 542 Reaktionen, also fast die Hälfte aller (114S) Re-
aktionen, die in Tab. XVII enthalten sind.
2) Die folgende Person (1./2. oder 2./3.) ist in der Tabelle mit 99
Fällen vertreten.
3) a. a. 0. S. 18.
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 41
derierend: nicht immer (zu jeder Zeit) und überall (bei allen
Individuen) sind die gleichen Assoziationen am meisten bevor-
zugt; sobald aber in einer Sprachgemeinschaft in einem gewissen
Zeitpunkte starke Bevorzugung einer Kategorie von Assoziations-
tendenzen vorliegt, so ist eine Bedingung dafür gegeben, daß
eine entsprechende Analogiebildung ausgelöst wird. Warum aber
überhaupt gewisse formale Oruppen-Assoziationen auftreten und
unter welchen Umständen eine bestimmte Kategorie von Asso-
ziationen (z. B. 1. P. Sing. — 2. P. Sing.) einer Bevorzugung teil-
haftig wird, ist ein Problem für sich. Wir werden sowohl mit
der Summation einzelner Wirkungen wie mit einer *Totalkraff
im Sinne Wundts zu rechnen haben, die durch Summation von
Einzelvorgängen zustande konmit Denn wenn Wundt (S. 18)
meint, ich leugnete überhaupt die Wirkung einer Totalkraft, so
bin ich darin von ihm mißverstanden worden : ich ging zunächst
eben nur darauf aus, den durch psychologische Beobachtung
direkt gegebenen Zustand zu untersuchen. Ich möchte aber diese
Totalkraft lieber Perseveration nennen ; Perseveration ist gewisser-
maßen das Beharrungsgesetz der Psyche. Wenn also z. B. irgend-
eine Assoziation wie leicht — schtver oder ich gebe — du gibst
sich eingestellt hat, so wird sie sich dann wieder einstellen, wenn
das gleiche Wort oder die gleiche Form als Reizwort in nicht
zu weitabstehender Zeit wieder und wieder geboten wird; je
öfter aber die Assoziationen aufgetreten sind, umso stärker ist
die Perseveration : d. h. wenn sie in n Fällen eingetreten ist, wird
sie in n+1, w + 2 usw. Fällen umso wahrscheinlicher eintreten,
je größer n wird. Gewiß sind auch diese Vorgänge der Asso-
ziation — ob wir sie Totalkraft oder Perseveration nennen —
exakter Untersuchung zugänglich ; daß die Psychologie in solchen
Dingen vorangehen muß, indem sie den Mechanismus der
Assoziationen nach allen Seiten untersucht, habe ich schon
a. a. O. S. 83 betont, indem ich auf das Problem hinwies, wie
weit die Stärke des Gedächtnisses die sprachliche Wirkung einer
Assoziation zu verhindern vermöge^). Den geringsten Widerstand
gegen formale Analogiebildungen bietet jedenfalls das Kindes-
1) Ein ganz gutes Beispiel für das Wirken einer Totalkraft sind
die Versuche F. Schmidts Ztschr. f. Psychol. XXVIII, 90 ff. : sie zeigen,
wie stark die Neigung ist, auf Adjektiva mit solchen entgegengesetzter
Bedeutung zu reagieren; diese Tendenz rief sogar Reaktionen wie unvoU,
unewig hervor.
4& A. Thumb,
alter, wo die zuströmenden Worte und Formen au^enommen
werden; hier beginnt die Bildung von Assoziationen. Indem
schrittweise Form um Form dargeboten wird, vermehrt das Kind
seinen Formenbestand, wobei es nach dem vorhandenen Formen-
vorrat ich komme — du kommst^ ich gehe — du gehst neue Formen
(ich gebe — du gebä) bildet i), ohne durch die Gegenwirkung ge-
dächtnismäßig eingeprägter Formen gehindert zu sein. Aber ich
kann mir die Entstehung einzelner wie Gruppenassoziationen
nicht anders denken als so, daß durch allmähliche Summation
der dargebotenen sprachlichen Eindrücke immer festere Asso-
ziationen gestiftet werden«).
Aber wenn auch zahlreiche — und wie es scheint gerade
die rein formalen — Assoziationen schon im Kindesalter gestiftet
und sprachlich wirksam werden, so fragt es sich doch, ob die
Weiterentwicklung der Sprache selbst geradezu dem Kindesalter,
d. h. dem Zeitpunkt der Übertragung der Sprache auf die jüngere
aufwachsende Generation zugeschrieben werden soll. Es ist eine
ziemlich weit verbreitete, auch von mir früher^) gebilligte An-
schauung, daß sich der Wandel der Sprache, so vor allem der Laut-
wandel, in dieser Weise vollzieht. Gerade für die Analogiebildungen
liegt die gleiche Annahme nahe ; **backte für buk usw. ist nicht
unter Sprachfesten, sondera unter Sprachlemern, unter Kindern
entstanden" meint Schuchardt (Sp. 398), und Herzog (S. 128)
drückt denselben Gedanken noch viel stärker aus "daß die Ana-
logiebildung überhaupt nur von den sprachlernenden Individuen
ausgeht". Ich bin überhaupt nicht geneigt, die Wandlungen
der Sprache vorwiegend auf das Konto der sprachlernenden Gene-
ration zu setzen, glaube vielmehr, daß hier der Schein trügt
Das Problem des Lautwandels will ich gar nicht anschneiden;
aber die Beobachtung, daß das Kind zahlreiche Analogiebildungen
1) Vgl. dazu auch Meumann Die Sprache des Kindes (Zürich 1903) S. 72.
2) Ich bemerke das mit Rücksicht auf Wundts Einwendungen S. 18.
Daß in Analogiebildungen, wo man von Proportionen oder Gruppenbildung
redet, psychologisch nichts anderes vorliege als bei den sog. Kontami-
nationen, das scheint auch die Auffassung Schuchardts zu sein (Sp. 398
oben). Auch Herzog, der den Unterschied von Kontamination und Ana-
logiebildung (Proportionsbildungen) betont (S. 125. 127), gibt selbst Zwischen-
stufen zu (S. 129). Wenn z. B. aus tag nach täges ein tag entsteht, so
ist das ebenso eine Verschmelzung von Bestandteilen zweier Formen wie
gravis X levis = grevis.
3) a. a. 0. S. 11.
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 43
Tollzieht (ick rufte^ ich kwnmte\ beweist noch nicht, daß die
Analogiebildungen der Erwachsenen auf diejenigen der Kindheit
zurückgeben. Man wird sich fragen müssen, ob denn die Asso-
ziationstätigkeit der Kinder durchweg so beschaffen ist, daß sie
das Eintreten von Analogiebildungen begünstigt Für die Flexions-
formen scheint das der Fall zu sein. Da aber das Kind gerade
die darauf beruhenden Analogiebildungen wieder aufgibt, so muß
doch für die Entwicklung der Sprache der 8atz gelten, daß nur
solche Assoziationstendenzen, welche auch beim Erwachsenen
Torhanden sind, die Sprache der Erwachsenen beeinflussen und
eine dauernde Wirkung haben. Die Bedingung ist vorhanden:
beim Kind und beim Erwachsenen haben wir übereinstimmend
wesensgleiche formale Assoziationen festgestellt Aber für die
Kategorie der stofflichen Assoziationen und Analogiebildungen
liegen die Verhältnisse verschieden. Wie schon Ziehen^) an
Kindern zwischen 8 und 14 Jahren beobachtet hat, sind Verbal-,
d. h. reine Wortassoziationen überhaupt selten'); am häufigsten
sind Wortergänzungen [Post-karte) ; geläufige Wortverbindungen,
und Beimassoziationen sind sehr viel seltener als bei Erwach-
senen'): wir sehen also schon hieraus, daß bei Kindern die
Bedingungen viel seltener erfüllt sind, die wir für das Zustande^
kouMnen von Analogiebildungen voraussetzen müssen: Geläufig-
keit, Schnelligkeit und Spontaneität der Assoziationen^). Die
Versuche Watts ^) gestatten es, die Assoziationen Erwachsener
und Kinder hinsichtlich unseres Materials*) unmittelbar mit
einander zu vergleichen, da unter den 8 Versuchspersonen 5
Schulkinder (vom 2. — 5. Schuljahre) waren. Tabelle XVill gibt
in der 2. Kolumne (G) an, in wie vielen Fällen die einzelnen
Versuchspersonen an der geläufigsten Assoziation Anteil hatten,
1) Ideenassoziation des Kindes. I und II Berlin 1898. 1900. (Samm-
long von Abhandl. aus dem Gebiet der pädagog. Psychol. u. Physiol. Bd. I
Nr. 6 and in Nr. 4i). Aus dieser Arbeit ergibt sich die starke Verschie-
denheit der kindlichen und reifen Assoziationstätigkeit.
2) Ziehen fand kaum 2 ®/o Verbalassoziationen, nur bei einem Schüler
24^0, vgl. besonders 1, 26 fit. Übrigens bemerke ich, daß Ziehens Begriff der
Yerbalassoziation sich nicht völlig mit meinem Assoziationstypus Ra deckt.
3) Ziehen a. a. 0. I, 29.
4) Das Auftreten 'geläufiger' und 'spontaner' Assoziationen ist von
Ziehen nicht untersucht worden.
6) Ztschr. f. Psychol. 36, 417 ff.
6) 10 Verwandtschaftsnamen, 10 Adjektiva, 10 Pronomina, 10 Ad-
verbia der Zeit, 10 Adverbia des Ortes, 10 Zahlwörter.
u
A. Thumb,
in der 3. Kolumne (K), wie oft Wörter aus der gleichen Kate-
gorie assoziiert wurden ; die 4. Kolumne (z) enthält die durch-
schnittliche AssoziatioDSzeit der geläufigsten Assoziationen, die
5. Kolumne (Z) die durchschnittliche Assoziationszeit der Gesamt-
zahl der Vei*suche.
Tabelle XVEI.
Versuchspersonen
G
K
z
Z
Reinhard . . .
Scheunert . . .
Dürr
63
34
60
53
60
0,99
0,82
0,88
1,06
0,86
0,73
1
Durchschnitt in «/o
und Zeitmittel
74 >
96 »/o
0,96
0,88
1
Bader ....
üelein ....
K. Baden . . .
H. Baden . . .
Bauer ....
42
42
2
1
67
62
6
3
1,71
1,65
2,94
2,66
1,49
1,91
6,27
7,23
2,21
Durchschnitt in ®/o
und Zeitmittel
29 «/o
390/0
2,72
3,62
Die Kolumne G lehrt, daß die Erwaclisonen an den ge-
läufigen Assoziationen sehr viel stärker (74®/o) beteiligt sind als
die Kinder (29 0/0); aus Kolumne K sehen wir femer, daß die
Erwachsenen viel stärker als die Kinder geneigt sind, mit Wörtern
der gleichen Kategorien zu reagieren (96®/o gegenüber 39®/o),
und die beiden letzten Kolumnen (z und Z) zeigen endlich, daß
sowohl die geläufigen wie die vereinzelten Assoziationen beim
Kind durchschnittlich viel langsamer als beim Erwachsenen er-
folgen.
Wenn ich auch diese Tabelle nur für etwas Vorläufiges
halte — weitere Versuche mit jeweils mehreren Kindern gleicher
Altersstufe müssen noch angestellt werden — so läßt sie doch
erkennen, daß bei Kindern nicht in dem Maße wie bei Er-
wachsenen die Bedingungen ei-füllt sind, welche wir für das
Zustandekommen von Analogiebildungen voraussetzen : die kind-
lichen Assoziationen gehen stärker auseinander, d. h. der Anteil
an geläufigen Assoziationen ist geringer, die Zeitdauer durchweg
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 45
großer^); zwar geben uns diese Versuche (ebensowenig wie die
Ziehens) keine direkte Auskunft über die Verteilung von spon-
tanen und vermittelten Assoziationen, können aber in Verbindung
mit dem, was wir oben festgestellt haben, in folgendem Sinn
interpretiert werden: die drei Erwachsenen gehören offenbar
zum Typus Ka (s. oben S. 18.24); von den 5 Kindern gehören 2
zum Typus R a, 3 ziun Typus R c'). Daß es sich auch in sprach-
wissenschaftlicher Beziehung verlohnt, die Versuche fortzuführen,
leuchtet ein: wenn wir ein exaktes Mittel haben, die Frage zu
lösen, ob und wie weit die Sprache des Kindes geeignet ist, die
Entwicklung der Sprache überhaupt zu bestimmen oder zu be-
einflussen, so ist es Sache der allgemeinen Sprachwissenschaft,
solchen exakten Untersuchungen sich zu widmen; es kommt
dabei mehr heraus, als wenn man sich in allgemeinen theo-
retischen Erörterungen ergeht
Die Ergebnisse der Kinderversuche sind psychologisch leicht
zu verstehen: die Wortassoziationen werden erst allmählich ge-
stiftet, sie erlangen erst mit zunehmender Herrschaft über die
Sprache, d. h. mit zunehmendem Alter diejenige Festigkeit, die
sie einer induzierenden Wirkung fähig machen *). Wie es aber
kommt, daß in Verbindung damit die menschlichen Individuen
hinsichüich ihrer reinen Wortassoziationen sich nivellieren, das
ist eine Frage, deren Beantwortung den Psychologen in erster
Linie zusteht Gelegentiich sind diese Ursachen leicht zu erkennen:
1) Die größere Zeitdauer ist schon von Ziehen (II) festgestellt
worden, wird also durch die Wattschen Versuche bestätigt. Ziehen stellte
femer fest (II 50 ff.), daß "die Assoziationsgeschwindigkeit Jahr für Jahr
nicht unwesentlich wächst".
2) Man wird sich daher nicht wundern, wenn Herzog bei seinen
oben erwähnten Versuchen (mit 3 Kindern und einer Frau) Resultate
erlangte, die von unsem Versuchen verschieden waren : Herzogs Versuchs-
personen gehören dem Typus Rc an. Wer die von Ziehen (I) mitgeteilten
Versuchsergebnisse durchmustert, ersieht daraus, daß der Typus Rc beim
Kinde eine sehr große Rolle spielt.
3) Vgl. dazu auch die Bemerkungen Ziehens ü, 59. Instruktiv sind
die daselbst S. 61 ff. mitgeteilten Versuchsreihen, welche zeigen, wie bei
2 Knaben sich die Ässoziationszeit in einem Zeitraum von -4 (bezw. 3)
Jahren änderte (beschleunigte) ; vgl. z. B.
18% 1900
weiß schwarz 1,97 Sek. schwarz 1,13 Sek.
grün blau 2,40 gelb 1,50
blau rot 1,57 gelb 1,06.
46 Ä. Thumb,
SO unterliegt es z. B. keinem Zweifel, daß die Reproduktion der
Zahlwörter durch das von Kindheit an geübte Zählen bedingt
ist Weiter ist der Einfluß der gleichartigen Schulbildung nicht
zu unterschätzen; wenn die Orthographie auf die Aussprache
einwirkt, warum soll nicht auch das Deklinieren und Konjugieren
in der Schule Analogiebildungen verursachen können? Reim-
bildungen (bezw. lautliche Anklänge) sind endlich psychologisch
gut zu verstehen, wenn man sieht, daß die allerschnellsten Asso-
ziationen in dieser Richtung erfolgen : Reimbildungen zeigen außer-
dem, wie die lautliche Beschaffenheit einer bestimmten Sprache
spezifische Assoziationen hervorrufen muß. Die besondere Kon-
stellation, welche Klangassoziationen sprachlich wirksam macht, ist
noch besonders zu untersuchen (s. oben S. 11 Fußn. *) und S. 29).
Ich hoffe durch meine Ausführungen gezeigt zu haben, daß
die experimentelle Psychologie in Verbindung mit der Sprach-
wissenschaft die Mechanik sprachlicher Vorgänge in wichtigen
Punkten aufzuklären vermag. Die Fragestellung ist gegeben ; die
Beantwortung der Fragen kann aber nur schrittweise stattfinden.
Doch kann man auch über das hinaus, was ich im Vorhergehenden
festgestellt habe, schon ahnen, in welcher Weise einzelne Fragen
einmal exakte Beantwortung finden werden. Man hat z. B. ein-
geworfen: frz. rendre ist zwar aus reddere nach Analogie von
prendre (prendere) umgestaltet worden ; warum aber nicht prendre
nach rendre, da doch die Assoziationen geben ^ nehmen gemäß
unsem Versuchen wechselseitig sind ? Hierin steckt gewiß ein
besonderes Problem. Unsere früheren Versuche zeigten allerdings,
daß jedes der beiden Worte mit dem anderen assoziativ verbunden
ist; aber darum müssen die beiden Assoziationen gebefi -> nehmen
und nehmen -^ geben psychologisch noch nicht völlig gleich sein:
denn auch der Assoziationstypus ist zu berücksichtigen. Wenn
wir z. B. nach unserer 3. oder 4. Formel (s. oben S. 30) die
Festigkeit der beiden Assoziationen berechnen, so ergibt sich, daß
bei unsern Versuchspersonen die Assoziation geben -> nehmen
fester ist als die Assoziation nehmen —^^ geben, d. h. daß geben
leichter nehmen hen'^orruft als umgekehrt. Unsere Versuchsper-
sonen würden also (wie das Französische) dazu disponiert sein,
das Verbum geben nach nehmen umzugestalten. Um Mißverständ-
nissen vorzubeugen, betone ich aber, daß ich dieses Zusammen-
treffen unserer Versuchspersonen mit dem Französischen vor-
läufig als einen Zufall betrachte ; denn einmal darf man nicht außer
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 47
Acht lassen, daß Versuche an Deutschen in solchen Einzelheiten
nicht ohne weiteres auf das Französische angewendet werden
können; ferner ist unsere Formel aus einer zu geringen Anzahl
von Fällen berechnet, um Anspruch darauf machen zu können, daß
sie die tatsächliche *Ajssoziationslage' der deutschen Sprache oder
eines bestinmiten Dialektes wiedergebe. Doch mag man aus diesem
Beispiel sehen, wie künftigeForschung, besonders Dialektforschung,
vorzugehen hat, um das Walten der Analogie in seiner psychischen
Bedingtheit zu erkennen.
In diesem Zusammenhang sei auf einige feine Beobachtungen
Risops *) hingewiesen, die sich mit der zuletzt aufgeworfenen Frage
berühren. Er nimmt an, daß bei völlig gleichwertigen (reziproken)
Assoziationen ''die Angleichung eine wechselseitige sein kann",
betont aber, daß die Gleichartigkeit der Assoziationen oft nur
scheinbar ist, da die betreffenden Begriffe "im Verhältnis logisch
wirklich nachweisbarer oder nur psychisch empfundener Unter-
ordnung zu einander stehen*'*). So ist z. B. im Französischen das
Verbum sequere durch fugere beeinflußt, aber nicht umgekehrt.
"Nun sieht man ohne sonderliche Mühe ein, daß die Vorstellung
seqtiere ohne die Vorstellung fugere überhaupt nicht gedacht
werden kann ; fugere ist vielmehr eine Art Komplement zu sequere^
ohne daß der durch letzteres versinnlichte Vorgang . . . um ein
wesentliches Merkmal verkürzt erscheinen müßte, während der
Inhalt von fugere sehr wohl vorgestellt werden kann, ohne daß
der von sequere sich zugleich ins Bewußtsein drängt Das heißt
psychologisch gesprochen: durch . . sequere wird . . fugere mit
2:wingender Notwendigkeit assoziiert, während die durch . . fu^gere
etwa hervorgerufenen Assoziationen nicht unbedingt in der Rich-
tung der Vorstellung sequere zu verlaufen haben. Und so ist es
denn gewiß nicht nur Zufall, wenn das von Thunib und Marbe
sieben*) Versuchspersonen zugerufene Wort fliehen bei keinem
einzigen von ihnen die Assoziation von folgen, verfolgen ergeben
hat. Das umgekehrte Experiment ist leider nicht gemacht worden,
doch bin ich sicher, daß im gegebenen Falle unter den durch
die Vorstellung folgen^ verfolgen bewirkten Assoziationen die von
1) Begriffsverwandtschaft und Sprachentwicklung S. 8 ff.
2) Daß der übergeordnete Begriff schneller als der untergeordnete
reproduziert wird, ist bekannt; vgl. besonders Catlell Philos. Stud. IV,
241 ff. und zuletzt Watt Theorie des Denkens S. 26, 95 ff. (101 ff.).
3) Vielmehr "acht".
48 A. Thnmb,
ßiehen nicht die letzte Stelle einnehraen würda Die hier ge-
machte Erfahrung läßt sich vielleicht zu dem Satze verall-
gemeinern, daß immer da, wo eine Vorstellung a die Vorstufe
zu einer Vorstellung b darstellt, ... 6 durch a assoziiert wird
und damit Einfluß auf die sprachliche Gestaltung des letzteren
gewinnt, sofern ... die Lautverhältnisse nur irgend günstig
liegen." Hier berührt ßisop ein Problem, das der experimen-
tellen Untersuchung durchaus zugänglich ist; daß wir noch in
vielen Dingen im Dunkeln tappen, darf uns nicht abhalten, mit
Hilfe der exakten Methoden, die uns die Psychologie bietet, dem
Wirken psychischer Gesetze im Sprachleben nachzuspüren. Denn
wenn irgendwo im Gebiet der Geisteswissenschaften, so können
wir in der allgemeinen Sprachwissenschaft den Gedanken verwirk-
lichen, der Wundts Völkerpsychologie beherrscht: die Erkenntnis
der kausalen Bedingtheit auch der "verwickelten Erscheinungen
der Völkerpsychologie" ; sie hat zur Voraussetzung, "daß man . . .
zuerst durch die exakte Analyse der elementaren Bewußtseins-
vorgänge, wie sie die Methoden der experimentellen Psychologie
vermitteln, den Blick geschärft und die Fähigkeit psychologisch
zu denken geübt haben muß"^).
Wenn die experimentellen Wissenschaften irgendeinen Vor-
gang mit Hilfe des Experiments analysiert haben, so betrachten
sie es als ihre weitere Aufgabe, durch Synthese, d. h. durch
künstliche Kombinationen der festgestellten Bedingungen, den
Vorgang nachzubilden und damit gewissennaßen die Probe aufs
Exempel zu machen. Das ist natürlich im Gebiet der historischen
Wissenschaften so gut wie ausgeschlossen ; es ist aber nicht ganz
ausgeschlossen in den Fragen, die uns im Vorstehenden be-
schäftigt haben. Mit anderen Worten : ist es vielleicht möglich,
künstlich bei Verauchspersonen Analogiebildungen (Kontamina-
tionen) hervorzurufen ? Ich muß es mir v^orläufig versagen, hier
die Versuchsanordnung zu beschreiben, die, wie ich glaube, zum
Ziel führen würde. Gelegentliche Versuchsergebnisse dieser Art
liegen schon vor: so hat z. B. Watt*) "Interferenzwirkungen
zweier Eeproduktionstendenzen" erhalten, wenn er die Aufgabe
stellte, zu einem Ganzen einen Teil zu finden : zwei Worte, die
der Aufgabe entsprachen, drängten sich gleichzeitig ins Bewußt-
1) Vorrede zu Bd. U, 1 (S. VI).
2) Experimentelle Beiträge zu einer Theorie des Donkens. Arch. f.
d. ges. Psychol. IV 289 ff. (im besonderen S. 332).
Psychologische Stadien über die sprachlichen Analogiebildungen. 49
sein und ergaben als Antwort eine regelrechte Kontamination
in folgenden Fällen:
Zimmer: Tuxik = Stuhl x Tisch.
Haus: Stür= Türe x SiuU.
Kloster: Nönch = Nonne x Mönch.
Flinte: Schahn = Schuß x Hahn.
Ganz ähnliche Beobachtungen haben N. Ach und ich auch
bei den Versuchen gemacht, die wir zum Studium der Klang-
assoziationen im S. S. 1906 unternahmen. Wenn es gelingen wird,
Analogiebildungen experimentell zu erzeugen — natürlich an
einem sprachlich völlig neutralen Material, d. h. an künstlichen
Lautgebilden — , so werden wir imstande sein, die bis jetzt er-
kannten Bedingungen des Vorganges in ihrem Wirken qualitativ
und quantitativ >) zu studieren und weiteren Faktoren der Ana-
logiebildung auf die Spur zu kommen. Mag auch mancher das
für Zukunftsmusik halten oder gar ungläubig darüber den Kopf
schütteln, — die Überzeugung steht bei mir fest, daß ein Weiter-
arbeiten in der von mir eingeschlagenen Richtung nicht nutzlos
sein wird. Man muß freilich Tositivist* sein, d. h. die wissen-
schaftliche Lösung allgemeiner Probleme der Geisteswissenschaften
in dem Sinn anstreben, wie dies W. Wundt nicht nur für die
Psychologie, sondern von da aus für die Sprachwissenschaft, die
Kunstgeschichte, die Mythologie in seiner "Völkerpsychologie"
angebahnt hat
Exkurs.
[Zu S. 13.]
Daß bei allen Assoziations versuchen die Konstellation des
Experiments derjenigen des natürlichen Vorstellungsablaufs nur
ähnlich, nicht gleich ist, hat die Psychologen nicht gehindert, die
Assoziationsvorgänge auf experimentellem Wege zu erforschen
und die gewonnenen Ergebnisse für die Erkenntnis des natür-
lichen Assoziationsverlaufs zu verwerten.
In jüngster Zeit hat Max Levy*) betont, daß der übliche
Assoziationsversuch von dem normalen Vorstellungsverlauf mehr
abweiche als man gewöhnlich annimmt (a. a. 0. 1351); der natür-
liche Ablauf finde unter einer Konstellation statt, die im Ex-
1) Vgl. die S.29f. aufgestellten Formeln.
2) Stadien über die experimentelle Beeinflussung des Vorstellungs-
verlaufs. Ztschr. f. Psychol. 42 (1906) 128 ff.
lodo^rmuiiiGhe Vonchnogen XXII. 4e
50 A. Thumb,
periraent nicht gegeben sei. Interessant auch für unser Problem
sind die S. 157 mitgeteilten Versuche, welche den Einfluß einer
bestimmten Konstellation auf die Assoziationstätigkeit nachweisen.
Den Versuchspereonen wurden zunächst die Keiz werte in der
üblichen Weise geboten; nach einem Zwischenraum von 1 — 3
Tagen wurden dieselben Wörter nochmals geboten, jedoch wurde
vor Beginn einer Wortgruppe die Aufmerksamkeit auf einen be-
stimmten Gegenstand gelenkt Ein Einfluß auf die Assoziation
wurde zwar konstatiert — aber ich hebe im Gegensatz zu Levy
hervor, daß dennoch die *Normalassoziation' *) nur imter ganz be-
stinMnten Umständen beeinflußt wurde: unter 15 Wörtern, die
sich auf 3 Versuchspersonen verteilen, kehrt 9 mal die gleiche
Assoziation wieder (z. B. bemerke xc<ischen — Wäsche^ Gold —
Söfcr, heute — morgen^ Bier — Schnaps !) ; nur in 4 Fällen wird
die Reaktion beeinflußt: das Vorzeigen eines kleinen Kammes
bewirkte bei Versuchsperson I die Antwort Haar — kämmen (vor-
her Kopf)^ ein Z wimfaden bei 11 Knopf — annähen (vorher Kafik)^
eine Stricknadel bei ÜI (einer Frau) Schuh — Strumpf (vorher
Stiefel) und Wolle — Strumpf (vorher Schaf), Wir sehen also,
daß der 'normale' Assoziationsverlauf nur gestört wurde, wenn
das Reizwort mit dem die Aufmerksamkeit ablenkenden Gegen-
stand in einem inhaltlichen Zusammenhang stand. Beim natür-
lichen Sprechen ist selbstverständlich der Ablauf der Vorstellungen
durch den Gesprächstoff bedingt, d. h. der Sprechende ist von
der Assoziationstätigkeit selbst abgelenkt. Wenn wir in zusammen-
hängender Rede z. B. sagen *mein Vater ist tot; er starb infolge
eines Schlaganfalles' oder 'dieser Gegenstand ist schwer; ich kann
ihn nicht aufheben', so werden sich selbstverständlich die Asso-
ziationen Vater — Mutter oder schwer — leicht nicht jedesmal
einstellen; aber sie können sich jedesmal einstellen, wie die
Versuche Levys zeigen, und während die anderen Assoziationen
durch die Einzelkonstellation bedingt sind, ist die geläufigste
(Wort-)Assoziation diejenige, welche von den einzelnen durch
Denken und Sprechen gegebenen Konstellationen unabhängig ist:
die geläufigste Assoziation ist nicht durch unser Wollen determi-
niert, d. h. sie ist latent immer vorhanden und tritt ungewollt
auf. Durch welche Umstände (oder Bewußtseinskonstellation) das
Auftreten spontaner Assoziationen begünstigt wird, das zeigen
1) Wir könnten in den meisten Fällen auch sagen 'die reine Wort-
assoziation*.
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 51
die interessanten Versuche von Jung und Ricklin^), die mit 38
Yersuchspersonen im Ganzen 12400 Assoziationen lieferten. Leider
beruht die Einteilung der Assoziationen auf begrifflichen statt
rein psychologischen Merkmalen, und das Verhältnis zwischen
den verschiedenen Assoziationstypen (s. oben), sowie das Verhalten
hinsichtlich des Auftretens der geläufigen Assoziationen ist nicht
untersucht worden, da von den Verfassern zu den betreffenden
Arbeiten Marbes und seiner Schüler keine Stellung genommen
wird. Man erhält weder über die Gesamtheit der Versuchsworte
noch über die der Reaktionen Auskunft Immerhin sieht man
soviel, daß das, was ich *reine Wortassoziation' (R a) nenne, unter
den Rubriken ^sprachlich motorische Formen' {dunkd—hell^ Krieg
und Frieden^ finden — fand)^ •Wortergänzungen' {Tisch — hein\
•Klang und Reim' untergebracht ist; die sprachliche Form ist
hinsichtlich der grammatischen Kategorie, der Endung, der Silben-
zahl, Alliterati«! und 'Konsonanz' (d. i. Übereinstimmung des Vokals
der ersten Silbe in Reiz- und Reaktionswort) berücksichtigt
Von sprachlichem Interesse ist zunächst die Feststellung
des Verhaltens Gebildeter und Ungebildeter beim üblichen nor-
malen Assoziationsversuch*). Tabelle XV') zeigt, bei welchen
Assoziationen die Gebildeten stärker beteiligt sind als die Un-
gebildeten :
Tabelle XIX.
(Die Zahlen bedeuten Prozente.)
Sprachl. motor. Formen
Wortergänzung ....
Klang
Reim
Gebildete
36,8
1,3
1,5
0,6
Ungebildete
26,1
0,1
0,3
0,1
Die Gebildeten sind hiemach durchweg mehr als die Un-
gebildeten zu Wortassoziationen disponiert. Femer sind Klang
1) Diagnostische Assoziationsstudien. I. Experimentelle Unter-
SQchungen über Assoziationen Gesunder. Journ. f. Psychol. u. Neurol. III
<19(H) oöff. l^ff. 193 ff. 283 ff. IV 24 ff.
2) Eine charakteristische Verschiedenheit zwischen Männern und
Frauen ergab sich nicht, vgl. IV 48 f.
3) Ich entnehme aus den Tabellen der Verff. jeweils nur die Stücke,
die meinen Zwecken dienen. Meine Beurteilung weicht zum Teil er-
heblich von derjenigen Jungs und Ricklins ab.
4*
52 A. Thumb,
und Reim auch hier wieder so vereinzelt, daß wir ihnen im Leben
der Sprache keine große Bedeutung beimessen dürfen. Beide spielen
in der Analogiebildung eine geringe Bolle, ebenso wie die Wort-
ergänzungen. Überraschend ist mir das beträchtliche Überwiegen
der 'sprachlich motorischen Formen' bei Gebildeten ; man müßte
die Reaktionen selbst kennen, um dieses Ergebnis hinsichtlich
der Frage beurteilen zu können, ob wirklich die Gebildeten an
sprachlich wirksamen Assoziationen stärker beteiligt sind; die
höhere Zahl scheint mir vorerst auf eine größere Beherrschung
der Sprache hinzuweisen. Diese sprachliche Differenzierung der
Gebildeten und Ungebildeten erscheint umso merkwürdiger, wenn
wir die Fälle ansehen, wo die Ungebildeten stärker beteiligt sind:
Tabelle XX.
(Die Zahlen bedeuten Prozente.)
Gleiche grammat. Kategorie
Gleiche Endung
Gleiche Silbenzahl ....
Alliteration
Konsonanz
Gebildete
51,5
9,5
38,2
8,7
10,2
Ungebildete
59,2
13,8
42,5
9,3
12,3
Hieraus ergibt sich deutlich, daß Ungebildete eine stärkere
Neigung haben, Assoziationen von ähnlicher sprachlicher Form
oder gleicher Kategorie hervorzubringen. Da nun die sprachlich
wirksamen Assoziationstendenzen, welche die grammatische Form
beeinflussen, in der gleichen Richtung zu suchen sind, so darf
man aus der Tabelle den Schluß ziehen, daß Ungebildete mehr
als Gebildete zu formalen Analogiebildungen disponiert sind. Die
Ungebildeten scheinen also hinsichtlich ihrer Assoziationen den
Kindern näher zu stehen.
Noch wichtiger scheinen mir für das psychologische Ver-
ständnis der Analogiebildungen die Assoziationsversuche mit Ab-
lenkung der Aufmerksamkeit ^) : eine *äußere' Ablenkung wurde
dadurch erreicht, daß die Versuchsperson gleichzeitig mit Me-
tronomschlägen (60, später 100 in jeder Minute) Bleistiftstriche
von etwa 1 cm Länge zu machen' hatte. Die 'innere* Ablenkung
(die jedoch nur mit den Gebildeten versucht wurde) wurde da-
1) a.a.O. m58f.
Psychologische Studien über die sprachlichen Analogiebildungen. 53
durch erzielt, daß der Yersuchsperson aufgegeben wurde, **ihre
Aufmerksamkeit möglichst konzentriert" ... der "Summe der-
jenigen psychologischen Phänomene'* zuzuwenden, **welche un-
mittelbar durch die Perzeption des akustischen Reizes hervor-
gerufen werden". Das Ergebnis war: "Die hochwertigen inneren
Assoziationen treten in der Ablenkung zurück gegenüber den zu-
nehmenden äußeren Assoziationen und Elangreaktionen" (IV 45).
Mit andern Worten, d. h. im Sinne meiner Ausführungen, heißt
das: die mechanischen, meist rein sprachlichen Reaktionen nehmen
bei Ablenkung der Aufmerksamkeit zu. Man vergleiche die beiden
folgenden Tabellen:
Tabelle XXI.
A. Ungebildete.
Männer
Frauen
normal
äußere
Ablenkung
normal
äußere
Ablenkung
Sprachl. molor. Formen .
Wortergänzungen . . .
Klang
Reim
Gleiche gramm. Kategorie
Gleiche Silbenzahl . . .
Gleiche Endung ....
AUiteration
'Konsonanz*
24,0
0,6
59,5
39,0
16,3
9,2
12,5
28,8
1,1
0,95
66,1 •
46,95
16,25
10,2
21,1
28,3
0,3
0,7
0,3
58,9
46,0
11,3
8,4
12,2
28,8
0,35
1,85
1,2
62,35
46,1
13,85
11,1
17,1
Tabelle XXH.
B. Gebildete.
Männer
Sprachl. mot. Formen
Wortergänzung . .
Klang
Reim
Gleiche gramm. Kat.
Gleiche Silbenzahl .
Gleiche Endung. .
normal
34,2
1,1
1,9
0,6
49,1
35,0
8,5
Ablenkung
innere äußere
38,6
4,3
15,8
0,6
50,5
44,6
8,3
39,0
1,9
6,9
1,1
55,5
43,7
10,6
Frauen
normal
39,5
1,5
1,1
0,7
53,9
41,5
10,5
Ablenkung
innere äußere
30,5
4,5
5,1
2,0
59,0
45,5
11,8
32,35
2,6
6,0
1,1
53,5
45,6
12,35
M A. Thumb, Psycholog. Studien über die sprachl. AnalogiebildULgen.
Diese Versuche sind deshalb so interessant, weil sie zeigen^
durch weicheUmstände*äußere* Assoziationen begünstigt werden,
d. h. diejenigen Assoziationen, welche beim Problem der Ana-
logiebildungen in betracht kommen. Eine direkte Verwertung der
Versuche ist nicht möglich, weil die Verfasser folgende Punkte
nicht behandeln: 1) wie wird das Auftreten des Assoziation»-
typus Ra durch die Ablenkung beeinflußt? 2) wie wirkt die
Ablenkung auf das Auftreten 'geläufiger' Assoziationen? Es ist
zu vermuten, daß unter dem Einfluß der Ablenkung die geläufigen
Assoziationen (leicht — schtver) und damit zugleich die 'spontanen*
Reaktionen (R a) häufiger werden. Für künftige Versuche besäßen
wir also ein Mittel, die 'Konstellation' in dem Sinne herzustellen,
daß die sprachlich wirksamen Assoziationen noch häufiger auf-
treten und so eine noch größere Übereinstimmung der verschie-
denen Individuen zustande kommt Wir nähern uns eben noch ge-
nauer derjenigen Konstellation, welche beim natürlichen Sprechen
besteht und bei der Entstehung von Analogiebildungen (bezw.
beim Versprechen) wirksam ist: unsere Aufmerksamkeit ist beim
Sprechen natürlich auf den Inhalt des Gespräches gerichtet, d. h.
hinsichtiich der Wortassoziationen äußerlich oder innerlich ab-
gelenkt Um so leichter werden sich also die geläufigen Wort^
assoziationen ungewollt einstellen und den Sprechprozeß beein-
flussen können. Letzteres tritt nicht immer ein : wir versprechen
uns ja nur gelegentiich. Aber da bei gewissen Worten immer
wieder die gleichen (nämlich die geläufigen und spontanen) Re-
aktionen auftreten können, so ist von vornherein nur für diese
die Voraussetzung gegeben, daß sie einmal dauernd das induzie-
rende Wort beeinflussen, während die mannigfachen sonstigen
Assoziationen teils gar nicht, teils nur vorübergehend die Inner-
vation von Worten und Formen stören *). Denn es ist klar, daß
alle durch Worte hervorgerufenen Assoziationen, die nicht sprach-
lich motorischer Art sind, also visuelle Vorstellungen, nicht-
sprachliche Schallvorstellungen, gefühls- und willensbetonte Be-
wußtseinsvorgänge, überhaupt keine Wirkung auf die sprachliche
1) Man beachte die beiden folgenden Assoziationsgesetze: 1. **Je
stärker eine Assoziation ist, um so mehr wird sie durch eine Neuwieder-
holung verstärkt'*. 2. **Eine Neuwiederholung wirkt auf diejenige Asso-
ziation am stärksten ein, die zu einer beliebigen Zeit vorher am stärksten
eingeprägt worden war". Vgl. H. Lipmann Ztschr. f. Psychol. 35 (1904?)
221 und 225.
H. Hirt, Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 56
Artikulation haben können, auch wenn sie weiterhin eine Wort-
assoziation (Rc) hervorrufen. Andererseits können wohl gele-
gentliche reine Wortassoziationen (Ra) Formen des Versprechens
erzeugen ; sie sind jedoch schon für das sprechende Individuum
vorübergehend und sind vollends für die übrigen Individuen
einer Sprachgemeinschaft ohne Wirkung, da ihnen das Merkmal
der 'Geläufigkeif fehlt; nur wenn gleiche Assoziationen *mit-
klingen', also bei 'geläufigen* Assoziationen, wird eine individuelle
Analogiebildung (Form des Versprechens) infolge jenes Mitklingens
Aussicht haben, Eigentum einer Sprachgemeinschaft zu werden.
Wie sich der Übergang von der individuellen und okkasionellen
zur usuellen Analogiebildung vollzieht, darüber wage ich vor-
läufig noch keine Vermutung: es ist ebensogut möglich, daß der
Vorgang bei einem Einzelindividuum beginnt und sukzessive sich
ausdehnt, wie daß spontan eine Mehrheit von Individuen die
gleiche Analogiebildung schafft.
Marburg i. H. Albert Thumb.
Untenuehungen znr indogermnniseheii Altertmnskande.
Während auf dem Gebiet der indogermanischen Grammatik
ein reges Leben herrscht und eine große Anzahl von Forschem
an der Lösung der Probleme beteiligt sind, beschäftigen sich
nur wenige mit der indogeitnanischen Altertumskunde, vielmehr
ist diese seit Jahren fast ein Monopol von 0. Schrader gewesen.
Es ist nun niemals gut, wenn alle Arbeit im wesentiichen auf
den Schultern eines Mannes ruht, denn jeder Mensch ist unvoll-
kommen und er sieht die Dinge immer nur von einer Seite an.
Wenn man bedenkt, wie die grammatischen Probleme hin- und
hergewendet werden, ehe wir zu festen Ergebnissen kommen,
wenn man sieht, wie langsam sich die richtige Erkenntnis hier
Bahn bricht, so wird man es wohl für wünschenswert halten,
wenn auch die Probleme der indogermanischen Altertumskunde
einmal unter das Kreuzfeuer der Kritik genommen werden. Das
hat ja P. v. Bradke getan, leider ist er aber der Wissenschaft
allzu früh entrissen worden. Seine Stäike bestand in der Kritik,
aber Kritik ist auf unserm Gebiet und vor allem gegenüber
den Arbeiten 0. Schraders dringend nötig. P. v. Bradke hat sein
66 H. Hirt,
Buch **Über Methode und Ergebnisse der arischen (indogermani-
schen) Altertumswissenschaft", Gießen 1890, der Kritik der ersten
Auflage von 0. Schraders Sprachvergleichung und Urgeschichte
gewidmet, imd wenn auch Bradkes Buch nicht gerade geschickt
und glücklich geschrieben ist, sachlich hat er in fast allen Punkten
recht Er will im wesentlichen ja nur die Frage erörtern (S. 1),
"unter welchen Bedingungen wir von der Etymologie Auskunft
über die Kultur der arischen Urzeit erwarten dürfen, was sich
für diese aus sprachlichen Gleichungen ergibt und ob und wie
weit Ergebnisse dieser Art fest genug stehen, um weitere Fol-
gerungen tragen zu können". In der Tat hat v. Bradke gerade
diese Seite erörtert, und wenn das Ergebnis des Buches im wesent-
lichen negativ ist, wenn es sich zeigt, daß sich aus den sprach-
lichen Tatsachen recht wenig ergibt, so lag darin ein Ergebnis
vor, das später Kretschmer undKossinna ihrerseits hervorgehoben
haben. Auch ich habe durch Bradke gelernt, daß die Folgerungen
aus der Sprache nur mit großer Vorsicht zu ziehen sind.
Die zweite Auflage von Schraders Werk hat v. Bradke in
den Gott. Gel. Anz. 1890, 897 ff. besprochen, durchaus sachlich
und gerecht; er erkennt an, daß in dem Buche manche Fort-
schritte zu verzeichnen sind, faßt aber sein Urteil in folgenden
Worten zusammen : "Wenn der Herr Verf. fortfährt, sein Buch
in der Richtung solcher 'Angriffe' wie des meinigen, die er als
besonders unbegründet 'gelegentlich auch einmal zurückweisen
zu sollen glaubt', fleißig umzuändern, so würde ich es nicht mehr
für ausgeschlossen halten, daß es etwa in 4. oder 5. Auflage von
den gröbsten Fehlem ziemlich frei wäre; nur müßte er mit der
Aufnahme neuen Stoffes vorsichtiger werden**. Das Urteil v. Bradkes
wiegt nun sicher ungleich schwerer als das vieler anderer Forscher,
die doch schließlich den behandelten Problemen femer stehen,
und es ist wohl an der Zeit, dieses Urteil wieder einmal anzu-
führen.
Jetzt erscheint Schraders Werk in dritter Auflage, und es
ist daher dringend geboten, eine Reihe von Problemen neu zu
erörtern, da auch in der neuen Auflage ein wesentlicher Fort-
schritt nicht zu verzeichnen ist.
Unterdessen hat 0. Schrader ein neues großes Werk ver-
öffentlicht, das Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde.
Ich habe dies Werk IF. Anz. 13, 5 ff. angezeigt und dabei ver-
sprochen, darauf zurückzukommen. Wenn dies bis jetzt noch nicht
Untersnchnngen zur indogermanischen Altertumskunde. 57
geschehen ist, so lag das an dem Mangel an Zeit, aber wenn
ich auch spät komme, so komme ich doch, und die folgenden
Ao&ätze werden sich vielfach mit Schraders Werken und Auf-
fassungen beschäftigen müssen.
Ich habe mich seit meiner Studentenzeit mit den kultur-
historischen Problemen, die die europäische Urzeit betreffen, be-
schäftigt, ich habe mein erstes Kolleg über die Urgeschichte der
Indogermanen gelesen und dies in regelmäßigem Turnus bis jetzt
wiederholt Ich habe natürlich meine ersten Kenntnisse aus Hehn
geschöpft und bin durch v. Bradke auf die Bedeutung Schraders
hingewiesen worden. Schon im Jahre 1891 erschien mir Schraders
Sprachvergleichung und Urgeschichte als ein unzureichendes
Werk, und ich faßte damals den Plan, meinerseits ein anderes
Werk zu schreiben, das nun endlich vollendet vorliegt Auch
dieses Werk erfordert noch einige Ergänzungen, es muß manches,
was dort nur angedeutet wurde, näher begründet werden, und
ich hoffe, daß sich auch andere Mitforscher an der Erörterung
beteiligen werden. Im Verlauf der Zeit gedenke ich also an
dieser Stelle eine Reihe von Aufsätzen zu veröffentlichen, die
sich mit der indogermanischen Altertumskunde befassen.
1. Wann können wir ein Wort für indogermanisch ansehen?
Will man den Wortschatz der indogermanischen Ursprache
für kulturhistorische Schlüsse verwenden, so muß doch zunächst
die Frage entschieden werden, wann wir ein Wort für indo-
germanisch ansehen können. Der idealste Zustand ist es natürlich,
wenn ein Wort noch in allen Sprachen erhalten ist, aber dieser
Fall ist recht selten, und es ist ganz sicher, daß schon Worte,
die nur noch in drei oder vier Sprachen vorliegen, für die idg.
Ursprache in Anspruch zu nehmen sind. So lange eine be-
stimmte Stammbaumtheorie gebilligt wurde, war die Sache ver-
hältnismäßig einfach. War ein Wort in je einer Sprache einer
Gruppe belegt, so hatte man eigentlich die volle Gewähr für
die Herkunft aus der Urzeit Aber mit dieser Stammbaumtheorie
steht es ja vorläufig schlecht, und man wird auf sie nicht bauen
können. Schrader hat sich nun ein eigentümliches System zurecht
gemacht Sprachvergleichung und Urgeschichte ' S. 174 sagt er:
"Mir scheint die Sache so zu stehen, daß wenn ein Wort
wenigstens in einer arischen und in einer europäischen oder
wenigstens in einer nord- und in einer südeuropäischen oder
68 H. Hirt,
wenn es auch nur im Griechischen und Lateinischen nachge»
wiesen werden kann, darin eine Garantie seines hohen Alters*
liegt" "Diese Auffassung," heißt es in der Anmerkung, **habe
ich schon in der Vorrede zu meinem Reallexikon p. XIII deutlich
ausgesprochen und bin ihr in meinem Buch gefolgt Es ist daher
nicht meine Schuld, wenn H. Hirt nicht hat entdecken können,
welche Grundsätze mich bei dem Gebrauch des "Wortes "indo-
germanisch* geleitet haben." Ein anderes sind offenbar Grund-
sätze, und ein anderes ist es, ob man sie befolgt Wir müssen
also einerseits die Frage beantworten, ob diese Grundsätze richtig
sind, und anderseits, ob 0. Schrader sie befolgt hat Daß letzteres
nicht der Fall ist, läßt sich leicht zeigen, und da Schrader die
Grundsätze schon in seinem Beallexikon befolgt haben will, so
wählen wir die Beispiele daraus.
Zunächst haben doch die BL!S.8 zusammengestellten Aus-
drücke für Ackerbau, da auf sie alle die Bedingungen zutreffen, die
Schrader aufstellt, nämlich daß sie in einer nord- und einer süd-
europäischen Sprache oder im Griechischen und Lateinischen auf-
treten, ein volles Recht für indogermanisch zu gelten. Man kann
also dai*aus nichts anderes schließen, als daß die Indogermanen den
Ackerbau gekannt haben. Aber diese Ausdrücke sind nach Schrader
europäisch-indogermanisch, womit ein neuer Begriff eingeführt
oder vielmehr ein alter beibehalten wird. Aber wir haben ja
auch eine nicht unbeträchtliche Zahl arisch-europäischer Aus-
drücke, wie Schrader S. 10 hervorhebt, z. B. ai. ydm-, griech.
Zed, ai. pü^ giiech. ttticcu), lat hordeum^ npers. zurd^ mndd.
terice^ ai. därvä. Hier wird aber wieder von geringerer geo-
graphischer Verbreitung gesprochen. Was hat aber das mit un-
serer Frage zu tun, da die erwähnten Ausdrücke, da sie in ge-
trennten Sprachen Asiens und Europas vorkonunen, nach Schrader
indogermanisch sind.
Anderseits erklärt Schrader folgende Gleichungen für indo-
germanisch: unter Feuer: got /ow, sltn. fune^ altpr. panno, also
eine nur germ.-preußische Gleichung. Wels und altpr. kalis^
d. lachs^ slav. fosogf haben dann doch dasselbe Anrecht Ver^.
darüber übrigens Schraders Reallexikon S. 495. Während die
Gleichung nöp, lunbr. pir^ ahd. /i'wr, armen, hur indogermanisch
ist (S. 239), ist TreuKri, altpr. j^tiae, lit pttssüs^ ahd. fiukta^ ir. ochtach
nur europäisch. Ich habe mich vergebens bemüht, hier Grundsätze
zu entdecken. Ob für die Milch ein indogerm. Ausdruck vor-
Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 69
banden war, sagt Schrader nicht ausdrücklich. Wir finden be*
kanntlich verschiedene Ausdrücke, "die sich merkwürdigerweise
immer auf zwei Sprachen beschränken: ai. dadhdn^ apr. dadan\
griech. T<iXa, lat lae\ got miluks = ir. mdg^. Ich glaube, auch
Schrader wird diese Ausdrücke für indogermanisch halten. Aber
dann haben doch got gulß^ abg. zlato, lett ziUs^ die sogar Ablaut
zeigen, griech. xoXkoc, abg. ^eUzo dasselbe Anrecht, für die Ur-
sprache in Anspruch genommen zu werden.
Ich könnte noch mehr Beispiele anführen, aber sie würden
nur beweisen, daß es etwas anderes ist, Grundsätze aufzustellen^
nnd etwas anderes, sie zu befolgen. Wenn man aber alle der-
artigen Fälle zusammenhält, so berechtigen sie wohl zu dem
Urteil, daß man nicht imstande ist, Schoraders Grundsätze zu
ermitteln. Schraders Vorgehen ist aber trotz des Mangels an
irgend welchen leitenden Prinzipien ziemlich klar. Er hat sich
seit geraumer Zeit bestimmte Ansichten über die Kultur der
Indogermanen gebildet, Ansichten, die z. T. auf V. Hehn zurück-
gehen, und nach diesen Ansichten werden die Tatsachen, ich
kann nicht anders sagen, gepreßt Weil die Indogermanen nach
Schrader Nomaden waren, darum sind die Ackerbauausdrücke
nicht indogermanisch, weil sie in der Steppe wohnten, darum
können es die Baumnamen ebensowenig sein. Damit wird aber
unsere ganze Wissenschaft hinfällig. Ich habe in meinen Indo-
germanen schon hervorgehoben, daß wenn man die Ausdrücke,
die sich auf die Viehzucht beziehen, mit demselben Maß müJt,
wie die Ackerbauausdrücke, man dann auch dazu kommen kann,
den Indogermanen die Viehzucht abzusprechen.
Wenden wir uns nun zu den Grundsätzen selbst Schrader
erkennt also im Prinzip idg. Gleichungen an, die nur in je zwei
Sprachen belegt sind. Das ist in der Tat richtig. Man wird hinzu-
fügen können, daß gewiß viele Worte des Indogermanischen über-
haupt verloren gegangen sind, andere sich nur in einer Sprache
erhalten haben. Daß wir mit dieser Tatsache rechnen müssen, er-
gibt sich aus den Parallelen, die die moderne Entwicklung bietet
Nicht wenige Worte, die sich in den altgermanischen Zeiten
finden, sind in den modernen Dialekten gänzlich ausgestorben»
Liegt mhd. geswio^ agerm. ehu Tferd' noch irgend wo vor? und
wenn sie irgendwo belegt sein sollten, wie könnten wir ihr hohes
Alter erhärten, wenn wir nicht die alten Quellen hätten ? Sollen
die Slaven etwa den alten idg. Ausdruck pqtir nie besessen
60 H. Hirt,
haben ? Ein Romanist kann gewiß viele lat Worte nachweisen,
die im Romamscben völlig ausgestorben sind oder sich vielleicht
nur in einer einzigen Sprache erhalten haben. Mit diesen völlig
verlorenen Worten können wir natürlich nichts anfangen, wohl
aber müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die isolierten
Worte der Einzelsprachen richten.
Wir haben natürlich in den Fällen, wo ein Wort einer
Einzelsprache in den verwandten Dialekten nicht wiederkehrt,
nur geringen Anhalt, um das höhere Alter des Wortes zu er-
härten. Aber wir haben doch manchmal einen Anhalt. So kann
man annehmen, daß germ. hand ein indogerm. Wort ist, erstens
weil man an einen Zusammenhang mit dem Zahlwort zehn, idg.
ddcrpt denken kann, und zweitens weil es ein konsonantischer
Stamm ist Neue konsonantische Stämme sind aber im Germa-
nischen kaum noch gebildet worden, denn wir haben es hier mit
ganz geringen Resten einer einst weiter verbreiteten Flexion zu
tun, die wohl schon im Indogerm. unproduktiv geworden ist
Kahle "Zur Entwicklung der konsonantischen Stämme im Ger-
maniBchen" verzeichnet die Stämme, die nach der konsonantischen
Deklination im Germanischen gehen, und von diesen sind folgende
ganz sicher indogermanisch : Fuß^ Zahn, Monat, Maus, Gans, Nachi,
Tür, Kuh. Bei den andern spricht jedenfalls nichts dagegen,
es sind Winter, Genosse, Magd, Hand, Brust, Burg, Buch, Bruch,
Eiche, wenn sie auch in andern Sprachen nicht belegt sind.
Bei hand ist gegen die Ableitungen von got hinßan 'fangen'
semasiologisch nichts einzuwenden, wohl aber von Seiten der
Form. Im Germanischen kann das Wort nicht erst abgeleitet
sein, weil jede Analogie fehlt
Wir haben also in der Form ein Hilfsmittel, das Alter
eines Wortes zu bestimmen, und wer dieser Frage einmal
systematisch nachgeht, der wird zu ganz interessanten Ergebnissen
kommen. Man nehme einmal die Worte für König. Indoger-
manisch ist reks, ai. rOjä, lat rex, kelt rix. Die sonstigen
Ausdrücke der Einzelsprachen sind aber meist ganz deutliche
Ableitungen, und es steht der Annahme nichts im Wege, daß
sie erst im Leben der Einzelsprache neu gebildet sind, wenn
sie auch z. T. nicht neu gebildet sein müssen. So z. B. ahd.
Jcuning, zu kuni 'Geschlecht', got ßiudans zu ßiuda *Volk', ahd.
iruhtin zu truht * Schar', got kindins: lat gens. Mit diesen
durchsichtigen Bildungen vergleiche man einmal die germanischen
Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 61
Ausdrücke für die See und die Seelandschaft Zwar kehren sie
in den verwandten Sprachen nur selten wieder, aber sie zeigen
ein durchaus altertümliches Gepräge. Meistens mangelt daher
auch jede Etymologie.
Dahin gehören got saiws^ d. See (die Beziehung zu lat
eaefms ist doch nur ein Notbehelf. Wie will man den t-Stamm
erklären?), altn. hafj ags. hc^j d. Haff (ist ebenso unklar), got
flödus^ ahd. fluot (sieht durchaus alt aus. Ebenso) got wegs^ ahd.
wäc *Woge' (woher der »-Stamm ?), altn. Mify ahd. d^ 'Klippe^
altn. sundy ags. sund^ d. jBt/f, Gfeest usw. Bei allen diesen Worten
ist der Verdacht, daß sie viel älter sind als die germanische
Sonderentwicklung durchaus berechtigt
Da die Vriddhibildungen kaum anderswo als im Indischen
produktiv geworden sind, so haben Bildungen dieser Art, die nur
in einer Sprache vorliegen, die Gewähr hohen Alters. Wer dies be-
denkt, wird an dem hohen Alter von ahd. ewägur kaum zweifeln.
Entsprechend wird man für ahd. huon indogermanisches Alter in
Anspruch nehmen. Sachlich hat das gar keine Schwierigkeiten,
da H(Mhn und Huhn nicht nur das Haushuhn bezeichnen, sondern
in der Jägersprache auch das Rebhuhn, sowie den männlichen
und weiblichen Vogel überhaupt
Man muß sich also die Worte, die nur in einer Sprache
belegt sind, auf ihre Bildung ansehen, ehe man sie für eine
spezifische Neubildung erklärt, ja man kann sogar sagen, was
nicht als deutliche Ableitung in einer Sprache erkennbar ist,
ist hohem Alters sehr verdächtig. — Größere Sicherheit für
Herkunft aus der indog. Ursprache erlangen wir, wenn ein
Wort aus zwei Sprachen belegt ist Hier schließt nun aber
Schrader gewisse Sprachgruppen aus, nämlich etwa keltisch-
germanische und germanisch-lituslavische, aber auch keltisch-
slavische Gleichungen, falls er nicht etwa keltisch zum Süd-
europäischen rechnet In dieser Ansicht haben wir offenbar eine
Nachwirkung der Schmidtschen Wellentheorie. Ob diese be-
gründet ist, will ich hier nicht untersuchen, sondern später
noch einmal darüber sprechen. — Die erwähnten Sprachgruppen
sind einander in historischer Zeit benachbart, und es liegt daher
der Verdacht nahe, daß die eine von der andern Wörter ent-
lehnt hat; wie wir wissen, haben die Germanen von den Kelten^
die Slaven von den Germanen empfangen. Handelt es sich nun
um Worte, bei denen der Verdacht der Entlehnung nicht aus-
«2 H. Hirt,
2usch)iefien ist, so wird man sie besser nicht zu Bückschlüssen
auf die ältere Zeit verwenden, bei allen andern steht dem aber
nichts im Wege. Ich sehe durchaus keinen Grund, Gleichungen
wie d. /oAs, iit. hSiää^ russ. hsost^ got. gulß^ abg. zlato nicht
gelten zu lassen. Auch an d. Stute^ slav. stado kann man keinen
Anstoß nehmen, sowie an anderen Gleichungen, die sich auf
zwei nordeuropäische Sprachen beschränken. Wenn man sich
einmal klar gemacht hat, wo die Germanen und die Slaven
ursprünglich gesessen haben, die einen in Schleswig-Holstein
usw., die anderen hinter den Karpathen, so wird man kein Be-
denken tragen, Gleichungen, die in diesen beiden Sprachgruppen
auftreten, zu verwenden. Wer dagegen ist, müßte nachweisen, daß
die Germanen und Slaven eine Zeit der gemeinsamen Sonderent-
wickiung durchgemacht haben. Ich will die Beweise hierfür ab-
warten, vorläufig aber beharre ich auf meiner Ansicht, daß
zwischen Slavisch und Germanisch keine besondem Berührungen
vorhanden sind, und daß wir demnach Worte, die nur in diesen
beiden Gruppen auftreten, sehr wohl für die Erschließung der
indogermanischen Kultur verwenden können. Man kann ja auch
den Gegenbeweis antreten. Welche germanisch -slavische Glei-
chung dürfen wir nicht der indogermanischen Ursprache zu-
schreiben, weil etwa kulturhistorische Erwägungen allgemeiner
Art dagegen sprechen? Ich bin auf den Nachweis einer solchen
Gleichung gespannt.
Und ebenso, wie mit den slavisch-gemianischen steht es
mit den keltisch-germanischen. Zwar sieht J. Schmidt im Kel-
tischen sozusagen das Mittelglied zwischen Italisch und Ger-
manisch, aber er stützt sich nur auf die Argumente Ebels;
diese sind indessen kaum haltbar, und neue sind nicht beigebracht
worden. Ich habe mich bemüht, neue Gründe beizubringen. Aber
weder bei Kluge Pauls Grd. 1, 325, noch bei Bremer ebd.* 3, 27
ist irgend etwas verzeichnet. Die Frage bedarf erneuter Unter-
suchungen, sagen beide Forscher. Ich habe mich an Thumeysen
um Auskunft gewendet, aber auch er konnte nichts mitteilen,
was für nähere Beziehungen des Keltischen und Germanischen
wesentlich in die Wagschale fiele. Ich bin daher auf den Ge-
danken gekommen, daß die Nachbarschaft der Kelten und Ger-
manen verhältnismäßig jung ist, und daß daher auch keltisch-
germanische Gleichungen unbedenklich zu verwenden sind,
unter Beachtung der oben hen'orgehobenen Kautelen.
Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 63
Während wir bei den etymologischen Untersuchungen und
Yergleichungen häufig mit Wurzeln operieren, können uns diese,
wenn wir Kulturgeschichte treiben, wenig nützen. In diesem Fall
bedürfen wir der vergleichbaren, möglichst genau stinmienden
Worte. Wenn man einmal ein Wörterbuch derartiger Worte zu-
sammenstellte, 80 würde man sehen, wie klein der erschließbare
Wortschatz des Indogermanischen noch immer ist. Er würde so
klein ausfallen, daß man sich sofort sagen würde, das kann nicht
alles sein, da muß vieles verloren gegangen sein, und wir könnten
schon deshalb nicht auf die Gleichungen, die nur in zwei Sprachen
belegt sind, verzichten.
Und selbst kelto-italische oder indo-iranische Gleichungen
sind wertvoll ; denn mag man so niedrig rechnen wie man will,
um 1200 müssen sich doch wohl die Italiker von den Kelten
getrennt haben, und man wird für die Trennung der Inder und
Iranier vielleicht noch zu einer früheren Zeit kommen. Da es
die Aufgabe der indogermanischen Altertumskunde ist, die prä-
historische Zeit aufzuhellen, so sind auch Gleichungen, die nur
diesen Sprachen angehören, wichtig. Unsere Hilfsmittel sind viel
zu dürftig, als daß wir auf irgend ein Moment verzichten dürften.
Jedenfalls glaube ich gezeigt zu haben, daß weder Schraders
Grundsätze haltbar sind, noch daß er die von ihm aufgestellten
Grundsätze befolgt, und daß sich meine Anschauungen sehr we-
sentlich von den seinigen unterscheiden.
Haben wir nun die Wortformen festgestellt, so kommt die
Frage nach der Bedeutung hinzu. Auch in diesem Punkt braucht
man nicht allzu ängstlich zu sein. Wir wissen, daß Bedeutungs-
tibergänge gleicher Richtung oft genug an den verschiedensten
Stellen vorkommen, aber, soweit meine Kenntnis reicht, ist der Fall
außerordentlich selten, daß der gleiche Bedeutungsübergang bei
demselben Wort eintritt. Der Fall also, den Hehn angeführt hat,
daß Worte, die ursprünglich "zerreiben* bedeutet haben, in die Be-
deutung 'mahlen* übergehen, ist denkbar, unwahrscheinlich aber,
daß das gerade selbständigbei demselben Worte molo eingetreten sein
soUte? Gesetzt, die idg.Wurzel schabe 'werfen' bedeutet, so ist es nicht
glaublich, daß sich im Ital., Kelt., Germ, und Lit-Slav. überall erst in
einzelsprachlicherZeit die Bedeutung *säen' sollte entwickelt haben.
Diese Frage bedarf aber noch weiterer Ausführungen, die ich
auf eine spätere Zeit verschiebe. Nur das möchte ich noch hervor-
heben, daß schon A. Kuhn ein nach meiner Auffassung richtigeres
H. Hirt,
zuschließen ist, so wird man sie besser nicht zu Rückschlüssen
auf die ältere Zeit verwenden, bei allen andern steht dem aber
nichts im Wege. Ich sehe durchaus keinen Grund, Gleichimgen
wie (I. lahs. lit. laSiäa. russ. Iososl got. gidß, abg. zlato nicht
gelten zu lassen. Auch an d. Shite. slav. stado kann man keinen
-Anstoß nehmen, sowie an andei'en Gleichungen, die sich auf
zwei nordeuropäische Sprachen beschränken. Wenn man sich
einmal klar gemacht hat, wo die Gennanen und die Slaven
ursprünglich gesessen haben, die einen in Schleswig-Holstein
usw., die anderen hinter den Karpathen, so wird man kein Be-
denken tragen, Gleichungen, die in diesen beiden Sprachgnippen
auftreten, zu verwenden. Wer dagegen ist, müßte nachweisen, daß
die ( Jormanen und Slaven eine Zeit der gemeinsamen Sondereut-
wicklung durchgemacht haben. Ich will die Beweise hierfür ab-
warten, vorläufig aber beharre ich auf meiner Ansicht, daß
zwischen Slavisch und Germanisch keine besondem Berührungen
vorhanden sind, und daß wir demnach Worte, die nur in diesen
beiden Gruppen auftreten, sehr wohl für die Erschließung der
indogermanischen Kultur verwenden können. Man kann ja auch
den Gegenbeweis antreten. Welche germanisch -slavische Glei-
chung dürfen wir nicht der indogermanischen Ursprache zu-
schreiben, weil etwa kulturhistorische Erwägungen allgemeiner
Art dagegen sprechen? Ich bin auf den Nachweis einer solchen
Gleichung gespannt
Und ebenso, wie mit den slavisch-germanischen steht es
mit den kelti8ch*genii«ni8cheiL Zwar sieht J. Schmidt im Kel-
tischen FiiiMi»HKW^^^^^B|H>^liMl /IM ( liMii Italisch und OeiA
niiuiisch, «ber ür stöM sich nor auf die Argumente Ebelsj
<1joso sind indc >[-n Vnimi hfiJthar und nmie sind lucht beigebracht
worden, I<jh imr- Ij bemiili^ neu oö runde beizubringen. AM
wed*>r bei lüug^ IVula l»n[, 1, 3J6, novb bei Bremer ebd.* 3, 2^
Itt itgnA ^ti¥«0 vi^i- T(^ l^toj^ bodari i^neuter Cntern
inu^"* T'*^* habe mich an Thumeysen
■:ir* rnohts mitteilen,
laiiisehen
den Gt?-
«nd tter-
keltJMch-
erwenden sind,
lutolen.
Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 63
Während wir bei den etymologischen üntersuchangen und
Vergleichungen häufig mit Wurzeln operieren, können uns diese,
wenn wir Kulturgeschichte treiben, wenig nützen. In diesem Fall
bedürfen wir der vergleichbaren, möglichst genau stimmenden
Worte. Wenn man einmal ein Wörterbuch derartiger Worte zu-
sammenstellte, 80 würde man sehen, wie klein der erschließbare
Wortschatz des Indogermanischen noch immer ist. Er würde so
klein ausfallen, daß man sich sofort sagen würde, das kann nicht
alles sein, da muß vieles verloren gegangen sein, und wir könnten
schon deshalb nicht auf die Gleichungen, die nur in zwei Sprachen
belegt sind, verzichten.
Und selbst kelto-italische oder indo-iranische Gleichungen
sind wertvoll; denn mag man so niedrig rechnen wie man will,
um 1200 müssen sich doch wohl die Italiker von den Kelten
getrennt haben, und man wird für die Trennung der Inder und
Iranier vielleicht noch zu einer früheren Zeit kommen. Da es
die Aufgabe der indogermanischen Altertumskunde ist, die prä-
historische Zeit aufzuhellen, so sind auch Gleichungen, die nur
diesen Sprachen angehören, wichtig. Unsere Hilfsmittel sind viel
zu dürftig, als daß wir auf irgend ein Moment verzichten dürften.
Jeden&lls glaube ich gezeigt zu haben, daß weder Schraders
Orandsätze haltbar sind, noch daß er die von ihm aufgestellten
Grundsätze befolgt, und daß sich meine Anschauungen sehr we-
sentlich Ton den seinigen unterscheiden.
Hiaben wir nnn die Wortformen festgestellt, so kommt die
Äiifpen«^ d«p Bedeutung hinzu. Auch in diesem Punkt braucht
man nicht allzu ängstlich zu sein. Wir wissen, daß Bedeutungs-
Übergäoge gleicher Richtung oft genug an den verschiedensten
Stoilen vorkommen T aber soweit meine Kenntnis reicht, ist der Fall
anflerordentlich selten^ daß der gleiche Bedeutungsübergang bei
demselbeu Wort eintritt. Der Fall also, den Hehn angeführt hat,
daß Worte, die ursprünglich 'zerreiben' bedeutet haben, in die Be-
rnahlen' übergehen, ist denkbar, unwahrscheinlich aber,
rade selbßtänd i^bei demselbenWorte mdo eingetreten sein
et2t,die idg. Wurzel s#habe 'werfen' bedeutet, so ist es nicht
^ sich im Ital., Keit, Germ, und Lit-Slav. überall erst in
^päierZeit die Bedeutung *säen' sollte entwickelt haben.
^Bg« bedarf aber noch weiterer Ausführungen, die ich
^ra Zeit verschiebe. Nur das möchte ich noch hervor-
^^^Kuhn ein nach meiner Auffassung richtigeres
02 H. Hirt,
2uschließen ist, so wird man sie besser nicht zu Bückschlüssen
auf die ältere Zeit verwenden, bei allen andern steht dem aber
nichts im Wege. Ich sehe durchaus keinen Grund, Gleichimgen
wie d. lahs^ lit. laSiiä, russ. losost^ got gulß^ abg. zlato nicht
gelten zu lassen. Auch an d. SttUe, slav. stado kann man keinen
Anstoß nehmen, sowie an anderen Gleichungen, die sich auf
2wei nordeuropäische Sprachen beschränken. Wenn man sich
einmal klar gemacht hat, wo die Germanen und die Slaven
ursprünglich gesessen haben, die einen in Schleswig-Holstein
usw., die anderen hinter den Karpathen, so wird man kein Be-
denken tragen, Gleichungen, die in diesen beiden Sprachgruppen
auftreten, zu verwenden. Wer dagegen ist, müßte nachweisen, daß
die Germanen und Slaven eine Zeit der gemeinsamen Sonderent-
wicklung durchgemacht haben. Ich will die Beweise hierfür ab-
warten, vorläufig aber beharre ich auf meiner Ansicht, daß
zwischen Slavisch und Germanisch keine besondem Berührungen
vorhanden sind, und daß wir demnach Worte, die nur in diesen
beiden Gruppen auftreten, sehr wohl für die Erschließung der
indogermanischen Kultur verwenden können. Man kann ja auch
den Gegenbeweis antreten. Welche germanisch -slavische Glei-
chung dürfen wir nicht der indogermanischen Ursprache zu-
schreiben, weil etwa kulturhistorische Erwägungen allgemeiner
Art dagegen sprechen? Ich bin auf den Nachweis einer solchen
Gleichung gespannt
Und ebenso, wie mit den slavisch-germanischen steht es
mit den keltisch-germanischen. Zwar sieht J. Schmidt im Kel-
tischen sozusagen das Mittelglied zwischen Italisch und Ger-
manisch, aber er stützt sich nur auf die Argumente Ebels;
diese sind indessen kaum haltbar, und neue sind nicht beigebracht
worden. Ich habe mich bemüht, neue Gründe beizubringen. Aber
weder bei Kluge Pauls Grd. 1, 325, noch bei Bremer ebd.* 3, 27
ist irgend etwas verzeichnet. Die Frage bedarf erneuter Unter-
suchungen, sagen beide Forschor. Ich habe mich an Thumeysen
um Auskunft gewendet, aber auch er konnte nichts mitteilen,
was für nähere Beziehungen des Keltischen und Germanischen
wesentlich in die Wagschale fiele. Ich bin daher auf den Gre-
danken gekommen, daß die Nachbarschaft der Kelten und Ger-
manen verhältnismäßig jung ist, und daß daher auch keltisch-
germanische Gleichungen unbedenklich zu verwenden sind,
unter Beachtung der oben hen^orgehobenen Kautelen.
Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 03
Während wir bei den etymologischen Untersuchungen und
Vergleichungen häufig mit Wurzeln operieren, können uns diese,
wenn wir Kulturgeschichte treiben, wenig nützen. In diesem Fall
bedürfen wir der vergleichbaren, möglichst genau stimmenden
Worte. Wenn man einmal ein Wörterbuch derartiger Worte zu-
sammenstellte, so würde man sehen, wie klein der erschließbare
Wortschatz des Indogermanischen noch immer ist Er würde so
klein ausfallen, daß man sich sofort sagen würde, das kann nicht
alles sein, da muß vieles verloren gegangen sein, und wir könnten
schon deshalb nicht auf die Gleichungen, die nur in zwei Sprachen
belegt sind, verzichten.
Und selbst kelto-italische oder indo-iranische Gleichungen
sind wertvoll ; denn mag man so niedrig rechnen wie man will,
um 1200 müssen sich doch wohl die Italiker von den Kelten
getrennt haben, und man wird für die Trennung der Inder und
Iranier vielleicht noch zu einer früheren Zeit kommen. Da es
die Aufgabe der indogermanischen Altertumskunde ist, die prä-
historische Zeit aufzuhellen, so sind auch Gleichungen, die nur
diesen Sprachen angehören, wichtig. Unsere Hilfsmittel sind viel
zu dürftig, als daß wir auf irgend ein Moment verzichten dürften.
Jedenfalls glaube ich gezeigt zu haben, daß weder Schraders
Grundsätze haltbar sind, noch daß er die von ihm aufgestellten
Grundsätze befolgt, und daß sich meine Anschauungen sehr we-
sentlich von den seinigen unterscheiden.
Haben wir nun die Wortformen festgestellt, so kommt die
Frage nach der Bedeutung hinzu. Auch in diesem Punkt braucht
man nicht allzu ängstlich zu sein. Wir wissen, daß Bedeutungs-
übergänge gleicher Richtung oft genug an den verschiedensten
Stellen vorkommen, aber, soweit meine Kenntnis reicht, ist der Fall
außerordentlich selten, daß der gleiche Bedeutungsübergang bei
demselben Wort eintritt. Der Fall also, den Hehn angeführt hat,
daß Worte, die ursprünglich 'zerreiben' bedeutet haben, in die Be-
deutung "mahlen* übergehen, ist denkbar, unwahrscheinlich aber,
daß das gerade selbständigbei demselbenWorte mclo eingetreten sein
sollte? Gesetzt, die idg.Wurzel schabe 'werfen 'bedeutet, so ist es nicht
glaublich, daß sich im ItaL, Kelt, Germ, und Lit-Slav. überall erst in
einzelsprachlicherZeitdieBedeutung'säen' sollte entwickelt haben.
Diese Frage bedarf aber noch weiterer Ausführungen, die ich
auf eine spätere Zeit verschiebe. Nur das möchte ich noch hervor-
heben, daß schon A. Kuhn ein nach meiner Auffassung richtigeres
U H. Hirt,
Bild von der Kultur der Indogermanen entworfen hat als 0. Schrader,
weil er sich eben nicht auf eine vorgefaßte Meinung stützte,
sondern weil er sich an die Tatsachen der Sprache liielt
2. Läßt sich ans dem Fehlen von etymologiBohen Oleiohnngen
für gewisse Begriffe etwas erschließen ?
Es ist ganz sicher, daß wir den Wortschatz der indoger-
manischen Ursprache niemals vollständig erschließen können, eben-
sowenig wie wir den lateinischen aus den romanischen Sprachen
ganz rekonstruieren können. Nun tritt nicht selten der Fall ein,
daß Worte für bestimmte Begriffe fehlen. So gibt es kein er-
schließbares Wort für 'Dampfschiff oder "Eisenbahn*. Solche Fälle
wird aber wohl jeder ausschließen, da es sich um Dinge handelt,
die nachweislich spät aufgekommen sind. Anders steht es, wenn
Gleichungen für Dinge fehlen, die in der Urzeit vorhanden ge-
wesen sein können. Im allgemeinen ist man zu der Erkenntnis
gekommen, daß aus dem Fehlen von etymologischen Gleichungen
nichts zu erschließen ist Wenn wir keine Gleichungen für *Löwe,
Tiger, Kamel, Palme' antreffen, so beweist das nicht, daß die
Urheimat in einem Gebiet lag, das diese Tiere nicht kannte: denn
wenn die Urheimat diese Tiere besaß, die Indogermanen aber die
Gegend verließen, so mußten, wenn die Tiere aus dem Gesichts-
kreis verschwanden, auch die Worte verloren gehen. Ähnlich ist
das Wort *Elch' den deutschen Dialekten verloren gegangen,
weil das Tier aus dem größten Teil Deutschlands verschwunden
ist, usw. Das erkennt Schrader Spr. u. U.' 161 auch an, er fügt
aber S. 162 hinzu: **Nun soll aber damit keineswegs gesagt sein,
daß dem Abhandensein urverwandter Gleichungen für die Er-
schließung der Urzeit jeglicher Wert abzusprechen sei. Im be-
sonderen wird man nicht an ein zufälliges Aussterben einst vor-
handener Ausdrücke denken dürfen, wenn es sich um ganze
Begriffskategorieen handelt". Er sucht dies an den Fisch-
namen zu zeigen und fährt fort: "Ebenso bezeichnend wie die
Armut einer urverwandten Terminologie auf dem eben erörterten
Gebiete der Fischerei erscheint mir die gleiche Erscheinung auf
dem der Schiffahrt gegenüber dem des Wagenbaus, dem der
Blumenzucht gegenüber dem des Ackerbaus, dem der Ver-
Schwägerungsbezeichnungen des Mannes gegenüber denen
des Weibes, auf dem Gebiet der Götternamen gegenüber dem
der Personennamen usw."
Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 66
Ich stehe auf einem andern Standpunkt und habe in meinen
Indogermanen und auch sonst den Satz ausgesprochen, daß sich
aus dem Fehlen von Worten nie etwas schließen läßt. Vielleicht
ist der Satz in dieser Schärfe nicht ganz richtig, vergL oben
die Bemerkung über "Dampfschiff und 'Eisenbahn', aber ich
kenne bisher keinen Fall, durch den er widerlegt würde. Jeden^
taüs müssen wir uns zunächst mit den Schraderschen EAtego*
rien beachäftigen, um zu untersuchen, ob bei ihnen die Schluß-
folgerangen des Autors wirklich zulässig sind.
A. Der Mangel an Fischnamen.
Es scheint eine fable convenue zu sein, daß es indoger-
manische Fischnamen nicht gibt Ich vermute, daß sie im letzten
Grunde darauf zurückgeht, daß Pictet Les origines indoeuro-
ptennes keine Fischnamen verzeichnet ^). Es wäre aber wirklich
gut, wenn dieser Punkt endlich einmal aus der Erörterung ver-
schwände.
Wir haben zunächst einen indogermanischen Ausdruck für
Fisch; lit iuvis^ armen, jukn^ griech. ixOOc sichern auch nach
Schrader den Begriff für das Indogermanische. Aber auch lat
fiaeis^ ir. toM?, goi fisks müßte doch nach demselben, da eine
nord- und eine südeuropäische Sprache zeugt, indogermanisch
sein. Wir haben femer das Wort für Aal, lat anguüla^ griech.
£tx^^<^ I<^b h^^ ^' ^^' 13, S. 14 au& neue auf diese Gleichung
hingewiesen, worauf Schrader Sprachvergl. und ürgesch.' S. 162 in
der Anmerkung hervorhebt, "ich gäbe den gegenwärtigen Stand
unseres Wissens unrichtig an, wenn ich die Verwandtschaft von
(tx^^^ und lat anguäla für eine ausgemachte Sache erklärte",
und er verweist dafür auf Waldes etymologisches Wörterbuch.
Nun Walde in allen Ehren, aber ein Kronzeuge ist er in diesem
Falle denn doch nicht Hier muß die eigene Untersuchung ein-
setzen, nicht die des Verfassers eines lateinischen Wörterbuches
— denn für ihn ist es verhältnismäßig gleichgiltig, ob anguiUa
1) Ich benutze die Gelegenheit, um über Pictets Werke einiges zu
sagen. Die Sammlung des Wortschatzes ist für die damalige Zeit wirkUch
aUen Lobes wert, und in dieser Sammlung liegt noch heute die Bedeutung
dieses Buches. Es ist doch wahrlich kein großes Verdienst, die unhalt-
baren Gleichungen dieses Werkes zu erkennen und ein paar neue hin-
zuzutun. Daß der prinzipielle Standpunkt Pictets unhaltbar ist, wissen wir
durch Hehn und nicht durch Schrader, diesem gegenüber bietet Pictet in
▼ielen Punkten besseres, weil er die Tatsachen ruhig sprechen läßt
IndogermBDwelie Fonebangen XXJL b
66 H. Hirt,
mit Jtx^Xwc verwandt ist — , wohl aber für den, der die Urheimat
der Indogermanen bestimmen will und der solche Behauptungen
über die Fisehnamen aufstellt wie Schrader.
Nun wird wohl jeder, dem die Gleichung Itx^Xuc lat anguäla
vorgelegt wird, zuerst an Urverwandtschaft denken; denn die
Worte decken sich nicht nur im Stamm, sondern auch «n dem
merkwürdigen Suffix. Allerdings bleiben einige Schwierigkeiten.
Die eine bildet die Verschiedenheit der Vokale. Hier hat uns
J. Schmidts hochbedeutender Aufsatz KZ. 32, 321 ff. geholfen, und
Schmidt hat denn auch schon bemerkt, daß der Gen. dix^woc
aus '*'äTX^X^oc hergeleitet werden könne, das stände doch mit
tcipox) aus dx^pou ganz auf einer Linie. Die zweite wichtige Frage
ißt, konnte fTX^Xuc im Griechischen, angutUa im Lat mit den
Suffixmitteln der Sprache neugebildet werden? Aber die Suffix-
form von fTX^^c ist im Griechischen ganz vereinzelt, vgl L. Meyer
Handbuch der griech. Etym. 1, 425. Mit Suffix lu kenne ich nur
GfiXuc. Außerdem ist der Stamm 4tx- ™ Griechischen nicht be-
legt, sondern nur 4x*-- Es müßte denn also wohl (x^Xoc oder
fxiXuc heißen. Es ist doch wirklich ein starkes Stück, ein Wort
in einer Sprache für eine Neubildung zu halten, wenn weder der
Stamm belegt, noch das Suffix produktiv ist So lange diese
Schwierigkeiten nicht gehoben sind, würde ich das griechische
Wort nach den oben gegebenen Ausführungen für indogermanisch
halten, selbst wenn es in keiner andern Sprache belegt wäre.
Fast ebenso schwierig ist auch die Annahme, daß lat anguäla
neugebildet sei. Allerdings haben wir hier das Grundwort anguiSj
aber das Suffix ist ebenfalls selten und nicht produktiv, abge-
sehen von den Fällen, wo es Diminutiva bildet und durch Assi-
milation aus r l usw. entstanden ist Aber schon Prise, gramm. 11
115, 13 bemerkt, anguis anguiUa^ unguis ungula^ nubes nubilum^
quae magis denotninativa sunt existimanda quam diminuiiwn^ quippe
non habent dimintdivorum significaiionem^ sed fortnam tantum. Ich
bestreite es nun entschieden, daß der Aal eine kleine Schlange
ist, wenigstens in Europa sind kaum Schlaugen vorhanden ge-
wesen, denen gegenüber der Aal als klein erschienen wära Ich
glaube daher nicht, daß -lüa in anguäla das Diminutivsuffix ist
Außerdem ist zu beachten, daß anguis ein Maskulinum war,
weshalb ist also anguiüa wie auch Jtx^^c meist im Griechischen
Femininum, da doch auch piscis Maskulinum ist? Das sind doch
alles ganz einfache Erwägungen, die jeder anstellen muß, der
Untenuchungen zur indogennanischen Altertumskunde. 67
ach mit diesen Worten beschäftigt. Aach Thumeysen ist im
Thesanros zu dem Ergebnis gekommen, daß anguiUa und Itx^^^c
rieileicht zusammengehören.
Gefördert ist unser Problem schon längst durch einen Auf-
satz von W. Meyer KZ. 28, 162 ff., in dem er S. 163 anguäla auf
eine Flexion *anguilüj *anguüuä8 zurückführt, einer Bildung wie
ai. fxidhüf^ griech. irp^cßo. Diese Auffassung hat sich Johannsson
KZ. 30, 425 angeeignet, wie ich glaube mit vollem Recht. Zu-
nächst freilich ist noch die Frage zu erörtern, ob Iw zu U im Lat
assimiliert ist, was Brugmann Ordr. I' 325 etwas zweifelhaft er-
scheint, während sich Stolz Lat Gr.* 88, Sommer Handbuch 226
dafür aussprechen. Ich muß mich ihnen durchaus anschließen
trotz Solmsen KZ. 38, 437 ff. Ich halte an Gleichungen wie paUi-
dus und lit palvas^ altbulg. plavuj ahd. falo, poUen zu pr. pdtco^
abg.fliva *Spren' entschieden fest Und angutÜa fällt nicht minder
in die Wagschale. Wie will man denn die Suffixgestalt erklären ?
Nehmen wir aber anguäua als Grundform an, so haben wir eine
fast vollständige Übereinstimmung zwischen dem griechischen
, und lat Wort*). Es bleibt nur noch die Verschiedenheit der
Gutturale. Aber hier kann entweder anguiüa sein u von anguis
bekommen haben, oder £tx^Xuc hat sein u im Griechischen ver-
loren (wegen des folgenden u?), vielleicht schon im Indogerma-
nischen. — Aber wir haben noch eine zweite Gleichung für
den AaL Hesych überliefert uns f^ßtipic frx^Xuc MeGu^vaToi.
Das Wort steht an richtiger etymologischer Stolle, wir haben
also keinen Grund es zu beanstanden. Diesem Wort entspricht
im Lit ungurysj russ. ugri. Die Gleichung ist auch tadellos, und
es ist auch hier kaum denkbar, daß die Worte erst in den Einzel-
sprachen mit ihren Suffixmitteln gebildet seien.
Schließlich haben wir noch ein drittes Wort für *Aal* in
germ. Aalj das bisher unerklärt ist; denn E. Schröders Herleitimg
aus edlas "der Fresser' (ZfdA. 42, 63) ist doch nur ein Notbehelf
und unterliegt lautlichen wie semasiologischen Bedenken. Viel-
leicht läßt sich aber das Wort doch aufklären. Das griechische
Wort fTX^Xuc kann vom Standpunkt des Griechischen, wie wir
sahen, kaum neu gebildet sein. Aber auch vom Indogermanischen
aus gesehen, d. h. wenn wir das Wort für indogermanisch halten,
1 Lat helvos und germ. gM^ die Solmsen a. a. 0. ins Feld führt,
können sich nicht genau entsprechen, da urital. helvaa zu holvos hätte
werden müssen, vgl. Sommer Hdh. S. 76.
68 H. Hirt,
bereitet es große SehwierigkeiteD, da wir offenbar zwei YoUstufen
neben einander haben. Außerdem ist Suffix 4u außerordentlich
selten und -du ist ganz und gar nicht nachweisbar. Das Wort
für Schlange idg. *angh^is^ von dem man es abzuleiten versuchen
könnte, ist deutlich t-Stamm, lat anguis^ lit angia usw. So kommt
man unwillkürlich auf den Gedanken, daß das Wort ein Eom^
positum ist a»gh'*'-elti8^ und dieses zweite Element -dus könnte
mit deutsch ^02, urgerm. ehs zusammenhängen, (tx^^^ ^Äre dann
eine Bildung wie Adler aus adslrar^ und in el (Dehnstufe zu d)
würde ich also die ursprüngliche Bezeichnung des Aales sehen.
Was dies eigentlich bedeutete, können wir nicht wissen. Ob ea
sich bei der Bildung des Wortes um verschiedene Suffixgestalt
handelt, oder ob w nach l im Indogermanischen unter beson-
deren Umständen schon geschwunden ist, läßt sich kaum sagen.
Jedenfalls gibt es Mittel genug, um aus diesen Schwierigkeiten
herauszukommen. Den Stamm d haben wir im Deutschen noch
in einem Fischnamen, in ahd. alunt^ anord. ^unn^ dessen Stamm
man schon längst mit dem von Aal verglichen hat Äußerlich
haben die beiden Fische freilich wenig gemein. Aber auch wenn
meine Erklärung des Wortes Aal nicht richtig wäre, so würde
ich in ihm doch immer einen indogermanischen Fischnamen an-
sehen, weil er aus germanischem Sprachgut nicht zu erklären ist^).
Eine ähnliche Eompositionsbildung für Aal haben wir auch
in ir. esc-ung, dessen letzten Bestandteil man vielleicht mit lat
anguis zusammenbringen kann. Ob auch der zweite Teil von griech.
!^ß-npic ein selbständiges Wort ist weiß ich nicht zu sagen.
Jedenfalls sieht man, welche Bewandtnis es mit Schraders
Behauptung hat, daß es keine gemeinsamen indogermanischen
Fischnamen gäbe'). Außerdem gibt es aber noch andere Fisch«
1) Schrader will seine verlorene Position, daß die Indogermaneu
am Schwarzen Meer saßen, dadurch retten, daß er ein Gutachten ver-
öffentlichen will, nach dem der Aal von jeher im Schwarzen Meer vorge*
kommen wäre. Gut, wenn es gelingt Ich konnte diese Untersuchungen
nicht kennen, konnte mich vielmehr nur auf die verbreitete Ansicht der
Zoologen sttitzen, daß der Aal im Schwarzen Meer nicht vorkommt Im
übrigen wird jeder aus der Darstellung in meinen 'Indogermanen' ersehen,
wie wenig für mich diese tiergeographischen Argumente ins Gewicht fallen.
Weshalb Schrader nicht versteht, wie ein gemeinslavischer Name des Aalea
vorhanden sein kann, weiß ich nicht, vielleicht belehren ihn aber die
Karten bei Niederle Siovansk6 Staroiitnosti.
2) Daß der Aal bei Homer nicht zu den Fischen gerechnet wird»
kann nicht besonders auffallen.
Untersnchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 99
namen. Ahd. lahs^ mss. losodj lit laüfä ist eine Gleichung, der
so gut indogerm. Alter zukommt wie jeder andern; denn das Wort
kann nicht aus einer Sprache in die andere entlehnt sein, und an
besondere Berührungen zwischen Germanisch und Litu-Slavisch
glaube ich nicht, s. o. S. 62. Der Lachs kommt bekanntlich nur
in den Flüssen vor, die zu den nördlichen Meeren fließen. Das
Wort mußte also den südlichen Sprachen verloren gehen. Ich
würde lachs für ein idg. Wort halten, auch wenn es nicht im
Slavisch-Lit vorkäme, weil die Bildung aus germ. Sprachgut ab-
solut unerklärbar ist Das Wort muß aber schon die Entwicklung
der Gutturale zu Zischlauten mitgemacht haben.
Wir besitzen femer die Gleichung altpr. kaliSy mhd. toeU
und Watfisck^ die wir ebenfalls als indogerm. ansprechen dürfen,
selbst wenn nicht lat s^ua/tia, vgl Walde Etym. Wtb. s. v., dazu
gehört Osthoff Etym. Parerga S. 321 hat in ausführlicher Be-
gründung griech. qpdXXaiva zu wal gestellt
Lid6n hat uns noch eine Reihe anderer Fischnamen kennen
gelehrt Btr. 15, 509 findet sich die Gleichung nnord. harr *die
Asche*, lit kariis 'der Brachsen', kirSlys *Äsche'. Uhlenbeck
hat Arkiv f. nord. fil. 15, 154 f. nschw. gärs 'Kaulbarsch*, nach-
dem Lid6n es Btr. 15, 508 besprochen hatte, zu ai.^'Aa^ gestellt,
was er auch in seinem Et Wtb. des Aind. beibehält Torbiömson
die gemeinslavische Liquidametathese 35 hat dazu russ. iirech
^Seepferdchen' gefügt
Das deutsche SWr^ ahd. sturio stimmt in seinen Lauten auf-
fällig zu abg. ^'esd^ni russ. ositrü^ lit oiitras. Die indogerm. Grund-
form würde ich als ositeros ansetzen, aus der sich die slav. und
germ. Formen durch Ablaut ergeben. Die Gleichung ist schon
früher veröffentlicht worden, ich weiß aber nicht von wem.
In den üppsalastudier S. 99 hat Lid6n femer aisl. här llaj'
mit aind. gafdhif *ein best. Wassertier* (unbelegt) verglichen. Dazu
auch (akuläs *ein Fisch*. Auch Uhlenbeck hat diese Etymologie
in seinem aind. Wtb. aufgenonmien. Sie ist gewiß nicht sicher,
aber zweifellos möglich. Griech. xf^Toc kann wohl mit Lid6n
auch dazu gestellt werden.
Geben wir die Gleichung d. tcal 1. squältis auf, so findet
doch dieses einen Verwandten in griech. ckuXiov *eine Haifisch-
arf , vgl. Osthoff Etym. Parerga 325.
Ich stelle femer kelt esox *Lachs' zu deutsch Asche^ Äsche.
Daß der Fisch im Germ, nach seiner aschgrauen Farbe benannt
70 H. Hirt,
wäre, ist mir wenig wahrscheinlich, da der Fisch gar nicht be-
sonders grau ist esoks und ahd.a«to bilden eine tadellose Gleichung
mit Schwebeablaut und müssen schon deshalb in die Ursprache
zurückgehen. Ich bemerke noch, daß die Asche zu den Lachs-
fischen gerechnet wird.
Mit ahd. farhana Torelle* hat Lid6n Uppsalastudier S. 92
ir. ark (aus *park) *salmo* und weiter lat perea^ griech. irepiq
•Barsch' verglichen. Daß der Name im letzten Grunde mit griech.
trepKvoc *bunt', alpfgni- *gesprenkelf zusammQuhängt, ist möglich,
aber es kann dieser Zusammenhang auch so au%efaßt werden,
daß *perkn6s von *ferk Torelle* abgeleitet ist.
Schrader RL. 332 hat selbst einen Namen für den Hering
entdeckt; die Gleichung ir. 9catan^ sgadan *allec*, nir. sgadan^
manx. skeddan^ kymr. ysgadan^ ags. sceadd^ engl. ^Md, norw. skaddj
nhd. (mundartl.) schade^ schaden kann sehr wohl urverwandt sein.
Mhd. smerl^ smef'le wird bei Kluge mit griech. c^apic *ein
kleiner gering geachteter Meerfisch' verglichen, wogegen gar-
nichts einzuwenden ist. Die Gleichung russ. sigti, an. sfkr *salmo
lavaretus* steht bei Schrader RL. 495. Man sieht also, daß eine ganz
beträchtliche Zahl von Fischnamen vorliegt, die ebensogut indo-
germanisch zu gelten ein Anrecht haben, wie andere Gleichungen.
Der einzige auffällige Punkt ist dabei, daß die Gleichungen
sich nur in wenigen Sprachen erhalten haben. Aber man braucht
zur Erklärung nur an die heutigen Verhältnisse zu denken. Wer
nur einigermaßen gereist ist, weiß, wie die Fischnamen von Gegend
zu Gegend wechseln. Derselbe Fisch heißt hier so, dort so. Außer-
dem sind gewisse Fische auf bestimmte Gegenden beschränkt
Für den Hering kann ein Ausdruck im Süden nicht vorhanden
sein, für den Felchen keiner im Norden usw. Daraus läßt sich
also nichts folgern.
Man kann nun auch einmal die ganze Frage von einer
andern Seite betrachten. Man kann fragen, was besitzen wir in
den Einzelsprachen an Fischnamen und woher stammen sie ? Aus
den modernen Dialekten ließe sich sicher ein großes Material
zusammenbringen, ich kann aber darauf nicht eingehen. Ich wähle
zunächst eine Reihe altdeutscher Fischnamen, die im Summarium
Heinrici stehen (Steinmeyer-Sievers Ahd. Glossen 3, 83).
ipoccus : Aflso, nach Kluge auch ndd. bezeugt Daß das Wort
mit öech. poln. tcyz zusammenhängt, ist klar, doch kann wohl
nur das slavische Wort aus dem Germanischen entlehnt sein.
Untersachongeii zur indogermanischen Altertomskunde. 71
Bb ist bis jetzt keine Ableitung des germ. Wortes gelungen, und
es sieht auch sehr altertümlich aus.
rombits : sturo, duriOj ndl. gteur^ ags. styrie^ ('ftyra)^ Etymon
nach Kluge dunkel, siehe aber oben S. 69.
esox : lahs, idg. s. o. S. 69.
gamarus : salmo^ nach Kluge aus dem Keltischen, aber dort
nicht nachgewiesen; lat-galL scdmo ist wahrscheinlich ein Lehn-
wort Ich sehe eigentlich keinen Grund, das deutsche Wort für
ein keltisches Lehnwort zu halten, da es gut deutsch aussieht
capUo: ahd. alant oder munua. Das zweite Wort ist ganz
unklar, das erste zu as. cdund^ an. glunn *ein Fisch'. Ursprung
dunkel. Über die Verwandtschaft mit dem Worte Aal s. o. S. 68.
dama : ag ist mir unklar.
lucius : heehit^ as. hacud, ags. hacad. Nach Kluge zu ahd.
hecken 'stechen', also "der Stecher'. Das ist möglich, aber das
Suffix ist selten, und die Bildung sieht recht altertümlich aus.
Es heißt auch, wie ich aus Brehm entnehme, schnöck^ schnocky
Was9eruH)lf.
porca : bersichj ndl. baars^ ags. biers^ schwed. abborre^ dän.
abarre, nach Kluge zu börste^ bürste gehörig. Die Ableitung ist
wieder dunkel.
timaUus : aschOj vgl. oben S. 69.
tactuca : forhanc^ s. o.
anguiUa : Aal^ s. o.
yemerentMy grece myrena . lanpreda^ entlehnt
grcudm : chresse 'Gründling' unklar
turcnUla : grundda zu grund
balene : tvaürun, cete : taü^ s. o.
Charakteristisch ist, daß sich Entlehnungen unter diesen
Fischnamen so gut wie gar nicht finden und nur wenige deut-
liche Ableitungen.
Außer den im ahd. belegten Worten gibt es aber noch
eine ganze Reihe anderer.
Ahd. karpfoy ndl. karper, anord. karfe^ spätlat. carpa^ frz.
carpe^ ital. carpiane^ russ. karop^ serb. feirp, lit kdtpa. Das Wort
ist im Germanischen wahrscheinlich ein Lehnwort, worauf schon
das inlautende p hinweist Es hindert aber nichts frz. carpe^
und russ. hinypu zu vereinigen. Uhlenbeck hat PBrB. 19, 331
mit unseim Wort aL ^'j^ra-^ caphari^ ein häufig belegtes Wort
für eine E[arpfenart verglichen, für das er Dissimilation aus
72 H. Hirt,
*fairphara annimmt Dagegen ist gamichts einzuwenden. Schrader
sagt zwar RK 409, die Anknüpfung habe wenig Wahrscheinlich-
keit, aber, wenn es sich nicht um einen Fischnamen handelte,
würde er die Gleichung sehr wohl billigen.
Ahd. dio^ ags. diw 'Schleie' nach Kluge zu Schleim wegen
der schleimigen Schuppen, was mir kaum glaublich ist Eher
ist der Ksch nach der Farbe benannt "Gewöhnlich' sagt Brehm,
zeigt das Kleid der Schleihe ein dunkles ölgrün, durch welches
ein schimmernder Goldglanz geht Daher könnte man germ.
*dftms zu lat. liveo, liwr^ abg. diva 'Pflaume' stellen. Aber das
Wort hat auch Verwandte im Lit-slav. nämlich lit Zj^os, altpr. limt^
le. fo'ns, abg. Uni. Bemeker Die preußische Sprache S. 304 stellt
dazu griech. Xiveuc, wogegen gamichts einzuwenden ist
Weiter liegt ein wgerm. Fischname vor in ndd.nicA«, ndL rocA,
ags. reohha. Auch dieses Wort hat ein höchst altertümliches Aus-
sehen. Ein Zusammenhang mit lat räja ist allerdings kaum möglich.
Außerdem wäre noch der BuU zu nennen. Auch hier ist
eine etymologische Anknüpfung noch nicht gefunden.
Das Elbinger Vokabular bietet uns ebenfalls eine Fülle
von Fischnamen. Es ist vielleicht angebracht, auch diese hier
anzuführen, damit man erkennt, wie sich einheimisches Gut zum
fremden verhält Erwähnt sind schon suckis *Vysch* zu lit j^uvIsj
lasasso *Lachs', angurgis *aor, esketres *Stör', kalis 'Wels*, Unis
*slye'. Die andern sind : liede *Hecht*, lit lydekä^ le. lidaka^ lideks.
hcutis 'Brassen'.
starkis *Zant', lit sUrkas^ le. darks.
wilnis *Quappe' : das von Bemeker verglichene litt wünis
Tilz' gehört kaum dazu.
smerlingis *schmerle' aus dem Deutschen.
seabre *Czerte', d. i. *Zärte', lit Jtchrys^ lett zibris.
assegis Tersk*, d. i. Barsch, lit e^egys 'Kaulbarsch', poln.jaidi.
brunse Tletze', lit brunszis; sylecke 'Hering', lit sÜekSy lett.
siUds', sarote 'Karpfen', lit iaroias 'schimmernd'; Uingis *Blei',
hlingo 'Mutterlosen'; grundalis 'Gmndel' entlehnt; malkis 'Stint';
dubdis 'Halbfisch' aus deutsch dßbd., dr&ydes Tobel'; rapii
'Rape'; sweikis 'Dorsch'.
Auch hier ist das meiste unklar, einige Fischnamen sind
entlehnt, aber das meiste macht doch einen recht altertümlichen
Eindruck. Vielleicht gelingt es mit der Zeit noch einen oder
den anderen aufzuklären.
Untenachongen zur indogermanischen Altertumskunde. 78
Bekanntlich handelt &8t das ganze siebente und achte Buch
des Atbenaios Yon den Fischen. Die Fülle der dort angezählten
Namen ist zu groß, als dafi ich sie hier anführen könnte. Es
finden sich darunter viele ganz verständliche Bildungen, andere
Worte machen aber einen höchst altertümlichen Ausdruck.
Aus andern Sprachen fehlen mir Sammlungen.
Um nun schließlich das Maß vollzumachen, besetzen wir im
Germ, ein Wort für den Fischrogen ahd. rogan^ an. hrogn^ engl
roan. Das Wort ist, ich weiß nicht von wem, mit lit kurkulat
•Froschlaich' verglichen. Die Vergleichung ist jedenfalls tadellos.
"Auf keinen Fall können die Indogermanen ausschließliche
Ilschesser gewesen sein . . . oder auch nur dem Fischfang oder
dem Fischgenuß eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet
haben". Warum denn nicht? Aus der Sprache können wir
weder dies noch das Oegenteil beweisen. Waren denn aber die
Fische ein Nahrungsmittel, das überall zur Verfügung stand?
Nein, sondern es gab sie nur an gewissen Stellen in bedeutender
Menge, und da werden die Menschen sie auch schon benutzt
haben. Wir wissen dies von den Bewohnern der dänischen Küchen-
abfalle, und auch Bewohner der friesischen Inseln, sowie der
Nordseeküste werden sie nicht verschmäht haben. Ebenso hat
es bei den Griechen fischessende Bevölkerungsschichten gegeben,
soweit sie eben an dafür geeigneten Stellen saßen.
Aus dem vorhergehenden folgt also mit Sicherheit, daß es
indogermanische Fischnamen gibt, und daher fällt das ganze
Gebäude Schraderscher Schlußfolgerungen zusammen. Die prin*
zipielle Frage ist daher hier noch nicht zu entscheiden.
B. Schiffahrt und Wagenbau.
Es ist bekannt, daß wir eine ausgebildete Terminologie
für den Wagen haben. Der reichen Fülle gegenüber soll die
Armut in bezug auf die Terminologie der Schiffahrt ins Gewicht
fallen. Nun steht doch über allem Zweifel fest, daß die Indo-
germanen Worte für Schiff und Ruder besessen haben, aber das
genügt Schrader nicht. RL. S. 711 sagt er: "Wo immer ein
Volk, wenn auch neben andern Beschäftigungen, Jahrhunderte
lang dem Gewerbe der Schiffahrt obliegt, wird sich unfehlbar
auch eine nautische Terminologie herausbilden. Für die charak-
teristischen Merkmale der Seelandschaft, für das Wetter auf
See, für die bedeutendsten Seetiere, für die Winde, für die
74 H. Hirt,
Himmelsgegenden, für den Fisch&ng, für Arten und Teile der
Fahrzeuge usw. werden feste Namen geschaffen werden, wie
dies uns handgreiflich in dem urgermanischen Sprachschats ent-
gegentreten wird. Wären derartige Wörter nur in einigem Um-
fang schon in der idg. Grundsprache vorhanden gewesen, so
würden, wie auf dem Gebiete der Viehzucht und des Ackerbaus,
die Spuren derselben in idg. Gleichungen vorliegen. Solche fehlen
aber, von den obigen abgesehen, nahezu gänzlich".
Vielleicht werden sich einige durch diese schön gesetzten
Worte bestechen lassen ; wer aber wirklich einmal das Meer und
die Schiffahrt gesehen hat, dem wird das Haltlose dieser Aus-
führungen sofort klar werden. Ist denn Ackerbau und Viehzucht
mit der Schiffahrt auf eine Linie zu stellen ? Nein, denn Acker-
bau und Viehzucht sind die Grundbedingungen aller Wirtschaft
durch fast ganz Europa hindurch, die Schiffahrt ist aber nur
an wenigen Stellen möglich, nämlich am Meer und auch hier
nur, wo Häfen vorhanden sind, auf Seen und Flüssen. Es hat
also immer nur ein kleiner Teil der Indogermanen die Schiffahrt
betreiben können, die Hauptmasse, die im Binnenland saß, aber
nicht Tatsächlich mußten die Völker, die von der See ins
Binnenland zogen, ihre nautischen Fertigkeiten und ihre nau-
tischen Ausdrücke aufgeben, darüber sind wir doch alle einig.
Man vergleiche z. B., daß got. saiws *Landsee' heißt gegenüber
der Bedeutung *Meer* in den übrigen Sprachen. Wir wissen
femer, daß die gemeingermanischen Ausdrücke, die sich auf die
See beziehen, im Oberdeutschen vielfach fehlen. Selbst wenn
wir nicht einmal ein idg. Wort für Schiff erschließen könnten,
würde daraus folgen, daß die Bewohner der Nord- und Ostsee-
küste keine Indogermanen gewesen wären? Auch der Vergleich
mit der Terminologie des Wagens hinkt, weil eben der Wagen
in der Liandwirtschaft immer gebraucht wird, das Schiff aber
nicht die gleiche Verbreitung hat
Außerdem ist die nautische Terminologie keineswegs so
arm, wie das Schrader hinstellt
Außer dem idg. Wort näus haben wir noch griech. tciuXöc,
ahd. kiol 'großes Schiff', altn. kfÖU^ ags. ceöl.
Wir haben nicht nur einen Ausdruck für *Ruder*, sondern
wahrscheinlich zwei, neben dper^dc steht an. ags. Jr, das Lidön
Studien zur aind. und vergl. Sprachg. S. 65 zu lit toairas^ watra^
lett (dris gestellt hat
Unteisachungen zur indogermanischen Altertumskunde. 7&
Deutsch mast entspricht lat malus. Schrader meint nun
zwar RL. S. 755, man könne hier von der Bedeutung *Stange*
ausgehen, die im ir. mcUde = *masdo8 lignum, baculus' die einzig-
herrschende ist Ich muß es für den größten Zufall erklären,
wenn zwei Worte in ihrer Bedeutungsentwicklung derartig sollten
zusammengetroffen sein, vgl. meine Indogermanen 8.239. Dagegen
ist es ganz leicht verständlich, wenn ein Ausdruck für Mast in
die Bedeutung "Stange* umschlägt Wir reden ja auch von Fahnen-
masten usw. Schrader sagt nun zwar, im Lateinischen und
im Althochdeutschen sei die Bedeutung "Stange, Baum' noch
so lebendig, daß nichts im Wege stehe, diese als die ursprüng-
liche anzunehmen.
Die Tatsachen liegen folgendermaßen. Für das Ahd. belegt
Graff mast malus Tr, malum VA. V. 487, mastin malis Aid. 1,
masÜHjum. Erst im Mhd tritt die Bedeutung 'aufrecht stehende
Stange' auf, wie das DWB. angibt In der ags. Poesie ist mces^
in der Bedeutung "Mast' überliefert B. 1898, Gn. C. 24, B. 36^
1905, An. 465, und nur an einer Stelle Gen. 1470 bedeutet es
Baumstamm, Ast Hier ist aber die Überlieferung nicht in Ordnung.
Es heißt dort bei Grein
gefeah Uiäemod^
Pcßs pe heö gesette swxde teerig
an treowes tdgum torhtum moste.
Man will hier mceste für moste lesen, besser ist aber wohl
mit Grein meiste als Yerbum zu nehmen, und gesette in gesUtan
zu ändern, wie Wülcker auch tut most für messt wäre doch
sehr auffallend
Wenn im Nordischen nMstr in älterer Zeit nicht vorhanden
ist, sondern dafür siglutre gebraucht wird, so wird doch damit
nicht bewiesen, daß das Wort nie vorhanden war, sondern es
ist einfach, wie das so oft geschieht, durch eine Umschreibimg-
ersetzt worden.
Es ist bedauerlich, daß für das Lat malm der thesaurus.
noch nicht vorliegt Aber schon aus Georges ist zu ersehen,
daß Schrader kaum recht hat Georges gliedert die Bedeutungen
so: malus *jeder senkrecht stehende Balken, ein Ständer' I im
allgemeinen, und das wird mit einer Stelle aus Frontin. strat
3, 8, 3 belegt: malos exaequantes aUitudinem jugi surrexit, II
insbes. der Mast, Mastbaum. Daß diese hier angenommene Be-
deutungsentwicklung höchst unsicher ist, muß sich jeder sagen.
76 H. Hirt,
Ich habe nun noch den Forcellini nachgeschlagen und dort
keinen einzigen Fall gefunden, der für Schrader spräche, sondern
€S liegt überall die Bedeutung *Mast* vor.
Man sieht also, was es mit der Behauptung Schraders auf
sich hat, im Althochdeutschen und Lateinischen sei die Bedeutung
*8tange, Baum' noch so lebendig, daß nichts im Wege steht,
diese für die ursprüngliche anzunehmen.
Es ist also auch für das Lateinische höchst wahrscheinlich
von der Bedeutung *Mast' auszugehen, und da diese auch für
das Germanische zugrunde liegt, so rechtfertigt die Sprache die
Annahme, daß die Indogermanen den Mast gekannt haben. Ob
die Sprache gegenüber andern Indizien Recht behält, ist eine
andere Frage, die ich in meinen Indogermanen behandelt habe.
Wenn nun die Indogermanen *Schiffe* mit 'Rüdem* und
'"Masten' besessen haben, was haben sie damit gemacht? Sie
haben die Flüsse befahren, werden auch die See nicht gescheut
haben, wenn sie an ihr saßen.
Schrader weist mit Emphase auf die Fülle urgermanischer
Worte hin, die sich auf die Seefahrt beziehen, imd die die Be-
kanntschaft der Germanen mit der Seeschiffahrt erweisen. Kr
hätte aber die indogermanischen Ausdrücke nicht übergehen sollen.
Ich stelle diese daher zusammen
griech. iiTreipoc aus *äperjos hat man längst mit d. Ufer,
mhd. uover^ mndd. ötw, ndl. oever^ ags. öfer verglichen. Die
Gleichung ist tadellos, und es kann demgegenüber die oberd.
(baier.) Form urvar gamicht in Betracht kommen. Da das Wort
den oberdeutschen Dialekten noch heute fremd ist, man sagt
dafür *Staden', so wird es sich bei urvar um eine Volksety-
mologie handeln.
Latportus *Hafen* entspricht ganz genau aisl. ^jforrfr *Bucht*.
In andern Dialekten liegt die Bedeutung *Furt* vor, scw. p^Sui
'Furt', p9rdtuB ^Durchgang, Eingang, Pforte, Furt, Brücke', ahd.
furi^ gall. rüu-
ai. ärmijf *die Welle, Woge', entspricht ags. wylm m. fMet,
wateres toylm
d. weüe^ ahd. wäla kehrt wieder in lit Vl7n^ abg. Mna * Welle*
ags. lagUj lat. lacus^ air. loch bilden eine tadellose Ent-
sprechung. Das Wort bezieht sich offenbar auf einen Landsee.
Namen für die Himmelsgegenden sind nicht bloß germanisch,
«ondem schon indogermanisch. Es entspricht bekanntlich Ut
Untersachnngen znr indogermanischen Altertumskunde. 77
Uomfi 'Nordwind*, abg. tiimrii 'Nord*, lat. caurus 'Nordostwind'
dem ahd. sk&r *üngewittei^, nhd. schauer, got skOra windis * Wirbel-
wind*, ags. ikür •Schauer*. Die besondere Entwicklung des Ger-
manischen ist leicht verständlich, da der Nord- oder Nordwest-
wind meist zu böigem oder stürmischem Wind ausartet Für
die Bewohner der Nordseeinseln sind die Nordwestwinde am
gefiihrlichsten.
An der Gleichung d. süden, ahd. mndurint, ags. 8üdan Von
Süden her', ags. süß, ndL zuid, as. süth *Süden' mit griech. v6toc
*Südwind* aus *8not08 halte ich durchaus fest.
Daß in zwei Fällen die Worte für Windrichtungen zur
Bezeichnung der Hinmielsgegenden geworden sind, halte ich für
recht auffallend.
Auch sonst haben wir noch Wetterbezeichnungen: lat
vmitua, got winds usw. ; as. toedar "Wetter, Witterung, Sturm'
entweder zu abg. vedro 'gutes Wetter* oder zu vitrü *Luft, Wind*.
Auch d. Sturm kann ein altes Wort sein, da es im Germanischen
schwerlich abgeleitet sein kann. Natürlich beziehen sich diese
Worte nicht notwendig auf die Seelandschaft
Schrader sagt weiter S. 715: ürgermanische Tiemamen
der nördlichen Fauna s. u. Möwe, Schwan, Seehund, Wal-
fisch. Für Walfisch läßt sich, wie wir oben gesehen haben,
ein idg. Wort erschließen. Für den 'Seehund* bestehen eine
Beibe dunkler Ausdrücke, griech. (piuioi, altn. se/r, ags. ssolh, ahd.
stlah. Letzteres hat man zu griech. c4Xaxoc 'Knorpelfisch* ge-
stellt Das ist aus bekannten Gründen nicht ganz sicher. Immer-
hin sieht aber germ. sdh recht altertümlich aus.
Für 'Schwan* haben wir in ahd. cdbiz, abg. lebedi eine
sichere idg. Gleichung, weil sie Ablaut zeigt
Von den verschiedenen Bezeichnungen für 'Möwe* sieht
die germ. ahd. mäh, altn. mär, ags. maw recht altertümlich aus,
wenngleich sich bei der beschränkten Verbreitung dieser Tiere
naturgemäß kein weit verbreiteter Name nachweisen läßt
Die größere Bedeutung des Fischfangs macht sich geltend,
sagt Schrader, in urgermanischen Gleichungen wie altn. pnguUj
ahd. angul 'Angel', got nati, ahd. nezzi 'Netz*, altn. vadr, mhd.
wate *Zugnetz', altn. hragn, ahd. rogan 'Rogen', dän. leeg, mndd.
Mfe- "Laich'.
Von diesen Worten entspricht angul dem griech. dincuXoc
"gekrümmt, gebogen' ganz genau und von dem zugrunde ÜÄgen-
78 H. Hirt,
den Stamm ist tö ärxicTpov ^Angelhaken' abgeleitet Unser deutsches
Wort netz hat wahrscheinlich in lat tuusa eine Verwandte. Wate
kann ein neues germanisches Wort sein. Über Sogen s. o. Über
Laich weiß ich nichts zu sagen.
Die urgermanischen Fischnamen Aalj Lache^ Stör haben
wir oben für indogermanisch erklärt Für den Namen des
Herings hat Schrader selbst den Anfang dazu gemacht, und
80 bleibt einzig der Barsch,
Man sieht also, was es mit Schraders Ausführungen auf
sich hat
Ich füge noch hinzu, daß eine Reihe anderer Seeausdrücke
durchaus altertümlich aussehen, so ndd. düne zu ags. dün *Hüger
(engl, doums *Dünen'), wozu auch engl, doum 'herab' aus ags.
adüne ofdüne eig. Vom Hügel herab'. Kluge vergleicht dies
weiter mit air. dün 'Hügel*. Dies Wort ist dann von den Germ,
entlehnt als tün^ d. Zaun. Vielleicht ist aber unser *düne* ver-
wandt mit griech. 9ic, 6iv, 6iv6c *die Sandhügel am Meeresufer,
die Dünen*.
Das ndd. uxxt entspricht lat vadum *Furt*. Unser deutsches
Wort Strand sieht höchst altertümlich aus, ebenso wie Ebbe.
Es gibt also eine Fülle für die idg. Ursprache zu erschließen-
der Ausdrücke, die sich auf die Schiffahrt und die See be-
ziehen, und diese machen es durchaus wahrscheinlich, daß die
Indogermanen an der See gewohnt haben. Jedenfalls sind aber
auch hier wieder die Schlüsse aus dem Schweigen der Sprache
hinfällig.
C. Blumenzucht und Ackerbau.
Daß die Indogermanen keine Blumenzucht getrieben haben,
folgt natürlich nicht aus dem Mangel an Ausdrücken dafür —
wir haben ja Ausdrücke für Blume — , sondern aus andern
kulturhistorischen Momenten. Ich denke, ich kann diesen Punkt
ganz übergehen.
D. Die Verschwägerungsbezeichnungen des Mannes
gegenüber denen des Weibes.
Delbrück und Schrader haben ziemlich gleichzeitig den
Nachweis aus der Sprache zu führen versucht, daß die Ver-
schwägerungsbezeichnungen sich auf das Verhältnis der Frau
zu den Angehörigen des Mannes beziehen, und daß wir daher
ein rein ag^natisches Verhältnis für die Urzeit anzunehmen haben.
Untersachnngen zur indogermanischen Altertumskunde.
79
Diese Ausführangen haben ursprünglich auch auf mich Eindruck
gemacht, und ich habe ihnen einige Beweiskraft beigemessen.
Heute muß ich das zurücknehmen^ und ich will zu zeigen ver-
suchen, daß Schraders Folgerungen — die Delbrücks gehen ja
nicht so weit — falsch sind.
Es ist sicher, daß die Verwandtschaftsbezeichnungen im
Laufe der Zeit immer mehr verringert worden sind, weil man
kein Bedürfnis hatte, die einzelnen Orade noch so stark zu unter-
scheiden, wie man in alten Zeiten tat Heute kommen wir mit
sehr wenig Worten aus, weil sich unsere Familienformen gelockert
haben.
Wollen wir nun ermitteln, welche Bezeichnungen in alter
Zeit nötig waren, so tut man zunächst gut, sich einmal an die
Völker zu wenden, die die alten Verwandtschaftsnamen und
die alten Formen der Familie am besten erbalten haben, das
sind die Litauer und die Slaven. Bei den heutigen Südslaven
besteht noch die Oroßfamilie, und sie besitzen die alten Aus-
drücke djiver^ zaova, jitrve u. a. Aber sie haben eine ausge-
bildete Nomenklatur der Verwandtschaftsworte nicht etwa nach
einer Seite, sondern nach beiden. Es ist wichtig, das einmal
übersichtlich zu zeigen, vgl Delbrück S. 404.
Litauer Slaven (Serben)
Vater
ticas
otac
Mutter
moHna
matt
Sohn
8üni^
9in
Tochter
dukti
hdi
Bruder
brolis
brat
Schwester
sesu
sestra
Ältere Schwester
Ijelna
Vaters Bruder
dedis
stric
dessen Frau
dedSn$
ürina
des Vaters Schwester
dede
strina, tetka
ihr Mann
dedena
der Mutter Bruder
avytMS
ujak
seine Fran
avynene
ujna, ujaöa
der Mutter Schwester
teUa
teta, tetka
ihr Mann
ieUenas
tetak, tetac
des Weibes Vater
uoivis
tost, punac
des Weibes Mutter
uo^
tasta, punica
des Mannes Vater
üSuras
svekar
80
H. Hirt,
des Mannes Mutter
des Mannes Bruder
des Mannes Schwester
des Weibes Bruder
des Weibes Schwester
Männer zweier Schwestern
Frauen zweier Brüder
Eidam
Schnur
Slayen (Serben)
9vekrva
dj€V€T
ZOOM
iura
pai&nog
jetrve
zei
snaha.
Litauer
anyta
deveris
möia
laigonas
3vaine
svainis
gente
^enteis
marti
Man könnte ja einmal versuchen, ohne Bücksicht auf die
übrigen Sprachen den urlitauisch-slavischen Stand der Dinge zu
erschließen. Es fehlten dann Ausdrücke für Vater, für den Bruder
und die Schwester des Vaters, für die Schwiegertochter; sie wären
aber vorhanden für die Mutter, den Bruder und die Schwester
der Mutter, und für den Schwiegersohn. Wenn das nicht auf
Mutterrecht weist, so weiß ich nicht, was es anders bedeuten
soll. In Wirklichkeit ist natürlich die Schlußfolgerung falsch.
Die Fülle der Verwandtschaftsbezeichnungen setzt einiger-
maßen in Erstaunen, aber da schließlich die Litauer und Slaven
nicht die Indogermanen sind, so haben diese wahrscheinlich
noch mehr besessen. Jedenfalls liegt kein Grund vor, anzu-
nehmen, erst die Litauer und Slaven hätten das Bedürfnis emp-
funden, derartige ausgeprägte Verwandtschaftsbezeichnungen zu
schaffen. Es ist sehr wohl möglich, daß alle diese verschiedenen
Unterscheidungen im Indogerm. vorhanden waren, daß aber in
den Einzelsprachen eine Reihe davon verloren ging, weil eine
immer größere Verallgemeinerung eintrat So waren *8wek'uro8
und sivek'rü ursprünglich die Bezeichnungen für den Schwieger-
vater und die Schwiegermutter der Frau, sie wurden aber auch
allmählich für das Verhältnis des Schwiegersohnes zu seinen
Schwiegereltern gebraucht, unter Verdrängung anderer Aus-
drücke. Tatsächlich bezeichnen alle Sprachen dies Verhältnis
irgend wie, und da die Sachvergleichung das wichtigere ist, so
ist daraus zu schließen, daß es auch im Indogermanischen be-
zeichnet wurde. Wir sind nur nicht imstande, die indoger-
manischen Ausdrücke festzulegen, weil die Sprachen ausein-
andergehen.
Sehen wir uns nun die sprachlichen Tatsachen noch etwas
näher an.
Untersachongen zur indogamanischen Altertamskiinde. 81
Der Aasdrack für den Bruder des Vaters ist nur in
Tier Sprachen erhalten, nämlich aind. päfVffas^ griech. Trdrpiuc,
L pcUruit&f ahd. fetiro.
Für den Mutterbruder ist zwar ein so genau überein-
stimmender Ausdruck nicht vorhanden. Aber fünf Sprachen be-
zeichnen ihn mit demselben Stamm ou», lai avunculus^ kelt eviter^
germ. öheini, lit avyna&f slav. ufi. DaB das kein ZufiiU sein kann,
dürfte mit Delbrück für jeden außer Schrader auf der Hand
liegen. Es wäre höchst merkwürdig, wenn alle Völker denselben
Stamm gewählt hätten.
Daß für die Schwiegertochter ein alter Ausdruck besteht,
ist sicher, aber ebenso so sicher auch für den Schwiegersohn.
Die Obereinstimmung zwischen dl,jamäiar^ av. zämäiar^ griech.
TOfißpöc, 1. gener kann nicht zufallig sein, wenngleich es uns
entgeht, wie diese Worte zu vereinigen sind, ya^ißpöc und gener
würde man unter Annahme eines idg.^^f^nros vergleichen können.
Ebenso decken sich aLjämöiar, falls aus jämü mit späterem
Suffix -ar mit lit slav. *ien9t^ falls man §*mnH als Grundform
annimmt. Aber wie dem auch sein mag, es ist mir ganz un-
glaublich, daß alle Sprachen selbständig auf denselben Stamm
zur Bildung dieses Namens verfallen sein sollten.
Man darf doch nicht vergessen, daß sich auch bei uns im
Lauf der Zeiten die Ausdrücke geändert haben. Das alte Wort
'Eidam' ist verschwunden und durch 'Schwiegersohn', Tocbter-
mann', engl, son in law ersetzt Da englisch und deutsch aus-
einander gehen, so müßte man wieder schließen, daß die Ger-
manen kein Wort für •Schwiegersohn' gehabt hätten.
Für die Schwiegereltern des Mannes sollen sich keine Aus-
drücke nachweisen lassen. Nur wir finden ai. fodguras^ gtxifHl,
1. eocer^ eocruA, alb. vieher^ viikef9^ germ. Schtcäher und Schuneger^
d. h. in vier Sprachen dient ein und dasselbe Wort auch zur
Bezeichnung der Schwiegereltern des Mannes. Es kann daher
auch so schon im Indogermanischen gewesen sein. Wir finden
außerdem griech. TrevOepöc, TrevOepd, lit üivis^ üSve und abug. tisti,
tüta. Wenn nun auch diese Worte nicht übereinstimmen, so
kann dodi eines und das andere schon im Indogermanischen in
dem Sinne von Schwiegervater gebraucht worden sein. Wenn
ich aber wie Schrader schließen wollte, so würde ich sagen, im
Indogermanischen bezeichnete ^Kupoc auch den Vater der Frau,
und erst in einigen Einzelsprachen ist das Bedürfnis au^e-
Indogermaiijjelrtf Fonchnngen XXIL &
82 H. Hirt,
kommen, den Schwiegervater der Frau durch ein besonderes
Wort zu bezeichnen. Das ist in einzelnen Fällen durchaus mög-
lich. Man sieht also, wie wenig Schraders Schlußfolgerungen
wirklich das beweisen, was sie beweisen sollen.
Wir müssen aber noch auf einen anderen Punkt eingehen.
IF. 17, 11 hat Schrader über Bezeichnungen der Heiratsverwandt-
schaft bei den idg. Völkern gehandelt. Dieser Aufsatz bedarf
dringend einer eingehenden Besprechung, da er eine ganze Beihe
höchst zweifelhafter und evident falscher Dinge enthält. Die
Ausführungen über das deutsche Wort schwäger bilden freilich
den Gipfelpunkt der Schraderschen Methode. Dieses Wort soll
aus dem Slavischen swök entlehnt sein. Dann sei es nach «ndc,
mäges zu *9wak^ *9wages und schließlich unter Einfluß von sunger
und stoeher zu stcäger umgestaltet. Zunächst ist es schon höchst
zweifelhaft, ob die Germanen solch Wort von den Slaven haben
entlehnen können, und der Zweifel wird in keiner Weise dadurch
beseitigt, daß Schrader ein paar Entlehnungen des Germanischen
aus dem Slavischen für kulturhistorische Begriffe anführt, näm-
lich für Pelze und Pelztiere und einige Namen für Vögel und
Fische. Glücklicherweise ist Schraders Annahme durch W. Schulzes
Ausführungen KZ. 40, 400 definitiv beseitigt worden, und es
lohnt sich nicht, weiter darauf einzugehen. Schwager enthüllt sich
als eine indogermanische Bildung gleich ai. gväguras *dem Schweher
gehörig'.
Schrader nimmt weiter an, daß es einen Ausdruck für
*Schwiegersohn' nicht gegeben, und daß griech. TOl^ßpöc und
ähnliche Worte zunächst 'Heiratsverwandter* bezeichnet habe.
Das ist deshalb durchaus unwahrscheinlich, weil wir bei den
Verwandtschaftsnamen durchaus das Prinzip der Verallgemeine-
rung finden. Die beiderseitigen Schwiegereltern werden schließ-
lich mit einem Ausdruck bezeichnet, ebenso die Oheime und
Tanten usw. Schrader ist auf seine Ansicht gekommen, weil yaMßpöc
'Schwiegersohn, Schwager' und schließlich auch 'Schwiegervater'
bedeutet. Daß die Bedeutung 'Schwiegersohn' in die von 'Schwager*
übergehen kann, ist außerordentlich leicht verständlich. Wie
leicht kann ein erwachsener Sohn von unserm 'Schwiegersohn'
reden. Daß dieser Punkt gar nichts beweist, zeigt auch vuöc,
das gleichfalls in dem doppelten Sinne der Schwiegertochter und
der Schwägerin vorkommt Hier wissen wir, daß die erste Be-
deutung die alte ist.
Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 83
To^xßpöc bedeutet freilich auch den Schwiegervater, aber nur
in poetischen Texten (Delbrück S. 115). Delbrück erklärt dies
durch Anredewechsel, und das genügt vollständig trotz des Wider-
spruches von Schrader. Es kommt hinzu, daß ahd. 9uehur auch im
Sinne von levir belegt ist Voraussetzung für diese Bedeutungs-
übergänge ist nur, daß die ursprüngliche Bedeutung verblaßt ist
Es ist also eine durchaus gewöhnliche Bedeutungsentwick-
lung, die wir vor uns haben, und jeder, der die Belege vor-
eingenonunen prüft, wird mit Delbrück zu der Ansicht kommen,
daß eben eine einfache Bedeutungserweitung vorliegt, wenn wir
die Ausdrücke für 'Schwiegersohn* auch in der Bedeutung
•Schwager* finden.
Natürlich können inmier wieder neue Worte für den Schwager
oder den Schwiegersohn aufkommen, auch Worte, die einst eine
allgemeine Bedeutung gehabt haben.
Außer j^0nar-Ta^ßpöc läßt sich aber noch mancherlei für die Be-
zeichnung der Verwandtschaft nach der weiblichen Seite anführen.
Wir finden nämlich bei Hesjch diXioi * oi dbeXcpac T^ivaiKac
icm^ärec und alXioi * cuTTajLißpoi. Bei Pollux 3, 32 steht femer
eiXiovec (oi b' dbeXcpdc THMAVTec ö^ÖT0l^ßpOl fi cuTToiMßpoi f| ^dXXov
cmpciiöecTai • Kttl irapd toTc iroiriTaic etXiovec). Das ei ist hier
allerdings unklar, aber da es ein dichterischer Ausdruck ist,
können wir, wie bei eivdnip, mit metrischer Dehnung rechnen.
Wir kommen also zu ^iovec Die Wörter dlXioi usw. dürften das
bekannte Präfix a enthalten. Mit diesem Wort hat nun schon
Kluge KZ. 26, 86 an. stnli 'a brother in law*, PL smlar ^tiie hus-
bands of two sisters' zusanunengebracht Wir finden im Indischen
femer sjfälä' 'der Frau Bruder*. Delbrück meint zwar, das Wort
könne nichts mit den beiden erwähnten zu tun haben, aber so
unbedingt ausgeschlossen scheint mir das nicht zu sein, da man
den verschiedenen Anlaut vielleicht unter einem Ansatz stoj-
vereinigen könnte. Jedenfalls folgt schon aus dem griechischen
und germ. Wort, daß es eine Bezeichnung für die Männer zweier
Schwestern gab. Allerdings kann sich eine solche auch in der
Hausgemeinschaft des Mannes einstellen, wenn zwei Brüder oder
Vettern zwei Schwestern geheiratet hatten, aber sicher ist das
keineswegs. Es ist vielmehr wahrscheinlicher, daß diese Be-
zeichnung von der weiblichen Seite ausgeht Delbrück hält es
für durchaus möglich, daß ein Mann in die Familie der Frau
hineintrat, und ich schließe mich dem durchaus an.
84 H. Hirt,
Schließlich ist doch der Vorgang dem der Adoption zq
vergleichen. Auch hier tritt ein Mann in eine fremde Familiei
Mit mhd. gestmge^ geswfej ahd. gesuio *levir, sororis maritna
n. a.' weiö Delbrück nichts anzufangen. Aach Schraders Deatong
IF. 17, 25 ist nichts weniger wie sicher. Ich wundere mich
eigentlich, daß man die fast genaue Übereinstimmung mit iit
mxifnis nicht erkannt hat svatnis heißt im Iit der Bruder meiner
Frau, also genau das, was geswio auch in den meisten Fällen
bedeutet, vgl. z. B. Meier Helmbrecht 1664. aoafms geht zwar
nach der jo-Deklination, aber es ist sehr wohl möglich, daß hier
erst ein Metaplasmus vom Akk. Sing, stattgefunden hat, genau
wie bei senis *der Alte', lat genem^ (Inis *Hirsch', slav. jdmh u. a.
Dann mußte also der Nom. ursprünglich "^swaiö lauten, und das
wäre eine einfache ablautende Form zu ahd. ge-8wSö. Die An-
nahme, daß stcainis aus dem Slav. entlehnt (Leskien Nom. Bild.
S. 371) scheint mir durchaus nicht erwiesen zu sein.
Um den Au&atz von Schrader ganz zu erledigen, füge ich
hier noch einen Punkt hinzu. Schrader will sich für seine Er-
klärung von mväger noch auf einer andern Entlehnung aus dem
Slavischen stützen, ahd. eninchiU sei aus slav. fmnukü entlehnt
Hier erheben sich schon lautlich einige Schwierigkeiten. Die
slav. Grundform ist (monh- und daraus läßt sich enin trotz des
Verweises auf poln. umek nicht herleiten. Wir müssen also bd
der Herleitung aus dem Deutschen bleiben. Nun hat A. Zimmer-
mann IF. 15, 339 ein paar schöne Belege beigebracht über daa
Verhältnis des Namens 'Großvater' zu "Enkel*. Wir finden lat
aviatkus^ das deutlich zu avos gehört; und auch ir. axte könnte
auf *avios zurückgehen. Das ist alles ganz richtig, und nur in
der Ansetzung der Bedeutungsentwicklung hat man geirrt Waa
heißt denn avkUicm? Nun nach Beispielen wie vineaHcus *zam
Weinberg gehörig', cenaticus *zur Mahlzeit gehörig* heißt es *zum
Großvater gehörig', 'Großvaters Kind' sozusagen. Was damit
gemeint ist, braucht nicht erörtert zu werden. Genau dasselbe
müssen wir für kelt *(mo3 annehmen, auch das bedeutet *zum
Großvater gehörig*. Unser deutsches enenkd wird also ebenso zu
erklären sein. Wie ist hier die Suffixbildung aufzufassen ? Kluge
Et Wtb. s. v. Enkel sieht in ahd. eninchäi ein selbständiges Suffix
wie in huonifiJdin 'Hühnchen*, l^witMfn "kleiner Löwe' u. a. Wil-
manns Deutsche Gr. 2, 322 zerlegt sogar en-in-ldin^ zu ano. Dann
kämen wir aber immer nur auf die Bedeutung 'Großväterohon'.
Untersnchongen zur indogennanischen Altertumskunde. 85
Aber dieses Suffix '4nküf muß doch irgendwie durch Zu-
sammensetzung entstanden sein, und da wir auch mhd. enenkd
finden, so kann man wohl darin die ursprüngliche Form sehen,
der ein noch ursprünglicheres anbnkoß zugrunde liegt Auf diese
Form weist ja auch slav. vünükii Daß diese Worte zasammen-
gehören, scheint mir klar zu sein. Da aber die Suffixe nicht
stimmen, so wird man am ehesten an Entlehnung denken dürfen,
nicht aber des Germanischen aus dem Slavischen, sondern um-
gekehrt, des Slavischen aus dem Germanischen. Die Suffixgestalt
-io ist im Germanischen zwar nicht häufig, aber doch genügend
belegt, und zwar auch in der Bedeutung "gehörig zu* so briKh
chaeh "zona, balteum' zum brucih gehörig, funko zu got fön *zum
Feuer gehörig' u. a. So deute ich denn *aninko als *zum Ahn
gehörig'. Man kommt also ganz gut mit dem Deutschen aus, und
diese Stütze der Schraderschen Ansicht ist hinfällig^).
Im Slavischen, wo wir am ehesten alte Verwandtschafts-
ausdrücke zu finden hoffen können, treffen wir auch abg. tisti^
tüta^ mss. tesH^ teida^ serb. tast^ taita, Delbiück bemerkt S. 155
dazu, es lasse sich über die Etymologie nichts Sicheres sagen.
Darum braucht das Wort natürlich noch nicht jung zu sein. Ich
möchte fragen, ob dies nicht mit dem bei Schmeller 1, 583
belegten fränk. Uchier 'Enkel' zusammenhängt. Die slavischen
Formen weisen auf tiktj^ und davon könnte tichter eine Ableitung
sein. Schwierigkeiten macht natürlich das t Der Mangel der
Überlieferung läßt nicht klar erkennen, ob dies auf urgerm. ß
zurückgehen kann.
Ich fasse also zusammen. Es ist mir durchaus unwahr-
scheinlich, jedenfalls ist es in keiner Weise zu erweisen, daß
bei den Indogermanen die Verwandtschaftsgrade nach der weib-
lichen Seite nicht bezeichnet worden wären. Wir haben einige
Ausdrücke dafür, die indogermanisches Alter haben, andere sind
wahrscheinlich verloren gegangen. Zu fragen ist nur, weshalb dies
gerade bei den Bezeichnungen für die weibliche Verwandtschaft
geschehen ist Nun in vielen Fällen hat einfach eine Verallge-
meinerung der Begriffe stattgefunden, es wird der Ausdruck
1) Anders erklärt Pogatscher das Suffix -inkil, vgl. Anglia 23, 310 ff.
Dagegen Eckhardt Engl. Stud. 32, 325 ff. und wiederum Pogatscher Anglia
Beibl. 1904>, 238 — 247. Pogatscher sieht darin ein wgerm. mhküa 'Kind*.
Auch diese Deutung würde tninehü tadellos erklären. W. Schulze KZ. 40,
<i06 sieht in Enhtl einfach ein Diminutivum, was ja schließlich auch
möglich ist.
86 H. Hirt,
Vaterbruder für Onkel allgemein gebraucht, aber auch umgekehrt
Und daß die Ausdrücke *svekur(>8 *8vekrü gesiegt haben, ist
schließlich nicht wunderbar, da ja die Frau in das Haus des
Mannes eintritt Ich habe früher an die Schrader-Delbrückschen
Schlußfolgerungen geglaubt, aber wie man sieht, mit Unrecht
Wundt hat in seinen kritischen Bemerkungen ganz recht
So erweist sich also auch dieser Punkt, den Schrader für
den festesten hielt, als unhaltbar. Die agnatische Struktur der
indogerm. Familie folgt nicht aus der Sprache, sondern höchstens
aus der Übereinstimmung der Sitten in den ältesten historischen
Zeiten.
Aber in diesen zeigt sich eine streng agnatische Ordnung
doch nur in sehr modifiziertem Sinne.
E. Götter- und Personennamen.
Bei diesem Punkte brauche ich mich nicht lange aufeu-
halten. Wer den Ausführungen Useners in seinen Göttemamen
aufmerksam gefolgt ist, dem wird der Grund, weshalb wir ver-
hältnismäßig wenig vergleichbare Gt)ttemamen nachweisen können,
ganz klar sein. Es gab eben zahlreiche göttliche Gestalten und
dementsprechend zahlreiche verschiedene Ausdrücke, und von
diesen sind in der einen Sprache die, in der andern die übrig
geblieben. Im übrigen sind auch die Gleichungen bei weitem
nicht so gering, als es Schrader hinstellt
F. Sonstiges.
RL. S. 847 zeigt Schrader, daß die Ausdrücke, die in ein-
zelnen Sprachen *Tanzen' bedeuten, in andern eine rasche Be-
wegung ausdrücken. Eine solche Bedeutungsveränderung können
wir ja noch heute beobachten, man denke an unser "drehen,
walzen* u. v. a. Wenn wir also Gleichungen haben wie ai. f-
ghayati *tobt, bebt', griech. dpx^ojiai 'tanze*, lit ääras *eine be-
stimmte Art des Gehens*, griech. \opbc 'Chortanz, Beigen* u. a.,
so folgt für jeden auch nur einigermaßen in der Geschichte der
Wörter Bewanderten, daß hier Bedeutungsübergänge allergewöhn-
lichster Art stattgefunden haben. Da sich aber nicht dasselbe
Wort in mehreren Sprachen in der Bedeutung 'tanzen' nach-
weisen läßt, so schließt Schrader schnell aus dem Negativen
folgendes : "Was man aus diesen Tatsachen wird schließen dürfen,
istj daß man in der Urzeit noch kein Bedürfnis empfunden
Untersuchnngen zur indogennanischen Altertumskunde. 87
haben kann, den Begriff der feierlichen oder leidenschaftlichen
Bewegung von dem des Tanzes sprachlich zu unterscheiden,
wohl aus dem einfachen Grund, weil man den die Lokomotions-
bewegungen zu Tanzbewegungen erhebenden Rhythmus, der
sich aus gewissen Arten der ersteren mit Notwendigkeit ergibt,
noch nicht als etwas besonderes anzusehen gelernt hatte". Ich
konnte diese Worte überhaupt erst gar nicht verstehen, und
muBte erst die von Schrader zitierten Ausführungen von Oroße
Anfänge der Kunst S. 213 nachschlagen, um zu erkennen, was
der Verf. gemeint haben könnte. Er fährt dann weiter fort:
"Tatsächlich müssen auch auf dem Gebiet der Einzelsprachen
dieselben Ausdrücke noch lange das Gehen, Hüpfen, Springen
und Tanzen bezeichnet haben'*. Ich kann dem Verfasser ver-
raten, daß diese Sache heute noch nicht aufgehört hat *Hüpfen'
und "Sprii^en* werden noch heute im Sinne von Tanzen ge-
braucht. Vielleicht folgt daraus, daß wir heute *hüpfen, springen
und tanzen' noch nicht unterscheiden. **Wie könnte sonst auf
römischem Gebiet", ruft der Verfasser emphatisch, "der Name
der altehrwürdigen Salier, die doch sicher rhythmisch hüpften
von salio und nicht von saUo abgeleitet sein?" Ja, wie könnte
sonst? daß der Name älter sein kann, als das Aufkommen des
Verbums aaUare^ daß salio ursprünglich "tanzen* bedeutet haben
kann und erst später zu der Bedeutung "springen' kam, diese
Möglichkeiten und andere fallen dem Verf. nicht ein.
Alles in allem halte ich den ganzen Abschnitt für voll-
ständig verfehlt, er zeigt nur, daß sich der Verf. niemals ein-
gehender und genauer mit der Bedeutungsgeschichte einzelner
Worte beschäftigt hat.
Genau dieselben Schlüsse finden wir nun unter 'Dichtkunst
und Dichter' gezogen (S. 129): "So deutlich der Begriff des ge-
sprochenen Wortes in idg. Gleichungen wie ai. väcas^ griech.
Ittoc, lat verbumj got uxiürd hervortritt, umso weniger ausgebildet
muß die Terminologie des Gesanges in der idg. Grundsprache ge-
wesen sein". Und weshalb? "Die Bezeichnungen der Einzelsprachen
für 'Gesang* sind fast ausschließlich aus Wörtern hervorgegangen,
welche ursprünglich verschiedene Arten des Sprechens oder
Schreiens ausdrücken". Das schließt Schrader daraus, daß der-
selbe Stanmi in der einen Sprache *singen', in der andern "schreien,
sprechen' bedeutet. Daß die Bedeutung 'sprechen, schreien' ur-
sprünglich ist, liegt in den Tatsachen absolut nicht daxvn^ Mud o^ä
88 H. Hirt,
ist ebensc^t eineBedeatongseiitwicklung von'singen' zu 'schreien'
möglich wie umgekehrt Man wird oft hören können, er singt nicht
mehr, er schreit oder er krächzt, aber daß wir ein Gekrächz ein
Singen nennen, ist wohl weniger häufig. Daß man den Hahn den
Sänger nennt, ist ganz natürlich. Otfrid sagt tatsächlich thaz huan
9ang und ebenso sprechen die Südslaven von dem Gesang des
Hahnes. Es ist zwar keine Melodie in dem Krähen des Hahnes,
wohl aber sind Klänge und wenig Geräusche darin. Ich empfehle
die ganzen Ausführungen RL. auf S. 130 der Beachtung der
Wortforscher, sie werden ihre helle Freude daran haben.
Zu allen diesen Folgerungen kommt aber Schrader nur,
weil er aus dem Negativen Schlüsse zieht, und ich glaube nun
wohl hinreichend bewiesen zu haben, daß man das besser unter-
läßt Es gebricht mir an Zeit, das ganze Beallexikon auf diesen
Gtesichtspunkt hin durchzugehen. Wer eine Nachlese halten will,
wird noch genug finden.
3. Die partiellen Gleichungen.
Unter partiellen Gleichungen verstehe ich solche Wort-
vergleiche, die nur in wenigen Sprachen vorliegen. Der Aus-
druck ist zwar etwas mangelhaft, doch ist er kurz und verständlich
und mag daher beibehalten wei*den. Die partiellen Gleichungen
haben durch J. Schmidts Untersuchung über die Verwandtschafts-
verhältnisse eine gewisse Berühmtheit erlangt, indem dieser z. T.
mit auf sie sein System der Verwandtschaftsverhältnisse gründete.
Daß Gleichungen nur in zwei Sprachen vorliegen, kann
darauf beruhen, erstens daß alle andern Sprachen das betreffende
Wort verloren haben. Anderseits werden in allen Sprachperioden
neue Wörter gebildet, und, wenn zwei Sprachen eine längere Zeit
gemeinsam durchlebt haben, muß sich dies in ihrem Wortschatz
zeigen. Da wir aber dies nur für wenige Sprachen annehmen,
so kann uns das nicht viel nützen. Drittens aber sind Worte
oftmals nur über einen Teil des Sprachgebietes verbreitet, und sie
konnten sich dann eben nur in den Sprachen erhalten, die diesem
alten Gebiet angehören. Das ist der Sinn, den Joh. Schmidt mit
den partiellen Gleichungen verbindet Ob sich Schmidts Ansicht
für die Kulturgeschichte verwerten läßt, ist eine besondere Frage.
Schrader kommt Sprach v. 134 auf etwas zu sprechen, das
hierher gehört, und verweist auf die Ausführungen in Kretschmers
Einleitung. Kretschmer S. 10 hat darauf Gewicht gelegt, daß wir
Untersnchungen zur indogermanischen Altertumskunde. 89
riel&ch nicht so einem einheitlichen Wortschatz der indogermani-
schen Orondsprache durchdringen können^ weil wir für einen
Begriff mehrere Gleichungen finden. Er gibt als Beispiel die
Terschiedenen Zahlworte für *eins*:
ai. ihor
altpers. otmi, aw. omr-, griech. oIFoc 'allein', also in der
Bedeutung abweichend.
griech. oiWi, 1. oiiu», altir. oen^ got oins, lit vinas^ abg. ini\
ai. €na^ das vielleicht verwandt ist, bedeutet jedenfalls *er'.
griech. elc, äTTa£, ai. sakfi 'einmal', L semd, singuli, rimplex.
Kretschmer meint dazu S. 12 : 'In der Zeit, als sich das
Bedürfnis nach einer Bezeichnung der Einzahl geltend machte,
wurden dafür Wörter von der Bedeutung 'allein', 'zusammen',
'gleich' oder ähnlichen verwendet und zwar setzten sich in den
einzelnen Teilen des idg. Gebietes verschiedene Ausdrücke fest".
Der Fall, den Kretschmer erörtert hat, steht nicht vereinzelt
da, es lassen sich hunderte von Beispielen zusammenbringen^
wo eine sprachliche Gleichung nur in einzelnen Sprachen vor-
handen ist, während in einem andern Gebiet ein anderes Wort
herrscht Wie sollen wir das erklären? Die Annahme dialek-
tischer Verschiedenheit, wie sie Kretschmer vorschlägt, ist na-
türlich möglich, sie wird dadurch nahe gelegt, daß noch heute
in nahe verwandten Mundarten verschiedene Bezeichnungen der-
selben Begriffe bestehen. Die Annahme ist also möglich, aber sie
ist nicht die einzige und sie ist auch nicht recht wahrscheinlich.
Schrader hat in seinem Beallexikon die Grundsätze auf-
gestellt, in wie vielen Sprachen und in welchen ein Wort vor-
handen sein mufi, um es für indogermanisch zu erklären, s. o.
S. 57. Nach diesen Grundsätzen müßte er die drei letzten Worte
für 'indogermanisch erklären, und es wird auch keiner daran
zweifeln, daß *(riuH)^ *<rino und *sem bis in die Urzeit zurück-
gehen. Aber sie haben gewiß nicht ein und dieselbe Bedeutung
gehabt Ein Wort für •eins* muß natürlich vorhanden gewesen
sein, denn erstlich kennen wohl alle Völker ein Wort dafür,
und zweitens wird man oft genug gezählt haben 1, 2, 21, 22.
Insofern ist Kretschmers Satz : "Als sich das Bedürfnis einstellte,
die Eins zu bezeichnen", sehr anfechtbar. Dieses Bedürfnis ist
gewiß sehr viel älter, als die Zeit, in die wir vordringen können.
Daß mehrere Worte für 'eins' bestanden haben, ist nicht glaublich,
weil der Sprache der Luxus fremd ist Hier kommt nun eüi
d4 H. Hirt, Untersuchungen zur indogermanischen Altertumskunde.
nicht mehr hervorhob. Ich möchte hierfür noch ein Beispiel an-
führen. Für uns Stadtleute ist es von Bedeutung, ob es regnet
oder nicht regnet, ob man also einen Schirm braucht oder nicht
Ganz anders ist es auf dem Lande, da macht man eine Fülle
von Unterschieden. J. H. Campe sagt in seinem Wörterbuch zur
Erklärung und Verdeutschung der fremden Ausdrücke, Braun-
schweig 1813 S. 57 : "Für die verschiedenen Abstufungen des
schwachem oder starkem, des feinem oder grobem Regens, kann
ich, nach einem kurzen Besinnen, acht niederdeutsche Stufen-
wörter aus dem Gedächtnisse angeben ; sehr möglich, oder viel-
mehr sehr wahrscheinlich, daß es deren noch eine größere Anzahl
gibt Es sind: 1) es mistet, von dem feinsten Staubregen; 2) es
schmuddert, d.L: es regnet ein wenig und fein ; 3) es stippert,
d. i. es fallen einzelne und zwar gleichfalls feine Begentropfen, die
aber doch schon etwas größer als bei dem Misten und Schmuddem
gedacht werden; 4) es regnet; 5) es pladdert, d.i. es regnet
stark und laut; 6) es guddert, wodurch das Geräusch des bei
einem sehr starken Hegen von den Dächern herabströmenden
Wassers ausgedrückt wird; 7) es gießt, und 8) es gießt mit
Mollen, für den stärksten Grad des Platzregens".
Campe gibt auch noch anderes Material, das hierher ge-
hört So hat das Ndd. einen besonderen Ausdmck für •schnell
laufen', nämlich Meppen^ wovon Klepper. "Ebenso hat er nicht
bloß für den Begriff des starkem Eilens hasten^ sondern auch
für den höchsten Grad desselben, welcher mit Verwirrung und
Unordnung verbunden zu sein pflegt, das sehr ausdrucksvolle
Wort hasterbastem". Schließlich gibt es ja auch für das Wehen
des Windes, vom sanften Wehen bis zum Sturm eine Fülle von
abstufenden Bezeichnungen.
Wir wollen aber auf den Regen zurückkommen. Schrader
sagt : "Eine indogermanische Bezeichnung liierfür liegt in ai. varM-^
ir. frass^ griech. Ipct] (letzteres *Tau'). Sonst gehen die Namen
auseinander". Sicher ist also das, was wir für die indogermanische
Gmndsprache erschließen können, außerordentlich dürftig, und
es ist wohl ganz sicher, daß die Indogermanen über eine Fülle
von Ausdrücken verfügt haben. So bedeutet lit lytüs eigentlich
den *Guß', lat pluä zu ahd. fliozzan vielleicht etwas ähnliches,
und deutsch regen wird wieder eine besondere Art des Regens
bezeichnet haben.
Für Nebel haben wir auch zwei Ausdrücke griech. Ö)li(xXiI)
Chr. Bartholomae, Zu d. arischen Wörtern f. *der erste' u. 'der zweite*. 95
abg. tmgUij und lat ndnda^ d. nebd (letzteren Ausdruck vergifit
Schrader merkwürdigerweise), und auch hier werden ursprüng-
lich Terschiedene Bedeutungen anzunehmen sein.
Ich denke, es ist nun klar, daß die partiellen Gleichungen
keineswegs mit Notwendigkeit oder auch mit Wahrscheinlichkeit
auf dialektiscbeVerschiedenheiten innerhalb der indogermanischen
Grundsprache hinweisen, sondern daß sie ebenso gut gedeutet
werden können, wenn wir annehmen, daß eine Fülle besonderer
Unterscheidungen bestand, die die Sprachen im Verlauf der hohem
Kulturentwicklung nicht beibehielten. Wenn also Schrader 9
Gleichungen anführt, die eine andere Bewegung als das Gehen
ausdrücken, so wird jede dieser Gleichungen eine besondere
Nuance ausgedrückt haben. Man bedenke, wie viel verschiedene
Ausdrücke wir noch haben: schleichen (langsam gehen), schlendem
gehen^ schreiten, irippdn, stolzieren, marschieren, springen, laufen,
eüen, hasten, hasterbastem, hüpfen, stürmen, rennen, rasen, und wir
tanzen nicht nur, sondern wir walzen, wir galoppieren, die
jungen Mädchen hüpfen wie die Lämmer, er tanzt wie ein
Bär, wir schwofen, wir drehen uns u. a.
Diesen zweifellos wichtigen Gesichtspunkt kennt nun Schrader
gar nicht, obgleich er längst bekannt war, und es ist deshalb seine
ganze Betrachtung der sprachlichen Tatsachen nicht zutreffend.
Die Betrachtungsweise der altem Forschung, die einfach die sprach-
lichen Tatsachen an einander reihte, ist im Gmnde viel besser,
weil sie eben den sprachlichen Tatsachen keine Gewalt antat
[Fortsetzung folgt.]
. Leipzig-Gohüs. H. Hirt
i
Za den arischen Woriiem fttr *der erste' and *der zweite'.
A. primus und prior im Arischen.
1. Ob die altarischen Dialekte die Begriffe 'der erste' von
mehreren und 'der erste' von zweien durch dieselben sprach-
lichen Mittel zum Ausdruck gebracht haben oder durch ver-
schiedene wie das Lateinische durch primus und prior, darüber
geben unsre Granmiatiken, soweit ich sehe, keine Auskunft In
der Tat hat eine solche Unterscheidung bestanden, und es sind
zur Darstellung der beiden Begriffe je mehrere Wörter gebraucht
86 H. Hirt,
Vaterbruder für Onkel allgemein gebraucht, aber auch umgekehrt
Und daß die Ausdrücke *svekuras *9vekrü gesiegt haben, ist
schließlich nicht wunderbar, da ja die Frau in das Haus des
Mannes eintritt. Ich habe früher an die Schrader-Delbrückschen
Schlußfolgerungen geglaubt, aber wie man sieht, mit Unrecht
Wundt hat in seinen kritischen Bemerkungen ganz recht
So erweist sich also auch dieser Punkt, den Schrader für
den festesten hielt, als unhaltbar. Die agnatische Struktur der
indogerm. Familie folgt nicht aus der Sprache, sondern höchstens
aus der Übereinstimmung der Sitten in den ältesten historischen
Zeiten.
Aber in diesen zeigt sich eine streng agnatische Ordnimg
doch nur in sehr modifiziertem Sinne.
E. Götter- und Personennamen.
Bei diesem Punkte brauche ich mich nicht lange aufzu-
halten. Wer den Ausführungen Useners in seinen Oöttemamen
aufmerksam gefolgt ist, dem wird der Grund, weshalb wir ver-
hältnismäßig wenig vergleichbare Göttemamen nachweisen können,
ganz klar sein. Es gab eben zahlreiche göttliche Gestalten und
dementsprechend zahlreiche verschiedene Ausdrücke, und von
diesen sind in der einen Sprache die, in der andern die übrig
geblieben. Im übrigen sind auch die Gleichungen bei weitem
nicht so gering, als es Schrader hinstellt
F. Sonstiges.
RL. S. 847 zeigt Schrader, daß die Ausdrücke, die in ein-
zelnen Sprachen Tanzen' bedeuten, in andern eine rasche Be-
wegung ausdrücken. Eine solche Bedeutungsveränderung können
wir ja noch heute beobachten, man denke an unser Mrehen,
walzen' u. v. a. Wenn wir also Gleichungen haben wie ai. f-
ghäyati *tobt, bebt', griech. öpx^o^ai 'tanze*, lit zäras *eine be-
stimmte Art des Gehens', griech. xop^c *Chortanz, Reigen' u. a.,
so folgt für jeden auch nur einigermaßen in der Geschichte der
Wörter Bewanderten, daß hier Bedeutungsübergänge allergewöhn-
lichster Art stattgefunden haben. Da sich aber nicht dasselbe
Wort in mehreren Sprachen in der Bedeutung *tanzen* nach-
weisen läßt, so schließt Schrader schnell aus dem Negativen
folgendes : "Was man aus diesen Tatsachen wird schließen dürfen,
ist, daß man in der Urzeit noch kein Bedürfnis empfunden
Unteranchiiiigen zur indogennanischen Ältertmnskimde. 87
! haben kann, den Begriff der feierlichen oder leidenschaftlichen
Bewegung von dem des Tanzes sprachlich zu unterscheiden,
wohl aus dem einfachen Orund, weil man den die Lokomotions-
bewegnngen zu Tanzbewegungen erhebenden Rhythmus, der
sich aus gewissen Arten der ersteren mit Notwendigkeit ergibt,
noch nicht als etwas besonderes anzusehen gelernt hatte". Ich
konnte diese Worte überhaupt erst gar nicht verstehen, und
mußte erst die von Schrader zitierten Ausführungen von Große
Anfänge der Kunst S. 213 nachschlagen, um zu erkennen, was
der Verf. gemeint haben könnte. Er fährt dann weiter fort:
Tatsächlich müssen auch auf dem Gebiet der Einzelsprachen
dieselben Ausdrücke noch lange das Gehen, Hüpfen, Springen
und Tanzen bezeichnet haben". Ich kann dem Verfasser ver-
raten, daß diese Sache heute noch nicht auj^hört hat *Hüpfen'
und *Springen' werden noch heute im Sinne von Tanzen ge-
braucht. Vielleicht folgt daraus, daß wir heute "hüpfen, springen
und tanzen* noch nicht unterscheiden. "Wie könnte sonst auf
römischem Gebiet", ruft der Verfasser emphatisch, **der Name
der altehrwürdigen Salier, die doch sicher rhythmisch hüpften
von salio und nicht von saUo abgeleitet sein?" Ja, wie könnte
sonst? daß der Name älter sein kann, als das Aufkommen des
Verbums aaUare^ daß sdlio ursprünglich *tanzen' bedeutet haben
kann und erst später zu der Bedeutung 'springen' kam, diese
Möglichkeiten und andere fallen dem Verf. nicht ein.
Alles in allem halte ich den ganzen Abschnitt für voll-
ständig verfehlt, er zeigt nur, daß sich der Verf. niemals ein-
gehender und genauer mit der Bedeutungsgeschichte einzelner
Worte beschäftigt hat.
Genau dieselben Schlüsse finden wir nun unter 'Dichtkunst
und Dichter' gezogen (S. 129): '"So deutlich der Begriff des ge-
sprochenen Wortes in idg. Gleichungen wie ai. vdcas^ griech.
?Troc, lat verbum^ got uxiiird hervortritt, umso weniger ausgebildet
muß die Terminologie des Gesanges in der idg. Grundsprache ge-
wesen sein", und weshalb? "Die Bezeichnungen der Einzelsprachen
für 'Gesang' sind fast ausschließlich aus Wörtern hervorgegangen,
welche ursprünglich verschiedene Arten des Sprechens oder
Schreiens ausdrücken". Das schließt Schrader daraus, daß der-
selbe Stamm in der einen Sprache 'singen', in der andern 'schreien,
sprechen' bedeutet. Daß die Bedeutung 'sprechen, schreien' ur-
sprünglich ist, liegt in den Tatsachen absolut nicht darin, und es
M H. Hirt, Untenachuni^ zur indogermanischen Ältertumskande.
nicht mehr hervorhob. Ich möchte hierfür noch ein Beispiel an-
führen. Für uns Stadtleute ist es von Bedeutung, ob es regnet
oder nicht regnet, ob man also einen Schirm braucht oder nicht
Oanz anders ist es auf dem Lande, da macht man eine Fülle
von Unterschieden. J. H. Campe sagt in seinem Wörterbuch zur
Erklärung und Verdeutschung der fremden Ausdrücke, Braun-
schweig 1813 S. 57 : *Tür die verschiedenen Abstufungen des
schwachem oder starkem, des feinem oder grobem Regens, kann
ich, nach einem kurzen Besinnen, acht niederdeutsche Stufen-
wörter aus dem Gedächtnisse angeben ; sehr möglich, oder viel-
mehr sehr wahrscheinlich, daß es deren noch eine größere Anzahl
gibt Es sind: 1) es mistet, von dem feinsten Staubregen; 2) es
schmuddert, d.i.: es regnet ein wenig und fein ; 3) es stippert,
d. i. es fallen einzelne und zwar gleichfalls feine Regentropfen, die
aber doch schon etwas größer als bei dem Misten und Schmuddem
gedacht werden; 4) es regnet; 5) es pladdert, d.i. es regnet
stark und laut; 6) es guddert, wodurch das Geräusch des bei
einem sehr starken Regen von den Dächern herabströmenden
Wassers ausgedrückt wird; 7) es gießt, und 8) es gießt mit
Mollen, für den stärksten Grad des Platzregens".
Campe gibt auch noch anderes Material, das hierher ge-
hört So hat das Ndd. einen besonderen Ausdmck für 'schnell
laufen', nämlich Ideppen^ wovon Klepper. **Ebenso hat er nicht
bloß für den Begriff des starkem Eilens hasten^ sondern auch
für den höchsten Grad desselben, welcher mit Verwirrung und
Unordnung verbunden zu sein pflegt, das sehr ausdrucfasvolle
Wort hasterbastem". Schließlich gibt es ja auch für das Wehen
des Windes, vom sanften Wehen bis zum Sturm eine Fülle von
abstufenden Bezeichnungen.
Wir wollen aber auf den Regen zurückkommen. Schrader
sagt : "Eine indogermanische Bezeichnung hierfür liegt in ai. «arfrf-,
ir. frase^ griech. Jpcn (letzteres *Tau'). Sonst gehen die Namen
auseinander". Sicher ist also das, was wir für die indogermanische
Gmndsprache erschließen können, außerordentlich dürftig, und
es ist wohl ganz sicher, daß die Indogermanen über eine Fülle
von Ausdrücken verfügt haben. So bedeutet lit lytüs eigentlich
den *Guß', lat pluit zu ahd. fliozzan vielleicht etwas ähnliches,
und deutsch regen wird wieder eine besondere Art des Regens
bezeichnet haben.
Für Nebel haben wir auch zwei Ausdrücke griech. ö^CxXn,
;
Chr. Bartholomae, Za d. arischen Wörtern f. *der erste* a. *der zweite*. 95
abg. mtgk^ und lat nebula^ d. n^M (letzteren Ausdruck vergißt
Schrader merkwürdigerweise), und auch hier werden ursprüng-
lich verschiedene Bedeutungen anzunehmen sein.
Ich denke, es ist nun klar, daß die partiellen Gleichungen
keineswegs mit Notwendigkeit oder auch mit Wahrscheinlichkeit
auf dialektische Verschiedenheiten innerhalb deriadogermanischen
Grundsprache hinweisen, sondern daß sie ebenso gut gedeutet
werden können, wenn wir annehmen, daß eine Fülle besonderer
Unterscheidungen bestand, die die Sprachen im Verlauf der hohem
Kulturentwicklung nicht beibehielten. Wenn also Schrader 9
Gleichungen anführt, die eine andere Bewegung als das Gehen
ausdrücken, so wird jede dieser Gleichungen eine besondere
Nuance ausgedrückt haben. Man bedenke, wie viel verschiedene
Ausdrücke wir noch haben: schleichen (langsam gehen), schlendem
gehen^ schreiten^ trippeln, stolzieren, marschieren, springen, laufen,
eäen, hasten, hasterhastem, hiipfen, stürmen, rennen, rasen, und wir
tanzen nicht nur, sondern wir walzen, wir galoppieren, die
jungen Mädchen hüpfen wie die Lämmer, er tanzt wie ein
Bär, wir schwofen, wir drehen uns u. a.
Diesen zweifellos wichtigen Gesichtspunkt kennt nun Schrader
gar nicht, obgleich er längst bekannt war, und es ist deshalb seine
ganze Betrachtung der sprachlichen Tatsachen nicht zutreffend.
Die Betrachtungsweise der altem Forschung, die einfach die sprach-
lichen Tatsachen an einander reihte, ist im Grunde viel besser,
weil sie eben den sprachlichen Tatsachen keine Gewalt antat
[Fortsetzung folgt.]
Leipzig-Gohlis. H. Hirt
Zu den ariseheii Wörtern fOr Mer erste' nnd 'der zweite'.
A. primus und prior im Arischen.
1. Ob die altarischen Dialekte die Begriffe *der erste' von
mehreren und Mer erste' von zweien durch dieselben sprach-
lidien Mittel zum Ausdruck gebracht haben oder durch ver-
schiedene wie das Lateinische durch primus und prior, darüber
geben unsre Grammatiken, soweit ich sehe, keine Auskunft. In
der Tat hat eine solche Unterscheidung bestanden, und es sind
zur Darstellung der beiden Begriffe je mehrere Wörter gebraucht
96 . Chr. Bartholomae,
worden. Diejenigen unter ihnen, die man mit Orund der arischen
Sprachperiode zuweisen darf, sind untereinander etymologisch
in ähnlicher Weise verwandt, wie die lateinischen Wörter prior
und primtis^ und zugleich auch mit diesen selbst
L AI prathamd-^ Awest frat$ma- (usw.) *primus'.
2. Als erste Ordinalzahl wird in den altindischen Gram-
matiken prathamd'^ in den awestischen frat9mch aufführt Die
Wörter treffen lautlich nicht genau zusammen; das erstere setzt
eine arische Wortform mit tt, das letztere eine solche mit t
voraus. Zu ai. praihamdh stimmen pa. pathamo und prakr. pa-
dhamo, anderseits zum j Awest fratmnö apers. fratamä (Nom.
Plur.), buchpahl. fratom (Paz. fradum) und turfanpahl. fratam-in.
Da nun im Altindischen neben praihamdh *primus' das Ad-
verbium pratamdm *inprimis' bezeugt ist, so glaubte man die
lautliche Verschiedenheit so erklären zu dürfen, daß man von
einer arischen Wortform ^pratama-^ mit t ausgehend, d. i. von
einer regelrechten Superlativbildung aus idg. *prOj das Auftreten
der Aspirata in den indischen Wörtern auf den Einfluß jener
Ordinalien zurückführte, die im Arischen auf iha- endigten,
eine Ausgangsform, die durch ai. caturthdk *quartus', pancatha^
*quintus', ^a^thdk *sextus', saptdthah *septimus*, sowie jAwest
puxSö (mit xd = ar. kth) *quintus' und hapta^ö *septimus* ge-
sichert ist Das so gewonnene ar. ^pratama- *primus* konnte als
regelrechte Superlativbildung zum Komparativ *pmtora- *prior*
gelten, der sich in jAwest fratar9m^ fraUirahe usw., sowie in
den ai. Adverbien pratardm^ pratardm fortsetzt und im griech.
TTpoiepoc sein europäisches Gegenstück findet; s. unten § 29. Die
Annahme, die uns schon bei Bopp begegnet und der auch ich
mich im Handb. d. altiran. Dial. § 119 angeschlossen habe, wurde
zuletzt von Thumb Handb. d. Sanskrit 380 und Brugmann Grdr.
d. vgl. Gramm.2 2, 227 vertreten.
3. Gegen sie" spricht, daß sich jene Zahlen an *der erste*
in der Keihenfolge nicht unmittelbar anschließen. Aber der
Grund ist nicht ausschlaggebend. Zwei der Zahlen, *der vierte'
und *der siebente', bilden mit *der erste* die Anfänge gleicher
kleiner Reihen. Ihrem Einfluß die angenommene lautliche Yer-
änderung zuzuschreiben, steht m. E. nichts entgegen; vgl. dazu
Bartholomae Zum AirWb. 69 f. — Den umgekehrten Weg zur Er-
klärung jener lautlichen Verschiedenheit schlägt Wackemagel ein,
Zu den arischen Wörtern für *der erste* und 'der zweite*. 97
der Ai. Gramm. 1, 121 schreibt: "av. frat9mch *der erste': ved.
fraihamdr ... hat < statt vom Superlativsuffix tama-". Eine
nähere Begründung hat er seiner Fassung, die an sich gerade
so gut möglich ist, nicht beig^eben^), auch der entgegenstehenden
älteren keine Erwähnung getan. Welche von den beiden Er-
klärungen trifft das Richtige? Auf Grund theoretischer Erwä-
gungen ist der Entscheid darüber nicht zu gewinnen.
4. Den Hauptgrund für den Ansatz des arischen Worts
mit f, nicht th bildet, wie schon erwähnt wurde, die Tatsache,
daß im Altindischen ein Adverb pratamdm *inprimis' überliefert
ist Es besteht aber doch auch die Möglichkeit, darin eine mit
dem Ordinale nur ganz weitläufig verwandte Bildung zu sehen,
die — vielleicht erst recht spät — auf prd aufgebaut wurde
wie anutamdm auf dnu^ äiamäm auf ö, atitamäm auf äti^ ent-
weder nach diesen Vorbildern oder nach irgend einem andern,
das in der Literatur nicht bezeugt ist Dabei hat man in An-
schlag zu bringen, daß keines jener Adverbien auf -tamdm in
der älteren vedischen Literatur vorkommt; sie gehören der
Brähmaoa- oder selbst noch jüngerer Zeit an; dadurch wird die
Wahrscheinlichkeit des besprochenen Ansatzes jedenfalls nicht
erhöht
5. Lassen wir nun pratamdm bei Seite, so scheint der
Stoff für die Feststellung der arischen Wortgestalt so gelagert
zu sein, daß alle indischen Belege für th^ alle iranischen für t
einstehen. Allein die oben S. 96 gegebene Wörterliste ist nicht
ganz vollständig.
6. Die indischen Wörter allerdings weisen ohne Ausnahme
auf ein urind. Wort mit /A, und zwar auf *praihama',
Exkurs 1.
Prakr. pahila-; carimor,
a) Ein urind. ^prathüa-^ das Pisehel Gramm. d.Prakritsspr.
319 zur Erklärung des prakr. und neueren pahila- (usw.) vor-
auszusetzen scheint, hat es m. E. nicht gegeben. Der Aus-
gang üa- (ma-) hat doch erst innerhalb der mittelindisehen
Sprachperiode jene Verwendung erlangt, die Hemacandra
1) Wackernagel zitiert Burnouf Komment. 508; hier steht: *'. . . le
sanscrit, oü cependant on peut d6coiivrir quelques traces de Temploi d'un
th inorganique pour an t radical, par exemple dans prathama- pour
pratamo''',
Indogermanifche For8c2iiii]t^6i7 XXU, *?
98 Chr. Bartholomae,
2, 49 durch sein svärthe ausdrückt; s. Pischel a. a. 0. 402 ft
So viel ich ^ehe, können zwei Wege zu pahila- geführt haben.
Erstlich : dem mind. ^paihama- *primus' (pa. pathama-^ prakr.
pa(ihama-\ das das ai. prathamd- fortsetzt, kann ein gleich-
bedeutendes *pathila' (prakr. pahüa-) deshalb zur Seite ge-
treten sein, weil neben dem synonymen ^ädima- (pa. CLdima-\
der Nachform des ai. ädima-^ in gleichem Sinn auch ^ädüor
(prakr. ädüla'\ die Erweiterung aus ai. Mi-h üblich war; s.
auch die zur gleichen Bedeutungsgruppe gehörigen Paare
prakr. majjhiUa- und majjhama-^ majjhimch *medius' und pa-
cchäla- und pacchima- 'ultiraus', die die Neuerung unterstützt
haben; wegen des i der tma-Stämme s. unter b. Sodann zweitens:
neben dem mind. ^pathamäa- *primus' (prakr. padhamäla'\ der
Fortbildung aus ^paihama-^ konnte *pathila' (prakr. pahila-)
aufkommen, weil neben dem bedeutungsverwandten majjhi-
miUa" *medius', das auf ai. madhyamä- aufgebaut ist, im selben
Sinn auch majjhiUa- gebraucht wurde, das auf ai. tnddhya-
fußt. Natüriich schließt der eine Weg den andern nicht aus;
sie treffen sich am gemeinsamen Ziel.
b) Über die Herkunft des i von prakr. carima- *ultimus'
und anderen Wörtern ähnlicher Bedeutung haben Pischel
KZ. 34, 570, Gramm, d. Prakritspr. 85 und Jacobi KZ. 35, 572
verschiedene Ansichten aufgestellt. Nach Pischel wäre das
prakr. i lautgesetzlich aus sanskr. a hen^orgegangen, weil die
folgende Silbe den Hauptton hatte. Jacobi sieht das i in
pacchima- für alt an, da das Wort schon im ai. paäcimd- lautet,
und führt das i der begriffsverwandten Stämme mit ima' auf
den Einfluß dieses Worts zurück. Dabei macht er gegen
Pischel geltend, daß die Ordinalien 5., 7., 8., 9., 10., (ai. pan-
camd'^ saptamd'j a^taynd'^ navamd-^ daiamd-) immer auf ama-^
nicht auf ima- ausgehen (prakr. pancama-^ sattama-^ afthama-^
ftavama-^ dasama-)^ trotz. der Endbetonung. Diesem Einwand
sucht Pischel Gramm, d. Prakritspr. 87 dadurch zu begegnen
daß er auf den vei-schiedenen etymologischen Wert des sans-
kritischen a in madhyama-^ utiama- (prakr. tdtima-) usw. und
in jenen Ordinalien verweist. Dort liege ein alter a- Vokal
zugrunde, hier dagegen ein *aus an entstandenes a*; ein
solches gehe nie in i über: "Dies hat Jacobi nicht erkannt"
Die Möglichkeit einer solch verschiedenen Gestaltung je nach
dem etymologischen Wert gestehe ich ohne Rückhalt zu.
Za den arischen Wörtern für 'der erste' und *der zweite'. 99
Aber die Voraussetzung dabei ist doch, daß mit der ety-
mologischen Verschiedenheit auch eine lautliche Hand in Hand
ging, für den vorliegenden Fall also, daß die Folgelaute der
kurzen a- Vokale der Ursprache und des sonantischen Nasals
— oder wie man sonst die fragliche Erscheinung nennen
mag — sich voneinander abhoben, noch zu der Zeit, als die
von Fischöl angenommene Entwicklung einsetzte.
c) Erachtet Fischöl diese Voraussetzung für gegeben?
Ich verweise dazu auf meine Ausfühnmgen in IF. 7, 82 ff.,
wo ich mich auch gegen die Annahme gewendet habe, daß
noch im U rindischen die lirsprachlichen Sonanten a, e, o und
^, ifl lautlich getrennt gewesen seien. Ich sehe einstweilen
keine Veranlassung, meine Ansicht zu ändern. Gerade ja das
ai. pancamdh *der fünfte' läßt sich mit als Beweis für den
Zusammenfall jener Laute anführen. Die ältere Bildungsweise
des Ordinales wird durch jAy^est ptixSö, ahd. funfto, lat. qufnttis
und griech. Tre^irroc usw. vertreten, pancamdh ist sicher eine
Neubildung nach da^mdh = lat decimm. Das setzt aber doch
voraus, daß die Fünfzahl und die Zehnzahl den nämlichen
Ausgang bekommen hatten, oder, anders ausgedrückt, daß
idg. e (der Ausgang der Fünfzahl : lat quinque) und idg. ip
(der Ausgang der Zehnzahl : lat decem^ got taihun) zusammen-
gefallen waren. Dieser Zusammenfall ist eine Besonderheit der
arischen Dialekte, daher auch nur sie jene Neubildung aufweisen.
d) Der von Jacobi aufgezeigte Weg zur Erklärung des
i in prakr. tUtima-^ carima-, majjhima- scheint mir durchaus
gangbar. Ich möchte nur hinzufügen, daß dabei als Muster
doch nicht allein das ai. paädmd- (pa. pacchima-) in Betracht
kommt, sondern auch noch die ebenfalls begriffsverwandten
Wörter agrima-^ antima- und auch ädima- (pa. aggima-^ antima-^
adima-). Das erste darunter, agrimd- neben dgra- ist bereits
im Rigveda bezeugt Sollen wir das Wort für prakritisch an-
sehen? Das dürfte sich schwer rechtfertigen lassen. Eine
Vermutung über die Herkunft des i darin bei Bezzenberger
FEPAI 174 Note, wo agrimd- nach Fick BB. 16, 170 mit
griech. ößpi^oc gleichgesetzt wird. Von weiteren raurabe-
zeichnenden Adjektiven auf ima- führe ich noch an pa. |)ä-
rima-^ purima- und uparima-. Das letzte, zu tipari 'oben*
gehörig, hat sicher seit seiner Schaffung nie einen andern
Vokal als i vor dem m gehabt
100 Chr. Bartholomae,
e) Das einzige nicht raumbezeichnende Adjektiv auf
ima-: prakr. kaima- 'welcher (von mehreren)?* neben A:a(2ama-,
pa. kaUxma'^ ai. hatamd- hat nach Jacobi sein i durch Anschluß an
fe», pa. farti, ai. kdU Vie viele?* erhalten. Ich erachte diese
Trennung nicht für notwendig und nicht für richtig. Es ist
ja klar, daß es sich bei der Frage 'welcher (ist es)?* häufig
um den vordersten (obersten), mittelsten, hintersten einer Reihe
handelt Wenn aber der Fragende die Wörter dafür im Kopf
hat, so kann er auch leicht dazu gelangen, das Wort, mit
dem er fragt, jenen Wörtern anzugleichen, deren eines er als
Antwort auf seine Frage erwartet
f) Bei Jacobis EAlärung versteht man es auch leichter
als bei der Fischöls, weshalb das hi, praüiamd' durch prakr.
padhamor vertreten ist, und nicht, wie es doch Fischöls Ge-
setz entsprechend der Betonung verlangte, durch *pa4hima'.
Fischöl gibt für die Ausnahme von seiner Regel keine be-
sondere Erläuterung. In der Tat bildet aber pcufhama- keine
Ausnahme. Es war ja auch in gewissem Maß dem Einfluß
der raumbezeichnenden Adjektiva auf urind. tmo- : agrimd-^
jpa^md- ausgesetzt, aber doch nicht in gleichem Maß, wie jene
andern raurabegrifflichen Wörter. Und es mußte ihm um so
weniger unterliegen, als es ja an den andern Ordinalien auf
amor : pancamch^ sattama- usw. kräftigste Unterstützung fand.
Ergänzen wir jedoch das iranische Wörterverzeichnis, so
stellt sich heraus, daß wir für die iranischen Wörter mit einem
entsprechend (s. § 5) angesetzten uriran. *fr(xtama- nicht aus-
kommen.
7. In engstem Zusammenhang mit dem apers. fratama-^
das überall Mer erste an Rang* bedeutet, steht, wie man längst
weiß, buchpahl. pahlom (geschrieben p aa m m ; s. dazu WZKM.
21, 3), femer turfanpahl. jjoArow, wie jedenfalls bei F.W.K. Müller
Handschriftenreste 78 herzustellen ist. Beide sind im gleichen
Sinn gebraucht wie das apers. fratama-, Ihre gemeinsame ira-
nische Grundlage ist ^parx^^ama- (Hübschmann Fers. Stud. 208).
Und das nämliche Wort ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch
in den von Dio Cassius (und anderen) überlieferten Namen
parthischor Fürsten enthalten : TTapea^dcipic und TTapOaiiacTrdTTic ^).
1) Eine sonst gleiche Wortform, aber mit t statt & scheinen die
Lehnwörter hebr. partamim (D^OrnD) 'die Vornehmen' und arm. p'ar-
Za den arischen Wortern fär *der erste* und *der zweite*. 101
8. Ton den neuiranlschen Dialekten sind es nur zwei, die
für den B^riff 'primus* noch das alte Wort gebrauchen *). Im
Albanischen lautet es vrumbai und im Wachldialekt der Pamir-
gruppe (PDw.) pursam. Ob im äff. r ©in iranisches t oder &
aufgehoben ist, läßt sich nicht feststellen; denn es ergeben alle
arischen dentalen Verschlußlaute mit vorhergehendem r pnd f
das nämliche r; s. (Jeiger Etym. u. Lautl. des Afghan. 45, § 12,
4. Da nun das anlautende v von vj^umbai auf uriran. f weist,
das nur vor konsonantischem r aus ar. p hervorgegangen ist,
so muß das afr. Wort auf einer lautlichen Verschweißung der
Nachformen von uriran. fra9 und par^ (oder auch pf>) beruhen;
s. Bartholomae Zum AirWb. 53 No. PDw. pursam scheint mir
nur auf ein uriran. ^pf^ama- oder allenfalls *par9amar zurück-
geführt werden zu können. Freilich kann ich für s aus ^ kein
zweites Beispiel beibringen. Aber auch kein Gegenbeispiel Und
t wäre sicher als t erhalten geblieben.
9. Die iranischen Wörter für 'der erste* setzen also für
den fraglichen Konsonanten zum Teil ein uriran. t^ zum Teil
ein ^ voraus. Nun läßt sich ja allerdings fürs Indische die
Annahme vertreten, daß unter dem Einfluß von ca^t<rtA<i/b*quartus'
und, in zweiter Linie, sapMihak *septimus' ein ar. ^pratama-
durch prathama- ersetzt worden sei, aber fürs Iranische bleibt
eine gleichartige Annahme sehr mißlich, da hier ein dem ai.
caturthdh entsprechendes Ordinale nicht nachzuweisen ist; was
ich im Gdr. Iran. Phil. 1, 113 über buchpahl. tas<m "quartus* be-
hauptet habe, ist falsch; denn daß t ddn m wirklich so zu lesen,
ist jetzt durch das Turfanpahlavi durchaus gesichert; s. Sale-
mann Man. Studien 1, 128.
Exkurs 2.
Buchpahl. tasom und apers. ^^
a) Salemann Man. Studien 1, 128 schreibt: "Jetzt glaube
ich auf dem rechten Wege zu sein, wenn ich das anlautende
t als Dissimilation auffasse und die Gleichung aufstelle tarn- :
fam 'reich* vorauszusetzen, sofern bei diesem Wort, entgegen der Ansicht
Hübschmanns Arm. Gramm. 1, 254f., die Entlehnung, bei jenem die Punk-
tierung für sicher gelten darf.
1) Die übrigen Dialekte brauchen Wörter von ähnlicher Bedeutung
dafür oder aber Neubildungen. Eine solche ist z. B. buchpahl. evakom^
npers. yahum\ es liegt ihr das Kardinaie evak =» yak zugrunde. Zut an^^Tti
102 Chr. Bajrtholomae,
Awest ca^ru' = ap. Ä&fiy :tis . . ., denn wenn apers. kaidiy
zu mpers. kos wurde, mußte diäciy zunächst als Vis erschei-
nen, woraus das zu erwartende tis (tis) jetzt sicher belegt ist
Auch in TeicTinc ; Öaiipü^ Ticca94pvnc : ci^^'afamah könnte
das T auf dialektische Aussprache im Iranischen hinweisen".
Ich nehme Salemanns Erklärung als Grundlage an, weiche
aber im Aufbau von ihm ab. Wie Htibschmann IF. Anz. 10,
29 bezweifle ich es, daß mpers., npers. kos 'irgend einer' mit
kaiciy der achämenidischen Kanzleisprache gleichgesetzt werden
darf. Das hätte zu *kaS geführt*). Ich mache dafür buchpaliL
und turfanpahl. diä "irgend etwas' geltend, — s. dazu Bar-
tholomae Zum AirWb. 61 Note — , das ja auch Salemann
selber im Gdr. Iran. Phil. 1, 293 direkt mit dem apers. cüdiy
zusanunenstellt. Das von mir IF. 1, 486 ff. entwickelte Gesetz
über die Gestaltung des uriran. -sd- (-stS-) zu -Sc- (-ätS) —
8. auch Gdr. Iran. Phil. 1, 165 — braucht ja nicht in dem
Dialektgebiet giltig gewesen zu sein, aus dem das npers. kas
stammt Das wird auch durch turfanpahl. cü nicht verlangt;
es ist nicht nötig, für dessen i ein uriran. -sc- aus -t + c-
(ar. *k'itk'it) vorauszusetzen, es kann auch uriran. -id- enthalten,
d. h. das erste Glied der Zusammenrückung kann ar. *k'ü
*was?' sein, dessen Existenz mir durch j Awest d^üf *was?',
ai. kih *was ?' als Frageeinleitung, ndkih *nicht', mdkih Vn',
jAwest na^dii 'nicht', nava,öiä *nicht mehr' verbürgt erscheint
Das oben angesetzte ar. *k'ük'it steckt vielmehr im npers. ciz
"irgend etwas*, das im Mitteliranischen *cid gelautet haben
muß; s. dazu Bartholomae IF. 12, 94.
b) Bei der Ferndissimilation der Konsonanten kommt
Ersatzklasse gehören z. B. buchpahl. nazdist^ eigentlich 'proximus' und
tMxust, turfanpahl. naxust, npers. nuxust^ ebenfalls eigentlich 'proximus*,
zu got. fieh) (Bartholomae Zum AirWb. 48). Auch das Wort für 'propin-
quus* dient in gleichem Sinn: turfanpahl. nox (NVX) und muevin (beide
zu got. neÄ;, s. eben) ; der Gebrauch ist alt, wie das alte arm. Lehnwort
neue 'zuerst* erweist, Hübschmann Arm. Gramm. 1, 200. Im Nordbalutschi
braucht man für 'primus' peif, eigentlich 'der an der Spitze', zu buch-
pahl. peS 'vorn, voran'. Häufig und in verschiedenen Dialekten — so im
Neupersischen, Afghanischen, Kurdischen, Südbalutschischen — findet
sich die Verwendung des arab. avväl^ das auch mehrfach mit dem sonst
bei den Ordinalien üblichen Ausgang versehen erscheint ; so npers. avvatin
(wie duyumfn 'der zweite'), yarn. aivalS (wie tifärä 'der vierte*).
1) Vgl. Gdr. Iran. Philol. 1, 262, wo Salemann das Verhältnis von
mpers. kas zu apers. kaidiy wegen des s a\a \mklar bezeichnet.
Zu den arischen Wörtern für 'der erste* und 'der zweite*. 103
es nicht immer zu einer Einheitsform; es kann die Mutter-
form neben der oder den dissimilatorisch veränderten be-
stehen bleiben. Als Beispiel dafür führe ich lat. cribrum an
mit den daraus durch Dissimilation in verschiedener Richtung
hervorgegangenen Wörtern dbrum und crfbum. Solches gilt
auch für die fraglichen iranischen Wörter, bei denen es sich
überall um die Aufeinanderfolge eines d (dA.ti) und
eines ^-Lauts handelt Durch Dissimilation in verschiedener
Richtung entstand, so nehme ich an, entweder t aus d(=tS)
oder aber s aus dem ^-Laut Für den letzteren Vorgang habe
icli freilich keinen unzweideutigen Beleg.
c) Ein durch Dissimilation aus d vor i erzeugtes t liegt
ganz deutlich vor in kurd. täSt *matin6e entre 9 et 10 heures'
gegenüber npers. däSt 'Frühstück*. Dialektisch kommt auch
cait vor. Vgl. Justi-Jaba Dictionnaire 92, Socin Gdr. Iran. Philol.
Ib, 262. Ebenfalls im Kurdischen findet sich tiSt *chose,
objet*, und auch hier steht eine Dialektform mit d daneben.
diit. Das Wort stimmt — und zwar, wenn man mit Socin
a. a. 0. in dem schließenden t den Restbestand des zweiten
der alten Wortglieder erkennen darf, aufs genaueste — zum
apers. ci^iy (s. oben), sowie zu turfanpahl. diS. Im Buch-
pahlavi wechselt du mit dem Ideogramm mn dn m. Dies aber
wird von den Pazandisten nicht nur durch diS wiedergegeben,
sondern auch: in awestischen Buchstaben durch »i^ und
^«, darin das Anlauts-^ wie immer t meint in arabischen
durch ^f^ (t §). Die ^-Form des Wortes bedarf keiner besondem
Erläuterung mehr; sie stellt sich zu diä wie im Kurdischen
tat zu diät. Auffällig ist aber die s-Form tis^ deren Echtheit
früher mehrfach angezweifelt wurde, jetzt aber durch die
Turfanhandschriften sichergestellt ist Wenn man annehmen
darf, daß auch eine nach vorwärts wirkende Dissimilation statt-
gefunden hat, durch die diS zu *dis wurde, so läßt sich jenes
tis als eine Ausgleichsbildung aus den beiden Dissimilations-
ergebnissen betrachten. Doch könnte auch tiS 'irgend was'
unter dem Einfluß von kos 'irgend wer' zu tis geworden sein.
Gleich tu aus diä mag auch endlich, wie man mit Salemann
annehmen darf, jene Aussprache dos Eigennamens ÖaiäpiS
(oder ÖiSpiä) entstanden sein, die seiner griechischen Wieder-
gabe durch TeiCTTtic zugrunde liegt.
d) Nach Salemann kommt aber als griechisch^! L^w^'^
104 Chr. Bartholomae,
für den Dissiniilationsvorgang nicht nur Teicmic, sondern
auch Ticcaq)^pVTic in Betracht, dem zweifellos ein achämeni-
disches *Ö0*'afamä entsprechen würde. Damit kehre ich
zu buchpahl., turfanpahl. iasom *der vierte' zurück, das den
Anlaß zu der vorliegenden Anmerkung bietet tos in tasom
deckt sich mit dem jAwest da^r in da^rtA, dä^ruJcarana
usw. So gelangen wir wieder von einer andern Seite her
aufe Neue zu der Frage: wie hat sich das arische tr auf
jenem Dialektgebiet Irans entwickelt, aus dem das npers. pus
■*Sohn' = ai. ptdrdh^ jAwest pu^ö stammt? Daß damit die
Frage nach der Aussprache des altpersischen Zeichens, das
ich nach den Vorschriften für die iSransskription im Grund-
riß der Iranischen Philologie mit &*" wiedergebe (s. dazu Bar-
iholomae Zum AirWb. 5 f.), aufs engste verknüpft ist, scheint
mir unzweifelhaft; apers. pi^^'a* ist die Vorstufe des npers.
pus. Zu der im Gdr. Iran. PhiL 1, 160 angeführten Literatur
nehme man noch Hüsing Die iran. Eigennamen (Königsberger
Dissertation 1897) 12 ff., Foy KZ. 35, 12 Note 2, Hübsch-
mann KZ. 36, 178, Hüsing KZ. 36, 562, Foy KZ. 37, 491 ff.
e) Hübschmann sagt a. a. 0. mit Recht: **^»' war, wie
die Schrift zeigt, weder -i^r noch -« noch -^", Was also?
Das es ein Zischlaut war, dafür sprechen die Transskriptionen
durch ii im Flämischen: IrtakiaSia, Miiia^ ZiiSantakma,
durch cc im Griechischen: Ticca9^pvnc, sowie das s der
jüngeren Zeit. Aber das gewöhnliche 8 kann nicht dafür ge-
sprochen worden sein, auch nicht i^, und ebensowenig i; sonst
hätte man es nicht nötig gehabt, ein besonderes Zeichen dafür
zu erfinden und einzuführen. Ich nehme an, daß der frag-
liche Zischlaut (S) ein Mittelding zwischen den üblichen s-
und ^-Lauten war, so daß er einerseits in fernerer Entwicklung
leicht mit dem s zusammenfallen konnte, anderseits aber auch
dieselbe dissimilatorische Wirkung auf ein vorhergehendes
d (tg) auszuüben vermochte wie das gewöhnliche S, Die Ent-
wicklungsreihe für pahl. tosom war somit die folgende : ar.
*k'atr^ = ir. dai^ro (mit c = tä): daS^ : taS^ : tas^.
Nachschrift.
Die vorstehenden Bemerkungen waren bereits abge-
schlossen, als mir, am 31. März durch HeiTU F. W. K. Müllere
>Güte dessen neueste Veröffentlichung aus dem Schatz iranischer
Za den arischen Wörtern für 'der erste* und *der zweite*. 106
Turfanhandschriften zuging, die vier Fragmente im 'Dialekt'
enthält, SPreußAW. 1907, 260 ff. Das erste Stück bietet auf
der letzten Zeile der Vorderseite das Wort tOpuH *Haus-
sohn'; s. Galater 4, 1: kXtipovo^oc, heres. Es entspricht also
danach dialektturfanisch (*soghdisch') pui *Sohn' dem gemein-
turfanischen und buchpahlavischen pus und puhr. Darf man
darin eine Bestätigung erkennen für die oben vorgetragene
Ansicht über die alte Aussprache des aus ar. ir hervorge-
gangenen Zischlauts? Ich finde sonst in den bisher bekannt
gemachten Dialektbruchstücken kein zweites Wort, das über
die Gestaltung der Konsonantengruppe Aufschluß gäbe. In
dem bilinguen Stück, das F. W. K. Müller Handschriftenreste
100 f. veröffentlicht hat, erscheint für püsar 'Sohn* in der
Dialektversion zweimal ein andres Wort: prazdtty und zätty.
Warum das Dialektwort für Tater' ebenda durch patrt^ pcftf^y^
jetzt durch pitrt wiedergegeben wird, nicht vielmehr durch
otofo, o^ro, ist mir nicht deutlich. Daß das Wort etwa dem
sbaL pis, nicht aber dem npers. pidar entspräche — s. dazu
Bartholomae BB. 9, 130 — , halte ich für ausgeschlossen.
10. Um fürs Iranische ins Reine zu kommen, müßte man
schon annehmen, daß bereits in arischer Zeit *praihamar^ die
<A-Form, neben dem älteren *pratama- aufgekommen und üblich
geworden sei. Ins Iranische wären alsdann beide Formen des
Zahlwortes übergegangen, ins Indische nur die jüngere. Ich
halte eine solche Konstruktion nicht gerade für ausgeschlossen,
aber doch für recht wenig wahrscheinlich. Zweifellos wurde
ja das Ordinale *der erste' mindestens nicht weniger oft einem
Superlativ neben- und gegenübergestellt als den Zahlwörtern
*der vierte' und *der siebente'; z. B. in Verbindungen wie *der
erste und beste', *der erste und oberste', 'der erste und der
letzte' usw. Ist es nun wahrscheinlich, daß ^praiama- *der erste*
trotz der engen begrifflichen Beziehungen zu den Superlativen
aus dem lautlichen Zusammenhang mit ihnen losgerissen wurde,
um eine Ausgangsform thama- dafür einzutauschen, durch die
es in eine völlig vereinsamte Stellung rückte ? Ist es nicht viel-
mehr um vieles wahrscheinlicher, daß ein *prathama- seinen
durchaus alleinstehenden Ausgang thatna- mit dem geläufigen
Ausgang der Superlative vertauscht hat, mit denen es sich in
der Bedeutung so nah berührte ? Und dazu kommt, daß \«l d^t
106 Chr. Bartholomae,
Ausgang tama- auch im Ordinale selber geläufig war; nicht
nur die Wörter für *der zwanzigste, dreißigste usw., hundertste,
tausendste' gingen sicher alle auf tamch aus, sondern auch die
für Mer siebente* und *der achte', wenn auch hier die Her-
kunft des Ausgangs eine andre ist als dort Sie würden doch
mindestens das Aufkommen von *prathama- an Stelle eines
ererbten ^pratama- nicht begünstigt haben.
11. Ich gebe aus diesen Gründen das früher ausgesprochene
Urteil über das Verhältnis von ai. prathamd- *primus' zu jAwest.
fraUma- auf und setze nunmehr die gemeinsame (arische) Vor-
form mit th an. Freilich erhebt sich dann die Frage, wie eine
solch alleinstehende Bildung erwachsen sein kann. Über ganz
unsichere Vermutungen werden wir dabei nicht hinauskommen.
Ich möchte annehmen, daß in arischer Zeit zwei gleichbedeutende
Wörter verschweißt w^orden sind, die beide auf dem ürwort für
das räumliche und zeitliche Voransein aufgebaut waren, das
eine mit dem Ausgang <Ao-, das andere mit mo-^). Für das
letztere verweise ich auf griech. Ttpo^oc und numbr. promomy
aengl. forma^ lit pirtnas^ die der Reihe nach auf ursprachlichem
^pramo-s, *ppn0'8^ *pfinO'S zu beruhen scheinen*). Zugunsten
des andern vorausgesetzten Ordinales mit th kann ich allerdings
ein geschichtlich beglaubigtes Wort nicht gellend machen. Das
griech. Trpüüxoc, wobei man sich wegen des x auf das Verhältnis
von griech. xeiapTOC und ?ktoc zu ai. caturfMh und ^ßthdh be-
rufen könnte, darf wegen der dialektischen Nebenform TTpdxoc
nicht herangezogen werden, die es nicht gestattet, für Trpüüxoc
ein *pfio8 als Vorform aufzustellen, was ja an sich möglich
wäre^).
1) Vgl. dazu Benfey Vollst. Gramm, d. Sanskritspr. 236 : ''thama in
prathama- von pra mit i?ta- und tna-^'y von dem S. 148 bemerkt wird, es
sei hier sekundär.
2) Ich fasse ihr Nebeneinander so auf: *pfmo« und *ppno8 sind
die üblichen Wechselformen (s. ijnten S. 112f. zu *pftiiia-)) *promos ist
daraus durch nachmaligen Anschluß an *pro 'vor* hervorgegangen. Auf
die selbe Dreiheit in der ersten Silbe weisen buchpahl. paMom^ PDw.
puraam und aind. prathamd^. Sie wird wohl auch ebenso zu deuten sein.
3) S. jetzt zu irpdiToc und irpäroc Hirt IF. 21, 164. Nach Hirt
würde irpäroc zur Stütze der angenommenen th-Form des Worts im Arischen
herangezogen werden können. Die Bedenken, die Hirt bezüglich der Her-
leitung von TTpiDToc aus ♦iTpiJü Farce «äußert, halte ich jedenfalls für durch-
aus berechtigt.
Zu den arischen Wörtern für 'der erste* und *der zweite*. 107
n. Ai. pürvyd'^ Awest. paoirya- (usw.).
12. Wenn wir in unsern altindischen Grammatiken den
Abschnitt über die Zahlwörter aufscUagen, so finden wir unter
*der erste* zumeist nur das eine Wort prathama- verzeichnet.
Benfey Vollst Gramm. 329 gibt noch agrimd- und ädimd- an,
und Whitney Gramm.* 488 fügt adya- und adima- hinzu, aber
mit der Bemerkung, daß jenes zuerst in der Sütraliteratur, dieses
noch später erst zum Vorschein komme. Fürs Awestische habe
ich im Gdr. Iran. Philol. 1, 112 neben frcdama- noch paouruyor^
paoirya- angeführt
13. Der Gebrauch des j Awest fraidma- an der Stelle Yt
5. 50 deckt sich nun allerdings völlig mit dem vedischen von
prathamd'. Es steht dort: avcti äyaptam dazdi me ... yai vispanqm
yuxtanqm ctz9m fratamam x9anjayeni d. i. ". . . daß das Gespann,
das ich lenke, von allen das erste sei (werde)". Man halte dazu
RV. 8. 80. 5 prathamdrß no rdtharß kfdhi "mach unsem Wagen
zum ersten*'. Desgleichen entspricht die Zusammenstellung von
upama-^ mdbdma'^ frat9ma- in Tt 11. 18 — eine freilich nicht
ganz einwandsfreie Stelle — der von uttamd-^ madhyamd- und
prathamd- in MS. 3. 8. 2 und MBh. Aber im Ganzen tritt
fratama- doch stark hinter dem andern Wort für *primus' zu-
rück. Insbesondere muß es auffallen, daß das Awest fratama-
in der Aufzählung — neben der zweite, dritte usw. — durch-
aus vermieden wird, während hier das ai. prathamd- die Regel
bildet, so z. B. RV. 2. 18. 2, 10. 45. 1 : prathamdm . . . dvUiyam
. . . tj[ityam\ femer AV. 15. 15. 3 ff., 16. Iff. usw. Die Sprache
des Jüngern Awesta — für das ältere fehlt es an Beispielen —
braucht in solchem Fall für *primus* durchweg paoirya' z. B.
Y. 9. 3, 6, 9, 12 : paoiryö . . . hityö . . . t^rityö . . . tüiryö\ fem er
Yt 14. 2ff., V. 4. 2 usw.; s. mein AirWb. 874.
14. Das Wort geht auf uriran. *paruiia' und *paruia- zu-
rück und entspricht lautlich dem si. pürvyd- (das im Rigveda
stets dreisilbig zu lesen ist). Aber im Gebrauch der Wörter be-
steht ein ganz wesentlicher Unterschied.
15. Im Rigveda wird pürryd- weit überwiegend in kom-
parativischem Sinn verwendet, in der Bedeutung *prior, priscus*
lind synonym mit parva-. So findet es sich insbesondere wie
dies im Gegensatz zu nätana- 'jetzig*; z. B. RV. 2. 11. 6 (stdvä
nü ta indra pürvyä mahäny uiä staväma nütanä IcftdniY ^*
108 Chr. Bartholomae,
55. 8 {ydt pürvydm maruto ydc ca nätanafn)^ 6. 44. 13 {ydh
pürvyäbhir tdd niitanäbhir girbMr vävfdhS)^ 1. 105. 4, 3. 1.
20 und anderseits 1. 1. 2 (agnih p4rvebhir fßibhir tdyo näta-
nair utd)^ 5. 31. 6 (prd te pürväni kdraväni vocamprd nütanä)\
sodann im Gegensatz zu ndv(i)ya8' 'novior, neuerlich*; so RV. 1.
156. 2 {jfdh pürvydya vedhdae ndviyase . . . vi^v^ve dddäiaii)
und anderseits 8. 27. 10 (prdnah pürvastnai suvUdyavocaiamak^
sumnäyandvyase)] s. auch 1. 61. 13, 3. 36. 3 (unten S. 111); weiter
vergleiche man 6. 37. 2 {indro no asyd pürvydh papiyäd . . . wd-
dasya) mit 10. 112. 1 (indra piba . . . suidsya . . . tdva hi pur-
vdpitih] endlich verweise ich auf 10. 14. 7 (prihi paihibhih
pürvyibhir ydträ na^ pärve pitdrah pareyüh). Bemerkens-
wert scheint mir auch und bezeichnend für die wesentlich kom-
parativische Bedeutung des Worts, daß es nirgend mit dem
partitiven Genetiv des Plurals verbunden ist, während er bei
prathamd' oft genug vorkommt, z. B. 1. 113. 8, 15; 124. 2; 6.
41. 1 usw. Die Stelle 8. 63. 1, für die man einen von pürvyd-
abhängigen Gen. Plur. angenommen hat {sd pürvyö mahdnäm
vendh krdtubhir änaje\ ist zum mindesten recht strittig. Ebenso
ist bei pürva- ein partitiver Gen. Plur. nicht bezeugt An der
komparativischen Bedeutung von pürvyd' liegt es auch, daß es
nicht gebraucht wird, wenn ein erster einem letzten gegenüber-
gestellt werden soll, und ebensowenig in der Reihenfolge der
erste, zweite, dritte. In beiden Fällen dient prathamd',
16. Fast durchaus gleiche Verwendung wie das vedische
praihamä' zeigt das awestischo paouruya-^ paoirya-^ dem also
im Gegensatz zu seinem vedischen Gleichstück pürvyd- im wesent-
lichen die superlativische Bedeutung eignet Es findet sich daher
auch mit partitivera Gen. Plur. verbunden, z. B. V. 4. 50 (paairfm
aetaiSqm Syaot99nanqm)^ 5. 50 (paoirim x''ar9^anqm\ N. 105
(paoiryäi ddhmanqm) usw. Somit besteht in Hinsicht auf den
Gebrauch der auf arischem *pfuiia' beruhenden Wörter im
Veda und Awesta die nämliche Verschiedenheit, wie sie uns
im Gebrauch der Nachkommen des nah verwandten ursprach-
lichen *pfu(h auf arischem und slavischem Gebiet entgegentritt;
das ai. pürva- und das Awest paurva- bedeuten übereinstimmend
•prior*, das kslav. prüm dagegen *primus*. Es ist an sich wahr-
scheinlich, daß auch das arische *p'tuija' zunächst nichts anderes
bedeutet hat als *pfua'^ so daß es sich — allenfalls erst im
Arischen geschaffen — in jeder Beziehung ebenso dazu ver-
Zu den arischen Wörtern für 'der erste* und 'der zweite*. 109
hielte, wie das lat tertius (aus älterem tri(9) zum griech. rpiToc.
Zugunsten dieser Annahme lassen sich auch einige Tatsachen
aus dem Iranischen anführen.
17. Im Altpersischen kommt das Wort nur in der Ver-
bindung Jmcä paruviyata^ vor; sie bedeutet aber unzweifelhaft
Von früher, von Alters her'; das apers. paruviya-^) hat also
darin den Sinn des ai. pürvyd- und pürva-. Die elamische Über-
setzung gibt es mit demselben Wort wieder wie paranam *prius,
antea', nämlich durch kiiäa.
18. Im Awesta kann ich nur eine Stelle mit sicher kom-
parativischer Bedeutung unsres Wortes nachweisen, d. i. Vr. 7.
4: avä dämqn . . . yä hdnti paoiryö.däta pcunryö^fraSwarSta
aindaida apäaüa z^mäatda **]ene Schöpfungen . . ., die früher
geschaffen, früher gebildet sind als der Himmel und das Wasser
und die Erde*'. Die Ablative (der Vergleichung) hängen von
dem ersten Glied der vorausgehenden Zusammensetzungen ab,
das also unzweifelhaft komparativischen Sinn gehabt haben muß.
Das hat schon der Zandist erkannt, der paoirya- hier, anders
als an den übrigen Stellen — dazu gehört auch das Ende des
selben Paragraphen, wo die gleichen Komposita noch einmal
vorkommen — , durch peä *prior, prius* wiedergibt, während er
sonst fratom 'primus, primum' verwendet. Spiegel hat sich da-
durch bestimmen lassen, paourvö.däta paaurvö.fra^imrSta und,
nur an zweiter Stelle, paoiryö.däta^ p(mryö.frat9icarSta in den
Text zu setzen. Aber die Handschriften geben dafür keinerlei
Anhalt Man hätte schon eine alte Textverderbnis anzuerkennen,
die eingedrungen sein müßte, nachdem der Wortlaut der Über-
setzung festgestellt war. Angesichts der Tatsache, daß die selben
beiden Zusammensetzungen im selben Paragraphen zweimal ent-
halten sind, wird man allerdings die Möglichkeit nicht leugnen
dürfen. Zum Ausgleich ähnlich lautender Stellen kann ein Ab-
schreiber ebensowohl durch Stumpfsinn als durch ein Übermaß
von Gescheitheit geführt werden.
19. Sonst finde ich die Übersetzung peS statt fratom für
unser Wort nur noch einmal, zu Y. 51. 15: hyai mizd^m zara-
t9uMrö magavabyö cöiSt parä garö damäne ahurö mazdä jasat
pouruyö. Die Lesung des Worts ist einmütig bezeugt; ich be-
zweifle aber, daß es der Zandist richtig gefaßt hat. In meinen
Gathas des Awesta habe ich so übersetzt: "Was Zaraduätra
1) S. übrigens unten S. 112 Note.
110 Chr. Bartholomae,
den Bündlern als Lohn in Aussicht gestellt, was im Haus
des Lobs Mazdäh Ahura als erster erlangt hat (, des versehe
ich mich durch euren Nutzen, o VohuManah, und durch
den des A§a)". Was verheißen wird, ist der Aufenthalt im Pa-
radies, wo Mazdäh Ahura von Anfang an, als erster von allen
seine Wohnung genommen hat Auch Darmesteter hat die Strophe
ganz ähnlich gefaßt, in starker Abweichung von der heimischen
Fassung. Er übersetzt Zend-Avesta 1. 336: "Mais la recompense
que Zarathushtra a promise aux purs, ce Garodamana" — in
der Note *le Paradis* — "oü Ahura Mazda est venu le premier
(c'est le prix de Vohu-Mano et des bienfaits d'Asha)'*. Meines
Erachtens kann die Stelle für die komparativische Bedeutung^
des fraglichen Worts nicht in Betracht kommen.
20. Von größerem Belang scheint mir eine andre Stelle
des altern Awesta, Y. 30. 7, wo die Neuausgabe so bietet:
aeSqm iöi ä aßhaj ya^ä aya'0hä ädändiS pouruyö. Der Zandist
bietet für p^ das übliche fratom. Ich kann aber seine Über-
setzung: öSän i tö ö ast ke etön äyet digön dahün i fratom
mit dem überlieferten Wortlaut ebensowenig vereinigen wie die
von Darmesteter, die ja einigermaßen durch sie bestimmt zu
sein scheint: "Qu'ils soient tous avec toi qu'ils furent avec le
premier homme !" Justi Preuß. Jahrb. 88, 241 gibt die Über-
setzung: "damit er dir über diese voran sein (triumphieren)
möge durch das Eisen und Rückzahlungen". Meine Übersetzung
in den Gathas des Awesta lautet: "so daß er bei Deinen Heim-
zahlungen durch das Metall vor ihnen erster werden wird*';
vgl. dazu mein AirWb. 875, wo von paotimya- gesagt ist, daß
es *mit asU und ä mit Gen.* (der den Ablativ vertritt) *er ist
voraus vor-, hat den Vorzug vor — ' bedeute. Danach hätte
also das Wort komparativischon Sinn. Es ist aber nicht außer
acht zu lassen, daß in den Gathas bei 27 maligem Vorkommen
des Worts unsre Stelle die einzige ist, wo paauruya- und
paourva- etwa gleich gut bezeugt sind; Pt 4, Mf 1 u. a. stehen
für ^ruyöy K 5, J 2 u. a. für ^rvö ein. Sonst ist die y-Form meist
ohne jede Abweichung überliefert; nur zu Y. 31. 7, 44. 11 und
4G. 6 findet sich eine y-lose Variaute in untergeordneten Hand-
schriften. Und dazu kommt, daß auch das Metrum für unsre
Stelle die Lesung von K 5 und J 2 begünstigt, ein umstand,
der mich schon bei meiner Ausgabe der Gathas (1879) ver-
anlaßt hat, paourvö in den Text zu setzen. Aber entscheidend
Zu den arischen Wörtern für "der erste* und 'der zweite*. 111
ist die Metrik doch aacb nicht; und in dem Maße, wie sie
für die Lesung paourvO eintritt, wird anderseits die Lesung
paouruyö durch die Pahlaviübersetzung fratom unterstützt. Es
ist immerhin möglich, daß die awestische zu Y. 30. 7 bezeugte
Verbindung: aeäqm . . . ä a^hat paouruyö auf einer ähnlichen
Anschauung beruht, wie man sie für homerisch fKeiio hl vela-
Toc dfXXuiv Z 295 und für vedisch viivasmät sfm adhamdtß
indra ddsyün . . . akjrtoh RV. 4. 28. 4 angenommen hat; s. Del-
brück Vgl. Syntax 1. 417. Schließlich verweise ich darauf, daß
auch das vedische prathamd-^ dessen Gebrauch ja dem des
awestischen paouruya-^ paoiryor entspricht, einige Male kom-
parativisch verwendet zu sein scheint; so insbesondere RV. 7.
98. 5, wo es den Gegensatz zu nätana- bildet : prindrasya vocam
pratfutmd kftäni prd nutanä; vgl. 2. 11. 6, wo an ganz älmlicher
Stelle pürtryd steht (oben S. 107); ferner RV. 3. 36. 3, wo sich
praihamd und imi gegenüber stehen: tdva gliä sutdsa indra so-
mäsah praih<imd uUmi\ man nehme dazu den Schluß der Strophe,
wo einander in gleichem Sinn pürmfdn und ndviyän^) gegen-
übergestellt werden : ydthdpibah pünyydtß indra sdmärß evd pähi
pdnyo adyd ndmyän\ sodann RV. 1. 145. 2, wo praihamd- im
Gegensatz zu dpara- gebraucht ist: nd mj'ßyate praihamdm nd-
paratß täcah] man erwartete vielmehr ^nwm; s. unten S. 114;
und endlich RV. 10. 27. 23, wo die prathamdh im Gegensatz
zu den üparäh erscheinen; doch ist der Lihalt der Strophe nicht
eben sehr durchsichtig.
21. Besonders auffällig erscheint mir der Gebrauch des
gathischen paouruya- in Verbindung mit aiahav- *Leben'. a»AwÄ
paouruyö gehört zu den Schlagwörtern der zarathustrischen Lehre
und bezeichnet das diesseitige Leben im Gegensatz zum jen-
seitigen. Im gleichen Sinn wird auch von *diesem Leben'
und von dem *1 eiblichen Leben* gesprochen, während für das
jenseitige Leben die Ausdrücke *das geistige Leben' und Mas
zweite (daibitya-) Leben* verwendet werden; vgl. mein AirWb.
1071 Daß es sich dabei um eine Zweiheit von Leben handelt,
ist ohnehin klar und wird durch den Gebrauch des Duals an
der Stelle Y. 28. 2 : ahvd astvatascä hyatpä manaidhö "der beiden
1) So viel als nävTt/asap in Ausgleich mit pürvi/än und sömän. Die
hergebrachte Fassung von ndvlyän als Nom. Sing, scheint mir sehr hart
und beeinträchtigt den Sinn. Einen 'Stamm' ndmi/a- anzusetzen, wie
Graßmann tut, ist wertlos.
112 Chr. Bartholomae,
Leben, des leiblichen und des geistigen'' in nachdrücklichster
Weise bestätigt. Nun ließe sich ja im Anschluß an das zuvor
Gesagte für paourHya- in jener Zusammenstellung die konipara-
tivische Bedeutung *prior* ansetzen. Dabei kämen wir aber doch
nur zu einer halben Eiidärung. Es ist nicht weniger auffällig,
daß das jenseitige Leben durch daibitya- (zu ai. dvMya-) bezeichnet
wird, das Wort für der zweite von mehreren, während man apara-
erwartete, und auch nicht minder auffällig, daß an der Stelle
T. 44. 19, wo ebenfalls vom Diesseits und Jenseits die Rede ist,
dem für das Diesseits gebrauchten paouruych der Superlativ
aphna^ *postremus' gegenübergestellt ist, wieder statt des za
erwartenden Komparativs aparor. Ich vermag eine Erklärung
der Absonderlichkeit nicht zu geben, möchte es aber wenigstens
als Vermutung aussprechen, daß die Erklärung überhaupt auf
anderem Gebiet zu suchen ist als auf dem der Sprachgeschichte.
22. In Betreff des eigentlichen Sinns des jAwest paoiryö.-
Jücaeior^ das der Zandist nur umschreibt — und zwar ohne Er-
läuterung — , der Sanskritist dagegen mit pürvanyäyavän über-
setzt, d. i. *cuius est prior norma', bleibe ich bei dem stehen,
was ich im AirWb. 877 dazu bemerkt habe. Zu dem, was die
Pahlavisten darunter verstanden wissen wollten, verweise ich
noch auf den Text, den jüngst Freiman WZKM. 20, 169ff. ver-
öffentlicht hat — hier werden in § 1 die pöryötldiän als fratom
däniänän bezeichnet — und auf den Parsifrahang in SWienAW.
67, 841 Z. 25, wo als gleichbedeutend piri bihdini und pöryödkeii
verzeichnet werden.
23. Was die jüngeren Dialekte angeht, so scheint das arische
*pfti[i)ia'^ dem Awest pcuniruya-^ paoirya- und ai. pürvyd- ent-
sprechen, nur im Judenpersischen bewahrt zu sein. In dem von
Salemann herausgegebenen jüdischbucharischen Gedicht Chudaidät
(Judaeo-Persica 1, Petersburg 1897) finden sich die Wörter |)^
•alt* und peri •Alter' (Vers 272 und 56); bei dem letzteren Wort
wird die Aussprache e durch die Schrift erwiesen; bei dem
ersteren ist allerdings i geschrieben, aber die Aussprache e wird
durch den Reim auf seri 'Sattheit' verlangt, ein Wort, das mit
e geschrieben ist und auch im altern Xeupersischen mit ^ ge-
sprochen wurde, per weist auf *pari (aus *pat'Mi). Sonst ist nur
die alte Kompositionsform zu ar. *pfu(i)i(i' erhalten geblieben,
nämlich *pru(i)vi'; s. dazu Bartholomae IF. 7, 70, Hirt Ablaut 19^).
1) Das apers. P<'R**UViIY<* kann ebensowohl auf ^pj^iia- als auf
*jffyo zurückgehen.
Zu den arischen Wörtern für 'der erste* und 'der zweite*. 118
Sie steckt in npers. pfr^ pira *bejahrt, alt* und den zugehörigen
Wörtern (s. Hörn Gdr. Neup. Etym. 78), sowie in npers. pfrär
*das vorvergangene Jahr*; vgl. zum Lautlichen Hübschmann Pers.
Stud. 45, 131, 146, Hörn Gdr. Iran. PhU. Ib, 28. Daß für beide
Fälle von der Bedeutung 'prior', nicht etwa 'primus* auszugehen
ist, scheint mir unbestreitbar. Die eigentümliche Beziehung von
pfrär auf das dem letzten vorausgegangene Jahr hat sein Gegen-
stück im npers. parer 'vorgestern*, das aus der Zusammensetzung
von ar. *pfua- *prior* und *aiar- Tag* erwachsen ist (Hübsch-
mann Fers. Stud. 167, Hom Gdr. Iran. Phil. Ib, 34 — anders
164), während in pirär die Wörter *pnia' und ^iär- *Jahr* ent-
halten sind*); die Verwendung des ersten Kompositionsglieds
ist also hier und dort die nämliche. Die Ähnlichkeit mit alb.
parvjü Vor zwei Jahren' ist wohl nur scheinbar; man berück-
sichtige jedenfalls, daß alb. pardie Vorgestern* neben dje 'gestern*
steht, und daß vjet allein Voriges Jahr* bedeutet In bemerkens-
werter Deutlichkeit würde die komparativische Bedeutung des
buchpahl. pir noch an der Stelle DkBomb. 28 (Vol. 1), Z. 1 zu-
tagetreten, wenn dort wirklich an i man ha^ arüm pir dän über-
liefert ist, und wenn die Worte wirklich den Sinn haben, den
ihnen der Übersetzer S. 24 beilegt: "our religion which is older
than that of Rum'*. Ich gestehe aber, daß ich weder dem Her-
ausgeber traue, noch dem Übersetzer; was der letztere will,
würde doch in korrektem Pahlavi: an i man den i had an i
arüm pfr zu lauten haben.
24. Ich ziehe aus dem vorgeführten Material den Schluß,
daß in der Tat, wie es schon oben S. 108 f. auf Grund allgemeiner
Erwägungen für wahrscheinlich hingestellt wurde, das arische
^pfu^iß' (= ai- pürvyä-) die gleiche Bedeutung gehabt hat, wie
*pfua' (= ai. parva-), nämlich die Bedeutung *prior', daß aber
späterhin diese Bedeutung in demselben Maße durch *primus*
ersetzt wurde, als der lebendige Gebrauch des alten Worts für
'primus' (ai. praihamd-) nachließ. Aus welchen Gründen dies
geschah, weiß ich nicht Es schuf aber die anderweite Ver-
wendung von *pifuiiar keine Lücke, da das üblichste Wort ftir
•prior* sicher *pfm' gewesen ist
1) Npers. jfirär ist das einzige Wort, dann sich das alte ^iar-
'Jahr' erhalten hat. Das läßt auf frühzeitige Verwachsung und Versteine-
rung schließen. Sollte nicht *prt^iaiär' schon in alter Zeit haplologisch
zu *prPiäro geworden sein, das alsdann weiter zu pfrär führte?
IiidogermaniBche Forschungen XXIL %
IH Chr. Bartholomae,
in. AI pärva-j AvrQst paurva- (usw.) •prior*.
25. Das erweisen ebensowohl die altindischen als die alt*
iranischen Nachkommen des arischen Worts; sie zeigen über-
einstimmend die Bedeutung des lateinischen prior in seinen An-
wendungen auf Raum, Zeit und Rang. Der üblichste Ausdruck
für das Gegenstück dazu war (ar.) *aparch 'posterior*. Die Ver-
wendung des Woris im Sinn unseres *der erste, zuerst* können
folgende Beispiele verdeutlichen.
26. Aus dem Indischen; sä. pärva^ pa. |?tiMo, prakr.
puvw^ puruwo^ ptduvo (inschr.); s. dazn Johansson Dialekt der
sogen. Shähbäzgarhi-Redaktion 68 f. RV. 6. 47. 15: pddäv im
prahdrann anydmanyarß kp}öH pArvam dparatß idcfbhih **wie seine
beiden Füße abwechselnd einen andern vorwärts stellend macht
er mit seinen Fähigkeiten den ersten zum letzten** (Ludwig Rig-
veda 2, 153; 4, 120); — RV. 1. 185. 1: katard parva katari-
paräyöh "welche von den beiden (Gottheiten) ist die erste*),
welche die zweite*)?'*; — AV. 10. 1. 27: utd hanti pürvOislnarß
. . . dpara i^vä utd pArvasya nighnatö ni hantydparah prdti **him
that first hurls (the arrow), the other . . . slays with the arrow,
and while the first deals the blow, the other retums the blow"
ßloomfield SBE. 42, 75, zum Teil nach Roth ZDMG. 48, 681)«);
— AV. 9. 5. 27 : yd pärvatß pdtim viHväthänydtß vinddti *param
"eine Frau, die einen ersten Gatten gehabt hat und dann einen
andern zweiten bekommt**. Dazu nehme man die Zusammen-
setzungen pürvapak^h (pa. pubbapakkho) — aparapak^dh (pa.
aparapakkho) Mie erste — die zweite Hälfte der Mondphase*; —
pürvarätrdh [^XdiVi, puvvaratto) — apararätrdh (prakr. awirotto)*)
*die erste — die zweite Hälfte der Nacht'; — pürväpararätrau
'in der ersten und in der letzten Hälfte der Nacht'. Die syn-
taktische Verbindung des Nom. Sing, von dpara- mit dem Akk.
Sing, von pürva- entspricht ganz der lateinischen Fügung alter
alterum\ so RV. 1. 124. 9: dpara (nämlich misä) pärväm ahhy
1) Nach Zeit und Rang. Die übliche Übersetzung der fraglichen
Wörter durch 'die frühere' und 'die spätere* scheint mir dem Sinn der
Stelle nicht voll gerecht zu werden, da sie eben nur das zeitliche Voran
berücksichtigt.
2) Whitney AtharvaVedaSamhitä 566 bezeichnet allerdings die
Strophe als 'obscure and probably corrupt'.
3) Doch offenbar haplologisch statt *avararaUo. Pischel Gramm, d.
Prakritspr. hat die Erscheinung der Haplologie (s. S. 113 f.) nicht behandelt.
Zu den arischen Wörtern für *der erste* und 'der zweite*. 116
iU paäcät •'die eine (Schwester) folgt der andern nach"; — RV.
10. 18. 5: ydihä nd pärvam äparo (nämlich ftüh) jähätt *Veluti
non altemm alter deserit*', d. i. ""wie (unabänderlich) sich eine
(Jahreszeit) an die andere anschließt".
27. Aus dem Iranischen; A^vest paurvch^ apers. parut»-;
npers. nur in parer Vorgestern', s. oben S. 113. Ich verweise
insbesondere auf die Awestastellen N. 44 : paaurum vd naim9m
yär9 apamn vä **daa erste Halbjahr oder das zweite" und N. 37 :
paurvaj vä naemät aparät vä "von der ersten Hälfte (gewisser
Texte) an oder von der zweiten". Die Zendisten geben das Wort
durchweg mit peS wieder; s. oben S. 109.
28. Über die gelegentliche Ersetzung von parva- im Veda
durch prathamd^ und von paurva- im Awesta durch paouruya^^
paoirya^ ist bereits oben S. 109 ff. gesprochen worden. Im In-
dischen nimmt späterhin der Gebrauch von prathama- auf Kosten
von parva- überhand; neben und an Stelle von pürvärdhah *die
erste Hälfte' erscheint so prathamärdhah; die beiden Anuväka
des 14., 15. und 16. Eä^da in der Atharvavedasamhitä werden
mit prathamah und dvüfyah bezeichnet — s. dagegen oben § 27
die Awestastelle N. 37 — ; usw.
IV. Awest. /"ra^ara- 'prior'.
29. Als ein weiterer, viel seltener gebrauchter Ausdruck
für "prior* dürfte in arischer Zeit die Komparativbildung *praiara-
gedient haben. Ihr Alter scheint mir allerdings weniger durch
das Zusammengehen der arischen Dialekte gewährleistet — denn
auf indischem Gebiet ist das Wort nur durch die vedischen
Adverbien pratardm und pratardm vertreten, in denen gar wohl
verhältnismäßig recht junge Bildungen stecken könnten, s. oben
S. 97 zu pratatnäm^ als durch das Griechische, wo TTpöiepoc
den gewöhnlichen Ausdruck für *prior' bildet ^). Auf iranischem
Boden setzt sich das Wort zunächst in jAwest fratara- fort, das
mehrfach ganz wie paurva- als Gegenstück von apara- erscheint;
8. mein AirWb. 979f. (und — zur Stelle T. 10, 2 — 1786). Später-
hin scheint das iran. "^fratara- seine Bedeutung im nämlichen Sinn
verengert zu haben wie "^par^ama- *primus'; s. oben § 7. Nach
1) Das Alter der germanischen Bildungen ahd. fordaro, aengl. furdra,
die man zu griech. npörcpoc in Ablautsverhältnis gestellt hat, geht meines
£rachtens nicht über das Germanische hinaus. Das nosk. pruter 'prius*
enthält *prö, nicht *pro.
116 R. M. Meyer,
Andreas Ephemeris f. semit Epigr. 2, 213 haben wir ein mittel-
iranisches fratarak als persischen Beamtentitel: fFe8tangs)kom-
mandant, (Provinzial)gouvemeur' anzuerkennen; er findet ihn
einmal auf Münzen der während der Arsakidenzeit in der Persis
herrschenden Fürsten, sodann auf einem aramäischen Papyrus
aus Ägypten. Ich halte Andreas Lesung und Deutung der frag-
lichen Wörter für sehr ansprechend, doch nicht für durchaus
sicher*). In den neuiranischen Dialekten ist das alte ^fratarchj
soviel ich sehe, nicht nachzuweisen. [Fortsetzung folgt]
Gießen, 1. Mai 1907. Chr. Bartholomae.
/
Die germanisehe Sprachbewefung. >^\
**Alle Wissenschaft strebt, bei sorgfältigster Beobachtung
des Einzelnen, nach Zusammenfassung und Vereinfachung*',
sagt H. Schuchardt in einer Klage über die wissenschaftliche
•Atomisierung* in der Philologie (Litbl. f. germ. u. rom. Phil. 1892
S. 811), "und der Erfolg pflegt nicht auszubleiben". Warum wollten
oder sollten gerade wir uns mit hundert und aber hundert
Gesetzchen begnügen? Als einen bescheidenen Versuch, in
diesem Sinn über zahllose Einzelregeln zur Erkenntnis größerer
Tendenzen in der Sprachentwickelung zu gelangen, bitte ich diesen
Aufsatz anzusehen.
Ich gehe aus von der allgemein bekannten Tatsache, daß
oft auf ganz getrennten Sprachgebieten dieselben Vorgänge sich
wiederholen. Wie oft hat man zur Beurteilung eines Vorganges
in der germ. Sprachgeschichte eine analoge Erscheinung etwa
aus dem Lat oder Kelt anziehen können ! Aber der Parallelismus
geht über einzelne Erscheinungen weit hinaus. Man hat die
Entwickelung vom Altgriech. zum Neugriech. (z. B. in bezug auf
die Ersetzungen von Dativ und Komparativ, das Eintreten von
Deminutiven für Grundworte) mit der des Romanischen ver-
glichen (Thumb Die neugriech. Sprache, Anm. 76); darauf hat
Thumb mit Rocht erwidert, dieser Parallelismus erkläre sich
leicht aus der allgemeinen Ähnlichkeit sprachlicher Umbildung,
1) S. jetzt noch Mseriantz Strasburgskij egipetsko-aramejskij papiros
fMoskva 1906) 21 f., 38 f.
Die germanische Sprachbewegung. 117
und man könne daher ebensogut die parallele Entwicklung des
Ahd. zum Nhd., des Skr. zum Prakrit vergleichen (a. a. 0. S. 14).
In der Tat steht für eine ganze Eeihe sprachlicher ümbildungs-
gruppen fest, daß sie typische 'Alterserscheinungen' sind. Vor-
zugsweise gilt das für Vorgänge, die auf dem Grenzgebiet
zwischen Flexionslehre und Syntax liegen : Umschreibung statt
der Flexion beim Verb wie beim Nomen ist allen durch langen
Gebrauch abgeschUffenen Sprachen gemein. Doch auch lautliche
Erscheinungen, wie die Verwitterung der Endsilben, fehlen kaum
irgendwo. Starke Neigungen zu Assimilationen, Durchführung
etymologischer Analogien, Mechanisierung der Betonung stellen
sich fast überall ein.
Wenn aber auch dies allgemein anerkannt und wirklich zwei-
fellos ist| fehlt es doch noch an einer festen Sammlung der Kriterien
für sprachliche Alterserscheinungen. Wir sind daher noch gar
nicht gewöhnt, chronologische und dialektische Vorgänge
streng zu sondern. Weil die Philologie die Gesetze der einzebien
Sprachen zu isolieren pflegt, fragt sie kaum je, ob die betreffende
Ekitwicklung nur die lokale Modifikation eines allgemeinen Vor-
gangs oder aber ein rein individueller Schritt ist Diese Unter-
scheidung ist aber doch durchaus wichtig, wenn wir zu einer
exakten Charakteristik der einzelnen Idiome gelangen wollen.
Dabei versteht es sich, daß zu einer solchen Charakteristik
auch die allgemeineren und allgemeinsten Entwicklungen bei-
tragen. Die zweite Lautverschiebung ist eine den hd. Dialekten
gemeinsame Bewegung ; aber Zeit und Intensität ihrer Durch-
führung bietet gerade zur Scheidung dieser Dialekte das beste
MitteL Nur Mangel an Material läßt die erste Lautverschiebung
als einen wesentlich geschlossenen einheitlichen Akt erscheinen ;
aber von Verschiedenheiten der germ Urdialekte gibt sie selbst
so schon Kunde. — Und sogar die im Wesen der Sprache selbst
begründeten und deshalb nirgends fehlenden Verwitterungen sind
durch die Individualität der Idiome modifiziert: der Verfall
der Endungen, die Umschreibung der Tempora und Kasus sind
germ. anders geartet als romanisch, englisch wiederum anders
als deutsch usw.
Ein gutes Beispiel für die Verschiedenheit von Alters- und
Dialektunterschieden gibt z. B. die Geschichte des aus idg. S ent-
standenen germ. ä. Dies neue d wird sowohl auf nordischem
wie auf westgermanischem Boden hervorgebracht; nicht aber
118 R. M. Meyer,
bei den Goten. Nun könnte dies eine rein chronologische Ver-
schiedenheit sein: besäßen wir kein gotisches Denkmal, das
jünger wäre als die letzten fränkischen Spuren des alten ^, so
könnte man meinen, es läge eine gemeingerm. Bewegung vor,
von der die Goten nur durch ihr frühes Absterben ausgeschlossen
wären. Dann wäre also das fehlende ä lediglich für den got
Dialekt eine Zeitmarkierung. Tatsächlich aber besitzen wir sehr
viel spätere got Sprachproben, und in diesen ist das i nicht
ä geworden, sondern i : krimgot crüan ulf il. grStan — altn. grdta.
Hieraus also wird klar, daß die Behandlung von S für got
nicht bloß ein chronologisches, sondern besonders ein dialektisches
Merkmal ist Das heißt: die Goten sprachen das idg. S anders
als die andern Stämmen. Ein helleres oder dunkleres i — das
ist die dialektische Urdifferenz. In jedem Fall aber hat der Laut
die Tendenz, sich konsequent fortzuentwickeln, und dadurch
wird denn auf jedem der beiden Dialektgebiete — dem des
helleren und dem des dunkleren 6 — die Durchführung des
neuen Lautes zum zeitbestimmenden Kriterium. Aber doch immer
nur zum dialektischen Zeitmaß — nicht zum rein chronolo-
gischen Kriterium wie etwa der Verfall der Endungen.
Wir müssen also die wichtigsten germ. Lautbewegungen
durchgehen, um zu prüfen, wie weit sie typische Alterserschei-
nungen, wie weit von spezifisch idiomatischem Charakter, d. h.
wie weit sie für die germ. Sprachbewegung als solche charak-
teristisch sind. In letzterem Fall haben wir wieder gemeingerm.
Eigenheiten (die den germ. ürdialekt als solchen von seinen idg.
Geschwistern unterscheiden) von Eigenheiten einzelner germ.
Dialekte zu sondern. Wir beschränken uns daher zumeist auf
die großen Hauptdialekte und nehmen auf die Mundarten der
Gegenwart aus methodischen Gründen keine Rücksicht Denn
mindestens einstweilen muß es bedenklich erscheinen, die in
zahllosen Nuancen vorliegenden kleinen Lautbewegungen der
gesprochenen Mundarten den größeren Umgestaltungen auf
breiterer Basis völlig gleichzustellen. Dem Ursprung nach sind
sie ihnen gewiß gleichartig, und daher zur Erklärung des ein-
zelnen Vorgangs an sich gewiß mit Recht herbeizuziehen; andrer-
seits muß doch aber irgend ein unterscheidendes Moment vor-
handen sein, das diese dialektischen Schwankungen in lokale
Grenzen bannt, die von jenen größeren Bewegungen überschritten
werden. Es liegen hier eben individuelle, zentrifugale Neigungen
Die gennanische Sprachbewegung. 119
vor, die den großen, zentripetalen Richtungen unaufhörlich ent-
gegenarbeiten.
L Wir beginnen mit der Lautverschiebung selbst
Nach der älteren Anschauung handelte es sich bei den
beiden Lautvei-schiebungen, der germanischen und der hoch-
deutschen, um zwei von einander isolierte, aber in sich zusammen-
hängende Gruppen von Lautveränderungen. In beiden Punkten
ist ein Umschwung der Meinungen eingetreten. Früh erkannte
man, daß der zweite Punkt nicht haltbar sei; jene schöne,
militärisch einfache Operation, wonach einfach jedesmal ein
neues Lautkorps in die von dem vorigen geräumten Quartiere
einrückte, mußte seit R. v. Raumer aufgegeben werden. Man
nimmt jetzt wohl allgemein an, die einzelnen Akte innerhalb
jeder Lautverschiebung seien voneinander völlig unabhängig. —
Dagegen ist in bezug auf den ersten Punkt die nötige Reform
der Meinungen noch nicht völlig durchgedrungen. Obschoa Vor-
gänge wie die Durchführung des Vemerchen Gesetzes und später
die gemeindeutsche Umsetzung von ß in d sichtlich auf der
Verbindungslinie zwischen den beiden großen Verschiebungen
liegen, spricht man vielfach noch von diesen wie von zwei
einsamen Revolutionen. Wir glauben, daß man vielmehr die
beiden 'Lautverschiebungen' nur als Höhepunkte gewißer konti-
nuierlicher LautbeweguDgen ansehen darf — gerade ebenso, wie
man längst die sog. 'Völkerwanderung' als einen einzelnen Akt
in einer großen Kette unaufhörlicher Volksbewegungen erkannt
hat Von der Zeit, in welcher die idg. Ten. aspir. im Munde
der Urgermanen ihren Hauchlaut verlor, bis zu der, in welcher
die Tennis im Anlaut neuhochdeutscher Worte eine neue Aspi-
ration gewann, ist sie beständig Schwankungen ausgesetzt ge-
wesen. Kontinuierlich, in unmerklichen Übergängen, in wechseln-
den Grenzen vollzieht sich zeitlich wie räumlich jede Sprach-
veränderung; wie besonders Braune dies für die gleichzeitigen
Dialekte in bezug auf die Lautverschiebung dargetan hat, so
gilt es auch für die auf gleichem Boden sich folgenden Epochen.
Auf den urgerm. Wechsel von kh th ph mit x / /? von k t p
mit denselben urgerm. Lauten, von g d b mit k t p folgt noch
in urgerm. Zeit der an bestimmte Akzentverhältnisse gebundene
Tausch von x ß f (und s) mit f d b (und z). Dann kommt die
junggerm. Lautverschiebung: f d b werden z.T. g db; hier
sind bereits starke dialektische Differenzen vorhanden. Es fol?^
130 R. M. Meyer,
die westgerm. Lautverschiebung: g d i werden von einer
großen Reihe von Konsonanten geminiert Dann die gemein-
deutsche: p wird (durch d hindurch) zu d. Nun wieder eine
große Haupt- und Staatsaktion: die hochdeutsche Lautver-
schiebung mit sehr mannigfaltigen Schattierungen nach Dialekt,
Zeit, Lautstellung. Noch in ahd.*Zeit beginnt die auf den Aualaut
beschränkte mhd. Lautverschiebung: Med. wird Ten., auch
wird — ein keineswegs bloß orthographisches Gegenstück zur
westgemi. Konsonantendehnimg — , ebenfalls nur im Auslaut,
Doppelkonsonanz vereinfacht — Den Schluß macht endlich —
bis auf weiteres — die nhd. Lautverschiebung: |>, A, in der
Regel auch t werden aspiriert; im Auslaut wird mhd. k gern
Spirans. Doch ist dieser letzte Zug noch in dialekt Grenzen ein-
geengt; seine Ausdehnung ist walirscheinlich.
Daß diese sämtlichen Vorgänge eine Kette sich beständig ab-
lösender Lautveränderungen wirklich darstellen, scheint zweifellos.
Wir nennen freilich z. B. die mhd. *Lautabstuf ung' im Auslaut ge-
wöhnlich nicht*Lautverschiebung'. Aber eine Terminologie ist noch
kein Argument ! Richtig ist, daß jene Lautabstufung in zwiefacher
Hinsicht der hd. Lautverschiebung nachsteht: erstens bezüglich des
Sprachgebiets, in dem sie stattfindet, zweitens bezüglich der Laut-
stellung. In beiderlei Hinsicht steht sie der got Verhärtung der
stimmhaften Spiranten im Auslaut gleich. Sie ist intensiv und exten-
siv in engere Grenzen gebannt Aber sind darin nicht die verschie-
denen Akte der hd. Laut\'erschiebung unter sich ebenfalls verschie-
den ? Es ist also eine spezielle Nachprüfung nötig, um den Charakter
dieser auf hd. Boden sich aneinanderhängenden Sprachänderungen
zu beurteilen. Wir folgen dabei der chronologischen Ordnung.
Es ist noch nicht lange bekannt und wohl erst durch
Brugmanns Grundriß zum Gemeingut geworden, daß die Keime
der unter dem Namen der germ. Lautvei-schiebung zusammen-
gefaßten Lautveränderungen in die idg. Urzeit zurückreichen.
Mit der verschieden großen Ausdehnung, welche die betreffenden
Neigungen schon vor der Sprachtrennung gewonnen haben,
«clieiut gleichzeitig ein chronologischer Faden gegeben zu sein,
dessen Angaben durch andere Erwägungen bestätigt werden.
1. Nur Skr. hält durchaus fest an den idg. Aspiraten. In den
übrigen Sprachen werden daraus teils Spiranten, teils Verschluß-
laute. — Germ, wird gh zu t, hh zu 6, dh z\x d: Media Aspirata
wird tönender Reibelaut.
Die germanische Sprachbewegung. 121
Daß also die idg. Aspirata verändert wird, ist ein ordialekt
Vorgang der idg. Zeit; wie sie verändert wird, das wird durch
die Eigenart der einzelnen Urdialekte bestimmt — genau dieselbe
Begrenzung der Übereinstimmung, wie wir sie z. B. beim ags.
und altn. w-Umlaut finden werden. Aber schließlich ist auch
iran. kelt baltoslav. Med. aspir. zur Media geworden. — Mit
späteren germ. Lautänderungen kann diese älteste nicht verglichen
werden, weil die späteren keine Aspirata mehr vorfinden.
Aber dieser erste Akt, die Verschiebung der Aspiraten,
geht urgerm. nicht bloß so weit, dass er schon vor der Dialekt-
trennung überall y b dj x f P durchsetzt, sondern noch weiter
in dem Sinne, daß er überall die Keime fernerer Entwicke-
Inngen austreut Sie werden teils durch die Zeit ihres Eintritts,
teils durch den Grund der Durchführung zu germ. Dialekt-
kriterien. — Nur f bleibt gewöhnlich unberührt Dagegen werden
"( b d zu g b d; ß (durch d hindurch) zu d; x zu einfachem
Hauchlaut
a) Nach der Gliederung, die besonders durch J. Schmidts
Wellentheorie für die ursprünglichen Nachbarschaften der ur-
dialekte wahrscheinlich wird, bildeten diese einen Ring folgender
Art : Arier — Slaven — Germanen — Kelten — Italier — Griechen —
Arier. Die eine Hälfte dieser Kette, von den westlichen Ariern
bis zu den Kelten, hat gleichsam die Aufgabe, Med. aspir. zur
einfachen Media umzuformen. Aber nur langsam und zögernd
vollziehen die Germ, diesen Auftrag.
Sie beginnen ihn mit dem Anlaut Und hier ist gleich
ein Wort über Ursachen des Lautwandels zu sagen. Man pflegt
kombinatorischen und spontanen Lautwandel zu scheiden. Diese
sehr nützliche Unterscheidung ist aber, wie alle derartigen Anti-
thesen nur als eine Unterscheidung des Grades au&ufassen.
(Dies hat neuerdings Vossler, Sprache als Schöpfung und Ent-
wicklung S. 37, trefflich ausgeführt). Keine Laut Veränderung
ist ausschließlich kombinatorisch. Denn es muß doch z. B. an
der Art des deutschen a liegen, daß es von einem i der folgen-
den Silbe umgelautet wird, während in anderen -Sprachen das i
diese Wirkung nicht hat Und keine Lautveränderung ist rein
spontan. Wie oft sehen wir eine später ganz allgemeine Laut-
entwickeluiig anfänglich nur unter ganz bestimmten Voraus-
setzungen eintreten, oder eine partielle Wiederholung einer
allgemeinen ^spontanen' Lautentwicklung auf bestimmte Vor-
122 R. M. Meyer,
aussetzangen beschränkt bleiben ! Es ist eben hier nicht anders
als überall im Leben : damit ein gewisser Vorgang erfolge, müssen
bestimmte äußere Einwirkungen auf bestimmte innere Anlagen
treffen. Aber bald kann die Anlage so stark sein, daß ein kaum
bemerkbarer Anstoß genügt, bald der äußere Einfluß so mächtig,
daß er auch auf eine schwache Vorbereitung wirkt
So ist es also hier. In einer großen Dialektgruppe der
Urzeit steht die Media Aspirata der Media nahe. Die geringe
Modifikation, die die Aussprache der (aus Med. asp. entstandenen)
tönenden Spiranten im Anlaut erfährt, genügt, um den neuen
Laut in die Bahnen des alten zurückzulenken. Ausnahmslos
durchgeführt wird ein Lautgesetz ja doch nur auf dem Papier.
Während die Mehrzahl der ürgerra. schon t sprach, existierte
gewiß noch die Aussprache gh-g^ und das anl. t konnte sich an
diese anschließen.
Am längsten gewahrt bleiben die Reibelaute im Inl. nach
Vokalen. Weshalb, ist in meinem Aufsatz über die germ. An-
lautgesetze (HZ. 38, 29 1) gezeigt : weil postvokalischer Inlaut
tatsächlich vom Wortanlaut nur dem Grad nach verschieden ist
Nun liebt der Deutsche im Anlaut keine reinen Verschlußlaute.
Im Wortanlaut konnte die neue Media mit leiser Aspiration
gesprochen werden, eben gerade so wie jenes gh-g der idg.
Dialektgruppe; ebenso stand ja auch urgerm. Ten. der nhd.
leicht aspirierten Ten. näher als der reinen Ten. der idg. Ur-
sprache und der Romanen. Dagegen im Silbenanlaut war die
Aspiration erschwert ; das verhinderte eine Zeitlang die Durch-
führung der Media.
An allen Stellen hält sich nur t gemeinwestgerm. Aber
die niedenvestgerm. Dialekte (as., altfries., ags.), die dem Ost-
germ, näher stehen als das Hd., bewahren es länger als dies.
Zuerst scheint in der Gemination g durchgedrungen, und zwar
ahd. ebenso wie got in triggws (vgl. Braune Ahd. Gr. § 82, 4),
wenn es hier als Verschlußlaut aufgefaßt werden darf.
Außer T sind noch b und d anl. gewahrt bloß im Altn.
Aber auch hier beginnt schon im 8. Jahrh. die Ersetzung durch
b d g. Befördert scheint der Übergang durch die Nähe von
Nasalen und Liquidae, die überhaupt in den ältesten germ. Laut-
entwicklungen eine große Rolle spielt
Inl. nach r ist ebenfalls nur nord. lange Zeit Spirans er-
halten worden und zwar nur eine: d.
Die germanische Sprachbewegung. 123
Inl. nach Yok. und ausl. sind, wenn man den Schreibungen
trauen darf, ostgot noch t und b erhalten, in Spuren auch d.
Nur T und b sind gewahrt (altn., as., ags.); ebenso langob.: 6au-
dus, aber Marivadus. Oot ist die Verschiedenheit zwischen anl.
Media und inl. Spir. bis in die letzten Denkmäler erhalten;
nicht bloß west- und ostgot Urkunden scheiden b und 6, son-
dern sogar krimgot steht noch sUvir (wie altn. silfr) gegen.
bruder (wie altn. brödir).
Die drei Spiranten haben also jede ihre Eigenart: t bleibt
am längsten anl., d nach r; b bleibt im postvokal. Inl. wenigstens
länger als d. Ganz ähnliche Differenzen treffen wir bei der hd.
Lautverschiebung. — Die Ostgerm, halten den Reibelaut länger
fest als die Westgerm, und wieder die Skandinavier länger als
die Vandilier. Im Großen und Ganzen aber ist die alte An-
schauung, daß idg. Aspir. zur germ. Media wird, doch berechtigt
nur wird diese gemeingerm. Entwickelung mit dialektisch ver-
schiedener Energie und Schnelligkeit vollzogen.
Je eher ein germ. Dialekt von Spir. zur Med. tibergeht,
desto größere Neigung hat er, von der Med. weiter zur Ten.
zu gehen. —
2. Auch die Tenuis aspir. bleibt idg. nur ausnahmsweise
erhalten. Sie wird gern zur Ten. gewandelt Dies geschah
griech. und ind. allgemein, wenn die nächste Silbe mit Asp.
(oder s + Asp.) anfing. Es geschah femer baltoslav. nach s, iran.
allgemeiner nach «, i und Nasalen. Hier aber scheint dies auf
dem Umweg über Spir. geschehen zu sein: nach b entsteht
nämlich lat. germ. Spir., die weiterhin zu Ten. wird, während
iran. gerade nach s nicht, sonst aber immer Spir. eintritt. —
Es scheint also auch hier ein idg. Dialektvorgang vorzuliegen.
Ten. aspir. wird Spir., zunächst nach s ; auf dieser Stufe bleiben
lat und germ. vorerst stehen. Später verschieben beide, wie
iran. und baltoslav. schon früher, die Spir. zur Ten. ; iran. läßt
dann einen Nachschub der übrigen Ten. asp. bis zur Spir. folgen.
Dies tut seinerseits auch germ., aber so früh, daß die Schick-
sale der idg. Ten. aspir. nach s und an andern Stellen zu-
sammenfallen. Die Entwicklung ist sehr ähnlich derjenigen,
die auf germ. Boden von p über d zw, d erfährt Jedenfalls
sind idg. Ten. und idg. Ten. aspir. germ. früh zusammengefallen.
Im übrigen ist die Beurteilung dieser Vorgänge dadurch er-
schwert, daß der Umfang der Ten. aspir. im Idg. so unsicher ist
124 R. M. Meyer,
3. Die Verschiebung der idg. Tenues i ^ p ist ebenfalls
urgerm. nur die Weiterfübrung eines urdialekt Anstoßes. *Tjn
ürgerm. wurden p und k vor t und « zu /" und x analog wie
im Iran., ümbr., Samn. und Kelt." (Brugmann I § 527), und
erst später scheint diese Verschiebung der Tenues verallge-
meinert (ebd. 528). Dabei wird dann auch drittens allgemein
t ZM p. — Über die weiteren Schicksale von f x p i^t nun noch
zu handeln ; sie sind dieselben, ob nun diese Spir. aus idg. Ten.
oder idg. Ten. aspir. entstand.
a) p wird d und dies zu d. Diese Bewegung beginnt in
der Stellung nach Vokalen : hierauf bleibt der Wandel von p
zu d umord. beschränkt Ags. wird auch nach l die tonlose
Spirans tönend, und dann schreitet sie auch zur Media fort
Im allgemeinen ist die gleiche Bewegung gemeindeutsch. Sie
beginnt im Hd. des 9. — 10. Jahrb., das Nd. folgt im 10. — 11.
Jahrh. Schon die zur ahd. &ruppe gehörigen langob. Denkmäler
zeigen öfters d für p.
Den Übergang von altem dzud haben alle nord-westgerm.
Dialekte. Aber auch vandilische Mundarten zeigen oft d: ost-
und westgot. sowie vandaL haben fast regebnäßig d, bürg, zeigt
neben häufigem d sogar schon die weitere Stufe ^, welche krim-
got überwiegt
Sämtliche germ. Dialekte haben also die Tendenz, nach So-
noren / zu d zu wandeln. Wieder machen die Westgerm, den
Schritt am schnellsten und allgemeinsten, wieder sind die Skan-
dinavier noch konservativer als die Vandilier.
Eine Neigung, die Media zur Ten. weiterzuschieben, ist
auch hier vorhanden, nicht nur bei den Hd. und den von ihnen
beeinflußten Burg., sondern auch bei den Mösogoten.
b) X wird fast überall zum einfachen Hauchlaut Dies dürfte
eine Altersei-scheinung sein. Sie beginnt im Anlaut und bleibt
großenteils auf ihn beschränkt Im Anl. aber stellt die Abschwächung
sich bei den germ. Dialekten auch so gut wie ausnahmslos ein
imd schreitet westgot und bes. krimgot, ostgot, vand., bürg, so
gut wie nhd. oft bis zu völligem Schwund des h fort Eine leise
Aspiration ist überall den Germanen der liebste Anlaut; daher
wird einerseits x zu A abgeschwächt, andererseits springt ahd. und
mhd. h gern vor Vokale (auch das Dehnungs-Ä des Nhd. ist wohl
ursprünglich nicht rein orthographisch). Besonders ist dies im
Alem. der Fall, w^o x stärker als sonst bewahrt wird.
Die germanische Sprachbewegung. 126
•
c) f bleibt in der Regel. Es ist ein germ. lieblingsiaut
namentlich für den Anlaut Hier rekrutiert es sich germ. aus /.
Dies geschieht nord-westgerm. regelmäßig im Aul. vor l : ßiukan
—fUohoH (doch vgl. H. Z. 38, 44); der führende Dialekt des AhA,
der fränkische, liebt aber auch, wo kein l folgt, anl. ßzxi fzii
wandeln ; dasselbe begegnet langob. Und die Erscheinung springt
sogar ins Yandilische über, wenn wirklich bürg, hlifim = hletheui
ist (Wackemagel KL Sehr. 3, 358). Es würde dann dies (wie die
bürg. Verwandlung von t in ä) fränk. Einfluß zuzuschreiben sein.
— Auch engl, berühren sich p und f (Pauls Grundriß S. 852
§ 72). — Umgekehrt vertiert f seine Stelle öfters im Inlaut, be-
sonders vor i. Vor i tauschen nd. und mfr. germ. ck für f ein :
aehier ; vor t (und s) wird f nord. zu p. Nord, wird es femer
nach Vok. und /, r (wenn kein «, ^, p folgt) zu 6. In 6 scheint
es auch ae. überzugehen, wo nicht tonlose Eons, oder Pause
folgen (ebd. S. 858 § 77). —
Überblicken wir die bisherigen Betrachtungen. Überall
glaubten wir für die großen Verschiebungen erstens Vorbereitung
in idg.-dialekt Neigung, zweitens Anstoß in bestimmten Laut-
verbindungen zu finden. Die Verschiebung von Med. aspir. zur
Spirans ist nur die erste Hälfte der Verschiebung zur Media.
Diese beruht auf der Schwächung der Aspir. in einer großen
idg. Gruppe, beginnt im Anl. und wird im Inl. nach Vok. zu-
letzt durchgeführt — Die Verschiebung von Ten. aspir. zur Spir.
ist nur die erste Hälfte der Verschiebung zur Ten. Diese beruht
auf den Tendenzen einer großen (mit der vorigen nicht völlig
identischen) idg. Gruppe und beginnt im Inl. nach «. — Die
Verschiebung von idg. Ten. beginnt in einer großen Dialekt-
gruppe (in neuer Zusammensetzung) vor t und «. Die weitere
Wandlung von / zu ef beginnt in der Stellung nach Sonoren,
die von x »iim einfachen Hauchlaut im Anlaut. — Auf engere
Grenzen bleiben die Änderungen von f beschränkt: anl. p wird
gern f^ inl., besonders vor ^, wird f zu ch oder zu 6.
Dreierlei Stellungen finden wir wichtig: die im Anl. (für
idg. Med. asp., urgerm. x und ß% die nach s (idg. Ten. asp.) und
die vor t und s (idg. Ten., urgerm. f). Anlaut zweiten Ranges
liegt auch bei der Stellung nach Sonoren (für urgerm. ß — d) vor.
4. Nachdem aspirierte Media mitTenuis urgerm. zusammen-
gefallen ist, wird allgemein idg. Media zu urgerm. Tenuis : g db
zjx k i p.
126 R. M. Meyer,
Diese Laute werden in der sog. zweiten Lautverschiebung
weiter entwickelt und zwar zunächst fast allgemein hd. zur
Affrikata kh tz pf. Diese Stufe wird aber wieder auch außerhalb
des hochdeutschen Gebietes erreicht; nur die Konsequenz ihrer
Durchführung auf diesem Gebiete gibt uns das Recht, sie 'hoch-
deutsche Tjautverschiebung* zu nennen. Am häufigsten wird
außerhd. k zur Affrikata, besonders krimgot im AnL, aber auch
westgot: Chintüa\ im Auslaut steht öfters cA; für ^: krimgot rinck^
wo also k als Durchgangsstufe anzunehmen ist Seltener erscheint
t als Affrikata; so ist aber wohl krimgot gdtz sUUz zu deuten
(von Sievers Grundr. I 416 als Bewahrung der alten Spirans
aufgefaßt) ebenso bürg. Burgunziones Scanzia. Danach scheint t
besonders nach Liquida verschoben zu werden. — Dagegen ist
Verschiebung von f zu pf bei den Vandiliem nicht nachzu-
weisen; nur Förstemann hat mit kühner Vermutung aus der
Wandlung von p und k zu f und h bei den Magyaren Schlüsse
auf gleiche Vorgänge bei den Gepiden gezogen (Gesch. d. d.
Sprachstammes I 356 11 182), was denn pfkh voraussetzen Ueße.
Doch ist dabei die Seltenheit des p (besonders im urgerm. Anl.)
zu bedenken. — Auf dieser Stufe bleibt die hd. Verschiebung
nach Kons, und in der Gemination stehen. Nach Vok. geht sie
weiter zur harten Doppelspirans zz, ff, hh.
Merkwürdig ist, daß gerade diejenige Verschiebung, die
hd. die intensivste ist: die der harten Verschlußlaute nach Vo-
kalen zu harten Doppelspiranten, außerhd. zu fehlen scheint,
und daß umgekehrt gerade der Wandel, der hd. die geringste
Ausdehnung hat: A zu M (nur oberdeutsch) vandilisch am
häufigsten ist Nun ist noch daran zu erinnern, daß auch ags.
im AusL, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen, g zw, h
wird, gleichsam eine Fortsetzung jener krimgot Entwickelung
von ulf. *hriggo as. ags. hring zu rinck: die Affrikata >vird zu
(ausl. vereinfachter) Doppelspir. : bedh ; die Zwischenstufe : k zu kh
(cÄ, ck geschrieben) liegt in northumbr. folches u. dgl. vor (Sievers
Ags. Gramm. 210, 3). Vielleicht haben wir hier ein merkwürdiges
Beispiel, wie dieselbe, urgerm. sozusagen präformierte Neuerung
dialektisch modifiziert wird. Die Tenues haben die Neigung, zur
Affrikata überzugehen ; diese Neigung scheint aber auf dem hd.
Gebiet (mit Einschluß des langob.) durch die Stellung nach Vokal,
außerhalb desselben durch die nach Liquida begünstigt zu werden.
Zu einer Zeit, wo die Verschiebung nach Vok. hd. schon so
Die germanische Sprachbewegung. 127
weit gediehen war, daß sie weiter zur Doppelspir. geführt werden
konnte, war sie anderswo nach Yok. noch gar nicht eingetreten.
Dagegen schließt der Guttural sich gerade dem Nasal am engsten
an, wie schon die griechisch-ulfilanische Schreibung gg und seine
sprachgeschichtliche Ursache im Griechischen erweisen; wo ge-
rade Liq. auf die Verschiebung einwirkte, wurde daher k zumeist
zu cA. Auch Dent tritt zu Liq. und Nas. in enge Verbindung,
wie das öftere Einwirken z. £. von l auf d zeigt; Labialis und
Liq. aber fließen wie Wasser und öl auseinander, und f bleibt
deshalb vandilisch unverschoben.
5. Die zweite oder hd, Lautverschiebung, in deren Bereich
wir hiermit schon eingetreten sind, wandelt femer auch die aus
idg. gh bh dh allmählich entwickelten Mediae: g zn k^ b zu p^
d zu t Die Zeit und Gründlichkeit der Durchführung dient zur
Abgrenzung der deutschen Dialekte, wobei wieder einerseits
zwischen Anl., postvokal, und postkonsonant Lil. Verschieden-
heiten hervortreten. — Auch diese Erscheinung aber ist nicht
auf deutsches Sprachgebiet beschränkt. Die Verschiebung von d
zu i ist krimgot fast durchgeführt und begegnet, wie erwähnt, auch
bürg.; g wird krimgot im Anl. zu k (inl. zu jA, auch ch für k\
ebenso zuweilen vandal. Dagegen treffen wir für p aus b krimgot
nur ein Beispiel : plut. — Im Ausl. allein treffen wir dieselbe Wand-
lung spät-ahd. mhd, vereinzelt auch ags. (Sievers a. a.0. 190 Anm.).
Wir sehen also: die hd. Lautverschiebung steht nirgends
vereinzelt, und die urgerm. Lautverschiebung bleibt nirgends
ohne weitverstreute Folgen. Ohne hier schon weitergehende Ur-
teile zu wagen, verfolgen wir das gleiche Problem durch einige
weitere Erscheinungen der Lautlehre.
IL Beim kons. Auslautgesetz wird urgerm. m der Endung zu
n : gotpana- idg. *toi», isUm. Diese Änderung (die ja z. B. auch alt-
griech. begegnet) wiederholt sich innerhalb des germ. Sprachlebens
periodisch: ahd. in Flexionssilben, mhd. auch in wortbildenden
Suffixen : buosem^ wo es dann nhd. durchgeführt wird. — Diese
Erscheinung ist aber nicht auf das hd. beschränkt; auch nd.
hat dagun^ spätags. dagon ; altfries. aber nur im Rüstringer Dial.
und nur nach kurzem (ags. überwiegend nach unbetontem) Vokal.
Die Änderung von m zu n scheint durchaus auf den Auslaut
beschränkt (denn bei Assimilationen an nicht homorgane Folge-
laute geht m einfach mit den andern Nasalen zusammen). Nur
vor f wird m ebenso hd. zu n : finf.
128 R. M. Meyer,
in. ürgerm. verklingt n vorx: got brahta. Ähnliches wieder-
holt sich oft, aber unter modifizierten Bedingungen, in den Dia-
lekten: um. schwindet n vor r, s, Z; krimgot dagegen nach r:
kor = Ulf. kaum. Sehr weit ist die Neigung verbreitet, n im Inl.
vor Spir. (bes. tonloses Spir.) zu unterdrücken: gemein-nieder-
westgerm. /?/*, krimgot. jes = Ulf. jaim^ herul. FtUmtäh, Deutsch
unterdrückt das 9 auch gern vor Gutt. in Suffixen, wenn n voran-
geht (wie Edward Schroeder so schön nachgewiesen hat) : Pfenmy*
— Femer wird ausl. n vielfach beseitigt, so altn., fries. und in
dem dem Fries, am nächsten stehenden ags. Dial., dem northnmbr.,
in ahd. Zeit besonders im ostfränk., in mhd. Zeit bes. im bair.
Dialekt. Es ist klar, daß die Vorgänge — wie in anderen hier
besprochenen Fällen — nicht identisch sind; aber alle zeugen
sie für Eins : für eine Neigung der Germanen, das n zu unter-
drücken, um es in gewohnter Schopenhauerianischer Willens-
mythologie auszudrücken; für eine Schwäche des germ. n, um
es realistischer zu formulieren.
IV. Eine ähnliche Schwäche zeigt das germ. w. Ein un-
zweifelhaft vor der Dialekttrennung vorbereiteter Akt, den dann
aber die Dialekte mit sehr ungleicher Schnelligkeit vollziehen,
ist die Beseitigung des anl. w vor r und l ; völlig ist sie ja
noch heute nicht durchgeführt, denn in nd. Eigennamen besitzen
wir noch heute die Anlaute Wrede^ Wrege^ und geringen ist so-
gar von dem nd. Gebiet aus in die norddeutsche Schriftsprache
eingedrungen. Aber auch im Inl. neigen nord-westgerm. zur
Verflüchtigung oder doch wenigstens zur Vokalisierung von u?,
während es got überhaupt nur nach kurzem Vokal und ferner
nur im Ausl., vor dem 9 des Nom. Sg. (das dann wohl gar nicht
gesprochen wurde, wie das elisionsfähige tß der lat Akkusative)
und nach j' vokalisiert wird : kniu — altn. s(mg zu syngva gegen
got. saggq^ ags. sae gegen got äwV«, altfries. SMier^ kuma gegen
got 9fri8tar, qino.
V. Ähnlich schwindet in den meisten Stellen (ahd. zuerst)
j nach Kons., während es umord. im Anl. unterdrückt wird.
Die *Grenzlaute* erfreuen sich bei den Germ, fast nirgends
besonderer Liebe oder Schonung; trotzig auf eigenem Boden
stehende oder typische Laute wie r, «, ^, /* — das sind germ.
Sprachlieblinge.
VI. Besonders charakteristisch für das manchmal späte
Aufgehen fi-üher Keime scheint mir die Verstufung von ausl.
Die germanische Sprachbewegung. 129
d und g. Schon umord. werden ausl. d und g (faktisch nur in
den Verbindungen Id und rg vorkommend) zu t und k (Noreen
Gramm. § 186). Das Gleiche geschieht spätahd : d wird t (Braune
Ahd. Gr. 167, 6), und schon bei Isidor wird wenigstens zuweilen
ausL ^ zu c (ebd. 148, 1); mhd. wird das dann allgemeine Regel:
toc, tages^ nUj nides. Vereinzelt begegnet die Erscheinung auch
sonst
Vil. Vereinzelt treffen wir auch anderwärts über weite
Entfernungen hin konsonantische Übereinstimmungen wie jenes
krimgot acA für ^ im Anl. : schlipen^ schtvester wie nhd. ; oder das
(schwerlich nur orthographische) Einschieben von k zwischen
8 und /: bes. im Anglofries. beliebt (vgl. Sievers Ags. Gr. 210, 1)
erstreckt es sich auf ahd. Gebiet (Braune 169, 3). Möchte ich
hier aber urgerm. Anlage kaum behaupten, so scheint sie da-
gegen bei größeren Bewegungen wahrscheinlich, wie wenn die
anglofries. Palatalisierong der Gutturalen auch im jüngeren
Westgot und Burg, auftritt Immerhin handelt es sich hier nicht
um konsequent durchgeführte Neuerungen. —
Im Vokalismus zeigt sich ein gewisses Vorwalten gemein-
germ. Tendenzen nicht minder deutlich als im Konsonantismus.
Vni. Die große erste Tat auf diesem Gebiet, die Wand-
lung von ^ zu ä ist nordisch, burgundisch, westgerm. ; die Goten
aber, wie schon erwähnt, bleiben aus dialektischen, nicht bloß
aus chronologischen Gründen, abseits und werfen dasselbe e von
gretan^ das altn. zu dem ä von grata wurde, in die Höhe : crüen,
Oder vielmehr eben nicht dasselbe €\ es muß ja bei den Goten
heller geklungen haben.
EL Die zweite große germ. Tendenz auf vokal. Gebiet,
an Bedeutung fast der kons. Lautverschiebung vergleichbar, ist
der i-ümlaut Er bricht im Westgot (und Gepid.? Förstemann
S.184) an: EgOa für AgOa (Sievers bei Paul S. 416)., ReginpeH
folgt im Longobard. des 8. Jahrhs. und wird im Altn. durchgeführt,
ist im fränk. Dial. der ahd. Zeit weitergediehen, aber altoberdeutsch
noch zurückgehalten. Mhd. endlich wirkt er ganz besonders
einflußreich auf die Gestaltung der Sprache. Es ist ein Vorgang
von unverkennbarer Art: eine Art Vokalharmonie wird ange-
strebt. Deshalb gehört er den Sprachperioden und Dialekten,
die die Isolierung des Wortes begünstigen im Gegensatz zu
anderen, die auf die Einheit des Satzes, auf Sandhi im weitesten
Sinne des Wortes hinarbeiten, wie z. B. ahd.
IndogtrmmDiBcbe Fonebun^n XXII. ^
ISO R. M. Meyer,
X. Aber auch den u-Umlaut zweier großer Hauptdialekte
darf man nur unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Wir haben
ihn ja auch drittens im Burgund., denn was ist die Epenthese
von u vor u anders: Ounddbaudus zu bada {Wackernagel S. 366).
Vereinzelt begegnet das (ebd.) auch fränk. und alem., und solche
Harkbaudes und Baudegisdm bat schon Förstemann (Ghesch. d.
d. Sprachstamms S. 203) mit altn. Bpdvildr verglichen.
Der ags. Umlaut ist älter: Spuren schon in den Epinaler
Glossen (7.-8. Jh.; Sievers Ags. Gr. § 178), aber nirgends streng
durchgeführt (ebd. §86 — 87 und 103—7), obschon er so nahe-
stehende Erscheinungen wie den o-ümlaut und die i^vEinflü&se
zur Vei-stärkung neben sich hatte; der altn. gehört dem Ende
der umord. Zeit d. h. dem 10. Jh. (Noreen Altn. Gr. § 72) oder
gar erst der nord. Dialektperiode (Noreen bei Paul S. 455 u.
467) an, ist aber streng durchgeführt.
Gleich ist nur daß, aber nicht wie w in beiden Sprachen
Umlaut bewirkt; die altn. Art stimmt besser zu der burg.-fiünk.-
alem. als die ags., die vielleicht durch die Brechung beein-
flußt ist.
XI. Diese 'Brechung' oder, wie J. Schmidt (Vokalismus 2,
451 f) sich ausdrückt, die 'Schicksale von Vokalen vor Liquidal-
verbindungen* wird demnach zwischen altn. und ags., also einem
ostgerm. und einem westgemi. Haupt schwerlich eine zufällige
Übereinstimmung bilden. Auch hier stimmt ja nur der Vorgang
selbst, nicht seine Art; aber altn. hjarta und ags. heorte stehen
sich doch erheblich näher als Umlautprodukte wie jofurr und
eafora. Auch ist in beiden Dialekten die Brechung älter als der
Umlaut (sicher ags., wo sie in den Epinaler Glossen bereits
durchgeführt ist), und in beiden ist sie folgerechtes Lautgesetz.
Es ist nicht undenkbar, daß altn. einfach die ags. Brechung
voraussetzt und sie nur weitergeführt hat, wie das für die
Wandlung von e vor A ja klar zutage liegt: ags. bleibt es als
Ergebnis, altn. wird es zu e fortgeführt (J. Schmidt a. a. 0.).
XII. Man mag gerade diese Übereinstimmung für nur
'dialektisch' erklären, wie andere, die ags. und altn. teilen, z. B.
die altn. und allgemein anglofries. Metatliesis von r: Aors für
hrosB (vgl. Noreen § 227 Sievers § 179, Hejme Laut- iL Flexions-
lehre S. 129), die freilich vereinzelt doch auch ahd. und as.
vorkommt (Heyne S. 23, 3 Braune S. 120, 4). Aber über alle
Dialektgrenzen geht wieder die Neigung zur Monophthongierung
Die germanische Sprachbewegung. 131
. Ton au^ die (wenn auch unter verschiedenen Bedingungen) nicht
nur bei allen niederwestgerm. Dialekten auftritt, sondern auch
got und bei den Ejimgoten wie bei den Gepiden über o zu ti
fortgeführt wird : broe, janis altn. bratid^ hoef^ caput ags. heafeod^
gepid. üstrigothus. —
Ich stelle noch einige kleinere Züge zusammen, die min-
destens drei nicht unmittelbar zusammengehörigen Dialekten
gemein sind:
Xin. ü wird ö niederwestgerm., bürg., mhd., nhd.
XIV. e wird f krimgoi, ostfries., in den ahd. Gesprächen.
XV. aga wird ai westgot, langob., anglofries., mhd.
XVI. ejr, eye, ige wird ei kentisch, altfries., as., mhd.
XVII. Anaptyxis wird begünstigt umord., krimgot, ahd.
XVnL Diphthonge werden infolge Zirkumfiektierens der
Aussprache zerspalten {lahib fär laib) bürg., longob., ahd.
XIX. ai wird ei vandaL, altn., ahd. ; in den spätesten Resten
wird dies ei dann zu e monophthongiert {armes = armais) und
XX. diese Verdichtung liegt schon auf dem Wege des
klassischeno Gotisch (wie die doppelte Bedeutung der Schreibang
ai beweist) und sie kehrt, wenn auch unter verschiedenen Be-
dingungen und in verschiedenen Formen, altn. wie westgerm.
beinahe überall wieder. —
Was nun beweist dies alles? Nur ein Kreuz und Quer
der Entwickelungen, wie J. Schmidt es in den 'Verwandtschafts-
verhältnissen' nachwies? Aber dagegen spricht die fast über-
all vorhandene Einheitlichkeit der Tendenz. Verschiedenartige
dialektische Neuerungen, entgegengesetzte Tendenzen fehlen ja
nicht: so wenn got. das e zu immer hellerer Färbung treibt,
die andern Dialekte es in ä ausklingen lassen; oder unter den
ostgerm. Dialekten wenn ö got zu t*, nord. aber zu ä wird ; oder
auf noch engerem Baum, wenn das wunderliche Gesprächbüch-
lein im Gegensatz zum altnfr. d zu o entwickelt. Oder liegen
auch hier an sich historisch notwendige Erscheinungen vor,
wie das Abschwächen der Endungen spätgot, bürg., deutsch,
wie gewisse syntaktische Erscheinungen? wie vielleicht auch
die nhd. und fries. auftretende Dehnung der Tonsilben es sind?
Dann wieder könnten diese Entwicklungen nicht einen so
spezifischen Charakter haben wie etwa der ?/-Umlaut. Oder gar
zufallige Übereinstimmung? Bei Erscheinungen von solchem
Um&ng wie dem i-Umlaut?
132 R. M. Meyer, Die germanische Sprachbewegong.
Nein; ich glaube, man muß von einer im wesentlichen ein-
heitlichen germanischen Sprachbewegung sprechen, die nur
eben bei den vielen Dialekten so wenig streng und einheitlich
sich auswirken konnte wie auch nur die zweite Lautvei-schiebung
im Ahd. Es hen-scht von den ersten proethnischen Anstößen
an eine große Rührigkeit bei dem urgerm. Dialekt Die Ost-
germanen — ich muß an dieser Hauptscheidung festhalten — ,
wie sie früher in die außergerm. Welt eingetreten sind, schließen
auch die sprachliche Entwickelung früher ab. Immerhin nicht
überall: zuweilen entwickelt sich das Got fort, so daß Krimgoi
gegen Ulfilas mit Altn. stimmt, wenn inl. b zu v w'ird {süvir
altn. süfr gegen Ulf. silubr) oder wenn es das v in singhen gegen
Ulf. saggq aufgibt; und ebenso zeigt das Yandalische Ansätze
zum westgerm. Auslautgesetz (Wrede Sprache der Yandalen
S. 105). Im Ganzen aber bleiben sie stehen, und nun übernehmen
die Westgermanen die Fortführung der urgerm. präformierten
Entwickelungen. Ich gebrauchte schon das Gleichnis von den
Völkerwanderungen. So sind etwa die vielfachen Bewegimgen
auf dem Gebiet besonders des deutschen Konsonantismus nicht
isolierte dialektische Erscheinungen, sondern Fortsetzungen des-
selben Anstoßes, dem die urgerm. Ijautverschiebung verdankt
wird. (Dieser meiner alten Anschauung hat neuerdings Uhl in.
seinem bedenklichen Büchlein über unsere Muttersprache eine
— von mir natürlich völlig unabhängige — Formulierung ge-
geben, die es mir leider verbietet, mich meines so viel ich
weiß bis jetzt einzigen Bundesgenossen zu freuen). Ganz analog
entwickeln sich ja auch bei den Germ, die Schrift, die Syntax,
selbst die Interpunktion.
Diese Auffassung liegt ja auf der Hand bei denjenigen
Neuerungen, die alle jüngeren Dialekte von dem Got unter-
scheiden : nord-westgerm. d = got. S, nord-westgerm. um = got
am ; nord-westgerm. r = got 2?, s ; vielleicht auch nord-west-
germ. ß = got. //, wenn hier nicht umgekehrt got (wie bürg. ?)
f in ß gewandelt hat (vgl. ZfdA. 38, 44). Aber ist das Nach-
wirken der ersten Lautverschiebung weniger deutlich? gibt es
doch kaum einen späteren Dialekt, der nicht in einzelnen Punkten
Teilnahme an der 'deutschen' Lautverschiebung zeigt!
Eine Sprache ist mehr als bloß gemeinsame Erbschaft
eines Wortschatzes und eines Formensystems: sie ist der Aus-
druck eines gemeinsamen, fortwirkenden Geistes, wie neuer-
F. A. Wood, Rime-words and Rime-ideas. 133
dings Vossler wiederholt so kräftig und glücklieh betont hat
Sie ist auch nicht eine tote Masse, die durch die Stümperei des
Unmündigen fortdauernd verunstaltet wird ; dies hat gegen Auf-
fassungen wie die von Thumeysen Knck mit fast zu eifrigem
Scharfsinn ausgeführt Es gibt auch nicht bloß 'Sprechende', son-
dern wirklich eine 'Sprache': einen Kosmos von innerlich zu-
sammenhängenden Formen, der von jeder neuen sprachlichen
Äußerung Anpassung fordert und erlangt Und zu diesem *Geist
der Sprache' d. h. zu den von allem Anfang an vorhandenen,
aber immer deutlicher entwickelten Tendenzen steht der einzelne
Dialekt und die einzelne Epoche fast so wie der einzelne Mensch:
die Macht des Vorhandenen, die Triebkraft des Entstehenden
zwingt auch die Stärksten unter ihr Gebot!
Berlin. Richard M. Mever.
^ ■
Bime-words and Bime-ideas. K '
Rime-words in the widest sense are synonymous or seman-
tically related words containing the same characteristic sound
or combination of sounds. They may be divided into four classes
BS foUows:
1. Words with the same consonants but belonging to
different ablaut series, as : OHG. daf 'schlaff', släfan 'schlafen' :
dtfan 'gleiten, gleitend sinken etc.' : diofan 'schliefen, schlüpfen';
Lith. baiginu 'schrecke', baiffus^ baiksztüs 'scheu, schüchtern' : bau-
ginu 'schrecke', baugiis 'furchtsam, furchtbar'; bauksztüs 'scheu,
furchtsam'; 6k. qpXibdw 'fließe über, strotze' : qpXubduj 'fließe über,
zerfließe'. These are perhaps the most important of all rime-
words. They can be given by the thousand and must certainly
have had a wide influence upon the development of the IE. lang-
uages. As I have discussed them at length in my book, "Indo-
European o* : a*f : a*t«", I need not consider them f urther here.
2. Bases of the same ablautseries having the same final
consonant or consonants but different initial consonants, as :
schleissen : spleissen : reissen. Such examples are very conimon
and will be discussed below.
3. Words or bases belonging to the same ablautseries that
begin with the same consonants but have different {ioal eo\i^Q-
18* F. A. Wood,
nants. These are often regarded as related words with different
determinatives. Perhaps the most commoa of these are parallel
forms with labials and gutturals. For examples see Zapitza,
Germ. Gutt. 35 ff. 6ut the principle is the same whatever the
final consonant may be. In how far such words are related it
is not always possible to say. Bat certainly they are at least
related as rime-words to each other or to other words even
though they may not be derivatives of a primitive base. That
is, from a base deifh might be formed other bases deik- and
deü' from the analogy of synonymous words with k and t^ even
though no base slei- existed. As Zupitza has given examples of
rime-words with labials and guttunds, I will add here other
examples with labials and dentals. This means that there are
rime-words with p^t^k; b^d^g\ bh^ dh, gh, These are so nume-
rous that it can not be all a matter of chance.
Skt. tibhndti *hält zusammen', Gk. uqpaiviu, OHG. weban
Veben' : Lith. dtidmi *webe', Goth. gawidan 'verbinden*, icindan
•winden*. — Skt. vipate*Tegt sich, zittert*, ON. veifa *in schwingen-
der, zitternder Bewegung sein* : Goth. tvißön 'schütteln*. — Gk.
{>in[x) 'schwanke, neige mich', Alb. vrap 'schneller Gang, Lauf*,
lith. virpiu 'zittere* : Skt vdrtate 'dreht sich, rollt, verläuft*, Lat
verto etc. — Lith. verbiü 'wende um*, verbä 'Weidenrute, Beis*,
vifbas 'ßeis, Gerte' : Gk. ^abaviZ^iü 'schwinge*, ^dbaiivoc 'junger
Zweig', fidöiE 'Zweig, Bute*, Goth. waurts 'Wurzel*. — Gk. jiiTrri
'Schwung, Andrang*, ^mrui 'werfe', jimoc 'geflochtene Matte' :
OE. ivrißan 'twist, bind*, ON. riöa 'winden, drehen, knüpfen^
flechten*. — Ski pibcUi 'trinkt*, Ir. fWm, Lat bibo : Gk. Tnba£
'Queir, TTibuiu 'lasse durchsintern', ON. feitr 'fett*. — NE. bump :
bunt — NE. thump: Lat tundo. — Gk. tuttfuj 'schlage* : OE. ßod-
dettan 'stoßen', Gk. TUTdvn 'Dreschflegel*. — Lith. tempiü 'spanne,
dehne* : Lat tentus^ OE, geßind *swelling',/»«c?an 'swell; be angry*.
— MHG. verdarben 'zu nichte werden, zu Schaden kommen,
umkommen', OHG. darben 'darben' : ChSl. tratüi 'verbrauchen*,
Lith. trötyti 'an Leib und Leben schädigen*. — Lith. trgpiü 'trete,
stampfe* : Lat trfttis, — ON. pyrpa 'drängen* : ßrdta 'zanken*.
— OKßreapian 'rebuke, reprove, afflict* ißriatian 'press, urge;
afflict, rebuke, threaten*, Lat trüdo, — NE. ihroppü throttle' :
NE. throtile. — Gk. rpöTrauj 'bohre*, Tpörra 'Loch*, ChSl. trupu
•venter, vulnus, truncus, membrum' : ChSl. trutüi 'laedere*, Gk.
äki'TpOTOc 'sea-worn'. — ON. Ufa 'schnell gehen' : MLG. Hdmi
Rime-words and Rime-ideas. 136
•sich wohin begeben, zu etwas eilen; nach etwas hinstreben*.
— Ski däpayaU *teilt', Gk. fearrTUi 'zeiTeiße', Lat. daps : Gk. haiio*
Mtti •teile', Skt ddtu Teir. — Gk. beiTivov 'Mahl* : feaic, hoxn\
Tortion, Mahl'. — MHG. zipf, zipfd, NE. iip : MLG. tUte 'Zitze',
tütd, NE. iäüe Tiinktchen*. — ON. toj^ 'Spitze, Zopf, OHG.
zopf: OHG. zOa 'Zotte', MHG. zuigd "Sauglappen'. — MLG. teppen
'zupfen, pflücken' : NHG. Bav. zetzen 'vexieren, foppen*. —
MLG. tobben 'zupfen, zerren', NHG. gupfen : ON. tuUa 'zupfen,
pflücken'. — MLG. toven^ tuven 'aufhalten, anhalten, hindern;
warten, zaudern' : NHG. gaudem^ MHG. zoten 'langsam gehen,
schlendern'. — Goth. daufs 'verstockt, taub', OHG. Umb 'stumpf-
sinnig, taub', ON. dofmn 'trage, stumpf : ON. dode 'träge, matt',
dadna 'ermatten'. — Skt dhüpchs 'Räucherwerk' : Bai. düt^ NPers.
dad 'Bauch'. — Sw. dimpa 'schwer fallen', ON. dumpa 'stoßen,
schlagen', NE. dump : Sw. dial. dätta, ON. deUa 'dimpa', OE. dytU
'stroke, blow, bruise*, NE. dint, dent, — Skt göbhcUi 'ist schmuck',
fumbhati 'schmückt', (ubhrd^s Schmuck, schön, glänzend*, Arm.
8urb 'rein, heilig' : Skt QÜndhati^ gödhayati 'reinigt', gundhyiirß
'schmuck'. — Skt göpha-s 'Geschwulst, Geschwür' : gdtha-s 'An-
schwellung, Aufgedunsenheit'. — ON. hlifa 'schützen, schonen' :
OE. Uidan 'bedecken'. — OE. htmsprian, OHG. hu>{»palOn 'flüs-
tern, wispeln' : OE. hwisUian 'whistle*. — Skt cöpati 'bewegt
sich' : Lat quaUo. — ChSl. kypiti 'sieden, wallen' : Skt kväthati
•kocht, siedet'. — OE. hwöpan 'drohen' : Goth. hwötjan 'drohen'.
— Lith. kerpä 'schere', Lat carpo : Lith. kertü 'haue', Skt kär-
iati^ kfntäti 'schneidet'. — ChSl. krejm 'fest, stark, starr' : Gk.
KpaTuc 'fest, stark, hart*. — ON. hrapa 'stürzen' : hrata schwan-
ken, taumeln', OE. hratian 'rush, hasten'. — Lat crepo : Gk. Kpo-
T^uj 'klatsche, schlage', KpoxaXov 'klapper* ; OE. hraide^ NE. ratüe^
MHG. razzdn 'rasseln'. — Gk. Kpaiirvoc 'hurtig', Lith. kreipiü
'wende, kehre' : Lett kraitäb 'taumeln', OE. hrißian *have fever',
OHG. ridön 'zittern'. — Lith. kraupiü 'schrecke auf : krutü 'rühre
mich, rege mich'. — ON. hriüfr 'schorfig': hrüdr 'Schorf. —
Lat erwpo 'swing, brandish, etc.' : ON. hrista 'schütteln. — Lith.
knybau 'dränge', Lett knebt^ MLG. nipen 'kneifen' : ON. hnita
'stoßen', Gk. icvi2:uj 'ritze, kratze'. — Lett knäbt 'picken, zupfen',
Lith. knabu 'schäle ab', Gk. Kvriqpri 'Jucken', KvdTrriu 'walke, kratze':
KvriBiü 'schabe, kratze'. — Goth. dis-hniupan 'zerreißen', OSw.
niäpa 'kneifen' : Gk. kvü2:iü 'kratze', Lett knudet 'jucken'. — ON.
hnüfa 'abhacken' : hniöda 'hämmern'. — Lith. knubu bin gebückt' :
136 F. A. Wood,
ON. hniöta *straucheln'. — Lith. Maupiia 'kniee nieder* : Lett
M'atd^ 'sich anlehnen*. — ON. knappr *Knopf : knottr 'Bair.
— ON. kneift kind of nippers*, knifr *knife', JAt\i.gnijbiu *kneife* :
OE. cnidan *beat*, MHG. knitschen 'quetschen*. — ON. kneyfa
•drücken', MHG. knouf *Knauf, Knopf, kniibel 'Knöchel*, knüpfen^
knüpfet : OHG. knodo^ knoto^ ON. knütr 'Knoten*, knüta 'Knochen*,
MHG. kniUzm 'zerquetschen*, kniUd 'Knüttel*. — MHG. klaber
'Klaue, Kralle* : klate 'Kralle*. — Lat globus^ gleba, ON. kleppr
•Klotz, Klumpen, Knebel*, MHG. klimpfen 'drücken* : ON. kldi
•Schwertknauf, MDu. cloet 'Kuderstange*. — OHG. Uapfön, MHG.
klappern^ klaffen : OE. datrian 'clatter*. — OHG. kliban 'anhangen,
kleben*, klfba, OE. dffe 'Klett»*, MHG. kleip 'Leim, Lehm' : OE.
at-dißan 'adhere*, diße, dide^ däte *bur*, dißa 'poultice, plaster*,
jAih.gliU 'Hebrigkeit, Fischleim*, Lett. glidet 'schleimig werden*,
NE. dial. dite *clay, mire*. — ON. klgpa •(zusammen)kneifen*, OHG.
kiopf&n 'klopfen, schlagen*, MHG. klüpfd 'Knüppel* : MLG. Mute
•Klumpen, Ball*, OHG. klöz 'klumpige Masse, Knäuel; Kugel,
Knauf, MHG. Moz^ -izes 'klumpige Masse*. — OHG. krampf 'ge-
krümmt; Krampf, MHG. krimpfen 'krumm oder krampfhaft zu-
sammenziehen', ON. ÄTcppa 'zusammenbiegen, -drücken, krümmen,
kneifen' : Pruss. grandis 'Ring', Lith. grandis 'Armband', gran-
dinis 'ringförmig, kreisförmig', OHG.Äran^. — OHG. krumb 'krumm,
gekrümmt', krapfo 'Haken, Kralle*, ON. krafla 'mit den Händen
kratzen; ergreifen' : Skt. grathndti 'knüpft, windet*, grantha-s
'Knoten, Gefüge', Gk. TpovGoc 'geballte Faust, Schildkrampe*. —
MHG. krebe 'Korb', OHG. knppa 'Krippe*, OE. cribb 'crib* : OE.
cradol 'cradle', OHG. kratto 'Korb*. — MHG. kraspdn : krastdn
'rascheln, knistern*. — Gk. tpöttoc 'gekrümmt, gebogen* : OE.
crüdan 'press crowd*. — ON. gap 'opening, chasm*, gapa *yawn,
gape' : gat 'hole, opening, gap*. — LG. gfpen 'gaffen : gierig sein ;
nach Luft schnappen*, OE. gipian 'yawn*, gffre 'greedy, rave-
nous ; desirous' : OHG. gft 'Gierigkeit, Geiz'. — ON. gialpa 'brau-
sen, plätschern', OE. gidpan •boast, exult', NE. ydp 'bellen*, MHG.
gelfefi 'bellen, schreien, prahlen* : ON. gdta 'bellen*, OHG. gelgön
'aufschreien, delatrare', Gk. KaxXd2:uj 'klatsche, plätschere*. —
ON. glepia 'confound', glap 'flaw*, gljipr 'crime' : OE. gylt 'fault,
crime, guilt*, ON. glata 'lose'. — Lith. glebu 'glatt, schlüpfrig
sein oder werden* : glodüs 'glatt anliegend*, Lat glaber^ OHG.
glat — NE. gltb 'smooth; slippery*, MHG. glipfen 'gleiten*, glffen
'schräge, abschüssig sein* : OE. glidan^ OHG. glitan 'gleiten*. —
Rime-words and Rime-ideas. 137
OFries. glüpa •lauernd blicken' : NE. gloat, MHG. glotgen. — Goth.
graban *graben', ON. grdp "Aushöhlung*, OE. grßpe *trench, ditch' :
OE. grindan 'grind', JÄth.grSndu "reibe, scheure', grandau "schabe*,
Dan. dial grotte "mahlen*. — ON. greypa "ineinander fugen, ein-
zapfen, falzen*, OSw. gripa "aushöhlen*, OE. grgjpe "trench, ditch*,
MHG. (md.) grope^ groppe "weiter eiserner Kochtopf* : NE. dial.
grout "wühlen*, O^.gryta "Hafen, Grapen*, Sw. jrryto "Kochtopf*.
— Sw. gröpa "schroten*, MHG. is-grüpe "Hagelkorn*, NHG. Graupe,
graupdn : OE. grüt "coarse meal*, greot "sand, dust*, ON. grautr
"Brei*, OHG. fergriozan "ausstreuen*, MHG. griezen "zermalmen ;
streuen*. — ChSl. svepiti "agitare*, Lith. supü "wiege, schaukele* :
Lith. siaucziü "tobe, wüte*. — Skt. svapiti "schläft ein, schläft',
OE. stvefan "cease, sleep, be dead' : OE. sweßrian "cease, subside*,
stcodrian "be drowsy, sleep heavily*. — OHG. sweibön "schweben,
schweifen* : lith. smiczioH "irre reden*. — NHG. schnappen :
schnattern. — ON. myri-snipa "moor-snipe*, ME. snipe : OE. snite
"snipe*. — MHG. snüfen "schnaufen*, snüben "schnarchen*, snupfe
"Schnupfen* : MHG. snüden "schnaufen, schnarchen*, snüde "Nasen-
verstopfung*. — ON. snappa "Schnauze* ; NE. snoui "Schnauze*.
— lith. dabnas "schwach*, ON. dapa "los hangen*, sldpr "schlaffer
Mensch', deppa "entschlüpfen*, MHG. dampen "schlaff herabhangen* :
OSw. dinta "gleiten*, MHG. dengic "träge, müde*. — Lith. depiü
"verberge, verstecke* : daiau "sich vor etwas ducken, drücken*,
Lat laieo. — OHG. difan "(aus)gleiten ; schleifen* : ON. deita
"Schlaffheit, Trägheit*, OE. dttan "tear, rend*, MHG. dizen "ab-
streifen, abschälen, zerreißen*. — Goth. diupan "schlüpfen, schlei-
chen*, OE. düpan "glide* : ON. düta "hang down, slouch*, slota
"hang down, be limp ; slacken, become calm*. — OE. diefan "slip
on* (dress), dieve "sleeve*, ODu. släve "velum, tegmen, folliculus*,
LG. düve "Hülse, Schlaube* : MHG. diude "Schwertscheide'. —
NE. sloven "ein schlotteriger, schlumpiger Mensch* : MHG. slotem
"schlottern* düder-affe "Müßiggänger*, ON. dydra "Mattigkeit, Un-
tätigkeit*. — NE. slop : sleet — Gk. ^üttoc "Schmutz', ^uttoc "Mol-
ken' : Lith. snUä "Jauche*, Gk. ^ut6c. — Lith. sriubä "Sauce;
Suppe*, sriaubiü "schlürfe* : Lith. srudziu "mache blutig*, Av. raod-
"fließen*. — OE. doepe "step, pace*, stapol "pillar, prop, flight
of Steps*, OS. stapd "Säule* : Gk. cxdöioc "stehend, unbeweglich,
steif. — Skt sthäpayati "steUf, ChSl. stopa "Tritt', stepeni "Stufe*,
LBuss. stop "Säule' : Lith. statau "stelle*, Lat. status, staiuo, Goth.
staßs "Stätte, Stelle*. — Skt stabhndti "stützt, hemmt*, danibha-s,
138 F. A. Wood,
Lett Stabs 'Pfeiler, Säule' : Gk. cTaGMÖc •Standorf, Ijat skAulum^
stabäis. — OHG. stumpf Vei-stümmelt, unvollkommen' : OSw.
stunter *kurz', OE. siunt 'stupid', NE. siunted. — 6k. cTvnroc
*Stock, Stier, OE, stofn 'stem, trank; shoot, twig; foundation',
stybb^ ON. stüfr 'stump' : OE. sttidu^ stußu 'pillar, post, stud',
OHG. studen 'feststellen', stüda 'Staude, Strauch', MHG. stud
'Stütze, Pfosten, Säule'. — MDu. stupen 'stäupen*, MHG. stüpfen
"stechend stoßen' : Goth. statäan 'stoßen*. — Gk. cTp6ßoc 'Her-
umdrehen', crpeßXoc 'gedreht', cTp6|üißoc 'Kreisel, Wirbelwind*,
Du. Strampelen 'stolpern, straucheln' : MHG. stürgen 'stürzen, um-
wenden, umsinken, fallen*, stergen 'sich rasch bewegen, umher-
schweifen ; steif emporragen', OE. stearüian 'stolpern, straucheln'.
— ON. sfarf 'Arbeit, Mühe, Anstrengung', stiarfe 'Starrkrampf,
Gk. crdpcpviov • ckXtipöv, cxepeov : ChSl. strada 'Arbeit, Mühe',
stradati 'leiden'. This probably has IE. d, so that it is not quite
parallel. — Gk. cx^picpoc, crpicpvöc 'starr, hart, fest* : OHG. «Tri-
ton 'streiten*, einstrüi 'hartnäckig', ON. dHdr 'hartnäckig, streng,
stark'. — MHG. streifen 'streifen, gleiten, ziehen ; abhäuten' :
ON. strüa "zerren, reißen', stritask^ streüask 'sich anstrengen, sich
sträuben'. — Gk. crpöcpvoc 'herb, hart, fest*, OHG. strüben 'starr
stehen, sträuben', MHG. strObe 'starrend, struppig' : OE. sitrlttian
*stand out stiffly, be rigid', MHG. strotgen^ striuzen 'sträuben, sprei-
zen', strüz 'Strauß, Strauch ; Widerstand, Streit'. Germ, t in these
words may come from IE. dhn. Otherwise the two sets of words
are not quite parallel. — MHG. strumpf 'Stumpf, Stummel* :
strunge 'Stumpf, Stummel'. — ON. striüpe^ OSw. strüpe 'Kehle*,
Sw. strypa 'erdrosseln' : OLG. strota^ MDu. stroot 'Kehle'. — Gk.
CK^TTTi 'Schutz', CKeTTduj 'bedecke' : ckotoc 'Dunkelheit', Goth.
skadus 'Schatten'. — MHG. schöpf 'Wetterdach*, MLG. achoppe
'Schuppen, Scheune' : Gk. ckötoc 'Haut', Lat scütum. — Gk.
CKaiißoc 'krammbeinig' : Skt skdndati 'springt, spritzt*. — OHG.
skaban 'schaben' : skintan 'schälen'. — OHG. aciba 'Scheibe' :
scft 'Scheit'. — MHG. schiben 'rollen lassen, wälzen, drehen, schie-
ben' : ON. skeida 'traben', skeid 'Lauf. — Lith. skubüs 'geschwinde,
eilig' : skudrm 'flink'. — OHG. scarbön 'in Stücke schneiden',
screvön 'incidere* : scart 'zerhauen, verwundet*, scrintan 'bersten.
Risse bekommen'. — Lett skarbit 'splittern', OE. scecnpan^ scre-
pan 'scrape' : Lett. skardit 'zerteilen', Lith. skerdHü 'Risse be-
kommen, platzen', MHG. scherte 'abgeschnittenes Stück', schrans
'Bruch, Riss, Spalte'. — Lat. scribo : Goth. dis-skreitan 'zerreißen*.
Rime-words and Rime-idpas. 189
— Lat KTüpus Vough, sharp stone* : sarüta *broken stuff, OBL
9cread 'slired, paring*. — ON. skriüpr •fragile, brittle, weak* :
lith. dcraudus "brüchig, rauh'. — ON. skialfa 'beben, zittem%
9hdfa *8chätteln' : OHG. scalian *in Bewegung setzen, stoßen,
fortstofien*. — Lat. scalpo^ sculpo : Lith. skUtis 'abgeschnittene
Scheibe*.
most of the pairs in the above list are no doubt related
in some way. Some of them are plainly rime-words. Otliers are
derivatives of a common base formed independenüy. The rest
are anrelated parallel forms that are accidentally synonymous.
As in all such lists, no definite line can be drawn between
the different dasses. Moreover, such lists, though instructive, are
always one-sided; for they leave out part of the evidence. The
only fair comparison is to bring together all forms that may
be snpposed to be related in any way. In some cases this may
lead US to regard as doubtful what by itself would seem certain.
4. A fourth class of rime-words consists of synonymous
words in which the rime-element is the only part in common,
i. e. the words may belong to different ablautseries but have
a common dement which conveys a certain idea. Examples are
Idth. Uazgiti 'klappern', bruzgäi "rascheln*, düzgSH 'dumpf dröhnen*,
rüzgiti 'brausen*, tüzgSH 'klopfen*, vizgiti 'schlottern* (cf. Leskien,
DF. 13, 175t). For many other examples see Leskiens article.
If we should select only the words of the same ablautseries,
we could then classify them under 2. The different classes are
given for convenience of discussion not because they differ
essentially from each other.
In this paper I shall not attempt to distinguish between
real rime-words, i. e. words in which one or more of a group
were modeled after others, and accidental rime-words. For it
is impossible to draw a line between them. We may, for example,
feel sure that Lith. baiginu^ baigus^ baiksztüs were formed from
the base hhei-^ bhoi- in Lith. bajüs^ baütis^ baimm^ etc. after the
analogy of bauginü^ baugüs^ bauksztüs from the IE. base bheiig-y
but we do not know whether dit and split were real rime-words,
except as any determinative may be regarded as a rime-element
Equally active with the rime-element in the formation of
words is the rime-idea. The rime-element fixes the outward
form; the rime-idea the inward meaning. The one gives to the
Word the body; the other the souL And a& word^ laa.^ Vi^
140 F. A. Wood,
cognate in form and yet unrelated in meaning; so they may
be kindred in meaning though alien in form. In one case they
rime to the ear; in the other to the mind. But in order to
embody rime-ideas words must not only be alike in meaning
but alike in the development of that meaning. Thus 6k. KÖTrroiuiai
'bewail, lament' and Ooth. -ßöhin 'beklagen' contain rime-ideas,
for both mean primarily 'beat oneself . But OE. reotan *weep,
lament* does not contain a rime-idea to the above, for it goes
back to the meaning *roar, cry out*. OE. reotan and Goth. -flckan
are therefore as remote in their primary meaning as they are
in form.
K, however, words fall together in meaning, they will
have a tendency to be assirailated in form if they are already
somewhat alike. This may result in the formation of real rime-
words. K then we find such forms as OE. dtofnan *d windle'
and pwinan *dwindle', our first step should be to discover whether
they come from the same primary meaning. If they do not,
then there is no more reason for connecting them than there
is for combining either one with the synonymous OE. ä-aanan
or 0H6. swinan or Gk. cpGfvuj. And even if they did go back
to the same meaning, that would be no evidence that the words
were related. The most we could say of them is that they are
rime-words with rime-ideas. For example, we may give a number
of forms parallel with OE. pwinan^ in all of which the primary
meaning is *melt dissolve*.
OE. ßätman *thaw, melt' : ßwfnan Mwindle, schwinden*. —
ChSl. tajati *sich auflösen, schmelzen : vergehen', Lr. tinaid Ver-
schwindet*. Lat täbere shows the same development in meaning
but is not a rime-word to the above. — Skt galati 'träufelt
herab, fällt herab' : galita-8 Verschwunden, gewichen*, gldyoH
Ist verdrossen, schwindet*. — Skt rindti 'läßt fließen, löst ab' :
rinors "aufgelöst, verschwunden*.
In these words relationship is out of the question. And
yet they are as closely related in meaning as they could possibly
be. It is, however, not stränge that a few examples of parallel
forms can be found out of the many synonymous words. Many
more rime-ideas might be found from other synonymous words.
Por many examples of rime-ideas under a variety of forms see
IF. 18, 18—36.
And yet in combining words simply because they are
Rime-words and Rime-ideas. 141
synonymous — a practice which seems to be gaining groiind
— litüe or no consideration is given to the fact that the words
night be otherwise explained or that often thej are not from
the same primary meaning. To illustrate again with 0£. dtoinan
and ptdnafij a favorite example with those who are carried
away with the idea that synonymy implies relation : The former
meant primarily "be scattered, fall away*, while the latter meant
*melt, dissolve*. Where then is the similarity?
When, therefore, those who agree with Siebs hold that a
movable 9- makes it possible to connect any Germ, word of the
type gax' with any other of the types skax-^ hax-j kax-^ they
have a task much greater than they can perform. First they
must show that these various forms come from the same pri-
mary meaning. Secondly they must prove that their movable a-
actually produced the results they ascribe to it. This could be
done only by historical evidence, and nothing short of historical
evidence could establish such a theory. For even if it were
proTed that a certain phonetic change may take or might have
taken place, it does not carry with it the proof that it actually
did take place. So when such a grave Charge is laid at the
door of *movable s-', we can well afford to give it the benefit
of the doubt
But how shall we disprove it? One witness swears that
he believes *movable s-' is responsible for certain phonetic aber-
rations. Another expresses his doubt that 'movable s-* had any-
thing to do with them. The one is satisfied with rime; the
other demands rime and reason.
Now though the theory of 'movable s- can not be abso-
lutely disproved, we can at least take from it the only prop
on which it rests : the argument from synonymy. For in pro-
poi-tion as we show the unreliability of synonymy as a test
of the relation of phonetically unlike words, we shall weaken
this theory and every other theory that depends for its proof
upon similarity in meaning. To do this we have only to put
by the side of words like OE. dwinan and ßtvinan other syno-
nymous rime-words that can not possibly be regarded as related.
The more we can produce such forms, the more probable will
it become that the words assumed to be akin are merely rime-
words, real or accidentaL
The examples given below, it seems to me, prove con-
142 F. A. Wood,
clusively that such words as OE. dmnan and pmnan can not
be regarded as related simply because they are synonymous.
Per these examples show that synonymy of like-soonding words
is of so frequent occurrence that litüe weight can be attached
to it. Tbis similarity of sound and meaning is in some cases
plainly the result of the fonnation of rime-words; in others it
is purely aecidental.
In the lists given below each group is headed by a word
that serves as a type of that group. Such groups of rime-words
could be given without limit.
OE. dunnan *dwindle*.
OE. divfnan *become sraaller, d windle; waste away', OX.
duhui 'abnehmen, hinschwinden, aufhören', pre- Genn. base
*c?Awi-yW 'shake, scatter, fall off, dwindle' from dhui-^ dhu-uh^
dhoH-io- in ON. efeyta* 'sterben', dyia 'schütteln*, Skt, dhüifati
*wird geschüttelt', Lat. suf-fio 'fumigate*, suf-fimen f umigation*.
These are from the base dheu- in Skt dhunöfi 'schüttelt, bewegt
hin und her, schüttelt aus, ab, entfernt, beseitigt*, dhvdmaati
•zerstiebt, zerstreut*, dhvasti'^ 'Verschwinden*, etc. (cf. Color-
Names and their Congeners 103 f.). — OE. pmnan 'dwindle,
schwinden', ßwänan 'meisten, soften', päwian^ O^.ßeyia 'tauen,
schmelzen*, Skt töya-m 'Wasser*, etc. (et AJP. 21, 180). — Ir.
tinaid 'verschwindet', ChSl. tajaii 'sich auflösen, schmelzen, ver-
gehen*, tina 'Schlamm', OE. ßinun 'become meist*, etc., base fä-t-,
t(- from tä' in Lat täbes 'Hinschwinden, Auszehrung*, etc. (cf.
AJP. 21, 180). — Skt k^ydte 'schwindet hin, nimmt ein Ende',
k^itä'S, k^nä'S 'hingeschwunden, zu Ende gegangen*, k^indti 'ver-
nichtet*, Gk. cpOivuj, qpOiu) 'schwinde hin', qpGixoc 'geschwunden,
vergänglich', etc. (cf. e. g. Brugmann, Grd. P, 791). To these Brug-
mann adds Ir. tinaid. — 6k. niicic 'Vemichtimg*, ipivoiiai 'an-
gesetzte Früchte abfallen lassen' are referred by Prellwitz, Et
Wb. 867, to qpGiu). They should rather be connected with Gk.
ipiiü 'zermalme, zerkaue', ipaiui 'reibe, zermalme', i^xaliü 'tröpfele',
ipnv 'reibe, wische', Skt psdti 'zehrt auf, zerkaut*, etc. — 0H6.
swinan '(hin)schwindeu, abnehmen*, MHG. streinen 'verringern,
schwächen, vernichten', MDu. zwirnen 'schwindelig werden, in
Ohnmacht fallen, abnehmen*, MHG. ver-smmen 'verschwinden',
swfmen 'sich hin und her bewegen, schwanken, schweben*, base
sifeir^ 3ttf- 'swing, sway, swerve, fall away*, probably from seu-
Rime-wordfl and Rime-ideas. 143
in Ski sdvaii^ mvdti 'treibt an* (cf. Color-Names 32). For meaning
cp. OE. duinan above. — OE. a-cwfnan Mwindle, become extinct',
MLG. gufnen •hinschwinden, allmählich abnehmen, kränkeln', qufn
'Abnahme, Hinschwinden*, Skt. jimti 'altert*, jyäni-^ Tergäng-
lichkeit, Altersschwäche', etc. — NE. dial. crine 'zusammen-
schrumpfen, hinwelken, sich abhärmen', Norw. hrine 'Schnörkeln*,
Gk. Aeol. Tpivoc 'Häuf, Lith. grynau 'verarme' (cf. IF. 18, 15 f.).
— Skt glAyati Ist verdrossen, fühlt sich erschöpft, schwindet*,
galati 'träufelt herab, fällt herab*, galita-s 'verschwunden, ge-
wichen', 0H6. qudlatij etc. — Skt. lindti^ Idyate 'duckt sich,
kauert, verschwindet, etc.*, pra-l, 'sich verstecken, sich auflösen
in, verschwinden, sterben*, pra-Hna-s 'geschwunden, verstorben*,
Goth. aßinnan 'fortgehen, weichen', etc. — Skt. rfna-s 'aufgelöst,
verschwunden', rindti 'läßt fließen, entläßt, löst ab', rtyate 'gerät
ins Fließen, löst sich auf, Gk. öpivuj 'bewege', etc. — Skt. ^yate
'fällt aus, fällt ab, zerfällt, schwindet, geht zu gründe', gSte^ Gk.
KeiToi 'liegt' (cf. Uhlenbeck, Ai. Wb. 312). — 'SktÄfnrf-s 'ver-
lassen, zurückgeblieben, mangelhaft*, hiydte*yfiiA verlassen, kommt
zu Schaden, nimmt ab, verschwindet', jähäti 'verläßt, etc.', OHG.
gin 'gehen*, etc. — Skt mindti 'mindert, schädigt', miyate 'mindert
sich, vergeht, geht verloren*, ud-m, 'verschwinden', Lat. minuo etc.
Leim,
OHG. lim 'Leim', leimo 'Lehm', Lat limm 'Schlamm, Schmutz',
Uno 'bestreiche, beschmiere' Gk. dXiveiv • dXeiqpeiv. — OE., MHG.
dim 'Schleim*, OHG. dimen 'glatt machen, blank schleifen', Ir.
demcdn 'lubricus', Lith. sdejimas 'Schleichen', sdäti 'schleichen*.
— OE. däm 'Lehm*, dctmen^ ON. Meima 'anschmieren', Idina
'schmieren*, Gk. tXivt] 'Leim', ChSl. glina 'Lehm', glenü 'Schleim',
Lr. glenim 'hafte', Lett. glidet 'schleimig werden*, NE. dial. dite
'clay', OHG. Uiban 'festhalten', kleben' etc. — NE. grime, MDu.
grijmsd 'Schmutz, Ruß', MLG. grimet 'schwarzgestreift*, Gk.
Xpi^a 'Salbe*, xpiwj 'bestreiche*. — Icel. krim 'Schleim', Dan. krim
'Schnupfen*. — ON. hrim 'Ruß ; Reif, hrina 'berühren', Skt (U^ä-s
'Haften, kleben*, ^^mä 'klebriger Stoff, Schleim', gnndti 'mischt,
mengt, kochf , (rdyati 'kochf . — Lat fimus^ fimum 'düng, dirt*,
fodeoj suf'fio {ct. Walde, Et Wb. 224). The primary meaning was
probably 'something scattered* as in OHG. zetten 'zerstreuen*
: ON. tedia 'bemisten*, tad 'Dünger*. So Skt dhüydte 'wird ge-
schüttelf : Lat fimus.
lU F. A. Wood,
Lith. szleivas 'krummbeinig'.
Lith. szletvas 'krummbeinig', sdiväti 'mit krummen Beinen
lahm gehen*, ssslajüs 'schief, schräg', Lat. divus^ -dinäre etc. —
Lith. klifXM 'krummbeinig', klajus 'irreführend', Idaßti^ UdidHoii
'umherirren', kliszas 'schiefbeinig*, Meipiü 'schief treten'. — Lith.
kretvas 'gewunden, schief, kreivöti^ krivdti 'schief treten', ChSl.
krivü 'schief, Lith. kreipiü 'wende, kehre', ikrypat 'schräg'. —
Lat laevos^ Gk. \ai6c, ChSl. livü link', primarily 'beut' as in Goth.
hleiduma 'link' from Äfet- 'clinare'. — Gk. CKaiöc, Lat. scaevos 'link,
linkisch', perhaps from a base sqii- in MHG. schiefe ON. skeifr
'schief; MHG. schiec 'schief; ON. skeika 'schwanken, wanken';
^eid 'Lauf.
Schief.
ON. skeifr, MLG. sche'f MHG. schief 'schief, MLG. schivden
'schwanken, auf die andere Seite treten, abfallen ; unredlich han-
deln', Lett. schk'ibs 'schief, schMbt *kippen' (cf. Zupitza, Germ.
Gutt 154), MHG. schfben 'wälzen, drehen, wenden, schieben', eta
— MHG. ^Iffen 'schräge, abschüssig sein', ^leif 'schief, schräge*,
gleifen 'schräge sein, hin und her irren', glipfen 'gleiten', MLG.
glipperich, glibberich 'schlüpfrig'. — Lett slipt 'gleiten; schief
werden', Lith. slimpa 'entschlüpft', prov. E. slive 'sneak, schleichen',
MHG. dimp, -bes 'schief, schräge; verkehrt'.
Compare the same change of meaning in NE. slope 'Schräge,
Abhang'; neigen, senken; schief sein', which represents either
an OE. släp- or slop-. In the first case compare Germ, slipan 'slip*;
in the second, sleiipan, düpan 'slip'. So also NE. dant is related
to OSw., Sw. dinta 'gleiten, ausgleiten*; and ON. daJcke 'slope',
to OE. slincan 'slink',
Gk. CKlcpoc 'karg*.
Gk. CKiqprj 'Geiz', CKiqpoc 'karg', CKi(|ui)7rruj 'drücke ein, kauere
hin', Lett. schk&>t 'kippen', schk'ibs, ON. skeifr 'schief, MHG. schiben
'wälzen, drehen, wenden, schieben* etc. Compare OE. hnäg 'bowed
down, prostrate; contemptible ; niggardly'. — Gk. Kvicpoc, kvittoc
'knickerig, knauserig', kvittou) 'knickere', Lett knä>t 'kneifen', Lith.
knibu 'klaube, zupfe', knybau 'dränge', etc. — Gk. Tv(<pujv 'Knicker,
Geizhals', Lith. gnjHu 'kneife*. ON. knifr 'Messer*. — Gk. ckvIttoc
'knauserig', ckvithuj 'kneife, knickere*. Even these may be only
fc rime-words to kvittöc etc., and certainly not related to Tvi9ujv.
Rime-words and Rime-ideas. 146
Reißen.
OS. hrttan 'schreiben', MLG. riten 'reißen, zerreißen', Gk.
öittKpiöov •abgesondert', Kpivuj 'scheide', ChSl. krwti 'schneiden*,
Lett krijäi 'schinden'. — Goth. dis-skreüan 'zerreißen', Swiss.
schrfssen^ schreissen 'heftig reißen', Bav. schrüzen 'schlitzen', Lith.
skridinys 'G^rbeisen*, skrSju 'sich im Kreise bewegen; mit dem
Zirkel einen Bogen einreißen, einschneiden'. — OS. ivritan 'zer-
reißen, schreiben', Goth. tmits 'Strich', Gk. {)ivr] 'Feile, Raspel'
(cf. Brugmann, Grd. U, 1052), and perhaps Skt vlfnäti 'drückt
zusammen'. — ON. dlta 'zerreißen, spalten, abnutzen', MHG. dizen
'spalten, zerreißen; abstreifen, abschälen; aufbrauchen, etc.' pre-
Germ. base slei-d- 'schleifen, atterere, abstreifen, schleißen' with
which compare sfei-i- in OHG. siffan 'gleiten; schleifen, schärfen',
from stei-, adei- (cf. AJP. 24, 45 ff.). — MLG. spltten 'spleißen,
auseinander reißen, in Stückchen spalten; sich spalten', MHG.
spitzen 'spalten, trennen ; sich spalten, bersten', base splei-d-^ Skt
sphälayati 'läßt anprallen, schlägt auf, zerreißt' (cf. Zupitza, Germ.
Gutt 47). — MHG. sptizen 'in Splittern auseinanderfliegen*, ON.
aprita 'ausbreiten', Lett. sprezu 'spanne, schätze ab', base sprei-^^
Skt. sphärayati 'zieht auseinander, öffnet weit, spannt'. — OE.
pwüan 'cut, shave off, abschneiden', gepunt 'chip', ON. piieita
'kleine Axf , pueüa 'schleudern, werfen', base tuei-d-^ lith. itxSju
•prügele', tvyczyju 'schlage, stäupe', etc. — Gk. kvüIuü 'ritze, kratze,
reize', kvät] 'Nessel', ON. hnüa 'stoßen', Gk. kvOu, Kvaiu) 'schabe,
kratze*. — Lith. skSdHu 'scheide; verdünne', skSdyju 'von ein-
ander gehen, bersten', skSda^ Lett s&iida 'Span', skaidit 'verdünnen*,
Gk. cxiöapoc 'dünn', cKiövaimai 'auseinander gehen, sich verteilen*,
base sqei-d'^ Lat de-sdsco 'set oneself loose, separate from', ON.
skeina 'seratch, wound', etc. — Skt chindtti 'schneidet ab, spaltet*,
eheda-s 'Schnitt, Stück*, Av. sid-^ Gk. cxiluj 'spalten', cxiöt] 'Scheit*,
Lat scindo 'split*, base s&hei'd-, Gk. cxauj 'schlitze auf, Av. sych
•schneiden*, Skt chydti 'schneidet ab'. The two bases sqei- and
skhep- feil together for the most part in the centum" group. Their
very similarity makes it more probable that they are not related.
— Lat finde 'split', Skt bhindtii^ hhSdati 'spaltet, reißt auf, zer-
bricht, etc.*, Goth. beUan 'beißen', base bhet-d-^ ChSl. biti 'schlagen*,
Lat per-fines •perfringas', etc. — Lett spdidü 'drücken, drängen*,
MLG. epüen 'verdrießen, ärgern*, OHG. spiz 'Bratspieß', spizzi
'spitz', Skt sphyd'S 'Holzspan'. — MLG. smUen 'schmeißen, werfen;
Indogermanif ehe Vonehnngen XXII, \Q
h
146 F. A. Wood,
schlagen, stäupen', Goth. 6&m«öan 'bestreichen, beschmieren', base
smeini'^ Gk. c^nv 'abwischen, schmieren*. — GotL maitan *hauen,
schneiden*, base moi^-^ mei-d- from mei" in ON. meida 'verletzen,
beschädigen*, MHG. meOen Verletzen, verwunden ; beflecken, be-
schmutzen*, OWelsh maü 'mutilum*, Skt minäü 'schädigt, mindert'.
— ON. strüa 'zerren, reißen', stritask^ streüask 'sich anstrengen,
sich sträuben', base strei-d-^ OE. strimende 'resisting; striving',
Lith. pa'St-siratnyju 'streben, sich anstemmen'.
Kneifen.
ON. hnippa 'stoßen, stechen', MDu. nipen 'kneifen', ON.
hnifr 'Messer', Lett knäd 'kneifen', Lith. knibu 'klaube, zupfe',
hnybau 'dränge', Gk. icvi<p6c, kvittöc 'knickerig', Kvaiuü 'schabe,
kratze'. — MLG. knipen^ Du. knijpen 'kneifen', MLG. knip^ knff
ON. knifr 'Messer', litli. gnybiu 'kneife', Gk. yvicpuiv 'Knicker*.
Du. snippen^ NE. snip 'schneiden, ein-, zuschneiden', MHG. snipfen
'schnappen', OSw. snepa 'kastrieren', MLG. snoien 'einem Baume
die Zweige abhauen, beschneiden'. — Lith. grypiu 'zwicke', MHG.
greibe 'herb', Gk. xp\\nn\i} 'graze, Scratch, wound', xP»w 'smear,
anoint; Scratch, wound'. — ON. klipa 'kneifen' is supposed to
be for an older Uypa^ but compare ON. Jdippc^ ME. dippen *clip',
difrian 'Scratch', difer 'claw*, öß^lifan 'anhaften'. — MLG. glepe,
glippe 'Eitze, Spalf, Sw. dial. gUpa 'offen sein*, glip 'Öffnung,
Ritze, Spalt*. Here 'open' comes from 'slip, fall away': MHG.
gltfen 'schräge, abschüssig sein', glipfen 'gleiten', etc. — MLG.
dippen 'einschneiden, schlitzen, zerreißen', OE. tö-difan 'split*,
Lett dipt 'gleiten, schief werden' ; OHG. dffan 'gleiten ; schleifen,
schärfen', Lat. de-libäre 'abstreichen, abbrechen'. — OE. ripan
'reap', rifter 'sickle', Sw. dial. ripa 'ritzen' ; ON. rifa 'zerreißen',
rifa 'Ritze, Spalte*, Gk. dpeiTTU) 'stürze um*, Lat. ripa. — Da.drippeti
'Blätter abstreifen*, MHG. streifen 'streifen, gleiten, ziehen ; ab-
häuten*. — NE. Chip 'Span*, chip^ ME. chippe 'cut into small
pieces', OE. cipp log; ploughshare; weaver's beam', OHG. kipfa
•Runge, Stemmleiste am Wagen, Achsennagel', ON. keipr 'Ruder-
nagel', kippa 'rücken, haschen, schnappen, berauben', MHG. kippen
'schlagen, stoßen', kiben 'scheltend zanken, keifen', Bai. zinay 'an
sich reißen, hastig ergreifen, mit Gewalt wegnehmen', Skt ßnäH
•raubt, beraubt, bedrückt' etc. (cf. Color-Names 53 f.). — ON.
Mfa 'in Schnitte schneiden', OHG. scivaro 'Steinsplitter', sciba
•Scheibe', Gk. ckoittöc Töpferscheibe', etc.
Rime-words and Rime-ideas. 147
Hauen.
Liih. piduju 'schneide, schlachte' Lat jpario 'schlage, stampfe',
— Gk. ßuu), ßöviuj 'stopfe', OE. pünian 'pound, schlagen*. —
OHG. bouuen^ leuuen 'drücken, reiben, conficere', Lat con-füto
'niederschlagen'. — Lith. käußi 'schlage, schmiede, kämpfe*, ChSl.
iavq 'schmiede*, OHG. houwan^ ON. hpggua 'hauen'. — ChSL suja
'stosse, schiebe', Lith. szäuju 'schieße*. — ON. hnpggua 'stoßen',
OHG. {h)niuwan 'zerstoßen, zerschlagen, zerdrücken, zerreiben',
Gk. Kvuuu 'schabe, kratze'. — Gk. Erfm 'kratze, glätte', Eup6c, Skt
k^urdrs 'Schermesser', base qsA'^ qeseu- from ^ea^ in ChSl. iesati
'kämmen, striegeln', Lith. kcmü 'kratze', MHG. hasdn 'glätten*. —
Skt k^nduti 'schleift, wetzt, reibf , k^utd-s 'gewetzt', Av. -x^^to-,
base qmü- from qesen- in Lith. hmnü 'kratze', OHG. hasan 'poli-
tus*, hamön 'polire', Gk. Eaivuü 'kratze, kämme' (cf. IE. (ficfi: a'u
93). — Gk. ipauui 'berühre, stosse aneinander' : Skt. bdbhasti 'zer-
malmt*. — Skt bhänxdi 'kaut, verzehrt', ChSl. brysati 'abreiben'.
It. brüim 'zerschlage, zerschmettere*, etc. — Skt cärvati 'zer-
malmt, zerkaut', Gk. Kpoaivm 'stampfe*, Kpoüuj 'stosse, schlage*,
ChSL kruiUi 'brechen*. — Goth. gormalujan 'zermalmen, zer-
stoßen', bligguxm^ OHG. Uiuioan 'schlagen' (cf. Mod. Lang. Notes
15, 326 f.). — Gk. T^puc aufgerieben, schwach', Tpuuj 'reibe auf,
ChSl. tryti 'reiben*. — ON. hnyia 'drive, press hard, beat', OE.
cnüician 'pound* (in a mortar), MDu. knouwen 'nagen', MHG.
kniuren 'prügeln, knuffen', LG. knüsen 'drücken*, etc. — ON.
gnüa 'rub, crush*, gnaust 'clashing together', Gk. xvauuj 'gnaw
off, nibble', xvaö^a 'piece cut off, xvaupöc 'dainty*. — OE. dätmn
'klauen, kratzen', Sw. kld 'kratzen, reiben ; rupfen, ausbeuteln,
beschuppen ; schlagen, keilen, auskeilen*, OE. cläwu 'Klaue*, Skt
gläu'9 *Ballen'. — OEß. kroutcön 'kratzen, krauen', kratoü^ krouwü
'dreizinkige Gabel; kralle, klaue*, Lat con^ruo 'come together*. —
Gk. Aeol. xpouui 'ritze, verwunde', dTXPauuj 'schlage hinein', Lat
ingruo 'break into, attack', Lith. griüvü^ griünü 'in Trümmer ver-
fallen', ON. gruin 'Grütze, Gries', L-. gro 'Gries* from gravo-, —
ON. Ijiia 'klopfen, schlagen', Skt lundti 'schneidet ab*. — Skt
rav-^ ru" 'zerschlagen, zerschmettern*, ChSl. rüvq 'reisse aus',
rjijq 'grabe', etc. — MDu. tmwen 'agitare, premere, pressare',
OHG. gaiDin 'von statten gehen', goutcen 'bereiten', OE. täwian
'bereiten; mißhandeln; bedrücken*.
10*
148 F. A. Wood,
Stoßen.
OE. patian *butt, göre; prod*, Gk. ßu2:nv 'gedrängt voll*,
ßöviuj •stopfe*, OE. pünian 'pound* (ctlE. a* : crt : a*w 51). — ON.
buta •hauen', batUa •ersehlagen*, OE. beatan, OHG. b^an •sehlagen,
stoßen*, bouwen •drücken, reiben*. — Lith. piäudinu 'lasse beißen*,
pidiistau •schnitze', piäuju •schneide ; beiße*. — Skt tudäH 'stößt,
sticht, stachelt*, Lat. tundo •stoße*, OE. ä-ßgian 'exper, Lith. itxiH
•tüchtig prügeln*. — ON. tutla •zupfen, pflücken*, tata 'Schnabel,
Rüssel*, tüta •a projecting point*, MDu. ioutcen 'agitare, premere,
pressare*. — Goth, stautan 'stoßen, schlagen', MHG. stutgen 'zurück-
scheuen', NSlov. studiti •verabscheuen', ChSl. styditi sf 'sich
schämen*, studü 'kälte*, Gk. cniu) 'starre', OHG. sUmtcen 'anfahren,
schelten, Einhalt bieten*, Lith. stumiü 'stoße', etc. — Lat cüdo
'beat, strike', Skt. cidati 'treibt an', ON. hudta 'durchbohren*,
OHG. houtmn 'hauen*. — ON. skiötn 'schieben, stoßen, schleudern,
schießen', Lith. szdudau 'schieße mehrfach*, szduju 'schieße*. —
Gk. KVuZiuj 'kratze', Kvvla 'kratze*, Lett hiudet 'jacken', Gk. kvuu)
'kratze', ON. hniöda 'schlagen, hämmern, stoßen'. — MHG knütgen
'zerquetschen', ON. knütr 'knoten*, knüta 'knochen', OE. cneatian
'dispute', cnütvian 'pound'. — Goth. gorkrutön 'zermalmen' ; OE.
crüdan *press, crowd', OHG. krouicön 'kratzen, krauen', MHG.
griegen 'zermalmen, zerkleinern ; streuen, schütten', Lith. griüd-
Hu 'stampfe', grüdas 'Korn', griüpü in Trümmer zerfallen', Gk.
Xpauuj 'ritze, verwunde*. — Skt. k^Ödafe 'zermalmt, zerstampft,
erschüttert', kßöda-s 'Zerstampftes, Mehl, Staub', Gk. guw 'kratze,
glätte'. — Skt. nudöti 'stößt fort, vertreibt*, nödayati 'treibt an',
namte 'wendet sich, kehrt sich'. — Lat plaudo 'beat, clap*, Lr.
imhiadi 'exagitat', imluad 'agitatio', OE. floterian 'float, f ly, flutter',
fleotan *float', flöican 'flow*. — OE. breotan 'break, destroy, kill*,
gehrot 'fragmenf, ON. briöta 'zerbrechen', brytia 'zerschneiden*,
Skt bhdrvati 'kaut, vorzehrt'. — Lat tfüdo 'thrust, push, crowd,
drive', ChSl. tniditi 'beschweren, quälen', Goth. ua-priutan 'be-
schweren', OE. preatian 'urge on, press, afflict ; rebuke, threaten',
prean 'oppress, afflict; punish; threaten; rebuke*, Gk. xpuui
'distress, afflict, vex', etc. (cf. Mod. Lang, Notes 16,26).
Brechen.
Gk. d[Tvu)LU 'zerbreche', drn 'Bruch'. — Gk. ^rjTVUfuii 'zer-
breche', ^ujTn 'Riß', MLG. tcrak 'beschädigt'. — Skt bhanökU
Rime-words and Rime-ideas. 149
•bricht', Ir. bongaim *breche', OSw. banka^ bunka ^schlagen*. —
Skt -bhraj' 'hervorbrechend*, Lat. frango^ Goth. brikan 'brechen'.
— MH6. spacken 'bersten machen, spalten*, 0H6. spahha 'Holz-
span', MLG. spaken 'abgefallene Äste', Gk. ctp&lix) 'erschlage,
sehlachte*. — Skt sphärjati 'bricht her^^or; prasselt', lith.spragü
*platze, prassele* Lat spargo^ etc. — OE. spelc 'Splitter*, ON,
spiaüc 'dünnes Holzstück*, Lith. spUgä 'Stecknadel*, Skt sp/iä-
layati 'läßt anprallen; zerreißt*. — OFries. Ar^A» 'reißen', ON.
hrekia 'quälen*, Skt karjati 'quält*. — OHG. chrac 'Riß, Sprung,
Scharte ; Krach*, chrachän^ OE. cracian 'crack, crash*, Skt. garjaU
•prasselt*. — MHG. klac 'Bersten, Brechen und damit verbundener
Schall, Riß, Krach, Knack*, Idecken 'tönend schlagen ; sich spalten,
platzen*, Gk. yXo^uj 'lasse ertönen*. — NHG. knack^ knacken^ MHG,
huicken 'krachen, knacken; einen Sprung, Riß bekommen*, OS.
cnagan 'zernagen*. — MHG. schricken 'springen, aufspringen,
einen Sprung oder Riß bekommen', OHG. screckon 'springen,
hüpfen, etc.* — Gk. Tpüüruj *nage, fresse*, xpuirXn 'Loch*, Goth.
ßairkö 'Loch, Öhr*, Lat. tergo 'rub off, wipe off*. — ON. sakadr
'beschädigt, wund*, saka 'schaden, anklagen*, Gk. \\ftfijj 'verkleinere,
tadele': ipüüxu) 'zerreibe', ipnTMCi 'Bischen*.
Krachen, Krächzen.
Skt gdrjati 'brüllt, brummt, braust*, OE. cearcian 'creak;
gnash*, cracian^ OHG. krahhön 'krachen*, ON. krdkr 'Rabe*, krdka
'Krähe', OE. cräceftan 'croak* ; OHG. kragü 'garrulus', kragüön
'schwatzen*, Lat gractdus 'Dohle*. — Gk. KpdZiiJü 'schreie', Kpibliu
'krächze*, Lith. kregu, krogiü 'grunze', ON. hrökr, OE. Äröc, OHG.
hruoh 'Krähe*, rähhisön 'sich laut räuspern*, OE. hräcan 'clear
the throat, spit*; Lith. krankiü 'krächze, röchele, schnarche', kro-
kiü 'röchele, grunze*, ChSl. krektati^ Lat crödo 'croak' ; Gk. kp^kuj
'strike, beat, play on a musical Instrument', ON. hringia 'ring^,
hringla 'clink, clang, ring*. — Skt kharjati 'knarrt*, khargäJä
a night bird, kharju-^ 'Kratzen, Jucken*, ON. harka 'zusammen-
scharren*, hark Tumult, Lärm', Dan. harke 'sich räuspern'. —
ON. skark 'Lärm, Gepolter*, skrckkr 'Schrei', skrcekia 'schreien' :
OHG. screckon 'aufspringen, auffahren* or ChSl. skrügati 'knir-
schen*. — Lat dango^ clangor, Gk. KXaTrn 'Klang*, kXolI^ 'töne*,
lAth.klagSti 'gackern', O^.Makka 'schreien, krächzen* ; Gk. kXujccuj
'glucke*, Goth. Mahjan 'lachen*, ChSl. klakdü 'Glocke*. — ON.
Maka 'twitter, chatter; wrangle*, ME. ctocAew 'clack', OHG. cfocc-
150 F. A. Wood,
Aa», MHG. Uecken 'tönend schlagen, treffen; einen Eleck, Fleck
machen; sich spalten, platzen*, NE. rffcX; 'ticken, klappern', 6k.
TXd2:uj *singe, lasse ertönen'. — MHG. knacken 'knacken, krachen',
Sw. knacka 'klopfen, pochen'. — ON. braka 'krachen', OE. gd)rec
'noise, clamor', bearhttn 'noise', brecan 'break, burst forth', lith.
brejtü 'raschele', Lat fragor, frango. — Skt sphärjati 'bricht
hervor, dröhnt, prasselt', Gk. ccpapcrr^uü 'strotze; prassele', lith.
9pragSti 'platzen, prasseln', ON. »praka 'prasseln', OE. sprecan
'sprechen*. — MHG. spacken 'bersten machen, spalten', späht
'Geschwätz, lauter Gesang*, spehten 'schwatzen*, OE. ^pecan 'speak*.
— Goth. flökan 'beklagen*, loit plango^ Gk. TTXrJTVujii beat; ChSl.
plakati 'weinen*, Lith. plakü 'schlage*. — ON. snarka flicker,
sputter*, MHG. marchen 'schnarchen*, marren 'schnarren, schmet-
tern, schwatzen'. — MHG. macken 'schwatzen', ON. makinn 'quick,
swift', NE. match 'erhaschen, schnappen' — 6k. mottoc 'mit
heiserer, dumpfer Stimme'. — Gk. (pGÖTToc 'Stimme', <p94TTO|Liai
'gebe einen Laut von mir*. — OSw. banka 'schlagen, klopfen* ;
ON. hanga 'schlagen, lärmen', NE. bang^ MLG. bungen 'die Trom-
mel oder Pauke schlagen*. — NE. smack 'klatschen, knallen*,
OE. smacian 'antappen*, Lith. smogiu 'schlage, peitsche*. — NE.
ichack 'give a heavy or resounding blow*, whang 'beat, bang,
thwack, whack*. — NE. thteack 'sharp blow with something flat
or hard, whack, bang*, ON. ßukla 'befühlen*, Skt fujdti 'stößt*.
— NE. dial. iwack 'thwack*, MH6. gftmcken 'zupfen, zerren*, OE.
tuiccian 'twitch, zwicken*, OHG. gocchän^ giohan zerren, ziehen*,
etc. — NE. (hack 'thump, thwack*, OE. paccian 'pat. Aap*, ON.
piaka 'schlagen*, Lat. tango.
Gellen.
OHG. galan 'singen*, geUan 'laut tönen, schreien*. — OHG.
scellan 'schallen, tönen*, ON. skella 'klatschen, knallen', skiala
'schwatzen', 6k. ckoXXuj 'behacke*. Cp. OHO. scaltan 'stoßen* :
Bceltan 'schelten'. — Sw. dial. skteella 'wiederhallen', ON. skuala
'schreien, lärmen', Dan. skvale 'plätschern, schlagen, sprudeln, her-
vorquellen*, Lith. skaldnju 'spüle, wasche', etc. (et Color-Names
121). — ON. kalla 'call', OHO. kallön 'laut schwatzen*, ChSl.
glasü Ton, Stimme', Lat gaUus 'Hahn* — 6k. KaXiuj, Lat calo
Vufe*, 0H6. halön^ holön 'rufen, einladen', Lett kalüt 'schwatzen*,
base qalä'. — OHO. Mlan 'ertönen, hallen*, 6k. KdXojuiai 'treibe
an, rufe*, k^XXu) 'treibe an*, kXövoc 'Schlachtgetümmel*, Skt kala-
Rime-words and Rime-ideas. 151
na-m *Schütteln, Hinundherbewegen', kaldyati 'treibt, hält*. These
are perhaps related to the preceding. — ON. huMr 'laut tönend*,
OE. hwdan 'resound*. — MHG. knüllen 'schlagen', erkneilen *er-
schaUen', OR cnyllan 'sound bell', NE. kneU. — ON. gnella
'schreien*, gnoUa 'knirschen'. — MHG. snal 'rasche, schnellende
Bewegung und der dadurch entstehende Lauf, sneUen '(fort)-
schnellen; schnalzen', snalgen 'schnalzen', OHO. snd 'schnell etc.'
— MHG. grüUen 'höhnen, spotten ; grollen*, grd^ gral 'Schrei*,
grdUn 'vor Zorn schreien', grMe 'das Krallende, Stechende;
Dom, Gabel, Spieß*, grd "rauh, grell, zornig'. — NE. shrill 'schrill',
OE. scraUettan 'sound loudly, shrill', Sw. skräUa 'gellen', skrdla
'schreien'. — Lat ap-^Märe 'ansprechen, anreden', com-pellare
'ansprechen, anrufen, schelten' : pellere 'treiben'. Cp. Gk. K^Xoiiiai
'treibe an, rufe*; Lat citäre 'in Bewegung setzen, herbeirufen'. —
Skt. bala-s 'Krähe', baldkä 'eine Kranichart', baUxüäkaröti 'stam-
melt', Russ. bolobölüi 'schwatzen*, Lat. balatro 'Possenreißer,
Schwätzer*, balbus 'stammelnd', etc. : Gk. ßaXXKuj 'tanze', Ski bal-
baliti 'wirbelt* (vom Rauche). — ON. bdia 'bellow*, bglia 'resound,
roar', MHG. blcejen, ChSI. bUjq 'blöken', Lith. balsas 'Stimme,
Ton', OHG. bellan 'bellen', base bhOe- in Gk. (pUw 'strotze, fließe
über, schwatze*, qpXrivduj 'schwatze', etc.
Schreien.
ON. hrina 'schreien, quieken, wiehern', hreina 'schreien*,
Lett krina "Sau*, ON. hreimr 'Geschrei', base qrei-^ also in ON.
hrikia 'knirschen*, Gk. Kpilw 'knarre, kreische', etc. — OHG.
scrfan 'schreien, rufen, jammern', screi 'Schrei, Geschrei', screiön
'schreien*, Lith. skreju 'treibe herum*. — MHG. krfen 'schreien,
bes. den Schlachtruf erheben', krei 'Geschrei*, loanword from
French crier as rime-word to schreien. Cp. also foUowing. — OS.
kräia 'Krähe*, OHG. chreia 'Kranich', kräen 'krähen', ChSl. grajati
'krächzen*, Lith. griju 'krächze, schelte, schmähe*. — MHG.
güen 'schreien, bes. von Raubvögeln*, ON. glima 'ringen*, gleipa
'schwatzen*, Lat glisco 'swell up, burst out*. — ORuss. gajaU
'krähen*, Skt gdyaii 'singt*, gftd-s 'gesungen', etc. — Goth. qainän
'weinen*, ON. kueina, OE. ctcänian lament, trauern', cmpan
'lamenf, ON. kuida 'sich ängstigen', kueita 'überwältigen', Skt
jinäU 'überwältigt, unterdrückt' (cf. Mod. Lang. Notes 16,26). —
OHG. tceinön^ ON. veina 'weinen, klagen, beklagen', OE. icänian
'complain, bewail', Lith. vain&ju 'schmähe, schelte, schimpfe',
162 F. A. Wood,
vainyju Verspotte', veßt Verfolge', etc. (cf. as above 23 f.). —
ON. hu{na "kreischen*, schreien', OE. htnnan *make a shriU soiind,
whizz', Sw, hvina "pfeifen, schwirren', OHG. kweiön 'wiehern',
hicis-palön^ ON. huida, huiskra 'flüstern, zischen* etc. — ON.
gneggia from *gna%jm 'wiehern', base ghni- 'reiben, knirschen'. Cp.
OE. gnidan 'rub', ON. gnistu 'knirschen ; heulen'. Similarly
ghnü' : 6k. xvauu) 'gnaw off', ON, gnüa 'rub, crush', gnyia *be
noisy', gnydia 'growl, murmur*, gnyr 'noise*, OE. gnyran 'creak',
gnomian 'moum', etc. — Icel hneggja 'wiehern' froni *hnaijön^
Gk. Kvuj, Kvaiu) 'schabe, kratze', OE. hn&gan 'neigh'. Cp. Gk. kvüijü
•schabe, kratze', kvooc 'Knarren des Rades', Kvuldu) 'knurre,
winsele'. — Dan. tvine 'jammern, weinen, flennen', Sw. tvina^
OE, pmnan 'schwinden'. — MHG. UcRJen, ChSl. bUjq 'blöken',
Gk. qpXiuj 'fließe über, strotze'. Cp. Gk. cpXduj 'fließe über, schwatze',
cpXuui 'spifidele auf, schwatze', qpXüoc 'Geschwätz', lith. lliäuju
•brülle, blöke'. — OHG. Uöjan 'brüllen', Lat. dämo. — ChSl.
lajq^ lajati, Lith. löju 'bellen', Lat. läträre^ lämmtum, — Skt
rdyati 'bellt', Kuss. rajatt 'klingen, schallen', rqj 'Schall' Lith.
rSju 'brülle, schreie', OHG. rerin 'brüllen'. — Skt mäyii-^
•Blöken, Brüllen', rndya-s 'Boss', mimäti 'blökt, brüllt, schreit'.
Gk. Kpilu) 'knarre, kreische'.
Gk. KpKuj 'knaiTe, kreische', KpiTn 'Schwirren', Kpitn *Eule',
ON. hrikta 'knirschen', OE. hician 'cut, cut to pieces', ChSl. h'oiti
'schneiden', Gk. KpiKe 'kreische', ChSl. krikü 'Geschrei', kricati
'schreien' OE. hrägra, OS. hreiera 'Reiher'. — OHG. heigir 'Reiher',
hehara^ OE. higora, Gk. Kicca, Skt. kiki- 'Häher*, kekä 'Geschrei
des Pfauen'. — NE. creak 'knarren, knirren, schwirren', cricket,
MLG. krikü 'Heimchen', kriken 'streicheln'. These are perhaps
recent rime-words to crack^ OE. cracian etc. — ON. skrlkia
'zwitschern', Sw. skrika 'schreien', skrika 'Häher', ME. schrike
'shreak', OE. scric 'shrike'. — Gk. TpKuj, Teiplra 'zirpen, schwirren,
knirschen', xpiTMOC 'Zischen, SchwiiTen', trig- 'rub', cp. Lat, infer-
trigo 'chafing of the skin', tri-vi^ tri-tm etc. — Gk. cTpixE 'Nacht-
vogel mit kreischender Stimme', Lat. strix 'owl', streig- 'streichen'.
— Lat frigo 'squeak', bhrei^- 'rub, crush' : Lith. bril;tiu 'kratze',
ON. brik 'Bretf , Lat. /Wo, fri-co. — Gk. ciliu 'zische', cTHic 'zischen*,
perhaps from *kufg'^ cp. ON. hutka 'wanken' or huina 'kreischen'.
— Lith. ivi;giü 'quiekend schreien, vom Schwein gebraucht*, NHG.
guieken^ NE. squeak seem to represent a similar phonetic form,
Rime-words and Rime-ideas. 153
and yet they may be entirely unrelated. The Germ, words are
probably secondary ablaut-fonns of squawk^ quack, Cp. sqtuxU,
9queaL — OE. sücan 'sigh', sicettan *sigh, lament', MDu. versfken
'seufzen', primarily 'sickern, rieseln', OE, sicerian 'sickern', Norw.
Mka 'seihen', sikle 'geifern; (dial) rieseln', etc. Cp. OE. sigan
'sickern ; seihen', ME. sighen 'seufzen' ; MLG, sipen 'sickern', Lat
atU/o, Norw. afjpa 'weinen, heulen' ; Serv. sipiti 'fein regnen', 0H6.
aeivar 'Schaum, Geifer, ON. stfra 'knurren'. — MHG. kfchen
•keuchen', NHG. kichern, Sw. kikna 'nach Luft schnappen, keuchen',
ON. kikna 'give way suddenly'. Cp. ON. kippa 'rücken, haschen,
schnappen', Sw. kippa efter anden 'nach Luft schnappen', — Sw.
dial. hikja 'keuchen', Sw. hicka 'schluchzen', ON. hixta nach Luft
schnappen, schluchzen*, etc.
Lett. mauju 'brülle'.
Lett. mauju 'brülle*, Czech myjati 'muhen', Gk. fiü, jiiu 'Aus-
ruf des Schmerzes'. — Lett. nauju 'schreie', Skt. näuti, ndvat^
'tönt, jubelt, preist'. — Skt rduti, ravati 'brüllt schreit, dröhnt',
ChSl. rei:^, Gk. dj-piJo|iai 'brülle', Lat. rümor, etc. — Gk. ßorj
'Schrei', ßoauj 'schreie', ON. püa 'blasen'. — Skt kduti 'schreit',
ChSl. kujati 'murren', Gk. kuükuuj 'schreie, wehklage'. — Skt
ßgü' 'ertönen lassen', Gk. rooc 'Klage', Toduj 'wehklage', OE.
ciegan 'rufen', ChSl. govorü 'Lärm'. — Skt hdmii, hväyati 'ruft',
ChSl. 20vq 'rufe', etc. — Lith. bliduju 'brülle, blöke', Gk. qpXuapoc
•geschwätzig', qpXuuj 'walle über, sprudele auf, schwatze, MHG.
blödern 'rauschen'. — Lith. pliaunyju 'schwatze', Gk. ttXuvuj
•wasche'. — ON. hli&mr 'Laut, Ton', hliöma 'ertönen', Goth. hliuma
*Gehör, Ohr*, Gk. kXuuj, Skt gjrriöü 'hört', etc. — Gk. KXaiuj 'weine',
lcXaö^a 'Weinen' : koX^u}, Lat caläre, OHG. hcdön etc. — OE.
hream 'shout, uproar', hrfeman 'shout : lament ; exult', Lat corvus,
Skt käravo^'8 'Krähe'. — Lat. gru/) 'crunk, Naturlaut der Kraniche',
Gk. YpO 'Grunzlaut der Schweine', TpöXttuj 'grunze' OHG. krön
'gamilus', krönen 'schwatzen, brummen, schelten', MHG. krön
Gezwitscher der Vögel', MDu. criynen 'jammern, klagen', MHG.
kräu^ 'Krähe; Kranich; Staar', Lith. girvä, Lat grüs 'Kranich'. —
OHG. scrouwezen 'garrire, gannire', ON. skruma 'shout, boast',
skraum 'boasting' — Lith. griduju, gridunu 'breche nieder, donnere*,
6k. Aeol. xpoöuj 'ritze, verwunde*. — Gk. kv6oc 'Knarren des
Bades', kvuMuj 'knurre, winsele', kvüuj 'schabe, kratze', ON. hnpggua
'stossen'. — ON. gngia 'lärmen', gnydr, gnyr 'Lärm', OE gnyran
164 F. A. Wood,
•knarren*, gttornian 'trauern', Gk. xvaupöc *dainty', xvotuuj 'gnaw
off, nibble*, ON. grnia 'rub, crush', — Skt tumukhs 'geräuschvoll,
lärmend*, Lattumtdius^ tumeo, — Gk. 6uuj •stürme einher, tobe,
etc.*, ChSl. dunqti 'blasen*, ON. dynia •lärmen', Skt dhüni-^
•rauschend, brausend, tosend*, dhvdnati •tönt', dhünöH •schüttelt,
bewegt hin und her*, OHG. tümön •sich herumdrehen, taumeln',
MHG. tumd •betäubender Schall, Lärm*. — Gk. 6p£o|iai •lasse er-
tönen, schreie*, 6pöoc 'lautes Kufen*, GpöXoc •Geräusch', OE. driam
•Jubel, Lärm*, — Skt stdidi, stdvate •lobt, preist, singt', sUhnorS
•Lob, Preislied'. — Skt svdnati tönt, schallt', Lat sano^ etc., perhaps
from Skt mvdti^ sdvati 'treibt an*. — Av. mraaiti^ Skt bräviti 'sagt,
spricht', Welsh cy-frau 'Gesang, Ton*. — OHG. stouwen, MHG.
siöuic^ 8tout4^€n 'anfahren, schelten, klagen; Einhalt tun, gebieten;
hemmen, stauen*, ChSL stavüi 'stellen, hemmen*, Lith. stöviu 'stehe*,
Skt sthävard'8 'stehend*.
Lat. niffio.
Goth. hrükjan 'krähen*, ON. hrauhr 'Seerabe*, Gk. Kpairpi
•Geschrei*; Lith. kraukiü •krächze*, kriukiü 'grunze*, hrauJdgs
•Krähe*, ChSl. krvM •Rabe'; Skt krögati •schreit*; OE. ArÄim
•shout, uproar', Lat corvus etc. — Gk. tp^Cuj, fut -Huj 'grunze*,
OHG. krönen 'schwatzen, brummen*, krön 'Gezwitscher der Vögel*,
Lat grü8 'crane*, gruo 'crunk*. — ON. brauk 'Lärm', brauka
•lärmen', Gk. (ppifw 'roast, parch*. Cp. Lat. frigo 'squeak* : frigo
'parch* ; OE. brastlian 'crackle*, Lith. braszkiti 'prasseln', bruzgüi
'rascheln* : Skt bhfjjdti 'röstet*. — Gk. ßuCuj 'schreie wie der
Uhu*, ßuKTnc 'heulend*, MHG. phüchen fauchen*, ON. jnia 'blasen*,
Gk. ßorj 'Schrei*. — Lat mügio 'brülle*, Gk. ^uruJ 'stöhne*,' ^UT-
|Li6c 'Seufzer*, OHG. muckas8^ 'mucksen*, Lett waw^ 'brüllen*, etc.
— Lat rugio 'brülle*, Gk. fipurov 'brüllte*, JAth^rügCti 'murren*;
ChSl. rykati, OHG. rohön 'brüUen*, Skt ruvdti, rduti 'brüllt*. —
Lat. Jmjto, -ere *the natural note of the kite*, Lith. dMugus 'schnar-
rend*. — Litn. sugiu 'heule, winsele*, saugiu^ saukiu 'schalle,
klinge*. — Lith. staugiü 'heule*. — Lith. szatüciü^ Lett saucu
'schreie, rufe*. — Lith. kaukiü^ Lett kaucu *heule*, Skt köka-s
'Wolf ; küjati 'knurrt, brummt* : kduti 'schreit*. *
Lat rädo.
Lith. udtffu 'schelte, keife* üddju 'ächze, girre*, vadinü 'rufe;
nenne*, Skt üdUi'$ 'Rede', fxidati 'redet*, Gk. üö^uj 'besinge, preise*,
Rime-words and Rime-ideas. löb^
auörj 'Laut, Stimme'. — Skt rödiü^ ruddti Veint, heult, jammert* ^
Lat rudo "brülle, schreie', lith. raudöju^ OE. reotan 'weinen, weh-
klagen', — OE. greotan^ OS. griatan 'weinen', Lith. graudoju
'wehklage', graudüs 'spröde'; rührend, herzbewegend', graudHü
'tue wehmütig*, base ghreud- 'crush; be, feel crushed', Lith.
gnidüu 'stampfe*, suche das Gemüt durch Ermahnung zu rüh-
ren*, HH6. griegen 'zermalmen, etc.' — ON. hriäia 'herabfallen ;
losbrechen, aufbrüllen; schnarchen', OE. hrütan 'resound; snore',
OHG. mgan 'rassehi, schnarchen, schnauben, summen', Norw.
dial. rflto 'stürmen, lärmen, sausen', Pruss. krüt 'fallen'. — Dan»
skrgde 'prahlen, brüllen*, in ODan. 'poltern, brüllen, schreien,.
schnarchen*, Sw. dcryta 'prahlen', dial. 'schnarchen', MLG. schrü-
ten 'schnaufen, schnarchen', Lith. ikraudus 'rauh, brüchig' (cL
Color-Names 114). — Lith. gaudüs 'wehmütig', gaudiiü 'sause,
jammere, heule, summe', Lett gaudüt heulen, wehklagen', OE.
cffta •Rohrdommel; Weihe', MEG.kü^e 'Kauz' (cf. PBB. 24, 529).
— ME. schonten, NE. shout 'laut schreien, rufen', Lith. skatidÜ9
•gewaltig, heftig; schmerzhaft', skündüu 'klage, führe Beschwerde',
Lett skundet 'ungehalten sein', Gk. cKuCoiiiai 'bin zornig* ckuö-
^aivui 'zürne'. — Gk. KöödCuj 'schmähe, beschimpfe', OS. far-
hwätan 'verfluchen', Goth. hxcötjan 'drohen*, ChSl. kydati 'jacere,
ßXacq)TiM€iv, Skt cödati 'treibt an', Lat cüdo 'beat, strike* (cf.
Mod. Lang. Notes 20, 43). — Gk. xvuCduj, -euj 'knune, winsele*^
Kvöoc 'Knarren*, kvuuj 'kratze' — Sw. myia 'schnauben, sneuzen*^
ON. myta 'schneuzen*; OHG müden 'schnauben, schnarchen*,
MHG. mouioen 'schnauben, schijLaufen'. — OE. ßeotan ßütan 're-
sound, howl*, OHG. diazan laut tönen, tosen, rauschen; sich
erheben, quellen, schwellen, zucken'. — Goth. fiauts 'prahlerisch',
flautjan 'prahlen', lith. plüd;Hu 'schwatze, plappere', pliaünyju
'schwatze', Gk. irXlJvuj 'wasche', etc. (cf. Jour. Germ. Phil. I, 461).
Brausen,
ChSL puchati 'blasen', opuchnqti 'aufschwellen', Dan. fuse
•henrorströmen',Norw.dial.^sa'gewaltsamhervor8trömen, sausen',
fJ0ysa 'aufbrausen, überwallen'. — MRG.phüsen 'schnauben',
MLG. pOsten, ON. püa 'blasen'. — Sw. dial. busa 'stark blasen',
ON. bysia 'gush', MHG. büs 'Aufgeblasenheit, schwellende Fülle'^
Euss. iMcAnw^fschwellen, sich werfen', Pol. buchnqc 'hervorbrausen,
herausplatzen' (cf. Wadstein, PBBr. 22, 2401). — ON. fnysa
'schnauben', OE. fnio9%n *niesen', Gk. ttv^uj 'blase'. — Early Du.
156 F. A. Wood,
fiuysen *flow with violence', ON. flaustr •hurry, Auster*, Skt
|><a^*schwimmt, schwebt, fliegt, springt*, Lith.^rfafito 'Schnupfen'.
— Early Du. Uuyster^ NE. blister 'Blase', bluster 'brausen, wüten,
prahlen*, Gk. qpXuu) 'walle über, sprudele auf, schwatze*. — MHG.
brüs 'Brausen', brüsefi 'brausen'. Du. bruis 'Schaum, Gischt*,
OHG. briuivan "brauen*, Lith, bridutis *sich mit roher Gewalt
vordrängen', Lat ferveo. — ON. frysa^ Sw. frusta 'schnauben',
frusa 'heftig hervorströmen', ChSl. |?rysnflrf« 'spritzen*, Skt pru^ti
'spritzt, bespritzt', base preu- also in Skt pröthati 'schnaubt',
ON. fraud 'Schaum'. — ON. hniösa^ OHG. niosan 'niesen', Gk.
Kvooc 'Knarren', kvuuj 'schabe, kratze'. — Skt k^uti 'niest*,
Gk. Hduj 'kratze', no connection with the above or foUowing. —
ME. sn^se 'sneeze', Sw. snusa 'schnupfen', Dan. muse 'schnobern,
wittern, schnüffeln', base sneu- in MHG. s«ät<?eti,s«ouu:^ 'schnauben,
schnaufen', MLG. mauwen 'schnappen', OHG. snüden 'schnauben,
schnarchen', snüzen 'schneuzen', MHG. snüfen 'schnaufen*, snüben
^schnarchen', snupfen 'schnaufen; schluchzen*, etc. — ON. giösa
'sprudeln', gusa 'sprühen, sprudeln', gusta 'blasen, pusten', Norw.
gjosa 'heftig hervorströmen', Gk. xeuj 'gieße aus', etc., base gheu-.
— Skt. ghößoti 'tönt, ruft aus', ghö^-s 'Lärm, Getön*, Av. gaoSa-
'Ohr'. — ON. Pysia^ Pyria 'hervorstürzen', /yss, pa%i;m 'Lärm*,
OE. /ys 'storm', OHG. do^ön 'brausen, rauschen, tosen'. — Skt.
dhvdrhsati 'zerstiebt, zerstreut', Lith. düsas 'Dunst', düsiü 'atme
schwer auf, seufze auf', dusimas 'Keuchen', Skt dhünöti 'bewegt
hin und her, facht an, etc.' — OHG. süsön 'sausen, summen,
zischen, knarren, knirschen', ON. süs 'Rauschen des Wellen-
schlages', ChSl. sysati 'pfeifen, sausen'. — Skt güsd-s 'gellend,
klingend, schnaubend, mutig', ^vdsiti 'atmet, schnauft, seufzt',
Lat. queror klage*, OE. hwäsan 'wheeze', perhaps related to Skt
fflnrf-8 'geschwollen, aufgedunsen', gvdyati 'schwillt an'. — ON.
ratisa 'schwatzen, plappern', Skt rö^a-s *Zorn, Wut', rö^ii 'ist
unwirsch, zürnt', räuti 'brüllt*.
IE. l : r.
A very large number of rime-words witli l and r occiu:.
These are so numerous that if we should take the words as
they stand as representing the simplest form of the base, we
should be forced to conclude either that IE. l and r were one
in origin or eise had become inextricably confused. But many
of these parallel forms are plainly derivatives of the same base
Rime-words and Rime-ideas. 157
with ihe Suffixes -Zo*- and -k^-^ as in Goth. mela *Sche£fer :
ChSL mira *Maß'. Others are accidental, and the words have
no pelation to each other. Still others were brought about by
changes of one sound to the other from various causes. But
even after making these allowances there still reniains a con-
siderable number of synonymous bases with l and r. I call
attention especially to the foUowing with their derivatives : d- :
er- •drive, set in motion*; foi- : m- *glide, flow'; /^, te- : r^,
ror 'roar*; tew- : reti- *pluck, break off'; aleq- : ar^q- *ward off,
protecf ; ud- : uer- Voll, turn*; md- : mer- *grind, crush'; fd-
*swing, drive, etc/:2>er- *fly, wander, etc.* ; jjcZ- : ^>^- 'pour;
wash'; hlitur : hkrew- *boil, aufwallen*; bhdeg- : bhereg- *gleam,
shine'; dd- : der- 'tear'; fed- : ker- 'freeze*; qd- : qer- 'tum,
twist'; qkf'X' : qrc^Q>- *resound, roar, etc.*; qoir : qer- *beat, cut';
9qd' : sqer- *cut'; gel- : ger- *draw together'; gla^x- : grcfx- *crash,
resound'; ^d- : g^cr- *swallow'; ^Ä^i- : gher- *grow'; sd- *glide,
slide' : ser- 'flow*.
These and other apparently priraary bases, together with
many others that may be derivatives of theni, fumish an in-
teresting group of rime-words. They belong to the very earliest
period and furnish the starting-point for many similar rime-
words.
Gk. dXduj, l\(x\i\ 'drive; chase, hunt; thrust, beat* : Gk.
4p€ccu), 0^,röwan *row'. — Gk. ^uiai * ?px€Tai : OE. ear« 'schnell*,
ON. orna 'antreiben*, Skt pi6t% 'erhebt sich, bewegt sich', Gk.
dpoüüü. — OHG. do 'gelb* : Arm. arev^ Skt. ravl-^ 'Sonne', arund-s
'rötlich*. — Lat. lütum^ lüieus : rutilm, — Skt. lunäti 'schneidet
ab*, läva-s 'Schneiden, Abschneiden, Schur, Wolle, etc.', OK
hjia 'schlagen* : Skt rav- 'zerschlagen', Lith. räuju 'ziehe aus,
raufe*, ON. ryia 'den Schafen die Wolle ausreißen'. — Lith. hisztij
huigti 'brechen', Russ. luzntdi 'schlagen, stoßen' : Lat. cor-ruguSy
rüga, runcäre^ etc. — Lith. lüpti^ ChSl. lupiti 'schälen, abziehen*,
Goth. laufs 'Blatt' : ON. riüfa 'brechen, zerreißen', Lat. rumpo.
— Gk. X^iruj 'schäle ab', X^ttoc, Xottöc 'Rinde, Schale' : Alb. r;q>
'ziehe aus, ab, beraube', Gk. dpeirroiLiai 'rupfe, fresse', Lat. rapio.
— ChSl. lajati 'bellen, schimpfen', Lith. löju 'belle', Lat. lämentum^
Iwträre^ Goth. laian 'schmähen', Ir. Uim 'klage an* : Skt. rdyaH
'bellt*, Russ. rdjati 'klingen, schallen', Lith. rSju 'schreie heftig
los*, ON. römr 'Stimme, Geschrei', OHG. ruod 'Gebrüll'. — Gk.
Xf\poc Tand, Geschwätz', Xripeuj 'schwatze' : ChSl. rarü 'sonitus*.
168 F. A. Wood,
— Gk. XdcKUj, Xtik^iü *töne, schreie, spreche*, Lat loquar : lith.
rekiü *schreie*, ChSl. rekq 'spreche'. — Ski IdsoH 'strahlt, glänzt,
ertönt, spielt', Lat. lamvus 'ausgelassen, geil' : Skt rdsaH 'brüllt,
heult, ertönt', rdsate 'heult, schreit', MHG. rasen 'toben, rasen*,
OE. rcescan 'coruscate*. — Pol. lasy 'begierig, lüstern', ON. dska
'lieben', Skt. W^o^t, Gk. XiXa{o|iai 'begehren* : Gk. ?pu)c 'Liebe,
Verlangen', ipawöc 'lieblich*, ipacröc 'geliebt'. — OE. ealgian
'schützen', Goth. alhs Tempel', Gk. dXoXKeiv 'abwehren*, dXicri
'Wehr, Kraft* : Gk. dpK^uj 'wehre ab*, Lat arx^ Lith. rakinä
^schließe', räktas 'Schlüssel', OHG. ngü 'Riegel'. — OE. löcian
'look', OS. J^hm 'schauen' : Lith. regiü 'sehe, schaue'. — Lith.
l^u 'gieße', lytüs 'Regen', Welsh Uiant 'Strom, Meer' : Skt HfiäH
'läßt fließen etc.', ritH 'Strom, Lauf, OE. n/B 'stream', Lat
ni^tts, nrws, Ir. rian 'Meer', Gk. öpivuj 'bewege'. — OE. ge4f9ian
'slip, glide', MHG. leise 'Geleise' : OHG. risan 'steigen, fallen',
Goth. -reisan, — Gk. Xtt6c 'glatt, schlicht', ON. lida 'gleiten,
schlüpfen, gehen, vergehen', Goth. leißan : ON. rida 'bestreichen,
beschmieren'. — Suffixes -fo-, -te-; -K-; -/w- : -fo-, -rö-; -ri-;
-TU-, — Lith. leilas 'dünn, schlank* : Gk. X€ip6c 'mager, bleich'.
— Skt. lilä 'Spiel, Scherz, Belustigung' : Gk. Xipöc 'frech'. —
Skt Idlati 'spielt, scherzt, tändelt', Gk. XdXoc 'geschwätzig', XaXew
'schwatze' : Gk. Xflpoc 'Geschwätz, Tand', \r\piuj 'schwatze'. —
OHG. ilen 'eilen', Gk. IdXXuj 'schicke, werfe', Skt iyarti 'erregt,
erhebt', irte 'setzt sich in Bewegung, erhebt sich, hebt an' (or
the Skt words with r) : Goth. airus 'Bote'; OE. är, ON. rfr 'Ruder'.
— Skt vdlati 'wendet sich, dreht sich', vdlaya-s 'Kreis, runde
Einfassung, Armband' : Skt ixlra-s 'Umkreis', varatrd 'Riemen,
Seil', Ir. ferenn 'Strumpfband'. — Skt valana-m 'das Wallen,
Wogen', Lith. vünls, OHG. weOa 'Welle' : ON. ver 'Meer', Skt
vär 'Wasser'. — Goth. t4ndan 'sieden', ON. vella 'kochen' : Lith.
virti^ ChSl. variti 'kochen'. — Lat vdvo^ Gk. eJXiiuj 'wälze, um-
hülle', eiXü^ia 'Obergewand', JXurpov 'Hülle' : fpuc0ai 'schützen,
hemmen', ^örrip 'Retter', Skt varütd 'Beschirmer', vfnöti 'bedeckt,
umschließt'. — Goth. waldan 'walten', OHG. waUan 'Gewalt
haben, herrschen über, besitzen, etc.' : Lith. vercziü 'wende, kehre,
zwinge', Lat verto, — ON. vdta^ OHG. walzan 'walzen, sich wälzen,
sieh wälzend oder rollend bewegen' : Goth. ivratön 'wandern*,
Gk. {)Oibay/il{u 'schwinge'. — OHG. tccUgön 'sich wälzen, sich rollen,
sich bewegen, ambulare' : OE. uTingan 'wring, press', MLG.
umringen 'drehen, winden; drücken'. — OE. tvealcan 'roll, fluctuate;
Rime-words and Rime-ideas. Iö9
whirl, twist, wring', ON. vdlka 'rollen, hin und her bewegen' :
Skt vfiMcti 'wendet, dreht, dreht ab', OE. terencan 'twist, tum;
be deceitful', Lat vergo "bend, tum'. — Skt vfka-s 'Wolf, t?fW-^,
ON. ylgr 'Wölfin' : ON. vargr 'Wolf. — Lith. vylius Tisf, OE.
teil 'wile, trick', ON. vü 'Bedrängnis, Not, Elend', veül 'schwach,
krank', Lat. pilis 'low, mean, base* : Ir. fiar 'umgebogen, schief.
— Lith. vOa 'Eisendraht' : ON. virr, OE. wir 'wire'. — Goth.
malan 'mahlen', Lat nwlOj Skt mldyati 'welkt, erschlafft, wird
schwach* : Skt mfnöJU 'zermalmt, zerschlägt', 6k. ^apaiviw 'reibe
auf*, ^apac|i6c 'Verwelken'. — Goth. ga-malwjan 'zermalmen,
zerstoßen', OE. mdu 'meal, ME. mdice 'mellow, soft' : OE. mearu^
OHG. maro^ murtci 'mürbe, zart', Welsh merw 'weich, faul'. —
Gk. jLioXaKÖc 'weich, sanft', ßXdfE 'schlaff, träge, weichlich, töricht*,
Lat mulcere^ mtdcäre : Lith. merkiü 'weiche ein', Skt marcdyati
'Fersehrt, beschädigt*, Lat marceo, marcidus. — Gk. d^dXruj, Lat
mtdgeo^ OHG. mekhan 'melken', Skt mjjäti 'wischt, reibt ab'
(or this perhaps rather with r) : Gk. d^epruj 'streife ab', djaopTOC
'auspressend*, dfi6pTvO|ii 'wische ab', ON. marka 'bezeichnen,
mark out, etc.* — Ir. ndäifh^ bläith 'weich, sanft* : OHG. bräto
'weiches, eßbares Fleisch'. — ChSl. mladü 'zart*, Gk. dfioXbuvuj
'schwäche, zerstöre', Lat moUis^ Skt mräü-ß 'weich, zaii;, mild' :
Skt märdaJti 'reibt, zerdrückt, reibt auf, Lat mordeo, — OHG.
mdda 'Verrat, Angeberei', meldön 'angeben, verraten' : Gk. fidpxuc
'Zeuge*. — Lett meist 'verwirrt reden, phantasieren*, Ir. mellaim
'betrüge*, meU 'Sünde, Fehler* : Skt mfsä 'umsonst, vergebens ;
irrig, unrichtig', OE. mearrian 'go astray, err', gemearr 'hindrance;
heresy, wrong-doing'. — Gk. filXXaH 'Jüngling' : jueipaH 'Knabe,
Mädchen'. — Gk. ßXiiiidZiuj 'befühle' from *m/z- 'preß, mb' : indpri
'Hand*, jndpic 'Hohlmaß', mer- 'press : hold'. — Goth. msla 'Zeit-
punkt, Zeit', mäa 'Scheffel' : ChSl. mira 'Maß', Gk. ^i^poc 'share*,
|i6pa 'division', Lat mora 'space of time; delaying, delay' (cf.
Color-Names 67). — Gk. irdXXiw 'schwinge, schüttele', Lat peUo^
ON. falma 'tappen, sich schwankend bewegen, zittern' : ChSl.
parüi 'fliegen, schweben', pirati 'fliegen', Goth. faran fahren,
wandern'. — Lith. püü 'gieße, schütte*, MHG. vUyen 'spülen,
waschen; sich im Wasser hin und her bewegen' : lHh.periü
'bade*, Pol. prad 'waschen'. — ChSl. plalcaii 'spülen' : Gk. TrpuiH
Tropfen*. — lith. plasnüju 'klatsche*, plesdenü 'flattere', Sw.
fldsa 'schnaufen, schnauben* : OE. frOst 'breath, blast', OSw. frasa
'sprühen*, ON. farsa 'strömen, brausen*. — Early Du. fluysen
168 F. A. Wood,
— Gk. XdcKU), XriKdu) 'töne, schreie, spreche*, Lat loquor : lith.
rekiü "schreie*, ChSl. rekq "spreche*. — Ski IdsaH 'strahlt, glänzt,
ertönt, spielt*, Lat. lasdvus "ausgelassen, geil' : Skt. risaU "brüllt,
heult, ertönt*, rdsate "heult, schreit', MHG. rasen "toben, rasen*,
OE. rcescan "coruscate*. — Pol. lasy "begierig, lüstern*, ON. elska
*lieben*, Skt. W^o^t, Gk. XiXaCoiiiai "begehren* : Gk. fpujc "Liebe,
Verlangen', ipawöc "lieblich*, dpacroc "geliebt*. — OE. ealgian
^schützen*, Goth. alhs "Temper, Gk. dXoXKCiv "abwehren*, dXicri
*Wehr, Kraff : Gk. dpKeiw 'wehre ab*, Lat arx, Lith. rakinü
^schließe*, räktas "Schlüssel*, OHG. rigil "Riegel*. — OE. löcian
'look', OS. I-Okon "schauen* : Lith. regiü "sehe, schaue'. — Lith.
Uju 'gieße', lytüs "Regen*, Welsh Uiant "Strom, Meer* : Skt. ritiäH
"läßt fließen etc.*, n«-^ "Strora, Lauf, OE. n^ "stream*, Lat.
rüus^ nvt4$^ Ir. Han 'Meer', Gk. öpivuj "bewege*. — OE. ge4isian
"slip, glide*, MHG. leise "Geleise* : OHG. risan "steigen, fallen*,
Goth. -reisan. — Gk. Xit6c 'glatt, schlicht*, ON. lida "gleiten,
schlüpfen, gehen, vergehen', Goth. leißan : ON. Hda "bestreichen,
beschmieren*. — Suffixes -to-, -te-; -K-; 4u- : -ro-^ -rö-; -r»-;
-TM-. — Lith. leilas "dünn, schlank' : Gk. X€ip6c "mager, bleich*.
— Skt. lila "Spiel, Scherz, Belustigung* : Gk. Xipöc "frech*. —
Skt. lälati "spielt, scherzt, tändelt', Gk. XdXoc "geschwätzig', XaXeui
'schwatze' : Gk. Xfipoc 'Geschwätz, Tand', Xripeuj 'schwatze*. —
OHG. ilen 'eilen*, Gk. IdXXuj 'schicke, werfe*, Skt. iyarti 'erregt,
erhebt*, trte "setzt sich in Bewegung, erhebt sich, hebt an* (or
the Skt. words with r) : Goth. airus "Bote'; OE. är, ON. rfr "Ruder'.
— Skt. vdlati "wendet sich, dreht sich*, vcdaya-s "Kreis, runde
Einfassung, Armband* : Skt. vdra-s "Umkreis*, varairä 'Riemen,
Seil', Ir. ferenn 'Strumpfband'. — Skt valana-m 'das Wallen,
Wogen', Lith. vünls, OHG. weUa 'Welle' : ON. ver "Meer*, Skt
vär 'Wasser*. — Goth. undan "sieden', ON. vella 'kochen* : Lith.
virti^ ChSl. variti "kochen*. — Lat vdvo^ Gk. eiXuuj 'wälze, um-
hülle', eiXü^ia "Obergewand', JXurpov "Hülle* : ?puc0ai "schützen,
hemmen', ^ürrip "Retter', Skt varüid "Beschirmer', vfnöti "bedeckt,
umschließt'. — Goth. waldan "walten', OHG. waltan "Gewalt
haben, herrschen über, besitzen, etc.* : Lith. vercziü "wende, kehre,
zwinge', Lat verto, — ON. velta^ OHG. walzan "walzen, sich wälzen,
sich wälzend oder rollend bewegen* : Goth. wratön "wandern',
Gk. {ictbavilvj "schwinge*. — OHG. xcalgön "sich wälzen, sich rollen,
sich bewegen, ambulare' : OE. wringan "wring, press', MLG.
wringen 'drehen, winden; drücken*. — OE. wealcan 'roll, fluctuate;
Rime-words and Rime-ideas. Iö9
whirl, twist, wring*, ON. valka "rollen, hin und her bewegen' :
Skt vfväkH "wendet, dreht, dreht ab', OE. tcrencan 'twist, tum;
be deceitful', Lat vergo "bend, tum*. — Skt vfka-s "Wolf, vflct-^
ON. ylgr •Wölfin* : ON. vargr "Wolf. — Lith. vylius Tist', OE.
teil 'wile, trick*, ON. rfl 'Bedrängnis, Not, Elend', ieiU "schwach,
krank', Lat. müs "low, mean, base* : Ir. fiar 'umgebogen, schief.
— lith. väa "Eisendrahf : ON. virr, OE. trfr 'wire'. — Goth.
malan "mahlen*, Lat woto, Skt mldyati "welkt, erschlafft, wird
schwach' : Skt tnfnäti 'zermalmt, zerschlägt', Gk. ^apalvui "reibe
auf*, ^apac|i6c "Verwelken'. — Goth. ga-mdlwjan "zermalmen,
zerstoßen', OE. mdu "meal, ME. mdwe 'mellow, soft' : OE. mearu^
OHG. ifiaro, murwi "mürbe, zart', Welsh merw "weich, faul'. —
Gk. ^aXaK6c "weich, sanft', ßXdfE "schlaff, träge, weichlich, töricht',
Lat mtdcere^ mulcäre : Lith. merkiü 'weiche ein', Skt marcdyaJti
'versehrt, beschädigt*, Lat marceo^ marcidus. — Gk. d^^Xyiw, Lat
mulgeo^ OHG. tndchan "melken', Skt mjjäti 'wischt, reibt ab*
(or this perhaps rather with r) : Gk. &\iipfw "streife ab', d^iopTOc
"auspressend*, ö^öpTvöjLii "wische ab', ON. marka "bezeichnen,
mark out, etc.' — Ir. ndäith, Müh "weich, sanft* : OHG. bräto
'weiches, eßbares Fleisch'. — ChSl. mlcuiü 'zart', Gk. djiaXbuvuj
"schwäche, zerstöre', Lat moUis^ Skt mfclü-ß "weich, zart, mild' :
Skt mdrdcAi "reibt, zerdrückt, reibt auf, Lat mardeo. — OHG.
mdda "Verrat, Angeberei', meldön "angeben, verraten' : Gk. indpiuc
'Zeuge*. — Lett meist 'verwirrt reden, phantasieren*, Ir. meUaim
'betrüge', meU "Sünde, Fehler* : Skt mfsä "umsonst, vergebens;
irrig, unrichtig', OE. mearrian "go astray, err*, gemearr "hindrance;
heresy, wrong-doing*. — Gk. ^ilXXaH "Jüngling' : fieipoE 'Knabe,
Mädchen'. — Gk. ßXT^dCuj "befühle* from *mli' "preß, rub' : indpri
"Hand', jidpic "Hohlmaß', mer- "press : hold'. — Goth. mela "Zeit-
punkt, Zeit', mäa "Scheffel' : ChSl. mira "Maß*, Gk. ji^poc "share*,
fiöpa "division', Lat mora "space of time; delaying, delay' (cf.
Color-Names 67). — Gk. irdXXiw "schwinge, schüttele', Lat pMo^
ON. falma "tappen, sich schwankend bewegen, zittern' : ChSl.
farüi "fliegen, schweben', ptrati "fliegen*, Goth. faran "fahren,
wandern*. — lith. püü "gieße, schütte', MHG, üc^en "spülen,
waschen; sich im Wasser hin und her bewegen' : Lith. 2>mfi
'bade*, PoL prad "waschen'. — ChSL plakaU "spülen* : Gk. TrpujH
Tropfen*. — lith. plasnüju 'klatsche', plesdenü 'flattere', Sw.
fldsa "schnaufen, schnauben* : OE. frOst "breath, blast*, OSw. fraaa
"sprühen*, ON. f(n'8a 'strömen, brausen*. — Early Du. fluysen
160 F. A. Wood,
•flow with violence*, ON. flaustr *hurry, fluster* : Sw. frma •heftig
hervorströmen*, C\&\.prymqti •spritzen*. — \A\h,plaüti8 •Schnupfen'
: ^"ki. pröthati •schnaubt', ON. fraiAÖ *Schaum'. — Gk. cpXeu) *strotze,
fließe über, schwatze', (pXuiü •walle über, sprudele auf, schwatze*,
MHG. Modem *rauschen* : Lat ferveo •siede, walle', OHG. bfHuwan
•brauen, sieden*, MHG. brodeln. — NE. blust^ •brausen, wüten,
prahlen* : MHG. brüs •Braus, Brausen*. — OK bcdcan •voci-
ferate* : bearcan •bark*. — Gk. cpXeTtü •brenne, leuchte', Lat
fulgeo^ flagro^ OHG. blank : Goth. bairhts •hell, glänzend', Lith.
berszti •weiß werden*. — Gk. nidXXu) •schnelle, raufe*, niaXaccuj
•zapfe, berülu^e* : ipTipoc •zerreiblich, dürr*, ipuipoc •krätzig*. —
Gk. HiiXoc •kahl, nackt, bloß' : ipaipu) 'streiche, reibe*. — ChSl.
Üükq^ Üiiti •klopfen', Russ. tcHöci 'stoßen' : Lith. trenkiü •stoße
dröhnend', OHG. dringan. — Ski ddlaUi •berstet, springt auf,
dala-m •Stück, Teil, etc.', Lith. dalis Teil, Erbteil', daltnjä •teile*,
OHG. zälen 'wegreißen, rauben* : Goth. ga-tairan •zerreißen, zer-
stören*, Gk. öepuj •schinde', Skt. dfndti 'springt auf, berstet, zer-
reißt*. — Gk. b€v-öiXXuj 'tum the eyes about, glance at, make
a sign to*, OE. täian 'strife after, intend, attempt, obtain', OHG.
zäen •sich beeilen, eifrig streben nach' : Norw. tira 'stieren, genau
zusehen', Pruss. deirit •sehen', Lith. dyrSti 'gucken, lauem, her-
anschleichen'. — Gk. 6oX6uj 'trübe, verwirre' : Goupoc •anstürmend'.
— OHG. 'tieelnn 'torpere, sopiri; cessari' : ON. dura 'schluramera'.
— Lith. szdlti 'frieren', szdltas 'kalt', szdltis 'Frost*, szalnä 'Reif :
Bzarmä •Reif, Ami. sapn 'Eis', sapnum 'gefriere*. — ON. hole
•Schwanz, spitzes Ende, Schaft', Skt galyd-s •Keilspitze, Dorn,
Stacher, gald-s 'Stab, Stachel* : garu-^ 'Geschoß, Speer, Keil*,
Goth. hairus 'Schwert*. — Lith. at-si-költi 'sich anlehnen*, Gk.
KcXXov ' cTpeßXöv, TTXctTiov, KuXXoc •krumm* : KOpwvoc 'gekrümmt',
KupTOc 'krumm', Lat curvus, — Gk. kXujöuj 'spinne', Skt kldthati
'dreht sich, ballt sich' : kfruitti 'spinnt', cftdti 'knüpft, heftet',
ChSl. kretäjq •flecto', krqtü 'tortus', Lat crätes, — Lith. klajiis
•irreführend', klivas 'krummbeinig' : kretvas •gewunden, schief,
ChSl. krivu 'schief. — Lith. kleipiü^ klaipaü 'Schuhwerk schief
treten', klypstü •beim Treten die Füße seitlich krumm biegen' :
kreipul, irflwpaö •wende, kehre', irypsfw •sich unwillkürlich wenden,
drehen'. — Lat dingo *cingo, cludo', ON. hlekker 'Kette', OE.
hlence 'armor, Panzer', hlinc *ridge, slope'; ChSl. klfknqti 'nieder-
knieen', pofdfcati 'sich biegen, hinken' : ChSl. sü-krüciti sf 'sich
zusammenziehen*, Boh.2)0-*rÄf 'runzeln'; ON. hrokenn 'gekräuselt,
Rime-words and Rime-ideas. 161
nmrelig'; OR hring 'ring, circle, circuif, ChSl. krqgü •Ring,
Kreis'. — Lat depo^ GL kWutiu •stehle* : Lett kräpju 'stehle*. —
Gk. xaX^uj, Lat calär$^ cUtmäre^ OHG. hiaman^ rauschen, brausen*:
Lat oomix, Gk. Kopiiivn •Krähe*, xopa^ •Rabe*. — ChSl. Uopatii
•strepitus* iLaLcrepo. — lAtdanga^ Gk. kXOiCu), kXukcuj '^ucke*, ON.
klakka *8chr8ien; jauchzen*, Goth. hlahjan •lachen', ChSl. klahciü
•Glocke* : Gk. KpdZiui •schreie*, KpiLiiu •krächze*, OE. kröc •rook*,
Lith. kregu, krogiü, hrokiü 'grunze', ChSl. krakoH •krächzen', Lat
crww. — Lett IdSdzu ^schreie*, ChSL Hikü •Schrei*, Lith. klykiA
•kreische' : Gk. kqHm) •knarre, kreische', KpiTn •Schwirren', KpJxn
I •Eule*, ChSL Irikü 'Schrei*. — Gt icXaiuj Veine', kXoOilux • Woinen* :
OE. hream •shout, uproar', hrieman 'shout; lament; exult*. —
UÜi.kalü 'schlage, schmiede*, ChSL X;2aff 'stechen*, SVt hold 'kleiner
Teil* : Skt kfndU •verletzt', Gk. Keipuj 'schneide, schere', xdppa
•Schnitzel', Idth. kefiü •haue scharf. — Russ. kolöda 'Klotz, Block',
OHG. hdz, Gk. icXdöoc 'Zweig* : ChSL krada 'Holzstoß*. These are
not properly rime-words but accidental Synonyms. — Skt kal-
pdyaii 'ordnet an, verteilt, teilt zu' : Lith. kerpü 'schneide*, Lat
carpo, — ON. Attoi/^ 'Wölbung*, hudfa 'wölben', OE. AuwZ/^'vaulted,
hollow, concave ; vault, arch', Gk. koXttoc •Rasen' : OE. hwearfian
'tum, revolve, roll, wander*, ON. huitfell 'Wirbel, Zopf, Ring,
Kreis*, Gtoth. htcairban 'wandeln', Gk. KopTtoc 'Handwurzel'. —
Lat glomuB Twdl*, gUmero 'crowd together, form into a ball*, OK
dämm *grasp; bond, chain', demman 'contract', OHG. beklemman
zusammendrücken, einengen* : ON. kremia •drücken, zerdrücken*,
Sw. krama 'drücken, pressen*, OE, crimman •cram, insert', cram-
mian 'cram, stuff* , OHG. krimman 'die Klauen zum Fange krümmen,
mit gekrümmten Klauen oder Fingern packen, etc.* — Lith.
gUibiu •umarme, glöbiu •umarme, umhülle*, Lat gU^ms^ globo^ MHG.
Idimpfen fest zusammenziehen, drücken, einengen', Idampfer
'Klammer*, NE. damp : OHG. krimpfan 'krumm oder krampfhaft
zusammenziehen*, krampf 'gekrümmt; Krampf, ON. krappr 'ein-
gezwängt, schmal*, ÄT«;)pa 'zusammenbiegen, -drücken; krümmen,
kneifen', NE. crimpf cramp. — OE. dingan 'sich zusammenziehen,
shrink; wither*, bedingan 'einschließen, binden', ON. kiengiask
'sich anklammem'; OHG. klenken 'knüpfen, binden, schlingen',
OR bedencan^ NE. dench 'die Faust ballen; umfassen, packen;
befestigen* : MHG. krinc, -ges 'Kreis, Ring, Bezirk*, kränge 'Not,
Bedrängnis', ON. kringr 'rund; biegsam, geschmeidig*, OKcringan
*fall, perisfa', NE. cringe^ ChSl. iü-grudiü 'sich zusammenziehen',
IndogfirmuiiBcbe Fonchnagen XXIJ, W
162 F. A. Wood,
Serv. grc ^Krampf ; lith. greHü 'drehe, winde', MLG. krink *Ring,
Kreis', krunke Talte, Runzel, Krause', MHG. kranc "schmal,
schlank, gering, schwach', OE. crincan *fall, perish'. — OX.
Ueima^ OE. ddtman 'anschmieren', däm *Lehm' : IceL krim^ Sw.
dial. kHm(e) 'Schleim'. — Skt gldu^ 'Ballen', OHG. kliuwa 'Knäuel',
kläwa 'Klaue', klätven 'prurire, scalpere' : Lat. can-gruo 'come
together', OHG. kraivil^ krouml 'Kralle, Klaue', krouxvön 'kratzen,
krauen'. — MLG. klüie 'Klumpen, Ball', OHG. Möz 'klumpige
Masse, Knäuel; Kugel, Knauf; OK düd 'rock, mass of rock*,
NE. dod 'Kloß, Scholle*, Gk. tXoutöc 'Hinterbacken' : OE. crüdan
'drücken, drängen', gecrod 'Gedränge*. — MHG. Hohe 'Bündel,
Büschel, etwas klemmendes, Kloben', khuber 'Klaue, Kralle,
Fessel'; OE. dyppan 'embrace', ON. klgpa 'kneipen, kneifen, zu-
sammenkneifen, einschließen' : Gk. ypxjnbc 'gekrümmt, gebogen',
TpöTTOUj 'krümme'; OE. cryppan 'bend, crook', criepan 'contract,
clench', ON. kropna 'einschrumpfen, vor Kälte erstarren', kriüpa
'knieen; kriechen'. — OE. dyccan 'bring together, clench', ME.
ducchen^ NE. dutch 'ergreifen, festhalten; zusclüießen, zumachen',
Sw. klyka 'Klammer' : ON. kroka 'sich krümmen', ME. crouchen^
NE. crouch^ MHG. kriechen 'sich einziehen, schmiegen ; kriechen,
schleichen'. — OX. klaka 'twitter, chatter; wrangle, dispute',
ME. docken 'clack', MHG. Hecken 'tönend schlagen; sich spalten,
platzen', Gk. yXdln) 'singe, lasse ertönen' : OHG. chrachön 'krachen',
chrcic 'Riß, Sprung; Geräusch, Krach', OE. cradan 'crack, crash',
cearcian 'gnash (teeth); creak', Skt garjati 'prasselt'. — NE. dash
'klirren, rasseln, mit Geräusch zusammenschlagen', Goth. klismö
'Klingel' : MLG. kraschen 'kratzen', NE. crash 'krachen, knarren,
zerschmettern', Dan.krase 'zerschmettern', MHG. kraspdn^ krastdn
'rascheln, knistern', OHG. kerran 'knarren'. — ON. kalla 'call',
OHG. kallön 'laut schwatzen', ChSl. glasü Ton, Stimme', Lat.
gcdlus : OHG. kerran^ OE. ceorran 'knarren', Dan. krase 'zer-
schmettern', etc. — OE. cnyUan 'sound bell', NE. kneU, MHG.
knüllen 'schlagen', erkneUen 'erschallen', NHG. knall : MHG.
knarren^ knirren^ NHG. knurren, — MHG. Meicen 'klagen, winseln',
NHG. klohnen^ OE. clümian 'mumble' : MDu. crönen 'jammern,
klagen', OHG. krönen 'schwatzen, brummen, schelten', krön *gar-
rulus', Lat gmo 'make the noise of a crane'. — OHG. kda^ OE.
cecle 'Keiile', Ir. gelim 'verzehre, fresse', gü 'Blutegel', Lat gid4n^
base gd"'^ Gk. beXeap 'Köder', ßXujfioc 'Bissen Brot', KaßXeer
KaTamvei (Hes.), ßX^ruec* d ßöiXXai (Hes.), base g>e?-, to either of
Rime-words and Rime-ideas. 163
which may belong Skt gakhs 'Kehle, Hals*, ChSl. glütü 'Schluiid' :
Skt gard'8 Verschlingend*, Gk. ßop6c 'gefräßig', Lat ix>räre^ Lith.
geriik 'trinke*. — Gk. 6€Xq)uc 'Gebärmutter*, boXcpöc* f| fii^po,
b^XqxzE 'Ferkel*, döeXcpöc 'Bruder' are perhaps from the base
f^d' in the sense of 'chasm, Schlund*, and similarly Goth. kalbö
'Kalb*, kilßei 'Mutterleib* etc. may be derived from the base
0g^ above : Gk. ßpfcpoc Ijeibesfrucht, Kind', ChSl. ir% 'Füllen*,
Skt gdrbhchs 'Mutterleib, Leibesfrucht' may be referred to g*'er-
above. — Lith. Mti 'grünen', ChSl. zelenü 'grün' : OHG, gruoen
•grünen', gruani *grün*, Lett farüt 'Äste treiben; Strahlen werfen*.
— OHG. gluoen 'glühen', gluot 'Gluf : OhSl. ziriti 'glänzen*, Lith.
J^&Sti 'strahlen*, iarijas 'glühend, feurig glänzend*, Lett farM
'Äste treiben; Strahlen werfen*. — Gk. xx\\x\ 'Spalt, Kerbe, etc.* :
XnpciMÖc *Höhle, Kluft*, xapdöpa 'Riß, Spalt, Kluft', x^J^poc 'Raum,
Zwischenraum*. — ON. geü, gü 'Kluft', MLG. gil 'Schlund, Kehle* :
Gk. x^P«c 'Riß, Schrunde*, xipoXdoc 'mit aufgesprungenen Händen
und Füßen*. — MLG. gü 'Begehren, Gier, Verlangen, Bettelei',
gflen 'begehren, betteln*, MRG. gflen 'betteln* : MHG. ^«r, gire
'begehrend, verlangend*, gir 'Geier*, MLG. girhals 'Geizhals*. —
ON. gnella 'schreien', gnoUa 'knirschen' : MLG. gnarren 'knurren*.
— OHG. gellan 'laut tönen, schreien' : MHG. garren 'pfeifen',
gurren 'gurren, girren', OE. gierran 'creak; chatter*. — ON.
glama^ glamra, OSw. glama 'lärmen', glam 'Lärm', OHG. galm
'Schall, Lärm' : Gk. xpöjbioc 'Knirschen, Wiehern', xp^mKuj 'wiehere',
ChSl. gromü 'Donner', Lith. grumSnti 'leise und dumpf donnern*,
MLG. grummen 'ein dumpfes Getöse machen*. — ON. geUa 'bellen*,
OHG. gelzön 'aufschreien, delatrare*, Gk. KaxXdIuj 'klatsche,
plätschere* : MHG. gräzen 'schreien, aufschreien*, ON. grata 'laut
jammern*, Goth.jfr^ton 'weinen*, Lith. jrrodiia 'poltert*, ^Vthrddate
'tönt*. — C\&\. gladüi 'glätten', L^t glaber, ORG, glat : Lith.
grindu 'reibe, scheure', grdndau 'schabe'. — ChSl. gladü 'Hunger',
gladostt 'Gier*, ilüditi 'begehren* : Goth. gridm 'Hunger', gredags
'hungrig', OHG. grätag 'gierig*. — Lith. selü 'schleiche', ChSL
sulaii 'schicken*, Gk. äXXoiiiai, Lat scdio : Skt. süarti^ sdrcdi 'eilt,
fließt*, Gk. öp^du) 'treibe an, stürme los*. — Lith, salä 'Insel',
Lat in-sula (cf. AJP. 24, 51) : ChSl. chsfrom 'Insel', Lith. sravä
•Fließen'. — ON. dafask 'nachlassen, abnehmen', Lith. sÜpnas
^schwach, kraftlos', Mpti 'schwach werden' : Skt. sdrpati 'schleicht,
gleitet, kriecht', Gk. fpTru), Lat. serpo, — ON. slefa 'geifern*, NE.
slav&r 'drivel*, dahber^ NHG. schlabbern : Gk. ^09^ijü, lith. sräbiü
16^ F. A. Wood,
•schlürfe', sttrbiü "sauge*, Lat sorbeo. — ON. dupra "schlürfen*,
MHO. düpfen 'schlüpfen; schlürfen*, NR dop *begiefien, bo^
schütten, besudeln; hastig, gierig trinken* : Litii.mauifti'schlürfe*^
mivbä "Sauce; Suppe*; Gk. ^uttoc "Schmutz, ünreinlichkeit', ^4u>
etc. — MHG. doie "Schlamm*, Scotch dud "Schmutz*, dudder
"unreinlich essen* : Lith. sriUä "Jauche*, Skt gndä-s "fließend,
geflossen*. — Goth. bisauljan "beflecken*, Norw.dial.aaofa "Schmutz*,
OHG. sol "Kotlache*, solön "besudelt werden*, lith. ^ulä "Birken-
saft* : ON. saurr "feuchte Erde, Schmutz*, sür-etfgr "triefäugig*.
— MHG, stcalm "Bienenschwann* : stcarm "Schwann*. — Gk.
qiriXuj • c|idu>, CjiiiXn "Salbe* : OHG. sfnero "Fett, Schmeer*, Goth.
WHOirßr "Fett*, smama "Mist, Kot*. — MHG. smiden "lächehi*,
smaUen "schmollen, lächeln* : smieren "lächeln*. — Du. sm&ulen^
ME. smoldere "smolder* : OE. smorian "choke, sufficate*, LG. smaren
"dämpfen, ersticken ; schmoren, rösten*. — OHG. snd "schnell,
behende, tapfer*, MHG. med "rasche, schnellende Bewegung und
der dadurch entstehende Laut*, snellen "schnellen, foilschnellen^
»chnalzen*, studzen "schnalzen* : OE. mieran "hasten*, ON. snara
"in schnelle Bewegung setzen, werfen, drehen*, snarr "hurtig*,
MHG. snarren "schnarren, schmettern, schwatzen*, snarz "Zwitschern
der Schwalbe; Spottwort, Schelte, Spott*, NE. snart "schnauben^
schnaufen*, ON.«»ar/fca"flicker,sputter*,MHG.«iwrcAen"schnarchen**
— Skt phdlati "prallt zurück, springt entzwei, berstet', sphälayaU
"läßt anprallen, schlägt auf; zerreißt* : »phurdH "stößt weg, schnellt,
zuckt*. — Litli. späliai "Schaben*, Gk. ciraXic "Schere* : OHG.
sper 'Speer', sparro "Stange, Balken*. — OR «pefc "splinf, ON.
spialk "dünnes Holzstück', Lith. 9pilgä "Stecknadel* : OE. sprcec^
fpranca "shoot, twig', Lith. sprögii 'platzen, einen Sprung be-
kommen ; ausschlagen ; knospen*. — Lett spidgikt "glänzen, funkeln',
sptdgans^ spil^ans "schillernd, rötlich' : OE. spearoa "spark*, speor-
cian "emit sparks", spkrcan "sputter; sparkle', MLG. sparke "Funke*>
tparken "funkeln*, sprankefi "funkeln, glänzen*, Lat sparyo. —
NE. Splint splinter : MHG. spreiz "Aufsprießen; Spalt*, ON. spreUa
"springen, aufspringen*, spre^ wk. v. 'lösen, los machen, trennen*.
— Lat splendeo : MHG. sprim "Flimmern, Farbenschmelz*, ymM$
•flimmerndes, glühendes Stück; Lanzensplitter* sprenzen "sprengen^
spritzen, sprenkeln, bunt schmücken*. — NE. splaUer : MHG.
sprenzen "s{M^ngen, spritzen, sprenkeln, etc.* — MLG. splUm
•spleißen, in Stückchen spalten; sich spalten', MHG. Spruen "bersten^
sich spalten; spalten, trennen* : sprizen "in Stücken oder Splittern
Rime-words and Rime-ideas. 165
auseinander fliegen', sprize *Span, Splitter*. — Lett. spfle *Holz-
nagel, Holzgaber, MLG. späe Münner Stab', NE. sptfe, Gk. crriXoc
*Klippe' : MLG. 8pir 'kleine Spitze*, OE. spfr *tapering shoot',
ON. spira 'Spitze; Rohr'. — Goth. stilan 'stehlen* : Gk. crepiui
•beraube'. — Skt sthälati 'steht', sthäla-m 'Anhöhe, Stelle', Gk.
CTTiXn •Säule', OHG. stellen 'aufstellen, feststellen' : Skt sthirds
fest, straff, hart', Gk. crepeöc 'hart, fest', rnipiZuj 'richte auf,
stütze fest', OHG. starin 'starren', starren 'hervorstehen, ragen*.
— Lat. stüus : Lith. stjrau 'stehe steif und lümmelhaft da'. —
Gk. ctiXt] Tropfen' : Lat. stlria 'frozen drop'. — Gk. cröXoc 'Säule' :
craupoc 'Pfahl*, Lat re-stauräre^ Skt sthävard-s 'stehend, fest'. —
OLat stlis 'Streit, Zank' : OHG. strU 'Streif. — Gk. cicöXov 'Haut',
CKuXoui 'verhülle', ON. skufl 'Schirmdach', OFries. skül 'Versteck' :
ON. skurm 'Schale, Rinde', Lith. dcürä 'Rinde, Leder', OHG. scür
'Schutz, Wetterdach', sciura 'Scheuer', Lat obscürm. — ON. sküia
'spalten, scheiden', Lith. skeliü 'spalte', skdlä 'Holzspan', Gk.
ocdXXuj 'scharre, hacke' : Lith. skiriü 'trenne, scheide', OHG.
xeran 'schneiden, scheren', scerran 'kratzen, scharren'. — OE.
scedlu^ sceolu 'Schar* : OHG. scara 'Heeresabteilung, Schar*. —
Lith. skädeju^ sküdHu "platze, berste, spalte* : shirdeju^ skSrdziu
'platze, bekomme viele feine Risse', Lett skardit 'zerteilen', MHG.
scherze 'abgeschnittenes Stück', schräm 'Bruch, Riß, Spalte',
schremen 'spalten, zerreißen*. — Lith. släüis •Scheibe, Spalte*
(von der Kartoffel etc.), Goth. skildus 'Schild' : OE. sceard, OHG.
scart 'zerhauen, schartig, verwundet', scrintan 'bersten. Risse be-
kommen'. — Lith. sklempiü 'behaue, beschneide, polire', Lat
sctdpo^ sccdpo : OHG. scarbön 'in Stücke schneiden', screvön 'ein-
schneiden'. — Lith. sklypilju 'zerstücke', sklypas 'Lappen, Stück-
chen', OE. tä-difan 'spUt', NE. diver 'splinter', ON. sleif 'Rühr-
löffel' : Lett skripat 'einritzen, kratzen', Lat scriptdum. — ON.
rfÄ«, OE. slitan, OHG. slizan 'schleißen, zerreißen' are supposed
to come from pre-Germ. *sqleido-^ but this is very doubtful, but
cp. Lith. skleidziü 'breite aus' : Goth. dis-skreitan 'zerreißen'. —
lith. sklendziü, sklandaU 'fliege, schwebe' : MHG. scherzen 'hüpfen*,
seharz 'Sprung*. — ON. skialfa 'beben, zittern', skdfa 'schütteln',
OE. scidfan 'shake' : Gk. CK0p7riZ!tJü 'zerstreue, jage auseinander',
ON. skrefa *go or spring with long strides', skrdfask 'zurück-
weichen'. — Gk. cK€X€<pp6c, cxXiiqppöc 'schmächtig' (dTtocKXf^vai
Verdorren*) : Lith. skrebiu 'werde trocken*, ON. skarpr 'einge-
schrumpft, dürr*, MHG. schrimpfen 'sich zusammenziehen^ runzeln*.
166 F. A. Wood,
•Movable m-/
If long lists of rime-words are not siifficient to prove that
synonymy is of itself no proof whatever of the relation of
words and that comparisons made on that basis are utterly
worthless, we will approach the matter from another angle. If
'movable s- is established by synonymy, then we will bring
*movable m-' to its rights in the premises. This also we may
regard as a prefix. When prefixed to words with initial vowel^
it causes no change. An initial fi regularly drops after m-. So
also i in most languages. Prefixed m- before l ot r suffers the
wellknown phonetic change. FoUowing are the examples.
Goth. itan *essen', Gk. döavöv "Speise* : Goth. mats "Speise*.
— Gk. öloc 'Zweig, Ast*, Goth. asts "Ast* : OHG. tnasf "Stange,
Mastbaum', Lat. malus "Mast* from *mazdos. — Gk. dXew "mahle* :
Lat. woto. — Skt. drdati, rddti "fließt, zerfließt*, Gk. dfpöa "Schmutz* :
Lat. merda "Unrat, Kot*. — Gk. dpTOc "hell*, Goth. tin-airkm
"unrein* : lith. mlrgu "flimmere*. — OHG. ero 'Erde*, ON. igrm
"Sand* : Skt maru-ß "Sandöde*. — Lat. armus^ artus : Gk. jidpn
'Hand*. — Gk. dpvuinai "erwerbe* : Lat tnereo. — Gk. oiöoc "Ge-
schwulst*, oibiuj "schwelle* : Skt mSdas "Fett*, tnSdyati 'wird fett*.
— Lat eo^ Ire : iwöo, meäre "gehen, wandeln*, Pol. mijad *prae-
terire*. — Lat imitor "ahme nach' : Gk. |ii|ife|iai "ahme nach*.
— Skt Sjati "bewegt sich* : Lat migro "wandere*. — Lith. eüt
"Reihe*, Gk. iXn "Schar* : Lat mlles. — Skt inöti^ invati 'drängt,
treibt', base ei(n)uo- : Skt mivati "schiebt, drängt, bewegt', Lat
moveo from *m(j)<w-. — Lat ünus : Gk. jiovoc "allein* from *w(i)on-.
— Gk. iXuc "Schmutz* : MHG. tneilen "beschmutzen, beflecken*^
meüe "befleckt, schlecht*, mal "Fleck' from *m(i)el-. — OS. idal
"leer, nichtig', OHG. Ual, MHG. ftd 'leer, ledig, eitel, vergeblich,
etc.* : OS. gimed^ OHG. gimeit "eitel, töricht', Gk. indiaioc "eitel,
nichtig* from *m(i)a^-, base *eiat'. — Lat jaceo "liege* : Skt
myök^ati "sitzt fest, befindet sich*. — Lat ^'ocfo "werfen* : mico
'sich hin- und herbewogen'. — Av. yat- "streben*, Gk. lx\Ti\x}
"suche* : inaieuj "suche* from *m{j)<U'. — OE. wecg, OHG. tcecH
'Keil* : Lat m-ticro "Spitze, Schwert, Pflugschar*, Gk. jioKpwva • töv
öEuv (Hes.) from w{m)oA:- with regulär loss of u after m. —
Goth. uizöyi "schwelgen*, Lat vescor : OE. mos "food*. — Lith.
vaidaü "streite' : Goth. tnaüan 'hauen, schneiden'. — OE. tvänian
"complain, bewail' : manan^ *mänian "complain, moan*. — Lat
Rime-words and Rime-idßas. 167
vitäre : OHG. mfdan 'meiden'. — Ski vdyati 'webt, flicht', väd-s
•gewunden', OE. teißig 'band, bond*, trißße 'withy, bond', är-
icißße 'oar-withe' : micU, miß 'oar-thong; horsös bit*, midlian
'bridle, restrain*. — OHG. winnan 'in heftiger Aufregung sein,
toben, streiten* : Gk. jiaivojiai 'rase', inevoc 'Kraft, Mut, Zorn,
Streben'. — OHG. tcuot 'Wut, Raserei' : Goth. möps 'Zorn, Mut'.
— Skt vdnati 'wünscht, liebf , vdnas 'Lust' : OHG. minna 'Minne*.
— OHG. iconen 'wohnen' : Lat manere. — Goth. wukan 'wachen',
aukan 'wachsen, mehren' : Goth. miWfe, Gk. ^ifac 'groß'. — OE.
icOt 'wet', trcUer^ Goth. tratö, Gk. uöwp, Skt udaiv- 'Wasser*,
undtti, undati 'quillt, benetzt' : Gk. ji-uöoc 'Nässe, Fäulnis', juuöduj
'feucht sein, faulen*, jiööalvuj 'bewässere', Lett. mudet 'weich,
schimmelig werden', Gk. jiaöduj 'zerfließe' from *m-wrf-, Lat
madeo. N otice that this explanation beautif ully (?) combines what
were formerly regarded as three distinct bases ! — ON. vpkr
'feucht*, Gk. vrrpöc 'naß, feucht, geschmeidig* : Norw. mauk 'Flüssig-
keit', ON. mixikr 'sanft, weich', NE. muck 'Kot, Unflat', ON. maka,
ChSl. mazaü 'schmieren'. — Skt. vär 'Wasser*, ON. ver 'Meer' :
Goth. mar^j, Lat mare 'Meer*. — Lat. vagio : mügio. — Skt
väkti 'redet, spricht', Lat voco : Gk. |LiöK(io|Liai, Czech. mukati
'brüllen*, Gk. ^Kdojiai 'blöke, meckere', Skt mahayati 'quackt*.
— Skt vamrd-s 'Ameise' from *mnwef-s, base ^auor-mo-^ Gk.
ßopjiaE : Av. maoirii^ ON. maurr from *m-aur'j ChSL mravij^ Ir.
moirb from ^m-uorw-^ Gk. |li-up|litiH. — Skt vdrpas 'Gestalf , base
*uorp{h) : Gk. jicpcpi^i 'Gestalt' from "^m-uorphä, — Skt vdsä 'Fett,
Schmalz', Av.vanhär 'spinal marrow* : Skt m4s, Lith.»iÄa 'Fleisch*.
— Skt vdncati 'wankt, wackelt' : mankü-^ 'schwankend, schwäch-
lich'. — OHG. trascan 'waschen' : Lith. mcizgöti 'waschen, spülen*,
Lat. mergo^ etc. — Skt t>(üa-s 'Schweif, Schweifhaar' : mdlä 'Kranz*.
— OHG. trerran 'verwirren; hemmen, stören, schaden, verdrießen* :
merren "behindem, stören', OS. merrian 'ärgern; stören, hindern*.
— Goth. weihan 'kämpfen', Lat. vinco : di-mko 'kämpfe'. — Lith.
aunu 'ziehe Fußbekleidung an' : mduju 'streife an, auf, Skt
mavati 'bindet'. — Skt arkä-s 'Strahl, Feuer, Lied', drcati 'strahlt,
lobsingt' : Lith. nUrkiu 'blinzele', Goth. brahw 'Blinken', MHG.
brehen 'leuchten'. — OHG. regan 'Regen' : Lith. mergöt 'sanft
regnen', Gk. ßp^xu) 'benetze, regne'. — Skt rduti 'brüllt, schreit' :
brdmti, Av. tnraoiti 'spricht*, Welsh ctj-frau 'Gesang'. — Skt
rößo-s 'Zorn, Wut*, rö^ti^ ru^ti 'ist unwirsch, zürnt' : MHG.
InUsen 'brausen'. — Lith. rikti 'schneiden', Skt rikhdti 'ritzt' :
168 F. A. Wood,
Lat fricäre "abreiben*. — OX. linr 'weich, nachgiebig' : bUdr
•mild, sanft*. — Lith. Uju 'gieße', lytüs *Eegen* : Skt mriiyoH
'zerfällt, löst sich auf'. — ChSl. lajaii "bellen, schimpfen', Ir.
Itim "klage an* : MHG. blcejen "blöken'. — Skt UmH "strahlt,
glänzt; ertönt' : MHG. blas "Fackel', OE. bUBW "torch, fire', ME.,
NE. blare "roar*. — ON. lyia "klopfen, schlagen' : Goth. Uiggtcan
"bläuen, schlagen'.
New if I were in earnest in claiming a raovable w-, how
could the theory be disproved? It rests on as good evidence
as "movable «-', except whero the latter can be historically
established. If synonymy is admitted in one case, it must be
in the other. But what Siebs has done with *-, and I with m-,
and others with «-, might be done with any sound. For any
theory, however preposterous, a fine array of examples can
be found. Synonymous words are oasily caught and are ready
to prove anything.
Is there a "movable »-'?
That S' dropped from cei^tain words is a wellknown fact
We can hardly doubt that Skt pdgyati is the same as Av.
spasyeäi; and Gk. q)iXo-|i)Li€iör|C shows that c- has fallen from
fieiöduj. In other words s- was no doubt prefixed from analogy
with synonymous words with initial s-. Thus NE. splash seems
to have been formed from ^rfasÄ because of »platter.
But aside from words that can be shown historically to
have lost or added an s-, or in which the correspondences are
so close as to leave no room for doubt, there is not sufficient
evidence to connect forras with and without 8-. For example
OHG. weibön : stveibön *sch weben' are better explained as rime-
words than as the same word under different forms. For there
certainly were bases uei- and suei- from which the paraUel forms
could have come. Compare the following. — Skt tfdyoH "webt,
flicht*, vitd'8 "gewunden*, ChSl. viti "drehen, flechten, winden*,
Lat vitiSj vitneUj etc. : MHG. smmen "sich hin und herbewegen,
schwanken, schweben', sireimen "schweben, schweifen, fahren',
etc. — Skt väyati "wird erschöpft, wird müde*, twyii-^ "matt,
müde', primarily 'sway, falter' : MHG. sxcimdn "schwindeln*, OE.
ä-swämian 'aufhören', ON. mina "nachlassen', OHG. swinan "schwin-
den, welken, bewußtlos werden*. — Skt vydthate "schwankt,
taumelt, geht fehl*, Goth. mßän "schütteln* : Lith. sväiczMi "irre
Rime-words and Rime-ideas. 169
reden, faseln*, waitytia fechten*. — Skt vijäU 'ist in heftiger
Bew^nng, fährt los, eilt davon*, OHÖ. mhhan 'weichen*, tceih
•weich': OEQ. swihkan 'nachlässig werden; im Stiche lassen,
verlassen*, «ufAAön 'schweifen*, MLG.^eoAwi 'weichen, entweichen*,
MH6. stceichm 'ermatten, nachlassen*, Russ. svigat 'sich herum-
treiben', etc. — Gk. elKUi 'weiche*, Lett dki 'sich biegen*, Skt
rfci-^ Trug, Verführung', OE. ioMgan 'afflict; deceive'; ON. suikiOy
s^kua 'täuschen, betrügen*, OHG. binmikhan 'betrügen', etc. These
words with initial 9- belong to those just above. — MHG.
uiekelj iciekdn : MHG. ver-smckdn 'zusammenfalten*, stricken
'hüpfen, tanzen; winden, binden, heften*, NE. swüch. These belong
to the Germ, base suik- 'swing, sway, swerve, etc.* Compare
OHG. stceifan 'schwingen, winden*, ON. sueipa 'wickeln, ein-
wickeln, einhüllen, etc.* MHG. trickdn^ on the other band, seems
to go back to a pre-Germ. ^h- (cf. Lddön, Stud. z. ai. u. vergL
Sprachgesch. 27). — Lith. veiküs 'schnell*, vSka 'Kraft*, ON. veigr
'Stärke' : Lith. svetkas 'gesund*. — OHG. triaga 'Wiege*, MHG.
iceigen 'schwanken*, NHG. Swiss weiggen^ tcaicken 'wackelnd be-
wegen* : OSw. mmgha 'sich neigen*, ON. sueigia 'biegen, beugen*,
Lith. smiginSti 'umherschwanken'. — Lr. fiar 'umgebogen, schief* :
OE. «rfra, ON, suire 'Nacken'.
Similarly parallel forms uex- : sifex- occur : — Skt. vätave,
öium 'weben*, Ötu-ß 'Einschlag eines Gewebes'; Goth. uindan
'winden* : OK sweßd 'bandage*, swaßian 'swathe*, Lith. saucziü
*amgebe, umhülle*. — Goth. iröds 'wütend' : Lith. siaucziü 'tobe,
wüte*. — Goth. icatö 'Wasser*, OE. icät 'wet* : MHG. swäz 'Aus-
guß, Schmutz', Skt sAdorft 'Schlamm, Schmutz*. — Skt vadh-
'schlagen, töten* : svddhüi-^ 'Hackmesser, Axt, Beil', ON. suedia
large knife*, suedia 'cut to pieces', MLG. sirade 'Sense*. — OE.
tcafian 'wave, brandish*, ON. txifa 'vibrate*, vafra 'waver, flutter*,
Skt txfpa/j 'wirft, streut* : NSl. svepati 'wanken*, ChSl. svepiti
*agitare*, Lith. tupu 'schaukele*. — Lith. vingis 'Bogen, Krümmung*,
OHG. trinkan 'sich seitwärts bewegen, schwanken, nicken, winken',
ufankön 'wanken' : MHG. sivanken 'schwanken*, swenken 'schwingen,
schwenken, eta* — Lat vaciUo^ Skt vdncati 'wankt, wackelt*,
vactfäie 'schwingt sich, fliegt' : sfmhc{a») 'sich leicht wendend,
gewandt*, OHG. sWn^an 'schwingen', ChSl. sukati 'drehen, spinnen*.
— OHG. tcaUan 'wdlen, aufwallen, wogen* : siceUan 'schwellen*.
— OHG. tcelc feucht, milde, lau, welk', tcelken 'welken* : swdcken
'welk werden oder sein*, MHG. sweic 'welk, dürr*. — NE. %oüt
170 F. A. Wood,
•(ver) welken, hinwelken* : OHG. Bwdzan *sich auflösen, hin-
schmachten', Goth. stcilian 'hinsterben'. — OS. tcänam 'glänzend*.
Gk. f|v-ov|i funkelnd* : Av. xwm- 'glänzen, klirren', Goth. sunna
'Sonne*. — OHG. winnan 'wüten, toben, heulen, etc.' : Skt
svdnati 'tönt, schallt', Lat sono, — MHG. tvehen 'blinken, strahlen',
uwhe, OHG. wähi 'glänzend, schön, schmuck* : OS. stvigli^ OB.
8ir£gle 'bright, beaming', sicegl 'sky, sun*. — Skt vdr 'Wasser',
Gk. oupov, Lat ürina^ Ir. feraim 'gieße*, OX. ver 'Meer*, ür
'Feuchtigkeit, feiner Regen' : ON. sür-eygr 'tiefäugig', saurr
feuchte Erde, Schmutz*. — Gk. etpw 'sage', Lat ver-bum etc. :
Skt »vdrati 'tönt', ON. suara 'antworten', Goth. 8waran 'schwören'.
— Lat ver-mis^ Goth. waurms 'Wurm', Lith. veriü 'mache auf
und zu', virvi 'Strick', etc., base uer- 'tum, twist* : Lith. svirtts
'schwebend, schwankend, baumelnd*, sveriü *wäge', etc. — Goth.
icraiön 'wandern*, Gk. ^oöaviluj 'spinne', ^aöaviluj 'schwinge' :
Lith. sverdu 'schwanke'. — Lith. verpiü 'spinne', virpiu 'zittere',
Alb. vrap 'schneller Gang, Lauf, Gk. ^otttj 'Wendepunkt, Aus-
schlag', {yifiuj 'schwanke, neige mich' : OHG. swerban 'schnell
hin und her fahren, schwirbeln, wirbeln, abwischen', OFries.
Bicerva 'wandern, herumschweifen', Goth. bisimirban 'bewischen'.
These are rime-words, not identical bases with and without s-.
Other rime-words occur here : Goth. hivairban 'wandeln', OHG.
hwerban^ hiverfan 'sich wenden', xcirbü 'Wirbel', Gk. KapTraXiinoc
'schnell', base querp- : Skt tfprd-s 'unruhig, hastig', Lat. trepiduSj
trepit 'vertit', Gk. tpeTTui 'drehe, wende' : Skt dräpayati 'macht
laufen', Gk. öpcfTttüv 'Ausreißer'.
In this way examples of synonymous words with and
without 8' might be multiplied almost at pleasure. But they
can not be used as evidence of a 'movable s-\ At most they
can be regarded only as rime-words, and even that is often
doubtful. For parallel forms might arise entirely by accident,
and in most cases it is impossible to decide whether the pa-
rallel forms are real or accidental rime-words.
We may therefore draw the following conclusions: L
We may safely assume the loss or addition of initial s- only
when the assumption is supported by historical evidence. 2.
Even in those languages in which initial s- is, in certain po-
sitions, lost phonetically we can not always take it for granted
that it has been lost For example, we can not safely compare
Lat Ifmm 'slime, mud' with OE. dfm 'slime', since it may equally
K. Brügmann, Die Anomalien i. d. Flexion von griech. T^vi^, etc. 17i
well go with OE. lim lime, sticky substance*. 3. Such word»
as 0£. lim : dim are to be regarded in most cases as rime-
words rather than as identical words with and without s-. 4»
Real rime-words C5an not always be distinguished from accidental
parellel forms. 5. It is quite probable that a number of worda
added or lost initial s- from analogy, but there are very few
words of which this C5an be safely asserted. 6. There is no evi-
dence for a 'movable s- aside from the cases enumerated above^
and no evidence whatever for an «-prefix.
University of Chicago. Francis A. Wood.
Die AnomaUen In der Flexion yon griech. T^vrj, armen, kin D /
nnd altnord. kona. / ^^^
1. l'
Der gemeinidg. Name für das Weib, der ä-Stamm ai. gnä-^
arm. Wn, griech. Ti^vi^i, air. ien, preuß. genna aksl. iena und der
w-Stamm got jfnö anord. hma^ hat in vier Sprachzweigen eine
unregelmäßige Deklination, und zwar steht die Anomalie in
jedem von diesen Sprachgebieten vereinzelt da, kein anderes
Nomen desselben Sprachgebiets teilt sie. Es handelt sich um
folgende Tatsachen.
1. Griech. Tuvri T^vaiKOC -ami -oiKa Y^vai, -aTxec -aiKUJV
-ai£i -aiKac. Dazu, mit anderer Lautung der Wurzelsilbe, böot^
ßavd, Akk. Hur. (bei Hesych) ßavf^xac (mit n aus ai).
2. Armenisch ün, Instr. Sing, (in der Bibel) hnav^ ver-
mutlich aus *kina'V = *fffenä'bhi^) (lautgesetzlich wäre auch
*gKnä-6Äi möglich), Gen. Plur. kana-f (dazu kana(n * weiblich^
weibisch*) und kanan-f, Instr. Plur. kanam-bR (der gleichartige
Instr. Sing, nur in der Ableitung kanambA *Ehemann'), Nom.
Plur. kanairlt^ Akk. Plur. kanai-s, Gen. Dat. Lok. Sing, knoj^),
3. Altnordisch kona hat im Gen. Plur. nicht nur i/^mw =
^.r'
1) Das Sternchen vor den Formen gebrauche ich nach dem Vor-
schlag von E. Hermann KZ. 41, 62 f. in dem Sinne, daß keine *Rekon-
struktion*, sondern nur eine Tormer gemeint ist.
2) Ober dieses knof, das die Fragen, welche uns unten beschäftigen
werden, nicht berührt, mag gleich hier folgendes bemerkt sein. Es ist
vermntlich aus *kinof entstanden und zeigt dasselbe Bildungseiement wie
172 R. Brngmann,
^kuenan-dn, sondern auch — ost- und westnordisch — kuinna
= *kuenn'öfi, eine durch das i der ersten Wortsilbe als urger-
manisch sich erweisende Form (Noreen Altisl. u. altnorw. Gramm.
S. 86, Pauls Grundr. 1», 615, Bethge in Dieters Laut- u. For-
menl. 626).
4. Irisch Jen, Gen. Plur. ban n- (dazu, als vorderes Glied
in Komposita, ban-)^ Sing. Gen. mnä, Dat mnäiy Akk. mnäi n-.
Dies repräsentiert eine Ablautverschiedenheit *gw»- : ^ginfn- *gyfi-,
und innerhalb der Deklination der ä-Stämme wechseln sonst bei
keinem andern Wort, weder im Keltischen, noch, meines Wissens,
in einer andern idg. Sprache, Voll- und Schwundstufe der Wurzel-
silbe^). Wozu, damit kein Mißverständnis entstehe, zu bemerken
ist: zwar erscheint auch im Altnordischen ein solcher Wechsel
der Ablautstufe in unserm Worte, nämlich Gen. Plur. kuenna^
kuintM neben Nom. Sing, kona (kuna) usw., aber hier handelt es
sich nicht um einen (germ.) o-Stamm, sondern, wie auch in allen
Utvof Lok. zu teti, Gen. tefvoy^ 'Ort', tv^nj-ean Gen. Dat. zu tiv 'Tag*,
ge(f Gen. Dat. zu geut 'Dorf, i met\f Abi. zu meJt 'wir*, f j0f\fAJb\. zu duJt
'ihr*. S. Hübschmann Armen. Stud. 1, 88, Torp Beitr. zur Lehre von den
geschlechtl. Pron., Christiania 1888, S. 32, Verf. Grundr. 2*, 815, Pedersen
KZ. 38, 223 f. 226. Über die Herkunft dieses / ist noch nichts Glaub-
würdiges ermittelt. Pedersen vermutet Entstehung aus ♦-g*Ä# und ver-
gleicht ai. kärhi und griech. iröOi; ich halte aber diese Zurückführung
von ai. -hi und griech. -9i auf ^-g^hi für unrichtig (Kurze vergl. Gramm.
% 680. 583. 848). Eher ließe sich wohl an ^-dhi denken, das Fonnan«
von ai. d-dhi griech. irö-Gi oöpavö-9i osk. pu-f (s. a. a. 0.). Dann müßte
-/ aus antesonantischem ^-dhi d. h. aus ^-ähf entstanden sein und sich von
da aus verallgemeinert haben, ^-dhi hätte sich vor allem vor dem zum
Ablativformans gewordenen Wort e eingestellt : z. B. Abi. i teivoj-i auf
Grund des Lok. t tetvoj (über diese Entwicklung der Ablativform auf -e
s. Pedersen a. a. 0.). Ist das richtig, so hat in knqf Übertragung des Aus-
gangs -qf von den o-Stämmen her stattgefunden, womit die zu 5-Stämmen
gehörigen griech. ^cxapöeev, t>^Z6Qev, 'Ecriaiöecv u. dgl. (Kühner-Blass
Ausf. Gramm. 2, 309) zu vergleichen wären. Aber man muß auch darauf
gefaßt sein, daß -/, ähnlich wie das -f des Gen. Plur., ursprünglich ein
Stammformantisches Element gewesen ist (vgl. -oj in orqf, aloj^ Lidto
Armen. Stud. 23 ff.). — Über die weitere Verbreitung des Ausgangs -oJ
von knoj aus auf Verwandtschaftswörter im neueren Armenisch handelt
Meillet M^m. 11, 18f.
1) Auch der Akzent behält bei den ä-Stämmen in den Sprachen,
wo am ehesten altüberkommener Akzentwechsel erwartet werden könnte,
im Indischen, im Griechischen und im Germanischen, durch alle Kasus
hindurch regelmäßig dieselbe Stelle (Hirt Der idg. Akzent 251 ff.). Die
baltisch-slavischen Akzentverhältnisse kommen hier nicht in Betracht.
Die Anomalien i. d. Flexion von griech. T^vi^, arm. Kit u. altnord. kana, 17S
andern gormanischen Dialekten, um einen ön^Stamm (vgl got
Jim, ahd. quena^ ags. ewene). Der Wechsel ben : mnä läßt ver-
muten, daß bei unserm Wort im Keltischen ursprünglich ver-
schiedenartige Stämme mit verschiedener Wurzelstufe zu einem
Paradigma vereinigt waren, etwa nach Art von Bi.pdnthäsipathdi
pathib/ufj und daß später die eine von diesen Stammbildungen,
die ö^Elexion, durch alle Kasus durchgeführt worden ist
Es ist nun von vornherein wahrscheinlich, daß unser Wort
schon in der Zeit der idg. Urgemeinschaft in seiner Flexions-
weise nicht in dem Sinne etwas Einfaches war, wie sich uns
z. B. die Wörter ai. ähä lat equa lit aszvä oder ai. bhujä griech.
qpuTH lat fuga in den verschiedenen Sprachen jedesmal als ein
einheitliches System von Kasusbildungen darstellen. Und sollte
vielleicht auch der ö^ Stamm schon in voreinzelsprachlicher Zeit
keinem der damals vorhandenen Kasus und Numeri fremd ge-
wesen sein, so müßte es doch wohl auch schon damals, sei es
auf dem ganzen uridg. Gebiet, sei es in einem Teile desselben,
in diesem oder jenem Kasus oder in dieser oder jener Kasus-
gruppe gleichwertige oder fast gleichwertige Formen mit anderer
Stammbildung gegeben haben, die zu einer Abundanz der Dekli-
nation unseres Wortes führen konnten. Jedenfalls fordern die
angeführten Anomalien in vier Sprachzweigen dazu auf, zuzu-
sehen, ob nicht zwischen ihnen allen oder wenigstens
zwischen einem Teil von ihnen ein vorhistorischer Zu-
sammenhang gewesen ist, so daß nicht jede Anomalie
erst in der betreffenden Einzelsprache neu aufge*
kommen wäre.
Ehe wir uns aber dieser Aufgabe zuwenden, sind noch
einige Vorfragen zu erörtern.
2.
Bezüglich der Wurzelstufe stellen sich die Formen ann. Wn,
ir. ben zu aksl. J^ena (russ. ^end serb. i^nd), preuß. genna, ferner
die Formen att. r^vi^ dor. Tuvflf, böot. ßavd, ir. mnä zu ai. gnä-
gthav. ^nä' jgav. y^nä- ynä-. Daß t^vri Schwundstufe enthält,
scheint mir sicher, wenn auch eine einleuchtende Erklärung für
diese auffallende Lautung und die vermutlich mit ihr gleich-
artige Lautung kukXoc (zu ai. cakrd- usw.) bis jetzt nicht ge-
funden ist (vgl. Mansion Les gutturales grecques 49 ff., Hatzi-
dakis 'AKabT^iüi. dvorvujciüi. 1, 266 f. 2, 212, Ribezzo II problema
capitale delle gutturali indoeur., Napoli 1905v S. 4^, 1%^ ^ffiaft.
170 F. A. Wood,
*(veT) welken, hinwelken* : OHG. Btodzan *sich auflösen, hin-
schmachten', Goth. stcütan 'hinsterben*. — OS. wänam 'glänzend*.
Gk. f|v-ov|i funkelnd' : Av. x^in- 'glänzen, klirren*, Goth. sunna
'Sonne*. — OHG. winnan 'wüten, toben, heulen, etc.' : Ski
svdnati 'tönt, schallt', Lat sano. — MHG. i4?ehen 'blinken, strahlen*,
UKBhe, OHG. wähi 'glänzend, schön, schmuck* : OS. sivigli^ OE.
steegle 'bright, beaming', siregl 'sky, sun*. — Skt vär 'Wasser',
Gk. oupov, Lat ürina^ Ir. feraim 'gieße*, ON. ver 'Meer*, ür
'Feuchtigkeit, feiner Regen* : ON. sur^ygr 'tiefäugig', saurr
feuchte Erde, Schmutz*. — Gk. etpuj 'sage*, Lat ver-hum eta :
Skt svdrati 'tönt*, ON. suara 'antworten*, Goth. 8waran 'schwören*.
— Lat ver-mis^ Goth. waurms 'Wurm*, Lith. vertu 'mache auf
und zu*, virvi 'Strick*, etc., base fier- 'tum, twist* : Lith. svirtis
'schwebend, schwankend, baumelnd*, sveriü *wäge*, etc. — Goth.
wraiön 'wandern*, Gk. ^ohavxhx) 'spinne*, (iaöavi2[uj 'schwinge' :
Lith. sverdu 'schwanke'. — Lith. verpiü 'spinne', virpiu 'zittere',
Alb. vrap 'schneller Gang, Lauf, Gk. {)owf\ 'Wendepunkt, Aus-
schlag', ^4ttuj 'schwanke, neige mich' : OHG. swerban 'schnell
hin und her fahren, schwirbeln, wirbeln, abwischen', OFries.
Sicerva 'wandern, herumschweifen*, Goth. bistcairban 'bewischen*.
These are rime-words, not identical bases with and without s-.
Other rime-words occur here : Goth. htmirban 'wandeln*, OHG.
htverban^ hieerfan 'sich wenden*, irirbü 'Wirbel*, Gk. KapTrdXi^oc
'schnell*, base querp- : Skt tiprä-s 'unruhig, hastig*, Lat. trepidus^
trepit 'vertit', Gk. TpeTtui 'drehe, wende' : Skt dräpayati 'macht
laufen', Gk. öpdTTujv 'Ausreißer*.
In this way examples of synonymous words with and
without B- might be multiplied almost at pleasure. But they
can not be used as evidence of a 'movable «-*. At most they
can be regarded only as rime-words, and even that is often
doubtful. For parallel forms might arise entirely by accident,
and in most cases it is impossible to decide whether the pa-
rallel forms are real or accidental rime-words.
We may therefore draw the following conclusions: L
We may safely assume the loss or addition of initial s- only
when the assumption is supported by historical evidence. 2.
Even in those languages in which initial s- is, in certain po-
sitions, lost phonetically we can not always take it for granted
that it has been lost For example, we can not safely compare
Lat Umu9 'slime, mud* with OE. dlm 'slime*, since it may equally
K. Brugmann, Die Anomalien i. d. Flexion von griech. T^vi^, etc. 17i
well go with OE. lim lime, sticky substance*. 3. Such words
as 0£. lim : dim are to be regarded in most cases as rime-
words rather than as identical words with and without s-. 4*
Real rime-words can not always be distinguished from accidental
parellel forms. 5. It is quite probable that a number of worda
added or lost initial s- from analogy, but there are very few
words of which this can be safely asserted. 6. There is no evi«
dence for a *movable s- aside from the cases enumerated above^
and no evidence whatever for an s-prefix.
University of Chicago. Francis A. Wood.
Die Anomalien in der Flexion yon griech. r^vii, armen, kin
nnd altnord. kona.
Der gemeinidg. Name für das Weib, der ä-Stamm ai. gnä-j
arm. kin, griech. T^vri, air. Jen, preuß. genna aksl. zena und der
n-Stamm got qinö anord. kona, hat in vier Sprachzweigen eine
unregelmäßige Deklination, und zwar steht die Anomalie in
jedem von diesen Sprachgebieten vereinzelt da, kein andere»
Nomen desselben Sprachgebiets teilt sie. Es handelt sich um
folgende Tatsachen.
1. Griech. Tuvri TuvaiKoc -aixi -oiKa Y^vai, -akec -aiKiöv
-ai£i -aiKac Dazu, mit anderer Lautung der Wurzelsilbe, böot*
ßavd, Akk. Plur. (bei Hesych) ßavf^xac (mit x] aus ai).
2. Armenisch kin, Instr. Sing, (in der Bibel) knav, ver-
mutlich aus *kina-v = *ßffenä-bhi^) (lautgesetzlich wäre auch
*fffnä-4>hi möglich). Gen. Plur. kana-p (dazu kana(n * weiblich^
weibisch*) und kcman-f, Instr. Plur. kanam-bH (der gleichartige
Instr. Sing, nur in der Ableitung kanamb-i •Ehemann*), Nom.
Plur. kanai-R, Akk. Plur. kanai-s, Gen. Dat Lok. Sing, knop),
3. Altnordisch kona hat im Gen. Plur. nicht nur Ä^w^ttwa =
1) Das Sternchen vor den Fonnen gebrauche ich nach dem Vor-
schlag von E. Hermann KZ. 41, 62 f. in dem Sinne, daß keine 'Rekon-
struktion*, sondern nur eine Tormel* gemeint ist.
2) Ober dieses Arno/, das die Fragen, welche uns unten beschäftigen
werden, nicht berührt, mag gleich hier folgendes bemerkt sein. Es ist
vermutlich aus ^kinof entstanden und zeigt dasselbe Bild\m^«e\Am^Ti\. "«rvA
172 R. Brugmann,
^huenan-ön^ sondern auch — ost- und westnordisch — kuinna
= *kuenn'On^ eine durch das t der ersten Wortsilbe als urger-
manisch sich erweisende Form (Noreen Altisl. u. altnorw. Gramm.
S. 86, Pauls Grundr. 1«, 615, Bethge in Dieters Laut- u. For-
menl. 626).
4. Irisch Jen, Gen. Plur. ban n- (dazu, als vorderes Glied
in Komposita, banr\ Sing. Gen. mwä, Dat mnäi^ Akk. mnäi n-.
Dies repräsentiert eine Ablautverschiedenheit *gw»- : *ffHtip- *gyfi-,
und innerhalb der Deklination der ä-Stämme wechseln sonst bei
keinem andern Wort, weder im Keltischen, noch, meines Wissens,
in einer andern idg. Sprache, Voll- und Schwundstufe der Wurzel-
silbe^). Wozu, damit kein Mißverständnis entstehe, zu bemerken
ist: zwar erscheint auch im Altnordischen ein solcher Wechsel
der Ablautstufe in unserm Worte, nämlich Gen. Plur. kuennoi
kuinna neben Nom. Sing, kofia {kund) usw., aber hier handelt es
sich nicht um einen (germ.) ö-Stamm, sondern, wie auch in allen
tetvof Lok. zu tefiy Gen. tetvoy, *Ort*, tv9nj-ean Gen. Dat. zu tiv 'Tag',
geff Gen. Dat. zu geut 'Dorf, f met^f Abi. zu me^ 'wir*, t j0f\fAJbh zu duJf
"ihr'. S. Hübscbmann Armen. Stud. 1, 88, Torp Beitr. zur Lehre von den
geschlechtl. Pron., Christiania 1888, S. 32, Verf. Grundr. 2*, 815, Pedersen
KZ. 38, 223 f. 226. Über die Herkunft dieses / ist noch nichts Glaub-
würdiges ermittelt. Pedersen vermutet Entstehung aus ♦-g>Ä» und ver-
gleicht ai. kärhi und griecb. iröBi; ich halte aber diese ZurückfOhrung
von ai. -hi und griech. -Bi auf *'g^hi für unrichtig (Kurze vergl. Gramm.
% 580. 583. 848). Eher ließe sich wohl an *'ähi denken, das Formans
von ai. ä-dhi griech. irö-Gi oöpavö-Gi osk. pu-f (s. a. a. 0.). Dann müßte
"J aus antesonantischem ^-dhi d. h. aus *'dhi entstanden sein und sich von
da aus verallgemeinert haben, ^-dhi hätte sich vor allem vor dem ziun
Ablativformans gewordenen Wort e eingestellt : z. B. Abi. t teivoj-i auf
Grund des Lok. i teivoj (über diese Entwicklung der Ablativform auf -e
s. Pedersen a. a. 0.). Ist das richtig, so hat in knoj Übertragung des Aus-
gangs 'Oj von den o-Stämmen her stattgefunden, womit die zu 5-Stämmen
gehörigen griech. ^cxapöGev, {)iZ:de€v, 'EcriaiöBcv u. dgl. (Kühner-Blass
Ausf. Gramm. 2, 309) zu vergleichen wären. Aber man muß auch darauf
gefaßt sein, daß -/, ähnlich wie das -f des Gen. Plur., ursprünglich ein
Stammformantisches Element gewesen ist (vgl. -o/ in oroj, alqf^ Lid6n
Armen. Stud. 23 fr.). — Über die weitere Verbreitung des Ausgangs -o/
von knof aus auf Verwandtschaftswörter im neueren Armenisch handelt
Meület M6m. 11, 18f.
1) Auch der Akzent behält bei den ä-Stämmen in den Sprachen,
wo am ehesten altüberkommener Akzentwechsel erwartet werden könnte,
im Indischen, im Griechischen und im Germanischen, durch alle Kasus
hindurch regelmäßig dieselbe Stelle (Hirt Der idg. Akzent 251 ff.). Die
baltisch-slavischen Akzentverhältnisse kommen hier nicht in Betracht
Die Anomalien i. d. Flexion von griech. T^vi^, arm. kin u. altnord. kona. 17S
andern germanischen Dialekten, um einen ön^Stamm (vgl got
qinä^ ahd. quena^ ags. cwene). Der Wechsel ben : mnä läßt ver-
muten, daß bei unserm Wort im Keltischen ursprünglich ver-
schiedenartige Stämme mit verschiedener Wurzelstufe zu einem
Paradigma vereinigt waren, etwa nach Art von Bi.pdnthäsipathäs
foüiibhii^ und daß später die eine von diesen Stammbilduugen,
die ö-Elexion, durch alle Kasus durchgeführt worden isi
Es ist nun von vornherein wahrscheinlich, daß unser Wort
schon in der Zeit der idg. Urgemeinschaft in seiner Flexions-
weise nicht in dem Sinne etwas Einfaches war, wie sich uns
z. B. die Wörter ai. dhä lat equa lit aszvä oder ai. bhujä griech.
qpumi lat fuga in den verschiedenen Sprachen jedesmal als ein
einheitliches System von Kasusbildungen darstellen. Und sollte
vielleicht auch der ä- Stamm schon in voreinzelsprachlicher Zeit
keinem der damals vorhandenen Kasus und Numeri fremd ge-
wesen sein, so müßte es doch wohl auch schon damals, sei es
auf dem ganzen uridg. Gebiet, sei es in einem Teile desselben,
in diesem oder jenem Kasus oder in dieser oder jener Kasus-
gruppe gleichwertige oder fast gleichwertige Formen mit anderer
Stammbildung gegeben haben, die zu einer Abundanz der Dekli-
nation unseres Wortes führen konnten. Jedenfalls fordern die
angeführten Anomalien in vier Sprachzweigen dazu auf, zuzu-
sehen, ob nicht zwischen ihnen allen oder wenigstens
zwischen einem Teil von ihnen ein vorhistorischer Zu-
sammenhang gewesen ist, so daß nicht jede Anomalie
erst in der betreffenden Einzelsprache neu aufge-
kommen wäre.
Ehe wir uns aber dieser Aufgabe zuwenden, sind noch
einige Vorfragen zu erörtern.
2.
Bezüglich der Wurzelstufe stellen sich die Formen arm. Wn,
ir. len zu aksL Jiena (russ. ^end serb. ih%a\ preuß. genna^ ferner
die Formen att tw^i dor. y^vd, böot. ßavd, ir. mnä zu ai. gnd-
gthav. 5f*fiä- jgav. /nä- ytiä-. Daß fxjyri] Schwundstufe enthält,
scheint mir sicher, wenn auch eine einleuchtende Erklärung für
diese aufiallende Lautung und die vermutlich mit ihr gleich-
artige Lautang kukXoc (zu ai. cakrd- usw.) bis jetzt nicht ge-
funden ist (Tgl. Mansion Les gutturales grecques 49 ff., Hatzi-
dakis ^Kabf]}i. dvorvcüciu. 1, 266 f. 2, 212, Ribezzo II probleraa
capitale delle gutturali indoeur., Napoli 190S, S. 4^. 7%, Bii\.
172 R. Brngmann,
^kuenan-ön^ sondern auch — ost- und westnordisch — kuinna
= *kuenn'ön^ eine durch das i der ersten Wortsilbe als urger-
manisch sich erweisende Form (Noreen Altisl. u. altnorw. Gramm.
S. 86, Pauls Grundr. 1», 615, Bethge in Dieters Laut- u. For-
men!. 626).
4. Irisch Jen, Gen. Plur. ban n- (dazu, als vorderes Glied
in Komposita, ban')^ Sing. Gen. mwä, Dat mnät, Äkk. mnäi n-.
Dies repräsentiert eine Ablautverschiedenheit *gw»- : *ffhfip- *gyn-,
und innerhalb der Deklination der ä-Stämme wechseln sonst bei
keinem andern Wort, weder im Keltischen, noch, meines Wissens,
in einer andern idg. Sprache, Voll- und Schwundstufe der Wurzel-
silbe^). Wozu, damit kein Mißverständnis entstehe, zu bemerken
ist: zwar erscheint auch im Altnordischen ein solcher Wechsel
der Ablautstufe in unserm Worte, nämlich Gen. Plur. ktienna^
kuinna neben Nom. Sing, kona {kuna) usw., aber hier handelt es
sich nicht um einen (germ.) (>-Stamm, sondern, wie auch in allen
tetvoj Lok. zu tefiy Gen. teivoy, 'Ort', tf>9nj'ean Gen. Dat. zu tiv Tag*,
geif Gen. Dat. zu geui 'Dorf, % mih^f Abi. zu fM^ 'wir*, f ^'ei^ Abi zu du^
'ihr*. S. Hübschmann Armen. Stud. 1, 88, Torp Beitr. zur Lehre von den
geschlechtl. Pron., Christiania 1888, S. 32, Verf. Grundr. 2«, 815, Pedersen
KZ. 38, 223 f. 226. Über die Herkunft dieses / ist noch nichts Glaub-
würdiges ermittelt. Pedersen vermutet Entstehung aus ♦-g*W und ver-
gleicht ai. kdrhi und griech. iröOi; ich halte aber diese Zurückführung
von ai. -hi und griech. -6i auf ^-Q^hi für unrichtig (Kurze vergl. Gramm.
% 580. 583. 848). Eher ließe sich wohl an *-dhi denken, das Formans
von ai. ä-dhi griech. irö-Gi oöpavö-Gi osk. pu-f (s. a. a. 0.). Dann müßte
"J aus antesonantischem ^-dhi d. h. aus *'dhi entstanden sein und sich von
da aus verallgemeinert haben, '^-dhj hätte sich vor allem vor dem zum
Ablativformans gewordenen Wort e eingestellt : z. B. Abi. t teivoj-i auf
Grund des Lok. i teivoj (über diese Entwicklung der Ablativform auf -e
s. Pedersen a. a. 0.). Ist das richtig, so hat in knoj Übertragung des Aus-
gangs 'Oj von den o-Stämmen her stattgefunden, womit die zu ä-Stämmen
gehörigen griech. ^cxapöGev, {)iröe€v, 'Ecriaidecv u. dgl. (Kühner-Blaas
Ausf. Gramm. 2, 309) zu vergleichen wären. Aber man muß auch darauf
gefaßt sein, daß -/, ähnlich wie das -p des Gen. Plur., ursprünglich ein
Stammformantisches Element gewesen ist (vgl. -oJ in oroj, älqf^ Lid6n
Armen. Stud. 23 ff.). — Über die weitere Verbreitung des Ausgangs -of
von knoJ aus auf Verwandtschafts Wörter im neueren Armenisch handelt
Meillet M6m. 11, 18f.
1) Auch der Akzent behält bei den ä-Stämmen in den Sprachen,
WO am ehesten altüberkommener Akzentwechsel erwartet werden könnt«,
im Indischen, im Griechischen und im Germanischen, durch alle Kasus
hindurch regelmäßig dieselbe Stelle (Hirt Der idg. Akzent 251 ff.). Die
baltisch-slavischen Akzentverhältnisse kommen hier nicht in Betracht
Die Anomalien i. d. Flexion von griech. Twi^, arm. Kit u. altnord. hana. 17S
andern germanischen Dialekten, um einen ön-Stamm (vgl got
qinä^ ahd. qitena^ ags. ewene). Der Wechsel ben : mnä läßt ver-
muten, daß bei unserm Wort im Keltischen ursprünglich ver-
schiedenartige Stämme mit verschiedener Wurzelstufe zu einem
Paradigma vereinigt waren, etwa nach Art von Bi.pdnthäs:pathd$
pcdhibhi^ und daß später die eine von diesen Stammbilduugen,
die ä-Flexion, durch alle Kasus durchgeführt worden ist
Es ist nun von vornherein wahrscheinlich, daß unser Wort
schon in der Zeit der idg. Urgemeinschaft in seiner Flexions-
weise nicht in dem Sinne etwas Einfaches war, wie sich uns
z. B. die Wörter ai. dhä lat equa lit aszvä oder ai. bhujä griech.
qpuTn lat fuga in den verschiedenen Sprachen jedesmal als ein
einheitliches System von Kasusbildungen darstellen. Und sollte
vielleicht auch der ä- Stamm schon in voreinzelsprachlicher Zeit
keinem der damals vorhandenen Kasus und Numeri fremd ge-
wesen sein, so müßte es doch wohl auch schon damals, sei es
auf dem ganzen uridg. Gebiet, sei es in einem Teile desselben,
in diesem oder jenem Kasus oder in dieser oder jener Kasus-
gruppe gleichwertige oder fast gleichwertige Formen mit anderer
Stammbildung gegeben haben, die zu einer Abundanz der Dekli-
nation unseres Wortes führen konnten. Jedenfalls fordern die
angeführten Anomalien in vier Sprachzweigen dazu auf, zuzu-
sehen, ob nicht zwischen ihnen allen oder wenigstens
zwischen einem Teil von ihnen ein vorhistorischer Zu-
sammenhang gewesen ist, so daß nicht jede Anomalie
erst in der betreffenden Einzelsprache neu aufge-
kommen wäre.
Ehe wir uns aber dieser Aufgabe zuwenden, sind noch
einige Vorfragen zu erörtern.
2.
Bezüglich der Wurzelstufe stellen sich die Formen arm. Wn,
ir. hen zu aksl. :^ena (russ. iend serb. iina\ preuß. genna, ferner
die Formen att r^vi^ dor. juvöi, böot. ßavd, ir. mnä zu ai. gnä-
gthav. jf*fiä- jgav. y^nä- ynä-. Daß Tuvrj Schwundstufe enthält,
scheint mir sicher, wenn auch eine einleuchtende Erklärung für
diese aufiallende Lautung und die vermutlich mit ihr gleich-
artige Lautang tojkXoc (zu ai. cakrd- usw.) bis jetzt nicht ge-
funden ist {rgi. Mansion Les gutturales grecques 49 ff., Hatzi-
dafa's ^^Naörm« dvorvdjciLi. 1, 266 f. 2, 212, Ribezzo II problema
capitale delle gutturali indoeur., Napoli 190S, S. 4^. 1%^ Bii\.
174 K. Brugmann,
IF. Anz. 18, 7, E. Hermann KZ. 41, 51 f.). ^ff^nä- ist im Grie-
chischen vertreten durch juvdoiiai *ich jfreie* nach Osthoffa über-
zeugender Etymologie KZ. 26, 326 (vgl. Verf. Griech. Gramm.*
256); zu dem Einwand, den Hirt Ablaut S. 12 gegen diese Er-
klärung von |üivdo|üiai erhebt, ist auf Mansion a. a. 0. zu verweisen.
Man mag nun fvvf\ mit seinem Anlaut t^-, wenn man
seine etymologische Zugehörigkeit zu ßavdf ir. ben usw. anerkennt,
•deuten wie man will, nach allem, was wir über die idg. Guttural-
reihen bis jetzt wissen, besteht kein Recht, unser allgemeinidg.
Wort mit den auf *^en- weisenden ai. jäna-ti av. zan- arm. ein
griech. TiTvojüiai lat. ffiff^o usw. etymologisch zusammenzubringen,
wie man oft getan hat und wie soeben wieder Fay Am. Joum.
of Phil. 26, 380 tut. Unser Nomen steht in den idg. Sprachen
ziemlich isoliert da : es ist zwar selbst Grundlage für verschiedene
Ableitungen geworden, hat aber neben sich kein wurzelgleiches
primäres Verbum, sondern nur noch ein wurzelgleiches und
gleichbedeutendes Nomen, sd. jäni-f jdni av. Jani-^ dehnstufig av.
Jqni- got qens (vgl. unten § 7 S. 185).
3.
Im Griechischen ist der ä-Stamm im Paradigma einst viel-
leicht in allen Dialekten auf den Nora. Sing, beschränkt gewesen.
Daß die nur in jüngerer Zeit auftretenden Formen y^vtic
fuvri usw. erst damals, im Anschluß an den Nom. Sing., ge-
schaffen worden sind, liegt auf der Hand. S. Kühner-Blass Ausf.
Gramm. 1, 458, Krumbacher KZ. 27, 529 ff., Mayser Gramm, der
griech. Pap. S. 271 § 63, 1 Anm.
Den seit Homer belegten Vok. ^va\ haben Ahrens und
andere zu Tuvrj in der Art in nähere Beziehung gesetzt, daß
sie ihn dem ai. Vokativ der ä-Stämme auf -#, z. B. «Ai^ von
sAtä *Heer*, gleichstellten. Mit Recht aber bemerkt J. Schmidt
KZ. 27, 381, die nächstliegende Erklärung von pjvai, die aus
*TuvaiK, müsse erst widerlegt werden, ehe man an jene Deutung
aus dem Indischen denken dürfe. Neuerdings vermutet freilich
wieder Pedersen KZ. 38, 408, pJvai enthalte den Ausgang von
ai. sSne^ um so eine Möglichkeit der Erklärung des ai von TvvaiKa
YuvaiKi usw. zu gewinnen : diese Kasus sollen nämlich mit ihrem
ai Analogiebildungen nach Tuvai sein. Wir werden aber unten
sehen, daß ywuik- auch ohne die Gleichstellung von Y^vai mit
sine zu verstehen ist
Die Anomalien i. d. Flexion von griech. T^v/j, arm. kin u. altnord. kana, 175
Eher kommt Tuvai-jnavric 'für Weiber schwärmend, weibstoU*,
das nur bei Homer belegt ist (f 39. N 769 Auorapi . . . tuva^"-
fAttvdc), als alter Bestandteil des ä-Paradigmas in Betracht Es stehen
sich zwei Ansichten über diese Zusammensetzung gegenüber:
Nach der einen wäre von *TuvaiK-iiavric auszugehen : gleich-
wie bei aiTToXoc = *aiT-7roXoc, sagt man, sei der Schwund des Ver-
schlußlauts, wie er zunächst nur im wirklichen Wortauslaut laut-
gesetzlich war, auf die Kompositionsfuge übertragen worden (vgl.
IF. 17, 7). Wobei zu beachten ist, daß in diesem Falle nicht, wie
sonst zuweilen bei unregelmäßigen Wortschöpfungen des epischen
Dialekts, Versnot eine Rolle gespielt haben könnte; denn auch
das regelmäßig gebildete T^vaiKOjiavric — das nebst in^vaiKOiiaveuj
und T^vaiKojnavia in nachhomerischer Zeit vorkommt — fügte
sich dem Hexameter. Andere dagegen sehen im Vorderglied von
Tuval-^avr|c einen Lok. Sing, zu x^vri (s. Tccp^inic Td cuvOexa tflc
iXk. tXujcctic Ulf. 155), stellen das Kompositum also in dieselbe
Reihe mit TTuXai-fi^vric, TruXai-juidxoc, Grißai-Tevric, TTuXoi-T€vric,
öboi-TTopoc u. dgl., die sicher einen Lok. Sing, enthalten.
Nun ist klar: existierte das epische, also wohl ionische
Tuval^avr|c bereits damals, als es im Ionischen noch Lokative
auf -ai als lebendige Kasus gab und als in dem Kompositions-
typus 0Tißai-T€vr|C das Vorderglied noch als Lokativ angeschaut
wurde, so hindert nichts, anzunehmen, daß das Vorderglied Tuvai-
der Lok. zu ^yn\ war. T^val-^avric war dann etwa als inx TuvaiKi
|Llalv6^€voc gedacht; auch noch im späteren Altertum wurde der
Sinn dieses Kompositums mit Hilfe von diri verdeutlicht: Hesychius
paraphrasiert im juvaiEi ^alv6^€voc, im T^vaiEi |ül€^TlVtüc. Hier-
nach stammte Yv^val^avr|c aus einer Zeit, wo tuvaiK- noch nicht
alle andern Kasus des ä-Themas neben Nom. Tuvri verdrängt hatte.
In der Tat ist diese letztere Deutung die nächstliegende und
einfachste. Und doch ist kein Verlaß auf sie. Denn man kann
ja auch, von *TuvaiK-|üiavr|C ausgehend, sagen : nachdem dieses zu
Tuvaijuavric geworden war, hat der Umstand, daß durch die laut-
liche Veränderung eine Form von dem Aussehen der Komposita
wie 0nßaiY€vric, 7^uXal^dxoc entsprungen war, die Form T^vai-
ILiaviic noch eine Zeitlang, im epischen Dialekt, vor weiterer Ver-
änderung, vor Verwandlung in TuvalKO^avr|c, geschützt
Nur eine schwache Stütze hat das Vorderglied von in^vai-
jüiavric als alte Kasusform zu T^vn an dem Adjektivum pivaioc.
Dieses ist, wie ir^vai|üiavif)c, ein episches Wort: es erscheint b^v
176 K. Brugmann,
Homer in pivaux buipa = tuvaiKl büjpa 'Geschenke an ein Weib*
•Jt .521. o 247. Dazu gehört noch das attische Substantivum pivaiov
•Weib', öfters mit verächtlichem Beisinn, etwa 'Weibsbild, Weibs-
stück' (Zacher De nominibus Oraecis in aioc 140 f.). Tv'vaioc stellt
sich zu den zahlreichen Adjektiva auf -aioc, wie ßiaioc (ßia),
bfKaioc (5(kti), trOXaioc (ttuXti), judraioc (|üi<iTr|, Adv. iidTriv) und
ciroubaToc (crroubn), dpxaioc (dpxn))*), nnd Grundr. 2*, 121. 1*,
228 f., Griech. Gramm.' 181 habe ich, wie schon andere vor mir,
vermutet, daß diesen Adjektiva alte Kasnsformen auf -äi (-ai)
BUgrunde gelegen haben. Diese Vermutung wird richtig sein.
Aber daraus ist nicht mit Sicherheit die ehemalige reale Existenz
eines Kasus *Tuvai (*Tuvai) zu folgern. Denn es hätte ja das Vor-
handensein des Nom. Sing, tuvt) genügt, um zu ihm nach dem
Verhältnis z. B. von ßiaioc zu ßia ein xuvaioc bilden zu können *).
So ist denn im Griechischen in der Tat nur eine einzige
1) Die Betonung -aioc war ursprünglicher als die Proparorytonierung.
Der Ton rückte, vielleicht nur im attischen Dialekt, auf die drittletzte
Silbe, wenn diese kurz war. S. Vendryes Trait6 d'accentuation grecque
S. 167. 263, M^m. 13, 221 f. Die Akzentuierung dieser Adjektivklasse ist
freilich für viele Fälle nicht mehr mit Sicherheit zu ermitteln. Ich möchte
aber bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, daß der Tonsitz
wohl nicht bloß durch die Quantitätsverhältnisse und den Rhythmus im
Einzelwort bedingt gewesen ist. Denn erstlich scheinen auch bei kurzer
Antepänultima die Formen von mehr als drei Silben die alte Tonstelle
lautgesetzlich beibehalten zu haben: so dTcXaioc, dTopaioc, ^iLiiroXaioc,
^iriiToXaioc, i^icuxaioc, K€(paXaToc, Kopuq>aioc, irop9upaioc, crabiaioc; irpo-
T€paioc, b€UT€paioc, ÖTboaioc. Zweitens ebenso dreisilbige Formen mit
kurzer Antepänultima dann, wenn sie mit Doppelkonsonanz anlauteten:
so bpoimatoc, KXofraToc, Kpuq)aToc, crpoqpaioc, Tpowaioc, Tpoxaioc, cxoXaioc
(hiernach braucht der Akzent von xpixaToc, im Gegensatz zu dem von
T<»vaioc, ßiaioc usw., nicht aus Anlehnung an die Betonung Von bcurcpaioc,
Tcrapraioc usw. erklärt zu werden). Vgl. zu diesen Betonungsverhältnissen
unserer Adjektiva auf -aioc : öimoioc aus öiiioioc neben ircpoioc, Travroioc,
diXXoioc; T^oioc neben alboioc; ^toi|uioc aus 4toi|uioc; ^prunoc aus ^pf^Moc;
Akk. Sing. K^iixa, X^ßrixa, ^x^lTa, ir^xa neben ^pirf^xa, Twimvf^Ta, dpr^jvo,
X€pvf^Ta, ^cOf^xa, ipUf^xa (Vendryes a. a. 0.). — Substantivische Neutra
der Adjektiva auf -aioc wurden unabhängig von diesen Gesetzen pro-
paroxytoniert : Keq>dXaiov, dvöiraiov, irepivaiov (vgl. Meister KZ. 32, 141),
Tpöwaiov, KdXXaiov, ^q>/|ßaiov (cir/|Xaiov dürfte anderer Art sein).
2) Man lehrt meistens, daß zwischen ßiaioc, ciroubaloc imd ß{9,
ciToub/| dasselbe Verhältnis bestehe wie z. B. zwischen boOXcioc und boOXoc,
Xpuc€ioc und xpücöc u. dgl.. und nimmt für diese beiden Adjektivklassen
den gleichen Entwicklungsweg an. In ciroubaioc und in boOXcioc soU
das Adjektivformans -loc, das in rtimioc (tiiii^, ^cxdpioc (^cxdpa) und
jn fnmoc Pnnoc), ftypioc (dypdc) den volcalischen Stammauslaut absorbiert
Die Anomalien i. d. Flexion von griech. irvW|, ann. kin u. altnord. kona. 177
Kasusform, der Nom. Sing. fuvT\ ßavd, mit Sicherheit dem ö-
Thema unseres Wortes zuzuweisen. Freilich will Prellwitz Et
Wtb.* 101 nicht einmal Tuvri als Form des ä-Stamms unbedingt
habe, so angetreten sein, daß dieser erhalten blieb. So neuerdings wieder
Schalze Lat. Eigenn.4d5. Dieser rechnet so : die Doppelheit boOXeioc : boOXioc
stehe der Doppelheit q>iX^ui = ♦q>iX€-jui : dTT^XXui = ♦dTT^X-iui gleich ; da
nun das i-Element im Verbom konsonantische, im Nomen dagegen so-
nantische Funktion habe, sei das nominale -€io- als -cuo-, und entsprechend
sei -aio- als -ano- zu betrachten. Ich muß die Zulässigkeit dieses Analogie-
schlusses bezweifehL Zunächst sind das nominale »-Formans und das
verbale t-Formans keineswegs gleichartige Bildungselemente und haben,
wenn überhaupt einen, nur einen entfernteren etymologischen Zusammen-
hang. Sodann sind zwar *<piX€-tu) (cpiX^) und *Ti|uia-tuj (Ti^dw) und
ebenso boüXioc und riiiiioc sicher allgemeinidg. und uridg. Bildungstypen,
für die nach Schulze den Verba <p\Xiw imd Tifuiduj entsprechenden ad-
jektivischen Formen mit -iio- aber ist ein gleichhohes Alter nicht nach-
zuweisen. Sind diese Adjektiva aber erst in späterer Zeit aufgekommen,
dann kann der Hinweis auf <piX^uj und Ti|uiduj wenig nützen; denn mit
Bücksicht auf diese Verbalformationen sind die Adjektiva gewiß nicht
geschaffen worden. Den Typus boOXcioc sieht Schulze freilich auch in den
lat Namenbildungen auf -EIVS, wie VeneteiuSj Flacceiua, Nöneius ; doch
bleibt diese Namenenduug jedenfalls mehrdeutig. Zuversichtlicher läßt
sich der Typus ciroubaioc nur mit den oskischen Formen wie kerssnaiias
'♦cenariae' (zu kersnä- *cena*) zusammenbringen, und vielleicht stehen
mit den osk. Eigennamen auf -aiiü- noch die altkeltischen wie ^nnati«,
Bedaiua, Vadnaiua (Zeuß-Ebel Gr. C. 29 f.) in historischem Zusammenhang.
Drittens ist mir überhaupt zweifelhaft, ob das € von boOXeioc wirklich
der Stammauslaut von bouXc-, der alten Ablautvariante von bouXo-, ist
Die Adjektiva auf -ctoc bilden ein schwieriges und noch näher zu er-
forschendes Kapitel der griechischen Adjektivbildung, und man braucht
sie am so weniger mit denen auf -aioc zusammenzuspannen, als die Be-
tonungsverhältnisse beiderseits nicht die gleichen sind (vgl. Vendryes
Mem. 13, 222).
Lassen wir also die Formen auf -eioc hier beiseite (zuletzt hat
über sie Jensen KZ. 39, ö87 Fußn. 1 gesprochen), so ist mir jetzt im
Gegensatz zu Grundr. 2«, 1, 194 und zu Gollitz BB. 29, 109 f. lU (vgl.
hierzu Gubler Die Patron, im Alt-Ind., Gott 1903, S. 78 ff.), immer noch
die Deutung der Formen auf -aioc am wahrscheinlichsten, daß sie durch
Antritt von -iio- an einen Kasus der ä-Deklination entstanden sind,
wofür der Lok. (Lok.-Dat.) auf -öt und der Instr. auf -5 in Frage kommen.
An und für sich wäre allerdings möglich, daß ein -aioc = *-acioc (KV€(paio€
zu icv^qKzc, vgl öpaoc zu tö dpoc, 'ApT€toc zu t6 'ApToc) auf ä-Stämme
übergegangen war. Aber die Zahl solcher Adjektiva auf -aioc, neben denen
o-Stämme liegen, wie ciroubaioc, ß(aioc. ist so groß (s. Zacher a. a. Q.
134ir.), daß man nicht ohne Not davon abgehen darf, den Ausgang dieser
Adjektiva an den ö-Stämmen selbst entsprungen sein zu lassen. Die Be-
deoUing sehr vieler von diesen Adjektiva verträgt sich vorzüghch mit
lodogennaniiclie 'Fonchnngen XXIL \^
178 K. Brugmann,
gelten lassen. Er sagt: ''Der Nom. ruvri könnte für *TwvaiK und
im Ablaut zu in^vaiK- stehen". So ohne Kommentar hingestellt,
ist diese Vermutung unverständlich, mir wenigstens, und ich
fühle mich nicht berufen, bei ihr hier zu verweilen. Und auch
nach den Spekulationen von Collitz über die Herkunft der ä-De-
klination der idg. Sprachen BB. 29, 81 ff. bleibt Tuvrj für mich
ein simpler Nom. Sing, eines ä-Stammes auf uridg. -ä.
4.
Eine weitere Vorfrage, die wiederum das Griechische be-
trifft, ist die : wie kommt diese Sprache zu der Betonung tuvaiKoc
dem Lokativ als Bildnngsgrundlage, z. B. dteXaioc (ßoOc ärc^ain bei Homer
das Herdentier im Gegensatz zum Zagtier) s. v. a. *^v äcfiXr} tZiv, in einer
Herde befindlich', oöpaioc *am Schwanz befindlich', irüraioc 'am Steiß
befindlich', iruXaioc (irOXaioc) *am Tor befindlich' (Zacher S. 155), ^TriiroXaioc
'an der Oberfläche befindlich', itciLurratoc 'am fünften Tage, {4y) T^^^^mJ
(/m^pqi)'. Auf ^v €ÖvQ scheint ^veuvaiov 'Bettinlage, Bettzeug' (tt Hö) ebenso
zu beruhen, wie z. B. böot. ^iTiiraTp6q>iov "Vatersname' von ^irl iraTp6q>i
ausgegangen ist. eixaioc schließt sich an ciicQ 'auf gut Glück', ciroubaioc
an ciToubfi 'mit Eifer, im Ernst', i^icuxaioc an i^cwxft 'ruhig' (Zacher S. 186)
an. In ein paar Fällen darf aber auch an Entstehung auf Grund einer
instrumentalischen Form auf -3 gedacht werden : ^aOpaioc zu XdOpfi hom.
XdepT) Adv. 'heimhch', Kpuqpaioc zu dor. Kpucpd att. Kpuq>f^ Adv. 'heimlich'.
Wenn dann später im Gebrauch solcher Adjektiva die lokativische oder
instrumentalische Bedeutung verwischt worden ist, so ist das dieselbe
Erscheinung, wie sie bei den ebenfalls von Kasusformen ausgegangenen
Adjektiva ^di^io-s = ai. divyö-s griech. Moc (vom Lok. divi, AiFi 'im Himmel),
griech. fi^pioc (vom Lok. ♦fiepi fjpi 'in der Frühe'), i^ioc (vom Instr. l-q)i
'mit Kraft') u. a. zu beobachten ist.
Zugunsten dieser Auffassung dürfen i^icuxakepoc neben f)cuxaioc,
cxoXa(T€poc neben cxoXaioc, icaircpoc neben (catoc, lesb. Inschr. biKairaTa
(n. 119, C, 18 Hoffm.) neben biKoioc (Kühner-Blass Ausf. Gramm. 1, 560f.,
G. Meyer Griech. Gramm.' 493) geltend gemacht werden, insofern sie sicher
auf dem Kasus auf -ai (-ät) fußen, so wie iiiuxoiTaToc auf dem Lok. iiuxcT
u. dgl. Und sollte nicht ein gleichartiges *Tvva(-T€poc, zu T^vaioc, Muster
für das seltsame, zunächst dem arkad. dpp^vrepov (xdi pp^vrcpov) ver-
wandte ^pceva(T€poc 'männlich* auf der elischen Inschrift Jahresh. des
österr. arch. Inst, in Wien 1, 197 ff. (Mdxc ^pccvaiT^pav indrc BriXur^pav,
vgl. dazu Danielsson Eranos 3, 135) gewesen sein? Als Kontrastbildung
erinnert ^pccvalrcpoc an frciraiTcpoc, den Komparativ zu it^ttuiv 'mild,
sanft*, da dieser doch wohl nach einem zu xparaiöc gehörigen, ebenfalls
zufällig unbelegten *KpaTa(T€poc (vgl. TCpalrcpoc zu x^paiöc, iroXatrcpoc
zu TToXaiöc) geschaffen worden ist, vgl. ireitair^pa ydp imoipa rf^c TupawCboc
Aesch. Ag. 1365 und die imoipa Kporai/) bei Homer. Gerade bei den Kom-
parationsbildungen kommt Neu- oder Umbildung nach dem Wort für den
gegensätzlichen Begriff öfters vor, s. Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1897 S. 194 ff.
Die Anomalien i. d. Flexion von griech. jwHi, &nn. kin n. altnord. kana, 179
luvaiKi Tuvaka? Warum heißt es nicht TwaiKOC -aki -aka usw.
wie ßpabuTf^TOC -fln -nTO, dvöpuuvoc -ujvi -löva, b€Xq)Tvoc -ivi -iva,
^orfipoc 'f\p\ -f)pa u. dgL? Mit seinem Tonwechsel erinnert unser
Paradigma einerseits an den Tonwechsel in den sinnverwandten
Wörtern dvrip, ^nnip, B\r(dn\p: dv^pa dvbpa : dvöpöc, jiTiT^pa :
fiTiTpöc, OuTOT^pa : OuTorpöc und anderseits an den in einsilbigen
Stämmen, wie Y^ocuKa : T^auKÖc
Man hat angenonmien, die Betonung von juvri sei erst
hinterher mit der von dvrip usw, harmonisch gemacht worden
<so z. B. Eühner-Blass a. a. 0. 1, 458), und das läßt sich, so lange
die Entstehung der Stammform injvaiK- im Unklaren ist, nicht
widerlegen. Aber so lange muß auch mindestens als gleich-
wertig erscheinen die Annahme, für y^vaiK- ßavaiK- sei einmal
*ßvaiK-, jünger *|ivaiK- (vgl. |lvdo^al), gesprochen, damals sei
*ßvaiKa : *ßvaiK6c betont worden, und als darauf der Anlaut der
''ßvaiK-Easus an den des Nom. Sing. T^vdf ßavdf angeglichen
wurde, sei durch diese Neuerung die alte Betonung nicht berührt
worden. Diese letztere Auffassung paßt sogar besser wegen der
Betonung ruvaiEi, wie T^aufi, Gripd usw., im Gegensatz zu dvöpdci,
>iilTpdci usw., man müßte denn behaupten, die letzteren Formen
seien für *dvbpad usw. nach dem Wheelerschen Gesetz aufge-
kommen, und der Anschluß der Betonung der TuvaiK-Kasus an
die Betonung von dvrip usw. sei vor dem Eintritt der Wirk-
samkeit dieses Akzentgesetzes erfolgt Daran, daß die Betonungs-
anomalie von TuvaiKÖc usw. von älterer Einsilbigkeit des Stammes
herrühre, denkt auch Vendryes Trait6 S. 222. Allein ich verstehe
nicht, weshalb er das Wort gerade im Nom. Sing, einsilbig ge-
wesen sein läßt, um von diesem Kasus aus der unregelmäßigen
Akzentuation der andern Kasus beizukommen.
Fragt man nun, welche von den imregelmäßigen, d. h. nicht
der ä-Deklination angehörigen Kasusbildungen in den verschie-
denen idg. Sprachen als im Stammformans übereinstimmend be-
trachtet werden können, so bieten sich dar einerseits die grie-
chischen TuvaiK-Kasus und arm. Jcanat-R kanai-s^ die man schon
öfters in historischen Zusammenhang gebracht hat (so auch ich
im Grundr. 2', 1, 576 Fußn. 1), anderseits die armen. A:an^n-Kasus
und got. qinOn",
Hierauf haben wir jetzt näher einzugehen.
180 K. Brugmann,
6.
Was zunächst tuvoik- und kanai- betrifft, so ist unter den-
jenigen bisherigen Deutungsversuchen, die jede von beiden Stamm-
formen für sich gesondert betrachtet, keiner, der mich überzeugte,
und unter allen Erklärungsversuchen überhaupt ist keiner, der
dem Umstand Rechnung trägt und ihn begreiflich macht, daß
die beiden Stammformen kein vollständiges Paradigma bilden
und mit andern Stammformen in der Weise gruppiert sind, wie
es in der historischen Zeit des Griechischen und des Armenischen
der Fall ist. Unmittelbar einleuchtend ist an den bisherigen Be-
sprechungen von TuvaiK- nur das, daß sein K-Element irgendwie
im Zusammenhang steht mit dem K-Element in Wörtern wie
ß^jiiß"^ -iKoc, dor. KXifH Gen. kXoikoc (SGDI. n. 3325, 110) aus
•icXaFiK-, lat. genetnx, camix oder umbr. cumcu:o^y
S. wegen TuvaiK- u. a. Curtius KZ. 4, 216, Grundz.^ 175. 639.
679, Danielsson Grammatiska anmärkningar 1, 32 f, Wheeler Der
griech. Nominalacc. 18, Kretschmer Einleit 233 f., Prellwitz Et
Wtb.« 101 und über kanai- Pedersen KZ. 39, 398. 419. 466.
Die Verteilung der beiden Stammformen tuvuik- und kanai-
versteht man leicht unter der Voraussetzung, daß sie ursprünglich
einem neutralen Nom. Akk. Sing, angehört haben. Es handelt
sich dann um ein altes Abstraktum ('weibliches Wesen') oder
Kollektivum f Weibervolk, Harem')*), und aus dem Übergang zur
Bedeutung des einzelnen Weibes (vgl. etwa unser tceibsen = mhd.
mbes nam{e\ oder frauemimmer 'Gesamtheit von weiblichen Per-
sonen* und jetzt 'einzelne weibliche Person') wird die Verbindung
mit dem Stamm *gjf^nä-, der schon von früher her das Individuum
bezeichnete, erklärlich.
Im Griechischen wurde dieses *TyvaiK mit Rücksicht auf das
natürliche Geschlecht zum Femininum, vgl. die häufigen ähn-
lichen Übergänge, wie nhd. dial. eine deutsclie fräulein, mhd. ein
offeniu süegiu mp^ kleinruss. Vubru d'ivca moioduju *ich liebe
das junge Mädchen'. Dazu kamen alsdann, neben xuvaiKÖc -aiKi
1) Der Meinung 0. Frankfurters (Über die Epenthese von j (i) F (u)
im Griech., Gott. 1879, S. 21), t^vuiköc sei ein adjektivischer Nom. Sing.
Mask. ♦Yuva-iKÖc gewesen mit dem Formans von qpuciKÖc usw., hat sich
mit Recht niemand angeschlossen.
2) War der Simi ein kollektivischer, so dürfen verglichen werden
die ebenfalls Gutturalformantia aufweisenden Formen wie aisl. feäffttr, got
bröprahans, arm. mardik (Gen. wwrdkan) als Plural zo mard 'Mensch* .
(Verf. Grundr. 2*, 1, 604, Pedersen KZ. 38, 218. 39, 466).
Die Anomalien i. d. Flexion von giiech. TvW|> itrm. kin u. altnord. kona. 181
-cnxuiv -oili^ die geschlechtigen Easnsformen KwaiKa -akec -aiKoc,
während der Nom.-Akk. *Twvai[K] zwar mit Vokativbedeutung,
als pjvat, fortlebte^), in der Nominativfunktion aber dem T^vri
Platz machte. Nur im Gebrauch als Schlußglied von exozeu-
tiischen Komposita, wo man auch maskulinischer Formen be-
notigte, kam es für den Nom. Sing, zu einer Neubildung: d-Tuvat£
(Sopbokl. Athamas fr. 5 D.).
Für diese Art der Überführung eines Neutrums in ge-
schlechtige Deklination vergleiche man lincriwp 'Ersinnung, Be-
ratung, Bat*, das zur Bedeutung *Ersinner usw.* kam und infolge
davon die Kasusformen -uipa -u>p€C erwarb (IF. 19, 212 f., Grundr. 2*,
1, 331 f. 580), lat Venus = ai. Neutr. vdnaSy als Nom. und Vok.
unverändert geblieben, als Akk. aber durch Venerem ersetzt Zwei
gleichartige Fälle ans dem Germanischen ergeben sich aus dem,
was Weyhe PBrBeitr. 31, 71 ff. über die ursprüngliche Flexion
von magd und hdd ermittelt hat; der ags. Nom. Sing, maj war
urgerm. *ma^aßj und der ags. Nom. Akk. Sing, hale urgerm. *h(üip\
diese müssen ursprünglich Neutra gewesen sein; dazu wieder
such geschlechtige Kasus, z. B. got magaps^).
Im Armenischen wurde der Nom. Akk. N. *fffnnaiq (oder
*QiH}näiq) zu *kanai. Für den Abfall des Gutturals im Auslaut
weiß ich zwar keinen andern Beleg (derjenige, den Scheftolowitz
BB. 29, 59 vorbringt, ist höchst unsicher), aber der mehrfach
sicher belegte Schwund von -t (Grundr. 1 *, 900, Meillet Esquisse
33) läßt die Annahme, daß auch uridg. -q abgefallen sei, als
2demlich unbedenklich erscheinen. *kanai war kollektivisch, sei
es, daß dies überhaupt die uridg. Bedeutung dieser Neutralbüdung
war, sei es, daß sie sich erst innerhalb des Armenischen ent-
wickelt hat Da nun in dieser Sprache der Ersatz des Plurals
durch singularische Kolleküva gut bezeugt ist (Pedersen KZ. 39,
466), so kann es nicht auffallen, daß für den Nom. Akk. Sing.
1) Es mag gleich hier darauf hingewiesen sein, daß nach den Laut-
gesetzen TuvaiK- auf *TuvaiK- zuräckführbar ist, und daß nichts im Wege
stehen würde, förs Uridg. ein *s^{v)näig{oy vorauszusetzen. Dann wäre
för den Nom.-Akk. ♦ruväi als die lautgesetzliche Form zu postulieren
(vgl. q)^pr| aas ♦q>€pY)iT, xi^p aus *Kr\pb u. dgl.), und ♦y^vai (tOvqi) hätte
sein ai nach T^voticöc usw. bekommen: vgl. das ion. Neutrum xdpn für
laiotgesetzliches Kdpa = *Kapäcfi (erhalten in ion. att. KapöboK^uj) nach
Kdpnva » »Kapacva (IF. 18, 429).
2) Nentr. waren einst auch *men5t got. mena (vgl. aauil N.) und
*n0pdi ahd. newo (*Schwesterkind*). Näheres hierüber anderswo.
182 K. Brngmann,
*kanai die plnralischen Formen Nom. kanai-H, Akk. kanop^ ein-
getreten sind*).
kanain stimmt, wie man bisher allgemein angenommen hat,
in der Ablantstofe der ersten Silbe zn ßavd Anders jetzt Pedersen
EZ. 39, 419. Ihm ist das a der Anbngssilbe Ton hanaiR kanais
gleichwie aach das a der Anfangssilbe Ton kananf kanambU
kanambi kanani durch Femassimilation aus e hervorgegangen,
so daß diese Formen im Ablaut mit kin zusammengehörten. Zur
Begründung sagt er: **Eine idg. Yokalaltemation ist bei den
EoUektivbildungen *kanay und *kanan und in der Flexion eines
idg. a-Stammes (kanap neben kin) ganz unwahrscheinlich". Aber
wenn man im Irischen nebeneinander mnä tnnäi usw., ban n-
und ben^ im Germanischen aisl. kana kuna und got qinö und
neben aisl. kana (run. Gen. Sing. kunu(B)) die Genitivi Plur. kuenna
und kuinna hat, ist nicht einzusehen, warum solcher Wechsel
im Armenischen ganz unwahrscheinlich sein soll Und wie be-
urteilt Pedersen knav? War das ursprüngliches *kenav, warum
wurde dann nicht auch hier 6 zu a? Hatte es aber die Stufe
uridg. *g¥nä' (ai. gnd- usw.), so ist Yokalaltemation im armen.
Paradigma gar nicht abzuleugnen. Ich bleibe demnach dabei,
daß kan^ in kanaiH und kanais uridg. *gy9W- war.
7.
Gibt man hiemach als wahrscheinlich zu, daß die Stamm-
form Ti^vaiK- aus vorgriechischer Zeit ererbt war, so ergibt sich
die weitere Frage, wie sich *g^(^)ndiq' entwicklungsgeschichtlich
zu *gif{n)nä' verhält Diese Frage wird kaum noch zu beant-
1) Obwohl mir diese AufTassung unserer arm. Formen anter der
Voraussetzung, daß sie wie ifiJvaiK- ein g-Formans gehabt haben, die ein-
fachste zu sein scheint, möchte ich hier doch noch auf eine andere Mög-
lichkeit hinzuweisen nicht unterlassen. Uridg. -q- hinter Vokalen erscheint
im Armenischen teils als Ar, wie in ancuk anjuk 'enge' (= aksl. qzhkb\
teils als /?, wie in oloH, Plur. cioHunlt, 'Schienbein, Bein' (zu lat. lacerius) ;
wie das Verhältnis zwischen k und ff ursprünglich lautgesetzlich geregelt
war, ist noch unklar, s. Lid6n Armen. Stud. 12 (wo auch die ältere Literatur
über die Frage), Scheftelowitz BB. 29, 13f. Es wäre nun denkbar, daß
unser Wort ursprünglich nicht nur g-Kasus, sondern auch go-Kasus gehabt
hat, wie gerade bei den Gutturalformantien vielfach konsonsuitische und
o-Deklination nebeneinander erscheinen : z. B. griech. vifiE : aksl. novak^y
griech. ineipaH : ai. maryakd-a^ lat. ser^ex : ai. aanakd-s, fürs Neutrum vgl.
ai. äaj'k, if^ga-m, griech. öcrpaKOv (Meringer Beitr. zur Gesch. d. idg.
Deklin. 8. 16f., Verf. Grundr. 2«, 1, 809. 608. 510. 681). So könnte der
Die Anomalien i. d. Flexion von griech. t^vi^, arm. hin u. altnord. kona, 183
werten sein. Wenn man sagt, t^vciik- enthalte eine Suffixkom-
bination -ö-iA- oder -ä-iA:-, oder wenn man neben *gif ^wä- eine ^Basis*
*g^nnäi' voraussetzt, so sind das kaum mehr als Umschreibungen
des Tatbestands, keine wirklichen genetischen Deutungen.
Hier muß denn noch das altphrjg. ßovoK erwähnt werden,
welches Abkürzung eines Akk. Sing. ßovoKav mit der Bedeutung
•Weib, Gattin* sein soll, und das man als ein Lehnwort aus dem
Griechischen betrachtet und zunächst mit böot ßavdf ßavriKÖc
zusammenbringt (vgl Ramsay BB. 14, 310, Kretschmer Einleit
2331, Solmsen KZ. 34, 40 ft, Hirt Indogerm. 2, 595). Die Be-
urteilung des Vokalismus der Form oder richtiger der Schreibung
ist so unsicher, daß mit dieser Überlieferung für die Erklärung
des -aiK- von x^vaiK- kaum etwas anzufangen ist, und jedenfalls
ist ßovoK nicht geeignet zu zeigen, daß im Griechischen neben
ßavaiK- ein *ßavaK- gestanden hat.
Von Wichtigkeit wäre es, wenn sich irgendwo in zuver-
lässiger Überlieferung ein anderes Nomen fände, das sich in
formantischer Beziehung dem x^vaiK- an die Seite stellte. Ein
solches Analogon scheint mir Danielsson Grammatiska anmärkn.
1, 32f. in dem Femininum fpaiKec: irap' 'AXKiidvi al toiv *EXXn-
vuiv ^TlT€p€c Ktti TTttpa Zoq)OKX€i iv TTol^€av (Steph. Byz. s. v.,
Hdn. 1, 397, 9) gefunden zu haben. Das Wort ist vermutlich
von dem Mask. fpaiKCc, dem Namen der äolischen Bewohner
von Parion, nicht zu trennen, und dieser Name wiederum nicht
von den fpaiKoi in Epirus, der oropischen Landschaft fpaiKri
und dem böotischen Stadtnamen fpaia (vgl. v. Wilamowitz Oropos
und die Graer, Hermes 21, 91 ff., Kretschmer KZ. 31, 382, Ein-
leit 171, Kossinna Festschrift für Weinhold S. 26ff., Fick BB.
24, 292). Nach Wurzel oder Formans diese Bildungen für un-
griechisch zu halten, liegt kein triftiger Grund vor, und man
bringt sie seit alter Zeit ansprechend mit Tpctia, TpctOc, T^pujv
zusammen.
Das Wortstück Tpcti- von fpaiKec fpaiKoi ist demnach wahr-
scheinlich dieselbe morphologische Einheit wie T^pai- in T€pai-
T€poc -TaToc, T€pai6c (mpaioc, s. Osthoff IF. 19, 240), repaicroc,
Nom. Flur, kanaift ursprünglich Nom. Akk. Sing. Neutr. gewesen sein mit
"i als ^o-Formans: da andere Kasus daneben fehlten und die Form als
Kollektivum pluralische Bedeutung hatte, so erschien sie als ein Nom.
Plur., und nach den Doppelheitcn wie hogis : hogilt^ anjins : anjinR usw.
wurde kanais zu kanaiH hinzugebildet.
18i K. Brn^mann,
vielleicht auch dieselbe wie Tpai- in Tpaia. 1. jepahepoc und
Tcpaiöc wie TraXcarepoc und TroXaiöc (böot. TraXriöc), zu TroXm iraXai-
qpoToc 7raXai-T€vr|c u. a.*). Vgl. ferner Kporraiöc, auf dessen un-
belegten Komparativ *icpaTaiT€poc das begrifflich entgegengesetzte
it€TraiT€poc hindeutet (S. 178), mit KpaTai-TuaXoi, Kparai-Trebov,
Kporai-Xeuuc (daneben ion. Adv. Kdprä); äpai6c att. dpcnoc mit
'Apai-8up€Ti B 571 (*Schmalpf orten*), Name einer argivischen Stadt,
von zweifelhafter Etymologie (s. Sommer Griech. Lautst 114).
2. In fepaicröc (t 177), dem Namen eines Kaps und Hafenorts
von Euböa mit einem Hain und Tempel des Poseidon (Pape-
Benseler Griech. Eigenn. 245, Gruppe Griech. Myth. und Religionsg.
1151) sieht Fick BB. 21, 275 eine besondere Superiativbildung
neben TCpairaTOC, indem er die Bezeichnung des Poseidon als
TrpecßuraToc u 142 vergleicht Vielmehr ist fepaicröc nach TraXaicrrjc
buc-irdXaicToc neben iraXaiiw u. dgl. (J. Schmidt KZ. 27 , 294,
Solmsen KZ. 29, 99) zu beurteilen und schließt sich seinem Sinne
nach an y^pac (vgl. Osthoff IP. 19, 217 ff.) an. Was endlich 3.
Tpoia, ion. Tpain, bei Theokrit fpaia (Homer hat nur den Gen.
TpaiTic, a 438) betrifft, so kann es verschieden beurteilt werden.
Schulze Quaest. ep. 448 setzt *TpaiFa mit ursprünglichem Di-
phthong ai an wegen des bei Homer neben dem einsilbigen tph^c
Tpnö (wozu TPn'^ = att Tpöt aus *TpaF-i) erscheinenden tPHÖc
(auch TPn^c akzentuiert); dieses soll aus *Tpaiu-c hervorgegangen
und ein unmoviertes Femininum *Tpai-u-c sein. Auf TP^lOc tph^c
ist aber, wie ich IF. 9, 372 gezeigt habe, kein Verlaß: wie es
schon bei Hdn. 2, 645, 30 als öir]pTi|ievov Kord touc "luüvac be-
trachtet ist, dürfte es in der Tat durch die sogen. Zerdehnung
(aus TPnöc) für ursprüngliches TPnic in den Homertext gekommen
sein (so jetzt auch Walde Lat et Wtb. 275)«).
Wenngleich sich hiemach mit TPn^c der Ansatz *TpaiFa
mit ursprünglichem ai nicht erhärten läßt, so könnte dieser
Diphthong in Tpaia freilich trotzdem ursprünglich und deshalb
das Tpai- von ypdxa unmittelbar mit dem TP«»- von rpai-K€c
identisch sein: Danielsson erinnert an iiaia neben |uwt, Mnirip.
1) Nach T€paiöc oder iraXaiöc oder nach beiden zugleich ist bn^aiöc,
zu b/|v, gebildet.
2) Hirt rechnet neuerdings (IF. 21, 166) freilich wieder mit TPH^c
als einer feststehenden Größe der griechischen Sprachgeschichte, ohne
meiner Besprechung der Form Erwähnung zu tun. Er will mit tphO^
seine Meinung, daß pS die einzig gesetzmäßige Vertretung von uridg. f
{^^J gewesen seij stützen.
Die Anomalien i. d. Flexion von griech. t^vi^, arm. kin u. altnord. bona. 185
Anderseits steht aber auch nichts im Wege, Tpctia in der Weise
an Ypctöc anzuschließen, daß man es aus *TpaF-ia oder *TpS'^-ia
entstanden sein läßt Zu solchem Tpa^a aus *TpöiFia vgl. eL
q)UTaö€iu) aus *q)UTabTi^Jliw und das entsprechende jutacreiei auf
einem Bleiblättchen aus Dodona (Solmsen Rhein. Mus. 59, 166);
über diesen Lautwandel Verf. Griech. Gramm. ^ 307. 573.
Welcher Art die morphologische Einheit Ttpai- Tpai- neben
Tepfi (Plur.), T^pa-c, T€pa-p6-c usw. ist, d. h. auf Grund wovon
sie zu ihrem i-Element gekommen ist, bleibt ebenso undeutlich
wie die Entstehung von injvai- ßavai- und arm. kanai- neben
ai. gnä' usw. Man kann auch hier nur wiederum auf andere
Wörter hinweisen, die unter ähnlichen Verhältnissen einen ver-
mutlich gleichartigen t- Diphthong enthalten. So z. B. TaXai-
Mevnc TaXai-TTiwpoc xaXai-qppujv neben xeXä-; ^Xaivoi* rd Xa^7Tpuc-
fiara (Hesych), ahd. Meini neben T^Xä-^); aisl. hreinn ags. hrdn
"Renntier' zu Kpioc 'Widder' und zu Kepac (Wiedemann BB. 28,
33 i): got. kraiwor ahd. (A)reb *Leiche*, ags. aisl. hrim 'Reif, Ruß*
neben aksL crivb 'Leib* = *kervb (Walde Lat et Wtb. 145); av.
sinUH^rä' *ein Teü vom Geschirr des mit Pferden bespannten
Wagens* zu al iamyä- 'Stock ; Zapfen, Holznagel, Keil', arm.
sami'R *zwei Hölzer, die durch die beiden Löcher des Joches
gesteckt und unten durch einen Strick zusammengehalten werden*
und zu griech. Kd^aE *Stange, Stock, Pfahl* (Lagercrantz KZ. 34,
396 ff.). Da bei solchen auf einen i-Diphthong auslautenden,
zweisilbigen Basen öfters auch -t-, als schwächste Ablautstufe,
auftritt, so können übrigens auch die »-Stämme ai. jäni-^ av.
jaffU^i = *fffeni'S und ai. -jäni-^ (vgl. Grundr. 2*, 1, 1 69 Fußn. 1,
Meillet M6m. 14, 191 f.) av. jgni-i got qens as. qmn = *gifm-8*)
in der Weise hierher gehören, daß ihr Stammauslaut -i- ur-
sprünglich eine Schwundstufe neben dem Diphthong von juvai-K-
und kanai- war').
1) Beiläufig sei bemerkt, daß dieser Fonnkategorie schwerlich xivai-
hoc anzuschließen ist mit Fick BB. 28, 101, Prellwitz Et. Wtb.* 223. Es
hat vielmehr wohl Anlehnung an aibtbc, aiboiov stattgefunden.
2) *g^eni'8 war vermutlich Erweiterung eines Wurzelnomens *g^en'
nach dem Vorbild von *Q^eni-8. Vgl. Analoges Grundr. 2*, 1, 168.
3) Keinesfalls dürfte man dieses Ablautverhältnis nach J. Schmidt
KZ. 27, 372 und 0. Richter IF. 9, 212 vergleichen mit ved. pathe-Ufhä^
'am Wege stehend' neben pathi-kfi- paihi-bhi^ usw., woneben auch noch
eine Stammgestalt *pafUhäi^ mit Langdiphthong durch pänthOa pdnthäm
(av. pantd pantqm) vertreten sein soll. Denn paike'ffkd- iaV, m*^ ^OdiQtl
186 K. Brugmann,
8.
Die andere Übereinstimmung zweier Sprachzweige in der
Bildung von Kasus auf anderer Grundlage ids der der ä-Dekli-
nation ist der n-Stamm im Armenischen und im Germanischen :
das Armenische hat in einigen Kasus kanan-^ das überdies in
dem KoUektivnm kanani (Gen. kananvoy) 'Erauen* auftritt, und
im Germanischen ist unser Wort durchweg n-Stamm, got qinö
usw. Das hohe Alter dieser w-Deklination im Germanischen wird
besonders durch den aus dem Urgermanischen stammenden ost-
und westnord. Gen. Plur. kuinna (S. 172) verbürgt, dessen Grund-
form *kuennrön in derselben Weise schwache Stammgestalt zeigt
wie aisl. mann-a yxn-a got mann-e aühsn-e abn-e.
Betrachten wir nun diese n-Formen noch etwas näher.
9.
Arm. kanan- vergleicht Meillet M6m. 11, 18, Esquisse 59
mit aran- *Mann* im Instr. Sing, aram-b Plur. aram-bH Gen. Plur.
aran-p neben Nom. Sing, air Plur. Nom. ar-lt Akk. ar-s. Dagegen
sieht Pedersen KZ. 39, 350. 419. 473 f. in aran- ein Analogon
zu den kollektivischen jiran- *Pferde*, ü-aiv- 'Esel, asini*, haur^
an- •Herde' 1).
Beide Gelehrte werden insoweit Recht haben, als es sich
im Grunde um dasselbe n-Formans handelt Doch glaube ich
nicht, daß kanan- an sich KoUektivum gewesen ist wie jian-
usw. Pedersen vermutet für die Bedeutung, die das n-Formans in
ßan- aufweist, unmittelbaren Zusammenhang mit den griechischen
örüichkeitsbenennungen auf -düv -oivoc, wie iTmifav Tferdestall',
baq)vtüv *Lorbeerhain*, und sagt: "in^vaiKuiv 'Wohnzimmer für
Frauen' ist mit arm. kanan- (im Gen. Plur. kanan-f) *Frauen'
parallel*'. Formale Verhältnisse brauchen uns an dieser Verglei-
ch ung mit iTnruJv usw. nicht zu hindern. Denn wenn auch in
einem Teil der Substantiva auf -ujv dieses Formans nicht an
den Stamm des zugrunde liegenden Nomons selbst, sondern an
eine Weiterbildung desselben angetreten erscheint, z. B. xo^Keifav,
pamph. d(v)öpmiiv, kypr. eupaFujv, (vgl. Grundr. 2*, 1, 301 Fußn. 1
Böhllingk-Roth erkannt haben, dem rathe-^fhä- nachgeschafifen, undpätUhOa
pdfUhäm gehören mit dem Stamm pänthän- {pänthäfMm pänthänaSy av.
pantämm pantänO) zusammen, sind also nicht mit rd$^ räm neben räp'€u,
sondern mit k^ds, k^äm neben k^dm-as zu vergleichen.
1) Zu hauran- vgl. Lid^n Armen. Stud. 26 f.
Die Anomalieii i. d. Flexion von griech. T^vi^, ann. kin n. altnord. kona. 187
und aaßer der hier zitierten Idteratur jetzt noch Ehrlich EZ. 40,
355), so ist doch wahrscheinlich, daß nicht alle (bv-Bildungen
von dieser Art waren, sondern ein Teil von ihnen das Formans
von Haus aus unmittelbar hinter dem Grundnomen hatte. Denn
diese BUdungsklasse ist dieselbe wie z. B. aiübv (ai^v) neben ah
aiec aiei lat aevom^ x^^M^v neben x^^V^^ Ormujv neben -8rma (dvd-
Orma), wo nicht daran zu denken ist, daß in -düv ein voraus-
gegangener Vokal durch Kontraktion aufgegangen ist; femer ist
in derselben Richtung beweisend die Klasse der keltischen Orts-
namen auf -M-, wie akelt Äballö (* Apfelpflanzung, -stadt') zu
ir. abhal 'Apfel*, Cvlarö ('Gurkenpflanzung, -stadt*) zu ir. Demin.
ctdarän *Gurke*, womit griechische Ortsnamen wie *AvTpuJv -ujvoc,.
ZiKuiLv -lüvoc zu vergleichen sind (Vendryes M6m. 13, 387 ff.).
Auch darf die Bedeutung nicht hindern. Denn daß die Sub-
stantiva auf -liv zunächst nur kollektivisch oder, wie man viel-
leicht besser sagt, ampliativ gewesen sind, d. h. eine gewisse
Fülle oder Menge des Nominalbegriffs bezeichnet haben, ergibt
sich aus solchen Nomina wie ttuXiIiv *Torbau, großes Eingangs-
tor' zu TTuXn *Tor*, Töq)iüv 'Wirbelwind* zu TOq)oc *Qualm*, aidiv
*Lebenszeitraum, Zeitraum* zu lat aevom^ Gimdiv *Haufe* zu -Gfjjno,
Xei^div ^stürmisches Wetter, Winter* zu x€\\iOL (Pott BB. 8, 37ff.,
Verf. Grundr. 2«, 1, 239. 301). Es läge hiemach also an und
für sich der Vergleichung von kanan- mit TuvaiKUJV nichts im
Wege. Aber es erscheint doch viel natürlicher, kanan- von aran-
im Formans nicht zu trennen, wie man auch got. qinö aisl. kona
im Formans von *manan' (got mannan-) nicht wird trennen wollen,
für das den Mann bezeichnende Wort aber kommt für die alten
Zeiten, mit denen wir es hier zu tun haben, ein dem Begriff
des TuvaiKiiiv entsprechender Begriff schwerlich in Betracht
Ich muß hier mit ein paar Worten auf die germanische
'schwache' Deklination der Substantiva eingehen. Die femininen
Stämme des Germanischen mit -ön- als Sekundärformans, welche
Sachen,Tiere und Menschen bezeichnen, gelten gewöhnlich schlecht-
hin als Neubildungen dieses Sprachzweigs; sie sollen alle einst
ö-Stämme gewesen sein, denen auf germanischem Boden im An-
schluß an maskulinische n-Stämme ihr Stammauslaut -n- zuge-
führt wurde. So gilt allgemein auch qinö Gen. qinäns usw. für
eine gemeingermanische Umbildung des durch aksl. ;^ena usw. ver-
tretenen ö^tanunes. Durch die Erörterungen von Meillet M6m. 13,
250 f. und mir IF. 18, 424 ff. Grundr. 2« 1, 293 f. 305 f. 318 ist
188 K. Brngmann,
«ber jetzt, denk' ich, festgestellt, daß, wie ein Teil von den mask«
und den neutr. n-Stämmen mit e : o-Yokalismus des Stammformans
nnd wie ein Teil von den fem. fn-Stämmen aus vorgennanischer
Zeit überkommen war, auch ein Teil der germ. ön-Stämme als
n-Stämme aus dieser Zeit ererbt war. Freilich hat man meines
Wissens noch kein eine Person bezeichnendes Wort mit -an-
als vorgermanischen öf»-Stamm (oder, was nach den Lautgesetzen
ja auch möglich wäre, als vorgermanischen än-Stamm) ange-
sprochen. Man wird jedoch darauf, auch unter diesen ön-Feminina
das eine oder andere schon vorgermanische Wort mit »-Flexion
zu suchen, durch die Eonsequenz geführt, mit der gerade die
Benennungen von Frauen n-Deklination haben. Es gibt nicht nur
die Doppelheiten wie got. garasmö aisl. granna *N achbarin' : got
garazna aisl. granne 'Nachbar* unter den Personenbenennungen,
sondern ^-Stämme erscheinen als Frauenbezeichnung auch da,
wo ein etymologisch zugehöriges Maskulinum nicht ein n-Stamm
ist, wie got nipjö *Base* : Mask. nipjis^ stmihrö 'Schwiegermutter^:
Mask. ahd. strehur (got Mask. swaihra ist erst dem Fem. stmihrö
nachgebildet worden), ahd. friedila 'Geliebte* : Mask. friudä^ basa
* Vaterschwester* : ndd. JckW, und femer da, wo ein wurzelgleiches
Maskulinum überhaupt fehlt, wie got iciduwO 'Witwe', ahd. muama
*Muhme', snura 'Schwiegertochter*. Diesen letzteren schließt sich
unser got qinö an. Von welchem von diesen ön-Stämmön, die
eine Frau bezeichnen, wäre aber a priori wahrscheinlicher, daß
er die Führung gehabt und für die andern Wörter das Muster
abgegeben hat, als von diesem qinö?
Die uridg. -öw-Stämme hatten von Haus aus ebenso gut
^schwache' Kasus mit -n- -9-, wie die -d^-Stämme, z. B. av. maf^&nr-
zu mar^tän-^ s. Grundr. 2*, 1, 293 f. So ist eine uralte Stamm-
abstufuDg auch die Doppelheit *stinön- : *sunn'', worauf das Femi-
ninum got sunnö ahd. sunna 'Sonne* beruht (IF. 18, 423 ff., Grundr.
2*, 1, 303). Ein anderer Fall ist ahd. hefihanna hevianna 'Heb-
amme* nach der einleuchtenden Verknüpfung des Ausgangs -anna
mit dem schw. F. ahd. ana 'Großmutter* (neben Mask. ano) bei
Bezzenberger und Fick BB. 6, 235, v. Holten PBrBeitr. 30, 250 :
-anna stellt ebenso die Vereinigung von *anOn- und ^ann- zu
*annön- dar, wie sunna die von *Bunan- und *sunn^ zu sunnön-.
Von derselben Art ist denn auch jener anord. Gen. Plur. kuinna.
Er muß schon in urgermanischer Zeit bestanden haben und
konnte sich im Nordischen um so leichter behaupten, als hier
Die Anomalien i. d. Flexion ?oa griech. jv^tf], wem. hin u. altnord. hma. 16t
die gelänfige Bildung des Oen. Plur. der ön-Feminina in bezog
auf die Lantung des Stammfonnans nicht mit den andern Kasos
desselben Paradigmas ging, sondern mit dem Gen. Plur. der maak.
und neutr. n-Stämme: kuenna aus ^hmULnön^ im Gegensatz zu
got qinonö ahd. qmnOno. Überdies hatte kuinna seit urgerm. Zeit
eine Stütze an dem gleichartigen Gen. Plur. des begrifflichen
Oppositums mamna.
kanan- und jwiön- stelle ich hiemach, ebenso wie ihre
begrifflichen Opposita aran- und mannan- (für ^manan- nach
wiann-) ^\ zu der uridg. Klasse der ein menschliches Individuum
benennenden Substantiva mit sekundärem n-Formans.
Meist hat sich bei diesen die Ableitung in der Art voll«^
zogen, daS das Individuum auf Grund eines ihm anhaftenden
Merkmals benannt ist So z. B. hat home (hemönem hominem\ got
guma^ lit ^mu •Mensch* (zu lat humus griech. xödiv usw.) *wer
das Merkmal des Irdischen an sich hat, irdische Person', griech.
TdcTpujv 'Bauchmensch, Schlemmer*, oöpaviujv (zu tö oüpdviov)
•Himmlischer*, lat stlo -öh« Tlattnasiger*, ahd. httvo 'Gatte' hfwa
•Gattin* (zu got heitrch •Heim, Haus*), aisl. rüne Treund* rüna
•Preundin* (zu got. rüna F. •Geheimnis*), lit palaidu (zu pa-laida
•Ausschweifung*) •Ausschweifender'; dazu zahlreiche Eigennamen,
wie griech. Zrpdßujv, <t>iXuiv, lat Näso^ Capito^ ahd. Wolfo. Hario.
Das Grundnomen kann aber auch selbst schon Bezeichnung einer
Person sein, wobei denn für die »-Erweiterung semantisch der
Charakter, das Wesen dieser Person die Gnindlage der Benennung
bildete. Von solchen Fällen aus wurde alsdann das ^Formans
mit der Zeit zu einer fast bedeutungslosen Erweiterung von Namen
für menschliche Wesen. So mag z. B. av. mar^tan' •Sterblicher*
mit Rücksicht auf das substantivische Noutnim mar'ta- 'Sterb-
liches, Sterblichkeit' entstanden sein, erschien dann aber weiter-
hin nur noch als rein formale Erweiterung von maf^ta- 'Sterb-
licher*. Hierher gehören also unsere arm. aran-^ kanan- und
got mannan-^ ^tnön-.
Zu aran- und mannan- sind zu vergleichen die von dem
uridg. Wort für den Mann ai. tirfr- griech. dvrjp usw. ausgegangenen
Formen griech. "Avöpujv -uivoc und altital. Nero -(hm (NeromSj
1) Auf dem älteren *tnanan' beruhen noch mana-aeps und mana-
maürprya. Die Komposita wahrten hier ebenso das Altertümlichere wie
2. B. bei Homer vaucf-xXuroc, Navci-Sooc, NauoHcdS gegenüber vriud) der
Seafaüdimg mit r\ sach viiöc usw.
190 K. Brugmann,
quo significatur lingua Sabina forHs ac strenuuSj Suet Tib. 1).
Mit diesen ist aran- auch im Wurzelteil identisch, falls cdr (Plur.
ar-ß) wirklich mit ai. ndr- usw. zu verbinden ist (vgl. Hübsch-
mann Arm. GramnL 1, 417 f., Meillet M6nLll, 181, Esquisse 32. 58,
Scheftelowitz BB. 29, 25, Pedersen KZ. 39, 389).
Solche n-Substantiva, wenn sie auch ganz überwiegend,
namentlich im Griechischen und im Lateinischen, als Maskulina
auftreten, waren ursprünglich generis communis. Die zunehmende
Einschränkung auf das Maskulinum geschah unter dem Einfluß
einer andern KJasse von n-Stämmen, der movierenden Nomina
wie ai. tdkfan- tald^i- griech. t^ktujv x^Kraiva (Grundr. 2», 1, 214),
und teilweise wurde später der ön-Stamm durch Überführung
in die ä-Deklination auch äußerlich als Femininum charakterisiert :
-ujv-r| im Griechischen, -ön-a im Lateinischen (Pott BB. 8, 59f.,
Osthoff Zur Gesch. des schwach, deutsch. Adj. 100. 152), denen
sich lit. zmon-ä ^Frau' neben zmu (und neben Plur. ztndnes) an
die Seite stellt; zu dieser Art der Femininisierung durch Über-
führung in die ä-Deklination vgl. lat. aurör-a neben hom. i^iuc,
ahd. Plur. tohterä für tohter u. dgl. Auf dem ursprünglichen Ge-
brauch auch als Femin. beruhen noch folgende Formen. Ai.
tfö^rir (Nom. Plur. yöfan-a$) *junges, zum Liebesgenuß geeignetes
Weib, Gattin' (Oppositum zu cf^n-), wozu Ehrlich KZ. 41, 285
sehr ansprechend aus dem Lateinischen den Namen der Göttin
der Ehe Jüno -anis und den Monatsnamen Jünius zieht. Die
ursprüngliche Flexion von Jüno war *jtm^ Akk. *jusöfiremj Gen.
*ju3n-e8^ woraus *jün-e8] das jün- von yHn-es wurde in die starken
Kasus übertragen und nach Jünönem dann der Gen. Jünönis usw.
neu gebildet (vgl. S. 188 über got. sunnö). Jünius = *jum-uhs aber
war noch direkt von *jusn' aus geschaffen, wie patr-tths zu
pater^ griech. 1TOl^vlov zu Tioimiv, ai. vfinya-s zu vffan-. Femer
gehörte der Nom. Sing. ai. kanyä av. ka'ne F. *Mädchen' zu der
schwachen Stammform kanin-, war also ein Nom. Sing, wie oupa-
vluiv (Grundr. 2*, 1, 314f.). Im Griech. erscheint xpnpujv Türcht-
ling* (zu rpripöc) als Beiwort des Fem. ir^Xeia. Und so ist es
erlaubt, auch in kanan- (*g^^nfi-) und qinön- einen voreinzel-
sprachlichen fem. n-Stamm zu sehen. Man mag dabei immer-
hin behaupten, daß die die männliche Person bezeichnenden n-
Stämme arm. aran- griech. "Avbpuiv lat. Nero^ got. mannan-^ ai.
vf^^n- u. dgl. früher auf dem Plan gewesen sind als unsere das
Weib bezeichnenden n-Stämme. Aber man darf nicht zuleicht
Die Anomalien i. cL Flexion von griech. tuv/|, arm. kin u. altnord. kona. 191
glaaben, daß man mit der Bildung der letzteren etwas erzeugt
habe, was gegen eine ältere Genusregel verstieß. Diese n-Klasse
umschloß von Haus aus die beiden Geschlechter ebenso, wie
die Klasse der Verwandtschaftswörter auf -r (irarrip, baf\p und
^rrmp? euTdinp).
Wie es gekommen ist, daß im Germanischen die geschlechtigen
Nomina mit -än^ (vorgerm. -ön-) alle dem maskulinischen und
die geschlechtigen Nomina mit -ön- alle dem femininischen Ge-
nus verfielen, ist Grundr. 2*, 332. 334. 2«, 1, 305 ff. 317 f. ge-
zeigt Und habe ich Recht mit der Vermutung, daß qinönr- zu
den vorgerm. w-Stämmen mit -oiv- in den starken Kasus gehört,
so ist diese germanische Scheidung der -ön- und der -ön-Stämme
nach den Geschlechtem jetzt noch ein Teil leichter verständlich.
10.
Ob von dem n-Stamm kanan- qinön- sich auch noch in
andern Sprachzweigen Reste erhalten haben?
Griech. tuvvic -löoc * weibisch* (bei Hesych mit beiXöc,
ävavöpoc, fvvaiKdiöric, ^aXaK6c erklärt), für das Aeschylus bei
Aristoph. Thesm. 136 der älteste Zeuge ist, ist mit seinem vv
den Formen verglichen worden, die eine auf Affektaussprache
beruhende Konsonantengemination aufweisen, wie z. B. mBri
(neben Ti6r|VTi), OiXXioc (Kühner-Blass Ausf. Gramm. 1, 2, 281,
Solmsen Rhein. Mus. 56, 503, Verf. Grundr. 2«, 1, 44f.). Dieser
Deutung tritt jetzt, denk' ich, als mindestens gleichwertig die an
die Seite, daß tuvvic den zu *twvujv gehörigen schwachen Stamm
Tuw- hatte und sich zu *twvujv wie T^crpic (-iboc) Mickbäuchig,
gefräßig' zu T«CTr|P, öpvic zu goi ara (aran-) verhielt^).
Aus dem Slavischen kommt der Gen. Sing, ieny in Frage.
Der bekannte Gedanke von Scherer, daß die Form des Gen. Sing.
iöfiy, 2mij§ der Nom. Akk. Plur. sei, dem man die Funktion des
Gen. Sing, zuerteilt habe infolge der Gleichheit des ursprünglichen
Ausgangs dieses Kasus *-äs mit den Ausgang jener Pluralkasus,
ist, obwohl längst von Leskien widerlegt (Die Dekl. im Slav.-Lit.
u. Germ. 421), neuerdings wieder gutgeheißen worden von Lja-
punov, ist aber auch schon wieder durch Jagiß Arch. f. slav.
1) Ist unsere Auffassung von ahd. hevianna' Hebamme* S. 188 richtig,
so fragt es sich, ob nicht auch griech. dvv(c 'Großmutter' die schwache
Form eines »-Stammes, nämlich die Stammform *ann- neben ^anön- (ahd.
Mask. ano, Fem. ana\ enthält.
192 K. Brugmann,
Phil. 28, 124 gebührend zurückgewiesen worden. Wie diese
Deutung von ieny, zmijf verfehlt ist, so halte ich auch für un-
richtig, was neuerdings Vondrik BB. 29, 218f. über diesen
Genitiv sagt; auf das Einzelne, was dieser Gelehrte vorbringt,
einzugehen, ist hier nicht der Ort
Haltbar ist nur eine solche Auffassung dieses Genitivs,
welche Einmischung der Genitivforni von n-Stämmen annimmt,
wobei es gleichgiltig ist, wie man sich zu den russ. westslav. Geni-
tiven auf -i stellt Zuerst hat es Friedr. Müller Revue lingui-
stique 4, 264 ausgesprochen, daß der Gen. vhdovy mit dem got
Gen. tvidutcöna zusammengehöre. Dann hat MikkolaBB. 22, 2491
mit Rücksicht auf lit vandu -ehs ai. uddnr usw. den Gen. vody
für einen Überrest der w-Starambildung dieses Wortes erklärt
S. femer Zubaty Üb. gewisse Genitivend. des Lett, Slav. u. Ai.
(aus den Sitzungsber. d. böhm. Ges. d. Wiss. 1897) S. 22, Arch.
1 slav. Phil. 15, 514. Von -y, -f kommt man zunächst auf ^-ons
zurück, das nach den Lautgesetzen ebenso gut ursprüngliches
"^-ons als auch ursprüngliches *-ön8 gewesen sein kann (zur
Vokal Verkürzung vgl. Gen. Sing. Part imcßa = Hmantja^ zu 1,
Plur. ima-rm 'wir haben*). Dies wäre ein Genitiv mit Formans
•^ (nicht -es oder -os), wie ai. dhan^ av. ayqr^ ir. imbe (J. Schmidt
Plur. 100, Bartholomae IF. 1, 178, Verf. Grundr. 2\ 579). FreiUch
kann nicht wrfy, wie Mikkola will, die älteste dieser Genitiv-
formen im Paradigma der ä-Feminina gewesen sein — denn
dieses Wort ist ursprünglich ein Neutrum gewesen — , vielmehr
muß ein alter femininischer n-Stamm die Musterform gewesen
sein. Da kommt man denn, wenn im Germanischen ginön- unter
den Wörtern für weibliche Personen bei der Ausbreitung der n-
Deklination die Führung gehabt hat, leicht auf iwty als älteste
Musterform. Diesem Wort hätten sich also zunächst vbdovcL,
sestra usw. angeschlossen^), wie im Germanischen toiduwän- usw.
nach unserer Vermutung nach qinOn- geschaffen worden sind.
1) Zu der Übertragung einer Kasusendung eines Wortes auf be-
deutungsverwandte Wörter vergleiche man die schon oben S. 172 Fußn.
berührte Übertragung des Ausgangs -oj des Gen. Sing, hnoj 'der Frau' auf
die Verwandtschaftswörter im neueren Armenisch: ftrof, tcUof, aketrof,
nerof^ tirof^ womit Meillet M6m. 11, 19 die ai. Neubildungen des Gen. Sing.
pätyur, adkhyur^ jdnyur vergleicht, und womit sich auch noch hom. uldci
(kret. uidci) nach irarpäa, hom. KpdT€cq)i nach CTyiOcc^i und manches
andere in Parallele setzen läfit.
H. Schröder, Etymologisches. 193
Das Eindringen der Form auf -y, -§ in den Gen. Sing.
der önDeklination und der völlige Untergang des alten Aus-
gangs *-<w (vgl. lit rankos got. gibös usw.) ist, wie schon andere
gesehen haben, dadurch veranlaßt worden, daß nach dem ur-
slavischem Auslautgesetz, wonach -« schwand, der Gen. Sg. mit
dem Nom. Sing, zusammenfiel.
Leipzig. K. Brugmann.
^
^ Etymologisches.
/i
1. apreuß. pde *Weihe*, lit peUkä Tischschwanz.
Bemeker Preuß. Sprache 312 vergleicht zu apreuß. pde
'Weihe': griech. ttgXiöc *grau', TieXioc *sch warzblau*, ireXibvöc
•dunkelfarbig*. Ich stelle (unter Bernekers brieflicher Zustimmung)
apreuß. fde zur idg. Wurzel (s)p{h)d 'spalten*. Der Vogel hat
seinen Namen von seinem gespaltenen, gegabelten Schwanz; vgl.
nbd. gabdweih^ Schweiz, gäbelivogd^ mecklenb. ticälstartmh {tuM
*Gaber), nhd. scherschtranz *falco milvus*. Der Schwanz der
meisten Weihen ist gegabelt und einem Fischschwanz in der
Form sehr ähnlich. Daher gehört zu apreuß. pele *Weihe* auch
lit pdekä Tischschwanz* und wahrscheinlich auch das von Ber-
neker a. a. 0. mit diesem verglichene apreuß. pelekis 'Giebel*.
Genau dieselbe Vorstellung liegt dem germ. Namen des
Vogels zugrunde: nhd. tmihe^ mhd. tcte^ ahd. wto hat nichts mit
irf *jagen* (weide^ umdmann) oder ahd. mho in tcanno-wiho (Kluge
Et Wb.) zu tun, sondern ist zweifellos eine Bildung von der idg.
Wurzel vi *zwei*. Zu deraelben Wurzel gehört auch nhd. getveih^
mhd. gewige^ eigentlich also 'gegabeltes (Gehörn)', vgl. nhd. gabier
Vierjähriger Hirsch*. Vgl. Falk og Torp Et ordb. over det norske
og det danske sprog2, 510 a s.v. l<mvie,
2. apreuß. pide 'Ziemer*.
Das Wort ist unerklärt Ich halte es für entlehnt aus dem
nd. pesd, pcead (mit e^ ce aus i) 'Ziemer, Membrum des Stieres,
Ochsen*, buUenpa^sel 'Ochsenziemer'.
Bemeker schreibt mir dazu: "Sehr wohl möglich; c müßte
dann als z (deutsch) gelesen werden**.
IndogemiaiiifAAe Fonchangen XXIL V^
194 H. Schröder,
3. apreuß. schläit ^sondern; ohne*.
Apreuß. schlau, schklait, sdait 'sondern; ohne', schläüiskan
•insonderheit', schläits 'sondern', schkläits, schläüs 'schlecht' stellt
Bemeker a. a. 0. 318 zu lit. sklaidaü sklaidyti 'zerstreuen', sX:2aMf äs
'zerstreut'. Ich stelle diese Worte (unter Bernekers Zustimmung)
weiter zu gerra. ^dait *dtt in nhd. schleißen, schlitzen usw. aus
*sqläid, *sqlid, wozu vielleicht auch lat. laedo, Bedeutungsent-
wicklung: spalten zu sondern, trennen zu zerstreuen.
4. apreuß. tealis 'Orschyt'.
Apreuß. imlis 'Orschyt' des Elbinger Vokabulars (Bemeker
237 b Nr. 252) ist unerklärt Das Wort steht in einer Gruppe von
Worten, die sämtlich Teile des Pfluges, der Egge oder des
Wagens bezeichnen : Stercz (d. i. Pflugsterz), Reutel, Pflugbom,
Rincke, Orschyt, Selen (d. i. Siele), Deysel (d. i. Deichsel), Egde
(Egge) usw. Das deutsche Wort orschyt ist daher zweifellos nhd.
artscheit, im 15. Jahrh. ortschyt 'Zugstange, woran die Pferde,
Ochsen angesträngt werden'. Apreuß. tcalis, als ursprünglich
*Stange, Stock' stellt sich demnach ganz ungezwungen zu got
UHÜus 'Stock, Stab', anord. vdr, afrs. loalu (in tvalthbera 'Stab-
träger' d. i. 'Pilger'), mnd. wal, nd. (woraus) nhd. wall 'achtzig
Stück geräucherte oder zum Räuchern bestimmte Fische (die
zum Räuchern auf Stangen, Stäbe gesteckt werden)'. Das preuß.
Wort kann aus dem Germ, stammen, aber auch ebensowohl halt
oder slav. sein, vgl. lit ap-toalüs 'rund' zu lit vüti 'walken', aksl.
valiti 'wälzen', ai. valati 'wendet sich, dreht sich'. Vgl. XJhlen-
beck Got et Wb.« 166 b, Falk og Torp Et ordb. over det norske
og det danske sprog s. v. ol 2, 28b. 512 b.
5. apreuß. tvisnaytos 'Kirschen'.
IF. 17, 317 f. habe ich nhd. u?eichsel{kirsche), mhd. uAhsd, ahd.
uAhsda, mnd. wessd-, toisselbere usw. mit griech. i£6c, i£ia, lat
viscus viscum 'Mistel' verbunden (S. jetzt auch Walde Lat et Wb.
8. V. viscum). Zu dieser Sippe stelle ich auch apreuß. wisnaytos
'Kirschen', das nach Bemeker Preuß. Spr. 332 zu lit v^sznia, abg.
viäna gehört Bemeker schreibt mir dazu: "Das lit vysznä mit
Schleifton (!) deutet auf Entlehnung aus dem Slav. Am preuß.
Wort ist das nicht zu entscheiden. Das slav. Wort könnte sehr
wohl urverwandt sein. Das preuß. Wort ist wegen nyszn^ natür-
Jich auch verdächtig".
Etymologisches. 195
6. abg. koza: mnd. schege *Ziege'?
Die meines Wissens zuerst von Zupitza Germ. Gutt 27
gebrachte Zusammenstellung von abg. koza *Z\ege* ykozüü 'bock*
mit mnd. schege *Ziege' scheint allgemein angenommen zu sein,
und sie wäre auch unanfechtbar, wenn in mnd. schege das seh-
aus germ. sk entstanden wäre. Leider ist das aber nicht der
Fall; das seh- von mnd. schege geht vielmehr zurück auf ein
— germ. t-, Schege ist nämlich eine (wegen des e aus i in offener
Silbe: frühe) Entlehnung aus mhd, zige^ eihd. ziga = nhd, Tiiege.
Das nd. hat bekanntlich die Affrikata ts^ hd. z im Anlaut
überhaupt nicht In Lehnworten aus dem Hochdeutschen wird
das 2 im Mittelniederdeutschen ausgedrückt am häufigsten durch
s (und so wird es auch meistens gesprochen worden sein), aber
auch durch &?, te, sowie durch cz^ sc (worin das c = f», hd. z
aufzufassen ist, wie im spätlat c vor palatalen Vokalen), und
endlich auch durch scä, das aber nicht als ä zu lesen war, sondern
als sc (worin c = hd. z) + h. So wurde denn mhd. zige *Ziege'
mit niederdeutschem Übergang des f zu e in offener Silbe im
Mittelniederdeutschen geschrieben sege^ czege^ tzege und auch
schege. So wird auch das aus dem mhd. nhd. zieren übernommene
Verbum nebst Sippe im Mittelniederdeutschen bald mit », z, tz
bald mit seh geschrieben. Vgl. Lübben Mnd. Gr. S. 48.
7. Griech. ^6vov: nd. man *nur'?
Rck Vergl. Wb. 1*, 519: "jioOvoc, iliovoc (aus ^ovFoc) vgl.
nd. man *nur* ganz wie |li6vov gebraucht; lit mindu 'durchaus,
ja'". Ebenso Prellwitz Griech. et. Wb.«, 298, wo jedoch das
litauische Wort mit einem Fragezeichen versehen ist
Die Gleichung griech. jiovov : nhd. (aus) nd. man sieht ja
auf den ersten Blick sehr bestechend aus, ist aber dennoch
grundfalsch. Sie geht von der Voraussetzung aus, daß nd. man
ein altes m im Anlaut habe. Das ist aber nicht der Fall: das
m ist sehr spät und zwar lautgesetzUch entstanden aus nw, Mnd.
fnan, men hat sich nämlich entwickelt aus ne wan^ ne tven^ woraus
zunächst infolge Betonung des zweiten Teils ntvan^ nwen wurde
und dann durch Angleichung des dentalen Nasals und der labialen
Spirans zum labialen Nasal : iwan, men. Formell dasselbe Wort
wie nordd. man ist nhd. md. nün^ mhd. niun *nur'. Wie man aus
nu)an aus n{e)wdn aus ne wan^ so ist infolge der Betonung des
ersten Teils md. nün^ mhd. niun aus ni^an aus m wan ^VL\&\»xAssi^
196 H. Schröder, Etymologisches.
Im Grunde haben wir es hier also mit einer Ablautsersehei-
nung, mit einer zweisilbigen Basis netvan^ tütran zu tun: mhd.
niun zeigt die Vollstufe I, nd. man die Vollstufe 11.
Genau dieselbe Erscheinung haben wir bei nl. maar: glbd.
nhd. nur^ md. nür^ mhd. niur(e). Dieses stellt die Vollstufe I dar
von mhd. ni wäre zu nitcere zu niuere zu niure zu niur^ md.
niJr; jenes die Vollstufe 11 von ne tvdre zu n(e)wdre zu niedre
zu mare zu nnl. mdar.
Auf demselben Assimilationsprozeß [nw zu m{fn)\ beruht
auch das anlautende m einer ganzen Reihe von niederdeutschen
Worten, deren ursprünglicher Anlaut w war, das sich mit dem
auslautenden n des Artikels zu m wandelte, worauf dann durch
falsche Trennung das Woil, auch wenn kein n vorherging, ein
m im Anlaut erhielt Auf demselben Vorgang beruht auch der
nhd. mundartliche Nominativ mir, mer Vir*. Dies mir, mer hat
sich lautgesetzlich in der Inversion entwickelt: hän toir 'haben
wir' zu hdmmer, hammer^\ und dann selbständig gemacht, sodaß
es heute auch vor dem Verbum gebraucht wird: mir habm^ mir
han Vir haben*.
Nl. maar ist schon von Franck Nl. et. Wb. 603 und Ver-
coullie Beknopt NI. et. Wb.«, 179 richtig erklärt; an beiden
Stellen ist auch auf nhd. nur aus mhd. ne wäre hingewiesen.
Nd. man^ mnd. man, men ist von Falk og Torp Et. ordb.^ 509 f.
richtig gedeutet Aber dies hat die neuerliche Aufstellung der
Gleichung griech. |li6vov: nd. man nicht verhindern können. Da-
her war diese Auseinandersetzung wohl nicht überflüssig, zumal,
soweit ich sehe, aus deutschen grammatischen und lexikalischen
Werken nirgends eine Auskunft hierüber zu holen ist
Kiel. Heinrich Schröder.
1) Vgl. Scheffels bekanntes Lied "Am Grenzwair, dessen Refrain
lautet :
Ha* . . hamm' . . hammer dich emol, emol, emol
An dei'm verrissene Camisol)
Du schlechter Kerl!
K. Brugmann, Griechisch Iwoc und dvoc. 197
if
A
Y Oriechlseli tvvoc und Svoc.
^ Über das Vorkommen von iwoc, das seit Aristoteles belegt
ist, orientiert gilt R. Meister KZ. 32, 143 f. Man bezeichnete mit
dem Wort gewisse Maultier- oder Mauleselfüllen, auch war es
scherzhafte Benennung kleiner Kinder sowie ein Name für die
Pupille im Auge. In der Überlieferung ist es öfters mit dem
bedeutungsverwandten, aber etymologisch zu trennenden ifivoc
zusammengeworfen. Dieses Xomen ist einmal inschriftlich be-
zeugt aus lalysos auf Bhodus, SGDI. n.4110, 23: ^f\ Iütu) iiriroc
övoc fijLiiovoc tivoc ^r]bk dXXo Xöq)oupov jinöfcv. Daher erklärt man
jetzt Twoc für die 'richtige' Schreibung gegenüber den sonst in
der handschriftlichen Überlieferung begegnenden tiwoc und
Tivvoc. Aber yivoc war im späteren Altertum offenbar ein wenig
gebrauchtes Wort, und es muß dahingestellt bleiben, ob es nicht
auch in der Sprache selbst in seiner Liautung durch Tvvoc be-
einflußt worden ist^). Die Herkunft von xivoc ist dunkel. Vgl.
zu dem Wort außer Meister noch Thesaurus 1. Gr. 8, 100, Lobeck
Elem. 1, 92, Dittenberger Syll.« n. 560 Anm. 8.
ivvoc kam von den Griechen zu den Römern, die es
für den Abkömmling von Pferdehengst und Eselin gebrauchten.
Die Form hinnus hat sich, wie man mit Recht annimmt, unter
dem Einfluß des Verbums hinnio festgesetzt Daß hinnus echt
lateinisches Wort sei, aus *hetnos oder *het8no8^ zu hetfa *re8
minimi pretii' gehörig, wie Niodermann £ und i im Lat, Darmst.
1897, S. 54 f., im Gegensatz zu der üblichen Annahme von Ent-
lehnung aus dem Griechischen, vermutet, ist aus mehr als einem
Grunde ganz unglaublich.
Woher nun iwoc ? Nach Schrader Sprachvergl. "^ 385 soll
es von der "Wurzel vis 'netzen, flüssig machen*" kommen; mit
dieser Wurzel ist die Sippe von löc, lat. virus^ ai. vi^d-ni ('Flüssig-
keit, Gift') gemeint R. Meister dagegen a. a. 0. knüpft an ivdui
ivfeui 'ich entsende, leere aus* usw. und ai. ißnä-ti 'er setzt in
rasche Bewegung, schnellt, spritzt aus* usw. an (vgl. hierzu
Sommer Griech. Lautst 34 f.). Beides leuchtet semasiologisch
wenig eiu. Und beides ist auch in formaler Hinsicht nicht unbe-
1) Vgl. etwa im Ags. asal (Durham Book) 'Esel' als Mischung von
aua mit e9ol (Kluge Pauls Grundr. 1 ', 929).
Indogerwtuiißche Foncbuagen XXIL W
198 K. Brugmann,
denklich. Denn wegen des w könnte ein ans urgriechischer Zeit
stammendes tvvoc = *icvoc nur lesbisch-äolische oder nordthes-
salische Form sein, und es ist sonst kein Anhalt dafür vor-
handen, daß das Wort aus einem von diesen Dialekten ins
Attische herübergekommen ist*).
Nach einer anderen Bichtung hin weist uns die Tatsache,
daß nach den Zeugnissen des Altertums die Maultierzucht im
pontischen Kleinasien, insbesondere bei den paphlagonischen
Enetcm und den Mjsem, zu Hause war, und daß Thogarma,
d. i. Armenien oder Kappadocien, die besten Maultiere lieferte.
S. Hehn-Schrader Kulturpfl. u. Haust.' 132 ff. 581, Schrader
Reallex. 533 f.*), Pedersen KZ. 39, 448. Aus diesen Gegenden
wird denn unser Wort den Griechen zugekommen sein. Das
Armenische hat eS^ Gen. iSoy^ 'Esel*, mit der kollektivischen
Nebenform iäan im Plural iSan-ß 'Esel, asini*, Gen. üan-p '), wo-
zu iSanam 'patire polluzione', iSuk 'Eselsfüllen', iäa-kes und Ms-
eä 'Halbesel, mulus' (zu i-fö, Gen. Arisoy, 'Mitte, Hälfte; halb').
Weiter erscheint das Wort im Türkischen, als äiäk ('Esel'), wo-
her wiederum das russ. Udk 'Maulesel* stammt (Schrader Reallex.
20Ü, Pedersen ZDMG. 57, 561, KZ. 39, 447). Man darf hiemach
unbedenklich annehmen, daß ein aus Kleinasien herübergewan-
dertes *ün(h oder eine diesem ähnliche Lautung (vielleicht *ü^fuh^
da das -an' von arm. täan- älteres -p- war) in Griechenland in
*(cvo-c umgesetzt worden ist, woraus in derselben Periode laut-
gesetzlich das historische tvvoc ward, in der das vv aus cv in
den Formen wie gvvöm, Zlüjvvöm, ttuvvoc, TTeXoirövvTicoc entstand
(Griech. Gramm,' 125 f.).
Ist das richtig, so schließt sich unmittelbar die Frage an, wie
sich tvvoc zu den Wörtern övoc und lat asinus verhält Denn
bekanntlich gelten auch diese für Entlehnung aus dem Orient
Für das lateinische Wort, welches weiter zu den Kelten, den
Germanen, von diesen zu den Slaven und den Balten gewandert
1) In der mir soeben, nach Niederschrift dieser Zeilen, zugekom-
menen 3. Aufl. seines Buches hat Schrader das über twoc in der 2. Aufl.
Gesagte gestrichen. Er hat also die Herleitung des Wortes aus einem
♦Ficvoc jetzt wohl aufgegeben.
2) Hierzu jetzt auch Schrader Sprachvergl. " 2, 159 ff.
3) Zur Erweiterung iSan sind zu vergleichen jian 'Pferde* (zu ji,
Gen. jioy), hauran 'Herde', s. Pedersen KZ. 39, 350. 419. 473 f., Lid^n
Armen. Stud. 26.
Griechisch (woc und övoc. 199
ist (z. B. ir. assan^ got. asUm, aksl. osü^^ lit. äsäasY)^ ist diese Her-
kunft jetzt allgemein zugestanden. Das griech. Svoc aber, das
von Homer an*) in ganz Griechenland der geläufige Name des
Esels war, und das zu asintis lautlich schlecht stimmt, möchte nach
A. Weber KZ. 10, 400 und nach Fick Idg. Wtb.* 1, 15. 368 auch
noch Prellwitz (Et Wtb.« 332) für echt einheimisch halten, für
urverwandt nämlich mit dvta lat. onus (aus *eno8) ai. dna»- und
abgekürzt aus einem Kompositum mit dem Sinn *lasttragend',
eine Erklärung, der das von T^iioc *Last' abgeleitete neugriech.
To^dpl *Eser (woher das alb. gomdr 'Esel*) und das aus vulgär-
lat mgma sauma TacksatteF (cdT|ia) gebildete miat sagmarius =
italien. somaro *EseV günstig sind. Aber dagegen spricht und ist
auch wiederholt schon von anderen eingewendet worden, daß
der Esel in Griechenland in der ältesten Zeit nicht als eigent-
liches Haustier, sondern nur als Zuchttier, zur Erzeugung von
Maultieren und Mauleseln, benutzt worden ist; erst bei Tyrtäus
(fr. 6) erscheint das Tier als Haustier in unserem Sinne: (ficrrep
Ävoi ^€TaXolc dxBeci T€ip6|i€voi ktX. Vgl. Schrader KZ. 30, 478 f.,
Hehn-Schrader a. a. 0. 1351»). Auch ergibt sich für die Ver-
bindung von övoc mit dvia eine lautliche Schwierigkeit, und zwar
dieselbe, an der die Schradersche und die Meistersche Deutung
von Tvvoc (S. 198) leiden: für dvia heißt es im Äolischen nach
einem äolischen Lautgesetz övia, und so müßte die Lautung Svoc
im äolischen Dialektgebiet entstanden und sich von da aus über
1) Got. asilus ahd. andd. esil ags. esol stammt aus dem Lateinischen,
aisl. asne aus dem Romanischen (afranz. astie)^ ags. asaa engl, ass aber
aus dem Keltischen (ir. asaan).
2) Das Simplex bei Homer nur A 558, aber häufig kommt bei ihm
fmiovoc vor.
3) Schrader Sprachvergl. * 2, 160 : "Der Esel wird nur an einer
einzigen Stelle der homerischen Gedichte, nämlich IL XI, 558 genannt,
wo der Telamonier Ajax mit ihm verglichen wird. Wir tun gut, uns hier-
bei zu erinnern, daß der wilde Esel im Orient für ein Bild der Kraft und
des Mutes gilt, so daß der Kalif Mervan den Namen 'Esel Dschesiras*,
d. i. Mesopotamiens, führte. In keinem Fall kann also der Esel zu den
Haustieren der homerischen Epoche gehört haben. Unter diesen Um-
ständen ist es nun gewiß auffallend, daß das früher auftretende Maultier
nach dem späteren Esel benannt ist: fmCovoc : övoc 'Halbesel' : 'Esel'. Ich
kann mir dies nicht anders erklären als durch die Annahme, daß die
Hellenen, als sie sich selbst der Zucht von Maultieren zuwandten, einzelne
Esel oder Eselinnen lediglich zum Beschälen oder Beschält wer den aus der
Fremde einführten, die viel zu kostbar waren, um der Feld- wxvd ^A.>a&-
arbeit zu dienen.'*
200 K. Brugmann,
die anderen Mundarten verbreitet haben ; andere Anzeichen aber
dafür, daß sich der Name des Tieres von dort aus auf das
übrige Griechenland verpflanzt habe, sind nicht vorhanden. Frei-
lich heißt es nun, im Orient gebe es keine Benennung des Elsels^
auf die die Form 6voc zurückführbar sei. Von hebr. 'ätän 'Eselin*
muß in der Tat abgesehen werden, s. de Lagarde Arm. Stud. 56 1,
Aug. Müller BB. 1, 294 f., Muss-Arnolt Semitic Words in Greek
and Latin 96 f. Aber nicht von den Dialekten des pontischen
Eleinasiens, falls lat (mnas, wie höchst wahrscheinlich ist, von
dorther stammt und mit arm. iSan- zusammengehört (Pedersen
KZ. 39, 449). Nur darf man eben nicht 6voc aus *6cvoc her-
leiten wollen, wie G. Meyer IF. 1, 319 f. trotz Solmsen KZ. 29,
89 f. tut Denn aus einem urgrioch. *dcvoc mit ursprünglich ein-
fachem -»- wäre lesb. *6vvoc, ion.-att. *ouvoc usw. geworden, aus
einem erst in jüngerer vorhistorischer Zeit aufgekommenen *dcvoc
aber ion.-att. usw. *6vvoc mit verbleibendem -vv-, wie tvvoc (S. 198).
Und wie man durch eine Volksetymologische* Umbildung von einer
von diesen beiden lautgesetzlich zu erwartenden Gestaltungen aus
sollte zu Svoc übergegangen sein, ist nicht abzusehen.
Man hat also vielmehr, denk' ich, von einem vorhistorischen
*6covoc, jünger *dhovoc, auszugehen. Stellen wir zunächst fest, daß
asinus einstens *aüerto8 gelautet haben muß und nicht älteres *amo8
gewesen sein kann, worauf es von G. Meyer a. a. 0. (unter Berufung
auf mina = jivd und techna = xdxvn) «i^d von Stolz IF. 13, 96 ff.
zurückgeführt wird. Zwar der Ausgang -^Um von aselltis ent-
scheidet in dieser Beziehung nichts, da diese Form ebensogut aus
*asnelo8^ jünger *asnlos liergeleitet werden kann (vgl. scabellum
aus *sabnelom^ zu scamnum aus *scabnom^ älter *8capnom) als aus
*a8en[e]lo8 (vgl femella aus *femen\e\lä, zu femina aus *femenä).
Aber entscheidend gegen *asnos spricht, daß als Fortsetzung von
diesem, auch wenn es Lehnwort war, nichts anderes als *äno8 er-
wartet werden dürfte, vgl. dieFornien wie cäntis : osk. pälign. oasnar,
aenus : unibr. ahesnes^ wo der Lautgruppe -sn- von ältester Zeit
her ein Vokal vorausging, und die Formen wie cena alat cesna
aus *certsnä : osk. kerssnaf s, lüna pränest. lösTia aus *loiicsnä : av.
raoxSna'. Vgl. Niedermann IF. 15, 118 f., Verf. Grdr. 2«, 1, 366
Fußn. 2. Das ältere *asetw8, auf das man hiernach zunächst zu-
rückkommt, läßt sich nun nach den Lautgesetzen für noch ältere
Zeit auch als *a8onos oder *asanos ansetzen. Das für 6voc soeben
vorausgesetzte *dhovoc aber kann nach den Untersuchungen von
Griechisch twoc und övoc. 201
J. Schmidt über Fernassirailation von Vokalen im Griechischen
KZ. 32, 321 ff. gleicherweise die Vorstufen *6h€voc, *ihovoc,
*6havoc, *dhovoc gehabt haben. Wandel von *dhovoc zu *dhovoc
vergliche sich z. B. dein von *Kaxujva zu Koxtiivn; *Kax- aus
uridg. *ghf^gh'^ vgl. 9\. jaghäna-s jdeghä usw. (J. Schmidt a. a. 0.
373 f.). Wennschon man nun auf diese Weise ohne Zwang in
*dhovoc und *a8onos im Vokalismus genau übereinstimmende vor-
historische Vorstufen für die historischen Formen gewänne, so
kommt hierauf doch nicht viel an. Durch das stimmlose s von
asinus bleiben nämlich die griechische und die lateinische Form
doch jedenfalls getrennt, und wenn die beiden Wörter auch letzten
Endes aus derselben Quelle stammten, so ist den Römern das ihrige
doch nicht durch Vermittlung der Griechen zugekommen, sondern
durch Venuittlung eines der nördlich von diesen wohnenden
Stämme. Dann braucht aber genaue Übereinstimmung im Vokalis-
mus zwischen dem griechischen und dem lateinischen Wort nicht
erwartet zu werden. Es kommt mir also nur auf die Feststellung
an. daß asinus und das für övoc vorausgesetzte *dhovoc in der
Vokalisation nicht so auseinanderliegen, daß ihre Zusammenge-
hörigkeit von vornherein als unwahrscheinlich erscheinen müßte.
Wie nun z.B. *€uhuj zu eüuj, *ihap6c zu lapoc, *ih€7rö^av zu
*4€iT6fiöiv €l7^6^r|v geworden ist (über diese Vorausnahme von -A-
hat eingehender zuletzt Sommer Griech. T^utst. Iff. gehandelt,
wo auch die ältere Literatur über diese Lauterscheinung zu er-
sehen ist), mußte *dhovoc zunächst zu *öovoc werden. Von hier
aus mag man dann auf zwiefache Weise zum historischen 6voc
gelangt sein. Erstens und vornehmlich so, daß man den Artikel
6 aus *6ovoc heraushörte oder vielmehr ihn hineinhörte. Ähnlich
gab TiiTavov, als t' fiTavov verstanden, den Anlaß zur Schöpfung
von JiTttvov, bei Anakreon fr. 26 B.* (Solmsen Unters, zur griech.
Laut- und Versl. 46), im Neugriechischen z. B. oiKobecTioiva, als
f| Koö^CTTOiva verstanden, den Anlaß zur Schöpfung von Kobec-
TToivcL Aus anderen Sprachgebieten, wo gleichartige Subtraktion
eines vermeintlichen 'Artikels' vorkommt, zum Teil häufiger vor-
kommt, seien erwähnt : Italien, avello = lavello (labeUum) aus VaveUo^
Schwab, eit = nest aus 9 neSt *ein Nest', das man als 9n eSt auf-
faßte, engl, apron = napron aus a mijpron^ das man als an apron
auffaßte, cUomy = anatomy aus an'atomy, cademy = academy aus
a^eademy. Siehe über diesen Vorgang außer dem, was bei Solmsen
a. a. 0. und bei mir Grdr. 1*, 882, Kurze vergl. Gramm. 261
202 L. Schlachter,
zitiert ist, noch Jespersen IF. Anz. 5, 126, Bloomfield Am. Joum.
of Phil. 17, 428 f. (wo noch ein Aufsatz von Scott über den
Gegenstand angeführt wird, der mir zur Zeit nicht zugänglich
ist), W. Hörn PBrB. 22, 217, V. Henry Revue crit 1898 S.44.
Dieser Übergang von *6ovoc zu 6 övoc geschah um so leichter, als
das Wort als Fremdwort ohne weitere Verwandtschaft im Griechi-
schen dastand, ihm also der Schutz für seine ursprüngliche Lau-
tung fehlte, wie ihn so oft wurzel- und stammverwandte Formen
bieten. Wandel zu övoc war aber zweitens auch deshalb möglich
und naheliegend, weil nach dem Übergang von *Ao oÄona8(*der Esel*)
zu *ho hoonos (im Flur, von *ho[i\ ohonoi zu *ho[i] hoonai) diese
Verbindung dissimilatorischer (haplologischer) Kürzung ausgesetzt
war. Vermutlich hat beides zusammen gewirkt.
Nunmehr käme es noch darauf an, die gemeinsame Ur-
heimat von 6voc und asinus ausfindig zu machen. Daß ein Zu-
sammenhang mit arm. iSan- besteht, ist sehr glaubhaft, und ver-
mutlich ist es nicht zufällig, daß die Griechen wie die Armenier
das Bastardtier als Halbesel benannten : fmiovoc und iSakes, kiseS^
Ob aber arm. ei^ üan- idg. Erbwort war und mit lat equos identisch
(Pedersen KZ. 38, 197. 205), bleibt recht fraglich.
Zum Schluß noch die Frage: rührt das merkwürdige und
vielbesprochene i in 'ittitoc, *iTnroc (in Komposita wie Äpicx-imroc,
rXauK-iTTiToc), !kkoc (Et M. 474, 12) von einer Vermischung mit
jenem Wanderwort her, das bei den Griechen in der Lautung
!vvoc erscheint? Die Lautung ikkoc ist kaum echt griechisch^
und vielleicht hat zunächst diese Form, dann von ihr das wenig-
stens im im echt griechische 'ithtoc das i durch diese Mischung
bezogen. Vgl. hierzu Kretschmer Einleit 247 ff.
Leipzig. K. Brugmann.
4
Statistische Untersncliangen Aber den Oebraaeli der Temporav^
und Modi bei einzelnen griechischen Schriftstellern. ^
Motto: Statistics are a bugbear to^*^^>^
many. (Oildenleeve, probL)
L bei Homer.
Seitdem Curtius in seinen *Erläuterungen' (p. 177) den
Ausspruch getan hat, daß die Unterscheidung der verschiedenen
Zeitarten im Griechischen in lexikalischer Hinsicht noch so gut
Statist Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 203
wie unausgebeutet sei, sind von verschiedenen Seiten Versuche
und Anstrengungen gemacht worden, diese Lücke auszufüllen.
Curtius selbst ist mit gutem Beispiele vorangegangen. Seine
bezüglichen Aufstellungen sind von Späteren reproduziert und
erweitert worden. Trotzdem wiederholt sich die Klage mehrmals
mit und ohne Beziehung auf Curtius. In seinen "Demosthenischen
Studien" (Rhein. Mus. 44) äußert sich Blass, daß die Lehre vom
Gebrauch der Tempora im Griechischen bis zur Stunde (1889)
noch unklar und in ihren Grundlagen nicht erkannt sei, und
doch hatte Delbrück in den "Syntakt. Forschungen" auf den
vorhandenen Grundlagen weitergebaut. Weiteren "Demosthe-
nischen Studien" von Blass (Rhein. Mus. 1892) verdanken wir
weitere Klärung der Begriffe, z. T. auch Bestätigung einzelner
Aufstellungen Delbrücks. — Karl Mutzbauer beginnt sein be-
kanntes, verdienstvolles Werk *'über die Grundlagen der grie-
chischen Tempuslehre und den homerischen Tempusgebrauch"
(Straßb. 1893) mit der eben erwähnten Äußerung von Blass und
läßt dann den auch durch Pfuhl zitierten Satz von Curtius folgen,
daß man bei Betrachtung der griech. Tempora bewußt oder
unbewußt von der latein. Sprache ausgegangen sei, deren Be-
dingungen völlig andere sind. Durch Mutzbauers eingehende
Arbeit sind unsere Kenntnisse bezüglich des Tempusgebrauchs
dauernd bereichert worden, und dankbar nehmen wir die reiche
Belehrung an, die in seinen Erörterungen über die deutsche
Wiedergabe zahlreicher Tempusstämme zu finden ist. Immerhin
müssen wir sagen, daß das Festhalten an einer bestimmten Tempus-
stammbedeutung bei einer Sprache, die einst auch in Entwicklung
begriffen war, uns öfters als zu starr erscheint — Ihre Be-
deutung für die Lehre von der verschiedenen Aktion der
Tempora hat entschieden auch die Dissertation von Eleanor
Purdie über die "perfektive Aktionsart bis Polybius" (IF. 9),
mit ihrer Erörterung einer Anzahl homerischer Verbalstämme,
und nicht minder die Besprechung derselben von Hans Meltzer
im 12. Bande der gleichen Zeitschrift, wo mit großer Schärfe
die verschiedenen Aktionen der Tempusstämme auseinander-
gehalten werden. Die in G. Herbig's Abhandlung über "Aktionsart
und Zeitstufe" niedergelegten Anschauungen scheinen mir in
einem gewissen Gegensatze zu denen von Mutzbauer u. Meltzer
zu stehen, insofern als zwischen morphologischen und funktio-
nellen Tempora unterschieden wird, woraus hervorgeht, daß nicht
a04 L. Schlachter,
in allen Fällen für bestimmte Formen auch bestimmte Bedeu-
tungen gefolgert und gefordert werden dürfen. Wenn übrigens
auf okkasionelle und usuelle Diskrepanzen zwischen morpho-
logischem und physiologischem Tempus hingewiesen wird, was
ja eine Durchbrechung der Aktionen involviert, so stimmt das
Vorhandensein usueller Diskrepanzen schon mit der bloßen Tat-
sache der Existenz punktueller Präsensstämme überein. Okkasio-
nelle Diskrepanzen sind zwar von einzelnen Forschem oft ge-
funden worden, werden aber fast ebensooft von andern in Abrede
gestellt Trotzdem H. Meltzer sich mit besonderem Greschick zu
den letztem gesellt, so mildert er doch in seiner neueren Ab-
handlung (IF. 17) die IF. 12 vertretene Anschauung in etwas,
ohne indessen ein wirkliches Durchbrechen der Aktionen zuzu-
geben, wozu andere, namentlich französische Forscher, hinneigen.
Wenn in diesem Zusammenhange der von Brugmann, Streitberg
und Delbrück ausgebauten heutigen Form der Aktionenlehre
weiter nicht gedacht wird, so geschieht es nur deshalb, weU
sie heute den selbstverständlichen Ausgangspunkt für alle da-
hingehörigen Untersuchungen bildet. Das bezeugt in schönster
Form auch HL Meltzer trotz allen Einwendungen, die er gegen
einzelne Delbrücksche Lehren erhebt. Bei der Würdigung dieser
scharfsinnigen Einwendungen dürfte sich aber die Frage auf-
drängen, ob nicht am Ende die Diskussion der einschlägigen Dinge
bei einem Punkte angelangt sei, wo das subjektive Moment
allein ausschlaggebend ist, und wo deshalb keine Übereinstimmung
mehr hergestellt werden kann. Wenn aber eine Frage auf einem
solchen Punkte angelangt ist, so dürfte es sieh empfehlen, etwas
Objektivem sich zuzuwenden in der Hoffnung, daß der objektive
Tatbestand eine Klärung schaffen könne, eine Hoffnung, bei der
allerdings nicht vergessen wird, daß bei der Deutung objektiver
Tatsachen der Subjektivismus abermals nicht völlig ausgeschaltet
werden kann.
Zu diesem rein gegenständlichen Material geholfen die Unter-
suchungen über den Gebrauch der erzählenden Tempora bei
einzelnen Schriftstellern, von denen wir jetzt eine ziemliche
Reihe haben, hauptsächlich hervorgerufen, wie es scheint, durch
Fr. Hultsch's gewaltige Arbeit über Polybius. Solche Unter-
suchungen sollen es uns ermöglichen, über jenen Gebrauch
etwas mehr als bloße Eindrücke zu haben, womit man sich
bisher meistens begnügte. Indessen dürfte, wie mir scheint,
Statist. Untersachungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 206
Classen's Bemerkung in seinen "Beobachtungen über den homer.
Sprachgebrauch'* etwas mehr Berücksichtigung auch in der vor-
liegenden Frage verdienen, daß nämlich bestimmte Zahlenan-
gaben höheren Wert haben als bloß allgemeine. Nun fehlt es
aber noch fast vollständig an einer wirklichen Statistik der
Verbalformen von ganzen Literaturprodukten. Ansätze dazu sind
zwar vorhanden, einmal von Koch (Jahrbuch 146) über die
Verbalformen der vier ersten Bücher von Xen. Anab., dann
von Miller ein Anfang zu einer vergleichenden Statistik des
Imperf. u. Aor. (Am. Joum. 16). Dabei wird es von Koch zum
ersten Male wieder ausgesprochen, also förmlich neu entdeckt,
daß im Oriech. kein Unterschied im Tempusgebmuch zwischen
Haupt- u. Nebenhandlung zu finden sei. Diese Erkenntnis zu-
sammen mit der andern, daß die griechischen Tempora nicht
zur relativen Zeitbestimmung verwendet werden, ermöglicht es
nun gewissermaßen, durch bloße Zälüung der Imperfekte und
Aoriste eine besondere Art des subjektiven Empfindens eines
Schriftstellers während seiner Darstellung eines Ereignisses kennen
zu lernen. Doch soll davon später die Rede sein. Für jetzt
genügt es, in Erinnerung zu rufen, was aus der Kochschen
und aus der Millerschen Statistik hervorgeht: Wir erfahren
daraus, daß das Imperfekt einen weit ausgedehnteren Gebrauch
bat, als die Mehrzahl der Oräzisten früher annahm und z. T.
heute noch annimmt So scheint es, daß Schenkl von dieser
Statistik keine Kenntnis hatte, als er (in Bursian's Jahresbericht
Bd. 38) sich dahin äußerte: *'In der Keine ist das Imperfekt
allgemeines Präteritum geworden und hat teilweise den Aorist
verdrängt" Ähnliche Äußerungen finden sich noch bei einigen
andern Beurteilern der späteren Gräzität Dagegen findet Wecklein
(Burs. Jahresber. 1878) im Gebrauch der Tempora von den ältesten
Stufen bis in die jüngste Periode des Sprachlebens eine über-
raschende Gleichmäßigkeit. Auch Godwin ist derselben Ansicht,
was das Sprachgefühl der Griechen verschiedener Zeiten an-
belangt, doch denkt er sich, daß die Griechen nicht immer für
nötig erachteten, ihrer feinen Unterscheidungsgabe zu folgen.
Hatzidakis versichert uns, daß in der Keine keine Verwirrung
zwischen Imperf. u. Aorist eingetreten sei, und noch das Neu-
griechische halte die beiden Aktionen scharf auseinander. (Vergl.
darüber auch Thumb im Handbuch der neugriech. Volkssprache.)
Dagegen nimmt Dieterich (Byz. Anz. I) eine vorübergehende^
20ß L. Schlachter,
örtlich beschränkte Abschwächung des ünterscheidungsvermögens
in der nachklassischen Zeit an. Ebenso urteilt Thumb (die griech.
Spr. im Zeitalter des Hellenismus). Entdeckt man nun aber, daß
die beiden Timotheusbriefe gar kein Imperfekt aufweisen, sondern
lauter Aoriste, daß femer in der Mehrzahl der Paulinischen
Briefe die Iraperfekte auch sehr schwach vertreten sind, daß
dasselbe z. B. auch vom Buche Henoch gilt, so fragt man ^ich
unwillkürlich, ob nicht diesen Erscheinungen vielleicht doch noch
zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden sei. Jedenfalls könnte,
wer etwa in Xenoph. Anab. seine Aufmerksamkeit den Imper-
fekten und Aoristen zuwendet und gleich nachher die erzählenden
Tempora im Buche Henoch verfolgt, leicht eine Veränderung
des Sprachgefühls in diesem Punkte für möglich halten. Wenn
uns H. Meltzer im Anschluß an Norden und Stiebeling sagt,
daß bei Homer "der konstatierende Aorist von selbst zurück-
treten mußte, weil Homer als Epiker das malende Imperfekt
vorzog, wo später prosaische Logik den nüchternen Aorist be-
vorzugte", so ist dieser treffliche Kritiker der oben erwähnten
Abhandlung von E. Purdie doch wohl der Meinung, daß eine
Statistik der homerischen erzählenden Tempora ein Vorwiegen
der Aoriste ergeben müßte. Dieses Ergebnis würde aber die
psychologische Deutung zulassen, daß der Dichter das meiste,
das er erzählt, in seiner Entwicklung vor sich gehend schaut.
Ist diese Deutung zutreffend, so wird es nun auch gestattet
sein, das Vorherrschen der Aoriste im Henochbuche z. B. so
zu erklären, daß der Verfasser die dort erwähnten Erlebnisse
nicht als sich entwickelnde, sondern als abgeschlossene Hand-
lungen hinstellt, obgleich er sich als Seher einführt Wenn wir
nun so bei einem Schriftsteller ein Vorherrschen der Aoriste,
bei einem andern einen Überschuß an Imperfekten finden, so
würde sich damit vielleicht nicht eine Verschiedenheit des Sprach-
gefühls, sondern möglicherweise nur ein Unterschied in den
psychologischen Beziehungen der Erzähler zu ihrem Stoffe ver-
raten. Das ist aber nicht dasselbe. Wer in Imperfekten darstellt,
der steht seinem Stoffe anders gegenüber als wer sich der Aoriste
bedient Es kommt mir aber vor, es sei nicht ganz zutreffend,
wenn Mutzbauer sagt, daß die Rücksicht auf Anschaulichkeit
und Deutlichkeit eine immer ausgedehntere Verwendung des
Aorists herbeigeführt habe. Ist es denn nicht gerade das Im-
perfekt, das im Dienste der Anschaulichkeit steht?
Statist. Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 2Q7
Wenn somit die Bevorzugung des einen oder andern Tempus
psychologische Gründe hat, dann ist, wie oben schon angedeutet,
eine Statistik der Imperfekte und Aoriste bei verschiedenen
Werken desselben Autors ein Instrument, mittelst dessen wir
die psychologische Stellung eines Autors zu seinem Gegenstände
zahlenmäßig bestimmen können. — Wenn nun aber konstatiert
werden kann, daß der Aorist im Laufe der Jahrhunderte immer
weitergehende Verwendung fand, sollte das nur der Ausdruck
für die Tatsache sein, daß das erzählende und darstellende Subjekt
mehr und mehr in eine andere Stellung zu seinem Gegenstande
trat, und würde da nicht vielleicht die Deutung die richtigere
sein, daß der Aorist in das ureigene Gebiet des Imperfekts ein-
gedrungen ist? Es wäre auch denkbar, daß beides zusammen-
gewirkt habe, daß Übergriffe des Aorists in das Gebiet des
Imperfekts geschehen sind, und daß eine andre Stellung des
Erzählers zu seinem Stoffe nebenherging. Eines war möglicher-
weise die Folge des andern, und es wird richtig sein, wenn
man die psychologische Stellung des Erzählers zu seinem Stoffe
als den primären Grund für Veränderungen des numerischen
Verhältnisses zwischen den beiden erzählenden Tempora ansieht
Aus der häufigen Verwendung der Aoriste in summarischen Be-
richten z. B., wie sie schon lange üblich war, konnte fürs Erste
eine Gewöhnung an dieses Tempus erfolgt sein und von hier
aus das Eindringen des Aorists in das Gebiet des Imperfekts
seinen Anfang genommen haben.
Wenn nun die Frequenz der erzählenden Formen untersucht
wird, so empfiehlt es sich, um eine bessere Deutung der Zählungs-
resultate zu ermöglichen, nicht in der Millerschen Weise bloß
die Indikative zu berücksichtigen, sondern in der Kochschen
Manier alle Tempora und Modi. Wenn es sich nämlich nach-
weisen läßt, daß einzelne Erzähler, die den Indik. Aor. vor dem
Imperfekt bevorzugen, dann auch in weiterer Ausdehnung als
andere die Nebenmodi des Aorist verwenden, dann ist der Beweis
erbracht, daß bewußt oder unbewußt der gleiche psychologische
Vorgang anstatt zum Präsens zur Wahl eines Konjunktivs, Optativs,
Imperativs, Infinitivs, Partizips Aoristi treibt, der unter anderen
Umständen die Bevorzugung eines Indikativ Aoristi vor einem
Imperfekt zur Folge hatte. Entspricht aber die Verwendung der
Nebenmodi des Aorists relativ derjenigen der Indikative Aoristi
nicht, so dürfte daraus folgen, daß die Stellung der Griechen
208 L. Schlachter,
dem Indikativ gegenüber bisweilen verschieden gewesen sei
von der, die sie zu den andern Modi einnahmen. Ich sage
•bisweilen*; denn das bleibt doch wohl bestehen, daß in ab-
hängiger Rede der Aorist beibehalten bleibt, wo irgend ein
Modus Stellvertreter für den historischen Indik. Aoristi der un-
abhängigen Bede wird.
Es ist nun wohl möglich, daß eine so mechanische Auf-
fassung von den psychologischen Vorgängen, die den Griechen
beim Reden und Schreiben zur Wahl eines Aoristes oder eines
Präsens führen sollten, Mißbilligung finden dürfte. Wer na-
mentlich die oben erwähnten "Demosthenischen Studien" von
Blass in Erinnerung hat, wo die besondere Berechtigung bald
dieser, bald jener bestimmten Ausdrucksweise nachgewiesen wird,
oder wer Meltzer IF. 17, 222 beherzigt^ der dürfte leicht zur An-
sicht gelangen oder seine vorherige Ansicht bestätigt finden, daß
jeder bessere Schriftsteller, gerade wie Demosthenes, bewußt bald
zu der, bald zu jener Form greift Er wird daraus den Schluß
ziehen, daß keine Gesetzmäßigkeit herrschen könne, wo bewußte
freie Wahl vorliege. — Wenn wir uns aber vergegenwärtigen,
wie auch bei freier Wahl unter den zur Verfügung stehenden
Formen doch wieder der Sprachgebrauch seine Gesetze gibt,
und wie andrerseits auch unser subjektivstes Fühlen seine eigene
Gesetzmäßigkeit hat, also bei gleichen Situationen gleichmäßig
reagiert, so können wir die Möglichkeit eines allgemeinen und
eines persönlichen Determinismus der Ausdrucksweise doch nicht
in Abrede stellen. Diesem doppelten Detertninismus nachzugehen,
dazu kann eine Formenstatistik uns helfen; sie kann uns sagen,
ob ein solcher vorhanden sei und in welchem Grade. In den
lateinischen Sprachdenkmälern würde ein persönlicher Deter-
minismus in der Anwendung der Verbalformen weit weniger
zu erwarten sein, weil der allgemeine allzu despotisch wirksam
ist Die griechische Sprache ist schon lange als die indivi-
duellere bekannt; seitdem wir aber in ihr die Wirksamkeit des
Aktionsbegriffes kennen gelernt haben, sind wir berechtigt,
noch mehr Subjektivität in den griechischen Sprachdenkmälern
zu erwarten als früher. Mehr Gesetzlosigkeit bei den einzelnen
griechischen Schriftstellern zu finden, dürfen wir aber deswegen
nicht erwarten, sondern nur verschiedene Mischung der allge-
meinen und der persönlichen Gesetzmäßigkeit Diese Mischungs-
verschiedenheit wird vielleicht auch gestatten, im Verein mit
Statist. Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 209
andern Kriterien charakteristische Merkmale für einzelne Autoren
festzustellen.
Es ist hier der Ort, der bisher geübten Methode der Sprach-
statistik zu gedenken, die von Campbell, Dittenberger, Schanz,
Ritter u. a. angewandt und empfohlen wurde und die außer bei
den Platoforschem namentlich bei den Kennern des neutestament-
liehen Sprachidioms Verwendung findet. Manches, was von Ritter
zur Rechtfertigung dieser Methode vorgebracht wurde, gilt auch
für die hier angewandte Statistik. In der Hauptsache aber hat
sie sich selbst zu rechtfertigen. Es sollen nicht kleine sprachliche
Differenzen zwischen den verschiedenen Werken eines Schrift-
stellers gesucht werden, sondern größere Strukturunterschiede
zahlenmäßig festgestellt werden, die sich im Laufe der sprach*
liehen Entwicklung eingestellt haben. So wird auch nicht etwa
der Versuch gemacht, ältere von jüngeren Stücken in den home-
rischen Epen zu unterscheiden. Wie jeder bisherige Versuch,
auf Grund bestimmter sprachlicher Kriterien eine Altersscheidung
vorzunehmen, sich von einer petitio principii nicht freihalten
konnte, so würde es auch bei Anwendung der hier gebrauchten
Methode gehen. Wir sind meines Erachtens noch lange nicht
weit genug, um im Homer mit sprachlichen Kriterien Quellen-
scheidungen sicher vornehmen zu können.
Die Statistik der homerischen Verbalformen, die auf den
folgenden Seiten zu finden ist, ist an Hand der Teubnerschen
Ausgabe Dindprf-Heuze angelegt; für die Ilias wurde die Aus-
gabe von 1903 verwendet, für die Odyssee die von 1901. Für
die sechs ersten Gesänge der Odyssee kam die Kägische Ausgabe
zur Verwendung. Die Zählung ist einmal vorgenommen worden
und erhebt keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit. Durch die Um-
rechnung in Prozente verlieren mögliche Zählfehler an Wichtig-
keit Kleinere Ungenauigkoiten in der prozentischen Berechnung
sind ebenfalls ohne Belang, da in der Diskussion der gewonnenen
Prozentzahlen die absolute Höhe derselben keine Rolle spielt,
sondern nur ihre relative, also kleine Zahlenunterschiede keine
Berücksichtigung finden. Es erübrigt, noch ein Wort zu sagen
über die Deutung gewisser Verbalf oi-men , die zweierlei sein
können, wie Konjunktive Aoristi sigmatischer Natur mit kurzem
Themavokal, die mit Indikativen Futuri gleichlautend sind. Bei
der Deutung derselben bin ich in den sechs ei-sten Büchern
der Odyssee durchweg Kägi gefolgt und habe w ^it^iVim m öät
210
L. Schlachter,
Tabelle la.
Statistik sämtlicher Verbalformen der Ilias nach Tempora und
Modi geordnet
Aor.
A.
Aor.
P.
A. absolute Zahlen.
Perf.
XL.
Impf. PräB. Fntor Fator Plpf.
A:
Indik.
Partiz.
Infm.
Konj.
Optat.
5075 259 3686 1990
1590 192
724 53
710 15
418 12
Imperat. 325 7
2852
901
340
254
484
A.H.
759
65
214
P.
2
464
374
31
32
9
23
Perf.
IL
Plpf.
P.
385
251
41
2
3
13
Vertre-
Som- tuDg
men der
Fat der Modi
ex. Modi in %>)
32 12652 67^
— 4824 21,7
— 1964 8,9
— 1099 6
— 696 84
— 852 8,9
Summen
der 18842
Tempora
538 3686 aS21 1038
2 !
933 695 32
22087-100»/o
Oesamt-
samme.
B. In Prozente der Gesami
tsumme uni
[gerechnet.
AoriBt
A.a.M.
Aorist Impt Präs. Fat
P. A. M.
Fat
P.
Perf.
a.Plpf.
A.
Perf.
a.Plpf.
P.
Fat ex.
%
Vo % % %
%
°/o
%
%
Indik. 23
1,2 16,6 9 3,5
0
2,1
1,8
0,1
Partiz. 7,2
0,9 10,6 0,3
1,7
1,1
Infin. 3,3
0,2 4,1 1
0,1
0,2
Konj. 3,2
0,07 1,5
0,1
0,01
Optat. 1,9
0,05 1,2
0,04
0,01
Imperat. 1,5
0,04 2,2
0,1
0,06
40
2,4 16,6 28,6 4,7
4,2 3,1 O.l^lOO'/o«)
Bei allen Berechnungen ist als Gesamtsumme aller Verbal-
formen 22100 angenommen worden.
1) Die fettgedruckten Zahlen der letzten Kolumne bilden die "modale
Strukturformel" der Ilias ; siehe den Text, S. 214.
2) Temporale Strukturformel der Dias; siehe den Text, S. 213 unten.
Statist Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 211
Tabelle Ib.
Statistik sämtlicher Verbalformen der Odyssee nach Tempora
und Modi geordnet
A. Absolute Zahlen.
Perf. Perf.
Aor.
A.]f.
Aor. Impf. Präs. Fat Fat Plpf. Plpf.
P. A.1I. P. A. P.
Indik. 8790 154 3051 1943 570 —
Partiz. 1270
Infin. 664
Konj. 546
Optat. 460
Impt. 310
84
39
10
13
6
1972 70
727 127
293 —
276 —
848 —
391 311
199 245
13
27
4
21
26
4
5
8
Sam-
men
Fat der
ex. Modi
17 = 10227 =
— = 3840 =
— = 1596 =
— = 880 =
— = 758:
— = 688 =
Vertre-
tanfl:
der
Modi
in o/o«)
= 66,8
= 21,8
» 8,8
= 4,8
= 4,8
» 8,8
Summen
der
m
30ß :^51 5554 767
655
599
17 = 17989=: 100%
Tempora
Gesamt-
Somme.
B
. In
Prozente d
er Gesamt
tsumme um
igerechnet
Aorist
A.1L
Aorist
P.
Impf.
Präs.
Fat
A.M.
Fat
P.
Perf.
a.Plpf.
A.
Perf.
a.Plpf.
P.
Fat ex.
Vo
%
%
%
%
7«
Vo
%
%
Indik.
81
0,9
17
10,8
3,2
—
2,2
1,7
0,1
Partiz.
7
0,5
11
0,4
—
1,1
1,*
—
InRn.
3,7
0,2
4
0,7
—
0.07
0,14
—
Konj.
8
0,06
1,6
—
—
0,15
0,02
—
Optat
2,6
0,07
1,-4
—
—
0,02
0,03
—
Impt.
1,7
0,03
2,9
—
—
0,1
0,04
—
]^] 39 1,6 17 31 4,2 — 3,6 3,3 0,1=100%«)
Bei allen Berechnungen ist als Gesamtsumme aller Verbal-
formen 18000 angenommen worden.
Anm. Auf dieser und den beiden folgenden Tabellen sind die Modus-
zahlen, in denen die aoristische resp. die präsentische Form bevorzugt
wird, in halbfettem Druck wiedergegeben-, vgl. darüber den Text S. 223.
1) Die fettgedruckten Zahlen der letzten Kolumne bilden die '*modale
Strukturformel" der Odyssee.
2) Temporale Strukturformel der Odyssee.
210
L. Schlachter,
Tabelle la.
Statistik sämtlicher Yerbalformen der Ilias nach Tempora und
Modi geordnet
A. absolute Zahlen.
Vertre-
Perf. Perf. Som- tnng
Aor. a. IL men der
A. Aor. Impf. Präs. Fntar Fator Plpf. Plpf. Fat der Modi
P. A: P. ex. Modi in V)
Indik. 5075 259
3686
1990
769
2
464 385 32
12652 «7,6
ParÜz. 1590 192
2852
65
—
374 251 —
4824 21,7
Infin. 724 63
901
214
—
31
41 —
1964 8,9
Konj. 710 15
340
—
—
32
2 —
1099 B
Optat. 418 12
254
—
—
9
3 —
696 84
Imperat. 326 7
484
—
—
23
13 -
852 8,9
Summend
der 18842 538
TemporaJ
3686
6321
1038
2
933 696 32
22087-100'/o
Gesamt-
summe.
B. In Prozente
der G
esam
tsumme umgerechnet
Aorist Aorist
A.U.M. P.
Impf.
Präs.
Fut.
A. M.
Fut
P.
Perf.
u.Plpf.
A.
Perf.
ILPlpf.
P.
Fat ex.
% %
•/o
%
%
%
o/o
%
%
Indik. 23 1,2
16,6
9
3,5
0
2,1
1,8
0,1
Partiz. 7,2 0,9
10,6
0,3
1,7
1,1
Infin. 3,3 0,2
4,1
1
0,1
0,2
Konj. 3,2 0,07
1,5
0,1
0,01
Optat. 1,9 0,05
1,2
0,04
0,01
Imperat. 1,5 0,04
2,2
0,1
0,06
40
2,4 16,6 28,6 4,7
4,2 3,1 0,l=100»/o«)
Bei allen Berechnungen ist als Gesamtsumme aller Verbal-
formen 22100 angenommen worden.
1) Die fettgedruckten Zahlen der letzten Kolumne bilden die "modale
Strukturformel" der liias ; siehe den Text, S. 214.
2) Temporale Strukturformel der Ilias; siehe den Text, S. 213 unten.
Statist Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 211
Tabelle Ib.
Statistik sämtlicher Verbalformen der Odyssee nach Tempora
und Modi geordnet
A. Absolute Zahlen.
Aor.
A.1L
Aor.
P.
Impf. Präs. Fat
A.]i.
Fat
P.
Perf. Perf.
a. a.
Plpf. Plpf.
Indik. 8790 154 3051 194.S Ö70 —
Partiz. 1270
Infin. 664
Konj. 546
Optat. 460
Impt. 310
84
39
10
13
6
1972 70
727 127
293 —
276 —
348 —
A.
391
199
13
27
4
21
P.
311
245
26
4
5
8
Sam-
Fat
ex.
Vertre-
tang
men der
der Modi
Modi in %>)
17=10227 = 56,8
_ = 3840= 21,8
— = 1596= 8,8
_= 880= 4,8
— = 758 = 4,2
— = 688= 8,8
Summen
der
Tempori
"}
m 306 :^51 5554 767 — 655 599
17 = 17989=100%
Geaamt-
Samme.
B. In Prozente der Gesamtsumme umgerechnet
Perf. Perf.
Fat a.Plpf. a.Plpf.
P. A. P. Fat ex.
Aorist
Aorist
Impf.
Präs.
Fat
A.1L
P.
A.M.
%
%
7o
Vo
%
Indik.
81
0,9
17
10,8
3,2
Partiz.
7
0,5
11
0,4
Infin.
3,7
0,2
4
0,7
Konj.
8
0,06
1,6
—
Optat.
2,6
0,07
1,*
—
Impt.
1,7
0,03
2,9
—
7o
2,2
1,1
0.07
0,15
%
1,7
1,*
0,14
0,02
%
0,1
0,02 0,03
0,1 0,04
]^] 39 1,6 17 31 4,2 — 3,6 3,3 0,l = 1007o«)
Bei allen Berechnungen ist als Gesamtsumme aller Verbal-
formen 18000 angenommen worden.
Anm. Auf dieser und den beiden folgenden Tabellen sind die Modus-
zahlen, in denen die aoristische resp. die präsentische Form bevorzugt
wird, in halbfettem Druck wiedergegeben; vgl. darüber den Text S. 223.
1) Die fettgedruckten Zahlen der letzten Kolumne bilden die "modale
Strukturformel'* der Odyssee.
2) Temporale Strukturformel der Odyssee.
212 L. Schlachter,
Odyssee und Ilias den in seiner oben erwähnten Ausgabe nieder-
gelegten Grundsätzen mich angeschlossen. Bei Verba liquida,
deren Imperfekte und Aoriste in der 3. Sing, gleichlautend sind,
blieb nichts anderes übrig, als jeden Fall genau zu überlegen.
Es sind dadurch ungefähr gleich viele Formen als Imperfekte wie
als Aoriste gerechnet worden. Die Konjunktive Aoristi und Prä-
sentis einiger Verba liquida sind ebenfalls gleichlautend. Auch
hier wurde jeweilen genau erwogen, doch habe ich mich an-
fangs häufiger für Konj. Präs. entschieden. Erst die späteren
Erfahrungen haben mich belehrt, daß vielleicht häufiger eine
solche Form hätte als Aorist sollen angesprochen werden. Sonst
wurde jede Form nach ihrem Äußeren bestimmt, nicht nach
ihrer Funktion, also z. B. eipi und seine Personen stets als Präsens,
ebenso fJKw. In anderen zweifelhaften Fällen wurde den Be-
stimmungen von Frohwein "Verbum homericum", Teubner 1881,
gefolgt
In der Ilias wurde der eigentliche Schiffskatalog wegge-
lassen, in beiden Epen aber sämtliche ^interpolierte* Verse
mitgerechnet. Das formelhafte dyc, ireirvuiiievoc wurde selbst-
verständlich nicht mitgezählt, wohl aber alle anderen Formen,
auch wenn sie formelhaft gebraucht sind.
Damit die in Tabelle la und Ib dargestellten Verhältnisse
erstens bei den beiden Epen unter sich, dann aber namentlich
auch bei anderen Literaturerzeugnissen vergleichbar werden, dazu
können die prozentischen Umrechnungen unter B dienen. Da
aber die Umrechnung in Prozente der Gesamtsumme oft nicht
sprechend genug ist, so ist ihr eine nach einem anderen Gesichts-
punkte angelegte beigegeben (Tabelle Ic). Es können nämlich
die absoluten Zahlen der Tabellen la und b so in relative
Zahlen umgerechnet werden, daß die Summe jeder Moduslinie
= 100 genommen und so festgestellt wird, mit wie viel Pro-
zenten der Indikativ, Konjunktiv, Optativ etc. eines jeden
Tempus an der Zahl 100 beteiligt ist. Auf diese Weise erhalten
wir größere Zahlen als die Tabellen IB sie bieten. — Wir
finden so beispielsweise, daß in der Ilias an der Summe aller
Imperative der Aorist A. und M. mit 38®/o, das Präsens mit
57 "/o, das Perf. Act. mit 2,7 »»lo, das Perf. P. mit 1,5 «/o be-
teiligt ist
Statist Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 218
Tabelle Ic.
Tab. I a u. b in prozentischer Umrechnung. (Jeder Modus = lOO<>/o.)
Ilias.
Aor.
A.1L
Aor.
P.
Impf.
Prfte.
Fnt
A. M
Perf.
Plpf.
A.
Perf.
Plpf.
P.
Fut
ex.
Som-
men
hid.
40
2
29
15,7
6
3.7
3
0,26
=:
100
Part
33
4
—
49
1,8
7,7
6,2
—
=
100
Int
37
2,1
—
46
11
1,6
2,1
—
=
100
Konj.
64
1,3
—
31
—
3
0.2
—
=
100
Opt.
60
1,7
—
86
—
1,3
0,4
—
=
100
Impt
38
0,8
57
Odyi
ssee.
2,7
1,6
100
Aor.
A. M.
Aor.
P.
Impf.
Prita.
Fut
A.1L
Perf.
Plpf.
A.
Perf.
Plpf.
P.
Fut
ex.
Sum-
men
hid.
37
1,5
30
19
6,5
3,8
3
0,17
=s
100
Part.
33
2,2
—
51
1,3
5,2
6,3
—
r=
100
hd.
41,5
2,4
—
45,5
8
0,8
1,6
—
=
100
Koi^.
68
1,1
—
33
—
3
0,3
—
=
100
Opt
60,5
1,7
—
36,5
—
0,6
0,6
—
=
100
hnpt
46
0,8
—
60
—
3
1,2
—
=
100
Die durch bloße Zählung und prozentische Umrechnung
gefundenen und auf Tabelle I mitgeteilten Zahlen haben dort
schon doppelte Verwendung erfahren, nämlich zur Feststellung
der modalen und der temporalen Strukturformel der beiden
Epen. Es soll zuerst von dieser die Rede sein:
Die temporale Strukturformel wird, wie aus der Tabelle
ersichtlich, so gewonnen, daß die Beteiligung eines jeden Tem-
pus mit all seinen Modi an der Gesamtsumme aller Verbalformen
in Prozenten berechnet wird. Die temporale Strukturformel gibt
also die quantitative Zusammensetzung irgend eines Literatur-
ganzen aus den verschiedenen Tempora an. Temporale Struktur-
formebi gestatten interessante Vergleiche einzelner Literaturpro-
dukte unter einander, sie spielen aber in der folgenden Unter-
suchung noch keine weitere Rolle; dagegen werden einzelne Zahlen
aus denselben zu gewissen Erörterungen da und dort Anlaß geben.
Anders ist es mit den modalen Strukturformeln.
Indogermaniflclie Forachniigeii XXU. \^
814 L. Schlachter,
Unter 'modaler Strukturformer verstehe ich die quanti-
tative Zusammensetzung eines Literaturganzen aus den sechs
Modi, und ich finde diese Zusammensetzung, indem ich bestimme,
mit wie viel Verbalformen jeder Modus in jedem der beiden
Epen vertreten ist. Zählt man nun alle Verbalformen zusammen«
so läßt sich berechnen, wie viel Prozente ein jeder Modus zu
der gefundenen Gesamtsumme liefert Die auf solche Weise ge-
fundenen Prozentzahlen zeigen nun den verbalen Aufbau des
einzelnen Epos in modaler Beziehung an, bilden also die modale
Strukturformel desselben. Die modale Strukturformel sagt
also aus, welchen Beitrag jeder der sechs Modi zur Gesamt-
summe aller Verbalformen leistet.
Die Verbalformen sind ein Schatz, den die Sprache dem
Einzelnen zur Verfügung stellt. Dieser bedient sich derselben
in freier, wie er glaubt, im Grunde aber in mehr oder weniger
herkömmlicher Weise. Die herkömmliche Ausdrucksweise andrer-
seits wird durch den Einzelnen mehr oder weniger beeinflußt
und beeinträchtigt und erleidet dadurch Wandlungen. So wird
auch die Verwendungsart der von der Sprache zur Verfügimg
gestellten Modi verändert Das wird sich in den modalen
Strukturformeln von Literatui-produkten verschiedener Zeiten
spiegeln. Aber die Ausdrucksweise wird auch in gleichzeitigen
Produkten durch den Stoff einigermaßen beeinflußt Somit kann
man erwarten, daß die modalen Strukturformeln der einzelnen
Gesänge der lUas und Odyssee durch den verschiedenen Inhalt
verändert werden können. Doch läßt sich a priori nicht sagen,
in welcher Weise. Immerhin ist da, wo selbst bei verschiedenem
Inhalte die Ausdrucksweiso eine traditionelle ist, was bei Homer
heute niemand mehr bezweifelt, große Variabilität in den Struktur-
formeln einzelner Teile nicht zu erwarten.
Soviel über die Strukturformeln.
Die Zählungsresultate werden drittens noch Verwendung
finden zur Feststellung des numerischen Verhältnisses, in welchem
die Nebenmodi zu den Indikativen stehen. Wenn der Indikativ
allgemein als Hauptmodus bezeichnet wird, so gibt man damit
der Überzeugung Ausdruck, daß dieser Modus beim Gedanken-
austausch am meisten Wichtigkeit habe, und daß er demgemäß
überall, wo ausführlicher gesprochen und geschrieben wird, dui*ch
die größte Individuenzahl vertreten sei (eine Ansicht, die aller-
dings nicht richtig ist, wie wir später sehen werden). Wenn
Statist. Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 216
also das numerische Yerhältnis der Nebeamodi zu den Indi-
kativen bestimmt wird, so wird der Indikativ gleichsam als der
jan wenigsten veränderliche Mafistab betrachtet, an dem sich
die Häufigkeit der übrigen Modi am besten messen läßt Wir
werden sehen, daß die Frequenz der Judikative nicht in allen
Tempora gleichmäßig ist; gerade dadurch aber erhält die Re-
duktion auf die Anzahl der Judikative einen besonderen Unter*
suchuugswert Die rechnerische Beziehung der übrigen Modi
auf die Judikative kann zur Eontrolle für die Tragweite der
auf andere Weise gewonnenen Ergebnisse dienen. Die auf diese
Weise gefundenen Zahlenreihen mögen die Bezeichnung *Be-
duktionsformeln' erhalten. Sie kommen erst im zweiten Teile
züT Anwendung.
Wir wenden unsre Aufmerksamkeit nun den berechnet«!
modalen Strukturformeln zu. E^ hat sich als modale
Strukturformel der Ilias ergeben:
Ind. KonJ. Opt Imp. Inf. Part
57,5 5 3,1 3,9 8,9 21,7
und als solche der Odyssee:
66,8 4,8 4,2 3,8 8,8 21,3.
Dazu ist zunächst zu bemerken, daß der Prozentsatz der Infinitive,
wie die nachstehende Zusammenstellung ergibt, ein sehr niedriger
ist. Er wäre aber noch weiter heruntergegangen, wenn die impera-
tivischen Infinitive ausgeschieden worden wären, die bekanntlich
in der epischen Sprache sehr zahlreich sind. Im übrigen muß
hervorgehoben werden, daß die Übereinstimmung in der modalen
Struktur der beiden Epen frappiert, auch wenn man in solchen
statistischen Untersuchungen Erfahrung hat Der einzige Unter-
schied zwischen Ilias und Odyssee, der aus den modalen Struktur-
formeln hervorschaut, die stärkere Vertretung der Optative in der
Odyssee, ist möglicherweise zum Teil darauf zurückzuführen, daß
in den benützten Ausgaben textkritisch zwischen Konjunktiven und
Optativen bei den beiden Epen nicht ganz gleichmäßig verfahren
wurde. Ich sage *zum Teil', weil auch die vereinigten Summen
der Konjunktive und Optative in beiden Epen rund um l^/o
verschieden sind, wobei das Plus wieder auf Seite der Odyssee
ist (vgl überdies S. 225). Es entspricht vielmehr diesem Über-
wiegen der Optative in der Odyssee eine stärkere Vertretung
der Indikative in der Ilias, und so weit meine Zählungen der
216 L. Schlächter,
verschiedenen Optativkategorien reichen, ist die potentielle Aus-
drucksweise in der Odyssee häufiger als in der Ilias.
Wie nun diese Übereinstimmung in der modalen Struktur
der beiden Epen zu beurteilen ist, kann nur an Hand von Yer-
gleichungen mit anderen Literaturerzeugnissen erkannt werden.
Da nun aber derartige Untersuchungen über die allgemeine
modale Struktur, die einen Vergleich erlauben, noch nicht vor-
lagen, so war es geboten, Berechnungen in ziemlicher Aus-
dehnung anzustellen. Dieselben sind natürlich sehr zeitraubend
und stehen mir deswegen noch nicht in der Menge zur Ver-
fügung, wie es wünschenswert wäre. Ich gebe im folgenden
eine Übersicht über den größeren Teil der von mir angestellten
und auf selbstgemachten Zählungen, also auf übereinstimmenden
Grundsätzen beruhenden Berechnungen. Dieselben mögen zu-
gleich zur Rechtfertigung der hier angewandten Methode dienen.
Zusammenstellung von modalen Strukturformeln einiger
Literaturerzeugnisse.
Indik. KonJ. Opt Imperat Infln. Partiz.
Dias
57,5
5
3,1
3,9
8,9
21,7
Odyssee
56,8
4,8
^,2
3,8
8,8
21,3
Herodot 1
45
2,3
2
1
15
35
Thucyd. I (ohne Reden)
46
2
1
0,3
15
34
Xen. Anab., ganz \ s
„ Hellenica, ganz 2
47,6
3,3
6
1
17
24
44
2
6
0,6
16
31,4
„ Cyrop. Ib. I, II, VU 1
43
4,6
6
2
20
23
Polybius I
31
1,*
1,3
0,1
18
48
mehr
Maccabäer II
35
1,3
0,6
1,4
17
44
Parti-
Diodor I
24
2
1,4
0,5
30
43
zipien
Dionys I
38
1,3
1,9
0,4
18
41
als
Josephus I, jüd. Gesch.
35
1
3
0,3
20
41
hidi-
Plularch Themist.
33
1,2
1,2
0,5
20
43
kative.
Ev. Matth.
54
7
—
9
7
22
„ Marc.
57
7,6
—
6
8
22
„ Luc.
55
5,3
0,2
7,4
8,7
23
„ Joh.
71
8
—
4
4
12
Acta apost.
50
2
0,2
3,6
12
32
Arrian Anab. I
46
0,2
1,7
0
16
35
Durch die Sti-ukturformeln werden unsre homerischen Epen
in unmittelbare Nähe der synoptischen Evangelien gerückt Da
diese letzteren auch unter sich stilistisch gerade so eng zu-
sammengehören wie Ilias und Odyssee, so mag es gestattet sein,
die Parallele zwischen diesen beiden Literaturreihen weiterzu-
Statist Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 217
führen und für Uias und Odyssee gerade so wenig einen gemein-
samen Verfasser oder Bearbeiter zu folgern — wozu bei der
frappanten Übereinstimmung der modalen Strukturformeln beider
Epen eine neue Versuchung entsteht — als wir es bei den synopti-
schen Evangelien tun. Aber wie eine stereotype Ausdrucksweise
eines Oemeinschaftskreises seinen stilistischen Niederschlag in
den synoptischen Evangelien fand, so finden wir auch in den
homerischen Epen eine Ausdrucksweise wieder, die längere Zeit
in einem uns unbekannten Kreise üblich war, und es konnten
sehr wohl zwei verschiedene Dichter die Vermittler dieser Aus-
drucksweise sein, so sehr, daß sie den von ihnen benutzten
älteren Liedern konform auch ihr Eigentum prägten, was aus
dem folgenden weiter hervorgehen dürfte.
Es erhebt sich nämlich die Frage, ob denn die für die
beiden Epen gefundenen Strukturformeln sich auch im einzelnen,
d. h. in größeren und kleineren Partien wiederfinden, oder ob
die angegebene Struktur nur Mittelwerte aufweise, denen mög-
licherweise weit auseinanderliegende Grenzwerte gegenüber-
stehen. Die Antwort auf diese Frage kann aus folgenden Angaben
herausgelesen werden:
In der Ilias ergeben sich mit Weglassung der Dezimalen
folgende Zahlen in Prozenten:
Tabelle IIa.
Indik.
Konj.
Optat.
Imperat
Infin.
Partiz.
Ilias 1~6
: 57
5
4
Ö
9
21
Dias 7—12
56
6
3
4
9
21
nias 13-18
57
4
3
3
9
23
nias 19-24.
57
5
3
4
9
21
Die vier Gruppen entsprechen somit der Gesamtstruktur
noch fast vollständig. Ich füge hinzu, daß sich unterschiede bei
den meisten Zahlen in den Dezimalen bemerklich machen:
Ähnliche Verhältnisse zeigt die Odyssee:
Ta
belle IIb
Indik.
KODJ.
Optat.
Imperat
Inflo.
Partir.
Od.
1-6
57
5
4
4
10
20
Od.
7—12
57
4
4
3
9
23
Od.
13-18
56
5
5
4
9
20
Od.
19-24
67
5
3
5
8
22
Sowie nun aber die modalen Strukturverhältnisse der ein-
zehien Bücher ins Auge gefaßt werden, zeigt «\c\i ^Viä^Sü^^^sa^
S18
L. Schlachter,
eine geringere Eonstanz. Ich gebe im folgenden, um das Auge
nicht allzusehr mit Zahlen zu ermüden, nur die Prozentzahlen
ftir die einzelnen Bücher an.
T
abell
e III a.
Ilias.
Indik.
EODj.
Optat
Imperat
Infin.
Partie.
A
56
6
2
8
9
19
(Vs.
1-490) B
65
6
4
5
10
20
r
56
5
4
5
8
20
A
56
5
5
3
8
22
E
59
3
3
3
8
23
Z
55
5
4
5
9
21
H
56
8
3
4
10
18
e
58
6
3
5
7
20
1
53
8
4
5
12
18
K
56
5
5
5
9
19
A
61
4
1
2,6
6
24
M
55
4
4
2
11
23
N
59
2
3
1
9
25
£
58
6
4
3
9
20
0
55
5
2
4
10
23
n
58
4
2
4
7
23
p
56
4
8,6
2
9
24
I
58
4
2
3
9
23
T
52
5
3
6
11
22
Y
57
5
8
1
10
22
0
58
4
2
3
10
22
X
54
7
3
4
8
24
Y
60
3
2
4
8
22
Q
58
5
5
5
8
20
Die große Mehrzahl der einzelnen Gesänge bleibt somit
den Mittelzahlen nahe. Daneben finden sich allerdings einige
mit weit auseinanderliegenden Zahlen. Ich mache namentlich
aufmerksam auf I und A. Berechnet man aber von beiden das
arithmetische Mittel, so erhält man wieder die für die gesamte
Dias gefundenen Normalzahlen. Die größten Abweichungen von
diesen weisen H bis N auf. — Die dargestellten Verhältnisse
gemahnen lebhaft an meteorologische Beobachtungen, die auch
für eine größere Anzahl von Jahren eine Norm erkennen lassen,
eine Norm, von welcher kleinere Gruppen wenig, einzelne Jahre
aber mehr abzuweichen pflegen. Es ergibt sich aber für stilistische
Untersuchungen, wie sie hier angestellt sind, aus dem Verhält-
nisse einzelner Bücher zu größeren Gruppen die Forderong, daß
Statist. Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 919
die zu beurteilenden Literaturprodukte eine gewisse Größe liaben
müssen, damit ihre Eigentümlichkeiten zu voller Entfaltung
kommen können.
T
abell
e III b.
Odyssee.
Indik.
Konj.
Optat.
Imperat
Infln.
Partiz.
a
52
6
4
5
10
22
ß
U
7
5
5
10
19
T
61
4
5
4
9
18
h
59
3
4
3
9
22
€ + 2
69
5
4
3
10
19
n
60
3
4
3
8
21
e
67
5
4
5
8
21
i
57
3
5
1
9
25
K
56
3
3
3
10
24
X
56
4
3
3
9
23
^
56
6
4
3
8
22
V
56
6
4
3
8
22
H
61
4
5
2
8,5
19
0
54
6
5
3
9
20
IT
55
6
4
4
11
20
P
56
4
5
*,5
8
21
c
52
6
8
4
10
19
T
56
6
3
4
6
23
U
57
4
6
4
8
21
q>
56
6
3
5
10
20
X
53
5
3
6
9,5
22
v
60
4
3
4
8
21
uj 59 4 2 5 6 23
Auch hier bleibt die Mehrzahl der Bücher den Mittel-
zahlen nahe. Die angegebenen Werte schwanken somit
in der Dias:
Im Indik. Im Konj. Im Optat Im Imperat. Im Infln. Im Partie
von 62— 61 2—8 1—5 1—8 6—12 18—25
in der Odyssee:
von 52— 61 3—7 2—8 1—5 6—11 18-25
Es ergibt sich aus den Strukturzahlen der einzelnen Oe-
sänge die wichtige Tatsache, daß die Verschiedenheit des Stoffes
der beiden Epen sowie ihrer einzelnen Teile keine wesentliche
Änderung der Strukturformeln bedingt. Die vorgefundene pro-
sentisdie Zusammensetzung ist demnach offenbar nur der zabte^-
220 L. Schlachter,
mäßige Ausdruck der parataktischen Redeweise. Wenn wir auf
dem vom homerischen Epos weit entlegenen Gebiete der synop-
tischen Evangelien nahezu die gleichen Formeln wiederfinden,
so deuten dieselben mithin die parataktische Yerwandtschaft der
beiden Erzählungsreihen an; die Ausdrucksweise ist bei beiden
Gruppen sehr stark allgemein determiniert und zeigt nur selten
eine individuelle Note.
In den bisherigen modalen Strukturformeln ist das gegen-
seitige Yerhältnis der Modi zu einander ohne jede Rücksicht
auf die Tempora gekennzeichnet Es lassen sich nun aber auch
modale Strukturformeln für die einzelnen Tempora feststellen.
Diese Tempusstrukturformeln haben offenbar eine andere Be-
deutung als die ersteren. Die modale Strukturformel eines einzelnen
Tempus bringt zum Ausdruck, wie stark die Modi eines jeden
Tempus an der Gesamtsumme seiner Formen beteiligt sind.
Während die Strukturformeln der ersten Art, weil sie alle Tem-
pora in sich schließen, ein zahlenmäßiger Ausdruck für eine Stil-
gattung, für eine stilistische Syntaxis modorum sind, zeigen
Strukturformeln der einzelnen Tempora zum Teile an, in weichem
Entwicklungszustande und Gebrauchsumfange der epische Dichter
die einzelnen Tempora vorfand. Beide Formeln sagen nicht
absolut Neues aus. Sie wollen nur längst bekannte Verhältnisse
in wenige Zahlen zusammenfassen; sie ermöglichen aber auch
einen Vergleich, die einen den Vergleich mit der Syntaxis
modorum einer anderen Stilgattung oder derselben Stilgattung
zu einer anderen Zeit, die anderen mit dem Gebrauchsumfange
der Tempora zu einer anderen Zeit.
Nachdem also im vorhergehenden die modale Zusammen-
setzung mit Berücksichtigung des ganzen Verbums zur Dar-
stellung gekommen ist, lasse ich nun die der einzelnen Tem-
pora folgen. Es ist klar, daß, je normaler der Gebrauch der
einzelnen Modi eines Tempus ist, seine Strukturformel um so
mehr mit der oben aufgestellten Normalformel beider Epen
übereinstimmen wird. Wir werden also überall da, wo dieProzent-
zahl eines Modus von der der Normalformel abweicht, auf eine
Anomalie im Gebrauche des betreffenden Modus hingewiesen.
Ist die für einen Modus gefundene Zahl kleiner als in der Normal-
formel, so ist das ein Anzeichen, daß der betreffende Modus
gemieden wird; ist sie aber größer, so beweist das, daß er be-
vorzugt wird. Zeigt es sich nun, daß in beiden Epen die gleichen
Statist Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 221
Modi des einen Tempus gemieden und dafür wieder die eines
anderen Tempus bevorzugt werden, so haben wir das Recht, von
einem Gesetze zu sprechen, das die Sprache in einem gewissen
Zustande ihrer Entwicklung beherrscht, wenn nicht metrische
Gründe für diese Auswahl verantwortlich zu machen sind.
Um nicht das Auge mit Zahlen allzusehr zu ermüden,
werden im folgenden wieder keine absoluten Zahlen, sondern
lediglich die berechneten Prozente angegeben. Zum Yergleiche
setze ich die oben herausgerechnete Normalformel wieder an
die Spitze.
Ta
kbelle
Ilias.
IV.
Indik.
KODj.
OpUt
Imperat
Infin.
Partie
in ihrer prozentisohen
VeHretnng dargeiteUt
57,5
5
3,1
3,9
8,9
21,7
alle Tempora
66,7
3,4
2,6
4.8
9
23
Imperfectiva
56,8
7,7
4,6
3,6
8,2
19
Aoriste
74
—
—
20
6
Futura
50
3,4
1
2,4
3.3
40
aktive Perfekte
55,4
0,3
0,4
1,8
6,9
36
mediale u. pass. Perf.
(
Odyssee.
Indik.
KOQJ.
Optot.
Imperat.
lofln.
Partie.
in ihrer prozentisohen
Vertretung dargesteUt
56,8
*,8
4,2
3,8
8,8
21,3
alle Tempora
57,7
3,5
2,6
3,8
9
23
Imperfectiva
54
lf>
«,4
^,2
9,3
18,3
Aoriste
75
—
—
—
16
9
Futura
60
4
0,6
3,2
2
30
aktive Perfekte
51,8
0.6
0,8
1,3
4,3
41
mediale u. pass. Perf.
In der Tabelle IV scheiden sich vorerst zwei Gruppen ab :
Es stehen die Imperfectiva und Aoriste auf einer Seite, auf der
andern die Futura und die Perfekte. Die erste Gruppe steht in
allen Teilen der Normalformel nahe, die zweite weicht in ihren
yerschiedenen Komponenten mehr oder weniger von ihr ab. Das
Vereinigungsmerkmal der zweiten Gruppe ist also nur ein nega-
tives, ein positives findet sich nicht Bei den Puturformen sind
die Indikative und Infinitive bevorzugt, während die Partizipien
weit unter der Normalzahl stehen. Bei den Perfekten stehen
gerade die Partizipien im Vordergrunde. Kein Partizip ist so
888 L. Schlachter,
sehr bevorzugt, wie das perfektische. Auf Tabelle V werden wir
allerdings sehen, daß der Aorist Passiv ein ähnliches Verhalten
zeigt, wie das Perfekt, weshalb ich hier schon auf die dort an-
gegebenen Zahlen verweise. Der Passivaorist ist bekanntlich eine
relativ späte Bildung. Wie es kommt, daß derselbe in Über-
einstimmung mit den Perfekten sich gerade einer besonderen
Frequenz seiner Partizipien erfreut, weiß ich nicht zu sagen;
ich denke aber, die gemeinsame Bedeutungsverwandtschaft dieser
Participia mit Adjektiven werde das ihre dazu beigetragen habexL
Was sonst bei den Perfekten zum Vorschein kommt, ist
bekannt: daß die übrigen Nebenmodi wenig gebräuchlich sind.
Indessen frappieren doch einige Modi durch ihre unerwartet
niedrigen Vertretungszahlen.
Von den verschiedenen Tatsachen, die aus Tabelle IV sonst
herauszulesen sind, hebe ich noch zwei hervor. Die eine ist die,
daß die verschiedenen Modi des Aorists und Präsens
verschiedene Wege gehen: die Konjunktive und Optative
überflügeln die Normalzahlen, die Partizipien bleiben hinter
ihnen zurück. Es gilt dies für beide Epen. Anderseits erreichen
Konjunktive und Optative Präsentis die Normalzahlen lange nicht,
während das Partizip Präsentis darüber hinausgeht. Zwischen
diesen beiden Erscheinungen muß eine innere Verbindung be-
stehen. Es scheint, daß komplementäre Modi innerhalb ver-
schiedener Tempora vorhanden seien. Aber dieser Schein ent-
spricht nicht unseren heutigen Anschauungen von der Ver-
schiedenheit der Aktion verschiedener Tempora. Ebensowenig
paßt der oben gesperrte Satz zur Lehre von der Gleichartigkeit
der Aktion innerhalb desselben Tempus. Immerhin bleibt ein
Unterschied zwischen der Sicherheit beider Sätze bestehen: Das
verschiedene Verhalten der verschiedenen Modi geht aus Tabelle IV
unmittelbar hervor; daß aber der Konj. Aor. mit dem Konj.
Präs. einerseits, der Opt. Aor. mit Opt Präs. andreraeits komple-
mentär seien, ist eine Deutung der statistisch bloßgelegten Ver-
hältnisse, neben der eine andre Deutung möglich sein kann. —
Es läßt sich nämlich auch denken, daß die verschiedenen Modi
verschiedene Affinität zu den verschiedenen Aktionen haben,
daß sich also mit einem Konj. und Opt. leichter die Neben-
vorstellung der abgeschlossenen oder ingressiven Handlung asso-
aiert als z. B. mit einem Partizip. Es soll nun eine Trennung
der verschiedenen Aoristbildungen vorgenommen werden, damit
Statist. Untersachungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. ttS
die Frage beantwortet werden kann, ob alle einzelnen Aorist-
formationen an den geschilderten Verhältnissen teilnehmen. Zum
Vergleiche sind wieder von Tabelle IV die Formeln der Im-
perfektiva (Präs. + Tmperf.) reproduziert
Tabelle V.
Modale Strukturformeln jeder einzelnen Aoristformation
(Summe einer jeden gleich 100).
Ilias.
Indik. KonJ. Optat Imperat. Infln. Partis.
66,8 7,7 4,6 3,5 8,2 19 aUe Aoriste
46
2,8
2.2
1,3
10
35
Aorist Pass.
69
6,4
4.2
3,8
7,8
18
a-Aoriste inkl.
liqaida
56
10
6,4
2,2
8
18
asigmat. Aor.
55
7,8
4,4
7
10
16
athemat. Aor.
66,7
3,4
2,5
4,8
9
Odyssee
23
1.
Imperfectiva
ladik.
KonJ.
OpUt
Imperat
Infla.
Partie,
M
7,6
6,4
4,2
9,3
18,3
alle Aoriste
50
3,2
4
1,9
12
28
Aorist Pass.
65
6,«
5,3
4,3
9,2
19
a-Aoriste inkl.
liqoida
63
10
7,7
3,2
10
16
asigmat. Aor.
51
6,4
7,4
8
7,7
19
athemat. Aor.
57,7
3,5
2,6
3,8
9
23
Imperfectiva
Nach dieser Tabelle scheidet sofort der Aorist Passiv aus^
weil seine Konj aktive und Optative die Normalzahlen der ersten
Linie nicht erreichen, die Partizipien aber weit über sie hinaus-
gehen. Es fehlt ihm also gerade das, was für die Aoriste als
charakteristisch gefunden wurde. Dagegen vereinigen sich alle
drei übrigen Aoriste gegenüber den Imperfektiven in der Be-
vorzugung der Konjunktive und Optative und in der Hintan-
seteung der Partizipien, während die Imperative und Infinitive
sich nach dieser Bechnungsweise unentschieden verhalten. Auf
diese beiden Modi trete ich an dieser Stelle nicht ein; wir
werden im zweiten Teile (Tab. VI und XIV) Gelegenheit haben,
ihr Verhalten näher zu beleuchten. Eine vorläufige Orientierung
ist aber aus Tabelle I zu gewinnen, und zwar aus allen drei
Abteilungen derselben, aber nur über den Aorist als Ganzes ge-
nommen. Die bezüglichen Zahlen sind dort durch fetteren Druck
hervorgehoben. Vgl. die Anm. S. 211.
224 L. Schlachter,
Über den Aorist Passiv darf zum oben Bemerkten nach-
träglich noch hinzugefügt werden, daß er sich in der Odyssee
den drei andern Aoristformationen quantitativ besser angeglichen
zeigt als in der Sias.
Fassen wir das bisher Gefundene zusammen, so können
wir folgendes hervorheben:
In beiden Epen stehen die Modi in einem gewissen Zahlen-
verhältnisse. Dieses Verhältnis ist in den einzelnen Gesängen
etwas variabel. Vergleicht man aber größere Partien jedes ein-
zelnen Epos unter einander, so ist die Obereinstimmung um so
größer, je größer die verglichenen Partien sind. Die modale
Struktur der ganzen Dias entspricht der der ganzen Odyssee
fast vollständig. Eine Verschiedenheit ist allein in der Anwendung
des Optativs zu erkennen. Der Optativ findet sich in der Odyssee
häufiger als in der Hias. Am Aufbau der verschiedenen Tem-
pora beteiligen sich die Modi quantitativ verschieden. Es wird
in einem Tempus dieser Modus bevorzugt, in einem andern
Tempus ein andrer. Da in dieser Beziehung zwischen den beiden
Epen gute Übereinstimmung herrscht, so verrät diese Erscheinung
einen bestimmten Entwicklungszustand der Sprache, dem zu einer
andern Zeit ein andrer Zustand entgegenstehen dürfte. Als ein
spezieller Fall dieser Erscheinung ist es zu betrachten, wenn die
Eonj. und Opt. Präsentis den entsprechenden Modi des Aorist
gegenüber zurücktreten, die Partizipien sich aber umgekehrt ver-
halten. Es scheint femer aus einzelnen der gefundenen Zahlen-
verhältnisse hervorzugehen, daß die einzelnen Modi die ihrer
Form entsprechenden Aktionen nicht mit der gleichen Schärfe
zum Ausdruck bringen.
n. Das Verhältnis der Nebenmodi zu den Indikativen.
Aus den Strukturformeln ist nicht direkt ersichtlich, in
welchem numerischen Verhältnisse die Nebenmodi zu ihren Indi-
kativen stehen. Um dies deutlich zu machen, müssen die Indi-
kative als Einheit genommen und ihre Nebenraodi auf diese
Einheit reduziert werden, was im folgenden geschehen soll.
Reduktionen:
Nimmt man die Indikative als Einheit, oder, was auf das-
selbe herauskommt, setzt man für alle 12652 Indikative derllias
die Zahl 1000, ebenso für die 10227 Indik. der Odyssee 1000,
80 reduzieren sich die:
Statist UntersnchuDgen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 225
1099 Konj. der Rias auf 87, ebenso die 880 Konj. der Odyssee auf 86
696 Opt. „ „ „ 66, „ „ 768 Opt. „ „ „ 74
852 Imprt „ „ „ 67, „ „ 688 Imprt. „ „ „ 67
1964 Inf. „ „ „ 155, „ „ 1596 Inf. „ „ „ 156
4824 Part. „ „ „ 380, „ ,. 3840 Part. „ „ „ 375
Durch diese Berechnungsweise kommt die gewiß
interessante Tatsache an den Tag, daß die Konjunk-
tive, Imperative, Infinitive unsrer beiden Epen sich
jeweilen numerisch genau entsprechen. Fast genau gleich
ist beide Male die relative Anzahl der Partizipien. Nur die Optativ-
vertretung ist proportional verschieden. Mögen dies immerhin
Zufälligkeiten sein, beachtenswert bleiben sie trotzdem.
Auf diese Weise treten somit die Obereinstinmiungen der
beiden Epen rücksichtlich ihres modalen Aufbaus in etwas ver-
änderter Form, aber nicht minder prägnant zu Tage und ebenso
ihr Unterschied (vgl. S. 215 unten). Reduziert man nun ganz in
derselben Weise die für die einzelnen Tempora und Modi ge-
fundenen absoluten Zahlen der Tabellen la und Ib, welche hier
in andrer Gnippierung reproduziert als Tabelle VI auftreten, so
empfiehlt sich auch hier die Reduktion auf 1 = 1000, weil wir
dadurch überall ganze Zahlen erhalten. Sie hat nur den Nachteil,
daß solche Tempora, die quantitativ nur gering vertreten sind,
wie der Aorist Passiv, viel formenreicher zu sein scheinen, als
sie es in Wirklichkeit sind.
Tabelle VI = Tabelle la u. b.
Ilias.
Indik.
KODj.
Optat.
Imperat.
iDfin.
Partiz.
12652
1099
696
852
1964
4824
alle Formen
1990 Präs.
3686 Impf.
340
254
484
901
2852
Imperfectiva
5334
710
418
325
724
1590
Aoriste
793
—
—
214
65
Futura
464
32
9
23
31
374
Pf. u. Ppf. A.
385
2
3
13
Odyssee.
41
251
Pf. u. Ppf. P.
lodik.
Konj.
Optat.
Imperat.
Infln.
Partiz.
10227
880
758
688
1596
3840
alle Formen
1943 Präs.
3051 Impf.
y
293
276
848
727
1972
Imperfectiva
3944
656
473
316
703
1354
Aoriste
687
—
—
—
127
70
Futura
391
27
4
21
13
199
Pf. u. Ppf. A.
311
4
5
8
26
245
P{.xx.^^l.^.
L. Schlachter,
Aus diesen absoluten Zahlen ergibt sich folgende Redoktioas-
tabelle:
Indik.
1000
Tabelle VIL
Ilias.
KonJ. Optat Imperat Infln. Partiz.
87 55 67 165 380 alle Formen
1000
60
U
85
158
414
Imperfectiva
1000
136
80
60
143
334
Aoriste
1000
—
—
—
270
62
Futura
1000
70
20
50
60
800
Pf. u. Ppf. A.
1000
5
8
34
Odyssee.
106
6Ö0
Pf. u. Ppt P.
Indik.
KonJ.
OpUt.
Imperat
Infln.
Partiz.
1000
87
74
67
166
375
alle Formen
1000
1000
1000
1000
1000
60
140
70
12
46
120
10
16
66
71
53
25
154
175
210
33
83
408
338
120
510
780
IroperfectiTa
Aoriste
Futura
Pf. u. Ppf. A.
Pf. u. Ppf. P.
Kombiniert man nun die Tabellen IV und VII mit ein-
ander, so findet man folgende Unterschiede im Modusgebrauch
der beiden Epen :
Es sind häufiger
In der Ilias
die Indikative und Partiz.
Indik. Imp. Inf. Part.
Indik.
Inf.
Opt. Inf. Part.
Ind. Imp. Inf.
im Allgemeinen
im Präsens
im Aorist
im Futur
im Per f. Akt.
im Perf. Pass.
In der Odyssee
die Optative
Konj. und Opt.
alle Nebenmodi
Part.
Indik. Imp.
Konj. Opt Part
Daneben zeigt sich vielleicht in Tabelle VII, und zwar
deutlicher als in den modalen Strukturformeln des ersten Teiles,
eine Korrespondenz zwischen Infinitiv Aoristi und Infinitiv Per-
Statist. Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 287
fekti. Denn daß zwischen der äußerst niedrigen Perfekt InfinitiT-
Zahl 33 der Odyssee und der sehr hohen Aorist Infinitiv-Zahl 175
eine komplementäre Beziehung bestehen könnte, dürfte der Ver-
gleich mit den entsprechenden Zahlen in der Ilias 60 und 143
nahelegen. Die genannten Infinitivzahlen könnten uns verraten,
daß einzelne Infinitive Aoristi die Funktion von Infinitiven
Perfekti erfüllen (vgl. dazu öildersleeve, probl. S. 248/49) und
daß dies weit häufiger in der Odyssee der Fall ist als in
der Ilias.
In den Reduktionszahlen der Perf. Med. u. Pass. tritt durch-
weg eine große^iskrepanz zwischen den beiden Epen an den
Tag, und diese verrät die größte Freiheit in der Verwendung
des vorhandenen sprachlichen Materiales. Wo so viele Überein-
stimmungen zu koustatieren waren, die im großen Ganzen und
im kleinen Einzelnen zutage treten, da sind auch die Verschie-
denheiten von Bedeutung.
In dubiis libertas: Da in denNebonmodi der mediopassiven
Perfekte die größte Zahlenverschiedenheit zwischen unseren beiden
Epen besteht, so darf daraus wohl geschlossen werden, daß sich
in der Anwendung der betreffenden Formen kein bestimmter
Brauch fixiert hatte, daß also das Sprachgefühl des äolisch-jonischen
Dichters der epischen Zeit sich auf diesem Gebiete freier be-
wegen konnte als auf jedem andern der Verbalflexion.
Imperfekt und Aorist. Weil in diesem Teile das nume-
rische Verhältnis der Nebenmodi zu den Indikativen behandelt
wird, so mag es gestattet sein, in diesem Zusammenbange die
beiden erzählenden Tempora mit ihren Nebenmodi zu betrachten.
Es kann dies mit Hilfe der Tabellen I und VI geschehen.
Aus Tab. I geht hervor, daß nicht, wie die Sage geht, die
Imperfekte in den homerischen Epen häufiger sind als die Aoriste,
sondern umgekehrt.
In der Ilias In der Odyssee
beträgt die Summe aller
Indikative Aoristi 5334 = 24 <>/o 8944 = 22 «/o aller Verbalformen
„ Imperfekti 3686 = 16,6% 3051 = 17 > „ „
Differenz: 1648= 7,4 «/o 893= 6>
Somit ist der Überschuß der Indikative Aoristi über die
Im perfekte in der Ilias noch größer als in der Odyssee, und
228 L. Schlachter,
derselbe ist weder in dem einen, noch in dem andern Epos etwa
nur einigen 'späten' Stücken zu verdanken, sondern er findet
sich fast ausnahmslos in allen Teilen. In der Ilias weist nur
das Z einen Oberschuß der Imperfekte (192) über die Aoriste
(174) auf, während einen allerdings das Y mit bloß 68 Imperf.
gegen 192 Aoriste in dieser Hinsicht schon ganz hellenistisch
anmutet Der Überschuß der Imperfekte über die Aoriste be-
ginnt im Z erst mit der eigentlichen ÖTiXorroüa, also erst mit
vs. 474. Im A und M halten sich Imperf. und Aor. ungefähr die
Wage, und häufig zeigt sich auch im Anfange eines Gesanges
eine Bevorzugung der Imperfekte.
In der Odyssee ist zufällig auch das a mit einem Plus
von Imperfekten ausgezeichnet, in der Kyklopie stehen die beiden
erzählenden Tempora mit gleichen Zahlen da, während k imd \x
nur geringe Überschüsse der Aoriste zeigen.
Um nun das gegenseitige Verhältnis von Imperfekt und
Aorist bei Homer einigermaßen beurteilen zu können, ist es von
Wert, dasselbe Verhältnis in einer Anzahl andrer Literaturer-
zeugnisse kennen zu lernen. Wir haben darüber schon von Miller
Auskunft erhalten, wie in der Einleitung erwähnt wurde. Ich
kann also seine Angaben mit meinen Zählungen kombinieren.
Die meinigen sind freilich insofern unvollkommener wie die
Millerschen, als sie nicht mit und ohne Berücksichtigung von i^v,
wie bei Miller, angestellt worden sind. Da femer meine Zäh-
lungsergebnisse in Prozenten aller Verbalformen eines Stückes
berechnet wurden, Miller aber nur Imperfekt imd Aorist
gegen einander abgewogen hat, so kann ich zwar wohl meine
Zahlen in die seinigen umrechnen, leider aber das Umgekehrte
nicht vornehmen, so lange mir nicht die Anzahl aller Verbal-
formen der von ihm berücksichtigten Stücke bekannt ist Un-
sere Ergebnisse sind in der nebenstehenden Tabelle IX zu-
sammengestellt :
Daraus geht hervor, daß von Homer an der Gebrauch des
Aorists allmählig abnalim, und bei Xenophon seinen Tiefetand
erreichte. Später drängte er sich wieder mehr und mehr in den
Vordergrund und erreichte seinen höchsten Stand bei den neu-
testamentlichen Autoren. Auf diese gehe ich hier nicht näher
ein, sondern behalte die Behandlung derselben einer besonderen
Publikation vor. — Wenn wir somit von der Ilias zur Odyssee
ein Zurücktreten des Aorists (Indikativ) wahrnehmen können, so
Statist Untersuchungen über dea Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 989
stimmt diese Erscheinimg mit der unten in Zahlen dargesteUten,
im Wechsel der Zeiten wechselnden Frequene des Aorists überein.
T
'abelle IX.
Imperfekt
und Aorist Indikativ.
IB Prosenten In PMcMten der Simmea
aller Verbal- aUer Imperfekte o. Aorif U.
formen.
Impf.
Aoriflt Impf.
Aoriflt
Dias
16
24 40
60
Odyssee
17
22 U
66
Herodot I
13
13 50
50
„ vn
—
— 58
42 nach Miller
„ Vffl
—
— 60
^ ,, ,,
Thucyd. I, ohne Reden
17
19 47
53
Reden
3
ö 87
63
„ vn
—
- 61
39 „ „
Aeschylos Perser
11
56
Sopb. Oed. rex
7
56
Eurip. Iph. taur.
7
63
Xeno{^ anab.
19
12 61
39
„ hellenica
17
16 51
49
„ Cyrop(l.,
2., 7.)
16
9 64
36
» »»
—
- 68
32 „ „
memorab. l<pr\
" mitgerechnet
12
4 75
25
Poljbius I
12
18 48
52
„ i-v
—
-^ 48
52 nach Miller
Maccabäer II
9
18 33
66
Diodor I
5
7 42
58
Dionys I
11
10 52
48
Josephus I
11
13 46
54
Plutarch Them.
10
11 4ß
52
Ev. Matth.
3
21 13
87
Ev. Marc.
11
19 27
63
Ev. Luc.
8
23 26
74
Acta apost.
10
25 29
71
Ev. Job.
7
22 21
79
Apoe. Job.
2
27 7
93
Arrian I
15
17 47
53 so auch Miller.
Nebenmodi des Präsens und Aorist. Da nun die
indikativen Aoriste, d. h. die perfektiven erzählenden Formen,
bei Homer häufiger sind als die Imperfekte, so ließe sich aus
Indogermaniflclie Forechnn^n XXIL 16
280 L. Schlachter,
psychologischen Gründen erwarten, daß die perfektiven Noben-
modi ebenfalls häufiger sein müßten als die imperfektiven
Neben modi, wenn diese nicht zugleich auch Nebenmodi des
Präsens wären. Nun sind aber die Judikative Präsentis zusammen
mit den Indikativen Imperfekti zahlreicher als die Judikative
Aoristi. Somit würden auch, wenn die Nebenmodi in einem be-
stimmten Verhältnisse zu den Indikativen stehen, die imperfek-
tiven Nebenmodi die perfektiven an Menge übertreffen müssen,
und zwar sollte jeder einzelne Modus des Präsens jedem Modus
des Aorist quantitativ überlegen sein. Was sagen nun die Tat-
sachen zu dieser aprioristischen Konstruktion?
Tabelle VIII.
Ilias.
Imperfekt Indik. 368B = 16,&!9 aUer Verbalfonnen
+ Präsens „ -f 1990 = 9 «/o „ „
Summe 6676 = 25,6Vo aller Verbalformen
— Aorist Indik. — Ö334 = 24f,lVo „ „
Differenz zugunsten der imperfektiven \ „.„ ^ -„,
Indikative / ^^ = l,öVo
Nebenmodi des Präsens 4331 » 19,6^0 aller Verbalformen
— „ „ Aorist — i046 = 18,3«/o „
Differenz zugunsten der imperfektiven \ _oo ^ ««/ n tr ^ i«
Nebenmodi f^= ^'^1' «"«' Verbalformen
Odyssee.
Imperfekt Indik. 3061 => 17,1 <>/• aller Verbalformen
+ Präsens „ + 1943 = 10,9«/o „ „
Summe 4994 = 28 •/« aller Verbalformen
— Aorist Indik. — 3944 == 22 > „ „
Differenz zugunsten der imperfektiven \.^^;^ ^ ,
Indikative ^Ooü = 6 /o
Nebenmodi des Präsens 3611 = 20 7^ aller Verbalformen
— „ „ Aorist — 3402 = 18,8Vo „ „
Differenz
'"'"Sentdi"'''''""'") ^ = 1.2> aller Verbalformen
Tab. VIII sagt uns, daß die oben ausgesprochene Erwartung
berechtigt war : die Nebenmodi des Präsens + Imperfekt sind
Statist Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 231
als Oanzes genommen in beiden Epen etwas zahlreicher als die
des Aorist Die samthaft stärkere Vertretung der präsentischen
Nebenmodi verteilt sich aber durchaus nicht gleichmäßig
auf die einzelnen, wie doch ebenfalls zu erwarten stand,
sondern nur drei derselben nehmen daran teil. Ein Blick
auf Tabelle VI (S. 226) zeigt dies mit aller Deutlichkeit, wenn die
Zahlen in den übereinanderliegenden Reihen der "Imperfectiva"
und der "Aoriste" verglichen werden. Imperativ, Infinitiv und
Partizip allein weisen auf der Imperfektivlinie höhere
Zahlen auf als auf der Aoristlinie; Konjunktiv und Optativ
hingegen stehen auf der Aoristlinie mit viel stattlicheren
Zahlen da als bei den Imperfektiven. Beides gilt für beide Epen;
wir haben somit wirklich ein Gesetz des Sprachgebrauchs, oder
wohl eher den Zahlenausdruck eines Sprachzustandes vor uns,
der bisher nicht bekannt war.
Unser Endergebnis ist also: Wie im Indikativ der
Aorist dem eigentlichen Imperfekte vorgezogen wird,
so wird im Konjunktiv und Optativ ebenfalls der Aorist
bevorzugt, während im Imperativ, Infinitiv und Partizip das
Präsens im Vordergrund steht*).
In der Ilias sind diese Bevorzugungen größer als in der
Odyssee, ausgenommen im Partizip und im Optativ.
Unsre eingangs aufgeworfene Frage, ob einer Vorliebe für
Indikative Aoristi bei einem Schriftsteller auch eine solche für
die aoristischen Nebenmodi entspreche, findet somit für Homer
eine teilweise Bejahung.
Um das gefundene Verhältnis von Präsens und Aorist in
den Nebenmodi objektiver beurteilen zu können, ist es nötig
die Lage der Dinge bei anderen Autoren zu kennen. In unten
folgender Tabelle X beschränke ich mich in meinen Mitteilungen
darüber auf Konj. Inf. Part und mache die Angaben in Pro-
zenten aller Verbalformen.
Auch hier zeigt sich wie bei den Indikativen ein Vor-
dringen der präsentischen (imperfektiven) Ausdrucksweise von
Homer bis auf Xenophon, dann aber tritt ebenfalls eine Wendung
ein, die bis zu einer starken Bevorzugung der Aoriste bei den neu-
testamentlichen erzählenden Autoren führt. Nur im Partizip bleibt
sich das numerische Verhältnis von Präs. und Aor. im Ganzen
1) Es ist selbstverständlich, daß dieser Satz nicht für einzelne kon-
krete Fälle gilt, sondern nur für die Gesamtheit der homerischen Verbal-
formen. «g«
m U SeliUeht«r,
gleich. -^ Stellt ee sich somit auch im weiterea EntwicUung»-
gange der Sprache heraus, daß die einaelnen Modi des gleicheo
Tempus sich verschiedea verhalten, so kann doch öfters die
Neigung 8U übereinstimmender Behandlung derselben beobachtet
Verden.
Tab
eile
X.
Prozente aller Verbalformen.
Koajunktiv
iBfloltlT
PartuiF
Prte.
Am.
?ria.
Aor.
Pfifc
Aer.
Qias
1,6
8
4
a
10
8
OdTSsee
1,6
3
4
3
10
Iß
Berodot 1
0.8
1,6
e
5
17
14
Aeschylos Pener
ohne
1
1.7
6
6
10
10
Soph. Oed. rex
Chor-
1
1.7
6
5
12
8
Eurip. Iph. taur.
lieder
1
3,7
5
6
11
11
Thocyd. I
1
1
9
6
17
14
Reden von I
3
2,7
16
8
20
8
XemHPh. Anab.
3
1
12
*,ö
14
8
,, Hellenica
1
1
10
4^
15
11
Cyrop. I, II, VII, mit Reden
2,3
2
14
4,5
14
6
Xenopb. Mem. I
3
1.*
21
M
21
5
Polyb. I
0,7
0,7
11
5
82
18
llaccabäer R
0,3
1
8
6.8
17
20
Diodor 1
0,6
0,7
13
13
21
14
Dionys I
0,3
0.7
9
8
17
18
Joseph. I
0,3
0.6
11
8
17
17
Plutarch Them.
0,3
0,9
11
' 8
23
16
Sv. Matth.
0,8
6,8
1,7
5
10
10
„ Marc.
1,5
6,*
8
4.6
9
13
„ Luc.
0,8
4,4
3
5
11
9
„ Joh.
2,3
5,2
1,8
2,4
7
3.6
Acta ap.
0,1
1,8
5,4
6,2
14
14
Arrian I
—
8
6.5
14
16
Wie wir nun im ersten Teile auf Tabelle V eine Analyse
des Aorists vorgenommen haben, um die prozentischen Beiträge
der verschiedenen Äoristbildungen zu den einzelnen Modi zu
untersuchen, so sollen auch jetzt die quantitativen Beziehungen
der aoristischen Nebcnmodi zu ihren verschiedenen Judikativen
festgestellt werden, wobei wir wieder die Judikative gleich 1000
setzen. Dadurch gewinnen wir
Statist Untersuchungen über dei^ Gebreveh der Tempora u. Modi usw. SM
Tabelle XL
Ilias.
Indik. KonJ. Optat Imperat Infln. Partie.
1000 136 80 60 143 334 alle Aonste
1000
58
46
27
200
740
Passivaoriste
1000
110
71
65
130
310
c Aoriste
1000
180
100
40
143
320
themat. Aor.
1000
140
80
127
Odyssee.
160
290
athemat. Aor.
Indik.
KoiU.
Optat
Imperat
Infln.
Parüa.
1000
140
120
71
175
338
alle Aoriste
1000 65 80 40 250 540 Passivaoriste
1000 120 96 78 100 350 a Aoriste
1000 187 146 60 190 300 themat. Aor.
1000 106 140 150 150 380 athemat Aor.
Es stellt sich hier heraus, daß im Eonj. und Opt die
höchsten Zahlen bei den thematischen Aoristen gefunden werden.
Diese stellen also die höchsten Beiträge an die Repräsentation
der beiden Modi. Andrerseits tragen die thematischen Forma^
tionen wenig bei zur Vertretung der Imperative, sondern bei
diesen finden sich die athematischen Aoriste hervorragend ver-
treten im Vergleiche zu ihren Leistungen im Indikativ. Für In-
finitiv und Partizip zeigen keine der verschiedenen aktiven und
medialen Aoristbildungen besondere Vorliebe, im Partizip tut sich
nur, wie schon oben erwähnt, der Aorist Passiv besonders hervor.
Von den genannten Tatsachen erscheint nun aber als die wich-
tigste die erstgenannte, daß die themat Aoriste am meisten
und besten in den Konjunktiven und Optativen zu
Hause sind. Sie vermag uns nämlich die Erklärung zu geben
ftir das rätselhafte Überwiegen der Konj. und Opt. Aoristi über
die gleichnamigen Modi des Präsens, von dem schon mehrfach
die Rede war. Mögen zu all diesen Erscheinungen metrische
Gründe mitgewirkt haben, so dürfen wir doch kaum solche als
allein wirksam ansehen bei der großen Gewandtheit der epischen
Dichter jener Zeit, metrisch a priori unbrauchbare Formen den*
noch brauchbar zu machen.
Bevor wir uns aber an die Erörterung dieses Rätsds
machen, sollen für solche Leser, denen die Reduktionstabelleii
nidit sympathisch sind, die gleichen Vertiältnisse an folc|QR!Ä«t
2M
L. Schlachter,
Zusammenstellung gezeigt werden, der zum Vergleich und zur
Illustration der hier waltenden Gresetzmäßigkeiten die Indikative
noch beigefügt sind.
Tabelle XII.
llias.
Indikative sigmatisch
,, asigmatisch
,, athematisch
Indikative
Odyssee.
1858 =» 49,1«/«
li61 = 38,5V«
471 = 12,i*/>
Summe 5075 = 100 > Summe 3790 = 100 V
2524 = 49,5»/o
1901 = 37,7«/o
660 = 12,8Vo
Konjunktive sigmatisch
„ asigmatisch
,, athematisch
277 = 39 >
341 = 48 %
92 = 13 Vo
Konjunktive Summe
Optative sigmatisch
„ asigmatisch
. ,, athematisch
710 = 100 «/o
181 = 43 «/o
185 = 44,5^0
52 = 12,5Vo
Optative Summe
Imperative sigmatisch
„ asigmatisch
,, athematisch
418 ==» 100
165 = 51
77 = 24
83 = 25
233 = 41 V*
273 = 50 V
50 = 9 Vo
Summe 556 = 100 •/»
179 = 40 V
213 = 45 •/•
68 = 15 Vo
Summe 460 = 100 •/
7o
7«
146 = 47
90 = 29
74 = 24
Imperative
Summe
Infinitive sigmatisch
,y asigmatisch
„ athematisch
325 = 100
46
336 =
273 =
115 =
16
•r9
7a
Infinitive
Summe 724 = 100
Summe 310 = 100 •/•
312 = 47 «/o
281 = 42 •/•
71 = 11 0/»
664 = 100 •/•
Participia sigmatisch 790 = 49
,, asigmatisch 611 = 38,4«/o
athematisch 189 = 12 ®/o
649 = 61
442 = 35
179 = 14
Participia
Summe 1590 = 100 ®/o
Gesamtsumme 8842 Formen
(ohne Passivaoriste).
Summe 1270 = 100 ^a
7050 Formen
(ohne Puflivaoriite).
Aus Tabelle XIII geht hervor, daß die sigmatischen einer-
seits und die asigmatischen nebst den athematischen Aoristen
anderseits sich im Indikative ziemlich die Wage halten. Man sollte
nun erwarten, daß dies in den Nebenmodi ebenso wäre. Statt
dessen zeigen dieselben größere und geringere Abweichungen.
Diese Abweichungen entsprechen sich in den beiden Epen. Am
nächsten konmien den Indikativen die Partizipien, während Kon-
junktive imd Optative am meisten von den Indikatiwerhältnissen
abweichen. Stellt man nun aus Tabelle XTT nach Maßgabe der
asigmatischen Bildungen eine Beihenfolge unter den aoristischen
Statist. Untersachungen über den Gebrauch der Tempora a. Modi usw. 285
Modi her, in der der Modus mit den meisten asigmatischen
Bildungen zuerst rangiert, der mit den wenigsten aber zuletzt
kommt, so erhält man folgende Anordnung:
Tabelle XIII.
Ilias.
Odyssee.
Aorist Konj. 61»/o
Aorist Optat. 60»/o
Optat. 57>
Koiy. 59®/o
Infin. MV
asigmatische Infin. ö3'/o
asigmatische
Indikat. öl«/o
Bildungen. Imperat. 53Vo
Bildungen.
Partiz. ö(y>/o
Indikat. öl'/o
Imperat. ^O^/o
Partiz. i9>
Wägt man aber ohne Berücksichtigung der übrigen Tem-
pora blos die gleichnamigen Modi des Präsens und Aorist gegen
einander ab, wie folgende Zusammenstellung zeigt, und sieht
zugleich darauf, daß sie nach Maßgabe ihrer prozentischen Höhe
geordnet werden, was in nachstehender Tabelle geschehen ist,
Tabelle XIV.
Ilias.
Präsens
Aorist
Samme
Konjunktiv 340 Formen
Konjunktiv ' 710 Formen
= 1050 Formen
oder 32«/o
68<»/o
= 100«/o
OpUtiv 245
)•
Optativ 410
11
= 664 „
oder 367o
64>
= 100^/0
Infinitiv 901
•»
Infinitiv 724
11
= 1625 „
oder 5ö«/o
4ö»/o
= 100«/o
Partizip. 2352
»»
Partizip. 1590
11
= 3940 „
oder 60«/o
40«/o
= 100>
Imperativ 484
»j
Imperativ 325
11
= 809 „
oder 60«/o
40<»/9
Odyssee.
= 100^/0
PriseDS
Aorist
Summ«
Konjunktiv 293 Formen
Konjunktiv 546 Formen
= 839 Formen
oder 36«/o
6ö«/o
= 100>
Optativ 276
»>
Optativ 460
11
= 736 „
oder 38«/o
62«/o
= 100«/o
Infinitiv 727
>»
Infinitiv 664
11
= 1391 „
oder ö3'/o
47«/o
= 1000/0
Imperativ 343
11
hnperativ 310
r?
= 653 „
oder öH'/o
470/0
= 1000/0
Partizip. 1972
11
Partizip. 1270
11
= 3242 „
oder 61<>/o
39«/o
= 1000/0
80 stellt sich heraus, daß die Reihenfolge der Modi des Aorist
auf den beiden nach ganz verschiedenen Grundsätzen herge-
stellten Tabellen Xm und XIY fast vollständig übereinetumsLl.
886 L. Schlächter,
I>8 dit nach den beiden angegebenen leitenden Gesichts-
paukten tfOi^stellten Bangordnungen sich so gut entsprechen,
so sind wir berechtigt, aus dieser Übereinstimmung den Satz
abzuleiten, daß in Tabelle XIY ein Modus des Aorists einen
um so höheren Prozentsatz aufweist, je zahlrdcher die asig-
matischen Bildungen sind. Der Prozentsatz eines Aorist-
modus ist also dem der asigmatischen Bildungen nahe-
zn direkt proportional.
Sucht man nach einer Erklärung dieser auffallenden Tat-
sache, so liegt es am nächsten an die oft sehr geringe, oft völlig
mangelnde Differenzierung zwischen den Nebenmodi des Präsens
und der asigmatischen Aoriste zu denken. Man ist geneigt, sich
zu sagen, daß eine Kontamination der beiden Moduszeiten sehr
leicht möglich war, namentlich dann, wenn nicht ein Aktions-
unterschied im Stamme selbst sich aufdrängte. Man könnte es
also für möglich halten, daß zur Zeit der Entstehung der home-
rischen Epen manche asigmatische Aoristform als Präsens ge-
fühlt wurde und demnach in unsem Epen als solches funktio-
niert Am meisten müßte das bei einem Konjunktive Aoristi II,
etwas weniger häufig bei einem Optative vorgekommen sein.
Somit würde man es einer Verirrung des Sprachgefühls zu-
schreiben, daß Konjunktiv und Optativ Aoristi relativ häufiger
sind als die andern Modi dieses Tempus. Freilich ist damit
nicht erklärt, weshalb ein Konjunktiv und Optativ eines zweiten
Aorists leichter als ein andrer Modus die Funktion eines Präsens
übernehmen konnte.
Nachdem wir schon auf S. 232 gesehen haben, daß das Ver-
hältnis der präsentischen Nebenmodi zu den aoristischen sich
bei späteren Autoren verschoben hat, so daß zuerst ein Vor-
dringen der imperfektiven Ausdrucksweise konstatiert werden
kann, nachher aber wieder ein Vordringen der perfektiven zu
beobachten ist, so wäre jetzt das Verhalten der starken Aoriste
bei diesem Rückwärts- und Vorwärtsgehen zu prüfen. Es wäre
zu untersuchen, ob diesen veränderten Verhältnissen auch ein
entsprechendes Rück- und Vorschreiten der starken Aoriste oder
der andern asigmatischen Bildungen entspricht Ich verzichte
darauf, mein auf diese Frage bezügliches Material hier zu ver-
öffenüichen, sondern begnüge mich damit, ganz summarisch zu
bemerken, daß von Homer an zwar im Konj. und Opt eine Ab-
nahme der starken Aoriste zu beobachten ist, dagegen eine Zu-
Statist. Untersachungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. MV
nähme im In£ und Part, besonders im letzteren Modus. Ton
einer quantitativen Beziehung zwischen der Häufigkeit eines
Aoristmodus und der Frequenz starker Aoriste in demselben, so,
wie sie oben für Ilias und Odyssee festgestellt werden konnte,
konnte ich jedoch nichts bemerken. Wenn aber die homerischen
Epen mit diesem Verhalten alleinstehen, so ist die vorhin aus-
gesprochene Vermutung, daß das Sprachgefühl des Griechen jener
Zeit für den Unterschied von Konj. und Opt. Präsentis und solchen
zweiter Aoriste möglicherweise nicht durchweg fein genug sein
mochte, näher anzusehen. Dabei möchte ich folgende Hypothese
wagen, deren Berechtigung zu prüfen die Aufgabe der Indo-
germanisten wäre:
Der Aorist mochte wohl ursprünglich in erster Linie, wie
ja jetzt allgemein angenommen wird, auch im Indikativ zeitlos
oder zeitstufenlos sein, was, wie Herbig meint, am gnomischen
Aorist hoch sichtbar ist. Als der Indikativ später temporale
Bedeutung annahm, infolge des hinzutretenden Augmentes, teilte
sich diese Bedeutung auch seinen Stellvertretern (Part, Inf., Opt
obliq.) mit, während die übrigen Modi (der Konj., die anderen
Optative, der Imperativ) zeitstufenlos blieben. Ebenso beschränkte
sich der rein konstatierende Gebrauch des Aorists, der übrigens
nach Delbrück, Mutzbauer, Molzer (nicht nach Purdie!) bei
Homer noch selten ist, auf den Indikativ und seine obgenannten
Stellvertreter.
Man sollte nun erwarten, daß die neue Verwendung der
genannten Aoristmodi neben der alten ihre Verwendbarkeit
quantitativ gehoben hätte. Das mochte anfangs so gewesen sein,
wir finden es aber bei Homer nicht mehr so. Es scheint mir
vielmehr, daß die alte zeitstufenlose Verwendbarkeit durch die
neue Anwendung verringert worden sei, und daß nur diejenigen
Modi, die an der veränderten Bedeutung des Indikativs ent-
weder gar nicht teilnahmen, wie der Konjunktiv, oder nur teil-
weise, wie der Optativ, im bisherigen Umfange verwendbar
blieben, nämlich für Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, per-
fektiv und imperfektiv. Sonach hätte also der Indikativ am
meisten eingebüßt von dem ursprünglich zeitstufenlosen Ge-
brauch, indem davon nur die gnomische und die komparative
Verwendung übrig blieb. Etwas besser wäre sie erhalten ge-
blieben im Partizip, noch mehr im Infinitiv, weit besser im
Optativ, am allermeisten aber im Konjunktiv. Das ist aber eben
238 L. Schlachter,
die Reihenfolge der Modi, die wir auf Tabelle XTTT finden. (Den
Imperativ schließe ich von dieser Erörterung aus, da er be-
sonderer Erwähnung bedarf). Da nun die Zeitstufenlosigkeit den
Nebenmodi des Präsens und Aorist gemeinsam war, so war natur-
gemäß der Bedeutungsunterschied zwischen den morphologisch
wenig differenzierten asigmatischen Aoristen und den Prasens-
formen am geringsten, so daß die ersteren als indifferente Bil-
dungen da am meisten Verwendung finden mußten, wo die
Zeitstufenlosigkeit am wenigsten gestört worden war, im Kon-
junktiv und Optativ. Der Aktionsunterschied, den wir jetzt
zwischen den präsentischen und aoristischen Formenreihen fühlen
oder nachzufühlen uns bemühen, ist ja nicht von Anbeginn bei
allen Verben vorhanden gewesen.
Nun noch ein Wort über den Imperativ: Es ist von
Delbrück (SF. IV S. 120) darauf hinge wi^en worden, daß der
Inf. Aor. erst aufgekommen sein dürfte, nachdem der Impt Präs.
sich schon eingebürgert hatte ^). Für diese Ansicht spricht nun
das Vorherrschen der Imperative Präs. in Dias und Odyssee
vor denen des Aorists, wie unsre Statistik sie lehrt, dafür spricht
femer ihr stärkeres Vorherrschen in der Dias. Andrerseits ver-
rät das Schwanken der Imperativverhältniszahlen in den einzelnen
Gesängen (vgl. Tab. XIV) einen Zustand der Sprache, wo noch
keine feste Praxis in der Verwendung aoristischer und präsen-
tischer Imperative sich ausgebildet hatte. Richtiger würde es
vielleicht sein, zu sagen, daß die einst feste Praxis durch das Ein-
dringen der neugebildeten aoristischen Imperative ins Wanken
geraten sei. Dieses Schwanken zwischen Imperat. Präs. und Aor.
ist, wie die nachfolgende Tabelle XIV lehrt, in der Odyssee
stärker als in der Dias.
Wenn nun Delbrücks Vermutung richtig ist und die aus-
gesprochene Ansicht von der geringen Differenz zwischen Prä-
sensformeu und den asigmatischen Aoristformen ebenfalls, so
sollten bei Verboten Imperative zweiter Aoriste neben präsen-
tischen Imperativen bei Homer zu finden sein. Es sind mir aber
nur zwei Beispiele bekannt, und beide Male handelt es sich um
das gleiche Verb : |uit^ ?v9eo (uj 248 und A 410). Dieser Befund
also spricht gegen die Richtigkeit obiger Darlegung. — Ebenso
sollte, wenn meine Auffassung richtig ist, bei Homer ein Verbot
außer mit Konj. Aor. auch mit |uif| und Konj. Präs. ausgesprochen
1) Siehe auch Vergl. Synt. d. idg. Spr. II S. 364.
Statist. Untersuchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. 289
werden können. Das ist nun wirklich der Fall, auch wenn wir
von Kixeiu) A. 26 und iKiDjuai X 123, die beides sein können,
absehen. Ich erwähne tt 389 und u) 462. Häufig ist aber auch
diese Erscheinung nicht Wenn wir indessen in abhängigen jurj-
Sätzen den Konj. Präs. neben dem Konj. Aor. finden ^), so dürfte
das doch wohl darauf hinweisen, daß in älterer Zeit auch in
unabhängigen Verboten der Konj. Präs. häufiger war. — Dafür,
daß auch der Imperat. starker Aoriste in älterer Zeit neben dem
Präsens gebraucht worden sei, darf kaum die Tatsache als Beweis
angesehen werden, daß die Infinitive Aoristi mit Imperativbedeu-
tung negiert vorkommen. Wir haben also hier eine Schwierigkeit,
die zugestanden werden muß.
um nun schließlich noch das gegenseitige Zahlenverhältnis
der Nebenmodi des Präsens und Aor. in den einzelnen Gesängen
zur Darstellung zu bringen, lasse ich die Tabellen XV a und b
folgen. Die Zahlen erheben nicht Anspruch auf absolute Rich-
tigkeit Gelegentliche Nachprüfungen haben kleinere Differenzen
ergeben; es wird aber dadurch an den Gesamtresultaten im
wesentlichen nichts geändert Ich bemerke noch, daß, wenn die
Addition der gleichnamigen Modi des Präs. und Aor. nicht 100
gibt, die Differenz auf Perf. und Fut oder auf beide zusammen-
fällt (Inf. u. Part.). Die Tabellen zeigen, verglichen mit Tab. XIV,
daß auch für die einzelnen Gesänge das Vorwiegen der Konj.
und Opt Aor. gilt, sowie das Vorherrschen der Part Präs. und
das schwankende Verhalten der Infinitive in beiden Epen und
das des Imperativs in der Odyssee.
Tabelle XV a.
Nebenmodi des Präsens und Aorist in ihrem gegenseitigen
Zahlenverhältnis.
llias.
Nebenmodi des Prftseni
in Prozenten
Nebenmodi des Aoriit in Prozenten
KooJ. Opt. Impt.
Infln.
Part.
Konj.
Opt Impt
Infln. Part
A 33 37 50
50
56
60
63 47
33 32
B 46 42 76
65
59
54
58 24
31 32
r 29 30 58
51
40
69
65 42
49 44
A 32 37 66
54
50
60
60 34
37 35
E 41 23 54
52
49
59
73 38
29 33
Z 35 44 52
45
51
59
52 47
41 36
1) Delbr. Vgl. S. d. idg. Spr. U 363.
MO L. Schiachter,
Nebenmodi d«i Priseni in Prozenten Nebenmodi den Aotiit in Pronatai
EonJ. Opt Impt Infln. Part Eoi^. Opt In^t Infln. Part.
HlS8768a8 45 8763346440
e 84 33 64 89 54 70 67 30 49 37
4 59 46634949 4652893837
K 41 26 60 59 49 57 74 46 29 49
A 26 46 56 53 50 71 53 40 26 36
M355068 86 41 6445254039
N 32 29 80 46 48 64 71 20 37 34
£40 36 6246 47 5864383839
0 38 40 62 41 47 61 60 29 38 39
n2920 46 5548 65 76 693440
P 24 31 50 52 45 74 70 50 32 42
1 36 36 90 94 52 64 58 61 67 33
T 82 38 44 96 44 76 62 47 40 39
Y 29 43 72 51 49 66 67 5 34 49
0 19 35 72 43 49 79 65 25 42 31
X 23 27 56 96 49 73 73 36 62 37
Y 24 67 70 99 53 71 99 27 49 37
Q 18 43 49 99 53 80 57 67 46 32
Die Ton der Regel abweichenden Zahlen sind fett gedruckt.
Tabelle XV b.
Nebenmodi des Präsens und Aorist in ihrem gegenseitigen
Zahlenverhältnis.
Odyssee.
Nebenmodi des Präsens in Prozenten Nebenmodi des Aorist in Prozenten
KonJ. Opt. Impt Infln. Part. KonJ. Opt Impt Iniin. Part
a 40
30
64
61
51
54
70
32
34
28
ß 27
34
99
61
56
66
66
60
32
26
T 26
43
49
48
54
70
47
47
48
36
b 38
32
46
94
50
62
68
69
66
32
*^)35
34
46
99
47
62
61
61
69
33
n 29
32
56
41
60
53
68
44
49
30
e 43
60
99
48
47
54
47
70
40
40
i 42
44
27
49
46
50
54
79
46
46
K 24
35
68
49
52
72
65
32
41
36
X 35
49
40
49
52
61
51
66
46
.29
Vi 35
10
52
99
48
65
90
37
62
41
V 37
37
65
99
53
58
63
35
49
29
E 17
30
64
46
49
77
62
26
49
39
0 33
40
58
49
49
66
58
42
49
40
ir 36
43
48
54
53
64
57
45
39
40
p 37
35
54
53
53
62
63
40
38
34
c 34
47
53
54
40
63
61
35
37
41
Statist Untersnchungen über den Gebrauch der Tempora u. Modi usw. Ml
Neteoiiiodi iet PräMiu in ProzentM Mebenmodi des Aoriat in ProsentMi
EonJ. Opt Impt Infin. Part KonJ. Opt Impt Infln. Part
T
36
80
56
53
58
60
66
40
42
28
V
39
31
S2
66
60
61
70
44
29
27
V
82
23
60
81
50
66
79
39
69
41
X
8
28
46
50
48
83
72
49
40
33
V
30
23
66
39
54
71
65
43
48
31
Ul
36
28
44
40
52
50
72
55
40
37
Die von der Regel abweichenden Zahlen sind fett gedruckt.
Fassen wir nun auch die Ergebnisse des zweiten Teiles
zusammen, so sind es folgende:
1. In beiden Epen überragen die Judikative Aoristi die
Imperfekte an Zahl beträchtlich.
2. In der Ilias sind die Indikative Aoristi noch mehr be-
Torzugt als in der Odyssee.
3. Dieser Bevorzugung der Aoriste im Indik. entsprechen
unter den Nebenmodi nur Eonj. und Opt
4. Im Imperativ, Infin., Part ist die präsentische Ausdruck»-
weise häufiger (Tab. XIV u. XV).
5. In der Ilias ist sowohl der Überschuß der Konj. u. Opt
Aoristi über Konj. und Opt. Präsentis als auch der von Infin.
u. Imperat Präs. über Inf. u. Imp. Aoristi relativ größer als in
der Odyssee (vgl. Tab. XIV).
6. Im Konj. u. Opt Aor. wiegen die asigmatischen Bildungen
stark vor (Tab. XI u. XII).
7. Der Aorist Passiv ist von der epischen Sprache den
übrigen Aoristformationen funktionell noch nicht völlig assimiliert.
In der Odyssee zeigt er sich ihnen etwas besser angeglichen
als in der lUas (Tab. V u. XI).
8. Sonst ist dieBeteiligungderverschiedenen Aoristbildungen
an den einzelnen Modis unter sich zwar verschieden, in beiden
Epen aber von übereinstimmender Verschiedenheit (Tab. XII).
Aus den angestellten und zum Teil hier mitgeteilten statisti*
sehen Erhebungen, soweit sie über Homer hinausgehen, ergibt
sich die für die Aktionslehre wichtige Tatsache, daß das Ver-
hältnis zwischen Imperfekt und Aorist Indikativ im Laufe der
Zeiten wechselt, und daß somit nicht zu allen Zeiten die
gleichen Grundsätze bei der Wahl des einen oder andern
Tempus herrschten (vgl. S. 229).
Für die Aktionslehi-e ist die weitere Tatsache von Wichtig-
242 Fr. Stolz,
keit, daß sich zwar allezeit mit dem einen Modus leichter die
imperfektive Aktion verbindet, mit dem andern die perfektive,
daß aber auch in dieser Beziehung verschiedene Zeiten durch
verschiedenes Fühlen geleitet werden, wozu auch die nächste,
Herodot behandelnde Publikation einen Beleg bringen wird.
Bern. L. Schlachter.
Laverna.
Die bis zur Stunde geltende Erklärung des lateinischen
Göttemamens Lavema^ über deren Literatur Vaniöek Et Wb.
2. Aufl. 253 Aufschluß gibt (vgl. auch Osthoff IF. 5, 311), hat
auch Walde in seinem mit Recht von allen Seiten beifällig auf-
genommenen etymologischen Wörterbuch S.351 angenommen, wo
Lavema 'Göttin des Gewinns, Diebsgöttin*, ebenso wie lücrum^
zu W. *iatt- 'gewinnen, genießen' gestellt werden, eine Deutung,
die auch von mir Hist Gramm. 1, 161 angenommen worden war,
ohne daß bis jetzt, soweit mir bekannt ist, über die auf^lige
Bildung des Wortes irgend eine Bemerkung vorgetragen worden
wäre. Und doch, wenn man die offenbar in ihrer Bildung nächst-
verwandten Substantive cavema lucema^ um von anderen ähn-
lichen Bildungen zunächst abzusehen, ins Auge gefaßt hätte,
wäre die Beantwortung der Frage der Bildung und Bedeutung
dieses Göttinnennamens nicht zu umgehen gewesen. Aber auch
abgesehen von dieser formalen Schwieriglceit, die später zur Er-
örterung kommen wird, ist von den Sprachforschem, welche die
oben erwähnte Etymologie von Laverna gutgeheißen haben, über-
sehen worden, daß diese Erklärung auch zur Sachforschung
nicht stimmt, da die Funktion dieser Göttin als 'Diebsgöttin'
keineswegs die ursprüngliche gewesen zu sein scheint. Über diese
ursprüngliche Wesenheit der Göttin gibt Wissowa bei Röscher
Lexikon II, 1917 f. und Religion und Kultus der Römer S. 190
erwünschten Aufschluß. Ich führe die letztere Stelle wörtlich an:
*Eine verschollene Unterweltsgöttin ist wahrscheinlich auch La-
verna, die am Aventin, nahe der nach ihr benannten Porta
Lavemalis, einen Altar (Varro de 1. 1. V 163) und außerdem einen
heiligen Hain besaß: wir kennen sie außer durch die Inschrift
einer Tonschale (CIL. I, 47) nur aus zahlreichen Erwähnungen
römischer Dichter, bei denen die Göttin des Dunkels zur
Lavema. 243
Schützerin der Spitzbuben geworden ist: aber noch in einem
Zeugnisse aus der Zeit Hadrians wird Lavema als Vertreterin
der Unterwelt den — durch Pallas repräsentierten — himm-
lischen Gottheiten gegenüber gestellt/ Dieses Zeugnis, auf das von
Wisse wa aufmerksam gemacht, auch Wünsch (Inscr. Graecae III 3,
App. S. IV) verweist, stammt von dem Dichter Septimius Serenus
und lautet:
Inferis manu sinistra
imroolamas pocula:
laeva quae vides Lavernae,
Pallad i sunt dextera. *)
Es braucht wohl nicht ausdrücklich darauf hingewiesen zu
werden, wie vortrefflich zu diesem, allerdings späten, literarischen
Zeugnis die Tatsache stimmt, daß uns aus alter Zeit eine Ton-
schale mit der Aufschrift 'Lavemai pocolom' erhalten ist Daß
aber die *ünterweltsgöttin' ursprünglicher und älter sem muß
als die 'Göttin der Diebe', erhellt, von allem andern abgesehen,
schon aus der aprioristischen Erwägung, daß die Umwandlung
einer *Göttin der Diebe' in eine *ünterweltsgöttin' überhaupt
als eine bare Unbegreiflichkeit erscheint, während die umge-
kehrte Entwicklung, worauf schon Wissowa bei Röscher a. a. 0.
hingewiesen hat, sich aus den Worten des Horatius EpistI16,60f.
recht leicht begreifen läßt Dort heißt es von einem nur dem
äußeren Scheine nach rechtschaffenen Mann:
Labra movet metuens audiri: *pulchra Laverna,
Da mihi fallere, da iusto sanctoque videri,
Noctem peccatis et fraudibus obice nubem*.
Sonach ist es nichts mit der 'Göttin des Gewinnes', son-
dern die Erklärung des Namens muß nach einer andern Richtung
gesucht werden.') Es klingt nicht unglaublich, unser Laverna
mit den Worten lateo IcUebra in Verbindung zu bringen, die von
der W. lä: U abgeleitet sind. Speziell sei daran erinnert, daß
lateo gewiß mit Recht als eine Ableitung des to- Partizips idg.
*l9iö- angesehen und mit fateor^ abgeleitet von *bh9tö'y lat */a^i
auf eine Linie gestellt wird. Wie hätten also in dem Namen
der Göttin Lavema die schwache Wurzelgestalt zu suchen, idg.
fo. = lat kh.
1) Als eine der eigentlichen Unterweltsgottheiten bezeichnet
Lavema anch Steading bei Röscher Lexikon II 24ö, 58.
2) Aach die Deutung von Lua (Walde 349) wird nach Wissowa
Religion 171 abgeändert werden müssen.
Ui Fr. Stolz,
Es wird sich nun empfehlen, die bereits oben erwähnte
Bildung cavema näher ins Auge zu fassen, die wir entschieden
zur gleichen Wurzel stellen, wie das Adjektivum cawm^). eavemm
Kun, aus *c69amä *c&ü§r-nä^ woraus nach dem Inslebentreten der
regulierenden Tätigkeit der Antepänultima mit Übergang des
nunmehr rortonigen co- in ca- cavima wurde, dürfte eine Weiter-
bildung eines ursprünglichen r-Stammes *covar^ vgl. griedL Kuap
aruL 8or 'Höhle, Loch' (vgl. Brugmann Grundriß 2i-, 281), mit
dem Suffix -nä, und 'hohler Raum, Höhle, Höhlung' mitbin
die Grundbedeutung des lateinischen Wortes gewesen sein. Was
nun die Bildung des mit cavema reimenden Lavema anlangt,
so vermag ich allerdings für dieses einen ursprünglichen r-Stamm
sonst nicht nachzuweisen. Aber entsprechend dem Yerhältnis
cavama: cavos, die jedenfalls nach dem wohl schon in vor-
historischer Zeit erfolgten Verluste des einfachen *covar in un-
mittelbare Beziehung miteinander gesetzt wurden, dürfen wir
auch Laverna: Havos erschließen. Dieses letztere, Grdf. *l9u6s^ ist
eine dem to- Partizip *l9t6s parallele Bildung mit passiver Be-
deutung 'verborgen*. Zu Bildung und Bedeutung genau ent-
sprechende Fälle sind curvus neben griech. Kupiöc, wenn auch
beide Worte nur mehr in adjektivischer Geltung vorliegen, andere
jfo- Bildungen mit gleicher Bedeutung verzeichnet Brugmann
Grundriß 2i*, 202 f., z. B. ai. üvds 'vertraut', griech. xavadc
'gestreckt', kymr. gwyw 'verwelkt' u. a. Somit dürfen wir für
Laverna die Grundbedeutung 'verborgener Ort' erschließen, woraus
sich durch metonymische Umdeutung "die an dem verborgenen
Orte weilende oder hausende Gottheit" entwickelte. Elin Ana-
logen hiezu bietet das anord. hd ags. hell ahd. hella^ ursprüng-
lich 'Ort der Verbergung', erst später personifiziert zur G<)ttin
Hei, Diese Bedeutungsentwicklung nimmt, um nur diesen einen
Gewährsmann zu nennen (vgl. auch Mogk Germanische Mytho-
logie (Sammlung Göschen, 1906) S. 38: "Hei hat wie got halja,
nhd. hella zunächst rein lokale Bedeutung; erst spätere Dichtung
läßt über das Reich eine Hei walten usw."), meines Erachtens
Schrader Reallexikon 869 mit Recht an im Gegensatze 2U jener \
1) Nicht mit Hirt PBrB. 23, 310 aus *cajie8ina: ahd. hüs herzu-
leiten, wie auch Walde S. 109 dafürzuhalten geneigt ist; wenn auch laut-
gesetzlich der Hirt'schen Etymologie nichts im Wege stünde, scheint mit
doch die Bedeutung des Wortes entschieden auf Zusammenbang mit cavos
cavua zu deuten.
Laverna. 846
Auffassang, die den umgekehrten Gteng anzunehmen geneigt ist
und von der persönlichen Bedeutung der Gk)ttheit ausgeht, eine
Auffassung, die allerdings von Jakob Grimm ausgegangen ist
und in Osthoff IF. 8, 55 f. unter besonderer Berufung auf das
lateinische Orcus, das im alten Latein nach dem Nachweise von
J. S. Speijer ''nur den Gott, dasselbe was Du pater^ nicht die
Lokalität, in der er baust, also nicht das *Totenreich, die
Unterwelt', bezeichne", einen besonders warmen Vertreter ge-
funden hat. Doch ist nicht zu übersehen, daß R. Peter bei
Boscher Lex. s. v. 'Orcus' ausdrücklich bemerkt: "Die ursprüng-
liche Bedeutung des Wortes Orcus als Bezeichnung für den
Unterweltsraum tritt nur in wenigen Stellen der Schrift-
steller hervor, vgl. Paul. S. 128 manalem lapidem ptäabatU esse
asHutn arci^ per quod animae inferortim ad superos manarent]
Lucret 1, 115 an tenebras orci visat vasiasque lacutMS^ 6, 7631
ianua ne forte his orci regumibus esse credatur .... Propert 3,
19, 27 non tarnen immerito Minos sedet arbiter orci". Allerdings
darf nicht verschwiegen werden, daß auch Wissowa für die
persönliche Auffassung von Orcus zu sein scheint, da er Re-
ligion und Kultus der Römer S. 192 sagt: "Denn die gespen-
stigen Erscheinungen der lanxie und des Orcus, die nicht der
Religion, sondern dem volkstümlichen Aberglauben angehören,
haben stets etwas ganz Unbestimmtes behalten und nie feste
charakteristische Züge angenommen". Von der Heranziehung
des griech. *'Aibnc nehme ich Umgang, da hierbei meines
Erachtens aller Wahrscheinlichkeit nach an den 'unsichtbaren'
Gott, also an die Persönlichkeit, nicht an die örtlichkeit, *wo
man nicht gesehen werden kann' zu denken ist, wenn auch
V 244 *'Aiöi Keu0u)jiai sicher *im Totenreiche' bedeutet (Baunack
Studien 1, 294). Auf einen 'persönlichen' Gott würde auch die
von Wackernagel (Literatur bei Prellwitz Et Wb.* S. 13 f.)
vorgeschlagene Etymologie weisen, derzufolge *AiFibnc die
Grundform gewesen sein und das Wort mit dem im latei-
nischen saeüus vorliegenden Stamm verbunden werden sollte. Man
wird aber den Ausführungen Solmsens Untersuchungen zur
griech. Laut- und Verslehre 71 ff. beipflichten müssen, denen
zufolge "es für das Epos bei der alten Auffassung von 'Aib-
'Aibnc als dem ^unsichtbaren' sein Bewenden haben*' müsse.
Auch Gruppe J. v. Müllers Handbuch V 399 * erklärt sich für
diese ältere Etymologie und die ursprünglich persönliche Auf-
Indogermaniiche Yonchnngen XXIL VI
846 Fr. Stolz,
fassung des Wortes,*) so daß der Schradersche Versuch (Beal-
lexikon 869, Sprach vergl. » II 434) das Wort von der örÜichkeit
(*dFiba, woraus später "Aibnc, wie vcoviac von *veavSa", zu deuten^
dem vor allen semasiologische Bedenken im Wege steh^oL, ent-
schieden unberücksichtigt bleiben dart [Giardi-Dupr66 Ausfüh-
rungen über das Wort habe ich nicht einsehen können; vgl
IF.Anz. 20, 86. K.-N.].
Um nun aber wieder zu unserer Lavema zurückzukehren,
80 scheint die von mir vorgeschlagene Erklärung des Wortes
nicht nur gar wohl möglich, sondern mit Rücksicht auf alle in
Betracht kommenden Umstände geradezu geboten, wenn es über*
haupt gestattet ist, auf Grund des vorliegenden, allerdings etwas
dürftigen Materials, das doch fast zweifellos den ursprüngiiehen
Charakter unserer Gröttin als *Unterweltsgöttin' hervortreten läBt,
einen Erklärungsversuch zu unternehmen, der eine tadellose
und sinngemäße Deutung ergibt und auch die entschieden auf-
fallende Bildung des Wortes in befriedigender Weise erklärt
In formaler Hinsicht bleibt nur fraglich, ob wir bei Er-
klärung unseres Wortes von einem r- Stamme auszugehen haben,
wie dies bei eaverna und lucema (vgl. Johansson Beiträge rar
griechischen Sprachkunde 14. Brugmann Grundriß 2i*, 281)
sicher der Fall ist, oder ob ein durch Abstraktion gewonnener
Suffixkomplex -ema anzunehmen ist, wie er doch wohl in tabema
(aus Hrabema (vgl. Solrasen Kuhns Zeitschr. 38, 456 fl und
Walde s. v.), cistema vorliegt, da das letztgenannte Wort, dessen
entschieden örtliche Bedeutung den Anschluß an aivema und
iaberna außerordentlich wahrscheinlich macht, am ehesten als
eine Neubildung zu cista zu betrachten ist (von Planta Gramm,
d. osk.-umbr. Dial. II, 21). Während in den angeführten Fällen
den Bildungen auf -erna eine lokale Bedeutung anhaftet, zeigt
das wegen der Übereinstimmung mit ir. locham luadiam F.
kjmr. Uugom 'Leuchte' als voritalisch anzusetzende Iticema eine
andere Bedeutungsfärbung des zugrunde liegenden Substantiv-
stammes*). Trotz der Verschiedenheit der Vokalquantität mochten
1) Vgl. auch noch 1182«, wo auf Hoffmann Griech. Dial. 3, 319 ver-
wiesen ist, und Röscher Lex. s. v. Tluton* (Nachtrag zu 1, 1778 f.). Walde
Lat. Et. Wb. erwähnt s. v. 'saevus* die Wackemagelsche Deutung^ von
*Aibiic gar nicht.
2) Zu luetrna von einem r -Stamme vgl. die Ableitungen von *-
Stämmen catetia actcena verhina (Skutsch De nom. Lat. suff. -no-ope form.
8f., Hist. Gramm. 1, 123, Brugmann Grundriß 2i', 282).
Laverna. 247
die Sprechenden doch lux liie-is usw. in eine Beihe bringen mit
litc-ema; so könnte sich nach lüc^ : luc-ema wohl auch fusHa :
fii$^-ema erklären. [Hier dürfte auch bastema anzuschließen sein,
das am ehesten Ton bastutn abzuleiten ist. K.-N.] unklar bleibt
lacertia, das Walde nach Fick ^^ 238 an ir. 2^ *Hemd' an-
schließt und das doch wohl auch denselben Suffixkomplex, wie
die vorausgegangenen Wörter enthält (vgl. Hist Gramm. 1, 480).
nassUema (nOsiUma)^ das man mit nömis (nOsm) zu ver-
binden haben wird (s. Walde S. 405), schließt sich wegen seines
-t- nicht unmittelbar an die früher behandelten Bildungen an
<vgl. das "i- von lantema fustemä). [pincema und santema bleiben
b^ser unberücksichtigt K.-N.]
Von sachlicher Seite sei noch darauf hingewiesen, daß das
Vorhandensein eines Ortes Lcnvemae^ zwischen Gorfinium und
Sulmo ^) sicher auch dafür spricht, daß der Charakter der Oöttin
ursprünglich der einer Unterweltsgöttin, nicht der einer "Be-
schützerin der Diebe" gewesen ist W. Schulze Zur Geschichte
lateinischer Eigennamen S. 480^ erwähnt unseren *pagas Lar
vemus* und erinnert daran, "daß der Hain der LibiUna (Wissowa
Religion 197) einfach lucus Lubüina CIL. VI, 9974 (oder LMHna
10022) genannt wird." Schulze führt das letzte Beispiel, in
welchem 'Ubitina' sozusagen als Apposition steht, wie wir
Deutsche ganz gut sagen können, "Der Hain Lubitina", nur
deshalb an, um zu zeigen, daß bei dem 'pagus Lavemus* das
Fehlen eines ableitenden Suffixes, wie es regdrecht in dem von
Cicero ad Att 7, 8, 4 erwähnten Lavemium vorliegt, nicht auf-
jrafallen brauche, für uns bietet der *iucus Lubitina' auch eine
sachliche Analogie zum *pagus Lavemae', insofern als zwischen
der *Begräbnisgöttin' (Wissowa Religion und Kultus 197) und
einer *ünterweltsgöttin' eine gewisse sachliche Verwandtschaft
besteht
Von der ünterweltsgöttin 'Lavema' führt uns eine zwang»-
lose Ideenverbindung zum "lucus Avemus", jenem kleinen
Kratersee in Kampanien, welcher bekanntlich der Proserpina
geheiligt war und als Eingang zur Unterwelt angesehen wurde
(Boscher Lexikon I, 739). Bezüglich des Namens sagt B. Feter,
der Verfasser des Artikels : "Der Name Avemus ist eine Uni-
bildung des griechischen dfopvoc (Serv. Aen. 3, 442), womit man
1) Vgl. CIL. IX, S. 296 : "Prezza ubi nunc est, ibi fuisse olim La-
vemas pagnm innotuil ex 3138. Flut. Sulla 6 'Aoß^pvn'*"
17*
2i8 Fr. Stolz,
örüichkeiten bezeichnete, an denen ein der Erde entsteigender
giftiger Dunst den Aufenthalt tötlich machte, so daß über sie
nicht einmal ein Vogel zu fliegen wagte/' Im Thesaurus heißt
es nur: **arf etymon dopvoc referunt inter Latinos LVOR. 6, 740
(infra l 70), VERG. Aen. 6, 242 (l 73), SIL. 12, 123, NON. 14
Avemus lacus idcirco appellatus est, quia est odor eins avibus
infestissimus {laudcU LYCR VERG.)". Dann wird noch auf die
oben von Peter zitierte Stelle des Serenus verwiesen, und Corp.
Gloss. V, 649, 7 und IV, 131, 12 angeführt, an deren erster diese
ganze Weisheit in die Worte zusammengefaßt wird: **Avemus
quod avis non ferat, a graeco, omea enim avis dicitur". Auch
Corp. Gloss. III, 237, 12 tö Eöopvov Avemus wird noch ange-
führt Bei Pauly-Wissowa II, 2286 heißt es: "Avemus lacus
(meist "Aopvoc die Griechen, wegen der Ableitung von ä-opvic;
'Aouepvic Dio Cass. XLVm, 50)". Nun läßt sich ja allerdings
die Möglichkeit der Entstehung von Avemus aus griech. dfopvoc,
was die lautliche Seite der Frage anlangt, nicht bestreiten, da
in lat avetia "Felteisen, Mantelsack", das griech. dopifi 'KJeider-
sack' vorliegt, das nach Solrasen Studien zur lat. Lautgeschichte,
S. 23 f., dem Lindsay The Latin Language, 197 zustimmt (vgl.
auch Hist Gramm., I, 616), in der Lautgestalt *afx>rta in den
lateinischen Sprachschatz aufgenommen und dann regelrecht zu
averta weiter entwickelt worden ist, wie vortö vorsus vortex zu
vertö versus Vertex.
Zur Voraussetzimg hat diese Erklämng allerdings, daß das
Wort, welches außer in den Glossensammlungen nur in späten
Quellen bezeugt ist (s. die Belege im Thesaurus' s. v.) schon
vor der Zeit des Übergangs von vo- in ve- in den Spi'achschatz
der lateinischen Vulgärsprache aufgenommen worden ist
So könnte, rein theoretisch betrachtet, auch ein griech.
dfopvoc durch avornos zu avemus umgestaltet worden sein. Indes
spricht doch alles dafür, daß Avemus ein einheimischer italischer
Name ist, und als solchen betrachten ihn auch die meisten
Sprachforscher, z. B. von Planta Gramm. II, 19, der neben einer
Anzahl anderer italischer Ortsnamen (Salemum^ Tifemus^ Tifer-
num^ Aesernia^ Privemum^ Prifernum^ Aternus^ Lavemae^ ager
Falernus) auch unser lacus Avernus aufführt ^). Gewiß mit Recht:
1) Brugmann Grundriß II 1 ', 281 führt keinen der italischen Namen
an, sondern nur "gall. Tigernum Name eines Kastells" und "-4rremi,
Hibemia". Gewiß wird in manchen oben angeführten Bildungen der
Laverna. 249
denn sicher ist griech. dopvoc gelehrte Umformung des italischen
Originalwortes Ävemm, Ich sage ausdrücklich "gelehrte Um-
formung", während Lindsay a, a. 0. von dem italischen Worte
sagt, es sei **popularly connected with dfopvoc"; denn die ganze
Sage von dem Eingang in die Unterwelt durch den lacus Avemus,
bei der Odysseus und Äneas eine hervorragende Rolle spielen,
ist sicher ein Erzeugnis der griechischen Dichter, nicht des
volkstümlichen Denkens, geradeso wie das, was wir "bei römi-
schen Dichtem von der Unterwelt und ihren Schrecken" lesen,
"ebenso auf griechischen Vorbildern, wie die Darstellungen etrus-
kischer Grabgemälde", beruht (Wissowa Religion usw., S. 192 mit
Fußnote 1).
Nach der eben gegebenen Auseinandersetzung ist es kaum
statthaft, eine Vermutung, die schon Bopp Vergl. Gramm.* III,
4911 unter Berufung auf Weber ausgesprochen hat (darnach
auch Vaniöek Lat W.* 31) in etwas veränderter Form wieder
aufzunehmen. Wenn es nämlich a. a. 0. heißt, es sei "in aver-
nu-s ein Schwesterwort des sanskritischen, von ava stammenden
ävaras inferus ... zu erkennen", so müßte diese Auffassung da-
hin abgeändert werden, daß Avernus eine Bildung sei, wie super-
nu'8 (neben dem Adverbium supem'e)^ infemus (fnfem-e) internus^
d. h. eine Weiterbildung des Adverbiums *av€r mittels des Suffixes
'-fUh. Einen ähnlichen Gedanken spricht Persson Studia etymo-
logica 120 aus: "Sanscrita igitur adiectiva, quae sunt abhyarnch
'nahe' apäma- "entfernt' in memoriam revocant lat. super-nu»^
awr-niis^ germ. fer-n sim. Et ducta sunt fortasse ex r-formis
*abhyar *apar'^ *abhyar : abhi = ?vep : iv e. q. s.". Wenn also
nach dieser ohne Frage sehr hypothetischen Auffassung Avemm
synonym mit fnfernus wäre, so ließe sich diese Bezeichnung
des Sees wohl insofern rechtfertigen, als die volkstümliche, frei-
lich später durch Agrippa als irrig erwiesene Ansicht von seiner
unergründlichen Tiefe ihn als einen 'unterirdischen' erscheinen
lassen konnte. Indessen ist diese ganze problematische Erörte-
rung aus dem bereits oben erwähnten Grunde wohl überflüssig.
Da sich Avemus^ wenigstens nach dem mir bekannten
augenblicklichen Stande der italischen Namenkunde, auch nicht
Soffixkomplex -ern- zur "Bezeichnung der Zugehörigkeit" dienen, wie dies
Hirt Die Indogermanen, S. 710 unter Berufung auf got. widuwairna (eigent-
lich •Witwensohn*, vgl. Brugmann a. a. 0., Kluge * s. v. 'Dirne', wo aber
die Ableitungssilbe irriger Weise als 'Diminutiv' bezeichnet wird), ahd.
dioma von Arvemij Bastemi behauptet wird.
850 N. van Wijk,
unter die von Schulze Zur Geschichte lateinischer Eigennamen
S. 161 ff. behandelte Namenklasse mit dem stammerweitemden
Wortbildnngselement -er- einreihen läSt, so müssen wir vorläuJB;
darauf verzichten, diesen Eigennamen deuten zu wollen. [Walde
S. 54 s. y. *aveo' denkt, wie ich erst später ersehen habe, an die
Möglichkeit Avemus zum Flußnamen Awns (davon AwntinuB) zu
stellen. K.-N.]
Nachschrift In dem Aufsatze von Vollgraff 'AABRYS*
im Rhein. Mus. 61, 149 ff. wird L(Xf)erna als etruskisch erklärt^
wozu trotz Sa9ßma (Schulze Zur Ghesch. lat Eigennamen 94) und
den Personennamen auf -ema, wie F^rpema^ CdesUma^ die
Hübner in J. v. Müllers Handbuch 1* 667 auch für etruskisch
erklärt, nach den oben stehenden Ausführungen keine aus-
reichende Berechtigung vorliegt Überhaupt enthält jener Auf- ^
Satz in etymologischer Hinsicht vieles recht Problematische.
Innsbruck. Fr. Stolz. . %
/
Germanisches* ^
1. Germanisches ä in auslautenden Silben. ^\
In diesem Au&atz möchte ich die These verteidigen, daB
germ. ä in auslautenden Silben nicht in allen Fällen in ö über-
gegangen ist In den letzten Jahren ist über diese Frage viel
geschrieben worden, und meine Ansicht ist derjenigen der Mehr-
zahl der Forscher gerade entgegengesetzt. Ich werde aber so
wenig wie möglich die Meinung anderer bestreiten, auch werde
ich nicht jedesmal auf die Übereinstimmung zwischen meinen
Ausführungen und denen von andern (z. B. Jellinek AfdA. 20, 24,
ZfdA. 39, 144 ff., der auch a und ö von einander trennt) hin-
weisen: denn Van Holten hat wohl recht, wenn er (PBrB. 17, 272)
der Bemerkung, daß die Sache a priori nicht zu entscheiden ist,
die Worte hinzufügt: "Eine Entscheidung ließe sich hier nur
für den Fall erzielen, daß es gelänge, die Genesis der westgeruL
Vokale mit der einen oder mit der andren Hypothese in Ein-
klang zu bringen".
In nichtletzten Silben sind ä und ö vollständig zusammen-
gefallen, und zwar finden wir nicht bloß in denjenigen Silben,
auf weiche auch in der historischen Periode noch andere Silben
folgen, sondern auch in Fällen wie Dat-Instr. PI. *;fflb&miz und
Germanisches. 261
2. Pers. S. *9albä8i (-«i), wo infolge des Schwundes des letzt^i
Vokales das a/ö in die Schlußsilbe geraten ist, regelmäßig den
Vokal äf der allerdings in einer späteren Periode wieder a-Timbre
bekommen konnte, z. B. an. kallar^ ags. sealfa^t). Ich bespreche
also bloß ursprünglich auslautende Silben, und daher kommen
nur sehr wenige Lautgruppen in Betracht: -ä, -an (aus -öm),
Bevor ich auf die einzelnen Fälle eingehe, möchte ich da-
rauf hinweisen, daß ich nicht in erster Linie eine Scheidung
mache zwischen nach dem Jüngern germanischen Akzentge-
setz betonten und nichtbetonten Silben, sondern zwischen aus-
lautenden und nichtauslautenden Silben. Wenn wir die germa-
nischen Auslautgesetze besprechen, sind wir geneigt, vor allem
an die Wirkung der expiratorischen Anfangbetonung zu denken;
und das ist sehr begreiflich, denn durch diese Betonung ist die
Quantität, oft auch die Qualität der nachhaupttonigen Vokale
bedeutend modifiziert worden. Es gibt aber auch Auslautgesetze
von einer andern Art, solche, die durchaus nicht von der An-
fangbetonung abhängig sind. Hierher gehört z. B. der Schwund
des -m (-n), der sowohl im germ. *ßätn wie in *3«ftäm einge-
treten ist. Im allgemeinen treten uns in einer Sprache mit freiem
Akzente, wie der urslavischen, diese Lautgesetze viel deutlicher
entgegen, hier wird niemand auch in solchen Fällen, wo wir es
mit vokalischem Lautwandel zu tun haben, diesen für eine Folge
der nachhaupttonigen Stellung halten. Ich erinnere z. B. an die
verschiedene Behandlung von ot, ai im Auslaut, wo sie zu f
werden, und im Inlaut, wo i daraus entsteht Solche Gesetze
existieren ebensogut in andern Sprachen, und auch dem Ger-
manischen darf man sie von vornherein nicht absprechen. Über
ihre Ursache fasse ich mich kurz : für einen Teil ist sie gewiß
wohl in qualitativen Betonungsunterschieden zwischen auslauten-
den und andern Silben zu suchen : es versteht sich von selber,
daß . es im altem Germanischen Lautverbindungen von einer ge-
wissen Qualität und Betonung gab, die auf den Auslaut beschränkt
waren ; z. B. haben Langdiphthonge wie am, an die im Inlaute
1) -andM (got. frijönds u. dgl.) braucht nicht besprochen zu werden,
weil hier ein starker Systemzwang herrscht. Auch -ad behandle ich nicht :
«erstens ist es sehr schwierig, zu entscheiden, in welchen Fällen Ablativ-
formen vorliegen, zweitens ist der o- Vokalismus dieser Endung sehr hypo-
thetisch (vgl. Brugmann K. vgl. Gr. 382, Fußn.).
252 N. van Wijk,
schon viel früher gekürzt worden sind, im Auslaute bis in die
Periode der Auslautgesetze bestanden. Ob tautosyllabische Laut-
gruppen wie äs, ÖS im Inlaut in derselben Gestalt wie im Aus-
laut bestanden haben, das wissen wir nicht; gewiß aber dürfen
wir es für die letzte Periode der germanischen Spracheinheit
bezweifeln. Wenn nun in einer Gruppe wie -ön, -Ös der Schluß-
konsonant schwand, so wurde dadurch wohl die Qualität des
Akzentes wieder ein wenig modifiziert, obgleich die Natur solcher
Veränderungen kaum zu bestimmen ist Die neue Betonungs-
qualität stimmte aber wohl mit keiner der unter andern Ver-
hältnissen vorkommenden Intonationen vollständig überein: da-
raus versteht es sich, daß solche Silben eine ganz eigentümliche
lautliche Entwicklung haben konnten.
Der erste Ausgang, den ich bespreche, ist von jeher aus-
lautendes -ä. Die Formkategorien, wo diese Endung vorliegt, findet
man u. a. bei Van Helten PBrB. 28, 503 i Hier werden sie zu-
sammen mit den Formationen auf ursprüngliches -0 angeführt;
und das darf man tun, weil in diesem Falle die beiden Endungen
unleugbar in derselben Gestalt auftreten. Weil es uns aber bloß
um die d-Formen zu tun ist, stelle ich diese noch einmal zu-
sammen: 1. N. S. F. *sä, *jfibä\ — 2. D. (Instr.) S. F. %ebä^)', —
3. N. A. PL N. *;Bä, *6amä; — 4. 2. Pers. S. Imp. der 2. schwachen
Konjugation : *8albä. Die letztgenannte Formation zeigt in keiner
Sprache die regelmäßige Fortsetzung von germ. -a, denn dieser
Imperativ ist überall fortwährend dem Einflüsse des Indikativs
unterworfen gewesen; got. salbö^ ahd. salbOj as. salbo^ ags. sealfa,
an. kaUa haben denselben Vokal wie die 3. Pers. S. des Ind. got
scdböß^ ahd. salböt^ as. salbod, ags. secUfad^ an. kcdlar und andere
Personen desselben Modus. Die übrigen drei Bildungen aber
zeigen, soweit sie in den Einzelsprachen vorkommen : got ö, bei
Kürzung a, nord- und westgerra. ü bzw. u. Ich gebe bloß für
den N. S. F. einige Beispiele : got so, an. sii, got giba^ an. gipf
(mit w-Umlaut), ags. ^iefu. Die westgermanischen Dialekte*) haben
die einsibige Pronominalform aufgegeben: daher hat ahd. diu,
as. thiu ein kurzes u. Dieselben zwei Mundarten haben beim
Substantiv die Nominativform durch die des Akk. ersetzt: ahd.
geba^ as. geba. Früher entschloß man sich nicht so leicht, in an.
8Ü die lautgesetzliche Fortsetzung des orthotonierten sä zu sehen ;
1) Über den Ursprung dieser Form sind die Forscher nicht einig.
2) Bloß im Mittelniederländischen finden wir soe ; vgl. darüber S. 265 f.
Germanisches. 253
aber stets allgemeiner wird in diesem Falle der Parallelismus
zwischen betontem und unbetontem Auslaut anerkannt (vgl. z. B.
Kluge P. Gr. 1*, 463, Noreen das. 620). Diese Vertretung von idg.
'ä (und -0} findet man nirgends sonst als im ursprünglichen
Auslaut Wenn nun meine Ansicht, die ich in diesem Aufsatz
zu begründen gedenke, richtig ist, daß in allen andern aus-
lautenden Silben das -a seine Klangfarbe bewahrt hat, wenigstens
auf westgerm. Gebiete, so läßt sich dieser eigentümliche Über-
gang von a in ö im unmittelbaren Auslaut mit einem ähnlichen
Lautprozeß im Oskischen und ümbrischen vergleichen : "ö, ex-
cept when final, remains unchanged". sagt Bück A grammar of
Oscan and ümbrian, S. 30, § 33; im Auslaut aber wird ä zu
einem o-Laut (vgl. Bück § 34), z. B. osk. viü Via*, tatäo *civi-
tas', umbr. muta^ mutu 'multa', atrti, atro *atra'. Im ümbrischen
scheint dieser Vorgang das Vorspiel zu einem ä-ö- Wandel auch
in andern Stellungen gewesen zu sein; vgl. Bück § 35: **In
Umbrian this rounding of the ä takes place also before final
-fe (from 'ia-s or -<f-s by vowel-syncope)". Durch diese Ver-
gleichung einer germanischen und einer oskisch-umbrischen Aus-
lautregel bin ich zuerst auf den Gedanken gekommen, daß viel-
leicht der germanische ä-o- Wandel ein aus mehreren Einzelakten
bestehender, sich möglicherweise über Jahrhunderte erstreckender
Prozeß sei, und daß der Anfang desselben bei dem von jeher aus-
lautenden -a gesucht werden müsse. Bei einer Untersuchung der
überlieferten Formen ergab sich mir, daß die in dieser Weise
formulierte Hypothese kaum beweisbar ist: soviel ich sehe, muß
die Annahme, daß *^ebä früher zu *^ebö geworden sei, als *3e-
bam(%)z zu *3eftöm(*)5J oder etwa *mäder zu *mödir^ eine bloße
Vermutung bleiben: auch wenn beide Übergänge gleichzeitig
gewesen sind, wäre die weitere Entwicklung von ö zu ti im
Auslaut sehr gut möglich: wohl aber wird sich uns ergeben,
daß in andern auslautenden Silben ä nicht bloß nicht so frühe
als im unmittelbaren Auslaut, sondern — wenigstens im West-
germanischen — gar nicht zu ö geworden ist
Es empfiehlt sich, bei den jetzt zu besprechenden Ausgängen
jede von den drei Dialektgruppen, Ost-, Nord- und Westgerma-
nisch, für sich zu betrachten : denn in jeder von ihnen hat der
Auslaut seine eigene Geschichte gehabt Eine von diesen drei
Oruppen, das Ostgermanische, bleibt wohl besser unbesprochen :
es genügt, wenn ich der Besprechung der einzelnen Lautver-
254 N. van Wijk,
bindungen in den andern Dialekten einige allgemeine Bemer-
kungen über die gotische Sprache vorausschicke.
Wenn uns keine andere germanische Mundart als die go-
tische bekannt wäre, würden wir geneigt sein, die Entwicklung
des altgermanischen Lautsystems für eine verhältnismäßig ein-
fache Sache zu halten: z. B. würden wir, was die kurzen ö- und
df- Vokale betrifft, uns damit begnügen, daß wir sagten, diese Laute
seien in a zusammengefallen; ebenso treten im Got d und ö regel-
mäßig als ö auf, wenn aber Kürzung eingetreten ist, als d. Was
d und ö betrifft, so hat man längst eingesehen, daß die ein-
fachen Verhältnisse des Gotischen nicht gemeingermanisch sind,
bei den entsprechenden Längen werden wir zum selben Schlüsse
gelangen. Aus dem bereits Mitgeteilten ergibt sich schon, daß
die eigentümliche Vertretung von unmittelbar auslautendem a
und ö, die dem Nord- und Westgennanischen gemeinsam ist, im
Grotischen fehlt Ob nun in diesem und in ähnlichen Fällen die
Einförmigkeit des gotischen Vokalismus sich allmählich aus einem
verwickeiteren Zustand entwickelt hat, der für einen Teil bereits
in die germ. Periode hinaufreicht, oder ob das Ostgermanische
in einer kurzen Zeit, gewissen Tendenzen folgend, ganz unab-
hängig von den andern Dialekten seine eigenen Wege gegangen
ist, das wissen wir nicht: es versteht sich daher, daß das Go-
tische im folgenden besser unbesprochen bleibt
-am. Im Westgermanischen liegt die Portsetzung eines hoch-
tonigen -am im Akk. Sg. Pem. ags. dä^ afri. thä vor. Die anderen
westgermanischen Mundarten haben den einsilbigen Pronominal-
stamm durch einen zweisilbigen ersetzt, und daher finden wir
dort eine gekürzte Endung, deren Vokal aber ebenfalls a-Timbre
hat: ahd. dea, dia^ as. ihia. Auf entsprechende Weise begegnen
wir einem auslautenden -a in Akk. Sing, der d-Substantive : ahd.
geba^ as. geba^ afri. jeve^ ags. ^iefe^ und auch die Adverbialendung
ahd. as. -a (z. B. wela\ afri. ags. -e (z. B. longe) kann, wie oft an-
genommen wird, dem lat -am in palam u. dgl. entsprechen. Daß
das unbetonte westgermanische a im anglofrisischen Sprach-
zweige zu € geworden ist, ist ja eine allgemein bekannte Tatsache.
Fürs Westgermanische kommen wir also sehr gut aus ohne
die Annahme eines urwestgerm. ö. Sogar erklären sich die über-
lieferten Formen auf diese Weise viel einfacher. Wenn man von
*/dm, *^eböm ausgeht, muß man entweder mit Streitberg ürg.
Gr. 271 in ags. dd eine ursprünglich schwachbetonte Formsehen,
Germanisches. 255
XU welcher Hypothese außer Streitberg auch viele andere ihre
Zoflacht genommen haben, — oder wenn man öd für eine hoch-
tonige Form hält, muß man an einen Übergang zuerst von a in 5
und dann wieder von ö in a glauben. Eine solche Auffassung
findet man bei Paul PBrB. 4, 341 f., der fürs Nordgermanische
— wovon nachher die Rede sein wird — und fürs Westger-
manische den Übergang ä > 0 > ö, bei Kürzung a annimmt Eine
ähnliche Hypothese findet man bei Walde, Die germanischen
Auslautgesetee 81. Dieser nimmt aber an, daß der ö > ä- Wandel
im Sonderleben des Ags. eingetreten sei. Ich glaube, daß die
Panische Fassung der Regel einer Modifizierung bedarf. Wenn
im Westgermanischen die Endung -am den a- Vokalismus bewahrt
hat, und wenn sich nun nachweisen ließe, daß urspr. ö + Nasal
in derselben Gestalt auftritt, so ist es viel einfacher, bloß einen
Wandel von ö(n) in a(n) anzunehmen, ohne diesem einen anderen
von aHn) in fl(n) vorausgehen zu lassen. In der Tat scheint mir
auch bei urspr. ö + Nasal keine Spur der alten o-Farbe nachge-
wiesen zu sein, und deshalb glaube ich, wenigstens fürs West-
germanische, folgende Lautgesetze aufstellen zu dürfen: ä + Nasal
bleibt ä oder wird zu a verkürzt, ö+ Nasal wird -ö, bei Kürzung o.
Eine einsilbige Form, die ursprünglich auf ö+ Nasal auslautete und
wobei wir also wgerm. ä anzusetzen hätten, ist mir nicht be-
kannt Die mehrsilbigen stimmen, so viel ich sehe, zu der von
mir aufgestellten Regel. Die hierhergehörigen Bildungskategorien
findet man in dem Aufsatz von Van Holten, worauf ich bereits
hingewiesen habe, PBrB. 28, 507 f.; von jeder Kategorie gebe
ich ein Beispiel : 1 . ahd. nerita^ as. nerida^ ags. nerede^ — 2. aonfränk.
BS. thanc^ afries. thene, ags. done^ — 3. afries. htoeie^ — 4. ahd. MhIj
— 5. ahd. zungüj as. tunge, ags. tun^e^ — 6. ahd. herza^ as. herta,
ags. A136, — 7. ahd. uHUa (?, vgl. PBrB. 28, 548). Auf die einzel-
nen Fälle gehe ich nicht ein. Nicht von allen ist es sicher, daß
sie aus Bildungen auf -ön entstanden sind: dieser Umstand ist
aber für die Beurteilung der wgerm. Vertretung von -m von
keinem Belang; denn es gibt keine ursprünglich auf -ö» aus-
lautende Formation, wofür eine andere urgerm. Entwicklung nach-
saweisen ist.
-& ist der Ausgang des Gen. Sing, und Nom. Akk. Plur.
der ö-Feminina, vgl. got ffibös in diesen drei Kasus; von einem
Pronomen: ßizäs (G. Sg.), ßös (N. A. Plur.) In welcher Gestalt tritt
diese Endung im Westgermanischen auf? Genitive mit wy%^t«
256 N. van Wijk,
hochbetontem Sz gibt es nicht, weil die Genitive der Pronomina
schon im Urgerm. zweisilbig waren, Genitive mit urspr. unbe-
tontem -az liegen in ahd. geba^ as. gdni, ags. ^iefe vor. -o? scheint
also ebenso behandelt zu sein wie -äfft, abgesehen davon, daS
wir im Ahd. noch einen langen (oder halblangen) Yokal an-
setzen müssen. Aber diese Frage bespreche ich weiter unten.
Der Nom. Akk. Plur. bietet uns größere Schwierigkeiten
dar, weil uns zweierlei Formen begegnen: 1. solche mit dem
Vokal, der im Ahd. und As. als a, im Ags. als e auftritt, 2. solche
mit ahd. as. o, ags. a. Die Formen sind folgenderweise verteilt:
im Ahd. finden wir bei Substantiven -ö, dessen Länge durch
Notker bezeugt wird, z. B. gd)ä; im Alem. aber auch kÄo. Beim
Pronomen ist -o die häufigste Endung: cbo, dio, in mehreren
Quellen aber findet man auch Formen mit -a: <lea. Beim Ad-
jektiv ist -0 Regel Die einzige einsilbige Form mit langem ö ist
ztcö^ das anstatt des häufigeren ztvä in einigen Quellen vorliegt
Das As. hat gebc^ daneben liegt in G. viermal die Form thiodo
vor, die freilich von Van Holten PBrB. 20, 520 dem as. Dialekt
abgesprochen wird; beim Pronomen und Adj. ist -a die regel-
mäßige Endung, obgleich ebenso wie im Ags. die maskulinen
und femininen Endungen nicht mehr scharf voneinander getrennt
werden, -o fehlt beim Adj., wohl aber kommt vom Zahlwort *zwei*
neben dem gewöhnlichen Fem. ttvä einmal in M. twö vor. Was
das Ags. betrifft: nach Sievers PBrB. 17, 274 Fußnote ist im
Mercischen cb, e die gebräuchliche Endung, im Kent und auch
wohl im Westsächs. -a. Ursprünglich einsilbige Formen liegen
vor in öd und twd. Neuerdings ist es Kern gelungen, PBrB. 31,
272 ff., aus dem angelsächsischen Formbestand, und zwar aus
dem der älteren westsächs. Quellen, das ursprüngliche Verhältnis
der a- imd e-Formen zu bestimmen. Beim Adjektiv ist der alte
Zustand viel stärker als beim Subst verändert worden, weil bei
ersterem der Einfluß des Mask. auf -e gewirkt hat Bei einer
Untersuchung der substantivischen Formen aber hat sich er-
geben, daß die von Sievers a. a. 0. geäußerte Vermutung, daß
ahd. -0, ags. -a der ursprüngliche Nominativausgang, ahd. as. -o,
ags. -e derjenige des Akk. sei, richtig ist Über Öd und tuni spricht
Kern nicht Obgleich ich nicht nachweisen kann, daß dem ahd.
ziDö im Ags. eine andere Form als twd entsprechen würde, glaube
ich doch, daß wir in öd und ttvd Formen mit einem dem ahd.
0wä entsprechenden Vokalismus sehen dürfen ; bei der Verall-
Germanisches. 257
gemeinerung von öd kann der Einfluß des M. mit d aus ai mitge-
wirkt haben. Wenn die Vermutung, daß dem ahd. sstpö ein ags. twd
entsprechen würde, richtig ist, sind in ttpd die zwei Formen laut-
lich zusammengefallen. Keinesfalls aber müssen wir öd und twd
ausschließlich für Äquivalente von ahd. o-Formen halten.
Mit Kerns Entdeckung ist die Geschichte der ahd. Formen
vollständig im Einklang. Beim Subst zeigt das Ahd. eine ge-
wisse Neigung, die Nominativform durch den Akk. zu ersetzen :
N. Akk. Sing, geba, kuo (vgl. Verf. IF. 19, 393 ff.), ebenso im Plur.
g^KL Beim Adj. finden wir das Umgekehrte : der Nom. Plur. M.
blinte hat auch die Funktion des Akk. übernommen, ebenso der
femin. Nom. blinto.
Es kommt nun darauf an, den Ursprung der mitgeteilten
Formen aufzuspüren.
Zweierlei halte ich für sicher: 1. daß die einsilbigen Formen
mit -d, ahd. 2u?ö^ as. twö auf eine Linie mit den mehrsilbigen auf
-0 gestellt werden müssen, während die einsilbigen a-Formen den
mehrsilbigen vom Typus gd>a entsprechen; 2. daß die letztge-
nannte Endung auf -äz zurückgeht
Was 1. angeht: hierüber haben viele Forscher eine andere
Meinung ausgesprochen, indem sie in -ä die den pro- und en-
klitischen Formen zukommende Endung erblickten, während -ö
der unter dem Hochtone bewahrte aus ä entstandene ö- Vokal
sein sollte. So z. B. Walde Auslautges. 35, vgl. auch Van Helten
IF. 18, 89, der allerdings twä^ zwä für Neubildungen nach einem
Proklitikum *pä hält, das neben orthotonem *pö gestanden habe.
Sogar will man in ztw. twö den Beweis finden, daß -ö die haupt-
tonige Form der Endung -&<-& repräsentiere (vgl. Walde a. a. 0.
33). Es versteht sich, daß man zu einer solchen a priori nicht
sehr wahrscheinlichen Ansicht kommen muß, wenn man von -&
ausgeht Setzt man aber -äz an, so kommt man viel einfacher
aus, indem man in gebä, zwä^ pron. *pä parallele Formen erblickt,
während zwo sich mit Uinto vergleichen läßt, für welche Form
es auch, wenn wir die Endungen von zwo und gebä für identisch
halten, schwierig ist eine richtige Deutung zu finden. Waldes
Hypothese a. a. 0. 51, -o entspreche dem Akk.-Ausgang -ö"2f aus
-äfw, ist durch den bereits erwähnten Aufsatz von Kern wider-
legt worden.
2. schließt sich unmittelbar an das zaletzt Bemerkte an:
es ist nämlich auch behauptet worden, ^ sei aus -8z entstanden«
268 N. van Wijk,
Kern a. a. 0. nimmt an : ahd. as. -o, ags. -a aus -äzj ahd. a& ^
ags. e aus gestoßenem -Oz^ und ebenso hatte sich vor ihm Yan
Helten PBrB. 28, 508 f. ausgesprochen. Woher aber -^? Tan
Holten a. a. 0. vergleicht lit -äs in mergds. Diese Endung ist aber
wohl, wie Wiedemann Handbuch der litauischen Sprache 49 t
annimmt, innerhalb des Lit aus -ans entstanden, während der
idg. Akk. Plur. auf -äs aus -ans (ai. diväs^ got gibos) vermudich
schleifende Betonung gehabt hat Wenn dieses idg. -ans wirk-
lich einmal bestanden hat, so war es wohl eine Neubildung nach
anderen Akkusativen auf -na, in erster Linie nach denen aaf
-Otts. Eine solche Neubildung konnte natürlich auch spätw in
den Einzelsprachen von neuem entstehen, und auf diese Weise
ist wohl lit *fnergan8 aus *inergäns zu erklären. Was Van Heltens
Deutung noch unwahrscheinlicher macht, ist der umstand, daB
er genötigt ist, für den mit geba formell übereinstimmenden Oen.
Sing, ebenfalls Entstehung aus *geböz mit gestoßener Endung
anzunehmen. Dieses -öz soll (a. a. 0. 513) "durch Einfluß von
-ö und -ön bezw. -öm des Nora, und Akk. Sing, für -dz ein-
getreten" sein. Insofern schließe ich mich Van Helten an, daS
ich im Gen. Sing, und im Nom. Akk. Plur. auf ahd. -ä lautlich
identische Formen erblicke; daß im Gen. Sing, die Länge des
-a niemals in den Texten angegeben wird, ist bloß dem Um-
stände zuzuschreiben, daß Notker diese Form nicht gebraucht
(vgl. Braune Ahd. Gr. § 207 A. 3 ; anders über die Länge des
-a Van Helten a. a. 0. 509 f.). Diese Übereinstimmung aber führt
mich zu der meines Erachtens viel einfacheren Folgerung, daß
in den beiden Fällen das ahd. ä, a, as. a, ags. e dem idg. -ds,
urgerm. -az entspricht, nicht nur im Gen. Sing., sondern auch
im N. Akk. Plur. Nun könnte man fragen, ob denn nicht der
Umstand, daß das Verhältnis von *gebo zu gebä ein Nom.-Akk.-
Verhältnis ist, sich dieser Annahme widersetzt Nach meiner
Ansicht ist das nicht der Fall. Im Idg. ging sowohl der Nom.
wie der Akk. auf -as aus, obgleich der Ursprung dieser Endung
in den beiden Easus vielleicht nicht derselbe ist: ai. dioös, got
giboi^ ai. tds^ got pos. Nun glaube ich, daß der Akk. und nicht
der Nom. seine alte Form bewahrt bat und daß der Nom. auf
-0 auf Neubildung beruht. Jellinek weist HZ. 39, 148 Fußnote
auf Grund davon, daß die Länge des -ä von gebä nur von
Notker bezeichnet wird und daß bei demselben Notker Formen
mit -0 nicht vorkommen, auf die Möglichkeit hin, daß das -o
Gennanisches. 860
von Ufnto, htbo quantitativ mit dem -a von geba übereingestimmt
haben kann. Wenn das wirklicii so gewesen ist, läßt sich die
Nominativendong auf -o ziemlich leicht erklären. Es bestanden
im ürgerm. diese zwei Paradigmen:
N. daj^öz jfibäz
G. da;(^Ön j^fcdn')
D. da^otniz ^ebämiz
A. da^onz ^ebäz
Wenn nun in irgend einer Periode, entweder in der Zeit
der germanischen Spracheinheit oder in der westgerm. Zeit, das
Sprachbewußtsein die Kategorien Nominativ und Akkusativ so
scharf voneinander getrennt hat, daß man das Bedürfnis einer
formellen Differenzierung empfand, konnte diese sehr leicht da-
durch herausgebildet werden, daß der Nom. PI. Fem. die Endung
des mskl. Nom. annahm, in der Gestalt (Sz oder öj ö\ die dieser
Ausgang in jener Periode hatte.
Wenn wir nicht das Recht hätten, ein Notkersches -ö vor-
auszusetzen, — weshalb aber sollten wir das nicht haben ? — ,
so hätten wir anzunehmen, daß zuerst das aus -öz entstandene
-o genau denselben Lautwert und dieselbe Intonation erhalten
hätte wie das infolge des früheren Schwindens des -n auch
früher gekürzte o des Gen. Plur. Diese Hypothese ließe sich mit
derjenigen vergleichen, die Van Holten für den Gen. Sing, auf
-^^ statt -& aufgestellt hat. Vgl. oben.
Bei diesen Ausführungen nahm ich an, daß der Ausgang
-& im Gegensatz zu dem oben besprochenen -oft seine o-Farbe
bewahrt hat und niemals mit -äz zusammengefallen ist Ich
glaube, daß diese Annahme nicht allzu kühn ist, 1. weil -Ai
sich auf dieselbe Weise entwickelt hat (ahd. as. dago^ ags. daza)y
2. weil diese Hypothese uns bei der Erklärung der as. afries.
und ags. Endungen des N. PI. M. -os, bezw. -^r^ -as helfen kann.
Diese Endungen sind noch inmier unerklärt, denn die von
mehreren Forschem angenommene Hypothese, daß sie dem im
Vedischen neben -äs vorkommenden -äsas entsprechen, ist so
unwahrscheinlich, daß man meines Erachtens besser täte, wenn
man überhaupt keine Deutung versuchte. Die Annahme, daß
dieses -äw etwa zweitausend Jahre vor Christi Geburt in der
1) Hierauf geht got. ffibö, an. aaga, ahd. ^gebo, as. g^y ags. ^iefm
nröek. Vielleicht hat bereits in der idg. Periode der Gen. Plur. bei dieser
Stammklasse die Endung -om gehabt. Vgl. Bragmann K. vgl. Gr. 396.
260 N. van Wijk,
idg. Sprache neben -äs bestanden habe, und daß die beiden
Endungen in zwei weit voneinander entfernten Teilen des idg.
Sprachgebiets erhalten geblieben seien, sodaß dann im Osten
ein kleines Jahrtausend, im Westen beinahe drei Jahrtausende
nach der Sprachtrennung das in anderen Gegenden geschwundene
-öses neben -ös wieder zum Vorschein gekommen sei, ist wohl
imbedingt abzulehnen. Der Umstand, dafi sich in afries. -ar
neben as. -os^ ags. -as eine alte Betonungsdifferenz zeigen könnte,
macht die Sache nicht wahrscheinlicher. Auch dürfen wir an-
gesichts der unbedeutenden Rolle, die die »-Deklination, in erster
Linie die geschlechtige, im Germ, spielt, wohl nicht eine parallele
Neubildung des Ai. und Wgerm. annehmen. Auf diese Weise
bliebe auch das Verhältnis von -ar zu -os, -as unaufgeklärt
Wir kommen viel weiter, wenn wir von keinem andern
Nominativausgang als idg. -ö« ausgehen. Ich kann mich freiUch
nicht dazu entschließen, mit Van Holten a, a. 0. 515 an die
Möglichkeit zu glauben, daß das bewahrt gebliebene -s auf ein
"eig. den oxytonierten Formen zukommende[s]*' Ss zurückzu-
führen sei: -öS wurde nach meiner Ansicht immer über -&,
-^, -ö zu anglo-fries.-sächs. -o (woraus dann weiter im Anglofries.
-a entstehen mußte). Aber eben dieses -o konnte Anlaß zu einer
Neubildung geben. Aus der idg. Flexion N. -Ä?, G. -öiw, D. -omiSj
A. -ans entstand in dieser westlichsten Dialektgruppe des Germ.
-0, -0, -om^ -a^). Nun wurde die Gleichheit des N. und G. als
eine Anomalie empfunden, und es entstand das Bedürfnis, diese
Kasus zu differenzieren : das Mittel hierzu lieferte die Anhängung
eines -s bezw. -z; so entstand -os, afries. -ar^ ags. -as. Allerdings
bin ich nicht imstande, den Ursprung des -s oder -z nach-
zuweisen; dadurch aber wird meine Hypothese nicht widerlegt
Es gibt ja auch andere Fälle, wo der Ursprung eines Aus-
gangs, den die Sprache zur Formdifferenzierung verwendet hat,
gamicht bekannt ist, sogar gehören hierher solche Fälle, wo die
Neubildung in der historischen Periode einer Sprache statt-
1) Daß Entstehung von -a aus -ons unmöglich sei, glaube ich auch
nach Van Helten PBrR. 28, 536 fif. nicht. Wir haben es hier wohl mit
einer bereits im Urwestgerm. angefangenen Entwicklung aus wg. -onz >
-am zu tun. Dies ward wohl zuerst zu -an, nachher zu -a. Wenn Walde
Recht hat (a. a. 0. 183 fr.), ein urgerm. stoOtoniges *taHtg anzusetzen
(diese Annahme kommt mir sehr wahrscheinlich vor, vgl. auch Hirt Arkiv
för nordisk Filologi 18, 374), so besteht wohl ein gewisser Parallelismus
zwischen -tz : -t: -t und -anz : -an : -a.
Germanischeg. 961
gefunden hat In erster Linie denke ich hier an die für die
Slayisten noch immer dunkle Gen.-PIur.-Endung -ä des ^tok»-
vischen und Slovenischen, die wohl aufgekommen ist, nachdem
bei mehreren Nomina der Gen. Flur, mit dem Nom. Sing, formell
sosammengefallen war. Ebenso ist wohl die in einigen slar.
Dialekten auftretende Endung -me^ -mo der 1. Ps. Flur, ein ähn-
liches Differenzierungsmittel; darauf deutet hin: 1. das Fehlen
dieses Ausgangs im Abg., wo regelmäßig -tm auftritt, dessen
-n im Sonderleben aller slav. Sprachen schwinden mußte, 2. die
Konjugation verschiedener slav. Dialekte, wo die 1. Fl. eben dort
die verlängerte Endung hat, wo die 1. Sg. auf -m ausgeht, z. B.
neubulg. 1. Konj. bodh : bod6fn^ 2. Konj. dalam : dalame^ 3. Konj.
metk : svdim. Angesichts des Fehlens von -m«, -mo im Abg. be-
zweifle ich, ob wir — wie manche Forscher annehmen — hierin
die regelrechte Fortsetzung indogermanischer Endungen sehen
dürfen. Ein drittes Beispiel liefert wohl das Ahd. Dies ist die
einzige germ. Mundart, wo das -w der 1. Fs. Sg. sein Gebiet
bedeutend ausgebreitet hat: auch findet man nur hier die eigen-
tümliche Endung -mffs in der 1. PL, die nirgends in derselben
Gestalt wiedergefunden worden ist. Hier berühre ich diese
Fälle, wo wir ein unaufgeklärtes Differenzierungsmittel antreffen,
bloß im Vorübergehen. Vor kurzem habe ich die Sache aus-
führlicher besprochen Tijdschrift voor nederlandsche taal- en
letterkunde 26, 86 ff.
-ät. Über diese Endung kann ich kurz sein. Bloß im
Anglofries. haben die ä-Substantive diesen Ausgang bewahrt,
und das ags. afries. -e stimmt vollkommen zu meinen obigen
Ausführungen. Ob aber die Entwicklungsgeschichte von -ät
genau mit derjenigen von -äs übereinstimmt, darf bezweifelt
werden, weil das -» gewiß schon früh die Qualität des -ä
wird beeinflußt haben. Und dasselbe gilt auch wohl für einen
eventuellen Ausgang -öi. Vgl. die Formen, für welche Van Helten
PBrB. 28, 513 f. diesen Ursprung annimmt
Über die nordgermanischen Verhältnisse handle ich kürzer.
Denn was diesen Gegenstand angeht, so wage ich es nicht,
über alle Einzelheiten ein positives Urteil auszusprechen. Das
umordische Material ist sehr interessant, aber nicht reich:
wenn uns aus einer so alten Periode mehr Formen bekannt
wären, könnten wir vielleicht mit größerer Sicherheit über die nord-
germanischen als über die westgermanischen ä-ö-Lautc sprechen.
ladogermaDiflche Forschungen XXII. 18
262 N. van Wijk,
Bekanntlich weichen die nordgermanischen Auslautgesetze so-
wohl von den ost- wie von den westgermanischen bedeutend
ab, u. a. werden die auslautenden Konsonanten s und z in
den drei Dialektgruppen verschieden behandelt ^ z sind im
Nordgermanischen im Gegensatz zum Westgermanischen nicht
geschwunden. Wenn wir also im Nordgerm, einen Übeigang
von -äz in oB (öB) antreffen, so kann die von der wg. ab-
weichende Behandlung des d daraus erklärt werden, daß dort
das -ä schon sehr frühe im Auslaut stand, während im Nord-
germ, das -B den Auslaut bildete, sodaß -ö- sich als ein in-
lautender Vokal entwickelte. Auffälliger ist die verschiedene
Behandlung betonter und unbetonter Lautgruppen, z. B. in um.
ßüB und rünoB. Solche Unterschiede dürfen aber keinesfalls
gegen meine Hypothesen über den westgerm. Auslaut angeführt
werden; denn gerade wo es den Auslaut gilt, muß jede der
drei Dialektgruppen für sich betrachtet werden. Einige Aus-
lautgesetze sind wohl gemeingermanisch, aber nur ein paar von
den allerältesten.
-ät liegt nur in an. ßeir(r)e und den ihm in anderen nor-
dischen Dialekten entsprechenden Formen vor. -äw und -az
haben in einsilbigen Wörtern, wo die Endungen also betont
waren, das -ö bewahrt: Akk. Sing. an. ßd^ N. A. Fl ßch-^ twhr.
Die Ansicht Noreens PGr. P 621 und anderer, um. /oä, on.
ßär, wn, ßch' sei eine ursprünglich schwachbetonte Form, die
sekundäre Dehnung erlitten habe, leuchtet mir gamicht ein.
Eine solche Auffassung dieser und anderer dergleichen Formen
im Nord- und Westgermanischen ist wohl dadurch entstanden,
daß man den Schwierigkeiten, die diese Formen der Erklärung
boten, doch irgendwie aus dem Wege gehen mußte. Was in
unbetonten Schlußsilben aus -ätn geworden ist, wissen wir nicht
ürn. minino (Strand) beweist ja bloß, daß im 6. Jahrh. das alte
-ö aus -ön noch seine alte Lautfarbe hatte, aber über -an lehrt
es uns nichts.
-äz erhielt wohl o-Timbre : runoB (= rünöB\ obgleich es
mit -8 aus -ön in dieser Periode noch nicht zusammengefallen
ist, denn in derselben Zeit wo o aus ä bereits a geworden war
(runaB^ Istaby), hat der Gen. Plur. noch -o (rwno, Björketorp).
Auf die schwierigen Runenformen Akk. Plur. runo und
paiaB (nach der Bedeutung = aisl. pckr) gehe ich an dieser Stelle
nicht ein.
Germanisches. 263
2. An. tuau, ßau^ aschw. ßjBf.
Kock hat PBrB. 15, 250 einige Einwände gegen die An-
sicht Noreens (PGr. 1 1 § 184, 13, § 195, 3) angeführt, daß an.
tuau, ßaiif aschw. ßjBf alte Dualfonnen seien. In der zweiten Auf-
lage des Grundrisses hat Noreen seine Hypothese nicht aufge-
geben, und noch immer halten viele Forscher sie für richtig.
Ich möchte aber lieber ebenso wie Kock eine andere Erklärung
suchen; denn auch mir gefällt die Annahme, daß ein mask. Dual
die Funktion des neutr. Duals und Plurals angenommen habe, durch-
aus nicht; vgl. auch Van Holten IF. 18, 87 f. Fußnote 3. Kocks
Meinung kommt mir aber wenig glaubhaft vor. pdu wäre nach
ihm aus einem *pä = got. /o entstanden, dem die Endung -u
von gödu angehängt wäre, in tuau erblickt er eine Weiterbildung
mittels desselben Ausgangs -w aus ttm = got twa (über aschw.
iud vgl. jetzt Van Holten a. a. 0.) Diese Hypothesen sind deshalb
unrichtig, weil in *ßä das ursprünglich auslautende -ä im Nord-
germanischen über -ö zu -ö werden mußte; dem got N. Plur.
ßo würde im Nordgermanischen *ßü entsprechen, ebenso wie
neben got so das an. sü steht. Auch der N. Plur. N. *ttoä mußte
zu *f(w)ti, tu werden, und diese Form besteht in der Tat im
Altschwedischen. Das got ttca ist ja wohl eine erst im Gotischen
entstandene Form ; es ist eine Analogiebildung; nach Uinda neben
Mskl. blindai^ Fem. Mindos; vgl. auch /n/a. Was ßat^ßjBf betrifft,
so glaube ich, daß wir es hier mit einer ähnlichen BUdung zu
tun haben wie in den von Franck HZ. 40, 1 ff. besprochenen
ahd. und as. Formen dea^ dia, ihea^ thia u. dgl., die dadurch ent-
standen sind, daß die Endungen einem durch das Sprachgefühl
abstrahierten Stamme ßB- angehängt wurden: kann nicht ebenso
im Nordischen an den aus ßat abstrahierten Stamm ßa- die
. Endung -i« getreten sein? Im Altnordischen ist freilich /crt die
gewöhnliche Form des Neutrums. Aber in der Runenperiode war
ßat noch gebräuchlicher (vgl. Noreen PGr. 1* 620). Nach ßau
wurde tuau gebildet. Bei beiden Formen kann bei der Ent-
stehung einer Neubildung der Umstand mitgewirkt haben, daß
die Endung -ti als etwas anomales empfunden wurde. Dies gilt
hauptsächlich für *ßu.
Nicht zu ü verschobenes ö aus ä liegt bekanntlich in an.
iottogo aus *tö'tugu vor, wo das alö wie sonst in inlautenden
Silben als ö auftritt
18*
«4 N. van Wijk,
3. YokaÜBch au8la«tende Instrumentale
von Pronominalstämmen.
Im Nord- und Westgermanischen ist das aus auslaatenden
idg. -ä oder -ö entstandene -ö in betonten Silben in -n übeq|;e-
gangen (vgl. S. 252 f.) Zu den Bildungskategoriea, wo wir dieseai
Lautwandel begegnen, gehört der anglofriesische Instrumental Adi,
dessen Endung von Janko IF. 20, 235 gewiß richtig gedeutot
wird: J. führt das -ü von hü und das -ii vor ahd. tagu ' — im An-
schluß an Bethge — auf idg. -Ö zurück; und obgleich die Hf-
pothese, daß dieses -^ vor der Sprachtrennung aus noch älterem
-^ entstanden sei (vgl. u. a. Hirt IF. 17, 49 f.), nicht wideri^
werden kann, füliren uns sowohl die germ. wie die litauisch^ft
Formen {vükü u. dgl., Streitberg IF. 1, 272 ff.) zu einem idg. -^ und
nicht weiter. Das got. Pronomen gibt uns keine Belege für diese
Endung -ö: anstatt *htoo oder *ho finden wir htm, das wohl einet
mit ö in regelrechtem Ablaut stehenden Anfang -S enthält, der
auch für hwamma^ hieammeh angesetzt werden darf. Wie mußte
sich nun dieses -i in haupttonigor Silbe im West- und Nord-
germanischen entwickeln? Wenn in diesen Dialekten der Wandel
von "€ in -ä älter wäre, als der vor -ö in -ä, hätten wir -ä vol
erwarten; wenn aber die umgekehrte Chronologie angenommen
werden muß, so dürfen wir einen dem Übergang von -d in -tf
entsprechenden Wandel von -e in -f postulieren, — nicht wie
Janko a. a. 0. 242 annimmt, in e^. Und die vorliegenden Formen
stimmen vorzüglich zu diesem Postulat Auf -^ führe ich zurück:
an. aschw. ß{^ huH^ ags. dis, hwi, as. hwf^ mnl. Je-Ä, i-wi (v^
Van Helten, Tijdschrift voor ndl. taal- en letterkunde 5, 2048.,
Franck HZ. 40, 21, ein wenig anders Van Helten, MndL spraak-
kunst 451 f.). Ob das wn. pu{, das nach Noreen PGr. I" 621
auch dem on. ßu'fu zugrunde liegt, das u dem Einflüsse von
hui verdankt, ist nicht sicher; denn diese Form könnte auch durch
eine Kontamination vor ßtl und j&/ entstanden sein. Ebenso können
ahd. diu^ htnu^ anfr. thiu^ mnl. die^ bedie^ as. thiu, hmu, afri. thiu att{
zwei Weisen erklärt werden. Man kann hier ebenfalls an Konta-
mination denken; es wäre aber vielleicht auch möglich, daß an
einen aus andern Kasus abstrahierten Stamm )B^-,A*rc- die Endung
-u angetreten und dann -eu in -iu übergegangen wäre (vgl. Franck
a.a.O. 15 f.). Ags. /y, hwi/ sind bekanntlich schwierige Formen:
haben wir hier vielleicht ältere Formen auf -ui anzusetzen und
eine ähnliche Kontamination wie in an. ßd anzunehmen?
GermanischeB. ^66
Bisher hielt man gewöhnlich die Formen auf -f für Lokar
ive, vgl. u. a. Streitberg Urg. Gr. 273. Lautlich ist dagegen nichts
anzuwenden; es scheint mir aber, daß die Bedeutung vielmehr
Ue von mir gegebene Erklärung empfiehlt Das got peii das
armeil dem an. pi usw. entsprechen könnte, ist eine Eonjunk-
ion mit der Bedeutung "daß, damit", während Pe und hwe Kasus
änd, die zwar mit Präpositionen verbunden Konjunktionen bilden
können (z. B. bipe)^ aber an und für sich Kasus- bezw. ad-
rerbielle Bedeutung haben: dieser syntaktischen Funktion ent-
{{tricht diejenige von an. /r/, as. hid usw. So ist z. B. mnL bedi
lieselbe Form wie got bipe\ der Bedeutungsunterschied (als Adv:
deswegen': "nachher*, als Konj. *weil': "als, nachdem') wird bloß
lorch die respektiven Bedeutungen der Präp. hervorgerufen.
Neben den bisher besprochenen Formen haben im XJrger-
nanischen noch andere existiert, die ebenfalls sowohl mit o- wie
nit ß-Yokalismus auftreten, und zwar — abgesehen von den
nterrogativen Adverbien, die mit got hwaitca zu vergleichen
dnd — : wn. hi^^ pui^ ahd. hwe^^) as. hwö^ huo^ ndl. hoe. Ich
;laube, daß diese Formen mit e und ö am einfachsten erklärt
werden, wenn wir von geschleiftem ^ 5 ausgehen, indem wir
jntweder lit. tu vergleichen oder Ablative auf -äi, -öd ansetzen.
Es fällt uns auf, daß bei den zwei Kategorien von Bil-
lungen, die ich besprochen habe, sowohl die o- wie die e- Stufe
tolegt ist*) Vgl. den Gen. S. got d<igi8: urn. a[n]ÄM-jiÄiias. Wenn
in so vielen Kasusendungen die beiden Ablautstufen so viele
Jahrhunderte lang bewahrt geblieben sind, versteht es sich, daß
im Gotischen neben dem Gen. Plur. *da;{fi[fn] eine Neubildung
^dajfi[m\ aufkommen konnte. Diese letzte gelangte später zur
Alleinherrschaft, wie überhaupt das Got die e-Stufe bevorzugt
EU haben scheint
Bisher ließ ich noch eine ganz eigentümliche Form, die
lern got so entspricht, unerwähnt, nämlich das mnl. aoe. Diese
^rm scheint hauptsächlich im flämischen Dialekt bestanden zu
tiaben. Sehr häufig findet man sie z. B. im älteren Reinaert und
bei Maerlant (vgl. J. W. MuUer, Tijdschrift voor nederlandsche
Ual- en letterkunde 7, 79, Franck, Mittelniederl. Grammatik 145).
1) Vgl. Franck HZ. 40, 20, anders über das Verhältnis von hwM,
kwio zu hwi Van Hellen PBrB. 30, 238.
2) Für ö hätte ich S. 264 außer anglofries. hü auch as. hü^ aschw.
kü{likin\ anorw. hü, aschw. ßü, aisl. pü(at) anführen können.
266 N. vanWijk, Germanisches.
oe entspricht lautlich ungefähr dem deutschen u; der durch dieses
Zeichen angedeutete Vokal ist die gewöhnliche Fortsetzung von
urgerm. ö, nicht aber von ö. ^Müssen wir nun annehmen, daß
der Übergang von urspr. auslautendem -ö in -« nicht gemein-
westgermanisch ist, sondern daß in einem Teil des Gebietes das
-0 unverändert gebheben ist? Dagegen spricht der Umstand, daS
in denselben Mundarten, wo die Form soe auftritt, auch hedi und
iwi vorkommen: wenn aber -^ in einen engem Vokal überge-
gangen ist, dürfen wir dasselbe auch für -6 voraussetzen. Woher
kommt es denn, daß dieses -ü aus -ö sich anders entwickelt hat
als das urgerm. -ä? Bloß eine Hypothese kann ich hierüber mit-
teilen. Im Westniederfränkischen ist Hin ü übergegangen. Wenn
wir nun den Anfang dieses Prozesses in eine sehr frühe Periode
setzen, so dürfen wir vielleicht annehmen, daß das alte -« be-
reits von seinem urspr. Lautwert abgewichen war, als das aus-
lautende '(P* in -ö überging. Der letztgenannte Lautwandel ist ge-
meinnord- und westgermanisch, aber wie so viele übereinstim-
mende Lautveränderungen ist er keinesfalls in eine Periode zu
versetzen, wo diese beiden Gerraanengruppen noch auf einem
kleinen Gebiete zusammen wohnten : wir dürfen wohl nicht weiter
als Christi Geburt zurückgehen. Wenn nun Te Winkel Recht
hat, der Handelingen en Mededeelingen van de maatschappij der
Ndl. Letterkunde 1904/05, S. 69 den Wandel von « in tf der
Mischung einer germanischen und einer keltischen Bevölkerung
zuschreibt, so wäre vielleicht ein sehr frühes Eindringen von
Friesen in West-Flandern anzunehmen, die noch lange bevor die
Franken so weit westlieh gekommen waren, der keltischen Be-
völkerung dieses Landes ihre germanische Sprache aufgezwungen
hatten. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß einmal das Gebiet
der Friesen sich bis nach Flandern ausstreckte. Vielleicht aber
verhalten sich die Sachen viel einfacher : in mehreren ndl. Mund-
arten hat das ausl. ü bis jetzt sein ö-Timbre bewahrt So sagt
man in Zeeland und einem Teil von Flandern wo, jü (aus *iu
mit Dehnung des u). Aus dem u von mnl. nu^ (j)u^ du darf
man daher nicht schließen, daß ausl. ü regelmäßig ü geworden
sei und vielleicht entspricht soe ebenso genau einem wg. sü
wie noe (spr. nü) einem nü.
Haag. N. van Wijk.
/
C. Hentze, Aktionsart u. Zeitstufe der Infinit, i. d. homer. Gedichten. 267
^
Aktionsart und Zeltstnfe der InflnitiTe in den homerisehen
Gediehten. ~
Nachdem im Griechischen die aus der jfrüheren Sprach-
entwicklung überkommenen, teils fertigen, teils werdenden In-
finitive an die verschiedenen Tempusstämme sich angegliedert
hatten, übernahmen sie von den entsprechenden Indikativen die
Aktionsart, nicht aber die Zeitstufe.^) Der Infinitiv des
Präsens bezeichnete also die Handlung in der Regel als ver-
laufend, seltener als punktuell, der Inf. Perf. als abgeschlossen
oder den dadurch erreichten Zustand, der Inf. Aor. aber teilte
mit dem Ind. Aor. teils die ingressive, teils die effektive Be-
deutung. Auf welcher Zeitstufe die Handlung verlaufend, ab-
geschlossen oder eintretend gedacht werden sollte, ergab der
Zusammenhang der Rede.
Die mannigfachen Punktionen, welche von diesen Grund-
lagen aus die Infinitive nach und nach übernommen haben,
liegen in den homerischen Epen im wesentlichen bereits ent-
wickelt vor. Wenn diese aber nach begründeter Annahme den
Niederschlag einer Sprachentwicklung von vielleicht sechs Gene-
rationen darstellen, so wird sich auf Grund dieses reichen alten
Materials die Entwicklung jener Funktionen noch einigermaßen
verfolgen lassen. Insbesondere werden die Einflüsse erkennbar
sein, welche die Ausbildung der dem Griechischen eigentüm-
lichen Form der abhängigen Rede auf diese Entwicklung aus-
geübt hat Nach diesen Gesichtspunkten ist im folgenden der
homerische Gebrauch der Infinitive in bezug auf Aktionsart und
Zeitstufe einer genauen Untersuchung unterzogen.
1. Der Infinitiv Praes. bezeichnet der überwiegenden Be-
deutung des Ind. Präs. entsprechend die Handlung als verlaufend
und teilt mit ihm die aus dieser Grundanschauung hervorgehenden
Gebrauchsweisen. Aus dem Begriff der verlaufenden Handlung,
für den ein bezeichnendes Beispiel ist o 278 öiuiK^iiievai t^P <i»uj
"daß sie auf der Verfolgung begriffen sind", erklärt sich zu-
nächst der nur seltene, sogenannte Gebrauch de canatu. Mutz-
bauer Die Grundlagen der griech. Tempuslehre, S. 45 bemerkt
mit Bezug auf das Imperf. mit Recht, daß in der Form nichts
1) Vgl. Delbrück Die Grundlagen der griech. Syntax S. 121 ff. und
Vergl. Syntax II S. 451 ff., Capelle im Philologus 37 S. 114.
268 C. Hentze,
von einem Versuch liege. So ist Kreiveiv in a 39 irpö oi €T1ro^€v
— ^irr' auTÖv icreivctv ^nxe |üiväac9ai dKomv nichts andereR ab
*mit Tödten beschäftigt sein' d. i. in Gedanken und vorbereiten-
den Handlungen den Mord betreiben, KaTaKretveiv ir 400 einen
Mordanschlag machen, vgl 432, iXdcKecGat A 386 die Versöhnung
betieiben, vgl. 47 2. M Die Handlung ist femer in ihrem Verlauf
gedacht, wenn es sich um die Fortsetzung oder Beendigung
einer bisher geübten Tätigkeit handelt: so in der Konstruktion
des Inf. Präs. nach idv, wie E 32 f. ouk fiv hi\ Tpüjac iiiw ddcco-
^ev Kai 'AxaioCfc ^äpvac9al ^weiter kämpfen', nach iraüeiv, wie
A 442 r^TOi ^dv {>' f^' fTiaucac dm Tpüjecci ^dx€c8ai, oder um das
Fortbestehen eines Zustandes im Gegensatz zum Aufhören oder
einer Unterbrechung, wie 0 246 veöce bi ol Xaöv c6ov (pfievoi
ouö' dTToXdcOai ^erhalten bleiben', Z 87 vaieiv *wohnen bleiben',
uj 435 21uj^^€v 'weiter leben', q) 239 dKf|v £^€vat irapd ipvv
'ruhig bei der Arbeit bleiben' (Gegensatz |ir| ti GüpoZe irpo-
ßXüjoceiv). Wird die Handlung während eines längeren Zeitraumes
ununterbrochen verlaufend gedacht, so ergibt sich die Vorstell-
ung der Dauer, wie p 551 TTeipaiov bi ^lv ^vüJTta TTpoxi oikov
drovra ivbuKduiC qpiXeeiv Kai xie^ev ete ö k€v ?X9uj "Gastfreund-
schaft und Ehre erweisen', B 280 ciuiTidv "Schweigen beobachten'^
X 129 (ppd2:€c9ai *im Auge behalten'. Eine solche Handlung
setzt sich aber öfter, wie p 55 f. zeigen kann, aus einer Reihe
einzelner gleicher Akte zusammen, daher der Inf. Präs., wie der
Ind., auch zur Bezeichnung einer wiederholten Handlung ver-
wendet wird. So von gewohnheitsmäßigem Tun t 48 iirei icai
TouTOv öiofiai dGavdxoiciv eöxecGai 'daß er jederaeit sich im G^
bet an die Götter wende' vgl. Z 207 f., und in den zahlreichen
Beispielen, in denen im Nebensatz ein wiederholter Fall gesetzt
wird, wie A 229 f. f\ ttoXu Xübiov dcri — öujp' dTioaipeicGai, 6c nc
deev dvTiov eiTiri, vgl. B 214 f. Z 228 f. T 228 f. t 355. b 196.
e 119f. 8 45. K 22. 73 f. E 5221; daher auch von einer jeder-
zeit sich betätigenden Eigenschaft, wie P 675 dexöc, 6v fid xi
qpaciv dEuTttTov ö^pK€c9ai d. i. die schärfste Sehkraft habe.
1) Hieher scheint auch der Inf. Präs. ßdWciv in E 51 f., MboEc yäp
"ApTCMic aÖTi?! ßdXXeiv ftypia irdvra gezogen werden zu müssen, wo man
den Inf. des effektiven Aor. ßoXciv erlegen erwartet. Der Inf. Präs. be-
sagt eigentlich 'schießen auf allerlei Wild', die Jagd auf jegliche Art von
Wild betreiben'. Vgl. auch k 305 xoXciröv hi r'dpOccciv 'danach xu graben*,
nicht 'ausgraben': Delbrück Vergl. Synt. II S. 39.
Aktionsart u. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 268
Wenige Präsensstämme bezeichnen eine punktuelle Aktion
in dem von Delbrück Vergl. Synt 2, 14 festgestellten Sinne, daß
die Handlung mit ihrem Eintritt zugleich yollendet ist, oder
aach verschiedene Aktionsarten. Zu den ersteren gehört vor
allem €l^^ dessen futurischer Gebrauch sich aus der punktuellen
Aktion erklärt. Futurisch wird dies Yerbum nach Delbrück 2, 691
im Ind. Präs. bei Homer besonders in der 1. und 2. Person ge-
braucht, zugleich aber verlaufend gedacht K 335 TÖqppa T^p ic
CTpOTÖv €1^1 bia^Tiepec, öqpp'äv lKUi^al vf]' *ATa|ie^vovdiiv und Y 362,
während die 3. Person meist präsentisch von verlaufender Ak-
tion gebraucht wird. Der Infinitiv zeigt nun folgende Aktions-
arten. In abhängiger Rede überwiegt die punktuell-futurische
Bedeutung: P 709 ouö4 mv oiiw vöv tevai, Y 365 qpdro b' T^evat
dfvr' AxiXi^öc vgl 371. In Z 4561 Kai mv öiuj aurif» (dKOvri) ciq-
icTÖ^cvov Kaxi^ev ö6mov *Aiöoc efcuj und vielleicht auch Y 141 L
^dXa b* (Lku &taKptvddvTac öiiu fivp T^ev OuXu^ttövöc GetLv ^ed'
öiLiriTupiv äXXuüv ist die Bewegung zugleich verlaufend gedacht^
wie im Ind. K 325 und Y 362. Gegenwärtig verlaufend aber
K 355 f. ÄTieTo ydp Kaxd 8u^öv dTrocrpevpovrac ^ratpouc ix Tpuiuüv
Uvai, wo Dolon die ihn verfolgenden Odysseus und Diomedes
hat kommen hören, und auch N 99 ff. i^ ^idra Gaö^a xoö' öqpGoX-
^otav 6plü^al, 8 oö ttot' If^ ye xeXeuiricecGai fqpacKov, Tpdiac iqp'
flMCxepac levai vfiac, denn hier erklären die letzten Worte x6ö€,
zwar eine Tatsache, die aber unter Einwirkung des vorher-
gehenden Relativsatzes als Vorstellung gefaßt ist: daß die Troer
im Anrücken gegen unsere Sclüffe begriffen sind. Punktuell ist
die Aktionsart des Inf. im Imperativischen Gebrauch, sowohl im
selbständigen: H 87. 839. O 297. 2: 298. G 12. k 405. 512. p 600,
als im abhängigen: A 686. a 374, auch in Abhängigkeit von
Verben des Antreibens, Befehlens, Wollens, Verlangens, nur in
ß 364 ttO ö'^G^Xeic Uvat TToXXfiv dTri tatav; b 483 und o 79 ist
die Bewegung verlaufend gedacht In der Verbindung ßn b' tevcu
und den ähnlichen (Lpxo, T^px€ ijiiev, sowie in Abhängigkeit von
iri^iretv, irpot^vai u.a. bezeichnet der Inl die dem Ansatz zum Gehen
folgende Bewegung in ihrem Verlauf: vgl. A 44 ßi^ bk kox' 0^
Xü^iTOio Kapnvujv *er setzte seinen Fuß herab von . . .', mit 47
ö ö' fiie vuicxi £oiKd)c *er schritt dahin*.
Der Ind. von v€o^at hat überwiegend futurische Bedeu-
tung, präsentische nur in der Odyssee: ^ 188. k 192 und viel-
leicht V 61. Die Infinitive v^ecGat und dirov^ecGai zeigen die
270 G. Hentze,
punktaell-futiirische Bedeutung in abhängiger Rede: nach xmir
CX6T0 Kai Kaxdveuce B 113. I 20, ÖTidcrav B 288, imdcnmev E 716,
dmiTTeiXnce Z 46, ddüXTrei T 330, dveveuce TT 252, <pimi E 221.
Y 212, (paci ß 237. X 176, (pdvxo ui 460, öiiu M 73. c 260, in
der Uias also fast nur nach Verben, deren Bedeutung eine Rich-
tung auf die Zukunft enthält, in der Odyssee nur nach qpimi und
öiui. Femer ist die Bedeutung des Inf. punktuell im Impera-
tivischen Gebrauch, selbständig tt 132, abhängig tt 350, und auch
sonst überall in Abhängigkeit von Verben; nur wird in den nach
dem Muster von ßf] b' ievai gebildeten Verbindungen f ßav v^€c6ai
V 229. E 87, T^pxe veecGai B 84, Tii}xm\\ veecGai I 240. « 48. 598
und in der Od., lei v. A 397, expevpe v. M 32, öipOveiv v. in der
Od. die Bewegung in ihrem Verlauf gedacht sein.
Wenn dem Verbum ?px€c9ai, wie Delbrück Vergl. Synt 2, 61
annimmt, ursprünglich terminative Aktion eigentümlich war, so
daß es, je nachdem der Ausgangspunkt oder der Endpunkt der
Bewegung in das Auge gefaßt wurde, entweder Veggehn* oder
'kommen* bezeichnete, so hat es doch bei Homer im Ind., wie
in andern Formen des Präs., daneben nicht selten auch kursive
Aktion. Ich hebe nur einige Beispiele heraus: fpxo^al A 839.
N 256. E 301 in der Bedeutung *ich bin auf dem Wege*, vgl
auch ^eT4pxo^al t 83, fpxeiai H 208 'schreitet dahin', Jpxovroi
*ziehen heran, sind im Anmarsch* B 801, ipxo^€vuiv *wie sie
dahin zogen* f 14. Dementsprechend zeigt auch der Infin. neben
der terniinativen, zum teil auch kursive Aktion; erstere f 392 ff.
ovbi K€ qpairjc dvöpi ^axncd^€VOv rovy' dXOeiv, dXXd xopovbe ?p-
XecG' f\k xopoio veov XriTovra KaGiZieiv *zum Reigentanz auf-
breche oder zu gehen im Begriff sei (nicht *auf dem Wege sei')
im Gegensatz zu dXGeiv 'zurückgekommen sei', vgl. l 65, so auch
wohl K 562 qpdcOe vu ttou oiKovbe — IpxecOai Mm Begriff sein
zu gehen', nicht *auf dem Wege sein', vgl. 561, ^fortgehen* 0 161
= 177. ß 265. TT 86. u 362, 'kommen* a 190. o 514. 0 400.
Dagegen sicher kursive Aktion 2; 40. 261. X 121.
Die vermutlich aus Perfekten entstandenen Präsentia ikuj
und o^xo^ul, die im Ind. neben der präsentischen auch Per-
fektbedeutung haben, zeigen die letztere auch im Infin.: v 325
ou Tdp 6m 'iKeiv (so Bekker und Neuere, handschriftlich nur
f^Keiv) eic *l9diaiv, Z 345 die ^' öqpeX' — oixecGai Tipoqpepouca KaKf|
äv^^0l0 GiieXXa eic öpoc, b 639 ou yäp Jqpavro Ic TTuXov oTx^cGai-
— iKdvu) zeigt im Infin. ö 29 punktuell-präsen tische, aber ö 139
Aktionsart u. Zeitstnfe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 271
o'i Tiv€^ oibe dvbpaiv euxexoujvTai lKav4^ev f\\xiTepoy bdj Perfekt-
bedeutung. — Die scheinbar perfektische Bedeutung der Präs.
äxouui (Q 543. o 403) *ich habe gehört' und viKduj *ich bin
Sieger' (B 370. t 121) wiederholt sich in den Infin. dKOud^ev
= 125 und b 94, viKdv X 548.
Auf welcher Zeitstufe die Handlung des Infin. Präs. in
den nachgewiesenen Aktionsarten vor sich gehend gedacht werden
sollte, ergab der Zusammenhang der Rede. So lange nun der
Gebrauch der Infinitive im wesentlichen auf die finale und
konsekutive Bedeutung beschränkt war, fiel die Handlung des
Infin. seiner ursprünglich dativischen Natur entsprechend in die
Zukunft, die in Beispielen, wie V 618 tt] vöv, Kai coi toöto,
T^pov, K€i^f|Xtov ?CTUJ, TTaipoKXoio xdqpou ^vf\^' £^^€ vai, vom
. Standpunkt der Gegenwart des Redenden aus bestimmt wurde,
in Beispielen, wie € 256 qppdEe bi mv ^iTiecci öla^7Tepk öicu-
tvriav Ku^aToc eiXap ?^ev, vom Standpunkt der in der Ver-
gangenheit handelnd eingeführten Person aus. Erst durch die
Ausbildung der abhängigen Rede erweiterte sich der Gebrauch
des Infin. Präs. dahin, daß er auch eine in der Gegenwart ver-
laufende Handlung oder einen in der Gegenwart dauernden
Zustand bezeichnen konnte, ebensowohl vom Standpunkt des
Sprechenden aus: eöxo^ai eivai, als vom Standpunkt einer in
der Vergangenheit sprechend eingeführten Person aus: eöxero
eivai. Die letzte Stufe der Entwicklimg war die, daß der Infin.
Präs. auch verwendet wurde, um eine in der Vergangenheit ver-
laufende Handlung (Zustand) zu bezeichnen, ohne daß die Zeit-
stufe der Vergangenheit aus dem Verbum des regierenden Satzes
entnommen werden konnte, wie x 321 ei \ikv bi\ ^€Td toTci
9UOCKÖOC eöxeai eivai, wo die Bedeutung ^gewesen zu sein* nur
aus den vorhergehenden Worten des Leodes 313 — 319 ver-
ständlich ist Dieser sog. imperfektische Gebrauch des Infin.
Präs. findet sich überhaupt nur in 10 Beispielen (II. 3, Od. 7)
und steht noch in den Anfängen der Entwicklung. Er wird sich
zunächst auf den Infin. eivai bei Angabe von Eigenschaften und
Zuständen beschränkt haben: die drei Beispiele der Uias in AEQ
enthalten nur diesen Infinitiv und von den 7 Beispielen der
Odyssee 5 denselben, und nur 2 solche Infinitive, welche eine
in der Vergangenheit vollzogene Handlung bezeichnen. Von
selbst ergab sich die Beziehung des Inf. Präs. auf die Ver-
gangenheit in A 264 dXX' öpceu TToXe^övö', ofoc Tidpoc eO^^ai
272 G. Hentze,
€ivai, wo irdpoc nach Beispielen, wie 8 36. A 825, mit eivai zq
verbinden ist: hier lag die bereits proethnische (Delbrück YeigL
Synt 2, 265 ff.) und bei Homer geläufige Verbindung von irdpoc
mit Ind. Präs. zu Grunde, die eine in der Vergangenheit bis
zur Gegenwart betätigte Eigenschaft bezeichnet Nötig war der
Zusatz von tö irptv beim Infin. Präs. noch Q 543 xa\ c^ iipov,
TÖ Tipiv ^^v dKouo^ev öXßiov etvai, weil eine scharfe Qrenze
zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu ziehen war. In E 638
dXX' oTöv Tivd q)aa ßinv 'HpaicXneinv eivat ist von den Helden
einer frühem Generation die Bede, in 9 180 dv irpujToiciv 6iui
f^üievai folgt der Zusatz öqpp' fißrj re TieTToiGea x^pci x' ^M^ov, in
ß 118 K^pöed 9\ oF oö irib tiv' dKOuo^ev sc. dmcracdai folgt
ouöfc TToXaiOüv, xduiv, a'i Tidpoc r^cav — 'Axaiai. — Das regierende
Verbum steht im Prät X 237 qpi^ bi (die Seele der Heroine Tyro)
KpnOfioc Tuvf| £^^€val und X 540 miOocuvn (die Seele Achills),
ö oi uiöv {qpnv dpiöeiKeTov eivai. — Den Endpunkt der Entwick-
lung bezeichnen die 2 Beispiele der Odyssee, in denen vergangene
Handlungen durch den Infin. Präs. bezeichnet werden: 0 516
dXXov b' dXXq deiöe ttoXiv KepCLili\xe\ afiniv und x 322 (ei }A^
br\ |i€Td ToTci GuocKÖoc euxeai eivai) TioXXdKic ttou |i4XXetc dprj^cvoi
— TTiXoö d^oi vöcToio teXoc T^uKepoTo tevkOai. Es ist zu be-
achten, daß im ersten Beispiel dem Infin. Präs. in V. 514 eine
von ?ieibev abhängige Bede in der Form ibc dcru öifeirpaSov ulec
""Axaidiv vorhergeht und im zweiten das eivat des Vordersatzes
schon eine der Vergangenheit angehörende Stellung des Ange-
redeten bezeichnet
2. Verhältnißmäßig gering ist der Gebrauch der abhängigen
Infinitive Pert, von denen sich nur 102 Beispiele finden
(II. 67, Od. 35). Am häufigsten sind vertreten die Inf. ^crdjicv
(4cTd^€val) und KeicOai nebst Kompositis und fjcOat (in 32 Beisp.) :
kTdM€v(ai) A 342. K 480. A 410. M 316. N 56. 0 666. 675. Z 374.
9 261, X 121, 7rap€CTdM€vai 0 255. P 563. O 231. b 827. u 94,
i<pecTdM€V a 120; KeicGai E 685. 848. 0 126. A836. 0 118. 473.
P 300. T 9. X 73, KaTttKeiceai Q 523; fjcGai A 134. 416. N 253-
280. n 160. T 120. Von Verben, die eine körperliche Bewegung
bezeichnen, liegen die Inf. Perf. vor: ߀ßd^ev P 359. 510, dqnxOoi
l 297, TieqpuTM^vov eivai Z488. i 455, Tiecp. revkOai X 219, dXd-
XncGai ß 370. |i 284. o 276. u 206; körperliche Zustände be-
zeichnen TeGvd^ev 0 497. P 405. T 335. Q 225. tt 107. u 317.
9 155, 7T€<pdcGai N 447. E 471. Q 254, dtpnTÖpGai K 67 ; geistige
Aktionsart u. Zeitstafe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 27S
Zustände: !b^ev(al) A 719. N 273. b 200. 493. 6 146. 213. ^ 154,
n€pi{ÖM€vai N 728, MeMvflcGai T 231. b 353, XeXac^idvov €?vai N 269,
bcbtbdxOai A 831, ireTnicGai P 641, ircTTvöcGai V 440. k 495; Ge-
mütszustände: KexoXuicOai I 523. 17 61. Q 114. 135. n 310. c 227.
X 59, dxaxficeai T 335. 6 806, öeiöiMev i 274. k381, TeTXd^€V
T 209. l 190. Außerdem finden sich dmiceai I 402, dKrerd^iev
E 248. Y 106. 209, KeKdcGm Q 546, t€TU)v^m€v 0 223. A 6, und
die Inf. Perf. Pass.TexuxGai 0 110. a 391, TTpoTeruxGai TT 60. Z 112.
T 65, XeXeTcpBai Q 256. 494, TCTiMncGai I 38. 608. V 649, t€T€i>-
Xflcecei X 104, KaieipucGai E 332. t 289, KeKXf\cGai E 268 »).
Daß die Perfekta, von denen Infinitive vorliegen, den durch
eine vorhergehende Handlung erreichten Zustand bezeichnen
nnd nicht einem Teil derselben intensive Bedeutung beizulegen
ist, hat Delbrück Vergl. Synt. II, 177 ff. wahrscheinlich gemacht
Im einzelnen ist danach folgendos zu bemerken : ßeßd^ev P 359.
510 bezeichnet weder ^schützend schreiten um', noch einfach
'schützen', sondern, wie der Gegensatz 357 f. vcKpoö xd2l€cGai
— Ttpo^dxecGai 'Axaid)v ßoxov dXXuiv und 132 f. d^qpi Mevomdöij
— kTr|K€iv verglichen mit 137 Tiepi TTaTpÖKXiu — ßeßfjKeiv zeigt,
"stehen bleiben vor' (zum Schutze). Wenn man femer reGvdiLiev
P 405. Q 225. 0 497 intensive Bedeutung beilegt, so zeigt doch
in P 405 der Gegensatz dXXd 2!ujöv dTTovocrriceiv, daß es viel-
mehr den tatsächlichen Zustand des Patroklos bezeichnet: er-
schlagen liegen; ähnlich ist Q 225 eJ bi \io\ aica T€Gvd|ievai
napd vnudv Äxaidiv *tot liegen bleiben bei den Schiffen der
Achaeer' statt lebend aus dem Schiffslager zurückzukehren, und
in 0 497 oö ol deiKec &^\)\o\iivw Tiepi Tidipric TeGvd^ev, wo man
1) KcicOai und fjcOai sind mit verzeichnet auf Grund der wahrschein-
lichen Annahme, daß Kei^ai und fj^ai aus Perfekten umgebildete Präsentia
sind, vergl. Delbrück Vergl. Synt. II, 68, 187. Dagegen sind die Formen
irctroXdcOai i 331 und bebdacBai tt 316 als zweifelhaft ausgeschlossen. In
beiden Stellen ist es schwer, die erforderliche Bedeutung aus einem Per-
fekt des erreichten Zustandes abzuleiten, auch erwartet man eher Infini-
tive des Aor. Für b€bdac0oi hat Wackemagel in Bezzenbergcrs Beitr. IV
S. 310 die Möglichkeit eines Inf. Aor. erwiesen und an Stelle von ircira-
XdcOai ist von Döderlein TrewaX^ceai als Inf. Aor. vermutet ; Delbrück Vergl.
Synt. II S. 205 neigt zu der Annahme, daß TreiraXdcGai Inf. Aor. sei. —
Hinsichtlich der imperativisch gebrauchten Inf. Perf. ist zu bemerken, daß
die Ihas nur das eine Beispiel M' 343 ircqiuXaTM^voc elvai aufweist; die
übrigen Beispiele gehören der Odyssee an : fjcOai k ö07, 536, \(i 365, ^€-
livf^cOai c 267, TCxXd^cvai v 307 ; 2 Beisp. 3. Person : KcicBai o 128 und
K€KpumA^vov €lvai X 443; die 1. Person im Wunschsalze ^9tCTd\kt>ia\>»^y^.
274 C. Hentze,
den Inf. Aor. erwarten könnte, ist der Inf. Pert bedingt durch
TeGvdTUi 49(5, dieses Perf. bezeichnet aber, wie der Vordersatz
Sc be K€v — GdvaTov Kai ^^6T^ov imcm) fordert, den dem Eintritt
des Todes folgenden Zustand, wie auch der Int Port tt 106
durch KaTaKTd^evoc, u 317 und qp 155 durch die im Zusammen-
hange vorausgesetzte Tötung bedingt ist VgL auch T 334 t Wie
femer T€9vd^€v P 405 den Zustand bezeichnet, in dem sich
Patroklos befindet, so ist ähnlich Q 254 ai9' ä^a irdvTCC ''EKTopoc
djqp^ex' dvxi Oorjc Im vnud 7r€q)dc9ai die Wahl des Int Perf.
^erschlagen liegen* bedingt durch die Beziehung auf Hektor,
der im Schiffslager tot liegt, wie in E 471 r^ {>' oux oöroc dvfjp
TTpo9or|vopoc dvii 7T€q)dc9ai d£ioc; durch den Hinblick auf die
am Boden liegende Leiche «des eben Oefallenen, ähnlich N 447.
— KexoXüjc9ai 'in Zorn versetzt, von Zorn erfüllt sein' be-
zeichnet I 523 und x 59 im Gegensatz zu den Bemühungen, den
Zürnenden zu versöhnen, TT 61 (mit dcrrepxk) in Beziehung zu
^^vl9^öv KaTa7Tauc€^€v das dauernde Grollen. In Q 114 = 135
scheint KexoXiüc9ai eine Steigerung des vorhergehenden ocüle-
c9ai zu bezeichnen: Von Groll erfüllt sein', vgl. auch c 227,
während man in n 309 t ou jlioi toioOtov dvi crriOeca qpiXov icfip
pavpibiujc KexoXujcOai nach 306 \x^ ttuic Kai coi Gu^öc dniciaiccarro
ibovTi eher den Int Aor. erwartet
Recht augenfällig ist der Int Perf. als Ausdruck des durch
eine vorhergehende Handlung bewirkten Zustandes in den Ver-
bindungen x 121 ToEov }xlv Tipöc CTa9^öv — fxXiv' kTd^eval,
P 298 dK b' dpa x^ip^v TTaxpOKXoio Tioöa — fJKe xciMd2l€ xeTcOai,
O 472 t ßiov liiv la — KeicOai vgl. 465 toEov bi ol {k7T6C€ x^^P^c
und in der öfter in bezug auf einen eben Gefallenen gebrauchten
Wendung idv KeicOai, von welcher T 8 f. toOtov ^ev ddco^ev —
K€ic0ai hinüberleiten kann zu der eigenartigen Formel dXXd xd
jitv TTpoTeiuxOai ddco)Liev TT 60. Z 112. T 65, die kaum anders
verstanden werden kann, als nach den Alten (Schol. Dind. IV
S. 206 zu T65): doch wir wollen das vorhergeschehen sein
lassen d. i. als ein für aUemal abgetan auf sich beruhen lassen,
und zu der Wendung aXtea b' l^-nric iv Oumli KaiaKeTcGai Wcojiev
Q 522 t Durch kqi verbunden sind die Handlung und der da-
durch herbeigeführte Zustand E 267 1 ifd) bi toi Xapixujv ^(av
ÖTiXoTepduJV öijücuj ÖTTuie^evai Kai cf|v KCKXncOai dKoixiv; umge-
kehrt ist das dauernde Ergebnis vorangestellt b 493 lb^€val Kai
iaflvai und 8 213 n)^ev Kai TreipnOnMevai dvrriv. Aber nicht überall
Aktionsart u. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 276
ist die Wahl des Inf, Perf. statt dos Inf. Aor. ohne weiteres ver-
ständlich. Zu dem schon erwähnten Beispiel x] 309 f. kommen
T230f. öccoi ö' äv TToXe^oio irepi cruTcpoTo XiTTUJVTai, |üie^vfic8ai
[sc xPn] TTÖcioc Kai iönxuoc, X 104 Tereuxf^cGai fäp d[^elVov, wo
'eingedenk sein' und ^gewappnet sein' nur nachdrucksvoller statt
^VTicac9al und leuxea bövai gesagt scheint
Die periphrastische Verbindung des Partiz. Perf. mit eivai
prägt den Begriff des Zuständlichen noch kräftiger aus, als der
einfache Inf. Perf. So ist Z 488 ^Olpav ö' oönvd qpn^i Treqpirr-
^6vov ?^^€val dvöpiüv — , dirnv id Trpüüia T^vniai, nicht *deni
Verhängnis entronnen sein' als erfahrungsmäßige Tatsache, sondern
*in Sicherheit sein vor dem Verhängnis', i 455 5v ou ttüj qpnM*
iT€q>uTM^vov f |i^ev öXeGpov 'noch nicht sicher vor dem Verderben'.
Nahezu adjektivisch als Bezeichnung einer Charaktereigenschaft
erscheint das Partiz. Perf mit eivai N 269 ouö^ tdp oub' k\xi qpimi
X€Xac^€vov ?)Ll^eval dXKf\c immemorem esse^ vgl. V 343 TTeqpuXcrr-
^ivoc eivai *sei auf deiner Hut, sei vorsichtig*. So werden selbst
Verbindungen möglich, wie X 219 oö ol vöv fn t' fcn Treqpur-
|i€vov dM^e T€V€c9ai "dahin zu gelangen, daß er vor uns beiden
in Sicherheit sei*, vgl. V 69 XeXac^evoc ?7TXeu.
Die Zeitstufe ergibt sich auch für den Inf. Perf. aus dem
Zusammenhange der Rede. Zeitlos ist er in allgemeinen Sätzen,
z. B. N 280 ouöe ol drp^iLiac ncGai dpirnieT' 4v qppeci Guiioc, A 409.
Der näheren Zukunft gehört der Abschluß der Handlung und
der dadurch erreichte Zustand an z. B. l 297 aurdp dirfiv f\\xiac
fknrji TTOTi büü|LiaT' dqpixOai, 0 117 ei Tiep ^ol Kai ^oTpa Aiöc ttXti-
lf€vn Kepauviö KeTcOai 6^oö veKuecci, Q 225. qp 155, der Zukunft
überhaupt tt 107 ßouXoiVnv k' dv d^olCl KaxaKTainevoc ^etapoiav
Te6vd^€v, u 317. Die den Zustand bewirkende Handlung liegt
schon in der Vergangenheit, während der Zustand in die Gegen-
wart hineinreicht: Z 471 f\ {)' oux ouroc dvfjp TTpo9or|vopoc dvri
irecpdcOai d£ioc ; und T 9 toOtov )li^v ddco^€V KeTcOai, in Sätzen,
die von Verbis sentiendi abhängen: 0 110 f\br] yäp vOv fXTTO^i'
"Apnl T€ m^^a T€Tux8ai, T 335 f|ön yäp TTnXfid r öioMai rj^ ^oja
wd^TTov T€evd^€v, P 404 t6 mv ou TTOie fiXTieio Gumjj TeGvd^€v,
a 120 veiieccriGTi b' M Gumui Eeivov önGd Guprjciv d(p€CTd^ev. In den
zwei letzten Beispielen, wie auch schon in den S. 257 verzeichne-
ten (wie X 121 t65ov fKXive kid^evai) wird durch das Tempus des
regierenden Verbums der durch den Int Perf. bezeichnete Zustand
in die Vergangenheit gerückt Die letzte Stufe der Entwicklung
«76 C. Hentze,
bezeichnen zwei Beispiele, in denen der Inf. Peif. in abhängig«
Rede nach q>ad so steht, daß der bezeichnete Znstand nicht mehr
in die Gegenwart des Sprechenden hineinreicht, also als soge-
nannter Inf. Imperfecti I 401 ff. ou f&p iiioi hiuxt)c ävräBov oiW
Bca <padv "IXiov öctt^cGoi — tö trpW dtr' clpnviic, irpiv ikBeiv utotc
*Axaiaiv und Q 546 tujv c€, T^pov, TrXoiirui T€ xa\ uida q>ad kgc4-
cOai, beide Male aber nicht ohne die Zeitbezeichnung durch
irp(v, welche in Q in dem einleitenden Satze 543 xm c4, T^pof,
TÖ TTplv ^1^ dKOuo^ev fiXßiov eivai vorangegangen ist*).
1) Dafi der Oebrauch des Inf. Perf. während der Periode der home-
rischen Dichtung noch in fortschreitender Entwicklung begriffen gewesen
ist, ergibt sich auch aus folgenden Beobachtungen. Ein hohes Alter wird
für den Gebrauch der Inf. ^crdvai, KeTcOai, fjcOai angenommen werden
dürfen; auf diese entfällt ein Drittel' sämtlicher Beispiele (32 von 102).
Diesen stehen an Frequenz des Gebrauchs am nächsten reevdficv (7 Beisp.)
Tb^icv (8), k€xo\ijDc8oi (7), während alle Übrigen Inf. Perf. entweder ganz
vereinzelt oder nur mit ein paar (zwei bis vier) Beispielen vertreten sind.
Ferner bietet von den ihrem Hauptbestande nach sicher ältesten Gesängen
der llias AATTX der erste Gesang nur f\cQa\ in zwei Beispielen, A ^crdMev
und K€Tc0oi in je einem ; tb|ui€v (719) gehört einer allgemein anerkannten
späten Interpolation, t6Tujv^|ui€v (6), bibdxOai (881) wahrscheinlich jüngeren
Partien des Gesanges an. Auch TT und X bieten nur je zwei Beispiele,
TT außer KexoXujcOai das eigenartige TrpoTerOxOai (60), X außer KcfcOai das
auffallende irctpuTM^vov "xevicQai (219), beide in Partien, die von der Kritik
beanstandet sind. Weiter ergibt sich innerhalb der llias ein auffallender
Unterschied des Gebrauchs zwischen den beiden Hälften des Epos: die
erste weist 21, die zweite 47 Beispiele auf. Von den 21 Beispielen der
ersten Hälfte aber entfallen auf ^crdMCv, xeTcOai und ncOai 10 Beispiele;
vereinzelt treten auf: in E fciorcTd^ev (noch in Y), in Z 1r€q|>uY^^vov civoi
(rtoch in i), in 0 yeruiv^^ev (auch in A 6), in K ^TPnT<^pöai ; I weist auf
T€Ti|uif^ceai (zweimal, noch in Y), KcxüXuicÖai, ^icxf^cOai (imperfektisch). In
der zweiten Hälfte der llias treten außer den Komposita 7^ap€CTd^€val,
ir€pi(b|ui€vai und KaraKeicBai neu auf die Passiva ir€(pdc0ai, T€T(fx6ai und
irpoT€Tux0ai, \€\€tq)0ai, xcKXf^cBai, dKaxf^cÖai, die periphrastischen Inf. Xc-
Xac^i^vov eivai und ireqpuTM^vov ycv^cOai, ferner ßcßducv, rcOvd^cv, m^-
^xvf^cOai, ireTTucGai, weTTvöcBai, KCKdcÖai (Inf. Imperfecti). Der Odyssee eigen-
tümlich sind außer ^(pecrd^ev : d(pix6ai, dXdXricOai, b€ib(|ui€v, xcrXd^ev und
die Passiva xereuxT^cÖai und KareipucGai. Es ergibt sich eine fortschreitende
Zunahme des Gebrauchs dos Inf. Perf. besonders in der Richtung, daß
er auf passive Perfekta (nebst xcOvducv) und solche aktive und mediale
ausgedehnt wird, die einen geistigen oder einen Gemütszustand bezeichnen-
— Noch mag bemerkt werden, daß in der ersten Hälfte der llias die Ge-
sänge BPH ohne jedes Beispiel des Gebrauchs sind, während in der zweiten
kein Gesang desselben entbehrt und die Gesänge NOPTÖ sogar mit je 6
bis 8 Beispielen ^vertreten sind. Der Gesang I steht dcmen der zweiftm
ktionsart u. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 277
3. Die Aktionsart des Aorist bezeichnet man im Oegen-
atz zu der des Präsens treffend als punktuell und unterscheidet
unächst, je nachdem der Anfangs- oder der Schlufipunkt der
landlung herausgehoben wird, ingressive und effektive Aoriste.
)azu kommt nach Mutzbauer Die Grundlagen der Griech. Tempu»-
ehre S. 11 ein dritter Typus, in welchem *die ganze Handlung
les Yerbums als konzentrierte, in einen Moment zusammenge-
aßte, sozusagen als Mittelpunkt erscheint*. Diesen Typus hat
Lann Delbrück Vergl. Synt 2, 237 f. als denjenigen bezeichnet, in
welchem die Handlung punktualisiert erscheine, und näher da-
nn bestimmt, daß der Aorist im Vergleich mit der Handlung des
Präs. nicht einen Anfangs- oder Endpunkt darstelle, sondern die
;anze Handlung des Präs., aber in einen Punkt zusammenge-
bogen, wie z. B. in öc ^ctXa iroXAdt TrXdrx^n ^^ vielfältige 7rXd2[e-
:6ai im Bückblick in einen Punkt zusammengezogen erscheint
gegenüber dem effektiven Aor. TrXaTxOelc Verschlagen*; vgl. auch
Brugmann Griech. Gramm.* S. 47 5 f. Es wird aber nicht nur
^as in der Vergangenheit öfter vorgekonmien ist, sondern auch
w-as sich länger hingedehnt hat, im Aor. in einen Punkt za-
uunmengezogen, wie N 465 f. öc c€ Tictpoc t^ TOjLißpöc ^duv £0p6Mi€
iöiioic lv\ tutOöv dövra. Beides beruht auf dem, dem Aorist im
jfegensatz zum erzählenden Imperf. eigenen konstatierenden Ge-
brauch, welcher Wiederholung und Dauer der Handlung nicht
lusdrückt, sondern ignoriert, vgl. Delbrtlck a. 0. S. 283 und 302f&
Daß der Infin. Aor. vom Indikativ nur die Aktionsart,
nicht aber die Zeitstufe übernahm, also nicht eine Handlung der
Vergangenheit bezeichnete, ist schon deshalb selbstverständlich,
preil er des auf die Vergangenheit weisenden Augments ent-
behrte. ZeiÜos erweist sich der Inf. Aor. noch in einer Reihe
ron Beispielen, in denen er in Abhängigkeit namenüich von
terbis sentiendi scheinbar die Bedeutung des Infin. Fut hat
Dieser Gebrauch erklärt sich ohne weiteres, wenn er von Verben
und Wendungen abhängt, deren Begriff schon auf die Zukunft
weist. Zunächst von Verben des Hoffens: f 112 iX7^6^evol irauca-
c6ai 6i2:upoO iroXe^ioio. M 407 ol Oujioc ieXTrexo (Aristarch, v. 1.
dlXöeio) Köboc dpecGai. t 319 ö0ev ouk IXttoito T€ öu^lu 4Xed|üi€V.
rp 157 vöv m4v TIC Kai ^Xirex' ivi (ppeciv i\bk ^levoivqi V\W^\ TTrive-
Bälfte dadurch näher, daß er mit diesen die Passiva K€XoXdic6at und ren-
piltcOai teilt und das erste Beispiel des imperfektischen Gebrauchs des
Inf. Perf. bietet, wovon ein zweites sich noch in ß findet
Indogermanische Yonchungen XXII. ^
278 G. Hentze,
XÖTTCiav, nach iXTrujprj toi {Treira ß 280 TcXcuiflcai rdbc ffrfu^
l 314t = T] 16 (piXouc t' iöd€iv Kai iK^c6ai oikov. Hier beg^net
sich der dem Verbuni fXTiecGai zu Grande liegende Begriff
•wählen, wünschen* (vgl. L. Meyer Griech. Etym. 1, 488 f., Prell-
witz Etym. Wtb. S. 92) mit der dativisch-faturischen Richtung
des Infin. und insbesondere der effektiven Bedeutung des Infin.
Aor. : TiaucacOai "loskommen, freiwerden*, ipicQai "erringen*, Ä-
G^^iev *heimgelangen', v\\ia\ *zur Gattin gewinnen', TeXeiirffcai *zu
Ende führen'.') — Nicht anders steht es mit dem Infin. Aor.
nach bioc kii: M 246 diroXkOai, € 347 nadiew und diroXkOai,
0 563 TTrmav6f)vai und äiToXecOai. — Ebensoleicht erklärt sich
der Infin. Aor. nach den Verben: vo€uj in dem Sinne *ich denke
darauf : X 235 vöv ö' In Kai luiäXXov vo^uj cppeci n^ricacOai. Q 560
voduj bk Kai auTÖc "EKTopd toi XOcai, nach (ppdZo|üiai *ich bin darauf
bedacht' T 401 dXXujc bl (ppä2Iec6e cau)C^|üiev fjvioxna fiqi Aavaüjv
k 6|LiiXov, und nach cppovduj P 286 cppövcov bl ^dXicra dcru
TiÖTi ccperepov dpuciv Kai kOöoc dpkOai. In den drei letzten Bei-
spielen ist die effektive Bedeutung des Infin. Aor. verständlich
und an der Stelle: Xöcai "losgehen*, cauJrf^€v "lebend zurück-
bringen*, vgl. 403, dpkOai "erringen*, der Endpunkt der mit dem
Infin. Präs. ipueiv bezeichneten Bemühungen, den Leichnam zu
sich herüberzuziehen. Dagegen läßt in X 235 der Zusammen-
hang für den Infin. Tl^ricac0al die effektive Auffassung "zu Ehren
bringen' nicht zu (vgl. 233 tö Trapoc ttoXü cpiXTaxoc f\cQa\ son-
dern verlangt ein dauerndes Ehre erweisen, und so empfiehlt
sich nach Eustath. Ti|üiricec9ai zu schreiben, obwohl von voeui
überall nur Infin. Aor. abhängen.
Auffallender ist der Inf. Aor. nach Verben des Schwörens
in futurischem Sinne: X 119 Tpujciv b' au ^exömcOe TCpouciov
öpKOV Äuj|Liai ixi\ T\ KaTaKpüi|;eiv, dXX' dvöixa Tidvia ödcacGai. ß 373
dXX' ö^ocov ^f| lüwiTpi (piXrj rdöe jAuOrjcacöai, irpiv t' 8t' fiv tvöeKorn
T€ öuu)beKdTTi T€ T^vtiTai. b 253 iii|üioca Kapiepöv öpKOV jirj ^fev
irpiv 'Oöucfla ixerä Tpujecc' dvacpfivai, irpiv t^ töv k vfidc t€ Oodc
KXicCac t' dcpiKkOai. In dem ersten Beispiel haben die neueren Her-
ansgeber meist nach Stephanos und Heyne den nach KoraKpuiiieiv
1) In u 329 ist mit Ludwich nach der ältesten Odysseehandschrift
G und Eüstath. gegen La Roche Hom. Unters. II S. 99 voct/|C€iv zu schreiben ;
das in den Qbrigen Handschriften gelesene vocrfjcai ist in diese Stelle irrig
QbcrtragüQ aus £ 424, 9 204, wo der Inf. Aor. nach ^ttcCixcto irdci eeoici
^n der Stelle ist.
Aktionsart a. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen (xedichten. 279
überaus befremdlichen Inf. Aor. ödcacGai ersetzt durch ödcecGai;
vielleicht ist ödcacOai aus Z 511 hierher geraten. Jedenfalls sind
die Versuche, den Inl Aor. im Unterschiede vom Inf. Put zu er-
klären nicht überzeugend. Auch in ß 373 kann man zunächst
geneigt sein, imuGrjcecGai als Lesart des Aristarch (Ludwich
Ar. H. T. I, 527) der handschriftlichen ^uGrjcacGai vorzuziehen,
vgl. auch b 746. Dagegen spottet in b 253 die Lesart dva(pfivai
aller Versuche, dafür einen Inf. Fut. einzusetzen. Dies Beispiel hat
aber mit dem vorhergehenden das Gemeinsame, daß ein Zeit-
punkt, bis zu welchem das dvaqpf^vai nicht erfolgen soll, durch
TTpiv mit Inf. Aor. genau fixiert wird. Die gleiche Erscheinung
findet sich in einem Teil der Handschr. E 287 : drdp ou [xiv
cq)uji t' <i»w) Tipfv t' dTiOTraücacGai (Ven. A^, Vindob. 49 u. a.), Tipiv
t' f\ ?Tep6v T€ Trecövra ai|üioTOc dcai^Apno, wo freilich nach andern
Handschr. dTroiraucccGai geschrieben wird, und u 180 TrdvTUJC
ouK^Ti vOjx öittKpivacGai (3 Handschr.) öiuj irpiv x^^pw^v T^ücacGai,
wo aber nach der bessern Überlieferung allgemein öiaKpivkcGm
gelesen wird. Jedenfalls scheint in diesen Beispielen der Inf.
Aor. nach den Verben des Schwörens und diuj mit der Kon-
struktion von TTpiv mit Inf. Aor. derart im Zusammenhang zu
stehen, daß der Eintritt beider Handlungen zeitlich zusammen-
treffend gedacht wird, und es ist dann wohl begreiflich, daß
es dem Sprachgefühl wichtiger schien, den Eintritt der Hand-
lung im Inf. Aor. zu bezeichnen (dvacpflvai "zur Kenntnis zu
bringen'), als die Zeitstufe der Zukunft — Auch in ß 198 ou
TÖtp TTpiv TiaucacGai 6lo\ia\ ulac Äxaiüjv |üivT]cnjoc dpToX^nc ist die
besser beglaubigte Lesart TiaucacGai, für welche La Roche Hom.
Unters. H, 98 eintritt Da hier aber der Wille der Freier zu
deutlichem Ausdruck zu bringen war, so haben die Herausgeber
mit Recht fast allgemein den Inf. Fut geschrieben, i)
In den Beispielen f 366 r^ t' dqpd^riv licacGai 'AXÖavöpov
KQKÖTTiTOC, f 28 (pdio T^p TicacGai dAeiniv, u 121 (pdro Top Tica-
cacGai dXedac ist der Inf. Aor. besser beglaubigt, als der Inf.
Fut, während in u) 470 (pf\ ö' ö T€ licecGai Tiaiböc cpövov nur
1) In ß 171 Kai Tdp Keivifj <pr\\i\ TcXeuTrjef^vm dTravra ist der Inf.
Aor. nicht mit La Roche in futurischem Sinne zu verstehen, sondern von
der Vergangenheit, vgl. Capelle im Philol. 37 S. 120. — hi r 173 statt des
überlieferten TraOcecB' mit La Roche traOcacO' zu schreiben in dem Sinne
'daß meine Leiden jetzt ein Ende gefunden haben, wirklich aufhören
werden', ist unnötig, da der Zusammenhang das iraOcecOai auf die Gegen-
wart beschränkt: jetzt aufhören werden.
19*
280 C. Hentze,
Yind. 50 -ricacOon bietet Wenn nun Menelaos T 366 die Worte
f\ t' iq>d|üiiiv rCcacOai klagend an Zeus richtet, den er kun vor-
her (351) angefleht hat: böc TicacOoi, 5 )kie irpörcpoc Kdx' fopTCV,
so führt diese Besdehung zu der Erklämng: ich dachte (im Yeiv
trauen auf deine Gerechtigkeit, die ich angerufen) die Strafe n
voUsiehen (effektiv gedacht: zum Vollzug der Strafe su gelang^ji
Die andere, von Leaf in der Ausgabe vertretene Erklärung:
I ihougkt, fvhen dsaiing ihe blow, that I kad {naw) goi my vm-
geafkce^ würde hier zwar passen, weniger dagegen f 28, wo ledige
lieh der Anblick des Paris in Menelaos den Gedanken der
Rache erregt, und am wenigsten u 121, wo Odysseus ans den
auf seine Bitte von Zeus gesendeten Wahrzdchen die Hoffnung
schöpft, daß die geplante (aber erst am Abend des Tages ver-
zogene) Rache gelingen werde. Die Möglichkeit, etwas, was matt
mit Sicherheit erwartet, im Aor. als bereits eingetreten zu be-
zeichnen, ist zuzugeben für i 496 Kai öfj q)d^€V ainöB^ öX^cOai:
hier konnten die Gefährten des Odysseus angesichts der vom
Kyklopen unmittelbar drohenden Gefahr sagen: diXöjieOa "wir
sind verloren*, vgl. N 772 vOv löXeio rrdca kqt' dfKpnc'IXioc aiireiWi.
Auch in Z 284 f. ei kcivov je ftoi|LU KareXBovr' "Aiboc dcui,
<pairiv K€ q)p€v' drep ttou (so Aristarch, die Vulgata: dx^pTTOu)
öi2!uoc ^icXeXaOecOon schwankt man in der Erklärung des Inf. Aor.
ixXeXaOecOai zwischen me Mitum esse (Ariston. Priedl. S. 122
4KXeXf}cöai) und futurischer Auffassung: daß mein Herz gänzlich
vergessen werde. Wäre nun cpairiv k€ zu verstehen: so könnte
(oder würde) ich sagen, so würde ixXeXaOecOai den Ind. Aor. der
direkten Rede vertretend zu fassen sein: bei mir sei völliges
Vergessen eingetreten, ich dächte nicht mehr daran. Ist <pa\r\y
K€ aber mit Aristarch zu verstehen ö6£at|Lii <5v, so ist der Int
Aor. zu fassen: daß bei mir völliges Vergessen eintrete, daß
ich vergessen könne. — In x '^^ ^ kuvcc ou ^i' It' iqxxaceG'
inroTpoTTOV okab' iKccGai (2 Handschr. bieten ohabe veTcOoi) wird
der Sinn sein : ihr dachtet nicht mehr, daß meine Rückkehr ein-
trete, nicht mehr an die Möglichkeit meiner Rückkehr.
Der Inf. Aor. in f 98 cppoveuj bi biaKpivörmevai if\br\ Ap-
T€touc Kai Tpüuac, direi Kaxd iroXXd irdTracöe e'ivcK' i^f\c 2 p«boc xai
'AXeEdvbpou gv€K' ävf\c^) wird auf dreifache Weise erklärt: fu-
1) Zenodot las : qppov^uj bi biaKpive/||ui€vai fjbn, 'Apr^Toi Kai Tptöcc
tmd erklärte: 'ich glaube, daß bereits entschieden ist', vgl. Ribbeck im
Philol. 9 S. 148; diese Lesart und Erklärung wurde aber von Aristarch
ktionsart u. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 281
arisch von Gapelle: *ieh denke, daß nunmehr die Scheidung
ich voUziehe zwischen Ai^yern und Troern' (als Ausdruck zu*
ersichtlicher Erwartung des Eintritts). Leaf stellt zwei Möglich-
:eiten der Erklärung auf, entweder: My mind »8, ihat Ärgion
\nd Troes be ai onee separated i. e. I desirs to aee ihem separaied^
»der: / deem^ that they are already separaied^ i. e. I acoept the
haUencej and think that an end hos thereby been put to ihe tvar.
3ieser letzteren Auffassung steht entgegen, daß die Worte 102
iXXoi bk öiaxpivOeire TdxicTO, die doch wieder den Gedanken von
ST. 98 aufnehmen, die Entscheidung des Zweikampfes voraus-
setzen, nach der beide Völker in Frieden sich scheiden werden.
Die futurische Auffassung des Inf. Aor. aber wird unwahrschein-
ich durch die Bedeutung des Verbums q)pov^uJ, welches bei
Somer als ein einfaches "denken, meinen' nicht nachweisbar ist,
sondern außer 'erwägen, bedenken' vorzugsweise bedeutet : seine
[bedanken auf etwas richten, was man erstrebt, hofft, wünscht
äo scheint die Stelle im Sinne der ersten Erklärung von Leaf
gefaßt werden zu müssen: meine Meinung geht dahin, daß Argiver
and Troer nunmehr sich scheiden, d. i. in Frieden auseinandeiv
gehen (sollen), nachdem ihr so viele Leiden erduldet habt, wo-
mit Menelaos, wie die Schol. Townl. Maaß V S. 103 bemerken,
betont, daß er durch das Mitleid mit den durch den Krieg
hart geplagten Völkern sich znr Annahme des Zweikampfes be-
stimmen lasse.
Das einzige Beispiel eines futurischen Lif. Aor. in eigent-
licher oratio obliqua ist N 666 TioXXdKi t^P oi feiire T^pujv dyaBöc
TToXiiiöoc voücuj utt' dpTaXcr) cpGicOai ofc iv ^leTotpoiciv F| |üi€t' 'Axaiiöv
vnuciv uTTÖ Tpujecci ba^ifivai. Treffend bemerkt Capelle im PhiL
37, S. 116, daß der Inf. Aor. in bezug auf die Zukunft hier be-
sonders passend stehe, weil er die Verwirklichung der Tatsache
(als effektiver Aor.) kräftiger und bestimmter hinstelle, als der
Inf. Fut. tun würde, was dem Tone zuvei-sichtlicher Weissagung
durchaus entspreche, und vergleicht b 561 f. und k 472 f., wo
von 0ecq)aTÖv ^cxi Infinitive Aor. abhängen, wie von ^oipa und
aica. Noch näher aber liegt der Vergleich von I 412 ff., wo Achill
den Inhalt der ihm von seiner Mutter verkündigten Weissagung
mit den Worten ausführt: €l ^ev k' auGi inevujv Tpdiujv iröXiv d^q>i-
^äxuj^ai, uiXero \xiv }io\ vöctoc, didp kXcoc dcpGiTOV f ctai * ei bi
als dem homerischen Gebrauch von biaxpivecOai widersprechend mit Recht
zurückgewiesen.
282 C. Hentze,
Kev okaö' ikuü^i cpiXriv k Traipiöa foiav^ ifiXeiö ^oi kX^oc dc6X6v,
im öripöv bi ^ol aiüjv. Dieser Gebrauch des Aor., von dem sich
bei Homer nur noch das Beispiel A 161 findet, gehört zu den
Fällen, wo nach Brugmann Griech. Gramm. * S. 490 f. vgl. Del-
brück Vergl. Syntax 11 S. 285 f. der Zeitpunkt der Aoristhand-
lung von einer angenommenen Gegenwart aus bestimmt ist,
und zwar *so, daß der Sprechende eine Situation fingiert und
gegenüber der durch einen Bedingungssatz gegebenen Voraus-
setzung ein Ereignis als bereits eingetreten erscheinen läßt':
*dann ist mir die Heimkehr verloren*. VgL auch i 496 oben
S. 263. Die inhaltliche Übereinstimmung von I 412 ff. mit N 666 ff.
ist nicht zu verkennen : den dort in den Bedingungssätzen ent-
haltenen Voraussetzungen entsprechen hier die lokalen Bestim-
mungen olc dv neTdpoici und ^€T' Axaiujv vriuci: *wenn er zn
Hause bleibe' und *wenn er mit den Achaeern nach Troja fahre'.
Die Inf. Aor. geben also die Indikative IcpGico und iöd|iT]c der
direkten Rode wieder.
Vereinzelt findet sich auch ein Beispiel, daß von einem
Verbum des Versprechens ein Inf. Aor. in futurischem Sinne
abhängt: 0 246 veuce bi ol Xaöv coov ?^^€val oöö' dTioXkGai,
wo freilich ein Teil der Herausgeber mit Aristarch dTroXeTcöco
schreibt. Aber das zeitlose diroXecGai markiert auch hier schärfer,
als diroXeicGai, und besonders passend im Gegensatz zu dem den
fortdauernden Zustand bezeichnenden Inf. Praes. fmnevai den
Eintritt der Handlung : *daß das Volk erhalten bleibe und nicht
der Untergang eintrete', ähnlich wie A 117 ßouXo^i' ifix) Xaöv
c6ov f|Li|Lievai f\ diroXecGai, auch I 230 iv boirj bl coac ?^€v (nach
Bentleys Emendation statt des handschr. cau)c^^ev) f| diroXkOai vfiac.
In dem Beispiel Z 499 f. 6 ^i^v eöxeio Trdvr' dTroöoövai — ,
6 ö' dvaiveio ^r]bkv 4X€c0ai, dessen Erklärung sehr bestritten
ist, legen manche, wie auch Delbrück Vergl. Synt. 2, 472, 1, den
Infinitiven futurische Bedeutung bei, Andere präteritale, vgl.
Ameis-Hentze Anhang zur Ilias 6*, 162.
Es sind etwa zwanzig, auf beide Epen sich ziemlich gleich-
mäßig verteilende Beispiele, in denen wir den Gebrauch des
Inf. Aor. in futurischem Sinne festgestellt haben. Von diesen
zeigen nur drei (E 287. 0 246. x ^5) die Konstruktion des Acc.
c. Inf., die übrigen den einfachen Infinitiv. Das einzige Beispiel
erzählter Rede ist N 666. Ein solcher Inf. Aor. in futurischera
Sinne wird zuerst in Abhängigkeit von Verben verwendet sein,
Aktionsart u. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 283
doroa Begriff auf die Zukunft hinwies (IXTioimai und vodiu, cppo-
vcU), (ppälo\xa\ in der Bedeutung "bedacht sein auf, die Absicht
haben'). Dieser Gebrauch mag noch in die Zeiten zurückreichen,
in welchen der Inf. Fut noch nicht völUg ausgebildet war, und
neben diesem sich später noch behauptet haben, wenn es galt
den Eintritt der Handlung schärfer zu betonen, als die Zeitstufe.
Jünger scheint der Gebrauch zu sein nach Verben des Glaubens
und Meinens: er findet sich in der Bias nur in den Gesängen
FEZ. Die Gesänge AAITX weisen überhaupt kein Beispiel eines
futiirischen Inf. Aor. auf.
Wir wenden uns nun zu dem Gebrauch des Inf. Aor. in
präteritaler Bedeutung. Ich gebe zunächst eine Übersicht
sämtlicher Beispiele. Der Inf. Aor. steht präterital: im Acc. c.
Inf.: nach (pdvm sagen, und zwar nach cpimi B 350. Z 98, qp^c
P 174, K^ (pai'nc r 393, cpaci A 375. « 160. a 220. t 85. 188.
245, b 201. 387. ir 143. c 128, (pdcGm (Imperativisch) i 504, cpi^c
£ 117, (pdTO e 520. £ 327. t 29Ö, «(paace 9 565 (dTdcacGai, Ari-
starch dTdcecGai). v 173 (= 0 565); nach q)dvai glauben, und
zwar nach cptmi P 28. ß 171, (pdv Z 109. c 342, cpdcav x 32;
nach IkXuov aubricavToc K 48, deiöe Imperf. 9 518. — Der ein-
fache Inf. Aor. nach cpdvai sagen, und zwar nach cpimi Z 206.
e 239. I 329 (Inf. zu ergänzen). Y 187. b 141. t 380. x 314,
cpnci TT 63, «(pncOa A 398, (pnc n 239, ?(pn M 390, cpf^ Q 608. b
504. £ 382. p 142, cpdro Z 185, (pdcxe X 306. 2 322. p 115; nach
eöxecGai sich rühmen und zwar nach €Öxec9ai (Imperativisch)
0 501, €Ö2aT0 0 254, eöxeio Z 499. X 261, ^f| <p9aiT] i7^€uEd^evoc
nach Praet K 368, euxeidoviai ^ 99 ; nach ö^ivuvai, und zwar
nach ^^oO|ial f 133, ö^vu9l V 585, öixwijix) T 176, ö\xma\ I 275;
nach dvaivero Z 500, nach cieÖTai er behauptet p 525. Im
Acc. c. Inf. nach öfeiv, und zwar nach öfuü A 558. K 551. E 455.
V 467. T 28. b 756, 6\om « 173. £ 190. ir 59. 224. t 569, nach
JXTTOMtti H 199, ?Xtt€to 0289. v|i346, ÖiTTOMevoi nach Prät TT 282 1).
Ton diesen 74 Beispielen gehören der Ilias 32, der Odyssee
aber 42 an. Der Gebmuch nimmt also in der Odyssee ganz
erheblich zu. Zu den aufgezählten präteritalen Infinitiven Aor.
nach verbis dicendi und sentiendi kommen noch die nach ^eXXlü
1) Vgl. La Roche Hom. Unters. II S. 83 ff., der über einige Stellen
anders urteilt. In I 645 und t 196 den Inf. Aor. präterital zu fassen sehe
ich keinen zwingenden Grund. In T 22 kann der Inf. Aor. präterital ge-
faßt werden. In E 190, wo er die allein überlieferte Lesart TrpotdHieiv
verwirft und irpolfdiiiai fordert, läßt sich der Inf. Fut. TecYvXiwNi^ctL.
284 G. Hentze,
als Ausdruck einer Vermutung oder des auf Grand von Tat-
sachen Wahrscheinlichen: N 776. I 362. O 83. Q 46. 0 274.
378. H 134, auch b 181, wenn mit La Boche dräccacOai statt
drdccecOou zu schreiben ist Dieser Grebrauch, der sich in keinem
der ältesten Teile des Epos findet, ist vermutlich jünger. — Ton
passiven Aoristen mit passiver Bedeutung findet sich nur das
eine Beispiel TeXcurnOfivai ß 171.
Nach Delbrück VergL Synt ü, 274 ist die Vorstellung
der Zeitstufe der Vergangenheit in den Inf. des Aor., wie des
Praes., durch Übertragung hineingekommen, indem *man bei
Infinitiven, die von verbis dicendi oder sentiendi abhängig sind,
noch sehr deutlich die Vorstellung haben kann, daß sie bei
Umwandlung der Bedeformen aus Augmentformen zu Infinitiveo
geworden sind', und Brugmann Griech. Gramm.' S. 521 sagt:
*Die von verba sentiendi oder declarandi abhängigen Infinitive
erscheinen, gleich wie die entsprechenden Optative der obliquen
Bede, als Beflexe der Indikative der direkten Bede*. Versudien
wir näher nachzuweisen, unter welchen besonderen Bedingungen
sich mit dem Inf. Aor. leicht die Vorstellung einer vergangenen
Handlung verknüpfen konnte. Die Übertragung der Zeitstnfe
des Ind. Aor. auf den Inf. wird zunächst im Wechselverkehr
von Bede und Gegenrede sich vollzogen haben und dann erst
bei Wiedergabe fremder vergangener Bede in Anwendung ge-
konmien sein, überwiegt doch auch der praeteritale Gebrauch
des Inf. Aor. nach Hauptzeiten der regierenden Verba überhaupt
den nach historischen Zeiten (43 Beisp. gegen 31), und während
von dem Gesamtgebrauch der Ilias (32 Beisp.) nur etwa ein
Drittel (11 Beisp.) den Inf. Aor. in Abhängigkeit von einem
historischen Tempus zeigt, nimmt dieser Gebrauch in der Odyssee
so zu, daß er sich bis etwa zur Hälfte der Beispiele steigert
(20 : 42).
Ohne weiteres übertrug sich die Zeitstufe des Ind. Aor.
auf den Inf., wenn der Sprechende eine im Ind. Aor. getane
Äußerung des Mitunterredenden aufnahm und in abhängiger
Form wiedergab, wie Hektor z. B. P 174 den Vorwurf des Glaukos
166 dXXd cu t' Aifavioc |Li€Ta\r|TOpoc ouk irciXaccac crrmevai dlvra
in den Worten öc xe ^le cpfjc Afayra TreXii^piov oux viTTOineivau
Ebenso x] 829 vgl. 152, 2 117 vgl. 68. In andern Fällen weisen
die vorhergehenden Worte des Sprechenden auf die Vergangen-
heit, sodaß im Zusammenhange mit diesen der Inf. Aor. von
Aktionsart a. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 286
selbst in die gleiche Zeitsphäre gerückt wird, wie A 557 i^epfr]
jap coi T€ 7rap^2l€TO Kai Xdße yoiiviüv • tQ c* öf uü KaTOveOcoi, so
Y 465 ff. K 546. 551. a ITlff. i 502 ff. Insbesondere wird auch
bei der beliebten Form, durch (pr^i mit Infinitivkonstruktioii
eine Tatsache der Vergangenheit nachdrücklich in Erinnerung
zu bringen oder festzustellen, die in 11 Beispielen vorliegt, die
im Inf. Aor. bezeichnete Handlung meist durch den Zusammen-
hang mit dem Vorhergehenden in die Zeitsphäre der Vergangen-
heit gerückt: P 24 ouöfe ^^v obbl ßin Tireprivopoc imroöd^oio
fic fjßnc d7r6vr|0'" — obbi ^ (pr^xi ttööccci T€ ofci Kiovra €iJ9pfivai
dXoxov. Z 206 'liTTTÖXoxoc ö' l^' Itxkt€, Kai 4k toO q)imi t^v^cOoi.
B349f. I 828f.; anderwärts durch besondere Zeitangaben, wie
f\br] Kai dXXoTe Y 187 und 0 238 oö ^^v örj ttot^ q>T]\i\ t€Öv
irepiKaXXea ßiü^öv yn\\ TroXuKXrjiöi 7rapeX64^€V ivOdöe fppuüv.
Überwiegt bei diesen Inf. Aor. die effektive Aktionsart des Ind.,
so finden sich doch auch Beispiele der punktualisierten Aktions-
art (vgl. S. 260), wie schon in 0 238; so in t 379 i TroXXoi bi\
fcivoi ToXaTieipioi 4v9dö' kovro, dXX' oö ttüj Tivd cpimi ioiKfrra
iibe ibicQaij vgl. b 141, und x 313 ou tdp ttiIi nvd qpHMi T^voi-
Kvwv iv ^€TdpolClv efireiv ovbi n ^^Hai dtdcGaXov. Punktualisierte
Aktion im Inf. Aor. liegt außerdem vor in den Beispielen : nach
qwici TT 63, (paciv y 245. ir 143, euxeTouüvrai \i 99, fcpacKCv f 322
und p 115, eöxeio X 261, ouö' JkXuov auörjcavioc K 58, d|üioO)üuii
I 133 = 275 = T 176. Noch sind die Beispiele herauszuheben,
in denen der Inf. Aor. von eben Geschehenem verwendet wird,
entsprechend dem bei Homer keineswegs so seltenen Gebrauch
des Ind. Aor., das Ergebnis einer eben vollzogenen Handlung
festzustellen: so Z 454 ou ^dv aur' öiiü ^eTaeu^ou TTaveoTöao
X€ipöc diro crißapflc äXiov mibncai dKOvra von dem soeben ent-
sandten Speer, ebenso nach öiiw V 467, nach qprmi Z 98, nach
qKxiric Ke f 393, wie nach den Praet q)dv imd qpdcav Z 108.
c 342. X 31.
Eine bedeutende Rolle spielen in den verzeichneten Bei-
spielen die von der ersten Person Sing, cpimi und öiiu ab-
hängigen Infinitivkonstruktionen: sie finden sich so zahlreich,
daß sie fast ein Drittel des Gesamtgebrauchs ausmachen. Bei
diesen Beispielen begreift sich besonders leicht, wie die präteritale
Bedeutung des Ind. Aor. bei abhängiger Form sich unmittelbar
auf den Inf. Aor. übertrug. Denn diesen Konstruktionen lagen
ursprünglich parataktische Gedankenfolgen zu Grunde^ wi^ H l^i
286 C. Hentze,
dXX' öiiü x^ccovrm inr' ItX^oc und ß 255, x 1^ Jvbov j6p^
öio^ai, ouÖ€ TTT) aXXq teuxta KorGkOnv 'Obucciic Koi qpoibifioc
uiöc, sodaß z. B. Z 454 parataktisch lautete : oä fyiäv aOr' öfui ^
äXioc (i)7Tr|öric€V äkiüv.
4. Die Aktionsart des Futurum läßt sich nicht allgemein
feststellen : sie ist teils punktuell, teils durativ. Da die Wurzel
meist punktuell ist, so überwiegt die punktuelle Aktion. Es
machen sich aber noch Einflüsse anderer Tempora geltend, von
denen aus Futura gebildet werden, des Präsens, des Aorists,
des Perfekts, sowie gewisse Analogiewirkungen : vgl. Brugmann
Griech. Gramm.», 479 f. und Delbrück Vergl. Syntax ü, 252 ft
Im folgenden ist die Aktionsart einiger der wichtigsten Futura
und ihrer Infinitive genauer untersucht
Das von der Wurzel es sein mit durativer Aktion gebildete
Futurum zeigt dieselbe Aktion ausschließlich in der 1. und 2. Per-
son Sing, und Plur., wenigstens finde ich kein Beispiel, in dem
punktuelle Aktion außer Zweifel stünde. Dagegen ist in der 3.
Person Sing, daneben punktuelle Aktion in zahlreichen Beispielen
nachzuweisen. Ich hebe nur die heraus, die keinen Zweifel
lassen: fccerai (fcxai) wird werden, eintreten: iröXeiioc A 83.
GdvQTOC A 271. Ticic a 40. <pövoc X 444. dXroc Z 462. dxoc tr
87. KOKov <D 92; Icceiai f\^ap A 164. i^iuc O 111. vuH c 272;
Ictai 6t' äv 0 373; fcceim dXXujc E 218; es wird geschehen
Z 266. (p 257; ujc Jceiai trep A 211. t 312. (p 212; es soll ge-
schehen (Zusage) « 223. Q 669. X 348. tt 31. p 599; wird zu
Teil werden böcic K 213. mcGoc K 304. ödipov a 312. Wie der
Ind. Fut in der 1. und 2. Person, zeigt auch der Inf. ?cec9ai
in Bezug auf die 1. und 2. Person durative Aktion: 1. Sing,
n 270. 1. Plur. M 324. 2. Sing. X 332. t 375. b 494, punktuelle
vielleicht E 644. In bezug auf die 3. Person Sing, und Plur. hat
gcecGai teils durative Aktion: = 56. 68. 0 613. P 278. c 146,
teils punktuelle : Z 339 (daß es so besser werden wird). A 444.
0 292. « 533. V 310. 2 176. tt 311. x 40. V 287. b 108. l 165.
i 230. Es überwiegt also in der 3. Person bei weitem die punk-
tuelle Aktion, die Odyssee bietet (außer c 146 direccecOai) über-
haupt kein Beispiel von durativer Aktion. Offenbar verwandte
die Sprache das Fut von ei|ii zum Teil als Ersatz für das von
TiTvo^ai nicht gebildete Futurum.
Von den beiden Futurbildungen ?Su) und cxncui schließt
sich die erstere an das Präsens 1%^^ ^^^ letztere an den Aorist
Aktionsart u. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen Gedichten. 287
Ecxov an, und dem entsprechend weist Mutzbauer S. 78 jener
die Bedeutung Verde haben, behalten', dieser die Bedeutungen
"werde abbringen von etwas, hintreiben nach* zu (Brugmann
Griech. Gramm. 8, 480: Verde anhalten, abbringen'). Indeß läßt
sich diese Unterscheidung nicht durchführen. Zwar ist die dura-
tive Bedeutung von Suü überall deutlich, nur liegt vielleicht
c 73 i^ Tdxa — iiriCTracTov kuköv fSei die Auffassung *wird
bekommen, sich zuziehen' näher. Dagegen zeigt cxrjcuj neben
der punktuellen Bedeutung (P 182. X 70. x 70. 248) öfter die
durative: N 151 oö toi öripöv i^i cxncouciv 'Axaioi Verden aus-
halten, Stand halten', so A 820, x 1'72 ^vncrf^pac cxnco^iev Ivto-
cOev ^€T(ipu)v Verden zurückhalten', daß sie nicht herausbrechen
können (nicht Verden zurücktreiben'), E 100 ou T<3ip 'Axaiol
qcncouciv TToXe^iov vt]ujv ä\ab' 4XK0^€vdu)v Verden den Kampf
nicht aushalten', nicht: werden von den Schiffen abbringen
(vr^uiv 4Xk. ist Gen. absol.), Q 670 cxncu) yäp 7^6Xe^ov toccov
Xpövov, öccov äviDyac Verde den Kampf zurückhalten, die
Wiederaufnahme des Kampfes verhindern', vgl. 658 Xaöv ipuKiu,
nicht: Verde zum Stillstand bringen'. Der nur zweimal vor-
kommende Inf. ?H€iv hat E 473 deutlich die durative Bedeutung
•du werdest behaupten', aber o 522 ^T^T4p' i^i\v fa}iie\y Kai *Oöuc-
d\oc fipac ^2eiv liegt neben der punktuellen Bedeutung von
TOjLi^fiv Verde zur Frau gewinnen' auch für Ö€iv die Bedeutung
Verde erhalten' näher, als Verde besitzen', cxnceiv ist M 4,
wenn Tpuiac zu ergänzen, 'zurückhalten*, wenn intransitiv ge-
sagt, Vorhalten', M 166 'aushalten, standhalten'. Das Med. cxn-
cecOai ist mit Gen. verbunden N 747 ouk4ti nayxv lidxnc cxncecOai
öi'u) *sich des Kampfes enthalten, vom Kampfe ruhen werde*,
also durativ, dagegen punktuell P 503 *den Ansturm aufgeben*
und I 655 Vom Kampf ablassen, den Kampf aufgeben', ohne
Gen. oöb' In cx-, dXXd irerfecOai *daß sie sich nicht mehr zurück-
halten, stehenbleiben, sondern einbrechen werden* I 235. P 639,
•sich halten, standhalten werden' M 107. 126. dvcxncecGai E 104.
285 ist durativ "aushalten werden*. Mithin überwiegt bei cxncuj,
cxnceiv und cxnceceai die durative Aktion.
Das Fut öi|;o^ai hat dem Begriff der Wurzel entsprechend
die punktuelle Bedeutung *ich werde erblicken': X 450. |üi 101. o
516 (wird dich nicht zu sehen bekommen), p 7. A 353. V 620. Q 601.
Wenn aber mit dem Objekt ein die Handlung in ihrem Verlauf
bezeichnendes Partiz. Präs. prädikativ verbunden ist, wie 9 475
288 C Hentze,
i^oOc öf| Kai fidXXov urrepiüievea Kpovtujva 6i|i€ai of k^ £8£Xqc9a -^
öXXuvT"ApT€iu)v TTOuXuv CTpoTÖv und I 359. ui 511, so ist daiir
ÜTe Aktion wahrscheinlicher: *du wirst schauen (können), wie
er vernichtet', dqiecee Q 704 und 9 313 ist wohl ImperatiT des
gemischten Aor. : 'schaut*. Der Infin. ö^l€c6al hat überall punk-
tuelle Aktion ^erblicken werden', durative sicher nur E 120 outl
}xi q)Ticiv önpöv It' öv|iec9ai Xa^7^pov cpdoc i^cXioio. Während ferner
ic6i|io^ai nur bedeutet 'ich werde erblicken' (E 212. Q 206),
zeigt ^7rl6^lo^al teils die Bedeutung Verde ausersehen, aus-
lesen' (I 167. ß 294), teils Verde schauen' (E 145. u 233). Die
durative Aktion ist dem Einfluß des Präsens öpduj zuzuschreiben.
Dem Präsens öiöuj^i nachgebildet ist das Fut öiödicui *um der
Form bdicuj gegenüber die präsentische Aktion zu betonen'
(Brugmann Griech. Gramm. ^ S. 481). Auf dieser beruht die
iterative Bedeutung von öibilico^iev v 358 dt&p xai öuipa öi-
öujco^ev ibc TÖ TTdpoc rrep. Dagegen ist es zweifelhaft, ob der
Infin. uü 314 0u^öc b' (j\ vüüiv diiiÄTieiv ^i2€c9al geviij f\b' dcfkaä
bujpa bibujceiv von wiederholter Handlung gedacht ist; )ii£€c6ai
hat l 136, wie ^iiYncecGai K 365 punktuelle Aktion.
Vom Perfektstamm gebildet ist ^€^vr|CO^al X 390 in per-
fektisch-durativer Bedeutung *ich werde eingedenk bleiben' (im
Gegensatz zu 389 KaTa\r|0ovTai). Der Infin. t 581 = cp 79 toö
TioT^ ^€^vlF|C€c0al 6io|Liai fv Tiep öveipiu wird wegen ttot^ *manch-
mal' iterativ gedacht sein; ^ivr|cec0ai in T 64 (bripöv |lxv.) hat
durative Aktion, in ß 724 und wohl auch in ^i 212 ingressive
Bedeutung, letztere in Übereinstimmung mit A 172.
Der Inf. eib r|ceiv hat, wie der Ind. eibriceic r\ 327, punk-
tuelle Aktion: kennen lernen, erfahren werde: A 546. l 257.
Vom Fut. eico^iai ist der Inf. nicht gebildet — Punktuelle Aktion
zeigt (p€u£ec0ai imd zwar so, daß der Schlußpunkt des cpeuTöV
bezeichnet wird : entkommen, entrinnen werden : A 590. N 89.
O 700. <t> 93. X 67, während der Ind. Fut. I 307 den Anfangs-
punkt bezeichnet: ich werde die Flucht ergreifen; in B 159. 175
kann die Aktion verlaufend gedacht sein. Ziemlich selten sind
Inf. Fut. von Verben des Affekts und der Affektsäußerung. Von
Xaipeiv *froh sein' finden sich die Ini x^iPHCCiv Y 363 oub^
Tiv'oruü TpuiCüv xaiprjceiv, 6c Tic cxeböv frx^oc EXOij und Kexa-
pnce^iev 0 97 oube ti q>r\^i Trdciv ö^iiwc Oujiiöv K€xapr|C€^€v, —
el TT^p TIC ?Ti vOv baivuTQi eöqppujv. Der Inf. xaipr|ceiv wird erklärt
Verde froh sein', aber wahrscheinlicher ist doch ingressive Aktion
Aktionsart u. Zeitstufe der Infinitive in den homerischen Gedichten. fl89
Verde froh werden', negiert in dem Sinne *es werde ihm übel
ergeben*. Der In£ Kcxotpric^^ev, der zam Perfekt Kcxopiiöra
H 812 zu stellen ist, wie ^c^vrico^at zu ^^^vn^ai, wird durative
Aktion haben, denn der folgende Nebensatz et irep — £0q)pujv
Bötigt zu verstehen *froh bleiben werde*. Dieselbe Bedeutung
18t auch für das Med. K€xapf|C€Tai ip 266 annehmbar. — Von
Xn^^tti hat der Ind. Fut 6 378 f\ ym — "Eicruip Tnöi^cei Ttpo-
^povivTE dvä 1^^oXd^olO T€q>upac punktuelle Aktion: erfreut werden
wird^ aber der Inf. in N 414 ff. dXXd H cprmi eic'Aiöoc Tiep iövra
Rukäprao Kporepoio TH^n^^^v Karä Ou^öv, iizü {)a o\ dhraca tto^-
növ durative *froh sein werde, obwohl er auf dem Wege in das
Haas des Hades ist, weil er einen Begleiter haf. — öeiöu) zeigt
im Ind. Fut Y 130 ingressive Bedeutung "wird in Furcht ge-
raten', dagegen im Inl 0 299 öeicecSoi Aavaujv Korraöuvoi öjuuXov
durative *sich scheuen werde*. — Der Inf. Fut dTdccecOai
liegt nach Aristarchs Schreibung 6 565 und v 173 (vulg. didc-
cocdoi) vor mit ingressiver Bedeutung Verde Eifersucht fassen',
in b 181 wird dieselbe Form nach lüi^Xev als Inf. des gemischten
Aor. zu fassen sein. — dTXaUTcGai K 331 und dTraTXaUTcGai
£ 133 haben durative Aktion. — |üi€TaKXauc€c6ai A 764 steht
in Übereinstimmung mit dem Ind. (Z 340. Y 210. X 87) durativ.
Es ist noch ein Wort zu sagen über die von Verben des
Strebens und WoUens abhängigen Inf. Fut Die Yerba sind: ^£-
Mova H 36. = 89. 0 482. o 522, ^ikixaa B 544. M 198. 200. 218.
O 105. u) 395, |üi€V€atvui 0 176. q> 125, i(pop)Liiu^ai qp 399. Die
Inf. Fut. haben sämtlich punktuelle Aktion. Dieser den sonst
überwiegenden Inf. Präs. und Aor. gegenüber befremdende Ge-
brmuch mag mit Kühner Griech. Gramm.^ II, 1, 184 und Bi-ugmann
Griech. Gramm. •, S. 497 daraus erklärt werden, daß diese Verba,
wenigstens zum Teil, ursprünglich den Sinn des Denkens oder
Meinens gehabt haben, wie ^€|üiova *ich habe den Gedanken ge-
iaßf , oder nach G. Gurtius den Begriff des strebenden Denkens
in sich enthielten. Daß der Gebrauch aber als eine Antiquität
anzusehen, ist unwahrscheinlich, da die Beispiele den Gesängen
der Ilias B (Schiffskatalog) HMEOO, also nur jüngeren Gesängen
oder jüngeren Partien angehören.
Göttingen. C. Hentze.
290 T. E. Karsten,
Znr Frage nach den ^gotischen' Lehnwörtern IMq n
Finnischen.
H.^
Wilh. Thomsens epochemachende üntersachung über den
Einfluß der germanischen Sprachen auf die finnisch-lappischea
stammt wie bekannt v. J. 1869. Mit den bei Thomsen und seinen
Vorgängern gesammelten Wortmaterialien ist dieses sprachge-
schichtlich so wichtige Lehngut jedoch lange nicht erschöpfend
bekannt gemacht Die Zahl der Entlehnungen, die seitdem ge-
funden worden sind, ist in der Tat eine erhebliche, und ein Ver-
such, das gesammte Lehnmaterial au& neue zusammenzufassen
und zu würdigen, dürfte sich lohnen.
Einer der interessantesten neueren Beiträge zu dieser
Forschung ist die im Album-Donner — in der dem bekannten
finnländischen Sprachforscher 0. Donner von der finnisch-
ugrischen Gesellschaft zu Helsingfors i. J. 1905 gewidmeten Fest-
schrift — vorliegende Untersuchung von E. N. Setälä: "Zur
Herkunft und Chronologie der älteren germanischen Lehnwörter
in den ostseefinnischen Sprachen" (S. 1 — 50). Setäläs Schrift
gibt, wie auch ihr Titel andeutet, zwar keine erschöpfende Ge-
samtdarstellung des betreffenden Gegenstandes. Weil aber die
älteren dieser Entlehnungen auch die sprachhistorisch wichtigsten
sind, leuchtet es ohne weiteres ein, daß Setäläs Untersuchung
gerade für die Hauptfragen des Themas ein besonderes Interesse
haben muß.
Nach Thomsen (Einfluß S. 124) sollte der finnische Stamm
vor wenigstens anderthalb oder zwei Jahrtausenden dem Ein-
flüsse verschiedener, wenn auch einander nahestehender ger-
manischer Sprachgestaltuugen ausgesetzt gewesen sein, und zwar
teils einer gotischen, die aber auf einer älteren Stufe gestanden
haben muß als die, welche wir aus Wulfila kennen, teils einer
nordischen, teils vielleicht einer noch älteren gemeinsamen got-
isch-nordischen. Den Einfluß noch weiter zurückzuschieben bis
zu der Zeit vor der ersten Trennung der germanischen Stämme,
ja vor dem Eintreten der Lautverschiebung, findet Thomsen zu
gewagt und auch nicht notwendig.
Diese Ansichten sind, was speziell die gotischen Entleh-
nungen betrifft, nicht ganz einstimmig gebilligt worden. So hat
Wimmer die finnischen Wörter niekla *Nader und miekka *Schwerf
Zur Frage nach den •gotischen* Lehnwörtern im Finnischen. 291
schon längst aas dem Nordischen (nicht mit Thomsen aus dem
(Gotischen) herleiten wollen, und zwar aus einer Sprachform, in
der das urgerm. a noch erhalten gewesen wäre. Ausführlicher
-wird die IVage nach den gotischen Lehnwörtern im Finnischen
bei K. B. Wiklund in seiner Schrift "När komme svenskame
tili Pmland?" (üppsala 1901) erörtert Ähnlich wie Wimmer
spricht Wiklund den finnischen Wörtern mit fo-Diphthong jede Be-
weiskraft für gotische Herkunft ab. Der sprachliche Einfluß der
Ostsee-Goten auf die Finnen sollte nach Wiklund ziemlich un-
bedeutend gewesen sein. Als gotisch dürften nur diejenigen
Wörter erklärt werden, die es unbedingt sein müßten: germ. ö-
Stämme wie muUa 'Stauberde* (got. mtdda\ nidda "Nadel* (got
nepia) mit -a in der Endung. Die umordischen Elemente —
die Hauptmasse der Entlehnungen — wären nach Wiklund in
Finnland, nicht, wie Thomsen glaubte, im Lande südlich von
Ladoga hereingekommen. Setäläs Schrift scheint zunächst von
der Wiklundschen veranlaßt worden sein, denn diese war in
wesentlichen Punkten gegen Setälä (seinen Aufsatz **När komme
svenskame tili Finland?" in *Valvoja' und 'Atheneum* 1900) ge-
richtet. Die Hauptfrage bei Wiklund — die Schwedenbesiedelung
Finnlands — vorübergehend, beschränkt sich Setälä an dieser
Stelle zu untersuchen, "ob die von Tliomsen angeführten gotischen
Kennzeichen der germanischen Lehnwörter des Finnischen noch
heute als solche gelten können oder ob sich vielleicht Merkmale
nachweisen lassen, die in der einen oder anderen Bichtung aus-
schlaggebender sein könnten als die früher aufgestellten".
Als bestimmte Spuren des Gotischen im Gegensatz zum
Nordischen hatte Thomsen die folgenden herangezogen:
1) die auf Formen mit einem langen e zurückgehenden
finnischen miekka (got. mekeis Akk. meki) imd niekla (got neplä)\
2) den Ausgang -a bei fem. ö-Stämmen, wie akana *Spreu*
(got ahana\ kansa *Volk' (got han8a% kauta 'Oberleder am Schuh'
(got skauda-raip)^ multa (got mtäda)^ niekla (got nipla\ paäa
(got paidä);
3) einzelne Wörter, die durch ihr Vorkommen, ihre Form
oder ihre Bedeutung auf das Gotische hinweisen, wie kaunis
*schön' (got skauns), lunastcta 'auslösen' (got lun XuTpov), paita
*Hemd* (got paida)^ äiti "Mutter* (got aißet)^ lammas *Schaf ' (got
lamh dass., awn. lamm 'Lämmchen'), autia 'desertus' (got aupja-^
awn. audr)^ usw.
292 T. K Karsten,
Unter diesen Kennzeichen sind aber — wie sowohl 8e-
tälä als Thomsen selbst zugeben — die aus dem Wortromte
gewonnenen mehr oder weniger unsicher, und zwar weil man
nicht wissen kann, in welchem Orade dieser sich im Lanfe der
Zeiten verändert hat.
Aber auch das unter 1) aufführte Merkmal wird bei
Setälä mit vollem Recht als 'mehrdeutig' bezeichnet: in der Be-
wahrung des langen e könne man nur eine Frage der Zeit sehen,
da man ja auch im Umordischen, wenn man auf ältere Zeiten
zurückgeht, ein et vorauszusetzen hat Das den betreffende
finn. Wörtern mit -ie- (germ. -#-) in der Stammsilbe nicht mehr
dieselbe Bedeutung zugemessen werden kann, wie vor bald vier-
zig Jahren hat auch Thomsen später — in seinen '*Beröringer
mellem de finske og de baltiske Sprog** (S. 30, Note 2) — einge-
räumt Er fügt aber hinzu, daß wenigstens niekia wegen seiner
a-Eudung gotisch sein müsse, und wenn dem so ist, wäre es
höchst wahrscheinlich, daß auch die andern Wörter, bei denen
die übrige Form keine Aufklärung gibt, aus derselben Quelle
stammen. Aus diesem Grunde betrachtet auch Setälä niekia för
sicher gotisch. Wie alle seine Vorgänger in der Behandlung
unserer Frage (auch Wiklund a.a. 0. S. 18) sieht nämlich Setäli
in dem Ausgang -a bei den finnischen Vertretern germanischer
ö-Feniinina ein sicheres Kriterium für gotischen Ursprung.
Aber auch das zuletzt erwähnte Argument erweist sich,
allem Beifallo, dessen es sich erfreuen kann, zum Trotze, bei
näherer Prüfung vom Stande unseres heutigen Wissens als hin-
fällig. Die übrige Lautforra einiger germanisch-finnischen Lehn-
wörter der betreffenden Flexionsklasse gibt hierbei den Aus-
schlag. Die einschlägigen Fälle von germanischen J-Feminina
mit a-Ausgang im Finnischen sind (nach Thomsen, Einfi. S. 91):
akana 'Spreu' (got. ahana\ kansa *Volk' (got han9a)^ kasa Haufen*
awn. kos f.), kauta 'Oberleder am Schuh' (got skauda')^ laita *Seite'
(awn. leid f.), markka 'Geld, Maß' (awn. mgrk f., mhd. mark(e) 1)
midta = got. mulda^ niekia (fieidä) = neph^ nnotta *Netz* (awn.
not f.), paita = got paida, panka 'Metallspange' (awn. spgng f.),
saha *Säga' (awn. sog f.). Von diesen Entlehnungen gehen jedoch
vielleicht einige ab, welche ihrer Form nach zweideutig sind:
vgl nt4oUa und awn. nöfr m., kasa und nschw. diaL kas ul, kose m.
(Rietz, dial. lex. S. 311), aahci und nschw. d. sag, säg m. (Riet»
S. 555, Vendell : Pedersöre-Purmo m&tets ordbok S. 415); finn.
Zur Frage nach den 'gotischen* Lehnwörtern im Finnischen. 296
mha ist anklar auch wegen seines A-Lautes. Von den übrig
gebliebenen gehören aber akana (wenn es nämlich auf got ahana
zurückgeht und nicht zunächst mit awn. pgn f., aschw. cyhn t^
ahd. agana f. zu verbinden wäre), kansa und niefda zu der äl-
testen Kategorie der finnisch-germanischen Berührungen. Wegen
ihren it-Lautes (für germ. A d. h. x) erweisen sich akana und
kansa als frü hurfinnische Entlehnungen*), indem sie vor den
nrfinnischen Lautübergängen z zu h bezw. i zu A über-
nommen sein müssen (vgL Setälä, Herkunft und Chronologie S. 43),
und finn. niekla stellt sich auf Grund seines m- Diphthonges
(= urgerm. bezw. got e) etwa zur selben Altersgruppe. Als Zeit-
raum der ältesten germanisch-finnischen Berührungen setzt aber
Setälä (S. 47) die Zeit um Christi Geburt und die nächstvoraus-
gehende Periode an. Der von Wulfilas Bibelsprache (eig. von
1) In Anbetracht der -a-Endung, die meines Dafürhaltens frühnr-
germanisch ist, scheint mir finn. akana anf urgerm. ^axana, nicht anf
*a^na, zurückzugehen. — Die Wortgleichung finn. kanaa : got. hanaa wird
bei Setälä S. 35 ohne ersichtlichen Grund mit ? versehen. Die Richtigkeit
dieser allgemein angenommenen Etymologie (s. Thomsen Einfluß S. 170
u. z. 6. Noreen Aschwed. Gramm. 73, 2) kann jedoch nicht in Zweifel ge-
zogen werden. —
Zu den bei Setälä S. 35 ff. verzeichneten Fällen des Lautwechseb
finn. k : germ. h {%) kommt noch der folgende, den ich in der finn. Zs.
"Virittäjä" (Helsingfors 1906) ausführlich behandelt habe:
Finn. kunta 'complexus, collectio, societas*, nur in Komposita wie
hansakunta *populus, natio, gens', kylä-k. 'pagus', maa-k, 'regio, provincia'
08W., enthält meines Erachtens nicht — wie Thomsen vermutet — germ.
'hunda in got -kunds : guma-k., himina-k, usw., sondern germ. *xunaa{rap\
das eine Gattung von Bezirken ("Hundertschaften") bei Deutschen und
Skandinaviern in der Zeit der Rechtsdenkmäler bezeichnet : vgl. alamann.
hufUari (auch in Ortsnamen auf -hunteri, s. Förstemann II), lat. von den
Franken durch ceniena übersetzt (daher mht. zent\ aschwed. hundari; -ur-
sprünglich wohl für eine nicht als Zahl von 100 oder 120, sondern als
"Menge* zu denkende Volksabteilung, die einen rein persönlichen Verband,
ein Heereskontingent und eine Gericbtsversammlung ausmacht, nachher
erst — als Wohnplatz dieses Verbandes — räumlicher BegrifT" (Pauls Grdr.
in S. 122). Man. vgl. hiermit mhd. hunt-dinc 'Centgerichf, hunt-schaß
'Gericht der centenarii*. Nach Waitz Deutsche Verfassungsgesch. I S. 218
wurden kleinere Distrikte in den Gegenden des Rheins hundsehaften {huna-
riat) genannt. In Schweden steckt germ. hunda- (das wohl eine Kürzung
von *hunda-rap, hundariisi) in den bekannten schwedischen (uppländischen)
Gaunamen Attundaland (eig. att-hunda-), Fiofprundaland {fiafprhunda-\
Tiundaland (fi'hunda-)y s. Noreen Aschw. Gr. § 246. Hierher gehört auch der
finnlftndische Landschaftsname Satakunta^ eine tautologische Zusammen-
setzung (finn. sota = hundert, iranisches Lehnwort).
IndogermaniMlie FoivciiajD^eii 2XII. ^
294 T. E. Karsten,
den um oder nach 500 geschriebenen ostgot Bibelhss.) bekannte
Lautübergang -tf zu -a in Endsilben wäre, hiemach zu urteilen,
somit schon frühurfinnisch oder späturgermanisch durchgefühlt
worden. Mit dieser Voraussetzung erwartet man indessen Spuren
der betreffenden a-Endung auf einem viel ausgedehnteren Sprach-
gebiete zu finden als in Wirklichkeit der Fall ist NominatiT-
ausgänge auf -a bei germ. ö- Feminina erscheinen im West-
gotischen (Wulfilas), im Ostgotischen (Italien) sowie spurenweise
im Wandalischen (noch im Anfang des 5. Jahrhs.) und Burgon-
dischen (Südgallien), s. Loewe HZ. Anz. 27, 107, KZ. 39, 321. Da
die Nord- und Westgermanen das fragliche urgerm. -6 wie be-
kannt in -u verwandeln, muß die Lautentwicklung -4 zu -<i als
eine jüngere ostgermanische Neuerung angesehen werden. Die
Ostgermanen waren aus den Weichselgegenden wahrscheinlich
schon längst abgezogen und weit nach Süden gelangt, als ihre
Sprache die hier berührte Lauterschwächung {-d zu -a) vollzog.
Sonst versteht man nicht, warum die recht zahlreichen alt-
germanischen Elemente des Baltisch-Slavischen, die wesentlich
oder wenigstens zum großen Teil Von den Goten übernommen sein
müssen, keinen einzigen sicheren Fall femininer ö-Stämme, die im
Nom. Sing, auf -a enden, aufweisen. Unter den litauischen und preu-
ßischen Lehnwörtern fehlen sichere Beispiele femininer ö-Stämme
überhaupt, aber mehrere von den germanischen Entlehnungen
im Slavischen gehören zu dieser Formklasse: vgl abg. buky
: got. böka 'Buchstabe', chorqgy : got. hrugga "Stab*, loky : got *laka^
ahd. lahha^ ags. lacu *Lache*, *raky (chek. rakev^ kroat rakva)
*6rab'*): got arka^ awn. ork. ags. earc^ ahd. archa. Diese slav.
y-Formen wollen Möller Beitr. 7, 487 Note, Kluge P. Grdr. « I 362,
Hirt Beitr. 23, 336 unmittelbar auf urgermanische ö-Feminina
zurückführen. Löwe KZ. 39, 320 meint zwar, das aus idg. ä ent-
standene ostgerm. ö sei in der Zeit, bevor es wieder zu got a
gekürzt wurde, sicher offen gewesen und habe deswegen nicht
durch slav. -ö ersetzt werden können. Der Übertritt germanischer
ö-Stämme in die slavische u-Deklination könnte nach Löwe von
dem gleichen Übertritt germanischer femininer n-Stämme nicht
getrennt werden. Die ersteren wären schon auf germanischem
Boden, in einem jungen ostgermanischen (balkan-germanischen)
1) Die abg. Nebenform raka 'Grab' kann aus dem AltsÄchsischen
fibemommen sein, s. Löwe KZ. 39, 322.
Zur Frage nach den 'gotischen* Lehnwörtern im Finnischen. 296
Dialekt in die feminine n-Deklination übergetreten (ygl. z. B. die
n-Stämme abg. crukt/ : got *kiriköj ahd. chirihha^ hrady *Barte'
T got *bardöj awn. barda). Daß aber eine ursprünglich so reich
vertretene Flexionsklasse wie die der femininen ö-Stämme von
einer anderen schon in dieser frühen Periode gänzlich absorbiert
worden wäre, ist mir a priori höchst unwahrscheinlich. Im Fin-
nischen z. B. bilden die umordischen -ä-(-t<-)Feminina eine recht
zahlreiche Wortgruppe, die teils auf -ö (d. h. -d), teils auf -u aus-
geht Im Betracht dieser erklären sich die slavischen y-8ub-
stantiva germanischer Herkunft am natürlichsten aus urgerma-
nischen Nominativformen auf (geschlossenes) -d. Die gotischen
und übrigen ostgermanischen o-Nominative sind uns ihrer Aus-
sprache nach völlig unbekannt Wahrscheinlich spiegeln sie dia-
lektisch gefärbte Sprechformen mit offenem -ö (-d) wieder, wobei
auch die Möglichkeit der Beeinflussung seitens der Akkusativ-
formen (auf urgerm. -a**, d*^) zu berücksichtigen bleibt Außerdem
könnte vielleicht auch die lateinische Schrift mit ihren o-Femi-
nina auf die gotisch-ostgermanische Schreibweise eingewirkt
haben. Sei dem aber wie es will. Bei dem gänzlichen Mangel
an ostgermanischen o-Feminina im Baltisch-Slavischen wirkt die
große Zahl **speziell gotischer'' a-Feminina im Finnischen sehr
befremdend.
Sonach schon an und für sich unwahrscheinlich wird die
hier besprochene, herkömmliche Auffassung dadurch umso un-
glaublicher, als die betreffenden o-Endungen sich unschwer auch
anders erklären lassen. Das auslautende -a der frühurfinnischen
Entlehnungen akana und kansa kann an sich nicht nur das aus
urgerm. ö entwickelte got o, sondern auch das unverschobene
oridg. (verkürzte) ä widerspiegeln, welches späturgermanisch in
betonten und unbetonten Silben zu ö wurde, aber noch so spät
wie zu Cäsars Zeit im Germanischen, sogar in betonter Stellung,
vorhanden war (vgl silva Bacenis De hello galL = Boccnia^ Bwh
chunna Förstemann 11 289). Bezüglich der genannten Wörter
kann wegen ihres hohen Alters meines Erachtens nur die letztere
Alternative das Richtige treffen. Aber dann ist es höchst wahr-
scheinlich, daß auch niekla und die anderen Wörter, die ihrer
Form nach sowohl urgermanisch als gotisch sein können, wie
die beiden erstgenannten zu beurteilen sind.
Außerdem braucht die zugrundeliegende frühurgermanische
(wohl schon verkürzte) ä-Endung, um von den Finnen m\\. a
896 T. E. Karsten,
wiedergegeben cu werden, gar nicht ein reiner a-Laut gewesen
tu sein. Auch eine Übei^gangsstufe von urgerm. ä > ö, die aber
dem Klange eines a-Lautes näher lag, kann dnrch finnisobe Laat-
snbstitution zum selben Eiigebnis geführt haben: vgl. e. B. finn.
fxi^Ma *frei' zu slav. wobod^ finn. aiJcuna Tenster' zu sUy. dam
usw. ; bei den slavischen Formen kamen die ^Laute sowohl der
betonten als der unbetonten Silben dem Klange eines a-Lautes
nahe, waren aber keine reinen o-Laute (s. Mlkkola Beriihrongea
der slav. u. westfinn. Spr. S. 36 f.).
Finn. akana und ka$%8a könnten nur in dem Fall aus dem
Gotischen stammen, daß die spätostgermanischen o-Ausgftnge
direkte Fortsetzungen des idg. und urgerm. ä wären, aber diese
Annahme ist vom Stande unseres heutigen Wissens nicht haltbar.
Nur mit der hier vertretenen Auffassung — dafi also die
fraglichen finnischen a-Endungen auf urgerm. ^ (-d) ausgehen
— wird es auch völlig begreiflich, wie von den germanischen
4-, ö-Stämmen im Finnischen ein und dasselbe Wort nicht selten
in zweifacher Auslautgestaltung (in einer s. g. gotischen mit <
und einer umordischen mit -o, -ti) erscheinen kann: vgl. finn.
panka : panko^ panku (urgerm. ^spangä, -ö)^ kauta : kauiOy kautu
(got 8ka%idaraip)^ kasa = kaso. Zu den für germanische ä-, ö-
Stämme im Finnischen bisher bekannten zweien Auslautformen
auf -ö und -w treten die betreffenden a-Ausgänge hiemach als
eine Vorstufe aus derselben Sprachquelle.
Eine gute Parallele bietet sonst der indogermanische o-Laat,
der im Grermanischen in unbetonten Silben noch in den ersten
Jahrhunderten n. Chr. erhalten blieb und sich in mehreren fin-
nischen Lehnwörtern in dieser Stellung noch als offenes ö wider-
spiegelt: z. B. in finn. pelto *Acker* (germ. *felßo- : ahd. as. /iW),
jt4kko *Joch' (got juk n., awn. 6k n.) ; vgl. Setalä Zur Herkunft
u. Chronol. S. 24. In dieser Weise angefaßt, bezeugen die fin-
nischen -a-FoiTuen germanischer -ii-Stärame noch weiter die auch
sonst bekannte Tatsache, daß man im Germanischen für ver-
hältnismäßig späte Zeiten eine dem Indogermanischen sehr ähn-
liche Stufe erschließen kann (vgl. Hirt Indogermanen 2, 618).
Nachdem ich diese Bemerkungen schon niedergeschrieben
hatte, fand ich, daß meine hier verfochtene Ansicht schon früher,
freilich nur als bloße Vermutung, ausgesprochen worden war.
Bei Ferd. Dieter Laut- und Formenlehre der altgerm. Dialekte
S. 8 liest man folgendes : "ug. ä in unbetonter Silbe bewahren
Zur Frage nach den 'gotischen* Lehnwörtern im Finnischen. 897
▼ielleicht finnische, aus dem Germanischen entlehnte Wörter
wie niekla aus ug. nißlä (später neplö, daraus got. neßla usw.) nnd
iansa aus ug. *handä (später *han8öy daraus got ahd. hama)^ wäh-
rend andere Lehnwörter das jüngere ö zeigen: runo *6edichf,
sakko *BuBe' usw." Diese Hypothese bestätigt sich nun durch
den Konsonantismus der von mir herangezogenen Lehnwörter
{4itana und kansa) als richtig.
Auch Setälä gesteht indessen (S. 6), daß ein einziges go-
tisches Kennzeichen (-a aus -ö) immer etwas wenig ist und daß
es erwünscht wäre, zahlreichere Merkmale, und zwar solche, die
nicht verschiedene Deutungen zulassen, nachweisen zu können,
um den gotischen Ursprung eines Teils der germanischen Ele-
mente des Finnischen aufrecht zu erhalten. Ein solches Merkmai
glaubt S. auch gefunden zu haben, und zwar in einer Anzahl
finnischer Lehnwörter, die in Übereinstimmung mit der gotischen
Bibelsprache ein auf älteres germ. e zurückgehendes • in der
Stammsilbe enthalten. Diesem Kennzeichen hatte Thomsen, dem
die meisten der bei Setälä besprochenen Falle bekannt waren,
keine Beweiskraft zugemessen. Es sind im ganzen 8 Lehnwörter,
die Setälä auf diesem Grunde für gotisch hält:
1. Finn. mitta *Maß', mitata (Inf.) "messen* usw. : got mitan
^messen* usw. Man vergleiche indessen ags. müta m. *a measure*
(Sweet The students dictionary of Anglo-Saxon, Oxf. 1897, S.119)
sowie das hiermit identische ahd. mizzo^ mhd. mitze "kleineres
Trockenmaß*, die auf westgenn.*iwÄ(;an-(aus *inetjan) zurückgehen
(Kluge Wtb.* Motze*). Finn. mitta 'Maß* erklärt sich ebenso gut
aus dieser westgerm. Wortform wie aus einem got *fnü n. (St *iwÄa-).
Auf nordischem Sprachboden ist der betreffende jan-Stamm zwar
nicht bekannt, aber dieser Umstand hat keine entscheidende Be-
deutung für die Frage, denn auch zu anderen finn. Lehnwörtern
sind die Originalformen nur aus dem Westgerm, zu belegen
(vgl. unten).
2. Finn. siula "margo naviculae superior**, karel. iikla "Ende
des Netzes* verbindet Setälä (nach Tunkelo) mit awn. segl n^
ags. segd n. usw. "Segel*. Das vorauszusetzende germ. *sizl€h
braucht aber nicht mit Setälä aus dem Gotischen erklärt zu
werden, sondern geht zunächst auf aschw. sigdj sigiU n. "Segel*
zurück. Beweisend hiefür ist die in finnländ. (schwed.) Mundarten
ziemlich allgemein verbreitete Form sigäl n. (vgl. das finnl. Vb.
mgäl "segehi').
298 T. E. Karsten,
3. Knn. pihaUo 'Viehhof, härkä-^ lehmär^ lammaa^. usw.
"Ochsen-, Kuh-, Sehafstair hält Setälä (im Anschlafi an einen
alten Deutungs Vorschlag) für eine finnische Derivation (mit Suffixe
-tto) aus vorgot *fihu = wulfilan. faihu. Früher hat man das
Wort allgemein (vgl. z. B. Ahlqvist Kulturwörter der westfinn.
Sprachen, S. 118) mit dem echtfinnischen Worte püta 'area,
Hof, Hofraum' (urspr. *Zaun') zusammengestellt, eine Etymologie,
die in den finn. Komposita katja-pika "eingezäunter Hof für das
Vieh', hevos-piha 'Pferdestall' eine starke Stütze findet DaßpihaUo
•Viehhof in erster Hand von gem. fehu 'Vieh' hervorgegangen
ist, scheint jedoch auch mir wahrscheinlicher: vgl. besonders
die mit pihatto gleichbedeutenden finn. karjetto aus katja *Vieh*
und omatto aus otna 'eigen, Eigentum' (vgl. got faihu 'Vermögen,
Geld'!). Im Sprachbewußtsein gilt aber pihaUo 'Viehstall, -hof
ganz sicher als Ableitung von dem form- und sinnverwandten
jwÄa 'Hof (vgl. noch finn. pihatto = schwed. ladt^drd; hnn.piha
'Hof = schwed. gdrd). Wenn auch somit germ. fehu das ur-
sprüngliche Stammwort für finn. pihatto ist, beruht der f- Vokal
des Wortes höchst wahrscheinlich auf Formassoziation mit finn.
piha^ das — wie Setälä Finn.-ugr. Forsch. 2, 221 nachgewiesen
hat — ein finnisch-ugrisches Wort ist. pihaUo enthält folglich
kein 'gotisches Lautmerkmal'.
4. Finn. virka 'Beschäftigung, Dienst, Amt' ist nicht mit
awn. verk n. Tat, Arbeit', sondern — wie ich in Journal de la
Soc. Finno-ougr. 23, 20, S. 1 dargetan habe — mit awn. aschw.
virke n. (St. virkia-) 'Tat Werk' zu verbinden. In der Bed. 'Dienst,
Amt' ist das Wort von mndd. verk 'Gewerk, Amt, Innung, Zunft*
und von dem hieraus entlehnten schwed. (embets)värk beeinflußt
worden.
5. Finn. juhla 'Fest' ist als gotisches Lehnwort unmöglich.
Got jiideis^ awn. yZtr, ags.geola m., geol n., awn. iöl 'Weihnachten'
erklären sich aus urgerm, je(;i)wld-. Finn. juhla verbinde ich zu-
nächst mit ags.5röAo/,5reoA(rfn. 'Weihnachten', das auf \XTg,jeh(w)ula
(idg. jeq^alo-, vgl. Falk-Torp Ordbog S. 339) zurückgeht. Ags.geohol
enthält in -eo- einen angelsächsischen Brechungsdiphtong. Finn.
^wA/a spiegelt meines Erachtens urn.*ytwA(u)ia(aus älterem *^uAu^
urg. *jehwula) wieder ; hier ist -iu- (-cw-), analog mit -«>- in ags.
geohd, ein umordischer Brechungsdiphthong, der dem Gotischen
ganz abging.
6. Finn. kium 'irritamentum etc.', Humta 'irritare' kann auch
Zur Frage nach den 'gotischen' Lehnwörtern im Finnischen. 299
nach Setälä ^'möglicherweise als späte Entlehnung aus dem
Nordischen aufgenommen worden sein*', wenn auch schon wegen
der Bedeutung und Verbreitung gotische Herkunft ihm wahr-
scheinlicher vorkommt. Was zuerst die Bedeutungen anbelangt,
ist die Verschiedenheit fast gar keine. Got kitisan, awn. Inösoj
ags. c&osan, ahd. kiosan bedeuten alle etwa dasselbe: 'prüfen,
wählen'. Auch nicht die Ausbreitung des Wortes verhindert die
Annahme nordischer Herkunft Denn auch im Ostbalticum gab
es der neueren archäologischen Forschung zufolge (s. A. Hack-
man Die ältere Eisenzeit in Finnland 1, Helsingfors 1905, S. 337,
354) noch in der jüngeren Eisenzeit (d. h. nach 400) eine ger-
manische Bevölkerung, von der die estnischen und livischen
Belege unseres Wortes übernommen sein dürften.
7. Finn. Kwto, liuta-ihminen "homo blandiens et astutus' habe
ich in "Nordiska studier, tillegnade Adolf Norreen" S. 53 mit
got liuta 'Heuchler' und Huts 'heuchlerisch' zusammengestellt
Dasselbe Wort kommt aber auch nordisch vor, wenn auch in
etwas abweichender Bedeutung: awn. IMr 'häßlich, abscheulich
a) körperlich, b) geistig oder moralisch*, nschw. dial. Ijot 1) 'häßlich,
mißgebildet, 2) schlimm, böse*, vgl. aschw. lijta (Ptz. lytter) 'Ge-
brechen zufügen*. Finn. liuta stimmt sowohl formell als begrifflich
ganz genau mit got. litUa, Es kann aber auch nordisch sein.
In bezug auf den iVDiphthong wäre es dann mit finn. kiiMa
zu vergleichen. Für jüngeren (nordischen) Ursprung spricht
einigermaßen auch ihr Vorkommen nur in Finnland. Hin-
sichtlich der Bedeutung ist litäa in diesem Falle ein ostnor-
discher Beleg für den sonst nur aus dem Gotischen bekannten
übertragenen Begriff 'betrügerisch* (vgl. got lütön 'betrügen',
ags. ht 'Betrug*, aslav. ludüi 'betrügen'), dem jedoch die alt-
westnordische Bedeutungsnuance 'moralisch abscheulich* (vgl.
bei Fritzner* s. v. liötr : sakir ^ er lidtastar eru mälim
manna, annat hvdrt rdn eda stuldir [d. h. Diebstahle]) sehr
nahe kommt
8. Finn. liuta 'Schar, Menge, Haufen* braucht ebensowenig
gotisch zu sein. Das germanische Quellwort war ein f-Stamm:
awn. liödr^ lydr m. 'Volk* (Nom. plur. -ir), ahd. liuti m. n. pl. (sg.
Hut m. n. 'Volk*), ags. leode pl. 'people*, bei dem die Stammsilbe
schon sehr früh (gemeingermanisch?) mit fw-Diphthong erscheinen
mußte. Der finn. o- Ausgang wäre dann wahrscheinlich analogisch;
vgl. finn. harras = got hardus. Sonst könnte finn. liuta auch
800 T. E. Karsten,
einen späteren umordischen neutralen a-Stamm Kuda- (= ahd
üut n.) wiedergeben; vgl. oben kiusa und {tiifo(7)!^)
**Es unterliegt" — meint Setälä — **kaum einem Zweifel
daß diese Wörter mit • gotische Lehnwörter sind and aui
einer gotischen Sprachstufe stammen, in welcher e wirklich in :
übergegangen, also mit i zusammengefallen war." Wie ici
aber oben nachgewiesen zu haben glaube, lassen sich die be
treffenden t-Laute samt und sonders auch anders erklären unc
sind folglich als Beweismittel für das vermeintliche GK>tentaD
dieser Wörter nicht zu verwerten.
Die Annahme einer so großen Anzahl finnischer Lehn-
wörter mit speziell gotischem Stammsilbenvokalismus scheint mii
aber auch von einem anderen Gesichtspunkte höchst bedenklich
Bei einem sehr nahe liegenden Vergleiche mit den bisher be
kannten germanischen Lehnwörtern im Baltischen, die wegei
der geographischen Lage der Balten viel zahlreicher wie dh
des Finnischen sein müßten, ist der fast gänzliche Mangel ai
baltischen Beispielen gotischer t-(= germanischer 0-) Laute seh]
auffällig. Das einzige wirklich alte einschlägige Lehnwort: apreuß
kdmis (und chelmö) *Hut' aus frühurgot. */elfna8 zeigt im G^gentei
^Vokalismus (vgl. Berneker Die preuß. Sprache 289, Hirt Beitr
23, 347, Lid6n Beitr. 31, 602). Mit-f- in der Stammsilbe erschein
meines Wissens nur preuß. ämis *Bark (Scheune ohne Wände)'
das Lid6n Beitr. 23, 600 ff. wohl mit Recht als urgot. *hämai
auffaßt. Diese Entlehnung ist aber offenbar jünger wie kdmis
dafür spricht entschieden schon der Ä-Schwund im Wortanlauti
(vgl. Lid6n a. a. 0. S. 601).*) Der Formenwochsel */dmaz : *hämai
eines und desselben ostgermanischen (d. h.in diesem Falle sicherlicl
urgotischen) Wortes scheint mir zur Genüge zu beweisen, was mai
schon öfters, zwar nicht ohne Widerspmch, vermutet hat (vgl
Scherer ZGDS.« 51, Anm., Braune Beitr. 9, 548, Wrede QF. 68
162, Hirt Beitr. 23, 341, andrerseits Löwe IF. 13, 26, KZ. 39
317), daß nämlich dem einförmigen got i im Frühurgotischei
1) Die bei Setälä als 'neu' bezeichnete Zusammenstellung finde
man schon bei Sax6n "Lisiä suomalais-germaanilaisten kosketusten valai
semiseksi** [Beiträge zur Klärung der finnisch-germanischen Berührungen]
Tammerfors 1896, S. 10.
2) Ein Lehnwort aus einer späteren got. Sprachform ist gleichfall
wohl abg. hn (got. *liva) = ahd. leOy lewo aus lat. leo. Abg. älimk dagegei
stammt vielleicht aus dem Westgermanischen (ahd. as. Ae/m), abg. niUh
"Milch* vielleicht aus dem Balkangermanischen (vgl. Löwe KZ. 39, 317]
Zur Frage nach den 'gotischen* Lehnwörtern im Finnischen. 801
ein Wechsel e-t vorhergegangen sein muß. PreuB. ämi$ stammt
ans einer gotischen Sprachform, die wohl nicht mehr an der
unteren Weichsel gesprochen wurde. Da die Ooten aber auch
nach ihrer in der 2. Hälfte des 2. Jahrh. erfolgten Auswanderung
nach dem Schwarzen Meere während eines langen Zeitraumes —
nach B. Salin Die altgerm. Tieromamentik S. 355 wenigstens bis
anf etwa 350 n. Chr. — einen regen Verkehr mit den Gegenden
an der Weichselraündnng unterhielten, ist es gar nicht nn-
möglicli, daß ein wichtigeres got Lehnwort vom Pontus einen
Weg nach Norden finden konnte. Außerdem ist es ja immer
möglich und sogar wahrscheinlich, daß ein Rest des Gotenvolkes
an den alten Wohnsitzen zurückgeblieben war.
Wenn wir aber gotische Lehnwörter auch im Finnischen
hätten, könnten diese gewiß nur dem älteren Typus *xdmaz ge-
hören. Sie könnten nur von einer gotischen Kolonie stammen,
welche sich bei der gotischen Übersiedelung aus Skandinavien
von der Hauptmasse des Volkes, die in das Weichselgebiet aus-
wanderte, getrennt hätte und nach den heutigen Ostseeprovinzen
gezogen wäre (vgl. die Goten der Lisel Gotland?). Denn daß auch
die Urfinnen, die südlich vom finnischen Meerbusen und dem
Ladogasee mit Düna etwa als Südgrenze gewohnt haben sollten,
unter der Einwirkung eines vom Süden hergekommenen spät-
gotischen Volks- und Kulturstromes gestanden hätten, dafür fehlt
es an jedem Anhalt Die Annahme bedeutet, daß die Goten
außer der Gegend an der unteren Weichsel noch eine weite
Landstrecke der Ostseite der Ostsee innegehabt und hier eine
Sprachform entwickelt hätten, die in der Behandlung der gemL
e-Laute mit der historisch bekannten Gotischen konform ge-
wesen wäre. Aber nach den bei griechischen und römischen
Schriftstellern gegebenen Nachrichten über die Goten kann die
gotische Besiedelung östlich der Weichsel sich nur über ein
sehr kleines Gebiet erstreckt haben (vgl. Löwe, Die ethnische
und sprachl. Gliederung der Germanen S. 21, L. Schmidt Gesch.
der deutschen Stämme bis zum Ausgange der Völkerwanderung
1,1 S. 51 f., R. V. Erckert Wanderungen und Siedelungen der
germ. Stänmie in Mittel- Europa, KartbL V)^). Li gutem Ein-
1) Die episch wohl stark übertriebene Erzählung bei Jordanes von
der über ganz Scythien und Germanien (u. a. über die Thindos d. h. Finnen)
ausgedehnten Herrschaft des Ostgotenkönigs Ermanarik (f 375) kann selbst-
verständlich in dieser Hinsicht keine Bedeutung haben (vgl. auch Wiklund
När kommo svenskame tili Finland? S. 18).
802 T. E. Karsten,
klänge hiermit ist auch die Zahl wirklich alter germanischer
Lehnwörter im Litauischen gegenüber denjenigen im Preußischen
und besonders im Slavischen sehr gering. In Anbetracht dessen
spricht Hirt, Beitr. 23, 350 die Vermutung aus, daß die got
Entlehnungen des Litauischen nicht direkt, sondern durch die
Vermittlung des Preußischen übernommen wären.
Der von Setälä gemachte Versuch, das behauptete Goten-
tum eines nicht unbedeutenden Teils der ältesten germanischen
Lehnwörter im Finnischen auf sprachlichem Wege aufrecht zu
erhalten, hat sich somit als verfehlt herausgestellt, und in der
historischen Überlieferung findet die Hypothese auch keine
Stütze. Es bleiben dann nur die archäologischen Beweisgründe
übrig, die man mit den sprachlichen gerne zu kombinieren pflegt
Nach den Ergebnissen der vorgeschichtlichen Archäologie
umfaßte die Bevölkerung der ostbaltischen Landschaften während
des älteren Eisenalters von den Zeiten um Christi Geburt an
mehrere Nationalitäten: eine finnische, eine lettisch-litauische
und eine germanische. Die Finnen werden damals wie noch heute
mehr nördliche, die Letten mehr südliche Sitze innegehabt haben.
"Mitten unter diesen Stämmen müßten sich aber zahlreiche ger-
manische (gotische) Kolonien befunden haben; denn nur unter
dieser Voraussetzung findet der in den Sprachen sowohl wie in
der eisenzeitlichen materiellen Kultur der Finnen und Letten-
Litauer zum Vorschein kommende starke germanische Einfluß
eine annehmbare Erklärung", so äußert sich hierüber A. Hack-
man in seiner großen Arbeit "Die ältere Eisenzeit in Finnland 1"
(Helsingfors 1905) S. 335 ff., wo die Frage zuletzt behandelt worden
sein dürfte. Wenn aber die Archäologen von *Goten' sprechen,
kann das Wort kaum anders als in einem allgemeineren (zunächst
wohl geographischen) Sinne von *Ostgermanen* verstanden werden.
Auch Hackman räumt a. a. 0. S. 335 ein, daß das früheisenzeitUche
Fundmaterial der Ostseeprovivzen in ethnographischer Beziehung
schwer zu deuten sei. Eine einwandfreie Lösung dieser Be-
völkerungsfrage sei den Archäologen gegenwärtig kaum möglich.
Welcher Nationalität gehörten nun diese ostbaltischen Ger-
manen, denen die Finnen ihre ältesten germanischen Lehnwörter
schulden ? Nach Setälä Herkunft und Chronologie S. 49 f. wäre die
Quelle der älteren germanischen Lehnwörter der ostsee-finnischen
Sprachen in einer germanischen Sprachform von wesentlich
urgermanischem Gepräge zu suchen, w^elche allmählich eine
Zur Frage nach den 'gotischen' Lehnwörtern im Finnischen. 90S
Gestaltung annahm, die wesentlich mit der gotischen gleich-
zustellen wäre. Diese ältesten finnisch-germanischen Berührungen^
sowohl die finnisch-ur(ost)germanischen, die schon um
Christi Oeburt und in der nächstvorangehenden Zeit stattgefunden
hätten, als die etwas jüngeren finnisch-gotischen, welche also
eine unmittelbare Fortsetzung der ersteren gewesen wären, ver-
legt Setalä in die urfinnische Heimat südlich von dem finnischen
Meerbusen. Was die finnisch-nordischen Berührungen be-
trifft, wären die Wörter mit sicher nordischen (nicht mehrdeutigen)
Kennzeichen nicht zahlreich. Wenn man aber eine umordische
Sprachform von wesentlich urgermanischem Gepräge als Aus-
gangspunkt voraussetzen würde, wäre auch umordischer Ursprung
vieler von diesen Lehnwörtern und daher eine gleichzeitige Nach-
barschaft der ürfinnen mit Goten und Nordgermanen möglich.
Es gäbe aber nichts Zwingendes in dieser Annahme. Setälä findet
es ebensowohl möglich, daß die finnisch-nordischen Berührungen
im allgemeinen etwas jünger wären als die früher besprochenen
und daß sie erst nach der Immigration der Finnen nach Finn-
land (spätestens im 4. Jahrh.) ihren Anfang genommen hätten.
Richtig ist von Setäläs hier besprochenen Ergebnissen meines
Erachtens nur die Annahme einer ethnographischen und sprach-
lichen Kontinuität der finnisch-germanischen Berührungen in
der finnischen Urheimat : das 'Gotische* im Urfinnischen stammt
ohne Zweifel von demselben germanischen Volkstamme, der die
älteren *urostgermanischen' Lehnwörter abgegeben hat Bisher
unbegründet und irreführend ist dagegen, wie ich hoffe dar-
getan zu haben, die ganze Rede von 'gotischen' Lehnwörtern
und 'speziell gotischen' Lautmerkmalen.
Mit Evidenz unrichtig ist auch die Vermutung, die finnisch-
nordischen Beziehungen wären ausschließlich nach Finnland zu
verlegen.
In seiner oben zitierten Schrift (S. 50) hebt Setälä hervor,
daß eben die germanischen Dialekte, aus welchen die ältesten
germanischen Lehnwörter herrühren, ausgestorben wären und
daß die Lehnwörter der ostseefinnischen Sprachen ihre einzigen
bewahrten Denkmäler ausmachten ; dies gälte auch von dem ur-
nordischen Dialekt, der in Finnland gesprochen wurde, denn daß
die jetzigen finnländisch-schwedischen Mxindarten unmittelbare
Fortsetzungen des in Finnland gesprochenen Umordischen wären,
das hält Setälä für ausgeschlossen. In diesen Behauptungen lie^<^\i
804 T. E. Karsten,
aber weitere Fehlschlüsse. Es kann nämlich nach allem, was
die Archäologie und Ortsnamenforschung der letzten Jahre ans
Licht gebracht^) — namentlich seitdem es archäologisch nach-
gewiesen worden ist, daß die schwedisch-finnische Mischkultur
des jüngeren Eisenalters (der Vikingerzeit) keinen Abbrach in
unserer vorgeschichtlichen Kulturentwickelung bildet, wie man
früher angenommen hat, — kaum mehr einem Zweifel unter-
liegen, daß die jetzige Schwedenbevölkerung an den finnländisch^
Küsten, wenigstens in den Landschaften Egentliga Finnland,
Satakunda und österbotten, wesentlich eine direkte Fortsetmng
unserer eisenzeitlichen Schwedenkultur bildet Daß die Haupt-
masse der etwas jüngeren umordischen Lehnwörter im eigent-
lichen Finnischen in Finnland — in verschiedenen Teilen des
Landes — aufgenommen sind, ist unzweifelhaft; aber ebenso
sicher ist es, daß eine ganze Anzahl anderer umordischer Lehn-
wörter aus der gemeinfinnischen Urheimat mitgeführt worden
sind. Haben wir doch auch südlich vom finnischen Busen in
einigen Orten der Nordwestküste von Esthland und auf den be-
nachbarten Inseln sowie auf Runö im livländischen Meerbusen
eine schwedische Bevölkerung, die in unserer Zeit zwar nur
etwa 5000 Personen umfaßt Dieses Sprachgebiet ist aber früher
nur in Ehstland mehr als doppelt größer gewesen, indem es
durch die Ehsten im Laufe der Zeit in hohem Grade beein-
trächtigt worden*). Die genannten schwedischen Niederlassungen
an der Ostsee treten zwar sehr spät, erst im 13. Jahrh. (1294)
in das Licht der Geschichte, ganz wie die schwedischen An-
siedelungen in Finnland. Daß sie aber hier sowohl wie dort
schon in vorgeschichtlichen Zeiten ihren Anfang genommen, ist
nicht zu bezweifeln. In dieser Richtung äußert sich — was die
Schweden in Ehstland betrifft — übrigens schon Thomson in
seinem "Einfluß der germ. Sprachen auf die finnisch-lappischen'*
S. 20 (also vor bald 40 Jahren): " — man kann
[sagt T.] in dieser Bevölkerung nur ein lebendiges Zeugnis für
die vorgeschichtliche stetige Verbindung der Skandinavier, be-
sonders der Schweden, mit den östlichen, von Finnen bewohnten
1) Vgl. T. E. Karsten österbottniska ortnamn. Spräkhistorisk och
etnografisk undersökning I (Holsingfors 1905) **Inledning*' und die daselbst
zitierte archäologisch-onomatologische Literatur.
2) S. A. Noreen Värt Spr&k I S. 90 f , G. DaneU Nord. Tidskr. (Stock-
hohn) 1907 S. 175 ff.
Zur Frage nach den 'gotischen' Lehnwörtern im Finnischen. 805
Gegenden erblicken/' Außerdem dürfte es in diesem Zusammen-
hange nicht unangemessen sein, an die bekannten altschwedischen
Ansiedelungen in Rußland und an die daraus erfolgte Orundlegung
des russischen Reiches (durch Schweden i. J. 862) zu erinnern.
Besonders wichtig für unsere Frage ist aber, finde ich, die
durch die archäologische Wissenschaft jüngst erwiesene kultu-
relle Verbindung zwischen der älteren und jüngeren Eisenzeit
im Ostbalticum. Analog mit den finnländischen Funden haben
nach Hackman Die ältere Eisenzeit 1 S. 335 auch die ostbal-
tischen solche Typen aufzuweisen, welche von den Formen der
älteren Eisenzeit zu denen der jüngeren herüberleiten und so-
mit bezeugen, daß in der kulturellen Entwicklung der Ostseepro-
vinzen keine jähe Unterbrechung stattgefunden hat, welcher Fall
doch hätte eintreten müssen, wenn die herkömmliche Ansicht
richtig wäre, daß die frühere germanische Bevölkerung etwa
um das Jahr 400 durch einwandernde finnische Stämme zum
Verlassen ihrer Wohnsitze genötigt worden wäre. Allerdings
wäre die große Mehrzahl dieser Typen im Süden des Gebietes
zum Vorschein gekommen. Im Norden, im estnischen Oebiet
wären Altertümer, die eine ununterbrochene Besiedelung be-
zeugen, selten. Doch fehle auch hier nicht die verbindende
Brücke zwischen den beiden Perioden des Eisenalters.
Daß die heutigen Schweden an den ehst- und livländischen
Küsten ein letzter Rest dieses prähistorischen Germanentums ist
— also derjenigen Germanen, denen die Finnen ihr ältestes ger-
manisches Lehngut verdanken — liegt also kein triftiger Grund
vor, in Zweifel zu ziehen. Sind sie ja doch das einzige in Be-
tracht zu nehmende Germanenvolk, das noch in historischer Zeit
in unmittelbarer Nachbarschaft der urfinnischen Heimat lebt und
gelebt hat, — insofern diese Urheimat wirklich, wie allgemein
angenommen wird, etwa nach dieser Gegend zu verlegen ist.
Da diese selben Lehnwörter sich durch nichts als 'gotisch'
erweisen, sich vielmehr aus verschiedenen Entwickelungsstufen
des ümordischen — von denen die alleralteste zwar ein geradezu
urgermanisches Gepräge trägt — erklären lassen, scheint mir
die alte Hypothese von einer gotischen Ansiedelung in dem nörd-
lichen Teile der Ostseeprovinzen, welche — wenn man von den
vermeintlich gotischen Lehnwörtern im Finnischen absieht —
sonst keine Spuren hinterlassen hat, als völlig unbegründet ab-
gelehnt werden zu müssen.
306 T. E. Karsten, 'Gotische' Lehnwörter im Finnischen.
Das einzige, was von gotischen Spuren in den fraglichen
Lehnwörtern dem Anschein nach übrig bleibt, liegt in dem Wort-
schatze: im Vorkommen oder in der Bedeutung oder in der
Form einiger Wörter, die auf das Gotische hinweisen, vgL oben
S. 291! Aber diesen Kennzeichen ist, wie schon hervorgehoben
wurde, keine entscheidende Bedeutung beizulegen. Gibt es ja
<ioch einige vereinzelte Übereinstimmungen auch mit dem West-
germanischen gegenüber dem Nordischen und Gotischen, ob-
schon an irgendwelche westgermanische Nachbarschaft für die
ürfinnen nicht zu denken ist : z. B. finn. kuningas : ahd. as. kumng^
aber awn. konungr und got ßiudam; finn. ptikko * Woche* : ags.
mce, f. neben toicu^ aber got toikö^ awn. vika ; finn. saippio 'Seife* :
ahd. seifa (*8aißjö)^ aber awn. pvdU^ schwed. tväl. Die schein-
baren Gotizismen des Finnischen sind wohl nichts anders als
Erinnerungen an die den germanischen Stämmen einstens ge-
meinsame Urheimat Als die verschiedenenVölker sich allmählich
trennten, differenzierten sich auch ihre Sprachen. Die finnisch-
germanischen Übereinstimmungen mit dem Gotischen und West-
germanischen gegenüber den nordischen Sprachen stanmien gewiß
von den Zeiten der allerältesten Berührungen zwischen Finnen
und Germanen her. Die aus Skandinavien in femer Urzeit nach
den Ostseeländem übergesiedelten Volkselemente haben nrsprach-
liche Züge mitgebracht, die dem Muttervolke im Laufe der Zeiten
verloren gegangen, die aber noch im Finnischen, an anderen
Boden umgepflanzt, forüeben. Wenn außerdem die Goten mi-
sprünglich nur eine Verzweigung des nordgermanischen Volks-
stammes bilden — ihre skandinavische Herkunft ist wohl kaum
mehr zu bezweifeln (vgl. Much PBB. 17, 178 f., Löwe Die eth-
nische und sprachliche Gliederung S. 16 ff., Streitberg Gotisches
Elementarbuch, 2. Aufl., Einl.) — sind die gotischen Züge der
finnischen Lehnwörter um so leichter zu erklären. Auch die von
Bugge (Norges Indskrifter S. 148 ff.) aufgestellten Vermutungen
über die gotische Herkunft der Bewohner der Lisel GoÜand,
die sich selbst Gutar nennen, sowie über die sprachlichen Be-
ziehungen zwischen Gotisch und Gutnisch — eine Theorie, worüber
Löwe a. a. 0. S. 20 ff. noch näher handelt — haben ein gewisses
Interesse für unsere Frage. Ist ja doch Gotiand schon in der
Vorzeit ein wichtiges Zentrum für den nordischen Handel gewesen.
Auch durch gotländische Vermittlung könnten sonach 'gotische'
Sprachelemente einen Weg zu den Finnen gefunden haben.
W. Streitberg, Gotisch Justin»«» tcüan, 307
Diese Goten waren aber nicht nur ethnographisch son-
dern auch sprachlich wesentlich Nordgermanen. Zur Zeit, da die
Goten noch in Skandinavien oder überhaupt im Norden saßen
(wohl sogar noch während der Periode der gotischen Wohn-
sitze an der unteren Weichsel), dürften erhebliche dialektische
Unterschiede zwischen den nordgermanischen Yölkerstämmen
nicht bestanden haben. Die bekannten charakteristischen Züge
der gotischen Sprachentwicklung — wie z. B. die Lautübergänge
e zu i und -ö zu a — können, wie schon Löwe a, a. 0. S. 19 f.
hervorhebt, wohl nur als Ergebnisse eines längeren Sonderlebens
des Volkes verstanden werden. Li finnischen Lehnwörtern spiegeln
sie sich auch sonach schwerlich wieder').
Helsingfors. T. E. Karsten.
Gotisch dugunnun wüan.
Als Übersetzung von fjpHavro €uq)paiv€c6ai lesen wir Luk. 15,
24 in CA dugunnun wisan. Nun wird unmittelbar vorher, V. 23,
€uq)pav6ujp6v durch imsam waila übertragen und nur wenig
später, V. 32, finden wir waila unsan als Wiedergabe von €u-
q)pavef^vai. Zu diesen beiden Stellen stimmt Luk. 16, 19 eöcppai-
vö^evoc* waila wisands.
Dieser Tatbestand legt den Gedanken nahe, daß in V. 24
eine Textverderbnis vorliege, daß auch hier wisan waila oder
waila unsan die ursprüngliche Übersetzung von euq>patv€c6ai
sei. Man versteht daher die neuerdings ausgesprochene Forderung,
daß das versehentlich weggelassene waHa wieder in den Text
der gotischen Bibel einzusetzen sei, vgl. ZZ. 31, 91.
Diese jüngst vorgeschlagene Ergänzung haben die alten
Herausgeber Junius, Stjemhjelm und Benzel als etwas Selbst-
verständliches ohne weiters vorgenommen ; die neuem Ausgaben
dagegen sind ihnen in diesem Punkte samt und sonders nicht ge-
folgt Ich glaube, mit Recht Denn so verlockend die Ergänzung
auf den ersten Bück erscheint, so zweifelhaft wird sie, wenn man
versucht, die Gründe für und wider gegen einander abzuwägen.
1) Korrekturnote : Wegen fimi. saha (S. 292) vgl. jetzt H. Ojansun
Neuphil. Mitteilungen (Helsingfors) 1907 S. 93. — Zu finn. pihatto (S. 298):
Eine gemeinnord. Form fiku (= got. fathu) ist vielleicht belegt in /fu.
Cod. Leiden (Noreen Pauls Grdr. 1', 611).
808 W. Streitberg,
Erstlich ist zu bedenken, worauf schon Gabelenfa-Lobe
aufmerksam gemacht haben, daß man in Yers 24 ein waäa aas
dem vorausgehenden Verse supplieren könne. Die genanntn
Forscher haben bereits auf Liik. 19, 6 als Parallele verwiesen:
hier ist oreucac Korrdßn bloß durch sniumjands atstaiff wieder-
gegeben. Das Richtungsadverb, das im Gotischen — schwer-
fällig genug — die griech. Präposition ersetzen muß, fehlt T. 6
offenbar nur deshalb, weil sniumjands dalaß aUteig' circucoc
KoraßiiGi unmittelbar vorhergeht Ganz ebenso wird auch Lot 15,
24 die Schwerfälligkeit des gehäuften waüa mit Absicht vom
Übersetzer vermieden worden sein.
Dazu kommt noch ein Zweites: wäre waüa unumgäng-
lich nötig, damit der Bedeutung von €uq)paiv€c6ai Genüge ge-
schähe, so entstünden neue Schwierigkeiten. Es wäre nämlich
in diesem Fall unverständlich, wie gatcizneigs im (Rom. 7, 22)
dazu käme, das griech. cuvrjöofiai zu übertragen. Man müßte denn
annehmen, der Übersetzer habe eine wichtige Nuance der Vor-
lage unberücksichtigt gelassen.
Schon längst hat man für (tvaila) unsan; trizanj andaunzns
•öipdiviov, XP^ict', waüamzns^) '\dctus*(Skeireins), gawizfteigs engere
etymologische Vei-wandtschaft angenommen und auf die Bedeu-
tung von ae. wist *sustenance, food, luxury* ahd. mhd. wid
'Lebensunterhalt*, aisl. vist 'Nahi-ungsmittel, Speise* hingewiesea
Sie kennzeichnen klar die Bedeutungssphäre von (%oaiUi\ tnsan
*€Öq)paiv€c9ai*.
Zur selben Bedeutungsgnippe gehört natürlich auch MiMt-
jaw euqppavOuj, das Luk. 15, 29 belegt ist Hier zeigt sich am
deutlichsten, daß es mit einem Einschub von %vaUa bei dug%mniim
wisan nicht getan ist Denn was für dugunnun tcisan recht ist,
müßte für biicesjau billig sein. Noch niemand aber hat, soviel
ich sehe, den Mut gehabt, auch bei biweyau ein umla hinzu-
zufügen. Auch nützte es nichts, zu behaupten, daß in der Prär
Position W- ein dem Adverb toaäa ähnlicher Begriff enthalten
sei; denn die Willkür einer solchen Behauptung ergäbe sich
ohne weiters aus einer Vergleichung der übrigen mit W- zu-
sammengesetzten Verba. Liegt aber kein Grund vor, die Über-
lieferung in Luk. 15, 29 irgendwie anzutasten, so folgt daraus
mit zwingender Notwendigkeit, daß weder in der Präposition Äin,
noch in dem Adverbium tcaila eine wesentliche Ergänzung
1) tcailawizna : andawizns = waila wisan : biwisan.
Gotisch dugunnun ufiwn, 909
von teisan enthalten sein kann, die zur Übersetzung von eü-
q>patv€(TOai unentbehrlich wäre. Selbstverständlich soll damit
nicht geleugnet werden, daß der Zusatz von waäa zu ioisan ver-
deutlichend wirke.
Nun könnte man freilich versucht sein, für V. 29 einen
Einwurf zu machen. Griesbach (NT., editio secunda, S. 368) hat
bekanntlich in dem got biwesjau nicht die Übersetzung von €u-
q)pav6ui, sondern den Reflex von dpicrrjciw (D, dazu prandeam d)
zu erblicken geglaubt Wäre dies richtig, so hätte biwesjau als
Zeuge auszuscheiden. Aber schon Gabelentz-Löbe haben Gries-
bachs Behauptung zutreffend als kühn bezeichnet Die Sonder-
lesart von D erklärt sich zweifellos am einfachsten durch Be-
einflussung von Seiten der altlateinischen Übersetzungen und
gehört zu den Beispielen, die v. Soden Die Schriften des NT. 1,
1332 zusammenstellt: überall ist ein gewählterer griech. Aus-
druck im Anschluß an af oder it durch das üblichere Wort
verdrängt worden. An unserer Stelle liegt aber kein Anlaß vor,
den Einfluß einer solchen ^Rückübersetzung' auf den gotischen
Text anzunehmen. Das got Wort hat durchaus nicht die spezia-
lisierte Bedeutung der Lesart von D ; es verhält sich vielmehr
zu dem normalen €uq>pav6d» etwa ebenso wie das fast durchweg
in den altlateinischen Übersetzungen auftretende epularer. Das-
selbe Verbum wenden die Lateiner auch in den vorausgehenden
Versen an; Gabelentz-Löbe haben daher sicherlich mit Recht
in ihrer Umschreibung des got Textes epulari ohne Unterschied
für (waäa) tvisan xmd bitvisan gewählt
Daß eine Bedeutung wie *schmausen' für die verschiedenen
Stellen des fünfzehnten nnd die eine schon vorhin erwähnte
Stelle des sechzehnten Kapitels anzusetzen ist, lehrt die Ver-
gleichung der beiden noch übrigen Stellen, an denen euq>pa(v€c9ai
vorkommt Rom. 15, 10 lesen wir für €Ö(ppdv9r]T€ l^vx] sifaip
piudoe und entsprechend Gal. 4, 27 für eucppavOnn CT€ipa sifai
sknro. In derselben Bedeutungssphäre liegt die Übersetzung der
einzigen belegten Aktivform 2. Kor. 2, 2 : k/M ist saei gailjai mik'
Tic icnv 6 cOqppaiviJüv ^€. Man sieht, wie scharf sich die vorher
erwähnte Gruppe von den Beispielen der zweiten Klasse ab-
hebt Bei dieser wäre eine Übersetzung von €uq)pa(v€cOai durch
(waäa) wimn usw. ganz imdenkbar; dort dagegen ist die Ver-
engung des Begriffs durch die Lage der Dinge gegeben: dia
Freude findet einen sehr konkreten Ausdruck.
Indogermanüclie Forschnngen XXH. 21
310 J. Wackernagel,
Wie verhält sieh nun das Simplex wisan in der Fügung
dugunnun tvisan zu dem Kompositum bkaesjau? Offenbar ebenso
wie marzjai' CKavöaXiCij zagchmarzjai' acavöaXiqi af-marz^tindau'
ocavbaXicGfiTe, vgl. IF. 21, 193 f. Hier wie dort hat der Aorist
das perfektive Kompositum neben sich, wisan ' eu<ppa{v€c6at ist
normal, zudem fordert duginnan seiner Bedeutung nach noir
wendig ein Imperfektiv, vgl. PBrB. 15, 114. Bei UHiäa wiaan tritt
dagegen ein Unterschied der Aktionsarten nicht hervor.
Ich denke, diese Erörterungen genügen, um darzutun, daß
wir nicht verpflichtet, ja nicht einmal berechtigt sind, Luk. 15, 24
im got Texte toaila zu ergänzen ; denn wir setzen uns der Ge-
fahr aus, durch diesen Einschub eine beabsichtigte Variation
zu zerstören. Das gleiche gilt für bitvesjau V. 29. Auch dieses
konnte eines verdeutlichenden adverbialen Zusatzes um so eher
entbehren, als in nächster Nachbarschaft (Y. 32) uxula wisan m *
finden war.
Münster W. Wilhelm Streitberg. \^J
/
Zur Umschreibung der arischen Sprachen. ^
Dem Protest Bartholomaes gegen Hirts Vorschlag zu einer
neuen Transkription kann ich mich, soweit dabei das Altindische
in Betracht kommt, nur anschließen. Durch die empfohlene
Neuerung würde die Verwirrung, die *Misere*, nur erhöht Das
ist der Hauptgrund.
Aber es muß doch gesagt werden, daß, was Hirt selbst
bringt, nicht einmal objektiv richtig ist 1) "Daß der Anusvara
im wesentlichen dem nasalen Klang im Nasalvokal entspricht,
scheint mir sicher zu sein. Es ist daher die Schreibung q usw.
die gewiesene". Hiezu vergleiche man die § 223 a meiner Ai.
Grammatik I. zusammengestellten Zeugnisse, aus denen unweiger-
lich der Wert des Anusvara als eines auf den Vokal folgenden
Lauts hervorgeht Ich verweise noch auf Haradatta zu Mantrap.
1, 11, 2: ke cid ükärät param anusväram adhiyate und auf
Hörnle-Grierson Vorr. zum Dictionary of the Bihärl language
p. 5: (the anusvara) is emplojed to sigmfy a peculiar nasal
soxmd, intermediate between a vowel and a consonant, ukich is
not a mere fiasalisation of a vowd, but an independent sound
Zur Umschreibung der arischen Sprachen. 311
foUowing a wtcd. 2) Ohne ein Wort der Rechtfertigung verwirft
H. die Sehreibung der Vrddhi-Diphthonge mit ai, au und ver-
langt df, Ott. Nun, daß die Vrddhi-Diphthonge vorgeschichtlich
mit langem erstem Komponenten gesprochen wurden, ist selbst-
verständlich. Aber schon die ältesten Zeugnisse über Aussprache
kennen nur d(», äu (AL Gr. 1, § 36, S. 40); den Belegen für Ver-
vf echslung zwischen ai xmd ayt sei beispielsweise noch AV. 10,
24, 6 anayit st anait (Bartholomae ZDMG. 50, 687), ChU. 4, 3, 3 ff.
ratfikva- st raikva-, Epigr. Ind. 4, 83 ff. Z. 9 jainä st jayinä bei-
gefügt Wer Altindisches umschreibt, hat sich nur um den im
Altindischen selbst gültigen Lautwert zu kümmern, nicht imi
vorgeschichtliche, später bloß durch Sandhi u. dgL wiederge-
spiegelte Verhältnisse; sonst müßte man zur Weise älterer Sprach-
vergleicher zurückkehren xmd auch ai^ au für «, o einsetzen.
Auch mir persönlich ist nicht alles sympathisch, wozu ich
mich der Übereinstinunung zulieb bequeme, g z. B. ist aus
ästhetischen Gründen ansprechender als i. Aber es verlohnt
sich nicht deswegen, wie leider auch die amerikanischen Mit-
forscher tun, beim Alten stehen zu bleiben, i ist nicht ganz
sinnlos: als vor dreizehn Jahren in Basel in einer Sitzimg der
Morgenländischen Gesellschaft über die Umschrift des Sanskrit be-
raten wurde, empfahl Bühler i gegen g mit dem Hinweis auf die
Störung, die die Schreibxmg mit g bei Anfertigung von Namen-
registern mit sich bringe (vgl. ZDMG. 48 p. XXTT.). Der wirk-
lichen Aussprache wird g übrigens noch weniger gerecht als rf,
weil 8 ein willkürliches Zeichen, dagegen g durch seinen Ge-
brauch im Französischen für den stimmlosen dentalen Zischlaut
8 festgelegt ist
Noch etwas spricht gegen eine Änderung des nun einmal
Angenommenen. Mit kleinen Abweichxmgen haben sich auch in
den Ländern englischer Zunge viele zur internationalen Trans-
skription des Sanskrit bequemt Aber noch ist diese nicht durch-
gedrungen; noch immer sträuben sich viele dagegen, das scheuß-
liche ch xmd chcch für palatale Tennis xmd Tenuis aspirata fallen
zu lassen. Wer jetzt an unserm ^, ch rüttelt und j für y ein-
führen will, unterstützt diesen Hyperkonservatismus, gegen den
man nur auf Grund imiverseller Gleichmäßigkeit dos Gebrauchs
ankämpfen kann.
Die äußerste Konzession, die ich machen könnte, wäre die,
daß man in allgemein-sprachwissenschaftlichen Werken den rezi-
21
318 W, y. d. Osten-Säcken,
pierten Zeichen genauere Marken beifügte, also etwa iöijli
statt e 0 cj ^ schriebe, gerade wie man bei Setaimg Yon Ataient-
nnd Quantitätszeichen auch sonst nach Bedürfnis und Belieben
yerfährt, und wie umgekehrt in Drucken von Sanskiitweriiaii
einzelne sonst übliche diakritische Zeichen vernachlässigt werden
können, und z. B. m statt i^, n statt nü^ h statt ^ ohne Ge&dir
eines Mißverständnisses geschrieben werden* kann; vgL Jaoobi
Rämäyana S. 4 f.
Oöttiugen. J. WaokernageL
^<
Zur slavischen Wortkoude. 7
1. Westslav.-russ. Äaii^f. ^ ^r
Öech. baiüi ^streben, verlangen, sich sehnen, gelüsten' mas.
Dial. (auch klniss.) baHt' *sich sehnen, begehren, dürsten' (dazu
klruss. b($hd ^Begierde, Sehnsucht') ist das ehemalige Kausativ
zu abg. biig bi^ati 'fliehen, laufen' und entspricht dem lit hog^U
'flüchten, fortschaffen' auch intrans. Vohin jagen' (die Vermischung
der lit. Yerba auf Anti und -y/t ist bekannt) und bis auf die
Vokalquantität dem griech. q)oß^u> 'scheuche, schrecke'. Die für
das Slavische älteste Bedeutung 'streben' hat sich durch die
Zwischenstufe 'verfolgen' aus 'treiben' in der Weise entwickelt,
daß einerseits der 'Treibende' als selbst 'in Bewegung geraten'
gedacht wird, anderseits sein von vornherein nach vom ge-
richteter Blick sieh vom Objekte des Treibens zum Endpunkte
der Bewegung verschoben hat; vgl. d. *ein Ziel verfolgen'. Die
umgekehrte Entwicklung liegt in russ. ochdta (zu abg. dioUü chUU
•wollen') 'Lust, Jagd' vor. Das Reflexiv scheint, wenigstens teil-
weise, schon früh dem Primärverbum resp. dessen Iterativ we-
sentlich gleichbedeutend geworden zu sein, wie aus poln. bazyisif
nabazy^ fn§ 'sich aufblähen' (besonders im übertragenen Sinne
'sich brüsten'; das Simplex auch 'sich gelüsten') und öech. nabOtaÜ
nabihnoiUi 'anlaufen, anschwellen' hervorgeht.
2. Russ. h}iga^ hüzat'.
Russ. Dial. büga 'niedrig am Fluß gelegener Wald, nie-
driges bewaldetes Flußufer^ der Überschwemmung ausgesetztes
Zur slavischen Wortkunde. 3111
Waldgebiet' = lit. btmgä *Woge, Welle' lett bäga •steiniger, mit
Gesträuch bewachsener Platz im Felde' ai. hhangds m. •ßrach^
Welle* zu ai. hhanäkti 'bricht' (ühlenbeck Et Wb. d. ai. Spr.
s. y,\ wie d. hruch 'feuchte Wiese' zu brechen. Hierzu gehört
auch russ. Dial. hüJt(x( (bei Dal', Slovai' zivogo velikorussk. jazyka
mit ? versehen) 'Sand oder Lehm ausgraben, Steine aus der
Erde brechen', das offenbar das Iterativ zu einem verloren ge-
gangenen *bgiüi ist Ein anderes huiaC kommt im folgenden
Abschnitt zur Sprache.
3. Russ. bygdi^ buzat\ pugdt'.
Die weitverzweigte Sippe von ai. bhujdH 'biegf gr. q>€uTU)
•fliehe' hat auch mehrere slavische Angehörige, die allerdings
zunächst teils durch die weitabliegende Bedeutung, teils durch
die abweichende Lautgestaltung befremden. Die Worte der ersten
Kategorie gehen auf Intrans. 'sich einbiegen, einziehen, zusammen-
ziehen' zurück und haben die Wandlung zu a) 'zusammen-
schrumpfen, vertrocknen' b) 'hinschwinden, verschwinden' durch-
gemacht Es sind dieses meines Erachtens die folgenden: russ.
bygdt 'trocknen intr., dahinschwinden, verderben* podbygnuf
'trocken werden' büzaf 'verenden, krepieren' (Dal' mit ?, wie
bei dem gleichlautenden Worte s. 2; kaum zu lit bengiü bengti
'beendigen' päbangas^ pabangä 'Beendigimg'). Das zweite Wort ist
formal die regelrechte Entsprechung des lit bügstu bügti intrs.
'erschrecken' (das russ. Prät podbyg^ -la spricht für hohes Alter
des Inchoativverbums), das dritte kann dem lit. baugitis 'sich
fürchten' (Juäkevifi Litovsk. Slovaf I; Ableitung von Äatiyti« 'furcht-
sam') gleich sein; jedoch ist bei solchen Denominativen (das
slav. Gnindnomen ist verloren gegangen) auch einzelsprachlicher
Ursprung nicht ausgeschlossen, zumal in Anbetracht der geringen
räumlichen Verbreitung. Der Bedeutung 'erschrecken* liegen
offenbar die durch den Schreck hervorgerufenen krampfartigen
Körperbewegungen zugiiinde. Zur Illustration dieser Verhältnisse
mögen folgende Parallelen dienen: 1) lett krupt 'verschrumpfen'
kraupet 'trocken werden' (vom Ausschlag) lit kruptis 'erschrecken'
(Leskien Ablaut 300); 2) abg. Igkg l§Ui 'biegen' sloven. dqknem
d^kniti 'sich einziehen, sich schlank machen* öech. udM 'ver-
gehen, sterben* osorb. daknyd nsorb. die 'verenden' sloven. de^im
dfUfati 'hocken' Ifcnem Ifknüi 'auffahren (vom Hasen), erschrecken,
erstaunen' poln. l§kngd 'schrecken'. — Unklar ist klruas. h^t4%
dU W. V. d. Osten-Sacken,
'Lüsternheit, Sehnsucht*. Am ehesten dürfte es als Mas Hin-
schwinden, Verschmachten, Dürsten' aufzufassen sein, kaum
als *geneigt sein*, wie in d. ^Zuneigung' lit linkSti *sich neigen,
geneigt sein, jemandem etwas wünschen* wegen der altruistischen
Färbung dieser Worte. Eine bessere Etymologie für b^ha ist
mir nicht bekannt, denn an das ai. Desiderativ bubhukiaU
leidet Hunger* (bubhukää *Hunger*; zu bhundkU hhunjaU 'genießt*
Uhlenbeck Et Wb. d. ai. Spr. s. v.) darf schwerlich gedacht
werden.
Die zweite Kategorie besteht aus dem dem litauischen
Kausativ bauglnti bedeutungsgleichen russ. pugdt' klruss. puhaUf
'schrecken, scheuchen*, russ. ispug 'Schreck' und Ableitungen.
Ihr p- erklärt sich durch gemeinrussische Analogie nach russ.
puMt' klruss. püzaty (klruss. pud^aty ist eine jüngere Form,
vgl. Sobolevskij Lekcii po istorii russk. jaz.* 126 f.) aus *p^jaHy
Iterativ zu russ. pudW ds. abg. pgdüi 'treiben*.
4. Sloven. düzati,
Sloven. düzam düzati 'stoßen, drängen düznem düznüi 'einen
Stoß geben' zu lit. datüiü daüzti 'stoßen' dauiaü dau^j^i Iter. ds.
5. Altöech. panost
Die Wurzelsilbe von aöech. panost Trunkenheit' wird von
Gebauer Hist. Äfluvn. öesk. jaz. I, 21, Prusfk KZ. 35, 600 (danach
auch Walde Lat. Et. Wb. s. v. bibo) auf uridg. *pä- in gr. irdivu)
'trinke' lat. pötm 'trank' lit. püta 'Zechgelage* zurückgeführt, so
daß hierdurch diese Ablautstufe der Wurzel *pö(i)- *pi- auch
füi* das Slavische als erwiesen betraclitet wird. Nun kann aber
öech. -a- der normale lautgesetzliche Vertreter einer ganzen Reihe
von urslavischen Lautungen sein; namentlicli kann es als Kon-
traktionsprodukt verschiedentlicher Art auftreten. Demnach stimmt
adech. panost Laut für Laut mit serb. pjdnöst osorb. pjanosc aus
*pyanosth überein. Das zugrunde liegende Adjektiv ahg.pijanb
pbjam tritt, vne auch die Ableitungen, in den verschiedenen
Sprachen in beiden Lautgestalten auf, vgl. serb. pijan pjän^ russ.
pjdnyj^ poln. pijany^ ^Qoh. pijan m. Trinker, Säufer'; es fehlt die
Berechtigung, daneben noch ein *pam anzunehmen. Über die
lautliche Seite vgl. Gebauer Hist Mluvn. I, 126 f. und die Bei-
spiele für ähnliche Kontraktionsprodukte a. o. 0. IH, 2, 398.
Zur slavischen Wortkunde. 315
6. Slavisch *derm,
Torbiörnsson Gemeinslav. Liquidametathese 2, 13 f. scheidet,
im Anschluß an Zupitza BB. 25, 101 f. dreierlei urslavische *demb:
1. "Stiel, Griff, Handhabe*; 2. "Schüssel, Pfanne*; 3. •Kinnbacken*.
Bei dieser vom slavischen Standpunkte einwandfreien Dreiteilung,
der auch in der Hauptsache richtige Etymologien zur Seite
stehen, fehlt jedoch die Berücksichtigung einiger Gesichtspunkte,
die zur Beurteilung der Worte imd ihres Verhältnisses zu den
Entsprechungen der anderen Sprachen wichtig sind. Die fol-
genden Zeilen enthalten erstens den Versuch, einige lauüiche
Schwierigkeiten bei der Vereinigung der slavischen und der
außerslavischen Worte zu beseitigen, woraus sich für das zuerst
genannte die etymologische Trennung in zwei verschiedene er-
geben wird ; zweitens aber liegt ihr Hauptzweck darin, nament-
lich für *derm 2., dessen Bedeutungsangabe eine auf etymo-
logischen Rücksichten beruhende Ungenauigkeit enthalt, gewisse,
bisher nicht beachtete semasiologische Momente in den Vorder-
grund zu rücken.
Ich folge bei der Betrachtung der einzelnen Worte Tor-
biömssons Einteilung.
1. Serb. cren *manubrium', russ. ciren "Heft, Stiel*, derendk
"Heftchen, Pfropfreis', klruss. derinka "Messerschale, Griff, poln.
irzon "Stiel eines Pilzes, Griff, Knoten*, öech. stfen "Griff, Stiel,
Heft, Schale*. In "Stiel* vereinigen sich zwei Bedeutungen:
1) "Pflanzenbestandteil, Pfropfreis, Pflanzenstiel* ; 2) "Handhabe,
Griff, Stiel eines Messers usw.* Die jeder dieser Bedeutungen
gerecht werdenden, von Torbiörnsson miteinander vereinigten,
etymologischen Entsprechungen weisen in semasiologisch und
lautlich getrennte Verbände.
1) *demb "Pflanze, Pflanzenteil*, wozu noch russ. diren F.
"Eichenholz* zu ziehen ist, gehört mit lit. k\ma "Strauchband*,
pr. kimo "Strauch* unter dem Ansätze ^cf^emo- *q¥ptä (Zupitza
Germ. Gutt 110 setzt wegen ahd. rahd. hart "Wald* q- an, doch
ist die germanische Vertretung von *q^0' bekanntlich noch nicht
einstimmig entschieden) zu einer Reihe von Ausdrücken für
"Baum, Holz, Wurzel usw.* vgl. z. B. lit. keras "Baum, Stumpf,
Staude*, lett zers "Strauch, knorrige Baumwurzel* und wegen des
Anlautes kymr. prenn 'Baum, Holz* (Fick VgLWb. II*, 63; Zupitza
a. a. 0.; Walde Et Wb. s. v. comus). Auch abgesehen von der Zu-
a
316 W. Y. d. Osten-Säcken,
gehörigkeit des keltischen Wortes schließen diese ausgespnx
Pflanzenausdrücke die Verbindung mit dem Worte für 'Han
aus wegen der in dessen Verwandten hervortretenden Bedi
einer sinnlichen Tätigkeit
>^ J 2) *derm 'Handhabe, Griff hat seine bis auf den Y
'4»i vokal identische Entsprechung in ai. kdrnctö M. 'Handhabe
jj' Ohr', kymr. cam 'Handhabe*, die auf uridg. *qam<h weisei
,^ was bisher noch nicht beachtet ist, offenbar mit lett aifka
* I . rühren, antasten' verwandt sind. Das slavische -e- mui
^ jünger sein, als das arisch-keltische -a-, doch stammt es,
y I stens in seinen Keimen, aus einer vorslavischen Period
steht in inniger Beziehung zu dem Vokal des lett k'ert 'g
fassen', nach oder mit dem es entstanden ist Folglich is
zelins (BB. 29, 190) zur Erklärung des k'- statt des lautges
zu erwartenden z- vorgeschlagene Annahme einer einzels
liehen Anlehnung des Verbums -kart an lett twert, lit
'fassen' unhaltbar. Überhaupt hebt die Eliminierung ein<
zelnen Falles mit unregelmäßigem palatalem Guttural di
Sache nicht auf, daß solche Beispiele mehrfach da exis
wo von sekundären Prozessen keine Rede sein kann \l
sie nur durch Entlehnung aus dem Litauischen oder, wen
genaue Entsprechungen nicht vorhanden sind, durch Mis
mit einem ausgestorbenen Grenzdialekt erklärt werden k
(vgl. Zupitza KZ. 37, 402). Eine Beziehung zwischen 1
Verben besteht aber insofern, als sich lett twe'H (akzei
nach Bielenstein), das zu lit tvirti nicht stimmt, in der Bet
nach k'e'rt gerichtet zu haben scheint; denn dieses pi
russ. cSren (über serb. cren s. Torbiörnsson). Übrigens i
Bedeutung der Wurzel *tuer- außerhalb des Baltischen i
der Bedeutung 'fassen — zusammenfassen' (Walde Et Wb
torm)^ niclit aber als 'fassen — greifen' belegt, sodaß aii
eine urbaltisch-slavische Beeinflussung von *Ļr- durch
nicht zu denken ist [vgl. Nachträge].
-• Eine befriedigende Erklärung des Verhältnisses -a-l-(
mag ich zwar nicht zu geben ; trotzdem sei es mir gestatt
einige Punkte, die dabei in Betracht kommen können,
r*4j weisen. Ein gewisser Parallelismus findet sich bei den n
BH Sippe des 'Greifens' im Lettischen verquickten Worten des Tj
|H Höhnens, Spottens', nämlich in dem Verhältnis von abg.
^^K ^Schmähung', ir. caire 'Tadel*, deren Vokal durch die
Zur slavischen Wortknnde. 317
gleichung lat carinäre 'höhnen, spotten' =» lett harinät *necken,
reizen' als uridg. -a- erwiesen wird, einerseits, zu den unver-
wandten gpech. K^pTo^oc 'höhnend', lit iszkemöU Verleumden,
schlecht machen' anderseits (Zupitza Oerm. Gutt 109 mit vielem
falschen ; Walde Et Wb. s. v. carino). Da bei ^qar- 'tadehi' eine
sinnliche Bedeutung außerhalb des Lettischen nicht belegt ist,
erscheint ursprünglicher Zusammenhang mit *g«r- 'anrühren* un-
wahrscheinlich (vgl. Leskien Ablaut der Wurzelsilben 331), so-
daß die Bedeutungen in lett kHma 'Plackerei, Händel', Kirinäi
(eigentlich iter. zu k'ert) 'zergen', karinäJt (s. oben, kann auch
als iter. zu -hart fungieren) 'zergen' (Bielenstein Lett Spr. I, 425),
wohl erst sekundär als Bindeglieder zwischen beiden Sippen ent-
wickelt worden sind. So darf auch nicht die Existenz eines
ursprachlichen *qer- 'greifen* aus *qer- 'höhnen' gefolgert werden,
zumal dieses erst aus *(s)qer' 'schneiden' entstanden (Brugmann
IF. 15, 97 f.) und nur außerhalb des Primärverbums belegt ist
Immerhin ist es nicht unmöglich, daß späterhin in formantisch
gleichartigen Worten die Vokaldoppelheit der einen Bedeutungs-
gruppe von der anderen nachgeahmt wurde. Beachtenswert in
dieser Beziehung ist die Gleichung: griech. Kdpvr] "Strafe* : lit
*'kerna (in iszkernöü ; vielleicht auch ir. cem *Sieg' Zupitza a, a. 0.)
= ai. kdrncis^ kymr. cam : slav. *demb. Es ist schwer zu ent-
scheiden, ob ihr ein Gewicht beizulegen ist, da die Verbalabstrakta
den nomina instrumenti begrifflich fernstehen. Jedenfalls ist die
Ausdehnung der Doppelheit bis auf das Primärverbum von dieser
Grundlage aus nicht zu verstehen. Umgekehrt können wir sagen,
daß die Verallgemeinerung des -e- im Nomen ausschließlich vom
Verbum abhängig ist, indem es die von -kart abweichende Be-
deutungsnuancierung von k'ert teilt
Für das Verbiim hilft uns vielleicht eine andere Proportion
aus, die sich mit den Verbalformen einer bedeutungsverwandten
Wurzel ergibt: nämlich lett k'ert : -kart — lett k'ept 'haften, mit
den Klauen anpacken' : lat capto, lett kampt 'ergreifen, fassen*
[vgl, auch Nachträge]. Trotz Walde (Et. Wb. s. v. ; das russ.-
kd. deph F. 'Kette' ist wohl eher eine dialektische Nebenform
für russ. cep' F. ds., wie im Altrussischen auch sonst d und e
wechseln) sehe ich keine Veranlassung, lett k'ept aus dieser
Verbindung zu trennen, insofern nur lat Perf. dpi eine alte
Ablautstufe enthält; denn der Ablaut -e-l-e-l-d- ist namentlich
im Baltischen nicht selten (vgl. lit kvepiti 'duften*, kvipti 'hauchen*,
320 W. y. d. Osten-Sacken,
Irisch Glosses, Dublin 1860, S.90); ähnlich aisLAufmo, vgLEgüsBon
Lex. Poet Antiq. Ling. Septentr. ; ja aisL huerr kann sogar %■»
aquae fervidae, thermae' (Egilsson a. a. 0.), und zwar in sakralem
Sinne als die Varmen Quellen in Lokis Haine' bezeichnen. Ab-
weichend ist ir. cernin$ ^Schüssel zum Auftragen der Speiaen'
(Cormacs Olossary transl. by O'Donovan, ed. by Stokes, Calcntia
1868, S. 37), das die Bedeutung ^Kochtopf voraussetzt^ elbean
wie *Gefäß mit warmem Wasser* auf 'Siedekessel* zurückgeht
Ai« carii^ bedeutet im Rigveda im allgemeinen *Ee6sel, Topf,
ohne daß sich aus den einzelnen Stellen eine speziellere De-
finierung feststellen ließe. Rigv. 10, 167, 4 bezeichnet es ein mit
*Soma' gefülltes Gefäß, speziell ein *Gefäß, aus dem Soma ge-
trunken wird' ; die Vorstufe dazu kann aber gewesen sein "Ge-
fäß, in dem der Soma zubereitet wird'. In der späteren Sprache
kommt es häufiger als 'Opferbrei' d. h. 'Gekochtes* vor, wobei
also eine Verschiebung vom 'Kochtopf auf dessen Inhalt statt-
gefunden hat; gleichzeitig kann der 'Brei* aber auch als Inhalt
der 'Opferschüssol' aufgefaßt werden [vgl. Nachträge].
In der Bedeutung stehen ai. caruö und ir. oemine dem slaT.
*cemb sehr nahe und können geradezu direkte Fortentwicklungen
aus der vorausgesetzten Grundbedeutung 'Feuergrube* sein. Da-
bei ist namentlich der sakrale Sinn des ai. Wortes zu beachten,
der gleichfalls der slav. Bedeutung 'Herd' anfangs innegewohnt
haben kann (vgl. Schrader Realloxikon 368). Das oben erwähnte
aisl. htierr weicht in dieser Beziehung viel stärker von ai.conijab.
Den übrigen keltischen, sowie den germanischen Worten
haftet die Bedeutung 'Siedekessel* so stark an, daß wir diese
wohl als die ursprüngliche ansehen können. Daraufhin lassen
sie sich mit abg. skvhrg skvreti 'schmelzen', sloven. cvrhn cvr^
'in Fett backen oder braten, prägein, rösten' (Torbiörnsson a. a. 0.
II, 80; Miklosich Et. Wb. s. skver-) verbinden. Die ursprünglichste
Bedeutung dieser Sippe war wohl 'knistern, prasseln*, wenn die
bei Miklosich a. a. 0. genannten Schallworte mit dazu gehören;
jedoch ist diese bei einem Teile primärer Bildungen, wie abg.
skvara 'Dampf, Fett*, poln. skwar 'Hitze' volllständig verloren ge-
gangen, und da aus 'dampfen, Dampfkessel' ein 'Sieden, Siede-
kesser leiclit herleitbar ist, kann der Umstand wohl schwerlich
stark ins Gewicht fallen, daß sonst diese Worte außerhalb des
Slavischen keine sicheren Entsprechungen haben. Ahd. acart-iiam
*Rost', mhd. schart 'Tiegel, Pfanne*, abg. skrada, skürada 'Pfanne'
Zur slaTischen Wortknnde. 821
(in jüngeren ksl. Quellen auch 'Herd, Scheiterhaufen*, wohl durch
Yennischung mit abg. hrada ds.) können als "^squord- gedeutet
werden, denn das -9- kann im Slavischen interkonsonantisch ge-
schwunden sein (wegen des Germanischen s. das oben betreffs
mhd. hart Gesagte); jedoch dann müßten sie von lett. skards^
tkarde 'Blech*, skarda 'Sparbüchse' getrennt werden, und so sind
sie doch vielleicht zu ahd. A^rrf, slav. *demb usw. zu ziehen trotz
des bei dieser Sippe sonst nicht vorhandenen s^Anlautes.
Die Bedeutungen in den beiden Sippen berühren sich in
manchen Punkten. So ist es nur sehr wahrscheinlich, dafi die
morphologisch gleichartigen Nominalbildungen *3«r-it- und ^quer-n-
im letzten Grunde auf 6ine zurückgehen, wobei ich die Priorität
der slavischen Fonn annehmen möchte. Übrigens ist ir. eem
sicher und ai. eaniä vielleicht lautlich mehrdeutig, sodaß volle
Sicherheit in bezug auf ihre Einreihung nicht besteht Indessen
kommen die rituellen Momente, sowie die gleich zu erwähnenden
Verhältnisse von griech. K^pvoc für die oben vorgetragene Deu-
tung in Betracht
Die Ansichten über griech. K^pvoc, K^pvov 'Opferschüsser
sind geteilt Entweder wird es mit aisl. huema usw. verbunden,
was Zupitza durch den für das Griechische nach Hirt IF. 17,
390 sehr bedenklichen Ansatz *quer' zu bewerkstelligen sucht
(die Ausdehnung von qu- auf das Slavische mit Zupitza ist aus-
geschlossen. Vgl. abg. cvht^ cmsti 'blühen', ö. kvit 'Blüte, Blume'),
oder es wird mit k- angesetzt, wofür zwei Etymologien vorliegen.
Unter diesen ist Uhlenbecks Anknüpfung an ai. Mras N. 'Haupt,
Kopf, Spitze' (Et. Wb. s, v.), griech. Kpdvov 'Schädel* usw. abzu-
weisen wegen der dieser Sippe zugrundeliegenden Bedeutung
'in die Höhe ragen, starren' (Fick Vgl. Wb. I*, 423), die auch
noch in griech. Kpdvoc 'Helm' Kopuc ds., d. h. 'Oberes, Kopf-
bedeckung' stark hervortritt und sich in keinem verwandten Worte
nach der Richtung der allgemeinen Gefäßbezeichnung verflüchtigt
hat Dagegen ist Hirts (Abi. 173) Verbindung mit K€pa^oc Topf er-
erde, Ziegel, Topf, Krug' zunächst bestechend, da K^pvoc in der
Hauptsache ein 'irdenes' Gefäß ist Die weiteren Verwandten
griech. KCpdwum 'mische', ai. irindH 'mengt, mischt, kocht, brät*,
iriiffxH 'kocht, brät' und namentlich das ai. kaus. Srapdyafi 'kocht,
brät, röstet, brennt' (Töpfe usw.) zeigen, daß die älteste Bedeu-
tung von K^pa^oc *Töpfererde, d. h. Gebranntes' ist, wodurch
die schon an sich höchst unglaubhafte Annahme der umgekehrten
322 W. T. d. Osten-Sacken, Zur slaviflchen Wortknnde.
Entwicklungsreihe 'Kochtopf zu Töpfererde' von Prellwitz (Et
Wb. * s. V.) widerlegt wird. Nun besteht eine ungeheuere Kluft
zwischen dem jedes *irdene' Gefäß bezeichnenden x^pa^oc und
dem stark individuellen Kdpvoc. Dieses, bei Daremberg et Saglio
Dict des Antiq. Grecq. et Rom. 3, 1, 822 ff. ausführlich besprochene
Gefäß, das nur in ganz bestimmter ritueller Yerwendung in der
ältesten Zeit bekannt ist, war auch ein Unikum in seiner sehr kom-
plizierten Konstruktion, sodaß es sehr unwahrscheinlich ist, daß
es den Namen von dem Material sollte bekommen haben, zumal auch
Exemplare aus Erz und Marmor vorhanden sind. Über den In-
halt des Hauptbeckens der mit vielen kleineren Ge&ßchen ver-
bundenen Schüssel sind die Archäologen nicht einig; charakte-
ristisch aber ist, daß man als solchen ^Weihrauch, brennende
Kerzen, Gebäck, oder den KUKeübv* (Grupper Griech. Belig. u. Kunst-
gesch. II, 1172*) vorgeschlagen hat Nach letzterer Deutung
stände K^pvoc in seiner Bedeutung dem griech. xporrip *Misch-
krug' (zu Kepdwufit) sehr nahe, anderseits aber weisen alle diese
Annahmen auf Vorstellungen, die mit denen, die ich für slav.
*cfernb^ ai. carüf vorausgesetzt habe, enge Berührungen haben;
namentlich fällt auch hier wieder das sakrale Moment sehr stark
ins Gewicht Da nun für den uridg. Ansatz eines *qerfws Teuer-
grube, Stätte des heiligen Feuers, Gefäß, in dem die Opferspeise
bereitet wird usw.' auch sonst Anzeichen genug vorhanden sind,
und da *qer' und *^-, das erst sekundärerweise 'brennen trs/
bedeuten kann, durchaus nicht als Parallelwurzeln gelten können,
wäre doch die Annahme eines neben *qemo8 stehenden *leemos
•Gefäß, in dem die Opferspeise bereitet wird' ein Spiel des Zu-
falles, mit dem wir nicht zu rechnen brauchen.
8. Slovak. dren 'Kinnbacken', ksl. drincvmt "molaris* criwh
vitbCb *dens molaris', öech. trenov 'Mühlstein', ifenavec 'Backen-
zahn' (Rank, 'Mahlzahn*), klruss. öerenjdk 'Backenzahn' usw. Als
sichere Entsprechung kann ich nur kymr. cem 'Kinnbacken',
breton. kern 'Mühltriehter' ansehen, die nach der Analogie von lat
<iens molaris und giiech. ^uXoc 'Mühle, Backenzahn' sämtlich auf
den Grundbegriff des 'Zermalmenden* zurückgehen und sich gut an
die weitverzweigte Sippe *{3)qer' 'schneiden* anknüpfen lassen. Der
Zusammenhang mit den anderen von Zupitza hergestellten Worten
ist aber doch sehr fraglich; sie können ebensogut, wie früher
Angenommen wurde, auf ^kermo- zurückgehen. Sollte breton. kern
•Scheitel, Tonsur' wirklich ein anderes Wort sein, wie kern 'Kopf-
S. Rodenbusch, Zur Bedeutungsentwicklung des griech. Perfekts. 828
wiTheV (Fick Vgl. Wb. n*, 81 •sommet de la tete'; Zupitza Germ.
3utt 185; Walde Et Wb. s. v. cerebrum^ wo jedoch auch kjrmr.
^em 'Kinnbacken' fälschlich angeführt ist)? Da die Ableitungen
ron *qem(h mit der Bedeutung 'Backenzahn', wie aus obigem
aervorgeht, nicht wie kymr. cüddant^ sloven. kötnik (zu kymr. eil
"Winker, sloven. kpt 'Ecke, Winkel') als Eckzahn zu fassen sind,
jo ist der Zusammenhang mit ir. cem 'Ecke, Winkel* kein so un-
mittelbarer. Vielmehr berührt sich dieses sehr eng mit ai. Uras
'Spitze', und wird wie dieses von der Bedeutung 'Gipfel, obere Spitze'
ausgehen, woraus schließlich 'Spitze, Ecke* werden konnte, sodaß es
mit obigem breton. kern identisch ist — Anderseits möchte ich aber
iuch auf lit. kerczä 'Winkel, Gehrsaß* (Leskien Bildung der Nomina
311) hinweisen, das in der Betonung nicht zu sldrti 'scheiden'
[Wurzel *(8)qer' 'schneiden'), sondern zu dem mit Determinativ
v-ersehenen kertü kifsti 'hauen' paßt Demgemäß wäre 'Einschnitt,
Spitze' als zugrundeliegende Bedeutung anzunehmen, und es wäre
fidlerdings Verwandtschaft mit den Worten für 'Backenzahn' vor-
handen, aber keine so ganz nahe, wie Zupitza annimmt
Leipzig. W. Frhr. v, d. Osten-Sacken.
Zur Bedeatangsentwlcklang des griechischen Perfekts.
Da wir nicht wissen, wie das Perfekt zu seinen wesent-
lichsten formalen Merkmalen, dem Ablaut und den ihm eigen-
tümlichen Personalendungen gekommen ist, so ist von dieser
Seite her eine Aufhellung seiner Bedeutungsentwicklung nicht
möglich. Wohl aber erhalten wir in dieser Hinsicht einigermaßen
Aufschluß durch die allmähliche Ausbreitung der Perfektform
auf die verschiedenen Verbalstämme sowie die verschiedenartige
Verteilung der Genusformen des Verbums auf Präsens und Per-
fektum. Auch Satzelemente, die außerhalb der Verbalformen ge-
legen sind, können uns hierbei dienlich sein. Und schließlich fin-
den wir in der Perfektbedeutung selbst gewisse Anhaltspunkte zu
einer Beurteilung ihrer allmählichen Ausbreitung xmd Entwicklung.
Als Grundbedeutung des griechischen Perfekts wird all-
gemein die Angabe dos auf einer abgeschlossenen Handlxmg
beruhenden Zustandes angesehen (Brugmann K. vergl. Gr. 565).
Dabei ist freilich hier schon abgesehen von den im Griechischen
324 E. Rodenbuscb,
durch oÄa vertretenen Präteritopräsentia, bei denen durch Weitn^
entwicklung der ursprünglichen Bedeutung die Yorsteümig der
Vorhandlung ganz geschwunden ist; und fernerhin Ton Perfohi
wie T^TTlOa, rdOriXa, die der Bedeutung der entsprechenden, sd
es vorauszusetzenden, sei es tatsächlich vorhandenen Prisentii
nahekommen. Sie sind IF. 21, 132 ff. als jüngere Analogiebilduiig
aufgefaßt worden.
Dagegen finden sich, in Übereinstimmung mit der obigen
Formulierung, in der übrigen, weitaus überwiegenden Hasse
der Perfekte zwei Vorstellungen zu einer einheitlichen Gtesamt-
vorstellung verschmolzen: 1. die untergeordnete Vorstellung der
abgeschlossenen Handlung und 2. die dominierende Yorstelluiig
des daraus sich ergebenden Zustandes. Da diese als Perfekt-
bedeutung bezeichnete Gesamtvoretellung nicht durch einen
einzigen Wahmehmungsakt perzipiert werden kann, vielmehr
beide als selbständig gedachte Vorstellungen in dem Verhältnis
von sachlicher und zeitlicher Folge zu einander stehen, so er-
hellt hieraus, daß es sich dabei um eine zusammengesetzte, nicht
et^va um eine noch niclit differenzierte Gesamtvorstellung handelt
Es ist also zu einer zuerst allein vorhandenen eine zweite hin-
zugetreten. Dabei kann nicht die Vorstellung des Folgezustandes
die ursprüngliche gewesen sein. Denn der Mechanismus zeitr
lieber Verechiebung, der durch die stetig vorrückende G^enwtrt
des Sprechenden in Gang gesetzt wird (EP. 21, 135), setzt von
selbst an Stolle des ursprünglich vorhandenen Vorgangs den
Folgezustand. Dagegen führt kein ebenso elementarer und ein-
deutiger Weg vom Folgezustand zur Vorhandlimg zurück. Der
Ausgangspunkt der perfektisclien Vorstellung war somit die dem
Folgezustand vorausgehende Handlung. Die Handlung aber in
ihrem Verlauf, sei es mit oder ohne Abschluß darzustellen, war
Aufgabe der präsentischen Aktionsart.
Somit ist die perfektische Aktionsart durch zeitliche Ver-
schiebung aus der präsentisclien hervorgegangen, ein Vorgang,
der sich in historischer Zeit, wenn auch ohne formale Ände-
rungen, wiederholt hat (IF. 21, 135 ff.). Die große Mannigfaltig-
keit der präsentischen Aktionsart wurde dabei, ähnlich wie bei
dem Übergang zu aoristischer Aktionsart (IF. 21, 123 u. 126) ab-
gestreift: eine Tatsache, die sich aus der Art der Bedeutong&-
entwicklung unmittelbar erklärt Denn während der durch das^
Präsens dargestellte Verlauf selbst die mannigfachsten VariaticHien
Zur Bedeutungsentwicklung des griechischen Perfekts. 325
■eigen kann, stellt der Aorist nur einen durch Abstraktion ge-
wonnenen Moment (a. a. 0. 130 f.), das Perfekt aber einen starren
Zustand dar. Die Entwicklung von präsentiscber zu perfektischer
Bedeutung mußte nun von selbst dahin fuhren, daß die Yor-
tumdlung hinter den Folgezustand zurücktrat oder, wie bei den
Präteritopräsentia, ganz verschwand. Und ebenso erklärt es sich
durch den kontinuierlich von der einen zur andern Aktionsart
sich vollziehenden Übergang, daß sich das Perfekt mit dem Prä-
sens zu einem auf einheiüicbem Stamm beruhenden Verbal-
system verbunden hat, trotzdem präsentische und perfektische
Vorstellung auf real verschiedener Grundlage beruhen. Baß die
!^tstehung der perfektischen Bedeutung sUter war als die der
aoristischen, läßt sich vermuten; denn jene deckte ein sachliches
Bedürfnis, während diese stilistischer Natur war.
Die Tatsache, daß der auf der Vorhandlung beruhende Zu-
stand die ursprüngliche Bedeutung des Perfekts darstellt, von
der alle weitere Entwicklung ausging, reflektiert sich noch in
seiner im Vergleich zum Präsens häufiger begegnenden intransi-
tiven Bedeutung imd im Zusammenhang damit in dem eigen-
tümlichen Vorwiegen seiner aktiven Endungen.
Weitaus die meisten homerischen Perfekta kommen in in-
transitiver oder passivischer Verwendung vor. Von den passiven
Perfekta sehen wir zunächst ab, da die Entstehung des Passivs
erst jungem Datums ist Unter den intransitiven Perfekta be-
finden sich einige, deren Präsentia transitiv waren, so dpapioctfi
und reuxui. 0uui war zwar ursprünglich intransitiv (Delbrück
Vergl. Synt 2,417); als es jedoch transitiv wurde, behielt doch
ir4q)UKa die im Perfekt fester haftende intransitive Bedeutung.
Bei andern Verben wie icttuli, ^rJTvu|ii erklärt sich die intransi-
tive Bedeutung des medialen Präsens erst aus der besonderen
Wendung des medialen Sinnes; es standen also auch in solchen
Fällen vielleicht einmal ausschließlich transitives Präsens und
intransitives Perfekt gegenüber.
Somit ersclieint die Annahme gerechtfertigt, daß das Per-
fekt anfänglich wenn nicht ausschließlich, so doch überwiegend
in intransitivem Sinne gebraucht wurde. Diese Erscheinung steht
in innerem Zusammenhang mit der Entstehung der perfektischon
Aktionsart Auf dem Wege zeitlicher Verschiebung konnte sich
aus der präsentischen Aktionsaii: zunächst nur dann die perfek-
tische als selbständige grammatische Kat^orie herausbilden, wenn
Indogermanische Forschungen XXII. 22
324 E. Rodenbuscb,
durch oÄa vertretenen Präteritopräsentia, bei denen dnrchWeiteF-
entwicklung der ursprünglichen Bedeutung die Yorst^Oting der
Vorhandlung ganz geschwunden ist; und fernerhin von Perfekti
wie T^TTlOa, t^OtiXo, die der Bedeutung der entsprechenden, sei
es vorauszusetzenden, sei es tatsächlich vorhandenen Präsentia
nahekommen. Sie sind IF. 21, 132 ff. als jüngere Analogiebildung
aufgefaßt worden.
Dagegen finden sich, in Übereinstimmung mit der obigen
Formulierung, in der übrigen, weitaus überwiegenden Hasse
der Perfekte zwei Vorstellungen zu einer einheitlichen Oesamt-
vorstellung verschmolzen: 1. die imtergeordnete Vorstellung der
abgeschlossenen Handlung und 2. die dominierende Vorstellung
des daraus sich ergebenden Zustandes. Da diese als Perfekt-
bedeutung bezeichnete Gesamtvorstellung nicht durch einen
einzigen Wahmehmungsakt perzipiert werden kann, vielmehr
beide als selbständig gedachte Vorstellungen in dem Verhältnis
von sachlicher und zeitlicher Folge zu einander stehen, so er-
hellt hieraus, daß es sich dabei um eine zusammengesetzte, nicht
etwa um eine noch nielit differenzierte Gesamt\'orstellung handelt
Es ist also zu einer zuerst allein vorliandenen eine zweite hin-
zugetreten. Dabei kann nicht die Vorstellung des Folgezustandes
die ursprüngliche gewesen sein. Denn der Mechanismus zeit-
licher Verschiebung, der durch die stetig vorrückende Gegenwart
des Sprechenden in Gang gesetzt wird (EP. 21, 135), setzt von
selbst an Stolle des ursprünglich vorhandenen Vorgangs den
Folgezustand. Dagegen führt kein ebenso elementarer und ein-
deutiger Weg vom Folgezustand zur Vorhandlung zurück. Der
Ausgangspunkt der perfoktischen Vorstellung war somit die dem
Folgezustand vorausgellende Handlung. Die Handlung aber in
ihrem Verlauf, sei es mit oder ohne Abschluß darzustellen, war
Aufgabe der präsentischen Aktionsart
Somit ist die perfektische Aktionsart durch zeitliche Ver-
schiebung aus der präsentisclien herv^orgegangen, ein Vorgang,
der sich in historischer Zeit, wenn auch ohne formale Ände-
rungen, wiederholt hat (IF. 21, 135 ff.). Die große Mannigfaltig-
keit der präsentischen Aktionsart wurde dabei, ähnlich wie bei
dem Übergang zu aoristischer Aktionsart (IF. 21, 123 u. 126) ab-
gestreift: eine Tatsache, die sich aus der Art der Bedeutongs-
entwickliing unmittelbar erklärt. Denn während der durch das«
Präsens dargestellte Verlauf selbst die mannigfachsten Variationen
Zur Bedeutungsentwicklang des griechischen Perfekts. 827
auszeichneten 1). In diesen Endungen fand ursprünglich jene eigen-
tümliche Verbindung von Aktionsart und intransitiver Bedeutung
ihren Ausdruck. Zu aktiven Endungen wurden sie erst, als man
bei der Übertragung der Perfektaktion auf transitive Verba
iß. u.) das Bedürfnis empfand, Aktiv und Medium auch im Perfekt
XU differenzieren; vgl. Delbrück a.a.O. 415.
Freilich steht dieser Auffassung anscheinend der Umstand
im Wege, daß auch das mediale Perfekt in der 1. und 3. Person
Sing, ursprünglich (in vorgriechischer Zeit) besondere Endungen
hatte. Die Besonderheit der perfektischen Personalendungen
könnte demnach nicht für die perfektisch-intransitive Bedeutung,
soweit sie über dem Gegensatz von Aktivum und Medium stand, in
Anspruch genommen werden. Die auf -ai ausgehenden Endungen
der 1. und 3. Sing. Perf. Med. können jedoch jünger sein als die
Entstehung des intransitiven Perf. Akt Sie sind vielleicht nur eine
an -mai und -tai angelehnte Übertragung von -a und -e ins Medium.
Nach dem Muster intransitiver Verben konnten nun auch
transitive die Zustandsbedeutung des Perfekts in der ursprüng-
lichen Weise entwickeln, wenn der Zustand nicht nur am Ob-
jekt, sondern auch am Subjekt sichtbar wurde, wie bei K^KTimai,
€upTiKcu etXricpa. Viel stärker aber wurde der Kreis der Perfekta
durch die Ausbildung des Passivs erweitert; bei Homer sind
wohl die meisten Perfekta passivisch. Der Grund der Affinität
zwischen Perfekt und Passiv war derselbe wie der, der das Perfekt
zuerst an Intransitiven, die ja dem Passiv bedeutungs verwandt
waren, erwachsen ließ. Hier wie dort konnte sich die Bedeutung der
Zuständlichkeit am freiesten entfalten. Die Annahme Bimgmanns
K. vgl. Gr. 601, daß das Passiv vielleicht an Perfekta wie fcrpujTai
ins Leben getreten sei, scheint mir dadurch nicht bedingt; viel-
leicht war die Differenzierung zwischen Aktiv und Medium im
Perfekt noch gar nicht durchgeführt, als das aus dem Medium
entwickelte Passiv anderwärts schon auftrat Das Passiv hatte
vielmehr zu allen Tempora die gleiche Tendenz, dagegen siedelte
sich das Perfekt, seiner Bedeutung entsprechend, vorzugweise
im Bereiche des Passivs an, nicht umgekehrt Sobald also ein-
mal das Perfekt zur Unterscheidung aktiver und medialer und
weiterhin auch passiver Diathese befähigt war, breitete es sich
stärker als andere Tempora im Passiv aus, obwohl es erst später
zu dieser Diathese Zutritt erlangt hatte.
1) Nach ursprünglicher Verteilung vielleicht auch die 1. Person
plar. (Brugmann K. Vgl. Gramm. 591). 22*
aeS E. Rodenbnscrk,
Wafarsefaeinlic^ schon in uTÜg, Zeit hatte das PerfiBkt <
Erweiterong über die nrRprünglichen Grrenzen seiner
erfahren. I>rs Perfekt winrde nonmefar nach Amdogie das ent-
geschaffenen Tjpus auch von solchen V^ben gebiMet^ bei den^i
sich ein realer Folgezustand des Subjekts aus der Haadkiiif
nicht ergab, z. B. Demosth. 1, 22 Morfvnciav KCiajuXumicnr TUxCepa
Allerdings folgt dem abgeschlossenen Vorgang ein an dem Objekt
haftender Zustand, und Delbrück (a.a.O. 217) wie Brvgmaa
(Gr. Ghr. ^ 479) sehen das W^en solcher Perfekta eben dan%
daß die Wirkung der Handlung am Objekt sichtbar wisd. Ab«
diese Vorstellung des am Objekt sichtbar werdeode» ZustendK
liegt keineswegs in der Verbindung: Subjekt + Perfekt + Objekt
selbst, sondern kann daraus doch erst auf dem Wege der SeUof-
folgerung gewonnen werden, was in deutschen Übenetzangea
wie XeXuKotci 'sie haben gelöst, und er ist nun los' deutlie)» xma
Ausdruck kommt. Nach allseitig durchgeführter spraeUieber
Gewöhnung gelten die formalen Elemente der Verbalbedeutung
nicht etwa vom Standpunkt des Objekts, sondern nur des Sab»-
jekts^); für dieses aber ergibt sich im obigen Falle kein fod
bestimmter Zustand aus dem Abschluß der Handlung.
Indem jedoch der Typu^ XeXuKa dem Typus ledvnw» 9tUh
logisch nadigesehaffen wurde, so stellte sich auch hier neben
der Vorstellung der abgeschlossenen Handlung die eines in der
Gegenwart des Sprechenden weiter bestehenden ZuStandes ein.
Da die reale Unterlage fehlte, so wurde die Vorstellung von
selbst auf ein abstrakteres, geistigeres Gebiet übergeführt An
die Stelle eines real vorhandenen Zustandes trat die Vorstellung
einer irgendwie gearteten, von der abgeschlossenen Handtnng
aus in die (legenwart des Sprechenden reichenden Besiehung
oder Bedeutung ; X^XuKa ist also im Hinblick auf die C^enwart
gesagt In den Reden des Demosthenes trägt das stark hervor-
tretende Perfekt mit dazu bei, den aktuellen Charakter der Rede sa
erhöhen ; auch was vergangen ist, wird dadurch in wirksame Be-
ziehung zur Gegenwart gesetzt. In einer Verbindung wie XcXuHXi
Totc CTiovbdc kann sich weiterhin von hier aus die Bedeutung
1) Soweit, was uns hier nichts angeht, nicht der Standpunkt des
Redenden in dorn Bedeutungscharakter der Verbalform seinen Ausdraek
fand, wie bei den Tempora und in der Regel bei den außerindikativischeii
Modi ; vgl. dazu Brugmann Gr. Gramm. ^ § 551. 1.
Znr fiedentniigBentwiekking des griechiBcheii Perfekts. 329
4w Perfekts zu «ioem dem Subjekt anhaftendea geistigen Za-
ttKoA verdichten ('sie sind vertragsbrüchig').
Andrerseits tritt da, wo die Vorstellung eines realen Folge-
austandes sich verflüchtigt, mit dem Schwinden der auf die
Gegenwart sielenden Beziehung die Bedeutung des Yorüberseins
der Handlung wieder stärker hervor. Dies bedeutet eine An-
näiherang an den Aorist und hat bekanntlich in der spätem
GM&zität eine wirkliche Vermischung beider Tempora herbeige-
führt (Brugmann Gr. 6r. ^ 494 f.); vgL auch schon Demosth. 19,
206 oöt' i^iwxXnca oöre ßeßiacibiaL Für das Hervortreten der Ver-
l^genheitsbedeutuDg führt Delbrück 215 eine Anzahl Beispiele
an; namentlich ist beweisend p 371 t^ -^dp }x\v irpöcOev öiruma;
femer Eurip. Holen. 226 iv KÜiiaciv ßiorov XeXoiirev. Auch in-
transitiv und passiv gebrauchte Perfekta können an dieser Ent-
wicklung teilnehmen. So ist zwar ßeßitüxe sachlich dasselbe wie
Te^K€ und kann den auf den abgeschlossenen Vorgang des
Lebens folgenden Zustand des Totseins bezeichnen. Es kann aber
«ach der Nachdmck auf die Verweisung des Vorgangs in den
Zeitraum der Vergangenheit gelegt werden; so Isoer. 15, 27
oÜTUJ ßeßiuiica töv TrapeXGovra xpövov. Ähnlich in der auf die
Katilinarier bezüglichen Äußemng Ciceros vixerunt^ und noch
entschiedener in Virgils fuimus Troes, Für das Passiv bringt
Bmgmann a. a. ü. 478 Beispiele bei.
Eis entspricht wiederum der Entstehung der perfektischen
Aktionsart, wenn, ähnlicli wie beim Aorist, in zahlreichen Fällen
der Abschluß der Handlung erst an der Schwelle der Gegenwart
erfolgt; vgl. Delbrück 215, wo namentlich Beispiele für das zu-
sammenfassende Perfekt angeführt werden. Aber auch bei Einzel-
Torgängen steht es in dieser Weise; so Soph. El. 73 dpr\Ka [liv
vuv Tauia; Plat Prot 328 C toutov Xotov eifpriKa; aKTiKOore (iiüpd-
lorre) nach der Zeugnisverlesung bei den Rednern.
Daß in der Tat zuweilen mehr der Gedanke der Verweisung
ftB die Vergangenheit bei dem Gebrauch des Perfekts vorschwebte,
als der daraus entwickelte Zustand, läßt sich gegebenen Falls
auch an adverbialen und präpositionalen Bestimmungen erkennen.
Freilich der Gebrauch von eic in Fällen wie E 204 aördp ireilöc
de "IXiov eiXrjXouBa ist mit Rücksicht auf irapf^cav eic noch kein
zwingender Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung. Aber
4er überwiegende Gebrauch von bewegunganzeigenden Präpo-
flitioiien bei Perfekta, deren Präsentia Verba der Bewegung sind,
330 E. Rodenbusch, Zur Bedeutangsentwicklung des giiech. Perfekti.
läßt doch kaum eine andere Auffassang zu, als daß die Yor-
stellung der in die Vergangenheit gerückten Handlung, nicht aber
der daraus sich ergebende bewegungslose Zustand das Wesent-
liche ist Auch Zusätze, wie irpocöev p 371; vnöc dw' dXXorpinc
uj 300 ; iv Ku|iaa Eurip. Hei. 226 ; töv irapeAGövra xpövov Isokr. 15,
27 lassen die präsentische Auffassung als gekünstelt erscheinen.
Bei diesem Doppelcharakter des Perfekts verstehen wir es wohl,
wenn das Altertum das Perfekt bald als Tempus der Yergangenheit,
bald als Tempus der Gegenwart auffaßt Aber auch da, wo das
Perfekt als Tempus der Vergangenheit aufgefaßt werden mofi,
ist doch stets die Beziehung auf die Gegenwart, die Herstellung
eines geistigen Bandes zwischen vergangenem Ereignis und der
Gegenwart des Sprechenden festgehalten.
Es ist also auch in dem Perfekttypus X^Xuko schon ein be-
deutender Schritt von dem ursprünglichen zu dem Zustand der
nachalexandrinischen Zeit zu erkennen. Lange Zeit aber hatte das
Griechische die Abstraktionen, die durch den jungem Perfekt-
typus auf der einen und den ingressiven und effektiven Aorist
auf der andern Seite vertreten sind (IF. 21, 1301), auseinander-
gehalten, obwohl der genannte Perfekttypus und der effektive
Aorist gegen einander konvergierten: ein Beweis dafür, daß
das Griechische ein außerordentlich feines Gefühl für aktioneile
Differenziening liatte. Im Lateinischen und vielleicht auch Ger-
manischen waren jene Tempora vor Beginn der Überlieferung
in ein Tempus zusammengeflossen, was hauptsächlich durch das
Zurückweichen der ingressiven und effektiven Bedeutung des
Aorists vor der konstatierenden bewirkt sein muß. Im Latei-
nischen trat an Stelle beider Tempora bekanntlich ein Misch-
tempus, im Germanischen geschah entweder dasselbe (vgl. Janko
IF. 20, 262 ff.) oder es fand Verdrängung des Aorists statt
Vergleiciit man liiermit, was IF. 21, 126 über das Verhält-
nis von Präsens und Aorist gesagt worden ist, so leuchtet ein,
daß die starre schematische Abgrenzung der Aktionsarten wohl
zur Orientierung nützlich ist, aber nicht die historische Ent-
wicklung sowie die dadurch bedingte Mannigfaltigkeit der Diffe-
renzienmg erkennen läßt
Noch eine andere allgemeine Bemerkung möge hier Platz
finden. Man sieht allgemein in den verschiedenen Aktionsarten
des griechischen Verbums Erscheinungen, die alle auf demselben
Boden erwachsen sind. Zum Zwecke genauerer Orientierung er-
W. van Hellen, Zu IF. 20, 861 ff. 881
geben sich jedoch von selbst zwei Gruppen. Auf der einen Seite
schließen sich alle Varietäten des Präsensstammes in ihrem
Wesen zu einer einheitlichen Gruppe zusammen gegenüber der
Beihe, die durch das Präsens in seiner Gesamtheit, das Perfek-
tum und den Aorist vertreten wird. Jene Varietäten der Prä-
sensaktion stellen die Handlungen in ihrem Verlauf nach den
in der Wirklichkeit gegebenen verschiedenartigen Merkmalen
dar; als solche werden sie schon von Anfang an Elemente der
Yerbalbildung gewesen sein, ja z. T. aus einer Zeit stammen, wo
sich Nomen und Verbum noch nicht formell von einander ge-
trennt hatten. Anders verhält sich die Reihe: Präsens, Perfekt
und Aorist. Aus der präsentischen Aktionsart haben sich Per-
fekt und Aorist durch zeitliche Verschiebung entwickelt, und
zwar ein Teil des Perfekts und der Aorist erst in späterer Zeit
Nur der älteste Perfektiypus bezeichnet gegenüber der Präsens-
aktion eine sachlich selbständige Vorstellung und reicht deshalb
vielleicht auch in dieselbe Zeit zurück wie die ältesten Typen
der pi'äsentischen Aktionsunterschiede. Die jungem Perfekta so-
wie der Aorist waren Weiterbildungen wesenüich stilistischer
Natur, die durch allmählichen Bedeutungswandel zu der Funk-
tion gelangten, den Ausdruck über naturgetreue Objektivität in
die Sphäre geistiger Subjektivität zu erheben.
Duisburg-Meiderich. E. Rodenbusch.
^'
■C
v<?
Zq IF.20, 861ir.
jx ■ Aus dem Artikelchen "Die Entstehung von -öz- in der
•^ germ. Komparation" ersehe ich, daß der Verfasser desselben das
IF. 16, 65 f. über dies Suffix ausgeführte oberflächlich gelesen.
Sonst hätte er es ja unterlassen, einerseits als seine, von meiner
Ansicht abweichende Fassung vorzubringen, was bereits IF. 16,
65 gesagt wurde, andrerseits mir die unmögliche Behauptung
zuzuschieben, daß die Substituierung von -äz- für -iöz- bezw.
"jOsh bei der Komparativbildung zu o-Stämmen die Folge ge-
wesen sei von Analogiebildung nach -io«-, -iöz- zu Positiven
mit -»0-, -10-, -f(-). Nach der von mir vertretenen Ansicht hätten
wir folgende Entwicklimg zu statuieren:
332 C. Marstrander,
1. durch Einfluß der h- bezw. -^losen Suffixe des Poo-
tivs der o-Stämme entstand im Komparativ neben -t»- ein Suffix
-äz- für -iöZ' bezw. -iöz- (s. IF. 16, 65);
2. die so durch Verwendung von -öa- und -£p- in im
Majorität der Komparativbildimgen zur Norm gewordenen Doppel-
suffixe beeinflußten die Minorität, d. h. die zu -t- bezw. -f
haltigem Positiv gebildeten Komparative; es wirkte hier abo
der nämliche Faktor, der die Verallgemeinerung der Adverbien
auf altes -o- bezw. -f, d. h. die Ven^ endung der -v- bezw. -f4o8e»
Suffixe auch beim nicht zu o-Adjektiven stehenden Adveib
veranlaß te;
3. von -öe- und -te- der zu -»- bezw. -;t*haltigem PosiÜT
stehenden Komparative kam in der Folge ersteres außer Ge-
brauch, indem das -t-, -f-, -t des Positivs eine Vorliebe für
-iz- hervorrieft).
Strömbergs Behauptung (20, 362) "Femer muß in Betracht
kommen, daß die Komparativsuffixe wohl immer noch in der
Regel an die Wurzel antraten; wemi nun -öz- als Träger des
Steigerungsbegriffes empfunden wurde, mußte es auch den
Wurzeln der -lo- Stämme angehängt werden" erfordert keine
Widerlegung.
(Ironingen. W. van Helten.
Germ, rukkan- ^x
habe ich IF. XXI, 346 ff. aus ^uftkon- erklärt und auf die Wurzel
*uert Mrehen' bezogen.
In formeller sowie in begrifflicher Hinsicht wird man gegen
diese Etymologie kaum einen erhebliclien Einwand machen können.
Damm, daß idg. uf vor Konsonant in vielen Fällen durch ru ver-
treten wird, kommt man doch nicht vorbei. Und was das -tk" betrifft,
so bin ich noch nicht davon überzeugt, daß dies im Urgenna-
nischen in -sk- verschoben sei. Brugmann vermutet zwar Grdr.* 2,
702 f. für das -sk- mehrerer germanischen Wörter einen derartigen
1) Die IF. 16, GG als Parallele zu diesem Vorgang herangezogene
Entstehung der Adverbialbildungen vesfe, ide usw. möchte ich jetzt lieber
auf Rechnung der Einwirkung des umgelauteten Vokals bezw. Diphthongs
der Adjektive stellen.
Germ, rukkam- 83B
ÜTqnnng, aber er hat seine Annahme kaum mit einem einsigeii
Euverlässigen Beispiel belegt Wenn ich nichtsdestoweniger meiiUD
eigene Etymologie verwerfen mufi, so sind für mich dazu in
erster Reihe die beiden folgenden Wörter bestimmend gewesen :
das bei O'CIery aufgeführte irische ruckt i, inar und das ger-
manische ^rukhp- im altnorw. rokkr^ ahd. roc. Die Übereinstim-
mnng in Form und Bedeutung zwischen diesen Wörtern wir*
schwerlich eine zufällige sein, und da das gerro. *rulcka- mit
^rukkan- 'Spinnrocken' eng zusammenzugehören scheint, so kann
•niArfain- nicht aus *uftk(m- entstanden sein. Die Wörter : germ.
^rukkan- "Spinnrocken*, *rtjJcka- 'gesponnenes Kleid, Rock*, ir.
*r%üetU' 'rokkr' weisen alle auf eine Wz. ruklg- 'drehen' hin, welche
aber nirgends belegt ist Nehmen wir aber für das ru- Ent-
stehung aus älterem uf- an, so ergibt sich die aus beinahe allem
idg. Sprachen bekannte Wz. ^uerg- 'drehen, flechten', zu welcher
imsere Wörter sich ganz ungezwungen stellen lassen. "'rtcArJran-
aus ^ufg-n-ir^ zeigt doppeltes n-Suffix ganz wie ^sunndn-^ *rukkar
ist ein altes Partizipium, aus ^ufgnd- ('das Gesponnene') entstanden,
nnd ^ruk-tu- aus *ufg-tii- eigentlich ein Abstraktum zu derselben
Wurzel.
Die Beurteilung dieser Wurzel ist in vielen Fällen sehr
schwierig ^). Das gesamteMaterial wieder hervorzuziehen, liegt außer
dem Zwecke dieses Aufsatzes. Nur möchte ich in aller Kürze auf
folgendes aufmerksam machen : Neben idg. "^uerg- 'drehen' stand
in der idg. Ursprache eine mit palataleni Guttural determinierte
Wz. *uer^'j an der schon damals die Bedeutung 'tun, wirken'
haftete. Dies ergibt sich aus mehreren iranischen Wörtern, die
in andern idg. Sprachen ihre genauste Entsprechung finden. So
z. B. aw. wr92' 'wirken' (im Gegensatz zu denken und sprechen,
s. Bartholomae), das nicht vom germ. *uurkian- (vielleicht auch
nicht vom mir. fairged 'machtf)') getrennt werden kann*). Besonders
bemerkenswert ist die völlige Übereinstimmung zwischen aw.
1) Außer der in Bartholomaes Iran. Wb. S. 1426 a erwähnten Literatur,
vgl. noch Meringer IF. 17, 153 ff. und Walde Et.-Lat. Wb. S. 659 f.
2) Interessant ist die Übereinstimmung zwischen aw. frä-vardz-
(z. B. Vidövdät 3, 21 : yezida JU ant/a aya Syaof^na fravarSta : *wenn er
aber andere Übeltaten nicht begangen hat') und got. frawaurkyan. Ebenso
die zwischen aw. ua-vctr?»- (uavanzdi 'um wieder gut zu machen' [was
von mir falsch getan wurde] s. Barth. S. 1378) und got. ustoaürkts (opp.
frmwaürhts Matth. 9, 13). Got. U8 ist freilich vom iran. us etymologisch ver-
schieden, stimmt aber im Gebrauch öfters mit diesem ttberein.
334 C. Marstrander, Germ. mU»»-.
V9r9zya^^ N. 'Arbeit' und dem gleichbedeutenden altnorw. yrld^
und die zwischen aw. i7ar»sa- (freilich Mask.) und *^er§o- in
Neutren griech. ?pTov, gerni. *uerka-. Neben *yierg- 'drehen* koi
(mindestens im Baltisch-Slavischen) ein *iwr^- mit derselben
deutung vor, aber dem *|»r^- Virken' steht, mir bekannt, nirge
ein *uerg' oder überhaupt irgendeine Wurzelvariante zur S<
Es scheint mir deshalb ziemlich kühn, wenn Meringer und mit i
auch andere Gelehrte annehmen, diese Wurzeln seien eigentl
identisch. Die semasiologischen Schwierigkeiten wollen sie du
die Annahme beseitigen, daß *uerg-^ weil im Indogennaniscl
auf die Weberei angewendet, zu einem Ausdruck für *8cbafl
sich produktiv betätigen* überhaupt wurde. Dazu ist jedoch
bemerken, daß diese Bedeutungsentwicklung sich in einer s
frühen Zeit der indogermanischen Gemeinschaft vollzogen bal
müßte, und das will mir nicht einleuchten. Man wäre wohl
dem Falle auch imstande gewesen eine derartige Entwickle
bei einer so weit verbreiteten Sippe näher zu verfolgen.
Das folgende Verzeichnis enthält — ohne auf Vollständigk
Anspruch zu machen — eine Zusamenstellung von Wörtern,
meines Erachtens zur Wz. ^uerg- 'drehen* gehören.
Basis uere[n]g 'drehen, flechten, spinnen*.
Akzent I, idg. *uerg : *uSrgeti, skr. vdrjati, lat. vergü, lett we
'drehen, wenden*, sawergt 'einschrumpfen', lit. verfiü^ wr
'einengen, schnüren', altnorw. tirgül 'Strick, Schnur*, al
werih 'Werg', kymr. cy-warch. Kaum hieher skr. valgd F. "Zau
Zügel', das besser zum lett tvalgs 'Schnur* gestellt wird. Ül
lat virga 'Rute' und skr. valguHkä- 'Kiste, Kasten* ist nid
Sicheres zu sagen.
Akzent II, a) idg. *ure\n]g^ *\fyo[n\g : skr. vrajä- 'Zaun, Umhegui
Hürde'»), ir. fraig 'Wand'^) (vgl. skr. kudya- zu *kert'\ (fraif
Grdf. *urogi'^ lit rengtis 'sich biegen', ags. wrenc 'Krümmui
Drehung, Ränke', wrencmC drehen', icrincle 'Runzel*, altnor
rangr 'schief, unrecht' und mehrere germ. Wörter, s. besond(
Falk u. Torp Ordbog vrang.
b) idg. *urig, urög : gr. ^fjToc Teppich', ^üjE 'eine Spinnenai
1) Skr. vraja- Trupp, Schwann' ist eigentlich dasselbe Wort ; es
derselben Bedeutungsentwicklung unterworfen gewesen wie altnorw. Hd
"Schar', vgl. rida 'drehen, flechten*.
2) Mir. Im neuirischen ist die Bedeutung 'Dachsparren' all«
herrschend. Atkinsons fraige Ancient Laws VI, 414 muß bestimmt x
richtig sein.
W. Stokes, 9-Presents in Irish. 33&
MinJmalstufe I mit Ausstoßung der folgenden Silbe : idg. *^fg : rug^
*tipig : rung : skr. vjjind- 'krumm, falsch', abg. vrbzq *binden%
altnorw. urga *Seilstumpf , as. umrgil *Strick', germ. *rukkan-
*Spinnrocken', *rukka- 'das Gesponnene', ir. ^ruktU" *das Spinnen,
das Gesponnene'. Hieber kann auch das von Falk u. Torp
(Ordbog, Anhang I, rok) mit *rukkan- verglichene schwedische
rukka 'hin und her bewegen' gehören. Hinsichtlich der Bedeu-
tung entsprichtgenau das verwandte skr. varjaycUi in Wendungen
wie mürdhdnam^ irötrdni varjayati Bemerkenswert ist schwed.
runka mit eingeschobenem Nasal, vgl. skr. med. pp%kU (statt
*runktS durch Systemzwang).
Minimalstufe II mit Ausstoßung der vorausgehenden Silbe, idg.
*^r^gj unag : got. u?rung6 *Schlinge'.
idg. *utg im lat rüga 'Runzel' verhält sich zu *uirgeti (lat. vergü)
genau so wie skr. rüpa- zu varpas-^ skr. lütd- 'Spinne' zu vartaii.
Zuletzt noch ein paar Worte über die Vertretung des indo-
germanischen uf vor Konsonant im Irischen. Wie in den übrigen
Sprachen muß auch hier eine doppelte Vertretung anerkannt
werden, teils und am gewöhnlichsten durch /W, teils durch ru.
Ein Beispiel letzterer Art ist außer dem oben erwähnten rudit
vielleicht noch ruth 'Kette', das offenbar zur Wz. *uert- gehört
ebenso wie lat. tarquis zu tarquSre^ ir. fiamh zu *fiei- im lat
ttmen. Am nächsten kommt aw. varatc^ 'Ball, Klotz', ru- aus f^f
zeigt noch ir. droch 'böse', vgl. aw. dru/8 'Gespenst' und *dÄfier-
im skr. dhvara^- 'Dämon', rem ist in der Bedeutung 'Wald' (Süd-
irland) kaum mit prakr. rukkho 'Baum' zu vergleichen, sondern
vielmehr mit rass 'Promontorium' (Nordirland), skr. prchstha^
•Bergebene, Plateau' identisch. Vgl. altnorw. dtögr 'Wald' im
Verhältnis zu skcigi 'Promontorium*.
Christiania. Carl Marstrander.
8-Presents in Irish.
In his Grundriß JI, § 663, Professor Brugmann writes:
"Keltisch. «-Praesentia scheinen nicht vorzukommen". But I
think tbat there are at least three in Irish, viz.
1. es8im 'I ask', 'I seek*, imperat. pl. 2 essidh Lism. Lives,
4143, deponential «-pret sg. 3 eissisUr .i.iarfaigis LU. 134 b. 10,
eiseagiairA, do ghuidh se, O'Cl.
Here essim is from *e^, *pet96^ cognate with Lat peto^
Strachan Archiv für celt Lexicographie 1, 36.
334 C. Marstrander, Germ. rukka$t^.
t9r99ya'^ N. *Arbeif und dem gleichbedeutenden altnorw. yrlei^ N^
und die zwischen aw. vardzc^ (freilich Mask.) und *f§er§o- in den
Neutren griech. f pTov, gerni. ^uerka-. Neben *uerg- Mrehen* kommt
(mindestens im Baltisch-Slavischen) ein *tter§- mit derselben Be-
deutung vor, aber dem *^»r§- ^wirken' steht, mir bekannt, nirgends
ein *u€rg- oder überhaupt irgendeine Wurzelvariante zur Seite.
Es scheint mir deshalb ziemlich kühn, wenn Meringer und mit ihm
auch andere Gelehrte annehmen, diese Wurzeln seien eigentlich
identisch. Die semasiologischen Schwierigkeiten wollen sie durch
die Annahme beseitigen, daß *^erg-^ weil im Indogermanischen
auf die Weberei angewendet, zu einem Ausdruck für 'schaffen,
sich produktiv betätigen* überhaupt wurde. Dazu ist jedoch zu
bemerken, daß diese Bedeutungsentwicklung sich in einer sehr
frühen Zeit der indogermanischen Gremeinschaft vollzogen haben
müßte, und das will mir nicht einleuchten. Man wäre wohl in
dem Falle auch imstande gewesen eine derartige Entwicklung
bei einer so weit verbreiteten Sippe näher zu verfolgen.
Das folgende Verzeichnis enthält — ohne auf Vollständigkeit
Anspruch zu machen — eine Zusanienstellung von Wörtern, die
meines Erachtens zur Wz. ^uerg- Mrehen' gehören.
Basis uere[n]g "drehen, flechten, spinnen*.
Akzent I, idg. *uerg : *u6rgeti^ skr. vdrjati^ lat. vergü^ lett ufent
"drehen, wenden*, sawergt 'einschrumpfen', lit. veriiüy vefJrti
"einengen, schnüren', altnorw. virgill 'Strick, Schnur', ahd.
werih 'Werg*, kymr. cy-warch. Kaum hieher skr. valgd F. 'Zaum,
Zügel', das besser zum lett tcalgs 'Schnur* gestellt wird. Über
lat virga 'Rute' und skr. valgulikä- 'Kiste, Kasten* ist nichts
Sicheres zu sagen.
Akzent II, a) idg. *ure\n]g^ *uro[n\g : skr. vrajd- 'Zaun, Umhegung,
Hürde'*), ir. fraig 'Wand'«) (vgl. skr. ku4ya- zu *kert'\ (fraigh)
Grdf. *urogi'^ lit rengtis 'sich biegen', ags. wrenc 'Krümmung,
Drehung, Ränke', wrencan^ drehen', wrincle 'Runzel*, altnorw.
rangr 'schief, unrecht' und mehrere gerni. Wörter, s. besonders
Falk u. Torp Ordbog vrang,
b) idg. *urig, urög : gr. jifiToc Teppich', ^üjE 'eine Spinnenart'.
1) Skr. vraja- Trupp, Schwärm' ist eigentlich dasselbe Wort ; es ist
derselben Bedeutungsentwicklung unterworfen gewesen wie altnorw. ridmü
'Schar', vgl. rida 'drehen, flechten'.
2) Mir. Im neuirischen ist die Bedeutung 'Dachsparren* allein
herrschend. Atkinsons fraige Ancient Laws VI, 414 muß bestimmt un-
ricbtig sein.
K.Brugmana, Der slav. Instr. PI. auf -y u. der aw. Instr. PI. auf -4i. 887
Es hig nahe genüg, rdnf mit lit täkctts^ ai. vfkäik, griech.
Ocoüc^), 08k. mmmois lat. lupis zusammenzubringen. Aber keinear
▼on den einschlägigen Versuchen, dem Lautlichen gerecht m
werden (Schulze KZ. 27, 421, Wiedemann Lit Prät 47, JohuMsom
BB. 20, 101, Pedersen KZ. 38, 823«., Portunatov-Ljapunov bei
Jflgiö Arch. f. slay. Ph. 28, 123), ist befriedigend, weil man nach dea
erkennbaren slav. Lautgesetzen Entwicklungv on uridg. -öfö über -öi$
(= lit -ais) etwa zu -» oder zu -d^zu erwarten hätte, jedenfalls aber
keinen t#-VokaL Anderseits schwebt das *-An, worauf Hirt D. idg. Akz.
88 f. and Mikkola BB. 22, 249 -y zurückführen, ganz in der Lofi.
DaB Pedersen a. a. 0. meint, jede andere Deutung als aus
*-mB sei 'unmöglich', schreckt mich nicht ab, die Frage zu tim^
ob nicht *'ü8 zugninde Hegt und dies vou den t<-Stäamien aas
auf jene andern Stammklassen sich ausgebreitet hat Nehnmi
wir einmal an, im Urslav. habe bei den «»-Stämmen neben -wrs
ein -y = *-«8 gestanden, so wäre, bei der uralten Vermischung der
«►- und der o-Deklination im Slav. (für das Aksl. s. Leskien Handb.^
7 1 f. 7 6 ff.), nicht auffallend, wenn sich der Ausgang -y der w-Stämine
an die Stelle von *'(ns oder von einer Weiterentwicklung von *-em
gesetzt hätte. Geschah die Übertragung nach Abfall ron -«, was
anzunehmen nichts hindert, so wird die Ausbreitung vou -jr dar
durch begünstigt worden sein, daß so eine Scheidung gegen den
Nom. Plur. (rabi^ vhci) oder den Lok. Sing, (rabi^ vhci)^ beim N.
gegen diesen und den Nom.-Akk. Du. (/Ä^, izi) erreicht ward*).
1) Ich bleibe dabei (vgl. Kurze vergl. Gr. S. 397), daß griech. -oic
^otc, Tofc) nicht blafi die Fortsetzung des Lok. PL auf -oici war, sondern
augleich die des uridg. Instr. PI. auf *-öis. Gegen die Theorie von J.
Schmidt KZ. 38, 3 ff. wendet sich jetzt auch Krelschmer Glotta 1, 56 f.
Dieser denkt bei xoic BeoTci, das er gleichwie Schmidt aus xoici GeoTci ent-
standen sein läßt, an eine Art von haplologischer Kürzung, doch gibt es
für diese Art keine genauere Parallele. Man kann ein zunächst nur ante-
sonantisches roic* vor konsonantischen Anlaut eingeführt haben in dem
Bestreben, die Artikel formen in bezug auf die Silbenzahl zu uniformieren
(toic wie ql, tOjv, toöc); eine Parallele dazu bietet thess. Gen. Sg. toi aus
•n^ = Toto ; ist doch auch alt. touc = tövc, Ocoöc = ecövc ursprünglich
nur antesonantische Form (neben töc usw. vor Kons.) gewesen. Auch das
ist aber immer nur Notbehelf gegenüber der Annahme, daß rote Instr. Fl.
war, der sich gegenüber -oici mit Rücksicht auf die Silbenzahl der andern
Kasus desselben Paradigmas behauptet hat. Mir ist keine Tatsache aus
der Geschichte der Formen auf -oici -oic (-aici -aic) bekannt, die sich •
dieser Auffassung nicht leicht fügte.
2) Das Verhältnis von -i zu -i in diesen Formen ist noch ziemlich un-
klar; bekanntheh gibt es mehrere Theorien darüber. Für nnsem Zweck kommt
nicht viel darauf an, wie diese LautungsverschiedenheVl eii\a\»JvÖÄtL SjbX.
BK H. Krebs, Alt-Preußisch Mixskai.
2. güshn *I cry', pL 3 gessit buar, ^kine bettow\ TigeniMk
A.D. 546, pret sg. 3 gässis, Ir. Texte 1, 69.
Here ^n&stm is f rom *gmcsi6^ *gangsi&, as jüA'm *(3ebrall' from
^9911^011, cognate with Gr. tottw2I€iv, 0. SIäv. gggngti etc. For
tbe compensatorj lengthening, see 8trachan BB. 20. 36, 37.
3. Ussaim^ now Uasaim 1 beat violently', Dinner t iw Ihad
*«iutual beating', Cath Catharda, 1. 300 etc.
Here lismni is froDi *la$icsö^ *plane9&j *fllang-a6^ cognate
vith LoitflUmgo^ planxi, plancium^ Gr. n\riccui, nXrJTVUMi, OotL
faiflokun etc. The modern English verb to la» or imc$ 'to
beat, flog', seems a loan from the Irish.
Ijondon. Whitley Stokes.
Alt-Prenßisch MixskaL
In seinen Bemerkungen "Zum Alt-Preußischen Wortschatz"
(vgl. IF. 21, 358 f.) erklärt Prof. F. Kluge den altpreuB. Eigen-
namen Mkcskai (Adv. auf deutsch) als eine Abkürzung von iw--
miskai und leitet ihn als Lehnwort aus der polnischen und
russischen Bezeichnung für deutsch: nimecki ab. Es sei mir
gestattet, darauf hinzuweisen, daß dieselbe durch Eluge nun-
mehr neubegründete Deutung jenes nur als "Hapax Legomenon"
im Titel des altpreuß. Katechismus von 1561 vorkommenden
Namens von G. H. F. Nessclmann bereits als Vermutung vorge-
schlagen wurde. In seiner Untereuchung über "Die Sprache der \
alten Preußen au ihren Überresten erläutert", aus dem Jahre
1845, findet man S. 117 unter ""Mixkai adv.. Deutsch, a. d. Titel"^
die in Parenthese beigefügte Hypothese: ("Vielleicht ver-
stümmelt aus dem russ. Nimetski und poln. niemifckai**) ^^
Oxford. H. Krebs. i^
Der 8laY. lustr. Plur* auf -y und der aw. Instr. Plnr. auf -M.
-y erscheint im Altkirchenslavischen als Ausgang des Instr.
Plur. M. und N. : bei den mask. und neutr. o-Stämmen, wie raiy,
lity^ bei den neutr. konsonantischen Stämmen, wie dovesg^ *imenf^
*t€l§ty (nslov. dovesi^ imeni^ teleti)^ und bei mask. konsonantischen
Stänmien wie delately und zemljany, in lakUy^ noghty^ desfty so-
wie in dhny (Zogr. Joh. 2, 19) neben dhnhmi. Dazu in Adverhieo
von o-Stänmaen, wie maly 'ein wenig', latinksky *Äuf Liateinisch'.
Hinter j erscheint -» f ür -y : konji, pdjL v
Der slav. Instr. Plur. auf -y und der aw. Instr. Plur. auf -M. 889
▼gl. ai. kärmathä)^ so hatte der Instr. Plur. der u-Stämme neben
-AF den Ausgang -j^iF, dessen Schlußelemente -ti mit dem ent-
sprechenden Formans des Instr. Plur. der konsonantischen Stämme
(nämh^-ii) identisch war.
Den aw. Schreibungen -i;^, -^ä -ui ist aus bekanntem Grunde ^
nicht anzusehen, ob sie uriran. *-i3, *-iM oder *-üf, *-ui darstellen.
Bei 'Ui -tiiF ist uriran. *'üi von vornherein darum wahrschein-
licher, weil der Instr. Plur. nicht dem Nom. Sing, gleich ge-
wesen sein wird. Freilich will Bartholomae weder *-ilS noch
*-iM als uriran. gelten lassen. Er vermutet (Altiran. Wtb. 1284,
Zum altiran. Wtb., Straßb. 1906, S. 135), -uS sei für -t*f d. i.
-^uvfi (-ma*njfuä für *-yf«»J3, yätuä für *-tupfS) geschrieben. Hier-
für ist jedoch keine genügende Parallele, daß umgekehrt einige
male i für yu (üu) geschrieben erscheint Und solche *ifäiuv(8j
*pUuvfä sind in sich selbst unwahrscheinlich wegen yä^wgm^
xra9wä usw. Ein *-üä bei den w-Stämmen neben einem *-fi bei
den konson. Stämmen dürfen wir getrost anerkennen. Denn auch
anderwärts stehen in dieser Weise -f- und -ü- als nominale Wort-
bildungselemente einander gegenüber, wobei zu beachten ist, daß
-t- zu den Formantien -»-, -(t)}(>- und -(tlfä- : -f- engeren etymologi-
schen Bezug hat : z. B. ai. napt-4- -iy- (Nom. Sing, naptt-h) neben
näpa^ napt- gegenüber tanä- -titv (Nom. Sing, tanü-h) neben tawlh.
Schreiben wir hiemach *-ii^ und ^-ii dem Iran, als forman-
tische Ausgänge des Instr. Plur. zu, so ist klar, daß hier etwas
Uraltes, aus vorarischer Zeit Überkommenes vorliegt, wie man
ja auch bisher schon näm^ii mehrfach als eine uridg. Formation
angesprochen hat Der Vergleich mit der uridg. Doppelbildung
des Instr. Sing., z. B. ai. mati und arm. srti-v aksl. p^h-nih^ ist
unmittelbar gegeben. So dürfte denn der ar. Doppelheit *'üä :
*'Urbha im Slav. ♦-os : -^mi gegenübergestanden haben, und *-üs
ist unser -y. Und selbst für den an sich viel weniger wahr-
scheinlichen Fall, daß aw. -tö urar. *'US repräsentierte, wäre
unsere Zusammenstellung von diesem mit dem slav. -y nicht un-
bedingt zu verwerfen: vgl. slav. -mi = *-mw gegenüber dem
urgerm. ♦-mfe (aisl. -mr) und ai. -bhih^).
Leipzig. K. Brugmann.
1) [Hinterher finde ich, daß schon Leskien Declin. im Slav.-Lit u.
Germ. 104 zur Erklärung von vhky von »yny neben synbmi ausgegangen
i«t. Seine Zurückfuhr ung der Form ayny auf *9ünvai8 ist freilich heut-
zutage nicht mehr angängig.]
388 K. Brugmann,
Wegen Instr. Plnr. raby : Akk. Plur. raby ist natürlich ifcofi^' : imiji
zn berücksichtigen. Daß -y zu allen neutralen konsonantisdien
Stämmen kam, aber nicht zu allen maskulinischen (imem/ g^gen
kamentmi)^ hängt wohl auf jeden Fall damit zusammen, dafi Nom.-
Akk. Plur. imena mit lita^ Nom.-Akk. Du. itneni mit IM harmonierta
Man begriffe jetzt auch, weshalb solches -y den o-Pronomina fremd
ist: es heißt ja timi gegen lit tais^ ai. iaili^ griech. toTc, osk. raoii
lat istis.
Dieses *-lls hat nun seinen Anhalt in der Bildung des
Instr. Plur. der u-Stämme im Awestischen. In dieser Sprache
ist (nach Bartholomaes Altiran. Wtb.) bei sechs u-Stänmien für
-Urbti der Ausgang -üi belegt: die sechs Formen sind avawhiü
'Ui (a-vavhur 'ungut, böse"), awröma^nyui 9p9ntOma*nyui (ovrö-
mafnyu- *dem bösen Geist entstammt', sp^nt&ma^nyu- *dem heiligen
Geist entstammt'), p9r'näyui (p9r*näyu' Volljährig'), yaiui {yäiu-
M. 'Zauberer'), püui (pitu- M. 'Speise'), mzuS-da (vizu- M. Name
eines Nahrungsmittels). Längt ist erkannt, daß diese Formation
gleichartig ist der des Instr. Plur. auf -ii^ für welche gthaw.
nämSnU und jgaw. aiaomS die sichersten Belege sind. Vgl. über
alle diese Formen Jackson Av. Gramm. 67 f., Bartholomae Gr.
d. iran. Ph. 1, 134 und die dort erwähnte Literatur. Mit der Frage,
ob dieses aw. -^{g in dem uridg. *-öw der o-Stämme als dessen
Schlußteil steckt, was Bezzenberger, Bartholomae u. a. ange-
nommen haben, brauchen wir uns hier nicht zu befassen. Wohl
aber geht uns das Verhältnis von aw. -ü$ zu -iä an. In Y. 12,4
nämlich, wo es heißt vi daeväiä ayäiä avavhüS anar*täü akö.
däbiä sardtn mruye *ich entsage der Gemeinschaft mit den bösen,
schlechten, unheiligen, übeltuenden Daeva*, bieten die Hand-
schriften avai9hü§^ -huS, -Äf5, -huiä, -hüig (sie!) ist offenbar verderbt
{vgl. J. Schmidt Plur. 2681). -hüä haben die Ausgaben aufge-
nommen. Für 'hiä aber entscheidet sich Bartholomae a. a 0.
und Altiran. AVtb. 174 (wo avaehiä Druckfehler für avavhü ist).
Bartholomae setzt avaehfS gleich ^a-uasufg (zum Lautlichen vgl.
vfvaehd Y. 9, 4 : ai. vivdsvän). Dies wird richtig sein. Aber an
sich sind doch wohl avaehiä und avaehuä richtige Sprachforraen
gewesen. Sie verhalten sich nämlich zu einander wie im Instr.
Sing. z. B. gthaw. xratü und xra^toä {= ai. krdtvä). D. h.: gleich-
wie der Instr. Sing, der w-Stämmc neben -ü (vgl. noch mahiyu^
vohu^ daenu) den Ausgang -uä hatte, dessen -ä das Formans
des Instr. Sing, der konsonantischen Stämme war (z. B. maeaman-a^
H. Pedersen, Die idg.-semitische Hypothese u. die idg. Lautlehre. 341
Die idg.-semitische Hypotliese und die idg. Lautlehre M.
Das neuerschienene Buch von Hermann Möller, worin er
die laiitgesetzlichen Entsprechungen des Semitischen und des
Indogermanischen nachzuweisen versucht, wird manchen Fach-
genossen überraschender gekommen sein als mir. Denn während
mehrere Indogermanisten sich der indogermanisch-semitischen
Hypothese gegenüber äußerst skeptisch oder ganz ablehnend
verhalten haben, habe ich schon in meiner Erstlingsarbeit mit
ihr gerechnet (KZ. 32, 271), später (ZDMG. 57, 560) die Ver-
wandtschaft der beiden Sprachstämme als zweifellos bezeichnet
und schließlich (KZ. 40, 155. 156) eine Reihe von morphologischen
Parallelen zwischen denselben gezogen. Vielleicht ist es nicht
überflüssig, ausdrücklich hervorzuheben, daß mein Standpunkt von
H. Möller gänzlich unabhängig war. Ich kannte seine Ansichten
bezüglich dieses Problems absolut nicht, bis meine Äußerungen
in der ZDMG. ihm die briefliche Mitteilung entlockten, daß er
nicht nur an die Verwandtschaft des Idg. mit dem Sem. glaubte,
sondern zugleich eine sich darauf beziehende Arbeit in Vorbe-
reitung hatte. Diese Mitteilung kam mir ebenso unerwartet wie
die Zustimmung zu meiner "nostratischen* Hypothese von anderer,
sehr autoritativer (nicht-dänischer) Seite ; von dem Inhalt der H.
MöUerschen Arbeit habe ich nicht früher als die übrigen Leser
irgend etwas erfahren. Jetzt, wo das Problem in eine ganz neue
Phase eingetreten ist, hege ich ganz natürlich den Wunsch, meinen
eigenen früheren Standpunkt ausführlich zu begründen, dem neuen
Buche gegenüber Stellung zu nehmen und die Konsequenzen
der neuen Ansichten für die idg. Lautlehi-o zu besprechen.
Ich neigte, als ich meine Bemerkungen in der ZDMG. schrieb,
zu der Ansicht, daß die Dürftigkeit des Materials die Ermittelung
der Lautgesetze nur in sehr geringem Umfang erlauben würde;
ich glaubte daher den ganzen Nachdruck auf die anderweitigen
AVahrscheinlichkeitsmomente legen zu sollen und berief mich
daher auf "eine Reihe von Pronomina, Negationen, zum Teil auch
Zahlwörtern, welche sich durch mehrere Sprachstämme verfolgen
lassen". Ich dachte dabei für das Semitische natürlich in erster
1) Man vergleiche die Besprechung von H. Grimme im nächsten
Heft des Anzeigen.
lodofonnaiiiielie Fonchongen XXH. 23
342 H. Pedersen,
Linie an die Personalpräfixe des Imperfektums : arab. 3. Sing. TL
ja- (idg. Demonstrativ- und Relativstamm *yo-), 3. Sing. F. for
(grieeh. X.to), 2. Person ta- (lat. tu usw., vgl Brugmann Grdr. 2,802),
1. Sing. 5 a- (grieeh. d-Tib, vgl. Brugmann Grdr. 2, 801, Brockelmann
Semitische Sprachwissenschaft S. 98), 1. Plur. na- (vgl lat n»
usw.); ferner an das fragende Pronomen: arab. kam *wie viel?,
kaifa *wie?' (idg. Stamm *A*'o-). Um einen leeren Zu&ll kann
es sich hier nicht handeln. Die (nicht seltenen) zufäUigen sprach-
lichen Übereinstimmungen stehen immer isoliert da und sind
durch die interne Betrachtung der betreffenden Sprachen meist
leicht als zufällig zu erkennen. In unserem Falle handelt es sich
aber um eine das ganze Pronominalsystem durchziehende Über-
einstimmung, und die interne Betrachtung der beiden Sprach-
stämmo fördert nichts an den Tag, was einen Zufall vermuten
lassen könnte. Und wie die Identität des deutschen Mutter mit
dem lat. mäter auch ohne eine genaue Kenntnis der Lautgesetze
durch das Vorhandensein eines genau entsprechenden Wortes
im Griechischen, im Keltischen, im Baltischen, im Slavischen, im
Albanesischen, im Armenischen, im Iranischen, im Indischen über
allen Zweifel erhoben wird, so wird die Identität der idg. und
semitischen Pronomina durch das Vorhandensein entsprechender
Formen in einer Eeihe von (dem Idg.) benachbarten Sprach-
stämmen meiner Ansicht nach ganz sichergestellt In erster Linie
kommt das ügrofinnische in Betracht: finn. Eelativstamm jo-,
Demonstrativstamm tä-, Pronomen der 2. Sing, sinä mit si- aus
*ti-, vgl. läpp, don *du*, finn. 2. Plur. te *ihr', fragender Stamm
ku- (s. Wiklund Le mondo oriental I 53). Nur für die semitischen
Präfixe \a und na- versagt das Ügrofinnische, und zwar deshalb,
weil ihre Stelle (wie in einigen jüngeren idg. Sprachen) mit einem
mit m- anlautenden Stamm besetzt worden ist: finn. minä, läpp,
mon *ich', fiun. Plur. me *wir' (vgl. ir. me *ich*, lit mes, arm.
meR 'wir' usw., Brugmann Grdr. 2, 805). Das gleiche Pronominal-
system (mit der gleichen Eigentümlichkeit der 1. Person) liegt
unverkennbar auch iniTürkisch-Mongolisch-Mandschuischen vor:
mong.Ja^on *was?' (zur fragenden Bedeutung vgl. etwa poln. jaki
*was für ein?*), mong. te-re^ Plur. ie-de 'dieser', mandsch. te-r«,
Plur. te-se 'dieser', mong. 2. Plur. ta 'ihr*; türk. fttm, mong. ken
'wer?'; türk. (Orchon) man 'ich', mong. Stamm min-^ mandsch.
mi 'mich*. Daß es auch im Eskimoischen vorliegt (ühlenbeck
ZDMG. 59, 7 60 ff.), und daß ich überhaupt meine "nostratische*
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 843
Sprachgruppe nicht bestimmt abzugrenzen vennag, darf nicht
abschrecken. Es wäre eine petitio principii, sich auf die großen
ethnographischen Verschiedenheiten oder auf die großen geo-
graphischen Abstände (wie etwa zwischen den Grönländern und
den Arabern) berufen zu wollen und a priori zu behaupten, eine
für uns ^wahrnehmbare sprachliche Verwandtschaft könne sich
nicht scf-weit ausdehnen. Was wissen wir denn von den Be-
völkeru»-, Eroberungs- und Kulturwellen der vorhistorischen
Zeiten? OTid es dürfte unmöglich sein, die Übereinstimmung als
eine von bestimmten physiologischen oder psychologischen Ge-
setzen bewirkte parallele Entwickelung in nicht verwandten
Sprachen zu erklären.
Diesen Gesichtspunkt hat man dagegen bei den von mir
gleichfalls in die Wagschale gelegten Negationen geltend zu
machen versucht Arab. mä "was ?' und *nicht* stelle ich zu griech.
\xr\ (Pragepartikel und Negation; die Gleichung fehlt bei H. Möller),
türk. mi, wy, Fragepartikel, und -tnä', -tna-^ Negation, finn. Stamm
mi- *was?'. Hier hat man aber auf einen abwehrenden "Naturlauf
der Kindorsprache und auf eine, wenn mir recht ist, in Österreich
gebräuchliche verneinende Interjektion m verwiesen. Aber bei
solchen Naturlauten und Interjektionen ist nach meiner Erfahrung
die Mundartikulation ziemlich gleichgültig. Der Lippenverschluß
ist keineswegs da, um die Abwelir symbolisqfi auszudrücken,
sondern ist einfach von der Sprechfaulheit als die bequemste
Artikulation gewählt worden und kann daher mit anderem Ton
auch ganz andere Bedeutung haben (kindliche freudige Erwartung
eines Leckerbissens, im Dänischen ; *ja' im Grönländischen nach
Thalbitzer The Eskimo Language S. 74). Und der Weg von einer
Interjektion zu einem regelmäßigen syntaktischen Sprachworte
ist so lang, daß mir dieser ganze Gesichtspunkt für unseren Fall
ziemlich belanglos zu sein scheint
Die Zahlwörter darf man nur mit Vorbehalt zu den stabilen
Teilen des Wortschatzes rechnen. Die Neigung, die Zahlbegriffe
möglichst anschaulich auszudrücken, bewirkt bei ninden Zahlen
oft den Ersatz des ererbten abstrakten Zahlwortes durch ein
konkretes Zähl wort (so bei 40 im Russischen, bei 100 im Armeni-
schen, KZ. 39, 369); auf primitiver Kulturstufe wird aber das Be-
dürfnis einer solchen Veranschaulichung schon be 10 empfundenL
Ältere Zahlwörter werden durch neue anschaulichere Multipli-
kationen oder Subtraktionen ersetzt: 60, 80 wird 3x20, 4x20
23*
342 H. Pedersen,
Linie an die Personalpräfixe des Imperfektums : arab. 3. Sing,
ja- (idg. Demonstrativ- und Relativstamm *ji(h), 3. Sing. F.
(griech. N.to), 2. Person ta- (lat. tu usw., vgl. Brugmann Grdr. 2,ft
1. Sing. 50- (gi'iech. i-fd)^ vgl. Brugmann Grdr. 2, 801, Brockelnu
Semitische Sprachwissenschaft S. 98), 1. Plur. na- (vgL lat
usw.); ferner an das fragende Pronomen: arab. kam *wie vic
kaifa 'wie?' (idg. Stamm **•*(>-). Um einen leeren Zufall h
es sich hier nicht handeln. Die (nicht seltenen) zufalligen spra
liehen Übereinstimmungen stehen immer isoliert da und s
durch die interne Betrachtung der betreffenden Sprachen m
leicht als zufällig zu erkennen. In unserem Falle handelt es s
aber um eine das ganze Pronominalsystem durchziehende Ül
einstimmung, und die interne Betrachtung der beiden Spra
Stämme fördert nichts an den Tag, was einen Zufall venna
lassen könnte. Und wie die Identität des deutschen Mutter i
dem lat. mäter auch ohne eine genaue Kenntnis der Lautgese
durch das Vorhandensein eines genau entsprechenden Woi
im Griechischen, im Keltischen, im Baltischen, im Slavischen,
Albanesischen, im Armenischen, im Iranischen, im Indischen ül
allen Zweifel erhoben wird, so wird die Identität der idg. i
semitischen Pronomina durch das Vorhandensein entsprechen!
Formen in einer Eeihe von (dem Idg.) benachbarten Spra
Stämmen meiner Ansicht nach ganz sichergestellt In erster Li
kommt das ügrofinnische in Betracht: finn. Relativstamm j
Demonstrativstanim tä-, Pronomen der 2. Sing, sinä mit si-
*ti-, vgl. läpp, dou *d\i\ finn. 2. Plur. te *ihr', fragender Stai
ku- (s. Wiklund Le monde oricntal I 5B). Nur für die seniitisc
Präfixe la und na- versagt das Ügrofinnische, und zwardesh
weil ihre Stelle (wie in einigen jüngeren idg. Sprachen) mit eii
mit m- anlautenden Stamm besetzt worden ist: finn. minä, h
mon *ich', finn. Plur. nie *wir' (vgl. ir. me *ich*, lit mes, a
meR *wir* usw., Brugmann Grdr. 2, 805). Das gleiche PronomL
System (mit der gleichen Eigentümlichkeit der 1. Person) 1
unverkennbar auch im Türkisch-Mongolisch-Mandschuischen ^
monfi:. jaqon *was?' (zur fragenden Bedeutung vgl. etwa poln. j
*was für ein?*), mong. te-re, Plur. te-de *dieser', mandsch. U
Plur. te-se 'dieser*, mong. 2. Plur. ta 'ihr* ; türk. Um, mong.
"wer?*; türk. (Orchon) man *ich', mong. Stamm mtV, mand
mi 'mich*. Daß es auch im Eskimoischen vorliegt (ühlent
ZDMG. 59, 7 60 ff.), und daß ich überhaupt meine "nostratis^
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 843
Sprachgrappe nicht bestimmt abzugrenzen vermag, darf nicht
abschrecken. Es wäre eine petitio principii, sich auf die großen
ethnographischen Verschiedenheiten oder auf die großen geo-
graphischen Abstände (wie etwa zwischen den Orönländem und
den Arabern) berufen zu wollen und a priori zu behaupten, eine
für uns ^wahrnehmbare sprachliche Verwandtschaft könne sich
nicht s<f t.weit ausdehnen. Was wissen wir denn von den Be-
Tölkeruia|-, Eroberungs- und Kulturwellen der vorhistorischen
Zeiten? ^d es dürfte unmöglich sein, die Übereinstimmung als
eine von bestimmten physiologischen oder psychologischen Ge-
setzen bewirkte parallele Entwickelung in nicht verwandten
Sprachen zu erklären.
Diesen Gesichtspunkt hat man dagegen bei den von mir
gleichfalls in die Wagschale gelegten Negationen geltend zu
machen versucht Arab. md "was ?' und *nicht' stelle ich zu griech.
\xf\ (Fragepartikel und Negation; die Gleichung fehlt bei H. Möller),
türk. mi^ wy, Pragepartikel, und -ma-, -ma'^ Negation, finn. Stamm
mi- *was?*. Hier hat man aber auf einen abwehrenden *Naturlaut*
der Kindersprache und auf eine, wenn mir rocht ist, in Österreich
gebräuchliche verneinende Interjektion m verwiesen. Aber bei
solchen Naturlauten und Interjektionen ist nach meiner Erfahrung
die Mundartikulation ziemlich gleichgültig. Der Lippenverschluß
ist keineswegs da, um die Abwehr symbolisqh auszudrücken,
sondern ist einfach von der Sprechfaulheit als die bequemste
Artikulation gewählt worden und kann daher mit anderem Ton
auch ganz andere Bedeutung haben (kindliche freudige Erwartung
eines Leckerbissens, im Dänischen ; *ja* im Grönländischen nach
Thalbitzer The Eskimo Language S. 74). Und der Weg von einer
Interjektion zu einem regelmäßigen syntaktischen Sprachworte
ist so lang, daß mir dieser ganze Gesichtspunkt für unseren Fall
ziemlich belanglos zu sein scheint
Die Zahlwörter darf man nur mit Vorbehalt zu den stabilen
Teilen des Wortschatzes rechnen. Die Neigung, die Zahlbegriffe
möglichst anschaulich auszudrücken, bewirkt bei runden Zahlen
oft den Ersatz des ererbten abstrakten Zahlwortes durch ein
konkretes Zählwort (so bei 40 im Russischen, bei 100 im Armeni-
schen, KZ. 39, 369); auf primitiver Kulturstufe wird aber das Be-
dürfnis einer solchen Veranschaulichung schon be 10 empfundeni.
Ältere Zahlwörter werden durch neue anschaidichere Multipli-
kationen oder Subtraktionen ersetzt: 60, 80 wird 3x20^ 4x20
344 H. Pedersen,
usw. (so im Dänischen, Neukeltischen, Französischen, im slavischea
Dialekt des Resia-Tales, im Albanesischen, im Ossetischen usw.);
18 wird 3 X 6 (im Bretonischen) ; 10 wird 2 x 5 (so ist das irische
zweisilbige deac vielleicht zu erklären) ; 8, 9 wird 10-^-2, 10-=-l
(so sehr deutlieh im Ugrofinnischen; daraus läßt sich auch die
Dualform bei 8 im Indogermanischen und Semitischen erklären,
die kaum als 2x4 zu fassen ist). Runde Zahlwörter werden,
wie die konkreten Zähl Wörter (Dutzend usw.), ziemlich leicht
entlehnt (100 im Albanesischen aus dem Lateinischen, im Ru-
mänischen aus dem Slavischen, im Ugrofinnischen aus dem
Iranischen usw.; 1000 ist in vielen Sprachen Lehnwort; 10
stammt im Magyarischen aus dem Iranischen usw.); aber auch die
übrigen Zahlwörter können entlehnt werden (so im Japanischen
aus dem Chinesischen). 1 variiert im Indogermanischen, weil
das vermutlich älteste Wort (giiech. elc usw.) in den meisten
Sprachen durch ein ui-sprüngliches demonstratives Pronomen
(lat ünus usw.; Verf. Les pronoms dömonstratifs de Tancien
armönien [Abhandl. d. Königl. Dan. Ges. d. Wiss., phil.-hist Kl. 6,
VI, 3] S. 18ff.) ersetzt worden ist; bei der Variabilität dieses
Zahlwortes ist übrigens auch der Umstand in Rechnung zu ziehen,
daß der Begriff 1 unter Umständen imausgedrückt bleiben kann
(Bmgmann IF. 21, Iff.); vgl. noch neuir. ceann 'ein Stück, eins,
einer' usw. 2 ist im Indogermanischen stabil, aber mit Spuren
älterer pronomen- ähnlicher Variation: lat vl-ginti und idg.
*de-kfii(t) 'zehn', s. M. v.Blankenstein TF. 21, 110 ; vgl. die Variation
bei der Ordnungszahl, den in sehr vei'schiedener Weise ausge-
drückten Begriff Taar* (griech. leOfoc: neuir. beirt, das direkt
•zwei' bedeuten kann) und schließlich die synonymen Begriffe
lat. gemini, ambo (im Äthiopischen hat *beide' das alte semitische
Zahlwort für 2 verdrängt) usw. Wir brauchen uns also nicht
darüber zu wundem, daß z. B. im Ugrofinnischen der Ausdruck
für 10 sehr variiert (finn. kymmenen, läpp, loqe, magy. tlz),
und daß 8 und 9 im Magyarischen (nyolc, kilenc) mit dem
Finnischen (kahde-ksan,yhde-ksän)absolutnicht stimmen. Mit
dem Semitischen stimmt das eng verwandte Ägyptische höchstens
bei fünf Zahlworiern der Reihe 1 — 10.
Auf diesem Hintergrand ist die Übereinstimmung des Indo-
germanischen mit dem Semitischen bei den Zahlwörtern recht
imponierend. Die Ähnlichkeit ist bei 6 und 7 augenfällig, und
auch bei 3 und 5 habe ich längst ebenso wie jetzt H. Möller
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 346
Identität angenommen. Die Übereinstimmung ist größer als
zwischen dem Indogermanischen und dem Türkischen (ich habe
im Türkischen bei 5 und 7 Identität mit dem Indogermanischen
vermutet; außerdem könnte 4 in Beti-acht kommen, wobei dann
teils der türkische Ausdruck für 40, teils die mongolischen Formen
für 4 und 40 und die mandschuische Form für 4 zu vergleichen
wären). Noch geringer ist die Übereinstimmung des Indoger-
manischen mit dem Ugi'ofinnischen (wohl nur bei 7).
Die Übereinstimmungen der idg. Zahlwörter mit den hier
in Betracht gezogenen nicht-indogermanischen Sprachen fallen
also alle in die Reihe 3 — 7, die man mit guten Gründen als
den konstantesten Teil der ganzen Zahlwörterreihe betrachten
kann. Besonders bedeutsam ist der Umstand, daß gerade bei 7
die Übereinstimmung sich am weitesten verfolgen läßt 7 war
eben keine runde Zahl, keine in der Natur häufig und augen-
fällig vorkommende Zahl, keine bei der Warenzählung häufig
benutzte Zahl, konnte durch Multiplikation gar nicht, durch Sub-
traktion nicht bequem ausgedrückt werden. Der schwer analy-
sierbare und mit nichts vergleichbare Charakter dieser Zahl (der
wohl auch die Heiligkeit derselben bewirkt hat) ist an der großen
Stabilität des Zahlwortes Schuld.
Es folgt aus dieser Sachlage, daß ich denjenigen Etymo-
logen, die die Zahlwörter aus speziell indogermanischen Mitteln
deuten wollen, den Rat erteilen möchte, sich auf die Zahlwörter
1—2 und 8 — 10 zu beschränken. (HL Möller will die erste Silbe
von idg. *oK-töu "acht* und arab. ^ai^un *zehn* identifizieren;
falls das idg. Wort, wie ich vermute, auf Subtraktion beruht, ist
die Deutung beachtenswert; Bedeutung etwa *zehn, zwei (fehlend)*.
Man erwartet dann für 9 den Ausdruck *zehn, eins fehlend*,
eventuell, indem der Begriff *eins* nach der oben erwähnten GFe-
wohnheit unausgedrückt bleibt, *zehn, fehlend*. Will man dies in
idg. *enur} suchen, so muß durch eine andere Ellipse als beim vor-
hergehenden Zahlwort *zehn' weggelassen worden sein. Trombetti
L'unita d origine del linguaggio S. 97 will das *-m» dieses Zahl-
wortes mit griech. euvic usw. verbinden. Vielleicht bedeutet *oi'-(ö|r
en-ui} geradezu *zehn, zwei (und) eins fehlend' ; die Aufeinander-
folge der Zahlen beim Zählen würde erklären, weshalb die Ellipse
in dem einen Fall anders als in dem anderen Fall ausgefallen wäre.
Keineswegs aber darf man aus dem Umstand, daß bei den
Zahlwörtern über 7 keine Übereinstimmung des Indogermanisctv^^
346 H. Pedersen,
mit dem Semitischen stattfindet, die Folgerung ziehen, dafi
urindogermanisch-semitischer Zeit die Zahlwörterreihe nur bi
reichte. Das semitische 8 findet sich recht deutlich im Ägr
sehen wieder. Dem semitischen 9 (arab. Hs^un) könnte (mit ]
tathese der Radikale s und *Ajin) türk. dokuz entsprechen, do-
*neun* neben sä-kiz *acht* (die Verschiedenheit der Vokale
hängt von der Vokalharmonie ab) läßt eine Subtraktion vennui
umso mehr, weil die Endungen -kiz -km nach türkischen Ls
gesetzen auf *'ksä *-k$a zurückgehen und eine Nebenform
finnischen -ksan -ksän in kahde-ksan*acht*yhde-ksän'ne
[Stamm kahte- *zwei* yhte *eins'] sein könnten; vgl. KZ.
445. 456 Z. 3: 40, 156 § 32. Aber dies ist für die Vergleicht
mit dem Semitischen nicht hinderlieh, da nach meiner sc!
oben ausgesprochenen Vermutung die Dualform bei *acht'
Semitischen gleichfalls auf eine Subtraktion deutet
Der Gedanke, daß die uridg.-semitische Ursprache bis 1
zählen konnte, hat für mich nichts Abschreckendes. Aber tro
dem stehe ich dem Versuch H. Möllers, das idg. Wort für 1
mit anib. hindun *100 (Kamele)' zu identifizieren, ziemlich kt
gegenüber. Es wäre allerdings möglich, das iji des idg. *k'9iU<
durch volksetymologischen Anschluß an die Zehnerbezeichnung
zu erklären, und man kann vielleicht sogar sagen, daß die Deutu
von *k'tßtom als eine Ableitung von *dek'tp(t) *zehn* nicht ga
einwandfrei ist, weil der dabei anzunehmende Schwund der Sil
*cfe- im Anlaut nicht durch den Schwund im Inlaut bei 20 —
hinlänglich gestützt wird. Aber auf das Alter des arabischen Zäl
wertes (nicht Zahlwortes) hindun kann man kein unbedingi
Vertrauen haben.
So viel darf man jedenfalls aus der Betrachtung der Zal
Wörter folgern, daß sie eher für als gegen meine ^nostratiscl
Hypothese und ganz besonders für die Verwandtschaft des Ine
germanischen mit dem Semitischen sprechen.
A priori von der Verwandtschaft des Indogermanischen u
des Semitischen übei-zeugt, stelle ich an das Material, worauf c
uridg.-semitischen Lautgesetze aufzubauen sind, nur dieselben A
f orderungen, die man auch an das für die idg. LauÜehre v^
wendete Material stellt. Gern gebe ich zu, daß ein beträchtlich
Teil des von H. Möller vorgebrachten Materials diesen Anforc
rungen nicht genügt. Für die schwachen Seiten seiner Arb
habe ich überhaupt den Blick ebenso offen wie nui' irgend jemai
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 347
Aber es wäre Kaumverschwendung, hier darauf einzugehen, da
ich keine Anzeige schreiben >yill, und da sowieso ein genügendes
Material übrig bleibt (ich zähle etwa 130 glaubwürdige Gleichungen).
Um wenigstens anzudeuten, in welcher Richtung meine Aner-
kennunggeht, verweise ich ganz beispielsweise auf die Gleichungen
für lat cornü, oculus, ös *Mund*, griecb. d[^q)rlv *Hals', abulg.
mazgu 'Gehirn* griech. ßaivuj (vgl. dazu KZ. 39, 481), üükuc, qpiiuj,
lat sedere, stäre, gignö, skr. süte 'erzeugt, gebiert', aevum,
juvenis, senex, griech. övo^a, 47Tpld^rlv, inerpov, 4Kdjv, lat far,
skr. dhäna-8 'Getreidekörner', griech. oivoc, an. J)jörr 'Stier' (ich
finde bei diesem und dem vorhergehenden Wort keinen Anlaß,
Entlehnung anzunehmen), griech. ittttoc, dTUj, dTeipuj (S. 289),
T^pcoinai, skr. tamas 'Finsternis', ahar "Tag*, d. Sommer, skr.
apara- 'hinterer*, griech. irpoiToc, 7T€Tdvvö|Lii.
Indem ich zur Erörterung der H. MöUerschen Lautgesetze
übergehe, wähle ich als Ausgangspunkt seine Theorien über die
Gestalt der idg. Wurzeln. Diese sind seiner Ansicht nach ur-
sprünglich entweder zweisilbig oder dreisilbig gewesen, und zwar
so, daß jede Silbe mit nur einem unsilbischen Laut anlautete;
die unsilbischen Gruppen sind erst durch den Ablaut ins Leben
gerufen. Das trifft zweifellos in sehr vielen Fällen zu. Die Wich-
tigkeit des Wechsels zwischen Vollstufe I und Vollstufe 11 wird
immer mehr anerkannt (ßp^qpoc aus ^g'^erebhe-^ Zeiic aus *d^efie-
usw.), und die heute ziemlich verbreitete Ansicht, daß das be-
wegliche s (griech. crifijj : lat tegö usw.) ein Präfix ist, führt
uns einen Schritt weiter in derselben Richtung. Trotzdem ist es
mir zweifelhaft, ob es nötig ist, eine so vollkommene Regelmäßig-
keit anzunehmen, wie sie H. Möller voraussetzt. Im Semitischen
ist sie zweifellos vorhanden, braucht aber nicht ursprünglich zu
sein. Bis ich eines besseren belehrt werde, werde ich also fort-
fahren das SU von idg. *suek's dem einfachen ursemitischen i
(arab. sädisun 'der sechste') gegenüber als das ältere zu betrachten.
Weiterhin nimmt H. Möller an, daß man ursprünglich nur
einen einzigen silbischen Vokal und zwar a (idg. e) gehabt hat
Sicher ist es allerdings, daß es im idg. Ablautsystem keine tt-
und f-Reihen, sondern nur eu- und «-Reihen gibt Femer halte
ich es für durchaus sicher, daß, wie Saussure und H. Möller
angenommen haben, die 'schweren* Vokalreihen aus der Ver-
schmelzung kurzer Vokale mit einem Konsonanten entstanden
sind ; ich habe, Les pronoms dömonstratifs S. 37 — 45, diese An-
3^ H. Pedersen,
sieht durch neue Argumente zu stützen versucht (dabei habe ich
diesen hypothetischen Konsonanten v geschrieben und phonetisch
als ein q zu bestimmen versucht). Viel weniger sicher ist es, ob
es nur eine einzige leichte Votabeihe gegeben hat BJs könnte
neben der ^-Reihe (e:o: Schwund) eine o-Reihe {0:0: Schwund)
und eine a-Reihe gegeben haben. Sollte es eine o- und o-Beihe
nicht gegeben haben, so kannte das Indogermanische allerdings
ebenso wie das Semitische nur eine Vokalreihe. Aber der sich
in einer einzigen Vokalreihe bewegende Ablaut braucht keines-
wegs darauf zu beruhen, daß es in einer noch älteren Periode
nur einen einzigen silbischen Vokal gegeben hätte (vgl. IF. 2, 323;
KZ. 36. 86; 38, 399; Les pronoms d^monstratifs S. 44 Fußnote).
Es ist durchaus möglich, daß die Alternation eu : u im Indo-
germanischen in einigen Fällen lautgesetzlich (auf dem Schwund
des urspr. e beruhend), in anderen Fällen analogisch (bei einem
Gnindvokal u) ist Und ebenso könnte im Semitischen die Alter-
nation a:u in einigen Fällen lautgesetzlich (Grundvokal o), in
anderen Fällen analogisch (Grundvokal u) sein. Ich trage daher
prinzipiell kein Bedenken, ein semitisches u eventuell einem idg. u
(oder ßw, ou) gleichzusetzen, gestehe aber gern zu, daß Fälle, die eine
solche Gleichsetzung empfehlen oder erfordern, außerordentlich
selten sind. Ferner könnte sowohl im Semitischen wie im Indo-
germanischen (oder eventuell nur im Sem.) eine alte Dreiheit
e, a, 0 in einen Vokal zusammengefallen sein.
Die Frage, ob der semitische Ablaut zu dem idg. Ablaut
historische Beziehungen hat, wird von H. Möller wohl mit Recht
bejahend beantwortet (S. 357, 143, 363). Es ist dann nötig, das
semitische a in gewissen Fällen der Reduktionsstufe zuzuweisen;
so das erste a in arab. k'atala, das sich zum Schwunde im Impf.
jfchk'tulu ebenso verhalten würde wie griech. ireöä zu M-ßöat.
Femer müßte ein guter Teil der im Semitischen nur ge-
schwächten und als a, i, u erscheinenden Vokale im Indo-
germanischen geschwunden sein. Das Indogermanische müßte
einen Teil seiner dehnstufigen Vokale mit dem Semitischen
gemeinsam einen anderen Teil selbständig entwickelt haben.
Für die Entstehung der schweren Vokalreihen im Indo-
germanischen macht H. Möller die drei semitischen Gutturale
'Aleph, h (bei H. Möller h) und *Ajin verantwortlich. So weit
stimme ich ihm gern bei; die Einzelheiten scheinen mir aber
dunkel zu sein. H. Möller läßt nicht die drei Konsonanten in
Die idg.-semitische Hypothese and die idg. Lautlehre. 349
emen (etwa mein v=q) zusammenfallen, sondern schreibt jedem
von ihnen eine besondere Wirkung zu. *Ajin soll die Wirkung
haben, ein folgendes 0 in o umzufärben (griech. övoinai *schmähe,
schelte' övoina *Name*: arab. ^anna *gave a bad name; titulo
insignivit librum', ^inmnun Titer), n gibt dem e die a-Färbung
(griech. dKUJKri usw.: arab. Haddun *edge', Hadidun *scharf). Bei
*Aleph nimmt tt Möller in einigen Fällen eine a- färbende
Wirkung an (griech. d(v€^oc usw.: arab. lanaHa *anhelavit'), in
anderen liegt eine solche Wirkung aber entschieden nicht vor
(griech. d-Yiu: arab. Präfix der T. Sing. 5 a-). Da das semitische
*Aleph im Ägyptischen zweierlei Vertretung hat (als 'Aleph oder
als i; s. Erman Ägypt. Gr.* S. 9), so nimmt H. Möller an, daß
im Semitischen zwei Laute zusammengefallen sind. Aber das
an lautlichen Neuerungen reiche und noch vergleichend-etymo-
logisch zu wenig erforschte Ägyptische ist eine schwache Stütze,
und ich vermisse eine Andeutung darüber, von welcher Art
der phonetische Unterschied zwischen den beiden Aleph gewesen
sein sollte. Denkbar wäre es natürlich, daß nur das eine 'Aleph
ein wirklicher uridg.-semi tischer Laut ('fester Einsatz') gewesen
wäre, das andere 'Aleph hingegen sich erst auf semitischem
Boden bei ursprünglich rein vokalischem Anlaut (mit leisem
Einsatz) entwickelt hätte. Aber damit kommt man nicht aus;
es wäre dann unmöglich, den häufigen Wechsel zvrischen e und
a im Anlaut (Les pronoms dömonstratifs S. 45) zu erklären. Ich
ziehe daher vor, die mit dveinoc parallelen Fälle als schwund-
stufig die mit d-rdi parallelen Fälle als vollstufig zu betrachten.
In der Schwimdstufe erscheinen alle drei Gutturale als europä-
isches o, dem in bestimmten Fällen (vgl. EZ. 36, 85) ein arisches
f (nach H. Möller bei ursprünglichem 'Ajin skr. f, was kaum
bewiesen ist) gegenübersteht (skr. ganitar- 'Erzeuger*: arab.
d^anaiat *she brought forth', cTaniun *offspring, children*, d'iniun
•origin, root, race'; griech. Trerdwöini : arab. fataua *aperuif;
skr. starimath "Ausbreitung, Ausstreuung*: arab. dara^a 'to streich
forth or extend the arm*); und mag man über die ganze idg.
o-Frage denken wie man will, es ist jedenfalls nicht nachge-
wiesen, daß anlautendes schwundstufiges a (t>) im Arischen anders
als vollstufiges a behandelt wird. Ich schreibe also dem *Aleph
keine umlautende Wirkung zu. Mit Bezug auf h und *Ajin
könnte H. Möller aber Recht haben ; die Belege sind für ihn
nicht ungünstig; das Auftreten des e in der *Aiinteili^ (jx. ^tjl-
aöO H. Pedersen,
ech, cymr. en-ep 'Gesicht' und lit jenkü, jökti *blind werdea'
zu lat oculus, arab. ^ajnun *Auge'; arm. p-is, *Hals' KZ. 3S,
487 zu griech. dfinqpriv, arab. ^unk*un 'Hals') und in der IF-Beihi
(arm. j-esan 'Wetzstein' trotz Lid6n Arm. Studien S. 55 i n
griech. dKÖvri) ist in der Tat so selten, daß es einen Sinn haba
kann, darin Entgleisungen oder Sonderentwicklungen der ein-
zelnen Sprachen zu sehen. Nimmt man den in die$;er Weise
übrig bleibenden Kern der H. Möllerschen Ansichten an, so mul
man den Anlautswechsel e : a immer in die 'Alephreihe ▼e^
weisen, und die Häufigkeit dieser Altemation wäre für die
Ansicht ein günstiges Omen, es habe im Indogermanischai
ebenso wenig wie im Semitischen rein vokalischen Anlaut ge-
geben (eine Yennutung, die schon bei mir dämmerte, als ich
meinen Aufsatz Les pronoms dömonstratifs schrieb). Auch för
den von mir KZ. 38, 404 angenommenen Ablaut g : ä wäre nur
in der 'Alephreihe Raum (die Sippe von ir. 11 im *klage an' mit
idg. i neben lit. lö-ti 'bellen', lat läträre mit idg. ö wäre also
bei H. Möller S. 341 falsch beurteilt). Die von mir für den Ab-
laut e : a beigebrachten Beispiele lassen sich mehren ; mit Un-
recht habe ich aber die Möglichkeit einer nicht dehnstufigen
Altemation e : ö neben g : ä abgeleugnet; mit Unrecht : denn
die ümlautstufe braucht nicht aus einem Gusse zu sein.
Den Schwerpunkt der H. Möllerschen Untersuchungen
bildet die Darstellung der Verschlußlaute. Es kommt hier vor
allem auf die Kekonstruktion des ursemitischen Lautstandes an;
man wird aber sagen können — und dies ist das größte Lob — ,
daß H. Möller in dieser Beziehung kaum etwas neues vorbringt;
aber seine Yenvertung der Errungenschaften der semitischen
Grammatik ist genial. Eine äußerst wichtige Rolle spielt die
Auffassung der "emphatischen' Konsonanten des Semitischen.
Daß es sich bei diesen I^auten um eine bestimmte Artikulations-
art handelt, geht u. a. klar aus verschiedenen Erscheinungen
der hebräischen Grammatik hen'or (Strack Hebr. Gr.* § 3 b,
8 62 b 2 ; vgl. § 6 a), und zwar waren die Laute gewiß ursemi-
tisch, wie man längst vermutet hat, und wie auch Zinunem,
vgl. Gr. S. 8 — 9, und Brockelmann annehmen, durch einen Kehl-
kopfverschluß charakterisiert ^). Das Ätliiopische kennt (im Inlaut)
1) Demnach müssen diese Laute, deren herkömmliche Bezeichnung
durch einen untergesetzten Punkt mit dem idg. Transskriptionssystem,
wonach /, ^ ein kakuminales t und d bezeichnet, nicht vereinbar ist, als
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 351
ein emphatisches p\ das dem h der übrigen Sprachen gegen-
über gewiß eine Altertümlichkeit ist; sonst wird die größte Zahl
von emphatischen Lauten im Arabischen auseinandergehalten.
Dabei ist allerdings die genaue ursprüngliche Aussprache nicht
immer selbstverständlich. Ich glaube aber, daß H. Möller mit
Recht den durch eine Modifikation des f'-Zeichens ausgedrückten
nach der neuarabischen Aussprache als z* transskribierten Laut
als die dem f ursprünglich entsprechende Media auffaßt. Da-
gegen spricht nicht die stimmlose Aussprache in den übrigen
semitischen Sprachen (z. B. syr. t*\ da ein ähnliches Stimmlos-
werden auch bei anderen emphatischen Lauten vorkommt; auch
nicht die neuarabische Aussprache (z*\ die als Zwischenglied
ein emphatisches d* voraussetzen kann und andererseits uns
vielleicht einen Teil des Weges vorzeichnet, auf dem die äthio-
pische, hebräische, assyrische Aussprache (= «') zu verstehen
ist Das arabische s war nach H. Möller ursprünglich eine Affri-
kata c'; damit stimmt die äthiopische Aussprache (c); damit
stimmt auch die ägyptisch -koptische Entsprechung (ägypt dy
kopt ^, Erman Ägypt. Gr.* S. 13), und das Vorhandensein eines
Mundverschlusses wird schließlich noch dadurch gestützt, daß...
der durch eine Modifikation des «'-Zeichens ausgedrückte stimm- *
hafte Laut neuarab. d' gesprochen wird; daneben kommt nach
Völlers Transactions of tlie Ninth International Congress of
Orientalists II f46 die Aussprache als (emphatisches?)^ vor, die
als Vorstufe für die syrische Aussprache (als *Ajin) betrachtet
werden darf; sonst ist die Aussprache sibilantisch (hebr. s* usw.);
demnach ist eine Affrikata g* als ursprüngliche Aussprache nicht
unwahrscheinlich. Vgl. Brockehnann S. 65 f. Im Anschluß an
Grimme nimmt schließlich H. Möller, auf das (nicht ganz klare)
Zeugnis des Assyrisch-Babylonischen gestützt, an, daß im arab. V
ein stimmloser und ein stinunhafter Laut zusammengefallen sind.
So stellt es sich heraus, daß die emphatischen Laute ursprünglich
immer Verschlußlaute (oder Affrikatae) gewesen sind.
Und weiterhin, daß es zwischen der A-Reihe und der f-
Eeihe eine durch arab. s* und d* vertretene palatale Reihe ge-
i\ <r usw. (wie schon im Kaukasischen geschehen ist) geschrieben werden
(wodurch ihr phonetisches Verhältnis zu idg. <r (=dh) usw. besonders
klar hervortritt). Es ist aber dann nötig, die übliche Transskription von
'Aleph und 'Ajin zu ändern; ich schreibe : (wie im Ägyptischen) und £
(arabisches Zeichen, das mit dem lateinischen Alphabet gut harm.ori«x\.V
360 H. Pedersen,
ech, cymr. en-ep 'Gesicht' und lit jenkü, jökti *blind werdai'
zu lat oculus, arab. ^ajinun *Auge'; arm. thiz^ "Hals' KZ. 39,
437 zu griech. d[|Li(pTiv, arab. ^unk'un *HaIs') und in der JEF-Beihe
(arm. j-esan 'Wetzstein' trotz Lid6n Arm. Studien S. 551 in
griech. dKÖvri) ist in der Tat so selten, daß es einen Sinn haben
kann, darin Entgleisungen oder Sonderentwicklungen der ein-
zelnen Sprachen zu sehen. Nimmt man den in dieser Weise
übrig bleibenden Kern der H. MöUerschen Ansichten an, so mal
man den Anlautswechsel e : a immer in die 'Alephreihe ver-
weisen, und die Häufigkeit dieser Altemation wäre für die
Ansicht ein günstiges Omen, es habe im Indogermanischoi
ebenso wenig wie im Semitischen rein vokalischen Anlaut ge-
geben (eine Yennutimg, die schon bei mir dämmerte, als ich
meinen Aufsatz Les pronoms d6monstratifs schrieb). Auch für
den von mir KZ. 38, 404 angenommenen Ablaut g : ä wäre nur
in der 'Alephreihe Raum (die Sippe von ir. liim *klage an' mit
idg. ^ neben lit 16-ti *bellen', lat läträre mit idg. ä wäre also
bei H. Möller S. 341 falsch beurteilt). Die von mir für den Ab-
laut e : a beigebrachten Beispiele lassen sich mehren ; mit Un-
recht habe ich aber die Möglichkeit einer nicht dehnstufigen
Alternation e : ö neben ^: ä abgeleugnet; mit Unrecht : denn
die Umlautstufe braucht nicht aus einem Gusse zu sein.
Den Schwerpunkt der H. MöUerschen Untersuchungen
bildet die Darstellung der Verschlußlaute. Es kommt hier vor
allem auf die Rekonstruktion des ursemitischen Lautstandes an;
man wird aber sagen können — und dies ist das größte Lob — ,
daß H. Möller in dieser Beziehung kaum etwas neues vorbringt;
aber seine Verwertung der Errungenschaften der semitischen
Grammatik ist genial. Eine äußerst wichtige Rolle spielt die
Auffassung der 'emphatischen' Konsonanten des Semitischen.
Daß es sich bei diesen Lauten um eine bestinmitc Artikulations-
art handelt, geht u. a. klar aus verschiedenen Erscheinungen
der hebräischen Grammatik hen^or (Strack Hebr. Gr.« § 3 b,
§ 62 b 2 ; vgl. § 6 a), und zwar waren die Laute gewiß ursemi-
tisch, wie man längst vermutet hat, und wie auch Zimmern,
vgl. Gr. S. 8 — 9, und Brockelmann annehmen, durch einen Kehl-
kopfverschluß charakterisiert ^). Das Äthiopische kennt (im Lilaut)
1) Demnach müssen diese Laute, deren herkömmliche Bezeichnung
durch einen untergesetzten Punkt mit dem idg, Transskriptionssystem«
wonach /, 4 ein kakuminales t und d bezeichnet, nicht vereinbar ist, tb
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 351
ein emphatisches p', das dem b der übrigen Sprachen gegen-
über gewiß eine Altertümlichkeit ist; sonst wird die größte Zahl
von emphatischen Lauten im Arabischen auseinandergehalten.
Dabei ist allerdings die genaue ursprüngliche Aussprache nicht
immer selbstverständlich. Ich glaube aber, daß H. Möller mit
Recht den durch eine Modifikation des ^'-Zeichens ausgedrückten
nach der neuarabischen Aussprache als z* transskribierten Laut
als die dem f ursprünglich entsprechende Media auffaßt Da-
gegen spricht nicht die stimmlose Aussprache in den übrigen
semitischen Sprachen (z. B. syr. t')^ da ein ähnliches Stimmlos-
werden auch bei anderen emphatischen Ijauten vorkommt; auch
nicht die neuarabische Aussprache {z'\ die als Zwischenglied
ein emphatisches d' voraussetzen kann und andererseits uns
vielleicht einen Teil des Weges vorzeichnet, auf dem die äthio-
pische, hebräische, assyrische Aussprache (= s') zu verstehen
ist Das arabische s' war nach H. Möller ursprünglich eine Affri-
kata c'; damit stimmt die äthiopische Aussprache {c); damit
stimmt auch die ägyptisch -koptische Entsprechung (ägypt d,
kopt ^, Erman Ägypt Gr.* S. 13), und das Vorhandensein eines
Mundverschlusses wird schließlich noch dadurch gestützt, daß...
der durch eine Modifikation des «'-Zeichens ausgedrückte stimm-
hafte Laut neuarab. cT gesprochen wird; daneben kommt nach
Völlers Transactions of the Ninth International Congress of
Orientalists II f46 die Aussprache als (emphatisches ?) <) vor, die
als Vorstufe für die syrische Aussprache (als *Ajin) betrachtet
werden darf; sonst ist die Aussprache sibilantisch (hebr. s' usw.);
demnach ist eine Affrikata g' als ursprüngliche Aussprache nicht
unwahrscheinlich. Vgl. Brockelmann S. 65 f. Im Anschluß an
Grimme nimmt schließlich IL Möller, auf das (nicht ganz klare)
Zeugnis des Assyrisch-Babylonischen gestützt, an, daß im arab. k*
ein stimmloser und ein stimmhafter Laut zusammengefallen sind»
So stellt es sich heraus, daß die emphatischen Laute ursprünglich
inmier Verschlußlaute (oder Affrikatae) gewesen sind.
Und weiterhin, daß es zwischen der Ä;-Reihe und der ^
Reihe eine durch arab. s* und d' vertretene palatale Reihe ge-
f, <r usw. (wie schon im Kaukasischen geschehen ist) geschrieben werden
(wodurch ihr phonetisches Verhältnis zu idg. (T (=dh) usw. besonders
klar hervortritt). Es ist aber dann nötig, die übliche Transskription von
*Äleph und "Ajin zu ändern; ich schreibe i (wie im Ägyptischen) und £
(arabisches Zeichen, das mit dem lateinischen Alphabet gut harmoxvifötVV
354 H. Pedersen,
getrennt aufweist Die Zahl der Belege für die idg. Laallehn
ist in einer so spät überlieferten und lautlich stark geändeitea
Sprache naturgemäß nicht sehr groß, und die Zahl der Eäle^
denen man durch die Annahme unwahrscheinlicher, aber imma^
hin denkbarer Analogiebildungen Gewalt antun müßte, um die
sogenannten reinen Yelare mit den Labiovelaren zu identifizieren,
ist daher aucli nicht groß. Da man aber sowieso die Dreireihen-
theorie nicht los wird, so halte ich eine derartige Yei^waltigong
der albanesischen Tatsachen für unerlaubt Aus meinem B«-
spielverzeichnis KZ. 36, 329 f. mag wirklich der eine oder der
andere Fall als für die Behandlung der *reinen Velare* nidit
beweisend oder als falsch zu streichen sein; ich war absichdich
der Tradition gegenüber so konservativ wie möglich gewesen;
denn es kam mir in meinem Aufeatz natürlich in erster Linie
auf meine neue These an, daß die Labiovelare vor e und i eine
weit vorgeschrittene Palatalisation aufweisen, und für diesen
Zweck genügte der Nachweis, daß die Beispiele ohne vorge-
schrittene Palataüsation sämtlich der "reinen Velarreihe* ge-
hören. Jetzt mag man diese Beispiele von einem anderen Ge-
sichtspunkt auf eine strengere Wage legen; man mag mit E.
Hermann drei derselben (Nr. 4, 10, 11) als falsch ablelmen; das
ändert aber an der Sache sehr wenig. So lange man bei jffii
und koh9 keine glaubwürdige Ausrede gefunden hat, bleibt, wie
ich glaube, meine Zurechtlegiing wahrscheinlich. Die Vermutung,
daß die *reinen Velare' auch im Griechischen und Lateinischen
in der Stellung vor u andei's behandelt werden als die Labio-
velare und die Palatale (Brugraann Kurze vgl. Gr. S. 158), habe
ich fi'üher abgelehnt. Beispiele, die eine solche Vermutung nahe-
legen, smd aber wohl ti'otzdem vorhanden; und phonetisch ist
die Abneigung der *reinen Velare' gegen die Verbindung mit
einem u nicht, wie ich mit Unrecht angenommen hatte, unver-
ständlich. Sie wird durchaus verständlich, sobald man die Veinen
Velare' als hintei^te A-Laute, als Uvulare faßt Nach dieser
Auffassung (die ich schon vor mehr als einem Jahre, um Neu-
jalir 1906, ohne von den Forschungen H. Möllers eine Ahnung
zu haben, Herrn Dr. E. Hermann brieflich mitgeteilt hatte) sind
die drei Reihen als k\ k** und q zu bezeichnen. Der im Indo-
germanischen nicht seltene Wechsel der A-Reihen, wird dann
auf Berührungen der Palatale und der Labiovelare beruhen;
denn die Artikulationsstelle der Uvulare ist bestimmter und
DiQ idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 863
dhänäs "Getreidekömer* ; assyr. k*arärü *Hitze* : griech. 6^poc.
4) sem. emphatische Media = idg. Media : arab. z'arra 'he cut
or split off a fragment of a hard stone to be used as a knife' :
griech. ö^puj; hebr. i'arcpjj 'Mutterleib*, assyr. ina kirib 'in* (assyr.
k aus ursemit g') : ßp^qpoc (mit l : arab. k^albun *Herz' : griech.
beXqpuc, got kalbö). Ob es eine emphatische Media der Labial-
reihe gegeben hat, läßt sich vom semitischen Standpunkt nicht
entscheiden ; hat sie bestanden, so muß sie offenbar (wenigstens
außerhalb des Äthiopischen) mit der labialen emphatischen Tennis
das gleiche Schicksal gehabt haben. Auch das Indogermanische
lehrt uns nicht viel; eine Media b kommt hier zwar vor, ist
aber bekanntlich so selten gewesen, daß man sie schließlich leicht
überall als sekundär (durch sekimdären Lautwandel oder Ent-
lehnung entstanden, vgl Johansson, EZ. 36, 389) auffassen könnte.
Dies System der idg.-semitischen Entsprechungen hat mit
den aus historischer Zeit bekannten Lautverschiebungen (der ar-
menischen und der germanischen Lautverschiebung) eine be-
deutende Ähnlichkeit, die ich als eine Empfehlung derselben
betrachte. Daß die seltenen Tenues aspiratae nicht als eine alte
selbständige Artikulationsart, sondern nur als eine Abzweigung
der alten Tenues erscheinen, ist gleichfalls sehr glaubwürdig;
das Problem ist aber noch nicht erschöpft; u. a. scheint mir die
Frage berechtigt zu sein, ob nicht im Inlaut gelegentlich eine
Tennis aspirata aus einer Media aspirata durch einen speziell
idg. lautlichen Vorgang entstanden sein könnte. Die Kehlkopf-
artikulation der emphatischen Tenues ist im Indogermanischen
in geänderter Form gebUeben, die Kehlkopfartikulation der em-
phatischen Mediae ist (wie später in den meisten idg. Einzel-
sprachen die Kehlkopfartikulation der Mediae aspiratae) ge-
schwunden.
Eine besondere Beachtung verdienen die Palatale und die
h-loLuie. Daß es im Indogermanischen ebenso gut wie im Semi-
tischen zwei nicht palatale Ä;-Reihen gegeben hat, scheint mir
festzustehen; wenigstens ist eine andere Rekonstruktion des idg.
Lantsystems nicht als möglich nachgewiesen worden, auch von
E. Hermann KZ. 41, 32—60 nicht Die idg. Dreireihentheorie
beruht nicht auf dem Albanesischen ; sie ist bekanntlich ohne
Berücksichtigung des Albanesischen aufgestellt worden und müßte
auch ohne das Albanesische festgehalten werden. Aber ich halte
durchaus daran fest, daß das Albanesische die drei ib-BfövVv^Ti
356 H. Pedersen,
Boden unter den Füßen vollständig weg; das einzige Eritenom
für die Unterscheidung der beiden nicht palatalen Reihen ist
eben im Indogermanisehen die Labialisierung. Will man die
beiden idg. Reihen mit den beiden semitischen Reihen paralkli-
sieren, so muß man mit Bezug auf die Labialisierung das Indo-
germanische für die Beurteilung des Semitischen maßgebaid
sein lassen. Die Labialisierung wäre danH auch im Semitischen
ursprünglich nur bei den Velaren vorhanden gewesen und wäre
im Äthiopischen bei den Uvularen erst eingetreten, nachdem
sie zu Velaren verschoben worden waren (ähnlich habe ich
KZ. 39, 441 für das Arische und Annenische ZusammenfaU von
ik" und q in i" annehmen zu müssen geglaubt). Und es wäre
als eine weitere (vorläufig unerklärte) Neuerung zu betrachten,
daß die Labialisierung im Äthiopischen in einem Teil der Klle
fehlt. Wenn man aber die Vergleichung der beiden nicht pala-
talen i-Reihen in den beiden Sprachstämmen in dieser Weise
durchführen will, so fällt es sofort auf, daß die Belege ziemUch
schlecht stimmen. Es ist nun gewiß möglich, auf verschiedene
Fehleriiuellen hinzuweisen, die teilweise an der schlechten Über-
einstimmung Schuld sein können. Ein Teil des H. Möllerschen
Materials kann zu verwerfen sein; mit dem oben erwähnten von
mir angelegten ausgesäuberfen Verzeichnis von 130 besonders
ansprechenden Gleichungen stimmt die Sache schon viel besser
als mit der ungekürzten H. Möllei-schen Sammlung. Zweitens
kann unsere idg. Rekonstruktion bisweilen falsch sein (q kann
falsch statt k' : i" angesetzt sein). Drittens kann die Labiahsation
im Indogermanischen zum Teil sekundär verloren gegangen sein
(so sicher nach u). Die schon oft hervorgehobene Häufigkeit der
idg. Uvulare vor a läßt sich dagegen gewiß nicht verwerten,
da der Vokal eher von dem Uvular abhängig ist als umgekehrt
Daß schließlich die semitische Velar- und Uvulaneihe mit der
idg. Labiovelar- und Uvularreihe identisch sind, bin ich trotz
der Schwierigkeiten geneigt zu glauben; daß aber die Drei-
reihentheoric in dem einen oder in dem andern Spmchstamm
durch die Vergleichung des Indogermanischen mit. dem Semi-
tischen eine wesentliche Stütze erhielte, darf man nicht behaup-
ten. Die idg.-sem. Beispiele für die Uvulare sind denn auch
sehr dünn gesät. Assyr. xaxin *ein Domgewächs', arab. HOsun
*a certain kind of thorny plant or tree': mhd. hac gen. hages
Domstrauch', cymr. cae *Zaun' mag eine richtige Vergleichung
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. dö7
sein ; der Wurzelauslaut müßte aber im Indogermauischen eine
Media aspirata sein, was unter keinen Umständen zur arabischen
(mit dem Assyrischen nicht stimmenden) Form stimmen würde ;
und dafür, daß der Anlaut im Indogermanischen ein Uvular ist,
haben wir keine Gewähr. Für die uridg.-sem. Media finde ich
kein mir glaubhaftes Beispiel. Besser sind die Beispiele für die
emphatischen Laute : arab. muxxun *the marrow of a bone' : an.
mergr *Mark', asl. mozgü *Gehim', awest. mazga- *Mark, Gehirn*;
daß neben idg. gh auch g bestanden hat, beweist skr. maigan--
'Mark' ; dem könnte im Semitischen eine Tennis entsprochen, vgl.
Tigre mäl^ät Teig', arab. muHHun *the yolk of an egg' (idg. zgjih)
aus g(A)s; das s ableitend); assyr. oms'annu ^Leibriemen ?', xins'ä
•Lenden', syr. Hos's'd *hip, haunch', arab. xas'run Vaist, the
slender part above the hips or haunches', äthiop. k^*es* *crus,
tibia': im Indogermanischen mit umgekehrter Stellung des Pa-
latals und des Uvulars skr. gaeghä *untere Hälfte des Beins*,
gagJMna- 'Hinterbacke', lit. zengiü "schreite', ahd. gangan
•gehen' griech. koxüjvh *die Stelle zwischen den Schenkeln bis
an den After* ; arab. qurquratun •Kropf, Tigrina g'^erg^^erit •Kropf:
griech. TttpTctpeuJv 'uvula', skr. gargara-s •Schlund* (von den be-
deutungsverwandten Wörtern mit Labiovelar zu trennen).
Neben den Verschlußlauten gab es im Urindogermanisch-
Semitischen auch Spii-anten. Der ursemitische Bestand war:
ß s s ä X H h
d z q t
Davon kommt $ für die Vergleichung mit dem Indogermanischen
in Abzug, da es, wie wir oben gesehen haben, aus einem prä-
semitischen c entstanden sein muß (auch im Ostindogermani-
schen ist kf überall — von den Verbindungen mit einem s ab-
gesehen — spirantisch geworden, was von den übrigen Artiku-
lationsarten der palatalen Verschlußlaute nicht gesagt werden
kann, s. KZ. 39, 489). Das ursemitische s (Samekh ; bei H. Möller
anders transskribiert; ich habe seine, wie mir scheint, wenig
glückliche Rekonstniktion und Transskription der stimmlosen
nicht-emphatischen Sibilanten durch die meiner Ansicht nach
allein richtige von Zimmern und Brockelmann vertretene Re-
konstruktion ersetzt) ist nach H. Möller ursprünglich ein zur
Palatalreihe gehöriger Reibelaut; die verschiedene Entwicklung
des Reibelautes und der Affrikata mit Bezug auf die Mouillierung
hat in anderen Sprachen eine schlagende Parallele (s. ZDMG.
Indoirermanisclie Fonchnngen XXII. ^
858 H. Pedersen,
57, 548 ff.). Das ursemitische ä (hebr. ^ arab. s) entspricht dem
idg. 8^ und es ist wohl wahrscheinlich, dafi die id^. Aussprache
älter als die semitische ist; vgl. das Ägyptisch-Koptische, Emum
Äg. Gr. * S. 12, Hommel Zs. f. äg. Spr. 30, 9 ff. (zum semitischen l
aus uridg.-sem. s vgl. z.B. den Übergang des idg. s in ^ im Albane-
sischen). Die Yergleichung mit dem Indogermanischen führt la
der Annahme, daß im sem. z zwei Laute zusammengefallen sind:
ein dem Samekh entsprechender urspr. palataler Laut und ein dem
sem. i, idg. s entsprechender Laut Femer wird es eine labiale
Spirans f gegeben haben, die im Semitischen zu x geworden ist
(vgl. den aus mehreren idg. Sprachen zu belegenden Übeigang
eines f in h).
Im Indogermanischen sind nun nach EL Möller zunächst
sämtliche stimmhafte Mund-Spiranten stimmlos geworden ; dann
sind sie mit Ausnahme der in s zusammengefallenen Laute zu
Vei*schlußlauten (reinen Tenues) geworden. Beispiele für diese
Kegel wären etwa: arab. luxurun *the back, latter*: skr. apara-
'hinterer*; arab. ßaurun *Stier': an. pjorr "Stier'; arab. falada
*secuit, out^ cut off*: ahd. s-paltan (ein anderes Beispiel für (f
ist arab. dara^a *to extend': skr. stariman- 'Ausbreitung'); hebr.
«MS, assyr. »t5ä*Pferd* (redupliziert): lat equus, skr. (t^va-s^ arab.
saluatun 'corafort, consolation', hebr. Saluä 'Sicherheit, Buhe':
lat. salvus; arab. zamänun *a half year*: skr. samä "Halbjahr*:
arab. xarifun *auctumnus', äthiop. xarif *annus praesens' : griech.
KapTTÖc 'Fi'ucht', ahd. herbist "Herbst'; arab. qaraba *he went away',
'ging unter (von derSonne)' : an. Atw/a 'sich wenden, verschwinden*.
Es düi-fte wohl am nächsten liegen, sem. x und q als die
Reibelaute der Velarreihe aufzufassen. Daß die Entsprechung des
X im Indogermanischen keine Labialisierung zeigt, braucht nicht
dagegen zu sprechen. Dann liegt es sehr nahe, die semitischen
Gutturale h und £ als die Reibelauto der üvularreihe aufzu-
fassen; sie wären also ursprünglich keine Gutturale, sondern
Mundlaute gewesen. Vgl. die Alteniation g : £ (H. Möller S. 322).
Dann ergibt sich aber die Notwendigkeit einer Modifikation der
H. MöUerschen Regel für die Entwicklung der Spiranten. Ich
vermute, daß nicht die stimmhaften Spiranten stimmlos, sondern
umgekehrt die stimmlosen Spiranten stimmhaft geworden sind.
Die zweite Stufe der Entwicklung bestand darin, daß die (alten
und neuen) stimmhaften Spiranten teilweise mit den nicht em-
phatischen stimmhaften Verschlußlauten zusammenfielen und mit
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 369
diesen im weiteren Verlauf zu idg. reinen Tenues wurden. Die
Verschiebung der Spiranten ist also älter als der Anfang der
Verschiebung der Verschlußlaute.
Die Spiranten sind aber nur teilweise zu Vei^scldußlauten
geworden. Gewisse Artikulationsstellen sind für die Bildung eines
vollständigen Verschlusses ungünstig. Dies gilt vor allem von
der liintersten Är-Stelle. Hieraus erklärt es sich also vollkommen,
daß die dem h und £ entsprechenden idg. Laute nicht zu Ver-
schlußlauten geworden sind, sondem zunächst als g (zweierlei g,
wenn H. Möller ihnen mit Recht eine verschiedene umlautende
Wirkung zuschreibt) geblieben und schließlich vokalisiert wor-
den sind.
Schon als ich Les pronoms d6monstratifs schrieb, dämmerte
bei mir die Ahnung, daß das idg. ^-Problem mit dem Problem
des idg. 'spirantischen^*', d.h. q' in Verbindung stand und
daß ich daher genötigt werden könnte, meinen Widerspruch
gegen den Ansatz eines solchen Lautes aufzugeben. Der Ver-
such Sommers (Gr. Lautstudien S. 137 ff.), griech. l aus j zu er-
klären, hatte mich nicht befriedigt Er hat die phonetischen Vor-
gänge nicht genügend beleuchtet (wenn l zunächst aus hi ent-
standen wäre, so ist der stimmhafte Charakter desselben uner-
klärt); er mutet uns schwer glaubliche Analogiebildungen zu
(z. B. bei 2[eid), und das Wort ucjuivri stimmt, wie auch Jacob-
sohn Deutsche Literaturzeitung 1906, Sp. 676 gesehen hat, mit
seinen Regeln nicht Die Frage ist also offen. Nach H. Möller
entsprechen dem skr. jäthii Verbindet*, griech. leurvöiuu, skr,
jama-ti *hält, bändigf (vgl. griech. lr\)i\a) im Semitischen Formen,
die mit z anlauten : arab. zauuun *a pair or couple', za^gun *one
of a pair or couple' (mit reicher Sippe ; bis jetzt als Entlehnung
aus dem Griechischen beti-achtet; arab. g : griech. g ist bei Ur-
verwandtschaft unregelmäßig), zamma *he tied, bound' (zitnämun
•nose-rein'). Ist dies richtig, so halte ich allerdings die Annahme
für unbedingt nötig, daß griech. l hier den stimmhaften Reibe-
laut der Palatalreihe vertiitt Vermutlich war q' im Anlaut zu
i geworden, woraus im Griechischen 2, sonst |. Ein Beispiel bei
H. Möller, S. 83 ist zu streichen. Wie das alte q' im Inlaut be-
handelt wurde (j oder lc\ oder beides, je nach den Bedingungen),
ist noch nicht nachgewiesen. Nach IL Möller, S. 224 ist sq' zu
sk' geworden, wogegen man apriori nichts einzuwenden haben
kann. Der stimmlose Reibelaut af braucht nicht durch die Asr
3<^ H. Pedersen,
nähme des Stimmtons mit dem alten q' zusammengefalle
sein; dies kann schon zu i geworden sein, als aus dem j
neues q' entstand, das sich in re|2:elmäßiger Weise über ^
entwickeln konnte ; v^L H. Möller, S. 221 (der jedoch nur \
Beispiele für idp. k' = semit s im Anlaut bietet).
Auch d war, wie ich glaube, schon vor dem Stimm
wenlen des / in den meisten Fällen verschoben worden, und
zu z. Nach s und / war dies nach den obea angeführten
spielen nicht der Fall; es mag auch in gewissen andei'en Stellu
nicht der Fall gewesen sein (u. a. pflegt n dieselbe Wirkung
ein folgendes d auszuüben wie /). Für die Verschiebung
führe ich an: arab. M. da. F. tä 'dieser* : idg. M.*«), N.*forf; i
anib. xudnun *Ohr' stelle ich noch wie KZ. 32, 271 zu got <
Gen. at«i>w; das gegenseitige Verhältnis der Vokale ist ungewi
lieh, mir aber, wie ich schon oben ausgesprochen habe, e
unglaublicli. (Zwei der H. Möllerschen Belege S. 217 muß
dann verwerfen.) Von diesem (Gesichtspunkt aus wäre es '
leicht möglich, das idg. )6-Problem in Angriff zu nehmen,
griech. und kelt. t in Wörtern wie griech. dpicxoc ir. art, gri
TeKTUJV usw., dem in den übrigen Sprachen ein s gegeni
steht, und das auch innerhalb des Griechischen und Keltisc
zweifellos mit s gewechselt hat (in Texvn ist ein s ausgefal
könnte auf ein d zurückgehen, das in diesen beiden Sprac
nach einem Ä--Laut andei-s als in den übrigen Sprachen behau
wäre. Statt des Ansatzes / wäre also eine uridg. dialektis
•Doppellieit t : s aus präidg. ö anzusetzen. Die Theorie be(
aber noch dov Bestätigimg durch eine imdg.-sem. Etyniolo
Es kann auffallen, daß bei meiner Theorie die Entwi(
hing des präidg. z (aus uridg.-sem. s, z, ö) anders als die d(
(aus uridg.-sem. q') verlaufen sein muß. In dem einen Falle
später (jedenfalls ei*st nach der Vei'schiebiuig der Tenues) Stir
losigkeit ein, in dem anderen nicht. Dies mag daraus zu erklä
sein, daß zur Zeit, wo z stimmlos wurde, die Entwickelung dt
schon weiter vorgeschritten war und zwar dialektisch teils z\
teils zu t (für beide Vei-schiebimgen gibt es gute phonetische A
logien). Statt des bislierigen Ansatzes eines uridg. "spirantiscl
j" (d. h. q') wäre also aucli hier eine uridg. Doppelheit an
nehmen, die sich pmidg. in i aus uridg.-sem. q' vereinigt.
Auch im Semitisclien mögen kleinere Verschiebungen
Spiranten stattgefunden haben. Zunächst gebe ich zu erwäg
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 361
ob nicht gelegentlich S an die Stelle eines s getreten sein kann
(vgl. H. Möller, S. 241, 365); arab. xamsun ^ünf, hebr. xämei
könnte dann auch im dritten Radikal dem idg. *pe»k^e (dessen
ifc" an die Stelle eines k' getreten wäre) entsprechen. Nach H.
Möller entspricht sera.j bisweilen einem idg. yfc-Laut (arab. ^atnun
'Auge' : lat oculus, arab. lajlun *Nacht' : lat nox). Ich würde
hierin nicht den Reflex eines besonderen Lautes, sondern (mit
Verwerfung eines Teils des H. MöUerschen Materials) eine unter
ganz besonderen Bedingungen entstandene Modifikation des
Velaren q sehen. Als eine Modifikation des palatalen stimmlosen
Reibelautes würde ich sem. h betrachten, wenn es, wie IL Möller
annimmt, einem idg. k-hsLUt entsprechen kann. Die Beispiele
für diese Entsprechung sind aber nicht ganz überzeugend. Arab.
hamc^un *Hunger' (arab. g aus ursemit g) : griech. xifKex ' ireivqi,
ahd. hungar *Hunger' (von lit kankä 'Qual' zu trennen) ist
beachtenswert, aber kaum viel sicherer als die oben besprochene
Gleichung arab. hindun *100 Kamele* : lat centum. Eine bei tt
Möller nicht aufgenommene Gleichung arab.s'tArw« Verschwägert*,
griech. 4icup6c *Schwiegervater* will mir nicht aus dem Kopf, ist
aber recht unsicher; das idg. Wort beniht auf einer Wurzel
*suel^uero- (im F., lat socrus usw., ist -l^ur- zu -l^rfi' umge-
stellt worden); die beiden u, die im Semitischen geschwunden
sein müßten, en*egen allerdings bei mir kein Bedenken, wohl
aber das arab. s'\ man könnte für das Semitische ebenso wie
für das Altindische (svasura-s) und das Litauische eine Assimi-
lation annehmen, auf die aber eine Dissimilation gefolgt sein
müßte (vgl. etwa skr. sö^-s 'ausdörrend' mit S aus s wegen des
folgenden g). Der Übergang eines af in h würde im Irischen
eine phonetische Parallele haben (vgl. mein Buch Aspirationen
i Irsk, S. 18 über die Aussprache des ir. fiche); vgl. auch neu-
arm, h- aus altarm. j- ; aber die Ratio der Spaltung des uridg.-
sem. sf in ursemit 8 und h wäre gänzlich dunkeL Für den In-
laut ninunt H. Möller eine andere Entsprechung des sem. h an :
idg. |. Beispiele : arab. bahaia^ bcJiiia T)ecame familiär', bcJiä^un
'accustomed to her milker', bahmun *agni haedive uno grege
comprehensi* : griech. ttuju *Herde', skr. päjA- "Hüter* griech. ttoi-
inriv *Hirt*; hebr. Perf. läha^ *lieben' arab. habba *was excited
with lust, by desire of the female' : griech. ofqpuj, s\, jebcUi (r.
jeb<Ui und jeti^ auch reflexiv jeti-sja 8 *mit (jemandem) Beischlaf
haben', sowohl vom Mann als von der Frau; ähnUdv \xxi^^^v
362 H. Pedersen,
sehen, was doch wohl darauf deutet, daß das Wort ursprünglidi
nicht die eminent transitive Bedeutung des griech. ßlvdui gehibt
hat; allerdings ist nicht zu verschweigen, daß das Wort häufig
in Verwünschungen verwendet wird). Dies semit h = idg. i ist
nach R Möller von h = idg. k' ganz verschieden und als ein
ursprünglicher Guttural (also ein uridg.-sem. h) aufeufassen. Ich
gestehe, daß mir der Übergang eines ä in i nicht recht glaub-
lich ist; ein idg. i aus x wäre mir dagegen durchaus verstand-
licli; daß sfu in lat. equus und griech. 4icup6c nicht zu j gefühlt
hat ist kein Einwand ; gerade die Stellung vor u kann dem aus
a^ zunächst entstandenen q' die spirantische Aussprache erhalten
haben. Bemerkenswert ist die Vermutung Uhlenbecks, Et Wlb.
d. altind. Spr., daß zu skr. jabhati *futuit' auch griech. tt9upoc
gehört; arab. hahba bedeutet auch 'flavit ventus'; davon habobatun
*valido Spirans et pulverem commovens ventus* und andere Ab-
leitimgen mit ähnlicher Bedeutung; die Vermutung verträgt sich
aber schlecht mit der (schwach gestützten) Ansicht H. MöUers,
daß dem sem. s- und A- im Anlaut ein idg. A^Laut entspricht;
ob man H. Möllei's Beispiele oder Uhlenbecks Etymologie ver-
werfen soll, bleibt zu erwägen ; absolut unmöglich ist es aller-
dings nicht, beides anzuerkennen ; oif wäre dann im Inlaut und
sekundären Anlaut mit q' zusammengefallen, im alten Anlaut
aber nicht (etwa weil es im Inlaut früher als im Anlaut stimm-
haft geworden wäre?). Oder ist das semitische h teils aus x\
teils aus q' entstanden?
H. Möller nimmt für sem. h im Anlaut noch eine dritte
idg. Vertretung an : Schwund. Und es ist kaum zu bezweifeln,
daß arab. hnua *er', hiia *sie' zu skr. ijam, lat e a *sie*, der arab.
Artikel al (mit geschwundenem A, vgl. hebr. ha) zu lat ollus,
das arab. Kompositum härdä *dieser' zu idg. *0-io- 'dieser* gehört
Aber die nicht pronominalen Belege für die Entsprechung
scheinen abgelehnt werden zu können (arab. hataia *edit cibum' :
lat edö hat H. Möller selbst mit einem Fi'agezeichen versehen).
Dann möchte ich hier die besonderen phonetischen und morpho-
logischen Eigentümlichkeiten der Pronomina zur Erklärung heran-
ziehen. Entweder hat die Unbetontheit, sei es im Semitischen
(h aus H?), sei es im Indogermanischen eine lautliche Sonder-
entwickelung hervorgerufen, oder die semitischen Pronomina
sind komponiert (vgl. etwa die idg. Partikel *k^i).
So zeiclme ich also von der Entwickelung der Spiranten
Die idg.-semitische Hypothese und die idg. Lautlehre. 363
ein viel bunteres Bild, als H. Möller es getan hat. Darin dürfte
aber nichts unwahrscheinliches sein. Die Spiranten sind übei'all
mit Bezug auf die Artikulationsstelle viel leichter verschiebbar,
als die Verschlußlaute.
Ausführlich behandelt H. Möller die Alternationen der ver-
schiedenen Arten der Oeräuschlaute: Wechsel zwischen empha-
tischen und nicht emphatischen Ijauten (amb. k'arnun *Honi' : idg.
*J(^rn'\ zwischen stimmlosen und stimmhaften Lauten, zwischen
Verschlußlauten und Spiranten. Die Gesetze, die IL Möller für
die uridg.-sem. Altemationen aufstellen will, halte ich aber für
ganz unbewiesen, und seine Behandlung des sem. Akzents S. 135
kann ich nur als verfehlt betrachten. Auch bin ich überzeugt,
daß er manchen Altemationen ein zu hohes Alter zuschreibt;
namentlich wird der Wechsel zwischen stimmlosen und stimm-
haften Lauten im Wurzelauslaut oft auf speziell idg. Boden ent-
standen sein. Bisweilen verlegt H. Möller sogar solche Erschei-
nungen, die ich als einzelsprachlich betrachte, in die uridg.-
semit Urzeit
Auch die Gesetze, die H. Möller für den Wechsel zwischen
l und r aufstellt, kann ich nicht anerkennen. Daß ursprüngliches
n bisweilen im Semitischen als l auftritt, wird anzuerkennen
sein ; vermutlich findet sich dies l nur in proklitischen Wörtern
(arab. la *nicht' : idg. *ne\ hebr. icd *zu* neben assyr. ana *zu', ina
*in' : griech. dvi, dvd) und als Wü'kung einer Assimilation (arab.
lafiun *lfacht', idg. ^nok^t-),
Nachwort.
Ich bin in dem vorstehenden Aufsatz mit Bezug auf die
Transskription den Vorschlägen Hirts IF. 21, 145 — 161 gefolgt.
Denn ich bezweifle nicht, daß Hirt in dieser Frage das erlösende
Wort gesprochen hat Natürlich gibt es Einzelheiten, bei denen
man anderer Ansicht sein kann. Zunächst halte ich für das Ar-
menische die Transskription y, ^*, k' (aber dann allerdings auch
c' und d*) für notwendig, u. a. um p* von dem etymologisch und
orthographisch verschiedenen ph (z. B. in sephdkan *eigen') unter-
scheiden zu können. Konsequent wäre es, nun auch für das In-
dische p*, V usw. zu schreiben ; ich habe aber die in der Schrei-
bung j>A, bh hegende Inkonsequenz wie einige andere als vor-
läufig unvermeidlich und ziemlich unschädUch betrachtet Für
das Indische schreibe ich statt g unbedenklich i\ ob der Lawt
362 H. Pedersen,
sehen, was doch wohl darauf deutet, daß das Wort ursprünglidi
nicht die eminent transitive Bedeutung des griech. ßlvdui gehabt
hat; allerdings ist nicht zu verschweigen, daß das Wort hiufi^
in Verwünschungen verwendet wird). Dies somit h = idg. i ist
nach H. Möller von h = idg. k' ganz verschieden und als ein
ursprünglicher Guttural (also ein uridg.-sem. h) aufzufassen. Ich
gestehe, daß mir der Übergang eines ä in / nicht recht glaub-
lich ist; ein idg. i aus x' wäre mir dagegen durchaus verständ-
lich; daß sfu in lat equus und griech. 4icup6c nicht zu j gefahrt
hat ist kein Einwand ; gerade die Stellung vor u kann dem aus
a^ zunächst entstandenen q' die spirantische Aussprache erhalten
haben. Bemerkenswert ist die Vermutung Uhlenbecks, Et Wtb.
d. altind. Spr., daß zu skr. jabhati *futuit' auch griech. liq^xy^xyc
gehört; arab. haM>a bedeutet auch 'flavit ventus*; davon habilbahm
•valide spirans et pulverem commovens ventus' und andere Ab-
leitimgen mit ähnlicher Bedeutung; die Vermutung verträgt sich
aber schlecht mit der (schwach gestützten) Ansicht H. Möllers,
daß dem sem. s- und h- im Anlaut ein idg. it-Laut entspricht;
ob man H. Möllers Beispiele oder ühlenbecks Etymologie ver-
werfen soll, bleibt zu erwägen ; absolut unmöglich ist es aller-
dings nicht, beides anzuerkennen ; af wäre dann im Inlaut und
sekundären Anlaut mit q' zusammengefallen, im alten Anlaut
aber nicht (etwa weil es im Inlaut früher als im Anlaut stimm-
haft geworden wäre?). Oder ist das semitische h teils aus x\
teils aus q' entstanden?
H. Möller nimmt für sem. h im Anlaut noch eine dritte
idg. Vertietung an : Schwund. Und es ist kaum zu bezweifeln,
daß arab. huua 'er', hiia *sie' zu skr. ijam, lat e a *sie*, der arab.
Artikel al (mit geschwundenem A, vgl. hebr. ha) zu lat ollus,
das arab. Kompositum härdä Mieser* zu idg. *0-io- 'dieser* gehört
Aber die nicht pronominalen Belege für die Entsprechung
scheinen abgelehnt werden zu können (arab. hataia *edit cibum' :
lat edö hat H. Möller selbst mit einem Fragezeichen versehen).
Dann möchte ich hier die besonderen phonetischen und morpho-
logischen Eigentümlichkeiten der Pronomina zur Erklärung heran-
ziehen. Entweder hat die Unbetontheit, sei es im Semitischen
(A aus /f ?), sei es im Indogermanischen eine lautliche Sonder-
en twickelung hervorgerufen, oder die semitischen Pronomina
sind komponiert (vgl. etwa die idg. Partikel *lt^i).
So zeichne ich also von der Entwickelung der Spiranten
K. Brugmann u. A. Leskien, Zur Einführ, einer künstl. Hilfsspr. 366
hätte sie aber auch gesperrt drucken können, um dadurch die
Schreibung als Originalorthographie zu bezeichnen, da doch we-
nigstens eine Reihe von Schulbüchern bei den Albanesen nüt
meiner Schreibung gedruckt ist.
Kopenhagen. Holger Pedersen.
^
Zar Frage der Einftthrnng einer kfinstllchen inter-
nationalen Hilfssprache.
I.
1. Die gegenwärtige Weltsprachbewegung, die bekanntlich
von der Pariser Diligation pour Vadoption d'une langue aimliair$
ifUematümcde geleitet wird, befindet sich seit Oktober 1907 in
einem neuen Stadium. Die D616gation hatte die "Internationale
Assoziation der Akademien" ersucht, darüber zu entscheiden,
welcher von den konkurrierenden künstlichen Hilfssprachen,
Esperanto usw., der Preis zu erteilen sei. Dieses Urteil des
höchsten wissenschaftlichen Fonims der Gegenwart sollte für
alles Weitere maßgebend sein. Darauf hat die Assoziation am
29. Mai 1907 durch ihre Delegierten in Wien Stellung zu diesem
Anerbieten genommen, und zwar hat die Mehrzahl der 21 Aka-
demien es überhaupt abgelehnt, in eine Besprechung der Frage
einzutreten. Wozu zu bemerken ist, "daß von der Minorität, wie
sich aus den vorher eingesandten schriftlichen Äußerungen der
betreffenden Akademien ergab, nur wenige dem Plane der
D616gation freundlich gegenüberstanden, während die Mehrzahl
auch innerhalb der Minorität nur aus Höflichkeit eine Diskussion
wünschte, dem Projekte der Welthilfesprache dagegen selbst ab-
geneigt war" ^). Im Programm der D616gation war der Fall der
Ablehnung seitens der wissenschaftlichen Körperschaften vor-
gesehen und bestimmt, daß, wenn er einträte, an die Stelle der
Akademien ein von der D616gation selbst zu wählendes Comiti sich
der Aufgabe der Auswahl zu unterziehen habe. Diese Komitee-
bildung ist mittlerweile erfolgt, und das Komitee hat sich im
Oktober, wie vorauszusehen war, für das Esperanto entschieden.
1) So berichtet Diels, Sekretär der Berliner Akademie, in der
Deutschen Literaturzeitimg 1907, Sp. 1669 f. Was Ostwald im 'Daheim* 1907,
Nr. 4:2 S. 21 über die Abstimmung in Wien sagt, daß sich fast die Hälfte der
assozüerten Akademien zugunsten der Bestrebungen der Weltsprachfreonde
ausgesprochen habe, ist unrichtig.
366 K. Brugmann u. A. Leskien,
Für uns Sprachforscher ist dabei von besonderem Intarene^
daß in dieses Komitee zwei angesehene Fachgenossen, Baudouii
de Courtenay (Petersburg) und Jespersen (Kopenhagen), eia-
getreten sind. Damit nimmt unsere Wissenschaft zum erstenmil
auch praktisch teil an diesen Bestrebungen. Damit ist nunmdir
aber auch die erwünschte Gelegenheit gekommen, daß die Axa-
und Durchführbarkeit des Programms der D61^tion unter den
nächstzuständigen Fachleuten gründlicher und mit Hoffnung anf
Verständigung erörtert werden kann. Denn über Art und Maß der
Schwierigkeiten, die sich der Ausführung eines Planes, wie der in
Rede stehende ist, entgegenstellen, und über die Aussichten, die
dieser somit der Wahrscheinlichkeit nach hat, mit begeisterten
Anhängern der Idee, die, ohne mehr als eine Ahnung vom Wesen
und Leben der Sprache zu haben, nur nach dem Ziele binstarren
und es möglichst rasch und glatt erreichen möchten, zu de-
battieren, ist eine saure und undankbare Arbeit Womit freilieb
nicht gesagt sein soll, daß eine Einigung unter den Fachmännern
über diese Frage jedenfalls leicht sein müßte. Bietet doch das
Delegationsprogramm eine Aufgabe, wie sie zwar schon oft ge-
stellt, aber bisher niemals und nirgends ihrer Lösung auch nur
um wenige Schritte entgegengeführt worden ist
2. In der von mir zusammen mit A. Leskien im Frühjahr
1907 herausgegebenen Schrift Zur Kritik der künstlichen Welt-
sprachen (Straßburg bei K. J. Trübner) habe ich an die beiden
genannten Sprachfoi^schcr Baudouin de Courtenay und Jespersen
und an den Sprachfoi-scher Hugo Schuchardt (Graz), die alle
drei das offizielle Programm der Pariser D616gation unterzeichnet
hatten, die Aufforderung zu richten mir erlaubt, "nun auch nicht
länger mehr sozusagen nur vom Zaun aus dem ganzen Getriebe
[der Agitation der nichtfachmännischen Weltsprachfreunde] zu-
zuschauen", sondern auch praktisch mitzuarbeiten, damit,
wenn etwas, wenigstens das Bestmögliche zustande komme.
Daß, wenn nicht etw^as absolut Vollkommenes, so doch das Best-
mögliche dargeboten werden müsse, hatte Schuchardt selbst, und
unzweifelhaft mit Recht, betont. Ich hoffte nun, man werde von
diesen Fachmännern bald eine Antwort erhalten auf die drei
Hauptfragen, um die sich heute alles dreht und drehen muß:
1) Ist unter den im Wettbewerb stehenden künstlichen Hilfs-
sprachen eine, die man zum Zweck der Ausführung des Pariser
Programms mit gutem Gewissen den obrigkeitlichen oder son-
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 367
- stigen autoritativen Instanzen der verschiedenen Nationen zur
i:. Einführung in den Schulen empfehlen kann ? 2) Darf eine inter-
^ nationale künstliche Hilfssprache als nach allen den Richtungen
'; hin, nach denen sie zufolge dem Programm den Verkehr zwischen
?i den verschiedenen Völkern erleichtem soll, brauchbar bezeichnet
werden? 3) Sind die erforderlichen Garantien für eine längere
'- Dauer der einzuführenden Sprache nach erfolgter Einführung
■ geboten?
Da hat zunächst Schuchardt in der Beilage zur Allge-
meinen Zeitung vom 30. Mai 1907 (S. 259—61) eine Antwort
erteilt, die klar genug zeigt, daß er praktisch mitzutun nicht
gewillt ist Er sagt: "Ich habe nie beabsichtigt, aus der grauen
Theorie herauszutreten ; ich habe nicht einmal eine einzige der
vorgeschlagenen künstlichen Gemeinsprachen studiert Nur mit
dem Esperanto habe ich eines Abends flüchtige Bekanntschaft
gemacht". Da die praktische Seite des Problems für fast alle, die
an ihm beteiligt sind, die allein wichtige ist, so wird dieses Be-
kenntnis eines Sprachforschers, den die Weltsprachler der letzten
Jahrzehnte wohl häufiger als irgend einen andern als glaub-
würdigen Zeugen für Realisierbarkeit ihrer Wünsche genannt
haben, große Enttäuschung hervorgerufen haben.
Eine klare Antwort haben anderseits auch Baudouin de
Courtenay und Jespersen bereits insofern ei-teilt, als' sie dem
von Paris aus an sie ergangenen Rufe, in die Oberleitung des
Unternehmens einzutreten, gefolgt sind. Und Baudouin de
Courtenay hat seitdem seine Stellung zu der Weltsprachfrage
auch kundgegeben in dem Aufsatz **Zur Kritik der künst-
lichen Weltsprachen, veranlaßt durch die gleichnamige
Broschüre von K. Brugmann und A. Leskien", Ostwalds
Annalen der Naturphilosophie VI (1907) S. 385—433.
Es berührt wohltuend, zu sehen, wie B. de C. in dieser
Antikritik sich Mühe gibt, den Dingen auf den Grund zu kommen.
Es ist nicht der leichte Tanzschritt, in dem sich andere Führer
der Weltsprachbewegung auch über die größten' Schwierigkeiten
hinweg aufs schöne Ziel los bewegen ; der Verfasser ringt ernst
und ehrlich mit dem Problem. Doch hat ihm der Glanz, in dem
er das Endziel strahlen sieht ^), das sonst so scharfe Auge stumpf
*) S. '428 heißt es : "Die Existenz einer solchen, die ganze Mensch-
heit vereinigenden Weltsprache wird dem nationalen und staaüiclien
Größenwahn seinen scharfen und giftigen Zahn abbrecYieii. \>«a ^Vc^«cl
366 K. Brugmann u. A. Leskien,
Für uns Sprachforscher ist dabei von besonderem Interesse^
daß in dieses Komitee zwei angesehene Fachgenossen, Baudouia
de Courtenay (Petersburg) und Jespersen (Kopenhagen), ein-
getreten sind. Damit nimmt imsere Wissenschaft zum erstenmal
auch praktisch teil an diesen Bestrebungen. Damit ist nunmehr
aber auch die erwünschte Gelegenheit gekommen, daß die Au&-
und Durchführbarkeit des Programms der D616gation unter den
nächstzuständigen Fachleuten gründlicher und mit Hoffnung auf
Verständigung erörtert werden kann. Denn über Art und Maß der
Schwierigkeiten, die sich der Ausführung eines Planes, wie der in
Rede stehende ist, entgegenstellen, und über die Aussichten, die
dieser somit der Wahrecheinlichkeit nach hat, mit begeisterten
Anhängern der Idee, die, ohne mehr ids eine Ahnung vom Wesen
und Ijeben der Sprache zu haben, nur nach dem Ziele hinstarren
und es möglichst rasch und glatt erreichen möchten, zu de-
battieren, ist eine saure und undankbare Arbeit. Womit freilich
nicht gesagt sein soll, daß eine Einigung unter den Fachmännern
über diese Frage jedenfalls leicht sein müßte. Bietet doch das
Delegationsprogramm eine Aufgabe, wie sie zwar schon oft ge-
stellt, aber bisher niemals und nirgends ihrer Lösung auch nur
um wenige Schritte entgegengeführt worden ist
2. In der von mir zusammen mit A. Leskien im Frühjahr
1907 herausgegebenen Schrift Zur Kritik der künstlichen Welt-
sprachen (Straßburg bei K. J. Trübner) habe ich an die beiden
genannten Sprachforscher Baudouin de Courtenay und Jespersen
imd an den Sprachforscher Hugo Schuchardt (Graz), die alle
drei das offizielle Programm der Pariser Döl^tion unterzeichnet
hatten, die Aufforderung zu richten mir erlaubt, "nmi auch nicht
länger mehr sozusagen nur vom Zaun aus dem ganzen Getriebe
[der Agitation der nichtfaclunännischen Weltsprachfreunde] zu-
zuschauen", sondern auch praktisch mitzuarbeiten, damit
wenn etwas, wenigstens das Bestmögliche zustande komme.
Daß, wenn nicht etwas absolut Vollkommenes, so doch das Best-
mögliche dargeboten werden müsse, hatte Schuchardt selbst, und
unzweifelhaft mit Recht, betont. Ich hoffte nun, man werde von
diesen Fachmännern bald eine Antwort erhalten auf die drei
Hauptfragen, um die sich heute alles dreht und drehen muß:
1) Ist unter den im Wettbewerb stehenden künstlichen Hilfe-
sprachen eine, die man zum Zweck der Ausführung des Pariser
Programms mit gutem Ge\vissen den obrigkeitlichen oder son-
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 367
stigen autoritativen Instanzen der verschiedenen Nationen zur
Einführung in den Schulen empfehlen kann ? 2) Darf eine inter-
jiationale künstliche Hilfssprache als nach allen den Richtungen
hin, nach denen sie zufolge dem Programm den Verkehr zwischen
den verschiedenen Völkern erleichtem soll, brauchbar bezeichnet
werden? 3) Sind die erforderlichen Garantien für eine längere
Dauer der einzuführenden Sprache nach erfolgter Einführung
geboten?
Da hat zunächst Schuchardt in der Beilage zur Allge-
meinen Zeitung vom 30. Mai 1907 (S. 259—61) eine Antwort
erteilt, die klar genug zeigt, daß er praktisch mitzutun nicht
gewillt ist Er sagt: "Ich habe nie beabsichtigt, aus der grauen
Theorie herauszutreten ; ich habe nicht einmal eine einzige der
vorgeschlagenen künstlichen Gemeinsprachen studiert Nur mit
dem Esperanto habe ich eines Abends flüchtige Bekanntschaft
gemacht". Da die praktische Seite des Problems für fast alle, die
an ihm beteiligt sind, die allein wichtige ist, so wird dieses Be-
kenntnis eines Sprachforschers, den die Weltsprachler der letzten
Jahrzehnte wohl häufiger als irgend einen andern als glaub-
würdigen Zeugen für Realisierbarkeit ihrer Wünsche genannt
haben, große Enttäuschung hervorgerufen haben.
Eine klare Antwort haben anderseits auch Baudouin de
Courtenay und Jespersen bereits insofern erteilt, als sie dem
von Paris aus an sie ergangenen Rufe, in die Oberleitung des
Unternehmens einzutreten, gefolgt sind. Und Baudouin de
Courtenay hat seitdem seine Stellung zu der Weltsprachfrage
auch kundgegeben in dem Aufsatz "Zur Kritik der künst-
lichen Weltsprachen, veranlaßt durch die gleichnamige
Broschüre von K. Brugmann und A. Leskien", Ostwalds
Annalen der Naturphilosophie VI (1907) S. 385—433.
Es berührt wohltuend, zu sehen, wie B. de C. in dieser
Antikritik sich Mühe gibt, den Dingen auf den Grund zu kommen.
Es ist nicht der leichte Tanzschritt, in dem sich andere Führer
der Weltsprachbewegung auch über die größten 'Schwierigkeiten
hinweg aufs schöne Ziel los bewegen ; der Verfasser ringt ernst
und ehrlich mit dem Problem. Doch hat ihm der Glanz, in dem
er das Endziel strahlen sieht ^), das sonst so scharfe Auge stumpf
») S. 428 heißt es : "Die Existenz einer solchen, die ganze Mensch-
heit vereinigenden Weltsprache wird dem nationalen und staaüiclien
Größenwahn seinen scharfen und giftigen Zahn abbrechen. Dsa Stt%V^«eL
370 K. Brugmann a. Ä. Leskien,
liehen Hilfssprache verbaut Wohl niemand verkeiint, dafi i
Sprachforscher, die wir es mit einem Untersuchungsobjekt za ton
haben, dessen Inneres und Innerstes auBerge wohnlich schwv
zugänglich ist im allgemeinen mit bildlichen Ausdrücken mekr
operieren, als an sich wünschenswert ist, und wohl keiner unta
uns ist sich dauernd und jedesmal bewußt, wie metaphorisch
wir sind, wenn wir das Wesen einer Spracherscheinung mit
kurzem Wort zu kennzeichnen versuchen. Aber es ist nun eis
starkes Stück, daß B. de C. gerade uns, die gegen die Wett-
sprachagitation schreiben, dem unserer Wissenschaft Fern-
stehenden (denn das sind wohl fast alle Leser von Ostwalds An-
nalen) als Leute erscheinen läßt, die mit irrigen Bildern wW-
schaften, und deren Anschauungen vom Sprachleben in "die
Rumpelkammer einer längst überwundenen Gelahrtheit" gehören.
Gerade diese Forscher sind wie wenige andere in den letzten
Jahrzehnten darauf aus gewesen, jene von den Vorfahren über-
kommene metaphorische Terminologie, die um die Wirküchkeit
einen trüben und phantastischen Schein legt, nach Möglichkeit za
beseitigen, nicht nur im allgemeinen, sondern auch gerade in be-
zug auf diejenigen Seiten des Sprachlebens, um die es sich hier
handelt Wenn ich in der von B. de C. bekämpften Abhandlung
reichlicher als es sonst meine Gewohnheit ist zu bildlichen Aus-
drücken gegriffen habe, so erklärt sich das einfach daraus, daß
sich diese Abhandlung an ein weiteres Publikum wendet (wie
auch in der Vorbemerkimg hervorgehoben ist) und man weit-
läufige Darlegungen diesem oft mit einer kurzen bildlichen Wendung
verdichten und versinnlichen kann. Aber welcher Art sind denn
die Bilder, die nach B. de C. so verwerflich sind? Er rügt es
z. B. (S. 890), daß ich von "toten" und "lebenden" Sprachen, wie
Latein und Französiscli, rede. Die Entgegnung, daß doch auch
das Latein lebendig werden könne, wenn man es nämlich in
den Kopf eines jetzt lebenden Menschen einführe, ist schlagend
richtig. Aber selbst der Xichtfachmann mochte dieser Belehrung
entraten, und sie ist in diesem Fall um so weniger am Platz,
als ich an der von B. de C. angezogenen Stelle meines Au&atzes
von dem öfters gemachten Vorschlag spreche, das Latein des
Mittelalters, um ein internationales Verständigungsmittel zu be-
kommen, "zu neuem Leben zu erwecken", d. h. doch wohl: in
die Köpfe der heute lebenden Menschen einzuführen. S. 386
wird es als "irrig" bezeichnet, daß ich der französischen Sprache
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 371
und so jeder "lebenden" Sprache im Gegensatz zu den inter-
nationalen Kunstsprachen eine "Heimat" zugeschrieben habe.
Denn eine Heimat hätten auch diese, sobald sie in einzelne
Köpfe eingedrungen seien. Die Vorstellung, die ich mit dem
Wort Heimat verband und die ich im Leser hervorrufen wollte,
war natürlich, daß nur die sogenannten lebenden Natursprachen,
wie z. B. Französisch, von so und so viel Menschen als Mutter-
sprache erlernt werden und in einem gewissen begrenzten Terri-
torium — das Französische hauptsächlich in Frankreich, das
Deutsche hauptsächlich in Deutschland usw. — das herrschende,
taglich und stündlich überall angewandte und die Nationalität
dieser Menschen ausmachende Verkehrsmittel sind. Daß B. de G.
mich hier "irren" läßt, ist pure Wortklauberei. Wie auch noch
E. B. das, was er S. 389 mir wegen meines Ausdrucks, daß ver-
schiedene Sprachen "aufeinanderstoßen" können, aufmutzt
Seltsamerweise belehrt uns B. de C. wieder eindringlich
darüber, daß auch "natürliche" Sprachen, wie Deutsch, Französisch
usw., wie sie heute gesprochen und geschrieben werden, sich
bisher nicht selbst überlassen geblieben, daß sie künstlich, durch
bewußtes Eingreifen modifiziert worden sind und modifiziert
werden. Als wenn es auf die Feststellung dieser Tatsache an-
käme, die jedem sprachwissenschaftlichen Laien, jedem Schulkind
geläufig ist! Der springende Punkt ist der, ob beim Esperanto
usw. die bewußte "Kunst** nach Art und Umfang richtig ange-
wendet ist, so daß das Ergebnis der Bemühung den Zweck, den
sie verfolgt, wirklich erfüllen kann. Nur dies leugnen wir.
Und seltsamerweise kommt femer B. de C. wiederum mit
den "künstlichen Grenzsprachen, Mischsprachen, welche den Ver-
kehr zwischen stammverschiedenen Völkern, z.B. zwischen Russen
und Chinesen, zwischen Engländern und Chinesen usw., ver-
mitteln" (S.395); das seien doch auch wirkliche Spracherfindungen.
Man mag sie meinetwegen so nennen. Aber leider ist ein Unter-
schied da, der mit Rücksicht auf das, worauf es ankommt, den
Vergleich mit Esperanto usw. völlig illusorisch macht Das Pidgin-
Englisch und alle gleichartigen Sprachen sind in der wirklichen
und unmittelbaren Not eines Verkehrs, in den verschiedensprachige
Menschen miteinander kamen, entwickelt worden, wobei das
Badebrechen nicht erst beim Lernenden, sondern auch schon
beim Lehrenden begonnen hat Jeder Vorgang und jeder Fort-
schritt auf dem Wege der "Erfindung" dieser Sprachen war ein
370 K. Bragmann u. Ä. Leskien,
liehen Hilfssprache verbaut Wohl niemand verkennt, dafi wir
Sprachforscher, die wir es mit einem Untersuchungsobjekt za tan
haben, dessen Inneres und Innerstes außergewöhnlich schw«
zugänglich ist, im allgemeinen mit bildlichen Ausdrücken mebr
operieren, als an sich wünschenswert ist, und wohl keiner ontei
uns ist sich dauernd und jedesmal bewußt, wie metaphorisch
wir sind, wenn wir das Wesen einer Spracherscheinung mit
kuraem Wort zu kennzeichnen versuchen. Aber es ist nun ein
starkes Stück, daß B. de C. gerade uns, die gegen die Wete-
sprachagitation schreiben, dem unserer Wissenschaft Feni-
stehenden (denn das sind wohl fast alle Leser von Ostwalds An-
nalen) als Ijcute erscheinen läßt, die mit irrigen Bildern wirt-
schaften, und deren Anschauungen vom Sprachleben in "die
Rumpelkammer einer längst überwundenen Gelahrtheit" gehören.
Gerade diese Forscher sind wie wenige andere in den letzten
Jahrzehnten darauf aus gewesen, jene von den Vorfahren über-
kommene metaphorische Terminologie, die um die Wirklichkeit
einen trüben und phantastischen Schein legt, nach Möglichkeit za
beseitigen, nicht nur im allgemeinen, sondern auch gerade in be-
zug auf diejenigen Seiten des Sprachlebens, um die es sich hier
handelt. Wenn ich in der von B. de C. bekämpften Abhandlung
reichlichei- als os sonst meine Gewohnheit ist zu bildlichen Aus-
drücken gegriffen habe, so erklärt sich das einfach daraus. daJ
sich diese Abhandlung an ein weiteres Publikum wendet (wie
auch in der Vorbemerkung hervorgehoben ist) und man weit-
läufige» Darlegimgen diesem oft mit einer kurzen bildlichen Wendung
verdichten und versinnlichen kann. Aber welcher Art sind denn
die Bilder, die nach B. de C. so verwerflich sind? Er rügt es
z. B. (S. 800), daß ich von "toten" und "lebenden" Sprachen, wie
Latein und Französisch, rede. Die Entgegnung, daß doch auch
das Latein lebendig werden könne, wenn man es nämlich in
den Kopf eines jetzt lebenden Menschen einführe, ist schlagend
richtig. Aber selbst der Nichtf achmann mochte dieser Belehrung
en traten, und sie ist in diesem Fall um so weniger am Plati
als ich an der von B. de C. angezogenen Stelle meines Aufeatzes
von dem öfters gemachten Vorschlag spreche, das Latein des
Mittelalters, um ein internationales Verständigungsmittel zu be-
kommen, "zu neuem Leben zu erwecken", d. h. doch wohl: in
die K(>pfe der heute lebenden Menschen einzuführen. S. 386
wird es als "irrig" bezeichnet, daß ich der französischen Sprache
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 373
globe-trotter gewöhnlichen Schlages reisen, wer nicht nur die
Bequemlichkeiten internationaler Hotels geniefien will, die sich
überall gleichen, wird sich auch um die gesamte Kultur, also
auch imi die Sprachen der Länder, in denen er reist, kümmern
müssen. Leuten, die z. B. Italien bereisen, ohne ein Wort Ita-
lienisch zu können, wäre wenig gedient, wenn sie den Landes-
kindern, statt, wie jetzt etwa die Kenntnis des Englischen, die des
Esperanto besonders vergüten müßten; imd sie würden es auch
kaum begi-eiflicher finden. Es scheint mir, bessere Belehining
vorbehalten, aber auch fraglich, ob für Handel und Technik das
Bedürfnis einer internationalen Hilfssprache so unabweisbar ist
Mit den drei europäischen Hauptsprachen reicht ein Kaufmann,
ein Techniker immer noch weit; ti*eten besondere Aufgaben an
ihn heran, wird er eben eine Sprache zulernen müssen, um so
besser, wenn er schon im Sprachenlernen geübt ist Ein Kaufmann,
der sich in Rußland niederläßt, wird russisch, ein Ingenieur
der Bagdadbahn neugriechisch oder türkisch lernen müssen.
Eine allgemeine Handelssprache würde den Verkehi- fi'eilich sehr
vereinfachen, aber auch viele Hände frei, beschäftigungslos werden
lassen und die Konkurrenz verschärfen. Aber so weit wird es
wohl nie kommen ; auch wenn eine internationale Hilfssprache
besteht, wird der Kaufmann im Vorteü sein, der mit seinen
Kunden in der Landessprache verkehren kann. Am ehesten kann
man in der Wissenschaft von einem Bedürfnis sprechen ; es sind
namentlich Vertreter der Naturwissenschaften und der technischen
Wissenschaften, die auf Annahme einer internationalen Hilfs-
sprache dringen .... Es ist nicht zu leugnen, daß durch die
sprachliche Zersplitterung ein nicht geringes Maß wissenschaft-
licher Arbeit verloren geht Aber ich zweifle dai*an, daß sich
dies durch Einführung einer internationalen Hilfssprache wesent-
lich ändern wird. Bei den Nationen, die jetzt darauf halten, daß
ihre Gelehrten in ihrer eigenen Sprache sclireibon, wird eine
internationale Hilfssprache kaum besseren Rechtes sein als eine
nationale Sprache, namentiich nicht eine Hilfssprache, welche
fast ausschließlich aus romanischen und germanischen Elementen
genuscht wäre. Man müßte also doch den größten Teil jener
Arbeiten erst noch in die Hilfssprache übersetzen. Nicht viel
•weniger weit kommt man aber mit den bereits vorhandenen Hilfs-
mitteln. Wenn sich die osteuropäischen Forscher entschließen
könnten, ihren Arbeiten regelmäßig einen Auszug in einer west-
Indo^muuiifclie FonchuBgen XXJJ. ^^
d?^ K. Brugmann a. Ä. Leskien,
europäischen Sprache beizugeben oder einen solchen in einer
allgemein verbreiteten Zeitschrift zu veröffentlichen, wäre schon
sehr viel gewonnen. Beide Wege sind in letzter Zeit von csechi-
sehen Sprachforschem, von denen der eine seine nationale Gesin-
nung in hervorragender Weise betätigt hat, mit Erfolg beschritten
worden. Für die Annahme einer internationalen Hilfssprache
braucht es namentlich viel guten Willen ; mit nicht halb so viel
gutem Willen könnte die Wissenschaft mit den voiiiandenen
Mitteln auskommen. Für den Gelehrten genügt es zumeist, wenn
sein Auge mehrsprachig ist; wissenschaftlicher Briefwechsel
zwischen Gelehrten fremder Zunge wird am besten so geführt,
daß jeder in seiner Muttersprache schreibt, wobei die Lasten
gleichmäßig sich verteilen; für internationale Kongresse sind
außer der Landessprache im allgemeinen die europäischen Haupi-
sprachen zugelassen ; was der Augenblick den Teilnehmern vor-
enthält, können sie nachher in Muße in den Berichten nachlesen;
im übrigen habe ich nicht den Eindruck, daß sich der Fortschritt
der Wissenschaft auf Kongressen vollziehe".
Und nun wende ich mich zu den Fragen, die im gegen-
wärtigen Zeitpunkt der Weltsprachbewegung die wichtigsten sini
4. Zunächst: ist eine der konkurrierenden internationalen
Hilfssprachen, so wie sie uns heute dargeboten sind, so be-
schaffen, daß ein gewissenhafter Ratgeber sie zur Einführung,
vor allem zur Einführung in den Schulen der verschiedenen
Länder, empfehlen dürfte ? Nach dem Programm der D616gation,
soweit es heute realisiert ist, verengert sich uns diese Frage
sofort dahin: ist so die Sprache Esperanto beschaffen? Denn
nicht die künstlichen Hilfssprachen an sich bekämpfen wir —
die, so lange man nicht ihre Einführung in die allgemeine
Praxis betreibt, ungeschoren weiterexistieren mögen — , sondern
nur das Programm der D616gation.
Man muß es unserm Antikritiker gutschreiben, daß er, im
Gegensatz zu so manchem andern Weltsprachfreund, in der
Bewunderung des Esperanto Maß hält. Er gesteht, daß das
Esperanto mancher Verbesserung bedürftig ist Er erkennt Mängel
an, die von andern aufgedeckt worden sind, erwähnt auch einen
von dem Erfinder dieser Kunstsprache selber schon im Jahre 1894
veröffentlichten und 1907 wieder abgedruckten Reformentwurf
mit der Bemerkung, daß Zamenhofs Verbesserungsvorschläge
nicht immer als gelungen anzusehen seien, und er fügt von sich
!
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 375
aus neue Besserungsvorschläge hinzu. Leider scheint aber B.
de C. doch keinen rechten Einblick darein zu haben, in wie
großem Umfang an Zamenhofs Arbeit verändert werdeu müßte,
ehe man den vielen Millionen von Menschen anständigerweise
zumuten dürfte, dem Werk in ihrem Kopf eine Heimat zu ge-
währen. Denn außer den Gebrechen, die Leskien namhaft ge-
macht hat, und die nur eine kleine Auswahl darstellen von
denen, die sich ihm aufgedrängt haben, hat ja auch noch Prot
Beermann in seinem im Sommer 1907 erschienenen Buche Die
internationale Hilfssprache Novilatin (Leipz., Dieterichsche Ver-
lagsbuchhandlung) ein nicht kleines Register von offenkundigen
Mängeln des Esperanto aufgestellt, namentlich bezüglich der
Wortbildung (S. 21—36). B. de C. erwähnt dieses Buch nicht
und scheint es noch nicht zu kennen.
Xun mag ja das eine oder andere Beispiel in dem, was
Leskien, und dem, was Beermann als verbesserungsbedürftig
vorgeführt hat, nicht ganz glücklich gewählt sein; ich glaube
z. B. mit B. de C, daß Leskien die im Esperanto verwendeten Di-
phthonge ai (q/), u» (uß nicht hätte der Franzosen wegen so stark
tadeln dürfen. Aber es bleibt jedenfalls genug und übergenug
übrig, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß das Esperanto-
projekt mit Rücksicht darauf, wie diese Sprache heute aussieht,
noch völlig unreif ist Mit ein paar Flickbesserungen, wie sie in
der Eile anzubringen sind, ist sicher nicht durchzukommen, und
man kann sich nur wundem, wenn Ostwald, der ebenfalls Mit-
glied des Komitees und dessen Präsident ist, in seinem kürzlich
in der 'Woche' (1907, Nr. 47 S. 2047 ff.) gegebenen Bericht be-
merkt: "Es besteht begründete Hoffnimg, daß das dauernde
Komitee, das die Arbeiten der Kommission zur Reife zu bringen
bestimmt ist, noch vor Jahresschluß [d. h. vor dem 1. Jan. 1908]
der Welt die Hilfsspra'che in der Form vorlegen wird, die es
nach eindringender Arbeit als die zurzeit zweckmäßigste em-
pfiehlt". Wozu diese Eile? Es liegt doch kein allgemein em-
pfundener Notstand vor, dem schleunigst abgeholfen werden
müßte, wie man etwa einer drohenden Epidemie entgegenzutreten
genötigt wäre, sondern es ist ja zunächst nur eine Annehmlich-
keit und Bequendichkeit, die für den Völkerverkehr zu schaffen ist
Da sollte man sich doch so viel Zeit lassen, um wirklich das Best-
mögliche liefern zu können. Auch ist sicher: je mehr UnvoD-
kommenheiten gleich nach der Einführung der Hilfssprache noch
374 K. Bragmann n. A. Leskien,
europäischen Sprache beizugeben oder einen solchen in einer
allgemein verbreiteten Zeitschrift zu veröffentlichen, wäre schon
sehr ^iel gewonnen. Beide Wege sind in letzter Zeit von dedd-
sehen Sprachforschem, von denen der eine seine nationale Gesin-
nung in hervorragender Weise betätigt hat, mit Erfolg beschritten
worden. Für die Annahme einer internationalen Hilfssprache
braucht es namentlich ^iel guten Willen; mit nicht halb so vid
gutem Willen könnte die Wissenschaft mit den Torhandenen
Mitteln auskommen. Für den Gelehrten genügt es zumeist, wenn
sein Auge mehrsprachig ist; wissenschaftlicher Briefwechsel
zwischen Gelehrten fremder Zunge wird am besten so gefohlt,
daß jeder in seiner Muttersprache schreibt, wobei die Lasten
gleichmäßig sich verteilen; für internationale Kongresse sind
außer der Landessprache im allgemeinen die europäischen Haupt-
sprachen zugelassen; was der Augenblick den Teilnehmern vor-
enthält, können sie nachher in Muße in den Berichten nachlesen;
im übrigen habe ich nicht den Eindruck, daß sich der Fortsehritt
der Wissenschaft auf Kongressen vollziehe".
Und nun wende ich mich zu den Fragen, die im gegen-
wärtigen Zeitpunkt der Weltsprachbewegung die wichtigsten sini
4. Zunächst: ist eine der konkurrierenden internationale
Hilfssprachen, so wie sie uns heute dargeboten sind, so be-
schaffen, daß ein gewissenhafter Ratgeber sie zur Einführung,
vor allem zur Einfühning in den Schulen der verschiedenen
Länder, empfehlen dürfte? Nach dem Programm der D6I6gation,
soweit es heute realisiert ist, verengert sich uns diese Frage
sofort dahin: ist so die Sprache Esperanto beschaffen? Denn
nicht die künstlichen Hilfssprachen an sich bekämpfen wir —
die, so lange man nicht ihre Einfühmng in die allgemeine
Praxis betreibt, ungeschoren weiterexistieren mögen — , sondern
nur das Programm der D616gation.
Man muß es unsenn Antikritiker gutschreiben, daß er, im
Gegensatz zu so manchem andern Weltsprachfreund, in der
Bewunderung des Esperanto Maß hält. Er gesteht, daß das
Esperanto mancher Verbesserung bedürftig ist Er erkennt Mängel
an, diu von andern aufgedeckt worden sind, erwähnt auch einen
von dem Erfinder dieser Kunstsprache selber schon im Jahre 1894
veröffentlichten und 1907 wieder abgedruckten Reformentwurf
mit der Bemerkung, daß Zamenhofs Verbesserungsvorschläge
nicht immer als gelungen anzusehen seien, und er fügt von sich
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 375
ans neue Besserungsvorschläge hinzu. Leider scheint aber B.
de C. doch keinen rechten Einblick darein zu haben, in wie
großem Umfang an Zamenhofs Arbeit verändert werden müßte,
ehe man den vielen Millionen von Menschen anständigerweise
zumuten dürfte, dem Werk in ihrem Kopf eine Heimat zu ge-
währen. Denn außer den Gebrechen, die Leskien namhaft ge-
macht hat^ und die nur eine kleine Auswahl darstellen von
denen, die sich ihm aufgedrängt haben, hat ja auch noch Prol
Beermann in seinem im Sommer 1907 erschienenen Buche Die
internationale Hilfssprache Novilatin (Leipz., Dieterichsche Ver-
lagsbuchhandlung) ein nicht kleines Register von offenkundigen
Mängeln des Esperanto aufgestellt, namentlich bezüglich der
Wortbildung (S. 21—36). B. de C. erwähnt dieses Buch nicht
und scheint es noch nicht zu kennen.
Nun mag ja das eine oder andere Beispiel in dem, was
Leskien, und dem, was Beermann als verbesserungsbedürftig
vorgeführt hat, nicht ganz glücklich gewählt sein; ich glaube
z. B. mit B. de C, daß Leskien die im Esperanto verwendeten Di-
phthonge ai (q/), ui {ly) nicht hätte der Franzosen wegen so stark
tadeln dürfen. Aber es bleibt jedenfalls genug und übergenug
tibrig, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß das Esperanto-
projekt mit Rücksicht darauf, wie diese Sprache heute aussieht,
noch völlig unreif ist Mit ein paar Flickbesserungen, wie sie in
der Eile anzubringen sind, ist sicher nicht durchzukommen, und
man kann sich nur wundem, wenn Ostwald, der ebenfalls Mit-
glied des Komitees und dessen Präsident ist, in seinem kürzlich
in der 'Woche' (1907, Nr. 47 S. 2047 ff.) gegebenen Bericht be-
merkt: "Es besteht begründete Hoffnung, daß das dauernde
Komitee, das die Arbeiten der Konmiission zur Reife zu bringen
bestimmt ist, noch vor Jahresschluß [d. h. vor dem 1. Jan. 1908]
der Welt die Hilfsspra'che in der Form vorlegen wird, die es
nach eindringender Arbeit als die zurzeit zweckmäßigste em-
pfiehlt". Wozu diese Eile? Es liegt doch kein allgemein em-
pfundener Notstand vor, dem schleunigst abgeholfen werden
müßte, wie man etwa einer drohenden Epidemie entgegenzutreten
genötigt wäre, sondern es ist ja zunächst nur eine Annehmlich-
keit und Bequemlichkeit, die für den Völkerverkehr zu schaffen ist
Da sollte man sich doch so viel Zeit lassen, um wirklich das Best-
mögliche liefern zu können. Auch ist sicher: je mehr UnvoD-
kommenheiten gleich nach der Einführung der Hilfssprache uoek
376 K. Brugmann u. A. Leskien,
aufgedeckt werden — das Suchen darnach wird, wie die Menschen
nun einmal sind, nicht aufhören ! — , um so größer ist die Ge-
fahr, daß die ganze neue Einrichtung bald in sich wieder su-
sammenfäUt Und Eile tut hier um so weniger not, als die
Weltsprachfreunde von heute, wie uns B. de C. belehrt (s. oben
S. 368), nicht schon ebien Nutzen für sich selber erstreben, die
Andern aber gewiß alle gerne warten werden, bis ein wenigstens
einigermaßen zweckmäßiges und sauberes Verkehrsinstrument
angeboten wird. Auch handelt es sich ja um eine Verkehrseio-
richtung, die, wie Ostwald u. a. versichern, auf viele Jahrhunderte,
ja Jahrtausende hinaus der Menschheit müßte dienen können.
Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, in eine Be-
sprechung der Einzelheiten einzutreten, die das Urteil allzu
großen Zurückbleibens des Esperanto hinter dem Ideal einer
ki'mstlichen internationalen Hilfssprache begründen. Xur einige
wenige von ihnen seien erwähnt, weil ich an sie eine allgemeine
Bemerkung anknüpfen möchte.
Leskien hatte Lautgruppen des Esperanto wie Artti, Hu, efM,
die häufig sind und stets zweisilbig gesprochen werden sollen,
für unzweckmäßig erklärt, weil zu erwarten sei, daß mehrere
Vfilker die vom Esperantogrammatiker vorgeschriebene Aus-
sprache nach der ihnen auf Grund ihrer Landessprache eigen-
tümlichen Sprechweise abändern werden, daß das i den voraus-
gehenden Konsonanten verundeutlichen oder überdies in j übe^
gehen werde. Ferner hatte er die einzig auf dem unbetonten
Vokal der Endsilbe beruhende Unterscheidung z. B. von im
ämas *ich liebe', mi dmos *ich werde lieben*, mi dmus 'ich würde
lieben' beanstandet weil man annehmen müsse, bei einem Deut-
schen oder Engländer werden die Endsilben -o«, -os, -iw mit
einem dumpfen unterschiedslosen Vokal gesprochen werden, so
daß die Bedeutungsunterschiede der Formen verschwänden. B.
de C. seinerseits ist in bezug auf solche Lautungsverhältnisse
durchaus Optimist. Er glaubt, es werde genügen, vor falscher
Aussprache zu warnen, zu lehren, daß keine Silbe als lautlich
bevorzugt hervorzuheben imd jeder Laut, jede AussprachesteUe
deutlich ausgesprochen werden solle; man piüsse dabei die Me-
thoden des Sprachunterrichts durch Anwendung der Resultate
der Anthropophonik (Lautphysiologie) vervollkommnen (S. 406.
410). Man steUe sich nun einmal einen solchen Unterricht in
den Elementarschulen der verschiedenen Länder vor ! Und wenn
Zur Einfühning einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 877
die kleinen oder auch die großen Esperantisten den Esperanto-
unterricht, der von verhältnismäßig kurzer Dauer sein soll, hinter
sich haben, die allenneisten aber von ihnen später, wie bestimmt
zu erwarten ist, nur in unregehnäßigen längeren Zwischen-
räumen in die Lage kommen, das Gelernte praktisch zu verwerten,
was dann? Naturam expellas — .
S. 411 kommt B. de C. auf das berüchtigte Esperantowort
für Mutter, patrino^ eigentlich *Vaterin', zu sprechen, ein Wort,
das nicht nur Leskien und andere dem Esperanto Abholde,
sondern auch Leute, die die Weltsprachidee keineswegs ablehnen,
für mißlungen erklärt haben. Er sagt, er verstehe nicht, warum
dieses unglückliche patiino so viel böses Blut verursache. Ein-
fach darum ist dies der Fall, weil die Mutter, als Nuancierung
des Vaters aufgefaßt, etwas ganz Verstandes- und Vernunft-
widriges ist Dergleichen kommt zwar auch in '•natürlichen"
Sprachen vor, aber doch nur so, daß niemand außer dem, der
über den Ausdruck nachgrübelt, mehr an den ursprünglichen
""buchstäblichen Sinn" denkt und nur der Vergleich der gegen-
wärtigen wirklichen Bedeutung mit der älteren Bedeutung eine
Widersinnigkeit hervorruft. Beim Esperanto aber trägt das vom
Erfinder geschaffene Wort seinen etymologischen Sinn noch klar
an der Stirn, das Wort soll, wie es von Zamenhof komponiert
ist durch sich selbst das besagen, was dieser mit ihm bezeichnet
wissen will. Soll man doch als Esperantosprecher auch selbst
nach Bedürfnis mit Hilfe der von Zamenhof bereit gestellten
Sprachelemente Ableitungen vornehmen dürfen ; wodurch die Auf-
merksamkeit stetig auf den buchstäblichen Sinn der Worte gelenkt
wird. Femer soU Esperanto nicht schon von Wickelkindem ge-
lernt werden, die bloß papageienmäßig in sich aufnehmen und
reproduzieren, sondern erst von älteren, beim Lernen nach-
denkenden Kindern. Da muß denn "das Sprachgefühl" bei einer
Bildung wie patrino notwendigerweise rebellieren. Wie leicht
aber wäre dieses törichte Gebilde zu vermeiden gewesen! Es
sei übrigens nicht unterlassen, noch zu bemerken, daß auch
B. de C. selbst mit diesen femininen Wörtern wie patrino *Mutter'
von pairo 'Vater*, fratino 'Schwester' von frato 'Bruder' nicht
ganz zufrieden ist: er sieht (S. 412) in ihnen eine Art von
Ungerechtigkeit gegen das weibliche Geschlecht!
Was ich gegen patrino zu bemerken hatte, führt hinüber
zu einer andern Schöpfung Zamenhofe, die ebenfslX^ *N\^V\3?5ä^
378 K. Brugmann u. A. Leskien,
Blut verursacht hat", zu pregefo *Kirche*. B. de C. S. 414 be-
zeichnet Leskiens kritische Bemerkung über dieses Wort (Zur
Kritik S. 35) als mißlungen, nachdem sie auch schon andefe
Esperantisten in den derbsten Ausdrücken au& Korn genommen
hatten. Sehen wir näher zu ! Die Endung -^ bedeutet den Ort,
wo etwas ist oder wo man etwas vornimmt pre^ ist Twteii*,
und so ist pre§ejo so viel als Betört Zamenhof hat dieses Wort
in seinem Fundamento de Esperanto (Paris 1906 S. 20) ohne jede
Erläuterung aufgestellt für Kirche^ Sglise^ drko^; er muß also
angenommen haben, daß es dafür ausreiche. Nun hat Leskien
mit vollstem Recht darauf hingewiesen, daß man unter Kirche
nicht bloß das Gebäude, sondern auch die Institution und den
Inbegriff aller Gläubigen verstehe, und daß deshalb pre^o ver-
fehlt sei. Freilich hat Zamenhof selbst oder ein andrer Espe-
rantist (darauf kommt hier nichts an) hinterher das Verfehlte der
Bildung eingesehen. Denn in den Wörterbüchern wird nun neben
pre^ejo noch eklezio vorgeschrieben zur Bezeichnung der Ge-
meinschaft der Gläubigen. Dieses eldezio hätte von Zamenhof
sofort aufgestellt werden sollen; es hätte beide Seiten des Be-
griffs Kirche vollkommen gedeckt! Aber bei der absoluten Un-
antastbarkeit des Fundamento war der Schaden nicht wohl andere
gut zu machen als in der angegebenen Weise, und so haben
wir nun statt 6ines Wortes zwei — ganz im Einklang mit dem
Grundsatz dieser Hilf ssprache, mit den Sprachmitteln zu sparen,
die Sprachen zu vereinfachen! Und triumphierend heben nun
begeisterte Esperantisten, die es Leskien zum Verbrechen an-
rechnen, daß er nur das Fundamento berücksichtigt hat, noch
hervor, wie viel feiner das Esperanto in der Begriffsunterschei-
dung sei als die natürlichen Sprachen! Das Schönste an der
Sache ist aber, daß jetzt B. de C. findet, die zwei Wörter für
Kirche im Esperanto seien nicht genug, er vermisse nämlich in
dieser Sprache noch ein Wort für die Kirche einfach als Gebäude
ohne Rücksicht darauf, ob man darin betet oder gebetet hat oder
beten wird ! Der Fehler, den Zamenhof begangen hat, als er Kirche^
church^ iglise^ drkov' usw. ins Esperanto zu übersetzen hatte, und
der ihn und seine Freunde hier aus dem Regen in die Traufe
kommen ließ, ist ein Fehler, den das Esperantowörterbuch auch
sonst häufiger aufweist Er wird von Beermann a. o. 0. 26 f.
zutreffend so charakterisiert: "Nicht bloß Stämme und Suffixe,
sondern auch ganze Wörter sollen trotz ihrer Intemationalitat
I
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 379
Opfer der Vereinfachung werden. Es soll nicht mehr Schule^
Fauna ^ Havarie^ Bann^ Typographie^ Vakanz^ negativ heißen,
sondern, teilweise wohl nur, um die Bildungsfähigkeit des Espe*
ranto zu zeigen, lemejo^ hestaro^ difektajo^ ekzilordono^ preeatio^
neokupatecOj nea. Solche Wörter aber bieten trotz der angeblichen
Durchsichtigkeit ihrer Bildung uns Indogermanen keine Erleichte-
rung beim Erlernen, da wir bei den uns bekannten internatio-
nalen Wörtern des Lernens überhaupt überhoben sind. Was aber
die Durchsichtigkeit betrifft, die wenigstens den Nichtindoger-
manen zugute kommen würde, so überschätzt Zamenhof offenbar
die Physis Piatos gegenüber der Thesis. Daß lemejo z. B. (d. h.
Lfem-ort) Schule bedeuten soll, und nicht etwa Akademie oder
Lehre^ kann man nicht aus der Bildung des Wortes entnehmen,
sondern muß es aus dem Wörterbuch lernen, ebenso, daß bestafv
(d. h. Tiersammlung) Fauna bedeutet, und nicht etwa Zoologisches
Museum oder Tierbude (Menagerie). Günstigenfalls — aber auch
dies nicht immer, da viele sehr wunderbare und manche offenbar
falsche Bildungen vorliegen — kann man von solchen esperan-
tischen Neulingen sagen, daß sie die geforderte Bedeutung haben
können, nicht aber, daß sie sie haben müssen, und nichts
erscheint mir falscher als der Glaube (Wörterb. I, VorredeX Es-
peranto gäbe die Mittel an die Hand, die es jedem ermöglichten,
aus einer Wurzel eine ganze Beihe abgeleiteter Wörter selb-
ständig zu bilden. Das ist wie in den Natursprachen wohl bei
einer gewissen Anzahl von Suffixen der Fall, im übrigen aber
muß, wie bei den Stämmen, auch hier erst ein Übereinkommen
(Thesis) getroffen werden, und niemand ist da des Lernens über-
hoben".
Zum Schluß dieses Abschnitts noch ein Wort über folgende
Äußerung B. de C.'s S.432: "Bei der Billigung oder Mißbil-
ligung irgend welcher sprachlicher Formen haben die an dem
betreffenden Sprachverkehre beteiligten Individuen das erste
entscheidende Wort Wenn die Esperantisten selbst mit gewissen
bizarr aussehenden Bestandteilen ihrer gemeinsamen Sprache
einverstanden sind, haben die anderen zwar das unbeschränkte
Recht zu urteilen, aber ohne praktische Einmischung in die
internen Angelegenheiten der esperantischen Sprachgenossen-
schaft (§§ 28, 32, 33, 36, 37)". Ich vermag aus diesen Worten
nur herauszulesen, daß dem Esperantisten nichfr bloß allgemeine
abfällige Urteile über Esperanto unbequem sind (das wäre ver-
880 K. Brugmann u. A. Leskien,
eeihlicli), sondern auch solche Urteile, mit denen von Leaten,
die sich nicht zur Gemeinde rechnen, der Finger aal eimehM
schwache Stellen dieser Sprachei-findung gelegt wird, die sich
Terbessem ließen. Aber haben die Esperantisten denn nicht
selbst ihre Sache längst zu einer öffentlichen gemacht, su einer,
die schließlich jeden gebildeten und ungebildeten Europäer
und Amerikaner direkt angeht? Besteht nicht z.B. ein •*Inter-
nationaler Wissenschaftlich-Esperantischer Verein** (unter dem
Vorsitz von H. Sebert und C. Bourlet), der uns Gelehrten öffent-
lich auffordert, auf den Kongressen nur Esperanto zu reden, in
wissenschaftliehen Zeitschriften Aufsätze in Esperanto anäa-
nehmen und jedem in einer nationalen Sprache redigierten Auf-
satz eine Inhaltswiedergabe in Esperanto beizufügen? Da kann
man nur staunen, wenn unsere und Anderer Kritik als Ein-
mischung in Interna zurückgewiesen wird, besonders wenn ein
Mann diese Kritik abwehrt, der über die Nichtbeteiligung so
vieler Sprachforscher an dieser großen Frage öffentlich und in
scharfer Form Klage führt.
6. Nach dem Programm der D616gation soll die Hilfe-
spracho ebensowohl den Bedürfnissen des täglichen Lebens zn
dienen imstande sein (man soU, wie uns Couturat, Ostwald ii. a
sagen, in ihr z. B. mit dem Fabrikarbeiter, dem Dienstmann and
dem Bauer sich verständigen können), wie den Zwecken des
Handels und Verkehrs, wie endlich den Aufgaben der Wissen-
schaft. Ist also das Esperanto, wie es heute ist oder wie es in
kürzester Frist verbessert vorliegen könnte, alles das zu leisten
imstande ?
Beginnen wir mit der Wissenschaft B. de C. sagt S.427:
"Auch der Wissenschaft könnten seitens einer solchen Sprache
gewisse Dienste geleistet werden. Ich brauche nur an inter-
nationale Kongresse und an den internationalen Verkehr mit
kleineren, weniger verbreitete Sprachen redenden Völkern zu
erinnern". Daß wir in der Wissenschaft die fremdsprachliche
Literatur und damit die Fremdsprachen auf viele Jahre hinaus
nicht los werden können, weil sich die heute in die National-
sprachen gekleidete wissenschaftiiche Literatur nicht in Kurzem
in Esperanto übersetzen läßt, und weil der Verlagsbuchhandel
Umgestaltungen zu eifahren hätte, die ebenfalls in Kurzem nicht
zu ermöglichen sind, wird auch B, de C. zugeben. Aber wenn
er ti'otzdem wünscht, daß auch schon wir heutigen Leute der
Zur Einfahrung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 881
Wissenschaft des wissenschaftlichen Verkehrs wegen eine inter-
nationale Gemeinsprache, d. h. Esperanto, annehmen, so muß
noch auf etwas anderes hingewiesen werden, was dem sonnen-
klar entgegensteht Esperanto kann, wenn nicht der größte Wirr-
warr entstehen soll, nicht eher Sprache der einzelnen Wissen-
schaften werden, als bis sein Wortschatz dafür die nötige Er-
weiterung und Präzisierung erfahren hat Mit Recht bemerkt aber
Diels Deutsche Lit-Zeitung 1907, Sp. 1671 f.: 'TDa Dr. Zamenhof
trotz seiner Universalität nicht in aUen Fächern der Kunst und
Wissenschaft Sachkenntnis besitzen kann und doch nur der
Sachverständige ein richtiger Wortschöpfer sein kann, so muß
das, wenn erst diese Kunstsprache wirklich den Interessen der
Wissenschaft und Technik dienstbar gemacht werden soll, wie
schon die darin vorgelegten Proben beweisen, zu ärgerlichen
Mißverständnissen und unheilbaren Schäden führen. Denn die
einmal approbierten Wörter lassen sich ebenso schwer wie appro-
bierte Dogmen wieder abschaffen oder umändern. Wenn schon
die Regelung gleichgültiger Dinge wie Orthographie in den ein-
zelnen Ländern, wo man dies versucht, einen Sturm von Auf-
regung und Zwistigkeit herbeiführt, selbst wenn, ja gerade wenn
die kompetentesten Fachleute damit betraut werden, so kann
man sich denken, was aus Esperanto werden wird, wenn statt
des Papstes ein vielstimmiges Konzil entscheiden soll". Man
hat sich zwar auch schon in Paris mit dem Gedanken getragen,
daß Wörterbücher für die einzelnen Wissenschaftszweige durch
Kommissionen ausgearbeitet werden müßten, aber über die Zeit,
die zur Fertigstellung und Approbation nötig wäre, scheint man
sich merkwürdigen lUusionen hinzugeben. Und so ist auch nicht
einzusehen, was Esperanto gegenwärtig schon auf den wissen-
schaftlichen Kongressen soll. Denn die wissenschaftlichen Vor-
träge, die doi-t gehalten werden, sollen doch nicht, nur damit
Esperanto schnell hochkommt, an Gehalt von dem Niveau herab-
sinken, das sie bisher hatten, wo ihr Gewand das einer nationalen
Sprache war; einzig und allein wegen der unwissenschaftlichen
Teile der Kongresse aber die neue Sprache hinzuzulernen, dazu
werden sich höchstens Kongreßhabitu6s entschließen. Es wird
übrigens für die eine Wissenschaft leichter als für die andere ein
esperantisches Wörterbuch zu konstruieren sein, z. B. für die
Mathematik leichter als für die Sprachwissenschaft, und daß die
auf Herstellung solcher Wörterbücher gerichtete Arbeit gleicbiiSLÄi
K. Brugmann u. A. Leskien,
I
der schwierigsten alier einschlägigen Aufgaben, der Herstellung
eines Lexikons für die Philosophen, eingesetzt hat, ist recht kenn- !
zeichnend für die ganze heutige Weltsprachbewegung.
Wie stellt sich unser Antikritiker weiter zu der Frage der
Verwendung der Hilfssprache in der sogenannten schönen
Literatur? Er bemerkt S. 391 : "Einen doppelten Anstrich van
*Aristokratismus' ti-ägt an sich auch die Erwähnung der 'schönen
Literatur' und der 'ästhetischen Befriedigung' (Brugmann S. 20-21).
Erstens muß bei der Betrachtung der Weltsprachefrage die
'schöne Literatur' und die 'ästhetische Befriedigung* hinter die
plebejischen Bedürfnisse des täglichen Lebens zurücktreten.
Zweitens gebührt einer 'künstlichen Sprache* auch in Anwendung
auf die schöne Literatur eine nicht zu unterschätzende Bolle";
man könne, heißt es weiter, mit der Hilfssprache zur Populär
risierung von literarischen Meisterwerken kleiner Völker unge-
mein viel beitragen. Was liier wieder der "Aristokratismus'* soll,
verstehe ich nicht Denn ich habe nirgends behauptet, die Be-
dürfnisse des Alltagslebens seien an sich die minder wichtigen.
Auch wird ja B. de C. nicht meinen, daß das Esperanto von
heute, als Gefäß für ein Meisterwerk einer Nationalliteratur (v^
Zamenhofs Hamletübersetzung), zwar für Feinschmecker nicht
ausreiche, worauf es nicht ankomme, wohl aber für das ge-
wöhnliche Volk. Das Esperanto, imd nicht nur dieses, sondern
jede derartige Kunstsprache, ist überhaupt unfähig, ein Literatur-
werk eines Volkes einem andern Volk irgend genügend zu
vermitteln, wie es vollends eine Utopie der Weltsprachfreunde
ist, wertvolle dichterische Schöpfungen könnten sich fortan auch
gleich des Esperantos als ihres sprachlichen Kleides bedienen
— ein bequemes Mittel allerdings für den Poeten, um von vom
herein der Weltliteratui' anzugehören! Es ist hierüber schon
Treffliches von mehreren Andern gesagt worden, aber B. de C.
wohl noch nicht zu Ohren gekonmien. Ich erlaube mir folgendes
aus Th. Gomperz' Aufsatz "Zur Frage der internationalen Hilfe-
spracho" (Deutsche Eevue, Dez. 1907) herzusetzen ; "Eine Samm-
lung von Eedewendimgen, wie sie der Verkehr mit Schaffnern,
Kutschern, Wirten, Warenverkäufern erheischt — solch ein Ge-
sprächsbüchlein mag allerdings ohne allzu große Mühe dem
Gedächtnis kunstsprachlicher Novizen eingeprägt werden. Ein
unabsehbar weiter Weg aber führt von hier bis zur Bewältigung
der Unmassen von Ausdrucksmitteln, über die eine Literatur-
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 888
spräche notgedrungen verfügen muß. Die Devise der Kunst-
sprachler ist und muß sein Sparsamkeit und Armut ; der litera-
rische, vor allem der poetische Ausdruck hingegen heischt Reichtum,
ja Verschwendung. Der Dichter, aber auch der Historiker, der
Bedner, ja selbst der wissenschaftliche Darsteller seelischer Vor-
gänge und all der Themen, die man die geisteswissenschaftlichen
nennen darf, muß mit seinem Gegenstande in voller Freiheit
schalten, alle Gebiete der Natur und des Menschenlebens in
buntemWechsel zum Behuf e der Verdeutlichung, der Beleuchtung
seiner Darlegungen, nicht zum mindesten auch behufs der Aus-
schmückung seiner Rede durchmustern und verwerten können.
Keine sprachliche Ersparungsrücksicht darf hier walten und die
Bewegungsfreiheit hemmen. Größten Reichtum und äußerste
Armut, diese Gegensätze zu versöhnen — dazu kann kein Genie
eines Spracherfinders ausreichen". Man bildet sich wohl ein,
bei der Arbeit der Übersetzung von großen Werken der Natio-
nalliteraturen in die Kunstsprache den nötigen Vorrat an Worten
und Wendungen allmählich beschaffen zu können. Aber gesetzt
auch, dies ginge an, wer liefert das betreffende Wörterbuch oder
richtiger die betreffenden Wörterbücher für alle beteiligten
Nationen, und wann hofft man sie der Welt zur Benutzung vor-
legen zu können?
Femer Handel und Verkehr. Ich habe Zur Kritik S. 19
gesagt, daß hier eine Sprache wie das Esperanto vielleicht noch
am ehesten am Platze sei, für die Korrespondenz mit dem Aus-
land, wenn auch der strebsamere Handelsherr auf die in der
fremden Landessprache erscheinende Handelsliteratur keineswegs
verzichten könne. Bei Verkehr dachte ich, wie Gomperz a. a. 0.,
zunächst etwa an den Verkehr von Eisenbahnverwaltungen, Tele-
graphenämtem u. dgl, an die Sprache, in welcher Reisebillette,
vielleicht auch Wechselblankette und ähnliche Instrumente des
wirtschaftlichen Weltverkehrs abgefaßt sein könnten. In bezug
auf diese Gebiete des Völkerverkehrs habe ich mich denn, scheint
es, bis zu einem gewissen Grad des Beifalls meines Kritikers
zu erfreuen, da dieser mir S. 427 darin Recht gibt, daß man
sich mit einem derartigen "bescheidenen Anfang begnügen solle'*.
Wo bleibt denn aber da, frage ich, das Programm der D616gation,
wie es uns bisher von seinen Hauptvertretem erläutert worden
ist, und dessen Ausführung in Bausch und Bogen B. de C. doch
sonst nachdrücklich zu verlangen scheint? Machen wir uns
884 K. Brugmann ü. A. Leskien,
übrigens klar, daß auch in diesen Gebieten des Handels und
Verkehrs vorerst noch sehr vieles in den betreffenden Kreisen
vereinbart werden müßte, daß es durchaus nicht wahrscheinlidi
ist das Esperanto, wie es heute ist oder morgen sein kann, könnte
wenigstens hier schlichtweg angenonmien werden.
Beiläufig mag es mir erlaubt sein, hier noch eine Fngs
zu beantworten, die Schuchardt a. a. 0. an mich gerichtet hat
Er fragt, ob meiner Meinung nach, bei gutem Erfolg auf diesem
beschränkten Gebiete, später die Grenzen weiter gezogen werdmi
dürften. Ich sage: das ist der Zeit und den Umständen sa
überlassen; jedenfalls tun Leute, die ein Weltreich gründen wollen
und kaum die Mittel in der Hand haben, das Nächstgelegene ni
bewältigen, gut, nicht gleich Expeditionen an die äußersten
Grenzen ihres Zukunftstraums zu schicken, um diese zu besetzen
und besetzt zu halten.
6. Letzte Pi-age : vermag die D616gation irgendwelche Ga-
rantien für eine längere Dauer der einzuführenden Hilfe-
sprache zu geben? Espemnto soll ja auf Jahrhunderte, sogar Jahr-
tausende hinaus für schriftlichen und mündlichen Gebrauch Welt-
sprache werden, und ein baldiger Zusammenbruch der Institution,
wie sie von der D616gation geplant ist, wäre für jedes Volk, das
die Fremdsprachen zugunsten der 6inen Hilfssprache auch nur
um Weniges zurückgestellt hätte, ein unermeßlicher Schaden.
Ich habe in meinem Aufsatz die Frage, wie Andere, z. R
Diels und Mauthner, entschieden verneint, habe näher ausgeführt,
daß trotz aller erdenkbaren Gegenmittel die Hilfesprache auf
ihrem Territorium, neben den Landessprachen und mit unter ihrem
Einfluß, mit der Zeit sich in einer Weise differenzieren müßte,
daß ihr Zweck, Verständigungsmittel für die verschiedenen Völker
zu sein, vereitelt würde.
Dabei hatte ich die Hilfssprache natürlich als gesprochene
im Auge. Ich muß das betonen, weil jetzt Schuchardt a. a. 0.
(S. 259) wieder fragt: "Wamm könnte die künstliche Gemein-
sprache nicht eine ähnliche Rolle spielen, wie das Latein min-
destens ein Jahrtausend hindurch gespielt hat?** Dieser Vergleich,
der ein Versuch sein will, der D616gation zu Hilfe zu kommen,
trifft nicht zu. Denn das mittelalterliche Latein war nur die
Sprache des Klerus und der Gebildeten, eine papieme Sprache,
die allerdings auch viel gesprochen wurde, aber doch nur so,
daß die, die sich ihrer in mündlichem Verkehr bedienten, ihr
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 385
Leben lang auch niit den Augen Zusammenhang mit der pa-
piemen Norm behielten. Die Mitglieder der D616gation aber
wollen und auch B. de C. will das Esperanto auch dem niederen
Yolk zuführen. Und glaubt man nun im Ernst, daß ein Mann
aus dem Volk, nachdem er in der Volksschule Esperanto gelernt,
sich später um das geschriebene Esperanto noch viel kümmern
würde ? Man denke etwa an die Italiener, die als Arbeiter für
Wegebau u. dgl. auf deutsches Sprachgebiet herüberkommen,
oder an die aus den verschiedensten Teilen von Europa nach
den Vereinigten Staaten Auswandernden, die den niederen Volks-
klassen angehören : man stelle sich vor, diese Leute hätten als
Schulkinder Esperanto gelernt und kämen nun als Träger der
internationalen Verkehrssprache ins fremde Land!
Da die Esperantogrammatik noch einer gründlicheren —
drücken wir uns milde aus ! — Revision bedarf, und da, was noch
wichtiger ist, das Esperantowörterbuch, nicht nur was den Wort-
vorrat an sich betrifft, sondern namentlich auch in phraseolo-
gischer Hinsicht, selbst für die einfachsten Verkehrsverhältnisse
noch auf lange hinaus nicht die erforderliche Abgeschlossenheit
und Vollständigkeit haben wird, da also hier recht Vieles noch
in flutendem Werden ist, so ist klar, daß, wenn das Esperanto
jetzt schon in den Schulen eingeführt würde, die später hinzu-
kommenden Verbesserungen die allergrößte Gefahr für den Be-
stand des Ganzen bildeten. Aber stellen wir uns auch einmal
vor Augen, man wäre mit aUem fertig (was man so fertig nennen
könnte !), wie wäre dann das Ganze auf die Dauer in der nötigen
Übereinstimmung zu erhalten? Denn es gälte nicht nur, das,
was bestehen bleiben muß, unverrückt festzuhalten, sondern auch
den immer und allerorten neu hinzukommenden Anforderungen
an die Sprache gerecht zu werden.
Wie die D616gation oder das von ihr gewählte Komitee,
die diesen so wichtigen Punkt jetzt endlich ebenfalls ins Auge
gefaßt haben, darüber denken, mag man aus darauf bezüglichen
Äußeiningen von Ostwald und von B. de C. ersehen. Ostwald
sagt a. a. 0. (S. 2049) : "Es ist undenkbar, daß ein so ver-
wickelter Apparat wie eine allgemeine Sprache, selbst wenn die
augenblicklich befriedigendste Form gefunden sein sollte, nun-
mehr unveränderlich bleiben könnte ... So spricht alles dafür,
nicht nur die als notwendig erkannten Verbesserungen jetzt an-
zubringen, sondern gleichzeitig eine feste und dauernde Insti-
886 K. Brugmann u. A. Leskien,
tution zu schaffen, der die künftige Verwaltung des neuen Spndh
gutes tiberantwortet sein wird ... Je größer die Anzahl der
Menschen wird, die sich der Hilfssprache bedienen, um so
häufiger wird man Abweichungen und Ereiheiten beobachten,
die sich, wenn sie zweckmäßig sind, durchsetzen werden. Dis
internationale Sprachamt wird dann nicht die Aufgabe haben,
solche Neubildungen zu unterdrücken, sondern sie zu prüfen.
Zunächst daraufhin, ob sie mit den allgemeinen Grundsätzen in
Widerspruch stehen. Ist dies der Fall, so wird es eine Warnung
gegen den Gebrauch erlassen. Ist es nicht der Fall, was bei
weitem häufiger vorkommen wird, so wird sie [lies: es] zunächst
nur statistisch das Schicksal der Neubildung studieren und je
nach dem Ergebnis diese als lebensfähig oder zum Aussterben
bestimmt erkennen. Eine entsprechende Benachrichtigung der
Allgemeinheit wird dann den Aufnahme- bzw. Ausscheidunp»-
vorgang beschleunigen und bestimmter machen So hoffe
ich selbst noch den Tag zu erleben, wo zur Pflege der immer
mannigfaltiger und wichtiger werdenden internationalen Insti-
tutionen . . . auch das internationale Sprachamt gefügt wird,
das die eben beschriebenen Arbeiten neben vielen anderen
durchführt. Alle solche Dinge haben ihren Ursprung aus pri-
vater Initiative genommen, der die Aufgabe zufällt, die Aus-
führbarkeit der Sache nachzuweisen. Sowie aber diese erkannt
und begriffen ist [von wem?], treten die Staaten mit ihren
größeren Mitteln und ihrer größeren Autorität ein**. Gegenüber
diesem beneidenswerten Optimismus, mit dem ein Naturforscher
das künftige internationale Sprachamt nach Art des internatio-
nalen Bureaus für Gewichte und Maße u. dgl. walten und schalten
sieht, wäre kein Wort zu verlieren, wenn nicht zu vermuten
stände, daß das, was der Sprachfoi-scher B. de C. über den Gegen-
stand sagt, in den Augen dieses oder jenes Laien eine Be-
stätigung biete. B. de C. bemerkt (S. 425): wie das internationale
Maß- und Gewichtssystem, ^vie die internationale Münze usw.,
so müsse auch die internationale Sprache einer ständigen und
sorgfältigen Kontrolle unterliegen ; alle Idiotismen und lokal ge-
färbte Eigentümlichkeiten, wie ich sie in meinem Aufsatz be-
fürchte, könnten zu keinem Zerfall führen, wenn sie durch die
Kontiolle seitens des vom Bewußtsein geregelten Sprachunter-
richts neutralisiert würden. Halten wir uns nun wieder, wie
wir immer müssen, um einen festen Standpunkt gegenüber den
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 387
Weltsprachfreundeu einnehmen zu können, an das Programm
der D6i6gation, und nehmen wir die Mensehen der europäischen
Kulturwelt, wie sie von jeher gewesen sind, und nicht wie man
wünscht, daß sie für gewisse Zwecke, denen man nachstrebt,
sein möchten, so muß behauptet werden: weder der Sprachunter-
richt, dem der Einzelne allermeist nur kurze Zeit unterworfen
werden kann, noch alle Maßregeln eines internationalen Sprach-
amts werden ausreichen, eine stetige Vergrößerung der schon
gleich im Anfang nach den verschiedenen Ländern in Lautung,
Syntax und Phraseologie vorhandenen "dialektischen" Differenz
des Esperanto zu verhindern. Der Vergleich der Wirkungsart
und des Wirkungserfolgs der internationalen Meterkommission und
ähnlicher Institute mit der Wirksamkeit des erhofften internatio-
nalen Sprachamts (oder wie immer man die zukünftige Zentral-
stelle für Aufrechterhaltung der Einheitlichkeit des Esperanto
nennen will) ist äußerst unpassend. Denn im Sprachlichen ist
an den Einzelnen entfernt nicht so heranzukommen, wie an den,
dem ich zumute, sich dieses Maßes oder Gewichtes zu bedienen
und keines anderen; denn boim Sprechen ist man, mag man
seine Muttersprache oder Esperanto sprechen und schreiben,
nicht bloß einer Norm folgend und reproduzierend (einigermaßen
rein reproduzierend ist man nur etwa, wenn man ein gelerntes
Gedicht hersagt, bei Grußformeln u. dgl.), man ist dabei immer
zugleich schöpferisch tätig. Und von den statistischen Studien
und Prüfungen, wie sie Ostwald in Aussicht stellt, wäre nur
dann eine Rnicht zu erwarten, wenn das Sprachamt viele viele
Tausende in den beteiligten Ländern als Wächter der Ordnung
anzustellen in der Lage wäre, und selbst der auf diesem Wege
zu erzielende Gewinn wäre voraussichtlich ein äußerst geringer,
keiner, der irgend im Verhältnis stände zu dem gemachten Auf-
wand. B. de C. verspricht sich augenscheinlich Erkleckliches von der
Wirkung der künftig an die Esperantosprechenden zu erlassenden
Warnungen. Ich fürchte aber, es ist die alte Geschichte: weü
man selber von dem Wert und der Nützlichkeit einer für das
Wohl der Mitmenschen zu schaffenden Einrichtung voll über-
zeugt und für diese Einrichtung begeistert ist, stellt man sich
auch diese Mitmenschen alle von gleichen Gefühlen beseelt vor.
Gütliches Zureden wird schwerlich viel nützen. Und Zwangs-
maßregeln, wie man sie etwa bei Maß und Gewicht hat, sind
gegenüber den Vorgängen in und zwischen den Menschen, die
man die menschliche Sprache nennt, nicht anwofndiV^vc.
388 K. Brngmann o. A. Leskien,
7. So ergibt sich uns, von welcher Seite her wir uns i» \
Programm der D616gation ansehen, ein merkwürdiges Bild. Man
glaubt zu wissen, in, der und der Richtung liege ein herrliches
Land, wo man es sich könne wohl gehen lassen. Man hat ein
großes Vehikel konstruiert, das soll uns hinbringen. Man hat zn-
nächst gute Freunde, denen man davon erzählt hat, überredet
einzusteigen, und sie sind eingestiegen. Nun weiß man aber
nicht, ob es Straßen zu dem Land hin gibt, die für das Fahrzeug
passierbar sind, ob die Wege nicht vermöge ihrer Beschaffen-
heit schon vor dem Ziel das Fahrzeug ruinieren werden. Femer
vermögen es die Zugtiere, die man bereits vorgespannt hat,
kaum zwei Schritt weit von der Stelle zu bringen. Und an
der Ausrüstung des Fahrzeugs selber fehlen noch gar manche,
auch sehr wichtige Bestandteile, ohne die man eine so weite
Fahrt nicht wagen darf.
Was ist da zu tun?
Ob die Freunde einstweilen in dem Wagen Platz behalten
wollen, indem sie das Unternehmen mit B. de C. sub specie aetemi
betrachten, das ist ihre Sache, es geht uns Andern nichts an.
Jedenfalls aber rate ich, wie die Dinge heute liegen, keinem,
noch dazu einzusteigen. Die Döl^ation aber wird, wenn sie
nicht vorzieht auf alles zu verzichten, und wenn sie auf Mit-
wirkung der Zeitgenossen rechnen wül (und auf diese Mitwirkung
muß sie doch rechnen), vor allem gut tun, ihr bisheriges Pro-
gramm ganz wesentlich einzuschränken. Ich wiederhole: weniger
wäre mehr gewesen ! Und die nach dieser Richtung hin, scheint
es, zustimmenden Bemerkungen von B. de C. S. 427 erwecken die
Hoffnung, daß wenigstens er sich überzeugen wird, daß nur
von einem wirklich neuen Programm et\vas zu hoffen ist
Sollte jedoch die Esperantobewegung demnächst demselben
Schicksal verfallen wie weiland die Volapükbewegung, so ist
denke ich, jetzt doch nicht alles umsonst gewesen. Es ist in
der Debatte von verschiedenen Seiten auf diesen oder jenen
wichtigen Punkt schärfer hingewiesen worden, der früher un-
beachtet geblieben ist, es sind neue Erfahrungen gesammelt
Vielleicht empfiehlt es sich, daß jemand, der Lust und Zeit dazu
hat, eine bibliographische Übersicht über alles das verfaßt,
was aus Anlaß des Esperanto und anderer künstlieher Welt-
sprachen in diesen Jahren in den verschiedenen Ländern ge-
schrieben worden ist und vermutlich noch wird geschrieben
Zur EinlÜhnuig einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 389
werden. Wenn dann später wiederum diesen oder jenen die
Lust anwandeln sollte, zugunsten einer internationalen künst-
lichen HUfssprache (es könnte auch eine zweite, wesentlich er-
weiterte und verbesserte Auflage des Esperanto sein) eine Agi-
tation einzuleiten, so könnte er, falls er überhaupt aus der Ge-
schichte zu lernen fähig ist, sicher viel daraus lernen, und es
würde sich vermutlich, im Gegensatz zu heute, so oder so eine
erfreul^ jhe Energieersparung konstatieren lassen.
Leipzig. K. Brugmann.
n.
Der Abschnitt von Baudouins Abhandlung Zur Kritik der
künstlichen Weltsprachen (Ostwalds Annalen der Naturphilosophie
VI 385 ff.), der meine Kritik des Esperanto widerlegen soll, ist
mir dadurch erfreulich, daß er wohl allen klar macht, wie viel Mühe
und beständig wiederholte Übung nötig ist, um diese Sprache
richtig zu sprechen, d. h. so zu sprechen, wie es von ihrem Er-
finder verlangt wird. Baudouin leugnet nicht, daß manche der
im Esperanto vorkommenden Laute und Lautgruppen ganzen
großen Völkern nicht geringe Schwierigkeiten bereiten, findet
aber daran nicht viel zu tadeln, und zuletzt läuft es inmier darauf
hinaus, daß in die Beschaffenheit des Esperanto, wie es von
Dr. Zamenhof festgelegt und wie es von seinen Anhängern ge-
billigt und angenommen ist, die übrige Menschheit nichts drein
zu reden habe, sondern sich anstrengen möge zu lernen, wenn
es ihr auch noch so unbequem sei.
Ich hatte (Zur Kritik der künstl. Weltspr. S. 82) getadelt,
daß den Deutschen zugemutet wird, die ihnen ungewohnten, z.
T. in ihrer Sprache gar nicht vorkommenden Laute tsch^ dschj
franz. j in einer Menge von Esperantowörtem anzuwenden. Bau-
douin antwortet darauf (S. 400) : "Was die Laute betrifft, so kann
man vor allem der deutschen Aussprache diejenige vieler anderer
Völker (Italiener, Franzosen, Engländer, alle slavischen Völker
usw.) entgegenstellen. Die Deutschen könnten also diese kleinen
Opfer bringen und sich der Aussprache dieser ihnen von Geburt
an fremden konsonantischen Laute ganz einfach anbequemen, wie
wieder anderen Völkern eine Anbequemung an andere Laute und
Lautkombinationen zufallen würde". Baudouin wird mir wohl
Imäogtnnaniäebe Fonebnngen XXIJ. ^^
390 K. Brugmann u. A. Leskien,
Äutrauen, daß ich beim Niederschreiben jener Zeilen die Existeni
von tsch usw. im Italienischen, Slavischen u. a. gekannt und dann
gedacht habe, auch gewußt habe, daß ein Deutscher alle diese
Laute lernen kann. Darum handelt es sich gar nicht, sondern
darum, daß der Verfertiger einer Weltsprache die verdammte
Pflicht und Schuldigkeit hat, die Sprachgewohnheiten der großen
Kulturvölker zu berücksichtigen, und nicht nach seinem Gut-
dünken die von ihm aufgestellte Sprache mit Lautgobilden über-
laden darf, die eine davon nicht kennt Wenn ein Italiener,
Fi'anzose oder Slave von mir verlangt, ich solle, wenn ich seine
Sprache lerne, mich auch seiner Aussprachsweise anbequemen,
so hat er vollkommen rocht, und jeder wäre ein Narr, der es
nicht täte. Woher aber dem Dr. Zamenhof die Bereehtigunp
kommt, von den Deut8chen zu verlangen, sich seinen Einfällen
anzubequemen, möchte ich erst nachgewiesen haben.
Icli hatte (S. 32) bemerkt daß die Diphthonge au^ eu, ai
usw., von denen das Esperanto voll ist, den Franzosen eine Menge
für sie schwer sprcclibarer Silben aufbürdet Baudouin sagt, diese
Schwierigkeit bestehe nicht. Daß, wie er meint diese Laute "gerade
für die Franzosen gar keine Schwierigkeit" bieten, leuchtet mir
nicht ein. Aber mag das Beispiel ungeschickt gewählt sein, die
Wortliste im Fundamente de Esperanto beweist daß der Ver-
fasser gar nicht daran gedacht hat^ den Franzosen die für sie
schwierigsten Lautverbindungen zu ei^sparen, z. B. spron- Sporn,
schprutS' spritzen, schraub- Schraube, schtrump- Strumpf usw. Daß
Franzosen lernen können, solche Silben zu sprechen, bezweifle
ich natürlicli gar niclit, ich frage nur wieder, wie kommt der
Esperantoerfinder dazu, aus dem Deutschen Silben wie schtrump-,
die nicht bloß für Franzosen, sondern für viele Völker äußerst
schwierig sind, in eine Weltsprache aufzunehmen. Die Antwort
ist für mich, weil er gedankenloserweise sich die Schwierig-
keiten nicht klar gemacht hat.
Getadelt hatte ich (S. 32) die Aufnahme des deutschen *Knabe'
als knabo in das Esperanto, weil den Engländern eine ihnen
nicht bekannte Lautverbindung kn aufgelialst wird. Darauf ant-
wortet Baudouin (S. 404), man brauche den Engländern gegen-
über nicht so zuvorkommend sein, "daß man ihretwegen gewisse
Lautgruppen aus seiner künstlichen Sprache verjagt Wenn die
Engländer das P]speranto erlernen wollen, müssen sie es so
nehmen, wie es ist, und sich bemühen, alle Laute und Laut-
Zur Einführung einer künsüichen internationalen Hilfssprache. 391
Verbindungen genau auszusprechen". Also die Engländer
müssen; warum? weil Dr. Zamenhof sie vult, sie jubet;
nach meiner Meinung mußte er vielmehr auf die Engländer
Rücksicht nehmen und die zwei Wörter, die er im Pundaraento
mit kn hat, knab- Knabe, kned- kneten, nicht aufnehmen. Wenn
mir jemand einen vernünftigen Grund angibt, warum er diese
beiden deutscheu Wörter seiner Sprache einverleibt hat anstatt
irgend welcher anderen, die nicht mit kn beginnen, werde ich
mich freuen ; bis dahin nehme ich an, der einzige Grund, wes-
halb die Wörter dastehen, ist Gedankenlosigkeit des Esperanto-
erfinders.
Ich hatte (S. 33) darauf hingewiesen, daß die im Esperanto
zahlreichen Lautverbindungen von Konsonant + i + Vokal (z. B.
kiu tiu tschia usw.) sich im Munde der verschiedenen Völker
wegen der eigentümlichen Einwirkung der t- Artikulation auf
vorangehende Konsonanten leicht und stark verändern. Baudouin
meint (S. 408), ich habe stark übei-trieben, wenn ich behaupte,
das Esperanto wimmele von solchen Silben. Wenn man aber be-
denkt, daß gerade außerordentlich häufig in der täglichen Rede
gebrauchte Wörter wie 'welche' kiuj^ *jene' tiuj, *alle* tschiuj,
solche Lautverbindungen enthalten, wird man wohl zugeben, daß
die Rede des Esperantosprechenden von solchen Silben voll ist
Indes, ob mehr oder weniger, darauf kommt es nicht an, sondern
auf die prinzipieUe Seite der Sache, die in Baudouins Antwort
liegt; er sagt nämlich (S. 408): "Gesetzt sogar, es sei wirklich
wahr" (daß das Esperanto von Silben wie kiu usw. wimmle),
"müßte man doch als die höchste Instanz das gegenseitige Ein-
verständnis der esperantischen Sprachbeteiligten betrachten: wenn
solche Lautgruppen in den in erster Linie Interessierten keinen
Anstoß erregen, können sich die Fremdlinge alle Besorgnisse
ersparen". Also, Dr. Zamenhof stellt eine "künstliche* Spraehe
zusammen, die als internationale Verkehrssprache für alle er-
denklichen Mitteilungszwecke von aUen Klassen von Menschen
verwendet werden soll; eine Anzahl gelehrter und ungelehrter
Leute sind mit ihr zufrieden wie sie ist, nehmen sie an und
werben für ihre Verbreitung. Wer außerhalb dieser Gemeinde
steht, ist ein Fremdling und hat einfach das Maul zu halten,
wenn ihm diese Art Weltsprache nicht gefällt, obwohl er doch
auch zu der Welt gehört, die si(j annehmen soll.
Die Gefahr, daß die Vokale a, o, u in unbetonten Eud-
L •
I
388 K. Brugmann u. A. Leskien,
7. So ergibt sich uns, von welcher Seite her wir uns
Programm der D6l6gation ansehen, ein merkwürdiges Bild. 3
glaubt zu wissen, in, der und der Richtung liege ein heiriic
Land, wo man es sich könne wohl gehen lassen. Man hat
großes Vehikel konstruiert, das soll uns hinbringen. Man hat
nächst gute Freunde, denen man davon erzählt hat, überr
einzusteigen, und sie sind eingestiegen. Nun weiß man i
nicht ob es Straßen zu dem Land hin gibt, die für das Fahn
passierbar sind, ob die Wege nicht vermöge ihrer Beschaf
heit schon vor dem Ziel das Fahrzeug ruinieren werden. Fei
vermögen es die Zugtiere, die man bereits vorgespannt
kaum zwei Schritt weit von der Stelle zu bringen. Und
der Ausrüstung des Fahrzeugs selber fehlen noch gar man
auch sehr wichtige Bestandteile, ohne die man eine so w
Fahrt nicht wagen darf.
Wa« ist da zu tun?
Ob die Fieunde einstweilen in dem Wagen Platz beha
wollen, indem sie das Unternehmen mit B. de C. sub specie aeü
betrachten, das ist ihre Sache, es geht uns Andern nichts
Jedenfalls aber rate ich, wie die Dinge heute liegen, kein
noch dazu einzusteigen. Die D6l6gation aber wird, wenn
nicht vorzieht auf alles zu verzichten, und wenn sie auf 1
Wirkung der Zeitgenossen rechnen will (und auf diese Mitwirk
muß sie doch rechnen), vor allem gut tun, üir bisheriges I
gramm ganz wesentlich einzuschränken. Ich wiederhole: weni
wäre mehr gewesen ! Und die nach dieser Richtung hin, seh
es, zustimmenden Bemerkungen von B. de C. S. 427 erwecken
Hoffnung, daß wenigstens er sich überzeugen wird, daß
von einem wirklich neuen Programm et\vas zu hoffen ist
Sollte jedoch die Esperantobewegung demnächst demsel
Schicksal verfallen wie weiland die Volapükbewegung, so
denke ich, jetzt doch nicht alles umsonst gewesen. Es isl
der Debatte von verschiedenen Seiten auf diesen oder je
wichtigen Punkt schärfer lüngewiesen worden, der früher
beachtet geblieben ist, es sind neue Eiiahrungen gesamn
Vielleicht empfiehlt es sich, daß jemand, der Lust und Zeit d
hat, eine bibliogi-aphische Übemcht über alles das verf
was aus Anlaß des Esperanto und anderer künetlieher W
sprachen in diesen Jahren in den verschiedenen Ländern
schrieben worden ist und vermutlich noch wird geschrie
Zur Einführung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 389
werden. Wenn dann später wiederum diesen oder jenen die
Lust anwandeln sollte, zugunsten einer internationalen künst-
lichen Hilfssprache (es könnte auch eine zweite, wesentlich er-
weiterte und verbesserte Auflage des Esperanto sein) eine Agi-
tation einzuleiten, so könnte er, falls er überhaupt aus der Oe-
schichte zu lernen fähig ist, sicher viel daraus lernen, und es
würde sich vermutlich, im Gegensatz zu heute, so oder so eine
erfreul^jhe Energieersparung konstatieren lassen.
Leipzig. K. Brugmann.
II.
Der Abschnitt von Baudouins Abhandlung Zur Kritik der
künstUchen Weltsprachen (Ostwalds Annalen der Naturphilosophie
VI 385 ft), der meine Kritik des Esperanto widerlegen soll, ist
mir dadurch erfreuhch, daß er wohl allen klar macht, wie viel Mühe
und beständig wiederholte Übung nötig ist, um diese Sprache
richtig zu sprechen, d. h. so zu sprechen, wie es von ihrem Er-
finder verlangt wird. Baudouin leugnet nicht, daß manche der
im Esperanto vorkommenden Laute und Lautgruppen ganzen
großen Völkern nicht geringe Schwierigkeiten bereiten, findet
aber daran nicht viel zu tadeln, und zuletzt läuft es immer darauf
hinaus, daß in die Beschaffenheit des Esperanto, wie es von
Dr. Zamenhof festgelegt und wie es von seinen Anhängern ge-
billigt und angenommen ist, die übrige Menschheit nichts drein
zu reden habe, sondern sich anstrengen möge zu lernen, wenn
es ihr auch noch so unbequem sei.
Ich hatte (Zur Kritik der künstl. Weltspr. S. 32) getadelt,
daß den Deutschen zugemutet wird, die ihnen ungewohnten, z.
T. in ihrer Sprache gar nicht vorkommenden Laute tsch^ dsch^
franz. y in einer Menge von Esperantowörtem anzuwenden. Bau-
douin antwortet darauf (S. 400) : "Was die Laute betrifft, so kann
man vor allem der deutschen Aussprache diejenige vieler anderer
Völker (Italiener, Franzosen, Engländer, alle slavischen Völker
usw.) entgegensteUen. Die Deutschen könnten also diese kleinen
Opfer bringen und sich der Aussprache dieser ihnen von Geburt
an fremden konsonantischen Laute ganz einfach anbequemen, wie
wieder anderen Völkern eine Anbequemung an andere Laute und
Lautkombinationen zufallen würde". Baudouin wird mir wohl
laiogfrmanijehe Fonehnngen XXII. ^^
390 K. Brugmann u. A. Leskien,
zutrauen, daß ich beim Niederschreiben jener Zeilen die Ebusteiu
von tsch usw. im Italienischen, Slavischen u. a. gekannt und dann
gedacht habe, auch gewußt habe, daß ein Deutscher alle diese
Laute lernen kann. Darum handelt es sich gar nicht, sondern
darum, daß der Verfei-tiger einer Weltsprache die verdammte
Pflicht und Schuldigkeit hat, die Sprachgewohnheiten der großen
Kulturvölker zu berücksichtigen, und nicht nach seinem Gut-
dünken die von ihm aufgestellte Sprache mit Lautgebilden über-
laden darf, die eine davon nicht kennt. Wenn ein Italiener,
Fianzose oder Slave von mii* verlangt, ich solle, wenn ich seine
Sprache lerne, mich auch seiner Aussprachsweise anbequemen,
so hat er vollkommen recht, und jeder wäre ein Narr, der es
nicht täte. Woher aber dem Dr. Zamenhof die Berechtigung
kommt^ von den Deutschen zu verlangen, sich seinen Einfällen
anzubequemen, möchte ich erst nachgewiesen haben.
Ich hatte (8. 32) bemerkt daß die Diphthonge aii, eu^ ai
usw., von denen das Esperanto voll ist, den Franzosen eine Menge
für sie schwer sprechbarer Silben aufbürdet Baudouin sagt, diese
Schwierigkeit bestelle nicht. Daß, wie er meint, diese Laute "gerade
für die Franzosen gar keine Schwierigkeit" bieten, leuchtet mir
nicht ein. Aber mag das Beispiel ungeschickt gewählt sein, die
Wortliste im Fundamente de Esperanto beweist, daß der Ver-
fasser gar nicht daran gedaclit hat^ den Franzosen die für sie
schwierigsten I^utverbindungen zu ersparen, z. B. spran- Sporn,
schprutS' spritzen, schraub- Schraube, schtrump- Strumpf usw. Daß
Franzosen lernen können, solche Silben zu sprechen, bezweifle
ich natürlich gar nicht icli frage nur wieder, wie kommt der
Esperantoerfinder dazu, aus dem Deutschen Silben wie schtramp-,
die nicht bloß für Franzosen, sondern für viele Völker äußerst
schwierig sind, in eine Weltsprache aufzunehmen. Die Antwort
ist für mich, weil er gedankenloserweise sich die Schwierig-
keiten nicht klar gemacht hat
Getadelt hatte ich (S. 82) die Aufnahme des deutschen *Knabe*
als knaho in das Esperanto, weil den Engländern eine ihnen
nicht bekannte Lautverbindung kn aufgehalst wird. Darauf ant-
woi1;et Baudouin (S. 404), man brauche den Engländern gegen-
über nicht so zuvorkommend sein, "daß man ihretwegen gewisse
Lautgruppen aus seiner künstlichen Sprache verjagt. Wenn die
Engländer das Esperanto erlernen wollen, müssen sie es so
nehmen, wie es ist, und sich bemühen, alle Laute und Laut^
Zar Einfuhrung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. B91
Terbindungen genau auszusprechen". Also die Engländer
müssen; warum? weil Dr. Zamenhof sie vult, sie jubet;
nach meiner Meinung mußte er vielmehr auf die Engländer
Rücksicht nehmen und die zwei Wörter, die er im Pimdaraento
mit kn hat, knab- Knabe, kned^ kneten, nicht aufnehmen. Wenn
mir jemand einen vernünftigen Gnmd angibt, warum er diese
beiden deutschen Wörter seiner Sprache einverleibt hat anstatt
irgend welcher anderen, die nicht mit kn beginnen, werde ich
mich freuen ; bis dahin nehme ich an, der einzige Grund, wes-
halb die Wörter dastehen, ist Gedankenlosigkeit des Esperanto-
erfinders.
Ich hatte (S. 33) darauf hingewiesen, daß die im Esperanto
zahlreichen Lautverbindungen von Konsonant + i + Vokal (z. B.
kiu tiu tschia usw.) sich im Munde der verschiedenen Völker
wegen der eigentümlichen Einwirkung der i-Ärtikulation auf
vorangehende Konsonanten leicht und stark verändern. Baudouin
meint (S. 408), ich habe stark übertrieben, wenn ich behaupte,
das Esperanto wimmele von solchen Silben. Wenn man aber be-
denkt daß gerade außerordentlich liäufig in der täglichen Rede
gebrauchte Wörter wie 'welche' kiuj^ *]eue' tiuj^ *alle* tschiuj^
solche Lautverbindungen entlialten, wird man wohl zugeben, daß
die Rede des Esperantosprechenden von solchen Silben voU ist
Indes, ob mehr oder weniger, darauf kommt es nicht an, sondern
auf die prinzipielle Seite der Sache, die in Baudouins Antwort
liegt; er sagt nämlicli (S. 408): "Gesetzt sogar, es sei wirklich
wahr" (daß das Esperanto von Silben wie kiu usw. wimmle),
"müßte man docli als die höchste Instanz das gegenseitige Ein-
verständnis der esperantisehen Sprachbeteiligten betrachten : wenn
solche Lautgruppen in den in erster Linie Interessierten keinen
Anstoß erregen, können sich die Fremdlinge alle Besorgnisse
ersparen". Also, Dr. Zamenhof stellt eine 'künstliche' Sprache
zusammen, die als internationale Verkehrssprache für alle er-
denklichen Mitteilungszwecke von allen Klassen von Menschen
venvendet werden soll; eine Anzahl gelehrter und un gelehrter
Leute sind mit ihr zufrieden wie sie ist, nehmen sie an und
werben für ihre Verbreitung. Wer außerhalb dieser Gemeinde
steht, ist ein Fremdling und hat einfach das Maul zu halten,
w(»nn ihm diese Art Weltsprache nicht gefällt, obwohl er doch
auch zu der Welt gehört, die sie annehmen soll.
Die Gefahr, daß die Vokale a, o, u in unbetonten End-
892 K. Brugmann u. A. Leskien,
Silben leicht zusammen fallen — ich habe dabei natürlich in
Sprachen mit stark exspiratorischem Akzent gedacht — und da-
durch Formenunterschiede des Esperanto, wie etwa mi äma
ich werde lieben, mi dmus ich würde lieben, im Sprechen ver-
schwinden, habe ich S. 33 betont Daß es so kommen muß bei
Deutschen, Russen usw., leugnet Baudouin an sich auch nicht,
aber er hat wieder das bekannte Mittel (S. 410) : *T)ie das Espe-
ranto als gesprochene Sprache anwendenden Deutschen, Russen,
Slovonen, Engländer . . . müssen sich abgewöhnen, unbetonte
Silben zu schwächen und zu reduzieren und infolge dessen
einzelne Vokale und überhaupt Laute, wie man sagt, zu ver-
schlucken". Es ist doch eigentlich arg; die Millionen von Deut-
schen, Russen usw. müssen wieder, nur Dr. Zamenhof mußte,
wie es scheint, nie etwas. Nach meiner Ansicht mußte er da-
rauf bedacht sein, die oben genannten Verbalformen durch irgend
welche Mittel so deutlich zu unterscheiden, daß auch die Hun-
derte von Millionen Menschen, die nun einmal die Gewohnheit
haben, unbetonte EndsUben schwach zu artikulieren, sie doch
ohne Mühe auseinanderhalten konnten.
Baudouin hat völlig recht, wenn er sagt (S. 405): "Eine
ideale Leiclitigkeit der Aussprache ist in einer künstlichen Sprache
ebenso schwer zu en*eichen, wie in den bestehenden traditio-
nellen Sprachen. Wenn man sieh eine künstliche Sprache an-
eignen will, muß man sich ebenso üben, wie bei jeder anderen
Sprache". Allerdings, aber ich habe eine solche ideale Leichtigkeit
garnicht erwartet oder verlangt, sondern was ich wollte, scheint
mir deutlich genug S. 32 ausgesprochen: "Man dürfte erwarten,
daß jemand, der für alle jene Völker ein gemeinsames Ver-
ständigungsmittel aufstellen will, sich die Frage vorlegt: welche
Laute und Lautverbindungen sind ihnen allen gemeinsam oder
annähernd bei ihnen gleich. Darnach hätte er weiter zu fi-agen:
welche Laute und Lautverbindungen sind nach allgemeinen
lautphysiologischen Erwägungen und nach Analogie der vor-
handenen, allen gemeinsamen Laute noch als leichter sprechbar
anzusehen. Auf Grundlage dieser Festsetzung wäre dann das
Wortmaterial, also ein für die betreffenden Völker im ganzen
leicht spreehbares, festzustellen und zu formen". Damit ist ein
Prinzip aufgestellt, und ich gestehe ein, daß ich so schwach
bin, nicht begreifen zu können, wie ohne ein solches Prinzip
etwas Befriedigendes geschaffen werden kann. Daß man das
!
Zur EinfQhrung einer künstlichen internationalen Hilfssprache. 393
Prinzip nie wird strenge durchführen können, daß man laut-
liche Schwierigkeiten behalten wird, ist ebenso gewiß, aber das
hebt die Verpflichtung nicht auf, für möglichste Beseitigung
der Schwierigkeiten zu sorgen ; eine solche wahllose Zusammen-
würfelei, wie sie Zaraenhof geliefert hat, ist damit nicht ge-
rechtfertigt Er und sein Anhang können freilich wieder sagen:
Prinzip hin, Prinzip her, uns hat es so beliebt, ihr anderen
habt zu schweigen und zu gehorchen.
In bezug auf die Lautverhältnisse komme ich noch auf
eine Bemerkung Baudouins (S. 407), die einzige in seiner Schrift,
die, wie ich gestehen muß, mich geärgert hat Ich hatte (S. 33)
gesagt : "Das t solcher Silben (nämlich wie kia, tiu u. dgl.) ver-
wandelt sich, mag auch der Esperantogrammatiker vorschreiben,
man solle es deutlich aussprechen, ohne weiteres mj'\ Er be-
merkt dazu : " "Es verwandelt sich" ", "aber wo verwandelt es
sich? Doch nicht in der Luft?" Folgt dann eine kurze Be-
lehrung über das Wesen der sog. Lautgesetze. Den Laien —
und von den Lesern des Aufsatzes werden wohl mehr als neun
Zehntel sprachwissenschaftliche Laien sein — muß ich demnach
als der Dummkopf erseheinen, der glaube, ein irgendwo selbst-
ständig herumschwebendes i verwandle sich in irgend etwas
anderes und wirke auf eben solche Wesen irgendwie ein. Ich
weiß nicht, ob mir jemand zutraut, daß, wenn ich z. B. sage:
der Barockstil ist aus dem Renaissancestil entstanden oder aus
ihm hervorgegangen, ich damit sagen will, der Renaissancestil
habe durch generatio aequivoca den Bai'ockstil aus sich hervor-
gebracht oder ihn mit einem anderen Wesen erzeugt, und nicht
vielmehr meine, daß denkende und empfindende, mit der Hand
zeichnende imd bauende Menschen unter Veränderung des bis-
her in der Baukunst Üblichen Gebäude neuer Art geschaffen
haben. Es ist doch eine wunderliche Pedanterie, mir den kurzen
Ausdruck "verwandelt sich" aufzumutzen, den kein heutiger
Sprachforscher anders versteht, als daß Menschen unter be-
stimmten physischen, psyelnschen und sozialen Bedingungen
ihre Sprechweise wandeln.
Auf den Teil, der das Morphologische behandelt (S. 411 f.),
gehe ich nicht ein; auch Baudouin hat da viel am Espe-
ranto auszusetzen; es heißt aber S. 416 doch: "Übrigens wenn
es sich um Billigung oder Tadel esperantischer Formen handelt,
muß man vor allem die Esperantisten selbst befrajgeti. ^^xiw
d94 K. Bragmann u. A. Leskien,
ihnen ihre ge-frataj, g&-amikqj usw. ebenso wie patrino neböD
fatro und ähnliehe munden, muß man damit einverstanden sein
und die Tatsaehe so nehmen, wie sie ist". Immer der gleiche
Refrain, die Esperantisten und ihr Häuptling können tun, was
sie wollen, wir andern armen Menschenkinder müssen.
Zum Schluß noch eins: Ich habe S. 38 bemerkt, daß mir
das Erlernen des Esperanto schwer geworden sei, habe damit
natürlich, wie dort aus dem Zusammenhang hervorgeht sagen
wollen, daß es mir nicht leichter vorgekommen ist als andere
Sprachen, die ich gelernt habe. Baudouin will S. 419 seine Er-
fahnmg dagegen geltend machen : "Wenn ich die Zeit zusammen-
rechne, die ich auf das Esperanto verbraucht habe, werden es
höchstens zwei Wochen sein, selbstverständlich Wochen inten-
siver Arbeit nicht mit einem achtstündigen, sondern wenigstens
mit einem zwölfstündigen Arbi^tstage. Jetzt verstehe ich, biß
auf wenige hie und da zei'streute Worte, jeden esperantischen
Text ohne Schwierigkeit Selbst zu sprechen oder zu schreiben
habe ich bis jetzt weder versucht noch Gelegenheit gehabt, glaube
aber, daß es mir nach einer verhältnismäßig kurzen Praxis ge-
lingen würde". Hier haben wir also eine bestimmte Angabe der
Arbeitszeit, die gebraucht >vurde; der Lernende ist ein Mann
von außerordentlicher Sprachbegabung — wir sind alte Freunde,
und ich weiß genau, daß er mich darin und in der Anzahl der
ihm geläufigen Sprachen weit übertrifft — , er kannte die in.^
Esperanti) übernoninienen romanischen Wörter, ebenso auch
die deutschem und englischen, selbstverständlich die slavischen,
er ist ein geschulter Sprachfoi'scher, der durch langjährige Praxis
und systematische Beti'achtung imstande ist sprachliche Dinge
schnell zu übei-sehen. Dieser ^lann hat nun gegen 14 x 12 Stunden
= 108 Stunden gebraucht und hat es unter den denkbar günstig-
sten Vorbedingungen dahin gebracht einen Esperantotext ohne
Schwierigkeit zu verstehen. Ein besseres Zeugnis gegen die Leich-
tigkeit des Esperanto konnte ich mir gar nicht wünschen. Ich
denke mir di»m gegenüber einen deutschen Arbeiter, ordentüch
begabt aber ohne Kenntnis des Franz()sischen, überhaupt andrer
Sprachen als seiner Muttersprache, und nehme an, er hal>e
wöchentlich zwei Stunden zum Esperantolernen übrig (mehr wird
wohl selten sein), so braucht er, immer vorausgesetzt er lerne
trotz der mangelnden Vorkenntnisse ebenso schnell wie Baudouin,
84 Wochen, also über anderthalb Jahre; bei drei wöchentlichen
Zur Einfährung einer künstlichen internatiionalen Hilfssprache. 895
Stunden immer noch über ein Jahr. Rechnet man aber, was
sicher gering gerechnet ist, daß der gänzliche Mangel erleich-
ternder Vorkenntnisse das Lernen um das Dreifache erschwert,
so kommen fast 5, resp. reichlich 3, und selbst bei sechs wöchent-
lichen Stimden immer noch über anderthalb Jahre heraus. Wenn
mich ein solcher Mann fragte, ob er Esperanto leraen solle,
würde ich ihm antworten: "Lieber Freund, lassen Sie das sein;
mit der Zeit und Arbeit, die Sie auf das Esperanto verwenden
müßten, können Sie soviel Englisch lernen, daß Sie sicli unter
den 125 Millionen englisch redenden Menschen damit forthelfen
können, haben außerdem den Gewinn, eine nach allen Seiten
wunderbar n^iche Literatur benutzen und genießen zu können.
Haben Sie noch weiter ebenso viel Zeit und Lust, so lernen
Sie Französisch dazu und haben dann die gleichen Vorteile auf
französisciiem Sprachgebiet".
Baudouin meint (S. 419), ich sei wohl an das Studium des
Esperanto von vorn herein mit einem gewissen Widerwillen her-
angetreten, ein solches Unbehagen aber hemme die Arbeitskraft
und veraögere den Erfolg. Es ist wahr, daß ich keine Schwärmerei
für künstliehe Weltsprachen habe und mir von ihnen keinen
Gewinn für die Menschheit verspreche; allein einen Wider-
willen gegen einen der vielem Versuche derartiger künstlicher
Sprachen habe ich nie gehabt und habe auch das Esperanto
in aller Ruhe betrachtet. Ferner weiß ich mich ganz frei von
dem Fachmännerhochmut, den Baudouin S. 391f. sehr energisch
bekämpft Was der ist, der es unternimmt, eine künstliche Sprache
aufzustellen, ob Spi-achforscher oder etwas andres, ist mir ganz
gleichgiltig ; ich frage nur, ob das fertige Werk etwas taugt oder
nicht Ein Recht der Kritik habe ich wie jeder, vielleicht als
Sprachforscher doch etwas mehr als die Tausende, die sich zum
Gebrauch des Esperanto überreden lassen, wie sie sich zu jeder
beliebigen Weltsprache üben-eden lassen würden, wenn eine ge-
nügend kräftige Agitation sie antriebe. Jedenfalls darf man mir
nicht damit kommen: die Esperantisten haben beschlossen, es
soll so sein, damit ist die Sache erledigt: wollen Sie mitmachen,
gut; wollen sie nicht so schweigen Sie gefälligst Von der seit
dem Erscheinen unsrer kleinen Schrift von esperantistischer Seite
herausgekommenen Literatur über das Slsperantc} ist mir nur
zufällig eins oder das andere zu Gesicht gekonmien ; aus dem,
was ich davon gelesen habe, imd aus Briefen, die mir von
396 E. Fraenkel,
Esperantisten zugegangen sind, habe ich mit Verwunderung ge-
sehen, wie stark das Selbstgefühl der Esperantisten ist, namenüidi
aus den Briefen, unter denen natürlich auch die unumgänglichen
anonymen Postkarten nicht fehlen. Hübsche Prädikate bekomme
ich da : lächerlich, rückständig, voreingenommen, vorurteilsvoll,
leichtfertig, kritiklos, unwissend, verständnislos, ein zehnjähriges
Kind habe mehr Einsicht als ich ; es soll mich nicht wundem,
wenn ich nächstens lesen werde, ich sei verrückt oder blödsinnig.
Ich nehme es nicht übel, denn ich weiß, daß Fanatikern aller Art
der Gegenstand ihrer Verehrung als sakrosankt gilt, und daß
sie daher alle, die ihn nicht ebenso verehren, für dumm oder
schlecht halten müssen. Wer einen Götzen angreift, muß ge-
wärtig sein, daß dessen Anbeter ihn steinigen. Wenn die Mensch-
heit sich von den Eiferern zum Esperanto bekehren läßt, ist alle
Kritik hinfällig, dann hat niemand etwas drein zu reden und
wird niemand drein reden; so lange aber nur ein winziger
Bruchteil selbst der europäischen Menschheit sich dazu bekehrt
hat, wird es nicht ausbleiben, daß die Seelen der Esperantisten
zuweilen durch Kritiken empört werden.
Leipzig. A. Leskien.
\
\
Griech. 6u)c 'Schakal'. >
Eine einleuchtende Etymologie der griech. Bezeichnung des"^
Schakals ist bisher meines Wissens noch nicht gegeben worden;
denn Ficks Zusammenstellung des Worts mit Goöc 'schnell*, ödoc
uTTÖ 0puTUJv XuKoc Hesvcli ^) unterliegt lautlich mannigfachen
Bedenken und wird von Solmsen KZ. 34, 49 mit Recht verworfen.
Die Zugehörigkeit von 0ujc zu Wz. 0eF- läßt sich höchstens in
der Weise annehmen, daß man wie Brugmann Grundr. 2*, 140*)
öiüc auf ein älteres *0ujuc zurückführt, das sich zu GeTv ver-
halten würde wie K\d)\\f zu KXeTrreiv oder q)ujp zu qpepeiv. Daß
der Schakal aber als 'Läufer* bezeichnet worden sei, ist aus
semasiologischen Gründen wenig wahrscheinlich; denn eine solche
Benennung würde ziemlich matt sein. Gelingt es, eine Deutung
zu geben, die auch zu dem ganzen Wesen des Tieres besser paßt,
so ist diese jedenfalls der Brugmannschen vorzuziehen. Nun stellt
1) Spracheinheit der Indogcrmanen Europas S. 412 ff.
2) Ebenso Bechtel Hauptprobl. S, 274 ff.
Griech. OOic 'Schakal*. 397
Eretschmer Einl. in die Gesch. d. gr. Spr. S. 221 das phrygische
baFoc sehr einleuchtend mit slav. daviti Vürgen' zusammen, wozu
weiter lit dowfti *umherjagen, abquälen', 1yd. KavöaüXiic = kuv-
drxnc Hipponax fr. 1 Bgk.* *) kommen. Daß die Phryger den Wolf
nach seiner Raubgier und Blutdilrstigkeit als nach seiner spezi-
fischen Eigenschaft benannt haben, wird niemand auffällig finden
und es gewiß billigen, wenn wir auch öujc auf eine Wurzel von
der Bedeutung "fressen, verzehren' zurückführen. Stehen sich
doch Schakal und Wolf auch sonst nahe, was bereits die Alten
mehrfach hervorheben *). Glücklicherweise brauchen wir bei der
Erklärung nicht einmal in die Feme zu schweifen, da das
Griechische selbst eine Verbalwurzel liefert, mit der sich Gibc
ungezwungen vermitteln läßt:
Giücöai • öaivucöai, öoiväcöai, euiüXticOau AicxüXoc AiicruouX-
Koic (fr. 49 N.*). Hesych, GoiTar euGnveiTai, GoTvaiai. Gaivrai*
eoivoivrai, €uuJxoövTai,€uGTivouvTai. GibcacGai • eutüxnöfjvai. GiüGfivar
q)aT€Tv, T^ücacGai. Id., idGuüiai • leGoivriTai Phot, fut GujcouiieGa
Epich. fr. 189 Kaib., dazu mit anorganischem c (wie öpTiCTrjp,
jLivTicrrip, dpxncTfip, -Tr|c) Guücrripia • euuixnTnP»«- ^al övo)Lia <feopTfic> ^)
Hesych, vgl. Guüciripid G' ä[x' iiraivei 'lobt unsere Schmauserei,
unser Fest* Alkman fr. 28 (Parthen.), 81 Bgk.*, s. Diels Hermes 31,
366, von Wilamowitz ibd. 82, 257 *).
Die Wurzel Guj- enthält, wie W. Schulze KZ. 27, 425 nach-
gewiesen hat *) Langdiphthong *öf , vgl. das mit ihr ablautende
GoiVTi, GoivdcGai, mit dem unsere Sippe mehrfach interpretiert
1) Sobnsen KZ. 34, 77 ff. [Vgl. auch Brugmann Ztschr. f. celt. Phil. 3^
596 f. und v. Rozwadowski MateryaJy i prace kom. jezykowej, Tom. II
(Krakau 1907) S. 344 ff. — K. B.].
2) Aristot. hist. anim. 2, p. 507 b, 17 ^x« hi Kai 6 Bdic irdvra rd
^vTÖc ö^oia XCiKip, Hesych s. v. ed)c • clboc 6npiou XOKip ö^oiov.
3) Suppl. Reiske.
4) Bei Epich. fr. 71, 3 stellt Kaibcl für das korrupte eujx^puj Bibcrpiov
'eibus' her, das er mit cxerdcxpiov, eepicrpiov, cpain^dcTpia • rd Hiaicrd. Kai
iopvf] TIC Hesych (ad gloss. It. no. 4) in der Suffixbildung vergleicht. eujx0€(c •
euipTixOcCc, ^ceucBcic. Io<poKXf^c AiovuciaKip (fr. 175 N. *). Hesych, ebenso
Phot. enthält schwerlich die mit einem Guttural erweiterte Wurzel 6u)-,
sondern gehört offenbar mit x^ewKrai • T€eöuujTai. tcBujtm^voi • TeBuimuj-
^^voi, ^€^€euc^^voi. OüjSar ^cBOcai, irXnpOücai Hesych zusammen, und diese
Bildungen sind wohl mit Oi'itciv 'wetzen' zu verbinden, vgl. de Saussure m6m.
S. 155, Bechtel Hauptprobleme S. 236; vgl. auch Qälax- ^cOOcai. TcBatiüi^voi •
^€M€euc^^voi. T^eaSai * (^€)^^9ucai Hesych und Ahrens Dial. 2, 182.
5) S. auch Hirt Ablaut § 79, S. 35.
398 E. Fraenkel,
wird. Dafür, daß Ooivri nicht nur von Oastmählem, sondern aui
vom Fräße der Tiere im Gebrauche ist, mangelt es nicht an Betef^:
Eur. Ion 504 '{va TexoOcd nc j TiapOevoc, (b peX^ot, ßpeq»oc|
<|)oißiu, TTTttVoic iHibpice öoivav | Oripci t€ qpoiviav ödira, mKpw
Td)Liujv I iißpiv. Rhes. 515 crricu) Treieivoic T^ijii Goivcrnipiov. Ion
1495 oiiüVU)v TciIi9n^ciTc (p6veu|ia Goivaiiid x' €ic | "Aiöav ^xßoXXei^).
Audi öaic wird bekanntlich katachrestisch gebraucht:
A 4. 5 auTOuc bk iXibpia xeuxe Kuvecav | oiuivotci t€ öaiia^i,
Q 48 (Xeu)v) öc x' ^Ttel äp lieroXri x€ ßiq Kai dfrivopi Qv}x\b \ eKoc
€ic' iiTi [xx]ka ßpoxu)v, 'iva baixa Xdßrjciv^), nachhomerisch außw
der bereits zitierten Stelle aus Eur. Ion, wo sich öaic neben Ooiyt)
findet, Soph. Phil. 957 dXX' auxöc xdXac | Gavujv TrapeEui ödö*,
ucp' u)v ^(pepß6|ir|v, Eur. Hecub. 1078 kuci X€ cpoviav öatx' dvrJM^pov
usw. (vgl. Lehrs Aristarch«, S. 161).
Die Erklärung von Gdbc als Tresser* wird durch die griech.
Literatur selbst an die Hand gegeben und bestätigt Von der
Gefräßigkeit der Schakale weiß bereits Homer zu erzählen. N 103
nennt er sie zusammen mit raubgierigen Pardeln*) und Wolfen:
dXd(poici aixe kqö* üXriv | GibiüV TrapöaXiuiv xe Xükuiv
x' f|ia TreXovxai.
Ganz schlagend aber ist A 474 ff. Dort werden die Odysseus
umringenden Troer mit bacpoivoi GiLec (so 474) verglichen, die
sich um einen von einem Jäger angeschossenen Hirsch scharen.
Das Tier, das nur durch schnellen Lauf seinem Verfolger ent-
1) Vgl. auch Goivciceai = 'fressen' von Geschwüren : Eur. fr. 71^ N.*
(pax^baiv' de{ mo^ cdpKa Boivärai TToböc [: Äsch. fr. 253 N.* qpax^baiv' dci
^ou cdpKac ^c9iei iroböc]. Übrigens ist cpax^buiva, das zu q)ax€Tv gehört, wie
auch die zitierten .Stellen bestätigen, eine neue Stütze für Kretscluners »
Etymologie (Einieit. S. 207, Anm. 5, Wochenschr. für klass. Pbilol. 1907,
Sp. 513) : TdTTpaiva zu cypr. Tpd • cpdyc Hesych, TPdcÖi HofTinann Üial. I,
Nr. 144, 1, ^Tpote KalUni. fr. 200 Sehn., ^pdccjuaro 'res consumptae* (Meister,
M. Fraenkel) Argos I. G. lY, 554^,4^, Tpaiveiv ^cOieiv Hesych. Die Zusammen-
stellung von fdfxpaxya und Tpdiw rät bereits E. M. p. 219, 28 sq.
2) So hat Zenodot (Athen. 1, p. 12 e), während in unsere fiss. träci
geraten ist, durch V^ermittlung eines Grammatikers (wahrscheinlich des
Aristarch, der freilich nicht genannt wird), da nach Ansicht der Analogisten
Homer baic nur vom Schmause der Menschen gebraucht, s. Cauer Homer-
krit. S. 20.
3) Diese Interpunktion ist jedenfalls der hinter ^?\ka vorzuziehen,
welche ihrerseits ebenfalls nur jener einseitigen Beobachtung über den
'homerischen' Gebrauch des Wortes baic zuliebe gemacht ist.
4) Ebenso zählt Herodot 4, 192 unter den Tieren Libyens auch eiö€c
Kai irdvenpcc auf.
Griech. SOic 'Schakal*. 399
rönnen ist, gerät in die Gewalt dieser u))iO(päTOi Oukc (479), die
schon dabei sind, es zu zerfleischen. Ein reißender Löwe aber
stört die Bestien in ihrer Arbeit ; die Schakale ergreifen die Flucht
und geben das getötete Wild dem Löwen preis. Es lohnt sich,
die Verse 479 — 481, die für uns besonders wichtig sind, wörtlich
hier anzuführen:
u))iO(päToi fiiv (£Xaq)ov) 6ai€C £v oöpeci bapödirrouciv
iy/ y/i[xe\ cKieptu • im t€ Xiv fy^aye öai|iujv
ciVTTiv 9ui€C |i€v T€ öi€Tp€cav * auTttp 6 bdirrei.
Den besten Kommentar hierzu liefert Äristot bist anim. 9,
p. 610a, 13 sq.:
TToX^fiioi b^ Kai ö \i\DV Kai ö Qiuc dXXrjXoic djjiocpdTOi Totp
ÖVT£C dTTÖ Tuiv aUTlJÜV 2!diciv.
In der Tat ist es, als habe Homer durch die den 90j€c und
dem XTc gegebenen Epitheta die Urbedeutung dieser Tiemamen
gleichsam paraphrasieren wollen. Denn auch Xeiiüv (1. Xrjiwv), Xdujv,
Xic gehören nach W. Schulzes schöner Etymologie ^) zu einer Wurzel
*dei' : ^slei-^ *di' in dem Sinne 'zerreißen* (vgl germ. ditan^)).
Lit liütas^) *Löwe* aber ist wahrscheinlich*) Entlehnung von
slav. Ijutb *xctX€7r6c, ÄTPioc*. Bemerkenswerterweise findet sich
slav. Ijutb zwar nicht als selbständige Bezeichnung des Löwen,
wohl aber als Epitheton reißender Tiere, in Sonderheit des Löwen,
vgl namentlich Izbomik vom Jahre 1073^): cto bo jedh hwa
Ijutije ? Auch die Schlange (zmija) führt oft dieses Beiwort, woraus
sich slav. Ijutica 'Viper' erklärt*). Hier können wir mithin den
sprachgeschichtlichen Prozeß, demzufolge ein besonderes Charak-
teristikum allmählich zur Bezeichnung seines Hauptträgers ver-
verwandt wird, im Lichte der Geschichte deutlich verfolgen.
Daß Schakal und Löwe ') den Griechen höchstwahrscheinlich
von Anfang an nicht bekannt waren, enthält keinen Einwand
1) Quaest. ep. S.70ff.
2) Stitan : alt- = giutan : xu-, s. Schulze a. 0.
3) Germ, lewo, slav. Itict sind, wie Schulze ibd. Anm. 4 zeigt, Ent-
lehnungen des lat. leo mit nachträglich eingefügtem w, leo wiederum von
griech. X^wv.
4) Jagiö Archiv für slav. Phil. 2, S. 364, Brückner slav. Fremdwörter
im Litauischen S. lOö.
ö) Brückner und Jagiö a. 0.
6) S. die genannten Forscher in den zitierten Abhandlungen.
7) Nach Schrader Reallex. S. 709 sollen die Griechen den Schakal
erst auf kleinasiatischem Boden kennen gelernt haben, da «t uv ^A^xoiV'^
400 E. Fraenkel,
gegen unsere Deutung, im Gegenteil, es ist eine neue Stütze ffii
ihre Richtigkeit Ebendeshalb scheinen sie diese Tiere, als sie
ihnen zum ersten Male begegneten, nach demjenigen ihrer Züge
benannt zu haben, der am meisten hervortrat und für die Mensd-
heit die größten Gefahren in sich barg. Auch die nächsten Ver-
wandten der Griechen, die Macedonen, haben sich von ähnlidien
Gesichtspunkten leiten lassen, wenn sie den Löwen xäpuiv nannten*);
sie haben also ölttö Tf\c xapoTroTriToc*) den Namen gewählt, während
bei den Hellenen xctpoiroc nur als Epitheton des Xeuiv fungiert
(X 611, hymn. Hom. Merc. 569, Yen. 70; 13, 4, Hes. theogon. 321,
scut 177).
Charakteristisch für die Art der Benennung von Tieren,
mit denen die Griechen erst verhältnismäßig spät bekannt wurden,
sind auch die Bezeichnungen des Hahns als dX^icTUjp und dXex-
Tpuibv. Der Hahn wird Literarisch nicht vor Theognis erwähnt,
ist aber vielleicht schon im 7. Jahrhundert nach Ausweis der
Yasenbilder aus dem Orient nach Griechenland hier und da im-
portiert worden, vgl. Kretschmer KZ. 33, 559 ff. Kretschmer ist
daher mit Recht der Ansicht 3), daß dieser TTepaKÖc dpvic von
den Griechen mit jenem "aus dem Epos in doppelter Form be-
kannten heroischen Namen" benannt worden ist, "dessen Bedeu-
tung [dXeKTUjp = 'Streiter, Abwehrer, Kämpfer'] dem streitbaren
Charakter des Vogels entsprach". Wenn also auch dieser Fall den
obigen nicht ganz analog ist so lernen wir doch soviel aus ihm,
daß auch hier eine charakteristische Eigentümlichkeit bei der Be-
nennung eines in Griechenland erst in historischer Zeit heimisch
gewordenen l'ieres zum mindesten mitgewirkt hat
Giüc und Xic bestätigen endlich auch eine auf dem Gebiete
der idg. Wortforschung vielfach zu machende Beobachtung. Auch
an der Hand weiterer Beispiele läßt sich wahrscheinlich machen,
daß sog. zu Yerbalwurzeln in Beziehung stehende und ihrer Be-
deutung nach der Klasse der nomina agentis angehörende Wurzel-
nicht vorkam ; der Löwe war nach ilim ibd. S. 508 ff. einst in ganz Europa
verbreitet, hatte sich aber schon bei Beginn der neolithischen Periode nur
noch in den an Asien unmittelbar angrenzenden Landstrichen unseres Erd-
teils erhalten.
1) Tzetzes zu Lykophron 455 [xdpuivoc d)|uiriCToO bopd] : xdpujv ö
X^ujv KttTÄ MaKebövac. S. Hoffmann Maced. S. 43.
2) Hesych s. v. xc^piwv. Hoffmann erklärt richtig xdpxuv als Kurz-
form von xapoTTÖc.
3) Schon vor ihm gibt dieselbe Erklärung Fick Curt. Stud. 9, 169.
Griech. Oibc 'Schakal'. 401
nomina ebenso wie die nomina agentis auf -6c ^) als Simplicia
&st nur in übertragenem Sinne auftreten, vgl. außer Oujc und
XTc noch öopH "Gazelle* (ö^pKecOai), xpö ein Vogel (Kpexeiv), ocviqi
Ameisenart (acviirreiv), ipüug 'Nager, Wurm* (ipiuTeiv), q)ujp *Dieb'
(q)^p€iv) u. a.*), mit -i-Erweiterung, z. B. ttXujc Tisch' (TrXiOeiv,
TiXeiv), önc 'Lohnarbeiter, Knecht* (zu Geiv ?) ^).
Als zweite Glieder von Komposita dagegen fangieren solche
Nomina als reine nomina agentis^):
KpucToXXoTTrig 'glacie constrictus*, öHuTrXriH 'scharf treffend',
KuaMOipuiH 'Bohnenfresser' u. a., mit -t- ätviIic 'nicht kennend' und
•unbekannt', dK^rjc 'unermüdet', capKoßpujc, ciönpoßpiiic 'camem,
ferrum edens* u. v. a.
Ich komme auf diese ganze Frage demnächst in größerem
Zusammenhange zurück.
Leipzig. Ernst Fraenkel.
1) Ober letztere s. Verf. griech. Denom. S. 210 mit Anm. 2.
2) Die eigentliche Bedeutang eines nomen agentis haben 6d)\|f
"Schmeichler* (TcOirir^vai etc., de Saussure m6m. S. 156) und KXib\|f 'Dieb*
(xX^irretv) bewahrt. Von den zweisilbigen Nomina wie dpiraS, köXoE, 6^pa\|f
sehe ich hier ab. Bemerkenswert ist unter den Einsilblern namentlich
trriiiS. Es erscheint X 310 [irrOtiKa Xorfujöv] noch ganz im eigentlichen Sinn
'schüchtern, feige*, P 676 dagegen [iröbac xaxOc — irrdiH] ersetzt es geradezu
das gebräuchlichere Xotujöc, Xorribc. Übrigens ist vielleicht auch XaTuiöc
nach einer bekannten Eigentümlichkeit des Hasen geprägt worden, vgl.
Xdrvoc *geir und Solmsen Unters. S. 111.
3) Brugmann IF. 19, 389.
4) Es bedarf wohl kaum einer besonderen Hervorhebung, daß schon
idg. Wurzelnomina auch die Bedeutung von nomina actionis haben können
und in solcher Funktion natürlich sehr oft auch unkomponiert auftreten,
z. B. {)üiH 'Riß, Ritze', q)p(H 'Aufschauem', <pXöH 'Glut, Entzündung, Flamme',
mit -T- baic 'Anteil, Portion, Mahl* [daneben bakTi und bairöc, vgl. altind.
stut" 'Lob, Preis' und stuH-f], bibc 'Gabe', mit Präpositionen irpoßXi^c Tor-
spmng' (bei Homer nur adj., verb. mit dicxi^ und cköttcXoc), cövkXcitoc
(gen.) Larisa Coli. 345, 10 = HofTmann Dial. H, Nr. 16 u.s.f. Für das Alt-
indische sei der Kürze halber auf Whitney § 383 und 384 verwiesen. Es
ist ja bekannt, daß diese nomina actionis seit Urzeiten feminines Geschlecht
haben. Wie nahe sich nomina agentis und nomina actionis der Bedeutung
nach stehen, sei an einem charakteristischen Beispiele demonstriert : Hesiod
op. 356 bdjc draO/j, dpiraS hi kok/i, OavdTOio bÖTcipa. dpiraE bedeutet
hier abweichend von seinem gewöhnlichen Sinne ^räuberisch') Haub,
Räuberei', wie altind. druh- nicht nur 'beleidigend, beschädigend, Peiniger,
Unhold', sondern auch als fem. 'Kränkung, Schädigung' heißt.
402 E. Rodenbusch,
Präsensstamm und perfekÜTe AktionsArt. ^
■i
Um zu einem klaren Urteil über das Verhältnis swiscbei
Präsensstamm und perfektiver Aktionsart zu gelangen, erschäit
zunächst eine Erörterung des letztgenannten B^riffes erfordo^
lieh. Über den ersteren sei nur soviel bemerkt, daß damit an
dieser Stelle die Gesamtheit der Präsentia und Imperfekta nnto*
Ausschluß der starken Aoriste gemeint sein solL
Der Ausdruck 'perfektive Aktionsart* wird von den Öpracb-
forschern in doppeltem Sinne verwendet Am deutlichsten unter-
scheidet Delbrück A^gl. Synt. 2, 151 beide Arten, wenn er sagt:
"Entweder kann man sich vorstellen, daß die Handlung in ihr«:
Entwicklung und außerdem der Punkt der Vollendung dai^ge-
stellt werden soll. . . Oder es kann die Handlung lediglich im
Punkte der Vollendung erfaßt werden". S. 152 bezeichnet er
diesen Unterschied mit linear- und punktuell-perfektiv. Dabei
ist jedoch zu beachten, daß Delbrück und unter Berufung auf
ihn auch Brugmann den Ausdruck auf die mit perfektivierenden
Präpositionen zusammengesetzten Verben einschränkt, während
er bei einfachen Verben im ersten Fall von terminativer Be-
deutung (des Präsensstammes) und im zweiten Fall von effek-
tiver Bedeutung (des griechischen Aorists) spricht*).
Veranlassung zu dieser Einschränkung gibt Delbrück, wie
er S. 14G sagt, die Rücksichtnahme auf die richtige Erfassung
der geschichtlichen Zusammenhänge. Für Delbrück ist die Ponk-
tualität ein ursprüngliches, immanentes Element der meisten
Verbtdwurzeln (S. 14); dagegen sieht er in der Perfektivierung
durch Präpositionen offenbar eine jüngere, einzelsprachliche Er-
scheinung, die eine längere Bedeutungsentwicklung der Präpo-
sitionen voraussetzt; vgl. dazu auch Bnigmann Gr. Gramm.'
482 f. Beide Elemente der Perfektivierung sind allerdings zweifel-
los verschiedenen Alters, ihrem Wesen nach aber vollkommen
gleich. Die Punktualität einer Handlung ist, gleich der Perfek-
tivierung durch Präpositionen, nicht ein in dem Wesen der be-
treffenden Wurzeln liegendes Moment, sondern ein im Vergleich
zur präsentischen Aktionsart jüngerer Erwerb (IF. 21, 123 und 130).
Somit ist auch zwischen terminativer und linear-perfek-
1) [Die schworen Hedenken, die man gegen Delbrücks Auffassung
geltend machen muü. sind IF. 11, 56 fT. ausführlich erörtert. W. Str.]
I
Präsensstamm und perfektive Aktionsart. 408
tiver Aktionsart kein wesentlicher Unterschied*). Die Erscheinung
der Perfektivierung durch Präpositionen ist, soweit sie Präsens
und Imperfekt betrifft, als die anderer Mittel sich bedienende
Erneuerung der ursprünglichen, aber namentlich im Imperfekt
im Kampfe mit der aoristischen Aktionsart immer mehr zurück-
weichenden Bedeutungsweite des Präsensstammes anzusehen, die
auch Vorhandlung + Abschluß als natürliche Einheit einer
Handlung zum Ausdruck bringen konnte (IF. 21, 119 und 123)*).
Aus diesem Typus hat sich durch Abschwächung des Moments
der Perfektivierung diejenige Variante der terminativen Be-
deutung entwickelt^ bei der nicht die Vollendung selbst aus-
gedrückt sondern nur als Ziel ins Auge gefaßt ist; vgl. dazu
die von Delbrück S. 53 ff. angeführten Beispiele, von denen
namentlich k 123 dvbpuiv T'öXXu|i€vuiv vr|U)v Q'ä}xa dtvu^evduiv
das angegebene Verhältnis veranscliaulichen mag.
Diese Auffassung der Präsensaktion als eines Mittels, die
Handlung in ihrer Vollständigkeit auszudrücken, steht freilich
mit der üblichen in Widerspruch. Zwar hat Delbrück an der
oben angeführten Stelle (S. 151) die Möglichkeit einer perfek-
tiven Aktionsart in dem'Sinn, daß Vorhandlung und Vollendung
ausgedrückt werden sollen, zugegeben (vgl. auch Brugmann
a. a. 0. 483) und dann hiermit im Gebiet der einfachen Verba
die terminative Aktionsart verglichen (S. 152). Aber hiervon
abgesehen wird allgemein dem Präsensstamm das Moment der
Vollendung, soweit es ein tatsächlicher Bestandteil der Handlung
ist, abgesprochen ; vgl. noch Brugmann a. a. 0. 488.
Demgegenüber suchten die Ausführungen IF. 21, 118 ff.
an der Hand von Beispielen und allgemeinen Erwägungen nach-
zuweisen, daß namenüich bei Homer, aber auch später noch
der Präsensstamm die sich bis zum Abschluß entwickelnde
Handlung, also linear-perfektive Aktionsart enthalten kann. An-
gesichts jedoch des streng gegensätzlichen Standpunkts Herbigs
IF. 6, 200 ist es erwünscht, die Realität perfektiver Präsens-
aktion durch weitere Argumente zu erhärten.
1) Abgesehen natürlich davon, daß die Bezeichnung 'terminativ' auch
von initiven Verben wie 6pvu|uii gebraucht wird.
2) Daß auch der Aorist an dieser Perfektivierung durch Präposi-
tionen teilnahm, widerspricht nicht, da ja auch er die perfektive Be-
deutung mehr und mehr einbüßte (Brugmann a. a. 0. 482). Wenn Meltzer
Gr. Gramm. 2, 32 die Perfektivierung durch Präpositionen leugnet, so
geschieht dies offenbar auch in dem Bemilhen, die perfektive Aktionsart
vom Präsensstamm fernzuhalten.
404 K Rodenbasch,
Herbig spricht nur von der Unvereinbarkeit des Indici-
tivus • temporis praesentis mit der actio perfectiva. In der Tit
muß es sich auch schwieriger gestalten, mit der Natur das ent-
sprechenden Tempus der Vergangenheit, des Imperfekts, die
actio perfectiva als unverträglich zu erweisen. Aber nor eine
scheinbare actio perfectiva gesteht Herbig S. 209 dem Imperfekt
zu; die von unserm Standpunkt vorhandene, aber nicht betonte
Perfektivität der Handlung stecke in all diesen Fällen nicht im
Imperfekt, sie ergäbe sich lediglich aus dem Zusammenhang.
Schon IF. 21, 128 Anm. ist aus sprachpsychologischen Oründeo
hiergegen Stellung genommen. Solche Einwürfe sucht die hier
vorgetragene Auffassung zu vermeiden. Man hat sogar ein Rechti
die Handlung in ihrer Totalität neben der unvollendeten als das
psychologische und sprachgeschichtliche Prius anzusehen; die
Vorstellung der nicht abgeschlossenen Handlung setzt die der
abgeschlossenen voraus.
Hinsichtlich des Präsens bemerkt Herbig a. a. O.: "Der
Augenblick der Perfektivität ist ein Punkt, der genau genom-
men mit jenem andern [dem Zeitpunkt der Gegenwart] nicht
zusammen treffen kann. Denn jedes Diktum beruht auf einer
innem oder äußern Wahrnehmung, und die Wahrnehmung maß
als Grund des Dikturas diesem vorausgehen; die Perfektivität
der Verbalhandlung einer solchen Wahrnehmung gehört also,
wenn sie sprachlich wiedergegeben wird, bereits der Vergangen-
heit an". Das ist in der Hauptsache nur richtig, wenn es sich
um einen momentan-perfektiven, d. h. um einen aoristisch auf-
gefaßten Vorgang handelt. Zwei Punkte, die an einander vorbei-
eilen, der Moment des Geschehens und die (in solchem Fall nur
momentan zu denkende) Gegenwart des Sprechenden, stehen eben
nur einen einzigen Augenblick in Konjunktion. Auf diesen
Augenblick wäre noch die Aussprache zu fixieren; und damit
der Bedingung zu präsentischer Zeitgebung zu genügen, ist frei-
lich eine mathematisch genau kaum zu erfüllende Forderung.
Die nach psychologischen Rücksichten verfahrende Sprech-
tätigkeit zieht sich hier doch weitere Grenzen; von diesem Stand-
punkt ist auch die Möglichkeit präsentischer Auffassung nicht
ganz von der Hand zu weisen. Griechische Beispiele wüßte ich
freilich kaum in diesem Sinne zu verwerten. Wenn aber Herzog
Wilhelm bei Uhland im Hinstürzen ruft: Ich fass^ und ergreiß
dich^ Engeüand^ so läßt eine Stelle dieser Art die. fragUche
I
Präsensstamm und perfektive Aktionsart. 405
Deutung nicht nur zu, sondern die präsentische Auffassung ver-
dient auch in psychologischer Würdigung der Situation, worauf
es allein ankommt, vor präteritaler oder futurischer den Vorzug.
Darauf, ob die Worte zeitlich mit dem momentanen Vorgang
genau zusammenfallen, kommt es nicht so sehr an; das Ent-
scheidende ist vielmehr, daß der Sprechende beides in dem Trieb,
den Ausdruck möglichst aktuell und lebendig zu gestalten, auf
einen Moment verlegen will, und diese Absicht ist an der an-
geführten Stelle zweifellos vorhanden. Dem Sinne nach ist dies
auch bei Xenoph. Anab. 1, 8, 26 xöv dvöpa 6pu> der Fall; ist
diese Beurteilung der Stelle richtig, so würde daraus hervor-
gehen, daß das kursive öpüj mangels einer punktuellen Gegen-
wartsform die Funktion einer solchen übernommen hat Ähnlich
erscheint die Sachlage 2, 5 16 dXX' f^bo^ai (Mas macht mir aber
Freude*), namentlich wenn wir unter denselben Umständen ver-
wendetes ficQriv zur Vergleichung herbeiziehen, worüber unten
S. 382 mehr. Nahe gelegt wird die lebhaftere punktuelle Auffassung
von fiöo^ai auch durch das charakteristische dXXä; gemeint ist
also der Kulminationspunkt der freudigen Erregung, der die
gleichzeitige Aussprache auslöst Eine solche, wenn auch nur
annähernde Gleichzeitigkeit des momentanen Vorgangs und der
auf ihn bezüglichen Aussprache wird namentlich dann für den
Sprechenden möglich sein, wenn, wie in dem letztgenannten
Beispiel, der Moment des Geschehens vorauszusehen ist
Leichter aber assoziiert sich mit präsentischer Bedeutung
die terminative oder, was von unserm Standpunkt aus dasselbe
ist, die linear-perfektive Aktionsart Ein Ausweichen des Mo-
ments der Perfektivität in die Vergangenheit oder Zukunft wird
hier dadurch erschwert, daß dieser Zeitpunkt durch die innige
Verbindung mit der als gegenwärtig gedachten und im Augen-
blick des Abschlusses zur Aussprache drängenden Vorhandlung
einen festen Halt gewinnt und umgekehrt ihr einen solchen ge-
währt Es ist psychologisch sehr natürlich, daß in solchen Fällen
der Sprechende mit dem in lebendiger Gegenwart erfaßten Augen-
blick der Vollendung die in ihm sich erfüllende Vorhandlung
auch in einheitlicher Zeitgebung zu einem sachlichen Ganzen ver-
bindet; ein signifikantes Beispiel dieser Art ist Penelopes Wort
i[f 230 TreiOcic örj iiox Ou^iöv, das von langem Bemühen und seinem
eben eintretenden, die starre Zurückhaltung der Königin lösen-
den Erfolg berichtet Euer und in ähnlichen Fällen vikd «t%\. ^^
laäogermmnitebe Fonebangea XXJL ^
406 E. RodenbQBch,
sich vollendende Handlang namhaft gemacht, erst sie hat An-
spruch auf den der Verbal wurzel eigentümlichen Bedeutungsinhalt
Falls sich der Augenblick des Abschlusses merklich später
einstellt als die Äußerung, so wird allerdings die perfektive Be-
deutung von selbst in die kursive übergehen, aus ireiOeic = du
überredest wird ein kursives Präsens werden in der Bedeutung
du redest zu. und in dieser Richtung hat sich in der Tat die
Bedeutungsentwicklung der Präsentia in der attischen Zeit viel-
fach bewegt; vgl. Delbrück a. a. 0. 83. Andererseits wird der
Sprechende da, wo eine bis zu ihrem natürlichen Ziele geführte
Vorhandlung vorliegt, den Eintritt des perfekti vierenden Mo-
ments noch leichter als bei momentanem Geschehen voraussehen
und danach den Zeitpunkt seiner Äußerung regulieren können.
Wie aus der linear-perfektiven Bedeutung auch ohne irr-
tümlich gewählten Moment der Äußerung durch stetige Ver-
schiebung der Gegenwart des Sprechenden perfektische Bedeu-
tung entstehen kann, ist IF. 21, 135ff. gezeigt. Grade die Mög-
lichkeit einer solchen Verschiebung beruhte auf linear-perfek-
tivem Präsens; vgl. a. a. 0. S. 136.
Das Ergebnis ist also, daß das perfektive Präsens weder
einen Widerspruch in sich trägt, noch auch dem Griechischen
tatsächlich fremd ist Zuzugeben ist nur, daß es seiner Natur
nach leicht gewissen Modifikationen ausgesetzt ist Die Modifi-
kation, die das linear-perfektive Präsens erleiden kann, ist schon
erwähnt Die momentan-perfektive Aktionsart, die im Bereich der
Vergangenheit sich ungehemmt im Aorist entfaltet hat, weicht
in der Gegenwart leicht in das Bereich präteritaler oder futu-
rischer Bedeutung aus. Futurische Bedeutung konnte sich dann
mit ihr assoziieren, wenn der zeitliche Unterschied zwischen
der früher erfolgenden Aussprache und dem spätem Eintritt des
Geschehnisses so merklich war, daß vielleicht nicht nach der
Absicht des Sprechenden, wohl aber nach dem tatsächlichen Ein-
druck der temporale Charakter der Äußerung sich von selbst in
futurischem Sinne verschieben mußte. Im Griechischen ist diese
Verschiebung nur bei wenigen Verben usuell geworden (vgl
Delbrück a.a.O. 120). In andern Fällen hat die momentan-per-
fektive Aktionsart einen Übergang von präsentischer zu präte-
ritaler Bedeutung zur Folge gehabt, eine Modifikation, die ihren
Ausdruck in der Anwendung des Aorists findet; vgL dazu Brug-
mann Gr. Granmi. » 490 und IF. 21, 137.
Präsensstamm und perfektive Aktionsart. i07
Meist lag jedoch ein Bedürfnis zu punktueller Ausdrucks-
weise im Präsens gar nicht vor, und man verblieb innerhalb
präsentischer Aktionsart. Dasselbe meint Delbrück, wenn er, ge-
mäß seiner Ansicht von derürsprünglichkeit punktueller Aktions-
art, von einer Anziehung der punktuellen Präsentia durch die
zahllosen Indikative des Präsens der andern Klassen spricht (a.
a, 0. 71). Aus diesen Gründen unterblieb die Ausbildung einer
besondem Form für einen aoristischen Indikativ des Präsens.
Wenn man gleichwohl in gewissen Fällen, wie den angeführten
Beispielen aus Xenophons Anabasis, wo eine punktuelle Auf-
fassung nahe liegt, zur Form der präsentischen Aktionsart griff
oder greifen mußte, so konnte doch die zutreffende aktionelle
Färbung durch die Gesamtsituation hindurchscheinen.
Das Fehlen einer punktuellen Präsensform hielt vom In-
dikativ des Präsens die Konkurrenz fem, die dem Imperfekt
und den Modis des Präsens aus dem Aorist erwuchs ; man müßte
denn, wozu man ein Eecht hat, eine solche in Aoristen wie
tfiXaca^ ^cOnv usw. erblicken (IF. 21, 137). Über die Wirkungen
jener Konkurrenz vergleiche man IF. 21, 128f.>). Dagegen ist
das Umsichgreifen kursiver Bedeutung beim Indikativ des Prä-
sens in attischer Zeit wohl nicht mit Delbrück auf den Gegen-
satz von qpeuTU) und ?qpuTov (a. a. 0. 71), sondern auf den oben
S. 381, Z. 4 ff. erwähnten Umstand zurückzuführen.
Es erübrigt noch, nach außergriechischen Parallelen des
perfektiven Präsens umzuschauen. Ein Orientierungsmittel hier-
zu bietet die Ļnw-Bedeutung der linear-perfektiven Aktionsart
des Präsens (und Imperfekts); vgl. dazu die Ausführungen IF.
21, 120 f. Beachtenswert ist nun, daß auch das Slavische und
namenüich das Irische diese Aann- Bedeutung des perfektiven
Präsens entwickelt haben, worüber das Nähere bei Sarauw
KZ. 38, 173ff. zu ersehen ist.
Eine weitere Stütze für die Tatsache eines linear-perfek-
tiven Präsens im Griechischen bietet eine germanische Paral-
lele, die durch die Vergleichung mit dem griechischen Sprach-
gebrauch ihrerseits eine schärfere Beleuchtung erhält.
Die fainw-Bedeutung des zielstrebig -perfektiven Präsens
(und Imperfekts) hat, wie aus der obigen Verweisung hervor-
geht, im Griechischen zuweilen an seine Stelle die Umschroi-
*) Es muß an dieser Stelle statt Präsens schlechthin genauer na-
türlich Indikativ des Präsens heißen.
406 E. RodenbuBch,
sich vollendende Handlung namhaft gemacht, erst sie hat An-
spruch auf den der Verbalwurzel eigentümlichen Bedeutungsinhait
Falls sich der Augenblick des Abschlusses merklich spiter
einstellt als die Äußerung, so wird allerdings die perfektiye Be-
deutung von selbst in die kursive übergehen, aus 7reiO€ic = dK
aberredest wird ein kursives Präsens werden in der Bedeutung
du redest zu^ und in dieser Richtung hat sich in der Tat die
Bedeutungsentwicklung der Präsentia in der attischen Zeit viel-
fach bewegt; vgl. Delbrück a. a. 0. 83. Andererseits wird der
Sprechende da, wo eine bis zu ihrem natürlichen Ziele gefühlte
Vorhandlang vorliegt, den Eintritt des perfektivierenden Mo-
ments noch leichter als bei momentanem Geschehen voraussehen
und danach den Zeitpunkt seiner Äußerung regulieren können.
Wie aus der linear-perfektiven Bedeutung auch ohne irr-
tümlich gewählten Moment der Äußerung durch stetige Ver-
schiebung der Gegenwart des Sprechenden perfektische Bedeu-
tung entstehen kann, ist IF. 21, 135 ff. gezeigt. Grade die Mög-
lichkeit einer solchen Verschiebung beruhte auf linear-perfek-
tivem Präsens; vgl. a. a. 0. S. 136.
Das Ergebnis ist also, daß das perfektive Präsens weder
einen Widerspruch in sich trägt, noch auch dem Griechischen
tatsächlich fremd ist Zuzugeben ist nur, daß es seiner Natur
nach leicht gewissen Modifikationen ausgesetzt ist Die Modifi-
kation, die das linear-perfektive Präsens erleiden kann, ist schon
erwähnt Die momentan-perfektive Aktionsart, die im Bereich der
Vergangenheit sich ungehemmt im Aorist entfaltet hat, weicht
in der Gegenwart leicht in das Bereich präteritaler oder futu-
rischer Bedeutung aus. Futurische Bedeutung konnte sich dann
mit ihr assoziieren, wenn der zeitliche Unterschied zwischen
der früher erfolgenden Aussprache und dem spätem Eintritt des
Geschehnisses so merklich war, daß vielleicht nicht nach der
Absicht des Sprechenden, wohl aber nach dem tatsächlichen Ein-
druck der temporale Charakter der Äußerung sich von selbst in
futurischem Sinne verschieben mußte. Im Griechischen ist diese
Verschiebung nur bei wenigen Verben usuell geworden (vgl.
Delbrück a. a. 0. 120). In andern Fällen hat die momentan-per-
fektive Aktionsart einen Übergang von präsentischer zu präte-
ritaler Bedeutung zur Folge gehabt, eine Modifikation, die ihren
Ausdruck in der Anwendung des Aorists findet; vgl dazu Brug-
mann Gr. Granmi. » 490 und IF. 21, 137.
Präsensstamm und perfektive Aktionsart. i07
Meist lag jedoch ein Bedürfnis zu punktueller Ausdrucks-
weise im Präsens gar nicht vor, und man verblieb innerhalb
präsentischer Aktionsart. Dasselbe meint Delbrück, wenn er, ge-
mäß seiner Ansicht von der Ursprünglichkeit punktueller Aktions-
art, von einer Anziehung der punktuellen Präsentia durch die
zahllosen Judikative des Präsens der andern Klassen spricht (a.
a. 0. 71). Aus diesen Gründen unterblieb die Ausbildimg einer
besondem Form für einen aoristischen Indikativ des Präsens.
Wenn man gleichwohl in gevrissen Fallen, vne den angeführten
Beispielen aus Xenophons Anabasis, wo eine punktuelle Auf-
fassimg nahe liegt, zur Form der präsenüschen Aktionsart griff
oder greifen mußte, so konnte doch die zutreffende aktionelle
Färbung durch die Gesamtsituation hindurchscheinen.
Das Fehlen einer punktuellen Präsensform hielt vom In-
dikativ des Präsens die Konkurrenz fem, die dem Imperfekt
und den Modis des Präsens aus dem Aorist erwuchs ; man müßte
denn, wozu man ein Secht hat, eine solche in Aoristen wie
^^Xaca, ncOnv usw. erblicken (IF. 21, 137). Über die Wirkungen
jener Konkurrenz vergleiche man IF. 21, 128f.>). Dagegen ist
das Umsichgreifen kursiver Bedeutung beim Indikativ des Prä-
sens in attischer Zeit wohl nicht mit Delbrück auf den Gegen-
satz von qpeuTU) und ?qpuTov (a. a. 0. 71), sondern auf den oben
S. 381, Z. 4ff. erwähnten Umstand zurückzuführen.
Es erübrigt noch, nach außergriechischen Parallelen des
perfektiven Präsens umzuschauen. Ein Orientierungsmittel hier-
zu bietet die Ļnw-Bedeutung der linear-perfektiven Aktionsart
des Präsens (und Imperfekts); vgl. dazu die Ausführungen IF.
21, 120 f. Beachtenswert ist nun, daß auch das Slavische und
namenüich das Irische diese Axinn- Bedeutung des perfektiven
Präsens entwickelt haben, worüber das Nähere bei Sarauw
KZ. 38, 173ff. zu ersehen ist.
Eine weitere Stütze für die Tatsache eines linear-perfek-
tiven Präsens im Griechischen bietet eine germanische Paral-
lele, die durch die Vergleichung mit dem griechischen Sprach-
gebrauch ihrerseits eine schärfere Beleuchtung erhält.
Die fainw-Bedeutung des zielstrebig -perfektiven Präsens
(und Imperfekts) hat, wie aus der obigen Verweisung hervor-
geht, im Griechischen zuweilen an seine Stelle die Umschrei-
^) Es muß an dieser Stelle statt Präsens schlechthin genauer na-
türlich Indikativ des Präsens heißen.
406 E. Rodenbusch, PräBensstamm und perfektive Aktionsart
bung mit buvajiai und dem Infinitiv (meistens Aoristi) treten
lassen; ou Tavuuj = ou &uva)Liou ravücai = ick kann nicht spamm.
In positiven Sätzen, in denen die ionn-Bedeutiing weniger scharf
hervortritt, ist mir ein Beispiel, das als Ersatz des perfektiven
Präsens durch buvajiai mit dem Infinitiv gedeutet werden könnte,
nicht bekannt Mit der umschreibenden Wendung des Griechi-
schen ist nun zu vergleichen der mit gc^ {g^-) zusammengesetzte
Infinitiv nach mag {kann), Streitberg hat PB. 15, 1071 gezeigt
daß diesem beweglichen ga- {ge-) des Gotischen und des älteren
Deutschen perfektivierende Kiuft innewohnt, wenn sie auch viel-
fach durch die ältere Stufe soziativer Bedeutung und durch
jüngere Mechanisierung, namentlich im Dienste der Metrik, ver-
dunkelt wird. Daß die Partikel so häufig vor die von nujy (kann)
abhängigen Infinitive tritt, erklärt er aus der Bedeutung dieser
Verba. Der griechische Gebrauch zeigt uns, daß es wohl richtiger
ist, ga- nicht auf die Einwirkung von mag zurückzuführen, son-
dern beide Elemente, ga- imd mag aus dem zielstrebig- perfek-
tiven Sinn herzuleiten, der dem im Infinitiv stehenden Verbum
vom Sprechenden beigelegt wird. Eine weitere in der Natur der
Sache liegende Übereinstinmiung zwischen griechischem und ger-
manischem Sprachgebrauch zeigt sich darin, daß, entsprechend
dem griechischen ou öuva^iai mit dem Infinitiv des Aorists, im
Germanischen ga- vor dem von mag abhängigen Infinitiv am
häufigsten in negativen Sätzen erscheint, vgl v. Monsterberg
ZfdPh. 18, 315.
Die Vergleichung von ou lavOu) und Ähnlichem mit ver-
wandten Erscheinungen anderer idg. Sprachen soU natürlich
nicht auf eine historische, sondern lediglich auf eine psycholo-
gische Verwandtschaft hindeuten. Aber auch so erhält das per-
fektive Präsens des Griechischen eine erwünschte Anknüpfung
an entsprechende Erscheinungen verwandter Sprachen.
Duisburg-Meiderich. E. Rodenbusch.
!
Sachregister.
Aal im Schwarzen Meer 68.
Ablaut, semitischer und indo-
germanischer S-tö. Schwundstufol73.
349. ai—i 185. e—ä 350. Schwere
Vokalreihen 347. 348.
Adjektiva 26.
Abstraktion, falsche des Ar-
tikels 201.
Adverbia 26.
Affektaussprache verursacht
Konsonantengemination 191.
Ägyptisch 349.
A k t i o n sa r t e n 330, nicht scharf
abgegrenzt 330. Perfektivierung
durch Präpositionen 403. Präsens-
stamm und perfektive Aktionsart
402. Aktionsart und Zeitstufo in
den homerischen Gedichten 267,
Inf. Präs. 267, Imperf. de conatu 268,
Präsensstämme mit punktueller Ak-
tionsart 269, dm 269, Inf. 269, v^o-
\ia\ 269, €px€ceai 270, Vkiw 270, otxo-
\ia\ 270. Aktionsart des Futurums
286, «ccTai 286, «Eu) cxi^cu) 286 f.,
6i)io^ai 287, bibüücu) 288, ^e^V1^co^al
288, €(bf|C€iv 288, xaiP^cciv 288,
KCxapnc^MCv 288, möi^ic^iv 289, b€(-
b\u 289, äTdcc€ceai 289, dTXaicTceai
289, ^€TaKXaöc€ceai 289. Aktions-
arten in der Koine 205, im Ngriech.
aa'i, Zeitarten im Griech. 202 ff.
Akzent bei den a-Stämmen 172,
vongriech.yuvaiKÖc 179,von-aToc 176.
Aorist, Aktionsart 237. 277,
Aoristgebrauch bei Homer 234. S.
Imperfektum, Infinitiv, Modus.
Altertumskunde. Wann kön-
nen wir ein Wort für indogermanisch
Indogermanische Forscliun^en XXII.
erklären 67. Wörter nur in einer
Sprache belegt 59, in zwei Sprachen
61, slavisch-germanische Gleichun-
gen 62, keltisch- germanische 62,
kelto-italische 63, indoiranische 63.
Fehlen etymologischer Gleichungen
für gewisse Begriffe 64, Etymologie
und Altertumskunde 56.
Alterserscheinungon,
sprachliche 117.
Analogiebildungen, Ur-
sachen 17, im Kindesalter 42. 43.
Psychologische Studien über A. 1 ff.
A. und Assoziation 9. A., ihre Be-
dingungen im Experiment festzu-
stellen 13. A. bei Zahlworten und
Verwandtschaftsnamen 14. Umbil-
dung nach dem gegensätzlichen Be-
griff beim Komparativ 178. Kasus-
endung eines Wortes auf bedeutungs-
verwandte Worte übertragen.
Archäologie. Bevölkerung der
ostbaltischen Landschaften auf ar-
chäologischer Grundlage 302. Eisen-
zeit, ältere und jüngere im Ost-
baltikum 305.
Artikel, falsche Abstraktion des
A.s 201.
Assoziation 3. Einteilung 18.
Assoziationstypen 18. Spontane und
vermittelte A. 18. Ihre Zeitdauer 19.
A. verschieden zu verschiedenen
Zeiten 40. spontane A. 28. Klang- A.
29. A. bei Kindern 34. 35. Geläußg-
keitsgosetz der Assoziationen 36.
A. erfolgt mit einer gewissen Regel-
mäßigkeit 10. Einfluß der Schnellig-
keit auf die A. 11. Kinder und Er-
410
Sachregister.
wachsen e in ihrem Verhalten zu
Assoziationen 43. 44.
Bedeutungswandel 86. 87. B.
gleichartiger, bei demselben Worte
verschiedener Sprachen selten 63.
Blumenzucht und Acker-
bau 78.
Dehnung, metrische 83.
Deklination. Kons, und ©-De-
klination nebeneinander 182. Flexion
von Tuvi'i usw. 171. Stammabstufung
bei den -ön-Stämmen 188. Schwache
Deklination der Subst. im Germ. 187.
Kons. Stämme im Germ, nicht mehr
neu gebildet 60. Kasusendung eines
Wortes auf bedeutungsverwandte
W^orte übertragen 192. Genitive mit
'8 192. Awest. Instr. Plur. auf -iW,
-iV 386. griech. Dat. Plur. auf -oic
337. Nom. Akk. Plur. im Germ. 256,
auf -fl und -o 258, as. afries. ags.
-08, -ar, -08 259. Gen. Plur. got. auf
-e2iib. Instrumentale, vokalisch aus-
lautende im Germanischen von Pro-
nominalstämmen 264. Lit. Akk. Plur.
-äü 258. Slaw. Gen. Sing, -y, -f 192,
Instr. Plur. auf -y 336. Gen. Plur-
des Stokaw. und Slowen. auf -«
261. Ersatz des Plurals durch kol-
lektive Singulare im Armen. 181.
Kasusendung eines Wortes auf be-
deutungverwandte Worte übertragen
192.
Dissimilation. Ferndissimila-
tion von Konsonanten 103. Vor-
wärtswirkende Dissimilation 103.
Esel 198 f.
Esperanto 365.
Farben bezeichnun gen 93.
Finnisch- nordische Berührun-
gen 303.
Fischnamen 65fi'.
Germanen, ostbaltische 302.
Geschlecht, Wechsel 180.
Neutra zu Mask. Fem. 180 f. ;i-
Subst. generis communis 190.
Götter- und Personen-
namen 86.
Hei 244.
Imperativ 238.
Imperfektum und Aorist, ihr
Verhältnis wechselt im GriecL 241,
bei Homer 227, bei anderen Schrift-
stellern 228 fr. I. hat im Griechischen
einen ausgedehnten Gebrauch 205.
Imperfektum und Aorist, Vorherr-
schen des einen und des anderen
bei verschiedenen Schriftstellern
206. I. de conatu 268.
Indogermanisch- Semitisch
341.
Infinitiv 35. Inf. Präs. im im-
perfekti vischen Gebrauch 271. Inf.
Aor. in futurischem Sinn 282, in
präteritalem Sinn 283. Inf. Aor. nach
Verben des Schwörens usw. 277 ff.
Inf. Aor. und Perfekti bei Homer 227.
Inf. Perf. zeitlos 275. Gebrauch des
Inf. Perf. bei Homer 276, abhängig
272, bezeichnet den bewirkten Zu-
stand 274. Part. Perf. mit elvm 275.
Jägersprache 90.
Kindersprache undihr Einfluß
auf die Sprachentwicklung 33.
Komparative auf -Dz im Genn.
331.
Komposita bewahren Alter-
tümlichkeiten 189. Übertragung auf
die Kompositionsfuge 175.
Konsonantismus. Konso-
nantengemination durch Affektaus-
sprache 191. Ferndissimilation von
Konsonanten 103. Tenues aspiraL
und tenues 353. Bewcghches 8- 141.
Idg.i353. Idg.j5360. Uriran. -«'>
^^ 102. Ar. ir im Iran. 104. Apers. Or
Lautwert 104. <? vor ^ zu t dissimi-
liert im Kurdischen 103. Abfall des
Gutturals im Arm. 181. Uridg. q
hinter Vokal armen, zu Ar und ^ 182.
-cv- im Griech. 200. Velare vor y
im Griech. u. Lat. 354. 3 ^--Reihen
im Alban. 354. Lat. -Iw- zu U 67.
Idg. lif zu ru 332, im Irischen 335.
Germanisch. Idg. tk zu 8k 332.
Erste und zweite Lautverschiebung
Sachregister.
411
119. Zweite Lautversch. 117. 127.
Westgerm. Lautversch. 120. Mhd.
nhd. Lautversch. 120. Die Keime
der Lautverschiebung schon idg. 120.
Veränderung der Aspiraten 121. Ten.
asp. des Idg. im Germ. 123. Tenuis-
-Verschiebung im Germ. 124. Reibe-
laute, erhalten nach Vokalen 122.
Germ, ß zu d zud 124, germ. x 124,
germ. f 125. germ. g, d, b 125. n-
Schwund im Germ. 128. Germ, tc
128.jl28. Indogerm.-semitische
Spiranten 357, Palatale 353, Labio-
velare 355, Gutturale 348. sem. i
= idg. k 361. sem. h 361. spirant. j
359. Zwei ik-Reihen im Semit. 352.
Emphatische Konsonanten im Se-
mitischen 350. semit. *Aleph 349.
semit. ä für s 361. semit. x' zu h
361. semit. h = idg. i 362, = idg. k
362. semit. h im Idg. geschwunden
362.
Kontamination 42.
Lautwandel, kombinatorischer
und spontaner 121.
Laverna 242.
Lehnworte, germanische aus
dem Slavischen 82, niederdeutsche
aus dem Hochdeutschen 195, bal-
tische aus dem Germanisclien 300,
slavische aus dem Germanischen
294, fmnische aus dem Gotischen
290, zu erkennen an dem Auslaut
-a 292, an dem Wandel von e zu i
297.
Maultierzucht in Kleinasien
198.
Mischsprachen 371.
Modus. Tempora und Modi im
Griechischen, statistische Unter-
suchungen darüber 202, bei Homer
202 ff. Modale Struktur der Ilias ent-
spricht der der Odyssee 224. Modi
des Aoristes und Präsens gehen
verschiedene Wege 222. Modale
Strukturformeln einiger griechischer
Literaturerzeugnisse 266. Modale
Strukturformeln der einzelnenAorist-
formationen 223. Modi des Aorists
von asigmatischen Bildungen bevor-
zugt 236. Nebenmodi des Präsens
und Aorists in ihrem gegenseitigen
Zahlenverhältnis 239. Verhältnis der
Nebenmodi zu den Indikativen 229.
Nebenmodi des Imperfektivs und
Aorists bei Homer 230, bei anderen
Schriftstellern 231 ff. Optativ weniger
stark vertreten in der Ilias als in der
Odyssee 215. Indikativ im Griech.
208.
Negation 343.
Ortsnamen, keltische auf -ön
187.
Partielle Gleichungen 88.
Perfekt, griechisches Bedeu-
tungsentwicklung 323. Grundbedeu-
tung 323. aus der präsentischen
hervorgegangen 324. homerische
Perfekte 325. Perfektum intransitiv
325. Erweiterung der Bedeutung im
Idg. 328. Aktive P. zu medialem
Präsens 326. mediale Perfekte
meistens in passivischer Bedeutung
bei Homer 327. Perf. Med. und Pass.
bei Homer 227. Endungen des Perf.
326 f. Inf. Perf. zeitlos 275, Gebrauch
des Inf. Perf. bei Homer in fort-
schreitender Entwicklung 276. Inf.
Perf. u. Aoristi bei Homer 227.
Präsens, punktuelle Präsens-
stämme 204. 9-Präsentien im Irischen
335.
Pronomina 26. Pronominal-
slämme in verschiedenen Sprachen
342.
psychisch und psycholo-
gisch 2.
Reduktionsformeln 215.
Reim 52. Reimworte 133.
Schiffahrt und Wagenbau 73.
Schweden in Finnland 304.
Sprache, künstliche und natür-
liche S. 370. Bildliche Ausdrücke
für die Sprache 370.
Sprachentwicklung, gotische
307.
4U
Wortregister.
eärrati 147.
(2;brd«*M<i 142. 156.
crtäti 160.
dhvaras 335.
cödati 148. 155.
(i^ra«^'/ 142.
eopati 135.
ncfH» 102.
ehimUti 145.
ndr 189.
chSdas 145.
mfra^e 148. 153.
cAyd/i 145.
fMvamd' 98.
jaghana- 357.
NtM^cf/t 148.
,/a»^Äfl 357.
niitana- 107.
jdfiati 174.
nödayaii 14S.
janUat' 349.
Mdu/t 153.
yrfni/ 174. 185.
pathi'fc/t 185.
jrf»» 174.
patM^m^ 185.
jciA«» 143.
pathe-^fhd' 185.
jani^ lao.
pancamd- 98.
jämätar 81.
pancatnd^ 99.
iina^* 143. 146. 151.
pdntham 185.
jd^ß- 153.
pdnthäa 185.
jyäni^ 143.
paäcimd- t)8. 99. 100.
yÄai?cfo 69.
;x/iy(i/i 168.
tdk^an- 190.
/)flyM- 361.
faWpF 190.
pitj^vyas 81.
te^rf- 92.
/)iia^» 134.
tamaa 347.
i>#V- 58.
/li/rf^i 150.
^Mfrrf* 104.
iudiUi 148.
jt><irca-107.108.109.113.
tumulaa 154.
114.
tfprds 170.
pürvapak^df^ 114.
%am 142.
pürväpararätrau 114.
(^ae^Af/n 59. 92.
pürvdt'dhaii 115.
(W/flrfi 160.
I)f7rry(/. 107. 108. 109.
(^a/aifi 160.
113.
dasamd- 98.
p/-^?!- 70.
daäamdf^ 99.
pratamdm 96. 97.
c/d^ti 135.
pratardm 96. 115.
däpayati 135.
pratardm 96. 115.
rfipyrfÄ 178.
prathamd 96. 97. 100.
rfiirrä 58.
101. 106. 107. 108.
rfn»d*f 160.
111. 113.
dräpayati 170.
prathamd^ 106.
drwÄ- 401.
prafkamCträhafi 115.
dri7<ya- 112.
pra-stha- 335.
dhänäs 347. 353.
pralmas 143.
dÄiiw^i 154.
pru^nÖH 156.
dhünöti 142. 154. 156.
;>rdfÄa<» 156. 160.
dhüpas 135.
pldvate 156.
c^Awyate 142. 143.
iwd/f 142.
dhüdnaii 154.
/>Ärf/a<i 164.
I MMa««i 147.
■6af« 151.
6a/^d 151.
balbaläkardti 151.
balbatiH 151.
»uMMit^/^ 314.
&rrfp?f> 151. 167.
hhawgds 313.
MaiMfA-ft 148. 313.
bhdrvati 147. 148.
hhari-^jaii 352,
bhindtti 145.
Mii;Vf/i 313.
hkrxidti 154.
öAAia/i 145.
iÄrrf; 149.
makayati 167.
mavitW 167.
majjan- 357.
mddhya- 98.
madhyamd' 98. 107.
mdyas 152.
marw/ 166.
tnarcdyati 159.
tndrdati 159.
maryakds 182.
malinas 93.
mavciti 167.
mdA*i» 102.
mäyü^f 152.
md/a 167.
md« 167.
mind/i 143. 146.
mimäti 152.
mJyati 143.
minist 1()6.
i miydti 159.
j miytäti 159.
m/Y^tV 159.
m/sö 159.
mA2(M 166.
m/dyati 166.
mydkfati 166.
mntyati 168.
mldycUi 159.
yabkati 362.
yamo^i 359.
ydpo- 58.
Wortregister.
I. Indogermanische Sprachen.
Altindisch.
agrimd 99. 100. 107.
aiitatnäm 97.
ddhi 172.
änas 199.
anutamätn 97.
antima- 99.
apara- 3i7. 358.
abhyarna- 249.
apararäiräp 114.
apärna- 249.
arunda 157.
arA'rf« 167.
rfrca^i 167.
<irc/a/i 166.
dparas 249.
a^ra« 358.
affamd- 98.
^«/•ifc 182.
rfÄöw 192.
ahanf 355.
aÄar 347. 355.
ätamäm 97.
ärfiwrf- 98. 99. 107.
ä(i»^ 98.
arfya- 107.
ii/am 362.
/yarff 158.
i^^äti 197.
/W? 158.
uttamd' 98. 107.
ttrfa«- 167. 192.
üditi^ 154.
«nd»f 167.
iifkia/i 167.
upari 99.
ubhnäti 134.
ürmi^ 76.
rffhili/ati 86.
/•drf^f 166.
^Ara- 89.
^Jfl/» 166.
ena- 89.
rf^wm 169.
rf/M/ 169.
k'dfas 319.
katamd- 100.
Ä;rff# 100.
kdrakas 319.
A:arai9A:a« 319.
^*aflytk 190.
harjati 149.
A*dnia« 316
Ä-rfr/a/t 135
itrfrÄf 172.
kälanam 150.
käldyati 151.
ÄraM 161.
kalpdt/ati 161.
käravas 153.
it/;tf- 152.
iki* 102.
küjati 154.
ÄTTirf//» 160.
ÄTTirf^f 161.
ÄT^rf/i 135.
A;ßA-rt 152.
kdkas 154.
A;dti<> 153. 154
kröiati 154.
;. 317.
A-/rf/Äa/f 160.
kvdthati 135.
it^Vrf« 142.
k^nda 142.
Är^twd^i 142.
Ar^fyo/e 142.
k^urds 147.
Mm^i 156.
k^Ödate 148.
A-^örfa« 148.
k$nutd8 147.
A'iJffidM/» 147.
khargdlä 149.
kharjati 149.
ÄrÄar;«^ 149.
^arrf« 163.
gargaras 357.
i/rfr/o^f 149. 162.
gdrhhas 163.
^a/a^t 140. 143.
^a/a« 103.
^ffWa« 140. 143.
gdtfoti 151.
^'nd- 171. 173.
grathnäti 136.
granthaa 136.
^r/dya^i 140. 143.
i^/dM« 147. 162.
ghjid- 92.
^Ärf^o/f 156.
ghö^aa 156.
cakrd' 173.
catuHhdp 101. 106.
canV 318. 320. 321. 322.
340.
4U
Wortregister.
edrrati 147.
crtäti 160.
cödati 148. löö.
cöpati 135.
ehindtti 145.
rAedfl» 145.
ehyäti 145.
jaghana- 357.
javghä 357.
jänati 174.
janiiar- 349.
irfwf/ 174. 185.
^*rf»» 174.
>rfÄ«» 143.
Jö»*/ 185.
Jämätar 81.
>fn«i 143. 146. 151.
>d^ö- 153.
jyänt^ 143.
yÄo^cfo 69.
/rfik^an- 190.
<aÄ:^t 190.
tatd- 92.
/amo« 347.
<M;(i^i 150.
iudäti 148.
tumulaa 154.
tj'prds 170.
tdyam 142.
dtwiÄrf» 59. 92.
drf/crf» 160.
dal am 160.
da^md- 98.
daäamd^ 99.
c/^u 135.
däpayati 135.
divyds 178.
(fiirFä 58.
d/^d*i 160.
dräpayati 170.
rfrMÄ- 401.
dvittya- 112.
c^^nä« 347. 353.
(ifAiJni^ 154.
(^Atf/id^» 142. 154. 156.
dhüpas 135.
(i^fiyale 142. 143.
dhvdnaii 154.
dhvdtksati 142. 156.
dhvaras 335.
dhvastif 142.
mfH» 102.
nrfr 189.
mfroe« 148. 153.
napamcf- 98.
ntM^rf/t 148.
niitana- 107.
nddayaii 148.
Mati^t 153.
pathi-kft 186.
p^ühi-hhi^ 185.
path^^fhä- ISÖ.
pancamd" 98.
pancatnd^ 99.
pdnthäm 185.
pdnthäs 185.
paäcimd- 98. 99. 100.
/jrf^yo/» 168.
/)flyM- 361.
piffvyas 81.
/)i^^t 134.
i>»^- 58.
^M<r# 104.
p^rra-107.108.109.113.
114.
pümtpak^tf^ 114.
pürmparar^trau 114.
pürvärdhafi 115.
pörpyrf- 107. 108. 109.
113.
p/-^/- 70.
praiamdm 96. 97.
pratardm 96. 115.
pratardm 96. 115.
prathamd 96. 97. 100.
101. 106. 107. 108.
111. 113.
prathamd^ 106.
prathamäf^dhfx^ 115.
pra-stha- 335.
pralinas 143.
pru^nöti 156.
pröthati 156. 160.
pldvate 156.
l>8d/i 142.
/>^^i 164.
MMa««t 147.
&|/<M 151.
do/^ä 151.
balbaläkaröti 151.
halbatUi 151.
bubhukfati 314.
6rrfriäf» 151. 167.
bhawgds 313.
ftAaiMlit^t 148. 313.
6A<<r90<f 147. 148.
bhari^^Jaii ,"^2.
MiiMl^/i 145.
MK;Vf/> 813.
bhjiidti 154.
M^^/» 145.
Mrrf; 149.
makayati 167.
mawkü4 167.
mav'ait- 357.
rnddhya- 98.
madhyamd' 98. 107.
tndyas 152.
mart^ 166.
marcdyati 159.
mdrdati 159.
maryakds 182.
malinaa 93.
macati 167.
mdik»^ 102.
mäyu4 152.
mitö 167.
md« 167.
mtn^i 143. 146.
m»mä<» 152.
mtya// 143.
mteo^t 166.
tnpdti 159.
mpfäti 159.
m/^t^ 159.
m/sä 159.
m^o« 166.
m^dt/uti 1Ö6.
mtjdkmi 166-
mHtyati 168.
m/dyo/f 159.
yaMo^t 362.
yamo^t 359.
ydpo- 58.
Wortregister.
416
yuvaAas 355.
^Ö^an- 190.
yüuti 359.
rac Ul. 157.
rarati 153.
rarV 157.
räsati 158.
rn/ä 60.
rdya^i 152. 157.
rdsatt 158.
rikhäti 107.
rf>d<# 140. 143. 158.
ri^as 140. 143.
r«/^ 158.
ritjatt 143.
rwldti 155.
ruviiti 15*4.
rii^rf/» 167.
ru/xi 335.
rdditi 155.
rö^a/# 156. 167.
rö^o« 156. 167.
rdtt/i 153. 154. 156.
167.
Idyate 143.
Idlati 158.
Mro« 157.
/rf^<* 158.
Id^ati 158. 168.
/ind/» 143.
niä 158.
/iind^i 147. 157.
lütä 335.
rrfifc^i 167.
vaei^äte 169.
rcincofi 167. 169.
vddati 154.
r(M2A- 169.
tKufAO/ 67.
vdnati 167.
r^no« 167. 181.
vdpati 169.
vamrds 167.
fKfyof» 167. 168.
«oyij/ 168.
varatrd 158.
iMfrcM 158.
«orü/d 158.
vdrjati 3at.
varjayati 335.
vdrtate 134.
rar/a/« 335.
rcfr/Mw 167. 335
rar^d' 94.
rrf/a/» 158. 194.
vcäanam 158.
valayaa 158.
raZ/^d 334.
ralgulikä ^34.
rarf- 355.
rcfoä 167.
rd/are 169.
rdya/i 168.
r«r 158. 167
vdlasA&l,
tijdte 169.
rii^rfm 197.
vtH4 169.
pFM« 167. 168.
vfkas 159.
rz-Ä/^ 159.
vfvkte a35.
r/:;i/irf 335.
vjr^dkH 159.
r/'pöti 158.
r/^a«- 190.
rZ/w^e 13-4.
vydthate 168.
ri-o/rf- 3ai
vlfnäti 145.
iakülds 69.
iavAni^ 69.
Aaphara' 71.
äapharJ 71.
^myä 185.
^aru/ 160.
^7(i« 160.
^a/yd« 160.
^ra« 321. 323.
^Vd« 244.
^y«/« 143.
iiimM^ifi 135.
äundhyii^ 135.
A<6Ärcfo 135.
jhimbhati 135.
^tiiid« 156.
170.
^a«(f« 156.
äpaga-m 182.
^/*ti^t 355.
^d/i 153.
äiie 143.
^d/Ao« 135.
Aödhayati 135.
iöphas 135.
idM<i/e ia5.
iö^a« 361.
Srapdyati 321.
ArdycUi 143.
irdya^f 321.
^/npd/# 143. 321.
^^^d« 143.
i/^md 143.
ärdyati 156.
iüd^uras 81. 361.
ira^/-|{ 81.
irdM^i 156.
ivaiuras 82.
^c'eM« 93.
«anaitfi« 182
saptamd' 98.
«amä 358.
«dra^i 163.
adrpati 163.
*dra/f 143. 154.
aisarti 163.
«ü^a^t 352.
stird^i 143. 154.
aüte 347.
ird^fa« 169.
skdndati 138.
stabhndti 137.
stambha-s 137.
«/arfmait- 349. 358.
stdcate 154.
8<tf/- 401.
«^ti</-/ 401.
«^dmo« 154.
«/dM/> 154.
sthdJati 165.
sthdlam 165.
«<^- 352.
sthäpayati 137.
m
Wortregister.
tthävards 154. 165.
tthirds 165.
tphärayaU 14ö.
fphälayati 145. 149. 164.
tj^urdti 164.
sphürjati 149. 150.
^phyd'8 145.
^y«W- 83.
nu^i« 164.
tvdnc{a8) 169.
fvddhiti^ 169.
wdnati 154. 170.
Wapiti 137.
ipdrati 170.
^arf>rf- 93.
Wri/a- 93.
hdrate 153.
^t«rf« 143.
fiFyrf/e 143.
^rdc^a^? 163.
hrdyati 153.
Prakrit.
jffhama- 98.
ivaratto 114.
utt/wa- 98. 99.
ta/afwa- 100.
toi 100.
l*a(^(ima 100.
tai 100.
taiwia- 1(X).
rarima- 98. 99.
iasama- 98.
narama- 98.
pacchima- 98.
pacchiUa- 98.
pa^cama- 98.
patifhama- 100.
paihamo 96.
padhama- 98.
paÄtVa- 97. 98.
puruüvo 114.
pt/Zuro 114.
pMe?t>o 114.
majf/^nui- 98.
\najjhima- 98. 99.
majjhimilla 98.
najjhilla' 98.
nfitilrAo 335.
sattama- 98.
PalL
aggima- 99.
antima- 99.
ä(fima- 98. 99.
uparimO' 99.
pacchima 99.
pathama- 98.
pathamo 96.
pärima- 99.
pubbapakkho 114.
/)m6^ 114.
purima- 99.
Awestisch.
atftYi 89.
ay^n 192.
upama 107.
uS'VardZ' 333.
gaoSa- 156.
AaOic 190.
^tw- 173.
XP«w- 170.
xSnuta- 147.
T*wfl- 173.
T«« 173.
(f«er- 104.
(»aerw- 102.
tV^ 102.
JaUiiS 185.
/ci«»- 174.
/((jin#. 174.
y<ji«i^ 185.
daibifija 112.
rfrttx« 335.
ptwirt/a- 107. 108. 109.
7>fl otrjfö.'tkae^a-' 112.
;>aoMriiya-107. 108. 110.
111.
paourva- 110. 111.
jwiwrtYi- 114. 115.
pantqm 185.
paiifd 185.
p9rd1uä 76.
/»^u^ 76.
INixbö 99.
imOrJ 104.
fratara- 115.
fraiardhe 96.
ftxUarom 96.
/f-a<9ma-96.97.106.l07.
frd-var9z 333.
iiaA*i;# 102.
nava-öü 102.
ndmyän 111.
maoirii 167.
mab^mo- 107.
mar^a- 189.
marHan- 189.
tnüzga- 357.
mraoiti 154. 167.
ya^ 166.
varahä 167.
r<if9^a 335.
raraar aS3.
rarara- 334.
V9t'9zya 334.
raorf- 137.
»»(f 145.
ftimÖiQra 185.
apasyeiti 168.
«ya- 145.
zairifa- 93.
zaw 174.
zämätar 81.
Altpersisch.
aira- 89.
(^aii/)i^ 102.
Ä-a^(fi> 102.
diQ'-afamah 102.
<«irf«y- 102. 103.
jyf*rufa- llfV
P»R»*UriIY** 112.
paniviga 109.
jj^e^'a* 104.
fratama- 100.
fratamä 96.
Mittelpersiseh.
A-flw 102.
fratarak 116.
Wortregister.
Pehlevi.
Kurdisch.
«am»-^ 185.
^vakom 101.
daift 103.
«apn 160.
uasdisi 102.
^lÄ 103.
sapnum 160.
M 102. 103.
täit 103.
wr 24-^.
ta^om 101. 104.
^irf^ 103.
8urb 135.
Bfä 103.
p-»> 350.
eis 103.
Pamir-Dialekte.
/c/ro/ 172.
pahrom 100.
pursam 101. 106.
tv^njf-ean 172.
^po^om 100. 106.
p'ati'am 100.
pir 113.
/>?^ 102.
fratom 96.
Turfan.
Phrygisch.
prcLzdfiy 105.
ßovoK 183.
fratam-Tn 96.
naxiist 102.
/?i<^ 105.
rWi>Mii 105.
bdoc 3J)6.
baFoc 397.
tiaxvin 102.
zdfhj 105.
nox 102.
Armenisch.
Albanesisch
dje 113.
Neupersisch.
fliV 190.
dah 92.
avraltn 102.
aran 186. 189. 190.
^omrfr 199.
<?^äÄ 103.
arcp 157.
^«»li 354.
<!T;? 102.
geij 172.
koh9 354.
cfüef 135.
?i 198.
;;art:;V^ 113.
dugumfn 102.
eS 202.
pardie 113.
Äa« 102.
Wfl-Av* 198. 202.
i7>/) 157.
fiMarw«/ 102.
iäan 198. 200. 202.
ricÄ^f 81.
jKir^ 118. 115.
iäanam 198.
vjet 113.
pWar 105.
i^M^- 198.
rra/) lai. 170.
iwr 113
cm 174.
pirär 113.
-ci 355.
Griechisch.
i>«.9 104.
A;aMai 182.
ÄTdccaceai 284.
yakum 101.
katiai-8 179.
ÄTdcceceai 289.
rwrrf 58.
hanai'R 179.
dTdpuj 347 356.
^•«#Min- 186. 189.
dTcXaioc 176. 178.
Jüdiseh-Persisch.
Ä-?« 198.
dTi^ 148.
per 112.
itm 171. 173.
ÄTKiCTpov 78.
i>#H^ 112.
kes-eS 198.
dTKÖXoc 77.
A:wei 202.
ärXaiciceai 289.
Pazend.
knav 182.
&Tvum 148.
fradum 96.
Arno/ 171.
ÄTopaioc 176.
Ättr 58.
ÄTOCTÖc 92.
Afghaniseh.
hauran 198.
d-rOvaig 181.
rrumöai 101.
i-Ma» 350.
&TW 347. 355.
jian- 186.
db€X<p6c 163.
Balntschi.
i»a» 198.
"Aibnc 245.
diW 135.
marrfj^ 180.
d^ioi 83.
l>w 105.
me/f 342.
atboioc 176.
p^m- 102.
iwar 102.
d€l 187.
zinoT 146.
Jukn 65.
at^v 187.
417
418
Wortregister.
aiic 187.
all 187.
aUioi 83.
aliröXoc 17Ö.
atdiv 187.
dKQxf^ceai 273. 276.
dKÖvn 350.
dKoOu) 271.
dKujKi^ 349.
dXdXnceai 272. 276.
dXaXK€iv 158.
dX€KTpudjv 400.
dX^KTUjp 400.
dXiM) 166.
dX(v€iv 143.
dXhpuToc 134.
dXK/| 158.
dXXoioc 176.
dXXoMQi 163.
dXepöc 93.
djLiaXbuvu) 159.
ä^ikXM) 159.
djLi^pTU) 159.
d|LiopYÖc 159.
&|i<pnv 347. 350.
dvd 363.
dva<pf\vai 279.
"Avbpiwv 189. 190.
&v€|ioc 349.
dvi^p 189.
dv(a 199.
dvvic 191.
dvÖTiaiov 176.
'Avrpüüv 187.
dopvoc 247. 248. 249.
doprri 248.
dTToH 89.
dTToboOvai 282.
dTro8vilcK€i 326.
dTToX^cBai 278. 282.
d7TO7Ta0c£c8ai 279.
dirocicXf^vai 165.
'ApaiBup^n 184.
dpaiöc 184.
dpapfcKU) 325.
dpTf^Ta 176.
dpTÖc 166.
&pba 166.
dp^cOai 278.
dpK^u) 158.
ftpKTOC 360.
dpvufüiai 166.
dpiraS 401.
dpp^vTcpov 178.
drra 92.
aOb/| 155.
dcpixOai 272. 276.
ßaivu) 347.
ßoUiru) 151.
ßavdl 171. 173. 174. 177.
183.
ßavf^KQC 171.
ßeßdficv 272. 273. 276.
ßeßiacMai 329.
ߣß(u)Ke 329.
ßiv^u) 362.
ßXdE 159.
ßX^Tuec 162.
ßXiiLidru) 159.
ßXu))üi6c 162.
ßodu) 153.
ßoi^ 153. 154.
ßöpfüiaS 167.
ßopöc 163.
ßp^cpoc 163. 347. 353.
ßp^XWi 167.
ßOrnv 148.
ßuCuj 154.
ßÖKTTlC 154.
ßüv^u) 147. 148.
ßuuj 147.
TdTTPOiiTa 398.
TdXa 59. 92.
TQMßpöc 81. 82. 83. 355.
Td^ioc 355.
TapTap€djv 357.
TdcTpiwv 189.
yauXöc 74.
T^TnOa 324.
T^Tova 326.
T€TU)v^|Li€v 273. 276.
T^Xoioc 176.
T^pa 185.
T€paiöc 184.
fepaiCTÖc 183. 184.
T€pa(-Tepoc 183. 184.
TcOcacOot 279.
Tn6V|C€iv 289.
ffWiai 278.
Tnpai<^c 183.
TiTvoiiai 174.
Tivvoc 197.
Tiwoc 197.
Tivoc 197.
TXdtoc 92.
TXd2:iü 149. 150. 162.
TXaivoi 185.
TXivn 143.
TXoutöc 162.
TXukOc 92.
Tvicpiuv 144. 146.
Todu) 153.
TOTT^reiv 336.
Tovf^cc 93.
Töoc 153.
Tpd 398.
fpato 183. 184.
rpaiK€C 183.
fpaiKi^ 183.
fpaiKoi las.
Tpa(v€iv 398.
TpdcOi 398.
TpdcciüKrra 398.
Tpntc 184.
TPnOc 184.
TPnOc 184.
Tpivoc 143. -
TpövOoc 136.
Tpö 153.
Tpölu) 154.
YpüXiZlu) 153.
TpÜTTÖc 136. 162.
TpöTTÖu) 162.
Tu^vf^Ta 176.
TOvai 174.
TvvaiK- 183.
TuvaiKo^av/|C 175.
Tuvai|üiavf|c 175.
fOvaiov 176.
tOvqioc 175. 176.
Tuvi^ 171. 173. 174. i:
178.
Tuvq 174.
Tvv^c 174.
Wortregister.
419
Töwic 191.
haic 13Ö. 401.
hairx] 135. 401.
baiTuc 401.
ba^f^vai 281.
bdcacOai 279.
bdiTTUJ 135.
boT^ofiai 135.
bcbdaceai 273.
bcbibdxeai 273.
b€iblM€v 273. 276.
b€Tirvov 135.
b€(c€ceai 289.
b^eap 162.
b^cpaS 163.
bcXcpuc 163. 353.
b€vb(Uiu 160.
b^puj 160. 353.
b€UT€paioc 176.
bnvaiöc 184.
biaKpiböv 145.
biaxplvacOai 279.
biaKpiv^ccOai 279.
biaKpiv6/||i€vai 280.
bibdxOai 276.
bibOjciu 288.
biKaCrara 178.
bioc 178.
boXcpöc 163.
böpE 401.
bpo^aioc 176.
bpdiriüv 170.
bOva^ai 408.
bucirdXaiCToc 184.
buipov 92.
bOjc 401.
^rxeXuc 65. 66. 67. 68.
^rpa€ 398.
^pnTÖpOai 272. 276.
tfxpaijiii 147.
^lü 342. 349.
ibavöv 166.
€(b/|C€iv 288.
cixaioc 178.
€lKU) 169.
€lX/|Xouea 329.
€(X(0V€C 83.
€Wv\ia 158.
clXOui 158.
€lm 269.
€lvai 271. 272.
ctvdnip 83.
ctpTiKa 329.
clpuj 170.
€lc 89. 344.
^icT€TdM€v 273. 276.
^KTf^cBai 273. 276.
^KXcXae^ceai 280.
«KTOC 106.
^Kupöc 361. 362.
^Küjv 347. 355.
€Xa|ii 157.
i\dM3 157.
4X^c6ai 282.
^6^M€v 278.
aircceai 278.
€XüTai 157.
IXuTpov 158.
^fitroXaioc 176.
^vl 363.
^vcOvaiov 178.
«H€iv 287.
«uj 286. 287.
^TraTXai€k9ai 289.
^TTlßbai 348.
^TTiöi^o^ai 288.
^irnroTpöcpiov 178.
^TtmoXatoc 176. 178.
iTfp\d\iY\v 347. 352.
^pavvöc 158.
^pacTÖc 158.
«PTov 334.
^pclTTUJ 146.
dp^iTToiiai 157.
ipiccu) 157.
^p€T)i6c 74.
lpY\^oc 176.
^pTTfjTa 176.
«PTTUJ 163.
dpc€va(T€poc 178.
lpcY\ 94.
SpucOai 158.
€px€ceai 270.
Ipxuc 158.
icQ?\Ta 176.
dcÖHfoiiai 288.
€cc€Tai 286.
€cTai 286.
^CTd^cv 272.
icrdyax 276.
^cxapöOev 172.
^TCpoioc 176.
«Toi^oc 176.
€Övic 345.
d(p€CTd^€v 276.
^(p€CTd|Li€vai 273.
^cpi^lßmov 176.
ixr\Ta 176.
Ud 58.
Z;€(rrvüMi 359.
CcOtoc 344.
Z€Öc 347.
«cpupoc 362.
lY\\i{a 359.
lr\TiM3 166.
fjYoivov 201.
f^bo^ai 405.
fl^pioc 178.
f^lovoc 199. 202.
f|V0Mi 170.
fivibx^nca 329.
f|ir€ipoc 76.
fipuTov 154.
f\ceai 272. 273. 276.
f^cenv 405.
ficuxatoc 176. 178.
f]Cuxa(T€poc 178.
flibc 190.
6d£ai 397.
e^vap 92.
e^pani 401.
e^poc 353.
enßüiiT€vf|c 175.
ef|T€iv 397.
OfjXuc Gß,
-en^a 187.
QY\>i\bv 187.
ef|c 401.
ecc 78.
OoivöcOai 897. 398.
Oolvn 398.
6oX6ui 160.
Ooöc 396.
eoOpoc 160.
Op^o^ai 154.
420
Wortregister.
epöoc 154.
epOXoc 154.
e6ui 154.
eüjTai 397.
ea)Eai 397.
eüüc i^m. 39a
eujcOai 397
eu)CTi*|pia 397.
ediCTpiov 397.
Ouixecic 397.
eOjMi 401.
(dUu) 158.
lbM€v 276.
tbM€v(ai) 273.
tKKOC 202.
tKui 270.
Un 166.
iXÖc 166.
tußnpic 67. 68.
ivdu) 197.
tv^uj 197.
tvvoc 197. 202.
ilia 194.
CHöc 194.
löc 197.
i:TriTOC 202. 347.
IcaCrepoc 178.
i'cTriMi 325.
!<pioc 178.
ixeOc 65.
KaßX^ei 162.
KoX^uj 150. 153. 161.
KdXXaiov 176.
KduaE 185.
KapäboK^uj 181.
Kdpn 181.
Kdprjva 181.
KapirdXinoc 170.
KapTTÖc 161. 358.
xdpTo 18-1'.
KdpraXoc 319.
KaraKeicOai 276.
KaT€ipOceai 273. 276.
KaxXdZu) 136. 163.
K^TK€l 361.
K€(puj 161.
Kckeai 272. 273. 276.
KCKdcGai 273. 276.
KcicXf^ceai 273. 276.
xacpumi^vov elvai 273.
KÖliiTa 176.
KcUöv 160.
K^uj 150.
Kiko\ia\ 150. 151.
K^pa^oc 321. 322.
K€pdvvu^i 321.
K^pac 185.
K^p^a 161.
K^pva 319.
K^pvai 319.
K^pvov 318. 321.
K^pvoc 318. 321. 322.
K^pTO^OC 317.
K€q)dXaiov 176.
K€(paXaioc 176.
K6xapric^^€v 289.
K€xap/|C€Tai 289.
K€xoXiüceai 273.274. 276.
KfJTOC 69.
Kivaiboc 185.
Kicca 152.
KXarri^ 149.
KXdboc 161.
KXdlw 149.
KXaiu) 153. 161.
KXaOjia 153. 161.
kX^ittu) 161.
kXövoc 150.
KXoiraioc 176.
kXuuj 153.
Kkihlw 161.
KXdbeu) 160.
KXdbccu) 149. 161.
KXdbMi 401.
Kvaiuj li5. 146. 152.
KVdTTTUJ 135.
Kvi^ieuj 135.
Kvi'iq)!! 135.
KvibY] 145.
Kvilw 135. 145.
KviTTÖc 144. 146.
KVllTÖC 144.
Kvmöu) 144.
Kviq)öc 144. 146.
Kvöoc 152.153.155.156.
KvOra 148.
Kvuldui 152. 153. ISL
KvOIui 135. 148.
icv6uil47. 148.152.151
155. 156.
KvO) 145.
KÖXag 401.
KÖXiroc 161.
KÖirro^ai 140.
Köpag 161.
Köpuc 321.
Kopuq>aioc 176.
KOpdlVT) 161.
Kopujvöc 160. 319.
KoxiOvri 201. 357.
xpdlui 149. 161.
Kpaiirvöc 135.
Kpdvov 321.
Kpdvoc 321.
Kporai- 184.
Kporaiöc 184.
KpäT/jp 322.
Kparuc 135.
Kpauirt 154.
Kp^KU) 149.
KP« 401.
KplTn 152. 161.
KpiTi^ 152. 161.
Kp{ruj 151. 152. 161.
Kp{K€ 152.
Kp(vu) 145.
KpTöc 185.
Kpoaivuj 147.
KpÖToXov 135.
KpOT^lü 135.
Kpouu) 147.
KpucTaXXoTr/|E 401.
Kpucpatoc 176. 178.
Kpibru) 149. 161.
Kua^oTpibE 401.
K6ap 244.
KübdZiiü 155.
KUK6ÜJV 322.
k6kXoc 173. 352.
KuXXöc 160.
KupTÖc 160. 244.
KiüicOuj 153.
XdTvoc 401.
XoTuiöc 401.
Wortregister.
423
i 397.
: 324.
€v 272. 273. 274.
•uj 274.
€ 326. 329.
i^voi 397.
rai 397.
c 102. 103. 104.
/a 190.
' 190. 360.
qef^vai 284.
f^cai 278.
ai M7. 352.
147.
oc 106.
fjceai 273. 275.
ceai 273.
€v 273. 276.
ai 273. 276.
325.
360.
191.
XI 279.
II 279.
.^pvnc 102. 104.
191.
93.
170.
V 190.
c 152.
152.
)C 176.
109.
.ov 176.
ioc 176.
oc 176.
134.
jj 134.
147. 148.
n 149.
» 149.
401.
134.
1 134.
187.
ÖTpöc 167.
<)bi\u 154.
öbuip 167.
0(pa(vu} 134.
q)aT^baiva 398.
(p€UTUJ 313.
(p€uH€ceai 288.
(p9^YT0Mai 150.
cpelvuj 140. 142.
(peicBai 281.
cpeiTöc 142.
cpetuj 142.
q)9oYT<^c 150.
OiXXioc 191.
q)iXo)i)Li€ibr{c 168.
cpX^TUi 160.
cpX^u) 151. 152. 160.
q)XT]v^u) 151.
9Xibduj 133.
(pX(uj 152.
9XÖS 401.
9Xuäpoc 153.
9Xubduj 133.
(pXOoc 152.
(pXuuj 152. 153. 156. 160.
90ß^uj 312.
cppdrcceai 268.
9piH 401.
9puTU) 154.
(pu^abcioj 185.
(puuj 325. 347. 352.
(pd)Kr| 77.
q)iJjp 401.
Xaipr{c€iv 288.
XaXKÖc 59.
xapdbpa 163.
XapoTTÖc 400.
X€i|na 187.
Xeijuidjv 187.
X€pvf|Ta 176.
X^ui 156.
XnXrl 16.3.
XnpaiLiöc 163.
xeOjv 189.
XipaX^oc 163.
xTpdc 163.
XvaO|Lia 147.
Xvaupöc 147. 154.
Xvaöui 147. 152. 154.
Xopöc 86.
XpaOuj 147. 148. 153.
Xp Mi^uj 163-
XpT^a 143.
XpiMirro) 146.
Xpiu) 143. 146.
Xpö^oc 163.
XU>poc 163.
H^aipu) 160.
x^aiw 142.
\|;aXdccu) 160.
HidXXuj 160.
i^iaOu) 147.
y^ifw 149.
\|;f|T|Lia 149.
M;f|v 142.
\\ir\p6c 160.
\\ixdl\X} 142.
\|;iXf|Ta 176.
M;TXöc 160.
i^tvo^ai 142.
\|jicic 142.
\|;iu) 142.
\|jujpöc 160.
i^üjX^ l*^^-
d)Kuc 347.
ibpOofiai 153.
Neugriechisch.
To^dpi 199.
Kob^ciToiva 201.
Makedonisch.
Xdpvjjv 400.
Lateinisch.
aenua 200.
Äesernia 248.
aevom 187. 347.
agitö 355.
albus 93.
after alterum 114.
ambo 344.
anguiUa 65. 66. 67.
anguis 66. 68.
antfquua 355.
appellärg 151.
422
Wortregister.
ireitoXdcOai 273.
iT€irvOceai 273. 276.
ir€iTuceai 273. 276.
ir€pi(b^€vai 276.
ircpivaiov 176.
ir^pKr) 70.
ITCpKVÖC 70.
it€Tdvvum 347. 3i9.
it€UKr| 58.
iT€(pdceai 272. 274. 276.
ir€(pUTM^vov T€v^c9ai
276.
ir€(puY|i^vov elvai 276.
ir€(puXorrii^voc €lvai 273.
275.
Trrmav9f^vai 278.
iribaS IS-i.
iribuiü 134.
itX/|Tvu|uii 150. 336.
itX/|CCU) 336.
itXuvu) 153. 155.
itXujc 401.
TTV^lü 155.
iTÖBi 172.
iToiiirjv 361.
TTOXlÖC 193.
iTop9upaioc 176.
TrpdToc 106.
irp^cßa 67.
irpoßXi^c 401.
irpoidn^ai 283.
TTpÖ|UlOC 106.
iTpoTepmoc 176.
irpörepoc 96. 115. 352.
iTpoT€Tux0ai 273. 276.
irpdjH 159.
iTpuiToc 106. 347.
TTTlCCtü 58.
TTTlJbS 401.
iTüY^ioc 178.
iruXaijuidxoc 175.
TTuXai^^vr^c 175.
iTuXaioc 178.
TTuXoiT€vi'|C 175.
ituXOjv 187.
irOp 58.
1TÜIVU) 314.
iTiüu 361.
{»dba^ivoc 134.
tiabavlliii 134. 168.
{>dbiS 134.
tiiitxu 134. 170.
tiiM) 164.
Mtvu^i 148. 325.
i)fjToc 334.
()iröe€v 172.
()ivr) 145.
ti\ivf\ 134.
tiiTtoc 134.
tiiwTw 134.
j>obav(Iiü 170.
{)oin^ 170.
j>o(p^u) 163.
{)uiToc 137. 164.
()öt/|p 158.
tiVTÖc 137.
tixu-fif] 148.
j>d)S 334. 401.
capKoßpd)c 401.
caujc^incv 278.
cicr\'na 326.
cibiipoßpüic 401.
dlM) 152.
IiKud)v 187.
' ciHic 152.
1 ciuJTTäv 268.
j CKoiöc 144.
, cxdXXtü 150. 165.
; CKOMßöc 138.
! CK€X€(ppÖC 165.
i CK€Trduj 138.
I CKiTir\ 138.
I CKibapoc 145.
CKibva^ai 145.
CKi(^)'Fmjj 144.
CKVilTÖC 144.
CKi9r| 144.
CK19ÖC 144.
CKXrjcppöc 165.
ckv(tttu) 144.
CKvi^v 401.
CKomöc 146.
CKopnilKU 165.
CKÖTOC 138.
CKubfiaivuj 155.
CKuZ!o)iai 155.
I ocOXiov 69.
170. ckOXov 165.
oojXöu) 165.
ckOtoc 138.
c^ap{c 70.
c^idui 164.
c\ii]\Y\ 164.
cyJ]\w 164.
CMfJv 146.
ciroXCc 164.
cin*|Xaiov 176.
ciTiXoc 165.
ciTOubaioc 178.
CTabiaioc 176.
CTdbioc 137.
crae^öc 138.
CTaupöc 165.
crifxx) 347.
CT€p€ÖC 165.
CT€p^U) 165.
CT^picpoc 138.
CT^pq)viov 138.
CTT^Xn 165.
CTTipii^oj 165.
cx{\r\ 165.
crpcßXöc 138.
CTplrH 152.
CTpicpvöc 138.
CTpößoc 138.
cTpÖMßoc 138.
CTpoq)aioc 176.
CTpü(pvöc 138.
ctOXoc 165.
CTUTTOC 138.
CTUUJ 148.
ccpdZIu) 149.
C(papaT^u) 150.
cxdu) 145.
cxi^ceiv 287.
cxi^ctü 286. 287.
cxtbn 145.
cxiCuj 145.
cxoXaioc 176.
cxoXaiTcpoc 178.
TaXmn^vTic 185.
ToXaliTUjpoc 185.
ToXaicppiuv 185.
Tavaöc 244.
-T^eoHai 397.
T^eriXa 324.
-rcevdMcv 272. 273. 274.
276.
TeövdTUj 274.
-r^evnK€ 326. 329.
TeOiUfiJLivox 397.
x^eujKTai 397.
T€«cirnc 102. 103. 104.
T^KTaiva 190.
T^KTu>v Idi). 360.
-r€X€UTn**?lvai 284.
TcXturficai 278.
T^pco^jiai 347. 352.
T^puc 147.
T^TOpTOC 106.
T€T€uxf1ceai 273. 275.
27(5.
T€Tl^f|ceal 273.
T£TXdMev 273. 276.
TCTuxBai 273. 276.
T6UXUI 325.
T^Xvn 360.
Tiei^vn 191.
xicaceai 279.
Ticecem 279.
Ticcacp^pvTic 102. 104.
Tixen 191.
Tö 342.
TOK^CC 93.
Tp^iruj 170.
xpi^piuv 190.
TpiTM<^c 152.
Tpilw 152.
TpiTaioc 176.
xpiToc 109.
Tpöiraiov 176.
Tpoiraioc 176.
Tpoxaioc 176.
TpOira 134.
TpuTidu) 134.
xpöui 147. 148.
Tpiii^Xn 149.
Tpibyw 149.
TpOiE 401.
tOtttu) 134.
TurdvTi 134.
Tü(piiiv 187.
Wortregister.
ÖTpöc 167.
Obdu) 154.
öbuip 167.
0(pa(vuj 134.
q)aT^baiva 398.
(peiTfui 313.
cpeOSeceai 288.
cpetvuj 140. 142.
9e(ceai 281.
(peiTöc 142.
cpetu) 142.
(pGoYT^ic 150.
OiUioc 191.
(piXo)i^€ibr{c 168.
cpX^TW) 160.
9X^uj 151. 152. 160.
q)Xr)v^u) 151.
(pXibduj 133.
(pX(uj 152.
(pXöS 401.
(pXudpoc 153.
(pXubduj 133.
(pXuoc 152.
9X6UJ 152. 153. 156. 160.
(poß^uj 312.
9pdZ€ceai 268.
cppiH 401.
q)puTUJ 154.
(puTabeiuj 185.
(puuj 325. 347. 352.
(pd)Kr| 77.
(pdjp 401.
Xaipricew 288.
XoXköc 59.
Xapdbpa 163.
XapOTTÖc 400.
XeT^a 187.
X€i.ua)v 187.
X€pvf|Ta 176.
X^uj 156.
XnXrl 163.
XnpoiM^ic 163.
xedbv 189.
XipaX^oc 163.
xTpdc 163.
XvaO^a 147.
Xvaupöc 147. 154.
423
Xvaöui 147. 152. 154.
xopöc 86.
Xpaöu) 147. 148. 153.
xpe^Jlt^:uJ iö3.
XpiMa 143.
Xp(|iimü 146.
Xpiuj 143. 146.
Xp6|uioc 163.
Xuipoc 163.
ifiaipuj 160.
\\iaiKU 142.
ipaXdccuj 160.
MidXXu) 160.
\|;auuj 147.
y^i-iw 149.
Hir^TMCi 149.
\|;fjv 142.
Minpöc 160.
\|;id2Iu) 142.
H^iXf^Ta 176.
ipiXöc 160.
ipivo^ai 142.
i^icic 142.
\|;(u) 142.
\^{i)p6c 160.
i|iü>X^ l'^9.
ibKOc 347.
ibpöo|Liai 153.
Neugriechisch.
To^dpi 199.
Kob^ciTOiva 201.
Makedonisch.
xdpuiv 400.
Lateinisch.
aenu8 200.
Aeaernia 248.
aevom 187. 347.
agitö 355.
albus 93.
after alterum 114.
ambo 344.
anguilla 65. 66. 67.
anguis m. 68.
antfquu8 355.
appelläre 151.
4U
Wortregister.
armus 166.
artus 166.
Arvemus 247. 248. 249.
arx 158.
asellM 200.
Minw« 198. 200.
Aternus 248.
aurOra 190.
Avemus 249.
ortfWa 248.
aviaticua 84.
aro« 84.
atmncWti« 81.
halatro 151.
to/^6 151.
bastenia 247.
^'^ 134.
ca/äre 153. 161.
ca/o 150.
cäfiM« 200.
capto 317.
carinäre 317.
car/Ki 71.
carpo 135. 161.
catena 246.
cavema 244.
caurus 77.
cenaticus 84.
cefUum 361.
c#p» 317.
cfÄrwm 103.
cisterna 246.
citäre 151.
clämäre 161.
c/«mo 152.
c/an^o 149. 161.
clangor 149.
c/e/)o 161.
clinäre 144.
c/m^o 160.
cltviis 144.
compelläre 151.
confüto 147.
congruo 147. 162.
cornix 161.
corwM 347.
cor-rugus 157.
corvus 153. 154.
crS/Ä 160.
c»*€(po 135. 161.
crfÄmm 103.
cri;&i4m 103.
CTMrpO 135.
cr^ycto 149. 161.
CMcfo 148. 155.
curmi« 160. 244. 319.
(ieip» 135.
(2€cem 99.
decimus 99.
delibare 146.
descTaco 145.
(^mtco 167.
Dxspoier 245.
dulcis 92.
«a 362.
ecfo 362.
eo 166.
egwo« 202. 362. 358.
Fabemus 248.
/ar 347.
/o/eor 243.
/erreo 156. 160.
/SmMin 143.
/SmtM 143.
/fwrfo 145.
/«d^ro 160.
foeteo 143.
fornus 318.
fragor 150.
/Vaw^o 149. 150.
fricäre 168.
frFco 152.
fri^ro 152. 154.
fr 10 152.
fuger e 47.
/•M/5r<?o 160.
/"wimi« 329.
fustertia 247.
fi«r/i> 247.
^a//M« 150. 162.
gemini 344.
^ew^r 81.
gignö 174. 347.
5f/a^»er 136. 163.
gleba 136.
^/i«co 151.
globo 161.
^Mi» 136. 161.
ffhmero 161.
glomus 161.
graeulus 149.
^rtio 153. 154. 162.
^m« 153. 154.
^uto 162.
hdvos 67. 98.
Ae/to 197.
hinnus 197.
Aomo 189.
hordeum 58.
Attinii« 189.
tm»^or 166.
infemus 249.
ingruo 147.
fii«ui^ 163.
internus 249.
interirigo 152.
Joceo 166.
jocio 166.
jw^o 154.
Jünius 190.
Jtiiio 190.
juvenis 347. 352.
/(w 59. 92.
lacema 247.
/oüiM 76.
/oaio 194.
/aero« 144.
/ämen^Mm 152. 157.
lantema 247.
lascivus 158.
7flrf«*ra 243.
/a^eo 137. 243.
läträre 152. 157. 350
lavema 242. 246. 2d(
Lavemae 247. 248.
/uo 300. 399.
Libitina 247.
ftinii* 170.
/tno 143.
Umus 143.
/iwo 72.
livor 72.
loquor 158.
Irua 243.
Wortregister.
m 2i2,
patruus 81.
scrtpulum 165.
» 157.
INifffo 147.
«crö/H« 139.
t 157.
peUere 151.
«crüto 139.
»47.
l>e//o 159.
setäpo 139. 165.
0 167.
perca 70.
«CM^tim 138.
s 75. 166.
perfines 145.
s^ere 347.
re 167.
l)tf/o 335.
«elfte/ 89.
eo 159.
pincema 247.
senex 182. 347.
idus 159.
/>Mci8 65.
eejMei'e 47.
167.
yan^o 150. 336.
serpo 163.
166.
|);aiM;o 148.
ei&»/o 153.
a 166.
pluU 94.
«/o 189.
> 166.
polten 67.
Simplex 89.
0 167.
/»r/iM 76.
«in^M« 89.
166.
Prifemum 248.
socer 81.
? 166.
primus 96.
«ocrw« 81. 361.
166.
pnor 96. 114.
8ono 154. 170.
200.
Prir«mi«m 248.
«or*eo 164.
0 143.
^Ma/io 135.
spargo 149. 164.
rw 322.
queror 156.
«li/em/eo 164.
8 159.
quinque 99.
squalus 69.
159. 166.
quinttis 99.
«toW/w 138.
ra 13.
rä;a 72.
stabulum 138.
159.
ra|>io 157.
«töre 347.
eo 159.
restauräre 165.
e/o/tfo 137.
? 166.
r«a: 60.
Status 137.
0 166.
r»/>a 146.
8<t7ti« 165.
0 154. 167.
ri^M« 158.
e^ina 165.
ire 159.
rlpt« 158.
stlts 165.
Fre 159.
rttdo 154. 155.
«<rfx 152.
eo 159.
ruga 157. 335.
suf-ftmen 142.
. 78.
rM^io 154.
«ttr-/lo 142. 143.
ftfrwa 247.
t-ümor 153.
Supern US 249.
la 247.
rwfn/>o 157.
/ä^re 140.
a 95.
runcäre 157.
toöema 246.
190.
rutilus 157.
täbis 142.
142.
«ac^ha 246.
ton^o 150.
m.
«aerM« 61. 245.
teehna 200.
rus 165.
aagmarius 199.
/e<70 347.
s 347. 350.
Salemum 248.
^eM^M^ 134.
89.
«a/io 86. 163.
tergo 149.
362.
«a/^o 86.
/erftf« 109.
199.
«a/riM 358.
Tifernum 248.
8 245.
aanterna 247.
Tifernus 248.
7.
«cotfPM« 144.
trepidus 170.
« 254.
«ca//)o 139. 165.
/re/)»^ 170.
iu8 67. 93.
scindo 145.
^ri/i« 134.
i/M 93.
«crt*o 138.
<rit?» 152.
425
ido^rmanische FonchuDgen XXII.
^
Wortregister.
irüdo 134. 148.
tu a(2.
tumeo 154.
iumHltuM 154.
tundo 13 (. 148.
ünu8 im, 344.
ürina 170.
rori7/o 1(>9.
radum 78.
ni^io li>7.
mjwr 318.
t€iHtUM 77.
IVmm« 181.
r#i*dMiM 170.
riryiY ;i34. 335.
rffj/o 159.
vermh 170.
r«Tfo 134. 158.
rf<«cor 1(U>.
riyin/i 34t.
rf/w 155).
rlmi»H U>8. 335.
ri»ir<) U>7.
nnettticHit 84.
nVyd .-13 1-.
nrMi» 11)7.
riVriij» 15)i.
vUäf'f 1(>7.
ri/i> KW.
roro l(?7.
n)/ro 158.
iH}rilt'r KkI.
Italisch.
Oskisch.
casnar 2<K).
kersanah'tiif 177.
pruter 115.
/)ii/' 172.
Umbrisch.
aAf«nf« 200.
^ir 58.
promom 106.
Fransösiscli.
o^fi« 199.
carpe 71.
cn'er 151.
prendre 46.
rtndre 46.
Italieniscli.
ai^/o 201.
carpiane 71.
«omaro 199.
Keltiscli.
.4&a//(; 187.
^nnaiti« 177.
Bacfnis 295.
Bedaius 177.
rw/nrö 187.
e»öx (59.
mVer 81.
rix m.
Vadnaius. 177.
Galliscli.
Arrerni 248.
Uibtrnia 248.
ri/M 76.
Tigentum 248.
Irisch.
rtÄArt/ 187.
«r/ 3(>0.
(!,<«(? n 1J)J>.
aue SL
Afir/ 3W.
6<iw «- 182.
^w 171. 174. 172.
W.iiVA 159.
bomjaim 149.
briiim 147.
Cd irr 316.
ffflMW 3-t-t.
rrrw :U7. 318. 321.
cermne 320.
foiVr 318. 319.
ctdarän 187.
rfrac 344.
drofÄ 335.
182.
323.
dün 78.
en-ech 349.
eseung 68.
mtm 335.
/bir^«? 333.
feraim 170.
ferenn 158.
/SamA 335.
/iar 159. 169.
/fcA« 361.
/"rai^ 334.
ff^ige 334.
//•OM 94.
giim 336.
^e/fift 162.
^cH 92.
ges9im 336.
5ri7 162.
glenim 143.
^ro 147.
fa«c 65.
ibim 134.
im^ 192.
im-lesad 336.
tm/iMic; 148.
imluadi 148.
feasaim 336.
/?w« 247.
lessaim 336.
/Tim 157. 168. 350.
/ocÄ 76.
lücharn 246.
maide Ib.
me 312.
mr/^jr 59. 92.
me// 159.
meUaim 159.
m/AiVA 159.
m/m 172. 182.
moirb 167.
ochtach 58.
orn 89.
orA- 70.
rfa;« 158.
ross 335.
rucA/ 333.
t^th 335.
an 70.
Wortregister.
scatan 70.
^»VAte 160.
slemain 143.
beitan 145.
tinaid 140. 142.
bhauljan 164.
hismeitan 146.
Bretonisch.
biswairhan 170.
kern 319. 322. 323.
^:^? 265.
biwesjau 308. 309.
Kymrisch.
WiV^nra» 147. 168.
cae 356.
^Ä;a 294.
carn 316. 317.
6raA 167.
cern 322. 323.
*raA/a 128.
eil 323.
6n'Aran 149.
cilddant 323.
broprdhans 180.
^ry-Z-raw 154. 167.
rfrtii/« 135.
cy-warcÄ 334.
cfiV/imtt/Kin 136.
en-ep 350.
diS'Skreitan 138. 145.
^iryir 244.
1(k5.
//lö»/ 158.
c^M^NniiMn wisan 807.
Uugom 246.
faiflökun 336.
»fwii7 146.
/aiÄii 298.
mertc 159.
/aran 159.
l)a»r 318.
/?«Ä:* 65.
i)öir-* 355.
flauijan 155.
peir 318.
/l««/« 155.
preitn 315.
/fckf«« 61.
ysgadan 70.
flOkan 140. 150.
fön 58.
Manx.
frairaurkjan 333.
slr^dan 70.
ga-krutOn 148.
gamalwjan 147. 159.
Gotisch.
garaztia 187.
fl*»-« 186.
garazhö 187.
aflinnan 143.
gatairan 160.
oÄawa 291. 292. 293.
gawidan 134.
ai>w 89.
gawizneigs im 308.
atVtt« 158.
graban 137.
ai^«» 291.
gredags 16B.
alhs 158.
i)rr?rftt« 163.
andawizna 308.
^r?/an 118. 163.
arJla 294.
5rM//> 59. 62.
<»to 166.
^kmo 189.
o^iVm« 199.
Gundobaudus 130.
atia 92.
äaiVm^ 160.
atJAn« 318.
Aan^a 291. 292. 293.
aii/wi-e 186.
Aar(/u« 299.
aukan 167.
AiVi^an 60.
au*ö 360.
A/flA/an 149. 161.
aupja- 291.
hleiduma 144.
427
A/»Mma 153.
hraiica 185.
hrugga 294.
hrükjan 154.
A'a/rÄa» 161. 170.
Ivairnei 318. 319.
haiwa 265.
A?e 264.
Avite 93.
hötjan 135. 155.
iVan 166.
jaitw 128.
>itt/tfM 298.
j«Ä- 296.
Aa///<7 163. 353.
Ä;ati;-n 128.
iiVy^e» 163.
kindins 60.
kiusan 299.
A:/i>mö 162.
-A'MMr/« 293.
/a»aM 157.
/amA 291.
laufs 157.
leißan 158.
/f u/a 299.
/im/« 299.
Zun 291.
lüfOn 299.
maga/M 181.
nuiiVflrn 146. 166.
malan 159.
nianamaurprja 189.
manassps 189.
mannan 189. 190.
manne 186.
mar ei 167.
ma/« 166.
niekeis 291.
m€/rt 157. 159.
m«Mr< 181.
miA'fV« 167.
m^MA*« 59. 92.
mi/an 297.
mö/« 167.
mti/flfa 291. 292.
tw^i 77.
ti^A; 102.
^%*
428
Wortregister.
nepia 271. 292.
nipjis 187.
nipjö 187.
paida 291. 292.
qainön 151.
g«#w 174. 185.
qino 171. 173. 182. 186.
187.
qinOn 189.
reisan 158.
«aiir« 61.
«Äroc^ti« 138.
skauda-raip 291. 292.
»Araun« 291.
8hildu8 165.
sibfira iWik^m 77.
sliupan 137.
8mairpi' 164.
smarna 164.
8/a/« 137.
9/aw/a/i 138. 148.
rti7an 165.
»Unna 170.
suHfio 187.
stcaihra 187.
9wa(hrö 187.
wa/Yiw 170.
iwiltan 170.
'diAun 99.
'ira 268.
&afVA:Ö 149.
&awa 127.
5e» 265.
bitKians 60. 306.
bliuhan 125.
&o 263.
mairkns 166.
isßriutan 148.
iswaürhts 333.
cailawizits 308.
paAran 167.
oaldan 158.
pa/MÄ 194.
ra/ö 167. 169.
vaurms 170.
vaurt8 134.
p?(7« 61.
^eihan 167.
widuwaima 249.
widuwO 187.
iTfikd 306.
windan 184. 169.
irinci» 77.
iTMan 308.
iw^n 134. 168.
irisrön 166. 308.
MTöei« 169.
irro^ö» 158. 170.
f^Hte 145.
wruggö 335.
tciUan 158.
Westgotiscli.
ChirUüa 126.
Krimgotiseh.
*ro« 131.
*rw<fcr 123.
criVan 118.
^ro/te 126.
Äo«/' 131.
>« 128.
Äor 128.
rinck 126.
«i7rir 123.
8tatz 126.
Bnrgundisoh.
Burgunziones 126.
Ä/»7?»« 125.
Scanzia 126.
Gepidisch.
Ustrigothus 131.
Heralisöh.
Filimuth 128.
Langobardisch.
Baudus 123.
Marivaäus 123.
Althochdeutsch.
oa/ 71.
a<7 11. 71.
agana 293.
oZan/ 71.
a/W« 77.
o/ttfi/ 68.
aita 187.
an^w^ 77.
«HO 187.
archa 294.
cMcAo 71.
cwito 70.
hasa 187.
Baudegiselus 130.
hMemman 161.
M/(in 151.
hersich 71.
&etitt€fi 147.
bi'Swfkhan 169.
^anAr 160.
ö/iMiran 147.
Boconia 295.
öotfMen 147.
^MN^eft 148.
6öran 148.
6rä<o 159.
Muwan 156. 160.
BtiocAttnna 295.
(forden 134.
dea 254. 263.
dm 254. 263.
diorna 249.
diozan 155.
flftti 264.
(^o«ön 156.
dringan 160.
einstrtti 138.
e/o 157.
eninchüf 84.
ero 166.
w^/ 199.
/o/o 67. 93.
feld 296.
fergriozan 137.
/«<iro 81.
/iMA/a 58.
/Iwr 58.
fliohan 125.
fliozzan 94.
/fMO^ 61.
fordaro 115.
Wortregister.
429
70. 71.
holz 161.
kratto 136.
187.
houwan 147. 148.
ÄrrairiV 147. 162.
187.
{h)reo 185.
kreia 151.
>9.
hruoh 149.
chresso 71.
o.
hungar 361.
krimman 161.
huntari 293.
krimpfan 161.
-hunteri 293.
ib-i/>pa 136.
50.
/luon 61.
ibrön 153. 154. 162.
;3.
Äß« 244.
Jfcrönen 153. 154. 162.
357.
ÄM«0 70.
krouwü 147. 162.
150. 163.
Äir^ 265.
A-roM/rön 147. 148. 162
hweiön 152.
krun^ 136.
136. 163.
Ļr^ 818.
Arunt>t<7 60. 306.
1.
hwerban 170.
lahha 294.
S4.
hwerfan 170.
/aA« 69.
166.
hwispalön 135. 152.
lanpreda 71.
Atn'u 264.
/eimo 143.
5. 163.
»/«• 158.
leo 300.
136.
ftfl/ 166.
/eM'O 300.
163.
^-a//ön 150. 162.
/»m 143.
53.
karpfo 71.
^iw^i 299.
163.
Ä-c/a 162.
maro 159.
a 71.
Ä?«rm» 162.
mast 166.
163.
Jeiol 74.
m?Ä 77.
163.
ÄrtOÄflrn 299.
me/(^a 159.
50. 153.
kipfa 146.
melddn 159.
judes 130.
chirihha 295.
melchan 159.
5.
Ä:/a/?^n 136.
merr^n 167.
147.
Ä:/äM^a 162.
m&^o 297.
147.
A:/ä«7en 162.
mrrfan 167.
71.
kleini 185.
minna 167.
71.
clecchan 149.
ntucA^aff^n 154.
na 187.
A;/«nA;6n 161.
muntM 71
ta 187. 191.
c/c/? 61.
muoma 187.
152.
Ä??F^»a 136.
muftci 159.
152.
hUhan 136. 143.
wwo 181.
44.
A-/»Mira 162.
nears'i 77.
150.
klopfön 136.
niosan 156.
30.
Är/Ö^ 136. 162.
9Me/;an 143.
358.
knodo 136.
^fwena 173.
18. 321.
Ärno/o 136.
rähhisOn 149.
119.
Arrä<jn 151.
r«^an 167.
89.
krahhön 149.
reren 152.
89.
chrachön 149. 162.
ritfön 135.
161.
cÄrac 149. 162.
ri(7i7 158.
152.
Ärrami?/' 136. 161.
fnaan 158.
ran 147.
kränz 136.
ro^an 73. 77.
L50.
Arrap/b 136.
roc 333.
490
Wortregister.
rohdn 154.
ruod 157.
rüfan 155.
seivar 153.
selah 77.
skaban 138.
«(»//a» 139. 150.
seat-bön 138. 165.
acara 165.
«corf 138. 165.
seart-isarn 320.
scellan 150.
isceltan 150.
scefan 165.
tfwrran 165.
«ciÄw 138. 146.
scivaro 14(5.
skintan 138.
*CÄ 138.
sciura 165.
«A-ör 77. 165.
«crW 151.
screiön 151.
screcl'ön l-ü).
screvön 138. 165.
Hcrian 151.
scrintan 13H. 165.
scrouwezen 153.
«/a/- 133.
släfan 133.
«/f/*a;i 133. 137. 145.
sUmen 143.
«/fo 72.
»liofan 133.
slTzan 165.
«m«ro 1()4.
«w«/ 151. 164.
snüden 155. 156.
snura 187.
snüzen 156.
«0/ 16'i'.
«o/öN 164.
spahha 149.
apaltan 358.
aparro 16k
«/)«r 164.
«^i> 145.
spizzi 145.
146.
«for?ii 165.
«ftf/^en 165.
Starren 165.
stoutcen 148. 154.
««nr 165.
«/rtte» 138.
«^rö^n 138.
«/üc/a 138.
8/M<i^ 138.
stumpf 138.
«/tirto 69. 71.
sundwifU 77.
«Mn;ia 187.
«ü«on 156.
«irMwr 83. 187.
sirefbrm 137. 168.
sweifan 169.
sirdchfn 169.
swellan 169.
swelzan 170.
aicerban 170.
8frrA/kin 169.
swJhhOn 169.
«irFwa« 140. 142. 168.
Siringan 169.
^oÄ/em 190.
/0M& 135.
^ri(Ä^r;i 60.
fiimUn 15i.
ticelan l(i0.
iräÄi 170.
icalgOn 1,78.
Mv7c 61.
icalirun 71.
frrt//a« 169.
iraltan 158.
walzan 158.
wankün 169.
icascan UM.
iceban 13i.
ir«»/!© 193.
tveibün 168.
fr<?iÄ 169.
ireinön 151.
I M^tfcA-t 166.
}trf/.- 169.
I «r^/A?^/* 1(;9.
ircZ/a 76. 158.
treriA 3B4.
irerroi» 167.
tciaga 169.
fTtAAan 169.
irt^e/a 194.
winkan 169.
fTinna» 167. 170.
trio 193.
wirbil 170.
iriVr^ 308.
wonen 167.
ITMOt 167.
rii/en 160.
zatcen 147.
2rf//«i* 143.
«i^a 195.
2ri7?n 160.
ziohan 150.
zocckOn 150.
zo/)/" 135.
ro/a 135.
zouwen 147.
-rirö 256. 257.
Mittelhochdeatsch.
W«y>n 151. 152. 168.
6/ajr 168.
Wöd^m 153. 160.
brehen 167.
Ärw/Ww KK).
ftrö* 156. 160.
örüjr^n 156. 167.
öüjf 155.
enenkel 85.
erknellen 151. 162.
verderben 134.
rer-sicickeln 1(59.
rfr^irfmen 142.
p^«^«- 332.
vlajen 159.
garren 163.
^f//"«» 136.
gesicfe 84.
geswTge 84.
geswTo 59.
gewJge 193.
^i^^ii 163.
^ir 163.
Wortregister.
163.
knObel 136.
slote 164.
163.
ifcnß//«!! 151. 162.
«^frn 137.
•144.
knOpfa 136.
släderaffe 137.
>if 144.
knüpfen 136.
«/fli>/'«i» 164.
1 151.
Anfl/rf 136.
«n45W 70.
n 136. lU. 146.
ArwtWzirn 136. 148.
smielen 164.
''en 136. 144. 146.
kränge 161.
smollen 164.
:en 137.
Ärrawc 162.
«nacAren 150.
en 163.
kraspeln 136. 162.
«naZ 151. 164.
!>^ 146.
Aro^^/n 136. 162.
«Ma/r^n 151. 164.
151.
Ärrfiir« 153.
snarchen 150. 164.
> 151.
krebe 136.
snarren 150. 164.
r^M 137. 151.
Ä:m 151.
««an» 164.
ren 14«. 155.
kriechen 162.
snüwen 156.
(/>> 137.
ATftn 151.
«»«//ifn 151. 164.
len 151.
krimpfen 136.
snieren iO-i.
vpw 163.
A-nnc 161.
snipfen 146.
35().
Arrön 153.
snouiren 155. 156.
315. 321.
kütze 155.
«iiii*<p« 137. 156.
fit 117.
m«/ 166.
snüde 137.
-dinc 293.
marA:(«) 292.
«iiurf«! 137.
-«cÄafr 293.
tneile 166.
«iim/'<p« 137. 156.
ipe 137.
m«7en 146. 166.
snupfe 137.
166.
metze 297.
snupfen 156.
• 146.
«IM» 195.
«IxicÄ^n 149. 150.
m 153.
niufie) 196.
«/MiA^ 150.
im 146.
phüchen 154.
»pehten 150.
fr 136.
phüsen 155.
«/>/Fz«n 145. 164.
149.
r«««« 158.
spranz 164.
e» 136.
razzeln 135.
sprenzen 164.
i>/-«r 161.
w;ir^»<f» 138. 144.
sprinz 164.
pern 136.
«cÄiV/^ 144.
sprinze 164.
136.
«cAiVc 144.
«/>rfoe 165.
136.
«cÄricA-ew 149.
sprTzen 1*45. 164.
en 149. 150.
sc/iar^ 320.
«/erfi?» 138.
?n 162.
schar z 165.
sfouwen 154.
Ofen 136. 161.
*cA<prrc 13H. 165.
«r#ei/e» 138. 146.
162.
scherzen 165.
striuzen 138.
itfr 162.
wÄopf 138.
«Proteen 138.
136.
schranz 138. 165.
«^rti^»« 138.
^d 136.
schrenzen UM}.
strumpf 138.
fcen 149. 150.
schrimpfen 165.
«^rwwre 138.
'■ 162.
slampen 137.
«/rü; 138.
rf» 162.
»/cwfic 137.
«^Md 138.
-en 162.
^r/fm 143.
«<fli>/>n 138.
cÄ^n 136.
«/im/> 144.
««flrre» 138.
ren 147.
sUude 137.
«/M^j^en 148.
r 136.
«/r^^n 137. 145.
swalm 164.
431
432
Wortregister.
8U?anken 169.
89carm 164.
swäz 169.
suf eichen 169.
aweimen 168.
sireinen 142.
«ir#/c 169.
awenken 169.
swicken 169.
«MHTmtfit 142. 1()8.
swimeln 168.
fMm«/ 154.
iiover 76.
f«FÄe 170.
iro/tf 77. 78.
weigen 169.
wehen 170.
tre/6 69.
iriVA-^/ 169.
/rwWn 169.
K^ftf 193.
wThsel 194.
trtV/ 308.
zige 195.
ra^2r^/ 135.
zipf 135.
Zipfel 135.
ro/«n 135.
zwacken 150.
Nenhochdeutäch.
aa/ (>7. 68. 78.
acht 23.
achlzig 23.
«(i/^ 68.
a//ei» 91.
alt 20. 22.
annähen 50.
a«cA«, <?«cA6 69.
barsch 78.
Ba«tf 20. 21. 31.
J5>>r 50.
binden 20. 24.
«»/awÄ: 50.
borgte 71.
brausen 155.
^rucA 60. 313.
Brurfer 20. 21.
Brutt 60.
BucA 60.
bunt 134.
B«r^ 60.
Bm« 72.
da 20. 22.
rf/cÄ: 20. 22.
dSbel 72.
rfor< 20. 22.
drehen 95.
rfre» 23.
dreißig 23.
dw 20. 22.
dünn 20. 22.
«^►^ 78.
Eiche 60.
«V^n 95.
ein 91.
«f n« 23. 90.
elf 23.
CMtfit 20. 24.
eSt 201.
/flfÄreti 20. 24.
fern 249.
A'i/' 127.
/fi>Ä«« 48.
F/iM^c 32.
/Jwrfe» 20. 24. 32.
folgen 47.
frauenzimmer 180.
fö/i/' 23.
fünfzig 23.
fV 60.
gübelivogel 193.
gabelweih 193.
^rtW^ 193.
galoppieren 95.
G«w« 60.
^ei»fn 20. 24. 46.
Ö^e«r 61.
<7eAßn 24. 95.
gelb 67.
Genosse 60.
GtfireiA 193.
^rif/Tf 94.
GoW 50.
graupe 137.
graupdn 137.
^ro/r 20. 22.
guädert 94.
/faar 50.
Äa/f 61.
AaAH 61.
hand 60.
Aü^en 94. 95.
hasterbastem 94. 95.
A^tö 181.
hering 78.
Aeii<« 50.
hier 20. 22.
hundert 23.
hüpfen 95.
fcA 20. 22.
»Ar 20. 22.
ywn^ 20. 22.
kämmen 50.
I kichern 153.
'iA:/«<a:^n 162.
I ««iw 20. 22.
. klepper 94.
I klöhnen 162.
I i-nacJt 149.
I knacken 149.
I Knopf 50,
! A-itMrr^n 162.
, Kopf 50.
JITmä 60.
' Kusine 21.
/acA« 58. 62. 71. 78.
Laich 78.
laufen 95.
I /«cÄ/ 20. 22.
, leise 158.
! lesen 20. 24.
I LeFM^e 399.
Magd 60. 181.
mager 22.
marschieren 95.
mo«^ 75.
Ifaujf 60.
I mir 196.
i mistet 94.
! 3fona/ 60.
I morgen 50.
j münze 13.
Wortregister.
r 20. 21. 31.
5cÄiiÄ 50.
verfolgen 47.
• 60.
Schwager 20. 21. 82.
Te^/er 20. 21. 31.
95.
Schicägerin 20. 21.
F#>r 23.
m 20. 24. 46.
Schwäher 81.
vierzig 23.
78.
schwarz 20. 22.
waicken 169.
►2.
«cÄM^er 20. 22.
ff-b/MA 69.
23.
Schwester 20. 21.
walzen 95.
rig 23.
Schwieget' 81.
IT^TecÄe 50.
k 49.
schwofen 95.
waschen 50.
I« 340.
»ecÄ« 23.
Wasserwolf 71.
195.
sechzig 23.
weibsen 80.
196.
senden 12.
weichsei 194.
. 81.
«ete^n 135.
weiggen 169.
5^ 194.
sieben 23.
treibe 193.
en 152.
siebzig 23.
irem 20. 22.
ii> 128.
5t7Aer 50.
M?e//e 76.
ert 94.
.SoÄn 20. 21.
f^e/e 58.
95.
Sommer 347.
wink-efi 24.
94.
spie issen 133.
innrer 60.
< 94.
springen 95.
irir 20. 22.
71 133.
5/*e/"e/ 50.
«^0 20. 22.
t 20. 24.
stippert 94.
iroWe 50.
m 95.
stolzieren 95.
TTrerfe 128.
31.
67^r 69.
TTre^e 128.
332.
^Vör 78.
wringen 128.
> 71.
Än/nrf 78.
Z«Än 60.
e 70.
6>r#VÄr 24.
<?eAM 60.
en 70.
Strumpf 50.
zaudern 135.
«^50.
ÄM'r 49.
a-aiin 78.
n 49.
d^urm 77.
2reÄn 23.
fer 77.
stürmen 95.
^e^men 340.
schwänz 193.
5^M/e 02.
Zimmer 49.
&6em 163.
suchen 24.
2rw/>/Vn 135.
'^en 95.
»i7(fen 77.
zwanzig 23.
•^en 133. 194. 399.
tanzen 95.
iPtrei 23.
%dei'n 95.
^»VÄ/e*- 85.
^en 194.
TocÄ/er 20. 21.
Altsächsisch
yuidert 94.
trinken 20. 24.
a/Mmf 71.
i/>pen 137.
trippeln 95.
cnagan 149.
»/>« 50.
rar 60.
farhwätan 155.
Utern 137.
TwwÄ 49.
feW 296.
•cÄ: 71.
twälstartwih 193.
^imetf 166.
kk 71.
C/yer 76.
griotan 155.
f^en 20. 24.
Mrrar 76.
Äocutf 71.
issen 145.
Ta^er 20. 21. 31.
Ae/m 300.
f/en 95.
verdampfen 12.
Äer^A 318.
säen 145.
verdumpft 12. 13.
hreiera 152.
tzen 145.
verdunsten 12.
Ainton 145.
433
484
hü 205.
huo 265. 264.
hun 265.
hiciu 264.
hwö 265.
f(/a/ 166.
fcrätrt 151.
kuning 306.
/(;A*on 158.
merrian 167.
gMä» 185.
stapoi 137.
«/ro/a 138.
*ö/Ä 77.
awigli 170.
/Aia 254.
/Afu 26 k
icänam 170.
wPdar 11.
wntan l-iö.
wurgil 335.
Mittelniederdeutsch.
bungen 150.
^f/ 163.
^f/«i 163.
girhah 163.
^/«p« 146.
glibberich 144.
glippe 146.
glipperich l-i-i.
gnarren 163.
grlmet 143.
grummen 163.
^•/w/e 13f>. 162.
Ä-ziF/* 146.
kraschen 162.
kriken 152.
ArriX-i/ 152.
Ä^rin^• 162.
Ä-^-ttwÄ-« 162.
Ä-rfip 146.
krüpen 146.
/«A: 77.
mon, mc» 195.
(H>«r 76.
pusten 155.
^mnen 143.
Wortregister.
ripen 135.
ira/7 194.
rüffi 145.
ufoi 78.
«eA^/' 144.
«rA^^ff 195.
Altniederfrlnkisck
schivelen 144.
Miw 264.
schoppe 138.
achrüten 155.
AltniederlSndlMk
<rp«n 153.
slöve 137.
Wippen 146.
^■'««-«-AlM«A^AMlll«>JIS«Ak
mnF/eff 145.
Mittelniederimnoiscl
snaiiiren 156.
bM 264. 265.
snoien 146.
&€(ft> 2(i4.
spaken 149.
die 264.
«parite 164.
i^f-vW«/ 143.
sparken 164.
c/oef 136.
«pF/e 165.
knouwen 147.
«pFr 165.
ordnen 153. 162.
«pF/^n 145.
Nfpen 146.
«p/t/en 145. 164.
2wF» 143.
spranken 164.
8oe 252. 265.
«trarf« 169.
»/roo< 138.
8i/i^il^» 169.
stupen 138.
/epp^ii 135.
/OMir^n 147. 148.
^erire 58.
fwi 264.
/F</fn 13-k
rer^FA^e» 153.
/iV/f 135.
^irFmen 142.
tiitel 135.
^T ^ • 1 1 •» j • V
tobben 135.
Neuniederländiscn.
/OFcn 135.
baars 71.
/MFtf/i l:i5.
blutfster 156.
»ra/ 194.
öru/» 156.
werk 298.
fluysen 156. 159.
<rM««/- 194.
Ao« 265.
trissel 194.
karper 71.
//7raA; 148.
krijpen 146.
wringen 158.
ffioar 196.
Neuniederdeutsch.
ocr^r 76.
rocÄ 72.
6««^ 187.
9tneulen 164.
(ffl//« 78.
snippen 146.
gipen 136.
«/cur 71.
knüsen 147.
strippen 146.
iwa/i 195. 3K).
stromptlen 138.
p<P^«/ 193.
zruid 77.
pesel 193.
riicī 72.
Friesisch.
«/i7r<f 137.
^/üpa 137.
smoren 164.
ÄreAa 149.
Wortregister.
i
;.
clüd 162.
gi^pan 136.
55.
clümian 162.
gier ran 163.
170.
clyccan 162.
ürf/*re 136.
L
clyppan 162.
gipian 136.
M.
cneatian 148.
/7/rrfan 136.
94.
cnTdan 136.
gntdan 152.
cnüwian 147.
148.
gnornian 152. 154.
^elsächsisch.
cnyllan 151.
162.
gnyran 152. 153.
in 140. 143.
cräcian 149.
152. 162.
^reo^ 137.
78.
rra€?o/ 136.
greotan 155.
158.
crammian 161.
^r?;)C 137.
e 1(>7.
criA* 136.
grindan 137.
)1.
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158.
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43. 162.
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161.
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^ 143. 162.
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36.
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^Mo/ 298.
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36.
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36.
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435
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potian 148.
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reotan 140. 155.
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röwan 157.
sceadd 70.
scealu 165.
Bceard 165.
sceolu 165.
scearpan 138.
scielfan 165.
serallettan 151.
Bcread 139.
screpan 138.
«crfc 152.
«^«7«^ 297.
wo/Ä 77.
«fcan 153.
Hcerian 153.
sicettan 153.
«r^fi 153.
tlM/an 137.
tlTere 137.
tlTm 143. 170.
slincan 144.
«/tir 72.
«/t/an 137. 165.
slüpan 137.
smacian 150.
«mortan 164.
«nterafi 164.
«m/e 137.
spearea 164.
spearcian 164.
specan 150.
«pif/c 149. 164.
spierean 164.
«pir 165.
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spranca 164.
sprecan 150.
«to^pe 137.
8tapol 137.
steartlian 138.
«/o/'n 138.
«/nmeml« 146.
strütian 138.
«/wdM 188.
«/MiK 138.
«/w/u 188.
«fyftft 138.
«/5^f> 71.
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Sudan 77.
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swapian 169.
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*ir^^/ 170.
swegU 170.
«€?<?/>«/ 169.
sweprian 187.
«rtra 169.
swodrian 137.
täwian 147.
/t/ian 160.
td-sltfan 146. 165.
/M^rf 256. 257.
twiecian 150.
tfif 254. 256. 257.
paedan 150.
/atrtan 140. 142.
^^eoton 155.
/tiian 142.
^iMton 134.
ifi^ 264.
ßodettan 134.
^Mft 148.
ßreapian 134.
preatian 134. 148.
^^iiton 155.
Ptc€tnan 142.
^trtfirin 140. 142. 152.
pwftan 145.
^ 264.
^« 156.
tcafian 169.
wagan 169.
tränian 151. 166.
irdW 167. 169.
trorter 167.
wealcan 158.
trec^ 166.
M^ce 306.
tctcit 306.
M^/ 159.
trtr 159.
iri/t> 167.
trtj/« 167.
trreittf 334.
trr^nean 159. 334.
trr/nc/e 334.
wringan 158.
trrt/afi 134.
try/m 76.
Mittelenglisch.
Mare 168.
c/aciben 149. 162.
c/i/er 146.
clifrian 146.
cltppen 146.
clucchen 162.
croucAen 162.
melwe 159.
op-difan 146.
schauten 155.
Wortregister.
4
? 152.
roan 73.
j&aÄ 262.
153.
shad 70.
^l< 263.
re 164.
shout 155.
56.
ahrill 151.
Altwestnordisch,
137.
sleet 137.
altisländisch.
«/op 137.
är 74. 158.
eaenglisch.
slabber 163.
asne 199.
201.
«/««< 144.
«Mrfr 231.
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«/o/>« 144.
to«^a 150.
201.
slaver 163.
barda 295.
50.
W>>e 144.
tou/a 148.
168.
8liver 165.
blidr 168.
156.
«/op 164.
Bi^vildr 130.
156. 160.
sloven 137.
ftraiba 150.
134.
«/i^ 164.
ftraiiA: 154.
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jf/M</<;er 164.
brauka 154.
16.
smack 150.
^^aiicf 131.
161.
««flrfcÄ 150.
6r/ifc 152.
L62.
«ni> 146.
ftrid/a 148.
161.
snort 164.
br6dir 123.
50.
snoti^ 137.
ftryfia 148.
36.
spile 165.
büta 148.
>2.
«iT^o^A 168.
6i^/ki 151.
162.
«l)/a«er 164. 168.
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161.
splinter 164.
detta 135.
162.
«i)/»n< 164.
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152.
aqueah 152.
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152.
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darf« 135.
161.
8witch 169.
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L43.
^ÄacA; 150.
duina 142.
161.
thropple 134.
dumpa 135.
162.
/Äro«/tf 134.
diira 160.
35.
^^p 135.
dyia 142.
55.
thump 134.
rfynta 154.
78.
fÄM^ocfc 150.
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78.
^MYicÄr 150.
/a/ma 159.
135.
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feitr 134.
J6.
tohang 150.
/•«f^ar 180.
37.
tritt 169.
öorrfr 76.
143.
ye//> 136.
flu 307.
137.
/fauÄfr 156. 160.
151. 162.
J6.
Urnordisch.
fnifsa 155.
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\6.
minino 262.
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35.
rwno 262.
/ry«a 156.
167.
runöÄ 262.
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168.
jHiiaR 262.
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135.
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^o/wj 136.
488
Wortregister.
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$^ta \m. 183.
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j/H^ia 152.
f/Hjfda 15.*^.
j/niNNf* 187.
j/l*rlNNfl 187.
5;n»/«i 118. Kk^.
l/ttiHtr 187.
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j/Mjt/d 15l>.
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hlekker 160.
A///-» 135.
hlidma 153.
A/i(Jmr 153.
hniösa 156.
AfifVSra 136.
AniVStfa 135. 148.
hnippa 146.
An/to 135. 146.
hnt^gua 147. 153.
hgggua 147.
Am/m 135.
Aro/d 135.
ArfiMi-r 154.
hreimr 151.
hreina 151.
AmMM 185.
AnfHa 149.
Äni-^a 151. 152.
hHm 143. 186.
hr(na 143. 151.
hringla 149.
|*ri>i^»a 149.
! hriöta 155.
i hrista 135.
1 Ariilfr 135.
IAnm/ci 135.
! hrogn 73. 77.
Ai*oi*eMM 1(»0.
ArtJil'r 149.
hrudr 135.
Ai/n//- 161.
Ļm7a 148.
1 Ar«*' 265.
huelfa 161.
AM*»///- 151.
hrfrfa ;k">8.
ÄMfr« 318. 319.
huerna 318. 320. 321.
I huetr 318. 320.
huika 152.
hufna 152.
' ÄMir/-^// 161.
huisk-ra 152.
hu isla 152.
i »(W 298.
I Aa//a 150. 162.
j karff 71.
j Ar«ij>r 146.
Ik'ihia 153.
iyo// 74.
kiiisa 299.
l;i>fMf 146. 158.
klaka 149. 162.
Heiffui 143. 162.
klengiask 161.
W^/jpr 136.
klif 61.
AZ/na 143.
M//KI 146.
klippa 146.
ib^ 136.
kl^pa 136. 162.
knappr 136.
^•|lel/' 136.
ibnfj^a 136.
Ärn/fr 136. 144. 146.
kngttr 136.
knüta 136. 148.
Aviii/r 136. 148.
kni^ia 147.
Äromi 171. 182.
konungr 306.
Ärp« 292.
krafla 136.
ArrfÄa 149.
Irraitr 149.
krappr 161.
Ärrejjjpa 136. 161.
kremia 161.
kringr 161.
kriüpa 162.
A-ro*ra 162.
j kt-opna 162.
I Atieina 151.
j k-ueita 151.
I i*Menna 171.
,A:ii/nital72.186.188.U
il-ii/ifa 151.
j kuna 182.
I /amm 291.
leid 292.
/i»r 168.
; li^r 299.
i /#(kfr 299.
i //<fa 158.
/jrta 147. 157. 16a
l^r 299.
tfioJto 167.
manna 186.
Wortregister.
skraum 153.
8viU 83.
159.
akrefa 165.
8u/na 168.
167.
»^-rOria 152.
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357.
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58. 144.
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39. 165.
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suetgia 169.
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48.
sueipa 169.
r^ina 151.
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Mierrfia 169.
rß//a 158.
149.
«Ma-ki 169.
velia 158.
149.
«r*7ar 83.
f;er 158. 167. 170.
m
Wortregister.
m-k 298.
nka 306.
^ 159.
?irke 298.
^rr 159.
Hst 308.
?<)fcr 167.
^p/r 194.
r/^- 159.
flir 298.
Nenisländlsch.
kneggja 152.
br/m 143. 162.
Ostnordisch.
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Altnorwegisch.
kii 265.
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ida 334.
^«W 334.
^okh- 333.
rArdj^i 335.
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Hrgill 334.
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Neanorwegisch.
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rau/a 164.
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Altschwedisch.
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^fama 163.
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Neaschwedisch.
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Mtundaland 293.
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Ficeprundaland 293.
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ib-im(e) 162.
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mJtika 335.
runka 835.
M(^ 292.
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«oita 149.
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tvina 152.
Tiundaland 293.
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Dänisch.
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Arrake 162.
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skryde 155.
skvale 150.
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^mne 152.
Litauisch.
angls 68.
an^a 80.
ap'valüs 194.
a»/ifrflw 69.
dsilas 199.
atkimpu 340.
a/A;^i>^t 340.
a/-Är^Hi 340.
atsikolti 160.
Wortregister.
44
134.
gaudüs 155.
kirilf8 69.
67.
gaudiiü 155.
Wa^Äf 149.
79. 81.
geltaa 93.
kldidiioti 144.
e 79.
getUe 80.
ib/aipaM 160.
i 133. 139.
geriü 163.
Ho/t^ 144. 160.
133.
girv€ 153.
klajäi 144.
* 133.
glibiu 161.
klaupitts 136.
139.
^/eftu 136.
it/ei/»*!^ 144. 160.
139.
glüi 136.
«yWÄ 161.
.39.
^/(J^IK 161.
klgpstü 160.
151.
gladüs 136.
it/ifl^cw 144.
313.
^»yWu 136. 144. 146.
«ircM 144. 160.
41 313.
ffranäau 137 163.
knabu 135.
!» 314.
grandlnia 136.
Arnytoti 135. 144. 146.
'4 133. 139.
grandis 136.
knibu 144. 146.
133. 139.
graudoju 155.
knubu 135.
\9 133. 139.
graudüs 155.
kraipaü 160.
313.
graudiiü 155.
ibranÄ:»i> 149.
160.
^r^mii* 137. 163.
Arrauitii^ 154.
t* 139.
^rfiiÄ 162.
kraukljfs 154.
152. 153.
griduju 153.
kraupiü 135.
312.
gridunu 153.
itr/^u 149. 161.
1 154.
grynau 143.
A:re/>iÄ 135. 144. 160.
152.
^ryp»w 146.
kretvas 144. 160.
.50.
griüdziu 148.
Arreird^i 144.
» 156.
^nürÄ 147. 14«.
krgptttä 160.
79.
^rcx/iia 163.
;tritiA;ti^ 154.
% 72.
^<yi« 151.
^*r>r<$^i 144.
i 139. 154.
^nWflw 14«.
krogia 149. 161.
313.
^nWiit/ 155.
ÄrroÄriÄ 149. 161.
60.
gruminti 163.
krupth 313.
160.
{krypat 144.
Arru^M 135.
314.
iszkernöti 317.
kurk-ulat 73.
1.
j>Ä:/» 350.
fcr<f/>Äi 317.
79.
jVnJtÄ 350.
kvfpti 317.
79.
A;a/u 161.
laigonas 8o.
9.
A-anika 361.
feii^ 62. 69.
80.
A:<fr/)a 71.
/cmiy^i 157.
160.
Aarii« 69.
Zei/o« 158.
397.
A-flwaii 147.
Uju 158. 168.
'9.
A;<Mmw 147.
/ydfita 72.
56.
A;<fK;M 147.
ll/naa 72.
» 156.
A;at«^•fi^ 154.
/y/Ä« 94. 158. 168.
.56.
kiras 315.
Uütas 399.
139.
ifce/cra 323.
W> 152. 157.
r 154.
kerpü 135. 161.
liki 350.
5.
itcr^iV 135. 161. 323.
/w;)/» 157.
72.
kirna 315.
lüszti 157.
germaniBclie Fojvcliaiigeii XXII.
^
442
Wortregister.
marti 80.
mäyju 167.
mazg&ti 167.
mergdt 167.
merkik 159.
m/ribtf 167.
me« 342.
iiMSni 167.
mtWu 196.
mlrgu 166.
motina 79.
moia 80.
pabangä 313.
pabangas 313.
iM/duffT 189.
pafvas 67.
jpa-«t-<^afnx;u 146.
l^e^eiba 193.
periiV 159.
l>irfK;M 147. 148.
pidustau 148.
I>i7t^ 159.
pirmas 106.
/>/aA^ 150.
plasniiju 159.
pldudinu 148.
/>/afi/i« 156. 160.
plesdenh 159.
pliaünyju 153. 155.
plüdziu 155.
pxiszh 58.
raÄ-iwt^ 158.
rdktas 158.
raudöju 155.
rrffi/M 157.
rtf^iÄ 158.
r/;M 152. 157.
r^A:»M 158.
r/Ä:/» 167.
rengtis 334.
rügöti 154.
rüzg/ti 139.
«a/a 163.
saucziü 169.
saugiu 154.
saukiu 154.
seiejimas 143.
«c/Äi 143.
»eZi^ 163.
<eail 79.
«taMceti^ 137. 169.
^/eX;e 72.
^pno« 163.
^;>/f 163.
«X:aM 165.
skalduju 150.
ahildtju 165.
«ite/ti^ 165.
«Ar^Witf 165.
skird^u 165.
Bkerdiiü 138.
skirdiiu 165.
«itAJa 145.
«ätÄä/m 145.
8ikiUi»ti 145.
8iH//i9 165.
«ibtWi^ 165.
»Wr<» 323.
8klaidnjf 194.
sklaidüs 194.
sklandaü 165.
skleidziü 165.
sklempiU 165.
sklendziü 165.
jfA-l/^t« 139.
«it/^/;flw 165.
sklypüju 165.
sitrnu^^tM 155. 139.
akrebiu 165.
«Ärr^ftw 145. 151.
skridinfs 145.
skaudüs 155.
«/7W&iV« 138.
skudrus 138.
skündiiu 155.
skürä 165.
sldbnas 137.
«/a/flfw 137.
s/«/>iÄ 137.
slimpa 144.
smogiu 150.
spdliai 164.
«i»/i)ra 149. 164.
sprag^ti 150.
apragü 149.
sprdgti 164.
«ramk 163.
^^»fi^ 163.
<i*mimM'i^ 137. 164.
«TIMM 137. 164.
8rud£iu 137.
«r«<a 137. 164.
«totow 137.
staugiü 154.
*/^rifea« 72.
st^rau 165.
s^driti 154.
a/um»*f^ 148.
«fi^M 154.
«u/a 164.
«Mni^ 79.
8upik 137. 169.
8Mr6ti^ 164.
svaiczioii 137. 168.
svaiginAi 169.
svaine 80.
svainis 80. 84.
svaUgtU 169.
aveikas 169.
«renfu 170.
«MriÄ 170.
OTiVi« 170.
a?a/fia 160.
«zrc^cw 160.
02a/<t 160.
«ar^/i» 160.
«zanfKi 160.
azdudau 148.
«^K;u 147. 148.
szaukiü 154.
SiSuras 79.
Siaurffs 11.
szlajüs 144.
szletvas 144.
«^/irt&i 144.
^empit^ 134.
/^a« 79.
<««a 79.
teUenas 79.
^rewJfctÄ 160.
/rypiÄ 134.
<ro/y<» 134.
^U2r^^' 139.
^1^265.
Wortregister.
316.
£obrgs 72.
s^-rr^)«^ 165.
yu Üb.
Suvis 65. 72.
akundei 155.
14Ö.
icygiü 152.
*M 144. 146.
148.
spdidtt 145.
154.
Lettisch.
«prÄJt« 14o.
154.
aiVj« 74.
apile 165.
•y« 67.
aizkaH 316.
spilgam 164.
81.
6«^a 313.
ifpulgans 164.
31.
^aM(2d/ 155.
«iwZ^ö^ 164.
79.
^/id?^ 136. 143.
«fa6« 138.
r 79.
kaW 150.
«/arAr« 72.
Ä 154.
jfcampf 317.
wÄAr^ft^ 1^.
ü 166.
karinät 317.
«c^/Pr&9 144.
iu 152.
Arautfu 154.
twe'rt 316.
»11 151.
Rept 317. 340.
iro/^Ä 334.
74.
yP«r/ 316. 317. 340.
werst 334.
r 74.
Ririfiät 317.
riA-^ 169.
l 192.
^*rwa 317.
«<fHl< 163.
r 169.
kVautSs 136.
zäruot 163.
152.
Ar/^c/;?u 161.
«c7/« 59.
194.
knäU 135.
zeri 318.
134.
^•n^^^ 135. 144. 146.
^er« 315.
i 134.
knudet 135. 148.
^rjftrw 72.
Ä 158.
ibra//a^ 135.
170.
kraupet 313.
Prenfiisch
i 170.
Avyä^ 145.
^ 33-1.
krina 151.
angurgis 72.
169.
krdpju 161.
assegia 72.
LÖ9.
ArrM^ 313.
Wtw^i« 72.
89.
/frfaA:« 72.
WtVi^o 72.
r .159.
n^rfeÄ» 72.
brunse 72.
72. 76.
Uns 72.
cÄe/mo 300.
r 169.
maw/M 153.
darfan 59. 92.
r 134.
mnu^ 154.
deirtt 160.
t 134. 170.
mäift 159.
(/u6«;»8 72.
158.
mwd^< 167.
esketres 72.
170.
nauju 153.
^€nna 171. 173.
ia 194.
«auru 154.
grandis 136.
1» 139.
aawergt 384.
grundalia 72.
86.
«//A-w 72.
»7mi^ 300.
w 163.
skaida 145.
A:a/« 58. 69. 72.
M 72.
jfA;aiV/ft 145.
kelmiB 300.
163.
«Ararft« 138.
Hrw) 315.
ü 357.
«Arai-da 321.
krüt 155.
» 80.
skarde 321.
1080880 72.
: 163.
«ArareHf 138.
/iW« 72.
\ 190.
8kardit 165.
/i>iw 72.
189. 190.
«A:ar(i» 821.
/ocii^M 72.
443
444
Wortregister.
malkis 72.
mixskai 336.
panno 58.
peU 193.
pelelntf 193.
j)*/iro 67.
I^eiw« 58.
pide 193.
ropw 72.
sarote 72.
«cAAlatY 194.
schläitiskan 194.
«cA/äifo 194.
«fÄ/«iY 194.
sclait 194.
seabre 72.
smerlingis 72.
«terÄTM 72.
siroysles 72.
«i/rA*t> 72.
sweikis 72.
8y1ecke 72.
Mv/^ 194.
fri7nw 72.
tcuniayt08 194.
Altbalgarisch.
Miq^ 312.
ftiVi 146.
W<;<? 151. 152.
*rady 295.
hryaati 147.
ftM^•y 294.
chorqgg 294.
fÄo/^/i 312.
c^i{^^/»' 312.
cnJAry 295.
cri7<? 321.
drinorinü 322.
örinovüicf 322.
<5r^rtf 185.
c?arfY» 397.
dunqti 15-i.
gqgnqti 336.
^^odiVi 163.
gladostf 163.
^/cMfflr 163.
^/flwö 150. 162.
^/^ii« 143.
^/tita 143.
gmü 163.
gatforü 153.
grajati 151.
^romä 163.
tit« 89.
jeM^nK 69.
Jboibtf 355.
klakolü 149. 161.
it/a/f 161.
klfknqii 160.
WiiW 161.
ilr/o/K)/« 161.
kovq 147.
Ä?02ra 195.
koziflü 195.
itroAi 161. 321.
krqgü 161.
itraArol» 161.
ilrq(/i{ 160.
krektati 149.
Arf^a;> 160.
kripü 135.
An<?flr/t 152.
AWiW 152. 161.
krivü 144. 160.
k^oiti 145. 152.
ArniÄ-Ä 154.
kru^iti 147.
Ä-H/a^t 153.
kydati 155.
Ay;>Äi 135.
/q/<? 152.
lajati 152. 157. 168.
/«ft^dr 77.
Ifkq 313.
/fÄ» 313.
livü 144.
/ruf 72.
/rrtf 300. 399.
Jjutica 399.
//w/Ä 399.
loky 294.
/o«o^ 58.
luditi 299.
/ttpi/i 157.
masati 167.
160.
m#ra 157. 169.
mfgla 95.
m/atf« 159.
m/#ibo 300.
mcggü 347. 357.
mravij 167.
ffittlro/t 167.
fiomiM 182.
oküno 296.
opuchnqti 155.
a»f?a 199.
Mfrortf 163.
offcf 92.
p^tii 314.
paHti 159.
I>l;a«* 314.
pirati 159.
/>/oika/t 150. 159.
plavü 67. 93.
p^ra 67.
poklfcati 160.
i>Hlrf{ 108.
prysnqti 156.
puchati 155.
raifca 294.
rarÄ 157.
reibq^ 158.
r«f^ 153.
rüv<f 147.
|-y>q^ 147.
rykati 154.
«Ä^eril 77.
«ibrcufa 320.
skrügati 149.
«Arrara 320.
skrrada 320.
«ifcrfr<l^ 320.
«ifcrrÄt 320.
slira 72.
«fddo 62.
staviti 154.
stepenf 137.
</opa 137.
«/roe^a 138.
I stradati 138.
! «/iidi{ 148.
I styditi 8f 148.
I 8Ü-grüditi 161.
Wortregister.
pokrdüi 160.
luznuH 157.
).
i>»;an 314.
ocWto 312.
sf 160.
rakev 294.
o«e^HI 69.
»^/«n 315.
pjdnyj 314.
7. 169.
/rÄior 322.
porfÄy^ 313.
16.
trhiovec 322.
podbygnut' 313.
w/^^i 313.
l>u(ift' 314.
I.
wyz 70.
pw^rf^' 313. 314
. 142.
Polnisch.
puidt' 314.
r«; 152.
15.
6a^yy(f «if 812.
rajaH 152. 157.
tö.
buchnqc 155.
W^Ä 70.
czara 319.
svigat 169.
k
jaki 342.
^e^ff 85.
8.
Jai(/f 72.
foWcf 160.
/a«y 158.
ugri 67.
L
Ifknqö 313.
myac' 166.
nabazyö sif 312.
i^/-tffÄ 69.
Kleinrussis
J.
pijany 314.
bahd 312.
prad 159.
6yAa 313.
«ArMwr 320.
Meli 318.
/reron 315. 318.
öerenjdk 322.
wnfk 84.
öerdnka 315.
«^y^f 70.
pudiaty 314.
Rassisch.
i>ti5a<y 314.
«^op 137.
).
baiW 312.
bolob6lit{ 151.
Serbisch.
4. 85.
W^a 312.
*ra< 79.
163.
buchnuti 155.
cr^« 315.
.
iiiio/' 313.
rf;>r«r 80.
62.
fty^rf/' 313.
^r<f 162.
c<p' 317.
höi 79.
dra 319.
i«/rM 80.
173.
^«^i» 317.
karp 71.
deren 318.
OWna 79.
13.
J^ren 315.
ma6' 79.
if^reii 315.
oiac 79.
öerendk 315.
paJfenog 80.
)chi8ch.
^o/a« 151.
Mk 198.
pi/an 314.
/yrfnö«^ 314.
1
/«/>M^ 314.
jmnac 79.
je&rf^r 361.
puniea 79.
3.
jeti 361.
raAn^ 294.
\i 312.
A-o/(Wa 161.
eestra 79.
J12.
korop 71.
«iH 79.
4.
/o«(wr 62. 69.
«liw^i 153.
446
Uß
Wortregister.
anaha 80.
Hfna 79.
/#lbit»i 313.
stric 79.
2;aora 80.
afMi 313.
strina 79.
zH 80.
«/e^/in 313.
svast 80.
<7(jihii/f 313.
svekar 79.
Sloyakiscli.
slpknem 313.
(f/7!n 322.
«fiMff/t 148.
ifura 80.
avepati 169.
/o«/ 79. 86.
tasta 79.
Sloveniscli.
NiedersorbiscL
«efa 79.
tetac 79.
cvrim 320.
cw^^f 320.
«/fc 313.
<efaA: 79.
düzati 3U.
Obersorbisch.
/^A» 79.
Ä-(J^ 323.
ujaöa 79.
;tp/niA; 323.
slaknyd 313.
M;a^• 79.
liknem 313.
pjanosö 314.
U. Nichtindogermanisehe Sprachen.
Arabisch.
5o 342. 349.
labun 352.
^ucfNwn 300.
ianaHa Md.
^anna 349.
^ainun 350. 361.
^<w'rw» 855.
^aSrun 345.
^inifänun 349.
^MnAr'wn 350.
«/ 362.
arwi/ 102.
bahala 361.
öa^TSuH 361.
Z>a^i*'a 361.
bahmun 361.
(Tamma 355.
(fa/f^Mn 349.
rf'awa'f 349.
dara^a 349. 358.
dHnXun 349.
(f5 360.
/a/cKfa 358.
/"o^aj^a 349.
furrun 352.
Aa^a 361. 362.
habObatun 362.
Aa-<fä 362.
hamajun 361.
Aato*'(i 362.
Ļia 362.
Hindun 346. 361.
AMya 362.
Haddun 349.
Hadfdun 349.
Ää^Mn 356.
Haäada 355.
HnSara 355.
f>/un 352.
i« 342.
jjafa^a 352.
ia-ktulu 348.
Ä:ay/a 342.
^• a/^Mn 353.
;tam 342.
A;V/rnMn 363.
^•'o/a/a 348.
/ä 363.
laflun 361. 363.
ma 343.
muHUun 357.
muxxun 357.
na- 342.
nadija 352.
qaraba 358.
qurqurcUun 357.
sädisun 347.
«d^an 352.
aal^atun 358.
«tÄrun 361.
äarana 355.
/d- 342.
tö 360.
toro^ra 352.
fiHnun 352.
<w£ 346.
/li 103.
pafirun 358.
uarurtin 358.
fiadda 355.
xäm^tin 361.
xartfun 358.
xas'run 357.
zamüHun 358.
^'amma 359.
z'arra 353.
za^jun 359.
;?atr|(tfn 359.
zimamum 359.
Assyrisch.
ana 363.
iMa 363.
tna ibiW» 353.
h'arärü 353.
«itfw 358.
36.
57.
K 357.
ihiopisch.
»7.
352.
>8.
Ilamisch.
#ia 104.
.04.
09.
ikma 104.
speranto.
379.
0 379.
378.
ono 379.
377.
t; 394.
r* 394.
1.
J90.
)1.
379.
2/eco 379.
377.
378.
0 379.
1.
391.
Finnisch.
1.
291.292.293.296.
1 296.
m,
299.
^a 298.
m.
396.
(riran 344. 346.
J91. 292. 293. 296.
I 298.
Wortregister.
karja-piha 298.
Hebrliseh.
kaw 292. 296.
:äAaß 361.
ikatini« 291.
5«/ 363.
kauta 291. 292.
'ä/ön 200.
Aairfa, -0, -i# 296.
*-If-; 352.
itit^a 298.
j^iV^d/ 352.
it^MM/a 298.
ha 362.
'ksan 346.
ir'irrcrß 353.
-itȀn 346.
k-r-i 352.
ku' 342.
part9mfm 100.
kuningas 306.
«M« 358.
-Aruw^a 293.
io/trd 358.
kymmenen 344.
iae 352.
Zatto 292.
iäM 352.
/ammo« 291.
2öifa#361.
/into 299.
lunastaa 291.
marÄrl» 292.
Karelisch.
m« 342.
AWa 297.
mi 343.
miVArJta 290. 291.
Lappisch.
minä 342.
möa/a 297.
don 342.
mi//a 297.
/o^ue 344.
mülta 291. 292.
man 342.
nieA:/a290.291.292.293.
Lydisch.
295.
nuotta 292.
KavbaöXrjc 397.
oififlÄo 298.
paUa 291. 292.
Mai^arisch.
^nAra 292.
kilenc 344.
panka, -o, -•* 296.
l>«//o 296.
piha 298.
nyo/c 344.
Uz 344.
/>iÄatto 298. 307.
saha 292. 293. 307.
Mandschurisch
aaippio 306.
mt 342.
sa^a 293.
te-re 342.
Satakunta 293.
/e-4?6 342.
*t>dfZ 297.
<ifi<7- 342.
aiula 297.
Mongolisch.
«- 342.
jaqan 342.
^0 342.
Aren 342.
vapaa 296.
min H42.
rüibAro 306.
to 342.
pirka 298.
<d-ii« 342.
yhd€-k8än 344. 346.
<#-r«d42.
447
448
Wortregister.
Syrisch.
TfirkiBch.
Ha^i^ä 357.
Tigre.
ff^erff^erU 367.
mäk^^at 367.
äiäk 198.
doitrti« 346.
kirn 342.
-ifio- 343.
-INJ- 343.
Leipzig-Gohlis.
man 342.
iHfty my 343.
säMz .S46.
a Hirt
Beriehti^ngen.
Anzeiger XX S. 166 Z. 38 lies : Y. 10. 12 statt 9. 28.
— — S. 170 Z. 13 lies : pMubya tictoraeibya vayaeibya patar9taiibf
— — S.171 Z.11 lies: *hük9hrpa statt '*hük9hrp(ike.
— — S. 172 Z. 26 lies : 326, Z. 9 sUtt 328, Z. 9.
IF. XXII. S. 407 Z. 23 v. o. lies: S. 406 sUtt S. 381.
ANZEIGER
FÜR
IHDOGERNAVISCHE SPRACH- DND ALTERTDNSKDNDL
BEIBLAH ZD DEN IND06ERMANISCHEN FORSCHUNGEN
HERAUSGEGEBEN
VOH
WILHELM STEtEITBERG
ZWEIÜNDZWANZIGSTKR BAND
STBASSBÜBG
TERLAG TON KARL J. TRÜBNER
1908.
THE NEW YORK
PUBLIC LIBRARY
ASTOR, LCNOX AND
TILDEN fOÜNOATION«.
R 1909 L
M. DaMont Schaaberg, Strafibarg i. E.
Inhalt
Seite
3ücherbesprechungen : 1—68
Brugmann Karl u. August Leskien. Zur Kritik der künstl.
Weltsprachen (Richard M. Meyer) 1
Möller H. Semitisch und Indogermanisch. I.Teil (H. Grimme). 2
Brugmann K. und B. Delbrtlck, Grundriß der vergleichenden
Grammatik der indogerm. Sprachen IL Band. I.Teil. (K. Brug-
mann) 6
Brugmann K. Die distributiven und die kollektiven Numeralia
der indogerm. Sprachen (K. Brugmann) 10
Horrwitz E. A Short History of Indian Literature (M.Wintemitz) 11
Bartholomae Chr. Zum altir. Wörterbuch (Louis H. Gray) . 13
Lid^n E. Armenische Studien (A. Meillet) 16
Fraenkel E. Griechische Denominativa in ihrer gesch. Ent-
wicklung und Verbreitung (A. Debrunner) 17
Lambertz M. Die griechischen Sklavennamen (Albert Thumb) 18
Reik K. Der Optativ bei Polybius und Philo von Alexandria
(Hans Meltzer) 19
Wahr mann F. Prolegomena zu einer Geschichte der griech.
Dialekte (Albert Thumb) 29
Meister R. Beiträge zur griech. Epigraphik und Dialektologie
(Albert Thumb) 30
Inscriptiones graecae ad inlustrandas dialectos selectae
scholarum in usum iterum ed. F. Solmsen (Albert Thumb) 31
Kretschmer P. Der heutige lesbische Dialekt (Albert Thumb) 31
Hahn L. Rom und Romanismus im griechisch-römischen Osten
(Albert Thumb) 39
Meillet A. De quelques innovations de la d^clinaison latine
(Fr. Stolz) 42
Fr an Filologiska Föreningen i Lund Spräkliga uppsater m.
(August Gebhardt) ^
Delbrück B. Synkretismus (Otto Mensing) 47
Suter P. Die Züricher Mundart (P. Schild) 60
Endzelin J. LatySskije predlogi (J. Zubatf ) 66
Brentano H. Lehrbuch der Lettischen Sprache (J. Zubatf) . 62
[itteilungen : 64-80
Bericht über die indogerm. Sektion (H. Meltzer) 64
Formans oder Formativum? (K Brugmann) 69
Die Benennung der Aktionsarten (Wilhelm Streitberg) ... 72
Victor Henry (A. Meület) 74
IV Inhalt
John Strachan f (R. Thumeysen) 79
Erster Kongrefi für sachliche Yolkskande 80
Georg Cartins-Stiftimg 81
Ergänzungsheft:
Bibliographie des Jahres 1905. Erste HSlfte 81-146
I. Allgemeine indogermanische Sprachwissenschaft
und Altertnmskunde (0. Dittrich, E. Schwyzer und Ant
Reichel) 81
A. Bibliographie S. 81. — B. Allgemeine Sprach¥ri88en8chaft
S. 82. — C. Indogermanische Sprachvnssenschaft S. 87. —
D. Indogermanische Altertumskunde und Kultorgeschichte.
U. Arisch (E. Schröter) 109
A. Indo-Iranisch S. 109. — B. Indisch S. 110.
ANZEIGER
FÜR IBOGERMAmSCl SPMCH- UND ALTERTIMSKIDE.
BEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN
HERAUSGEGEBEN
VON
WILHELM STBEFTBEBe.
ZWEIUNDZWANZIGSTER BAND.
Bragmaxm Karl u. August Leskien Zur Kritik der künstlichen Weltsprachen.
Straßburg, Karl J. Trübner, 1908. 80. 38 S. J^ 0,80.
Vor mehr als fünfundzwanzig Jahren war ich in Kissingen mit einem
holländischen Kaufmann zusammen, der lebhaft für die Universalsprache
focht ; und als ich bei meinem Widerspruch beharrte, wurde er ärgerlich
und sagte : '"Natürlich, die Philologen wollen sich ihr Geschäft nicht ver-
derben lassen !" Vielleicht habe ich in diesem Vierteljahrhundert in meiner
Kenntnis der künstlichen Weltsprachen etwas Fortschritte gemacht ; aber
daß die 'Weltsprachler' in ihrer Beurteilung der philologischen Bedenken
Fortschritte gemacht hätten, kann ich nicht linden.
Deshalb darf man nicht aufhören, diese Bedenken ruhig und sachlich
vorzubringen. In meiner Studie über "Künstliche Sprachen' suchte ich sie
wissenschaftlich zu begründen; Diels hat sie in der bekannten Akademie-
rede vorzugsweise vom praktischen Standpunkt aus vorgetragen; Brug-
mann und Leskien fassen nun, wie vor ihnen Gustav Meyer, theo-
retische und praktische Bedenken übersichtlich und klar zusammen —
Brugmann die gegen die sprachlichen Homunculi' Überhaupt, Leskien
gegen den dermaligen Favoriten 'Esperanto', der wohl trotz der Zurufe
begeisterter Chemiker und Mathematiker wie 'Volapük' und Genossen vor
dem Ziel zusammenbrechen wird. Die sklavische Abhängigkeit der Zamenhof-
sehen Erfindung von den Nationalsprachen setzt sie dabei noch tief unter
die geistreicheren Dekokte früherer Spracherfinder, über die soeben
L. Wiener (in der 'Internationalen Wochenschrift*) eine lehrreiche Parade
abhält.
Die Zweifel, die Brugmann gegen eine universale Brauchbarkeit der
Universalsprachen vorträgt, die berechtigte Kritik der berühmten 'leichten
Erlernbarkeit' durch Leskien, die Verwahrung gegen die übliche Verwechse-
lung jedes beliebigen auf anderem Gebiet ausgezeichneten Gelehrten mit
Sachverständigen auf dem Gebiet des Sprachlebens (wobei mir doch das
allgemeine Urteil über Max Müller, nicht das in dieser Spezialfrage,
etwas hart scheint) — dies alles scheint mir unwiderleglich. Nur in einem
Punkt möchte ich Brugmanns Einwurf — den ich früher ebenfalls aus-
gesprochen habe — nicht mehr so unbedingt wiederholen. Ist wirklich
auch bei einer solchen künstlichen Sprache die Dialektbildung notwendig
von so unbegrenzter Ausdehmmg wie bei Nationalsprachen? Kann sie
nicht durch die unveränderliche Schriftsprache stark in Zaum gehalten
werden wie — trotz dem mündlichen Gebrauch der Kleriker, der Ungarn
Anxeiger XXJL V
2 Möller Semitisch und Indogennanisch.
und Polen — das mittelalterliche Latein es blieb ? Könnte bei dem starken
internationalen Tauschverkehr der Esperantisten nicht die Ausgleichont
zentripetaler wirken als bei den yerhältnismäßig genngfSgigen der dialekt-
sprechenden Bewohner eines Landes?
Doch das ist eine reine Doktorfrage. Zur praktischen Lösung wird
sie schwerlich kommen, da eine Durchführung der künstlichen Weltsprache
Vorbedingung für dies interessante Experiment wäre. Aber all* die sonder-
baren Vorzüge, die Leskien dem Esperanto nachweist, werden den Herren
Couturat und Leau wohl kaum den Sieg über die bösen Philologen —
und die schUmmeren Verhältnisse ermöglichen. Eine künstliche Sprache
ist, wie Peter Schlemihl, ohne Schatten: nur vemunftmäßige Klarheit (wenn
auch überhaupt die !), nichts von den klanglichen, assoziativen, historischen
Reizen der gewordenen Sprache. So mag Peter Schlemihl denn mit Sieben-
meilenstiefeln wandern — heimisch wird er nicht werden und sein Glück
nicht machen!
Berhn. Richard M. Meyer.
Möller H. Semitisch und Indogermanisch. I. Teil : Konsonanten. Kopen-
hagen, H. Hagerup, 1907. 80. XVI u. 395 S.
Möller macht in seiner Studie über Semitisch und Indogermanisch,
deren erster die Konsonanten behandelnder Teil vor uns liegt, den kühnen
Versuch, den weiten Abgrund zu überbrücken, der anscheinend Semitisch
von Indogermanisch trennt. Zum erstenmale wird hier von einem mit
genauer Kenntnis beider Sprachgebiete ausgerüsteten und dabei me-
thodisch geschulten Forscher etwas gewagt, was vielen von vornherein
für unausführbar gilt. Aber auch solche, die keine prinzipiellen Bedenken
dagegen haben, sind leicht geneigt, ein Unternehmen, wie Möller es ins
Werk setzt, für verfrüht anzusehen. Sind doch die beiden zu vergleichenden
Faktoren bisher sehr ungleich durchforscht und erkannt : dem Indogerma-
nischen, dessen Entwickelungsphasen bis in seine Urzeit hinein ziemlich
aufgedeckt sind, steht das Semitische als ein Komplex von Sprachen gegen-
über, deren Zusammengehörigkeit mehr gefühlt als definiert ist, und hinter
die den Horizont einer semitischen Ursprache zu stellen gerade noch in
einem mit Möllers Buche gleichzeitig erschienenen Buche ein Thantom'
genannt wird, dem "ernsthafte Forscher heute kaum mehr nachjagen**
(Brockelmann, Grundriß der vergl. Gramm, d. sem. Spr., Zur Einführung.).
Möller erkennt wohl die Schwierigkeiten seines Themas, hat aber den Mut
dort, wo ihn die bisherige semitistische Forschung im Stiche läßt sich
mit eigener Kraft weiterzuhelfen. So ist sein erster Band eigentlich von
vorn bis hinten Neuland der semitischen Wissenschaft.
Der Wagemut Möllers zeigt sich auch darin, daß er dem Semitischen
den hamitischen Sprachkomplex als organische Ergänzung anhängt. Weit-
gehende Ähnlichkeiten zwischen semitischen und hamitischen Sprach-
erscheinungen werden seit längerer Zeit von den Semitisten zugegeben;
eine eigentliche Vergleichung beider Gebiete gilt jedoch als ein Noli me
tangere. Bezeichnend ist hierfür die Äußerung Brockelmanns (Grundr. S. i):
•"Eine voreilige Vergleichung hamitischer Spracherscheinungen mit semiti-
schen kann daher nur zu leicht zu irrigen Schlüssen führen". Daß aber
das Unterlassen jeder Vergleichung von zwei als ähnlich erkannten Sprach-
Mlhildten schlimmer ist als gelegentliches Irren in sprachlichen Konklu-
Möller Semitisch und Indogennanisch. 8
sionen, und daß überhaupt jeder Fortschritt der Wissenschaft naturgemäß
mit Fehlem rechnen muß, wird dabei gem übersehen. Was Möller über
die Verbindung des Semitischen mit dem Hamitischen denkt, steht schon
seit langem auf dem Programm von Leo Reinisch; wenn M. dieses und
damit das gewaltige Lebenswerk von Reinisch, die Erschließung der leben-
den hamitischen Sprachen, außer Acht gelassen hat, so rächt sich das bei
ihm dadurch, daß unter seinen Händen Hamitisch eigentlich zu Altägyptisch
zusammenschrampft. Diese Sprache, von deren Konsonantismus vieles,
von deren Vokalismus aber fast alles unerschlossen ist, hätte, um aus ihr
exakte Begriffe von Hamitisch zu gewinnen, unbedingt erst durch ein
paar der lebenden hamitischen Sprachen, wie Bilin und Somali, gestützt
und ergänzt werden müssen.
Um den hamitisch-semitischen Sprachstammbaum hat sich M. an-
scheinend nicht gekümmert; oder liegt eine Behauptung, daß Hamitisch
eigentlich die ältere Schicht des Semitischen sei, in der Aufstellung, daß
die Hamiten sich aus asiatischen Sitzen über Afrika verbreitet hätten?
An einem Beweise hierfür läßt M. es fehlen. Beachtet man aber, daß wir
hamitische Sprachen bisher nur in Afrika kennen, und zwar in reichster
Mannigfaltigkeit, so könnte man mit viel größerer Wahrscheinlichkeit die
Hypothese von der afrikanischen Herkunft der hamitischen Sprachen auf-
stellen. M.'s Ansicht wird lediglich die Konsequenz davon sein, daß nach
ihm auch alle semitischen Sprachen ursprünglich in Asien beheimatet
waren ; dazu steht aber gewissermaßen im Gegensatz, daß er bei den afri-
kanischen Semiten eine Gmppe ursemitischer Laute (labialisierte Gutturale)
konstatiert, die er den asiatischen Semiten abhanden gekommen sein läßt.
In letzter Hinsicht mußten ihm wohl auch deshalb Hamiten und Semiten
als Asiaten erscheinen, weil zu ihrer Verknüpfung mit den Indogermanen
kein anderer Boden besser geeignet scheint als der asiatische: es liegt
somit eine petitio principii vor.
Die Beschränkung, die bei M. bezüglich des Hamitischen besteht,
läßt die Resultate seiner hamitischen Untersuchungen meines Erachtens
ziemlich mager ausfallen; ungleich reicher ist der Anteil, der für das
Semitische bei seiner Forschung abfällt. Vor M. bedeutete semitische Laut-
lehre das Nebeneinanderstellen der historisch überlieferten Laute ohne
Rücksicht auf ihr organisches Verhältnis zueinander; M. stellt dieser
bequemen Methode die schwierigere, aber auch gründlichere entgegen,
die historischen Laute mit den aus ihnen zu erschließenden vorhistorischen
als ein organisches System zu begreifen. Es ist M.*s hohes Verdienst, mit
der Anwendung dessen, was in der indogermanischen Lautforschung als
Anfang aller tieferen Forschung gilt, auf das Semitische einmal Ernst
gemacht zu haben. Bei dieser Arbeitsweise mußte sich ihm auf Schritt
und Tritt Neues einstellen. Von solchem bezeichnet er selber (S. XV ff.)
als Wichtigstes:
1. die Nachweisung der palatalen Reihe i (=3 ^), d (z), fi, (arab.) 4,
sich verhaltend wie t, d, f, D (zu ^) und ib, g, K, 6r (zu ir);
2. die Beleuchtung der Herkunft der emphatischen Konsonanten;
3. der Nachweis der ursprünglichen Regelmäßigkeit der Beziehungen
von k, tf ä za <:, /, ^, von p zu *, von ^, d^dzxx O (zu t), (arab.) ^, 4-
Diese drei Aufstellungen hat M. untereinander in systematischen Zu-
sammenhang gebracht, sodaß Annahme oder Ablehnung der einen von
ihnen leicht die der übrigen nachziehen könnte. Nun liegt ihre Begründung
4 Möller Semitisch nnd Indogermanisch.
bei M. ebensosehr auf indogermanischem wie auf semitischem Gebiete:
das erschwert dem Semitisten eine feste Stellungnahme zu ihnen. Ich will
von vornherein als wohl mögUch hinstellen, daß M. in diesen drei Kardinal-
punkten recht haben könne, möchte aber doch einige Einwände nicht
zurückhalten ; wenn sie vielleicht ein Steinchen des Systems lockern soUten,
so würde das nach dem eben Gesagten gewichtige Folgen fQr das ganze
System nach sich ziehen.
Wenn M. i^ z, ^, ^ aus A-i, gt, Kt, Gi vornehmlich durch Palt-
talisierung entstanden sein läßt, so hat das etwas bestechend EinDaches an
sich und bietet eine gute Erklärung für die Erscheinung, daß das historische
Semitisch mit Spiranten überreichlich ausgestattet ist Aber wie stellt sich
dann M. zu der Tatsache, daß von obigen vier Lauten zweie (J im Mehri
und 4 im Altarabischen) lateral auftreten? Gibt es eine Analogie dafür,
daß Palatalisierung zu lateraler Artikulation führt? Wird man nicht
vielmehr in der lateralen Lautbildung eine ursemitische Erscheinung zn
erblicken haben? Weiter hätte M. beachten sollen, daß neben ^ im Mehri
in häufigen Fällen ein ^, in zahlreichen anderen Sprachen gelegentlich t
(wohl urspr. ^) steht ; dieser Laut, der gemäß seiner großen Verbreitung
alt sein dürfte, paßt aber nicht in M/s System der alten palatalen Laute.
In M.'s Auffassung der Entstehung der Emphase paart sich Eigenart
mit Einfachheit; dennoch ist auch hier ein Zweifel am Platze. M. kon-
struiert hier ganz ohne Berücksichtigung des Wesens der historischen
Emphase: man findet bei ihm keine Bemerkung darüber, daß zwischen
der afrikanisch-semitischen und der asiatisch-semitischen Emphase ein
großer Unterschied besteht, noch weniger, welche von beiden für älter zu
nehmen sei. Jede Emphase ist nach ihm die Fortbildung vorsemitischer
Stimmhaftigkeit der Tenues und Medien. Wäre nun dies der Fall, so er-
wartete man wohl, daß die AfTektion, welche das Wesen der Emphase aas-
macht, auch einheitlicher Natur sei. Das ist aber nicht der Fall : z. B. gibt
es im Arabischen, dessen Lautbestand M. trotz des Fehlens der labiaH-
siertcn Gutturale für den altertümlichsten erklärt, sowohl stimmhafte wie
stimmlose emphatische Laute. Indem ich M. zugebe, daß die Emphase unter
den Formen, wie sie das historische Semitisch zeigt, nicht im Vorsemitischen
bestanden haben wird, möchte ich ihre Entstehung doch unter einem
anderen, weiteren Gesichtspunkte erklären. Neben der Lautverstärkung,
wodurch z. B. t zu f, k za (: wird, gibt es auch noch eine (von der Ge-
mination zu trennende) Dehnung: z. B. von Labialen (vgl. tunisisches
m und Ä, amharisches m" und ä«), von r und / (vgl. amhar. r- und /■,
vielleicht auch neuarab. / in 'o/«ä 'Gott') — Erscheinungen, die M. nicht
berücksichtigt hat. Ich halte es nun für möglich, daß diese und die em-
phatische Lautverstärkung gleichen Ursprungs seien, nämlich auf vor-
semitische Konsonantdehnung zurückgehen. Unter welchen Umständen
eine solche einmal eingetreten sei, wäre noch näher zu untersuchen;
vielleicht trat sie nur im Gefolge der Begriffsbildung auf und stellt ein
Gegenstück zur Stamnivokaldehnung und Silbenverdoppelung der inten-
siven Aktionsarten dar (so daß einmal katal, kOial und katatal [zu kattal]
naiho verwandt gewesen wären).
Mit M.'s zweiter Aufstellung hängt seine dritte unmittelbar zu-
sammen: er behauptet, es habe einmal ein geordneter Wechsel im Ge-
brauche stimmhafter (bezw. emphatischer) und stimmloser (bezw. einfacher)
Laute innerhalb der Wurzeln bestanden. Ähnlich wie beim indogerm. 'gram-
Möller Semitisch und Indogermanisch. 6
malischen Wechsel* sei der Ton in seinen verschiedenen Abstufungen
und Stellungen als Ursache dieses Wechsels anzusehen. Hierfür liefert
aber keine semitische Sprache irgendwie überzeugende Belege. Emphatische
und nichtemphatische Wurzellaute gehen innerhalb der einzelnen Sprachen
unverändert durch alle Phasen der Wortbildung hindurch, und es ist schon
etwas seltenes, wenn sich von einer zur anderen Sprache das Verhältnis
der emphatischen Radikale um ein Geringes verschiebt. Hat ein stärkerer
Ton, wie M. andeutet, als Ursache der Emphase, bezw. Stimmhaftigkeit, zu
gelten, so muß man es auffällig finden, daß keines der Erweiterungselemente
(Präfixe, Suffixe, Infixe) einen emphatischen Laut aufweist — sie, die in
alter Zeit doch wohl zu den tonstärksten Wortelementen gehört haben
werden. Hinsichtlich der Fälle, wo emphatische Wurzelelemente einer Sprache
nichtemphatischen einer anderen Sprache gegenüber stehen, wird man sich
einstweilen begnügen müssen, daran zu appellieren, daß ein emphatischer
Radikal nicht selten den benachbarten auch emphatisch werden läßt, femer
anzunehmen, daß sich einige alt- oder ursemitische emphatische Laute
nicht hätten halten können und in einen verwandten emphatischen oder
auch einfachen Laut übergegangen seien, z. B. ^ in ^ oder ?, stimmh. q
in stimml. f oder ^, Mn jp, |> oder b. Mit der Existenz des erwähnten b sowie
eines p im Ursemitischen rechnet M. — wie ich meine — durchaus mit Recht.
Im historischen Semitisch läßt er sie, mit Ausnahme von sporadisch vor-
kommendem p, alle in b übergegangen sein ; dabei hat er aber übersehen,
daß das Syrische in einer Reihe von Wurzeln ein p hat, welchem arab.,
hebr., auch äthiop. b gegenüber steht (z. B. pH 'schön sein* : arab. bahifa ;
pdpä 'Seite* : klass.-arab. 'ibfu*, neuarab. bäf 'Achsel'; pfld 'Elefant':
klass.-arab. 't6t7tf», beduin.-arab. 6trKamel(e)*;|xi^^» 'befreien*: äih.bfyatfa;
päta^ 'geziemend': äth. baie^eia 'geziemend s.'; pa^M 'schwatzen': arab.
bafffpa\ p9id 'blöken': arab. fto^^ti** 'Geblök'). Sucht man nach einer
Erklärung für diesen auffälligen Wechsel, so dürfte am nächsten liegen,
ihn mit untergegangenem ^ in Verbindung zu bringen.
War für M. das Vorkommen von p im Altäthiopischen entscheidend,
um den gleichen Laut dem Ursemitischen zuzusprechen, so trägt er auch
kein Bedenken, die durch die äthiopischen und kuschitischen Sprachen
weit verbreiteten labialisierten J^-Laute in das vorsemitische Lautsystem
einzusetzen. Er folgt darin im wesentlichen meinen Ausführungen in
Z. D. M. G. 55, 411fr., die für Brockelmann (Grundr. S.44) wegen der
dabei "befolgten Methode der Etymologie unannehmbar" sind. Nur möchte
M. für den von mir aufgewiesenen Obergang zahlreicher labialisierter
Gutturale des Äthiopischen in Hintergaumen- oder Kehlkopfspiranten nicht
meine Erklärung gelten lassen, daß hier Aspiration oder altes wurzelhaftes h
im Spiele sei, sondern läßt eine Reihe hinterster iC-Laute (ohne Labiali-
sation) Vorgänger dieser Laute gewesen sein. Ich bin geneigt, ihm zuzugeben,
daß bezüglich der Fälle, wo regelmäßiger Wechsel zwischen äthiopischem
labialisierten Guttural und asiatisch-semitischer Spirans vorliegt, seine
Ansicht manches für sich hat, falls man sie dahin modifiziert, daß die
ursem. Reihe schon labialisiert gewesen sei; doch halte ich daran fest, daß
auch die mechanische Verbindung velarer üT-Laute mit h zur Spirierung
geführt habe, und daß solche besonders dort anzunehmen sei, wo neben
labialisierter Explosiva des Äthiopischen im asiatischen Semitisch bald
einfache Explosiva, bald Kehlkopfspirans steht.
Unschwer ließen sich gegen M.*s Aufstellungen noch weitere !^rla-
1
6 BropoBum a. Ddbrack Gtuadnll d. Tcr^ GranwiuiHk d. idg. Sprachen.
zipieile Bedenken oder Zvctlel TOtbrinfen. So wird es ▼ermaüich anf
Seiten der indocemmnislen nidit an Einwdrfen fehlen g^en seine These
von den XsckwirkoBfen alter Gottnrale Ton der Art des semitischen 'Aleph,
Heth and : Ajin. Aoch Ton meinen Standpunkte hahe ich gegen seine
Gattnraltlieone einzuwenden. daA die Annahme eines Torsemitiflchen
doppelten Aleph • At and At) dnrdi den alleinigen Hinweis auf das Ägyp-
tische imgenfigend begründet ist; denn was hier die durch *Adler' imd
*Schilfblatt* anagedrnckten Laote eigentlich and, bezw. ob nnd wodurch
sie sich ron einander onteiacheiden. ist den Agyplologen selber noch ein
RltseL Wenig ftberzengt bin ich anch Ton der Annahme M.s, daß im semit h
anfler vorsem. h aoch Torsem. x^r oder daA im sem. / anch vorsem. gi ent-
halten seL Mir sdieint die x« tmd gi stehen in Ujb Laotsystem an einer
Stelle, wo man sie recht got TermisMn ktente. Bezfigiich der orsem.
S-Laote mit ihren historischen Vertretern hätte M. vermatlich manches
anders oder genauer dargestellt wenn er die Sibilanten des Amharischen
in seine Forschongen einbezogen hätte; so wfirden Beispiele wie amL
^mfoiai • mit f^ Tliege am Kinn* : arab. jw^if Tlaomhaar*, anÜLis^Ai
liineinstecken* : arab. xakmt^ amh. sisisiT 'schandem' (hehr. Mmarl):
arab. iziamrrm 's. sträuben (vom Haare)* ihm gezeigt haben, daß ursem. i
nicht aDein in a. sondern anch in i nachlebt
Es wird gut sein, bei der Benrteilnng Ton M.'s Bach voriäofig von
allen Rleinif keiten abzasehen« besonders anch nicht an manchen bedenklich
scheinenden Beispielen heramzomäkeln, znmal der vorliegende Band ans
noch über die Ansicht des Verfassers bezöglich der Stammerweitenmgs-
mittel im Ungewissen lädt. Hingegen wäre dringend zu wünschen, dafi
seine prinzipieUen Aufstellongen eine vielseitige, eingehende Debatte hervor
riefen. Die Enischeidong darüber, ob M., wie er hofR, mitgewirkt habe, "die
Gewinnung eines erweiterten Gebietes und erweiterter Erkenntnismittel für
die indogermanische wie für die semitisch-hamitische Sprachforschung des
20. Jahrhunderts anzubahnen**, wird wohl auf indogermanischer Seite fallen
müssen: würde man hier M. z. B. in seinem kühnen Vorgehen zur Rekon-
struierung vorindogermanischer Kehlkopflante Recht geben, dann dürften
auch die meisten seiner anderen Thesen haltbar sein. Immerhin will ich
schon jetzt nicht mit dem Geständnis zurückhalten, dafi M.*s Buch auf mich
einen bedeutenden Eindruck gemacht hat. Mag M. in seinen Einzelanf-
stellimgen Recht oder Unrecht haben : durch die geistvolle Art, wie er Pro-
bleme erkennt und zu lösen trachtet, hat er sich ein Verdienst um die
semitische Wissenschaft und vollen Anspruch auf Beachtung seitens ihrer
Vertreter erworben.
H. Grimme.
Bragmann K. und B. Delbrück. Grundriß der vergleichenden Grammatik
der indogermanischen Sprachen. Kurzgefaßte Darstellung der Geschichte
des Altindischen, Altiranischen (Avestischen und Altpersischen). Alt-
armenischen, Altgriechischen, Albanesischen, Lateinischen, Oskisch-
Umbrischen, Altirischen, Gotischen, Althochdeutschen, Litauischen und
Altkirchenslavischen. 2. Band : Lehre von den Wortformen und ihrem
Gebrauch, von KarlBrugmann. 1. Teil: Allgemeines. Zusammen-
setzung (Komposita). Nominalstämme. Zweite Bearbeitung. Straßburg,
Karl J. Trübner, 1906. Gr. 8o. XIV u. 685 S. Ult 17,ö0.
Bmgmann u. Delbrück Grundriß d. vergl. Grammatik d. idg. Sprachen. 7
Der vorliegende Teil der Nenbearbeitang meines Grandrisses ent-
spricht den ersten 462 Seiten des 2. Bandes der ersten Auflage. Das Mehr
▼on 226 Seiten, das die nene Auflage aufweist, ist hauptsächlich hervor-
gerufen durch Hinzufagung eines 'Motive und Arten der Wortbildungs-
vorgänge' betitelten Abschnitts zu den Vorbemerkungen und durch eine
mehr ins Einzelne gehende Neubearbeitung des Abschnitts über die Be-
deutung der Nominalstammklassen, der von 29 auf 103 Seiten ge-
kommen ist.
Im Verhältnis zu dem Raum, der der Betrachtung der Form der
Nominalstämme gewidmet ist, hätte diese Bedeutungslehre freilich immer
noch erheblich ausführlicher sein dürfen. Aber nicht an meiner Neigung
1mg es, daß das in dieser Beziehung heute Wünschenswerte in der neuen
Auflage noch nicht geleistet ist, sondern die Rücksicht auf den Umfang
des ganzen Werkes gebot Beschränkung und Verzicht Ist doch über-
haupt — bei der Fülle und Mannigfaltigkeit des zu verarbeitenden Materials
und bei dem Umstand, daß gerade die Einzelerscheinung mit ihren Be-
sondeiiieiten in der Regel das Interessanteste und oft auch das Lehr-
reichste ist — dem Bearbeiter eines solchen das Ganze kurz zusammen-
fassenden Werkes, wie dieser Grundriß ist, während der Ausarbeitung
ununterbrochen Entsagung auferlegt.
Ich benutze diese Gelegenheit, einige Verbesserungen, Zusätze und
sonstige Bemerkungen zu dem vorliegenden 1. Teil des 2. Bandes anzu-
bringen. Die Verbesserungen — natürlich sind es nicht alle Korrekturen,
die ich jetzt schon vorzunehmen hätte — sind großenteils durch die
Rezensionen von Henry Rev. crit. 1906 S. 261fr. und Streitberg Liter.
Zentralbl. 1907 Sp. 167 fr. an die Hand gegeben worden. S. 18 Z. 6 v. u.
und S. 74 Z. 14 v. u. ist für ad aiteram se convertere zu lesen ad aiterum.
Denn da man eheliche Treue urspriUiglich nur von der Frau forderte,
wird aduUerarey auf dem aduUer, aduUera beruhen, zunächst nur von
der Frau gesagt worden sein. Vielleicht ist es nicht zufällig, daß von
den entsprechenden Adjektiven des Altindischen, anyo-^o-, anya-gämin-
das Petersb. Wtb. nur das Femininum {anyaga-, anyagämim-) belegt
(Kathäs. 19, 27. 21, ö6). — S. 22 Z. 1 v. u. und S. 106 Z. 18 v. o. : Da
ich für vi^KECToc, Witpctoc u. dgl. auf meinen Aufsatz Ber. der sächs. Ges.
der Wiss. 1901 S. 99 ff. verweise, sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß
ich mittlerweile darauf aufmerksam gemacht wurde — was mir bis jetzt
entgangen war — , daß bereits Hirt Der idg. Akz. 1895 S. 312 geäußert
hat, vielleicht sei vt]- eine falsche Abstraktion von Formen, in denen
ne- mit einem anlautenden Vokal kontrahiert war. Freilich ist Hirts
Ausdruckweise mindestens unklar, weil man seine Worte logischerweise
so verstehen muß, als halte er vr)- in allen unmittelbar vorher von ihm
aufgeführten Beispielen — worunter sich auch solche wie yi^tp^toc
(^f €ipu)), v/|V€^oc (&v€^oc) befinden — für eine falsche Abstraktion, während
diese Bezeichnung nur auf vr)- in vi^-iroivoc (iroivi^) u. dgl. anwendbar
ist. Überdies verkennt Hirt, daß man anzunehmen genötigt ist, *ne sei
von uridg. Zeit her, genauer von derjenigen Zeit her, in die wir von
den historischen Einzelsprachen aus zunächst zurückgelangen, nur die
Negation des Verbums gewesen. Immerhin war aber Hirt mit jener
Äußerung bereits auf dem richtigen Weg zur Ldsung des Problems, und
dies hier hervorzuheben, ist mir eine angenehme Pflicht. — S. 23 Anm. :
Zu den lat. Zahlwortbildungen Ämf, tertn trint usw. vergleiche man jetzt
8 Brugmann u. Delbrück Grandriß d. Tergl. Grammatik d. idg. Sprachen.
Verf. Die distributiven und die kollektiven Numeralia der idg. Sprachen.
Leipzig 1907. — S. 41 Z. 11 v. u. : Die Worte 'un ultra == ultralibMi u.
dgl.* hat Henry S. 264 mißverstanden; *u?traliMral u. dgl.* sollte kurzer
Ausdruck für Einen sein, der in seinen politischen Ansichten zu extrem
ist. Daß ultra auch einen Ultraliberalen bedeutet, lehren die Lexika. —
S. 43 Z. 10 V. u. lies: (über got. Ulfila Wulfila s. Luft KZ. 36, 264), statt:
(got. Wulfila). — S. 88 Z. 14 v. u. : Lat. cini-fio ist zu streichen. Deim wahr-
scheinlich war das Wort volksetymologische Zustutzung eines griechischen
Wortes, dessen Anfangsbestandteil kikiwo- war. Vgl. Keller Lat. Volksetym.
102. Solche Formen dürfen mit echt einheimischen bezüglich der Stamm-
bildungsverhältnisse nicht auf gleiche Linie gestellt werden. — S. 106
Z. 7 V. 0. : Zu askl. ne-Jfvirb, ne-Jf9yth sieh jetzt die Nachträge zu Meillets
ätudes (S. 506), wo jf- anders und, wie es scheint, richtiger beurteilt
wird. — S. 127 Z. 12 v. u. lies : rauschend, statt : ranchend. — S. 198
zum Formans -tio- und S. 254 zu den no-Formantien füge hinzu : Jul
Schwede De adiectivis materiem significantibus quae in prisca Latinitate
suffixorum -no- et -eo- ope formata sunt, Breslau 1906. — S. 208 Fußn. 2:
Füge hinzu F. Ribezzo II tipo tematico -öüS) nella declinazione indo-
europea, Napoli 1906. — S. 211 Z. 8 v. u. und S. 217 Z. 10 v. u. : Zn
Sommers Deutung des lat. mVle sieh Streitberg S. 168 und Verf. IF. 21.
12 f. — S. 218 Z. 12 Y. o. sind die Worte ai. mdhii% bis mdhi^vant- zu
streichen — S. 244 Z. 14 v. u. : Neben die Deutung von ö^voc, daß es
zu 0^/|v gehöre (Gurt. Stud. 9, 256), ist jetzt die ebenfalls mögliche und
ansprechende Erklärung von W. Schmid (Rhein. Mus. 61, 480) getreten,
wonach das Wort aus ♦öb^oc (zu Ob^ui) hervorgegangen ist — S. 271
Z. 10 v.u. lies: tuenner 'zwei*, statt tuenner 'je zwei'. Denn tuenner
heißt zwar Distributivum, ist das aber nicht. — S. 327 Z. 7 v. u. lies':
Vendryes, statt: Niedermann. — S. 330 Z. 10 v. o. lies: öcrpoc, statt öcroc
— S. 333 Z. 4 V. o. lies : ^sj^hor-, statt *Sf^^r-. — S. 371 Z. 1 ▼. o. lies:
currülis curülis (1 S. 815) zu currus. — S. 383 Z. 9 v. u. füge hinter
got. riurs hinzu : (Nom. Sg. unbelegt). — S. 394 § 291 Z. 19 lies : ad-
jektivischer, statt : adjektischer. — S. 440 § 328 : Die von Henry S. 265
gegen meine Auffassung der Feminina auf -tüc gerichtete Bemerkung,
que les th^mes latins en -tut- ofTriraient une corr^lation plus approch^e,
beruht auf einem Mißverständnis. Denn ich selber habe ja -tO- dem
Bestandteil -iü- des lateinischen Formans -tut- gleichgesetzt. S. dazu
S. 453. — S. 469 Z. 4 v. o. Zu den griech. Nomina auf -ab- sieh jetzt
Ciardi-Dupr6 Sui temi nominali in -ab-, Studi italiani di filol. class. 14,
177ff. — S.537 Z.13 v.u. lies: fiisnam, statt: fifsnüm. — S.538 §411
füge hinzu: uridg. *snu86'8 'verwandtschaftliche Verbindung', dann Be-
zeichnung der Schwiegertochter, zu ai. sndcan- 'Band, Sehne" griech.
vcOpov aksl. «norrt/i o-snyvati: das Wort als o-Stamm erhalten arm ww.
Gen. nvoy, griech. vuöc, in die «-Deklination übergegangen lat. nurus, in
die ä-Deklination übergegangen ai. snu^d ags. snoru aksl. smcha (IF. 21,
315 IT.). — S. 541 § 414 füge lat. aexus -üs hinzu. Ursprünglich ^sekso-in^ zum
Neutr. secus 'Geschlecht'. Der Gen. sexüs war vielleicht eine alte Dual-
form (Danielsson Paulis Altital. Stud. 3, 187 ff., Walde Et. lat. Wtb. 569),
doch ist diese dann auf den Stamm ^sekso-^ nicht (mit Walde) auf den
Stamm ^sekea-, zu beziehen. — S. 563 § 443 a und S. 570 § 449. Daß der
uridg. Nom. Sg. Mask. und Neutr. auf *-u8 (neben Nom. Sg. Mask. *-|i5*,
Neutr. *'f^) auch ins Italische gekommen ist, dafür ist das zu sequor
Bartholomae Zum altiranischen Wörterbuch. 13
usgezeichnete Forscher das Buch empßehlt, etwas ganz anderes als das,
ras es bietet.
Prag. M. Winternitz.
(axtholomae Chr. Zum altiranischen Wörterbuch. Beiheft zum
19. Band der ''Indogermanischen Forschimgen'*. Straßburg, Karl J. Trübner,
1906. 8o. Xlll und 287 S. 10 Jf> (Für die Abonnenten der "Indogerma-
nischen Forschungen", 9 M>\
In so vast a work as the Altiranisches Wörterbuch a certain
umber of typographical errors, and even of omissions, were almost ine-
itable, despite the marvellous exactitude and care of the author. Of this
is own list of addenda and corrigenda is sufUcient proof. But there
re two other elements to be reckoned with — the accumulation of additional
laterial and the results of later investigations. To the latter two factors
[le book under consideration is devoted, and all who make any use of
[le Altiranisches Wörterbuch, which is absolutely indispensible to
ny investigations whatsoever of the literature of Ancient Iran, must
ecessarily consult this supplementary work of its author.
The book is divided into two parts: a masterly 'excursus' on the
owels and vowel-signs in the Estrangelo Middle Iranian manuscripts of
'orfan; and a detailed supplementary discussion of specific articles in
lie Wörterbuch in which Bartholomae has feit himself constrained either
3 criticise the comments of others or to set forth the results of inves-
igations subsequent to the appearance of his dictionary. These two parts
re preceded by a brief introduction defending certain problems of trän-
cription. That this latest contribution of Bartholomae's is a most admirable
iece of work goes without saying. Whatever Bartholomae does, is well
one. His progress from the Alt iranisches Verbum in 1878 to this
ontribution twenty-eight years later epitomises in itself the progress of
ranian philology. No longer are we bound to a tradition which, however
aluable, true, and suggestive it be in many passages — almost, we might
ay, in the majority of cases — , often plays us false; nor are we restricted
3 the 'linguistic' method, foisting alien concepts on Iranian thought. The
ruth, seif evident yet too often ignored, is that both tradition and com-
arative linguistics must be combined into a happy synthesis, wherein
istory and the science of religion must also be considered, if a true
nowledge of either the Avesta or the Old Persian inscriptions is to be
ttained.
Tnrning from the general remarks to a more detailed discussion,
re may first consider Bartholomae's prefatory notes on transcription
f)p. 6—16). Though 1 no more claim to be an expert in Iranian palaeo-
raphy than Bartholomae himself, it seems to me that he has effectually
stablished his position with regard to the three signs ä-, i, and t-
tartholomae's remarks with regard to ä* and t may be dismissed with
imple approval, but as to i the case is more involved. At all events, the
haracter can scarcely be a ligature of "^ni» "<^^ "®®^ ^* necessarily
epresent nnH- ^*y ^^ ^^^ equally well be a ligature of f)*^, thus ex-
laining the equations Skt. mafi^a, OPers. martiyaj Av. majfya, NPers. mard?
his is, of course, to be regarded merely as a tentative Suggestion, not
8 a positive theory. At all events, it seems safe to conclude, with
14 Bartholomae Zum altiranischen Wörterbuch.
Bartholomae (p. 12), that the evidence is incondnsive that the charactcr
usually transcribed i was pronounced either hr or ukr. What ita exad
connotation was, remains to be determined. The defence of the tetm
*Avesta* for the language of the Iranian scriptores has, it may be remarked
in passmg, the reviewer's füll approval (pp. 16—20).
Perhaps the most valuable portion of the book, in the sense of&
general and sweeping, rather than a detailed and minute, addition to cor
knowledge of Iranian, is the 'excursus' on the Tarfan vowels and Towel-
signs (pp. 2ö — 90), in which Bartholomae*s accoracy and scholarship appear
in their happiest expression; while a wealth of new forms and readinss
are here added to the material for some futore Pahlavi dictionary — one
of the most urgent needs of Iranian scholarship. Yet here we intss any
information concerning the treatment of the consonants in the Turfan
manuscripts; and though the Turfan consonantism differs little from that
of the book-Pahlavi, some general Statement of this fact might well have
been given. Attention might surely have been called to the late character
of the consonant-system, as evidenced, for instance, by Turfan vQzwr$
(p. 33), 'great*, but book-Pahlavi vazurk\ Turfan mdn-bid^ "lord of the house"
(p. 41), but book-Pahlavi män-pat; or the change of intervocalici^ and ^
to y (pp. 27—28, 76 — 77); or the development of a prothetic vowel before
an initial consonant-group (pp. 79 — 83). Furthermore, we have a tantali-
singly brief allusion to points of resemblance between the Turfan-Pahlavi
and the Persian Central dialects (pp. 31, note 1, 60, 61—62). We thos
ßnd in this *excursus' a mass of valuable detail, but no generalisation,
such as would be most acceptable; and but half the phonology is dis-
cussed, the consonantism receiving scarcely a mention.
The remainder of the Zum altiranischen Wörterbuch, except
for a list of errata in the Wörterbuch itself (pp. 247—256) and the very
complete indices (pp. 261—287), is devoted to the addenda and corrigenda
of the werk to which it forms a Supplement. This portion of the bock is
unfortunately marred by a spirit of criticism of other scholars which can
scarcely be termed anything but polemic. The matter of Bartholomae's
critiques, however, is to the point and convincing in practically every
casc; while the addenda are of the utmost value. The reading of this
section in particular accentuates a desire that I have long feit, that the
author of the Altiranisches Wörterbuch may some day give us a new
translation of the Avesta itself, on the same general lines as his version
of the Gäthäs. Of such a translation there is, it seems to me, a very
distinct need, and of all living scholars Bartholomae is the best qualified
to prepare one from the linguistic point of view, with due regard to
Iranian traditional renderings at the same time.
In discussing Bartholomae's addenda and corrigenda, I shall mentioo
but two points. On p. 227, the comments on riWn, "zum (königlichen)
Haus gehörig", seem to loose sight of the fact which I have sought to
bring out in my forth-coming article on the Achsemenians in Hasüngs's
new Dictionary of Religion and Ethics, that the word must still be
held to mean 'all', as is clear from the Babylonian and New Sosian rende-
rings by gabbi and marpepia, 'all', in passages of the Achsemenian in-
scriptions (Babylonian: Persepolis H. 24; Ca. 11, 13; Cb. 21, 25; Van. 26;
New Susian : Persepolis H. 21). I think that, methodically, I have at least
some justiücaüotv Cot adhering still to my view as there expressed. In
i
Horrwitz A Short History of Indian Literature. 11
tauft und im Wörterbuch und in der Grammatik, zur Unterscheidung von
M, trfs usw., mit *je zwei*, *je drei' usw. übersetzt, obwohl sie diesen
Sinn nie und nirgends gehabt haben. In der slavischen Grammatik, wo
bei dvoje, trcje usw. der gleiche Namensmißbrauch geschah und geschieht^
ist doch seit einigen Jahrzehnten für Distributiva daneben auch der zu-
treffendere Name Kollektiva in Gebrauch, und diese Bezeichnung ist es^
die ich für das ganze idg. Sprachgebiet akzeptiert, d. h. auf die ent-
sprechenden Zahlwortklassen der andern idg. Sprachen ausgedehnt habe.
Es werden nun beide Klassen, die distributive und die kollektive,
durch alle idg. Sprachen hindurch sowohl nach der formalen als auch nach
der semasiologischen Seite hin näher behandelt. Ich versuche fQr sie zu-
nächst alles, was der Bildungsweise nach zusammengehört, zusammen-
zubringen und dann bezüglich der mannigfachen Bedeutungsentwicklungen
wenigstens die Grundlinien festzustellen. In letzterer Hinsicht war diese
Beschränkung geboten, weil der Stoff überreich ist und es eines umfäng-
lichen Buches bedurft hätte, um jeder Einzelheit in den verschiedenen
Sprachen und Dialekten ihren Platz im Ganzen der Entwicklung zuweisen
zu können. Auch hätte für eine solche erschöpfende Behandlung in
mehreren Sprachzweigen meine Kenntnis der betreffenden Sprachquellen
nicht ausgereicht.
Besonders störend war mir meine Unbewandertheit im Nord-
germanischen. An der Hand der mir in Wörterbüchern und grammatischen
Darstellungen zugänglichen Zitate aus den altnordischen Texten vermochte
ich nur das zu konstatieren, daß den Skandinavisten das bedeutungs-
geschichtliche Verhältnis zwischen tttennr tuenner, ßrennr ßrenner^ femer
und den andern Zahlwortklassen bisher dunkel geblieben, und daß der
von ihnen jener Klasse zugeschriebene distributive Sinn ihr abzusprechen
ist Was ich nun so, von den andern Sprachen herkommend, nur ver-
mutete, wurde durch eine eingehendere Untersuchung des Gebrauchs, den
mein Kollege E. Sievers an der Hand der Texte vornahm, bestätigt.
Seine Darstellung, die er mir freundlichst zur Verfügung stellte, und durch
die der wahre Sinn der Zahlwortkategorie tuennr usw. jetzt zum ersten-
male zur Anschauung gebracht wird, ist als Anhang meiner Schrift bei-
gegeben.
Leipzig. K. Brugmann.
Horrwitz E. A Short History of Indian Literature. With an Introduction
by Prof. T. W. Rhys Davids. London, T. Fisher Unwin, 1907. 80. XXXI
and 188 S.
Eine Literaturgeschichte ist das vorhegende Büchlein in keinem
Sinne des Wortes. Es sind einige flüchtig hingeworfene Skizzen über
allerlei aus der indischen Literatur, Religion, Philosophie und Geschichte.
Vom Veda hören wir auf drei Seiten nur einige Oberflächlichkeiten über
▼edische Mythologie, für die eigentliche Vedaliteratur werden wir auf
einen zweiten Band vertröstet. Ebenso wird das Drama bloß im Vorwort
erwähnt ; ein zweiter Teil soll sich ausführlich damit beschäftigen. Trotz-
dem wird das Buch auf dem Titelblatt nirgends als 'erster Band' oder
'erster Teil* bezeichnet. Ziemlich flüchtige und ungenaue Inhaltsangaben
von Mahäbhärata und Rämäya^a müssen für die volkstümliche Epik ge-
nügen. Nach den Epen folgt erst eine Seite über die zum Veda ge-
hörigen Brähma^as und einige armselige Seiten über die Upanisads. Daran
12 Horrwitz A Short History of Indian Literature.
schließen sich einige Mitteilungen aus dem Inhalt der Sütraliteratnr. Ein
*Vedänta' überschriebenes Kapitel endet mit einer Verherrlichung des
Christentums und der britischen Herrschaft in Indien, aber von der in-
dischen Vedäntaphilosophie erfährt der Leser herzlich wenig daraus. &ne
dürftige Buddhabiographie ist alles, was uns vom Buddhismus und tob
der buddhistischen Literatur erz&hlt wird. Nach einigen Mitteilongen
aus Manus Gesetzbuch folgen — man weiß nicht recht warum — zw«
historische ^) Kapitel über Xater Phases of Buddhism* und The Huns and
the Rise of Ujain*. Von den Puränas weiß der Verfasser, daß sie um das
6. Jahrhundert zuerst niedergeschrieben wurden — leider verrät er mis
nicht, woher ihm diese Kenntnis kommt. Neu und überraschend ist auch,
daß die Mythen und Legenden der Puränas von 'Altertumsforschern und
Theologen' ähnlich gesammelt worden sein sollen, wie die ICinder- und
Hausmärchen' von den Brüdern Grimm. Leider hinkt der Vergleich allzn
sehr. Nach den Kapiteln über Turä^as und Tantras* und *Hindn Legends
and Festivals' kommt der Verfasser plötzlich wieder zur Nala-Episode des
Mahäbhärata zurück und vridmet auch dem Sävitrilied ganze fünf Zeüen,
worauf mit ein paar Seiten über die Gedichte KäUdäsas und das Gita-
govinda die ganze indische Kunstdichtung eriedigt wird. Darauf werden
Bänas Harsacarita zwei Seiten gewidmet und Subandhu ehrend erwähnt —
damit sind 'History and Fiction' abgetan. Einige Zeilen über die Jätakas
und ein paar Seiten über Pancatantra und Hitopadeäa genügen für die
Märchenliteratur. Und damit ist die ganze indische 'Literatur* auch schon
zu Ende, denn das noch folgende Schlußkapitel, Xanguages and Nations'
betitelt, enthält nur noch einige Notizen über Sanskrit, Pali, Hindi and
Hindustani. Recht ausführlich sind die sehr gelehrt aussehenden Indices.
Als eine Art Aufputz zieht sich durch das ganze Buch eine reiche
Fülle etymologischer Belehrung, teils in Anmerkungen, teils in Ex-
kursen. Diese Etymologien, welche oft nur in allerentfemtester Beziehung
zu dem behandelten Gegenstande stehen, sind ohne Zweifel manchnud
richtig, manchmal aber auch recht — merkwürdig. Mehr als merkwürdig
ist die Erklärung des Sanskritwortes avatära: **Latin ab (from) corrc-
sponds to Sanskrit ava, and trans (beyond) to tär. Avatär means *froni
beyond' the skies, heaven-descended" (S. 102). Dampati soll gleich pater
familiae sein (S. 77). Manu 'bedeutet' (signifies !) mind, manas, mens (S. 83).
Und S. 55 f. werden mäyä, matter, mater, material, measure, manas, mantra,
metre zusammengebracht, und von der Mutter heißt es da : *The mother
provides a body for her babes; she cuts out their physical material, so
to speak; hence she is calied mater in Latin". Parama ist 'dasselbe
Wort' wie supreme (S. 106). Sonderbar ist auch die Erklärung von
vänaprastha; sie sind 'Hhe sages of antiquity who, in a spirit of seif-
sacrifice, went forth (pra) from their native villages, henceforth to stay
(st ha) in the solitude of the 'forest' (vana)" (S. 151).
Sehr interessant ist die wertvolle Einleitung von Rhys Davids.
Doch erwartet man nach den wohlwollenden Worten, mit denen dieser
1) Zur Charakteristik des Verfassers als Historiker genügt die naive
Bemerkung auf S. 90 : '*To make our point clear we have taken the liberty
to Paraphrase and intermingle the interesting accounts of Indian life given
by Megasthenes and Hiouen Thsang, although the two distinguished writers
are separated by the interval of a thousand years".
Bartholomae Zum altiranischen Wörterbuch. 13
usgezeichnete Forscher das Buch erapßehlt, etwas ganz anderes als das,
ras es bietet.
Prag. M. Winternitz.
Uuriholomae Chr. Zum altiranischen Wörterbuch. Beiheft zum
19. Band der 'Indogermanischen Forschungen". Straßburg, Karl J. Trübner,
1906. 80. Xm und 287 S. 10 vÄ (Für die Abonnenten der "Indogerma-
nischen Forschungen'*, 9 J^),
In so vast a work as the Altiranisches Wörterbuch a certain
.mnber of typographical errors, and even of omissions, were almost ine-
itable, despite the marvellous exactitude and care of the author. Of this
is own list of addenda and corrigenda is sufficient proof. But there
xe two other elements to be reckoned with — the accumulation of additional
laterial and the results of later investigations. To the latter two factors
be book under consideration is devoted, and all who make any use of
he Altiranisches Wörterbuch, which is absolutely indispensible to
ny investigations whatsoever of the literature of Ancient Iran, must
lecessarily consult this supplementary work of its author.
The book is divided into two parts: a masterly 'excursus' on the
owels and vowel-signs in the Estrangelo Middle Iranian manuscripts of
Hu'fan; and a detailed supplementary discussion of specific articles in
be Wörterbuch in which Bartholomae has feit himself constrained either
D criticise the comments of others or to set forth the results of inves-
igations subsequent to the appearance of bis dictionary. These two parts
je preceded by a brief introduction defending certain problems of tran-
cription. That this latest contribution of Bartholomae's is a most admirable
•iece of work goes without saying. Whatever Bartholomae does, is well
lone. His progress from the Alt iranisches Verbum in 1878 to tliis
ontribution twenty-eight years later epitomises in itself the progress of
ranian philology. No longer are we bound to a tradition which, however
aluable, true, and suggestive it be in many passages — almost, we might
ay, in the majority of cases — , often plays us false; nor are we restricted
0 the 'linguistic' method, foisting aUen concepts on Iranian thought. The
ruth, seif evident yet too often ignored, is that both tradition and com-
•arative linguistics must be combined into a happy synthesis, wherein
listory and the science of religion must also be considered, if a true
Bowledge of either the Avesta or the Old Persian inscriptions is to be
.ttained.
Turning from the general remarks to a more detailed discussion,
ire may first consider Bartholomae's prefatory notes on transcription
pp. 6 — 16). Though I no more claim to be an expert in Iranian palaeo-
raphy than Bartholomae himself, it seems to me that he has effectually
stablished his position with regard to the three signs h-, ^, and i.
(artholomae's remarks with regard to h' and i may be dismissed with
imple approval, but as to ^ the case is more involved. At all events, the
haracter can scarcely be a ligature of ^ni» ^^^ "®®^ ^^ necessarily
epresent mH- ^^Y ^^ ^^^ equally well be a ligature of p*^, thus ex-
»laining the equations Skt. marfya^ OPers. martiya, Av. m<iSya^ NPers. mai-d?
'bis is, of course, to be regarded merely as a tentative Suggestion, not
s a positive theory. At all events, it seems safe to conclude, with
14 Bartholomae Zum altiranischen Wörterbuch.
Bartholomae (p. 12), that the evidence is inconclosive that the chartcter
usually transcribed ä was prononnced either hr or ühr, What its exid
connotation was, remains to be determined. The defence of the term
*Avesta* for the language of the Iranian scriptares has, it may be remarked
in passing, the reviewer^s füll approval (pp. 16 — 20).
Perhaps the most valaable portion of the bock, in tbe sense oft
general and sweeping, rather than a detailed and minute, addition to oar
knowledge of Iranian, is the 'excursus' on the Turfan vowels and yowel-
signs (pp. 25—90), in which Bartholomae*s accoracy and scholarship appear
in their happiest expression; while a wealth of new forma and readinp
are here added to the material for some futnre Pahlavi dictionary — ooe
of the most urgent needs of Iranian scholarship. Yet here we miss any
information concerning the treatment of the consonants in the Tarfan
manuscripts; and though the Turfan consonantism differs little from that
of the book-Pahlavi, some general Statement of this fact might well haTe
been given. Attention raight surely have been called to the late character
of the consonant-system, as evidenced, for instance, by Turfan ranvy
(p. 33), 'great', bul book-Pahlavi vazurh; Turfan män-Ud, Hord of the hoose"
(p. 41), but book-Pahlavi män-pai; or the change of intenrocalic <f and f
to y (pp. 27—28, 76 — 77); or the development of a prothetic vowel before
an initial consonant-group (pp. 79 — 83). Furthermore, we have a tantali-
singly brief allusion to points of resemblance between the Turfan-Pahlavi
and the Persian Central dialects (pp. 31, note 1, 60, 61—62). We tbos
fmd in this 'excursus' a mass of valuable detail, but no generalisation,
such as would be most acceptable; and but half the phonology is dis-
cussed, the consonantism receiving scarcely a mention.
The remainder of the Zum altiranischen Wörterbuch, except
for a list of errata in the Wörterbuch itself (pp. 247—266) and the vcrf
complete indices (pp. 261—287), is devoted to the addenda and corrigen<U
of the work to which it forms a Supplement. This portion of the bock is
unfortunately marred by a spirit of criticism of other scholars which can
scarcely be termed anything but polemic. The matter of Bartholomae's
critiques, however, is to the point and convincing in practically every
case ; while the addenda are of the utmost value. The reading of this
section in particular accentuates a desire that I have long feit, that the
author of the Altiranisches Wörterbuch may some day give os a new
translation of the Avesta itself, on the same general lines as his version
of the Gäthäs. Of such a translation there is, it seems to me, a verf
distinct need, and of all living scholars Bartholomae is the best qualified
to prepare one from the linguistic point of view, with due regard to
Iranian traditional renderings at the same time.
In discussing Bartholomae's addenda and corrigenda, I shall mention
bul Iwo points. On p. 227, the comments on w'^'n, ''zum (königlichen)
Haus gehörig*', seem to loose sight of the fact which I have sought to
bring out in my forth-coming article on the Achsemenians in Hastings's
new Dictionary of Religion and Ethics, that the word must still be
held to mean 'all*, as is clear from the Babylonian and New Susian rende-
rings by gabbi and marpepta^ 'all', in passages of the Achemenian in-
scriptions (Babylonian: Persepolis H. 24; Ca. 11, 13; Cb. 21, 25; Van. 26:
New Susian: Persepolis H. 21). I think that, methodically, I have at least
lome justification for adhering still to my view as there expressed. In
Lidön Annenische Stadien. 15
the second place, I still miss a word which, though it does not occur in
an Iranian text, should, I think, have been included — the Markaganai
of Bh. 3, 43. if this represents, as it would seem, an Old Persian margazanay
•T)ird-brood (month)**.
The great value and importance of this tatest work of the brilliant
Orientalist of Giessen is incontestible, and it is in itself a justification of
the honourable name which he has won in the realm of scholarship.
Newark, N. J., U. S. A. Louis H. Gray.
IddtoE. Armenische Stadien, Göteborg, 1906. 8o. 150 S. (Göteborgs
Högskolas Arsskrift, XU, 2).
Durant de longaes anndes, les recherches de phon^tique et de mor-
phologie historiques ont absorb^ le meillear des forces des comparatistes,
et r^tymologie proprement dite a 6t6 relativement n^glig^e ; les hypothdses
^tymologiqaes n'apparaissaient ga^re que comme les cons^quences oa les
accessoires d*6tades sar le döveloppement des phonömes ou des formes
grammaticales. Maintenant qae le gros du travail sar ces questions fon-
damentales semble fait, on revient aux Stades de vocabulaire, et Föty-
mologie indo-enrop^nne s'enrichit presque joamellement de nouveaux
rapprochements, dont la plupart sont, U est vrai, ou övidemment faux ou
donteux. C*est que le terrain n'est gu^re solide ici. En effet, les formes
grammaticales ne s'empruntent gudre d*une langue k Tautre, et Ton part
du principe qu'un ^tat morphologique donn^ doit trouver dans un 4tat
morphologiqae antörieur tous les öl^ments de sa formation — la direction
de r^volution pouvant du reste 6tre d^termin^e par des influences ötran-
g^res comme le montrent les parlers cr^oles. Au contraire, les mots sont
^minemment sujets ä Temprunt; et Ton n*est jamais en droit d'afßrmer
a priori qu'an mot donnö est d'origine indo-europ^enne ; Thypoth^se d'un
emprunt est presque toujours ögalement licite, sinon plus vraisemblable
a priori. Et Ton n'a rien gagnö quand on a constat^ que le mot ^tudi^
n*est empruntö k aucun idiome connu; car, en couvrant TEurope entiöre
et une partie de VAsie, les idiomes indo-europ4ens ont ^limin^ quantitö
de langues dont il ne subsiste plus de traces, ou dont il reste seulement
des noms propres. Pour Evidente qu'elle soit, cette proposition semble
ignor^e de beaucoup d'^tymologistes qui raisonnent comme si tout mot
d*une langue indo-europöenne devait 6tre tenu pour indo-europ4en jusqu*ä
preuve de Temprunt.
II ne dopend pas de M. Lidön que ce principe ne vienne pas mettre
un ^l^ment de doute sur la plupart des ^tymologies indo-europ^ennes ;
tout au plus peut-on lui reprocher — comme k tous les ^tymologistes —
de ne pas le rappeler express^ment et de ne pas marquer assez quelle
incertitude principielle subsiste en pareille matiöre. Mais on louera sans
r^serve le tact dont fait preuve M. L. dans ses rapprochements, la rigueur
avec laqaelle il 6vite d^admettre la moindre infraction aux lois phon^-
tiques ou de comparer des mots trop ^loign^s pour le sens ; ses discussions
sont des modMes de correction et pour la phon^tique et pour la s^man-
tique. Et cette correction ne nuit pas k Tinvention ; personne, depuis quel-
ques annöes, n*a propos^ plus de rapprochements heureux que M. L. L'au-
teur a d'ailleurs un sens juste de ce qui est possible et vraisemblable,
et Ton en peut citer un exemple piquant. Les dictionnaires arm^niens
16 Lid^n Armenisch^ Studien.
ont un mot qui se transcrit toair dans le Systeme de Hübschmann (poor
transcrire lettre k lettre, je noterais tuaj^)^ et qui est traduit par *dot
donn^e par le mari k la femme' ; le mot a ^tö rapprochö de certains antret
noms de sens un peu difTerent ; M. L. repousse le rapprochement, et fl t
bien raison ; car, n'^tant atlest^ qu'au XU« siöcle, k en joger par le die-
tionnaire de Venise, tuayr doit en r^alit^ se lire duayr, et c'est le fran^
douaire. Partout on se sent en süretö avec M. L. qui sait onir TinventioD
k la prudence.
L'ouvrage se compose de 88 notes ^tymologiques ind^pendantes,
dont chacune appellerait une discussion distincte. Un bon nombre des
etymologies sont suspectes par cela seul qu'elles portent sur deux groapes
de dialectes seulement; sauf certains cas particuliers, oü des circoos-
tances speciales viennent confirmer le rapprochement, la ressemblance
de mots communs seulement k deux langues indo-europ^ennes ne peot
passer pour probante ; pour que Thypothtee d'une ressemblance fo>
tuite soit exclue, il faut en g^n^ral Taccord d'au moins trois langues.
Quand donc M. L. rapproche le mot — assez tardivement et assez pea
attestö — arm. tuar 'brebis, troupeau* de v. h. a. zebar Victime', v. angl.
tfber (et got. tibr?), on demeurera sceptique, malgr^ la correction de la
phon^tique et la ressemblance du sens; le mot obtenu est trop isoleeo
indo-europ^en, et a une physionomie trop singuli^re pour un mot isole.
Si Ton 6tait assur^ que arm. tik 'outre' est d'origine indo-europ^enne,
ou si mdme la glose hila * aVL. AdKuivec Hes. se laissait exactement con-
cilier avec le terme germanique occidental v. h. a. ziga 'chfevre', v. angl.
ticcen 'chevreau', on serait peut-ßtre convaincu; mais, en T^tat des choses,
pourra-t-on faire plus que d'admirer la science et ring^niositö de Tauteur?
Parfois ces rapprochements entre deux langues seulement viennent Scheuer
devant quelque difücult^ phonötique ; par exemple, M. L. compare arm.
otork 'poli, uni' et irl. lerg 'plaine'; mais i.-e. / n'est repr^sent^ par arm.
i qu'en fm de mot ou devant consonne; quand on trouve / intervocalique,
c'est dans des formes obscures, ou par suite d'extensions analogiques, ou
par transformation de r (par dissimilation dans Temprunt k Tiranien saia-
wüi-t 'casque' par exemple). Mais, lä oü il s'agit de mots peu suspects
d'CHre emprunt^s comme la famille du got. qipan 'dire' par exemple, on
a lieu de croire a priori que, tout isol^ qu'il soit, le verbe qipan est
d'origine indo-europ^enne ; en rapprochant arm. kofem *j'appelle', M. L.
comble d'une maniere heureuse une lacune accidentelle ; mais il ne faut
sans doute pas identiiier exactement arm. ko^em k v. sax. queddian, etc.,
comme le fait M. L., p. 69 ; il ne scmble pas que le verbe arm^nien soit
un it6ratif-causatif du type indo-europ^en en ♦-eye- ; c'est plutöt un pre-
sent en -t/e- ä vocalisme radical o, comme v. sl. borjg, kdjg ; le vocalisme
0 apparalt en eilet en particulier dans les pr^sents de verbes indiquant
des bruits (v. MSL. 14, 335).
M. L. est au courant de tout ce qui a ^tö ^crit sur la grammaire
compar6c de Tarm^nien; il manie le vocabulaire armönien avec aisance et
süret6. On peut n'ßtre pas d'accord avec lui sur tel detail — et le detail
prßterait ä des discussions infmies — , mais on ne peut contester la pr^
cision de ses connaissances. On ne s'arr^tera ici qu'ä un petit point,
touche incidemment par M. L. On lit, p. 61, que arm. alikh *barbe blanche,
vagues' aurait un a initial r^pondant ä Vo de gr. iroXiöc ; mais d'abord
cet a n'a pas toujours ete initial; il y avait ä Torigine un h, issu de p,
Fraenkel Griech. Denominativa i. ihrer gesch. Entwicklung u. Verbreitung. 17
et surtout rien ne prouve quMl ne s'agisse pas ici d'un degr^ z^ro du
vocalisme, soit ^politfo-, comme dans lat. palumbis, et aussi dans paUeO,
paUidus ; car on ne voit pas comment Va latin pourrait s'expliquer, sinon
par ^päUdo- (de ^p^lido- ou ^p^Mo-y cf. iicXib-vöc, ou de *pelitO') ; la voyelle
Interieure a ^tö syncop^e ; le traiteroent est le m6me que dans lat. Poilux
ou dans meUis en face de gr. liAiroc. On voit par uolnus qu'on ne saurait
poser ici un suffixe ^-no-, car -In- se conserve en latin apr^s syncope.
Presque tous les rapprochements propos^s par M. L. sont corrects
et plausibles, et un bon nombre doivent passer pour des enrichissements
durables de T^tymologie indo-europ^enne ; par exemple la comparaison
de ofot 'tonnerre' et de s\. perunü semble Evidente, de m6me que celle
de harkanem 'je frappe' et de irl. orgaim 'je frappe, je tue* ; dans les deux
cas, il s'agit d'une möme racine, et M. L. constate avec raison qu'il y a ici
une confirmation de la remarque due ä M. Pedersen que le h issu de p
initial est sujet k tomber devant o: cf. otn *pied' et het 'trace de pas',
orth 'veau'. 11 est impossible de relever tout ce qu'il y a lieu de tirer
de d^fmitif de Touvrage de M. L., et il serait superflu de le tenter , car
on y trouvera tant de choses que tous ceux qui s'int^ressent aux questions
etymologiques devront T^tudier de pr^s. L'auteur promet une suite k cette
premi^re s^rie; il est ä souhaiter qu'il ne la fasse pas attendre trop
longtemps.
Paris. A. Meillet.
Fraenkel E. Griechische Denominativa in ihrer geschichtlichen Ent-
wicklung und Verbreitung. Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht, 1906.
VI u. 296 S. (ursprünglich Berliner Dissertation). 8 Jt
Fraenkels Abhandlung bedeutet entschieden einen wichtigen Fort-
schritt in der Erforschung der großen griechischen Denominativtypen.
Am meisten gilt das vom ersten Buch, das die Nasalbildungen unter-
sucht. Hier ist es Fr. in einer Untersuchung über den Weg der Aus-
breitung des Suffixes -a(vu) großenteils gelungen nachzuweisen, wie die
analogische Übertragung von -a(vui auf Bedeulungsverwandtschaft be-
ruht, indem -a{vu) von einigen wenigen alten Vorbildern aus produktiv
wurde zur Bildung von Faktitiva und Intransitiva in gruppierbaren Spezial-
bedeutungen. Für -Ovui verzichtet Fr. fast ganz auf eine ähnliche Unter-
suchung und schreibt das Übergreifen von -Ovu> hauptsächlich einem
dissimilatorisch-rhythmischen Prinzip zu; dem gegenüber habe ich in
meiner Dissertation (Zu den konson. i'o-Präsentien im Griech., Straßb.
1907, S. 70(r. = IF. 21, 82 ßf.) darzulegen versucht, wie auch bei -uvui die
Begriffdverwandtschaft der maßgebende Faktor gewesen ist; auf dieselbe
Arbeit kann ich für Einzelheiten über -aivuj und -Ovui verweisen, ebenso
für Fr.'s Exkurs (S. 286 (f.), der eine neue Hypothese über die Entstehung
der Verba auf -Ovui darstellt. — Das zweite Buch enthält eine Revision
der Auseinandersetzungen von L. Sütterlin (Zur Geschichte der verba
denom. im Altgriechischen, Straßb. 1891) über die Verba auf -öui. Das
Gesamtbild der Entwicklung von -öuj wird allerdings wenig verändert;
am wichtigsten ist die entscheidende Beantwortung der Frage nach dem
Zustandekommen des Typus : Fr. erbringt S. 108 ff. mit Hilfe einer Statistik
der homerischen Formen von -6ui den unwiderleglichen Beweis, daß bei
der Neuschöpfung des Typus in erster Linie der Aorist beteiligt war
(also -löcai nach -äcai), während Sütterlin (S. 96 fr.) ähnliches bloß ver-
Anzeiger \xn. "^
18 Lambertz Die griechischen Sklavennamen.
mutet hatte. Im Übrigen folgt Fr. in der ganzen Anlage großenteils, in
einzelnen BegrifTsgruppierongen nnd Worterkläningen öfter den Sporen
Sütterlins *), ist aber fast überall durch neue Spezialisierung und Grappienmi
tiefer eingedrungen. — In entsprechender Weise bebandelt Fr. im dritten
Buch den Typus -cOui, wo er wieder ohne nennenswerte Vorart)eiter ist
Für die nicht von Subst. auf -€6c abgeleiteten stellt er einzeln oder
gruppenweise in vielen Fällen eine Bedeutungsverbindung mit den Ana-
logievorbildem, den von -cOc abgeleiteten, her; der Rest liefie sich gewiß
durch eine erneute genaue Vergleichung aller Yerba anf -civui auf ein
viel kleineres Minimum reduzieren. — Das vierte Buch, das 'die Ab-
leitungen auf -^ia und -cic von den behandelten Denominativbildungen*
bespricht, liefert manchen wichtigen Beleg fSr den Einfluß des Ionischen
auf den Wortschatz der koiv/i. — Noch ein Wort über Fr.'s Material-
sammlung. Fr.'s Listen umfassen die Belege bis auf Aristoteles; för die
spätere Zeit sollen sie nur eine zufällige Auslese geben, womit ein Ver-
folgen der Entwicklung über die klassische Zeit hinaus ausgeschlossen
wird. Aus den Inschriften läßt sich z. B. mit Hilfe von Sütterlin (S. 111 fit
und 128) das Fehlen verschiedener Belege aus Collitz und aus CIA kon-
statieren. Ergänzungen zum Material über -aivui und -Ovui, auch einige
aus klassischer Zeit, sind in meiner obengenannten Dissertation jeweilen
gegeben. Aufgefallen ist mir bei Fr., daß aus Xenophon, besonders aas
den 'Scripta minora' eine Reihe von Belegen fehlen und zwar nicht nur
Komposita wie 0iT€pce|ivuvec6ai (Zuiiw. 3, 11), biaTiXarOveiv (AaK. iroJL 2. 6),
€tcoiK€io0c6ai (* EXX. V 2, 25), sondern auch diraE cipim^va der klassischen
Zeit wie TopToOcOai (TTepl linr. 10, 4), KimoOv (ibd. 5, 3), XukoOcOqi (Kup.
YIIl 3, 41), CKuXaKcOeiv (KuvnT- 7, 1). — Doch alle diese Aussetzungen
sollen dem Gesamtwert der Arbeit keinen Abbruch tun; sie bleibt eine
wertvolle Förderung unserer Kenntnis der griechischen Sprachgeschichte
und bildet einen weitern Baustein für eine Gesamtgeschichte der griechischen
Denominativa, zu der Fr. S. 205 ff. durch die Ermittelung des Verhältnisses
von -€uuj zu -ixi) einen beachtenswerten Anfang gemacht hat.
Schiers (Graubünden). A. Debrunner.
Lambertz M. Die griechischen Sklavennamen. S.-A. aus dem 57. u. 58.
Jahresbericht des K. K. Staatsgymnasiums im 8. Bezirk Wiens. Wien
Im Selbstverlag des Verfassers 1907. 89 S.
Der Verfasser behandelt die griechischen Sklavennamen, die inner-
halb Griechenlands durch Inschriften und Literatur (Komödie) überhefert
sind. Der reichhaltige Stoff ist gruppiert nach den verschiedenen Arten
der Sklavenbenennung (Name des Herrn, Heimat, Spitznamen usw.). M. E.
hätte es sich wohl empfohlen, die Einteilung Bechtels (in seinen "Attischen
Frauennamen") zu wählen, vor allem die zwei Hauptgruppen, Vollnamen
mit ihren Kurzformen einerseits und die sonstigen Namen anderseits,
einander gegenüberzustellen, statt die Vollnamen mitten einzuordnen, jt
sie sogar auf zwei getrennte Abschnitte zu verteilen (8. Vollnamen, welche
als ersten Bestandteil den Namen eines Gottes haben, 14. Vollnamen mit
1) Vgl. z. B. -6ui für Krankheiten bei Fr. 94 f. und 97 mit Sütt. 121.
-öui für 'Bestrafen mit etw.' bei Fr. 72 f., 95, 98 f. mit Sütt. 123, banavdw
bei Fr. 96 mit Sütt. 128, CT€^^aTöu) bei Fr. 99 mit Sütt. 122.
Reik Der Optativ bei Polybius und Philo von Älexandria. 19
ihren Kurzformen). Aach würde ich innerhalb der einzelnen Gruppen eine
chronologische Anordnung vorgezogen haben, damit die Resultate der
Untersuchung unmittelbar in die Augen springen. Unter diesen Resultaten,
die S. 73 ff, gegeben werden, ist kulturgeschichtlich am meisten bemerkens-
wert, daß die Namengebung der Freien und Sklaven im Laufe der Jahr-
hunderte allmählich ausgeglichen wird, d. h. daß die charakteristischen
Unterschiede beider immer mehr verschwinden. Im Athen der klassischen
Zeit war der Vollname den Sklaven verwehrt, in der hellenistischen Zeit
kommen Vollnamen auch bei Sklaven mehr und mehr in Gebrauch, und
in der Kaiserzeit tragen Bürger wie Sklaven beliebige Namen ; in andern
Landschaften beobachtet man größere Zurückhaltung in der Verwischung
der beiden Klassen — mit Ausnahme von Lakonien, wo die Sklaven durch-
gängig wie die freien Bürger benannt werden. Diese Ergebnisse zeigen;
wie dankbar die Bearbeitung des Themas war. Aus dem Stoffe ist übrigens
besonders hinsichtlich seiner kulturhistorischen und literarischen Ver-
wertung noch nicht alles herausgeholt, was herauszuholen ist. Aber der
Verfasser hat mit seiner fleißigen und umsichtigen Sammlung die Grundlage
für weitere Beobachtungen gegeben. Ich vermisse z. B. eine genauere Un-
tersuchung des Verhältnisses von Voll- und Kurznamen, sowie der dichte-
rischen Sklavennamen im Verhältnis zur Wirklichkeit des Lebens. Ich
begnüge mich mit diesen allgemeinen Bemerkungen, da eine erneute Be-
arbeitung und Ergänzung des Themas von anderer Seite in Aussicht steht.
Marburg. Albert Thumb.
Reik K. Der Optativ bei Polybius und Philo von Älexandria. Leipzig,
Buchh. Gust. Fock, 1907. 8o. XII u. 197 S. vÄ 3,50.
Der Verfasser der W. Schmid in Tübingen gewidmeten Doktor-
abhandlung hat die beiden vielfach von einander abweichenden Vertreter
des hellenistischen Griechisch mit Absicht einander gegenüber gestellt —
u. a., um ihr Verhalten zu dem seit dem zweiten vorchristl. Jahrh. begin-
nenden Rückgang des Optativs zu untersuchen. Dabei beschränkt er sich
für Polybios auf die kritisch herausgegebenen fünf ersten Bücher, in der
durch Stichproben bestärkten Überzeugung, daß auch die Herbeiziehung
des weiteren für ihn noch zur Verfügung stehenden Materiales kein we-
sentlich anderes Ergebnis zutage fördern würde ; bei Philo berücksichtigt
er die ihm acht erscheinende Schrift De aetemitcUe tnundi in der Aus-
gabe von Cumont ; überhaupt hat er durchweg die besten Hilfsmittel zu-
grunde gelegt.
Zunächst behandelt er den Optativ bei Polybios nach Form und
Inhalt. Der des Präsens der Kontrakta ist selten, der des Perfekts Akt.
kommt nur 1 mal vor, ebenso der des Mediums. Der Opt. Aor. Akt. er-
scheint in der 3. Person Sg. 20mal mit -m, nur vor Konsonanten 18 mal mit
-€i6(v), 14 mal vor Kons., 4 mal vor Vokalen, in der 3. Plur. 23 mal mit -aicv,
1 mal mit -ciav; der Aor. Pass. auf -Btiv zeigt 3 mal -Beiev, dazu 1 mal ^m-
pai€v, der auf -nv 2 mal -cfiicav, dazu 1 mal ctncav. Ferner ist zu erwähnen,
iTp66oiTo (irpoeoiTo) Imal wie auch im Attischen.
Was die Syntax (bezw. Semasiologie) des Optativs anbelangt, so ist
zu unterscheiden der modale und der temporale Gebrauch, wobei unter
letzterem die sog. Aktions- oder Zeitart verstanden ^-ird. Als Grund-
bedeutung faßt Reik mit Kühner-Gerth die der Vorstellung.
20 Reik Der Optativ bei Polybius und Philo von Alezandm.
Im wünschenden Sinne kommt der Optativ, wie in einem Geschichts-
werk leicht erklärlich ist, nur 3 mal vor, darunter 2 mal mit €\r\. Als Po-
tentialis erscheint er, sowohl im selbständigen als im abhängigen Satz,
und zwar fmdet man in Hinsicht auf das Genus Yerbi : es kommen
im selbständ. Satz im abhäng. Satz. Zus.
auf das Aktiv Ö9 + 34 93
Medium 10 -f 11 21
Passiv 5+2 7
Depon. Pass. 2 4-1 3
124 Fälle.
Außerdem hebt Reik hervor, daß die Zahl der den Optativ beim
Präsens verwendenden Verben sehr beschränkt sei, während der
Aorist erheblich größere Freiheit aufweise. Der Optativ Praesentis ist
gebunden unter 24 Fällen
in 16 (14 im selbständ. 4- ^ iin abh. Satz) an eivai
in 6 (2 -|- 4) an büvacöai
in 2 an ßo6X€c6ai, dazu gesellen sich 8 Einzelfälle.
Dagegen haben wir bei den 79(80) Optativen des Aoristes
11 Fälle (8 im selbst. + *^ im abh. Satz) bei €t)p(cKciv (1 mal 6v cöpcOcin)
5 Fälle (1 + 4) bei To\|uäv
4 Fälle 3 + 1) bei cpaivccOai
3 Fälle (2 + 1) bei boK€iv
8 Fälle (i. selbst. S.) bei cliieiv
3 Fälle (ebenso) .bei q)f\cai
8 Fälle (ebenso) bei 6au^d2l€lv
8 Fälle (in abh. Satz) bei woicTv (1 mal med. iioii^caiTo)
3 Fälle (nur im Inf.) bei Tra6€iv
2 Fälle (im selbst. Satz) bei dTropcTv
2 Fälle (1 + 1) bei XP^^cGai
2 Fälle (im selbst. Satz) bei vo|ui{Z;€iv
2 Fälle (1 + 1) bei X/|T€Iv
2 Fälle (i. selbst. Satz) bei ^cpiicvciceai
2 Fälle (1 + 1) bei buvaceai.
Was die Bedeutung des Potentials im einzelnen betrifft, so stehen
68 Fälle für die Möglichkeit
41 Fälle für die gemilderte Behauptung
3 Fälle für den Willen
1 Fall für den Wunsch
Zus. 113 Fälle.
Hinzuzufügen ist, wie im Attischen, daß dv niemals fehlt, daß eben-
sowenig Optat. Fut. mit dv auftritt wie Infin. oder Indikat. Fut mit &v, daß
dagegen der Dpi. Präs. oder Aor. mit &v manchmal futurähnlich erscheint,
daß der Optat. mit 6v sich auf Zukunft und Gegenwart beschränkt und
nicht (wie bei Herodot) auch auf die Vergangenheit übergreift. Abweichend
vom Attischen wird vermißt der Optativ mit Äv in der Schlußfolgerung
und der Optativus urbanitatis. Die zwei Hauptergebnisse lauten (S. 20):
1. Der Potentiale Optativ ist beiPolybius sowohl in Tempus als Verwendung
im Rückgang begriffen, im Präsens auf wenige bestimmte Verbalaasdrücke
(stereotyp) beschränkt und in rhetorischem Gebrauche selten. 2. Im übrigen
wird er in schlichter, natürlicher, mit dem attischen Vorgang fiberein-
stimmender Weise gesetzt.
Reik Der Optativ bei Polybios und Philo von Alexandria. 21
Es folgt nunmehr der Optativ im abhängigen Satz, dessen ein-
zelne Arten erschöpfend behandelt werden. An erster Stelle steht der
ideelle Optativ, d. h. der in Aussagesätzen mit öti, die usw. nach
Nebentempora, wozu auch das Präs. historicum gehört. Dabei entsprechen
die Optative der verschiedenen Verbalstämme den betr. Indikativen. Im
E^räsens tritt eine Vorliebe für wenige bestimmte Verben hervor : 8 cTn,
1 irapcin. 1 b^oi, 2 bövairo, 3 Ix^x. Dabei soll Wechsel zwischen Optativ
and Indik., z. B. I, 32, 4 cq>aX€{ncav-buvi^covTai auf den Unterschied des
[subjektiveren) Frage- und des (objektiveren) Aussagesatzes weisen. An
anderen Stellen wie III, 11, 5 — 6 i<pr\ — im^Xci — Koracircicai — ßoOXcTai
soll ein Wechsel des Standpunktes mitgewirkt haben : die Optative geben
nach Reik die Worte Hannibals, der Indikativ (im indirekten Fragesatz) die
seines Vaters wieder. III, 26, 3 — -1; Oirdpxoicv — Ibex — Oircp^ßaivov soll der
Wechsel der Modi auf einen Standpunktwechsel des Polybios selbst hin-
deuten, indem er zuerst als Kritiker des Philinos, dann aber einfach als
Referent von dessen Worten auftrete. Derartige Fälle zählt der Verfasser
noch mehrere auf und erklärt sie in derselben Weise. Im allgemeinen
stellt er fest, daß Polybios den Optativ selten gebraucht und fast stets
den Indikativ angewandt hat und zwar gewöhnlich auch im Tempus der
direkten Rede; jedoch soll dem Präsens 5 mal das Imperfekt und dem
Perfekt Imal das Plusquamperfekt entsprechen. Statistisch ausgedrückt
ist das Verhältnis von Optativ zu Indikativ = 23 : 216 =* 1 : 9,4. Wenn
schon das Attische eine Vorliebe für die Beibehaltung des Modus der un-
abhängigen Rede hat, so ist diese bei Polybios noch weit stärker. Da nun
bei ihm der Indikativ auch da steht, wo die Äußerung oder der Gedanke
gar nicht der Wirklichkeit entspricht, z. B. nach irpöq>acic u. ä., so hält
sich Reik zu dem Schlüsse berechtigt, daß das Zurücktreten des Optativs
bei ihm nicht auf einen inhaltlichen Grund, d. h. der Verschiedenheit des
Subjektivitätsgrades, sondern "auf einer tatsächlichen Abneigung des
Schriftstellers gegen den Gebrauch des Optatives" beruhe (S. 29). Auf
derselben Seite jedoch macht der Verfasser darauf aufmerksam, daß die
verschiedenen Satzarten sich verschieden verhalten im Gebrauch des Op-
tativs und Indikativs, und zwar ergibt sich für die Aussagesätze 1 : 10,4, für
die ideell abhängigen Relativsätze 1 : 19,5, für die andren ideell abhängigen
Nebensätze 1 : Id, dagegen für die Fragesätze 1:4, 9, d. h. also, in letz-
teren tritt der Optativ doppelt oder dreimal so häufig auf als in den an-
deren Satzarten: diese Tatsache nun führt Reik auf den subjektiveren
Charakter der Frage zurück und meint, das verschiedene Frequenz Ver-
hältnis sei somit "ein natürlich gegebenes und wohlbegründetes" und es
sei darin "klar ausgesprochen, daß auch bei dem relativ seltenen Gebraucli
dieser Art des Optativs Polybius sich doch dessen natürlicher Bedeutung
und der korrekten Verwendungsweise wie sie von den Attikem entwickelt
worden war, noch wohl bewußt war".
Was die Zeitformen anbetrifft, so verhalten sich Optativ zu Indi-
kativ im Präsens wie 13 : 106, im Perfekt wie 1 : 19, im Aorist wie 7 : 19,
im Futur wie 2 : 53, d. h. 1:8, 1 bezw. 19 bezw. 2, 7 bezw. 26, 5, d. h. sehr
selten ist der Optativ des Futurs und des Perfekts, recht häufig der des
Aorists, während auch hier das Präsens zurücktritt. Hieran anschließend
sucht Reik nochmals nachzuweisen, daß da, wo der Optativ trotz der
Abneigung des Schriftstellers gegen diesen Modus steht, er durch innere
Gründe hervorgerufen, um nicht zu sagen entschuldigt sei : so bei ^p^oXciv,
22 Reik Der Optativ bei Polybius und Philo von Alexandria.
wo er mit Ausnahme einer einzigen Stelle immer auftrete, weil es ein
Verbum des Affektes sei; ja III, 15, 12 öti . . ein iroXc^irr^ov caqiiDc elbÖTEC
soll heißen '*mit Bedauern einsehend, daß der Krieg nicht zu vermeiden
sei" und die *'Farbe des Affekts** tragen. Ähnlich soll in abhftngigen Frage-
sätzen I, 33, 3 ^ßouXcOovTo, irtdc Kai ri irpatcr^ov ein und III, 84, 5 bioßou-
Xcuö^ievoi, tI bct irpdTT€iv dort ein "subjektives Stimmungsbild**, hier ein
"einfacher objektiver Bericht'* gegeben sein oder Y, 20, 2 f|ir6pouv, ri b^ov
etr) TToictv der Schriftsteller von seinem eigenen Standpunkte aus über
die Motive der Messenier berichten, dagegen I, 60, 6 biniröpci, ri bct xpV
cOai "eine lebhafte Hineinversetzung in den Gedankengang des Lutatius"
stattfinden.
Reik glaubt hieraus schließen zu dürfen, daß Polybios da, wo er
den Optativ neben dem viel häufigeren Indikativ beibehält, ein begründetes
und natürliches Verfahren befolge: wo er ihn überhaupt gebraucht, da
geschehe dies, "wenn er die zu berichtende Äußerung oder Yorstellong
nicht in der ursprünglichen, klaren, authentischen Form, wie sie ge-
sprochen oder gedacht wurde, sondern mehr unbestimmt, etwa als Symp-
tom einer Stimmung, eines Affekts, ohne Rücksicht und Betonung der ur-
sprünglichen Form, auffaßt, d. h. wenn er seinen Gregenwartsstandpunkt,
nicht den der Vergangenheit, einnimmt**.
In einem Nachtrag verbreitet sich der Verfasser sodann noch über
den Acc. c. inf. bei Relativen. Wie im Lateinischen und Attischen tritt er
dann auf, wenn der Nebensatz nur in loserem Zusammenhang mit dem
Hauptsatze steht, also in den Fällen, für die kürzlich Stahl in seiner Syntax
des griechischen Verbums den Ausdruck "parathetisch** geprägt hat: Reik
hndet, daß Polybios diese Art der Anreihung da, wo er nicht den Indi-
kativ beibehält, immer noch der optativischen vorzieht. Obrigens möchte
ich zur Erwägung stellen, ob nicht 111,11,6 ^ircl b^ KoXXicpi^cac Koracirei-
cai . . . Kai TTOi/icai Td vo|LiiZ:ö|Li€va vielmehr Koracircicai und iroif^cai zn
lesen angebracht wäre.
Der Potentiale Optativ mit Äv wird bei Polybios so wenig als bei
den Attikern durch die abhängige Rede beeinflußt; er tritt 84 mal auf.
Die Frage, ob der Optativ an Stelle des Konjunkt. deUberat. nach Neben-
tempus vorkommt, entscheidet Reik negativ: I, 62, 2 iroioic f|T€u6av
TroXeM)')C€iav oOk cixov hat die beste Oberlieferung 1roX€^l^celv; außerdem
findet sich der Konj. delib. selbst in den ö ersten Büchern (und vielleicht
auch sonst) nicht ; endlich bedient sich Polybios sonst der Umschreibungen
mit bei, b^ov etr|, XP»*! oder dem Adj. verb. oder dem Futur. Darum schlägt
der Verfasser vor, "aus dem Tro\e^i/|C€iv das der Form nach wenig ab-
weichende ^^oXe^TlT^ov zu korrigieren" und so den an Stelle des Konjunkt.
dehber. tretenden Optat. obliq. endgültig auszumerzen ; ich bekenne, nicht
überzeugt zu sein. Zusammenfassend ergibt sich : 1. in ideell abhängigen
Sätzen tritt der Optativ hinter dem objektivierenden Indikativ auffallend
zurück und steht für den Konj. delib. vielleicht gar nicht. 2. Andererseits
zeigt Polybios ein richtiges Verständnis für die Eigenart des Modus und
bewegt sich hier in den Bahnen der Attiker.
Was den Optativ nach Nebentempus in Final- und Befürch-
tungssätzen angeht, so erscheint er im Finalsatz nur 1 mal, im Be-
ftirchtungssatz 8 mal, dagegen der Konjunktiv dort 39 mal (22 mal im
Präsens, 17 mal im Aorist), hier 33 mal (22 mal im Präsens, 11 mal im
Aorist), d. h. der Optativ ist hier neben dem Konjunktiv fast völlig ge-
Reik Der Optativ bei Polybius und Philo von Alexandria. 23
seh wunden. Reik ist nun durch dieses merkwürdige Zahlenverhältnis zu
der Frage geführt worden, ob nicht auch hier sachliche Gründe mitherein
spielen und glaubt solche wirklich zu ßnden: Der Konjunktiv ercheint
nach ihm da, wo der regierende Satz das Subjekt enthält, dessen Ab-
sicht der abhängige Satz mitteilt, und der Schriftsteller hat entsprechend
seiner scharf ausgeprägten Neigung zu objektiver Darstellung den Modus
der direkten Rede beibehalten, indem er sich auf den Standpunkt des
redenden bezw. denkenden oder aber des handelnden Subjekts stellt ; in
6 Fällen reicht die Handlung bis in die Gegenwart herein. Dagegen ist in
dem einzigen Beispiele mit Optativ (111,43, 3) das übergeordnete Subjekt eine
Sache, die nicht zum Träger ''bewußter Absicht, bewußten Handelns ge-
macht werden kann. Der Schriftsteller kann sich also hier nicht auf den
Yergangenheitsstandpunkt eines handelnden Subjekts stellen, dessen Ab-
sicht er durch einen Konjunktiv objektiv berichten könnte; er kann die
beabsichtigte Handlung nur noch von seinem, der Gegenwart, Standpunkt
aus vorgestellt — durch den Optativ — , nicht mehr als vom handelnden
Subjekt erwartet — durch den Konjunktiv — bezeichnen**. Auch in den
übrigen Büchern, außer I— Y soll diese Unterscheidung zutreffen. In VIII,
28, 4tva — KUTOirTcOcij . . . , dXX' ol \iiv — Tivoivro . . . , ol b^dvoT-
T^XXoicv soll '*der Moduswechsel sehr wohl durch einen Wechsel des
Standpunktes des Schriftstellers erklärbar sein, indem der Konjunktiv
"unmittelbar den Befehl Hannibals** wiedergibt, die Optative dagegen
die Folgen des von Hannibal negativ gefaßten Zweckes des Befehls in
positiver Form als Ergänzung des Schriftstellers weiter ausführen.
Noch näher liegt es bei den Verben desFürchtens, daß der Be-
richtende, sich auf den Standpunkt des Subjekts stellend, nach Neben-
tempus den Konjunktiv gebrauche : imter 33 Fällen tut er es tatsächlich
30 mal und bei den 3 Optativen läßt sich überdies ein besonderer Grund
aufdecken : IV, 71, 6 cuvccran^vov cl^ ist das Ereignis schon eingetreten
und darum die Vorstellung hiervon stärker als der Wunsch des Gegen-
teils; sonst mag, meint Reik, optativische Umgebung oder ein potentialer
Nebengedanke mitgewirkt haben. Auch der Indikativ Perfekti kommt
einmal (III, 111, 1) vor: der Verfasser denkt daran, daß die Vorstellung
der Wirklichkeit in Betracht zu ziehen sei, jedoch genügt es, auf das
attische Vorbild hinzuweisen, das diesen Gebrauch bekanntlich ebenfalls
kennt. Das Gesamtergebnis lautet auch hier wieder: 1. Der Optativ ist
fast verschwunden. 2. wo er steht, ist er dem korrekten attischen Ge-
brauch entsprechend verwandt. Interessant sind die Vergleichszahlen, die
zeigen, daß sich Konjunktiv und Optativ verhalten bei Herodot wie 86 : 47
(1, 8 : 1), bei Thukydides wie 168 : 60 (2,8 : 1), bei Polybios I— V aber wie
72 : 4 (18 : 1), insgesamt (nach Diel) wie IfJ-i : 13 (12, 6 : 1). Nach Reik
ist dies ein zweifelloses Anzeichen für den natürlichen Rückgang des
Optativs.
In Relativsätzen steht der Optativ bei Nebentempus wie im
Attischen entweder als Iterativus oder als Obliquus bei ideeller Abhängigkeit
für den Konjunktiv mit dv, der übrigens nach Reik auch im ersteren Fall
zugrunde liegt, wofür ich einen Beweis vermisse, ohne den ich diese An-
sicht nicht für begründet halten kann. Der Iterativus erscheint 16 mal
(nach ÖT€, 6irÖT€, €t, citc 4 mal im Präsens, 12 mal im Aorist, das re-
gierende Verb stets im Imperfekt) ; I, 2, 2 öcqkic ^TÖX^l^cav . . . ^KivbOvcucav
ist auch nach attischer Norm korrekt, weil es sich hier um einen zu-
24 Reik Der Optatir bei Polybius and Philo von Älezandria.
sammenfassenden Gesamtüberblick handelt. Alles in allem genommen
zeigt *'daß der iterative Optativ in Temporalsätzen sich bei
Polybius seine volle Geltung bewahrt hat"*. Ganz anders ist es
bei dem Optativus obliquus an Stelle von Konjunktiv -f- ftv : hier ist das
Verhältnis nur wie 2 : 30 (1 : 15). Er tritt hier also wie auch sonst fast
ganz zurück. Dabei glaubt Reik gefunden zu haben, daß Polybios auch
hier ein festes Prinzip befolgte, indem er sich da, wo er die ver-
gangenen Worte oder Gedanken in klarer, bestimmter Form vor Augen
habe, auf den Standpunkt des Redenden oder Denkenden, also den der
Vergangenheit, stelle und im ursprgl. Modus berichte, sonst aber den
Optativ wähle. Ja, selbst der inhaltliche Unterschied der Verben soll her-
einspielen. ßoOX€c6ai als ein Wort der Absicht schlechtweg soll den
Optativ begünstigen, xpivui dagegen, bei dem es sich um einen klar be-
stimmten, in scharf ausgeprägter Fassung gedachten Entschluß handle,
soll dem Konj. mit ftv näherliegen u. ä., und die Abneigung gegen den
ideellen Optativ denkt sich der Verfasser sogar soweitgehend, daß er
annimmt, in Fällen wie I, 30, 9 oök dv^jutctvov ?uic irapcrdHavTO, wo die
Handlung des Nebensatzes doch augenscheinlich rein gedacht sei, weil
sie gamicht wirklich werde, sei der Indikativ eigentlich wider den Sinn
gesetzt, nur um dem Optativ zu entgehen, eine Ansicht, die mir angesichts
ähnlicher attischer Fälle und der Möglichkeit, im deutschen schließlich
ebenso Tiatten' zu setzen, wie Tiätten* nicht zwingend erscheint An
zwei Stellen (IV, 32, 5—6 und XIH, 7, 10) will er ötov mit Ind. Ipf.
bezw. Aor. halten und darin ein Zeichen erblicken : **davon , daß
Polybius' Sprache sich von der Korrektheit des Gelehrten fernhält and
mit der lebendigen Sprache seiner Zeit in Berührung stehf; auf
Grund welches Zeugnisses er der letzteren diese Erscheinung zuschreibt,
gibt er nicht an, da die Verweisungen auf Schmids Attizisraus kaum
zureichen werden, ihr Vorhandensein zu erhärten. Er hätte wohl besser
getan, den Indikativ des histor. Tempus mit örav für Polybius ebenso
anzuzweifeln wie er örav mit Optativ bestreitet. Das Gesamtergebnis
für diesen Abschnitt lautet : 1. Der Optat. iterat. entspricht dem gut
attischen Sprachgebrauch. 2. Der Opt. obliq. an Stelle des Konj. mit 4v
tritt völlig zurück. 3. Gar nicht findet er sich zur Bezeichnung der in
der Vergangenheit erwarteten Handlung.
Auch im Relativsatz ist der Optativus iterativus an 6 Stellen "in
ungeschmälertem Umfang und in korrekter Weise gebraucht".
Was den Optativ im hypothetischen Satzgefüge betrifitt, so ist
der Potentiale Fall 7 bezw. 9 mal ganz nach attischer Art gebraucht;
dazu würde ich 1, 4, 6 zählen, wo Reik statt öiroXdßci vielmehr ötro-
XttMßdvei vermutet, während mir wirklich öfroXdßoi näher zu liegen scheint;
das ÖTT€p ^CTiv oöbaibiüöc cIköc spricht nicht dagegen, weil cCköc nicht wie
der Verf. sagt, die 'Nichtwirklichkeit', sondern nur die Nichtwahrschein-
lichkeit der Behauptung bezeichnet, ei mit Optativ anstatt ^dv mit Konj.
erscheint 18 mal, von denen 13 die Folgen des ursächlichen Verhält-
nisses als gewiß, 5 als in der Zukunft möglich darstellen. Dagegen ist
idy mit Konj. beibehalten an 57 Stellen (21 mit Präs., 36 mit Aor.), wobei
IV, 35, 3 dcq)dX€iav TrapecKeuaCe t6 lepöv, k&v GavdTou xtc ^ KoraKCKpi-
M^voc gefaßt wird als eine Art sehr freier oratio obliqua mit Nachv^irkung
der formelhaften Tempelgesetzessprache. Während sich also im Temporal-
satz der Optat. obl. zu &v mit Konj. verhält wie 2 : 30 == 1 : 15, im hypo-
Reik Der Optativ bei Polybius und Philo von Alexandria. 25
thetischen Relativsatz wie 3 : 16 = 1 : 5, 3, bietet das Bedingungsgefüge
die Zahlen 18 : 57, d. h. 1 : 3, 2, und ist darnach dem Optativ günstiger.
Dabei wird wieder auf einen inhaltlichen Unterschied der regierenden
Verben hingewiesen : bei Verben des Sagens stehen nur 2 Optative gegen
41 Konj. mit &v, bei solchen des Denkens aber 16 gegen 16, d. h dort
ist das Verhältnis 1 : 21, hier 1:1. Bei eigentlich indirekter Rede also
behält auch hier Polybius fast immer den ursprünglichen Modus bei und
verschmäht den Optativ. Wo Wechsel stattfindet wie in IV, 15, 9 f. ^dv
dcpiCTuivrai . . . ^\|iii<pfcavTo, dann aber et . . . &toi€v . . ., ^TTyjTTcXXov,
€f . . . ^XoivTO . . ., ^iroiouv, soll der Konj. in durchaus objektiver
Weise den Wortlaut des Beschlusses wiedergeben; dann aber komme
mit irpärima irdvriuv dXoTdiTaTov ein Urteil des Schriftstellers und dieses
begründe er im folgenden, insofern er den Beschluß nun in dem Lichte
vorführe, in dem er ihm erscheine; wir hätten es demnach wieder mit
einem Standpunktwechsel des Schriftstellers zu tun. V, 104, 1 lfpr\ beiv . . .
Xdpiv ?x€iv . . . €l . . . bövaivTo stimmt allerdings zu diesem Gesichtspunkt
nicht, aber Reik meint, dieser Fall beweise höchstens, 'daß Polybius in
seiner Modusbehandlung nicht nach der Schablone verfahren ist*. Im
übrigen jedoch betont er, daß auch hier ein Unterschied der Verba fest-
zustellen sei: nach denen des Erkennens und Überlegens überwiege der
Konjunktiv mit &v, nach denen der Annahme, des Wollens und Affektes
der Optativ. Im einzelnen steht bei Ausdrücken der Annahme 7 mal der
Optativ, Imal der Konj., nach denen des Wollens 3 mal bezw. Imal, nach
denen des Affekts 2 mal bezw. Omal, dagegen nach denen des Erkennens
Imal bezw. 9 mal, des Überlegens Omal bezw. 2 mal. Nach Reik folgt
hieraus, daß beim Konj. mit &v "der Schriftsteller den vom vorstellenden
Subjekt vollzogenen geistigen Akt selbst gewissermaßen mitvollzogen, also
auch die in demselben enthaltene Erwartung mitempfunden hat und sie
nun im Sinn des erwartenden Subjekts reproduziert, während er uns im
zweiten Fall, sich auf den Standpunkt seiner Gegenwart stellend, die
Erwartung zur bloßen Vorstellung abgeschwächt zeigt". Selbst wo gleiche
oder synonyme Verben verschieden konstruiert werden, soll derselbe
Unterschied hervortreten, so I, 82, 2 gegenüber II, 33, 3, wo dort öpiöv
mit Optat. eine innere Wahrnehmung subjektiver Natur, dagegen hier
cuveujpaKdrcc eine durch objektive äußere Wahrnehmung gewonnene Er-
fahrung bezeichnen. Wiederum lautet das Ergebnis des Verfassers dahin,
daß Polybius den Optat. an Stelle des Konj. mit &v nur dann verwendet
habe, wenn er das Vergangene vom Standpunkt der Gegenwart aus be-
richten wollte; er tat das selten, dann aber in ganz korrekter Weise. II, 50,
8 f|Twv(a . . ., €( . . . ßouXcOcoiTo, ji»*! . . . dvaXdßri wird der auf-
fallende Moduswechsel in ausführlicher psychologischer Ausdeutung gleich-
falls auf einen Wechsel im Standpunkt des Schriftstellers zurückzuführen
versucht. Endlich ist zu erwähnen, daß 10 Fälle von €{ mit Indik. in
abhängiger Rede nur 1 mit Umsetzung in den Optativ gegenübersteht:
**die Beibehaltung des ursprünglichen Modus ist also hier die
Reger. Das Gesamtergebnis für die Wennsätze lautet: 1. Der Optativ
tritt gegenüber idv c. Conj. stark zurück, wird aber, wo er auftritt, richtig
gebraucht. 2. In den übrigen Formen der hypothetischen Periode "verfährt
er in der Optativbehandlung durchaus nach den Grundsätzen des
attischen Sprachgebrauchs". 3. Unregelmäßigkeiten begegnen nicht
(außer in einem überdies anscheinend anfechtbaren Falle).
26 Reik Der Optativ bei Polybius und Philo von Alexandria.
In völlig entsprechender Weise wird der Optativ bei Philon bis
in seine Einzelheiten verfolgt und dabei hinsichtlich der Aktionsarten
dasselbe, dagegen hinsichüich der modalen Seite ein wesentlich ab*
weichendes Ergebnis gewonnen : Während der Optativ bei Polybiosäußeriidi
im Rückgang begriffen ist, dabei aber mit richtigem Sprachgefühl gesetxt
erscheint, befmdet er sich äußerlich betrachtet bei Philon wieder im
Vordringen, wird dagegen, wie mannigfache Erscheinungen, besonders
sein Vorwiegen als obliquus nach Haupttempus, zeigen, in unnatürlicher
Verwendung gebraucht und verdankt dies lediglich einer künstlichea
Wiedereinführung. So bietet uns der eine, im Mutterlande lebende, Schrift-
steller das Bild der natürlichen Sprache seiner Zeit, der andere, in
Alexandria angesessene, dagegen verrät bereits den Einfluß des nach-
ahmenden Attizismus; in Wirklichkeit spricht er dafür, daß der Optativ
noch weiter erloschen war als bei Polybios.
Wir stimmen diesem Ergebnis Reiks bei und zweifeln nicht, dafi
es als gesicherter Posten in die Bücher der historischen Syntax des
Griechischen aufgenommen werden wird. Jedoch weichen wir von seiner
Auffassung in einigen Punkten ab, die wir mit Beschränkung auf Fragen
von grundsätzlicher Bedeutung hiermit zur Sprache bringen.
Fürs erste möchte ich bemerken, daß die von dem Verfasser einfach
aus Krüger, Kühner-Grerthusw. herübergenommenen Ansätze für die Aktions-
arten des Präsens- und Aoriststammes nicht durchweg zutreffend sind und
nicht ohne weiteres stets die beste Unterlage für die Interpretation abgeben,
wie dies u. a. von mir dargelegt worden ist in Bd. 12 und 17 der IF. und
zuletzt in einer ausführlichen Besprechung der Abhandlung von Mario
Barone "Süll uso delF aoristo", welche denmächst in der Berl. philol.
Wochenschr. erscheinen wird.
Sodann ist nicht über allen Zweifel erhaben, daß der Konjunktiv,
wo er abhängig von einem Nebentempus steht, das Ursprüngliche sei:
der ausgezeichnete amerikanische Gelehrte Basil E. Gildersleeve macht
auf Seite 129 seiner feinen "Problems of Greek Syntax'* (Baltimore 1903)
unter Hinweis auf Bd. 5 und 8 des von ihm geleiteten American Journal
of Philology die Bemerkung: "Nothing would be more unhistorical than
the Statement that after historical tenses the optative is permissible only,
not necessary . . . It is the — unconventionaÜty of the subjective after
the historical tenses that gives it the charm of dramatic directness, of
what is called repraesentatio". Gildersleeve bemerkt noch, daß der Anfang
dieser revolution bei Herodot zu suchen sei, und Wackemagel nebst Thumb
liaben kürzlich auf der Basler Philologenvcrsammlung den Gedanken ge-
äußert, es möchte die geradezu einen Bruch mit dem Attischen darstellende
Verdrängung des Optativs durch den Konjunktiv im späteren Griechisch
ähnlich wie die des attischen Passivfuturs auf -co^al durch das auf
-(6)r|Co^ai auf Rechnung des Ionischen zu setzen sein, das ja unbestreitbar
von den Mundarten am meisten zum Aufbau der Kotvfi beigetragen hat.
Im Zusammenhang hiermit mochte ich dem Zweifel Ausdruck ver-
leihen, ob es denn überhaupt wahrscheinlich sei, daß sich Polybios noch
eines inhaltlichen Unterschiedes von Konjunktiv (und Indikativ) einerseits,
Optativ andrerseits bewußt gewesen wäre. Reiks Bemühungen, dies durch
den Hinweis besonders auf die Eigenart der regierenden Verben darzutun,
sind ebensoviele Zeugnisse seines Scharfsinnes, bewähren sich aber meines
Erachtens bei näherem Zuschauen nicht als stichhaltig. Selbst wenn seine
Reik Der Optativ bei Polybius und Philo von Alexandria. 27
Annahme für eine frühere Zeit Geltung hätte, so wörde diese sich nicht
ohne weiteres auf Polybios erstrecken, weil die Schöpfung eines Sprach-
gebrauches doch ein ander Ding ist als seine — je nachdem typiscli-
konventionell erstarrte — Fortpflanzung: auf die uns drohende Gefahr, in
den Schriftsteller mehr hinein zu deuten als in ihm liegt, hat soeben
Hans Jakobsthal in seiner Schrift Z. Gebr. d. gr. Temp. u. Mod. i. d. gr. Dial.
Inschr. im Beiheft zu den IF. 21, besonders S. 15 und 38 hingewiesen.
Allein ich gehe weiter, indem ich behaupte, daß der von Reik (augen-
scheinlich im Anschluß an Kroger) behauptete Unterschied in Wahrheit
gar nicht bestanden habe. Dabei stütze ich mich außer auf mein eigenes
Sprachgefühl sowie die Tatsache der Personenverschiebung und der Bei-
behaltung des Indikativs Präs. und Perf. nach Nebentempus zum Ausdruck
der Vergangenheit auf einen der ersten Kenner dieser Dinge, den gar nicht
hoch genug zu schätzenden Ad. F. Aken, der auf S. 258 seiner auf eigenen
wissenschaftlichen Forschungen aufgebauten Schulgramm. (Berl. 1868) klipp
and klar sagt: **Z wischen Opt. or. obliq. und Indik. Präs. besteht hier nicht
der mindeste Unterschied: <pX^T€Tai . . . soll nur Behauptung des Mel-
denden, nicht des Schriftstellers sein, gerade wie <pX^TOiTo; ebenso soll
in beiden Fällen als wirklich gemeldet sein. Der Unterschied ist also
rein formell wie zwischen — (a+b) und — a— b, daher gibt es den Indik.
häoiig von Unwahrheiten und Lügen, auch vom Schriftsteller so an-
gesehenen**. Aken nennt auch den psychologischen Grund der Erscheinung;
er findet ihn in der Auffassung des Objektsverhältnisses solcher
Sätze, sodaß Erklärungen wie die durch *'bloß ideelle Abhängigkeit, Wirk-
lichkeit, Lebhaftigkeit" sich als nichtssagend erweisen. Wie bereits be-
merkt, zeigt in CXcrev öti ßoCXcrai schon die Beibehaltung des Tempus
(Präsens), daß das Wollen aus dem Sinne des Redenden und nicht aus
dem des Schriftstellers zu ersehen ist; €X€T6v öti ^ßoOXcTo dagegen wäre
doppeldeutig, weil es bedeuten könnte 1. aus dem Gedanken des Redenden
heraus: er sagte, *'daß er gewollt habe", 2. vom Standpunkte des Bericht-
erstatters aus: **daß er damals wollte". Im letzteren Fall haben wir über-
haupt keine abhängige Rede im herkömmlichen Sinne vor uns, und dar-
nach scheint mir die Auffassung der 7 von Reik auf S. 26 angeführten
Sätze zu berichtigen. Ganz in dieselbe Richtung weisen nun aber auch
die Worte des neuesten Darstellers dieser Probleme, J. Stahls, in seiner
Syntax des griechischen Verbums , Straßburg 1907, S. 552 , und ganz be-
sonders S. 329; es "ersclieinen oft, besonders bei Herodot und Thucydides
in demselben Satzgefüge beide Ausdrucksformen nebeneinander oder ent-
sprechen sich, woraus sich ergibt, daß es verkehrt ist, hier einen Unter-
schied in der Sache annehmen zu wollen, wie es mitunter, namentlich
bei Finalsätzen, geschehen ist. Die relative Modalität, die in beiden Fällen
vorhanden ist, gelangt in dem einen auch zum formalen Ausdrucke, in
dem andern nicht". Auf S. 332 erfahren wir, daß sich bei Herodot und
Thucydides, ganz im Unterschied von Xenophon, zumal in Finalsätzen,,
eine große Vorliebe für die Form der direkten Rede geltend macht und diese
sich zu der obliquen verhält wie 2 : 1 bezw. 2,5 : 1; ob das wohl irgendwie
in Zusammenhang steht mit dem ionischen bezw. ionisierenden Charakter
ihrer Schreibweise? Auf S. 481 wird für die abhängigen Finalsätze noch-
mals ausdrücklich festgestellt: "Ein Bedeutungsunterschied ist zwischen
dem Konjunktiv und dem obliquen Optativ, abgesehen davon, daß die
indirekte Rede bei diesem auch zum formalen Ausdruck gelangt, nicht
28 Reik Der Optativ bei Polybias und Philo von Alexandiia.
vorhanden**. Dabei wird wieder auf die parallelen Stellen verwiesen. Im
übrigen muß noch erwähnt werden, daß zwischen den Verben des Sagens
und denen des Wahrnehmens ein deutlicher Unterschied obwaltet: die
letzteren begtlnstigen ja bekanntlich die nicht oblique Darstellung, d.h.
die mit dem Nebentempus, die ich allein als 'objektivierend' gelten
lassen würde.
Gegen des Verfassers an nicht wenigen Stellen stark hervortretendes
Streben, den Wechsel von Indikativ und Optativ aus inhaltlichen Gründen
begreiflich zu machen, habe ich noch zweierlei einzuwenden. Erstens, wenn
er bei Verben des Affekts und in abhängigen Fragesätzen den Optativ
für angebrachter hält wegen ihrer ausgeprägteren Subjektivität, so belehrt
uns ein Blick auf Kühner S. 54, 2 eines anderen; es genügt zu verweisen
auf Xen. Anab. III, 5, 13 deciövro 6au^d2:ovT€C öwoi ttori Tp^^iovrai ol
*'EXXiiv€c Kttl t( iv vtü ^xoi€v: hier erklärt sich der Wechsel innerhalb
derselben Satzgattung, der Frage, nicht inhaltlich, sondern formal aus der
Abneigung gegen den Optativ des Futurs. Sodann aber hat sich mir ein
Bedenken methodologischer Art aufgedrängt: wurde der Indikativ auf der
einen, der Optativ auf der andern Seite vom Sinne selbst gefordert oder
meinethalben auch nur nahegelegt, so lag für den Schriftsteller des
attischen Zeitalters ebensowie für den des hellenistischen keine oder doch
eine geminderte Veranlassung vor, den letzteren zu verwenden, wo die ihm
günstige Voraussetzung wegfiel. Dann aber ist in solchen Fällen das Nicht-
auftreten des Optativs für sprachgeschichtliche Schlüsse nicht zu brauchen.
Endlich möchte ich aufmerksam machen auf eine sehr beherzigens-
werte Mahnung von Gildersleeve, die er in dem ersten Artikel seiner
angeführten 'Problems* in überzeugender Weise ausgefOhrt hat. Er warnt
dort (S. 6) vor den Versuchungen der zahlenmäßigen Betrachtung des
Sprachlebens und spricht: *'of that Statistical dulness into which we have
been drifting of late"; demgegenüber dürfe der Forscher nie vergessen,
daß "aesthetic syntax is an organic part of bis work, an inevitable part
of his work . . . The sphere must be considered. Each department of
literature has a history of its own; each author has a stylistic syntax
of his own . . . Grammatical figure cannot be divorced from rhetohcal
figure . . . Language as art, is the art of arts ... he did good service
who entitled his book Grammar of omaments (SytUaxis omata)**. Es
scheint ein Bedürfnis, daß fortan die Sprachstatistik sich immer mehr
an diesem stilistisch-ästhetischen Moment orientiere. Vielleicht in keiner
Literatur ist der eidographische Gesichtspunkt von so ausschlaggebender
Wichtigkeit wie in der griechischen, in der die Tradition der Typen eine
solche Rolle spielt; es sei hier verwiesen außer auf E. Nordens Antike
Kunstprosa besonders auf B. Croces Storia ed arte', Roma 1896, sowie
K. Vosslers Sprache als Schöpfung und Entwicklung, Heidelberg 1905.
In der virtuosen Handhabung eben der statistischen Methode, in
der sich der Verfasser als Meister erweist, liegt die Glanzseite der übrigens
auch in der Interpretation in die Tiefe dringenden Arbeit, in der Art, wie
er den Stoff sammelt, sichtet und anordnet, offenbart sich eine außer-
gewöhnliche Schärfe des Denkens und Schließens, verbunden mit der Kunst
übersichtlicher Vorführung, die auch in Tabellen und Zusammenstellungen
ihren gedrängten Ausdruck findet. Fügen wir noch hinzu, daß der Stil
sorgfältig gefeilt und der Druck sehr gut überwacht ist, so gelangen wir
zu dem Endurteil, daß wir eine Leistung vor uns haben, die als ein sehr
Wahrmann Prolegomena za einer Geschichte der griech. Dialekte. 29
wertvoller Beitrag zur historischen Syntax der späteren Gräzität bczeiclinet
werden mufi and der gegenüber gesagt werden darf, daß sie in der her-
vorgehobenen Richtung als Muster für Untersuchungen ähnlicher Gattung
zu dienen berufen sein wird.
Stuttgart. Hans Meltzer.
Wahrmaim P. Prolegomena zu einer Geschichte der griechischen Dialekte
im Zeitalter des Hellenismus. 8«. 23 S.
Der Verfasser der buch Händler isch nicht genauer bezeichneten Ab-
handlung (!) hat sich eine interessante Aufgabe gestellt : die Kriterien zu
untersuchen) die wir für das Fortleben der griechischen Dialekte in helle-
nistischer Zeit besitzen. Anknüpfend an meine Ausführungen (Die griech.
Sprache S. 28 ff.) möchte er beweisen, daß sich die Dialekte zäher be-
hauptet haben, als ich im allgemeinen annehme. Mit meinem Hauptargu-
ment und Ausgangspunkt, der Tatsache, daß die alten Mundarten heute
überhaupt geschwunden sind, und daß dieser Vorgang aus sprachlichen
Gründen mindestens in die Zeit des ausgehenden Altertums gesetzt werden
müsse, beschäftigt sich der Verfasser nicht, dagegen werden die Zeugnisse
der Alten eingehend erörtert. Daß der ionische Dialekt noch in der Zeit
des Crassus bestanden habe, halte ich für absolut ausgeschlossen und kann
darum der Qaintilianstelle Inst. or. XI 2, 50 auf keinen Fall die Bedeutung
beimessen, die ihr W. gibt, wenn ich auch auf meiner eigenen Hypothese
keineswegs bestehe. Der Verfasser kommt S. 7 zu der Folgerung, "daß im
2. Jahrhundert der Fortbestand des Dorischen mit Sicherheit, der der übrigen
Dialekte mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei . . . Es ist nicht
ausgeschlossen, daß die alten Mundarten nur mehr in stark veränderter,
durch die Koine beeinflußter Form bestanden und ihr bereits so gut wie
erlegen waren". Diese Auffassung steht der meinen sehr nahe ; ich habe
ja selbst die Ansicht ausgesprochen, daß es in der Kaiserzeit noch Reste
des Dorischen sowie vielleicht eine stark ionisierende Koine (in Klein-
asien) gegeben habe ; der letzteren stand eine mehr neutrale Sprachform
in den griechischen Expansionsgebieten gegenüber, wo wir einen ägyp-
tischen und asiatischen Kreis unterscheiden können. Auf die Grammatiker-
ausgaben über das Fortleben der Dialekte dürfen wir schon deshalb nicht
zuviel Gewicht legen, weil die jüngeren die älteren abschrieben und weil
sie ihre Kenntnisse überwiegend (wie auch der Verf. hervorhebt) aus lite-
rarischen Dialektquellen schöpften. Der Verf. unterschätzt meines Erachtens
die Bedeutung der Inschriften für das in Rede stehende Problem. Warum
man z. B. den lakonischen Lautwandel von 6 in c *'viel höher" über die
Zeit der inschriftlichen Belege hinaufrücken soll, wird nicht begründet.
Und auch für das siegreiche Vordringen der Koine haben wir die In-
schriften als Abbild der wirklichen Verhältnisse zu betrachten, solange
nicht das Gegenteil bewiesen wird. W. bekämpft meine Heranziehung der
Inschriften, indem er **den Ursprung und Charakter der letzten Inschriften
auf griechischem Boden durchprüft'*. Dabei ergibt sich, daß die Dialekt-
inschriften des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. weit überwiegend öffentliche
Urkunden, die dialektfreien (hellenistischen) privater Natur sind. W. meint,
daß die Gemeinden an ihrer dialektischen, überkommenen Kanzleisprache
aus "Partikularismus" festgehalten haben. Warum aber finden wir dann
in den vorhergehenden Jahrhunderten ein Zurücktreten dieser Kanzlei-
:-)0 Meister Beiträge zur griechischen Epigraphik und Dialeklologio.
spräche? Die Tatsachen scheinen durchaus meiner eigenen Auffassung
Recht zu geben: der Dialekt war eben aus dem lebenden Gebrauch ge-
schwunden — daher sein Fehlen in Privatinschriften — , aber die offiziellen
Urkunden verfielen in erster Linie der Tendenz, die in der Kaiserzeit
herrschte, dem bewußten Archaisieren der gebildeten Kreise. Gerade die
mundartlichen Texte der Kaiserzeit verraten durch das Künstliche ihrer
Sprache, daß man nicht mehr an den lebenden Dialekt anknüpfen konnte,
weil er nicht mehr bestand. Wollte der Verf. meine Methode der Inschriften-
verwertung nachprüfen, so hätte er das Verfahren anwenden müssen, das
ich auf die Inschriften von Rhodos und Lesbos angewendet habe. Aber
der Verf. übergeht mit völligem Stillschweigen das von mir gewoimene
Ergebnis, daß der Prozeß der Dialektnivellierung (Abiuihme der Dialekt-
formcn und Zunahme der hellenistischen Formen) kontinuierlich, d. h. ge-
setzmäßig verläuft : so gesetzmäßig, daß sich der Prozeß in einer charakte-
ristischen Kurve darstellen läßt. Selbstverständlich handelt es sich dabei
um Vorgänge der gesprochenen, nicht der geschriebenen Sprache; was
S. 20 über schriftliche und mündliche Koine gesagt wird, scheint mir
schief und mißverständlich.
Die Fragen, die der Verf. von neuem angeschnitten hat, sind kom-
plizierter Natur: eine Erörterung der Methoden ist durchaus berechtigt
und nützlich, besonders wenn sie von neuen Einzeluntersuchungen be-
gleitet ist; wenn der Verf. die Einzeluntersuchungen weiterführen wird,
so wird ihm die Wissenschaft dafür dankbar sein.
Marburg i. H. Albert Thumb.
Heister R. Beiträge zur griechischen Epigraphik und Dialektologie. V. Ab-
druck aus den Berichten der phil.-hist. IGasse der K. Sachs. Gresellsch.
der Wiss. zu Leipzig. 57. B. 1905. S. 272—286.
Der Verfasser handelt in diesem Beitrag über pamph. ^uH^a
= ?XXui|jav (d. i. ^TX^ipav) auf einer Münzaufschrift, dann über eine neue
lakonische Inschrift (Annual of Ihe Brit. School of Athens 10, 173 und
188, nr. 15), sowie über einige böotische Inschriften (Bull, de corr. hellen.
fe3, 193 fr., 25, 361 f., 28, 431), für welche neue Lesungsvorschläge geboten
werden. Am meisten sprachliches Interesse erregen die beiden ersten
Aufsätze. Die Deutung von ^uipa scheint mir einwandfrei zu sein; ob
aber gerade eine Assimilation von yX zu XX vorliegt, ist mir nicht so sicher.
M. hat selbst in seiner Behandlung der Inschrift von Sillyon (Ber. der
Sachs. Ges. d. Wiss. 1904) auf Indizien für spirantische Greltung des t (z- B.
in nheiaXexi) aufmerksam gemacht, und so möchte ich vermuten, daß auch
in ^Xun;a nichts anderes vorliegt als die ungenaue Darstellung eines 5/
durch einfaches X.
Die lakonische Inschrift aus Thalamae ist wichtig, *Veil sie — wie
der Verfasser selbst bemerkt — in dem altdorischen Dialekt verfaßt ist,
den wir bisher fast nur aus Sparta kennen". Sie macht daher die An-
nahme Meisters um so unwahrscheinlicher, daß die jungen, außerhalb
Spartas gefundenen lakonischen Inschriften Zeugen eines besonderen
Periökendialektes seien (vgl. Ref. Neue Jahrb. 1905, 386 ff.); M. scheint
denn auch in seiner Hypothese schwankend geworden zu sein, wie die
Bemerkungen S. 280 f. vermuten lassen.
Was die Erklärung der Inschrift betrifft, so ist M.'s Auffassung
Inscriptiones graecae. — Kretschmer Der heutige lesbische Dialekt. 31
von xp^crai als xpf^cOai ohne weiteres anzuerkennen ; daß wir nun auch
in Lakonien einen zweiten Beleg für ct =r c6 erhalten, ist mir mit Rück-
sicht auf meine Ausführungen über die lakonische Entwicklung von er
und ce wichtig (vgl. Neue Jahrb. a. a. 0.). Aber M/s Übersetzung des fol-
genden Passus will mir nicht einleuchten: irpoßcmdhac Td(c) ciCü itot*
*Avbp(av cuv€90p€OovTa dvi[c]TdM€v NiKOcOcvibav ^v] tOüi ([cjpioi "weil
einstens die Göttin laut und öffentlich gesagt hatte, Nikosthenidas solle
die Statue des Andrias, seines Genossen im Ephorat, im Heiligtum er-
richten". Ich ziehe wot* als irori (nicht wot^ im Sinne des ersten Heraus-
gebers vor und übersetze lieber "weil die Göttin gegenüber Andrias . . .
erklärt hatte, Nikosthenidas solle (eine Statue) errichten*'. Daß das Objekt
"eine Statue*' zu dvicrd^cv ausdrücklich hinzugefügt werden müsse, wie
M. verlangt, scheint mir nicht nötig, da es ja auch in den Einleitungs-
worten (nach dv^diKc) nicht ausgedrückt ist.
Marburg i. H. Albert Thumb.
Inscriptiones graecae ad inlustrandas dialectos selectae scholarum in
usum iterum edidit F. Solmsen. Leipzig, B. G. Teubner, 1905. VIU u. 96 S.
Das rasche Erscheinen einer zweiten Auflage zeigt, wie sehr das
Büchlein einem dringenden Bedürfnis abgeholfen hat. In der Anlage und
in der Auswahl der Texte ist es unverändert geblieben (vgl. die Besprechung
der ersten Auflage im Anz. 15, 230) ; jedoch hat der Verfasser im einzelnen
seine Texte sorgfältig revidiert und die neu erschienene Literatur gewissen-
haft benützt und hinzugefügt. Besonders der Labyadeninschrift ist eine
neue Revision von A. Nikitskij zugute gekommen, die die Lesung in nicht
unwichtigen Punkten berichtigt. Auch der inzwischen vorgenommenen
Neunumerierung der verschiedenen Abteilungen des Inschriftenwerkes
der Berliner Akademie (Durchzählung nach Bänden) hat S. Rechnung
getragen, indem er die alten Verweise entsprechend veränderte.
Marburg. Albert Thumb.
Kretschmer P. Der heutige lesbische Dialekt verglichen mit den übrigen
nordgriechischen Mundarten. Mit einer Karte. Wien, Alfred Holder, 1905.
XIu.614Sp. 26 Ji [Kais. Akad. d.W.: Schriften der Balkankommission.
Linguistische Abteilung III. Neugriechische Dialektstudien, 1. Heft.]
Unter den nordgriechischen Dialekten war bisher nur einer, der
von Velvendos in Makedonien, durch eine exakte wissenschaftliche Dar-
stellung (von 'E. Mirouvniivac in den *Apx€Ta rf^c veuiT^pac iK\r\v. xX^ccnc
I, 2, Athen 1892) bekannt. Ich selbst hatte einmal vor Jahren die Absicht,
den Dialekt von Thasos zu studieren, wurde aber durch widrige Umstände
solange im Pontosland festgehalten, daß ich meinen Plan nicht verwirk-
lichen konnte. Was bisher an VeröfTentlichungen über die nordgriechischen
Dialekte dem Verfasser bekannt gewesen ist, hat er in dem vorliegenden
Werk Sp. 10 ff. verzeichnet. Zur Vervollständigung dieses Verzeichnisse«
und der Bibliographie G. Meyers (in den Neugriech. Studien I). die von K.
nicht vollständig wiedergegeben ist, vermag ich folgende nachzutragen:
L Festland.
1. Thrakien (bezw. Bulgarien): A. KpdxTOTXouc, IuXXoti?i tu»v
^v Bdpvi} Kai xotc ir^piE aOrf^c ^v xP^cci brmuibuüv irapoiiiiiuüv. Athen 1880
(mir nur dem Titel nach bekannt). Ober einen bulgarisch-griechischen
32 Kretschmer Der heatige lesbische Dialekt verglichen mit den übrigen usv.
Mischdialekt im Rhodopegebirge vgl. G. Meyer Nengriech. Stad. 2. 90 ff.
Über den Dialekt von Stenimachos (Bulgarien) einiges in der Zeitschr.f.
allg. Erdkunde VUI (1860) 384 f.
2. Makedonien: Für den Dialekt von Serrai kommt Byz. Zeitschr.ä,
284£f. in Betracht, wo auch eine Studie von M. TciKÖirouXoc angeführt
ist; über ein Wörterverzeichnis von Salonik vgl. 'Ecria 1893 (II) 221.
4. Epirus: Ich mache auf einen älteren Text aufmerksam, eine
Biographie in 4500 Versen, verfaßt von einem mohammedanischen Epiroteo
in einer allerdings nicht rein volkstümlichen Sprache, die jedoch stark
dialektisch gefärbt ist, vgl. dartUser Leake Travels in Northern Greecel,
463 ff. (wohl identisch mit der Reimchronik, von der zahlreiche Proben
bei 'ApaßavTivöc, *lcTop(a *AXfj TTacä, Athen 1895. 531 ff. mitgeteilt
sind?).
7. Lokris: über den Dialekt von Doris und Phokis verzeichnet K.
nichts; zu jenem vgl. MriXiapdKric, NcoeXXriviicfi Tcurrpacpiicfi cpiXoXoTia
(Athen 1889) Nr. 456; über den Dialekt im Gebiet des Parnaß vgl. Ulrichs
Reisen und Forschungen in Griechenland I (1840) 123. 132ff. 141 ff. Ross
Königsreisen 1, 50 f. 58 (wenig charakteristisch).
II. Die nordgriechischen Inseln.
I. Thasos: K. hat übersehen, daß Conze Reise auf den Inseln
des thrak. Meeres S. 5 auch ein Volkslied aus Thasos mitteilt.
9. Tenos: Lexikalisches Material bei *A. N. BdAXiivbac TTäpcpra
(piXoXoTiKd TTOvriiidTia. 'Ep^oÖTtoXic 1887.
10. Andros: Wescher im Annuaire pour Tencouragement desR
gr. IV (1870) 136-146.
II. Euboea, Kyme: Ein kleines unvollendetes Glossar bei Tp(Mnc,
KumaiKd (Athen 1894) 71—80 (wenig wert!).
III. Kleinasien. Ich beschränke mich auf den Nordwesten, der
allein eine engere Beziehung zu den genannten Dialekten hat.
Kyzikos: einiges Material bei <t>iX/|VTac, fpaiijiotTiic^ ri^c {»lüjxdi-
Kf|C TXdjccnc (Athen 1902).
Aber mit Ausnahme des schon genannten MirouvTibvac sind alle
bisherigen Mitteilungen über einzelne nordgriechische Dialekte entweder
sehr lückenhaft oder ungenügend in der genaueren Wiedergabe des mund-
artlichen Tatbestandes und zwar gerade hinsichtlich desjenigen Merkmals,
das für die nordgricchischen Dialekte besonders charakteristisch ist, näm-
lich der Behandlung von unbetontem e- und o-, »- und M-Laut. Wie vor
allem der Schwund von i und u das ganze Lautbild der Wörter beeinflußt,
wußten wir bis auf MirouvTdivac nur durch die zwar treffliche, aber
doch nur summarische Erörterung von Hatzidakis (Einleitung 342 ff.), von
dem die Einteilung in nord- und südgriechische Dialekt» stammt. Aus
Kretschmers Werk (65—94) lernen wir jetzt die mannigfachen Wirkungen
der nordgriechischen Vokalgesetze in extenso kennen und zwar nicht nur
für Lesbos, sondern auch für eine Reihe anderer nördlichen Mundarten;
das aus gedruckten Quellen zugängliche Material hat K. durch eigene
Feslstellungen aus Lemnos, Skopelos, Skyros und sonst ergänzt. Der er-
gebnisreichen Darstellung stinune ich in allen wesenthchen Punkten zu.
Wie alt die nordgriechischen Vokalgesetze (insbesondere die Reduktion
der I- und M-Laute) seien, wird in der Einleitung (6 ff.) besprochen. Die
Frage ist wichtig für die weitere Frage nach dem Alter der neugriechischen
Dialekte. Ich verlege die Anfänge der Vokalgesetze noch ins erste Jahr-
Kretschmer Der heutige lesbische Dialekt verglichen mit den übrigen usw. 83
tausend unserer Zeitrechnung (Die griech. Sprache S. 166, Neue Jahrb. f,
d. kl. Altertum 1906, 259) ; K. ist geneigt, den Vorgang fOr ziemlich jung
zu halten, wenn er auch die Möglichkeit zugibt, **daß die nordgriechischen
Dialektmerkmale in eine sehr alte Zeit zurückreichen". Meine Vermutung
stützt sich Torlftufig mehr auf allgemeine Erwägungen als auf texthche
Zeugen ; denn die letzteren i^ind mehrdeutig, wie K. mit Recht hervorhebt.
Es ist jedoch zu beachten, dafi die älteren griechischen Elemente des
Slavischen (Aksl., Russ.) vielfach nordgriechischen Charakter zeigen, vgl.
Vasmer Greko-slavjanskie etjudy (Petersburg 1906). Eine genauere sprach-
geschichtliche Untersuchung dieser Elemente, die uns hofiTentlich bald von
Vasmer zuteil werden wird ^), wird daher feste chronologische Anhaltspunkte
für das Alter der nordgriechischen Yokalgesetze ergeben. Übrigens brauchen
wir nicht den vollen Schwund, sondern nur den Beginn der Reduktion
für alt zu halten, d. h. die starke quantitative Verschiedenheit zwischen
betonten und unbetonten Vokalen, die dem Nordgriechischen eigen ist
(vgl. Hatzidakis Einl. 342 f.). Diese Quantitätsverteilung mochte den Anfang
der großen Dialektspaltung bilden : sie hat in den verschiedenen Sprach-
gebieten des Nordens bald stärker bald schwächer den Vokalismus be-
einflußt. Da jenes Quantitätsprinzip noch heute in den nordgriechischen
Dialekten besteht, so läßt sich auch verstehen, daß die Vokalschwächungs-
gesetze noch in neuerer Zeit eintreten bezw. zu Ende geführt werden
konnten. Haben wir nicht etwas ähnliches auch in der deutschen Sprach-
geschichte ? Die exspiratorische Betonung, welche im Obergang vom Alt-
hochdeutschen zum Neuhochdeutschen die Schwächung der unbetonten
Vokale bedingte, wirkte in jüngerer Zeit in den süddeutschen Mundarten
weiter, indem sie z. B. das auslautende -^beseitigte {der Bot = Bote, die
Blum, die Nacht = Nächte); das gilt auch für Entlehnungen aus der
Schriftsprache.
Wir haben das wichtigste Merkmal des lesbischen Dialekts in den
Vordergrund gestellt; die Stellung des Dialekts, über die K. eingehend
Sp. 51 ff. handelt, wird natürlich durch jenes Merkmal allein nicht bestimmt.
Der Verfasser zeigt in sehr instruktiver Weise, daß die Dialektgruppe,
zu der Lesbos samt anderen Inseln (wie Lemnos, Samos, Skyros, Skopelos)
gehört, zwar als 'nordgriechischer Inseldialekt' an die nordgriechischen
Festlandsdialekte anzugliedern ist, daß aber jene Gruppe und insbesondere
der Dialekt von Lesbos durch eine Reihe von besonderen Zügen (Kon-
trakta wie ätoitiD [nicht Ärairdou], die Endungen -ouci und -aci, Typus
ßaciX^) Berührungen mit den südgriechischen Inseldialekten zeigt; wir
erwarten das auch nicht anders. Von den ganz speziellen Eit;entümlich-
keiten, die man nach dem gegenwärtigen Stand der neugriechischen Dialekt-
forschung deih Lesbischen zuweisen kann (67 f.), scheinen mir der "Kappa-
zismus" (Entwickelung eines Dentals zu einem Ar-Laut), der Imperativ Aor.
Pass. auf 't$i (^ ♦-k€) und die Pronominalbildung ijttaus, ijteinua am be-
/nerkenswertesten. Wie ferner in § 4 (45 ff. ''Dialektverhältnisse auf Lesbos**)
gezeigt wird, gibt es auf der Insel wiederum eine Reihe zum Teil erheb-
licher Dialeklvarietäten, die vom Verfasser durchgehends berücksichtigt
worden sind.
Schon aus diesen allgemeinen Bemerkungen geht hervor, daß der
1) Inzwischen erschienen als 2 Heft der genannten Studien (Peters-
burg 1907) [Korr.-Note].
34 Kretschmer Der heutige lesbische Dialekt verglichen mit den öbrigenusv.
Verfasser einen guten Griff getan hat, indem er sich zur Aofzeichnong und
Bearbeitung des neulesbischen Dialekts entschloß. K. hat sein Material
im wesentlichen durch systematisches Ausfragen geeigneter Bewohner der
Insel gewonnen (s. das Vorwort) — ein Verfahren, das auch ich angewendet
habe ; man besitzt ja immer in der Beobachtung des zwanglosen Sprechens
der Einheimischen eine Kontrolle für das durch Ausfragen erhaltene Mate-
rial. K. hat ganz Recht, wenn er dieses Verfahren vorläufig für das gang-
barste erklärt ; denn in einem Sprachgebiet, wo noch so viel sprachlicher
Rohstoff gänzlich unbearbeitet ist, kommt man so am schnellsten zu sprach-
wissenschaftlich brauchbaren Ergebnissen. Wer jetzt schon mit Hilfe feiner
Beobachtungsmethoden in phonetische Details einzudringen versucht, bevor
wir über das **Gröbste*' orientiert sind, der kommt mir wie ein Geograph
vor, der die topographische Aufnahme eines unerforschten Landes mit
Meßtischaufnahmen beginnen wollte.
Der sprachwissenschaftlichen Darstellung des Dialekts nat K. zwei
Abschnitte über die Geographie und Geschichte der Insel (25 ff.) voraus-
geschickt (wozu außerdem der Anhang Sp. 579 fif. gehört). Wir finden hier
auch die Literatur über die Insel verzeichnet. Zur Bibliographie über die
Insel ist nachzutragen L. de Launay Description g^ologique des lies de
M6telin et de Thasos. Paris 1891 und Chez les Grecs de Turquie. Les
Pays et les moeurs. Paris 1897, S. 35 ff. (Da sich K.'s Bibliographie auf
Volkskunde überhaupt nicht erstreckt, so unterlasse ich die Anführung der
mir bekannten Literatur.)
Besonderes sprachwissenschaftliches Interesse bietet die Sp. 39 be-
rührte Frage nach den Nachwirkungen des antiken aeolischen Lokal-
dialekts. Nur bei einigen Ortsnamen läßt sich daran denken; und von
den wenigen Fällen, die K. anführt, scheinen mir nur "ApTcvvoc (mit seinem
w) sowie die dOviKd auf -ayMs (Vrisayöts u. a., vgl. dazu Sp. 188 f.)
ernsthaft in Frage zu kommen ; Vriaayöts wird auf altlesb. BpncaJjTiic für
BpncaiiijTr]c zurückgeführt und soll den lesb. Obergang von ai in a vor
Vokalen (wie MunXi^vaoi) zeigen. Eine vom Verfasser nicht beachtete
Schwierigkeit scheint mir darin zu liegen, daß ein in die Koivi^ gelangtes
BprjcadiTnc vermutlich zu ^BpricdTnc geworden wäre (wie xadivui zu xdvu)) :
doch gebe ich zu, daß die Kontraktionserscheinungen der Koivi^ in diesem
Punkt noch nicht völlig aufgeklärt sind (vgl. K. Dieterich Untersuch. 76). —
K.'s Werk ist die vollständigste Darstellung eines neugriechischen
Dialekts, die wir besitzen ; sie übertrißt an Reichtum des Inhalts und der
Belehrung z. B. die Arbeiten Morosis über griechische Mundarten Unter-
italiens. Außer der Grammatik im engeren Sirm (worin die Lautlehre den
größten Raum einnimmt, Sp. 65—265) enthält das Buch im 2. Teil (349 ff.»
eine Darstellung der Wortbildung und des Wortschatzes, im 3. Teil (473 Cf.)
Sprachproben, unter denen die Märchen (aus verschiedenen Teilen der
Insel) sprachlich am wertvollsten sind ; der Verfasser bemerkt mit Recht
(Sp. 549), daß die Volkslieder "viel weniger treue Dialektproben als pro-
saische Texte bilden**, und ist daher auf das Sammeln von Volksliedern
weniger ausgegangen. Den 274 Sprichwörtern ist eine Obersetzung, ge-
legentlich auch ein Nachweis von Parallelen beigegeben. Hinsichtlich der
Schreibweise der Dialektformen hat K. ein zweifaches Verfahren gewählt :
in der Grammatik bedient er sich einer phonetischen (lateinischen) Um-
schrift, während der lexikalische Teil und die Texte überwiegend in grie-
chischer (historischer) Orthographie geschrieben sind. Natürlich läßt sich
Kretschmer Der heutige lesbLscheDialekt verglichen mit den übrigen usw. 35
gegen die Wahl einer rein phonetischen Umschrift vom sprachwissenschaft-
lichen Standpunkte aus nichts einwenden ; wenn aber K. selbst die grie-
chische Orthographie nicht ganz ausschloß, so scheint er wohl empfunden
zu haben, daß praktische Gründe es empfehlen, sich an die übliche, in
vielen Punkten allerdings zu verbessernde Schreibweise der Griechen an-
zuschließen. Da wir es dringend wünschen müssen, daß die Griechen sich
mehr als bisher der wissenschaftlichen Erforschung ihrer Dialekte an-
nehmen, so möchte ich dem widerraten, daß europäische Gelehrte in der
Transkription ein besonderes Verfahren wählen : wenn man sich der grie-
chischen Orthographie im Prinzip anschheßt und damit der Einheitlichkeit
der schriftlichen Fixierung ein kleines Opfer bringt, so werden beide Teile
am besten fahren. Doch das sind Äußerlichkeiten, die den inneren Vor-
zügen von K.'s Buch keinen Abbruch tun. Indem K. die speziellen Dialekt-
erscheinungen in die gesamte Entwickelungsgeschichte des Neugriechischen
einreihte, förderte er zugleich das Verständnis der neugriechischen Gram-
matik überhaupt : die verschiedenen sprachgeschichtlichen Probleme sind
mit Umsicht und unter gründlicher Prüfung der Tatsachen sowie der ein-
schlägigen Literatur behandelt. Daher wirft das Buch auch einen Gewinn
ab hinsichtlich jenes älteren Abschnitts der griechischen Sprachgeschichte,
der vor allen mit dem Neugriechischen in ständiger Fühlong sein muß,
ich meine, der KoiWj. Der Gewinn liegt natürlich mehr im gesamten Re-
sultat als in den Einzelheiten. Aber auch für Einzelheiten springt immer
etwas heraus. Ich verweise z. B. auf die Erörterung des (alt- und neu-
griechischen) dissimilatorischen Vokalausfalles (109 ff.) in CKÖp(o)bov u. dgl.
Ich hatte K.'s Behandlung der Sache schon früher (gegen K. Dietrich) zu-
gestimmt : jedoch möchte ich ^öv = jiövo ») nicht hierher rechnen, femer
(peloponnesisches) dXiroO Tuchs* (113) etwas anders erklären: K. geht von
der Grundform dXouiroO aus, nimmt also an, daß dissimilatorischer Vokal-
verlust auch eintrat, wenn die beiden gleichen Vokale durch eine Ex-
plosiva (it) getrennt waren. Hier gibt K. sein eigenes Lautgesetz auf, wo-
nach der Schwund des einen von zwei gleichen Vokalen dazwischenstehende
Liquida oder Nasalis zur Voraussetzung hat. Wir haben vermutlich neben
dXuiirdi eine hellenistische Grundform ^dXairUi (mit Vokalassimilation
wie 6Xo6p€0ui zu ÖXcOpoc, KoXavbai = lat. calendae) anzusetzen, sodaß ich
statt K.'s Stemma (Sp. 101) folgende Entwicklung annehme:
hellenist. dXuiinJj ♦dXonrJj
dXcinJj ♦dXiriij
I I
neugriech. dXouiroO dXciroO dXiroO.
Wir ordnen auf diese Weise neugriech. dXciroO (nordgriech. dXmoO)
in den Lautwandel a zu € (dXaKorn zu neugriech. dXcKdrn u. dgl.) ein, den
ich Griech. Spr. 17 und 196 f. besprochen habe, während ^dXirUi aus *dXairiij
nach Kretschmers Gesetz zu erklären ist. Das erschlossene *dXuiriij (das
uns vielleicht einmal ein Papyrus oder eine Inschrift als belegte Form
beschert) und das überlieferte dXwTTiJj sind vermutlich mundartliche Va-
rianten der Koiv/|. Daß neugriechische Dialektverschiedenheiten unter
Umständen in die hellenistische Zeit zurückzuprojizieren sind, ist ein
Grundsatz, den auch K. anerkennt und anwendet; ein schönes Beispiel
1) Bei dieser Gelegenheit mache ich auf \x'b = ^övo 6 aufmerksam,
das ich in einem maniatischen Lied aufgezeichnet habe.
S6 Kretsehmer Der hentige lesbische Dialekt yerglichen mit den fibrigen uw.
dafür ist seine Erörterung von neugriech. dial. bouXctrrui (statt bouX€Öui)
und was dazu gehört (193 ff.). Daß die neugriechische Dialektdifferenz
-€öuj — -€Otui in die Koivi^ zurQckreicht, wird von K. in sehr einleuch-
tender Weise ausgeführt ; ich bemerke dazu, daß dieser Gedanke implicite
schon in meinen Ausführungen über das 'irrationale* t Griech. Spr. 188 f. ent-
halten ist. Die phonetische Begründung des in bouX€<rru' nsw. vorliegenden
Lautwandels scheint mir einwandfrei bis auf das seltsame airfö 'Ei', das
ich auch nach K/s Darlegung nicht für aufgeklärt halte. —
Ich muß natürlich darauf verzichten, weiter im Einzelnen anzu-
führen, was alles der Verfasser zum Verständnis der neugriechischen
Sprachgeschichte beigetragen hat. Ich gebe dafür lieber noch einige An-
merkungen zu Punkten, wo ich nicht ohne weiteres zustimme oder etwas
hinzuzufügen habe. — (80 ff.) In Fällen wie lesb. ayttrdjs = dropdlcic,
^yurdfs •= 9d d^opdcijc, <&>o = itr\ca oder ikarisch 9d T^pinc = Öd jv-
piojc möchte ich daran festhalten, daß es sich um Dissimilation eines
Zischlautes handelt ; es mag sein, daß die Dissimilation an ein dazwischen
stehendes (ursprüngliches) i gebunden ist ; vielleicht gehört auch die Stel-
lung des Akzents unmittelbar vor dem dissimilierten Laut zu den Be-
dingungen der Dissimilation {^yuräja^ sheraydrtuis = dropdccc). — (120ff.)
Daß meine Erklärung von 6 ßaciX^c = ßaoX^ac nicht ohne Schwierigkeiten
ist (die sich aber überwinden lassen), gebe ich zu ; aber mit der üblichen
Erklärung (ßaoX^c sei Umgestaltung eines aus der Schriftsprache ent-
lehnten vasilefs) kann ich mich noch weniger befreunden. Man wundert
sich, warum dann die Form nur auf einem geographisch engbegrenzten
Gebiet vorkommt und sich nicht an beliebigen Orten (vor allem in der
Umgangssprache) findet. Solange keine bessere Erklärung gefunden wird,
sehe ich keinen Anlaß, meine eigene Hypothese aufzugeben. Wenn K. ein-
wendet, daß das aus ea kontrahierte r\ in irddri u. dgl. im Neugriechischen
zu f geworden sei, niemals aber zu e, so ist darauf zu erwidern, daß jenes
attische r\ und das in relativ junger Kontraktion entstandene dorische
r\ von ßaciXi^ phonetisch nicht gleichartig sein müssen. — (125 f.) Die
Formen ctiba (in Skopelos), vd clibOö, €hb^ u. dgl. (im Gebiet des Pelion)
sind wohl nicht durch Analogiebildung, sondern vielmehr durch Epenthese
ans *€tbia, vd '6it£i zustand gekommen. Regelmäßige Epenthese dieser Art
habe ich in der südlichen Maina (Ritta) beobachtet : so nicht nur dcKdtba
= icxdbia, ndiTtt = ^dria, irojfbd = irobid 'Schürze', böivra = bövria. kou-
Xouipa = KouXoupia, gbdrjTce = ^bidßriKC, iroitbd {peidd) = iraibid, sondern
auch cppujba (ft^ida) = (ppubia, <p(iba = 9ibia. — (149) Meiner Liste der
Dialekte, welche A;-Laut palatahsiercn, hat R. u. a. Kumi auf Euboea hinzu-
gefügt ; Kyrae, das er kurz vorher aus meiner Liste anführt, ist mit jenem
Kumi identisch. — (153) Den Wandel von c in ^ vor Konsonant {^Hzu
=■ cxiJ^iu, ck{([ui) kennt K. nur aus Epirus; ich habe diese Aussprache auch
sonst öfter, besonders im Peloponnes, beobachtet (MtpTbfAdt u. dgl.). —
(161) Zu dem Lautwandel x^P^* aus x^pi (auf Skyros), wo pt eine V sibi-
lans' darstellt, ist zu vermuten, daß er nur die Kombination pj (x^Pia)
betrifft und daß Fälle wie x^P^i statt x<^pi nach X^p^oO, tipta analogisch
geschaffen sind ; dazu stimmen die aus Nisyros und Patmos angeführten
Formen x^wp^ö ^ x^Pl*? dvrio =« aöpio. Es handelt sich bei dieser Be-
handlung von j wohl um einen Spezialfall des Wandels von j in i', den
ich in der Maina beobachtet habe (TtcX^i'ta == TTcXotte u. ä.). Der Über-
gang von spirantischem j in z entspricht dem ziemlich weit verbreiteten
Eretschmer Der heutige lesbische Dialekt verglichen mit den übrigen usw. 37
Wandel von x' in / und i, vgl. Handbuch § 21. — (162 f.) Zum Wandel
von Xinp in ^piriba u. ä. vgl. jetzt auch Psichari Essai de grammaire
historique sur le changement de X en p devant consonnes (Paris 1905,
aus den "M^moires orientaux"). — (173 ff.) Zu den Belegen für yX^irou,
bX^iTou und X^iTOU = ßX^irui füge ich noch X^irou aus der Maina hinzu.
— (220) K. äußert berechtigte Zweifel an der Erklärung, die Okonomides
für die pontische Artikelform ti (Gen. S.) gegeben hat : eine lautliche Ab-
leitung aus ToO halte ich für unmöglich, eine analogische Erklärung liegt
dagegen nahe. K.'s Zusammenstellung der verschiedenen Artikelformen
sei zunächst durch die von mir im Pontos (in der Gegend von Samsun)
aufgezeichneten Artikelformen ergänzt:
Singular:
Nom. m. 6, f. #|, n. tö
Gen. m. f. n. ti, vor Vokalen t (z. B. x' 'Apdir = toO Apdirn, x* 'Q^p^o-
voc = xf\c *€X^mc)
Akk. m. xöv, f. x^jv, n. xö.
Plural:
Nora. m. f. ot, n. xd
Gen. m. f. n. <», vor Vokalen t,
Akk. m. H (auch «), f. <», vor Vokalen ^ n. xd.
Das Bestreben, die verschiedenen Formen einander ähnlich oder
gleich zu machen (vgl. allgemein Nom. m. f. ot, Akk. f. xoic), äußert sich
in den Dialekten in verschiedener Weise. So ist der Gen. PI. ti statt xO&(v)
offenbar dem Nom. Plur. ol angeglichen; der Gen. S. m. ti erscheint mir
auf einem Ausgleich zwischen xoO und xf^c zu beruhen, wobei die Diffe-
renzierung von Dekhnationstypen wie m. xoO KX^9xri und f. xf^c Mdxnc
mitgewirkt haben mag; wenn dann ti auch auf das Femininum übertragen
wurde (für xf^c), so hat das der schon vollzogene Ausgleich im Plural
(Gen. imd Nom.) bewirkt. Für den Akk. PI. ti denke ich mir endlich
folgende Entwicklung: zunächst entstand für m. xo6c und f. x^c eine Aus-
gleichsform *ti9 nach dem Nom. m. f. ol, worauf sich Nom. i, Akk. ♦/!>
noch weiter ausglichen zu der Differenzierung i — ti. Der pontische Zu-
stand bezeichnet noch nicht das Ende der Ausgleichsbewegung: denn
während im Pontos wie sonst Nom. S. m. ö und f. #| noch geschieden
sind, ist in anderen Dialekten (so auch in Lesbos) auch dieser Unterschied
gefallen (i für Mask. und Fem.), worüber man genaueres bei K. findet. —
(259 f.) Die Erklärung von iftos neben ftos = oCrxöc (bzw. aöxoc) als junge
Zusammensetzung eines deiktischen ^ *) + f^^^ will mir nicht einleuchten.
Wie man in ^xoOxoc eine Analogiebildung nach dKctvoc (neben xctvoc) sieht,
so wird man in Formen wie ^ouxoc, ^ftos ein Weiterwuchern jenes i- an-
nehmen dürfen; die Akzentverhältnisse scheinen mir keine Schwierig-
keiten zu machen. — (270) Auch die Erklärung von xtxoioc (x^xoioc) als
Kontamination von x( &vepunToc 'was für ein Mensch" und xotoc ÄyOpuiwoc
*ein solcher Mensch' kann ich mir nicht zu eigen machen: ich verstehe
nicht recht, wie diese Kontamination zustande gekommen sein soll, und
würde erwarten, daß ein so entstandenes xixoioc 'qualis', aber nicht *talis'
bedeutet. Warum die alte Erklärung (enkl. xi + xoioc) nicht möglich sei,
sehe ich nicht ein. — (278) Werm K. von den bisherigen Erklärungen
1) Der Verf. belegt diese Partikel nur aus Leukas ; sie ist mir jedoch
aus der Konversation ziemlich geläufig.
38 Kretschmer Der heutige lesbische Dialekt verglichen mi t den übrige usw.
des -i in ^1 (= &) nicht befriedigt ist, so stimme ich ihm darin bei; aber
auch sein eigener Vorschlag (Si nach ctxoci) ist nur ein Notbehelf und
scheint den Urheber selbst nicht zu befriedigen. — (3^) Was den Ge-
brauch des blofien Akkusativ statt cic c acc. (auf die Frage wohin?)
betrifft, so möchte man wissen, -ob es sich um eine allgemeine Ver-
wendung des Akkusativs im angegebenen Sinn handelt oder ob die Kon-
struktion sich nur in gewissen Redensarten findet; denn eine Wendung
wie ird^e cidri 'gehen wir nach Hause' ist ganz gewöhnlich, so daß die
vom Verfasser aus dem Dorf Mesotopos belegte Konstruktion niclit gerade
isoliert ist.
Der zweite Teil des Werkes "Zur Wortbildung und zum Wort-
schatz" bringt nicht so viel Eigenartiges wie die Laut- und Formenlehre;
es ist aber sehr dankenswert, daß der Verfasser auch diesen Dingen
seine Aufmerksamkeit zugewendet hat. Kap. I behandelt die Stammbildung
(hervorzuheben sind die Diminutiva auf -el = -^XXiov), ü. die Adverbia,
III. die Partikeln ; das IV. Kapitel (367 ff.) gibt eine hübsche Cbersicht
über Herkunft und Geschichte der neugriechischen Namengebung. wobei
zum Verständnis der Sache auch geeignete folkloristische und kultur-
historische Bemerkungen eingestreut sind. Nicht nur Tauf- und Familien-
namen, sondern auch Spitznamen, sowie Tier- und Monatsnamen sind
berücksichtigt. Endlich ist Kapitel V (406 ff.), das die 'Lehnwörter* des
Dialekts bietet, eine wichtige Ergänzung der vorhandenen lexikalischen
Zusammenstellungen. Natürlich sind die italienischen Elemente am zahl-
reichsten, während die slavischen, albanesischen und rumänischen Ele-
mente völlig zurücktreten. Warum die an Zahl jedenfalls nicht wenigen
türkischen Lehnwörter nicht besonders behandelt, sondern in das allge-
meine Glossar {43b ff.) eingereiht sind, dafür gibt der Verfasser keinen
Grund an. Die meisten der angeführten Lehnwörter sind natürlich sonst
schon (besonders bei G. Meyer) verzeichnet. Diejenigen, bei denen dies
nicht der Fall ist, brauchen jedoch deshalb nicht speziell lesbisch zu sein:
bei unserer mangelhaften Kenntnis des mundartlichen Wortschatzes läßt
sich die Verbreitung vieler Lehnwörter überhaupt noch nicht feststellen.
Ich kann z. B. folgendes nachtragen :
biX'^TTou = biglietto: mir aus der Umgangssprache bekannt; vgl.
auch ^TTouX^TO bei AuKoöbrjC in der 'EcrCa 1894 (I) äS.
dWja = gioia: vgl. tIötiu bei EcvöirouXoc, 'Ecrfa 1893 (II) 37.
Kdrca 'Jagd' : CTf|v k. töv dßdXave 'sie machten Jagd auf ihn* in den
'EeviKd Äcnaxa (Athen 1896) S. 115.
fiiXiTOuv 'Million': wohl allgemein mXiouvi.
fiöba 'Mode', irairaTdXXoc 'Papagei', iroOpo 'Zigarre': weit verbreitet.
pdTca 'Rasse': bei ZcvöirouXoc, 'Ecxia 1893 (II) 29.
xpardpou 'bewirte': wohl ziemlich verbreitet; in der Bedeutung
'handeln' finde ich das Wort in einer Urkunde aus Naxos v. J . 1818, s.
'EcTia 1892 (II) %U f.
TCiTdpou 'Zigarette*: allgemein gebraucht.
Die lateinischen Elemente hat K. im allgemeinen Glossar unter-
gebracht; KaXiKcuo) 'reiten* (lesb. kaVts^irfu) wird meines Erachtens fälsch-
lich zu den zwei oder drei rumänischen Elementen gerechnet ; es handelt
sich offenbar um ein lateinisches oder genauer 'balkan-lateinisches' Lehn-
wort (vgl. alban. kal 'Pferd').
Das allgemeine Glossar (435 ff.) beschließt die sprachliche Dar-
Hahn Rom und 6omanismus im griechisch-römischen Osten. S9
Stellung der Mandart; es ist eine Ergänzung zum Wortregister (591 ff.),
mit dem es am besten zusammengearbeitet worden wäre; es enthält nur
die selteneren und merkwürdigen Wörter und gibt gelegentlich Belege
aus anderen Dialekten und etymologische Bemerkungen. Da ich nicht
weifi, nach welchem Grundsatz der Verfasser diese Beigaben ausgewählt
hat, so verzichte ich darauf, weitere Belege beizusteuern; so ist mir z. B.
die Redensart €lv€ crouinri *er ist total betrunken' (458) ganz geläufig:
sie scheint allgemein im Gebrauch zu sein.
lieber den dritten Teil, die Texte, habe ich schon oben gesprochen.
— Zu den Nachträgen noch eine Bemerkung: epir. Saiit ist, wie K. (118)
richtig gesehen hat, eine Umbildung von corövi (Ersetzung des Suffixes
-övi, -o6vi durch -o6Xi); das alban. und epir. tiaiil' hat den Verfasser
nachträglich irregemacht : doch ist die Entlehnung des alban. Wortes aus
dem Griechischen ganz sicher, wie übrigens schon Bugge BB. 18, 188 ver-
mutete. Der Uebergang des Zischlautes in eine AfTrikata («, i zu fo, ^
ist gerade aus dem Griechisch von Epirus (sowie aus dem Albanesi sehen)
zu belegen, vgl. Ref. IF. 14, 3ö8. —
Jeder Neogräzist wird dem Verfasser für seine schöne Gabe dankbar
sein; es gebührt sich aber auch, mit Dank hervorzuheben, daß dieses
Werk durch die reichen Mittel ermöglicht worden ist, über welche die
'Balkankommission' der Wiener Akademie offenbar verfügt, und man muß
sich freuen, daß sich die Balkankommission in so liberaler Weise der
neugriechischen Dialektforschung annimmt. Denn die Griechen selbst,
denen diese Aufgabe naturgemäß zukäme, tun so gut wie nichts : tüchtige
Anläufe zu einer Förderung neugriechischer Dialektstudien sind infolge
Mangels an Geld und an wissenschaftlich geschulten Kräften stecken ge-
blieben. Wenn die griechische Regierung oder reiche Griechen sich die
Tätigkeit der Rumänen oder der Balkankommission zum Muster nehmen
würden, so ließe sich gewiß in kurzer Zeit recht Ansehnliches erreichen.
Marburg i. H. Albert Thumb.
Hahn L. Rom und Romanismus im griechisch-römischen Osten. Mit beson-
derer Berücksichtigung der Sprache. Bis auf die Zeit Hadrians. Eine Studie.
Leipzig, Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, 1906. XVI u. 278 S. 8 ul
Der Verfasser ist, wie die Vorrede (S. V) zeigt, durch eine Bemerkung
von mir (Die griech. Spr. S. 157) angeregt worden, den Einfluß Roms auf
die griechisch-orientalische Welt zu untersuchen. Er nennt seine Arbeit
eine 'Studie', da er den Gegenstand nicht nach allen Seiten erschöpfend
behandelte. Der Wege sind verschiedene, um das Thema zu bearbeiten.
So konnte — um von rein sprachgeschichtlicher Betrachtung abzusehen
— das Auftreten lateinischer Lehnwörter nach Inhalt, Ort und Zeit fest-
gestellt werden, damit man daraus ein Bild des römischen Einflusses
gewinne; es ist der gewöhnliche Weg solcher Untersuchungen. H. wählt
den entgegengesetzten Weg: er schildert die geschichtlichen Verhältnisse,
welche zu einer Durchdringung des Ostens mit römischem Wesen führten,
beschreibt die mannigfachen Beziehungen zwischen Westen und Osten
im öffentlichen und privaten Leben und weist so die äußeren Bedingungen
nach, durch welche die sprachliche Beeinflussung gegeben war. Der Stoff
ist nach fünf Zeitabschnitten gegliedert: Italische Zeit, von Pyrrhos bis
Polybios, von der Zerstörung Korinths bis zur Schlacht bei Actium,
40 Hahn Rom und Romanismas im griechisch-römischen Osten.
Zeit des Augustus, erste Kaiserzeit. Jedes Kapitel (außer I) schließt mit
einer Darstellung der 'lateinischen Sprache im Osten**; der EinGuß des
liateinischen auf das Griechische wird jeweils gesondert behandelt nach
den verschiedenen Sprachdenkmälern (Schriftsteller, Papyri, Inschriften),
sodaß wir die verschiedenen Texte der griechischen Sprache nach der
Stärke ihrer fremden Beeinflussung beurteilen können. Diese Behandlang
hat ihre Vorzüge, wenn auch daneben eine Zusammenfassung (nach Zeit-
abschnitten) sehr erwünscht wäre.
Der Verfasser hat eine gewaltige Fülle von Tatsachen der antiken
Geschichte, Kultur und Literatur gesammelt und geordnet ; die Masse der
Einzelheiten schließt sich zu einem großen, allerdings oft nur mosaik-
artigen Bilde zusanunen. H. verfügt über eine ausgedehnte Belesenheit
Die großzügige Art, wie er sein Thema behandelt, verrät einen weiten
philologischen Gesichtskreis; man vergleiche z. B., wie die Stellung des
Apostels Paulus in den Rahmen des Themas eingefü^ ist (153 ff.). FreiUch
war hierbei nicht ganz die Gefahr zu vermeiden, daß gelegentlich Dinge
zur Sprache kamen, die zum Thema selbst nur in loser Beziehung stehen.
Immer wieder zeigt der Verfasser, wie imponierend Rom und seine
Herrschaft auf den hellenistischen Orient in allen Lebensgebieten ein-
wirkte. Um so auffallender ist die relativ geringe sprachliche Wirkung,
die sich aus der Darstellung Hahns ergibt. Ich glaube, daß der Verfasser
die Kraft des Romanismus überschätzt — wenigstens für den Zeitraum,
den er bearbeitet hat; es ist eine Übertreibung zu sagen (S. 70): "Die
Masse der Römer und Italiker, die sich von den Provinzen des Orients
nährten und immer mehr zunahmen, mußte eine ähnUche romanisierende
Wirkung auf die Bevölkerung gehabt haben, wie sie sich im Westen in
einem allerdings weit stärkeren Grade (!) geltend nuLchte**. Denn die Tat-
sachen zeigen eben, daß zwischen den Provinzen des Westens und dem
griechischen Osten ein wesentlicher Unterschied besteht: jene erlagen
wirklich der Macht des Romanismus, diese aber — nicht. Und man muß
die Frage aufwerfen, warum der griechische Osten nicht dem gleichen
Schicksal verfiel. Der Verfasser meint: "Roms Kräfte waren für eine
gleichzeitige Besiedelung des Okzidents und Orients unzureichend" (S. 96).
gibt aber auch zu, daß die Griechen *'weit schwerer" zu romanisieren
waren (S. 97, vgl. auch S. 110). Der Verfasser scheint mir an anderer
Stelle (S. 149) der Sache näher zu kommen, wenn er sagt: "Je entfernter
sich diese Kolonien von den Zentren des Hellenismus befanden und je
mehr sie in barbarische Gegenden hiuausgeschoben waren, umsomehr
Bestand hatte der Romanismus" (vgl. auch S. 216). Tatsächhch haben die
Römer auch im Osten, nämlich im Norden der Balkanhalbinsel, dieselbe
Kraft wie im Westen eingesetzt und haben auch dasselbe erreicht: eine
fast völlige Romanisierung dieser Gebiete. Da aber die Römer in den
griechischen Ländern nicht nach der Art der Seldschuken und Türken
verfuhren, die in Kleinasien die Bevölkerung einfach ausrotteten oder
ihre Nationalität mit roher Gewalt zerstörten, so fand die Romanisierung
an der alten Kultur des Ostens von selbst einen Widerstand; diese Kultur
wollten die Römer nicht vernichten, nachdem sie von ihr bereits stark
beeinflußt waren. Sie haben dagegen im Osten in gleicher Weise wie im
Westen Erfolge erreicht, wo sie nicht mit der griechischen Kultur in
Wettbewerb traten; und andererseits ist auch im Westen die Romani-
sierung griechischer Gebiete wie Massilia, Unteritalien und Sizilien nur
Hahn Rom und Romanismas im griechisch-römischen Osten. 41
selir langsam vor sich gegangen, ja im Altertum überhaupt nicht zu Ende
geführt worden. Endlich läßt sich kaum die Meinung des Verfassers auf-
recht erhalten, daß die größere oder geringere ethnographische Verwandt- '
Schaft der Unterworfenen und der Römer den Prozeß der Romanisierung
erleichtert habe: denn die Griechen standen den Römern näher als die
nicht-indogermanischen Iberer, bei denen die Romanisierung überraschend
leicht gelang.
Es wäre eine lohnende Aufgabe, einmal die numerische und geogra-
phische Verbreitung griechischer und lateinischer Inschriften in den Außen-
ländern festzustellen; H. macht darüber nur ganz allgemeine Angaben
(S. 221). Jiri^iek (Die Romanen in den Städten Dalmatiens. I. Denkschr. d.
Wiener Akad. 48. Bd. Nr. 3 [1902]) hat mit Hilfe der Inschriften die Sprach-
grenze zwischen Romanen und Griechen in der nördlichen Balkanhalbinsel
bestimmt: ich vermisse diese wichtige Abhandlung in dem Buche Hahns,
wenn sie auch nicht unmittelbar in den Rahmen der Arbeit gehört. Wer
aber den eben berührten Problemen nachgeht, muß das Thema zeitlich
weiter fassen, als es der Verfasser getan hat. So verdiensthch und gelehrt
das vorliegende Buch ist, so mußte es doch gerade in seinen sprachlichen
Ergebnissen Stückwerk bleiben, weil die Darstellung der behandelten
Probleme nicht bis zum Ausgang des Altertums, bezw. bis zur Trennung
des Ostens und Westens fortgeführt wird. Gerade der sprachliche Einfluß,
den der Verfasser besonders berücksichtigen wollte, wird erst in der Zeit
nach Hadrian immer stärker bemerkbar. Die Zahl der lateinischen Lehn-
wörter ist z. B. in den Papyri der vom Verfasser gesteckten Zeitgrenzen
noch sehr gering (S. 282 ff.), wächst aber in der Kaiserzeit von Jahrhundert
zu Jahrhundert. Man braucht nur einen Abschnitt der griechischen Fassung
des Edictum Diocletiani anzusehen, um den Unterschied vor und nach
der Zeit Hadrians zu erkennen. Einen guten Maßstab für die Stärke dieses
lexikalischen Einflusses besitzen wir in den lateinischen Elementen des
Neugriechischen. Ngr. Wörter wie öcTr(Ti(ov) = hospäium und iröpTo = porta^
die für Hahns Zeitbegrenzung noch nicht in Betracht kommen, d. h. noch
nicht belegt sind, zeigen die nachhaltige Wirkung des Romanismus weit
besser als die Entlehnung speziell römischer BegrifTe, die in den Wortlisten
des Verfassers die Hauptrolle spielen; er hat nur selten Gelegenheit, auf
das Fortleben lateinischer Wörter im Neugriechischen hinzuweisen, und
doch ermöglichen eben die lateinischen Elemente des Neugriechischen
ein abschließendes Urteil über die Wirkungen des Romanismus im Osten.
Denn für die Frage, in welchem Umfang lateinische Wörter Fremd- oder
Lehnwörter geworden sind, ist das Neugriechische ein zuverlässiger Aus-
gangspunkt. Die StoflTanordnung des Verfassers erschwert eine sichere
Entscheidung in dieser Hinsicht. Ein wichtiges Kriterium ist die durch
das Griechische besorgte Vermittlung lateinischer Wörter an die orienta-
lischen Sprachen: der Verfasser hat diesen Punkt wohl beachtet, aber
leider sind wir über die griechischen und lateinischen Elemente der
orientalischen Sprachen noch unvollkommen unterrichtet. H. verwertet
nur die Untersuchungen von Krauß (über griechische Elemente des rab-
binischen Schrifttums), scheint aber meine Arbeit über die griechischen
Elemente des Armenischen nicht zu kennen ; ich habe Byz. Zschr, IX, 430 ff.
über das Problem "Griechisch als Durchgangsstation für lateinische Wörter"
eingehender gesprochen. Nebenbei bemerke ich, daß der Verfasser auch
den keltischen (und nordischen) Wörtern, welche durch das Lateinische
42 Meillet De quelques iimoYalioiis de la dtelinaison latine.
nach dem Osten ^elan^ sind, seine Aufmerksamkeit geschenkt hat (vgl
den Index S. 274>; er ergänzt dadurch meine Bemerkungen a. a. 0. (Die
griech. Spr. S. 141 f.) in wesentlichen Stocken. — Ohersehen ist übrigens
vom Verfasser, dafi (^«€pdTopa bereits auf einer rhodischen Inschrift t.
J. 70 V. Chr. erscheint (Ref. a. a. 0. 159).
Der Verfasser hat nicht nor die Frage des direkten sprachlichen
Einflusses, sondern aach die Einwirkung der lateinischen auf die griechische
Ausdrucksweise wiederholt erörtert Dahin gehören z. B. die griechischen
Obersetzungen römischer Begriffe, worin schon Magie De Romanomm
iuris publici sacrique vocatralis (Leipzig 1906) vorgearbeitet hat. Es ist
bemerkenswert dafi die Ausdrucksweise des Griechischen nur selten durch
die des lateinischen Begriffes in enge Fesseln geschlagen worden ist —
wenigstens innerhalb der Zeitgrenzen des Verfassers; man braucht als
Beispiel nur ein so gut griechisches Wort wie dpxicpcöc als Obersetzung
von pofUifex maximu« zu nennen. Auch die Phraseologie ist nur in ge-
ringem Grade vom Lateinischen beeinflußt worden, und ganz unbedeutend
ist die grammatische Einwirkung. Dafi in griechischen Urkunden des
rumischen Staates oder bei Schriftstellern, die sich mit römischen Dingen
beschäftigen, der lateinische Untergrund gelegentlich durchschimmert ist
nicht verwunderlich. Den Polybios aber als **Typus des so seltenen romani-
sierten Griechen" zu bezeichnen (S. 42), schiefit meines Erachtens über
das Ziel hinaus: die Sprache berechtigt sicher nicht dazu. Man darf über-
haupt in der Annahme von Latinismen nicht zu weit gehen, wie W. Schulze
in dem Programm "Graeca Latina" (Göttingen 1901) gezeigt hat. Dafi z. B.
Kivciv dem lat. movere die Bedeutung 'aufbrechen' (so auch im Ngr.) ver-
danke (S. 43), halte ich nicht für ausgemacht Ein so vulgärer Text wie
das Neue Testament ist von Latinismen so gut wie unberührt, obwohl
er in seinen lateinischen Lehnwörtern durchaus den Charakter der Um-
gangssprache zeigt (S. 264 ff.); wenn demgegenüber das Evangelium des
Lukas auffallend wenige lateinische Wörter besitzt (264), so ist daran die
attizistische Neigung des Schriftstellers schuld. Von den wenigen inneren
Latinismen, die H. aus dem Neuen Testament anführt (S. 259 f.). ist mir
TÖ Uavöv iTOi€iv = satisfacere und besonders ircXeidlu) (Apokal. 20. 4)
= ngr. ircXcKui zweifelhaft: was soll überhaupt das letztere Wort im La-
teinischen sein?
Ich habe aus dem gelehrten Werke des Verfassers einige Punkte
herausgegriffen, die besonders den Sprachhistoriker interessieren und zur
Diskussion anregen. Dafi auch der Kulturhistoriker in dem Buche reiche
Anregung und mannigfaches Material ßndet, wurde schon angedeutet: ich
muß es mir versagen, auf diese Seite der verdienstlichen Arbeit näher
einzugehen.
Marburg i. H. Albert Thumb.
Meillet A. De quelques innovations de la d^clinaison latine. Paris,
C. Klincksieck, 1906. 47 S. 2 Fr.
Der Inlialt der vorliegenden, L. Havel gewidmeten Schrift besteht
aus drei Kapiteln, von denen sich das erste mit der 'instabilit6' der la-
teinischen Kasusfonnen, das zweite mit der Reduktion der grammatischen
Kategorien (Zahlen, Geschlechter, Kasus), das dritte mit der Vermischung
der »-Stämme mit den konsonantischen beschäftigt. Dem zweiten Kapitel
MeiUet De quelques innovations de la declinaison latine. 4^
ist ein Exkurs über das Neutrum des Adjektivs beigegeben, dem dritten
je einer Ober die Adjektivthemata von der Art von praecox usw. und
über die Bildung des Genitivs und Dativs der Demonstrativpronomina.
Der rühmlichst bekannte Sprachforscher hat eine Reihe zum großen Teil
nicht neuer Beobachtungen aus dem Bereiche der lateinischen Sprach-
geschichte nach den angegebenen Gesichtspunkten zu geschlossenen
Bildern vereinigt und in ihrem engen Zusammenhang mit den entspre-
chenden Erscheinungen der indogermanischen Grundsprache zur Darstellung
gebracht. Aus dem reichen Inhalt des Schriftchens sei insbesondere hervor-
gehoben, dafi der Verfasser hinsichtlich der Auffassung der Bildung des
Akkusativs des Singulars der t-Stämme und Dativs des Singulars überhaupt
von den gegenwärtig herrschenden Ansichten abweicht. Er betrachtet die
Akkusative auf -em, welche von t-Stämmen abgeleitet sind, als die laut-
gesetzliche Entwicklung aus den Grundformen auf -im, während die
tatsächlich vorhandenen, in der historischen Latinität nachgewiesenen
Akkusative auf -im ihrem Grundstocke nach auf t-Stämme zurückgehen
sollen. Dieser Auffassung entsprechend wird auch quem als die lautgesetz-
liche Entwicklung von *quim betrachtet. Hinsichtlich des Dativs kehrt
M. zu einer schon früher von Fick, Henry, HofTmann vertretenen Ansicht
zurück, derzufolge die zur Bildung dieses Kasus in der indogermanischen
Grundsprache verwendete Endung *-«t gewesen sei. Das dazu gehörige
schwundstufige -i erkennt M. in den griechischen Dativen auf -i, z. B.
KU vi (neben ai. hlne, lat. cawi), das er demnach nicht, wie es bisher
geschehen ist, für eine Lokativ form, sondern für eine echte, alte Dativ-
form hält. Es läßt sich leicht denken, daß ein Sprachforscher von der
Bedeutung M.'s eine von ihm aufgestellte Ansicht mit Scharfsinn und
Umsicht begründen wird, trotzdem kann ich nicht umhin, einzugestehen^
daß mich seine Ausfühnmgen im vorliegenden Falle nicht zu überzeugen
vermochten. Hinsichtlich des Exkurses über die Bildung des Genitivs und
Dativs des Singulars der geschlechtigen Pronomina sei noch bemerkt,
daß M., der den letzten von Sommer Handbuch S. 470 ff. gemachten
Erklärungsversuch wohl nicht mit Unrecht als wenig wahrscheinlich
bezeichnet, die Dativform cuf als ein Kontaminationsprodukt aus *quei
(Dativ des t-Stammes) und *quöi (von M. mit einem Fragezeichen versehen)
auffaßt, während er hinsichtlich des Genitivs cuius überhaupt davon ab-
sieht, 'arbitraires et inv^rifiables' Hypothesen aufzustellen. Es darf be-
zweifelt werden, daß die angeführte Erklärung allgemeinen Beifall finden
werde. SchUeßlich gestatte ich mir noch die Bemerkung, daß M. doch
wohl nicht mit Recht in dem Kapitel vom Dual (S. 8 f.) die von einigen
Gelehrten als Nominative des Duals erklärten Formen auf -o in den in-
schriftlichen Belegen M. C, Pomplio N. f. dedron Hercole (von Wilamowitz
bei Leo Plaut. Forsch. 333), Q. K. Gestio q. f. Hercole dedero (W. Schulze
Berl. phil. Woch. 1896, 136ö) und T. C. Vomanio (Ders. Zur Geschichte la-
teinischer Eigennamen S. 117) gänzlich totgeschwiegen hat. Mag er viel-
leicht auch auf dem Standpunkt Emouts' (M6m. d. 1. s. d. lingu. 13, 346)
stehen, der die Formen in wenig glaubhafter Weise als Nominative des
Plurals mit geschwundenem -« erklärt, so durften die Ausführungen von
Schwyzer IF. 14, 287 f. (vgl. 17, 442 f.) und die Bemerkung Brugmanns
KVG. § 473 Anm. 1 doch nicht vollständig ignoriert werden.
Innsbruck. Fr. Stolz.
4i Frän Filologiska Föreningen i Lund Spräkliga appsatser OL
Fr&n Filologiska Föreningen i Lnnd Spr&kliga appsatser IIL Tillegnade
Axel Kock. Lund, Gleerupska Univ.-Bokhandeln und Leipzig, O. Harrasso-
witz. 80. IV u. 315 S. 5 Kr. = Ul ö.öO.
Diese dritte Sammlung sprachlicher Aufsätze ist von der philolo-
gischen Gesellschaft zu Lund ihrem Wortführer Axel Kock gewidmet and
beginnt mit einem Beitrag 'Gibt es im Altsächsischen einen Gen. Sing.
ßuno?* von Ernst A. Kock, worin die Form 9uno 5790 Gott, die vielfach,
so noch von Holthausen, für einen altertümlichen Genetiv erklärt worden
ist, mit Sievers als Akkusativ aufgefaßt und diese Auffassung durch Par-
allelstellen unterstützt wird.
S. 5 folgt E. Walberg mit 'Classification des manuscrits de la
Vengeance d' Alexandre de Jean de Nevelon', deren Ergebnis folgender
Stammbaum ist:
Original
M Q« P S Q» N X
I
0
S. 31fr. behandelt Fredrik Wulff 'Le D^veloppement de la canzone
Jlmor, se vuoi, de Pötrarque, selon le ms. Vat. lat 3196, fol. 12 recto*. d. h.
er stellt die Zeitfolge der Entstehung der verschiedenen Strophen und
Redaktionen dieser Canzone und Che debb' io fest.
S. 43 untersucht Hjalmar Lind rot h den Ursprung und die ver-
schiedenen Formen des Wortes 'Dagsmeja* in den nordischen Mundarten.
Dagsmeja bedeutet die tauende Sonnenwärme zur Mittagszeit in der zweiten
Winterhälfte und kommt im Beginn des 16. Jahrh. einmal als dags megn,
einmal als dagzmedhen vor. In den einzelnen Mundarten hat sich nun das
Wort, dessen sicher erklärbare Formen auf ein altes meg(ijn 'Kraft' zu-
rückgehen, mit allen möglichen Wörtern assoziiert, vor allem mit midja
'Mitte', aber auch mit meim 'Streifen', mit meja 'tauen* u. a.
S. 59 folgt 'Svenska kippa m. m. En semologisk-etymologisk Studie'
af Emil 01s on. Das Schwedische kennt ein Zeitwort kippa in zweierlei
Bedeutungen: in der Sippe kippa ned skot^a 'die Schuhe nachlässig an-
ziehen', d. h. entweder so, daß man das Afterleder umtritt, oder ohne erst
vorher Strümpfe anzulegen, dazu kippskodd 'barfuß in den Schuhen', und
dann in dem Ausdruck kippa efter andan, efter luft usw. 'nach Atem, nach
Luft schnappen*. Daneben kommt vor kipa 'keuchen*. Olson untersucht
nun das Vorkommen beider und sucht sie etymologisch zu erklären. Dabei
lehnt er einen Zusammenhang von kippa mit isl. skeifr 'schief ab, weil
'die Bedeutungen nämlich alle auf den Begriff "heftige, plötzliche Bewegung'*
als den zentralen hinweisen'. Meines Erachtens mit Unrecht. Ich bin ge-
neigt, in kippa {ned ekorna usw.) das gleiche Wort zu sehen wie in deutsch
kippen 'auf die Kante stellen, ohne den Gegenstand von der Stelle zu
entfernen', umkippen intr., 'so umfallen, daß eine am Ort festbleibende Kante
die Drehungsaxe bildet'. Und beim Schnappen wird ja auch der beweg-
liche von den beiden Kiefern in der gleichen Weise bewegt, daß die
Frin Filologiska Föreningen i Lnnd Spräkliga uppsatser III. 45
Drehung um eine unveränderliche Axe geht. Und wer weiß, oh nicht doch
unser mitteldeutsches schnappen 'hinken' etymologisch eins ist mit dem
'schnappen' nach etwas: der Winkel, den der Körper des Hinkenden
mit dem Boden macht, wechselt bei jedem Schritte genau so, wie beim
Schnappen der Winkel, den die beiden Kierer zu einander bilden. Anders
bekanntlich das Deutsche Wörterbuch und Kluge, Etym. Wb. Vielleicht
können wir dann überhaupt die beiden Sippen von schnappen = hinken
und von schnappen (nach Luft), Schnabel zusammenbringen in eine mit
der Grundbedeutung 'sich im Sinne des "Gewerbes" — nicht des "Ge-
lenkes" — bewegen*. Wir hätten also in schnappen und kippen, schwed.
Inppa zwei etymologisch verschiedene, aber in der Bedeutung und ihrer
Entwicklung vollständig die gleichen Wege gegangene Wortsippen, kipa
'keuchen' trennt Olson wohl mit Becht von kippa 'umtreten', dagegen
möchte ich seine Anerkennung der Möglichkeit von kipa 'keuchen'
> kippa 'schnappen' ablehnen, nicht infolge etymologischer Schwierig-
keiten, sondern weil das schwedische kippa ned skoma nach meiner
Cberzeugung dasselbe ist wie unser deutsches kippen: es wird ja das
Afterleder um die Kante gekippt. Die Bedeutung 'barfuß in die Schuhe
schlüpfen* ist dann natürlich erst später entwickelt auf dem Weg über
die Zwischenstufe 'nachlässig und hastig die Schuhe anziehen'.
S. 75 ff. teilt uns Gustav Ernst den Hauptinhalt mit von 'La gram-
maire fran^aise de Pourel de Hatrize (1650)', der ersten schwedischen
Grammatik des Französischen, denn die von Du Clou 1626 bestand doch
nur aus Ausspracheregeln. Für uns ist natürlich auch bei Hatrize die
Aussprache das Wichtigste, weil sie in ihren Beispielen auch die Geschichte
der schwedischen Aussprache beleuchtet.
Einen langen Aufsatz 'De latini verbi finiti collocatione et accentu
quaestiones' scripsit Axel W. Ahlberg S. 95—128, in dem er nachweist,
daß 1. das Aussageverbum außer in der Kunstsprache durchaus nicht den
Satz zu schheßen braucht, wie meist gelehrt wird, und daß 2. die Enkli-
tiken, also auch die enklitischen Verbalformen («tim, es^ est usw. vis, do,
das usw.) in der Begel die zweite Stelle im Satz einnehmen.
Die 'Kleinen Notizen' von Axel Moberg S. 129 ff. (1. Das Begen-
buch Ihn Doreids in der Kgl. Bibliothek zu Berlin, 2. Gedichte Baiais im
Cod. Orient. Palat. No. 71 der Biblioteca Mediceo-Laurentiana in Florenz)
entziehen sich als semitische Literaturgeschichte meiner Berichterstattung,
doch erkenne ich soviel : 1. ist, wie schon Brockelmann vermutet hatte,
identisch mit dem Werkchen, das Wright, Opuseula arabica S. 15 — 16
herausgegeben hat, und unter 2. untersucht eben Moberg, was in der
angegebenen Sammlung Balai zuzuschreiben ist.
Auf das Berührungsgebiet von Altertumskunde und Mythologie führt
tins der Beitrag von Knut Stjerna 'Mossfynden och Valhallstron' S. 137 ff.
Bekanntlich sind die Gegenstände der Moorfunde so gut wie alle vor der
Versenkung in die Moore unbrauchbar gemacht worden: Schwerter zer-
brochen oder verbogen, Schildbuckel eingedrückt. Hinge und Kettenpanzer
zerschnitten usw. Dies ist nach Stjemas Ansicht geschehen, damit die Seelen
dieser Gegenstände der Seele ihres Herrn im Jenseits dienen konnten;
daher mußten diese Waffen usw. auch sterben, d. h. unbrauchbar gemacht
werden. Die Moore, in denen solche Funde gemacht werden, sind alte
Schlachtfelder oder solchen benachbart, imd die Seelen der Gefallenen
hatten ihre WafTen im Jenseits nötig, weil sie — nach dem Grundsatz der
46 Fräa Filologiska Föreningen i Land Sprlikliga uppsatser III.
Iteration (Reiteration) — in Ewigkeit ihren letzten Kampf weiterkämpfen
mußten. Und von diesem Emstkampf des älteren Glaubens ist der Schein-
kampf der Einherjer in Valhall nur eine spätere Umgestaltung.
S. 162(1. bringt Theodor Hjelmqvist Hättelser och förklarin{ar
tili nigra äldrc nysvenska texter*, indem vielfach von den Herausgebern
und Exzerptoren beanstandete Lesungen sich nach erneuter Einsicht der
Urschriften doch als richtig erweisen und auch durch Parallelen aos dem
zeitgenössischen Schrifttum ihre Erklärung finden.
S. 169 fr. bespricht Ernst J. Wigforss 'Nigra fall av oregelbunden
behandling av framljudande vokal i de nordiska spriken*, die da zeigen,
daß in gewissen Fällen anlautender Vokal gedehnt worden ist in L&ut-
gruppen, wo im Inlaut keine Dehnung eingetreten wäre, und daß unter
sonst gleichen Umständen anlautender Vokal früher gedehnt worden ist als
inlautender, z. B. halländisch fä Strudel = isld. ida^ aber lera = Schrspr.
lifca^ d. h. alte Dehnung von i zu t, jüngere zu e.
An 12 ter Stelle erklärt Evald Ljunggren S. 181— 185 das dänische
Wort 'Passiar' Plauderei als durch die Seemannssprache aufgenommen
übers holländische püsjaren aus dem malajischen hitjära Überlegung, Be-
ratschlagung, das seinerseits wieder aus dem aind. mcara entlehnt ist.
Unter der Überschrift 'De Plutarcho atticista' bringt Claes Lindskog
S. 185 ff. aus den Lebensbeschreibungen des Theseus und Romulus ein
paar Beispiele dafür, daß auch Plutarch gegen seinen eigenen Willen bis-
weilen dem Sprachgebrauch der Attizisten folgt.
31 Seiten widmet E. Walls tedt der Frage 'Enklisis oder nicht?
Zur Betonung des Possessivums bei Plautus und Terentius' und kommt
an der Hand einer langen Reihe von Gegenüberstellungen zu dem Er-
gebnis, *daß sie (d. h. die Enklisis) sehr oft vorgekommen sein muß, aber
immer als eine natürliche Folge gewisser äußeren Bedingungen, welche,
wenn das dem Possessivum unmittelbar vorausgehende Wort spondeisch
trochäisch, iambisch oder anapästisch war, nicht vorhanden waren'.
'Skärkindsstenens runinskrift' ist nach Julius SwenningS. 220—222
zu lesen sk[i]npale ubaR, das wäre aisl. *Skinnle Ufr^ also: dem Skin-
nal (setzte) Üfr (diesen Stein).
S. 223 f. *ln legem Bantinam' annotationem scripsit Martin P. Nüs-
sen, in der er ausführt, in den Worten der lex Bantina v. 4 neire isin
poplico lud praetextam neive soleas h[aheto\ liege kein Beispiel für ein
seltenes lux masc. vor, sondern lud sei eine Variation zu in poblico^ ein
Wort gleichbedeutend mit palam.
Die nächsten 37 Seiten nehmen Carl Co 11 ins 'Semasiologiska studier
üver abstrakter och konkreter' ein, in denen er sich gegen Darmesteters
Aufstellung wendet 'Dans aucune langue dont nous pouvons studier This-
toire, il n'y a de mot abstrait qui, si Ton en connait T^tymologie, ne se
r^solve en mot concrct' und an zahlreichen Beispielen aus germanischen
und bes. nordischen Sprachen nachweist, daß wenigstens auf dem Gebiete
des Substantivs das Umgekehrte weit häufiger der Fall ist. Gewöhnhch
geht die Bedeutungsentwicklung auf gewisse verbale Wendungen zurück,
so konnte z. B. ein Glas bis zur Neige leeren so verstanden werden, dafi
auch der Bodensatz mit ausgetrunken wurde, und es nahm das Wort Neige
die Bedeutung 'Bodensatz, Rest' an, oder weil der Isländer eben so gut
sagen konnte ganga til huilu 'zur Ruhe gehen' wie ganga til rekhiu 'zu
Bett gehen, so nahm das Wort huila allmählich auch die Bedeutung Bett
'-statt) an.
Delbrück Synkretismus. 47
S. 262— 278 behandelt Ebbe Tuneld *Udbhatas fraroställning av
upamä, Eit kapitel ur den indiska poetiken', wobei er aber nicht nur
über dieses breiteste Kapitel in Udbhatas AUnkkänuänuangrtika Bericht
erstattet, sondern auch auf die Behandlung des poetischen Vergleiches bei
seinen Vorgängern eingeht.
Herman Söderberg untersucht im nächsten Aufsatze 'Dentvistaf-
viga takten i svensk hexameter*. Schon Beckman und Sylwan wollen die
Bezeichnung Spondeus aus der schwedischen Metrik entfernen, und da-
raufhin hat nun Söderberg die neuschwedische Dichtung in Hexametern
durchgesehen und ist auch zu dem Ergebnis gelangt, daß der Unterschied
zwischen Spondeus und Trochäus fürs Schwedische tatsächlich nicht auf-
recht ziT erhalten ist, und man eigenttich nur von einem zweisilbigen
Versfuß sprechen kann, der aber überhaupt nicht sehr häufig ange-
wendet wird.
Der 21. und letzte Aufsatz der Sammlung * Labet och bet^ hat Nils
Robert Palmlöf zum Verfasser, der sich gegen die bisherige Auffassung
wendet, das in Stiemhielms Hercules v. 153 vorkommende Wort la-bete
sei 'ein anderer Name für das L'Hombre-Spiel*, denn die Quelle dieser
Ansicht, Maison des Jeux acad^miques Paris 1668, verbindet ja in den
Worten 'L'homme, autrement dit la Beste' gar nicht das La Böte-Spiel
mit dem L'Hombre, sondern mit einem ganz anderen Spiel. Der schwe-
dische Spielausdruck labet geht nun offenbar zurück auf faire la bSte 'das
Spiel verlieren' im französischen L'Homme-Spiel, während bet = Straf-
einsatz vielleicht früher als im L'Homme im L'Hombre sich entwickelt
hat, möglicherweise unter dem Einfluß des spanischen pueeta.
Erlangen. August Gebhardt.
Delbrück B. Synkretismus. Ein Beitrag zur germanischen Kasuslehre.
Straßburg, Karl J. Trübner, 1907. 8». VU und 276 S. 7 Ul
Delbrück ist der erste gewesen, der mit der Erschließung der ur-
germanischen Syntax Ernst gemacht hat. Was er in seinem Aufsatz in
Paul und Braunes Beiträgen Bd. 29 (nicht 19, wie leider im Vorwort steht)
für den germanischen Optativ versuchte, das unternimmt er jetzt in einem
besonderen Buch für das schwierige Gebiet der Kasuslehre. Nachdem
Winklers Untersuchung über den gotischen Dativ in ihrer jeden Synkre-
tismus leugnenden Grundanschauung ziemlich allgemeine Ablehnung er-
fahren hatte, galt es zwar wieder als Tatsache, daß im germanischen
Dativ vier idg. Kasus zusammengefallen seien; es fehlte aber noch immer
an einer gründlichen Prüfung des einschlägigen Materials, es fehlte an
einem Versuche, die vorgeschichtlichen Vorgänge, die sich beim Zusammen-
fall der Kasus abgespielt haben, durch vergleichendes Verfahren aus dem
Bestände der Einzelsprachen nach Möglichkeit aufzuhellen. Diese Aufgabe
hat nun Delbrück herzhaft angefaßt und ihre Lösung besonders durch
Beschaffung zuverlässigen Materials in bestimmten Punkten erheblich
gefördert. Freilich ist auch nach D.'s eindringender Arbeit noch vieles
im Dunkeln geblieben. Das konnte gar nicht anders sein. Für Rekon-
struktionsversuche liegen die Verhältnisse auf syntaktischem Gebiet sehr
Yiel ungünstiger als auf dem Gebiet der Laut- und Formengeschichte.
Es fehlt eben überall das Zwingende der Gesetzmäßigkeit. Auch für die
älteste uns erreichbare Stufe und selbst bei annähernd gleichen Stilformen
48 Delbrück Synkretismus.
muß doch die Individualität des Autors als nnmefibarer Faktor in Rechnung
gezogen werden. Bei der Dürftigkeit der Belege kann oft nicht entschieden
werden, ob eine syntaktische Erscheinung als Ausdruck des allgemeinen
Stilgefühls oder als subjektive Äußerung des einzelnen Schriftstellen
gebucht werden muß; und das ist natürlich grade für die Beurteilung der
Obergänge, der Vermengungen und Vermischungen ursprünglich verschie-
dener Formationen von größter Wichtigkeit. So kann denn auf diesem
Gebiet vieles gar nicht über das Niveau der Vermutung erhoben werden.
Doch die Arbeit mußte unternommen werden, auch wenn sie verhältnis-
mäßig geringen Ertrag an unumstößlichen Ergebnissen versprach. Es
konnte für sie nicht leicht einer besser gerüstet sein als Delbrück, dem
die unersetzliche Erfahrung in der ein Leben lang geübten sprachver-
gleichcnden Methode zur Seite stand. Die Sicherheit in ihrer Handhabung
wiegt meines Erachtens reichlich das auf, was der weniger auf die Samm-
lungen anderer angewiesene Grermanist an genauerer Kenntnis des Materials
einzusetzen gehabt hätte. Besonders dankbar muß man Delbrück daför
sein, daß er — entsprechend seiner ganzen wissenschaftlichen Vergangen-
heit — nicht in blendenden Hypothesen zu machen sucht, zu denen der
Stoff einen minder besonnenen und abgeklärten Forscher leicht verführen
konnte, sondern in vollster wissenschaftlicher Ehrlichkeit sein ignoramos
zu sprechen nicht müde wird. Bei dieser Lage der Dinge bleibt für den
Kritiker kein weiter Spielraum; denn ob er eine vom Autor als wahr-
scheinlich oder möglich hingestellte These um eine Nuance wahrscheinlicher
oder unwahrscheinlicher findet, kann niemanden sonderlich interessieren.
Wo sich stärkere Zweifel regen, da findet man fast immer irgendwie
angedeutet, daß auch dem Verfasser Bedenken gekommen sind ; und damit
fällt die Nötigung. Widerspruch zu erheben, weg.
Nur weniges möchte man ohne Vorgang des Verfassers mit einem
Fragezeichen versehen. So erscheint es zweifelhaft, ob der bei ahd. Cber-
setzern begegnende Dativ neben dem Komparativ noch als Fortsetzer des
alten Ablativs anzusehen ist. Auch die Abgrenzung von Dativ und Ablativ
bei den Verben der Trennung (S. 201 f.) entspricht nicht ganz meinem
Gefühl; ich finde, daß sämtliche Fälle eine rein dativische Auffassung
zulassen. Wenn S. 158 in der Otfridsclien Wendung thu hungiru nirsUrbüt
ein Instrumentalis der Tolge' gefunden wird, so ist diese Bezeichnung
wohl nicht zutreffend; der Hunger ist doch nicht die Folge, sondern die
Veranlassung des Todes (wie auch S. 172 gesagt wird). Man kann übrigens
den Kasus in dieser Wendung meines Erachtens unbedenklicih als Instru-
mentalis des Mittels auffassen und braucht darin nicht eine Singularität
zu finden, wie S. 166 geschieht, wo es heißt, daß "dieser Ausdruck nicht
einem bestimmten Typus, wie etwa dem des Mittels angehört". Aber das
sind für das Ganze belanglose Kleinigkeiten. Nützlicher als sie zu häufen
mag es sein, hier in raschem Durchblick durch das Buch die wichtigsten
Ergebnisse herauszuheben und mit ein paar beurteilenden Bemerkungen
zu begleiten.
Den umfangreichsten und wichtigsten Teil des Buches (S. 5—151)
bildet eine sorgfältige alphabetisch geordnete Zusammenstellung der
erschlossenen urgermanischen Verba, Adjektiva und Präpositionen mit
ihrer Kasusrektion, ziemlich gleichmäßig aufgebaut auf dem Bestände des
Gotischen, Altisländischen, Angelsächsischen, Altsächsischen und Althoch-
deutschen. Ein solches Verzeichnis wird hier zum erstenmal gegeben;
Delbrack Synkretismus. 49
mag es im einzelnen der Vervollständigung fähig sein, so ist es doch schon
in seiner jetzigen Gestalt außerordentlich lehrreich und von bleibendem
Wert, auch für den, der aus dem vorgelegten Material andere Schlüsse
ziehen will. Es bildet die Grundlage für die folgenden abhandelnden
Kapitel. Von diesen bringt das erste eine Darstellung des erhaltenen.
Instrumentalis nach seiner Form und Anwendung. Delbrücks Aus*
führungen darüber, so verdienstvoll sie im einzelnen sind, leiden doch
stark unter der UnvoUständigkeit des Materials und bilden dadurch eine
lebhafte Mahnung an die Fachgenossen, dies Gebiet endlich aufzuarbeiten.
Es folgt ein Abschnitt über den urgerman. Instrumentalis, wie er
sich teils aus dem erhaltenen Instrumentalis, teils aus dem Dativ, in dem
er aufgegangen ist, erschließen läßt. Als urgermanisch ergeben sich im
wesentlichen dieselben Gebrauchstypen wie sie aus dem Indogermanischen
bekannt sind: der komitative Instrumentalis, der Instrumentalis der be-
gleitenden thnstände, des Zusammenkommens, des Agens beim Passivum
usw. Den breitesten Raum nahm unzweifelhaft der Instrumentalis zur
Bezeichnung des Mittels ein; doch läßt sich sein Umfang aus den Einzel-
sprachen nicht mit voller Sicherheit nachweisen, da er hier noch eine
lebendige Kategorie darstellt und in manchen Fällen gewiß als Neuschöpfung
anzusehen ist. Der Instrumentalis bei Verben des Beraubens (z. B. alts.
hobdu hihautean\ den D. firüher auf den Ablativ zurückgeführt hatte,
wird jetzt mit Bernhardt als Instrumentalis der Beziehung ('am Haupte*)
erklärt; das ist durchaus einleuchtend und bringt zugleich eine erwünschte
Vereinfachung in die synkretistischen Vorgänge ; denn damit entfällt über-
haupt die Nötigung, eine Vertretung des Ablativs durch den Instrumentalis
anzunehmen. Da nun auch der sogenannte Genitiv der Trennung, wie
schon öfters ausgesprochen ist und von D. im einzelnen erörtert wird,
sich offenbar nicht auf ablativischer Grundlage entwickelt hat, sondern
einen echten Genitivgebrauch darstellt, so kommen wir zu einer weiteren
Vereinfachung der verwickelten Verhältnisse: der idg. Ablativ ist weder
mit dem Instrumentalis noch mit dem Genitiv verschmolzen, sondern allein
im Dativ aufgegangen. Da ferner gewiß noch ein Teil der Fälle, die man
als ablativischen Dativ anspricht (vgl. S. 200 ff.), als echt dativisch in Abzug
zu bringen ist, so ist es klar, daß der Ablativ im Urgermanischen von
vorneherein nur eine sehr mäßige Ausdehnung gehabt haben kann; er
wurzelte nicht allzu tief im Sprachbewußtsein, und da er überdies im
Plural seit alters auch formell mit dem Dativ übereinstimmte, so war
sein Schicksal besiegelt. — In dem Abschnitt über den Dativ stellt D.
die Verba zusammen, die sich im Urgermanischen entweder mit diesem
Kasus allein verbanden oder außer ihm noch einen Objektskasus (Akkusativ
oder Genitiv) zu sich nehmen konnten. Es ergibt sich, daß schon das
Urgermanische transitive Verba kannte, die nicht auf den Akkusativ als
Objektskasus angewiesen waren, sondern sich auch mit dem Dativ ver-
binden konnten. Die Wahl des Kasus war offenbar davon abhängig, wie
intensiv die Einwirkung der Verbalhandlung auf das Objekt gedacht war:
der Akkusativ bezeichnete die betroffene, der Dativ die beteiligte Person.
Hier zeigt sich also ein ganz ähnliches Differenzierungsbedürfinis wie es
bei der Unterscheidung des partitiven Genitivobjekts vom Akkusativobjekt
zutage thtt. -^ Besondere Sorgfalt hat D. der Untersuchung des Dativ-
gebrauchs im Altnordischen zugewendet; als Resultat kann eine ziemlich
starke einzelsprachliche Ausdelmung des Dativs bei Verben des Bewegens
Anzeiger XXII. ^
52 Suter Die Zürcher Mundart in M. Utteris Dialektgedichten.
der Konsonanten die tonlosen Explosivlenes durch hd § wiedergibt nnd
nicht durch p t k^ wie das jetzt in einigen Arbeiten Mode geworden ist
und in der Zeitschrift fOr hochdeutsche Mundarten gefordert wird. Eine
Gefahr, die süddeutschen bezw. schweizerischen 6, d, g den entsprechenden
romanischen auch qualitativ gleichzustellen, besteht keineswegs, darf mtn
doch als allgemein bekannt voraussetzen, dafl diese Beziehung nur in
quantitativer Beziehung Berechtigung hat
Wenn also S., indem er in diesem Punkt an dem überlieferten
Schriftbild festgehalten und sich dem Vorgange anderer schweizerischer
Forscher angeschlossen hat, so verdient er volle Zustimmung. Für die
Reibelaute werden drei Spielarten namhaft gemacht: Lenes, Portes, Ge-
minatae. Bei den Sonorlauten sei, abgesehen von den genannten be-
nachbarten Ortschaften, Geminataartikulation sehr zweifelhaft, und ob
auf dem Land Verschlußgeminatae vorkommen, wird nicht gesagt.
Was die Darstellung der Doppelvokale anbelangt, so kann diese
nicht gerade als glücklich bezeichnet werden. *'Um nicht unnötigerweise
von der Oberlieferung abweichen zu müssen**, sagt der Verfasser, "werden
die Zeichen : ai für dfi, au für äu, äu für ifi gewählt**. Das ist keineswegs
jMichahmungswert. Gerade hier war es besonders geboten, von der Tradition,
d. h. vom gewöhnlichen Schriftbild zu lassen. Einmal sind diese Ent-
sprechungen nicht für ein beträchtliches Gebiet der alemannischen Idiome
zutreffend, sodann ist es überhaupt für jedermann etwas ganz Ungewohntes,
beim Durchgehen einer Dialektstudie genötigt zu sein, fortwährend eine
Umwertung der fraglichen Lautzeichen vornehmen zu müssen.
Bezüglich der Diphthonge wäre die Auskunft erwünscht gewesen,
ob sie kurz oder lang ausgesprochen werden.
Hinsichtlich der einfachen Vokale notieren wir die Angabe, daß die
Züricher Mundart die mittlere, d. h. halboffene Klangfarbe des e nicht
besitzt, daß sie nur geschlossene, offene und überofTene # kennt. Letzteres
ist für die Züricher meines Erachtens recht kennzeichnend.
Die kurzen i, u und ü sind nach S. nicht so geschlossen, wie die
entsprechenden Längen. Hiebei will ich nicht unterlassen, darauf hinzu-
weisen, daß einige Mundarten des Landbezirks die betreffenden Laute,
sofern sie in der Tonsilbe stehen, ganz geschlossen artikulieren.
So sagt Bülach: Uf d^r Rapperiwiltr bruk lig9d drä t^nj, hoij,
Igrf, lawfy rörlf und dur dh drü tün9, höh; Ura rMf Uvn^d d' /Ä
r/lcht red9.
Die Notiz, daß a eine leichte Neigung nach o habe, ist wohl ein
Versehen. Die Angabe bezieht sich doch zweifellos nur auf den Fall, wo
mhd. d in der Züricher Mundart zunächst in -6 übergegangen ist und sich
dann wieder dem -d genähert hat, ohne aber die o-Färbung zu verlieren.
S. macht indessen zwischen diesen verschiedenen a keinen Unterschied,
was sehr befremdend ist (vgl. S. 27).
Über den Vokalismus sei ferner folgendes hervorgehoben:
Umgelautetes mhd. a erscheint als #, f oder ä- f begegnet vor r-
Verbindung: hfrM^ hfrt, gfrt^l, ffrtig.
Umlauts-0 erscheint vor Nasal und Nasalverbindungen stets als 9,
Besonders kennzeichnend ist dieses ä vor (vereinfachtem) Doppelnasal:
hrän», iwäm9 etc.
Den Übergang des a zu « zu ff in üpfü, löffü illustriert die Züricher
Mundart auch noch mit iihMl (schemel).
Suter Die ZOrcher Mondart in M. Utterit Dialektgedichten. ö8
Mhd. i ist in ä d. h. überoffenes # gewandelt worden und hat
sich mit dem Sekundärumlattt vermischt.
Mhd. i settt sich in einigen Beispielen als ü fort: tHÜ9 (drillen),
briU9 (brille), hrün» (brinnen), i%oüm9, wüm» (windemen), ioü989, ztcüii9t etc.
In der Landschaft ist mhd. o in a übergegangen:
häf (hof), trüg (troc). Suter hält dafür, daß dieser Prozeß sich auch
in der Stadt vollzogen habe, daß aber später ¥rieder o eingetreten sei.
Reste dieses Wandels finden sich noch bei den Formen knä, nänig.
Mhd. u und t sind in Übereinstimmung mit den meisten Schweizer
Dialekten vor Nasal und Nasalverbindungen erhalten: suf»^ 9um9r etc.
Ich muß jedoch auf die interessante Sonderstellung des Rafzer
Dialektes (Norden des Kantons Zürich) aufmerksam machen. Hier heißt
es: sanw (nhd. Sonne), ipp%n9 (nhd. spinnen), k^nn9 (nhd. gesponnen).
Daß mhd. d in 6 übergegangen ist und sich dann wieder dem A
genähert hat, ist oben bemerkt worden. Es mag darauf hingewiesen
werden, daß nicht alle Mundarten des Kantons Zürich an dieser rück-
läufigen Bewegung teilgenommen haben. O für mhd. A (außer vor Nasal)
wird beispielsweise noch in der Mundart Rafz, die sich überhaupt stark
von den Züricher Idiomen abhebt, gesprochen. Femer begegnet ö für
mhd. A z. B. am rechten Seeufer, von Uetikon aufwärts, im Oberland
und Bauernland. Über die Formen mön9i moae hätte etwas bemerkt
werden sollen.
Seite 29 heißt es: Die Bemer haben entsprechend ihrer Mundart
die ä-Formen außer in Man. Diese Angabe ist nicht ganz richtig. In
den nördlichen Gebieten dieses Kantons sind alle langen alten a in o
gewandelt worden, während die südlichen Gegenden den betreffenden
Laut unangetastet gelassen haben. Sigriswyl (im südlichen Teil) nimmt
eine Ausnahmestellung ein, indem auch hier mhd. 4 in ö übergegangen
ist, aber nur vor Nasal! Man sagt also dort: ÄäAra, jär, äfe, aber stö^
gOj lö etc.
Kuhn und Wyss, deren Mundarten zum a-Gebiet gehören, haben
das Wort mön den nördlichen Dialekten entlehnt oder sind vom Schrift-
deutschen beeinflußt worden.
Für Kuhn wäre eine Anlehnung an die Mundart von Sigriswyl,
wo er einige Jahre als Vikar amtete, denkbar.
Über die ä- ^Linie, soweit sie den Kanton Bern betrifft, mag hier
beiläufig folgendes angemerkt werden.
Sie beginnt südöstlich von Ins an der Freiburger Grenze, geht
zwischen Kallnach und Siselen hin gegen den Bielersee, wendet sich
nördlich von Walperswyl nach Osten, läuft zwischen Bühl und Kappelen
nördlich von Frienisberg gegen Münchenbuchsee, das zum ä-Gebiet gehört,
berührt dann Hindelbank und Burgdorf. Von dort bildet die Emme auf
eine Strecke die Grenze. Südlich von Rüegsau und nördlich von LÜtzelflüh
sich hinziehend, schlägt sie die Richtung nach Nordosten ein und streicht
zwischen Sumiswald und Wasen gegen den Napf.
Der oben angeführte Wandel des 0 (aus A) in a ist, wie mir der
Mitredaktor des schweizerischen Idiotikons, Herr Dr. Schoch, gütigst mit-
teilt, in einigen Gegenden des Kantons Zürich im 17., bei andern am
Ende des 18. Jahrh. eingetreten.
Auch aus der heutigen Sprache kann der Beweis erbracht werden,
daß fragliches ö einmal existiert hat. Die Formen Spöter, 8pr6M9^ hörli
54 SDter Die ZOrcher Mundart in M. Usteris Dialektf^chten.
können nur einen Umlaut von o aufweisen, was S. richtig bemerkt Wararn
es aber mfndig, gfb, nfm usw. heißt, möchte man ebenfalls erfahren.
Den mhd. i, 6, cb entsprechen durchweg geschlossene Laute in der
Züricher Mundart
Beim Kapitel der Diphthongierung der alten Längen I, il, im Hiatus
(§ 28), treffen wir die Formen In (bei), hü (im Sinne von Dfinger, sonst
bou\ ehnü (Knie), welche dem Spaltungsprozeß im Gegensatz zu dni ans
dri, frei aus fri usw. Widerstand geleistet haben.
Ein ganz besonders interessanter Fall begegnet bei den Diphthongen,
die infolge Verflfichtigung eines Nasals vor Spirans entstanden sind. (Es
ist das Wort MSÜckhöf aus Münehhof.) Die Züricher Mundart gehört nicht
zu den Sprachsippen, die den Nasal vor gutt. Spirans verflüchtigen lassen.
Und diese Erscheinung wird um so auffälliger, wenn man weiß, daß in
(regenden, wo der Schwund des Nasals in besagter Nachbarschaft ein
striktes Lautgesetz darstellt, die Formen münch beziehungsweise mMcft
vorkommen.
Mhd. ei verwandelt sich in äi oder ^'.
Mhd. ou wird zu äu, öu zu gi,
Mhd. ei und öu münden also in manchen Fällen in denselben Laut
aus. Wie störend Suters Transkription ist, ersieht man besonders aus
dem hier beigebrachten Material.
Bei den Entsprechungen germ. eu : mhd. sm, ie (§ 34) finden wir
in den Verbalformen «f vor Lab., Gutt. u. Dent wie in Schaflhausen,
während Mundarten wie z. B. Basel, Aargau (Fricktal) durchweg 99 oder
Leerau (südl. Aargau) vor Dental i9, vor andern Konsonanten ü aufweisen.
Wenn Usteri das Adjektiv teuf verwendet, so haben wir es ohne
Zweifel mit einer Entlehnung aus deif Schriften von Kuhn oder Wyss zu ton.
Ober die quantitativen Veränderungen der Vokale sei folgendes
bemerkt:
Kurzer Vokal wird vor auslautender Lenis gedehnt. Ausgenommen
sind die Verbalformen. Der neue Laut ist offener als die Kürze : b}r bin,
birli, ipjl, ipÜ9r, tär, türli, elfg (PL), älegli, giff, gufe, 8} (Sinn), eim (Verb).
Seine eigenen Wege hat 0 eingeschlagen, indem es nach Suters
Notierungen in der Dehnung qualitativ sich gleich bleibt: höf^ -hofd in
Zusammensetzungen, bor», ipor», gibor», ferlör» usw.
Von inlautender Lenis weisen a, ä, f Dehnung auf, außer vor m
und den Bildungssilben -«/, -er:
mäh (maln), grab», wäg», trag», läd»r, jäe» — aber cham^r, hamer,
zäd»l, hab»r,
e, i, u, ü werden nicht gedehnt: red9, tribe, böge, gufe.
Im Gegensatz zu der Nordwestgruppe der Schweizer Dialekte (Basel-
Stadt, Basel-Land, Sololhurn und der nordwestliche Teil des Aargaos)
und einiger Mundarten des St. Gallischen Rheintales, welche die Dehnung
der Vokale vor in- und auslautender Lenis konsequent durchgeführt haben,
ist die Züricher Mundart auf halbem Wege stehen geblieben. Welches
der weitere Dehnungsprozeß in diesem Idiom sein wird, bleibt abzuwarten.
Suter neigt der Ansicht zu, daß unter dem Einfluß benachbarter Dialekte
eine Rückbildung sich vollziehe.
Was die durch Monophthongierung entstandenen Kürzungen an-
betrifft (§ 39), so sind sie eine gemeinschweizerische Erscheinung: find,
fründ usw.
Suter Die Zürcher Mundart in M. Usteris Dialektgedichten. 66
Die älteren Lftngen I, ü, tu sind von keinem quantitativen Wandel
betroffen worden, auszunehmen sind blofi sitb, iwig9 (swlgen), hüi (hiute),
da wir die Formen usa (üze), uff (üfe, üffe) aus satzphonetischen Gründen
aus dem Spiel lassen können.
Mit Rücksicht auf die Konsonanten mag auf folgende Punkte auf-
merksam gemacht werden. Wie hinsichthch der obigen vokalischen Längen
hat sich die Mundart in betreff der auslautenden Explosivlenes und -fortes
konservativ verhalten. Wir finden allerdings im Vergleich zum Mittelhoch-
deutschen einige Potenzierungen der Dentallenes, die aber, die Nordwest-
gruppe ausgenommen, in den meisten Schweizer Mundarten sich zeigen,
nur wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Verfasser die Fälle, in
denen ma. t auf germ. d (d) oder ß zurückgeht, vollständig aufgeführt und
reinlich geschieden hätte (vgl. § 64).
Eine Parallele zu der Reduktion in tum (tump), tum9, ehHm9
(klimben) bieten die Formen: äwüm» (swimmen), bruM, kchäw, brüm
(brinnen), rür»^ 9^^^, femer: faU, Meh, weh (wellen). Bemerkenswert ist
femer die Schwächung der spirantischen Fortis as in mO^ta, löM (Koi^.
Präs.); ff bleibt durchweg unangetastet. An Stelle des tc ist n getreten
in: blän9y grata (zu Ud, grd); t^ ist in 6 übergegangen: ebig, ruabß.
Wir hätten noch der Intensitätsverringerung der rom. Fortes vor
der Tonsilbe zu gedenken, doch ist das Gesetz nicht völlig durchgedrungen.
Bei § 69 wäre als Ausnahme hchapdl beizufügen (vgl. § 142).
Das Züricher Idiom gehört zu den Dialekten, deren sämtliche
Verben im Plural Präs. Ind., sowie im PI. Präs. und Prät Koi\j. auf den-
talen Verschlußlaut endigen. Im Plur. Präs. Ind. gilt die Endung -ad, im
Konj. Präs. -id, im Konj. Prät. -Mf, doch häufiger -ad.
Die ahd. -Ai, -^-Verben haben in den Schweizer Mundarten tief-
gehende Spuren hinterlassen. Die Zugehörigkeit dieser Klassen wird er-
wiesen durch die Bindevokale i und 9 in der 2. und 3. Sing, des Präs. Ind.,
femer durch die Endung 9t im Part. Prät.:
tankehiät, badiit^ flu9chiät, taükchat, bad9t usw. Doch sind durch
analogische Obertragungen die ursprünglichen Verhältnisse da und dort
getrübt worden.
Die Endung der starken und schwachen Verben im Präs. Konj. 1. u.
3. Sing, ist -t.
In § 106 führt S. die starken Verben an, die sich dieser Regel
entziehen, nennt daranter aber auch die Form haig des schwachen
Verbes haben.
Es sind indessen nicht nur einige starke Verben, die sich obiger
Regel nicht fügen, sondern auch die Prät. Präs., eine Erscheinung, die in
manchen Mundarten wiederkehrt, so z. B. in Kerenzen (vgl. Winteler
Kerenzer Mundart S. 159 ff.).
S. 92 vermißt man die naheliegende Erklärung des t in waisaL
S. 96 wäre über die Analogiebildungen chind», käir9r etwas zu be-
merken gewesen. Als Kuriosum mag notiert werden, daß Usteri in einem
Dialektgedicht noch das Imperfekt anwendet, das zweifellos schon be-
deutend früher der Mundart nicht mehr geläufig war.
Bei tuan{9) gan{9) usw. wäre es wohl ratsamer, eine Beeinflussung
durch zweisilbige Verbalformen anzunehmen, als von syntaktischen Vor-
aussetzungen auszugehen.
S. 99 finden wir einsilbige Substantivformen, denen in manchen
56 Endxelin LatySskge predlogi (Lettische Präpositioneii).
Gegenden zweisilbige gegenüberstehen : flüg, hjr, chirz, chron, f^ats, glok,
güfj kßij kchapdlf muk, pflatut, mUb^ tu«, 4^^ ^f ^^, ^i ^Pf-
S. 100 sollte zwischen kird und erd9 der Bedeatongsnnterschied
hervorgehoben sein.
S. 102. Der Komparativ Mtor zu wi ist höchst merkwürdig.
S. 109 (§ 1^) ist wahrscheinlich dorch den Setzer eine Verschiebang
der Aasdrücke Neutram and Femininom eingetreten.
Bei den Possessivpronomen verweise ich aof die Formen Plor. N.
Akk. : tmn9r, mtm, mifiar, tRn^r, tRni, tRn9r osw., die zwar bei Usteri sich
nicht finden and mehr den ländlichen Dialekten eignen.
In den syntaktischen Aasführongen werden zweierlei genitivische
Endongen der Familiennamai genannt Der Ausgang der staricen Deklination
begegnet bei mehrsilbigen Namen, die mit r, l oder Vokal schließen, wäh-
rend die schwache Flexion bei einsilbigen auftritt, femer bei allen auf
Zischlaut endigenden und allai mehrsilbigen, deren Aaslaut nicht r, l oder
Vokal ist.
Ich vermute, daß die von Aci^ektiven abgeleiteten Familiennamen,
wie «- Böt9^ 8' Fr€i9 und die mit Zischlaut endigenden das Muster fär
sämtliche Fälle der schwachen Flexion abgegeben haben.
In dem letzten Abschnitt, der von dem Wortschatz handelt, weist
S. darauf hin, daß Usteri auch hier unter dem Einfluß der Bemer Dichter
stand und bietet sodann eine schöne Lese von alten Wörtern der Züricher
Mundart, die dem heutigen Dialekt teilweise verloren gegangen sind.
Bei Besprechung der Vorsilbe sm^^ die dem Züricher Idiom fremd
ist, könnte man vermuten, der Verfasser habe an eine Entlehnung aus dem
Schriftdeutschen gedacht. Es möchten indessen dem Dichter Usteri wohl
schweizerdeutsche Formen vorgeschwebt haben, singt ja doch sein Freund
Kuhn: Der Ustig wot cho, der Schnee zergeid scho.
In dem resümierenden Schlußsatz hebt S. unter anderem hervor,
daß weit stärker als die mundartUchen Vorbilder die Schriftsprache auf
die Gestaltung von U.'s Mundart eingewirkt hat. Denn so vertraut ihm
diese war, wenn er sie sprach oder sprechen hörte, trat sie ihm doch
jetzt, da er sie schreiben sollte, als ein Neues, Fremdartiges gegenüber.
Da drängte sich die Schriftsprache, die ihm geläufig war, dienstfertig her-
bei und bot ihm ihre reicheren Mittel an. Vor allem fand U. in ihr eine
ausgebildete Orthographie. Indem er sich dieser zur Fixierung der Mund-
art bediente, übertrug er oft die Lautform der Schriftsprache auf die Mund-
art und gab so ein verzerrtes Bild der letzteren. Zur richtigen Würdigung
von U/s Dialektgedichten muß aber, wie schon angedeutet wurde, in Be-
tracht gezogen werden, daß sie mit wenigen Ausnahmen nicht für die
öfTentlichkeit bestimmt waren.
Ich schließe mit dem Wunsche, es möchten bald andere Zürcher
Dialekte so allseitig und gründlich behandelt werden.
Basel. P. Schild.
Endzelin 1. Latyäskije predlogi (Lettische Präpositionen). I öasf Jufjev
(Dorpat) Tipogratija.K. Mattisena 1905. gr. 8o. VIII und 220 S., II casl'
ebd. 1906. IV und 144 S.
Der 1. Teil der Schrift beginnt mit zwei §§, die mit dem eigent-
lichen Thema nur lose zusammenhängen. Im § 1 ist die Rede von -r[»J
Endzelin LatySskije predlogi (Lettische Präpositionen). 57
n gewissen slavisclien Präpositionen : in slav. bes{i\j lett. bez neben lit. bP
deht E. ein affigiertes vorslav. *-^. Was die slavische Präpositionendung
4U anbelangt, stimmt der Verfasser Brandt zu, welcher slav. *per^j fia-dt
lach dem Nebeneinander von po (echte Präp.) und podi^ (: lit. pddas, slav.
jocto, poda 'Boden', zn urspr. griech. irÄov usw.) entstehen läßt. Ich möchte
lier doch an ai. bahir-dhä 'draußen* neben baMit aufmerksam machen,
emer auf die bekannten Fälle, wo wahrscheinlicherweise Ableitungen der
Nz. dhi' mit uralten Präpositionen verbunden werden, lit. iü-deut, inda
Gefäß' u.' dgl. Leskien Die Bildung der Nomina (Abh. d. kgl. sächs. Ges.
J. Wiss. XII) 198 f., 233, n«-<W 'Sünde* 281 (auch pra-d^ = pra-dHä 'An-
ang', pradAn 'beständig* bei Mieiinys), ai. sam'^ä 'Obereinstimmung* u.
igl., saifi'dhyä, sam-dhifi m., vi-dhä, vi-dhift m. u. dgl., slav. sq-db 'Ge-
"icht, Faß': ich kann mir ganz wohl vorstellen, daß gewisse uralte zur
MTz. dhe- gehörige Nominalbildungen (bezw. Adverbialbildungen nominalen
[Charakters) in slav. ^per-db, na-db (ja vielleicht auch in der Präp. und
luch im Nomen p<hdb) zugrunde liegen könnten. Wenn man von einer
Wz. dhe- spricht, so muß man doch wohl heute nicht mehr in erster Reihe die
r e r b a 1 e Wurzel vor Augen haben *)? — § 2 handelt von Schwankungen in der
Schreibung von Präpositionen im Preußischen («n : ön, ab- : eb- u. dergl), wo-
bei auch die Frage auftaucht, ob das Preußische ein A gehabt : E. verneint
sie. — § 3—75 werden nun die lettischen Präpositionen einzeln besprochen.
E. gibt genaue Auskunft über deren Lautform und Gebrauch in ver-
schiedenen Mundarten und sonstigen Quellen, wobei auch die bei Prä-
[M>sitionen allerdings so oft Schwierigkeiten bereitende Etymologie so-
Hrie die Rolle der Präpositionen in nominalen Zusammensetzungen
m Worte kommt; es sei hier ausdrücklich auf den Hexensabbath ver-
ichiedener durcheinander fließender Formen aufmerksam gemacht, die
E. unter alz behandelt: ob da alles je mit Sicherheit zu entwirren sein
Bvird, wird erst die Zukunft zeigen. Ich kann hier nur einige Randglossen
1) Im RV. II, 12, 3 liest man ein rätselhaftes apadhd : yd gd uddjad
%padhä valdMya. Man sucht in diesem Worte einen Instrumental der
rrennung (etwa 'aus dem Versteck des Vala'), oder einen Instrumentalis
instrumenti Cmittels des ErÖffners des Vala* Ludwig V, 53). Apadhd
könnte zu dpa in demselben Verhältnis stehen wie bahirdhd zu baMfi;
vielleicht bedeuten jene Worte weiter nichts als 'welcher (Indra) die Kühe
binaustrieb, weg vom Vala, in der Richtung vom Vala weg'; der Gen.
valdaya würde gut zu dem nominalen Charakter des Wortes stimmen;
wenn bei bahirdhd 'im Außen von . . .' der Ablativ steht, so ist er
natürlich ebensogut zu begreifen. Wer bei einem Adverbium genau wissen
muß, welcher Kasus darin stecken mag, kann in bahirdhd, apadhd meinet-
wegen einen Instrumentalis sehen. Slav. po scheint z. T. urspr. *dpo zu
repräsentieren ; ist dies wahr, steht slav. podb vielleicht etymologisch gar
nicht sehr weit von ved. apadhd entfernt. Ich halte die adverbielle Be-
deutung in diesen (und in manchen anderen) Formationen für die ur-
sprüngliche : falls sich nachträglich in einzelnen Fällen die rein nominale
z. B. auch einen Nominativ ermöglichende Bedeutung entwickelt hat (z. B.
vielleicht in slav. podb, lit. pddas 'was unter mir, unter einem Gegenstande
ist'), so ist dies wohl um kein Haar weniger begreiflich, als wenn z. B.
der Deutsche von ein3m Nebeneinander, Hintereinander u. dgl.
spricht. — Ähnlich ^jti-dhd 'in richtiger Art und Weise' neben i^ü.
58 Endzelin LatySskija predlogi (Leltische Präpodtionen).
wagen: eine Reproduktion des Inhaltes der einzelnen Abschnitte wüide
selbstverständlich gar zu viel Ranm einnehmen müssen. — Was die Ve^
stümmelungen im Auslaat anbelangt, die eine so große Rolle im Letüscbea
spielen, so kann man nie mit Bestimmtheit sagen, was eigentlich ibfe-
fallen ist. Z. B. zem 'unter* deutet E. vermutungsweise aus zeme (Lok.
Sing.), bezw. zemen (37): ebensogut könnte man an ein ^:temi denken,
welches (in der Endung) dem griech. xa^<>{ Qsw. entsprechen würde *). —
Daß slav. t 'et, etiam' zu lit if gehöre (40), ist doch wenig wahrschein-
lich; man würde doch im Slavischen ein anl. »-, bezw. j»- erwarten? —
Zu S. 4ö ^ sei bemerkt, daß auch Ulmann ar mit Gen. (aUerdings nur Fem.)
kennt. Das Kapitel über ar 'mit' bietet ein interessantes Beispiel, wie
eine ursprünglich nicht übliche oder höchstens fakultative Präposition all-
mählich sich verbreiten und obligat werden kann, ein umso interessanteres,
als ja ar sicherlich, wie auch E. annimmt, ursprünglich keine Präposition,
sondern eine kopulative Partikel 'auch' ist {tiv9 gäja ar düu bedeutete
ursprünglich, als das Lettische noch auch mit dem bloßen soziatiren
Instrumental d&u ausreichte , offenbar dasselbe wie £ech. cUe M i [ar]
se-synem [dHu] 'pater ibat etiam cum-filio', was wie ein verstärkter
Soziativ, etwa wie d. der Vater gieng eamnU dem Sohne gebraucht wird).
Das Lettische fand in diesem ar ein bequemes Mittel, den ursprünghchoi
präpositionslosen Instrumental, welcher im Laufe der Zeit im Sing, mit
dem Akkus., im Flur, mit dem Dat. zusammengefallen war, von diesen
Kasus zu unterscheiden. Es ist übrigens merkwürdig, daß der Soziativ
und Instrumental auch sonst eine so große Neigung zeigt, sich mit Prä-
positionen zu verbinden. Ai. eahä ist unsprünglich ein fakultatives, später
sogut wie obligates Umstandswort des Soziativs (eigentUch ursprüi^cb
ein Adverb wie griech. d^a), verbindet sich aber frühzeitig (St-Petersburger
Wtb. VII, 885 f. ?) mit dem Instrumentalis instrumenti, in abhyanujnßtum
icchamaii eahäilfhir munipumgaväifi Räm. III, 8, 7 (Bombay) 'enÜassen
werden wollen wir von diesen BüßeranfiUirem* erscheint es mit dem In-
strumental des aktiven Subjektes: wie man sieht, die Präposition, die
ursprünglich ihre bestimmte Bedeutung gehabt, sinkt zum bloßen formellen
Bestandteil des Instrumentals herab. Analoges gibt es auch sonst, z.B.
im Iranischen. — S. 55 hätte die schwierige Frage von dem Verhältnis von
lit. atölasy lett. atäls, pr. attolis 'Grummet', lett. attaUtie "wieder zu sich
kommen*, lit. atö-dina 'desselben Tages', atöd-ügiai 'Roggen, der in dem-
selben Sommer gesäet und gemäht wird', auch (UM-augiai geschrieben,
atö-reiei atd-rdczei 'Sommerkorn, Sommerweizen', slav. otava berührt werden
sollen. — S. 59* wird slav. opftt 'zurück, wieder" u. dgl. wohl richtig zu
lit. atpenti atpent atpencz und pintie m. 'der Rücken der Axt, der Sense'
gestellt ; ich vermisse hier das semasiologisch hier so wichtige slav. pfla
1) Es scheint mir, E. gehe zu weit, wenn er z. B. so oft {zemen:
zenij secen : sec usw.) den Wegfall von urspr. zweisilbigen Endungen zu-
läßt. Aber es läßt sich, wie gesagt, darüber nicht leicht etwas bestimmtes
sagen. Aber, wie im Ai. im wesentlichen mit gleicher Bedeutung säeä,
sdci äat. Br. IV, 1, 3, 7, eäkdm (im Altiran, haiä haia, hakafi nebeneinander
steht (vgl. Listy filol. XXX, 6 f.), kann das Baltische einmal neben lett. secen
(aus halt. *8ekenq oder dgl.) auch eine dem ai. edcä (*eeql) oder sää
{*seqi) entsprechende Form besessen haben, die dann in lett eec stecken
würde.
Endzelin Latyiskije predlogi (Lettische Präpositionen). 5^
Ferse' (und ferner lit pmUlnoM 'Sporn') Miklosich Etym. Wtb.2d9. — S. 62 f.
bespricht E. das schwierige Verhältnis zwischen slav. dee», lett bez^ lit H
3hne*, ai. hdhH 'dranflen' (preoß. *h€ hk€ *iind' kann man wohl beiseite
usen, ebenso lit bH 'aber"); er hält es für möglich, lett &ear sei aas ^
Inrch slavischen Einfloß schon in jenen Zeiten entstanden, wo das Lettische
nit dem Slavischen noch so verwandt war, daß die Vorfahren der heute
eschiedenen Völker noch einander verstehen konnten. So weit zurück
»raucht man wohl angesichts der unzweifelhaften Beeinflussung des
.attischen durch das Slavische auch in den historischen Zeiten nicht zu
eben, vorausgesetzt, daß sich der Urlette mit dem Urslaven wirklich je
lat verständigen können; das Adverbium b^-iä läßt sich, wie auch E. sieht,
lur aus *be-tjä begreifen, und ein russifiziertes bez für echt halt, be ist
im nichts unbegreiflicher als das russifizierte Zahlwort lett Mri 'vier*,
ch möchte slav. bea, halt be von ai. bah-i^ (offenbar mit derselben En-
Inng wie äv-i^ gebildet) nicht trennen : slav. *bez : halt b4 aus vor-bslav.
bei *bheih können ja am Ende weiter nichts als leicht begreifliche Satz-
loubletten sein? — S. 168 ist unter den Belegen der Postposition -p mäjup
nach Hause' nachzutragen (Austrums Xlü, 606, 669; XIV 93). Die Endung
up, 'üp enthält jedenfalls eine Kasusendung mit der Postposition:
im welchen Kasus es sich da handelt, ist schwer zu sagen. In k^fup
^j4tp 'auf die Füße* sucht E. einen urspr. Gen. PL, wohl mit Recht,
lachdem -pi -p im Litauischen auf die Frage wohin? den Genitiv, auf
ie Frage wo ? den Lokal regiert Aber es scheint, die Endung -up, -^ip
ei frühzeitig einfach zu einer grammatisch nicht mehr verstandenen
Ldverbialendung erstarrt, und es dürfte nicht recht sein, in l^up, augiup
ugHp usw. Akkussative Sing, mit -p zu suchen : es sind dies mechanische
Tachbildungen nach käjup kqfüp, deren Zustandekommen vielleicht gar
nch noch durch ndd. Adverbien auf -up {-auf) mit begünstigt wurde.
Utvrup 'abseits' (Lerch II, 66 schreibt aawruhp, also mit langem u) deutet
I. aus ^iavur-p, wie tur-p 'dorthin*, äur-p Tiieher*, kur-p 'wohin' : es gibt
Bdoch kein ^savur (etwa 'bei sich*?). Bei Mie2inys steht ein lit. Murüpei
vooL sponte', welches den Eindruck macht, als ob es zu rüp/ii 'am Herzen
legen' gehören sollte, und welches, falls verbürgt, sicherlich nicht von
stt savrup zu trennen ist. Leider hat man da mit Schwierigkeiten zu
ämpfen, die sich öfters wiederholen, handelt es sich um lettische Endungs-
ilbc^ : ist -u- in diesen Bildungen kurz oder lang ? Dieses lit.-lett. -j>(0
ftus *p/ im Auslaut gekürzt, wie alit. tos-pie-g S. 169 zwar nicht beweist
.her höchst wahrscheinlich erscheinen läßt) dürfte samt der lett. Präp. pe
loch wohl zu griech. iroi 'irpöc' gehören. Endzelin verneint dies S. 170,
adem er meint, iroi lasse sich nicht von irori trennen. Wenn man alle
Präpositionen, deren Gebrauch sich in verschiedenen Sprachen und Mund-
arten deckt, für etymologisch identisch erklären sollte, müßte dies ja z. B.
►uch von griech. irpoxi : irori, ai. präti : av. paiti, griech. jicxd : viha usw.
:elten: und wenn heutiges Pi-balga (Pebalg in Livland) im 13. Jahrb.
loch Pre-balga hieß, so beweißt dies, daß pri im Lettischen allmählig
'or p9 weichen mußte, aber nicht, daß pS selbst nicht ursprünglich sei.
kuch noch sonstige Tatsachen machen es höchst wahrscheinlich, die Ur-
prache müsse einen bedeutenden Vorrat an partikelhaften Adverbien ge-
iaht haben, die zur näheren Bestimmung lokaler und sonstiger Verhältnisse
lienten, im Laufe der Zeit mitunter zu Umstandswörtern wurden, deren
^ahl jedoch dadurch reduziert wurde, daß ein einziges Umstandswort die
€0 Endiclin LatySsk^e predlofi (Lettische Pir^ostüoiicn).
Rolle anderer mit äbernafam: ein solcher Torfmnf erscheint andi anfe-
sichts des Verhältnisses Ton lit-lett -piy "pi-^ pri, pi nsw. Tiel wihr-
scheinlicher, als z. B. Endzelins oder Schmidts Annahme, friech. «oti wi
zn *iröT und *«o reduziert, *«o djum wiederam durch Nachahmimg des
Verhältnisses *«6t : «ort ahermals zu ^«dt, «oiO erweitert worden. — Mctk-
wfirdife Schwankungen in der Endung bietet des Vorwort jrsr 'gegen':
prefh. prete, pretä, preii, preimi, pr^Om^ prtifm, preün (prtii ?), prHUe prM
(im Katechismus 1586 und Psahnen 1587) ; dazu kommt slar. praii (denes
-t ja nicht urspr. -i sein kann), kslav. proHw^ kasch. proeiwi^ wmss. prm,
poln. przeciw Ü89f.). Welche von diesen Endungen mögen alt, welche
Neubildungen sein? Und nach wekhen Mustern mögen diese Nenbildangen
zustande gekommen sein? Im Inflantischen kommen sogar Formen wie
pti, petim vor. die an griech. «ori, airan. ^pati anklingen. Endzdin wagt
es nicht, diese Rätsel zu lösen. Nebenbei gesagt : die Form prwlibe, prdA
(wohl mit langem f zu lesen, wie die Schreibung prwMke mit nicht Tcr-
doppeltem b nahe zu legen scheint) neben pr^9m, welches ja einen Vokal
verloren haben muß, erinnert in rerföhrerischer Weise an den bekannten
Wechsel M : m in der Deklination. — Zu lit vidÜM 'das Innere* usw. (200)
möchte ich an das ai.. leider nicht belegte Nomen vidu^ m. 'die zwischen
den beiden Erhöhungen auf der Stirn des Elephanten befindtiche Gegend*
erinnern. — S. 202 f. folgen nicht uninteressante Einzelnheiten über Sandhi-
erscheinungen an Präpositionen (auch in Komposition), S. 206 f. eine kurze
Erörterung der merkwürdigen Doppelformigkeit einiger halt. Präpositionen
(wie lit. ni, pri\ nii-, pri-). Die schwächeren Formen leitet E. mit großer
Wahrscheinhchkeit aus den stärkeren als Produkte der Proklise ab : z. E
statt nu, pri als Präposition hat das Lit im-, pri- als Prärerbium, nach-
dem das Präverbium meist vortonig ist Doch erfordert die ganze E^
scheinung, die sich ja nicht bloß auf das Baltische, sondern auch auf das
Slavische zu erstrecken scheint, eine eingehendere und umfassendere Be-
trachtung, als ihr E. gewidmet hat: es gehören sicher auch Fälle wie Ut. sp/:
npi' : apy u. dergl.. höchst wahrscheinlich Intonationswechsel wie lit. p^
und j)dr'^ z. B. auch wohl Quantitätsschwankungen wie £ech. p^t-t^i pH-
v^zti 'überfahren*, 'zuführen' neben pHtoz 'Überfahrt, Zufahrt' usw.. Dinge,
die noch manche Belehrung über Detailfragen der baltisch-slavischen
Akzent- und Intonationsverhältnisse zu bringen Tersprechen. Dazu gehört
aber auch noch § 82 f. (S. 208) bei E., "Die Intonation der Präpositionen
und der Präfixe", ein Thema, welches unmöglich auf 2 — 3 S. zu er-
ledigen ist.
Der II. Teil bringt zunächst ein Kapitel von der Rektion der
Präpositionen, welches im Lettischen etwas verwickelter ist als sonst
Wir stoßen da zunächst auf die Frage, warum die lett. Präpositionen nie,
die htauischen sogut wie nie, den Lokal regieren : dieselbe läßt sich wohl
nicht im allgemeinen geben, sondern man müßte auf einzelne Präpositionen
eingehen, bei denen man einen Lokal zu erwarten hätte. Cbrigens er-
innere ich daran, daß auch im Ai., etwa antdr abgerechnet, welches ein Ad-
verbium ist, sowie das im Veda und Avesta so farblos auftretende postposi-
tive d, welches dieselbe Rolle spielt, wie *en in baltischen Lokalen (IF. 6,
289 f.), der Anteil des Lokals an Präpositionalausdrücken kein besonders
großer ist. Sonst erklärt E. z. B. den Nominativ bei Präpositionen wie
*) Kennt man den Akzent von gr. iroi 'irpöc'?
Endzelin LatySskije predlogi (Lettische Präpositionen). 61
Mahlenbach IF. 13, 235 f. (Märchentitel wie ap diw hröVi gudri, treä duraks
möchte ich jedoch lieber etwa Von zwei klugen Brüdern, der dritte ein
Dammkopr übersetzen, also frei duraks als selbständige, vom Umstands-
wort nicht abhängige Ergänzung betrachten). Verbindungen wie yar kam
'warum', par tarn 'darum* usw., vgl. Mühlenbach ebd. 241 f., zu welchen
richtig auch lit. patdm 'darnach' (so auch po maidm 'nach kurzem*, povisäm
'gänzlich*, Kurschat § 1472), pri-g-tdm *dazu, daneben* gestellt wird,
deutet E. so, daß sie zu einer Zeit aufgekommen seien, als die Präpo-
sitionen noch Adverbien waren, welche wie Adverbien auch sonst mit
Dativen verbunden wurden. Femer werden die Formen des Pron. pers.
(Tgl. Mühlenbach 263 f.), feminine Genitivformen (ebd. 262) bei Präp., die
Verbindungen aiz k^ 'warum* u. dgl. (ebd. 2ö8), endlich die merkwürdige
Erscheinung besprochen, daß alle Präpositionen, mögen sie im Singular
welchen Kasus immer regieren, im Plural den Instrumental (Dat.) ver-
langen (ebd. 147f.). — Es folgt ein Kapitel über den Gebrauch von
Präverbien (S. 18 f.), abermals mit reichem Material an Belegen aus
verschiedenen Mundarten und Quellen ausgestattet. Nach dem einleitenden
§ 3, welcher insbesondere auch die Tmesis im Lett. und Lit. berührt
(interessant ist sad^r mizis ar apini, sa zälüe ar äMu 'zusammen paßt
Gerste mit Hopfen, zusammen Gras mit Klee') werden die einzelnen
E^verbien durchgenommen. Selbstverständlich kommen da auch die
Aktionsarten zu ihrem Rechte: und einzelnen hierher gehörigen Er-
scheinungen ist noch speziell das letzte Kapitel (S. 106 f.) gewidmet. Hier
finden wir u. a. eine ausführliche Besprechung der Art und Weise, wie
Mch die Sprache in jenen Fällen behilft, wo ein Präverb zwar seine
eigentliche Bedeutung auch in der Komposition behält, aber dem Verbum
gleichzeitig die perfektive Bedeutung verleiht: das Ycrbum erscheint da
ohne das Präverbium, und die BegrÜTsmodifikation, welche durch das
Präverbium hätte zum Ausdruck kommen sollen, wird durch ein ent-
sprechendes selbständiges Adverbium, oder sonst durch eine Adverbial-
bestimmung, eventuell auch gar nicht ausgedrückt: man sagt z. B. at«-
tUi aizkrägni (oder atz kräsns) 'hinter den Ofen sich verkriechen', wo
atr- etwa 'hinter* bedeutet aber gleichzeitig das Verbum list zu einem
Perfektivum umwandelt, nicht perfektiv dagegen IM aizkräsne; oder aiz-et
'fortgehn* perfektiv, prüjam it 'weg gehn' imperfektiv ; oder atd^U 'zurück-
geben* perfektiv, riUcä dlU (eig. 'in die Hand geben') imperfektiv. Natürlich
kann die selbständige Adverbialbestimmung auch bei komponiertem Verbum
perfekt, stehen (uzkäpt augää pft., käpt augiä impft, 'hinaufsteigen'): doch
werden insbesondere selbständige, im wesentlichen mit dem Präverbium
gleichbedeutende Adverbien in diesem Fall lieber vermieden. Das Ad-
verbium fehlt auch beim Imperfektiv um, wenn es die Deutlichkeit zuläßt:
z. B. ai'V€9t pft., vMt impfk. '(herbeiführen*, nu^rst pft., eini impft, '(ab)-
hauen* u. ä. E. führt (aus Kurschat) auch lit. Analogien an, wie isz-evti pft.,
laükan eüi impft, 'hinausgehen*. Das Slavische hat den Mangel eines im-
perfektiven Kompositums dadurch wettzumachen gewußt, daß seine Rolle
durch von Haus aus iterative, durative u. ä. Komposita übernommen wird:
doch findet man die offenbar ältere, dem lit. und lett. Gebrauche ent-
sprechende Weise daneben noch immer am Leben, und z. B. in Böhmen
ist sie gerade bei der sprachlich konservativeren Landbevölkerung meist
die üblichere. C. zalezu za pec 'ich verkrieche mich hinter den Ofen*, per-
fektiv, hat in der Regel die Futurbedeutung (daneben kann es unter Um-
62 Brentano Lehrbuch der Lettischen Sprache for den Selbstunterricht
ständen die perfektive zeitlose Form sein, z. B. in lebhafter Erzählanf
das Präs. histor.) ; das Präsens dazu (impft) kann wohl lauten zalhdm »
peei doch bedeutet dieses, insbesondere auf dem Lande, eher *ich pflege
mich hinter den Ofen zu verkriechen*, und als einfaches Präsens, 'ich
verkrieche mich hinter den Ofen' wird lieber Uzu za pee gesagt (eig. blöd
'ich krieche hinter den Ofen*). Hierbei stimmt das Slavische insofern ehef
mit dem Litauischen überein, als das Lettische bei Imperfektiven mitonier
selbständige Adverbia setzt, die dem Litauer oder Slaven überflüssig er-
scheinen, wie citi *fest*, vaTäm, uü'ä los' (wie tUzslig^ pft., tiegt cH impft
'verschließen'). Auf mich haben dergleichen Adverbien immer den Ein-
druck gemacht, sie seien dem deutschen Einflüsse zuzuschreiben: £.
führt sie, wie es scheint mit Recht, auf den Einfluß des Livischen (und
Esthnischen) zurück (136 f.).
Cber die Aktionsarten des lettischen (und im wesentlichen auch
des litauischen) Zeitworts äußert sich E. (teilweise in Anschluß an Ul'janoT
Anz. 8, 100 f., teilweise von ihm abweichend) S. 13^ f. wie folgt: "Es gibt
Zeitwörter ohne Aktionsbedeutung und solche mit Aktionsbedeutung. Zu den
ersteren gehören alle nichtzusammengesetzte Stämme mit Ausschluß der
Iterativstämme, femer solche zusammengesetzte, die . . . den Charakter von
nichtzusanmiengesetzten angenommen haben [dies ist der FaJl, wo nichtzn-
sam mengesetzte Zeitwörter wenig gebräuchlich oder ungebräuchlich sind
oder in der Bedeutung gar zu abweichen, z. B. jpa-2^ "kennen', wo es kein*^
gibt; S.79]. Diese Stämme können sowohl imperfektive als perfektive Hand-
lungen bezeichnen . . . Zur anderen Gruppe gehören nichtzusammengesetzte
Iterativstänmie, und alle zusanunengesetzte Stämme (mit Ausschluß der-
jenigen, die den Charakter von nichtzusanmiengesetzten angenommen haben):
diese sind perfektiv". Belege mit imperfektiver Bedeutung kommen bei
den leztgenaimten z.B. im VolksUed als Archaismen vor : wie die Möglich-
keit einer Tmesis, die außerhalb des Volksheds nicht vorkommt, ist dies
mit der ursprünglichen Selbständigkeit des Präverbiums in Zusammen-
hang zu stellen. Doch gibt es Fälle [die eingehend besprochen werden],
wo perfektive und imperfektive Stämme ohne Unterschied gebraucht werden:
besonders oft stehen so Partiz. Präs. auf -n/-, -dama, -ams von zusammen-
gesetzten Zeitwörtern für imperfektive Handlungen, wie es äJtiti^s izauffdama
'ich glaubte mich emporwachsend . . .'.
Der Hauptwert von Endzelins Arbeit liegt in sorgfältigen Samm-
lungen von syntaktischem Material, vorwiegend aus Volkstexten stammend.
Daß z. B. in den etymologischen Erörterungen über die lett. Präpositionen
auch nach Endzelin gar manches dunkel bleibt, darunter manches, was
Endzelin zu deuten versucht und vielleicht gedeutet zu haben vermeint,
wird gerade auf diesem so schwierigen Gebiete wohl jedermann begreiflich
finden. Endzelins Name gehört in Letticis bereits zu den (leider so wenigen)
wohlbekannten, und auch seine Magisterdissertation ilber die lett. Prä-
positionen bedeutet eine sehr wesentliche Förderung unseres Wissens.
Smichow. J. Zubat)\
Brentano H. Lehrbuch der Lettischen Sprache für den Selbstunterricht.
Mit zahlreichen Beispielen, Übungsaufgaben, Lesestücken nebst An-
merkungen, einem lettisch-deutschen und deutsch-lettischen Wörter-
verzeichnisse (Die Kunst der Polyglottie, 94. Teil). Wien und Leipzig.
A. Hartleben^s Verlag (s. a.V kl. 8o. yill und 183 S. K. 2.20 = 2 M.
Brentano Lehrbuch der Leitischen Sprache für den Selbstunterricht. 63
Ein anstelliges BQchlein, welches zwar zunächst praktische Ziele
verfolgt, aber auch sprachwissenschaftlichen Kreisen anempfohlen sein
mag. Die schöne und dem Litauischen gegenüber so selbständige lettische
Sprache verdient es ja, wegen ihres inneren Wertes, sowie wegen ihrer
aufstrebenden Literatur nicht immer gewissermaßen als eine D4pendance
des Litauischen angesehen zu werden. Das Material wird hier sehr voll-
ständig vorgeführt; vielleicht wird sogar mehr geboten als der Anfänger
auf einmal wird bewältigen können. Ob es für den Unterrichtszweck
dienlich ist, mit den Deklinationen anzufangen und gleichzeitig in den
Obungen dem Lernenden noch unbekannte Verbalformen anzubringen,
wollen wir dahingestellt sein lassen. An und für sich sind die Übungen
reichlich ; es reihen sich daran 3 Seiten Sprichwörter und einige Zusammen-
hängende Stücke (einzelne sind schon früher im Buche gelegentlich als
Cbungen verwertet worden), darunter eine längere Erzählung von A. Needra.
S. 6 würde ein Sprachforscher wohl mehr über die Ictt. Tonqualitäten
zu hören wünschen« es wäre ihm z. B. auch lieb gewesen, dieselben wenig-
stens im Wörterbuch angegeben zu finden ; doch ist das Buch in erster
Reihe nicht für Sprachforscher bestimmt. Auch das, was § 9, 2 über die
Länge von Endungen gegeben wird, ist gar zu dürftig ausgefallen. Sonst
ist mir folgendes aufgefallen. S. 8 beefchi ween bedeutet nicht *oft allein*,
sondern etwa *gar oft'; ebd. ist die angegebene Aussprache für nofagi
(als nubamkkt für nudafakt) falsch. § 19 wird den Eindruck erwecken,
ta9 werde in der Weise des deutschen Artikels der gebraucht. § 24 genügt
es nicht zu sagen, das verneinende Fürwort schließe die nochmalige Ver-
neinung beim Zeitwort nicht aus : es hätte sollen gesagt werden, die Ver-
neinung müsse wiederholt werden {neweens runä wHirde unlettisch sein).
§ 13 hätte ich gerne gelesen, daß das Lettische einen Instrumental besitzt,
der allerdings lautlich im Sing, mit dem Akk., im Plur. mit dem Dat. zu-
sammengefallen ist. Ein grammatisch geschulter Kopf — und andere werden
sich wohl kaum mit dem Buche beschäftigen — wird z. B. stutzen, findet
er S. 72 in kakjäm un degunu *mit den Füßen und mit der Schnauze'
den Dat. mit dem Akk. in einem Gespann, wo es sich in Wirklichkeit nur
um ^wei Instrumentale handelt. Der Verfasser (oder die Verfasserin) selbst
scheint von dem Instr. nicht zu wissen : sonst wüßte er, daß die Präp. ar
'mit* den Instr. regiert (nach der landläufigen Regel § 59 regiert ar im
Sing, den Akk., im Plur. den Dat. ; auch S. 72 wäre ar kahjätn un ar degunu
geläufiger) und hätte S. 18 nicht den groben Fehler machen können, ar
zweimal mit dem Akk. Plur. zu verbinden, einen Fehler, den ich mir nur
so erklären kann, daß an den sonst richtigen Übungsbeispielen, die urspr.
ar mit Sing, gehabt, eine des Lettischen unkundige Hand sich nachträglich
herumgetummelt haben muß. Solche Schnitzer liegen auch in tee meitas
•illi puellae' Nom. Plur., leeli azis S. 14, 20 vor, wo weibl. Subslantiva mit
männl. Attributen konstruiert werden. Hoffentlich wird solches Zeug nie-
mand damit entschuldigen, daß es lett. Dialekte gibt, welche ar mit dem
Akk. Plur. verbinden (Endzelin Latyäskije predlogi 1, 49f., 11,8), oder das
Femininum allmählich aufgeben? § 56 liest der Schüler vom Stammwechsel
in Komposition, in den Beispielen findet er aber ohne weiters auch solche
ohne Stammwechsel. § 70 hätte ausdrücklich auch das Reflexivum dativum
Erwähnung finden sollen ; wie wird sonst der Leser z. B. die Sätze S. 58,
Z. 17 verstehen können? § 88 Anm. 1 steht in Widerspruch mit § 78. Nach
§ 95 ist die Vokativendung -o im Adj. nur männlich; und doch stehen
64 Mitteilungen.
S. 27 im Buche selbst Beispiele, wo die Form ein Femininum ist Druck-
fehler, in einem Übungsbuch immer ein mißliches Ding, sind — und zwar
gerade in lettischen Wörtern — durchaus nicht selten. Falsch ist woW
bklre S. 4, Z. 3, sonst ist z. B. zu lesen biß 14, 33, sulait%im 88, 28, imi^
rauj 38, 31, grib^i 38, 36, aulainis 64, 16; 71, 2, mtkl^u 70, 34, wohl
nekahda 1:?9, 20, krahfna 138, 39, ifHokkt 134, 40. Das Angeführte, sowie
noch einige sonstige Ungereimtheiten stimmen natürlich die Freude an
dem Büchlein um einiges herunter.
Smichow. J. Zubaty.
Mitteilungen.
Bericht Aber die Indogemu Sektion
auf der Basler PhilologeiiYersanimliiiig 1907.
Die indogermanische Sektion der 49. Versammlung deutscher Phi-
lologen und Schulmänner in Basel 1907 begründete sich am Montag,
den 23. Sept. um 2 V« Uhr. Zu Obmännern wurden gewählt Prof. Dr. F.
So mm er- Basel und Dr. E. Seh wyz er- Zürich, zu Schriftführern Dr.E
Meltzer-Stuttgart und Dr. A. Debrunner-Basel. Die Zahl der einge-
schriebenen Teilnehmer erreichte die stattliche Ziffer 30. Vorträge wurden
in 3 Sitzungen 9 gehalten, darunter 3 gemeinsam mit der philologischen
Sektion, nämlich 4, 5 und 6.
1. Am Mittwoch, den 25. Sept. sprach zuerst Dr. M. Niedermann-
Zug über Ein rhythmisches Gesetz des Lateinischen. Abweichend
von Thurneysen-Berneker-Meillet nimmt er an, daß der idg. Zustand der
Verben auf -io — kurzvokalisches Suffix nach kurzer, langvokalisches nach
langer Wurzelsilbe — im Italischen stark zugunsten des langvokalischen
verändert wurde und zwar in der Weise, daß auf ungerade Morenzahl
des präfixalen Wortstückes kurzvokalisches, auf gerade aber langvokali-
sches Suffix folgte {säpiri, aber risipfri). Ausnahmen erklären sich nach
den experimentalphonetischen Untersuchungen von E. A. Meyer daraus,
daß im heutigen Englisch ein Vokal vor l r t^ wesentlich länger ist als vor
Verschlußlaut, während das Schwanken von Örior zurückzuführen ist auf
die von Victor, Grögoire und Rousselot beobachtete Tatsache, daß die
Dauer eines Vokals abnimmt in dem Maße wie die Zahl der folgenden
Laute wächst, was bei den zahlreichen Kompositis von ÖriÖv der Fall ist.
An der Erörterung beteiligten sich die Herren Thurneysen und
Sommer; der Vortrag soll in den M^langes Meillet erscheinen.
2. Sodarm verbreitete sich Dr. Hans Meltzer-Stuttgart über Rasse
und Sprache in der griechischen Urgeschichte. Auf dem Boden
Griechenlands haben sich im 2. Jahrtausend v. Chr. augenscheinlich zwei
Rassen gemischt, eine einheimische, mittelmeerische und eine zugewan-
derte, nordische. Damit stimmt überein die besonders von P. Kretschmer
imd A. Fick nachgewiesene Mögfichkeit, in der griechischen Sprache zwei
Bestandteile zu scheiden, einen ägäischen und einen arischen. Der erstere
geht zurück auf die Urbevölkerung, die uns unter mannigfachen Bezeich-
nungen entgegentritt als Eteokreter, Karer, Leleger, Pelasger, Tyrrhencr,
Mitteilungen. 65
auch <t>o(viK€C sind ursprünglich kaum die erst viel später in jenen Ge-
genden zu größerer Bedeutung gelangenden Thöniker*, sondern vielmehr
die Hothäute' (zu cpoivöc vgl. lat. Poenus). Ihre Spuren haben sie zurück-
gelassen nicht nur in einer stattlichen Reihe von Eigennamen, besonders
für örtlichkeiten, und von Einzelworten, meist für Tiere, Pflanzen und
Gebrauchsgegenstände, sondern auch in ganzen Klassen von Formativen,
vor allem -v6oc und -ccöc (-rröc). Mit Hilfe der eindringenden, an tatsäch-
lichen Verhältnissen der Gegenwart gewonnenen Beobachtungen von
Schuchardt, Windisch, Hempl, Sarasin, Finck u. a. läßt sich der Versuch
wagen, eine anschauliche Vorstellung davon zu gewinnen, wie es tatsächlich
bei solchen Sprachverdrängungen zugeht und wie es im besonderen zuge-
gangen sein mag, als die Nordländer im Mittehneergebiet festen Fuß faßten.
Wahrscheinlich ist dabei weniger an^ eine einmalige Oberrennung als viel-
mehr an einen in wiederholten Nachschüben erfolgenden und Jahrhunderte
beanspruchenden Einsickerungs- und Durchdringungsprozeß zu denken.
Der Vortragende machte zum Schluß noch darauf aufmerksam, wie frucht-
bar sich neuerdings der Bund zwischen Sach- und Sprachforschung ge-
staltet habe, und betonte die Notwendigkeit, künftighin bei der Etymologie
griechischer Wörter der vorarischen Unterschicht erhöhte Aufmerksamkeit
zuzuwenden, etwa in der Art, wie vor kurzem J. E. Harrison in den Tro-
legomena to the study of Greek religion' diesen Gesichtspunkt auf einem
verwandten Gebiet zur Geltung gebracht hat.
An der Erörterung beteiligten sich die Herren Osthoff, Wackemagel
und Schwyzer.
3. Prof. Dr. R. Thurneysen-Freiburg i. B. spendete Beiträge
aus der keltischen Philologie zur indogermanischen Gram-
matik.
a) Ai. pibati 'trinkt" sowie air. *ibraid 'wird geben* neben iropcW
legt die Vermutung nahe, daß frühidg. b im Anlaut zu p verschoben wurde.
So könnten XKtpötäre und griech. iropciv ursprüngl. mit b begonnen haben;
vielleicht ist auch vtnibua *Weinsäuferin* bei Lucilius zu pötäre zu stellen,
ebenso wie de-UlU zu polUd, pascö zu ßöcKui, paliU zu lit. balä, pinguü,
iraxOc zu ai. bahuh.
b) Eine genaue Entsprechung zu der Erklärung der sogenannten
epischen Zerdehnung durch Wackemagel bieten irische Texte, in denen
in ursprünglich zweisilbigen, später einsilbigen Wörtern der Vokal ver-
doppelt wird ; z. B. wird für (einsilbiges) mittelir. coir eooir geschrieben^
für iriar siur triaar siuur,
c) Eine gewisse Parallele zum historischen Infinitiv des Lateinischen
treffen wir in keltischen Sprachen des Mittelalters. Im Mittelkymrischen
findet man Weiterführung der Erzählung nach einem Verbum finitum durch
Infinitiv : "Peredur stand auf und gehen zu spielen mit dem braunen Bur-
schen und die Hand erheben gegen ihn und ihm einen gewaltigen Streich
hauen". Oder nach dem Präteritum von *tun* : '* Aufstehen tat Peredur und
ein Pferd nehmen und . . . aufbrechen*'. Oder in ko^junktionellen Neben-
sätzen: '*Als seine Mutter ihn aufgezogen hatte und sein zu Jahren Ge-
kommensein**, wohl ausgegangen von präpositionalen Wendungen wie
"Nach seiner Erziehung und seinem zu Jahren Gekommensein**. Endlich
im Zusammenhang mit der explikativen Verwendung des Verbalab-
straktums mit do: **Wenn dieses Tor geöffnet wird und der Teufel dort
hineinzulassen**.
Anzeiger XXII. ^
66 Ifitteilnngen.
An der Erörterung beteiligten sich die Herren Osthoff, Sommer,
Sütterlin, Meltzer.
4. Am Donnerstag, den 26. Sept. entwickelte Prof. Dr. G. Haie-
Chikago seine Indogermanische Modnssyntax, eine Kritik und
ein System. Nach einer Beleachtnng der auf metaphysische Spekula-
tionen, besonders Wolfs und Kants, aufgebaaten früheren syntaktichen
Theorien, wandte sich der Redner Delbrück zo, dessen Verdiensten er
zunächst warniie Anerkennung zoUte, um jedoch hierauf eine abweichoide
Auffassung einiger Hauptpunkte zu begründen: Relativsätze mit &v, kc
sind nach ihm nicht volitiv, sondern prospektiv. Ebenso kann der Optativ
nicht in dem Umfang als potential gefaßt werden, wie es meist geschieht:
so z. B. nicht der Optativus obliquus, bei dem ftv, kc stets fehlt.
Leider nötigte die Kürze der Zeit Herrn Haie seine Ausführungen
stark zusammenzudrängen und liefi es rätlich erscheinen, auf eine Erör-
terung zu verzichten.
5. Prof. Dr. Osthoff- Heidelberg führte an der Hand eines umfas-
senden, auf Lichtglanzerscheinungen bezüglichen Vergleichungsmateriales
in seinen Darlegungen über Regenbogen und Götterbotin aus,
daß ipic ^aus (F)ipic zu (F)i(i)€jiai, (F)oI>ioc, sanskr. mtä, otfAi, lat, rfa usw.)
ursprünglich 'Streifen, Pfad" bedeutet habe. *lpic sei auf dem Wege der
bekannten Metonymie, nach der sich aus einem Abstraktum ein Konkre-
tum entwickeln kann, in der Weise entstanden, daß sich der Begriff m
zu dem von viätrfx fortgebildet habe, deutsch etwa *Gängerscbaft* za
'Gängerin*. Nach Homer habe die mythenschaffende Volksphantasie zwischen
dem Eigennamen und dem verwandten Gattungsnamen ein neues Band
geschlungen, wodurch die homerische Götterbotin zur Personifikation des
Regenbogens wurde.
Der Vortrag ist in ausführlichem Wortlaut in Dieterichs "Archiv
für Religionsgeschichte" 11, 44 ff. erschienen.
An der Besprechung nahm teil Herr Finsler-Bem.
6. Prof. Dr. Jakob Wackernagel behandelte Probleme der
griechischen Syntax, a) Die neuerdings fast nur von J. Stahl abge-
wiesene Lehre, daß die passiven Futura auf -cojiai und -e/|Co^al (-/|CO|iai)
sich imterscheiden nach dem Gesichtspunkt der imperfektischen und
aoristischen Aktion, ist nicht zu halten. Seit etwa 300 v. Chr. ist -co^iai
erloschen und höchstens künstlich neubelebt, während es umgekehrt
vor Aischylos die regelrechte Form war und -6/|C0^ai noch ganz fehlte.
Der Unterschied beider Bildungen liegt nicht in der Bedeutung, sondern
ist rein formaler Natur; q)avoO|Liai heißt so gut 'werde erscheinen' als
'werde scheinen'. Seit dem 5. Jahrh. tritt 9av]^co^ai auf; da dieses, aller-
dings nach ^q)dvriv, überwiegend aoristisch gebraucht wurde, so wandte
sich q)avoO|Liai mehr nach der imperfektischen Seite.
b) Im hellenistischen Griechisch wird der Optativ durch den Kon-
junktiv verdrängt. Das Attische bevorzugt den ersteren, das Überwuchern
des letzteren ist wohl auf den freilich in seinen letzten Gründen noch
unerklärten Einfluß des Ionischen zurückzuführen.
c) Der vokativischo Gebrauch von deua ist durch die Christen auf-
gekommen und stammt aus dem 6 Oeöc der griechischen Bibel, das selbst
Hebraismus ist wie Xaöc ^ou in der Anrede. Andere Fälle von Nominativ
für Vokativ sind uralt, besonders die Ac(jektive haben wohl keine eigene
Vokativform gehabt ((pfXoc (b Mev^ae), zumal die possessiven (ro^ßpo^
^juöc, oculus meusV
Mitteilungen. 67
d) Daß Dativ und Lokativ in der 2. Deklin. durch ursprüngl. Dativ-,
in der 3. durch ursprängl. Lokativform gegeben werden, ist nicht erst
griechisch; denn ebenso ist es bei 9ud 'mit* im Armenischen; vielleicht
sind auch manche der lateinischen o-Formen von o-Stämmen bei Prä-
positionen dem Dativ und nicht dem Ablativ zuzuweisen.
In die Debatte griffen ein die Herren Thumb, Osthoff, SUtterlin, Diehl.
7. Der Freitag, 27. Sept., brachte zuerst den Vortrag von Prof.
Dr. Hoffmann-Krayer über Ursprung und Wirkungen der Ak-
zentuation. Wälirend anfänglich die drei Arten der Betonung, die nach
Stärke, Höhe und Dauer völlig frei gewaltet und die spätere Flexion er-
setzt haben, sind sie dann erstarrt Beobachten lassen sie sich heute noch
beim Kinde und in der volkstümlichen Rede, u. a. auch an Wirkungen,
die sie hinterlassen haben und die durch sprechende Beispiele veran-
schaulicht wurden. An der Erörterung beteiligten sich die Herren Wacker-
nagel und Sütterlin.
8. Prof. Dr. Thumb- Marburg gab an der Hand von zwei Tabellen
lehrreiche Aufschlüsse über experimentelle Versuche Zur Psychologie
der Analogiebildungen. Darnach sind Geläufigkeit, Schnelligkeit und
Spontaneität die drei Gesichtspunkte, die hiebei in Betracht kommen.
Wertvoll ist Ablenkung der Aufmerksamkeit. Gebildete und Ungebildete
zeigten keine Verschiedenheiten in der Reaktion, wohl aber Erwachsene
und Kinder, woraus die Hoffnung zu schöpfen ist, daß später noch ein-
mal der Kindersprache förderliche Erkenntnisse für die allgemeine Sprach-
wissenschaft abgewonnen werden können, in der Art, die W. Wundt kürzlich
angebahnt hat.
An der Erörtenmg beteiligten sich die Herren Sütterlin, Reisch und
Bohnenblust. Der Vortrag wird im 22. Bd. der Idg. Forschungen erscheinen;
ein Auszug ist in dem Sitzungsber. d. Ges. z. Bef. der ges. Naturwissensch.
z. Marburg 1907, Nr. 2, veröffentlicht.
9. Prof. Dr. Osthoff unterbreitete der Sektion einige Vorschläge
Zur Technik des Sprachforschungsbetriebes, bes. a) die Schrei-
bung für die drei indog. Gutturalreihen ^ ^, 3 g, ff* g^ ist dahin umzu-
ändern, daß künftig für die r^invelaren schlechthin k g und für die labio-
velaren einfach q g gewählt wird ; in den seltenen Fällen der Unbestimm-
barkeit möge zu k^ g* gegriffen werden, b) Die Anführung einzelner Sanskrit-
wörter soll durchweg in der 'Pausaform' oder 'Form des absoluten Auslauts*
geschehen. So soll -^ (Visarga) für etymologisches -» und r, die Tenues
tk p auch für etymologische Mediae und Mcdiae aspiratae, sowie Tenues
aspiratae erscheinen. Insbesondere ist zu verwerfen die Setzung von -8 für
jedes wortschließende idg. -«, aber auch die Schreibung -i oder -9 für den
zerebralen Zischlaut hinter nicht tf- Vokalen, letzteres, weil es meistens
historisch unbezeugte, nur erschlossene Wortformen zu verwenden Ver-
anlassung gibt, c) Als Vertreter altindischer Verbal- und Nominalsysteme
hat man für die Verba nicht die nackte Wurzel, sondern in der Regel die
3. Sing. Ind. Akt., für die Nomina nicht die Stammform, sondern den Nom.
Sing, zu setzen, letzteres wegen der Übereinstimmung mit dem sonst bei
der Schreibung von Worten aus anderen idg. Sprachen allgemein üblichen
Verfahren. — d) Im Griechischen sind die Verba kontrakta nicht offen zu
schreiben Ti^diu, q)iX^u), bouXöui, sondern ti^Cü usw., da man sich auch
sonst an die attische Gestalt hält; zu näherer Kennzeichnung könnte man
im Bedürfnisfall den Verbalcharakter in Klammer andeuten, mithin Tt^ui(5),
68 Mitteilungen.
(piXi&(n), bouXiZi(ui) schreiben. — e) Der von Brugmann in Umlauf gesetzte
Ausdruck Formans als zusammenfassende Bezeichnung für die Unter-
begriffe Suffix, Präfix, Infix, Wurzeldeterminativ ist zu vermeiden, weil er,
wie insbesondere das dazugehörige Adjektiv formantisch, eine des ge-
nügenden analogischen Rückhaltes entbehrende Mißbildung ist. Vorzuziehen
ist der von Brugmann früher vorgeschlagene, von Wackemagel aufgenom-
mene Terminus Formativ(um) mit dem Adjektiv formativisch.
An der Erörterung beteiligten sich die Herren Wackemagel, Sutterlin,
Thurneysen, Thumb. Dabei wurden Punkt a), b) und e) einstimmig zu Be-
schlüssen erhoben mit dem Anfügen, es solle von ihnen Brugmann brief-
lich Kenntnis gegeben und an ihn das Ansuchen gerichtet werden, sich
den von der Sektion gutgeheißenen Änderungen anzuschließen '). Ober
Punkt c) gelangte man zu keiner Einigung. Bei Punkt d) stimmte man ein-
hellig Brugmann in der Verwerfung von Tl^dul, cpiX^ui, bouXöui bei, ein
Teil der Sektion jedoch empfahl die Infinitive Ti^dv, cpiXciv, bouXoOv zq
verwenden, dann aber entsprechend auch bei den unkontrahierten Verben
nicht mehr die 1. Pers. Sing. Ind. Präs. Akt., sondern den Infinitiv zn
brauchen.
f) Die Syntaktiker werden ersucht, die verwirrende Mannigfaltig-
keit in der Benennung der Aktionsarten, wonach Ausdrücke wie
momentan, perfektivisch, punktuell usw. zur Bezeichnung der-
selben Aktion nebeneinander gebraucht werden, zugunsten einer einheit-
lichen Terminologie aufzugeben.
In die Erörterung griffen ein die Herren Thurneysen, Sutterlin,
Meltzer, indem sie besonders betonten, daß die Verschiedenheit der Be-
nennung auf einer Verschiedenheit der Auffassung beruhe und darum Ober-
einstimmung schwer zu erzielen sein werde. Die Sektion einigte sich auf
den Vorschlag, die beiden Hauptaktionen künftighin vorläufig als imper-
fektive und aoristische zu benennen').
g) Als eine stilistische Unart wird gerügt die Setzung von mit bei
passiver Verbalform, also nicht bloß **man kann ein griechisches Wort
mit Fick zu einem altindischen stellen", sondern darnach auch "das
griechische Wort kann mit Fick zu dem altindischen gestellt werden**,
oder gar verneinend: "Die . . . Namen . . . machen mit Prellwitz . . . Ent-
lehnung nicht sehr wahrscheinüch**').
Bei der einleuchtenden Richtigkeit dieser Bemerkung fand eine Aus-
sprache darüber nicht statt.
Sodann erlangte allgemeine Zustimmung eine Anregimg von ProL
Dr. Osthoff, wonach die Sektion sich das Recht etwaiger Ersetzung der
vorläufig ernannten Obmänner durch eine Neuwahl vorbehält.
Die unter lebhafter Beteiligung verlaufenen Sitzungen fanden einen
würdigen Abschluß durch die Ehrung des verdienten Keltologen Strachan,
dessen soeben erfolgtes Hinscheiden Prof. Dr. Kuno Mayer aus Liverpool
mitteilte und zu dessen Gedenken sich die Anwesenden von ihren Sitzen
erhoben.
1) Brugmann ist benachrichtigt worden; seine Erwiderung siehe
S. 69 fr.
2) Siehe die Bemerkungen Streitbergs S. 72 ff.
3) (IF. 21, 198 Fußn.) und selbst derartiges wie "[etwas] dürfte mit
Delbrück ... auf der Hand liegen*' (IF. 22, 81).
Mitteilungen. 69
Mit Befriedigung sieht die idg. Sektion der 49. Philologenversammlung
auf ihre diesmalige Tagung zurück und ruft ihrer Nachfolgerin in Graz
im Jahre 1909 ein fröhliches "Auf Wiedersehn r zu.
Stuttgart. H. Meltzer.
Formans oder FormatiTum?
Anlaß, auf diese beiden Kunstausdrücke an dieser Stelle einzu-
gehen, gibt mir der Umstand, daß mir die Indogermanische Sektion der
Baseler Philologenversammlung durch ihren ersten Schriftführer Herrn
Prof. Meltzer unter dem 30. Sept. d. J. den Wunsch hat zugehen lassen,
ich möge die Ausdrücke das Formans und formantisch, die ich seit
1903 in meinen Schriften für Suffix und Infix und für suffixal und
infixal gebrauche, fürderhin ersetzen durch das Formativum und
formativisch. Die Anregung zu diesem Wunsch, heißt es in dem Schreiben,
sei durch einen Vortrag des Herrn Prof. Osthoff *Zur Technik des Sprach-
forschungsbetriebes* gekommen, und es sei betont worden, **die Worte
Formans und for man tisch klängen nicht gut und entbehrten des
breiteren analogischen Rückhaltes".
Diesem von so hochautoritativer Seite mir zugekommenen Ersuchen
entspräche ich mit dem größten Vergnügen und sofort — ich arbeite zur
Zeit an meinem Grundriß der vergleich. Gramm, der idg. Sprachen 2 «, 2 — ,
wenn ich nicht glauben müßte, unserer Wissenschaft fromme mehr, daß
ich bis auf weiteres bei dem 4nit dem Makel korporativer Mißbilligung
behafteten Terminus verbleibe.
Ich frage zunächst: ist die Wortschöpfung das Formans wirklich
so mißraten, wie es Osthoff und der Sektion offenbar erschienen ist?
Und ist das von der Sektion auf den Schild gehobene Formativum, das
freilich ebenfalls mein Fabrikat ist, wirklich irgend schöner und besser ?
Und wenn ich diese Fragen verneinen muß, so frage ich weiter: hat
Formativum etwa bereits in weiterem Umfang in der sprachwissen-
schaftlichen Literatur Eingang gefunden als Formans, so daß es von
dieser Seite her Vorzug und Vorrang besäße? Und wenn ich auch dies
verneinen muß, so frage ich mich endlich: darf es mir gleichgiltig sein,
daß ich, nachdem ich mich im 1. Bande der Neubearbeitung meines Grund-
risses des Terminus Suffix und in 2,1 dafür des Terminus Formans
bedient habe, jetzt in 2, 2, ohne daß die Sache damit besser bezeichnet
wird, dem Leser den Terminus Formativum auftische? Auch da sage
ich nein.
Diese formantisch- formativische Streitsache gehört gottseidank
nicht zu den wichtigeren Angelegenheiten unserer Wissenschaft , und ich
wünschte, ich brauchte ihretwegen nicht die Feder einzutauchen. Aber
der Baseler Urteilsspruch kommt ja demnächst durch die 'Verhandlungen*
an die breitere Öffentlichkeit, und da ich keine Lust spüre, lediglich als
verstockter Sünder zu erscheinen, wenn man mich weiterhin mit For-
mantien wirtschaften sieht, so muß ich versuchen, mein Nichteingehen
auf den mir kundgegebenen Wunsch durch Eingehen auf die inkriminierte
Wortschöpfung so gut als es geht zu rechtfertigen.
Formativum ist, wie schon angedeutet, von mir selber 1897,
Grundriß 1*, ä9f., für Suffix und Infix vorgeschlagen worden, um hint-
70 Mitteilungen.
anzuhalten die Vorstellung des An- und Einfdgens nrsprOnglich nach Art
eines Wortes selbständig gewesener Sprachelemente an und in ein Wort,
eine Vorstellung, die nun einmal von alter Zeit her an diese Termini
geknüpft ist, und die dem Durchdringen richtiger Anschauungen Ton dem
realen Vorgang des Sprachlebens nur zu lange und zu oft hinderlich ge-
wesen ist ^). Ich blieb aber in der Praxis vorerst doch noch bei Suffix
und Infix. Erst als ich meine Kurze vergleichende Grammatik verfaßte,
glaubte ich diese Bezeichnungen aufgeben zu sollen, und ich wählte nun-
mehr Formans für Formati v (s. IF. 14, Iff., Kurze vergl. Gr. S. 285).
Formans schien mir — ganz abgesehen davon, daß es um eine oder
zwei Silben kürzer ist als Formativ(um) — das Wesen der Sache besser
zu treffen ; der Wechsel im Ausdruck aber war an sich selbst belanglos,
weil Formativ noch von niemandem aufgegriffen und eingeführt worden
war. Ich habe denn seitdem stets Formans gebraucht, auch, wie schon er-
wähnt, neuerdings in Grundriß 2*, 1. Wenn mir nun zunächst entgegen-
gehalten wird, Formans und formantisch klängen nicht gut, so darf ich
wohl von diesem Argument vollständig absehen ; es kann in der Diskussion
und bei der Entscheidung unmöglich eine wesentliche Rolle gespielt haben.
Weiter, das ist die Hauptsache, sollen meine Wörter des breiteren ana-
logischen Rückhalts entbehren. Hiermit aber steht es so. Das Formans
war gedacht als elementum formans, als Wortelement, das — ent-
weder für sich allein oder in Verbindung mit andern gleichartigen Wort-
elementen — das Wort formt, bildet, ihm sein Gepräge als grammatische
Form gibt, kurz als Bildungsmittel. Dabei schwebten mir in formantischer
Hinsicht substantivierte Neutra vor, die in verschiedenen Wissenschaften
und Literaturzweigen gang und gäbe und von ähnlicher Bedeutung sind,
wie das Agens, Reagens, Movens, Expediens, Stimulans (in der
Heilkunde auch noch Incarnans, Incrassans, Laxans. Obstipans,
Obstruens, Purgans, Relaxans, Remolliens, Reserans, Resor-
bens, Sedans, Temperans und wohl noch anderes der Art), und zu-
gleich substantivische Neutra intransitiven Sinnes, das Accidens. das
Ingrediens und das uns Grammatikern allen geläufige Präsens. Als
Plural habe ich teils Formantia, teils Formantien gebraucht, vgl.
Präsentia und Präsentien usw. Warum soll nun hier nicht genug
analogischer Rückhalt sein? Mir ist das unverständlich.
1) Delbrück Einleit.* 137 sagt: '*Brugmann wählt in seinem neuesten
Werke [Kurze vergleich. Gramm.], um die Neben Vorstellung der Zusammen-
setzung, welche dem Ausdruck Suffix anhaftet, fernzuhalten, dafür das
Kunstwort 'Formans'. Mir scheint es zweifelhaft, ob eine solche Umtaufung
nötig ist. Man erreicht dasselbe, wenn man den Leser darauf hinweist,
daß unsere Terminologie wechselnden Bedeutungsinhalt hat, und daß uir
augenblicklich in bezug auf alle Ursprungshypothesen einen resignierten
Standpunkt einnehmen". Der hier empfohlene Hinweis nützt nach meinen
Erfahrungen in der Regel wenig, wenigstens beim Anfänger, der sich seine
Vorstellungen von den Dingen doch immer wieder an der Hand der ihm
vorgeführten Terminologie zu bilden versucht. Daß sich aber der ursprüng-
liche Wortsinn bei Suffix mit der Zeit noch von selbst stark verdunkeln
werde, etwa wie es bei Genitiv oder Konjunktiv und sonst vielfach
wirklich geschoben ist, ist mir beim Danebenstehen von Infix und Präfix
mehr als zweifelhaft.
Mitteilungen. 71
Freilich werde ich mittlerweile von zwei Seiten privatim und un-
offiziell belehrt, daß sich der Tadel in Basel mehr gegen mein Adjektiv
formantisch als gegen das Substantiv Formans gekehrt habe; die
Parallele präsentisch zu Präsens sei zu vereinzelt. Auch diesen Tadel
verstehe ich nicht. Ich will nicht davon reden, daß doch auch im naiven
Sprachleben oft genug einer Form nur eine Form analogisch nachge-
schafTen wird, ohne daß dies die Sprachforscher bisher beunruhigt hat.
Aber wenn man präsentisch nach den der gleichen Begriffssphäre an-
gehörenden Adjektiva aoristisch, perfektisch u. dgl. gebildet hat,
warum in aller Welt soll man nicht formantisch sagen dürfen etwa
im Anschluß an morphologisch, semasiologisch oder auch nach
adjektivisch, substantivisch, syllabisch, konsonantisch usw.,
wie ja auch das gebilligte formativisch nach solchen Adjektiva ge-
macht ist? Und muß ich in bezug auf das rein Formale erst auch noch
daran erinnern, daß wir in Deutschland z. B. generisch zu Genus,
tellurisch zu Tellus, junonisch zu Juno haben? Die Adjektiva auf
-isch, von Fremdwörtern, sind abgeleitet, großenteils eine direkte Um-
setzung von lat. griech. Adjektiva auf "icus -ikoc ins Deutsche *); und da
die Römer bei sich santicus zu wns, getUicus zu gena hatten, wäre auch
ein lat. ^praeaetUieua als ideelles Vorbild für präsentisch keine abnorme
Schöpfung. Es ist wahr, zu der Formdoppelheit präsentisch: Präsens
gibt es keine größere Anzahl von ganz genauen und direkten Parallelen
(konsonantisch, gigantisch u. dgl. lasse ich aus dem Spiel, weil man
ihre Existenzberechtigung vielleicht von der Substantivform auf -nt, Kon-
sonant,Gigant, wird abhängen lassen wollen). Aber das liegt doch aller
Wahrscheinlichkeit nach nur daran, daß keine größere Anzahl von ent-
lehnten neutralen Substantiva auf -na, -ntis vorhanden war, zu denen
man eine Adjektivform zu haben wünschte, und man hat durchaus nicht
nötig, für präsentisch erst in den demselben engeren Begriffsk reis an-
gehörigen Formen aoristisch, perfektisch usw. eine Entschuldigung
zu suchen. Und so ist, wenn -isch zur Schöpfung eines Adjektivs zu
einem Substantivum, das den Sinn 'Bildungselement, Bildungsmittel* hat,
überhaupt zulässig ist, auch gegen mein formantisch nichts weiter
mit Recht einzuwenden. Der 'analogische Rückhalt' für dieses ist völlig
ausreichend.
Aber selbst wenn dem nicht so wäre, wenn mein Adjektivum
formantisch fallen müßte, so müßte darum das Hauptwort Formans
keineswegs nach, wie der Herzog dem Mantel. Wer nun einmal eine
unüberwindliche Abneigung gegen formantisch hat, der dürfte nach
dem Muster von suffixal, nominal, pronominal, adverbial, modal
usw. formantal sagen, so wie man akzidental (auch akzidentell)
neben Akzidens hat: schon im 4. Jahrb. n. Chr. (s. Thcs. L. L.) gab es
aecidentalis = quod ad accidens pefiinet. Und ein noch viel einfacheres
Gegenmittel böte sich. Wenn ich nicht irre, hatte man zu Suffix (Infix,
Präfix) in den ersten Jahrzehnten unserer Indogermanistik überhaupt
1) Daher die (heute in der Sprache der Juristen selbst ziemlich
allgemein gemiedene, aber früher auch bei ihnen weiter verbreitet ge-
wesene) Adjektivform juridisch, die aus jutndicua umgesetzt ist, als
wenn dieses jurid-icus wäre. Von Einfluß auf unser juridisch war zu-
gleich das trdJiZ, juridique^ wie diphtnatique usw.
72 Mitteilungen.
kein Adjektivum, das Wort suffixal (infixal, präfixal) ist erst seil
ein paar Jahrzehnten geläufiger geworden, wird aber wohl auch hente
noch von diesem oder jenem Fachgenossen gemieden. Es Ulfit sich ja
allenthalben bequem auch ohne suffixal auskommen: z. B. lißt sich
in Hinsicht auf das Suffix (die Suffixe) fOr in suffixaler Hin-
sicht, die Suffixverhältnisse des Wortes fOr die suffixalen
Verhältnisse des Wortes usw. sagen. So kann man mithin auch
formantisch und jede andere adjektivische Ableitung von Formans,
wenn man will, überall ohne Schwierigkeit umgehen.
An sich also könnte sich, meine ich, jeder Sprachforscher Formans
gefallen lassen, ohne daß er sich dem Ruf aussetzt, er mache einen
mißratenen Terminus technicus mit. Und so fragt sich, wenn Formans
erträglich ist, nur noch, ob Formativum das, was ausgedrückt werden
soll, so viel treffender und klarer bezeichnet, daß es sich darum empföhle.
Formans fallen zu lassen. Ich für meine Person kann das nicht finden.
Auch, wie ich mitteilen darf, Professor Leskien nicht, dem ich das
Schreiben der Sektion an mich zu lesen gegeben habe. Leskien wird
demnächst eine im Manuskript schon abgeschlossene Grammatik, in der
er Formans für Suffix durchgeführt hat, in den Druck geben und wird
Formans stehen lassen. Auch ein zweiter Fachgenosse, auf dessen Urteil
in solchen Fragen ich viel glaube geben zu müssen, und dem ich den
Streitfall vorgelegt habe, erklärt mir, daß er Formans nicht für schlechter
halte als Formativ, vielmehr fQr viel besser.
Den Beweis, daß Formativ(um) in sich trefflicher ist, mögen
somit, wenn sie können, die liefern, die über Formans den Stab ge-
brochen haben. Gelingt er ihnen, so will ich der erste sein, der aas
dem Lager der Formantisten in das der Formativisten übergeht.
Leipzig, am Völkerschlachttag 1907. K. Brugmann.
Die Benennung der Aktionsarten.
Gewiß ist die Verschiedenheit in der Benennung einer und der-
selben Erscheinung vom Obel ; gewiß ist auch, daß eine größere Einheit-
lichkeit in der Terminologie der indogermanischen Sprachwissenschaft nur
von Nutzen sein könnte. Dennoch weiß ich nicht, ob es ein glücklieber
Gedanke war, Streitfragen der Terminologie durch Majoritätsbeschlüsse
aus der Welt zu schaffen, wie es Osthoff jüngst in Basel versucht hat.
Denn die Verschiedenheit in der Bezeichnung entspringt in der Regel einer
Verschiedenheit in der Auffassung : das ist mit gutem Recht Osthoff so-
fort entgegen gehalten worden. Sobald einmal volle Obereinstimmung in
der Beurteilung eines Problems vorhanden ist, wird sich auch die Ober-
einstimmung in der Formulierung früher oder später mit Notwendigkeit
ergeben. Solange jedoch eine Obereinstimmung in der Sache fehlt, so
lang ist die Uniformierung der Terminologie nicht bloß praktisch undurch-
führbar, sondern auch theoretisch durchaus verwerflich. Denn ge-
setzt den Fall, es ließe sich die Gleichförmigkeit der Benennung erreichen,
ohne daß eine Gleichförmigkeit des Urteils bestünde, so wäre damit ein
Zustand geschaffen, der in hohem Grade unerfreulich wäre : jede der sich
bekämpfenden Parteien müßte wohl oder übel einen und denselben Namen
in ganz verschiedenem Sinn gebrauchen. Ich glaube, die letzten Dinge
wären in diesem Fall ät^et a\% ^\^ ^t^v^tv.
Mitteilungen. 73
Nun ist allerdings nicht zu leugnen, daß heute eine bunte, fast ver«
wirrende Fülle von Ausdrücken für die einzelnen Aktionsformen besteht.
Dieser Wirrwarr rührt zum guten Teile daher, daß Delbrück im zweiten
Bande der idg. Syntax die alte Terminologie durch eine ganz neue ersetzen
zu müssen glaubte. Es tut hier nichts zur Sache, daß der Anstoß zu dieser
Nenschöpfung wohl in dem Mißverständnis einer Definition Leskiens zu
suchen ist: was auch für Delbrück der Ausgangspunkt gewesen ist, die
entscheidende, innere Ursache zur Umbildung der Terminologie war für
ihn doch die Tatsache, daß die geltenden Definitionen dem Bilde zu
widersprechen schienen, das er selbst sich von den Tatsachen gemacht
hatte, daß der neue Wein auch neue Schläuche forderte.
Ein Teil der Forscher hat die Neubildungen Delbrücks ohne Be-
denken übernommen, ein Teil sie mehr oder weniger umgeformt, wodurch
das Verständnis nicht eben erleichtert worden ist. Andere endlich haben
sie im Prinzip abgelehnt. Zu dieser dritten Gruppe gehöre ich selber. Ich
habe meinen Widerspruch in der Kritik des zweiten Syntaxbandes (IF. Anz.
11, 56 ff.) genau formuliert und ausführlich begründet. Von dem damals
Gesagten habe ich auch heute nicht das Geringste zurückzimehmen, wohl
aber könnte ich ihm gar Manches hinzufügen. Eine Einigung herbeizu-
führen ist mir jedoch so wenig gelungen wie den andern Forschem, die
in den letzten Jahren das fruchtbare Thema der Aktionsarten erörtert haben.
Unter diesen Umständen muß es überraschen, ja befremden, daß
eine Uniformierung der Terminologie überhaupt vorgeschlagen wird. Der
Zeitpunkt für einen solchen Vorschlag konnte kaum unglücklicher ge-
wählt sein.
Aber wenn auch die Aussicht auf eine allgemeine Verständigung
weniger hoffnungslos wäre, als sie meiner Überzeugung nach ist : nicht
nur der Vorschlag an sich, auch das Ergebnis des Vorschlags unter-
liegt den schwersten Bedenken.
Der alte Gegensatz imperfektiv : perfektiv soll — 'vorläufig*, heißt
es mit einer in diesem Zusammenhang überraschenden Zurückhaltung
— dem neuen offiziell proklamierten Gegensatz imperfektiv : ao riet is eh
weichen.
Die neue Formel erinnert einigermaßen an die alte vom Imperfekt-
präsens und Aorietpräsens. Das ist kein gutes Omen. Denn so wenig sich
das ältere Paar im Kampf ums Dasein behaupten konnte, so wenig wird
dies, furcht' ich, dem jungem gelingen. Wie andere in dieser Frage denken,
weiß ich freiüch nicht. Das aber weiß ich, daß ich auf Grund langer Er-
fahrung die neue Formel a limine abzuweisen genötigt bin.
Sie schlichtet die bestehende Verwirrung nicht, sondern erhöhl sie.
Nun wird man mir vielleicht entgegenhalten : Du selbst hast dich
einst (PBB. lö, 189) jenen Forschem angeschlossen, die der syntaktischen
Kategorie des Aorists als ursprüngliche Bedeutung Perfektivfunktion
zugeschrieben haben. Das ist richtig. Ich halte heute noch diese Theorie
für sehr wahrscheinlich. Sicher dagegen ist mir, daß niemand an jene
hypothetische Grundbedeutung denken wird, wenn von 'aoristischer Aktion'
die Rede ist, sondem jedermann sich unwillkürlich an die herrschende
Aoristbedeutimg im Sanskrit, im klassischen Griechisch und im Slavischen
erinnern muß. Diese aber fällt nicht mit der Perfektivbedeutung zusammen.
Sollen wir nun, dem Basler Vorschlag zuliebe, für den Terminus
'aoristische Aktion* in Zukunft zwei verschiedene Bedeutungen ansetzen?
74 Mitteilnngen.
Sollen wir etwa eine aoristische Aktion ersten nnd zweiten Grades
unterscheiden ?
Und wie steht*s mit dem Slavischen? Hier haben wir bekanntlich
ein reich entwickeltes Perfektivsystem und einen Aorist nebeneinander.
Die Kreise beider Kategorien schneiden sich mitunter, decken sich jedoch
in keiner Weise. Sollen wir hier vielleicht statt vne bisher von einem
'perfektiven* in Zukunft von einem *aoristischen* Aorist reden?
Kurzum, mir scheint, auch die in Basel vorgeschlagene neue Ter-
minologie bringt uns keinen Schritt weiter. Im Gegenteil, sie wirkt hemmend;
denn sie vermehrt nur die Zahl der Konkurrenzformen um eine neue,
höchst anfechtbare Nununer. Oberlassen wir sie daher ruhig ihrem Schicksal
und warten wir in Geduld, bis sich die Ansichten so weit geklärt haben,
daß sich ganz von selbst aus der Obereinstimmung der Anschauungen
auch die Obereinstimmung der Terminologie ergibt.
Welche Bezeichnungen aus dem Wettkampf schließlich als Sieger
hervorgehen werden, ist mir persönlich schon heute nicht zweifelhaft
Die Namen perfektive und imperfektive Aktion sind aus der slavischen
Grammatik entlehnt. Sie haben in ihrem Heimatboden so fest Wurzel ge-
schlagen, daß eine Ausrottung hier völlig undenkbar erscheint. Ist das
aber der Fall, behaupten sie sich dauernd in der slavischen Granmiatik,
so werden sie sich über kurz oder lang trotz aller Anfechtungen auch die
allgemeine idg. Grammatik erobern. Denn es widerspräche aller Logik,
eine und dieselbe Sache in der slavischen Grammatik so, in der idg.
Grammatik anders zu benennen.
Ich vermag auch keinen Grund abzusehen, der uns zwänge, diese
natürliche Entwicklung der Dinge zu beklagen oder gar zn bekämpfen.
Es ist wahr, der Name perfektiv ist recht nichtssagend. Aber erstens teilt
er diese Eigentümlichkeit mit dem Namen imperfektiv, der in Basel un-
angetastet blieb; zweitens ist grade diese Inhaltlosigkeit des Namens sein
Vorzug: sie läßt der Definition völlige Freiheit. Und darauf kommt es
allein an. Wilhelm Streitberg.
Victor Henry.
Victor Henry, n6 k Colmar le 17 aoüt 1850, a d'abord ^tudi6 le
droit. Dds la fin de 1872, il enseignait la 16gislation usuelle, T^conomie
politique et la g^ographie commerciale k Tlnstitut du Nord, 6cole de com-
merce ^tablie k Lille. En juin 1880, il devenait conservateur en chef de
la biblioth^que municipale de Lille, fonction qu'il a occup^e trois ans.
Rien ne semblait donc Torienter vers la linguistique ; mais ces etudes
Tattiraient, et il consacrait k des recherches sur les langues le temps que
lui laissaient ses oecupations. S'il avait eu des maltres et avait re^a
Tenseignement universitairc de la linguistique, il aurait sans doute com-
mencd par l'^tude des langues indo-europ4eimes ou des langues s^mitiques;
mais il travaillait seul et dans un isolement complet; il foumit, on le
remarquera, Fun des tr^s rares exemples oü Ton voit un autodidacte par-
venir, simplement avec des livres, ä se cr6er une m^thode rigoureuse et
correcte, exactement conforme k celle qui est enseign^e dans les Uni-
versit^s.
C'est par Tam^ricanisme qu'il a abord6 la linguistique. En 1877,
il soumettait au congr^s des am^ricatvi&tes un memoire: Le Quichua eei-ü
Mitteilangen. 75
une langu€ artfennef (dmgr. d. amirie.j II, t. U, Lnxembourg, 1877). En
1878, il publiait une Eaquis$e d'une grammatre de la langue Innok (Eskimo),
et commen^ait k coUaborer k la Revue de Unguisiique; nne ^tude sur Les
troU racines du verbe 'Stre* dane lee langues indo-europ^ennee parue la
m^me ann4e dans les Mimoiree de la SccUti de» scieneee, de VagricuUure
ti des arte de Lilie n'^tait encore que de la vulgarisation, mais attestait
qae Tauteur ne n^gligeait pas les langues indo-europ^ennes. En 1879,
dans son Esquiese d'une grammaire raisonnSe de la langue alioute, il
s'effor^ait de mettre au point les r^sultats qu'on peut tirer des publica-
tions du Russe Venjaminov; il apportait au Congr^s des am^ricanistes
de Bruxelles une Qrammaire comparSe des trois langues hgperhoriennes
[gro^nlandais, tchiglesk, aI6oute). En 1880, il publiait en collaboration
avec M. Adam, VÄrte g vooabulario de la Lengua Chiquita, et, seul, une
Note sur le parier dee Kammes et le parier des femmes dans la langue
thiquila.
A ce moment, Tattention de V. Henry commence ä se porter
i'un autre c6t^; la grammaire compar^e des langues indo-europ6ennes
§tait alors en pleine r^novation; il importait de s'associer k ce travail
lai devait aboutir k poser une m^thode rigoureuse, utilisable pour toutes
[es langues, et il importait en mßme temps de faire connaltre en France
les r^ultats acquis. Aussitöt, et bien qu'il füt ä ce moment charg^ tout
k la fois de son enseignement et de la biblioth^que de Lille, et tout en
'aisant des Conferences (Sur la distriöution giographique des langues, Lille,
1881), il pröpare ses th^ses de doctorat ^ lettres, donnant ainsi la mesure
le sa rare capacit^ de travail. La Facult^ des lettres de Paris, moins
riebe en personnel, moins accueillante et moins large aussi qu'elle ne
'est aujourd'hui, lui refusait une ^tude sur Tafgban; il la public dans la
Re^e de linguistique, vol. XIV (1881), p. 327-372, et XV (1882), p. 113-161.
rirant habilement parti de documents insuffisants, il aboutit ä la conclu-
sion, maintenant indiscut^e, que Tafghan est un dialecte iranien. En 1882,
)arait dans le volume I du Musion, le premier article de la s^rie des
Esquisses morphologiques: Considirations sur la nature et l'oHgine de la
texion indo-europienne. Entr4 k la Soci6t6 de Unguistique de Paris le
22janvier 1881, il commen^ait sa collaboration aux Mimoires d^s 1882,
3ar une petite note sur Bein et Femen, vol. V, 223. En mai 1883, il sou-
:enait, avec un succ^s öclatant, devant la Facultö de Paris, ses th^ses
le doctorat ös lettres: iStude sur Vanalogie en giniral et sur les forma-
'i&ns analogiques de la langue grecque et De sermonis humani origine et
uUura M. Terentius Varro quid senserit.
Par ses Esquisses morphologiques, dont le deuxi^me article. sur les
Thhnes fhninins ä racine fliehte, paraissait en 1884, le troisiöme, sur le
Suijonctif latin, on 1885, le quatri^rae sur le Nominatif-accusatif pluriel
teutre, en 1887, et le demier, sur les Infinitifs latins, en 1889 (tous dans
e Musion), et par son ^tude sur Vanalogie, V. Henry entrait au coeur
ie la grande s^rie de recherches qui s'ötait ouverte quelques ann6es au-
)aravant. Le livre sur VÄncdogie pr^sentait moins une thöorie generale
le Tanalogie, qui aurait ^t^ pr^matur^e ä ce moment, qu'uno collection
rillustrations grecques du principe de Tanalogie morphologique qui venait
retre reconnu. Et les Esquisses tnorphologiques offraient des essais de
syst^matisation de certains groupes de faits grammaticaux ; la premiöre
ies Esquisses renferme des hypoth^ses tr^s hardies et Tindication de
;h6ories tr^s larges, tendant m6me k rejoindre rindo-e\iTO^^eiv.«ML^4xciv\.v3^^.
76 Mitteilungen.
Aussitöt docteur, V. Henry avait ^t^ (le 21 aoüt 1883), sor la re-
commandation de M. Bröal, chargö d^un cours de philologie classiqQe k
la Facultö des lettres de Dooai (transf^röe k Lille en 1887). L'enseigoe-
ment de la grammaire compar^e qu'il y donnait Ta amen^ ä r^ger nn
ouvrage dont Tötude sur VAnalogie n'^tait au fond qu'une premi^
^bauche, et qui a 6t^ le plus achev^ et le plus utile de tous ses livTes,
celui aussi dont le succ^s a €i€ le plus vif: le PrieU de grammair% com-
parie du grec et du Uäin, Paris, 1888, qui est en France k la sixi^me
Edition (la derni^re vient de paraltre), et qui a 6t^ traduit en angliis
(1890) et en italien. Au moment oü cet ouvrage, admirableroent dair et
bien proportionn^, a paru, le Chrundrise de M. Brugmann 6tait loin d^Mre
achev^; et, en France, il n'existait aucun livre qui perralt de se mettre
au courant de T^tat des connaissances sur la grammaire compar^ des
langues indo-europ6ennes ; le Pride de V. Henry mettait k la port^ da
^tudiants les demiöres döcouvertes de la grammaire compar^e et amenait
ä la linguistique des amis nouveaux. Le service rendu par Touvrage de
V. Henry a ^t^ immense ; le Pride apportait un v^ritable renouvellement
aux vues qui avaient cours dans le public, et faisait entrer en circulation,
sous une forme arr^t^e et pr^cise, Tessentiel des r^sultats aequis par la
linguistique indo-europ^enne depuis 1870.
En mßme temps qu'il pr^parait cet ouvrage d^cisif, V. Henry com-
pl^tait sa connaissance du sanskrit ; d^s 1885, il publie et traduit trente
stances du Bhäminf-Vildea ; en 1888, il traduit le Sceau de Rak^asa^ en
1889 Agnimitra et Mälavikä. Gette 6tude du sanskrit avait pour conse-
quence un nouvel ordre de recherches: la syntaxe comparöe, sujet trop
n^gligd, surtout alors. Un premier artide sur cette matiöre, La propoeiium
infinitwey est de 1889; un second, La relation locative dane lee languet
italiquee, de 1897 (tous deux dans la Revue de linguistique).
Dans une direction toute diff^rente, il publiait en 1885, sa Contri"
bution ä Vitude dee origines du Dicasyllahe roman.
La mort accidentelle d'Abel Bergaigne avait rendu vacante en aoüt
1888 la chaire de sanskrit et grammaire compar^e de la Facult6 des lettres
de Paris ; en d6cembre de la m6me ann6e, Henry 6tait charg^ du cours
de grammaire compar^e, tandis que le cours de sanskrit 6tait confi^ k
M. Sylvain L6vi ; par la suite, M. S. L6vi ayant 6t6 appel6 au College de
France, V.Henry a r6uni les deux enseignements, et a 6t6 enßn nomm^
profcsseur titulaire de sanskrit et grammaire compar6e ; il aura sans doute
^t^ le dernier ä porter ce titre, car la cbaire a 6t6 divis^e de nouvean
apr^s sa mort, et cette fois, ä ce qu'il semble, de manifere definitive.
V. Henry dlargissait toujours ses connaissances ; il joignait bientöt
Tenseignement de la grammaire comparöe des langues germaniques k
celui des langues classiques; la chose lui 6tait facilit^e par le fait qu'il
savait tr^s bien pratiquement rallemand et Tanglais. II a ainsi et6 con-
duit par son enseignement ä 6crire son Pride de grammaire comparee
de Vanglais et de Vallemand, qui a paru en 1893, a ^te aussitöt traduit
en anglais (1894) et a eu une seconde Edition en 1906.
La mort de Bergaigne avait laissö les ^tudes v6diques sans repr^
sentant en France ; V. Henry s'est donn6 pour mission de continuer Ber-
gaigne et d'enseigner la philologie v^dique. En 1890, il publiait le Manud
pour itudier le eanscrit vidique, pr6par6 par Bergaigne; en 1892-94, les
Quarante hymnes du Rigvida, traduits par Bergaigne (dans les Mimoiret
de Ja Society), ßn m&me lem^^^ W «.Y^^tdaii la premi^re tradnction de
Mitteilungen. 77
l'Atharvav^da; le livre Xm pandssait en 1891, le livre VII en 1892, les
livres VID et IX en 1894, les livres X, XI et XII en 1896. En 1903, 11
tradüisait la Religion du VSda de M. Oldenberg ; en 1905, il tirait de ses
Stades sur TAtharvav^a nn livre snr la Magie dana rinde antique ; enfin
il a döcrit le sacrifice de Soma dans un grand ouvrage fait en collabo-
ration avec M. Galand, YAgni^fama, dont il a pu voir encore paraltre le
Premier voltune et dont 11 achevait de corriger les ^preuves quand la mort
l*a surpris. En outre, V. Henry a fait parattre de nombreuses notes sur
des points particuliers, notamment dans les Mhnoires de la Soci^t^ (DC,
X et XIV), dans le Journal aeicttique, la Revue de linguietique, les M6-
langes de Harlez et Kern, les publications des congr^s d'orientalistes, le
Journal des savants ; Tarticle Quelques mifthes naturalistes miconnus {Rev,
d. et. gr., V, en 1892) porte aussi au fond sur les choses v6diques. — En
1904, il avait publik un livre de vulgarisation sur les Litth-atures de VInde,
Tout en poursuivant avec cette activit^ ses 4tudes et ses publi-
cations sur le V6da, V. Henry ne n^gligeait pas la linguistique. Outre les
Esquisses morphologiques et les Atudes de sgntaxe comparie d^jä signal^es,
il publiait en 1900 son Lexique itymologique des termes les plus usuels
du Breton moderne et son Dialeete alaman de Colmar. Le Lexique ity-
mologique a ^t^ provoqu6 par des s^jours faits en Bretagne ; c'est le seul
qui existe pour le breton. L'^tude sur le dialeete de Colmar n'est pas
falte sur le parier actuel, mais sur celui que Tauteur a parlö dans son
enfance, avant Tannexion de FAlsace k TAllemagne ; c'est un travail d'une
rare pr^cision. En 1902 paraissaient les Piments de sanscrit dassique,
et en 1904 le Prieis de grammaire pdlie^ tous dcux Berits pour la col-
lectlon de F^cole fran^aise d'Extreme-Orient ; en 1904 aussi, Tarticle sur
Ija didinaison en Jpabhrampa (M. S. L., XIV, 149-162).
Les questions les plus g^n^rales de la linguistique (la nature du lan-
gage, Torigine du langage, le langage et la pensöe) ont ^t4 trait^es avec
clart^ dans les Antinomies Hnguistiques (1896), ouvrage remarquable et qui
ne paralt avoir 6t^ ni lu autant qu'il le m^ritait ni appr^ci^ k sa tr^s
haute valeur; on notera cependant qu'il a 4t6 traduit en hollandais par
MM. Hesseling et Salverda de Grave (1898). Et T^tude sur le Langage
martien (1901; extrait de la Revue de linguistique) a montrö quel parti
V. Henry savait tirer de faits au premier abord simplement curieux.
Cependant V. Henry collaborait k la Revue critique avec une sin-
gnliöre assiduitö; 11 lisait tout, et avec attention, donnait sur tout un avis
indulgent, mais dont rien ne pouvait älterer la sinc^rit^. Si Topinion
fran^aise est parvenue ä une appr^ciation juste des choses et des per-
sonnes en linguistique, c'est en grande partie k la droiture et k la con-
science de V. Henry qu*on le doit. Et sur bien des points, il a contribu6
k rectifier les id^es, k pr6ciser les d6tails. Par leur m^thode g^n^rale et
par les critiques de d<^tail qu'ils renferment, ses comptes rendus ont large-
ment contribu^ au progr^s de la science.
Durant les derni^res ann^es, V. Henry k publik des articles de
vulgarisation dans des revues, des articles d'indianisme dans la Revue de
Paris (1901 — 1905), et la s^rie sur les Indo-europiens (Vhistoire avatit
Thistoire) dans la Revue bleue (1904 — 1907). On notera aussi une Con-
ference sur Soma et Haoma dans les publications du Musie Guimet (1907)
et le livre sur le Parsisme (1907).
La simple Enumeration qui pr^cEde donne une idöe de Tampleur
de connaissaiice9; de la vasle curiositE, de VactWVl^ *ml«AA^a)ö\^ ^V. ^^'^-
78 Mitteilungen.
stantc do V. Henry. Et encore les notes parues dans divers recueits ny
ont-elles pas ^t^ signal^es en detail: k vrai dire, ces notes n'ont pasla
mßme iroportance que les grands ouvrages. Non pas qu*elles aient ete
faites avec moins de soin: V.Henry pensait et ^crivait tont autantun compte-
rendu de dix lignes qu'une page d*un grand ouvrage, et ii n'y a den de
n^glig^ dans son oeuvre. Mais 11 n'ötait pas Thomme des recherches de
detail. Dnrant toute sa carriöre scientifique, son objet a ät^ d'ezposer de
larges ensembles, d'en präsenter les diverses parties k leur plan exact,
avec les proportions justes, de mettre en ^vidence le gronpement logiqae
et rinterd^pendance des faits. Et c'est ce qui le rendait si ^minemment
apte k la vulgarisation, d4jä tr^s estimable, qui r^pand dans le public les
conclusions scientifiques acquises, et plus encore k cette vulgarisation plus
haute et vraiment cröatrice, qui en mettant au point pour la premi^re
fois, dans des trait^s d'ensemble, des r^sultats qui jusque-lä deroeuraient
6parS) leur donne par lä leur valeur et leur force. Dans ces grands ex-
pos4s, le detail est toujours soign^, les formes eitles sont scrupuleusement
correctes, la pr^cision est parfaite; mais rien n'est fait en vue du detail;
V. Henry n 4tait pas, comme la plupart des linguistes, venu k la linguistique
par la philologie; et il n'avait pas le goüt du travail sur les textes, de
la poursuite du fait curicux et in^dit ; tous ses expos^s sont fondes sor
des faits d^jä connus, et de pr^f^rence sur de grands groupes de fait&
L'^tude sur le Dialecte de Coimar est sans doute la seule de ses publi-
ca! ions qui repose sur des observations personnelies et nc soit pas U
misc au point et la systematisation logique de choses d6jä not^es ; or, c est
Ic r^sultat d'observations faites par Tauteur principalement sur lui-m^me
Le rOIe de V. Henry dans la linguistique de son temps aura 6te avant toul
de grouper d'une mani^re rigoureusement m^thodique les faits connus, et
de donner des expos6s bien ^quilibr^s, clairs et coli^rents qui onl fait
apparaitre en pleine lumi^re les resultats acquis.
C'est dire que V. Henry a 6te un professeur. Son action sur les
Kleves iHait grand e. La nettetä de sa pens6e, le ton oratoire qu'il pretait
naturellement k ses id^es donnaient k son enseignement un caract^re
saisissant. La Conference sur VEmploi de la grammaire historique dans
les Confirences du mus^e pidagogique (1906) en peut donner quelque idee.
Les personnes qui ont connu personnellement V. Henry garderonl
de lui un souvenir ^mu. La conscience tr^s haute qu'il avait de ce qu'ü
devait k la science et k la fonction dont il 4tait charg^ n'enlevait rien
k sa bienveillance; les jeunes linguistes dont, comme professeur de
Sorbonne, il a eu ä examiner et k discuter les thöses savent avec quelle
prompt itude, quelle attention et quel soin il les lisait, comment il les
conseillait, les encouragcait et les soutenait; tous sont restes ses oblig^
11 y avait quelque gravite, quelque solennit^ mßme dans le savant etle
professeur ; mais ceux qui ont approch^ V. Henry savent quelle sensibi-
lit6 vive, presque maladive k force d'intensit^, se cachait derri(;re cette
premiöre apparence.
Le savant qui ne prenait gu^re de repos et qui n'a cess^ de tra-
vailler et de produiro, le professeur d6vou6 qu'^tait V. Henry a eu la fin
qu'il meritait: il est mort debout. Le mercredi 6 f^vrier 1907, il 6tait veni
k Paris, il avait fait k la Sorbonne ses deux cours habituels; il 6tait rentre
k Sceaux, comme de coutume; et le soir, en quelques minutes, il est moit
d'une angine de poWtme ^iv\.t^ l^% bras de la compagne de sa vie.
Paris. ft^ Mein et.
Mitteilungen. 79
John Strachan f.
In Dr. John Strachan, der am 25. Sept. 1907 im Alter von 45 Jahren
urch eine kurze Krankheit dahingerafft wurde, hat die keltische Philologie
ine Arbeitskraft ersten Ranges verloren, der sie vieles verdankt, von der
ie noch vieles erwarten durfte.
Im J. 1862 zu Keith in BanlTshire geboren, studierte Strachan erst
n schottischen Lehranstalten, dann in Cambridge mit ungewöhnlicher Aus-
eichnung, kam auch 1880 nadi Göttingen, 1883 — 84 nach Jena herüber, wo
;h ihn als Schüler im Altirischen kennen lernte. Schon 1885 wurde er Pro-
issoT des Griechischen in Owen's College in Manchester (er hat als solcher
891 das sechste Buch Herodots herausgegeben), 1889 außerdem Professor
er vergleichenden Sprachwissenschaft, 1905 auch 'Celtic Lecturer*
n derselben Anstalt, die sich im Lauf der Jahre in eine Universität um-
estaltet hatte. Außerdem benützte er oft die Ferien, um an der 1903
egründeten School of IrishLearning in Dublin altirischen Unter-
[cht zu erteilen. Trotz der umfassenden Lehrtätigkeit fand sein uner-
lüdlicher Fleiß Zeit, eine große Anzahl von Arbeiten in seinem Lieblings-
ebiet, dem der keltischen Grammatik, zu veröffentlichen. Zusammen mit
tokes besorgte er die Neuausgabe und Obersetzung der ältesten irischen
prachdenkmäler (Thesaurus palaeohibernicus 1901, 1903). Seine
raktischen Selections from the Old Irish glosses (1904) und Old
fish paradigms (1905) legte er seinem Unterricht zugrunde. Äußer-
em ist eine lange Reihe von Aufsätzen, Sammlungen, auch kleineren
dizionen früher meist in den Schriften der Philological Society, dann in
er von ihm mitredigierten Zeitschrift Eriu erschienen, aber auch in
nderen deutschen, französischen und englischen Zeitschriften. Ließen
inige seiner ersten Arbeiten, wie sie unsern Lesern z. B. aus Bezzen-
ergers Beiträgen 14 — 20 vertraut sind, noch hie und da den Anfänger
rkennen, so zeigen die späteren, etwa seit Mitte der 90er Jahre, den
ollendeten Sprachkenner und reife Kritik. Seine Sammlungen betrafen
roßenteils die altirische Grammatik (The Substantive Verb in the
rish glosses, The sigmatic future a. subjunctive in Irish, The
articlei'o-in Irish, Action a. time in the Irish verbusw.); darunter
igte die Abhandlung On the use of the subjunctive mood in Irish
en ersten festen Grund zu einer irischen Moduslehre. Namentlich inter-
ssierte ihn sodann der grammatikalische Obergang vom Alt- zum Mittel-
ischen, vgl. The deponent verb in Irish, The verbal systera of
he Saltair na Rann, Contributions to the history of Middle
rish declension, The infixed pronoun in Middle Irish (Eriu I),
rammatical notes (Z. f. Celt. Philol. II. III) u. a. Diese Aufsätze sind von
nschätzbarem Wert für die zeitliche Bestimmung irischer Literaturwerke.
Sein Lehramt für keltische Sprachen führte ihn in den letzten
ihren auch zur Untersuchung des älteren Kymrischen, das von den
ymren selber merkwürdigerweise fast ganz vernachlässigt wird. Gleich
ie ersten Arbeiten (Eriu IL III) zeigten als wichtigstes Resultat, daß die
(testen Phasen der britannischen Dialekte grammatisch dem Irischen
aßerordentlich nahe stehen, daß ihre spätere Verschiedenheit also sekun-
ärer Art ist. Eine kurze mittelkymrische Grammatik, zu der er selber
en Stoff gesammelt hatte, war bei seinem Tode druckfertig, nur der zweite
eil (Texte u. Glossar) noch auszuarbeiten.
80 Mitteilungen.
Auf einem so schwach besetzten Forschungsgebiet ist ein solcher
Verlust besonders schmerzlich. Möchte es ihm gelungen sein, seine kritisch
sichere Methode auf zahlreiche Schüler zu übertragen ! Seine feurige Tat-
kraft war freilich nicht lehrbar und ist unersetzlich.
Freiburg i. B. R. Thurneysen.
Erster Kongrefi für saehllehe Yolkskunde,
September 1909 in Graz.
Im September 1909 findet in Graz die 50. Versammlung deutscher
Philologen und Schulmänner statt. Dieser wichtige Gedenktag gibt Ver-
anlassung, den Blick auf Vergangenheit und Zukunft zu lenken.
Schon Jakob Grimm hat 'Wörter* und 'Sachen* in einem Atem ge-
nannt, aber erst die letzten Jahre haben zur klaren Erkenntnis geführt,
daß die Sprachforschung der Sachforschung als notwendiger Ergänzung
bedarf, daß die Etymologie der Kenntnis der 'Sachen* nicht entraten kann,
daß das, was die Archäologie für die klassische Philologie bedeutet in
entsprechender Weise auch für die anderen philologischen Disziplinen ge-
schaffen werden muß.
Die sachliche Volkskunde bietet dazu die MitteL Deshalb wollen die
Unterzeichneten als Ergänzung des Arbeitsplanes der dO. Versammlang
deutscher Philologen und Schulmänner die Bildung einer Sektion bean-
tragen, welche die Forschungen über die IJrbeschäftigungen* (Ackerbau,
Fischerei, Hirtenwesen), über das Haus und seine Greräte sowie über die
im Hause geübten Techniken (Nähen, Spinnen, Flechten, Weben usw.) zam
Gegenstande ihrer Verhandlungen machen soll.
Die Beschränkung auf diese Teile der allgemeinen Volkskunde ist
darin begründet, daß die berührten Fragen zur Zeit im Mittelpunkt des
Interesses — auch für die Schule — stehen, sowie femer darin, daß es
unmöglich ist, der ganzen ungeheuren Reichhaltigkeit der Volkskunde in
dem gegebenen Rahmen gerecht zu werden. Die Bildung einer eigenen
Sektion für die sachliche Volkskunde empfiehlt sich auch deswegen, weil
ihre Gegenstände nicht wie die geistigen Erzeugnisse der Volksseele (Sagen,
Märchen, Bräuche usw.) in den anderen Sektionen zur Besprechung ge-
langen können.
Die Unterzeichneten bitten, diesen Aufruf weiter zu verbreiten und
sehen Zustimmungserklärungen entgegen, die baldigst an R. Meringer,
Graz, Universität, gerichtet werden mögen.
Sobald eine ausreichende Unterstützung des Planes gesichert ist,
sollen weitere Mitteilungen erfolgen.
Graz, im Januar 1908. Hugo Schuchardt. Rudolf Meringer.
Georg Cnrtins-Stiftnng.
Der vorjährige Zinsertrag der G. Curtius-Stiftung ist Herrn Dr. Hans
Jacobsihal in Straßburg i.E. verliehen worden als Preis für seine Doktor-
schrift 'Der Gebrauch der Tempora und Modi in den kretischen Dialekt-
inschriften' (Straßburg i. E. 1907).
Leipzig, 10. Februar 1908. Das Kuratorixun :
Dr. K. Brugmaim. Dr. H. Lipsius. Dr. R. Meister.
ANZEIGER
FÜR llOGERHAMSCl SPRiCH- UND ALTERTISKUNDE.
BEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN
HERAUSGEGEBEN
VON
WILHELM STREITBEB6.
ZWEIUXBZWANZI6STER BAND. ERGÄNZUNGS-HEFT.
Bibliographie des Jahres 1905.
Erste Hälfte.
Vorbemerknng. Auf Wunsch von Herrn Professor Streitberg habe
ich von jetzt an die Redaktion der Bibliographie übernommen. Bei ihrer
Bearbeitung habe ich mich der Unterstützung der alten bewährten Herren
Mitarbeiter zu erfreuen gehabt; außerdem haben sich eine Reihe neuer
Kräfte mit dankenswerter Bereitwilligkeit in den Dienst der Sache gestellt.
Zu besonderem Danke bin ich den Herren Prof. Dr. D. Andersen in
Kopenhagen, Prof. Dr. A.V.W. Jackson in New- York und Prof. Dr. J. Zu-
bat^ in Prag verpflichtet, die mit großer Liebenswürdigkeit mich über
sonst schwer zugängliche skandinavische, amerikanische und slavische
Erscheinungen auch aus anderen als den von ihnen übernommenen Biblio-
graphieabteilungen unterrichtet haben. — Die in einigen Abteilungen den
Titeln beigefügten Besprechungen sollen die Brauchbarkeit der Bibliographie
erhöhen. Leider gestattete die Kürze der Zeit (da die Bibliographie sehr
im Rückstand ist) nicht, diese Neuerung überall durchzuführen; in späteren
Jahrgängen soll es nach Möglichkeit geschehen.
Die schon früher von Prof. Streitberg ausgesprochene Bitte um Zu-
sendung namentlich schwerer erreichbarer Aufsätze, Dissertationen, Pro«
gramme, Gelegenheitsschriften usw. erlaube ich mir angelegentlichst zu
wiederholen ; denn nur auf diese Weise kann die erstrebte Vollständigkeit
und Genauigkeit der Berichterstattung erreicht werden. Allen den Herren
Verfassern, die mir bereits zu diesem Zwecke Schriften eingesandt haben,
sage ich hiermit meinen verbindlichsten Dank.
Straßburg i. E., April 1908. Ferdinand Mentz.
I. Ailgemeine indogermanische Sprachwissenschaft nnd
Altertumskunde.
A. Bibliographie.
L. Philologiae Novitates. Bibliographie neuer Erscheinungen aller Länder
aus der Sprachwissenschaft und deren Grenzgebieten. Herausgeg. v.
0. Ficker. 1. Jahrg. 190Ö. Heidelberg Ficker. 2 BL, 25^ S.
Anz^ger XXII, Ergänxungahett V
82 I. Allgemeine indogenn. Sprachwissenschaft und Altertomskimde.
2. Hartmann F. Allgemeine Sprachwissenschaft Jahresber. d. germ.PhiloL
26, 1904, 15—40. [Ersch. 1905].
Bibliographie des Jahres 1904.
B. Allgemeine Sprachwiflsenschaft.
a) Geschichte und Theorie der Sprachwissenschaft.
1. Buliö S. K. O^erk istoriji jazykoznanija v Rossiji [Abriß der Geschichte
der Sprachwissenschaft in Rußland]. I. [13. Jahrh. bis 1825. Mit der
Beilage **£inleitung in das Sprachstudium** von B. Delbrück statt Ein-
leitung.] St. Petersburg Buliö und Pantel€jev. XI u. 1248 S. 6 RbL
Angex. Yon J. Znbaty lA. 19, 49—54.
2. Dittrioh 0. Die Grenzen der Sprachwissenschaft. Ein programmatischer
Versuch. (Aus Jahrbb. f. d. klass. Altertum, Geschichte u. deutsche Lite-
ratur.) Leipzig Teubner. 20 S. 0,80 M.
Tritt im Gegensatz zu H. Pauls Identifikation von Sprachwissen-
schaft mit Sprachgeschichte für eine Erweiterung des Begriffes 'Sprach-
wissenschaft' ein und stellt folgende Klassifikation der sprachwissenschaft-
lichen Disziplinen auf: 1. Morphologischer Teil : Allgemeine Formenlehre
der Bedeutungszeichen und Zeichenbedeutungen; 2. Chronologisch-topo-
logischer Teil: Sprachgeschichte, -geographie, -Statistik; 3. Rationeller
(ätiologisch -teleologischer) Teil: Sprachphysiologie, -psychologie, -ent-
wicklungstheorie, -anthropogeographie, -kulturätiologie (bes. -Soziologie),
-ethnologie, -technik, -philosophie.
3. Finck F. N. Die Aufgabe und Gliederung der Sprachwissenschaft. Halle
Haupt. VIII u. 55 S. 2 M.
Sucht die Notwendigkeit der Scheidung der Sprachwissenschaft in
einen beschreibenden und einen erklärenden Teil zu erweisen.
4. Figneiredo C. de. Problemas de linguagem. LissaboiL 367 S. 4,20 M.
5. Vinson J. Les divers buts de la science du langage. Rev. de linguist.
et de philol. comp. 38, 165—191.
6. — Science, critique et vanit^. Rev. de linguist. et de philol. comp. 38,
192—207.
7. Amor Ruibal A. Los problemas fundamentales de la filologia com-
parada, su historia, su naturaleza y su diversas relaciones cientificas.
2. parte. Santiago Impr. de la Universidad. 748 S. UM.
8. Weyde J. Sprach- und Naturwissenschaft. Sammlung gemeinnütziger
Vorträge Nr. 318. Prag J. ü. Calve. 15 S. 0,20 M.
9. Salvadori G. Scienza del linguaggio e psicologia sociale. Riv. Ital. di
Sociol. 8, 684—701.
10. Banmann Fr. Sprachpsychologie und Sprachunterricht. Eine krit.
Studie. Halle Niemeyer. 143 S. 3 M.
Sucht die Unzulänglichkeit der Sprachpsychologie für sprachp&da-
gogische Zwecke darzutun.
b) Methodologie.
11. ThomeTsen R. Die Etymologie. Eine akademische Rede. Freiburg i. B.
Speyer u. Kaemer. 35 S. IM.
12. Velics A. v. Versuch eines natürlichen Systems in der Etymologie.
Eine Studie. Breslau Preuß u. Jünger. 74 S. 2 M.
L Allgemeine indogenn. Sprachwissenschaft und Altertomsknnde. 83
13. Spina F. Eine neue Methode f. sprachstatist. Untersuchnngen. Ztschr.
l d. österr. Gymn. 66, 701—706.
14. Tappolet E. Über die Bedeutung der Sprachgeographie mit besonderer
Berücksichtigung französischer Mundarten. (Aus : Aus roman. Sprachen
u. Literaturen, Festschr. f. H. Morf.) Halle Niemeyer. 32 S. 1 M.
15. Temple R. A Plan for a Uniform Scientific Record of the Languages
of Savages. Rep. of the Brit. Assoc. Adv. Sei. 74, 708—709.
c) Theorie der Sprache.
16. Baadouin de Coortenay J. Jazykoznanije (Sprachwissenschaft). —
Jazyk i jazyki (Die Sprache und die Sprachen). Enciklop. Slovaf 41,
517—27, 529-48.
17. Franke E. Die Psychologische Sprachenklassifikation bei Misteli [^ech.].
V€stn. C. Akad. 14, 325—37, 443—55.
18. VoBsler K. Sprache als Schöpfung und Entwickelung. Eine theoretische
Untersuchung mit prakt. Beispielen. Heidelberg Winter. VIII u. 154 S. 4 M.
Versucht im Anschluß an B. Groces Estetica come scienza del-
Fespressione und im Gegensatz zu der modernen psychologischen Auffassung
der Sprache eine ästhetisierende Sprachbetrachtung als die einzig dem
Wesen dieser Funktion entsprechende zu erweisen.
19. ünger R Hamanns Sprachtheorie im Zusammenhange seines Denkens.
Grundlegung zur Würdigung .der geistesgeschichtl. Stellung des Magus
im Norden. Münchener Hab.-Schrift. Leipzig Berger. Vniu.272S. 6,50 M.
20. Trombetti A. L'unitä d*origine del linguaggio. Bologna Beltrami. VIII
u. 224 S. 6 M.
Versuch einer Zurückführung aller Sprachen auf eine gemeinsame
Wurzel.
21. Meyer-Rinteln W. Die Schöpfung der Sprache. Leipzig Grunow. XVI
u. 256. 5 M.
22. Igungstedt K. Spraket, dess hf och Ursprung. 2. genoms. uppl Student-
föreningen Verdandis smäskrifter Nr. 30. Stockholm Bonnier. 38 S. 0,50 M.
23. Tanbner K. Sprachenwurzel-Bildungsgesetz und harmonische Welt-
anschauung. Berlin Kühl. 36 S. 1,20 M.
Wertlos.
24. Marr B. Die Symbolik der Lunation. Von der Entstehungsursache
des Sprach- und Sagenschatzes der Gesamtmenschheit. Dux G. Scheit-
hauer. X u. 161 S. m. Fig. 2,10 M.
25. Mucke J.R. Das Problem der Völkerverwandtschaft. Greifswald J. Abel.
XXIII u. 368 S. 7,50 M.
26. Schinz A. La question d'une langue internationale artificielle. Rev.
philos. de la France 60, 24—44, 157—172.
27. Thomson V. Videnskabens Foellessprog. Studier fra Sprog- og Oldtids-
forskning, udg. af det philol.-hist. Samfund Nr. 65. Kopenhagen Klein
1905. 38 S. 0,65 Kr.
d) Sprachpsychologie, Grammatik.
28. Tan Oinneken J. Grondbeginselen der Psychologische Taalwetenschap.
Eene synthetische Proeve. I. Lier J. van In A Komp. 1904—5. 239 S.
Si L Allgemeiiie indocenn. Sprachwiasenschaft und Altertnmskiiiide.
I. WoordYoorstdlingen. IL De objectieYe zaakvoorstellingen. IIL Het
Terstand en ajne beaming. lY. Gevoel en waardeering. V. Vrge wil en
aatomatisme.
29. Baräsa F. Psicologia delU lingna. Torin Bocca. 202 S. 3 M.
90. Leroj E. B. Le langage. Essai sor la psychologie normale et patho-
logique de cette fonction (les signes et les difförentes espöces de lan-
gage; la perception du langage; r^mission da langage; rhaUadnation
verbale). Paris Alcan. 300 S. 5 M.
31. Bnmotie F. Beiträge zur Kenntnis des Gedankenlaatwerdens. Diss.
Gdttingen 1904. 38 S.
32. Krause F. Hören and Spreeben. Pbysiologisch-psycbologische Betrach-
tang der beiden Sprachzweige, nebsd Hinweis auf deren methodische
Behandlung. 6 Vorträge. Cötben. Vm a. 198 S. 2 M.
33. Pogodin A. L. Podemu ne govorjat iivotnyja? [Waram sprechen die
Tiere nicht?] Warschau. [Aas Univ. Izv. Warschau, 3, 4] 72 S.
'*Weil sie eigentlicb kein inneres Leben haben, weil ihre Geföhle
in Handlangen unmittelbar Ausdruck finden, oder mit anderen Worten,
weil das Tier keine in bezug auf Angenehmheit gleichgiltige Vorstellongen
kennt ; Wissen um des Wissens wiUen ist ein Privilegium des Menschen.
Indem sich das Tier im Zustand eines Halbtraumes befindet oder sich dem
unwillkärlichen Flusse der VorsteUungen hingibt, denkt es nicht, analysiert
es nicht die Erscheinungen, sondert es nicht sein Ich heraus. Wo es keine
Analyse gibt, dort gibt es keine Begriffe und keine Sprache".
34. Taylor C. 0. Ober das Verstehen von Worten und Sätzen. Ztschr. f.
Psychol. 40, 225—251.
35. Lalande A. La conscience des mots dans le langage. Joum. de
psychol. norm, et pathol. 2, 37 — 41.
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47. Lobmann H. Sprechton n. Lautbildung. Leipzig Dürr. 40 S. 0,60 M.
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Vgl. die Rez. v. L. Sütterlin in Engl. Stud. 35, 87 f.
49. Barth E. Zur Lehre vom Tonansatz auf Grund physiologischer und
anatomischer Untersuchungen. Berlin A. Hirschwald 1904. 23 S. 2 M.
50. Marage. Sensibilit^ speciale de Foreille physiologique pour certaines
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51. Lloyd R J. Glides between consonants in English. VI. Die neueren
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52. Hagen H. vom. Ein amerik. Laboratorium f. experimentelle Phonetik
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53. Scripture E. W. Ober das Studium der Sprachkurven. Ostwalds Ann.
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54. Kraeger F. u. Wirth W. Ein neuer Kehltonschreiber. Wundts Psychol*
Stud. 1, 103—104.
55. Scripture E. W. Report on the Gonstruction of a Vowel Organ. Smith-
sonian Mise. Col. 47, 360—364.
f) Sprachpathologie, -therapeutik, -pädagogik. Kindersprache.
56. Legel 0. Die Sprache u. ihre Störungen m. bes. Berücksicht. der Sprach-
störungen geistig Zurückgebliebener. Ein Handbuch f. Lehrer, bearb. u.
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57. Biachofawerder. Bericht über die Abteilung für Sprachstörungen [der
Neumannschen Poliklinik für Kinderkrankheiten in Berlin]. Archiv f.
Kinderheilk. 42,82—34.
58. Gntzmann H. Das Verhältnis der Affekte zu den Sprachstörungen.
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59. Mejer A. Aphasia. Psychol. Bull. 2, 261—277.
60. Kleist K. Ober Leitungsaphasie. Monatsschr. f. Psychiatr. u. Neurol.
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mit Aphasie. Ztschr. f. Ohrenheilk. 49, 165—208.
64. Heller Th. Zwei Fälle von Aphasie im Kindesalter. Wiener klin. Rund-
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65. Paterson J. V. The Gases of Word Blindness. Scot. Med. Surg. Journ.
17, 21—30.
66. Halben. C6cit6 verbale suivie de gu6rison, avec persistance d'une
h^mianopie droite. Ann. d'Ocul. 132, 1904, 139—140.
67. Bramwell E. A Gase of Alexia with Autopsy. Scot. Med. Surg. Journ.
17, 15—20.
84 I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertomsknnde.
I. Woordvoorstellingen. ü. De objectieve zaakyoorstellingen. IIL^
verstand en zijne beaming. IV. Gevoel en waardeering. V. Vr^e wil es
automaiisme.
29. Bayizaa F. Psicologia della lingna. Tarin Bocca. 202 S. 3 IL
30. Leroj E. B. Le langage. Essai sur la psychologie normale et patho-
logique de cette fonetion (les signes et les diff^rentes espöces de lau«
gage; la perception du langage; l'^mission du langage; ThaUadnatioQ
verbale). Paris Alcan. 300 S. 5 M.
31. Bnmotie F. Beiträge zur Kenntnis des Gedankenlantwerdens. Diss.
Göttingen 1904. 38 S.
32. Krause F. Hören und Sprechen. Physiologisch-psychologische Betrach-
tung der beiden Sprachzweige, nebst Hinweis auf deren methodische
Behandlung. 6 Vorträge. Cöthen. VIU u. 198 S. 2 M.
33. Pogodin A. L. Po^emu ne govorjat iivotnyja? [Warum sprechen die
Tiere nicht?] Warschau. [Aus Univ. Izv. Warschau, 3,4.] 72 S.
"Weil sie eigentlich kein inneres Leben haben, weil ihre Gefühle
in Handlungen unmittelbar Ausdruck finden, oder mit anderen Worten,
weil das Tier keine in bezug auf Angenehmheit gleichgiltige Vorstellungen
kennt ; Wissen um des Wissens willen ist ein Privilegium des Menschen.
Indem sich das Tier im Zustand eines Halbtraumes befindet oder sich dem
unwillkürlichen Flusse der Vorstellungen hingibt, denkt es nicht, analysiert
es nicht die Erscheinungen, sondert es nicht sein Ich heraus. Wo es keine
Analyse gibt, dort gibt es keine Begriffe und keine Sprache**.
34. Taylor C. 0. Ober das Verstehen von Worten und Sätzen. Ztschr. f.
Psychol. 40, 225—251.
35. Lalande A. La conscience des mots dans le langage. Joum. de
psychol. norm, ei pathol. 2, 37 — 41.
86. Meringer R. Wörter u. Sachen. lU. IF. 18, 204—296.
37. Chamberlain AI. Primitive Hearing and 'Hearing -Words*. Amer.
Joum. of Psychol. 16, 119—130.
38. Exner S. Ober den Klang der eigenen Stimme. Zentralbl. f. Physiol
17, 1904, S. 488 f.
39. Lucae A. Zur Prüfung des Sprachgehörs unter Angabe eines neuen
Phonometers. Arch. f. Ohrenheilk. 64, 155—166.
40. Bos C. Les 41^ments affectifs du langage. Ses rapports avec les
tendances de la psychologie moderne. Rev. Philos. de la France 60,
355-373.
41. de la Grasserie R. La psychologie de T Argot Rev. philos. de U
France 60, 260—289.
42. Mac Dougall R. On the Psychology of Reading and Writing. Addr.
and Proceed. of the National Educ. Assoc. 44, 399—406.
43. Pergens. La lisibilitä des caract^res dUmpression. Ann. d'ocul. 132,
1904, 402.
44. Seifert J. Zur Psychologie der Schreibfehler. Eine sprachpsychol
Untersuchung. Progr. Karolinental 1904. 52 S.
45. Körting G. Bemerkungen üb. den Begriff u. die Teile des grammatischea
Satzes. Kiel, Lipsius u. Tischer. 26 S. 0,60 M.
I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertumskunde. 87
89. Stern W. u. G. Erinnerung u. Aussage in der ersten Kindlieit. Beitr.
z. Psychol. der Aussage 2, 31 — 67.
90. GheorgoT J. A. Die ersten Anfänge des sprachl. Ausdrucks f. das
Selbstbewußtsein bei Kindern. Rapp. et Compte rendu du 2« Congr.
intern, de Philos. 520—536. Arch. f. d. ges. PsychoL 5, 329—404.
91. Schädel E. Das Sprechenlemen unsrer Kinder. Nach seiner Ent-
wicklung dargestellt u. mit pädagog. Winken u. Ratschlägen Eltern,
Lehrern, Kindergärtnerinnen u. überhaupt allen, die es mit Erziehung der
Kleinen zu tun baben, gewidmet. Leipzig, Brandstetter. 132 S. 1,50 M.
92. Hudson-Makuen G. Retarded Development of Speech in Young Ghildren.
New York Med. Joum. 81, 436-439.
Leipzig. 0. Dittrich.
C. Indogermanisclie Sprachwissensehaft. .
(Allgemeines. Lautlehre. Wortlehre. Syntax.)
1. Bmgmann K. Abr6g6 de grammaire compar^e des langues indo-euro-
p^ennes, traduit par J. Bloch, A. Cuny etA. Ernout sous la direction
deA.Meillet etR. Gauthiot. Paris Klincksieck. XXI u. 856 S. mit 4 Tab.
2. Steyrer J. Der Ursprung und das Wachstum der Sprache indogerma-
nischer Europäer. Wien Holder. IV u. 176 S. 5,20 M.
Wertlos !
3. Vinson J. Les langues indo-europ6ennes (suite). Rev. d. ling. 38, 97—113.
Vgl. 37, 335 f. S. 106: sous le nom d'aoristej c'est-ä-dire "sans heure".
S. 109 : Un savant allemand, M. 0. Schrader, partage les Aryens en deux
grands groupes suivant qu'ils expriment le nombre eerit par un mot ä
initiale dure dont la premi^re syllabe est nasalis^e, kentvm, ou par un mot
ä initiale douce, sans nasalisation , satam . . . Mais un seul mot peut-il
suffire ä 6tablir un classement et k 4chafauder une th6orie? [!]
4. Hirt H. Die Indogermanen I. Straßburg Trübner. X u. 407 S. 9 M.
Hier zu erwähnen wegen Buch I, 2 "Die idg. Sprachen, ihre Ver-
breitung und ihre Urheimat", vgl. besonders Kap. 10 : *'Die idg. Sprachen
und ihre Stellung im Kreise der übrigen Sprachen".
5. Die idg. Sektion auf der 48. Versammlung deutscher Philologen und
Schulmänner in Hamburg 3.-6. Okt. 1905. lA. 18, 81—88.
Referate über die Vorträge von Chr. Bartholomae (Ist im Altiran,
noch die Klangfarbe der idg. a- Vokale nachzuweisen?), E. Hermann (Die
Rekonstruktion als Grundlage der idg. Sprachwissenschaft), F. Solmsen
(Ober griech. Etymologie), K.Zacher (Die dämonischen Urväter d. Komödie),
A. Thumb (Prinzipien der kg iv/| -Forschung), F. Skutsch (Über einige aus-
gewählte Punkte der lat. Grammatik).
6. Maory L. La grammaire compar6e dans l'enseignement secondaire, une
exp^rience su6doise. Revue internationale de Tenseignement 49, 391 — 395.
7. Pedersen H. Neues und Nachträgliches. KZ. 40, 129—217.
I. Exegetische und syntaktische Fragen. §§ 1—6: Zum Altiranischen.
Daraus von allgemeinerem Interesse S. 130 f.: Bedeutungsentwicklung von
'um' zu *bei, auf der andern Seite, entfernt von, ohne*. § 7—21 : Subjektlose
Sätze, deren Verb aktiv. Form hat, deren *Subj.* im Instrumental steht
(so russ. und, mit Beschränkung auf das Neutr., avest. : dies der ältere
Sprachgebrauch). Gegen die Annahme enger Grenzen subjektloser Verba
86 I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft and Altertnmskimde.
68. Bechterew W. v. Über eine Form der Paraphasie. Monatsschr. t
Psychiat. u. Neurol. 18, 625—531.
69. Mann M. Otitischer Hirnabszeß im linken Schläfenlappen mit einer
seltenen Form v. Sprachstörung. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 85, 96—108.
70. Pick A. Zur Analyse der Elemente der Amusie und deren Vorkommen
im Rahmen aphasischer Störungen. Monatsschr. f. Psychiatr. u. NeuroL
18, 87—95.
71. Stransky E. Ober Sprachverwirrtheit. Samml. zwangl. Abh. a. d. Gebiete
der Nerven- u. Geisteskrankh. Bd. 6. H. 4/5. 108 S.
72. Reich. Ein Fall von alogischer Aphasie u. Asymbolie. Allg. Ztschr. f.
Psychiatr. 62, 825—836.
73. Maß 0. Beitrag zur Kenntnis hysterischer Sprachstörungen. Berl. klin.
Wochenschr. 42, 1495—1498.
74. Tixier L. Aphasie hyst^rique cons^cutive k un trauroatisme rolandique
gauche. Arch. g6n. de M6d. 196, 3028.
75. Roy et Jaqneller. Aphasie motrice k r^p^tition chez une morphino-
raane. Journ. de psychol. norm, et pathol. 2, 1 — 15.
76. Gutzmann H. Ober die Sprache der Taubstununen. Med. Klinik 1,
156—160.
77. Lingnerri. Particolari alterazioni del linguaggio in un caso di demenza
primitiva. Riv. sperim. di freniatria 31, 136—150.
78. Gutzmann H. Die Sprachstörungen als Gegenstand des klinischen
Unterrichts. Berliner Antrittsvorlesung. Leipzig G. Thieme. 39 S. IM.
79. Trömner E. Zur Pathogenese und Therapie des Stotterns. Wiener
klin.-therap. Wochenschr. 12, 189—196. 219—223.
80. Mehnert M. Ober die Beseitigung des Stotterns u. Stammeins durch
den ersten Unterricht in der Volksschule. Monatsschr. f. d. ges. Sprach-
heilkunde 15, 257—262.
81. Franz S. J. The Recducation of an Aphasie. Journ. of Philos., Psychol.
and Scient. Methods 2, 589—597.
82. Wray C. The Treatment of Word-Blindness. Lancet 169, 885—886.
83. Mohr F. Zur Behandlung der Aphasie (mit bes. Berücksicht des
Agrammatismus). Arch. f. Psychiatr. und Nervenkrankh. 39, 1904^/5,
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84. Frenzel Fr. Der Sach- und Sprachunterricht bei Geistesschwachen.
Mediz.-pädag. Monatsschr. f. d. ges. Sprachheilkunde. Stolp Hildebrandt
18 S. 1 M.
85. Stern W. Helen Keller. Die Entwicklung u. Erziehung einer Taub-
stummblinden als psychol., pädag. u. sprachtheoret. Problem. (Sammlung
V. Abhandlungen aus dem Gebiete der pädagog. Psychologie u. Physio-
logie Bd. 8 Nr. 2.) Beriin Reuther u. Reichard. ÜI u. 76 S. 1,80 M.
86. Combe L. Sur le langage des enfants. Bull. Soc. Etüde Psychol. de
TEnfant 5, 571—577.
87. Tögel H. 16 Monate Kindersprache. Beitr. z. Kinderforsch, u. Heil-
erziehung 13. Langensalza Beyer u. S. 36 S. 0,50 M.
88. Stern W. Die Sprachentwicklung eines Kindes insbesondere in gram-
mat. u. logischer Hinsicht. Ber. üb. d. 1. Kongreß f. exper. PsychoU
1904, 106-112.
I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertumskunde. 89
15. Bragmaan K. Zur Wortzusammensetzung in den idg. Sprachen. IF. 18,
69—76.
1. Die Stellung der Bahuvrihi im Kreis der Nominalkomposita. Die
eigentlichen Bahuvrihi bilden mit den Imperativkomposita, den präposi-
tionalen Komposita von der Art des griech. ^ir(Taioc und einigen andern
eine einheitliche Bildungskategorie, deren wesentliches Merkmal ist, daß
der Begriffisinhalt der Zusammensetzung einem außerhalb stehenden Sub-
stantivbegrifT als Eigenschaft beigelegt ist; sie stehen als exozentrische
den esozentrischen Nominalkomposita gegenüber. Zu ihrer Erklärung
ist Jacobis Nebensatzhypothese überflüssig, sie beruhen auf Hypostasierung
(sind also auch nicht Mutata). In die Zeit vor Ausbildung der Kasusflexion
hinaufreichend, waren sie von den esozentrischen Komp. nicht nur durch
die sich aus dem Zusammenhang ergebende Bedeutung, sondern auch
durch die Betonungsweise unterschieden (Biipörpocpoc : -Tpöcpoc). Später
erhält ihre Funktion formalen Ausdruck durch die Kasusendungen (teil-
weise Oberführung in die o-Flexion, zur Kennzeichnung adj. Geltung dient
häufig -t}0-, z. B. egregius). Teilweise findet sich auch Mischung mit den
esozentrischen Komp. Griech. {^obobdxTuXoc u. ä. waren ursprünglich halb-
namenartige Substantiva von der Art der deutschen Krummbein, Freigeist^
Dreifu88. — 2. Der dpx^Kaxoc-Typus und Verwandtes. Wie beim dpx^Ka-
Koc-Typus das erste Glied Imperativisch zu fassen ist, so beim Typus
^KccftreirXoc : hier ist das erste Glied ein konjunkt.>imperativ. Infinitiv
(die Stammform der ^t-Abstrakta oder der Lokativ von ^-Stämmen in in-
finitiv. Geltung). Dagegen ist der Typus vidddvasu- eine arische Neuerung
für *vidäva8U' unter dem Einfluß der ptc. praes. auf -n<-.
16. Stolz F. Zur griechischen Kompositionsbildung. Wiener Studien 27,
208—10.
Erklärt sich mit Brugmanns Auffassung des dpx^KaKoc-Typus ein-
verstanden.
17. Brugmann K. Der Kompositionstypus ^veeoc. IF. 18, 127—29.
Dieser exozentrische Typus beruht auf adverbialen Ausdrücken mit
Ellipse des Yerbums, zumeist wohl auf Imperativischen nach Art des nhd.
Hut ab/ Kopf zurück/
18. Blatt G. Neuere Anschauungen über die Genesis der Flexion in den
indoeur. Sprachen. [Polnisch.] Eos 11, 126 — 142.
Kritische Übersicht über die Anschauungen von Bopp, Ludwig und
insbesondere Hirt (IF. 17).
19. Oertel H. and Morris E. P. An examination of the theories regarding
the nature and origin of Indo-European inflection. Harvard studies in
class. philol. 16, 63—122.
In der Hauptsache war für die Entstehung der idg. Flexion die
Adaptation die wirkende Kraft — Stammbildungs- und Flexionssuffixe,
zunächst ohne bestimmte Bedeutung, erhielten ihre Bestimmtheit erst vom
Wortsinn und durch den Satzzusammenhang — ; freilich gab es auch
durch Agglutination entstandene Flexionen. Die Unregelmäßigkeit und
Systemlosigkeit des idg. Formenbaus stimmt schlecht zu der durchsichtigen
Regelmäßigkeit sicher agglutinierender Sprachen. Mit der Adaptations-
hypothese ist die Annahme von Grundbegriffen für die Flexionsendungen
unvereinbar; dies ist auch wichtig für die Syntax der Einzelsprachen.
Die Scheidung zwischen Konjunktiv und Optativ war nur in den Vorstufen
des Arischen und Griechischen durchgeführt; in den übrigen Sprachen
88 I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertmnsknnde.
im Idg. Kell, und An. Beispiele. Von den es-Sätzen sind die man-Sitze
zu scheicien (z. B. an. skal *man soll"), letztere bes. häufig im Westslavischen
(die Beispiele z. T. von Zuhatf gesammelt). § 22—32 : Glottogonisches über die
Subjektkonstruktion und das grammatische Genus im Idg. *es*- und *inan*-
Sätze bildeten urspr. eine Kategorie von Sätzen, die vollständig subjektlos
waren. Im Uridg. stand bei intrans. Verbb. das Subj. in der (auch als Obj.
fungierenden) Grundform, bei trans. Vbb. stand das Obj. in der Grundform,
das Subj. aber im Gen., wenn es ein lebendes Wesen, im Instrum., wenn es
ein unpersönlicher Begrifif war. Auf dem urspr. Unterschied zwischen belebten
Wesen und unbelebten Gegenständen (tätigem und untätigem genus) beruht
die spätere Dreiheit des genus ; Bedeutung der Personifikation dafür. Das idg.
Fem. hängt möglicherweise mit dem semit. zusammen. §§83—39: Das urspr.
fehlende Passiv wird in den idg. Sprachen durch verschiedene Mittel aosge
drückt (Med., verbale Stamrabildung : griech. nv, Ptz. auf -to- und -m>-, refl.).
§§ 40—46: Das italokelt. Passiv ist aus dem Reflexiv hervorgegangen (z. B. ir.
berid aus *bheret ae). Nachtrag über 'man*-Sätze im Griech., Lett., Cech., Finn.
II. Gelegentüche Bemerkungen zur Lautgeschichte und Wortge-
schichte. § 1. Zu Vemers Gesetz. § 2. idg. qh und q*^h im Slav. § 4. Die
armen. Lehnwörter im Türkischen. (S. 187 für die asiat. Urheimat). §4.
Zur armen. Laut- und Wortgeschichte. § 5. Der baltisch-slav. Akzent.
8. Vendryes J. M^langes Italo-celtiques. MSL. 13, 384—408.
1. Le Suffixe latin -esiria. — 2. L'extension du suffixe -ö(n) en gan-
lois. — 3. gaulois Bigodulum, *Brivodulum. — 4. gaulois NemöMos "Ne-
mours*. — 5. L*6volution du suffixe -to- en celtique. — 6. v.-irl. nach 'ni'.
— 7. Sur quelques formes interrogatives du v.-irl. — 8. bret. kougoh,
gall. gogof, irl. cüa. — 9. v.-irl. derCy drias, draigen (: Tpdxvoc, T^pxvoc).
9. Wirth H. Indogermanische Sprachbeziehungen. Progr. Gymn. Bruchsal.
Karlsruhe Druckerei Fr. Gutsch. 24 S. 4o.
Beschlägt die idg. Lautlehre, auch die Etymologie.
10. Kretschmer P. Die slavische Vertretung von indogerm. o. Arch. f. slav.
Phil. 27,228-40.
Aus der Wiedergabe slav. Wörter, besonders Eigennamen, in früh-
mittelalterlichen griech. und lat. (dalmatinischen) Quellen, auch aus slar.
Lehnwörtern des heutigen Griechischen wird geschlossen, daß slav. o (aas
idg. 0 oder a) die Stufe a durchlaufen hat.
11. Zupitza E. Lit. naüjas. KZ. 40, 250—5.
n. beweist nichts gegen das Gesetz idg. e^ zu slav. ju, lit. tau, da
es aus ^ne-^ja- entstand, wobei e unter dem Einflüsse des konsonant. y
zu a wurde ; "erst dann entstand der Diphthong, jetzt natürlich au, nicht tau'.
12. Wood F. A. Indo-European a^ : a»i : a'u. A study in ablaut and in
word-formation. Straßburg Trübner. VII u. 159 S. 4 M.
13. Hirt H. Der indogermanische Ablaut. N. Jb. f. d. klass. Altertum 15,
465—75.
Stellt die im 'idg. Ablaut* vertretenen Anschauungen für einen wei-
teren Kreis dar.
14. Sommer F. Griechische Lautstudien. Slraßburg Trtibner 1905. VII u.
172 S. 5M.
Hier besonders wegen Abschnitt IV S. 137 ff. zu erwähnen, in welchem
die idg. Spirans Jod bekämpft wird.
I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertmnskimde. 91
punkts des Satzvorgangs . . . Rechts, links, oben, unten, nah, fern u. dgl.
ohne einen Ausgangspunkt zu denken, ist jedoch ein kaum vorauszu-
setzendes Kunststück, und der kleine Fehler "von rechts* statt 'rechts von'
nicht gerade schwer zu begreifen."
26. SchuLse W. KZ. 40, 120-121.
Sammelt Beispiele zur verbalen Suppletion {bibo potum u. ä.).
27. Uhlenbeck C. C. Zu den Personalendangen. KZ. 40, 121—123.
Gegen Hirts Gleichsetzung des -t, -ai in den Personalendungen -mi,
-«f, -<»', -n/»; -«a», -to», -ntai mit -t, -ai des Lok. und Dat. (IF. 17, 70flf.).
-t», -^f, 'tUi sind die Tiefstufen von sai, -taij -tUai; -«, -4, -nt teils aus
'90, 'tOy 'fUOj teils konjunkte Formen von -«, -/t, -tUi; -« der 2. Fers, hängt
vielleicht mit demonstrat. so (neben to) zusammen. Mit Hirt glaubt U. an
den durchaus nominalen Ursprung des idg. Vb. fin., aber die Verbalformen
seien wenigstens zum Teile mit Pronominalelementen (Possessiv-Suffixen)
versehene Nomina.
28. CKurtchen P. Die primären Präsentia mit o-Vokalismus. Diss. Breslau.
61 S.
29. Fay E. W. A semantic study on the indo-iranian nasal verbs.Part IL UI.
Am. J. of phil. 26, 172—208; 377—408.
30. Skntach F. Su alcune forme del verbo latino. [Deutsch.] Atti del Congr.
internaz. di sc. stör. 2, 191 — 204.
Gegen die Annahme eines Infinitivs' in ama-bantj lege-bam usw.
31. Wolif Fr. Die Infinitive des Indischen und Iranischen. 1. Teil. Ein-
leitung. Erster Abschnitt: Die abl.-genet. Inf. Zweiter Abschnitt: Die
akkusat. Inf. KZ. 40, 1—111. [Auch als Gießener Diss. erschienen.]
Die Einleitung (S. 1—5) stellt Kriterien auf för die Scheidung des
Inf. vom Vb. fin. und vom Subst.
31 a. Jensen Th. V. En Gerundiv-Gruppe i Sanskrit og de latinske Verber
paa-#rtf. Kort Udsigt over det philoL-hist. Samfunds Virksomhed. Okt.
1899— Okt. 1904. Kopenhagen 1904. S. 105.
32. vanWijk N. Zur Konjugation des Verbum substantivum. IF. 18, 49—59.
Für ursprünglich thematische Flexion des verb. subst. (Wurzel ese-,
nicht es-) sprechen das ptc. präs. ^sent-, ^sont-, idg. (und urital.) *8or in
umbr. benmo, couoriusOj germ. *sum (worauf an. erom usw. beruhen) lat.
9umu8 aus *89fnd8 (Nebenform zu *08m^), dagegen sind lat. sunt, abg. sqti,
ital. *8om (lat. sum, osk. süm) Analogiebildungen. S. 50 f. Exkurs von
K.Brugmann über das Verhältnis von 'Suffix' zu 'Wurzel* oder 'Basis".
33. Abel C. Ober Gegensinn und Gegenlaut in den klassischen, ger-
manischen und slavischen Sprachen. Heft I — II. Frankfurt a. M. Diester-
weg 1905/6. m u. 128 S. 2,80 M.
34. Tappelet E. Phonetik und Semantik in der etymologischen Forschung.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen 115, 101 — 123.
Erklärt sich für die namentlich von Schuchardt ausgesprochene,
freilich als 'ideal" bezeichnete Forderung: die etymologische Forschung
hat ebensogut mit der Gesetzmäßigkeit des Bedeutungswandels zu rechnen,
wie sie es bisher mit derjenigen des Lautwandels getan hat.
35. Wood Fr. A. How are words related? IF. 18, 1—49.
Verlangt stärkere Berücksichtigung der Bedeutung ("the idea behind
the Word is after all the real word, and that should be the etymologist's
92 I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertnmskimde.
aim**). Der Fonn nach verwandte Wörter können ganz yerschiedene Be-
deutungen haben, der Bedeutung nach verwandte Wörter, denen die gleiche
Idee zugrunde liegt, können von ganz verschiedenen Basen herkommen.
Bei Vergleichungen soll man aber mehr auf die Form als auf die Bedeutung
achten. Synonyme Basen, die nur unter Annahme von Verlast oder Zu-
satz auf einer Seite verglichen werden können, sind im allgemeinen nicht
verwandt. Äimlichkeit in der Bedeutung hat oft formale Angleichung zur
Folge. Zahlreiche Beispiele für semasiologische parallele Benennung der
gleichen Gegenstände ; wenn eine Benennung ihre deskriptive Kraft verliert
oder abstirbt, kommt oft eine andere auf, die von der gleichen Idee ausgebt.
— Schallwörter werden oft mit Unrecht als onomatopoetisch bezeichnet
36. Mexinger R. Zu dfiaSa und zur Geschichte des Wagens. Ein Beitrag
zur Methode der Etymologie. KZ. 40, 217—234.
Verteidigt auf Grund der Sachforschung seine Deutung von d^oSa
als ^stf^-atsia 'Einachser' gegen Kretschmer KZ. 39, 549 flf. — Forderung
einer vergleichenden Sachwissenschaft. Entwicklung des Wagens. S. 230 ff.
Verteidigung der in den Artikeln "Wörter und Sachen" (vgl. Nr. 37) be-
folgten Methode gegen Uhlenbeck PBB. 30, 252 ff. (Wie Urformen sind
Urbedeutungen zu rekonstruieren, bei den Bedeutungsänderungen sind die
sozialen und materiellen Verhältnisse der betreffenden Zeit zu befragen).
37. Meringer R. Wörter u. Sachen. Ul. IF. 18, 204—96.
I. Wörter mit dem Sinne von 'müssen*. 1. "Viele Wörter haben
den Sinn 'müssen' erst durch die soziale, gesellschaftliche oder nur
momentane Lage des Sprechenden erhalten". 2. got. gabaür 'Gebühr, ge-
bühren'. 3. gr. q>öpoc, lat. refert. 4. ahd. gafOri, gifuori, 5. ags. gafcl. 6. lat.
opiM est. 7. deutsch müssen. 8. aksl. tribb 'necessarius*. 9. got. ganah, bindk.
10.\2ii. oportet. li.ldX.debeo. 12. lit. r^iX^a 'es ist nötig*. 13. altmailänd. ar«'^
'es ist nötig*. 14. span. es menester 'es ist notwendig*. 15. frz. besain — goL
bisunjane. 16. ags. behöfad 'es ist nötig*. 17. frz. il faut. 18. gr. xpf\. 19. got
paürban. 20. lit. tureti 'sollen*. 21. engl, ought 'sollte, mußte". 22. ai.arA^t
•muß*. 23. lat. negotium. 24. ags. b4n 'Geheißarbeit*? 25. got. *skulan 'sollen*.
26. got. dulgs. 27. gr. bei. 28. Übersicht. 29. 'Mußarbeif und 'Mühsal,
Schmerz*. — II. Zur Viehzucht. Allgemeine Bemerkung über das Re-
konstruieren (S. 233). Behandlung von Wörtern, die aus der Viehzucht
stammen: genießen, agere, treiben, halten, Wonne, Weide, Rast, Weile, yipuu
usw., an. landnäm. — III. Zum Ackerbau. 2. lat. solum, solere, deutsch Sal.
3. reuten, roden. 4. alban. trXiouap, pl*uar Tflug*. 5. 6. Zum Pflug. 7. Ge-
meinsames Ackern. 8. Einige Wörter für 'Scholle*. 9. d. arm zu arart.
10. ags. earu 'schnell*. 11. germ. ^aruntio- "Ackerung* und ^airuntio- 'Bot-
schaft'. 12. 13. aksl. orqdije. 14. Wz. *ifal 'wühlen, wenden*. 15. *ver
'ziehen'. 16. 17. *selqfi ^elq^ 'ziehen, ackern*. 18. Der ai. Pflug. 19. Der
Pflug im Avesta. — avest. hüiti^ Name des vierten Standes. — IV. Zu
Zaun und Stadt. 1. ahd. etar. 2. Der Zaun im Rechte. 3. d. Hag, Hecke;
Hagestolz. 4. d. Forst. 5. oppidum, oppido. 6. bergen, Burg, Berg. —
V. Zum Hause. 1. Zum Erdhause. 2. Zum Dache. 3. Dach für Haus.
4. d. Hof. 5. paries. 6. copöc. 7. got. ans, 8. got. gamains; communis.
10. Zum ags. Runenkästchen. 11. Zu an. vindauga. 11. Zum Worte 'Stube*.
12. Der Herd. — VI. Zum Brauch und zum Recht. 1. Der verehrte
Pflock. 2. d. Weichbild. 3. engl, to wed 'heiraten*. 4. lat. testis. 4. [?] Zu den
Ausdrücken für 'Recht'. 5. Zu Ehe, Eid, Eidam.
L Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertomskonde. 93
38. Osthoff H. Zwei Artikel zum Ablaut der Sy-Basen. BB. 29, 249—68.
1. Zur Geschichte des Buchennamens. Mit dem Buchennamen (gr.
q>5T<^c, lat. fägu8^ ahd. buocha usw.) vereinigen sich unter Annahme einer
Ablautsreihe ä{if) : vf^ {9fj) : ü auch isl. btyki n. Buchenwald, kurd. büz 'eine
Art Ulme*, mhd. bilchen, nhd. hauchen *mit Lauge (aus Buchenasche) waschen*,
femer auch isl. haukr iBüchse', nhd. Bauch eig. 'buchenes Gefäß', viell. auch
(mit der Vokalstufe -ü-) gemeinslav. *hbzb Holunder"; dagegen ist die Sippe
von Bottich fem zu halten. — 2. Schimpf, cküjittui. Diese Zusammenstellung
ist aufrecht zu halten: gr. ui geht auf dy zurück; zu den Stufen 8kvffp(b) und
skup{b)' gehören aisl. skaup N. 'Spott, Hohn", gleichbedeutendes aisl. akop
N., ahd.seop^'ludibrium', mhd.^cAMfttpf^'Buhlerin*; mhd. «c^mp^ 'Schimpf,
mnhd. schimpf zeigen von einem Präs. wgerm. *8kumpö ausgehende Ab-
lautsentgleisung. Auch der Vogelname CKib\)f gehört hierher; vielleicht auch
Küiiif, Kuß/|vaic, KÖiißa (ebenfalls Vogelnamen), dagegen nicht cxairdpba.
39. Boiaacq E. Le lapin et ses d^nominations dans les langues europ^ennes.
Revue de Tüniv. de Bruxelles 10, 1904/05, 527—681.
40. Brugmann K. Varia. IF. 18, 381 f.
1. umbr. puriifele. 2. aksl. Jcamykb. 3. gr. bpörn, bpolTTi.
41. Charpentier J. Etymologische Beiträge. BB. 30, 153—66.
1. got. hugs : ai. küfola-, — 2. Kpi^cqpÖTCTov : got. hröt. — 3. lat
9entis : ai. aattna-. — 4. lat. acrutari : aisl. hriößa. — 5. lat. crux : got.
hrugga, — 6. ai. nakra und Verwandtes. — 7. a(cu^v/|Tiic. — 8. nschw.
rom : lett. krepas usw. — 9. ai. k/ptfa- : lat, carpfnua. — 10. lat. amea:
ir. dm. — 11. lat. nuacitio : got. bi-niuh^an. — 12. arm. meic : gall. marga,
— 13. ai. cnäptra- : ahd. anabul.
42. Trantmann R. Etymologien. BB. 29, 307—11.
Bespricht asächs. angaata^ ahd. dechiato^ an. laupty lit. lopazfa, räati,
ags. aorij gr. xdtrn, got. pariha.
43. Brial M. Etymologies grecques. MSL. 13, 377—83.
44. Stokes Wh. Irish Etyma. KZ. 40, 243—250.
45. Bartholomae Chr. Beiträge zur Etymologie der germanischen Sprachen
IL m. Zeitschr. f. deutsche Wortforschung. 6, 231 f. 354—6.
46. Uhlenbeok C. C. Bemerkungen zum gotischen Wortschatz. Beitr. zur
Geschichte d. d. Spr. u. Lit. 30, 252—327.
Methodologische Bemerkungen; Polemik gegen Wood und Meringer
(S. 252. 307 f. 322. 325).
47. Lidön E. Altenglische Miszellen. IF. 18, 407—16.
48. Meillet A. £tudes sur T^tymologie et le vocabulaire du vieux slave.
Seconde partie. Paris, Bouillon. 12,50 Fr.
49. Brugmann K. Homer. dTocröc und ftrpn- I^- 13, 129—32.
Zu Wurzel äff- 'fangen, ergreifen*; -ct- durch Anbildung an ein
anderes der Wörter für Hand, für welche die Lautgruppe -at- teilweise
zu einem Bildungselement geworden war. Allgemeines über die Bedeutung
der Wörter für Hand.
50. Bugge S. Fricco, Frigg and Priapoa. Forhandl. Vidensk.-Selsk. Chri-
stiania. 1904. Nr. 3. 5 S. [Deutsch.]
Priapoa ist Umbildung eines mysischen Priäqoa^ das zu W. prX und
dem Verbalstamm pHä in got. frijön, ksl. prijati gehört; dazu die im Titel
genannten german. Götternamen.
92 L Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertamskunde.
aim*"). Der Form nach verwandte Wörter können ganz yerschiedene Be-
deutungen haben, der Bedeutung nach verwandte Wörter, denen die gleiche
Idee zugrunde liegt, können von ganz verschiedenen Basen herkommen.
Bei Vergleichungen soll man aber mehr auf die Form als auf die Bedeutmig
achten. Synonyme Basen, die nur unter Annahme von Verlust oder Zu-
satz auf einer Seite verglichen werden können, sind im allgemeinen nicht
verwandt. Ähnlichkeit in der Bedeutung hat oft formale Angleichung zur
Folge. Zahlreiche Beispiele för semasiologische parallele Benennung der
gleichen Gegenstände ; wenn eine Benennung ihre deskriptive Kraft veriiert
oder abstirbt, kommt oft eine andere auf, die von der gleichen Idee ausgeht
— Schallwörter werden oft mit Unrecht als onomatopoetisch bezeichnet
36. Meringer R. Zu dfiaSa und zur Geschichte des Wagens. Ein Beitrag
zur Methode der Etymologie. KZ. 40, 217—234.
Verteidigt auf Grund der Sachforschung seine Deutung von d^oEa
als *8iH'at8ia 'Einachser' gegen Kretschmer KZ. 39, 549 ff. — Forderung
einer vergleichenden Sachwissenschaft. Entwicklung des Wagens. S. 230 fr.
Verteidigung der in den Artikeln "Wörter und Sachen" (vgl. Kr. 37) be-
folgten Methode gegen Uhlenbeck PBB. 30, 252 fr. (Wie Urformen sind
Urbedeutungen zu rekonstruieren, bei den Bedeutungsänderungen sind die
sozialen und materiellen Verhältnisse der betreffenden Zeit zu befragen).
37. Meringer R. Wörter u. Sachen. 111. IF. 18, 204—96.
I. Wörter mit dem Sinne von 'müssen*. 1. "Viele Wörter haben
den Sinn 'müssen* erst durch die soziale, gesellschaftliche oder nar
momentane Lage des Sprechenden erhalten". 2. got. gabatir 'Gebühr, ge-
bühren'. 3. gr. <pöpoc, lat. refert, 4. ahd. gafOri, gifuori. 5. ags. gafcl. 6. lat.
opus est. 7. deutsch müssen. 8. aksl. tribb 'necessarius*. 9. got. ganah, binah.
10. lat. oportet. 11. lat. debeo. 12. lit. reiTcja 'es ist nötig'. 13. altmailänd. arf^
'es ist nötig'. 14. span. es menester 'es ist notwendig*. 15. frz. besain — got
bisunjane. 16. ags. behöfad 'es ist nötig*. 17. frz. il faut. 18. gr. xpA- 19. got
ßaiirban. 20. lit. ture'ti 'sollen*. 21. engl, ought 'sollte, mußte*. 22. ai. arhati
'muß*. 23. lat. negotium. 24. ags. Wn 'Geheißarbeit*? 25. got. *skulan 'sollen*.
26. got. dulgs. 27. gr. bei. 28. Übersicht. 29. 'Mußarbeif und 'Mühsal,
Schmerz*. — II. Zur Viehzucht. Allgemeine Bemerkung über das Re-
konstruieren (S. 233). Behandlung von Wörtern, die aus der Viehzucht
stammen: genießen^ agere, treiben, halten, Wonne, Weide, Basi, Weile, v^jiui
usw., an. landnäm. — III. Zum Acke rbau. 2. lat. solum, solere, deutsch Sal.
3. reuten, roden. 4. alban. irXiouap, pVuar Tflug'. 5. 6. Zum Pflug. 7. Ge-
meinsames Ackern. 8. Einige Wörter für 'Scholle*. 9. d. arm zu arare.
10. ags. earu 'schneU'. 11. germ. ^aruntjo- 'Ackerung* und *airutUio- "Bot-
schaft'. 12. 13. aksl. orqdije. 14. Wz. ♦|ra/ 'wühlen, wenden*. 15. *^er
'ziehen'. 16. 17. *selq^ ^elq^ 'ziehen, ackern*. 18. Der ai. Pflug. 19. Der
Pflug im Avesta. — - avest. hüitiS Name des vierten Standes. — IV Zu
Zaun und Stadt. 1. ahd. etar. 2. Der Zaun im Bechte. 3. d. Hag, Hecke;
Hagestolz. 4. d. Forst. 5. oppidum, oppido. 6. bergen, Burg, Berg. —
V. Zum Hause. 1. Zum Erdhause. 2. Zum Dache. 3. Dach für Haus.
4. d. Hof. 5. paries. 6. copöc. 7. got. ans, 8. got. gamains", communis.
10. Zum ags. Runenkästchen. 11. Zu an. vindauga. 11. Zum Worte 'Stube'.
12. Der Herd. — - VI. Zum Brauch und zum Recht. 1. Der verehrte
Pflock. 2. ^..Weichbild. 3. engl, to wed 'heiraten*. 4. lat. testis. 4. [!] Zu den
Ausdrücken für 'Recht'. 5. Zu Ehe, Eid, Eidam.
L Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft nnd Altertomskimde. 93
38. Osthoff H. Zwei Artikel zum Ablaut der ay-Basen. BB. 29, 249—68.
1. Zur Geschichte des Buchennamens. Mit dem Bachennamen (gr.
<pä^6c, lat. fäguSy ahd. buocha usw.) vereinigen sich unter Annahme einer
Ablautsreihe ä{ii) : ofi (9|^) : ü auch isl. betfki n. Buchenwald, kurd. büz *eine
Art Ulme*, mhd. buchen^ nhd. bauchen 'mit Lauge (aus Buchenasche) waschen*,
femer auch isl. baukr 'Büchse*, nhd. Bauch eig. 'buchenes Gefäß*, viell. auch
(mit der Vokalstufe -ü-) gemeinslav. *bbz» Holunder*; dagegen ist die Sippe
von Bottich fem zu halten. — 2. Schimpf, cküjittui. Diese Zusammenstellung
ist aufrecht zu halten: gr. u) geht auf ö|^ zurück; zu den Stufen skv^p^b) und
skup(by' gehören aisl. skaup N. 'Spott, Hohn*, gleichbedeutendes aisl. skop
N., ahd. «copf* ludibrium*, mhd.^cAwmpfis'Buhlerin*; mhd. «c^mpf* Schimpf,
mnhd. schimpf zeigen von einem Präs. wgerm. ^skumpö ausgehende Ab-
lautsentgleisung. Auch der Yogelname CKib\)f gehört hierher; vielleicht auch
Kd)\)f, Kuß/|vaic, KÖfLißa (ebenfalls Vogelnamen), dagegen nicht cxair^pba.
39. Boisacq E. Le lapin et ses d^nominations dans les langues europ^ennes.
Revue de TUniv. de Bruxelles 10, 1904/05, 527— 581.
40. Brugmann K. Varia. IF. 18, 381 f.
1. umbr. purtifde. 2. aksl. kamykb. 3. gr. bpOrn, bpo(Tr^.
41. Charpentier J. Etymologische Beiträge. BB. 30, 153—66.
1. got. hugs : ai. kügala-. — 2. Kpiic<pÖT€Tov : got. hrdt. — 3. lat.
9entis : ai. aattna-. — 4. lat. scrutari : aisl. hriößa, — 5. lat. crux : got.
hrugga. — 6. ai. nakra und Verwandtes. — 7. alcu^v/|Tnc. — 8. nschw.
rom : lett. krepas usw. — 9. ai. kfptfa" : lat. carpfnus. — 10. lat. amea:
ir. dm. — 11. lat. nuscitio : got. bi-^itihsfan. — 12. arm. meic : gall. marga,
— 13. ai. gnäptra- : ahd. snabul.
42. Traatmann R. Etymologien. BB. 29, 307—11.
Bespricht asächs. angseta, ahd. dechisio^ an. laupr^ Ut. lopazfSj rästi,
ags. wrl, gr. xdini, got. pariha,
43. Brial M. Etymologies grecques. MSL. 13, 377—83.
44. Stokes Wh. Irish Etyma. KZ. 40, 243—250.
45. Bartholomae Chr. Beiträge zur Etymologie der germanischen Sprachen
IL III. Zeitschr. f. deutsche Wortforschung. 6, 231 f. 354—6.
46. Uhlenbeok G. C. Bemerkungen zum gotischen Wortschatz. Beitr. zur
Geschichte d. d. Spr. u. Lit. 30, 252—327.
Methodologische Bemerkungen; Polemik gegen Wood und Meringer
(S. 252. 307 f. 322. 325).
47. Lidön E. Altenglische Miszellen. IF. 18, 407—16.
48. Meillet A. £tudes sur T^tymologie et le vocabulaire du vieux slave.
Seconde partie. Paris, Bouillon. 12,50 Fr.
49. Brugmann K. Homer. dTocröc und ätph- IF- 18, 129—32.
Zu Wurzel a§' 'fangen, ergreifen*; -ct- durch Anbildung an ein
anderes der Wörter für Hand, für welche die Lautgroppe -«<- teilweise
zu einem Bildungselement geworden war. AUgemeines über die Bedeutung
der Wörter für Hand.
50. Bugge S. Fricco^ Frigg and Priapos, Forhandl. Vidensk.-Selsk. Chri-
stiania. 1904. Nr. 3. 5 S. [Deutsch.]
Priäpos ist Umbildung eines mysischen Priäqos, das zu W. prt und
dem Verbalstamm pHä in got. frijon^ ksl. prijati gehört; dazu die im Titel
genannten german. Götternamen.
94 L Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertmnskimde.
61. Hübschmaan H. Griech. icrck. Or. Stadien Nöldeke. 1077—80. 1906.
Zu iran. ian- *Kamm'.
52. Meillet A. Alt. jn\\6c dor. iräXöc MSL. 13, 291—292.
Zu aksl. hah *irnX6c', lat. squäiua^ squälidua, griech. cirorrUn, o(-
cirdTT), otcmi.
53. Prellwits W. Lat. cimex, Kijuiujv, iicrtvoc, ticnc, ticrcpoc [zu ai. ^ySmdi
'schwarzgrau*], xippöc, x^pCiXoc, K€ipic [zu W. tei, h usw. ^schimmern*].
BB. 30, 176.
54. Regnand P. Gumöc et sa famille. Rev. de ling. 88, 146—148.
eujüiöc est pour 6uv-Foc . . . 6du) pour Ocv-fui courir.
55. — Note sur Tövolution s^mantique des mots grecs et latins dont le
sens est celui de besoin. Rev. de ling. 88, 217.
necesse aus nencesse zu dvdTKii usw.
56. Tetzner F. Geschichte eines Wortes. Nord und Süd. 113, 257—263.
Betrifft das idg. Wort für 10 und seine Entwicklung; sowie die Ent-
lehnung des lat. decem in moderne Sprachen, besonders ins Deutsche,
und seine Entwicklung zu Eigennamen.
57. Commentationes philologae, in honorem Johannis Paulsson
scripserunt cultores et amici. Göteborg. [Vgl Bibl. 1904, Nr. 402.]
Rez. von F. O., Finsk Tidskrift 59, IdS.
Kleinere und zweifelhafte idg. Sprachen.
58. Sobolevsl4j A. Einige Hypothesen über die Sprache der Skythen und
Sarmaten. Arch. f. slav. Phil. 27, 240—244.
Die skythische Sprache setzte im Wortanlaute und intervokalisch
an Stelle der ältesten und sarmatischen tönenden Konsonanten die ton-
losen; die skythische und sarmatische Sprache hatten ein dumpfes ä, das
im Slav. durch », im Griech. durch o^ o, u wiedergegeben wurde oder
ausfiel. Auf Grund dieser Annahmen werden eine Reihe von skyth. und
sarmat. Fiußnamen aus dem Iran, oder Ai. gedeutet, z. B. Tdvaic (Demi)
aus osset. -don (Fluß), awest. dänu- (id.).
59. Borckhardt-Biedermann Th. Der thrakische Gott Heros. Zur Inschrift
von Seegräben im Kanton Zürich. Anz. f. schw. Altert. NF. 6, 114—116.
60. — Die Thracier [!] Mucapora zu Basel, Mainz und sonst Ebd. 116 f.
61. Sayce A. H. Lydian and Karian inscriptions in Egypt Proc. See
Bibl. Arch. 27, 123—128. 2 T.
62. MüUer W. M. Mausolus. Or. Lz. 8, 511 f.
63. Sayce A. H. The Hittite inscriptions. Biblical world. 26, 31—40.
64. — The Hittite inscriptions translated and annotated. Proc. Soc. BibL
Arch. 27, 191—254. 1 T.
65. — The discovery of archaic Hittite incriptions in Asia Minor. Ebd.
27, 21—31, 43—47. 4 T.
66. Bates W. N. The etruscan inscriptions in the Museum. Transactions
of the Department of Archaeology, Free Museum of Science and art,
University of Pennsylvania, vol. 1, 156—158. 4 Tfln.
67. Carra de Vanx D^chiffrement des inscriptions ^trusques. CR. de TActd.
des inscr. 1905, 52—54.
I. Allgemeine indogenn. Sprachwissenschaft und Altertumskimde. 95
Bericht von Dieulafoy über eine von C. d. V. der Acad. vorgelegte
Studie zur Entzifferung der etr. Inschriften mit Hilfe des Türkischen,
Thraker, Phryger, Karer, Kreter seien zur tartarischen Sprachfamilie zu
rechnen; mit ihnen seien die nach Italien gewanderten Tyrrhener zu-
sammenzubringen.
68. Carra de Vanx Les six premiers nombres ^trusques. CR. des s^ances
de TAcad. des inscr. et belles-lettres 190d, 388.
Kurze Notiz über einen Vortrag des Verf., in welchem er die etr.
Worte für die Zahlen 1—6 aus den altaischen Sprachen erklären will.
69. Cortsen S. P. Nye etruskiske Indskrifter. Nord. Tidsskr. f. Filol. 13.
109—115.
70. — Talordene i Etruskisk. Nord. Tidsskr. f. Filol. 14, 1—34.
Verf. stellt die folgende Ordnung der etruskischen Zahlwörter auf:
tnax (1), zal (2), ci (3), äa (4), ^u (5), hu& (6), *meu (7), cerp (8), semtp
(9), nurd^ (10). (Andersen.)
71. Torp A. Etruscan notes. Videnskabs-Selskabets Skrifter. II. Hist.-
filos. Kl. 1905. Nr. 1. Kristiania (Dybwad). 1905. 1 BL, 68 S. 8o. 1,70 Kr.
72. Torp A. Bemerkungen zu der etruskischen Inschrift von S. Maria di
Capua. Videnskabs-Selskabets Skrifter. IL Hist.-filos. Kl. 1905. Nr. 5.
Kristiania (Dybwad) 1905. 20 S. 8o. 0,60 Kr.
73. Fick A. Vorgriechische Ortsnamen als Quelle für die Vorgeschichte
Griechenlands. Göttingen, Vandenhoek u. Ruprecht. VIII, 173. 5 M.
Zürich. E. Schwyzer.
D. Indogermanische Altertamaknnde und Kaltnrgeschichte.
1. Ausgrabungen und Funde,
a) Aus allen oder mehreren Perioden.
1. Christison, Anderson, Boss. Report on the society's excavations of
forts on the Foltalloch Estate, Argyll, in 1904 — 05. Proc. of the soc.
of antiqu. of Scotland 39, 259—322.
2. Conwentz H. Das Westpreussische Provinzial- Museum 1880—1905.
(Mit 80 Tafehi.) Danzig 1905. 54 S. 4o.
Zusammenfassender Bericht über Entstehung, Verwaltung und Tätig-
keit des Museums.
3. Engerrand G. Six IcQons de pr^histoire. Bruxelles imp. Veuve
F. Larcier 1905. 263 S.
Diese sechs Vorträge bieten vor allen die Ergebnisse der aus bel-
gischen Funden gewonnenen Resultate.
4. Naue A. W. Die Denkmäler der vorrömischen Metallzeit im Elsaß.
Straßburg R. Schultz u. Co. 1905. 529 S. 32 Tafeln. 4o.
In einem ersten Bande gibt der Verfasser ein beschreibendes In-
ventar aller vorrömischen Metallzeitreste des Elsaß, wobei er versucht,
eine wissenschaftliche Terminologie der Fundtypen einzuführen. Der zweite
Band wird die Resultate bringen. Die Tafeln sind vom Vater des Ver-
fassers, Herrn Dr. J. Naue in München.
5. Petersen Th. Fortsatte udgravninger i Namdalen III. Aarsberetning
(Kristiania) 1905, 353—378.
96 L Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertnmifamde.
6. Pi^ J. L. Archäologische Forschungen im Jahre 1904. [BdhmiscL]
Pamätky archaeol. 21, 329—350.
7. Schumacher K. Vorgeschichtliche Fände nnd Forschungen, hauptsäch-
lich in Westdeutschland. Bonner Jahrbücher 113, 196—206.
8. Weinzierl ▼. Hervorragende Neuerwerbungen des nrgeschichtlichen
Zentralmuseums für Nordböhmen zu Teplitz. Tätigkeitsbericht d. Ma-
seums-Gesellschaft z. Teplitz f. 1903—4, 26—29.
b) Älteste Vorzeit
9. Beule M. L'origine des ^olithes. L'Anthropologie 16, 25ö — 267.
Verfasser weist darauf hin, daß durch natürliche Vorgange, wie
z. B. in den Kreidemühlen, Formen entstehen, die den Eolithen durchaus
gleichen.
10. Grant Mac Curdy 6. The eolithic problem. Americ Anthropol
7, 425—479.
Verfasser zollt den belgischen und englischen Eolithen-Forschern
volle Anerkennung. Der Aufsatz hat durch die umfangreiche Literatur-
kenntnis des Verfassers einen erhöhten Wert.
11. Hahne H. Ober die Beziehungen der Kreidemühlen zur Eolithenfrage.
Zeitschrifl für Ethnologie (Berlin) 37, 1024—1035.
Wendet sich gegen die scharfe Ablehnung Boules und Obermaiers
in der Eolithenfrage.
12. Klaatsch H. Die tertiären Silexartefakte aus den subvulkanischen
Sauden des Cantal. (2 Tafeln.) Archiv für Anthropologie N. F. 3, 153—160.
Verfasser tritt auf Grund seiner Funde von Poy-Gourny und Poy-
Bondien energisch für die Existenz des Tertiärmenschen ein.
13. Piette Ed. Les fecritures de Tage glyptique. L' Anthropologie 16, 1905,
1-11.
Verfasser vertritt die Ansicht, daß in der Renntierzeit zwei Schrift-
arten im Gebrauche seien ; eine pictographische in der ^poque papalienne,
eine kursive in der 6poque gourdanienne. [!]
14. Schweinfurth G. Pseudoeolithen im nordischen Geschiebmergel. Zeit-
schrift für Ethnologie (Berlin) 37, 912—915.
15. Verwom M. Die archäolithische Kultur in den Hipparionschichten
von Aurillac (Cantal). Abhandl. d. kgl. Gesellschaft d. Wissenschaft z.
Güttingen, mathem.-physik. Gl. N. F. IV. 1905. Nr. 4.
Verfasser gibt eine Behandlung der Eolithenfrage auf Grund eigener
Untersuchungen und kommt schließlich zu folgendem Resultate: Es ist
nicht statthaft, die Charakterisierung einer Kulturstufe mit ihrer geolo-
gischen Zeitstellung zu vermengen, wie dies seit Mortillet vielfach ge-
schehen ist. Unter Eolithen sind jene Kulturreste zu verstehen, die noch
keine künstliche Bearbeitung des Feuersteins erkennen lassen. Es ergibt
sich sodann folgendes Schema:
Eolithische Kultur. Verwendung des Steins und Gerät, wie ihn die
Natur bietet.
Archäolithische Kultur. Der Stein wird künstlich gespalten.
Paläolithische Kultur. Verarbeitung in konventionelle Formen,
Neolithische Kultur.
I. Allgemeine indogenn. Sprachwissenschaft imd Altertomsknnde. 97
c) Palftolithikum.
16. CartalUiae et Brenil. Les peintares et gravnres murales de cavemes
Pyr^n^nnes. II. Marsoulas (prös Salies-du-Salat, Haute-Craronne). L' An-
thropologie 16, iSl—Ui,
Es lassen sich drei Schichten der Bfalerei unterscheiden:
1. Schwarze Tierfignren.
2. Polychrome Tierfignren.
3. R&tselhafte rote Figuren, Kreuze und zackige Bänder.
17. Coli A. L. Fra helleristningemes omraade (tredie stykke). IV. Om
ristningemes skibsfigurer. Aarsberetning (Kristiania) 1906, 1 — 34.
18. Brenil H. Pr^tendus manches de poignard sculpt^ de T&ge du renne.
L* Anthropologie 16, 629—632.
19. — NouTelles figurations du Ifammouth grav^es sur os. A propos
d'objets d'art d^couverts k St Mihiel (Meuse). Revue de T^cole d*an-
thropologie de Paris 16, 160—166.
20. Favreau P. Neue Funde aus dem Diluvium in der Umgegend von
Neuhaldensleben, insbesondere der Kiesgrube am Schloßpark von Hundis-
burg. Zeitschrift fOr Ethnologie (Berlin) 37, 276—296.
21. Fritach G. Eine verzierte Hirschgeweihstange. Zeitschrift für Ethno-
logie (Berlin) 37, 969—970.
22. CtoxjajMnri^Kramberger K. Der paläolithische Mensch und seine Zeit-
genossen aus dem Diluvium von Krapina in Kroatien. Mitteilungen d.
anthropologischen Gesellschaft in Wien 36, 197—229.
Verfasser vertritt auf Grund vergleichender Untersuchung der ältesten
Schädelformationen die Ansicht, dafi in der Entwicklung des Menschen
vom unteren Diluvium an bis zum heutigen Tage keine Unterbrechung
stattgefunden hat.
23. Patron! G. Tipologia e terminologia dei pugnali di selce italiani.
Bullettino di paletnologia Italiana 31, 86—96.
24. Nüeseh J. Das Keßlerloch bei Thayngen, Kt. Scha£Qiausen. Neue
Grabungen und Funde, zweite Mitteilung. Anzeiger f. schweizerische
Altertumskunde N. F. 6, 186—208.
Funde der ältesten Steinzeit. Die meisten Artefakte aus den Knochen
und dem Geweih des Renntiers, sowie aus den Röhrenknochen des Alpen-
hasen. Rundbildungen, mit figuraler und omamentaler Zeichnung ver-
sehene Schnitzereien. Das Keßlerloch ist älter als das Schweizerbild; der
Mensch koexistiert mit dem Mammut, dem Rhinozeros und dem Höhlen-
bären. Am Ende der paläolithischen und in der frtlh-neolithischen Zeit
in Europa eine kleine Menschenrasse von Pygmäen.
26. Obermaier H. Les restes humains quatemaires dans TEurope cen-
trale. L' Anthropologie 16, 886—410.
26. — La Station pal^olithique de Krapina. L' Anthropologie 16, 13—27.
Auf Grund der Höhlenfunde von Krapina stellt Verfasser eine Ein-
teilung der paläolithischen Periode auf, deren Giltigkeit er auch auf
Frankreich ausdehnt:
L I.Hälfte der 2. Interglazialzeit : Industrie chell^enne.
n. 2. Hälfte der 2. Interglazialzeit: Industrie acheul^enne oder vom
type de LevaUois.
Änxeiger XXU, ErgänEnngatetU ^
98 I. Allgemeine indogenn. SprachwiBseiiBchaft and Alteitiimskonde.
in. 3. Eiszeit : Monst^rien k fanne froide.
IV. 1. Hälfte der 3. Zwischeneiszeit: Pal6olithiqae inf Prieme (Moa-
stallen a fanne chande).
V. 4. Eiszeit und Ende der 3. Zwischeneiszeit: Solntr^o-Magdai^en
ou Pal^olithique snp^rieur.
27. VM A. Grotte pr^historique de Lacave (Lot). (6poqne de Saliitr6.)
L'Anthropologie 16, 411—229.
28. Wiegen F. Die paläolithischen Fände ans dem Interglacial toq
Hnndisburg. Zeitschrift f. Ethnologie (Berlin) 37, 915—920.
d) Neolithikum.
29. Aberoromby J. The omament of the Beaker-Glass of pottery. Proc.
of the SOG. of antiq. of Scotland 39, 326—344.
30. Anderson J. Description of sepulchral ums exhibited by CoL Mal-
colm, C. ß., of Poltalloch. Proc. of the soc of antiq. of Scotland 89,
232—244.
31. B&rthold. Die Nordgrenze des fazettierten Hammers und ihre Be-
deutung. Jahresschrift f. d. Vorgeschichte d. sächsisch -thüringischen
Länder 4, 101—107.
32. Bryce, Low. Notes on a human skeleton found in a eist with a
beaker um, at Acharole, West Watten, Caithness, and on the cranial
form associated with that type of ceramic. With an appendix on six
skullis found with beakers in the North-East Gounties. Proc. of the soc.
of antiq. of Scotland 39, 418—438.
33. Busse H. Das Brandgräberfeld bei Wilhelmsan, Kreis Nieder-Bamim.
Zeitschrift f. Ethnologie (Berlin) 37, Ö69— 590.
Ein von dem der LaT^ne- und der Hallstattperiode wesenthch ver-
schiedenes Topfgerät.
34. Capitan L. £tude d^une s^rie de pi^ces recueillies par M. Am^lineaa
dans les tombeaux tr^s archatques d*Abydos. Revue de T^ole d*an-
thropologie de Paris 16, 209—212.
35. Capitan et d'Agnel. Rapports de Tägypte et de la Gaule k T^poque
n^olithique. Revue de T^cole d'anthropologie de Paris 15, 302—316.
Wie Capitan (Revue 1907) selbst berichtet, eine Mystifikation.
86. Claerhout J. L'habitation des N^olithiques. Annales de la sociale
d*arch6ologie de Bruxelles 19, 79—91.
37. Coles F. Record of the excavation of two stone circles in Kincar-
Dineshire — in Garrol wood, Durris; in Glassei wood, Banchory-Teman;
and report on stone circles in Aberdeenshire etc. Proceedings of the
Society of antiquaries of Scotland 39, 190—218.
38. Colini G. A. Armi di selce trovate nei diutomi di Roma e tomba
eneolitica di Celle Sannita (Benevento). BuUettino di paletnologia Ita-
liana 31, 1—13.
39. Delicis P. La ligne ondul^e le signe de Feau. L'Honune pröhistoriqne
3, 1—13.
Der Mensch erfindet nichts, fQhrt Verfasser aus. Alle seine Ge-
danken und Handlungen sind Wiederholungen einer ursprünglichen Nach-
ahmung. LinienziJLi^e) die Nnr heute als Ornamente deuten, waren Zeicheüt
I. AUgemeine indogeim. SprachwiasenBchaft und Altertomskonde. 99
die mit einfachen Bildern die Mysterien der Erde nnd des Himmels be-
schrieben.
40. Domas U. La grotte Nicolas, commune de Sainte-Anastasie (Gard).
Revue de Töcole d'anthropologie de Paris 15, 118 — 124.
Bericht über eine ganz vereinzelt dastehende Bestattungsart. Nach-
dem der Tote mehr oder minder lang irgendwo gelegen hatte, brachte
man die Knochen in die Grotte, wo sie mit Gefäßen und anderen Arte-
fakten zusammen bestattet wurden.
41. Ctorges 0. u. Seehnami H. Die Riesenstube am ßruchberge bei Drosa.
Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder
4,33-43.
42. Hoemes M. Die neolithische Keramik in Oesterreich. Eine kunst- und
kulturgeschichtliche Untersuchung. Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommis-
sion N.F. 3,1— 128.
Verfasser führt aus, daß nicht die Technik der Gefäßomamente —
Monochromie oder Polychromie, leere oder weißgefüllte eingeschnittene
Verzierung — uns zu einer Einteilung der neolithischen Keramik verhelfen,
sondern nur die Zusammenfassung der Gefäß- und Omamentsformen unter
Berücksichtigung der Steinwerkzeugtypen, der vereinzelten Metallfunde,
der Lage der Siedelungen und der wirtschaftlichen Grundlage des Lebens.
Dies alles zusammen führt auf zwei große Stufen der jüngeren Steinzeit,
in welche sich die verschiedenen Gruppen der neolithischen Keramik
einreihen lassen. Diese sind in Osterreich:
1. in den Küsten- u. Alpenländem:
a) eine ältere Stufe. Urolaufstil; Höhlenfunde.
b) eine jüngere Stufe. Rahmenstil; Pfahlbauten,
a) altertümlichere in den Salzkammergutseen.
ß) vorgeschrittene im Laibacher Moor.
2. in den Donau- u. Sudetenländem :
a) ältere Stufe aus flachen, offenen Ansiedelungen oder Höhlen.
Umlaufstil (auch in Malerei).
b) jüngere Stufe. Bergansiedelungen u. Gräber. Rahmenstil.
3. in den nordkarpathischen Ländern:
a) ältere Stufe; aus Höhlen.
b) jüngere Stufe ; Flachansiedelungen.
43. Krauth C. G. Ein neolithisches Hügelgrab mit Schnurkeramik am
Nordabhang des Steigers bei Erfurt. Progr. des Realgymnas. Erfurt 1905.
44. Lang F. Aus Frankens Urzeit. Beiträge zu prähistorischen Gräber-
funden in Unterfranken und Aschaffenburg. Würzburg 1906. 8o. 30 S.
8 Tafeln.
Ein Ausgrabungsbericht. Neolithikum bis zur Eisenzeit.
45. Mehlis G. Neue neolithische Funde aus mittelrheinischen Niederlas-
sungen. Archiv f. Anthropologie N. F. 3, 282—288.
46. Mertina 0. SteinzeitUche Werkzeuge und Waffen in Schlesien. Jb. d.
schles. Mus. f. Kunstgew. 3, 1—26.
Typologische Bearbeitung der neolithischen Werkzeuge und Waffen
Schlesiens.
47. Mortillet P. Les Haches polies percöes. L*Homme pröhistorique
3, 133—146.
100 I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertomskqnde.
^. Peredolsld W. W. Eine bildliche Darstellung des Menschen auf einem
neolithischen Tongefäfi (mit Tafel). Archiv f. Anthropologie N. F. 3,
289—294.
49. P&rot F. Inventaire sommaire des m^lithes du Bonrbonnais. LHomme
pr^historique. 3, 289—307.
50. Sohmidt H. Die Keramik der makedonischen Tomali. Zeitschr. f. Ethno-
logie (Berlin) 37, 91—113.
Die untersuchten Tumuli lassen sich deutlich in 2 Typen scheiden.
1. Konische Tumuli mit geringen und wenig Scherben. 2. Flache Tomidi
mit großen Scherbenmassen aller Epochen, sowie Hausgerät aus Stein und
Ton. Verfasser erklärt die enteren als Grabanlagen, die letzteren als Sie-
delungsplätze. In techmscher Hinsicht sehen wir eine Entwicklung in drei
Perioden von einer primitiven Stufe der Handarbeit bis zur vollendeten
Drehscheibentechnik. Der älteste Import aus dem ägäischen Kreise bebt
sich deutlich ab. Die 3 Gruppen makedonischer Keramik schreibt Verf.
thrakischen Stämmen zu ; weiter sollen die Funde bestimmt auf den Kreis
hindeuten, aus dem der Ursprung der troischen Keramik abzuleiten sei,
d. h. auf die Gegenden, aus der die Troer selbst nach Kleinasien ge-
wandert sind.
51. SchnippelE. Reste einer steinzeitlichen Ansiedelung im ostpreußischen
Oberlande. Zeitschrift für Ethnologie (Berlin) 37, 952—969.
52. Somerville J. E. The great Dolmen of Saumur. Proceedings of the
Society of antiquaries of Scotland 39, 148—152.
53. Wiercieäski H. Les s^pullures n^olithiques de Nal^zöw (gouvemement
Lubiia). [Poln.] Swiatowit, annuaire de Tarch^ologie pr^historique Polo-
naise 6, 81—88.
e) Bronze -Zeit.
54. Breuil. L'äge du bronze dans le bassin de Paris. (Suite.) L'Anthro-
pologie 16, 149-171.
55. Coles F. R. Notice of the exploration of the remains of a caira of
the Bronce-Age at Gourlaw, Midlothian. Proceeding of the society of
antiquaries of Scotland 39, 411 — 418.
56. Colini G. A. La civiltä del bronzo in Italia. II. Sicilia. (Fortsetzung.)
Bullettino di paletnologia Italiana 31, 18 — 70.
57. Dörpfeld W. Die kretischen, mykenischen und homerischen Pal&ste.
Mitteilungen d. k. deutschen archäolog. Instit. in Athen 30, 257—297.
Verfasser weist nach, daß im Palaste von Phaestos sich eine ältere
und jüngere Bauperiode unterscheiden läßt und daß diese Unterscheidung
auch für die übrigen Paläste Kretas Giltigkeit hat. Die kretischen und
mykenischen Paläste stimmen in ihrer Technik überein, sind aber in ihrer
Grundrißlösung verschieden. Da der jüngere kretische Palast ein dem
festländischen Typus ähnliches Megaron zeigt, kann man ihn als Zwischen-
stufe zwischen dem altkretischen und mykenischen Palast auffassen.
Träger der altkretisclien Kultur waren die Karer.
59. Dörpfeld W. Über die Verbrennung und Bestattung der Toten im alten
Griechenland. Vortrag im 1. intern. Archäologen-Kongreß in Athen. 190&.
Zeitschrift für Ethnologie (Berlin) 37, 538—541.
Verfasser vetlnU di« Anschauung, daß in Griechenland von der
I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertumskunde. 101
▼orhistorischen und mykenischen Zeit bis zur Einführung des Christentums
die Toten gewöhnlich zuerst gebrannt und dann beerdigt wurden.
69. Dnssaud R. La Troie Hom^rique et les r^centes döcouvertes cn Cr^te.
Revue de T^cole d*anthropologie de Paris 15, 37 — 55.
Ein kurzer Rericht über die Forschungsergebnisse.
60. Förtsch 0. Ein Depotfund der älteren Bronzezeit aus Dieskau bei
Halle. Jahresschrift f.d. Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder
4, 3-33.
61. Halbherr F. Lavori eseguiti dalla missione archeologica Italiana in
Greta. Rendiconti della R. Accademia dei Lincei Ser. 5. Vol. 14, 365 — i05.
Bericht über die Fortsetzung der Grabungen in Haghia Triada in
Kreta. Von großer künstlerischer Bedeutung ist der Fund eines trichter-
förmigen Gefäßes aus Steatit mit reichen, an die Becher von Vaphis ge-
mahnenden Skulpturen.
62. Höler P. Der Pohlsberg bei Latdorf, Kr. Bemburg. Jahresschrift f. d.
Vorgeschichte d. sächsisch-thüringischen Länder 4, 63—101.
Ein Steinkistengräber-Fund mit Beigaben der Neolithisch -Bronze-
zeit. Schnurkeramik von großer Ähnlichkeit mit der der nordwestdeutschen
Megalithkeramik (Nägelstedt). Verf. denkt an ein mächtig ausgebreitetes Volk
in den letzten Jahrhunderten des vorchristlichen Jahrtausends, das zur Er-
klärung von bisher rätselhaften Übereinstimmungen nordländischer und
mittelländischer Formen in Religion, Mythus und Gebräuchen verhelfen soll.
63. Krepp P. Die minoisch-mykenische Kultur im Lichte der Überlieferung
bei Herodot. Mit einem Exkurs : Zur ethnograph. Stellung d. Etrusker.
Vortrag. Leipzig 0. Wigand 1905. 67 S. m. 3 Abbildungen u. 2 Tafeln.
2.75 M.
64. Lehner. Bericht über die Tätigkeit der Provinzialmuseen. (1. April 1902
bis 31. März 1903.) Bonner Jahrbücher 113, 56.
Vorgeschichtliche Bronzeartefakte.
65. Lisaauer A. Eine Doppelaxt aus Kupfer von Ellierode, Kr. Northeim,
Hannover. Zeitschrift f. Ethnologie (Beriin) 37, 1007—1009.
Diese Kupferäxte wurden als Kupferbarren wahrscheinlich aus Kreta
eingeführt und dienten als eine Art Ex voto oder als Würdenabzeichen.
66. — Zweiter Bericht über die Tätigkeit der von der Deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft gewählten Kommission für prähistorische Typen-
karten. Zeitschrift f. Ethnologie (Berlin) 37, 793—847.
Eine Typenkarte der Absatzäxte.
67. — Doppelaxt aus Kupfer von Pyrmont. Zeitschrift f. Ethnologie (Berlin)
37, 770—772.
68. — Die Doppeläxte der Kupferzeit im westlichen Europa. Zeitschrift
f. Ethnologie (Beriin) 37, 519—525.
69. Mann L. Note on the discovery of a bronze age cemetery containing
burrials with ums at Newlands, Longside, Glasgow. Proceedings of the
Society of antiquaries of Scotland 39, 528—552.
70. Moriillet A. La trouvaille morgienne de Glomel (Cötes-du-Nord.) Revue
de r^cole d'anthropologie de Paris 15, 337 — 343.
71. Naef A. Fibule de bronce trouvöe dans le Val de Travers. Anzeiger
für schweizerische Altertumskunde N. F. 6, 88—90.
102 I. Allgemeiiie indogerm. Sprachwissenschaft und Altertamskimde.
72. Orsi P. Necropoli e stazioni sicole di transizione V. Necropoli al
Molino della Badia presso Grammichele. Bollettino di paletnologU
Italiana 31, 96—138.
73. Raehak A. Prähistorische Funde aus Eisgrub und Umgebung. Zeit-
schrift d. Mähr. Landesmuseums 6, AS,
Sie gehören im allgemeinen dem Formenkreise des schlesisch-
lausitzischen Typus der jüngeren Bronzezeit an. Bemerkenswert sind
doppelhenklige Schalen, deren Füße in der Form von Menschenfaßen
gebildet sind.
74. Schenk A. Les palafittes de Cudrefin (Vaud). Lac de Neuchätel. (Äfe
du bronze.) Revue de T^cole d*anthropologie de Paris 15, 262—268.
76. Seger H. Das Gräberfeld von Marschwitz, Kreis Ohlau. Jahrbuch d.
schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer 3, 1904, 27—39.
76. Seger H. Einige prähistorische Neuerwerbungen. Jahrbuch d. schlesisch.
Mus. für Kunstgewerbe u. Altertümer 3, 1904, 51—58.
77. Smid W. Brouzebeile von St. Johann bei TomiSelj am Laibacher Moore.
Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission 3. F. 4, 277 — 278.
78. Szombathy J. Vorgeschichtliche Funde aus Innerösterreich. Mitteilungen
der k. k. Zentral-Kommission 3. F. 4, 39—48.
79. Tmhelka 6. Der vorgeschichtliche Pfahlbau im Sanebette bei Donja
Dolina. (Bezirk Bosnisch-GradiSka.) (Bericht über die Ausgrabungen bis
1904.) Wissenschaftliche Mitteilungen aus Bosnien und der Herzegowina.
9, 1904, 3—156.
80. ^eser Fr. v. Der Umenfriedhof von Kufstein. Zeitschrift des Ferdi-
nandeums für Tirol u. Vorarlberg 3. F. 49, 451^454.
Dieser schließt sich an die bekannten nordtirolischen Urnenfried-
höfe an und gehört der jüngeren Bronzezeit an.
f) Eisenzeit.
81. Baglioni S. Beitrag zur Geschichte des Picenums, Italien. Zeitschrift
f. Ethnologie (Berlin) 37, 257—264.
82. Bersa J. v. Grabfunde aus Nona (Dalmatien). Mitteilungen der k. k.
Zentral-Kommission 3. F. 4, 152—159.
83. Buchan W. Notes on a bronze caldron found at Hattonknowe. Dam-
hall, in the County of Peebles. Proceedings of the society of antiquaries
of Scotland 39, 14—20.
84. Castelfranco P. Abbozzi di arie mettailiche rinvenuti nel Isola Virginia
(Lago di Varese). BuUettino di paletnologia Italiana 31, 195 — 203.
85. Furrer A. Die Grabhügel von Obergösgen. Anzeiger f. schweizerische
Altertumskunde N. F. 6, 65—87.
86. Grempler W. Die Bronzezeit von Klein-Zöllnig. Jahrbuch des schle-
sischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer 3, 1904, 40 — ib.
87. Gröbbels J. W. Der Reihengräberfund von Gammertingen. München
Piloty und Löhle 1905. 49 S. 21 Tafeln. Fol.
Das Gräberfeld ist datiert durch die tauschierten Eisensachen ; Verf.
schließt aus der Ähnlichkeit mancher Stücke mit solchen aus dem Chil-
derichgrabe, daß sie noch dem 6. Jahrhundert angehören. Weiter Raum
I. Allgemeine indogenn. Sprachwissenschaft und Ältertnmskonde. 103
ist der Besprechung des Spangenhelms gewidmet, dessen Typus nach dem
Orient weist
88. British Mnsenm: A gnide to the antiqoities of the early iron age
printed by order of the tmstes. London. 1906.
89. Hackman A. Die ältere Eisenzeit in Finnland. I. Die Fonde ans den
fQnf ersten Jahrhunderten n. Chr. Helsinfors. Aktiengesellschaft F. Tilg-
manns Buch- und Steindruckerei 1906. 876 S. u. Atlas v. 22 Tafeki.
Verfasser unterscheidet vorzügUch zwei Arten von Gräbern: den
mehr oder minder runden GrabhOgel und das von einer Steinsetzung um*
gebene Flachgrab. Die Gräber sind fast ausschließlich Brandgräber. Die
Grabformen und Altertümer lassen stärke Einflüsse aus Schweden und
dem nördUchen Teil der baltischen Provinzen erkennen, doch sind auch
Anzeichen vorhanden, die auf Beziehungen zu Zentralrußland und dem
Ural hinweisen. Verfasser glaubt deshalb, daß in Finnland während des
behandelten Zeitabschnittes eine Mischkultur vorhanden war und sieht
weiter darin einen Beweis für die Annahme, daß die Einwanderung der
finnischen Stämme in Finnland bereits im 4. Jahrhundert erfolgt war.
90. Hoemes M. Die HallsUttperiode. Arch. f. Anthr. N. F. 3, 233—281.
Eine kurze Monographie der Hallstattgeriode in Europa. Verfasser
warnt energisch vor einer allgemeinen Systematisierung, die nach dem
heutigen Stande unserer Kenntnisse verfrüht wäre, und stellt lokale Perioden
auf, die er in einer Tabelle in beiläufige chronologische Beziehung bringt.
91. Hoemes M. Die prähistorische Nekropole von Nesactium. Jahrbuch
der k. k. Zentral-Kommission N. F^ 3, 325--344.
Diese Station gehört der vorgeschichtlichen ersten Eisenzeit Nord-
ostitaliens (Gruppe von Este) an. Fragmente skulpierter Steine, die jeden-
falls einem älteren Kultbaue angehörten, der seinerzeit für die Wahl
dieses Platzes als Gräberfeldes ausschlaggebend war, weisen in die jüngere
Steinzeit und lassen in mykenischen und archaisch griechischen Funden
Parallelen erkennen.
92. Klose 0. Die Hügelgräber bei der Fischer-Mühle und bei Schleedorf.
Mitteilungen d. Gesellschaft f. Salzburger Landeskunde 45, 3—26.
Diese gehören der jüngeren Hallstattperiode an.
93. Lindner A. Die Hügelgräber im Katlover Walde bei Lippen. Bezirk
Budweis. Mitteilungen d. anthropol. Gesellschaft in Wien 35, 38 — 44.
94. Miske K. Frhr. v. Die La Ttoe lll-Stufe in Velem-St. Veit. (Mit 66 Ab-
bildungen.) Archiv für Anthropologie N. F. 3, 181—190.
Die Lat^neperiode 111 bildet in Velem-St. Veit eine eigene Schicht.
Sie ist das Kind der mit Kraft aufeinanderstoßenden Latdneperiode 11 und
der vordringenden römischen Kultur. Die Vorläuferfibel, die sich abwärts
zur eigentlichen Flügelfibula entwickelt, besitzt in aufsteigender Linie ihre
Urform in der typischen Lat^ne 11-Fibel. Der Übergang der Fibelformen
von La T^ne II zu La T^ne 111 ist nicht durch die Form, sondern durch
die Technik (Guß) gegeben.
95. lüske K. Frhr. v. Mitteilungen über Velem-St. Veit. Mitteilungen d.
anthropolog. Gesellschaft in Wien 35, 270—277.
96. Mortillet A. de Les tumulus du bronze et du fer en France. Revu»
de r^cole d'anthropologie de Paris 15, 213—230.
97. P&rot F. üne survivance de Tage du fer. L'Homme pr^historiqu»
3, 276—277.
10^ L AUgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertomskonde.
96. Fund- und Ansgrabungsberichte der Bronze- und Hallstattzeit Prä-
historische Blatter 17. 1905.
99. BÖMler E. Bericht Ober archäologische Ansgrabangen in Transkaukasien.
Zeitschr. f. Ethnol. 37, 114—151.
100. Sehneider L. Vorgeschichtliche Funde aus dem nordwestlichen
Böhmen. Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission 3. F. 4, 279—283.
101. übell H. Eine Bronzeklinge von den Schaf böden bei Hinterstöder
Bfitteilungen der k. k. Zentral-Kommission 3. F. 4, 152.
102. Weinaierl v. Die La Ttoe-Kultur im nordwestlichen Böhmen. Tätig-
keitsber. d. Museums-Gesellschaft z. Teplitz f. 1903—4, S. 31—37.
Die FrOh-LaT^ne-Kultur wird ins 2., die Mittel-LaT^ne-Kultur in
das 1. Jahrhundert vor Chr., und die Spät-LaT^ne-Zeit in das 1. Jahr-
hundert nach Chr. gesetzt. Die erste und zweite Epoche zeigen die Bei-
setzung der gestreckt liegenden Leiche, während erst in der dritten Epoche
die Leichenverbrennung auftritt.
103. Zois M. Die Etrusker in Krain. Mitteilungen des Musealvereins für
Krain 18, 97—103.
Verfasser will in Watsch und anderen Orten Krains alte etruskische
Kultur erkennen.
2. Zusammenfassende Darstellungen.
104. Hoemes M. Urgeschichte der Menschheit. Mit 53 Abbildungen. 3., verm.
u. verbess. Aufl. (Sammlung Göschen [Neue Aufl.] 42.) Leipzig G. J. Göschen
1905. 161 S. 0,80 M.
105. Wilser L. Die Urheimat des Menschengeschlechts. Verhdlg. d. naturh.
mediz. Ver. in Heidelberg N. F. 8, 220—245.
Verfasser ist der Meinung, daß die Frage nach der Urheimat des
Menschen nie beantwortet werden wird; diese Frage hänge aber engstens
mit der nach dem Ursprünge des Lebens zusammen. Urzeugung gehe
heute noch vor sich. Verf. stellt folgende Entwicklungsreihe auf: Pithecan-
thropus atavus, Proantbropus erectus Dubois, Homo primigenius, Homo
priscus, Homo europaeus Linn6.
106. Ghmpp G. Kultur der alten Kelten und Germanen. Mit einem Rückblick
auf die Urgeschichte. München, Allgemeine Verlags-Gesellschaft 1905.
XU, 319 S. 80. 5,80 M., geb. in Leinw. 7,50 M.
107. Helm K. Die Heimat der Indogermanen und Germanen. Hess. Bll.
f. Volksk. 4, 39—71.
108. Hirt H. Die Indogermanen. Ihre Verbreitung, ihre Urheimat und ihre
Kultur. I. Straßburg K. J. Trübner 1905. X, 407 S. 8o. 9 M.
109. Müller S. Urgeschichte Europas. Grundzüge einer prähistorischen
Archäologie. Deutsche Ausgabe unter Mitwirkung des Verfassers besorgt
V. 0. L. Jiriczek. Straßburg K. J. Trübner 1905. VUI, 204. 8o. 6 M.,
geb. 7 M.
Verfasser sucht die großen Zusammenhänge der vorgeschichtlichen
Kulturerscheinungen in ihrem Verhältnisse zum Orient klarzulegen. Auf
Grund umfassendster Materialkenntnis schließt er, daß der Süden und
Orient die leitende und gebende Kulturmacht sei. Dabei zeigt sich, daß
die äußeren Kulturkreise, je weiter sie vom Zentrum entfernt sind, den
Inhalt der südl.-orient. Kultur erst nach und nach und nur im Auszug«
I. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertumskunde. 105
empfangen, wohei sich gelegentlich Änderongen und Umbildungen der
Urformen einstellen. Eine grofie Fülle solcher Formen tritt oft im Norden
auf in einer viel späteren Zeit, als diese Elemente im Süden vertreten waren.
Am langsamsten verbreitet sich die Kenntnis des Rohmaterials
(Bronze, Eisen) nach dem Norden, sodaß es vorkommt, daß die neuen
Formen im Norden mit dem alten Material bereits hergestellt werden,
bevor das Material, das für die Formbildung einst bestimmend war, dort
bekannt wurde.
110. Krause E. Die Werktätigkeit der Vorzeit. Weltall und Menschheit.
6, 1—96.
Es wird der Gedanke, daß der Mensch als Werkzeug schaffendes
Wesen eine Machtstellung in der Welt erreicht hat, an der Hand der ältesten
Reste menschlicher Tätigkeit erläutert.
111. Majewski E. L'hypothöse de M. Kossinna sur Torigine germanique des
peuples indo-europ4ens et la v4rit6 scientifique. [Poln.]. Swiatowit, an-
nuaire de Farch^ologie pr^historique polonaise 6, 89—144.
112. Sehrader 0. Sprachvergleichung und Urgeschichte. Linguistisch-histor.
Beiträge zur Erforschung des indogerm. Altertums. 8. neubearb. Aufl.
I. : Zur Geschichte und Methode der Unguistisch-histor. Forschung. Jena
H. Costenobie 1906. [Erschien Ende 1905.] 8o. V u. 236 S. 8 M.
3. Einzelnes zur Kulturgeschichte und Altertumskunde.
113. Behlen H. Das nassauische Bauernhaus. Annalen des Vereins für
nassauische Altertumskunde u. Geschichtsforschung 25, 237—263.
114. Cervixika L. Zur Vorgeschichte Mährens. Mitteilungen der k. k. Zentral-
Kommission 3. F. 4, 477—498.
Es ergibt sich folgende Besiedelungsfolge : Neolithische Ansiedelung,
Kultur des Geschlechtes der gekrümmten Skelette, Bronzealtertümer, Brand-
gr&ber, ein Galliergrab, jüngere Besiedelungen.
115. Hampel J. Altertümer des frühen Mittelalters in Ungarn. I— III.
Braunschweig Friedr. Vieweg u. Sohn 1905. I: XXXIV, 853; II: XVI,
1006; ffl: XIY S. Text u. 539 Taf. 60 M.
Verfasser weist einleitend auf die große Schwierigkeit der Altertums-
forschung in Ungarn hin, da hier im Gegensatze zum westlichen Europa
vom 4. bis 10. Jahrhundert ein ununterbrochenes Gewirre von kommenden
und gehenden Völkern herrschte, bis endlich das zuletzt ankommende
staatenbildende Volk der Völkerwanderung, die Ungarn, unter dem Einflüsse
des Christentums sich beruhigten. Verfasser teilt die Altertümer der ganzen
Epoche in 4 Gruppen.
1. Gruppe. Germanen, größtenteils romanisiert ; doch auch Kultur-
besitz, der aus der früheren Heimat am schwarzen Meere stammt.
2. Gruppe. Sarmaten mit Erzeugnissen der römischen Provinzial-
industrie, die sich diese besonders intensiv angeeignet haben.
Dazu kommen Motive (Greifen, Ranken) aus der sarmatischen
Heimat, die von hellenistischer Kultur beeinflußt sind.
3. Gruppe. Heterogene Elemente verschiedener Völker; besonders
die Hinterlassenschaften uralaltaischer Reitervölker, der Avaren,
die um 565 in Ungarn erschienen und bis ins 9. Jahrhundert
herrschten. Meist Reitergräber. Waffen- und Pferdeschmuck
werden als nationales Eigentum angesprochen werden können,
106 I. Allgemeine indogenn. Sprachwissenschaft und AltertmDskimde.
während die Goldschmiedearbeiten von Bysanz direkt oder in-
direkt beeinflußt sind.
4. Groppe. Die spexiHsch ungarische Periode. Reitergriber, die
durch Beigaben durchlochter römischer Münzen als Schmuck
chronologisch bestimmbar sind. Sie zeigen meist Prunk und
stehen im Gegensatz zu ärmlichen Bestattungen (Schläfenring^
Tongefäßen mit Wellenomament), in deren Umgebung sie meist
erscheinen.
Die Bestattung in allen vier Gruppen erfolgt meist in Reihengräbem.
Der Stoff ist über die 3 Bände wie folgt verteilt:
1. Bd. Historischer Rahmen, Obersicht der Literatur, Ornamentik
und Chronologie.
2. Bd. Beschreibung der Funde.
3. Band. Atlas (539 Tafehi).
116. Hansen A. M. Nogle arkaeologisk-geologiske Bemaerkninger. Aais-
beretning (Kristiania) 1905, 161—192.
117. Heierli J. Archäologische Funde in den Kantonen St Gallen und Appen-
zell. Anzeiger für schweizerische Altertumskunde N. F. 6, 1—7.
118. — Die archäologische Karte des Kantons Solothum nebst Erläute-
rungen und Fundregister. Solothum Theodor Petri 1905. 92 S., 1 Karte
u. 9 Tafeln.
119. Hoifiller V. Das prähistorische Grabfeld in Smi^an bei Gospi&
Tjesnik' der kroatischen archäologischen Gesellschaft in Agram N. S.
8, 193-208.
120. Keller Gh. Le poulpe de Taille couverte du Lufang (Morbihan).
Revue de r^cole d'anthropologie de Paris 15, 239—243.
Die Steinzeichnung eines octopus vulgaris sucht Verfasser mit ana-
logen Zeichnungen der mykenischen Periode in Beziehung zu bringen.
121. Kießling M. Das ethnische Problem des antiken Griechenland (erster
Teil). Zeitschrift für Ethnologie (BerUn) 37, 1009—1124.
Verfasser tritt dafür ein, daß die Urbevölkerung Griechenlands, dem
ursprünglichen Zusammenhange der Halbinsel mit dem asiatischen Kon-
tinente entsprechend, eine asiatische sei. Die Hellenen, ein von Zentral-
europa hereinbrechender Völkerstamm, lebten lange in Gemeinschaft mit
den Ureinwohnern. (Ortsnamen usw. wurden beibehalten.) Die dorische
Wanderung stellt sich als ein langsames Verdrängen der hellenisch-asia-
tischen) Bevölkerung dar durch illyrisch-makedonische Stämme, die die
höhere hellenische Kultur übernahmen.
122. Landau W. Frhr. v. Die Bedeutung der Phönizier im Völkerleben.
(Ex Oriente Lux I, 4.) Leipzig E. Pfeiffer 1905. U S.
Eine neue Phönizier-Theorie. Weil man zufällig durch die Berührunj^
der klassischen Völker des Alteriums mit den Phöniziern von diesen mehr
Kunde hat als von andern, meinte man ihnen eine überlegene Bedeutung
zuschreiben zu müssen; das ist ein Irrtum. Die Kolonisation des Mittel-
meeres von Phönizien aus ist ethnologisch unmöghch, da hiezu ein Ober-
schuß der Bevölkerung des Mutterlandes gehört, der faktisch nie vorhanden
war. Die 'phönizischen Kolonien' an der afrikanischen und spanischen
Küste erklären sich aus einer grofien Invasion orientalischer Völker. Es
ist dieselbe Völkerbewegung, die die Phönizier, ein stammverwandtes VoU^t
nach Phönizien dt&ii^^\ %o ^xVA&tV. ^\&h auch die Verwandtschaft der
I. AUgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Altertomskonde. 107
Phönizier mit den Völkern der *phönizischen Kolonien*, und rechtfertigt
sich der Irrtum der Volksgleichheit omsomehr, als die "Kolonien* mit
Phönizien tatsächlich Beziehungen unterhielten.
123. MajewskiE. Sur les *Kourgans* contenant les squelettes colorös de
hl Russie möridionale. [Polnisch.] Swiatowit, annuaire de Tarch^ologie
pr^historique Polonaise et d^autres pays Slaves 6, 31 — 1:6.
124. Montelius 0. L*Orient et TEurope. Contribution k la connaissance
de rinfluence de la civilisation Orientale sur TEurope jusqu'au cinqui^me
si^cle avant J.-G. (Deutsche Ausgabe von der Akademie 1899.) Anti-
quarisk Tidskrift för Sverige 13, 1—252.
125. Murko M. Zur Geschichte des volkstümlichen Hauses bei der Süd-
slawen. Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien 35,
308—330.
126. Pogodin A. L. Zur Geschichte der Beziehungen zwischen den Finnen
und Indoeuropäem (russ.). Izv. russk. jaz. X 3, 1 — 23.
I. Wann sind die Russen an die Finnen gestoßen? 1. Nach Aus-
weis von Ortsnamen u. dgl. hat die russ. Kolonisation des finn. Nord-
ostens zu einer Zeit begonnen, als die russ. Laute noch den ursl. nahe
waren (t, u, ar, al in russ. Entlehnungen im Finnischen für russ. », >,
aro, oh). 2. Eine intensive Kolonisation fällt jedoch in spätere Zeiten
(nach der Verflüchtigung von », », als or, ol vor Kons, dem russ. Ohr nicht
mehr unliebsam war). 3. Die nordruss. geogr. Nomenklatur und die Chronik
von Novgorod als Quellen zum Studium der russ. Kolonisation. 4. Nichts
zeugt dafür, dafi die russ.-finn. Beziehungen bis in die ursl. Zeit reichen ;
selbst von den russ. Stämmen kommen hierin nur die nordruss. in Be-
tracht — II. Russ. kovriga 'eine Art Brot* aus finn. *kaurik1ea *Haferbrot*.
— III. Der finn.-ugr. Name für 'Sklave, Knecht' (finn. orja usw.) vielleicht
urspr. ario' "Arier*, wobei dunkel bleibt, von welchem idg. Volke der Name
entlehnt wurde. (Zubat^.)
127. Rhamin K. Ehe und Schwiegerschaft bei den Indogermanen. Globus
87, 285—289.
128. ät'astnf J. Die Thrakier. [Cechisch.] Prog. des Gymn. Prag, Komgasse.
13 S.
1. Es ist wahrscheinUch, daß die homer. Sänger schon die im
späteren Bithynien ansässigen Thrakier kennen. 2. Samothrake, Lemnos,
Thasos sind in der homer. Zeit von thrak. Bewohnern besetzt; daneben
befindet sich auf diesen Inseln die später gekommene tyrsenische, den
Etruskern verwandte Bewohnerschaft. 3. Der Name 'Thrakier* gehörte ur-
sprünglich einem auf der thrakischen Chersonesos sitzenden Stamme.
4. Schon bei Homer bezeichnet derselbe auch nördliche Stämme des
späteren Thrakiens. — Anz. v. E. Perontka Listy fil. 83, 156—157. (Zubat^.)
129. Sieinhausen G. Germanische Kultur in der Urzeit. (Aus Natur und
Geisteswelt, 75. Bd.) Leipzig B. G. Teubner 1905. 156 S.
Eine Obersicht über germanisches Leben von der Urzeit bis zur
Berührung der Germanen mit den Römern.
130. Watadnger C. Griechische Holzsarkophage aus der Zeit Alexanders
des Großen. Wissenschaft!. Veröffentlichungen d. Deutschen Orientgesell-
schaft. Heft 6. Leipzig Hinrichs 1905. 95 S.
Eine Beschreibung der bei den Ausgrabungen der Deutschen Orient-
106 L Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft und Alterlomskimde
gesellschaft in Abnkir in Ägypten gefundenen griechischen Holzsarkophage
und der meist Hausform zeigenden Sarkophage aus Südrußland. Verfasser
benutzt die Gelegenheit, über Begr&bnissitten interessante Aufschlösse za
geben.
131. Wilke Beziehungen der west- und mitteldeutschen zur donanlindi-
schen Spiral-Mäanderkeramik. Mitteilungen der Anthropologischen Ge-
sellschaft in Wien 3b, 249—269.
Verfasser sieht in der Spiral-Mäander-Omamentik ein mathematisch-
konstruktives Prinzip. Als Heimat dieser Dekorationsweise wird das untere
Donaugebiet herangezogen. Die Spiral-Mftanderkeramik Mitteldeutschlands
und der Rheingegenden ist durch Obertragung der Donau-Formen ent-
standen, ohne daß die Kenntnis des konstruktiven Prinzips mit übertragen
wurde. Daraus erklärt sich einerseits der Mangel an Verständnis für diese
Form und die Tatsache, daß sie sich bald verflüchtigt, anderseits wird die
Annahme gerechtfertigt, dafi die Obertragung der Form nicht durch vor-
dringende Vulkerstämme, sondern durch Import geschehen ist.
132. Wilser L. Altgermanische Zeitrechnung. Verhandlungen d. Natur-
wissenschaftlichen Vereins in Karlsruhe 18, 3 — 47.
Verfasser vertritt mit vielen Ausfällen gegen die Annahme einer
"orientalischen* Beeinflussung der nordischen Kultur die Ansicht, daß die
Erflndung der Zeitrechnung und vieles andere (z. B. die Runen) Ureigentum
der nordischen Völker und von diesen nach dem Süden gelangt sei. (?)
133. Zaborowski S. L'Autochtonisme des Slaves en Europe, ses premiers
d^fenseurs. Revue de T^cole d'anthropologie de Paris lö, 3 — 17.
Eine Zusammenstellung der älteren (slavischen) Literatur, die die
Autochthonie der Slaven in Europa verfleht.
4 Religionsgeschichtc.
13^. Dussaud R. Questions myc^niennes. Rev. de Thist. des rel. 51, 2^-~Gt
18d. Lehmann E. Primitive Folks Religion. Grundrids ved folkelig Uni-
versitetsundervisning. Nr. 98. Kopenhagen (Ersler) 1905. 16 S. 8o. 0,20 Kr.
136. Mannhardt W. Wald- und Feldkulte. 2. Aufl., bes. v. W. Heuschkel.
2. Bd. Antike Wald- und Feldkulte aus nordeuropäischer Oberlieferung
erläutert. Berlin Gebr. Borntraeger 1905. 8o. XLVIU u. 359 S. 10 M.
136 a. Schrader 0. Totenhochzeit. Ein Vortrag. Jena Costenoble 1904.
38 8. 1,50 M.
137. Montelius 0. Das Rad als religiöses Sinnbild in vorchristlicher und
christlicher Zeit. Prometheus; illustr. Wochenschrift über d. Fortschritte
in Gewerbe, Industrie u. Wissenschaft. 16, Nr. 16—18 (1904/5), 1—22.
Das Rad als Sonnensymbol findet sich in den ältesten Zeiten an den
verschiedensten Gegenden des Erdballs spontan entstanden. (Orient, Europa,
aber auch in Amerika.) Das Triquetrum und das Hakenkreuz, welche
beide die drehende Bewegung der Sonne, des leuchtenden HimmelsradeSf
darstellen, sind bereits in vorgeschichtlichen Zeiten nach dem Norden
gekommen und haben hier weite Verbreitung gefunden. Mit dem Eintritt
des Christentums findet es auch als göttliches Symbol in der neuen Re
ligion Verwendung.
138. Oflthoif H. Etymologische Beiträge zur Mythologie und Religions-
geschichte. 2. TiikMi^ und T^pac. Arch. f. Rel.-Wiss. 8, 51—68.
A. Arisch. A. Indo-Iranisch. 109
139. Sehroeder L. v. Ober den Glauben an ein höchstes gutes Wesen bei
den Ariern. Vortrag, gehalten auf dem 2. intemat Kongreß f. allgem.
Religionsgeschichte in Basel, am 31. August 1904. WZKM. 19, 1—23.
Früher sah man den Anfang der Religion in Naturverehrung,
heutzutage hat sich jedoch die Theorie von dem Seelenkult als Ursprung
der Religion mächtig in den Vordergrund gedrängt, die, wenn auch in
vielfacher Hinsicht fruchtbar, dennoch zu mancherlei unmöglichen Kon-
sequenzen geführt hat Man darf keinesfalls die Naturverehrung glattweg
aus dem Seelenkult herleiten wollen. Diese beiden verbinden und ver-
schlingen sich zwar häufig, sind aber im Grunde zwei nebeneinander
stehende selbständige Wurzehi der Religion. Aber nicht die einzigen. Als
dritte mächtige Wurzel tritt hinzu eben der Glaube an ein höchstes, gutes
Wesen, dessen Nachweis bei wohl sämtlichen arischen Völkern Aufgabe
und Zweck des Schroederschen Vortrages ist. Dabei ergibt sich hinsichtlich
dieses Glaubens eine Teilung der arischen Völker in zwei grofie Gruppen:
*'l. in eine Ostlichere Gruppe, in welcher der Gott als Bhaga-Bogü hervor-
tretend milde und gütig charakterisiert erscheint; — dazu gehören die
Inder und Perser mit ihrem Bhaga (Bagha, Baga), die Phryger mit ihrem
Zeus Bagaios, resp. auch die Armenier, und die Slawen mit ihrem Bogü;
2. in eine westlichere Gruppe, welcher die Bhaga-Bezeichnung ganz zu
fehlen scheint und welche dafür den grofien Himmelsgott als Kriegsgott
ausgeprägt hat, welche Eigenschaft er in der östlichen Gruppe gar nicht
oder kaum besitzt; dahin gehören die Griechen, die Römer, die Kelten
und insbesondere die Germanen**. Es ist dieser Gegensatz ohne Zweifel
psychologisch in der größeren Kriegslust der letzteren Völker begründet.
Die Tatsache, daß man in dem altarischen Kult immer nur von Natur-
oder Seelenkult, nie aber von dem eines höchsten Gottes hört, ist zwar
anfällig, darf aber nicht weiter irre machen, da bekanntlich bei den
primitiven Völkern das höchste Wesen meist nur wenig oder gar nicht
kuUlich verehrt zu werden pflegt, während den Natnrmächten und Geistern
allerlei Opfer in mannigfacher Gestalt dargebracht werden. (Schröter.)
140. t H. üaener. Vgl. Buch el er F. Neue Jahrbb. f. d. kl. Alt. 15, 737-742.
— D[ieterich] A. Archiv f. Religionswiss. 8, S. I— XI.
Wien. Dr. Ant. Reichel.
n. Arisch.
A. Indo-Iranisch.
1. SchermanL. Orientalische Bibliographie (begründet von August
Müller) . . . bearbeitet und herausgegeben von Lucian Scherman.
XIX. Band (für 1906). Drei Hefte in einem Bande. Berlin, Reuther u.
Reichard 1906. VI, 376 S. 8o. 10 M.
IV. Indogermanen. 1. Allgemeines (S. 135—140). 2. Indien (S.
140—182). Rezensionen zu IV, 1—2 (S. 182—186). 3. Iran (S. 186-193).
Rezensionen zu IV, 3 fr. (S. 202—203).
2. Studi Itoliani di filologia Indo-Iranica diretti da F. L. Pull4. Anno
V. Vol. 5. Firenze, G. Camesecchi e figli 1905. XVII u. 287 S. 8o. 18 M.
Studi. Cartografia antica deir India. Parte IIa. II Medio-evo europeo
e il primo Rinascimento per F. L. Pull6, pp. 1—139.
Appendici. F. L. Pull^. Due versioni italiane della Imago Mündig
con una nota di Giulio Bertoni, 1—22. — Mario Longhena, Llndia nelle
110 II. Arisch. A. Indo-Iranisch. — B. Indisch.
enciclopedie di Benzo d' Allesandria, di Ricobaldo da Ferrara e delF
Orbis Descriptio, 1—23. — II testo originale del viaggio di Girolamo
Adorno e Girolamo da Santo Stefano, 1—56. — F. L. PaU6, Una carU
itineraria del XV secolo, 1 — IH.
8. Wolif Fr. Die Infinitive des Indischen ond Iranischen. I. Teil. Die
ablativisch -genetivischen und die akkosativischen Infinitive. KZ. 40,
1—111. [Erschien auch als Gießener Diss.]
This monograph is a comparative study of the ablative, genitive,
and accusative formations in Sanskrit and Avestan. (Jackson.)
4. Grierson G. A. On certain suffixes in the modern Indo-Aryan ver-
nacuUrs. KZ. 38 (N. F. 18), 478—491.
Der Gegenstand der vorliegenden Abhdlg. ist die Untersuchung des
Ursprunges derjenigen Suffixe in den modernen indo-arischen Mundarten,
die am meisten zur Bildung der Genitive und Dative beim Nomen und
des konjunktiven Partizips (entsprechend dem skr. absoluten Partizip auf
ya, ti>ä) beim Verbum verwendet werden.
5. Fay E. W., A semantic study of the indo-iranian nasal verbs. P. n. HI.
Americ. Joum. of philol. 26, 172—203, 377—408.
Fortsetzung zu 25, 369—389. Cber Ziel u. Umfang seiner Unter-
suchungen, sowie über die Entstehung dieser nasalen Verba sagt der Ver-
fasser selbst aus: *1 propose to make a semantic study of the Sanskrit
[and Avestan] verbs of nasal flexion listed by Whitney in bis Roots, Verbs
Forms, etc., of the Sanskrit Language, adding sundry other roots from
the Dhatupäfha as taken up by Uhlenbeck in his Etym. Woert d. alt-
indischen Sprache.
The nasal-flexional type had its rise, I surmise, in contamination
(syncretism) of roots of similar (or contrasting) meanings. The evidence
of the daily speech about us proves that such contamination is actively
in progress before our eyes. When I hear a person of high cultivation
and intelligence say smur I recognize that we have a blend of smear
and blur. In this scbooled age such a word has asmall Chance to sur-
vive. The conditions were much more favorable to survival of such words
in a preliterary stage." Dem eigentlichen Thema gehen Bemerkungen
phonetischen u. anderweitigen ähnlichen Inhalts voraus. Die sämtlichen
181 behandelten Verba sind eingeteilt in 1. Verba der nO-Klasse {badhnäti)^
2. Verba der nu- Klasse (ainSti) u. 3. Verba der infigierten NasaUdassen
6. Joret Ch. Les plantes dans Pantiquit^ et au moyen äge. Premiere
partie. Les plantes dans TOrient classique. U. Llran et Finde. Paris,
Bouillon 1904. XV, 657 S. 8o. 12 Fr.
Bez. Ton Finot, L., in Ball, de l'^o. friui«. d'Extr.-0r. 5, 431 1
B. Indisch.
Allgemeines. Geschichte.
[1. The Adyar Library Report for 1905. Adyar Madras, India, Adyar
Library 1906. 14 S.
This report shows the existence of more than 12000 Oriental
manuscripts, Sanskrit, Southern Indian, Ceylonese, Siamese, Burmese,
«tc, in the Adyar Library of the Madras Presidency, and that an or-
IL Arisch. B. Indisch. 111
ganized staff of pandits is engaged, onder the snpenrision of a European
director, in catalogning them.
2. Haraprmsäd SistrL Notices of Sanskrit mss. Second Series. Poblished
ander Orders of the Government of Bengal. Vol. 2, pt. 2 ; vol. 3, pt 1.
Galcntta. 190«. 8o.
These two nombers contain descriptions of more than three hundred
manuscripts on various subjects.
3. — Notices of Sanskrit mss. (Extra number.) A catalo^e of palm-leaf
and selected paper mss. belonging to the Durbar Library, Nepal, to
which has been added a historical introduction by Cecil BendaU. Cal-
cutU 1906. 82 + 32 + 273 + 23 S.
This elaborate list of an extensive coUection of manuscripts is
supplemented by a succinct account of the Nepal and the surrounding
kingdoms.
4. äästri Hrishikeäa, and Qni Siva Chandra. A descriptive Catalogue of
Sanskrit manuscripts in the Library of the Calcutta Sanskrit College.
Nos. 19, 20, 21. Calcutta, Baneijee 1904. 8o.
These numbers continue the list of manuscripts on the following
subjects: nätaka, alamkära, chanda ärarthaäästrasüci, ko^a,
vy&kara^a, jyotisa, and nibandhana. (Jackson.)]
6. Warren W. F. Problems still unsolved in Indo-Aryan Cosmology. JAOS.
26, 84-92.
Bereits im Jahre 1890 konnte Jensen in seiner Kosmologie (S. 184) über
das kosmische System der Inder schreiben : Daß diese Anschauung nicht
aus Persien, sondern direkt oder indirekt aus Babylonien stammt, zeigt
die weit größere Gleichartigkeit der babylonischen und indischen als die
der persischen und indischen Ideen*. Zum Beweise dessen führt W. 20
Punkte an, in denen der Schlüssel zum Verständnis indo-arischer Vor-
stellungen in Babylon zu suchen ist. Außer diesen bereits erledigten
Fragen harren aber noch viele andere der Lösung, von denen W. einigen
näher tritt. Z. B. In der späteren Literatur werden die 7 dvipas ver-
schiedentUch als feste, horizontal gelagerte Ringe angesehen. W. glaubt
jedoch, yohne große Schwierigkeit den Nachweis erbringen zu können,
daß in einer prähistorischen Zeit die indischen Kosmologisten die den
Babyloniem entnommene Vorstellung von 7 konzentrischen Kugeln (kry-
stallin. Sphären) hatten, die von den 7 Planetengottheiten beherrscht
wurden. Einige andere Punkte, die von W. nur gestreift, aber nicht näher
behandelt werden, betreffen strittige Details der buddhistischen u. Jaina-
Kosmologie, ihre Beziehungen zur brahmanischen und ihre Abweichungen
von dieser, namentlich Zeit, Ort und Ursachen dieser Modifikationen.
7. Klemm K. Inder (bis zur Gegenwart). Jahresber. d. Geschichtsw. 26, 1,
69-78.
8. — Indologie. ZDMG. 69, 221—227.
Besprechung von:
1. Grierson, G. A., Linguistic relationship of the Shähbäzgarhl
Inscription (JRAS. N. S. 36, 1904, 726—731), wonach der indo-arischen
Grun<kprache die modernen Paii&äci-Sprachen näher stehen als Sanskrit.
2. Rapson, E. J., In what degree was Sanskrit a spoken lan-
guage (ebd. 436 — tö6). Hiemach ist Sanskrit von der vedischen Periode
112 IL Arisch. B. Indisch.
an bis anf die Muhammedan. Inrasion herab ohne Unterbrechung ge-
sprochen worden. Ein Abkömmling der von den ersten Ansiedlem im
Nordwesten gesprochenen Sprache, verbreitet es sich zonftchst über den
Norden und mit dem vordringenden Brahmanismus über ganz Indien.
Von einem unbedeutenden Bezirksdialekt hat es sich mit Hülfe der
brahmanische Religion, resp. Raste zur Kultursprache ganz Indiens ent-
wickelt.
3. Kielhorn, F., A List of Inscriptions of Southern India firom
about A. D. 500. Appendix to Epigraphia Indica. VoL VII. Calcutta.
(Nicht im Handel.) Verzeichnis von ungef&hr 210 Urkunden auf Kupfer-
platten und 890 auf Stein in Sanskrit, Tamil, Telugu, Kanaresisch und
?nur 4) in altem Präkrit. Bfit einer Ausnahme ist der Datierung die Saka-
Ara zugrunde gelegt.
4. Smith, Vincent A., The early history of India from 600 B. C.
to the Muhammedan Conquest including the Invasion of Alezander the
Great Oxford, Clarendon Press.
Ein auch für Femerstehende zur Lektüre angenehmes Buch mit
guten Karten und Abbildungen. Den Hauptbestandteil bildet die Zeit von
600 V. Chr. bis 648 n. Chr. Eine ausführlichere Besprechung behält sich
Klemm vor.
5. The Brhad-devatä attributed to S'aunaka ... edited . . . and
translated ... by Mac doneil. F. I. II. Cambridge. Die erste, allen wissen-
schaftlichen Anforderungen genügende Ausgabe, bestehend aus Text und
Obersetzung mit 7 Anhängen (Glossar, Verzeichnis der Prätikas, der
Zitate, der Gottheiten, der einzelnen Geschichten und Nachweise über
die Beziehungen des Textes zu andern Werken).
6. The S'rauta-Sütra of Drähyäya^a, with the commentary of
Dhanvin. Ed. by Reuter. P. L London.
Vorläufig Patala 1^10 erschienen.
7. Hertel, Johannes, Ober das Tanträkhyäyika, die KaSmirische
Rezension des Pancatantra . . . Leipzig 190^ = Abhandlgn. d. Kgl. sächs.
Ges. d. Wiss., philol.-histor. Kl. XXII, 5.
8. Mazumdar, B. C, On the Bhattikävya (JRAS. N. S.36, 1904,
395—397).
Nach ihm fällt die Abfassungszeit des Bhattik. in das 5. Jahrh.
Aus einer aulTälligen Obereinstimmung einer Stelle des Bh. mit der Man-
dasor-Inschrift (zu Ehren Kumäraguptas) schließt M. auf Vatsabhatti, den
Dichter eben dieser Inschrift, als Verfasser des Bh.
9. Grierson, G. A., Guessing the Number of Vibhitaka seeds
(ebd. 355-357).
Bericht über die Kaniyas, Leute Nordindiens, zum Abschätzen der
Ernte auf Halm und Baum eingerichtet, die es hierin zu einer erstaun-
Uchen Fertigkeit und wunderbaren Sicherheit bringen.
10. Franke, Otto, Kant und die altindische Philosophie. In: Zar
Erinnerung an Imm. Kant, hrsg. v. d. Univ. Königsberg. Halle a. S. 1904.
S. 107—141.
Ober die Berührungspunkte der Philosophie Altindiens mit Kant,
der gewissermaßen jene fortsetzte u. vollendete, indem er das Schwer-
gewicht auf die Kritik der Erscheinungen legte, während jene das den
Erscheinungen zugrunde liegende Wesen zum Mittelpunkte ihrer Er-
örterungen machte.
n. Arisch. B. Indisch. 113
11. La Säipkhyakärikä 4tudi4e k la lami^re de sa version
chinoise par M. J. Takakusn (Bnlleiin de Töcole fran^. d'Extreme-Orient
4, 1-65).
Eine sehr eingehende Behandlang des ältesten Werkes der Sämkhya-
Philcx>phie, das aber in der hier herangezogenen chinesischen Version,
als deren Verfasser Paramärtha, auch Kolanätha genannt, angegeben
wird, nicht nur von dem von Gaudapäda benutzten u. kommentierten
Texte abweicht, sondern auch in ein bedeutend früheres Alter hinauf-
reicht (500 V. Chr., während der Text des Gaudap. um 700 n. Chr. an-
zusetzen ist).
Auch sonst finden sich sehr wertvolle Nachrichten zur Literatur-
geschichte des 5. u. 6. Jahrhs. aus chines. Quellen darin.
12. The Vedänta-sütras with the commentary of Rämänuga
transl. by Thibaut. F. UI. Oxford 1904. (Sacred books of the east Vol. 48.)
Hiermit ist dieses Werk zum Abschluß gekommen.
13. Pischel, R., Bruchstücke des Sanskritkanons der Buddhisten
ans IdykutSari, Chinesisch -Turkestan. Mit 3 Tafeln. (Sitz.-Ber. d. Kgl.
Preuß. Ak. d. W. 1904. S. 807—827.)
Ausführliche Besprechung des von Grünwedel mitgebrachten Holz-
blockdmcks in zentralasiatiscber Brähmi, der das Vorhandensein eines
von der in Päli-Sprache erfolgten südlichen Aufzeichnung unabhängigen
Sanskritkanons beweist Die veröffentl. Bruchstücke gehören dem Sam-
ynktägama an und entsprechen 6 Sütras der chines. Obersetzung dieses
Werkes.
14. PulU, F. L., n congresso di HanoY per gli studi deir estremo
Oriente. (Studi Italiani di ßlologia indo-iranica. Vol. VI.)
Inhalt : Volkstypen, Bericht über den ethnolog. u. archaeolog. Atlas
von Indo-China, ein Kapitel über Campä u. seine Denkmäler, sowie eine
Schilderung von Tonkin u. den Verhandlungen des Kongresses.
9. Holdich Th. H. India. (Chapter 1: Early India). London, Frowde
1904. 388 S. 80. 7 sh. 6 d.
Rez. von IrviDe, W., in JRAS. 1005, 376—379.
10. Hoemle A. F. and Stark H. A. A History of India. Cuttack, Orissa
Mission Press. Oxford, Blackwell a. Co. 1904. 210 S. 1 R. 8 a.
Bez. von Smith, Y. A., in JRAS. 1905, 371— 37a
11. Jnsti L India. [Edited by A. V. WilUams Jackson.] In: A History of
all Nations 2, 293—329. Philadelphia, Pa., Lea Brothers 1905. Gr. 8o.
12. Miceli Giov. L'India antica. (Bihlioteca del popolo. Vol. 358.) Milano,
Sonzogno 1905. 61 S. 15 L.
18. Sästri T. G. Bhäratänuvarnanam, or description of India. Trivandrum,
Sästri 1905. 8 u. 159 S. 1 R."
A useful httle Sanskrit Reader composed in good style, without
pedantry, and written with a view to present a picture of India's early
civilization as well as to instruct the pupil in the Sanskrit language.
(Jackson.)
14. Smith V. A. The early history of India from 600 B. C. to the Muham-
madan conquest, including the invasion of Alexander the great. With 9
plates a. 6 maps. Oxford, Frowde 1904. VI u. 389 S. 8o. 14 sh.
Res. von Haltzsch, E.. in JRAS. 1905, S73f. — Bursesi, L, in Ind. Antiq.
d4,195f.
Anzeiger XXII, Erg&nsangsheft. 3
112 n. Arisch. B. Indisch.
an bis auf die Muhammedan. Inrasion herab ohne Unterbrechung ge-
sprochen worden. Ein Abkömmling der von den ersten Ansiedlem im
Nordwesten gesprochenen Sprache, verbreitet es sich zonAchst über deo
Norden und mit dem vordringenden Brahmanismus über ganz hidien.
Von einem unbedeutenden Bezirksdialekt hat es sich mit Hülfe der
brahmanische Religion, resp. Kaste zur Kultursprache ganz Indiens ent-
wickelt.
3. Kielhorn, F., A List of Inscriptions of Southern India from
about A. D. 500. Appendix to Epigraphia Indica. VoL VII. Calcutta.
(Nicht im Handel.) Verzeichnis von ungefähr 210 Urkunden auf Kapfe^
platten und 890 auf Stein in Sanskrit, Tamil, Telugu, Kanaresisch und
(nur 4) in altem Präkrit. Mit einer Ausnahme ist der Datierung die Saka-
Ara zugrunde gelegt.
4. Smith, Vincent A., The early history of India from öOO B. C
to the Muhammedan Conquest including the Invasion of Alexander tbe
Great Oxford, Clarendon Press.
Ein auch für Fernerstehende zur Lektüre angenehmes Buch mit
guten Karten und Abbildungen. Den Hauptbestandteil bildet die Zeit von
600 V. Chr. bis 048 n. Chr. Eine ausführlichere Besprechung behält sich
Klemm vor.
ö. The Brhad-devatä attributed to S'aunaka . . . edited ... and
translated ... by Macdon eil. F. I. IL Cambridge. Die erste, allen wissen-
schaftlichen Anforderungen genügende Ausgabe, bestehend aus Text und
Obersetzung mit 7 Anhängen (Glossar, Verzeichnis der Prätikas, der
Zitate, der Gottheiten, der einzelnen Geschichten und Nachweise über
die Beziehungen des Textes zu andern Werken).
6. The S'rauta-Sütra of Drähyaya^a, with the commentary of
Dhanvin. Ed. by Reuter. P. L London.
Vorläufig Patala 1—10 erschienen.
7. Hertel, Johannes, Ober das Tanträkhyäyika , die KaSmiriscbe
Rezension des Pancatantra . . . Leipzig 1904 = Abhandlgn. d. Kgl. s&chs.
Ges. d. Wiss., philol.-histor. Kl. XXII, 5.
8. Mazumdar, B. C, On the Bhattikävya (JRAS. N. S.36, 190^
395-397).
Nach ihm fallt die Abfassungszeit des Bhattik. in das 5. Jahrh.
Aus einer auffälligen Obereinstimmung einer Stelle des Bh. mit der Man-
dasor-Inschrift (zu Ehren Kumäraguptas) schließt M. auf Vatsabhatti, den
Dichter eben dieser Inschrift, als Verfasser des Bh.
9. Grierson, G. A., Guessing the Number of Vibhitaka seeds
(ebd. 355-357).
Bericht über die Kaniyas, Leute Nordindiens, zum Abschätzen der
Ernte auf Halm und Baum eingerichtet, die es hierin zu einer erstaun-
lichen Fertigkeit und wunderbaren Sicherheit bringen.
10. Franke, Otto, Kant und die altindische Philosophie. In: Zor
Erinnerung an Imm. Kant, hrsg. v. d. Univ. Königsberg. Halle a. S. 190i
S. 107—141.
Ober die Berührungspunkte der Philosophie Altindiens mit Kant,
der gewissermaßen jene fortsetzte u. vollendete, indem er das Schwer-
gewicht auf die Kritik der Erscheinungen legte, während jene das den
Erscheinungen zugrunde liegende Wesen zum Mittelpunkte ihrer Er-
örterungen machte.
II. Arisch. B. Indisch. 115
XL Phrasen der Atoka-Inschriften. Die Sitte der Haarwaschong des Königs,
die mit großen Festlichkeiten verbunden war (vgl. Herodots Bericht über
die grausame Rache der Amestris, der Frau des Xerxes, an dem Weibe
des Masistes), sowie die von If egasthenes erwähnte entehrende Bestrafung
durch Abschneiden des Haupthaares (vgl. einen chinesischen Bericht des
6. Jahrhs. A.D. über eine ähnliche Strafe unter den Sassaniden-Herrschem).
Aus den beiden letzten Beispielen ergibt sich, daß die alten Inder das
Haupthaar lang getragen haben, während die modernen Hindus mit Aus-
nahme der Sikhs u. gewisser Kasten das Kopfhaar scheren, eine (Gewohn-
heit, deren Ursprung u. zeitliche Entstehung noch nicht erklärt worden
ist Der persische Titel Satrap (Kshatrapa) ist in der Maurya-Periode noch
nicht üblich gewesen, sondern hat erst seit den Zeiten Mithridates' I. (c.
174—136 B. G.) Eingang gefunden u. zwar durch fremde Herrscher, die auf
indischem Boden sich Reiche gegründet hatten. — VI. The meaning of
sämamta in Rock edict IL — Das fragliche Wort, das mit den ungenannten
Yöna oder hellenistischen Königen in Verbindung steht, darf nicht, wie
es Bühler getan hat, durch Vasallenkönige wiedergegeben werden,
sondern ist einfach mit benachbart, angrenzend zu übersetzen, welche
Bedeutung es übrigens auch in Ghilders' P&li Dictionary hat. — VII. The
meaning of chiklchha in the same edict; and revised translation of the
edict — Dieses Wort bedeutet weder 'system of caring for the sick' (Kern),
noch *remedies' (Senart), noch liospitals* (Bühler) oder 'provident arrange-
ments' (Bhandariuur), sondern (auf Grund von Fa-hiens Beschreibung des
HospitalB in P&taliputra) 'all the measures taken by Ai&öka's medical de-
partment for the benefit of the sick, and for the purpose of combating
disease*. — VIH. The Kßralaputra and Satiyaputra kingdoms. — Kerala
(auch Ch6ra) ist ein noch heutigen Tages gebräuchlicher Name, u. das be-
treffende Reich ist ohne Zweifel in dem Küstenstrich zwischen den West-
Ghäts u. dem Meere von 12* 20* n. B. bis zum Kap Comorin (Kumäri) zu
suchen. Ober Satiyaputra gehen die Ansichten allerdings auseinander, doch
glaubt Smith es mit ziemlicher Sicherheit mit dem unmittelbar nördlich
von K6nda liegenden Tuluva-Gebiet identifizieren zu dürfen.
17. — Asoka's alleged mission to Pegu (Suvannabhumi). Ind. Antiq. 84,
180-186.
Ausführlichere Begründung der von Smith bereits früher (Early
history of India, p. 166) geäußerten Bedenken hinsichtlich der Wirklich-
keit einer angeblich von Atoka nach Pegu beorderten buddhist. Mission.
Smith setzt dabei die Richtigkeit der von Colonel Gerini gemachten Iden-
tifizierung Suva9^abhumis mit dem Golfe von Martaban (d. h. der Um-
gegend der Städte Pegu u. Mulmein, resp. dem Delta u. Unterlaufe von
Irrawaddy, Sittang u. Salwen) voraus. Die ganze Erzählung geht in letzter
Instanz auf eine Nachricht im Dtpavamsa zurück. Die haupsächlichsten
Gründe für das ablehnende Verhalten Smiths sind das Fehlen des Namens
Suvannabhumi auf den Edikten Ai&okas selbst, und das Nichtvorhandensein
von Monumenten aus der Zeit des Atoka in Burma, sowie daß die termini
technici des burmes. Buddhismus im weitesten Umfange nicht dem Päli,
sondern dem Sanskrit entlehnt sind, also dem Mahäyäna, der nördlichen
Schule angehören u. nicht dem Hlnayäna, der früheren (südlichen) Form
des Buddhismus, schließlich, daß die ältesten bekannten Skulpturen nicht
einem brahmanisierten, sondern bereits einem hinduisierten Buddhismus
angehören. Ebensowenig glaubt Smith an eine abermalige Belehrung der
3*
114 n. Arisch. B. Indisch.
15. Hoemle R. Some prohlems of ancient Indian history. No. DI: The
Gnrjara clans. JRÄS. 1905, 1—82.
Bereits früher hat H. zu Cmminghams Theorie, dafi die Kaiser Ton
Ranauj Tomaras waren, seine Zustimmong ausgesprochen. Diese Tomaras
werden, soweit H. dieses feststellen konnte, in älteren Berichten nur zwei-
mal erwähnt, in der Pehewa-Inschrift aus der Zeit des Mahendra{»i]a
(c. 885—910 A. D.) u. in der Harsha-Inschrift des Chohan Vigraharäja 973
A. D. Aus jener Vermutung u. aus Hypothesen Mr. Bhandarkars folgt
weiter, daß die Tomaras mit den Solankis (Chaulukyas), Parihars (Pra-
tihäras), Parmars (Paramäras), Chohans (Chähumänas oder Ghähurtoas),
den 4 sogenannten Agnikula Qans der Rigputen u. den Kachhwahas
(Kacchapaghätas) dem Volke der GQrjaras angehören. An der Hand des
meist inschriftl. Quellenmaterials gibt H. einen Oberblick über Herkunft o.
weitere Schicksale dieser Stämme, sowie über ihren Einfluß auf die Ge-
schichte Indiens, dem er schheßlich eine gedrängte Skizze der geschichtl.
Ereignisse Indiens während der im Vorhergehenden gezeichneten Periode
(c. 500—1100 A. D.) hinzufügt. Damach fand in der 1. Hälfte des 6. Jahrbs.
ein großer Einfall zentralasiatischer Völkerschaften (darunter eben auch die
Gürjaras) in Indien statt, der sich bis nach Gwaliyor erstreckte. Im wei-
teren Vordringen durch die Kaiser Yaäodharman-Vikramaditya u. Harsha
Vardhana aufgehalten, teilten sich die fremden Horden u. wandten sich
in der Hauptmasse nach Rajputana u. nach dem Paigab, während die
Chälukyas südlich zogen, dort ein Reich mit der Hauptstadt Badami
gründeten u. brahman. Religion u. Gesittung annahmen. Die folgenden 8
Jahrhunderte waren eine Zeit friedlicher Entwicklung, innerer politischer
Erstarkung u. der Verschmelzung mit den Eingeborenen. Um 780 wurde
der Vorstoß nach Osten wieder aufgenommen, der die fremden Eroberer bii
an die Grenze von Bengalen führte, überhaupt trotz mehrfacher erfolg-
reicher Gegenvorstöße der alteingesessenen Bevölkerung die Expansions-
politik so erfolgreich fortgesetzt, daß um 840 A. D. fast der ganze Norden
Indiens zum Reich der Gürjaras gehörte. Nach diesen glänzenden Erfolgm
trat, zumeist durch verderbliche Eifersüchteleien u. Streitigkeiten unter
den herrschenden Klassen hervorgerufen, eine Erstarrung u. Schwächung
des polit. Lebens im Innern und nach außen ein, die den Verband des
Reiches derartig lockerten, daß es um 950 A. D. nur aus einzelnen un-
abhängigen Staaten bestand, die ohne Bedeutung für die Geschichte Indiens
ein ruhmloses Dasein fristeten, bis sie um 1050 A. D. von dem Gahärwär
Chandra Deva erobert u. damit aus der Liste der selbständigen Staaten
gestrichen wurden.
16. Smith V. A. Asoka notes. Ind. Antiq. 34, 200—203, 245—251.
IV. Consular oCficers in India a. Greece. — Die zivilen u. militär.
Einrichtungen des Maurya-Reiches, wie sie in den A&oka-Edikten u. von
den griechischen Schriftstellern geschildert werden, waren rein indische,
in einigen Einzelheiten von persischem Einfluß modifiziert, u. zeigen keine
Ähnlichkeit mit hellenischen Gebräuchen. Eine einzige Ausnahme hiervon
machen die von Megasthenes dcrOvo^oi genannten Offiziere, die mit der
Fürsorge für die Fremden betraut waren u. in verschiedener Beziehong
den griechischen irpöHevoi genau entsprechen. — V. Persian Influence on
Maurya India. — Beispiele hierfür sind: Die Verwandtschaft der Aäoka-
Säulen u. Basreliefs mit der persischen Architektur. Der Grebrauch der
Kharoshthi-Schrift an der Nordwestgrenze Indiens. Verschiedene Wörter
IL Arisch. B. Indisch. 117
vemeint, auch die neue Hypothese des letzteren darüber ist unhaltbar,
da die Deutung der 61os8e,t die L^vi zu seiner Annahme veranlaßt hat,
sich mit dem chinesischen Texte nicht deckt Außerdem "findet sich von
einem geographischen Namen Kharostra in der ganzen uns bisher be-
kannten indischen wie chinesischen Literatur nicht eine Spur". Schließlich
wird die Möglichkeit, daß der Inhalt der Glosse eine freie Erfindung der
Glossisten ist, nachgewiesen.
23. VoBt W. Saketa, Sha-Chi, or Pi-So-Kia. JRAS. 1906, 437—449.
Wie über die Lage vieler ehemaliger indischer Stfldte, so herrscht
auch über die von Säketa große Unsicherheit, die zu einem guten Teil
auf der schwankenden u. mannigfachen Benennung u. den dadurch her-
vorgerufenen Versehen der alten chinesischen Greographen beruhen dürfte.
S. war eine zwischen Kanaig u. Pätali-putra (jetzt Patnä) nördlich vom
Ganges gelegene Stadt, deren Existenz sich von den Tagen Gautama
Buddhas an bis ungefähr 400 A. D. nachweisen Iftßt. V. führt nun die
bis jetzt über S. aufgestellten Hypothesen an, wägt sie gegen einander
ab und, da er von ihrer Unzulänglichkeit überzeugt ist, so glaubt er die
Lösung dieser geographischen Frage finden zu können, indem er mit
Cunningham die Reiche Ayodhya, Pi-so-kia u. Sha-chi ziemlich identisch
sein läßt, die sämtlich zwischen den Flüssen Ghägharä u. Ganges sich
befunden haben müssen, u. indem er weiterhin Fa-hians Beschreibung
der Hauptstadt von Sha-chi u. die des Yuan Chwang von der von Pi-so-kia
als auf ein u. dieselbe Stadt u. zwar auf Säketa sich beziehend annimmt.
Unter Verwertung anderweiter geographischer Angaben u. der tatsäch-
lichen topographischen Verhältnisse weist V. nunmehr das alte S. im
heutigen Tusäran Bihär nach.
Literaturgeschichte.
24. Henrj V. Les litt^ratures de Tlnde : Sanscrit, Päli, Präcrit. Paris,
Hachette et Co. 1904. XH, 336 S. 8o. 3,60 Fr.
Res. von Benel, CiL, in Bey. de Thiit. de« reL51, 3101
26. Wintemiti M. Geschichte der indischen Litteratur. 1. Teil. Einleitung
u. 1. Abschn. der Veda. (Die Litterataren des Ostens in Einzeldar-
stellungen. 9, 1.) Leipzig, Amelang 1906. 268 S. 8o. 3,76 M.
Bes. von Geiger, B., in WZKM. 19, 314 ff.; von D. Andersen in Nord. Tidskr.
t filoL a B. 14, 72-78.
26. Cimmino F. Studii sul Teatro Indiano. 1. Sul dramma Karpüramanjari.
2. Sul dramma Candakaui§ika. Neapel 1906. 76 S.
Exegetisch und literarisch.
27. Oertel H. Contributions from the Jäiminiya Brähma^a to the history
of the Brähmava literature. JAOS. 26, 176—196.
Fünfte Serie. (Die ersten 4 Serien stehen in JAOS. 18, S. 16; 19,
S. 97; in Actes du 11« Congrds intern, des Orient. Paris 1897, vol. 1 (1899),
S. 226 u. in JAOS. 23, S. 326.)
1. Indra in the guise of a woman (JB. II, 78). — Das gleiche
Motiv finden wir in Dandins DäSakumäracarita, wo Pramati durch die
nämliche List Eingang zu seiner geliebten Navamälikä erlangt, in der
griechischen Geschichte von Leukippos u. Daphne (bei Pausanias u. Par-
thenius), des öfteren in der röm. Komödie (s. Ribbeck Geschichte der röm.
116 n. Arisch. B. Indisch.
Bonnesen im Baddhismns durch Baddhaghösa (5. Jahrh. p. C), den er
Oberhaupt nicht für eine historische Persönlichkeit hält Smith ist viel-
mehr der Überzeugung, daß die gegenwärtige Form des burmes. Buddhis-
mus aus dem 5. Jahrh. p. G. datiert u. auf eine Reformation unter dem
Könige Dhammachßti zurflckgeht (vgl. die KalyäQl-Inschriften).
18. Peanon C. Alexander, Porus, and the Pa^jab. Ind. Antiq. 3^ 253—261.
(Mit einem Vorwort von V. A. Smith.) Der Aufsatz handelt über das
Datum u. die Ortlichkeiten der kriegerischen Operationen Alexanders im
Panjab 326 a. C, speziell über die Schlacht am Hydaspes, deren zeitlidien
u. lokalen Verlauf an der Hand einer Karte festzulegen versucht wird.
P. untersucht dabei unter Heranziehung der von den alten Geschichts-
schreibern gemachten Angaben die von Cunningham, Abbott, Smith (Early
history of India) usw. aufgestellten Hypothesen, ohne bei dem gegen-
wärtigen Stand dieser Frage zu einem abschließenden Urteil zu gelangen.
19. Orierson 6. A. Pisaca «== *Q^o(pdToc. JRAS. 1905, 285—288.
Der Verfasser gibt teils im Auszug, teils in wörtl. Obersetzung tos
der betrefTenden Landessprache verschiedene altüberlieferte Legenden,
die von dem ehemahgen Vorhandensein von Kannibalismus unter den
nordwestl. Stämmen Britisch-lndiens (in Gilgit, Chitral u. Käfiristän) Zeugnis
ablegen. Eine davon, die Geschichte vom Zauberer Shiribadatt, der mit
der Zeit zum ausschließl. Menschenfresser wurde, erinnert zweifellos tn
das Mahä-sutasöma Jätaka, in dem vom Helden Brahma Datta dasselbe
berichtet wird. Einer Vermutung Hoernles Folge gebend, hält auch Gr.
die phonetische Gleichung Pashai-F^Säca für möglich (die Pashai sind ein
Zweig der Räfirs). Derartige Erzählungen sind aber, wie aus den mitge-
teilten Beispielen erhellt, über das ganze moderne PiSäca verbreitet Auf
Grund dieser Tatsachen sowie der ursprünglichen Bedeutung von Pi§äca
= Ui)üio<pdToc, an eater of raw flesh, kommt Gr. zu der Annahme, daß die
PiSäcas der Sanskritliteratur im Nordwesten Indiens ihren Sitz gehabt
haben.
20. Aiyangar S. K. The Agnikula; the Fire-race. Ind. Antiq. 34, 261—264.
Hoemle, Some problems of ancient Indian history (JRAS. 1905,
p. liT.) bezeichnet die Paramära Räjputen als die einzige Familie, die zu
den Agnikulas gehören, wenn auch die Legende hiervon über die Mitte
des 11. Jahrhunderts (die Zeit der Paramäras) hinausreichen kann. Aiyangar
weist nun in der klassischen Tamil-Literatur eine Beziehung zu dieser
Legende nach, sowie, daß in jenem Teile Indiens alte Familien existiert
haben, die ihre Herkunft auf die Agnikulas zurückführten. Aiy. konmit in
der zeitlichen Festlegung dieser Erzählung bis ins 2. Jahrhundert a. C
21. Ettinghausen M. L. Harsa Vardhana, empereur et po^te de Tlnde
septentrionale (606 — 648 A. D.). £tude sur sa vie et son temps. [Tbese
de Paris.] London, Luzac 1906. X, 194 S. [nebst 1 Bl. Errata et Ck)r-
rigenda]. ö Sh.
22. Franke 0. Hat es ein Land Kharostra gegeben? Sitzber. d. K. Fr.
Ak. d. Wiss. 1905. 1, 238—248. [Auch bes.: Berlin (G.Reimer) 1905.
11 S. 0,50 M.]
Bereits früher hat Fr. im Verein mit Pischel (s. Sitzber. d. K. Pr
Ak. d. Wiss. 1903, S. 184fr. u. S. 735fir.) die Behauptung Sylvain Levis
(s. Le pays de Kharostra et l'^criture Kharostr! in Bulletin de T^c. fran^. de
Textr. or. IV, 543 K.^ \oiv d^i Eidatenz eines Landes Kharostra entschiedeo
II. Arisch. B. Indisch. 119
zuläßt, betitelt sich KävyälaAkära, besteht aus 400 (meist Anushtubh-)
Versen und ist in 6 Kapitel eingeteilt: 1. i&Tvm, 2. u. 3. alaAkäras, 4. dösha,
5. nyäya, 6. i&abda-duddhi. Der Stil seines Lehrbuches ist ein vorzüglicher
u. entspricht ganz den strengen Anforderungen, die er selbst hinsichtlich
der Komposition aufstellt.
31. Bamett L. D. The date of Bhämaha and Dandi. JRAS. 1905, 841 f.
Mit Bezug auf Narasimhiengars Aufsatz "Bhämaha the rhetorician"
(JRAS. 1905, 533 ff.) bringt B. einige weitere Notizen zur Festlegung der
Lebenszeit dieses u. seines Vorgängers Dandin. Er geht hierbei aus von
der singhales. Rhetorik **Svabhäsälamkära**, die sich auf das Kävyädari§a
des Dandin stützt, der darin -namentlich aufgeführt wird. Glaubwürdiger
Überlieferung nach ist nun dasSvabhasälamkära im 8., spätestens im 9. Jahrb.
entstanden. Da femer Dandin den Kähdäsa erwähnt, der gewöhnlich in
den Anfang des 5. Jahrhs. gesetzt wird, so gewinnt die Annahme, Dandin
habe im 6. Jahrb. gelebt, nicht unbedeutend an Wahrscheinlichkeit. Aber
auch die weitere Schlußfolgerung Narasimhiengars, daß Bhämaha im der
1. Hälfte des 8. Jahrhs. gelebt habe, wird durch das Svabhäsälamkära ge-
rechtfertigt Die Colombo-Ausgabe dieses Werkes bringt den Dandin mit
Vämana zusammen. Zwei vorzüghche Mss. des Britischen Museums lesen
aber statt vämana bämaha. Was ist nun das richtigere ? Vämanas Rhetorik
ist für Jahrhunderte in ganz Indien maßgebend gewesen, während Bhämaha
ziemlich unbekannt geblieben ist. Deshalb ist doch wohl wahrscheinlicher,
daß irgend ein Schreiber Bhämahas Namen mit dem des berühmten Vä-
mana vertauscht hat, als daß es sich umgekehrt verhalte. Narasimhiengars
Hypothese ist demnach wohl unbedenklich beizustimmen.
32. Takaküsa J. A study of Paramartha's life of Vasu-Bandhu; and the
date of Vasu-Bandhu. JRAS. 1905, 33—53.
Paramärtha (A. D. 499 — 569), auch Kula-nätha genannt, war ein
berühmter Brahmane aus der Familie der Bhäradväjas u. wurde, als der
chines. Kaiser Wu-ti den Wunsch nach einem gelehrten Buddhisten als
Obersetzer u. Erklärer der Mahä-yäna-Texte am Hofe zu Magadha zu er-
kennen geben ließ, ausersehen, diesen ehrenvollen Posten zu übernehmen.
Von seinen zahlreichen Schriften hat nun aber den höchsten Wert für
uns das '"Leben des Vasu-Bandhu", weil es ganz unerwartet Licht über
eine dunkle Periode in der Geschichte des Buddhismus, der Sämkhya-
Schule u. der indischen Literatur überhaupt verbreitet *). V.-B., in Purusa-
pura (Peshawar) geboren, war der zweite u. berühmteste unter 3 gleich-
namigen Brüdern. Zunächst Hina-yänist, wurde er von seinem älteren
Bruder zur Mähä-yäna-Richtung bekehrt, als deren größter und bedeu-
tendster Vertreter er im Alter von 80 Jahren zu Ayodhyä gestorben ist.
Gewöhnlich wurde V.-B. bisher in das 6. Jahrb. A. D. gesetzt (so von Max
Müller, M. Sylvain L6vi), doch glaubt T. auf Grund seiner Forschungen
diese Angabe korrigieren u. rektifizieren zu können. Die Werke des V.-B.
sind bis jetzt nicht im Original, sondern nur in chinesischer Obersetzung
veröffentlicht, weshalb sich seine literarische Tätigkeit auch nur mit Hilfe
chines. Autoritäten sowie aus verstreuten geschichtl. Angaben in Para-
märthas Lebensbeschreibung des V.-B. selbst zeitlich feststellen läßt. Da
nun Paramärtha sich von 546 bis 569 in China aufgehalten hat und die
1) Eine engl. Obersetzung davon befindet sich im Toung-Pao vom
Juli 1904, von Takakusu verfertigt.
120 n. ArisclL B. IncUsch.
meisten Cbersetznngen der Werke des V.-B. in der 1. Hälfte des 6. Jahrhs.
A. D. erfolgt sind, da es fernerhin zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich
irt, daß die Schriften des V.-B. unmittelbar nach ihrer Abfassung nach
China gebracht worden sind, so kommt T. im Verein mit den aus der
L^>ensbeschreibung des V.-B. selbst geschöpften Kombinationen zu dem
Ergebnis, daß V.-B. nicht nach 500, sondern vor 500, ungefähr 420^500
gelebt haben wird.
33. Bhaahja Gharja N. The age of Pataigaü. New and revised edition.
(Adyar Library Sories. L) Madras- Adyar, Theosophist Office 1905. 25 S.
Abdruck aus dem *Theosophist** vom September 1889.
34. Jaeob G. A. Vindhyavasin. JRAS. 1905, 355 f.
Zu der von Takakusu vorgeschlagenen Identifizierung der bisher
etwas schattenhaften Persönlichkeit des Vindhyavasin mit lävarakrisna,
dem Autor der Sänkhyakarikä, bringt J. noch eine andere Stelle aus dem
Slokavärtika mit N^mung des Vindhyavasin. In dem gleichfalls zur Zeit
noch sehr wenig bekannten Värsaganya, den Takakusu mit Vrsagana, dem
Ldirer des Vindhyavasin gleichsetzt, vermutet J. umgekehrter Weise den
Vindhyavasin selbst, der als **Nachfolger u. Schüler"* des Vrsagana eben
den Namen Värsaganya erhalten hat
Grammatik.
35. Waekemagel J. Altindische Grammatik. II, 1. Einleitung zur Wortlehre.
Nominalkomposition. Göttingen, Vandenhoeck A Ruprecht 1905. XII,
329 S. 8 M.
Res. TOS Leamaaii, K., in LZ. 1905, 119if.; Henry, V., in Rev. erit VKb,
5, m-lM; ühleabeek. ac. ia Mueam (Leiden) la, 8»-a2L
36. Thumb A. Handbuch des Sanskrit mit Texten und Glossar. I. Teil:
Grammatik. II. Teil: Texte u. Glossar. (Sammlung indogerm. Lehrbücher,
herausg. von H. Hirt I. Reihe : Grammatiken. 1. Bd.) Mit dem Unter-
titel : "^Einführung in das sprachwissenschaftliche Studium des Altindi-
schen*". Heidelberg, Winter 1905. XVUI, 505 u. V, 133 S. 8o. UM., 4M.
Bes. TonLenmann, £., in ZDMG. 50, 43B~441 ; H[illebr«n]dt, in LZ. 1906,
861—^63; Piiohel, R., in DL. 1905, 2251—53; 2986—88; Henry, V., in Rer. crit. ISOb
1, 961-^363; 2. 258; Ciardi-Dnprö, G., in OL Soc aa.it 18, 355-357; Speier, J.S.,
in Mosenm (Leiden) 13» 7 f.
37. laebieh B. Sanskrit-Lesebuch. Zur Einfahrung in die altindische Sprache
u. Literatur. Leipzig, Harrassowitz 1905. X, 651 S. 8«. 10 M.
Inhalt : Einleitung (Verzeichnis der benutzten Texte u. Obersetzungen,
Anweisung zum Gebrauch des Buches, Aussprache u. Sandhi-Regeln). —
Naia. — Pancatantra. I. — Somadeva's Kathisaritsftgara. I. — BhartrharL
— Kälidäsa*s Kumärasambhava. I. — Alles in lateinischer Umschiift q.
mit Obersetzung von Rückert, Kellner, Fritze, Tawney, Böhtlingk u. a. —
Femer ein ausfQhrliches Wörterbuch.
Bea. von HCnltaich], K^ in LZ. 1905, 1626.
38. Vidyabhuaana S. Ch. Indian Alphabets during the Buddhist period.
Maha-Bodhi 12, 26--d3.
Behandelt: 1. Inscriptions (±300 B.C.). 2. Origin of the Indian
aiphabet (± 900 B. C. ?). 3. Antiquity of the Indian aiphabet. 4. Evolution
of the Indian aiphabet 5. The rapid progress of the Nagari aiphabet
6. Bengali and Tibetan alpbabets.
39. Wecker 0. Der Gebrauch der Kasus in der älteren Upanisad-Literatur
n. Arisch. B. Indisch. 121
verglichen mit der Kasuslehre der indischen Grammatiker. BB. 30, 1—61
u. 177—207.
40. Aufrecht Th. Wurzel dhvar. KZ. 38 (N. F. 18), 499 f.
Sie soll nicht 'beugen, zu Fall bringen' (wie Roth will), sondern
Verletzen, beschädigen' bedeuten u. dem griech. q>e€ip€iv genau entsprechen
{adhcarä, ursprüngl. Adjektiv, unverletzlich = &q>eopoc). Aufzählung der
Stellen, an denen dhvar u. dessen Ableitungen vorkommen.
41. CoUits H. Die Herkunft der «-Deklination. BB. 29, 81—114.
Bisher hat man die zur ersten Deklination der griech. u. latein.
Sprache, zur sogen. a-Deklination gehörigen Stämme fQr alte 5-Stämme
gehalten. Gewisse Parallelen der abgeleiteten a- u. »-Deklination im
Sanskrit führten C. zu dem Versuche, die Unregelmäßigkeiten der a-Dekl.
zur Erklärung der Unregelmäßigkeiten in der »-Dekl. zu benutzen. Es
stellte sich dabei eine größere Zusammengehörigkeit beider Deklinationen
heraus, als bis jetzt angenommen worden ist, so daß sich G. schließlich
zu der Annahme gedrängt sah, daß die a-Dekl. von Haus aus eine äi-
Dekl. gewesen sei. — Von den einzelnen Abschnitten der Abhandlung
kommen fQr die vorliegende Bibliographie in Betracht: 1. Die f- Dekli-
nation im Rigveda. Rein äußerlich tritt der Stamm in 3facher Ge-
stalt auf: als devi, devi u. devyä-. Das ä in Formen wie devyäs^ devydi,
depyäm ist dabei sicherUch zu unterscheiden von dem Instr. Sing, devpdy
wo das ä nur die Kasusendung u. das übrigbleibende devy' den Stamm
dem oder besser devi darstellt. IV. Der Parallelismus der a- und
der »-Deklination im Altindischen. Daß wirklich ursprünglich in
der Flexion devt der »-Stamm in dem Umfange geherrscht hat, wie er
im Altind. sich vorfindet, wird durch die Vergleichung der ved. ä-
Flexion bestätigt, ä- u. »-Dekl. stehen hier nämlich in einem sehr engen
Zusammenhange u. bauen sich jede aus 8 verschiedenen Stämmen auf,
die sich aber in ihrer Bildung gleichen u. auch in ihrer Verteilung über
die einzelnen Kasus entsprechen. Diese Stämme sind bei der S-Dekl. :
1. 5, 2. e (oder aif), 3. äy- ö-, bei der f-Dekl. : 1. », 2. » (oder y), 3. y- 5-
(oder »-d). VI. Zur Vorgeschichte der f-Deklination. Der Stamm
devi ist eine gekürzte Form des Stammes devt, u. zwar wurde das » von
devi gekürzt im unmittelbaren Auslaute oder vor folgendem kurzem
Vokale, wenn es den Akzent verlor. Beim 3. Stamme devyd- handelt es
sich um eine Stammeserweiterung von devi durch das angehängte Suffix
ä (sei es ursprüngl. betont oder nicht betont). VII. Ergebnisse für
die a-Deklination. Nach der Erklärung des Stammes devyä aus devi
+ 5 hat man in der d-Dekl. den Stamm jihväyä- in jihväy + 5 zu zerlegen
u. für den Stamm jihvä eine ältere Form ^Jihvay- oder *jihväi anzu-
nehmen, welche Schlußfolgerung durch den Stamm jihvay bestätigt wird.
Vm. Abgeleitete Stämme auf -eya- im Altindischen. Ober die
Frage nach der Erhaltung der ^»-Stämme in der Wortbildung. Im all-
gemeinen werden die Wortstämme bei der Bildung abgeleiteter Wörter
freier behandelt als in der Deklination. So können z. B. die «»-Stämme in
der Wortbildung ihre Endung gänzlich aufgeben. Zuweilen ist es auch
zweifelhaft, ob das y ein Rest des Stammes oder ein Teil der Ableitung
ist Sicherlich als Ableitung aufzufassen sind die sekundären Adjektive
(bezw. Substantive) auf -eya, die entweder Patronymica, resp. Metronymica
oder Adjektiva allgemeinerer Bedeutung bilden. Die im Rigveda belegten
Bildungen dieser Art gehören zu »'- oder a- Stämmen.
120 II. Arisch. B. Indisch.
meisten Ohersetzungen der Werke des V.-B. in der 1. H&Ifte des 6. Jahibs.
A. D. erfolgt sind, da es fernerhin zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich
ist, daß die Schriften des V.-B. anmittelbar nach ihrer Abfassong nach
China gebracht worden sind, so kommt T. im Verein mit den ans der
Lebensbeschreibung des V.-B. selbst geschöpften Kombinationen zu dem
Ergebnis, daß V.-B. nicht nach 500, sondern vor 500, ungefähr 420—500
gelebt haben wird.
33. Bhashya Charya N. The age of Patanjaü. New and revised editioo.
(Adyar Library Series. I.) Madras-Adyar, Theosophist Office 1905. 25 S.
Abdruck aus dem 'Theosophisf* vom September 1889.
84. Jacob 6. A. Vindhyaväsin. JRAS. 1905, 355 f.
Zu der von Takakusu vorgeschlagenen Identifizierung der bisher
etwas schattenhaften Persönlichkeit des Vindhyaväsin mit lävaraknsns,
dem Autor der Sänkhyakärikä, bringt J. noch eine andere Stelle aus dem
S'lokavärtika mit Nennung des Vindhyaväsin. In dem gleichfalls zur Zeit
noch sehr wenig bekannten Värsaganya, den Takakusu mit Vrsagana, dem
Lehrer des Vindhyaväsin gleichsetzt, vermutet J. umgekehrter Weise den
Vindhyaväsin selbst, der als "Nachfolger u. Schüler** des Vrsagana eben
den Namen Värsaganya erhalten hat
Grammatik.
35. WackemagelJ. Altindische Grammatik. II, 1. Einleitung zur Wortlehre.
Nominalkomposition. Göttingen, Vandenhoeck A Ruprecht 1905. Xu,
329 S. 8M.
Res. von Lenmsnn, E.« in LZ. 1905, 1191 f.; Henry, Y., in Rev. erit. 1906,
2, 121-124; ühlenbeck, C. C, in Mnseam (Leiden) 13, 89—92.
36. Thumb A. Handbuch des Sanskrit mit Texten und Glossar. 1. Teil:
Grammatik. II. Teil: Texte u. Glossar. (Sammlung indogerm. Lehrbücher,
herausg. von H. Hirt. I. Reihe : Grammatiken. 1. Bd.) Mit dem Unter-
titel : ''Einführung in das sprachwissenschaftliche Studium des Altindi-
schen". Heidelberg, Winter 1905. XVIII, 505 u. V, 133 S. 8«. 14 M., 4M.
Rez. YonLeumson, E., in ZDMG. 59, 438-441; H[illebr«n]dt, in LZ. 1906,
861-«3: Pischel, R., in DL. 1905, 2251--53; 2966-88; Henry, V., in Rer. crit. VKb
1, 361-363; 2. 258; Cisrdi-Dnpre, O., in GL Soc. at-it 18. 355-357; Speier, J.S,
in Musenm (Leiden) 13, 7 f.
37. Liebich B. Sanskrit-Lesebuch. Zur Einführung in die altindische Sprache
u. Literatur. Leipzig, Harrassowitz 1905. X, 651 S. 8o. 10 M.
Inhalt : Einleitung (Verzeichnis der benutzten Texte u. Obersetzungen,
Anweisung zum Gebrauch des Buches, Aussprache u. Sandhi-Regeln). —
Nala. — Pancatantra. I. — Somadeva's Kathisaritsftgara. I. — Bhartrhari.
— Kälidäsa*s Kumärasambhava. I. — Alles in lateinischer Umschiift Q.
mit Übersetzung von Rückert, Kellner, Fritze, Tawney, Böhtlingk u. a. —
Ferner ein ausführliches Wörterbuch.
Rez. Yon H[nltsich], K^ in LZ. 1905, 1626.
38. Vidyabhusana S. Gh. Indian Alphabets during the Buddhist period.
Maha-Bodhi 12, 26—33.
Behandelt: 1. Inscriptions (±300 B. G.). 2. Origin of the hidian
aiphabet (± 900 B. G. ?). 3. Antiquity of the Indian aiphabet. 4. Evolution
of the Indian aiphabet. 5. The rapid progress of the Nagari aiphabet.
6. Bengali and Tibetan aipbabets.
39. Wecker 0. Der Gebrauch der Kasus in der älteren Upanisad-Iiteratar
Arisch. B. Indisch. 123
dieser Umstand darauf hin, daß die Regehi eines Pä^ini u. Patanjali be-
reits laaer gehandhabt wurden, daß folglich zwischen den Werken dieser
Grammatiker n. jenen Dichtungen doch wohl ein größerer Zeitraum ver-
strichen sein muß.
45. MeiUet A. Les nominatifs sanskrits en •/. IF. 18, 417—421.
I. Die im Sanskrit auf einen ursprfingl. Palatal {g = zd. s, J oder
h =3 zd. z) ausgehenden Stämme haben im Nom. teils -k (dik, bhi^äk,
U9^), teils -/ (r//, rdf, -vdf). Den A:-Typ hat man bis jetzt durch phonet.
Einflüsse u. den /-Typ durch Analogiebildung erklärt. Aber diese Folgerung
ist durchaus nicht zwingend. M. kommt vielmehr zu der Oberzeugung,
daß in beiden Fällen das Prinzip der Verteilung von k xx. f ein rein
phonetisches ist, u. untersucht nunmehr auf Grund dieser Annahme die
besonderen Bedingungen der beiden Erscheinungen. Die Normalform ist
-/, -k tritt ein: 1. nach r, 2. wenn das Wort einen Dental, 3. wenn es
einen Cerebral enthält.
II. Formen wie fdf 'sechs' u. -^df 'mit Gewalt nehmen* zeigen,
daß der ursprüngl. Zischauslaut das vorhergehende « in ^ verwandelt
hat. Diese ehemab ganz allgemeine Erscheinung ist aber später durch
Analogiebildung aufgehoben worden (z. B. Bdh^i nach adhate, sehändfi
usw.). Bemerkenswert ist, daß 9 sich nur erhalten hat in Fällen, wo
das assimilierende ^ später abgefallen ist. Wie steht es nun in den Fällen,
wo das assimilierte ^ nicht durch den Einfluß der Analogiebildung ver-
schwunden u. das assimilierende ^ nicht abgefallen ist, wie in ^^u^ka-,
hervorgegangen aus ^au^ka-. In diesem Falle hat das Sanskrit das vor-
ausgehende ^ in f dissimiliert.
9dt und gufka repräsentieren daher zwei gesonderte Typen, die
alle beide streng phonetisch sind.
46. Thommen E. Die Wortstellung im nachvedischen Altindischen u. im
Mittelindischen. KZ. 38 (N.F. 18), 504— öß3.
Untersuchung über die Wortfolge an nachved.-altind. u. mittelind.
Texten als Fortsetzung der Delbrückschen Forschungen über die Wort-
stellung in der ved. Prosa. Berücksichtigt sind: 1. Mahäbhärata (ältere
volkstüml. Prosa), 2. Daiakumäracarita (Kunstsprache der klass. Zeit), 3.
Vetälapaiicavimdatikä (Sanskrit der späteren Zeit), 4. die Inschriften
Ai&okas, 5. Jätaka (älteste mittelind. Prosa). Trotz dieser Beschränkung
zahlreiche Divergenzen in Sprache u. Stil, am meisten im Dai§. In diesem
ist der Grebrauch des Adjektivs u. der Komposition am weitgehendsten
(Sprachkünstelei). Die von Delbrück für die ved. Sprache gewonnenen Ge-
setze gelten auch für die hier herangezogenen Werke, z. B. : das Prädikats-
nomen eröflhet meistens den Satz ; bei normaler Verbalstellung steht der
Infinitiv in positiven Aussagesätzen unmittelbar vor dem Verbum, in ne-
gativen u. fragenden gewöhnlich hinter dem Verbum; das Partizipium
steht häufiger vor als nach dem Verbum ; die unechten Präpositionen gehen
dem Kasus vorher. Die größten Abweichungen der untersuchten Texte
liegen auf dem Gebiete der Verwendung der okkasionellen Stellungsmög-
lichkeiten (besonders im Daä.) und des Beibehaltens von Altertüralichkeiten
(namentlich im Mbh.). Der Stoff wird eingeteilt in : A. Grammatische Ka-
tegorien (Subjekt, Vokativ, Verbum u. Prädikatsnomen, Bestimmungen zum
Prädikat, attributives Adjektiv, attributiver Genitiv, Apposition, Prä- u-
Postpositionen); B. Kategorien auf Grund besonderer Stellung (Enklit.
122 II. Arisch. B. Indisch.
42. Kirste J. Srnkikfia, JRAS. 1905, 358f.
Etymologie dieses Wortes. K. findet seine bereits vor 20 Jahren
ausgesprochene Hypothese von Thomas (JRAS. 1904, 748) bestätigt Die
Wurzel kr ist identisch mit deutsch. 'gar% isländ. ger-, angds. gtaro a.
bedeutet 'kochen*, saihskr demnach 'gut, genOgend kochen' (franz. cmie
k point). Vielfach sind nun im Sanskrit Nomina abgeleitet von der Worzd
kr 'kochen', die ein s im Anlaut hat, also 'skf* lautet Diese Wurzel kr,
^ 'kochen' ist aber wohl zu unterstreichen von der Wurzel 'kf, die
gleichfalls mit initialem « vorkommt C<^*)* Bei verschiedenen Derivaten
(wie avtukara, aveukära^ upaskära) giebt dieses nun zu abweichender
Auffassung Anlaß, indem das eine bald von dieser, das andere bald von
jener Wurzel hergeleitet wird u. vice versa. Ob solche Fälle (wie eben
avaskftra) nur mit einer oder nicht vielmehr mit 2 Wurzeln {kr u. kr,
resp. 8kr u. skr) in Verbindung zu bringen sind, läßt K. dabei unent-
schieden.
43. Luders H. Sanskrit äläna. KZ. 38 (NF. 18), 431—433.
äläna ist ein erst von Kälidäsa an häufiger auftretendes Wort n.
bedeutet zunächst den Pfosten, an den der Elefant gebunden wird,
dann aber auch die Kette, womit dieses geschieht, u. schließlich Strick
überhaupt. Es kommt somit der Bedeutung von nidäna u. MoMäna
ziemlich gleich, bei denen auch ähnliche Bedeutungsübertragungen sich
finden. Daraus schließt L., daß äläna aus ädäna entstanden ist, welche
letztere Form im Atharvaveda VI, lOi, 1—3 u. XI, 9, 3 erhalten ist Es
ist ein weiterer Beleg des Oberganges von dinl ohne die beeinflussende
Nachbarschaft eines r oder /. Daß sich kein Analogon nüäna findet,
hat seinen Grund darin, daß nidäna schon früh aus der eigentl. Volks-
sprache geschwunden ist. L. sieht demnach in äläna ein Wort der nie-
deren Volkssprache, spez. dem Jargon der Elefantenwärter u. -Treiber
entnommen.
44. Mazumdar B. G. A study of some onomatopoetic Deal words. JRAS.
1905, 555—657.
Dei§i-Worte sind Onomatopoetica, Interjektionen, Provinzialismen u.
andere Laute der Volkssprache, die, ursprünglich nur dieser eigen, im
Laufe der Zeit auch in die Literatursprache übergingen. Bis zum 2. Jahrh.
a. Chr. ist die Sanskritliteratur ganz frei davon u. enthält nur Vedische
u. Laukika Wurzeln, auch im strengsten Sinne der von PäQini festge-
setzten Grammatik. Mit dem Anwachsen der literarischen Erzeugnisse a.
der mannigfacheren Ausgestaltung des Inhaltes machte sich naturgemäß
ein Mangel an passenden Worten fühlbar, dem durch einfache Herüber-
nahme jener Deäl-Worte sowie durch selbständige Neu-, resp. Analogie-
bildungen abgeholfen wurde. Derartige Worte sind im Sanskrit z. B.:
Kolähala, Küikilä, Halahalä, Gadgada, Humbhä, ChTchtku, Khaf-khat,
J^han-fhan^ Ihan-IhaUj Rafßaratßaka, Ihankära, Mara-mara^ Baf-paf, Okar-
ghara usw., die sogar Weiterbildungen unterworfen waren, wie: Khaf"
khafäyate, Phurphuräyiti u. Maramaräj^i^ma. Zuerst nur vereinzelt auf-
tretend, bürgern sich diese Worte in der Schriftsprache immer mehr
ein, bis sie bei Schriftstellern wie Bä^abhatta, Bhavabhüti u. S'üdraka
die freieste u. ausgedehnteste Verwendung finden. Aus der Häufigkeit
ihres Auftretens lassen sich deshalb Schlüsse auf die Entstehungszeit mit
ziemlichem Verlaß ziehen. Wenn daher im Mahäbhärata u. noch mehr
im Rämäyai^a De^\-V(oi\.« tv^icJLvilv teichlich vertreten sind, so deutet
II. Arisch. B. Indisch. 125
Vols. Vn— yni). Cambridge, Mass., Harvard UniTorsity 1905. CLXII,
1046 S. ; 2 T. [Portrait of Whitney a. facsimiles of Kashmirian text]. 5 1.
Paragraphs in lieu of a preface by Whitney. Editor*s preface. Bio-
graphical and related matter (Whitney*s life and writings). General in-
troduction, P. I: by the editor; P. H: partly from Whitney*s material. —
Translation : p. 1—1009. Indexes and other auxiliary matter : p. 1011 — iß.
Bez. in Nation (New York) 82, 227t
63. ^nnaka. The Brhad-devatä, attribated to Saunaka, a summary
of the deities and myths of the Rig-Veda : critically edited in the original
Sanskrit with an introdaction and 7 appendices, and transl. into Eng-
lish with critical and illustrative notes, by A. A. Macdon eil. P. I. In-
trodaction a. text a. appendices. P. II. Translation a. notes. 2 vol.
(Harvard Oriental Series. Vol. V and VI.) Cambridge, Massachusetts. Publ.
by Harvard University 1904. XXXV, 198 u. XIV, 334 S. i9. Je 1^1
(6,25 M.).
Rez. von Scheftelowitz, J., in ZDMG. 50, 420-427; Winternitz, IL, in
WZKIL lA,422ff.; Ph. a in Le Mns^n 6, a9a
54. äatapathabrähmanam. The Qatapatha Brähma^a of the White
Yajurveda, with the commentary of Säya^a Äc&rya. Ed. by Pandit
Satyavrata Sämaprami. (Bibl. Ind. New Ser. No. 1108. 1121.) VolVlI.
Fase. 6. Vol. m. Fase. 7. Calcutla, As. Soc. 1905. 8o. Je 6 a.
55. [Bädaräyana.] Brahmasutra, with a gloss called Dwaitadwaitasid-
dhantasetuka by Sree Sundara Bhatta and a commentary called
Siddhantajähnavi by Sree Devacharya ed. by Sähityächärya Pandit
Dämodar Lal Goswämi. Fase. I. (Chowkhambä Skr. Ser. No. 94)
Benares, Chowkhambä Skr. Book Depot 1905. 100 S. 1 R.
56. Brahmasütra-Shänkarbhäshy am with the comment Ratnaprabhä,
Bhämati a. Nyäyanirnaya of Shrigovindänanda, Vächaspati a. Anandagiri.
Ed. byRS.Dhupakar a.M.S.Bäkre. Bombay 1904. 944 S. gr.8o. 18 M.
57. [Bädaräyana.] Pumaprajna Darsana. The Vedanta Sutras with the
commentary by Sri Madhwacharya. *A complete translation by S.
Subba Hau. Madras, Minerva Press (Leipzig, Harrassowitz) 1904. LDC u.
294 S. 4 R. 8 a. (8 M.)
58. Baudhäyana S'rauta Sütra belonging to the Taittiriya Samhitä.
Edited by W. Caland. Fase. 3. [Bibl. Ind. New Ser. No. 1113.] CalcutU,
As. Soc. 1905. S. 193—298. 8o. 6 A.
59. Baudhäyana Smärta Kalpa Sütra. Ed. by M. N. Muttn Dikshi-
tar. Madras, Jnänasägara Press 1905. 412 S. 2 Rs.
60. The S'rauta-Sütra of Drähyäyana, with the Commentary of
Dhanvin. Ed. by J. N. Reuter. Part'l. (Reprinted from the 'Acta
Societatis Scientiarum Fennicae', T. XXV, P. II.). London, Luzac a. Co.
1904. 216 S. 40. 10 sh. 6 d. (Subskr.-Pr. 8 sh. 6 d.).
Rez. von Klemm, K., in ZDMG. SO, 831 f.; Winterniti, U., in WZKM.
19, 321 f.
61. Pataiyali. Yogasutra. With Vayu's bhashya a. the comment. of
Vachaspatimishra. Poona 1904. 208, 65 S. gr. 8o. 5,50 M.
62. The Upanishads. Text a. translation by S. Sitarama Sastri. Vol.
L Isa, Kena, and Mundaka. 2n<l ed. Madras, V. C. Seshachari 1905.
180 S. 1 Rs. 8 a.
126 n. Arisch. B. Indisch.
63. Neuf Upanishads, traduites en anglais, avec un avant-propos et
des argumenta analytiques par G. R. S. Mead et Jagadisha Chandra
Chattopadhyaya (Roy Ghoadhuri). Traduction fran^aise d*K Mar-
caul t. (La Th^osophie des V^das). Paris, Lihr. de Tart ind^pendant
1905. XVU, 192 S. 2 Fr.
6^. Chandogya-Upanishad. With the bhashya of Sri Madhwa
Charya and the gloss of Sri Vedesha Thirtha. Kumbakona 1904.
624 S. 80. 11,60 M.
65. Kathöpanishad. Sanskrit text with English notes and translation
by B. Sris Chandra Vasu. (Yedanta Series. Nr. 84). Allahabad, Panini
Office 1906. 231 S. 1 R. 8 a.
66. BeUoni-Filippi F. La Kftthaka-Upanisad tradotta in italiano e
preceduta da una notizia sul panteismo Indiano. Pisa 1904.
67. [VyäxasaTati.] ÄtharvaQavyäsatirthiyatikä. Kombakonam, T. R.
Krfnäcärya 1903. 9 Bl. Quer 4©.
Kommentar zu Änandagiris Bhä^ya der Atharva-Upanishad.
68. The M&rkandeja Pnr&na. Transl. by F. E. Pargiter. Fase 9.
(Bibl. Ind. New'Ser. No. 1104.) Calcutta, As. Soc. 1905. B». 12 a.
69. Sörenaen S. An Index to the names in the Mahabharata with short
explanations and a concordance to the Bombay and Calcutta editions
and P. C. Roy*s translation. Part I. II. London, Williams and Norgate
1904/06. XLI u. 96 S. 40. 7 sh. 6d. pro Part
Res. Ton Fleet, L F^ in Ind. Antiq. 34, 91 f.
70. Die Bhagavadgitä, aus dem Sanskrit übersetzt, mit einer Einleitung
über ihre ursprüngliche Gestalt, ihre Lehren and ihr Alter, von R. Garbe.
Leipzig, H. Haessel 1906. 169 S. 8«. 4 M.
Res. Ton Hopkins, B.W., in JRAS 190^ 394-^89; Sehroeder, L. ▼., in WZIÜL
19, 411 ff.
71. Die Bhagavad-Gita, das Buch der Ergebenheit. Ein Lehrgespräch
zwischen Krishna, dem Gotte der Ergebung, und Arjuna, dem indischen
Fürstensohn. Nach der 6. amerikan. Auflage der von W. Q. Judge ver-
öffentl. Ausg. in die deutsche Sprache übertragen von C J. Glückselig.
Nürnberg, J. Th. HeUer 1906. IX u. 108 S. (ill.) 2,26 Bl
72. Jadge W. Q. Studien üb. die Bhagavad-GiU. Aus dem Engl, übertr.
V. Glückselig. Nürnberg, J. Zeiser 1906. lY u. 106 S. 8o. 2 M.
73. Kaviratna A. C. Charaka-Samhita. Translated into English. Parts 33
bis 37. S. 1016—1174. Calcutta^ Kaviratna Press 190i/06.
74. Jayadeva. Le Glta-Govinda, pastorale de Jayadeva. Trad. par G.
Courti liier. Avec une pr^face de S. L6vi. (BibL Orient elz^virienne
LXXVffl.) Paris, Leroux 1904. X u. 89 S. 2,60 Fr.
Bez. Ton Benet, C, in Rev. de Thiit des reL 49, 430f.; Finot, L^ in BnlL
de l'äc ftr. d»Bxtr.-0r.4,756ff.
76. Hertel J. Das Südliche Pancatantra. Obersicht über den Inhalt der
älteren *Tancatantra'*-Rezensionen bis auf Pümabhadra. [Aus: **Ztschr.
d. deut. morgenländ. Gesellsch."] Leipzig, F. A. Brockhaus' Sort 1904.
68 S. 8o. 2,10 M.
76. — Das Südliche Pancatantra. Sanskrittext der Rezension ß mit
den Lesarten der besten Hss. der Rezension a. Hrsg. v. J. Hertel. Des
XXIV. Bandes der Abhndlgn. d. phüol.-hist. Kl. d. K. S. Ges. d. Wiss. No. V.
Leipzig, Teubner 1906. XCVH u. 140 S. Lex. 8o. 10 M.
IL Arisch. B. Indisch. 127
1. Einleitang: L Älter des Pancatanlra (Der Verfasser des Pan-
catantra, das ursprünglich wohl Tanträkhyäyika geheißen haben wird,
dürfte nicht allzu lange nach der Regierungszeit des Candragupta u. ASoka,
also annähernd 200 v. Chr. gelebt haben). — II. Der südliche Sanskrit-Text
des Pancatantra. — III. Verhältnis der Rezensionen des SP zu einander
und zu den anderen Rezensionen des Pancatantra. — IV. Zweck u. Ein-
richtung der vorliegenden Ausgabe. Metrische und sprachliche Eigen-
heiten von ß. — Nachträge. — 2) Text. — 3) Lesarten. Anmerkungen.
Strophen Verzeichnis.
77. — Ober einen südlichen "textus amplior** des Pancatantra. Verhndlgn.
d. 48. Vers, deutsch. Phil. u. Schuhn. Hamburg 1905. S. 169.
Diese südindische, in einer einzigen Handschrift überlieferte Re-
zension des P. ist der umfangreichste von allen Pancatantra-Texten, dem,
wie sich aus der Sprache ergibt, südindische, in Volkssprachen abgefaßte
P.-Fassungen zugrunde liegen. **Soweit sich jetzt beurteilen läßt, ist im
Süden kein vollständiges P. vorhanden gewesen; ebenso fehlt es in Bengalen.
Die Jaina-Rezensionen haben aus Säradä-Fassungen (Tanträkhyäyika)
geschöpft Aus inneren Gründen ergibt sich, daß die Urheimat des Pan-
catantra Kaämir ist.**
78. — Die Bühler-Mss. des Pancatantra. WZKM. 19, 62—76.
Bringt einige Nachrichten über die von Bühler ZDM6. 42, 541 ver-
zeichneten Mss. 85—89. Aus Ms. 85 teilt H. die Erzählung von dem
König, der seinen Leib verliert, im Sanskrittext nebst der griech. Ober-
setzung des Galanos mit. Der Text ist im großen u. ganzen der Pür^a-
bbadras. Verschiedentlich werden Angaben B.*s berichtigt.
79. Amitagati' s Subhäsitasamdoha. Sanskrit und Deutsch herausgegeben
vonR. Schmidt und'j. HerteL ZDMG. 59, 265—340, 523—577.
Amitagati, bereits von Colebrooke (Mise, essays H, 53. 462 f.) be-
sprochen, wird allgemein um das Jahr 1000 angesetzt, wenn auch über
die genaue Datierung eine geringe Meinungsverschiedenheit besteht. Außer
dem Subhäs. hat er noch die Dharmaparikshä verfaßt. Seine Autorschaft
einiger anderer Werke ist ungewiß. Die vorliegende Ausgabe, der Pandit
Bhavadatta S'ästri in der Kävyamälä (Nr. 82) bereits zuvorgekommen
ist, enthält Text, deutsche Obersetzung, einleitende sprachliche Bemer-
kungen, Verzeichnis des Handschriftenmaterials sowie fortlaufenden text-
kritischen Apparat Fortsetzung u. Schluß erscheinen später. Einen Be-
griff von dem Inhalt der Schrift mögen die einzelnen Kapitelüberschriften
geben: 1. Betrachtung der Sinnendinge. — 2. Warnung vor dem Zorne.
— 3. Warnung vor Dünkel u. Betrug. — 4. Warnung vor Habsucht. —
5. Warnung vor der Lust der Sinnesorgane. — 6. Prüfung der [Vor-
züge und] Fehler der Frauen. — 7. Schilderung des Irrtums u. der Wahr-
heit — 8. Schilderung des Wissens. — 9. Schilderung des rechten
Wandels. — 10. Schilderung der Familie. — 11. Schilderung des Alters.
— 12. Schilderung des Sterbens. — 13. Schilderung der allgemeinen Un-
beständigkeit — 14. Schilderung des Schicksales. — 15. Schilderung des
Bauches. — 16. Ermahnung der Lebenden.
80. Leumann E. Zum siebenten Kapitel von Amitagati's Subhäsitasamdoha
(ZDMG. S. 308—323). ZDMG. 59, 578—588.
L., der die Herausgeber von A's. Subhäf itas. Hertel u. Schmidt erst
auf den Text aufmerksam gemacht und ihnen verschiedenes handschrift-
126 II. Arisch. B. Indisch.
63. Neuf Upanishads, tradnites en anglais, avec xm avant-propos et
des arguments analytiques par G. R. S. M ead et Jagadisha Chandra
Ghattopadhyaya (Roy Ghoudhuri). Tradaeüoii fran^aise d*K Ma^
cault. (La Th^osophie des V^das). Paris, Lihr. de Tart ind^pendant
1905. XVU, 192 S. 2 Fr.
6^. Ghandogya-Upanishad. With the bhashya of Sri Madhwa
Gharya and the gloss of Sri Vedesha Thirtha. Knmbakona 1904.
524 S. 80. 11^ M.
65. Kathöpanishad. Sanskrit text with Eng^ish notes and tianslatioii
by B.Sris Chandra Vasn. (Yedanta Series. Nr. M). Ällahabad, Panini
Office 1905. 231 S. 1 R. 8 a.
66. Belloni-lilippi F. La Kftthaka-Upanisad tradotta in italiano e
preceduta da una notizia sul panteismo IndLano. Pisa 1904.
67. [VyäxaaayatL] ÄtharvaQavyäsatirthiyatlkä. Kumbakonam, T. R.
Krsnäcärya 1903. 9 81. Quer 4o.
Kommentar zu Änandagiris Bhä^ya der Atharva-Upanishad.
68. The M&rkandeja Pnr&na. Transl. by F. E. Pargiter. Fase 9.
(Bibl. Ind. New'Ser. No. 1104.) Calcutta, As. Soc 1905. 8o. 12 a.
69. Sörenaen S. An Index to the names in the Mahabharata with short
explanations and a concordance to the Bombay and Calcutta editions
and P. C. Roy's translation. Part I. n. London, Williams and Norgate
1904/05. XLI u. 96 S. 40. 7 sh. 6 d. pro Part
Rec. Ton Fleet, I. F^ in Ind. Antiq.S4,91t
70. Die Bhagavadgitä, ans dem Sanskrit übersetzt, mit einer Einleitimg
über ihre ursprüngliche Gestalt, ihre Lehren and ihr Alter, von R. Garbe.
Leipzig, H. Haessel 1905. 159 S. 8o. 4 M .
Bes. Ton Hopkins, B.W., in JRAS 190^ 394-^89; Sdiroeder, L. v., in WZKIL
19, 411 ff.
71. Die Bhagavad-Gita, das Buch der Ergebenheit. Ein Lehrgesprftch
zwischen Krishna, dem Grotte der Ergebung, und Arjuna, dem indischen
Fürstensohn. Nach der 6. amerikan. Auflage der von W. Q. Judge ver-
öffentl. Ausg. in die deutsche Sprache übertragen von G. J. Glückselig-
Nürnberg, J. Th. HeUer 1905. DC u. 108 S. (iU.) 2,25 M.
72. Jndge W. Q. Studien üb. die Bhagavad-Gita. Aus dem Engl, übertr.
V. Glückselig. Nürnberg, J. Zeiser 1905. IV u. 105 S. 8o. 2 M.
73. Kaviratna A. G. Charaka-Samhita. Translated into English. Parts 33
bis 37. S. 1015—1174. Calcutta^ Kaviratna Press 190i/05.
74. Jayadeva. Le Gita-Govinda, pastorale de Jayadeva. Trad. par 6.
Cour til Her. Avec une pr^face de S. L^vi. (BibL Orient elz^virienne
LXXVffl.) Paris, Leroux 1904. X u. 89 S. 2,50 Fr.
Rez. von Renet, C, in Rev. de Thiit des reL 49, 430f.; Finot, L., in BnlL
de r«sc ftr. d'Extr.-Or. 4, 756ff.
75. HertelJ. Das Südliche Pancatantra. Obersicht über den Inhalt der
älteren "Pancatantra"-Rezensionen bis auf Pämabhadra. [Aus : *^Ztschr.
d. deut. morgenländ. Gesellsch."] Leipzig, F. A. Brockhans' Bort 1904.
68 S. 80. 2,10 M.
76. — Das Südliche Pancatantra. Sanskrittext der Rezension ß mit
den Lesarten der besten Hss. der Rezension o. Hrsg. v. J. Hertel. Des
XXIV. Bandes der Abhndlgn. d. philoL-hist. Kl. d. K. S. Ges. d. Wiss. No. Y.
Leipzig, Teubnet i90o. XCTOxi. 140 S. Lex. 8o. 10 M.
n. Arisch. B. Indisch. 129
nachgewiesen hat, daß K^mendra in seiner Bfhatkathämangarl die kaä-
mirische Rezension des hertUimten Werkes benutzt u. verschiedene seiner
Erzählungen daraus entnommen hat, ist er im vorliegenden in der Lage,
den letzteren Nachweis auch auf weitere Teile der Brhatkathäm. auszu-
dehnen u. vor allen Dingen zugleich Angaben über eine 2., zwar jüngere,
aber ebenfalls wichtige Rezension des T. zu machen, auf Grund zweier
zwar wieder nicht vollständiger, aber auch so höchst wertvoller Mss. (in
einem Sammelbande von gepreßtem Leder) mit Glossen von zweifacher
Hand, die sich über den ganzen Band erstrecken. Auf Grund seiner Be-
trachtungen kommt H. zu dem Schlußergebnis, daß das T. in zwei Re-
zensionen vorUegt, deren ältere sich von der Vorlage der Pahlavi-Über-
setzung nicht allzusehr unterscheidet, während die jüngere eine Ober-
arbeitUQg einer zum Teil sogar sehr altertümlichen Fassung ist u. bereits
um 1000 vorhanden gewesen sein muß, da ihr Ksemendra gefolgt ist.
Der beiden Rezensionen zugrunde liegende Archetypus, der den alten
Pancatantra-Text enthielt, muß bereits ziemlich fehlerhaft gewesen sein,
aber immerhin bietet er in den zwei von ihm abgezweigten Rezensionen
einen noch reineren Text dieser Sammlung als die Bearbeitungen Soma-
devas, Ksemendras, der Pahlavi-Rezensionen u. des südlichen Pancatantra.
87. Vallabhadikshita. Tattvärthadipa with a commentary in Sanskrit by
the author. Ed. by Govardhanadasa. Bombay 1904. 392, 22 S.
gr. 80. 8 M.
88. Müakantatirtha. Yögämritatarangini ed. by P. Krishna Shastri.
Mit Abbildgn. Bombay 1904. 25 S. 8o. 1 Mk.
89. Kressler 0. Stimmen indischer Lobensklugheit. Die unter Cänakya's
Namen gehende Spruchsammlung in mehreren Rezensionen untersucht
und nach einer Rezension übersetzt. Frankfurt 1904. Gr. 8o. 2,50 M.
90. Shamasastry R. Chanakya's land and revenue policy. Ind. Antiq. 34,
6fif. 47ff. llOff.
Das Kautaltya Arthasästra ist ein von ChäQakya verfaßtes
Lehrbuch der Staatswissenschaft. Gh., auch Kautalya oder VishQugupta
genannt, lebte, glaubwürdigen Nachrichten der VishnupuräQa, des Nandi-
sütra und Hemachandras zufolge, als Minister Chandraguptas im 4. Jhdt.
V. Chr. Seine Autorschaft dieses Staatshandbuchs wird bezeugt von Dandi
(DaSakumäracharitä) und von Kämandaka (Nltisära). Außerdem nehmen
das Nandi-Sütra der Jainas, das Panchatantra und das Nltiväkhyämrta
des Somadeva Bezug auf das Kaut. Arthas. Trotz dieser Bedeutung und
Verbreitung des Werkes ist es aufißlllig, daß z. Z. nur ein einziges Ms.
erhalten ist. Eingeteilt ist es in 15 Bücher mit 150 Kapiteln, die in 6000
granthas 180 verschiedene Themata behandeln. Buch 1 erörtert die Er-
ziehung, Ausbildung und persönliche Sicherheit der Könige und ihrer
Minister, Buch 2 die einzelnen Departements der Verwaltung, Buch 3 und 4
die Zivil- und Kriminalgesetzgebung, Buch 5 die Pflichten der Staats-
diener gegen den König und umgekehrt, Buch 6 den Ursprung und die
Weiterentwickelung des Staates, Buch 7 die sechsfache Regierungskunst
der Könige, Buch 8 die Irrtümer, denen Könige ausgesetzt sind. Buch 9
bis 14 die militärischen Angelegenheiten, Buch 15 enthält eine Obersicht
über Plan und Inhalt des Werkes. Auszüge, die in englischer Obersetzung
mitgeteilt werden, illustrieren hinreichend den Charakter und die Anlage
des Kaut. Arthas.
Anzeiger XXII, ErgänEUOgaheft. 4
128 n. Arisch. B. Indisch.
liches Material verschafft hat, beschäftigt sich hier ein^ender mit dem
7. Kapitel, das er im Anschluß an die Strophenfolge sachlich erUlit
Der Inhalt dieses Kapitels, das vom samyaktva (Frömmigkeit, wahrer
Glaube) u. vom mithyätva (Verstocktheit, Irrglaube) handelt, wird vcm
L. folgendermaßen wiedergegeben : **Für die Lebewesen ist das mithyätva
Gift oder Finsternis, das samyaktva ein höchstes Gut. Der drei- oder
siebenfache Schmutz des mi. führt zur Hölle u. befördert den samsart;
das von den Jinas gepredigte sa. bringt Segen. Beim mi. macht sich die
Yierheit 'Zorn usw.' geltend; beim sa., das sich durch die Schonung alles
Lebenden u. durch andere Tugenden auszeichnet, hat man sich vor der
Fünfheit 'Zweifel usw.* zu baten". Wenn natürlich auch Gleichförmi^eit
in der Ausdracksweise u. sich ganz von selbst ergebende Wiederholungen
bei dem Mißverhältnis zwischen Inhalt u. Umfang nicht zu vermeiden
waren und des öfteren ein gewisser Wortschwall an Stelle eines präzis
gefaßten u. vorgetragenen Gredankens sich breit macht, so ist doch dem
Autor eine dichterische u. trotz des vorherrschend lehrhaften Tones un-
schulmeisterliche Behandlung des Stoffes nicht abzusprechen. — Auf
obigen Artikel bezieht sich eine von Hertel u. Schmidt unterzeichnete
'Erklärung' (ZDM6. 59, S. 819f.), worin sie sich namentlich gegen L's.
ebenda erhobenen Vorwurf verteidigen, Umäsvätis Tattvärtha bei der
Obersetzung nicht gebührend berücksichtigt zu haben, gleichzeitig aber
die Fortsetzung ihrer Arbeit über den Su. einstweilen sistieren, bis die
bereits angekündigte deutsche Bearbeitung des Tattvärtha in ZDMG. er-
schienen sein wird. — In einer 'Erwiderung auf die obige Er-
klärung' (S. 820 f.) vertritt L. nochmals seinen Standpunkt und nimmt
Stellung gegen einige Einwände, die Hertel u. Schmidt in ihrer *Erklärung'
gemacht hatten.
81. Bhavabhuti. Maha Vira Charita. Ed. by Sri Lakshmana Süri. Madras
1904. 280 S. 80. 4,50 M.
82. Näradiyasamhitä. A System of astronomy taught by Brahma and
proclaimed by Närada. Sanskrit text ed. by U. Gupta. Benares 1905.
100 S. 80. 1,80 M.
83. Bänabhatta. Rasamanjari. WiththecommentaryVyangyärthakaumod!
of Ananta and prakäsa of Nägesa Bhatta ed. by Räma Sästri Tai-
langa. 3 parts. Benares 1904. 7 M.
84. HillebrandtA. Das sogenannte S'ä]äkhäyanaprätiSäkhya.WZKM. 19, 289.
Das in dem 'Catalogue of Vedic Books belonging to H. H. the
Mahäräja of Alwar' (Petersen, a second report 1884) auf S. 169 zur
S'äi&khäyanaSäkhä Nr. 11 verzeichnete Prätii§äkhya ist, wie bereits Buhler
vermutet (s. Peterson S. 4) u. eine genauere Durchsicht Hillebrandts jetzt
bestätigt hat, weiter nichts als eine vielfach korrigierte Handschrift des
bekannten u. schon von M. Müller herausgegebenen S'aunaka, trotzdem
auf der letzten Seite (72 b) die Bezeichnung ääi&khäyanaääkhäyäm prS-
tiääkhyam mit der Datierung sainvat 1808 sich findet.
85. Bhattoji Dikshita. Siddhänta Kaumudi of . Vol. I. Transl. by
Srisa ChandraVasu. Bahadurganj (AUahabad), Panini Office 1904.
384 S. Vollst. 20 Rs.
86. Hertel J. Eine zweite Rezension des Tanträkhyäyika. ZDMG. 59, 1—30.
Nachdem H. bereits in den Abb. d. Kgl. S. Ges. d. Wiss. XXII, Nr.
5 über das T. höchst wertvolle Aufschlüsse gebracht u. unter anderen
IL Arisch. B. Indisch. 181
dnd diese Daten aber durchaus nicht so authentischer Natur, wie sie
vielleicht erscheinen mögen, sondern oft nur Vermutungen und Wahr-
scheinlichkeiten, dem sehr natürlichen und leicht verständlichen Verlangen
entsprungen, ein jedes der Lieder einem der von altersher bekannten
Autorennamen unterzuschieben. Vielfach dürften auch Worte im Texte
des Liedes die Veranlassung dazu gewesen sein. R. gibt nun ein Ver-
zeichnis der mutmaßlichen RiSis der Rigveda-Hymnen und daneben die
entsprechenden Textworte des betreffenden Liedes, die eventuell bei der
Feststellung der Autorschaft mit von Einfluß gewesen sein könnten.
95. Henrj V. Physique v6dique. JA. 10 e 86r., 6, 386—409.
Ausgehend von dem Sanskritwort tapas, welches alles mögliche
bezeichnet (chaleur, souffrance, mac^ration, asc^tisme), welches die
Menschen mit übernatürlichen, magischen Kräften versieht und die Götter
in den Stand gesetzt hat, die ganze sichtbare Welt zu schaffen, versucht
H. alles in der heiligen Literatur Indiens über diesen Gegenstand enthaltene
zu sammeln, überhaupt das dem Weltall zugrunde liegende physische
System in diesem Aufsatze zu erläutern in den folgenden 5 Kapiteln:
1. L'haleine (prO^), c^est la vie. — 2. La chaleur {tapas\ c*est la vie.
— 3. Le concept sous climat temp^r^. — 4. Le concept sous climat
torride. — 5. Chaleur et extase. — In einem 6. Kapitel (R^sumons-nous)
rekapituliert dann U. kurz das vorangegangene, indem er zunächst die
arische Anschauung (über den präpa, Hauch im menschlichen Körper, den
Sitz des iapoM (der Wärme) als der Quelle des Lebens und als des Mittels
der Schöpfung) zusammenlaßt, dann den intellektuellen brahmanischen
Standpunkt kennzeichnet, der, durch den im Laufe der Zeit aus der Er-
fahrung resultierenden Ideenkonflikt veranlaßt, die rein physische Auf-
fassung ethisch erweitert und ausbaut, sodaß sich folgende Entwicklungsreihe
ergibt: **chaleur [douce] zu chaleur [intense] zu souffrance zu asc^tisme**.
96. Kanwar B. R. The beauties of the Vedic Dharma. Labore, Punjab
Printing Works 1906. 42 S. 1 a. 3 p.
97. Hillebrandt A. Tiere und Götter im vedischen Ritual. Sonderabdruck
aus dem 83. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterlän-
dische Kultur. Sitzung der orientalisch-sprachwissenschaftlichen Sektion
vom 17. März 1904. Breslau, Aderholz 1905. 14 S. 0,80 M.
Res. in Lnzso'i Or. List 18, 153f.
98. Strani 0. Brhaspati im Veda. (Diss. Kiel.) Leipzig, Druck von F. A.
Brockhaus 1905. VI u. 61 S.
99. Oldenberg H. Noch einmal der vedische Savitar. ZDMG. 69, 263—264.
Bereite ZDMG. 61, 473 ff. hat Oldenberg gezeigt, daß Savitar im Rig-
vcda nicht Sonnengott, sondern 'Gott Antreiber* ist, wogegen Hillebrandt
in seiner Ved. Mythologie (u. ähnlich Macdonell, Ved. Myth.) lehrt, "daß
der Sonnengott in seiner Eigenschaft als 'Erreger', in seiner Wirksamkeit
der Grund der Personifizierung ist". Obgleich sich Hill, gelegentlich auch
in anderem Sinne äußert, z. B. daß zu einer gewissen Zeit Savitar und
Sonne nicht mehr geschieden waren (das Ursprüngliche muß demnach
die Geschiedenheit gewesen sein), so herrscht doch bei ihm die Ansicht
vor, daß der Gott von Haus aus ein Sonnengott ist, dem sich 0. im vor-
liegenden Aufsatz entechieden entgegenstellt Wenn auch in der Argumen-
tation Einzelheiten des Rituals, sowie einzelne Stellen des Rigveda sicherlich
«rwogen werden müssen, so sei doch mehr Gewicht zu legen auf 2 Haupt-
4*
ISO IL Arisch. B. Indisch.
91. OldenbergH. Vedafonchung. Stoitgart n. Berlin, Cottasche Bachhandlf.
Nachfolger 1905. 115 S. 8o. 2,60 M .
Bes. ▼. Winternits, IL, in WZKIL 19^ 419ff. — Kirst«, J., in All«. LU.
190&,fieif.
92. — Vedische Untersochongen. ZDM6. 59, 355—374
14. Vedisch Awve, tiufe und Verwandtes. (Fortsetzung zn ZDM(l
54, 599 ff.) — Neisser (s. Beiz. Beitr. 20, 54 ff. u. 27, 262 ff.) sieht in
diesen u. Shnlichen Formen Infinitive anf -« u. -m u. zwar als Infinita'
Träger medialer Funktion, die aber nur präteritalen u. imperatiyischen
Medialforroen entsprechen u. sich finiten Medialformen mit kollektiTer
Bedeutung anreihen. Das in Verbindung mit ihnen öfters auftretende vtt
lasse sie als 2. Plur. erkennen, woneben auch Belege für die 2. Sing.
Impty. Med., ja sogar für die 3. Sing. Imptv. vorhanden seien. 0. hält
zunächst an der bisherigen, altgeläufigen Auffassung von hupe als der
1. Sing. med. (und daneben seltener als der 3. Sing, med.) fest, die er
durch Belegstellen aus Atharva- u. Rigveda (an einigen von diesen steht
das Subjekt ahain übrigens ausdrücklich dabei) erhärtet Weiterhin pole-
misiert 0. gegen die Auffassung NJs, in der Verbindung dieser Formen
mit va^ eine Stütze für das Infinitum huve zu sehen, wobei N. unter
seinen vo^-Belegen 2 Typen unterscheidet: die eine, wo ein va^ regierendes
Nomen vermißt wird (A), die andere, wo auf va^ eine andere Verbalform
als die erwartete 2. Plur. folgt (B). Außer an huve prüft 0. N.'s Argu-
mentation noch an den -e-Infinita dadhe, aüje, jana^e, name u. hkan,
— Zum Schluß untersucht 0. den Versuch N.'s, den allgemeineren Zu-
sammenhang aufzuweisen, in den dessen kollektive Imperative wie huv$
u. stu^e gehören sollen, welcher Aufstellung eines derartigen Mediums
schon Delbrück (Synt. 11, 432. 447) entgegengetreten ist. N. geht hierbei
von der Form stuvate aus. Warum nicht etuvanti? Eben weil es ein
'verbales Kollektivum' sei. Doch finden sich nach 0. z. B. im Pancavimäa-
Br. eine Unmasse Stellen, wo das Aktiv etuvarUi in gleicher Verwendung
steht. Außer etuvate bringt N. noch 24 Fälle, in denen mediales hhara-
gleichfalls nur verständlich werde, wenn es als Kollektivum aufgefaßt werde.
93. Ragozin Z. A. Vedic India, as embodied principally in the Rig-Veda
(Story of the naüons. Vol. 41.) London, Unwin 1902. XII, 467 S. 1 K. (ill.)
6 sh. t. I,ö0.
Rez. in Ball. Am. ggr. bog. S7, p. 319 f.
94. Regnaud P. Recherches sur le point de döpart des noms des riSis
v^diques. JA. 10« s6r., 5, 77—104.
Eine der Hauptfragen bei der Interpretation des Veda ist die nach
der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der einheimischen Quellen. Ganz
gleich nun, ob man die lexikographische, grammatische, theologische,
mythologische oder irgend welche andere Seite des Veda behandeln will,
stets hat man sich zuvor darüber klar zu werden, ob die alten Exegeten
auch den eigentlichen Sinn des betreCTenden Textes richtig erfaßt haben.
In der vorliegenden Abhandlung nun untersucht R. den Ursprung der
Namen der vedischen Dichter, die in dem Sarvänukrama^I betitelten
brahmanischen Index zusammengestellt sind. Auf den ersten Blick scheint
die Sache hier sehr einfach zu liegen, denn die einzelnen Lieder werden
einem der Angehörigen der alten, großen und berühmten Priesterfamilien
(wie der AAgirasas, der Känvas, der Atreyas usw.) zugeschrieben, deren
Eigentum sie auch bekanntlich waren und blieben. Bei näherem Zusehen
n. Arisch. B. Indisch. 181
sind diese Daten aber durchaus nicht so authentischer Natur, wie sie
vielleicht erscheinen mögen, sondern oft nur Vermutungen und Wahr-
scheinlichkeiten, dem sehr natürlichen und leicht yerständlichen Verlangen
entsprungen, ein jedes der Lieder einem der von altersher bekannten
Autorennamen unterzuschieben. Vielfach dürften auch Worte im Texte
des Liedes die Veranlassung dazu gewesen sein. R. gibt nun ein Ver-
zeichnis der mutmaßlichen RiSis der Rigveda-Hymnen und daneben die
entsprechenden Textworte des betreffenden Liedes, die eventuell bei der
Feststellung der Autorschaft mit von Einfluß gewesen sein könnten.
95. Henry V. Physique v6dique. JA. lOe s6r., 6, 385—409.
Ausgehend von dem Sanskritwort tapaa, welches alles mögliche
bezeichnet (chaleur, soufifrance, macöration, asc^tisme), welches die
Menschen mit übernatürlichen, magischen KrSften versieht und die Götter
in den Stand gesetzt hat, die ganze sichtbare Welt zu schaffen, versucht
H. alles in der heiligen Literatur Indiens über diesen Gegenstand enthaltene
zu sammeln, überhaupt das dem Weltall zugrunde liegende physische
System in diesem Aufsatze zu erläutern in den folgenden 5 Kapiteln:
1. L'haleine (prä^), c'est la vie. — 2. La chaleur (topos), c'est la vie.
— 3. Le concept sous climat temp^r^. — 4. Le concept sous climat
torride. — 5. Chaleur et extase. — In einem 6. Kapitel (R6sumons-nous)
rekapituliert dann H. kurz das vorangegangene, indem er zunächst die
arische Anschauung (über den prä^a, Hauch im menschlichen Körper, den
Sitz des topos (der Wärme) als der Quelle des Lebens und als des Mittels
der Schöpfung) zusammenfaßt, dann den intellektuellen brahmanischen
Standpunkt kennzeichnet, der, durch den im Laufe der Zeit aus der Er-
fahrung resultierenden Ideenkonflikt veranlaßt, die rein physische Auf-
fassung ethisch erweitert und ausbaut, sodaß sich folgende Entwicklungsreihe
ergibt: **chaleur [douce] zu chaleur [intense] zu souffrance zu asc^tisme".
96. Kanwar B. R. The beauties of the Vedic Dharma. Labore, Punjab
Printing Works 1905. 42 S. 1 a. 3 p.
97. Hillebrandt A. Tiere und Götter im vedischen Ritual. Sonderabdruck
aus dem 83. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterlän-
dische Kultur. Sitzung der orientalisch-sprachwissenschaftlichen Sektion
vom 17. März 1904. Breslau, Aderholz 1905. 14 S. 0,80 M.
Res. in Lnzae's Or. List 16, 153f.
98. Straoi 0. Brhaspati im Veda. (Diss. Kiel.) Leipzig, Druck von F. A.
Brockhaus 1905. VI u. 61 S.
99. Oldenberg H. Noch einmal der vedische Savitar. ZDMG. 59, 258—264.
Bereits ZDMG. 51, 473 ff. hat Oldenberg gezeigt, daß Savitar im Rig-
veda nicht Sonnengott, sondern 'Gott Antreiber* ist, wogegen Hillebrandt
in seiner Ved. Mythologie (u. ähnlich Macdonell, Ved. Myth.) lehrt, "daß
der Sonnengott in seiner Eigenschaft als 'Erreger*, in seiner Wirksamkeit
der Grund der Personifizierung ist". Obgleich sich Hill, gelegentlich auch
in anderem Sinne äußert, z. B. daß zu einer gewissen Zeit Savitar und
Sonne nicht mehr geschieden waren (das Ursprüngliche muß demnach
die Geschiedenheit gewesen sein), so herrscht doch bei ihm die Ansicht
vor, daß der Gott von Haus aus ein Sonnengott ist, dem sich 0. im vor-
liegenden Aufsatz entschieden entgegenstellt. Wenn auch in der Argumen-
tation Einzelheiten des Rituals, sowie einzelne Stellen des Rigveda sicherlich
erwogen werden müssen, so sei doch mehr Gewicht zu legen auf 2 Haupt-
Id2 n. Arisch. B. Indisch.
süge: auf den absolut klaren Namen und den absolut überwiegenden
Vorstellungsinhalt, die beide aufs genaueste zu einander paßten. Auf dieser
Grundlage fußend, kommt 0. (unter Herbeiziehung entsprechender SteDen
des Rigveda) zu der notwendigen Schlußfolgerung, daß im Bereiche des
die Götter so gern einander näher bringenden Bigreda natürlich anch
die Tendenz gelegentlich zu finden ist, dem Sayitar das Aussehen einei
Sonnengottes zu geben, was bei der sich so vielfach berührendai und in-
einander übergehenden Natur beider Göttergestalten nicht weiter Ter-
wunderlich ist, daß aber von einem solarischen Savitar des Rigveda in
Wirklichkeit nichts übrig bleibt.
100. Henrj V. La Voie Lact6e dans le symbolisme vödiqne. Le Mnsion.
Nouv. S«r. 6, 140—143.
**En expliqnant par une devinette stellaire la tr^s curieuse et an-
trement inintelligible stance R. V. I. 164. 36 = A. V. K. 10. 17 (vgl hier-
über bereits Actes du X« congr. des oriental. (Genöve 1894), I, p. 4S sqq.),
j'ai du supposer que les termes bhävanasya ritas — je corrigeais riUua$ —
d^signaient m^taphoriquement la Voie LacUe, Le sperme, disais-je k ce
propos, est blanc, brillant (^Qukrd), et il est aussi naturel de voir dans
la Voie Laet^e du sperme que du lait r^pandu . . .** Zum Beweise seiner
Hypothese führt H. einen Bericht aus dem Aitareya-Brähmana (lU, 33)
an. Damach verfolgte PrajäpaH mit seinen Lüsten seine eigene Tochter
u. verging sich in verwandelter Gestalt an ihr. Die Götter beschloss^i,
ihn deshalb zu bestrafen u. schufen zu diesem Zwecke ein neues gött-
liches Wesen, den Plagupati (ein Beiname des Budra). Dieser zog gegen
Prajäpaii aus u. verwundete ihn mit seinem Pfeile, u. "celui-ci (sc Pro-
jäpoUi) bless^ s'envola aa ciel, et . . . le sperme r^pandu par Prajäpaii
se mit ä couler, et ce fut le Sarcu**, Saraa ist so viel wie *rivi^re' (Floß)
oder '^tang* (Teich). ". . . et lequel (sc. corps Celeste) pourrait-on
d^signer par ce nom de «Rivi^re», sinon la Voie LacUe, que nons
voyons ^pandre son flot blanc . . ."
101. Siecke £. Indra*s Drachenkampf. (Nach dem Rigveda.) Programm
des Lessing-Gymn. Berlin. Berlin, Weidmaim 1905. 18 S. S«. 1 M.
Bes. von Oldenberg, H., in DL. 1905, S. 2314 f. (Naeli Siecke iit IndraaOe>
■talt vom Monde aosgegungen.)
102. Scheftelowitz J. Die Apokryphen des Rigveda (Khiläni) herausg. n.
bearb. (Indische Forschungen herausgeg. von A. Hillebrandt. 1. Heft)
Breslau, M. u. H. Marcus 1906. XU u. 191 S. 10 M.
Das Verhältnis der Khiläni zur Rigvedasamhitä n. ihre Stellung
in der ind. Literatur. — Beschreibung des Kaimirischen Rigveda-Ms. —
Beschreibung d. Münch. Sanskrit-Mss. Nr. äO u. 155. — Text der Khila-
Anukramanl u. der Khiläni nach dem KaSmir-Ms. — 3. Adhyäya des
SaiphitüraQyam u. die Schlußworte des Ka§mir-Ms. — Die nachträglich
in die Khilasammlung aufgenommenen Verse. — Nachwort etc.
103. Räjesvar Gupta. The Big Veda, a history showing how the Phoe-
nicians had their earliest home in India. CSalcutta, printed by Sänyil
a. Co. 1905. 38 S.
104. Halivy J. Note sur la g^graphie de TAtharva-Veda (R6sum^). Ret.
s6m. 13, 352—368.
Darnach : Doea » les tribus dahiennes. S'Hära = Sudraka, Sy(n)dracL
Balhika ss Bactres. [Uakä^pf^a =s Orsaci. MHjavawt a Mozontes, Morontes.
II. Arisch. B. Indisch. 133
105. Neisser W. Indische Miszellen. BB. 30, 299— 32ö.
näm anuti TS. II, 3, 5, 1. — paprOtha RY. VI, 17, 7. — nima, — uv^
(Interjektion in RV. X, 86, 7). — vivek^i RV. VII, 8, 4. — sSdädyoni, sddi.
— Zum ya-Gerundium. — Zum Suffix der 1. Plur. des Ind. Präs. Act. (über
Hmas n. -masi). — huve, $tu^e etc.
106. Arnold E. V. Vedic metre in its historical development Cambridge,
Univ. Press (New York, Macmillan) 1905. XIY u. 335 S. 12 sh. 3,50 |.
1. General introduction. 2. The populär Rigveda. Appendix 1. The
linguistic evidence of date. Appendix 2. Doubtful hymns and fragments.
8. Rearrangement of the Rigveda proper. 4. Sandhi. ö. Syllabic restoration.
6. Quantitative restoration. 7. Dimeter verse. 8. Trimeter verse. 9. The
less usnal metres-stanzas and strophes. Appendix 8. The various forms
of the stanza. 10. General conclusions. Appendix 4. Table of hymns. 11.
Metrical commentary.
Rez.inLazac*s Or. List 16,210; von Henry, Y., in Ber.crit 1906,11, 401 f.
107. Aufrecht Th. Coordination statt Subordination im Rigveda. KZ. 38
(N. F. 18), 501 f.
Z. B. Y, 59, 7: vaga^ grept^ für vtnd'ni QrHft^, YUI, 7, 10 : mddhu
für mädhva^. Y, 29, 7 : sutäm $6mam für autdsya aömasya. 11, 15, 3 : dtrgho'
fäihaih für dirghayäthä'näm, X, 68, 15: puirakrthiahu für putrakfikä' ndm,
IV, 19, 4: hshäma hudhndm für kshämpo budhnäm. I, 68, 10: r^yo für
108. — Adjektive im Rigveda als Substantive verwendet. KZ. 38 (N. F.
18), 500 f.
Derartige Fälle sind: I, 7, 2; II, 33, U; IV, 4, ö = X, 116, ö; YUI,
19, 20, wo sihirä' u. Hhiräm durch dhanväni u. dhanu8 zu ergänzen ist*
Vm, 43, 26: Agne tigmina didihi, sc. ^ockM (mit scharfem Strahle). YUI,
84, 2 : vigväsuj sc. vikshü (bei allen Stämmen). X, 17, 5 : ähhayatamena^ sc.
ptkkd' (auf dem gefahrlosesten Pfade). X, 103, 9 : prdtihitäbhir (mit an-
gelegten sc. Pfeilen). Ähnlich Av. VI, 90, 3.
109. Jensen Th. V. Die vedischen Gerundiva auf -öyya- (5y»ya-). KZ.
39 (N. F. 19), 586—593.
Diese nur im Rig-Veda vorliegenden Gerundiva sind nach Bartholomae
(BB. 15, 227 n, Stud. 2, 92 n) und Brugmann Weiterbildungen dativischer
Infinitive, nach Job. Schmidt (Plb. d. Neutr. 139), wenigstens teilweise, die
Gerundiva zu entsprechenden Verba denominativa, die allerdings größten-
teils nicht belegt sind. J. schlägt eine 3. Auffassung vor, die von einer
Betrachtung der lateinischen primären Verba auf -^< und der entsprechenden
germ. auf (got.) -at- ausgeht, worin eine Einigkeit z. Zt. noch nicht erzielt
ist. Als das Wahrscheinlichste dünkt es J., daß lat. ptdi-s, got. widais,
ahd. 'un^U auf ursprtUigl. ^videje- (nicht ^vidisi oder *vid^est) zurück-
geht, das sich zu *ffeid- (vgl. €Tbo^at, got. Hreiton, lit. vSizdu usw.) genau
so verhält wie mathäyä' zu mänth- usw. Wenn nun z. B. jxmtfyya- einfach
das Gerundiv zu panäy- ist, wie pdnya- zu iKin-, warum kann dann nicht
friddyya" Gerundiv zu *vid^d sein, ^ravdyya- zu ^llev^ö, das in griech.
kXcF^u), lat. clueo vorliegt. Die anderen vorhandenen Gerundiva können
entweder, wie pandyya-, viddyyO', gravdyya-, die Gerundiva zu entspre-
chenden Verba finita sein (innerhalb oder außerhalb des Sanskrit nach-
weisbar), oder 'dy-ya- ist durch Assoziation als einheitliches Suffix auf-
gefaßt worden, um schließUch selber produktiv zu werden, wie es offen-
ia4 n. Arisch. B. Indisch.
har bei pammpd^^m- und «pr^Wiy^jfya- der Fall ist — In einem anschliefien-
den Exkors befiüDdet J. des breiteren seine Identifizierung des trans.
kXcF^u) mit dem intrans. eiueo, indem er folgendermaßen schließt: zwei
fonnell Terschiedene, ursprünglich bedeotongsgleiche Formen haben sich
später Tielfach in der Weise differenziert, daß an das Suffix der längeren
Form eine spezielle Bedeutung geknOpft wurde, die daran hängen blieb.
Es ist nun wohl möghch, daß bei Verben, die von Anfang an sowohl
Irans, als aoch intrans. gebraucht werden konnten, der Begriff der Intran-
siTität (der leicht ins Passivische übergeht) in einigen Fällen an -^
haften bheb, das schließlich als intrans. Suffix gefühlt wurde, worauf
es leicht weiter wuchern konnte.
110. KÜMit A. Die Behandlung des Langdiphthongs du im Nom. Akk. Vok.
Dualis einerseits und im Lokativ Sing, andrerseits im Rigveda. Inaug.-
Diss. Königsberg i. Pr. 1904/05. Königsberg i. Fr., Leupold 1905. 62 S. 8«.
111. Sohulae W. Kakophonie. KZ. 39, 612.
Cber jforaaMi/ (Rigveda IX , 69, 8) an Stelle des zu erwartenden
112. AnMdd E. V. Rigveda VII. la KZ. 38 (N. F. 18), 491-496.
Prof. Geldner (Ved. Stud. 3, § 17) hält mit den meisten Veda-
Forschem diese Stelle für eine der ältesten der Sammlung. Nur Arnold
setzt es in eine jüngere Periode, die aber doch noch der eigentlichen
Teriode des Mythos und der Yolkssage** vorausgeht Gegen die Sonder-
existenz einer derartigen Periode (von Arnold mit G bezeichnet) hat
aber Geldner seine Bedenken, wie ihm überhaupt der Periodenaufban
Arnolds (dieser unterscheidet 5 Perioden: ABiBtCiCt) zu kunstvoll
erscheint. Arnold verteidigt im Vorliegenden sein System und sieht die
Angriffe Geldners als auf einem Mißverständnis beruhend an, das aller-
dings einem vorhandenen Mangel an Klarheit in seinen bisherigen Artikeln
entspringen dürfte, welchem Cbelstande er im Vorliegenden abzuhelfen sucht
Dialekte.
113. Henry V. Prtös de grammaire pälie accompagn^ d'un choix de
textes gradu^s. (Bibl. de V^c, fran^. d'Extr.-Or. T. 2.) Paris, Leroux 1904.
gr. 80. 9 M.
114. Andersen D. A Päli reader, with notes and glossary. Part II: A Päli
glossary including the words of the Päli reader and of the Dhammapada
(first half). Kopenhagen (Gyldendal) 1905. 116 S. 8o. 5 M.
115. Gray J. Elementary Pali grammar or Second Pali course. Calcutta,
printed by P. Knight (Leipzig, Harrassowitz) 1905. 121 S. 6. M.
116. — First Pali delectus or companion reader to the'^Second Pali course*.
Calcutta, printed by P. Knight (London, Luzac) 1905. 92 S. Zus. mit dem
vorhergehenden 8 sh. 6 d.
117. Wickremasinghe Don M. de Zilva. Index of all the Prakrit words
occurring in PischeFs ''Grammatik der Prakrit-Sprachen". lA. 34 (Appen-
dix), 1—92.
Mit einer Vorbemerkung von G. A. Grierson.
118. Die Reden Gotamo Buddho's. Aus der Sammlung der Bruchstücke
Snttanipäto des Päli-Kanons. Obersetzt von K. E. Neumann. Leipzig,
J. A. Barth 1905. XU u. 410 S. 4o. 20 M.
n. Arisch. B. Indisch. 136
119. MiehelBon Tr. The Meaning and Etymology of the Päli word od-
hüfketUca-. ZDMG. 59, 126—128.
Dieses Wort, das im Majjhima Nikäya (s. Päli Text Society) vol. I,
p. 139 dreimal vorkommt, wird von Neumann, Die Reden Grotamo Buddho's,
Erster Band, S. 231 mit * Unablenkbarer* wiedergegeben, was jedoch
Michelson nicht befriedigt, da jene Übersetzung keine wörtliche ist u.
den Sinn nicht erschöpft. Im Päli Dictionary von Childer findet sich
das Wort nicht M. schlägt deshalb folgendes vor. Das Wort abbüpiesika^
ist zusammengesetzt aus abbüflut- u. isikä-, Skrt. ä-^-tfr^ha- u. t^iifco-,
wobei das -5- auf ursprüngliches -f- zurückgeht Es ist nun eine be-
kannte Tatsache, daß Skrt. ia/ya- u. Päli aalla- 'arrow* (Pfeil) oft in
dem gleichen metaphorischen Sinne gebraucht werden, um eine Beun-
ruhigung, Erregung oder ähnliches auszudrücken. In solchen Fällen nun
findet man im Päli das dem Skrt. ä -j- <T^ entsprechende Wort häufig
in Verbindung mit aalla- verwendet. Deshalb hält sich M. für berechtigt,
die für Skrt. Mya- Päli salla- erwiesene metaphorische Bedeutung auch
für Päli isikä' anzunehmen u. abbüfhesika- gleich abbülhasaUa- zu setzen,
was nach ihm soviel heißt, wie einer 'whose arrow is torn out' (auf
deutsch Messen Pfeil herausgezogen ist*).
120. Lepitre A. Langues hindoues. Ann6e linguist. 2, 1—24
Beabsichtigt eine Zusammenstellung der hauptsächUchsten Publi-
kationen über die arisch-indischen Sprachen.
121. Thimm C. A. Hindustani self-taught and Hindustani grammar. Vol. I.
London, Marlborough 1904. gr. 8o. 5 M.
122. Grierson G. A. Specimens of the Marathi language. (Linguistic Survey
of India. Vol. VII. hido-Aryan family. Southern group.) Calcutta, Office
of the Superintendent of Govern. Printing 1905. X, 409 S., 1 K. 9 sh. 9 d.
123. Borrow G. Romano Lavo Lil; or, the word book of the Gypsy
language. London 1905. 8o. 6 M.
Religionsgeschichte. Altertumskunde.
124r. Chamberlain H. St. Arische Weltanschauimg. (Die Kultur. Samm-
lung ill. Einzeldarstellungen. Hrsg. v. C. Gurlitt. 1. Bd.) BerUn, Bard,
Marquardt & Co. 1905. VI, 87 S. 8o. 1,25 M.
125. La Vallie Ponssin L. de. Religions de Finde. Rev. d*hist. et de
litt relig. Ann. X. t 10, 189—216.
Vgl. hierzu Revue, t. VI (1899), p. 70. Die vorliegende Abhandlung,
die zugleich eine ausführliche Bibliographie (Quellen u. Obersetzungen)
bietet, enthält zunächst eine gebührende Würdigung Cowells auf dem in
Frage stehenden Gebiete, den La Vall. Pouss. 'un des repr^sentants les
plus sympathiques de Tlndianisme' nermt, dessen Tätigkeit zumeist darauf
gerichtet ist, schwierige Werke verständlich zu machen, wie z. B. das
Nyayakusumänjali ('ofTrande fleurie de logique*), das die Existenz
eines persönlichen Gottes lehrt. La Vall. Pouss. verbreitet sich dann des
längeren über den philosophischen Theismus, sowie über die Stellung,
die Udayana, der Verfasser jener Schrift, in den buddhist. Kontroversen
eiimimmt. Im zweiten Teile behandelt La V. P. die Lehre von der bhakti,
von der göttl. Verehrung, die in den Bhaktisütras, den Werken der
theistischen Schule, niedergelegt ist, spez. die Verehrung des Krs^a. Die
Bhaktisütras gehören, ihrer Entstehung nach, zur Volksreligion u. zur
136 n. Arisch. B. Indisch.
transzendenten Philosophie der Brahmanenu. stehen in innigem Zusammen-
hang mit der Bhagavadgitä, als deren Kommentar sie gewissermaßen
angesehen werden können. La V. P. nimmt hierbei Stellang zu Hopkins'
Argumentation über die Beziehimg zwischen Bhagavadgitä n. der christL
Literatur, sowie über den christlichen Einfluß der ersten Jahrhunderte
überhaupt. Wenn er aoch Hopkins im großen u. ganzen beistimmt, so
möchte er doch einige Einschränkungen gemacht sehen, weil sich die
christL Beeinflussung doch wohl nicht so scharf nachweisen lasse.
126. Oldenberg H. Die Erforschung der altindischen Religionen im Gesamt-
zusammenhang der Religionswissenschaft Ein Vortrag. Deutsche Rund-
schau 121, 248—261.
Wie schon aus der Oberschrift ersichtlich, will dieser Vortrag, der
für den International Congress of Arts and Science zu St. Louis
(Septbr. 1904) verfaßt und dort gehalten worden ist, die Stellung u. Be-
deutung der altind. Religionen im Dienste der Erforschung der Religions-
wissenschaft im allgemeinen charakterisieren, wie man z. B. von den
fiberkühnen Kombinationen früherer Zeiten zurückgekommen ist, die aus
den mythol. VorsteUungen des Veda heraus die '*ganze Reihe europäischer
Gebilde von der Götterwelt Homers bis zu deutschen Volksmärchen und
Kinderspielen verstehen lernen wollten**, wie aber auch andererseits z. B.
die eingehenden Schilderungen des indischen Opferwesens, die uns die
einheimischen Priester namentlich für die Zeit seiner vollen Blüte in so
reichem Maße hinterlassen haben, die ''Fragmente westlicheren Opfer-
wesens ergänzen und deuten** müssen. Die Ergebnisse, die die ind. Reli-
gionen für den Glauben der Indoeuropäer haben könnten, sind nach O.'s
Meinung spärlich u. unsicher, auch die für das indisch-iranische Zusammen-
leben auf ein ziemlich enges Gebiet beschränkt. Von besonders großer Be-
deutung für die allgemeinen Probleme der Religionswissenschaft hält 0. unter
den ind. Religionen den Buddhismus, der sich ihm "auf einem höchsten Höhe-
punkte alles religiösenWesens" darstellt. Doch können die hier auftauchenden
Fragen u. Rätsel nicht durch die Erforschung des Buddhismus u. Christen-
tums allein, sondern nur unter Herbeiziehung der zumal mit dem Buddhis-
mus so vielfache Ähnlichkeiten u. Parallelen aufweisenden griechischen
Philosophie einer Lösung entgegengeführt werden.
127. Oppert G. Die Gottheiten der Indier. Z. f. Ethn. 37, 296— 353, 501—Ö13,
717—754.
1. Kapitel. Einleitende Betrachtungen zur Beurteilung der Bevölke-
rung Indiens. Nirgends ist der religiöse Trieb so entwickelt wie in Indien,
nirgends aber auch berühren sich die widersprechendsten Extreme so
häufig und so nahe, wie eben hier. Neben dem erhabensten Idealismus
macht sich der sinnlichste Materialismus breit Die edelsten u. freisinnigsten
Denker und Herrscher wechseln mit den verworfensten u. bmtalstenPriestem
u. Tyrannen. In dem Entwickelungsgange der arischen Bevölkerung Indiens
lassen sich vier Perioden unterscheiden. In der ersten urarischen Zeit
engstes Nebeneinanderleben aller Angehörigen der Rasse. In der zweiten
Periode Trennung der verwandten Volksschichten, nur die beiden öst-
lichsten, von babylon. Kultur nicht unbeeinflußten Stämme blieben in Iran
u. in dem Indien benachbarten Gebiet in Beziehung zu einander. In der
dritten Periode Eindringen der an den Grenzen Indiens wohnenden Arier
in letzteres Land, infolgedessen alhnähliches Aufhören des Verkehrs mit
II. Arisch. B. Indisch. 137
den Iraniem u. schließliche Entfremdung. Einfluß der veränderten kUmat.
Verhältnisse auf Lebensweise u. religiöse Anschauungen der Einwanderer.
Die uralten, einer anderen Zone angepaßten Gottheiten traten in den
Hintergrund, neue, den veränderten Ansichten mehr zusagende Vorstel-
lungen schufen neue Götter, z. B. den Regen- u. Gewittergott Indra. Auch
die Berührung mit der Urbevölkerung trug zur Modifizierung der religiösen
Ideen der arischen Ansiedler das Ihrige bei. In der vierten Periode zu-
nehmende Erstarkung u. endliche Alleinherrschaft des fremden Einflusses
(so in der Personifikation der Allmutter Aditi), Umgestaltung des Brahma-
nismus u. Grundlage zum modernen Hinduismus. — 2. Kapitel. Über die
vedische Theogonie der arischen Indier. Die ersten religiösen Anschau-
ungen der Indier knüpfen an die Betrachtung, Bewunderung und Verehrung
der alles Irdische beherrschenden Naturmächte an. Entsprechend den drei
Tor Augen liegenden Sphären (der irdischen, luftigen u. himmlischen)
wirken dreierlei Gottheiten im Himmel, im Luftraum u. auf der Erde, die
allerdings nicht überall die gleichen Namen führen. Während einige der
Götter ideale Vertreter gewaltiger Naturerscheinungen oder das mensch-
liche Leben beeinflussender Himmelskörper, zuweilen auch vergötterte
Elemente u. Materien sind, sind die meisten wohl ledighch ein Gebilde
der erregten Phantasie. Eine der Besprechung der einzelnen Gottheiten
vorausgehende Betrachtung über ihr Wesen, ihren Ursprung u. ihre Stellung
im allgemeinen knöpft 0. an die Ansichten, die die Indier ursprünglich
von den Asuras u. Devas, ihren vornehmsten Gottheiten, gehabt, u. wie sie
diese allmählich geändert haben. Ihrer Beziehung nach repräsentieren die
Asuras die lebendig existierenden, die Devas die leuchtend himmlischen
Gottheiten. Im Veda werden die höchsten Götter Asuras genannt. Sie
waren die Urgötter, die lebendigen Urgeister, während die Devas Grott-
heiten im allgemeinen waren (s. den Ausdruck vis've deväs, worunter
sowohl alle Götter, als auch eine besondere Klasse von ihnen zu verstehen
sind). Im Laufe der Zeit schwand in Indien die Macht u. das Ansehen
der Asuras dahin, Unfriede brach unter ihnen aus, Indra verdrängte
Varuna, an die Stelle der Asuras traten die Devas, u. die Asuras werden
als gottlos (adeväs) geschildert. Aber nicht nur ihren Einfluß, sondern
auch ihre ganze Respektabilität verloren sie, so daß der Ausdruck asura
sogar als Unhold in Verruf kam, während er sich bei den Iraniern als
Ahura Mazda (als höchster Geist) in seiner Bedeutung erhielt. Im Gegen-
satz hierzu gebrauchten die Iranier hinfort das Wort div als Bezeichnung
für Teufel. In den Brahmanas wird das Verhältnis der Asuras zu den Devas
des öfteren eingehender besprochen. Die Stellung der Devas ist übrigens
im Veda recht verschieden, u. die Angaben über sie stehen vielfach in
Widerspruch zu einander, was auf die in Gedanke u. Glaube von einander
abweichenden Ansichten der Verfasser der betreffenden Lieder zurückgeht
Nach diesen einleitenden Bemerkungen werden die wesentlichsten
Gottheiten besprochen, zuerst die, denen eine materielle Existenz zugrunde
liegt (Dyaus u. Prthivi = Himmel u. Erde, Agni = Feuer, Soma = Pflanze,
Soma= Mond, Sürya = Sonne, Usas = Morgenröte, die ASvins = Dioskuren),
dann die mehr auf der Gestaltungskraft der menschlichen Phantasie be-
ruhenden Gottheiten der drei Sphären des Weltalls: 1) die Ädityas, die
Licht- oder Sonnengottheiten, an ihrer Spitze der Urgott Varuna, der in
der höchsten u. heiligsten Sphäre, im Himmel, thront u. dem Ahura-Mazda
des Zend-Avesta, dem Ouranos der Griechen entspricht. 2) Die Rudras,
188 n. Arisch. B. Indisch.
deren ursprünglicher Repräsentant der Wind, Väyii, ist, der später seine
Stelle an Indra, den Regengott, den eigentlichen Schotzgott der Indier
in dem regen- o. gewitterreichen Indien abtreten mufite. Er entspricht dem
Zeus der Griechen u. dem Jupiter der Lateiner. Seine Hauptaufgabe be-
steht in der Vernichtung der den Menschen feindlichen Dämonen, die die
göttlichen Wasser hemmen und die Regenwolken in ihren Höhlen ein-
schließen. 8) Die Vasus, die Gottheiten der 8. Sphäre, die, ebenfalls als
Vertreter von Naturerscheinungen, zunächst unter der Leitung des Agni,
später des Indra standen. Im Laufe der Zeit vollzog sich ein Wechsel
in der Anschauungsweise. Die dichterische Begeisterung wich grüblerischem
Nachdenken, an Stelle der SchOpfungstheorien, Gebete u. Liturgien traten
Lobgesänge, Dank- u. Bittlieder, u. die alten Götter wurden mehr n. mehr
zu ausschließlich abstrakten Grebilden, wie Brhaspati, Herr des Gebetes
u. Nachfolger des Indra in der Führung der Götter, Prajäpati, Herr der
Greschöpfe, Yama, der Todesgott, Aditi, die Göttermutter, eine von Hans
aus unarische Gottheit usw. — 3. Kapitel. Ober den Kultus der Urein-
wohner Indiens. Wie die vedischen Gottheiten einerseits urindischen An-
schauungen zugänglich wurden, konnten auch die urindischen Gottheiten
andererseits arischem Einflüsse sich nicht entziehen. Sie verloren unter
der fremden Herrschaft ihre Unabhängigkeit, behaupteten aber als Lokal-
gottheiten, alsGrämadevatäs, ihre maßgebende Stellung, so daß auch
die Brahmanen selbst z. B. diese Lokalgottheiten verehren, wenn sie sich
auch zuweilen dieses Kultus* schämen. Die eigentlichen Verehrer bleiben
natürlich die Ureinwohner Indiens. An der Spitze der urind. Grottheiten
steht der höchste Geist, Ayya oder Appa, meist durch Sanskritbezeich-
nungen wie Bhagavän heutzutage ersetzt, u. die materielle Natur, Amma.
Ersterer erscheint als Vater u. Herr, letztere als Mutter u. Ernährerin.
Die Hauptrepräsentantinnen der weiblichen Grämadevatäs sind Ellama,
skr. Sarvämbä, eine mildtätige Gottheit, eine Helferin in der Gefahr, daher
bei den Schiffern sehr beliebt; Kälamma oder Kall (auch Durgä), im
Gegensatz zur vorigen eine grausame Groltheit, wohl die am meisten ver-
ehrte Göttin Indiens, speziell die Grämadevatä von Kalkutta; Märi, Märi
Amma oder Märiyammai (von Skr. mr, sterben ; märi bedeutet jede töd-
Ucbe Krankheit), eine sowohl gütige wie auch böse Gottheit, die bei
Kranklieiten angerufen wird ; Visahari oder Pidäri u. Manasä, der es ob-
liegt, das Gift aus den Wunden der von Schlangen Gebissenen zu ziehen,
überhaupt vor Schlangenbiß zu wahren. Außerdem wird die urindische
Grämadevatä noch unter den verschiedensten Namen u. Gestalten verehrt
u. mit den mannigfachsten Beschäftigungen in Verbindung gebracht (die
reichhaltigste Aufzählung der Grämadevatäs findet sich bei Vopadeva in
der Grämadevatäpratisthä). Wenn auch im Laufe der Zeit durch den Einfloß
fremdartiger Volkselemente die Grämadevatä manche der urindischen An-
schauung nicht angehörige Gestaltung erfahren hat, so ist ihr Grund-
charakter doch im großen u. ganzen derselbe geblieben. Zahlreiche An-
gaben über das bei der Verehrung der Grämadevatäs übliche ZeremonieU
bilden den Hauptbestandteil dieses Kapitels.
128. Oldenberg H. Göttergnade und Menschenkraft in den altindischen
Religionen. Rektoratsrede. Kiel, Lipsius u. Fischer in Kom. 1906. 18 S.
0,60 M.
129. — Altindisches und ChristUches. ZDMG. 69, 625—628.
II. Arisclu B. Indisch. 189
Gegen Pischel (vgl. DLZ. 1904, 2939 u. Sitz.-Ber. der Berl. Akad.
190d, 506 ff.), der erstens Ev. Luc. 2, 27, wo Simeon in den Tempel ^v
Ti|i irveOMom kommt, auf dem Vorbilde des buddhist. Pfades des Windes,
den der luftdurchfliegende Heilige wandelt, beruhen läßt (s. a. Oldenbergs
Abhdlg. in Theol. L. Z. 1905, 67 f.), nnd der zweitens das Fischsymbol
Jesu aus Indien herüberholt, nnd zwar durch Vermittelung von Christen
in Tarkestan im 2. Jahrb. — 1rv€0^a ist nach Oldenberg das rechte,
israelitische, bezw. christliche 1^ve0^a, das mit dem Luftwandeln indischen
Wunderglaubens nichts zu tun habe, u. der Fisch als Symbol Jesu (aus-
gehend von dem bekannten Akrostichon) lasse sich zur Genüge aus Vor-
aussetzungen innerhalb der christlichen Kultussphäre selbst erklären (Jesus
als der im Wasser geborene, als Speise der Seinen usw.).
180. Dilger W. Krischna oder Christus? Eine religionsgeschichtliche
Parallele. (Basler Missionsstudien. H. 26). Basel, Missionsbuchh. 1904.
U S. 0,60 M.
181. Erischnas Weltengang. Ein ind. Mythos. In 20 Andachten aus dem
Vischnupuränam übertr. v. A. Paul. Mit e. Geleitworte von K. E. Neu-
mann. München, R. Piper & Co. 1905. 132 S. 8o. 2,50 M.
132. Edmunds A. J. Can the Päli Pitakas aid us in fixing the Text of
the Gospels ? Brochure. Philadelphia, Innes and Sons 1905. 7 S. 10 cents.
A parallel is drawn between Luke 2, 8—14 and a passage in the
Sutta Nipäto, Mahävaggo Nälaka-Suttam, the one descriptive of the joy
of the angels at the birth of Christ, the other, at the birth of Buddha.
Arguments are adduced to support the theory that the Evangehst Luke,
a physician of Antioch, may possibly have been influenced by Buddhistic
ideas through the intercourse existing between Palestine and India.
(Jackson.)
133. Pischel R. Der Ursprung des christlichen Fischsymbols. Sitzber. d.
Kgl. Pr. Ak. d. Wiss. 1905, I, 506—532.
**Es wird versucht zu zeigen, daß der Fisch als Symbol Christi,
des Erretters, seinen Ursprung in Indien hat. Der Fisch, der Manu, den
Stammvater der Menschen, rettet, wird als der Grott Brahman, oder meist
Visnu aufgefaßt Von den Visnuiten übernahmen das Symbol die Bud-
dhisten, bei denen die Christen es in Turkestan kennen lernten. Bereits
vom 5. Jahrb. v. Chr. an ist der Fisch in Indien als Glückszeichen (maiü-
gala) nachweisbar*'.
134. Caland W. et Henry V. L'agnistoma. Description complMe de la
forme normale du sacrifice de Soma dans le culte v6dique. T. I. Avec
quatre planches. Paris, Leroux 1906. XVII u. 257 S. 8«. 8 M.
135. Millon* L. de. Le Brahmanisme. Paris 1905. 8o. 2.50 M.
136. Jahn W. Über die kosmogonischen Grundanschauungen im Mänava-
Dharma-Sästram. Inaug.-Diss. Würzburg 1903/04. Leipzig, Drugulin
1904. 78 S. 80.
137. Roossel A. Les id6es religieuses et sociales du Mahäbhärata. Ädi-
parvan. Le Mus^on N. S. 6, 1—22. 156—177. 356—378.
Die vorliegende Artikelserie schließt sich an eine bereits vor
mehreren Jahren gleichfalls im Mus^on veröffentlichte Arbeit über den
nämlichen Gegenstand an, u. es sollen ohne allzugroße Zeitintervalle noch
weitere Abhandlungen auf diesem selben Gebiete folgen. Behandelt wird
140 n. Arisch. B. indisch.
an erster Stelle die Ehe. Ausgehend von der Antwort der ^untaU
auf die Weigerung des Königs Dufmanta, sie als seine Gattin anzu-
erkennen (s. Mah. LXXIV, 34: '*Ich bin deine Gattin u. deshalb verdiene
ich, von dir gebahrend geachtet zu werden*^ u. der darauf folgenden
Aufzählung der Eigenschaften der Frauen (die Frau ist die Wurzel des
8 fachen Glückes, überhaupt das köstlichste Gut auf Erden), erwähnt R.
den Ursprung der menschlichen Ehe nach der Vorstellung im Bhägavata
(Teilung des Käya, des Körpers des Brahma, in eine männliche u. eine
weibliche Hälfte) u. bringt Beispiele aus dem Mab.« aus denen auf die
Meinung der alten Inder von dem Werte der Ehe geschlossen werden
kann. Obwohl die Polygamie erlaubt, war doch die Polyandrie verpönt,
weil sie den Sitten u. den Vedas zuwider. Söhne galten bekanntlich als
ein Mittel, um sich von der Hölle zu befreien, aus diesem Grunde hat
schon frühe die Adoption zu Rechte bestanden u. war eine Einrichtung,
wie das Zölibat, ein Unding. Weiterhin spricht R. von der Familie
(3 Dinge braucht man, nach dem Ädiparvan, um seine Familie leben zu
lassen: einen König, eine Frau u. Geld), von den Pflichten im all-
gemeinen (viererlei Pflichten sind es, die die Menschen bei ihrer Ge-
burt — so lehrt Pftndu — auf sich nehmen, und zwar gegen ihre Vor-
fahren, gegen die Götter, gegen die ^shis u. gegen ihresgleichen), von
den Pflichten derBrahmanen (deren oberste Pflicht es ist, den Veda
gründlichst zu studieren, ihn auch mit dem Herzen zu erfassen u. die
anderen Zweimai-Geborenen darin zu unterrichten), von den Pflichten
der Könige (die darin bestehen, dafi sie die Götter durch Opfer er-
freuen, die Pitps durch die ihnen zukommende Verehrung, die Annen
durch Almosen, die Brahmanen durch Erfüllung ihrer Gelübde, die
Fremden durch Gewährung von Speise u. Trank, die Vai^yas, indem sie
diese schützen, die (^üdras, indem sie ihnen in keiner Weise nachteilig
sind, die, welche sich vergangen haben, durch gerechte Bestrafung) u.
schließlich von den Opfern (der erste, der zu Ehren der Götter, ßais
u. Pitrs Opfer darbrachte, war nach Vai^ampftyana Qantanu, der Sohn
des Pratlpa).
138. Oldham C. F. The sun and the serpent: a contribution to the
history of serpent-worship. With 33 illustrations. London, Constable
190Ö. 207 S. 8o. 10 Sh. 6 d.
Rez. von Davids, F.W. BIl, in JRAS 190^ SSOfl
139. Schrader 0. Maya-Lehre und Kantianismus. Berlin, Raatz 1904.
30 S. 80. 1,25 M.
Res. von Deassen, F., im Anzeiger t Indogerm. Sprach- vl Altertiuii-
knnde 17, 7 f.
140. Monseur E. L'äme poucet. Rev. de Thist. des rel. 51, 361—375.
In dem nämlichen Bande dieser Revue hat M. bereits über eine
von ihm pupilline genannte Seele berichtet, die menschliche Gestalt
besitzt und ihren Sitz im Auge hat, in Wirklichkeit natürlich das Spiegel-
bild des dem Auge Gegenüberstehenden ist. Eine andere Abart der Seele,
die aber mit der pupilline manche Ähnlichkeit hat, wird von ihm wegen
der ihr zugeschriebenen Größe "poucet** genannt. M. bringt nun aus den
Literaturen, resp. aus dem religiösen Vorstellungsgebiete verschiedener
Völker Belege, die, was die Indier betrifTt, alle den Upanishads angehören
(im Speziellen verweist er auf die Legende von der S&vitrl). Der Sitz
dieser Seele wird entweder überhaupt nicht näher angegeben oder, wo
ü. Arisch. B. Indisch. 141
dieses geschieht, unter der Hirnschale, zuweilen auch in der Herzhöhle.
Außerdem wird ihr die Fähigkeit zugeschrieben, ihren Wohnsitz (z. B. für
die Zustände des Wachens und Schlafens) ändern zu können, und zwar
▼ermittelst einer Ader, die vom Herzen zum Kopfe führt.
141. Hopkins E. W. The fountain of youth. JAOS. 26, 1—67.
Als im Jahre 1882 H. fQr Whitney einige Teile des 3. Buches des
Jaimimya-brähma^a aus Bumells südindischem (Grantham) Ms. abschrieb,
worin sich die auf den Mythus vom Jungbrunnen gegründete Cyavana-
Legende findet, wurde diese von Whitney in den Proceedings of the Americ.
Orient Soc., May 1883 sofort in Obersetzung veröffentlicht, ohne Sanskrit-
text, den H. im Vorliegenden nachholt auf Grund des leider textlich nicht
ganz korrekten Ms.'s, das aber zur Zeit noch die einzige Quelle hierfür
ist Sachliche und sprachliche Erläuterungen und die ähnliche Erzählung
von Vidanvant und Cyavana (Tändya 13, 11. 10) schließen den Exkurs.
In der vorausgeschickten Einleitung sucht H. das geschichtliche Problem
und die mutmaßliche Herkunft dieser Legende zu erhellen auf Grund
eingehender Prüfung der nicht bloß unter den Indo-Germanen, sondern
auch unter anderen Völkern und Stämmen weit verbreiteten gleichen oder
ähnlichen Erzählungen. H. ist dabei geneigt, Indien als die Heimat der
europäischen Fabel zu betrachten, deren Vermittelung aber nicht durch
die Araber, sondern durch die Nestorianer über Syrien erfolgte; denn
die frühesten arabischen Reisenden (400 Jahre vor Marco Polo) wissen
nichts von einem Jungbrunnen. In Indien selber ist die Geschichte von
Cyavana sehr alt, viel älter als die Brähma^a-Periode. Bereits im Rig-
Veda findet sich Cyavana und seinj Verjüngung erwälmt, die allerdings
hier nicht mit Hilfe eines Brunnens (resp. einer Quelle), sondern durch die
Götter-Ärzte, die A^vins, erfolgt. Von dieser Zeit an läßt sich die Fabel
in der ganzen Sanskrit-Literatur, auch in der epischen, bis zu den Puräpas
herab verfolgen, natürlich mit verschiedentlichen Variationen. Am aus-
führlichsten steht sie im Jaiminiya-Brähma^a. — Vielleicht mit am ver-
wunderlichsten an dieser Legende ist die Tatsache ihres ununterbrochenen
Fortlebens in einem Lande wie Indien, wo, wie in keinem anderen, die
Religion, Brahmaismus und Buddhismus, nicht auf eine Erneuerung der
irdischen Existenz, sondern auf ein Aufhören jeglicher Lebenstätigkeit
als das erstrebenswerteste und höchste Ziel menschlicher Einbildungskraft
hinweist Aber diese im Volke so beliebte und mit solcher Zähigkeit
festgehaltene Erzählung beweist eben, daß unter diesem mehr gesunder
Menschenverstand und mehr natürliche Vernunft aufgespeichert ist, als
brahmanische Priester oder buddhistische Mönche je auszurotten ver-
mocht haben.
142. — The fountain of youth. Second paper. JAOS. 26, 411—415.
Dieser Nachtrag enthält Ergänzungen und Berichtigungen Hs.'s selbst
wie verschiedener anderer, die, durch obige Abhandlung angeregt, ihr
Interesse an dem Gegenstande dem Verfasser dadurch zum Ausdruck
gebracht haben.
143. Stcherbatskoi Th. Notes de litt6rature bouddhique. La litt^rature
Yogäcära d'aprfes Houston. Le Mus6on 6, 144 — 166.
Als Gründer der Schule der Yogäcäras gilt gewöhnlich ÄryäsaAga,
der nach der Legende vom Bodhisattva Maitreya dessen Werke erhalten
haben soll. In der Folgezeit schloß sich sein Bruder Vasubandhu dem
142 II. Arisch. B. IndiBch.
neuen Dogma &n. Jene 6 Äbhandlongen, die dem Maitreya zngeschrieboi
werden, sowie die Schriften des ÄryäsaAga und ein Teil der des Yaso-
bandho bilden den Grandstock dieser Richtong. Besonders Vasnbandbi
war es, der die Lehre von der Welt als einer bloßen Yorstellang, als
einem Attribut des Geistes ausgebildet und als in Obereinstimmung mit
der Lehre Buddhas hinzustellen sich bemüht hat Später teilte sich die
Schule der Yogäcäras in die der Logiker und die der Anh&nger der
Tradition, welch* letzterer Äryäsaöga und Vasubandhu zugehörten. Der
Aufsatz enthält dann weiterhin eine Aufzählung der 5 Qästras des Maitreya,
der Werke des Äryäsaöga und der 8 Abhandlungen des Vasubandhu mit
kurzen Inhaltsangaben.
Ii4. Hackmaan H. Der Ursprung des Buddhismus und die Geschichte
seiner Ausbreitung. (Religionsgeschichtl. Volksbücher f. d. deutsche
Christi. Gegenwart. 111. Reihe. 4. H.) Halle, Gebauer-Schwetschke 1905.
47 S. 0,40 M.
146. Lehmann E. Buddhismen. Grundrids ved folkelig Universitetsunder-
visning. Nr. 100. Kopenhagen (Erslev) 190ö. 16 S. 8o. 0,20 Kr.
146. Oleott H. S. Le Bouddhisme selon le canon de T^glise du Sud et
sous forme de cat^chisroe. Traduction fran^aise. 87« 6d. Paris, Pobli-
cations th^osophiques 1905. 144 S. 1,60 Fr.
Res. von Negelein, J. y., in Or. Ls. 8, 400—03; S[eidenst&eker] in
BnddlLWelt 1, Slf.
147. La Vallöe Pouasin L. de. Pro Minayeff. L Les deux premiers conciles.
Le Mus^on. 6, 213—323.
Eine sehr eingehende und kritische Untersuchung der von MinayefT
aufgestellten Ansichten über die Ausbreitung des Buddhismus in den
frühesten Zeiten, über die allmähliche Festlegung der Orthodoxie und
über den Urspnmg des Kanons. Die Ausgrabungen der letzten Jahre
haben ja manche Behauptung Minayeffs als irrtümlich, aber auch manches
von ihm als wahr erwiesen, und selbst dort, wo er sich getäuscht hat
(wie über das Edikt von Babhra [Bairat]), ist seine Arbeit sehr nutz-
bringend gewesen und hat zur Klärung mancher Probleme der ältesten
buddhistischen Geschichte beigetragen.
148. Suzuki T.,Ck>rdier P., La Vall6e Poussin L. de. Dogmatique bouddhique.
Les soixante-quinze et les cent dharmas. D'apr^s TAbhidharmako^,
la Vijnänamätrasiddhi (T. Suzuki) et la Mahävyutpatti (Dr. P. Cordier
et L. de la Vall^e Poussin). Le Musöon 6, 178—194.
Der Buddhismus teilt die Dinge (dharmas) in 2 große Kategorien : in
die, welche aus einer bestimmten Ursache (hetu) u. Bedingung (pratyaya)
hervorgehen, die dharmas samskrtas, und in die, welche absolut, unbedingt
sind, die dharmas asamskrtas. Im Abhidharmako^a wird die Zahl dieser
dharmas auf 76, auf 72 samskr. u. 3 asamskr., angegeben, in den Yogä-
cäras auf 100, u. zwar auf 94 samskr. u. 6 asamskr. Zweck der vor-
hegenden Zeilen ist es nun, durch eine Vergleichung dieser beiden Listen
die bestehenden Differenzen aufzuklären. Obrigens stellt La V. P. weitere
exegetische Beobachtungen, sowie eine Hinzufügung der chinesischen
Äquivalente in Aussicht.
149. Walleser M. Die Buddhistische Philosophie in ihrer geschichtlichen
Entwicklung. Erster Teil: Die philosophische Grundlage des älteren
n. Arisch. B. Indisch. 143
Buddhismus. Heidelberg, C.Winters Univ.-Buchhdlg 1904. XI u. 148 S.
80. 4,80 M.
Rez. von Davids, C.Bh., in JRAS. 1905, 995—402; Oltramare, F., in Rev.
de riiist. des rel. 51, 271—76.
150. Bertholet A. Der Baddhismus und seine Bedeutung für unser Geistes-
leben. Tübingen, Mohr 1904. lY u. 66 S. 8o. 1 M.
151. The Light of Dharma. A religious magazine devoted to the teachings
of Buddha. Published quarterly. San Francisco, Cal. ü. S. A. Buddhist
Mission 1905. 50 cents per year.
152. Barth Fr. Jesus und Buddha. Vortrag. Bern, A. Francke 1905.
12 S. 0,85 M.
153. Dutoit J. Die duskaracarya des Bodhisattva in der buddhistischen
Tradition. Straßburg, Trübner 1905. 4 Bl., 99 S. gr. 8©. 3 M.
Rez. von Kirste, J., in LitZentralbl. 1905, 1256; Oldenberg, H., in Dentsohe
LiteraturE.1905, 2378f.
154. Geiger W. Dipavamsa und Mahävamsa, und die geschichtliche Ober-
lieferung in Ceylon. Leipzig, Böhme 1905. VIII u. 146 S. 8o. 4,50 M.
Rez. von Davids, T.W. Rh., in JRAS. 1905, 301—385; Ezpoiitory Timei 16,
546 f.; H[enry], V., in Rev. crit, 1905, II, 341 f.
155. Fleet J. F. Notes on three Buddhist inscriptions. JRAS. 1905,
679—691.
Von besonderer Wichtigkeit ist die eine der zwei Sönäri-Inschriften
mit dem Namen des Käsapagöta. Bekanntlich wurden nach dem 3. bud-
dhist. Konzil im 18. Jahre des Königs A^öka Missionen abgeschickt, die
die Verbreitung des buddhist. Glaubens in allen Teilen Indiens zum Zwecke
hatten. Als Führer der nach dem Himälaya beorderten Mission wird im
Dipavamsa Kassapagotta genannt. Die indische Tradition jedoch, an ihrer
Spitze Buddhaghösha, wie auch das Mahänäma (ein Teil des Mahävamsa)
setzen Majjhima an dessen Stelle. Aus unserer Inschrift aber erhellt zur
Evidenz, dafi Käsapagöta, der hier den Beinamen HemavatAchariya führt,
mit der Leitung betraut gewesen war.
156. Kielhom F. Nagpur Museum. Buddhist inscription of Bhavadeva
Ranakesarin. JRAS. 1905, 617—633.
Einleitung, Text u. teilweise Übersetzung einer in Ratanpur (Rat-
napura), Zentralprovinzen, aufgefundenen buddhist. Inschrift, die aus 43
nicht völlig erhaltenen Versen besteht. Die Sprache ist Sanskrit. Die
sehr sorgfältig eingemeißelten Schriftzeichen gehören der nördlichen Klasse
der indischen Alphabete an u. lassen auf die Mitte des 8. Jahrhs. A. D.
als Zeit ihrer Abfassung schließen. Durch sie wird die Existenz des
Buddhismus in Zentralindien im 8. Jahrb. erwiesen und ein friedliches
Nebeneinanderleben der brahmanischen u. buddhistischen Religion schrift-
lich bezeugt.
157. Fleet J. F. Note on a Jain inscription at Mathura. JRAS. 1905,
635-655.
Eine unedierte Jaina-Inschrift in Brähmi-Charakteren u. in einer
Sprache, die zwischen Präkrit u. Sanskrit die Mitte hält. Die Zeit ihrer
Entstehung dürfte zwischen 14—13 a. G. u. 16—17 A. D. fallen. Sie ist
bereits einmal von Bühler in Epigraphia Indica I, p. 396, Nr. 33 ver-
öfTentlicht u. übersetzt, jedoch infolge falscher Auffassung des vorkommenden
Wortes S'aka mißverstanden worden. Bühler glaubte dieses Wort auf
144 n. Arisch. B. Indisch.
den Volksstamm der S'akas beziehen zu dörfen, die unter den ehematigen
Eroberem Indiens waren n. die, nach der Oberlieferung der Hindasn
nach der Ansicht der modernen Forschung, die bekannte 78 A. D. be-
ginnende Ära gründeten. Fl. macht jedoch wahrscheinlich, daß S'aka in
diesem Falle eine Bezeichnung für die Buddhisten ist, desgleichen, daß
das in Verbindung damit genannte Wort Pothaya nicht die im Mahi- .
bhärata u. im Vish9upurä9a erwähnten Pröshthas bedeutet, sondern an!
die Digambara Jainas zu beziehen ist. Die vorliegende Inschrift erweist
sich somit als die eines Angehörigen der S'vetämbara-Sekte, die eben-
sowohl den Buddhisten wie den Digambara Jainas in Glaubenssachen
feindlich gegenüberstanden.
158. Foucher A. £tude sur Ticonographie bouddhique de Finde d^aprte
des textes in^its. Avec 7 illustrations d'aprte les photographies de
Tauteur. (Bibl. de V^c. des hautes 6t. Sc. relig. vol. 13., 2« partie.) Paris,
Leroux 1905. 118 S. 8o. 4 fr.
Res. von Alvtella, 0.d\ in Roy. de rhitt det relifir. 52, 113-117; Ronssel,
An in BnlL erit.28, 288-390; H[illebrandt], in Lit ZentralbL V9Qb, 1102.
Inhalt des Buches: bitroduction (Les documents. Les manuscrits.
Le sädhana. Methode et plan du travail). Les divinit^ masculines (Le
Buddha. Les Bodhisattvas. Les dieux secondaires). Les divinit^ femi-
nines (Tärä. Les d^esses benignes. Les döesses terribles). Conclusions.
Index.
159. — L'art gröco-bouddhique du Gandhära. ätude sur les origines de
rinfluence classique dans Tart bouddhique de Tlnde et de TExtr^roe-
Orient. T. 1«: Introduction; les ^ifices; les bas-reliefs. Avec 300 illus-
trations dans le texte, 1 planche et 1 carte hors texte (Publications
de r^cole fran^aise d'Extrßme-Orient Vol. 6). Paris, Leroux 1905. Xn
u. 639. 8o. 12 M.
Einteilung des Buches: Introduction. Le Stüpa. Le Vihära. D^ve-
loppement et d^coration du Saöghäräma. Les motifs d^coratifs. La legende
du Bodhisattva. La transformation du Bodhisattva en Buddha. La
carri^re du Buddha. La fin du Buddha. Revue g^n^rale des seines
16gendaires.
Rez. von Rein ach, S., in Rev. arch. 6, 960—371.
160. Sohrmann H. Die altindische Säule. Ein Beitrag zur Säulenkunde.
Dresden, Kühtmann 1906. VIl u. 79 S. (ill). 6 M.
161. Patel D. N. Kaiävant or science of Äryan music. Bombay, Ch^rag
Printing Press 1905. XIV u. 194 S. 2 Rs.
162. Luders H. Indian caves as pleasure-resorts. Ind. Antiq. 34, 199 f.
Aus den Einrichtungen einer im Rämgarh-Hügel in Sargüjä (im
Südosten von Bengalen) entdeckten Höhle u. aus einer darin befindlichen
Inschrift hat Bloch in ZDMG. 58, 455 auf deren theatralische Verwendung
geschlossen. L. bringt nun einige Stellen aus der poetischen u. epigraph.
Literatur, wo von ähnlichem Gebrauch die Rede ist Die Rämgarh-Höhle
hat deshalb noch ein spezielles Interesse, weil sie nach griechischem
Muster eingerichtet ist. Die schon so viel erörterte Frage der Beein-
flussung des indischen Theaters durch das griechische wird durch die
jüngsten Ausgrabungen in eine neue Beleuchtung gerückt u. die Wahr-
scheinlichkeit einer Verbindung zwischen dem indischen Drama u. dem
antiken Mimus muß immer mehr zum Gegenstand dahingehender Erörte-
IL Arisch. B. Indisch. 146
rongen gemacht werden. Aber anch noch zo anderen Zwecken sind
derartige Höhlen vielfach verwendet worden, n. fu manche, die man
bisher für die Wohnong firiedhcher. einsamer Mönche gehalten hat, haben
lieh jetzt als die Wohnsitze von ganikäs n. le^aiobhikäs n. ihrer Lieb-
haber herausgestellt
168. Beleües. Der ärztliche Stand bei den alten Indem. Äiztl. Vereinsbl.
Bes. Ton S[«d]iofrj in ICitL s. OMCk. d. Med. m. SwXmrm. 4, 154.
164. J0II7 J. Mosqnitoes and fever in Sns'nita. JRAS. 1905. Ö58— 560.
Die Insektenstiche u. deren Behandlang werden von Sos'rnta in
dem Kapitel über die Insekten iliitakalpah behandelt, das den Abschloß
des Boches über die Fische (Kalpasthanam * bildet Die ganzen Insekten
teilt Sos'rota in 6 maksikäs i Fliegen oder Bienen* o. 5 ma^käs ilios-
kitos oder Mücken). Die Heilmittel gegen die Insektenstiche sind die
nämlichen wie die gegen die Ameisenstiche. Bemerkenswert ist. daß
Sos'rota irgend welche Beziehongen zwischen Insektenstichen o. den ver-
schiedenen Ursachen von Fiebern, namentlich des Malariafiebeis nicht
kennt Wenn die einheimischen Mediziner Ceylons der modernen Wissen-
schaft die Entdeckong des Zosammenhanges zwischen Malaria o. Mos-
kitostich vorweg genonuien haben, so ist das onabhängig von Sos'rota
o. den anderen medizin. Aotoritäten ^wie Charaka, Vägbhata o. dem
Aotor des Mädhava Nidäna) geschehen. Vägbhata nennt zwar onter den
symptomat. Folgeerscheinongen der Insektenstiche aoch das Fieber, aber
i diese Angabe bezieht sich nor aof das Wondfieber als die Wirkung des
Stiches o. nicht aof die Malaria.
165. Schmidt R. Liebe ond Ehe im alten ond modernen Indien (Vorder-,
Hinter- ond Niederländisch-Indien). Berlin, H. Barsdorf 1904. 571 S.
Gr. 80. 10 M., geb. 11,50 M.
Bes. von Kraaii, Fr. S., in ZDMO. 50, 43i-43&
166. [P!nng]st Matterschotz im alten Indien. Das freie Wort 5, 465 f.
Mit Bezug aof Chändogya-Up. IV, 4.
167. mehos H. Das Ram-Festspiel Nordindiens. Mit 7 Abbildungen nach
Originalaufnahmen. Globus. 87, 58—61.
Schilderung dieses Festspiels speziell in Ghazipur. Es ist eine alte
ond originelle Schaostellong, die die Kriegstaten des Helden Rama feiert
ond die Bevölkerung aUjährlich im Oktober zehn Tage lang in freudiger
Aofregong hält und je nach den Mitteln, die den einzelnen Städten zor
Verfügung stehen, bald bescheidener, bald in großartigerem Maßstabe auf-
geführt wird. Das Festspiel selbst ist eine dramatische Umdichtong des
Valmikischen Ramayana durch Tulsida. Dieser machte den Eindruck der
Dichtung dadorch noch effektvoller, daß er Ram zom Gott erhob, ihn so
einer Fleischwerdong Vishnos stempelte, die in ganz Vorderindien als
solche verehrt wird. Hieraus resultiert auch die mächtige Begeisterung
für das Festspiel, dessen Text mit dem des Tolsida wörtlich überein-
stimmt Ober das Alter dieses Festspiels sagt Niehos: **Fragt man die
Hindos, seit wann sie dieses Festspiel hätten, so heißt es: **Seit oralten
Zeiten**. Daß sie damit recht haben, wird jeder glaoben, der die Aof-
führongen sieht, denn sie zeigen das Theater in den Rinderschohen.
Das zähe Festhalten der Hindos am Alten hat alle Neoerongen bei den
Aofführongen aosgeschlossen. Sie erscheinen daher dem verwöhnten
Eoiopäer einerseits wie ein rührend naives Kinderspiel, sie sind ihm aber
Anssiger XIIT, Ergänsniigiheft. 5
\J
146 n. Arisch, a Indisch.
andererseits gerade wegen ihres Alters und ihrer Eigenartigkeit aute^
ordentlich interessant**.
168. Bmithy. A. Vais&li; Seals of GnpU Period. JRAS. 1906, 152-154.
Im Auftrage der Regierung von Bengalen hat Dr. Bloch eine genaue
Dnrchforschnng der Ruinen von Vaisäli vorgenommen, dessen Lage durch
die modernen Orte Basä{(h) u. Bakhirä gekennseichnet werden dürfte.
Der Hauptfund besteht in Ober 700 Siegehi, die alle zusammen in einer
kleinen Kammer gefunden wurden. Sie sind zwar zum Teil ganz beträcht-
lich beschädigt, da aber sehr viele Dubletten darunter sind, dQrfle ihre
«idgültige Bntdfferong dennoch gelingen. Die Sammlung umfaßt Siegel
eines Richters, Polizeioffiziers, Schatzsufsehers und vieler anderer Be-
amten neben solchen von Privatpersonen. Vom größten historischen In-
teresse sind zwei Siegel der Gupta-Dynastie. Das eine, mit der Figur eines
sitzenden Löwen, gehört der Mahädevi Dhruvasvämini, der Gattin des
Candragupta u. Mutter des Govindagupta, welch' letzterer Name neu ist
Das zweite trägt die Inschrift S'ri Gha^otkacaguptasya. Noch nicht belegt
ist bisher die Hinzufügung des Wortes gupta zu dem Namen Ghatotkaca.
Beide Siegel gehören demnach dem 4. u. 6. Jahrhundert an. Aus den
gemachten Funden geht hervor, daß Vaisäli unter den Gupta-Herrschem
eine bedeutende Stadt war, was übrigens auch von Fa-hien bestätigt wird,
der sie 403 A. D. besuchte. Hiuen Tsang fand sie um 638 A. D. bereits
fast ganz in Trümmern liegend.
Leipzig. Erich Schröter.
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