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Full text of "Indogermanische Forschungen; Zeitschrift für Indogermanistik und allgemeine Sprachwissenschaft"

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INDOGERMANISCHE FORSCHUNGEN 


ZEITSCHRIFT 
FÜR 
INDOGERMANISCHE SPRACH- UND ALTERTUMSKUNDE 
HERAUSGEGEBEN 
VON 


KARL BRUGMANN und WILHELM STREITBERG 


ERSTER BAND 


STRASSBURG 
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER 
1892 


Inhalt. 


K. Brugmann u. W. Streitberg Zu Franz Bopps hundert- 


Jährigem Geburtstage . . ee ee 
H. Hirt Vom schleifenden und Btossenen Ton in den indo- 
germanischen Sprachen. I. Tel . . -... 
R. Schmidt Zur keltischen Grammatik . . 


K. Brugmann Lat. velimus got. wileima und ags. eard 

W. Streitberg Betonte Nasalis sonans : 5 

A. Noreen Über Sprachrichtigkeit (für πο τ isn ve ar- 
beitet von A. Johannson) 

E. Maass "Ipıc HN πο 

K. Brugmann Etymologisches 

Ch. Bartholomae Arica 1. 

ὧν απο Grob. ro eo 1 lee ͵͵᾿ἸἜοστἰἰἸἸ ὰε 

H. Hirt Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indo- 
germanischen Sprachen II. Teil : : 

τ Johannson Zu Noreens Abhandlung über Serchriehlo keit 
). Wiedemann Zur Gutturalfrage im Lateinischen . . . 
εἰ Wiedemann Got. sailwvan MN ER Nr en ie 
W. Streitberg Der Genetiv Pluralis und die baltisch-sla- 


meecheneNuslautwesetzern...- 2 ee ει τν- 
Ch. Bartholomae Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 
G. Meyer Etymologisches . . . ἄμα gr ER RE 
R. Thurneysen Das sog. Präsens der Gewohnheit im Irischen 
Fr. Stolz Lat. strufertärius . . . : ale 5 
J. Wackernagel Über ein Gesetz der a τ or 
stellung INN 
O0. Wiedemann er en ler: : 


S. Bugge Beiträge zur etymologischen ποτ ΝΣ der arme- 
nischen Sprache. Wr : 
R. Thurneysen Der irische na ar ne 


ΕΠ ἘΠῚ ὉΠ 16. Urheimat der Indogermanen -.. . . . 
ersBastholomaeAriea 1 τος nu... 

J. Strachan Lat. perendie u 
Bebeuomannxotocßweor bei Herodas τ΄. τ: 2. ἡ 
ἩΠ ΠΟ Kyprisches . . . ᾿ er ΕΡδν 
Ο. Wiedemann Gotische anal Re 

W. Streitberg Anord. tyggja und Verwandtes . . . 


Sachregister . 
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Seite 


259 
300 
319 
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333 
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437 
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464 
485 
500 
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506 
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Vom sehleifenden und gestossenen Ton in den indo- 
germanischen Sprachen. 


Erster Teil. 

$1. Kaum ein Faktor im Sprachleben verdient grössere 
Aufmerksamkeit als der Akzent. Von ihm hängt zum grossen 
Teil die Entwieklung einer Sprache ab. Sobald im Sonder- 
leben des Germanischen die Zurückziehung des Akzentes auf 
die Stammsilbe stattgefunden hatte, mussten naturgemäss in 
der Sprache bedeutende Veränderungen stattfinden. Nach wei- 
terer, stärkerer Ausbildung des exspiratorischen Akzentes muss- 
ten notwendig alle Silben, die nicht Träger des Haupttones 
waren, mehr oder minder verkürzt werden. Die keltischen 
und germanischen Sprachen, die beide einen starken, exspira- 
torischen Akzent auf der ersten Silbe trugen, gleichen sieh in 
dieser Verstümmelung der Endsilben gar sehr. 

Von dem Akzente sind notwendigerweise die meisten 
Lautveränderungen bedingt. Während die sogenannten Laut- 
gesetze’ im Grunde nur einfache Thatsachen sind, welche be- 
sagen, dass aus eimem Laute dieser Zeit ein andrer einer spä- 
teren geworden ist, können wir, sobald wir eine Lautverän- 
derung unter Einfluss des Akzentes nachweisen, von Ursache 
und Wirkung reden. 

Leider sind wir gerade bei der Erforschung des Akzen- 
tes und der durch ihn bewirkten Lautveränderungen schlimm 
daran. Bei manchen toten Sprachen kennen wir nicht einmal 
den Sitz des Akzentes, geschweige denn, dass wir etwas von 
der Stärke, von der Höhe wüssten, und über den Satzakzent 
sind wir meistens ganz im unklaren. Bei der Betrachtung 
der lebenden Sprachen wendet man diesen Fragen jetzt glück 
licherweise grössere Aufmerksamkeit zu und sucht festzustel- 


Indosermanische Forschungen I 1 u. 2. 1 


9 Herman Hirt, 


len, was festzustellen ist. Leider ist es unmöglich, das ge- 
sprochene schriftlich genau wiederzugeben. Wir dürfen aber 
hoffen, dass der Phonograph bald in den Dienst der Wissen- 
schaft gestellt wird und uns im Studierzimmer ferne Dialekte 
und künftigen Geschlechtern ausgestorbene Sprachen zu Ge- 
hör bringt. 

Für die toten Sprachen sind wir vielfach auf die leben- 
den angewiesen, aus deren Betonung wir etwas für die älte- 
ren Stadien erschliessen können. Noch ist hier alles höchst 
lückenhaft, aber allmählich wird die Forschung Licht in das 
Dunkel bringen. 

Im folgenden sollen m der Hauptsache Lautveränderun- 
gen besprochen werden, bei denen nach meiner Memung der 
Akzent eine Rolle gespielt hat. Bekannt ist, und als gesichert 
nehme ich an, dass wir für die imdogermanischen Sprachen 
zwei verschiedene Akzentqualitäten unterscheiden müssen, die 
sich im Litauischen noch heute als gestossene und schleifende 
Betonung erhalten haben, während sie uns im Griechischen 
als Akut und Zirkumflex überliefert sind. Das Verdienst, auf 
die Zusammengehörigkeit der griechischen Akzentverschieden- 
heiten mit den Hitauischen hingewiesen zu haben, gebührt 
Bezzenberger (BB. VII 66 ff.). Später hat Hanssen (KZ.XXVI 
612 ff.) selbständig dasselbe erkannt und den Versuch gemacht, 
diese Verschiedenheit auch für das Germanische nachzuwei- 
sen. Die Richtigkeit dieser Ausdehnung wird indessen ver- 
schiedentlich bezweifelt. Brugmann (Grr. 1 ὃ 671 Anm. 1), 
Streitberg (Die german. Comparative auf -0z 25), Meringer 
(BB. XV1 222 £f.) bestreiten sie, nur Sievers (Pauls αὐ]. I 415) 
stimmt für das Gotische zu, wobei er allerdings irrtümlich den 
Lok. οἴκοι, got. daga mit gestossenem Akzent ansetzt. Es ist 
Hanssen entgangen, dass auch das Indische starke Spuren 
dieser verschiedenen Akzentqualitäten bietet. 

$s 2. Augenblieklieh steht diese Frage im. Vordergrund 
des sprachwissenschaftlichen Interesses, und ihre Wichtigkeit 
ist allgemein anerkannt. Doch fehlt noch eine eingehende 
Untersuchung derselben, und die Unsicherheit, die über sie 
herrscht, zeigt sich vielfach darin, dass man gestossene und 
schleifende Vokale unbedenklich oder zweifelnd „leichsetzt 
oder Doppeltformen annimmt. So führt Joh. Schmidt (Fest- 
eruss an Böhtlingk 106) ei, πεῖ, αὐτεῖ, τουτεῖ, ἐκεῖ und νηποι- 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 3 


vei, αὐθημερεί in einem Atem an, Bezzenberger setzt im Nom. 
Dualis Formen mit gestossenem und schleifendem Ton an 
(BB. XII 79 Anm.), indem er sich auf den Lok. Sing. stützt, 
in dem nach Hanssen gestossener und schleifender Ton unter- 
schiedslos wechseln. Dieser Akzentwechsel zeigt sich ja auch 
im Nom. der -n-Stämme gr. ποιμήν, lit. akma, im Instr. Sing. 
gr. πῆ, lit. völkü, im Nom. Plur. gr. θεοί, lit. velkaö. 

Bei einer Untersuchung über die Adverbialbildungen der 
idg.-Sprachen, zu der mich mein hochverehrter Lehrer, Herr 
Professor Brugmann veranlasst hatte, fühlte ich bei jedem 
Schritt die Unsicherheit des Grundes, auf dem wir bisher 
wandelten. Allmählich aber, bei fortgesetzter Beschäftigung 
mit dieser Wortklasse, wurden mir die Akzentdifferenzen ver- 
ständlicher, und ich glaube jetzt ein ziemlich glattes und ein- 
faches Resultat vorlegen zu können. 

Es sei daher diese Tonverschiedenheit zunächst erörtert. 

Da das Griechische den freien Unterschied von Akut und 
Zirkumflex nur in den Endsilben zeigt, während es ihn in der 
vorletzten an die Quantität der ultima gebunden hat, so ist 
das Material für die Stammsilben hier naturgemäss sehr be- 
schränkt. Es ist daher geboten, die Betrachtung auf die End- 
silben zu beschränken und dann zu sehen, wie weit das an 
diesen gewonnene Ergebnis auch für die Stammsilben zur Er- 
klärung dienen kann. 

Ausserdem sei noch im voraus bemerkt und hervorge- 
hoben, dass die in Rede stehenden verschiedenen Akzentqua- 
litäten nicht an den Wortakzent gebunden sind; sie finden 
sich im betonten und unbetonten Silben, nur dass sie in jenen 
deutlicher wahrzunehmen sind. 

$ 3. Ich beginne damit die im Litauischen und Griechi- 
schen übereinstimmenden Fälle anzuführen. 


I. Gestossenen Ton!) haben: 


1) Nom. Sing. der -@-Deklination, gr. τιμή, lit. ranka, 
verkürzt aus ®rankäd nach Leskiens Gesetz (Archiv für slavische 
Philologie V 188 ff... Die Länge ist erhalten in geröji. 


1) Im folgenden sollen die beiden Akzentqualitäten in den 
erschlossenen Grundformen durch ” (gestossener Ton, Akut) und 
(schleifender Ton, Zirkumflex) bezeichnet werden, während 


4 Herman Hirt, 


2) Nom. Dual. der -o-Deklination, gr. aypw, lit. but 
(Adj. baltu ju-du). 

3) Nom. Dual. der -@-Deklination, lit. Adj. ger, bestimmt 
geröji-dwi, gr. Nom. Plur. καλαί, wenn Brugmann (ΚΖ. XXVII 
199 ff., Grr. II $ 286) mit Recht diese Formen für ursprüng- 
liche Duale erklärt. 

4) Nom. Plur. der -o-Deklination der Adjektiva, gr. καλοί, 
lit. geri, bestimmte Form geröjt. 


II. Sehleifenden bez. zireumflektierten Ton haben: 


1) Gen. Sing. der -@-Deklination, gr. τιμῆς lit. rankös. 

2) Dat. Sing. der -@-Deklination, gr. τιμῇ lit. merga?. 

5) Dat. Sing. der -o-Deklination, gr. θεῷ lit. kräsztui? 

4) Gen. Plur. der -o-Deklination, gr. θεῶν lit. krasztü. 

5) Instr. Plur. der -o-Deklination, gr. θεοῖν lit. krasztars. 

6) 3. Sing. Opt. gr. eimoı, lit. Permissiv II. 3 Pers. te- 
suke. Der Akut im εἴποι weist auf zirkumflektierende Betonung 
der Endsilbe, vgl. οἴκοι --- ᾿Ιεθμοῖ. 

Hiermit sind die Fälle direkter Übereinstimmung erschöpft. 
Wir können aber mit grosser Wahrscheinlichkeit noch folgende 
Fälle hinzufügen. 

Fkurseestossenen Eon: 

1) 1. Pers. Sing. Ind. Praes., lit. sukü reflex. sukäü-s gr. 
φέρω. 

2) Akk. Sing. der -@-Deklination, gr. τιμήν lit. merga. 

5) Nom. Akk. Plur. Neutr. der -o-Stämme, identisch mit 
dem Nom. Sing. Fem. der -a-Stämme, erhalten in keturio-lika 
14, penkio-lika 15 (Brugmann Grr. I 8 338 S. 685). 

4) Nom. Sing. der -i0-Stämme, lit. vezanti, “vehens’ aus 
vezantı (vgl. Dial. geresny-ji “die bessere’ (ebend. II $ 191 


S. 526). 
II. Für schleifenden Ton: 


1) Gen. Sing. der -o-Deklination lit. krasztöo. Die Form 
zur Bestimmung des Akzentsitzes dienen soll. Für die langen Vo- 
kale in Grundformen müssen besondere Zeichen eingeführt werden, 
ich wähle a, ı, v, ἡ, ὦ. Im Griechischen können meistens Akut und 
Zirkumflex die verschiedenen Tonqualitäten anzeigen, während im 
Litauischen jede lange Endsilbe den schleifenden Ton hat, sodass 
eine besondere Bezeichnung unnötig wird. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 5 


ist aller Wahrscheinlichkeit nach alter Ablativ. Sie fehlt im 
Griechischen. 

2) Nom. Plur. der -@-Deklination, lit. mergös. Fehlt im 
»riechischen. 

9) Gen. Plur. der -@-Deklination, hit. mergä. Fehlt im 
Griechischen. 

4) Vok. der -- und -«-Stämme, lit. nakte, sanaü, vgl. 
gr. Vok. Ζεῦ neben Nom. Ζεύς, Bacıked neben Bacıkevc. 

5) Nom. Sing. der -zo-Stämme, lit. gaidys. 

Dagegen finden sich auch eine Reihe von Differenzen, 
die wir besprechen werden, nachdem wir die dritte in betracht 
zu ziehende Sprache, das Indische, untersucht haben. 

S4. Es ist zuerst von Kuhn, Beitr. IV 180 ff. bemerkt 
worden, dass es im Vedischen eine Reihe von langen Vo- 
kalen gibt, die zweisilbig gemessen werden müssen. Bezzen- 
berger, Gött. gel. Anz. 1887 5. 415, hat dann zuerst Zusammen- 
hang dieser metrischen Auflösungen mit dem griechischen Zir- 
kumflex und dem litauischen schleifenden Ton behauptet. Zu- 
gleich hat er auch gewisse Kürzen im Indischen an Stelle 
sonstiger Längen mit dem gestossenen Ton in Verbindung 
gebracht, worin ich ihm aber nicht beistimmen kann. Zuletzt 
hat Oldenberg, die Hymnen des Rigv. I 163 ff., diese Fälle 
der Auflösung noch einmal zusammengestellt. Da er von Bez- 
zenbergers Theorie nichts weiss, so können wir seine Aufstel- 
lungen mit um so grösserem Vertrauen entgegennehmen und 
uns auf sie, soweit nötig, unbedenklich stützen. Leider sind 
eine Reihe von Fällen nicht unbedingt sicher. Man kaım die 
fehlende Silbe auch durch andre Mittel gewinnen. Nachdem 
aber der Zusammenhang und Ursprung dieser Erscheinung er- 
kannt ist, brauchen wir nieht mehr zu ihr wie zu einem ulti- 
mum refugium unsre Zuflucht zu nehmen, vielmehr müssen 
wir den Thatsachen der verwandten Sprachen Rechnung tra- 
gen und sie bei der Bestimmung in betracht ziehen. 

Da die geschleiften Silben nieht in jedem einzelnen Falle 
metrisch zweisilbig gemessen werden, so ist daran festzuhal- 
ten, dass aus dem Fehlen zweisilbiger Messung nieht unbe- 
dingt der Schluss auf gestossene Betonung gezogen werden 
darf. Dieser Schluss wird nur wahrscheinlich, wenn eine 
grosse Menge von Fällen vorliegen und die verwandten Spra- 
chen diese Annahme unterstützen. 


0 Herman Hirt, 


1) Bei weitem am sichersten und häufigsten ist die zwei- 
silbige Messung im Gen. Plur. auf -@m belegt, vgl. Oldenberg 
a.a. 0. 185, Lanman, Noun-Infleetion in the Veda 352. Nach 
des letzteren Mitteilungen begegnet die Endung -anam 570 mal, 
und zwar von Maskulin-Formen 333 mal, von Neutren 37 mal. 
Die metrische Dehnung treffen wir 157 mal (144 masc., 13 neutr.). 
Man sieht aus diesen Zahlen, dass es sich durchaus um keine 
Notwendigkeit, sondern nur um eine Möglichkeit handelt. 

Die gesamten Belege zerfallen in zwei verschiedene Ab- 
teilungen. Lanman trennt die Beispiele, in denen die aufzu- 
lösende Silbe im Innern des Pada steht, von denen, wo sie 
das Ende einnimmt. Während er im ersten Fall die zweisil- 
bige Messung unbedingt zugiebt, soll der zweite Fall mit sol- 
chen Versen vereinigt werden, in denen auch ohne besondere 
Gründe am Ende eine Silbe fehlt. Allerdings existieren, wie 
auch Oldenberg (a. a. 0.35) annimmt, solche Verse im Rigvelda. 
Indessen ist ihre Zahl nicht sehr gross, und wir müssen Ol- 
denbergs Ansicht unbedingt billigen, dass diese beiden Arten 
nicht zusammengeworfen werden dürfen. Die Auflösung er- 
giebt ein ganz normales Verssehema, — in der vorletzten Silbe 
wird die Kürze bevorzugt —, sodass auch von dieser Seite 
ein ziemlich sichrer Beweis geführt ist. Für das weitere ver- 
weise ich den Leser auf Oldenbergs Ausführungen a. a. 0.167 f. 

Nur andeuten will ich hier, was ich später genauer aus- 
zuführen gedenke, dass diese eigentümliche doppelsilbige Ver- 
wendbarkeit sich nicht gleichmässig in allen Teilen des Rigveda 
findet. Die Beispiele für -aam der -@-Stämme sind nach Lan- 
wan (a. a. 0. 552) auf die einzelnen Mandalas folgendermas- 
sen verteilt: Mandala I 321 —, II 3, IV 8 V 15, VI'9, 
VIE 5, VIII 59, IX 9/ Χ 14, Val. 3. Es fälltChier sofort”das 
8. Mandala dureh seine ungewöhnlich hohe Zahl von Beispielen 
auf. Obgleich ich die umgekehrte Instanz, die Stellen, au 
denen -zm einsilbig gemessen wird, nicht anziehen, also auch 
keine Verhältniszahlen geben kann, so zeigt doch die hohe 
Anzahl schon an und für sich klar genug, dass das achte Buch 
von allen das älteste ist. Dies Ergebnis stimmt mit dem von 
Lanman S. 576 ff. ebenfalls aus sprachlichen Kriterien gewon- 
nenen überein. Es ergiebt sich ferner daraus, dass Brugmann 
vielleicht mit semer Vermutung Recht hat, die schleifende 
Betonung sei während der Rigveda-Zeit verloren gegangen. Wir 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 7 


können die Ursache freilich. auch in den Fortschritten der 
metrischen Technik sehen. Zweifellos hat aber eine Unter- 
suchung über das Alter der verschiedenen Bücher des Rigveda 
auch auf diesen Punkt Rücksicht zu nehmen. 

Für die schleifende Betonung der Endung -am treten 
das Griechische und das Litauische ein. 

2) Zweitens nennt Oldenberg den Abl. Sing. der -a- 
Stämme auf -αἰ. Lanman 357 leugnet dies; wie wir oben 
sahen, mit Unrecht. 

Das Litauische zeigt den schleifenden Ton im Gen., der 
meines Erachtens dem alten Ablativ entspricht. 

3) Nom. Vok. Plur. der männlichen -a-Stämme auf -as. 
Diese Form ist in den beiden europäischen Sprachen nicht er- 
halten, sondern durch die pronomimale Form ersetzt (gr. ἀγροί 
lit. eilkar). Über den Ursprung der litauischen Form bestehen 
Meinungsverschiedenheiten, die weiter unten besprochen wer- 
den sollen. Ich halte diese Form für dieselbe wie die grie- 
chische und sehe in dem schleifenden Akzent an Stelle des 
gestossenen den Einfluss der verdrängten Form auf -os. 

4) Nom. Akk. Plur. der weiblichen -@- Stämme auf -as. 
Der Nom. entspricht lit. meigos, während der Akk. im Lit. den 
gestossenen Ton hat. Für diesen Fall kann man an der Ur- 
sprünglichkeit des altindischen Tons festhalten, wenn man 
annimmt, dass die Feminina im Litauischen den gestossenen 
Ton von den -o-Stämmen (krasztüäs), den -- und den -«-Stäm- 
men (wagis, maktis, dangüs, sdnus) erhalten haben. Wir 
haben keinen Grund, das Zeugnis des Indischen für diesen 
Fall zu bezweifeln, und es ist daher für den Akkusativ eine 
uridg. Form auf -d4s anzusetzen. Diese Form wird später 
wichtige Dienste leisten. 

9) Nom. Akk. Plur. Fem. auf -zs. Der Nom. entspricht 
genau lit. Nom. Plur. Fem. naktys abulg. kosti. Auch got. 
ansteis kann direkt damit verglichen werden. Ebenso hat das 
Lateinische einige Fälle von ->s im Nom. Plur., die allerdings 
auch Analogiebildung sein können, es aber nicht sein müssen. 
Ich glaube, wir müssen für das Femininum einen idg. Nomi- 
nativ auf -2s ansetzen, über dessen Entstehung man verschie- 
dene Ansichten haben kann, vgl. dagegen Brugmann Ger. II 
S 517 8. 664 f., der eine andre Ansicht aufstellt. Der. Akku- 
sativ ist im Litauischen durch die Form mit n ersetzt. 


ὃ Herman Hirt, 


6) Führt Oldenberg noch den Nom. Dual. Fem. der -α- 
Stämme an, für dessen metrische Zweisilbigkeit ein Beispiel 
zu finden ist 1 29,53 abudhyamane. In diesem Falle wider- 
sprechen litauisch und griechisch (vgl. oben), und da die Silbe 
- am Ausgang des Pada steht, so dürfen wir diesen Vers 
sicher als katalektisch fassen und damit die Differenz zwischen 
indisch und litauisch-griechisch beseitigen. 

7) Die Fälle, in denen der Instrumental Pluralis auf -aös 
zweisilbig verwendet wird, erlauben nach Oldenberg (186) und 
Lanman (350) durchweg andre Deutung. Vom sprachwissen- 
schaftlichen Standpunkt ist gegen ihre Zulassung nichts ein- 
zuwenden, da diese Form nach Ausweis des Litauischen und 
Griechischen sicher schleifende Betonung hatte. 

Das Resultat, das sich bis jetzt ergeben hat, ist zufrie- 
denstellend. Im sämtlichen Fällen, in denen im Indischen 
ein langer Vokal zweisilbig verwendet wurde, konnten wir 
im Litauischen oder Griechischen, soweit die entsprechenden 
Formen überhaupt vorhanden sind, schleifende Betonung nach- 
weisen. 

Und damit ist wohl schon genügend bewiesen, dass diese 
beiden Erscheinungen im Zusammenhang stehen. Wir haben 
deshalb keinen Grund die Glaubwürdigkeit des Indischen im 
Fällen, in denen es allein zeugt, zu bezweiteln. 

Dass im Vedischen durchaus noch keme Verwirrung ein- 
getreten ist, wie Brugmann, griech. Gramm. ? 82 Fussn. 1 anzu- 
nehmen geneigt ist, beweisen auch die Fälle mit uridg. ge- 
stossener Betonung, für die durchaus keine irgend sicheren 
Zerdehnungen anzuführen sind. Dahin gehört das -α des Nom. 
Akk. Plur. Neutr., dessen Identität mit dem Nom. Sing. Fem. 
Joh. Schmidt “Die Pluralbildungen der indogermanischen Neu- 
tra’ ausführlich begründet hat. Der Nom. Sing. Fem. hat 
nach Ausweis des Litauischen und Griechischen gestossenen 
Ton, und denselben Ton hätten wir also für den Nom. Akk. 
Plur. Neutr. zu erschliessen, wenn nicht die im Litauischen er- 
haltenen Reste dafür direkt zeugten (keturio-lika). Eine sichere 
Stelle für Zerdehnung ist nieht beizubringen (Oldenberg 186). 
Ebenso steht es mit dem Nom. Akk. Sing. Fem. auf -a, -dam 
(τιμή, τιμήν), dem auf -2>», dem Nom. Akk. Dual. Mask. auf 
-ἃ (gr. ἀγρώ). 

„Auf spärlichen und unsicheren Materialien“, sagt Ol- 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 9 


denberg weiter, „beruht auch die Annahme eines zweisilbig 
zu messenden -ὦ im Nom. Sing. der -as-Stämme auf -as, 80- 
wie im Nom. Sing. der Stämme auf -tar (-ta).* Vgl. hiermit 
gr. ἠώς, eidwc und πατήρ, ἀετήρ. 

Andere Einzelentsprechungen zwischen Indisch und Grie- 
ehisch-Ltauisch sind folgende (Oldenberg 187): 

Akk. Sing. gdm gr. βοῦν dor. Bwv. Akk. Plur. gas gr. 
βοῦς dor. Bwc. 

Der Gen. von wi- ves, lit. akes. 

Nom. Sing. bhäs gr. φῶς. 

3. Sg. asthät gr. cn. Auch bhüt, das gr. φῦ entspricht, 
dürfte im Text zu behalten und nicht durch Formen wie bhu- 
vat zu ersetzen sein. 

nü deckt sich zwar im Ausgang nicht mit gr. νῦν, doch 
werden die Akzente auf alter Übereinstimmung beruhen. 

va und md, die Oldenberg 189 zweifelhaft erscheinen, 
dürften wegen griechisch n und un mit gestossenem Akzent 
anzusetzen sein. 

8. 5. Dies sind die Hauptzüge, die wir aus der Ver- 
gleichung der drei Sprachen gewinnen. Ehe wir weiter gehen 
und die Fälle betrachten, in denen die Sprachen auseinander- 
gehen oder nur eine von ihnen Zeuge ist, müssen wir fragen, 
welcher Art und welchen Ursprungs die schleifende Betonung 
ist und war. 

Vom litauischen schleifenden Ton giebt Kurschat (Lit. 
Gramm. 8. 59) folgende Beschreibung: „Bei dem geschlitfenen 
langen Vokal ruht der Ton anfangs auf einer niedern Ton- 
stufe und erhebt sich dann wie mit einem Sprung auf eine 
höhere, sodass bei einer solehen Betonung der Vokal wie aus 
zwei Teilen zusammengesetzt erscheint.“ Der gestossene Ton 
ist hingegen ein einfacher sinkender. „Der Ton schiesst ge- 
radezu von oben herab.“ Des weiteren ist auf Masings Schrift 
“Die Hauptformen des serbisch-chorvatischen Akzentes’ 47, 2 
zu verweisen, in der Kurschats Angaben gegen Sievers ver- 
teidigt werden, der die schleifende Betonung als zweigipflig 
fasst (vgl. Sievers, Phonetik ? 203, 1). Ich kann diese Streit- 
frage nicht entscheiden, da ich selbst den litauischen Akzent 
nieht gehört habe. Wie dem aber sein mag, Kurschats An- 
gabe, ‚dass bei einer solehen Betonung der Vokal wie aus 
2 Teilen zusammengesetzt erscheint“, genügt völlig, um uns 


10 Herman Hirt, 


das Vorgehen der vedischen Dichter begreiflich zu machen. 
War die schleifende indische Betonung gleich der litauischen, 
so bedürfen wir keiner weiteren Erklärung für die indische 
Metrik. Für ratsam halte ich es daher auch, diese Vokale 
nicht, wie Oldenberg es thut, gedoppelt zu schreiben, sondern 
sie nur mit emem Akzentzeichen wie dem Zirkumflex zu ver- 
sehen. 

$ 6. Über die Entstehung des idg. Zirkumflexes können 
wir am ehesten Auskunft zu finden hoffen, wenn wir uns an 
das Griechische wenden, das im Sonderleben lange Silben mit 
schleifender und gestossener Betonung neugeschaffen hat. Die- 
ser sekundäre Zirkumflex entsteht im Griechischen bei Kon- 
traktion zweier Silben, wie τρεῖς aus *treies (aind. trdyas), τιμῶ 
aus τιμάω u. 5. w., während Silben mit Ersatzdehnung, die 
so zu sagen organische Länge haben, den Akut erhalten, vgl. 
θείς aus *Bevrc, οὐδείς aus *oudevc. Nehmen wir dieselbe Ent- 
stehung für das uridg. an, so können wir damit die Art des 
litauischen schleifenden Tons und die Thatsachen der vedischen 
Metrik sehr wohl vereinigen. 

Man hat schon vielfach uridg. Längen in Endsilben als 
Kontraktionsprodukte aufgefasst. Die Unterscheidung zwischen 
schleifender und gestossener Betonung giebt uns ein Mittel an 
die Hand zwischen Kontraktion und organischer Dehnung?!) 
zu unterscheiden. 

Die Endung des Akk. Sing. war m, das nach Konsonan- 
ten sonantisch wurde. Akk. gr. m6d-a, λύκο-ν, Tıun-v. Die 
Länge des a des letzten Wortes ist organisch, daher ge- 
stossener Ton. 

Der Nominativ der -n-, -r- und -s-Stämme kann kaum 
den Verdacht erwecken durch Kontraktion entstanden zu sein. 
Daher gr. ποιμήν, πατήρ, ἠώς. 

Ist diese Regel richtig, so kann der Ausgang des Nom. 
Dualis der -o-Stämme kein Kontraktionsprodukt sein. Darauf 
weisen auch das -ὸ und das -@ der -- und -u-Stämme. Von 
den beiden Möglichkeiten, die Brugmann Grr. II S. 641 an- 


l) Organische Dehnung nenne ich das, was Brugmann langen 
Hochstufenvokal heisst. Nachdem diese Arbeit als Habilitationsschrift 
an die philosophische Fakultät in Leipzig eingesandt war, erschien 
Bartholomaes neues Vokalsystem BB. XVII 9 ff., in dem der Aus- 
druck „Dehnstufe* gebraucht wird. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 11 


führt — aus -o+e oder Dehnung —, kann also nur die zweite 
in betracht kommen. 

Vergleichen wir hiermit den Nom. Plur. Mase. Dieser 
Kasus hatte, wie aus der Vergleichung von ai. päd-as gr. 
πόδ-ες, al. deay-as trdy-as gr. Föpeıc aus ξόφει-ες aksl. patoje 
aus *"patoj-es, ai. sünde-as gr. lon. rınxe-ec aksl. synove aus 
®synov-es hervorgeht, -es als Endung. Setzen wir als Grund- 
form für aind. devas ein *deivo-es an, so sehen wir den Grund 
der schleifenden Betonung in der Kontraktion bez. Synkope 
des letzten Vokals. Wer den Nom. Dualis auf -o+e zurück- 
führen will, muss jetzt erklären, warum in dem einen Fall 
schleifende Betonung, in dem andern gestossene entstanden 1511). 

Ebenso ist der Nom. Plur. der -@-Stämme ein Produkt 
aus zwei Silben, aind. dsvas lit. rankos aus *-a-es. 

Ich habe oben gesagt, Kontraktion oder Synkope müsse 
die Ursache gewesen sein, und wir mussten den letzteren Aus- 
druck hinzusetzen, weil uns es durchaus nicht so sicher er- 
scheint als mancher wohl glauben möchte, dass wir im den 
besprochenen Fällen Kontraktionen anzunehmen haben. Der 
Gen. Sing. wird uns darüber belehren, und wir gelangen da- 
mit zur zweiten Entstehungsart des idg. Zirkumflexes. 

Für den Genitiv Sing. setzt Brugmann Grr. II $ 229 
S. 569 die Endungen -es, -os, -s an. Die letzte sicher mit 
Recht, da sich vom Gen. der -i- und -u-Stämme auf -ois und 
-ous nur -s als Endung abtrennen lässt. Ebenso bei den -a- 
Stämmen, gr. τιμῆς. Wäre hier aber wirklich von Anfang an 
-s die Endung gewesen, die antrat, so müsste es ®tıunc heissen, 
wie es τιμήν heisst. Das Litauische zeigt bei den -ἦ- und -«- 
Stämmen ebenfalls den schleifenden Ton, naktes, sanaus. Wir 
haben also eine Grundform *nogtoi-es anzusetzen, deren ὁ 
wahrscheinlich durch dasselbe Gesetz schwand, das die Schwund- 
stufe im Urindogermanischen überhaupt bewirkte, und eine 
Nachwirkung dieser verloren gegangenen Silbe finden 
wir mn der schleifenden Betonung, die die um eine 


1) Die Ansicht, dass der idg. Zirkumflex durch Kontraktion 
entstanden sei, ist auch von P. Kretschmer in dem nach Abschluss 
dieser Arbeit mir zugehenden 3. Heft von KZ. XXXI ausgesprochen, 
S. 358, 468. Er nimmt aber an, dass Kontraktion nicht durchgängig 
Zirkumflex ergab. Diese Ansicht habe ich auch erwogen, aber 
nichts gefunden, was sie sicher begründen könnte. 


12 Herman Hirt, 


Silbe verkürzten Worte auf ‘der letzten’tragen.” Da 
man aber den Gen. Sing. der -@-Stämme kaum von dem der 
-i- und -z-Stämme trennen kann, so wird die Synkope, der 
Vokalausfall auch für die übrigen erwähnten Fälle möglich. 
Da indessen aus einer Grundform Nom. Plur. -o-es kaum -ös 
geworden wäre, so muss erwogen werden, ob nicht vielmehr 
-O-es als ursprünglichster Ausgang anzusetzen ist. Die Unter- 
suchung dieser Frage führte indessen zu einer Behandlung des 
Ablautes, die unsre Aufgabe hier nicht sein kann. 

Auch für diese indogermanische Erschemung können wir 
eine Analogie aus dem Litauischen anführen. Brugmann sagt 
Grr. Is 691 8.564: „Fiel ein kurzer Vokal der letzten Silbe, 
der den Wortton hatte, weg, so bekam die nächstfolgende 
Silbe den Wortakzent in Gestalt eines geschliffenen Tones. 
Diese Änderung kann nieht im absoluten Auslaut eingetreten 
sem. Lok. Sing. toje wurde zu ἰδ), Instr. Plur. tomis zu 
toms, Instr. Sing. akimi zu akim, Instr. Plur. akimis zu akims, 
pirma zu pirm. Demnach waren die Gen. Sing. akmens, 
dukters aus "akmenes, "dukteres entstanden.“ 

Die Beschränkung, dass der ausgefallene Vokal betont 
gewesen sein muss, gilt für das Indogermanische natürlich 
nicht, vielmehr können dort überhaupt nur unbetonte Vokale 
ausgefallen sein. Sehr sonderbar bleibt die Thatsache immer- 
hin noch, dass betonte Vokale im Litauischen überhaupt aus- 
fallen. Wir müssen wohl annehmen, dass zunächst eine Zu- 
rückziehung des Tones um eine Silbe und dann der Schwund 
des Sonanten der letzten Silbe stattgefunden hat. 

Eine deutliche Kontraktion liegt andrerseits wieder im 
Dativ Singularis vor. Die Endung der konsonantischen Stämme 
ist gestossenes -aö. Das ergiebt sich aus gr. ἴδμεν-αι, δόμεν-αι. 
Der Accent könnte nieht auf die drittletzte Silbe zurücktreten, 
wenn αἱ nicht gestossenen Ton hätte, vgl. noch rapai. 

Bei den -ο- und -a-Stämmen ist dieses -aö offenbar mit 
dem Stammauslaut kontrahiert, und es entsteht mfolge dessen 
der schleifende Ton, gr. ἀγρῷ, τιμῇ, lit. wilkui (?), rankar 
aind. pronominal asmar (Oldenberg 188). 

Ebenso müssen wir für den Gen. Plur. der -ο- und -@- 
Stämme Kontraktion annehmen. Wie Osthoff, Morphol. Un- 
ters. 1 207 wahrschemlich gemacht hat, und wie auch Brug- 
mann Grr. IE ὃ 344 S. 088 ff. annimmt, war die Endung der 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 13 


konsonantischen Stämme -om. Darauf weist slaw. τὸ in ma- 
ter, slovesv. Die -ο- und -a-Stämme haben daher lautgesetz- 
lich schleifenden Ton, gr. θεῶν lit. εὐ ῶ. 

Dasselbe gilt vom Instr. Plur. gr. ἀγροῖς, lit. vilkars aus 
-O+dis. 

Ferner ist der Optativ mit emem Suffix -- gebildet, da- 
her gepot lit. te-suk& mit schleifendem Ton. 

Ich denke, das Gesetz ist ziemlich klar: wo immer 
wir eine indogermanische zweisilbige Endung als 
ursprünglich anzunehmen haben, finden wir schlei- 
fenden Ton. Die Silben mit gestossenem Ton werden da- 
her nicht solche Produkte sein. 

Einen weiteren Beleg für das Synkopierungsgesetz bietet 
der Nom. der -0-Stämme. In die Verhältnisse dieser Stämme 
ist durch Streitberg, Paul u. Braune, Btr. XIV 166 ff. helles 
Licht gebracht. Nur eine seimer Aufstellungen müssen wir 
Jetzt etwas verändern. Er sieht in Hit. gaidys got. hairdeis 
neben Zödis Ablaut, und in dem langen -2 Osthoffs nebento- 
nige Tiefstufe. Das kann nicht ganz richtig sein. Ein Vokal 
mit schleifendem Ton steht nirgends im Ablaut zu einer Kürze. 
Wir könnten in der Endung -?s ein Kontraktionsprodukt sehen 
und müssten ein indogermanisches -iös mit Brugmann (Grr. I 
S 84 S. 81) voraussetzen, das schon in der Zeit der Urge- 
meinschaft zu -2s wurde. Besser schemt mir aber zu sein, 
ein uridg. -ios nach langer Wurzelsilbe anzusetzen. -os 
schwand, wie im Gen. Sing. *sanou-es zu *sanoas wurde, 
alsdann regelrecht -2s. Diese Auffassung wurde mir von Streit- 
berg selbst vorgeschlagen. Dann hätten wir in dem got. -eis 
nach langer Wurzelsilbe eine hohe Altertümlichkeit zu sehen, 
denn ursprünglich wechselte -ἰο- und -iio- nach der Quantität 
der vorhergehenden Silbe. 


Instrumentalis Singularis. 


$S 7. Mit der Aufdeckung der Entstehung des idg. Zir- 
kumflexes haben wir die Möglichkeit gefunden, einige Streit- 
fragen zu erledigen. Bekanntlich besteht eine Differenz der 
Ansichten zwischen Joh. Schmidt und Brugmann-Osthoff über 
die Bildung des Nom. Sing. Fem. und des Instr. Sing. 
Osthoff (Zur Geschichte des Perfekts S. 575), dem Brug- 
mann, wenn auch nicht unbedingt, folgt, setzt als Instrumen- 


14 Herman Hirt, 


talsuffiv -@ an, während Joh. Schmidt (Neutra 41) wiederum 
-e verteidigt. An dieser Stelle sagt er: „Osthoffs Kombina- 
tionen, welche wieder von einem angeblichen Instrumental- 
suffix -a ausgehen, entbehren jeden Haltes. Ich glaube den 
Nachweis geführt zu haben (ΚΖ. XXVI 292 ἢ), dass der Instr. 
nicht -a, sondern -e als Suftix hatte. Osthoff bezeichnet ihn 
als einen Fehlschuss, übergeht aber meine Beweisstücke skr. 
pascd, gemeingr. πῆ got. /re, welche darthun, dass lat. aere 
ursprüngliches, nieht aus -a entstandenes -e hat, mit Still- 
schweigen. Wer -a als ursprüngliches Instrumentalsufix an- 
setzt, thut dies allein auf Grund emiger griechischer Adver- 
bia, von welchen jeder Unbefangene zugeben wird, dass sie 
als andere Kasus wenigstens gedeutet werden können. Eine 
Sprache, welche den Instr. als lebendigen Kasus verloren hat, 
ist sicher nieht der einzige Ort, an welchem man verlässliche 
Auskunft über die ursprüngliche Gestalt seines Sufixes zu 
suchen hat. Als lebendigen Kasus finden wir den Instr. bei 
den -o-Stämmen, im Lat., Germ., Lit. auf - oder -0 endend, 
ursprünglich wohl so geregelt, dass alle Oxytona -e, alle übri- 
gen -ὃ hatten (ΚΖ. XXVI 295). Wer diese -2, - aus -e+a 
und -o+a erklären will, hat nachzuweisen, weshalb das femi- 
ninbildende -α (*rpecyF-a—rpecßa) und das nach meiner An- 
sicht damit identische -@a des Ntr. Plur. (τοῦν-αὐ mit dem 
Auslaut der -o-Stämme nicht zu -ö, -e, sondern bei Oxytona 
wie bei Barytona nur zu idg. -@ geworden ist: skr. sd, ἃ, 
μάνα, νέα, nova, lit. mergäa u. ἃ. w.* Diese letzte Behaup- 
tung erledigt sich durch unsern oben gegebenen Nachweis. 
Der Nom. Sing. Fem. der -@-Stämme kann kein Kontraktions- 
produkt wie die übrigen Kasus der -o- und -@-Stämme sein, 
da er sonst schleitende Betonung haben müsste. Es muss 
vielmehr thatsächlieh ein Sufttixv -# an die Tief-(Null-)stufe der 
-o-Stämme angetreten sein. Daneben wird als Ablautsstufe 
ein --Suffix bestanden haben, mit dem Formen wie *tpecy.F-a 
gebildet sein mögen. Auf dieses τὸ (ai. τὸ gr. -a) weist mit 
Sicherheit, wie Brugmann (Morph. Untersuchungen V 52 ff.) 
gegen Joh. Schmidt ausgeführt hat, der Nom. Plur. Neutr., 
und bei den nahen Beziehungen, die zwischen Nom. Sing. 
Fem. und Nom. Plur. Neutr. bestanden, dürfen wir diese En- 
dung auch für den Nom. Sing. voraussetzen. -> verhält sich 
zu -α wie -& in ἧδύς zu dem Suffix von Bacıkeüc, wie -mn 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 15 


in ai. dhäma "Satzung, Sitz’ nama, lat. nomen, gr. ὄνομα 
zu dem Suffix von ποιμήν, wie lat. alis zu gr. ἄλλος aus alios, 
wie πώς ai. pdd zu ἵππος ai. asvas!). 

Von dieser Seite hindert demnach nichts, das Instrumen- 
talsuffix als -@ anzusehen. 

Aber wie kommen wir damit weiter? Wir müssen schlei- 
fenden Ton finden, wenn es ein Kontraktionsprodukt ist. Die- 
sen zeigen allerdings die von Brugmann (Grr. II 627, 629) als 
Instrumentale angesehenen Adverbien tarent. ai gort. n ion. 
att. κρυφῆ, λάθρη (att. λάθρα) πάντη, πῆ, n dor. Kpupd, ταὐτᾶ, 
ἅτε. Das Litauische dagegen, das den Instr. als lebendigen 
Kasus erhalten hat und deshalb von höherem Wert ist als das 
Griechische, weist bei -o- und -@ Stämmen gestossenen Ton 
auf, velkü, daneben gerä-ju, ranka. So lange dieser gestos- 
sene Ton des Litauischen nicht als sekundär nachgewiesen 


ist, — und ich sehe keine Möglichkeit, wie dies geschehen 
könnte, — so lange müssen wir es ablehnen, in dem Instr. 


ein Kontraktionsprodukt zu sehen. Da für den Instr. schon 
zwei prinzipiell verschiedene Bildungsweisen anzunehmen sind, 
vgl. Brugmann Grr. II 8 274 5. 624 ff., so wären wir zur An- 
nahme einer dritten gezwungen. Der Instr. Sing. der -o- 
Stämme wird durch organische Dehnung gebildet, eine An- 
sicht, die ja auch von andrer Seite aufgestellt worden ist. 
Damit wäre der Instr. der -o-Stämme von dem der konsonan- 
tischen getrennt, und die Frage, ob das Suffix des letzteren 
τ oder -a war, muss von neuem und gesondert betrachtet 
werden. 

δ᾽ 8. Von griechischen isolierten Formen werden die fol- 
genden von Osthoff und andern als Instrumentale gefasst: die 
mit μετὰ gleichbedeutende Partikel πεδὰ (Osthoff, Zur Ge- 
schichte d. Perf. 574), ἅμ-α una’, παρὰ neben Dat. mapoı, 
Gen. Abl. πάρ-ος, Lok. nep-ı, Ἄξεκα in εἵνεκα ἕνεκα wegen’ aus 
FEVFEK-O. 


1) Ist der Nom. Plur. Neutr. der -»-Stämme mit dem Nom. 
Sing. Fem. der -4-Stämme identisch, wie Joh. Schmidt annimmt, so 
konnte er nur gestossene Betonung haben. Damit erledigt sich 
Joh. Schmidts Annahme (Neutra S. 40), dass die Adverbien wie gr. 
KpVpA att. κρυφῆ dor. διχᾶ, τριχᾶ dor. ἁμᾶ u. 5. w. diesen Kasus fort- 
setzen. 


10 Herman Hirt, 


Ferner zeigen -a die aind. Gerundia der mit Präfixen 
verbundenen Verba, z. B. prati-bhidy-a (ursprünglich “mit Spal- 
ten’) a-gam-y-a mit herbeikommen  a-gaty-a (dasselbe). Brug- 
mann Grr. 11 632. Es sind dies Instrumentale alter --Stämme. 

Ausserdem führen Osthoff und Brugmann das -ὅ von lat. 
aere, pede auf dieses selbe -a zurück. Dazu umbr. pure igne’ 
(tab. Iguv. 16, 20). Für das Umbrische ist allerdings die Ab- 
schwächung des -a@ zu -e sonst nicht nachzuweisen, aber es 
spricht anderseits auch nichts gegen sie. Ich halte auch für 
das Lateinische diesen Lautwandel keineswegs für sicher. Denn 
Osthoffs Gleichung inde — ἔνθα (Gesch. d. Perf. 577) scheint 
mir hinfällig zu sein. Erstens entsprechen sich die Bedeutun- 
gen keineswegs genau. ἔνθεν ist der Bedeutung nach inde. 
Die einander gegenüberstehenden ἔνθεν und ἔνθα lassen sich 
vereinigen, wenn man &dn als Grundform für ἔνθα ansetzt. 
Andererseits lässt sich önde nieht von ende trennen, und die- 
ses gehört mit «-böi u. s. w. zusammen, wir haben also Stamm 
u-, i-, Endung -nde. Diese Endung kann man nach zwei Seiten 
anzuknüptfen versuchen. Erstlich könnte man sie aus -dne ent- 
standen sein lassen. Dieses Suffix wäre mit gr. -Bev in οὐρανό- 
θεν, ἔν-θεν u. 5. w. mit der Bedeutung “von her’ zu verbinden. 
Und dazu scheint sicher germ. -tan in ags. δασέα, westan, 
nordan, südan, “von Osten her’ anord. westan, aust-an nor- 
dan, hva-dan, ba-dan zu gehören. Die Formen vereinigen 
sich unter uridg. -then-, von dem verschiedene Ablauts- und 
Kasusformen vorliegen. 

Andrerseits können die, denen der Wandel von dn zu 


nd im Lateinischen nicht für erwiesen gilt — Froehde hat 
BB. XVI 198 ff. mit nieht zu unterschätzenden Gründen da- 
gegen angekämpft — den Ausgang von unde und önde an die 


abulg. Adverbialendung -ada, -ade, die Ortsadverbia auf die 
Frage “woher” von Pronominalstämmen bildet, kada, kade 
“woher ’, jada "68ev’, anknüpfen (Leskien, Handbuch d. abulg. 
Sprache 96). 

Für die latemischen Formen auf -e bieten sich aber auch 
noch andre Erklärungsmöglichkeiten. Zunächst können sie 
der Form nach Lokative sein, pede = gr. ποδί, und ferner 
könnte pede doch auch aus pede entstanden sein. Dieses τὸ 
wäre von (den -o-Stämmen übertragen, wie man dasselbe für 
(las altindische -@ annimmt. Da die Ablativendung sicher von 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 17 


den -o-Stämmen auf die konsonantischen übergegangen ist, 
hätte der Vorgang nichts befremdliches. 

Wir haben es also mit Sicherheit nur mit den Formen 
des Griechischen und Altindischen zu thun, die wir aber 
ebenso gut wie auf -a auch auf -m zurückführen können, da 
die gesetzliche Vertretung dieses Lautes in beiden Sprachen 
-a ist, also gr. med-ü aus "ped-m u. 5. W. 

Zuvörderst ist über den Akzent dieses Kasus zu bemer- 
ken, dass er kaum auf der Endung gelegen haben wird. Da- 
gegen spricht der Akzent isolierter Formen wie ἅμ-α und πάρ-α 


(aind. pdär-a), — denn dies ist die Betonung dieses griech. 
Wortes, wenn es nicht proklitisch ist, — und wir müssen 


sicher auf den überlieferten Akzent mehr Wert legen als auf 
die Wurzelstufe, die ja nur allzuoft mit dem historisch zu 
erschliessenden Akzent nicht in Einklang steht. Ebenso zie- 
hen einige indische Adverbien in diesem Kasus den Akzent 
zurück, wie diva “bei Tag’, σώμα "im Versteck’ von div- 
und geah-. 

Von griechischen Adverbien können wir auch solche wie 
τάχα und ὦκα hierherstellen, die Mahlow (Die langen Vokale 
A E075) mit Recht auf *taxfa, *wkfa zurückführt, aber als 
Nom. Plur. Neutr. deutet. Zum Lautlichen ist zu bemerken, 
dass wir wegen gr. πέλεκκον zu πέλεκυ-ς, λάκκος zu lat. lacus 
τι. 5. w. (vgl. Brugmann Gr. Gr. ? 5. 32) eigentlich *wxka zu er- 
warten haben, dass aber a nach ὠκύ-ς U. 5. w. zu ὦκα UM- 
gewandelt ist. Die Bildung dieser Adverbia ist dieselbe wie 
die der oben erwähnten aind. Gerundia prati-bhidy-a, d-gdt- 
y-a, anu-srüty-a. 

Es bietet sich ferner die Mögliehkeit, die aind. Instru- 
mentale der konsonantischen Stämme auf -a@ auf -m zurück- 
zuführen. Wir wären dann der Annahme einer Übertragung 
von den -o-Stämmen überhoben. 

Und dieses -n wird wahrschemlich auch in gr. ἕκητ-τι 
(dor. ἕκα-τι) "wegen, um willen’ stecken, das zuerst Osthoff 
(Gesch. d. Perf. 334 ff.) erklärt hat. Er sieht darin aber den 
Instr. eines -@-Stammes, hebt also den Zusammenhang, den 
er eben erst mit dem *Fexa in ἕνεκα geschaffen hat, eigentlich 
wieder auf. Das veranlasste Wheeler (Der griechische Nomi- 
nalakzent S.20, 1), in *Ffexa und Fexd Akkusative Sing.. auf 
-m und -n zu sehen. Bei dieser Annahme ist nur zu erwägen, 


Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 9) 


18 Herman Hirt, 


ob es nicht *Foxa heissen müsste, wie der Akk. πόδα heisst 
neben dem Instr. πεδὰ. Man kann Wheelers Annahme nicht 
unbedingt zurückweisen, die gegebene Erklärung halte ich 
aber für betriedigender 1). 

Wir finden im Indischen aber auch noch Formen mit 
erhaltenem -m. Bekanntlich wurde -n im Indischen vor Kon- 
sonanten zu -a, vor Vokalen zu -am. Dies gilt natürlich 
nicht nur für das Innere des Wortes, sondern auch für den 
Satzzusammenhang (vgl. Brugmann Grr. I ὃ 231 Anm.). diva 
“bei Tage’ hängt mit ndktam bei Nacht” eng zusammen. 
Wie Wheeler a. a. O0. mit Recht bemerkt, dürfen diese beiden 
Formen nicht von einander getrennt werden, aber sein Schluss, 
dass diva wegen naktam dem Akk. zuzuweisen ist, wird nun 
hinfällig. Dass dem Instr. die hier angenommene Bedeutung 
zukommt, beweisen die deutlichen Instrumentalformen »naktaya, 
aktubhis “bei Nacht‘. Von dieser Seite lassen sich also keine 
Einwendungen erheben. 

In einem andern Falle stehen zwei Formen desselben 
Stammes nebeneinander, sdda und sddam "in eimem fort. 
Hier liegt der Sandhi noch deutlich zu Tage, denn sädam ist, 
wie Grassmann im Wörterbuch angiebt, meistens durch fol- 
gendes öd verstärkt, das heisst, es steht meistens vor Vokal. 

Ebenso kann man noch saydm (Adv.) “am Abend’ hier- 
herziehen, denn neben dem -o-Stamm saydm “ Einkehr’ kann 
recht wohl ein konsonantischer Stamm bestanden haben. 

$9. Die nächste Folge der Annahme emes Instrumen- 
talsuffixes auf -m ist, dass wir die Formen der -ο- und -α- 
Stämme auf uridg. -em, -öm und -äm zurückführen. 

Die Form auf -@m ist in verschiedenen Sprachen noch 
erhalten, zunächst in abulg. raka (vgl. Grr. ILS 276 5. 090 ἢ). 
Ebenso setzt die litauische Form ranka, da es in einigen 
Mundarten als vanku, im Lettischen als raku erscheint, eine 
nasalirte Grundform voraus. Man hat dieses -m nach dem 
Vorgange Leskiens für eine angetretene Partikel -eım erklärt. 
Da diese Partikel -em in den verschiedensten Sprachen bald er- 
scheint, bald fehlt, so müssen wir ihr Antreten im die idg. 
Urzeit verlegen. Dann hätte nach unsern Ausführungen in- 
dessen schleifende Betonung entstehen müssen. Es kann da- 


1) Anders, aber mich nicht überzeugend, jetzt Kretschmer 
ΚΖ. XXXI 458 ἢ. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 19 


her bloss -m hinzugekommen sein, das, verbunden mit dem 
Stammauslaut a, nur gestossenen Ton geben konnte, wie Akk. 
Sing. gr. τιμήν. Indessen bedarf meines Erachtens die An- 
nahme der Partikel -em oder -m sehr der Einschränkung. 
Leskien wird zu ihrer Annahme veranlasst, weil es keine Laut- 
gesetze giebt, nach denen das ursprünglich vorhandene -m in 
den Einzelsprachen geschwunden sein könnte. Das ist rich- 
tig, wir können aber diesen Lautwandel in die Urzeit ver- 
legen, und da -m bald erscheint, bald fehlt, so müssen wir 
diese Erschemung als Sandhi auffassen. Auf diesen Sandhi, 
dem fast alle langen Diphthonge unterliegen, ist in der letzten 
Zeit die Aufmerksamkeit in besonderem Masse gerichtet wor- 
den. Ich stimme zunächst Bremer (Paul und Braune, Beiträge 
XI 38) bei, dass die n-losen Formen der Nominative der -n- 
Stämme durch diesen Sandhi entstanden sind, wie homö im 
Lat., akma im Lit. Denn das die litauische Form auf eine 
nasallose Bildung zurückgeht, scheint mir der Gen. Plur. der 
-o-Stämme auf -2 zu beweisen, der sicher Nasal gehabt hat. 
Wollte man beide Formen auf -m zurückführen, so wäre die 
Differenz in der Lautentwieklung unerklärbar. Dass in litaui- 
schen Dialekten szun für sz& ‘Hund’ erscheint (Brugmann 
Grr. II $ 191 5. 528), wird kaum etwas dagegen beweisen. 
Erstlich dürfen wir ja mit Bremer annehmen, dass im Idg. 
neben -0-Formen solche auf -ön bestanden haben, zweitens 
kann das -» im Sonderleben des Litauischen von den Casus 
obliqui wieder neu eingeführt sein. Ausserdem spricht dafür, 
dass dieses - auch bei mend “Mond’ und sest “Schwester ’, 
erscheint, von denen jenes ein -es-, dieses ein -er-Stamm ist 
(Kurschat, Gramm. $ 731). Auf einen andern Grund, weshalb 
die Worte auf - auf idg. n-lose Formen zurückgeführt wer- 
den müssen, kommen wir weiter unten zu sprechen. 

Ebenso stehen einander gegenüber aind. mam, tvam, 
iran, Pwam, abulg. me, te, se aus "mem, preuss. mien, tien, 
tin, sien, sin und aind. md, tea, ivan. ῥιρᾶ lat. me, te, se. 

Ferner av. Gathadialekt ava aind. deäm (Bartholomae, 
Handbuch der altiranischen Dialekte 8 169), der Dat. Instr. 
Dualis auf -Dhyam, während slav. -ma keinen Nasal verloren 
haben kann). 

EN leugne die Existenz einer Partikel -am oder -m in ge- 
wissen Fällen nicht. Wir werden nachher ein Mittel finden zu ent- 


20 Herman Hirt, 


Ebenso stehen also im Instr. Sing. Formen auf -@m neben 
denen auf -@. Auf letzteres müssen wir aind. dsea, av. haena 
zurückführen. 

Höchst wahrscheinlich dürfen wir jetzt auch eine Reihe 
von Adverbien auf -am, die man bis jetzt meistens als Akk. 
Sing. Fem. gefasst hat, für den Instrumental in Anspruch 
nehmen. 

Für das Indische führt Whitney, Indische Gramm. ὃ 1111 
als Fem. Sing. an prataram, pratamäm, wuccäistardam, sandis- 
tardm, jyöktamam. Hier weisen uns schon die ersten Be- 
standteile zweier von diesen Adverbien den richtigen Weg, 
denn wccais, ein Instr. Plur., wird allein schon adverbiell in 
der Bedeutung „hoch“ verwendet, entsprechend sanais im der 
Bedeutung „langsam“. Wenn der erste Bestandteil dieser Zu- 
sammensetzung ein Instrumental ist, so dürfte der zweite am 
besten auch so zu fassen sein. Nur das eine muss noch be- 
merkt werden, dass -@m natürlich nicht mit Sicherheit auf 
uridg. am weist, es kann ebenso gut -em oder -om sein, also 
dem Maskulinum angehören. 

Während für eine Instrumentalform -am die direktesten 
Beweise vorliegen, fehlen solche für -em oder -om. Trotzdem 
dürfen wir diese Ausgänge mit Wahrschemlichkeit ansetzen, 
da die -o-Stämme kaum ein andres Suffix gehabt haben dürf- 
ten als die -@- und konsonantischen Stämme. Die Sandhi- 
erscheinungen des Idg. sind noch nicht genügend erforscht, 
wir stehen in dieser Frage noch vor vielen Rätseln. Weshalb 
in dem einen Falle die eine Form bevorzugt ist, in dem an- 
dern die andre, lässt sich vorläufig nicht ausfindig machen. 
Spuren für das ursprüngliche Vorhandensein des -m werden 
wir weiter unten finden. 

Für -öm könnte man die gotischen Adverbien auf -0 in 
Anspruch nehmen, die Streitberg (Die germ. Comp. 37) als 
Instrumentalformen auf -ο mit der Partikel -m deutet. Wir 
waren schon oben skeptisch gegen diese Partikel. Ein ein- 
facherer Weg, die Erhaltung des langen Vokals zu erklären, 
bietet sich jetzt, wenn wir eine Instrumentalform auf -om an- 


scheiden, ob die Formen ohne -m aus denen mit -m schon uridg. 
hervorgegangen sind, oder ob im uridg. an die nasallose Form die 
Partikel -m getreten ist, vgl. das Kapitel über den Sandhi. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 21 


setzen. Indessen ist die Beurtheilung dieser Adverbien so 
eng mit der Frage nach den germanischen Auslautsgesetzen 
verknüpft, dass sie im Zusammenhang mit diesen weiter unten 
erörtert werden muss. 

Dagegen darf nach Leskien lit. vilkü aus οὐκὶ auf eine 
Form mit Nasal zurückgeführt werden (Berichte d. sächs. Ge- 
sellschaft der Wissensch. 1884 S. 100). Wie wir nachher 
sehen werden, ist diese Auffassung wahrscheinlich die richtige. 

Leskien hat auch auf die abulg. Adverbien auf -y hin- 
gewiesen, die zum Teil wenigstens hierher gehören können. 

8 10. Wir gingen davon aus, dass eine Reihe von grie- 
ehischen Adverbien, die als Instrumentale angesehen werden, 
schleifende Betonung aufweisen. Da wir den litauischen leben- 
digen Kasusformen mehr Gewicht beilegen mussten, so würden 
wir darauf geführt, eine neue Grundform für den Instr. anzu- 
setzen. Wie lassen sich mit dieser Grundform die griechischen 
Adverbien mit zirkumflektierender Betonung vereinigen? Das 
ist die weitere Frage. 

Man wird sich aus dem Aufsatz von Hanssen (Κα. XXVII) 
erinnern, dass gewisse Differenzen zwischen der griechischen 
und litauischen Betonung bestehen. 

Zu diesen gehört zuerst der Nom. Sing. der maskulinen 
-n-Stämme. Dieser hat im griechischen Akut ποιμήν, und 
nach dem, was wir oben über die Entstehung des schleifen- 
den Tones ermittelt zu haben glauben, muss dies die ursprüng- 
liche Betonung sein. Das Litauische hat schleifenden Akzent, 
akmd Stein’, augmdt Wachstum’, vandu Wasser’, szu 
“Hund’. Hanssen a. a. Ὁ. sucht diese Differenz wie folgt zu 
erklären. Im Litauischen bekommen sehr viele einsilbige 
Worte den schleifenden Ton an Stelle des gestossenen. So 
sei szu lautgesetzlich für ἔσχε eingetreten und diese Betonung 
dann auf die übrigen -n-Stämme übertragen. Das unbetriedi- 
gende dieser Erklärung liegt auf der Hand: dass ein Wort 
so viele andre beeinflusst hat, ist nicht wahrschemlich. Nun 
führten mich meine Untersuchungen über den schleifenden 
Akzent im Germanisehen mit Notwendigkeit zu der Annahme, 
dass in dieser Sprache Nominative von -n-Stämmen zum Teil 
mit schleifendem, zum Teil mit gestossenem Akzent angesetzt 
werden müssen. Fürs Germanische versagt Hanssens Annahme 
völlig, abgesehen davon, dass=sich vom Boden des Litauischen 


22 EHermansEsmt, 


ganz erhebliche Einwendungen gegen Hanssen machen lassen, 
vgl. Bezzenberger in seinen Beiträgen X 203 f. 

Die Erklärung dieser Akzentuationsverschiedenheit blieb 
mir ein Rätsel, bis mein Freund Dr. V. Michels die Frage 
aufwarf, ob nicht der Schwund des -» im Sandhi in uridg. 
Zeit mit Wechsel der Betonung verbunden gewesen, ob nicht 
neben der Endung -en, -ön die Sandhiform -e, -0 entstanden 
sei. Diese Auffassung scheint mir die richtige zu sein. So 
erklärt sich auf das einfachste die Differenz gr. ποιμήν ge- 
genüber akmu!). 

Wir haben schon darauf hingewiesen, dass akma wegen 
des -@ im Gen. Plur. kaum das -» im Sonderleben des Litaui- 
schen verloren haben kann. Der schleifende Ton kann auch 
nicht im Sonderleben des Litauischen durch Schwund des -n 
entstanden sein. Das zeigt der Instr. sing. fem. ranka, der, 
wie Leskien ausgeführt hat, auf *rankam zurückgehen muss. 
Die Silben mit langem Vokal+Nasal werden also im Litaui- 
schen ebenso verkürzt wie alle übrigen Silben mit gestosse- 
nem Ton. Daher ist diese Erklärung nicht möglich, und es 
bleibt als letzte Ausflucht Michels’ Gesetz. 

Für dieses Gesetz spricht ferner der Akk. Plur. Fem. der 
-a-Stämme aind. -@s in asvas got. gebös, der au schleitende 
Betonung weist. Joh. Schmidt (ΚΖ. XXVI 337 ff.) führt diese 
Form auf -ans zurück. Brugmann bezeichnet zwar diese An- 
nahme (Grr. II 8 325 5. 672) als unsicher genug, indessen 
giebt er selbst keine Erklärung für das Abweichen dieses Ka- 
sus von dem allgemeinen Bildungstypus. Ich halte daher an 
Schmidts Erklärung fest, die uns zugleich die schleifende Be- 
tonung erklärt. Es ergiebt sich aber zugleich, dass eine an- 
dere Kategorie von Formen, für die Joh. Schmidt denselben 
Lautwandel in Anspruch nimmt, die Partizipia Pertekti auf 
-wes- ihn nicht gehabt haben kann, denn es heisst im Grie- 
chischen εἰδώς mit Akut. 

1) Diese Ansicht spricht jetzt auch Kretschmer RZ. XNXXI1 358 
aus. Da sein Aufsatz vom Juni vorigen Jahres datirt ist, so ge- 
bührt ihm die Priorität. Seiner weiteren Annahme, dass auch der 
Schwund von 2 und ἡ“ Akzentwechsel veranlasst habe, wie man der 
Konsequenz halber zu [ordern geneigt ist, widersprechen indessen 
die Thatsachen. Michels hat übrigens jetzt seine Auffassung modi- 
ficiert und ist für die im folgenden gezogenen Schlüsse und Annah- 
nen nicht verantwortlich zu machen. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 23 


Ein weiteres Beispiel scheint mir das idg. Wort für 
“Wasser” zu sein, gr. ὕδωρ, lit. vanda, slav. vodd (Akzent nach 
dem Russischen), got. wato. Das Wort ist in den obliquen 
Kasus -n-Stamm gewesen, vgl. gr. ὕδα-τος, got. watins, aind. 
udnds, lit. vandens. Neben dem Nominativ auf -r hat un- 
zweifelhaft ein solcher ohne -r gestanden, darauf weist sicher 
got. wato (siehe unten) und wahrschemlich auch lit. vanda, 
slaw. vodd. Denn der Abfall des -r in diesen Sprachen ist 
mir trotz Joh. Schmidt (Neutra 195, 2) nieht bewiesen, vgl. 
Brugmann Grr. I 8 665 S. 524 Anm. und unten. 

Wie das --r in diesem Worte zu erklären ist, scheint 
mir nicht ausgemacht zu sein. Ich fasse die Form gr. Vdw-(p), 
got. wato, lit. vanda als den regelrechten Nomimativ mit 
Schwund des -n wie in lat. homo, lit. alemu. Infolge dessen 
zeigt auch das Litauische schleifende Betonung und hier auch 
das Griechische, denn vdwp müssen wir wohl wegen ckwp an- 
setzen!. So fasst die Form jetzt auch Brugmann gr. Gr. ? 
8 11 ἃ Anm. 

Ebenso stimmt gr. δῦ, wenn dieses mit Joh. Schmidt 
(Neutra 222) auf *dom zurückzuführen ist. Doch sind für 
diese Form auch andre Deutungen möglich, vgl. Brugmann 
6122110820223 75,558:Amnm.:3: 

8. 11. Jetzt kehren wir zu den griechischen Adverbien 
mit Zirkumflex zurück, die für Instrumentale gehalten werden. 
Als solehe werden zunächst die Adverbia der Art und Weise 
auf -W, -ὧς gefasst, Wie WdE, οὕτω, οὕτως, καλῶς, φίλως, πάν- 
τως, ταχέως. 

Nach der ältesten Annahme, die auch heute noch ver- 
breitet genug ist, sind sie Ablative auf -öd, und zwar soll 
das -d im Griechischen zu -s geworden sein. Als man den 
Lautveränderungen grössere Gesetzmässigkeit beizulegen an- 
fing, musste diese Annahme fallen, denn εἰ schwand in andern 
Fällen regelmässig. Curtius’ Stud. X 218 ff. und Joh. Schmidt, 
Neutra 555 f. haben dann aufs neue versucht das -s auf -d 


1) Zur Betonung von σκῶρ vgl. Bloomfield, The recessive ac- 
eent in Greek, American Journal of Philology IX 12 u. 15: „I pre- 
fer therefore to regard γλαῦξ and σκῶρ as the oldest forms on 
Greek grounds, and to consider the coineidence of the Doric 
accentuation γλαύξ und σκώρ with the etymological accent as acci- 
dental.“ 


΄ 


24 rierm ἀπ ἩΠΙ ΤΥ; 


zurückzuführen, indem sie die Formen mit -s für im Sandhi 
entstanden erklärten: -f sei zu -s vor -t und -s geworden. In 
betreff des Wertes dieser Ansicht verweise ich auf Brugmann 
Grr. II $ 241 5.589 Anm. 1. Leugnen lässt sich die Mög- 
lichkeit der Annahme von Curtius nieht, aber sie bleibt doch 
unwahrscheimlich. 

Wir müssen indessen diese Frage von einer andern Seite 
anfassen. Ist es denn überhaupt möglich, diese Formen mit 
τ-ῶς auf Ablative zurückzuführen? Bei der Entscheidung die- 
ser Frage kommen in erster Linie die litauischen Ablative 
auf - in betracht, die nach Mahlow (Die langen Vok. 130 ff.) 
nur auf -ad zurückgehen können. 

Es ist ja vielleicht, wie Brugmann Grr. II $ 291 8.591 
bemerkt, über die Vertretung von ö im Lit. noch nicht das 
letzte Wort gesprochen, aber ehe die Gesetze für die Vertre- 
tung von uridg. τὸ im Lit. als -5 nicht nachgewiesen sind, 
kann man auch nicht mit ihnen operieren'); uridg. ö wird in 
akma sicher zu «. Die einzige Möglichkeit der verschiede- 
nen Behandlung könnte man in der Verschiedenheit des Ak- 
zentes sehen: der Gen. Abl. zieht den Akzent zurück, die 
Nom. auf -ὦ tragen ihn auf der Endung, doch ist das nur 
eine Möglichkeit, die allerdings durch den Wechsel δ- αὶ, ö-ei 
gestützt wird. 
ad liegen auch im Lateinischen 
in ganz isolierten Adverbien vor, wie in extra, contra, intra, 


Aber diese Formen auf 


citra, ultra. Das ablativische -d ist belegt in ertrad, suprad 
(Sen. eons. de Bach. 16; 22, 25, 29). Und dass diese For- 
men uralt sind, beweist das Zusammenstimmen der Endung 
mit den gotischen Adverbien auf -bro, vrabro “woher', baproö 
daher’, jainpro “dorther’, aljapro “anderswoher’, die die 
ablativische Bedeutung noch viel klarer bewahrt haben. Durch 
die Übereinstimmung des Lateinischen mit dem Gotischen wird 
m. E. ein uridg. Ausgang -trad erwiesen, und in dieser Zeit 
kann von einem Ablativ der -a-Stämme gar nicht die Rede 
sein ?). 


Auch von seiten der Bedeutung lassen sich ganz erheb- 


1) Wiedemanns Ausführungen, das litauische Präteritum 45 f., 
kann ich nicht beistimmen. 
2) Für -@d jetzt auch Kretschmer ΚΖ. ΧΧΧΙ 457 ἢ 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 90 
Θ oO 


liehe Einwendungen machen. Ich kann nicht finden, dass die 
griechischen Adverbia der Ablativbedeutung entsprechen. „Man 
nimmt jetzt allgemein an,“ sagt Delbrück, Altindische Syntax 
S. 106, „dass in den Ablativ derjenige Nominalbegriff tritt, 
von welchem her die Handlung des Verbums erfolgt.“ Der 
Ablativ ist der “von’-Kasus. Die indischen Adverbien, die 
vom Ablativ gebildet werden, entsprechen dieser Bedeutung 
vollkommen. Sie können meistens mit "von-her’ übersetzt 
werden, vgl. Whitney, Indische Gr. $ 1114. asät nahe’, arät 
“von ferne’, balat gewaltsam’, kutähalat neugierig’, sakasat 
“von Seiten’, darät “von ferne’, nzcdt "unten ’, pascät “linken’, 
saksät “vor Augen’, apakät “aus der Ferne’, amät “aus der 
Nähe’, sandt "von Alters her’, uttarat "aus dem Norden’, adha- 
rät unten‘, got. undarö. Diese Bedeutung finden wir im 
Griechischen nieht bei den Adverbien auf -ς, sondern die 
der Art und Weise, also eine instrumentale. 

Da der Antritt des -s von Brugmann plausibel erklärt 
ist (vgl. Grr. II $ 241 S. 589 1. Anm. 1), so dürfen wir in 
unsern Formen Instrumentale sehen, die lautlich vollkommen 
korrekten Sandhiformen zu den idg. Instrumentalen auf -Om, 
eine Bestätigung der Michels’schen Regel. 

In lit. villa kann nunmehr wegen des gestossenen Tones 
nur die Form auf -om enthalten sein. 

Ich stelle der Übersicht halber die Fälle für diese Regel 
noch einmal zusammen: gr. ποιμήν, lit. akmu, Akk. Plur. Fem. 
al. -ds aus -ans, gr. ὕδιῶ-ρ, got. wato, lit. vanda, lit. Instr. 
vilkü aus *vilköm, ranka aus rankam gr. Adv. auf -W -ὥς. 

Weiterer Bestätigung für den Instr. auf -om und für 
dieses Sandhigesetz werden wir im Germanischen begegnen. 

Nachdem wir -m als Suffix des Instrumentals nachge- 
wiesen zu haben glauben, erklärt es sich leicht, warum diese 
Form bei den konsonantischen Stämmen im Lateinischen ver- 
loren gehen musste. 

Wie sich ergeben hat, war bei den -o-Stämmen der Instr. 
vom Akk. durch Dehnung des Vokals, d. h. durch Stammab- 
stufung geschieden. Der Akk. lautete *ekuom, der Instr. 
*ekuom. Wenn wir dem griechischen πεδὰ gegenüber Akk. 
πόδα trauen dürfen, waren die beiden Kasus auch bei den 
konsonantischen Stämmen durch Ablaut unterschieden. Auch 
ὦκα gegenüber Akk. ndVv, aind. -ya gegenüber Akk. -im zei- 


26 Eierman Hirt, 


gen verschiedene Formation. Wurde im Laufe der Zeit, wie 
es im Lateinischen geschah, die Stammabstufung ausgeglichen, 
so fiel der Instrumental mit dem Akk. zusammen. Diese Sprache 
sah sich daher nach einem Ersatz um und nahm die Endung 
der -0-Stämme auf -2 herüber. 

Vereinzelte Reste des alten können in enim, autem_ er- 
halten sein. Ebenso werden in lateinischen Partikeln wie 
tum, num, quom, dum die alten Instrumentale auf -om 
stecken. Akk. Neutr. können es doch nicht sein, die hatten 
-d als Endung (vgl. Mahlow, Die langen Vokale 86)}). 

So haben wir eine einheitliche Instrumentalbildung für 
alle Klassen hergestellt. Das in andern Fällen erscheinende 
Suffix -mi, lit. nakti-mi, abulg. patomv, lit. sanum?, abulg. 
synom» hängt damit offenbar auf das engste zusammen’). 
Man könnte vermuten, dass dies durch eine Partikel - erwei- 
tert ist, doch finden wir die Partikel - sonst nur im lokativi- 
schen Sinn. Näher liegt es und besser erscheint es mir, das 
τὸ durch Emwirkung des Suffixes -bhö zu erklären, das ur- 
sprünglich gewiss eine andre Bedeutungsnüance vertrat, die 
aber allmählich verloren ging. Wir hätten also eine soge- 
nannte Kompromissbildung vor uns, indem ursprünglich nur 
mo- und bhi- vorhanden waren, und hiernach mi- und bho- 
entstanden. 

Die Erörterung über die Bildung des Instrumentals hat 
uns die dritte Art der Entstehung des idg. schleifenden Tones 
kennen gelehrt. Damit ist der idg. Zirkumflex in Endsilben, 
wie mir scheint, aufgeklärt, und "wir können die Resultate 
folgendermassen zusammenfassen. Die idg. schleifende Beto- 
nung entstand 

l) dureh Kontraktion zweier Silben. 

2) Bei Ausfall des letzten Vokales erhielt die nunmeh- 
rige letzte Silbe, wenn sie lang war, den schleifenden Ton. 

9) Bei Schwund eimes Nasals nach langem Vokal erhielt 
dieser den schleifenden Ton. 

Wir wenden uns jetzt zu emigen Kasusformen, die noch 
der Aufklärung bedürfen. 


1) Stolz Lat. Gr. 3 S. 309. 348 führt tum, quom auf *to-sme, 
"quo-sme zurück. 

2) Über ai. sanemi, das mit diesen Formen zusammengestellt 
wird, vgl. Henry, Revue crit. 1891 p. 23. 


N 
S 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 


Lokativ Singularis. 


$ 12. Der Lok. Sing. der -o-Stämme lautete uridg. 
auf -οὐ oder -οὐ aus. Auf die schleifende Betonung weist das 
griechische οἴκοι "zu Hause’ gegenüber ᾿Ισθμοῖ, οἴκει, dor. πεῖ, 
ὁπεῖ. Daneben führt Brugmann, Grr. II $ 265 S. 616 auch 
Formen mit Akut an αἰεί, ἀμαχεί zu ἄμαχος. Das kann nicht 
richtig sein. Auch das Litauische hat den schleifenden Ton 
in dem Adverbium name “zu Hause’ noch erhalten, altlit. 
häufiger gebraucht döee-p bei Gott’ (geschrieben diewiep) 
τ 11 205. 8.617. 

Die im modernen Litauischen geltende Endung -e z. B. 
eilke kann mit dem idg. Suffix -er oder -οὐ nicht vereinigt 
werden. Es kann altes -e oder -© vertreten. 

Neben dieser idg. Bildung mit - stand bei den meisten 
Stammklassen noch eine andre, endungslose, meistens mit Deh- 
nung des Vokals, so von den -»-Stämmen auf -en und -en, 
Avest. casman, aus *-en, gr. kret. inf. döunv und aind. mär- 
dhän, uddn, kdrman, gr. auFf)ev “immer’ und die Infinitive 
auf -uev wie δό-μεν, ἴδ- μεν, Eu-uev, die allerdings auch aus -en 
im Satzzusammenhang verkürzt sein könnten. Die -i-Stämme 
hatten -@i, daneben Schwund des -ἰ durch Sandhi, also -e. 
e in aind. agnd, got. fiska aus *fiske, -ei in got. anstai aus 
anstei, ad. ensti. Bei den «-Stämmen -eu, ai. saunad, got. 
sunau, ahd. suniu, Grundform *suneu, vgl. Streitberg Comp. 
25. Über alle diese Formen 5. Brugmamı Grr. II 8 257 ff. 
S. 610 ff. 

Haben wir es bei dieser Bildung, wie allgemein ange- 
nommen wird, mit organischer Länge ohne jede Endung zu 
thun, so konnte der Akzent im Uridg. nur der gestossene sein. 
Und darauf weist das Litauische, dessen Verhältnisse, anschei- 
nend verwickelt, das alte doch noch durchscheinen lassen. 
Wir finden die lautgesetzliche Form uridg. auf -e in dem Ad- 
verbium szale, “zur Seite’ aus *szalö zu nom. szalis ‘Seite’, 
ferner in der Infinitivform auf -te: dekte, sukte, die ein idg. 
-te, Lok. eines -ti-Stammes, repräsentieren kann. 

Brugmann Grr. II ὃ 260 S. 613 meint, dass während 
dieser Ausgang -t£ den Lok. uridg. -te vertreten könne, der 
alte und jetzt noch in manchen Gegenden lebendige lit. Infini- 
tivausgang -tö, z. B. dektö (trans. und intrans. “brennen’) auf 


28 Herman Hirt, 


uridg. -ei zurückgehen möge. Die Erhaltung des -ὃ weist in- 
dessen auf schleifende Betonung. Wir können zwar nicht be- 
stimmt behaupten, dass auch für die langen Diphthonge Les- 
kiens Verkürzugsgesetz gilt, da uns das Material fehlt, aber 
in den Silben mit langem Vokal + Nasal mussten wir es oben 
annehmen, und zwischen diesen Silben und den übrigen lang- 
diphthongischen lässt sich prinzipiell kein Unterschied errichten. 

Auf Grundlage dieser unsicher gedeuteten litauischen Form 
eine unerklärbare Ausnahme von den Gesetzen über gestossene 
und schleifende Betonung anzunehmen, geht nicht an. Wir 
finden aber thatsächlich auch die Formen mit Verkürzung auf 
-j wie sükti, und wir führen daher dieses besser auf altes -e 
oder -δὲ zurück. 

Die Form auf -tö sieht genau so aus, wie die ursprüng- 
liche Form der -o-Stämme auf -e2 oder -0?, während die Form 
der -o-Stämme Jlautlich der der -z-Stämme entsprechen kann. 
Dass ein solcher Umtausch, vermittelt wohl durch die -20o-Stämme, 
stattgefunden haben kann, liegt im Bereich der Möglichkeit: 
zeigen doch die -zo-Stämme sicher die Form der --Stämme. 

Eine Möglichkeit, die Iitauische Form auf die --Stämme 
zu beziehen, liegt allerdings vor. An die durch Sandhi ent- 
standene Form auf -@ konnte das Lokativsuffix -2 wieder neu 
angetreten sein wie aind. karmani neben karman, sunavi 
neben sanau. Das musste schleifende Betonung ergeben. 
Wurde -7% im Litauischen verkürzt zu -e2, so fiel diese Form 
mit der der -o-Stämme zusammen. Daneben stand bei den -- 
Stämmen -2, und es war nur natürlich, dass diese Form auch 
bei den -o-Stämmen gebraucht wurde, wo sie auf unaufge- 
klärtem Weg die normale Form ganz verdrängte. 

Diese Erklärung halte ich auch für einfacher als die 
von Brugmann Grr. ὃ 424 8. 787 f. gegebene, obgleich sich 
sonst nichts gegen dieselben einwenden lässt. 

Die griechische Adverbialendung auf -ei (ἀμοχθεί, auayel, 
αὐτοψεί, αὐτοματεί) müssen wir wegen ihres Akutes auf die 
-7-Stämme beziehen. Das Erscheinen dieser Endung bei den 
-o-Stämmen ist nicht wunderbarer als das Auftreten der En- 
dung -ὦ bei andern als -o-Stämmen. Eine Reihe von Bei- 
spielen aus andern Sprachen lassen eine solche Ausdehnung 
einer Adverbialendung über ihr Ursprungsgebiet als ganz ge- 
wöhnlich erscheinen. Jedenfalls ist daran festzuhalten, dass 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 29 


auch hier von einer ursprünglichen beliebigen Doppelheit nicht 
die Rede sein kann. -ei braucht, was kaum zu bemerken 
nötig ist, nicht notwendig eine uridg. Form auf -ei fortzu- 
setzen, sondern kann nach dem griechischen Verkürzungsgesetz 
im Sandhi vor folgendem Konsonanten entstanden sein. 

Wie die meisten Stammklassen, so haben höchst wahr- 
scheinlich auch die -o-Stämme eine --lose Lokativbildung ge- 
kannt; wie wir voraussetzen dürfen, mit Dehnung des Stamm- 
vokals. Brugmann macht auf diese Thatsache Grr. II ὃ 424 
S. 787 aufmerksam, indem er auf gewisse in Adverbien erhal- 
tenen Reste hinweist, lit. fe “da’! sze her’; abulg. te “und’; 
lat. gue, gr. τε, aind. ca “und‘, kann man noch hinzufügen. 
Lit. te und sze können aus *te und sz& entstanden sein. Dieser 
Locativ musste gestossenen Ton haben, da er nicht zusammen- 
gesetzt war, und man darf deshalb nicht gr. τῆ, wie es Brug- 
mann zweifelnd thut (Gr. Gramm. ? 8 201 5. 223 und 8 83), 
damit vereinigen. 

Die Existenz dieses Kasus lässt sich noch dureh einige 
weitere Adverbialbildungen wahrscheinlich machen. Zunächst 
möchte ich got. war “wo’, bar “da’, jainar “dort’, aljar “an- 
derswo’ neben ahd. dar, unbetont der, ags. der, hw@r, hier- 
herstellen. Wie Brugmann Grr. II 8 192 S. 529 im der Fuss- 
note bemerkt, können diese Worte auf gemeinsame Grundformen 
auf -er zurückgeführt werden. -er wird in unbetonter Silbe 
got. zu -ar, ahd. zu -er, wie Streitberg (Germ. Comp. 8.22 ff.) 
gesehen hat (got. fadar, ahd. fater). Im Got. sind die unbe- 
tonten Formen verallgemeinert, var ist nach bar neu gebildet. 
Diese Endung zerlegt sich offenbar in -e+r. Dieses r ist 
eine angetretene Lokativpartikel, und -e ist der ursprüngliche 
Lokativ der -o-Stämme. In einem andern Falle ist die Partikel 
-r an den Lokativ eines -;-Stammes getreten, nämlich in got. 
her..*he halte ich für identisch mit lat. h@ m hr-c, es geht 
auf *khei oder *khei, ἃ. h. den Lokativ des Stammes *khi, 
zurück; germ. €? ist trotz Holz, germanisches €? und Jellinek, 
P. Br. Btr. XV 297 noch nicht aufgeklärt. Für sicher halte 
ich, dass 2? aus der -“-Reihe herstammt, und es kann sich nur 
fragen, ob es aus ei oder ei entstanden ist. 

Diese Formen beweisen zwar nichts für den Akzent, das 
thut aber eine andere Kategorie, die eng mit ihnen zusammen- 
gehört, die griechischen Lokativadverbien auf -w, wie dvw, 


90 Herman Hirt, 


κάτω, ἔξω, ἔσω, εἴσω, πρόσω, πόῤῥω, ὀπίσω, ETTIOXEPW, EVIOXEPW. 
Diese sind der Bedeutung nach sicher Lokative und die genaue 
Entsprechung zu den germ. Formen auf -©-+r mit"dem be- 
kannten Wechsel von -2 zu -Ö unter Einfluss des Akzentes. 

Im Litauischen scheinen mir diese Lokative auf -ö, ver- 
mehrt um -r, in gewissen Adverbien zu stecken: kör "wo, 
wohm’, nekur "nirgend’, käaskur "wer weiss wo, irgendwo’, 
kitur “anderswo’, vösur “überall, die wir unbedenklich auf 
-ör zurückführen können. So schon Mahlow, 1). langen Vok. 
115. Sollte dies richtig sein, so wäre damit der Beweis ge- 
liefert, dass -r in der Sonderentwicklung des Litauischen nicht 
abgefallen ist, wie dies Joh. Schmidt annimmt. 

Ich halte nun die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, 
dass die litauischen Lokative der -o-Stämme auf -£ diese ur- 
sprüngliche Bildungsweise noch repräsentieren). Sicher fand, 
wenn diese Formen auch nur in wenigen Überresten in das 
Litauische hineinkamen, ein Zusammenfall dieses Kasus bei 
den -ο- und --Stämmen statt, und dies konnte der beste An- 
lass werden zu der vollständigen Übertragung einer daneben 
stehenden Endung auf die fremde Stammklasse. 

Neben dem Lokativsuftix -2 stand im Idg. noch ein Suflix 
-u, das zuerst Bartholomae BB. XV 23 nachgewiesen hat. 
Im Lokativ Plur. sind uns beide Suffixe in lebendigen Bil- 
dungen erhalten. - in gr. λύκοιςι, vielleicht auch in lat. Zupzs, 
-u in ai. erkesu, abulg. vlocechz. 

Auch im Singular liegt dies Suflixv -@ zunächst in ad- 
verbialen Bildungen vor, vielleicht im Griech. in ποῦ “ubi’, 
ὅπου, οὗ "ubi, αὐτοῦ daselbst’, ὑψοῦ oben’, τηλοῦ “fern’, 
ἀγχοῦ nahe‘, ὁμοῦ zugleich’, οὐδαμοῦ nirgends’, auch hier 
natürlich wieder mit schleifender Betonung. Allerdings ver- 
mag ich nicht nachzuweisen, dass diese Adverbien echten 
Diphthong hatten. Aber dass diese Formen so aufzufassen 
sind, wird mir dureh die altbulg. Adverbia auf -« wahrschein- 
lieh: erzcha@ “hinauf, oberhalb’, dola "himab’, vzna “hinaus, 
posreda "in Mitten’, »yme-ca "jetzt’, ta "dort’, ona-de "exei’?). 


1) Gegen die Ansicht Bezzenbergers, dass völke aus vilke ent- 
standen sei (GGA. 1879 S. 921), hat sich Leskien, Ber. d. sächs. 
Ges. ἃ. Wiss. 1854 S. 96 ff. gewendet. Ich kann seinen Ausführun- 
gen nur beistimmen. 

2) mezdü, das zu diesen Adverbien gestellt wird, ist von 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 31 


Vielleicht ist der slavische Dativ der -o-Stämme auf -z die 
Fortsetzung dieser Formation, da er lautlich weder aus -οἱ 
noch aus ö erklärt werden kann. Die eigentümliche Syntax 
des slavischen Dativs hat es Leskien schon seit langem wahr- 
scheinlich gemacht, dass er eigentlich eine Lokativbildung sei. 

Auch m den indischen Lokativen der -i-Stämme wie 
agnau wird dieses Suffix angetreten sein, da andere Erklä- 
rungsarten, wie wir unten sehen werden, unwahrscheinlieh sind. 

Diese Bildung scheint mir nun zu beweisen, dass es un- 
möglich ist, im Nom. Dual. der maskulinen -o-Stämme Antre- 
ten der Partikel -« zu vermuten, wie dies Brugmann Grr. II 
8 285 S. 641 thut. Wir hätten dann entschieden schleifende 
Betonung zu erwarten. Meringers Annahme KZ. XXVII 233, 
dass wir es hier mit Stammbildung zu thun haben, bietet die 
einzig befriedigende Möglichkeit, die Form und den Akzent 
zu erklären. Der Genitiv Dualis dieser Stämme auf -oxs oder 
-eus (aind. -οϑ abulg. -«) ist der regelrechte Genitiv eines -u- 
Stammes, und er ist daher vermutlich mit schleifender Beto- 
nung anzusetzen. 


Nominativ Pluralis der geschlechtigen Pronomina 
der -o-Stämme. Nom. Dual. Fem. Neutr. 


8. 15. Der Nom. Plur. Mask. der geschlechtigen Prono- 
mina lautete im Uridg. auf -oö mit gestossenem Akzent, wie 
&r. 101, oi beweist; ai. te, lat. istz, hr, qur, abulg. ti. Im 
Litauischen hat ἐδ dagegen schleifende Betonung. Diese pro- 
nommale Endung wird in verschiedenen Sprachzweigen auf 
die Adjektive und Substantive übertragen. Gr. καλοί, θεοί 
weisen denselben gestossenen Ton auf. Das Litauische hat 
sicher die pronominale Endung auf die Adjektiva übertragen, 
und diese haben in Übereinstimmung mit dem Griechischen 
gestossenen Ton, ger. Dies macht es gewiss, dass ἐδ sekun- 
där ist, dass es auf irgend welchem Wege erst im Sonder- 
leben des Litauischen den Akzent gewechselt hat. 

Die uridg. Form führt Joh. Schmidt (KZ. XXV 6) auf 
to+i zurück. Wäre dies richtig, so müssten wir schleifende 
Betonung finden, wie im Lok. Sing. gr. ποῖ aus mo-ı. 


Leskien in Brugmanns Grr. II S. 656 als Lok. Dual. gedeutet. Ebenso 
von Wiedemann Arch. f. slav. Phil. 


92 HermancHitt, 


Gegen Schmidts Deutung spricht von vornherein der 
Umstand, dass dieses -2 sich auch in andern Pluralkasus vor 
der Endung findet, so Gen. Plur. aind. tesam, preuss. s-teison, 
abulg. techv. Man müsste annehmen und hat angenommen, 
dass hier das -2 später vom Nom. eingeführt sei. 

Die Entstehung der Flexion fällt vor die Zeit der Spra- 
chentrennung, und wir haben nur die Möglichkeit unsichre 
Vermutungen aufzustellen. Und ich wage daher auch nur mit 
der grössten Reserve mich über unsern Ausgang -o? zu äus- 
sern. Sind unsre bisherigen Ausführungen richtig, wird nicht 
noch der Grund gezeigt, weshalb im Lok. Sing. o+i zu οὗ 
wurde, im Nom. Plur. aber zu οὐ, so bleibt nichts übrig als 
anzunehmen, dass wir es hier ebenfalls mit Stammbildung zu 
thun haben: der Nom. Plur. gehörte eigentlich einem --Stamm 
an. Bekamntlich stehen neben den pronominalen -o- auch -z- 
Stämme, so ki neben ko, gi neben go (Brugmann Grr. II $ 409, 
411). Der Stamm auf -2 fiel im einigen Formen mit dem 
Stamm auf -/0o zusammen. Infolge dessen bildete sich schon 
im Idg. ein Mischparadigma, im dem Kasus von dem -i- und 
dem -o-Stamm zusammenstanden, toi gehört also ideell zu 
einem Stamm #-, womit natürlich nicht bewiesen ist, dass 
gerade dieser Stamm fi je existirt hat. Mit dieser selben An- 
nahme hat Joh. Schmidt (ΚΖ. XXVII 386) aind. tdya erklärt, 
das die Form eines --Stammes ist. Das ursprüngliche liegt 
vor in ay-d, zum Stamme -i. te-na ist erst vom --Stamm 
ena aus entstanden. 

jrugmann lehnt diese Annahme Grr. II ὃ 422 S. 783 
Anm. zwar ab. Seiner Eimwendung, dass man das -ὁ des Sin- 
eular nieht von dem des Plurals trennen dürfe, können wir 
natürlich nur beistimmen. Diese Trennung erweisen die That- 
sachen aber als falsch. Damit fällt Joh. Schmidts Erklärung 
des -3 als Pluralzeichen, wir müssen vielmehr seine Erklärung 
des singularischen -2 auch auf den Plural ausdehnen. 

Der Pronominalendung dürfen wir also auch von dieser 
Seite her gestossenen Ton zuweisen. 

$ 14. Im Litauischen ist die Pronominalendung sicher 
auf die Adjektiva übertragen. Welchen Ursprunges ist dagegen 
das in der Substantivflexion im Nom. Plur. auftretende -αὖ, 
krasztai, bütai, kotar, tiltai. 

Die nächstliegende Annahme ist auch hier, dass es von 


GL 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 33 


der Pronominalflexion übertragen ist, also altes -o2 repräsen- 
tiert. Der schleifende Ton steht damit allerdings im Wider- 
spruch, doch lässt sich diese Schwierigkeit mit der Annahme 
beseitigen, dass der schleifende Ton von der ursprünglich 
vorhandenen und verdrängten Form auf -ös, welche schlei- 
fende Betonung hatte (vgl. oben), übertragen ist, dass also 
eine Kompromissbildung vorliegt. Es handelt sich daher viel- 
mehr um die Frage: Kann uridg. auslautendes -οὐ im Litaui- 
schen dureh -aö vertreten sein? Joh. Schmidt und Mahlow 
leugnen dies und leiten vilka? aus dem Neutrum her. Da- 
gegen bemerkt Brugmann, Morph. Unters. V 57, Fussmote: 
„Gegen Mahlows und Schmidts Herleitung der Endung -αὐ in 
Lit. vartai, vilkai aus dem Neutrum habe ich mich schon 
früher ablehnend verhalten und muss sie so lange als in der 
Luft schwebend betrachten, bis nieht die doppelte Vertretung 
des idg.-oi durch ai und & im Litauischen (z. B. snaögata und 
snegas) aufs reine gebracht ist.“ 

Wir müssen daher diese Frage zunächst erörtern. Ge- 
lingt es einen plausiblen Grund für diese Doppelheit zu finden, 
so wird man die Schmidt-Mahlow’sche Annahme auf sich be- 
ruhen lassen dürfen. Wie uridg. -oö eine doppelte Vertretung 
im Litauischen zu haben scheint, so steht es auch mit -ei, das 
bald als τοῦ, bald als -ὃ auftritt. Beide Fragen scheinen 
mir in engstem Zusammenhang zu stehen und dürfen daher 
nieht von einander getrennt werden. 

Brugmann sagt Grr. 1868 8.61: „Für tautosyllabisches 
idg. ei erscheint im Litauischen οὐ und ὅ. Die Bedingungen, 
unter denen im Litauischen ei einmal blieb (οὐ), das andere 
mal zu ö wurde, sind unermittelt (vgl. Mahlow, d.1. V.S. 143 f.) 
und Osthoff, Morph. Unters. IV 112). Die Annahme liegt nahe, 
dass nur das geschliffen betonte οὐ z. B. in eöti “gehen laut- 
gesetzlich zu & wurde, und zwar dann, wenn die folgende Kon- 
sonanz nieht palatales, durch einen ὁ- oder ö-Vokal der nach- 
folgenden Silbe bewirktes Timbre hatte (vgl. die Doppelheit ὁ 
und ia im Irischen); daher devas neben deivys, deive, eimi 
neben ἐδὼ. Supin. οὐέι statt *öta wäre Analogiebildung nach 
eiti; einü, eina “ich gehe, er geht’ (statt *enü, *ena) mit ei, 
weil erst nach dem Erlöschen der Wirksamkeit des Umwandlungs- 
gesetzes gebildet u.s.w. Schwierigkeiten machen freilich die 
Verba wie löziu, lesti ‘lecken’ aksl. liza (aus l2z-ia) neben 


Indogermanische Forschungen I ı u. 2. 3 


9) Herman Hirt, 


solchen wie geidziü, geisti.... Denn dass die wenigen Formen 
wie Supinum Zösztu u.s.w. dem ganzen Verbum ὃ statt ei 
zugeführt hätten, leuchtet nieht ein. Vgl. den Wechsel ai: ὃ." 
Über diesen heisst es 8 84 8. S1f. „Idg. tautosyllabisches -oö 
erscheint im Litauischen als ὃ und ai... . Nach welchem 
Gesetze im Litauischen & und αὐ wechseln, ist unermittelt. 
Ich vermute, dass αὐ ursprünglich lautgesetzlich nur blieb, 
wenn die folgende Konsonanz ein palatales Timbre hatte, das 
durch einen e- oder i-Vokal der nachfolgenden Silbe bewirkt 
war; bei nieht palatalem Timbre wurde αὐ zu ae, dann offenem e, 
hieraus -&. Vgl. z. B. kaimymas gegen kömas, pdsaitis m. 
“ein verbindender Riemen’ gegen setas Strick’ und die zahl- 
reichen Verba auf -yti wie Zaikyti (laikaü, taikiau, laikysiu). 
Hiernach wäre kaömas (Nebenform von kömas) Analogiebildung 
nach kaimpmnas, taikaut eine solehe nach /aikiaü ete., bei No- 
mina wie atlaikas “Überbleibsel’, marnas “Tausch” käme das 
Danebenstehen von Verba auf -yti und dgl. in Betracht. Den 
Übergang in ö scheint nur das geschliffene αὐ (a2) erfahren 
zu haben, während di (däiktas “Ding’ paldidas, “lose locker ἢ 
auch vor Konsonanten mit dunkelm Timbre blieb. 

Eine andere Ansicht hat Mahlow 1). lang. Vok. 143 auf- 
gestellt: „Idg. οὐ ist im Baltischen stets durch οὐ vertreten, οἱ 
und αὐ als ὃ." 
ich, sehe,„nicht. = 

Dagegen sagt Osthoff, Morphol. Unters. IV 112: „Mahlow 
stützt sich auf unvollständiges Material und beurteilt selbst das 
wenige, was er heranzieht, in äusserst problematischer Weise. 
Ich hoffe in Bälde zeigen zu können, nach welchem Gesetze 
lit. & und eö abwechseln in der Vertretung von idg. ei.“ Mir 
ist nicht bekannt, dass Osthoff seine Ansicht schon veröffent- 
licht hat. Hoffentlich thut er es bald, und man wird dann 
sehen, welchen Weg er einschlägt. 


Uber den Wechsel διαὶ äussert er sieh, soviel 


Mahlows Ansicht kann wohl kaum aufrecht erhalten wer- 
den. Man kann jetzt bei Leskien, Der Ablaut der Wurzelsilben 
im Litauischen (Abh. d. sächs. Ges. d. Wissensch. Bd. IX), 
ein reiches Material überblieken, und bei dessen Durehsicht 
ergibt sich das Unmögliche der Mahlow’'schen Hypothese. 

Neuerdings wendet sieh ©. Wiedemann in seinem Buch 
“Das litauische Präteritum’ S. 14 ausführlich gegen Mahlow 
und zeigt m. E. an ganz sichern Beispielen, dass οὐ und ὃ die 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 35 


Vertreter von idg. ei sind. οὐ findet sich m eimi “gehe’ gr. 
εἶμι, deive “Gespenst’, alat. deivos, ai. devds, veidas ἢ Antlitz 
abulg. vid» ‘Aussehen’, gr. Feidoc, lett. steidzu-s “eile’, gr. 
creixw, got. steiga, geidziu “begehre’, abulg. zöda warte’. & in 
devas ‘Gott’, alat. deivos, löziü “lecke’, abulg. ἐξα, gr. λείχω 
“lecke’, snega “es schneit’, gr. veipei, dena Tag’ pr. deinan, 
got. sinteins "täglich. 

Dagegen leugnet Wiedemann, dass uridg. οὐ durch & ver- 
treten werde, abgesehen von Flexionssilben; wie mir scheint, 
durchaus mit Unrecht. δ᾽ erscheimt in snögas "Sehnee’ abge. 
snegs, got. snaivs, pemu “Hirtenknabe’, gr. ποιμήν, atlekas 
(daneben atlaikas) “Rest, — abulg. otzlek» “Überbleibsel’, 
gr. λοιπός “übrig’”. Er hält diese 3 Worte für Lehnworte aus 
dem Slavischen. Das geht meines Erachtens entschieden zu 
weit. Neben snegas findet sich it. snaögala, neben ätlökas — 
ätlaikas. Wie soll es denn kommen, dass diese Worte, die 
durchaus emheimisch waren, noch emmal entlehnt sind? Ausser- 
dem scheidet Wiedemann unberechtigter Weise v-Enas aus, 
und stellt auf Grund dieses Beispiels das Lautgesetz auf, dass 
οἱ im Anlaut zu ὃ wird. vilkar setzt er ebenfalls bei Seite. 
Wenn man so verfährt, erscheint es allerdings möglich, alle 
widersprechenden Fälle zu eliminieren. Aber warum scheut 
sich denn Wiedemann hier die unbekannte Ursache, die Difte- 
renz bewirken zu lassen, die er bei οὐ voraussetzt? Die beiden 
Fälle sind nicht von einander zu trennen. 

Zur Erklärung dieser Fälle haben wir es also nur mit 
Brugmanns Ansicht zu thun. Die Bedenken, die gegen seine 
Auffassung sprechen, hat er selbst hervorgehoben. Es sind die 
Verben leziu, löszti neben solchen wie geidziu, gersti. Und 
dieser Fall wiegt allerdings schwer, denn bei jenen sind nur 
wenige Formen vorhanden, die lautgesetzlich waren, und trotz- 
dem sind diese Verben etwas zahlreicher als die mit οὐ. Hier 
hätte also eine sehr auffallende Ausgleichung stattgefunden. 
Merkwürdig ist aber, dass bei einer andern Klasse von Ver- 
ben, denen auf -jti, der Wurzelvokal konstant αὐ ist, obwohl 
hier mehr Formen vorhanden waren, in denen dies lautgesetz- 
lich nicht der Fall war, als bei der vorigen Klasse. Statt 
Taikau u.s. w. müssten wir *lökau erwarten. Und wenn auch 
der Wechsel innerhalb desselben Verbalstammes ausgeglichen 
wäre, so dürften wir doch die Ausgleichung nicht einseitig 


90 Herman Hirt, 


vollzogen finden, sondern auch von der andern Möglichkeit 
der Ausgleichung Reste antreffen. 

Zweitens erklärt aber diese Regel den Nom. Plur. der 
-o-Stämme nicht. Da wir im absoluten Auslaut ὃ und αὐ fin- 
dien, müssten wir schon den Sandhi zu Hilfe nehmen, wie 
3rugmann thut (Morph. Untersuch. V 57), und das bleibt 
immerhin bedenklich. 

Aus diesen Gründen überzeugt mich Brugmanns Annahme 

nicht recht, und auch von andrer Seite ist sie bis jetzt, soweit 
ich sehe, nirgends gebilligt. 
; Halten wir uns zunächst, um den Grund des Wechsels 
zu erkennen, an die beiden Hauptklassen von Verben, die oben 
erwähnt wurden. Bei der einen wechselt & und ei, bei der 
andern ist αὐ konstant. Daraus darf man schliessen, dass die 
beiden Klassen irgend einen Unterschied haben müssen, bei 
der einen muss ein Faktor vorhanden sein, der bei der andern 
fehlt. Und diesen Faktor dürfen wir als die wahrschemliche 
Ursache in Anspruch nehmen. 

Die nachfolgende Silbe kann es nicht sein, wohl aber 
ist die Akzentuation der beiden Klassen verschieden. Bei den 
Verben ö—ei steht der Akzent bald auf der Stammsilbe, bald 
nicht, die Verba auf -yti nehmen ihn zwar in einigen Fällen 
auf die Stammsilbe, gewöhnlich aber nicht. 

Den Unterschied veranschaulicht das A-verbo beider 
Klassen. Es heisst 

drökiü, drekiau, dreksiu, drekti “ Halme streuen‘, 


zebiü, zebiaü, Zepsiu, Zepti “anzünden , 
leziu, löziau, lesziu, leszti “lecken, 
Ebenso mit ei 
geidziu, geidziau, geisiu, geisti  begehren ’', 
keisziü, keisziaü, kersiu, keisti, "wechseln’ u. s. w. 
Dagegen 
baidaa, baidziaü, baidyjsiu, baidyti “scheuchen’, 
braidaa, braidziau, braidyjsiu, braidyjti “umherwaten', 
skaitan, skaicziau, skaitysiu, skaityjti zählen‘, u. s. w. 
vgl. die Beispiele bei Kurschat, lit. Gramm. 335 ff. 

Im Präsens und Aorist herrscht in der Betonung beider 
Klassen allerdings kein Unterschied, sie tragen beide in der 
ersten und zweiten Ind. Praes. und Aor. Sing. den Akzent auf 
der Endung, von der dritten Person Sing. ab auf der Stamm- 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 37 


silbe (vgl. Kurschat, lit. Gramm. 308 ff.). Aber darauf kann 
man nichts geben, denn es existieren im Litauischen für diese 
Konjugationsklassen nur zwei Akzentschemen, die sich nach dem 
gestossenen und schleifenden Ton der Stammsilbe verteilen. 
Hier also kann recht wohl eine Ausgleichung und Uniformierung 
stattgefunden haben. Dagegen trägt im Futurum und Infinitiv 
die erste Klasse den Akzent stets auf der Stammsilbe, die 
zweite nie. 

Daraufhin dürfen wir, denke ich, die Vermutung wagen, 
dass der Akzent wirklich die Ursache der doppelten Behand- 
lung gewesen ist, und können folgende Regel aufstellen: uridg. 
ei und oi (ai) werden im Litauischen unter dem Hauptton zu 
ö, unbetont bleiben sie ei und ai. 

Ist diese Regel richtig, so mussten bei dem regen Akzent- 
wechsel in der litauischen Flexion notwendig in demselben 
Paradigma Formen mit verschiedenen Vokalen neben einander 
entstehen. Natürlich wurde solche Doppelheit ausgeglichen, 
indem bald die eine, bald die andre Vokalstufe verallgemeinert 
wurde. Zunächst entstanden Doppelformen, von denen einige 
in den Dialekten erhalten sind. In dem Paradigma selbst fin- 
den wir im Litauischen keinen Wechsel mehr, wie das auch 
zu erwarten ist. 

Lautgesetzlich ist also devas und deivyjs, deive, eimü, 
eimi, geidziüu und leszti, kömas-kaimynas, pdsaitis-sötas, 
laikyjti u. s. w., ätlaikas “Überbleibsel’ u. s. w. 

Die von Brugmann gegebenen Beispiele sind also fast 
alle dadurch ebenso gut erklärt, und wir kommen über die 
Hauptschwierigkeiten der beiden Verbalklassen leicht hinweg. 

Wie und durch welchen Einfluss im einzelnen die Aus- 
gleichungen vor sich gegangen sind, warum gerade diese Form 
verallgemeinert ist, nicht jene, lässt sich nieht sagen. Aber 
das ist überhaupt bei derartigen Ausgleichungen heute meist 
noch unmöglich zu erkennen. 

An der Hand der Kurschatschen Grammatik gehe ich 
einzelne Klassen genauer durch, um das Gesagte noch besser 
zu veranschaulichen. 

1) -o-Stämme. Hier wechselt der Akzent in einer An- 
zahl von Worten. Die Klasse dövas hat den Akzent nur im 
Nom. Gen. Dat. Akk. Sing. auf der Stammsilbe. Daher wech- 
selt & und αὐ in den hierhergehörigen Worten. megas “Schlaf”, 


98 Herman Hirt, 


plönas "Stahl’, snögas Schnee’, senas Heu’, dewas “Gott” 
sind mit ihrem & nicht durchweg lautgesetzlich, ebenso wenig 
wie mainas Tausch’, sarkas "Mass ’, vardas  Zwist', varkas 
“Knabe, vairas “grosses Ruder’, vazskas “Heer, Zarbas Blitz’. 

Das ursprüngliche Paradigma wäre z. B. folgendes ge- 
wesen: 


N. snegas und Fmenas 


G. snögo "meno 
D. snegui "menui 
A. snega "mena 
V. Fsnaige maine 
l. Fsnaigü mainü 
L. *snaige maine. 


Eine Bemerkung verdient nur noch das Plurale-tantum 
nezar “Krätze’, da der Plural den Akzent nicht auf dem -€ 
trägt. Dies wird durch das Verbum neszti “jucken’ beein- 
flusst sein. Im ganzen haben wir also 5 Fälle mit ὅ, 7 mit ai. 
Das steht im Einklang damit, dass die Mehrzahl der Kasus 
die Endung betont. Anders steht es bei den Fällen, die nach 
pönas gehen. Diese betonen nur im Vok. Instr., Lok. Sing. 
und Akk. Plur. die Endung. Die Ausgleichung musste daher 
zu Gunsten des -ὅ geschehen. 

Kurschat führt S. 153 f. an: löptas "Steg', nekas nichts’, 
skötas Leinweberkamm’ und nur smaöstas “Aufruhr” mit αὐ. 

Brugmann hat ferner die Vermutung aufgestellt, dass nur 
geschleifte οὐ und ai die Verwandlung in € erfahren. Dies 
wird durch die Flexionsendungen und durch vönas (gr. olvöc), 
das gestossenen Ton hat, widerlegt. 

Wir finden dem entsprechend den Wechsel auch bei den 
Worten mit gestossenem Ton. 


däiktas “Ding, dögas Keim‘, 

ldidas  Bürge', slökas  Regenwurm', 

ldivas Boot‘, szöktas “ein im Wasser liegender 
reidas " Angesicht, Baumstamm’. 


zdislas “Spielzeug, 

Die Verschiedenheit erklärt sich durch den Wechsel des 
Akzentes in der Flexion, wenn gleich die Verhältnisse nicht 
ganz so günstig liegen als bei den oben angeführten Fällen. 

Der vierte Fall, Schema ohne Akzentwechsel, hat nur ὅ. 
Kurschat 154 8 544. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 539 


rötas Oberschenkel’, seöstas “Butter’, penas Milch’. 

2) -io-Stämme. 

K. $ 566. Ausgleichung nach beiden Seiten.  kaörys 
“Linkhand’, gaidys ‘Hahn’, keötys "Weizenkorm', mözgys Ger- 
stenkorn. 

K. 8 567. kraitis “Brautausstattung’, perlis “Messer ’, 
raisztis “(Kopf-)Binde’ neben raiszad, -yti. staibis "Schien- 
bein’. 

Die Ausgleichungen können hier kaum allem durch die 
Flexion bewirkt sein. 

K. $ 569. brödis “Elentier’, kecziai “Beifuss’, seksnis 
“Klafter.. Diese drei haben gestossenen Ton und unveränder- 
lichen Akzent. Nur kailis “Fell ist eine Ausnahme. 

Es ist mir nicht wahrscheinlich, dass hier eine unerklär- 
bare Abweichung vorliegt, weil das Fehlen des Wechsels des 
Akzentes, wie es im Litauischen bei den Worten mit gestos- 
sener Stammsilbe vorhanden, kaum ursprünglich ist. Die 
meisten Worte, die wir in solchen Klassen finden, zeigen in 
den verwandten Sprachen nicht Wurzelbetonung, so venas, 
gr. οἶνός, dımas “Rauch’, gr. θυμός, aind. dhumds, jesta, 
“Gürtel’, gr. Zwern, yyeas, aind. jeeds, ddra, aind. udra. 

So gering die Zahl der angeführten Fälle ist, können sie 
m. E. doch nieht auf Zufall beruhen, zeigen vielmehr, dass im 
Litauischen eine Akzentverschiebung bei den Worten mit ge- 
stossenem Vokal in der Stammsilbe stattgefunden hat. Klar 
hierin zu sehen, verbietet die Dürftigkeit des Materials. 

Meine Vermutung ist, dass die Worte mit gestossener 
Stammsilbe ursprünglich im grossen und ganzen denselben 
Akzentwechsel hatten wie die mit schleifendem Ton, dass also 
das Paradigma mit starrem Akzent ganz aus dem Litauischen 
gestrichen werden kann. 

9) -a-Deklination. Akzentwechsel und daher Verschieden- 
heit: ὑδαὰ Not’, dena Tag’, gedra “Dürre’, löpsnda Flamme‘, 
skedra ‘Span’, szeösa ‘Licht’, tesa “Wahrheit’, zemäa “Win- 
ter. Dagegen daina “Volksgesang', kaitra Hitze’, maitä 
“Aas’, szeiwa “Rohrspülchen’. 

Diese Fälle scheinen eher für Brugmann zu sprechen. 
Aber da nirgends ein palataler Vokal in der Endung vorkomnit, 
so würden doch die Fälle mit αὐ und οὐ Schwierigkeiten machen. 
Von wo sollte z. B. daind beeinflusst sein? 


40 Herman Hirt, 


K. 81618: ve 20% 
K. 5 619. Gestossener Ton, unveränderlicher Akzent. 


weist mit seinem ai auf früheren Akzentwechsel. 

4) --Deklination. Akzentwechsel. 

K. $ 654. dele "Egel’, gesme Lied’, meles “Hefen’, 
röke “Brodsehnitte’, veszne “ἃ. weibl. Gast‘. Dagegen deive 
“Gespenst, eilE “Reihe‘, veisle “Zuchtart', Zeaigzde "Stern. 

K. 8 636. skreöste "Mantel‘. 

K. $ 058. Daime Frucht‘, Kele "Bachstelze’, pdine 
“Verwiekelung’, pleine “treie Ebene, seile "Speichel. 

Diese Klasse weist stark auf früheren Akzentwechsel. 
Ich will das Material nieht weiter häufen, da es jeder an der 
Hand der Kurschat'schen Grammatik leicht durchsehen kann. 
Überall, auch beim Adjektivum und beim Verbum, lässt sich 
unser Gesetz leieht durchführen. 

Und ich meine, es gilt auch für τὸ Endsilben. 

1) Endung des Gen. Sing. der --Stämme auf -ös. In 
der Mehrzahl der Fälle ist & betont. Diese Form wurde ver- 
allgemeinert. Dasselbe gilt für den Vokativ nakte, szirde. 

2) Dat. Sing. der -@-Stämme mergai, lepai, gr. χώρᾷ. 
Ob die Erhaltung des -aö von der Länge des Diphthongen 
oder der Unbetontheit (ai trägt nie den Akzent) bewirkt wurde, 
ist nicht sicher zu entscheiden, denn -azs im Instr. Plur. könnte 
doch auch in Fällen wie fltais erhalten und von dort aus 
übertragen sein. 

3) Nom. Plur. der -o-Stämme dörwar. ai wird in Fällen wie 
bütai erhalten und dann weiter übertragen sein. Ob in krasztar 
und Δ οὐαὶ ai von jeher den Ton trug, ist nieht so ganz sicher. 
Wir finden bekanntlich in diesem Kasus kein ei neben οὐ, und 
wie wir weiter unten sehen werden, weist das abulg. -2 in 
diesem Kasus ebenfalls auf Unbetontheit. Die Adjektiva tra- 
gen dagegen den Ton auf der Endung und zeigen daher -, 
geri, balti, dagegen mediniar. 

4) Ebenso trägt der Nom. Dual. Fem. der Adjektiva den 
Ton meist auf der Endung geri, medini und nur minksti. 

5) Die 2. Sing. Praes. auf -7 geht auf -eö oder -οαὐ zu- 
rück, es ist meist betont: suld, wert, pen. myli mit ge- 
stossenem Ton ist aus dem oben erörterten Grund nicht be- 


weiskräftig. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 41 


6) Im Permissiv II te-suke, wahrscheinlich = gr. οἱ in 
φέροι, ist & stets betont. 

Gegen unser Gesetz würde es sprechen, wenn die Hit. 
Dat. Akk. der Personalpronomina mi, ti, si, die Atona sind, 
gleich gr. μοί, τοί, οἱ wären. Doch will mir das nicht unbe- 
dingt sicher erscheinen, weil diese Formen auch als Akkusa- 
tive Verwendung finden. 

Damit ist das Material im wesentlichen erschöpft. Wie 
wir sehen, bietet sich also eine Möglichkeit das -aö des Nom. 
Plur. dem griech. -oı gleichzusetzen, und wir haben daher 
keine Veranlassung, zu der künstlichen Hypothese Joh. Schmidts 
unsre Zuflucht zu nehmen. Nur für die Adverbialbildung χολῇ 
zu geras, szaltai zu szdltas ist, wie mir scheint, die Entstehung 
aus -@+i nicht unbedingt von der Hand zu weisen. 


Ebenso wie der Nom. Plur. der Pronomina hatte auch 
der Nom. Dual. der Fem. gestossenen Ton geri im lit. — gr. 
τιμαί. Die Substantivform ist hier schon in uridg. Zeit vom 
Pronomen übertragen. Der Vorgang, den wir beim Nom. Plur. 
Mask. der einzelsprachlichen Entwicklung zuschreiben müssen, 
hat sich beim Nom. Dual. Fem. schon in der Ursprache voll- 
zogen nach dem Gesetz, dass je weniger eine Form gebraucht 
wird, sie auch um so eher der Analogiewirkung ausgesetzt ist. 
Uridg. *tai müssen wir wegen Gen. Dual. tay-os, Dat. Sing. 
tay-a genau wie *toi beurteilen. Vielleicht ist *to2 als Grund- 
form anzusetzen als Ablaut zu *tai. Instr. Dual. ta-bhyam 
kann ein altes *tai-bhy-am repräsentieren u. 5. w. Für das 
Neutrum (Grundform -oi, -ei) ist Ablaut zu -© sehr wahrschein- 
lich, vgl. Fei-karı und Fi-karı. -oi, -ei, -i verhalten sich wie 
Gen. sing. -0s, -es, -s. Wahrscheinlich wurde die Form auf 
-oi bei den -o-Stämmen auf Grund der äussern Ähnlichkeit 
verwendet. 

Einiger weniger Bemerkungen bedarf noch das Litanische. 
Zweifellos haben viele einsilbige Worte den schleifenden Ton 
an Stelle des gestossenen. So Akk. Sing. M. ta, szt, Fem. ta, 
N. Plur. ἐδ, N. Dual. tadu, tödvi. Aber durchgehend ist dies 
nicht: Der Instrumental Fem. heisst ta (*tam), N. Sing. Fem. 
szı aus *sz2. Ich verweise in Betreff dieses Punktes auf Bezzen- 
berger in seinen Beiträgen X 203 f. Wir haben es hier jeden- 


42 Herman Hirt, Vom schleifenden und gestossenen Ton οἷο. 


falls mit Satzdoubletten zu thun, ohne dass es möglich ist, 
klar die Ursachen der Doppelheit zu erkennen. Die Erörterung 
dieses Punktes gehört aber der litauischen Grammatik an und 
hat mit dem uridg. Zirkumflex und seiner Entstehung nichts 
zu schaffen. 

Wenn im Akk. Sing. der -o-, -i-, -u- und -@-Stämme lange 
Vokale neben kurzen stehen, so kann dies nur einer Einwirkung 
von Seiten des Pronomens zugeschrieben werden, also merga 
nach ta, dewa nach ta. 

Es findet sich ausserdem noch eine scheinbare Überein- 
stimmung zwischen Aind. und Litauisch. Oldenberg sagt: „Nicht 
unwahrscheinlich ist zweisilbiges -@ in mahän V125, 1; VII 
52,3, möglich auch in havisman 1127, 105 und das Litauische 
hat schleifenden Ton im vezas. Wenn die indischen Fälle sicher 
sind, was keineswegs ausgemacht ist, so ist doch kaum direkter 
Zusammenhang mit dem Litauischen anzunehmen. Wie der 
schleifende Ton im Litauischen entstanden ist, vermag ich nicht 
zu sagen. 

Eine Art des uridg. schleifenden Akzentes habe ich bis 
hierher absichtlich übergangen, es ist der im Vokativ, gr. 
Ζεῦ, βασιλεῦ, lit. ugne, sunaä auftretende. Dazu hat Bezzen- 
berger (Btr. NV 296 ff.) noch auf die Übereinstimmung der 
ved. Vokative auf -@ mit lett. z2nigö und dem Circumflex von 
gr. ὦ hingewiesen. Über den Ursprung dieses schleifenden 
Tones lässt sich nichts sicheres sagen. Er muss jedenfalls 
von den übrigen Arten getrennt werden, und hat mit deren 
Entstehungsweise nichts zu schaffen. Kretschmer, KZ.XAXI 
S. 356 kommt auf diesen Kasus ausführlich zu sprechen, und 
seine Bemerkung, dass im Vokativ der Zirkumflex durch die 
eigentümliche Natur des Ausrufes veranlasst worden sei, Kann 
man wohl als möglich gelten lassen, wenn auch sicher noch 
andre Erklärungsarten in Betracht kommen. Aber es ist un- 
nütz, für diesen einen Fall Hypothesen auszusprechen, die 
nicht verifiziert werden Können. 


Magdeburg. Herman Hirt. 


Zur keltischen Grammatik. 


I. Neuir. cdig fünf’ — caoga fünfzig’ und 
Verwandtes. 


Die neuir. Zahlen für “fünf” und “fünfzig”, cdig und caoga 
(O’Donovan Ir. Gramm. p. 123 und 125), zeigen eine seltsame 
Verschiedenheit im Vokalismus, indem das di von cdig “fünf” 
einen einfachen Vokal mit Erweichung des nachfolgenden 
Konsonanten andeutet, das ao von coaga “fünfzig” dagegen 
nur die Fortsetzung eines echten uririschen Diphthongs sein 
kann, der im air. als ae, ai, oe oder οὐ (gewöhnlich mit dem 
Längezeichen) geschrieben wird und in den das alte idg. ai 
und οὐ zusammengeronnen sind, während die brittannischen 
Sprachen diese Diphthonge stets von emander gesondert er- 
halten haben. So neuir. aos aus air. des Lebensalter’ (Stamm 
aivestu-) Curtius Grdz.? 385, eymr. οὐδ, oes; neuir. caomh < 
air. coem schön’ (Grdf. * koömos), eymr. cu, mbret. cuff. Dass 
der echte Diphthong in neuir. caoga nicht erst von gestern 
oder heute ist, beweisen die in Windischs Wörterbuche im Fülle 
belegten mittelirischen Schreibungen mit oe, oe, ae, ai (einige 
auch schon bei Z.? 306), während das Wort für “fünf” niemals 
anders als mit δὲ, ai, erscheint; dass er aber etwa erst eine 
mittelirische Schöpfung sein könne, ist bei dem Fehlen jedes 
Musters von vornherein ausgeschlossen. Der Diphthong muss 
also bereits im air. bestanden haben. Woher stammt er nun? 
So viel ich sehe, ist bisher noch keine befriedigende Antwort 
auf diese Frage gegeben worden. Windisch, Ir. Gramm. $ 64 
spricht von ir. £, das durch erst sekundäre Zusammenrückung 
zweier dentaler Explosivlaute entstanden ist, und fährt fort: 
Ebenso steht cöica “fünfzig” für cööcecha. Diese Anschauung 
ist anscheinend vollständig berechtigt, erklärt aber den Voka- 
lismus nicht. Brugmann, Grundr. II S. 499 sagt: “coica viel- 
leicht durch syllabische Dissimilation (vgl. gall. Lexucamulus 
aus *Leuco-camulo-)". Aber auch hier wird über die Her- 
kunft des Diphthongs nichts bemerkt. 

Von indogerm. Adel kann er auch nicht sein, das ist 
klar; denn die Grdf. für “fünf, *penge hat mit der ei-Reihe 
nichts zu schaffen. Also muss er auf speziell keltischem Sprach- 


44 Richard Schmidt, 


boden sich entwickelt haben. Ich möchte coeca in dieselbe 
Rubrik stellen wie irische Futurformen, z. B. dofoichred neben 
fochichred "iacularetur , oder Perfektformen, z. B. forroichan 
neben forcechan. Thurneysen hat Rev. Celt. VI 323 f., den 
Standpunkt Windischs verteidigend, gegen Zimmer, Kelt. Stud. 
II 126 den Nachweis geführt, dass in diesen Formen echte 
Diphthonge vorliegen, indem dureh eine eigentümliche Dissimi- 
lation der Reduplikationskonsonant ausgefallen sei. Unter 
welchen Bedingungen findet nun dieser Vorgang statt? Sicher 
und regelmässig in dem Falle, dass auf das hochbetonte, 
nicht in vorletzter Silbe befindliche o eines Wortes 
ein Konsonant-+ e oder ὁ + derselbe Konsonant folgt. 
Diese Bedingungen sind erfüllt in einem Falle wie *do-fo-chi- 
chred, *for-rö-che-chan, nicht minder aber auch bei *com- 
im-chloud “Wechsel, woraus cöimmchlöud!) Sg. 62? 4, oder 
®com-im-thecht, woraus cöimthecht "societas’ Sg. 98 ἢ entsteht. 


1) Dieses Wort tritt im Mittel- und Neuirischen unter sehr 
sonderbaren Gestalten auf. Thurneysen hat schon a. a. Ὁ. S. 324 
Note 1 auf die auffällige Thatsache hingewiesen, dass als Fortsetzung 
des alten mm in den jüngeren Sprachphasen mA erscheint (spät 
mir. caomhehlüud). Ausserdem finden sich aber — worauf mich Prof. 
Windisch aufmerksam machte — im Mir. eigentümliche Formen, in 
denen das /! der zweiten Silbe auch in die erste eingedrungen ist; 
so ro cloimelorset schon im L. Hymn. (Goid. ? S. 101, lin. 50) neben 
ro chöimchlöiset (lin. 37), elaemchlöd Tog. Troi. 1058, celoemcehlöd 837. 
In ganz entsprechender Weise steht dem air. ind imthascarthithr 
91]. zu palestritae (im Cod. Carlisr. der Soliquia des Augustinus, bei 
Windisch Ir. T. ΓΕῚ S. 156-el. 91; S. 163) im mir. und neuir. ’ein 
Verbum frasgairim zur Seite. Auch bei dobiur findet sich Gleiches. 
Die Worte aratibrind in m-bith ule Amr. Chol. Chille (L. Hymn.) 
bei Stokes Goid.? 5. 159 lauten in LU. Tb 1. 25 aratribrind (mit 
der Glosse vel diatibrind) in bith ule. Ein Schreibfehler ist hier 
gewiss nicht anzunehmen, die Fälle stützen sich gegenseitig. Diese 
Vorausnahme eines Sonorlautes findet sich auch sonst hier und da; 
so im bret. prennestr “Fenster’ aus roman. fenestra (hier ist das r 
sogar aus der letzten in die drittletzte Silbe gesprungen); reich- 
lichere Beispiele bieten romanische Sprachen: frz. fresor (auch alt- 
span. u. dial. ital. findet sich der Anlaut ?r), siehe Diez, Etymol. 
Wtb.° 5.691, wo jedoch fälschlich r mit dem n in altlat. fensaurus 
in Zusammenhang gebracht wird (das ebenda angezogene bret. 
tenzor beweist gar nichts, denn das Bret. setzt nicht selten in ent- 
lehnten Wörtern nasalen an Stelle des oralen Vokals — so z. B. 
punz " Brunnen’, lat. puteus, eranch “Speichel’ < frz. eracher). Oft 


Zur keltischen Grammatik. 45 


Diese letzteren Worte sind deswegen besonders instruktiv, 
weil sie beweisen, dass der zweimal vorhandene Konsonant 
nicht beide Male in demselben Erhaltungszustande zu sein 
brauchte, sondern ein Mal hart‘, das andere Mal “aspiriert’ 
sein konnte; denn com hat "aspiriertes’ m (vgl. nir. cumhachta 
“Macht‘), ömm seiner Entstehung nach rein nasales m. Man 
gedenkt unwillkürlich des Gesetzes der ir. Metrik, wonach 
aspirierte und nicht aspirierte Konsonanten mit einander allit- 
terieren, vgl. Windisch, Berichte d. sächs. Ges. d. Wiss., phil.- 
hist. KI.XXXVI 224. Die urirische Form der Zahl fünfzig’ kann 
nun nur gewesen sem *cöcecha (zunächst aus *concecha) oder 
— wenn man mit Brugmann, Morph. Unters. V 18. 31 an die 
Möglichkeit eines bereits idg. *penge komto wegen gr. πεντή- 
κοντα und ind. pancasat denkt — *cöcrcha. Aus jeder dieser 
Grundformen musste nach dem obigen Gesetze, da c und ch 
dem Iren für gleichartig galten, *coicha entstehen. Dieses 
liegt nicht vor; es ist durch eine nahe genug liegende analo- 
gische Einwirkung des Zahlwortes für “fünf” das ch χὰ ὁ um- 
gewandelt worden. Der verschiedenartige Vokalismus ist da- 


ζ 


gegen bis zum heutigen Tage unausgeglichen geblieben. Ein 
interessantes Gegenstück zu den irischen Formen liefern uns 


tritt später im Roman. Dissimilation ein; so frz. pimprenelle < 
*pimplenelle, ital. pimpinella, Diez, Et. Wtb. 5 248, frz. fanfreluche 
< *flanfleluche, it. fanfaluca das. S. 135; obwäldisch u. oberhalb- 
steinisch flodra “Futteral’ « *frodra, ital. fodro (Lehnwort aus ahd. 
fuotar), oberhalbst. splädir = it. spedire, Ascoli Archivio glottolog. I 
S. 155. Es kann auch der ursprüngliche Sonorlaut schwinden, so 
dial. bret. prennest, und dadurch der Schein einer einfachen Me- 
tathesis erweckt werden; vgl. portug. fresta “fenestra’ Gröbers 
Grundr. I 764. Häufig mag Volksetymologie im Spiele sein, so 
bei ngriech. ᾿Ανθῆναι neben ᾿Αθῆναι oder nhd. dial. verrunjenieren 
aus ver-rujenieren (nach verunstalten u. ä.). Zu trennen ist von 
den bisher behandelten Fällen der Fall, dass durch Einschub eines 
Lautes zwei aufeinander folgende Silben identisch werden; dahin 
rechne ich z. B. oberhalbst. propriest “Vorsatz’ (Ascoli a. a. 0.) aus 
*proprost- aus *propost- (engad. propöst) oder urslav. *"dzedzet» “er 
brennt’ (abg. Zezets) aus *dedzets, Osthoff, Perf. S.72 Anm.*). Der- 
artige Assimilationen der einen Silbe an die andere stehen auf ge- 
nau derselben Linie wie frz. concombre < lat. cucumere. 

*) [Vielmehr wurde *deget» zu *gegets, dieses weiter zu *dze- 
dzetv, wie das russ. ?z-gaga "Sodbrennen’ beweist. Hiernach. ist 
auch das in meinem Grundr. I S. 289 über die Wortsippe Gesagte 
zu bessern. K. B.]. 


40 Richard Schmidt, 


deutsche Dialekte, die fufzig neben fünf stehen haben und 
denen es auch nicht in den Sinn kommt, die in diesem Falle 
bis in die idg. Urzeit zurückreichende Doppelheit (Brugmann, 
Grundr. II 476) durch analogische Verallgemeinerung der einen 
Form aufzugeben. 

Was die Chronologie des erwähnten Gesetzes anbelangt, 
so muss es früher gewirkt haben, als das Gesetz, wonach der 
Vokal der auf die Hochtonsilbe folgenden Silbe infolge des aus- 
serordentlich energischen Wortakzentes im Irischen allerhand 
Veränderungen bis zum völligen Schwunde unterliegt, voraus- 
gesetzt, dass diese Silbe nicht die letzte ist. Denn wäre dieses 
(Gesetz schon früher in Kraft getreten, so hätte es schon mit 
Formen wie *forröchechan aufgeräumt, woraus es *forroicen 
gemacht hätte, wie nitaibrem neben doberam beweist. Das 
Dissimilationsgesetz ist also von höherem Alter. Da jedes Gesetz 
an sich ausnahmslos wirkt, so müssen wir annehmen, dass auch 
dieses ursprünglich im weit mehr Fällen seine Wirkung ge- 
äussert hat, als uns aus der überlieferten Sprache bekannt sind. 
Viele Formen mit lautgesetzlich entstandenem echten Diphthonge 
werden durch Emwirkung der unversehrt gebliebenen die Neue- 
rung wieder beseitigt und ihr altes o wieder angenommen haben; 
nur in wenigen Formkategorien und vereinzelten Beispielen 
tritt uns darum schliesslich die umgestaltende Kraft des alten 
(Gesetzes noch entgegen. Im Neuir., das im Verbalsysteme die 
oe-Formen aufgegeben hat, dürfte davon wohl nur das einzige 
caoga noch lebendig sein. 

Werfen wir jetzt noch einem Blick auf Formen, in denen 
zwar auch «e, oe auftritt, ohne dass gleichwohl die oben für 
das Wirken des Dissimilationsgesetzes aufgestellten Bedingungen 
erfüllt wären. Nur scheimbar ist dies der Fall bei Formen 
wie doroiphnetar, 1. Sing. also doroiphann, Perf. von dosen- 
nim (Wz. suend-). Wiewohl «die Form ohne ro dosephann 
lautet, ist doch doroiphann nicht Abkömmling emes *do-roö- 
se-fann, sondern eines *do-ro-fe-fann gemäss dem Gesetze, 
dass nur im absoluten Anlaute urspr. se als ir. s erscheint, 
in allen anderen Fällen als f!) (resp. δ). Es ist also alles in 
Ordnung. 


I) Bisweilen scheint es, als ob urspr. sv im irischen Inlaute 
schwände (geschrieben s oder f). Dies sind Analogiebildungen. In 


Zur keltischen Grammatik. 47 


Verwickeltere Verhältnisse liegen vor, wenn neben Formen 
wie ro leblaing, dolleblaing "ich sprang’, Perf. zu lingim, 
solche auftreten wie foroöblang (Windisch KZ. XXIII 204). Wie 
ist diese Unregelmässigkeit zu erklären? Es ist von vornherein 
wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen dieser und 
der anderen Unregelmässigkeit, die in dem auffallenden b des 
Perfektes besteht, vorhanden ist. Dieses ἢ ist anscheinend 
dem Präsens lingim gegenüber in keiner Weise begründet. 
Wie dem Präsens cingim “ich schreite’ ein Perf. cechaing ent- 
spricht, ebenso erwartete man ein *lelaing. leblaing ist von 
jeher eine wahre erux gewesen. Die Erklärung der Form 
hängt ganz davon ab, unter welchen Lautgestalten man das 
idg. v und © im Ir. fortexistieren lässt. Dass / der gewöhn- 
liche Vertreter ist, bedarf keimer weiteren Bemerkung; giebt 
es daneben vielleicht noch andere? Windisch, Ir. Gramm. ὃ 45 
sagt: “für idg. vo erscheint auch ἢ im Anlaute vor » und 1: 
bran Rabe’, ksl. voran», lit. varnas; leblaing “er sprang’ Per- 
fekt von lingim, nur im Perfekt ist eine Spur von urspr. © im 
Anlaut gewahrt, skr. valg” und ibid. 5. 46: “vereinzelt scheint 
urspr. © im Anlaute abgefallen zu sein: lingim; oland “wolle 
— eymr. gulan, got. vulla, skr. arna”. Beginnen wir von 
hinten. Got. vulla ebenso wie lit. vilna, abg. vlana weisen 
zurück auf ein ind. *u/nd; daneben existierte eine Form mit 
langem Sonanten: *w/nd: sie erscheint im ind. arpa aus *varna 
(Brugmann, Grundr. I S$ 306, 157), lat. Zana; wie nun aber 
nach den Osthoffschen Ergebnissen im 4. Bande der Morph. 
Unters. neben idg. *bhaio und *bhaiö auch ein *bhuiiö existiert, 
so giebt es neben *u/na und *ulnä ein *ulnnä, und dieses 
liegt vor im ir. olann (über die Behandlung von »» im Kelt. 
vgl. Brugmann, Grundr. I $ 243, 4), indem die Zwischenformen 
anzusetzen sind als: *alana > *olana > * olmäa > olann. Das 


der grössten Mehrheit der Fälle entspricht ir. s einem urspr. ein- 
fachen Laute, idg. s oder lat. f. Die intervokalische Gestalt dieser 
Laute ist regelmässig $ (gesprochen h). Nach dem Vorbilde eines 
a suide “sein Sitz’ neben swöde konnte leicht von söur ‘Schwester’ 
a siur entstehen (resp. a fiur) statt des richtigeren a fiur. Ganz 
ebenso ist es bei Zusammensetzungen. mörfeser "sieben Mann’ ge- 
genüber seser “sechs Mann’ ist die zu erwartende Form; mörfeser 
und mörseser ahmen ein Muster wie ötgsuide (gl. tribunal) Sg. 50a 
nach. 


48 tichard Schmidt, 


auf den ersten Blick befremdliche »r (mir. nd geschrieben) 
dürfte durch die an vorletzter Stelle genannte Form ebenso 
gut seine Erklärung finden, wie das mm in air. menmme 
“Sinn” durch die unmittelbare Verbindung mit dem voraus- 
gehenden n, trotz seiner anfänglich intervokalischen Stellung 
in der Grundf. ® men->-men (vgl. Brugmann, Grundr. 1 $ 210). 
Die brittannischen Formen sind: acymr. gulan, neymr. gwlan, 
akorn. glaan, mbret. gloan, ebenso modern, vann. glouwan, gloan. 
Meines Erachtens steht nichts im Wege, in ihnen ebenfalls die 
Sprossen eines urkelt. *alana zu erblicken, aus dem im urbrit- 
tann. vermöge der Betonung *uldna zunächst * eldna enstand. 
Sonst könnte man übrigens auch die letztgenannte, mit Be- 
stimmtheit vorauszusetzende Form nach Osthoffs Andeutungen 
in MU. V p. V auf ein idg. *u/na zurückführen. Damit ist 
dieses Wort erledigt. 

Wenden wir uns weiter zu der Bezeichnung des Raben, 
ir. bran und ebenso in allen britt. Dialekten. Es ist nicht zu 
leugnen, dass die etymologische Zusammengehörigkeit des 
inselkelt. bran mit den genannten baltisch-slavischen Worten 
— deren Grdf. ®vornos ist, vgl. auch russ. voron, vorona, 
preuss. warnis, warne — eine hohe Wahrscheinlichkeit besitzt. 
Doch ist Verschiedenes dunkel; im Keltischen bereitet der An- 
laut Schwierigkeiten, nicht minder aber auch das ra; im Balt.- 
Slav. sind gewisse Nebenformen noch unerklärt: Miklosich, 
Et. Wtb. p. 395 sagt: “diesen Wörtern wird ein noch uner- 
klärtes Wörtchen vorgesetzt, das ga oder ka lautete: Aa scheint 
ursprünglich zu sein ete.” — vgl. abg. gavrans “Rabe, cech. 
hacran;, nslov. kovran, kavran, karcan, gavran usw. Wie 
diese Rätsel auch zu lösen seien, urverwandt können die 
keltischen und balt.-slavischen Worte auf keimen Fall sein. Das 
Inselkeltische hat sein bran vielleicht aus emem festländischen 
gallischen Dialekt bezogen, in welchem er zu br geworden 
war. Schliesslich darf man auch die Möglichkeit nieht ausser 
Acht lassen, dass die Worte der beiden Sprachgruppen mit 
einander trotz aller begriftlichen Identität und lautlichen Ähn- 
lichkeit ebensowenig etwas zu schaffen haben wie z. B. ir. 
tenga “Zunge” mit got. tuggöo oder ir. bel Lippe’ mit gr. 
χεῖλος oder ir. brzathar “Wort” mit gr. Fpntpa. 

So bleibt schliesslich nur noch löngem, Perf. leblaing 
übrig. Wir haben kein Recht lingim aus *elingim zu erklä- 


Zur keltischen Grammatik. 49 


ren, um so‘weniger, da die vorzüglichste Etymologie ihm zur 
Seite steht. Es gehört zu der idg. Wurzel Zengh, die im ind. 
langh-, gr. ἐλαφρός und germanischen Formen vorliegt, die 
Kluge im deutschen etym. Wtb. unter gelingen und lungern 
(vgl. auch leicht) aufführt. Betreffs des leblaing scheint mir 
Thurneysen den richtigen Weg gewiesen haben, indem er 
Keltorom. S. 99 Anm. 2 u. 86 von emer Wurzel seleng- oder 


seling- ausgeht. Allerdings ist — worauf mich Prof. Brug- 
mann aufmerksam macht — die Annahme eines uridg. Wur- 


zelanlautes sul nicht unbedenklich. Man wird also vielmehr als 
die ursprüngliche Wurzel suelg- ansetzen müssen und eine nasa- 
lierte Präsensform als Grundlage der weiteren Entwicklung 
zu betrachten haben, wie denn im Ir. nicht selten das Prä- 
sensinfix 2 in andere Tempussysteme eingeschleppt wird, man 
denke an ingrennim “aggredior' und sein Perf. inrograinn 
MI. 26®, verglichen mit lat. gradior. Das ir. Perfekt des 
Stammes soling müsste lauten *seblaing!), "ro seblaing; mit 
Negation *ni ro-feflaing, daraus ni roeblaing, und letztere 
Form existiert ja thatsächlich. Also: bei dem Nebeneinander 
von *ni roelaing (Perfekt von lingim) und ni roeblaing (Per- 
fekt von *slöingim) trug letzteres den Sieg davon und bewirkte 
schliesslich, dass *lelaing zu leblaing umgestaltet wurde. Die 
ganze Analogiebildung hat im Perfektsysteme stattgefunden 
und sich auch jederzeit auf das Perfektsystem beschränkt; 
zu einem Präsens *blöngim ist die Sprache niemals fortge- 
schritten, nachdem das vorauszusetzende *slöngim abhanden 
gekommen war. Von eimer anzunehmenden Form *seblaing 
aus erklären sich auch am besten die von Windisch KZ. XXI 
204 beigebrachten Formen mit scheinbar fehlender Redupli- 
kation: doeirbling Tur. Gl. 59, doarblaing ibid. 60, tarblaing 
LL. Sie gehen zurück auf *to-dr-fe-flaing, woraus zunächst 
*dodrfflaing entstand. Ob diese geminierte Spirans lautge- 
setzlich vor dem stimmhaften 7 stimmhaft geworden ist, ver- 
mag ich aus Mangel an einem weiteren derartigen Beispiele 
nicht zu sagen, möchte es aber fast bezweifeln. Das b würde 
dann dem analogischen Einflusse von leblaing zuzuschreiben 
sein. Ein ursprüngliches *do-är-leblaing hätte nur zu *do- 
arlblaing, *tarlblaing führen können. 


1) ὁ bezeichnet die tönende labiale Spirans. 


Indogermanische Forschungen I ı u. 2. 4 


50 Richard Schmidt, 


Zum Schlusse noch emige Worte über das seiner Bil- 
dung nach seltsamste aller irischen Perfekta, drebraing “er 
ging , öfters im Felire belegt, Windisch a. a. O. 204, 223 
Anm. Dass es sein Dasein lediglich einer Formübertragung 
verdankt, steht ihm an der Stirne geschrieben. Es gehört zu 
dringim "ich steige, komme vorwärts‘. Weil zu lingim ein 
leblaing gehörte, wurde zu dringim ein drebraing geschaffen; 
man sollte zwar eigentlich *dreblaing erwarten; doch scheint 
der Ire noch das Gefühl gehabt zu haben, dass in der Re- 
duplikationssilbe die Wiederholung eines Konsonanten des 
Wurzelkörpers unerlässlich sei, und «da in diesem Falle dre- 
als Reduplikation gelten musste, blieb nichts anderes übrig, 
als drebraing zu schaffen, unter allen Umständen eine merk- 
würdige und lehrreiche Analogiebildung. 

Somit erfährt das obige Dissimilationsgesetz auch durch 
die scheinbaren Ausnahmen volle Bestätigung. 


HI. Uber bretonisches -mp im Verbal- und Prono- 
minalsysteme. 


In den bretonischen Konjugationsparadigmen lauten die 
ersten Personen des Pluralis allenthalben auf -mp aus, und 
derselbe befremdliehe Ausgang erscheint auch in dem sufh- 
gierten Pronomen der 1. Plur. So heisst es schon mbret. 
dougomp “portamus', beohimp "vivemus’, cafemp "invenieba- 
mus’, leverzomp “diximus’ und so fort, und mit demselben 
-mp deomp "nobis’, gueneomp “nobiseum’. Nirgends in den 
zunächst verwandten Dialekten findet sich etwas Ähnliches. 
Im Cymrischen erscheint in dem alten Präsens, das hier 
gewöhnlich Futurbedeutung angenommen hat, -un, -wen als 
Endung, 7. B. dywedırn “dieemus’, desgl. im Imperativ, z.B. 
Hadıen “caedamus’; in allen übrigen Temporibus und Modis 
dagegen -m: 4. B. Konjunkt. caffom "inveniamus’, Präs. sec. 
gwelem "videbamus’, s-Präterit. dywedassam “diximus‘. Ein 
ähnlicher Wechsel findet im Pronomen statt, imdem hier von 
y (aus di = ir. do “ad’) gebildet wird ἡ “ad nos, nobis', 
während bei allen anderen Präpositionen die Endung -m er- 
scheint, z. B. gennym “nobiseum‘. Im Kornischen steht im 


Zur keltischen Grammatik. 51 


Verbal- so gut wie im Pronominalsysteme ausnahmslos -n; 
ein -m fehlt gänzlich; also geylsyn ’vidimus', thyn "nobis’, 
genen 'nobiscum‘. Dass die Buntheit des Cymrischen einen 
älteren Zustand darstellt als die Einfarbigkeit des Kom. und 
Bret., ist an sich wahrscheimlich. 

Die eymr. Endungen unterscheiden sich dadurch von 
einander, dass in -en “aspiriertes' m vorliegt (n ist das en- 
klitisch angefügte Pron. pers.), in -m hartes’ m; vgl. hier- 
über Windisch, Abhandlungen d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss., 
phil.-hist. Kl. X 488. Woher diese verschiedenartige Behand- 
lungsweise des m herrührt, ist immer noch gänzlich unklar; 
wir werden sofort näher darauf einzugehen haben. Im Korn. 
ward -un verallgemeinert, wobei der Vokal allerlei Verän- 
derungen erlitt; im Bret. erscheint -mp. Woher stammt es? 

Dieser Frage sind die Keltisten immer gem aus dem 
Wege gegangen; die Grammatica Ueltica begnügt sich mit 
der Feststellung der Thatsache; doch ist es neuerdings Win- 
disch gewesen, der sich mit den mp-Formen beschäftigt hat. 
Er äussert a. a. ©. die Vermutung, es könne im eymr. Kon- 
junktive carom mit “hartem m eine Beeinflussung durch die 
3. Plur. caront vorliegen, dergestalt, dass die gruppierte Na- 
salis von caront in der 1. Plur. die entsprechende Qualität 
des m, also rein nasales, stimmhaftes 2 hervorgerufen habe; 
im Bret. sei man noch einen Schritt weiter gegangen, indem 
hier die in der 3. Plur. auftretende Gruppe: o+Nasal+Tenuis 
in der ersten Pluralis die entsprechende Lautfolge durch ana- 
logische Beeinflussung geschaffen habe, also -omp. Selbst 
wenn man die Möglichkeit einer derartigen eigentümlichen, 
gewissermassen nur ideellen Übertragung zugiebt, so bleiben 
doch verschiedene Punkte unerledigt. 

Im Cymr. gehen sämtliche dritte Personen des Plural 
auf -»t aus, gerade wie in den beiden anderen Dialekten, nur 
dass auslautendes ? im Korn. früh zu s geworden ist. Wenn 
also w sich nach dem festen » in »t wieder zu m zurück- 
verwandelte, warum erscheint m» nicht auch im Indie. Praes. ? 
Warum versagt hier plötzlich die Wirksamkeit der Analogie? 
‘Müssen wir deswegen nicht vielmehr annehmen, dass der eymr. 
Weehsel von -ww(n) und -m in der 1. Plur. ursprünglich ist 
und die brittannische Primär- und Sekundärendung dieser Per- 
son darstellt? Auf welche Weise hiermit die ir. Formen in 


52 Richard Schmidt, 


Zusammenhang stehen, warum idg. τὲ einmal “aspiriert” wurde, 
das andere Mal unversehrt blieb, sind Fragen, die auf einem 
anderen Blatte stehen und die vielleicht nicht so bald erle- 
digt werden. 

Im Pronominalsystem ist eymr. yn “nobis’ als ursprüng- 
lich anzusehen, da es genau mit dem air. dann übereinstimmt; 
bei sämtlichen übrigen Präpositionen ist die Verbalendung 
-m eingeschleppt worden, wie denn überhaupt die brittanischen 
Sprachen Ausserordentliches darin leisten, Pronomina suftixa 
und Verbalendungen bunt durcheinander zu wirren. Warum 
nicht auch bei yn das m einzudringen vermochte, ist leicht 
zu sagen: weil ym schon als "mihi’ = ir. domm fungierte, 
während sonst überall das Pronomen personale suffiixum der 
1. Pers. Sing. im eymr. f ist (spirantisches » im Auslaute), 
vgl. gennyf “mecum‘. Diesen selben Unterschied bewahrt 
auch das Komische, vgl. dym neben genaf (und sonst stets 
-f); er ist also urbrittannisch; im Bret. hat indessen -/ den 
Alleinbesitz ergriffen (mbret. diff "mihi', gueneff "mecum). 
Vielleicht hat Stokes Recht, wenn er Celtie Declension p. 105 
in -m alte Dativ- und in -f Akkusativform des angefügten 
Pronomens sieht. Dagegen möchte ich nicht mit ihm auch 
die Pluralformen auf -m für ursprünglich erklären. 

Was nun das Bretonische betrifft, so bereitet die That- 
sache Schwierigkeiten, dass es neben den mp-Formen auch 
solche ohne m gegeben hat und bis zum heutigen Tage noch 
giebt. Ausdrücklich erwähnt zwar hiervon die Gramm. Celt. 
nichts, wohl aber findet sich ὃ. 380, 1. ὃ die mbret. Form 
dymny nobis aus dem Grand Mystere de Jesus belegt. Ferner 
gehört hieher z. B.: mbret. deom da clefuet "lasset uns gehen 
zu hören’ Buh. 52, mbret. a so en bet man deom gamet “der 
in dieser Welt für uns geboren ist” Rev. Celt. X 9; auch 
ein Reim wie esom-deomp in der der Sprache nach freilich 
viel jüngeren Creation du monde (Rev. Celt. X 208) könnte 
mit angeführt werden. Immerhin treten diese p-losen Formen 
so vereinzelt in der mbret. Schriftsprache auf, dass sie allein 
gar nichts beweisen würden. Aber wir haben es eben mit 
einer Schriftsprache zu thun, und Schriftsprachen sind oft 
gegen die eine von zwei gleichbedeutenden Formen unduld- 
sam. Dass einfaches » so selten geschrieben wird, ist noch 
kein Zeichen dafür, dass es ebenso selten gesprochen worden 


Zur keltischen Grammatik. 53 


wäre. Und wirklich haben es bretonische Dialekte bis zur 
Stunde erhalten. 

Es war bis vor Kurzem ausserordentlich schwierig, wenn 
nieht ganz unmöglich, sich fern von der lebendigen Quelle 
ein Bild von den dialektischen Zuständen der keltisch spre- 
ehenden Bretagne zu machen. Es ist darum sehr anerken- 
nungswert, dass Loth in seiner Chrestomathie Bretonne, pre- 
miere partie (Breton-Armorieain) Paris 1890 auf Seite 3635— 
380 das Gleichnis vom verlorenen Sohne in nicht weniger als 
10 modernen Dialekten mitgeteilt hat, wobei jede der vier 
Hauptgruppen der bret. Sprache mindestens zweimal vertreten 
ist. Loth hat sieh zum teil von Eingebornen das Gleichnis 
in die Feder diktieren lassen, zum teil Niederschriften anderer 
zugrunde gelegt und sich überall möglichst an die Orthogra- 
phie von Le Gonidee angeschlossen. Im allgemeinen darf man 
mit der Wiedergabe wohl zufrieden sein; sie weist hinläng- 
liche Genauigkeit in phonetischen Dingen auf, so dass man 
einen wirklich interessanten Einblick in die noch lebenden 
bretonischen Dialekte von Breiz [26] erhält!). 

Glücklicherweise finden sich nun im dem Texte dieses 
Gleichnisses in V.23 (Lue. Kap. 15) Verbalformen der 1. Pers. 
Plur. als Übersetzung des griech. καὶ φαγόντες εὐφρανθῶμεν, 
und zwar lauten diese Worte in den Lothschen Dialektproben 
der Reihe nach folgendermassen: 

Dialekt von Leon I S. 364: debromp ha greomb banvez. 

Leon II (Landerneau) S. 365: debromp ha gre- 

omb bombans (= frz. bombance). 

= » Treguier I (Treguier selbst)?): ma daipromp 
a ma refomb fest. 


N N” 


1) Allerdings hätte eine Reihe von Versehen und Druckfeh- 
lern noeh unterbleiben können, so z. B. fehlen die Verse 20—22 in 
den 3 letzten Stücken, 5. 368 V. 19 muss es de vean heissen, wie 
gleich darauf V. 21 richtig gedruckt ist, V. 19 steht ou mäb (efr. 
V. 27 ou preur ὁ zou deut ag ou tad en eus lac’het etc.), V. 21 ὁ 
mäb; ebendaselbst dürfte von e pokaz dan in v. 20 und ὁ laras 
tan V. 531 wohl nur eins der thatsächlichen Aussprache gerecht 
werden; S. 372 V.21 steht fälschlich € vap ena “sein älterer Sohn’, 
5. 374 V. 22 ist dehön anstatt dehön zu schreiben; S. 380 V. 18 ist 
ha väb doch wohl in da väb zu verändern; V. 22 köhän in köhän 
(vgl. tewänkän in V. 12). 

2) An Stelle des von Loth S. 366 gegebenen, von späterer 


ἘΞ 


54 tichard Schmidt, 


Dialekt von Treguier II (Pays de Goello) S. 369: debomp 
a greom cher-vad (frz. chere + bret. mad). 
Cornouailles I (Morbihan) S. 371: debam a 
gramp cher-vad. 

a „ Cornouailles II (Nord-West) 5. 373: debom a 
greomb bonbans. 
τι „ Vannes I (Bas-Vannetais) 5. 374: debam a 
gramp cher-vad. 
a „ Vannes II (Haut-Vannetais) 5. ὃ 
ha groamb fest. 

Vannes ΠῚ (Groix) 8.578: deabeamb ha gramb 

cherväd. 

Vannes IV (Belle-Ie) S. 380: debramp ha gr- 

wamp chervad. 

Aus vier von zehn Dialektgebieten sind uns demnach in 
den vorliegenden Proben noch p-lose Formen bezeugt. 
Interessant sind ferner die entschieden nach ganz be- 

stimmten Gesetzen mit einander abwechselnden np- und m- 

Formen in einem auszugsweise von Loth auf Seite 319 ff. ab- 

gedruckten Werke aus dem Jahre 1659, welches der gespro- 

ehenen Sprache Rechnung zu tragen sucht. Hier erscheint 

vor dem Pronomen personale n2 regelmässig einfaches mn, z. B. 


6: drebamb 


PB] ) 


x 


S. 322 zu Ende: petra oulennom-ni, pa leueromp worum 
bitten wir, wenn wir sprechen?’ oder S. 325 pet boet a ren- 
com-ni euit mezur an ene? “wie vieler Speisen bedürfen wir 
zur Nahrung der Seele?’ 

Wie sind nun die Formen ohne p und die mit p zu er- 
klären? Wollte man an der oben mitgeteilten Anschauung 
Windischs festhalten, so wäre man genötigt anzunehmen, dass 
das ursprünglich “aspirierte” m in der 1. Plur. durch teilweise 
Annäherung an die 3. Plur. in einer Reihe von Fällen zu har- 
tem m geworden sei, dass das Bretonische im Gegensatze zum 
Oymrischen diese Endung verallgemeinert habe, so dass das 
alte © ganz unterging, dass hierauf in jüngerer bretonischer 
Zeit abermals die 3. Plur. vermöge ihres -»t einen umgestal- 
tenden Einfluss auf die 1. Plur. ausgeübt habe, wodurch sich 


Hand stark durchkorrigierten Textes benutze ich die ursprüngliche 
Fassung aus dem Jahre 1779 nach dem Abdrucke in der Rev. 
Celt. XI 980 ff. 


Zur keltischen Grammatik. 55 
zum m ein p hinzugesellte, dass indessen diese neue Analogie- 
bildung nicht im ganzen Sprachgebiete durchgedrungen sei, 
indem dialektisch die alte Endung bewahrt blieb und sieh mit 
der neuen nach gewissen euphonischen Prinzipien in die Herr- 
schaft teilte. Dies erscheint von der gegebenen Grundlage aus 
als die einzige Möglichkeit einer Erklärung; man müsste denn 
etwa in -mp das dureh Analogie direkt aus dem spirantischen 
m geschaffene Prius sehen und hieraus durch satzphonetische 
Einflüsse (z. B. Konsonantenhäufung) »2 durch Schwund des p 
hervorgehen lassen. Sind nun schon an sich alle diese Rekon- 
struktionen wenig wahrschemlich, so verlieren sie vollends 
jeden Halt durch die Thatsache, dass wenigstens in einem 
sicheren Beispiele einem ursprünglichen mm dialektisch ein 
mp gegenübersteht, und zwar in emem Falle, in welchem die 
Möglichkeit einer associativen Anlehnung an ein Vorbild mit 
p vollständig ausgeschlossen ist. 

Dieses Wort ist das bret. Zamm “Sprung, neben dem eine 
Form lamp erscheint. Die Etymologie des Wortes lässt an 
Klarheit und Durchsichtigkeit nichts zu wünschen übrig. Im 
Air. entspricht ibm leim gl. saltus, πήδηςις Sg. 106”, deut- 
licher lZeömm zu schreiben, ein neutraler men-Stamm (Akk. Plur. 
mir. lemend), der als Infinitiv zum Präsens löngim "ich springe’ 
fungiert, gerade wie ceimm zu ceingim “ich schreite’, dreimm 
zu dringim “steige, komme vorwärts’. Aus dem Alteymr. ist 
das Denominativum lZammam gl. salio und lemenic gl. salax 


5 


belegt (gloss. Oxon. in Eutych.) Z? 1053, woselbst auch die neu- 
eymr. Formen angeführt werden. Ir. leemm weist auf eine 
urirische Grundf. *lengmenn- hin und dieses im Verbindung 
mit den brittannischen Wörtern weiterhin auf eine idg. Gestalt 
logh-men- mit Tiefstufe der Wurzelsilbe, da an in den brittann. 
Sprachen der regelmässige Vertreter einer idg. Nasalis sonans 
ist, Brugmann, Grundr. 1 8 242. Ganz ebenso steht dem 
Irischen ceimm gegenüber eymr. korn. cam, bret. kamm schritt’, 
acymr. Plur. cemmein (gl. in gradibus) gl. Ox. 38’. Neben 
der regelmässigen Form Zamm findet sich nun also im Bret. 
eine Nebenform lamp, die zwar bei Troude Nouveau dietion- 
naire breton-francais fehlt, sich aber wenigstens für Unterdia- 
lekte von Tregser, Cornouailles und Vannes sicher be- 
legen lässt. Sie findet sich einige male in dem Märchen 
Koadalan, welches im Dialekte von Plouaret (Treger) geschrie- 


56 Richard Schmidt, 


ben ist, veröffentlicht von Luzel in Rev. Celt. I 106 ff.; z.B. 
S. 112 ar chass a lamp warnehan “die Hunde stürzen sich 
auf ihn’, S. 124 hag a lamp ebars “und springt hinein’, ar 
re-man a lamp kerkent en tan S. 128 “diese springen sofort 
ins Feuer, setu int ὁ vont d’ann daou-lamp ruz S. 112%), 
‘siehe, da stürmen sie fort in kräftigem Galopp’ (wörtlich 
Zweisprung). Ebenda S. 114 liegt der Infinitiv des Denomina- 
tivums vor: ὁ. lampad bars ar ster "in den Fluss springend’. 
Auch in den Dialektproben bei Loth fehlt das Wort Zamp 
nicht: 
Dialekt von Treger II (vgl. oben genaueres) 5. 368, V. 20: 
e lampaz di c'houg. 

1 „ Cornouailles I S. 571: e lampe d’i c’houg. 

e » Vannes IS. 374: e lampaz d’i houg 
“er stürzte an seinen Hals’. Dagegen Leon I, II ὁ lammaz, 
in Treger I steht ein anderes Wort, Cornouailles II Ὁ 
lammaz; in den Sprachproben für die Dialekte Vannes II—IV 
ist, wie oben bemerkt, der Vers 20 leider ausgefallen. 

Es erscheint also in verschiedenen Mundarten der Bretagne 
neben dem regelmässigen /Zamm em lamp, wie neben deom 
ein deomp; deomp lässt sich nur höchst gezwungen als Ana- 

1) In dieser Redensart ist das Wort ruz bemerkenswert. Es 
entspricht nämlich — da das frz. rude begriftlich weit abliegt — 
ohne Zweifel dem ir. ruad, welches die Bedeutung ‘kräftig, stark’ 
hat. Vergl. in der Sage Genemain Aeda Slane: dolluwid dochum in 
rig ruard “er kam zu dem starken König’, Windisch in den Be- 
richten der sächs. Ges. d. Wiss., phil. histor. Klasse XXXVI 197, 212, 
wo auch aus O’Clery’s Glossar ruadh. ὁ. tren no laidir angeführt 
wird. Eine weitere Stelle ist in LL. dobressaib naruadrama (Zimmer 
in Ztschr. f. deutsch. Altert. XXXIII 208), wo mit K.Meyer, Rev. Celt. X 
963 “der starken Ruder’ zu übersetzen ist. In Windischs Wörterb. 
ist das Wort dagegen nach Οὐ Reilly mit “strength, power, a lord’ 
verzeichnet, vielleicht zu erklären durch eine Substantivierung des 
Neutrums des Adjectivs. Im Bret. scheint rız die Bedeutung "krät- 
tige’ nur noch in starrgewordenen Redewendungen bewahrt zu 
haben; wenigstens findet sich in Troudes eben genanntem Dietion- 
naire nur ruz als rot’ aufgeführt, wohl aber ist unter dem Artikel 
“lamm’ zu lesen: mont dann daou-lamm “aller au galop’, mont 
dann daou lamm ruz “aller au grand galop’. Wir haben also be- 
reits für das urkeltische Froudos die beiden Bedeutungen ‘rot’ und 
kräftig’ anzusetzen, und es scheint mir nieht unmöglich, dass sich 
die zweite erst aus der ersteren auf keltischem Boden entwickelt 
habe; wenigstens fehlt mir ein anderweites passendes Etymon. 


Zur keltischen Grammatik. 57 


logiebildung erklären, /amp überhaupt nicht; denn wo böte 
sich eine Musterform, die ihm zu seinem Ὁ verholfen haben 
könnte? — Grund genug, die beiden Fälle mit einander zu 
vereinigen und das p nicht durch Formassoziation, sondern 
durch Satzphonetik zu erklären. Ich nehme an, dass ἢ oder » 
an »n in derselben Weise angewachsen ist, wie das d unseres 
nhd. niemand, irgend an die mhd. Formen nieman, iergen. 
In bestimmter Stellung im Satze bildete sich nach vorausge- 
gangenem Mundverschlusse an der Artikulationsstelle des Na- 
sals ein explosiver Übergangslaut, nach m ein b oder p, nach 
» ein εἰ oder ἐ. Welche Stellungen das sein mochten, darüber 
sei eine kurze Vermutung geäussert. Im Mittelbret. tritt bis- 
weilen zwischen 2 und s und m und 2) im Inlaute der Worte 
ein eingeschobenes p ein, so z. B. coms und comps " Wort’ 
und sprechen’ (dessen Etymologie freilich unbekannt ist), 
rems und remps “Lebensdauer” (ich kenne es nur aus Troude, 
der es als “aneient’ bezeichnet), welches mit dem mir. remes 
neuir. reimheas “atime, period’ trotz der verschiedenen Qua- 
lität des »» identisch zu sein scheint (Lehnwort?); auch bret. 
kamps “die Alba des Priesters’ neben kom. cams ist zu be- 
achten (Thurneysen, Keltoromanisches S. 51). Neben guemeret 
“nehmen” erscheinen die Formen gquemret, quempret, compret, 
vgl. Loth, Chrestom. S. 54 und im Register, Z? 535; ferner 
compret 2. B. Rev. Celt. X 5 Str. 5, quempret ibid. XV 
Str. 42, 43. Man hat sich zu hüten, in diesem p etwas ur- 
altes zu sehen, nämlich den Anlaut der Wurzel bher “tragen’, 
die ja wirklich in dem bret. Verbum drinsteckt. Es kommt 
noch dazu, dass in bret. comper “Zusammenfluss von Gewäs- 
sern , als Eigenname @Qximper, Quimperle ete. (Loth S. 197, 
Anm. 1), eymr. cymmer wirklich das p der Vertreter des alten 
bh ist; dennoch ist in unserem Falle nieht daran zu denken. 
Nur unmittelbar vor dem Hochtone (oder starkem Nebenakzente) 
auf der ursprünglichen Penultima wird die Media nach einer 
Nasalis tonlos, d.h. wahrscheinlich genau zu demselben Laute, 
den unser mitteldeutsches d, g und ἢ (bez. t und p) besitzen, 
zu einer reduzierten Media — vgl. Sievers, Phonetik? S. 175. 
Im Bret. geht diese weiter in die Tenuis über, während das 
Cymr. sie dem voranstehenden Nasale assimiliert. Befindet 
sie sich jedoch nieht unmittelbar vor dem Hochtone, so tritt 
in allen drei brittannischen Sprachen Assimilation ein.  Letz- 


5s tichard Schmidt, 


terer Fall liegt hier vor: die ursprüngliche Betonung war *cem- 
beret-, resp. cem-bret-; daraus entstand eymr. cymmeryd und 
cymryd, kom. kemeres und bret. die oben aufgezählten In- 
finitive. Vgl. Loth S. 69. Das p in quempret und compret 
beruht also der Form quemret gegenüber thatsächlich auf 
sekundärer Entwickelung zwischen m und r. Der Gedanke 
dürfte darum mit einiger Wahrscheinlichkeit sich hören lassen, 
dass auch hinter ἠὲ im Wortauslaute zu eimer bestimmten Zeit 
bei engem Zusammenhange mit dem nachfolgenden Satzgliede, 
falls dieses mit # oder vielleicht auch s anlautete, und bei 
gewissen, nicht mehr aufzufimdenden Verhältnissen des em- 
phatischen und tonischen Satzakzentes, sich ein labialer Ex- 
plosivlaut entwickelte. Von hier aus hätte sich dann die 
neue Form vielfach an solche Stellen emgedrängt, wo sie 
keine genetische Berechtigung hatte. Es ist zu bedauern, dass 
wir über die jetzige Verteilung der Formen m denjenigen Dia- 
lekten, welehe noch beide ihr eigen nennen, gar nichts wissen. 
Nieht unmöglich, dass noch heutiges Tages die Doubletten nicht 
unterschiedslos, sondern nach festbestimmten satzphonetischen 
Gesetzmässigkeiten gebraucht werden. 

Daran, «dass es nur gelungen ist, ein einziges Substanti- 
vum aufzutreiben, welches neben ursprünglichem mm auch den 
Auslaut mp zeigt, ist kein Anstoss zu nehmen. Vielleicht 
lassen sich aus den Dialekten noch mehr Beispiele aufstöbern; 
aber auch wenn dieses nicht glücken sollte, hat die Annahme 
nichts befremdliches, dass alle übrigen p»-Formen wieder be- 
seitiet worden seien. Man denke an die wenigen nhd. For- 
men mit d nach n, auf die oben hingewiesen wurde. Im 
engadinischen Dialekte der rhätoromanischen Sprachensippe 
erscheint als Vertreter des lat. hamas das Wort amp; wiewohl 
der Ausgang -am in dieser Sprache gar nicht selten ist, ist 
amp, wofür in der Übersetzung des NT. von 1560 noch ham 
erscheint, doch das einzige Beispiel einer Erweiterung durch p; 
aber auch dieses eine kann beim Mangel eines Musters nicht 
als Analogiebildung, sondern nur als satzphonetische Doublette, 
lautgesetzlich entstandene aufgefasst werden; vgl. Ascoli Ar- 
ehivio glottol. ital. I 223. 

Und nun zum Sehlusse noch ein Wort über die bret. 
Formen auf -m. Wie oben auseinandergesetzt, empfiehlt es 
sieh am meisten und entspricht den gegebenen Thatsachen am 


Zur keltischen Grammatik. 59 
besten, wenn man in der 1. Plur. schon im Urbrittannischen 
für primäre und sekundäre Endungen getrennte Suffixe, spiran- 
tisches und rein nasales »» annimmt. Beide existierten auch 
im Urbret. Später verdrängte das sekundäre m das primäre 
w. Ganz dasselbe ist einem beträchtlichen Teile des bret. 
Sprachgebietes in relativ junger Zeit bei der 1. Sing. der Fall 
gewesen, indem mbret. credaff “credo', crediff eredam’ neben 
Präs. secund. eredenn “credebam’ dureh Übergreifen der se- 
kundären Endung geworden sind zu nbret. (Dialekt von Leon) 
credann, eredinn, credenn (lautgesetzlich wäre *credanv oder 
®credan und *credi zu erwarten gewesen). Wohl zugleich mit 
dem Überhandnehmen des m im Verbalsysteme nistete es sich 
auch als Pronomen suffixum ein und verdrängte das alte n, 
das fernerhin nur noch als Pron. infixum fortbestand: ef on care 
“er liebte uns’ Z2 374. Ganz ähnliches geschah später eben- 
falls beim Pron. suffixum der 1. Pers. Sing; auch hier erstickte 
das wuchernde nn das alte /, sodass für das mbret. diff 
“mihi’, ahanoff “a me’ nbret. (Dialekt von Leon) dinn, acha- 
nounn eintritt, während im der 3. Sing. das alte /f, durch 
keinen Rivalen beeinträchtigt, regelmässigen Lautwandel durch- 
gemacht hat: mbret. dezaff ei’, anezaff ab eo > nbret. (1,608) 
dezhan, anezhan. Nachdem schliesslich in der 1. Plur. -n feste 
Wurzeln geschlagen hatte, entwickelte sich in der geschilder- 
ten Weise -mp. 


IH. Uber die Vertretung von idg. Nasalis sonans 
im Irischen und Verwandtes. 


Es erscheint aus verschiedenen Gründen empfehlenswert, 
etwas näher auf die lautlichen Verhältnisse der auf S. 55 an- 
gezogenen Worte einzugehen. Unseren Ausgangspunkt nehmen 
wir von der Progression ir. lingim : cingim = ir. leimm : ceimm 
— britt. Jamm : camm. 

Es fragt sich, wie sich in lingim und cingim der i-Laut 
der Wurzelsilbe zu dem e in leömm und ceimm verhalte. Dass 
wir es nicht mit ei-Wurzeln zu thun haben, beweisen, wie be- 
reits bemerkt, die brittannischen Formen, deren am auf ur- 
sprüngliche Nasalis sonans hindeutet. Nun stellt Brugmann, 
Grundriss I $ 242 im Anschlusse an Zimmer κά. XXIV 450 
folgende Regel auf: “im Irischen waren vor Konsonanten idg. 


00 Richard Schmidt, 


Nas. sonans und idg. e + Nas. consonans wie im Ital. zusam- 
mengefallen. Im Urkeltischen aber waren sie noch geschieden, 
wie die verschiedene Behandlung im brittanischen Zweig be- 
weist. Aus dem antesonantischen »n (nach Thurneysen) be- 
reits im urkelt. an”. — Der Anfang dieses Gesetzes ist in 
dieser allgemeinen Fassung für das Irische nieht richtig, in- 
dem wenigstens in einem bestimmten Falle der behauptete 
Zusammenfall auch im Irischen nicht eingetreten ist, die Laute 
verschiedener Entstehung vielmehr bis zum heutigen Tage ihre 
Verschiedenheit bewahrt haben. Stokes scheint der erste ge- 
wesen zu sein, der diese Beobachtung gemacht hat, KZ.XXVII 
61, wobei jedoch noch verschiedenes unklar blieb. Ich be- 
handle daher die Sache noch einmal, und zwar vom streng 
etymologischen Gesichtspunkte aus, indem ich mich nur sol- 
ches Wortmateriales bediene, dessen Herkunft ausser Zweifel 
steht. 

Irisches € ist von sehr verschiedenartiger Entstehung. 
Es ist nämlich 
l».ir..8 =idg. ei, 2. B. 2.:Plur. Put. »fortessı— gr.vnep- 

CTEIEETE. 

2. entstanden durch “Ersatzdehnung’ bei der Lautgruppe 
Nasal -- Tenuis oder s, indem der Nasal unter Dehnung 
des vorhergehenden Vokals ausfiel; und zwar ist hier wie- 
der zu unterscheiden: 

a) idg. a + Nasal — Temuis oder 5, z.B. ir. ro οἶδέ “ean- 
tatum est zu canim; cetal "Gesang — *can-tlo-m. 
Ὁ) idg. e+ Nasal + Tenuis oder s, z. B. ir. set “Weg’ — 
germ. sinba- (aus vorgerm. sento-). 
ec) idg. Nasalis sonans + Tenuis oder s, z.B. ir. cet “hun- 
dert’ = idg. *kmtom. 
3. entstanden ause + explosiva + liquida oder nasalis, 


7. B. ir. cenel ᾿ Geschlecht’ = acymr. kenetl, en Vogel’ — 

abret. etn. 

Noch sind einige wenige andere Fälle übrig, z. B. das 
auffällige ir. der “Thräne’, das auf *dacr- zurückzuweisen 
scheint (aceymr. dacr), wiewohl man alsdann ir. *dar zu er- 
warten hätte, oder ir. te heiss’, dessen langer Vokal aus zwei 
Kürzen zusammengezogen ist (urkelt. *te/p)ents), oder erimm 
“Fahrt” aus &ss-reöimm; doch haben diese Fälle für unsere 
Untersuchung ebenso wenig Bedeutung, wie Nr. 1 (ir. ὃ = idg. 


Zur keltischen Grammatik. 61 


ei). Wohl aber kommt für uns der ebenfalls noch nicht ru- 
brizierte Fall, der unseren Ausgangspunkt bildete, in betracht, 
nämlich ceimm und leimm, Stamm cemmen und lemmen aus 
ursprünglichem *kng-men-, *Ing-men-; er würde zwischen Nr. 
2° und 53 zu stellen sein. 

Eine vorzügliche Hilfe zur Klassifizierung des irischen 
Sprachschatzes nach der obigen Rubrik Nr. 2 giebt uns die 
Vergleichung der brittannischen Sprachen an die Hand, indem 
hier folgende Lautgruppen erscheinen: 

Nr. 22: ant, z.B. cymr. cant “cecinit‘ (t-präteritum) Z? 524. 

Nr. 2P: int, z.B. eymr. hynt weg’, akorn. hins, bret. hent. 

Nr. 2°: ant, z. B. eymr. cant, korn. cans, bret. kant hundert’. 
Da der Fall 2° zu den Seltenheiten gehört, so darf man für 
gewöhnlich ein brittannisches -ant als Vertreter von Nas. son. 
+ t ansehen. 

Dass wir es übrigens im Falle 2” mit einem Stamme 
sento- zu schaffen haben, kann aus den keltischen Wortformen 
allein nicht geschlossen werden; wir bedürfen zu dieser Er- 
kenntnis der Hilfe des Germanischen, welches uns mit dem 
Faktitiv got. sandjan "senden einen alten Ablaut sento-, sonte-, 
nachweist. Das Brittannische verwandelt also ursprüngliches 
ent zu int in analoger Weise wie das Urgermanische; und da 
anzunehmen ist, dass auch eme irische Lautfolge -inta- über 
-enta- zu -et- führte, ist manchmal die Entscheidung, ob im 
kelt. ursprünglich ent oder int vorliege, nicht mit Sicherheit 
zu treffen. Ein Beispiel ist das Wort für “der erste’: air. cet- 
in Zusammensetzungen, cetne, eymr. kyntaf, kon. kensa, kynsa, 
bret. quentaff Z? 307, 322; im Agall. liegen zwar mehrere 
Eigennamen mit Cinto- vor: Cintus, Ointugenus, Cintugnatus ; 
es ist aber von dem Vokalismus des Gallischen viel zu wenig be- 
kannt, als dass man hierauf Schlüsse aufbauen könnte. Hierzu 
stellt Thurneysen in Brugmanns Grundr. II S. 467 das got. 
hindumists, ahd. hintar, allein auch diese Wörter sind ihrem 
Vokalismus nach doppeldeutig; da sie jedoch ursprünglich nicht 
auf der Wurzelsilbe betont waren, ist ihr Stamm wahrschein- 
licher als idg. könto- anzusetzen. Was übrigens den urbrit- 
tannischen Lautwandel von e zu ὁ betrifft, so hat es den An- 
schein, als ob er sich noch innerhalb weiterer Grenzen bewege, 
nämlich überhaupt vor Nasalis-+ Explosiva eingetreten sei. 
Wichtig ist das Wort für fünf’: ir. coic aus "kuenkue, da- 


09 Richard Schmidt, 


gegen acymr. pimp. gl. Ox. Im Gall. erscheint ὁ (0) im Pflan- 
zennamen πειμπέδουλα, var. lecet. πομπαιδουλά Z?517. Weitere 
Beispiele werden im Folgenden mehrfach begegnen. Dieses 
alte britt. ὁ ist aber nur im Cymr. deutlich erhalten; im Korn. 
ist altes e und ὁ im der Schrift gewöhnlich nieht mehr unter- 
schieden (schon im altkornischen Vokabular beginnt e für © 
aufzutreten); das Bret. vollends verwandelt ὁ geradezu in ὁ 
(vgl. bret. speret < lat. spiritus, bret. desquebl < lat. disci- 
pulus). Doch kehren wir nunmehr zum Irischen zurück. 
Wenn im Falle 3 infolge eines ursprünglich auslautenden, 
später verschwundenen e oder ö Infektion der Wurzelsilbe ein- 
tritt, erscheint in dieser die Vokalgruppe eiwi, eui, zwi oder 
eoi (das Längezeichen ist auch oft auf den zweiten oder dritten 
Vokal gesetzt) Z?19, und zwar vor 1, r und n; hingegen giebt 
es kein Beispiel, in welchem auch vor m Triphthongierung 
eingetreten wäre; 2. B.: 
vor ἢ: gen. ceneuil zu nom. cenel (acymr. kenetl)“ Geschlecht’; 
gen. sceoil zu scel (neymr. chwedl) “Erzählung ; geil 
“adhaesit” Perf. zu glenim, wz. glei-!). 
vor r: doradchiuir (gl. per redemptionem = redemit) Wh. 2”9, 
Perfeetum zu do-ad-erenim; die Wurzel ist qrei-!). 


1) Die Formen φήνη] und -chiuir bereiten der Erklärung Schwie- 
rigkeiten. In beiden Fällen handelt es sich sicher um e/-Wurzeln, 
trotz Windisch K. Schl. Btr. VIII 55; man erwartet darum das Plus 
eines auslautenden Vokals. Gleich unregelmässig ist 111, das Perf. 
von lenim, Wz. lei-. Wie die Form eigentlich heissen sollte, zeigt 
uns das alte isolierte Perfektum cuala “audivi’, von Wz. kleu, wel- 
ches aus *Ru-klova über coclava > cola entstanden ist (Windisch 
ΚΖ. XXIII 245, der unnötigerweise an va aus einem durch Ersatz- 
dehnung bedingten ö Anstoss nimmt, vgl. buain unten S. 77T. Die 
Verhältnisse, unter denen im ir. € > ia und 5 > ua wird, sind 
nicht völlig gleichartig). Zu lenim hätte also das Perfektum zu lau- 
ten: *D-loia > *lelaia > *lela. Dass ll nicht ursprünglich sein 
kann, wird besonders klar aus der 3. Plur. Zeltar Corm. B, als deren 
Grdf. *V-I-ont-or anzusetzen wäre, eine direkt unmögliche Form. 
Ebendasselbe gilt für die 2 oben genannten Perfekta. Es müssen 
Analogiebildungen sein. Und zwar sind alle drei Perfekta anschei- 
nend nach demselben Muster gebildet, infolge der Übereinstimmung 
der Präsentia glenim, erenim, lenim aus "gli-na-mt, *kri-na-mi, li- 


na-mi. Dann ergiebt sich aber der Schluss, dass — wie in ll ent- 
schieden Reduplikation mit ὁ vorliegen muss — so auch giuel und 


-chöiuir nicht auf eine Grdf. *ge-gl-e, *ke-kr-e, sondern nur *ge-gl-e, 
*ki-kr-e zurückgeführt werden dürfen, dass sie oben als Beispiele 


Zur keltischen Grammatik. 63 


vor n: ind οἰ, Gen. von en Vogel‘, adgeuwin "cognovit' 
neben adgen “cognovi. trauin, Gen. von tren tapfer’, 
aus urkeltischem *treksnos, οἷν. Curtius Grdz. 5256. 
Von emigen der bei Zeuss a. a. Ὁ. aufgezählten Worte 
ist die Etymologie nieht klar; dies gilt auch für das ebenfalls 
hierhergehörige mer Finger‘, Nom. Plur. meöir!) m Windischs 
Wörterb. belegt. 
Trat im Falle 3 eoö vor vr, I, n auf, so erscheint der- 


also eigentlich zu streichen wären. In unserer Kategorie III 
erfährt demnach die gleiche Behandlungsweise wie 
e, nur erscheint hier stets die Schreibung 212, nie eu?. 
Die 1. Sing. z. B. duaircher Lib. Ardm. 1682 wird über *cecra laut- 
gesetzlich aus *ki-kr-a entsprungen sein. Ebenso ist *lel in der 1. 
u. 2. Sing. zu erwarten; leider sind diese Formen nicht belegt. — 
Der Ausgangspunkt für diese Analogiebildungen war vielleicht das 
Präsens renim, Wz. per, aus *pr-na-mi über *prinami entstanden. 
Man könnte annehmen, dass zu einer Zeit, als es Präsensformen 
*prinami, linami ete. gab, im Perf., z. B. in der 3. Plur. nebenein- 
ander bestanden: *pe-pr-ontor, *li-U-ontor, *gi-gli-ontor. Hierauf 


sei gegenseitige Anähnlichung eingetreten, dergestalt, dass — wohl 
auch unter dem Einflusse des noch im Präs. vorhandenen ὁ — ein 


*pi-pr-ontor entstand, andrerseits nach diesem Muster *D-I-ontor, 
*gi-gl-ontor etc. Ebenso in der 3. Sing. *pe-pr-e > *pipre, aber 
*N-lor-e > *lle, "gi-gloi-e > *gi-gle. (Die Thatsache der Tiefstufe 
der Wz. im Sing. thut hier nichts zur Sache.) Hieraus dann die 
wirklich belegten Formen, nur dass in *ertar, *ir ein anlautendes 
r als Reduplikationszeichen neu eingeführt ward, nach der Propor- 
tion lenim:lıl = renim:rir. Dies ist wenigstens eine Möglichkeit. 
Auch dem Perfektum 1. 2. Sing. -gen, 3. -geuin aus *ge-gn-a, *ge- 
‚gn-e könnte man eine analogische Beeinflussung zumessen, wenn 
dessen Präsens -gninim als ursprüngliche Bildung angesprochen 
werden dürfte. Beispiele des -gninim sind: anı huanaithgnintar 
“id de quo praedicatur’ Sg. 29 (th nach n regelrecht zu #, die 
Bildung nach Series III der Gr. Celt.), itargninim (gl. sapio pru- 
dentia) Pr. Cr. 57», ondi itargnin * ex intelligente’ Solil. Aug. Cr. 54 
(Windisch Ir. T. p. 148, &1. 16) — diese Form nach Series I. Da ὦ 
nirgends mit einem Längezeichen versehen ist, muss es als kurz 
angesehen werden, die 3. Plur. ist anzusetzen als *-gnenat. Eine 
solche Form neben -glenat könnte Anähnlichungen im Perfektsy- 
steme zur Folge gehabt haben. Freilich erscheint mir die Ursprüng- 
lichkeit des Typus gninim höchst zweifelhaft. Damit fallen alle 
Rekonstruktionsversuche. 

1) Prof. Brugmann erinnert mich an μόκρωνα᾽ τὸν ὀξύν. ’Epu- 
θραῖοι Hesych. und an uaxedvög "schlank, ragend’. 


64 Richard Schmidt, 


selbe Lautkomplex vor ? im Falle 2”; denn von set "Weg? 
lautet der Nom. Plur. int sewit Z? 215 und von dem gleich- 
lautenden set in der Bedeutung “Kostbarkeit” wozu mlat. sentis 
“fibula’? (Du Cange) gehört, findet sich der Nom. Plur. seust, 
seoit bei Windisch. Das Gleiche gilt aber auch für den Fall 
2%: (denn et “Eifer, Eifersucht’ bildet den Gen. ind eoit (gl. zeli) 
ΜΙ. 3249. Dass das Wort wirklich in die Kategorie 2% ge- 
hört, also idg. -ant enthält, muss jedoch erst kurz bewiesen 
werden. 

Wie Stokes zuerst gesehen hat, Bezzenb., Beitr. XI 140 
ist ir. δέ zum ind. yatna "Anstrengung, Eifer’ zu stellen, zu 
dem es sich genau ebenso verhält, wie ir. vet “Ding” (nur dass 
dies ein a-Stamm ist) zu ind. ratnam “Habe, Gut, Kleinod’, 
vgl. Windisch, Ber. d. kgl. sächs. Ges. d. Wissensch., phil.-hist. 
KI.XXXVIII 244. Über das n, welches bald als Suffix, bald als 
Infix erscheint, siehe Brugmann, Grundr. I 5 221. Aus dem 
altgallischen Sprachgebiete gehört hierher Jantumarus Z? AT, 
Adiantunneni (aufgefasst als Dativ eines a-Stammes), Adian- 
tunnos, Adianto Stokes KZ. XXVIIL61. Den zuletzt genannten 
Wörtern entspricht eymr. addiant "Sehnen (add- wie in eymr. 
addfıwyn “edel’ neben mwyn Z? 897). Im Gall. und Brittan. 
erscheint also jant-. Dieser Übereinstimmung gegenüber sind 
wir berechtigt, das von d’Arbois de Jubainville, Etudes gram- 
maticales, introduction S.9 beigebrachte gall. Jentumarus als 
eine nur dialektische, vielleicht durch Emwirkung des anlau- 
tenden 7 entstandene Nebenform ansusehen. Das eymr. und 
gall. jant- kann aber nur aus einer gleichlautenden idg. Urform 
entsprungen sein, weil mit einem angenommenen idg. jnt- oder 
int- das ind. Wort kaum zu vereinigen wäre und vor allen 
Dingen eine andere Art der Infektion im Irischen eintreten 
müsste, wie wir sofort sehen werden. 

Ir. τοῦ aus ursprüngl. ant und ir. -et aus -ent erleiden 
also bei ö-Infektion die gleichen Veränderungen: doch darf 
man darum noch nieht annehmen, dass auch der nichtinfizierte 
Vokal in Worten wie et “Eifer’, cetal “Gesang?” und auf der an- 
deren Seite set Weg’ phonetisch derselbe war, und dass weiterhin 
auch das e von scel oder cenel sich damit genau deckte. Zum 
Zustandekommen des eu genügt indess die Einwirkung eines 
infizierenden ö auf gewisse #-Qualitäten noch nicht: als dritter 
Faktor muss vielmehr noch ein bestimmter intervokalischer 


Zur keltischen Grammatik. 65 


Konsonant hinzukommen. Wie wir eben gesehen haben, lassen 
sich als derartige Konsonanten nur /, », an und ἐ nachwei- 
sen; s z. B. war ungeeignet, wie der irische Reflex des idg. 
jhans- "Gans οἷο." beweist, ir. geis “Schwan?” (ein i-Stamm), 
bei O’Clery mit eala erklärt. Das Wort gehört seiner Ge- 
stalt nach zu Fall 2%, gerade wie et “Eifersucht”; während 
aber von letzterem der Gen. eoit lautet, ist eine Form *gewis 
unerhört. 

Bezüglich der ewi-Formen muss übrigens bemerkt werden, 
dass die Schreibung mit θεὲ nicht immer konsequent einge- 
halten wird, sondern dass bisweilen ei an ihrer Stelle erscheint. 
So steht etörgein (Perf. zu etargninim) Mi. 248 19, neben ge- 
wöhnlichem -gewin Z?450, dind seit (de via) ΝΥ}. 24* 17. 
Doch leidet es keinen Zweifel, dass wir es in solchen Fällen 
nicht mit einem andersgearteten Vokale zu thun haben; sondern 


der Schreiber — wenn er nicht blos eimen Buchstaben seiner 
Vorlage abzuschreiben vergessen hat — hat sich begnügt, die 


Mouillierung des auslautenden Konsonanten zu bezeichnen, ohne 
der eigentümlichen Klangfarbe des Sonanten Rechnung zu tragen. 
Ganz besonders ist zu betonen, dass in allen bisher auf- 
geführten Fällen nur dann ewi erscheint, wenn der nach- 
folgende palatale Vokal vollständig geschwunden ist; 
ist dieser dagegen noch vorhanden, so steht einfaches e, bisweilen 
eu: vergl. Wb. 19% 18: isicrist ataat insetisin, “in Christus be- 
finden sich diese Wege’; set schwankt zwischen der o- und ;- 
Deklination hin und her, daher es denn Stokes Bezz. Btr. XI 
99 geradezu unter den “irregular nouns’ verzeichnet ; dasselbe 
gilt auch von dem anderen set “Wertgegenstand’, von dem 
der Nom. Plur. «δεξὶ Wb. 95 ὁ 4 erscheint neben oben ange- 
führtem seoöt. Auch rogeni “ΤΟΙ ist hier zu erwähnen, öshe 
inpeccad rogeni anwile comaccobar (gl. peecatum operatum 
est omnem eoneupiscentiam) Wh. 3° 25, ibid. rageni mit Pron. 
inf.; ebenso dorigeni z. B. Sg. 2000 10, nur dass hier der 
Wortakzent auf dem ὁ ruht. Wenn endlich m einigen wenigen 
Beispielen auch trotz des Mangels eines imfizierenden Vokals 
eui geschrieben wird, z. B. docheneiwil “σου Z? 19, so wird 
man so etwas als einfaches Versehen aufzufassen haben, denn 
die Schreibung des ὁ ist geradezu falsch. ὁ an unrechter Stelle 
findet sich auch manchmal ohne «x; so steht Wtb. 2312: act 
rocloor forcainsceil si “wenn ich nur gute Nachricht von euch 


Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 5 


66 Richard Schmidt, 


höre’ mit falschem ὁ, denn scel ist neutraler o-Stamm ἢ): aber 
richtig gleich vorher 23’ 41: niconchloor act forcainscel “ich 
höre nur gute Nachricht von euch. 

Was das Neuir. betrifft, so existiert das alte eoö in der 
Sehrift bis zum heutigen Tage, obwohl man gewöhnlich & 
sehreibt, und ist auch der Aussprache nach noch immer von 
dem letzteren verschieden, vgl. O’Donovan, Ir. Gr. S. 27, wo 
er eoi als eö mit Erweichung des folgenden Konsonanten be- 
schreibt. Derselbe giebt S. 85 geradezu als Regel an, dass 
Monosyllaba mit da oder ex beide Formen im Gen. Sing. haben 
könnten. Interessant sind seine Beispiele: geadh "Gans’, Gen. 
geidh oder geoidh, ean "Vogel’, Gen. ein oder eoin, beal 
‘Mund’, Gen. beil oder beoil, sgeal “ Erzählung’, Gen. sgeil 
oder sgeoil, trean Held’, Gen. trein oder treoin: aber die 
zweite Form sei selten, ausser in der Poesie oder poetischen 
Prosa. 

Die 4 letztgenannten Worte besitzen eoö mit Recht, nicht 
aber geadh Gans’. Hier ist eine Trübung des Sprachbewusst- 
seins eingetreten, denn das Wort hat idg. ei, wie die brittan- 
nischen Sprachen beweisen: eymr. gerydd, akom. guit, bret. 
goaz Z? 1014. 

In den Fällen 2%, 2? und 3 tritt also bei vorhandener ö- 
Infektion und auslautendem 1, r, n und # jederzeit eoö ein. 


Anders bei 2°. Hier erscheint — obwohl auch ἐ im 
Auslaute steht, im Falle der ö-Infektion durchgängig ei. 


Beispiele: 

1. ir. cet “hundert’, Gen. ceit, di chlaind cheit ἡγῇ “aus dem 
Geschlecht von hundert Königen’, Paul. earm. 1. cet — 
eymr. cant, kom. cans, bret. kant, idg. kmtom. 

2. ir. det “Zahn? (i-Stamm), dat. do deit (gl. ad dentem) 
Sg. 67° — ceymr. bret. dant, kom. dans <idg. dnt — 
(efr. got. tanpus, ind. Akk. Plur. datds). 


“ιν 
ν- 


ir. meit “Grösse” — urbritt. mantı, daraus meymr. meint, 
korn. myns, mns, bret. ment “Grösse‘. 'Thurmeysen Kel- 
torom. S. 105f.: KZ. XXVIIL 146. 

Dies sind sichere Beispiele. Nicht zu diesen gehört das 
ir. bree Lüge’ (a-Stamm) mit dem Akk. in nataibred breic 
gl. nolite mentiri Wb. 27’ 12, welches Stockes KZ.XXVIIL61 


1) Vielleicht stammt ὁ von dem -s? her. 


Zur keltischen Grammatik. 67 


ebenfalls hierher zieht. Zwar ist die Vergleichung mit skr. 
bhrasa- m. “Fall, Sturz’ sicher richtig, allein für den Vokalis- 
mus des keltischen Wortes lernen wir hieraus nichts. Dieses 
könnte wohl auch aus *brenka oder *bramka entsprungen sein, 
da vor c niemals ein eoi-Laut auftritt. 

Wir erkennen aus dem Gegenüber von set Gen. seuit und 
cet Gen. ceit, dass es sich in beiden Fällen um verschiedene 
e-Laute (resp. ὁ + n-Laute) handeln musste, da ja die beiden 
zur Infektion noch nötigen Bedingungen: ein dünner auslauten- 
der Vokal und ein die Mouillierung vermittelnder Konsonant 
beidemale in genau der gleichen Weise erfüllt sind. Der aus idg. 
» neu entwickelte Diphthong en fiel also im Ir. nieht zusammen 
mit dem aus idg. Urzeit überkommenen en. Ebensowenig war 
dies in den britt. Sprachen der Fall, da hier überall Fälle wie 
eymr. hynt und cant, bret. hent und cant streng von einander 
auch in der Schrift geschieden sind, was ja im Ir. im allge- 
meinen nieht geschieht. Mittelirisch und so noch Neuirisch 
schreibt man zwar öfter ex als im Air., aber nicht immer an 
der rechten Stelle: berechtigterweise in meur “Finger (mir. 
Nom. plur. meoör in Windischs Wtb.), fälschlich m cead “hun- 
dert” neben richtigem cead. 

Es fragt sich nun, ob wir zur genaueren phonetischen 
Bestimmung des vor urspr. » im Ir. erscheinenden Vokales 
nicht auch Fälle aufzutreiben vermögen, in welchen dieser 
Vokal keine durch das Verklingen des Nasals bedingten wei- 
teren Veränderungen durchgemacht hat. Erhalten hat sich 
nun der Nasal im Ir. nur vor Mediä; es käme also darauf 
an, Material herbeizuschaffen, wo die idg. Verbindung: Nasalis 
sonans + Media oder Media aspirata in einer den Wortakzent 
tragenden ir. Silbe nachgewiesen werden könnte. Dieses Un- 
ternehmen ist freilich mit den grössten Schwierigkeiten ver- 
bunden, und zwar aus dem Grunde, weil oft gar nicht der 
Beweis zu erbringen ist, dass nicht vielmehr starke Stamm- 
form mit e vorliege. Von Wichtigkeit ist auch hier das a auf 
brittanischem Sprachboden. Leider aber versagt es nur zu 
oft da, wo man seiner Hilfe am dringendsten bedürfte. Denn 
a erleidet im allen Dialekten durch nachtolgendes © Infek- 
tion und ist alsdann von ursprünglichem e nieht mehr zu un- 
terscheiden. 

Einige sicher hierher gehörige Fälle, die schon mehrfach 


68 Richard Schmidt, 


unter anderen Gesichtspunkten zusammengestellt worden sind, 
sind: 

1. ir. imm Butter’ aus ömb, Gen. ömme, Dat. immim, 
wodurch es als neutraler »-Stamm erwiesen wird = bret. 
amann, akom. amenen, emenin (butirum), eymr. emenyn 2. 5 
82, neymr. ymenyn “butter’ (neymr. y in vortoniger Silbe aus e, 
dies wie im Korn. durch Infektion aus a). Dagegen Hoch- 
stufe der Wurzel mit ὁ im skr. anji-, ahd. ancho, preuss. anktan 


Butter’, lat. unguen; Tiefstufe — aber mit langer Nas. so- 
nans (vgl. Brugmann, Grundr. I 8 255) — im ind. djya- n. 


“Opferschmalz’, ajyana n. "Salbe, bes. Augensalbe'. 

2. Ir. imb "um- herum’, eymr., korm., bret. am-, Z? 897 
(als Präposition nur im Cymr., daneben auch ym-, em- durch 
Infektion), gall. ambi-. Sie weisen auf eine Grundf. ®mbhi nach 
Thurneysen im Grundriss I, p. 566, Z. 11 v. u., gerade wie 
skr. abhi, ags. ymb (ahd. umbi, ags. ymbe ist eine Erweite- 
rung mit der Präposition bi). 

3. Die ir. Negativpartikel in Z? 860, z. B. in inderb 
“incertus', öngnath “unbekannt, ungewöhnlich, wunderbar‘. In 
den sicheren Beispielen steht @» nur vor d und g; ein Fall 
mit ὁ liegt nicht vor. Grdf. ist n = lat. in-, gr. d- ete. Vor 
tenues ist aus » regelmässig e- entstanden, ecsamail “unähn- 
lich’, cosmail “ähnlich’, vor Vokalen an; im Britt. entspricht 
überall an- Z? 893. Rhys Lect. 3 92, Zimmer ΚΖ. XXIV 898 ἢ. 

4. Ir. bind (i-Stamm) ist von Windisch Rev. Celt. V 
466 zu skr. bhandate "jauchzenden Zuruf empfangen’, bhan- 
.distha “am Jlautesten jauchzend, gellend’ gestellt worden. 
Wahrscheimlich ist es als *bAndi- mit Tiefstufe der Wurzel 
zu erklären. Leider scheint den brittannischen Sprachen ein 
verwandtes Wort abzugehen. Dagegen kann das ebendort an- 
geführte ir. mind “diadem’ (meutraler. Stamm) wegen des 
eymr. minn “sertum’ nicht hierhergezogen werden. Wohl aber 
wäre dies sehr wohl möglich bei ir. cimb “Silber, Abgabe’, 
von Windisch mit lat. cambiare verglichen, für welch letz- 
teres er keltischen, also gallischen Ursprung annimmt. Die 
Proportion ir. cimb :imb — gall. camb- : amb- ist zu auffällig, 
als dass man nicht in cimb ein Aomb- erkennen sollte. 

Weniger sicher ist es, ob auch die gall. Partikel ande- 
hier angeführt werden darf, die in einer Reihe von Eigennamen 
wie Andecamulos Z? 867 uns erhalten ist und wohl einen 


Zur keltischen Grammatik. 69 


ähnlichen verstärkenden Sinn besessen haben mag, wie ver- 
in Vereingetorix. Mit anderem Auslaute tritt ando- auf in 
Andocombogios auf der Inschrift von Briona, Stokes Bezzenb. 
Beitr. XI 117; Irisch schemt ind- als Kompositionspartikel 
mit der doppelten Bedeutung der Richtung nach emem Orte 
hin und des Ausganges von wo her zu entsprechen, Z? 867, 
indrith “Einfall’ und iöndarpae “ablatio’. Auf britt. Boden 
gehört das eymr. en- Z? 896 hierher, das auch nur noch als 
Verstärkungspartikel dient. Vielleicht darf man auch an den 
alteymr. Eigennamen Andagello- auf eimer Inschrift: Curcagni 
Fili Andagelli denken, Rhıys Lect. ? 338. Die gallische 
Doppelheit und die Gegensätzlichkeit der Bedeutung im Irischen 
legen die Vermutung nahe, dass wir es mit zwei verschiedenen 
Kasusformen einer Pronominalwurzel zu thun haben, etwa einem 
alten Instrumentalis ande- und einem Ablative ando-, ähnlich 
wie im ir. air- und aur- auf zwei in den Endungen verschie- 
dene Grundformen zurückweisen, auf are- = gall. are- und auf 
aro- aru-, das aus dem Gall. noch nieht nachgewiesen ist. 
Übrigens erkennt Stokes a. a. Ὁ. unser nd- oder ndh- wieder 
im ind. adha- (adhara, adhama), got. undar etc. 

Wahrscheinlich liegt diese Wurzelgestalt noch in einem an- 
deren ir. Worte vor, nämlich in önd “Ende, Spitze’ (mase. ö-Stamm) 
und in dem Compositum rind!) “Spitze, cacumen’, ebenfalls 
mase. i-Stamm und nicht mit dem neutralen «-Stamm rind 
“Stern” zu verwechseln. Man könnte, wenn man sich nicht 
darauf kaprizieren will, dass manche Gegenstände wirklich 
unten spitzig sind, das ‘unten’ mit der “Spitze’ sehr wohl 
durch die Zwischenbedeutung “Ende” vermitteln. Vielleicht 
gehört hierher auch das neymr. an “element, principle, ma- 
terial’ (Spurell), dessen ursprüngliche Bedeutung “Grundlage ’ 
sein würde. Es ist ein Femininum, also Grdf. *ndha? Doch 
ist dies ganz unsicher. 

Nicht ganz sicher sind ferner: 


1) rind könnte für ro-ind stehen ebenso wie saidbir “reich’ 
für su-adbur (doch ist satdbir ein ?-Stamm wie lat. inermis, imber- 
bis), indem das hochbetonte ὁ vor einem folgenden Vokal im Iri- 
schen nach bisher noch nicht ermittelten Gesetzen schwinden kann, 
während es in anderen Fällen erhalten bleibt, vgl. Thurneysen Rev, 
Celt. VI 149. 


70 Richard Schmidt, 


Ir. ingen!) "Nagel’, acymr. eguin "unguis’ gl. Ox., neymr. 
ewin, akorn. euwin, bret. iwuin Z? 816; ὁ kann auch hier über- 
all durch den Einfluss des nachfolgenden ὁ entstanden sein, 
ebenso das bret. ὁ, da in diesem Dialekte vor einem noch vor- 
handenen ὁ in auslautender Silbe a als ö erschemt, vgl. ὁ lüvi- 
rinn “dieam’ neben ne a lavaro. Lautlich wäre ja alles in 
Ordnung, wenn man *nghena?) als Grundform und als Tiet- 
stufe zu lat. unguis, gr. ὄνυξ ete. (Curtius ὅ 522) ansetzte. 
Immerhin liegt keine Notwendigkeit hierfür vor, zumal da in 
den verwandten Sprachen nirgends Tiefstufe der Wurzel er- 
schemt. Man könnte auch, wie wir später begründen werden, 
über ein *enghena zu den kelt. Formen gelangen. Freilich 
findet diese Grundform anderswo ebensowenig Bestätigung wie 
die erste. Non liquet. 

Ganz ebenso verhält es sich mit ir. ἐπείγει (-enn-Stamm), 
imlecan “Nabel’, dessen Zusammengehörigkeit mit griech. 
ὀμφαλός, lat. umbilio und embilicus (mit dem ümlecan auf- 
fällig im Suffix übereinstimmt) ja sicher ist, ohne dass die 
Ablautstufe der keltischen Worte sich ermitteln liesse. Hier 
lassen uns noch dazu die brittannischen Sprachen im Stiche. 


1) So ist der Nom. für das Air. anzusetzen. Vergl. Ascoli, 
Archiv. glott. 6, p. LXXXVI, Thurneysen im Grundriss II 332 
Anm. 2. 

2) Es geht kaum an, wie Brugmann, Grundr. I 8 438b, 8 533 
Nr.5 und 7 anzunehmen scheint, in dem kelt. y den direkten Nach- 
kommen von idg. qh zu sehen; denn da das Urkelt. einerseits die 
ide. Tenuis in hochbetonten Silben nirgends stimmhaft werden 
lässt, andrerseits das Hauchelement bei den idg. Mediae aspiratae 
spurlos getilgt hat, so liegt die Vermutung von vornherein nahe, 
dass idg. Tenuis aspirata im Urkelt. entweder mit der Tenuis zu- 
sammengefallen oder — wie auf altbaktrischem Gebiete — zu einer 
stimmlosen Spirans geworden sei, dass sie also jedenfalls ihren 
stimmlosen Charakter bewahrt habe. Diese Annahme findet Bestä- 
tigung in der 2. Sing. des Präs. secund. no bertha "ferebas’, dessen 
Endung nicht von ind. -tha, gr. -da und vor allem nicht von ind. 
ἐμᾶς getrennt werden kann, womit sie ganz und gar identisch zu 
sein scheint, Stokes Kuhn-Schleichers Beitr. VII6. Andere Beispiele 
sind nicht so sicher, so die auch von Brugmann als zweitelhaft be- 
zeichnete Zugehörigkeit des gall. οὐέρτραγοι, ir. fraig etc. zu der 
Wurzel thregh-; iv. droch "Rad, Reif’ ist etymologisch ganz unklar. 
Man wird wohl für ngen den analogen Wechsel von Tenuis aspi- 
rata und Media aspirata annehmen müssen, welchen Brugmann im 
Grundr. I 348, Nr. 7 für idg. Tenuis und Media nachweist. 


Zur keltischen Grammatik. 71 


Bei einer Anzahl von Präsensstämmen, die bald e, bald ὁ 
als Wurzelvokal aufweisen und » wurzelhaft oder als Infix 
enthalten, erhebt sich abermals die Frage nach ihrer Ablauts- 
stufe. Dies gilt insbesondere von unseren eingangs erwähnten 
lingim und eingim, zu denen sich noch andere Verba auf 
-ingim hinzufügen lassen: dringim "ich steige" mit Compositum 
fordringim “besteige', scingem “ich springe’, fordingim “ sup- 
primo’ (siehe die Belege in Windischs Wörterbuche). 

Inwieweit hier “-Wurzeln vorliegen, also Bildungen wie 
lat. pingo, lässt sich nicht ausmachen, da mehrere der ge- 
nannten Worte etymologisch undurchsichtig sind; dass aber 
cingim und lingim nicht dazu gehören, haben wir bereits 
früher konstatiert. Vom irischen Standpunkte aus würde nichts 
hindern, diesen Wörtern Tiefstufe zuzuschreiben; doch bereiten 
dann die gallischen Eigennamen (ingetoris und Lingones 
Schwierigkeiten. Cingetorix wäre ir. *Cingedri, ri inna cin- 
ged “König der Helden’ — vgl. ir. cing mit calma tapfer’ 
bei O’Dav. erklärt. Es lässt sich ja allerdings nicht mit 
Sicherheit ausmachen, ob ein etymologischer Zusammenhang 
zwischen dem Substantiv cöing und dem Verbum cingim besteht 
und gerade so ist es bei löngim und Zingones: wahrschemlich 
ist es aber immerhin, dass sie ein verwandtschaftliches Band 
verknüpft; und dann haben wir kein Recht, ö» als ursprüng- 
lich » zu deuten. Denn nach Ausweis des gall. ambi- wäre 
dann im gall. «-Laut zu erwarten. Deswegen empfiehlt es 
sich in löingim und cingem ein ursprüngliches e zu vermuten. 

Leider sind die Gesetze, nach denen idg. e im ir. vor 
einem dünnen Vokale in der nächsten Silbe bald als e erhal- 
ten bleibt, bald zu © wird, noch nicht bekannt, vgl. Brug- 
mann Grdr. I 566, wo eimige Fälle aufgeführt werden, die 
sich noch vermehren liessen. So gehören zu dem Beispiele 
mid, gen. meda (u-Stamm) “ Met’, noch fünf andere «-Stämme, 
in denen zweifelsohne als Wurzelvokal e steckt und die trotz- 
dem in allen Kasus, wo « in der Endung stand, zeigen. Es 
sind smir “medulla’, gen. smera — vgl. ahd. smero, gen. 
smörwes “Schmeer', bir gen. bera “Stachel, Spiess’, Stokes 
Bezz. Btr. XI τὸ ἢ, dagegen in allen drei brittannischen Dia- 
lekten ber, längst als identisch mit lat. vera erkannt, ir. mil 
Honig, britt. mel, ir. gin“ Mund’, eymr. geneu, kom. genau, 
bret. genou, schliesslich ö viel’, dessen idg. Grundform als 


72 Richard Schmidt, 


pelus anzusetzen ist. Hier überall wird man das © wohl dem 
Einflusse des in der nächsten Silbe stehenden z zuzumessen 
haben; gerade wie dies im Westgerm. stattfindet (vgl. Brug- 
mann Grdr. I 59). Da unser nhd. wöel ebenfalls «-Stamm 
war und mit ir. ö2 vollständig übereinstimmt, so haben wir ein 
Beispiel für die Erscheinung, dass auf gesonderten Sprachge- 
bieten gleiche Ursachen genau die gleichen Wirkungen her- 
vorrufen können. 

Noch ein weiterer, interessanter Fall ist hier zu ver- 
zeichnen, der aber gewisser Lautgesetze wegen eine eingehen- 
dere Besprechung erfordert. Irisch ὁ wird bekanntlich durch 
einen hellen a- oder o-Vokal im der nächsten Silbe zu e um- 
gefärbt, daher kelt. *vöros > ir. fer. Davon macht eine be- 
merkenswerte Ausnahme die Verbindung inda-, indo-, indem 
hier unter allen Umständen 2 erhalten blieb. Sichere Beispiele 
sind}: ir. finnaim (nach series II), das ziemlich genau dem 
ind. vöndami entspricht; ferner ir. finn "weiss : Nom. Plur. 
mna finna “wmulieres candidae‘ bei Windisch. Das eymr. Masc. 
gwynn, Fem. gwenn und gall. eindo- in Vindobona etc. wei- 


sen ebenfalls auf vöndo- hin, aber — worauf aufmerksam ge- 
macht werden mag — doch nur im Verbindung mit dem ir- 


schen Worte. Denn das britt. vind- könnte auch aus vend- 
hervorgegangen sem und bei ‚gallischen Formen lässt sich eime 
derartige Annahme ebenfalls nieht von der Hand weisen. Wie 
find “weiss hat wurzelhaftes ὁ auch find “das einzelne Haar, 
ein d-Stamm: Gen. Sing. finna, Dat. Plur. findaib, Akk. Plur. 
finna. Ferner vgl. das Denominativ rindaim "steche" zu dem 
oben p. 69 erwähnten rind. Diese Beispiele genügen zur Be- 
stätigung der Regel, dass die Gruppe ind in der Hochtonsilbe 
irischer Wörter keinerlei Schwankungen im Vokalismus ausge- 
setzt ist. Wo also neben Formen mit ind solehe mit end vor- 
liegen, ist e als der ursprüngliche, ὁ als der sekundäre Vokal 
anzusehen. Im Cymr. tritt natürlich auch hier ind auf und 
erweckt leicht im Verbindung mit dem irischen ὁ den Schein, 
als ob letzteres wurzelhaft wäre. Solch ein Beispiel ist ır. 
lind trank’ (v-Stamm, Gen. lenna), eymr. Uyn trank’; als 


1) Die Formen des Artikels, ferner zndas “quam est’ lasse ich 
hier beiseite, da sie ihres prätonischen Charakters wegen nicht ge- 
nügend beweiskräftig sind. 


Zur keltischen Grammatik. 15 


Grdf. ist Tendu- anzusetzen. Auch rind “Sternbild” hat unur- 
sprüngliches ὁ, wie der Gen. renna beweist. Hier ist ὁ nur 
durch Einwirkung des ἢ’ zu erklären. Keine Entscheidung 
wage ich zu treffen in Fällen wie air. cliuss "Kunststück ', 
earm. St. Paul. II 6, mir. dagegen cless; ferner mir. tess Hitze, 
Gen. air. tesa, kaum aus te(/p)ess kontrahiert, eher von einem 
Stamm zepstu- herzuleiten. Jedenfalls dürfte die Annahme 
nichts bedenklieches haben, dass im Ir. ursprüngliches ὁ überall 
da zu ö verwandelt wurde, wo 7, Z und n, welehe auch bei 
der eoi-Diphthongierung eine Rolle spielten, durch « Labialı- 
sierung erfuhren. Natürlich hat langes « denselben Einfluss 
ausgeübt, sodass sich dobiur von der Wurzel bher erklärt. 
Von weleher Wiehtigkeit der vermittelnde Konsonant ist, wird 
bei Formen mit ch deutlich. Vor diesem tritt bei folgendem 
ü niemals die Verwandlung eines e zu ὁ m hochbetonter Silbe 
ein: der Dat. von ech “Pferd’ lautet eoch aus egä, von nech 
“aliquis’, do neoch, do neuch; aus ad + techü entsteht ateoch 
“ieh bitte’; aus dega (alter femininer «-Stamm Stokes Bezz. 
Beitr. XI 77) deoch Getränk’. Wo im Ir. vor ch ein iu 
auftritt, ist das ὁ wurzelhaft; so enthält flöuch "nass die Wur- 
zel vlig-, was durch das eymr. gwelyb (mase.), gwwleb (fem.) 
bewiesen wird. In einem merkwürdigen Beispiele könnte es 
scheinen, als ob bereits in inselkeltischer Urzeit e dureh fol- 
gendes z zu ὁ geworden sei. Es betrifft das ir. ar chiunn = 
eymr. erbynn eigentlich “vor dem Kopfe’, dann überhaupt 
“vor’, wie denn alle keltischen Sprachen eine ausgesprochene 
Vorliebe für nominale Präpositionen hegen. Dass in erbynn 
ein Rest der ehemaligen Deklination im Brittanischen, ein 
alter Dativ, vorliege, ist zuerst von Siegfried und Norris 
erkannt worden. Der Nom. lautet eymr., korn., bret. penn, 
ir. cenn (o-Stamm). Windisch hat ihn auf eme Grundtf. 
*kuindos zurückgeführt, welehe er mit griech. Πίνδος identi- 
fieiert und mit der ind. Wurzel s»i- “schwellen" zusammen- 
bringt. Leider verstösst diese schöne und sinngemässe Zu- 
sammenstellung gegen die Lautgesetze: acymr. müsste pinn, 
meymr. pynn erscheinen, da nur durch folgendes a eymr. ὁ 
zu e gebrochen wird; aber auch irisch wäre an Stelle von 
cenn vielmehr ceind, cinn zu gewärtigen, da nach den obigen 
Bemerkungen die Gruppe ind durch a nicht verändert wird. 
Ir. cenn, britt. penn lassen sich nur aus einer gemeinsamen 


τί τὰ ὦ Schmidt, 


Grundf. ®gennos begreifen. Allein die Dativformen verweisen 
beide auf einen Stamm ginn. — Sollte seme Abzweigung be- 
reits m gemeinsamer inselkeltischer Periode vor sich gegangen 
sen? Höchst wahrschemliech nieht; vielmehr werden die For- 
men mit ὁ in beiden Sprachgebieten unabhängig entsprungen 
sein: im Irischen durch Einwirkung des a, *cennü > Fcinnü > 
ciunn, im Cymr. dagegen verhältnismässig später, nämlich 
dann erst als # über ö zu ὁ geworden war. Es handelt sich 
also bei Liehte besehen hier gar nicht um Beeinflussung des 
e durch @, sondern um gewöhnliche z-Infektion, gerade wie 
bei der Entwicklungsreihe: lat. latrö > *latra > *latrüü > 
=latri > *letri > leidr resp. lleidyr. Allerdings kenne ich 
aus dem Cymrischen kein weiteres Beispiel, in dem e durch ὃ 
zu ὁ verwandelt worden wäre. Aber dieser Wandel hat durch- 
aus niehts auffälliges. Ich denke mir die Sache so, dass das 
ὁ das a und e der vorhergehenden Silbe zunächst um eine 
Stufe nach ὁ hin verschob, dabei entstand aus *latrz *letrr, 
dagegen aus *pennz *pinnt. Späterhin wirkte 2 nochmals auf 
den vorhergehenden Vokal ein; jetzt ward *letrz > *leitri; 
pinni aber, das schon ὁ im der Stammsilbe besass, musste 
bleiben, wie es war. 

Um die obige Liste für ir. ὁ aus e fortzusetzen, so sei 
des Komparativs siniu zum Positiv sen “alt gedacht, Grdf. 
= seniös > "senias. Wahrscheinlich ist der Lautwandel auch 
hier dem zuzuschreiben. Dagegen ist ὁ auf Rechnung von 
jod zu setzen bei ad-czu aus -cesio Windisch, KZ.XXVIl 164, 
indem zunächst *eösta entstand: dureh folgendes @« (in den 
Konjunktivformen) wurde jedoch ὁ wieder zu e zurück ver- 
wandelt: daher der Unterschied von Indik. aderu und Konjunkt. 
adeeo. Ir. midiuer "ich denke’ ist aus medi- hervorgegangen, 
wohl durch jod. Genau wie das bei Brugmann erwähnte feg 
(dessen mir. Gen. taige als tige, also mit breitem’ ἐ und 
nicht als faöge zu fassen ist) flektiert nem Himmel’, ebenfalls 
ein s-Stamm: bei einem dritten s-Stamme leth Seite’ dagegen, 
das irgendwie mit dem lat. lZates zusammengehört!), findet 
sich keine Spur einer Form lith-. Besteht zwischen den ὁ für 
ὁ in dobir “du giebst" —= doberes und Dat. fig, nim — teges, 


1) Wahrschemlich so, dass ir. leth die Hochstutfe der Wz. 
darstellt, lat. /Zatus die Tiefstufe nach Osthoff MU. V S.V. 


Zur keltischen Grammatik. τὸ 
nemes (suffixlose Lokative nach Thumeysen Bezz. Btr. VIII 269) 
etwa ein innerer Zusammenhang? In anderen Fällen kann man 
zweifeln, ob ursprünglich e oder Tiefstufe der Wurzel vorlag, 
so bei ir. rögim “ich strecke’, obschon wegen seiner Verwandten 
lat. por-rigo, griech. öperw die Zurückführung auf *regim viel 
für sieh hat. Ähnliches gilt für Zöge “Bett, Lager’, zu dem 
die Formen mit αὐ (laige laigim — 5. Windischs Wtb.) sich 
genau ebenso zu verhalten scheinen wie air. föge : mir. taige. 
Wir wenden uns nach dieser längeren Abschweifung zu 
lingim und cingim zurück. Welche Ablautsstufe in ihnen sich 
verbirgt, haben wir nicht mit voller Gewissheit ausmachen 
können: Tiefstufe widerstritte den gall. Formen, Mittelstufe 
lässt sich nieht sicher durch die Lautgesetze begründen. 
Nahe verwandt mit den Verben auf -ingim ist eine andere 
Reihe von Präsensstämmen, welche den Wurzelvokal e zeigt; 
es sind die Bildungen auf -endim, in welchen 2 entweder Infix 
oder wurzelhaft ist. Zur Vergleichung ist es angebracht, sie 
näher ins Auge zu fassen. Windisch stellt sie in seiner Gram- 
matik p. 63 in denselben Abschnitt mit Zöngim. Hierher ge- 
hören: adgrennim, ingrennim “ich verfolge’, scendim ich 
springe’, foglennim oder fogliunn “ich lerne’ (zweifelhaft, da 
nn womöglich ursprünglich und nicht aus nd entstanden ist; 
nd erst im Mir.). adgrennim, ingrennim gehören sicher zum 
lat. gradior (mit Tiefstufe nach Osthoff), got. gröbs ΘΟ 
(Stamm idg. *ghredhi-), abg. greda. Letzteres wird wohl aus 
einer tiefstufigen Wurzelgestalt ghrndho- hervorgegangen sein, 
die ja morphologisch allein berechtigt ist. Hingegen das ir. 
Wort entstammt einem hochstufigen yrend-, da ein tiefstufiges 
®grind nach den obigen Bemerkungen den Vokal nicht ver- 
ändern könnte; grend- muss eine Neubildung nach solchen 
Mustern, wie z. B. lit. gendü gesti sein. Jedenfalls waren derlei 
uridg. Bildungen auch einst im Kelt. verbreitet. Auch scendim 
bereitet Schwierigkeiten. Die Präsensform ist «durch die Be- 
lege in Windischs Wörterbuch sicher gestellt, daneben tritt 
neuir. scinnim auf, dessen Vokalismus jedoch ohne Wert ist. 
Die erst mir. nachzuweisende Perfektform sescaind hat Win- 
disch in den Grundz.? S. 166 zu lat. scando, griech. cxavda- 
λον, ind. skandami gestellt. Die Wurzel ist also skand-, mit ve- 
larem Guttural nach Ausweis des Indischen. Dazu will sich das 
ir. Präsens im Vokalismus schlecht fügen und ebensowenig das 


76 tichard Schmidt, 


eymr. cychwynnaf “ich springe, fahre auf’, welche beide auf 
eine Wurzelgestalt skvend- zurückgehen (vgl. ir. scel = eymr. 
chwedl aus *skvetlom), die lautgesetzlich im eymr. ὁ bekom- 
men hat. In welchem Verhältnisse skvend- zu den Formen 
der übrigen Sprachen mit a stehe, ist unbekannt. Doch ist 
das kelt. e wahrscheinlich erst sekundären Ursprungs. Oben 
ist auch ein Wort scingim ebenfalls in der Bedeutung ich 
springe’ erwähnt worden, vgl. Windisch KZ. XXIII 214. Sollte 
dies nicht eine Kontaminationsbildung !) aus löingim und scendim 
sein? Wir behielten alsdann als Grundformen lingem und scen- 
dim. Ja vielleicht darf man noch einen Schritt weitergehen. 
Vielleicht ist Zöngim, das wir auf ein älteres *lengim zurück- 
führen dürfen, gerade infolge der ideologischen Verwandtschaft 
„das Muster gewesen, nach dem sich scendim gerichtet hat. 
Freilich muss dies schon in inselkeltischer Urzeit geschehen sein. 
Jedenfalls erhöht -grennim mit seimer von nieht mehr nach- 
weisbaren Mustern überkommenen sicheren e-Stufe die Wahr- 
scheinlichkeit, dass die gleiche auch in lingim und cingim 
vorliegt. Leider ist die Herkunft von cingim nicht ganz klar, 
vgl. Windisch bei Curtius Grundz.° 380. 

Wir schliessen jetzt den Kreis unserer Betrachtung, in- 
dem wir zum Ausgangspunkte ir. ceimm und leimm — britt. 
camm und lamm zurückkehren. Idg. Nasalis sonans ergiebt im 
urir. in; die Länge zu diesem ὁ ist &. Das bewies uns cet 
“hundert” neben imb “Butter”. Auch in leimm und ceimm 
liegt Länge vor, welche durch Ersatzdehnung entstanden ist. 
Und weil dabei Ersatzdehnung im Spiele ist, ist der Gedanke 
ausgeschlossen, dass etwa schon in inselkeltischer Zeit, als 
Gälen und Britten noch eine nationale und sprachliche Einheit 
bildeten, -ngm zu mm assimiliert worden wäre. Denn wäre 
dies bereits in jener weit zurückliegenden Periode geschehen, 
so hätten die Iren mm mitsamt dem vorausgehenden Vokale 
unversehrt erhalten müssen; die Länge des e wäre dann un- 
erklärlich. Jede Sprachgruppe muss also den in Frage stehen- 


den Lautwandel selbständig und unabhängig vollzogen haben. 


δ 


1) Vol. z. B. das mir. adconcatar “viderunt’, Mischform aus 
condccatar und adeonnarcatar, woraus zunächst Fadeonaccatar ent- 
stand, hierauf gesetzmässig die erstgenannte Form. Windisch im 
Wörterbuch unter adenu. 


Zur keltischen Grammatik. rd 


Auf welchem Wege ist nun ir. leimm aus *ling-men entstan- 
den? Ward es zunächst zu löamen und fiel » vor m unter 
Erscheinung der Ersatzdehnung aus? Man könnte sich auf 
beimm "Schlag’ berufen, das auf *ben-men zurückweise und 
wo n in entsprechender Weise ausgefallen sei. Freilich muss 
man sich dann erst mit dem schwierigen ainm “Name’ ab- 
finden, denn hier liegt ganz sicher eine Grundform *anmen 
vor. Ohne in diesen sehr heiklen Fragen lange das für und 
wider gegen emander abzuwägen, will ich kurz sagen, wie 
ich mir die Sache vorstelle. Meiner Ansicht nach trat nur in 
der Gruppe 
Vok. + Nasal + Explosiva + m 
Ersatzdehnung ein, also es entstand 
Vok. + Vok.+ m - m, 
dagegen wurde 
Vok. + Nasal + m > Vok. + m - m. 

Im ersteren Falle entstand nämlich wahrscheimlich zuerst 
durch das Schwinden der Explosiva langer Nasal, also in un- 
serem Beispiele aus *lingmen- zunächst *lionmen ; 1910 assimilierte 
sich hierauf dem rn, von dessen drei Moren eine an den Vo- 
kal abgegeben ward; oder — was in praxi auf dasselbe hin- 
ausläuft: »» spaltete sich (o-+») und gab seine erste Hälfte 
an den vorausgehenden Vokal, die zweite an den nachfolgen- 
den Konsonanten ab. So entstand schliesslich Zeimm. Ebenso 
®grendmen > *grennmen > *gremmen > greimm, *bongni 
> *bonmni > *bonni > büain. Für beimm wäre dagegen 
"bemm zu erwarten; vielleicht aber auch dieses nicht. Denn 
das Wort lautet im Korn. mit anderem und wohl ursprüng- 
licherem Vokalismus bom ietus‘, Plur. bemmyn Z? 295 Τὶ 
Darum wird man wahrschemlich ein *bon-men anzusetzen 
haben, das im Ir. als *boömm erscheinen müsste, aber nicht 
vorliegt. Ir. beimm ist erst nach den Vorbildern ceimm, 
leimm, greimm, dreimm, reimm (wohl nieht aus *ret-men zu 
ir. rethim, sondern zur Wz. reid- in riadaim gehörig) ge- 
schaffen. Ebenso steht das andere beimm “Reise, Weg’ für 
"bemm (idg. Wz. zem-). 

Wie erklärt sich dann ir. ainm “Name’, wird man fra- 
gen, wenn »m durchgängig zu mm geworden sein soll? Aller- 
dings hätte aus *anmen *aimm werden müssen und ist es meines 
Bedünkens einst wirklich geworden. Ebenso konnte ein Gen. 


18 tichard Schmidt, 


®=anmons nur "amma ergeben. Nun gab es aber neben For- 
men mit anm- noch andere, bei denen zwischen ἢ und m ein 
Vokal, wahrscheinlich idg. 9. stand. Ganz klar beweisen das 
die brittannischen Sprachen: ein Plural wie alteymr. enuein 
Mart. Cap. 1” ist hervorgegangen aus anoamdnt, gerade wie 
eymr. cemmein, Plural zu cam, aus cammdn?. Intervokali- 
sches m ward spirantisch, a@ zu e, bez. οὐ durch Einfluss des 
’. Ebenso entstand der acymr. Sing. anu — bret. hanö aus 
®dnoamen. Es scheint nämlich das urbrittannische Akzentua- 
tionsgesetz, wonach der Wortakzent auf der Penultima lag, 
für den Fall nieht gegolten zu haben, dass ein irrationaler 
Vokal der Sonant der Penultima war; dann wurde vielmehr 
die vorangehende Silbe der Träger des Wortakzentes. Leider 
muss ich mir versagen, hier weiter auf diese Verhältnisse 
mich einzulassen. Der Gang war also: dnomen > dnawen 


> 


> dmween > am. Im Ir. konnte aus einer Grdf. dnamons 
gar nichts anderes werden als anma mit festem m nach n, 
die thatsächlieh vorliegende Genitivform. Von solehen For- 
men wie anma aus wurde dann »m auch in den Nominativ 
eingeführt, *aimm > ainm. Von einem Nom. *anoamen aus 
sehe ich keine Möglichkeit zu ainm zu kommen, es könnte 
nur *anim entstehen!). Das anlautende a dürfte sich am 
besten als urspr. » vor n erklären in Formen wie »mom-, vgl. 
3rugmann, Grundr. 1 58 243,4. Wäre vielleicht auch aus Am- 
zunächst anm- geworden? Thurneysens Erklärung im Grundr. II 
S. 686 Anm. 2 befriedigt nicht. Für den angenommenen Laut- 
wandel weiss er kein einziges Beispiel beizubringen. Das »n 
in Nom. Plur. anmann u. s. w. bleibt nach wie vor rätselhaft, 
das an in der Deklination von Wörtern wie bra (Gen. bronn), 
Eriu (Gen. Erenn) oder in urkelt. Beispielen wie dem oben 
behandelten *gennos “Kopf lässt sich davon nicht trennen. 
Da dem irischen ön aus n als Länge © gegenübersteht, 
wird man annehmen dürfen, dass ὁ ein offenes ὁ, bez. ge- 
schlossenes e war. Wahrscheinlich stimmte dieses ὁ und ὁ 
ganz überein und nur bezüglich der Dauer bestand ein Unter- 
schied. Da die Nas. son. einen ‘-artigen Vokal vor sich ent- 
l) So ist gebildet air. senöm Wb. 154 18 = swen-9-men; das 


späte seinm O’Don. Suppl. ist erst nach dem Vorbilde von ainm 
entstanden. 


Zur keltischen Grammatik. 79 


wiekelte, wird sie vorher jedenfalls selbst palatal gesprochen 
worden sein und auch als sie konsonantisch geworden war, 
dieses palatale Timbre beibehalten haben. In Fällen wie det 
‘Zahn’ aus *dint verklang sie schliesslich, indem sie sich dem 
erst aus ihr heraus geborenen ὁ anglich. Infolge der Gleich- 
heit des Timbres ergab sieh ein einheitlicher Laut. 

Ganz anders scheinen die Verhältnisse in den Fällen 
gelegen zu haben, wo die triphthongische Gruppe eo7 entstand. 
Diese sonderbare Erscheinung deute ich mir genetisch so. 
Wenn man Verbindungen wie asa, ese, ösi etc. ausspricht, ist 
zweierlei möglich. Entweder behält man die Mundstellung, 
die zur Artikulation des Vokals notwendig war, auch während 
der Hervorbringung des folgenden Konsonanten bei, sodass 
man also as’a, es“e, is’i spricht, oder man geht von der spe- 
zifischen Vokalstellung in eine Indifferenzlage der Mundorgane 
über, deren Vokal bei uns im Deutschen das e in unbetonten 
Endsilben ist, also em dumpfes ö m Wirklichkeit. 

Ich glaube nun, dass die Iren ein ursprüngliches etn 
“Vogel’ in der zuletzt angegebenen Weise gesprochen haben, 
d. ἢ. dass sie die e-Stellung nicht auch für ? und » beibe- 
halten, sondern ? und » in einer vokalischen Indifferenzlage 
gesprochen haben. Nun muss etn einmal zweisilbig gewesen 
sein; auch aus dem Gen. etni wird zunächst ein zweisilbiges 
etn entstanden sein, und es ist begreiflich, dass zunächst die 
Erweichung sich auf die letzte Silbe beschränkte, ? also un- 
verändert liess. Nach und nach verklang ὁ durch allmähliches 
Erschlaffen des Mundverschlusses: es blieb nur der irra- 
zıonelle Vokal der Indifferenzlage ein ö-artiger 
Laut, für den es im Alphabete keine Bezeichnung gab; und 
so war aus etni entstanden e+ö-+n, geschrieben euin, eoin 
ete. Ebenso bei scetlöi u.s. w., auch bei kökre, gigle‘). Für 
auslautendes =» fehlen Beispiele und müssen fehlen. Höchst 
wahrscheinlich war nämlich im Ir. die Behandlung der Grup- 

1) Anders lag die Sache, wenn vor dem erweichten Sonor- 
laute mehrere Konsonanten standen, z. B. urkelt. *kantlt, Gen. von 
*kantlom "Gesang’. Das hieraus zunächst hervorgehende "kant! 
konnte nicht wie *sget!’ einsilbig werden, es entwickelte sich viel- 
mehr ein parasitischer Vokal zwischen ἐ und /, so entstand *cantil 
und weiterhin cefil. Ebenso im Nom. *sgetlom > *sgetla > sceul, 
aber *kantlom > *kantla > *kantal > cetal. 


80 Richard Schmidt, 


pen Explos. + nm und Explosiva + » verschieden, im ersteren 
Falle assimilierte sich die Explosiva dem nachfolgenden Nasale, 
im zweiten dem vorausgehenden Vokale Vel. ir. boimm 
‘Stück’ Goid. ? S. 88 (das Längezeichen ist wertlos), O’Don. 
Suppl. boöim, buim "a morsel’, Nom. Plur. bommand, zitiert 
von Stokes aus LU. in Bezz. Btr. XI 95. Das Wort geht auf 
®bog-men- zurück und gehört zu ir. bongim, Aor. bocht, Ind. 
bhanakti, pass. bhajyate Fick et. Wtb. I? p. 688. Ir. am 
“manus hostium’ widerspricht dem angenommenen Lautwandel 
nicht; seine Grdf. wird *ag-men sein, in Übereinstimmung mit 
dem lat. examen aus *ex-agmen. 

Genau der Entwicklung von urkelt. *etnz entspricht die 
des Gen. *sentz (viae). Es entsteht zunächst sent’, ebenfalls 
eine zweisilbige Form, da mit der Explosiva ἐ΄ eme neue Silbe 
beginnt. ἢ. wird darum von der Erweichung nicht ergriffen, 
und so ergiebt sich regelrecht sewxit. Ausserdem erhielten alle 
hierher gehörige Wörter zu der Zeit, als sie einsilbig wurden, 
höchst wahrscheimlich zum Ersatze für die weggefallene Silbe 
einen starken Akzentnebengipfel, und gerade diese zweigipflige 
Betonung mag dahin gewirkt haben, dass der Diphthong viel 
schärfer hervortrat als in Fällen, wo das ὁ noch erhalten war; 
also sedit, aber seuti. 

Hingegen musste eme Grundform gansi zu emsilbigem 
gäns’ werden, das palatale s afficierte darum in diesem Falle 
das n, sodass dieses zum Schlusse mit dem ebenfalls palatalen 
e einen langen, einheitlichen Vokal bilden konnte. 

Es könnte nach Strachans Ausführungen (Bezz. Btr. XIV 
>12 ff.) scheinen, als ob die urkelt. Lautgruppe ens bereits 
in gemeinsam inselkeltischer Zeit ihren Nasal eingebüsst hätte 
und zu @s geworden wäre. Dann müsste man das ὃ des ir. 
geis auch in dieser frühen Periode entstanden sein lassen, und 
das ist bedenklich, weil der Wandel des an vor Konsonanten 
in € eine speciell irische Eigentümlichkeit ist, die nicht gut 
von Fällen wie cetal aus *kan-tlo- getrennt werden kann. Es 
wird darum angemessener sein anzunehmen, dass Gälen und 
Brittanner unabhängig von einander ens > es verändert haben. 

Die Lautgruppe »% ist absichtlich in obigem Streifzuge 
unberücksichtigt gelassen worden, da sie eme besondere Be- 
handlung erheischt. Auf jeden Fall ist die Entwiekelung von 
nk: im Ir. nicht ohne weiteres mit der von nt in Parallele zu 


Zur keltischen Grammatik. 51 


stellen. Besondere Schwierigkeiten bereitet das dort öfter auf- 
tretende cc mit Kürze des Vokals — ein entsprechendes t/ 
fehlt vollständig — z. B. coniceim “ possum neben ecen “ ἀνάγκη͵, 
glicce "klug? neben fogliunn ich lerne’. Auch das Fehlen 
eines eoö vor c beweist, dass die beiden Lautgruppen ver- 
schiedene Wege gegangen sind. 


Leipzig. Richard Schmidt. 
pag 


Lat. velemus got. vileima und ags. eard. 


1. Dass der Opt. des idg. *wel-mi “volo’ im Lat. und Germ. 
starke Wurzelform zeigt statt schwacher (regelmässig ist ai. or-2ya-t 
vur-t-ta), und dass neben lat. nölö nölim die Formen noli nolite 
noltto lagen, erklärt sich am einfachsten daraus, dass es einen Ind. 
Praes. *wel-(Ü)rd -τ-δὲ etc. gab, vgl. ahd. willu got. wiljan wiljands 
aksl. velja velis? ete. Die Vermischung des Ind. und des Opt. ist 
bei der Bedeutung dieses Verbums leicht begreiflich. Anders über 
nölt Wackernagel Kuhns Ztschr. XXX 313 und Stolz Lat. Gramm. 3 
S. 378 f. 

2. Zu den auf ein idg. Praes. Med. *7-tai weisenden ai. ir-te 
av. art-Sva, gr. Ööp-co Stellt man mit Recht ags. 2. Sg. eard (Ps.), 
ard (north.), eart (wests.) “du bist’, Pl. earun (Ps.), aron (north.). 
Man vergleiche, dass öpwpa in der spätern Gräzität geradezu εἰμὶ 
vertrat. Auch lit. yra “ist” mag zu dieser W. gehören (J. Schmidt 
Kuhns Zischr. XXV 59 f.. Da nun das germ. Perfekt in der 2. 
Sg. nur -f zeigt, wie got. skalt ags. scealt, und auch solche Präsen- 
tia, die die Perfektendung herübernahmen, nur -Z aufweisen, wie 
ags. ahd. welt (ags. ahd. best aisl. est), so ist es wenig glaublich, 
dass nur das Präsens eard noch die alte Lautvariante -b der 
Perfektendung (got. bart für *barp nach last hlaft ete.) gerettet 
habe. Es bietet sich eine doppelte Möglichkeit. Entweder man 
fasst eard mit J. Schmidt a. O. als Perfektform, vgl. gr. ὄρ-ωρ-α, 
Oder man betrachtet eard als die Fortsetzung der medialen Injunk- 
tivform *7-thes ai. ir-thas; die Personalendung wäre im Ausgang 
der aktiven Perfektendung (idg. -tha) angeglichen, vollständige 
Ausgleichung mit deren frühe zur Norm erhobener Gestalt -t zeigte 
eart; als Injunktivform vergliche sich eard mit der 3. Sg. ags. as. 


ε 


is aisl. es (run. 15) — idg. *es-t und mit der 3. Pl. 415]. ero eru ur- 
germ. *z-unb idg. *s-nt. 
Leipzig, 15. Juni 1891. KB: 


Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 


συ 


Betonte Nasalis sonans). 


Über die Vertretung der sogenannten betonten Nasalis 
sonans der indogerm. Ursprache in den Einzelsprachen ist bis 
Jetzt eme Einigung unter den auf grammatischem Gebiete thä- 
tigen Forschern nicht erzielt. Noch heute stehen sich die ver- 
schiedenen Anschauungen so schroff gegenüber wie vor Jah- 
ren beim Beginne des Kampfes. Bedenkt man dazu die Karg- 
heit und stellenweise empfindlich fühlbare Unsicherheit des 
Materiales, so möchte es fast ein aussichtloses Beginnen schei- 
nen, nicht nur den Streit entscheiden, sondern auch die geg- 
nerischen Theorien mit eimander versöhnen zu wollen. Und 
doch halte ich beides nicht für unmöglich. Jedenfalls lohnt 
es sich den Versuch einmal zu wagen. 

Drei Ansichten stehen gegenwärtig unvermittelt neben 
Kae 

. Die Begründer und namhaftesten Vertreter der ersten 
sind Ei Brugmann und Hermann Osthoff. Vgl. Curtius, Stud. 
IX: 304. 525: 990, KZ. XXIV 20%; MET 98. Π IV 29077: 
Grundriss II, 1 S. XIV. Beide Forscher sehen in aind. an, 
griech. av die streng lautgesetzliche Entwickelung des beton- 
ten Nasals der Ursprache. In allen andern idg. Dialekten 
sind dagezen nach ihnen betonter und unbetonter Nasal un- 
terschiedlos zusammengefallen. 

2. Gegen diese Auffassung hat schon früh Johannes 
Schmidt Einspruch erhoben; vgl. Jenaer Litteraturzeitung 1878 
D. 1.19, RZ. XXTV 8307 Anm, Anz ἢ ἈΠ VIERTE RE 
XXV 591. DBetontes en — so schreibt er — ist seiner An- 
sicht nach im Indischen zu an, in den übrigen Sprachen aber 
zu en geworden und somit ganz und gar mit dem idg. voll- 
stufigen?) en zusammengefallen. Seine Theorie hat neuerdings 
Rudolf Meringer, Zeitschrift für österr. Gymn. XXXIX 148 ff. 
weiter ausgeführt. Beiden ist eicı der Reflex eines ursprach- 


1) Vortrag, gehalten auf der Münchener Philologenversamm- 
lung in der Sitzung der idg. Sektion vom 22. Mai. 
2) Ich gebrauche die Bezeichnungen “Voll- und Schwund- 
stufe’ anstatt der inkorrekten “Hoch- und Tietstufe’. 
\ 


Wilhelm Streitberg, Betonte Nasalis sonans. 33 


lichen *ssnti, in dem sieh zur Zeit der “Akzentverschiebung ἢ 
noch “der Rest eines e-Vokals’ vorfand. 

Im Resultate trifft Rudolf Kögel, Paul-Braunes Bei- 
träge VIII 102 ff. mit Joh. Schmidt zusammen. Er unter- 
scheidet sich jedoch darin von ihm wie von allen übrigen 
Forschern, dass er für betonte wie unbetonte Nasalis sonans 
überall ursprachliches "ungeschwächtes" en einsetzen will, ein 
Versuch, über dessen Undurchführbarkeit heute wohl kein 
Zweifel mehr bestehen kann. 

Bei allen sonstigen Differenzen ist jedoch Brugmann- 
Osthoff auf der einen, Johannes Schmidt auf der andern Seite 
eine Auffassung gemeinsam: beide Teile sehen gleicherweise 
in dem an der ind. Sprache die normale Fortsetzung eines 
'idg. ἡ bezw. en. Ferner nehmen sie für das Griechische Er- 
haltung des Nasals an, im Gegensatz zur Erscheinungsform 
des unbetonten ». In diesen Punkten unterscheiden sie sich 
scharf von den Vertretern einer dritten Hypothese. 

ὃ. Hermann Collitz, Anz. f. ἃ. A. V 333 und Fritz Bech- 
tel, Philol. Anz. 1880 S. 16 nehmen unabhängig von einan- 
der auf Grund des ved. saptd = griech. ἑπτά für den idg. 
betonten Nasal die Vertretung durch « im Indischen wie im 
Griechischen in Anspruch. Felix Hartmann, Deutsche Litte- 
raturzeitung 1387 Sp. 375 kommt, ohne seine Vorgänger zu 
kennen, zum selben Resultate. Das einzige Beispiel, das er 
für sein Lautgesetz anführt, ist aind. gdtis = griech. Bacıc 
(= got. gagumps). Wenn er dagegen eicı und Eacı als or- 
thotonierte und enklitische Form emander gegenüber stellt, 
scheint er der Schmidtschen Auffassung sich zu nähern. Frei- 
lich bleibt dabei die Länge des a in der letztgenannten Form 
ganz unerklärt. 

Es fragt sich nun: welche dieser drei untereinander nicht 
unbeträchtlich abweichenden Ansichten ist die richtige? Ich 
glaube, eine in dieser Form gestellte Frage lässt sich nicht 
kurzer Hand erledigen; denn es handelt sich meines Erach- 
tens in dem vorliegenden Falle nicht darum, die Alleinberech- 
tigung einer der drei Theorien darzuthun, wodurch die beiden 
andern eo ipso zu Falle kommen. Vielmehr scheinen mir die 
Verhältnisse derart zu liegen, dass man von allen dreien sagen 
kann: “Sie sind gleich wahr und sie sind gleich 
talsch'. 


84 Wilhelm Streitberg, 


Gleich wahr, denn von keiner der genannten Hypothe- 
sen lässt sich nachweisen, dass sie objektiv falsches behaupte. 
Erschöpfend sind sie freilich noch immer nicht. Man kann 
den drei bereits angeführten Erscheinungsformen von 2 un- 
schwer noch eine vierte zur Seite stellen, deren Berechtigung 
um nichts grösser oder geringer ist als die der andern. Ich 
meine damit on, wie sich später zeigen wird. 

Gleich falsch darf man die drei Theorien insofern nen- 
nen, als sie alle den Kern des Problems nicht berühren. Nicht 
berühren konnten, da jede die gegebenen Thatsachen zu sehr 
isoliert und sie unter einem ganz engen Gesichtswinkel be- 
trachtet. Dies beweist am besten der Umstand, dass jede 
im ausschliesslichen Besitze der Wahrheit zu sein glaubt: 
meines Erachtens ein Verkennen der ganzen Sachlage. 

Das Problem, das die Formen mit betonter Nasalis so- 
nans bieten, ist nur ein Ausschnitt aus einem andern, ungleich 
srössern, dass sich etwa durch folgende Fragen umgrenzen 
lässt: 

1. Wie haben wir uns die Entstehung des Schwundstu- 
fenvokalismus zu denken ? 

2. Wie verhalten sich Schwundstufenvokale, wenn sie 
dureh irgendwelche Akzentverschiebung schon in idg. Urzeit 
Träger des Wortakzentes werden? 

3. In welehem Verhältnis stehen thematische und athe- 
matische Flexion zu einander? 

Wenn auch unsere Anschauungen über das idg. Vokal- 
system noch immer nicht als vollständig geklärte und abze- 
schlossene bezeichnet werden dürfen, so herrscht doch darüber 
meines Wissens allgemeine Übereinstimmung, dass die Vokale 


ea ἃ ὁ wnd die ihnen entsprechenden Längen — die sog. 
Vollstufenvokale also — die einzigen Sonanten oder silbischen 


Vokale des Indogermanischen waren zu eimer Zeit, als die 
Schwundstufe sich noch nicht ausgebildet hatte. Die übrigen 
Sonoren konnten nur in konsonantischer Funktion, als Kom- 
ponenten eines mit den eben genannten Vollstufenvokalen ge- 
bildeten Diphthongs vorkommen. 

Wir haben also prinzipiell für alle Silben, hauptto- 
nige wie niechthaupttonige ursprünglich einen der vier 
Vollstufenvokale anzusetzen. 

In einer jüngern Periode der Ursprache, in der das ex- 


Betonte Nasalis sonans. 80 


spiratorische Element des Akzentes stärker hervortrat, haben 
dann alle nichthaupttonigen Silben, mochten sie vor oder 
nach der Akzentsilbe stehen, eine Reduktion erlitten. Dies 
ist die Zeit, wo sich die Schwundstufenvokale zu entwickeln 
begannen: > und die durch Samprasärana entstandenen ἢ, 1; 
7, [1 m, n. 

Dieser Idealzustand ist jedoch m Wirklichkeit schon in 
der idg. Urzeit selbst stark beeinträchtigt worden. Einmal 
durch direkte Akzentverschiebungen, dann durch assoziative 
Umbildungen, die uniformierend Schwundstufenvokalismus in 
haupttonige Silben einführten und umgekehrt. So darf man 
sich nieht wundern, Schwundstufenvokale sehr häufig als Trä- 
ser des Wortakzentes anzutreffen. Das ist aber ein Zustand, 
der notwendigerweise überall sekundär sein muss; denn ein 
von Haus aus betonter Schwundstufenvokal ist, um in der 
halbverschollenen Sprache der formalen Logik zu reden, eine 
contradiectio in adiecto. 

Welchen Einfluss übte nun die Übertragung des Haupt- 
tons auf eime ursprünglich nichthaupttonige und infolge dessen 
schwundstufig gewordene Silbe aus? Modifizierte sie den 
Schwundstufenvokal derselben irgendwie in quantitativer oder 
qualitativer Beziehung ? 

Was den ersten Teil anlangt, so hat Paul Kretschmer, 
ΚΖ. XXXI 338 ff. für haupttoniges © und @ vermutet, dass 
die Länge durch die sehr alte, immerhin jedoch sekundäre 
Akzentverschiebung bewahrt worden sei. Wie man sieht, 
stimmt Kretschmer mit Osthoff, dessen Erklärung der "neben- 
tonigen Tiefstufe’ er bekämpft, darin überein, dass er m δ 
die Zwischenstufe zwischen ex und & sieht. Ich will die 
Richtigkeit der Erkläruug ganz dahingestellt sein lassen, jeden- 
falls haben wir es bei dieser Hypothese mit der Bewahrung 
einer Altertümlichkeit, nicht mit emer Neuentwickelung in- 
folge sekundärer Haupttonigkeit zu thun. Ferner ist sicher, 
dass zahlreiche 7 und ἃ unter dem Haupttone existieren, mag 
man nun die Akzentverschiebung, die dies verursacht hat, mit 
Kretschmer für jünger halten als die oben erwähnte oder nicht. 

Qualitative Veränderungen, etwa die Entwickelung 
eines >, bei sekundär betontem Schwundstufenvokal sind nir- 
gends nachzuweisen, auch nicht bei = und /. Sie sind auch 
niemals von irgend einem Forscher behauptet worden. 


80 Wilhelm Streitberg, 


Sollte nun » (m) allein ganz abweichend behandelt 
worden sein? Am ehesten liesse sich noch die verschiedene 
Entwickelung von betontem und unbetontem » im Indischen 
und Griechischen begreifen, falls wir Brugmann-Osthoffs Theo- 
rie zu Grunde legen. Denn hier ist bei unbetontem » der 
Nasal vollkommen geschwunden — eine ganz einzigartige Er- 
scheinung. Es wäre nun an sich nicht unwahrschemlich, dass 
durch Akzentverschiebung das » sich erhalten habe. Warum 
aber, wie Joh. Schmidt will, die Vokalqualität sich geän- 
dert haben sollte, indem en zu a, 47) dagegen zu ev geworden 
sei, lässt sich in kemer Weise absehn. Noch weniger begreif- 
lich ist die Verschiedenheit der Vokalqualität in jenen Spra- 
chen, wo » erhalten bleibt. Weshalb soll ein got. sind aus 
"sonti dem got. bundans aus *bhendhonos gegenüberstehen, 
obgleich es ebensowohl veulfs wie hulpans heisst? Dass aber 
die Akzentverschiebung bei zwalfs gemeinindogermanisch ist, 
lehrt seine Übereinstimmung mit ai. erka- und gr. λύκος aus 
®elkos nach dem Gesetze Bradke-Osthoffs. 

Trotz aller Konzessionen aber, die man ihr allenfalls 
machen kann, schemt mir Brugmann-Osthoffs Erklärung in 
letzten Grunde unannehmbar. Ihr Beweismaterial ist im we- 
sentlichen der Verbaltlexion entnommen. Aber gerade der Um- 
stand, dass es einem so fest gegliederten Systeme angehört, 
raubt ihm seinen Wert: überall liegt die Annahme von Kon- 
taminationsbildungen allzu nahe. Die Endung der 3. Plur. 
-Acı aus -avrı kann sehr wol auf einer Verschränkung von 
-ovrı und -arı beruhen. -arı, homerisch -acı bei Perfekten 
entspricht dem amd. -atz und geht auf idg. -nti zurück, das 
7. B. in der reduplizierten Klasse athematischer Präsentien be- 
rechtigt war. 

Das -av der 3. Plur. Aor. wird sich zu diesem -avrı ver- 
halten wie -ov:-ovri. 

Beim Partizipium des s-Aoristes, dessen Sutfix als -avT- er- 
scheint, ist das v überhaupt nicht lautgesetzlich. Dies lehrt der 
vedische Nominativ dhäksat, vgl. Lanman, Noun - Intlektion 
S. 505. Selbst Brugmann hat dies Grundriss II 375 aner- 
kennen müssen. Die Umbildung von ἔδειξατ- zu δειξαντ- wäre 
nach dem Muster der übrigen Partizipien erfolgt. Sollte aber 
auch diese Auffassung unrichtig sein, — was ich nicht glaube 
— so böte «doch der Indikativ mit seinem durchgehenden ἃ 


Betonte Nasalis sonans. 87 


eine hinlängliche Stütze für die Annahme, dass die a-Qualität 
unter seinem Einfluss habe siegen können. 

Auch die wenigen Nomimalstämme wie TAVT-, ἱμαντ- ge- 
hören einem System an, dessen uniformierendem Zwange sie 
ausgesetzt waren. Die Möglichkeit des Sieges von a zu leug- 
nen, scheint mir undurchführbar. Haben doch die ment-Stämme 
die Stufe -mnt- verallgemeimert (vgl. Kretschmer κά. XXXI 
347 Anm.), einzelne alte Partizipien die Schwundstufe durch- 
geführt. 

Kurzum, der Boden scheint mir überall ein recht schwan- 
kender zu sein. 

Ich meinerseits stimme mit Collitz-Bechtel-Hartmann darin 
überein, dass n nicht anders behandelt worden sei als alle 
übrigen Sehwundstufenvokale, die durch Akzentverschiebung in 
der Urzeit haupttonig wurden, d. h. dass es unverändert blieb 
und im Indischen wie im Griechischen als «(0 erscheint. Ich 
verzichte dabei gerne auf alles Beweismaterial, das irgend 
einem Systeme angehört, obwol es mindestens ebenso reichlich 
und um nichts weniger sicher ist als jenes für 2 —= αν. Alle 
Fälle wie gatis — βάεις, ved. saptd — ἑπτά 5) mögen daher 
bei Seite bleiben. Denn es existiert ein Fall, der meines Be- 
dünkens die Frage endgiltig entscheidet; der ausserhalb jedes 
Systemzwanges steht, bei dem wir deshalb, wenn irgendwo, 
die Garantie einer rein lautgesetzlichen Entwickelung haben. 

Dies ist das a-privativum, bekamntlich die indisch-grie- 
ehische Schwundstufenform der Negation ne. Durch die ein- 
gehende Untersuchung Knauers ΚΖ. XXVII 1ff. darf es als 
bewiesen gelten, dass bei primärer Zusammensetzung (bei Kar- 
madhäraya) das « den Ton trug. Dies tritt uns, wie Knauer 
selbst sagt, “als unumstössliche Thatsache‘ entgegen. 

Erst in sekundärer Komposition, in den aus Karmadhä- 
raya entstandenen Bahuvrihi verliert es den Akzent. Dieser 


1) Ich stimme mit Collitz, Anz. f. d. A. V 333 f. gegen Ost- 
hoff MU. 197 ff. darin überein, dass ich durch ved. sapta, griech. entö, 
wozu man unbedenklich auch &. sibun zählen kann, idg. Endbeto- 
nung für erwiesen halte. Aber diese Betonung muss natürlich erst 
sekundärer Weise durch Verschiebung entstanden sein! so kommen 
wir doch schliesslich zu Östhoffs Annahme einer Analogiebildung 
nach *oktou zurück, unterscheiden uns nur in der Datierung 
von ihm. 


88 Wilhelm Streitberg, 


Prozess ist aber im wesentlichen erst einzeldialektisch: nur 
bei den es-Stämmen scheint er im die Urzeit zurückzugehen, 
wie die Gleichung atejds- — ἀτερπές lehrt. 

Nun wird aber heute, nach Knauers Untersuchung, nie- 
mand mehr mit Brugmann, Curtius’ Studien IX 300 annehmen 
wollen, dass von dieser einzigen, der spätesten Urzeit zuzu- 
weisenden Kategorie aus, sich ἃ - » für lautgesetzliches an 
— ἡ über das ganze Gebiet verbreitet habe. Das wäre, von 
andern Bedenken ganz zu schweigen, um so unglaublicher, 
weil das angebliche an = n an dem antevokalischen an = nn 
eine starke Stütze gehabt hätte. 

Knauers Untersuchung hat vielmehr bestätigt, was Jo- 
hannes Schmidt, KZ. XXIII 272 Anm. schon vermutet hatte, 
dass wir nämlich auf Grund von Gleichungen wie dgata- — 
ἄβατος für das idg. die lautgesetzlich allein berechtigte Grund- 
form *rgmtos anzusetzen haben. Hierdurch aber ist der Zu- 
sammenfall von » und % auch für das Indische und Griechische 
bewiesen: für die übrigen Sprachen nehmen ihn Brugmann 
und Osthoff ja ohnedies an. 

Aber diese Erkenntnis gewährt uns noch keine Erklä- 
rung der aind. an sowie der ihnen entsprechenden europ. en 
und — füge ich hinzu — on. Wenn wir die Reihe aind. santi 
griech. evri eymr. ynt germ. *sinp, der im lat. sunt,, im abg. 
satz zur Seite steht, vorurteilslos betrachten, so können wir 
uns dem Eindruck nieht entziehen, dass wir es hier mit indo- 
germanischem Erbgut zu thun haben, nieht mit lauter einzel- 
sprachlichen Neuerungen, die zufälliger Weise zum selben Re- 
sultat geführt hätten. Dazu nötigt uns das einzige &acı mit 
nichten, noch weniger der Umstand, dass evri wie ynt ihr an- 
lautendes s durch assoziative Neubildung verloren haben. Wie 
sollte sich ein so isoliert dastehender Ausgang der 3. Plur. 
wie -entö in mehreren Sprachen zugleich eimgestellt haben! 
Dagegen ist in -avrı für -arı die Umbildung nach dem Muster 
von -ovrı unschwer begreiflich. 

Demnach scheint Johannes Schmidt mit seiner Behaup- 
tung, idg. #n werde zu einzelsprachlichem en» dennoch reeht 
zu haben? Auch hier muss ich wieder antworten: ja und nein. 
Ja, wenn er die Ursprünglichkeit des griech. ev verficht; nein, 
weil auch er von einer Schwundstufenform, von ursprünglichem 


en ausgeht. 


Betonte Nasalis sonans. 80 


Diese Differenz mag beim ersten Blick auf ein Spiel mit 
Worten hinauszulaufen scheinen; in Wirklichkeit dürfte sich 
aber der Unterschied als nieht unbeträchtlich herausstellen. 

Mir ist nämlich ganz und gar unverständlich, wie man 
bei einer derartigen Form überhaupt von einer Schwundstufe 
als dem Ursprünglichen hat ausgehen können. Das haben aber 
sowohl Brugmann-Osthoff wie ‚Joh. Schmidt gethan; denn ob 
man mit diesem *son»ti mit jenen *s»tö schreibt, verschlägt 
wenig: das Wesentliche ist und bleibt, dass beide Parteien 
in der Annahme der Schwundstufe einig sind. Und ge- 
rade dies scheint mir ein verhängnisvoller Irrtum zu sein. 

Gehen wir in die Periode der idg. Urzeit zurück, die 
der Ausbildung der Schwundstufe vorausging, so gelangen wir 
nach allgememer Ansicht nur zu einer Grundform *esent(). 
Das anlautende e musste als unbetont schwinden; abgesehen 
davon aber konnte die Form eine zwiefache Entwickelung 
durehmachen: 

1. Im Hauptsatze, wo sie enklitisch war, ward ihr en 
zu n reduziert; wir bekommen also *snt(). 

2. Im Nebensatze, wo sie betont war, trug das en den 
Wortakzent. Dadurch aber war es vor jeder Reduktion ge- 
schützt. Wir dürfen daher nichts anders ansetzen als *sent(i), 
mit vollstufigem en. Ebenso im Optativ *sient, griech εἶεν, 
mit Übertragung des anlautenden e. Spricht man in diesen 
Fällen von “betonter Nasalis sonans’, so muss man dies auch 
bei *bhendho u.ä. thun. Das wäre aber eine ebenso seltsame 
Terminologie, als wollte man ὅδ, eu m *bheidho, bheugo " be- 
tontes ἡ, τι. sonans’ nennen. 

Am nächsten ist dieser Anschauung, soviel ich sehe, Ost- 
hoff, MU. IV 200 gekommen, wenn er hier die sekundäre 
Endung der 1. Plur., für die Joh. Schmidt die Abstufung -mon: 
-men annahm, den einfachen Wechsel von -men und -mn auf- 
stellte “so dass man hier die “hochbetonte Nasalis sonans’ gar 
nieht braucht”. Auch Felix Hartmann, DLZ. Sp. 375 nennt 
eici die “orthotonierte Form’, ohne freilich seine Auffassung 
näher zu präzisieren. 

Mit dem idg. e lautet aber o ab. Worauf auch immer 
dieser Weehsel zurückzuführen ist, jedenfalls sind wir bereeh- 
tigt, ihn zur Erklärung heranzuziehen, wenn wir in der 3. Plur. 
des Verbum substantivum em o neben e antreffen. Bei lat. 


90 Wilhelm Streitberg, 


sunt ist freilich die Annahme einer Neubildung nach den the- 
matischen Verben ebenso nahe liegend; dagegen versagt dies 
bequeme Aushilfsmittel bei dem abg. sato. Es kann kein 
Zweifel darüber bestehen, dass jesm» seiner ganzen Flexion 
nach aufs schärfste von den thematischen Verben unterschieden 
ist, dagegen eng mit den übrigen athematischen assozilert. 
Diese Sachlage aber schliesst den Gedanken vollständig aus, 
in sat» eine Neubildung für älteres *setz zu sehen, die durch 
den Ausgang -at» des thematischen Verba hervorgerufen sei. 
Wäre dies richtig, so müsste auch jadets u. dgl. Umbildung 
erfahren haben, nicht blos das einzige *sets. Vielmehr ver- 
hält sich idg. *senti: sonti = gen. -€s : -όβ ἢ). In diesem Sinne 
habe ich oben von on als einem Vertreter der “ betonten’ Na- 
salis sonans gesprochen; denn on steht in jeder Beziehung 
mit en auf gleicher Linie. 

Ein Einwand liegt hier allerdings auf der Hand und ist 
mir auch schon von befreundeter Seite gemacht worden. Man 
sagt nämlich: Was soll dieses e/o, das in der athematischen 
Flexion plötzlich auftritt, denn bedeuten? Aber ebenso nahe- 
liegend wie die Frage ist die Antwort: das e/o in *senti, 
®sonti ist nichts anders als das e/o der thematischen Flexion. 

Mit der herkömmlichen, stark schematisierenden Art und 
Weise, mit der man bei der Einteilung in “thematische” und 
“athematische’ Flexion vorzugehen pflegt, habe ich mich nie 
befreunden können, so bequem dieselbe auch sein mag. Denn 
was kann einfacher sein, als sorgfältig überall den "Thema- 
vokal’ e/o wegzulassen, um das Urparadigma der athematischen 
Nomina und Verba zu erhalten? Ein solches Verfahren nimmt 
sich auf dem Papiere nicht übel aus, genügt aber in der 
Wirklichkeit nur allzuhäufig nicht, sondern führt zu Unformen 
wie #sint, ®snt(i) u.ä., die niemals eine reale Existenz geführt - 
haben können. 

Thematische und athematische Flexion sind eben nicht 
zwei von allem Anfang an getrennte Welten, die kein Band 
verknüpft. Wer suchen will, findet der Fäden genug, die hin- 
über und herüber führen. Allerdings, soweit wie Kögel, Paul- 


1) Ich bin der Ansicht, die auch Kretschmer neuerdings ver- 
treten hat, dass der Wechsel von ὁ und e mit der Stellung des 
überlieferten ide. Akzentes nichts zu schaffen hat. 


Betonte Nasalis sonans. 91 


Braunes Beiträge VIII 102 ff. zu gehen, wird sich gegen- 
wärtig schwerlich jemand entschliessen. 

Auf jeden Fall aber setzen athematische Formen im 
Prinzip ältere thematische voraus, aus denen sie durch Re- 
duktion entstanden sind. Wo also keine Reduktion möglich 
war, da musste natürlich der alte Vollstufenvokal erhalten 
bleiben. 

Auf das Vorkommen athematischer Formen in der thema- 
tischen Flexion habe ich vor einigen Jahren bei den ze-Stämmen 
aufmerksam gemacht. Ich will heute nicht darauf zurück- 
kommen, kann mir aber nicht versagen, dem früher gebotenen 
zwei charakteristische Beispiele hinzuzufügen, die der Dekli- 
nation der -we- und -»e-Stämme entnommen sind. 

Griech. πολύς, πολλοῦ ist uns erst durch Johannes Schmidts 
Lautgesetz, dass vortoniges AF zu AA werde, verständlich ge- 
worden, vgl. Pluralbildungen S. 47 Anm. Wir haben im Nom. 
und Akk. schwundstufiges Suffix wie bei den ea-Stämmen, im 
Gen. u.s.w. dagegen Vollstufe; TOA-U-c, πολ-ύ-ν : πολλοῦ aus 
"toA-Fö-cio —= lit. med-i-s : Gen. medzio. 

Nieht minder interessant ist die Vergleiehung von μέγας 
mit magnus. Über die Abstufung der Wurzelsilbe hat Osthoffs 
Entdeckung der verschiedenen Schwundstufenformen von Na- 
salen und Liquiden helles Licht verbreitet: vgl. vorläufig MU. 
V, Vorwort. μέγας = *meg-n-s, hat also Vollstufe der Wurzel, 
Schwundstufe des Suffixes; mag-nu-s = "mog-no-s, Schwund- 
stufe der Wurzel, aber Vollstufe «des Suffixes.. Wir dürfen 
demnach ein idg. Paradigma rekonstruieren: Nom. "meg-n-s, 
Akk. meg-n-m, Gen. mog-nö-sio τι. 5. ὙΥ. 1). 

Auch an Fällen für die umgekehrte Erscheinung: the- 
matische Formen im athematischen Paradigma fehlt es nicht. 
Was ist der Gen. auf -es, -os anders als eine solche? Er unter- 
scheidet sich von dem der thematischen Deklination auf -esio, 
-osto nur durch das Fehlen der Partikel -io. Unser -es, -ός 
verhält sich aber zu dem wirklich athematischen -s des Gene- 
tivs, wie es in *deu-c u. ä. vorliegt, genau ebenso wie die 
“thematische” Endung -Eent(), -ont(i) in *s-ent(i), *s-ont(i) zu 
der “athematischen’ -nt(i) in aind. böbhr-ati, hom. AeAöyyx-acı. 
1) Die Deutung von μέγας durch Joh. Schmidt, ΚΖ. XNXVI 408, 
der sich Bartholomae, ΚΖ. XXIX 585 anschliesst, scheint mir ge- 
zwuüungen. 


92 Wilhelm Streitberg, 


Ganz dasselbe gilt natürlich auch von dem Ausgang des Nom. 
Plur. -es. Das wertvollste Beispiel gewähren uns jedoch die 
in Jüngster Zeit so heiss umstrittenen Partizipien auf -nt-. Man 
vergleiche in chronologischer Folge die stark angewachsene 
Litteratur: Bartholomae KZ. XXIX 487 {᾿Ξ Brugmann, Grund- 
riss II 578 ff., Griech Gramm. ? 108; J. Schmidt, Pluralbil- 
dungen 422 #f.; Brugmann, Grundriss II 560, Anm.; Bartho- 
lomae, BB. XVI 261ff.; Kretschmer KZ. XXXI 345 fi. 

Bartholomae leugnet jeden quantitativen Ablaut für die 
Partizipien; bei den thematischen Verben wechsele -ont- und 
-ent-, bei den athematischen -»t- mit -nt-. Joh. Schmidt hat 
den ersten Teil dieser Behauptung, der den eigentlichen Kern 
der Theorie enthält, bestritten; den zweiten, der im Grunde 
nur eine Bestätigung der Vulgatansicht ist, akzeptiert auch er. 
Für mich kommt dieser Teil allem in Betracht. 

Soviel steht fest, dass wir in den isolierten substantivi- 
schen und adjektivischen »+-Stämmen wie *ad-ont- u. ἃ. die 
sichersten Beispiele für die ursprüngliche Flexion der Klasse 
haben. Denn man darf ja nicht vergessen, dass die Partizipien 
von Hause aus nichts weiter sind als dem Verbalsystem ein- 
gegliederte Nomina. Es ist aber von vorme herein die Mög- 
lichkeit zuzugeben, dass diese Einfügung in ein festgegründe- 
tes System Neubildungen im Gefolge gehabt haben kann. 

Für die Nommalklasse nun kann eine Flexion *ad-ont-s, 
®ad-ont-m, Fad-nt-6s nicht bestritten werden. Wir haben hier 
denselben Wechsel zwischen -ont-!) und -»t- wie im der drit- 
ten Person Plur. -önti, -enti :-nti. An die bekannte Vermutung, 
dass wir es hier mit einer im Grunde identischen Bildung zu 
thun hätten, mag hier nur erinnert werden, vgl. Brugmann, 
Grundriss II 371, Anm. 1. Dieser Ablaut ist von dem schon 
früher erwähnten -es, -os : -s im Genetiv Sing. nicht verschieden. 

Wie steht es num bei den Partizipien der athematischen 
Verba? Im Altindischen flektiert s-dnt-am, s-at-ds genau wie 
d-dnt-am, d-at-ds. Aber der Theorie zu Liebe setzt man 
hier */a)d-ont-m, dort aber *s-»t-m als Grundform an. Meines 
Bedünkens gibt es aber im diesem Falle sogut wie bei der 
3. Plur. nur zwei Mögliehkeiten: 

1) Der Akzent rulite von jeher auf dem stammbildenden 

1) Vielleicht existierte neben -ont auch -ent, vgl. Brugmann, 
Grundriss II 371, Anm. 2. 


Betonte Nasalis sonans. 93 


Suffix, dasselbe muss also in der Vollstufe erscheinen; dies gilt 
für santam nicht weniger als für dantam. 

2) Die Endung ist betont, die vorausgehende suffixale 
Silbe muss Reduktion erleiden: satds = datds. 

Dass dem so ist, dass wir es im ersten Falle mit einer 
“Akzentverschiebung” gar nicht zu thun haben können, lehrt 
die einfache Erwägung, dass *sdnts sowenig wie die 3. Plur. 
= scnt(i) jemals eine andere Silbe betont haben kann. Daraus 
folgt aber mit Notwendigkeit, dass wir von dem Verhältnis 
Vollstufe : Schwundstufe auch für die “athematischen’ Parti- 
zipia ausgehen müssen. Der angebliche Wechsel von -»t-: -nt- 
verdankt nur dem Schematisierungsbedürfnis des Grammatikers 
seine Existenz. 

Übersetzen wir ®sants ins Indogermanische, so gelangen 
wir unter keinen Umständen zu einer andern Form als *sonts. 
Hierdurch aber erklären sich mit einem Schlage die sonst so 
rätselhaften Partizipialformen des Verbum substantivum: vgl. 
mit ind. sant- griech. ὀντ- für Ovr- aus sont- wie Evrı für 
idg. *senti; lat. söns, anord. sannr und ags. söd, lit. esas 
(sas), abg. sy aus *sonts Gen. sasta aus *sont-jäd. 

Die zugehörige Schwundstufenform findet sich in ai. Gen. 
satds, griech. (dor.) Fem. Eacca aus *e(s)ntz, lat. praesens, 
urgerm. Stamm *sundjö- (Nom. *sundi) vgl. got. sunja, preuss. 
-SINS. 

Für e-Stufe kann angeführt werden dor. Evrec für *sentes, 
eventuell lat. prae-sens, preuss. dat. -sentisma. 

Auf gleiche Weise erklären sich alle "thematischen Par- 
tizipien zu athematischen Verben, die Brugmann, Berichte der 
sächs. Gesellschaft der Wissensch. 1890 S. 232 noch zu schaffen 
machten. So ist griech. iovr- im Suffix genau dem ind. ydnt-, 
dem lat. eunt- gleich und repräsentiert die normale Vollstufen- 
form eines Partizipiums, das zu einem athematischen Verbum 
gehört. Dass wir es hier nicht etwa mit einer Neubildung zu 
thun haben, beweist die merkwürdige, ganz isolierte Form 
des Lateinischen, auf die mich Prof. Osthoff speziell aufmerk- 
sam macht. 

Ferner gehört hierher auch das von Kretschmer, KZ. 
XXXI 347 verkannte griech. ἑκοντ-, im Suffix identisch mit 
dem athematischen Partizip ai. usant-. 

Neben sy, sasta stehen im Abg. die Partizipialformen der 


94 Wilhelm Streitberg, Betonte Nasalis sonans. 


übrigen athematischen Verba. Vgl. dady, dadasta und vor 
allen Dingen jady, jadasta. Man käme in nicht geringe Ver- 
legenheit, sollte man den Grund angeben, der sie als Umfor- 
mungen eimes älteren -e -esta begreiflich erscheinen liesse. 
Heisst es doch in der dritten Person des Plurals noch immer 
bei diesen Verben -etz und existieren doch — was noch un- 
gleich schwerer ins Gewicht fällt — Partizipien auf -e -esta 
in grosser Anzahl; vgl. z. B. chvale, chvalesta. Ein ursprüng- 
liches -et- — nt- und -»t- wäre daher nichts weniger als ver- 
einzelt gewesen. 

Wir stehen hier also vor einem grossen Gebiet, das the- 
matischen Formen in der athematischen Konjugation von rechts- 
wegen zukommt. Behält man dabei noch im Auge, dass es 
auch im Verbum finitum Formen gab, die aus dem System 
athematischer Flexion herauszutreten schienen, so kann man 
sich nicht wundern, wenn man so häufig vollständige Doppel- 
paradigmen antrifft. Wenn zu idg. *r-neu-ti die 3. Plur. laut- 
gesetzlich *r-nu-onti lautete, so lag die Neubildung eines *r- 
nue-ti u. 5. w. nur allzu nahe. 


Meine Auffassung ist also — um den Inhalt der vorlie- 
genden Blätter m Kürze zusammenzufassen — die folgende: 


1. In Silben, die immer Träger des Wortakzentes waren, 
gehört eme Reduktion zu den Unmöglichkeiten; en, on sind 
hier von Alters her bewahrte Vollstufendiphthonge; ἐντί ist alt, 
vgl. Joh. Schmidt. 

2. Ward eine ehemals unbetonte Silbe durch Akzentver- 
schiebung haupttonig, so blieb die Qualität des schwundstufigen 


Sonanten unverändert. Also » = d vgl. Collitz-Bechtel-Hart- 
mann. 
3. Griech. av = » ist das Produkt von Kontaminationen; 


vgl. Brugmann-Osthoff. 

Sollte es mir gelungen sein, die Fachgenossen von der 
jerechtigung meiner Theorie zu überzeugen, so darf ich mich 
wohl der Hoffnung hingeben, dass hiermit em alter Streitpunkt 
aus der Welt geschafft und der Beweis erbracht sei, dass eine 
Versöhnung scheinbar schroff entgegengesetzter Ansichten viel- 
fach leiehter herbeizuführen ist, als die Gegner in der Hitze 
des Kampfes glauben. 

Wilhelm Streitberg. 


Über Sprachrichtigkeit'). 


Der auffallende Mangel an Interesse für allgemeine spe- 
kulative Theorien in unserer Zeit und die unter den Ge- 
lehrten der Gegenwart herrschende Vorliebe für Detailforschung 
mit. Übergehung der prinzipiellen Fragen in der Wissenschaft 
dürften wohl die Hauptursache davon sein, dass die Frage 
nach der Sprachrichtigkeit jetzt weniger die Aufmerksamkeit 
auf sich zu ziehen scheint, wenigstens in der Litteratur nur 
kurz erörtert wird. Und doch ist es nieht lange her, dass 
derartige Fragen der Gegenstand eines ganz allgemeinen und 
lebhaften Interesses in Schweden bildeten: zum teil wurde dies 
Interesse im Anfang unseres Jahrhunderts durch die patriotischen 
Bestrebungen der “götischen Schule’, die unter anderem auch 
“ein gutes Schwedisch’ als Forderung aufstellte, hervorgeru- 
fen, zum teil durch J. E. Rydgvists und ©. Säves mehr all- 


1) Diese Abhandlung ist Adolf Noreens Schrift "Om spräk- 
riktighet’? (2. Auflage, Upsala, W. Schultz 1888), von dem Unter- 
zeichneten aus dem Schwedischen übertragen und für deutsche 
Leser bearbeitet. Diese Bearbeitung schliesst sich eng an den Ur- 
text an, doch sind die erläuternden schwedischen Beispiele durch 
deutsche ersetzt. Infolge dessen machten die an diese geknüpften 
Erörterungen oft auch ein Abweichen vom schwedischen Text und 
das Einsetzen eines eigenen deutschen Textes nötig. Solche 
Stellen werden zwischen Sternehen eingeschlossen; Zu- 
sätze des Bearbeiters sind durch eckige Klammern be- 
zeichnet. 

Da der Unterzeichnete in manchen Punkten von den Ansich- 
ten Noreens abweicht, so wird er seinen Standpunkt in einem Nach- 
trag zu der vorliegenden Abhandlung demnächst in den “Indoger- 
manischen Forschungen’ darlegen. 

Arwid Johannson. 


Da Noreens interessante und anregende Schrift in Deutsch- 
land bisher wenig Beachtung gefunden hat, so hat sich die Redak- 
tion gerne bereit erklärt die vorliegende Bearbeitung zum Abdruck 
zu bringen und so zur wünschenswerten Verbreitung beizutragen. 
Derartige Bearbeitungen für deutsche Leser oder gar blosse Über- 
setzungen wird diese Zeitschrift übrigens nur ganz ausnahmsweise 
zulassen. Die Redaktion. 


90 Adolf Noreen, 


gemein und durch V. Rydbergs und Es. Tegners mehr spe- 
ziell gehaltene Beiträge zur Klärung der Frage nach der 
Sprachrichtigkeit, die wenigstens an den schwed. Universitäten 
eine überaus lebhafte Erörterung dieses Gegenstands zur Folge 
hatten. Es fehlt jedoch viel daran, dass man glauben dürfte, 
diese Frage sei dadurch wesentlich ihrer Lösung näher ge- 
bracht worden, und die Ansichten über dieses Thema, die 


jetzt die verbreitetsten zu sein scheinen — wenigstens unter 
den sechwed. Sehrittstellern und Lehrern — hält der Verfasser 


dieser Zeilen für dermassen falsch, dass er nicht umhin kann, 
einem lange genährten Wunsche zu willfahren und die Frage 
abermals einer Behandlung zu unterziehen. Wenn er auch 
nunmehr, wie oben angedeutet, vielleicht kein so allgemeines 
Interesse für sie erhoffen kann, wie etwa vor einem oder zwei 
Jahrzehnten, so dürfte doch, und zwar zum teil infolge des 
oben erwähnten Umstands, der gegenwärtige Zeitraum einer 
leidenschaftslosen Erörterung dieses Stoffes besonders günstig 
sein. Dazu kommt noch, dass diese Frage von durchgreifen- 
der praktischer Bedeutung und Wichtigkeit ist, und zwar 
nicht am wenigsten für den Schulunterricht, dass sie ge- 
rade zu jenen gehört, die man nieht fallen lassen darf, zu- 
mal da man, wie es jetzt geschieht, geneigt zu sein scheint 
iunrichtige Anschauungen, weil sie althergebracht sind und 
von seiten der Sachverständigen der Widerspruch ausgeblie- 
ben ist, gewissermassen zum Gesetz zu erheben. Möge die 
folgende Darstellung einiges dazu beitragen, diesem Missstand 
abzuhelfen! 

Unter denen, die in dieser Frage ihre Ansicht geäussert 
haben, lassen sich mit Leichtigkeit die Anhänger zweier verschie- 
ddener Standpunkte sondern, die hier der Kürze halber — mit 
Ausdrücken, die für den vorliegenden Zweck geschaffen sind 
— der litterargeschiehtliche und der naturgeschicht- 
liche genannt werden mögen. Diesen will der Verfasser sei- 
nerseits noch einen dritten hinzufügen, den er mit leicht er- 
klärlicher Parteilichkeit den rationellen nennt. 

I. Der älteste und vornehmste Verfechter des litterar- 
eeschichtlichen Standpunkts ist in diesem Jahrhundert 
Jakob Grimm, “der Vater der historischen Sprachforschung. 
Grimms Schüler 4. E. Rydqvist ist der hervorragendste Ver- 
treter in Schweden. Von den älteren Gelehrten mag nament- 


Über Sprachrichtigkeit. 97 


lich ©. Säve als hergehörig genannt werden, unter den jün- 
geren wird dieser Standpunkt vertreten von V. Rydberg — 
besonders in seiner aufsehnerregenden Abhandlung “Tysk eller 


nordisk svenska?’ (Svensk tidskrift 1873, Dezemberheft) —, 
A. O0. Freudenthal, Hans Hildebrand — vorzugsweise in sei- 
nen älteren Arbeiten — und anderen!); die Anhänger dieses 


Standpunkts finden sich besonders unter den älteren der jetzigen 
Generation, wenn ihn auch, wenigstens heutzutage, keiner von 
ihnen in jeder Beziehung konsequent beibehält. Auf diesem 
Standpunkt wird als Norm für Sprachrichtigkeit aufgestellt: 
der Sprachgebrauch eines, oft ganz willkürlich gewähl- 
ten, vergangenen Zeitraums. So z. B. soll für das La- 
teinische die Sprache des römischen “goldenen’ Zeitalters die 
massgebende sein, für das Französische der Sprachgebrauch 
Voltaires und seiner Zeitgenossen. Im Schweden betrachtete 
Rydqvist, der den Jüngern als eine unzweifelhafte Autorität galt, 
das Altschwedische um 1300 — in rein sprachlicher Hinsicht — 
als klassisch. Das beste Schwedisch ist mithin das, wel- 
ches sich am wenigsten von der Sprachform dieser Zeit ent- 
fernt. [Als Vertreter dieser Richtung in Deutschland mögen 
hier angeführt werden: ausser Jakob Grimm?) Κα. A. J. Hoft- 
mann (Neuhochdeutsche Schulgrammatik), Engelien (Gramma- 
tik der neuhochdeutschen Sprache), Andresen (Sprachgebrauch 


3 


1) Ich muss hier auf das nachdrücklichste hervorheben, dass 
es keineswegs meine Absicht ist, hiermit behaupten zu wollen, dass 
die erwähnten Gelehrten auch noch jetzt sich zu diesem Stand- 
punkt bekennen, auch nicht, dass sie sich jemals klar und deut- 
lich für ihn ausgesprochen haben, nicht einmal, dass sie den 
Gedankengang durchgemacht haben, der diesen Standpunkt 
in seiner ganzen Ausdehnung kennzeichnet, wenn auch das 
bei dem einen oder dem andern in mancher Beziehung der Fall 
gewesen sein mag. Sondern ich will hiermit nur gesagt haben, 
dass ihre diesbezüglichen gelegentlichen Aussprüche Bruchstücke 
eines Gedankengangs sind, der, vollständig und konsequent durch- 
geführt, meiner Meinung nach den weiter unten geschilderten Stand- 
punkt ergiebt, und dass mehr oder minder zahlreiche Fälle in ihrer 
sprachlichen Praxis vorkommen, die sich nur aus dem — bewuss- 
ten oder unbewussten — Vorhandensein derartiger Theorien er- 
klären lassen. 

2) [Nachdrücklichst wurden die Bestrebungen dieses Stand- 
punktes schon von Raumer in seinen Gesammelten sprachwissen- 


schaftlichen Schriften 1863, namentlich S. 331 ff., bekämptt.] 


Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 
ξ > ί 


98 Adolf Noreen, 


und Sprachrichtigkeit im Deutschen), Hans von Wolzogen 
(Über Verrottung und Errettung der deutschen Sprache, 3. Aufl.) 
u. a.; auch Schleicher (Die deutsche Sprache) gehört dieser 
Richtung an (siehe Nachwort). Alle diese treffen in Fällen, 
wo es gilt, zwischen zwei neben einander vorkommenden For- 
men zu wählen, ihre Entscheidung vorzugsweise dermassen, 
dass sie die Form für die richtige erklären, die auf lautge- 
setzlichem Wege mit der mittelhochdeutschen zu vereinigen ist. 
Der Jlitterargeschichtliche Standpunkt dürfte wohl derjenige 
sein, der gegenwärtig die meisten Anhänger zählt, da streng 
genommen auch die ihm zugerechnet werden müssen, die für 
(las jetzige Deutsch die Sprache Lessings, Goethes und Schil- 
lers als Norm aufstellen. In den prosaischen Schriften die- 
ser Klassiker “können wir kaum eine Seite aufschlagen, ohne 
auf Wörter oder Wortverbindungen zu stossen, die uns tremd- 
artig klingen” (Behaghel Die deutsche Sprache 50). Und da 
zwischen ihrer und unserer Sprache “ein gutes Stück sprach- 
licher Entwiekelung” liegt, repräsentiert uns jene auch eben 
nur den Sprachgebrauch eines vergangenen Zeitraums.] 

Die Anschauungsweise des litterargeschichtlichen Stand- 
punktes führt nun beispielsweise zu folgenden Emzelaufstel- 
lungen: 

= Wir sunken, sprungen (statt sanken, sprangen) ist 
“historisch richtig und deshalb nicht zu verwerfen (Hoffmann 
Schulgrammatik 5 5. 58). 

Boge, brate hält Grimm (Deutsches Wörterbuch II 218. 
309) für allein richtig und sträubt sich “aus Leibeskräften 
wider den auch nhd. eimgerissenen Vordrang des » in den 
Nom.’: bogen, braten (Kleinere Schriften III 389); "noch 
sprachwidriger ist” der Pl. bögen statt bogen, und gärten, grä- 
ben sind “fehlerhaft” (Grimm Deutsche Gramm. I 623); dass 
schwach flektierte Subst. in stark flektierte gewandelt werden, 
“ist wider die Natur der Sprache” (ebenda I 745). Auch 
Schleicher (Deutsche Spr. * 255) hält die Pl. bogen, magen, 
graben für “besser und edler” als bögen, mägen, gräben; 
diese “sind zu meiden”, sagt Andresen (S. 50). H. ν. Wolzogen 
eifert gegen den Trieb, “der die uns glücklicherweise noch 
erhaltene Dativendung e nachgerade gänzlich über die Seite 
gebracht hat” (Über Verrottung und Errettung ὅς 34), und be- 
kämpft (S. 35) den Gebrauch von dies, des anstatt dieses, dessen. 


Über Sprachrichtigkeit. 99 


“Falsch sind die Plurale stiefeln, fenstern” (Andresen S. 31, 
Heyse-Lyon Deutsche Gramm. 122). Keller (Deutscher Anti- 
barbarus ? S. 35) findet einen Satz wie Dismarck habe sich 
dreimal wiegen lassen “lächerlich” und fragt: “Geschah das 
in einer Wiege?”; er flektiert: zeäge, wiegst, wiegt, wägen, 
wäget, wägen*“. 

Die Beispiele können natürlich bis ms unendliehe ver- 
mehrt werden, aber die schon aufgeführten dürften genügen, 
um den Standpunkt zu beleuchten, der, wie aus den angezo- 
genen Belegen zugleich hervorgeht, im praxi vor allem durch 
einen ausgeprägten Widerwillen gegen all die sprachlichen 
Veränderungen, die auf sogenannter Analogiebildung beruhen, 
gekennzeichnet ist. Gegen die lautgesetzlich entstandenen 
sprachlichen Veränderungen tritt man weniger feindlieh auf; 
dabei ist man im allgemeinen geneigt, indem man allerdings 
in einen nicht unbedeutenden Widerspruch zum Standpunkt 
im grossen und ganzen wie auch im einzelnen gerät, als die 
besten Sprachformen die herauszustreichen, die man, freilich 
oft aus unzureichenden Gründen, für die regelrechten Ergeb- 
nisse “der Gesetze der *betreffenden® Sprache hält, unter 
denen man dann recht willkürlich immer die Lautgesetze ver- 
steht. Auf Grund einer derartigen Anschauungsweise behaup- 
tet man daher z. B., dass *bracht, brangen u. a. bessere For- 
men seien als pracht, prangen, weil sonst emzelne Triebe 
derselben Wurzel ausemandergerissen würden, weil em mhd. ὁ 
auch im Nhd. durch b vertreten werde (Grimm Deutsches Wör- 
terbuch II 597 #f.) und ein anlautendes mhd. 5b regelrecht 
einem niederdeutschen oder ags. b entspreche (efr. mhd. brant, 
brate= nhd. brand, braten = ags. brand, bred; mhd. braht — 
as. braht). Tinte sei der Form dönte!) vorzuziehen; ahd. finde 
sich allerdings neben fincta auch dincta, doch da dem Wort 
das lat. fincta zu grunde liege, so sei ἐ das einzig richtige 
(Kluge Deutsches Wörterbuch ὁ, Weigand Deutsches Wörter- 
buch). Läüderlich sei richtiger als liederlich (Schleicher Deutsche 
Sprache 186), denn mhd. heisse es lüederlich, abgeleitet von 


1) Es handelt sich hier wie überall in dieser Abhandlung na- 
türlich nur um die gesprochene Sprache. Sagt man finte, so 
versteht es sich von selbst, dass finte eine bessere Schrittform als 
dinte ist. 


100 Adolf Noreen, 


luoder (vgl. mhd. bruoder, brüederlich = nhd. bruder, brü- 
derlich). 

Also, was sprachgemäss ist, kann man nur vom Sprach- 
forscher, vorzugsweise vom historischen Sprachtorscher er- 
fahren. Er allein ist der Sachverständige in allen Fragen der 
Sprachrichtigkeit, und er findet das in jedem einzelnen Fall 
sprachgemässe durch das Studium der Sprachgeschichte. [An- 
dresen Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit ° S. 6.] 

Dass der eben gzeschilderte Standpunkt fast durchweg 
unhaltbar ist, dürfte aus folgenden kritischen Bemerkungen 


δὲς 


hervorgehen. 

1) Im allgemeimen ist es ungereimt, die Norm für ein 
Ding ausserhalb desselben zu suchen. Dies thut man aber, 
wenn man sich z. B. die Richtschnur für das *Nhd.* aus emer 
wesentlich andern Sprache, dem *Mhd. oder Ahd.*, herholt. 

2) Die Sprache einer verflossenen Periode unverändert 
als Ideal für eimen spätern Zeitraum aufzustellen, ist, falls 
wirklich jemand im Ernst mit einer solchen Forderung hervor- 
treten sollte, nicht nur unrichtig, sondern auch, was schlimmer 
ist, unmöglich und würde beim ersten Versuch der thatsäch- 
liehen De ne sich augenblicklich von selbst verbieten. 

) Begnügt man sich damit, eine (möglichst weitgehende) 
Annäherung an die ältere Sprache als Forderung aufzustellen, 
so verfällt man in die grösste Willkür, und kaum zwei Per- 
sonen dürften darüber einig werden können, wie weit man in 
dieser Hinsicht gehen soll. Auch hat man sich bei der that- 
sächlichen Anwendung dieses Grundsatzes die schreiendsten 
Folgewidrigkeiten zu Schulden kommen lassen. Nicht einmal 

bezug auf die so getadelten Analogiebildungen ist man sich 
einigermassen getren geblieben. * Man verwirft sanken, spran- 
gen auf Grund ihrer Abweichung vom mhd. sunken, sprun- 
gen, aber man billigt oder lässt wenigstens, ohne Anstoss daran 
zu nehmen, ganz gleichartige Neubildungen gelten, wie halfen 
(mhd. hulfen), warfen (mhd. wurfen), duldet die Verbalformen, 

denen der Singular nach dem Plural ausgeglichen ist, wie 
glomm, quoll, schmolz (mhd. glam, qual, smalz). Man hält 
bogen, braten für sprachwidrig, weil schwache Nomina sieh 
nicht zu starken umwandeln können, und muss doch wohl 
hopfen, garten, husten, rücken, knochen (mhd. hopfe, 
garte, huoste, rücke, knoche) gelten lassen; auch der Aner- 


Über Sprachrichtigkeit. 101 


kennung der Thatsache, dass die mhd. schwach flektierten störne, 
lichname, lenze ım Nhd. als stern, leichnam, lenz stark 
flektieren, wird man sich doch wohl nieht entziehen können. 
Noch "sprachwidriger’ soll bögen, gräben sein, obgleich hähne, 
schwäne (mhd. hanen, swanen) auch den Umlaut im Plur. 
von ursprünglich schwach flektierten Wörtern zeigen. Man 
eifert gegen solche Dative wie dem tag, dem hirt (mhd. 
tage, hirte), aber andere Fälle, wo ebenfalls das auslautende 
e geschwunden ist, behandelt man minder feindlich: das glück 
(mhd. gelücke) oder die Adverbia hart, fast, schon (mhd. 
harte, faste, schöne). Auch in Fällen wie: gott sei dank, 
mit haus und hof, zu fuss, ein mann von wort dürfte 
man wohl gegen diesen Trieb’, das e fortzulassen, nichts 
einwenden. Übrigens machte sich dieser “Trieb’ schon in 
weitem Umfang im Mhd. geltend, es findet sich z. B. dem 
tröst, wän, bach u. s. w. Vgl. Weinhold Mhd. Grammatik ! 
S.419. Man will zu gunsten von dieses und dessen die Formen 
dies und des aus der Welt schaffen, obgleich die letzteren 
sogar die regelrechten Vertreter von ahd. diz mhd. diz und 
ahd. mhd. des sind; die Form dieses dagegen ist eine Ana- 
logiebildung, die durch Anlehnung an die Mase. und Fem. mhd. 
diser, disiu erst am Ende des 15. Jahrhunderts ins Leben 
gerufen wurde. Solche Plurale wie stiefeln, fenstern sollen 
zu gunsten von stiefel, fenster (mhd. die stivel(e)!), diu ven- 
ster) ausgerottet werden, aber ganz unbeanstandet lässt man 
Fälle, wo ebenfalls im Nhd. dem starken Sgl. ein schwacher 


Plural gegenübersteht, wie der stachel — die stacheln (mhd. 
der stachel — die stachel(e)), der see — die seen (mhd. 
der se — die sewe), das ende — die enden (mhd. daz ende 


— diu ende).* 

4) Auf Grund der Lautgesetze zu entscheiden, was in der 
Sprache richtig d. h. regelmässig und lautgesetzlich aus dem 
Bestande der ältern Sprache entwickelt sei, ist äusserst miss- 
lich, um nicht zu sagen unmöglich. Denn ausser der prin- 
zipiellen Schwierigkeit, welche darin besteht, zu bestimmen, 
welehe Lautgesetze wir in Anwendung bringen sollen: die der 
ältern Sprache oder die, die noch wirken, oder die, die erst im Be- 


1) [Aber auch schon stiveln, was ganz übersehen worden ist, 
vgl. Lexer Mhd. Wörterb., Benecke-Müller-Zarneke Mhd. Wörterb.] 


102 Adolf Noreen, 


griff sind zum Durchbruch zu kommen, oder gleichzeitig alle diese 
(auch dann, wenn sie im Widerspruch zu einander stehen ?), ist zu 
bemerken, dass wir selten oder nie die Art und das Wirkungs- 
gebiet des einzelnen Lautgesetzes so von Grund aus kennen, 
dass wir es scharf und bestimmt in eine Formel fassen könn- 
ten. Die Fortschritte der Wissenschaft führen täglich zu neuen 
und bessern Formulierungen der Lautgesetze, was notwendig 
unaufhörliche Änderungen in der Anschauungsweise von der 
Sprachrichtigkeit bald der einen Form, bald der andern nach 
sich ziehen müsste. * Bis in den Beginn dieses Jahrhunderts 
war man geneigt teutsch als die allein richtige hochdeutsche 
Form zu betrachten, indem man es direkt mit Teutonen in 
Beziehung setzte; oder man verwarf deutsch als eine nieder- 
deutsche Form (vgl. nd. düvel = hd. teufel, nd. dag = hd. 
tag), und gestützt auf die im Mhd. überwiegend gebrauchte 
Form fiutsch schrieb und sprach man feutsch. Diese Form 
wurde aber nach Entdeckung des Lautverschiebungsgesetzes 
für falsch erklärt (vgl. Grimm Deutsch. Wörterbuch II 1045, 
Schleicher Deutsche Sprache 201), da dem got. 5 im Ahd., 
Mhd. und Nhd. ein ὦ zu entsprechen habe (got. hata, beins = 
nhd. dass, dein). Auf Grund dieser Erwägung müsste man 
auch als die einzig richtige Form dausend und nicht tausend 
betrachten (got. hasundi), zumal da es im Ahd. auch dasunt 
heisst und tüsent erst im Spätahd. auftritt; und doch gilt faw- 
send ganz unbestritten als die im Nhd. allein zulässige Form. 
Neuerdings hat K. von Bahder die Fälle, wo mhd. ? einem 
uhd. d gegenübersteht, in den “Grundlagen des nhd. Laut- 
systems’ S. 239 ff. behandelt. Er sucht hier den Nachweis 
zu führen, dass im 15. Jahrhundert in Oberdeutschland die 
Fortis * des Mhd. sich in die Lenis wandelte; und die nhd. 
Schriftsprache, zu deren Zustandekommen verschiedene Dia- 
lekte mitwirkten, habe mit solehen Formen wie docht, damm 
(gerenüber mhd. taht, tam) sich oberdeutsche Elemente ein- 
verleibt. Es dürfte mithin misslich sein, zu entscheiden, ob wir 
nhd. deutsch in der eben erwähnten Weise aus mhd. tiutsch 
zu erklären haben, oder ob es der regelrechte Fortsetzer von 
mhd. diutsch ist; und ebenso schwer dürfte es fallen vom rein 
sprachhistorischen Standpunkt aus auszumachen, ob deutsch 
oder teutsch die richtigere Form ist (efr. basundi — nhd. 
tausend, aber got. bugkjan = nhd. dünken). Ein ähnliches 


Über Sprachrichtigkeit. 103 


Verhältnis liegt vor bei finte und dinte (schon ahd. tincta 
neben dincta). Giebt man läderlich den Vorzug vor lieder- 
lich, so legt man, ganz abgesehen davon, dass sich in mieder 
(mhd. müeder, muoder) das mitteldeutsche und oberdeutsche ὁ 
statt ö festgesetzt hat, wohl zu wenig Wert darauf, dass sich 
das Wort im Mhd. (es tritt hier überhaupt erst sehr spät auf) 
und im älteren Nhd. nur in der Gestalt liederlich findet. (Wei- 
gand Dt. Wörterbuch ὁ I 1109, Lexer Mhd. Handwörterbuen: 
die Form luoderlich in Diefenbachs novum glossarium 535° 
ist überaus fragwürdig.) Ausserdem ist das Wort wohl ganz 
von luder zu trennen: es gehört zu ἐλεύθερος, und durch volks- 
etymologische Anlehnung an luder ist lüderlich entstanden. 
(Vgl. Heyne in Grimms Deutsch. Wörterbuch VI 990 f., Kluge 
Dir Wöxterb: &:212.)* 

Doch ist es sicher nicht die Erkenntnis, dass unsere 
Formulierungen der Lautgesetze mehr oder minder unsicher 
und dem Wechsel unterworfen sind, die diejenigen, welche 
von dem hier kritisierten Standpunkt aus unsere Sprache zu 
verbessern suchen, abhält, ihre Theorien konsequent zur An- 
wendung zu bringen. Fortwährend stösst man nämlich auch 
hier auf Inkonsequenzen, und die Willkür schaltet frei. So 
hat man z. B., um nur einen der unzähligen hierhergehörigen 
Fälle anzuführen, ἢ sich zwar mit Hilfe der niederdeutschen 
Lautstufe für bracht und brangen entschieden, jedoch posaune 
(niederrheinisch basäne) oder pedell (mlat. bidellus, celevisch 
bedelle, ahd. bital pital, mhd. bitel, ags. bydel; durch Be- 
vorzugung von bedell wäre ausserdem der Zusammenhang mit 
bättel besser bewahrt worden) sind, soviel ich weiss, von diesen 
Verbesserungsbestrebungen nicht berührt worden. Übrigens 
bekundet sich die Willkür in diesem Falle nicht nur dadurch, 
dass einzelne Wörter verbessert werden, andere nieht, sondern 
auch dadurch, dass man von der zwischen der Lenis und Fortis 
hin und her schwankenden Schreibung des Oberdeutschen aus- 
geht, während man das fast überall p aufweisende Mittel- 
deutsche, das für die Konstituierung des Nhd. von allergrösstem 
Belang ist, gar nicht zu Worte kommen lässt (vgl. v. Bahder 
Grundlagen 224 ff.).® 

9) Es ist ausschliesslich dem Gutdünken anheimgestellt, 
sich den Zeitraum zu wählen, dessen Sprachgebrauch man 
zum Ideal erheben will. Wenn Rydgvist sich in die Zeit um 


104 Adolf Noreen, 


1300 verliebte, so war sein subjektiver Grund augenscheinlich 
der, dass aus dieser Zeit die älteste schwed. Litteratur stammt. 
Stünde uns eine noch ältere Litteratur zu Gebote, so hätte 
Rydqvist zweifellos im deren Sprache die oberste Norm für 
die Sprachrichtigkeit gesucht. [Die deutschen Gelehrten dieser 
Richtung beschränkten sich fast alle darauf, im wesentlichen 
zur Beschaffung der Norm für die Sprachrichtigkeit im Nhd. 
nicht weiter als bis auf die dem Neuhochdeutschen vorher- 
gehende Sprache zurückzugreifen, d. h. bis auf das Mhd., für 
dessen unmittelbare Fortsetzung man das Nhd. hielt. Dass es 
jedoch Leute gab, die sich mit dem Zurückgreifen bis auf das 
Mhd. nieht genügen liessen, dafür liefert uns Raumer einen 
Beweis. Er sagt (Gesammelte sprachwissenschaftliche Schriften 
162): “Ich habe einen hervorragenden Gelehrten gekannt, der 
meinte, die ganze hochdeutsche Lautverschiebung sei doch 
eigentlich eine Sprachverderbnis und rechtdeutsch sei nur das 
Gotische, Altsächsische u. s. w. Dieselbe Betrachtung würde 
aber ein ähnlich gesinnter altgriechischer oder indischer Gram- 
matiker mit demselben Recht wieder über das Gotische und 
Altsächsische anstellen.” ] Wäre im Schwedischen zu Rydqvists 
Zeit noch keine Litteratur vorhanden gewesen, so wäre er nie 
auf den Gedanken gekommen, in der ältern Sprache die Norm 
für die jüngere zu suchen. Das führt uns zur Betrachtung 
dessen, was den innersten Kern dieser ganzen Anschauungs- 
weise ausmacht. 

6) Sie beruht offenbar im letzten Grunde auf einer Über- 
schätzung der litterarisch fixierten Sprache und infolge 
dessen auf einer schlecht angebrachten Ehrerbietung vor einem 
in dieser Hinsicht bedeutungsvollen Zeitraum (dem "goldenen ’ 
Zeitalter, der klassischen’ Zeit, unserer “ältesten” Sprache, 
der “uralten ehrwürdigen Sprache unserer Vorfahren, oder 
wie die Bezeiehnungen alle heissen mögen). Für die Verfech- 
ter dieser Ansicht lebt die Sprache eigentlich und besser auf 
dem Papier als im Munde der sprechenden Einzelwesen. Die 
gesprochene Sprache hat sich nach der Meinung derselben, 
oder wenigstens der meisten von ihnen, nach der geschriebenen 
zu richten, obgleich es von rechtswegen umgekehrt sein muss. 
Von dem Zeitpunkt an, wo eine Sprache eme Litteratur er- 
halten hat, hat sie in ihren Augen gewissermassen die Weihe 
empfangen, und da übrigens das ältere oft nur weil es alt ist 


Über Sprachrichtigkeit. 105 


als das bessere gilt, so ist es natürlich, dass Abweichung von 
einem ältern Sprachgebrauch gleichbedeutend mit sprachlichem 
“Verfall’ ist, wie man sich oft auszudrücken beliebt, und 
nicht, wie es doch meistens der Fall ist, mit Entwicke- 
lung. 

7) Eine solehe Anschauungsweise führt somit zu einem 
Entgegenarbeiten gegen das Leben der Sprache und würde, 
in folgerichtige Praxis umgesetzt, die Erstarrung der Sprache 
in einer Form, aus der die Sprache einst hervorgewachsen Ist, 
mit sich bringen. Nichts berechtigt uns dazu, im Interesse 
der Sprache an einem ältern Sprachgebrauch festzuhalten, die 
Sprache erheischt vielmehr in einer jeden neuen Zeit ihre be- 
sondere Form, um den Anforderungen der neuen Zeit Genüge 
leisten zu können. 

Diese und ähnliche Beobachtungen führten zu einem 
neuen Standpunkt, 

I. dem naturgeschichtliehen Standpunkt. Unter 
den Vorkämpfern dieser Richtung mag besonders Schleicher 
hervorgehoben werden, dessen Anschauungen im allgemeinen 
in voller Übereinstimmung mit seinen darwinistischen Sympa- 
thien waren, der aber trotzdem stark zur Grimmschen Rich- 
tung hinneigte. Besonders teilte Schleicher den Abscheu der alten 
Schule gegen Analogiebildungen, die als nieht natürlich (d.h. 
unbewusst) genug angesehen wurden, weswegen sie auch alle 
über einen Kamm geschoren und als falsche‘ gebrandmarkt 
wurden [siehe Nachwort]. Der am talentvollsten oder wenig- 
stens am gemeinverständlichsten die sprachphilosophische Grund- 
lage dieses Standpunktes dargestellt hat, dürfte Max Müller 
sein, der jedoch jetzt denselben aufgegeben hat. In Schweden 
haben sich M. B. Richert [Ny Svensk Tidskrift 1888 S. ὅτι ff.] 
und viele seiner Schüler zu ihm bekannt, und überhaupt kann 
man wohl annehmen, dass die Mehrzahl der jüngern Sprach- 
forscher dieses Landes noch seinem Lager angehört!). Die 
Gedankenfolge ist hier diese: 

Die ursprüngliche und eigentliche Sprache, aus der man 
sich zunächst die Norm für die Sprachrichtigkeit holen muss, 
ist die gesprochene Sprache, wobei es vollständig gleichgiltig 
bleibt, ob sie in der Schrift fixiert ist oder nicht. Die gespro- 


1) Auch hier gilt, was ich S. 97 Fussnote 1 bemerkt habe. 


106 Adolf Noreen, 


ehene Sprache ist ein lebendiger Organismus. Also darf 
man daran keinen Anstoss nehmen, dass sie lebt. Man muss 
im Gegenteil zur Einsicht gelangen, dass es eben im Wesen 
der Sprache begründet ist, dass ihr Leben in der Veränderung 
besteht; das ist nicht Verfall, sondern Entwickelung. Die 
Sprache ist ein Organismus von der Art, die Naturprodukt 
genannt wird (vgl. hierüber namentlich Max Müller), und ein 
solehes ist um so besser, je freier und uneingeschränkter es 
sich entfalten kann. Wir müssen, um gut zu sprechen, spre- 
chen “wie der Schnabel uns gewachsen ist” (Schleicher). Also 
fort mit aller “Schulmeisterei’ hinsichtlich der Sprache, zumal 
sich derartige willkürliche Änderungen auf die Dauer doch 
nie halten, nicht einmal, wenn sie von Kaisern [und Königen] 
herrühren, wie von Tiberius, Sigismund, [Chilperich!) und 
Friedrich dem Grossen ?),] die sich auf diesem Gebiet versucht 
haben (Max Müller)?). Wie die Pflanze, die sich frei hat ent- 
wickeln können, am herrlichsten ihre Natur offenbart, so auch 
die Sprache, die nicht gemassregelt wird. Die Dialekte müs- 
sen daher der gebildeten Schriftsprache gegenüber zu Ehren 
kommen, denn sie machen die Sprache κατ᾽ ἐξοχήν aus, die 
“natürliche” Sprache im Vergleich zur Litteratursprache, die- 
ser gekünstelten Mischsprache, in der "die Lautgesetze’ bei 
weitem nicht so herrlich und rein hervortreten. “Das wirk- 
liche und natürliche Leben der Sprache pulsiert in ihren Mund- 
arten” (Max Müller S. 57). (Man hatte soeben begonnen das 
Studium der Phonetik zu pflegen, den Begriff “Lautgesetz 
entdeckt — vorher hatte man mit Buchstaben anstatt mit 
Lauten operiert —, und jetzt wurde dieser neue Abgott ver- 
ehrt, während man früher der etwas mystischen und trans- 


1) [Chilperich suchte vier deutschen Lauten eigene Zeichen zu 
geben. Vgl. Scherer Zur Geschichte der deutschen Sprache ? 11.] 

2) [Friedrich d. Gr. (De la litterature allemande. Oeuvres 
primitives IV 1790, S. 380) schlägt vor, die Verba durch Anhängung 
eines a wohlklingender zu machen, also sagena, gebena τι. Ss. W.| 

3) “Wir könnten ebenso gut daran denken, die Gesetze, welche 
unsern Blutumlauf beherrschen, zu modifizieren, ....als..... nach 
Belieben neue Wörter zu erfinden” (Vorlesungen, deutsche Bear- 
beitung 3 5. 43); “Die Versuche einzelner Grammatiker..... an 
der Sprache herumzubessern, sind vollkommen erfolglos” (S. 79); 
“Selbst ein Kaiser konnte das Geschlecht und die Endung des Wor- 
tes Schisma nicht ändern” (S. 45). 


Über Sprachrichtigkeit. 107 


seendenten Gottheit “Gesetze der Sprache’ seine Huldigung dar- 
gebracht hatte.) Das Ergebnis der Wirksamkeit eimes Lautge- 
setzes ist natürlich unantastbar. Aber auch die andern Produkte 
des Sprachlebens müssen respektiert werden. Ist eine sprachliche 
Form einmal entstanden, so ist sie eo ipso daseinsberechtigt. 
“ Das Wirkliche ist das Vernünftige”. Von mehreren widerstreiten- 
den Formen ist diejenige die bessere, die von einer grösseren Zahl 
gebraucht wird. Was allgemein gebräuchlich ist, ist der beste 
Sprachgebrauch. “Vox populi, vox dei’. Kommt ein neuer 
Sprachgebrauch auf und erwirbt sich die Mehrheit, so ist 
dieser nun der beste. Die Minderheit hat immer Unrecht, 
wohl zu beachten, relativ; denn etwas absolut unrichtiges 
giebt es nicht, sobald es überhaupt vorhanden ist — näm- 
lich in der gesprochenen Sprache. “ Unrichtig sind nur die 
Formen, die von einem Schriftsteller angewandt werden, 
ohne in der gesprochenen Sprache vorzukommen  (Richert). 
Alles andere ist mehr oder minder richtig. Welches der rich- 
tigere Ausdruck sei, lässt sich im einzelnen Fall nicht so leicht 
entscheiden; es kommt auf die Quantität der Redenden, nicht 
auf ihre Qualität an. Sachverständig in der Frage nach 
der Sprachrichtigkeit ist somit nicht vorzugsweise der Sprach- 
forsceher, sondern das ist jeder beliebige aus der redenden 
Gesamtheit, und man findet das in jedem einzelnen Falle 
sprachrichtige durch eine statistische Untersuchung des 
Sprachgebrauchs der Gegenwart. 

[Von ältern deutschen Gelehrten, die sich zu diesem Stand- 
punkt bekennen, mag hier noch genannt werden — Jakob 
Grimm. Obschon er soeben als Vertreter der ersten Richtung 
angeführt worden ist, muss er doch auch hier erwähnt werden. 
Verschiedene Aussprüche in seinen Werken weisen darauf hin, 
dass bei ihm eine Tendenz zu den Anschauungen des zweiten 
Standpunkts vorhanden war. So heisst es z.B. in der Vorrede 
(S. IX f.) zur ersten Auflage der Deutschen Grammatik: Durch 
den Unterrieht in der Muttersprache wird “gerade die freie 
Entfaltung des Sprachvermögens in den Kindern gestört’; 
“Jeder Deutsche, der sein Deutsch schlecht und recht weiss, 
d.h. ungelehrt, darf sich, nach dem treffenden Ausdruck eines 
Franzosen, eine selbsteigene, lebendige Grammatik nennen und 
kühnlich alle Sprachmeisterregeln fahren lassen . “Wie man 
von einer republique des lettres redet, so entscheidet auch 


108 Adolf Noreen, 


über die Wörter und ihre Schreibung zuletzt nur der allge- 
meine Sprachgebrauch und Volkswille” (Vorrede zum Wörter- 
buch LXD. Durch diese Auffassung gerät Grimm mit sich 
selbst in Widerspruch, da er, wie die oben angeführten 
Beispiele zeigen, in Fällen, wo es gilt die Sprachrichtigkeit 
einer Form festzustellen, ein ganz entgegengesetztes Verfahren 
einschlägt, ein Widerspruch, der nur wenig gemildert wird 
durch die Erklärung in der zweiten Aufl. der Deutsch. Gramm. 
(Vorrede XIX), dass er "nur den fast sinnlosen Elementarun- 
terricht angegriffen, nicht aber vernünftige Anwendung deutscher 
Grammatik in höhern Klassen verredet habe”.] 

= Unter den jüngern Sprachforschern mag Osthoff als Ver- 
treter der naturgeschichtlichen Riehtung erwähnt werden τ): ἢ 
vgl. “Schriftsprache und Volksmundart‘ (Heft 411 der Sammlung 
gemeimverständlicher wissenschaftlicher Vorträge): “So muss 
auch die Schriftsprache, als Sprache betrachtet, unzweifelhaft 
zurückstehen an Werte gegenüber der Volksmundart” (S. 15). 
“Es giebt überhaupt, dies kann nicht genug betont werden, 
in dem Auge unbefangener, echt historischer Sprachbetrachtung 
kein richtig und falsch einer Sprachform. Die Wissenschaft 
des Völkerrechts verdankt dem Reehtshistoriker Savigny den 
wichtigen Grundsatz, dass auf alle geschichtliche Entwickelung 
die Begriffe von Recht und Unrecht nieht anwendbar sind, 
dass etwas geschichtlich gewordenes eben darum, weil es ge- 
worden ist, zu rechte besteht, dass ihm dies Recht des Be- 
stehens nieht darum abzusprechen ist, weil es sich auf Kosten 
eines vorher bestehenden anderen emporgeschwungen hat. Mag 
auch Napoleon III. immerhin sich durch einen Staatsstreich 
und sonstige moralisch verwerfliche Mittel an die Spitze des 
Staates drängen, sowie es ihm gelingt, sich in der Macht fest- 
zusetzen, ist er legitimer Kaiser der Franzosen” (ὃ. 27). “ Unter 
Sprachfehler müssen wir dasjenige verstehen, was nicht, nicht 
mehr oder noch nieht m den allgemeinen Gebrauch aufge- 
nommen... . Ist” 

Es dürfte, um diesen Standpunkt klar zu beleuchten, 
nicht von nöten sein viel Beispiele dafür anzuführen, wie er 
sich auf Thatsachen angewandt ausnimmt: *die stacheln und 


1) [Ich habe mir erlaubt, die nachstehenden Ausführungen 
Osthoffs aus der Fussnote hier in den Text herüberzunehmen.] 


Über Sprachrichtigkeit. 109 


stachel * sind als Pluralformen beide richtig, denn beide sind 
im Gebrauch; da jene Form wohl in der Rede die gewöhn- 
lichere ist, so ist sie wohl auch die richtigere. Der Plural 
5 die spiegeln* ist wunrichtig, da er nicht gebraucht wird. 
Ebenso die Pluralform fjällar von fjäll berg, die allerdings 
in der Schrift, aber nicht in der mündlichen Rede vorkommt. 
Ebenfalls ein unriehtiger Ausdruck ist omhänderhafva, da er 
ausschliesslich der Schriftsprache angehört. Wollte z. B. je- 
mand sich dazu verstehen, zum lat. caro einen neuen Genitiv 
*carinis (vgl. eirgo: eirginis) oder *caronis (vgl. Juno : Juno- 
nis) anstatt carnis zu bilden, so wäre das unrichtig, da der 
Genitiv von caro thatsächlich carnis heisst u. s. w. 

Es ist klar, dass dieser Standpunkt ebenso unhaltbar wie 
der erste ist. Ja er ist noch ungereimter und kann durch die 
Kritik grossenteils ad absurdum geführt werden, indem diese 
seine eignen Voraussetzungen und Annahmen zum Ausgangs- 
punkt nimmt. Folgende Einwände bieten sich fast von 
selbst dar: 

1) Es wäre höchst sonderbar, dass die Sprache eine solche 
Ausnahmestellung einnehmen sollte, dass eben hier die Frage 
nach recht und unrecht, besserem und schleehterem unfehlbar 
durch einen Majoritätsbeschluss gelöst werden könnte. Hier 
könnte mithin die Minderheit niemals den richtigeren Stand- 
punkt vertreten. Hier allein wäre die Macht vollständig das- 
selbe wie das Recht. Aber das wäre ja nichts anders als die 
Verneinung alles eigentlichen Rechts. 

2) Da bei diesem Standpunkt das bessere und schlechtere 
von der Anzahl der Redenden abhängt, so folgt daraus, dass 
man unmöglich von zwei verschiedenen Ausdrücken zur Bezeich- 
nung desselben Dinges (den einen für den besseren erklären kann, 
sobald diese Ausdrücke vollkommen gleich gebräuchlich sind. 
Und da im ganzen Verbesserung (und Verschlechterung) auf 
sprachlichem Gebiet nichts anderes bedeuten kann, als dass die 
Sprache immer einheitlicher (oder sich widerstreitender) wird, 
dass immer weniger (oder mehr) der Sprachgebrauch der Min- 
derheit sich in ihr geltend macht, so ist damit auch gegeben, 
dass man nicht sagen kann, von mehreren zu verschiede- 
nen Zeiten herrschenden allgemein üblichen Ausdrucksweisen 
sei die eine besser als die andere, dass man nicht behaupten 
kann, die Sprache sei durch ihre Veränderungen besser (oder 


110 Adolf Noreen, 


schlechter) geworden. Aber wie man dann von Entwicke- 
lung (oder Rückgang) in der Sprache reden kann, ist unbe- 
greiflich. Man ist nieht berechtigt einen anderen Ausdruck 
als Veränderung anzuwenden, wobei man mehr, als es bisher 
der Fall gewesen ist, bedenken müsste, dass nicht alle Ver- 
änderungen Änderungen zum bessern sind. Aber von diesem 
Standpunkte aus ist ein Sprachgebrauch, der gang und gäbe 
ist, immer vollkommen richtig, wie er auch beschaffen sein 
mag. Nunwohl! angenommen, dass wir, bewusst oder unbe- 
wusst, unsere Sprache in einer gewissen Weise änderten und 
diese Änderung allgemein durchgeführt würde. Die neue Sprache 
wäre ja nun gut, denn sie wäre allgemem gebräuchlich. Aber 
nähmen wir dann eime neue Änderung vor, die den alten 
Sprachgebrauch vollständig wiederemführte: nun wäre dieser 
genau ebenso gut, wenn er nur ebenso allgemem angenommen 
würde. Das wäre ja dasselbe, wie wenn man sagen wollte: 
alle Kleidermoden sind gleieh gut, wenn sie nur 
gleich gebräuchlich sind. Diese Anschauung scheint allerdings 
in der That viele Anhänger zu haben, wenn auch nicht viele 
Mut genug haben sie auszusprechen. 

3) Es dürften indes bei einem Volk, das dieser Auf- 
fassung allgemein huldigt — was doch die Bekenner der- 
selben als wünschenswert ansehen müssten —, streng genom- 
inen gar keine Sprachänderungen vorkommen, wenn man nicht 
nur in obenerwähnter Weise lehrt, sondern auch nach ihr 
lebt. Denn wer gut reden will, muss sich natürlich genau 
nach der gebräuchlichsten Ausdrucksweise richten, mithin die 
ungewöhnlichen Ausdrucksweisen und ganz besonders Neu- 
schöpfungen vermeiden, denn diese sind absolut unrichtig, 
dla sie nie vorher gehört worden sind. Und doch sind es jene, 
die der Sprache vorzugsweise Farbe und Poesie geben, und 
diese sind es, in denen und dureh die die Sprache hauptsäch- 
lich lebt. Also führt auf diesem Wege das Streben nach 
Sprachrichtigkeit zur Beschränkung und Erstarrung der spraeh- 
lichen Ausdrücke, d. h. zur Armut und zum Tode der Sprache. 
Und doch wollte man in diesem Lager ursprünglich ein Prin- 
zip für die Sprachrichtigkeit, das das Leben der Sprache 
achtet und befördert, gewinnen. Aber offenbar ist im letzten 
Grunde «lieser Standpunkt nicht von dem ersten, der den 
Sprachgebrauch einer vergangenen Zeit als allemseligmachend 


Über Sprachrichtigkeit. 111 


aufstellte, verschieden. Er proklamiert, folgerecht und ener- 
gisch durchgeführt, den der Gegenwart. — Aber, wendet man 
inir vielleicht ein, die Sprache würde trotz alledem am Leben 
bleiben, denn der Wille des Menschen ist der Sprache gegen- 
über ohnmächtig, und unsere eifrigsten Bemühungen würden 
von keinem Erfolg gekrönt sein. Mag sein, obgleich ich für 
meine Person keineswegs die Richtigkeit dieser Behauptung 
zugebe. Unter allen Umständen würde sich die Sprache in 
diesem Fall nur durch Verstösse gegen die Sprachrichtigkeit 
am Leben erhalten und entwickeln; ihr Leben bestünde dann 
in einer Reihe von sprachlichen Sünden; diejenigen, die 
“falsch” sprechen, wären es, denen wir die “Entwiekelung 
der Sprache zu verdanken hätten. Ein Prinzip aber, das zu 
einer solehen Auffassung führt, ist offenbar unrichtig'). 

4) Dieser Standpunkt beruht in letzter Instanz sichtlich 
auf einer irrigen Auffassung vom Wesen der Sprache, indem 
diese als “Naturprodukt' angesehen wird. Selbst wenn man 
dieses Dogma gelten lässt, ist der Gedankengang, der weiter 
eingeschlagen wird, in mehrfacher Hinsicht unrichtig. Folge- 
widrig ist es, da, wo man an die glücklichen Ergebnisse eines 
wilden, (vom menschlichen Willen) ungehemmten Wachstums 
glaubt, überhaupt noch von Sprachrichtigkeit zu reden. Eine 
ganz eigentümlich gebildete verkrüppelte Fichtenart (Rauzen) 
ist dann ebenso gut wie die typischste Fichte. Das aber ist 
ein Irrtum, dass die Pflanze die beste ist, die wild gewachsen 
ist. Werden nicht unzweckmässige Schösslinge abgeschnitten, 
so kann die Pflanze ausgehen. Anderseits kann das Einimpfen 
eines neuen Reises mitunter gerade das sein, was not thut. 
Das Gewächs “entwickelt sich” besser durch eme gesunde 
Kultur als im freien’, “natürlichen Zustand. Also: die 
kultivierte, gezüchtete Pflanze steht ihrer Art nach höher und 
ist besser als die wilde; der gepflegte Weinstock giebt edlern 
Wein als der wilde. Gern will ich zugeben, dass ein doktri- 


1) [Vergleiche übrigens Paul Prinzipien ? 350 f.: “Die Ge- 


meinsprache ist ..... nichts als eine ideale Norm, die angiebt, 
wie gesprochen werden soll..... wie ein Gesetzbuch oder ein 
Dogma an sich unveränderlich ..... Sie ist nichts als eine starre 


Regel, welche die Sprachbewegung zum Stillstand bringen würde, 
wenn sie überall strikte befolgt würde, und nur soweit Verände- 
rungen zulässt, als man sich nicht an sie kehrt.” ] 


119 Adolf Noreen, 


närer und zur Verkünstelung neigender Gärtner durch Be- 
schneidung im Barockstil und andere verschrobene Massregeln 
die Pflanze beschädigen und verunstalten kann und es auch 
oft thut. Aber das schliesst doch nicht die Pflege der Pflanze 
durch einen Gärtner, der ihre Natur und Bestimmung kennt, 
aus, und das ist das Ideal. 

Um ein vermünftiges Prinzip für die Sprachrichtigkeit 
aufstellen zu können, muss man mithin versuchen zu einer 
richtigen Auffassung von dem Wesen und der Bestimmung der 
Sprache zu gelangen. Ist diese gefunden, so ist es verhält- 
nismässig leicht, die Norm für die Sprachrichtigkeit anzugeben. 
Derjenige Sprachgebrauch ist natürlich der beste, der die 
der Sprache gestellte Aufgabe am besten löst. Was ist das 
nun für eine Aufgabe ? 

Die Beantwortung dieser Frage leitet uns zu dem über, 
was ich oben bezeichnen zu können glaubte als (III.) den ratio- 
nellen Standpunkt. Ich kann hier kaum auf irgend einen 
Gelehrten als Hauptvertreter dieser Richtung hinweisen, da 
(die betreffende Anschauungsweise, als wissenschaftliche Theorie, 
sich noch im Zustande der Gestaltung befimdet und meines 
Wissens noch nicht klar formuliert worden ist, obgleich sie 
eine notwendige Ergänzung zu der Anschauung von dem Wesen 
und der Aufgabe der Sprache ist, der von Madvig, Whitney, 
Leskien, Paul und überhaupt der ganzen sogenannten Jjung- 
erammatischen Schule gehuldigt wird und die so siegreich 
verfochten worden ist. Indes zeigen deren Anhänger inbe- 
treff der Sprachrichtigkeit noch eine schwankende Haltung, was 
darin seinen Grund hat, dass es ihnen nicht gelungen ist, sich 
vollständig vom Einfluss des ältern, soeben geschilderten "na- 
turgesehiehtlichen  Standpunkts frei zu machen. Das gilt 
z.B. von Deutschland, wo sich die eifrigsten und talentvollsten 
Junggrammatiker finden!), wie auch von Schweden, wo 
sich vermutlich das jüngere Geschlecht der Sprachtforscher 

1) Z. B. “Die überwiegende Häufigkeit einer Aussprache ist 
der einzige Massstab für ihre Korrektheit und Mustergültigkeit” 
(Paul Prinzipien der Sprachgeschichte ? 8.58). So weit jedoch Paul 


hier nur die Aussprache im Auge hat — was sehr möglich 
ist — und nicht zugleich die übrigen Arten der Formenbildung, 


ist sein Ausdruck fast vollständig richtig. Das ist dagegen unter 
keinen Umständen der Fall mit Osthoffs * oben angezogenen * zu- 
gespitzten Aussprüchen. 


Über Sprachrichtigkeit. 115 


mehr oder weniger eng dieser Richtung anschliesst. In Schwe- 
den könnte man jedoch Es. Tegner hinsichtlich der Sprachrich- 
tigkeit als einen ziemlich konsequenten Vertreter des fraglichen 
Standpunkts ansehn, obgleich er sich in seinem vorzüglichen 
und für die Kritik des “litterargeschichtlichen " Standpunkts 
so wichtigen Aufsatz “Über Sprache und Nationalität’ (Svensk 
tidskrift 1874 S. 104 ff.) einige Ausdrücke hat zu schulden 
kommen lassen, aus denen hervorzugehen scheint, dass er in Über- 
einstimmung mit den Anhängern des vorigen Standpunkts den 
Gebrauch als die oberste Norm für die Sprachrichtigkeit auf- 
stellt). Viele vortrefflicehe Bemerkungen und Andeutungen, 
die auf das rechte hinweisen, finden sich in dem kleinen Auf- 
satz “Einige Worte über die Bearbeitung der schwedischen 
Sprache in der Gegenwart’ von —n, einer Schrift, in der 
schleehter Stil und grell hervortretender Mangel an Fachkennt- 
nissen nebst manchen unhaltbaren Einfällen nicht imstande sind 
den Eindruck des ungewöhnlich guten natürlichen Verstands, 
von dem die Arbeit im ganzen zeugt, zu verwischen. Über- 


1) “Mag die Sprache ihren Gang gehn” (S. 144); “Der denk- 
bar grösste sprachliche Aberwitz ist richtig, sobald der Brauch auf 
seine Seite tritt, wie auch der schlimmste Usurpator rechtmässig 
ist, wenn er nur vollkommen fest auf seinem Thron sitzt” (S. 155); 
“Eine Sprache ist nichts anderes als eine innerhalb eines gewissen 
Kreises herrschende Mode. Wenn diese Mode auch noch so wider- 
sinnig ist, so ist sie doch (“auch’ ist wohl Druckfehler) Sprachge- 
setz, insofern sie ihre Giltigkeit behauptet. Darüber hinaus giebt 
es keine Autorität, auf die man sich berufen könnte. Insofern 
kann man sagen: vox populi vox dei” (S. 112). Hierauf antworte 
ich natürlich (vgl. auch was ich darüber in der Zeitschrift Nysta- 
varen 1886, S.23f. geäussert habe): Ebenso gewiss, wie man, um zu 
ermitteln, wie eine richtige Kleidung beschaffen sein muss, von 
einem modesüchtigen Publikum an den Arzt, der über die Bestim- 
mung der Kleidung nachgedacht hat, und an den Schneider, der 
sie gewerbsmässig verfertigt, appellieren kann, so kann man auch 
hinsichtlich der Sprache an den Sprachphilosophen oder den form- 
und sprachgewandten Beherrscher der Sprache Berufung einlegen. 
Damit sei jedoch nicht in Abrede gestellt, dass der vorzugsweise 
auf den Gebrauch gegründete Geschmack des Publikums einen 
umgestaltenden Einfluss ausübt. Denn wenn ein Schneider im Ein- 
vernehmen mit einem Arzt die vollkommensten Anzüge verfertigt, 
aber das Publikum einen so verkehrten Geschmack hat, dass es 
vorzieht unbekleidet zu gehn, so ist handgreiflich, dass diese Klei- 
der für den gegebenen Fall (d.h. für dieses Publikum) schlecht, 
ja durchaus unbrauchbar sind. Hiervon unten mehr. 


Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. Ss 


114 Adolf Noreen, 


haupt mögen die meisten der nicht sprachwissenschaftlich ge- 
scehulten Schriftsteller mehr oder weniger unbewusst auch in 
der Praxis den memes Erachtens richtigen Standpunkt in der 
Frage nach der Sprachrichtigkeit vertreten, während einem hier 
das Vorgehen der eigentlichen Fachmänner manchmal das alte 
Wort τὰ πολλά ce τράμματα εἰς μανίαν περιτρέπει ins Ge- 
dächtnis ruft. Ich dürfte also wohl einer in weiten Kreisen 
herrschenden Anschauung des natürlichen Verstands das Wort 
reden, wenn ich mich nun dazu wende, den Gedankengang 
darzulegen, der vom “rationellen Standpunkt’ aus zu befol- 
gen ist. 

Man hat hier von folgendem Grundsatz auszugehen: die 
Sprache ist das Mittel der Mitteilung. Also ist der Sprach- 
gebrauch der beste, der am besten das mitteilt, was mit- 
geteilt werden soll. Absolut unrichtig ist mithin nur der 
Sprachgebrauch, der entweder gar nicht vermag demjenigen, 
an den die Worte gerichtet sind, die Gedanken des Sprechen- 
den (Schreibenden u. s. w.) verständlich zu machen, oder 
eine falsche Auffassung von ihnen beibringt. Falsch ist der 
Sprachgebrauch, dem es nur unvollständig gelingt, seine Be- 
stimmung zu erfüllen, nämlich den Gedanken zu übermitteln; 
gut, bezw. am besten ist der Sprachgebrauch, dem es an- 
nähernd oder vollkommen gelingt, den Angeredeten in das Ge- 
danken- und Vorstellungsleben des Redenden hineinzuversetzen. 
Welche Mittel und Kunstgriffe müssen nun angewandt werden, 
um ein möglichst gutes Resultat zu erzielen? Das hängt na- 
türlich davon ab, wer in jedem emzelnen Fall der Redende, 
und wer der Angeredete ist. Dieser ist hierbei der wichtigere 
von beiden. Der Gesichtspunkt ist mithin vollkommen oppor- 
tunistisch. Kein Ausdruck ist überhaupt der beste, sondern 
jeder ist nur in diesem speziellen Fall der beste. Was hier 
gut ist, ist dort schlecht; was heute ein guter Sprachgebrauch 
ist, ist morgen ein Sprachfehler. Als allgemeine Regel können 
wir aufstellen: Am besten ist, was vom jeweiligen 
Publikum am exaktesten und schnellsten verstanden 
und vom Vortragenden am leichtesten hervorge- 
bracht!) werden kann, oder, wie Flodström (Nystavaren 


1) Vgl. Tegners Ausdruck (a. a. Ο. 150): “Was am leichtesten 
gegeben und am leichtesten verstanden wird”. 


Über Sprachrichtigkeit. 115 


1887 5. 143) diese meine Fassung zu ändern vorschlägt: 
Am besten ist die Sprachform, die mit der erfor- 
derlicehen Deutlichkeit möglichst grosse Einfach- 
heit verbindet. [Vgl. Behaghel Die deutsche Sprache 8. 83: 
“Der oberste Zweck der Sprache ist die Verständlichkeit”; 
es genügt “nicht für die Zwecke der Verständlichkeit, dass 
für den Hörer bei reiflicher Erwägung die Zweideutigkeit aus- 
geschlossen sei, sondern möglichst rasch und leicht soll die 
Vorstellung des Hörenden durch em bestimmtes Lautbild an- 
geregt werden '.] 

Um nun zu zeigen, wohin diese Auffassung in der Praxis 
führen muss, will ieh jetzt aus Schriftstellern einerseits eine 
Anzahl von Beispielen für einen Sprachgebrauch vorführen, 
der aus diesem Gesichtspunkt als Sprachfehler betrachtet wer- 
den muss; anderseits Beispiele für einen solchen, der eine 
wirkliche Verbesserung und Entwickelung der Sprache dar- 
bietet. Hierbei muss ich jedoch noch einmal betonen, dass 
das, was in Schriften (und Reden) für em bestimmtes 
Publikum berechnet ist, ein Fehler, einem andern Publikum 
gegenüber ein glücklicher Griff sein kann, und umgekehrt. 
[Quintil. instit. X 1, 9: "omnia verba .... sunt alicubi op- 
tima: nam et humilibus interim et vulgaribus est opus, et 
quae nitidiore in parte videntur sordida, ubi res poscit, pro- 
prie dicuntur”.) 

1) Unriehtig ist, was missverstanden wird. Es ist 
also z. B. entschieden wnrichtig, in einer nicht-philosophischen 
oder in einer gemeinverständlichen philosophischen Darstellung 
Ausdrücke *wie “Sinnlichkeit’, “Sittengebot‘, "reine Vernunft‘, 
“ praktische Vernunft‘, “lebendige Kraft‘, “Ding an sich 
zu gebrauchen, um die Begriffe, die in der Kantschen * Phi- 
losophie fachmännisch so benannt werden, zu bezeichnen. Un- 
richtig deshalb, weil diese Ausdrücke fast unbedingt von einem 
nicht philosophisch gebildeten missverstanden werden müssen, 
‚wie auch beinahe täglıch die Erfahrung erweist. 

2) Unriehtig ist, was nicht verstanden wird. Es ist 
mithin offenbar verkehrt, in Schriften, ἢ die sich an die minder 
gebildeten Volksschichten wenden, Ausdrücke wie perfid für 
treulos oder arglistig, nonchalant für lässig, saumselig U.S.W. 
zu gebrauchen *. Sie sind unrichtig, nicht aus irgend welchen 
patriotischen (puristischen) Gründen, sondern weil sie hier 


110 Adolf Noreen, 


nicht verstanden werden. Höchstens können sie missver- 
standen werden, ® wie z. B. örritieren bei den untern Stän- 
den Berlins so viel wie irre machen, gastrisches fieber, so 
viel wie garstiges fieber besagt, oder in Würtemberg ohne 
genie gleichbedeutend mit ungeniert ist.” 

Ein besonderer Fall von Unverständlichkeit wird nicht 
selten durch die sogenannten Homonymen veranlasst, d. h. 
Wörter von gleichem Klang, aber verschiedener Bedeutung 
(z. B. *die acht = eine Ziffer, Sorgfalt, Bann*). Obgleich 
das Vorhandensein derselben in jeder Sprache mehr oder min- 
der unvermeidlich !) ist, besteht darin doch eme nicht unwesent- 
liche Unzulänglichkeit?) der Sprache, da dadurch leicht zwei- 
deutige Ausdrücke geschaffen werden, d. h. Ausdrücke, die 
insofern nicht verstanden werden, als sie keinen Aufschluss 
geben, welehe von den beiden (oder von mehreren) denk- 
baren Bedeutungen gemeint ist?). Sie gereichen nur den Lieb- 


δι 


1 Da ja die allermeisten “Wörter° mehrere Bedeutungen 
haben, also eigentlich verschiedene Wörter sind, so besteht streng 
genommen der überwiegend grösste Teil des Wortschatzes einer 
Sprache aus Homonymen. Eine Sprache, in der jede Begriffsabstu- 
fung ihren eignen Ausdruck findet, ist leider ein Hirngespinst. 

2) Dagegen bringt das Bestehen von sogenannten Synony- 
men, d.h. Wörtern von verschiedenem Rlang, aber (derselben oder) 
ungefähr derselben Bedeutung einen höchst beträchtlichen Vorteil 
für eine Sprache mit sich. Denn vor allem ist hervorzuheben, dass 
sich die sinnverwandten Wörter fast nie vollständig decken, son- 
dern gewisse Bedeutungsschattierungen angeben (wie z. B. *lan- 
deskind, eingeborner, einheimischer, inländer, eingesessener, an- 
sässiger *, u.a.) und somit geradezu notwendig sind, um einen Ge- 
danken treffend und scharf zum Ausdruck zu bringen. Und ferner 
ınöge man bedenken: wenn zwei Synonyme sich wirklich vollstän- 
dig deckten (wie z. B. möglicherweise im gewöhnlichen Sprachge- 
brauch Christus und Jesus), so ist es doch, namentlich in ästhe- 
tischer Hinsicht, durchaus nicht zu unterschätzen, dass man die 
Möglichkeit hat im Ausdruck zu wechseln. 

3) Zu beachten ist, dass, wenn auch die Schrift bisweilen 
dieser Ungelegenheit durch Schreibungen wie ὅτε : lied, wah- 
ren :waaren:waren® u.ä. ausgewichen ist, dadurch gar nichts 
für die gesprochene Sprache gewonnen wird, in der Redewen- 
dungen wie *sein vater verfertigte waf(a)gen, oder nur einige 
lerchen (lärchen) belebten die öde haide* zweideutig sind, wie 
sie auch geschrieben werden mögen. Wenn indes in dieser Be- 
ziehung die geschriebene Sprache besser als die gesprochene ist 


Uber Sprachrichtigkeit. 117 


habern von Wortspielen zu Nutz und Frommen, auf deren Be- 
quemlichkeit man jedoch bei der Beurteilung von Fragen der 
Sprachrichtigkeit keine sonderlich grosse Rücksieht zu nehmen 
braucht. Indes sind die meisten Homonymen verhältnismässig 
unschädlich, da man gewöhnlich aus dem Zusammenhang er- 
sieht, welehe Bedeutung im jeweiligen Fall die rechte ist. Es 
liegt aber unter allen Umständen eime, wenn auch nicht be- 
sonders schwerwiegende, Misslichkeit darin, dass * wir z. B. 
sechzehn verschiedene Wörter von der Form lehne haben näm- 
lich 1) Sgl. Fem. lehne — Stütze, mhd. löne. 2) Sgl. Fem. 
— wilde Sau, mhd. liene. 3. Sgl. Fem. — Achsnagel, läünse. 
4) Sgl. Fem. — Lenne, Leinbaum, mhd. lanboum. Ὁ) Dat. Sgl. 
von das lehn = das Lehen, mhd. Zehen. 6) Nom. Gen. Akk. 
Plur. davon = die Lehen. 7) Kurzname = Helene. 8) 1 Pers. 
Praes. Indik. von lehnen intransit. = sieh stützen, mhd. lönen. 
9) 1. und 3. Pers. Praes. Konj. davon. 10) Imperativ davon. 11) 
1. Pers. Praes. Indie. von lehnen — lehnen, transitiv, mhd. 
leinen. 12) 1. und 3. Pers. Praes. Konj. davon. 13) Imperativ 
davon. 14) 1. Pers. Praes. Indik. von lehnen — leihen (das 
Simplex findet sich z. B. noch bei Stilling, Rückert), mhd. 
lehenen. 15) 1. und 3 Pers. Praes. Konj. davon. 16) Imperativ 
davon®. Es liegt daher auch auf der Hand, dass, wenn ein 
Wort zwischen zwei Formen schwankt, von denen die eine 
dem Klange nach mit der eines andern Wortes übereinstimmt, 
die andere vorzuziehen ist. #Es ist demnach die Form ahnen 
der Form ahnden gegenüber zu bevorzugen, da ahnden schon 
in der Bedeutung rächen Verwendung findet. Desgleichen ist 
die althergebrachte und von der Aussprache anerkannte Unter- 
scheidung von geisel “obses’ und geissel "Hagellum’ beizube- 
halten (vgl. Wilmanns Die Orthographie $ 126), obgleich ety- 


— ein Vorzug, der doch sicherlich nieht von der Bedeutung ist, 
dass der Unterschied in der Schrift aufrecht erhalten werden muss 
mit Hintansetzung anderer beachtenswerther Gesichtspunkte, die 
schon lange manchen veranlasst haben Unterscheidungen folgender 
Art aufzugeben, wie *loos : los, haide : heide, saite : seite, thon: 
ton*® u, ἃ. — wenn es sich so verhält, so ist hingegen die Schrift 
mit einem andern, ihr eigentümlichen Übelstand behaftet, näm- 
lich mit den sogenannten Homographen, d. h. Wörtern von ver- 
schiedenem Klang und verschiedener Bedeutung, aber gleicher 
Schreibung, z. B. * weg (Substantiv und Adverb), schoss (Verbum, 
Trieb, Steuer, Hüftbug)* u. a. 


118 Adolf Noreen, 


mologisch beiden Wörtern s zukommt.* Von diesem Gesichts- 


punkt aus muss man daher auch — als einem thatsächlichen 
Nachteil für die Sprache — der Ausbreitung der in *Berlin 


(und andern Orten, wie z.B. in Livland, jedoch mit einer Ein- 
schränkung vor r) ganz üblichen Aussprache von ä!) entgegen- 
arbeiten, infolge deren sägen und segen, bären und beeren, 
fäden und fehden, säen und seen, zähe und zehe, träten 
und treten, gäben und geben, bäten und beten u. Ss. w.* zu- 
sammenfallen, mit dem notwendigen Ergebnis, dass die Sprache 
hierdurch durch eimige Dutzend oder vielleicht einige Schock 
neuer Homonymen bereichert wird. 

Eine Gruppe von Homonymen, die hier besonders be- 
achtet zu werden verdient, bilden die, die dadurch entstanden 
sind, dass verschiedene Glieder eines Paradigmas dieselbe Form 
angenommen haben. Eine derartige Vereinfachung des Para- 
digmas ist nichts schlimmes, so lange dadurch keine Zwei- 
deutiekeit entsteht — so z. B. bietet der Umstand, dass im 
® Neuhochdeutschen beim Singular gewisser Paradigmen ® der 
Nominativ, Dativ und Akkusativ dieselbe Form erhalten haben, 
keine erwähnenswerte Missliehkeit, eher gewisse Vorzüge dar 
— aber sie begreift eine Sprachverschlechterung in sich, so- 
bald dieses der Fall ist. Denn das besagt nichts anderes als 
(dass zwei (oder mehrere) wesentlich verschiedene Bedeutungen 
um dieselbe Form ringen müssen, was doch em Mangel ist. 
*=Als z. B. der mhd. Sing. der vinger, stival und der Plur. 
die vingere, stivale gewissen Lautgesetzen zufolge sich in 
der nhd. Sing.- und Plur.-Form finger, stiefel vereinigten, 
entstand eine Zweideutigkeit, aus der sich ein wirklicher 
Missstand ergab. In emer Wendung wie bring mir papas 
stiefel oder sie flickt Ottos ärmel ist es uns ganz un- 
möglich zu entscheiden, ob es sich um einen oder mehrere 
Stiefel bezw. Ärmel handelt. Diesem Übelstand helfen die 
dureh Anlehnung an die »-Stämme entstandenen Formen stie- 
feln, fingern, ärmeln, stacheln, flägeln ab, Formen, die deutlich 
und daher vortrefflich sind, wenngleich sie auch von manchen, 
wie z. B. von Andresen (Sprachgebrauch 31) und von Heyse- 


1) * Die Unterscheidung von ἃ und e ist ”schulmeisterlich 
künstlich”. So Hermann Schmolke (Progr. des Friedrichs-Realgym- 
nasium zu Berlin 1890 S. 14). ἢ 


Über Sprachrichtigkeit. 119 


Lyon (Deutsche Grammatik 122), zurückgewiesen werden.” 
Ein Unglück für die Sprache ist es vielleicht, dass man 
nicht auf dem einmal betretenen Weg weiterging, sondern 
diese Plurale im Gegenteil allınählich zurückgedrängt worden 
sind. Und “sprachwidrig ist es, jetzt solehen Formen entgegen- 
arbeiten zu wollen, die glücklicherweise noch recht oft — 
wenigstens in der gesprochenen Sprache [z. B. in Berlin] — 
vorkommen). *Zu beachten ist noch, dass hie und da eine 
Pluralform auf -», wie z. B. ärmeln (vgl. Weinhold Mhd. 
Grammatik 432), stiefeln, 500 oder 600 jährige Ahnen hat, * 
was ihr doch die Gunst der Freunde des alten zusichern müsste, 
die bisher ihre ärgsten Feinde gewesen sind?). Hier haben 
wir mithin wieder einen Fall, wo die, wenigstens in der ge- 
schriebenen Sprache, weniger gebräuchliche Form die richtigere 
ist.* “Über Buddhas aposteln’?) ist ein richtigerer Titel 
als “Über Buddhas apostel’, * wenn es sich wirklich um 
mehrere handelt; er ist richtiger, weil er deutlicher über die 
Meinung der sich AÄussernden Auskunft giebt.* Bürgern, 
pfarrern* u. s. w. wären richtigere Pluralformen als *bärger, 
pfarrer* u. 5. w., wenn und sobald solehe Formen leich- 
ter verstanden werden, was jedoch sicherlich noch nicht der 
Fall ist, wie etwa mit ἢ schlässeln, giebeln® u.s. w. ὃ Man 
ist nämlich noch gar zu wenig gewohnt die Endung -n bei 


1) [Genau das umgekehrte Verhältnis — Schwanken im Sin- 
gular, der Plural ausschliesslich schwach flektiert — weisen im Nhd. 


bauer und nachbar auf, während sie im Ahd. und Mhd. sowohl 
schwach als auch stark dekliniert werden konnten, also nhd. des 
nachbarn oder nachbars, des bauern oder bauers — die nach- 
barn, bauern. Wird nun in Wendungen wie ich kenne Ottos nach- 
barn durch Bevorzugung der starken Form im Singular die Zwei- 
deutigkeit gehoben, so erhielten wir genau den Flexionstypus, dem 
oben das Wort geredet wurde, also: der stiefel, des stiefels — die 
stiefeln.]| 

2) “Es ist ein sonderbares Verhältnis, dass es vielen, im übri- 
gen scharfsinnigen Männern, die dafür eifern, dass wir die Sprache 
unserer Väter rein und unverderbt erhalten, schwer fällt, sich zu 
vergegenwärtigen, dass unsere Väter nicht nur um 1200 und 1300, 
sondern auch im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert lebten”. 
(Es. Meener a. a. O0. S.. 132). 

3) So auch schon im Mhd. neben der starken Flexion. Vgl. 
die mhd. Wörterbücher. Auch Luther schreibt aposteln. 


120 Adolf Noreen, 


den Wörtern auf -el und -er zu finden. Doch auch an diese 
alle wird und muss mit der Zeit die Reihe kommen. * 

3) Unriehtig ist ferner das, was nur mit Schwierigkeit 
verstanden wird. Ich habe bisher ausschliesslich darauf Nach- 
druck gelegt, dass es von Wichtigkeit sei, dass ein Ausdruck 
vom Angeredeten exakt erfasst werde. Es ist aber auch von 
Belang, dass er schnell und mit möglichst geringer Anstren- 
gung!) verstanden wird. [Rasch und leicht soll die Vorstel- 
lung des Hörenden durch em bestimmtes Lautbild angeregt 
werden.” Behaghel Deutsche Spr. 83.| Minder richtig ist 
daher der Ausdruck, der minder rasch den Gedanken des 
Sprechenden dem Angeredeten verständlich macht, der, um 
richtig verstanden zu werden, grössere Anstrengung erfordert. 
Hierbei spielt natürlich die subjektive Auffassung der einzelnen 
eine grosse Rolle, da ja nicht nur die Ideenassoziation, son- 
dern auch die Art und Weise, die Gedanken zu verknüpfen, 
so ausserordentlich verschieden ist, dass der Ausdruck, der 
augenblieklich dazu angethan ist, die Vorstellung des einen 
auf den riehtigen Weg zu leiten, einem andern gegenüber sich 
vollständig unbrauchbar erweisen kann. Ich bin mir daher 
dessen vollständig bewusst, dass möglicher Weise manches 
Beispiel für hierhergehörige Sprachfehler, das ich im folgen- 
den anziehe, weniger elücklich gewählt sein und gar zu 
sehr den Stempel meines persönlichen Geschmackes tragen 
könnte. 

* Fürwitz (Schiller, Heyse) scheint mir von diesem Stand- 
punkt aus durchaus schlechter als vorweitz, da jenes sich 
schlecht zu andern Zusammensetzungen, wie fürsprache, für- 
wort, fürbitte, an die man unbewusster Weise denkt, schickt, 


1) Was man gemeiniglich einen guten (leicht lesbaren) Stil 
nennt, im Gegensatz zu einem schlechten (oder, wie es am häufig- 
sten heisst, einem schwer lesbaren) Stil, das ist im Grunde nichts 
andres als ein Stil, dem dieses Lob zukommt, weil der Schriftsteller 
dieser Seite der Sprache Genüge gethan hat. Von diesem Ge- 
sichtspunkt aus hat Herbert Spencer in seinem kleinen vortreflichen 
Aufsatz “The philosophy of style’ (Westminster Review, Okt. 1552; 
wiederabgedruckt in seinen Essays, Band II, 1568), gestützt auf eine 
Menge feiner Beobachtungen, eine ganze Theorie für die stilistische 
Fertigkeit aufgestellt. Auf diese Abhandlung erlaube ich mir zur 
Ergänzung meiner Darstellung, hinsichtlich der in Frage kommen- 
den Seite der Sache, zu verweisen. 


Über Sprachrichtigkeit. 127 


anderseits dieses durch vor- auch schon treffend die sich vor- 
drängende Neugier oder Wissbegier bezeichnet. 

Ungeschlacht steht an Deutlichkeit einem wungeartet, 
roh, tölpelhaft bedeutend nach, da das jetzt nicht mehr ver- 
standene -geschlacht auf schlachten bezogen wird, und unge- 
schlacht, wie die nicht seltene Volksetymologie ungeschlachtet 
zeigt, als “nicht zubereitet, nicht geniessbar gemacht’ aufge- 
fasst wird. 

Auch auslauf, das Grimm im Sinne von excurs Ver- 
wendet, scheint wenig geeignet zu sein einem schnellen Ver- 
ständnis zu dienen. Nach Analogie von ausgang oder von 
auslaufen sollte man meimen, dass darunter etwa der Beginn 
des Laufens oder ein Resultat zu verstehen sei, nicht aber eine 
Abschweifung. 

Weiland an stelle von vormals ist wenig angebracht, 
da es infolge des Nebentons auf dem «a leicht als Zusammen- 
setzung mit Jand aufgefasst werden kann. 

Fastnacht ist eine richtigere Form als fasnacht, da die 
Beziehung von jenem zu fasten wohl allgemein verständlich 
sein dürfte, die von diesem zu faseln wohl kaum. 

Eisbein für häftbein ist unvergleichlich schlechter, da 
sich kaum einer, der sich nieht speziell mit der Etymologie 
beschäftigt hat, beim ersten Bestandteil dieses Wortes etwas 
denken kann (vgl. auch die Berliner Redensart ἐλ habe reene 
eisbeene für kalte füsse). 

Hölle durch helle ersetzen zu wollen, wie es z. B. die 
thun, die die nhd. Orthographie nach der mhd. geregelt zu 
sehen wünschen, ist nicht nur deshalb unrichtig, weil der im 
Volksbewustsein noch lebendige Zusammenhang von hölle und 
höhle gestört und ein wenig eimleuchtender mit helle, hellig- 
keit geschaffen werden würde, sondern auch, weil hierdurch ein 
neues Paar der schon ohnehin zu zahlreichen Homonymen ent- 
stünde.* Übrigens dürfte es nieht uninteressant sein, zu erfahren, 
ob der, welcher *helle® schreibt, auch wirklich in der Rede 
der für ihn gleichermassen bindenden, aber nicht ganz so leicht 
durchführbaren Umgestaltung gerecht wird.  Widrigenfalls 
möchte ich darauf hinweisen, dass, wenn eine Änderung sol- 
cher, in der gesprochenen Sprache so gewöhnlicher Wörter 
Aussicht haben soll durchzudringen, sie zunächst in der Rede 
vorgenommen und womöglich auch durchgeführt werden muss. 


129 Adolf Noreen, 


Einigermassen anders liegt dagegen die Sache z. B. bei wissen- 
schaftlichen Fachausdrücken, welehe in der Schrift ebenso oft 
oder vielleicht noch häufiger als in der Rede vorkommen. 

Alles was bisher als leitender Gesichtspunkt für die 
Sprachriehtigkeit angeführt worden ist, ist nur der Bequem- 
liehkeit des Angeredeten zu gute gekommen, die allerdings 
auch sehr richtig in erster Linie in Betracht gezogen wer- 
den muss. Es ist aber anderseits von grosser Wichtigkeit, dass 
die Sprache auch für den Sprechenden so leicht als mög- 
lich zu handhaben seit). Hieraus ergeben sich verschiedene 
neue Anforderungen, die man an die Sprachrichtigkeit in des 
Wortes eigentlicher Bedeutung erheben muss: 

4) Schlechter sind solche Ausdrücke, die eine grössere 
Schwierigkeit der Aussprache bedingen, d. h. die sich nicht 
dem für die schwedische [resp. deutsche] Aussprache einge- 
übten Bewegungsgefühl fügen wollen. Das ist indes ein ziemlich 
untergeordneter Gesichtspunkt. Wenn durch den schwereren 
Ausdruck in anderer Hinsicht etwas wesentliches gewonnen 
wird, so muss man sich die Schwierigkeit der Aussprache ge- 
fallen lassen, . die meistens, wenigstens mit der Zeit, recht 
leicht zu bewältigen sein dürfte. Wenn aber ein Ausdruck 
nicht aus andern Gründen zu bevorzugen ist, so ist er immer 
infolge seiner grösseren Schwierigkeit mit einem Fehler be- 
haftet, der bei der Beurteilung der Sprachrichtigkeit des Aus- 
drucks nicht unberücksiehtigt bleiben darf. 

* Es ist mithm z. B. die m Mittel- und Süddeutschland 
vorkommende Aussprache balko, couse (mit Nasalvokal wie 
im Französichen balcon, cousin) schlechter als die in Nord- 
deutschland übliche balkon, cousen, wohlgemerkt im Munde 
eines Deutschen, zu Deutschen gesprochen, denn die Rück- 
sicht auf das Publikum ist hier, wie stets, wo es sich um die 
Sprachrichtigkeit handelt, der Hauptgesichtspunkt, der nicht 
ausser Acht gelassen werden darf. 

Die von manchen verordnete Aussprache mägde, sma- 


1) Dass das Interesse des Angeredeten (die Deutlichkeit 
der Sprache) und das des Redenden (die Einfachheit der Sprache) 
init einander im Streite liegen, und dass eine praktische Sprache 
durch eine ununterbrochene Vereinbarung zwischen den Forderun- 
gen beider gebildet werden muss, ist von Flodström a. a. Ὁ. S. 146 


gezeigt worden. 


Uber Sprachrichtigkeit. 123 


ragde, jagden (mit den beiden stimmhaften Verschlusslauten 
g und d bezw. mit stimmlosem Reibelaut + d) ist schlechter als 
die Aussprache mähte, smarahte, jahten (mit dem stimmlosen 
Reibelaut 7 und dem stimmlosen ἐ), die auf zwägte, lachte, 
lachten reimen lässt. Denn einerseits ist im Deutschen die Ver- 
bindung -gd- bezw. -hd- übel gelitten, anderseits würde durch 
die erstere Aussprache (Plur. mägde, smaragde, jagden bezw. 
mähde, smarahde, jahden neben dem Sgl. maht, smaraht, 
jaht) das einheitliche Paradigma auseinandergetrieben werden, 
ein für die Beurteilung der Sprachrichtigkeit ausschlaggebender 
Umstand, der weiter unten zur Sprache kommt. 

Die unbetonten Laautgruppen -el, -er, -em, -en mit hör- 
barem e-Laut (mid-mixed) auszusprechen, wie es mancher 
Redekünstler thut, also handal, blondor, blondom, blondon 
oder sogar, wenn es ganz besonders fein’ sein soll, mit dem 
mid-front e, also handel, blonder u. s. w., ist wenig ange- 
bracht, da es der jetzigen Sprachgewohnheit vielfach wider- 
strebt.“ Infolge dessen erscheint diese Aussprache auch häufig 
als geziert, namentlich in der alltäglichen Rede. Etwas an- 
ders liegen die Verhältnisse in der feierlichen und  dichte- 
rischen Sprache (wie auch im Gesang), im der altertümliche 
Ausdrücke, mithin auch eme altertümliche Aussprache, 
verhältnismässig berechtigt, in manchen Fällen sogar erstre- 
benswert sind. 

Ἔ Bugsieren, ablugsen, Dresden mit stimmhaftem Ver- 
schlusslaut und stimmhaftem / auszusprechen, ist wenig em- 
pfehlenswert, da im Deutschen 9-+/f bezw. [+ ἃ ganz un- 
erhörte Lautverbindungen sind, die Aussprache buksieren, 
Dresten dagegen dem deutschen Bewegungsgefühl vollkommen 
mundgerecht ist. Die Aussprache von redakteur, ingenieur 
u. s. w. nach Art des Französischen mit offenem langen ö ist 
schleehter als die mit geschlossenem, da im Deutschen das 
lange ö immer geschlossen ist. 

Lord, klub, grog mit stimmhaftem Auslaut zu sprechen, 
ist unerträglich pedantisch, da das Deutsche keine stimmhaften 
Verschlusslaute im Auslaut duldet. 

Eine halb englische Aussprache sport, lort oder viel- 
leicht noch “besser sport, lord für sport, lört ist, wenn 
die Wörter als Lehnwörter im Deutschen gebraucht wer- 
den, d. h. von Deutschen zu Deutschen gesprochen, eine un- 


124 Adolf Noreen, 


leidliche Ziererei. Denn das Nhd. hat, mit Ausnahme einiger 
Gegenden, einen entschiedenen Widerwillen gegen sp, st im 
Wurzelanlaut, namentlich in Wörtern, denen man es nicht auf den 
ersten Blick ansieht, dass sie dem Griechischen, Lateinischen 
oder Französischen entlehnt sind, und ist ferner nicht geneigt 
in Nomima die Verbindung ört zu ertragen (vgl. ort, hort, 
fort, wort, mord, bord), eher noch in Zeitwörtern, wo die 
Länge des o durch danebenliegende Formen geschützt wird 
(vgl. bohrt, schmört neben böhren, schmören)*. 

5) Schlechter sind solehe Formen, die sich schwerer in 
dem Augenblick, wo man ihrer bedarf, auffinden lassen, 
was darin seinen Grund hat, dass sie sich schwerer dem Ge- 
dächtnis einprägen, was wiederum darauf beruht, dass sie sich 
minder leicht mit andern Ausdrücken von ähnlichem Gebrauch 
assoziieren. Ein Ausdruck, der sich bequem assoziieren lässt, 
kann leichter im Gedächtnis festgehalten, erforderlichen Falles 
leichter ins Bewusstsein gerufen, und, wie schon oben hervor- 
gehoben, gewöhnlich auch bequemer und leichter verstanden 
werden. [Von zwei Ausdrücken ist immer derjenige der 
deutlichere, der anschaulichere, der etymologisch klarer ist.” 
Behaghel Deutsche Sprache 84.| Eimen solchen Ausdruck pflegt 
man aber eben einen regelmässig gebildeten zu nennen. 
Hier stossen wir auf das alte Dogma, dass nämlich unregel- 
mässige Formen gut und, vor allem, schön seien. Über die 
Schönheit als eine Sache des Geschmacks und des Gutdünkens 
wollen wir nicht rechten. Aber die Brauchbarkeit dürfte wohl 
nur eingebildet sein. Dass Reichtum und Abwechselung in 
der Sprache in anderer und besserer Weise erzielt werden 
kann, werde ich weiter unten zeigen. Hier will ich nur be- 
tonen, dass Regelmässigkeit an und für sich, systematische 
Ausgestaltung, organischer Zusammenhang auf sprachlichem 
(Gebiet ein herrlicher Vorzug ist. 

Es ist mithin in der gewöhnlichen d. h. nieht feierlichen 
Sprache * die Pluralform sporen schlechter als sporne oder 
spornen, da sie sich schlechter an sporn anschliesst (vgl. 
dorn, dorne, dornen). Der Superlativ meiste ist schlechter 
alsgnehrste, das besser zum Komparativ mehrere stimmt (vgl. 
schwerere - schwerste). Besser als die in der nhd. Schriftsprache 
übliche Steigerung hoch, der hohe - höher - höchste ist die mittel- 
und "süddeutsche hoch, der hoche - höcher - höchste. Die Nomi- 


Über Sprachrichtigkeit. 125 


nativform der haufe, name, glaube, friede, wille u. 8. w. 
ist schlechter als haufen, namen u. 8. w. Denn ganz abge- 
sehen davon, dass die allgememe Tendenz vorhanden ist bei 
dieser Gruppe von Wörtern die Form -ern zur Alleinherrschaft 
zu bringen, wie z. B. schaden, schatten, lumpen u. 85. W. 
zeigen, ist der Nominativ auf -en darum zu empfehlen, einer- 
seits weil er sich besser dem Genitiv auf -ens anfügt und eine 
Flexion der namen, des namens, dem namen u. 5. w. sich 
vollständig mit der Flexion der -na-Stämme, wie der degen, 
wagen, des degens u. s. w. deckt, während eine Flexion der 
name, des namens ein ganz neues, eigenartiges Paradigma 
begründen würde; anderseits weil die Wörter, die eine Nomi- 
nativform ohne -» aufweisen, fast alle mit Ausnahme der hier 
in Frage kommenden (es sind ihrer etwa eim Dutzend, vgl. 
Andresen Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit S. 26 f.) der 
schwachen Flexion treu geblieben sind und vorzugsweise lebende 
Wesen bezeichnen (vgl. der bote, hase, gatte u. 8. w.), da- 
gesen der Analogie der -na-Stämme folgen, sobald sie als 


Sachnamen verwandt werden: der rappen, franken — des 
rappens, frankens gegenüber der rappe, franke — des 


rappen, franken, vgl. Behaghel Deutsche Sprache 172 f. 
Paul Grundriss I 616f. Die Optativfornen des Imperfekts 
fände, stände, begänme, spänne, gewänne, schwämme, sind 
den Formen fünde, stünde, begönne, spönne u. 5. W. VOrZU- 
ziehen, weil sie sich mit ihrem ä leichter an den Indikativ 
mit seinem a anschliessen, zumal da eine grosse Masse von 
Imperfekta wie sang-sänge, band-bände u. s.w. dieses Ver- 
hältnis als das regelmässige erscheinen lässt. Anders verhält 
es sich dagegen mit Optativformen wie hälfe, stürbe, würbe, 
würfe, verdürbe, gölte, schölte: hier hat man sich wohl gegen 
die Bildung hälfe, stärbe u. s. w. zu entscheiden, nicht etwa, 
weil die Formen mit ä jünger sind, auch nicht, weil sie nach 
Heyse-Lyon (Deutsche Grammatik 211) hässlich sind, sondern 
weil die Formen mit ä, bezw. ö einen Unterschied zwischen 
dem Opt. Imperf. einerseits und dem Indie. Opt. Praes. ander- 
seits begründen; denn helfe und hälfe sind nur in der geschrie- 
benen, nicht aber in der gesprochenen Sprache verschieden, 
in beiden Fällen haben wir hier das offene kurze e. Aus 
diesem Grunde ist auch dem veralteten böürge gegenüber bärge 
das Wort zu reden. Stöhle ist nicht deswegen schlecht, weil 


190 Adolf Noreen, 


es eime falsche Analogiebildung nach beföhle empföhle ist, 
sondern weil beföhle, obgleich das ö hier lautgesetzlich ist 
(mhd. bevälhe), an und für sich schon schlecht ist, da durch 
das ö der Zusammenhang mit dem Indikativ hier unnützer- 
weise gestört wird. Also richtig ist stahl-stähle, wie traf- 
träfe, nahm-nähme. Der eben erwähnte Gesichtspunkt, eine 
deutliche Unterscheidung zwischen dem Opt. Imperf. und Opt. 
Praes. herzustellen, fällt hier natürlich ganz weg, da die ge- 
bildete Sprache durchaus das geschlossene lange e in stehle 
und das offene lange e in stähle zu Gehör kommen lässt. Schon 
Adelung in seinem Lehrgebäude der deutschen Sprache 1103 
findet, dass der Verfeinerungstrieb des Nhd. auf eine Beseiti- 
gung der unregelmässigen Verba hinarbeite. Es liegt in der 
Natur der Sache, dass dieses Bestreben Regelmässigkeit her- 
zustellen sieh namentlich da geltend macht, wo das einzelne 
Zeitwort nicht durch eine grosse Masse anderer gleichartiger 
geschützt wird, wie z. B. bei der kleinen Anzahl der starken 
Verben, die als Präsensvokal au oder «x zeigen. Hauen- hieb- 
gehauen fällt aus aller Analogie heraus; besser ist nach Art 
von bauen, krauen, brauen u. 8. w. haute, gehaut, was man 
z. B. in Livland und in Berlin nicht selten hören kann. Von 
schnauben und schrauben ist die starke Flexion schnob- ge- 
schnoben u. 5. w. fast vollständig schon zu Gunsten von 
schnaubte geschnaubt u. 5. w. zurückgetreten. Dagegen gilt 
sog-gesogen von saugen noch als die mustergiltige Form, wie- 
wohl saugte-gesaugt nach Analogie von taugen mehr zu em- 
pfehlen wäre, da der Ablaut au-0-0 ganz isoliert dasteht. Wieder 
ihre eignen Wege gehen saufen-soff-gesoffen und laufen -Tief- 
gelaufen. Die in Dialekten (in Baden, vgl. Kuntze Zeitschr. 
f. deutschen Unterricht V 41) und in der Litteratur (bei Goethe, 
Wieland, Heime u. a.) vorkommende Bildung loff- geloffen wäre 
schon mehr zu empfehlen, da sich durch diese Weise ein An- 
schluss wenigstens an saufen ergäbe. Immerhin wäre die Ab- 
lautreihe au-0-0 durch diese beiden Zeitwörter recht spärlich 
vertreten. Im Interesse der Regelmässigkeit wäre vielmehr 
Formen wie saufte, laufte, gesauft, gelauft, wie öfters man 
aus Kindermund zu hören bekommt, das Wort zu reden. ὃ 
Und warum ? Offenbar, weil die Sprache auf (diese Weise 
leichter wird. Die Sprache wird aber, sobald die Deutlich- 
keit nicht darunter leidet, insofern auch dadurch besser. Wir 


Über Sprachrichtigkeit. 127 


haben auch in sprachlichen Fragen manches von den Kindern 
zu lernen. [Max Müller Vorlesungen, deutsche Ausgabe ? I 80 
findet es “sehr wahrsehemlieh, dass das allmähliche Verschwin- 
den unregelmässiger Deklinationen und Konjugationen sowohl 
in Sprachen mit als ohne Litteratur zum Teil dem Dialekte der 
Kinder zuzuschreiben ist.) *Auch rufen, rief, gerufen steht 
mit seinem Ablaut z-e-u ganz vereinsamt da; nicht ganz un- 
eben ist daher rufte-geruft, Formen, die jetzt kaum noch ge- 
hört werden, sich aber bei Schiller, Goethe, Voss u. a. finden. 
Noch ein altes reduplizierendes Verbum, das mit seinem Parti- 
zipium ganz ohne gleichen dasteht, ist heissen-hiess-geheissen; 
besser ist die namentlich in Norddeutschland verbreitete Form 
gehiessen, durch die das Verb in volle Harmonie mit zweisen, 
preisen u. a. tritt. Ebenso fällt ganz aus der Reihe heraus 
das Part. geheischen. Es ist also deshalb die schwache Flexion 
heischte, geheischt vorzuziehen, nicht etwa weil hiesch gehei- 
schen erst eine im Mhd. auftretende Analogiebildung ist. Zu- 
dem findet die schwache Flexion ihre Analoga in kreischen, 
maischen u. a. “Dieses grammatische Gerechtigkeitsgefühl, 
dieses Streben nach einfach analoger Ausbildung” (Max Müller) 
ist auch beim Ablautsvokal des Imperfektums von ausschlag- 
gebender Bedeutung, wo es gilt, die Ausgleichung zu gunsten 
des Singularvokals oder die zu gunsten des Pluralvokals für die 
richtige zu erklären. Daher tritt z. B., da die Verba, deren 
Wurzeln auf ia + Kons. ausgehen, den Singularvokal verall- 
gemeinert haben, sang rang band schwand, dung mit Recht 
dang gegenüber zurück (vgl. Andresen Sprachrichtigkeit? 8. 72, 
Weigand Deutsches Wörterbuch ὁ I 371). Daher ist schund 
von schinden, weil es eben so ganz vereinzelt steht, eine 
schlechte Form. Auch das in meiner livländischen Heimat ge- 
bräuchliche schindete ist kein annehmbarer Ersatz, da einer- 
seits diese schwache Form in Gegensatz zum starken Parti- 
zipium geschunden tritt, anderseits alle Verba auf -inden stark 
flektiert werden. Gut dagegen ist die bei Sanders ohne Be- 
lege aufgeführte Form schand. 

Es zeugt von einem gesunden sprachlichen Instinkt, dass 
in der alltäglichen Sprache ungewöhnlich gebildete Wortformen 
wie wwittib, pilgrim, obrist vermieden und statt deren zwöttwe, 
pilger, oberst, Formen, deren Stammbildungssuffixe ein ver- 
trauteres Aussehen haben, verwendet werden. Brunft und 


198 Adolf Noreen, 


brunst haben “Unwissenheit und Nachlässigkeit’ (Lessing) in 
brunst zusammenfallen lassen, und doch kommt es der Sprach- 
richtigkeit zugute, da brunst und brunft dieselbe Bedeutung 
haben und der Zusammenhang des letzteren mit brummen kaum 
mehr gefühlt wird, während die Beziehungen von braunst zu 
brennen dem Sprachbewusstsein noch lebendig sind. 

Doch der eben erwähnte Fall dürfte vielleicht mit besse- 
rem Rechte als Beispiel für die sogenannte Volksetymologie 
herangezogen werden können®, d. ἢ. eine im guten Glauben 
(im Gegensatz zum Witz) vorgenommene Umdeutung eines 
mehr oder minder schwer assoziierbaren Ausdrucks, die häufig 
mit einer formellen Umgestaltung verbunden ist!). Derartige 
Bildungen, die ehemals, und vielleicht auch noch jetzt viel- 
fach, der tiefsten Verachtung anheim gegeben waren, weil sie 
in höherem Grade als andere “Sprachfehler” zu verabscheuen 
und eines wirklich “ gebildeten " Menschen unwürdig seien ?), 
sind jedoch vortrefflich, falls der neue Ausdruck gewisser- 
massen durchsichtiger als der alte ist und die Möglich- 
keit einer bequemen Assoziation bietet, vermittels welcher er 
leicht behalten, gefunden und verstanden werden kann. Eine 
vortreffliche Volksetymologie liegt vor in dem Wort *wwetter- 
leuchten aus mhd. weterleich (daneben weterlitzen). Gegen den 
ersten Teil des Wortes wildschur (aus poln. wilezura Wolts- 

1) Ausführlicher darüber handelt Noreen ‘Svensk folkety- 
mologi’ in Nordisk tidskrift 1887 S. 554 und [“Folketymologier’ in 
De svenska landsmälen Bd. VI H.5. Für das Deutsche kommt vor 
allem in betracht Andresen Uber deutsche Volksetymologie 1889 5, 
mit reichen Litteraturangaben. Vgl. auch Söhns Die Parias unserer 
Sprache 1888 und Kluge Deutsch. Wörterb. (siehe Janssens Index 
unter “Umdeutung’). Vieles hergehörige bietet auch Der richtige 
Berliner in Wörtern und Redensarten 1882 #] 

2) Nichts desto weniger ist die Schriftsprache über und über 
voll von solchen Ungeheuerlichkeiten: * blankscheit (franz. plan- 
chette), leihkauf (mhd. litkouf), weissagen (ahd. von ww755ago Pro- 
phet gebildet), mesner (mlat. mansionartus), höhenrauch, heide- 
rauch, haarrauch (heirauch zu mhd. heien brennen), abzucht (lat. 
aquaeductus), einöde (ahd. einött, -öti ist Suffix), lanzlenecht (lan- 
desknecht), sündflut (mhd. sinvluot), attentäter (: attentat täter : 
tat), irritieren (in der Bedeutung irre machen gebraucht, auch in 
der Schrift, vgl. Andresen Sprachgebr. u. Sprachr. 381; in Berlin 
hört man örretieren), gaudieb ( tinker Dieb, nd. gau hd. yäh, 
Heyne Deutsches Wörterbuch I 1054, Andresen Zeitschr. f. deutsche 
Philol. XXIII 277) u.a. Vel. die in Fussnote 1 zitierte Litteratur*. 


Über Sprachrichtigkeit. 129 


fell) dürfte wenig einzuwenden sein; dagegen giebt der zweite 
mit Recht zu Bedenken Anlass. Die ebenfalls in Mundarten 
vorkommenden Wörter ablang (oblongus), kommhurtig (gum- 
migut, drastisches Mittel), atmungsfähre (atmosphäre), fron- 
tenspitz (frontispiz), abseite (ἀψίς), garstiges (gastrisches) 
fieber, gifteritis (diphtheritis), windelator (ventilator) * eig- 
nen sich trotz ihrer erstaunlichen Treffsicherheit doch nicht 
sonderlich für einen allgemeinern Gebrauch, da es sich hier 
um wissenschaftliche und Fachausdrücke handelt, welche so 
kosmopolitisch wie möglich sein müssen, da die Wissenschaft 
und die Fachbildung vor allem andern nicht “national” sind 
oder es wenigstens nicht sein dürften. 

Hinderlich ist aller unnützer Ballast. Es gilt in der 
Sprache, wie auf den meisten andern Gebieten, der Satz: was 
nicht nützt, das schadet. Das führt uns zu folgenden beiden 
Behauptungen: 

6) Schlechter ist em längerer Ausdruck, wenn er nichts 
anderes als ein kürzerer besagt, oder wenigstens für den ge- 
sebenen Fall nichts anderes bezeichnen kann oder darf. 
["Ein Ausdruck ist um so eindringlicher, die mit ihm verbun- 
dene Vorstellung wird um so leichter erfasst, aus je weniger 
Elementen er besteht.” Behaghel, Deutsche Sprache 86.] Bei- 
spiele für hergehörige Fälle sind unter anderm *sanftmut 
(sanftmütigkeit), einfalt (einfältigkeit), grammatisch (gram- 
matikalisch), kleinode (kleinodien), indes (indessen), öfter 
(öfterer), letzte (letzteste), nackt (nackend),. ewig (ewiglich), 
leichtsinn (leichtsinnigkeit), weitläufig (weitläuftig),  fels 
(felsen), sich befleissen (befleissigen), enden (endigen, beenden, 
beendigen), mahnen (gemahnen) u. Ss. w. In Sätzen wie die 
welt ist voller trug ist voller eine schlechtere Form als 
voll, nicht etwa, weil hier voller analogisch die der starken 
Form des Mask. zukommende Endung -er verallgemeinert hat 
(vgl. Behaghel Deutsche Sprache 208; Erdmann Grundzüge d. 
deutschen Syntax ὃ 66; Ondrusch Zeitschr. für deutschen 
Unterricht IV 41 ff.), sondern weil das prädikative Adjektiv 
im Nhd. durchaus in der sogenannten flexionslosen Form auf- 
tritt, und weil voll, abgesehen von seiner regelmässigen Bil- 
dung (siehe oben S. 124), auch kürzer ist als voller.* Der 
hier hervorgehobene Gesichtspunkt ist jedoch für die Sprach- 
richtigkeit von recht untergeordneter Bedeutung, da die län- 


Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. Ω 


150 Adolf Noreen, 


gern Ausdrücke, auch manche der von mir oben angeführten, 
fast immer eine Bedeutungsschattierung anzugeben imstande 
sind und gebraucht werden, um diese zu bezeichnen, die sich, 
wenn auch unbedeutend, von der Bedeutung des kürzeren Aus- 
drucks unterscheidet. So z. B. kann meines Erachtens *ge- 
leiten nicht vollständig durch leiten ersetzt werden, da jenes 
nicht nur wie dieses “führen, lenken’, sondern auch ein pas- 
sives begleiten’ ausdrücken kann.* [Namentlich Schopen- 
hauer eifert vielfach mit Recht gegen ein derartiges kürzeres 
Wort, wie nachweis, vergleich, “wie unsere stumpfen Tölpel 
es verbessert haben” für »achweisung, vergleichung. Vgl. 
auch Hans v. Wolzogen Über Verrottung und Errettung der 
deutschen Sprache 1890 3 S. 34f.| — lch wende mich nun- 
mehr zu einem wichtigeren Gesichtspunkt von ähnlicher Art. 

7) Schlecht sind die Ausdrücke, die an pedantischer und 
unnötiger Deutlichkeit leiden, d. h. die durch ihre Form 
eine Bedeutungsverschiedenheit angeben, die zu bezeichnen 
entweder nicht nötig ist, weil sie schon für den vorliegenden 
Zweck in anderer Weise ausgedrückt ist, oder die auch nicht 
bezeichnet werden darf, weil sie nicht mehr als solche ver- 
standen wird. 

Ein gutes Beispiel für eine aus dem ersteren Grunde 
unnötige Formdiftferenzierung bietet uns die Verbalflexion der 
Ἔ deutschen Schriftsprache: z. B. ich fechte, du fichtst, er 
ficht, wir sie fechten, ihr fechtet oder ich saufe, du säuf'st, 
er säuft, wir sie saufen, ihr sauft, wo die zweite und dritte 
Person des Singulars sich von den andern Personen nicht nur 
durch die Endung und das vorgesetzte Subjekt (resp. durch 
letzteres allein), sondern auch durch die Brechung, bezw. den 
Umlaut unterscheiden. Das letztere ist durchaus unnötig, da 
schleehterdings keine Undenutlichkeit oder überhaupt keine Un- 
gelegenheit durch eine Flexion wie ich fechte, du fechtest, 
er fechtet oder ich saufe, du saufst, er sauft entstehen kann, 
eine Flexion, die m der gesprochenen Sprache nichts seltenes 
ist, zumal da bei andern Verben die Form ohne Brechung 
(bezw. Umlaut) auch in der geschriebenen Sprache durchge- 
drungen ist, z. B. du webst, er webt, du melkst, er melkt, 
oder du haust, er haut, du rufst, er ruft. Wbenso liegen 
die Verhältnisse beim Imperativ, wo die in der gesprochenen 
Sprache häufig vorkommenden Formen wie gebe, vergesse, breche, 


Über Sprachrichtigkeit. 131 


bezw. geb ete. fast von allen Grammatikern verdammt werden 
(z. B. von Andresen Sprachr. 77, Keller Antibarbarus ? 34, 
Kuntze Zeitschr. f. deutschen Unterr. V 40; nur Burghauser 
ebenda 50 f. bricht für diese Formen eine Lanze). Und doch 
finden sich mehrere derartige Formen auch im der Litteratur, 
4. B. bei Goetne und Heine, und Imperative wie genese, bewege, 
pflege, webe (bezw. genes u.s. w.) sind in der Sprache ausschliess- 
lich im Gebrauch. Desgleichen ist beim Komparativ die um- 
lautslose Form zu bevorzugen, da die Endung allein schon 
vollkommen genügt den Komparativ zu kennzeichnen, und er 
nicht durch den Umlaut “schärfer und kemntlicher” (Schleicher 
Deutsche Sprache 228) hervorgehoben zu werden hraucht. 
Also bänger, gesünder, frömmer, stölzer, zärter τι. 5. w. müs- 
sen gegenüber den Formen der Schriftsprache, die sich hier 
für die umlautslosen Formen entscheidet, zurückstehen. Das 
unflektierte drei (zwei) in die diener drei (zwei) grosser 
herren, drei (zwei), drei (zwei) herren dienen ist aus 
diesem Gesichtspunkt mehr zu empfehlen als der Genet. 
dreier, der Dat. dreien, da das kasuelle Verhältnis hier dureh 
andere Mittel zum Ausdruck kommt und es ganz wertlos wäre, 
dasselbe auch am Zahlwort zu bezeichnen. Die Flexion des 
Zahlwortes ist aber unerlässlich in Fällen wie die herrscher 
zweier länder, dreien muss man trauen τι. Ss. w. Genaueres 
darüber siehe Grimm Deutsch. Wörterb. II 1369 f., Heyne 
Deutseh. Wörterb. 1599 f., Heyse-Lyon 176f., Sanders Haupt- 
schwierigkeiten 16351 ff. Hans von Wolzogen (Über Verrottung 
und Errettung der deutschen Sprache 34) eifert gegen den 
Trieb, “der die uns glücklicherweise noch erhaltene Dativ- 
endung e nachgerade gänzlich über die Seite gebracht hat”. 
Und doch muss man der Form dem tag, dem land vor 
dem tage, dem lande «den Vorzug zuerkennen, da schon 
durch den Artikel (bezw. durch die Präposition, wie mit stolz, 
zu fuss, vor tau und tag) die Form zur Genüge deutlich 
ist. Dadurch erhält ausserdem die Kategorie des Dativs ein 
regelmässigeres Aussehn, da eine grosse Anzahl von Wörtern, 
wie z. B. alle auf -el, -en, -er nie ein e im Dativ vertragen 
(vgl. dem sessel, wagen, winter), andere wieder, namentlich 
Wörter mit schwerfälligerem Suffix und zusammengesetzte, 
eine entschiedene Abneigung gegen das Dativ-e zeigen, wie 
dem jüngling, reichtum, schicksal, landtag, bergland, vgl. 


132 Adolf Noreen, 


Sanders Hauptschwierigkeiten 105 f., Behaghel Deutsche 
Sprache 159 Pauls Grundriss I 575 ff. Wesentlich analog 
verhält es sich mit der Genitivendung -es und -s®. 

Von den Beispielen für eine pedantische Bewahrung einer 
Formdifferenz, die nicht mehr als Träger einer Bedeutungs- 
differenz gefühlt wird, * mögen hier angeführt werden die Ad- 
verbien auf 6. Andresen Sprachrichtigkeit 95 ist z. B. der 
Ansicht, dass der Tadel verdiene, “ der den letzten vollkommen 
gesicherten Rest einer alten Ordnung zu tilgen wünscht” und 
lange “ohne Not” in lang kürzt. Für die heutige Sprache ist 
aber das Gefühl für den Unterschied der Bedeutung von bald- 
balde, fern-ferne, gern- gerne, still- stille vollständig erloschen; 
still fungiert ebenso als Adverb wie stille, und es ist daher 
kein Grund vorhanden, das e, das im Mhd. unbedingt nötig 
war um aus Adjektiven Adverbien zu bilden, jetzt noch beizu- 
behalten. Desgleichen scheint es wenig angemessen, in solchen 
Verbindungen von Kardinalzahlen mit massbestimmenden mask. 
oder neutr. Substantiven wie z. ἢ. zehn pfennig, mit zehn 
pfennig, vier fass die Pluralendung zum Ausdruck kommen 
zu lassen, also zehn pfennige, mit zehn pfennigen, vier fäs- 
ser. Dem jetzigen Sprachgefühle nach haben wir es hier 
nicht mit einer gewissen Anzahl von Individualitäten zu thun, 
sondern das Substantiv gilt als eine typische Massemheit, als 
abstrakter Sammelname, und abstrakt gebrauchte Wörter sind 
keines Unterschiedes der Numeri fähig. Wie verkehrt es ist, 
hier die Pluralendung durchführen zu wollen, zeigen andere 
Verbindungen, wo zwischen der flektierten und der flexions- 
losen Form ein ganz handgreiflicher Unterschied in der Bedeu- 


tung besteht: zwei fuss — zwei füsse, fünf buch — fünf 
bücher, sechs glas wein — sechs gläser wein u. s. w. Eine 


reiche Beispielsammlung für die fraglichen Verbindungen findet 
sich bei Sanders Hauptschwierigkeiten 228 f., über ihren Ur- 
sprung handelt Behaghel Pauls Grundriss I 619 f., die psy- 
chologische Erklärung giebt Paul Prinzipien 226f. * 

Ferner aber und schliesslich kann man die Behauptung 
aufstellen: 

S) Absolut verwerflieh ist jede Änderung des Spraeh- 
gebrauchs, durch die man nichts gewinnt, d. h. die nicht da- 
hin zielt, dass der Gedanke exakter oder schneller mitgeteilt 
wird; denn dann würde die Änderung nur eine Beschwerlieh- 


Über Sprachrichtigkeit. 133 


keit für den redenden, oft auch für den angeredeten, in sich 
bergen, für keinen von ihnen auch nur den geringsten Nutzen. 
Also ist der Gebrauch imsofern massgebend für die Sprach- 
richtigkeit, als ceteris paribus (d. h. wenn der eine Ausdruck 
in keiner andern Hinsicht besser als der andere ist) der ge- 
läufigere Ausdruck der bessere ist, weil er leichter zugänglich 
und bequemer zu handhaben ist, für den Redenden wie auch 
für den Angeredeten, der übrigens das für das “schönere’ hält, 
woran er gewöhnt ist. Da nun im allgemeinen durch eine 
Änderung der Aussprache wenig gewonnen wird (hinsichtlich 
der Vollkommenheit der Sprache), mehr schon durch eine 
Änderung der Wortform, am meisten durch Änderungen ihrer 
syntaktischen Verknüpfungen und deren Bedeutungen, so ist 
damit schon gegeben, dass die Autorität des Gebrauchs da, 
wo es sich um die Aussprache handelt, am stärksten ist. 
Gegen eine geringfügige Abweichung von der gebräuchlichen 
Aussprache kann man gewöhnlich mit gutem Grunde nur den 
Vorwurf erheben: “das verstösst gegen den Brauch” !) und ver- 
letzt mithin das Ohr (das man gewöhnlich mit dem “Schön- 
heitssinn’ zu identifizieren für gut findet). Weniger Befugnis 
hat der Gebrauch rücksichtlich der Wortformen und am aller- 
wenigsten in betreff ihrer syntaktischen Verwendung und Bedeu- 
tung. In dieser letzterwähnten Hinsicht hat der Gebrauch that- 
sächtlich niemals eine besonders bedeutende Rolle gespielt. Fast 
nie tritt der Fall ein, dass eim Ausdruck in genau derselben 
Verbindung und völlig derselben Bedeutung, in der er früher 
verwendet wurde, auftritt, sondern beständig entstehen neue 
Kombinationen und neue Bedeutungen als Äusserungen neuer 
Gedanken. Und das ist auch ganz in der Ordnung. Denn 
diese Faktoren (namentlich die einst so verachteten “fal- 
schen’ Analogiebildungen) sind es vorzugsweise, durch die die 
Sprache lebt und sich entwickelt. Die Veränderungen der 
Aussprache zeugen allerdings auch von Leben, aber sie und 
namentlich die ehemals mit abergläubischer Ehrfurcht hoch- 
gehaltenen Lautgesetze machen hauptsächlich das Gegenstück 
vom Leben aus, das Verwendung, Abnutzung, Verbrauch des 


1) Ist die Abweichung grösser, so kann dieser Umstand zu 
einer unrichtigen Assoziation führen und auch vielfach in anderer 
Hinsicht irreführend wirken. 


184 Adolf Noreen, 


Materials heisst. Da es sich so verhält, wird nicht einmal 
der ärgste Feind des “"konventionellen’ daran Anstoss nehmen 
können, wenn der immer, mit gutem Rechte, konservative Ge- 
brauch hinsichtlich der lautlichen Seite der Sprache beimah 
allmächtig, hinsichtlich der formellen und semasiologischen 
Seite ohnmächtig sein muss. Doch jetzt einige Beispiele für 
ungerechtfertiges Abweichen vom Gebrauch. 

* Eine gänzlich nutzlose Änderung des geltenden Sprach- 
gebrauchs wäre mit Jean Paul, und emigen Zeitungen der Ge- 
genwart, neuerdings auch mit Trautmann (Der s-Unfug’ in den 
Wissenschaftlichen Beiheften zur Zeitschrift des allg. deutschen 
Sprachvereins 1891 Nr. I) das s in der Fuge von Zusammen- 
setzungen zu tilgen, also geburttag, liebedienst, volkkönig statt 
geburtstag, liebesdienst, volkskönig schreiben zu wollen (vgl. 
auch Keller Antibarbarus? 22). Schon Jacob Grimm hat das 
s diesen änderungslustigen gegenüber in Schutz genommen 
(Kleinere Schriften 1403 ff., Deutsche Gramm. II neuer Abdr. 
919. 922). Ebenso überflüssig ist auch der Kampf Kellers 
(Antibarbarus ?21) gegen das e in badearzt, sterbefall, halte- 
stelle. Von gar keinem Gewinn ist auch die Abweichung vom 
allgemeinen Sprachgebrauch, der fast von sämtlichen Vertretern 
der historischen Sprachbetrachtung in den sechziger und sieb- 
ziger Jahren das Wort geredet wurde, ich meine das Bestre- 
ben bei solchen Wörtern wie schöpfer, löffel, ergötzen, zwölf 
u. a. in der Schrift und vielfach auch in der Sprache das 
mhd. e wieder zur Geltung kommen zu lassen (vgl. v. Bahder 
Grundlagen S. 168 ff., der nachzuweisen sucht, dass in der 
nhd. Schriftsprache das ö seine Berechtigung hat). Ganz zweck- 
los ist auch das Bestreben, wie es sich bei einzelnen Lehrern 
zeigt, die Form braume zu gunsten von braue auszumerzen. 
Abgesehen davon, dass die Form mit » auch bei den aller- 
besten Schriftstellern vorkommt, schemt es doch willkürlich, 
das n in braune anzufeinden, dagegen in börne, sporn u. a. 
unbeanstandet zu lassen, in denen ebenso wie in jenem das ἢ, 
das ursprünglich der schwachen Flexion von mhd. bra, brawe, 
bir, spor in allen Kasus mit Ausnahme des Nom. Sg. eignete, 
zum Stamm gezogen wurde und so eine ganz neue Flexion ins 
Leben rief. Keller Antibarbarus? 55 will wiegen im Sinn von 
"Gewicht haben’ und "Gewicht bestimmen’ nicht dulden, son- 
dern hier nur die Form zwägen zulassen, von der er jedoch, 


Über Sprachrichtigkeit. 135 


wenn sie intransitiv ist, die zweite und dritte Person Sgl. nach 
Art des Mhd. (wige, wigest, wiget, wegen, weget, wegent), also 
wiegst, wiegt bildet; allerdings sehr zur Beeinträchtigung der 
Regelmässigkeit. Ein thatsächlicher Vorteil dagegen erwächst 
der Sprache dadurch, dass das Verbum gewissermassen ent- 
zweigespalten wird, so dass, abgesehen von wiegen in der 
Bedeutung "schaukeln, wwiegen als der intransitiv und transitiv 
gebrauchte Ausdruck für Gewichtsbestimmungen gilt, wägen 
hingegen mit überlegen sinnverwandt ist — eine Scheidung der 
Form und Bedeutung, die sich aueh in der That einer weiten 
Verbreitung erfreut. Dasselbe Verfahren ist zu grossem Vorteil 
für eine gehaltvolle Ausdrucksweise der nhd. Sprache bei meh- 
reren derartigen Wörtern eingeschlagen worden, z. B. deich- 
teich, drucken - drücken, bett-beet, waffen-wappen, hei- 
land-heilend, jungfrau-jungfer-junge frau, stadt-statt (Sub- 
stantiv und Präposition)-stätte, 3 mann - 3 männer - 3 mannen, 
bänder-bande-bände, sachlich-sächlich, höfisch-hübsch, ver- 
want-verwendet, fluges-flugs, fährte (eig. Nom. Plur. zu) 
-fahrt, Schweiz-Schwyz, Karl-kerl, Minna-minne, magd- 
maid, atzen-ätzen, gegen-gen, bursch-bursche-börse, der- 
derer-deren, schlecht-schlicht, fahl-falb*, und dergleichen 
mehr!). In diesen und den andern, man könnte beinahe sagen, 
unzähligen ähnlichen Fällen die eine Form als die minder 
richtige tilgen zu wollen wäre ein strafbarer Versuch von 
Diebstahl an unserer Sprache, und gelänge es wirklich, so 
würde man sie eines bedeutenden Reiehtums berauben, der 
im Laufe der Zeiten nicht ohne Mühe durch ein vernünftiges 
Haushalten mit den Mitteln der Sprache gewonnen worden 
ist. * Die ältere Form dachtel z. B. statt dattel (beide aus 
δάκτυλος) oder profost, profos statt propst (beide aus pro- 
positus) einzusetzen oder jungfer mit jungfrau zusaimmen- 


1) [Reichhaltige Sammlungen hergehöriger Beispiele bieten 
Behaghel Die neuhochdeutschen Zwillingswörter Germania XXII 
257 ff. und Andresen Wortspaltungen auf dem Gebiete der neu- 
hochdeutschen Schrift- u. Verkehrssprache Zeitschrift für deutsche 
Philologie XXIII 265 ff.; über die gleichen Erscheinungen der 
schwedischen Sprache handelt] ausführlich Noreen in seinem Auf- 
satz "Om orddubbletter 1 nysvenskan’ in "Spräkvetenskapliga 
sällskapets i Upsala förhandlingar’ 1882—1885 (Upsala 1886) S. 81 ff. 


190 Adolf Noreen, 


fallen zu lassen,* das dürfte nicht einmal der radikalste Reak- 
tionär befürworten wollen. Aber das wäre die Konsequenz. 

Unpraktisch und daher tadelnswert ist es, in der gram- 
matischen Litteratur, die doch für Personen bestimmt ist, die 
Jedenfalls die landläufigen grammatischen Bezeichnungen lernen 
müssen oder sie schon vorher kennen, neue Ausdrücke einzu- 
führen, die dasselbe besagen wie die alten und nicht bes- 
5611). [Vgl. hierüber Grimm Deutsches Wörterbuch Vorrede 
XXVIUH und XXXVII, Keller Antibarbarus ?15f., Andresen 
Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit ? 385 41 Ich muss es 
daher als Missgriff bezeichnen, wenn z. B. * in den deutschen 
Volksschulen und daher auch in den Elementargrammatiken 
solche Ausdrücke wie ziellose und zielende zeitwörter (tram- 
sitive und intransitive Verba), beziehende fürwörter (relative 
Pronomina), möttelwort (Partizipium), schiefe fälle (casus obli- 
qui), zeugefall (Genitiv), anklagefall (Akkusativ) u. s. w. an- 
gewandt werden. * Derartige beklagenswerte Bestrebungen 
haben, dank einflussreichen Fürsprechern, ziemlich allgemein 
in Dänemarks [und auch Deutschlands] grammatischer Litte- 
ratur Nachfolge gefunden, meines Erachtens ohne Nutzen für 
die Dänen [und Deutschen] selbst, aber entschieden zu grossem 
Nachteil für die internationale Verwendbarkeit der Litteratur, 
da solehe Bezeichnungen, wie stedord |bezw. fürwort| (Pro- 
nomen), navneord |bezw. hauptwort]| (Substantivum), navne- 
form |bezw. nennform) (Infinitivus), neeneform [bezw. nenn- 
fall) (Nominativ), adsagnsord |bezw. zeitwort| (Verbum), biord 
[bezw. wumstandswort| (Adverbium),  fremscttende maade 
|bezw. aussagerweise] (Indikativ) u. s. w. dem Ausländer und 
vermutlich auch dem Inländer viel Mühe bereiten, die besser 
angewandt werden könnte. Ein derartiges ἡ Vaterlandsgefühl Ὁ 
ist beinahe ebenso sehr (bezw. ebenso wenig) am Platz, wie 
der bekannte puristische Versuch in der mathematischen Litte- 
ratur "kathete durch den "guten deutschen’ Ausdruck anseite 
und Aypotenuse durch gegenseite * zu ersetzen. 

Auf keinem Gebiet dürften die Ansichten über Sprach- 
richtigkeit so weit auseinander gehen, nirgends ein so unüber- 
sichtliches und hoffnungsloses Durchemander m der Praxis 


1) Ich bezweifle stark, ob derartige Neuerungen auch nur 
für den niedern Volksunterricht von irgend welchem Nutzen sind. 


Über Sprachrichtigkeit. 137 


herrschen als in der Frage nach der Behandlung der fremd- 
sprachlichen Eigennamen im Schwedischen. Das hat darin seinen 
Grund, dass sich hier zwei einander schnurstracks entgegen- 
laufende Lehrmeinungen mit ungefähr der gleichen Stärke 
geltend machen und beide recht talentvolle Vertreter gefun- 
den haben. Auf der einen Seite stellt man als Grundsatz auf, 
dass fremde Orte und Personen so benannt werden müssen, 
wie sie in ihrem Heimatlande heissen und sich selbst nennen 
oder genannt haben; eine Ansicht, die, was die geographischen 
Namen betrifft, in einer sehr geistvollen, aber einseitigen Weise 
von A. Hedin in seinem Aufsatz "Om geografiska namn och 
derar rättskrifning’ (in Fria ord, herausgegeben vom Publieist- 
klubben, Stockh. 1878) verfochten worden ist. Auf der andern 
Seite erhebt man (z. B. C. J. Schlyter) die Forderung, dass 
solehen Namen im Schwedischen eine schwedische Form  ge- 
geben werden möge, ja in gewissen Fällen sogar eine schwe- 
disch lautende Form geschaffen werden müsse. Namentlich 
mit Rücksicht auf die altisländischen Namen hat diese letztere 
Ansicht viel Staub aufgewirbelt. Und, eigentümlich genug, 
diese ursprünglich von Dänemark ausgegangene Bewegung hat 
trotz ihrer meines Erachtens grell in die Augen springenden 
Unwissenschaftlichkeit sich emes gewaltigen Vorschubs von 
seiten mehrerer auf dem Gebiet der nordischen Sprachen wis- 
senschaftlich hervorragender und begabter Sehriftsteller rühmen 
können, wie eines ©. Säve (Schülers von N. M. Petersen), Th. 
Wisen, V. Rydberg, H. und E. Hildebrand, P. A. Gödecke 
(der jedoch eine gute Mittelstrasse einzuschlagen sucht), D. A. 
Sunden u. a., während solche Autoritäten wie Rydgvist (Svenska 
Spräkets lagar IV 544f.) und Lyngby (Tidskr. f. Philol. og 
Pxdag. X 112f.) dagegen aufgetreten sind. Dass diese ganze 
Frage sich noch in einer derartigen Gärung befindet und man 
hüben wie drüben mit seinen zum teil berechtigten Anfor- 
derungen so weit über das Ziel hinaus geschossen hat, beruht 
darauf, dass man folgende, für die Beurteilung der Sprachrich- 
tigkeit so wesentliche Gesichtspunkte übersehen hat. Vor 
allem hat man Rücksicht auf sein Publikum zu nehmen und 
mithin, wenn man sich an einen Schweden wendet, nicht an 
erster Stelle darnach zu streben, von einem Ausländer ver- 
standen zu werden. Alle nutzlosen Änderungen des üblichen 
Sprachgebrauchs müssen vermieden werden. Namentlich ist 


138 Adolf Noreen, 


zu beachten, dass die Sprachrichtigkeit ganz verschiedene An- 
forderungen einerseits an wirkliche, in der Sprache geläufige 
Lehnwörter, anderseits an diejenigen Wörter stellt, die 
mehr gelegentlich hie und da im Schwedischen zitiert wer- 
den: inbezug auf diese letzteren haben die beiden ersten Ge- 
sichtspunkte so gut wie nichts zu besagen, weshalb sich denn 
hier mehr kosmopolitische Rücksichten vollauf geltend machen 
können. Ausgehend von der soeben von mir verfochtenen An- 
schauungsweise hinsichtlich der Sprachrichtigkeit, gelangt man 
zu folgenden zwei, wie mir scheint, einfachen Grundsätzen: 

a) Fremde Namen, welche als Lehnwörter im Schwe- 
dischen allgemein in Brauch gekommen und daselbst in einer 
gewissen Form gang und gäbe geworden sind, werden unver- 
ändert in dieser Form beibehalten, weil durch eine 
Änderung für das Publikum, um dessen willen sie im Schwe- 
dischen da sind, nichts gewonnen wird, wohl aber viele un- 
nötige Scherereien verursacht würden. Mit der Besprechung 
dieses Grundsatzes und seiner Anwendung im einzelnen brauche 
ich mich, trotz der grossen Wichtigkeit der Sache, nicht lange 
aufzuhalten, da ungefähr dasselbe Axiom, wie ich es hier for- 
muliert habe, in einer Reihe von Aufsätzen “Namnförklädnmmg 
eller gamla och nya namn’ (Nya dagligt allehanda 1880 
Nr. 280 und 282, 1882 Nr. 24) von einem anonymen Autor 
ganz vorzüglich verfochten und durch Beispiele erläutert worden 
ist. Ich kann jedoch nicht umhin diesen oder jenen einschlä- 
gigen Fall zur Besprechung heranzuziehen. 

Es ist also meines Erachtens entschieden wnrichtig, die 
geläufigen Formen * Kopenhagen ἢ, Athen, Rom, Paris (mit 
hörbarem s), Neapel, ἢ Dänemark *, Frankreich, England 
(ausgesprochen Ängland) u. s. w. durch # Ajobenhaen #, bezw. 
Athenai, Roma, Paris (ausgesprochen Pari), Napoli, ἢ Dan- 
mark, France, England (ausgesprochen I/ngland) ersetzen 
zu wollen, zumal da hier von einer Konsequenz nicht die Rede 
sein kann. Der eme will Neapel nicht dulden, aber /om bei- 
behalten. Der andere findet sich noch mit Roma, ja selbst 
Athenai ab, verliert aber den Mut bei France und ἢ Danmark *. 
Und wer möchte sieh wohl, wenigstens in der Praxis, dazu 
verstehen, beispielsweise die slavischen Länder und Orte so 
zu benennen, wie sie die Einwohner selbst benamen, also Ros- 
sija statt ἢ Russland*, Brno statt Brünn, Sibir” statt Sibirien 


Uber Sprachrichtigkeit. 159 


u. s. w. Bekamntlich hat sich auch keine andere Sprache zu 
einer solchen Zuvorkommenheit, wie man sie jetzt dem Schwe- 
dischen gern aufreden möchte, dem Ausländer gegenüber bequemt. 
Aus demselben Grunde ist es ein Missgriff, Zudwig XIV, 
* Friedrich VII*, Jacob I, *Olaf der heilige*, Peter der 
grosse in Louis XIV, ἢ Fredrik VII*, James I, O’lafr helge, 
Petrv (lies Pjotr) velikij umzumodeln. Das letzte Beispiel 
dürfte jedoch wohl kaum einen Fürsprecher gefunden haben, 
und das ist nicht zu verwundern. Denn Konsequenz sucht man 
hier ebenso vergebens wie bei den “Reformbestrebungen’ hin- 
sichtlich der geographischen Namen 1). 

b) Fremde Namen, die nur ausnahmsweise einmal zitiert 
werden oder die lediglich in der wissenschaftlichen Litte- 
ratur, zu der ich auch die gewöhnlichen Lehrbücher zähle, 
vorkommen, müssen auch unverändert beibehalten, d. h. bei 
der Form belassen werden, die sie im der fremden Sprache 
haben, welcher sie gelegentlich entlehnt sind. * Ein tadelns- 
wertes Verfahren ist es also, fremde Namen durch eine dritte 
Sprache beeinflussen zu lassen und solche Verdrehungen wie 
Ulixes, Platää, Aegospotami, Athenienser, Uyrus, Zoro- 
aster, Don Quisxote (gesprochen don kischott), Don Juan 
(gesprochen don zZuan), Lissabon, Oranjefluss (gesprochen 
oranze) u. 8. w. statt Odysseus, Plataiai, Aigospotamoi, 
Athener, Kurus, Zarapuströ, 1). (ἡ. (gesprochen don kihote), 
1). J. (gesprochen don huan), Lisboa, O. (gesprochen oranje) 
u. 5. w. in Umlauf zu setzen. Noch schlimmer ist es, bei ur- 
sprünglich deutschen Namen in deutscher Rede die Form an- 
zuwenden, die ihnen eine fremde Sprache gegeben hat, also 
sich etwa Formen wie Nancy, Thionville, Bourgogne, Saar- 
qguemines, Dinamind, Djerpt, Mitawa u. ἃ. statt Nanzig, 
Diedenhofen, Burgund, Saargemünd, Dünamünde, Dorpat, 
Mitau u.ä. zu bedienen. Desgleichen ist es vom Übel, deutschen 
Namen, in denen die deutschen Endungen vollkommen genügen 
würden, fremde Suffixschwänzchen anzuhängen, also statt 


1) [Der folgende Absatz, im Original S. 37 u. 38, musste in 
der Übersetzung vollständig in Wegfall kommen, da meines Wis- 
sens auf deutschem Boden solche Verhältnisse und Bestrebungen, 
aus denen sich Belege schöpfen liessen, die den daselbst angeführ- 
ten schwed. Beispielen entsprächen, in der Gegenwart nicht vor- 
handen sind.] 


140 Adolf Noreen, 


Märcker, Pommer, Anhalter, Badener u.ä. Märckaner, Pom- 
meraner, Anhaltiner, Badenser zu bilden, Formen, die Keller 
(Antibarbarus ? 18 f.) und Andresen (Sprachgebrauch 5 ST) mit 
Recht rügen. 

Seit den Zeiten Klopstocks hat man vielfach gegen den 
oben aufgestellten Grundsatz bei der Wiedergabe altgermani- 
scher und namentlich altisländischer Namen gesündigt, über 
die man nach Willkür schalten und walten zu können glaubte, 
und die man daher nach Gutdünken verdeutschte. Allerdings 
kann sich dieses Verfahren in der eigentlichen Wissenschaft 
dank der strafferen Methodik jetzt nicht mehr breit machen, 
wohl aber stösst man in Schriften, die für weitere Kreise be- 
rechnet sind, wie z. B. in Hans von Wolzogens Eddaüber- 
setzung, der die folgenden Beispiele entnommen sind, auf der- 
artige unglückliche Versuche. Solche Ummodelungen gereichen 
dem Fachmanne wie dem Laien nur zum Schaden. Man weiss 
nicht, wo man zu Hause ist, und nur mit Mühe findet man 
sich zurecht, wenn man reden hört von Sturzbach für Sokkva- 
bekkr, Quellmime für Sokkmimir, Breitblick für Breidablik, 
Eibental für Ydalir, Guntwurm für Gubormr, Schreckross 
für Yggdrasill, Zünder für Μ᾿ αὐ", Pfeilsund für Orvasund, 
Siegbetreiberin für Sigrdrifa. Für den deutschen Leser noch 
unverständlicher als die altnordischen Namen müssen solche 
Formen wie Lidschelf, BDeberast, Wabedrut u. s. w. statt 
ITlidskjolf, Bifrost, Vafprüdnir u. 5. w. sein. Nicht selten 
sind die neuen Formen selbst vom eignen Standpunkt der 
Verdeutschungstheorie aus falsch fabriziert, mögen sie nun 
dem Laute nach oder der Bedeutung nach ins Deutsche über- 
tragen sein. Nödhoggr ist nicht nhd. Neidhagen, sondern 
Neidhau (Neidhieb); Njordr ist nicht gleich Nord, sondern 
entspräche einem Nerd (Nerthus bei Tacitus). Wolzogen 
giebt Hjordis durch Jördis wieder, während man doch ein 
Hertis (bezw. Herdis) erwarten sollte. Die deutsche Entspre- 
chung Verdandi ist nicht Werdand, sondern Werdende. Froya 
ist nicht durch Freia wiederzugeben, sondern entspricht genau 
dem nhd. Frau, während Freia, das dem Stamme nach nhd., 
der Endung nach ahd. ist (ahd. Frza — nhd. Freie), dem 
anord. Frigg entspricht. H. v. Wolzogen, wie auch Uhland, 
schreiben für anord. Reginn im Deutschen Zeigen, während 
doch Fegin oder Rein zu erwarten wäre. Ebenso anfechtbar 


Über Sprachrichtigkeit. 141 


sind die Fälle, in denen von Wolzogen die fremden Namen ins 
Deutsche der Bedeutung nach überträgt. So übersetzt er 
Alof durch Unerlaubt, während es doch etwa einem deutschen 
Anleib entsprechen würde, mit jenem leib, das wir m b(- 
leiben, Gottlieb haben, und jenem an- als erstem Teil, das 
wir z.B. in Anaolf, Anawalt, Anfrid, Enburc, Endrud u.a. 
haben (vgl. Förstemann Altdeutsches Namenbuch I 81f.). 
Eggber wird durch Schreckar wiedergegeben, eine Form, die 
in ihrem a einen sonderbaren Anachronismus aufweist, wäh- 
rend der Name “Schwertdiener" bedeutet und dem ahd. Hkki- 
deo oder Eggideo entspricht. Sigurdr ist nicht gleich Sieg- 
fried, sondern Siegwart. Aurgelmir erscheint im Deutschen 
als Urgebraus, wofür man Schlammgebraus, Schuttgebraus 
hätte erwarten können. Hierzu kommt noch der Umstand, dass 
es prinzipiell inkonsequent ist, bloss die altisländischen Namen 
verdeutschen zu wollen. Wie man von der ἡ Frieddiebssage 
statt der Frödpjofssage sprechen müsste, so auch von Johannes 
Jakob Rousseau, Lorenz Herz, Emmerich Vespucei, Alberich 
statt Jean Jacques Rousseau, Lars Hjerta, Amerigo Ves- 
puceci, Oberon (über diese beiden letzten Namen Hildebrand 
Zeitschr. f. deutsch. Unterrieht III 305 ff.), ja sogar von ZLö- 
wenstadt, Neustadt, Konrad, Luther, Dietrich statt Singa- 
pore, Napoli, Θραεύβουλος, Κλεόετρατος, Δημῶναξ U. 5. W. 
Diesem Verfahren möchte vielleicht der eine oder der andere 
entgegenhalten, dass ein grosser Unterschied zwischen altger- 
manischen, speziell altisländischen und andern Namen bestehe, 
dass wir über jene weit freier schalten könnten als über diese. 
Dieser Einwand dürfte wohl auf die Wurzel und den Ursprung 
des falschen Standpunkts hinweisen. Im letzten Grunde fusst 
er auf dem, wie jeder Fachmann jetzt weiss, nachweislich 
unrichtigen, aber noch heute ziemlich geläufigen Dogma, dass 
die altnordische Mythologie einmal sämtlichen Germanen gemein- 
sam gewesen sei.” Es mag darauf hingewiesen werden, dass, 
wenn auch die alte Auffassung richtig wäre, was sie jedoch 
ganz und gar nicht ist, wir zu genau demselben Resultat 
kämen. Auch wenn sich alle die isländischen Namen im 
* Althochdeutschen® fänden, so müssten doch die, die im ®Neu- 
hochdeutschen® fehlen, ihre alte Form behalten: die islän- 
dische [also O’dinn, Urdr, Frigg, Tyr|, wenn es sich um 
isländische Verhältnisse, die *althochdeutsche* [also 


149 Adolt Noreen, 


Wuotan, Wurt, Fria, Ziul, wenn es sich um *althoch- 
deutsche* Verhältnisse handelt, da ja das * Ahd.* thatsäch- 
lich eine andere Sprache ist als das *Nhd.*, ebenso wie das 
Lateinische eine andere ist als seine Fortsetzung, das Fran- 
zösische. Dass dagegen die, die sich *Nhd.* finden, ihre 
®nhd.* Form haben müssen, ist oben gezeigt worden [also, auf 
deutsche Verhältnisse angewandt, nicht anord. Dörr oder got. 
Fripareiks, *biudareiks, auch nicht ahd. Donar, Fridurich, 
Dioterih, sondern Donner, Friedrich, Dietrich, wie wir denn 
auch nicht mehr von Hadwwic, Uodalrich, Brisigowi, Wiri- 
zinburc, sondern von Hedwig, Ulrich, Breisgau, Würzburg 
u. 5. w. sprechen.] 

Bisher habe ich einen Punkt unberührt gelassen, dessen 
Behandlung der Leser vielleicht als Hauptsache bei der Frage 
nach der Sprachrichtigkeit erwartet haben wird, nämlich die 
Schönheit der Sprache. Ich will mich diesem heiklen Thema 
nicht dadurch zu entziehen suchen, dass ich ganz einfach die 
Behauptung hinstelle, dass auf diesem wie auf allen andern 
Gebieten objektive Gründe, nach denen einem Dinge die Be- 
zeichnung schön’ zuerkannt werden könnte, anzugeben über- 
aus schwierig ist. Ich will nicht sagen unmöglich. Mag es 
zwar auch richtig sein, dass “de gustibus non disputandum est’ 
und keimer hier leicht zu überzeugen ist, so ist es doch ge- 
wiss eben so sicher, dass der "Geschmack veredelt werden 
kann, was in sich schliesst, dass ein objektiver Massstab für 
die Schönheit gefunden werden kann, wenngleich es auch 
schwierig ist, ihn ausfindig zu machen. Inbetreff der Sprache 
mag vor allem hervorgehoben werden, dass für einen gesun- 
den Geschmack ihre Schönheit hauptsächlich in ihrer Zweck- 
mässigkeit besteht, und dass mithin die Schönheit in erster 
veihe dadurch erzielt wird, dass den Forderungen der Sprach- 
richtigkeit, die oben aus andern Gründen erhoben worden 
sind, Genüge geleistet wird. Fermer aber ist besonders zu 
bemerken, dass Reichtum und Wechsel im sprachlichen Aus- 
druck in hohem Grade die Schönheit der Sprache befördert. 
Je mehr Ausdrücke dem sprechenden zur Verfügung stehen, 
desto besser. In der Weise erhält eme Sprache Farbe und 
eine Fülle von Begriffsabstufungen, d.h. sie wird schön). Um 

1) Vergleiche, was oben (S. 116 Fussn. 2) über die Vorteile 
eines reichen Synonymenschatzes gesagt worden ist. 


Über Sprachrichtigkeit. 143 


nun diesen Reichtum zu gewinnen, hat man zwei Wege, näm- 
lieh Neuschöpfung und Entlehnung, die in der Welt der Sprache 
zu eben so glücklichen Resultaten führt wie jene, da das ent- 
lehnte nicht zurückgegeben zu werden braucht. Beide Ver- 
fahren sind daher angelegentlich zu empfehlen. 

a) Neubildungen, d. h. solehe Ausdrücke, die mit 
Hilfe der eignen, sehon vorhandenen Mittel der herrschenden 
Sprache (wie z. B. neue Zusammensetzungen) oder auch “aus 
nichts’ (wie viele neuzeitliche Interjektionen) geschaffen wer- 
den, sind in mehrfacher Hinsicht besser als Entlehnungen. 
Einerseits gewinnt man in der Regel für emen neugeschaffe- 
nen einheimischen Ausdruck ein grösseres Publikum als für 
einen von aussen her entlehnten, anderseits bedingt jener ge- 
wissermassen geringere Transportkosten, da das Material leich- 
ter zu beschaffen und jedem beliebigen, nicht nur den sprach- 
lieh Gebildeten zugänglich ist. Ausserdem sind derartige Aus- 
drücke gewöhnlich durchsichtiger, erregen mehr Ideenassozia- 
tionen, stehn in besserem Einklang mit dem schon vorher 
vorhandenen Wortvorrat und verquieken sich daher leichter 
mit diesem, während Lehnwörter, um ganz gang und gäbe 
zu werden, sich häufig einer volksetymologischen Umbildung 
unterziehn, mit andern Worten teilweise neugebildet werden 
müssen. Auf grund dieser ihrer grössern Übereinstimmung 
mit den übrigen Bestandteilen der Sprache werden Neubil- 
dungen auch als schöner angesehn. — Unter den zeitgenös- 
sischen Schriftstellern, die am meisten und am besten die 
schwedische Sprache durch Neubildungen bereichert haben, 
wären vorzugsweise Viktor Rydberg und August Strindberg 
hervorzuheben, obgleich ihre Wirksamkeit sich zwei gänzlich 
verschiedenen Gebieten zuwendet, indem jener hauptsächlich 
im Bereich der feierlicheren Sprache umgestaltend wirkt, 
dieser dagegen mit Vorliebe die alltägliche Sprache pflegt 
und vervollkommnet. Hinsichtlich der Neubildungen Rydbergs 
verdient jedoch besonders betont zu werden, dass sie von 
einem ganz andern Gesichtspunkt aus als dem, von welchem 
aus vermutlich ihr Urheber selbst sie für lobenswert er- 
achtet, gepriesen zu werden verdienen. Sie sind nämlich vor- 
trefflich nicht als Ersatz für andre, “ausländische” Wörter; 
sondern vielmehr, sofern es ihnen nicht gelingt, diese zu er- 
setzen, sind sie neben diesen und zwar als Begriffsschattie- 


144 Adolf Noreen, 


rung von diesen erforderlich. [Von den zeitgenössischen deut- 
schen Schriftstellern ist wohl Johannes Scherr derjenige, der 
in seinen Schriften die meisten Neubildungen aufweist. Doch 
dürften nur wenige, von diesen gleichwie die von Aristophanes, 
Fischart, Carlyle, mit denen Scherr hinsichtlich seines Stils über- 
haupt zu vergleichen ist, von nachhaltiger Wirkung sein und den 
Wortschatz der Sprache dauernd bereichert haben. Während 
in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts dem Nhd. durch die 
grossen Schriftsteller (und auch im Anfang dieses Jahrhunderts 
namentlich durch den Lexikographen Campe) eine Fülle von 
Wörtern, die vorzugsweise aus dem Bestande der damaligen 
Schrittsprache neugebildet wurden, zugeführt worden ist (wie 
1. B. empfindsam, zerstreut - Lessing, gemeinplatz, bildsam - 
Wieland, bereich-Goethe, zerrbild, gefallsucht - Campe, und 
unzählige andere), haben die Schriftsteller des 19. Jahrh., durch 
welche die Sprache eine Bereicherung an Neubildungen erfahren 
hat, vorzugsweise Material verwandt, das sie aus den frühern 
Entwicklungsstufen und den Mundarten der deutschen Sprache 
herholten; darüber sieh das folgende. Doch damit ist natür- 
lich nicht gesagt, dass nicht auch neuzeitliches Sprachgut zu 
Neubildungen benutzt worden ist; Rückert, Wagner, Dahn, 
Keller, Bismarck bieten uns dafür zur Genüge Beispiele. Eine 
grosse Anzahl von modernen Neubildungen, giebt es, deren 
Herkunft dunkel ist, die aber im aller Munde sind, wie z. B. 
die “geflügelten Worte’ und die Neubildungen die im Zei- 
tungsdeutsch auftauchen (vgl. den Aufsatz "Sprachliche Neu- 
bildungen’ in den Grenzboten 1881 XIII und Keller Antibar- 
barus 17 ff.). Eine reichhaltige Fundgrube von gebräuch- 
lichen und noch ungebräuchlichen Neubildungen ist Sarrazins 
Verdeutschungswörterbuch ?, em Werk, das durch Mitarbeit 
aller Bevölkerungsschichten zu stande gekommen ist.| ἢ Das, 
was oben über Rydbergs Neubildungen gesagt ist, gilt natür- 
lich auch mutatis mutandis für das Deutsche: schaubild ist 
insofern ein guter Ausdruck, als es eine konkretere Bedeutung 


als perspektive hat oder haben kann: deckname (Dahn) ist 
nur in dem Fall eme glückliche Bildung, dass es nicht voll- 
kommen dieselbe Bedeutung wie pseudonym hat oder erlangt; 
durchfiebern (Keller) und enttagen (Wagner) enthalten ohne 
Zweifel eine andre Bedeutungsfärbung als durchdringen und 
entspringen; massregeln ist ein ausgezeichnetes Wort, da der 


Über Sprachrichtigkeit. 145 


Begriff, den es wiedergiebt, vermutlich bisher in der deutschen 
Sprache gar keinen Ausdruck gefunden hatte. ἢ 

b) Lehnwörter sind, vom Standpunkt der schwedischen 
Schriftsprache, Fremdwörter, mögen sie nun aus einer leben- 
den oder toten, aus einer mehr oder minder fremden, aus der 
altschwed. Sprache oder den jetzigen Mundarten aufgenommen 
worden sein. Das scheint jedoch von den Puristen oder 
“Sprachremigern', wie sie sich lieber nennen, d. ἢ. von denen, 
die sich bemühen, die Fremdwörter, die “fremden” Sprachen 
entnommen sind, aus der Sprache auszujäten, übersehn zu 
werden. Dabei will man jedoch, wie mich dünkt, unter kei- 
ner Bedingung zugeben, dass das Isländische eine fremde 
Sprache sei, was es doch thatsächlich in höherm Grade als 
z. B. das Dänische ist. Während die alten Puristen des 17. 
Jahrhunderts, wie Stjernhjelm, Spegel, Svedberg u. a. sich zu 
dem meines Erachtens vollständig richtigen Grundsatz bekann- 
ten, lieber Wörter aus einer näher verwandten als aus einer 
ungleichartigeren Sprache zu entlehnen, scheint heutzutage der 
völlig entgegengesetzten Anschauungsweise gehuldigt zu wer- 
den. Aus einer Schwestersprache wie dem Deutschen einen 
Ausdruck herüberzunehmen soll jetzt viel mehr Tadel verdie- 
nen als aus dem uns so fern stehenden Französischen. Aus 
dem Dänischen Wörter aufzunehmen soll ganz verkehrt sein. 
Aber einem entfernteren Verwandten wie dem Isländischen zu 
entlehnen ist nicht nur zulässig, sondern sogar ein höchst 
verdienstliches Thun. Dieser letzterwähnten Ansicht stimme 
ich vollkommen bei, aber wohl gemerkt, wenn sie für alle 
Entlehnungen gelten soll, vorausgesetzt, dass sie vorgenommen 
werden, wo sie erforderlich sind. Und man bedarf ihrer täg- 
lich und stündlich. Man hat im Schwedischen nicht zu viel 
Fremdwörter, eher zu wenig, man hat aber zeitweilig gar.zu 
einseitig entlehnt, entweder fast ausschliesslich aus dem Deut- 
schen, oder fast ausschliesslich aus dem Französischen u. s. w. 
Von diesem Gesichtspunkt kann man der von den Puristen 
der Gegenwart gehuldigten Neigung bei den alten nordischen 
Sprachen eine Anleihe zu machen nicht genug das Wort 
reden. Und wohlgemerkt, wo keine gewichtigen Gründe für 
die Entlehnung von anderer Seite sprechen, verdient die Auf 
nahme, bezw. die Bewahrung alter schwedischer (oder wenig- 
stens nordischer) Wörter entschieden den Vorrang, da diese 


Indogermaniscehe Forsehungen I 1 u. 2. 10 


140 Adolf Noreen, 


mit den Neubildungen manche Vorzüge gemein haben, inson- 
derheit den, dass der Wortschatz der Sprache dadurch em 
einheitlicheres Gepräge erhält und leichter im Gedächtnis 
haftet. Als allgemeine Regel aber gelte: man entlehne — je 
nach «dem verschiedenen Zweck und dem verschiedenen Stil — 
von allen Seiten, aus den alten Sprachen des Nordens, aus 
den Mundarten, aus der Volkssprache der Städte, aus Spra- 
chen fremdartigsten Baues!). [Auch auf das Deutsche findet 
das so eben erörterte seine Anwendung; hier liegen die Ver- 
hältnisse ganz ähnlich. Scehottelius und Leibniz (über ihr 
gegenseitiges Verhältnis siehe Schmarsow QF. XXIID, die für 
die Säuberung der deutschen Sprache “von dem überflüssigen 
fremden Mischmasch  (Unvorgreifliche Gedanken $ 73) der 
französischen, italienischen, spanischen und lateinischen Wör- 
ter eintraten, empfahlen, zur Bereicherung des Deutschen Wör- 
ter aus den germanischen Sprachen und namentlich aus dem 
Niederländischen einzubürgern?). Jüngst ist auch Franke für 
die Heranziehung des Niederländischen, als der germanischen 
Schriftsprache, die dem Nhd. am nächsten steht, eingetreten 
(Reinheit und Reiehtum der deutschen Schriftsprache gefördert 
dureh die Mundarten 1890 8.15 f.) und hat dasselbe für das 
Nhd. fruchtbar zu machen versucht. Und im der That dürfte 
das Niederländische als Schriftsprache besser als eine Mund- 
art im stande sein die Sprache des Staatslebens und Gewer- 
bes, der Wissenschaft und der Kunst zu bereichern und zu- 
gleich eine gewisse Bürgschaft für die Lebensfähigkeit eines 
Ausdrucks zu leisten. Das ΝΗ]. spielt in der Fremdwörter- 
frage dem Nhd. gegenüber dieselbe Rolle, wie das Dänische 


ὃ 


1) Hiermit sei jedoch keineswegs in Abrede gestellt, dass in 
für das Volksbewusstsein kritischen Zeiten. ein mässiger Purismus, 
wie auch andre Schranken zwischen Völkern, berechtigt sein kann. 
So z.B. in unsern Tagen in Nordschleswig (dem Deutschen gegen- 
über), in Norwegen im Anfang dieses Jahrhunderts (dem Dänischen 
gegenüber). 

2) [“Gleichwie diejenigen Menschen leichter auffzunehmen, 
deren Glauben und Sitten den unsern näher kommen, also hätte 
man ehe in Zulassung derjenigen fremden Worte zu gehelen, so 
aus den Sprachen teutschen Ursprungs, und sonderlich aus den 
holländischen übernommen werden könten, als deren so aus der 
lateinischen Sprache und ihren Töchtern hergehohlet.” Leibniz 
Unvorgreifliche Gedanken $ 69.] 


Über Sprachrichtigkeit. 147 


dem Schwedischen gegenüber, während in dieser Beziehung 
dem Altschwedischen und Altisländischen auf deutschem Bo- 
den das Mittelhochdeutsche entspricht.] 

Unter denen, die sich vorzugsweise durch Aufnahme von 
Lehnwörtern aus dem Altschwedischen und Isländischen Ver- 
dienste erworben haben, ist vor allem Viktor Rydberg zu nen- 
nen, wenn er sich auch nieht immer in den Grenzen gehalten 
hat, die der gesunde Geschmack zieht. Von solchen Miss- 
griffen sind Säve, Gödecke und Hildebrand noch weniger frei- 
zusprechen, denn namentlich in ihren Übersetzungen kommen 
häufig genug Ausdrücke vor, welche alles eher als schwedisch, 
d. h. für einen Schweden, der des Isländischen unkundig ist, 
verständlich sind. * Während Gottsched und noch Adelung 
der Einbürgerung von Wörtern aus der älteren deutschen 
Sprache feindselig entgegen traten — der letztere bezeichnet 
sie als “Auswurf und findet Ausdrücke wie beginnen, fehde, 
frommen, anhaben, u.a. lächerlich’ (Raumer Gesch. der ger- 
man. Philologie 232, Socim Sehriftsprache und Dialekte 419) —, 
machte sich schon im 18. Jhd., namentlich durch Bodmer, 
Klopstock und den Göttinger Dichterkreis hervorgerufen, eine 
teutonisierende Richtung geltend, die sich angelegen sein liess 
möglichst vielen alten Wörtern das Bürgerrecht zu erteilen, 
ein Bestreben, das gemässigtere Fürsprecher auch in Lessing, 
Herder, Wieland fand. Als dann im 19. Jhd. die wissen- 
schaftliche Erforchung der deutschen Sprache begonnen hatte, 
waren es besonders Jacob Grimm, Uhland, Scheffel, Richard 
Wagner, die aus diesen fachwissenschaftlichen Studien für 
die Bereicherung des nhd. Wortschatzes Münze schlugen. Als 
Belege mögen hier stehen: wabern (G., W.), hahnkrat (G.), 
schliefen (G.), brünne (U.), ungefüge (U.), wat (U.), ande 
(— schmerzlich bei U. ist wohl dem Mhd. entnommen, während 
ahnd bei Auerbach aus den jetzigen Dialekten — vgl. Weigand 
Wörterbuch I unter ahnden — stammt), gaden (U., S., auch bei 
Gotthelf), gezwerg (= Zwerg, S. u. W.), biederbe (Treitschke), 
radber (Freytag)!), brimmen (Freytag), tum (= Urteil, Macht, 
Wesen bei Massmann, Jahn), »nösıwende (W., auch bei Keller), 
friedel (W.), glau (= glänzend, scharfsichtig, W.), weihlich 


1) Möglich ist auch, dass Freytag dieses Wort seinem schle- 
sischen Heimatsdialekt entnommen hat. 


148 Adolf Noreen, 


(W.), wog (= Woge, W.), klinze (= Spalte, W.), neiding (W.), 
wal (=Walstatt, W.), ertagen (W.), kür (= Beschluss, W., schon 
Klopstock), freislich (= schrecklich, W.), freidig (= kühn, W.), 
waldweben (Gegensatz von Waldesstille, W.), frieden (= zur 
tuhe oder zum Frieden bringen, W.) u.s.w.; frieden u.a. sind 
gute Wörter, wenn sie neben beruhigen u. a. und mit einer 
etwas andern Färbung gebraucht werden, nicht aber, wenn 
sie diese ersetzen sollen. Übrigens soll zugegeben werden, 
dass sich unter den oben angeführten Beispielen manche be- 
finden mögen, die infolge ihrer schwereren Verständlichkeit 
minder gelungen erscheinen. Dass aber derartige Bestrebungen 
nicht fruchtlos sind, dass ein derartiges, in grossem Massstabe 
betriebenes Entlehnungsverfahren zu glücklichen Ergebnissen 
führen kann, und dass der als allmächtig angesehene Sprach- 
gebrauch’ sich wirklich fügen muss, da er die Entwicklung 
der Sprache hindert, geht unter anderm aus der Menge der- 
artiger Lehnwörter hervor, die seit dem Erwachen des Inter- 
esses für die älteren Entwicklungsstufen der deutschen Sprache 
und Litteratur eingebürgert wurden und jetzt als geborgenes, 
unveräusserliches Gut des Nhd. angehen werden, wie: tann, 
mage, ger, hort, eiland, norne, weigand, tarnkappe, 
rune, minne, lindwurm, kämpe, ferge, ur, heim, hain, 
harm, gau, edeling, feien (wohl aus mhd. veinen mit An- 
lehnung an fei), schick (falls das Wort nicht durch das fran- 
zösische chic wieder ins Deutsche kam, das seinerseits dem 
Mhd. schic entnommen ist), sippe, recke u. a. Ein Gebiet, 
auf dem am meisten und zum grössten Vorteil für die 
Sprache derartige Entlehnungen vorgenommen werden, ist das 
der Personennamen. Erwin, Wolfgang, Burghart, Hartwig, 
Walther u. a. weiteifern mit Erfolg mit Aonstantin, Eugen, 
Maximilian, Josef u. s. w.; Elsa, Gertrud, Hedwig, T’hus- 
nelda, Hildegard, Irmgard u. a. finden vielleicht jetzt mehr 
Anklang als Marie, Louise, Josefine, Concordia, Dorothea 
USW.” 

Aus den Dialekten hat man noch lange nicht in dem 
Masse Wörter aufgenommen, wie es hätte geschehen sollen; 
ja die Ausbeutung dieser überaus ergiebigen Fundgrube hat 
gerade jetzt erst ihren Anfang genommen. In dieser Bezie- 
hung schon reeht viel erspriessliches auszurichten ist August 
Bondeson gelungen. [Während auf deutschem Boden im vo- 


Über Sprachrichtigkeit. 149 


rigen Jahrhundert noch Gottsched eifrig beflissen war alle 
mundartlichen Wörter auszujäten, wiesen Bodmer, Wieland und 
Herder auf die Notwendigkeit hin dieses fruchtbare Feld nicht 
brach liegen zu lassen. Und dass diese ihre Bestrebungen Er- 
folg gehabt haben, zeigt die jetzige nhd. Schriftsprache, deren 
Wortschatz schon zu emem ziemlich erklecklichen Teil aus mund- 
artlichen Elementen besteht, wovon man sich annähernd ein Bild 
machen kann, wenn man die stattliche Reihe der dialektischen 
Wörter in Janssens Index zu Kluges etymologischem Wörterbuch 
(5. 249 f., vgl. auch daselbst “Mundartliches’ S. 256 f.) durch- 
mustert. Wie sich das Verhältnis von Sehriftsprache und Dia- 
lekt im 19. Jhd. weiter gestaltet hat, darüber handelt ein- 
gehend Socin (Schriftsprache und Dialekte S. 466 ff.). Neuer- 
dings ist Franke in seinem oben erwähnten Buche mit prak- 
tischen Vorschlägen hervorgetreten, die deutschen Mundarten 
und das Holländische für die Schriftsprache zu verwerten.] 
*Als dialektische Wörter, die sich bei schriftsprachlichen Au- 
toren, also nieht reinen Dialektdichtern wie z. B. Reuter, fin- 
den, mögen hier einige Belege aus Gottfried Keller stehen: 
äufnen (= mehren, emporbringen), herummwurmisieren, un- 
wohnlicher zustand, wumwort (überflüssiges Wort), einzug 
(Herberge für verdächtiges Gesindel), fahrhabe, petschiert 
(= berlin. gelackt, hereingefallen), essöighafen (= berlin. gift- 
pilz), handzwehle, gülte (auch bei Uhland und Gotthelf), gant 
(= Konkurs auch bei Gotthelf, ebenso verganten; gantner 
Wildenbruch). Überreich mit dialektischen Bestandteilen dureh- 
setzt sind die Schriften von Jeremias Gotthelf (Albert Bitzius): 
währschaft (solid), verleichtsinnigen (— berlin. verbummeln), 
bündig (gleich lang mit etwas), guten, bösen (besser, schlimmer 
werden), auf die stauden klopfen (zu verstehen geben, son- 
dieren), es zweit mir sich (ich bin in Zweifel), pflug halten 
(Männerarbeit thun), vertwlichkeit (Gewohnheit viel zu ver- 
brauchen), ein redhaus sein (viel sprechen), verschüpfen (lieb- 
los behandeln), eögelichkeit (Verbindung von Ordnung, Pünkt- 
lhiehkeit «und Reinheit), zäpfeln (spöttische Blicke zuwerfen), 
unmussige zeit (wo keine Hand zu entbehren ist), gewundrig 
(meugierig), erbrichten (den Kopf zurecht setzen), schmäder- 
frässig (= berlin. kiesetig), verstaunt (in Gedanken verloren), 
aufreisen (aufhetzen), vorhausen (durch Sparen vorwärtskom- 
men), Zröftig (behaglicher Aufenthaltsort), menscheln (nach 


150 Adolf Noreen, 


Menschenart handeln oder sein), heint (kommende Nacht, vgl. 
nächt vergangene Nacht bei Uhland und Auerbach) u. a. * 

Aus der Volkssprache, dem sogen. "slang’, können zum 
Bedarf der niederen Alltagssprache viele Ausdrücke gedeihliche 
Verwendung finden. Auf diesem Gebiet dürfte Strindberg 
[bezw. auf deutschem Boden etwa Julius Stinde und E. von Wil- 
denbruch] als primus inter pares unter den insgesamt in dieser 
Hinsicht mehr oder minder hochverdienten, jetzigen realisti- 
schen Schriftstellern hervorragen. Von den ausdrucksvollen 
Wörtern, die sich reichlich in ὃ Stindes und Wildenbruchs *® 
Arbeiten finden, mögen beispielsweise folgende genannt werden: 
Ἔ sich verschmökern, wrasen, sich verheddern, ausgetragen 
(— pfiffig), verquer, angen und bangen, zusammenfingern, 
anorgeln, kruppzeug, rasaumen, schmeid (W.) — sich verbie- 
stern, kiesetig, bramsig, hahmebüchen, verbubanzen, tele, an- 
lappen, miesepetrig, brägenklieterig, trietzen, unterkietig, zäh- 
drähtig, heiratern, stentzen, aufbegehren, barmen, nackedei, 
verschmetterung, drucksen und wrucksen, leine ziehn, ge- 
hirnkneifen, ramschwaare (S.).* 

Aber auch das berechtigtste Streben kann zu weit ge- 
trieben werden. Dass mehr als eine verschwindend geringe 
Zahl von * Niehtberlinern # den Inhalt solcher Ausdrücke wie 
*urig, lehnepump, kranewanken (St.) # vollkommen zu er- 
fassen vermögen, dürfte in Zweifel gezogen werden können. 

Entlehnungen aus fremden Sprachen im engeren Sinne 
— wofür wohl keme Belege angeführt zu werden brauchen — 
sind namentlich für Benennungen von Gegenständen der allge- 
meinen Kultur zu empfehlen. In diesem Fall sind einheimische 
Bildungen (wie z. B. fernsprecher, eingeschrieben, bahnsteig) 
von mehreren Gesichtspunken in sprachlicher Hinsicht den aus- 
ländischen Lehnwörtern (telephon, recommandiert, perron) 
unterlegen 1). Ferner dürften diese Lehnwörter in der leichtern 
Roman- und Novellenlitteratur am meisten am Platze sein, wenn 
sie sparsam und mit Auswahl verwandt werden. Denn dass 
man leicht einen Fehlgriff begehen kann, auch bei Entleh- 
nungen aus einer so wenig fremden’ Sprache wie der *hol- 
ländischen oder der mittelhochdeutschen, dafür finden wir z.B. 
Belege bei Franke (Reinheit und Reichtum der Schriftsprache) 


1) Vergleiche hierüber Tegener a. a. Ὁ. S. 129 ἢ 


Über Sprachrichtigkeit. 151 


oder bei R. Wagner. Jener redet z. B. (S. 50f.) Ausdrücken 
wie zeitweiser (aus holländisch tijdwijser) für kalender, 
dingen (holl. mhd. dingen) für prozessieren, arzeneimenger 
(holl. artsenijmenger) für apotheker das Wort. Zeitweiser 
empfiehlt sich deshalb nicht, weil man dabei unbedingt an uhr 
denken würde, dingen, weil dieses Wort schon in der Sprache, 
und zwar mit der ausschliesslichen Bedeutung mieten, vorhan- 
den ist. Franke sucht die Entlehnungen durch Hinweis auf 
zeitung, zeitschrift bezw. bedingen zu stützen, meines Erach- 
tens aber mit wenig Aussicht auf Erfolg. Arzeneimenger scheint 
mir ebenso wie pillendreher eine etwas herabsetzende Bedeu- 
tung zu haben (man vergleiche weinmenger, sprachmenger). 
Auch gattlich (mhd. getelich, nniedl. gadelijk, in deutschen 
Dialekten, unter anderm bei Gotthelf) mit der Bedeutung ma- 
nierlich, wohlgeartet, wie sie übrigens noch bei Goethe sich 
findet, wieder für die Schriftsprache beleben zu wollen (Franke 
42) scheint mir deshalb verfehlt, weil sich dieses Wort für das 
jetzige Sprachgefühl durchaus mit gatte, gatten assoziieren 
würde, vgl. Weigand Deutsch. Wrtb. I 613. Richard Wagner 
gebraucht frieden (Götterdämmerung 18: “der erde holdeste 
frauen friedeten längst ihn schon’) im Sinne von “lieben, sich 
bewerben , offenbar mit Anlehnung an mhd. vriedel “Geliebter’; 
den wenigsten dürfte hier wohl der Zusammenhang mit freien 
gegenwärtig sein. ® 

Nachdem ich nunmehr meinen Standpunkt dargelegt und 
ihn durch Beispiele erläutert habe, gehe ich schliesslich dazu 
über, einigen Einwänden entgegenzutreten, die sich sicherlich 
schon manchem meiner Leser autgedrängt haben. So z.B. dürfte 
der eine oder andere behaupten wollen, dass sich mein Stand- 
punkt eigentlich mit dem decke, der dem ‘Gebrauch’ als höch- 
stem Gesetze huldigt. Denn unbestreitbar bin ich in den meisten 
Fällen zu dem Resultat gekommen, dass das, was thatsächlich 
Jetzt gebraucht wird, besser ist als der Ersatz, den verschie- 
dene Sprachreiniger u. a. vorgeschlagen haben. Aber nicht 
zu übersehen ist, dass ich einerseits nur in den meisten Fällen 
den Brauch gebilligt habe, während ich oft für den bisher 
ungehörten oder nur in der Schrift vorkommenden Ausdruck 
eingetreten bin, weil er (auch für die gesprochene Sprache) 
besser ist als der in der mündlichen Rede geläufige, dass an- 
derseits in den Fällen, in denen die Anhänger des Sprachge- 


152%. Adolf Noreen. 


brauchs und ich hinsichtlich des Ergebnisses übereinstimmen, 
meine Begründung eime ganz andere als die ihrige gewesen 
ist. Denn mir gilt als ausgemacht, dass ein Ausdruck nieht 
deshalb gut ist, weil er gebräuchlich ist, sondern er in Ge- 
brauch gekommen ist, weil er sich als gut erwiesen hat!); 
demn unwillkürlich greift man in der Mehrzahl der Fälle zum 
passenden Ausdruck. Hiermit sei jedoch keineswegs in Abrede 
gestellt, dass auch häufig zu schlechten Ausdrücken gegriffen 
worden ist, dass diese gebräuchlich wurden und noch gebräuch- 
lich sind. Das ist ein Zugeständnis, das die Anhänger des 
zweiten Standpunkts, wenn sie diesem treu bleiben, nicht machen 
können, denn “das, was gebraucht wird, ist gut”. Ich aber 
kann wohl diese Emräumung machen; denn von meinem Stand- 
punkt aus heisst esnur: das, was nicht gebraucht werden kann, 
taugt nichts, und vom gebräuchlichen oder brauchbaren, selbst 
wenn es noch nieht zur Anwendung gekommen sein sollte, ist 
ein Teil gut, ein Teil schlecht, ja vieles ist zugleich gut und 
schlecht, nämlich von verschiedenen Gesichtspunkten aus. Mit 
Bezugnahme auf diese widerstreitenden Gesichtspunkte kann 
ich mir auch erlauben, ohne in Inkonsequenz oder Widerspruch 
zu verfallen, zu behaupten: was an und für sich (abstrakt 
betrachtet) richtig ist, wird oft in casu (im konkreten Fall) un- 
richtig, d. h. was vom Standpunkt des Redenden das beste 
ist, was am wirksamsten seinen Gedanken zum Ausdruck bringt, 
ist bisweilen vom Standpunkt des Angeredeten das schlechteste, 
ist durchaus ungeeignet diesem den Gedanken des ersteren zu 
übermitteln. Ein Beispiel. Wenn ich im Gespräch mit einem 
Mann aus dem Volk den Ausdruck nonchalant anstatt des un- 
gefähr gleichbedeutenden lässig anwende, so ist es sehr wahr- 
scheinlich, dass der von mir benutzte Ausdruck der ist, der 
am besten der Sache wie auch meiner Ansicht entspricht. Es 
ist vielleicht der, mittels dessen ich am besten meine Meinung 
zum Ausdruck bringen kann. Da ich nun aber einmal nicht zu 
meinem eignen Vergnügen spreche, sondern um meine Ansicht 
dem, mit dem ich mich unterhalte, beizubringen, so ist damit 


1) Oder um ein Beispiel aus einem naheliegenden Gebiet zu 
wählen: die telegraphische Zeichensprache ist nicht deshalb „ut, 
weil sie gebraucht wird, sondern sie ist in Anwendung, weil sie 
für praktisch befunden ist. 


Über Sprachrichtigkeit. 153 
schon gesagt, dass ich, falls der Ausdruck von dem Mann nicht 
verstanden wird, meine Absicht nieht erreicht habe, und zwar 
darum nieht, weil ich meinen Ausdruck schlecht gewählt habe, 
der mithin, wenn alle Umstände in Betrachtung gezogen wer- 
den, falsch ist. Er ist falsch, weil es am wichtigsten ist, dem 
Interesse des Angeredeten genüge zu tun, wenn auch zweifels- 
ohne das Interesse des Redenden der Art nach höher steht, 
da dadurch, dass diesem vollauf genüge getan wird, falls das 
überhaupt möglich wäre, die Sprache nicht nur für den einzelnen 
Fall vollkommner würde, sondern auch im ganzen und allge- 
meinen eine höhere Stufe der Entwiekelung erreichen würde. 
Die Rücksichtnahme auf die Anforderungen der Entwickelung 
(d.h. der Verbesserung) ist ja bei all unserm Thun und Lassen, 
mag es sich nun um das Einzelwesen, um das Volk oder um 
die Menschheit handeln, der höchste Gesichtspunkt, der nie- 
mals ausser acht gelassen werden darf, da er unser Handeln 
in die richtige Bahn weist. Trotz alledem aber ist die Rücksicht 
auf die Kräfte und den Standpunkt desjenigen, der entwickelt 
werden soll, der für jeden besondern Fall wichtigste Gesichts- 
punkt, weil er bestimmt, was jetzt d. h. im Augenblick der 
Handlung geschehen soll, und zwar ın der rechten Richtung 
oder wenigstens in keiner unrechten. Der Opportunismus, 
die Neigung sich nach den Umständen zu richten, kann nicht 
genug gerühmt werden, bei dem nämlich, der wirklich Grund- 
sätze und Ideale hat; bei andern ist gewöhnlich weiter nichts 
als Charakterlosigkeit. 

Ferner möchte vielleicht mancher der Ansicht sein, dass 
sich aus meiner hier gebotenen Erörterung kein praktischer 
Nutzen ergebe. Denn es verläuft doch so, wie es die Mehrzahl 
will: der Brauch ist übermächtig, der einzelne machtlos. Aber 
das ist üunrichtig. Denn es ist nicht die Mehrzahl, die in der 
Sprache den Ausschlag giebt, sondern den geben einige wenige 
begabte Persönlichkeiten; hierüber unten. Und weder diesen 
noch den andern kann es ohne Belang sein, die Richtung, in 
der man die Sprache entwickeln muss, deutlich bezeichnet zu 
sehn und die Angabe der richtigen Gesichtspunkte zur Beur- 
teilung dessen, was in jedem einzelnen Fall hierfür gethan wer- 
den könnte und mithin müsste, zu erhalten, wenn man sich 
auch oft begnügen muss festzustellen: so ist doch der Verlauf. 
Keineswegs kann mir die Erkenntnis unwesentlich sein, dass 


154 Adolf Noreen, 


der Ausdruck nonchalant unter andern und glücklichern sprach- 
lichen Verhältnissen der beste Ausdruck gewesen wäre für 
das, was ich diesmal, um nicht falsch oder gar nicht ver- 
standen zu werden, mit emem Wort, das nicht vollkommen 
genau meine Meinung wiedergab, auszudrücken genötigt und 
mithin auch verpflichtet war. Denn sich der Notwendigkeit zu 
fügen ist ja stets eine Tugend. — Von der grössten Trag- 
weite sind die Folgerungen aus meimer Auffassung von der 
Sprachrichtigkeit für den Unterricht, namentlich in den Schulen, 
in denen viel Humbug ausgerottet werden kann und muss, 
z. B. die zeitverschwendende Anfehdung soleher Pluralformen 
wie *stiefeln, fenstern* und andrer, gelinde gesagt, unschul- 
diger Formen. Wünschenswert wäre auch, dass z. B. solche 
® Imperative wie vergess, brech* u. a. bald als tadelloses 
* Deutsch® anerkannt würden; damit wäre dann auch der bei 
der Schuljugend häufig genug vorkommende Fehler erledigt, 
der mehr als etwas anderes der Art dazu beitragen dürfte, 
einem, dem es obliegt, Aufsätze zu korrigieren, sem ohnehin 
schon mühevolles Leben noch mehr zu vergällen. Man hat 
fürwahr schon genug damit zu thun, die wirklichen Fehler der 
Schüler auszumerzen, als dass man sich noch aufbürden sollte, 
den Schüler auch in den Punkten zu berichtigen, in denen 
er sich besser als sein Lehrer ausdrückt. Es ist wohl über- 
flüssig, hinzuzufügen, dass es natürlich nicht meine Absicht 
sein kann, dass diese und andere von meinen radikalen An- 
sichten in der Schule durchgeführt werden sollen, noch weni- 
ger, dass daselbst für sie die Werbetrommel gerührt werden 
soll, ehe sie m der Wissenschaft den Sieg errungen haben. Die 
Schule ist kein wissenschaftliches Versuchsfeld. Auf den Fur- 
chen, die Brot geben sollen, darf man keinen zweifelhaften 
Samen, noch weniger Steine aussäen. Das haben die Für- 
sprecher der ältern Ansichten gar zu oft übersehn. 
Schliesslich laufe ich Gefahr dem in gewisser Hinsicht 
begründeten Einwand zu begegnen, dass meine Regeln für die 
Sprachrichtigkeit gar zu verwickelt seien, um befolgt werden 
zu können, dass gar zu viel Gesichtspunkte gleichzeitig Be- 
achtung erheischen, als dass jeder beliebige sich erfolgreich 
mit der Verbesserungsarbeit an der Sprache befassen könnte, 
wenn man diese für möglich und geboten halte. Das ist 
allerdings wahr, aber “jeder beliebige’ soll sich auch nicht 


Über Sprachrichtigkeit. 155 


mit der Sache befassen, denn “jeder beliebige’ kann es wirk- 
lieh nieht. Wer ist denn hier der Sachverständige, der wahre 
Meister (nieht der Meisterer) der Sprache? Es ist das nicht 
der historische Sprachforscher, auch nicht der Sprachforscher 
überhaupt). Es ist auch nieht der Statistiker, der den Ge- 
brauch verzeichnet, sondern es ist das einerseits der Sprach- 
philosoph, der besser als andere über die idealen Aufgaben 
der Sprache nachgedacht hat und mithin weiss, was not thut, 
anderseits und besonders der formgewandte Beherrscher 
der Sprache, der besser als andre die Sprache gehandhabt und 
dem Gedanken den entsprechenden Ausdruck geschaffen hat 
und mithin weiss, was sich aus den vorhandenen Mitteln für 
uns andre machen lässt. Denn wir, wir bilden die grosse 
Menge, die die Gewänder unserer Gedanken, die von jenen er- 
funden und nach unserem Bedarf verfertigt sind, trägt; wir 
benutzen sie und vor allem — wir nutzen sie ab. Selbst- 
thätig zur Entwicklung der Sprache können wir nur wenig 
beitragen, und zwar nur unter der Leitung dieser unserer 
Lehrer. Wir müssen uns darein zn finden suchen, ihnen gegen- 
über Schüler zu sein. Und man soll nieht die Welt umge- 
stalten wollen, so lange man noch auf der Schulbank sitzt. 

Ich bin also bei derjenigen Auffassung angelangt, die man 
als den Standpunkt des gesunden Menschenverstandes bezeich- 
nen könnte. Man hat eine “gute’ Sprache, wenn man wie die 
“guten” Redner und Schriftsteller sprieht und schreibt. Das 
ist auch vollständig richtig. Es liegt in dieser Behauptung 
nur scheinbar ein Zirkelschluss. Denn ich habe oben ausführ- 
lich darzulegen versucht, was das für Rücksichten sind, durch 
deren Beobachtung eben ein Schriftsteller zu einem Meister 
der Sprache wird. Dieser ist sich jedoch, wie auch andre Künst- 
ler, oft der Regeln, die er (also in diesem Falle instinktiv) 
befolgt, um durchschlagend zu wirken, gar nicht bewusst. — 
Dies führt mich zur Beantwortung der Frage, die mir von 
denen, die ich hier zur Lösung aufgestellt hatte, einzig noch 
übrig bleibt. 

Welche sprachphilosophische Auffassung vom Wesen der 

1) “Der Sprachforscher hat keineswegs die Aufgabe die Ge- 
setze der Sprache zu schreiben, sondern sie nur zu beschrei- 
Benz ’(Rsr Tesner a; ἃ. Ὁ. 5. 1995): 


156 Adolf Noreen, 


Sprache liegt nun dem Standpunkt, den ich hier im einzelnen 
verfochten habe, zu grunde? Meine Antwort lautet: Die 
Sprache ist nicht, so zu sagen, eine Menge ein für alle mal 
hergestellter Papierscheine, deren Zahl, Stoff, Form und Wert 
bestimmt ist, und bei deren Umsatz wir nur zuzusehn haben, 
dass wir sie nicht mehr abnutzen als unbedingt notwendig 
ist. Sie ist auch kein Naturprodukt, das in dem grossen 
Weltall unabhängig vom Willen, ja trotz dem Willen des 
Menschen, Leben, Bewegung und Dasein hat. Die Sprache ist 
vielmehr, ebenso wie Kleider, Wohnung und Werkzeuge, we- 
sentlich ein Kunstprodukt; em Kunstprodukt, das sich 
allerdings verändert, weil es benutzt und dabei abgenutzt wird, 
das sich aber vor allen Dingen entwickelt und verbessert, weil 
auch im selben Verhältnis eine Entwiekelung stattfindet, einer- 
seits bei dem Künstler (dem Menschen), der es herstellt, ander- 
seits bei dem (dem Menschen in seinem Gedanken- und Vor- 
stellungsleben), für den es hergestellt wird. Dass die Sprache 
ein Kunstprodukt sei, wird in keinerlei Weise durch die rich- 
tige Bemerkung widerlegt, dass sie vielleicht zum grössten 
Teile oder wenigstens bei den meisten Sprechenden unbe- 
wusst und unfreiwillig hervorgebracht wird. Denn dasselbe 
gilt auch vom Bau des Bibers, der Zelle der Biene u. s. w., 
welche Kunstwerke sind, obschon sie nur infolge eines Kunst- 
triebes, nicht durch eine bewusste und freiwillige künstlerische 
Thätigkeit zustande gekommen sind. Beim Menschen aber, 
mit dem es in dieser Hinsicht glücklicherweise besser als mit 
dem Biber oder der Biene bestellt ist, muss zugleich eine solche 
höhere künstlerische Thätigkeit in bezug auf die Sprache 
stattfinden, wofern diese die hohe Aufgabe, welche ihr als dem 
herrlichsten Werkzeug des Menschen gestellt ist, würdig lösen 
soll. Das besagt keineswegs, dass man “der Sprache Gewalt 
anthun’ solle. Hier, wie in der Kunst, kann übrigens die 
Verehrung “der Natur’ zu weit getrieben werden. Die That- 
sache, dass die Biene sich selbst eine notdürftige Wohnung 
schafft, hat mit Recht «den Bienenzüchter nicht davon abge- 
halten, immer bessere Bienenstöcke zu erfinden und mit Erfolg 
anzuwenden. Der Mensch aber sollte, weil er schon notdürftig 
seine Gedanken beherbergen kann, davon abstehen, mit Bewusst- 
sein darnach zu streben, ihnen eine vollkommenere Wohnstätte 
zu bereiten! Anderseits: eben so gewiss, wie der Bienen- 


Über Sprachrichtigkeit. 157 


züchter darauf achten muss, dass er nicht, durch seine theore- 
tischen Erwägungen veranlasst, die Behausung der Bienen so 
ideal einrichtet dass die Bienen sieh nieht zurecht finden und 
daher nicht hineinwollen, so muss auch der Sprachverbesserer 
den Gebrauch, den jüngern sowohl wie auch den ältern, ge- 
bührend berücksichtigen. Ich wiederhole nochmals: von der 
Sprachverbesserung abzustehen und “die Sprache sich selbst 
zu überlassen‘, das wäre der Menschen unwäürdig, das dürfen 
wir micht; aber: nicht ein jeder ist berufen die Sprache zu 
verbessern, sondern nur das Sprachgenie (im praktischen Sinn), 
d. h. der Redekünstler in des Wortes bester Bedeutung, und 
die grossen Schriftsteller, denen es beschieden ist, einst die 
klassischen genannt zu werden. 

Adolf Noreen. 

Arwid Johannson. 


ΠΡ ς 


I. In dem inschriftlich erhaltenen, von Carl Curtius (In- 
schriften und Studien zur Geschichte von Samos, Lübecker 
Schulprogramm 1877) veröffentlichten Heraionmventar findet 
sich ein Tempelbeamter erwähnt, welcher die Erklärer ein- 
gehend beschäftigt hat, ohne dass ein annehmbares Ergebnis 
erreicht wäre. S. 11 bei C. Curtius (besser herausgegeben 
bei U. Koehler Athenische Mitteilungen VII S. 368) lesen 
wir: “ἐν τῷ μεγάλῳ νει ÖCa ἐν τοῖς UEPECIV, ἀνεγίγνωεκεν ἐκ 
τοῦ βιβλίου τοῦ cecnuacuevov, καὶ ὁ ἱερὸς τῆς θεοῦ Πελύειος 
ἀπέφαινεν ὄντα πλὴν τῶνδε κτλ. Pelysios, ein in der Heraion- 
verwaltung beschäftigter Mann, wies nach, dass die in das 
amtliche Verzeichnis aufgenommenen Gegenstände wirklich 
auch im Tempelinventar vorhanden waren mit einigen genau 
angegebenen Ausnahmen. Was ist aber der ἱερὸς τῆς Beov? 
Man hat an Verkürzung aus ἱερόδουλος gedacht. Das geht 
nicht an, weil ein Hierodulendienst dieser Art im samischen 
Heraion weder überliefert noch glaublieh ist). Und doch 
sind die ἱερόδουλοι eine passende Analogie?), desgleichen 
TayE 1) Darauf läuft Koehlers Erklärung im Grunde hinaus. Er 
hatte u.a. an Boeckh (zu dem unten angeführten CIG.) einen Vor- 
ganger. 

2) Einfach als γυναῖκες ἱεραί bezeichnet Strabo XII p. 559 die 
Hierodulen von Komana, als ἱερόδουλοι die vom Eryx VI p. 272. 


158 Ernst Maass, 


ἱεροκῆρυξ (oder ἱερὸς κῆρυξ), ἱερομνήμων 1), ἱερὴ ἀγορή (Ditten- 
berger Sylloge 5), ἱεραὶ παρθένοι, ἱερὸς λόγος u.a.ım. Nichts 
als der Gegensatz zum Profanen wird durch ἱερός ausgedrückt: 
ἱερός ist allgemein, wer eine heilige Beschäftigung treibt, der 
sakrale Beamte, und zwar als fester Terminus, auch ohne zu- 
gesetzte nähere Bestimmung in allegemeinem Gebrauch. Da in 
der Beurteilung des emschlägigen Stellenmaterials auf mannig- 
fache Weise geirrt worden ist, mag hier eine kurze Bespre- 
chung der wichtigsten Belege folgen. Im Rahmen meiner Un- 
tersuchung wird sie sich von selber rechtfertigen. 

Auf der Mysterieninschrift von Andania bei Dittenberger 
Sylloge 335 erscheint ein Kollegium von ἱεροί und \epai. Sie 
werden alljährlich phylenweise aus einer bevorzugten Gruppe 
durchs Loos erwählt, um für den ordnungsmässigen Verlauf 
des grossen Festes der Demeter und Persephone Sorge zu 
tragen. Von den Priestern (ἱερεῖς) scharf geschieden charakte- 
risieren sie sich als Tempelbeamte für den Aussendienst. Wir 
mögen sie ruhig als “heilige Männer’ und “heilige Frauen’ 
oder als “heiliges Kollegium’ bezeichnen. Sauppe hat das ge- 
than. Andere haben es ohne Grund, wie ich meine, bestritten. 

Auf der altlakonischen Grabsehrift von Gerenia IGA.64 
werden verzeichnet iapöc Xaporivoc, ἱαρὸς "Apıccrödauoc. 
Da die Spartaner nur die vor dem Feinde gefallenen oder im 
Dienste der Götter thätig gewesenen Mitbürger durch Insehrif- 
ten ehrten (Plutarch Lykurgos 27), so folgerte Roehl, dass in 
den beiden iapoı von Gerenia Priester erwartet werden müss- 
ten. Priester’ nicht, sondern Tempelbeamte aus jener Kate- 
gorie, die für Andania durch das epigraphische Denkmal fest- 
steht. So und nicht anders glaube ich auch den Ἴκιος ἱαρὸς 
Σμυρναίων (UlG. II 3394) und die pergamenischen ἱεροί, 
᾿Απολλωνίδης ἱερός und Γάϊος ἱερός bei Koehler, Mitteilungen 
VII S. 370 A., auffassen zu müssen. 

Ferner sagt Euripides in der aulischen Iphigeneia 673 ἢν: 

"Ay. θῦςαί με θυείαν πρῶτα δεῖ τιν᾽ ἐνθάδε. 

Ip. ἀλλὰ ξὺν ἱεροῖς χρὴ τό γ᾽ εὐςεβὲς εκοπεῖν. 

"Ar. εἴεῃ εὖὐ' χερνίβων γὰρ ἑετήξεις πέλας. 
Es sind die “heiligen Männer’, mit welchen das Opfer beraten 
wird, in diesem Falle allerdings von den ἱερεῖς kaum verschie- 
den. So sagte auch Plato ἱερά für ἱέρεια (Bekker An. I 100). 


1) Dazu ist “lepouvnun das Femininum: Hermes 1855 S. 616. 


Ἴρις. 159 


Im euripideischen Jon beschliessen die Delphier Kreusa 
zu steinigen, weil sie den Tempeldiener habe vergiften wollen: 
τὸν ἱερὸν WC KTEIVOUCAV ἔν τ᾽ ἀνακτόροις 

φόνον τιθεῖςαν. 

Jon kehrt und säubert tagtäglich in der Frühe die vielbe- 
suchten Tempelräume, wie der Dichter so anschaulich V. 121 ff. 
geschildert hat. Mit ἱερός nennt ihn Euripides ganz allgemein als 
“im heiligen Dienste befindlich‘. So sagen die Inschriften auch 
von den zu den niedrigen Tempeldiensten verpflichteten Per- 
sonen ᾿ἱερατεύουειν᾽, z.B. die Inschrift vom Tempel des Zeus 
Panamaros im Bulletin de Correspondance hellenique 1591 p. 204. 

Il. Allein es gibt noch einen zweiten Stamm, welcher 
äusserlich zwar mit dem in ἱερός “heilig” identisch ist, sich 
durch die Länge des ı aber von jenem scharf sondert und — 
wiederum im Gegensatz zu tepöc “heilig’ — im Anlaut ein (Ε 
besass. Es ist der Stamm fi in Fiecdoı “eilen’ (L. Meyer 
BB. I 501 ἢ). Da wird es zunächst nicht überflüssig sem 
zu fragen, ob der Habicht iepa&-ipn& (der im Anlaut sicher 
ein f besass: Epicharm Fr. 25 L., wo aber statt des überlie- 
ferten ὕες TE ἱέρακές τε aus Hesych s. v. Beipaxec (des Verses 
wegen Fipakec herzustellen ist) diesen seinen allgemein grie- 
chischen Namen nicht vielleicht vom Stamme Fi entlehnt 
hat, um so mehr, als er im Epos durch ständige Epitheta 
Wie ὠκύς, ὠκύπτερος, ἐλαφρότατος πετεηνῶν u. A. vor den an- 
dern Vögeln ausgezeichnet erscheint. Ganz grundlos zieht die 
geläufige Etymologie es vor, sich den Vogel als “heiligen’ zu 
denken. Ἴρις. kennt Herodian II 437, 2 L. als Name eines 
Vogels, Statius in der Thebais VI 461 f. als Name einer Stute 
neben der nicht minder deutlichen Z’hoe!). Die appellative 
Kraft des Wortes hat sich in diesen Fällen ersichtlich noch 
voll und ganz erhalten: denn wie aus Tepöc, so muss auch 
aus Ἱερός die zusammengezogene Form ipoc werden. 

In der Odyssee heisst es XVIII 5 ff. vom Bettler Iros, 
dessen Digamma durch das Wortspiel V. 73 "Ipoc-"Aıpoc voll- 
kommen feststeht ?): 


1) Als attischer Schiffsname ist Iris unsicher, vielmehr Ἔρις 
mit Boeckh (Seeurkunden S. 317) zu schreiben. Ἵερά kommt dage- 
gen in dieser Verwendung vor (von tepöc heilig). 

2) [Danach ist Tümpels “ruchloser Heiliger’ zu beurteilen: 
Ehilol. 18918. 7129: 


160 Ernst Maass, 


᾿Αρναῖος δ᾽ ὄνομ᾽ Ecke — τὸ Yap θέτο πότνια μήτηρ 

ἐκ γενετῆς --- εἴρον δὲ νέοι KIKÄNCKOV ἅπαντες, 

οὕνεκ᾽ ἀπαγγέλλεεκε κιών, ὅτε πού τις ἀνώτοι. 
Dem Dichter der Stelle gelten Fipoc und ἄγγελλος. noch als 
gleichbedeutend: er weiss, dass Fipoc “hurtig’ heisst. Für 
einen Boten Kann es eine passendere Bezeichnung gar nicht 
geben. Damit ist diese Frage doch wohl erledigt!). Und 
noch eine andre, welche besser niemals hätte aufgeworfen 
werden sollen. Sie gehört m das Gebiet der Paradoxien, 
durch die die Wissenschaft von Zeit zu Zeit beunruhigt und kaum 
gefördert wird. “Der landläufige Bettler Iros’ — sagt Th. 
jergk in seiner "Griechischen Litteraturgeschichte’ I S. 742 
mit Dümmlers Zustimmung in Studniezkas Kyrene 5.205 ° — 
“den der Diehter mit sichtlichem Behagen und so naturgetreu 
schildert, führt wohl nicht zufällig diesen Zunamen. Denn 
gerade so hiess eines der Häupter der Oligarchen von Ery- 
thrai, das treulos seinen Fürsten erschlug (Hippias bei Athenaios 
VI p. 259 ncav δ᾽ οὗτοι ᾿Ορτύγης καὶ Ἶρος καὶ Ἔχαρος, ol 
ἐκαλοῦντο διὰ τὸ περὶ τὰς θεραπείας εἶναι τῶν ἐπιφανιὼν πρός- 
Kuvec καὶ κόλακες). Nach dem historischen Iros ist der Bettler 
in der Odyssee genannt, nieht umgekehrt’. Die Ähnlichkeit 
der beiden Iroi geht nieht eben tief, und das Zusammentreffen 
in dem durchsichtigen Namen besagt nichts. Der Name ist 
ganz geläufig: Iros Aktors Sohn und Iros Chrysippos’ Sohn 
stehen bei Pape im Namenlexikon s. v. verzeichnet. Endlich 
heisst Iros, der homerische Bettler, nach der Aussage dessen, 
der es doch wissen muss, so und nicht anders, οὕνεκ᾽ ἀπατγέλ- 
λεεκε κιών, ὅτε κέν τις ἀνώγοι. Der Dichter hat es nieht nötig 
Gründe anzuführen, warum er den Schöpfungen seiner Phan- 
tasie diesen oder jenen Namen beilegt. Führt er trotzdem 
einen ohne weiteres einleuchtenden Grund an, wie hier ge- 
schehn — wer nimmt sich das Recht, ihm den Glauben zu 
versagen? Nichtsdestoweniger hat Bergk mit der Heranzie- 
hung des Iros von Erythrai unbewusst vielleicht einen glück- 


1) Hesych 5. v. ipoc kann aus der Dichterstelle geflossen 
sein. Irgendwo habe ich gelesen, der Bettler Ἶρος sei aus der Göt- 
tin Ἴρις gemacht, die Etymologie im NXVIII Buch der Odyssee nur 
ein schlechter “Kalauer' ! Niese (Entwicklung der homerischen Poe- 
sie S. 50) meint, auf die Iris der Ilias werde durch den Bettler Iros 
der Odyssee wenigstens angespielt. 


"Ipıc. 161 


lichen Griff gethan. Wir lernen so wenigstens eine der Gegen- 
den kennen, in welchen diese Wortform lebendig war — vor- 
ausgesetzt natürlich, dass der historische Erythraeer "Ipoc von 
ἱερός und nieht (was ebenfalls möglich wäre) von Ἱερός gebil- 
det ist. Einen Lesbier und einen Malier dieses Namens nennt 
Stephanos (s. v. Ἰρά und Λαμπέτειον). Iros lebt aber auch in der 
korinthischen Sage. Proxenos, der Verfasser einer epeirotischen 
Geschichte, nennt einen Iros, Mermeros’ Sohn!), unter den 
Enkeln der Medeia in Epeiros (Schol. Odyss. I 259), und 
diesen wollten einige πὶ das erste Buch der Odyssee statt 
des gut überlieferten Ἴλος Mepuepidönc einschwärzen; vgl. Wi- 
lamowitz Hom. Unt. S. 26. 

Sehr merkwürdig ist ferner die Inschrift von Tenos CIG. 
II 2999 "Ὁ in den Addendis. Sie meldet von einer Privatge- 
sellschaft zu nautischen Zwecken und datiert nach dem Vor- 
stande des Klubs wie folgt: ἀγαθῇ τύχῃ ἐπὶ ναυάρχου ᾿Απολ- 
Awvidov, τοῦ ἀγγέλου TIpwriwvoc, καὶ γραμματέως Δάμωνος, 
ἱεροῦ Πυθίωνος κτὰ. Was birgt sich unter dem ἱερὸς Τυθίω- 
voc? Gehen wir von seinem Gegenstück aus, welches mit den 
Worten τοῦ ἀγγέλου TIpwriwvoc eingeführt wird. ᾿Αγγέλου 
fasste Boeckh als Vatersnamen, eine Ansicht, die einmal durch 
die parallele, wenn auch noch unverstandene Bezeichnung ἱεροῦ 
Tudiwvoc, sodann durch eme ganze Gruppe von Grabschriften 
der Inseln widerlegt wird. Ich meine jene theräischen Steine, 
auf denen (merkwürdig genug) der Name des Verstorbenen 
fehlt und nur sein Verhältnis zu einer im Genetiv namhaft 
gemachten andern Person durch das zugesetzte ἄγγελος be- 
zeichnet wird. So CIG. II 2476. a ἄγγελος Κρατεροῦ, e ἄγγε- 
λος Mntpodwpov, Ross Inseriptiones ineditae p. 13 (worauf mich 
W. Schulze aufmerksam macht) ἄγγελος Φιλομούςου, und viele 
andre. Diese Ausdrucksweise hat ihre Analogieen im Leben 
— Mareipor Lucipor sagen die Römer, einige Male sogar bei 
Freigelassenen — wie in der Poesie: ἁ Mepuvwvoc ἐριθακὶς 
ἁ μελανόχρως heisst die Magd bei Theokrit III 352). Ich meine 
also: Die beiden Bestimmungen stehen in der tenischen In- 
Bel 1) Ein anderer Mermeros wird wegen seiner Schnelligkeit 
belobt bei Ovid Metam. XII 304. Mit dem hier reduplizierten Stamm 
μερ hängen auch die μέρμερα ἔργα und μερμηρίζειν (über welches 
Fulda einiges gut vorgearbeitet hat) zusammen. Es führt dies hier 
aber zu weit. 

2) Vgl. das Greifswalder Winterprooemium 1891/92 p. XIIT2. 


Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 11 


162 Ernst Maass, 


schrift parallel; dem ἄγγελος entspricht formell der ἱερός. Auch 
inhaltlich würde er entsprechen, wenn wir uns entschliessen 
könnten, an ἱερός statt an ἵερός ‘heilig’ (was gar keinen Sinn 
gibt, wie man es auch wende) zu denken. Schliesslich ziehe 
ich zweifelnd noch die messenischen späten Grabsteine hier- 
her: Le Bas-Waddington Voyage archeol. II p. 146 (aus 
Pherai) ᾿Αθάπτων ἱαρὸς Βούριος χαῖρε und Κάρπων Αἰνήου ἱαρός, 
CIG. 1 2953 b 2. 35 Θεόδωρος ὃ αὐτοῦ (eines vorhergenann- 
ten) ἱερός. 

Ill. In dem von ©. Curtius herausgegebenen Heraioninventar 
lesen wir Z. 21 κρήδεμνα ἑπτά᾽ τούτων ἐν n Evaryekic ἔχει 
und Z. 37 κιθῶνες δύο Evdura τῆς Εὐαγτγελίδος. Koehler hält, 
wenn ich ihn recht verstehe, “Euangelis’ für die allgemeine 
Bezeichnung der amtierenden Herapriesterin (Mitteilungen VII 
S. 3702). Allein sie tritt hier in der Gesellschaft des Hermes 
auf, dessen Bild ebenfalls im Tempel stand und Inventarstücke 
besass. Ausserdem würde man nach dem sonstigen Verfahren 
in dieser Inschrift den Namen der amtierenden Priesterin er- 
warten müssen. Es handelt sich, das scheint mir notwendig, 
um eine Statue der Euwangelis. Das ist wichtig genug, um 
hier ausdrücklich hervorgehoben zu werden. Der Vergleich 
mit Hermes legt den Gedanken an eine Herapriesterin der 
Sage am nächsten: Εὐάγγελος bezeugt Hesych s. v. als Kult- 
namen auch des Hermes, und neben der ephesischen Artemis 
genoss der Hirte “Euangelos’ Verehrung!). Nun ist Heras 
“flinke’ Botin in der Ilias bekamntlich Iris, ein Name, dessen 
Digamma im Anlaut vollständig sicher steht, von der Wurzel 
Fi, auch in der Bedeutung gleich ταχεῖα ἀέλλοπος ποδήνειιος 
πόδας ὠκέα u. 5. f. Sie ist die echte Schwester der 'NKkurern 
und ᾿Αελλώ, d. 1. ᾿Αέλλοπος. Von allen dreien sagt Hesiod 
Theog. 266 f.: 

αἵ ῥ᾽ ἀνέμων πνοιῆει καὶ οἰωνοῖς ἅμ᾽ ἕπονται 

ὠκείῃς TTTEPUFECCI μεταχρόνιαι γὰρ ἴαλλον. 
Kallimachos schildert die Botenläuferin Iris gar als vollendete 
Bedientenseele, immerhin noch mit mehr Verständnis für das 
Wesen dieser Göttergestalt, als diejenigen, welche sie zur Per- 
sonifikation des Regenbogens zu machen belieben; vgl. Hymn. 
in Delum 215—239. An der Identität der samischen Euangelis 


1) Vitruv, De architectura X 7 p. 252 R. 
| 


Ἴρις. 109 


mit der homerischen Iris kann darum em Zweifel nicht wohl 
obwalten, weil beide im Dienste der Hera auftreten, ebenso- 
wenig daran, dass beide der Sage und nicht etwa lediglich 
der Phantasie einer diehtenden Persönlichkeit verdankt wer- 
den. So war auch der eleusinische Keryx, der Eponym des 
attischen Geschlechtes der Κήρυκες, ein Geschöpf der Sage. 
Auf “Thyestes’ werden wir S. 169 zu sprechen kommen: die 
“Thyestadai’ von Delos setzen ihn voraus (Dittenberger Syll. 
Ba). 

Athenaios XIV 645 b berichtet: Σῆμος ἐν β΄ Ankıadoc 
“ev τῇ τῆς Ἑκάτης, @nciv, vncw τῇ Ἴριδι θύουει Δήλιοι τοὺς 
βαευνίας καλουμένους, welche dann als eine Art aus Honig und 
Waizen gekochter Brei erklärt werden. Die hier genannte 
Hekateinsel ist dicht bei Delos gelegen. Schon ©. Müller 
Aeginetica p. 170 und Lobeck Aglaophamos II p. 1064 kom- 
binierten mit Semos die Bemerkung des Harpokration s. v. 
Ἑκάτης νῆςος] Λυκοῦργος κατὰ Mevecaixuou πρὸ τῆς Δήλου 
κεῖταί τι vncVdpıov, ὅπερ ὑπ᾽ ἐνίων καλεῖται Ψαμμητίχη, ὡς Φα- 
γόδημος ἐν τῇ a. Ψαμμητίχην δὲ κεκλῆςθαί φηςιν ὃ Σῆμος ἐν 
α΄ Δηλιακῶν διὰ τὸ τοῖς ψαμμήτοις τιμᾶςεθαι τὴν θεόν. ψάμμητα 
δ᾽ ἐςτὶ Ψψαιετῶν τις idea. “Die Göttin’ kann nach dem Zu- 
sammenhang des Artikels bei Harpokration nur die eponyme 
Göttin des Eilands sein!). So schloss O. Müller auf die Iden- 
tität der Hekate und Iris, auf eine Ἑ κάτη - ἴρις. Lobeck be- 
streitet die Bündigkeit der Folgerung durch den Hinweis auf 
den Unterschied zwischen Gerstenkuchen und Waizenkuchen. 
Möglich, dass eine der beiden Erklärungen des dargebrachten 
Opfers nicht ganz genau ist; möglich, dass man beide Kuchen- 
sorten darbrachte. Für O. Müller spricht doch entschieden, 
dass “Ἑκάτη - Αγγελος mit Hilfe anderer Zeugnisse, - wie schon 
Lobeck selbst kurz angedeutet hatte, nachgewiesen werden 
kann; denn die formelle Gleichung von Ἴρις “die Eilige’ und 
Ἄγγελος “die Botin’ betrachte ich nunmehr als feststehend. 
Der Nachweis soll im Folgenden geführt werden. Ich denke, 
er wird sich auch nach den Bemerkungen bei Roscher s. v. 
Hekate einigermassen lohnen. Ich finde dort zwar emige 
Stellen zitiert, aber unausgenutzt, und das historische Moment 
vernachlässigt. 

1) ἡ vilcoc ἡ Ἑκάτης heisst das Eiland auf der Inschrift bei 
Homolle Bulletin de Corresp. hell. 1882 p. 83 3. 


164 Ernst Maass, 


Wir hören bei Hesych s. v. Ἄγγελος] Συρακόειοι τὴν "Ap- 
teuıv Aeyovcıv. An sich ist nicht grade glaublich, dass Artemis, 
die hehre Göttin, jemals als allgemeine Götterbotin oder -die- 
nerin gegolten habe!). Wir wissen vielmehr, wie Preller-Ro- 
bert richtig bemerken, nur Persephone (nicht einmal die sonst 
fast immer mit dieser zusammengehende Demeter) als diejenige 
namhaft zu machen, zu welcher Artemis-Hekate (deren Identität 
für die alte Zeit ja feststeht) in einem dienenden Verhältnis 
gestanden hat. Der ambrosianische Theokritscholiast bezeichnet 
sie II 12 als Amme?) der Persephone?), und deutlicher noch 
redet der homerische Demeterhymnus. Doch erfordert derselbe 
eine etwas eingehendere Behandlung. 

Kein Gott oder Mensch vernahm den Hilferuf der Per- 
sephone, als Hades sie entführte, 

εἰ μὴ TTepcatov θυγάτηρ ἀταλὰ Ppoveouca 

ὄιεν ἐξ ἄντρου Ἑκάτη λιπαροκρήδεμνος 

κούρης κεκλομένης πατέρα Κρονίδην. 
Neun ganze Tage irrt Demeter ihre Tochter suchend über die 
Erde, am zehnten erscheint Hekate vor ihr, eine Fackel in 
den Händen haltend, und teilt ihr die Entführung durch Hades 
mit (καί pa οἱ ἀγγέλλουςτα ἔπος φάτο φώνησέν Te). Helios 
bestätigt, als sie auf Veranlassung und in Begleitung der He- 
kate ihn aufsucht, ihr das Gehörte, Helios der alles sieht und 
alles hört. Ergrimmt meidet Demeter hinfort die Gemeinschaft 
der Götter und hält sich zu den Menschen. So kommt sie 
auf ihrer Wanderung nach Eleusis. Da schreitet Zeus ein, 
und Mutter und Tochter haben sich wenigstens die Hälfte des 
Jahres wieder. Damals ward Hekate Dienerin der Persephone, 
weil sie sie liebte, V. 439: 

τῆειν δ᾽ ἐγτύθεν ἦλθ᾽ Ἑκάτη λιπαροκρήδεμνος" 

πολλὰ δ᾽ ἄρ᾽ ἀιιφαγάπηςε κόρην Δημήτερος ἁγνήν ᾿ 

ἐκ τοῦ οἱ πρόπολος καὶ ὀπάων ἔπλετ᾽ Üvaccd. 


1) Artemis hat ein zahlreiches Dienstpersonal, vgl. Kallima- 
chos’ Artemishymnus. Auch Hekabe ist Dienerin der Artemis-He- 
kate. Das ist wichtizx zum Verständnis der troischen Hekabe und 
der troischen Sage überhaupt. 

2) Als solche nennt er sie Demeters Tochter. Nach Sophron 
in den andern bei Ahrens z. ἃ. St. abgedruckten Scholien war "An- 
gelos’ Tochter des Zeus und der Hera. 

3) Kalligeneia gilt als Demeters Amme, Priesterin, Begleiterin: 
Hesychs. v.,als Proserpinas Amme: De Aeschyli Supplieibus p.XXXV1. 


Ἴρις. 165 


Die geflügelte Göttin also, welche auf der Vase bei Gerhard 
(Trinkschalen und Gefässe Taf. A. B. S. 21) und sonst der 
Entsendung des Triptolemos beiwohnt, muss mit Robert (bei 
Preller Griech. Mythol. I* S. 324) als Hekate gedeutet wer- 
den. Nun ist Persephone Hauptgöttin auch von Syrakus; 
dort ist nach der heimischen Erzählung ihr Raub erfolgt. Dem- 
nach halte ich den Schluss für berechtigt, dass es der syra- 
kusanische Persephonekult war, in welchem Artemis-Hekate 
den für Syrakus bei Hesych bezeugten Kultnamen ”AyyeXog 
führte, ganz wie dieselbe Hekate in Eleusis, wie Hekate-Iris 
bei den Deliern, wie Iris-Euangelis im samischen Heraion. Es 
besassen aber Demeter und Persephone auch in Korinth, der 
Mutterstadt von Syrakus, hervorragende Verehrung (Paus. II 
4, 7). Also fragt es sich, ob Artemis-Hekate erst in Syrakus 
oder sehon in Korinth als Ἄγτελος der Persephone galt. Die 
eleusinische Parallele entscheidet, dünkt mich, für das Mutter- 
land. Damit ist, was wir in Eleusis und Syrakus bezeugt 
finden, für Korinth zu erschliessen!). Halten wir das fest, 
so lässt sich einiges für den eleusinischen Hymnus gewinnen. 
Dieser erzählt die Einführung der Demeter-Persephonereligion 
in Eleusis. Ihren Ausgangspunkt deutet er mit einer für seine 
Zeit, etwa die Wende des VIII. zum VII. Jahrhundert, wohl 
ausreichenden Genauigkeit an. Uns machen diese Hinweise 
heute zum Teil die allergrösste Schwierigkeit. Zur Zeit ist nach 
dieser Seite der Hymnenforschung, wenn wir ehrlich sein wollen, 
so gut wie nichts geschehn, auch das nicht, was sich erreichen 
lässt, und der neueste Erklärer dieser von jeher vernachlässigten 
Poesien hat von diesem Teil seiner Aufgabe die richtige Vor- 
stellung nicht gehabt. Jeder Versuch, auf methodischem Wege 
über die religiösen Grundlagen der Hymnen nähere oder ent- 
terntere Auskunft zu geben, muss wohlwollend aufgenommen 
werden. So vermute ich wegen der Hekate-Angelos ein ko- 
rinthisches, jedenfalls mit Korinth sich stark berührendes Ele- 
ment im eleusinischen Kult und dem eleusmischen Gedichte. 
Attika hat lange nach der Pelopsinsel gravitiert. Die neuesten 

1) Auf korinthischen Monumenten, z. B. der Lade des Kyp- 
selos in Olympia, findet sich die geflügelte Artemis (Paus. V 19,5). 
Die Beflügelung passt zur Artemis. Studniczka behandelt in lehr- 
reicher Weise die Beflügelung dieser Göttin (Kyrene 5. 153 ἢ). Auch 
Denkmäler chalkidischer Provenienz kennen (nach St.) dieses Motiv. 


166 Ernst Maass, 


Arbeiten haben das erwiesen auf dem Gebiet der Geschichte, 
Religion und Kunst. 

IV. Die Wurzel Fi “eilen’ liegt noch in andern Bildungen 
vor. Fiwv erscheint als Name für Krieger und Jäger auf den 
altkorinthischen Vaseninschriften, welche Kretschmer in einer 
schr nützlichen Abhandlung (Kuhns Zeitschrift N. F. IX 1888 
S. 170 ff.) bespricht. Während aber Kretschmer, wohl einer 
Andeutung in Lehrs’ De Aristarchi studiis Homericis ? p. 464 
folgend, an die Ableitung von fic “die Kraft’ dachte, stellt 
W. Schulze Quaest. ep. p. 470 sie zu der Wurzel fi “eilen’, ich 
denke mit Recht, einmal wegen der gleich zu behandelnden 
Femininbildungen, sodann weil neben Fiwv die gleichbedeu- 
tende Namensform Δίων ebendort für dieselben Personengrup- 
pen (wie Schulze anführt) verwendet wird. Δίων (mit kurzem ı) 
kommt hier vom Stamme δῖ in δίεσθαι, wie das Ross des Am- 
phiarnos Δίας, “der Renner‘, auch). Fıwvic, von Flwv weiter- 
gebildet, ist Name einer Stute auf der korinthischen Vase bei 
Kretschmer S. 168. Das arkadische Sagenross Αρίων — ein 
Name, der auch in Lesbos und Milet vorkommt (Schol. Lyk. 
401) — wird doch wohl aus "Api-Fiwv (sehr schnell’) entstan- 
den sein: ᾿Αδρήετου ταχὺς ἵππος, ὃς ἐκ θεόφιν γένος ἦεν. Nach- 
dem die alte Schreibung ᾿Αρείων durch die inschriftlichen 
Funde auf Vasen und Münzen von Thelpusa (wo "Epiwv 
steht, Kretschmer S. 164) widerlegt worden, spricht alles für, 
nichts gegen diese Herleitung. Sie gewinnt durch die einzige 
Erwähnung des Namens im alten Epos (Ilias XXIII 346) an 
Wahrscheinlichkeit, sofern sich ohne Schwierigkeit die unkon- 
trahierte Form des Wortes im ihrer Ursprünglichkeit herstellen 
lässt: οὐδ᾽ εἴ κεν uerönıcdev ᾿Αρίονα δῖον ἐλαύνοι, ᾿Αδρήετου 
ταχὺν ἵππον gestattet mit geringfügiger Änderung zu lesen 
μετόπιςθ᾽ ᾿Αρϊίονα ὃ. ἐς Bei dem späten Verfasser des Scutum 
120 wird allerdings "Apiova durch den Vers erfordert. Das 
will so gut wie nichts besagen. Gegen Kretschmer sei be- 
merkt, dass der "Opifwv der Vase auf S. 164 mit ᾿Αρίων nichts 
zu schaffen haben kann. Den Namen verstehe ich allerdings 
so wenig wie er. 

Noch ein Name der Sage, der peloponnesisch-Iykischen, 

1) Schol. Pind. Olymp. VI 21. Jeschonnek De nominibus quae 
Graeci pecudibus domestieis indiderunt (Königsberg 1885) p. 46 
denkt an δῖος "eöttlich’. 


Ἴρις. 167 


wird sieh etymologisch nunmehr begreifen lassen: "loßarnc, 
dessen ı Anthol. Palat. ΠῚ 15 lang gebraucht wird. Es ist 
der “Sehnellsehreitende’, wie Εὐρυβάτης, Μεταβάτης, Εὐρυοδία 
(Mutter des Laertes)!, Ποδάρκης (1. XIV 695) und Τελεεί- 
dpouoc von Eleusis, Greifswalder Prooemium 1891/2 p. AIII)?). 
Ἰόβης, wie es scheint seine Kurzform, wird, allerdings von einer 
andern Persönlichkeit, gebraucht bei Apoll. 117,8 (Roscher s. v.)?). 

Auf denselben korinthischen Vasen (S. 165, 166, 170) 
steht mehrfach Fıw, nicht zwar für die Heroine aus der Argolis, 


1) Jobates Freund, der Tirynthier TTpoitoc, eigentlich TTpö-ıroc 
(nach Herodian, vgl. Ahrens-Meister Dialekte I S. 96: die Ilias er- 
trägt zumeist die dreisilbige Messung, fordert sie aber nirgends) 
vom Stamme i in ἰέναι, heisst genau, was lateinisch praetor, "voran- 
schreitend’. Möglich, dass er als Heerführer gedacht ist. Doch 
heisst z. B. auch Hades ’Ayncikaoc “Hyrncavöpoc u.ä. Proitos als Stif- 
ter eines Artemisheiligtums: Preller-Robert 11 S. 306. 

2) Lehrs Aristarch. 2. p. 464 bringt den Namen mit ic “die 
Kraft” zusammen. Eine interessante Parallele liegt bei Hygin Fab. 18 
(p- 37 Schm.) vor in dem Verzeichnis der Hunde des Aktaion. Dies 
beginnt: Melampus, Ichnobates (auch bei Ovid Metam. III 210), 
Echnobas, Pamphagus ete. Den unverstandenen FEchnobas hat 
Schmidt eingeklammert, Bunte wegen p. 37, 16 in Ichneus geändert, 
Jeschonnek p. 9 denkt an Ichneutes oder Ähnliches. Das Wahre 
hat keiner gesehn. Es liegt nämlich in Dehnobas ein ’Iyvößac ver- 
steckt, Kurzform zu dem voranstehenden ’Iyvoßarnc. Schwerlich 
haben sie dann aber nebeneinander in demselben Verzeichnis ge- 
standen, vielmehr wird in der griechischen Vorlage, welche Ovid 
und Hygin benutzten (Baecker De canum nominibus graeeis p. 46 
[Königsberg 1884]), der Text so gelautet haben: ’Ixvoßarnc ἢ Ixvö- 
βας. Daraus machte man Hichnobas-Echnobas. Uber Varianten in 
den Namenvorlagen Hygins: Hermes 1885 S. 613 ff. Ἑκάβη hat 
Fick (Personennamen S. 107) zu βαίνειν gestellt und ebenso aufge- 
fasst, wie ich ’lößnc: gewiss irrig. Was sollte der Name heissen ? 
In seiner “Homerischen Ilias’ S. 232 hat er zwei andre nicht weni- 
ger überflüssige Vermutungen geäussert. Das » steht für den An- 
laut dieses Namens durch das korinthische Gefäss auf S. 168 bei 
Kretschmer fest, wo Hekabe zaxdßa heisst (vgl. ᾿Ακάδημος neben Ἑκά- 
önuoc). Ich bemerke dies gegen Fick 5. 959, — TTödng (als Männer- 
name Ilias XVII 575, als Hundename CIG. 8139) ist aus ’Rxuno- 
önc ἸΤοδάρκης oder Ähnlichen gekürzt. 

9) Hübsch ist, dass bei David in Aristot. Cat. 25a Bekk. ’loßa- 
του τοῦ Λιβύων Bacıkewc von Juba gesagt ist (W. Schulze). Neben 
Ἰόβης steht bei Apollodor Κλύτοππος, d. 1. Κλυτόπωλος ο. A. nach 
bekannter Regel. Diesem hat man durch üble Konjekturen bös 
mitgespielt. 


108 Ernst Maass, 


sondern für Nereiden und andere weibliche Wesen. Die “flinken’ 
Wassermädehen führen gerne Namen von dieser Bedeutung, 
und dass grade auch Fw dort noch appellativisch empfun- 
den ward, das zeigt die Umgebung: neben Fıw stehen!) Διώ 
Κυματθόη (sie) ᾿Αμαθιώ, εἰ. 1. “zusammen mit andern laufend’. 
Aber die Endung bedarf noch einiger Worte. Bei zweisilbigen 
(auch mehrsilbigen) Eigennamen scheint dies w-Suffix, nach 
den Fickschen Regeln zu urteilen (welchen Robert bei Preller 
Myth. I* S. 395 1. beipflichtet), nur weiblichen Kosenamen 
eigentümlich zu seim. Soeben hatten wir S. 162 ᾿Αελλώ — 
᾿Αέλλοπος. Apuw-Apuörn und Mepw-Mepörn habe ich in den 
Analecta Eratosthenica p. 130 vereinigt, massenhaftes Material 
liegt inschriftlich, besonders für Phokis und Boeotien, vor. 
᾿Αγαθθώ Θεοκκώ Νικοττώ Φιλλώ Zevvw TlapdevvWw Ξενοκκώ 
᾿Αμφοττώ ᾿Ιννώ Καλλώ Καλοννιώῦ zeigen sich auch äusserlich in 
der Doppelkonsonanz als Kurznamen, deren Langformen na- 
türlich nicht jedesmal mit Sicherheit anzugeben sind. So kann 
man denn auch bei der Nereide Fıw zweifeln. Vielleicht war 
Fioßarıs das ursprüngliche, vielleicht eine Zusammensetzung 
mit ποῦς, also etwa Fıörn "schnellfüssig’. So heisst Iphikles’ 
Tochter, Theseus’ Geliebte, Ἰόπη bei Plutarch Theseus 29 — 
wo Wellmann De Istro p. 19 auf Grund von Ath. XIII p. 55Ta 
zu schnell ändern wollte — eime thessalische Stadt dieses 
Namens bezeugt Stephanos Byz. s. v., den lakonischen Heros 
Ἴοψ Pausanias III 12, 4°); vgl. Tümpel im Supplement von 
Fleckeisens Jahrbb. 1885 5. 144. 


1) Kretschmer S. 170 bringt die Hamatho fälschlich mit der 
hesiodeischen Psamathe zusammen (Theog. 260). 

2) ΤΤροϊόντων de κατὰ ᾿Αφεταΐδα ἡρῶά Ecriv Ἴοπός τε κατὰ Λέ- 
λεγὰ ἢ Μύλητα γενέεθαι δοκοῦντος καὶ ᾿Αμφιαράου τοῦ Οἰκλέους.... καὶ 
αὐτοῦ Λέλεγός ἐςτιν ἡρῷον. Lelex gilt als Stammvater des vielum- 
strittenen Volkes der Leleger, welche man bald zu Aegyptern, bald 
zu einem semitisch-griechischen Mischvolk gemacht hat. Ganz ver- 
einzelt steht die allein berechtigte Auffassung, dass die Leleser 
Griechen waren und vom Festlande Griechenlands und den davor 
gelagerten westlichen Inseln nach der kleinasiatischen Küste gezo- 
gen sind, genau so wie die gute antike Überlieferung behauptet. 
Λέ-λεξ, redupliziert vom Stamme Aey, heisst “der Auserlesene’; ἐπί- 
λεκτος würde das spätere Griechisch sagen und hat Xenophon von 
Kerntruppen gesagt (W. Schulze Berliner philol. Wochenschrift 
1890 No. 45); προλελεγμένοι nennt die Ilias XIII 689 “die zuvorderst 
befindlichen’. 


"Ipıc. 169 


Ich glaube beobachtet zu haben, dass den Götterdienern 
der Sage wie den untergeordneten Personen in der guten alten 
Poesie gern nicht Eigennamen, sondern gewisse das dienende 
Verhältnis nur im allgemeinen bestimmende Appellativa zu Teil 
zu werden pflegen. Den namenlosen τροφοί ἄγγελοι κήρυκες 
παιδαγωγοί der alten Tragödie und Komödie entsprechen im 
Epos und in der Sage z. B. König Θυέςτης, “der Opferer’ 
(rex sacrificulus): θυςτάς] ὁ ἱερεὺς παρὰ Kpnciv und θυςτάδες!ὄ 
ἐλέγοντο δὲ καὶ αἱ τῇ Περσεφόνῃ ἱερώμεναι Hesychios s. v. 
Ferner die Namen Καλλίθυϊα und Καλλιθύεεςα, “die gut Opfernde’ 
(kakıepoüca)!), Εὐρυβάτης — so heissen in der Ilias je ein 
Herold des Agamemnon und Odysseus — Τροχίλος “der Läufer’, 
Priester der Demeter in Argos und Eleusis?), bemerkenswert 
durch die deminutive Namensform, Texecidpouoc (S. 167). In 
diesen Kreis möchte ich die ”Apkoı oder Ἄρκτοι hineinbeziehn, 
welche in Brauron und Munichia als Artemisdienerinnen unter 
der Priesterin thätig waren®). Warum man diese Mädchen 
hätte “Bärinnen’ nennen sollen, ist nieht leicht zu sagen*) und 
die Annahme wohl nicht ungerechtfertigt, dass sich in diesem 
ἀρκ- ein ganz anderer Stamm als in dem “Bären’ verbirgt. 
Nun heisst ἀρκής schnell’ nach Hesych s. v., den das home- 
rische ποδάρκης bestätigt, n ”Apkn hat sich der Schwindler 
Ptolemaios Chennos p. 195 West. als Schwester der Iris wohl 
aus älterer Litteratur hervorgesucht, um ihr eine unglaubliche 
Geschichte eigner Fabrik anzuhängen. Durch diese einfache 
Erklärung, Αρκοι- Ἄρκτοι “die schnellen’, werden die sonst 
versuchten Deutungen dieses altattischen Wortes wohl einiger- 
massen zweifelhaft (vgl. Preller-Robert Griech. Mythol. 1?8. 315). 


1) Hesych. s. v. ὦ] KoAAıdVecca. “Καλλιθύεεςα᾽ ἐκαλεῖτο (kai wohl 
zu ergänzen) N πρώτη ἱέρεια τῆς ᾿Αθηνᾶς: wo Ἥρας eine überflüssige 
Vermutung ist. Die Glosse bei Hes. s. v. ἱερόμας] τῶν iepWv ἐπιμε- 
Aobuevoc drückt dasselbe aus. Übrigens wird durch sie Οἰνόμαος 
(= ὁ τοῦ οἴνου ἐπιμελούμενος) verständlich. 

2) Paus. I 14, 2. Schol. Mare. in Aratum 161 u. A. 

3) Apollodors Bericht über diese Mädchen in dem Buche περὶ 
θεῶν hat G. Stein in seiner Ausgabe der Scholia in Aristoph. Lys. 
p. XIII gut hergestellt. 

4) Dass Tempelknaben des Poseidon in Ephesos (Amerias Ath.X 
p- 425e und Hesych s. v.) ταῦροι hiessen, verschlägt nichts, da ταῦ- 
poc, der Stier, etymologisch noch unerkannt ist. Ebensowenig Hes. 
5. v. βούςη] (zu schreiben βούς] ἡ) δούλη. Vgl. Back De caerim. p. 26 sqq. 
Vielleicht gehört die Glosse μωρίαι] ἵπποι καὶ βόες ὑπὸ ᾿Αρκάδων hierher. 


170 Ernst Maass, 


V. Über die Bedeutung des Namens der argivischen He- 
roine Jo ist viel geschrieben, Mögliches und Unmögliches. Un- 
möglich ist die Herleitung aus dem Koptischen, wo joh den 
Mond bedeuten soll!): denn Jo hat ursprünglich gar nichts mit 
dem Nillande zu schaffen, wie De Aeschyli Supplieibus p. XXI 
sqq. von mir erwiesen ist. Eimen prosodischen Fehler begeht, 
wer den Namen zum Stamme 1 in ἰέναι stellt und Jo zur Wand- 
lerin macht?): die Länge des anlautenden Vokals zeigen die 
aeschyleischen Verse. Man wird vielleicht geneigt sein, den 
Namen dieser bedeutenden Sagengestalt aufzufassen wie die 
Nereide Fıw als “die Flinke’. Sie ist ja Herapriesterin, heisst 
sogar im Fr. 4 der Phoronis Καλλιθόη mit redendem Namen, 
und ihr Sohn ist der erwähnte Trochilos. Tümpel meinte sogar, 
die Gleichung Ἰώ-Ἰόπη für die Heraheroime sei bezeugt S. 144, 
sofern bei Eustathios zum Periegeten Dionysios V. 910 Jaffa, 
die syrische Stadt, ἀπὸ Ἰοῦς ἢ ἀπὸ ᾿Ιόπης, θυγατρὸς μὲν Αἰό- 
λου, γυναικὸς δὲ Κηφέως benannt sein soll?). Doch kann hier 


1) Vgl. Plew in Fleckeisens Jahrbb. 1870 S. 665 ff., welcher 
die Hypothese mit Recht zurückweist. 

2) So Usener (Rhein. Mus. 1868 S. 324), Ed. Schwartz u. A. 
Siecke gar hält nur denjenigen für urteilsfähig, der an die wan- 
delnde Mondkuh Jo glaubt! Progr. des städt. Progymn. Berlin 
1885. — Mit ἰώ sollen die Argiver den Mond bezeichnet haben (vgl. 
Roscher 5. v.). Sollte das auf den Stamm εἴ “eilen’ gehen? πόδας 
ὠκέα Mnvn, ὦκα Beovca Σελήνη, Bon νύξ u. A. stellt Roscher Selene 
S.93 zusammen. Sonst weiss ich nichts mit der Notiz anzufangen. 
Irreleitend könnte auch Aischylos Suppl. 149 ff. sein: ὦ Ζήν, ᾿Ιοῦς 
ἰὼ μῆνις μάςτειρ᾽ ἐκ θεῶν, “ο Zeus, die Menis, die die Götter gegen 
Jo hegen, spürt uns’. Die Wortstellung (sagt man) macht es un- 
glaublich, dass in iw der Ausruf steckt. Die Scholien haben das 
Wort adjektivisch aufgefasst; denn dass sich in dem sinnlosen ὦ 
Ζεῦ, ἡ παρὰ τῶν θεῶν μῆνις κατὰ ᾿Ιοῦς RAHC ἐστι καὶ uacrıywrarn (2) ein 
dem uacrırwrarn parallel stehendes Adjektivum verbirgt, ist ohne 
weiteres klar und zugegeben. Oberdick schreibt iwönc; “giftig” ist 
aber kein dem Götterzorn irgendwie zukommendes Epitheton. Ein 
Andrer vermutet noch übler μανιώδης. Mit Rücksicht auf v. 177 
(wun ξὺν ὀργῇ) schlage ich QMH vor. Damit soll natürlich nicht 
gesagt sein, dass ein durch wun wiederzugebendes Adjektiv in dem 
ἰώ des Textes stecke. Geschützt wird ἰώ vielmehr durch die Par- 
echese. Ich glaube also, dass ἰώ in Parenthese zu setzen und als 
Ausruf trotz der Interpreten zu nehmen ist. Die ungewöhnliche 
Stellung scheint mir durch die Neigung des Dichters zur Parechese 
veranlasst. 

3) Die Stelle scheint aus einem volleren Stephanosexemplar 


Ἴρις. {76 Ὶ 


die äusserliche Namenähnliehkeit wirksam gewesen sein; ich 
gestehe, auf dieses Zeugnis hin Ἰόπη und Ἰώ nicht als Aqui- 
valente annehmen zu können. Auch sonst habe ich schwere Be- 
denken gegen die Herleitung der argivischen. Jo von «dem Voll- 
namen Jope, weil mir, wie Robert bei Preller 1% 5.395, diese 
Sagenfigur im Grunde von der Göttin, welcher sie im Mythus 
dient, nieht verschieden zu sein scheint. Das weist auch die 
Etymologie in eine andere Richtung. Lehrs a. a. Ὁ. und 
Kretschmer 5. 170 ff. bringen den Kurznamen Ἰώ mit Fic “die 
Kraft’ zusammen!. Als Langformen liessen sich dazu manche 
vermuten, von keiner zur zeit aber nachweisen, dass sie die 
einzig richtige oder auch nur wahrscheinliche für diese Jo wäre. 
Wir müssen uns bescheiden. 


Greifwald, im April 1891. Ernst Maass. 


Etymologisches. 


1. Ai. 2de. 


Die öfters vorgetragene Ansicht, ai. öde “verehre, preise, 
flehe an’ gehöre zu gr. αἰδέομαι, ist lautgeschichtlich nicht zu 
reehtfertigen. Wohl möglich ist aber Zusammenhang mit lat. 
aestumäre, g0t. ga- distan, deren Wurzel, wie ahd. era zeigt, ats- 
war. Dabei ist zu beachten, dass das got. Verbum ebenso gut 
auf ide. aiz-d- als auf ide. ais-t- zurückführbar ist und dass 
zu einem aiz-d- auch das lat. Verbum gezogen werden kann, 
wenn man es aus *aizditumare entstanden sein lässt (Bartho- 
lomae Bezzenbergers Beitr. XII 91 Fussn.). Indessen kann 
:de auch hergeleitet werden von yaj- “verehren, huldigen, 
opfern’ (gr. @y-ıo-c), Part. ös-fd-s, wonach ?d- aus ?g-d- her- 
vorgegangen wäre. Eine sichere Entscheidung zwischen die- 
sen beiden Möglichkeiten dürfte kaum zu finden sein. Zur 
Wurzelerweiterung mit -d- vgl. ai. mrdd-ti "ist gnädig, ver- 
zeiht’ (aus *mr2da-) av. mer“zdika- N. "Gnade, Verzeihung” zu 
ausgezogen zu sein. Geffeken behandelte sie nicht richtig De Ste- 
phano p. 17 (Göttingen 1889). 

1) Kretschmer hat Ungehöriges eingemischt: ων hat mit Ἰώ 
nichts zu schaffen. 


172 Karl Brugmann, 


W. merg- “abwischen’ ai. mrjd-tt “wischt ab, reinigt von 
Schuld’ oder zu ai. mis-ya-te “vergisst lit. mörsz-ti "verges- 
sen’; ai. kär-da-t "springt, hüpft,, gr. xpa-d-aw "schwinge, 
schwenke’ κόρδ-αξ, mhd. scherze schärze “springe lustig’ von 
W. (siger- gr. cxaipw “hüpfe, springe, tanze'; ai. tar-d- tr-d- 
“durehbohren, spalten, öffnen trndtti tatärda zu tar- “hin- 
durchdringen’ u. a. dgl. 


2. Gr. ZevFfo-c ZEVo-c. 


Über dieses Wortes Herkunft ist schon viel geschrieben, 
aber noch nichts allseitig befriedigendes vorgebracht worden. 
Ich selbst habe mich an den Deutungsversuchen beteiligt 
in Curtius’ Stud. V 226 ff. und Morph. Unt. I 16. Der letzte 
Versuch dürfte der von Froehde sein, wonach das Wort als 
Zev-Fo-c oder *Zevc-Fo-c zu lat. cena cesna gehören soll (Bez- 
zenbergerss Beitr.oXVT 217). 

Begriftlich am ansprechendsten ist unzweifelhaft ©. Mül- 
lers Verbindung mit lat. hostis und unserm gast (zu Festus 
S. 102). Ich habe mich an der angeführten Stelle der Morph. 
Unt. zu dieser Etymologie, nach der das Wort in Z-evfo-c zu 
zerlegen wäre, bekannt mit dem Zusatz: “Allerdings hat die 
Suffixkombination -e-vfo-c im Griechischen meines Wissens 
keine weiteren Analogien, aber singulär bleibt das Wort auch 
in dem Falle, dass wir die Elemente -ev- zur Wurzel ziehen 
und danach das Wort in Zev-Fo-c zerlegen”. 

Heute scheint mir die Annahme eines Nominalsuffixes 
-evFfo- ganz unbedenklich. 

Neben der Präsenssuffixform -no- standen «die Formen 
-NNO-, -eNO-, -0NO-. -mmo- 7. B. in armen. IK-ane-m ver- 
lasse’, gr. dAp-avw, lit. Arav-inu “mache blutig’ (krüvin-ta-s = 
lat. eruen-tu-s). -eno- z. B. in lit. gab-enü bringe‘. -nno- 
oder -eno- im ai. is-ana-t “er setze in Bewegung, errege, er- 
quicke‘ (hierzu gr. ἰαίνω aus Fic-av-ıw — al. is-an-yd-ti), 
krp-dna-te er thut Jämmerlich, erbittet’, av. pes-ana-iti kämpft. 
-ono- in den aksl. Verba wie verpgnati: ursprünglich Praes. 
#_ona Aor. *-on-s *-a-ss Inf. *-on-ti *-a-ti; indem nun im 
Präsens -no- auf Kosten von -ono-, das nur bei konsonantisch 
schliessenden Wurzeln vorkam, verallgemeinert wurde, das letz- 
tere aber ausserhalb des Präsens blieb, entstand hier eine 


Etymologisches. 173 


Kompromissform: ein *erogati z. B. ward nach erogna vrpgnesi 
u. 5. f. zu erognati umgebildet, worauf -na- auf die Verba 
von vokalisch auslautenden Wurzeln wie mi-na überging (vgl. 
Wiedemann Archiv f. slav. Phil. X 653 ff.). -nno- oder -ono- 
im Germ. in den Inchoativa wie got. ga-vaknan aisl. vakna 
ags. wecnan “erwachen‘. Auf ähnliche Abstufungsverschie- 
denheiten im Suffix der Verba der ai. IX. Classe (sr-nd-ti) 
deuten av. fryan-mahr von ar. prai- “lieben, erfreuen, um 
Gnade angehen’ (ai. prö-nr-mds) und hvan-mahr von ar. sau- 
“anregen, verhelfen’ (s. Bartholomae Kulhns Zeitschr. XXIX 
310). Klarer noch als bei -nd- ist bei -neu- -nu- und der 
themavokalischen Gestalt -na-o- derartiger Ablaut nachweis- 
bar. Ar. -anau- -anua- — idg. -nneu- -nuo- oder — idg. 
-eneu- -enuo- in av. gäth. 2. Pl. debenaota aus "db-anao-ta 
von dab- "betrügen', spenva-p "proficiebat’ aus *sp-anua-t von 
W. spe- spo- (ai. sphä- sphi-, lat. spe- spa-, german. spe- 
spa-), 5. Bartholomae a. Ὁ. 309. Ahd. trinn«a “sondere mich 
ab, trenne mich, laufe davon’ aus *dr-en«wo von W. der- 
spalten’ (ai. dr-nd-ti), und so möchte ich auch spinnu "spinne’, 
das man mit dem von W. spe- kommenden spannu "spanne, 
breite aus, bin in erwartungsvoller Aufregung’ d. 1. #spo-nuo 
zusammenzubringen pflegt, auf *sp-envwo zurückführen und mit 
jenem av. spenva-p geradezu identifizieren. Ferner ahd. rinnu 
als *r-enuo zu ai. r-nevd-ti und brinnu als *bhr-enuo zu lat. 
fermentum, falls sie nicht näher mit ai. rö-nva-ti hom. öpıvw 
(ide. ®r-i-nue-ti) und mit ai. bhri-na-ti (#bhr-i-nd-) zu verbin- 
den sind. Für -»nuo- kann man aus dem Griechischen hom. 
ikavw aus Fik-avfw neben ik-veo-ucı und kıyavw aus "Kıx-avFw 
verwerten. 

Die in Rede stehenden Abstufungsverhältnisse ordnen 
sich, wie ich hier nur kurz andeuten kann, einem grossen 
Kreis von gleichartigen Erscheinungen im Gebiet der präsen- 
tischen Stammbildung ein. Z. ἢ. -eio- -ilo- -io- (al. mär- 
dya-ti vy-dya-ti hv-dya-ti, mr-iyd-te, här-ya-ti); -eso- -980- 
-so- (ai. tr-dsa-ti gr. Tp-Elc)w gr. Z-E(c)w, ai. ci-car-isa-ti, ai. 
rdk-sa-ti gr. ἀλέκ-εω); -esko- -sko- (av. is-asa-iti apers. 
a-r-asa-m gr. AP-ECKW φεύγ-εεκο-ν, al. ichd-ti av. isa-iti al. 
rchd-ti gr. Bü-cke). 

Es bedarf schliesslich noch des Hinweises darauf, dass 
alle diese Präsensstämme seit uridg. Zeit auch als Nominal- 


174 Karl Brugmann, 


stämme vorlagen. Man vergleiche, um nur für die Nasalsuf- 
fixe Beispiele zu geben, ai. pr’tana-m "Kampf und av. pesana- 
iti, ai. krpdna-m Jammer krpand-s jJämmerlich’ und krpaäna-te, 
gr. θήγανο-ν und Anyavw, got. us-lakn-s "oftfen’ und ws-lakna, 
lit. krürina-s blutig’ und kraveinu, küpina-s “gehäuft” und 
küpinu, ai. dhrs-md-s "kühn’ und dhrs-nu-mds, ai. viseam- 
ined-s "im alles eindrimgend und i-nva-ti, danu-pinvd-s “tau- 
schwellend’ und pönva-ti, mhd. spa-n (Gen. spannes) "Span- 
nung’ und ahd. spa-nnu, ahd. ban (Gen. bannes) “Gebot unter 
Strafandrohung’ und bannu d. 1. *bho-nuo. 

Unser Zevfo-c d. 1. *ghs-enuo-s hat demnach zu einem 
verschollenen Präsens *Zevfw gehört, wie ai. -invd-s zu inva-ti, 


9. Gr. Nveiko. 


Das neben ἤνεγκα bei Homer und sonst auftretende 
ἤνεικα aus eveyk- abzuleiten ist ebenso unmöglich wie etwa 
die Herleitung von aipew aus Aaypew; neben eveik- stand ein 
tiefstufiges evık-, z.B. in ion. ἐξ-ενιχθῆναι (vgl. die Zusammen- 
stellungen bei Baunack Inschr. von Gortyn 56 ff.). Unser 
Wort gehörte entweder zu ik-Tap “zusammentreffend, zugleich, 
nahe’ lat. öco τὲ treffe‘, so dass das Kompositum ev-eık- 
ursprünglich “eintreffen machen, in unmittelbare Nähe bringen 
bedeutete (vgl. φ 196 ei ποθεν ἔλθοι ὧδε μάλ᾽ ἐξαπίνης καί τις 
θεὸς αὐτὸν ἐνείκαι), oder zu Hit. sekiu "ich lange (mit der 
Hand)’, mit dem Fick Göttimg. gel. Anz. 1891 5. 207 ἱκανός 
Ἱκέεθαι dor. eikw verbinden möchte. Das Kompositum ἐν-εικ- 
nahm den Charakter eimes Simplex an und wurde mit dem 
laut- und bedeutungsähnlichen ἤνεγκα vermischt. Gleichartige 
Wortverkettungen sind schon häufig genug beobachtet. 


4. Lat. operiö aperio. 


Weit verbreitet scheint die Ansicht zu sein (vgl. z. B. 
Fick Bezzenbergers Beitr. I 57, Thurneysen Über Herkunft 
und Bildung der Verba auf -öo 28, Stolz Lat. Gr. ? 292, Whar- 
ton Etyma Latina 8.6. 69), die auch ieh in meinem Grundr. I 
S. 367 f. vertrat, dass diese Verba als op-eriö ap-eriö zu al. 
ar- “etwas bewegen, wohm schaffen’, apa-ar- "wegschaften, 
beseitigen, öffnen" gehörten. Eine viel bessere und, wie mir 
jetzt scheint, die einzig befriedigende Deutung haben Pott 


Etymologisches. 175 


Et. Forsch. I! 225, Bopp Gloss. “ 9450 und Ebel Kulıns 
Zeitschr. VI 202 gegeben, indem sie ai. var- "schliessen, be- 
decken, verhüllen’ (api-var- verschliessen, bedecken, verhüllen 
apa-var- “aufdecken, enthüllen, öffnen‘) und lit. veria “mache 
auf oder zu, öffne oder schliesse’ (At-veriu “öffne, az-veriu 
“schliesse’) verglichen, nur dass sie die lat. Gestalt der beiden 
Verba im einzelnen nicht zu rechtfertigen wussten. Üorssen 
Ausspr. II” 410 hielt Ebel entgegen, diese müssten bei dieser 
Herleitung ja a-verio und ob-verio lauten, wie d-voco und 
ob-venio. Der Einwand ist hinfällig. Die alten * ap-verio 
= op-veriöo wurden lautgesetzlich zu aperiö operio (vgl. 1. Sg. 
-bam aus ὃ bhu-a-m, 1. Sg. -bö aus *bhu-ö6, du-bius aus 
= bhu-iio-s, fit aus Ὁ bhu-r-t(i)), und bei diesen Formen bliebs, 
weil das Simplex ®veröö ausgestorben war und andere Kom- 
posita von *veriö, die ihr ὁ lautgesetzlich fest hielten und das 
Gefühl für den Charakter jener beiden Formen als Zusammen- 
setzungen hätten lebendig erhalten können, nieht vorhanden 
waren. Als isolierte Formen entgingen sie den analogischen 
Neuerungen, die sie unter andern Umständen aller Wahrschein- 
lichkeit nach betroffen hätten. Das lat. # ver-i0 und das lit. 
ver-iü decken sich Laut für Laut. Zum Vokalismus der Wurzel- 
silbe vgl. ai. här-ya-ti umbr. heriest, as. williu aksl. velja, 
gr. ἔρδω aus *uerg-iö, ahd. wirkliu u. a. 

In beiden Sprachen wie auch im Indischen waren zuerst 
die das Bedecken, Zumachen bedeutenden Komposita vorhan- 
den. Die Opposita ap-erio dt-veriu apa-var- stellten sich dann 
ebenso ein, wie man z. B. im Deutschen neben zu-decken ein 
auf-decken, im Lat. neben ob-tegere con-tegere ein de-tegere 
und ein re-tegere, neben con-jungo ein dis-Jungo (entsprechend 
im Griech. neben συ-ζεύγνυμι ein δια-ζεύγνῦθμι). neben com- 
pesco (zu ai. parc- "mengen, mischen, vereinigen‘) ein dis- 
pescö, im Ai. neben vö-bhid- “diffindere, spalten" ein sam-bhid- 
“zusammenbringen, verbinden, neben »i-muc- “ablösen, losbin- 
den’ ein prati-muc- und ein d-muc- “anbinden, anziehen, an- 
legen’ stellte (vgl. Delbrück Altind. Synt. 5. 439, Verf. Gr. 
Kamm? 84.216). 

Der nächste Verwandte der lat. Verba auf italischem 
Boden war das umbrisch-oskische Wort für Thor, umbr. verof-e 
“in portam’ osk. veru ‘portam’. Vgl. lit. var-tai Pl. “Thor, 
Thür’. 


1τὸ Karl Brugmann, 
5. Lat. gavısu-s. 


Diese Partizipialform darf weder aus ὃ garissu-s = *gavid 
+ to- oder *gavidh + to-, noch auch, wie Corssen Ausspr. II? 
547 will, aus ὃ gavid + so- (oder *gaerdh + so-) hergeleitet wer- 
den, weil dem Lateinischen solche Ersatzdehnung fremd war. 
Auch befriedigt die Annahme nicht, man habe von einer Basis 
*gau-i- aus (vgl. gr. ταίω “freue mich’ aus *yaF-ıw, ταῦ-ρο-ε 
"stolz ) sowohl em *gau-i-dh- (hierzu gaudeo) als auch em 
= gau-2-dh- (hierzu gavrısu-s) gebildet. Der Römer wird viel- 
mehr zu der Zeit, als #® gavideo noch nicht durch Synkope zu 
gaudeo geworden war, das Verbum unwillkürlich mit video m 
Zusammenhang gebracht und infolge dessen nach e2su-s ein 
gärisu-s gemacht haben. Vgl. die zu κέλομαι κελεύω gehörigen 
κελευθ- κολουθ- (κέλευθος ἀ-κόλουθος), die im Anschluss an ἐλευθ- 
ἐλουθ- (eXevcoucı εἰλήλουθα) entstanden, ahd. zwezssago "Weis- 
sager, Wahrsager‘, das durch Anlehnung an sago Sprecher’ 
fora-sago ‘Prophet’ aus dem zu ags. zwwztiz "wissend, weise 
witza Prophet’ gehörigen wzzago umgestaltet war, u. dgl. m. 
(Fleckeisens Jahrbb. 1880 5. 228 ff.) 


6.. „ Ir.s faiscim: 


Ir. faiscim eymr. gwasgu “drücke, dränge, presse’ zu 
ai. väh-a-te “drückt, drängt, presst" pra-vahika "plötzlicher 
Drang zum Stuhlgang‘. Wegfall des wurzelschliessenden Kon- 
sonanten vor dem Präsenssuffix -sko- wie in com-mescatar 
“miscentur” von W. meik- “mischen” und in nascim “binde’ 
nasc “ Ring’ von W. nedh- “binden. 


1. Ahd. serintu. 


Ahd. seröntu berste, springe auf, bekomme Risse’ serunta 
“Spalte, Ritz, Riss’ nicht zu lit. skrentu skresti “sich mit einer 
trocknen Kruste beziehen, krustenartig betrocknen ’, wie Kluge 
Et. Wtb.* 316 will, sondern zu lit. skerdziu “berste, springe 
auf, bekomme Risse’; das lit. wie das hd. Verbum besonders 
oft vom Aufspringen der Haut. Vgl. ahd. springu : gr. ςπέρ- 
χομαι; ahd. ringe ags. wringe : lit. verzia; mhd. schrimpfe: 
aisl. skorpna. Stamm sgerdh- wahrscheinlich als sger-dh- zu 
lit. skör-tö "trennen, scheiden’. 


—1 


Etymologisches. ΤῸ 


8. Lit. sprüstu spräudziu. 


Lit. spr&stu "dringe heraus aus einer Klemme, fahre 
heraus, entschlüpfe’ (Praet. spradau), sprdudziu “dränge etwas 
gewaltsam in einen engen Zwischenraum, klemme’ (die ganze 
lit. Wortsippe s. bei Leskien Der Ablaut der Wurzelsilben im 
Lit. 47) schliessen sich als d-Erweiterung an lett. sprau-jü-s 
sprau-ti-s “emporkommen, empordringen’ (z. B. von der Saat) 
an. Vgl. ahd. fliuzu "tliesse‘ lit. plaudziu "wasche, reinige’ 
pludziu "schwatze’ plästu "gerate ins Schwimmen’ (Praet. 
plüdau) zu ai. pläv-a-te gr. πλέ(.)-ὦ, ahd. sciuzu "schiesse’ 
lit. szaud y-kle "Weberschiffehen” szdadau "schiesse mehrfach’ 
szdudinu “lasse schiessen’ lett. schaudekli-s “Weberspule 
schaudr-s hastig, hitzig’ zu lit. szdu-ju "schiesse’, got. giuta 
“giesse’ lat. fundo füdi zu gr. xe(f)-w χύ-τρᾶ u. del. mehr. 
Seine nächsten Verwandten ausserhalb des baltisch-slavischen 
Zweiges hat das lit. sprau-d- in mhd. spriezen ags. sprütan 
"keimen, sprossen ahd. spriaga Stütze’ (aus einem Schössling 
gemachter Stab) ags. spreöt "Schaft, Stange’ ahd. spro350 
"Sprosse’ u. s. w., deren Grundbegriff der des Hervordringens 
aus der Erde war (von Pflanzen und vom Quellwasser, mhd. 
wazzers spriez) und für die Kluge (Et. Wtb.* s. v. spriessen) 
aussergermanische Anknüpfung vermisst. 


9. Aksl. set. 


Miklosichs Herleitung der isoliert stehenden 3. Sg. setz 
“inquit” aus W. swen- "tönen, erklingen’ (Lex. Pal. Ὁ. 975) 
ist lautlich und begrifflich anstössig, und er scheint sie jetzt 
selbst aufgegeben zu haben, s. Etym. Wörterb. d. slav. Spr. 
S. 291. Ich ziehe das Verbum zur W. kens-, die im Ai. “her- 
sagen, aufsagen, loben, preisen’, im Iranischen aber auch ein- 
fach "sprechen, sagen’, bedeutet, z.B. in der häufigen Formel 
der Dariusinschriften hatiy darayavaus «sayapiya “es spricht 
Darius der König’. Ai. 2. Pl. sas-ta, av. 2. Pl. sas-tä (mit 
Nasal aus dem Singular) weisen auf ein Präs. ®kens-mi Pl. 
#® kns-mes. Die 3. Sg. * kens-t wurde im Slav. lautgesetzlich 
zu ®se. Hieraus se-ts, wie pri-jeto für pri-je u. dgl. (8. Les- 
τ Handb. ὁ 5: 1950..154. 140}. 

Leipzig, 2. Mai 1891. K. Brugmanın. 


Indogermanische Forschungen I ı u. 2. 12 


175 Christian Bartholomae, 


Arica 1. 


1. Absol. Lok. mit Part. Praes. im Avesta. 


Vgl. Delbrück Ai. Syntax S.387. Bei Hübschmann Zur 
Kasuslehre S. 244 ff. und Spiegel Vergl. Grammatik 8.448 ἢ, 
nicht berührt. 

Die Gathas bieten kein Beispiel. Aus dem jüngeren Avesta 
führe ich an: 

V.8. 4: jab ahmi nmane jap mazdaiasnöis spa va nd 
va iripiap varenti va snaezinti va barenti va [temanham va 
aiwi.gato] aian va varetafso varetö.vire gasenti kupa te 
verezian aete 76ὶ mazdatasna, ἃ. 1. “wenn in dem Haus 
eines Mazdagläubigen em Hund oder ein Mensch stirbt, wenn 
der Tag (= an einem Tag, da es) regnet oder schneit oder 
stürmt!) [oder nachdem die Dunkelheit eingebrochen ist] oder 
wenn (sonst) ein Tag gekommen ist, da man Tiere und Leute 
nicht aus dem Hause lässt, was sollen dann die Mazdagläubi- 
gen machen?” Die in | ] eingeschlossenen Worte, die den 
Satzzusammenhang unterbrechen, halte ich für eine klügelnde 
Zuthat späterer Überarbeiter. Dass varenti snaezinti und 
barenti nicht 3. Plur. sind, wie man angenommen hat —z. B. 
Hübschmann a. ©. 8.249 N. —, sondern Lok. Sing., und dass 
sie mit dem Lok. aian zusammengehören?), zeigt deutlich Jt. 16. 
10, wo der Gen. steht: tabriaskip haka hsafno varentid 
snaezintid sraskintid fianhuaitia?). Zur ganzen Stelle vel. 
W. Geiger Ostir. Kultur S. 271; ferner Geldner Studien I 
3.121: 


1) Zu lat. fläre (J. Darmesteter Etudes irann. II S. 138 f.) und 
got. blesan (Verf. Studien II S. 152 Note). 

2) Auch aog. 53: apare aian “am folgenden Tag’ Sonst ist 
aian Akk. Plur.: vispais aan hsafnaka J. 56. 17 oder Gen. Sing.: 
hamahe aian hamala va hsapo 4. 57. 31, ainhe adan ainha hsapo 
Jt. 1.18. Vgl. dazu J. Schmidt Pluralbildungen S. 100, Verf. Stu- 
dien 1 5. 59 f., 104. Brugmanns Bedenken Grundriss II 5. 578 1. 
sind unbegründet; jungav. -an vertritt ar. -an, -ans und -ans. 

5) So die Neuausgabe nach zwei Handschriften. Besser wohl 
°antia mit den übrigen. — An der ähnlichen Stelle Jt. 5. 120 haben 
beide Ausgaben den gemeinsamen Druckfehler frianhunt®. 


Arica 1. 19 

V. 5. 10: fra hama sakainti!) aba aiwi.game kupa te 
verezian aete joi mazdaiasna, d. 1. “wenn der Sommer ver- 
geht (vergangen ist), dann im Winter, was sollen da die Mazda- 
gläubigen machen?” Die Form hama ist neuerdings bespro- 
chen worden bei Verf. Ar. Forschungen II S. 111 und bei 
J. Schmidt Pluralbildungen 5. 209 ff.?2). An beiden Orten 
wurden sie falsch bestimmt. Ausser an der obigen Stelle fin- 
den wir sie noch: 

J. 16. 10: ab hama ap zaiene, ἃ. i. “im Sommer und 
im Winter”; 

V.5. 42: aiwi.gäme dap hama, d. i. “im Winter; aber 
im Sommer...” 

V.15. 45. atwi.game iba hama, ἃ. 1. “im Winter und 
im Sommer”. 

V.16. 12: jap va hama .. jab va aete?) zaena, ἃ. i. 
“wenn sie im Sommer, .. wenn sie im Winter sind”. Zu zaena 
5. unten. 

Nir. fol. 75: hama apa..dap aiwi.gäame, ἃ. 1. “so im 
Winter wie im Sommer; s. Haug im zendpehl.-gloss. S. 77. 

Endlieh: Rama mit dem Gegensatz aiwi.gäme, ebd. 8.38, 
126; hama allein, ebd. 5. 76. 

Während ich früher hama an der erstangeführten Stelle 
als Nom. Plur. — statt sakainti las ich mit Westergaard 
‚sakinte —, an den übrigen als zeitlich gebrauchten Instr. Sing. 
fassen wollte, hat J. Schmidt es überall als den Nom.-Akk. 
‚Sing.-Plur. eines neutralen »-Stamms genommen, der in V. 5. 
10 als Subjekt, sonst als temporaler Akkusativ fungieren 
würde). Ich halte jetzt, wie gesagt, beide Erklärungen für 
verfehlt. 

hama ist an allen Stellen, darin hat J. Schmidt recht, 
der gleiche Kasus. Und zwar ist es der selbe wie aiwi.gäme, 
also ein Lok. Sing. Zu seiner Formation vergleiche Verf. 
Bezzenbergers Beiträge XV S. 29 ff. Gleicher Bildung ist 
auch zaena “im Winter’ V. 16. 12 (s. oben), das sich zu ai. 

1) So richtig Spiegel; s. unten. 

2) Auf die schwache Stammform des Worts geht ausser av. 
maidiodisemem wohl afgh. manai und pamird. mendäö (Tomaschek 
Sitzungsber. ἃ. Ak. ἃ. W. zu Wien XCVI 5. 752) zurück; m ist hm. 

3) sc. 70ὲ mazdarasna. 

4) S. übrigens auch S. 321. 


180 Christian Bartholomae, 


heman verhält, wie ksdäma zu ksäman; wegen des innern 7 
s. ebenda S. 36 mit Note 2. 

Der Akk.-Nom. Plur. eines arischen Neutralstamms *sa- 
mar-, den J. Schmidt in hama tindet, würde meines Erachtens 
*hamare oder "hamäre zu lauten haben. Sein Versuch, die 
Formen aiare und salare als verderbt zu erweisen 2.930, 
S. 316 ff.) —, hat meinen Beifall nicht, so wenig wie seine 
Erklärung der avestischen Akk.-Nom. Plur. auf -an, die damit 
in innigstem Zusammenhang steht. Ich habe mich darüber 
bereits Studien I S. 69 ff. geäussert. 

Der Einwand, den man allenfalls gegen meine Fas- 
sung von hama in V.5. 10 erheben könnte, der nämlich, dass 
der Präsensstamm saka- sonst nur medial flektiert wird, ist 
hinfällig, wie em Blick auf die handschriftliche Überlieferung 
der Stellen darthun kann. 


2. Ai. aptyds > av. abwio. 


Av. dpwiö kommt nur einmal vor, J. 9.7, als Name des 
Vaters des Helden braetaono, der desshalb abwiano oder v0 
puprö apwianöis genannt wird. Dem Thraitauna?) Athwja 
des Avesta entspricht der Trita Aptya des Veda. Die Zusam- 
menstellung aptyds > apwiö ist schon uralt. Ar. Forschun- 
gen 1 S.8f. Note habe ich die arische Gestalt des Wortes 
zu ermitteln gesucht. Dabei bin ich zu dem Ergebnis gelangt, 
sie sei *atpids gewesen — genauer *atpias und *atpiias, die 
nebeneinander üblich waren —; *atpias sei geradeswegs zu 
av. dbwiö geworden, während das ai. aptyds (zwei- und drei- 


1) razäre bei Verf. Ar. Forschungen II S. 150 ist blosser Druck- 
(ehler statt °are, wie ich mit Rücksicht auf das bei J. Schmidt a. 0. 
5.320 gesagte bemerken will. Eskam mir dort nur auf den Wechsel 
zwischen dem r- und n-Suffix an; 5. jetzt Bezzenbergers Beiträge 
XV S. 401. 

2) Der Name praetaonöo wird doch von einem Nomen Jraeta- 
an- herkommen. Dies muss ursprünglich so flektirt worden sein: 
*hraetaua, Ptauanem, °taona, °taone etc. Das ao drang zuerst in den 
Akkusativ, dann aber wurde zu °taonem ein neuer Nominativ nach 
der a-Deklination gebildet. Die gleiche Umgestaltung hat die Fiexion 
von äriäräman- im Altpersischen erfahren, vgl. arijäramna Nom. 
Sing., artjärämnahja Gen. 


Area ik 181 


silbig) seine Entstehung eimer volksetymologischen Anlehnung 
an ἄρ- “Wasser’ verdanke!). 

Gegen diese Aufstellung wendet sich Pischel Ved. Stu- 
dien I S. 186: “Trita... hat das Beiwort äptyd-, was nicht 
bloss volksetymologisch an @p- angelehnt worden ist... ., son- 
dern einen sehr reellen Hintergrund hat und wirklich von ap- 
“Wasser” stammt, da Trita von Anfang an ein Gott des Meeres 
und der Gewässer war”. Ich kann mir nicht denken, dass 
mit diesen Worten überhaupt der Zusammenhang zwischen 
tritö aptyds und braetaono apwiö geläugnet werden soll. Ist 
das aber nieht der Fall, so kann ich nieht umhin, gegen jene 
Bemerkung ein paar Einwendungen zu erheben. Ich will sie 
in Fragen kleiden. 

1) Ist Pischel der Meinung, dass bei Wörtern, da das 
Indische und Iranische lautlich ausemander gehen, im Indi- 
schen eo ipso die ältere Form bewahrt sei?, dass also die 
lautgesetzlichen Änderungen im Iranischen weniger streng sich 
vollziehen als im Indischen? 

2) Pischel sagt, Trita sei von Anfang an ein Gott der 
Gewässer gewesen. Was heisst “von Anfang an”? Doch 
höchstens nur von Anfang der indischen Zeit an. Dass der 
iranische Thraitauna ein Gott des Meeres und der Gewässer 
gewesen, wird man aus den Geschichten, die von ihm erzählt 
werden, mit dem besten Willen nicht herauslesen können. 

3) Zweifellos ist num aber Trita-Thraitauna eme arische 
Figur. Hält sich Pisehel für berechtigt, die Züge, die wir 
vom Indischen Trita kennen, ohne weiteres auf jene arische 
Mythenfigur zu übertragen? Das dürfte mit seinen methodo- 
logischen Auseinandersetzungen in der Eimleitung zu den ve- 


1) Zu Spiegels Bemerkung, Arische Periode S.270N. 5, Verf. 
Zeitschrift ἃ. deutsch. mg]. Ges. XLII S. 159, Brugmann Grundriss I 
S. 267. Im Neupersischen wiederholt sich die oben angenommene 
volksetymologische Wandlung des Worts. Neben dtbin treffen wir 
äbtın, das gewiss an ab " Wasser’ angeschlossen ist. Spiegel frei- 
lich meint a. O., abtin zeige die mittleren Konsonanten in der “rich- 
tigen’ Reihenfolge. Aber arisches pt wird im Neupersischen doch 
durch /t vertreten, nicht durch bt! Die Gruppe bt kann gar 
nicht alt sein. Das Pehlevi hat, nach der gewöhnlichen Umschrei- 
bung, äspijän (z. B. Bund. 32. 4, 7, 8). Weiteres bei Justi Hand- 
buch S. 50. 


182 Christian Bartholomae, 


dischen Studien I— 5. besonders S. XNXIX — schlecht in Ein- 
klang zu bringen sein). 

4) Ob die durch Trita und Thraitauna vertretene ari- 
sche Gottheit mit dem Meer und dem Gewässer in näherer 
3eziehung stand, wissen wir nicht. Dafür lässt sich eben nur 
das Indische anführen. Ist es nun Pischel etwa unbekannt, 
dass die volksetymologische Umgestaltung eines Worts, insbe- 
sondere eines mythologischen, völlig neue Anschauungen her- 
vorrufen kann? Was hat unser Wort Sändflut, die “um der 
Sünden der Menschen willen veranstaltete Überschwemmung ” 
--- “die berühmte und unantastbare Umdeutung ”, wie Andresen 
es nennt — “von Anfang an” mit der “Sünde’ zu schaffen? 
Gilt es Pischel für ganz ausgeschlossen, dass der vedische 
Trito aptyas erst dann zu einem Gott des Meeres und der Ge- 
wässer geworden ist, als sein Beiwort dptyas aus *atpyas 
hervorgegangen war? 

Sollte Pischel in der Lage sein, den hier vorgetragenen 
jedenken wirksam zu begegnen, so werde ich gerne bereit 
sein, die Thorheit meiner Aufstellung über aptyds > abwio ein- 
en, Andernfalls freilich müsste ich behaupten, dass 
Pischel sie mit ganz nichtigen Gründen bestritten hat, und 
ohne auch nur den Versuch gemacht zu haben, die Erwägun- 
gen, die dazu führten, zu prüfen und zu würdigen. 


3. Ai. asdsa > äsisa > äsis etc. 


Vgl. dazu Lanman, Journ. of the Am. Or. Soc. X 5. 492 1. 


) Freilich verstösst Pischel auch sonst dagegen. AufS. XVII 
wird geschrieben: “50. hat Bartholomae (BB. XV S.2f£.), ohne eine 
Ahnung der dabei in betracht kommenden indischen Vorstellungen 
zu haben, lediglich durch Herbeiziehung von av. jahika die richtige 
Deutung des vedischen hasra gegeben”, Ist das, frage ich, metho- 
disch, arische Wörter aus indischen Vorstellungen heraus zu erklären? 

[Und worin bestehen nun “die in betracht kommenden in- 
dischen Vorstellungen”, deren blosse Ahnung mir sogar versagt ist? 
Das wird uns auf S. 196 mitgeteilt: “ Das Lächeln des Mädchens ist 
die Zustimmung zu den Wünschen des Mannes und hasrd "die 
Lächelnde’ ist der vedische Ausdruck für Buhlerin, Hetäre”. Es 
kommt mir so vor, als ob dergleichen glückverheissendes Zulächeln 
ausserhalb Indiens, sagen wir einmal bei uns in Deutschland, auch 
gelegentlich beobachtet werden könnte.] 

Zur ganzen Frage s. auch noch Verf. Bezzenbergers Beiträge 


XVII S. 339. 


Ariea 1. 183 


492 ff. Das iin asisa ist zweifellos das nämliche, wie das im 
sismds und dsisat ete.!), d. 1. idg. 9. Die alte Flexion des 
Worts lässt sich noch mit hinreichender Sicherheit herstellen. 

Der alte Nom. Sing. war *asäs. Er ist nicht bezeugt, 
aber sicher vorauszusetzen für den Akk. asdam AV.6. 119.5, 
der dazu gebildet ist wie z. B. medhäam zu medhäs. asam 
selber rief dann wieder neue Kasusformen nach der femininen 
a-Deklination hervor: asds N. Pl., asäbhyas ete.; vgl. medhä 
N. Sg., medhäya Instr. u. 5. w. 

Der Akk. Sing., Nom. (Dual. und) Plur. hatten ebenfalls 
die Stammform mit as, lauteten also *asasam, *asäsas.  Be- 
zeugt ist der Nom. Plur. sisasasas AV. 18. ὃ. 162). 

Die Verbindung des Nom. Sing. *asds mit solchen No- 
minativen wie acetäs, arepäs u. 5. w. erzeugte nach dem 
Muster acetdsam, arepdsas die neuen Formen asdsas Nom. 
Plur., und im weitern Anschluss daran asdsa Instr. Sing., 
asdsas Akk. Plur. 

Die übrigen Kasus, die ursprünglich den Akzent auf 
der Flexionssilbe trugen, bildeten sich aus der “schwachen 
Stammform mit ἐδ: der Akzent ist durchweg auf das ὁ getre- 
ten: asisa Instr., asisi, prasisi Lok., asisas, prasisas Akk. 
Plur. 

Das is wurde nun aber auch auf die starken’ Kasus 
übertragen. Wir finden so die Akk. Sing. asisam, prasisam, 
die Nom. Plur. asisas, prasisas. Und endlich dringt das ὁ 
auch in den Nom. Sing. em: asisg. Das lange > darin ver- 


dankt seine Entstehung der Analogie der as-Stämme — vgl. 
2. B. acetäs > acetdse — u. a., oder auch einem Kompromiss, 


etwa wie das 2, ὦ in mantri?), ger, pür u. 5. w.; 5. Verf. Bez- 
zenbergers Beiträge XVII S. 114 mit Note 2, Studien I S. 21f. 
Note®). Die Erklärung, die de Saussure Memoire S. 250, 
) Av. sisä etc. mit falschem 7 statt @. 

) Gehört dazu av. frasäabiö J.29. 5? S. Verf. Ar. Forsch. III 
S. 40 ff. 

3) Wegen der vedisch-avestischen Differenz mantrı > maphraä, 
mantrine > mapräne sei auf aind. söomanam RV.1. 18.1 verwiesen, 
das die Bedeutung von söminem hat, und auf nikamabhis 10. 92. 9 
neben kämi kaminas. Die herkömmliche Fassung der Wörter ist 
freilich eine andere. 

4) Dass der Wechsel ὦ > u, wie er z. B. bei gr. μῦς > uvöc 
vorliegt, schon ursprachlich ist, gestehe ich J. Schmidt Pluralbil- 


184 Christian Bartholomae, 


264 und Brugmann Grundriss II S. 534 für ger, pur u. 5. w. 
vorschlagen, halte ich trotz des Hinweises auf ksds, g0sds 
ete. für nicht zutreffend. In Übereinstimmung mit J. Schmidt 
erachte ich das Verhältnis von (z. B.) ai. ksäs > av. zd zum 
Lok. Sing. ksdami > av. zemi (J. 10. 17)!) dem für völlig 
genau entsprechend, welches zwischen gr. βῶς = lat. δὸς und 
al. gdei, zwischen gr. Ζής > lat. dies und ai. dydvi?) besteht. 
Das zugehörige griech. χθών ist zunächst für ἔχθωμ, dann 
aber weiter für ἔχθως eingetreten; die Reihenfolge in der 
Formenentwicklung war: ἔχθως > ἔχθομι; ἔχθωμ > ἔχθομι: 
χθών > ἔχθομι, χθών > χθονί. Pischels Bemerkung zum aind. 
Nom. Sing. pär: "formell = πῦρ. (ved. Studien I S. 185) ist 
mindestens recht unklar. 

Gegen die de Saussure - Brugmannsche Zurechtlegung 
der Flexion von Wurzelstämmen auf » lässt sich auch das 
avestische parendi?) geltend machen. Das Wort ist zweifel- 
los mit dem aind. piramdhis aufs engste verwandt. Wir haben 
darin ein Kompositum mit einem Akk. Sing. als erstem Kom- 
positionsglied. Av. #parem geht auf ar. *param, aind. *puram 
auf ®prram. In der arischen Flexion des Worts muss also ar 
mit 27) gewechselt haben, und es ist an sich klar, in welchen 
Kasus das eine, im welchen das andre altheimisch war. Das 
gemeinsame arische Wort ist mit #parandhis anzusetzen; "paran 
aus ®»aram ist der Akk. Sing. eines mit aind. purds, gr. πολύς 
u. Ss. w. zusammengehörigen Wurzelnomens. Im Avestischen 
wurde das Wort in die Flexion der 7-Stämme überführt, sonst 
aber nieht verändert. Im Altindischen dagegen wurde ®paran 
durch den neu aufgekommenen Akkusativ #param ersetzt, des- 
sen zr von den obliquen Kasus mit vokalisch anlautendem 
Suffix bezogen ist. Das genannte Wurzelnomen muss also in 
frühindischer Zeit noch viel gebraucht und die Herkunft von 


dungen S. 209 ohne weiteres zu, behaupte aber, dass er sich in 
der Ursprache in gleicher Weise ergeben hat, wie in den obigen 
Beispielen innerhalb des Indischen. 

1) Zweisilbig. Zum Verhältnis von k$>z vgl. Verf. Bezzen- 
bergers Beiträge XV S. 25, XVII S. 344. Das ai. g in gmas neben 
Jmas ist allenfalls nach Verf. Studien II S. 42f. zu beurteilen. 

2) Mit dem gr. Ζεύς ai. dyaus deckt sich formell εἷς — kret. 
ἕνς aus *sems. 

3) So — mit ἃ — in der Neuausgabe überall ausser J. 38.2, 
13.1, Vsp. 7. 2; vgl. jedoch die Varianten. 


Arica 1. 185 


*pärandhis dem Spreehenden noch deutlich gewesen sein); 
sonst wäre eben jene Veränderung nicht möglich gewesen. 
Zur Bedeutung der Wörter s. Hillebrandt Wiener Zeitschrift III 
SB, 259#r., Pischel a. Ὁ. S.'202 ff. 


4. Av. jüsm’ > hsm°, Pron. 2. Person. 


Fr. Müller, Wiener Zeitschrift IV S. 309 glaubt die 
Entstehung der zweiten Form aus der ersten durch den An- 
satz folgender Entwieklungsreihe darthun zu können: "jush- 
maäka = gushmaka = geshmäka = yshmäaka'. Ich vermisse 
dabei folgendes: 1) einen zweiten Beleg für den Wandel von 
7 in 4: 2) einen zweiten Beleg für die Reduktion von x in ὁ 
(Schwa); 3) einen zweiten Beleg für den Ausfall eines derart 
reduzierten Vokals?) und für die im Zusammenhang damit 
stehende Umsetzung eines d m y. Bis diese Belege erbracht 
sind, halte ich jenen Ansatz für verfehlt. 

Das bei Verf. Ar. Forschungen III S. 20 aufgestellte 
Gesetz — absolut anlautendem ar. 5?) vor Konsonanz wird im 
Iranischen eine gutturale Spirans vorgeschlagen — bleibt trotz 
Fr. Müller bestehen. Wegen seiner Bedenken hinsichtlich des 
avest. hsuas sei auf Verf. Beiträge S. 156 verwiesen; Ficks 
seltsame Etymologie “2. khvas*) = ksveks = (pen)k’e-se- 
veks (ὁ) — das soll heissen “fünf um eins wachsend’ —, Wör- 
terbuch I* S. 151 wird wohl schwerlich viel Gläubige finden. 

Zungen bei Verf. a. 0.8.19 f. "und! Studien: IT’S. 57 
gegebenen Beispielen kommen noch hinzu: 


rm2 


av. zihsnanwhemnö Jt. 15. 49, 73 > ai. jijnasamanas. 

1) Historisch beglaubigt ist nur purbhis RV. 5. 66. 4. 

2) Wegen frahstata, angeblich — frahrstata 5. unten S. 186. 

3) Absolut anlautend ist ein Laut dann, wenn er nach irgend 
welcher Pause steht. Der Satzinlaut, innerhalb dessen Satzsandhi 
stattfindet, reicht von Pause zu Pause. 

4) Lies khsvas. Die Zahl der Druckfehler ist ganz ausser- 
ordentlich gross. Allein in den arischen Wörtern, die ich mir ge- 
nauer angesehen, habe ich einige hundert gefunden. Die Bemer- 
kungen auf S. VII unten müssen übrigens sehr, sehr viel entschul- 
digen. Stützt sich doch Fick z. B. für das Altpersische noch auf 
die erste Auflage der Spiegelschen Keilinschriften. Da treffen wir 
noch aisa " ging’ mit den wundersamen Trennungspunkten (S. 158), 
ferner kamana treu’ (ὃ. 183), ndviya * die Schiffe’, Akk. Plur. (S. 276) 
u. a. m. Dem arischen Teil des Buchs gegenüber ist Vorsicht bei 
der Benutzung aufs dringendste zu empfehlen. 


186 Christian Bartholomae, 


Lautgesetzlich richtig wäre zisn’, wie auch verschiedene 
Handschriften bieten; s. noch J. 57. 6 (4) u. s. hsn° ist die 
Form des absoluten Anlauts, cf. ap. hsnasatij > lat. gnösco!). 

Av. ahstap, frahstäite u. s. w. Der Ansatz einer beson- 


dern Wurzel’ dafür — s. Geldner Studien I S. 157 ff., Verf. 
Beiträge S. 52 — ist unnötig. Ich kehre zu dem zurück, 


was ich schon Handbuch S. 158. 23 lehrte. Ar. sta- ist wie 
ai. sthrv- u. Ss. w. zu beurteilen, s. Verf. Studien II S. 42% 
Es verdient beachtet zu werden, dass Ast’ nur im Inlaut und 
nur nach a, ἃ auftritt; Geldners *nihstata Jt. 10. 127 hat die 
Neuausgabe beseitigt. Die alte Erklärung von frahstata aus 
*frahistata, die auch bei Fick a. Ο. S. 355 wiederkehrt, ist 
ganz unhaltbar. 

Ich sehe jetzt die avestischen Pronominalformen mit 
hsm’ für iranische Analogiebildungen an, und finde in ihnen 
erst recht eine Bestätigung des von mir aufgestellten Lautge- 
setzes über das nachgeborene ἢ. Der Veda hat bei der 2. 
Person folgende Dualformen: yurdm Nom. yuram Akk., 
yuvdbhyam, yuvabhyam Instr., yurdd Abl., yurös, yurdyos 
Gen., endlich das tonlose cam, Akk.-Gen.-Dat.; das Avesta 
fügt dazu noch den Genetiv judkem. Die andern Formen 
sind im Iranischen nicht nachweisbar, lassen sich aber nach 
dem Indischen unschwer herstellen. Der Nom. wäre *iuuam, 
der Akk. *ruuam, dagegen in unbetonter Form *uam. Die 
betonten Dualformen unterschieden sich somit von den unbe- 
tonten durch das Mehr des anlautenden iu. Dieses Verhältnis 
wurde vom Dual. auf den Plural übertragen. Neben die be- 
tonten Kasus mit Zausma-?) traten tonlose mit *sima-, das sich 
noch im Uriranischen im absoluten Anlaut in #7sma- umsetzte. 
In den absoluten Anlaut konnte *sna° bei der Proklise ge- 
raten. Es ist aber auch möglich, dass die zunächst tonlosen 
Formen mit #sma’ so frühzeitig schon auch betont gebraucht 
wurden, dass sie noch unter jenes Gesetz fielen: s. dazu Brug- 
mann Grundriss II S. 831 zu gr. vw. Im Avesta sind die 
Formen mit jasm’ und mit Asm’ völlig gleichwertig. Die 


1) Lautgesetzlich korrekt ist uhdasna * der die Sprüche kennt’ 
(im Zendpehl.-Glossar) gegenüber frähsnenem u. Ss. W. 

2) Das ἢ in av. jüsma° beweist nicht viel; es kann gar wohl 
für u geschrieben sein. Andernfalls mag es aus dem Nominativ 
stammen, wie J. Schmidt Pluralbildungen S. 219 will. 


Ariea 1. 187 


mit sm’ sind verschollen; über einen ähnlichen Fall s. Brug- 
mann ἃ. 0. 5. 803. Es scheint aber, als ob im Pehl., Neu- 
pers. suma das altiranische *smakam sich erhalten habe; we- 
nigstens sollte man für #7smakam nach husnad > av. hsnüto 
vielmehr *=husma erwarten!). Dem entsprechend wird man 
das neup. sinahtan an av. sna in uhdasna (S. 186 N.) anzu- 
schliessen haben. Der Wandel von altir. ἢ zu neup. s ist 
nur für die Stellung vor Vokalen sicher nachweisbar; s. die 
Beispiele bei 1. Darmesteter Etudes irann. I S. 84ff., der 
aber arisch ks und hs (Verf. Studien I S. 56, II S. 19) 
nicht auseinander zu halten weiss. 

[Neup. sas ‘sechs’ gegenüber av. hsuas beweist nichts; im 
Arischen standen *sas und suas nebeneinander (Verf. Beiträge 
S.155 f., Brugmann a. Ὁ. S. 477), und das gleiche wird auch 
im Uriranischen noch der Fall gewesen sein. Auffällig frei- 
lich sind neup. bahsidan und ἐμ δα, für deren 7s man $ er- 
warten sollte. Stammt As aus Wörtern, darin ein Konsonant 
folgte? Oder haben wirs mit Dialektmischung zu thun, die 
ja im Iranischen so überaus häufig vorkommt? Das ἢ von 
altiran. ἢ 5. hat sich erhalten z. B. im Ossetischen, 5. Hübsch- 
mann Oss. Sprache 5. 26, 99, 10] 3): ferner im jidghah, 
vgl. hsavah, hsirah, ahsın, ahsah bei Tomaschek Bezzen- 
bergers Beiträge VII S. 195, 202, 204, 206. Dialektmischun- 
gen jeder Art haben im Iranischen seit ältester Zeit in grossem 
Umfang stattgefunden; vgl. dazu Verf. Zeitschr. d. dtsch. mgl. 
Ges. XLIV S. 551. Aus dem Altpersischen sei hier beispiels- 
weise auf die Differenz aufmerksam gemacht, welehe zwischen 
uva’ — al. δυᾶ", av. va’ und °farna (" fara) = av. "lvarenä 
in vzdaf° besteht; vgl. J. Darmesteter a. Ὁ. I 5. 95, Stein 
Zoroastrian deities S. 5. Nur in den Gathas des Avesta ist 


1) S. ferner unten zum oss. smah. 

2) Das oss. smah ‘ihr’ wird also wie das neup. suma altir. 
*"smakäam wiedergegeben. Wegen des auslautenden A s. oss. mah “wir’ 
und ap. amaham, wozu Verf. Ar. Forschungen I S. 79 Note. 

Ebenso hat sich im Össetischen die Spirans / des altiran. fs 
gehalten, das sonst ebenfalls zu καὶ geworden ist; vgl. oss. äfsärm > av. 
fsarema-, np. sarm; 5. dazu np. saban — altir. *fsupana-, Hübsch- 
mann Zeitschr. d. dtsch.-mgl. Ges. XLIV S. 560. Unklar ist mir 
das Verhältnis von np. pistan zu av. fstäna-. In Übereinstimmung 
mit Ausnüd (oben), wäre *fistan zu erwarten. 


188 Christian Bartholomae, 


uns ein, soweit dies möglich, reiner iranischer Dialekt er- 
halten.] 


5. ΑἹ. kanya ete. und av. kaine ete. “Mädchen’. 


Im Rg- und Atharvaveda treffen wir folgende Formen: 
Sing. Nom. kanya. 
(en. kandyas. 
Lok. kanyayam. 
Plur. Nom. kanyas. 
Gen. kanyänam, kaninam. 
Lok. kanyasu. 
Dazu fügt das Avesta noch: 
Sing. Nom. kaine, kaint. 
Akk. kaniam, kainınem (V. 15. 9). 
Gen. kania, katnıno, kainino. 
Plur. Nom. kaininö, kainino, kainina. 
Akk. kainio. 
Dat. katnibio. 

Das Petersburger Wörterbuch nimmt zur Erklärung der 
indischen Formen zwei Stämme an: kand- und kanya-; für 
die avestischen setzt Justi ebenfalls zwei an: kanid- und 
kainin-. Aber die Rechnung geht leider nicht glatt auf, weder 
hier noch dort. Von den indischen Kasus bleibt der Gen. 
Plur. unerklärt. Denn was Lanman Journal of the Am. Or. 
Soc. X S. 364, dazu bemerkt: “The gen. pl. of kania, 
kantandm, always appears in a contracted form, kanınam 
(five times)” ist doch nur eme Anerkennung der Schwierig- 
keit, keine Erklärung derselben. Auch hätte man sich noch 
mit dem Vers RV. 9. 56. 3b abzufinden: jardm nd kanyana- 
sata; nach dem Metrum enthält er einen Fehler, welcher nur 
in kanya (ἃ. 1. *kaniya) stecken kann!) 

Und von den avestischen Formen bleibt zum mindesten 
der Akk. Plur. kainio (jt. 17. 59) dunkel. Dies so wie das 
eben erwähnte ai. kanınam scheinen auf einen Stamm kanz- 
hinzuweisen, wozu sich auch av. kaini und kainibiö ziehen 
lassen. kanid kann eben dazu oder auch zu kanid- gezogen 
werden; vgl. vairia stöis J. 45. 15 und unten. 


1) Wenigstens ist sonst das y im RV. überall silbebildend. 
Anders freilich im AV. 


Arica 1. 189 


Somit wäre zur Entwicklung der arischen Kasusformen 
des einen Worts der Ansatz von vier verschiedenen Stämmen 
nötig: kand-, kaniia-, kant und kanin-. Das sind drei mehr 
als man zu eimer wirklichen Erklärung brauchen darf. S. 
Verf. Bezzenbergers Beiträge XV S. 14, 30 f. 

Einen andern Weg hat neuerdings Zubaty eingeschlagen, 
Kuhns Zeitschrift XXXI S. 1 Er will alle Formen auf 
einen idg. zi@”n-Stamm zurückführen. S. auch Brugmann 
Grundriss II S. 529, 723. Nun ist es ja freilich verlockend, 
den Nom. Sing. ai. kanya mit griech. Nom. wie Kpoviwv 
(Brugmann ebd. S. 357) zu vergleichen und wegen der Flexion 
Nom. kanyä > Akk. (av.) kaininem auf lat. caro > carnem, 
lat. legio > osk. leginum zu verweisen. Allein die Reehnung 
stimmt leider wiederum nicht. Der Gen. Sing. ai. kandyas 
lässt sich, so weit ich sehen kann, mit der Annahme eines 
»-Stamms durchaus nicht veremigen!). Freilich verweist Zubaty 
noch auf die Ableitungen kanydna, kaninakdä und kaninas, 
die den selben »-Stamm enthalten sollen. Es war aber doch 
auch das mit kanydna gleichbedeutende kanyala zu erwähnen, 
und dies aus einem »-Stamm herzuleiten sehe ich keine Mög- 
lichkeit. 

Mir scheint, dass man von einem femininen Stamm auf 
d*i- auszugehen hat, wie solche in den griechischen Formen 
wie Antw, Antw, Λητοῦς enthalten sind. Vgl. dazu J. Schmidt 
Kuhns Zeitschrift XXVII S. 374 ff. 

Der arische Nom. Sing. zu *kanai- ist mit *kand anzu- 
setzen, und so ist aller Wahrscheimlichkeit nach RV. 9. 56. 3 
statt des überlieferten kanya herzustellen. Für die Existenz 
eines aind. *kand spricht auch der Gen. Sing. kandyas, der 
dem Nominativ nach dem Muster der «-Stämme angeschlossen 
wurde. Der avestische Nom. Sing. kaöne ist nicht sicher be- 
stimmbar. Er kann dem aind. kanya entsprechen, wie ich 
Handbuch ὃ 241 annahm, kann aber auch wie z.B. kainike, 
näirike (J. 23. 3) u. 5. w. gebildet sein?); dann würde sich 

1) Es soll übrigens nicht verschwiegen werden, dass kanayäs 
zwar 4mal bezeugt ist, dass aber alle Stellen einer Hymne ange- 
hören: BRV. 10. ,61. 

2) Das Vorhandensein soleher Formen im Gathadialekt wird 
von J. Schmidt Kuhns Zeitschrift XXVII 5. 385 zu Unrecht be- 
stritten. S. noch Geldner ebd. XXX S.533 zu, bwör in J. 48. 8 — 


190 Christian Bartholomae, 


kaine zu ai. "kand stellen etwa wie perene (V. 2. 8ff.) zu 
purna. 

Der Akk. Sing. lautete in alter Zeit wohl *kanatam 
(vgl. av. kauaem, Verf. a. Ο. 8. 226); entsprechend gr. 
Antw, statt “τῶ aus “τόα, von wo aus das o in den Dativ 
“τόι, Gen. “τόος übertragen wurde; s. das folgende. 

Die obliquen Kasus hatten ursprünglich die schwache 
Stammform neben kanat- und kanät-, d. 1. kant, kanii-. 
Aus ihr leiten sich her: av. kainio und kainibio (mit ὁ statt 
8). Ar. *kaniias, *kantbhias mit "nadiias, *nadıbhias (ai. 
nadyas, nadibhyas), *dainitas, *"daiuibhias (av. daeuio, ai. 
devibhyas) in Beziehung gesetzt, riefen den neuen Nom. Sing. 
*kanı = av. kaini und den Gen. Plur. *kanınam = :äi. 
kaninam hervor. Allenfalls beruht auch av. kainibio bereits 
auf Neubildung!). Nach dem selben Paradigma ist ferner av. 
kania gebildet, Gen. Sing. = ar. "kanias oder kaniias. Den 
gleichen Ausgang hatten aber vordem die d-Stämme; vgl. ai. 
gnäs (in gnäspdtis), av. daenä J. 34. 15, vairid 4. 43. 135, 
kipa V.5. 26. Auf diese Weise konnte ein neuer Nom. Sing. 
entstehen *kaniia — ai. kanya, dessen Bildung das Neben- 
einander von "kant und *kand noch besonders gefördert 
haben mag. Aber auch noch ein andrer Weg kann zur 2a- 
Deklination geführt haben. Im Gen. Sing. stand *kanaias 
(= ai. kandyäs) neben kanitas (= av. kaniä), das kann 
gar wohl der Anlass zu der Mischbildung *kanitaias (= ai. 
kanydyas) gewesen sein?). Danach erklären sieh von den 
indischen Formen kanyä, kanyayam, kanyas, kanyanam, 
kanyäsu, von den avestischen kaniam und allenfalls kaine. 
Die Betonung der indischen Kasus auf dem ὁ (kaniya) wird 
davon herrühren, dass früher z. B. neben dem Nom. Sing. 
"kand der Akk. Plur. *kaniyas (av. kainio) stand, die sich 
[in der Übersetzung des Verses 5. 526 ist das Wort vergessen] — 
und zu berehde in J. 48. 6 ebd. 5. 525, 531. 

1) Av. kainika wird zu kaini nach dem Vorbild nairika > 
näirt geschaffen sein. 

2) Auf der andern Seite dürfte der Wechsel von *kanräas 
(oder *"kantiras) mit *kandiäas die Genetive av. haendä (J. 9. 18) 
neben haenaid, ai. senayäs, haoia 4. 11. 1 neben hauala u. 5. νν. 
ins Leben gerufen haben. Danach auch gaepiai J. 9. 3ff., Dat. 
Sing. neben gaepbarar u. Ähnl. 


Arica 1. 191 


ihrer Bildung und Akzentuirung nach ganz mit aksa > u- 
ksdänas (mit an aus 2222) vergleichen lassen. Der dem » zu- 
nächst folgende Sonant hat überall den Ton. 

Schwierigkeit bereiten der Erklärung ohne Frage die 
avestischen Kasus mit ön, τ. Aber sie wird auch dureh Zu- 
batys Fassung — vom Gen. Sing. kandyas ganz abgesehen — 
nicht beseitigt, da für die angenommene Flexion * kanita(n) > 
*=kaninas (Gen.) eim Analogon auf dem gesamten arischen Ge- 
biet nieht aufzutreiben ist. Dagegen finde ich für meine Deu- 
tung eine Stütze in av. kewinöo J. 51. 12. keuinö (Gen. Sing. 
verhält sich zu kaua (Nom. Sing.; zum Thema 5. S. 190) wie 
kainino zu ai. kand. 

Die Gathastelle ist zuletzt von Geldner Kuhns Zeitschrift 
XXX S. 524 behandelt worden. Er übersetzt die Worte vae- 
piö keuino mit “Vaipja, der Kavianhänger 1): s. auch Verf. 
Bezzenbergers Beiträge XIII S. 83 Note. Es ist aber nicht 


1) Ehd. wird peretö zimo übersetzt mit "im härtesten Winter’, 
indem pereto als Lok. Sing. zu *peretis > ai. pürtis genommen 
wird. Aber die Lok. Sing. der a’-Stämme gehen im Gathadialekt 
sonst ausschliesslich auf -@ aus; auch im jüngern Avesta ist -ὸ (= 
av. -au) bei den ar-Stämmen ganz Selten; 5. Verf. Bezzenbergers 
Beiträge IX 5. 308f. Vielleicht ist peretö zimö “an der Brücke des 
Winters’ doch eine Ortsbezeichnung; 5. ebd. XIII S.83. Ein zweiter 
gathischer au-Lokativ der «-Deklination ist astöo J.51. 12; 5. Verf. 
ebd. XV 5. 12 gegen Geldner a. Ὁ. Entsprechende indische Bil- 


dungen sind sänöo — das man freilich durchaus nicht gelten lassen 
will — und vastöo; 5. Kaegi Festgruss S. 481, Verf. a. O. 5. 185 ἢ, 


205 ff. Das jüngere Avesta stellt dazu: amhö J. 71. 16, anhaua 
Jt.6. 3, V.9.1, gätaua J. 65. 9, dainhaua J. 9. 24, Vsp. 12. 5, zan- 
taua ΒΡ. 12.5 — mit postponirtem a; 5. Jackson Am. Or. Society's 
Proceedings 1889 S.CXXV, Caland Kuhns Zeitschrift XXXI 8. 263 —: 
die Keilinschriften margauv, babirauv und — mit der Postposition — 
ufräatauva, dahjauva, gabava, 5. Verf. Bezzenbergers Beiträge XIII 
S. 69. Die gewöhnlichen jungavestischen Formen auf -u0 : zantuo, 
dainhuö, hinduö, anhuo u. s. w. sind aus den ö-Formen zantö ete. 
hervorgegangen, ganz wie z. B. ai. sakhydau aus *sakhäu. 

Die Übersetzung der dritten Zeile von J. 51, 12 bei Geldner 
kann meines Erachtens auch noch nicht richtig sein. hiap höi im 
karataska aodereskäa zölsenü vazä soll heissen: “auch als seine bei- 
den Zugtiere und zwar zitternd vor Kälte zu ihm kamen’. Die 
verschiedene Fassung der beiden auf einander folgenden kä — 
“auch’ und “und zwar’ — halte ich für unthunlich. Auch dürfte 
das mit auch’ gegebene ka doch nicht hinter dem Verbum finitum 
stehen. Das nächstgelegene ist jedenfalls kar° und aod°® zu koor- 


192 Christian Bartholomae, 


einzusehen, warum hier vaepio etwas anderes bedeuten soll als 
V. 8 32. Der Anschluss des Worts an ai. vipra-s, dem ich 
selber früher beipflichtete, ist doch sehr gesucht. S. auch 
Spiegel Kommentar II S. 410 f. Mit kauad wird von Zara- 
thustra eine ganz bestimmte Persönlichkeit gemeint, wie insbe- 
sondere J. 44.20 zeigen kann; s. dazu Geldner Bezzenbergers 
jeiträge XII S. 98. Seine Anhänger werden nicht als *keuzna, 
sondern als kauaiö bezeichnet, J. 32. 14, 46. 11; s. Verf. 
Beiträge: 8. 12, Geldner a. 0. XIV S. 3f. "Indem engen 
Kreis, an den sich Zarathustra wendete, kannte sicher jeder 
den vaepio keumo gerade so gut wie den kaua selber. 

Das » von keuinöo muss dem in ai. kavind, Instr. Sing 
gleichgestellt werden; \s. dazu Verf. Ar. Forschungen I S. 63, 
;rugmann Grundriss II S. 724 f. kauznö verhält sich zu kauois 
— al. kaves wie av. kaoiam, Gen. Plur. zu ai. kavinam und wie 
ai. pdtina zu pdtya. Freilich ist es auffällig, dass das n, das 
doch aus dem Neutrum stammt, bei dem femininen Wort für 
“Mädchen sich im Avesta so häufig vorfindet. Es ist zusam- 


Or 
. 


men 13mal bezeugt, Imal im Akk. Sing. — V. 15.9 —, 4mal 
im Gen. Sing. — Jt. 5. 64, 126, 13. 107, 22. 9 —, Smal im 


Nom, Blur. τ Τὺ ὃν 87,.15.739, 17.411,54, 55,36. 73223 
V. 12. 7 (Glosse). Man berücksichtige aber dabei, dass die 
4 Stellen mit dem Gen. Sing. und ebenfalls 4 mit dem Nom. 
Plur. den gleichen Wortlaut haben, also auf die gleiche Quelle 
zurückgehen. Förderlich für das Überhandnehmen der %- 
Formen mag das Vorhandensein von Wörtern gewesen sein, 
welche den indischen kanydna-, kaninakd-, kantna- entsprachen. 
Insbesondere aber hat meines Erachtens das maskuline Gegen- 
stück dazu beigetragen, nämlich Ὁ juan- (d. i. juuan-; s. Verf. 
Handbuch S. 86 f.). In Jt. 15. 40 wünschen sich die kainina 
anupaeta masianam eimen juuan-, der sie gut behandeln und 
ihnen Nachkommenschaft erzeugen soll; in Jt. 22. 9 ἢ. er- 
scheint dem urwan- des nar- asauan-, der die Gestalt eines 


dinieren. aoderes ist Gen. Sing. zu aodar-, wie Geldner richtig ge- 
sehen hat; also wird karatö Gen. Sing. von karat- sein, das etwa mit 
sareta " kalt’, lit. szaltas u. Ss. w. zusammengehören mag; wegen 
der Differenz im Anlaut 5. Verf. Studien I 5. 1Sf. Als Verbum der 
dritten Zeile sehe ich urüaraost an. im geht auf das folgende vaza; 
dass im auch auf eine Mehrheit sich beziehen kann, weist J. 45. 1 
aus. S. dazu Wackernagel Kuhns Zeitschrift NXIV S. 606. 


Arica 1. 193 


juan- hat, ja haua daena in der Gestalt eines schönen ete. 
Mädehens (kaininö), um ihn in das Paradies zu geleiten. Vgl. 
auch noch RV. 8. 35. 5, wo yavaseva kanydnam überliefert 
ist; ferner AV. 11. 5. 18: brahmacdryena kanya ydeanam 
vindate pdtim'). Ar. *kand οἷο. ist das geschlechtsreife Mädchen 
-- im Avesta 15 Jahre alt — *iuua der geschlechtsreife Junge 
Mann. Die Gegenüberstellung des Nom. Sing. (av.) * jaua und 
* kainı-, der Gen. Plur. *janam und * kainınam kann sehr 
leicht den Akk. Sing. * kaininem nach * juuanem, den Gen. 
Sing. kainıno nach jano ins Leben gerufen haben. Wäre nicht 
auch keuino als Gen. Sing. zu kaua bezeugt, so würde man 
die avestischen »-Kasus zu *kainı sogar ausschliesslich auf 
den Einfluss der entsprechenden Formen zu * juuwa zurück- 
führen dürfen ?). 

Soviel dürfte jedenfalls aus den obigen Ausführungen 
hervorgehen — und darauf kommt es mir wesentlich an —, 
dass die Brugmann-Zubatysche Annahme eines Stammes auf 
ian- für unser Wort weder nötig noch ausreichend ist. 

Ich mache hier anhangsweise noch auf eime andere, ganz 
ähnliche Formenübertragung aufmerksam. Für die Kasus aus 
ai. 405°, nach dem Petersburger Wörterbuch “Mädchen, junges 
Weib, Gattin’ werden daselbst vier Themen angesetzt: yösana-, 
yösan-, yösd- und yosit. Der RV. bietet die Formen: yöosand 
(einmal yosdna), "nam, "ne, "näs, "näsu; yösanas (Nom. 
Plur.); yösa, "am, °e, °as; yösitam. 

Bei Delbrück Verwandtschaftsnamen S. 40 heisst es: 
yös° “ bezeichnet das junge, zum Liebesgenuss geeignete Weib. 
Es wird zwar in den Brahmana häufig als Gegensatz zu orsan 
... gebraucht, aber die Bedeutung "junges mannbares Weib’ 
kommt doch auch zum Vorschein”. Es scheint mir ganz un- 
zweifelhaft, dass der Nom. Plur. yösanas zum Nom. Sing. 


1) Man beachte die Ähnlichkeit dieser Stelle mit Jt. 15. 39 f., 
wo es heisst: kainina .. gaidien auap diaptem dazdi.no .. jap 
nmano.paitim vindama juäano sraesta.kehrpa .. S. noch AV. 
14. 2. 22. 

2) Neben dem καμία wird oft der karapäa genannt; so in den 
Gathas J. 32. 15, 44. 28. Unmöglich ist es nicht, dass die Bildung 
von kewino durch den entsprechenden Kasus zu karapa veran- 
lasst wurde. Die Gleichung könnte gewesen sein *karapabio: 
* kawibio - "karapano : *"kauino ( keutnö). 


Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 13 


194 Oskar Wiedemann, Got. hrot. 


yösa nach dem vorbildlichen Gegenstück vrsanas gegenüber 
vrsa gebildet ist; darauf weist msbesondere das kurze a, das 
bei ersan ganz normal ist. Der Nom. Sing. y6sand beruht 
auf einem Ausgleich der »- mit den a@-Formen. In welchem 
Verhältnis yositam, yositas zu den übrigen Kasus stehen, ist 
mir noch nieht klar. Die Aufstellung eines Sekundärsuffixes 
it- trägt zur Verdeutlichung nicht das mindeste bei. Man be- 
achte, dass neben häris, häribyas ete. haritas steht, welches 
kaum anders denn hari-t-as geteilt werden darf; vgl. auch av. 
huzamito, Nom.-Akk. Plur. neben hazamım; s. dazu von Bradke 
Zeitschr. ἃ. dtsch.-mgl. Ges. XL S. 355. Sollte es erlaubt 
sein, yösa ganz wie *kand auf emen -Stamm zu beziehen Ὁ 
Dann mag man allenfalls das # in yösitam aus der nämlichen 
Quelle herleiten, wie das in gr. xeiuarı, ἥπατι u. Ss. w. Dass 
yösa ete. in irgend welcher Sprache Verwandte hätte, ist mir 
nicht bekannt. 
Münster (Westf.), 9. Juni 1891. 
Christian Bartholomae. 


Got. hrot. 


Eine etymologische Erklärung von got. hrot “Dach’ ist, 
so viel ich weiss, bisher noch nicht versucht worden. Wie 
griech. τέγος, lat. teetum "Dach zu lat. tegere decken’ gehören, 
wird man auch neben Ahrot ein Verbum mit der Bedeutung 
“deeken’ vermuten dürfen. Berücksichtigen wir, dass im hrot 
urgerm. 6 (got. 0) aus älterem ou — idg. ou oder du entstan- 
den sein kann (Kirchhoff Got. Runenalph. Σ 55, Joh. Schmidt 
KZ.XXVI 1 ff.), was Brugmann (Grdr.-I 8 181 Anm.) freilich, 
aber, wie mir scheint, mit Unrecht, nur für urgerm. δ) (aus 
älterem 027) zugeben will (ähnlich auch Streitberg Germ. Komp. 
auf -οζ- 27 f.), so bietet sich zum Vergleieh mit Arot aus ur- 
germ. yröoutam abulg. kryti decken, wozu slov. krie, cech. 
kryt, vuss. krysa, krovlja Dach’ gehören. 


Leipzig. Oskar Wiedemann. 


Vom sehleifenden und gestossenen Ton in den indo- 
germanischen Sprachen. 


Zweiter Teil. 


Die schleifende Betonung im Germanischen und 


die Auslautsgesetze. 


$ 14. Nachdem ich durch Vergleichung der drei Spra- 
chen, die den Unterschied der beiden Betonungsarten noch 
offen oder in leicht erkennbaren Nachwirkungen aufweisen, 
eine genügend sichere Grundlage der Beurteilung geschaffen 
zu haben glaube, wende ich mich zu der Frage, ob sieh auch 
im Germanischen Reste dieser doppelten Betonung in Nach- 
wirkungen an den Auslautsgesetzen feststellen lassen. 

Die germanischen Auslautsgesetze sind eines der schwie- 
rigsten Kapitel der indogermanischen Grammatik. Immer und 
immer wieder hat die Forschung aufs neue einsetzen müssen, 
und erst durch die vereinigte Arbeit Vieler sind die jetzt gül- 
tigen Resultate erreicht. Die grösste Sicherheit herrscht in 
Betreff der kurzen Vokale, und im grossen und ganzen stehen 
wir in diesem Gebiet am Abschluss, wenn sich hier auch 
kleinere Korrekturen wohl noch anbringen lassen. 

Die Auslautsgesetze der langen Vokale liegen dagegen 
sehr im Argen. Welche Unsicherheit auf diesem Gebiete 
herrscht, kann man sehon daraus erkennen, dass noch im der 
letzten Zeit zwei ganz neue Erklärungsversuche aufgestellt 
sind, von Brugmann in dem letzten Teile seines Grundrisses 
und von Kluge in seiner Vorgeschichte der altgerm. Dialekte 
in Pauls Grundriss der germanischen Philologie. Auf die an- 
dern Versuche, die gemacht sind, um die Schwierigkeiten zu 


Indogermanische Forsehungen I 3 u. 4. 13 


196 Herman Hirt, 


heben, will ich kritisierend hier nicht eingehen). Sie müssen 
sich, wenn überhaupt, durch die neue Grundlage erledigen, 
die ich zu errichten versuchen werde. Die Bedeutung der 
beiden Forscher, die sieh zuletzt über unsere Frage geäussert 
haben, erfordert es aber, dass wir ihre Ansichten genauer 
prüfen. 

S 15. Ich stelle zunächst das sichere zusammen, um daran 
anknüpfend Brugmanns und Kluges Erklärungsversuche zu be- 
sprechen. 

1) Allgemeine Übereinstimmung ist darüber erzielt, dass 
ein auslautendes germanisches τῷ im Gotischen als -a, im 
west- und nordgermanischen als τῆλ. erscheint, so im Nom. Fem. 
Sing. der a-Stämme got. giba, an. gjof, ags. ziefu, ahd. nur 
im Pronomen erhalten sia, diu, desiu, lit. ranka, gr. τιμή 
und andre mehr. 

2) Im weitern gehen aber die Aufstellungen stark aus- 
einander, welche die Schwierigkeiten beseitigen sollen, die 
das Westgermanische bereitet. Hier stehen sich ahd. -o, 
ags. τὰ und ahd. -a, ags. τὸ (@) gegenüber, die beide schein- 
bar denselben Laut fortsetzen. 

a) ahd. -0, ags. -a. 

Gen. Plur. Fem.: ahd. gibono, zungöno, ags. zifa, gZt- 
fena, tungena. 

Gen. Plur. Mask.: ahd. tago, ags. daga. 

Nom. Sing. Mask. der »-Stämme: ahd. hano, ags. hana, 
(damit übereinstimmend das schwache Adjektivum: ahd. blinto, 
ags. zöda. 

Nom. Plur. Fem. der Pronomina: ahd. dio, ags. ba. 

Ὁ) ahd. -a, ags. -e. 

Nom. Sing. Fem. der »-Stämme: ahd. zunga, ags. tungze. 

Nom. Sing. Neutr. der n-Stämme: ahd. herza, ags. edge. 
Dem entsprechen die schwachen Adjektiva Fem. Neutr.: ahd. 
blinta, ags. blinde. 


1) Man kann sich jetzt out darüber bei Jellinek Beiträge 
zur Erklärung der „ermanischen Flexion 1891 S. 1 ff. unterrich- 
ten. Benutzt konnte die Schrift nicht mehr werden, doch bietet sie 
mir auch keine Veranlassung, irgend eine der folgenden Aufstel- 
lungen zu ändern. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 197 


1 Pers. Sing. Praet. der schwachen Verba: ahd. nerita, 
ags. nerede. 
Gen. Sing. Fem. der a-Stämme: ahd. geba, blindera, 
ags. giefe, blindre. 
Nom. Plur. Fem.: alıd. gebaä, ags. ziefe. 
Kluge Pauls Ger. 1 385 ff. behält im allgemeinen die 
gewöhnlich angenommenen Gleichungen bei: 
got. Gen. Sing. gibos, ahd. geba, ags. ziefe, 
Nom. Sing. tuggö zunga tunge, 
augo auga edaze, 
und erklärt alıd. Gen. Plur. tago, Nom. Sing. hano, ags. daga, 
hana aus urgerm. -ym, got. dage, *hane. Dieser Weg ist in 
der That höchst einfach, und man würde ihn ‘gern einschlagen, 
wenn nicht der vorausgesetzte Lautwandel, dass -7m ahd. zu το, 
-om zu -a wird, höchst sonderbar wäre. Ein Punkt, der direkt 
gegen diese Annahme spräche, sobald man zugibt, dass Län- 
sen nur in gedeckten Silben erhalten blieben, ist mir nicht 
aufgestossen, allerdings auch nichts, was den angenommenen 
Lautwandel bewiese. Ein soleher Nachweis ist aber gerade 
wegen der Absonderliehkeit desselben dringend erforderlich, 
während wir seiner entraten könnten, wenn der Lautwandel 
physiologisch leicht zu begründen wäre. So lange also nicht 
noch beweisende Punkte beigebracht werden, muss ich Kluges 
Annahme, obschon sie manche Vorkommnisse sehr einfach er- 
klärt, doch für unwahrscheinlich halten. 
Brugmann Grr. II $ 192 S. 528 f. sieht in ahd. -o, 
ags. τὰ, tago, hano die Vertretung von urgerm. -om, und ist 
infolgedessen genötigt, jedes ahd. -a, ags. -e auf urgerm. -n 


δι 


zurückzuführen. Er setzt also nicht nur awga, sondern auch 
zunga = -nn, wofür wir doch sonst keine Gründe haben, wäh- 
rend auga aus -7n wenigstens in lat. semen, abulg. seme aus- 
-en eine Stütze haben könnte. 

Akk. Sing. geba, ags. ziefe wird als übertragen von den 
te-Stämmen wie gatinne, angenommen, ebenso der Gen. Sing. 
geba, Nom. Plur. Fem. geba@. Nom. Plur. Mask. taga soll weiter 
eine Analogiebildung nach dem Femininum sein. Nun sind 
aber die ie-Stämme schon gotisch kaum noch zu erkennen; 
dass sie im Ahd, ihre alte Flexion irgendwie bewahrt hätten, 
kann mindestens nicht bewiesen werden. Und wenn auch, 
die angenommene Übertragung bleibt immer höchst unwahr- 


198 Herman Hirt, 


scheinlich, besonders da auch das Adjektivum und das Pro- 
nomen diesen selben Ausgang zeigen, blinda, dia sowie dera 
—+ 01.1208: 

Ich glaube nicht, dass Brugmanns Annahme, so scharf- 
sinnig sie ist, sich grossen Beifall erringen wird; mir ist es 
unmöglich an ihre wahrscheimliche Richtigkeit zu glauben. 

Nun ist schon früher von Hanssen KZ. XXVII 614 be- 
hauptet worden, “dass vokalische Längen in den Endsilben 
mehrsilbiger Wörter (im Gotischen) erhalten bleiben, wenn sie 
den Zirkumflex trugen”. 

Sein Material ist das folgende: 

1. Gen. Sing. τιμῆς, mergös, qibos, 

2. Nom. Plur. mergös, giboös, 
>. Gen. Plur. mergäa, gebo, 

4. ψυχρῶς, devo, galeiko, 
>. ποταμῶν, deva, dage, 
0. akes, anstais, 

(. dangaüs, faihaus, 

3. κυνῶν, szund, nasjande, 

9. φαίνοι, te-bere, hilpai. 

Gestossen betonte Längen werden verkürzt: 

10. τιμή, merga, giba, 

11. τιμήν, merga, giba, 

12. τιμαί, mergi, twa busundja (mach Mahlow D. lang 
γΌΟΙϊς. 5. 08). 

13. kurt (pronommmal), hrri, 

14. πανδημεί, pone, wulfa (Lokativ nach J. Schmidt 
ΚΖ. ΧΧΥῚ 43), 

15. keturio-lika, juka, 

16. ποταμούς, ponüs, dagamns, 

17. πληθύς, handus aus *"handas, 

IS. πληθύν, handu aus "handun, 

19. ἡγεμών, hana, 

20. suka, hilpa, 

21. süukiva, hilpatwa, 

22. φαίνεαι, φαίνεται, φαίνονται, hilpaza, hilpada, hil- 
panda. 

Wie man sieht, berücksichtigt er nur (das Gotische, wäh- 
rend doch gerade das Westgermanische den Auslautsgesetzen 
die grössten Schwierigkeiten bereitet. Die Erhaltung der 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 199 


Längen, die er der Kraft der schleifenden Betonung zuschreibt, 
erklärte man bis jetzt durch die deekende Wirkung des fol- 
genden Konsonanten, und dies reicht auch für 1—8 vollkom- 
men aus, wenn wir für den Instrumental eine Grundform auf 
-Om ansetzen, wie wir es oben gethan, und selbst für die Ab- 
lativadverbien auf -bro, baprö, lvahro könnte man die Erhal- 
tung der Länge mit Fick dem uridg. -d zuschreiben, das hier 
abgefallen ist. 

Da die Silben auf uridg. -ὲ und -ai, wie es scheint, 
dem Gesetze nicht folgen, jedenfalls hier gewisse Schwierig- 
keiten auch auf andrem Wege beseitigt werden können, so 
lässt sich von dieser Seite kein irgendwie überzeugender Be- 
weis führen, und es haben denn auch eine Reihe von Sprach- 
forschern: Brugmann, Meringer, Streitberg Hanssens Versuche 
abgelehnt, vgl. oben S. 2. 

$ 16. Gegen die Richtigkeit aller dieser Ansichten muss 
von einem andern Punkte aus operiert werden, der Kluge 
und Brugmann gemeinsam ist. Beide nehmen mit der Mehr- 
zahl der Forscher an, dass im Germanischen im Auslaut nur 
gedeckte Längen als solche erhalten bleiben. Von Konsonanten 
kommen nur 5, r und die Nasale in Betracht. s und r blei- 
ben bis in historische Zeit hinein bewahrt, n schwindet da- 
gegen, nachdem es seine Wirkung in der Erhaltung der Länge 
ausgeübt hatte. Da » nicht mehr historisch überliefert war, 
musste man versuchen, seine Existenz aus den verwandten 
Sprachen nachzuweisen, und man hat dies auch, um die Aus-- 
lautsgesetze konsequent durchzuführen, in jedem Falle versucht. 

Ich leugne die Richtigkeit dieser Voraussetzung, und 
werde dies darzulegen unternehmen, indem ich den Nachweis 
zu erbringen versuche, dass Silben, die nie einen Nasal 
im Auslaut hatten, nicht verkürzt sind, und dass 
Silben mit Nasal ihre Länge nicht erhalten haben. 
Und dies ist offenbar der feste Punkt, von dem aus allein 
die Frage nach dem schleifenden Ton in germanischen End- 
silben definitiv erledigt werden kann. Durch einen merkwür- 
digen Zufall haben die urgerm. im absoluten Auslaut stehen- 
den Vokale uridg. gestossenen Ton, die gedeckten schleifen- 
den. Von den mit Nasalen gebildeten Silben sind aber beide 
Bildungen im Germanischen repräsentiert. Verschwand die ver- 
schiedene Betonungsqualität im Germanischen vor der Wirkung 


900 HermanHirt, 


der Auslautsgesetze, so mussten sie zusammenfallen und gleich 
behandelt werden. Zeigen sich aber in diesen Silben Diffe- 
renzen, so dürfen wir diese wohl in erster Linie auf die ver- 
schiedene Betonungsqualität zurückführen. 

5. 17. Für den ersten Punkt, dass Silben ohne Nasal ihre 
Länge bewahrt haben, kommen gewisse Adverbien in Betracht, 
die got. auf -0, ahd. -o, ags. τῷ, an. -a auslauten. Ihre letzte 
Besprechung haben sie durch Streitberg Die germanischen 


c 


Komparative auf -öz- erfahren. 


Wir müssen im Gotischen zwei Arten von Adverbien auf 


-ο unterscheiden. 

1) Gewöhnliehe Adverbia auf -0, welche die Art 
und Weise ausdrücken: galeiko, ahteigo, biubjo u. 8. w. Die- 
sen entsprechen altnordische Adverbia auf-a: gorva, tlla, vida, 
blodliga, ahd. as. τοῦ argo, berahto, baltlıhho, ags. -e, in den 
ältesten Quellen -@e geschrieben: hearde, söde, söfte, heardlice. 

2) Ortsadverbia auf die Frage woher? 

aftaro ᾿ ὄπιεθεν᾽, aljabro ᾿ ἀλλαχόθεν᾽, allapro ᾿ παντόθεν᾽, 
dalapro ᾿κάτω᾽, fairrapro “ano μακρόθεν᾽, rabro ᾿ πόθεν᾽, in- 
napbro “Ecwdev , iupapro ᾿ ἄνωθεν, Avw', jainbro ᾿ἐκεῖθεν᾽, ba- 
pro ᾿ ἐντεῦθεν, ἔπειτα᾽, utabro ᾿ ἔξξωθεν᾽. 

Für die erste Kategorie hat zuerst Osthoff ΚΖ. XXIII 90 
eine nasalierte Grundform vorausgesetzt und in ihnen Akk. Sing. 
Fem. gesehen. Auf das Bedenkliehe dieser Annahme hat Mah- 
low aufmerksam gemacht, und seine Bedenken teilen jetzt 
Streitberg Komp. 57 und Brugmann Grr. II 8. 213 S. 547. 
Jener stellt eme andre und offenbar befriedigendere Annahme 
auf. Er sieht in ihnen den Kasus, dem sie ihrer Bedeutung 
nach am ehesten zufallen, Instrumentale auf -w, -n, “die ver- 
mehrt sind um die bekannte, in der Deklination eine so be- 
deutende Rolle spielende Partikel -@m, über welehe Leskien 
(Ber. d. sächs. Ges. d. W. phil.-hist. Kl. 1884 Bd. XXXVI 
94—105) gehandelt hat”. 

Diese Partikel -am habe ich oben ὃ. 18 ff. für viele 
Fälle auf andre Weise zu erklären versucht. Nach meinen 
Ausführungen hindert jetzt nichts mehr eine Instrumentalform 
auf -om anzusetzen, die für die Erhaltung der Länge die ge- 
nügende Erklärung geben würde. 

Aber es gab auch Instrumentale auf -Ö als Sandhi- 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 201 


form zu -öm, und dass diese hier zu Grunde liegen können, 
lässt sich nieht von der Hand weisen. Zweifellos aber haben 
wir nasallose Formen in der zweiten Kategorie vor uns. Streit- 
berg a. a. 0.37 bemerkt zu diesen: “Der Sinn aller dieser 
Bildungen ist, wie ich rückhaltlos Mahlow zugeben muss, ein 
ausgesprochen ablativischer”. Sein Versuch, auch hier ein 
-m dureh Übertragung hineinzubringen, ist nicht warschein- 
lich. Wir müssen konstatieren: Für die got. Ortsadverbien 
auf -0 ist ablativische Herkunft sicher, einen Nasal für die 
Erhaltung der Länge in Anspruch zu nehmen geht nicht an, 
auslautendes germ. -0 ist hier als Länge erhalten, folglich ist 
die bisherige Fassung der Auslautsgesetze nicht richtig. 

Ein andrer Fall erhaltener Länge ohne Nasaleinwirkung 
liegt bei den »-Stämmen vor. Man setzt für got. tauggo, hairto 
Grundformen auf -On an. Streng beweisen lässt sich das nicht, 
weil schon uridg. Formen ohne -» daneben standen, lat. homo, 
lit. akmu; für einen Fall lässt sich indessen nachweisen, dass 
er kein -» gehabt haben kann, das ist das Wort für Wasser 
got. wato, ahd. wazzar. Keine idg. Sprache weist hier auf 
nasalierte Grundform; wie wir oben gesehen haben, sind nur 
Formen auf -ö oder -ör belegt, gr. ὕδωρ, lit. vanda. Hier 
für das Germanische eine nasalierte Grundform anzusetzen, hiesse 
alle Methode vernachlässigen. Denn man kann wohl wato 
mit lit. vanda, abulg. voda direkt vergleichen, got. namo 
aber mit nichts, da in den verwandten Sprachen -» oder -en, 
gr. ὄνομα, lat. nomen, aind. nama, abulg. ime entspricht. Zu- 
dem ist die Grundform auf -ör in ahd. wazzar noch erhalten, 
die gotische Form wird die auf -ö sein. Es ist nicht wahr- 
scheinlich, dass ein so häufig gebrauchtes Wort einer Analo- 
giewirkung ausgesetzt worden wäre. Ein noch sichrerer Fall 
ist ahd. nefo, aind. napat, ahd. mano, lit. ment, also -t- 
Stämme. Wie wäre es möglich, dass diese Worte in die Ana- 
logie der -n-Stämme übergeführt wären, wenn nicht auch bei 
diesen Nominative auf -w vorhanden waren. nefo ist direkt 
gleich aind. napat. 

Wir haben also zwei weitere Fälle, in denen auslauten- 
des -w bewahrt ist. Ich leugne nicht, dass es dureh Annahme 
einer Reihe von Analogiebildungen möglich ist, beide Formen 
zu erklären. Aber wahrschemlieh sind solche keineswegs. 
Beide Fälle unterstützen vielmehr das oben bei den Ablativen 


902 Herman Hirt, 


gewonnene Resultat, dass auslautendes -w auch ohne folgen- 
den Nasal erhalten bleibt. 

$ 18. Für den diesem entgegengesetzten Fall, dass eme na- 
salierte Silbe im Gotischen als Kürze erscheint, gibt es meines 
Erachtens ein ganz sicheres Beispiel. Es ist der Akkusativ der 
ie-Stämme, got. bandja, frijondja. Brugmann (Grr. II $ 216 
S. 550) sagt: "got. frijondja (Nom. frijondi) war eme Neu- 
bildung nach sibja "Verwandtschaft" (Nom. sibja) und giba, 
vgl. frijondjos wie sibjos, gibos Dat. frijöndjai wie sibjai, 
gibai”. Das scheint mir kaum möglich zu sein, denn fri- 
jondjos und frijondjai sind ja selber erst Neubildungen, die 
wahrschemlich zu ihrer Erklärung den Akk. bandja voraus- 
setzen. Den Akk. giba hält Brugmann für die Nominativform, 
die für diesen infolge der Gleichheit von Nom. und Akk. im 
Plural, gebos, gibos eingetreten ist. Diese Ansicht wird rich- 
tig sein, aber dann hatte die Sprache doch das Gefühl be- 
kommen, für Nom. und Akk. dieselbe Form zu gebrauchen, 
man hätte demzufolge für den Akk. von bandi ebenfalls *bandi 
sagen müssen. Denn die Endung -a@ hatte nichts spezifisch 
Akkusativisches an sich. Wir mässen also daran festhalten, 
(lass die Differenz zwischen bandi und bandja alt ist. Die 
beste Grundform, auf die sich bandja zurückführen lässt, ist 
offenbar *bandjen, welches wir auch für lit. Zeme, abulg. 
zemlja voraussetzen müssen (Brugmann Grr. II $ 216 8. 549). 
Ob diese Form aus der Zeit der Urgemeinschaft überkommen 
ist, Jässt sich nicht mit Bestimmtheit behaupten oder ableug- 
nen. Eine ursprüngliche Form ist sie zwar nicht, aber sie 
kann sehon in der Urzeit neu gebildet sein. Man könnte sie 
ferner für eine gemeinsame Neubildung des Litauisch-Slavi- 
schen und Germanischen halten, aber die Möglichkeit, dass 
jede dieser Sprachen selbständig dazu gekommen, ist auch 
nicht ausgeschlossen. 

Der Lautwandel -en oder -e zu got. -a steht ganz mit 
dem im Eimklang, was Streitberg über die langen Diphthonge 
im got. Auslaut ermittelt hat: δὲ zu ai, eu zu au, er zu ar, 
e zu d. 

Die Zurückführung auf am, die noch in Betracht zu 
ziehen ist, setzt erst eine Analogiebildung nach «den a-Stäm- 
men voraus, und ist daher komplizierter. Ausserdem kann 
man, wie mir scheint, für -@m eine andre Vertretung im Go- 


Vom schleifenden und zestossenen Ton in den indoe. Sprachen. 203 
δ x 


tischen in Anspruch nehmen und damit gewisse Formen gut 
erklären. 

Dagegen ist -7» in einem andern Falle, im Gen. Plur. 
der Mask. -o-Stämme als -©e erhalten, got. dage aus *dagnn. 
Dieses hatte nach aller Analogie sicher schleifenden Ton, 
*bandien dagegen sicher gestossenen, denn es besteht aus 
dem Stammauslaut -z7e-+m, wie τιμήν aus -d+m. 

Wir finden ferner im Westgermanischen eine Differenz 
in der Behandlung nasaler Silben, die anscheinend auf die- 
selbe Grundform zurückgehen. Akk. Sing. Fem. ahd. geba, 
blinta, ags. ziefe, blinde wird am einfachsten auf urgerm. -on 
zurückgeführt. Auf dieselbe Grundform weist Gen. Plur. ahd. 
tago, geböno, ags. daga, ziefa mit altem -on. Das Nordische 
zeigt diese Differenz nicht. Es bildet Akk. Sing. Fem. vom 
Adj. spaka = Gen. Plur. fjadra, hat also vielleicht frühere 
Differenzen aufgegeben. Wie das so häufig der Fall ist, 
sind die beiden westgermanisch getrennten Laute zusam - 
mengefallen. Doch könnte fjadra auch -7n wie got. dage 
haben. 

Das Gotische Akk. giöba, Gen. Plur. giböo zeigt zwar eine 
Differenz, doch kann, wie oben bemerkt wurde, der Akk. Sing. 
die ursprüngliche Nommativform sein, wie umgekehrt die ahd. 
Akkusativform als Nominativ gebraucht wurde. 

Für diese ahd. Formen sind von Brugmann und Kluge 
Hypothesen aufgestellt, die zwar dieselben zur Not erklären, 
aber die zuerst erörterten Fälle unaufgehellt lassen. 

Dem ahd. Akk. Sing. geba und dem Gen. Plur. tago 
stehen im Griechischen τιμήν und θεν gegenüber. Dass die 
verschiedene Vokalqualität des Idg., die uns das Griechische 
erhalten hat, die Ursache dieser verschiedenen Behandlung 
desselben Lautes im Ahd. sei, ist unmöglich. Es bleibt also 
nur die verschiedene Akzentqualität als Faktor zur Erklärung 
dieser Differenz übrig, dieselbe Annahme, auf die wir im er- 
sten Falle auch geführt wurden, und da durch zweier Zeu- 
gen Mund allerorts die Wahrheit kund wird, so dürfen wir es 
schon einmal mit dieser Voraussetzung weiter wagen. 

Wie wir sehen werden, lösen sich bei der Annahme, 
dass Silben mit gestossenem Ton anders als die mit schlei- 
fendem behandelt sind, alle Schwierigkeiten ziemlich ein- 


904 Hiema.nzEiizt, 


fach. Der Übersicht halber stelle ich die auf dieser Grundlage 
gewonnenen Resultate im folgenden systematisch zusammen. 

s 19. 1. urgerm. -en und -en. 

A. Auf -en gehen zurück: 

a) got. bandja, vgl. oben. 

b) got. hana, an hani, gr. ποιμήν. 

Diese Entsprechung ist schon längst aufgestellt, doch 
führte man got. hana und anord. hani auf -n zurück (Kluge 
Pauls Grr. IS: 384T., Brugmann Grr. I 8. 192 S. 529). Dies 
konnte nach unsern Ausführungen S. 22 aber nur schleifenden 
Ton haben, und müsste alsdann im Got. als € erscheinen. 

Diese Gleichung wird durch eine andre gestützt, die 
genau entspricht, aber bisher übersehen ist. 

ec) 1 Sing. Praes. got. haba an. hefe. Grundform -en. No- 
reen Pauls Grr. 1 S. 514 führt die nordiseche Form zweifelnd 
auf -aim zurück. Dass gotisch haba auch haben entsprechen 
könne, hat schon Johannsson De derivatis verbis contraetis 
152 Anm. bemerkt. Das beste will mir schemen für beide 
-en als Grundform anzusehen. Streitberg Komp. 21 hat zu 
zeigen versucht, dass ahd. habem, habes, habet direkt auf 
urgerm. "yapemi, *zapezi, gapedi zurückgehen können. Ich 
sehe nichts, was dieser Annahme im Wege stünde. Das Go- 
tische stimmt nun offenbar auf das beste dazu, wenn wir für 
die erste Person eine Form mit sekundärer Personalendung 
ansetzen. Dass dies möglich ist, beweist anord. bife, gegen- 
über ahd. bibem. Ob habais mit Bremer und Streitberg auf 
thematische Flexion zurückgehen muss, erscheint mir nicht 
ganz sieher, nachdem Johannsson De der. verb. contr. 187 
(die Gleichung got. sijais, lat. sies aufgestellt hat. Vor s er- 
scheint δ᾽ nur in nasides, und dies kann sein € recht wohl 
vom Plural und Dual erhalten haben. Also habais = an. 
hefir, ahd. habes =*zapezi. *yapen musste natürlich gestos- 
senen Ton haben. 

d) Ein Instrumentalis auf -en liegt wahrscheinlich in got. 
daga, ags. deze vor. In den einsilbigen Formen be, Are findet 
sich im Gotischen noch sieher die e-Qualität, und diese können 
daher ohne Anstand auf "ben, "wen zurückgeführt werden. 
Im Ags. erscheint ein sogenannter Instrumental auf -e, wofür 
in den ältesten Quellen noch -2 geschrieben wird. Dieses -2 
bewirkt ö-Umlaut. Die Endung findet sich auch in einigen 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 205 


isolierten Adverbien, @ne, hwene, die Kluge (Grr. 1 402) auf 
-zm zurückführt. Welchen Ursprunges aber dies -zm sein soll, 
gibt er nicht an. Sievers hat P.-Br. Btr. VIII 325 ff. aus- 
führlieh über diesen Kasus gehandelt. Er sieht in ihm einen 
alten Lokativ auf -eö. An dieser Annahme ist nur bedenk- 
lich, dass die Bedeutung des Kasus durchaus instrumental ist. 
Besser wird es daher sein den Kasus als das zu fassen, was 
er seiner Bedeutung nach sicher ist, als Instrumental, ihn auf 
eine Grundform auf -en zurückzuführen und dem got. daga 
gleichzusetzen. Ich sehe nicht, was vom Jlautlichen Stand- 
punkt hiergegen eingewendet werden könnte. Die Behandlung 
der Silbe -er im Nordischen stützt vielmehr meine Annahme 
sehr, da Westgermanisch und Altnordisch in diesem Teil der 
Auslautsgesetze durchaus Hand in Hand gehen. 

Derselbe Kasus wird in den Adverbien auf -ba stecken, 
die die Art und Weise ausdrücken, wie abilaba “böse’, baörht- 
aba "glänzend, sunjaba “wahr”, und in aufta “ott'. 

B. -en: n fällt ab, die Länge bleibt erhalten. 

Gen. Plur. got. dage, Akzent nach Analogie von θεῶν 
schleifend. Anord. arma, barna kann direkt entsprechen. Im 
Westgermanischen sind diese Genetive im as. kinda, Hrodber- 
finga, üsa erhalten (vgl. Brugmann Grr. ITS 345 S. 691 und 
Kögel P.-Br. Btr. XIV 114). 

S 20. 2. urgerm. -On, -On. 

A. Die Vertretung für -on ist ahd. -a, ags. -@, anord. -a, 
umord. -0. 

a) Akk. Sing. Fem. der a-Stämme: ahd. geba, blinda, sia, 
ags. ziefe, hwate, anord. Adj. spaka, ba, gr. τιμήν. 

b) Nom. Sing. Fem. der n-Stämme: ahd. zunga, blinta, 
ags. tunze, zöde, anord. gata, spaka, wmord. -o, hariso (Him- 
lingoje),- lupro (Strärup), fino (Berga), gr. ἀηδών. 

ὁ) Nom. Sing. Neutr. der »-Stämme: ahd. herza, blinta, 
ags. eaze, zöde, anord. hjarta, spaka. Grundform -on. 

d) 1 Sing. Praet. der schwachen Verba: ahd. nerita, ags. 
nerede, wmord. -o, tawido “machte” (Goldenes Horn), faihido 
“sehrieb’ (Einang), daraus im anord. -a, orta “machte’. Grund- 
form -om mit gestossenem Akzent nach sonstiger Analogie. 

e) Instrumentale auf -on in den angelsächsischen Adver- 
bien auf -@ anord. -a: ags. hearde, sode, hlütre, söfte, heard- 
Ice, sodlice, anord. blidliga, vıda, gjarna, illa. 


900 Herman Hirt, 


Diesen Formen entspricht got. zum Teil -a, zum Teil 
τοῦ giba, tuggö, augö, nasida. Von diesen könnte man am 
ehesten -@ für die lautgesetzliche Vertretung halten, doch kann 
giba Nominativform, nasida 5 Pers. Sing. sein. 

Auch -5 ist nieht notwendig als Vertretung von -on zu 
fassen wegen zeato. Ich vermute vielmehr, dass 0» im Got. 
durch au vertreten ist, das dann natürlich als Monophthong, 
offenes -o, aufzufassen ist. 

Es fallen hierher die 1 Pers. Sing. Opt. bairau und die 
> Pers. Plur. Imp. bairandau. 

Die erste Form wird von Paul Btr. IV 378 auf *bheroim 
zurückgeführt. Indessen ist der Ausfall des -© den Paul hier 
annimmt, mit den Lautgesetzen nicht zu vereinen. Ist -au 
die Vertretung von -On, so können wir bairau aus *bheron 
— lat. feram, abulg. bera setzen. Das altnordische fara kann 
ohne weiteres darauf zurückgehen. Ebenso finden sieh Spuren 
davon im Ahd. Es begegnet dort 1 Pers. Sing. Praes. wille bei 
Otfrid, in Pa, dem Vokab. St. Galli und den Casseler Glos- 
sen; (vgl. Braune Ahd. Gramm. 8 585a. 1 und die dort zitier- 
ten Stellen). Dieses το kann lautgesetzlich zunächst auf 
"eilja und dann auf *wiljom zurückgeführt werden, d.h. auf 
dieselbe Grundform, die wir für das Gotische und Nordische 
voraussetzen. 

01 Tatian begegnet auch vwilla, dessen -a möglicherweise 
von Bildungen ohne -), got. bairau, übertragen sein kann. Ebenso 
kann 1 Pers. Sing. suoche, zelle die lautgesetzliche Fortsetzung 
des alten -jon sein. Der Zusammenfall, der bei dieser Bil- 
dung zwischen der ersten und dritten Sing. stattgefunden hatte, 
führte zur Verdrängung von *nema durch die 5 Sing. Wie weit 
das im Ahd. an dieser Stelle wirklich noch auftretende -a 
(Braune $ 5lla Anm. 1) lautgesetzlich ist, lässt sich bei der 
mangelhaften Orthographie des Ahd. nicht entscheiden. 

Ags. nerie, binde können mit ziefe auf -on zurückge- 
führt werden. 

bairandan ist schon oft mit gr. φερόντων verglichen 
worden, ohne dass sich diejenigen, die es gethan haben, über 
(die lautgesetzliche Möglichkeit geäussert hätten. Die ein- 
fachste Erklärung ist es jedenfalls, und lautgesetzlich stünde 
Jetzt nichts mehr im Wege. 

Ausserdem könnte man die gotischen Partikeln mit aus- 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 207 


lautendem -au auf -on zurückführen, und in ihnen alte In- 
strumentale auf -om sehen; arppau, jau, bau, lat. tum, 
dum, cum. 

Ist aus -on got. au geworden, so kann natürlich Akk. 
geba nicht lautgesetzlich sein, wie das Hanssen annimmt, der 
freilich sowohl a als au auf on zurückführt. 

B. -ön ist vertreten durch got. -0, ahd. -0, ags. -a — an. -?- 
vgl. Gen. Plur. got. gibö, ahd. tago, gibono, ags. daga, 
ziefa, tunzena. 


ξ 21. Aus dem Vorhergehenden wird der Leser wohl 
die Überzeugung gewonnen haben, dass die beiden Akzent- 
qualitäten im Germanischen noch vorhanden waren und eine 
nachhaltige Wirkung ausgeübt haben. 

Dieselben Differenzen treffen wir auch bei den Silben 
ohne Nasal, die im absoluten Auslaut standen. Hier 
können wir die Regel aufstellen: Eine ursprünglich lange 
Silbe mit schleifender Betonung bleibt im Germ. 
durchaus erhalten. 

1. urgerm. - und -0. 

A. -ὅ: got. -ö, ahd. -o, ags. -a, anord. -?-. 

a) Nom. Sg. Fem. got. tauggo aus -ῦ, wgerm. ön. Nach 
dem oben S. 22 entwickelten Gesetz war -ὃ die Sandhiform 
zu -Om; also auch das Germanische bestätigt die Regel. Na- 
türlieh ist es unsicher, ob got. taggo eine uridg. Form fort- 
setzt. Es kann auch Analogiebildung nach den übrigen Ka- 
sus sein. Die Entsprechung von wgerm. -on wäre got. wahr- 
schemlich -au gewesen. 

Ὁ) Nom. Sg. Ntr. got. wato mit -ῦ: namo N. entspricht 
genau ahd. namo. Es ist nur Genuswechsel eingetreten; lit. 
vandü. 

e) Nom. Sg. Mask. ahd. hano, ags. hana. Grf. -ö, lit. 
akma, got. an.-en. Nunmehr stellt sich heraus, wie man 
sehen wird, dass got. hana nur auf-en zurückgehen kann. 
-ö hätte -5 ergeben, -0n aber -aw. 

d) Die Adverbien der Art und Weise: Got. galeiko, 
ühteigo, biubjö, ahd. argo, berahto, baltlıhho. Diese stim- 
men nun ganz und gar zu den griechischen Adverbien auf 
-Dc und gehen auf die unnasalierte Instrumentalform mit schlei- 
fender Betonung zurück. Die ags. und anord. Adverbien auf 


208 Herman Hirt, 


-ce bezw. -a fassten wir als aus -0n entstanden. Sie repräsen- 
tieren also die andre Form, die in den lat. Adverbien farm, dum, 
cam erhalten ist. Andrerseits könnten sie allerdings auch auf 
-2 zurückgehen, vgl. weiter unten. Die Formen auf -0 müs- 
sen wir im Ags. als τὰ treffen, sie sind auch vereinzelt er- 
halten, denn es entspricht got. amweniggo “unverhofit” genau 
ags. anunza, eallunga, darnunga, ags. wissungo, ags. zedra, 
zeostra, sona, ahd. ferro, sano. 

ec) Die Adverbien des Ortes auf die Frage:‘ woher? 
wapro ᾿πόθεν᾽, jainbro ᾿ἐκεῖθεν᾽ u. Ss. w. Grundform auf 
Fölt). 

B. -ö. Die Vertretung des gestossenen -0 ist got. -a, in 
den übrigen Dialekten -z, das nach langer Silbe abfällt. 

a) Nom. Sg. Fem. der a-Stämme: got. göba, anord. gjof, 
ags. ziefu, ahd. nur im Pronomen erhalten sia, diu, desiu, 
lit. ranka, gr. τιμή. 

Ὁ) Nom. Akk. Plur. Neutr.: got. juka, anord. fot, ags. 
fatu, ahd. die, siu, desiu, lit. ketwrio-lika. Den Nom. Plur. 
Neutr. sche ich auch im got. meina, pbeina, seina. In den 
übrigen Dialekten ist das vorauszusetzende τς lautgesetzlich 
geschwunden. Torp Lehre vom geschlechtslosen Pronomen 
28 f. sieht in got. -@ eine angetretene Partikel, die im West- 
und Nordgermanischen fehlt, was mir nicht glaublieh ist, da 
hinter ahd. mn ein Vokal abgefallen sein muss. 

6) 1 Sing. Praes. got. nöma, anord. in kollo-mk, ags. nio- 
mau, ahd. nimu, lit. vezu. 

4) Nom. Dual. Mask. hat Kluge in ags. nosu, duru ge- 
sehen, Möller KZ. XXIV 429 in isländ. tjogu angenommen 
(vgl. Kluge Pauls Grr. 1 5. 384), lit. οὐ, gr. θεώ. 

Man hat hierher auch den Instr. Sing. Mask. ahd. tagu ge- 
stellt. Ob got. daga gleich dem ahıd. Instrumental auf -« ist, 
kann man nicht sicher wissen, da andre Erklärungsarten mög- 
lieh und wahrseheimlicher sind. Ahd. tagae wird wegen der 
Bedeutung ein Instr. sein müssen; auf -om wie lit. vilk& kann 
es, wie wir geschen haben, nicht zurückgehen, auf die Neben- 
form auf -ö ebenfalls nicht. Wir beseitigen diese Schwierig- 
keiten am besten, wenn wir annehmen, dass von der Form 
-om der gestossene Akzent auf-0 übertragen wurde. Dane- 
ben muss man beachten, dass der Instrumental der konsonan- 
tischen Stämme auf-u aus -m auslauten musste, das nach 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 209 


kurzer Silbe erhalten blieb. Die o-Stämme können in diesem 
Falle recht wohl die Kasusendung von den konsonantischen 
Stämmen entlehnt haben, wie dies im Slavischen im Gen. 
Plur. angenommen wird. 

Dieselben Gründe gelten durchaus für den Instr. Sing. 
Fem. anord. gjof, ahd. gebu. Die Ansicht Joh. Schmidts, dass 
diese Form den urindogermanischen Dativ auf -@ (Nebenform von 
ai) fortsetzte (Festgruss an Böhtlingk 102 Anm.), ist zu unsicher, 
um hier in Betracht zu kommen. Sie streitet auch durchaus mit 
den Auslautsgesetzen: ὦ hätte ahd. nur o geben können. Da 
gegen die Gleichsetzung mit got. gäbai sich ebenfalls schwere 
Bedenken regen, so müssen wir wohl eine Grundform auf ge- 
stossenes -0 ansetzen, eine Kompromissbildung aus -om und -0. 

Ausserdem erscheint noch -« in ahd. demu, got. bamma, 
das man mit ai. Abl. tasmat vergleicht (vgl. Brugmann Grr. II 
$ 423 8. 784), tasmät ist indessen selbst eine Neubildung. Der 
ursprüngliche Ablativ, wie er noch im Adverbien ai. tat, gat 
vorliegt, hatte das -sm nicht. Daher kann diese Gleichung 
nicht als hinreichend sicher betrachtet werden. Ob demu 
got. bamma entspricht, ist nicht gewiss, woher es aber stammt, 
lässt sich schwer sagen. Vielleicht spielt hier die Unbetont- 
heit eine Rolle, worauf das einfache m weist. ὃ 

8 22. 2. urgerm. -ὃ und -e. 

A.-£ liegt vor in den gotischen Adverbien auf -e. wadıre 
“wohin’, jaindre “dorthin, hidre hierher’, sömle “einst’, unte, 
bande "wann, die ebenfalls ablativischer und instrumentaler 
Herkunft sein werden. Bei den ersten drei scheint mir die 
ablativische Herkunft sicher, da sie im engsten Zusam- 
menhang mit den Adverbien auf -hro stehen. -pro und 
-dre zeigen nicht nur Vokalablaut, sondern auch gramma- 
tischen Wechsel, der auf Akzentwechsel weist. Die ursprüng- 
liehen Formen waren also yudpro(d) woher’, zuadıre(d) "wohin’. 
Das stösst die Ansetzung eines Ablativs auf uridg. -ad nieht um. 
-äad wurde im Germanischen zu -0d, fiel also mit den übrigen -0, 
die im Ablaut zu -© standen, dage—tago, hana—hano, zusam- 
men, und nun konnte recht wohl eine Neubildung stattfinden. 
Auf diese weist auch die Thatsache, dass die Dialekte in dieser 
Bildung sehr ausemandergehen. Im Nordischen entspricht ba-dra, 
he-dra genau got. lvadre, hidre, ags. heisst es dagegen hider, 
bider. Das schleifende -© kann natürlich nicht abgefallen 


910 Herman Hirt, 


sein, wohl aber irgend ein andrer Vokal. Das anzunehmen ist 
indessen nicht unbedingt nötig. höder, pider können urger- 
manische endungslose Formen sein = lat. citer. In den ahd. 
Formen fehlt dagegen der t-Laut, sie heissen hera, wara, 
dara. Ihr -a kann dem got. -€e entsprechen, wie wanta, 
danta — got. pande sind. Am besten können wir alle diese 
Formen vereinigen, wenn wir neben einander *-ter und -re 
als Endung ansetzen. Diese beiden liegen im Ags. und Ahd. 
noch vor, während die got. und nord. Formen Kompromissbil- 
dungen wären. 

Als Resultat erhalten wir jedenfalls, dass - im Ahd. 
als τὰ und ebenso im Altnord. vertreten ist. Da -ὃ im Ahd. 
als τὸ erscheint, so können wir die beiden Fälle dahm zusam- 
menfassen, dass -2 und - wie die Vokale in haupttonigen 
Silben behandelt werden. 

B. - haben wir im Lokativ der i-Stämme anzusetzen. 
leh vermute, dass es got. zu -a wurde. Dat. der ö-Stämme 
balga, gasta aus €. Dem entsprechend haben wir im West- 
germanischen -e zu erwarten, von dem wir vermuten dürfen, 
dass es nach langer Silbe wie -@ schwinden musste. Ob dies 
-e in Formen wie ahd. chume erhalten ist, lässt sich kaum 
entscheiden. Ferner stand -© wahrschemlich in der 3 Sing. 
Praet. der schwachen Verba got. nasida, anord. -e, -i, saf- 
nade, svafde, umord. w(o)rta (Etelhem), wurte (Tjurkö), urte 
(Sölvesberg). Im Westgerm. ist die erste Person für die dritte 
eingetreten. -e (oder -0) sehe ich ferner in den Adverbien 
jupana “von oben‘, atana “von aussen’, innana “von innen, 
aftana “von hinten’. Die Endung -ne, die in allen diesen 
Worten steckt, hat Joh. Schmidt KZ. XXVII 291 mit -ne 
in lat. superne “oberwärts, von oben her’ verglichen, aind. 
vi-nd. Ferner könnte dies -ne in inde, unde aus "-dne, Fu-dne 
steeken, -e wäre lautgesetzlich abgefallen in anord. hvadan, 
ba-dan, he-dan, wes-tan, aus-tan, nor-dan, ags. eas-tan, wes- 
tan, nor-dan, sa-dan, “von Osten u. s. w. her’. Das Suflix 
-dan- ist wohl verwandt mit dem gr. -Vev in οὐρανό-θεν. 
Grundform -tha"n-. 

8. 23. 3. urgerm. - und -2. 

A. -ἢ könnte vorliegen in got. managei, doch kann dies 
natürlich auch nach dem Verhältnis tuygo, tuggons neu ge- 
bildet sein. 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 211 


Wahrschemlicher ist dagegen, dass -ὖ in der Partikel -ei 
in sa-ei, bat-ei, sums-ei sobald als‘, faurpiz-ei bevor’ anzu- 
nehmen ist. Ich halte diese Partikel für einen Instrumental 
auf -2, Nebenform zu -zm. Sie kann aber auch Lokativ auf 
-e? sein. 

B. -». Nom. Sing. der ze-Stämme, got. bandi, frijöndi, 
uridg. -2, ai. brrhati, av. barenti, lit. vezanti. 

Im Westgermanischen musste dies -2 nach langer Wurzel- 
silbe schwinden. Wie weit in den endungslosen ahd. Nomi- 
nativen (Drumnihelt, Hiltigund) diese Formen stecken, ist nicht 
festzustellen, da andre Erklärungen möglich sind. 

S 24. 4. ἡ und -2. 

A. Für -@ kenne ich keine Beispiele. 

B. -@ fällt wgerm. nach langer Silbe ab. Ahd. swigar, 
uridg. *suekrä. 

Eine kurze Bemerkung erfordert noch das Altnordische. 
Es lässt sich hier keine sichre Entsprechung von urgerm. -0 
und -ö» nachweisen. Die Adverbien auf -a setzen wir besser 
den ags. auf -e gleich, den Gen. Plur. der Mask. dem got. -e, 
und da nun -a die alleinige Endung des Gen. Plur. bei allen 
Klassen ist, so kann dies wohl auf einer Übertragung von 
Seiten der Maskulina beruhen. Im allen sonstigen Lautwand- 
lungen stimmt das Altnordische zum Westgermanischen, und 
daraus dürfen wir schliessen, dass -ῦ und -5» im Nordischen 
wie im Ahd. dureh -o vertreten wäre. Wenn sich Beispiele 
beibringen liessen, könnte diese Ansicht natürlich auf grössere 
Sicherheit Anspruch machen. 

S 25. Aus dem bisher Angeführten geht zur Genüge 
hervor, dass bei schleifendem Ton zwischen den Vokalen 
im absoluten Auslaut und den ursprünglich nasalierten kein 
Unterschied in der Behandlung sich findet. Wir können 
also über «die Zeit des Abfalls des Nasals bei geschleiftem 
Akzent von dieser Seite nichts behaupten. Dagegen ist sicher, 
dass τὸ und -on verschieden behandelt werden, dem ersten 
entspricht wgerm. -x, got. -a, dem andern ahd. -a, got. -au (2), 
und dieses -a@ scheint nirgends zu schwinden, so dass also der 
Nasal in diesem Falle die Länge erhalten haben muss. 

Wir müssen uns daher im weiteren mit der Frage be- 
schäftigen, wie weit bewahren in andem Fällen schliessende 

Indogermanische Forschungen 1 3 u. 4. 14 


nn. 


212 Herman Hirt, 


Konsonanten die Länge? Ist die Erhaltung emer Länge in 
solchen Fällen dem schliessenden Konsonanten oder der schlei- 
fenden Betonung zuzuschreiben? Die Frage ist ziemlich schwie- 
rig, da das Material recht beschränkt ist. 

Für Silben mit schliessendem -" sind zuerst die Ver- 
wandtschaftsnamen heranzuziehen, die uridg. auf -er und -or 
auslauteten. 

Streitberg hat die ansprechende Gleichung got. fadar, 
ahd. fater aufgestellt. Dazu fügte Brugmann got. var, ahd. 
hwer-gin, par —der. Beide Formationen gehen auf -er zurück. 
Daraus dürfen wir schliessen, dass -” die Verkürzung nicht 
aufhielt. 

Ob im Germanischen noch Formen auf -or bestanden 
haben, ist sehr zweifelhaft. Im Got. finden wir durchweg -ar, 
fadar, bropar, dadhtar, swistar, im Nordischen gewöhnlich 
-er, fader, möder, im Ahd. ebenfalls -er, im Ags. dagegen 
feder gegenüber brodor, modor, dothor, sweostor. Ich glaube 
aber keineswegs, dass dies alte Formen auf -ör sind.  Hielt 
-r die Verkürzung nicht auf, so musste -e, wie alle andern 
gestossenen Vokale nach kurzer Silbe erhalten bleiben, nach 
langer schwinden. Wir hätten also ags. feder und *brodr 
zu erwarten. Aus letzterem musste sich notwendig brodor 
entwickeln (vgl. Sievers Ags. Gramm. ? ὃ 187 £.). So erklärt 
sich ebenfalls ahd. braodar, das nur vereinzelt vorkommt. 
Das Ahd. gleicht auch hier viel stärker aus als das Ags. 
Im Nordischen muss dieser Svarabhakti-Vokal als -u auf- 
treten, und wir finden dem entsprechend altschwedische For- 
men wie fabur, mopur, von denen nur die zweite lautgesetz- 
lich war. 

Dagegen hatte das Wort für Wasser gr. ὕδωρ, lit. vanda, 
wie wir oben nachgewiesen zu haben glauben, schleifenden 
Ton. Wir finden im ahd. wazzar, as. watar, ags. wetter. Da 
es kurze Wurzelsilbe hat, kann es nicht synkopiert sein. Wir 
können es daher gleich ὕδωρ setzen. Wie aber gestossenes 
-or behandelt ist, dafür fehlen Beispiele. Die Wandlung von 
-ör zu ahd. -ar, ags. -er steht mit dem im Einklang, was wir 
bei «den s-Silben finden. 

Bei diesen sind folgende Gleichungen ziemlich allgemein 
angenommen: 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 219 


Gen. Sg. Fem. got. gibos, ahd. geba, ags. ziefe(e), an. 
fjadrar aus -0s. 

Nom. Akk. Plur. Fem. got. g@bos, αἰνὰ. geba, ags. ziefe (@), 
an. /jadrar aus -ös. 

Nom. Plur. Mask. dagos, alıd. taga, ags. |dömas], an: 
armar aus 608. 

Wie man sieht, stimmen diese Gleichungen zu ahd. wazzar, 
ags. wwceter, und wir haben keinen Grund von ihnen abzu- 
gehen. Nicht im absoluten Auslaut stehendes -ῦ wird anders 
behandelt als das im reinen Auslaut. Möglicherweise könnte 
man aber dem -s und - den Lautwandel zuweisen. 

Nun gab es im Uridg. nur 2 Fälle, in denen gestossenes 
τοῦ auftrat, der eine ist das Partizipium Perf. und die Kom- 
parative auf -wos bezw. -20s, der andre gewisse es-Stämme mit 
dem Nommativ auf -ös. 

Die ersten kommen im Germanischen nieht in Betracht, 
da ihre Nominative durchaus durch Systemzwang beeinflusst 
sein können, dagegen ist die zweite Kategorie von Wichtig- 
keit. Bekamntlich stehen im Germanischen neben alten es- 
Stämmen scheinbar ö- und «-Stämme, so ahd. sigi, ags. sige, 
m. ‘Sieg’, ahd. söga, sigo neben ags. sigor. 

Brusmann Grr. II $S 132 S. 395 hält es für geraten, in 
diesem Falle alte ὁ- und u-Stämme neben den es-Stämmen 
anzusetzen. Dies scheint mir indessen nieht unbedingt nötig 
zu sein. Die Bemerkung, dass der Übertritt in das Geleise 
der :-Stämme wegen Segi-merus, Segi-mundus schon um 
Christi Geburt geschehen sein müsse, kann man wohl mit dem 
Hinweis begegnen, dass dieser Stamm Sege- nur vor -m_ er- 
scheint (daneben steht Segestes) und also aus *Segizmerus 
lautgesetzlich entstanden sein kann, denn -zm wurde zu -mm, 
das nach unbetonter Silbe vereinfacht wurde, vgl. demu = 
g0t. bamma aus *tasmö-. Streitberg P.-B. Btr. XV 509 ἢ, 
der auf dieselbe Annahme kam, macht noch auf Thus- 
nelda neben T’ihu-melicus aufmerksam. Für die «-Formen 
hat Joh. Schmidt Neutra 152 ff. einen Fingerzeig gegeben. 
Er setzt ®sigos, das zu sögor wurde, voraus, mit Abfall des 
-r entstand sego, “das in die Komposition drang: Sego-bert, 
-ald, -ard, Seco-fred und nach Verkürzung seines o mit dem 
geschleehtlich unbestimmbaren indogermanischen u-Stamm zu- 
sammenfiel, welcher in skr. sdhu-ri siegreich’, ἐχυ-ρός, ὀχυ-ρός 


914 Herman Hirt. 


und in got. söhu vorliegt.” Eine solche Annahme lässt sich 
lautgesetzlich kaum begründen, abgesehen davon, dass recht 
verwickelte Analogiebildungen nötig wären, sie durchzuführen. 

Nehmen wir dagegen an, dass τὸς genau wie -ο behan- 
delt wurde, so wäre a im ahd. sögu, situ die regelrechte west- 
germanische Fortsetzung des gestossenen -0. Ist diese Ansicht 
richtig, was allerdings keineswegs sicher ist, so wäre damit 
(der Beweis geliefert, dass auch die Länge vor dem -s in got. 
gibos u. Ss. w. durch den schleifenden Ton und nicht durch 
den Konsonanten erhalten ist. 

S 26. Ahd. -a, ags. -e (@) ist aber, wie es scheint, nicht 
der einzige Vertreter von got. -0s. 

jrugmann (Grr. II 8 315 S. 663) setzt Nom. Plur. Fem. 
der a-Stämme got. gibos = ahd. alem. kebo, ags. ziefa, und 
sieht den Ausgang -0s ferner erhalten in ahd. deo, dio. Er 
muss deswegen -a von den ?e-Stämmen übertragen und wei- 
ter den Nom. Plur. Mask. von dem Femininum herüber- 
genommen sein lassen (Grr. II ὃ 314 5. 662). Das ist eine 
Fülle von Analogiebildungen, an die es schwer wird zu glau- 
ben. Aber ein Punkt ist daran vor allen andern bedenklich. 
Neben der Analogiebildung geba hat sich noch im Nom. Plur. 
Fem. die ursprüngliche Form auf -o erhalten. Man fragt erst- 
lieh, warum nieht auch im Mask.? Diese Form muss doch 
notwendig jünger sein als die Femiminform, und man dürfte 
daher erwarten, bei ihr noch mehr Reste der alten Form zu 
finden als dort. Aber das ist nieht der Fall, und darum bleibt 
diese Analogiebildung unwahrscheinlich. Wir müssen auch zu 
einer Analogiebildung unsre Zuflucht nehmen, aber zu einer, 
die sich ganz im Rahmen der sonstigen bewegt. 

Wir finden die Form auf -ο im Ahd. allgememgültig im 
Nom. Plur. Fem. der Adjektiva und Pronomma: blinto, dio. 
Im Ags. erscheint -@ für -e im Substantivum, Adjektivum und 
Pronomen: ziefa, zoda, da. Die Form auf -a ist beim Sub- 
Stantivum aber nicht die älteste. Sie fehlt m den frühsten 
Quellen (vgl. Sievers Ags. Gramm. ? ὃ 252 Anmm. 3). Das ist 
(loch schon ein schwerwiegender Grund gegen ihre Ursprüng- 
lichkeit. Ags. dä entspricht genau got. bos. Das -a ist im 
Ags. hier wegen des Hochtones nicht zu -e abgeschwächt, 
und ebenso ist ahd. dio zu beurteilen, nur dass wir die dem 
Ags. und Got. entsprechende Form *do als ursprünglich zu 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 215 


Grunde legen müssen. Diese pronominale Form ist zunächst 
in beiden Sprachen auf das Adjektivum übertragen, ahd. blönto, 
ags. zoda, dort ganz, hier nahezu zur Alleinherrschaft gelangt. 
Das ist genau derselbe Vorgang, wie ihn für gotisch blindai 
anzunehmen keiner Bedenken trägt. Dieses hat sein -αὐ von 
bai erhalten. 

In beiden Sprachen ist auch das Substantivum angegrif- 
fen worden; im späteren Ags. ist die Pronominalform auch 
hier völlig durehgedrungen, im Ahd. bleibt es dagegen bei 
Versuchen. Die allein bereehtigte Form behält den Sieg. So 
erklärt es sieh einfach, weshalb nieht im Gen. Sing. im ahd. 
-0, ags. -a erscheint, und ebenfalls nicht im Nom. Plur. Mask., 
denn hier lauteten die Pronominalformen anders. 

Nom. Plur. der Mask. o-Stämme lautete ags. auf -as 
dömas. Hier ist offenbar das -a wegen des erhaltenen -s nicht 
zu -ce geschwächt, vorausgesetzt, dass diese Form mit der got. 
und ahd. identisch ist. 

$ 27. Ein andrer langer Vokal erscheint im Nom. der 
io-Stämme. Streitbergs Abhandlung (P.-Br. Btr. XIV 165 ff.) 
hat hier vieles aufgeklärt. Er hat nachgewiesen, dass got. 
hairdeis nur aus -2s zurückgehen kann; wie das Litauische 
ausweist, hatte diese Endung schleifenden Ton. Der Vokal 
musste deshalb in allen Dialekten erhalten bleiben. Es hindert 
also von dieser Seite nichts ahd. hörte, ags. ende, altn. hirdir 
auf -s zurückzuführen. Aber die Gegeninstanz, ein Fall auf 
-?s, fehlt hier wieder. 

Ebenso könnte lautlieh an. 2121, ags. rice ein altes -2m 
vertreten. Sicher ist das nieht, denn diese Formen könnten 
auch aus *roköiom erklärt werden. Dass sie auf dieselbe 
Grundform wie got. kuni, reiki zurückgehen, vermag ich Streit- 
berg nicht zuzugeben. Diese können nur auf -jom oder -im 
zurückgeführt werden. Für Westgermanisch müssen wir aber 
-jiom oder -2m ansetzen, da ich unter andern Verhältnissen 
nicht an die Erhaltung des sekundären -ὁ glauben kann. 

Die Ansetzung von -im als gotische Grundform für kun 
bedarf einer kurzen Begründung. Nachdem Sievers nachge- 
wiesen hat, dass im Westgerm. die kurzen Vokale nach lan- 
ger Silbe abfallen, nach kurzer erhalten bleiben, denen die 
aus langen Vokalen durch gestossenen Ton verkürzten Silben 
hinzuzufügen sind, hat Axel Kock P.-Br. Btr. XIV 55 ff. das- 


210 Herman Hirt, 


selbe Grundprinzip für das Altnordische behauptet. Streng 
beweisen lässt sich diese Annahme ja nicht, aber wir erlan- 
sen dadurch eine Einheitliehkeit, die sehr willkommen ist. 
Mir ist dieselbe Annahme schon seit langer Zeit für das Go- 
tische wahrschemlich. Das Gotische weicht bekanntlich darin 
ab, dass es bei den «-Stämmen wie es scheint, das x nach 
langer und kurzer Wurzelsilbe bewahrt, das ὁ dagegen in bei- 
den Fällen synkopiert. 

Einer Sprache, die so grosse Tendenz zur Uniformierung 
hat, dass fast der ganze grammatische Wechsel ausgeglichen 
ist, kann man es auch zutrauen, dass sie in diesem Falle 
starke Analogiebildungen vorgenommen hat, wenn sich Fälle 
finden, die mit dem Gesetz der andern Sprachen übereinstim- 
men. Für die Synkope des « ist von Kahle Zur Entwick- 
lung der kons. Deklin. im Germ. S. 3 auf tagr hingewiesen, 
(das sicher ein alter «-Stamm war skr. asru, lat. dacruma, gr. 
δάκρυ. 

Ferner befinden sich unter den «-Stämmen verhältnis- 
mässig schr häufig gebrauchte kurzsilbige: sumus, magus, hai- 
rus. fotus, tunbus, vielleicht auch handus waren ursprünglich 
konsonantische Stämme. Auch ist bei dem Feminmum die 
Entstehung aus -@s in Betracht zu ziehen, vgl. gairnus — abge. 
zrony. 

Dann muss der Akkusativ der konsonantischen Stämme 


got. bropar, nasjand, naht, guman hier berücksichtigt werden, 
der am einfachsten aus -m zu -um erklärt wird. Wir werden 
dadurch emer Fülle von Analogiebildungen überhoben. 

Von den femininen 3-Stämmen ist die Mehrzahl langsil- 
big ansts, gens, dails, wens, naups, siuns, sokns, tdikns u. 8. W. 
Unter den Worten, die Braune (Got. Gr. $ 105) anführt, findet 
sich kem einziges kurzsilbiges. Von den maskulinen Stämmen 
ist aber zu bemerken, dass sie im Sing. genau wie die ὁ- 
Stämme flektieren, also gar nichts für Synkope beweisen. 

Dagegen kommt folgendes in Betracht: 

Sämmtliche z0-Stämme, für die Streitberg den Nom. auf 
-7s ansetzt, sind ebenfalls langsilbig, so skauns, amasiuns. 
"nuts ist nicht belegt, sondern nur ummuts, das aber mit den 
langsilbigen wegen der Zweisilbigkeit auf einer Linie steht. 
Ferner müssen die alten s-Stämme herbeigezogen werden. Die- 
selben sind im Gotischen in die o-Deklination übergeführt, 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 217 


agis n., gadigis n., hatis, rigis, rimis, sigis, skapis (vgl. v. 
Bahder Verbalabstrakta 54). Die germanischen Verhältnisse 
scheinen mir darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Ab- 
stufung N. -0s, Gen. -esos zu -es, -esos ausgeglichen ist; -es 
wurde zu -ἦς und diese Formen liegen regelrecht in den go- 
tischen Nominativen vor. Es ist aber auffallend, dass -ös nur 
nach kurzer Wurzelsilbe sich findet. Sollte das ein Zufall sein ? 

Ferner müssen wir gewisse Komparativadverbien auf -2s 
zurückführen, mins, wairs, bana-seips, aber das sind wieder 
nur langsilbige. Wir können also soviel mit Sicherheit be- 
haupten: ein einwandfreies Beispiel, dass -2 nach kurzer Wur- 
zelsilbe im Gotischen synkopiert ward, ist noch nieht beigebracht. 
Bis das geschehen ist, dürfen wir auch *kunim als lautgesetz- 
liche Grundform für kun annehmen und *haris für harjis 
voraussetzen. 

$ 28. Einen weiteren Beweis für die Wirkung des gestosse- 
nen und schleifenden Tones hat Hanssen in der Behandlung des 
uridg. -οὐ im Gotischen gesehen: schleifendes -aö bleibt im Got. 
als -aö, gestossenes wird -a. Nachdem wir oben nachgewie- 
sen haben, dass die Akzentqualitäten in germanischen Endsil- 
ben noch vorhanden waren, muss man es a priori auch für 
-αἱ voraussetzen. Es kommt folgendes Material in Betracht. 

ot: Lok. Sing. uridg. -o7, ahd. wulfe, got. [daga), 3 
Sing. Konj. got. bairai, ahd. gebe, ags. helpe, anord. falle, -i, 
gr. φέροι, εἴποι. 

τοῦ: 3 Sing. Pass. got. haitada, gr. φέρεται. Brugmann 
lehnt diesen Lautwandel wegen got. daga, ἃν. tage ab. Hans- 
sen ist diese Ausnahme natürlich auch aufgefallen. Er weist 
darauf hin, dass im Idg. Lokative mit schleifendem und ge- 
stossenem Ton neben eimander bestanden haben. Das Unbe- 
rechtigte dieser Annahme glaube ich oben zur Genüge nach- 
gewiesen zu haben. Der Lokativ der o-Stämme hatte im Idg. 
durchweg schleifenden Ton, der der z-Stämme gestossenen. 
Got. daga ist offenbar mehrdeutig. Man hat es vielfach als 
Instrumental gefasst = ahd. tage. Wir führten es oben auf 
-em zurück. 

Andrerseits könnte daga auch ein Lokativ sein, der von 
den ö-Stämmen fiska herübergenommen ist. Dass die o-Stämme 
auch einmal von den ö-Stämmen empfangen haben, liegt dureh- 
aus im Bereich der Möglichkeit. Im Westgermanischen haben 


218 EHierman’tirt, 


wir den umgekehrten Vorgang anzunehmen. Hier ist gaste 
die Form der o-Stämme. Die einzige Sprache, die die beiden 
Stammklassen im Lok. auseinanderhält, ist das Altnordische. 
Die o-Stämme haben regelmässig -e, -2: arme, umord. belegt 
in -Zaude (Björketorp), -kurne (Tjurkö), hulmi (Högby), — 
diese Endung muss ahd. -e in zwulfe entsprechen. Die ὁ- 
Stämme sind endungslos und können ohne Bedenken auf -e 
mit got. fiska zurückgeführt werden (gest, stad, elg). 

Bei der vielfachen Berührung, die zwischen o- und ἡ- 
Stämmen vorhanden war, hat auch hier selbstverständlich 
Übertragung stattgefunden. So findet sich bei den o-Stämmen 
zuweilen ein endungsloser Lokativ. Doch möchte ich die Lo- 
kative der z-Stämme auf -e nicht so erklären, sondern ich 
sche in funde m. "Zusammenkunft, Dbrade f. "Braut die Re- 
flexe von got. amstai (Streitberg Komp. 25). Soweit dürfte 
die Sache glaublich erscheinen. Joh. Schmidt ΚΖ. XXVII 
hat aber auf folgende Entsprechungen aufmerksam gemacht: 

Got. uta, ahd. ze, ags. üte, an. üti, 

got. inna, iupa mit denselben Entspreehungen. Hierauf 
gründet er die Vermutung, dass -aö im Got. zu -a geworden 
sei. Aber unüberwindlich scheint mir diese Schwierigkeit nicht 
zu sein. Die got. Adverbien können von dem Lok. der o- 
Stämme neu beeinflusst sein. Wir dürfen aber auch anneh- 
men, dass in got. uta, inna, iupa alte Lokative auf -e oder 
-o stecken (got. war aus "re-r, gr. ἄνω, κάτω), dass die west- 
und nordgermanischen Formen dagegen die durch -ὁ erweiter- 
ten Lokative auf -07 sind. 

Für die Annahme, dass gestossenes -αὐ zu -a wird, führt 
man haitada, φέρεται an, und hinzuzufügen ist vielleicht 1 
Dual. Opt. nimai-wa, abulg. nese-ve. 

Für -οὔ = αὐ ist im Got. nur ein Beispiel vorhanden: 
9. Sing. Opt. bairai = φέροι, lit. te-suke. Brugmann hält dies 
für nicht ganz einwandfrei, da nimai nach nimais, nimaima 
neugebildet sein könne für "-nmima. 

Indessen ist dagegen die Frage aufzuwerfen, warum in 
> Sing. Opt. Praet. nemi nicht das -eö nach nemeis, nemeima 
restituiert ist. Dass die 3 Sing. Opt. nöma mit der 1 Praes. 
Ind. zusammengefallen wäre, kann doch kaum ein hmreichen- 
der Grund sein. Ich halte deshalb »imai für einwandfrei 
genug, um die Behauptung, schleifendes -aö blieb im Got. -αὐ, 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 


als wahrscheinlich aufrecht zu erhalten. 


-i, 3 Sing. Konj. skjöte. 
Bei Nom. Plur. Mask. blindai kann man daran denken, 
dass -aö nieht nur von bai beeinflusst ist, sondern dass genau 


219 


Anord. entspricht -e, 


wie im Litauischen die verdrängte Endung -s der neuen En- 
dung den Zirkumflex gegeben hat. 

Ich stelle zum Schluss die Ergebnisse in Form einer 
Tabelle zusammen. 


urgerm. | gotisch altnordisch  althochdeutsch angelsächsisch 
τὸ a. giba, juka, τι. qjof, fo, 16. siu, cunniu u. zeefu, fatu, 
nima kollomk, tjogu | nimm ı niomu, nosu 
c - . | 
τα - | | 
δ) a. fiska | e, 2. gest. e. chume ᾿ 6. stede 
Ξ | — 
7 Ν ΣΝ 2 Ι 2 en Men 
0 ὃ. frijondi | =. ΠΣ | 2 
ah) Ey, Eu, | Ἔχ. I 
me - -- | - 
3) ö.kvwaphroö, galı-  o.berhto, hana, | a. anunga, 
kö,tuggo, wato, nefo hona 
δ 6. hidre, bande a. hedra a. hıwanta 
} ei. bat-ei, ma- | | 
nager | | 
\ ‚. a.spaka, gata ὦ. jtefe, tunze 
Bo au. bairau, bai-\ 9.1. 9 a. geba, zunga, | 7: 9 79; 0m) 
on?) hjarta, vida, ; τ᾿ eaze, sode, ne- 
randau, bau \ herza, nerita 
|  orta | | rede 
an — 
a. hana, daga ; ; 5 | ; 
en?) = 9 ἢ nani, hefe | dezi 
bandja, haba 
ön 0. yibo 0. tago a. daza 
ze : — - -- 
en ὃ. dage a. arıma a. alts. kında 
in ἡ. γἹ 9 i. rike? 
OS u. sigu? u. sızu? 
RE αν τες" El | Ἢ 5:73 ΟΣ 
ς 08. gibos, gebos, ar. fjadrar,fja-\ a. geba, geba, @. gief®, giefe, 
dagos drar, armar | taga domas ? 
er ar. fadar, bar | er. fader er. fater er. feder 
ör wazzar  weter 
πον στ΄ = | Β ἘΞ ἘΣ τὸ 
ar ' a. hartada 
—— u — — —_ — — | — — Zi — -— 
ad ai. bairat 6. arme, skjöte 6. wulfe, bere w.döme, binde 
1) oeiü fallen nach langer Silbe im West- und Nordger- 


manischen ab. 

2) Man beachte den Parallelismus ö 
om 
em — got. 


= got. 
got. 


ὃ, ahd. o. 
au, ahd. a. 
a, anord. e. 


220 Herman Hirt, 


Die Akzentqualitäten und der Sandhi im Uridg. 


$ 29. Andre Sprachen, als die bisher besprochenen, in 
denen sieh die beiden Akzentqualitäten noch nachweisen lies- 
sen, sind nicht vorhanden. Im Lateinischen und Keltischen 
habe ich keine Spur entdecken können, auch das Slavische 
bietet, wie leicht zu sehen ist, nur ein negatives Resultat. 
Wir haben also nunmehr das vollständige Material vor uns, 
und können daher die Frage behandeln, ob der uridg. Sandhi 
der langen Diphthonge von der Akzentqualität abhängig ist. 
Wir haben im vorhergehenden Teil unsrer Arbeit angenommen, 
dass ὦ, τὸ, r und n nach αὖ im Idg. geschwunden sind. An 
der Richtigkeit dieser Annahme für eme Reihe von Fällen 
kann heute kaum jemand zweifeln, wohl aber gehen die Mei- 
nungen über die Frage, welche Fälle denn unter dies Gesetz 
zehören, mannigfach auseinander. 

Zuletzt hat sich über diese Frage Rud. Meringer BB. 
XVI 221 geäussert in einem Aufsatz, betitelt: Sandhi oder 
Ton? d.h. weiter ausgeführt: Ist die Ursache des Schwindens 
(des zweiten Bestandteiles der langen Diphthonge dem Sandhi 
zuzuschreiben oder dem gestossenen Ton? Meringer erörtert 
alle Möglichkeiten, die in Betracht kommen, ausführlich ge- 
nug. Seine Resultate sind folgende: die Annahme Bezzen- 
bergers, dass die gestossenen langen Diphthonge stets ihren 
zweiten Komponenten verlieren, ist nicht durchführbar. Es 
finden sich zahlreiche Fälle, in denen der zweite Komponent 
erhalten ist, umgekehrt gibt es Fälle, m denen bei schleifen- 
der Betonung Verlust des zweiten Teiles eintritt. 

Auch eine zweite Fassung, eine Verschmelzung der Sandhi- 
und der Akzenttheorie scheint ihm nieht annehmbar: "Gestos- 
sener langer Diphthong verlor im Uridg. vor Konsonant des- 
selben Wortes oder konsonantischem Beginne des nächsten im 
Satze den Halbvokal (und ebenso bei 7, n) während schleifen- 
der ihn immer erhielt.” Er führt noch eme dritte Vermutung 
an. “I. Die langen Diphthonge des Hochtons -&i, -μ und 
ebenso -ör, -ön verloren vor Konsonant den zweiten Bestand- 
teil. II. Die langen Diphthonge des Nachtons τοῦ, τοῦ und 
ebenso -or, -on dagegen erhielten diesen unter allen Umständen.” 
Auch diese lehnt er ab, und zwar unbedingt mit Recht, und 
sagt zum Schluss: “Kurz ieh kann nicht finden, dass uns die 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 221 


heutige Kenntnis des idg. Akzentes irgend etwas bei der Auf- 
klärung der in Frage stehenden Erscheinungen nützt, und bleibe 
bei meiner Sandhihypothese, weil man mit ihr weitaus die 
meisten Erscheiungen erklären kann, und weil sie noch in 
der Überlieferung der Veda einen Halt hat.” 

An und für sich genommen ist nach dem, was wir bisher 
ermittelt haben, die Möglichkeit, dass die Qualität bei der Be- 
handlung der langen Diphthonge eine Rolle gespielt hat, von 
vornherein sehr in Betracht zu ziehen. Erstlich ist es nicht wahr- 
schemlich, ja wir dürfen es, methodisch genommen, nicht ein- 
mal von vornherein voraussetzen, dass Vokale mit gestossenem 
und schleifendem Ton, — eine Unterscheidung, die sich bis 
tief in die einzelsprachliche Entwicklung gehalten hat, — 
gleichbehandelt sind. Ein -m ist einem -öm ebensowenig 
gleich als e gleich ö ist. Zweitens ergibt sich aus dem, was 
wir über die Entstehung des schleifenden Tones ermittelt 
haben, dass er durch Kontraktion oder Synkope entstanden 
ist, die Möglichkeit, dass das Schwundgesetz bei den ge- 
stossenen Längen zu wirken begonnen hatte, als die schlei- 
fenden Längen noch gar nicht entstanden waren. Diese Mög- 
lichkeit deutet Brugmann beim Instr. Plur. der o-Stämme an. 

Zu den Fällen, in denen der “schleifende Ton’ den Ver- 
lust des zweiten Komponenten verhindert hat, in erster Linie 
dem Instr. Plur. der maskulinen o-Stämme auf -ös, kommt 
jetzt ein zweiter schlagender Fall, der Gen. Plur der o- und 
a-Stämme auf -öm und -am (2) gegenüber dem Nom. Sing. der 
n-Stämme auf -on und dem daraus entstandenen -Ö und dem 
Instrumentalis auf -om und -ö. Im Gen. Plur. weist keine 
Sprache auf eine Form ohne Nasal, während im Nom. Sing. 
und im Instrumental bald Formen mit Nasal, bald ohne den- 
selben auftreten. Wenn also -öm stets bleibt, -om, -on dagegen 
mit -ὃ wechselt, so dürfen wir das dem Einfluss des schlei- 
fenden Tones mit Berücksichtigung der erörterten Möglich- 
keiten zuschreiben, denn ein andrer Faktor ist in diesem Falle 
nicht zu spüren. 

Für verfehlt halte ich es indessen aus der Thatsache, 
dass -om zu -ῦ wird, zu schliessen, dass auch -em in densel- 
ben Fällen zu -ὃ wurde. Eine solehe Annahme stellt z. B. 
Bartholomae BB. XV 17 Anm. 1 auf, wenn er zu Meringers 
_ Lautgesetz: “idg. τὸς wurde vor Konsonant im Satz zu -0° 


222 Herman Hirt, 


hinzufügt “und -eu zu -e, au zu -α. Wir müssen vielmehr 
hier erst die Thatsachen befragen. Denn es kann sehr wohl 
möglich sein, dass die konsonantischen Bestandteile infolge 
ihrer Klangverwandtschaft mit dem vorhergehenden Vokal ge- 
schwunden sind, dass also wohl -eö zu & wurde, nicht aber -αἱ 
zu -ad, wohl -ou zu -0, nicht aber -eu zu -e, oder -ou zu -0 
vor allen Konsonanten, -2u zu -@ aber nur vor gewissen. Ich 
halte also für den einzig richtigen Weg, nicht vorschnell zu 
verallgemeinern, sondern die Thatsachen genau zu prüfen, ein 
Weg, den Brugmann in allen diesen Fällen schon eingeschla- 
een hat. So erkennt er den Übergang von Οἱ zu -© durchaus 
an, nieht aber den von -οὲ zu -0. Wie weit er in seinen An- 
nahmen Recht hat, bedarf weiterer Untersuchung. Prinzipiell 
seheint mir sein Weg der richtige zu sein. 

8. 50.  Besprechen wir jetzt die einzelnen Fälle wobei 
wir von vornherein Silben mit gestossenem und schleifendem 
Ton sondern. 

1) -ei wird zu -© im Lok. Sing. der ö-Stämme, Lok. Sing. 
aind. agnd, lit. szale, got. fiska. Ferner lat. res aus reis, 
aind. r@s “Gut, Schatz’, aind.: Nom. Plur. rayas.: In 720% 
anstai ist wahrschemlich das -2 erhalten. Es könnte aller- 
(dings auch aus dem Lokativ auf -e mit der angetretenen Lo- 
kativpartikel - entstanden sein. 

2) -ot zu ö. Diesen Lautwandel hat Joh. Sehmidt wahr- 
scheinlieh gemacht (ΚΖ. XXVIL 370), vgl. ai. sdakha aus sa- 
khoi, gr. TTvew. Diese Nominative hatten natürlich gestosse- 
nen Ton, wie wir oben gesehen haben. Daneben finden sich 
im Griechischen, wie Danielsson (grammatiska anmärkningar 
II om de grekiska substantiverna med nommativändelsen -w, 
Upsala 1885) bemerkt, auch alte Formen auf -w die aus einer 
Zeit stammen, wo οὐ noch nieht zu 0 geworden war, nämlich 
Apxıw Röhl 415. Μερεκρατώ 435, beide von Melos, (vgl. ἃ. 
Meyer Gr. Gr.? S. 315). 

Auch in diesem Falle lässt sich offenbar keine sichere 
Entscheidung geben, ob hier die alte Satzdoublette vorliegt, 
oder ob, wie Joh. Schmidt KZ. XXVII 377 will, der Nom. 
auf -wı zu dem Vokativ auf -οἵ nach dem Verhältnis der No- 
minative τῶν, τῆν, -wp, -np, τῆς zu den Vokativen auf -ov, -Ev, 
-0p, -ep, -ec neugebildet ist. 

Ein andrer Fall, in dem -0- aus -07 entstanden sein kann, 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 223 
ist 1 Sing. Praes. Akt. auf -ö. Ein Kontraktionsprodukt, wie 
Osthoff will, kann sie nieht sein, da ahd. »ima, lit. σὰ auf 
gestossenen Ton weisen. Ebenso wenig kann es auch aus -om 
entstanden sein, wie ich längere Zeit annahm, da auch dieses 
zu -Ö geworden wäre. Setzen wir -Οοὐ an, so ist das Ablaut 
zu aind. -©@ in bhave, das dann wahrscheinlich = οἱ ist. 

In diesem Falle, der wegen semer Isolierung schliesslich 
das meiste Gewicht hätte, wenn die angenommene Entstehungs- 
art richtig wäre, ist von ὁ keine Spur mehr zu entdeeken. 

Gegen die Annahme, dass ὁ nach ὁ und σ᾽ (nach a feh- 
len Beispiele) im idg. Auslaut durchweg geschwunden ist, las- 
sen sich sichere Instanzen nicht anführen. Aber wir können 
dem vorliegenden Material auch keine absolute Beweiskraft 
zusprechen. 

Ganz anders liegt die Sache bei den schleifenden 1- 
Diphthongen. 

1) Instr. Plur. uridg. -öis. Keine Sprache zeigt hier 
Schwund des -2 aind. devais, gr. ἵπποις, lit. οὐραῖς. 

2) Dat. Sing. Mask. der o-Stämme auf -0. -0i liegt 
vor in gr. ἵππῳ, lat. populoi, Numasioi, lit. eilkui? aind. kd- 
may-a, asımdi. 

3) Dat. Sing. Fem. auf -ῶν: gr. τιμῇ; lat. mensae, got. 
gibai, lit. rankai, abulg. race, aind. senaydi. 

Für die beiden letzten Formationen ist jetzt von ver- 
schiedenen Seiten nahezu gleichzeitig der Nachweis von San- 
dhiformen ohne © zu führen versucht. 

Joh. Schmidt Festgruss an Böhtlingk 102 sieht solehe 
Formen in lat. populo neben populoi Romanoi Numasioi, 
preuss. waldniku, kasmu, ahd. mo, hwemu. Dative auf -0 aus 
τοὶ in umbr. pople, pusme, got. mammeh, in got. wulfa, au. 
αἰ, ags. wulfe, as. wulbe, ahd. wolfe. “ Hiemach”, so sagt 
er weiter, “verhält sich got. rammeh zu ahd. Awemu wie 
umbr. pople zu lat. populo oder wie umbr. pasme zu preuss. 
kasmu”. 

Ebenso sieht er -@ neben -@? in lat. matre Matuta u. Ss. νυ. 
(CIL. I. Index. S. 603), praenestin. Fortuna primogenia, (Her- 
mes XXIX 455), falisk. Menerva (Zvetaieff 1. I. I. 70), neben 
osk. aasat und in ahd. gebu, an. voku, gjof neben got. gibai, 
ags. ziefe. 


224 Herman Hirt, 


Auf lat. Matuta u. s. w. hat gleichzeitig auch Meringer 
(Z. f. d. österr. Gymn. 1888 S. 770) hingewiesen. 

Zunächst können wir die germanischen Formen mit Sicher- 
heit aus dieser Liste streichen, nachdem wir oben die Aus- 
lautsgesetze richtig gestellt kaben. Der Dativ auf -w, den 
Joh. Schmidt voraussetzt, hätte sicher schleifenden Ton. Idg. -ὃ 
wird aber ahd. zu τὸ wie die Adverbien und hano beweisen. 
Ebenso fällt got. wulfa fort, da ein -ὃ als -@ erhalten geblie- 
ben wäre. 

Die italischen Formen können ebenfalls nicht auf lange 
Monophthonge zurückgehen. Wäre das τὸ von populö, bello 
uridg. -0, so könnte es im Lateinischen nicht erhalten sein, 
da alle im absoluten Auslaut stehenden Längen im Lateinischen 
verkürzt werden, (vgl. Brugmann Grr. I 8 655 5. 504, Stolz 
Lat. Gramm. ? ὃ 40 S. 280), es muss also hinter -5 noch etwas 
gestanden haben. Es ist durchaus daran festzuhalten, dass 
der lat. Dativ auf - die auf italischem Boden entstandene 
Sandhiform zu -ö% ist. 2 schwindet intervokalisch im Itali- 
schen, also wurde aller Wahrscheinliehkeit nach -02 vor voka- 
lischem Anlaut zu -©. Und dasselbe gilt natürlich auch für 
τα ın Matata. 

Die umbrischen und preussischen Formen sind zu unsicher, 
um hier in Betracht zu kommen. Sollten sie auf -e und -ὸ 
zurückgehen müssen, was keineswegs sicher ist, so würde ich 
in ihnen Instrumentale auf -€ und -ὃ sehen. 

Wir können also mit Sicherheit behaupten: auf dem 
ganzen europäischen Sprachgebiete ist keine Sandhiform zu 
-i und -@i zu belegen. Was man dafür angeführt hat, ist 
teils falsch, teils kann es anders gedeutet werden. 

Im indoiranischen Sprachzweige sind ungefähr gleich- 
zeitig Dative auf -@ neben solchen auf αὐ ans Licht gezogen, 
von Aufrecht Festgruss an Böhtlnek 1 und von Pischel Ve- 
dische Studien I S. 61. Zuerst hat Kluge ΚΖ. XXV 309 f. 
einen Dativ auf -@ R. V.1,6, 5 konjiziert. Ob mit Recht, thut 
hier nichts zur Sache. Kluge hält diese Dativform für spe- 
ziell indische Entwicklung. Aind. -@i wurde vor Vokalen zu -«, 
und Aufrecht und Pischel verwahren sich dagegen in den 
Formen etwas altes zu sehen. Ersterer sagt a. a. Ὁ. 2.: "Die 
vier Formen sakhya, ratnadheya, pdusya, marya haben ya 
als Schlusssilbe, und es scheint, dass wir es hier mit einem 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 225 


rein lautliehen Vorgang zu thun haben. Die dem Tone nach 
stärkere Silbe -ya hat das folgende anklingende schwächere 
-ya in sich aufgenommen”. Solehe Vorgänge sind auch aus 
andern Sprachen zu belegen vgl. gr. nuediuvoc aus "nulule- 
dıuvoc. Letzteres scheint allerdings nicht ganz ausreichend zu 
sein, da Pischel auch Dative ohne vorhergehendes y nach- 
weist. Für diesen Fall dürfen wir Kluges Hypothese zu Hülfe 
rufen, und- speziell indische Sandhiformen annehmen, die an 
Stellen treten, an denen” sie ursprünglich nicht begründet 
waren. Bartholomae BB. XV 221 meint dagegen: “Die rich- 
tige Erklärung der indischen a-Dative hat sich der von J. 
Sehmidt Festgruss S. 102 für got. wulfa u. s. w. gegebenen 
anzuschliessen”. Von dieser Erklärung ist aber, was walfa 
betrifft, entschieden Abstand zu nehmen, und man wird daher 
nicht mehr wagen dürfen, aus dem Indoiranischen allein einen 
idg. Sandhi für schleifende Diphthonge anzunehmen, da er 
hier als speziell indische Entwicklung gedeutet werden kann. 

$ 30. Dasselbe, was wir für die <-Diphthonge nachgewiesen 
haben, gilt auch für die «-Diphthonge, nur dass hier der 
Sandhi an andre Bedingungen geknüpft gewesen zu sein 
scheint. Das ergibt sich daraus, dass a viel häufiger erhalten 
ist als ©. Die in Betracht kommenden Fälle sind: 

1) Nom. Dual. der maskulinen o-Stämme -ou, τὸ. Hier 
stehen im Indisehen die Formen auf -@ und -αὐὐ noch neben 
einander. -awu steht meistens vor Vokalen, so fast durchweg 
in den ältesten -Partieen des Rigveda (vgl. Lanman Noun-In- 
fleetion 341). -a@ erscheint meistens vor Konsonant oder am 
Ende des Päda, nämlich 230 mal hier, 799 mal vor Konsonant, 
und nur 95 mal vor Vokal. Daraus geht also mit ziemlicher 
Sicherheit hervor, dass τῶν vor Konsonant und im absoluten 
Auslaut zu -ὦ wurde. In den europäischen Sprachen zeigt 
sich fast durchweg -o, gr. ἵππω, ags. nosu, lit. buta, abulg. 
raba. Es ist nicht verwunderlich, dass τοῦς hier so gut wie 
ganz verloren gegangen ist, denn selbst im Rgveda begegnet 
ad 1129 mal, au nur 171 mal, also im Verhältnis von ὦ zu 1. 
Trotzdem können wir an dem Sandhi nieht zweifeln. 

2) Ganz anders liegt es bei -eu. Hier liegen wenige 
und unsichere Formen auf -e vor. 

Die Hauptkategorie ist der Lokativ der «-Stämme, ur- 
idg. auf -e«. Hier finden wir im Indischen nur Formen auf 


226 Herman Hirt, 


-au und avi, von einem Sandhi also keine Spur. Trotzdem 
muss nach Meringer die Sandhiform auf -@ vorausgesetzt wer- 
den, weil nur so das Auftreten des -z# bei den ö-Stämmen 
erklärt werden könne. Die Sandhiform zu -ei war aind. -a, 
zu -eu sei es ebenfalls aind. -@. Es sei dann der Sandhi der 
«-Stämme auf den der -Stämme übertragen worden. Das 
ist eine sehr kühne Annahme, da bei den -z-Stämmen kein 
Sandhi in historischer Zeit mehr vorhanden ist. Es bietet 
sich aber eine andre Möglichkeit agnau zu erklären, es ist 
agna mit der angetretenen Lokativpartikel -x, die Bartholo- 
mae nachgewiesen hat, die im Plural gleichberechtigt neben 
τὸ steht, und die wir oben in andern Sprachen vermuteten. 
Dass ein agnau neben agna entsteht, ist derselbe Prozess 
durch den sanari neben sanau gestellt wird. 

Die übrigen Sprachen weisen ebenfalls auf Erhaltung 
des -w: lat. -u, fructu aus *fructeu, got. sunau, ahd. suniu, 
Grf. suneu (vgl. Streitberg Komp. 25), abulg. suna aus *suneu. 

Es scheint allerdings einige Formen zu geben, in denen 
schon uridg. « geschwunden ist. Darauf weist lat. rzte 
Lok. Sing. zu lat. ritus, aind. γί (Mahlow d. 1. V. S. 54). 
Auch die in hodie —= aind. adya stimmen überein (Meringer 
BB. XVI 226). Diese Reste sind aber doch nicht einwandsfrei 
genug, um den Lautwandel zu beweisen. Jedenfalls kann der- 
selbe nur in sehr kleinem Umfange stattgehabt haben, viel- 
leicht nur vor -m, wofür die sichere Gleiehung aind. dyam, 
gr. Znv (Ζῆν), lat. diem spricht, während der Nom. aind. 
dyaus, gr. Ζεύς heisst. Merimger geht entschieden zu weit, 
wenn er diesen klaren Gegensatz zwischen dyam und dyaus 
beseitigen will (Z. f. d. österr. Gym. 1888 S. 139). Allerdings 
ist Ζής bei Grammatikern belegt, aber was beweist das? Es 
kann und wird Neubildung sein, ebenso wie lat. dies nach 
(lem Muster facies :faciem zu diem neu gebildet ist, und das- 
selbe gilt für alle Fälle, in denen im Nom. -nc aus -eus er- 
scheint, wie in ”Apnc. Die Akzenthypothese, wie sie Merin- 
ger nennt, lässt sich auch hier ganz gut durchführen, wenn 
wir ums nur vor unbewiesenen zu weitgehenden Verallgemei- 
nerungen hüten. Eines schiekt sieh nieht für alle. © und u 
sind doch durchaus nicht gleichwertig, was am besten die 
Behandlung im Sonderleben des Griechischen beweist. An- 
lautendes ὁ war längst Spiritus asper, als « noch bestand, 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 227 


und ebenso ist der intervokalische Schwund der beiden Laute 
nieht gleichzeitig. 

Wir haben bis jetzt nur von einem Lokativ auf -eu ge- 
sprochen; hat es auch einen solchen auf τοι gegeben? Loka- 
tive auf uridg. -ὅχε und zwar mit schleifendem Ton hat Bezzen- 
berger Göttinger Nachrichten 1885 S. 160 ff. als Grundform 
für einige litauische dialektische Lokative auf - angenommen, 
Wilnuo “mn Wilma’, pakajo’ “in Frieden’, dango” “im Him- 
mel’, pasko® ‘nach’, verszo” oben‘. Er sagt a. a. O. 161: 
“Ist hiernach ὦ als die ehemalige Endung des Lok. Sing. im 
Preussisch - Nordlitauischen und Zemaitischen anzusetzen, so 
ist damit die Berechtigung der Voraussetzung, dass der ide. 
Ausgang dieses Kasus -Οὐέ gewesen sei, erwiesen; denn nur 
hierauf, nicht auf -2u kann nach dem gegenwärtigen Stand 
der litauischen und indogermanischen Lautlehre jenes -« zu- 
rückgeführt werden.” Ich habe indessen gegen diesen Lo- 
kativ auf -öu sehr viel einzuwenden. Erstlich kann ein Lo- 
kativ auf -9u nur gestossenen Ton gehabt haben. Die Mög- 
lichkeit, dass τοῖν zu -Ö geworden, und dann die Lokativpar- 
tikel « aufs neue angetreten sei, könnte ja Bezzenberger für 
sich anführen. Aber die Annahme eines urindogerm. Lokativs 
auf -9&« hängt völlig in der Luft (vgl. Streitbergs treffende 
Bemerkungen Komp. 25). Und es lässt sich sogar wahrschein- 
lich machen, dass dem «-Diphthongen aller Sprachen im Lo- 
kativ -u, nicht -9&« zu Grunde liegen muss. Das beweist 
eben der Sandhi. Der Diphthong -5« im Nom. Dual. wird 
fast in allen Sprachen ausschliesslich durch -ὁ repräsen- 
tiert. Es wäre ein sonderbarer Zufall, wenn im Lok. Sing. 
nur die σις, nicht auch die ö-Formen erhalten wären. Ich 
glaube also, dass die Differenz zwischen gr. ἵππω, lat. duo, 
ambo, ags. nosu, abulg. elska, und dem Sandhi aind. asva 
und aseau gegenüber lat. fructa, got. sunau, ahd. sumiu, 
abulg. syna, aind. konstant asedau diesem Diphthongen die 
Geltung -2u zuweist. Und dafür sprechen die ganz paralle- 
len ö-Stämme, bei denen ebenfalls keine o-Stufe nachgewie- 
sen ist, und die Endbetonung der @-Lokative im Urslavischen, 
die sich aus der Vergleichung von Serbisch und Russisch er- 
gibt. Im Serbischen ist der Lokativ der o-Stämme auf -« 
der Kasus der alten «-Stämme. Dass er den Ton auf dem 
Ende trug, beweist die Betonung serb. dası aus *cası gegen- 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 15 


228 Herman Hirt, 


über Gen. casa, Dat. casu, prstu aus "prstü gegenüber prsta, 
hlädu aus *hladu gegenüber hlada. Im Russischen nehmen 
die einsilbigen Substantive diese Endung ebenfalls häufig an, 
aber stets ist -z0 dann betont: sadı von sads "Garten, beregu 
von beregs “Ufer, abulg. bregs, ursl. *bergs. Hier hat sich 
also ein Rest der uridg. Betonung erhalten, denn mit dem 
Hochton war e-Stufe wahrscheinlich verbunden. 

Wir müssen aus allen diesen Gründen Bezzenbergers An- 
nahme ablehnen. Urindogermanischen Lokativen können die 
litauischen Formen nieht entsprechen. 

Die verschiedene Behandlung von -eu und -0x erklärt 
sich entweder aus dem verschiedenen Vokalklang oder dem 
verschiedenen Akzent, τοῦ war ursprünglich betont, -9u nicht. 

Die verschiedene Behandlung von -eu und -ou treffen wir 
auch in den griechischen Nomma auf -εὖὐς und -ὠς wie ἱππεύς, 
Bacıkeüc, ἱερεύς, die aus -nuc verkürzt sind, wie Ζεύς aus Ζηύς vgl. 
Gustav Meyer Gr. Gr.? $ 3235. Weackernagels Verknüpfung 
dieser Worte mit den aind. Maskulmen auf -ayds ist von ver- 
schiedenen Seiten angefochten worden, vgl. Brugmann Gr. Gr. ? 
s TOP S. 100 f. Neben den Worten auf -euc erscheinen solche 
auf -wc wie πάτρως, μήτρως, ἥρως, die schon G. Meyer Gr. 
αν. 3 8 325 auf -wuc zurückgeführt hat. Ferner hat Prellwitz 
Gött. gel. Anzeigen 1886 5. 765 die verschiedene Vokalqua- 
lität mit dem Akzent in Zusammenhang gebracht. Ihm stimmt 
Meringer BB. XV1229 zu, und ich glaube allerdings auch, dass 
diese Annahme. die Formen am einfachsten erklärt. -eaus ver- 
hält sich zu -ous zu -us, wie -en :-On :-n (ποιμήν, ἄκμων, ὄνο- 
ua), -er 2-07 2-7 (πατήρ, εὐπάτωρ, ἧπαρ lat. jecur), und gr. -euc: 
τως wie Lok. Sing. τὸ zu Nom. Dual. -0. 

Ablehnend gegen diese Annahme verhält sich Brugmann 
ἃ. ἃ. Ὁ. Hier kommt es nur darauf an zu zeigen, dass, sollte 
die entwickelte Ansicht richtig sein, sie mit den sonstigen 
Verhältnissen durchaus im Einklang steht. 

Schwieriger liegen die Verhältnisse bei den Fällen mit 
schleifendem Ton: ναῦς, ai. »ads ist korrekt. Es hat schlei- 
fenden Ton. Wie steht es aber mit βοῦς, ai. gaus? Der Akk. 
βῶν findet seine Entsprechung in aind. gam, also der Schwund 
des -ἰ ist beiden Sprachen gemeinsam. Das weist auf ge- 
stossenen Ton. Trotzdem zeigt gerade aind. gam zweisilbige 
Messung und das Griechische den Zirkumflex in βῶν. Und 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 229 


ebenso im Akk. Plur. dor. ßwc, ai. gas. Die Verhältnisse 
scheinen mir durch eine Reihe von Analogiebildungen sehr 
verwirrt zu sein, das folgende kann nichts weiter sein als ein 
Versuch, die Schwierigkeiten zu lösen. Ich nehme an, dass 
ai. gaus, gr. βοῦς ein «-Stamm ist mit o-Stufe, uridg. *gous. 
Dem musste im griech. *Bovc und *Bwe entsprechen, denn unter 
gewissen Bedingungen blieb wahrscheinlich « nach -0 vor -s 
bewahrt. Der Akk. wurde uridg. zu *göm aus *göoum mit ge- 
stossenem Ton. Im Akk. Plur. hat Joh. Schmidt aind. gas 
und dor. Bwc direkt verglichen und beide auf eine Grundform 
*gouns zurückgeführt, daraus *gons und *g0s. Dieser Entwick- 
lungsgang erscheint Brugmann unwahrscheinlich. Er hält *gouns 
für eine unmögliche Form, die nur *gouns hätte lauten können. 
Ich gebe das zu, nehme aber an, dass nach dem Akk. Sing. 
*40m schon uridg. der Akk. Plur. *göns neugebildet wurde. 
Wenn wir weiter annehmen, was sich allerdings nieht bewei- 
sen lässt, dass der Schwund des -x vor -m älter ist, als der 
des -n vor -s, so musste aus *gons uridg. *gös werden und 
zwar mit schleifendem Ton nach Michels’ Gesetz. Diese Form 
liegt vor in aind. gas, dor. βῶς. Der Akk. und Nom. Sing. 
haben weiterhin ihren schleifenden Ton erst vom Akk. Plura- 
lis erhalten. 

Eine andre Mögliehkeit den schleifenden Ton zu erklä- 
ren, sehe ich nicht. Ursprünglich schleifende Diphthonge haben 
keinen Sandhi wie ναῦς u. 5. w. beweist. Sekundärer schlei- 
fender Ton entsteht, soweit wir bis jetzt wissen, nur durch 
Schwund eines Nasals. Infolge dessen müssen wir um den 
schleifenden Ton in dor. Bwc u. s. w. zu erklären, vom Akk. 
Plur. ausgehen 1). 

$ 31. Ähnlich wie bei -x steht es mit dem Sandhi bei 
-n, -m. Ganz sicher erscheint mir derselbe nur nach -ö vorzu- 
liegen, während er nach - wahrscheinlich nicht statt hatte. 

1) Nom. Sing. der n-Stämme. Formen ohne -n: aind. 
rdja, lat. homo, ahd. hano, ags. zuma, lit. akmü; mit -n: gr. 

1) Ich verkenne die Schwierigkeiten, die hier noch vorliegen, 
nicht, und halte die gegebene Erklärung nur für einen Notbehelf. 
Dass in dem Ubergang von stossendem zu schleifendem Ton bei 
Wegfall des zweiten Komponenten der langen Diphthonge die Stel- 
lung des Akzentes eine Rolle spielen kann, halte ich für möglich, 
nur ist ein Beweis schwer zu erbringen. 


230 Herman Hirt, 


ἄκμων, abulg. kamy, ahd. zunga. Die Möglichkeit ist nicht 
ausgeschlossen, dass -» hier von den Kas. obl. restituiert wurde, 
aber die Annahme von Doppelformen ist einfacher. 

Dagegen findet sich kein -ὃ neben -en, gr. ποιμήν, got. 
hana, an. hani, lat. lien. Femer in abulg. seme, ime aus 
en, vielleicht auch in lat. nomen, semen. aind. pliha, lat. lien 
ist natürlich nieht beweiskräftig, da es mit den übrigen Stäm- 
men zusammenfallend auch deren Nominativ angenommen 
haben wird. 

2) Der Instrumental auf -om zeigt den Sandhi ebenfalls 
aufs deutlichste. Die Beispiele sind oben gegeben. 

Sind die griechischen Adverbien wie m, ai, πῆ, lat. 
bene, male, ai. pascä hinten’ als Instrumentale zu fassen, wie 
wahrscheinlich ist, so brauchen sie ihr -»2 nicht lautgesetzlich 
verloren zu haben, sondern können nach dem Verhältnis -ὃ : 
om — -€:-£m im Uridg. neugebildet sein. 

Dasselbe gilt von den Instrumentalen auf -@ zu -am. 

3) In keiner Sprache zeigt sich im Gen. Plur. der o- 
Stämme eme n-lose Form. Ursache: der schleifende Ton. 

Den Sandhi von -r müssen wir auf Grund von aind. pitd, 
mäta, lit. möte, sesa, abulg. mati annehmen, aber die Bedin- 
gungen, unter denen er stattgefunden hat, sind wegen der 
Dürftigkeit des Materials nicht zu eruieren. Auf Grund des 
schleifenden 'Tones der lit. Worte kann man annehmen, dass 
Schwund des - mit Übergang zu schleifender Betonung ver- 
bunden war. 

Nach dem oben Ausgeführten dürfen wir mit Sicherheit 
annehmen, dass die Akzentqualität bei dem uridg. Sandhi 
eine wichtige Rolle gespielt hat. Verfehlt scheint es nur die 
Regeln zu allgemein zu fassen und von einem Falle sofort auf 
die andern zu schliessen. 

Ich stelle zum Schluss die Zeugnisse der vier Sprachen 
für den gestossenen und schleifenden Ton der Endsilben in 
Form emer Tabelle zusammen 1). 


l) Auf den gestossenen und schleifenden Ton in Wurzel- 
silben einzugehen verzichte ich für jetzt. Es sei nur bemerkt, 
dass ich glaube, das Akzentverhältnis von gr. wirnp mit gestos- 
senem ἢ und μητρός mit schleifendem — denn .dies ist nach Ana- 
logie aller andern Fälle anzunehmen — sei urindogermanisch, jedoch 
damals noch nicht an die Quantität der letzten Silbe gebunden ge- 


Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 23 


altindisch | griechisch | litauisch germanisch 
N. Se. | ποιμήν got. hana, an. hani 
der n-, | πατή ᾿ eot. fadar, an. fadir 
᾽ so {= 5 ’ 
γ-, 5- | pracetäs ἠώς ahd. sigu 
Stämme VOW-P akmaı, vandu Πα. hano, zot. wato 
der vo-St. gaidys got. hairdeis 
a-St. send τιμή mergd got, giba, ags. geefu 
π΄ 1 1 1 ee  ιξ a —— OR Ihn 
16- 0. ἢ drhati \ vezantı ΠΡΟ 7 ἀ)σγιαϊ 
Sy senam ᾿ τιμήν menga ahd. geba, ags. jtefe 
ve-St. zeme got. Frijöndja 
Gen. Se. | ves ı akes ‚ anstais 
i-, u-St. | sunaüs  sunaus 
Bremer jokr. ὦ |. 2 
u, > | vrkäad 2 vrtko got. Aa yabro 
SEE a7 “unde’ = / u 
asmadl θεὼ vrtkur? 
Dat.Sing. τιμῇ rankai ı got. gibal 
ἔμμεν-αι | 
Lok. Se. | οἴκοι name Πα. wolfe 
0-, d-, χώρᾳ ; | got. gebai 
i-St. | Ady. auf-ei | szale fiska 
| Adv. auf-nv merga 
ΤΕΣ ΠΟΥ ags. hearde, an. vida 
SR got. daga 
Zr καλῶς | got. galeiko, ahd. argo 
| τῆ | | 
vrka θεώ , velkeu | ags. nosu 
] ὁ 4 | 
ln τιμαί rankı | σοί. twa busundja 
N’ Phur | vrkäas | got. dagös 
j " | dsväs mergös got. gebos 
Ale Plür ΕΣ METER, ὍΣ: 
ΝΠ Τὴ dsväs got. gibös 
Gen. | vrkam θεῶν ᾿ vilkü | go τς wulfe, ahd.wolfo 
Plur. | dsva-nam  ranku | Ἢ . gibo 
Instr. R ZI 
Plur θεοῖς ı vilkars 
Pers. | Tank liSEREF SH LETE RE 
Braes suku got. nima, ahd. nimu 
AUS. | 
I SI Tat ar , TE — Summe ug χε - τ--------- [ε--- ΄ ἜΑ Zee = 
38g.Opt. | φέροι  te-suke got. bairai 
38g. | | | 
Praes. | φέρεται | got. hartada 


Med. | 


wesen. Vielmehr dürfte der schleifende Ton der Wurzelsilbe im 
Gen. Sing. durch den Silbenverlust bedingt sein. Über dieses und 
die damit zusammenhängenden Probleme wird, wie ich hoffe, von 
andrer Seite nächstens Licht verbreitet werden. 


Magdeburg. Herman Hirt. 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 


Bei Bearbeitung der Noreenschen Abhandlung über Sprach- 
richtigkeit oben S. 95 ff. habe ich sorgfältig vermieden, der 
Darstellung eine Färbung zu geben, die etwa meine eignen 
Anschauungen zur Geltung bringen könnte, mich vielmehr be- 
müht, möglichst unparteiisch den Standpunkt des Verfassers 
hervortreten zu lassen. Der Aufsatz erscheint daher in einer 
Gestalt, wie sie ihr etwa der Verfasser selbst, wenn sie deutsch 
und mit besonderer Rücksicht auf die Verhältnisse des Nhd. 
geschrieben wäre, gegeben hätte oder hätte geben können. 
Dieser Umstand, dass ich, um die Einheitlichkeit des Aufsatzes 
zu wahren, nicht nur darauf verzichtet habe, bei manchen 
Aufstellungen, die ich nicht zu den meinigen machen kann, 
Verwahrung einzulegen, sondern sie auch im Sinne des Ver- 
fassers durch Heranziehung neuen Materials zu stützen ver- 
sucht habe, mag es vielleicht rechtfertigen, dass ich mir ge- 
statte, nachträgliche Bemerkungen folgen zu lassen, die Fälle 
betreffen, bei «denen mir bei Umarbeitung der genannten Sehrift 
bedeutende Zweitel aufgestiegen sind. Ein weiterer Beweg- 
grund, der zu eimer etwas eingehenderen Besprechung herans- 
fordert, liegt in der Thatsache, dass die Arbeit eine Fülle 
neuer Gesichtspunkte aufweist, so dass keiner, der mit Fragen 
der Sprachrichtigkeit zu thun hat, sie unberücksiehtigt lassen 
darf, sondern zu ihr Stellung nehmen muss, sei es nun, dass 
er vom sprachphilosophischen Standpunkt an sie herantritt, sei 
es, dass er die Ergebnisse für die praktische Stilistik und den 
Unterricht, bei dem hinsichtlich der Sprachrichtigkeit noch 
unglaublich oft auf verkehrten Bahnen gewandelt wird, frucht- 
bar zu machen sucht. 

Hinsichtlich der Besprechung des litterarhistorischen 
Standpunkts wird man wohl durchweg den Ausführungen des 
Verf. Beifall zollen; bei der Behandlung des naturgeschicht- 
lichen Standpunkts gestatte ich mir dagegen mehreres zu be- 
merken. 

Zunächst möchte ich kurz auf die Stellung Schleichers 
zur Sprachrichtigkeitsfrage eingehen, da meines Erachtens 
die Charakteristik, die der Verfasser von dem grossen Toten ent- 


Arwid Johannson, Zu Noreens Abhandlung etc. 233 


wirft, nicht zutreffend ist. Obwohl Schleicher in der Sprach- 
forsehung die naturwissenschaftliche Methode zur Anwen- 
dung bringen will, ist er doch, hinsichtlich der Sprachriehtig- 
keit, wie ich glaube, von der naturgeschiehtlichen Richtung 
zu trennen, und durchaus, was Noreen übrigens in beschränk- 
terem Masse auch annimmt, als Vertreter des litterargeschicht- 
lichen Standpunkts aufzuführen. Deshalb sind wir jedoch 
nicht berechtigt, Schleicher der Folgewidrigkeit zu zeihen, 
denn es scheint mir ein Unterschied, ob er darauf dringt für 
die wissenschaftliche Erforschung einer naturwüchsigen Volks- 
sprache jede zu Gebote stehende sprachliche Erscheinung als 
Untersuchungsobjekt heranzuziehen und jeder in dieser Hin- 
sicht einen gleichen Wert beimisst, oder ob er, zumal bei einer 
Sprache wie der nhd. Sehriftsprache!), hinsichtlich der Rich- 
tigkeit über den Wert der sprachlichen Erscheinungen sein 
Gutachten abgibt und der einen vor der andern einen Vorrang 
zugesteht. Schleichers Anschauungen über die Sprachrichtig- 
keit kennen wir hauptsächlich aus semem Buche über die 
deutsche Sprache, in dem sie an der Hand des Nhd. zur 
Anwendung gekommen sind. Suchen wir sie uns nun aus ein- 
zelnen Fällen zu erschliessen. Dass Schleicher keinen "Abscheu 
segen die Analogiebildungen hegte, sie auch nicht alle als 
‘falsche’ brandmarkte, dürfte aus seinen eignen Ausführungen 
hervorgehen: ihm ist die Analogiebildung ein wesentlicher 
Faktor der Sprachbildung, denn schon in den ältern Sprach- 
perioden beginne die Analogie die Mamnigfaltigkeit der Formen 
auf das Notwendigste zu beschränken, das Streben nach be- 
quemer Uniformierung habe den Bau der Sprache immer mehr 
vereinfacht (a. a. Ὁ. 60f.). Im weitesten Umfang macht 
Schleicher bei der Erklärung der Formen von der Analogie 
Fenauche(wie 7: B2°S..61, 170, 172,7247 7251, u. 8: w.). 
Ausserdem ist zu bemerken, dass Schleicher in diesen Bei- 
spielen, wie auch an der Stelle, wo er das Wesen dieser Er- 
scheinung zum ersten Mal und am eingehendsten bespricht 
(S. 60f.), nur den Ausdruck Analogie’, nicht “falsche 

1) “An dem Mangel ausnahmslos durchgreifender 
Lautgesetze (sic!) bemerkt man recht klar, dass unsere Schrift- 
sprache keine im Munde des Volkes lebendige Mundart, keine un- 
gestörte Weiterentwickelung der älteren Sprachform ist.” (Deutsche 
Sprache * 173.) 


234 Arwid Johannson, 


Analogie'!) gebraucht. Es lässt sich auch, vom eignen 
Standpunkt Noreens aus, der Schleicher der naturhistorischen 
Gruppe zuzählt, beweisen, dass Schleicher keinen “Abschen’ 
gegen die Analogiebildungen gehabt haben kann. Denn, da es 
nach dieser Ansicht heisst: “Ist eine sprachliche Form einmal 
entstanden, so ist sie eo ipso daseinsberechtigt”, so könnte 
Schleicher auch emer durch falsche Analogie entstandenen 
Form nicht die Anerkennung versagen. Es mag immerhin 
zugegeben werden, dass die Forscher der Gegenwart mit Recht 
vieles auf analogischem Wege erklären, was Schleicher noch 
mit Hilfe eines Lautgesetzes ins reine bringen zu können 
glaubte; doch das ist ein ganz natürlicher Vorgang, dass jener 
der auf eines andern Schulter steht, einen weitern Ausblick 
hat, als sein Träger: Schleicher war es nur beschieden, das 
Fundament zu legen, man darf ihm also nicht verargen, dass 
er nicht jedes einzelne Stück richtig unter Dach und Fach 
gebracht hat. 

Dass jedoch Schleicher hinsichtlich der Sprachrichtig- 
keit durchaus dem litterargeschichtlichen Standpunkt zuzuzählen 
ist, geht aus seinen Aussprüchen hervor. Überall, wo es sich 
nicht um die wissenschaftliche Erforschung, sondern um den 
praktischen Wert der Sprache handelt, stellt er die Schrift- 
sprache hoch über die Mundart?). Wiederholt sieht er sich 
veranlasst, Formen, als in der Schriftsprache unberechtigt, als 
nur der Mundart angehörig, zurückzuweisen, wie z. B. 213, 228. 
Doch zwei Aussprüche finden sich, die, aus ihrer Umgebung 


1) Übrigens scheint mir diese Bezeichnung mit wenig Recht 
verketzert zu werden; man muss nur den Ausdruck “falsch’ nicht 
auf das Vorsichgehn der Assoziation selbst, sondern auf das Er- 
gebnis derselben beziehen; denn da das Sprechen ausser der Re- 
produktion auf der Assoziation beruht, diese aber in ihrem Resultat 
entweder sich mit dem schon Bestehenden deckt, also zu dem- 
selben Ziel führt, wie die Reproduktion, oder aber von dem Be- 
stehenden abweicht, und somit etwas neues schafft, so ist es nicht 
unwillkommen, für diese Art der Assoziation einen besonderen Aus- 
druck zu haben. 

2) “Schriften in Volksmundarten .... müssen immer die Dar- 
leeung des mundartlichen Wesens, der Sprache und der lokalen 
Anschauungs- und Darstellungsweise zum Zwecke haben, nicht aber 
darf die mundartliche Sprache als blosses Mittel der Mitteilung auf- 
treten. Dies Recht steht nur der einen allgemeinen hochdeutschen 
Schriftsprache zu” (a. a. O. 112). 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 235 


herausgerissen, den Anschein erwecken können, als ob Schleicher 
dem naturgeschichtlichen Standpunkt das Wort geredet habe, 
die aber im Zusammenhang betrachtet, gerade das Gegenteil 
beweisen. “Wir müssen, um gut zu sprechen, sprechen, wie 
der Schnabel uns gewachsen ist.“ Dieser Satz, den auch 
Noreen heranzieht, findet sich S. 210 und wird gegen den 
gerichtet, der sich bemüht neben schneiden stehen und nicht 
schtehen zu sprechen. Die ganze Stelle lautet: “Hier ist es 
am besten, so zu reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist, 
entweder überall sch oder überall s. Die Künstelei führt auch 
hier, wie überall, nicht zur vermeintlichen Korrektheit, sondern 
zur Sprachwidrigkeit. Nur ist eben zu merken, dass das Fest- 
halten am alten s nicht hochdeutsch, sondern niederdeutsch 
ist; wer hochdeutsch sprechen will, der muss schprechen, 
schtehen, schtechen u. s. f. sagen, so gut als schwein, schnell 
u. 5. f. Fort also mit dem gouvernantenmässigen, uns wider- 
strebenden und der Sprache unangemessenen sprechen, stehen, 
stechen u. 8. f. mit reinem κ΄ damit scheint mir doch weiter 
nichts gemeint als: wer dem niederdeutschen Dialekt angehört, 
soll überall s, wer dem hochdeutschen Dialekt angehört, 
überall sch sagen, nicht aber der eine oder der andere bald 
sch, hald s sprechen. Wer dagegen schriftdeutsch reden will, 
der muss, um richtig zu sprechen, überall sch anwenden. 
Ähnlich verhält es sich mit folgendem Satz auf S. 284 f.: 
“Keine grammatische Form findet man so häufig falsch ge- 
bildet als diese (nämlich solche Opt. Imperf. wie begänne statt 
begönne). (uäle man sich nicht mit Herstellung eimer Uni- 
torm für alle Verba, sondern wähle jeder die Form, die ihm 
mundgerecht ist. Mit Rücksicht auf das, was Schleicher un- 
mittelbar vorher von den Optativen gesagt hat, glaube ich die 
Stelle so auslegen zu müssen: wenige gebrauchen die lautge- 
setzliche Form, die meisten die analogische, und trotz dem 
Gebrauche der Mehrheit ist diese Form falsch. Schleicher hat 
also durchaus Stellung genommen: er duldet begänne zwar, 
erklärt es aber ausdrücklich für falsch. Das ist doch etwas 
anderes, als wenn er sagen wollte: begänne und begönne sind 
gleich gut, gleich richtig. 

Zum Schluss erlaube ich mir noch, um zu zeigen, dass 
Schleicher hinsichtlich der Sprachrichtigkeit zur ersten Rich- 
tung gehört und sich mithin zwischen der lautgesetzlichen und 


236 Arwid Johannson, 


der analogischen Form zu gunsten der ersten entscheidet, 
einige Belege anzuziehen; man vergleiche sein Urteil in Ver- 
hältnissen wie spitzfündig — spitzfindig (S. 180), lüderlich 
— liederlich (S. 186), triegen — trügen (S. 191), bleib — 
bleibe (5. 274), ward — wurde (ὃ. 283), sog — saugte (S. 287), 
diünkt, deuchte deucht, deuchte — dünkt, dünkte (ὃ. 289) 
u. 5. w. Das mag genügen; dem Suchenden begegnen in dem 
;uche auf Schritt und Tritt solche Beispiele. 

Dem nachdrücklichen Einspruch Noreens gegen die Be- 
rechtigung, die Norm für die Sprachrichtigkeit nach dem Ge- 
brauch der Quantität der Redenden zu regeln, muss ich fast 
in allen Stücken beipflichten. Ganz unberührt von diesem ver- 
nichtenden Angriff bleibt dagegen eine andere Anschauung, 
die sich zwar ebenfalls auf den Brauch gründet, aber nicht 
auf den Brauch der Menge der Redenden, sondern auf den 
der Güte der Redenden, bezw. Schreibenden. Richtig ist 
also nicht die Ausdrucksweise der Mehrzahl, sondern die 
Sprache, die die guten Schriftsteller und Redner verwenden). 
Es ist das eine Ansicht, die schon im Altertum viele Anhänger 
zählte, und die man noch heutzutage in Deutschland, mehr oder 


1) Man darf den Begriff des Wortes richtig in Fragen des 
Sprachgebrauchs nicht auf die Spitze treiben. Unter Sprachrich- 
tigkeit ist nicht das zu verstehn, was den Gesetzen der sprachlichen 
Entwickelung gemäss ist, denn dann wäre die Form dünkte genau 
so richtig wie deuchte, dann könnten wir eigentlich von “ richtig 
und falsch einer Sprachform”, wie meiner Überzeugung nach Ost- 
hoff treffend bemerkt, gar nicht reden, und eine Untersuchung 
über die Richtigkeit einer Sprachform, wie überhaupt alles histo- 
risch gewordenen, wäre unmöglich. Man muss vielmehr richtig nur 
als Ausdruck einer Wertangabe betrachten, statt dessen wir auch 
farblosere Bezeichnungen, wie etwa gut, empfehlenswert u. a. 
wählen könnten. So ist es zu verstehen, wenn ich im folgenden 
von sprachrichtig rede, und zwar wende ich den Ausdruck auf die 
gegenwärtig vorliegende Entwickelungsform der Sprache an, wäh- 
rend dagegen richtig in jener ersten Bedeutung zu dem Ursprung 
oder der Entwickelung einer Form in Beziehung gesetzt wird, und 
somit hauptsächlich auf einen verflossenen Zeitraum in der Sprache 
hinzielt. 

Beim “rationellen’ Standpunkt nimmt das Wort häufig die 
Bedeutung "zweckmässig für die weitere Entwickelung der Sprache’ 
an, blickt also offenbar in die Zukunft. Für diese Spielart des Be- 
griffs "sprachrichtig’ gebrauche ich lieber den Ausdruck "zweck- 


mässig’. 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 237 
minder bewusst, überaus häufig zur Anwendung bringt. Als 
der älteste Vertreter dieser Richtung dürfte wohl Krates von 
Mallos anzusehn sein und mit ihm die ganze anomalistische 
Schule (vgl. Steinthal Geschichte der Sprachw. bei d. Griechen 
und Römern 490). Dieselbe gewann immer mehr und mehr die 
Oberhand, so dass schliesslich selbst die Analogisten zur Ano- 
malie umschlugen und sich genötigt sahen ihr die grössten 
Rechte einzuräumen, ohne zu merken, dass sie dadurch über 
ihren eignen Standpunkt den Stab brachen (vgl. Steinthal 
a. a. Ο. 018 ἢ). Am weitesten vorgeschritten in dieser Er- 
kenntnis ist der Analogist Quintilianus (Institutiones I 6): 
“ consuetudinem sermonis vrocabo consensum eruditorum, sicut 
vivendi consensum bonorum; “consuetudo vero certissima 
loquendi magistra. Formen, die der Analogie gemäss wären, 
dürften jedoch nicht verteidigt werden, wenn sie nicht zum 
Sprachgebrauch stimmten; nur im zweifelhaften Fällen habe 
die Analogie zu entscheiden, “incerta certis probet.’ Es ist 
das also im wesentlichen der Standpunkt, der unter den ältern 
Gelehrten von K. L. Heyse (vgl. Socin Schriftsprache und 
Dialekte 473 f.) und von R. v. Raumer eingenommen wird, und 
der in der Gegenwart durch Paul (Prinzipien? 350 ff.) und 
ganz besonders durch Behaghel (Deutsche Sprache 46 ff.) sei- 
nen deutlichsten Ausdruck gefunden hat. Die Gedankenfolge 
dieses Standpunkts, den ich den kombinierenden nennen 
möchte, ist folgende: 

“Was gebräuchlich ist, ist sprachrichtig, was nicht ge- 
bräuchlich ist, widerspricht der Sprachrichtigkeit” (Behaghel). 
“Es kann das aber nicht der Usus der Gesamtheit sein” . .. 
“Sowohl um eine Einheit herbeizuführen als um eine schon 
vorhandene aufrecht zu erhalten, ist etwas erforderlich, was 
von der Sprachthätigkeit der Gesamtheit unabhänig ist, dieser 
objektiv gegenüber steht. Als solches dient überall der Usus 
eines bestimmten engen Kreises” (Paul). “ Die Stimmen dürfen 
nicht nur gezählt, sie müssen auch gewogen werden; nicht 
bei denen kann man lernen, was gute Sitte ist, die auf Sitte, 
auf äussere Form keinen Wert legen” (Behaghel). “Dem 
übereinstimmenden Sprachgebrauch der klassischen Sehrift- 
steller hat er (nämlich der Grammatiker, der diesen verzeichnet) 
sich zu unterwerfen, er mag ihm nun gefallen oder nicht” 
(vgl. Raumer Gesamm. sprachw. Schriften 160). “ Eine Schrift- 


238 Arwid Johannson, 


sprache, die dem praktischen Bedürfnisse dienen soll, muss 
sich gerade wie die lebendige Mundart mit der Zeit verän- 
dem.” .... Der Sprachgebrauch der Gegenwart muss neben 
dden alten Mustern, wo nicht ausschliesslich zur Norm werden.” 
(Paul). “Selbst für die sorgfältigste Beobachtung, für das 
feinste Sprachgefühl muss ein Rest bleiben, wo der Sprachge- 
brauch für die Sprachrichtigkeit nicht mehr den Ansschlag 
geben kann. In dem Kampf zwischen Altem und Neuem muss 
es Augenblicke geben, wo beide Mächte sich die Wage halten, 
wo für verschiedene Gebrauchsweisen sich gleich viele und 
gleich starke Autoritäten geltend machen lassen, was ist in 
solchen Fällen zu thun? Die Rücksicht auf die Verständlich- 
keit in der Gegenwart kann es nicht thun; so entscheide die 
Rücksicht auf die Zukunft” (Behaghel). 

Wie man ersieht, läuft die Anschauung im wesentlichen 
auf dasselbe hinaus, wie die Noreens, denn auch nach dieser 
wird dem eine gute Sprache zuerkannt, der so spricht und 
schreibt, wie die guten Redner und Schriftsteller (5. 155 
und 157). Beide Anschauungen treffen wohl am selben Ziel 
zusammen, aber schlagen nur zum Teil denselben Weg ein. 
Der Unterschied spitzt sich hier zur Frage zu, was einen guten 
Schriftsteller ausmache. Laut Noreen ist derjenige ein sol- 
cher, der sich von den bei der Besprechung des rationellen 
Standpunkts gegebenen Gesichtspunkten leiten lässt. Warum 


c 


ich mir diese nicht in allen Stücken zu eigen machen kann, 
will ich weiter unten darzulegen versuchen. Meimes Erachtens 
kommen bei der Frage nach dem stilistischen Wert eimes 
Schriftstellers folgende Hauptmomente inbetracht, die ich nur 
in aller Kürze anführe, dla die Mehrzahl von ihnen teils von Noreen 
vortrefflich behandelt ist, teils sich mit Leichtigkeit aus seinem 
(S. 114) an die Spitze gestellten Grundsatz ableiten lässt. 

l. Die Darstellung muss der Verstandesthätigkeit Vor- 
schub leisten: 

a) Die Darstellung muss verständlich sein, sowohl im 
einzelnen Ausdrücken, als auch im Bau und in der Verknüpfung 
der Sätze. 

b) Der Begriff, der zum Ausdruck gebraelit werden soll, 
muss bestimmt gedacht und demgemäss auch mit Bestimmtheit 
ausgedrückt werden; so z. B. müssen die feinen Bedeutungs- 
unterschiede der sinnverwandten Wörter beobachtet werden 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 239 


(wie leib — körper, manche — viele u. 8. w.), desgleichen 
auch die synonymischen Wortformen (wie neuheit — neuigkeit, 
unterschied — unterscheidung) auseinander gehalten werden. 


e) Die Darstellung muss kurz und bündig sein, sowohl 
in syntaktischer, als auch in formeller Beziehung. 

d) Sie muss logisch sein, darf keine innern Widersprüche 
oder falsche Folgerungen enthalten. 

II. Die Darstellung muss dem Schönheitsgefühl Genüge 
leisten: 

a) Der einzelne Ausdruck oder die Darstellung eines 
Teiles muss dem Habitus oder der Stilart des grössern Ab- 
schnitts angemessen sein. Zur Einheitlichkeit des Stiles gehört 
auch seine Reinheit d.h. das Freisein von entbehrlichen Fremd- 
wörtern. 

b) Die Ausdrücke müssen noch sinnliche Frische und 
Anschauliehkeit besitzen; abgeblasste, wie auch abgegriffene 
Wörter und Bilder sind zu meiden. 

ce) Die Darstellung muss über Reichtum und Mannigfaltig- 
keit in der Ausdrucksweise verfügen !). 

Behaghel meint “die Krücken der Logik und Ästhetik ἢ 
bei der Wertbestimmung des Stils entbehren zu können. Wenn 
auch zuzugeben ist, dass den einzelnen in Frage kommen- 
den Fällen sich nicht immer scharfe Grenzen ziehen lassen, 
so wird anderseits dieser Mangel dadurch ausgeglichen, dass 
nicht jeder Gesichtspunkt für sich allem in betracht kommt, 
sondern gleichzeitig alle zusammen wirken müssen. Ganz und 
gar nicht ist des Massstabs der Zweckmässigkeit und der 
Schönheit bei Beschaffung einer richtigen Anschauung vom 
Stil einer Schrift da zu entraten, wo es sich um eme Sprache 
handelt, die noch keinen anerkanntermassen mustergiltigen 
Schriftsteller hat. Wo aber ein solcher vorhanden ist, sei 
es nun auch in einer weiter zurückliegenden Zeit, da kann 
man diesen Massstab schon leichter missen, denn hier hat man 
schon festen Boden unter den Füssen: die bisher rein theo- 
retische Norm hat sich in eine praktische umgesetzt, Me- 


1) Über Stilistik im allgemeinen vergleiche Behaghel Deutsche 
Sprache 42-46 und namentlich Beckers deutschen Stil?  bear- 
beitet von Lyon, ein etwas breit angelegtes Buch, das neben vielen 
verkehrten Anschauungen vom Wesen der Sprache eine Fülle feiner 
Bemerkungen enthält. 


940 Arwid Johannson, 


thode und Resultat können sich gegenseitig kontrollieren. Aus 
den guten Schriftstellern eines vergangenen Zeitraums, deren 
Wert über allen Zweifel erhaben ist, erhellt, was für Anforde- 
rungen wir an die Schriftsteller der Gegenwart zu stellen haben. 
Es hat sich dadurch ein Stilgefühl herausgebildet, so dass im all- 
gemeinen keine Uneimigkeit zu bestehen pflegt, welchen Schritft- 
steller man als einen guten Stilisten zu bezeichnen hat. G. Frey- 
tag, P. Heyse, G. Keller, Ranke z. B. werden fast einstimmig 
als mustergiltige Stilisten der Gegenwart angesehn, ohne dass 
meines Wissens eine umfassendere Untersuchung über ihren 
Stil angestellt worden ist. Diesen werden wir also zu folgen 
haben, wenn wir richtig sprechen wollen. Wo die Vorbilder 
aber selbst uneinig unter einander sind, oder auch uns ganz 
im Stiche lassen, da haben wir das zu wählen, was für die 
weitere Ausgestaltung der Sprache am dienlichsten ist. Ein 
gründlicher Kenner der Geschichte seiner Muttersprache wird 
uns mit ziemlicher Wahrschemlichkeit den Weg weisen können, 
den die Sprache in ihrer nächsten Entwicklungsstufe ein- 
schlagen dürfte. 

Ich gehe jetzt zur Behandlung des rationellen 
Standpunkts über, für den ich lieber als Namen “Zweck- 
mässigkeitsstandpunkt” vorschlagen möchte, und gedenke 
ihn nur insoweit einer Erörterung zu unterziehen, als ich mich 
mit ihm nicht emverstanden erklären kann. 

Der Grundsatz “ein Sprachgebrauch, der am besten das 
Mitzuteilende dem Angeredeten beibringt, ist der beste; absolut 
unrichtig ist, wenn er das nicht vermag; was hier gut ist, 
ist da schlecht”, der in dieser allgemeinen Fassung sich so 
natürlich ausnimmt, würde zur Unmöglichkeit, wenn er wirk- 
lieh in emem eingehenden Werk über Sprachrichtigkeit, das 
doch durchaus zu wünschen ist, die Grundlage einer bis in alle 
Einzelheiten ausgearbeiteten Norm abgeben sollte. Denn da 
nicht nur die verschiedenen Spielarten der Redenden, sondern 
auch die der Angeredeten inbetracht kommen müssten, so er- 
hielten wir eme wnabsehbare Menge von Normen für die 
Sprachrichtigkeit, und der Grundsatz verlöre nieht nur für den 
Schulunterricht, sondern überhaupt allen praktischen Wert"). 

I) Ein beliebiges Beispiel: Vom Feldmarschall Wrangel, des- 
sen Ausdrucksweise bekanntlich vom Gebrauch der Schriftsprache 
bedeutend abwich, wird erzählt, er habe in einer Gemäldeausstel- 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 241 


Es scheint mir wahrscheinlich, dass Noreen seinen Satz nicht 
so verstanden haben will, sondern, wie aus denjenigen Bei- 
spielen der ganzen Arbeit, bei denen nichts ausdrückliches 
über die Sprachstutfe des Redenden bemerkt ist, erhellt, geht 
er zwar stillschweigend, doch, wie ich meine, mit Recht von 
der Voraussetzung aus, dass erstens Redender und Angerede- 
ter auf der gleichen Höhe sprachlicher Bildung stehn, zweitens 
für alle hier behandelte Punkte durehgehends die gleiche 
Spielart der Sprache anzunehmen ist, und zwar legt er, wie 
S. 99 Anm. 1 ausdrücklich bemerkt wird, die gesprochene 
Sprache zugrunde, und wie die angezogenen Beispiele noch 
deutlicher erweisen, was gemeint ist, die dialektfreie Umgangs- 
oder alltägliche Verkehrssprache, nicht die Schrift- oder Ge- 
meinsprache. Aus der eben zitierten Anmerkung, falls ich sie 
richtig erfasse, scheint hervorzugehen, dass der Verf. für die 
bestehende Schriftsprache hinsichtlich der Sprachrichtigkeit 
eine besondere Stellung verlangt: während für die Form der 
Umgangssprache als Norm die Zweckmässigkeit aufgestellt 
wird, wird der Schriftform der Brauch zugrunde gelegt (allra 
ist die bessere Schriftform, aldra besser in der gesprochenen 
Sprache, vgl. im Original S. 4 Anm. 2 u. ὃ. 6)'). Was mich 
abhält dieser Theorie beizupflichten, sind folgende Bedenken: 

1) Da es mir richtiger scheint, dort eine Grenze zu ziehn, 
wo ein natürlicher Abschluss vorliegt, so wäre es vielleicht 
empfehlenswerter gewesen, als Norm die prosaische Form 
der Sehriftsprache aufzustellen. Denn zwischen der Schrift- 


lung gefragt, von wem ein bestimmtes Bild gemalt sei. — “Von 
mir, Excellenz”, war die Antwort. “Von Mir, das ist wohl kein 
deutscher Maler?” — “Ich meine, von mich” — “ Ach so, von Sie, 
na das freut mir”. —- In diesem Fall wäre also als Norm aufzu- 


stellen: von mit. dem Ace. ist das beste, absolut unrichtig ist von 
mit dem Dat. 

1) Jedoch auch für die Umgangssprache kann dieser Stand- 
punkt nicht ganz der Norm, die durch den Gebrauch gegeben wird, 
entraten: Auf ihn gründet sich der Geschmack der Redenden, 
dem eine modifizierende Bedeutung zugewiesen wird (S. 113 Anm. 1): 
von im übrigen gleich guten Formen ist die gebräuchliche die 
bessere (S. 133); der Brauch übt auf Aussprache, Wortform und syn- 
taktische Anwendung derselben eine Autorität aus, auf die erste 
die grösste, auf die letzte die geringste (ebd.). Wann das Prinzip der 
Zweckmässigkeit, wann das der Gebräuchlichkeit zur Anwendung zu 
kommen hat, dürfte nicht in allen Fällen leicht zu entscheiden sein. 


949 Arwid Johannson, 


sprache und der Umgangssprache besteht kem  prinzipieller 
Unterschied, sondern nur ein gradueller; es finden sich so rege 
Wechselbeziehungen und innig verwobene Zusammenhänge 
zwischen beiden, dass die Stelle, an der ein Querschnitt vor- 
genommen werden soll, immer etwas willkürlich ausgewählt 
werden muss. 

2) Die Norm, die der Schriftsprache entnommen wird, 
erfüllt besser ihren Zweck emer möglichst grossen Anzahl als 
Mittel der Verständigung zu dienen. Die Norm, die man aus 
der Umgangssprache gewinnt, würde hingegen eine zentrifugale 
Wirkung ausüben, da es, wenigstens auf deutschem Boden, 
keine allgemein geltende Umgangssprache gibt. Während die 
Umgangssprache der Gebildeten Norddeutschlands nur unerheb- 
lich von der Schriftsprache abweicht, spielt in die Verkehrs- 
sprache der Würtemberger, Östreicher, Schweizer die örtliche 
Mundart so stark hinein, dass wir demgemäss für die Um- 
gangssprache jedes dieser Gebiete eme besondre Norm ΔῈ 
stellen müssten. Man versuche nur die Theorie in die Praxis 
zu übersetzen, und etwa für jede Mundart ein ausführliches 
Register der Sprachrichtigkeit aufzustellen, man wird dann 
die Zersplitterung recht deutlich gewahr werden. 

3) In der Umgangssprache ist im allgemeinen das be- 
wusste Bestreben, sprachriehtig zu sprechen nicht sonderlich 
stark ausgeprägt Es herrscht vielmehr die Neigung zur Be- 
quemlichkeit, zum Sichgehnlassen und lässigen Reden, zum 
Verharren im gewohnten Gleise vor. Je weniger gebildet je- 
mand ist, um so weniger wird er auch das Bedürfnis fühlen, 
Sorgfalt auf die Richtigkeit zu verwenden, es genügt ihm nur 
irgend wie seine Meinung kund zu geben, wie er es eben ge- 
wohnt ist, “wie ihm gerade der Schnabel gewachsen ist”). 
Ist aber in der Umgangssprache das Streben, richtig zu spre- 
chen, so wenig entwickelt, so erscheint es mir auch nicht 
billie, sie als erstrebenswerte Norm vorzuhalten. Es dünkt 
mich passender als Norm die Schriftsprache aufzustellen und 
(lie Sprachrichtigkeit nach dem Abstand von dieser Norm zu 
bemessen. Selbstredend muss ein Unterschied gemacht wer- 
den zwischen dem, was als Muster vorgestellt ist und dem, 

1) Abgesehen natürlich von den Fällen, wo er im mündlichen 
oder schriftlichen Verkehr sich einer ganz besondern Sorgfalt be- 
tleissigen zu müssen glaubt. 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 243 


was, veranlasst durch besondere Umstände, zugelassen werden 
kann. Eine Konstruktion, wie von mich, ist nur als Notnagel 
anzusehn und darf nicht zum Gesetz erhoben werden. Das 
Streben des Gesetzes geht auf Vervollkommnung; die Handlun- 
sen derer können uns daher nieht wohl Gesetz sein, die in 
ihrer geistigen Entwicklung noch weit von Vollkommenheit 
entfernt sind). 

4) Übrigens langt Noreen am Ende seiner Arbeit (8. 155) 
auch auf dem Punkte an, von dem ich ausgegangen bin. 
Seine Schlussfolgerung lautet so: es nehmen gewisse Redner 
und Schriftsteller Sprachformen, die sie aus der Umgangs- 
sprache unter Befolgung der von ihm entwickelten Gesetze der 
Sprachriehtigkeit gewonnen, in die Schriftsprache auf, mithin 
zählen sie in stilistischer Beziehung zu den grossen Rednern 
und klassischen Verfassern; will man nun gut reden und 
schreiben, so muss man als Vorbild ihre Sehriften benutzen. 
Man gelangt also auf diesem Wege dazu, die aus der Schrift- 
sprache (nicht aus der Umgangssprache) geschöpfte und auf 
jener beruhenden Norm als Richtschnur auch für die Um- 
gangssprache anzuerkennen ?). 


1) Das gilt natürlich auch von der Sprache der Kinder 
und den Bestrebungen ihrer Sprache Muster für die Sprache der 
Entwickelteren zu entnehmen. Der S. 127 aufgeführte Gedanke 
Max Müllers hat neuerdings in Löwe (Ztschr. d. Vereins f. Volks- 
kunde I 61 ff.) einen Verteidiger gefunden, dem zufolge Lautwandel 
wie Analogiebildung “ in letzter Instanz aus der Sprache der spre- 
chen lernenden Kinder abzuleiten” ist. Für eine Litteratursprache 
mindestens ist dieser Gesichtspunkt so gut wie ganz ohne Belang, 
da die von Kindern, die sich die Sprache erst anzueignen haben, 
ausgehenden Neuerungen wirkungslos im Verkehr mit den der 
Sprache Kundigen untergehen. Vgl. auch S. 245 f. 

2) Anlässlich des Streites zwischen der Anomalie und Analogie 
fällt ein Anhänger jener, Sextus Empirieus (πρὸς τοὺς μαθηματικούς 
I 201) folgendes Urteil: Ἵνα γὰρ deitwcıv (nämlich die Analogisten), 
ὅτι οὐ διαλεκτέον κατὰ τὴν cuvNdeıav, εἰεάγουει τὴν ἀναλογίαν ἡ δέ 
ἀναλογία οὐκ ἰεχυροποιεῖται. εἰ μὴ εὐυνήθειαν ἔχοι τὴν βεβαιοῦςαν. Da 
bei den Anomalisten ευνήθεια geradezu“ Gebrauch der mustergiltigen 
Schriftsteller” bedeuten kann, so träfe der Ausspruch auch im vor- 
liegenden Fail zu, wenn es nicht zu kühn wäre, für ἀναλογία “ Norm 
der Umgangssprache” einzusetzen, wofür wir allerdings eine gewisse 
Berechtigung haben, da der Standpunkt der alten Analogisten sich 
vielfach mit dem Zweckmässigkeitsstandpunkt berührt und der Ana- 
logie bei diesem auch ein weitumfassender Wirkungskreis zuge- 
wiesen ist. Siehe im Text S. 244. 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 16 


244 Arwid Johannson, 


ὃ) Der Zweckmässigkeitsstandpunkt kann Anwendung 
finden, wenn es eine Entscheidung abzugeben gilt in Fällen, 
wo es sich um die genauste und schnellste Auffassung und 
die leichteste Hervorbringung handelt. In fast allen andern 
Fragen, wo diese Kategorieen sich nicht anwenden lassen, 
versagt er; so 2. B. kann man bei diesem Standpunkt keme 
Gewissheit erzielen, ob man dinte oder finte, hilfe oder hülfe, 
sträuche oder sträucher, dorne, dörner oder dornen, trotz 
des Regens oder dem Regen, mir oder mich dünkt u. 5. w. 
sagen soll, da die zusammengehörigen Beispiele sich gleich 
leicht hervorbringen lassen und verstanden werden. Hier muss 
man doch seime Zuflucht zum Sprachgebrauch nehmen, was 
der Verf. selbst auch anzudeuten scheint (S. 133). 

Sehr bezeichnend für den Zweckmässigkeitsstandpunkt 
ist, dass Noreen bei der Frage nach der Sprachriehtigkeit 
der Analogie einen solch ungemeim weiten Spielraum einräumt. 
In dieser Beziehung sind schon zur griech.-röm. Zeit die Ana- 
logisten, die Gegner der anomalistischen Lehre vom muster- 
giltigen Sprachgebrauch, seine Vorläufer. Schon damals wurde 
die Analogie angewandt, um eine praktische Sprachrichtigkeit 
herzustellen: Ζεύς sollte z. B. Zeöc, Zei, Zea flektiert werden, 
ja selbst klassische Schriftsteller, wie Thukydides, entgiengen 
nicht der Massregelung (vgl. Benfey Gesch. d. Sprachw. 153 f.). 

Schon von I. Flodström (Nystavaren 1887 5. 143 ff.) 
sind im einer kleinen, sehr lesenswerten, den Noreenschen Auf- 
satz ergänzenden Schrift, die Noreen in der zweiten Auflage 
seiner Sprachrichtigkeit auch berücksichtigt, jedoch, wie ınir 
scheint, nicht überall in gebührendem Masse, Bedenken vor- 
gebracht worden. Auf den wesentlichen Inhalt dieser Schrift, 
so weit er nicht deutlich bei Noreen zum Ausdruck kommt, 
gehe ich hier kurz ein, da sie wohl den meisten deutschen 
Lesern unbekannt sein dürfte. So rügt er, dass die Lautge- 
setze bei der Frage nach der Sprachricehtigkeit nicht zu ihrem 
Rechte kommen, was bei einem Forscher wie Noreen, der 
eine so erspriessliche Thätigkeit auf dem Gebiete der Laut- 
lehre entfaltet habe, um so mehr zu verwundern sei. Sie 
stellten vielleicht weniger das Absterben und den Verbrauch 
des Materials dar, sondern sehlössen vielmehr eine Absehlei- 
fung, eime Verfeinerung des Vehikels der Gedanken in sich, 
wodurch die Mitteilung handlicher werde, da man nicht lang- 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 245 


samer m der Rede als im Gedankengang zu sein brauche). 
Welehe Machtstellung die Lautgesetze einnähmen, leuchte z.B. 
daraus hervor, dass im Nom. Plur. der aschwed. starken 
Neutra kraft eines mechanischen Lautgesetzes das « geschwun- 
den sei, wodurch die Form vollkommen mit dem Nom. Sing. 
zusammenfiel, bord = Tisch und Tische 5). “ Die Schwierigkeit, 
die Pluralendungen im Widerstreit mit den durch die Aus- 
sprache bedingten Verhältnissen, die sich auch sonst geltend 
machten, beizubehalten, war grösser als die infolge des Zu- 
sammenfalls der Formen entstandene Schwierigkeit für das 
Verständnis.” Systematische Ausgestaltung und organischer 
Zusammenhang in der Sprache sei zwar ein grosser Vorteil, 
der aber ebenso gut auch für die physische Seite der Sprache 
Giltigkeit habe. 

Auch der Umstand ist nicht ausser Acht zu lassen, dass 
fast jede analogische Ausgleichung hüben die Zerreissung eines 
Zusammenhangs drüben zur Folge hat, eine Erkenntnis, die 
sich auch bei dem gemässigten Analogisten Quintilianus findet 5). 
So ist z. B. gemäss der Ansicht Noreens (Original S. 25) rysa — 
rös eine empfehlenswerte Analogiebildung nach frysa — frös. 
Da aber hysa, Iysa, mysa im Präteritum hyste, myste, Iyste 
aufweisen, so ist schwer einzusehn, warum gerade rös eine 
bessere Form sein soll als vyste. Rycka — röck nach ryka 
— rök scheint mir nicht nur deshalb “nicht ganz so gelungen ”, 
weil die Quantität des Stammvokals in beiden Verben verschieden 
ist, sondern vor allem auch, weil es umnütz von knycka — 
konyckte, tycka — tyckte losgerissen wird. Recht typische 
Beispiele, wie durch Herstellung von Analogieen andre wichtige 
Zusammenhänge zerrissen werden, gewährt die Sprache der 
Kinder. Auf die Ausgestaltung der Sprache können diese gar 
nicht einwirken, denn sie sind im sprachlicher Beziehung — 
Fremde. Weil sie sich die Sprache noch nicht ordentlich an- 
geeignet, sind sie nicht imstande, gedächtnismässig zu repro- 
duzieren, sondern genötigt, die Form, deren sie gerade be- 

1) Vgl. jetzt auch Jespersen Studier over engelske kasus, 
förste rekke 1591 8 9. 

2) Dieses Beispiel findet sich auch bei Noreen, jedoch nieht zur 
Erhärtung der Wirksamkeit der Lautgesetze angeführt (Original S. 18). 

3) Instit. 1 0 15: “ meminerimus non per ommia duei analogiae 
posse rationem, cum et sibi ipsa plurimis in locis repugnet.” 


240 Arwid Johannson, 


dürfen, durch eine Proportion zu erschliessen, und da die 
thatsächlich vorhandenen sprachlichen Formen nur oberfläch- 
lich in ihrem Bewusstsein haften, können sie keine Kontrolle 
ausüben; die Folge ist die Unmasse der verschiedenartigsten 
Entgleisungen. Die Behauptung, dass unregelmässig, mehr 
vereinzelt stehende Formen die Leichtigkeit des Sprechens und 
Verstehens beemträchtigen, möchte ich nur sehr bedingt aner- 
kennen. Dass dem Fremden dadurch die Erlernung der 
Sprache erschwert wird, liegt auf der Hand), kommt aber so 
gut wie gar nicht inbetracht, da meines Erachtens bei Fragen 
der Sprachriehtigkeit die Rücksichtnahme auf die Bequemlich- 
keit der Fremden ganz fallen gelassen werden kann. Für den 
Einheimischen aber, als Angehörigen einer Kultursprache, 
möchte ich auch diese Ungelegenheit nicht allzu hoch an- 
schlagen, da ihm die Sprachthätigkeit doch ganz mechanisch 
geworden. Ein Grieche bezw. ein Deutscher wird wohl kaum 
bei einem Wort wie Διός bezw. besser ratlos sein, wenn es 
gilt Ζεύς bezw. gut ausfindig zu machen oder das Zusammen- 
gehörige in Beziehung zu setzen. Um so weniger wird für 
ihn die Unregelmässigkeit ins Gewicht fallen, je mehr er den 
durch die schriftliche Fixierung zu grösserer Stetigkeit ge- 
langenden Gebrauch auf sich wirken lässt. 

Was die überflüssige Formunterscheidung anbe- 
trifft, hat man die Frage aufzuwerfen, ob wirklich die Ersparnis in 
lautlicher Hinsicht den Misstand aufwiegt, der daraus entsteht, 
dass nicht jede einzelne Form an sich selbst (nicht durch Ver- 
bindung mit andern) als solche gekennzeichnet wird. Jag 
känner professorns söner, som bor pa landet; bor, das 
sowohl “wohnt’ als auch “wohnen vertritt, ist hier entschie- 
den mangelhaft. Ebenso lässt uns das Relativum som darüber 
im Dunkeln, ob es als Sing. oder Plur. zu verstehen ist: pro- 
fessorns söner, som 760 känner. Dieselbe Ungelegenheit 
findet sich auch beim deutschen Relativum. Eim Satz, wie 
ich ihn neulich in einem Briefe gesehn, “die Verschreibung 


1) Demgemäss müssten wir auch annehmen, dass es einem 
Kinde, dessen Muttersprache durch den Lautwandel sehr zersetzt 
ist, wie etwa das Altirische, schwerer fällt, sich diese anzueignen, 
als etwa einem deutschen oder schwedischen Kinde. Ob dieses 
thatsächlich der Fall ist, weiss ich nicht, möchte es aber, so lange 
nicht der Beweis erbracht ist, bezweifeln. 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 247 


über die 1000 Mark, die B. zur Verwahrung übernommen, 
ist datiert vom u. 5. w.', liess den Leser ungewiss, ob die 
Verscehreibung oder die Summe selbst zur Verwahrung über- 
nommen worden ist. In "soweit die deutsche Zunge klingt 
und Gott im Himmel Lieder singt” wird Gott häufig genug 
für einen Nominativ gehalten. Eine reichhaltige Sammlung 
von Beispielen für solche Misstände bieten Sanders Haupt- 
sehwierigkeiten !% 352f., auch Keller Antibarbarus δ {. 42, 
Andresen Sprachgebrauch 365 f. 370. Ich hebe noch einige 
heraus. "Seinem Landsmann, dem er in seiner ganzen Bil- 
dung ebensoviel verdankte, wie Goethe” (Nom. oder Dat.?). 
“Doch würde die Gesellschaft der Imdierin (Gen. oder 
Dat.?) lästig gewesen sein”. “Darin hat Caballero wohl 
nur einen Konkurrenten, die Elliot, welche freilich die 
spanische Dichterin nicht ganz erreicht”. “Nur Dio- 
peithes feindet insgeheim Dich an und die Schwester des 
Kimon und Dein Weib Telesippa.. Wasistin diesen beiden 
letzten Sätzen Subj., was Obj.? Die mangelhafte Bezeichnung 
des formellen Verhältnisses an dem Wort selbst trägt natür- 
lich auch zur Vermehrung der Homonymen bei, der man, wie 
Noreen selbst bemerkt (S. 116 ff.), als einem wirklichen Nachteil 
steuern muss. Der Einwand Flodströms‘ (a. a. Ὁ. S. 147), 
man könne ja durch andre Konstruktionen Zweideutigkeiten 
leicht vermeiden, ist ziemlich hinfällig, da einerseits dem Re- 
denden selbst häufig genug die Zweideutigkeit gar nicht ins 
Bewusstsein tritt, ihm ist der Sinn ganz klar und er setzt das- 
selbe auch für den Angeredeten voraus, anderseits thatsäch- 
lich vorhandene, wie z. B. in jenem Brief, nicht mehr zurück- 
genommen werden können. Ausserdem würden dadurch die 
Misstände nieht beseitigt, sondern nur umgangen. Beschrän- . 
kung der formellen Unterscheidung scheint mir nichts Erstre- 
benswertes. Je grösser der Formenreichtum ist, um so verständ- 
licher ist die Rede‘). Durch ihn wird eime um so grössere 
Mamnigfaltigkeit des Satzbaues ermöglicht, während sonst die 
Ausdrucksweise auf eine bestimmte Wortstellung festgenagelt 

1) Hiermit will ich natürlich nicht einem überschwänglichen, 
unbeholfenen Formenreichtum, wie er sich z. B. in den Bantu- 
sprachen findet, das Wort geredet haben, sondern ich denke immer 
nur an den Formenschatz der idg. Sprachen. 


248 Arwid Johannson, 


werden müsste. Schon die Rücksicht auf die Zukunft, die 
Sprache vor Undeutlichkeit zu bewahren, müsste einen Ver- 
treter des Zweekmässigkeitsstandpunkts abhalten den Formen- 
bestand zu verkürzen). 

Ich betrete schliesslich noch ein Gebiet, auf dem ich 
mich vielfach im Gegensatz zum Verf. weiss, ich meine die 
brennende Fremdwörterfrage, die im Deutschland im letz- 
ter Zeit ungemein grosse Erfolge aufzuweisen hat?). Die Zei- 


1) Prof. Noreen, der mich auf einzelne Unebenheiten gütigst 
aufmerksam gemacht hat, verdanke ich auch den Hinweis auf Jes- 
persens jüngst erschienenes Buch. So geistvoll es auch geschrie- 
ben ist, so fühle ich mieh doch nicht von seiner hier in Betracht 
kommenden Darlegung überzeugt (8 7—15, 8 38—43). Es ist wohl 
nicht zweifelhaft, was schwerer wiegt: Vermeidung von Misver- 
ständnissen oder Ersparung der Flexionsendungen und einige an- 
dere geringfügige, leicht auf anderem Wege zu erzielende, Be- 
quemlichkeiten. Dass auch bei der festgeregeltsten Stellung durch 
Abschleifung der Formelemente dem Misverständnis ein weiter Spiel- 
raum eingeräumt wird, dafür dürften sich leicht Beispiele beibrin- 
gen lassen; vgl. die im Texte angeführten, die eine ganz regel- 
mässige Wortfolge aufweisen. (Jespersens Gegenbeispiel für Mis- 
verständnis selbst bei formellem Reichtum ($ 43) ist nicht ganz 
glücklich gewählt, da nichts darauf ankommt zu zeigen, dass Ho- 
raz bei andern Völkern und in andern Zeiten, sondern nur dar- 
auf, dass er von seinen eignen Sprachgenossen misverstanden 
worden ist.) Im Gegensatz zu Jespersen halte ich nicht die Aus- 
drucksweise für eine meisterhafte, die “weise verschweigt”, und 
so zum Teil erraten lässt, was gemeint ist, sondern die, die voll- 
kommen und deutlich andern die Meinung des Sprechenden bezw. 
des Schreibenden beibringen kann. Als nicht unwesentliches Mittel 
dient aber auch die Nachdrücklichkeit, und der kommt in nicht 
geringem Grade die Möglichkeit einer freien, den Verhältnissen 
angepassten Wortstellung zu gute. Durch die Möglichkeit im Satz- 
bau wechseln zu können, wird auch der Schönheit der Sprache 
Genüge gethan; und wie man nicht wohl einen Reichtum an Aus- 
drücken einen Luxus nennen kann, und es mir auch nicht berech- 
tigt scheint die Freiheit in der Verknüpfung der Sätze als “Unord- 
nung” zu bezeichnen, ebensowenig lässt sich diese Bezeichnung auf 
eine mannigfaltige Wortfolge, die meist je nach der verschiedenen 
Färbung des Gedankens wechselt, anwenden. 

2) Die Litteratur ist überaus reichhaltig; ich führe nur das 
Hauptsächlichste an. Aus der Praxis entstanden, gewissermassen 
durch des ganzen Volks Mitarbeit hervorgegangen, ist das vortreff- 
liche Werk von Ὁ. Sarrazin Verdeutschungswörterbuch ? 1889. 
Ders. Beiträge zur Fremdwortfrage 1857. Dunger Wörterbuch von 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 249 


ten, in denen man jedes Fremdwort für überflüssig und über- 
setzbar hielt (vgl. Statthalter der Leibwachgaulerei für Leut- 
nant der Gardekavallerie), sind glücklich vorbei; ausmerzen 
will man jetzt nur, die nieht entbehrt werden können. Die 
Gesichtspunkte, die über die Notwendigkeit eines Fremdwor- 
tes entscheiden, sind meiner Ansicht nach folgende: 

Umangetastet müssen bleiben: 1) aus frühern Zeiträumen 
alt überkommene Fremdwörter, die, wenn sie sich in Laut, Bil- 
dung und Betonung von den deutschen nicht unterscheiden, 
als eingebürgert zu betrachten sind, wie z. B. pfalz, pfirsich, 
keller, vers u. s. w. Demgemäss ist das Bürgerrecht auch 
den Wörtern zu erteilen, die aus einem älteren Zeitraum der- 
selben Sprache oder aus nah verwandten Sprachen (bezw. 
Mundarten) aufgenommen sind. 

2) Jedes Fremdwort ist beizubehalten, falls nicht ein 
vollkommen entsprechendes, durch den Gebrauch mustergilti- 
ger Schriftsteller als richtig verbrieftes, einheimisches Wort 
vorhanden ist. Wer ein Fremdwort ächtet und dann erst Er- 
satz zu schaffen sucht, schädigt die Sprache. 

3) Wo ein Fremdwort offiziell im Gebrauch ist oder als 
technischer Ausdruck in Wissenschaft, Kunst und Gewerbe 
besteht, ist es beizubehalten. Falls dagegen durch massge- 
bende Schriften neben dem fremden Wort ein einheimisches 
als gut gestempelt ist, ist das fremde zu meiden. 

4) Fremdwörter sind beizubehalten, wenn es gilt Schat- 
tierungen anzugeben!) oder Mannigfaltigkeit im Ausdruck zu 
erzielen, doch wohlbemerkt, wenn zu diesem Behuf keine sinn- 
verwandten deutschen Ausdrücke zur Verfügung stehn. 

In allen übrigen Fällen ist die Anwendung von Fremd- 
Verdeutschungen entbehrlicher Fremdw. 1882. Ders. Die Sprachrei- 
nigung u. ihre Gegner 1887. Riegel Zeitschrift des allg. deutschen 
Sprachvereins 1855 ff. Becker-Lyon 3 150 ff. Andresen Sprachge- 
brauch ὅ 384 ff. Keller Antibarbarus? 11 ff. Paul Prinzipien 3 339 ff. 
Verschiedene Aufsätze in der Ztschr. für deutsch. Unterricht. 

1) Zu bemerken ist, dass Fremdwörter sich trefllich eignen, 
wo man absichtlich etwas herabsetzen, ins Lächerliche ziehn oder 
in Plattheiten sprechen will. Man vergleiche mamsell w. fräulein, 
parapluie u. regenschirm, pantalons u. beinkleider, malheur u. mis- 
geschick, courage u. mut, noble passionen u. edle leidenschaften. 
Siehe Becker-Lyon 155 ff., Müller Ztschr. f. deutsch. Unterricht III 
321 ff. 


250 Arwid Johannson, 


wörtern zu unterlassen. Wo für einen neuen Begriff ein passen- 
der Ausdruck fehlt, da soll nicht bei irgend einer fremden 
Sprache eine Anleihe gemacht werden, sondern die Erfinder 
und Gelehrten mögen einen Namen geben, den sie aus den 
Mitteln der eignen Sprache beschaffen). Folgendes scheint 
mir gegen die Berechtigung der Fremdwörter zu sprechen: 

1) Da die Sprache Fremdwörter aufgenommen hatte, 
nicht nur, weil es ihr an der Bezeichnung eines Begriffs gebrach 
und sie kraft eigner Uranlage, vielleicht aus Bequemlichkeit, 
kein Wort schaffen mochte oder in Zeiten geistiger Stumpf- 
heit nicht schaffen konnte, sondern hauptsächlich, weil die 
Aufnahme von Fremdwörtern, und zwar eine massenhafte, 
stattgefunden hat auch in Zeiten der Knechtschaft, Bedrük- 
kung und geschwundenen nationalen Selbstbewusstseins?), so 
scheint mir, da kein Volk an seine dies atri erinnert zu wer- 
den liebt, aus patriotischen Gründen vollkommen gerechtfer- 
tigt, «diese Denkmale nationaler Schmach verfallen zu lassen 
und sie nicht immer und immer wieder aufzufrischen. 

2) “Schleehter sind solche Formen, die sich schwerer 

. auffinden lassen, .... sich schwerer dem Gedächtnis ein- 

prägen, .... sich minder leicht mit andern .... assoziieren” 
(Noreen S. 124). Zu ‚diesen gehören auch die Fremdwörter 
(hier stimmt der Verf. mit mir überein S. 145), und deshalb 
sind, meiner Meinung nach (im Gegensatz zu Noreen S. 136 
Anm.), für den ersten Volksunterricht die in deutschen Gram- 
matiken allgemein üblichen Bezeichnungen (wie hauptwort, 
zeitwort, aussageweise, dritter oder wem-, vierter oder ıwen- 
fall u.s. w.) wohl geeignet. Wo man in Volksschriften Fremd- 
wörter nicht vermeiden kann, da empfiehlt es sich, em ein- 
heimisches Wort in Klammern daneben zu setzen). 


1) Dass auf Erfolg gerechnet werden kann, zeigt u. a. die 
finnische Sprache, die sich, als das Bedürfnis an sie herantrat, in 
weitem Umfang aus eigenen Mitteln für Wissenschaft und Gewerbe 
init Benennungen ausrüstete. 

2) Von solchen Zeiten gilt, was Leibniz in seinen Unvorgreif- 
lichen Gedanken (ὃ 20) sagt: “es werde Teutsch in Teutschland 
selbst nicht weniger verlohren gehen, als das Engelsächsische in 
Engelland”. Vel. auch, was Noreen S. 146 Anm. 1 bemerkt. 

5) Das umgekehrte Verfahren schlägt Leibniz (a. a. Ὁ. $ 92) 
vor, um einen neugeschaffenen deutschen Ausdruck geläufig und 
bekannt zu machen. 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 25 


Namentlich Sarrazin (Vorwort XVII f.) hat darauf hin- 
gewiesen, dass das Fremdwort “nur den weiteren, allgemeine- 
ren, So zu sagen den Rohbegriff” liefere, “während die ge- 
naue, besondere und feinere Unterscheidung durch die deutsche 
Ausdrucksweise gewonnen wird”. Dieser Ausspruch gilt selbst- 
verständlieh nicht unbeschränkt, findet jedoch im grossen und 
ganzen Bestätigung. Im Satz “das Bild, das in der Seele 
des Dichters lebt, entspricht nicht der Vorstellung, welche 
man mit dem für ein Kunstwerk geeigneten dichterischen 
Vorwurf verbindet” ist für die Bedeutungen der gesperrt ge- 
druckten Wörter das Fremdwort ödee!) durchaus geläufig; man 
könnte es auch hier überall vortreftlich einsetzen, unterlässt 
es jedoch wegen der viermaligen Wiederholung. Also: “ Ver- 
deutschung und Verschwommenheit der Gedanken dulden ein- 
ander selten, während unklarer Sinn und Fremdwort meist 
die verträglichsten Bundesbrüder sind.” 

Noreen ist der Ansicht, dass die Sprache im Gegenteil 
durch das Fremdwort an Verständlichkeit gewönne — näm- 
lich für den internationalen Verkehr. Das ist nicht zu leug- 
nen, es fragt sich nur, was das Ausschlaggebende ist: die 
Misstände, die das Fremdwort dem Einheimischen mit sich 
bringt, oder die Bequemlichkeit, die dem Fremden zu gute 
kommt?). Ich meine, das erstere. Ausserdem glaube ich nicht, 
dass es zulässig sei, bei der Festsetzung der Richtigkeit einer 
Sprache andere Sprachen mitsprechen zu lassen, denn “im all- 
gemeinen ist es ungereimt, die Norm für ein Ding ausserhalb 
desselben zu suchen ”?). Abgesehen davon ist der Nutzen 
kein wesentlicher, da das Vorhandensein von internationalen 
Fachausdrücken in einer Sprache dem Fremden das Erlernen 

1) Über weitere Bedeutungen von ?dee siehe Sarrazina.a.O.XIV. 

2) “Vor allem hat man Rücksicht auf sein Publikum zu neh- 
men, und mithin, wenn man sich an einen Schweden wendet, nicht 
an erster Stelle darnach zu streben, von einem Ausländer ver- 
standen zu werden.” Noreen 137. 

3) Noreen S. 100. Man könnte vielleicht geneigt sein, hieraus 
zu folgern, die internationale (wissenschaftliche u. a.) Sprache müsse 
daher auch die Norm in sich selbst tragen. Dieser Einwand, den 
Noreen auch erhoben hat, scheint mir deshalb nicht zu verschla- 
gen, weil es keine internationale Sprache giebt: das wissenschaft- 
liche Deutsch ist doch vor allem als Teil des deutschen, nicht als 
Teil eines internationalen Verkehrsmittels zu betrachten. 


209 Arwid Johannson., 


dieser Sprache doch nicht erspart. Wissenschaft, Kunst und 
Gewerbe mögen kosmopolitisch sein, aber deswegen braucht 
und kann es nicht die Sprache. Wünschenswert ist es, dass 
für gewisse Gebiete eine Sprache durch ihr natürliches Über- 
gewicht auf diesen eine internationale Geltung erlangt, wie 
z. B. etwa für den Handel und Verkehr das Englische, für 
die Diplomatie das Französische, für die Wissenschaft das 
Deutsche). Daraus folgt aber nicht, dass das Deutsche, wenn 
es sich um die Verkehrssprache handelt, möglichst viele oder 
ausschliesslich englische, oder wenn die Diplomatie in Frage 
kommt, französische Fachausdrücke anwenden soll. Folgerich- 
tig wäre dann, dass man auch die schon bestehenden heimi- 
schen Wörter durch Ausdrücke der betreffenden Sprache er- 
setzte: man dürfte dann im Deutschen nicht mehr von dam- 
pfer und zoll, sondern nur noch von steamer und duty 
reden; im Interesse der kosmopolitischen Verständlichkeit müss- 
ten dann auch die vom Verfasser, wie ich meine, mit voll- 
stem Recht angewandten Ausdrücke "arjud', "judskridning 
wieder durch ablaut, lautverschiebung ersetzt werden, wie es 
in ältern schwedischen Werken noch Brauch war. 

3) Gegen die Fremdwörter spricht die Rücksicht auf 
die Emheitlichkeit der Sprache. Wie stark das Deutsche mit 
fremden Bestandteilen durchsetzt ist, geht aus dem Umstand 
hervor, dass das Wörterbuch des Deutschen nach Dungers 
ungefährer Schätzung (Zeitsehr. f. deutsch. Unterricht III 285) 
250000 einheimische und 70000 fremde Wörter zählt, so 
dass der Vergleich mit einem “buntgeflickten Bettlergewand” 
nicht ganz ohne Berechtigung ist. “Leute, für die “stilvoll” 
ein unentbehrliches Schlagwort ist, die es als einen Frevel be- 
trachten würden, modernes Geräte in ein altdeutsches Zimmer 
zu stellen, sie scheuen sich nicht, deutsche, lateinische, fran- 
zösische Wörter in bunter Mischung zu gebrauchen, ohne die 
leiseste Ahnung von der Stilwidrigkeit, die sie «damit bege- 
hen” (Behaghel Deutsche Spr. 46). 


1) Auch Brunnhofer (Kulturwandel u. Völkerverkehr 39 ff.) 
tritt für das Recht vieler, neben einander bestehender Kulturspra- 
chen ein. “Das Glück der Menschheit geht nicht aus der Unifor- 
mierung aller nationalen Besonderheiten, sondern aus deren höch- 
ster Ausbildung hervor.” 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 253 


4) Für Vermeidung der Fremdwörter spricht das Vorbild 
mustergiltiger Schriftsteller, die namentlich in den letzten Jah- 
ren begonnen haben den deutschen Wörtern zum Rechte zu 
verhelfen. Allen voran steht in dieser Hinsicht wieder Gustav 
Freytag, der in den neuern Auflagen die im seinen Schriften 
vorkommenden Fremdwörter durch emheimische ersetzt und 
so ein Bild vorhält, wie zu verdeutschen ist. Dankenswerte 
Gegenüberstellungen der alten und neuen Lesarten giebt Künk- 
ler (Ztsehr. f. deutsch. Unterricht ΠῚ 210 ff. 481 ff.). 

Dass am Erfolg dieser Bestrebungen nicht zu zweifeln 
ist, das beweist uns die Geschichte des Fremdwörterwesens in 
Deutsehland. Vgl. Beeker-Lyon 151 ff. Dunger (ἃ. ἃ. 0.285 ff.). 


Wenn es mir gelungen ist in der Umarbeitung der No- 
reenschen Abhandlung bei solehen Formen, wie: die fingern, 
flügeln, aposteln, die mehrsten, die sporne, höcher — höchst, 
der namen (Sgl.), haute — gehaut, ich schand, brech — seh — 
befehl (Imperativ) u. s. w., die Entscheidung im Sinne des Ver- 
fassers zu fällen, und man etwa diese Formen als Kriterien 
für den Wert eines Schriftstellers aus den letzten 50 Jahren 
benutzen wollte, dann, muss ich gestehn, dann steht es wohl 
verzweifelt um unsere schriftsprachliche Litteratur, keiner 
möchte bei der Prüfung bestehn: wir hätten kaum einen guten 
Schriftsteller aufzuweisen, vielleicht, dass wir erst einen von 
der Zukunft zu erwarten hätten. 

Meines Erachtens ist der nicht durch den Schriftbrauch 
eingeschränkte Zweckmässigkeitsstandpunkt ein äusserst ge- 
fährlicher; ein radikaler Anhänger könnte mit Hülfe desselben 
aus dem Deutschen ein Volapük machen. Doch damit hat es 
wohl keine Gefahr. Nicht alles, was zweckmässig ist, kann 
durchgeführt werden, die historisch gewordenen Verhältnisse 
setzen dem unübersteigbare Schranken entgegen. 

Ebensowenig, wie in sprachlicher Hinsicht Zweekmässig- 
keit mit Richtigkeit sich decken, ebensowenig kann ich zu- 
geben, dass die Schönheit der Sprache hauptsächlich auf ihrer 
Zweckdienlichkeit beruht (Verf. S. 142). Der juristische und 
diplomatische Stil ist, wie männiglich bekannt, sogar sehr 
zweckmässig, aber Wenigen, auch nicht einem “gesunden Ge- 
schmack”, dürfte der Kanzleistil schön erscheinen. 

Ich bin weit davon entfernt das Kriterion der Zweck- 


954 Arwid Johannson, 


mässigkeit zu unterschätzen, ich halte im Gegenteil die vom 
Verf. von S. 115 an aufgeführten Kategorieen für höchst wert- 
volle Merkmale, um an ihnen die Sprachrichtigkeit zu bemes- 
sen und zwischen den vorhandenen, sich gegenüberstehenden 
Formen eine Auswahl zu treffen — in allen Fällen nämlich, 
in denen sich für den Sprachgebrauch bei den guten Prosais- 
ten der Gegenwart (ich verstehe darunter etwa die letzten 
50 Jahre) keine Übereinstimmung erzielen lässt, und das ist 
häufig genug der Fall. Mögen die zeitgenössischen Schrift- 
steller die Sprache fortbilden, aus rein naturwüchsiger Kraft 
oder reflektierend — ganz wie sie es für ihren Bedarf und 
Zweck als gut befinden. Mag man ihnen Mass und Richt- 
schnur zum Ausbau der Sprache zur Verfügung stellen, wie 
dem Storch das Rad als Grundlage seines Nests: ob nun 
die Schriftsteller von dem, was ihnen willig geboten wird, 
Gebrauch machen wollen, sei ihnen durchaus anheimge- 
stellt. Der Anschauung Richerts (Ny Svensk Tidskrift 1888 
S. 591 ff.), dass Neuerungen nicht in der geschriebenen, son- 
dern im der gesprochenen Sprache zuerst aufkommen müs- 
sen, kann ich ebensowenig wie der Verf. beitreten!), denn 
dann würde der Schriftsteller dazu verdammt sein, abgegrif- 
fene Münzen m Umlauf zu setzen und dürfte sich nicht unter- 
fangen, wenn er nicht als Fälscher gelten will, ein Stück 
eigner Prägung auszugeben. Was von dem Schüler gilt, dem 
man nicht die Quellen muttersprachlicher Schöpterkraft ver- 
siegen lassen darf, das gilt auch vom Schriftsteller; sonst 
nimmt man ihm “sein schönstes Gut, die aus dem Innern quel- 
lende Rede, und schiebt ihm statt dessen den Wechselbalg 
angelernter Phrasen unter” (v. Raumer Gesamm. spwt. Schrift. 
208). “In wie weit schöpferische Geister, die durch ihre 
Erzeugnisse neue Epochen der Litteratur begründen, sich 
von jenen (d. h. den vorhandenen) Formen lossagen dürfen, 
ist eine Frage, die sich nur thatsächlich entscheidet. Bei an- 
dern Menschen aber nennt man Verstösse gegen den festge- 
stellten Sprachgebrauch Schnitzer” (ebd. 350). 


I) Damit ist natürlich nicht in Abrede gestellt, dass eine Form 
auch im mündlichen Gebrauch aufkommen kann; mustergiltig wird 
sie jedoch erst dann, wenn sie sich auf das Zeugnis eines der füh- 
renden Schriftsteller berufen kann. 


Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 255 


Manechem möchte es vielleicht scheinen, als ob den guten 
Schriftstellern eine zu grosse Macht über die Sprachgenossen 
eingeräumt werde; das ist jedoch nur schembar der Fall. Die 
Macht, die die Schriftsteller inne haben, ist ihnen erst vom 
Volk übertragen worden. Denn indem das Volk ihre Schriften 
immer und immer wieder liest, sie auf sich wirken lässt und 
ihnen nachahmt, erkennt es sie als gut und geeignet, zum Vor- 
bilde zu dienen, und als befähigt, Vorschriften zu erlassen, an. 
Sie sind gewissermassen die vom Volk gewählten Vertreter, 
die dazu ausersehn sind, ihm Gesetze zu geben, welche dann 
vom Volk (mehr oder minder) sorgsam beachtet werden. Da 
also das Volk seinen Vertretern das Recht gegeben hat, Sat- 
zungen zu schaffen, so muss auch ein Gesetz, «das sich in 
der Folge als nicht zweckmässig erweist, so lange es gilt, 
d.h. so lange die führenden Schriftsteller in diesem Gebrauch 
einig sind, wie die Verfügung einer jeden andern gesetzgebe- 
rischen Gewalt, befolgt werden, bis die Bestimmung von neuen 
Volksvertretern abgeschafft wird. 


Diesem anspruchslosen Nachtrag liegt natürlich nichts 
ferner als der Glaube, etwas Abgeschlossenes geliefert zu 
haben. Wenn es ihm gelingt zu weiterer Forschung anzuregen 
und somit Anlass zu geben, dass die Kriterien der Sprach- 
richtigkeit in immer schärferer Abgrenzung hervortreten, so 
ist sen Zweck vollauf erfüllt. 


Upsala im Juni 1891. Arwid Johannson. 


Zur Gutturalfrage im Lateinischen. 


Zu den wohl ziemlich allgemein angenommenen Verglei- 
chungen von lat. vapor mit griech. καπνός, got. af-wapjan, 
lit. keäpas, lat. vermis mit aind. krmi-s, lit. körmele, got. 
wahrms, lat. in-vrtus mit pr. guaits, lat. in-vrtare mit lit. 
keesti, wo nach der herrschenden Ansicht lat. v- einem idg. q- 
entspricht, fügt Bersu (1). Gutt. u. ihre Verbind. mit © im Lat. 
151) noch lat. vellere: griech. τίλλειν und lat. verrere: griech. 


256 Oskar Wiedemann, 


τέλεον (Tapcoc), aind. krsämi, deren v- er ebenfalls = idg. q- 
setzt. Brugmann (Grdr. 1 325) hält diese Gleichsetzung für zwei- 
felhaft, wie mir scheint, mit vollem Reeht: denn bei den oben 
genannten Wörtern wäre, falls wir bier idg. g- annehmen, die 
Vertretung desselben nicht nur im Latemischen, sondern zum 
teil auch im Litauischen und Germanischen eine von der son- 
stigen Vertretung von idg. qg- abweichende, imdem in keapas, 
quäits, kvesti lit. ke- (pr. qu-) statt des zu erwartenden k-, 
in waurms got. w- statt )v- h- auftritt. Es liegt daher die 
Vermutung nahe, dass hier besondere Lautverhältnisse in Be- 
tracht kommen. 

Dass bei den m Rede stehenden Wörtern im der That 
nicht eben so idg. φ- vorliegt wie z. B. in gwis, quatuor usw., 
ergibt sich klar aus emer genaueren Betrachtung der mit lat. 
capor, griech. καπνός, got. af-wapjan, lit. keapas verwandten 
Wörter, die namentlich im Litu-Slavischen zahlreich vertreten 
sind. Neben kvapas “Hauch, Duft’ liegt im Litauischen das 
Verbum kvepti hauchen , lett. kvept “qualmen’ und viele andre 
mit Av- anlautende Wörter, die bei Leskien (Ablaut ἃ. Wur- 
zelsilb. im Lit., Abh. d. phil.-hist. Kl. der Kgl. sächs. Ges. d. 
Wiss. IN 535) zusammengestellt sind. Ausser diesen mit ko- 
anlautenden Wörtern gehören zu derselben Wurzel im Litaui- 
schen aber auch Wörter mit ka-, nämlich kaputi "schwer at- 
men’, lett. ap-kapt "beräuchert werden’, lett. käpet "rauchen 
— abulg. kypeti "sieden’, lett. kapinat "Rauch machen’, lett. 
käpains "rauchig’, deren Wurzelform kap- im Ablaut zu der 
in kvepti usw. vorliegenden Wurzelform Avep- steht (lit. Prät. 
127; vgl. auch Joh. Schmidt Pluralbild. 204): die doppelt re- 
duzierte Wurzel, idg. gup-, liegt vor in aind. kupye "gerate 
in Bewegung, züme', kdpyami “walle auf, züme” und lat. cw- 
pio "begehre‘, welche beiden letzteren Wörter auch Osthoff 
(MU. IV 55) mit abulg. Aypeti zusammengestellt hat. Aus 
den Wurzelformen idg. gap- gup- ergibt sich, dass das « ΠῚ 
lat. vapor, got. af-wapjan usw. nicht labiale Entwicklung 
ist, sondern dass wir als Wurzelanlaut die Konsonantenverbin- 
dung idg. ge annehmen müssen. Bei lat. in-vitus: pr. quadits, 
lat. in-wotare : lit. koesti lässt sich nicht idg. ge als Wurzel- 
anlaut nachweisen; wir werden aber trotzdem auch hier idg. 
ge- annehmen und aus vapor, in-vitus, in-vitäre den Schluss 
ziehen dürfen, dass idg. q©- im Lateinischen anders vertreten 


Zur Gutturalfrage im Lateinischen. 357 


wird als labialisiertes idg. g-, während im Gotischen sowohl 
labialisiertes idg. g- als auch idg. ge- durch 7r- vertreten wird. 

Anders als in vapor, in-vitus, in-vitäre ıst lat. v- in ver- 
mis, vellere, verrere zu beurteilen. Was zunächst vermis be- 
trifft, so würde es ja, wenn idg. ge- in vapor sich nieht sicher 
ergeben hätte und in ön-vrtus, in-vrtare nicht vorauszusetzen 
wäre, am nächsten liegen, vermis mit got. wadrms zu aind. 
krmi-s, lit. körmele zu stellen. Hiergegen spricht aber schon 
der Umstand, dass in körmele nieht kv- vorliegt, sondern %-, 
denn man darf schwerlich annehmen, dass eine Sprache, die 
nachweislich % gelegentlich in ku wandelt (Bersu a. a. 0.5 
Anm. 1), auch umgekehrt altes ko in k ändert. Dazu kommt 
noch die grosse Schwierigkeit, die die Zurückführung von 
got. w- in wadrms auf idg. ge- oder g- macht; denn falls wir 
hier idg. ge- annehmen, erwarten wir got. iv- wie in af-lwap- 
jan, nehmen wir aber idg. - an, so könnte vor urgerm. 4 
keine labiale Entwicklung eimtreten (Brugmann Grdr. I 332). 
Daher kann ich nicht umhin, mit Kluge (Etym. Wtb.* 5391) 
und Feist (Got. Etym. 152) lat. vermis mit got. wadrms von 
aind. kymi-s usw. zu trennen, wenn sie auch in der Bedeu- 
tung und im Suffix identisch sind. Eben so wenig wie in ver- 
mis liegt in vellere und verrere idg. - vor; beide gehen auf 
Wurzeln mit idg. v- zurück und zwar vellere mit lat. lana 
“wolle” und den zugehörigen Wörtern der verwandten Sprachen 
auf eine idg. W. vel, während verrere mit griech. Feppeiv “schlep- 
pen, ahd. werran “verwirren', abulg. vresti “dreschen’ auf 
eine idg. W. vers (so auch Fick Vergl. Wtb. * 1550 f.) zurück- 
zuführen ist. 

5. Juli 1891. Oskar Wiedemann. 


Got. saivan. 


Die von Aufrecht (KZ.1352) vorgeschlagene Zusammen- 
stellung von got. saiwan "sehen’ mit lat. seguor, griech. ἕπο- 
μαι, aind. sdce folge’ scheint allgemeine Zustimmung gefunden 
zu haben (vgl. Kluge Etym. Wtb. s. v. sehen, Brugmann Grdr. I 
310, Feist Got. Etym. 94 f., H. Webster Z. Gutturalfrage im Got. 
15); Ja dieselbe Etymologie hat neuerdings auch Möhl (Mem. 
soc. ling. VI 444 ff.), ohne Aufrecht zu erwähnen, also, wie 


208 Oskar Wiedemann, Got. sailvan. 


es scheint, unabhängig von Aufreeht, zu begründen versucht 
und dabei, wie er (S. 446 Anm.) angibt, die Zustimmung Saus- 
sures gefunden. Trotzdem kann ich dieser Etymologie nicht 
beipflichten. Ist die angenommene Bedeutungsentwicklung "mit 
den Augen folgen" schon an und für sich sehr gekünstelt (vel. 
auch Curtius KZ. ΠῚ 405), so wird sie noch bedenklicher 
durch got. siuns (aus urgerm. *si/z)eniz) “Gesicht, Sehkratft, 
Erscheinung, Gestalt‘. Endgiltig widerlegt wird aber die Ety- 
mologie Aufrechts durch die bei Graff VI 129, bez. 145 ange- 
führten ahd. bein-segga, pein-seico "pedisequa', die Joh. Schmidt 
(ΚΖ. XIX 275) mit Recht zu lat. seguor usw. zieht und die 
die alte Bedeutung der idg. W. seq ‘folgen’ treu bewahrt 
haben. Auf dem richtigen Weg der etymologischen Erklärung 
des got. satvan war bereits Aufrecht, mdem er a. a. ©. lat. 
in-seque “sage an heranzog; aber auch dies trennte er nicht 
von σοφοῦ. Ich führe saiwan mit lat. ön-seque, in-quam 
(aus *in-sguam), griech. Fevcerte, ἔννεπε, lit. sakyjti sagen’ auf 
eine idg. W. seg “sehen’ zurück, die im Griech., Lat., Lit. 
die Kausativbedeutung “sehen lassen, zeigen — sagen’ (vel.z. B. 
lat. dicere : griech. δεικνύναι) angenommen hat. Aus den germ. 
Sprachen gehören hierher noch ahd. saga "sage, sagen "sa- 
sen’ und die damit verwandten Wörter, deren nieht labiali- 
sierter Guttural in Hinblick auf den ebenfalls nicht labialisier- 
ten Guttural in ahd. sehan und dem entsprechenden Verbum 
der übrigen aussergotischen germ. Sprachen sowie im Hinblick 
auf das Verhältnis von ahd. gueran zu ahd. kara nichts auf- 
fälliges hat. Weiter gehört zu idg. seg ‘sehen’ noch lat. sig- 
num Zeichen’ und wohl auch abulg. sokol» “Falke”. — Laut- 
lich zulässig wäre auch die Zusammenstellung von sailwan 
mit lat. secare und dessen Verwandten (Fick Vergl. Wtb. 11 
559); doch tritt bei allen diesen Wörtern nie die Bedeutung 
“scheiden, unterscheiden hervor wie in dem von Fick zur Stütze 
seiner Etymologie erwähnten lat. cernere und seinen Zusam- 
mensetzungen und Verwandten, sondern wir haben es bei se- 
cäre usw. ausschliesslieh mit den Bedeutungen "sehneiden, 
hauen’ zu thun. 


8. Juli 1891. Oskar Wiedemann. 


Der &enetiv Pluralis und die baltisch-slavischen 
Auslautgesetze. 


Noch immer steht das Suffix -> im slavischen Genetiv 
Pluralis isoliert da, “so lange keine annehmbare Möglichkeit 
gefunden ist” es “als Fortsetzung eines urindogermanischen 
-Om zu erklären”, vgl. Brugmann Grundriss II 8 344 S. 688. 
Denn darüber kann heute kein Zweifel mehr bestehen, dass 
die beiden eimzigen bisher gewagten Versuche slav. τὸ mit 
idg. -öm zu vereinigen vollständig gescheitert sind. 

Leskien Deklination S. 84 will dadurch zum Ziele kom- 
men, dass er eine Verkürzung von -un zu -sn annimmt, die 
vor die Wirksamkeit der übrigen Auslautgesetze falle, eine 
Vermutung, für die es bis jetzt an jedem Anhalt fehlt und 
die er selbst schon längst aufgegeben hat, vgl. Handbuch der 
abg. Sprache ?$8 15,3 Bb 5. 19. 

Nieht minder unwahrschemlich ist Mahlows Hypothese, 
der -5 aus -om in unbetonter d. h. nicht den Wortakzent 
tragender Silbe entstehen lässf,; vgl. Die langen Vokale S. 88. 
Denn für ein derartiges Lautgesetz fehlt es an halbwegs plau- 
sibeln Parallelen vollkommen. 

Unter diesen Umständen lag der Gedanke nahe, aus der 
Thatsache der Unverembarkeit von slav. -» und idg. -öm die 
sich notwendig ergebende Folgerung zu ziehen und beide 
Suffixformen von eimander zu trennen. Das hat Osthoff MU. I 
207 fi. gethan. In seinen Augen ist slav. -ὁ der Reflex eines 
indogermanischen -öm, in dem er die ursprüngliche Genetiv- 
endung der konsonantischen Stämme zu erkennen glaubt. Da- 
gegen repräsentiere das gewöhnlich auftretende -om ein Kon- 
traktionsprodukt des ebengenannten -0m und des auslautenden 
Vokals der e- und a-Stämme. Nach ihm besteht also das 
Verhältnis 

Gen. Plur. -öm : -om = Dat. Sg. -di : -öi. 

Da diese Theorie die unleugbar vorhandenen Schwierig- 
keiten in befriedigender und zugleich auch einfacher Weise 
zu lösen schien, hat sie fast allgemeine Zustimmung gefunden. 
Ihre Aufnahme war gewiss nicht zum wenigsten deshalb eine 
so warme, weil Osthoff ausser auf slavischem Boden auch im 
Keltischen einen Genetivausgang -Om zu finden vermeinte. 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. Ἴ 70 


900 Wilkelm’Streitberg, 


Das aber war ein Irrtum. Wie wir jetzt wissen, muss im 
Keltischen auslautendes -öm ebensowohl wie -Om lautgesetz- 
lich schwinden. 

Diese Erkenntnis hat aber Osthofis Hypothese einer ihrer 
stärksten Stützen beraubt. Denn nun bleibt das Auftreten von 
-öm lediglich auf das slavische Sprachgebiet beschränkt. Nicht 
einmal das ihm so nahestehende Baltische hat Teil an dieser 
Form. Sein -@ lässt sich auf nichts anders als auf idg. -0m 
zurückführen. Diesem Mangel einer vergleichbaren -Bildung 
auf baltischem Boden muss aber, wie ich glaube, ein bei wei- 
tem grösseres Gewicht beigelegt werden, als gewöhnlich ge- 
schiebt. Denn sind Baltisch und Slavisch auch nieht so nahe 
mit eimander verwandt wie die beiden arischen Dialekte, so 
sind doch die Übereinstimmungen zwischen ihnen so zahlreich 
und so bedeutend, dass man sich nicht ohne zwingenden Grund 
dazu verstehen sollte, eine tiefgehende Differenz zwischen ihnen 
zu statuieren. 

So führt die ganze Situation immer wieder zu dem Ge- 
danken zurück, dass wir m dem slavischen -ὁ doch nur eine 
auf speziell slavischen Lautgesetzen beruhende Modifikation 
eines ursprachlichen -öm zu sehen haben. 

Welches aber sind diese speziellen Lautgesetze? Ich 
glaube eine Antwort auf diese Frage geben zu können. Ich 
knüpfe dabei an die Ergebnisse meiner Untersuchung über 
die germanischen Langdiphthonge an (vgl. Die Komparative 
auf -öz-, Freiburg 1890), die Anregungen von Hirts Abhand- 
lung über den gestossenen und schleifenden Ton im den idg. 
Sprachen (oben SS. 1 ff. 195 ff.) mir zu Nutze machend. Zu- 
gleich hoffe ich eme vielleicht nicht unwillkommene Ergän- 
zung ihrer Resultate bieten zu können. 

Meine Ansicht geht dahin, dass abg. -ὁ die vollkommen 
lautgesetzliche Fortsetzung eines indogermanischen -öm mit 
schleifender Betonung ist. Zum Beweise meiner Behauptung 
sei es mir gestattet etwas weiter auszuholen. 


Das Baltisch-Slavische gehört zu denjenigen Sprachen, 
welche alle Langdiphthonge, mögen sie gestossenen oder schlei- 
fenden Ton tragen, sowohl im In- wie im Auslaut verkürzen. 
Es berührt sich in dieser Beziehung aufs engste mit dem La- 
teinischen; etwas ferner steht das Germanische. 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 261 


Meines Wissens ist Osthoff der erste gewesen, der dieses 
Kürzungsgesetz für verschiedene europäische Sprachen nach- 
gewiesen hat, vgl. Philol. Rundschau 1851 Sp. 1595 ff., MU. 11 
129 ff., Perfekt 5. 84 ff. Neuerdings hat auch Ὁ. Wiedemann 
in seiner Schrift über das lit. Präteritum für das Baltische 
dankenswerte Ergänzungen gegeben, vgl. SS. 25—30, 32—33, 
122 sowie desselben Verfassers Ausführungen RZ. XNXXIH 114 ff. 

“ Wenn ieh eben gesagt habe, dass die Kürzung im In- 
und Auslaut stattgefunden habe, so will ich damit kemes- 
wegs behaupten, dass sie in beiden Fällen zu gleicher Zeit 
erfolgt sei. Im Gegenteil, man muss beide Stellungen in chro- 
nologischer Beziehung scharf von einander scheiden. Wohl 
ist es richtig, dass auslautende Lautverbindungen prinzipiell 
keine andere Behandlung erfahren als die unter gleichen Be- 
dingungen auftretenden des Inlauts. Aber das kann naturge- 
mäss nur bei jenen der Fall sein, die vor vokalischem oder 
konsonantischem Anlaut in ununterbrochen fortlaufender Rede 
stehen. Eime isolierte Entwickelung müssen dagegen die 
Pausaformen durchmachen, weil ihnen innerhalb eines 
Wortes bezw. Sprechtaktes nichts entspricht. Gerade die 
Pausaformen spielen aber bei der Normalisierung des Auslauts 
die erste Rolle, man vgl. z. B. das Griechische. Hier treffen 
wir einen tiefgehenden Unterschied an in der Behandlung der 
inlautenden und der mit ihnen ganz parallelen auslautenden 
antekonsonantischen Langdiphthonge einer- und der Pausafor- 
men anderseits. Während αἰών aus ἕαϊξων mit Θηβαι-γενής 
aus ἔΘηβαι *"yevnc völlig übereinstimmt, heisst es χώρᾳ d. 1. 
xwpä, vgl. Verf. Komparative S. 16. 

Im Baltisch-Slavischen können wir allerdings, wie schon 
hervorgehoben, eine solche Verschiedenheit in der Behandlung 
beider Klassen — Kürzung hier, Monophthongierung dort — 
nicht konstatieren. Das aber dispensiert uns nicht von der 
Verpfliehtung, die Frage aufzuwerfen: haben wir vielleicht 
nicht doch Anhaltspunkte, dass die auslautenden Langdiph- 
thonge später gekürzt wurden als die inlautenden? Ist diese 
Frage zu bejahen, so begegnen wir auf baltisch-slavischem 
Boden ganz analogen Verhältnissen, wie sie auf germanischem 
Sprachgebiet thatsächlich existieren. 

Ferner muss die Frage gestellt werden: hat die Qualität 
des Silbenakzentes irgend welchen Einfluss auf die Zeit der 


262 Wilhelm Streitberg, 


Kürzung? Wenn ja: welche Langdiphthonge sind früher ge- 
kürzt, die gestossenen oder die schleifenden ? 

Zur Vermeidung von Irrtümern schieke ich voraus, dass 
ich unter einem “Langdiphthong’ im Anschluss an Sievers 
Phonetik ? S. 148 im weitern Sinn jede Verbindung eines lan- 
gen Sonanten mit sog. konsonantischem oder überkurzem So- 
norlaut verstehe. Die Quantität des Sonanten bezeichne ich 
mit "; die Qualität des Akzentes mit ” (gestossen), ” (schlei- 
fend), wobei ich den Akut auf den ersten, den Zirkumflex auf 
den zweiten Komponenten des Diphthongs setze. Ich hoffe, 
diese Abweichung von der graphischen Darstellung Hirts wird 
im Verlauf der Untersuchung ihre Rechtfertigung finden. 

Es ist geboten das Baltische und das Slavische gesondert 
zu betrachten. Denn die Kürzung auslautender Langdiphthonge 
fällt nicht in die Periode der baltisch - slavischen Urgemein- 
schaft, sondern in die Zeit des Eimzellebens beider Dialekte. 
Das beweisen u. a. folgende Momente. 

Erstlich der Zusammenfall von maskulinen e- und femi- 
ninen d-Stämmen im Akkusativ Sing. auf baltischem Boden, 
ihre Verschiedenheit auf slavischem: filta = merga gegenüber 
rabz und Zena. Zum andern die Ungleichheit von Genetiv 
Plur. und Akkusativ Sing. der e-Stämme im Litauischen, ihre 
Übereinstimmung im Altbulgarischen. Hier ist rabs — Gene- 
tiv Plur. und Akkusativ Sing., dort lautet der Genetiv Plur. 
tilta, der Akkusativ Sing. aber tilta. 


A. Die auslautenden Langdiphthonge des Baltischen. 
I. Mit schleitenderBetonun® 

1. Dativ Sing. der e-Stämme: Ziltwi. Wenn auch nach 
einem speziell lit. Akzentgesetz die Dativendung im lebendigen 
Paradigma niemals den Wortton trägt, so lässt sich doch an 
der schleifenden Qualität derselben nieht zweifeln. Sie wird 
einmal indirekt dureh die Erhaltung des Diphthongs erwiesen, 
da dieser bei gestossener Betonung zum Monophthong hätte 
werden müssen. Dann aber ist sie auch, worauf mich Prof. 
Leskien aufmerksam macht, bei einigen Adverbien direkt über- 
liefert, z. B. paskur nachher’, eine Bildung, die den übrigen 
dativischen Adverbien wie ölgainiui u. a. genau entspricht. 

Die Gleichheit der Akzentqualität ist ein neuer Beweis 
dafür, dass lit. -τἰῦ — griech. -w ἃ. h. nichts anders als die 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 263 


regelrechte Dativform der e-Stämme ist. Schleichers auch 
lautlich sehr bedenkliche Annahme (Kompendium * S. 553), der 
sich Leskien Deklination S. 54 ff. angeschlossen hat, wonach 
der Ausgang -u? von den eu-Stämmen in die e- Deklination 
übertragen worden sei, verliert somit aufs neue eine Stütze. 
Ausserdem gewährt aber das Baltische selber noch eimen Be- 
weis dafür, dass -«2 auf älteres -ἀδ d. 1. idg. -02 zurückgeht. 
Es finden sieh nämlich dialektische Dativformen ohne ὁ, die 
(einzeldialektischen Ὁ) Sandhiformen zu -«2, vgl. Zubaty Archiv 
f. slav. Philologie XIII 602. Auch das -ou des Dativs bei 
Dowkont (vgl. paskou = paskur), an das mich Prof. Leskien 
erinnert, gehört hierher, da es lautgesetzlich -« vertritt. 

Der urlit. Langdiphthong -« erlitt also Reduktion seines 
ersten Komponenten. Diese Behandlung des & im Diphthong 
stimmt mit jener des alleinstehenden vollkommen überein. Auch 
aus diesem wird in allen Fällen, in denen Kürzung eintreten 
muss, nichts anders als -«. 

Die angeführten Thatsachen beweisen zweierlei: a) dass 
‚auslautendes idg. -0% nieht mit auslautendem idg. -οὔ zusam- 
mengefallen ist. Dieses erscheint nämlich lautgesetzlieh ent- 
weder als -ὃ — vgl. den Lokativ Sing. der e-Stämme z. B. 
name “zu Hause’, Brugmann Grundriss II 8 265 5. 617 — 
oder aber als -αὖ — vgl. den Nominativ Plur. der maskulinen 
e-Stämme z. B. tiltai. Die Bedingungen, die diesen Unter- 
schied -ὃ : -αὐ veranlasst haben, sind noch nicht mit voller Sicher- 
heit erkannt, doch vgl. die Vermutung Hirts oben S. 31 ff. 

b) Dass auslautendes idg. -οὐ auch nicht mit inlautendem 
idg. -0i- übereinstimmt. Das ist aber nicht befremdlich. Der 
Unterschied in der Entwickelung beruht auf dem Unterschied 
der Zeit, in welcher die Verkürzung in beiden Fällen statt- 
fand. Die Reduktion der inlautenden Langdiphthonge ist näm- 
lich bedeutend älter als die der auslautenden. Daher kommt 
es, dass im Inlaut ein idg. ö mit dem Kurzdiphthong idg. 
οὐ zusammenfallen kann, nicht aber im Auslaut. Im Griechi- 
schen finden wir ja die genaue Parallele hierzu: Im Inlaut 
Zusammenfall von Lang- und Kurzdiphthong, im Auslaut ge- 
trennte Entwickelung beider. Auch fürs Germanische glaube 
ich ein entsprechendes Gesetz nachgewiesen zu haben. 

Meines Bedünkens verkennt daher Wiedemann KZ.XXXII 
120 f. die chronologischen Verhältnisse vollständig, wenn er 


904 Wilhelm Streitberg, 


Mahlows Theorie von der Vertretung des idg. ö dureh hit. ὦ 
mit der Bemerkung widerlegt zu haben glaubt, die Zurück- 
führung der Instrumentalendung -ars auf idg. -02s widerstreite 
seinem eigenen Lautgesetz. Warum? Ist nicht der Übergang 
von urbalt. ö zu ὦ eine relativ. junge, jener von idg. o zu 
urbalt. « eine bedeutend ältere Lauterscheinung? Der Zu- 
sammenfall von δὲ und οὐ war also nur m dem Falle mög- 
lich, dass die Kürzung in sehr frühe Zeit fiel; im eine Pe- 
riode, wo o und ö noch in ihrer alten Qualität erhalten waren. 
Eine so alte Kürzung ist aber nur dann möglich, wenn der 
Langdiphthong vor Konsonanz, nicht wenn er in Pausa stand. 
Es scheint mir sogar nicht unmöglich, dass in jener Stellung 
die Reduktion noch in die Zeit der baltisch-slavischen Urge- 
meinschaft fällt, während in diesem hiervon keine Rede sein 
kann, wie oben S. 262 gezeigt ist. Dem Einwand Wiede- 
manns entspräche es daher ungefähr, wenn man die Zurück- 
führung eines ahd. vorkonsonantischen οὐ auf urgerm. σὲ des- 
halb für unmöglich erklären wollte, weil urgerm. 5 zu ahd. 
«wo geworden sei. 

2. Dem Übergang von idg. -οὐ zu Hit. -τῦ entspricht 
aufs genauste derjenige von idg. -om zu lit. -z, wie wir ihn 
im Genetiv Plur. beobachten können. So wenig dort -02 mit 
-0? zusammengefallen ist, so wenig hier -0m mit -om. Vel. 
kotü: Akk. Sg. ta. Bei letzterm ist allerdings die schleifende 
Akzentqualität nicht urindogermanisch, doch hindert dies eine 
Vergleichung nicht. Ist doch die Entwickelung selbst gestos- 
sener Kurzdiphthonge — abgesehen von ihrer spätern Kürzung 
im absoluten Auslaut — keine andere als die der schleifenden: 
Vgl. z. B. Lokativ Sing. name mit idg. -o? und Nominativ 
Plur. balte-ji mit idg. -6i. 

Der Lautwandel -om zu -un!) zu -un ist dem von -02 
zu -ui zu -u2 parallel. Aber während hier ein Abschluss da- 
init erreicht ist, muss dort — und zwar wie wir aus manchen 
Thatsachen wissen, in relativ später Zeit — der Nasal unter 
“Ersatzdehnung’ in einer Anzahl von Dialekten schwinden. 
Diese Verlängerung bleibt erhalten, weil die Tonqualität der 
Silbe die schleifende ist. So besteht z. B. im Instrumentalis Sing. 


I) Der Übergang von auslautendem m zu n scheint schon 
in die Zeit der baltisch-slavischen Urgemeinschatft zu fallen. 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 265 


der femininen @-Stämme ein Unterschied in der Quantität zwi- 
schen unbestimmtem und bestimmtem Adjektiv auf nordlitaui- 
schem Dialektgebiet, nicht aber im Genetiv Plur., vgl. gera: 
gerd-ja aber gera: gerü-jü. 

Erhaltenen Nasal zeigen bekamntlich dialektische Gene- 
tivformen auf -ua, vgl. Kurschat Grammatik 8 530 8. 149. 
z. B. ponun “der Herren’. 

Lettisch -« im Genetiv Plur. ist regelrecht, vgl. Wiede- 
mann KZ. XXXII 115; ἐδ (6 = ὦ mit dem sogenannten "ge- 
dehnten’ Ton) ist zu beurteilen wie der Akkusativ Sing ἐδ, 
vgl. Brugmann Grundriss II 8 345 5. 692 Anm. 

3. Dem Genetiv Plur. schliesse ich eine andere Form 
an, der ursprünglich schleifender Ton zwar nicht eigen war, 
die ihn aber im Litauischen durch Übertragung erhalten hat. 

Nach Vietor Michels bei Hirt oben S. 22 und Kretsch- 
mer ΚΖ. XXXI 358 wechseln von alters her im Nominativ 
Sing. der en-Stämme Formen auf -ön und -ö, indem der durch 
den Satzzusammenhang bedingte Schwund des Nasals eine 
Änderung der Akzentqualität veranlasst hat. Während nun 
im Hoechlitauischen ausschliesslich Bildungen der letzten Art 
herrschen, vgl. z. B. akma, treten in Dialekten auch Formen 
mit -» auf. Aber ihr Akzent ist nicht der lautgesetzlich be- 
rechtigte gestossene, sondern der schleifende, vgl. szun ‘Hund’ 
bei Kurschat Grammatik $ 731 S. 207, Brugmann Grundriss 
II $ 192 S. 528. Die Unregelmässigkeit in der Akzentquali- 
tät dürfte wohl darauf hinweisen, dass wir es hier nicht mit 
uridg. -ön zu thun haben, sondern dass an -z aus idg. -ῦ durch 
den Einfluss der obliquen Kasus das n neuangetreten ist. 

Das vor dem n stehende « aus früherm ὦ entspricht 
den bei dem Genetiv Plur. und Dativ Sing. beobachteten That- 
sachen. 

Alle drei bisher angeführten Endungen besitzen idg. ö 
in diphthongischer Verbindung; alle drei stimmen darin über- 
ein, dass dieses 0 im Litauischen zu « (urbalt. 6), nicht zu Ὁ 
(urbalt. @) geworden ist. Einen weitern Fall für «+Sonorlaut 
werden wir später noch antreffen. 

4. Dativ Sing. der 4-Stämme auf idg. -αὖ.: katrai — 
griech. τιμῇ. Ein Unterschied in der Vertretung des auslau- 
tenden Langdiphthongs von der des inlautenden ist hier nicht 
wie bei idg. -οὐ zu bemerken, vielmehr ergibt -ai in beiden 


900 Wilhelm Streitberg, 


Stellungen αὐ (bezw. δ), fällt also mit dem ursprünglichen 
Kurzdiphthong zusammen. Vgl. Wiedemann Präteritum S. 29. 
Auslautendes -di, dessen gestossener Ton, wie schon bemerkt, 
im Litauischen einen prinzipiellen Unterschied im der Behand- 
lung nicht bedingt, finden wir im Nominativ Du. Fem.: ge- 
re-ji und ger. 

Woher kommt es nun, dass wohl -a? mit idg. -αὐ und -oi 
zusammenfällt, nicht aber -#2?7 Haben wir auf Grund dieser 
Verschiedenheit etwa einen chronologischen Unterschied zwi- 
schen der Verkürzung von -02 und -αὖ anzunehmen? Gewiss 
nieht. Die Differenz beruht vielmehr darauf, dass ide. ö im 
Urbaltischen als ὁ (lit. «), dagegen idg. a als a (lit. δ) ver- 
treten war. Dass ferner der Übergang von ö zu ἡ wie auch 
die Übereinstimmung von Litauisch und Lettisch lehrt, in be- 
deutend frühere Zeit fällt als der von urbalt. @ zu hochlit. 6. 
Will man diese beiden Lautprozesse in chronologische Bezie- 
hung zu dem Kürzungsgesetz bringen, so muss man die Re- 
duktion in die zwischen ihnen liegende Periode setzen. Es 
ergibt sich also für alle in Betracht kommende Lautgesetze 
folgende relative Datierung: 

1. Kürzung inlautender Langdiphthonge. 

2. Idg. o und a fallen in balt. « zusammen. 

3. Urbalt. δ wird ὦ, urbalt. ἃ bleibt erhalten. Also Ge- 
netiv Plur. -52 wird zu -aun. 

4. Reduktion auslautender Langdiphthonge. Der Gene- 
tiv Plur. -ὠδ wird -un; Dat. Sg. αὐ gibt -ao. 

5. Balt. ἃ geht in hochlit. ö über. 

Es leuchtet nun ein, dass die Möglichkeit eines Zusam- 
menfalls von reduziertem -αὖ mit ursprünglichem -αὐ so lange be- 
stand, als der unter Nummer 5 angeführte Lautwandel noch 
nicht stattgefunden hatte. 

5. Vielleicht ist auch noch eine andere Form auf idg. 
-ai zurückzuführen: das ταῦ im Nom. Plur. pronomimaler Neu- 
tra wie ta?, vorausgesetzt, dass die Theorie Johannes Schmidts 
zu Rechte besteht, wonach an die Form auf -a@ ein Sufix -2 
angetreten ist. Die Form würde dann zu lat. gaae genau 
stimmen, welches langes a gehabt haben muss. Denn dass 
ai als ae in einsilbigen Wörtern erhalten sei, lässt sich durch 
nichts wahrscheinlich machen. Auch gxi, für das man in die- 
sem Falle doch *gua *ca zu erwarten hätte (vgl. anus), lässt 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 267 


die Erklärung nicht in günstigerem Lichte erscheinen. Fasst 
man dagegen guae als idg. *gai d.h. als das feminin-neutrale 
®ga+- Partikel © und betrachtet man den Nominativ Plur. mensae 
nicht mit Brugmann als einen alten Nominativ Du., sondern 
als eine Analogiebildung nach dem -οὐ der Maskulina, wobei 
die Länge des a sich direkt erklärt, so lösen sich alle Schwie- 
rigkeiten ohne Zuhilfenahme so verwickelter Neubildungen wie 
sie Osthoff für seine Theorie notwendig hat. 

Lässt sich so die Möglichkeit, dass lit. ta? für ide. *tar 

steht, nicht bestreiten, so fehlt doch zur Gewissheit noch viel. 
Denn wie Leskien mit Recht hervorhebt, kann fa? auch ohne 
jeden Anstoss auf fa+a? zurückgeführt werden, wobei ta — 
idg. *tod, -αὐ dagegen dieselbe deiktische Partikel ist, die in 
dem sehr gebräuchlichen tas-a? “der da’ erscheint. Also non 
liquet. 
; 6. Lit. -αὖ im der ersten Person Sing. Prät. ist nach 
Wiedemann Präteritum S. 145 ff. aus -@+u dureh Kontraktion 
sekundärer Weise entstanden. Gegen die Möglichkeit dieses 
Lautprozesses ist nichts zu erinnern; der schleifende Akzent 
harmoniert durchaus mit der vorgeschlagenen Erklärung. 

ἧς. Anders als Wiedemann muss ich dagegen -ἑαῶ auf- 
fassen. Die von ihm angenommene Zurückführung auf e-+u 
scheitert an dem vorausgehenden ὁ. Ein auf lit. Boden ent- 
standener sekundärer Langdiphthong -eu hätte doch bei einer 
Verkürzung des ersten Komponenten nur -2zx und  weiter- 
hin -au ergeben können. Das ö bleibt also völlig rätselhaft. 
Es lässt sich, worauf mich Prof. Leskien aufmerksam macht, 
nur dadurch erklären, dass man Kontraktion von ie mit « 
annimmt. In diesem Falle muss die Verkürzung von -eu zu 
-eu sowie der darauf folgende Übergang von -eu zu -au vor 
jene Periode fallen, in der ein ὁ vor palatalen Vokalen ge- 
sechwunden ist. 

Die lautlichen Schwierigkeiten lassen sich also auf die- 
sem Wege wohl heben. Aber bei dieser Lösung drängt sich 
sofort die Frage auf, was jener Stamm auf -ie- denn 
eigentlich sei. In Wiedemanns Theorie scheint er mir nicht 
hineinpassen zu wollen. Doch das ist en Problem, das aus- 
serhalb des Rahmens dieser Untersuchung fällt, dessen Erör- 
terung ich mir deshalb versagen muss. 

Im folgenden wende ich mich der Betrachtung verschie- 


208 Wilhelm Streitbers, 


dener Formen zu, die mit einer Ausnahme in indogermanischer 
Urzeit gestossenen Ton gehabt haben müssen. Im Litauischen 
ist für sie jedoch schleifender Akzent anzusetzen. Ich glaube, 
dass (diese litauische Neuerung auf einem mit der Quanti- 
tät in Verbindung stehenden einzelsprachlichen Akzentgesetze 
beruht. 

Ss. Der Akkusativ Sing. zu dem Nominativ gaidys lau- 
tet gazdi. Schleifende Akzentqualität ist hier, nach dem No- 
minativ zu schliessen, etymologisch berechtigt. Sie wird fer- 
ner dadurch gestützt, dass auch die abstufenden ze-Stämme 
mit kurzem Schwundstufenvokal des Suffixes nach Ausweis 
der Pronomina (etymologisch freilich nicht berechtigte) schlei- 
fende Qualität der Endsilbe haben, vgl. 77, kokr, kurt. Jeden- 
falls lehrt der Zusammenfall beider Klassen, dass auslauten- 
des -zm nicht anders als -ör2 behandelt ward, dass also Re- 
(duktion des 2 vorauszusetzen ist. 

Schwieriger ist die Frage, woher die schleifende Quali- 
tät im Nominativ -9s und im Akkusativ - komme. Die An- 
sicht Joh. Schmidts (zuletzt ausgesprochen im den Pluralbil- 
dungen S. 424), der an Schleicher anknüpfend lehrt, lit. öja 
werde zu ὁ, vermag ich mir so wenig zu eigen zu machen 
wie Leskien oder Brugmann. Auch durch finnische Lehn- 
wörter mit -zas, welche lit. Nominativen auf -7s gegenüber- 
stehen wie z. B. finn. ankerias = lit. ungurgs (vgl. schon Verf. 
-io- und -ien- S. 29), wird ein solcher Übergang nicht erwiesen. 
Denn wie wir beobachten können, breiten sich die abstufen- 
den ie-Stämme auf Kosten der nichtabstufenden mehr und 
mehr aus. Wir sind also berechtigt in dem -is -9s vieler 
Nominative blosse Analogiebildungen zu sehen. 

Ich habe oben S. 13 im Sinne der Hirtschen Erklärung 
von *sunoüs aus "sanou-es die Vermutung ausgesprochen, dass 
vor Entstehung der Schwundstufe die ide. Grundform auf 
zweisilbiges -2ios, nicht auf einsilbiges -2os ausgegangen sein 
könne. Wahrscheinlicher will mir jetzt eine andere Erklä- 
rungsmöglichkeit vorkommen. 

Vor allen Dingen leugne ich die Behauptung Hirts: “Ein 
Vokal mit schleifendem Ton steht nirgends im Ablaut mit 
einer Kürze”. Ich halte im Gegenteil schleifende Länge für 
eine normale Ablautstufe eines Kurzdiphthongs. Wenn näm- 
lich Bartholomae BB. XVII 105 ff. — wie ich glaube — recht 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 269 


hat auch für die drei leichten Vokalreihen als erste Schwund- 
stufe idg. Schwa (9) anzusetzen; wenn ferner dieses Schwa 
mit konsonantischem Sonorlaut zur Länge verschmilzt, so muss 
diese als ein Kontraktionsprodukt nach Hirts eigener Theorie 
notwendig schleifende Betonung haben. Die schleifende Länge 
im Ablaut zu einem Kurzdiphthong wäre also das, was Ost- 
hoff “nebentonige Tiefstufe” nennt. Wie man sieht, berühre 
ich mich in dieser Auffassung zum Teile wenigstens mit Kretsch- 
mer ΚΖ. XXXI 339 f. 344 f. 

Natürlich darf man aber nieht die in den leichten Vo- 
kalreihen auftretenden Längen mit jenen, die in den schweren 
erscheinen, ohne Weiteres auf gleiche Stufe stellen. Vielmehr 
entspricht, wie leicht ersichtlich, dem Verhältnis von Lang- 
diphthong: Länge‘ dort jenes von "Aurzdiphthong: Kürze‘. 
Oder formelhaft: 

en (26): 5 ΞΞΞ. ὃν (6) : . 

Man wird also mit Kretschmer das lit. -2s in gaidyjs dem 
griech. -@s in ὀφρῦς parallelisieren müssen, nicht aber dem 
aus τσ entstandenen -2 im Nominativ Sing. der abstufenden 
ie-Stämme, vgl. geresny-ji “die bessere’ in litauischen Dialek- 
ten. Im letztern Falle ist nach dem oben Gesagten der ge- 
stossene Ton allein berechtigt. 

9. Im Gegensatz zu dem etymologisch begründeten 
schleifenden Tone der Endung von gardi steht die gestossene 
Akzentqualität der Schlusssilbe im Akkusativ Sing. der a- 
Stämme für die idg. Urzeit vollkommen fest. Trotzdem herrscht 
im Litauischen auch hier ausschliesslich der schleifende Ton, 
wie die den Wortakzent tragenden Pronominalendungen be- 
weisen, vgl. f@: griech. τήν, katra u.ä. 

Diese merkwürdige Neuerung in der Akzentqualität be- 
schränkt sich nicht etwa auf den Akkusativ Sing. der a- 
Stämme. Wir treffen sie auch bei den e-Stämmen in diesem 
Kasus, vgl. ἐᾷ gegenüber griech. τόν, katr@ usw. Maskulinum 
und Femininum sind also im Akkusativ Sing. völlig zusam- 
mengefallen, der beste Beweis für die Reduktion des a vor 
Schwund des auslautenden Nasals.. Auch idg. -zm erscheint 
als lit. 2, vgl. die schon oben zitierten 72, kokt, aber griech. 
τίν-α. 

Woher dieser Akzentwechsel? Ich glaube er beruht auf 
der Quantität der Silbe. Diese aber ist mittelzeitig, vgl. 


270 Wilhelm Streitberg, 


Baranowski und Weber Ostlitauische Texte I 5. XVII. Eine 
mittelzeitige Silbe, d.h. eine solche, welche zwei Moren zählt, 
kann aber den Silbenakzent nur auf der zweiten More tragen, 
mit andern Worten, sie muss schleifende Betonung haben. 
Das gilt nicht nur von dem Akkusativ Sing. der e- und a- 
Stämme, sondern auch von dem der ei- und eu-Stämme. Auch 
in nakti, in sinu ist die letzte Silbe mittelzeitig, folglich 
schleifend anzusetzen. 

10. Schleifenden Ton hat endlich auch der Akkusativ 
Sing. der nichtabstufenden öe-Stämme. Dies darf man einmal 
auf Grund des Baranowskischen Gesetzes vermuten, denn -e 
ist mittelzeitig (vgl. a. Ὁ. 5. XVIID), dann führt auch der 
Akzent des Nominativs auf diese Annahme: kate. Urindoger- 
manisch kann derselbe freilich nicht sein, denn es gibt kein 
(resetz, welches für die Vollstufe -ze schleifende Qualität recht- 
fertigen könnte. Meiner Ansicht nach ist der Zirkumflex viel- 
mehr von dem Nominativ der er-Stämme Feminini Generis 
auf idg. -© (aus -r nach Michels-Kretschmer) wie mote über- 
tragen. Diese waren ausser den ze-Stämmen die einzigen Fe- 
minina mit dem Nominativausgang τος eine Übertragung ihrer 
Akzentqualität lag also nahe. 


Il. Gestossene Langdiphthonge im Auslaut. 


1. Nach den Untersuchungen von Johannes Schmidt und 
Rudolf Meringer sind für den Lokativ Sing. der ei-Stämme 
im Indogermanischen Doppelformen anzunehmen, nämlich -e 
und -£, deren Gebrauch aller Wahrscheimlichkeit nach durch 
satzphonetische Bedimgungen geregelt war. Die erste Form 
trug sicher gestossenen Akzent, denn sie repräsentiert die von 
Bartholomae sogenannte “Dehnstufe’ der eö-Stämme, entspricht 
also dem -En -Er -ς der en- er- es-Stämme. Dagegen nehme 
ich für die Sandhiform auf -@ mit Michels und Kretschmer im 
Gegensatz zu Hirt die schleifende Betonung als lautgesetzlich 
an. Denn ich glaube, dass die Langdiphthonge auf x und ἢ 
jenen auf » r parallel behandelt werden. Dafür spricht mei- 
nes Bedünkens doch wohl die Übereinstimmung von aind. gam 
mit griech. Bwv, ferner wohl auch Akk. Ζῆν gegenüber Nominativ 
Ζεύς. Ich muss daher Brugmann beistimmen, dass τῇ die regel- 
rechte z-lose Lokativform eines ei-Stammes ist, vgl. Griech. 
Gramm. 2 8 201 8.223 und 8 88. Denn dass lit. te “da’ sze “her” 


D 


Genetiv Plur. nnd die balt.-slav. Auslautgesetze. 211 


aus *te *sze verkürzt und Liokative von ei-Stämmen seien, 
wie Hirt oben S.29 anzunehmen geneigt ist, wird durch abe. 
te, lat. que, griech. τε, aind. ca sehr wenig glaubhaft. 

Doch es ist hier der Ort nicht, auf diese Frage näher 
einzugehen. Für jetzt habe ich es lediglich mit -& und sei- 
nem Reflex im Litauischen zu thun. Denn ein solcher exi- 
stiert meiner Meinung nach. wirklich. 

Zwar darf man nicht mit Brugmann Grundriss IE $ 260 
5. 613 in dem dialektischen -© der Infinitive, wie z. B. dekte 
brennen’, den idg. Lokativausgang -ὀλ suchen wollen; dem 
widerspricht die schleifende Betonung, wie Hirt S. 28 riehtig 
hervorgehoben hat. Wohl aber liegt, was man meines Wis- 
sens bisher übersehen hat, der regelrechte Lokativ der ei- 
Stämme in dem gewöhnlichen lit. Infinitiv auf -f vor. Idg. 
-ei musste zu -di bezw. -ὅ werden, dies aber nach Leskiens 
Gesetz zu - Reduktion erleiden. Das - ist in manchen Dia- 
lekten beim Reflexiv erhalten, z. B. süktes, vgl. Kurschat 
Grammatik $ 1148 S. 298. R ἷ 

Die Erkenntnis, dass lit. -ἐλ die Fortsetzung des urindog. 
-tei ist, weist auch für die Beurteilung des abg. -t den rich- 
tigen Weg. Johannes Schmidt hat darin eine Form mit idg. -e 
(= -£) zu sehen geglaubt. Lautlich ist diese Annahme unanstös- 
sig, wie mati aus idg. "mate lehrt. Aber sie zerreisst ohne 
Not nicht nur den Zusammenhang mit lit. -f, sondern auch 
den mit abg. - im Lokativ der ex-Stämme, z. B. synu aus 
idg. "saneu. Deshalb dürfte es vorzuziehen sein, beide En- 
dungen auf eine gemeinsame Grundform idg. -tei direkt zu- 
rückzuführen. Dessen -Οὲ musste auch im Altbulgarischen zu 
-£i gekürzt werden und dann gleich- ursprünglichem -ei in -2 
übergehn. 

Was den lit. Infinitiv auf -te anlangt, z. B. dekte, so 
wird anzunehmen sein, dass er seine Akzentqualität von den 
ungleich häufiger gebrauchten Infinitiven auf -teö bezogen hat, 
wenn nicht, wie bei dialektischem dektö, überhaupt eine Neu- 
bildung nach der e-Deklination anzunehmen ist. 

2. Im Litauischen existieren eme Anzahl Lokativad- 
verbien auf -ar z. B. kür "wo’, nekur 'nirgends’ usw. Dass 
dieselben mit Bildungen wie griech. νύκτωρ “nachts’ in ihrer 
Endung übereinstimmen, dass ferner got. bar var aus *ber 
"fer im Ablaut zu ihnen stehen, scheint mir unzweifelhaft 


272 Wilhelm Streitbersg, 


und ist bereits von Mahlow Lange Vokale S. 115 und ganz 
neuerdings von Hirt oben’ S. 29 f. mit Recht hervorgehoben 
worden. Diese Adverbien lehren uns nun dreierlei: 

a) dass auslautendes -” im Litauischen nicht, wie Johan- 
nes Schmidt behauptet (zuletzt Pluralbildungen S. 193 f. Fuss- 
note), abgefallen ist. 

b) dass idg. o auch vor -r als ὦ erscheint, d. h. dass 
es überhaupt vor Sonorlaut in Endungen nicht zu urbalt. a 
geworden ist. Da nun nach Wiedemann selber das gleiche 
auch von absolut auslautendem idg. -0 gilt, so ist nicht ver- 
ständlich, wie ein noch dazu schon früh geschwundenes d im 
Genetiv-Ablativ den Wandel von 0 zu a veranlasst haben soll. 

c) dass gestossener Langdiphthong mit idg. ö nieht an- 
ders behandelt wird als schleifender. Denn -ar aus idg. -ör 
entspricht aufs genauste dem aus -02 entstandenen -u2 des 
Dativ Sing. und dem auf -om zurückgehenden -ἢ im Gene- 
tiv Plur. 

3. Der Instrumentalis Sing. der «-Stämme geht auf idg. 
-im aus. Gestossenen Ton besitzt auch lit. gerad. Für die 
einstige Existenz eines auslautenden Nasals ist der Ausgang 
des bestimmten Adjektivs: gerd-ja, sowie τῶι in dialektischem 
runku (Kurschat Grammatik $ 601 S. 174) und lett. rakau (im 
Volksliedern) beweisend. Der Vokal -ἃ ist kurz, nicht mittel- 
zeitig (Ostlit. Texte IS. XVD, daher die Bewahrung der ur- 
sprünglichen Akzentqualität. 

IE, Zweitelhatte Rätle 


‚ 

Nachdem im vorausgehenden alle mir bekannten Fälle 
erörtert sind, für die mit Sicherheit ursprünglicher Lang- 
diphthong im Auslaut anzusetzen ist, bleibt mir noch die Be- 
sprechung einiger Formen übrig, die von mancher Seite mit 
mehr oder weniger stichhaltigen Gründen jenen Beispielen 
gleichgesetzt worden sind. 

l. Instrumentalis Sing. der e-Stämme: gerüa und gerü- 
ju. Leskien Partikel -am S. 100 hat das -u : -&- auf idg. -Om 
aus -ö--am zurückgeführt. Dagegen erhebt Hirt oben 8.13 ff. 
Einsprache, weil man bei einer derartigen Kontraktion schlei- 
fende Betonung erwarten müsse). Er stellt semerseits ein 

1) Es könnte aber doch auch ö+konsonantisches m (Schwund- 
stufe der Leskienschen Partikel) anzusetzen sein, was ebensowohl 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 273 
Instrumentalsuffix -öm (bezw. bei Sehwund des Nasals -0) : -m 
auf und erklärt 5. 25: “In lit. velkü kann nunmehr wegen 
des gestossenen Tones nur die Form auf -öm erhalten sein.’ 

Abweichend von beiden Gelehrten führt Wiedemann KZ. 
XNXXIH 112 f. die Endung des 110. Instrumentals auf idg. -ö 
zurück im Hinblick auf den Nominativausgang der ea-Stämme 
einer- und die Endung des Genetiv Plur. anderseits. Auf die 
Akzentqualität, welche Hirts Hauptargument 
-öm) bildet, geht er dabei freilich nicht ein. 

Welehe von beiden Parteien hat recht? Ich glaube, un- 
zweifelhaft Wiedemann, wenn auch seine Beweisführung der 
Ergänzung fähig ist. 

Hirts Hypothese geht von dem Unterschied zwischen 
schleifendem und gestossenem -Oöm aus. Er muss notwendiger 
Weise annehmen, dass jenes früher gekürzt ist als dieses. 
Mit andern Worten, dass dort die Reduktion des langen Vo- 
kals vor, hier aber nach dem Schwund des auslautenden 
Nasals bezw. nach dessen Herabsinken zur blossen Nasalie- 
rung eingetreten sei. | 

An sich ist diese Auffassung möglich. Eine sehr inter- 
essante Parallele dafür, dass ein auslautender Nasal vor der 
Reduktion des vorausgehenden langen Vokals geschwunden 
ist, gewährt das Germanische. Hier ist, wie ich in meiner 
Schrift über die germanischen Komparative. auf -02- nachge- 
wiesen zu haben glaube, die Kürzung auslautender Langdiph- 
thonge ein recht später, erst dem Sonderleben der drei gros- 
sen Dialektgruppen angehöriger Akt. Älter dagegen ist die 
Reduktion auslautender Nasale. Durch den Umstand nun, 
dass die Reduktion des Nasals in die Zeit vor der Kürzung 
der Länge fällt, erklärt sich emzig und allen, warum wir 
im Gotischen z. B. in der Endung des Genetiv Plur. -@ als 
Länge erhalten haben. Wäre nämlich der Nasal so spät ge- 
schwunden wie im Litauischen, so hätte keine schleifende Ak- 
zentqualität das vor -» stehende e vor Verkürzung schützen 
können. Wir hätten alsdann mit derselben Notwendigkeit 
Ὁ ἢ wie im Litauischen -«%, im Lateimischen -um oder wie 
im Gotischen selber beim Dativ Sing. der a-Stämme -ai aus 
idg. -@2. 


gegen -ὅ (aus 


-öm ergeben müsste, wie im Akkusativ Sing. -ä+m zu -dam, -i+m 
zu -ım wird. 


914 Wilhelm Streitberg, 


Die Wirkung, welche der schleifende Ton bei got. δ 
aus -em ausgeübt hat, besteht also nicht darin, dass er des- 
sen Verkürzung verhindert hat, als es noch im diphthongischer 
Verbindung stand — das vermag er überhaupt nicht — son- 
dern dass er als urgerm. -e2 zu -2 d. h. nasaliertem -@ ge- 
worden war, die Länge dieses neuentstandenen Nasalvokals 
wahrte. 

So könnte man also die Möglichkeit der Hirtschen Auf- 
fassung im Prinzip ganz wohl zugestehen; trotzdem scheitert 
aber die Hypothese in concreto, da sie in den Rahmen der 
feststehenden Chronologie nicht passen will. Die Verkürzung 
eines gestossenen, auf Nasal auslautenden Langdiphthongs 
fällt nämlich nicht im eine Periode, die auf die Reduktion 


des Nasals folgt — was Hirts Theorie doch zur notwendigen 
Voraussetzung hat — sondern in eme, die ihr vorausgeht. 


Dies beweist aufs klarste der Instrumentalis Sing. der @-Stämme. 
Sein -4 steht nur scheinbar mit dem -@ der Maskulina auf 
gleicher Stufe. Dies erkennt man sofort, wenn man das be- 
stimmte Adjektiv heranzieht. Denn hier heisst es beim Mas- 
kulmum gerä-ju, beim Femininum aber nicht *gero-ja, son- 
dern gerd-ja. 

Dem Instr. gera:gerd-ja entspricht also bei ö-Diph- 
thongen em -@: *-u-ju, vgl. Gen. Pl. ger@: gerä-ja. Dem vor- 
handenen gerü: gerd-ja dagegen ist im Paradigma des Femi- 
ninums gerad: gerö-ji (Nom.) zu vergleichen, also eine nasal- 
lose Form )). 

Wie ist nun das urbalt. -ὁ im Instrumental zu erklären? 
Ich gestehe, dass mir auch nach Hirt die (modifizierte) Auf- 
fassung Leskiens, nach der -om -am auf -0 -d-m zurückge- 
hen, nieht unwahrscheinlich vorkommt. Dann wäre - Hit. -% 
die alte, nicht erweiterte Form. Das erweiterte -öm kann 
nun seinerseits im Indogermanischen den Nasal verlieren, dann 
muss natürlich das ö schleifenden Akzent erhalten. Das ide. 
Verhältnis -öm : τῦ wird sich m lat. tum : lit. ἐῶ (got. be dazu 
ablautend) widerspiegeln. 

Möglich ist natürlich auch die andere Auffassung, dass 
der gestossene Ton des -5 von der neben ihm stehenden Bil- 


1) Ebenso ist natürlich auch die Endung der 1. Pers. Sing. 
Präs. -ὰ : -ἰ- zu beurteilen. 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 275 


dung auf -öm übertragen sei. Müssen wir eine solehe Über- 
tragung der Akzentqualität meines Erachtens doch auch für 
das -ό neben -a im Nom.-Akk. Du. annehmen, da gam βῶν 
mir dafür zu sprechen scheint; dass auch der Verlust des τὸ 
die Tonqualität vorausgehender Länge beeinflusse. Solche 
Übertragung nimmt ja auch Hirt für manche Fälle an. 

2. sesa mote. Johannes Schmidt KZ. XXV 22, Plural- 
bildungen 193 f. Fussnote 2 behauptet bekamntlich, dass sie 
im Litauischen aus ältern *sesar "moter entstanden seien. Der 
‚an der zweitgenannten Stelle niedergelegten Beweisführung 
vermag ich nicht zu folgen. Denn es will mir nicht einleuch- 
ten, inwiefern lit. Neubildungen des Nominativs der er-Stämme 
wie sesun für die Existenz eines altlit. Nominativausgangs -r 
sprechen können. Sie vermögen doch nur zu beweisen, dass 
en- und er-Stämme im Nominativ zusammengefallen sind und 
zwar deshalb, weil das auslautende -n» bezw. -r geschwun- 
den war. Ob dieser Schwund aber in urindogermanische 
oder in einzeldialektische Zeit falle, darüber können sie uns 
keine Auskunft geben. 

Wohl aber thut dies der schleifende Akzent der Endung 
von sest, mote und akma&, der sich nur durch das Michels- 
Kretschmersche Betonungsgesetz erklären lässt. Dieses aber 
ist ursprachlich. Ferner lehren die oben besprochenen Adver- 
bien auf -ar = idg. -Or, dass auslautendes -r im Litauischen 
nicht abfällt. 

Neben sesü akmü steht der es-Stamm menu “Mond’, 
sowie das im Indogermanischen heteroklitische Neutrum vandı 
undda (Mask.) Wasser’. Dass die beiden letzten Worte in der 
Endung idg. -ὃ aus -ör gehabt haben sollten, scheint mir aus 
mehr als einem Grunde zweifelhaft. Vielmehr glaube ich, 
dass lit. vandü so gut wie got. wato Neubildungen für *van- 
dur ®watar sind, d. h. dass zur en-Flexion der obliquen Ka- 
sus ein entsprechender Nominativ auf analogischem Wege 
gebildet ward. Dafür scheint mir auch das neben got. 
wato stehende offenbar altertümlichere ahd. wazzar deutlich zu 
sprechen. 

Mit Sicherheit muss dagegen der Nominativausgang -ο 
bei dem es-Stamm menes- als den Lautgesetzen nicht entspre- 
chend bezeichnet werden. Johannes Schmidt nimmt bekannt- 
lieh als Grundform *menot an, dessen t aus s vor einem s 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 18 


210 Wilhelm Streitberg, 


der Endung entstanden sei, vgl. ΚΖ. XXVI 346, Pluralbildun- 
sen S. 158 ff. Fussnote 2 und 193 ff. Fussnote 2. Ich will ganz 
davon absehn, dass ich mich von der Stichhaltigkeit der Gründe, 
die Joh. Schmidt für seine Hypothese beibringt, nicht über- 
zeugen kann (vgl. auch Bartholomae KZ. XXIX 523 und Stu- 
dien D); trotzdem vermag ich schon deshalb nicht an die Laut- 
gesetzlichkeit des -«(t) zu glauben, weil wir für die Dehnstufe 
des Suffixes, die im Nommativ der en- er- es-Stämme erscheint, 
nur gestossenen, nicht aber schleifenden Akzent zu fordern 
verpflichtet sind. Daran kann doch auch der Übergang von 
s zu t und der (einzeldialektische) Schwund des ὁ nichts än- 
dern. Also mindestens der schleifende Ton muss übertragen 
sein, und woher könnte er sonst stammen als von dem Aus- 
gang -Ö im Nominativ der en- und er-Stämme? Sollte es da 
nicht möglich sein, dass nicht bloss der Akzent, sondern die 
ganze Endung von ihnen entlehnt wäre? 

3. Gestossenes -öa erscheint im Nominativ Du. der mas- 
kulinen e-Stämme. 

Die Frage nach der Vertretung des auslautenden -o2 im 
Litauischen ist aufs engste mit jener nach dem Schicksal des 
inlautenden verknüpft. Ich kann daher nicht umhin, einen 
Blick auch auf dieses zu werfen, ehe ich an jenes herantrete. 

A. Inlautendes öx. Auf S.13 der Komparative auf 
-ö2- habe ich jenes balt. ἃ, das im der e«x-Reihe auftritt, auf 
idg. ou zurückgeführt. Diesem ὃ ist nun auch in Wiedemanns 
reichhaltiger Schrift über das lit. Präteritum ein ganzer Ab- 
schnitt gewidmet (S. 33 ff... Wiedemanns Ergebnis trifft an- 
scheinend mit dem memen zusammen, denn auch ihm ist « 
der Vertreter eines ältern oa. Trotz dieser äusserlichen Gleich- 
heit sind aber unsere Anschauungen wesentlich von einander 
verschieden. Wiedemann verlegt nämlich den Übergang von 
ou zu ὁ (a) in die Periode des Sonderlebens der baltischen 
Sprache; ich halte ihn dagegen mit Wilhelm Schulze und Ru- 
dolf Meringer für urindogermanisch. Nach meimer Ansicht 
hat also das Baltische ein aus ursprünglichem o« entstandenes 
ö aus der Urzeit ererbt, das sich von den übrigen idg. 6 in 
keiner Weise unterschied, deshalb auch die gleiche Entwicke- 
lung durechmachen musste. 

Dieser Unterschied in der Beurteilung des ἡ ist für das 
System des lit. Vokalismus deshalb von Wichtigkeit, weil er 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 277 


mit der Frage nach der Vertretung des idg. ö im Baltischen 
aufs engste zusammenhängt. Abgesehn von der Stellung im 
In- und Auslaut sowie vor 7 leugnet Wiedemann, wie schon 
erwähnt, die Mahlowsche Gleichung idg. 6 = lit. ἃ. Auf die 
Behandlung dieser allgemeinen Frage muss ich an dieser Stelle 
natürlich verziehten; ich kann dies um so eher, als ich im 
Zusammenhang darauf zurückzukommen gedenke?). Die Gründe 
nun, welche mir die Theorie Wiedemanns von der Herkunft 
des lett.-Iit. © aus urbaltischem oa wunannehmbar machen, 
sind die folgenden: 

1. A priori sprieht die Erwägung dagegen, dass alle 


andern Langdiphthonge des Inlauts — auch nach Wiedemann 
selber — Kürzung des ersten Komponenten erfahren, vgl. Prä- 


teritum SS. 25—30, 32—53. Wenn aber das Kürzungsgesetz 
sowohl für αὐ ei Οὲ als auch für aa eu Gültigkeit hat, warum 
allein für ö« nieht? 

Den naheliegenden Einwurf 0x sei anders als au und 

eu behandelt worden, weil σ᾽ und x einander näher stehen als 
a oder ὁ und τι, kann ich deshalb nicht gelten lassen, weil 
eine solche Argumentation bei dem parallelen δὲ vollständig 
versagt. 
2. Ebenso singulär wie die Monophthongierung von oz 
zu ö im Baltischen wäre sie im Sonderleben anderer Dialekte. 
In allen europäischen Sprachen herrscht das Kürzungsgesetz, 
ohne deshalb voreinzelsprachlich zu sein. Wer nun & in szlaju 
durch ein speziell baltisches Lautgesetz erklärt, muss auch 
das ö in got. stöjan flödus, griech. mAwröc u. dgl. für eimzel- 
sprachlich halten. Wie will man aber alsdann das Nebenein- 
ander zweier sich direkt widersprechenden Gesetze erklären ? 
Ich habe deshalb in Gemeinschaft mit den beiden oben ge- 
nannten Gelehrten die Entstehung von ö aus o« nicht ins Ein- 
zelleben der Dialekte, sondern in die Urzeit verlegt ?). 

1) Zubatys Erklärung im Archiv f. slav. Philol. XIII scheint 
mir in dieser Fassung unhaltbar; -2 -ur -ür sind doch auch Ver- 
treter der e-Reihe und dennoch haben sie οὖ nicht ὃ. 

2) Trotz meiner Polemik gegen Johannes Schmidt, der die 
Entstehung von Ο aus öu vor Konsonanz ins Urgermanische 
setzt, und gegen Brugmann, der sie nur vor 2 im Urgermani- 
schen gelten lassen will (vgl. Komparative S. 9 ff.), lässt mich Wie- 
demann oben S. 94 einen “ähnlichen Standpunkt wie Brugmann’ 


τῷ 
5ι 
an 


Wilhelm Streitberg, 


Bei Wiedemann herrscht in diesem Punkte ein eigen- 
tümliches Schwanken, vgl. Fussnote S. 186. Ferner erklärt 
er S. 122 im Gegensatz zu Osthoff Perfekt S. 84, dass Ver- 
kürzung eines langen Vokals nicht allgemein vor “Sonorlaut 
—.Konsonanz’, sondern nur vor “Nasal-+ Konsonanz’ nachweis- 


bar sei, hat aber dabei vergessen, dass er selber ausser 
vor ὁ a, die nach der Sieversschen Terminologie doch auch 
zu den “Sonoren’ gehören — vor ὁ Kürzung annimmt, vgl. 


S.39 2. 13 von unten. 

5. Auch das Arische spricht gegen Wiedemanns Datie- 
rung. Wenn etwas als gesichert betrachtet werden darf, so 
ist es die Thatsache, dass ar. as vor s erhalten bleibt. Das 
beweist schlagend die bekannte Doppelheit gaus: gam, dyaus: 
dyam (Ζῆν). Treffen wir nun auch auf indischem Boden eine 
Form @s- ‘Mund’ an, so sind wir nicht berechtigt für sta 
noch urbalt. *ousta anzusetzen. 

4. Es mag zugestanden werden, dass doa- die ursprüng- 
liehste Form der Wurzel für ‘geben’ repräsentiere. Daraus 
folgt aber noch nicht, dass hit. dati direkt auf sie zurück- 
geht. Vielmehr ist das Verhältnis döti: daviau dem von δί- 
dwcı :dofevan ind. dadati : dävdne vollkommen gleich zu stel- 
len. Wer für dati urbalt. *douti ansetzt, muss auch für dd- 
däati ein urarisches *dadauti konstruieren. Und selbst hierdurch 
ist für den indischen und griechischen Infinitiv wenig gewon- 
nen; denn wie Vietor Henry Revue Critique 1891 S. 164 mit 
Recht hervorhebt, ist ein Infinitivausgang -enai um nichts we- 
niger singulär als -wenai. 


Cl 


ὃ. Recht künstlich scheint mir die Deutung des lett. 
gües. Zwar kann Wiedemann nicht die evidente Gleichung 
Joh. Schmidts σάτα = gavi antasten, aber er sucht ihre Kon- 
sequenzen dadurch zu umgehen, dass er seiner Theorie zu 
Liebe eine Neubildung *gowris nach den obliquen Kasus an- 
nimmt. Übrigens wird man hier auch die Frage aufwerfen 
müssen: Wenn idg. 5 in seiner Qualität durch folgendes he- 
terosyllabisches ὁ gewahrt werden soll (was mir allerdings 
den Thatsachen nicht ganz zu entsprechen scheint), warum 


vertreten. Bei Kauffmann Beitr. XVI 215 ist “urgerm’ wohl nur 
Versehen für urindogerm., wie mir aus dem Zusammenhang her- 
vorzugehen scheint. 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 279 


nicht auch durch das ihm so nahe verwandte heterosylla- 
bische κα 2 ε 

6. Nach Wiedemann werden δὲ und ai ganz gleich 
behandelt, warum nicht auch 0x und au? 

7. Nieht zu seinem Rechte kommt bei Wiedemann päta 
bezw. pota "Trinkgelage‘. Ob dem Worte urbalt. a oder Ὁ 
zukommt, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen 1), thut 
auch nichts zur Sache. Jedenfalls hat die Wurzel ein ὁ nach 
langem Vokal besessen. Das Verhältnis von p&ta — pota : 
lat. pötus : gr. πέπω-κα : ind. patum ist also prinzipiell iden- 
tisch mit dem von d&ti : donum : didwcı : ddadati oder von lit. 
gomurys : ahd. guomo. Ist der Schwund von « hier einzel- 
dialektisch, so muss es dort auch der von ὁ sein. Wie stimmt 
damit aber die Vertretung von ö durch ai, Präteritum S.29f.? 

B. Auslautendes -öu«. Ein Urteil über seine Vertre- 
tung im Litauischen ermöglichen zwei Momente. Erstlich die 
Erkenntnis, dass gestossene Langdiphthonge im Auslaut nicht 
anders behandelt werden als schleifende. Zum andern die 
Thatsache, dass idg. ö in auslautenden Langdiphthongen als 
ἡ erscheint, das weiterhin zu « verkürzt wird. Demgemäss 
wäre für -όω als Endresultat -ἃ : -&- zu erwarten. 

Ein solches liegt aber im Litauischen nicht im Nomi- 
nativ Du. vor, sondern nur -ὼ : -&-. Wiedemann schliesst 
daraus, dass -0u zu -ὦ werde; aber so wenig wie für den 
Inlaut hat dieser Schluss für den Auslaut zwingende Kraft. 
Denn die Behauptung, dass “amd. asta, griech. ὀκτώ, lat. 
octö auch im Sonderleben des Altindischen bez. Griechischen 
und Lateinischen das auslautende « verloren haben können, 
wofür namentlich die Vertretung von idg. -οὐ in den einzelnen 
idg. Sprachen spricht”, entbehrt selber des Beweises.. Wenn 
τοῖν z.B. im Lateinischen zu -© geworden ist, wie will Wiede- 
mann das ὅ in duö u. dgl. erklären? Auf alte Länge muss 
es zurückgehen, da idg. ö im absoluten Auslaut nicht unver- 
ändert bleibt. Es darf anderseits nicht auf einzelsprachliehes 


1) Nach einer Mitteilung Prof. Leskiens schreiben Szyrwid 
u. a. puota, Mielcke pota. Die preuss. Formen poüt, püton, pou- 
ton, poutwei "trinken’; poteiti, pwieyti 2. Pers. Plur. Imperat. “trin- 
ket’; poüuis "das Trinken’ helfen nicht weiter. 


980 Wilhelm Streitberg, 


-öu zurückgeführt werden, da sonst die Länge des ö geschützt, 
eine Verkürzung nicht eingetreten wäre?). 

Unglücklich ist auch die Verweisung auf die Schicksale 
des -οὐ. Verliert dieses im Litauischen denn durchweg sein 
ὁ Verhält sich nicht vielmehr -ὦ : -w = -ü: *-a? Vgl. Zu- 
baty Archiv f. slav. Philologie XIII 602. 

Ich vermag deshalb in lit. -% : -&- nichts anders zu sehen 
als die Fortsetzung einer idg. Sandhiform auf -0. Diese Auf- 
fassung kann auch für Wiedemann selber nichts anstössiges 
haben, da er ja ausdrücklich den Übergang von idg. -0 zu 
lit. -« für den absoluten Auslaut anerkennt, also nach seiner 
eigenen Lehre die uridg. Grundform des lit. Nominativ Du. 
zweideutig ist. 

Auffallend ist der gestossene Akzent für den, welcher 
and. gam = griech. Bwv als lautgesetzliche Form ansieht. 
Er muss annehmen, dass, da auch das Griechische bei -w die 
gleiche Tonqualität aufweist, schon in idg. Urzeit das Neben- 
einander von -Ö und -öu Ausgleich des Akzentes veranlasste, 
ein Vorgang, der nichts ungewöhnliches hat. 

Möglicherweise haben wir übrigens noch einen streng 
lautgesetzlichen Nachkommen von idg. -Ö aus τόν im Litaui- 
schen erhalten, wenn es nämlich mit Bezzenbergers Lokativen 
auf -z von ea-Stämmen seine Richtigkeit hat, was ich jedoch 
bezweifele. Vgl. Gött. Nachr. 1885 S. 161, Meringer BB. XVI 
227, Wiedemann ΚΖ. XXXIH 149 ff., Zubaty Archiv f. slav. 
Philologie XVI 151, Hirt oben 5. 227 £. 


Das Gesamtergebnis lässt sich für das Baltische in fol- 
genden Sätzen zusammenfassen: 

1. Auslautende Langdiphthonge sind später gekürzt als 
inlautende. 

2. Die Kürzung auslautender Langdiphthonge hat statt- 
gefunden, als urbalt. 6 schon zu ἡ geworden, dagegen urbalt. 
ä als solehes im Hochlitauischen noch erhalten war. Beide 
Bedingungen treffen für die Periode zu, in der auslautende 
lange Vokale mit gestossenem Ton gekürzt wurden. Man 


vergleiche z. B. den Instrumental ger& mit dem Dativ tiltui, 


1) Kretschmers Ausführungen über lat. ὃ = öu (ΚΖ. ΧΧΧῚ 
451 ff.) stimme ich bei, halte aber das Lautgesetz nicht für speziell 
lateinisch, sondern für urindogermanisch. 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 281 


den Nominativ gerd mit dem Dativ gerai. Die Reduktion 
der Langdiphthonge und die der gestossenen Längen haben 
also den gleichen Terminus a quo und ad quem. 

3. Von einem zeitlichen Unterschied zwischen der Kür- 
zung schleifender und derjenigen gestossener Langdiphthonge 
lässt sich nichts wahrnehmen. Damit soll jedoch nicht ge- 
leugnet sein, dass ein solcher bestanden habe. Das wäre bei 
dem grossen Zwischenraume zwischen den festgestellten Grenz- 
punkten sehr wohl möglich. 


B. Die auslautenden Langdiphthonge des Slavischen. 


Bent schleitender Betonung. 


1. Dativ-Lokativ Sing. der a-Stämme auf -a2 :abg. Zene. 
Beide Kasus waren in ihrer äussern Gestalt identisch, vgl. 
Verfasser bei Brugmann Griech. Gramm. ? S. 122 Fussnote 1. 
Sie sind im Slavischen mit folgenden Formen zusammmenge- 
fallen : 

1. Nominativ-Akkusativ Dualis der «Stämme: Zene. En- 
dung idg. -di. 

2. Nominativ-Akkusativ Dualis der neutralen e-Stämme: 
lete. Endung idg. -οἱ (Ὁ), dessen Akzentqualität mir unbe- 
kannt ist. 

3. Lokativ Sing. der e-Stämme: lete, rabe. Endung 
idg. -02'). 

4. 1. Person Sing. des Mediums: vede — lat. vidi. En- 
dung idg. -di. 

Abweichend werden dagegen behandelt: 

1. Nominativ Plur. der maskulinen e-Stämme: rabi. En- 
dung idg. -0i. 

2. Singular des Imperativs, der.dem idg. Optativ ent- 
spricht: p»ni. Endung idg. -025 -oöt. 

Aus den vorstehenden Gleichungen ergibt sich, dass ıdg. 
-αὐ mit schleifendem wie gestossenem idg. -οὐ und -ai zusam- 
mengefallen ist. Die Kürzung von -a2 ist demnach recht alt. 
Sie muss notwendigerweise in eine Zeit fallen, da idg. «a noch 
1) Die Zwillingsform auf idg. -οἵ (vgl. griech. οἴκει) repräsen- 


tieren vielleicht Lokativadverbien wie ἐδ, vom Stamme ?o-, u. dgl., 
auf die mich Prof. Leskien hinweist. 


282 Wilhelm Streitberg, 


nicht zu urslav. o geworden war, weil sonst der Zusammenfall 
des Kürzungsproduktes -@2 mit idg. urslav. -oö unmöglich wäre. 
Wir haben also am Dativ-Lokativ Sing. der a-Stämme einen 
Beweis dafür, dass idg. a und o nicht nur in der balt.-slav. 


Grundsprache getrennt erhalten waren, — das beweist balt. a 
gegenüber slav. o — sondern auch noch im Urslavischen eine 


Zeitlang nebeneinander existierten. 

Ferner lehrt das Verhältniss von rabe: p»ni, die beide 
urslav. -02, sowie dasjenige von rabi: vede, die urslav. -6i 
aufweisen, dass die zwiespältige Entwickelung von urslav. -οὐ 
nicht durch die Akzentqualität hervorgerufen sein kann, wie 
man mehrfach vermutet hat. Vielleicht, dass man dagegen 
mit Hirt an einen Einfluss der Akzentstellung denken darf. 

Zum Schlusse sei noch auf den Zusammenfall von aus- 
lautendem -αὐὖ mit inlautendem -οὐ aufmerksam gemacht, der 
ebenfalls für das Alter der Reduktion spricht. 

2. Genetiv Pluralis auf idg. -om : rabs maters. Die 
Form ist mit dem Akkusativ Sing. der maskulinen e-Stämme 
zusammengefallen. Dieser Umstand beweist aber keineswegs, 
wie Osthoff angenommen hat, dass der Genetiv Plur. auf idg. 
urslav. -om ausgegangen sei. Vielmehr steht: die Thatsache 
des Zusammenfalls im besten Einklang mit dem, was wir so- 
eben beim Dativ Sing. der a@-Stämme beobachtet haben. Es 
ist daher in hohem Grade auffällig, dass man diesen absolu- 
ten Parallelismus bis jetzt hat völlig übersehen können. Kon- 
sequenter Weise müsste doch derjenige, der für den Genetiv 
Plur. ein -om ansetzt, auch für den Dativ Sing. der «-Stämme 
ein -a2, nicht ein -az aufstellen. 

Der Grund dafür, dass man die vollständige Regelmäs- 
sigkeit des Genetiv Plur. so ganz unbeachtet hat lassen kön- 
nen, beruht, soviel ich sehe, einzig und allein darauf, dass 
man stets mit einer vorgefassten Meinung an ihn herantrat, 
die man sich bei der Analyse des Nomimativ Sing. der mas- 
kulinen en-Stämme, z. B. kamy, gebildet hatte. Dass aber 
die Zurückführung seiner Endung auf idg. -ön eine unhaltbare 
ist, wird sich später herausstellen. Hier will ich mich auf 
die Bemerkung beschränken, dass selbst für den, welcher an 
den Übergang von idg. -ön zu slav. -y glaubt, eine Gestalt 
πα der Genetivendung idg. -om nicht ohne weiteres feststeht. 
Denn der Unterschied der Akzentqualität, welcher für die bei- 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 283 


den Formen aufs beste beglaubigt ist, kann sehr wohl auch 

einen Unterschied in der Behandlung derselben bedingen. 
Die Entwickelung von idg. -om zu abg. -» hat folgen- 

den Gang genommen, dessen einzelne Stationen wir noch nä- 


her zu bestimmen vermögen. Idg. -om — urslav. -öon (— -αἢ 
— -qA) — -oR — τη — -5. Ob zwischen -0% und -oR die bei- 


den in Klammer gesetzten Zwischenglieder einzuschieben sind, 
muss, soviel ich sehe, eine offene Frage bleiben. Wir wissen 
nur, dass zur Zeit der Kürzung o und a noch geschieden 
waren, vgl. das zu dem Dativ Sing. der a-Stämme bemerkte. 
Ob aber auch die entsprechenden Längen noch gesondert exi- 
stierten, kann beim Mangel aller Anhaltspunkte nicht mehr 
festgestellt werden. Wie dem aber auch sei, auf alle Fälle 
ist der Parallelismus zu -a2 — -aö — -oi unantastbar. 

Ein Unterschied besteht jedoch. Idg. -αὐ ist mit inlau- 
tendem -oi- zusammengefallen, -0m bleibt von dem -om- -on- 
des Inlauts verschieden. Worauf beruht diese Differenz? 

Nach allem, was von Wiedemann Archiv f. slav. Philo- 
logie X 652 in bezug auf +n, vom Verfasser Paul-Braunes 
Beiträge XIV 226 und von Wiedemann Präteritum S. 58 f. 
168 f. über »-+n» ermittelt ist, lässt sich nicht mehr daran 
zweifeln, dass folgendes Lautgesetz im Urslavischen bestan- 
den hat: 

Kurzer Vokal+Nasal ergeben im Inlaut vor 
Konsonanz einen Nasalvokal, im Auslaut dagegen 
unnasalierte Kürze. 

Diese Verschiedenheit in der Behandlung beruht auf 
einer Verschiedenheit in der Chronologie. Kurzer Vokal + 
Nasal sind im Auslaut länger intakt erhalten geblieben als 
im Inlaut vor Konsonanz. Dafür spricht auch aufs deutlichste 
der Einfluss, den ein voraufgehendes j auf o vor auslauten- 
dem Nasal ausübt. Hieraus ergibt sich die notwendige Fol- 
gerung, dass das, was wir in den Schlusssilben als Fortsetzung 
von Kürze+Nasal antreffen, die lautgesetzliche Vertretung der 
Pausaform sein muss. 

Gegen das eben aufgestellte Lautgesetz über die Be- 
handlung der inlautenden Nasalverbindungen darf man Fälle 
wie abulg. Zyko : lit. lünkas “Bast’ oder das Sufix abg. -ika : 
lit. -inkas nicht als Gegenbeweise anführen. Denn wer bürgt 
uns dafür, dass die slav. Formen überhaupt einen Nasal be- 


984 Wilhelm Streitberg, 


sessen haben? Man darf doch nicht vergessen, dass der Nasal 
in Zünkas u. dgl. nicht wurzelhaft sein kann. Denn nach 
Osthoffs bekanntem Gesetz ergeben die Verbindungen von ὁ 
an vor Konsonanz lautgesetzlich nur idg. © u+n. Ein in 
an vor Konsonanz beruht immer entweder auf sekundärer 
_Nasalierung oder auf Übertragung der antevokalischen Form. 

Was nun das Verhältnis von Z!yko : lünkas, dessen mit- 
telzeitiges a auf idg. @ anstandlos zurückgeführt werden kann, 
anlangt — warum soll es nicht dem von abg. voda : lit. vandı 
gleich sein? Dass dies mehr als eine blosse Möglichkeit ist, 
beweist das von Wiedemann konstatierte Verhältnis von abg. 
nuzda : mazda Not’, wo unnasaliertes urslav. oz einem nasa- 
lierten ἢ gegenübersteht. Ferner lässt sich bada einzig auf 
ide. *bhu-nd-6 zurückführen d. h. auf eine Bildung nach der 
von Osthoff kürzlich entdeckten Präsensklasse, vgl. die Be- 
richte über die Verhandlungen der Münchener Philologenver- 
sammlung (1591) und das Referat im ersten Hefte des An- 
zeigers f. idg. Sprach- und Altertumskunde. 

Abg. -ik5 seinerseits kann mit lit. -rkas überhaupt nichts 
zu thun haben. Das lit. Suffix beruht auf einer idg. Grund- 
form -ngo-, auf die auch germanisch -un30- zurückgeht. Dies 
hätte aber, wie auch die Anhänger der alten Theorie zugeben 
müssen, nur abg. *-ek2 ergeben können. Das richtige hat ganz 
neuerdings auch Leskien im seinem Werke über die Bildung 
der Nomina im Litauischen S. 520 f. gesehen: Abg. -ik3 ent- 
spricht dem lit. -zkas, welches in den Drucken älterer Zeit 
und in modernen Dialekten ganz gewöhnlich ist. Auch im 
Preussischen ist es belegt. Auf germanischem Boden dürfte 
-750- zu vergleichen sein. 

Die Chronologie aller für den Genetiv Plur. und den Ak- 
kusativ Sing. Mask. in betracht kommenden Lautgesetze ist 
die folgende. 

l. Abg. e »+-n wird vor Konsonanz im Wortinlaut zu 
ὁ: 0o37n in gleicher Stellung zu a. Im absoluten Auslaut 
und vor schliessendem s bleiben sie dagegen unverändert er- 
halten. Also z. B. sata : "rabon "rabons. 

2. Abg. jo wird zu je. Dass dies Gesetz jünger sein 
muss als das unter Nummer 1 genannte, ergibt sich zur Evi- 
ddenz aus der Thatsache, dass ein vor Nasal+Konsonant im 
Wortinlaut stehendes jo niemals zu je wird. Dagegen unter- 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 285 


liest ihm auslautendes -ons und, wie wir infolge dessen not- 
wendig weiter schliessen müssen, -on. Man vergleiche znajatz 
mit dem Akkusativ Plur. Mask. *konjens und dem Nominativ- 
Akkusativ Sing. Neutr. *poljen. 

A. Für den Akkusativ Plur. ist die Entwickelung: -jons 
— -jens — -jens — -je mit Notwendigkeit anzusetzen: Denn 

a) Id. 6 oder <a wird in jeder Stellung zu abg. ja, 
vgl. znaja, pojass : jüsti. 

Ὁ) Idg. ie wird ebenfalls stets zu abg. ja: zemlja — 
lit. Z&me, zemlja = lit. Z&me; jame (= idg. *edmi). 

Folglich muss abg. -jens — -je auf sekundäres, aus je 
entstandenes je zurückgehen, dessen Länge noch nicht exi- 
stierte, als das unter b) genannte Lautgesetz wirksam war. 

B. Für den Akkusativ Sing. Mask. und Nominativ Ak- 
kusativ Sing. Neutr. wird der Lautwandel -jon zu -jen (nicht 
-jon zu -jon) durch folgende Umstände erwiesen. 

a) Wäre der Lautübergang von on zu on älter als der 
von 70 zu je, so müsste doch offenbar im Akkusativ Plur. 
Mask. -zns : *-jons in -sns : *-jvuns und weiterhin in -y : *-j2 über- 
gehn. Statt dessen treffen wir aber -y:-je d.h. -jens mit 
gedehntem Vokale an. Folglich muss auch im Akkusativ 
Mask. und Neutr. -jon zu -jen geworden sein, wie dies schon 
Leskien Handbuch ?$ 15 B Anmerkung S. 19 vermutet hat. 

b) Wenn -jon lautgesetzlich zu -jen geworden ist und 
das Neutrum polje die regelrechte Endung aufweist, wie er- 
klärt sich da der Ausgang -j» im Akkusativ der Maskulina Ὁ 

Seit Leskien Deklination S. 67 f. und Brugmann Grund- 
riss IIS 27 8. 565 f. kann es als feststehend betrachtet wer- 
den, dass der Auslaut -ο im Nominativ-Akkusativ der Neutra 
sowohl auf den es-Stämmen (abg. ögo kann direkt auf idg. 
"jugos beruhen vgl. got. jukuz-i mit idg. -95- nach Sievers 
Beitr. XV1 235 ff. Idg. Doppelbildungen wie ®jugos und *ju- 
gom — gr. ζυγόν, lat. zugum usw. — mögen das Umsich- 
greifen der Endung -o erleichtert haben), als auch auf der 
Pronominalform -od beruht, die jedenfalls zuerst auf die Ad- 
Jektiva übergegangen ist. Wie aber sollte das -o sich im 
Nomen überall eimgestellt haben, wenn dasselbe ausschliess- 
lich -ὸ *-j» als Endung besessen hätte? Hier hilft allein die 
Erkenntnis weiter, dass -jon zu -jen -je wird. Abg. -je aus 
on fiel mit -je aus -jos und -jod zusammen. Die Folge 


280 Wilhelm Streitberg, 


davon war bei den reinen e-Stämmen die Neubildung -o (für - 5) 
nach τὸ aus -os -od. 

6) Was ich Beiträge XIV 166 ff. fürs Slavische nur 
wahrscheinlich machen konnte, ist num durch das Lautgesetz, 
dass -jon zu -jen wird, strikte bewiesen, nämlich dass Nomi- 
nativ- und Akkusativendung der maskulinen 16 - Stämme 
schwundstufiges Suffix haben, demnach den litauischen 
Bildungen wie Zödis, zödi gleichgesetzt werden müssen. Sie 
unterscheiden sich von ihnen nur dadurch, dass die Erweichung 
(das j) von den obliquen Kasus übertragen ist, dass also konj» 
d. 1. kom für *kon» steht, eine Umbildung, die sich auch sonst 
im Slavischen findet, z. B. bogynji für *bogyni, mesasti d. 1. 
"nesontji für "nesati. 

Dabei bleibt aber noch eine Frage zu erledigen: Durch 
welche Gründe ist die Verteilung der Voll- und Schwundstufe 
des Suffixes -ie- auf die verschiedenen Genera bedingt? 
Auch hierauf lässt sich, wie ich glaube, eine vollkommen be- 
friedigende Antwort geben. 

Ich habe schon oben S. 268 hervorgehoben, dass die unge- 
mein grosse Zahl abstufender öe-Stämme im Litauischen durch 
analogische Neubildungen zu erklären ist. Dasselbe gilt vom 
Slavischen, und wenn Hirts Analyse von harjis (= 80». 
konj» d. h. idg. Endung -s mit übertragenem j) richtig ist, 
auch vom Germanischen. Dem Slavischen allein aber ist 
eigentümlich, dass die Schwundstufe beim Maskulinum, die 
Vollstufe beim Neutrum durchgeführt ist: Aonj» und polje. 
Diese sekundäre Verteilung beruht auf einer Art Selektion, 
auf Herbert Spencers Prinzip: Survival of the fittest. Em 
maskuliner Nominativ-Akkusativ auf -» hatte an den masku- 
linen ei-Stämmen eine starke Stütze, während ein maskuliner 
Nominativ-Akkusativ auf -je (aus -jon) nicht nur eine als 
vokativisch empfundene Endung -e besessen hätte (vgl. Brug- 
mann Grundriss II 8 194 Anm. 1 8.552), sondern auch mit den 
neutralen Pronominibus (und ev. auch mit zes-Stämmen) zu- 
sammengefallen ist. Daher ist es begreiflich, dass bei einem 
Nebeneinander von -» (-j») und -je in diesen Kasus die erst- 
genannte Endung beim Maskulinum den Sieg und die Allein- 
herrschaft erringen musste. 

Gerade umgekehrt steht es beim Neutrum. Hier war 
der Ausgang -» ganz isoliert, stimmte zudem mit der Endung 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 2387 


der ei-Mask ulina überein, obwohl sonst beim Nomen Mas- 
kulinum und Neutrum geschieden waren. Die vollstufige En- 
dung -je (aus -jon) fand dagegen Anhalt am Pronomen. So 
war für das Neutrum, im Gegensatz zum Maskulinum, die 
Vollstufe des Suflixes -je (aus -jon) "the fittest” und folglich 
auch die lebenskräftigere 1). 


1) Wenn van Helten Beitr. XVI 283 meine Erklärung der ger- 
manischen ° Partieipia necessitatis’ für” einschmeichelnd jedoch nicht 
zwingend” erklärt und fragt: “ Warum hätte es im Germanischen 
kein Suffix -- geben können, das wie aind. -ya- u. Ss. w.... zur Bildung 
von Adjektiven mit partizipialer passivischer und gerundivischer 
Bedeutung verwandt wurde?” so ist dies eine Art der Argumen- 
tation, der ich nicht zu folgen vermag. Denn 

1. Haben wir im Gotischen ein deutlich aus οὐ- und /e-Flexion 
semischtes Paradigma bei den fraglichen Adjektiven; ähnlich 
auch im Nordischen. 

2. Finden wir eine solche ‘Mischflexion’ aufs klarste im Bal- 
tischen und Slavischen, weniger deutlich im Italischen. 

3. Stehen nun doch einmal den im Gotischen “gemischt flek- 
tierenden Participia necessitatis die indischen ya-Bildungen als ge- 
naue Korrelate zur Seite. Sie lassen sich sofort mit den eigentüm- 
lichen germanischen Formen vereinen, wenn wir das baltisch-slavisch- 
germanisch-italische abstufende Paradigma zu grunde legen, es 
für die idg. Urzeit ansetzen. 

Hierzu sind wir aber berechtigt, denn es ist ein auf allen 
Gebieten wissenschaftlicher Forschung gültiger methodischer Grund- 
satz, dass verwandte Erscheinungen zu einer höheren Einheit zu- 
sammenzufassen sind, wenn die bestehenden Gesetze es erlauben. 
Die umfassendere Hypothese hat immer vor der engeren den Vor- 
zug, so lange keine positiven Thatsachen sie unmöglich machen. 
Letzteres ist aber bei meiner Theorie nicht der Fall, so lange nicht 
die Unmöglichkeit schwundstufiger Silben nach dem Wortakzent 
erwiesen ist. 

ran Helten setzt dem allen sein: ‘Warum hätte es denn 
nicht .... .. entgegen. Eine solche Argumentation ist allerdings 
unanfechtbar, weil rein subjektiv. Aber mit ihr kann man alles 
bestreiten. “Warum hätten sich denn nicht’ z. B. auch im Paradigma 
von *dieus "gous zwei ganz verschiedene Stämme zusammenfinden 
können: dieu- göu- und die- gö- u. dgl. mehr? 

Auf die dankenswerten Ausführungen van Heltens über die 
substantivischen ze-Stämme näher einzugehen, muss ich mir für jetzt 
versagen. Ich verzichte um so lieber, als das ganze Problem durch 
Hirts Hypothese (oben S.215 ff.) in ein neues Stadium eingetreten ist. 
Vielleicht, dass sie den Weg zur Verständigung bahnt, die doch 
das Endziel aller wissenschaftlichen Kontroverse ist. 


988 Wilhelm Streitberg, 


d) Da es im Urslavischen konjens und nicht *konjons 
heisst, so kann -j» auch nieht die streng lautgesetzliche Form 
des Genetiv Plur. der ze-Stämme sein, sondern muss als Neue- 
rung betrachtet werden. Zwei Wege, die zu -j» geführt haben 
können, gibt Brugmann Grundriss II 8 345 S. 692 an. Eine 
dritte Möglichkeit ist die. Im Akkusativ (und später auch im 
Nominativ) der maskulinen e- und ze-Stämme stehen sich -2 
und -j» gegenüber. Letzteres ist, wie oben gezeigt für -» ein- 
getreten, das die lautgesetzliche Form eines schwundstufigen 
ie-Stammes ist. Ward nun im Gen. Plur. das ursprüngliche 
Verhältnis -3:*-je, das sonst nirgends wiederkehrt, unbequem, 
so lag es bei dem Zusammenfall von Akkusativ Smg. und 
Genetiv Plur. sehr nahe, *-je durch -j» nach dem Vorbilde 
des vielgebrauchten erstgenannten Kasus zu ersetzen. 

3. Abe. -on wird zu -sn, -ons zu -sns. Das τὸ von konje 
beweist, dass dieses Lautgesetz jünger ist als No. 2. 

4. Dehnung von 2, » und e vor auslautendem (tauto- 
syllabischem) -2s, wahrschemlich verbunden mit Reduktion des 
Nasals. Erst nach diesem Vorgang kann -s fortgelassen sein. 
Dass die Dehnung nicht etwa eme Art “Ersatzdehnung” für 
den Abfall des s ist, beweist der Umstand, dass gerade die 
Gruppe -»s in andern Sprachen die Dehnung voraufgehender 
Kürzen veranlasst, vgl. z. B. lat. ferens: ferrem. Ein ein- 
facher Nasal im Auslaut besitzt im Slavischen keine dehnende 
Kraft: Akk. rabs, syn», pat». 

Zum Schlusse dieses Abschnittes noch eine Bemerkung 
über den Zusammenfall von Genetiv Plur. und Akkusativ Sing. 
der e-Stäme im Slavischen. Derselbe ist um nichts seltsamer 
oder unerklärlicher als im Lateinischen, und doch hat ihn hier 
meines Wissens noch keim einziger Forscher angezweitelt. Nun 
existiert aber das ἡ Kürzungsgesetz’ im Slavischen nicht minder 
als im Lateinischen. Daher entspricht auch ein slav. Akkusativ 
und Genetiv rabs genau dem lat. Akkusativ und Genetiv 
deum. Die beiden Sprachen unterscheiden sich also scharf 
vom Griechischen, das auslautende Langdiphthonge überhaupt 
nicht kürzt, wo es also θεῶν gleichwie χώρᾳ, ἀνθρώπιυ heisst. 
Das Germanische kürzt dieselben zwar, aber erst in einzel- 
ddialektischer Zeit und nach dem Verlust auslautender Nasale 
(s. 0). Deshalb steht hier ein got. gibai, ahtau dem Gen. 
dage gegenüber. 


δι 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 289 


Woher stammt nun der Zirkumflex in der ide. Genetiv- 
endung -5m? Nach Kretschmer und Hirt entsteht schleifender 
Ton im Indogermanischen 

a) durch Kontraktion, 

b) dureh Verlust eines Sonorlautes. 

Die zweite Möglichkeit ist beim Genetiv Plur. ausge- 
schlossen. Ist derselbe aber als Kontraktionsprodukt aufzu- 
fassen, so kommen wir schliesslich doch wieder zu Osthoffs 
Hypothese von der Verschmelzung des stammauslautenden So- 
nanten mit dem anlautenden Suflixvokal zurück. Festzuhalten 
ist ihm gegenüber jedoch die Thatsache, dass -om schon in 
der Urzeit allein bei allen Stammklassen geherrscht, Genetive 
auf -om schon damals nicht mehr bestanden haben. 

Weitere Beispiele für sehleifende Langdiphthonge sind 
mir auf slavischem Bodem nicht bekannt. Der Dativ Sing. 
auf -@ hat -mit dem imdogermanischen auf -02% natürlich eben- 
sowenig zu thun wie der Instrumentalis Plur. auf -y mit dem 
idg. auf -öös. Jener hat seine befriedigende Erklärung bereits 
gefunden: es ist ein Lokativ mit Suffix -z, vgl. Bartholomae 
BB. XV 23, Hirt oben 5. 350 und Leskien ebenda 5. 31. 
Dieser ist noch immer ungedeutet. 


II. Gestossene Langdiphthonge. 


1. Lokativ Sing. der ei-Stämme auf idg. -:pati. Dass 
wir es hier mit einer auf idg. ὁ ausgehenden Form zu thun haben, 
macht das Baltische sehr wahrscheinlich. Ausserdem spricht 
der Parallelismus der ex-Stämme für die Wahrung des -. Ich 
setze also dati direkt = lit. d«ti. Rein lautlich genommen 
wäre auch der Auslaut igd. -ὃ möglich. Entscheiden wir uns 
für den Diphthong, so kann nur -&, nicht -# in betracht 
kommen, wie die Lautgeschichte lehrt. 

2. Lokativ Sing. der ea-Stämme, idg. -&u (und -u?): 
synu. Das -&i der abg. ei-Stämme redet der Grundform auf 
τόν das Wort. Hat dies hier bestanden, so muss die Kürzung 
des & vor die Wirksamkeit des Lautgesetzes fallen, dass -eu 
zu ou, weiterhin @ wird vgl. oben S. 267. 

Sonstige Anhaltspunkte zur genauern Datierung der Kür- 
zung fehlen bei beiden Formen vollständig. 

3. Akkusativ Sing. der a-Stämme auf ide. -äm: Zena. 

Dass eine Verkürzung auch bei gestossenem Langdiph- 


290 Wilhelm Streitberg, 


thong stattfinden muss, haben die Lokative der ei- und eu- 
Stämme gelehrt. Damit ist aber für Zena d.h. für den Fall, 
(lass dem langen Vokal ein Nasal folgte, noch gar nichts ge- 
sagt. Denn dieser musste reduziert werden. Es fragt sich 
daher einzig und allein, in welche chronologische Beziehung 
wir diese Nasalreduktion zur Vokalkürzung bringen müssen. 
Fällt sie vor die Periode der Verkürzung, so konnte diese im 
Akkusativ Sing. der a-Stämme überhaupt nicht in Wirksam- 
keit treten, da ein “Langdiphthong” gar nieht mehr vorhanden 
war, sondern nur nasalierte Länge. Ist sie dagegen nach 
derselben erst eingetreten, so musste Vokalkürzung bei *Zenan 
so gut wie bei *patei vorgenommen werden. 

Welche der beiden Datierungen die richtige ist, lässt 
sich dem Akk. Zena selber nicht ansehn. Dennoch ist meines 
Bedünkens eine Entscheidung möglich und zwar zu gunsten 
des erstgenannten Falles. Die Grundlage derselben bildet der 
Akkusativ Plur. mit seinem -2, τῷ, -e. Die Chronologie ist fol- 
gende: 

1. Idg. -om wird zu slav. -on. 

2. Dlav. -jens aus *-jons : -ons. 

3. Slav. -on zu -6m, -ons zu -dns !-jens. 

4. -sns wird zu -y, -sns zu -2:-jens zu -je. 

a) Schon Leskien Deklination S. 13 ff. hat darauf hin- 
gewiesen — was man zum Schaden der slav. Lautgeschichte 
vernachlässigt hat —, dass urslav. o nur vor -ns zu -y wird. 
Urslav. -ons liegt aber ausser im Akkusativ Plur. der masku- 
linen e-Stämme (und der Feminma auf -@) nur im Nominativ 
Sing. Mask. der Partizipia Präs. von Verben auf -e- vor, vgl. 
nesy. Dagegen kann — was man, wie es scheint, bisher über- 
sehen hat — der Nomimativ-Akkusativ des Neutrums lautge- 
setzlich nieht gleich idg. -ont sein. Denn weder konnte idg. 
®nekont zu slav. nesy, noch idg. *gnöiont zu zuaje auf irgend 
welchem Wege führen. Vielmehr hätte sich in beiden Fällen 
aus idg. urslav. -ont lautgesetzlich lediglich -@ ergeben. Vel. 
die 3. Pers. Plur. Präs. Ind. mit sekundärer Endung, die auch 
nach 7 nur a aus idg. -ont aufweist. 

Folgendes ist die Erklärung, die ieh für die beiden For- 
men vorschlage. Der Nominativ des Maskulinums zraje ist 
(der gesetzmässige Vertreter von idg. *gnoion(t)s, wie konje von 
®gonions. Ebenso gesetzmässig ist das Neutrum zwaje, das 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 291 


aber nicht auf idg. *gnoiont, sondern auf idg. *gnöint zurück- 
geht. Über den neutralen Ausgang -»t im Nominativ-Akku- 
sativ Sing. vgl. Brugmann Grundriss II $ 225 S. 560 ἡ. Dass 
abg. -e die absolut regelmässige Fortsetzung von idg. -nt ist, 
beweist die 3. Pers. Plur. Aor., vgl. dase aus idg. *dösnt. 
Auf diese Weise fiel bei den ze-Präsentien im Nominativ 
Sing. des Partizips Maskulinum und Neutrum streng lautge- 
‚setzlich zusammen. Da dies auch bei den Partizipien auf -znt- 
von den 2-Präsentien der Fall war, so lag es nahe, den Unter- 
schied von Maskulinum und Neutrum im Nominativ der ein- 
zigen Verbalklasse, wo er überhaupt bestand, ebenfalls zu be- 
seitigen und zum -Maskulinum »esy statt des lautgesetzlichen 
#nese (so angesetzt wegen znaje) ein Neutrum nesy neu zu 
bilden; wie auch sonst einem -je stets nur -y gegenüber stand. 
Diese Thatsachen haben, wenn ich recht sehe, eine über 
das slavische Sprachgebiet hinausgehende Bedeutung, denn 
sie dürften berufen sein in der Frage nach Abstufung der 
thematischen Partizipia eine Rolle zu spielen. Das auffallende, 
von jedem Verdacht der Entlehung freie Neutrum zaaje') hat 
denselben Ausgang wie aind. bharat und muss bei seiner Iso- 
liertheit als ein nicht ungewichtiger Zeuge für die Altertüm- 
lichkeit der indischen Form gelten. Dem gegenüber schemt 
mir die Beweiskraft des griech. τὸν aus -ovr nicht allzuhoch 
anzuschlagen, da hier die Möglichkeit einer unter dem System- 
zwang vollzogenen Neuerung doch eine ungemein grosse Ist. — 
b) Die Akkusative Plur., deren kurzer Vokal vor -ns ge- 
dehnt worden ist, zeigen erhaltene Länge, vgl. raby, pati, 
syny. Wir haben infolge dessen anzunehmen, dass der Ver- 
schlusslaut » zur blossen Nasalierung geworden ist, bevor Ver- 


1) An eine Entlehnung von chvale aus *chvali-nt ist nicht zu 
denken. Denn die ganze Flexion desselben ist von der des Part. 
znaje total verschieden: hier geht -a-, dort aber -e- durch alle Kasus 
hindurch. Wäre unter diesen Umständen ein Einfluss von seiten 
des Part. chvale ausgeübt worden, so hätte er doch nur in der 
Gleichmachung des Nominativvokals mit dem der obliquen Kasus 
bestehen können. Also bei einem ursprünglichen Nom. Mask. znaje, 
Neutr, *znaja (wie ihn die Hypothese der Nichtabstufung fordert: 
idg. -ont), wäre das Maskulinum, nicht das Neutrum gewichen. Vgl. 
die Proportion: 

Nom. Mask. und Neutr. chvale: Kas. obl. chvalest- = *"znaja: 
znajast-. 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 19 


292 Wilhelm Streitberg, 


kürzung des gedehnten 2, y möglich war. Folglich haben wir 
auch für die Endung von konje ursprünglich langen Nasal- 
vokal, also -@ anzusetzen. Ist dies aber der Fall, so gilt ὁ 
auch für öme aus idg. *nmen und weiterhin a für Zena aus 
idg. *gendm. 

Durch diese Erkenntnis ist uns auch endlich der so lang 
vermisste Anhaltspunkt gegeben, der uns die Kürzung gestos- 
sener Langdiphthonge ehronologisch genauer zu fixieren gestattet: 

Die Kürzung der ersten Komponenten gestosse- 
ner Langdiphthonge ist jünger als die der schlei- 
fenden. Denn diese setzt Erhaltung auslautender 
Nasale voraus, jene aber schon ihre Reduktion, ihren 
Übergang zur blossen Nasalierung. 

Selbstverständlieh ist unter diesen Umständen em Zu- 
sammenfall des Akkusativ Sing. der a-Stämme mit jenem der 
maskulinen e-Stämme ganz unmöglich. Diese Verschiedenheit 
beider Kasus gewährt emen neuen und gleichfalls, wie ich 
glaube, schlagenden Beweis für die Verschiedenheit der Perio- 
den, in denen die Kürzung schleifender und gestossener Lang- 
diththonge stattfand. Denn wenn idg. -αὐ im Slavischen mit idg. 
-0%, -di, -di zusammenfällt, so müsste auch idg. -äm gleich 
-im, -dm sein, falls seine Kürzung mit der des -a2 zeitlich 
zusammenfiele. 

4. Mit dem Ausgang des Akkusativ Sing. stimmt die 
Endung des Instrumentalis Sing. der a-Stämme im Altbulga- 
rischen überein, sowohl was den Vokal als auch was die Akzent- 
qualität betrifft. Vgl. abg. Zena mit lit. ranka, ferner das 
pronominale toja (wonach Zenoja gebildet ist) mit alit. taja 
(Johannes Schmidt KZ. XXXVII 386 f.). Im Polnischen und 
Cechisehen besteht allerdings ein Unterschied zwischen Akku- 
sativ- und Instrumentalendung: diese hat pol. -a, «ech. τοῦ, 
&cht also auf langen Nasalvokal zurück; jene dagegen weist 
mit ihrem -e bezw. -« auf alte Kürze hin. Aber dieser Unter- 
schied der Quantität kann mit der idg. Quantität nichts zu 
schaffen haben, denn er findet sich auch im Fällen, wo idg. 
sicher kurze Vokale zu grunde lagen. 

5. Nicht für völlig gesichert vermag ich dagegen die 
beliebte Zurückführung des τῷ der 1. Pers. Sing. Ind. Präs. 
auf ide. -im zu betrachten. Lautlich kann ebenso gut ide. 
-öm zu grunde liegen; denn folgender Nasal beeinflusst nie- 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 293 


mals die Qualität voraufgehender Länge. Zudem haben wir 
nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass idg. 0 vor Na- 
sal in so später Zeit wie diese ist, wo die Kürzung gestossener 
Langdiphthonge stattfand, als ö im Slavischen erhalten und 
weiterhin noch gar zu @ geworden sei. 

Für welche der beiden Möglichkeiten man sich zu ent- 
scheiden habe, hängt von syntaktischen Erwägungen ab, für 
die hier nieht der Ort ist. Entscheidet man sich für -äm, so 
sei hervorgehoben, dass das sogenannte konjunktivische a, wie 
die gestossene Akzentqualität des Slavischen beweist, keines- 
falls ein Kontraktionsprodukt von -4 mit dem Auslaut voka- 
lischer Stämme sein kann, so wenig wie z. B. m der Dekli- 
nation das -@ des Nom. Sing. Fem. = Nom. Plur. Neutr. aus 
0o-+ ὁ oder dergl. enstanden ist. 

6. Idg. -&n wird -e, das, wie oben gezeigt, ursprüng- 
lich langer Nasalvokal gewesen sem muss. Vgl. öme. 

ἡ. Idg. -iöm treffen wir im Akkusativ Singularis der 
idg. ie-Stämme an. Abg. zemlja stimmt Laut für Laut mit 
lit. zeme überein. Beide Bildungen von einander zu trennen, 
wäre ein Akt schlimmster Willkür. Im übrigen beweist das 
-ja, dass die Endung -je im Akkusativ Plur. ein urslav. -jens 
voraussetzt, das aus idg. -iens verkürzt ist wie lit. -a2s aus 
-öis und das bestanden haben muss als je zu ja geworden ist. 
Nolzoben! S. 285. 


III. Zweifelhafte Fälle. 


Es bleibt mir hier im wesentlichen nur eine einzige Form 
zu besprechen übrig, eine Form, die dem Leser der vorauf- 
gehenden Seiten gewiss mehr als einmal auf den Lippen ge- 
schwebt hat. Es ist dies der Nominativ Sing. der maskulinen 
en-Stämme, dessen Endung im Altbulgarischen - ist. Vel. 
kamy. 

Wie bekannt, pflegt man in diesem -y die streng laut- 
gesetzliche Vertretung eines idg. Nominativausgangs -ο zu 
erblicken. Nur Leskien Deklination S. 13 ff. hat diese auf 
Scherer zurückgehende Hypothese bestritten und im Anschluss 
an Schleicher -ans’ d. ἢ. idg. -ons als Endung aufgestellt, 
da er, wie oben sehon erwähnt, der Überzeugung war, nur 
urslav. -ons könne von allen Endungen, die einen o-(a-)Vokal 
besitzen, später zu -y werden. Doch auch Leskien ist nach- 


294 Wilhelm Streitberg, 


mals von seinen Zweifen an der Möglichkeit des Übergangs 
von idg. -ön zu slav. -y (urslav. -an) zurückgekommen, vgl. 
Handbuch ? $S 15, 3 Bb ὃ. 19. 

Leider. Denn wenn sich auch gegenwärtig niemand 
mehr für einen Nominativausgang -ons bei den en-Stämmen 
erwärmen dürfte, so bleibt doch heute noch so gut wie vor 
15 Jahren der Einwand in voller, ungeschwächter Kraft be- 
stehen, dass die Annahme emes Übergangs von idg. -on zu 
slav. -an, jeder Stütze entbehrend, in der Luft schwebt. Denn 
dass man weder das -y des Akkusativ Pluralis der e-Stämme, 
noch das - des Genetiv Pluralis als Parallelen heranziehen 
darf, hoffe ich oben zur Genüge dargethan zu haben. Beide 
setzen ein kurzes o voraus. 

Zur Zeit, als -@? gekürzt ward, bestanden ὁ und a noch 
nebeneinander; ob auch ὃ und a, ist möglich, aber nicht 
erweisbar. 

Zur Zeit, als jo zu je ward, waren dagegen o und a 
schon zusammengefallen: zemlje'). 

Nun fällt aber der Übergang von -o zu -» vor Nasal 
nach jenem von 70 zu je: ist es unter diesen Verhältnissen 
wahrscheinlich, dass zur Zeit, als τὸ zu -» ward, 0 und @ im 
Gegensatz zu o und a noch als getrennte Laute existierten, 
obwohl wir auch jetzt so wenig wie früher eine positive Spur 
dieser Sonderexistenz nachzuweisen vermögen ? 

Unter diesen Umständen scheint mir, wie vordem Les- 
kien, der ohme Schatten eines Beweises behauptete Übergang 
von idg. -on zu -än zu -y vollkommen unhaltbar. 

Für den Nominativausgang -y der maskulinen en-Stämme 
muss also notwendigerweise eine andere Erklärung gesucht 
werden. Und ich denke, man kann anstandlos eime solche 
akzeptieren, die in bezug auf ihre lautliche Seite sieh auf 
eine ganz genaue Parallele der slavischen Lautgeschichte stützt 
und die ausserdem noch den Vorzug hat, die slavische Form 
mit der im Baltischen gebräuchlichen aufs engste zu verknüpften. 

Johannes Schmidt hat bekanntlich das Lautgesetz auf- 
gestellt, dass idg. τὸ im absoluten Auslaut zu urslav. -2 werde. 


1) Ein idg. Vokativ auf -7e für 7°-Stämme ist nicht anzunehmen. 
Ich betrachte vielmehr den Ausgang *-o (aus idg. -a) als übertragen 
von den 4-Stämmen. 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 295 


Er stützt sich dabei auf den Nominativ mati, eine singuläre 
und von jedem Verdacht der Entlehnung freie Form. Aber 
in der Schmidtschen Fassung kann das Gesetz nicht voll- 
kommen richtig sein. Denn es existieren idg. -ὸ im Auslaut, 
die nicht anders behandelt sind als die inlautenden. Vgl. den 
Nominativ Sing. zemlja = lit zeme. Dass das vorausgehende } 
den Übergang von © zu 2 habe verhindern können, ist undenk- 
bar. Wird doch sekundäres -€ nach 7 zu ©. Auch das lässt 
sich nicht annehmen, dass ursprüngliches, lautgesetzliches *-jö 
dureh analogische Einwirkung umgebildet sei; ist doch der 
Nominativausgang -j2 bei Femininen ein recht gebräuchlicher, 
so dass wir eine Flexion nach 8 60 S.66 von Leskiens Hand- 
buch zu erwarten hätten, wenn ®ghemie auch von dem Schmidt- 
schen Gesetze betroffen worden wäre. 

Worauf beruht nun dieser Unterschied zwischen mati 
und zemlja? 

Auf der Akzentqualität, lautet die Antwort. 

Das -2 in idg. *mate muss nach Michels- Kretschmer 
schleifenden Ton gehabt haben (vgl. lit. mote), die Nomi- 
nativendung -ἰ6 dagegen gestossenen. Lit. -&in Zeme u. 5. w. 
kann nur auf einer Neubildung beruhen. Sem Muster ist 
leicht zu finden: es ist mote u. s. w. Die Einwirkung von 
mote auf Zeme ward aber erst durch das spezifisch baltische 
Lautgesetz ermöglicht, dass 7 vor palatalem Vokal schwinden 
musste. Es ergiebt sich also aus dem Nebenemander von 
slav. mati und zemlja folgendes Gesetz: 

Das schleifende idg. -@ des absoluten Auslauts 
erfährt im Slavischen Tonerhöhung zu -2, das ge- 
stossene hingegen bleibt unverändert erhalten. 

Die Folgerung für kamy ist hieraus unmittelbar zu zie- 
hen. Setzen wir die slavische Form direkt gleich der litaui- 
schen, also kamy —= akma, so ist sie erklärt. Während näm- 
lich auslautendes idg. 0 mit gestossenem Akzent nicht anders 
behandelt wird als imlautendes, d. h. während es mit idg. ἃ 
zusammenfällt, wie die Übereinstimmung der Endungen des 
Nominativ Dual. der maskulinen e-Stämme: raba = hit. tiltu 
mit dem Nominativ Sing. der a-Stämme: Zena und dem Nom. 
Akk. Plur. des e-Neutra: leta = lit. keturioö-lika sowie mit dem 
idg. ὦ, 6 in mati, dati lehrt, wird schleifendes 0 (δ) im 
absoluten Auslaut zu -@ später -y. 


290 Wilhelm Streitberg, 


Der Parallelismus von -ῦ : τῶ und -ὃ : 2 ist also voll- 
kommen. 

Selbstverständlich geht em derartiges Lautgesetz in ein 
hohes Altertum zurück, in eine Zeit, wo von einem Übergang 
von -on zu -»n und dgl. noch keine Rede sein konnte; denn 
es knüpft direkt an Zustände der idg. Urzeit an. 

« Zwei Formen!) sehe ich nur, die man gegen obenstehen- 
des Lautgesetz allenfalls geltend machen könnte, die aber 
beide von so problematischer Natur sind, dass ich ihnen irgend 
welche Beweiskraft zuzuerkennen nicht im stande bin. 

Das erste Wort ist abg. voda "Wasser’. Ganz direkt mit 
lit. vandu undu ist es schon seiner unnasalierten Wurzelsilbe 
wegen nicht zusammenzustellen. Vielmehr besteht folgendes 
Verhältnis: 

Lit. vanda τ αἴ, :lat. unda — got. wato : abg. voda. 

Mit andern Worten: Wer die Behauptung vertritt, dass 
der feminine a@-Stamm des Slavischen: voda auf idg. "wodö 
zurückgehe, der hat vorher den Nachweis zu führen, dass 
auch der feminine a-Stamm des Lateinischen: znda zugleich 
mit lit. unda auf eine idg. Grundform *undo zurückzuführen 
sei. So lange ein solcher Beweis aber nicht erbracht ist, so 
lange sind wir vollauf berechtigt das slav. Femminum voda 
und das lat. Feminmum unda als urindogermanische «-Stämme 
zu betrachten, die unabhängig neben der heteroklitischen 
Flexion existierten. 

Das zweite Wort ist sestra, das für idg. *sesö — it. 
sesu stehen soll. Neben sestra steht aber das in seinem Aus- 
sehn offenbar altertümlichere brats. Welches von beiden sollen 
wir aufidg. -ῦ (aus ör) zurückführen? Hat nicht das r-lose bratz 
mindestens ebensoviel Recht zu Rate gezogen zu werden als 
sestra mit seinem analogischen #, das nicht allzu jung sein 
kann, wie der Übergangslaut # bezeugt? ?) 

Vielmehr glaube ich, dass es kein Zufall ist, dass im 
Baltischen wie im Slavischen nur bei «den Feminmis die er- 


1) Zubatys Deutung von abg. doma im Archiv ἢ. slav. Philo- 
logie XIV 150 ff. ist viel zu bedenklich, um hier irgendwie in Be- 
tracht kommen zu können. 

2) Mahlows Hypothese der Verkürzung, wenn die Silbe den 
Wortakzent nicht trug, hat hier so wenig Überzeugungskraft wie 
beim Genetiv Plur. Siehe oben S. 159. 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 297 


Flexion bewahrt ist. Diese Übereinstimmung deutet doch da- 
rauf hin, dass der Verlust der er-Deklination bei den Masku- 
linis in hohes Altertum zurückreicht, was durch die altertüm- 
liche r-lose Form abg. brats noch weiter bestätigt wird. Nun 
sind ‘Bruder’ und “Schwester” Pendants, genau wie “Mutter 
und “Toehter’. Die Folge davon war, dass *sueser- seine er- 
Flexion (vgl. lit. sesa, sesers) im Abg. verlor und sich auch im 
Äussern seinem Gegenstück entspreehend gestaltete. 

Für den, der mit Johannes .Schmidt. einzeldialektischen 
Abfall des auslautenden -" annimmt, kann natürlich sestra die 
fast direkte Fortsetzung von *swesör sein. Denn abweichend vom 
Baltischen lässt sich im Slavischen keine Form mit erhaltenem 
-r im Auslaut nachweisen. Sein Schwund im Urslavischen 
ist also wenigstens nicht unmöglich; er müsste, ähnlich wie 
der des -» vor der Kürzung gestossener Langdiphthonge des 
Auslauts erfolgt sein. Für wahrscheinlich kann ich jedoch 
eine solche Erklärung nicht halten, weil bei ihr die isolierte 
r-Form des Nominativs von *sweser- gegenüber lit. sesa und 
slav. mati, dukti unbegreiflich bleibt. 

Daher kann mich sestre sowenig wie voda an meiner 
Deutung des -y von kamy irre machen. Ist diese aber richtig, 
so können die Instrumentaladverbien auf -y keine Endung -öm 
besessen haben (vgl. Leskien Partikel -am S. 104, Verfasser 
Komparative auf -öz- S. 37, Hirt oben S. 21). Ob sie z. T. 
-Ö aus -öm gehabt haben (vgl. lit. t«) ist wegen der gewöhn- 
lichen Akzentqualität der lit. Instrumentalendung zweifelhaft. 
Es wird jedenfalls das sicherste sein, sie sämtlich dem Instr. 
Plur. zuzuweisen. 


Ziehen wir das Fazit, so ergibt sich folgendes Resultat: 

1. Hirt ist im Unrecht, wenn er die Fortexistenz der 
indogermanischen Doppelheit von gestossenem und schleifen- 
dem Ton für das Urslavische ganz in Abrede stellt. Beide 
Akzentqualitäten sind vielmehr in gewissen Fällen noch an 
ihren Nachwirkungen erkennbar. Damit ist zugleich die be- 
fremdliche Thatsache beseitigt, dass das Slavische keine Spur 
mehr von jener Betonungsdifferenz aufweisen sollte, die im 
Baltischen eine so ungemein grosse Rolle spielt. 

2. Schleifende Langdiphthonge sind im Auslaut früher 
gekürzt als gestossene. Wir sind daher berechtigt, auch für 


208 Wilhelm Streitberg, 


das Baltische, wo es an Anhaltspunkten zu genauerer Datie- 
rung fehlt, ein ähnliches chronologisches Verhältnis anzu- 
nehmen. — 


Noch ein Punkt bleibt zu erledigen. Es fragt sich näm- 
lich, ob sich nicht der Grund finden lassen sollte, der die 
zeitliche Differenz in der Kürzung schleifender und gestossener 
Langdiphthonge veranlasst hat. Denn im ersten Augenblick 
(dürfte mancher geneigt sein, in der frühen Kürzung der schlei- 
fenden Langdiphthonge einen Widerspruch gegen Leskiens 
(Gesetz zu erblicken, dass gestossene Längen im Auslaut früher 
gekürzt werden als schleifende. In Wirklichkeit aber stimmen 
beide Thatsachen, wie ich glaube, aufs trefllichste zusammen. 

Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die An- 
gaben von Kurschat Grammatik Kap. V, Leopold Masing Die 
Hauptformen des serbisch-chorwatischen Akzents $$ 15—42, 
Sievers Phonetik? S. 194 ff., Bezzenberger BB. IX 273, X 
202 ff., sowie vor allen Dingen auf die grundlegende Einlei- 
tung zu dem ersten Hefte der ostlitauischen Texte von Bara- 
nowski und Weber und der auf ihr beruhenden liehtvollen 
Darstellung in Brugmanns Grundriss I 8 693 8. 001 ἢ 

Danach steht fest, dass im Litauischen lange d. h. drei- 
morige Silben von der Zusammensetzung: Vokal + Sonorlaut 
folgende Formen aufweisen: 

1. Sie bestehen aus einem mittelzeitigen, d. h. zwei- 
morigen Vokal + kurzem d. h. einmorigem Sonorlaut. In die- 
sem Falle haben sie gestossenen Ton d. h. der Moment der 
grössten Intensität des Akzentes fällt in die erste More, z. B. 
vdrna ist — vdarna (£u-+tv) genau wie biti = buuuti 
Kst: 

Sie bestehen aus kurzem Vokal —+ mittelzeitigem 
Sonorlaut. Dann können sie nur schleifenden Ton haben d.h. 
der Moment der grössten Intensität des Akzentes fällt in die 
letzte More, z. B. vardas = varıdas („Tur), wie küdas = 
kuuddas (vos). 

Es lässt sich meiner Meinung nach nicht verkennen, dass 
diese auffallende Entsprechung von Mittelzeitigkeit und Betont- 
heit der Komponenten einer langen Silbe in einem ursächlichen 
Zusammenhange von Quantität und Betonung begründet sein 
MUSS, 


Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 293 


Ferner ist es bekannt, dass Silben von der Form d(e) + 
iu), die also mittelzeitigen Vokal haben, den zweiten Kompo- 
nenten zu reduzieren pflegen, vgl. Adilis, bliduti. In schlei- 
fenden Silben bleibt derselbe jedoch immer erhalten: keosti, 
Taükas. Man vergleiche hiermit auch den von Bezzenberger 
beobachteten Wechsel der Quantität und des Akzentes zwischen 
1. und 3. Pers. Sing. Fut., z. B. kelidusiu : keliaüs. 

Hiermit stimmt nun weiterhin aufs genauste die gleich- 
falls von Bezzenberger entdeckte und durch die Untersuchungen 
Hirts bestätigte Thatsache, dass in indogermanischer Urzeit 
die gestossenen Langdiphthonge sehr leicht dem Verluste ihres 
zweiten Komponenten ausgesetzt sind, während bei den schlei- 
fenden sicher verbürgte Spuren des gleichen urzeitlichen Ver- 
lustes durchaus fehlen. Wir dürfen also auch für die Periode 
der Urgemeinschaft bei jenen ein Vorwiegen des ersten, bei 
diesen ein Vorwiegen des zweiten Bestandteils annehmen. 
Und es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass diese Differenz 
darauf hindeutet, es habe in der Urzeit ein ähnliches Verhältnis 
zwischen Quantität und Akzentqualität bestanden wie im Li- 
tauischen zwischen vdrna (£l+t,) und vardas (u+ux). Das 
gilt natürlich für die überlangen Silben so gut wie für die 
gewöhnlichen langen. 

Diese Erwägungen aber machen memes Bedünkens auch 
die Thatsache begreiflich, dass von den in Pausa stehenden 
Langdiphthongen des Auslauts die gestossenen den domi- 
nierenden ersten Komponenten länger intakt erhalten haben 


können als die schleifenden, bei denen er — vielleicht schon 
von Hause aus in der Quantität dem der gestossenen Lang- 
diphthonge nachstehend — hinter den präponderierenden 


zweiten Komponenten zurücktrat. 
Juli 1891. 
Wilhelm Streitberg. 


Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 


Pluralbildungen S. 187. hat J. Schmidt eine neue Er- 
klärung der Flexion ὄνομα > ὀνόματος vorgeschlagen. Es heisst 
dort: “Bei den neutralen »-Stämmen fiel ... . der Nom. Sing. 
mit dem alten Nom. Sing. der »t-Stämme lautgesetzlich zu- 
sammen: ὄνομα -- ndma wie μέγα — mahdt (Zeitschrift XXVI 
408) und vorhistorisch ἔφερα — bhärat; ebenso endeten beide 
Stammklassen im Lok. Plur. gleichmässig auf -accı. Infolge 
dessen bildeten erstere auch alle übrigen ursprünglich ver- 
schiedenen Kasus nach Analogie der letzteren. ὀνόματος nach 
Analogie von ἔφερατος... 

Was die Lok. Plur. angeht, so thut man wohl besser, 
wenn man sie ganz aus dem Spiele lässt. Denn die »-Stämme 
hatten doch sicher zunächst einen andern Ausgang als das 
angenommene -accı). 

Den Gründen, die mir gegen die ablautende Flexion der 
nt-Partizipien zu sprechen scheinen — Verf. Beiträge S. 125 ff., 
Bezzenbergers Beiträge XVI 261ff.?) —, habe ich Studien II 
105 Note 1 einen weiteren hinzugefügt. Sollte sich die Über- 
einstimmung, welche in der Bildungsweise zwischen ai. ord- 


dhantamas, sdhantamas — oder "nttamas nach Whitneys 
Schreibung — und av. merenkatiastema, tauruaiastemem be- 


steht, d. s. Superlative aus »t-Partizipien thematischer Präsen- 
tien, und anderseits zwischen ai. sdttamas und av. hastema, den 
entsprechenden Formationen vom unthematischen Präsens; 
ferner zwischen ai. dmavattarebhyas, hiranyarasımattama 
und av. amauastara, jatumastema, d. s. Steigerungsbildungen 
aus Adjektivstämmen auf n/want-, die sicher seit Alters ab- 
lautend flexirt wurden: sollte sich wirklich diese Übereinstim- 


1) Lautgesetzlich wäre -ns? zu -aı geworden. Wegen des an- 
geblich aus *dnsus enstandenen δαςύς — so z. B. Fick Wörterbuch 
[+ 460 — vgl. alb. dent, dant und G. Meyer Etym. Wörterbuch S. 65. 

2) Auf 5. 270 habe ich wegen des got. hulundi "höhle’ auf 
die vereinzelt stehende vedische Bildung vesantı * Teich’ verwiesen. 
Ich trage hier das avestische /varenti ‘Nahrungsmittel, Speise’ nach, 
dessen Formation der des vedischen Worts genau entspricht. Be- 
zeugt ist /varentis, Akk. Plur., V. 8. 27, 29, σὺ: 24. 36. 


Christian Bartholomae, Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 301 


mung durch blossen Zufall ergeben haben, ohne dass tiefer 
liegende Ursachen vorhanden waren? Über die einzige avestische 
Abweichung — as.hrabwastemö — habe ich mich bereits Bez- 
zenbergers Beiträge XVI 262 ausgesprochen. Ihre Erklärung 
bietet keinerlei Schwierigkeit. Und ebensowenig die einzige 
Ausnahme im Veda: mrlaydttama- ἈΝ. 1. 94. 14, 114. 91). 
Zur Bildung von Komparativen und Superlativen aus Partizipial- 
stämmen war selbstverständlich um vieles seltener Gelegenheit 
geboten, als zu solchen aus Adjektiven auf -»t-. Es ist darum 
wohl begreiflich, dass die letzteren als Vorbilder benutzt wurden, 
nachdem erst einmal die Mehrzahl der Kasus in beiden Stamm- 
klassen den gleichen Ausgang gewonnen hatte. 

Auch das Adjektiv sdhantya- halte ich für bemerkens- 
wert. Es ist das jedenfalls eme Weiterbildung aus dem Parti- 
zipialthema sdhant-, und es steht sdhantya- zum Superlativ 
sdhanttama- in den nämlichen Beziehungen, wie satyd- zu 
sdttama-. Für die verschiedene Betonung — sdhantya- findet 
sich TS. 3.1. 10.3; sonst ist das Wort als Vokativ unbetont — 
sind die Femininalformen belehrend: sahantz > sati; Verf. Beiträge 
5. 128 ff.2). Der Vokativ santya, von unklarer Bedeutung, 
gehört sicher nicht mit asti zusammen; gewöhnlich zieht man 
ihn zu sanöti; vgl. rdntya- > rdnati. 

Auch die Beweisstücke die neuerdings Kretschmer Kuhns 
Zeitschrift XXXI 346 ff. zu gunsten der alten Ansicht vor- 
bringt, vermögen mich nicht zu überzeugen. “ Die Thatsache, 
dass die Partizipia der unthematischen Verba wie ὦν, ἰών, 


1) Wegen der Betonung 5. Verf. Studien II 173 ἢ 

2) Zu den avestischen Abstraktbildungen wie zribiastät- 
“Sterblichkeit? bemerkt Spiegel Vgl. Gramm. S. 206, es könne frag- 
lich erscheinen, ob sie nicht besser zu einem Suffix stat- zu stellen 
Seien, einer “Abart’ von Zät-; s. dazu S. 196, 215. Ich meine, es 
darf diese “Abart’ getrost aus der Grammatik verschwinden. Die 
betreffenden Wörter sind Komposita mit stät- “stehend, befindlich’ 
oder mit stätz- “Stand, Zustand etc.” Zu dem angeblichen anuhare- 
stat 5. Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 17; zu dem “adverbischen’ 
Japanästäitia 5. die Neuausgabe. Mit dem ἡ Suffix’ st-, das sich zu 
stät- verhalten soll wie f- zu tät- (s. S. 215), steht es ganz ähnlich. 
Vgl. Justi Handbuch unter azösti. Mit aind. -ἐ- in bhagattis, 
maghaättis hat es nichts zu schaffen. Entweder gehört es mit asti 
oder mit histarti zusammen; in letzterem Fall vertritt es sthö- aus 
sth- > ti-; s. dazu J. Schmidt Kuhns Zeitschrift XXV 29, 56, Verf 
Ar. Forschungen II 104. 


302 Christian Bartholomae, 


ἑκών in die Flexion der thematischen übergetreten sind, weist 
darauf hin, dass zwischen beiden Flexionen in den schwachen 
Kasus Berührungen stattgefunden haben.” Das halte ich gar 
nieht für durchaus nötig; s. Brugmann Grundriss II 722, 
J. Schmidt Pluralbildungen S. 441 a. Statt μένοντες καὶ 
®javrec konnte ohne weiters μ΄ κ΄ ἰόντες gesagt werden, die 
ovr-Partizipien bilden ja weitaus die Mehrzahl!). Übrigens 
liessen sich doch ohne Mühe auch die von Kretschmer gefor- 
derten Proportionsgleichungen ansetzen. Wegen des attischen 
ὧν, ὄντος vgl. die 3. Plur. ὄντων (lat. sunto, sunt neben umbr. 
sent) und die Infinitive ἔμεν, ἔμεναι (Solmsen Kuhns Zeitschrift 
XXIX 72). Zu ἑκών etc. s. noch Verf. Bezzenbergers Bei- 
träge XVI 268; es mag sich zum altpers. vasij — eigentlich 
“nach Wunsch’, dann “genügend” (s. bal. geas; Hübschmann 
Zeitschr. d. dtsch. mgl. Ges. XLIV 561), endlich ‘viel’ und 
adverbial “sehr° — verhalten wie ai. mahän (Verf. a. Ὁ. 
S. 278) zu mdhi. 

“Em weiteres Zeugnis” bildet nach Kretschmer φυγάς, 
φυγάδος (und Genossen), das aus φυγών, ἔφυγατος nach dem 
Vorbild δεκάς, *deratoc, später δεκάδος hervorgegangen sein 
soll. Ich frage aber: wenn jene Stammgruppe wirklich mit 
dem »t-Partizip in Zusammenhang steht, muss es denn dann 
gerade das eines thematischen Verbums sem? Die Betonung 
auf der Endsilbe würde doch eher mit der Herkunft aus emem 
unthematischen Tempus in Einklang zu bringen sein. Übri- 
gens, mit Rücksicht auf die Bedeutung jener Stämme — 
φυγάς ist Ja nicht “fugiens’, sondern "fugasx’ — läge es doch 
noch näher, sie mit den Adjektiven auf -nt- in Beziehung zu 
bringen, für welehe der alte Flexionsablaut ja von Niemandem 
in Abrede gestellt wird. Vgl. ἀεκαζόμενος > ἑκών, oben?). 

1) ictavrec, dauvavrec etc. sind geblieben, weil sie an der Vo- 
kalisation der finiten Formen Anhalt fanden. διδόντες und τιθέντες 
sind Neubildungen, aber nicht für *didarec, *ridarec, wie Schmidt 
und Brugmann annehmen — 5. des letztern Grundriss Il 3721. — 
sondern für Ἐδιδάντες, *rıdavrec; 5. Verf. Beiträge 5. 134. icrarı: 
ἱστάντες δίδωτι : διδόντες τίθητι : τιθέντες und auch δείκνῦτι : 
δεικνύντες. Den oben besprochenen Partizipien standen keine 
stützenden Verbalformen zur Seite, daher sie der o-Majorität er- 
lagen. 

2) Kretschmers Fassung von &arı ἕκητι (a. O. S. 458 1.) ist 
mir nicht annehmbar; s. S. 305 zu lit. vilko. Da scheint mir doch 


Griech. ὄνομα > ὀνοματος. 303 


Der J. Schmidtschen Gleichung ὄνομα : ὀνόματος — ἔφερα : 
Ἔφερατος streite ich sonach jegliche Berechtigung ab. 

Anders verhält es sich mit der zweiten Gleichung: ὄνομα : 
ÖVOUATOC — μέγα : ἔμεγατος. Es fragt sich: ist μέγα, wie 
angenommen, identisch mit dem ai. mahdt? Durch μέγαθος, 
worauf das Zitat Kuhns Zeitschrift XXVI 408 verweist, wird 
das doch gewiss nicht dargethan; 5. Verf. Beiträge S. 102 
Studien I 19 Note. Ich habe Beiträge S. 145 jene Gleichung 
akzeptiert, gestehe aber, dass mir inzwischen erhebliche Zweifel 
aufgestiegen sind. Abgesehen von der Differenz y > h, die 
ich nicht für belangreich halte (s. Verf. Studien II 29): be- 
trächtliche Schwierigkeit machen die Vokalverhältnisse. Es 
seheint mir nämlieh sicher, dass das a in ai. mahän, mahän- 
tam, av. mazäntem u.s.w. idg. » vertritt. Für entscheidend 
halte ich av. maza J. 49. 10 (lies maza.hsapra?) und maza. 
raia J. 48. 12; vgl. Verf. Bezzenbergers Beiträge X 273, 
Geldner Kulns Zeitschrift XXVIII 402, XXX 3319). Sonach 
hätte ai. mahadt im Griechischen — mit Y>h — als *uaya 
oder bei gleichem Akzent als *uayav zu erscheinen. Das gr. 
μέγας, μεγάλη, das arm. mec, das got. mikils dagegen setzen 
ein Urwort mit e und ohne Nasal voraus; dazu gehört auch 
ἄγαν, ἀγα- “sehr” und lat. magnus; s. hierüber Fick Bezzen- 
bergers Beiträge V 168, Verf. ebd. XVII 120; das selbe «a 
wie magnus wird auch das alb. mad, maöi enthalten, gegen 
G. Meyer Etym. Wörterbuch S. 252. Wieder zu einer andern 
Ablautsreihe — der zweiten nach meiner Zählung, a. ©. S. 105, 
121°) — stellt sich eine dritte Gruppe bedeutungsverwandter 


die frühere a. Ὁ: XXX 586 den Vorzug zu verdienen. Vgl. av. 
isarestaäitia (Lok. Sing. mit postponiertem a) und Verf. Beiträge 
S. 164. 

1) Das auf mich verweisende Zitat daselbst ist falsch. 

2) Ich habe dort für die Ursprache zwei o-Laute, einen hel- 
leren und einen dumpferen, «° und ὁ angesetzt und glaube auch 
S. 90 ff. mit Hülfe des Armenischen das Vorhandensein dieser Ver- 
schiedenheit erwiesen zu haben. Wiedemann Das lit. Präteritum, 
S. 45 ff. wendet sich gegen die durch Mahlow eingeführte Lehre, 
dass dem griech. ὦ lat. ö, litauisches « entspreche; ihr Vertreter 
sei vielmehr ὁ, abgesehen von An- und Auslautsilben. Damit 
schiesst aber Wiedemann zweifellos, wie mir scheint, über das Ziel 
hinaus; vgl. auch Zubaty Archiv für slav. Philol. XIII 601. Wiede- 
manns Versuch, jedes inlautende « auf altes öu zurückzuführen, ist 


904 Christian Bartholomae, 


Wörter, die ebenfalls mit ηὲ anlauten: av. masö, mastm, masio, 
ap. mapista, gr. μῆκος, μακρός, μήκιετος U. 5. w. Wenn nun 


allzu gewaltsam; lit. dit? aus ksl. dat? dürfen nicht auseinander- 
gerissen werden; zu den z-Formen der Wurzeln 5. jetzt Per Persson 
Wurzelerweiterung und Wurzelvariation S. 139, 290. Wenn Wiede- 
mann a. O0. S.55 meint: “Durch den Nom. Dual. der mask. o-Stämme 
und den dialektischen Lok. Sing. der v-Stämme wird das Lautge- 
setz, idg. ou lit., lett. « erwiesen”, so ist das mindestens in der 
Allgemeinheit nicht richtig; Auslautsilben unterliegen ja doch viel- 
fach einer besonderen Umgestaltung; s. unten. Ich möchte auf einen 
Ausweg hinweisen, der mir alles in Ordnung zu bringen scheint. 

Das in der e-Reihe häufigst auftretende o kann nur dem 
Dehnvokal ὃ dieser Reihe entsprechen; also H-tok-a.: tek-Eti — τρωπ-άω: 
τρέπ-ω. Dieses 5 ist identisch mit dem zweiten Hochstufen-(Ablauts-) 
vokal der schweren Reihen; und in der That treffen wir auch hier 
o gegenüber dem griech. w; 5. Wiedemann S.19f., 22, wo Beispiele 
aus der & und ä®-Reihe gegeben werden. Bei der Besprechung 
der ö- (meiner 4°-) Reihe wird S.23 gesagt, es finde sich kein sicher 
dazu gehöriges Beispiel mit dem geforderten o. pülu falle’ gegen- 
über apr. au-pallai und ahd. fallıu, das er unsrer Reihe zuzuweisen 
nicht umhin kann, soll sein ἡ statt o nach S. 50, 52 wegen des fol- 
genden gutturalen (wurzelhaften) 7 bekommen haben ; ebenso sulas 
“Bank’ gegenüber lat. solum. Ferner sei ὦ im Anlaut der Wörter 
für idg. ö eingetreten: ilektis * Elle’ > gr. ὠλένη, dstz “ riechen’ > 
ὄδωδα, 11828 “ Esche’ > nserb., nslov. jasen. Dagegen soll inlauten- 
des 4 aus idg. διε hervorgegangen sein, z. B. dutz aus *dout° u. 5. w. 
Das klingt alles recht unwahrscheinlich. Neben ksl. δόϊο “ weiss’ 
steht lett. bals, das wäre lit. *bolas; vel. zum Vokalwechsel z. B. 
gr. θερμός, arm. jerm > lat. formus, ahd. warm; das list guttural; 
warum nun nicht *bulas? Am ὦ kanns also nicht liegen. 

Der erwähnte Ausweg ist: 

Idg. ὃ (und ὃ, überlang) — baltoslav. 0? (offen) — lit. ö, lett., 
apr. ὦ ΘΙ αν 

ide. ἄο (und 4°, überlang) — baltoslav. 01 (geschlossen) — 
lit., lett. ὦ, apr. ἃ und oa, ksl. a. 

Mit diesen Ansätzen lässt sich alles schlichten, ausgenommen 
vielleicht die Auslautssilben, für welche auch Wiedemann Besonder- 
heiten statuieren muss; 5. ἃ. Ὁ, S.46f. und neuerdings Kuhns Zeit- 
schrift ΧΧΧΙ 109 ff. Das ὦ in st? entspricht dem gr. ὦ in ὄδωδα 
und ducwönc; es ist in diesem Fall 40 der erste Dehnvokal der a°- 
Reihe, s. Verf. a. Ὁ. S. 129f. Gleiches gilt von dem ὦ in jükas, 
sıllas, pidas gegenüber lat. jocus, solum, an. fat. — In sl. jasen ist 
ja nicht - idg. δ, sondern = idg. 4° mit “prothetischem’ 7, wie „2 B. 
in ksl. jagne neben agne > lat. dägnus, gr. duvöc (aus *auvoc, 
*@ßvoc) u. a. Auch dieses @o gehört der dritten leichten Reihe an; 
der erste Hochstufenvokal liegt deutlich vor in arm. haei, ferner 


Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 305 


aber μέγα und mahdt in der Wurzelsilbe nicht zusammen- 
stimmen — vom Akzent ganz abgesehen —, so fällt damit 


in an. askr, ahd. asc, gr. ὀξύη, alb. ah; 5. OÖ. Schrader Sprachver- 
gleichung ? S. 398, Bugge Kuhns Zeitschrift XXXII 14f., Verf. a. O. 
S.93 ff. und, wegen des arm. A, Studien II 44. Das Urwort ist mit 
aoskh- > a’oskh- anzusetzen (s. Verf. ebd. S.41t., Bugge ἃ. Ὁ. S. 33); 


vgl. dazu jikas > lat. jocus u.s.w. — Dasselbe 4° steckt in srübti 
“schlürfen’ gegenüber gr. ῥοφάνω, ῥόμμα, zu welch letzterem es sich 
verhält wie z. B. sestz “sitzen’ zu ai. sddma — idg. *sedmn; die 


“" Wurzel’ ist trotz lit. srebiu, srebti mit sraobh- anzusetzen. Der Zu- 
sammenfall in den Tiefstufen konnte leicht Neubildungen nach den 
Formen der von Anfang an numerisch überwiegenden e-Wurzeln 
hervorrufen. 

Dass ü auch in der u-Reihe auftritt, ist ja zweifellos richtig; 
5. Leskien Ablaut der Wurzelsilben S. 31ff., Wiedemann a. Ὁ. 5. 30ff. 
Ich sehe aber keinen Grund, der es verbieten würde, die Bezie- 
hungen zwischen (z. B.) lit. kaupas und lett. küps denen zu ver- 
gleichen, welche zwischen gr. βοῦς und βῶς, Ζεύς und Ζής u. 5. w. 
bestehen [Streitberg Komp. S. 13]; die Verkürzung von ide. ou oder 
aou zu au geht der von 02 zu αὐ parallel; s. Verf. Studien II 116, 
Kretschmer a. Ὁ. XXXI 451 ft. 

Mehrmals spricht Wiedemann von einem "sekundären’ Ablaut 
% >; einen solchen nimmt er z. B. S. 51 für lit. nämas, lett. 
nüma “ Zins’ an; (vgl. dazu osk. niumsieis, altlat. mnumasiot, die auf 
altes «x hinweisen). In «#-Wurzein der dritten und sechsten Reihe 
kann sich «4 neben u aus alter Zeit erhalten haben; möglicherweise 
wurde auch inlaut. % in bestimmter Stellung zu « gekürzt. Der 
sekundäre Ablaut «> ὦ mag auf Nachbildung solcher Fälle beruhen. 

Was die Auslautssilben angeht, so hat der Abl. Sing. der o- 
Deklination ganz sicher ö gehabt; daher lit. vilko = idg. *ulköd. 
Im übrigen ist zu beachten, dass es sich hier und fast bei allen 
übrigen Fällen um @-Vokale handelt, welche aller Wahrscheinlichkeit 
nach durch Kontraktion entstanden sind. ὦ mit a musste aber 
doch nicht notwendig 5 ergeben. 

Wegen akmit neben akmens und gr. ἄκμονος gebe ich zu be- 
denken, ob denn wirklich alle »-Stämme der gleichen Reihe ange- 
hörten, wie man annimmt. Es ist doch an sich gar nicht ausge- 
schlossen, dass sich ein Teil in der dritten Reihe bewegte. Wie 
aber neben gr. ποιμένι der Nominativ ποιμήν steht, so ist neben lo- 
kativischem -@°n? nominativisches -4°n zu erwarten. Der Zusammen- 
fall der tiefstufigen Ausgänge konnte leicht Ausgleich und Mischung 
bewirken; vgl. z. B. lit. Zmü > Zmönes. Im armenischen steht 
neben dem Nom. ein der Gen. e/in, mit in aus idg. -enes oder -enos; 
aber neben akn steht akan. Ist -an etwa doch anders zu beurteilen, 
als bei Verf. Bezzenbergers Beiträge XVII 92? Geht -an auf idg. 
-aPn° zurück ὃ 


900 Christian Bartholomae, 


auch die Hauptstütze für die Gleichsetzung der Ausgänge -α 
und -at. Dass - und -a in mdhi und μέγα sich nicht decken, 
wie z. B. jüngst noch Fick Wörterbuch 1* 511 behauptet, ist 
auch meine Meinung. Dagegen halte ich es für sehr wohl 
möglich, dass μέγα idg. *megn vertritt, wie Brugmann Grund- 
riss II 325 annimmt. Dafür lässt sich lat. magnus verwerten 
(ebd. S. 131 Anm., Morph. Untersuchungen II 175 ff.); allen- 
falls auch ἄγαν 1). 

Aber gesetzt auch, dass gr. -a in μέγα und ai. -at in 


mahdt auf der nämlichen Grundlage, idg. -»t beruhen — vgl. 
auch Kretschmer a. Ὁ. XXXI 346, bei dem *xapıfa > ἔχα- 
puFaroc als Musterbeispiele fungieren —: selbst dann leidet 


J. Schmidts Erklärung noch an schweren Bedenken. Von all 
(len Musterformen, die sie zur Voraussetzung hat, ist nur eine 
einzige, ueya, historisch beglaubigt. Nun räume ich ja gerne 
ein, dass dies Moment nicht an sieh für ausschlaggebend an- 
gesehen werden darf. Es kommt aber noch ein andres hinzu. 
Durch J. Schmidts Theorie werden gr. ὀνόματος, οὔθατος U. S. W. 
von ähnlichen Formen, welche die verwandten Sprachen bie- 
ten: lat. strämentum, ahd. hliumunt, ai. srömatam τι. Ss. W. 
(s. unten), gänzlich losgelöst, da ihre Entstehung eben auf den 
spezifisch griechischen Zusammenfall von idg. » und »t im 
(absoluten) Auslaut zurückgeführt wird. 

Neben gr. χείματος steht in gleicher Funktion ai. hema- 
tas?); 5. Verf. a. Ο. XV 37. Dass diese beiden Wörter Laut 
für Laut zusammenstimmen, wird niemand bestreiten wollen. 
Was aber ihre Bildungsart und ihre Entstehungszeit anlangt, 
so wären sie nach J. Schmidt völlig auseinander zu halten. 
Denn χείματος gilt ihm ja für eine speziell griechische Neu- 
schöpfung nach *ueraroc ete. Vorausgesetzt wird dabei, dass 


Zu gunsten der Annahme von zwei qualitativ verschiedenen 
ursprachlichen o-Lauten lässt sich auch die bei Collitz ebd. X 54, 
Kretschmer a. Ὁ. XXXT 366 ff. besprochene Theorie verwerten, d.h. 
diejenigen Fälle, welche ihr zu widersprechen scheinen, z. B. gr. 
ἠώς a. OÖ. 5. 85 ἢ, 62f. Natürlich muss sie dann allgemeiner gefasst 
werden. Man kann sagen: Die beiden Vokale der Hoch- (und 
Dehn-)Stufen verteilten sich von Haus aus so, dass der hellere der 
hochtonigen, der dunkler gefärbte der nachtonigen Silbe zukam. 

1) Wenn nämlich ἀγα zu dyav sich verhält wie ἀ- (priv.) zu 
av-. Auffällig aber ist das gewöhnlichere ἄγαν. 

2) Kommentiert mit hemantartös. 


Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 307 


es im Urgriechischen bereits, zur Zeit als *ueratoc ete. noch 
existierten, einen neutralen Akk.-Nom. Sing. χεῖμα gegeben 
habe. Ich habe seiner Zeit (a. O.) gerade umgekehrt χεῖμα 
als Neubildung, gefolgert aus χείματος. genommen, wie es auch 
J. Schmidt Pluralbildungen S. 222 für δῶμα vorschlägt). 
Und jedenfalls ist das Vorhandensein eines ursprachlichen 
Akk. Neutr. ®gheimn nicht erweislich, es sei denn, dass man 
eben das griechische χεῖμα als dessen vollgültige Bestätigung 


ansieht. Das aind. höman "im Winter” — andere Formen mit 
n fehlen — lässt sieh als Stütze dafür durchaus nieht ver- 


werten). Und ebensowenig χειμών, ungeachtet der Ausfüh- 
rungen und Zusammenstellungen, die J. Schmidt a. Ὁ. 5.90 ff. 
gibt. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob seine Theorie über 
das Neutr. Plur. das richtige trifft oder nicht. Wenn erst 
χεῖμα existierte, so konnte sich nach von Alters her bewahrten 
Musterpaaren auch χειμών dazu gesellen. 

Lassen wir aber χείματος. einmal ganz bei Seite. Ich 
frage: wie alt ist, aus welcher Zeit stammt die m ai. hematas 
vorliegende Bildungsweise? Ist sie indisch oder arisch oder 
indogermanisch ? 

Ich glaube auch von J. Schmidts Seite keine Wider- 
sprüche zu erfahren, wenn ich sie in die Periode der Urge- 
meinschaft rücke. Sagt er doch selber auf S. 222: "Neben 
der Flexion dw, Gen. *devc, dec bestand noch eine andre δι, 
δώματος, welche sich zu δῶμα, δώματος ausglich”; s. auch 


S. 4005). Er hält also — anders ist das doch nicht zu ver- 
stehen — δώματος für älter als dWwua, folglich kann δώματος 


nieht nach dem Muster *ueyatoc > μέγα gebildet sein, folg- 
lich muss es aus vorgriechischer Zeit stammen. 


1) S. aber unten S. 310 £. 

2) Brugmann Grundriss II 235, 320, 453 teilt he-man, ich viel- 
mehr Ahem-an. Ich sehe nicht, wie man mit der 5. 459. Note an- 
sedeuteten Hypothese durchkommen soll. S. dagegen Verf. a. Ὁ. 
8. 86, XVII 133, Per Persson a. O. 5. 231. 

3) Dass av. demänem auf der alten n-Flexion des Wurzel- 
worts beruht, wie S.222 gesagt wird, ist jedenfalls nicht erweislich. 
demänem, d. 1. ar. dmänam verhält sich zu einem Gen. Sing. *da- 
mds (idg. *dmmes) wie ai. dhyanam zu dhiyas oder wie av. *fra- 
nem (Verf. Studien II 102 f.) zu ai. puras (zu 1 pur-, arı prnas); 
vgl. noch ai. jnänam, worauf ich schon Kuhns Litteraturblatt I 19 
aufmerksam gemacht habe. 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 20 


308 Christian Bartholomae, 


Wenn man nun aber in δώματος, dem in den verwandten 
Dialekten eine entsprechende Form nicht zur Seite steht, den 
geraden Fortsetzer einer indogermanischen Bildung sieht, so 
wird man doch nieht wohl behaupten dürfen, dass χείματος, 
dem das aind. hömatas sekundiert, nicht aus ursprachlicher 
Zeit überkommen ist, oder, mit indogermanischer Bildungs- 


weise keinen Zusammenhang hat. Vgl. noch κρᾶτός > ai. 


sirsatds; Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 55, J. Schmidt 
a. O. 5. 372, Fick Wörterbuch I* 44, 209, 423%). War aber 


1) Meine Erklärung von κρᾶτός aus *krsntos gilt mir auch 
jetzt noch für die einfachste. Die Gleichung xpac° — sirs° bei 
J. Schmidt 5. 374 und bei Fiek S. 209 halte ich nicht für richtig. 
Sind denn wirklich s7irs-nds und κρά-ατος einander "zweifellos’ 
gleich? Ich für meinen Teil bezweifle das. Zum Wechsel von r 
— ST. ‚pa mit 7 = al. (0.8. W.) 5: Verl. αν ἈΝ II 3427 Pass 
die Annahme von 7, ἢ ete. für die Ursprache unberechtigt sei, da- 
von kann ich mich auch nach den Ausführungen Kretschmers a. 0. 
XXXI 400 ἢ. nicht überzeugen. Auf S.409 schreibt er: “ Nach dem 
Verhältnis ami : am erwarten wir dn als schwache Form zu ant, 
dafür erscheint blosses 4: janitum : jäta-, jati-, jayate... Der Ver- 
lust des Nasals in der Lautgruppe -änt- vor dem Hochton findet 
seine Parallele in der Flexion der Partizipialstämme auf -ant-: Sg. 
Akk. yäntam, Gen. yätas ... Das in den Partizipien auf -td- und 
den Verbalabstrakten auf -fi- berechtigte -4- kann von dort aus 
leicht auch in jayate u. dgl. eingedrungen sein”. Meint Kretsch- 
mer wirklich, dass μαΐάς auf rein lautlichem Weg aus *yantds her- 
vorgegangen sei? Nach meiner Ansicht lässt sich yatds mit jatd- 
gar nicht vergleichen; es ist Nachbildung nach yatds > yantamz 
5. Verf. Beiträge S. 137. Ich empfehle noch zur Berücksichtigung 
die Wörter, die ich Ar. Forschungen II 90 f. und Bezzenbergers 
Beiträge X 278 ff. zusammengetragen habe; 5. auch ebd. XVII 122. 

Weeen des bei J. Schmidt S. 364 erwähnten av. 547)» Jt. 14. 
12 bemerke ich, dass es nicht erstes, sondern zweites Kompositions- 
glied ist, und zwar Nom. Sing. Mask., also scheinbar einem a-Stamm 
angehörig; s. Geldner Drei Yasht S. 70 und die Neuausgabe. Ein 
“Stamm’ sära- “Kopf”, Ntr. findet sich auch sonst; 5. Justi im Hand- 
buch. Der Dehnvokal begegnet uns bei neutralen s-Stämmen zum 
öftern; 5. Verf. a. O. S. 125. Whitney Grammar? $ 115lc. Zum 
Übertritt von särah- in die a-Deklination vgl. Verf. Handbuch 8 251, 
Horn Nominalflexion (Diss., Halle 1885) S. 30 ff. [Wegen karsard 
V. 9. 12 bei J. Schmidt S. 140 s. Horn S. 30 No. 10; J. 11. 2 steht 
karsuid. nemem ist Jt. 1. 21 und 14. 61 bezeugt. Zu v7spö.paesem 
συ. 10. 124 und stehrpaesem J. 57. 22 halte man ai. purupesäasu 
RV. 2. 10. 3 neben purupesasam 83. 3. 6. Ich erwähne besonders: 
sauä J. 44. 12, sauwäis J. 48. 1 u. ὃ. neben sawanmhö etc. aus dem 


Griech. ὄνομα > ὀνάματος. 909 


χείματος als Erbe aus dem Stammgut bewahrt geblieben, so 
bietet die Erklärung von χείματι u. s. w. keine Schwierigkeit. 


Gegen die Ficksche Theorie hat J. Schmidt a. Ὁ. S. 190 
folgende Einwendungen zu erheben: “Das Suffix -Ttoc ist an 
griechischen Nominalstämmen überhaupt noch nieht nachge- 
wiesen. Warum sollte es nur bei »-Stämmen, und zwar nur 
bei neutralen erhalten sein und diese Störung herbeigeführt 
haben? Erst wenn erklärt wäre, wesshalb kein ἕποιματος, 
Ἑάκματος vorkommt, liesse sich Fieks Vorschlag in Erwägung 
ziehen. Das τ findet sich ausschliesslich bei Neutren. Jede 
Erklärung, welche diese Beschränkung nicht begründet, ge- 
nügt schon desshalb nicht”. Ich will versuchen, diese Ein- 
würfe zu entkräften und die Lücken in Ficks Konstruktion 
auszufüllen. 

Dass -tos als lebendiges Suftix im Griechischen nicht 
gebraucht wird, ist richtig. Aber im der Ursprache hat es 
doch als solches gedient. Die von J. Schmidt für seine Theo- 
rie benötigte Flexion ἔφερα > ἔφερατος, μέγα > *ueraroc ist 
doch auch nicht nachgewiesen. Gab es ein indogermanisches 
*gheimntos, warum sollte nicht auch das Urgriechische ein 
entsprechendes *%Aheimatos besessen haben können? Später 
gingen die andern fos-Bildungen unter, wurden durch solche 
mit -8ev ersetzt; nur kheima-tos und Genossen blieben erhal- 
ten, warum? soll später noch erörtert werden. 

Weshalb aber, sagt J. Schmidt weiter, weshalb kommt 
-tos nur beim Neutrum vor, wesshalb existiert kein *roıuatoc? 
Der Einwand ist wohl beachtenswert. In der That haben 
alle Wörter, welehe -atoc aufweisen, neutrales Geschlecht. Ich 
behaupte aber, dass ein Teil erst innerhalb des Griechischen 
das neutrale Geschlecht angenommen hat. 

Das Wort für “Winter’, zu dem χείματος gehört, ist in 
keiner der verwandten Sprachen neutral. Also, so schliesse 
ich, ist es erst im Griechischen neutral geworden. 
Gathadialekt. Id. -@s wurde im Arischen in gewissen Fällen zu 
-d4; 85. Verf. Beiträge S. 151, 76. Geht av. saud neben sauä auf ar. 
*saud aus °äs oder beruht es auf iranischer Neubildung? Wahr- 
scheinlich trifft das erstere zu. Dann versteht man die Vermischung 
der (neutralen) @- und as- Deklination leicht; im Ausgang des Akk. 
Plur. fielen eben beide Stammklassen zusammen.] 


910 Christian Bartholomae, 


Ebenso war das Wort für “Haus’, wozu sich δώματος 
stellt, ursprünglich nicht neutral. Das griech. δῶ erklärt 
J. Schmidt a. O. S. 222 als Nom.-Akk. Sing. des Neutrums, 
und zwar setzt er es gleich idg. *do, der “im absoluten Aus- 
laute und vor gewissen Konsonanten ἢ entstandenen Nebenform 
zu *döm, welches seiner Bildung nach an κῆρ angeschlossen 
wird: vgl. auch Verf. Beiträge S. 77, Solmsen Kuhns Zeit- 
schrift XXIX 329, Kretschmer ebd. XXXI 407. .Nehmen 
wir einmal an, der ursprachliche Stamm da”m- sei maskulin 
gewesen, wie Brugmann Grundriss II 454 will, so haben 
wir den Nom. Sing. mit *doms anzusetzen, woraus noch in 
der Ursprache unter gewissen Bedingungen *dos hervorgehen 
musste; vgl. ai. ksäs, av. zd, zid u.a. m. Zu *dös aber 
konnte leicht ein Akk. Sing. *dom gebildet werden; vgl. ai. 
ksäim, av. zam, ziam neben den eben erwähnten Nominativen. 
Auf diese Weise gelangt man zu der nämlichen Grundform, 
wie sie J. Schmidt verlangt. Das arm. fan “Haus’, auf das 
sich J. Sehmidt zu gunsten seiner Erklärung hätte berufen 
können, vertritt allerdings altes "dom; s. Verf. Studien II 
36. Aber es kann ganz wohl auf dem neuen Akkusativ 


=Jom beruhen — Nom. und Akk. Sing. sind im Armenischen 
stets gleich — oder auch auf einer Neubildung des Nom. Sing. 


von der gleichen Art, wie sie z. B. in gr. χθών > ai. ksäs 
vorliegt; χθών aus "xBwu und fan aus "tom, beide für älteres 
°ös, ständen sich dann ganz gleich. S. auch jüun "Winter" 
> er.yxıwv, vgl. Verf. oben S. 184. 

Freilich lässt sich ja nun wieder darauf hinweisen, dass 
δὼ bei Homer zu verschiedenen Malen deutlich als neutraler 
Akk. Sing. gebraucht wird — χαλκοβατὲς δὼ A 426, Φ 438, 
505, = 173, 08 321, v4: εὐρυπυλὲς δῶ Ψ 14, A δ11: ὑψερεφὲς 
δῶ x 111, e 424, 432 —, und einmal als Nominativ, a 3592. 
Aber dem gegenüber kann man mit J. Schmidt S. 224 die 
Thatsache betonen, “dass dw schon in den homerischen Gesän- 
gen eine nur noch formelhaft überlieferte Altertümlichkeit ist, 
wie seine Beschränkung auf die letzte Silbe des Verses lehrt”. 
Sonach ist es doch ganz gut denkbar, dass χαλκοβατὲς dW 
u.s.w. auf Nachbildung nach nur mehr halb verstandenen 


Verbindungen wie ἡμέτερον διῶ, ὑμέτερον dW, EUOV δῶ — ZU- 
sammen mal bezeugt — zurückgehen. 


Wie aber, wenn zwischen διὺ und dWwua, dwWuaroc über- 


Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 311 


haupt kein etymologischer Zusammenhang besteht? Fiek Wör- 
terbuch I* 458 leugnet ihn und erkennt in δῶ eime sub- 
stantivierte Postposition, die selbe, die m lat. endo!) u. Ss. w. 
vorliegt?). Dass Fieks Fassung möglich ist, unterliegt ja kei- 
nem Zweifel; das wird auch z. B. von Brugmann a. 0.11 
558 eingeräumt. δῶμα zerlegte sich für das Sprachgefühl 
gewiss in d&W-+ua, vgl. crpw-ua neben cTpw-Töc u. Ss. w. Da- 
durch aber war die Gleiehsetzung von ἐμόν dw mit ἐμὸν dWua 
äusserst nahe gelegt. Mir scheint, dass Ficks Erklärung am 
besten geeignet ist, die vorhandenen Schwierigkeiten zu be- 
seitigen. Für den indogermanischen oder urgriechischen Ab- 
fall eines auslautenden m ist ein zweites Beispiel, soviel mir 
bekannt, nicht nachgewiesen. Die Berufung auf G. Meyer 
Gr. Gramm. 5 8 306 hilft auch nicht; denn die Fälle, da -v 


wirklich fehlt, stehen ganz veremzelt, die andern aber — ὅΦι, 
ἄμμι, νύ — sind dort falsch beurteilt; s. Brugmann a. O. 


S. 696, 784 f. 

Ich bin wie Brugmann der Meinung, dass das fragliche 
Wort für ‘Haus’ ursprünglich maskulin war. Zwar, dass der 
oben vorausgesetzte Nom. Sing. *dos in ai. däs RV.6. 16. 26 
vorliegt, wie ich Ar. Forschungen I 96 annahm, möchte ich 
nicht mehr behaupten®). Dagegen scheint mir av. dahua 
J. 50. 2, Lok. Plur. mit postfigiertem ὦ — 5. Verf. Bezzen- 
bergers Beiträge XIII 77, Caland Kuhns Zeitschrift XXX 
545 —, einen arischen Nom. Sing. *das vorauszusetzen, zu 
dem es sich verhält wie z. B. ai. ksäsu zu ksäs, Thema 
ksam 5: w. Der Lok. Sing. ai. de RV.5. 41. 1 “kann” 
nach J. Schmidt S. 222 “nur von einem Nom. *dam meta- 
plastisch gebildet sem”. Ich finde, dass zwischen de und dem 

1) Nach Fick = gr. ἔνδω. Wo kommt das Wort vor? Und 
wo das auf der selben Seite angeführte lat. däs “du gibst’? S. ferner 
S.70, 288 und Hoffmann Präsens 5. 140. Nicht wenige Wörter, die 
es nicht gibt, bieten die arischen Partien des Fickschen Buches. 

2) S. übrigens auch Johannson Bezzenbergers Beiträge XV 
312, XVI 126. — Das avestische “Vorsatzwort’ da, de, t (bei Fick 
S. 457 und 65) hätte nicht verdient, wieder ins Leben gerufen zu 
werden. 

3) das wird mit Recht zu dadaäti gezogen, aber das Thema 
ist mit das- anzusetzen; vgl. sudäs ete., Lanman Journ. of the Am. 
Or. Soc. X 492 ff. Das Avesta hat den Superlativ dazu bewahrt: 
danısta Jt. 13217. (ef. 13.12). 


312 Christian Bartholomae 
’ 


Nom. *das dieselben Beziehungen walten, wie zwischen svar-ge 
und purö-gäs, av. frö-ga (Thema gam-) oder zwischen bisa- 
khäs und su-khe!) (Thema khan-). Die von der Grammatik 
angegebenen Lok. Sing. auf -5 zu Nominativen auf -ds kom- 
men im Veda nicht vor?). Liesse sich ein Nom. Sing. *dam 
nachweisen, so wäre er als Neubildung zu de u. s. w. nach 
der a-Deklination anzusetzen, mit gleichzeitigem Geschlechts- 
wechsel. Das lehrt ai. khäm, Plur. khäni neben khe und 
dem Akk. Sing. khäm, dem Nom. av. ha. Selbstverständlich 
ist der Stamm mit khan- anzusetzen; s. auch J. Schmidt 
Kuhns Zeitschrift XXVI 405: in dem vrddhierten Adjektiv 
av. haia- J. 68. 6, Jt. 8.41 (besser hania-, ἃ. 1. ar. *khaniia-; 
s. die Varianten an der ersten Stelle) liegt er ja deutlich vor. 

Auf die Flexion θέμις > θέμιτος gegenüber der avesti- 
schen damis > damois, über die Fick Bezzenbergers Beiträge 
ΧΙ 7 gehandelt hat — s. auch Brugmann a. O. 5.595 —, 
ist J. Schmidt überhaupt nicht eingegangen. Trifft aber Ficks 
Erklärung das richtige, dann kommt eben -roc doch thatsäch- 
lieh nicht nur beim Neutrum vor. Auch die Flexion χάρις > 
χάριτος hätte eine Bemerkung verdient. 


Die Formen dWwua, χεῖμα und δώματος, χείματος reichen 
nach meiner Ansicht alle in die ursprachliche Periode zurück. 
Aber δῶμα, χεῖμα sind ursprünglich nicht Akk.-Nom. des Neu- 
trums, sondern Akkusative des Maskulins. Sie sind aber in 
der Folge zu Neutren geworden, weil sie im Ausgang mit der 
zahlreichen Gruppe neutraler Akkusative auf -ua aus men- 
Stämmen zusammenfielen. 

Zu dem wurzelhaften »»-Stamm für “Erde? ὁ) lautet der 


1) räthe. Über ein andres sukhd- s. Jacobi Kuhns Zeitschrift 
XXV 438 ff. 

2) Überhaupt scheint es einsilbige Lok. Sing. auf - nicht zu 
geben. Av. zemi 4. 10. 17 ist zweisilbig und entspricht dem ai. 
ksami. Zu dam ‘Haus’ lautet er av. dam oder damit (ὃ. 315). 
Sonst finden wir av. zeme (einsilbig), ai. ksmayd, jmaya; s. Verf. 
Bezzenbergers Beiträge XV 21, 26. Steht deren a? im Zusammen- 
hang mit dem Ausgang von gr. χαμαί lat. Aumi? Daraus würde 
folgen, dass das gewöhnliche Lokativsuffix ursprünglich ablautend 
war: -αἱ > -ὖ, und es würden sich enge Beziehungen zum Dativ 
ergeben; s. dazu Brugmann a. Ο. 5. 609, 818 ἢ 

3) Wegen des Anlauts s. Verf. a. 0. XV 25, XVII 344, Kretsch- 


Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 313 


Akk. Sing. im Veda ksäm, im Avesta zam. Die Form ist 
aber entschieden für eine Neubildung anzusehen — gegen 
Brugmann a. Ὁ. S. 454 —, aufgebaut auf dem Nom. Sing., 
wenn auch nicht geleugnet werden soll, dass das Muster aus 
der Ursprache stammt. Die normale Form wäre aind. ὅλ βά- 
mam, vgl. vdcam = lat. vöcem, ai. pädam = got. fötu, ai. 
seva-rdäjam —= lat. regem, ap. naham — lat. narem u. 5. W., 
also mit dem Dehnvokal. Ihr Verhältnis zu dem metaplasti- 
schen ksäm gleicht genau dem von ai. usäsam = av. usänhem 
zu ai. usdam — av. usam oder dem von ai. sahasrasas, Nom. 
Plur., Thema auf n, zu av. asö-nhänö!). Demgemäss ist der 
alte Akkusativ von dem »-Stamm für “Haus’ mit *dömm an- 
zusetzen, eine Form, die sich eben im griech. dwua erhalten 
hat; so schon Verf. Ar. Forschungen I 96. 

Brugmann schreibt a. ©. “Akk. *döm, woher gr. dwua”. 
Er scheint also das -α dem von τίνα, Ζῆνα u. 5. w. gleich- 
zustellen. Dann erwartete ich aber auch *dwva?). Vermutlich 
steht diese abweichende Erklärung in Zusammenhang mit sei- 
ner Theorie über die Vertretung des idg. o in offener Silbe 
durch ar. ἃ — “ai. väcam — idg. *uokm’, ὃ. 450 —: eine 
Theorie, die meines Erachtens nicht zu halten ist. Dass be- 
reits die Ursprache einen Akk. Sing. *döm besessen haben 
kann, stelle ich nicht in Abrede. Ich will sogar die Möglich- 
keit zugestehen, dass *dom auf lautgesetzlichem Wege aus 
der vorauszusetzenden Grundform hervorgegangen ist. Aber 
doch nur im Satzsandhi vor Vokalen. Hier konnte, das räume 
ich ein, *domm’ mit konsonantischem »» gesprochen werden, 
woraus dann *dom entstanden sein mag. Aber vor Konsonan- 
ten war lautgesetzlich nur *domm am Platz. Zwischen -dum-, 
mer a. OÖ. XXXI 433f. Ai. ksas und gr. χθών mögen sich danach 
auf einem idg. *7dho° vereinigen lassen. Daneben muss aber auch 
*dzhom° mit der Sandhiform *z7hom° bestanden haben; 5. Verf. Stu- 
dien I 121. Fick a. O. S. 54, 217, 434 widerspricht sich. 

1) Jt. 13. 151; es fungirt als Akk. Plur., ist aber der Form 
nach Nominativ. — Für eine Neubildung nach °nhäano gegenüber 
°säs, °säm (sahasrasäm) halte ich /söipro.]pano gegenüber /g0./päs, 
°pam: Thema pa- oder pät-. Unrichtig: Verf. Beiträge 5. 76. 

2) Für Brugmanns Ansicht lässt sich höchstens κῶμα anfüh- 
ren, wenn dies auf dem Akk. Sing. eines Wurzelstammes kö7- be- 
ruhen sollte. Das ist aber doch sehr zweifelhaft. S. dazu J. Schmidt 
Pluralbildungen S. 255 (aber auch Verf. Studien II 91). 


914 Christian Bartholomae, 


-dim- und -@amm- besteht doch ein nicht ganz unerheblicher 
Unterschied. 

Für eine jenem dwua gleichartige Bildung sehe ich χεῖμα 
an, das ich somit auf "gheimm oder *gheimm zurückführe. 
Die Stammform gheim- oder gheim- enthält auch der r-Lo- 
kalis, die Basis der Adjektiva gr. χειμερινός und lat. höbernus; 
gheim- birgt der aind. Lokativ heman, der avest. zaena: 8. 
dazu Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 56 f., Brugmann-Streit- 
bergs Idg. Forsch. I 179 f., Osthoff Morph. Untersuchungen V 
δὴ f. Die ursprüngliche Flexion des Wortes wird sich freilich 
kaum herstellen lassen. Aber jedenfalls wird durch das Vor- 
handensein der bezeichneten Formen das des Akk. Sing. χεῖμα 
als möglich ausgewiesen. 

Ein dritter Akkusativ der selben Art ist cröua. Dass 
das m darin nicht zum Suffix gezogen werden kann, hat 
Jüngst auch Kretschmer a. Ὁ. XXXI 349 ausgesprochen. Da- 
gegen lässt sich ausser dem o auch noch cröuwov anführen 
und, wenn zugehörig, cröuoxoc und crwuvAoc. Das avest. 
stamanem*‘) verhält sich zum alten »-Stamm genau wie Asa- 
panem zum Stamm (ar.) ksap-, Fem.?).. Ob das Wort für 
"Mund, Maul’ ursprünglich maskulin oder feminin war, ist 
nicht sicher auszumachen; doch s. unten 5. 515. 

Dass δῶμα, χεῖμα, «τόμα dem Einfluss der übergrossen 
Neutralgruppe auf -ua, mit denen sie reimten, verfielen und 
deren Geschlecht annahmen, ist ohne weiteres begreiflich. Ins- 
besondere bei δῶμα. Der Akk. Sing. war bei diesem Wort 
erklärlicher Weise sehr häufig gebraucht; man vergleiche z. B. 
die zahlreichen Verbindungen von δῶμα mit πρός, κατά und 
ec bei Homer. War aber erst δῶμα zum Neutrum geworden, 
so hatten «die selteneren χεῖμα und cröua gar keinen Rück- 
halt mehr. 

Nun kann man freilich wieder die Einrede machen, 
wenn dwua aus *domm hervorgewachsen ist, warum gibt es 


1) Den bei Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 25 ff. aufge- 
zählten »-Bildungen ist ausser dem obigen stamanem noch dantano 
“Zähne’ (Zpgl.) zuzufügen. 

9) Fick a. Ὁ. 5. 146, 332, 570 stellt dazu arm. stom, daser 
offenbar Justis Handbuch entnommen hat. Vgl. aber de Lagarde 
Arm. Studien S. 140. Schon Ciakciak bezeichnet stom als Lehn- 
wort aus dem Griechischen. 


Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 315 


dann nieht auch ein neutrales *xAwua “Erde? Der Einwand 
wiegt aber nicht sonderlich schwer. Denn δῶμα und ἔχθῶμα 
waren einander doch nicht völlig gleich. Neben dem Akku- 
sativ ἕἙκαλλὸν δῶμα stand ἕκαλλὸν crpwua u. 5. w. Dadurch 
war die Neubildung τὸ δῶμα nach τὸ crpWwua ganz erheblich 
begünstigt. Aber das Wort für “Erde’ hatte ja von Haus aus 
feminines Geschlecht. Es hiess also im alter Zeit Ξκαλλὰν 
χθῶμα. Sonach war die Bildung emes *T6 χθῶμα zum min- 
desten nicht so nahe gelegt als die von τὸ δῶμα. In der 
Folge ging ἔχθῶμα ganz unter, und an dessen Stelle trat der 


vom Nom. Sing. χθών aus — für -öm und weiter für -ös, vel. 
ai. ksäs — neuformierte Akkusativ χθόνα. 


Das hier zu ἔχθῶμα bemerkte macht es übrigens wahr- 
scheinlich, dass das Wort für ‘Mund’, wozu gr. cröuo, ur- 
sprünglich maskulin war. 


Die Bildung von dwua reicht also in die Zeit der Ur- 
gemeinschaft zurück. Das gleiche darf man auch für δώμα- 
τος behaupten; zu dieser Annahme führt ja auch die Konse- 
quenz der von J. Schmidt über das gegenseitige Verhältnis 
der beiden Formen ausgesprochenen Ansicht, s. oben 8. 307. 
Wegen der Bildung und wegen der Stammvokalisation sei 
auf Verf. a. ὦ. S. 32f. (ὕδατος etc.) und 28 f. (ai. ksäman) 
verwiesen. 

Nun ist gerade bei dem Worte für ‘Haus’ der Ablativ 
em Kasus, zu dessen Gebrauch sich jederzeit häufigst Gele- 
genheit bot. So konnte es leicht kommen, und so ist es ge- 
kommen, dass man zu ex δώματος zunächst ἐν δώματι bildete, 
so dass sich also δώματι an die Stelle eimes älteren *dwv 
(= av. ὃ: J. Schmidt a. Ὁ. S. 222f.) oder *dwu (= 
av. dami, Jt. 1. 25 Neuausgabe) oder auch *deu (vel. ai. 
ksdmi) schob!). Gewiss wurden die Ausdrücke “aus dem 
Hause’ und “in dem Hause’ oft neben einander oder einander 
gegenüber gestellt. Gerade darin aber liegt der Hauptanlass 
für ausgleichende Neubildungen jeglicher Art?). In ev (&c) 


1) Nieht wahrscheinlich ist mir Meringers Annahme (Zeitschrift 
für öst. Gymn. 1888 S. 152), dass dov in ἔνδον Lok. Sing. sei. Es 
müsste schon ἔνδον Sandhiform für *evdwv sein. 

2) Auch für syntaktische Analogiebildungen; s. z. B. Verf. 


316 Christian Bartholomae, 

δῶμα, ἐκ δώματος, ἐν δώματι ist die gesamte Flexion enthalten. 
Es konnte nieht ausbleiben, dass sich auch die übrigen Kasus, 
nach der t-Deklination geformt, dazu eimfanden. Endlich hat 
sich die t-Flexion von δῶμα aus — mit Unterstützung seitens 
χεῖμα, χείματος --- vorerst etwa auf Reimwörter und solche die 
begriffliich nicht allzu weit ablagen: crpWwua, ἅριια, sodann 
aber auf alle neutralen men-Stämme übertragen, während 
diese ihr Geschlecht an δῶμα und Genossen abgaben. 


Es bleibt schliesslich noch ein Punkt zu erledigen: Wa- 
rum sind δώματος, χείματος. erhalten geblieben, während sonst 
dem Ablativsufiix -tos — ai. -tas griechisches -8ev gegenüber 


steht? Man könnte mit einer Gegenfrage antworten: warum 
gibt es kein *dwuodev od. dgl.? 

Soviel mir bekannt, existiert für das griech. -dev oder 
-de des Ablativs in den verwandten Sprachen kein Äquivalent. 
Aber als griechische Neubildung ist es auch nicht begreiflich. 
Klar ist ja der Zusammenhang von -Bev mit -da und -θι, 
deren hohes Alter durch andere Sprachen erwiesen wird: vgl. 
ai. ihd, kuha = av. (gd.) ida, kuda u.s. w. Man sieht aber 
nicht, wie zu altererbtem -8a und -Pı mit Lokativbedeutung 
ein ablativisches -8ev sollte neugeschaffen worden sein, mit 
einem Ausgang, der an keiner syntaktisch entsprechenden 
Form Anlehnung findet. Ich schliesse daraus, dass auch -dev 
aus alter Zeit stammt. Die Grundform wäre mit -dhem oder, 
wenn v nachträglich angetreten ist, mit -dhe oder auch mit 
-dhed anzusetzen, welch letzteres einen Ablativausgang ent- 
halten würde. 

Es fragt sich nun: wenn -fos und -dhed von anfang an 
gleichbedeutend waren — und das wird doch nicht zu leug- 
nen sein —, wie grenzten sich ihre ursprünglichen Gebrauchs- 
kreise gegen einander ab? Denn dass bei jedem Wort belie- 
big das eine und das andre Suftix verwendet werden konnte, 
ist doch durchaus unwahrscheinlich. Ich möchte es danach 
nicht gerade für unmöglich ansehen, dass das Griechische die 


Studien II 158. Als solche gilt mir auch eicw δώματος 0 292, und 
zwar nach ἔξω δώματος. Ein Missverständnis konnte ja nicht ent- 
stehen, da die Richtung schon durch εἴσω hinreichend verdeutlicht 
war. Auch der Reim thut viel. 


Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 317 


alte Verteilung der Suffixe gewahrt hat. Es lässt sich aber 
für das Auftreten des -tos gerade bei der »-Deklination em 
spezieller Grund anführen. 

Es kann für ausgemacht gelten, dass schon in der Pe- 
riode der Urgemeinschaft sich enge Beziehungen zwischen »- 
und »to-Stämmen herausgebildet hatten. Vgl. die Beispiel- 
sammlung bei Brugmann Grundriss II 234 ff., der sich aus 
dem armenischen hiövand, d.i. *peunto- > gr. πῆμα hinzufügen 
lässt; s. Bugge Kuhns Zeitschrift XXXII 15, Verf. Studien II 
37. Wurde nun, wie angenommen, nach dem Muster δῶμα > 
δώματος zu crpwua ein Abl.-Gen. crpwuaroc gebildet, so ge- 
wann diese Form dadurch sofort an Festigkeit, dass von alter 
Zeit her andere t-Kasus von gleicher Bedeutung existierten, z. B. 
*ctpwuatov — lat. sträamentum. Der zu cTpWuo, «τρώματος 
neugeschaffene Akk.-Nom. Plur. war crpwuora. Ebenso lau- 
tete aber auch schon im Urgriechischen die antevokalische 
Sandhiform des selben Kasus zu Fcrpwuatov; κ5. Wackernagel 
Dehnungsgesetze S. 651). Die Folge war, dass die T-Dekli- 
nation noch im Urgriechischen ganz zu Gunsten der konso- 
nantischen aufgegeben ward. Als späterhin das Suflix -Toc 
des Gen.-Abl. durch -8e(v) ersetzt wurde, da war es bei den 
uo-Stämmen bereits “m der Deklination verarbeitet” (Brug- 
mann a. Ὁ. 8. 595) und somit jener Änderung entzogen. 

Zur Zeit als neben den T-Kasus: crpwuatoc, “τι etc. 
noch solche mit v gebraucht wurden: *crpwuvoc, *crpwuvi, 
ἕάρματος, ἕάρμανι etc, da kam auch bei andern neutralen 
Stämmen -atoc neben -voc und -avoc auf?), z. B. οὔθατος ne- 


1) Anders G. Meyer Grammatik 5 8 368. Praktisch kommt es 
aufs nämliche hinaus. 

2) Woher das n stammt, ist dabei ganz gleichgiltig. S. dazu 
Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 25 ff. ὕδατος neben ai. udnds 
kann gar wohl aus der Urzeit stammen; aber die Hereinnahme des 
t in den °Stamm’ ist doch unter dem Einfluss von δώματος etc. 
erfolgt. 

Gegen die dort S. 42 gegebene Erklärung des Wechsels von 
r- und n-Kasus hat Bloomfield Adaptation of suffixes S. 21 f. (Am. 
Journal of Philol. XII) folgendes einzuwenden: “Bartholomae ... 
assumes that the n-cases of the heteroclitie deelension n r-n.. 
grew up on the basis of a locative in n, and he does not hesitate 
to take very sturdily the econsequences of this view: they may be 
stated by saying that the entire deelension of the words for “νου 


518 Christian Bartholomae, Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 


ben ξούθνος > ai. üdhnas, ἥπατος neben *nmavoc > lat. *je- 
cinis ete., und schliesslich trugen die neuen r-Formen über 
die alten mit v einen vollständigen Sieg davon. 

Dass diese Erklärung der Flexion ὄνομα > ὀνόματος, 
°rı möglich ist, das wird auch von J. Schmidt nicht mehr 
bestritten werden dürfen, wenigstens nicht mehr mit den oben 
S. 509 angeführten Gründen. Denn die Beschränkung des τ 
auf die n- Deklination und aufs Neutrum ist ja nun ausrei- 
chend motiviert. Ich meine aber, dass meine Erklärung nicht 
nur ebenso möglich ist, wie die J. Schmidts, sondern noch um 
einiges wahrscheinlicher. Denn sie baut nur mit wirklich vor- 
handenem Material, und das ist denn doch em nieht ganz un- 
wesentlicher Vorzug. 

Ich gebe zum Schluss eine gedrängte Übersicht. — Die 
Voraussetzung, von der ich ausgehe, ist, dass folgende vier 
Formen aus der Ursprache stammen; 1. (ςτρῶ)μα — idg. "mn, 


Akk. Sing. Ntr.; 2. (crpw)uata = [urlidg. *mnta, Akk. Plur. 
Ntr.; ὃ. δῶμα — idg. *dömm, Akk. Sing. Mask.; 4. δώματος 


— idg. *domntos, Abl. Sing. mit -tos. Darauf gründe ich fol- 

gende drei Annahmen: 1. δῶμα wird Neutrum nach (ςτρῶ)μα; 

2, -roc überträgt sich, begünstigt und gehalten durch (crpw)- 
> 


ματα, von δώματος auf (ctpw)ua; 3. die T-Flexion wird aus- 
gebaut, die v-Formen gehen unter. 


Münster (Westf.), 11. Juli 1891. 


Christian Bartholomae. 
ἧπαρ, ἥπατος ete., or "bloon’, vedie dsr), asnds οἷος, has grown Up 
on the basis of original locatives. One may ask whimsically how 
often the ancient IndoEuropeans, who were scarcely advanced 
bacteriologists, had occasion to employ the expression “in the 
blood’”. Da hat Bloomfield ganz Recht, und hätte ich wirklich die 
von ihm genannten Beispiele zum Ausgangspunkt meiner Aufstel- 
lungen genommen, so hätte ich einfach thöricht gehandelt. Aber 
die kunstvolle Wahl jener beiden Wörter stammt nicht von mir. 
Ich habe ganz allgemein gesprochen und ohne Namhaftmachung 
von Beispielen. Dass ich gerade jene im Auge gehabt habe, ist 
eine überkühne Vermutung. 


Etymologisches. 


1. ὄνος — asinus. 

Es scheint, dass der Esel und sem Name den Griechen 
und Römern durch thrakisch-illyrische Vermittlung aus Klein- 
asien zukam. Auf jeden Fall halte ich daran fest, dass gr. 
ὄνος und lat. asinus dasselbe Wort sind, d. h. auf eine ge- 
meinsame Quelle zurückgehen. Man hat das wegen der be- 
fremdlichen Lautgestaltung des griechischen Wortes bezwei- 
felt, so z. B. Solmsen, ΚΖ. XXIX 89 ἔς: und Fiek dekretiert in 
der neuen Auflage seines Wörterbuches I 15, övoc habe mit 
lat. asinus nichts zu thun, gehöre zu ai. dnas, lat. onus “Last ’ 
und sei “wohl der Last(träger), vgl. φορτικός = φορτητικός, 
φορτὶς ναῦς — φορτηγίς u.ä. Die Beweiskräftigkeit der letz- 
ten Vergleichungen verstehe ich nieht, denn φορτικός φορτίς 
sind ja doch Ableitungen, welche eine Beziehung zur Last, 
φόρτος, ausdrücken. Fick hätte vielmehr auf prov. sauma 
“Lasttier', somella “kleine Last’ und “Eselin’ verweisen dür- 
fen, die der Abkürzung eines Ausdruckes wie franz. bete de 
somme ihre Bedeutung verdanken, oder auf serb. fovar “Last, 
Esel’ — asl. tovars “Last” (türk. nach Miklosich Türk. Elem. 
II 77, Nachtr. U 57). Auch ngr. γομάρι “Esel’ hat man frü- 
her als eine Verkleinerungsform von yöuoc ‘Last’ gefasst (so 
z. B. Foy Lautsystem der griech. Vulgärsprache 106); die 
richtige Erklärung habe ich Et. Wtb. d. alb. Spr. 127 gege- 
ben. Es ist nicht nötig für ὄνος den Bedeutungsübergang des 
prov. sauma anzunehmen. Ein urgriechisches *öcvoc hätte in 
den einzelnen Mundarten die lautgesetzliche Entwieklung durch- 
machen müssen und würde daher im lonischen und Attischen 
*ovvoc lauten; das Wort ist aber als später eingedrungenes 
Fremdwort von Stamm zu Stamm gewandert und gehört da- 
her auf eine Stufe mit Wörtern wie TTeAorövvncoc Χερρόνη- 
coc (Wackernagel KZ. XXIX 126) Aıövvucoc Διόνυςος 1). Das 


> 


1) Uber diesen Götternamen hat zuletzt Kretschmer in "Aus 
der Anomia’ Berlin 1890, S. 17—29 gehandelt. Die Scheidung zweier 
Grundformen Aıövucoc und *Aıöcvucoc scheint mir ebenso unnötig 
wie die Erschliessung eines thrakischen *nüsos “Sohn’ unrichtig, 
wobei besonders die Berufung auf alb. nuse (s. Et. Wtb. d. alb. 
Spr. 312) verunglückt ist. 


320 Gustav Meyer, 


‘nördliche’ Wort, welches dem gr. #öcvoc ὄνος zu Grunde liegt, 
lautete *asnas. *öcvoc ist daraus entstanden wie asl. os»la 
aus got. asilus. Dieses *asnas ist, ebenfalls von Norden her, 
auch zu den Römern gekommen, die daraus asinus machten, 
wie mina aus μνᾶ, techina aus τέχνη. Dass die Römer ihr 
asinus von den Griechen bezogen hätten, ist einfach unmög- 
lich, weil im griechischem Munde -sn- zweifellos bei der ersten 
Aufnahme des Fremdwortes zu -n- geworden war. Von den 
Römern haben die Goten das -- übernommen, von den Goten 
die Slaven und Litauer das -/-; damit erledigt sich der Ein- 
wand von Solmsen a. a. Ὁ. 5. 90. Die Herkunft des dem 
gr. ὄνος, lat. asinus zu Grunde liegenden *asnas ist noch nicht 
mit Sicherheit ermittelt. Der Anknüpfung an hebr. atön, arab. 
atan ist von Lagarde Armenische Studien S. 56, 817 hoffent- 
lieh für immer der Boden entzogen: für nieht unwahrschein- 
lich halte ich die auch von Schrader Sprachvergleichung und 
Urgeschichte * 335 empfohlene Verbindung mit arm. es Gen. 
isoy, wovon türk. esek (Radloft Wörterbuch der Türkdialekte I 
Sp. 905) nicht zu trennen ist; anders über 2s F. Müller Ar- 
meniaca III 11 = Wiener Sitzungsberichte 66, 271. 
2, Neugr. yadapoc γαϊδοῦρι Esel”. 

Dies neugriechische Wort für “Esel” ist in mehrfacher 
Hinsicht schwierig zu verstehen. Yyadapoc, Fem. yadapa, 7. B. 
im Lexikon des Somavera, in Bova nach Pellegrini, in Klein- 
asien (Acıßrcıov) nach Musäos, daraus mit Umstellung Yapadoc 
in Chios nach Paspatis, wird heut fast überall Yaidapoc ge- 
sprochen. Das αὐ ist in seinem Verhältnis zu a weder hier 
noch in χαϊδεύω von xadıv (Et. Wtb. d. alb. Spr. 155), xeXai- 
DW aus keladw (Anlehnung an ἀηδόνι “Nachtigall’?) erklärt, 
während für κλάϊιμα Kaiuevoc die richtige Erklärung im Simon 
Portins von W. Meyer S. 99 gegeben ist. Du Cange führt 
im Gloss. med. et inf. graee. aus einer Menge von Stellen in 
Glossaren und selbst Texten ein Wort aeidapoc für “Esel” an, 
was offenbar nichts als eine Erfindung zu Liebe der thörich- 
ten Etymologie von ἀεὶ depecha ist. Bianchi-Kietfer Dietion- 
naire ture-francais II 337 führen ein türk. Aus gaizar “Esel’ 
an, und Passow im Glossar zu den Carmina popularia be- 
trachtet dies als die Quelle des griechischen Wortes. Das 
Verhältniss ist gerade umgekehrt, ‚Ass ist aus yaidapoc ent- 


Etymologisches. 321 


lehnt und das arabische 5 gibt genau das interdentale gr. ὃ 
wieder. Noch verkehrter ist die Herleitung aus türk. „s\i® ka- 
ter “Maulesel’ bei Cihae Dietionnaire d’etymologie daco-ro- 
mane II 181. Auf den Weg zur richtigen Erklärung von 
γάδαρος hat schon Korais gewiesen (vgl. Bikelas Sur la nomen- 
elature moderne de la faune grecque Paris 1879 S. 7). Bei 
Athenäos VII 315 F wird mit einem Zitat aus Dorion der 
Fischname yadoc als Synonym von ὄνος, övickoc belegt; es 
ist derselbe Fisch, den die Römer mit asellus bezeichneten, 
wahrscheinlich der ital. merluzzo, der im Ital. auch nasello 
heisst; ngr. yaidoupöyapov; auch im Serb. ist tovar ‘Esel’ 
und “merluzzo'. Die Gattung der Dorsche heisst daher z00- 
logisch gadus. Nun ist zweierlei möglich. Entweder hatte 
die agr. Volkssprache ein Wort yadoc für “Esel’, das ebenso, 
wie övoc, auch auf den Fisch übertragen wurde, und dessen 
ältere Bedeutung sich in ngr. yadapoc erhalten hat; diese An- 
nahme findet freilich in keiner bezeugten Thatsache eine Stütze. 
Oder yadoc bezeichnete lediglich den sonst ὄνος övickoc ge- 
nannten Seefisch; und wie man vom Esel ausgehend den Fisch 
övickoc kleinen Esel’ nannte, so nannte man, von dem Fische 
ὄνος ausgehend, den Esel γάδαρος, grossen γάδος. Denn -apoc 
bildet Augmentative, vgl. μούλαρος πούλαρος πόδαρος εκύλαρος 
ἄππαρος (kyprisch — Pferd’) u.a., vgl. Dossios Beiträge zur 
neugriechischen Wortbildungslehre Zürich 1879 8. 421). ya- 
δοῦρι, γαϊδοῦρι, Fem. γαδούρα γαϊδούρα (bei Somavera) ist eine 
selbständige Bildung von yadoc; das ebenfalls romanische -ούρα 
wird auch zur Bildung von Augmentativen verwendet, Dos- 
sios a. a. 0. 32. Vielleicht ist zunächst das Femininum ge- 
schaffen worden, dazu dann yadoüpı, nach τομάρι cauapı. Vel. 
auch kypr. βονικόν ‘Esel’ von ὄνος. Foys (Lautsystem der 
griech. Vulgärsprache 186) Heranziehung der aus ai. garda- 
bhäs entstandenen neuindischen Formen kann zur Aufhellung 
von yadoc nichts beitragen. 


1) Diese Augmentativa auf -apoc sind zunächst aus den De- 
minutiven auf -άρι --- -Apıov entstanden. Dafür ist beweisend das 
kypr. ἄππαρος ‘Pferd’, dessen o- sich nur in ἀππάριν verstehen lässt; 
hier ist es im Plural τὰ immdpıa entstanden, das man rarrdpıa sprach 
und τ᾽ ἀππάρια trennte. Auch das οὐ von πούλαρος zu πῶλος ist zu- 
nächst in der tonlosen Silbe von πουλάρι entstanden. 


322 Gustav Meyer, 


3. Lat. mülus alb. musk. 

Für “Maulesel’ ist in die Sprachen der Balkanhalbinsel, 
wie auch anderwärts, das lat. mälus eingedrungen: neugr. 
μουλάρι, bulg. male, alb. in Griechenland ον. Ein altes m- 
teressantes Wort ist alb. musk, das ich Et. Wtb. ἃ. alb. Spr. 
295 f. ausführlich besprochen habe. Es geht auf eine Grund- 
form maus-ko- zurück, wie lat. malus auf mus-lo-: alb. -ko- 
und lat. -/o- sind Deminutivsufixe. Aus dem Illyrischen, 
speziell Altvenetischen stammen friaul. mass venez. mausso 
Esel’; ihnen liegt das Stammwort von alb. mausk lat. malus 
zu Grunde, und diese beiden bedeuten eigentlich “kleiner 
Esel’: vgl. arm. es “Esel’, 2sak “Eselchen’, isakes “ἡμίονος: 
Die Annahme, dass mälus aus gr. μυχλός entlehmt sei (so 
noch Schrader Sprachvergleichung und Urgeschichte ? 3854) ist 
lautlich unmöglich: μυχλός wäre im Lat. *maclus geworden, 
vgl. coclea (später cochlea) aus κοχλίας (Georges Lexikon der 
lat. Wortformen Sp. 144), troclea (später trochlea) aus Tpo- 
χιλία (Georges a. a. Ὁ. Sp. 704); die Lautverbindung -εἰ- ist 
aber im Lat. nicht alteriert worden, wie ausser den beiden 
angeführten Beispielen noch nucleus cocles und Sufüix -clum 
zeigen. Über das Unwahrschemliche des Bedeutungsübergan- 
ges von “Zuchtesel’ zu “Maultier” habe ich mich a. a. O. aus- 
gesprochen; Schrader a. a. ©. kann also seine Erklärung von 
οὐρεύς als “Besamer” nicht mehr durch den “sicheren Bedeu- 
tungsübergang: 1. bespringender Esel, 2. Maultier’ stützen. 
Das Maultier ist ja eben zur Fortpflanzung untauglich. In der 
Herleitung von μύκλος μυχλός bin ich, was zu konstatieren 
mich freut, mit Schrader a. a. O. zusammengetroffen; über 
(len Gebrauch von οὐρεῖν, mängere meiere von der Samen- 
entleerung vgl. noch die Stellen bei Sternbach Anthologiae 
Planudeae appendix Barberino -Vaticana (Lpz. 1890) S. 85. 
Für ὀρεύς, οὐρεύς bleibe ich bei der alten, mir ebenso wie 
Hehn «durchaus passend erscheinenden Erklärung als “Berg- 
tier’. Über ivvoc müht sieh zuletzt Meister ΚΖ. XNNXII 143 f. 
ab; er trennt das Wort in Etymologie und Bedeutung von 
rivvoc, das nur krüppelhaft kleine Maultiere bezeichnet 
habe. Das illyrische #mausko- erscheint im Rumänischen mit 
lateinischer Endung als mascoruw und kann hier zu dem alten, 
vorrömischen Bestande der Sprache gehören; als Lehnwort 


Etymologisches, 323 


ist es ins Slavische übergegangen (Et.Wtb. 295): asl. m»zgs und 
mo»skd. Miklosich Vergl. Gramm. I 111 sagt über dieses Wort: 
“die Zusammenstellung mit Wz. mis, ai. mis, ist falsch, die 
Berechtigung des » nicht bewiesen”. » aus τι wie in θέα) 
neben batars “dolium’ von volkslat. *butis (Et.Wtb.56). Über 
die Etymologie des illyrischen ®muso- #musko- kann ich nur 
eine sehr unsichere Vermutung vorbringen. Man nimmt an, 
dass das pontische Kleinasien die Heimat des Maultieres sei, 
nach Anakreon (frg. 35 Bergk) haben die Mucoi die μῖξις 
ὄνων πρὸς ἵππους erfunden. Wie, wenn znzso- das “mysische 
Thier’ wäre? Das Wort gehörte dann zu der grossen Menge 
der für die kulturhistorische Forschung überhaupt wichtigen 
Eigennamen, die zu Appellativen geworden sind. Mit Recht 
hat ©. Schrader neulich (Vietor Hehn Ein Bild seines Lebens 
und seiner Werke Berlin 1891 S. 42) eine eingehende Unter- 
suchung derselben für sehr wünschenswert erklärt. Grade 
Kleinasien hat unter anderm χάλυψ “chalybischer Stahl’, πον- 
τικόν “ΠΧ pontica’ — türk. κ᾿ φυλὰς, ngr. ποντικός “Maus’ ge- 
liefert. Die Illyrier haben das kleinasiatische Wort den Sla- 
ven und Italikern vermittelt. 


4. Illyrisch laga- “Sumpf”. 


In der Beschreibung von Istrien sagt Strabon S. 314: 
ὁμοίως δὲ καὶ ἐκ Τεργέετε κώμης Kapvırnc ὑπέρθεείς ἐςτι διὰ 
τῆς "Orpac εἰς ἕλος Λούγεον καλούμενον. Diese Bezeichnung 
der sumpfigen Niederung gehört zu lit. Zöägas "Morast’, asl. 
luza “Sumpf, Pfütze’ und lässt, da Istriens Bevölkerung illy- 
risch war, auf ein illyrisches Zagas m. oder Zuga f. Sumpf’ 
schliessen. Das albanische l&gate “ Lache, Pfütze, sumpfiger 
Ort’ ist mit dem lateinischen Suffixe -@tum davon abgeleitet. 
Also ist das, was ich im Et. Wtb. d. alb. Spr. 242 über das 
letztere Wort gesagt habe, zu modifizieren: die Annahme einer 
Entlehnung aus dem Slavischen ist nicht nötig. 


5. Der Stadtname Tiriest. 


Die in der oben angeführten Stelle Strabons vorkom- 
mende “karnische’ Ortschaft Tergeste ist das heutige Triest. 
Auf ursprünglich istrischem, später von den Karnern erober- 
ten Boden gelegen, bot Tergeste eine günstigere Lage als die 
benachbarten Küstenstädte für den Handelsverkehr über die 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. Dil 


324 Gustav Meyer, 


Alpis Julia nach dem Binnenlande am Saus’, Kiepert Lehrbuch 
der alten Geographie S. 355. Der Name bedeutet “Handels- 
platz, Marktplatz’ und lässt ein illyrisches terga- “Markt er- 
schliessen, vgl. asl. trag forum’. Das Suftix -este kehrt wie- 
der in dem «dalmatischen Städtenamen Digeste (Tomaschek 
Die vorslavische Topographie der Bosna, Herzegowina, Urma- 
Gora. Wien 1880, S. 30), dem liburnischen Inselnamen Aa- 
decta oder Λάδεετον (Steph. Byz.), dem venetischen Stadtna- 
men Ateste (heut Este); vielleicht ist auch Segesta am Saus 
illyrisch. Vgl. auch den dalmatischen Volksnamen „Jadestini, 
die @rambestini im Japygischen Unteritalien und die m Ily- 
rien häufige Gentilmamenendung -Ectaı (Kiepert a. a. 0. 450). 
Auch die illyrischen Ortsnamen auf -ista, wie sie Tomaschek, 
Bzzb. Beitr. IX 101 verzeichnet, liegen nahe. trag» war bis- 
her nur im Slavischen nachgewiesen, von dem aus es ins Li- 
tauische (furgas), Lettische (törges), Altnordische (torg), Ru- 
mänische /(förg, targ), Albanische (trege Et. Wtb. 456) überge- 
gangen ist. Es ist nicht unmöglich, dass das slavische Wort 
selbst aus dem Illyrischen stammt. Slavische Ortsnamen, die 
von trzgs abgeleitet sind, hat Miklosich Die slav. Ortsnamen 
aus Appellativen II (Denkschriften der Wiener Akademie XXIII 
249 zusammengestellt. 
6. Karisch taßa ‘Fels’. 

Bei Stephanos von Byzanz heisst es unter Τάβαι πόλις 
Λυδίας unter anderm: οἱ δέ φαει τὸν Kıßüpav καὶ Μαρεύαν 
ἀδελφοὺς τὸν μὲν κτίςεαι Κιβύραν πόλιν, τὸν δὲ Τάβας, καὶ κα- 
λέεαι ἀπὸ τοῦ ἐπὶ πέτρας οἰκεῖεθαι᾽ τάβαν γὰρ τὴν πέτραν Ἕλ- 
Anvec ἑρμηνεύουειν. Nach Strabon XII p. 570 lag die Stadt 
vielmehr an der Grenze von Phrygien und Karien. Es bleibt 
also fraglich, welcher kleinasiatischen Sprache das Wort an- 
gehörte, welches die Griechen mit ᾿πέτρα᾽ übersetzten; Georg 
Meyer Bezzenbergers Beitr. X 195 hat es als karisch in An- 
spruch genommen. taba gehört zu dem italischen teba, wel- 
ches Varro de re rustica III 1, 6 als sabinisch anführt. Es 
ist damit nieht gesagt, (dass das Wort ein indogermanisches 
sei; es kann in Italien vorarisch sein. Möglicherweise gehören 
dazu auch die griechischen Städte Namens Θῆβαι, über welche 
init gewohnter Verworrenheit Grasberger Studien zu den grie- 
chischen Ortsnamen ὃ. 149f. handelt. Vgl. auch mein Et. 
Wtb. ἃ. alb. Sprache unter timp. 


Etymologisches. 325 


1. Tarentinisch uoAyöc “Schlauch. 


Pollux X 187 μολγὸν, ὅς Ecrı κατὰ τὴν τῶν Ταραντίνων 
γλῶτταν βόειος ἀεκός. Hesychios μολγός: . .. ἄλλοι δὲ μολγὸν 
τὸν βόειον ἀεκόν. μολγός ist für βολγός geschrieben, wie in 
den Griech. Gramm. ? $ 180 angeführten Beispielen, und dieses 
βολγός “Schlauch” entspricht got. balgs, air. bolg "Sack ’; la- 
teinisch bulga war keltisch: bulgas Galli saceulos scorteos 
appellant, Paulus Fest. S.35 Müll. = 25,15 Thewrek. Wegen 
der Konsonantenverhältnisse kann BoAyöc — balgs nicht grie- 
chisch sein; es mag in die Mundart der Tarentiner aus dem 
benachbarten Messapischen eingedrungen sein, ist also illyrisch. 


8. Makedoniseh κλινότροχος. 


In der Naturgeschichte des Plinius XVI 15 heisst es von 
den Arten des Ahorns: Graeei situ discernunt, campestre enim 
candidum esse nee erispum, quod glinon vocant u.8.w. Die 
Handschriften haben alinono, alinon, die Verbesserung glinon 
stammt aus Theophrasts Pflanzengeschichte III 11, 2 mv de 
πεδεινὴν [cpevdauvov| λευκήν TE καὶ μανοτέραν καὶ TTTOV 
οὔλην καλοῦςι δ᾽ αὐτὴν ἔνιοι τλεῖνον, οὐ εφένδαμνον. Den 
ursprünglichen Anlaut aber bietet der Anfang desselben Ka- 
pitels des Theophrast, wo gesagt wird: τῆς δὲ ςφενδάμνου 
καθάπερ εἴπομεν δύο γένη ποιοῦειν, οἱ δὲ TpIa' Ev μὲν δὴ TW 
KOLVW προςαγορεύουςει CPEVdAUVOV, ἕτερον δέ Zuylav, τρίτον δὲ 
κλινότροχον ὡς οἱ περὶ Στάγειρα. Theophrast hat offenbar 
nicht gemerkt, dass dieses κλινο- und jenes yAeivoc dasselbe 
Wort sind; und den neueren Kulturhistorikern (z. B. Schrader ? 
398) ist es entgangen, dass wir in dem Worte den Vertreter 
von asl. klens, an. hlynr, ahd. lanboum, nhd. lehne, lenne 
auf der Balkanhalbinsel besitzen!). κλινότροχος, was der 
Thesaurus ebenso geschmackvoll als verständlich mit “leetiro- 
taria’ übersetzt, ist ein altmakedonisches Wort, das in seinem 
zweiten Teile wahrscheinlich volksetymologische Umgestaltung 
trägt. Das Altmakedonische ist für mich noch immer ein un- 

1) Nachträglich sehe ich, dass der alte Nemnich in seinem 
Allgem. Polyglottenlexikon der Naturgeschichte I Sp. 26 in seiner 
Weise auf den Zusammenhang hingewiesen hat: “wahrscheinlich ist 
dieses nordische Wort [die lenne]| und das klen der slavischen Völker 
aus dem griech. gleinos entstanden’. 


326 Gustav Meyer, 


griechischer Dialekt, der sich, wie die Vertretung der idg. 
Medialaspiraten durch Medien allem schon zeigt, an das Thra- 
kische und Illyrische anschliesst. yAetvoc, d.i. yAtvoc, mag im 
Griechischen Fremdwort sein. In dem zweiten Teil des make- 
donischen Wortes mag ursprünglich eine Bezeichnung für 
"Baum’ gesteckt haben, vgl. ahd. löinboum; man kann viel- 
leicht an eine gutturale Erweiterung von *deru-, dopv- denken, 
wie sie im air. Gen. darach vorliegt. Dass das Makedonische 
den Wortstamm besass, zeigt δάρυλλος ' n δρῦς, ὑπὸ Μακεδό- 
vwv Hes. 


9. Der Stadtmame Sardes. 


Der Name der Iydischen Hauptstadt, Σάρδεις, ist in 
neuester Zeit von Fr. Müller in der Wiener Zeitschrift für 
Kunde des Morgenlandes I 344 f. besprochen worden, was eine 
kleine Kontroverse zwischen Nöldeke und Fr. Müller ebenda 
II 92 #f. hervorgerufen hat. Joannes Lydus, ein Byzantiner 
des 6. Jahrhunderts, hat die Mitteilung (de mensibus III 14): 
νέον ςάρδιν TO νέον ἔτος ἔτι καὶ νῦν λέγεεθαι ευνομολογεῖται ᾿" 
εἰεὶ δὲ οἵ Pacı τῇ Λυδῶν ἀρχαίᾳ φωνῇ τὸν ἐνιαυτὸν καλεῖςεθαι 
capdıv. Lagarde Gesammelte Abhandlungen 274. Mit diesem 
capdıc hat Lagarde (vgl. seine Armenischen Studien No. 1601) 
ai. sarad-, av. sareöa-, pers. sal, arm. navasard “der erste 
Monat des armenischen Jahres’ verglichen, Fr. Müller hat oss. 
sard “Sommer ’ (särde) hinzugefügt; vgl. Hübschmann Etymo- 
logie und Lautlehre der ossetischen Sprache S. 55. Was das 
arm. navasard anbetrifft, so stimme ich Hübschmann bei, der 
ΚΖ. XXIII 403 es für ein Lehnwort hält, weil "neu’ im Arme- 
nischen »or heisst; es ist aus dem Persischen entlehnt, natür- 
lich zu einer Zeit, als man statt Si καἰ, noch *sard sprach 
(Darmesteter Etudes iraniennes I 97)'). Das νέον cäpdıv des 
Byzantiners Lydus halte ich für nichts andres als das halb 
gräzisierte armenische resp. persische »arasard; Iydische 
Sprache hat es im 6. nachehristlichen Jahrhundert gewiss 
nicht mehr gegeben. Und für das Altlydische ein capdıc = 
‘Jahr’ zu erweisen, dafür reicht für mich die Autorität der 
unfassbaren ἔνιοι des Lydus auch nieht hin. capdıc wird also 


1) Ein arm. sard will Lagarde Arm. Stud. no. 300 auch in 


osard “vecchia’ erkennen. 


Etymologisches. 327 


aus der Reihe der als sicher bezeugten Iydischen Worte zu 
streichen sein, unter welche es nach Lagarde Ges. Abh. 274 
z. B. noch Pauli Eine vorgriechische Inschrift von Lemnos 
S. 68 gestellt hat. 

Wie dem aber auch sei, der Name der Stadt Sardes 
kann mit diesem iranischen (armenischen, Iydischen) Worte 
nichts zu thun haben, denn “Jahr” ist kein Namenwort für 
eine Ortsbezeichnung. Ahrens hat in einem verunglückten 
Aufsatze Orient und Oceident II 33 Σάρδεις mit dem asiatischen 
Sandas-Herakles zu verbinden versucht, was wir auf sieh be- 
ruhen lassen können. Auf die Benennung von einem Sonnen- 
gotte ist Sayce verfallen. Dieser hat im Journal of the Royal 
Asiatie Society N. S. XIV 472 in einer der Keilinschriften vom 
Van-See Z. 21 ein sar-di-i-e gelesen, worin er einen Sonnen- 
gott sehen will, und damit bringt er S. 487 sowohl den Stadt- 
namen als cäpdıc ‘Jahr’ zusammen. Er fügt hinzu: "The 
word is not Aryan, and it may therefore be regarded as deri- 
ved from the language of the people who inhabitated the 
shores of Lake Van before the arrival of the Aryan Armenians . 
Das ist sicher unrichtig; denn wenn ich auch nieht weiss, was 
der “altarmenische’ Sonnengott sardiie ist — wenn er über- 
haupt existiert hat —, so ist doch das Vorhandensein eines 
iranischen sard- nicht zu bezweifeln, das durch die indische 
Parallele als arisch erwiesen wird. 

Fr. Müller nun deutet WZKM. I 344 Sardes als Serail: 
d. h. er erschliesst als altiranische Grundform für np. s';“ 
ein av. *srada- ap. "Prada “Halle, Burg, Palast’, das in dem 
lydischen Städtenamen vorliege, mit der Bedeutung “Residenz ', 
die das persische Wort auch im Türkischen hat. Die Rich- 
tigkeit jener Grundform zugegeben, kann ich nieht finden, 
dass “der Stamm Zapdı- zu srada- Oräda- sich ebenso verhält 
wie das oben besprochene capdı- “Jahr” zu awestischem 
sareöa-. Denn die Quantität des a und die Stellung der 
Liquida ist eine ganz verschiedene, und wir baben keine Ver- 
anlassıung, zwischen der Sprache, welcher der Name Sardes 
entstammt, und dem Iranischen ein Verhältnis voraus zu setzen, 
wie zwischen lit. gardas und asl. grad». Th. Nöldeke hat 
in Schenkels Bibellexikon s. v. Lud (s. WZKM. II 92) auf die 
wichtige Thatsache hingewiesen, dass der Lydier Xanthos, 
ein Zeitgenosse Herodots, für Sardes auch den Namen Ayaris 


998 Gustav Meyer, 


kenne: Zapdıv γὰρ αὐτὴν καὶ Ξυάριν ὁ Ξάνθος καλεῖ ‚Joann. 
Lyd. de mens. III 14. Damit ist zu kombinieren, dass Lydien 
in den Inschriften des Darius sparda heisst, nach der Haupt- 
stadt; man hat dies zwar bezweifelt (s. Spiegel Keilinschriften ? 
242), aber die Stellung von sparda neben yau/na] in Beh. 
I 15, und besonders die zwischen katapatuka und yauına NR. 
a 28 macht die Deutung als "Lydien’ für mich ganz sicher, 
dessen Nichterwähnung geradezu unbegreiflich wäre. Lesen wir 
nun statt Zväpıc mit leichter Veränderung Ξυάρδις und er- 
wägen wir, dass E zur Bezeichnung von dem Grieebischen 
fremden Zischlauten gebraucht wurde), so ist das Verhältnis 
von ‚euardis und sparda ohne weiteres klar: jenes, zu ver- 
stehen als swardi- seardi-, ist die einheimische, dieses die 
iranisierte Form des Städtenamens (iran. sp = nicht-iran. 
se —1dg. ke); Zapdeic aber ist die gräzisierte Form. Wenn 

1) Vgl. z. B. ἔξιν, 6 Ecrıv ἐχῖνος phrygisch Steph. Byz. 8. v. 
’AZavoi, wo ξ für einen tönenden Zischlaut (lit. ezys, asl. jezv) steht. 
ἄρξιφος : ἀετὸς παρὰ Tlepcaıc Hes. zu av. erezifya (Lagardes Ges. 
Abh. 222 äpZıpog ist also unnötig). TTavbatıc neben -accıc und -aTıc 
Verf. Griech. Gr. ? 273 A. 2. Karisch ᾿Αρύαξις Βρύαξις Georg Meyer 
Bzzb. Btr. X 177. Vgl. auch den neuen Aufsatz De Lagardes 
‚Samech’ Mitteilungen IV (1891) 370 ff. (schon F. Müller, K. Btr. 
II 491 über ξίφος, arab. _&ım: “so entspricht hier &E dem s, wie das 
semitische Samech dem griechischen E im Alphabete’). Auch das 
zZ von ἀλώπηξ ist wahrscheinlich so zu beurteilen. Vermittelung des 
Wortes mit ai. Zopäsds *Schakal, Fuchs oder ein ähnliches Tier’ 
auf dem Wege der Urverwandtschaft, wie sie zuletzt noch Kluge 
im Festgruss für Böhtlingk S. 60 versucht hat, scheint mir gänzlich 
ausgeschlossen. Andrerseits ist der Anschluss an armenisch a/ues 
ganz evident. Mir ist ἀλώπηξ nur als Lehnwort aus einer klein- 
asiatischen Sprache begreiflich, vielleicht aus der Form, die dem 
arın. aiues > *alopes zu grunde liegt. Das Verhältnis des arme- 
nischen Wortes zu den iranischen, die man bei De Lagarde Arm. Stud. 
S. 8, Jaba-Justi Dietionnaire kurde-francais S. 213, Hübschmann 
Armenische Studien I 17, ders. Etymologie und Lautlehre der osse- 
tischen Sprache 54 zusainmengestellt findet, ist lautlich noch nicht 
hinreichend aufgeklärt. -&, das ursprünglich = s oder einem ähn- 
lichen Laute war, fand an zahlreichen Tiernamen mit demselben 
Ausgange (Bloomfield Adaptation of Suftixes, Am. Jourmal of Phil. 
XII 17) Anlehnung und wurde wie diese flektiert; dAwrnkuv steht 
im 5. Fragmente des Jambographen Ananios V. ὃ Bergk. Das in- 
dische lopäka- “Art Schakal’ hält A. Weber Monatsberichte der Ber- 
liner Akademie 1871 S. 619 für griechisches Lehnwort, “ durch 
aesopische Fabeln vermittelt”. 


Etymologisches. 329 


der Name der Stadt Sardes, seardi-, ein Iydisches Wort ist, 
dann ist die Sprache der Lyder keine iranische gewesen. Ob 
eine indogermanische? Wer für den Namen eine idg. Etymologie 
sucht, kann an gr. κόρθυς ‘Haufe’ denken, Wz. kverdh-, eig. 
“Erhebung’, so dass also svardi- "Berg, Burg’ bezeichnen 
würde. Doch das ist natürlich ganz unsicher. 


10. Aspendos. 


Es gibt vielleicht noch einen andern Städtenamen in 
Kleinasien, bei dem wir die einheimische und die iranisierte 
Form kennen. Ich meine das pamphylische Aspendos. "Actmevdoc 
hat selbstverständlich mit gr. cmevdw nichts zu thun (Pape- 
Benseler I 160 “Freistadt, eig. nicht im Bunde mit den Hel- 
lenen’!), sondern gehört zu den zahlreichen Ortsnamen in 
Kleinasien, welche -nd- im Suffixe enthalten (vgl. Georg Meyer 
Bzzb. Btr. X 179). Der Anfang erinnert sofort an das ira- 
nische aspa- “Pferd‘. In einer Sprache, welche nicht iranisch 
ist, aber mit dem Arischen die an Stelle der %-Reihe getretenen 
Zischlaute theilt, wie das Slavolettische, Illyrische, Thrakische, 
Phrygische, Armenische, muss dieses Wort *eseo- gelautet 
haben. Nun zeigen die Silbermünzen von Aspendos die Auf- 
schrift EZTFEAIYZ oder Abkürzungen davon: Friedländer 
Zeitschrift für Numismatik V 297 ff. Siegismund Curt. Stud. 
IX 94. Collitz GDI. I 365. Vielleicht liegt in diesem ect.fe- 
das postulierte esvo- vor; freilich ist mir cr nicht sehr klar. 
Ietzeszeın I wie in, den,von mir.Griech..Gr. 2 273.A.2 zu- 
sammengestellten Fällen, und dient cT, wie auch T allein, zur 
Bezeichnung eines dem griechischen c nicht ganz adäquaten 
Zischlautes? Dann wäre esvendos der einheimische Name, 
den die Perser in aspendos umgestaltet hätten. 

Graz im August 1891. 

Gustav Meyer. 


Das sog. Präsens der Gewohnheit im ILrischen. 


Dass die mittel- und neuirischen Verbalformen auf -ann 
und -enn -eann den Namen eines “Präsens der Gewohnheit’ 
nicht verdienen, welchen nach dem Vorgange irischer Gram- 
matiker auch kontinentale Gelehrte ihnen beigelegt haben, hat 


330 Rudolf Thurneysen, 


R. Atkinson!) überzeugend nachgewiesen. Im Mittelirischen 
vertreten die Formen einfach die sog. konjunkte III Sg. Präs. 
Ind., ohne Unterschied der Bedeutung; z. B. Fis Adamn. 18 
(Ir. T. S. 182) liest die eine Handschrift co-tocaib, die andere 
co-töeband "so dass er hebt‘. Alt sind diese Bildungen nicht: 
sie fehlen nicht nur den altirischen Glossenhandschriften, son- 
dern auch noch dem Saltair na-Rann (um 987 gedichtet) 
und der Vita Tripartita δ. Patricü. Dagegen treten sie im 
Lebor na h-Uidre (um 1100) nicht ganz selten auf (s. Stokes 
K. Beitr. VI 469). scheinen also etwa um Beginn unseres 
Jahrtausends aufgekommen zu sein. Freilich über das ganze 
(rebiet der alten konjunkten Form erstrecken sie sieh nicht: 
das mit Präpositionen zusammengesetzte Verb hat im allge- 
meinen einen andern Weg eingeschlagen, indem das Verbum 
compositum sich etwa seit dem 10. Jh. allmählich dem V. sim- 
plex anschliesst und die absoluten Endungen annimmt; vel. 
tocbaid “er hebt Ir. T. 211, 28. Nur da, wo beide, das 
Simplex wie das Kompositum, seit alter Zeit nur konjunkte 
Flexion zeigen, nämlich nach den Negationen ni nach nad, 
der Fragepartikel in, dem Relativum in Verbindung mit Prä- 
positionen hat die Neubildung auf -nn zunächst als Nebenform 
Eingang gefunden. Dass jene endungslose ältere Form gerne 
eine charakteristische Endung angenommen hat, ist begreit- 
lich; aber woher sie dieselbe bezogen, ist noch nicht klarge- 
legt worden. 

Den Weg zur Erklärung scheint mir das Gedicht des 
Flann Manistrech (7 1056) über den Tod der Könige Irlands 
zu weisen (LL 191 Ὁ). Es beginnt mit den Versen: Rig Themra 
dia-tesband tn, ad-fessam an-aidedu “Die Könige von Te- 
mair, denen Feuer (d. h. Leben) fehlt, — ihren Tod wollen 
wir berichten”. Die Form -tesband (d. 1. tesbann) «ehört 
nicht zu den mittelirischen Neubildungen; es ist das altir. tes- 
ban fehlt‘, über dessen Entstehung ich KZ. XXXI 9 ge- 
handelt habe. Im diesem und den verwandten Verben haben 
wir, glaube ich, die Muster zu sehen für unsere Endung. Ne- 
ben «dem Indikativ mit » lag der Konjunktiv ohne »: co-tesba 
ni-tesban/n), ebenso: con-indarba ni-indarban(n), co-torba ni- 


1) Proceedings of the R. Irish Academy 3rd Ser. Vol. I No. ὃ 
p. 416 ff. 


Das sog. Präsens der Gewohnheit im Irischen. 


torban(n) ete. (s. KZ. XXXI δά ff.). So war der Weg ge- 
öffnet, zum Konj. co-töeba den Ind. ni-toebann (st. ni-tocaib), 
dann zu co-cara ni-carann und — bei palataler Konsonanz — 
zu co-foichle ni-foichlenn zu bilden u. s. w. Freilich haben 
die Musterverba das 2) in allen Personen, z. B. III Plur. tes- 
banat -torbanat; aber das Bedürfnis einer neuen Endung war 
bei den andern eben nur in der konjunkten III Sg. vorhan- 
den, besonders weil dieselbe mehr und mehr mit der III Sg. 
des schwachen Präteritums (mittelir. töcaib “er hob’) zusam- 
menfiel. 

Noch nieht klar ist mir die Veranlassung zur Verdoppe- 
lung des -n. Rein graphisch kann sie nicht sein. Denn wenn 
auch doppeltes -» hinter unbetontem Vokal hier und da ein- 
fach geschrieben wird, so findet doch meines Wissens das 
umgekehrte in besseren mittelirischen Handschriften nicht statt; 
Wörter wie öngen Tochter‘, buden “Schaar’ werden nie mit 
-nn oder -nd geschrieben. Wir können die Verdoppelung des 


n — sie muss vor die Entwickelung der allgemeimen III Sg. 
auf -»n fallen — auch an anderen Verben als -tesban(n) be- 


obachten; so an einem, das zwar nicht zu den ursprünglichen 
n-Verben, aber doch, wie tesban, zu der älteren Schieht der 
übergetretenen gehört. Das Verbum to-ad-fiad- "zeigen’ bildet 
gewöhnlich im Altirischen die III Sg. Praes. Ind. tadbat, Pass. 
tadbadar. Der s-Konjunktiv musste *tadbe, später *tadba 
(betont *ad-fe) lauten; hier fand Zusammenfall mit den oben 
berührten »-Verben statt. Daher treffen wir schon in den 
Augustinus-Glossen (Ir. T. II 1 5. 151 Gl. 44) die analogische 
III Sg. Pass. ös-sain don-adbantar mit n. Im Saltair na- 
Rann hat die III Sg. Präs. Akt. der »-Bildung dreifache 
Gestalt. In dem angehängten Gedichte CLX V. 8226 steht 
tadban. (im Reime mit falman), die zu erwartende Form; im 
Saltair V. 97. 279. 423 tadbain!) (Reim immer: talmain) mit 
dem eindringenden ö der III Sg.; aber V.303 ist ni-thadbann 
geschrieben, das durch das Reimwort anmann gesichert wird. 
Also um Ende des 10. Jh. hatte die Verdoppelung des -n bei 
den »-Verben begonnen. 

Die konjunkte Form auf -ann -eann hat in der irischen 
Sprache ungeheuren Erfolg gehabt. Bis um 1600 ist sie zur 


1) V. 97 bietet die Hdschr. trotz des Reims fadban. 


332 Friedrich Stolz, Lat. strufertarius. 


alleinherrschenden Bildung geworden, der nur wenige, daher 
unregelmässige Verba sich entziehen, und nach Atkinson scheint 
sie schon damals auch die II Sg. erobert zu haben. Seit dem 
18. Jh. dringt sie weiter in die übrigen Personen des Präsens 
ein und, über ihr syntaktisches Gebiet hmausgreifend, macht 
sie der alten absoluten III Sg. auf -aidh -idh Konkurrenz. 


Freiburg 1. Β. τ ΠΥ ΠΥ ΒΘῊΣ 


Lat. strufertärius. 


Ein meines Wissens bis jetzt unbeachtet gebliebenes 
Dvandva-Kompositum ist das von Paul. Festi S. 417 ed. Thew- 
rewk de Ponor überlieferte strufertarios (dieebant, qui quae- 
dam sacrificia ad arbores fulguritas faciebant, a ferto sci- 
licet quodam sacrificii genere). Diesem Kompositum liegen 
die beiden Worte straes (= Opfergebäck) und fertum (= 
Opferkuchen) zu grunde, die auch mehrmals verbunden vor- 
kommen, wie die von Georges 8. v. strues zitierten Stellen 
beweisen. Wir haben also zunächst em Kompositum *strau- 
ferta (Neutrum Plur.) vorauszusetzen, das auf gleicher Linie 
steht mit suowetaurilia, wenn man davon absieht, dass das 
zuletzt zitierte Wort eine suffixale Weiterbildung angenom- 
men hat. Die Bedeutung des Sekundärsuffixes -ario- ist die- 
selbe wie in sagittarius; strufertäriü bezeichnet also dieje- 
nigen, welehe “Opfergebäck und Opferkuchen darbringen’, 
eigentlich zunächst “haben. Was die Gestaltung des ersten 
Gliedes stra- anlangt, wofür man *strai- erwarten könnte, so 
kann hier dieselbe Unterdrückung des Vokals der nachtonigen 
Silbe vorliegen, wie diese für eine gewisse Periode des archai- 
schen Latein an emer Reihe von anderen Beispielen nachge- 
wiesen ist, vel. meine Laut- und Formenlehre ? 73. Oder es 
ist die Stammform stra- auf Analogiebildung nach dem Ver- 
hältnis von stru-is: su-is (vgl. das oben erwähnte sa-ovetauri- 
lia und die Ableitungen su-illus, su-inus) zurückzuführen. Von 
diesen beiden Möglichkeiten hat die zweite memes Erachtens 
mehr Wahrschemlichkeit für sich. 

Innsbruck den 9. September 1891. 

Fr, Stolz 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung'!). 


L. 


Albert Thumb hat vor vier Jahren in den Jahrbüchern 
für Philologie OXXXV 641—648 die Behauptung aufgestellt, 
die griechischen Pronominalakkusative μὲν und νιν seien durch 
Verschmelzung von Partikeln mit dem alten Akkusativ des 
Pronominalstammes ὁ entstanden. Insbesondere das ionische 
μιν beruhe auf der Verbindung von ir mit emer Partikel ma, 
älter sma, die in thessalischem ua und altindischem sma be- 
legt sei. Den Hauptbeweis für diese Deutung entnimmt Thumb 
der angeblichen Thatsache, dass die Stellung von uwv bei Ho- 
mer wesentlich dieselbe sei wie die Stellung von sma im Rig- 
veda. Es sei eben, auch nachdem der selbständige Gebrauch 
von sma als Partikel geschwunden sei und wv durchaus die 
Geltung einer einheitlichen Pronominalform erlangt habe, doch 
an μιν die für sma gültig gewesene Stellungsregel haften ge- 
blieben, und es habe ein entsprechendes Stellungsgefühl dessen 
Anwendung begleitet. Und jedenfalls bei den Verfassern der 
homerischen Gedichte sei dieses Gefühl noch wirksam ge- 
wesen. 

Nun beschränkt sich aber diese Ähnlichkeit der Stellung, 
wenn man das von Thumb beigebrachte Material nach den 
von ihm aufgestellten Gesichtspunkten unbefangen durchmu- 
stert, wesentlich darauf, dass uv wie sma im ganzen selten 
(genau genommen noch viel seltener als sa) unmittelbar hin- 
ter Nomina und Adverbien nominalen Ursprungs steht. Und 
dieser allgemeinen farblosen Ähnlichkeit stehen wesentliche 
Abweichungen gegenüber. Zwar ist es ein seltsamer Irrtum 
Thumbs, wenn er zu dem zehnmaligen un μιν Homers das 


1) In den nachfolgenden Beispielsammlungen verdanke ich 
vieles den bekannten Hauptwerken über griechische Grammatik, 
sowie den Spezialwörterbüchern, ohne dass ich im einzelnen meine 
Gewährsmänner immer werde nennen können. Monros Grammar 
of the Homerie Dialect 2. Aufl, wo S. 335—338 über homerische ἡ 
Wortstellung Bemerkungen gegeben sind, die sich mit meinen Auf- 
stellungen sehr nahe berühren, konnte ich nur flüchtig, Gehrings 
Index Homerieus (Leipzig 1891) gar nicht mehr benützen. 


334 Jacob Wackernagel, 


nach seiner Hypothese diesem im Altindisehen entsprechende 
ma sma daselbst nicht aufzutreiben weiss, da doch nieht nur 
Böhtlingk-Roth (s. v. ma 9) zahlreiche Beispiele aufführen, da- 
runter eines aus dem Rigveda (10, 272, 24 mä smaitädi’g dpa 
gahah samarye), sondern es auch gerade über Bedeutung und 
Form der Präterita hinter ma sma eine bekannte Regel der 
Sanskritgrammatik gibt (Panini 3, 3, 176. 6, 4, 74. Vgl. Ben- 
ἴον Vollst. Gramm. $ 808 I Bem. 4). Aber m andern Fällen 
ist die Divergenz zwischen μιν und sma thatsächlich. Nach 
Thumb findet sich μιν bei Homer ca. 60 mal, m 10°, aller 
Belege, hinter subordinierenden Partikeln; sma im Rigveda in 
soleher Weise nur selten und nur hinter yatha. Und während 
sma gern hinter Präpositionen steht, findet sich μὲν nie hinter 
solehen. 

Freilich will Thumb diese Abweichung daraus erklären, 
dass die homerische Sprache es nicht liebe zwisehen Präposi- 
tion und Substantiv noch eme Partikel einzuschieben. Ja er 
wagt sogar die kühne Behauptung, dass in Rücksicht hierauf 
diese Abweichung seime Theorie geradezu stütze. Ich gestehe 
offen, dass ich diese Erklärung nicht verstehe. Wo sma im 
Rigveda auf eine Präposition folgt, steht diese entweder als 
Verbalpräposition in tmesi (so wohl auch 1, 51, 12 ὦ sma 
rdtham — tisthasi, vgl. Grassmann Sp. 1598) oder, wenn 
überhaupt Fälle dieser zweiten Art belegt sind, in Anastrophe‘. 
Wenn also μιν die Stellungsgewohnheit von sma teilt, so dür- 
fen wir es nieht hinter den mit eimem Kasus verbundenen 
Präpositionen suchen, und wenn es hier fehlt, dies nicht mit 
jener angeblichen homerischen Abneigung gegen Zwischen- 
schiebung von Partikeln entschuldigen, sondern müssen es hin- 
ter selbständigen Präpositionen erwarten und in dem Umstand, 
dass es hier fehlt, eben einen Gegenbeweis gegen Thumbs Auf- 
stellung erkennen. 

Aber auch abgesehen von diesen und sonst etwa noch 
erwähnbaren Differenzen zwischen der Stellung des homeri- 
schen μιν und des vedischen sma, war Thumb meines Erach- 
tens verpflichtet zu untersuchen, ob sich die Stellung von uv 
im homerischen Satz nieht auch noch von emem andern Ge- 
siehtspunkt aus, als dem der Qualität des vorausgehenden 
Wortes, bestimmen lasse, und ob ähnliche Stellungsgewohnbhei- 
ten wie bei μὲν sieh nicht auch bei andern (etwa bedeutungs- 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 335 
verwandten oder formähnlichen) Wörtern finden, bei denen an 
Zusammenhang mit sma nicht gedacht werden kann. 

Und da scheint mir nun bemerkenswert, dass von den 
neun vereinzelten’ Fällen, wo μιν auf ein nominales Adverb 
folgt, fünf (E 181. Z 173. A 419. O 160. ὃ 500) es an zweiter 
Stelle des Satzes haben, und dass ferner alle von Thumb auf- 
geführten Beispiele für μὲν hinter dem Verb, dem Demonstra- 
tivum und den Negationen eben dasselbe zeigen. Von soleher 
Stellungsregel aus wird es nun auch verständlich, warum uıv 
so gern auf Partikeln und namentlich auch in Abweichung von 
sma so gem auf subordinierende Partikeln folgt, und warum 
es ferner auf Pronomina wesentlich nur insofern unmittelbar 
folgt, als sie satzverknüpfend sind, also am Satzanfang stehen. 

Oder um von anderm Standpunkt aus zu zählen, so bie- 
ten die Bücher N ΠΡ, die mit ihren 2465 Versen über die 
Sprache der ältern Teile der Ilias genügend Aufschluss geben 
können, μιν in folgenden Stellungen: 21 mal als zweites Wort 
des Satzes, 28 mal als drittes oder viertes, aber in der Weise, 
dass es vom ersten Wort nur dureh ein Enklitikum oder eine 
den Enklitika gleichstehende Partikel, wie δέ, yap, getrennt 
ist. Dazu kommt ei καί μιν N 58 und τούνεκα καί μιν N 432, 
wo καί eng zum ersten Satzwort gehört; ἐπεὶ οὔ μιν Ρ 641, 
für welches die Neigung der Negationen im gleichen Satz 
stehende Enklitika auf sich folgen zu lassen in Betracht kommt 
(vgl. vorläufig οὔτις, οὔπω, οὔ ποτε, auch οὐκ ἄν). Endlich 
P 399 οὐδ᾽ εἰ μάλα μιν χόλος ἵκοι. Wir haben also 49 Fälle, 
die unserer obigen Regel genau entsprechen; 3 Fälle, die be- 
sonderer Erklärung fähig sind, und nur 1 wirkliche Ausnahme. 
[Aus den andern Büchern verzeichnet Monro ? 337 f. bloss noch 
Γ 368 οὐδ᾽ ἔβαλόν μιν. Φ 576 εἴ περ τὰρ φθάμενός μιν ἢ οὐ- 
τάςῃ, wo er μὶν streichen will. K 344 ἀλλ᾽ ἐῶμέν μιν πρῶτα 
παρεξελθεῖν πεδίοιο.] Dies alles in Versen, also unter Bedin- 
gungen, die es erschweren an der gemeinüblichen Wortstellung 
festzuhalten. Besonders bemerkenswert ist die bekanntlich auch 
sonst häufige Phrase τοῦ μιν eeicauevoc προςέφη oder Trpoce- 
pwvee für τῷ ἐειεάμενος TPOCEPN μιν, wo der Drang wv an 
die zweite Stelle zu setzen deutlich genug wirksam ist. Ähn- 
lich in der häufigen Wendung καί μιν φωνήςεας ἔπεα πτερό- 
EVTA προςηύδα, Wo μιν zu προςηύδα gehört und nicht zu φω- 
vncac. Fermer beachte man Φ 347 χαίρει δέ μιν öcrıc ἐθείρῃ 


336 Jacob Wackernagel, 


“es freut sich, wer es (das Feld) bearbeitet”. Hier ist das 
zum Nebensatz gehörige Pronomen in den Hauptsatz gezogen, 
ohne dass man doch von sogen. Prolepse sprechen kann, da 
das Verb des Hauptsatzes den Dativ verlangen würde. Eimzig 
der Drang nach dem Satzanfang kann die Stellung des μιν 
erklären. 

Für den nachhomerischen Gebrauch von μιν tritt Herodot 
als Hauptzeuge ein, bei dem mir ausser, auf alle Bücher sich 
erstreckender, sporadischer Lektüre das siebente Buch das 
nötige Material geliefert hat. Und da kann ich wenigstens 
sagen, dass die Mehrzahl der Beispiele uv an zweiter oder 
so gut wie zweiter Stelle zeigt, darunter so eigentümliche 
Fälle, wie die folgenden: (ich zitiere hier und später nach 
Steins Ausgabe mit deutschem Kommentar, deren Zeilenzahlen 
in der Regel annähernd für alle Ausgaben passen) 1, 204, 7 
πολλά TE γάρ μιν καὶ μεγάλα τὰ ἐπαείροντα καὶ ETTOTPUVOVTA 
ἣν (uıv gehört zu den Partizipien). 1, 213, 3 &c uıv ö te 
οἶνος ἀνῆκε καὶ ἔμαθε (μιν gehört blos zu ἀνῆκε). 2, 90, T ἀλλά 
μιν οἱ ἱρέες αὐτοὶ οἱ τοῦ Νείλου --- θάπτουει. ὃ, 46, 11 οἱ γάρ 
μιν Σελινούειοι ἐπαναςτάντες ἀπέκτειναν καταφυγόντα ἐπὶ Διὸς 
ἀτοραίου βωμόν. Vel.Kallinos1,20 ὥςπερ γάρ μιν πύργον ἐν 6@- 
Bakuoicıv öpwcıv, wobei ich hinzufügen möchte, dass die Elegi- 
ker bis auf Theognis und diesen eingerechnet uv 12mal an zwei- 
ter Stelle, nur einmal (Theognis 195) an dritter Stelle bieten. 

Und dass nun dieses Drängen nach dem Satzanfang bei 
αν nicht auf irgend welchen etymologischen Verhältnissen be- 
ruht, geht aus der ganz gleichartigen Behandlung des enkli- 
tischen Dativs οἱ ihm’ hervor, der dem Akkusativ μιν ihn’ 
in Bedeutung und Akzent ganz nahe steht, aber in der Laut- 
form von ihm gänzlich abweicht. In den Büchern NTTP der 
Hias findet sich jenes οἱ 92 mal. Umd zwar 34 mal an zwei- 
ter Stelle, 55 mal an dritter oder vierter, aber so, dass es vom 
ersten Wort des Satzes durch ein Wort oder zwei Wörter ge- 
trennt ist, das bezw. die auf die zweite Stelle im Satz noch 
srössern Anspruch haben, wie de, τε, ke. Anders geartet sind 
nur fünf Stellen. TT 251 νηῶν μέν οἱ und Ῥ 215 τῷ καὶ οἵ; 
wo μέν bezw. καί eng zum ersten Satzwort gehören; Ρ 153 
γῦν δ᾽ οὔ οἱ und P 410 δὴ τότε γ᾽ οὔ οἱ, die dem Gesetz unter- 
liegen, dass bei Nachbarschaft von Negation und Enklitikum 
die Negation vorangehen muss. Daraus wäre auch PTI εἰ 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellune. 33U 
δ ΞΩ 


μή οἱ ἀγάεεατο Φοῖβος ᾿Απόλλων zu erklären, wenn hier nicht 
die Untrennbarkeit von εἰ und un schon einen genügenden Er- 
klärungsgrund böte. Man darf also wohl sagen, dass die für 
μιν erschlossene Stellungsregel durchaus auch für οἱ gilt. 

Diese Analogie zwischen μὲν und οἱ setzt sich bei He- 
rodot fort. Es findet sich bei ihm οἱ etwa doppelt so oft an 
zweiter oder so gut wie zweiter, als an anderweitiger Satz- 
stelle. (Bei den ältern Elegikern scheint sich οἱ nur an zwei- 
ter Stelle zu finden.) 

Besonders beachtenswert ist nun aber, dass diese Stel- 
lungsgewohnheit oft bei Homer und fast noch häufiger bei He- 
τοσοῦ (vgl. Stein zu 1, 115, 8) dazu geführt hat, dem οἱ eine 
dem syntaktischen Zusammenhang widersprechende oder in 
andrer Hinsicht auffällige Stellung anzuweisen. 

1) Entschieden dativisches οἱ steht von dem regierenden 
Worte weit ab und drängt sich mitten in eime am Satzanfang 
stehende sonstige Wortgruppe ein. P 232 τὸ δέ οἱ κλέος ἔς- 
CETAL ÖCCcoV ἐμοί περ. T 00 τῶ δέ οἱ ὀγδοάτῳ κακὸν ἤλυθε 
δῖος Ὀρέετης. — Herodot 1, τῦ, 10 Θαλῆς οἱ ὁ Μιλήειος διε- 
Bißace. 1, 199, 14 ἤ τίς οἱ ξείνων ἀργύριον ἐμβαλὼν ἐς τὰ 
γούνατα μιχθῇ. (τὶς geht dem οἱ voran, weil es selbst ein 
Enklitikum ist). 2, 108, 4 τούς TE οἱ λίθους (folgen 14 Worte) 
ovToı Ncav οἱ ελκύςαντες. 4,45, 19 öcrıc οἱ ἢν ὁ θέμε- 
voc (scil. τούὐύνομο). 5, 92, β ἐκ. δέ οἱ ταύτης τῆς γυναικὸς 
οὐδ᾽ ἐξ ἄλλης παῖδες ἐγίνοντο. 6, 63,2 ἐν δέ οἱ χρόνῳ ἐλάς- 
covı ἣ γυνὴ τίκτει τοῦτον. 7, ὃ, 14 οὗτος μέν οἱ ὃ λόγος ἢν 
τιμωρός. 

2) Genetivisches oder halbgenetivisches οἱ ist von seinem 
nachfolgenden Substantiv durch andre Worte getrennt: A 219 
τά οἵ ποτε πατρὶ φίλα φρονέων πόρε Χείρων. M 333 ὅετις 
οἱ ἀρὴν ἑτάροιειν ἀμύναι. Ρ 195 ἅ οἱ θεοὶ οὐρανίωνες πατρὶ 
φίλῳ ἔπορον. ὃ T6T θεὰ δέ οἱ ἔκλυεν ἀρῆς. ὃ 771 ὅ οἱ (Her- 
werden Revue de philologie II 195 (ὦ!) φόνος υἷι τέτυκται. 
Herodot 1, 34, 16 un τί οἱ κρεμάμενον τῷ παιδὶ Eurecn. 

3) Genetivisches oder halbgenetivisches οἱ geht seinem 
Substantiv und dessen Attributen unmittelbar voraus, eine bei 
einem Enklitikum an und für sich unbegreifliche Stellung: 
1 244 un οἱ ἀπειλὰς ἐκτελέεωει θεοί. Ρ 324 ὅς οἱ παρὰ πα- 
τρὶ τέροντι κηρύεεων τήραεκε. --- Herodot 3, 14, 14 δεύτερά 
οἱ τὸν παῖδα ἔπεμπε. 3, 15, 12 τήν οἵ ὃ πατὴρ εἶχε ἀρχήν. 


& 
CR 


Jacob Wackernagel, 


3, δῦ, 10 καί οἱ (καὶ 01?) τῶ πατρὶ ἔφη Σάμιον τοὔνομα TE- 
θῆναι, ὅτι οἱ ὃ πατὴρ ᾿Αρχίης ἐν Σάμῳ ἀριετεύςεας ἐτελεύ- 
τήςε. — Allerdings findet sich diese Wortfolge bei Herodot 
auch so, dass οἱ dabei nicht an zweiter Stelle steht, z. B. 1, 
60, 8 εἰ βούλοιτό οἱ τὴν θυγατέρα ἔχειν τυναῖκα. Aber ich 
glaube, die Sache liegt so: weil das an zweiter Stelle stehende 
οἱ so oft ein regierendes Substantiv hinter sich hatte, kam es 
auf, auch mitten im Satz οἱ dem regierenden Substantiv un- 
mittelbar vorausgehen zu lassen. 

4) Genetivisches oder halb genetivisches οἱ steht zwischen 
dem ersten und zweiten Glied des regierenden Ausdrucks, 
auch dies eine für ein Enklitikum an sich auffällige Stellung. 
a) Zwischen Präposition nebst folgender Partikel und Artikel: 
Herodot 1, 108, 9 ἐκ γάρ οἱ τῆς ὄψιος οἱ τῶν μάγων ὀνειρο- 
πόλοι ἐςήμαινον. b) Zwischen Artikel nebst folgender Partikel 
und Substantiv: Β 211 tw δέ οἱ ὥμω κυρτώ. N 616 τὼ δέ 
οἱ ὄεςε χαμαὶ πέςον. Ρ 695 -- Ψ 396 τὼ δέ οἱ ὄςεςε δακρυόφιν 
πλῆςεθεν. Ähnlich = 438, O 001, T 365 und mehrfach in der 
Odyssee. W392 αἱ δέ οἱ ἵπποι ἀμφὶς ὁδοῦ dpauernv. Ψ 00 αἱ 
δέ οἱ ἵπποι ὑψός᾽ ἀειρέεθην. --- Herodot 1, 1, 19 τὸ δέ οἱ οὔνομα 
εἶναι --- Ἰοῦν. Ὁ, ὃ, 10 τῶν δέ οἱ παίδων τὸν πρεςεβύτερον εἰπεῖν. 
3, 48, 14 τόν τέ οἱ παῖδα ἐκ τῶν ἀπολλυμένων εώζειν. 9, 129, 
D ὃ γάρ οἱ ἀετράγαλος ἐξεχώρηςε ἐκ τῶν ἄρθρων. ὃ, 95, 4 τὰ 
δέ οἱ ὅπλα ἔχουει ᾿Αθηναῖοι. 6, 41, T τὴν δέ οἱ πέμπτην τῶν 


νεῶν κατεῖλον διώκοντες οἱ Φοίνικες. — Ebenso (die ionischen 
Diehter: Archilochus 99, 2 Bgk. ἢ δέ οἱ κόμη ὥμους KATECKIALE 
καὶ μετάφρενα. 91, 1 ἣ δέ οἱ ςάθη — ἐπλήμμυρεν. ὁ) Zwischen 


Artikel und Substantiv: Herodot 1, 82, 41 τῶν οἱ ευλλοχιτέ- 
ὧν διεφθαρμένων. ὃ, 155, 4 τῶν οἱ εἰτοφόρων ἡμιόνων μία 
ἔτεκε. 

Parallelen hiezu lietern auch die nicht ionischen nachho- 
merischen Dichter, für «die οἱ emen Bestandteil des traditio- 
nellen poetischen Sprachguts bildet. Ich bringe, was mir ge- 
rade vor die Augen gekommen ist. Zu 1) gehört Pindar Pyth. 
2, 42 ἄνευ οἱ Χαρίτων τέκεν τόνον ὑπερφίαλον. Euphorion 
Anthol. Palat. 6, 278, 3 (= Meineke Analeeta Alexandrina 5. 164) 
ἀντὶ δέ οἱ πλοκαμῖδος ἑκηβόλε καλὸς ἐπείη Wyxapviidev dei 


κιςςὸς ἀεξομένῳ. --- Zu 2) Theokrit 2, 198 ἐγὼ δέ οἱ ἁ τα- 
χυπειθὴς χειρὸς ἐφαψαμένα (vel. Meineke zu 7, 88). — Zu 


1) oder zu 2) Sophokles Aias 907 ἐν γάρ οἱ χθονὶ πηκτὸν 


Uber ein Gesetz der indogermanischen W ortstellung. 339 


τόδ᾽ ἔγχος περιπετὲς κατηγορεῖ. --- Zu 3) Europa 41 ἅτε οἱ 
αἵματος Eckev. --- Zu 4) Sophokles Trachin. 650 ἁ δέ οἱ φίλα 


δάμαρ τάλαιναν δυετάλαινα καρδίαν πάγκλαυτος αἰὲν ὥλλυτο. 

Die Inschriften der οἱ anwendenden Dialekte sind uner- 
giebig. Für die Doris liefern nur die epidaurischen reichere 
Ausbeute, und diese gehören bekamntlich in eine verhältnis- 
mässig späte Zeit. Ich zähle in No. 3339 und 3340 Collitz 
vierzehn oi an zweiter, acht οἵ an anderweitiger Stelle. Die 
wenigen nicht-dorischen Beispiele, die ich zur Hand habe, 
fügen sich sämtlich der Regel. Tegea 1222, 35 Coll. un οἱ 
ἔετω ἴνδικον. Kypros 59, 3 Coll. ἀφ᾽ ὦ For τὰς εὐχωλὰς ἐπέ- 
τυχε oder ἐπέδυκε (vgl. Meister Griech. Dial. II 148. Hoff- 
mann I 67 f.). id. 60, 29 Coll. avocija Foı γένοιτυ- 

Nun könnte es aber jemand trotz alledem bemerkenswert 
finden, dass Thumb jene eigentümliche, angeblich an die Stel- 
lung von sma im Veda erinnernde Stellungsgewohnheit bei 
μιν hat aufdeeken können, und könnte geneigt sein, doch noch 
dahinter irgend etwas von Bedeutung zu vermuten. Um dar- 
über Klarheit zu schaffen, scheint es am richtigsten, die von 
Thumb für μὲν gegebene Statistik am Gebrauch von οἱ in 
NTTP zu messen. Thumb 1°: “in 68°/, sämtlicher Fälle steht 
μιν hinter einer Partikel”; οἱ m 66 von 92 Fällen, also in 
72°/, (33mal hinter δέ, wie δέ auch vor μιν am häufigsten 
vorkommt; daneben in absteigender Häufigkeit hinter ἄρα, pa, 
Kal, γάρ, οὐδέ, τε, ἔνθα, ἀλλά, N, μέν, πως, τάχα). — Thumb 1P: 
“in 10°/, steht μιν hinter einer subordinierenden Konjunktion”; 
Οἵ viermal (hinter öfr)rı, ἐπεί, ὄφρα), also nur m 450; eine 
Differenz, die um so weniger ins Gewicht fällt, als Thumb für 
diese Kategorie eine Abweichung des μιν von sma konstatie- 
ren muss, da sma solche Stellung nicht liebt. — Thumb 2: 
“μιν niemals unmittelbar hinter Präpositionen (im Gegensatz 
zu sma!)”; οἱ auch niemals. — Thumb 3: “ob μιν, un μιν in 
15 von 600 Beispielen”, also in 21/,0/,”; οὔ οἱ, un οἱ in 3 von 
92 Beispielen, also in 31/,°/,.. — Thumb 4: “μιν hinter Prono- 
mina sehr häufig”, : wie es scheint ea. 100 mal oder 16?/3%/o; 
οἱ auch häufig, nämlich 17 mal, also in 181/,%/,. — Thumb 
ὃ und 6: “μιν hinter Verbum und nominalen Wörtern m ὅσ Ὁ 
oi hinter aimu N 317, αἵματι P 5l, also in 2%,- 

Die Thumbschen Beobachtungen gelten also gerade so 
gut für οἱ wie für μιν. Οἱ findet sich hinter denselben Wör- 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 92) 


Pe) 


40 Jacob Wackernagel, 


tern wie μιν und hinter diesen fast genau mit derselben Häu- 
figkeit wie μιν. Wir haben es also bei dem, was Thumb für 
μιν nachweist, nicht mit irgend etwas für μὲν Partikulärem zu 
thun, sondern mit emer, uwv und Οἱ gemeinsamen Konsequenz 
des Stellungsgesetzes, das ihnen beiden die zweite Stellung 
im Satz anweist. 

Wenn so der Herleitung des μὲν aus sm/(a)-im der Haupt- 
stützpunkt entzogen ist, so wird dieselbe geradezu widerlegt 
durch das Fehlen jeder Wirkung des angeblich ehemals vor- 
handenen Anlautes sm-; man müsste doch bei Homer gele- 
gentlich δέ μιν als Trochäus (oder Spondeus), ἀλλά μιν als 
Antibaechius (oder Molossus) erwarten; Thumb schweigt sich 
über diesen Punkt aus. Dazu kommt eine weitere Erwägung. 
Entweder ist die Zusammenrückung von sma und im, welche 
μιν ergeben haben soll, uralt. Dann ist das Vergessen der 
ursprünglichen Funktion von sma in der Anwendung von μιν 
begreiflich, aber man müsste entsprechend altindischem *smem 
griechisch *(cJuoıv erwarten. Oder die Zusammenrückung hat 
nicht lange vor Homer stattgefunden, in welchem Fall die 
Anwendung des spezifisch griechischen Elisionsgesetzes, also 
die Reihe ua iv — μ᾽ iv — μιν, begreiflich wird: dann versteht 
man nicht den völligen Untergang der Funktion von (c)ug, 
die Behandlung von uv ganz in Weise einer gewöhnlichen 
Pronominalform, zumal ja im Thessalischen in der Bedeutung 
“aber” eine Partikel ua vorkommt, deren Gleiehsetzung mit 
altind. sma allerdings bestreitbar ist. 

Noch weniger glücklich schemt mir Thumbs Erklärung 
les dorischen νιν aus na-im, da mir hier unüberwindliche 
lautliche Schwierigkeiten entgegenzustehen scheinen. Denn 
wenn er bemerkt: “dass auslautendes #, wie im Altindischen 
(z. B. kö ne dtra) vor Vokal unter gewissen Bedingungen 
ehemals als Konsonant (u) gesprochen wurde, darf unbedenk- 
lich angenommen werden”: und sich hierfür auf Fälle wie 
πρός aus profi, εἰν aus eni, ὑπείρ aus Ayperi ( = altind. 
upary neben upari), lesb. πέρρ- aus peri- beruft, in denen ὦ 
für 2 in die Zeit der indogermanischen Urgemeimschaft hinauf- 
reiche, so ist dabei übersehen, dass nicht alle auslautenden 
-i, -a auf gleiche Linie gestellt werden dürfen. Im Rigveda 
findet sieh Übergang von -i, -u zu -y, τὸ in etweleher Häufig- 
keit gerade nur bei der Wortklasse, bei der das Griechische 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 341 


Reflexe solehes Übergangs zeigt, nämlich bei den zweisilbigen 
Präpositionen, wie abhi, prati, anu, pari, adhi; sonst ausser 
dem jüngern X. Buch und den Välakhilyas nur ganz sporadisch, 
bei Einsilblern nur in der Zusammensetzung avyustäh 2,28,9, 
und dann in »y alipsata 1, 191, 3, also in einem anerkannt 
späten Liede (Oldenberg Rigveda S. 1438 Anm.). Und spe- 
ziell nu (ähnlich wie «) entzieht sich solehem Sandhi durch- 
aus, wird umgekehrt öfters lang und sogar mit Zerdehnung 
zweisilbig gemessen. Und selbst wenn wir auch trotz alle 
dem urgriechisches νειν, woraus dorisch νιν, "hinter vokali- 
schem Auslaut konstruieren könnten, so bliebe ein postkonso- 
nantisches vıv doch unverständlich; eine Entwicklungsreihe 
ὅς vu iv, ὅς νι τιν, ὅς νιν lässt sich gar nicht denken. 

Wenn übrigens Thumb S. 646 andeutet, dass die Stel- 
lung von vıv im Satz keine speziellen Analogieen mit derjeni- 
gen von altind. »au, griech. vu aufweise, und dies mit dem 
geringern Alter der vıv bietenden Sprachquellen (Pindars und 
der Tragiker) entschuldigt, so ist allerdings wahr, dass diese 
Autoren nicht bloss aus chronologischen Gründen, sondern auch 
wegen der grössern Künstlichkeit ihrer Wortstellung kein so 
reinliches Resultat für vıv liefern können, wie Homer und 
Herodot für μιν. Aber man wird doch fragen dürfen, ob nicht 
gewisse Tendenzen zu erkennen sind. Und da ist zu konsta- 
tieren, dass an 30 unter 47 äschyleischen Belegstellen νιν dem 
für μὲν und οἱ eruierten Stellungsgesetz folgt, und zwar, was 
vielleicht beachtenswert ist, an 5 unter 7 in den Persern und 
den Septem, an 21 unter 32 m der Orestie, in 2 unter 5 im 
Prometheus. Etwas ungünstiger ist das Verhältnis bei So- 
phokles, wo von 81 Belegstellen 47 vıv an gesetzmässiger, 
34 an ungesetzmässiger Stelle haben. Zu ersterer Klasse ge- 
hören die Fälle von Tmesis: Sophokles Antig. 432 εὺν δέ νιν 
θηρώμεθα. 601 κατ᾽ αὖ νιν φοινία θεῶν TWV νερτέρων ἀμᾷ 
κοπίς. Übrigens ist eine Empfindung dafür, welches die eigent- 
liche Stellung von vıv sei, auch sonst lebendig. Vgl. Aristoph. 
Acharn. 775, besonders aber Eurip. Medea 1258 ἀλλά νιν, ὦ 
φάος dioyevec, kateipre. Helena 1519 τίς δέ νιν ναυκληρία 
ἐκ τῆςδ᾽ ἀπῆρε χθονός. Iphig. Aul. 615 ὑμεῖς δὲ, νεάνιδές, 
vıv ἀγκάλαις ἔπι δέξαεθε. Bacch. 30 ὧν νιν οὕνεκα κτανεῖν 
Ζῆν᾽ ἐξεκαυχῶντί(ο). — Dazu Theokrit. 2, 103 ἐγὼ δέ νιν ὡς 
ἐνόηςα. 6, 11 τὰ δέ νιν καλὰ κύματα φαίνει. Höchst bemer- 


342 Jacob Wackernagel, 


kenswert ist endlich die kürzlich von Selivanov in den athen. 
Mitteil. XVI 112 ff. herausgegebene alte rhodische Inschrift 
caua TÖLZ ᾿Ιδαμενεὺς toinca ἵνα κλέος ein‘ Ζεὺς δέ νιν ὅςτις 
πημαίνοι, λειώλη θείη, wo das νιν syntaktisch zu πημαίνοι ge- 
hört, also mit dem oben 8.552 f. erwähnten μιν in ® 347 χαί- 
ρει δέ μιν ὅςτις ἐθείρῃ aufs genaueste zusammenstimmt. 

Diese wesentliche Übereinstimmung von vıv und μιν in der 
Stellung wirft Thumbs ganze Beweisführung nochmals um. 
Eines gebe ich ihm allerdings zu, dass u-ıv, v-ıv zu teilen und 
Ἐν der Akk. zu lat. ös, und das sowohl die Annahme zugrunde 
liegender Reduplikativbildungen *iwıu, *ıvıv, als die Annahme 
in μιν, νιν enthaltener Stämme wmi-, ni- verkehrt ist. Mir 
scheint es, bessere Belehrung vorbehalten, am emfachsten u-, 
v- aus dem Sandhi herzuleiten. Wenn es nebeneinander hiess 
αὐτίκα-μ-ιν (aus -Amm im) und αὐτίκα μάν, Apa-u-ıv und ἄρα 
μάν, pa-u-ıv und pa μάν (falls man für den Auslaut von ἄρα, 
pa labiale Nasalis sonans annehmen darf), so konnte wohl 
auch ἀλλά uv neben ἀλλὰ μάν sich einstellen und uw allmäh- 
lich weiterwuchern; ἀλλά μιν: αὐτίκα μιν — μηκέτι : οὐκέτι. 
In ähnlicher Weise kann das v- von vıv auf auslautender den- 
taler Nasalis sonans beruhen. Vgl. Kulıns Zeitschr. XXVIII 119. 
121.125 über ἄττα aus ττα, οὕνεκα aus ἕνεκα und Verwandtes, 
sowie auch das prakritische Enklitikum m-iva, mmira für sanskr. 
iva, dessen m natürlich aus dem Auslaut der Akkusative und 
der Neutra stammt (Lassen Institut. S. 370). Weiteres Tobler 
Kuhns Zeitschr. XXIII 423, G. Meyer Berliner philolog. Wochen- 
schrift 1885 5. 943 f., Ziemer ibid. 5. 1371, Schuchardt Litt. 
Blatt für rom. Philologie 1887 Sp. 181, Thielmann Archiv 
für lat. Lexikogr. VI 167 Anm. 


IT. 


Die Vorliebe von μιν, νιν, οἱ für die zweite Stelle im 
Satz gehört nun aber in einen grösseren Zusammenhang hin- 
ein. Bereits 1877 hat Bergaigne Mcmoires de la Societe de 
Linguistique III 177. 178 darauf hingewiesen, dass die enkli- 
tischen Pronominalformen überhaupt "se placent de preterenee 
apres le premier mot de la proposition.” Er führt als Belege 
an A 75 ὃ εφιν EU φρονέων Ayopncato καὶ μετέειπεν. A 120 
ὅ μοι τέρας ἔρχεται ἄλλῃ. 

Diese Beobachtung bestätigt sich, sobald man antängt 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 949 
Beispiele zu sammeln. In den von mir zugrunde gelegten 
Büchern NTTP findet sich, um im Anschluss an μιν, νιν, οἱ 
mit dem Pronomen der dritten Person zu beginnen, € viermal, 
allemal an zweiter oder möglichst nahe bei der zweiten Stelle 
(ich werde im folgenden diesen Unterschied nicht mehr be- 
rüeksichtigen). cpı[v) zwölfmal, und zwar elfmal regelmässig, 
regelwidrig nur P 756 ἐπὶ δὲ πτόλεμος τέτατό εφίν (beachte 
auch K 559 τὸν δέ εφιν ἄνακτ᾽ ἀγαθὸς Διομήδης ἔκτανε, WO 
cpıv sich in die Gruppe τὸν δὲ ἄνακτα eingedrängt hat). coıcı(v) 
sechsmal, immer regelmässig. cgeac in P278 μάλα γάρ cpeac 
DK ἐλέλιξεν. cpwe P 91 εἰ un cpw’ Αἴαντε διέκριναν UEUAWTE. 
Aus dem sonstigen homerischen Gebrauch sei das hyperthe- 
tische καί εφεας φωνήςας ἔπεα πτερόεντα προςηύδα angeführt. 

Ebenso in der zweiten Person: ceo, cevu findet sich fünf- 
mal, allemal an zweiter Stelle (weitere Beispiele s. unten); 
τοι (bei dem ich aus naheliegenden Gründen die Fälle, wo 
es als Partikel gilt, mit einrechne, jedoch ohne ἤτοι, ἤτοι) findet 
sich 47 mal, und zwar 45 mal der Regel gemäss, nur zwei- 
mal anders: N 582 ἐπεὶ οὔ τοι ἐεδνωταὶ κακοί εἰμεν, und TI 
449 ἀτὰρ οὔ τοι πάντες ἐπαινέομεν θεοὶ ἄλλοι. An beiden 
Stellen hat die schon früher besprochene Tendenz der Nega- 
tionen die Enklitika an sich anzulehnen die Hauptregel durch- 
kreuzt. — ce findet sich 21 mal, davon 19 mal nach der Regel, 
zweimal anders: TT 623 εἰ καὶ erw ce βάλοιμι, und P 171 
ἢ τ᾽ ἐφάμην ce. 

Ebenso in der ersten Person: weu findet sich N 090. 
P 29, an beiden Stellen zunächst dem Satzanfang; μοι findet 
sich mit Einreehnung von ὦμοι 32 mal, davon 27 mal der 
Regel gemäss, wozu als 28. Beleg wohl P 97 ἀλλὰ rin μοι 
ταῦτα φίλος διελέξατο θυμός gefügt werden darf. Abweichend 
sind TT.112 ἕεπετε νῦν μοι (ἕεπετέ νύν wor? bei welcher 
Schreibung diese Stelle zu den regelmässigen Beispielen ge- 
hören würde). Τ 238 ἠδ᾽ ἔτι καὶ νῦν μοι τόδ᾽ ἐπικρήηνον ἐέλ- 
δωρ. ΤῸ 523 ἀλλὰ εὖ πέρ μοι ἄναξ τόδε καρτερὸν ἕλκος 
ἄκεςςαι. ΤΙ δῦ αἰνὸν ἄχος τό μοί ecrıv, Ausnahmen, die weder 
dureh ihre Zahl noch durch ihre Beschaffenheit die Regel er- 
schüttern können, während umgekehrt eine Stelle wie T 287 
ἸΠάτροκλέ μοι δειλῇ πλεῖετον Kexapıcueve θυμιὼ, wo der Anschluss 
von μοὶ an einen Vokativ schon den Alten auffiel, einen Be- 
leg für die durchgreifende Gültigkeit der Regel liefert. Ähn- 


944 Jacob Wackernagel, 


lich auffällig ist μοι nach ἄλλ᾽ Are: a 169 ἀλλ᾽ ἄγε μοι τόδε 
εἰπέ. — Endlich με findet sich 15 mal, immer nach der Regel. 
[Ausnahmen aus den andern Büchern bespricht Monro ? 336 ff., 
z. T. mit Änderungsvorschlägen.] 

Auch ausserhalb Homers lassen sich Spuren der alten 
Regel nachweisen. So bei den Elegikern bis Theognis (mit 
Einschluss desselben), die ue 42 mal an zweiter, mal an 
späterer; μοι 36 mal an zweiter, Ὁ mal an späterer; ce 27 mal 
an zweiter, 6 mal an späterer Stelle zeigen. So ferner auch 
in den von Homer weniger als die Elegiker abhängigen dia- 
lektischen Denkmälern. Denn wenn die Arkader ihr coeic 
ziemlich frei gestellt zu haben scheinen, so stimmt um so 
besser der dorische Akkusativ tu: Fragm. Iyr. adesp. 43 A 
(poeta Iyr. gr. ed. Bergk ὃ ἢ, 5. 101) καί τυ φίλιππον ἔθηκεν. 
Epicharm bei Athen. 4,159 Β ἐκάλεςε τάρ τύ τις; Soplron bei 
Apollonius de pron. 68 B τί τυ eywv ποιέω; Aristoph. Acharn. 
130 ἐπόθουν TU ναί τὸν φίλιον ἅπερ ματέρα. Dazu der (von 
Ahrens II 255 nicht erwähnte) dorische Orakelspruch bei 
Stephanus Byz. 73,14 M. (aus Ephorus) ποῖ τυ λαβὼν (ἄξω» 
καὶ ποῖ τυ καθίξω und die Mehrzahl der ungefähr dreissig 
theokriteischen Beispiele, darunter bemerkenswert 5, 74 un τύ 
τις Hpwrn (= att. uNTIc ce eipWra), wo unrıc dureh tu ent- 
zwei gesprengt ist, und 1, 82 ἁ δέ TU κώρα πάςας ἀνὰ κράνας, 
πώντ᾽ ἄλεεα ποςεὶ φορεῖται ζατεῦς(α), wo das von Bruneck aus 
dem best überlieferten aber unmetrischen Ttoı sicher herge- 
stellte τὸ als Akkusativ zu Zateüca gehört, aber weit davon 
abstehend ἁ und κώρα von einander trennt. (Die einzige Stelle 
des Kallimachus epigr. 47 (46), 9 οὐδ᾽ ὅςον ἀττάραγόν TU 
dedoikauec, widerspricht der Regel.) Höchst beachtenswert ist 
endlich das einzige inschriftliche Beispiel, das ich zur Hand 
habe: Collitz 3339, 10 (Epidauros) αἵ τύ κα ὑγιῆ ποιήσω (— 
att. ἐάν ce ὑγιᾶ m.), wo tu zwischen die sonst eng verbun- 
dienen Partikeln αἱ und κα getreten ist. Das einzige abwei- 
ehende Beispiel der vor-alexandrinischen Zeit, Sophron bei 
Apollon. de pron. 75 A οὐχ ὁδεῖν Tu ἐπίκαζε, kann, solange die 
Lesung nieht sicher gestellt ist, nicht ins Gewicht fallen. 

Ganz nahe zu Homer stellen sich ferner die äolischen 
Diehter. Ich zähle in deren Fragmenten, die ich nach Bergks 
Poetae Iyriei, 4. Aufl., zitiere, 38 (oder je nach der Schrei- 
bung von Sappho fragm. 2, 7 und fragm. 100 — siehe gleich 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 345 


nachher 36) Belege der enklitischen Formen des Personal- 
pronomens. 30 folgen der homerischen Regel, darunter sämt- 
liche sicheren (12) Beispiele von ue und sämtliche 10 Beispiele 
von μοι. Abweichend ist roı dreimal (Sappho 2, 2. 8. 70, 1) 
und ce einmal (Sappho 104, 2). Bleiben drei Stellen mit be- 
strittner Lesung, deren handschriftliche Überlieferung ich zu- 
nächst hersetze: Sappho 2, T ὡς γάρ c ἴδω βροχεώς με φωνὰς 
οὐδὲν ET εἴκει, Sappho 43 ὅτα πάννυχος Acpı κατάγρει, endlich 
Sappho 100 nach dem volleren Wortlaut bei Choirikios (Oeu- 
vres de Charles Graux II 97) .... ce τετίμηκεν ἐξόχως ἣ ᾿Αφρο- 
δίτη. An der ersten wird nun die von Ahrens vorgeschlagene, 
von Vahlen in seiner Ausgabe der Schrift περὶ ὕψους (Kap. 
10, 2) gebilligte Lesung ὥς ce γὰρ «ἴδω, βροχέως με φώνας 
κτέ. nur um so wahrscheinlicher und Seidlers von Bergk und 
Hiller gebilligte Versetzung des ce hinter Bpoxewc und Strei- 
chung des μὲ nur um so unwahrscheinlicher. Für die zweite 
Stelle kann ich nun noch bestimmter die KZ.XXVIIT 141 gefor- 
derte Lesung ὅτά cpı πάννυχος κατάγρεις als notwendig be- 
zeichnen. Und an der dritten Stelle ergiebt sich nun Weils 
von Hiller (Antholog. Iyr. fragm. 97) rezipierte Schreibung 
τετίμακ᾽ ἔξοχά «ε΄ ᾿Αφροδίτα als. entschieden unwahrscheinlich. 

So kommen wir durch Addition der 50.obigen Fälle, 
des ce und μὲ bei Sappho 47 und des cpı für dcpı bei Sappho 
45 auf 35 regelrechte Beispiele gegenüber 4 regelwidrigen und 
einem (Sappho 100), wo die Überlieferung uns im Stich lässt 
und wir nieht einmal wissen, ob wir es mit einem Enklitikum 
zu thun haben. Ganz ausser Rechnung fällt Ale. 68, wo 
manche nach Bekker πάμπαν δὲ τυφὼς ἔκ ς᾽ ἕλετο φρένας 
schreiben, aber hinter ἐκ vielmehr δ᾽ überliefert ist; vgl. was 
Bergk gegen Bekkers Schreibung bemerkt. 

An mancher jener 33 Stellen werden obendrein durch 
das enklitische Pronomen Wortgruppen durchschnitten: Artikel 
und Substantiv Sappho 2,13 @ δέ μ᾽ ἰδρὼς κακχέεται. 118, ὃ 
Αἰθοπίᾳ με κόρᾳ Λατοῦς ἀνέθηκεν 'Apicra. Attribut und Sub- 
Stantiv Sappho 34, 1 εμίκρα μοι πάϊς ἔμμεν ἐφαίνεο κἄχαρις. 
Präposition und Verba Alcaeus 95 ἔκ μ᾽ ἔλαεας ἀλγέων. Vel. 
auch Sappho 2, Ὁ τό μοι μάν und 2, 7 ὥς ce γάρ, Wo μάν 
und yap auf die Stelle hinter τό, bezw. ὡς Anspruch gehabt 
hätten. Ebenfalls beachtenswert sind die Fälle, wo das Pro- 
nomen in sonst auffälliger Weise von den Wörtern abgetrennt 


346 Jacob Wackernagel, 


ist, zu denen es syntaktisch gehört: Sappho 1, 19 tie c, w 
Ψάπφ᾽ adırne. 104, 1, τίῳ ς΄, ὦ φίλε Yaußpe, κάλως ἐϊκάεδω. 
SS τί με TTavdiovıc ὥραννα χελίδων. An einen satzeinleitenden 
Vokativ ist μοὶ angelehnt Sappho 45 ἄγε δὴ, xeAu dia, μοι 
pwvdecca τένοιο. Endlich verweise ich auf Sappho 6 ἤ ce 
Κύπρος ἢ Πάφος N TTavopuoc. 

Allgemein üblich ohne Unterschied der Dialekte ist es, 
das archaische (Klein Die griechischen Vasen mit Meister- 
sigenaturen 5 S. 15) μὲ mn Weih- und Künstlerinschriften 
gleich hinter das erste Wort zu setzen. Es wird dienlich sein, 
die Beispiele vollständig zusammen zu stellen. 

Ich beginne mit u ἀνέθηκε: Attika Üorpus inscript. 
att. 4°, 373, 8T -ıTöc u’ ἀνέθηκεν: 373, 90 ’Ovncıuög u’ Ave- 
θηκεν ἀπαρχὴν τἀθηναίᾳ ὃ Σμικύθου υἱός. 919, 120 [ὃ δεῖνα] 
μ΄ ἀνέθηκεν δεκάθην (sie!) ᾿Αθηναίᾳ. Inseript. graecae antig. 1 
(attisch oder euböisch) Znuwvidnc μ᾽ ἀνέθηκεν. Vel. 375, 100 
[Στρόγ]γυλός. u ἀνέθηκε, wo jedoch ein Dativ vorausgeht. 
Vielfach auch in Versen (obwohl hier natürlich Gegenbei- 
spiele nicht fehlen: CIA. 1, 343. 374. 42, 373, 831 u. s. w.): 
CIA. 1, 349 -θάνης μ᾽ ἀνέθηκεν "Adnvalalı πολιούχψ! 352 
Ἰφιδίκη μ᾽ ἀνέθηκεν, 4? 375, 85 ᾿Αλκίμαχός μ᾽ alvednke|. 
375, 909. Τίμαρχός μ΄ ἀνέθηκε Διὸς κρατερόφρονι κούρῃ. 919, 
215 (Vgl. Studnitzka Jahrbuch des archäol. Instituts II (1881) 
145) Nnciadnc κεραμεύς με καὶ ᾿Ανδοκίδης ἀνέθηκεν. 319, 216 
ΤΤαλλάδι u ἐγρεμάχᾳ Διονύειοίς τόϊδ᾽ ἄγαλμα criice Κολοίου 
παῖς [εὐξάμενος δεκάτην. 373,218 ἀνέθηκε δέ μ᾽ Εὐδίκου υἱός. 
Inschrift von der Akropolis ed. Foucart Bull. de Corresp. hellen. 
13, 160 [ἜἝρμό τ ]δωρός u’ ἀνέθηκεν ᾿Αφροδίτῃ δῶρον ἀπαρχήν. 
— Böotien: Insehriftnach Reinach behandelt von Kretschmer 
Hermes XXVI 123 ff. Τιμαείφιλός μ᾽ avedeıke τὠπόλλωνι τοῖ 
Πτωεῖι ὃ TTpaölkeıoc. — Korinth (von hier an scheide ich 
die poetischen und die prosaischen Inschriften nicht mehr): 
IGA. 20, τ Σιμίων μ᾽ ἀνέθηκε Tloradarwvlı Favarrıl. 20, ὃ 
-wv μὴ ἀνέθηκε Tloreidavı Ἐάν[ακτι] 20, 9 (= 1 = 1]) 
Φλέβων μ᾽ ἀνέθηκε TToteidälvıl. 20, 42 Δόρκων μ᾽ avednklel. 
20, 43 Ἴγρων μ᾽ ἀν[έθηκε!. 20, 41 Κυλοίδας μ᾽ ἀνέθηκε. 20, 48 
Εὐρυμήδης u’ ἀνέθηκε. 20, 49 Λυειάδας μ᾽ [ἀνέθηκε]. 20, 85 

μ᾽ ἀνέθ[ηκε]. 20, 87 und 89 -c μ᾽ ἀνέθηκε. 20, 813 — με 
ἀνέθ(η)κε τῶ. 20, 94 --- u’ ἀνέθηκε. 20, 102 [ΠΊ]έριλός μ᾽ —. 
Korkyra: IGA. 341 3187 Collitz) Λόφιός μ᾽ ἀνέθηκε. 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 941 


-- Hermione: Kaibel 926 [ΠΠαν]τακλῆς μ᾽ ἀνέθηκεν. --- Kyra 
bei Aegina: Inschrift ed. Jamot Bull. Corr. hellen. 12, 186 οἱ 
φρουροί μ᾽ alvedecav?| — Lakonien: IGA. 62? (S. 174) 
TTAeıcriadac μ᾽ ἀνέθηκε! Διοεκώροιειν ἄγαλμα]. — Naxos: 


IGA 407 Νικάνδρη μ΄ ἀνέθηκεν ἑκηβόλῳ ἰοχεαίρῃ. 408 Δεινα- 
γόρης μ᾽ ἀνέθηκεν ἑκηβόλῳ ᾿Απόλλωνι. Im Delos gefundene 
Insehrift ed. Homolle Bull. Corresp. hellen. 12, 404 f. Εἰ(θ)υ- 
καρτίδης μ᾽ ἀνέθηκε ὁ Νάξιος moincac. — Samos: IGA. 584 
Χηραμύης μ᾽ avedin)kev τἤρῃ ἄγαλμα. Köhl ergänzt am An- 
fang [Ἐνθάδε] und bemerkt: “Primam vocem versus hexametri 
utrum is qui inscripsit an is qui deseripsit titulum omiserit, 
nune in medio relinguo”. Sicher weder der eine noch der 
andere. Nieht der Urheber der Abschrift: Dümmler bemerkt 
mir, dass der von ihm gesehene Abklatsch keine Spur einer 
vor Χηραμύης einst vorhandenen Wortes aufweise. Aber auch 
nicht der Steinmetz: weder der Sinn noch, wie man nun besser 
als vor zehn Jahren weiss, das Metrum verlangen eine Er- 
gänzung; und die Stellung des μὲ schliesst ein solche aus. — 
Kalymna: Kaibel 778 Νικίας με ἀνέθηκεν ᾿Απόλλωνι υἱὸς 
Θραευμήδεος. --- Kypros: Inschrift bei Hoffmann Die griech. 
Dialekte 1, 85 No. 165 [---ἰ μ᾽ alve)önkav τῷ ᾿Απόλί(λ)ωνι. 
Kaibel 794 (1. Jahrhundert n. Ch.) [Kexpo|miönc μ᾽ ἀνέθηκε. 
— Achäisch (Grossgriechenland) : IGA. 545 Kuvickoc με 
ἀνέθηκεν ὥρταμος «ἐέργων δεκάταν. — Syrakus: Inseriptiones 
Graecae Sieiliae ed. Kaibel 5 ᾿Αλκιάδης μ᾽ [ἀνέθηκεν]. --- 
Naukratis: Naukratis I by Flinders Petrie (die Inschriften 
von Gardner ὃ. 60—63) No. ὃ Tlapuevwvu (sie!) με ἀνέθηκε 
τὠππόλλωνι (sie). 24 -c με ἀϊνέθηκε!. 80 -- μ᾽ ἀνέθηκεν 
τὠπολλων[1]. 114 -wv μ[ε ἀνέθηκε. 137 -c μ᾽ ἀνέθηκε]. 177 
ΤΙρώταρχός με [ἀνέθηκε τ|ἰὠπόλλωνι. 186 [Π|]ρώταρχός με 
ἀνέθηκ[ε]. 202 [ὃ δεῖνα] με ἀνέθηκε. 218 Φάνης με ἀνέθηκε 
τὠπόλλων]ι τῷ Μι]ληείῳ ὃ Γλαύκου. 220 Χαριδίων με ἀνέθηκε]. 
223 [Πολύ]κεετός μ᾽ ἀνέθηκε τί ὠπόλλωνι]. 235 Σληύης μ᾽ ἀνέ- 
θηκε τὠπόλλωνι. 237 [Χ]αρ(όγφης με ἀνέθηκε τἀπόϊλλωνι TW 
Mlıkaciw. 255 -nc u’ ἀνέθηκε. 259 -c wu’ ἰνέθηκε!: 326 
Να[ύπλι]ός με [ἀνέθηκε. 327 -δης μ᾽ ἀνέθηκε τὠπόλλωνι. 446 
-ς με ἀνέ[θηκεν]. id. vol. II (by Gardner) S. 62—69: Νο. 10] 
Σώεςτρατός μ᾽ ἀνέθηκεν TNPpodim. 709 -oc μ᾽ ἀνέθηκε τῆ]ι 
᾿Αφροδίτῃ] ἐπὶ τῆ —. {11 Kaiköc μ᾽ [ἀνέϊθηκεν. 720 -opoc μ᾽ 
ἀν[έθηκεν! 722 Mucöc μ᾽ ἀνέθηκεν "Ovouarpıtov. 7123 "Acoc 


48 Jacob Wackernagel, 


u’ ἀνέθηκεν. 734 -va& μ᾽ [ἀνέθηκεν]! 736 -wv με ἀν[έθηκεν]. 
138 [ὃ δεῖνα] μ᾽ ἀνέθηκεν ᾿Αφροδίτῃ (7). 742 -ηιλός μ᾽ ἀνέ- 
θηκεν. 748 Ἑρμηςειφάνης μ΄ ἀνέθηκεν τὐφροδίτῃ. 770 -unc 
με ἀν[έθηκε τἠφροδίτηι|. {1 Χάρμ[η]ς με [ἀνέθηκεν! 775 
[Κ]Ἰλεόδηιιος με ἀϊνέϊθηκε τῇ ᾿Αἰφροδίτῃ!. ἴτ0---ττῖ Χάρμης 
με ἀνέθηκε τἠφροδίτῃ (bezw. τῇ ᾿Α.) εὐχωλήν. 778 Ροῖϊκός μ᾽ 
ἀνέθηκε τῇ ᾿Αφρ]οδίτῃ. 780 Φιλίς μ᾽ ἀνέθηκε τ[ῇ ᾿Αφρ]οδί[τῃ!. 
181 Θούτιμός με ἀνέθηκ[εν]. 785 [ὃ δεῖνα! μ᾽ ἀν[έθηκε τῇ 
’Applodirn. 794 ΤΤολύερμός u’ ἀν[έθηκε] τῇ ᾿Αφροδίτῃ. 799 ᾽Ωχί- 
λος μ᾽ ἀνέθηκε. 817 [ὃ δεῖνα] καὶ Χ[ρυςε]όδωρός με ἀνέθηκαν]. 
δΤ1Ὸ [Alaxpı[tölc μ᾽ ἀνέ[θηϊΪκε οὑρμο[θ]έμ[ιος] τἠφροδί[τῃ]. ὅτ᾽ Ἕρ- 
μαγόρης μ᾽ ἀνέθηκε ὃ Τίήιϊιος] τὠπόλλωνι (Vers!). ST7T TTüp(p)oc 
με ἀνέθηκεν. [Metapont: 1643 Coll. ὅ τοι κεραμεύς μ᾽ ἀνέθηκε. 

Von der Norm weichen ab (ausser einigen poetischen 
Inschriften, siehe oben S. 345) bloss Naukratis 1, 305 [ὃ δεῖνα 
ἀνέθηκέ!] με und 307 [ὃ δεῖνα ἀνέθηκ]έ με, beide Inschriften, 
wie sich nun ergiebt, falsch ergänzt, und die zweizeilige In- 
schrift Naukratis 2, 750, wo die obere Linie [τῇ ᾿Αφροδί]τῃ, 
die untere Ἑρμαγαθῖνός u avedlnkev| bietet. Gardner liest 
danach m ’A. Ἑ. μ᾽ ἀνέθηκεν. Aber Dümmler bemerkt mir, 
dass die obere Zeile, weil kürzer und den Raum nicht aus- 
füllend, nicht die erste Zeile sein könne, sondern offenbar den 
Schluss der untern längern Zeile bilde. Folglich muss, schon 
ganz abgesehen von unserer Stellungsregel, Ἑρμαγαθῖνός μ᾽ 
ἀνέθηκε] [τῇ ᾿Αφροδίτη gelesen werden. 

Ganz Analoges gilt für die mit Synonymis von ἀνέθηκε 
gebildeten Aufschriften: με κατέθηκε Kypros: Deecke 1 
Κάς μι κατέθηκε τᾷ TTapia ᾿Αφροδίτᾳ. 2 αὐτάρ μι κατέ[θηκε] 
᾿ΟὈναείθεμις. 3 αὐτάρ με [κατέθηκε Ovacildeulcl. 15 αὐτάρ 


με κατέθηκε [᾿ΑἸκεετόθεμις. --- Naukratis II No. 790 [ὃ δεῖνα 
ule κάθθη[κε] ὁ Μυτιλήναιος. 840 Νέαρχός με κά[θθηκε το]ῖς 
Aliocköpoicıl. --- μ᾽ ἐπέθηκε Aegina: IGA. 362 Διότιμός μ᾽ 
ἐπέθηκε. --- με (κατ)έεταςε Kypros: Deecke 11 κά μὲν 
ἔεταςαν |xajcıyvnror (Vers!). Hoffmann I 46 No. 01 Γιλίλλίκα 
με κατέεταςε ὁ Σταεικρέτεος. --- με ἔξεξε Kypros: Hoffmann 
I 46 No. 66 [αὐ]τάρ με ἔξλεξε | Ovacıldeuc. --- u ἔδωκε 


Sikyon: 1GA.22 Ἐπαίνετός μ᾽ ἔδωκεν Χαρόπῳ. Abweichend 
die böotische Inschrift IGA. 219 Χάρης ἔδωκεν Εὐπλοίωνί 
με. Wozu Röhl: “ Versu trimetro dedieationem ineludere stu- 
duit Chares, sed male ei cessit.” (Vgl. übrigens auch die Stel- 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 349 


lung von coı in der attischen Insehrift IGA. 2 mmvdi coı Θού- 
dnuoc δίδιωςι.) 

In poetischen Weihinschriften findet sich so gestelltes 
με bis in die Kaiserzeit: Kaibel 821 Βάκχῳ μ[ε] Βάκχον καὶ 
mpocuuvoia Bew cracavro. 822, 9 Aadoüxoc με Κόρης, 
Βαειλᾶν, Διός, ἱερὰ εηκῶν Ἥρας κλεῖθρα φέρων βωμὸν ἔθηκε 
“Pen. 877® (S. XIX) ἄνθετο μέν uw ’Emidaupoc. Vgl. 868 
᾿Αεκληπιοῦ με δμῶα πυρφόρον θεοῦ oder ξένε] TTeicwva λεύς- 
ceıc. (Mit andrer Stellung von μὲ Kaibel 809, 815, 843.) 

Ganz ebenso die Künsterinschriften: u ἐποίηςε, u ἐποίει: 
CIA. 4? 375, 206 [Ε]ὐθυκλῆς μ᾽ emoincev. IGA.492 (attische 
Inschrift von Sigeum) καί μ᾽ Emolin)cev Aicwrroc καὶ ἁδελφοί. 
CIA. 1,466 ᾿Αριετίων μ᾽ emöncev. 1,469 (vgl. Löwy Inschrit- 
ten griechischer Bildhauer S. 15) "Apıcriwv TTapılöoc u’ emlölncle 
(die Ergänzung sicher!). IGA. 378 (Thasos) TTapuevwv με 
ἐ[ποίηςε]. IGA. 485 (Milet) Εὔδημός με ἐποίειν. IGA. 597 
(Elis?) Koiöc μ᾽ amöncev. IGA.22 (— Klein Griechische Vasen 
mit Meistersignaturen S. 40) Ἐξηκίας μ᾽ eroince Klein S. 41 
’Einkiac u’ Emoincev ev. S. 31 OeöLotöc u Emönce ὃ. 94 
Ἔργότιμός μ᾽ eroincev. 8.43, 45 (bis!), 48 ᾿Αμαείς μ᾽ Emoincev. 
S. 48 Χόλχος μ᾽ ἐποίηςεν. 8.66 -c μ᾽ emoincev. S. 71 Νικο- 
cdevnc μ᾽ ἐποίηςεν. S. 75 ᾿Ανακλῆς με emoincev.. S. 75 Νικο- 
cdevnc με Emoincev. S. 76 ᾿Αρχεκλῆς μ᾽ emoincev. S. {1 Γλαυ- 
κίτης μ᾽ ἐποίηςεν. S.84 (bis!) Τληνπόλεμός μ᾽ emoincev. 8.85 
Γάγεος μ᾽ ἐποίηςεν. 5. 90 Πανφαῖός u ἐποίηςεν. S. 215 
Λυςείας μ᾽ ἐποίηςεν ἡμιχώνῃ. Dazu die metrische Aufschrift 
IGA. 536 [Γλαυκία]ι με Κάλων γε[νεᾷ .Ε]αλεῖ[ο]ς ἐποίει. Dagegen 
kommt Löwy No. 411 [Αρτέϊμων με ἐποίηςε durch die Behand- 
lung der Inschrift bei Köhler ΟἿΑ. 2,1181 in Wegfall. — Der 
Regel widerspricht Klein S. 51 Χαριταῖος emoincev με. Hier 
hat wohl <e)ue entweder ursprünglich dagestanden oder ist 
wenigstens beabsichtigt gewesen. (Vgl. über ἐμέ unten S. 551). 

u’ ἔγραψε, μ᾽ ἔγραφε: IGA. 20, 102 (Korinth) -wv μ᾽ 
[ἔγραψε]! nach der Ergänzung von Blass No. 3119e Collitz. 
Kyprische Inschrift bei Hoffmann I 90 No. 189 -oıköc με 
γράφει Zekauivioc. Klein S. 29 Tiuwvidac μ᾽ ἔγραφε. ὃ. 30 
Χάρης μ᾽ ἔγραψε. S. 38 Neapxöc μ᾽ ἔγραψεν καὶ (EMOINCEV). 
— Abweichend IGA. 474 (Kreta) -uwv ἔγραφέ με. Doch 
lässt sich diese Ausnahme leicht durch die Schreibung ἔγραφ᾽ 
ἐμέ beseitigen. Vergleiche die Inschrift bei Klein S. 40 κἀποίης᾽ 


350 Jacob Wackernagel, 

ἐμέ mit eben solcher Elision, wo ἐμέ durch andere Aufzeich- 
nungen derselben Inschrift mit ἐπόηςε ἐμέ gesichert ist. |Vel. 
in Betr. des inschriftlichen ue noch die Nachträge.] 

Zu den auf Steinen und Vasen überlieferten Inschriften 
mit μὲ kommen emige z. T. recht alte von Pausanias aus 
Olympia. "beigebrachte'»hinzu..15, 20, 19. ΞΞ ὃ. 427 ΤΟ 415 
Thasos) υἱός μέν με Μίκωνος Ὀνάτας ἐξετέλεεςεν. 6, 10, 7 
(ὃ. Jahrhundert) KAeocdevnc μ᾽ ἀνέθηκεν 6 TIovrıoc ἐξ Ἐπιδάιι- 
νου. 6, 19, 6 (altattisch) Ζηνί u’ ἄγαλμ᾽ ἀνέθηκαν. In dem 
Epigramm bei Paus. 5, 23, 7 Zeile 3 καὶ μετρεῖτ᾽ ᾿Αρίετων 
ἠδὲ Τελέετας αὐτοκαείγνητοι καλὰ Λάκωνες *"Ecav verbessert F. 
Dümmler nach freundlicher Mitteilung καί ue Κλειτορίοις ᾿Αρί- 
ctwv κτλ.» — Hierher gehören auch die von Herodot 5, 59 
und 5, 60 aus dem Ismenion beigebrachten Aufschriften ’Augn- 
τρύων u ἀνέθηκεν Fewv ἀπὸ Τηλεβοάων und Σκαῖος πυγμαχέων 
με ἑκηβόλῳ ᾿Απόλλωνι νικήςεας ἀνέθηκε, letztere die einzige 
regelwidrige in dieser Gruppe, zudem, weil metrisch, nicht 
schwer ins Gewicht fallend. 

Auch die jüngern Epigrammatiker haben, wo sie das 
altertümliche ve für ihre gedichteten Aufschriften anwandten, 
sich mit auffälliger Strenge an die Norm gehalten: Kallimachus 
Epier. 23 (21 Wilamowitz), 1 ὅετις ἐμὸν παρὰ εῆμα φέρεις 
πόδα, Καλλιμάχου με ἴεθι Kupnvalov παῖδά TE καὶ Yevernv. 0 
(34 W.), 1 τίν με, λεοντάγχ᾽ ὦνα CUOKTÖVE, φήγινον ὄζον θῆκε. 
50 (49 W.), 1 τῆς ᾿Αγοράνακτος με λέγε, ξένε, κωμικὸν ὄντως 
ἀτκεῖεθαι νίκης μάρτυρα τοῦ Ῥοδίου ΤΤάμφιλον. ὃὺ (δ), 1 τῷ 
με Κανωπίτῃ Καλλίετιον εἴκοει μύξαις πλούειον ἣ Κριτίου λύχ- 
γον ἔθηκε θεῷ. Fragm. 95 (Laertius Diog. 1, 29) Θαλῆς με 
τῶ μεδεῦντι Νείλεω δήμου δίδωςι, τοῦτο δὶς λαβὼν ἀριετεῖον. 
— Anthol. Pal. 6, 49 (Athen. 6, 252 B) καί μ᾽ ἐπὶ Πατρόκλῳ 
θῆκεν πόδας ὠκὺς ᾿Αχιλλεύς. 6, 178, 1 δέξαι u Ἡράκλεις 
᾿Αρχεετράτου ἱερὸν ὅπλον. — Abweichend, doch nur unbedeu- 
tend abweichend 6, 209 1 Βιθυνὶς Κυθέρη με τεῆς ἀνεθή- 
κατο, Κύπρι, μορφῆς εἴδωλον λύγδινον εὐξαμένη. 6, 239, 1 
«μήνεος ἔκ με ταιὼν γλυκερὸν θέρος ἀντὶ νομαίων γηραιὸς 
Κλείτων cmeice μελιςςοπόνος. 6, 261, 1 χάλκεον ἀργυρέῳω 
με πανείκελον, ᾿Ινδικὸν ἔργον, ὄλπην -- --- πέιπεν yndouevn 
εὺν φρενὶ Κριναγόρης. Dagegen wird für 6, 158, 1 πρὶν μὲν 
Καλλιτέλης μ᾽ ἱδρύεατο die Überlieferung des Palatinus durch 
das auf einem Stein zum Vorschein gekommene Original 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 901 


BAR, 381 ΞΞ Kaibel' 758 widerlegt, ‘das kein u bietet. 
Hieraus ergiebt sich auch für 6, 140, 1 παιδὶ φιλοςτεφάνῳ Σεμέ- 
λας (u) ἀνέθηκε das von Hecker ergänzte u’ als überflüssig. 

Unsere Durechmusterung der Inschriften mit μὲ ergiebt 
also, dass dasselbe bei poetischer Fassung mit Vorliebe, bei 
prosaischer so gut wie ausnahmslos an zweite Stelle gesetzt 
wurde. Denn wenn wir IGA. 474 ἔγραφ᾽ ἐμέ abteilen, Nau- 
kratis 1, 305 und 307, wo bloss ME bezw. EME überliefert 
ist, als ganz unsicher bei Seite lassen, endlich Naukratis 2, 750 
die vom Schreiber der Inschrift wirklich gemeinte Wortfolge 
wiederherstellen, so bleiben nur IGA. 219 Χάρης ἔδωκεν Ev- 
πλοίωνί με, was zwar nicht ein Vers ist, aber ein Vers sein 
will, und Klein S. 51 Χαριταῖος ἐποίηςέν μὲ übrig. Letzteres 
ist also die einzige wirkliche Ausnahme; um so näher liegt 
die Vermutung eines Fehlers. 

Andrerseits erhält unsre Regel noch weitere Bestätigung. 
Erstens dadurch, dass auch sonst in archaischen Inschriften, 
in welchen das Denkmal oder der durch das Denkmal Geehrte 
spricht, μὲ die zweite Stelle hat: IGA. 475 (Rhodus) Kocuia 
ἡμί, ἄγε de με Κλιτομίας. 524 (Cumae) — Inseript. Sieiliae 
ed. Kaibel 865 ὃς δ᾽ ἄν με κλέψει, —. Zweitens (um dies 
einem spätern Abschnitt vorwegzunehmen) durch die analogen 
lateinischen Inschriften: Manios med fefaked, Duenos med 
feced, Novios Plautios med Romai fecid. 

Besonders belehrend sind aber die paar Inschriften mit 
ἐμέ. Zweimal steht dieses ἐμέ auch an zweiter Stelle: IGA. 
20,8 (Korinth) ᾿Απολλόδωρος ἐμὲ ἀνέθ[ηκε! und Gazette ar- 
cheol. 1888 S. 168 Mevaidac Eu’ emoilF)nce Xaporn|ıl. Aber 
sechsmal steht ἐμέ anders: Klein S.39 Ἐξηκίας ἔγραψε κἀπόηςε 
ἐμέ (Vers?) 5. 40 Ἑξηκίας ἔγραψε κἀ(ι)ποίης᾽ ἐμέ (Vers?). 
S. ΟῚ Χαριταῖος ἐποίηςεν ἔμ᾽ εὖ. 8. 82 Ἑρμογένης ἐποίηςεν 
ἐμέ. 8.85 Ἑρμογένης ἐποίηςεν eve (liess ἐμέ). 8. SD Σακω- 
νίδης ἔγραψεν ἐμέ. Diese Stellen zeigen, dass die regelmässige 
Stellung von μὲ hinter dem ersten Wort nicht zufällig und dass 
sie durch seine enklitische Natur bedingt ist. |[Vgl. noch die 
Nachträge.] 

III. 

Wichtiger für diese Frage (wie überhaupt für jede über 
etymologische Spielereien hinausreichende Sprachforschung) 
sind natürlich die umfangreichern Texte der ionischen und 


352 Jacob Wackernagel, 


der attischen Litteratur, vor allem wieder Herodot. So wenig 
allerdings, als bei wv und oi, hat er bei den übrigen enkli- 
tischen Pronomina die alte Regel festgehalten. 

Im siebenten Buche des Herodot findet sich cpewv 13 mal, 
davon 6 mal an zweiter Stelle; cpı TO mal, davon 46 mal an 
zweiter Stelle: cpeac 32 mal, davon 20 mal an zweiter Stelle; 
cpea 1 mal, nicht an zweiter Stelle. Also von 116 Stellen, 
wo co-Formen vorliegen, folgen 72 der Regel, also ca. 62°/,. 
Unvollständige Sammlungen aus den übrigen Büchern ergaben 
ein analoges Verhältnis. 

Im Pronomen der zweiten Person haben wir in Herodot 
VII. ceo einmal, regelmässig; τοῖ (mit Ausschluss der Fälle, wo 
es deutlich Partikel ist) 45 mal, «davon 18—20 mal an zweiter 
Stelle: ce 16 mal, davon 10 mal an zweiter Stelle. — Im 
Pronomen der ersten Person: ueo 3 mal, hiervon einmal regel- 
mässig: μοι 37T mal, davon 24 mal an zweiter Stelle, wenn 
man 15, 6 ἔγνων δὲ ταῦτά μοι ποιητέα ἐόντα. 41, ὃ φέρε 
τοῦτό μοι ἀτρεκέως εἰπέ. 103,5 ἄγε εἰπέ μοι hierher stellen 
darf; με 6 mal, davon zweimal regelmässig. Also in der 
ersten und zweiten Person haben wir 58mal regelmässige, 
50 mal regelwidrige Stellung. 


Es ergiebt sich aus dieser Statistik zwar mit völliger 
Klarheit, dass die alte Regel bei Herodot nicht mehr ohne 
weiters gilt, dass andere Stellungsregeln in Wirkung getreten 
sind. Aber zugleich auch, dass trotz und neben diesen neuern 
Regeln die alte Regel doch noch Kraft genug hat, um in 
mehr als der Hälfte der Fälle die Stellung des Pronomens zu 
bestimmen: freilich sind in dieser grössern Hälfte die Beispiele 
mit begriffen, wo für das Pronomen die zweite Stelle im Satz 
auch nach den jüngern Regeln das Natürliche war. 

Bei den Attikern lassen Zählungen, die ich vorgenommen 
habe, auf ein noch weiteres Zurückgehen der alten Regel 
schliessen. Aber unverkennbare Spuren derselben finden sich 
in bestimmten Wendungen und Wortverbindungen auch noch 
bei ihnen, wie bei Herodot und überhaupt den nachhomerischen 
Autoren. 

Jedem Leser der attischen Redner muss es auffallen, wie 
häufie der Aufforderungssatz, wodurch die Verlesung einer 
Urkunde oder das Herbeirufen von Zeugen veranlasst werden 
soll, mit καί μοι beginnt, ja man kann sagen, dass wenn er 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 393 
überhaupt mit καί beginnt und uoı enthält, uor sich ausnahms- 
los unmittelbar an καί anschliesst. Ich ordne die Beispiele 
nach der Chronologie der Redner, und die Wendungen nach 
der Zeit des ältesten Beispiels. 

καί μοι κάλει mit folgendem Objekt Andoe. 1,14. 1,28 
Bene γ 5 159. 19. 17,2: 17,3. 1779. 19,59, 31, 16: Iso- 
τ 112. 17 10.018: 8. 18, 54 Isaeus 6,37. 710.8, 42. 
Biere Demosth.,29, 12. 29, 18: 41, 6. 57, 12: 57, 38.57, 39. 
δῖ, 46. Va 44, 14. 44, 44. 58, 32. 58, 33. 59, 25. 
99,28. 59, 32. 59, 34. 59, 40. Aeschines 1, 100. Oder mit 
andrer Stellung des Objekts καί μοι μάρτυρας τούτων κάλει 
Antiphon 5, 56; καί μοι ἁπάντων τούτων τοὺς μάρτυρας κάλει 
Andoe. 1, 127; καί uoı τούτους κάλει πρῶτον Isäus 5, 11. 

καί μοι λαβὲ καὶ ἀνάγνωθι mit folgendem Objekt Andoe. 
ID, 

καί μοι ἀνάγνωθι mit ὧν κεν Objekt Andoe. 1, 94. 
ΠΡ δ 1,86. 1,87. 1. 90. Lysiası10, 14. 10, 15, 
193.99..15, 50. 14, ὃ. Isokrates : ἣν 0928 τ ΠΕ ΠΕ ΟἿΣ 3 
7 Ὁ 3. [Demosth.) 34,.10. 34, 11. 34, 20. 34, 39. 
43, 16. 46, 26. 47, 17. 47, 20. 47, 40. 47, 44. 48, 30. 59, 52. 
Aeschines 3, 24. Oder mit andrer Stellung des Objekts kai 
MOL τὰς μαρτυρίας ἀνάγνωθι ταύτας (tavracı) Isaeus 2, 16. 2,34; 
καί μοι τούτων ἀνάγνωθι τὴν μαρτυρίαν [Demosth.] 50, 42; 
καί μοι λαβὼν ἀνάγνωθι πρῶτον τὸν Σόλωνος νόμον Demosth. 
57, 31. Ohne Objekt [Demosth.] 47, 24. 

καί μοι ἀνάβητε μάρτυρες (oder τούτων μάρτυρες) Ly- 
sias1,29. 1,42. 13, 64. 16, 14. 16, 17. 32, 27; contra Aeschi- 
nem Er. I (Orat..att. ed. Sauppe 2, 172, 26) bei Athen. 13, 
612 F. Isokrates 17, 37. 17,41; καί μοι τούτων ἀνάβητε 
μάρτυρες Isokr. 17, 14; καί μοι ἀνάβητε δεῦρο Lysias 20,29; 
kai uoı ἀνάβηθι Lysias 16, 13. Isokr. 17, 32. 

καί μοι δεῦρ᾽ ἴτε μάρτυρες Lysias 1, 10. 

καί μοι λαβέ mit folgendem Objekt Lysias 9, 8. Isokr. 
“ΟΠ 10. 7 Isaeus 6,16: 6, 48.8, 11. 12. 11. Lykurg 125. 
Bemosth. 18, 222. 30,10. 30,32. 30, 34. 31,4. 36, 4. 41,24. 
1 Ὁ» 35. 1:57,19. δύ, 20. [Demosth.]«34, 7 
34, 17. 44, 14. 48, 3. 58,51. 59,87. 59, 104. Aeschines 2, 65; 
καί μοι πάλιν λαβέ [Demosth.] 58, 49. 

καί μοι ἀπόκριναι Lysias 13, 32. 


354 Jacob Wackernagel, 


Kal μοὶ ἐπίλαβε TO Vdwp Lysias 25,4. 23,8. 23, 11. 
23,.214.0,23: 15: 

καί μοι Avayıyvwcke mit folgendem Objekt Demosth. 
27, 8. [Demasth.] 85, 20. 

καί μοι λέτε mit folgendem Objekt Demosth. 19, 130. 
19; :154.5197276. 18,23.:18,83218510524185 1163. 2185248: 
32, 18..2.31,.17. 98.9.98. 122 7 1Demosth.) 32.975032: 
Neschimest2,. 91. 8, 212 ὦ, ΟΣ 

Kal wol ne τὸ ψήφιςεμα TO τότε τενόμενον Demosth. 
18,179. 

Abweichend ist blos Aeschines 1, 50 καὶ τελευταίαν δέ 
μοι λαβὲ τὴν αὐτοῦ MıcyöAa μαρτυρίαν. Hier haben wir aber 
nicht blosses καί, sondern καὶ — de. Und vor diesem δέ, also 
hinter kaı, war ein stark betontes Wort erforderlich, somit uoı 
unmöglich. 

Aber auch ausserhalb dieser rednerischen Wendung ist 
καί μοι am Anfang von Sätzen'in der ganzen nachhomerischen 
Litteratur merkwürdig häufig (vgl. Blass zu Demosth. 18, 199). 
Hier ein paar Beispiele; jedes Schriftwerk bietet solche. 
Archilochus Fragm. 22 Bek. καί μ᾽ οὔτ᾽ ἰάμβων οὔτε TEPTTW- 
λέων μέλει. 40 καί μοι CUUUAXOC YOUVOUUEvW ἵλαος γτενεῦ. 
Sappho Fragm. 79 καί μοι —. Solon bei Aristoteles ᾿Αθη- 
ναίων πολιτ. 14,5 Kenyon. yırvuckw, καί μοι φρενὸς ἔνδοθεν 
ἄλγεα κεῖται, πρεεβυτάτην ἐςορῶν γαῖαν ᾿Ιαονίας. Theognis 258 
καί μοι τοῦτ᾽ ἀνιηρότατον. 1199 καί μοι κραδίην ἐπάταξε 
μέλαιναν. Sophokles Elektra 116 καί μοι τὸν ἐμὸν πέμψατ᾽ ἀδελ- 
φόν. Id. Aapıccatoı Fragm. 349 Nauck καί μοι τρίτον ῥίπτοντι 
Δωτιεὺς ἀνὴρ ἀγχοῦ προςῆψεν Ἔλατος ἐν διεκήματι. Herodot 
7, 9° T καί μοι μέχρι Μακεδονίης ἐλάςαντι οὐδεὶς ἠντιιύθη. 
7, 152, 15 καὶ μοὶ τοῦτο τὸ ἔπος. EXETW ἔξ πᾶντο AOYov. 
Euripides Medea 1222 καί μοι τὸ μὲν εὸν ἐκποδὼν ἔετω λόγου. 
Thucyd. 1, 191, 4 καί μοι εὐεργεεία ὀφείλεται. Aristoph. 
Ran. 755 καί μοι gpacov. FEkkles. 41 καί μοι δοκεῖ κατὰ 
ςχολὴν παρὰ τἀνδρὸς ἐξελθεῖν μόνη. Plato Apologie 21D καί 
μοι ταὐτὰ ταῦτα ἔδοξε. 290  (ΞΞ Gorg. 402 B) καί μοι ἀπό- 
κριναι. BI E καί μοι μὴ ἄχθεεθε λέγοντι τἀληθῆ. Phaedo 
BUG καί μοι δοκεῖ (3011. Αἴεωπος) --- μῦθον ἂν ευνθεῖναι. 
65 A καί μοι δοκεῖ Κέβης εἰς. ce τείνειν τὸν λόγον. (91 1) 
καί μοι @päcev.) 98 ( καί μοι ἔδοξεν (scil. ᾿Αναξαγόρας) 
ὁμοιότατον πεπονθέναι. Sympos. 11 B καί μοι ὡμολόγει. 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 355 
189 B καὶ οι Ectw ἄρρητα τὰ εἰρημένα. 2180 καί μοὶ 
φαίνῃ ὀκνεῖν. Gorgias 449 C καί μοι ἐπίδειξιν αὐτοῦ τούτου 
ποίηςαι. 482 A καί μοί ECTIV τῶν ἑτέρων παιδικῶν πολὺ ἧττον 
ἔμπληκτος. 48ῦ Β καί μοι δοκεῖ δουλοπρεπές τι εἶναι. 492 1) 
— 494B καὶ μοὶ λέγε. 4090 καί μοι ὥςπερ παιδὶ χρῇ. 
Charmides 157 B καί μοι πάνυ εφόδρα ἐνετέλλετο. Sophistes 
510 Ὁ καί μοι δοκεῖ θεὸς μὲν ἁνὴρ οὐδαμῶς εἶναι. 235 D 
καί μοι πειρῶ προςέχων τὸν νοῦν εὖ μάλα ἀποκρίναςθαι, WO 
μοι vom regierenden Verbum durch πειρῶ getrennt ist. Leges 
1,6420 καί μοι νῦν ἥ τε φωνὴ προςφιλὴς ὑμιῶν. Demosth. 
18, 280 καί μοι δοκεῖς προελέεθαι. Philemon Fragm. 4, 4 
Kock (2 5. 419) καί μοι λέγειν τοῦτ᾽ ἔετιν ἁρμοςτόν, Σόλων. 
Kallimachus Epigr. 41 (40 Wilamow.), 5 καί uoı τέκν᾽ ἐγένοντο 
δύ᾽ Apceva. (Recht selten ist μοὶ an ein satzeinleitendes καί 
nicht angeschlossen: Plato Gorg. 485 C καὶ πρέπειν μοι δοκεῖ. 
486 καὶ οὐδέν μοι δεῖ ἄλλης Bacavov. Demosth. 18, 246 
καὶ ταῦτά μοι πάντα πεποίηται.) [καί μοι auch Eurip. Hippol. 
Ὁ 19.7.3} 

Speziell gehören zusammen als Beispiele sogenannter 
Prodiorthose (Blass zu Demosth. 18, 199) Plato Apol. 20 E καί 
μοι, ὦ ἄνδρες ᾿Αθηναῖοι, un Bopußnente Vgl. die oben ange- 
führte Stelle 31 E. Gorgias 486 A καί μοι μηδὲν ἀχθεεθῇς. 
Demosth. 5, 15 καί μοὶ un Bopußnen μηδείς. 20, 102 καί 
μοι μηδὲν ὀργιεθῇς. Und diesen Stellen sind wieder ganz 
ähnlich, nur dass wir den Genetiv des Pronomens haben, De- 
mosth. 18, 199 καί μου πρὸς Διὸς καὶ θεῶν μηδὲ εἷς τὴν 
ὑπερβολὴν θαυμάςῃ. 18, 256 καί μου πρὸς Διὸς μηδεμίαν 
ψυχρότητα καταγνῷ μηδείς. 

Überhaupt ist die Neigung, das Pronomen an satzeinlei- 
tendes καί anzuschliessen, nieht auf uor beschränkt. Gerade 
καί μου findet sich auch noch Theognis 1366 καί μου παῦρ᾽ 
ἐπάκουςον ἔπη. Aristoph. Ran. 1006 καί μου τὰ επλάγχν᾽ 
ἀγανακτεῖ. Plato Apol. 22 D καί μου ταύτῃ copwWrepor Ncav. 
Republ. 1, 327 B καί μου ὄπιεθεν ὁ παῖς λαβόμενος τοῦ ἱμα- 
τίου. Parmen. 126 A καί μου λαβόμενος τῆς χειρός. 

Für καί με erinnere ich an die schon vorher aufgeführten 
Weih- und Künstlerinschriften, die es enthalten: IGA. 492. Ky- 
prisch Deecke 1, 71. Pausan. 5, 23, 7. Anthol. Pal. 6, 49. Vgl. 
Kaibel 806 καί μ᾽ ἔετεψε πατὴρ (e)icapiduorc Errecı. Jungkyprische 
Inschr. Deecke No. 30 καί με χθὼν ἧδε καλύπτει. Dazu kommt 


Indogermanisehe Forschungen I 3 u. 4. 25 


356 Jacob Wackernagel, 


noch (Solon bei Aristot. ’A9nv. πολ. 8.30, 1 Kenyon. κἀδόκουν 
EKOCTOC αὐτῶν ὄλβον εὑρήςειν πολὺν καί με κωτίλλοντα λείως 
τραχὺν ἐκφανεῖν νόον.) Anakreon Fragm. 60 καί μ᾽ ἐπίβωτον 
κατὰ τείτονας ποιήςεις. Hipponax Fragm. 64 καί με δεςπότεω 
βεβροῦ λαχόντα Atccoucı ce μὴ ῥαπίζεεθαι. Theognis 00 καί 
με βιᾶται οἶνος. τδὺ καί μ᾽ ἐφίλευν προφρόνως πάντες ἐπερχό- 
μενον. Sophokles Oed. Rex 72 καί μ᾽ ἤμαρ ἤδη ξυμμετρού- 
μενον χρόνῳ λυπεῖ τί πράςςει. (Herodot 3, 35, T φάναι ἸΤέρεας 
τε λέτειν ἀληθέα καί με un εὠφρονέειν). Eurip. Alkestis 641 
καί μ᾽ οὐ νομίζω παῖδα cov πεφυκέναι. Andromache 354 
τέθνηκα τῇ ch θυγατρὶ καί μ᾽ ἀπώλεςε. Med. 3598 καί μ᾽ 
ἀπάλλαξον πόνων. Helena (278 πόειν ποθ᾽ ἥξειν καί μ᾽ ἀπαλ- 
λάξειν κακῶν.) DDT καί μ᾽ ἑλὼν θέλει δοῦναι τυράννοις. Vrestes 
τοῦ καί με πρὸς τύιιβον πόρευεα πατρός. δ09 καί μ᾽ ἔφερβε 
cöc δόμος. Aristoph. [Eq. 809] Ran. (338 καί μ᾽ ἀςφαλῶς πανή- 
uepov Traical τε καὶ χορεῦςαι.) [980 καί — με]. 916 καί με 
τοῦτ᾽ ἔτερπεν. Plut. 353 καί u’ οὐκ Apeckeı. -Demosth. 18,59 
καί με μηδεὶς ἀπαρτᾶν vouien τὸν AöYov τῆς γραφῆς. 


Pronomen der II. Person: Theognis 241 καί ce — νέοι 
ἄνδρες — ἄεονται. 465 καί «οι τὰ δίκαια φίλ᾽ ἔετω. 692 


καί ce Tlocadawv xapua φίλοις ἀνάγοι. Herodot ἴ,11, 4 καί 
τοι ταύτην τὴν ἀτιμίην προετίθημι ἐόντι κακῷ καὶ Adluw. 
Eurip. Medea 456 καί ς΄ ἐβουλόμην μένειν. Helena 1280 καί 
ς᾽ οὐ κεναῖει χερεὶ γῆς ἀποετελῶ. 1587 Kal ce προςποιούμεθα 
(Nauck καὶ ce). Orestes δῦ καί c ἀναγκαῖον θανεῖν. 1047 
καί c ἀμείψαεθαι θέλω φιλότητι χειρῶν. Bacch. 1112 ὁρῶ 
καί ce δέξομαι εὐγκωμον. Aristoph. Equites 300 καί ce φαίνω 
τοῖς πρυτάνεειν. Pax 396 καί ce θυείαιειν ἱεραῖει --- ἀγαλοῦ- 
uev. 405 “καί coı ppacw rı πρᾶγμα 418 xaı coı (al. καὶ 
coli) τὰ μεγάλ᾽ ἡμεῖς ἸΤαναθήναι᾽ ἄξομεν. Plato Gorg. 482 1) 
καί cou κατεγέλα. D2TA καί ce ἴεως τυπτήςει τις: Anthol. 
Pal. 6, 157, 3 καί coı ἐπιρρέξει Γόργος χιμάροιο νομαίης αἷμα. 
Vgl. das oben ὥ. 344 angeführte Fragm. Iyr. adesp. 43 A 
καί τυ φίλιππον ἔθηκεν. 

Pronomen der III. Person: Archilochus Fragm. 27, 2 
καί cpeac ὄλλυ᾽ wcrmep ὀλλύεις. 14, ὃ καί cpıv θαλάεςςης 
ἠχέεντα κύματα φίλτερ᾽ ἠπείρου γένηται. Mimnerm. Fragm. 15 
καί μιν em ἀνθρώπους βάξις ἔχει χαλεπή. Theognis 405 καί 
οἱ ἔθηκε δοκεῖν. 422 καί εφιν TOM ἀμέλητα μέλει. 7192 
καί εφιν τοῦτο τένοιτο φίλον. 1347 καί μιν ἔθηκεν δαίμονα. 


Über ein Gesetz der indogermanischen W ortstellung. DON 
Herodot 4, 119, 2 καί cpewv eEcxicdncav αἱ γνῶμαι. Kurip. 
Or. 1200 καί νιν δοκῶ. Bacch. 231 καί cpac cudnpaic 
ἁρμόςας ἐν ἄρκυει παύςω — τῆεδε βακχείας. Kallimach. Epigr. 
14 (12 Wilamow.), 5 καί εφῖν ἀνιηρὸν μὲν ἐρεῖς ἔπος, ἔμπα 
δὲ λέξεις. 

Ein Beispiel für καί με und eines für καί cpeac sei be- 
sonders herausgehoben: Plato Gorg. 506 B καί με ἐὰν ἐξε- 
λέγχῃς, οὐκ ἀπεχθήςομαί «οι. Herodot 6, 34, 12 καί cpeoc 
WC οὐδεὶς ἐκάλεε, ἐκτράπονται ἐπ᾽ Adnvewv. An beiden Stellen 
ist das Pronomen aus dem Nebensatz, in den es gehört, her- 
ausgenommen und an καί angehängt. — Übrigens. findet sich 
καί mit folgendem enklitischem Pronomen auch bei Homer 
schon oft. 

Auch noch andern regelmässig oder oft am Anfang des 
Satzes stehenden Partikeln ist diese Attraktionskraft eigen: 
so Οὐ, un, γάρ, εἰ, ἐάν. Auch ἀλλά ist hier zu nennen: Ar- 
ehiloch. 58, 3 ἀλλά μοί εμικρός τις εἴη. δῦ ἀλλά μ᾽ ὃ Avcı- 
μελής, ὠταῖρε, δάμναται πόθος. Alcacus 55, 2 θέλω τι Feimmv, 
ἀλλά με κωλύει αἴδως. Theognis 941 ἀλλά μ᾽ ἑταῖρος ἐκλεί- 
mei. 1195 ἀλλα μοι εἴη ζῆν ἀπὸ τῦν ὀλίγων. Εππὶρ. Or. 
1323 ἀλλά μοι φόβος τις εἰςελήλυθί(ε).. Aristoph. Ran. 1338 
(euripidisierend) ἀλλά μοι ἀμφίπολοι λύχνον ἅψατε. Häufig 
ist ἀλλά μοι. bei Plato (Apol. 39E, 41 D, Phaedo 63E, 72D. 
Sympos. 207 C, 213 A. Gorgias 453 A, 476 B, 8118 u. s. w.). 
ἀλλά ce Theognis 1287, 1333. Eurip. Med. 759, 1389 u. s. w. 
Ferner finden wir, wie bei Homer und Sappho, das en- 
klitische Pronomen mehrmals sogar an einen Vokativ ange- 
lehnt, wenn ein solcher erstes Wort des Satzes ist oder auf 
das erste Wort des Satzes folgt: Hipponax Fragm. 85, 1 
Moüca μοι Εὐρυμεδοντιάδεα — evvep —. Vgl. Fragm. Iyr. 
adesp. 30 A (Poetae Iyr. ed. Bergk 3, 696) Moica μοι ἀμφὶ 
Σκάμανδρον EUPPOOV Apxou ἀείδειν. Sophokles Antig. 544 
μήτοι καειγνήτη μ᾽ arıuacnc. Eurip. Heraclid. 79 68° ὦ ξένοι 
ME, ςοὺς ἀτιμάζων θεούς, ἕλκει. Helena 010 ὃ Διός, 6 Διός, ὦ 
möcı με παῖς Ἑρμᾶς ἐπέλαςεν Νείλῳ. Bacch. 1120 οἴκτιρε δ᾽ ὦ 
μῆτέρ με. Andromeda Fragm. 118 Ν. €acov ᾿Αχοῖ με εὺν 
φίλαιειν γόου κόρον λαβεῖν. Aristoph. Thesmoph. 1134 μέμνηςο 
TTepced μ᾽ ὡς καταλείπεις. Theokrit. 2, 95 ei’ ἄγε Θεςετυλί μοι 
χαλεπᾶς νόςω εὑρέ τι μᾶχος. 

Verwandt damit ist die Anlehnung an einen vorausge- 


398 Jacob Wackernagel, 


schiekten imperativischen Ausdruck, wie im homerischen ἀλλ᾽ 
ἄγε μοι: Eurip. Bacch. 341 δεῦρό couv «τέψω κάρα. Iphig. 
Δα]. 1436 παῦςαί με un κάκιζε, wo με zu κάκιζε gehört. Plato 
Gorg. 464 " φέρε δή «οι, ἐὰν δύνωμαι, CAPECTEPOV ἀποδείξω. 
49506 ἴθι δή μοι, ἐπειδὴ —, διελοῦ τάδε. Ion δῦ " ἔχε δή 
μοι τόδε εἰπέ. Ebenso die Anlehnung an βούλει, wenn eine 
1. Sing. Konjunktivi folgt: Eurip. Kyklops 149 βούλει ce τεύεω. 
Plato Gorg. 5160 βούλει coı ὁμολογήσω. 591) βούλει coı 
εἴπω. Aeschines 3, 165 βούλει ce θῶ φοβηθῆναι. — Im all- 
semeinen Ähnlich sind Plato Euthydem. 297 C νεωςτί, μοι do- 
Keiv, καταπεπλευκότι und Parmen. 157 B τί οὖν, εἰπεῖν, μοι 
ἀποκρινεῖται. 

Öfters finden wir nun aber ein solches Pronomen der 
zweiten Stelle im Satz zu lieb von den Wörtern getrennt, zu 
denen es syntaktisch gehört. Theognis 559 λῷςτά ce μήτε 
λίην ἀφνεὸν KTeateccı γενέεθαι μήτε cE τ᾽ ἐς πολλὴν xpnuocuvnv 
ἐλάςαι. Wieder anders Eurip. Iphig. Taur. 1004 οὐδέ u εἰ 
θανεῖν χρεών. Aristoph. Lysistr. 753 ἵνα μ᾽ εἰ καταλάβοι 
τόκος ἔτ᾽ ἐν πόλει, τέκοιμι.ι Theokrit 2, 4 ὅς μοι δωδεκαταῖος 
ἀφ᾽ ὦ τάλας οὐδέποθ᾽ ἵκει. Vgl. oben S.357T über καί ue, καί 
cpeac. — Bei Partizipien: Sophokles Antig. 450 οὐ γάρ τί 
μοι Ζεὺς ἦν © κηρύξας τάδε. KEurip. Iphig. Aul. 1459 τίς 
μ᾽ eicıv ἄξων. Plato Gorg. 521 D πονηρός τίς μ᾽ ἔεται ὃ Eic- 
ayrwv. [Demosth.] 59, 1 πολλά με τὰ παρακαλοῦντα ἦν. (Vel. 
auch Kock zu Aristoph. Av. 95). — Herodot 7, 235, 18 τάδε 
τοι mpocdöka Ececdaı. — Sophokles Antig. 546 un μοι θά- 
νης εὺ κοινά. 

Leicht trennt das Pronomen vermöge derartiger Stellung 
eng zusammengehörige Wörter. So finden wir bei Alkman 
26, 1 οὔ μ᾽ ἔτι, παρθενικαὶ μελιγάρυες ἱμερόφωνοι, τυῖα φέρειν 
δύναται und fragm. Iyr. adesp. 5 (Poetae Ilyr. ed. Bergk 3, 
090) οὔ μοι Er εὐκελάδων ὕμνων μέλει durch με, μοι die Par- 
tikel οὐκέτι zerrissen. AÄhnlieh Eurip. Orest. 803 εἴ ce μὴν 
δειναῖειν ὄντα ευμφοραῖς ertapkecw. Plato Apol. 29E ἐάν μοι 
μὴ δοκῇ. Phaedrus 236 E ἔαν μοι μὴ εἴπῃς, obwohl es sonst 
stets εἰ μή, ἐὰν un in enger Verbindung heisst. Plato Gorgias 
448 A οὐδείς μέ TW ἠρώτηκεν καινὸν οὐδέν. Auch Herodot 
1, 155, 17 θωῦμά μοι ὧν Kal τοῦτο γέγονεν gehört hierher, da 
sonst wv unmittelbar hinter dem ersten Satzwort zu stehen pflegt. 

Ein attributiver Genetiv ist vom regierenden Wort getrennt 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 359 


bei Ion, wenn er zu Beginn seiner Τριαγμοί (bei Harpokration 
s. v. Ἴων) sagt: ἀρχὴ δέ μοι τοῦ λόγου (Lobeck ἀρχὴ ἣδέ 
μοι). Ähnlich Eurip. Medea 281 τίνος μ᾽ ἕκατι τῆς ἀποετέλ- 
λεις. Helena 674 ἁ Δίος μ᾽ ἄλοχος ὥλεςεν. 010 ὃ Διός, ὦ 
möcı, με παῖς Ἑρμᾶς ἐπέλαςεν Νείλῳ: Thueyd. 1, 128, 7 
εἰ οὖν TI ce τούτων ἀρέεκει für τι τούτων ce Andoc. 1, 47 
ÖCOUC μοι τῶν cuyyovwv ἀπώλλυεν. Theokrit. 18, 19 Ζηνός 
τοι θυτάτηρ ὑπὸ τὰν μίαν ἵκετο χλαῖναν. [Allerdings auch 
ἐμέ so: Eurip. Heraklid. 687 οὐδεὶς ἔμ᾽ ἐχθρῶν προεβλέπων 
ἀνέξεται. ] 

Ein attributives Adjektiv oder Pronomen oder eine Appo- 
sition ist dureh ein enklitisches Pronomen von dem Satzteil, 
zu dem es oder sie gehört, abgetrennt: Herodot 3, 14, 3 
δεςπότης ce Kaußucnc, Yauunvıre, εἰρωτᾷ. 6, 111, ὃ ἀπὸ ταύ- 
τῆς ἐφι τῆς μάχης — κατεύχεται ὃ κῆρυξ Πλαταιεῦςει (dureh 
ΤΙλαταιϊεῦσι wird das weit abliegende cpı wieder aufgenom- 
men). 7, 16% 2 τά ce καὶ ἀμφότερα περιήκοντα ἀνθρώπων κα- 
κῶν ὁμιλίαι ςφάλλουςειν, WO τά mit ἀμφότερα, ce mit περιή- 
κοντὰ zusammengehört. 9, 45, 16 ὀλίγων γάρ εφι Nuepewv 
λείπεται cıria. [Hippokrates] περὶ τέχνης S. 52, 18 Gomp. 
ωὑτὸς δέ μοι λόγος καὶ ὑπὲρ τῶν ἄλλων. Eurip. Medea 1013 
πολλή μ᾽ ἀνάγκη. Helena 94 Αἴας u’ ἀδελφὸς ὥλες᾽ ἐν Τροίᾳ 
θανών. 995 τοὐκεῖ με μέγεθος τῶν πόνων πείθει. 1281 φή- 
μας δέ μοι ἐεθλὰς ἐνεγκών. 1645 διεςοὶ δέ ce Διόεκοροι κα- 
λοῦειν. Orestes 167 Ἑλένη ς᾽ ἀδελφὴ ταῖεδε δωρεῖται χοαῖς. 
482 φίλου μοι πατρός Ectiv ἔκγονος. 1626 Φοιβός μ᾽ ὃ Λητοῦς 
παῖς ὁδδ᾽ ἐγγὺς ὧν καλῶ. Fragm. 911 χρύςεαι δή μοι πτέρυ- 
yec περὶ νώτῳ. Rhesos 401 τίς γάρ ce κήρυξ ἢ τερουεία Φρυ- 
Ὑῶν --- οὐκ ἐπέεκηψεν πόλει. Aristoph. Ran. 1332 (Euripides 
nachbildend) τίνα μοι δύετανον ὄνειρον πέμπεις. Ekkles. 1113 
αὐτή τέ. μοι δέεποινα μακαριωτάτη. Plato Apol. ὃ Ο πολλὴ 
μέντάν με φιλοψυχία ἔχοι. 40 (ξ μέγα μοι τεκμήριον τούτου 
γέτονεν. Phaedo 99 ( οὗτος οὖν ςοι 6 λότος ἐκείνῳ πῶς ξυν- 
ἄςεται. Gorg. 456 B μέγα δέ coı τεκμήριον ἐρῶ. 481 ἢ ἱκα- 
νόν μοι τεκμήριόν Ecrıv. 488 Β τοῦτό μοι αὐτὸ εαφῶς διόρι- 
cov. 4031) φέρε δή, ἄλλην coı εἰκόνα λέγω. 5130 ὅντινά 
μοι τρόπον δοκεῖς εὖ λέγειν. Phileb. 23 D τετάρτου μοι τγέ- 
νους αὖ προςδεῖν φαίνεται. NXenophon Hellen. 3, 1, 11 ὃ ἀνήρ 
coı ὃ ἐμὸς καὶ τἄλλα φίλος ἦν. Aeschin. 1, 110 δύο δέ μοι 
τῆς κατηγορίας εἴδη λέλειπται. Bion 9, 1 ἁ μεγάλα μοι Κύ- 


900 Jacob Wackernagel, 


πρις ἔθ᾽ ὑπνώοντι παρέετα. Leonidas Tarent. Anthol. Pal. T, 
660 Ξεῖνε, Συρηκόειός τοι ἀνὴρ τόδ᾽ ἐφίεται "Opdwv. Die zahl- 
reichen Stellen, wo auf so eingeschobenes Pronomen zunächst 
das Verbum folgt, wie Eurip. Heraclid. 236 rpıccai μ᾽ ἀναγ- 
κάζουειν cvupopäc 6801. Plato Gorg. 463 B ταύτης μοι δοκεῖ 
πολλὰ — μόρια εἶναι. ‚Kallimach. Epigr. 1, 3 δοῖός με καλεῖ 
γάμος, will ich nicht alle aufführen, obwohl sie m. E. auch 
hierher gehören. In anderer Weise gehört hierher Plato 
Apol. 23 A ὅτι πολλή μοι ἀπέχθεια γέγονεν Kal πρὸς πολλούς 
ug (671: 

Oder das Pronomen schliesst sich an «den Artikel an. 
Selten unmittelbar: Theognis ST5—=862 οἵ με φίλοι προδιδοῦ-. 
εἰν. 813 οἵ με: φίλοι. mpovdwrav. Theokrit 7, 45 av Toı, 
ἔφα, κορύναν δωρύττομαι. Meist folgt dem Artikel zunächst 
eine “postpositive’ Partikel: Herodot 1, 31, 10 οἱ δέ cp: 
βόες οὐ παρεγένοντο. 1, 115, ὃ οἱ γάρ με ἐκ τῆς κώμης παῖ- 
δες --- ecrncavro βαειλέα. 1, 201, 6 τὰ δέ μοι παθήματα τὰ 
ἐόντα ἀχάριτα μαθήματα γέγονε. ὦ, 65, 10 ὁ δέ μοι μάγος 
ταῦτα ἐνετείλατο. Aristoph. Ekkles. 913 n γάρ μοι μήτηρ βέ- 
βηκεν ἄλλῃ. Plato Phaedrus 236 D 0 δέ μοι λότος ὅρκος ἔξεται. 
Sympos. ITTA ἣ μέν μοι ἀρχὴ τοῦ λόγου ἐςτὶ κατὰ τὴν Εὐ- 
ριπίδου Μελανίππην. Theokrit 5, 125 τὰ δέ τοι cia καρπὸν 
ἐνείκαι. 1, 82 ἁ δέ τυ κώρα πάκςας ἀνὰ κράναςε --- φορείται 
φοιτεῦς(α). (Siehe oben S. 344). 

Oder das Pronomen lehnt sich an eine Präposition und 


trennt sie dadurch von ihrem Kasus: Terpander Fragm. 2 
ἀμφί μοι αὖτε ἄναχθ᾽ ἑκαταβόλον aderw ἁ φρήν. Hymn. aut 
Pan 1 ἀμφί μοι Ἑρμείαο φίλον τόνον ἔννεπε Μοῦςα. KRlıesos 
1 κατά με τᾶς ζῶντα möpevcov. Auf die Präposition folgt 
zunächst noch eine Partikel Herodot ὃ, 69, 20 ἐν γάρ ce τῇ 
νυκτὶ ταύτῃ ἀναιρέομαι. - Kallimach. Hymn. 1, 10 ἐν δέ ςε 
Τ]αρραείῃ Ῥείη τέκεν. Epigr. 2, 1 ἐς δέ με δάκρυ ἤγατεν. 
Dazu der bekannte Fall, wo ein von wirklich gesetztem 
ges ce ZWi- 


L 


oder zu supplierendem Verbum des Bittens abhängıi 
schen πρός und den davon regierten  Genetiv getreten ist: 
Eurip. Ale. 1098 un, πρός ce τοῦ cmeipavroc Avroucı Διός. 
Ähnlieh Soph. Phil. 468. Oed. Col. 250. 1333. Eurip. Hiket. 
277. (Dagegen Eurip. Med. 853 μή, πρὸς γονάτων CE πάντως 
πάντη ς᾽ ἱκετεύομεν). Das Verbum des Bittens ist zu ergänzen 
Soph. Trach. 436 μή, πρός ce τοῦ κατ᾽ ἄκρον Οἰταῖον πάγον 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 361 


Διὸς καταςετράπτοντος, ἐκκλέψῃς λόγον. Ebenso Eurip. Medea 
524. Andromache 89. (Vgl. Iph. Taur. 1068.) In allen die- 
sen Fällen nimmt ce die zweite Stelle hinter der nächst voran- 
gehenden Interpunktion ein; Soph. Phil. 465 πρός νύν ce πα- 
tpöc, Oed. Col. 1533 πρός νύν ce κρηνῶν und Eurip. He- 
lena 1237 πρός νύν ce γονάτων tWwvdle), wo das enklitische 
νυν noeh vorgeschoben ist, bilden natürlich keine Ausnahme. 
Aus den ausserattischen Dichtern kommt hinzu Alkman Fr. 52 
πρὸς δέ TE τῶν φίλων. Apollonius, dem wir dieses Fragment 
verdanken, scheint allerdings re hier als orthotonisch zu be- 
trachten, und ausschliesslich tu als enklitische Akkusativform 
für das Dorische anzuerkennen. Aber enklitisches dorisches 
te wird gesichert durch die Worte des Megarers Ar. Ach. 779 
πάλιν τ᾽ ἀποις ναὶ τὸν Ἑρμᾶν oikadıc, wo man, weil man eben 
te nicht anerkennen wollte, sich genötigt glaubte ru mit un- 
schönem Hiatus einzusetzen. Besonders aber ist Kallim. Fr. 
114 = AP. 13, 10 zu vergleichen: ποτί te Ζηνὸς (der Cod. 
Pal. morıreZnvoc) ἱκνεῦμαι Aruevockönw; Bloomfield setzt un- 
nötig das enklitische tu. Immerhin fällt der von ©. Schneider 
gegen ihn erhobene Vorwurf “foede erravit’ auf diesen selbst 
und die von ihm vorgezogene Vulgata-Schreibung ποτὶ τὲ Za- 
vöc mit der sinnlosen Orthotonese und dem falschen Genetiv 
Zavöc zurück. 

Ohne Bezugnahme auf die zwei letztgenannten Stellen 
hat kürzlich Christ Philologische Kleinigkeiten München 1891 
S. 4f. für Pindar Olymp. 1, 48 ὕδατος ὅτι TE πυρὶ Zeoicav 
εἰς ἀκμὰν μαχαίρᾳ τάμον κατὰ μέλη die Meinung geäussert, 
dass das als Partikel wenig ansprechende τε als Akkusativ des 
Pronomens zu nehmen sei, wie denn schon längst Bergk dafür 
hat ce einsetzen wollen. Die Stellung von re empfiehlt diese 
Auffassung. 

Aber auch gegenüber der Verbindung der Präpositionen 
mit dem Verbum macht das alte Stellungsgesetz seinen Ein- 
fluss geltend (Krüger Dialektische Syntax 68, 48, 5). Man 
durchmustere die folgenden Beispiele nachhomerischer Tmesis: 
Aleäus Fr. 95 ἔκ μ᾽ E&Xacac ἀλγέων. Anakreon 50, 1 ἀπό μοι 
θανεῖν yevort(o). Hipponax Fr. 31 ἀπό ς᾽ ὀλέςειεν "Apreuıc, 
ce de κὠπόλλων. Sophokles El. 1067 κατά μοι Boacov. Phi- 
loktet 811 ἀπό μ᾽ ὀλεῖς. Oed. Col. 1689 κατά με φόνιος Al- 
δας ἕλοι. Eurip. Herakles 1055 διά μ᾽ ὀλεῖτε. Hiket. 45 ἀνά 


909 Jacob Wackernagel, 


μοι τέκνα λῦςαι. 829 κατά με πέδον γᾶς ἕλοι. Hippolyt 1357 
διά μ᾽ ἔφθειρας. Bacch. 579 ἀνά μ᾽ ἐκάλεςεν. Aristoph. Acharn. 
295 κατά ce xwcouev. Plut. 65 ἀπό c’ ὀλῶ κακὸν κακῶς. Plato 
Phaedr. 237 ξύμ μοι Aaßeche τοῦ μύθου. Kallimach. Epigr. 
1,5 ei δ᾽ ἄγε, εὐμ μοι Boukeucov. — Mit vorangehender Par- 
tikel u. dgl.: Sophokles Philoktet 1177 ἀπὸ νύν με λείπετ᾽ 
non. Eurip. Or. 1047 ἔκ τοί με τήξεις. Aristoph. Vesp. 457 
ἔν TI coı πατήςεται. 784 ἀνά τοί με πείθεις. Vgl. oben S. 338 
die ähnlichen Stellen mit νιν. Wenn vereinzelt (Aleäus Fr. 68 
schrieb Bekker irrig τύφως ἔκ ς΄ ἕλετο φρένας) das Pronomen 
durch solche Tmesis nicht an die zweite Stelle gekommen 
sein sollte, wird uns das nieht stören. 
ΤΥ. 

3esondere Betrachtung verdienen μοι, τοι, (Cpl), μεο --- 
μευ — μου, CEO — ςεὺ -- κοὐ, cpewv als attribute Genetive. Dass 
μοι, τοι, wie auch οἱ, die Genetivfunktion nicht erst nachträg- 
lich übernahmen, sondern entsprechend ıhren mdischen Korre- 
laten me, te, se von Haus aus besassen und mit dem Lokativ 
nichts zu thun haben (vgl. Delbrück Altind. Syntax S. 205), 
betrachte ieh als sicher; dass die Genetivfunktion sieh im Grie- 
chisehen nieht bloss bei Homer (siehe Brugmann Grundriss II 
819. Verf. Berliner philol. Woch. 1890 Sp. 39) und den lo- 
niern erhalten hat, ergibt sich zumal aus der Bemerkung von 
Wilamowitz zu Eurip. Herakles 626 (οὐ τ᾽ ὦ γύναι μοι, CUX- 
Aoyov ψυχῆς Aaße): “Das Drama drückt in der Anrede das 
possessive Verhältnis bei Verwandtschaftswörtern durch den 
Dativ aus, θύγατέρ μοι, τέκνον μοι |Eurip. Ion 1399. Orestes 
124. Iph. Aul. 615] γύναι μοι. Der Genetiv ist überhaupt 
nicht üblich; sein Eindringen, z. B. in der jüdisch-ehristlichen 
Litteratur, vielmehr ein Zeichen des Plebeiertums”. 

Die natürlichste Stellung für diese Genetive schiene uns 
die hinter ihren Substantiven. Bekamntlich findet sich nun 
zwar diese recht oft, wie z. B. gerade bei den von Wilamo- 
witz besprochenen vokativischen Verbindungen, aber daneben 
als völlig gleichberechtigt die Stellung vor dem Substantiv 
und dessen Attributen mit Einschluss des Artikels. Der Ur- 
sprung dieser seltsamen Stellung wird klar, wenn wir die 
ältesten Beispiele derselben prüfen. Schon Homer hat diese 
Stellung A 2753 καὶ μέν μευ βουλέων ξύνιεν. N 626 οἵ μευ 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 363 
κουριδίην ἄλοχον Kal κτήματα πολλὰ μάψ᾽ οἴχεςθ᾽ ἀνάγον- 
τες. Ε 511 καί μευ κλέος ἦγον ᾿Αχαιοί. τ 230 καί μευ κλέος 
οὐρανὸν ἵκει. (1 405 ἡ μή τίς cev μῆλα βροτῶν ἀέκοντος ἐλαύ- 
νει). μ 919 οἵ μευ βοῦς ἔκτειναν. ο 401 οἵ μευ πατέρ᾽ ἀιμ- 
φεπένοντο. x 231 καί ςευ φίλα τούν αθ᾽ ἱκάνω. ὦ 3281 τῷ 
κέ cpewv γτούνατ᾽ ἔλυςεα hier überall so, dass sie durch un- 
ser Stellungsgesetz bewirkt ist. Die spätern haben sich dann 
gestattet diese Genetive weiter vom Satzanfang zu entfernen, 
aber die aus dem alten Stellungsgesetz folgende Voranstellung 
dann doch noch vielfach beibehalten. Nachwirkungen des 
ursprünglichen Zusammenhangs zwischen der Voranstellung 
und dem alten Stellungsgesetz zeigen sich aber mancherlei. 

Erstens nehmen die vorangestellten Genetive eben doch 
häufig die zweite Stelle im Satz ein. Für μοι, Toı verweise 
ich auf Herodot 4, 29, 3 μαρτυρέει δέ μοι τῆ γνώμῃ καὶ 
“Ounpov ἔπος: 7, 27, ὃ ὅς τοι τὸν πατέρα dwprcato. So- 
phokles Trachin. 1233 ἥ μοι μητρὶ μὲν θανεῖν μόνη μεταί- 
τιος. Für die eigentlichen Genetivformen auf folgende, die 
Zahl der Belege natürlich bei weitem nicht erschöpfende Bei- 
spiele: Hipponax Fragm. 76 λαιμᾷ δέ εευ τὸ χεῖλος. 8 
λάβετέ μευ θαϊμάτια. Herodot 4, 80, 11 ἔχεις δέ μευ τὸν 
ἀδελφεόν. T, ὃ], 3 ε δέ μευ ευμβουλίην ἔνδεξαι. Eurip. 
Medea 1233 ὥς εου εὐμφορὰς οἰκτίρομεν. Helena 277 ἥ 
μου τὰς τύχας ὥχει μόνη. Hiket. 1162 ἔθιγτέ μου φρενῶν. 
Orestes 297 εὖ μου τὸ δεινὸν καὶ διαφθαρὲν φρενῶν 
ἴεχναινε. Aristoph. Eq. 289 κυνοκοπήεω εου τὸ νῶτον. 709 
ἀπονυχιῶ COU τὰν πρυτανείῳ cıtia. Pax 1212 ἀπώλεςεάς μου 
τὴν τέχνην καὶ τὸν βίον. Aves 139 καλῶς γέ μου τὸν 
υἱόν ὦ Στιλβωνίδη οὐκ Erucac. Lysistr. 409 ὀρχουμένης μου 
τῆς τυναικὸς ἑςπέρας ἢ βάλανος ἐκπέπτωκεν. Ranae 1006 
καί μου τὰ cnAAyxv ἀγανακτεῖ. Plato Apol. 18 ἢ διττούς 
μου τοὺς κατηγόρους γεγονέναι. 20 Α εἰ μέν εου τὼ υἱέε 
πώλω ἢ μόεχω ἐγενέεθην. Phaedo 89 B καταψήςας οὖν μου 
τὴν κεφαλήν. Alcaeus com. Fragm. 29 Kock ἐβίαςέ μου τὴν 
γυναῖκα. Aeschines 3, 16 ἀφομοιοῖ γάρ μου τὴν φύειν τοῖς 
πεῖ ἤεῖν Theokrit 2, 55 τί μεῦ μέλαν ἐκ χροὺς αἷμα — πέ. 
πωκας. 2, 69 1.8. w. φράζεό μευ τὸν ἔρωθ᾽ ὅθεν ἵκετο. ὃ, 4 
τόν μευ τὰν cUpıyya πρόαν κλέψαντα Κομάταν. 5, 19. οὔ 
τευ τὰν εὐριζγα λαθὼν ἔκλεψε Κομάτας. 6, 36 καλὰ δέ μευ 
6 nie xwpa. 15, 31 Ti εὺ τὸ xırwvıov ἄρδει: 15, 69 


364 Jacob Wackernagel, 


δίχα μευ τὸ θερίετριον ἤδη ἔεχιεται. 22, 10 οἱ δέ cpewv 
κατὰ πρύμναν ἀείραντες μέτα κῦμα. 

Noch entschiedener ist der Einfluss unseres Stellungsge- 
setzes in den ohnehin auffälligen Beispielen anzuerkennen, wo der 
vorausgehende pronominale Genetiv vom regierenden Substanti- 
vum durch andre Worte getrennt ist. Dies zeigt sich an dem roı 
Theokrits 7, ST ὥς τοι ἐγὼν ἐνόμευον Av ὥρεα τὰς καλὰς αἷ- 
Tac φωνᾶς eicaiwv, wo Meinekes Bemerkungen zu vergleichen 
sind. Ferner steht bei Homer an den in diese Klasse gehöri- 
gen Stellen der Genetiv regelmässig an zweiter Stelle: E 811 
ἀλλά CEU ἢ κάματος TTOAUAIE γυῖα δέδυκεν ἤ νύ CE που δέος 
ἴεχει, wo die Stellung des Pronomens besonders bemerkenswert 
ist. 1355 μόγις de neu EKkpuyev öpunv. Z95 = P175 νῦν 
δέ «εὖ ὠνοςάμην πάγχυ φρένας. T 185 χαίρω ceu Λαερτιάδη 
τὸν μῦθον ἀκούεας. ΚΤ] θεὰ δέ μευ ἔκλυεν αὐδῆς. K 485 
ol uev φθινύθουει φίλον κῆρ. (Nur m 92 ἡ μάλα μευ κατα- 
δάπτετ᾽ ἀκούοντος φίλον. ἤτορ, wo μεὺ erst an dritter Stelle 
steht, bildet eine, übrigens nicht sehr schwer wiegende Aus- 
nahme.) — Und wenn nicht regelmässig, so doch überaus 
häufig nimmt auch bei den Spätern ein so von seimem Sub- 
stantiv abgetrennter pronominaler Genetiv die zweite Stelle 
ein: Theognis 969 πρίν cov κατὰ πάντα δαῆναι ἤθεα. Herodot 
4, 119, 2 καί cpewv Ecxicdncav αἱ γνῶμαι. Eurip. Helena 
SIS μή μου κατείπῃς εὖ Kacıyvatw möcıv. Bacch. 341 δεῦρό 
«οὐ στέψω κάρα. 61H οὐδέ cou εὐνῆψε χεῖρα. Fragm. 
687, 1 ἐμπλήεθητί μου πιὼν κελαινὸν αἷμα. 9290 οἴμοι, δρά- 
κων μου Yiyrveraı τὸ ἥμιευ. Aristoph. Eq. 708 ἐξαρπάςομαί 
cou τοῖς ὄνυξι τἄντερα. Pax 1068 εἴθε couv εἶναι ὥφελεν, 
w λαζών, οὑτωςεὶ θερμὸς ὁ πλευμών. Ran. D73 οἷς μου κατέ- 
φαγες τὰ φορτία. Plato Phaedo 11ἴ B ἕως ἄν εου βάρος ἐν 
τοῖς “κέχεςι γένηται. KRepubl. 1, 327 B καὶ: μοῦ Orıcdev 
λαβόμενος ὃ παῖς τοῦ ἱματίου. Parmen. 126 A καί μου λα- 
βόμενος τῆς χειρός. Demosth. 18, 190. καί μου μηδὲ εἷς τὴν 
ὑπερβολὴν θαυμάςῃ. Theokrit 2,32 ὥς ueu περὶ θυ μὸς ἰάφθη. 
Bion 6, 1 εἴ μευ καλὰ πέλει τὰ μελύδρια |Menand. fr. 498]. 

(sanz Gleichartiges haben wir bei dem genetivischen Οἱ 
getroffen (s. oben S. 5531). Und wie nun dieses auch mitten in 
der regierenden Wortgruppe, d. h. hinter deren erstem Wort, 
Stellung nehmen kann, so auch die von uns hier zu bespre- 
chenden Formen. Und zwar a) im Anschluss an eme Partikel 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 365 


Hipponax Fr. 62 οἱ δέ μευ πάντες ὀδόντες ἐντὸς Ev γνάθοις 
κεκινέαται. Anakreon fr. Sl αἱ δέ μευ φρένες ἐκκεκωφέαται. 
Herodot ὃ, 102, 19 αἱ γάρ εφι κάμηλοι ἵππων οὐκ ἕςςονές 
eicıv. 4, 202, ὃ τῶν δέ εφι τυναικῶν τοὺς μαζοὺς ἀποτα- 
μοῦςα. 9,50, T οἵ τέ εφεων ὀπέωνες --- ἀπεκεκληίατο. Aristoph. 
Eq. 787 τοῦτό τέ τοί «οὐ τοὔργον ἀληθῶς γενναῖον καὶ φιλό- 
δημον. Theokrit 4, 1 ταὶ δέ μοι αἴτες βόεκονται κατ᾽ ὄρος. 
(Vgl. auch die bereits oben S. 359. 360 angeführten Stellen mit 
μοι Eurip. Or. 482, Aristoph. Ekkles. 913. 1115). b) unmittel- 
bar hinter Artikel oder Präposition Herodot 7, 38, 12 cv 
δέ, ὦ βαειλεῦ, ἐμὲ ἐς τόδε ἡλικίης ἥκοντα οἰκτίρας, τῶν μοι 
παίδων παράλυεον ἕνα τῆς crparınc. Ganz ebenso kyprisch 
(Deecke Nr. 26) 6 μοι πόεις Ὀναείτιμος “mein Gatte ist Ona- 
sitimos’, was Hoffmann Die griechischen Dialekte I 325 als 
“sehr eigentümlich’ bezeichnet, während Meister Die griechi- 
schen Dialekte II 139. 140, sich sogar genötigt glaubt, ein 
neues Wort öuormocıc “Mitgatte” zu konstruieren '). — Dazu 
aus den attischen Dichtern Eurip. Medea 144 διά μου xe- 
φαλᾶς φλὸξ οὐρανία Pain. Hippolyt 1351 διά μου κεφαλᾶς 
ἄεεους᾽ ὀδύναι. Heraclid. 799 εἷς μου λόγος εοι πάντα εημα- 
vei τάδε. Aristoph. Lysistrate 416 ὦ εκυτοτόμε, τῆς μου τυ- 
ναϊκὸς τοὺς πόδας. Vgl. Theokrit 5, 2. τό μευ νάκος ἐχθὲς 
ἔκλεψεν. Ausser am Satzanfang findet sich uov u. s. w. jeden- 
falls höchst selten so eingeschoben, und für die Stellen, wo 
es geschieht, wie z. B. Aristoph. Ran. 485 deicaca γὰρ εἰς 
τὴν κάτω μου κοιλίαν καθείρπυςεν, dürfen wir voraussetzen, 
dass die am Satzanfang aufgekommene Einschiebung im Satz- 
innern nachgeahmt wurde. 

Die Stellung der barytonetischen, also ursprünglich en- 
klitischen Pluralformen ἥμων, ἥμιν u. s. w. will ich angesichts 
der Schwierigkeit sie an den einzelnen Stellen von den echt- 
orthotonischen zu unterscheiden, hier nicht untersuchen (man 
beachte immerhin IGA. 486 (Milet) [Eplunciava& ἥμεας ἀνέθη- 
κεν [ὃ...], ganz wie sonst μ᾽ ἀνέθηκεν und 482°5 (Elephan- 


1) Auf Wunsch des Herrn Dr. Meister bemerke ich, dass er 
auf Grund von Wilamowitz’ Anmerkung zu Eurip. Herakles V. 626 
(siehe oben S. 362) schon längst zur richtigen Auffassung dieser 
Worte gelangt war und vorgehabt hatte seine frühere Erklärung 
öffentlich zurückzunehmen. 


366 Jacob Wackernagel, 


tine) ἔγραφε δ᾽᾿ᾶμε Ἄρχων “Auoıßixov); wohl aber möchte ich 
daran erinnern, dass nach den Nachweisen Krügers, dessen 
ordnendem Scharfsinn wir ja überhaupt die feineren Gesetze 
für die Stellung dieser Genetive verdanken, αὐτοῦ, αὐτῆς, Au- 
τῶν in anaphorischer Bedeutung den gleichen Stellungsregeln 
wie uov unterliegt. Zwar gilt dies nicht für Homer, bei dem 
sich die anaphorische Bedeutung und die Tonlosigkeit von 
αὐτοῦ erst anzubahnen beginnt, und der es daher auch an 
Stellen, wo wir es mit οὗλες. wiedergeben, weit vom Satzanfang 
stellt, wie z.B. Β 347 ἄνυεις δ᾽ οὐκ Eccetaı αὐτῶν. P 546 δὴ 
γὰρ νόος ἐτράπετ᾽ αὐτοῦ. (n 263 dagegen liegt in der gleichen 
Wendung ein Nachdruck auf αὐτῆς). u 130 γόνος δ᾽ οὐ Yiyverau 
αὐτῶν, was eimen sehr wertvollen indirekten Beweis für un- 
sere Stellungsregel liefert. Wohl aber ist bei den Attikern 
αὐτοῦ, αὐτῆς, αὐτῶν gerade so gern dem regierenden Substan- 
tiv vorangestellt wie μου, und dann gerade wie uov häufig dem 
Satzanfang nahe, z. B. Thyeyd. 1,138, 1 ἐθαύμαςέ τε αὐτοῦ τὴν 
διάνοιαν. 4, 109, 11 καὶ αὐτῶν τὴν χώραν ἐμμείνας τῷ 
ετρατιὺ ἐδήου. Plato Gorg.448E ἐγκωμιάζεις μὲν αὐτοῦ τὴν τέχ- 
νην. Und ebenso findet sich αὐτοῦ wie uov seinem Substantiv so 
vorangestellt, dass es durch ein oder mehrere Wörter davon ge- 
trennt ist, und auch da, wie uov, gern an zweiter Stelle z. B. Eu- 
rip. Heraclid. 12 ἐπεὶ τὰρ αὐτῶν τῆς ἀπηλλάχθη πατήρ. Wer 
endlich die von Stein zu 6, 30, T aufgeführten herodoteischen 
Stellen durchmustert, an denen αὐτοῦ zwischen Artikel und 
Substantiv steht, wird an diesen allen (und ebenso auch 1, 
146; 10. 3,.177,3.2,2149,01937,7129, 3) ταὐτοῦ an ?zweiler 
Stelle finden, wobei ich τ, 156, 11 Meyapeac τε τοὺς ἐν Σι- 
κελίῃ, WC — προςεχώρηςαν, τοὺς μὲν αὐτῶν παχέας --- πολιή- 
τας ἐποίηςε mitrechne. Also ganz wie bei eingeschobnem uoı, 
μου. Die Attiker sind hier freier: Isokr. 18, 52 yvwcecde τὴν 
ἄλλην αὐτοῦ πονηρίαν. Xenoph. Anab. 6, 2, 14 ὅπως — au- 
τοὶ Kal οἱ αὐτῶν ετρατιῶται ἐκπλεύςειαν. Vielleicht kommt 
für das αὐτοῦ bei Isokrates wie für das uov Aristoph. Ran. 
485 (oben S. 365) in Betracht, dass der Genetiv sich nicht 
an «den Artikel, sondern an ein Attribut anlehnt. 


V. 
Bergaigne nimmt an, das in Abschnitt II—IV erörterte 
Stellungsgesetz der enklitischen Personalpronomina sei bei den 


τς 
) 


= 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 9. 


anaphorischen Pronomima entstauden; «diese habe man gern 
dem vorausgehenden Satze möglichst nahe gerückt, um dadurch 
die Verbindung mit diesem besser zu markieren. Von den 
anaphorischen Pronomina sei dann die Stellungsregel auch auf 
die Pronomina der ersten und zweiten Person übergegangen, 
und durch diese ihre Stellung nach dem ersten Wort des Satzes 
und ihre Anlehnung an dasselbe seien die betr. Pronomina 
enklitisch geworden (Memoires de la Societe de Linguistique 
299277...178). 

Diese Annahme hat wenig für sich. Denn gerade was 
bei οἱ, cpıv nach Bergaigne die Stellung nächst dem Satzan- 
fang begünstigte, die Beziehung auf den vorausgehenden Satz, 
fehlt ja bei μοι, τοι. Dagegen wird die von Bergaigne ver- 
worfene Möglichkeit, dass “le langage s’est habitue A les con- 
struire apres le premier mot, parce quils &taient prives d’ac- 
cent”, als Thatsache durch den Umstand erwiesen, dass auch 
ausserhalb des persönlichen Pronomens die Enklitika dieser 
Stellungsregel unterworfen werden. Schon Kühner Griechische 
(Grammatik I? 268 Anm. 8 bemerkt, “bei der freien Wortstel- 
lung der griechischen Sprache darf man sich nicht wundern, 
wenn die Encliticae sich oftmals nieht an das Wort anschlies- 
sen, zu dem sie gehören, sondern an ein anderes, zu dem sie 
nicht gehören”. In welcher Richtung diese Abweichungen 
liegen, lässt Kühner unerörtert. Aber sämtliche Beispiele, die 
er a. a. O. folgen lässt, erledigen sich aus unserm Stellungs- 
gesetz. 

“Unter den deklinabeln Enklitika kommt bloss noch das 
indefinite Pronomen in betracht. Sehr evident tritt bei die- 
sem die Stellungsregel nicht zu Tage. Denn wenn man etwa 
darauf Gewicht legen wollte, dass die altertümlichen Formen 
του, tw auf den attischen Inschriften ausser ΟἿΑ. 4, 61° 15 
— ἔχοντός τοῦ, nur im unmittelbaren Anschluss an ei, ἐάν vor- 
kommen (vgl. die Belege bei Meisterhans Grammatik der atti- 
schen Inschriften ? S. 123 Anm. 1106), so genügt es auf Thucy- 
dides zu verweisen, der diese Formen an ganz beliebigen Stel- 
len des Satzes bietet. Doch ist bei Homer die Neigung τὶς 
an den Anfang zu rücken unverkennbar. Man beachte, ausser 
ὅετις nebst Zubehör, ei τις, un τις, besonders folgende Stellen: 
mit Losreissung zum gehörigen Nomen E 897 εἰ δέ τευ ἐξ 
ἄλλου Ye θεῶν. © 515 ἵνα τις cruyencı καὶ ἄλλος. N 464 


308 Jacob Wackernagel, 


εἴ πέρ TI ce κῆδος ἱκάνει (zugleich vor dem enklitischen ce!). 
Y331 ἤ τευ εῆμα βροτοῖο πάλαι κατατεθνηῶτος. Y 348 (— 
ὡς ὑμεῖς παρ᾽ ἐμεῖο θοὴν ἐπὶ νῆα κίοιτε) ὥς τέ τευ ἢ παρὰ 
πάμπαν Aveiuovoc ἠὲ πενιχροῦ. ἡ 195 μηδέ τι μεςεςηγύς 
τε κακὸν καὶ πῆμα πάθῃειν. Mit Voranstellung von τις vor 
ein sonst zur zweiten Stelle berechtigtes Wort (vgl. N 404) 
ΤΙ 37 καί τινά τοι map Ζηνὸς ἐπέφραδε πότνια μήτηρ. X 218 
ὅτε τίς κε θάνῃει (vgl. Hesiod Ἔργα 280 εἰ γάρ τίς κ᾽ ἐθέλῃ. 
Peppmüller Berliner philolog. Wochenschrift 1890 Sp. 559). 
Hierher gehört das nicht seltene ὥς τίς τε statt ὥςτε τις wie 
2. B. P657 βῆ δ᾽ ἰέναι ὥς τίς TE λέων ἀπὸ μεςςαύλοιο. 
Beispiele der ersten Kategorie lassen sich auch aus der 
Folgezeit beibringen (Kühner Gramm. II 572 Anm. 6): Theog- 
nis 833 oVdE τῖς Nulv αἴτιος AaAdavarwv. DT ei Tı madwv 
ἀπ᾿ ἐμεῦ ἀγαθὸν μέγα un χάριν οἶδας. 1192 ἀλλά τί μοι 
ζῶντι γένοιτ᾽ ἀγαθόν. 1265 οὐδέ τις ἀντ᾽ ἀγαθῶν Ecrı χά- 
pıc παρὰ coi. Aeschyl. Fragm. 241 οὔπω τις ᾿Ακταίων᾽ ἄθη- 
ρος nuepa — ἔπεμψεν. ἐς döuouc. Herodot 2, 23, 3 οὐ γὰρ 
Tıva Eywye olda ποταμὸν Nkeavov Eövro. T, 235, 9 αἰεὶ 
τι προεδοκῶν ἀπ᾿ αὐτῆς τοιοῦτο ἔςεεθαι. Eurip. Medea 285 
μή μοί τι δράςῃς παῖδ᾽ ἀνήκεετον κακόν. Elektra 26 un 
τῷ λαθραίως τέκνα γενναίῳ τέκοι. Helena 41τ| ἔετι γάρ τις 
ἐν δόμοις τύχη. Thucyd. 1,10,1 εἴ τι τῶν τότε πόλιεμα. ArTi- 
stoph. Pax 834 καὶ ric ecrıv ἀστήρ. Ran. 170 καὶ γάρ τῆν, 
ἐκφέρουει τουτονὶ νεκρόν. Plato Phaedo 95 B un τις ἡμῖν 
Backavia περιτρέψῃ τὸν λόγον. ΤΌΤ A un τίς coı ἐναντίος 
λόγος ἀπαντήςῃ. Sympos. 114 ΠΕ καί τι ἔφη αὐτόθι τελοῖον 
παθεῖν. 218Ε καί τίς ἐςτ᾽ Ev ἐμοὶ δύναμις. Gorg. 493 A ἤδη 
του ἔτωγε καὶ ἤκουςκα τῶν εοφῶν. Xenophon Hellen. 4, 1,11 
ὅταν τι τοῖς φίλοις ἀγαθὸν εὑρίεκω. 4, 8,35 εἴ τί που λαμβά- 
νοι ᾿Αθηναίων πλοῖον. Demosth. 18,18 ἀλλά τις ἣν ἄκριτος 
καὶ παρὰ τούτοις καὶ παρὰ τοῖς ἄλλοις ἔρις. 18,69 ἣν ἄν τις 
κατὰ τῶν ἐναντιωθέντων οἷς ἔπραττεν ἐκεῖνος, μέμψις καὶ κα- 
τητορία. Menander Fragm. 572 Kock ὅταν τι πράττῃς Öcıov. 
Fragm. Iyr. adesp. 58 Bgk. (3%, 706) ἀλλά τις ἄμμι δαίμων. 
Dazu Plato Leges 3, 683 B ei γοῦν, ὦ ξένε, τις NUlv ὑπό- 
cxoıro θεός, wo zugleich auch noch die Anlehnung von τὶς 
an den Vokativ Beachtung verdient, vgl. das oben S. 345 über 
ΤΤάτροκλέ μοι bemerkte. Aus Nachahmung derartiger Stellen 
ist dann die Wortfolge von Stellen wie Thucyd. 1, 106, 1 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellune. 369 


καὶ αὐτῶν μέρος — ECETTECEV ἔς του χωρίον ἰδιώτου zu erklä- 
ren, wo mitten im Satze stehendes τὶς von dem später nach- 
folgenden Satzteil durch andere Wörter getrennt ist. 

Und wie das homerische, drängt auch das nachhome- 
rische τὶς andere Wörter von der ihnen zukommenden zweiten 
Stelle weg. Aus der attischen Litteratur gehört bloss etwa die 
Tmesis Aristoph. Vesp. 457 ἔν τί coı παγήςεται und Stellen 
wie Plato Gorg. 520 E ὅντιν᾽ ἄν τις τρόπον ὡς βέλτιετος εἴη 
hierher. Aber die Wortfolge τίς κε hinter dem Einleitungs- 
wort eines Konjunktivsatzes, welche die epische Sprache (ab- 
gesehen vom gemeinüblichen öcrıc ke) nur in Einem homeri- 
schen und Einem hesiodischen Beispiel kennt, ist im Dorischen 
(natürlich mit κα statt ke) geradezu die Regel. (Vgl. Ahrens 
Dial. II 383). So im gortynischen Gesetz: 9, 43 αἴ τις κα. 
αὐ τινα Ka. 9.29. (ebenso ὁ, 23.6, 43. 9. 13} καὶ τί κ΄. 
8, 17 το uev τίς κ΄. 3, 9 ὅτι δέ τίς κα΄ : Abweichend 5, 13 

17 — 22 αἱ δέ κα un τις und 4, 14 ὦ de κα μή τις ἢ ετέγα, 
wo un das Indefinitivum attrahiert hat, sowie ὁπῶ κά τιλ An 
10, 33. — Auf jüngern kretischen Inschriften CIG. 3048 (— 
‚auer ? 123), 33 εἰ δέ τινές κα τῶν ὁρμιωμένων (ebenso 3049, 
9.8038, 13). 3048, 58 εἴ τίς κα ἄγῃ (ebenso 3049, 14. 3058, 


16). — Auf den Tafeln von Heraklea 1, 105 καὶ ai τινί κα 
oAw. 1, 117 xoi ai τινά τε κα ἄλλους. 1, 119 ai δέ τινά 
ka γήρᾳᾷ — ἐκπέτωντι. 1, 127 καὶ εἴ τινές Ka μὴ πεφυτεύ- 


kwvrı. 1, 128 ai de τίς ka ἐπιβῇ. 1, 151 oi δέ τῖς κα τῶν 
kopmıZouevwv ἀποθάνει. 1, 173 αἴ τινά κα yipa — ἐκπέτωντι. 
— Auf der Inschrift v. Orchomenos Dittenberger Syll. 178, 10 καὶ 
εἴ τίς κα μὴ euuevn. — Auf der Inschrift von Mykene Collitz 
3316, ὃ αἱ δέ τί κα πένηται. — Auf den korkyräischen In- 
ἀπε εἶδα Coll. 3206, 25 εἰ δέ τί x’ ἀδύνατον γένοιτο: 3206, 
109 εἰ δέ τί κα -- μὴ ὀρθῶς ἀπολογίξωνται. 3206, 114 εἴ 
τινός κα ἄλλου δοκῆ. Dazu vielleicht Theokrit 2, 159 ai δέ 
τί κά με — λυπῇ. (Siehe unten S. 372). 

Angesichts so konstanten Gebrauchs, dem ich, abgesehen 
von den gortynischen Ausnahmen, wo teils un im Spiele ist, 
teils nicht ei vorhergeht, nur Epieharm S. 217 Lor. (Athen. 6, 
236 A) 2. ὃ καΐ κά τις ἀντίον (ti) An τήνῳ λέγειν und S. 281 
Lor. (Athen. 2, TOF) αἴ κά τις ἐκτρίψας καλῶς παρατιθῇ νιν 
als Gegenbeispiele entgegenstellen kann, scheint es mir klar, 
dass auf der korkyräischen Inschrift 3213 Collitz (= CIG. 


370 Jacob Wackernagel, 


1550), 5 das überlieferte αἵ κα mäcyn nicht mit Boeckh in αἴ 
κά (ti) πάςχη zu verbessern ist, sondern vielmehr in αἵ 
(TI) κα πάεχη. Übrigens ist diese Stellungsgewohnheit nicht 
bloss dorisch: Tafel von Idalion, Z. 29 ὄπι είς κε τὰς Fpntac 
tacde Alben. — Vgl. ferner Sophron bei Athen. 3, 110 D ἄρτον 
γάρ τις τυρῶντα τοῖς παιδίοις Take, mit Trennung von ἄρτον 
τυρῶντα. 

Endlich kann man die Frage aufwerfen, ob nicht die 
von Herodot an den Prosaisten geläufige Zwischenschiebung 
von τὶς zwischen den Artikel nebst eventuellem Attribut und 
das Substantiv des zugehörigen Genetivus partitivus (z. B. τῶν 
τινα Avdwv, ἐς τῶν ἐκείνων TI χωρίων, τῶν ἄλλων τινὰς EAAN- 
νων) in Sätzen aufgekommen sei, wo τις dadurch an zweite 
Stelle kam. 

Die vom Indefinitum abgeleiteten Adverbia befolgen bei 
Homer unser Gesetz ziemlich streng. In NTTP findet sich 
που 14 mal, immer an zweiter Stelle, darunter beachtenswert 
N 295 un πού τις ὑπερφιάλως veuecnen mit Trennung von un 
und τις und N 225 ἀλλά που. — ποθι zweimal, N 630 ἀλλά 
ποθι, N 309 ἐπὶ οὔ ποθι ἔλπομαι, wo noch οὐ vorhergeht. — 
πῶς neunmal, siebenmal an zweiter Stelle, dazu ἀλλ᾽ οὔ πως 


N 729. P354 — ποτε viermal, zweimal an zweiter Stelle, 
daneben N 776 ἄλλοτε δή ποτε μᾶλλον ἐρωῆςαι πολέμοιο μέλλω. 
TT 236 ἠμὲν δή ποτ᾽ ἐμὸν ἔπος ἔκλυες εὐξαμένοιο. --- πῇ nur 
einmal (TT 110), korrekt. — rw fünfmal korrekt, dazu P 190 


θέων δ᾽ ἐκίχανεν ἑταίρους ὦκα μάλ᾽, οὔ πω τῆλε, ποεὶ κραιπ- 
voicı ueracnwv. Ρ τὶ δύο δ᾽ οὔ πω φῶτε πεπύεθην. [Aus- 
nahmen aus den andern Büchern verzeichnet Monro ? S. 356 ff. ] 

Die nachhomerische Zeit verfährt bei diesen Partikeln 
recht frei. Reste des Alten legen ausser in ἤπου, δήπου, vor 
in Stellen wie Theokrit 18, 1 ἔν ποκ᾽ ἄρα Σπάρτᾳ —. Anti- 
pater Anthol. Pal. 6, 219, 1 ἔκ ποτέ τις φρικτοῖο θεᾶς ceco- 
Bnuevoc oictpw. (Nach solehen Mustern «dann Pind. Pyth. 2, 
33 ὅτι τε μεταλοκευθέεειν ἔν ποτε θαλάμοις. Leonidas Anthol. 
Pal. 9, 9 Ἴξαλος εὐπώγων αἰγὸς πόεις ἔν ποθ᾽ ἁλωῇ). Vel. 
auch Plato Phaedo 73D ἄλλη που ἐπιετήμη ἀνθρώπου καὶ 
λύρας. 101 B 6 αὐτὸς γάρ που φόβος. 

Viel ergebnisreicher ist die Betrachtung sonstiger enkli- 
tischer Partikeln. Zwar wenn τε und pa stets an zweiter 
Stelle stehen (B 310 βωμοῦ ὑπαΐξας πρός ῥὰ πλατάνιετον ὄρου- 


Uber ein Gesetz der indogermanischen W ortstellung. 911 
© > 


cev ist das Partizip einem Nebensatz gleichwertig), könnte man 
dies aus ihrer Funktion die Sätze zu verbinden erklären. An- 
dererseits entzieht sich ye jeder durchgreifenden Stellungsregel, 
weil es an das Wort gebannt ist, auf dessen Begriff das Haupt- 
gewicht der Bejahung fällt; höchstens könnte man darauf 
hinweisen, dass bei Thucydides mehrmals ein zu einem Par- 
tizip gehöriges ye nicht an dieses, sondern an ein früheres 
Wort angeschlossen ist (Stahl zu Thucyd. 2, 38, 1): 2, 38, 1 
ἀγῶςει μέν Ye καὶ θυείαις διετηςίοις νομίζοντες. 4, 65, 4 οὕτω 
τῇ γε παρούςεῃ εὐτυχίᾳ χρώμενοι. 4, 86, 2 πίετεις γε διδοὺς 
τὰς μεγίετας. Vgl. Demosth. 18, 226 ὡς γ᾽ ἐμοὶ δοκεῖ statt 
ὡς ἔμοιγε δοκεῖ.- Ähnliches wie für re, gilt für περ. 

Aber Eine konstant enklitische Partikel kann doch ge- 
nannt werden, die, obwohl durchaus nieht der Satzverbindung 
dienend, doch ganz unverkennbar Vorliebe für die zweite Stelle 
hat, nämlich κε (kev, ka). Schon G. Hermann De particula 
ἄν (Opuseula IV) S. 7 deutet dies mit den Worten an: “κεν, 
quae quod enclitica est ab incipienda oratione arcetur, etiam 
ante ea verba, ad quorum sententiam pertinet, poni potest, 
dummodo aliqua vox in eadem constructione verborum prae- 
cesserit”, und bringt als Beispiel H 125 ἡ κε μέγ᾽ οἰμώξειε 
γέρων ἱππηλάτα Πηλεύς. Doch denkt Hermann nicht daran, 
seradewegs der Partikel die zweite Stelle im Satz zu vindi- 
zieren. Und selbst der neueste Gesamtdarsteller des homeri- 
schen Gebrauchs von xe, E. Eberhard in Ebelings Lexikon, 
behandelt dessen Stellung zwar auf fast sieben eng gedruck- 
ten Spalten, aber ohne prinzipiell über Hermann hinauszukom- 
men, so sehr das von ihm selbst zusammengebrachte Material 
ihn hätte auf die richtige Bahn bringen müssen. So wenn 
er im Anschluss an Schnorr hervorhebt, dass κε dem Verb 
nur dann folge, wenn dieses an der Spitze des Satzes stehe, 
und dem Partizip nur w 47T ἰδοῦςά κε θυμὸν ἰάνθης, oder dass 
sich die und die Verbindung von κε mit eimem vorausgehen- 
den Wort nur “in introitu versus” finde. 

Allgemein anerkannt ist vorerst, dass in allen grieehi- 
schen Mundarten, die ke oder eine Nebenform desselben über- 
haupt besitzen, die Partikel dem einleitenden Pronomen oder 
Fügewort konjunktivischer Nebensätze ausnahmslos unmittel- 
bar folgt, es sei denn, dass sich sonstige Enklitika oder Quasi- 
Enklitika, wie τε, δέ, γάρ, μέν, vereinzelt auch τὶς (siehe oben 


Indogermanische Forschungen 1 3 u. 4. 24 


372 Jacob Wackernagel, 


ὃ > 


S. 369), τὺ (siehe oben S. 344) und τοὶ (Theognis 092 6 τοί 
κ᾿ ἐπὶ τὸν νόον ἔλθῃ) dazwischen drängen: ὅς κε, εἰς ὅ κε, εἴ 
κε, αἴ κε, ἐπείκε, ὅτε κε (dor. ὅκκα), ἕως κε, ὄφρα κε, ὥς κε, 
ὅί ππως κε oder ὃς δέ κε, εἰ δέ κε u. dergl. (Doch Epicharm 
S. 225 Lor. [Athen. 6, 236A] Z. 10 aixa τὸ ἐντύχ τοῖς 
περιπόλοις und Theokrit 1, 5 αἴκα δ᾽ αἶτα λάβη τῆνος γέρας 
neben 1, 10 αἱ δέ κ᾽ ἀρέεκῃ τι. 5. νν.). Undenkbar schemt mir 
die von Ahrens für Theokrit 1,159 vorgeschlagene, von Mei- 
neke und Hiller akzeptierte Schreibung αἱ δ᾽ ἔτι κά με — λυπῇ, 
so dass at von κα durch ἔτι getrennt wäre. Der Zusammen- 
hang hindert nicht das grammatisch einzig zulässige αἱ δέ τί 
κά με einzusetzen und diese Stelle den oben S. 369 aufge- 
führten mit τίς zwischen αἱ und κα einzureihen. (Gottfried 
Hermann ei δ᾽ ἔτι καί με — λυπεῖ, was weniger anspricht.) 
Ganz Entsprechendes zeigen nun aber die andern Satz- 
arten. Auch die Hauptsätze und interrogativen Nebensätze 
mit konjunktivischem Verb haben bei Homer κε ausnahmslos 
an zweiter Stelle, so in NTTP an folgenden Stellen: TT 129 
ἐγὼ δέ κε λαὸν Aareıpw. N 742 (emippaccatueda βουλήν) ἤ κεν 
ἐνὶ νήεεει πολυκλήιει πέεωμεν --- N κεν ἔπειτα παρ νηῶν ἐἔλ- 
θωμεν. P50O6 ἤ κ᾽ αὐτὸς ἐνὶ πρώτοιειν ἁλώῃ. Ebenso die 
Futursätze: P 241 ὥς κε τάχα Τρώων κορέει κύνας ἠδ᾽ οἰω- 
γνούς. P5Ä5T εἴ κ᾽ ᾿Αχιλῆος ἀγαυοῦ TICTOV ἑταῖρον τείχει ὕπο 
Τρώων ταχέες κύνες eAkrcoucıv. P 515 τὰ δέ κεν Διὶ πάντα 
μελήςει. (So auch sonst, und zwar auch auf die Gefahr hin 
Zusammengehöriges zu trennen: F 138 τῷ δέ κε vırncavrı φίλη 
κεκλήςῃ ἄκοιτις). Nicht anders ist der Gebrauch beim Optativ 
und beim Präteritum. In NTTP haben wir ke 2S mal an zwei- 
ter oder so gut wie zweiter Stelle optativischer Sätze (mit 
Einsehluss von N 127 ἃς οὔτ᾽ ἄν κεν Ἄρης ὀνόςεαιτο WETEX- 
θών οὔτε K ᾿Αθηναίη und von P 629 ᾧὦ πόποι, ἤδη μέν κε — 
γνοίη) und τ mal an zweiter Stelle präteritaler Sätze. Diesen 
35 Beispielen, worunter ἀλλά κεν N 290 [und dreimal in der 
Odyssee] und καί κεν N 37T. P613 [und sonst noch oft, 5. 
Ebeling II 733] (vgl. kai μοι), ferner N 321 ἀνδρὶ δέ κ᾽ οὐκ 
εἴξειε μέγας Τελαμώνιος Αἴας mit seiner Voranstellung von ΚΕ 
vor die Negation besonders bemerkenswert sind, steht nur Ein 
Gegenbeispiel gegenüber: P 260 τῶν δ᾽ ἄλλων τίς κεν ἧςει 
φρεεὶν οὐνόματ᾽ εἴποι, wo die Entfernung des fragenden τίς 
von der ihm zukommenden Stelle am Satzanfang auch für xe, 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 919 


das dem τίς nieht vorangehen durfte, eine Verschiebung nach 
sich gezogen hat. 

Halten wir bei Homer weitere Umschau, so können wir 
namentlich konstatieren, dass die für die konjunktivischen Ne- 
bensätze anerkannte Regel, dass sich κε an das satzeinleitende 
Wort unmittelbar anschliessen soll, gerade so auch für die 
optativischen und indikativischen gilt, und ὅς κε, οἷος κε, ὅθεν 
κε, ὅτε κε, εἰς ὅ κε, ἕως κε, ὄφρα κε, ὥς κε, εἴ κε, αἴ ke bei 
ihnen gerade so eng zusammenhängen, wie bei den konjunk- 
tivischen. Der Ausnahmen für diese wie für die sonstigen 
xe-Sätze sind verschwindend wenige: Ψ 592 ei καί νύ κεν οἵ- 
κοθεν ἄλλο μεῖζον ἐπαιτήςειας, wo eben εἰ καί eine ähnliche 
Einheit bildet wie εἴπερ; vgl. N58 εἰ καί μιν. Sodann, wie- 
derum wie bei μιν, mehrere Beispiele mit οὐ: = 91 μῦθον 
ὃν οὔ κεν ἀνήρ γε διὰ «τόμα πάμπαν ἄγοιτο. α 236 ἐπεὶ οὔ 
κε θανόντι περ ὧδ᾽ ἀκαχοίμην. ὃ 64 ἐπεὶ οὔ κε κακοὶ τοιούςδε 
τέκοιεν. θΘ 280 τά τ᾽ οὔ κέ τις οὐδὲ ἴδοιτο, und vielleicht noch 
einige andere. Dann A 256 ἄλλοι τε Τρῶες μέγα κεν κεχα- 
ροίατο θυμῷ. Eine viel seltsamere Ausnahme wäre, zumal da 
εἴ κε sonst immer zusammenbleibt, E 273 — © 196 ei τούτω 
κε λάβοιμεν, ἀροίμεθά κεν κλέος ἐεθλόν. Aber schon zahlreiche 
Herausgeber, zuletzt auch Nauck, haben hier das sinngemässe 
ve eingesetzt. Um so auffälliger ist Naucks Schreibung y 319 
ὅθεν οὐκ ἔλποιτό κε θυμῷ ἐλθέμεν gegenüber dem ye aller 
Handschriften. 

Auf den inschriftlichen Denkmälern der Dialekte, welche 
xe, ka anwenden, kommt diese Partikel ausserhalb der bereits 
besprochenen konjunktivischen Nebensätze nur selten vor, was 
durch den Inhalt der meisten derselben bedingt ist. Aeolisch 
haben wir ein paar mal ὥς κε ὁ. optat., kyprisch das sehr be- 
merkenswerte τάς κε ζᾶς τάςδε — ἔξο(ν)ει aifel, also κε an 
zweiter Stelle zwischen Artikel und Substantiv bei futurischem 
Verbum (Tafel von Idalion Z. 30; vgl. Hoffmann Griech. Dia- 
lekte I 70. 73, der gegenüber dem früher gelesenen γε das 
Richtige erkannt hat), argivisch (Collitz 3277, 8) ἅι κα δικάς- 
caıev, korkyräisch (Collitz 3206, 84) ἀφ᾽ οὗ κ᾽ ἀρχί(ὰ) γένοιτο, 
epidaurisch in der grossen Heilungsinschrift (3339 Collitz) auf 
2.60 ai κα ὑγιῆ νιν ποιήςαι, aber Z. 84 τοῦτον γὰρ οὐδέ κα 
ὃ ἐν Ἐπιδαύρωι ᾿Αεκλαπιὸς ὑγιῆ ποιῆςαι δύναιτο, sowie bei 
Isyllos (3342 Collitz) neben (Ζ. 30) οὕτω; τοί κ᾿ ἀμῶν περιφεί- 


374 Jacob Wackernageel 
Θ 3 


dort’ εὐρύοπα Ζεύς im Vers, Ζ. δ f. in Prosa ἢ λώιον οἵ κα εἴη 
ἀγγράφοντι τὸν παιᾶνα. Ἐμάντευςε λώιόν οἵ κα εἶμεν ἀττρά- 
φοντι. 

Ein bischen reicher an Beispielen für κα sind bloss die 
(lodonäischen und die eleischen Inschriften. Und nun beachte 
man, dass sämtliche mit τίνι θεῶν θύοντες und Ähnlichem an- 
fangenden und auf ein optativisches Verb ausgehenden Betra- 
gungen des dodonäischen Orakels, wenn sie κα haben, dieses 
unmittelbar hinter τίνι setzen und mit demselben also τίνι von 
dem nächst zugehörigen Genetiv trennen, ein deutlicher Beweis 
für den Drang von κα nach der zweiten Stelle: Collitz 1562, 


1565, 1566, 1582%, 1582”, z. B. (1565) τίνι ka θεῶν [ἢ] npwwv 
θύοντες καὶ εὐχ[ό](μ)ενοίι) ὁμονοοῖεν ἐπ]ὶ rwya@öov. — Ähnlich 
15728 τί κα θύκςας —. 

Wenn Blass in der Inschrift 3184 Coll. (= 1564 Coll.) 


τίνας θεῶν ἱλαςεκόμενος λώιον Kal ἄμεινον Trpaccoı, die Partikel 
κα, die allerdings hinter τίνας sicher nicht gestanden hat, an 
einem Zeilenende hinter Awıov einschieben will, weil sie uner- 
lässlich sei, so übersieht er, dass die dodonäischen Inschriften 
den Optativ ohne κα mehrmals potenzial verwenden, z. B. 
1562 B τίνι θεῶν Hlouca λώιον καὶ ἄμεινον TIPÜCCOL καὶ τᾶς 
νότου παύςεαιτο.ς 1983, 2. ἡ μὴ ν[αἰ υἹκλαρῆ(ν) Awıoy καὶ ἄμει- 
vou tpaccomı. 1587° τίνα θεῶν ἢ ἡρώων τιμᾶντι λώιον καὶ 


ἄμεινον εἴη. — Ausserhalb jener festen mit τίς beginnenden 
Formel ist allerdings auf diesen Inschriften die Stellung von 
κα eine freie: 1568, 1 ἦ τυγχάνοιμί κα. 1573 — βέλτιόμ μοί 
κ᾿ εἴη. 


Bei den eleischen Inschriften müssen -zunächst 1151, 12. 
1154, 1. 1157, 4. 1158, 2 ausser Rechnung fallen, weil hier 
κα zwar überliefert, aber seine Stellung im Satz nicht erkenn- 
bar ist; ebenso alle Beispiele mit ergänztem κα, ausser 1151,19, 
wo die Stelle des zu ergänzenden κα wenigstens negativ fest- 
gestellt werden kann. Es bleiben so 25 Beispiele: 21 bieten 
ka an zweiter oder so gut wie zweiter Stelle, wobei ich 
1149, 9 ἐν τἠπιάροι κ᾿ ἐνέχοιτο und 1152, 7 ev Tal Zexauvalaı 
x’ ἐνέχοιτο mit einrechne; diesen 21 stehen bloss 7 Gegenbei- 
spiele gegenüber. Das Gewicht dieser Zahlen wird verstärkt 
durch die Beschaffenheit folgender Stellen: 1154, 1 τοὶ ZE κα 
θεοκόλοι. 1154, 3 mevraratiac κα δαρχμάς. 1156,2 a δέ Ka 
Fpatpo. 1156,35 τῶν δέ κα γραφέων. 1158, 1 ὁ δέ κα ξένος, 


Über ein Gesetz der indogermanischen W ortstellung. 375 


an welchen allen κα den Artikel oder ein Attribut von seinem 
Substantiv trennt. Dazu kommt 1157, 7 τῶν Ze mpocrıliwv 
οὐζέ κα ul εἴη, wo κα zwar nicht an zweiter Stelle steht, 
aber die Tmesis doch ein Drängen der Partikel nach dem 
Satzanfang verrät. 

Für die nachhomerischen Dichter darf man trotz der 
Spärlichkeit der Belege Geltung der Regel bis an den Schluss 
des sechsten Jahrhunderts behaupten. Die Fragmente der 
vorpindarischen Meliker, wie die der Elegiker vor Theognis 
bieten xe, ka nur an zweiter Stelle (siehe bes. auch Xeno- 
phanes 2, 10 ταῦτά χ᾽ ἅπαντα Aayoı). Sappho Fragm. 66 6 
δ᾽ Ἄρευς φαῖςεί κεν "Apaıctov ἄγην ist schlecht überliefert, 
und Alcaeus 83 schreibt zwar Bergk: αἵ κ᾿ εἴπῃς, τὰ θέλεις, 
(avröc) ἀκούεαις (ke), τά κ᾿ οὐ θέλοις. Aber weder αὐτός 
noch κε ist überliefert. Man wird jetzt andre Wege der Besse- 
rung versuchen müssen. Dann freilich die theognideische 
Spruchsammlung, Pindar und Epicharm gehn von der alten 
Norm ab: Theognis (neben Stellen wie 900 μέγα κεν πῆμα 
Bporoicıv ἐπῆν) 645, 653, 747, 765; Pindar öfters; Epicharm 
(gegenüber normalem Gebrauch S. 223, Busiris Fragm. 1: 
S. 264, Fragm. 33, 1 und S. 267 Vs. 12) 5. 257, Fragm. 7, 
or Ve. 9.5. 268, Vs. 16.8. 269, Vs. 11.'8.'274, 
Fragm. 53; Vs. 167 Mullach: wobei man die Frage nach der 
Eehtheit der einzelnen Stellen wohl auf sich beruhen lassen 
kann. 

Von den noch übrigen enklitischen Partikeln θην, vu, τοι 
steht Θήν bei Homer immer an zweiter Stelle (natürlich mit 
Einrechnung von ® 568 καὶ γάρ θην und © 448 οὐ μέν θην); 
ebenso Aeschylus Prom. 928 εὖ θην ἃ χρήζεις, ταῦτ᾽ emiyAwccäd 
Διός: ebenso bei Theokrit in den ererbten Verbindungen τύ 
θην 1,97. 7,83 (vgl. Aeschylus a. a. O.) und καὶ γάρ θην 
6, 34 (vgl. ® 568), daneben noch in aivöc θην 14, 43 und 
πείρᾳ θην 15, 62. Zweimal (2,114. 5, 111) hat Theokrit die 
Regel verletzt. Vor ihm schon Epicharm ’Eimic S.226 Lor., 
Vs. 2 καίτοι νῦν Ya θην εὔωνον αἰνεῖ εἶἴτον. 

vu, νυν stehen bei Homer so gut wie immer an zweiter 
Stelle, zu schliessen aus der Bemerkung bei Ebeling s. v.: 
“partieula ut est enelitica, ita ad vocem gravissimam quamgque 
se applieat.”° T 95 καὶ γὰρ δή νύ ποτε Ζεὺς Acato rechne 
ich nicht als Ausnahme. Umgekehrt fällt stark ins Gewicht, 


316 Jacob Wackernagel, 


erstens dass vu andern Enklitika, wie μοι, τοι, οἱ, ce, τις, TI, 
ποτε, που (doch K 105 ὅεα πού νυν ἐέλπεται), περ, κεν regel- 
mässig vorangeht, und nur δέ vor sich hat; dazu νὺ γάρ N 257 
neben γάρ vu O 259. γὰρ δή vu T 95. Zweitens trennt es 
öfters enge Verbindungen oder hilft solehe trennen: Attribut 
und Substantiv © 104 ἠπεδανὸς de νύ τοι θεράπων. T 169 
θαρεαλέον νύ τοι ἦτορ Evi ppeciv. (ὁ 2059 — 521 ειδήρειόν νύ 
τοι ἦτορ. Artikel und Substantiv A 382 οἱ δέ νυ λαοὶ θνῆεκον. 
X 405 ἣ δέ νυ μήτηρ τίλλε κόμην. Präposition und Substan-. 
tiv I 116 ἀντί νυ πολλῶν λαῶν ἐςτὶν ἀνήρ. Gegen die Regel 
verstösst, so viel ich sehe, nur α 217 ὡς δὴ ἔτωτγ᾽ ὄφελον 
μάκαρός νύ TEU ἔμμεναι υἱὸς ἀνέρος. 

Für den nachhomerischen Gebrauch verweise ich auf 
φέρε νυν, ἄγε νυν (Aristoph. Pax 1056), un νυν, ferner auf 
das zumal bei Herodot so oft an zweiter Stelle zu lesende 
μέν νυν, sowie endlich auf Sophokles Philokt. 468 πρός νύν 
CE πατρὸς πρός TE μητρός — ἱκέτης ἱκνοῦμαι. Oed. Col. 1333 
πρός νύν CE κρηνῶν καὶ θεῶν ὁμογνίων αἰτῶ πιθέεθαι. Eurip. 
Helena 191 πρός νύν ce γονάτων τῶνδίε). Ferner auf So- 
phokles Phil. 1177 ἀπό νύν με λείπετ᾽ ἤδη. Eurip. Hiket. 56 
μετά νυν δός. Vgl. auch Lobeck zum Aias Vs. 1352. — Im 
Kyprischen ist die Stellung von vu freier: Tafel von Idal. 6 
ἢ dufavor vu. 16 ἢ δώκοι vu. Ebenso im Böotischen: Collitz 


488, 85 κὴ τὴ οὑπεραμερίη ἄκουρύ vu ἔνθω (= καὶ αἱ ὑπερη- 
μέριαι ἄκυροι ἔετων). --- Ob übrigens in kypr. ὄνυ “hie”, τόνυ 


“hune”, arkad. τάνυ “hane” die Partikel vu enthalten sei, 
scheint mir höchst zweifelhaft. Eher das v von οὗτος: vel. 
ark. twvi, Tavvı. 

Endlich noch ein Wort über τοι, soweit es reine Par- 
tikel geworden ist, für das die Stellung nach unserer Regel 
allgemein anerkannt ist; vgl. καίτοι, μέντοι. Darnach 1) Time- 
sis: Eurip. Herakles 1105 ἔκ τοι πέπληγμαι. Orestes 1047 
ἔκ τοί με τήξεις. Aristoph. Vesp. 784 ἀνά τοί με πείθεις. 
2) Aristoph. Ekkles. 976 διά τοι ce πόνους ἔχω. Ferner mit 
γάρ τοι Theognis 287 Ev γάρ τοι πόλει ὧδε κακοψόγῳ ἁνδάνει 
οὐδέν. Plato Phaedo 600 περὶ γάρ τοι τῶν ποιημάτων. 
108 1) περὶ γάρ τοι γῆς πολλὰ ἀκήκοα. 2) Sophokles Fragm. 
855, 1 ὦ παῖδες, ἥ τοι Κύπρις οὐ Κύπρις μόνον. Eurip. Fragm. 
222 N.? τήν τοι Δίκην λέγουει παῖδ᾽ εἶναι Χρόνου. Aristoph. 
Pax 211 οἵ τοι γεωργοὶ τοὔργον ἐξέλκουςι. Plato Sympos. 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. BY 
219A ἥ τοι τῆς διανοίας ὄψις. Ferner mit γάρ τοι Eurip. 
Helena 93 τὸ γάρ τοι πρᾶγμα ευμφορὰν ἔχει. Plato Apol. 29 A 
τὸ γάρ τοι θάνατον δεδιέναι. 4) Theognis 95 τοιοῦτός τοι 
ἑταῖρος (Bergk ἑταίρῳ) ἀνὴρ φίλος. 605 πολλῷ τοι πλέονας 
λιμοῦ κόρος ὥλεεεν ἤδη ἄνδρας. δ᾽ dıccal TOL πόειος κῆρες 
δειλοῖει βροτοῖειν. 965 πολλοί τοι κίβδηλοι --- κρύπτουκί(!). 
1027 ῥηιδίη τοι πρῆξις ἐν ἀνθρώποις κακότητος. 1030 δειλῶν 
τοι κραδίη γίγνεται ὀξυτέρη. Aeschyl. Agam. 365 Δία τοι 
ξένιον μέγαν αἰδοῦμαι. Eur. Or. 1101. Plato Syinpos. 218 E 
ἀμήχανόν τοι κάλλος U. 8. W. 

Attisch roıyaproı ist auch ein Zeichen für den Drang 
der Partikel nach vorn. Bei Homer kommt τοιγάρτοι noch 
nieht vor. Dafür haben wir noch mehrfach τοιγὰρ ἐγώ Tor — 
καταλέξω (oder ein anderes Futurum), wo eigentlich hinter τοιγάρ 
leicht zu interpungieren ist: “weil es so (τοί — Instrumental 
tw + ı?) ist, —”. Nachhomerisch wurde dann τοι — und 
ebenso οὖν — unmittelbar an τοιγάρ angeschlossen; τοιγάρτοι: 
τοιγάρ — τοι -Ξ Jlatein. utrıumme : utrum — ne (siehe unten). 

v1. 

Dieht neben die Enklitika stellt sich eine Gruppe von 
Wörtern, die Krüger passend postpositive Partikeln nennt, weil 
sie gerade so wenig wie die Enklitika fähig sind an der Spitze 
eines Satzes zu stehen: dv, dp, ἄρα, αὖ, γάρ, δέ, δῆτα, μέν, 
μήν, οὖν, τοίνυν. Woher diese Ähnlichkeit mit den Enklitika 
herrührt, habe ich hier nicht zu untersuchen. Doch scheinen 
verschiedene Momente im Betracht zu kommen: eme dieser 
Partikeln, nämlich αὖ, könnte ursprünglich wirklich enklitisch 
gewesen sein, da sie dem altindischen Enklitikum « etymolo- 
gisch entspricht, was ich gegenüber Kretschmer RZ. XXX1964 
festhalte. Sodann setzt sich τοίνυν aus zwei Enklitika τοι 
vuv zusammen. Das Ursprüngliche war jedenfalls z. B. αὐτός 
τοί νυν. Seit wann man αὐτὸς τοίνυν sprach, lässt sieh nicht 
mehr ermitteln. Bei andern lässt sich denken, dass sie erst 
allmählich postpositiv geworden seien, gerade wie im La- 
temischen enim und nach dessen Vorbild später namque 
(itaque nach igitur). So wird man ἄν kaum von der lateimi- 
schen und gotischen Fragepartikel an trennen können, und die 
ist in beiden Sprachen präpositiv. Man wird wohl sagen 
dürfen, dass im Griechischen die Partikel durch den Einfluss 


318 Jacob Wackernagel, 


von κε, mit dem sie bedeutungsgleich geworden war, von der 
ersten Stelle im Satz weggelenkt und postpositiv geworden sei. 
Vor unsern Augen vollzieht sich eine derartige Wendung bei 
ön, das bei Homer und bei den seiner Sprache folgenden 
Diehtern den Satz einleiten kann, aber schon bei Homer ent- 
schieden postpositiv zu werden beginnt und dies in der Prosa 
ausschliesslich ist. 

Nun liegt aber bei beiden Arten von postpositiven Par- 
tikeln, sowohl bei den von Haus aus enklitischen wie av, als 
bei den unter den Einfluss eines Enklitikums getretenen wie 
av, die Frage nahe, ob sie an der speziellen Stellungs- 
regel der Enklitika, wie sie sich bei unserer Betrachtung her- 
ausgestellt hat, Anteil nehmen. Für diejenigen unter ihnen, 
die der Satzverknüpfung dienen, überhaupt für alle ausser ἄν, 
ist wohl anerkannt, dass sie dies thun, und bekannt, dass sie 
gerade so wie die eigentlichen Enklitika vermöge der Stel- 
lungsregel oft Tmesis und Ähnliches bewirken z.B. Sophokles 
Antig. 601 κατ᾽ αὖ νιν φοινία θεῶν TWV νερτέρων ἀμιᾷ κοπίς. 
Eurip. Herakles 1085 ἀν᾽ αὖ βακχεύςει Καδμείων πόλιν. Häufig 
tritt οὖν zwischen Präposition und Kasus, zwischen Artikel und 
Substantiv. Ganz regelmässig thut dies de, bei dem überhaupt 
die Regel am schärfsten ist, da es vor allen Enklitika und 
Enklitoiden den Vortritt hat und nur äusserst selten an dritter 
Stelle steht. Bei den andern erleidet die Regel gewisse Ein- 
schränkungen: ἄρα folgt etwa einmal erst dem Verb z. B. E 748 
Ἥρη δὲ uacrıyı θοῶς ἐπεμαίετ᾽ ἄρ᾽ ἵππους. Herodot 4, 45, 21 
πρότερον δὲ ἦν ἄρα ἀνώνυμος. Ovv wird gern von der mit 
einem Verb verbundenen Präposition attrahiert und tritt dann 
zwischen sie und das Verbum: so überaus oft bei Herodot 
und Hippokrates; Hipponax (?) Fragm. 61 ἑςπέρης καθεύδοντα 
ἀπ᾿ οὖν ἔδυςε; Epicharm 5. 225 Lor. (Athen. 6, 236 A) V. 
τὺ: τήνῳ κυδάζοιμαί τε Kam ὧν ἠχθόμαν. Melanippides bei 
Ath. 10, 429 C τάχα δὴ τάχα τοὶ μὲν ἀπ᾿ ὧν ὄλοντο. Sehr 
frei ist die Stellung von δή. 

Eine Sonderstellung nimmt ἄν ein. Gottfried Hermann 
lehrt Opuse. 4, 7 “ἄν eum non sit enelitica et tamen initio 
poni nequeat, apertum est poni eam debere post eorum aliquod 
vocabulorum, ad quorum sententiam constituendam pertinet”, 
und stellt ἄν in scharfen Gegensatz zu ke. Schon bei Homer 
trete der Unterschied der Stellung an den beiden Beispielen 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 379 
N κε μέτ᾽ οἰμώξειε, wo ke unmittelbar auf ἢ folge, und n c’ ἂν 
tıcalunv, wo sich ἄν erst an das zweite Wort, ce, anschliesse, 
deutlich hervor. Dieser Unterschied zwischen ἄν und κεν 
muss uns überraschen. Wenn die Annahme richtig ist, dass 
av durch den Einfluss von xe postpositiv geworden ist, so 
können wir für ἄν keine andre Stellung als die von κεν cr- 
warten. 

Ist aber der von Hermann behauptete Gegensatz wirk- 
lich vorhanden? Jedenfalls nieht in einer umfänglichen Kate- 
gorie von Sätzen, den Nebensätzen mit konjunktivischem Ver- 
bum. Denn hier ist unmittelbarer Anschluss an das satzein- 
leitende Wort bei ἄν ebenso unbedingte Regel wie bei κείν). 
Hierbei gilt öcrıc als Worteinheit; ebenso ὁποῖός τις: Plato 
Phaedo 81 E önol' ἄττ᾽ ἂν καὶ μεμελετηκυῖαι τύχωςει. Xeno- 
phon Poroi 1, 1 ὁποῖοί τινες Av οἱ mpocraraı wcı. Ferner 
gehen gewisse Partikeln, die selbst an den Satzanfang drän- 
gen, nämlich γάρ, Ye, δέ, μέν, -περ, τε dem ἄν regelmässig 
voran, vereinzelt: auch δή z. B. Plato Phaedo 114B οἱ δὲ δὴ 
ἂν δόξωει διαφερόντως προκεκρίεθαι, μέντοι zZ. B. Kenophon 
Cyrop. 2, 1,9 οἵ γε μέντ᾽ ἂν αὐτῶν φεύγωει, οὖν z. B. Ari- 
stoph. Ran. 1420 ὁπότερος οὖν ἂν τῇ πόλει παραινέεειν 
μέλλει τι χρηςετόν, (wiewohl Herodot an einigen Stellen dem ἄν 
auch vor μέν und de den Vortritt lässt 1, 138, Ὁ ὃς ἂν δὲ τῶν 
ἀςτῶν λέπρην — ἔχῃ. ὃ, 12,20 ὃς Av μέν νυν τῶν πυλωρῶν 
erwv mapın. 18 5 ὃς ἂν de ἔχων ἥκῃ. 1,89 ὃς ἂν δὲ 
ἔχων ἥκῃ). Aber vor allen andern Wörtern hat ἄν den Vor- 
tritt. Die nieht entschuldbare Ausnahme Antiphon 5,38 καθ᾽ 
ὧν μηνύῃ ἄν τις hat Mätzner längst aus dem Oxoniensis, wel- 
cher καθ᾽ ὧν ἂν μηνύῃ τις schreibt, berichtigt. Um so unbe- 
greiflicher ist noch in der zweiten Ausgabe der Fragm. Trag. 
von Nauck unter Euripides Fragm. 1029 den Versen zu be- 
gegnen ἀρετὴ δ᾽ Öcwrep μᾶλλον ἂν χρῆεθαι θέλῃς, TOcWdE 
μείζων γίγνεται καθ᾽ ἡμέραν. Für das fehlerhafte μᾶλλον ἄν 
vermutet Dümmler ἂν πλέον. Oder ist θέλῃς in θέλοις zu 
ändern? — Sicherer scheint mir die Heilung einer dritten 
Stelle mit falsch gestelltem ἄν: Aristoph. Ran. 259 Omöcov 
ἢ φάρυγξ Av ἡἥμῶν xavdavn. Es ist einfach umzustellen n 
φάρυγξ ὁπόεον ἂν nuwv, wodurch die Responsion mit Vers 
264 οὐδέποτε᾽ κεκράξομαι γάρ nicht schlechter wird. Ganz eng 


BJ 


ist der Anschluss von ἄν an das Fügewort geworden in ion. ἤν, 


380 Jacob Wackernagel, 


att. ἄν, woraus durch nochmaligen Vortritt von εἰ das gewöhn- 
liche ἐάν entstanden ist, in ὅταν, ἐπειδάν, ἐπάν = Ion. ἐπήν, 
wo dann die Möglichkeit auch nur eine Partikel dem ἄν vor- 
zuschieben wegfällt. 

Aber auch in den andern Satzarten ist ursprünglich 
zwischen den Stellungsgewohnheiten von av und denen von 
κείν) kein wesentlicher Unterschied zu bemerken. In Haupt- 
sätzen wie in indikativischen und optativischen Nebensätzen 
finden wir bei Homer auf ἄν die Stellungsregel der Enklitika 
angewandt. Nur in wenigen Fällen entfernt sich ἄν etwas 
weiter von der Regel. Erstens hinter οὐ: A 301 τῶν οὐκ ἄν 
τι φέροις. B 488 πληθὺν δ᾽ οὐκ ἂν ἐγὼ μυθήςεομαι οὐδ᾽ ὀνο- 
unvw. Γ 66 ἑκὼν δ᾽ οὐκ ἄν τις ἕλοιτο. Ο 40 τὸ μὲν οὐκ 
ἂν ErW ποτε μὰψ Ouocamı Ρ' 489 ἐπεὶ οὐκ ἂν ἐφορμηθέντε 
γε νῶϊ τλαῖεν ἐναντίβιον «τάντες uoxecachaı Ἄρηι. Nun haben 
wir schon früher wiederholt beobachtet, dass die Negationen 
gern die Enklitika hinter sich nehmen. Und wenn bei xe 
diese Erscheinung weniger zu Tage tritt als bei ἄν, so darf 
an Ficks Bemerkung erinnert werden, dass das überhaupt im 
überlieferten Text auffallend häufige οὐκ ἄν mehrfach an die 
Stelle von οὔ κεν getreten scheine. (Doch siehe hiergegen 
Monro A Grammar of the Homerie Dialeet 2. Ausg. S. 350). 
Dazu kommen noch drei weitere Stellen, eine mit καὶ ἄν: 
E 362 = 457 ὃς νῦν γε καὶ ἂν Διὶ πατρὶ μάχοιτο, während 
= 244 f. ἄλλον μέν κεν ἔγωγε θεῶν αἰειγενετάων ῥεῖα κατευνή- 
camı καὶ ἂν ποταμοῖο ῥέεθρα ᾽Ωκεανοῦ das καὶ ἄν als neuer 
Satzanfang betrachtet werden kann. Eine mit τάχ᾽ av: A205 
ἧς ὑπεροπλίῃει τάχ᾽ ἄν ποτε θυμὸν Ökecen. (Vgl. τάχ᾽ ἄν am 
Satzanfang αὶ 76 τάχ᾽ ἄν ποτε καὶ τίεις εἴη.) Endlich eine 
mit TOT’ ὃν (vgl. τότ᾽. dv, am Satzanfang. > 397, 2213, 1211): 
Χ 108 ἐμοὶ δὲ τότ᾽ ἂν πολὺ κέρδιον εἴη. Diese paar Stellen 
genügen doch gewiss nicht, um Hermanns scharfe Trennung 
von ἄν und κείν) zu rechtfertigen. Sein eigenes Beispiel ἡ ς᾽ 
ἂν Tıcatunv gegenüber ἢ κε uer οἰμώξειε besagt nichts, da 
c/e) enklitisch ist. Und aus ei περ ἄν gegenüber H 387 at κέ 
περ ὕμμι φίλον Kal ἡδὺ γένοιτο lassen sich natürlich eben- 
falls keine Folgerungen ziehen. Vergleiche überdies die frei- 
lich bestrittenen Verbindungen ὄφρ᾽ ἂν μέν κεν, OUT ἄν κεν. 

Die nachhomerische Litteratur hat ἄν streng nach der 
alten Regel in den konjunktivischen Nebensätzen. Schwan- 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 981 


kender ist der Gebrauch bei Nebensätzen mit anderm Modus. 
Doch haftet auch hier ἄν m gewissen Fällen fest am Einlei- 
tungswort. Besonders in betracht kommen die Verbindungen 
ὡς ἄν, ὅπως ἄν, ὥςπερ ἄν. 

Am klarsten ist der Sachverhalt bei den mit wc und 
ὅπως beginnenden, den Optativ oder Indikativ mit ἄν enthalten- 
den Final- und Konsekutivsätzen, dank den Sammlungen, die 
für die erstern Weber angelegt und publiziert hat (Weber Die 
Entwicklungsgeschichte der Absichtsätze [Beiträge zur histo- 
rischen Syntax der griechischen Sprache herausgegeben von 
M. Scehanz II] 1 und 2). In solchen Sätzen haben wir ὡς ἄν 
in unmittelbarer Folge nicht bloss bei Homer (z. B. p 562 
WC ἂν πύρνα κατὰ μνηςετῆρας ayeipoı) sondern auch Archiloch. 
Fragm. 30 wc ἂν καὶ γέρων npäccato und Fragm. 101 ὡς 
ἄν ce θωϊὴ λάβοι. Pindar Olymp. 7, 42 ὡς ἂν θεᾷ πρῶτοι 
κτίςαιεν βωμόν. Sophokles bei Aristoph. Aves 1358 ὡς ἂν 
motaßeinv. Herodot 1, 152, 4 ὡς ἂν πυνθανόμενοι πλεῖετοι 
cuveAdorev Σπαρτιητέων. Ebenso 5, 37, 9. 1, 176, 20. 8, 7,2. 
9, 22,18. 9, 51,14. [Andocides] 4, 23 ὧς Av ᾿μάλιετα τὸν 
υἱὸν ἐχθρὸν ἑαυτῷ καὶ τῇ πόλει ποιήςειε. Plato Phaedo 82 E 
ὡς ἂν μάλιετα αὐτὸς ὃ δεδεμένος ξυλλήπτωρ εἴη τοῦ δεδέεθαι. 
Sympos. 181 D τοῖς μὲν κοςμίοις τῶν ἀνθρώπων, καὶ ὡς ἂν 
κοςμιώτεροι γίγνοιντο οἱ μή πω ὄντες, δεῖ χαρίζεεθαι. 1900 
δοκῶ μοι --- ἔχειν μηχανήν, WC ἂν εἶεν ἄνθρωποι καὶ TTAUCALVTO 
τῆς ἀκολαςείας. Demosth. 6, BT ὡς δ᾽ ἂν ἐξεταςθείη μάλιςτ᾽ 
ἀκριβῶς, μὴ γένοιτο, wo das ὡς ἄν doch wohl konsekutiv zu 
nehmen ist. Sehr häufig bei Xenophon, dem einzigen attischen 
Prosaisten, der häufig ὡς mit ἄν und dem Optativ in rein 
finalem Sinne verbindet. Von den siebzehn bei Weber S. 83 ff. 
aufgeführten Belegstellen haben vierzehn ἄν unmittelbar hinter 
ὡς, nur drei davon getrennt, final Cyrop. 5, 1, 18 ὡς μηδενὸς 
ἂν δέοιτο. 7,5,37 ὡς ὅτι ἥκιετα ἂν ἐπιφθόνοις «πάνιος TE 
καὶ ςεμνὸς φανείη, konsekutiv Sympos. 9,3 ὡς πᾶς ἂν ἔγνω, 
ὅτι Acuevn ἤκουςε: die ersten und einzigen Fälle, wo die den 
Zusammenschluss von wc und ἄν verlangende Tradition dureh- 
brochen ist. Allerdings kommen nach der handsehriftlichen 
Überlieferung noch zwei euripideische Verse hinzu: Iphig. 
Taur. 1024 ὡς δὴ «κότος λαβόντες ἐκεωθεῖμεν ἄν und Iphig. 
Aul. 171 ᾿Αχαιῶν crparıav ὡς ἴδοιμ᾽ ἄν. Aber der erstere 
Vers ist seit Markland den Kritikern verdächtig, und im 


982 Jacob Wackernagel, 


zweiten schreibt man jetzt allgemein ὡς ecıdotuav |Pl. Gorg. 
455 C οὕτω προΐῃ, wc μάλιςτ᾽ ἂν — - ποιοίη ist we relativ.] 

Noch fester ist die Verbindung ὅπως ἄν in solchen Sätzen: 
Aeschylus Agam. 362 ὅπως ἄν — μήτε πρὸ καιροῦ μήθ᾽ ὑπὲρ 
ἄετρων βέλος ἠλίθιον εκήψειεν. Herodot 1, 75, 16 ὅκως ἂν 
τὸ CTPATOTEDOV ἱδρυμένον κατὰ νώτου λάβοι. Ebenso 1, 91,7. 
15° 110, 16: ΡΟ 9; ΕΗ το Ὁ, 5: Ὁ Ξ 
Thueydides 7, 65, 1 ὅπως ἂν ἀπολιεθάνοι καὶ μὴ ἔχοι ἀντιλα- 
βὴν ἣ χείρ. Aristoph. Ekkles. 881 ὅπως ἂν περιλάβοιμ᾽ αὐτῶν 
τινα. Plato Lysis 207 E ὅπως ἂν εὐδαιμονοίης. Sehr häufig 
bei Xenophon, zwölfmal (ungerechnet ὅπως “wie” nach Ver- 
ben des Beratens und Überlegens) nach den Nachweisen von 
Weber 2, S. 83 ff., überall so, dass ἄν dem ὅπως unmittelbar 
folgt; eigentümlich Sympos. 7, 2 ckonW, ὅπως ἂν ὃ μὲν παῖς 
ὅδε ὁ CÖC καὶ N παῖς ἧδε ὡς ῥᾷετα διάγοιεν, ἡμεῖς d ἂν μά- 
Aıcra (Av) εὐφραινοίμεθα. Corpus Inser. Att. 9, 500, 90 (295,4 
a. Ch.) ὅπως ἂν ὃ δῆμος ἀπαλλατγείη τ]οῦ πολέμου, wo der 
von Herwerden und Weber 2 S. 3 empfohlene Konjunktiv 
ἀπαλλαγῇ für die Lücke, deren Umfang durch die croıyndöv- 
Schreibung feststeht, zu kurz ist. — Nach allem dem kann 
kein Zweifel sein, dass Hermann und Velsen Aristoph. Ekkles. 
916 mit Unrecht önwc cauric (Av) xatövar(o) schreiben wol- 
len, und dass, wenn hier überhaupt ἄν einzusetzen ist, es seine 
Stelle unmittelbar hinter ὅπως haben muss. 

Den Finalsätzen mit ὡς, ὅπως ganz nahe stehn die mit 
denselben Partikeln oder auch mit πῶς eingeleiteten indirekten 
Fragesätze mit Optativ und ἄν. a) ὡς ἄν ist unmittelbar ver- 
bunden Plato Republ. ὃ, 473 A ἐὰν οἷοί TE γενώμεθα εὑρεῖν, WC 
ἂν ἐττύτατα τῶν εἰρημένων πόλις οἰκήςειεν. Nenophon. Veconom. 
19, 15 διδάςκει, wc ἂν κάλλιετά τις αὐτῇ χριῶτο. Demosth. 
4, 15 τἀλλ᾽ ὡς ἄν μοι βέλτιετα καὶ τάχιετα δοκεῖ παραςκευ- 
αςεθῆναι, καὶ δὴ πειράςομαι λέγειν. [230,. 81] Abweichend ist, so 
viel ich sehe, nur der zweite Teil des demosthenischen Bei- 
spiels 6, 3 ὡς μὲν ἂν εἴποιτε Kal — ευνεῖτε, ἄμεινον Φιλίππου 
παρεςκεύαςεθε, ὡς δὲ κωλύςαιτ᾽ ἂν ἐκεῖνον ---. παντελῶς ἀργῶς 
ἔχετε. [Demosth.] 10, 45 siehe unten. b) ὅπως ἄν ist un- 
mittelbar verbunden [Hippokrates] περὶ τέχνης e.2 γὰρ. 42, 20 
Gomp. οὐκ οἷδ᾽ ὅπως ἄν τις αὐτὰ vouicae un ἐόντα. Auch 
häufig bei Xenophon: Anab. 2,5, T τὸν γὰρ θεῶν πόλεμον οὐκ 
οἶδα —, ὅπως ἂν εἰς ἐχυρὸν χωρίον ἀποεταίη. Ebenso Anab. 


ζ ζ 


Uber ein Gesetz der indogsermanischen Wortstellune. 383 
ἕω [-] 


90220, 4,3,14..5;.7,20.-Bellenika 2, 3, 13: 3,.2, 1.1... 31: 
7,1,33. Cyropädie 1,4,13. 2,1,4. — Gegenbeispiele habe 
ich keine zur Hand. (Vgl. aber Eurip. Hel. 146 f. wc τύχω 
μαντευμάτων, ὅπῃ νεὼς ετείλαιμ᾽ ἂν οὔριον πτερόν.) ὁ) πῶς 
ἄν unmittelbar verbunden z. B. Xenophon Anab. 1, 7, 2 cuve- 
βουλεύετο, πῶς ἂν τὴν μάχην ποιοῖτο. Demosth. 19, 14 ei 
— ἐεκόπει —, πῶς ἂν ἄριετ᾽ ἐναντιωθείη τῇ εἰρήνῃ. Auch 
hier habe ich keine Gegenbeispiele. 

Aber auch das relativische ὡς, ὥςπερ wie’ zeigt die 
Eigentümlichkeit ἄν fest an sich zu fesseln; zwar haben wir, 
um mit wc zu beginnen, bei Sophokles Oed. Col. 1678 ὡς 
μάλιετ᾽ ἂν ἐν πόθῳ λάβοις, bei Plato Phaedo 59 A wc εἰκὸς 
δόξειεν ἂν εἶναι παρόντι πένθει. 118 B ὡς ἡμεῖς φαῖμεν ἄν. 
Sympos. 190 A ὡς ἀπὸ τούτων ἄν τις εἰκάςειεν. Phileb. 15 C 
ὡς γοῦν ἐγὼ φαίην ἄν. Leges 4, 112 Ο ὥς τ᾽ ἡμεῖς ἂν oin- 
θεῖμεν und öfters; beiXenoph. Anab. 1, ὃ, 8 θᾶττον ἢ ὥς τις ἂν 
ᾧετο, bei Pseudo-Demosth. 10,45 ὦ ες μὲν οὖν εἴποι τις ἄν, — 
ταῦτ᾽ ἴεως ἐςτίν᾽ (der Rest des Satzes: ὡς δὲ καὶ γένοιτ᾽ ἄν, 
νόμῳ διορθώςαεθαι dei, enthält fragendes wc). Aber diesen 
3eispielen gegenüber haben wir nicht bloss bei Plato Phae- 
drus 231 A ἑκόντες, ὡς ἂν ἄριετα περὶ τῶν οἰκείων βουλεύ- 
ςαιντο, πρὸς τὴν δύναμιν τὴν αὑτῶν εὖ ποιοῦειν, [Apol. 34 Ὁ]; bei 
Demosth. 27,7 wc ἂν εὐντομώτατ᾽ εἴποι τις. 39, 22 ετέρξας ὡς 
ἂν υἱόν τις «ετέρξαι. 40, 18 οὐδὲ μεμαρτύρηκεν ἁπλῶς, ὡς ἄν 
τις τἀληθῆ μαρτυρήςειε. Proöm. 2,3 (BB bei Blass) τὸ — μὴ 
πάνθ᾽ ὡς ἂν ἡμεῖς βουλοίμεθ᾽ ἔχειν —, οὐδέν ἐςτι θαυμαετόν, 
sondern vor allem kommt in betracht der elliptische Gebrauch 
von wc ἄν, der nur zu begreifen ist, wenn enge Verbindung 
von ὡς dv im Sprachbewusstsein festsass. Eigentlich ist bei 
solehem Gebrauch das Verb des Hauptsatzes in optativischer 
Form wiederholt zu denken, wie es an den angeführten Stellen 
Demosth. 39, 22 und 45, 15 wirklich wiederholt ist. 

Es steht dieses wc ἄν a) vor ei Plato Protag. 344 B wc 
av ei λέτοι; vgl. das wcavei der nachklassischen Gräzität; 
b) vor Partizipien; 0) mit neuem Subjekt: Xenophon Cyrop. 
1,5, 8 καὶ τὸν Κῦρον ἐρέεθαι προπετῶς, WC ἂν παῖς μηδέπω 
ὑποπτήςεων. Memorah. 3, 8, 1 ἀπεκρίνατο, οὐχ ὥςπερ οἱ φυ- 
λαττόμενοι —, ἀλλ᾿ ὡς ἂν πεπειεμένοι μάλιετα πράττειν τὰ 
δέοντα. Demosth. 4,6 ἔχει τὰ μέν, ὡς ἂν ἑλών τις πολέμῳ. 
24, 19 οὐδὲ ταῦθ᾽ ἁπλῶς -- Οφανήεςεεται γεγραφώς, ἀλλ᾽ ὡς 


354 Jacob Wackernagel, 


ἂν μάλιςετά τις ὑμᾶς ἐξαπατῆςαι καὶ παρακρούςαςθαι βουλόμενος. 
[Demosth.]) 34, 22 ευγτραφὰς ἐποιήςαντο —, ὡς ἂν οἱ μάλιετα 
ἀπιετοῦντες. Häufiger ß) ohne ausdrückliche Nennung des 
eigentlich gedachten unbestimmten Subjekts (“wie einer thäte 
in der und der Verfassung”), wobei dann wc ἄν der Bedeu- 
tung von ἅτε sehr nahe kommt und das Partizip sich nach 
dem Kasus desjenigen Wortes im Hauptsatz richtet, dessen Be- 
griff als Träger der partizipialen Bestimmung vorschwebt. So 
schon Solon Fragm. 36, 10 Bgk. (nun bestätigt durch Aristot. 
Ἄθην. πολιτεία S. 31, 10 Kenyon) yAwccav οὐκέτ᾽ ᾿Αττικὴν 
Ἱέτνας, WC ἂν πολλαχοῦ πλανωμένους. Lysias 1, 12 ἣ γυνὴ 
οὐκ ἤθελεν ἀπιέναι, ὧς ἂν Acuevn με ἑορακυῖα. Xenophon 
Memorab. 3, 6, 4 διεειώπηςεν, WC ἂν τότε «εκοπῶν, ὁπόθεν 
ἄρχοιτο. Demoösth. 21, 14 κρότον τοιοῦτον WC ἂν ἐπαινοῦντές 
τε καὶ cuvncdevrec ἐποιήςατε. 19, 256 θρυλοῦντος ἀεί, τὸ μὲν 
πρῶτον WC ἂν εἰς κοινὴν γνώμην ἀποφαινομένου. D4 ἴ δια- 
λεχθείς τι πρὸς αὑτὸν οὕτως ὡς ἂν μεθύων. [Demosth.] 59, 24 
ςυνεδείπνει ἐναντίον πολλῶν Νέαιρα, ὡς ἂν ἑταίρα οὖτα. Ari- 
stot. ᾿Ἄθην. πολιτ. 19, 12 Keny. εημεῖον δ᾽ ἐζπιΣφέρουει τό 
τε ὄνομα τοῦ τέλους, WC ἂν ἀπὸ τοῦ πράγματος κείμενον. Än- 
thol. Palat. 6, 259, 6 ἔπτη δ᾽ ὡς ἂν ἔχων τοὺς πόδας ἡμετέρους. 
e) Sonst: Aeschylus Suppl. 118 ἄγαν καλῶς κλύουςά Y ὡς 
ἂν οὐ φίλη. Thucyd. 1, 33, 1 ὡς ἂν μάλιετα, μετὰ ἀειμνή- 
«του μαρτυρίου τὴν χάριν Katodnceche. 6, DT, ὦ ATEPICKETTWC 
προςπεςόντες καὶ ὡς ἂν μάλιςετα δι᾿ ὀργῆς. Xenophon. Cyrop. 


5, 4, 29 δῶρα πολλὰ --- φέρων καὶ ἄγων, ὡς ἂν ἐξ οἴκου με- 
γάλου. Memorab. 2, 0, 98 εἴ «οι πείςαιμι --- (ἐπιτρέπειν) τὴν 


πόλιν ψευδόμενος, WC ἂν CTPATNYIKW TE καὶ δικαςτικῷ καὶ πο- 
Aırıköd. Demosth. 1, 21 οὐδ᾽ ὡς ἂν καλλιςτ᾽ αὐτῷ τὰ παρόντ᾽ 
ἔχει. 18, 291 οὐχ ὡς ἂν εὔνους καὶ δίκαιος πολίτης ἔςχε τὴν 
γνώμην. 29,104 ἀφυλάκτων ὄντων, WC ἂν πρὸς φίλον TWV 
ἐν τῇ χώρᾳ. Corpus Inser. Att. 2, 243 (vor 301 a. Chr.), 3 
ὑπὲρ τῶν ἱππέων τῶν αἰχμαλώτων WC ἂν ὑπὲρ πολιτῶν. 
Noch schlagender vielleicht ist der Gebrauch von ὥςπερ. 
Zwar sagt Sophokles Fragm. 787 ὥςπερ ςελήνης ὄψις εὐφρό- 
vac δύο ετῆναι δύναιτ᾽ ἄν und Demosthenes 4, 39 τὸν αὐτὸν 
τρόπον, ὥςπερ τῶν «ετρατευμάτων ἀξιώςειέ τις ἂν τὸν CTPATN- 
γὸν ἡτεῖεθαι. Aber dafür lesen wir bei Antiphon 6, 11 ὥςπερ 
ἂν ἥδιετα καὶ ἐπιτηδειότατα ἀμφοτέροις ἐγίγνετο, ἐγὼ μὲν ἐκέ- 
λευον u. Ss. w., bei Plato Phaedo ST Β δοκεῖ ὁμοίως λέγεεθαι 


> 
1. 
br | 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. € 


ταῦτα, ὥςπερ ἄν τις περὶ ἀνθρώπου — AEyoı τοῦτον τὸν λόγον. 
Phaedrus 908 D ἀλλ᾽ ὥςπερ ἂν μουεικὸς ἐντυχὼν ἀνδρὶ --- 
οὐκ ἀγρίως εἴποι ἄν mit beachtenswertem doppeltem ἄν, bei 
Xenophon Hellen. 3, 1, 14 ἐκείνῳ δὲ πιςτευούςης, WCTTEP ἂν 
γυνὴ ταμβρὸν ἀςπάζοιτο. Besonders aber, wenn dem Verglei- 
ehungssatz ein kondizionaler emgefügt ist, herrscht durchaus 
die Wortfolge ὥςπερ ἂν εἰ —: Plato Apologie 17 D ὥςπερ 


’ ) 


οὖν ἄν, εἴ TW ὄντι ξένος ἐτύγχανον ὦν, ξυνεγιγνώεκετε δήπου 
ἄν μοι. Gorgias 4411 ὥςπερ ἄν, εἰ ἐτύγχανεν ὧν ὑποδη- 
μάτων δημιουργός, ἀποκρίναιτο ἂν δήπου co. 451 A ὥςπερ 
ἀν EI TIC ME ἔροιτο - εἴποιμ, ἄν. “455 ΟἽ ὥξπερ Av, εἰ 


ἐτύγχανον —, ἀρ᾽ οὐκ ἂν δικαίως ce ἠρόμην; Protag. 511" 


ὥςπερ ἄν. εἰ ἐπενόεις --- ἀργύριον τελεῖν ---᾿ εἴ τίς CE ἤρετο 
-- τί ἂν ἀπεκρίνω. 18 Β ὥεπερ ἄν, εἰ --- Ἱπποκράτης ὅδε 
ἐπιθυμήςειε — - καὶ --- ÜKOUCEIEV —, El αὐτὸν ἐπανέροιτο —, 


m 


εἴποι Av αὐτῶ. 27T E ὥςπερ Av, εἰ ζητοίης, τίς διδάεκαλος 
τοῦ ἑλληνίζειν, οὐδ᾽ ἂν εἷς φανείη, und öfters. Demosth. 20, 145 
ὥςπερ ἄν, εἴ τις --- τάττοι, οὐκ ἂν αὐτός Y ἀδικεῖν παρες- 
κευάεθαι δόξαι. 

Auch hier tritt der enge Anschluss von ἄν besonders 
daran zu Tage, dass ὥςπερ ἄν überaus oft elliptisch ohne 
(optativisches oder präteritales) Verbum steht, entweder indem 
eine Form des Verbums εἰμί zu ergänzen ist, wie Demosth. 
9, 30 ὥςπερ ἄν, εἰ υἱὸς — διώκει τι μὴ καλῶς ἢ ὀρθῶς, αὐτὸ 
μὲν τοῦτ᾽ ἄξιον μέμψεως, oder das Verbum des übergeordneten 
Satzes: Andoe. 1,57 χρὴ ἀνθρωπίνως περὶ τῶν πραγμάτων 
ἐκλογίζεεθαι, ὥςπερ ἂν αὐτὸν ὄντα ἐν τῇ cuupopd (= ὥςπερ 
ἄν τις αὐτὸς ὧν --- ἐκλογίζοιτο). Isäus 6, 04 τοῦτ᾽ αὐτὸ ἐπι- 
δεικνύτω, ὥςπερ ἂν ὑμῶν Ekactoc. Demosth. 18, 298 οὐδὲ — 
ὁμοίως ὑμῖν, ὥςπερ ἂν τρυτάνη ῥέπων ἐπὶ τὸ λῆμμα ευμβεβού- 
λεῦκα (V. C. ὥςπερ ἂν εἰ, Blass bloss ὥςπερ). 19, 226 ὥςπερ 
ἂν παρεςτηκότος αὐτοῦ. 21, 111 χρώμενος ὥςπερ ἂν ἄλλος 
τις αὐτῷ τὰ πρὸ τούτους 21, 225 δεῖ τοίνυν τούτοις βοηθεῖν, 
ὥςπερ ἂν αὑτῷ τις ἀδικουμένῳ. 20, 80 ὥςπερ ἄν τις CUKO- 
φαντεῖν ἐπιχειρῶν. (S. Blass nach A: die meisten ὥςπερ ἂν 
εἴ τις, mit welcher Lesart die Stelle unten einzufügen wäre.) 
39, 10 πλὴν ei cnueiov ὥςπερ ἂν ἄλλω τινί, TW χαλκίῳ προς- 
έεται. 45, δ ὥςπερ ἂν δοῦλος δεςπότῃ διδούς. 49,27 ὥςπερ 
ἂν ἄλλος τις ἀποτυχών. 

Zumal findet sich dieses bei folgendem εἰ ὁ. optativo 


356 Jacob Wackernagel, 


oder praeterito: Isocrates 4, 69 ὥςπερ ἂν ei (“wie wenn”) 
πρὸς ἅπαντας ἀνθρώπους ἐπολέμηςαν. 18,59 ὥςπερ ἂν εἴ tw 
Φρυνώνδας πανουργίαν ὀνειδίςειεν. Vgl. 10, 10. 15,2. 15, 14. 
15, 298. Ebenso Plato Protag. 341 Ο ὥςπερ ἂν εἰ ἤκουεν. 
Kratyl. 395 E Wctnep ἂν εἴ τις ὀνομάςειε καὶ εἴποι. Vgl. 
Krat. 430 A. Gorg. 479 A. Phaedo 98 C, 109 Ὁ. Sympos. 
199D, 204E. Republik 7,529Du.s.w. Ebenso Xenophon Cyrop. 
1, 3, 2 ἠςπάζετο αὐτόν, ὥςπερ ἂν εἴ τις — ἀςπάζοιτο. Ebenso 
Demosthenes 6, ὃ ὥςπερ ἂν εἰ πολεμοῦντες τύχοιτε. 18, 194 
ὥςπερ ἂν εἴ τις ναύκληρον αἰτιῶτο (vgl. ὃ 245) und andere 
Redner. [Demosth.] 35, 28 ὥςπερ ἂν εἴ τις εἰς Αἴγιναν ἢ 
εἰς Meyapa ὁρμίςαιτο. — Daran knüpft sich wieder ὥςπερ ἂν 
ei (meist geschrieben werepavei) im Sinne von quasi wie’, 
vgl. ὡςεί, werrepei, ohne Verbum finitum gebraucht z.B. Plato 
Gorgias 479 A ὡεςπερανεὶ παῖς. Isokrates 4, 148. Xenophon 
Sympos. 9,4. Demosth. 18, 214. Über ὡςπερανεί, καθαπερα- 
vei bei Aristoteles belehrt der Bonitzsche Index S. 41. 

Auch die Relativsätze geben zu Bemerkungen Anlass. 
Erstens folgt in der Verbindung οὐκ Ecriv ὅςτις (oder auch in 
fragender Form ἔςτιν öcrtic .....;), wo der Hauptsatz erst 
durch den Nebensatz seinen Inhalt erhält und also der Zu- 
sammenschluss beider Sätze ein besonders enger ist, das ἄν 
regelmässig unmittelbar auf das Relativum: Soph. Antig. 912 
οὐκ ἔςετ᾽ ἀδελφός, ὅετις Av βλάετοι ποτέ. Eurip. El. 903 οὐκ 
ἔετιν οὐδεὶς ὅετις ἂν μέμψαιτό ce. |Heracl. 972]. Pl. Phaedo ἴδ. A 
οὐκ ἔςετιν εἰς ὅ τι ἂν ἀναγκαιότερον ἀναλίεκοιτε χρήματα. ὃἃ9 Ὁ) 
οὐκ ἔςτ'ν, ὅτι ἄν τις μεῖζον --- πάθοι. Phaedrus 243 B του- 
τωνὶ οὐκ ἔςτιν, ἅττ᾽ ἂν ἐμοὶ εἶπες ἡδίω. Demosth. 24, 138 
οἶμαι τὰρ τοιοῦτον οὐδὲν εἶναι, ὅτου ἂν ἀπέεςχετο. 24, 157 
ἔςτιν, ὅςτις ἂν --- ἐψήφιςεν; 19, 309 ἔετιν, ὅετις ἂν — ὑπέΞ 
μεινεν; 18, 43 οὐ τὰρ ἦν, ὅ τι ἂν ἐποιεῖτε. 45, 38. ἔεςτιν οὖν, 
ὅετις ἂν τοῦ ξύλου καὶ τοῦ χωρίου -- TOCAUTNV ὑπέμεινε 
φέρειν μίεθωειν; ἔετι δ᾽ ὅετις ἂν — ἐπέτρεψεν; vgl. auch 
|Demosth.]| 13, 22 οὐκ ἔςτ᾽ οὐδείς, ὅετις ἂν εἴποι. Fast gleich- 
wertig mit οὐκ ἔςτιν ὅςτις sind solche Wendungen, wie die bei 
Sophokles Oed. Col. 252 vorliegende οὐ τὰρ ἴδοις ἂν ἀθρῶν 
βροτῶν ὅετις ἂν εἰ θεὸς ἄγοι ἐκφυγεῖν δύναιτο oder die bei 
Plato Phaedo 107 A οὐκ οἶδα εἰς ὅντιν᾽ ἄν τις ἄλλον καιρὸν 
ἀναβάλλοιτο und bei Nenophon Anab. 3, 1, 40 οὐκ οἶδα ὅ τι 
ὧν τις χρήςεαιτο αὐτῷ. Und ebenso eng wie in allen diesen 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 387 


Beispielen ist der Zusammenschluss von Haupt- und Neben- 
satz, wenn ὅςτις durch οὕτω angekündigt ist: Isokrates 9, 55 
οὐδεὶς TAp ἐετιν οὕτω ῥάθυμος ὅετις ἂν δέξαιτο. 

Die Verbindung von ὅςτις und ἄν kann in solchen Sätzen 
allerdings unterbrochen werden, erstens durch more, was ganz 
natürlich ist: Plato Phaedo 79 A τῶν δὲ κατὰ ταῦτα ἐχόντων 
οὐκ ἔετιν ὅτῳ ποτ᾽ ἂν ἄλλῳ ἐπιλάβοιο. Zweitens durch οὐκ: 
Isokr. 8, 52 ὧν οὐκ ἔςτιν, ὅετις οὐκ ἄν τις καταφρονήεειεν. 
Plato Gorgias 456 C οὐ γάρ ἐετιν, περὶ ὅτου οὐκ ἂν πιθα- 
νώτερον εἴποι ὁ ῥητορικός. [91 E.| Symposion 179 A οὐδεὶς οὕτω 
κακός, ὅντινα οὐκ ἂν αὐτὸς ὁ Ἔρως ἔνθεον ποιήςειεν. Χο- 
nophon Cyrop. 7,5, ΟἹ οὐδεὶς τάρ, ὅετις οὐκ ἂν ἀξιώσειεν. 
(Vgl. Lykurg 69 τίς οὕτως --- φθονερός ἐςτιν —, ὃς οὐκ ἂν 
εὔξαιτο —;) Man beachte, dass von den Beispielen mit un- 
mittelbar verbundenem ὅςτις ἄν keines im Relativsatze die 
Negation enthält, sodass also die Zwischenschiebung von οὐκ 
als Regel gelten kann. Sie ist auch gar nicht verwunderlich; 
man vergleiche, was oben 8.335, 356, 345 über die Voranstel- 
lung von οὐκ vor Enklitika und S. 380 über homerisches οὐκ 
av zu bemerken war. Eigentümlich ist Demosth. 18, 206: Hier 
geben S und L, also die beste Textquelle: οὐκ ἔςθ᾽ ὅετις ἂν 
οὐκ ἂν εἰκότως ἐπιτιμήςειέ μοι. Wenn die Überheferung rich- 
tig ist, so beruht die Ausdrucksweise auf einer Kontamimation, 
auf dem Bedürfnis der üblichen Verbindung ὅςτις ἄν und der 
üblichen Verbindung (ὅςτις) οὐκ ἄν gleichmässig gerecht zu 
werden. In unmittelbarer Folge finden sich ἂν οὐκ ἄν auch 
Sophokles Oed. Rex 446. Elektra 439. Oed. Col. 1566. 
Eragm. ine. 673. Eurip. Heraklid. 74. Aristoph. Lysistr. 
361 und ἂν οὐδ᾽ ἄν Sophokles Elektra 97 (noch öfter, und 
selbst bei Aristoteles noch, ἂν — οὐκ ἄν oder οὐδεὶς ἄν durch 
mehrere Wörter getrennt). Da immerhin dem vierten Jahr- 
hundert ἂν οὐκ ἄν fremd und die Wiederholung von ἄν über- 
haupt nur nach längerem Zwischenraum eigen zu sein scheint, 
haben vielleicht die Herausgeber recht, die mit den übrigen 
Handschriften das erste der beiden ἄν streichen und einfach 
ὅςτις οὐκ ἄν schreiben. 

Durch andere Wörter als πότε oder οὐ werden ὅςτις und 
av in solehen Sätzen bei den guten Attikern nicht getrennt. 
Freilich Xenophon hat Anabasis 2, 3, 23 οὔτ᾽ Ecrıv ὅτου ἕνεκα 


βουλοίμεθα ἂν τὴν βαειλέως χώραν κακῶς ποιεῖν. ὃ, TT Ecriv 
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 95 


388 Jacob Wackernagel, 


οὖν ÖCTIC τοῦτο ἂν δύναιτο ὑμᾶς ἐξαπατῆςαι. Ihm folgt auf- 
tälliger Weise Lykurg 39 τίς δ᾽ ἦν οὕτω ἢ μιςόδημος τότε ἢ 
μιςαθήναιος, ὅετις ἐδυνήθη ἄν. Ist auch hierauf die Bemer- 
kung von Blass, attische Beredsamkeit 3, 2, 103 anwendbar: 
“was (bei L.) als unklassisch oder sprachwidrig auffällt, muss 
auf Reehnung der anerkannt schlechten Überlieferung gesetzt 
werden?” Aber bei Demosthenes 18,45 ist in dem Texte 
von Dlass οὐ γὰρ nv 6 τι ἄλλ᾽ ἂν ἐποιεῖτε das ἄλλο blosse 
Konjektur des Herausgebers. [Doch Eurip. Med. 1339 οὐκ 
Ectiv, ἥτις τοῦτ ἂν EAAnvic γυνὴ ErAn. Lies πε Av T08’?] 

Weniger sicher war die Tradition in den Sätzen, wo 
eines der zu ὅςτις gehörigen relativen Adjektiva oder Adverbia 
in solehen Sätzen stand, oder wo zwar öcrıc selbst sich an 
einen negativen Satz anschloss, aber zu dessen Ergänzung 
nicht unbedingt notwendig und daher nicht so eng mit ihm 
verbunden war. Zwar haben wir aus erster Kategorie Eurip. 
Kyklops 469 ἔςτ᾽ οὖν ὅπως ἂν ὡεςπερεὶ «πονδῆς θεοῦ κἀγὼ 
λαβοίμην ---: (nicht negativer Fragesatz!) Aristoph. Aves 627 οὐκ 
ἔετιν ὅπως ἂν ἐγώ ποθ᾽ ἑκὼν τῆς εῆς γνώμης ET ἀφείμην. Ly- 
sias ὃ, T οὐδὲν αὐτὸς ἐξηῦρον, ὁπόθεν ἂν εἰκότως ὑπερείδετε 
τὴν ἐμὴν ὁμιλίαν. Plato Sympos. 178 E οὐκ ἔςτιν, ὅπως ἂν 
ἄμεινον οἰκήςειαν τὴν ἑαυτῶν. 223 A οὐκ ἔεθ᾽ ὅπως ἂν ἐνθάδε 
μείναιμι. Nenophon Hellen. 6, 1,9 οὐκ εἶναι ἔθνος, ὁποίῳ ἂν 
ἀξιώςεειαν ὑπήκοοι εἶναι Θετταλοί. Demosth. 24, 64 ἔετιν οὖν 
ὅπως ἂν ἐναντιώτερά τις δύο θείη. (Obwohl der Revisor des 
Codex S oben an τις ein zweites ἄν eingezeichnet hat, ist 
doch die von Weil und nach ihm von Blass vorgenom- 
mene Streichung des bloss im Augustanus fehlenden ἄν hinter 
ὅπως und Versetzung desselben hinter evavrıwrepa UNZU- 
lässig.) 18, 165 ἔετιν οὖν ὅπως ἂν μᾶλλον ἄνθρωποι πάνθ᾽ 
ὑπὲρ Φιλίππου πράττοντες ἐξελεγχθεῖεν. (Vgl. auch οὐκ οἶδ᾽, 
ὅπως ἄν — oben ὃ. 382.) Zu diesen Beispielen würde nicht 
in Widerspruch stehen Herodot 8, 119, 9 οὐκ ἔχω ὅκως οὐκ 
ἂν Icov πλῆθος τοῖς Tlepencı ἐξέβαλε, und wohl auch nieht 
Xenophon Anab. 5, 7, 1 τοῦτ᾽ οὖν ἐςτιν ὅπως τις ἂν ὑμᾶς 
ἐξαπατήςαι; aber wirklich in Widerspruch stehn Sophokles 
Antigone 1156 οὐκ ἔςθ᾽ ὁποῖον cravr' ἂν ἀνθρώπου βίον 
οὔτ᾽ alvecamı ἂν οὔτε ueuyalunv ποτέ. Aristoph. Nubes 1181 
οὐ γὰρ Ed ὅπως ur ἡμέρα γένοιτ᾽ ἂν ἡμέραι δύο. Vesp. 212 
κοὺκ ἔςθ᾽ ὅπωςε --- ἂν -- --- λάθοι. Pax 306 οὐ γὰρ ἔςθ᾽ ὅπως 


Über ein Gesetz der indoeermanischen Wortstellung. » 389 
[-Ἱ δ 


ἀπειπεῖν Av δοκῶ μοι τήμερον. [Pl. Apol. 40 (.] Demosth. 15, 18 οὐ 
γὰρ ἔςθ᾽ ὅπως εὖνοι γένοιντ᾽ ἄν. 19, 308 Ectıv οὖν, ὅπω ς ταῦτ᾽ 


ἄν, ἐκεῖνα προειρηκώς, --- ἐτόλμηςεν εἰπεῖν (geringere Hand- 
schriften: ὅπως ἂν ταῦτ).  ῴ Ahnlich lesen wir zwar Eurip. 


Alkestis 80 ἀλλ᾽ οὐδὲ φίλων πέλας οὐδείς, ÖCTIC ἂν εἴποι͵ 
Plato Phaedo 57 Β οὔτε τις ξένος ἀφῖκται —, ὅετις ἂν ἡμῖν 
capec τι ἀγγεῖλαι οἷός T ἦν περὶ τούτων, aber andrerseits So- 
phokles Oed. Rex 117 οὐδ᾽ ἄγγελός τις οὐδὲ ευμπράκτωρ ὁδοῦ 
κατεῖδ᾽ ὅτου τις ἐκμαθὼν ἐχρήςεατ᾽ ἄν. 

Eine zweite Gruppe hier in betracht kommender Relativ- 
sätze sind die mit ὅπερ eingeleiteten, bei denen ja das -Tep 
begriftlich scharfe Unterordnung unter den Hauptsatz andeutet, 
also nach dem bei ὅετις Beobaehteten unmittelbaren Anschluss 
von ἄν an das Relativum fordern würde. Nun gilt zwar dieser 
“Anschluss bei vollen öctep-Sätzen nicht immer, sondern bloss 
in der Mehrzahl der Beispiele: Herodot 8, 156, 16 κατήλπιζε 
εὐπετέως τῆς θαλάςεης κρατήςειν, τάπερ ἂν καὶ nv. [Hippo- 
krates] περὶ τέχνης Kap. 5 S. 46, 12 Gomperz τοιαῦτα θερα- 
TTEUCAVTEC EWUTOUC, ὁποῖά περ ἂν ἐθεραπεύθηςαν. Thucydides 
2, 94, 1 ἐνόμιζον — ὅςον οὐκ ἐςπλεῖν αὐτούς ὅπερ ἄν, εἰ 
ἐβουλήθηςαν μὴ κατοκνῆςαι, ῥᾳδίως ἂν ἐγένετο. Isokrates 8, 133 
ἐὰν ευμβούλους ποιώμεθα τοιούτους —, οἵους περ ἂν περὶ 
τῶν ἰδίων ἡμῖν εἶναι βουληθεῖμεν. 15, 23 χρὴ τοιούτους εἶναι 
κριτάς--, οἵων περ ἂν αὐτοὶ τυγχάνειν ἀξιώςειαν. 17, 21 
ἀξιῶν τὴν αὐτὴν Τ]αείωνι --- τίγνεεθαι ζημίαν, ἥεπερ ἂν αὐτὸς 
ἐτύγχανεν. Plato Kriton 52 D πράττεις ἅπερ ἂν δοῦλος φαυ- 
λότατος πράξειεν. Sympos. 211 B Wunv διαλέξεεθαι αὐτόν μοι, 
ἅπερ ἂν ἐραετὴς παιδικοῖς διαλεχθείη. Xenophon Anah. ὃ, 4, 3: 
ἐποίουν ἅπερ ἂν ἄνθρωποι ἐν ἐρημίᾳ ποιήςειαν. Aber mit 
Trennung des ἄν von ὅεπερ Thucyd. 1, 33,3 τὸν δὲ πόλεμον, 
δι ὅνπερ χρήειμοι ἂν εἶμεν, εἴ τις ὑμῶν μὴ οἴεται ἔςεεθαι. 
Demosth. 6, 30 Φίλιππος δ᾽ ἅπερ εὔξαιςθ᾽ ἂν ὑμεῖς, - πράξει. 
19, 328 ὑμεῖς δ᾽, ἅπερ εὔξαιςθ᾽ Av, ἐλπίςεαντες —. 

Deutlich indessen tritt das Bewusstsein von der engen 
Zusammengehörigkeit von ἄν mit ὅεπερ bei Ellipse des Ver- 
bums zu Tage, wobei die Ellipse des konjunktivischen Ver- 
bums z. B. Eurip. Medea 1153 φίλους νομίζους᾽ οὕεπερ ἂν 
möcıc cedev. Isokrates 3, 60 φιλεῖν οἴεεθε δεῖν καὶ τιμᾶν, 
Οὕςπερ ἂν καὶ ὃ Bacıkeüc. Demosth. 18, 280 τὸ τοὺς αὐτοὺς 
μιςεῖν καὶ φιλεῖν, οὕεπερ ἂν ἣ πατρίς. CIA. 2,589, 26 (um 


590 Jacob Wackernagel, 


300 a. Ch.) τελεῖν δὲ αὐτὸν τὰ αὐτὰ τέλη Ev τῷ δήμω ἅπερ 
ἂγ καὶ Πειραιεῖς verglichen werden kann. Als Beispiele mö- 
gen (dienen Isokrates 4, 86 τοςαύτην ποιηςάμενοι CTTOVdNY, 
ὅεην περ ἂν τῆς αὑτῶν χώρας πορθουμένης. ὃ, 90 νικῆςαι 
- TOCOUTOV, ÖCOV περ ἂν εἰ ταῖς γτυναιξὶν αὐτῶν ευνέβαλον. 
10, 49 τοςοῦτον ἐφρόνηςαν, ὅεον περ ἄν, εἰ πάντων ἡμῶν 
ἐκράτηςαν. 14, 37 ἅπερ ἂν εἷς τοὺς πολεμιωτάτους, ἐξαμαρ- 
τεῖν ἐτόλμηςαν. 1D, 28 εἰς τὸν αὐτὸν καθέετηκα κίνδυνον, εἰς 
ὅνπερ ἄν, εἰ πάντας ἐτύγχανον ἠδικηκώς. Plato Republ. 2, 
368 0 δοκεῖ μοι - τοιαύτην ποιήεαεθαι Ζζήτηςειν αὐτοῦ, οἵαν 
περ ἄν, εἰ προςεέταξέ τις. Xenophon Anab. 5, 4, 34 μόνοι 
τε ὄντες ὅμοια ἔπραττον, ἅπερ ἂν μετ᾽ ἄλλων ὄντες. Demösth. 
55, 12 ἀπεκρινάμην αὐτῶ, ἅπερ ἂν νέος ἄνθρωπος. 

Unter den mit blossem ὅς. eingeleiteten Relativsätzen 
sind die mit assimiliertem Pronomen am meisten als «dem 
Hauptsatz eng verbunden gekennzeichnet. Dem entspricht, 
dass die meisten mir zur Hand liegenden Beispiele ἄν hinter 
ὅς haben: Plato Sympos. 218 A erw δεδηγμένος TO ἀλγεινό- 
τατον ὧν Av τις δηχθείη. Isäus ὃ, 21 ἐμμενεῖν οἷς ἂν οὗτοι 
γνοῖεν. ὃ, 33 ἐμμενεῖν οἷς ἂν αὐτοὶ γνοῖεν. Demosth. 15,16 
πρὸς ἅπαειν τοῖς ἄλλοις, οἷς ἂν εἰπεῖν τις ὑπὲρ Κτηειφῶντος 
ἔχοι. Doch ıst die Zahl der Beispiele zu klem, um darauf 
eine Regel zu gründen, und Dem. 20, 136 μηδὲν ὧν ἰδίᾳ 
φυλάξαιςθ᾽ ἄν widerspricht. 

Ganz bunt und regellos scheint der Gebrauch bei den 
übrigen Relativsätzen. Doch glaube ich sagen zu können, 
dass die gewöhnlichen Relativsätze ἄν wohl bemahe eben so 
oft unmittelbar hinter dem Pronomen, als an einer spätern 
Stelle des Satzes haben. Eine natürliche Folge dieses Schwan- 
kens ist die nieht seltene Doppelsetzung von ἄν in Relativ- 
sätzen, z. B. Thucyd. 2, 48, 5 ἀφ᾽ ὧν ἄν τις «κοπῶν, εἴ ποτε 
καὶ αὖθις ἐπιπέςοι, μάλιςετ᾽ ἂν ἔχοι τι προειδὼς μὴ ἀγνοεῖν. 
Demosth. 14, 27 ὅεα yap ἂν νῦν mopicaı ἄν. |Demosth.] 
59, T0 οὗς ἄν τις δεόμενος --- εἴποι Av. Vgl. das unten zu 
bespreehende doppelte ἄν im Hauptsatz. Daher ist auch an 
einer Stelle, wie Demosth. Proöm. 1, ἢ ἃ dei καὶ dr ὧν παυ- 
ςαίμεθ᾽ αἰεχύνην ὀφλιεκάνοντες, wo sicher ein ἄν ausgefallen 
ist, von unserm Standpunkt der Betrachtung aus schlechter- 
dings nieht auszumachen, ob δι ὧν (Av) maucaiued oder 
δι ὧν mavcaiued’ (Av) (so die Herausgeber seit Bekker) zu 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 991 


schreiben sei. Wo dagegen das Relativpronomen in der Weise 
des Latein an Stelle von οὗτος bloss dazu dient eine zweite 
Hauptaussage an eine erste anzuknüpfen, wo wir also kemen 
Relativsatz, sondern einen Hauptsatz haben, steht dv nie 
hinter dem Pronomen:; vgl. Andoeides 1, 67 ev οἷς ἐγὼ 
— δικαίως ἂν ὑπὸ πάντων ἐλεηθείην. Lysias 2, 34 ὃ τίς 
ἰδὼν οὐκ ἂν ἐφοβήθη; Demosth. 18, 49 ἐξ ὧν «εαφέετατ᾽ ἄν 
Tıc 1801. 

Dem entspricht, dass in allen übrigen Nebensätzen, die 
etwa dv ὁ. optat. oder praeterito enthalten, das ἄν zumeist 
an einer spätern Stelle «des Satzes steht, da ja in allen sol- 
chen Fällen der Nebensatz nicht als Nebensatz, sondern als 
Vertreter eines Hauptsatzes den betr. Modus hat. So bei wc 
“dass” z. B. Plato Sympos. 214D wc erw οὐδ᾽ ἂν Eva ἄλλον 
ἐπαινέςεαιμι (doch Thucyd. 5, 9, 3 wc ἂν ἐπεξέλθοι τις), ὥςτε 
“so dass’ z. B. Plato Sympos. 197 A ὥςτε καὶ οὗτος Ἔρωτος 
ἂν ein μαθητής, ὅτι dass, weil’ z. B. Plato Phaedo 98 C M- 
λον ὅτι τοιαῦτ᾽ ἄττ᾽ ἂν λέγοι. Sympos. 195 Ο ὅτι οὕτως ἂν 
ἡμῶν τὸ γένος εὔδαιιιον γένοιτο. Demosth. 18, 79 ὅτι τῶν 
ἀδικημάτων ἂν ἐμέμνητο τῶν αὑτοῦ U.8. w. τι. 5. w. Ebenso 
bei ἐπεί ‘denn’ z. B. Plato Kratyl. 410 A ἐπεὶ ἔχοι γ᾽ ἄν τις 
εἰπεῖν περὶ αὐτῶν. Demosth. 18, 49 ἐπεὶ διά γ᾽ ὑμᾶς πάλαι 
ἂν ἀπωλώλειτε. Bei den Zeitpartikeln giebt die Überlieferung 
zu Zweifeln Anlass: ὅταν ὁ. opt. ist überliefert Aeschyl. Pers. 
450, ἕως ἄν 6. opt. Isokrat. 17,15 und Plato Phaedo 101D. 
(Sophokles Trach. 687 wird es seit Elmsley nicht mehr ge- 
schrieben). Sicher steht Demosth. 4, 31 ἡνίκ᾽ ἂν ἡμεῖς un 
δυναίμεθ᾽ ἐκεῖς᾽ ἀφικέεθαι. --- Xenophon Hellen. 2, 3, 48 πρὶν 
ἂν μετέχοιεν. 101. πρὶν ἂν - Katacmceav. 2,4, 1ὃ πρὶν ἂν 
ἢ πέςοι τις ἢ τρωθείη wird ἄν gestrichen. 

Von der Konjunktion ausnahmslos getrennt ist ἄν in op- 
tativischen ei-Sätzen: εἰ ‘ob’ z. B. Plato Sympos. 210 B οὐκ 
old’ Ei οἷός T ἂν εἴης, ei “wenn z.B. Eurip. Helena 825 ei 
πῶς ἂν ἀναπείεαιμεν IKETEVOVTE νιν. Demosth. 4,18 οὐδ᾽ εἰ un 
ποιήςαιτ᾽ ἂν ἤδη. 20, 62 οὐκοῦν αἰεχρόν, εἰ μέλλοντες μὲν 
εὖ πάεχειν CUKOPAVTNV ἂν τὸν ταῦτα λέτονθ᾽ nyoicde, ἐπὶ τῷ 
d ἀφελέεθαι --- ἀκούςεεθες 19, 112 ἐξώλης ἀπολοίμην —, εἰ 
προςελαβών τ᾽ ἂν ἀργύριον — Erpecßeucoa. Hier überall ist der 
durch ἄν angegebene hypothetische Charakter des Satzes nicht 
durch ei bedingt; vgl. die Erklärer zu den einzelnen Stellen. 


392 Jacob Wackernagel, 


3esonders bezeichnend sind aber die Fälle, wo naeclı 
Ausdrücken des Befürchtens und Erwartens un mit dem Op- 
tativ und ἄν steht: Sophokles Trachin. 631 δέδοικα γάρ, μὴ 
πρὼ λέγοις ἂν τὸν πόθον. Thucyd. 2, 93, 3 οὔτε TTPOCdOKIA 
οὐδεμία ἦν, μὴ ἄν ποτε οἱ πολέμιοι ἐξαπιναίως οὕτως ἐπιπλεύ- 
ceıav. Xenophon Anab. 6, 1, 28 ἐκεῖνο ἐννοῶ, μὴ λίαν ἂν 
ταχὺ εωφρονιεθείην. Poroi 4, 41 φοβοῦνται, μὴ ματαία ἂν 
γένοιτο αὕτη ἣ mapackeun. Hier ist es ausser allem Zweifel, 
(dass der Optativ mit dv auf einer Beeinflussung des un-Satzes 
durch den Hauptsatz beruht, und da hat unter vier Beispielen 
nur eines ἄν unmittelbar hinter un. 

Und hieraus wird es nun auch klar, warum die Stellung 
des ἄν in Konjunktivsätzen so ganz fest, in den andern Ne- 
bensätzen schwankend ist. In der klassischen Gräzität kommt 
ἄν cum conj. nur in Nebensätzen vor; was hätte also dieses 
av aus seiner traditionellen Stellung bringen sollen? Dagegen 
ἄν ὁ. indie. und ὁ. opt. ist nicht bloss häufiger im den Haupt- 
als in den Nebensätzen, sondern auch in den letztern vielfach 
geradezu aus den Hauptsätzen übertragen. Notwendig muss- 
ten sich die Stellungsgewohnheiten, die ἄν im Hauptsatz hat, 
auf die betr. Nebensätze übertragen. 


VII: 


Wie verhält es sich nun aber mit dieser freien Stellung 
von ἄν im Hauptsatz? Es ist umbestreitbar, dass in diesem 
(las ἄν sehr weit vom Anfang entfernt stehen kann. Eine 
Grenze nach hinten bildet bloss das letzte im betr. Satz ste- 
hende und durch ἄν irgendwie qualifizierte Verbum finitum 
oder infinitum, wobei ich besonders darauf hinweise, dass Par- 
tizipien, die mit hypothetischen Nebensätzen gleichwertig sind, 
gern ἄν hinter sich haben (vgl. z. B. Aristoph. Ranae 96 
γόνιμον δὲ ποιητὴν ἂν οὐχ εὕροις ἔτι ζητῶν ἄν). Auf die- 
ses Verbum darf ἄν nur in der Weise folgen, dass es sich 
ihm unmittelbar anschliesst. Doch finden sich Stellen, wo 
y oder ein einsilbiges Enklitikon oder sonst ein Monosyl- 
labon zwischen dem Verbum und ἄν steht: γ᾽: Plato Kratyl. 


410 A ἐπεὶ ἔχοι τ᾽ ἄν τις εἰπεῖν περὶ αὐτῶν. --- τις: [Eur. 
Or. 694.] Demosth. 18, 282 τί δὲ μεῖζον ἔχοι τις ἂν εἰπεῖν. 
18, 316 οὐ μὲν οὖν εἴποι τις ἂν ἡλίκας. --- ποτ΄: Eurip. 


Helena 912 { κεῖνος δὲ πῶς τὰ ZWvra τοῖς θανοῦειν ἀπο- 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 999 


δοίη ποτ᾽ ἄν. — οὐ: Sophokles Alias 1350 ἡ γὰρ εἴην οὐκ 
ἂν εὖ φρονῶν. --- τάχ᾽: Oed. Rex 1115 f. τῇ δ᾽ ἐπιετήμῃ εὖ 
μου προύχοις τάχ᾽ ἄν που. --- τάδ᾽: Eurip. Helena 97 τίς 
cwppovwv τλαίη τάδ᾽ ἄν. --- ταῦτ᾽: Solon Fragm. 36, 1 ευμ- 
μαρτυροίη ταῦτ᾽ ἂν ἐν δίκῃ. — μεντ΄: Aristoph. Ran. 743 


ὥμωξε μέντ᾽ ἄν. Plato Phaedo τὸ " βουλοίμην μέντ᾽ ἄν. 
Apol.30 D. Doch lassen die drei letzten Stellen (Solon, Ar. Ran. 
743, Pl. Phaedo 76B) auch noch eime andere Erklärung zu. 
Wenn nämlich das Verbum am Anfang des Satzes steht, scheint 
jene obige Regel überhaupt nicht zu gelten: Sophokles Oed. 
Col. 125 mpoceßa γὰρ οὐκ ἂν acrıßec ἄλεος ἔς. Eurip. Hi- 
ketiden 944 ὄλοιντ᾽ idoücaı τοῦςδ᾽ Av. Demosth. 20, 61 μά- 
θοιτε δὲ τοῦτο μάλιςτ᾽ ἄν. Übrigens versteht es sich von 
selbst, dass wenn ein Satz mehrere ἄν enthält, die Regel für das 
letzte ἄν gilt. Sophokles Oed. Rex 1438 Edpac ἂν (εὖ τόδ᾽ 
ich’) av. Elektra-697 δύναιτ᾽ ἂν οὐδ᾽ ἂν ἰεχύων φυγεῖν. Ari- 
stoph. Nubes 977 ἠλείψατο δ᾽ ἂν τοὐμφαλοῦ οὐδεὶς παῖς ὑπέ- 
vepdev τότ᾽ ἄν ist die Entfernung des zweiten dv vom Ver- 
bum aus der Anfangsstellung des Verbums zu erklären. — 
Sonach haben die Herausgeber von Aristoph. Rittern Recht 
gehabt, wenn sie Vs. 707 das überlieferte ἐπὶ τῷ gayoıc 
ἥδιςτ᾽ ἄν in ἐπὶ τῷ φαγὼν ἥδοιτ᾽ (oder ἥδοι᾽) ἄν ändern; da- 
gegen Aristophanes Ran. 949 f. οὐδὲν παρῆκ᾽ ἂν ἀργόν, ἀλλ᾽ 
ἔλεγεν ἣ γυνή τέ μοι χὠ δοῦλος οὐδὲν ἧττον χὠ δεςεπότης χὴ 
παρθένος χῆ γραῦς ἄν bildet nur eine scheinbare Ausnahme, 
da bei jedem der aneinandergereihten Nomimative ἔλεγεν hin- 
zuzudenken ist. Vgl. Soph. Phil. 292 πρὸς τοῦτ᾽ ἄν. [Eurip. 
Or. 941 κοὺ φθάνοι Avnckwv τις ἄν. 

Aus dieser Regel lässt sich aber schon erkennen, was 
für Tendenzen dazu geführt haben, das ἄν des selbständigen 
Satzes. in nachhomerischer Zeit von der Stelle wegzuziehen, 
die es m homerischer Zeit noch einnahm. Das Verb, dessen 
Modalität durch ἄν bestimmt wird, zog es an sich, daneben 
die Negationen, die Adverbia, besonders die superlativischen, 
überhaupt derjenige Satzteil, für den der durch ἄν angezeigte 
hypothetische Charakter des Satzes am meisten in betracht 
kam, gerade wie die enklitischen Pronomina ihrer traditionel- 
len Stellung dadurch verlustig gingen, dass das Bedürfnis 
immer stärker wurde, „ihnen den Platz zu geben, den ihre 
Funktion im Satze zu fordern schien. Wie aber bei den en- 


r 


394 Jacob Wackernagel, 


klitischen Pronomina, so hat auch bei ἄν die Tradition immer 
einen gewissen Einfluss bewahrt. 

Erstens lässt sich auch bei av die Neigung für Anleh- 
nung an satzbeginnende Wörter nachweisen. So unbestreitbar 
an τίς und die zugehörigen Formen, besonders πῶς (Vgl. Jebb 
zu Sophokles Oed. Col. 1100, der auf Aeschyl. Agam. 1402 
τίς ἂν ἐν τάχει μὴ περιώδυνος μὴ deuviornpnc μόλοι verweist. 
ΧΩ]. ΘΠ 367.0 208. x 573). Ferner ist hiefür ΠΟ ΒΟΌΣ 
achtung Werfers Acta philologorum Monacensium 1 246 ff., 
zu verwerten, dass sich ἄν “ paene innumeris Joeis” an γάρ 
anschliesse. Die Fülle der Beispiele verbietet eine Wieder- 
holung und Ergänzung von Werfers Beispielsammlung an die- 
ser Stelle. Ieh will nur bemerken, erstens, dass zwar aus 
allen Litteraturgattungen Gegenbeispiele beigebracht werden 
können, aber doch γὰρ ἄν unendlich häufiger ist als Yap — ἄν, 
und zweitens, dass infolge der Setzung von ἄν gleich hinter 
γάρ sehr oft das Bedürfnis empfunden wird, in einem spätern 
Teil des Satzes ἄν nochmals einzufügen: Sophokles Oed. Rex 
172 τῷ γὰρ Av καὶ μείζονι λέξαιμ᾽ ἂν ἢ «οἱ. 802 οὐδὲν γὰρ 
ἂν mpazaım av. Fraem. 513 Nauck?, 6 καμοὶ γὰρ ἂν ma- 
τήρ Ye δακρύων χάριν ἀνῆκτ᾽ ἂν εἰς φῶς. Fragm. 835 ἀλλ᾽ 
οὐ rap ἂν τὰ θεῖα κρυπτόντων θεῶν μάθοις ἄν. Eurip. Hi- 
ket. 855 μόλις γὰρ ἄν τις αὐτὰ τἀναγκαῖ᾽ δρᾶν δύναιτ᾽ ἂν 
ἑστὼς πολεμίοις ἐναντίος. Helena 948 τὴν Τροίαν γὰρ ἂν 
δειλοὶ γενόμενοι πλεῖετον αἰεχύνοιμεν ἄν. 1011] καὶ γὰρ ἂν 
κεῖνος βλέπων ἀπέδωκεν ἄν «οι τῆνδ᾽ ἔχειν. 1298 εὐμενέετερον 
γὰρ ἂν τῶ φιλτάτῳ μοι Μενέλεω τὰ πρόςφορα δρῴης ἄν. Arı- 
stoph. Vesp. 927 οὐ γὰρ ἄν ποτε τρέφειν δύναιτ᾽ ἂν μία λό- 
χμη κλέπτα δύο. Pax 321 οὐ γὰρ ἂν χαίροντες ἡμεῖς τήμε- 
ρον παυςαίμεθ᾽ ἄν. Lysistr. 252 ἄλλως γὰρ ἂν ἄμαχοι YU- 
ναῖκες καὶ μιαραὶ κεκλήμεθ᾽ ἄν. Thesmoph. 196 καὶ τὰρ ἂν 
μαινοίμεθ᾽ ἄν. Plato Apol. 355D εαφῶς τὰρ ἄν, εἰ πείθοιμι 


ὑμᾶς —, θεοὺς ἂν διδάεκοιμι. 40. 1) ἐγὼ γὰρ ἂν οἶμαι, εἰ --- 
δέοι- . oludı ἂν -- τὸν μέγαν βαειλέα εὐαριθμήτους ἂν EU- 


ρεῖν. (Vel. Demosth. 14, 27 öca γὰρ ἂν νῦν πορίεαιτ᾽ ἄν). 
Aristot. de caelo 227” 94 οὔτε γὰρ ἂν αἱ τῆς ceAnvnc ἐκλεί- 
WEIC τοιαύτας ἂν εἶχον τὰς “ἀποτομᾶς. De gener. et corTt. 
991» 1 μέλλων γὰρ Av βαδίζειν τις οὐκ. ἂν Bodiceiev. De 
part. anim. 654° 18 οὕτως γὰρ ἂν Exev χρηειμώτατον ἂν εἴη. 
(vgl. Vahlen Zur Poetik 1460P 7) u. Ss. w. 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 395 


Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Verbindungen 
κἄν aus καὶ ἄν "auch wohl’ und tax ἄν, in denen ἄν mit sei- 
nem Vorworte bis zur völligen Verblassung seimer eigenen 
Bedeutung verschmolzen ist, in der Mehrzahl der Fälle am 
Satzanfang stehen. Doch dürfen wir hierauf kem Gewicht 
legen, da gerade καὶ ἄν und τάχ᾽ av sich schon bei Homer 
im Innern von Sätzen finden und überhaupt kein Grund vor- 
handen ist, den engen Anschluss von avan καί und τάχα aus 
den Fällen herzuleiten, wo καί und τάχα den Satz beginnen. 
(καί “und’ hat ἄν unmittelbar hinter sich Herodot 4, 118, 21 
καὶ ἂν ἐδήλου). 


Zweitens findet man ἂν vereinzelt wie die Enklitika 
hinter einem Vokativ: Aristoph. Pax 137 ἀλλ᾽ ὦ μέλ᾽ ἄν μοι 
εἰτίων διπλιν ἔδει. 


Drittens verdrängt es öfters οὖν, seltener τε, δέ von ihrem 
Platze: Herodot 7, 150, ὃ οὕτω ἂν ὧν εἶμεν. [Eur. Med. 504.] 
Ar. Lysistr. 191 τίς ἂν οὖν γένοιτ᾽ ἂν ὄρκος. [Lysias] 20, 15 
πῶς ἂν οὖν οὐκ ἂν δεινὰ πάεχοιμεν. Plato Phaedo 64 A πῶς 
ἂν οὖν δὴ τοῦθ᾽ οὕτως ἔχοι --- ἐγὼ πειράςομαι φράςαι. SYyM- 
pos. 202D πῶς ἂν οὖν θεὸς εἴη ὅ γε τῶν καλῶν καὶ ἀγαθῶν 


"Ἢ 


ἄμοιρος, und öfters. Xen. Anab. 2,5, 20 πῶς ἂν οὖν ἔχοντες 


τοςούτους πόρους — - ἔπειτα ἐκ τούτων πάντων τοῦτον ἂν τὸν 
τρόπον ἐξελοίμεθα —; ὕ, T, ὃ πῶς ἂν οὖν ἐγὼ ἤ βιαεαίμην 
ὑμᾶς --- ἢ ἐξαπατήςας Ayo. ὃ, 1, 9 πῶς ἂν οὖν ἀνὴρ μᾶλ- 


λον δοίη δίκην. Respubl. Lacedaem. 5,9 οὐκ ἂν οὖν ῥᾳδίως 


γέ τις εὕροι Σπαρτιατῶν ὑγιεινοτέρους. Demosth. 25, 35 τίς 
ἂν οὖν εὖ φρονῶν αὑτὸν ἂν N τὰ τῆς πατρίδος CUUPEPOVTA 
ταύτῃ εὐυνάψειε. [Demosth.] 40, 13 πῶς ἂν οὖν μὴ εἰδὼς ὁ 
πατὴρ αὐτὸν ᾿Αθηναῖον ECÖUEVOV ἔδωκεν ἂν τὴν ἑαυτοῦ τυναῖκα. 
Aeschines 1, 17 ἴεως ἂν οὖν τις θαυμάςειεν. 3, 219 πῶς ἂν 
οὖν ἐτὼ προεδεικνύμην ᾿Αλεξάνδρῳ. Dass in der Mehrzahl der 
Beispiele das dem οὖν vorausgeschiekte ἄν sich an τίς oder 
πῶς anlehnt, passt zu dem oben S. 394 bemerkten. (Dass 
ἄν dem οὖν häufiger noch folgt, soll nicht geleugnet werden.) 
— Einem re geht ἄν voraus ΤΊ πον. 2, 65, 3 Täxıct ἄν TE 
πόλιν οἱ τοιοῦτοι ἀπολέςειαν, einem δέ Thucyd. 6, 2, 4 τάχ᾽ 
ἂν δὲ καὶ ἄλλως ἐςπλεύεαντες und vielleicht 6, 10, 4 tax’ Av 
δ᾽ ἴεως (die Mehrzahl der Handschr. und die Ausgaben τάχα 
δ᾽ ἂν icwc). Doch ist bei den beiden letzten Stellen der Zu- 


396 Jacob Wackernöagel, 


sammenschluss mit τάχα für ἄν von wesentlicherer Bedeutung, 
als die Stellung an sich. 

Viertens lässt sich av gern durch einen Zwischensatz 
von den Hauptbestandteilen des Satzes, zu dem es gehört, 
trennen: Aristoph. Ran. 1222 οὐδ᾽ ἄν, μὰ τὴν Δήμητρα, Ppov- 
ticami γε. Plato Phaedo 102A cd δ᾽ — oiuaı, ἄν, ὡς ἐγὼ 
λέγω, ποιοίης. Sympos. 202D τί οὖν ἄν, ἔφη, ein ὁ Ἔρως. 
202 Β καὶ πῶς ἄν, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ὁμολογοῖτο. KRe- 
publ. 1, 333 A πρός τε ὑποδημάτων ἄν, οἶμαι, φαίης κτῆειν. 
4, 458Α ἴεως γὰρ ἄν, ἔφη, δοκοίη τι λέγειν ὃ ταῦτα λέγων. 
Leges 2,658 Α τί ἄν, εἰ --- (folgen sieben Zeilen), τί ποτ᾽ ἂν 
ἡγούμεθα ἐκ ταύτης τῆς προρρήςεως ξυμβαίνειν. Xenophon Hel- 
len. 6, 1, 9 οἶμαι ἄν, αὐτῶν εἰ καλῶς τις ἐπιμελοῖτο, οὐκ εἶναι 
ἔθνος. Uyrop. 2, 1,5 eyw av, εἰ--ἔχοιμι, ὡς TAXIcTa ὁπλα 
ἐποιούμην τοῖς Tlepcaıc. Demosth. 18, 195 τί ἄν, εἴ που τῆς 
χώρας τοῦτο πάθος ευνέβη, προςδοκῆςαι χρῆν. 

Dass man dann gem nach dem Zwischensatz ἄν wieder- 
holte, ist verständlich: Sophokles Antig. 69 οὔτ᾽ ἄν, ei θέλοις 
ἔτι πράςςειν, ἐμοῦ γ᾽ ἂν ἡδέως rpaccoıc μέτα. 400 ἀλλ᾽ ἄν, 
εἰ τὸν ἐξ ἐμῆς μητρὸς θανόντ᾽ ἄθαπτον ἠνεχόμην νέκυν, κείνοις 
ἂν ἤλγουν. Oed. Rex 1438 ἔδρας ἄν, εὖ τόδ᾽ Ich, ἄν; εἰ "μὴ 
— ἔχρῃζον. Elektra 335 Wer ἄν, εἰ εθένος λάβοιμι, δηλώ- 
cam ἄν. 439 ἀρχὴν δ᾽ ἄν, εἰ μὴ τλημονεετάτη γυνὴ παςῶν 
ἔβλαετε, — χοὰς οὐκ ἄν ποθ᾽ ὃν τ᾽ ἔκτεινε, τῷδ᾽ ἐπέετεφε. 
Thueyd. 1, 190, 5 ἐκεῖνον δ᾽ ἄν, εἰ ἐκδοίη αὐτόν —, εὠτη- 
ρίας ἂν τῆς ψυχῆς ἀποετερῆςαι. Aristoph. Lysistr. 572 κἄν, 
ὑμῖν εἴ τις ἐνῆν νοῦς, ἐκ τῶν ἐρίων τῶν ἡμετέρων ἐπολιτεύεεθ᾽ 
ἂν ἅπαντα. Ranae ἢῷῶ κἄν, εἴ με τύπτοις, οὐκ ἂν ἀντείποιμί 
τοι. Plato Protag. 918 Ο κἄν, εἰ Ὀρθαγόρᾳ τῷ Θηβαίῳ cuYYe- 
VÖUEVOC --- ἐπανέροιτο αὐτόν —, εἴποι ἄν. Leges ὃ, 841 Ὁ 
τάχα δ᾽ ἄν, εἰ θεὸς ἐθέλοι, κἂν δυοῖν θάτερα βιαςεαίμεθα περὶ 
ἐρωτικῶν. Demosth. 4, 1 ἐπιεχὼν ἄν, ἕως -- εἰ —, ἡευχίαν 
ἂν ἦγον. 21,115 ἀρ᾽ ἄν, ei Y eixe —, -τοῦτ᾽ Av eiacev. 37,16 
οὐδ᾽ ἄν, εἴ τι τένοιτ᾽, WNONV ἂν δίκην μοι λαχεῖν ποτε τοῦτον. 
[Demosth.] 47,66 καίτοι πῶς ἄν, εἰ μὴ TETOPICUEVOV τε ἦν ---, 
εὐθὺς ἂν ἀπέλαβον. Aeschines 1, 122 οἶμαι δ᾽ ἄν, εἰ —, ταῖς 
ὑμετέραις μαρτυρίαις ῥᾳδίως ἂν ἀπολύςεαςεθαι τοὺς τοῦ KATNYO- 
ρου λόγους. |Hen. Anabasis 7, 7, 98.] 

Das Umgekehrte, wenn man will, aber doch etwas aus 
derselben Stellungsregel entspringendes liegt vor, wenn ein 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 39T 


syntaktisch zu einem Zwischensatz oder zu einem abhängigen 
Satz gehöriges ἄν hinter das erste Wort des übergeordneten 
Satzes gezogen wird: Plato Kriton 52 D ἄλλο τι οὖν, ἂν φαῖεν, 
ἢ ξυνθήκας τὰς πρὸς Nudc αὐτοὺς --- mapoßaiveıc. Phaedo δῖ A 
τί οὖν, ἂν φαίη ὃ λότος, ἔτι ἀπιετεῖς. Hippias major 299 A 
μανθάνω, ἂν ἴεος φαίη, καὶ ἐγώ. Demosth. 1, 14 τί οὖν, ἄν 
τις εἴποι, ταῦτα λέγεις. 1, 19 τί οὖν, ἄν τις εἴποι, CU γράφεις 
το τὶ εἰναι crparıwrıkd. Proöm. 35, 4 τί οὖν; ἂν τις. εἴποι; 
εὺ παραινεῖς; [Demosth.] 45, 55 ὅτι νὴ Δί᾽, ἂν εἴποι, τοῦτον 
εἰςπεποίηκα υἱόν. — Vgl. auch Demosth. 11, 44 οὐκ ἂν οἶδ᾽ 
ὅ τι πλέον εὕροι τούτου. Plato Timäus 20 Β erw γάρ, ἃ μὲν 
χθὲς ἤκουςα, οὐκ ἂν οἷδ᾽ εἰ δυναίμην ἅπαντα ἐν μνήμῃ πάλιν 
λαβεῖν. Ähnliches οὐκ ἂν οἶδ᾽ ὅ τι im Satzinnern Demosth. 45, τ. 
Auf dergleichen Wendungen basiert dann wohl wiederum das 
euripideische οὐκ (bezw. οὐ γὰρ) old ἂν εἰ meicamı Mede: 
941. Aleestis 48. Eigentümlich Thucyd. 5, 9, 3 καὶ οὐκ ἂν 
ἐλπίεαντες ὡς ἂν ἐπεξέλθοι τις, wo das erste dv nur als Anti- 
zipation aus dem Nebensatz erklärt werden kann. 

Seehstens sprengt ἄν, gerade wie die Enklitika, öfters 
am Satzanfang stehende Wortgruppen auseinander. Dahin 
könnte man οὐδ᾽ ἂν εἷς stellen: Sophokles Oed. Rex 281 οὐδ᾽ 
ἂν εἷς δύναιτ᾽ ἀνήρ. Oed. Col. 1656 οὐδ᾽ ἂν εἷς θνητῶν 
φράςειε. Plato Prot. ὅ28 A οὐδ᾽ ἂν εἷς φανείη. Aleib. 1221) 
οὐδ᾽ ἂν εἷς ἀμφιςεβητήςειε. Demosth. 19, 312 οὐδ’ ἂν εἷς 
εὖ old ὅτι φήςειεν. 18, 09 οὐδ᾽ ἂν εἷς ταῦτα φήςειεν. 18, 
94 οὐδ᾽ ἂν εἷς εἰπεῖν ἔχοι. Aristot. ᾿Αθην. πολ. 21,2 Κ. οὐδ᾽ 
ἂν εἷς εἴποι. Doch findet sich diese Tmesis wenigstens ebenso 
häufig im Satzinnern: Lys. 19, 60. 24, 24. Isokr. 15, 225. 
21,20. Plato Sympos. 192E, 214D, 216E. Gorg.512E.519C. 
ΠΟ ΠΕ ΤΙ 125 20,,.136.. 18, 68..18,. 128. Lykurg 49. 57, 
und scheint somit wesentlich auf der Attraktionskraft des οὐδέ 
zu beruhen. 

Einen bessern Beweis bildet das zweimalige Y ἂν οὖν 
statt γοῦν ἄν bei Thucydides: 1, 76,4 ἄλλους τ᾽ ἂν οὖν οἰόμεθα 
τὰ ἡμέτερα λαβόντες δεῖξαι ἄν und 1, 77, 6 ὑμεῖς Y ἂν οὖν, 
εἰ — ἄρξαιτε, τάχ᾽ ἂν μεταβάλοιτε, sowie folgende Fälle, wo 
ἄν mitten in eine Wortgruppe eingedrungen ist: Solon fragm. 
37, 4 πολλῶν ἂν ἀνδρῶν nd ἐχηρώθη. πόλις. Aeschyl. Pers. 
652 μόνος ἂν θνητῶν πέρας εἴποι. TO ἀνθρώπεια δ᾽ ἄν τοι 
πήματ᾽ ἂν τύχοι βροτοῖς. Sophokles Aias 155 κατὰ δ᾽ ἄν τις 


398 Jacob Wackernagel, 


ἐμοῦ τοιαῦτα λέγων οὐκ ἂν πείθοι. Oed. Rex 175 ἄλλον δ᾽ 
ἂν ἄλλω προείδοις. 502 copia δ᾽ ἂν Copiav παραμείψειεν 
ἀνήρ. Elektra 1105 τίς οὖν ἂν ὑμῶν τοῖς ἔεω φράεειεν ἄν. 
Oed. Col. 1100 τίς ἂν θεῶν «οι τόνδ᾽ ἄριετον ἄνδρ᾽ ἰδεῖν δοίη. 
Herodot 1, 56, ὃ ἐφρόντιζε IcTopewv, τοὺς ἂν Ἑλλήνων δυνα- 
τωτάτους ἐόντας προςκτήςαιτο φίλους. 1, 67, ἴ ἐπειρώτεον, 
τίνα ἂν θεῶν ἱλαςάμενοι κατύπερθε τῶ πολέμω Τεγεητέων τε- 
νοίατο. 1, 196, 22 τὸ δὲ ἂν χρυείον ἐγίνετο ἀπὸ τιν εὐει- 
δέων παρθένων. 7, 48, ὃ ετρατοῦ ἂν ἄλλου τις τὴν ταχίετην 
ἄγερειν ποιέοιτος 7, 155, 12 ἕκαετος ἂν ὑμῶν ἄρχοι γῆς EX- 
λάδος. 7, 139, 9 κατά γε ἂν τὴν ἤπειρον τοιάδε ἐγίνετο. [Η]}- 
pokrates| περὶ τέχνης ὁ. 5 (5. 44, ὃ Gomperz) ἐν ἄλλοιειν ἂν 
λόγοιειν ςαφέετερον διδαχθείη. (Vgl. auch ce. 2, 5. 42, 196. 
ἐπεὶ τῶν τε μὴ ἐόντων τίνα ἄν τις οὐείην θεηςάμενος ἀπαγ- 
γείλειεν ὡς ἔεςετιν). Thucyd. 1, 10 πολλὴν ἂν οἶμαι ἀπιετίαν 
τῆς δυνάμεως - τοῖς ἔπειτα πρὸς τὸ κλέος αὐτῶν εἶναι. 1, 0, 
3 βραχυτάτῳ δ᾽ ἂν κεφαλαίῳ τῶδ᾽ ἂν μὴ προέεθαι ἡμᾶς μά- 
θοιτε. ὦ, 22, 2 πρὸς γὰρ ἂν τοὺς ᾿Αθηναίους, εἰ ἐξῆν χωρεῖν. 
Aristoph. Thesmoph. 768 τίν᾽ οὖν ἂν ἄγγελον πέμψαιμ᾽ Em 
αὐτόν. Isokrates 5, 35 εκεπτέον, τί ἂν ἀγαθὸν αὐτὰς ἐργαςά- 
μένος φανείης ἄξια --- πεποιηκώς. Plato Apologie 25 B πολλή 
γὰρ ἄν τις εὐδαιμονία εἴη περὶ τοὺς νέους. Phaedo τ ἃ πολλὴ 
ἂν ἐλπὶς εἴη καὶ καλὴ. TOD 1001) ἄλλου ἄν του δέοι λόγου 
107 C οὐδεμία ἂν εἴη ἄλλη ἀποφυγή. Xenophon Anab. 3, 1, 6 
ἐλθὼν δ᾽ 6 Ξενοφῶν ἐπήρετο τὸν ᾿Απόλλω, τίνι ἂν θεῶν θύων 
καὶ εὐχόμενος κάλλιετα καὶ ἄριετα ἔλθοι τὴν ὁδόν, ἣν ἐπινοεῖ, 
καὶ καλῶς πράξας εωθείη, was sofort an das τίνι κα θεῶν 
u. 8. w. der dodonäischen Orakeltäfelehen (siehe oben S. 374) 
erinnert. Vgl. auch das Orakel bei, [Demosth.| 45, 66 ere- 


\ 


ρωτᾷ ὃ δῆμος, ὅ τι ἂν dpwcıv — ein, und Herodot 1, 67, 7 
oben. — Anahb. ὃ, 2, 29 λαβόντες δὲ τοὺς ἄρχοντας, ἀναρχίᾳ 


ἂν καὶ ἀταξίᾳ ἐνόμιζον ἡμᾶς ἀπολέεθαι. Poroi 3, 14 πολλὴ 
ἂν καὶ ἀπὸ τούτων πρόςοδος γίγνοιτο. 4, 1 πάμπολλα ἂν νο- 
μίζω χρήματα --- προειέναι. Demosth. 1, 1 ἀντὶ πολλῶν ἄν, 
(ὦ ἄνδρες ᾿Αθηναῖοι, χρημάτων ὑμᾶς ἑλέεθαι νομίζω. 4, 12 πλη- 
CIOV UEV ὄντες, ἅπαειν ἂν τοῖς πράγμαειν τεταραγμένοις ἐπιετάν- 
τες ὅπως βούλεεθε διοικήςαιεθε. 19, 45 τί ἂν ποιῶν ὑμῖν χα- 
ρίςαιτο. 18, 22 τί Av einwv τέ TIc "ὀρθύυς προςείποι; (18, 81 
ὅτι πολλὰ μὲν ἂν χρήματα ἔδωκε Φιλιςετίδης). 18, 295 μείζων 
ἂν δοθείη δωρειά. 29, 1 θαυμαείως ἂν ὡς εὐλαβούμην. 99), 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 399 
24 καίτοι, τίς ἂν ὑμῶν οἴεται τὴν μητέρα πέμψαι; epist. 9, 37 
τί ἂν eimwv μήθ᾽ ἁμαρτεῖν δοκοίην μήτε ψευςαίμην. |Demosth.| 
35, 26 τί ἄν τις ἄλλο ὄνομ᾽ ἔχοι θέεθαι τῷ τοιούτῳ. --- Dazu 
kommen die zahlreichen Stellen nach Art von Demosth. 21, 50 
οὐκ ἂν oleche δημοςίᾳ πάντας ὑμᾶς προξένους αὑτῶν ποιή- 
cacdaı. 

Unter diesen Beispielen, deren Zahl sich übrigens ohne 
grosse Mühe verdoppeln liesse, finden sieh, wie unter den 
vorhergehenden Kategorien, mehrere, wo die spätere Hälfte 
des Satzes ein zweites ἄν enthält, mit dem das erste ἄν wie- 
der aufgenommen wird. Ich füge einen besonders instruktiven 
Fall hinzu. Zu Demosth. 1, 1 (5. oben) findet sich in proöm. 
> eine parallele Fassung, worin der zweite Teil des Satzes 
stark erweitert ist, statt χρημάτων ὑμᾶς ἐἑλέεθαι νομίζω : χρη- 
μάτων TO μέλλον CUVOICEIV περὶ ὧν νῦν τυγχάνετε CKOTTOUVTEC 
οἶμαι πάντας ὑμᾶς ἐἑλέεθαι, und hier ist nun der erweiterten 
Fassung des Satzes wegen hinter πάντας das ἄν wiederholt. 
(Ganz irrig ist es, wenn Blass im Proöm deswegen das erste 
ἄν hinter πολλῶν gegen die bessere Überlieferung streicht). 
Ich glaube wir dürfen sagen, dass in allen Fällen, wo ἄν 
mehrfach gesetzt ist, dies einen Kompromiss darstellt zwischen 
dem traditionellen Drang ἄν nah beim Satzanfang zu haben 
und dem in der klassischen Sprache aufgekommenen Bedürf- 
nis die Partikel dem Verb und andern Satzteilen (siehe oben 
S. 395) anzunähern: wodurch sich auch erklärt, warum dop- 
peltes &v konjunktivischen Sätzen fremd ist. So sind für uns 
überhaupt alle Sätze mit mehrern ἄν, deren erstes die zweite 
Stelle inne hat, von Wert, nieht bloss die bereits angeführten. 
Ich lasse die mir unter die Hand gekommenen Beispiele fol- Ὁ 
gen, natürlich mit Ausschluss von οὔτ᾽ ἄν — οὔτ᾽ ἄν, das 
nicht hierher gehört. 

Aeschyl. Agam. 340 οὔ τἂν ἑλόντες αὖθις ἀνθαλοῖεν Av. 
1048 ἐντὸς δ᾽ ἂν οὐςα μορείμων ἀγρευμάτων πείθοι᾽ ἄν. Choeph. 
349 λιπὼν ἂν εὔκλειαν ἐν δόμοιειν --- πολύχωετον ἂν εἶχες 
τάφον. Hiket. 227 πῶς δ᾽ ἂν γαμῶν ἄκουςαν ἄκοντος πάρα 
ἁγνὸς γένοιτ᾽ ἄν. Sophokles Aias 557 τί δῆτ᾽ ἂν ὡς ἐκ τῶνδ᾽ 
ἂν ὠφελοῖμί ce. 1058 ἡμεῖς μὲν ἂν τήνδ᾽ ἣν ὅδ᾽ εἴληχεν 
τύχην θανόντες ἂν προὐκείμεθ᾽ αἰεχίετῳ μόρῳ. 10τὰ ἀλλ᾽ ἄν- 
ὃρα χρὴ — Ddokeiv, πεςεῖν ἂν κἂν ἀπὸ εμικροῦ κακοῦ. Oed. 
Rex 1539 τάχ᾽ ἂν κἄμ᾽ ἂν τοιαύτῃ χειρὶ τιμωρεῖν θέλοι. 440 


400 Jacob Wackernagel, 


cuBeic T ἂν οὐκ ἂν ἀλτγύνοις πλέον. 602 οὔτ᾽ ἂν μετ᾽ ἄλλου 
δρῶντος ἂν τλαίην ποτέ. 1055 nd ἂν τάδ᾽ οὐχ ἥκιςτ᾽ ἂν lo- 
κάετη λέτοι. Elektra 697 δύναιτ᾽ ἂν οὐδ᾽ ἂν ἰεχύων φυτεῖν. 
1216 τίς οὖν ἂν ἀξίαν γε CoD πεφηνότος μεταβάλοιτ᾽ ἂν ὧδε 
cırav λόγων. Philoktet 222 ποίας ἂν ὑμᾶς πατρίδος (oder 
πόλεος) ἢ γένους ποτὲ τύχοιμ᾽ ἂν εἰπών; (so Dindorf und Heim- 
reich für das handschriftliche toiac πάτρας ἂν ὑμᾶς ἢ γένους 
ποτέ, wo der durch die Stellung von ὑμᾶς bewirkte metrische 
Fehler von andern weniger glücklich gebessert wird). Oed. 
Col. 391 τίς δ᾽ ἂν τοιοῦδ᾽ ὑπ᾽ ἀνδρὸς εὖ πράξειεν ἄν. 180 
ap Av ματαίου" τῆςδ᾽ Av ἡδονῆς. τύχοις: 971 πῶς Av TO Y 
ἄκον πρᾶγμ᾽ ἂν εἰκότως ψέγοις. 1900 ἢ τἂν οὐκ ἂν ἦ. Phae- 
dra fr. 622, IN. οὐ yap not ἂν γένοιτ᾽ ἂν ἀεφαλὴς πόλις 
Fragm. ine. 675 πῶς ἂν οὐκ ἂν ἐν δίκῃ θάνοιμ᾽ ἄν (mit 
drei ἄν!) 

Herodot 2, 90, 9 ὃ ἥλιος ἂν ἀπελαυνόμενος ἐκ UECOU τοῦ 
οὐρανοῦ --- ἤιε ἂν τὰ ἄνω τῆς Εὐρώπης. 2, 20, [1 διεξιόντα 
᾿᾿ἄν μιν διὰ πάεης Εὐρώπης ἔλπομαι ποιέειν ἂν τὸν Ἴετρον. 
3, 55, 17 οὐδ᾽ ἂν αὐτὸν ἔγωγε δοκέω τὸν θεὸν οὕτω ἂν κα- 
κῶς βαλεῖν. ἴ, 187, ὃ οὐδ᾽ ἂν τούτων ὑπὸ πλήθεος οὐδεὶς 
ἂν εἴποι πλῆθος. Eurip. Alk. 72 πόλλ᾽ ἂν εὺ λέξας οὐδὲν ἂν 
πλέον λάβοις. id. 96 πῶς ἂν ἔρημον τάφον "AdunToc κεδνῆς 
ἂν ἔπραξε τυναικός. Androm. 994. οὐκ ἂν ἔν γ᾽ ἐμοῖς δόμοις 
βλέπους᾽ ἂν αὐγὰς τἄμ᾽ ἐκαρποῦτ᾽ ἂν λέχη. Hekabe 742 AX- 
γος ἂν προεθείμεθ᾽ ἄν. Helena τὸ TWd ἂν εὐςτόχῳ TTTEPW 
ἀπόλαυειν εἰκοῦς ἔθανες ἂν Διὸς κόρης. Heraclid. 721 φθάνοις 
δ᾽ ἂν οὐκ ἂν τοῖςδε ςὸν κρύπτων δέμας. (Vgl. hiezu Elmsley). 
Hiketiden 417 ἄλλος τε πῶς ἂν μὴ διορθεύων λόγους ὀρθῶς 
δύναιτ᾽ ἂν δῆμος εὐθύνειν πόλιν. (BUG τίν᾽ ἂν λόγον, τάλαινα, τίν᾽ 
ἂν τῶνδ᾽ αἰτία λάβοιμι). DD οὐκ ἂν δυναίμην οὔτ᾽ ἐρωτῆςαι 
τάδε οὔτ᾽ ἂν πιθέεθαι. Hippolvyt. 480. ἢ τἀρ᾽ ἂν ὄψε τ᾽ ἄν- 
ὃρες ἐξεύροιεν ἄν. Iphig. Taur. 1020 ap” ἂν τύραννον διολέ- 
coı δυναίμεθ᾽ ἄν. Medea 616 οὔτ᾽ ἂν ξένοιει τοῖει coic χρη- 
catue® ἄν. Troades 400 οὐκέτ᾽ ἂν φθάνοις ἂν αὔραν ἱετίοις 
καραδοκῶν. 1244 ἀφανεῖς ἂν ὄντες οὐκ ἂν ὑμνηθεῖμεν ἄν. 
Meleagros fragm. 527 Nauck ? μόνον δ᾽ ἂν (Nauck: malim 
ἕν) ἀντὶ χρημάτων οὐκ ἂν λάβοις. 

Thueyd. 2, 41, 1 λέτω — καὶ κάθ᾽ ἕκαετον, δοκεῖν ἄν 
μοι τὸν αὐτὸν ἄνδρα παρ᾽ ἡμῶν ἐπὶ πλεῖςετ᾽ ἂν εἴδη καὶ μετὰ 
χαρίτων μάλιετ᾽ εὐτραπέλως τὸ cWUA αὔταρκες παρέχεεθαι. (Vgl. 


Ὁ 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 40] 


Stahl zu d. Stelle). 4, 114, 4 οὐδ᾽ ἂν «εφῶν πειραςομένους 
— αὐτοὺς δακεῖν nccov, ἀλλὰ TOAAW μᾶλλον — εὔνους ἂν 
cpicı γενέεθαι. 6, 10, 4 τάχ᾽ ἂν δ᾽ ἴεως, ei — λάβοιεν -- 
καὶ πάνυ ἂν ξυνεπίθοιντο. 6, 11, 2 Σικελιῶται δ᾽ ἄν μοι δο- 
κοῦςειν, WC γε νῦν ἔχουειν, καὶ ἔτι ἂν ἥςεον δεινοὶ ἡμῖν γτενέες- 
θαι. 6, 18, 2 βραχὺ ἄν τι προςκτώμενοι αὐτῇ περὶ αὐτῆς ἂν 
ταύτης μᾶλλον κινδυνεύοιμεν. 8, 40, 2 γενομένης δ᾽ ἂν -- 
ἀρχῆς ἀπορεῖν ἂν αὐτόν. Hippokrates περὶ ἀρχαίης ἰητρικῆς 
1, 572 Littre οὔτε ἂν αὐτῷ τῶ λέγοντι οὔτε τοῖς ἀκούουει 
δῆλα ἂν εἴη. Aristoph. Acharn. 215 οὐδ᾽ ἂν ἐλαφρῶς ἂν ἀπε- 
πλίξατο. BUS πώς δέ Υ᾽ ἂν καλῶς λέγοις ἄν. Nubes 977 ἠλεί- 
ψατο δ᾽ ἂν τοὐμφαλοῦ οὐδεὶς παῖς ὑπένερθεν τότ᾽ ἄν. 1989 
μαμμᾶν δ᾽ ἂν αἰτήεαντος ἧκόν corı φέρων ἂν ἄρτον. Pax 68 
πῶς ἄν ποτ᾽ ἀφικοίμην ἂν εὐθὺ τοῦ Διός. 646 ἣ δ᾽ Ἑλλὰς 
ἂν ἐξερημωθεῖς᾽ ἂν ὑμᾶς ἔλαθε. 1223 οὐκ ἂν πριαίμην οὐδ᾽ 
ἂν ἰεχάδος μιᾶς. Aves 829 καὶ πῶς ἂν ἔτι γένοιτ᾽ ἂν εὔτακ- 
τος πόλις. Lysistr. 113 ἐγὼ δέ τἂν κἄν (sell. ἐθέλοιμι), εἴ 
με χρείη --- ἐκπιεῖν. 115 ἐγὼ δέ γ᾽ ἂν κἂν ὥςπερ εἰ ψῆτταν 
δοκὼ δοῦναι ἂν ἐμαυτῆς παρταμοῦςα θἤμιευ. 147 μᾶλλον ἂν 
διὰ τουτογὶ γένοιτ᾽ ἂν εἰρήνη. 9501] φωνὴν ἂν οὐκ ἂν εἶχον. 
Ranae 34 ἡ τἄν ce κωκύειν ἂν ἐκέλευον μακρά. δὶ οὐκ ἂν 
γενοίμην Ἡρακλῆς ἄν. Ekkles. 118 οὐκ ἂν φθάνοις τὸ τένειον 
ἂν περιδουμένη. 

Plato Sympos. [Apol. 41 A.| 176 0 ἴεως ἂν ἐγὼ περὶ τοῦ με- 
θύεκεεθαι --- τἀληθῆ λέγων ἧττον ἂν εἴην ἀηδής. Phaedrus 232 C 
εἰκότως ἂν (Schanz konj. δή) τοὺς ἐρῶντας μᾶλλον ἂν φοβοῖο. 
201 C Tax’ οὖν ἂν ὑπὸ φιλοτιμίας ἐπίεχοι Nulv ἂν τοῦ γτρά- 
φειν. Republ. 7, 5260 οὐκ ἂν ῥᾳδίως οὐδὲ πολλὰ ἂν εὕροις 
wc τοῦτο. Menexenus 236 D κἂν ὀλίγου, εἴ με κελεύοις ἀπο- 
δύντα ὀρχήςαςθαι, χαριςαίμην ἄν. Sophist. 235 A πῶς οὖν ἄν 
ποτέ τις --- δύναιτ᾽ ἂν ὑγιές τι λέγων ἀντειπεῖν. 255 B εχολῇ 
TOT ἂν αὐτοῖς τις χρήματα διδοὺς ἤθελεν ἂν — Σᾷμαθητὴς τίγ- 
vecöcı. [Legg. 5, 742C]. Xen. Cyrop 1, 3, 11 ετὰς ἂν ὥςπερ 
οὗτος ἐπὶ τῇ εἰςόδῳ — λέγοιμ᾽ Av. Xen. Anab. 1,3,6 ὑμῶν δ᾽ 
ἔρημος ὥν, οὐκ ἂν ἱκανὸς οἶμαι εἶναι οὔτ᾽ ἂν φίλον ὠφελῆςαι 
οὔτ᾽ ἂν ἐχθρὸν ἀλέξαεθαι. 4, 6, 13 δοκοῦμεν δ᾽ ἄν μοι ταύτῃ 
προςποιούμενοι προςεβαλεῖν ἐρηιιωτέρῳ ἂν τῶ ὄρει χρῆςεθαι. 5, 
0, 32 διαςπαςεθέντες δ᾽ ἂν καὶ κατὰ μικρὰ γενομένης τῆς δυνά- 
MEWC οὔτ᾽ ἂν τροφὴν δύναιεθε λαμβάνειν οὔτε χαίροντες ἂν 
ἀπαλλάξαιτε. Oecon. 4, Ὁ Wd ἂν --- ἐπιεκοποῦντες --- ἴεως ἂν 


402 Jacob Wackernagel, 


καταμάθοιμεν. II S. 283. Epikrates (fragm. com. ed. Kock) 
ἢ". 9.2. γ.11 eidec δ᾽ ἂν αὐτῆς Φαρνάβαζον θᾶττον ἄν. (Demosth. 
18. 240 τί ἂν οἴεςθ᾽ εἰ --- ἀπῆλθον —, TI ποιεῖν ἂν ἢ τί λέ- 
γεῖν τοὺς ἀςεβεῖς ἀνθρώπους τουτουςί gehört, da die Wieder- 
holung des ἄν durch die Wiederaufnahme des fragenden τί 
bewirkt ist, nieht hierher.) 27, 56 οὐκ ἂν nyeich' αὐτὸν κἂν 
ἐπιδραμεῖν. Aristot. poet. 25, 1400» 1 ὧδ᾽ ἂν Bewpoücıv τέ- 
νοιτ ἂν φανερόν und öfters; vgl. Vahlen zu d. Stelle und 
Wiener Sitzungsber. LVI 408. 458. 

Wenn meine Beispielsammlung in ihrer Unvollständigkeit 
nicht gar zu ungleichmässig ist, ergibt sich starke Abnahme 
dieser Art von Doppelsetzung von ἄν im vierten Jahrhundert. 
Zumal die rednerische Prosa zeigt nur ganz spärliche Bei- 
spiele; bekanntlich hat Lysias ἄν gar nie doppelt gesetzt. 
Ich zweitle nicht, dass diese Abnahme auf fortschreitendes 
Erlöschen derjenigen Tradition zurückzuführen ist, welche ἄν 
an zweiter Stelle des Satzes forderte. 

Nun findet sich Doppelsetzung des ἄν auch so, dass das 
erste ἄν nicht die zweite Stelle im Satz einnimmt, sondern 
eine spätere. Dies ist ganz natürlich, da ja die verschieden- 
sten Satzteile &v gern hinter sich hatten, und folglich, sobald 
ein Satz breiter angelegt war, sich verschiedene mit einan- 
der kollidierende Ansprüche auf die Partikel geltend machen 
mussten. Die hieraus sich ergebenden Kombinationen zu be- 
trachten und für eine jede die betr. Beispiele beizubringen, 
liegt ausserhalb unserer Aufgabe, die nur die Erforschung der 
Reste des alten Stellungsgesetzes in sich schliesst, so interes- 
sant und so wiehtig für die Würdigung der Jüngern Sprache 
es auch wäre, die in dieser herrschend gewordnen Tendenzen 
im Einzelnen klar zu legen. 


ὙΠ]. 


Das Stellungsgesetz, dessen Geltung im Griechischen auf 
(den vorausgehenden Seiten besprochen worden ist, ist für em- 
zelne der asiatischen Schwestersprachen längst anerkannt. 

Für die Altindische Prosa lehrt Delbrück Syntakt. 
Forschungen III 47: “ Enklitische Wörter rücken möglichst 
nah an den Anfang des Satzes”. Wesentlich stimmt dazu die 
Bemerkung, die Bartholomae Ar. Forschungen II 3 für den 
Rigveda giebt: “Auch bei oberflächlicher Betrachtung drängt 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 405 


sich die Wahrnehmung auf, dass im RV. die enklitischen For- 
men der Personalpronomima, sowie gewisse Partikeln, in den 
meisten Fällen «die zweite Stelle innerhalb des Verses oder 
des Vers- Abschnitts einnehmen”. Vgl. denselben Ar. For- 
schungen III 30 Anın. über som, sma, sowie die harte Timesis 
RV. 5, 2, ἡ sunas cic chepam niditam sahasrad yüpad 
amuncak. 

Entsprechende Beobachtungen hat derselbe Gelehrte an 
den Gathas des Avesta gemacht (Ar. Forschungen II 
3.) Er stellt dort S. 11 f. für diese die Regel auf: “En- 
klitische Pronomina und Partikeln lehnen sich an den ersten 
Hochton im Versglied an”, und ist dabei zur Anerkennung 
von Ausnahmen bloss bei czf genötigt, das eben oft einzelne 
Satzteile hervorzuheben hat und dann an die betr. Satzteile 


4 
.) 


geheftet ist. Auch dies lässt sich zu der Delbrückschen Regel 
leicht in Beziehung setzen. 

Ganz genau bewährt sich aber diese, wie es scheint, in 
der mittelindischen Prosa (vgl. z. B. Jacobi Mähärästri- 
Erzählungen S. 8 Z. 15 jena se parikkhemi balavisesam, Wo 
se syutaktisch zu balavisesam gehört) und sicher im Altper- 
sischen, dessen Keilschriftdenkmäler sieh durch ihre feier- 
lieh-korrekte Sprechweise und ihre genaue Unterscheidung der 
önklitika in der Schrift für derartige Beobachtungen beson- 
ders eignen. Ich gebe das Material nach Spiegels zweiter 
Ausgabe vollständig, mit Ausnahme der Stellen, wo das En- 
klitikum ergänzt ist. Ausnahmslos an zweiter Stelle finden 
sich zunächst 

maäiy: hinter den geschlechtigen Nominativen Laura- 
ΠῚ 1 25.55. 37. 94. 2, 24.40. 60. 68.3, 6, 17. 
37. 44. 60. 65. 86. 4, 60. ΝΕ ἃ 50. dahyaus Bh. 4, 39 hauv 
Bh. 2, 79. 3, 11; sodann hinter dem neutralen tya (ausser 
Bh. 4, 65, über das der Lücke wegen nichts bestimmtes ge- 
sagt werden kann), Xerxes A 24. 30. ©? 13 (zweimal), C" 22 
(zweimal). D 19. 8 19; endlich hinter «ta Bh. 4, 74. 18. 
Xerxes D15 (dazu NR: 52, Xerxes D 18. E2 18. A 29, ob- 
wohl κα an diesen Stellen nicht Sätze, sondern nur Satz- 
glieder verbindet). 

taiy: hinter den geschlechtigen Nommativen Aura- 
mazda Bh. 4,58. 78, hause ΝΠ ἃ 57, |wo allerdings nach Thumbs 
Deutung ΚΖ. XXXI 132 ff. taiy an fünfter Stelle stände!] 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 90 


404 Jacob Wackernagel, 


hinter dem Neutrum ava Bh. 4, 76. 79, hinter ada NR: 48. 
45, hinter uta Bh. 4, 58. 75. 79. 

saiy hinter haue Darius ΠΗ ὃ. tyaiy (Nom. Pl.) Bh. 1, 
57.2, 74.080482 51.773: avaphar3, 14: uam, TA: 8379, ΜῈΝ 
pasäva 2, 88. 

Also maiy, taiy, saiy folgen der Regel an im ganzen 
56 Stellen im Anschluss an die verschiedensten Wörter, und 
ohne dass eine einzige Stelle widerspricht. Besonderer Be- 
achtung wert sind Bh. 1,57 uta tyaisaiy fratama martiya 
gegenüber dem ata martiya tyaisaiy fra- 


ζ 


anusiya ahanta, 2 
tama u. s. w. der übrigen Stellen mit fyaisaiy, ferner Bh. 4, 
74 — 4, τὸ, utämaiy, yava tauma ahatiy, parikaräha-dis, 
wo maiy vor dem Zwischensatz, das Verbum erst dahinter 
kommt; vorzüglich aber Xerxes D 15 atamaiy tya pita 
akunaus — καί μοι ἅττα ὃ πατὴρ Eroincev, wo das in den 
Relativsatz gehörige maiy dem Anschluss an πα zu liebe vor 
das Relativpronomen gestellt ist. 

Ganz ähnliche Resultate ergeben sich bei den übrigen 
personalen Enklitika: beim enklitischen mam, das an der ein- 
zigen Belegstelle (Bh. 1, 52) auf satzemleitendes matya folgt; 
bei sim: hinter den Nominativen api Bh. 1, 95. kara 1, 50. 
adam 1, 52, sowie haruıva 2, ἴδ. 90; hinter dem Akkusativ 
satram 1, 59: hinter den Partikeln avada 1, 59. 3, 79.5, 14. 
nai 4, 49. pasäva 2, 90; bei sis hinter avada 3, 52; bei 
sam hinter den Nommativen adam NR? 18: hya Bh. 2, 15; 
dem Akkusativ avam Bh. 2, 20. 83., dem Neutrum tya 
Bh. 1, 19. NR» 20. 36; hinter den Partikeln avatha 2,27. 
31.42.2602. 83..98.:3,.,8. 19. 40. Ἀπ’ 0: 00: 268.28, md 


Diesen 35 Stellen, die damit zu den obigen 56 hinzu- 
kommen, stehen allerdings 5 abweichende gegenüber: Bh.1, 14 
vasnd Auramazdaha adamsam xsayapiya äham; 4,6 vasn/a 
Aurama]zdäha adamsam ajanamz; NR?*535 vasna Aura- 
mazdaha adamsim gapra niyasadayamy, immerhin schliesst 
sich an allen drei das Enklitikon unmittelbar an das Subjekt 
adam an. Und mehr als ausgeglichen werden diese Ausnah- 
τὸ Ξε ἢ, 90 haruwasim kara 
araina |“ universus eum populus videbat”) wo das Pronomen 
zwischen Attribut und Substantiv getreten ist, oder wie Bh. 


nen dureh solehe Stellen wie Bh. 2, 


3,56 utasam 1 martiyam maphistam akumaus, wo sdäm SYU- 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 405 


taktisch zu mapistam gehört ("und er machte einen Menschen 
zum Obersten derselben”). 

Sieht man von hacama ‘von mir’ und haca avadasa 
“von da aus’ ab, so bleiben noch -ciy (= altind. eit) und dim, 
dis. Letztere folgen der Regel hinter dem Nominativ drauga 
Bh. 4, 34, dem neutralen tya Bh. 1,65, der Partikel naöy 4, 73. 
78, pasava Bh.4, 55. ΝΕ ἃ 33, der Verbalform visanaha Bh. 
4, 77. Kaum als Ausnahme kann 4, 74 gelten: utämaiy, 
yava tauma ahatiy, parikarahadis (Spiegel: "sondern sie 
mir, so lange deine Familie dauert, bewahrst”): denn wenn 
sich hier dis auch nicht an das erste Wort des Satzes schlecht- 
hin anschliesst, so doch an das erste auf den Zwischensatz 
folgende Wort. So widerspricht nur NR? 42 /yathja sesna- 
s/ahadis/ “damit du sie kennst, und da mag man billig 
fragen, ob nicht die Ergänzung falsch sei. 

Dagegen οὖν emanzipiert sich von der Regel. Zwar 
steht es Bh. 1, 53 hinter kas, S. 23 hinter hauv und Xerxes 
D 20. (Ὁ 14.” 24 an zweiter, aber Bh. 1, 46 hinter kas, 1, 53 
hinter eis, 1, 63. 67. 69 hinter paravam, 4, 46 und Xerxes 
D 13 hinter aniyas an dritter Stelle oder noch weiter hinten 
im Satz. Es steht eben hinter dem Wort, das der Hervorhe- 
bung bedarf; vgl. die Stellung von cz? im Avesta (oben S.405). 

So die indoiranischen Sprachen. Aber auch ausserhalb 
derselben bieten sich belehrende Parallelen dar. Dass vorerst 
den germanischen Sprachen unser Stellungsgesetz nicht 
fremd ist, zeigt schon die Behandlung der schwachbetonten 
Personalpronomina im Neuhochdeutschen. Zumal, wenn sich 
im Nebensatz und dann in weiter Entfernung vom Verbum 
steht, kommt uns das Gesetz zum Bewusstsein, freilich als 
eine unbequeme Fessel, deren wir uns in schriftlicher Darstel- 
lung gern dadurch entledigen, dass wir das Pronomen zum 
Verbum ziehen. Wir glauben hierdurch deutlicher zu sein, 
empfinden aber solehe Stellung doch als unschön. Und oft 
entschlüpft uns-in mündlicher Rede doppeltes sich, eines am 
traditionellen Platze zu Anfang, und eines beim Verbum: ganz 
analog dem doppelten ἄν der Griechen. — Auch bei den an- 
dern persönlichen Pronomina kann man solche Tendenz beob- 
‚achten. 

Doch wage ich auf diesem Gebiet eingehendere Erör- 
terungen nicht, und möchte nur noch an die von Kluge KZ. 


400 Jacob Wackernagel, 


XXVI 80 in ihrer Bedeutung hervorgehobenen gotischen Tme- 
sen ga-u-laubeis, ga-u-bwa-sehi, us-nu-gibib und die Fälle 
erinnern, wo u/h) und ähnliche Partikeln im Gotischen Prä- 
position und Kasus trennen. Mit Reeht erkennt Kluge in die- 
sem Drang der Enklitika sich unmittelbar an das erste Wort 
anzuschliessen, einen alten Rest aus der Vorzeit. Das lehr- 
reichste Beispiel ist unstreitig ga-u-la-sehi mit seinem Ein- 
schub des Indefinitums va — τὶ. 


IX, 

Indem ich dahingestellt lasse, ob das Pronomen infixum 
des Keltischen (Zeuss Grammatica celtica 8.327 ff.) nicht von 
hier aus Licht empfange, wende ich mich sogleich zum La- 
tein, und konstatiere hier zum voraus, dass die Latinisten 
alter Schule schon längst lehren, dass zumal in klassischer 
Prosa die Stelle unmittelbar hinter dem ersten Wort des Satzes 
mit Tonsehwäche verbunden sei, und die dorthin gestellten 
Wörter entweder von Haus aus enklitisch seien oder es dureh 
eben diese Stellung werden (Reisig Vorlesungen über latein. 
Sprachwissenschaft S. 818; Madvig zu Cie. de finibus I 45; 
Seyffert-Müller zu Cie. Laelius? S. 49. 64; Schmalz Latein. 
Syntax ? 5. 557 u. s. w.) Für die Einzeluntersuchung ist es 
nun allerdings unbequem, dass die Überlieferung anders als 
im Griechischen keine äussern Kennzeichen zur Unterscheidung 
orthotonischer und enklitischer Formen liefert. Trotzdem kön- 
nen wir ziemlich sicher gehen. Denn gesetzt z.B. es zeige ein 
Casus obliquus eines persönlichen Pronomens, auf dem 
nach Ausweis des Zusammenhangs keinerlei Nachdruck liegt, 
genau dieselben Stellungseigentümlichkeiten, die wir bei μοι 
und seinen Genossen gefunden haben, so muss in emem sol- 
chen Fall sowohl die enklitische Betonung des betr. Pronomens 
als die Gültigkeit des fürs Griechische aufgestellten Stellungs- 
gesetzes auch fürs Latein m. E. als erwiesen gelten. Und 
solche Fälle finden sich genug. 

Erstens eigentliche Tmesis zwischen Präposition und Ver- 
bum (vgl. fürs Griechische oben S. 361): sub vos placo, ob 
vos sacro (Festus 190P 2. 8098 30). Zweitens Zertrennung 
anderer, sonst zur Eimheit verwachsener Wortverbindungen 
durch ein der zweiten Stelle zustrebendes schwach betontes 
Pronomen: a) mit per verbundener Adjektive: Cicero de orat. 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 407 


(1, 214 in quo per mihi mirum visum est). 2, 211 nam sicut, 
quod apud Catonem ist —, per mihi scitum videtur —: sic 
profecto se res habet. ad Quintum fr. 1, 1 (9), 2 per mihi 
benigne respondit. ad Att. 1, 4,3 quod ad me de Hermathena 
‚scribis, per mihi gratum est. 1,20, per mihi, per, inguam, 
gratum feceris. Dass Lael. 16 pergratum mihi feceris, spero 
item Scaevolae steht und nicht per mihi gratum, wie Orelli 
verlangte, dient zur Bestätigung unserer Regel, da mihi wegen 
‚des Gegensatzes zu Scaevolae stark betont gewesen sein muss 


(Seyffert-Müller zu d. St. 5. 90 3). Die weitern Fälle, in denen 
per Timesis erleidet, werden im Verlauf zur Erwähnung kom- 
men, ausser de or. 1,209 östa sumt pergrata perguwe iucunda 
und ad. Att. 10, 1,1 per enim magni aestimo, in welch bei- 
den Beispielen übrigens eine, die zweite Stelle verlangende, 
Partikel die Trennung bewirkt hat. 

b) Des Pronomens gqui-cungue (Neue 5. 2, 489), nebst Zu- 
behör (dessen Tmesis in Fällen wie Oicero pro Sest. 68 quod 
iudicium cunque subierat. De divin. 2, T qua re cumquwe. Lu- 
erez 4, δῖ quae loca cungue. Ὁ, 89 qua de causa cunque. 
6, S6T quae semina cungue. Horaz Oden 1, 6, 5 guam rem 
cungee und in den von Neue aus Gellius und Appuleius an- 
geführten Stellen; ferner in Cicero de legibus 2, 46 quod ad 
cungue legis genus besondrer Art ist). Cicero de orat. 3, 60 
quam se cumque im partem dedisset. Tuseul. 2, 15 quo ea 
me cumque ducet. De divin. 2,149 quo te cunque verteris. 
Verg. Aen. 1, 610 guae me cunque vocant terrae. ὃ, 14 quo 
te cunque lacus miserantem incommoda nostra fonte tenet. 
12, 61 gui te cungue manent isto certamine casus. ΠΟΙᾺ 
Oden 1,7,25 quo nos cunque feret melior Fortuna parente. 
1, 27, 14 quae te cungue domat Venus. (Ovid. trist. 2, 78 
delicias legit qui tibi cungue meas.) Martial 2, 61, 6 nomen 
quod tibi cungue datur. Darmach Terenz Andria 2653 quae 
meo quomque animo lubitum est facere. Ausser an diesen 
Stellen und den unten wegen andrer Enklitika anzuführenden 
kommt Tmesis von guicungue nur Lucrez 6, 1002. Horaz 1, 
912.1,16, 2. Sat. 2, 5, 51 vor, wo ganz beliebige Wörter 
dazwischen getreten sind. (Vgl. Horaz Sat. 1, 9, 33 garrulus 
hune quando consumet cunque.) Wir dürfen ruhig hierin 
poetische Freiheiten erkennen. 

ὁ) Des Adverbs guomodo. Plautus Cistell 1, 1, 41 ne- 


% 


408 Jacob Wackernagel, 


cesse est, quo tu me modo voles esse, ita esse mater. Uicero 
pro Rose. Am. 859 quo te modo iactaris. in Pisonem 89 quo 
te modo ad tuam intemperantiam inmovasti. pro Scauro ὃ0 
quo te nunc modo appellem. Vgl. pro Rab. Post. 19 guonam 
se modo defendet. pro Scauro DV guocungque igitur te modo —. 
Weiteres unten; Trennung durch volltonige Wörter scheint 
sich nicht zu finden. Denn Cicero de lege agr. 1, 25 quo 
uno modo ist besondrer Art. 

Drittens ist die Trennung von Präposition und regiertem 
Kasus in der bekannten Bittformel zu nennen: Plautus Bacch. 
WB per te ere obsecro deos immortales. Menaechmi 990 per 
ego vobis deos atque homines dico. Terenz Andria 958 per 
te deos oro et nostram amteitiam, Chremes. 834 per ego te 
deos oro. Tibull 3, 11(=4,5,) 1 per te duleissima furta per- 
que tuos oculos per geniumgue rogo. Livius 23,9,2 per ego 
te, inguit, fili, guaecungue iura tungunt liberos parentibus, pre- 
cor quaesogue. Curtius Ὁ, 8,16 per ego vos decora matorum 
— 010 et obtestor. Lucan 10,370 per te quod fecimus una 
perdidimusque nefas — ades (das Verbum des Bittens ist hier, 
wie im folgenden Beispiel, weggelassen). Silius 1, 658 per 
vos culta diu Rutulae primordia gentis —, conservate pios- 
Das per, woran sich das Pronomen te, vos, vobis anhängt, 
steht also immer am Anfang des Satzes. 

Viertens seien die paar Beispiele von Trennung minder 
enger Wortgruppen angeführt, die von den vorgenannten La- 
tinisten als Belege für Ciceros Neigung das tonlose Prono- 
ınina hinter dem ersten Wort einzuschieben beigebracht wer- 
den: (de orat._3, 209 his autem de rebus sol me ille admo- 
nuit.) Brutus 12 populus se Romanus erexit. orator 92 sen- 
tiebam, non te id sciscitari. de oflie. 1, 151 in agros se pos- 
sessionesque contulit. (Laelius 15 idque eo mihi magis est 
cordi. ST ut aliquis nos deus ex hac hominum frequentia 
tolleret.) 

Fünftens sind emige Fälle zu nennen, wo ein zwei Glie- 
dern des Satzes gemeinsames Pronomen ims erste eingescho- 
ben wird (Müller zum Laelius XX 72). Cic. epist 4,7, 2 sed 
idem etiam illa vidi, neque te consilium cieilis belli ita ge- 
rendi nec copias On. Pompei — probare. Laelius 31 nec se 
comitem ilius furoris, sed ducem praebuit. Sallust or. Phi- 
lippi 16 negue te prorinciae neque leges neque di penates 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 409 


civem patiuntur. (Ebenso, aber ohne Einfluss des Stellungs- 
gesetzes Caesar bell. οἷν. 1, 85, 11 guae omnia et se tulisse 
patienter et esse laturum, wozu jedoch Paul: “se omitten- 
dum esse verborum eonsecutio docet ”.) 

Anderes geben die bisherigen Forschungen über die Stel- 
lung des Pronomens bei den Komikern an die Hand. (Vgl. Kämpf 
De pronominum personalium usu et conlocatione apud poetas 
scenicos Romanorum : Berliner Studien für Klass. Philologie u. 
Archäologie III 2. 1886). Aus Kämpf hebe ich namentlich die 
Beobachtung hervor (S. 31. 36), dass sich die Personalprono- 
mina in der grossen Mehrzahl der Fälle an Fragewörter und 
an satzeinleitende Konjunktionen unmittelbar anschliessen; (vgl. 
z. B. bei Joseph Bach in Studemunds Studien auf d. Gebiete 
des archaischen Lateins II 245 die Zusammenstellung der Fälle 
mit guid tibi und folgendem den Akkusativ regierenden Sub- 
stantivum verbale auf -tio), ebenso (5.40) an die Aftirmativpar- 
tikeln, wie hercle, pol, edepol u. 5. w., die, worauf später die 
Rede kommen wird, entweder die erste oder die zweite Stelle 
im Satz einnehmen. Sehr beachtenswert ist auch die an 
eine Beobachtung Kellerhoffs geknüpfte Bemerkung Kämpfs, 
dass in den überaus zahlreichen Fällen, wo die Negation an 
der Spitze des Verses steht, sich ein allfällig vorhandenes 
Pronomen personale daran anlehnt. 

Am lehrreichsten ist aber der Nachweis, den Langen 
Rhein. Museum XII (1857) 426 ff. betreffend die Beteuerungs-, 
Wunsch- und Verwünschungsformeln mit di, di deaeque 
oder einem einzelnen Gottesnamen als Subjekt und konjunk- 
tivischem (oder futurischem) Verbum als Prädikat gegeben 
hat. (Vgl. auch Kellerhoff in Studemunds Studien II 77 f.). 
Wo di, di deaegue, oder der betr. Gottesname am Satzan- 
fang steht, folgen die vom Verb regierten pronominalen Ak- 
kusative und Dative me, te, tibi, ebenso die in diesen Wen- 
dungen seltener vorkommenden wos, wobis, fistum), istunc, 
istam, istunc, istaec, illum dem Subjekt unmittelbar. Wo 
das Subjekt mehrgliedrig ist, findet sich das Pronomen zwar 
vereinzelt erst nach der ganzen Subjektgruppe: Plautus Casina 
275 Hercules dique istam perdant. Vgl. Epidieus 192 di 
hercle omnes me adiuvant, augent, amant, wo Langen (und 
nach ıhm Götz) di me hercle ommes ändert. Mostell. 192 


di deaeque omnes me pessumis exemplis interficiant. (Ritschl 


410 Jacob Wackernagel, 


me omnes). Öfter ist das Pronomen nach dem ersten Gliede 
eingeschoben: Aulul. 698 Zuppiter te dique perdant. (Das- 
selbe Captivi 868. Cureulio 317. Rudens 1112). Captivi 919 
Diespiter te dique, Ergasile, perdant. Pseudolus 271 di te 
deaegue ament. Mostell. 4653 di te deaeque ommes faxint 
cam istoc omine. 684 di te deaeque ommes funditus per- 
dant, sene.r. Ebenso bei attributiver Gruppe: Menaechmi 596 
di illum omnes perdant. Terenz Phormio 519 di tibi 
omnes id quod es dignus dwint. Eine Mittelstellung nimmt 
Plautus Persa 292 ein: di deaeque me ommes perdant; 
ebenso Mostell. 192 nach Ritschls Schreibung, siehe oben. 

Schon dies ist beachtenswert; von besondrer Bedeutung 
ist aber, dass wenn an der Spitze des Satzes ein ἐξα, itaque, 
ut, utinam, hercle, qui, at steht, darauf nicht etwa zuerst 
di oder der Göttername und dann erst das Pronomen folgt, 
sondern in diesem Fall das Pronomen dem noninmalen Subjekt 
voraneeht. Wo at und öta verbunden sind, steht das Prono- 
men dahinter Cureulio 574 at ita me machaera et clypeus 
bene invent. Miles glor. 501 at ita me di deaeque ommes 
ament; dagegen zwischen beiden Partikeln Poenulus 1258 at 
me ἐξα. dei servent, wo ich dem Metrum lieber mit der Schrei- 
bung med, als mit der von den Neuern vorgezogenen Umstel- 
lune at ita me aufhelfen würde. Auch hinter andern Anfangs- 
wörtern, als den angeführten Partikeln, geht das Pronomen 
dem Subjekt di voraus: Pseudolus 430 sö te di ament. 956 
tantum tibi boni di immortales duint. Mostell. 695 malım 
quod (= κακόν τι) isti di deaeque omnes duint u. s. w. An 
dder widerstrebenden Stelle Plautus Casina 609 gquin hercle di 
te perdant will Langen, dem sich Kellerhoff a. a. ©. und 
Schöll in seiner Ausgabe anschliessen, guin hercle te di perdant 
umstellen, während Seyffert mittelst der Interpunktion gain 
hercle “di te perdant” dem Schaden abzuhelfen sucht. 

Die Beobachtung von Langen bewährt sich auch an der 
klassischen Latinität. Insofern wenigstens als die Beteuerungs- 
tormeln mit öta, söc auch hier das me, te, mihi fast ausnahmslos 
unmittelbar hinter öa, sic haben. Mit ἐξα: Cicero divmatio 
in Caee. 41 öta mihi deos velim propitios. Verrma ὃ, 39 
ita mihi meam voluntatem — vestra populique Romani ewi- 
stimatio comprobet. ὃ, BT ita mihi ommis deos propitios 
velim. Epistulae 5, 21, 1 nam tecum esse, ita mihi com- 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 41] 


moda omnia quae opto contingant, ut vehementer velim. ad 
Attieum 1, 16, 1 saepe, ita me di iwwvent, te 
15, 5 [Oetavianus] ἐμ) αὐ "ita sibi parentis honores consequi 
liceat”. Catull ΟἹ, 196 at manrite, ita me iuvent caelites, 
nihilo minus pulcer es. 66, 15 non (ita me divi) vera ge- 


desideravi. 16, 


maunt (inerint). IT, 1 non, ita me di ament, quicquam referre 
putavi. Diese Stellung bleibt auch, wenn dem iöta noch eine 
Partikel vorgeschoben wird: Cicero in Catil. 4, 11 nam ita 
mihi salva republica vobiscum perfrui liceat, ut —. epist. 10, 
12, 1 tamen ita te victorem complectar —, ut —. (Plancus ad 
Ciceronem epist. 10, 9, 2 ta ab imminentibus malis respub- 
lica me adiuvante liberetur und Petron. T4 ita genium meum 
propitium habeam kommen natürlich nicht in betracht. 

Mit sie: Oatull. 17, 5 sic tibi bonus ex tua pons libi- 
dine fiat. Virgil Eel. 10, 4 sie tibi, cum fluctus supterla- 
bere Sicanos, Doris amara suam mon imtermisceat undam. 
Horaz Oden 1, 3, 1 sic te diva potens Uypri — regat. Ti- 
bull 2, 5, 121 sic tibi sint intonsi Phoebe capilli. Properz 
Bee N HemUht te referas- levis. ὦ, 6, 2 sicrtibi sint 
dominae Lygdame dempta iuga. Ovid. Heroid. 4, 169 sic 
tibi secretis agilis dea saltibus adsit. 4, 115 sic tibi dent 
nymphae. Metamorph. 14, 765 sic tibi nec vernum nmascen- 
tia frigus adurat poma. Corpus inser. lat. 4, 2776 presta 
mi sincerulm) sic te amet que custodit ortu(m) Venus. Vgl. 
Martial 7, 95, 8 perpetuo liceat sie tibi ponte frui, wo das 
Pronomen zwar nicht an zweiter Stelle, aber doch unmittelbar 
hinter sic steht. Bei einem Ablativus absolutus (Horaz Oden 
1, 28, 25 sic — Venusinae plectantur silvae te sospite) und 
beim Possessivum (Petron. 75 rogo, sic peculium tuum fru- 
niscaris; doch Virgil Eel. 9, 30 sic tua Uyrneas fugiant 
examina taxcos) haben wir kein Recht Geltung der Regel zu 
erwarten. Auch Ovid Trist. 5, 2, B1f. (sic habites terras et 
te desideret aether) sic ad pacta tibi sidera tardus eas 
kann nicht als Verletzung der Regel gelten. Dagegen ist auf- 
fällig Tibull 1,4, 1 sic umbrosa tibi contingant tecta Priape. 
Petron 61 sic felicem me videas. 

Aus Ausdrücken wie die eben besprochnen sind meher- 
cule, mediusfidius, mecastor bekamntlich verkürzt. Daraus 
scheint sich mir auch ihre Stellung zu erklären. Im der gros- 
sen Mehrzahl der Beispiele stehn sie an zweiter Stelle des 


412 Jacob Wackernagel, 


Satzes. So die beiden ersten ausnahmslos in Ciceros Reden. 
Vel. für mehercule auch Terenz Eunuch. 416. Cicero de or. 
25 1. Epist 221 A ada Atem 102137 1216 Are 
Ξε bei Ciersad Att. Yu TS1:=@achusÜber Cie. epist. 85. Ὲ 
Planeus ibid. 10, 11, 3. Plin. Epist. 6, 30; für mediusfidius 
auch Cicero epist. 5, 21, 1. Tuseul. 1, 74 me ille medius- 
fidius vir sapiens). Sallust Catil. 35, 2. Livius 5, 6, 1. 
22, 59, 11. Seneca suas Ὁ; Ὁ. Plin.zepist. Ὁ Ὁ. Ὁ. Besonders 
beweiskräftig ist die nicht seltene Einschiebung der zu einer 
ganzen Periode gehörigen Beteuerungspartikel hinter die ein- 
leitende Partikel des Vordersatzes: sö mehercule Cicero pro 
Caeeina 64. Catil. 2, 16. pro Scauro fragm. 10 Müller. Sal- 
lust Catil. 52, 55. guanto mehercule Sallust Histor. oratio 
Philippi 17. sö mediusfidius Cicero pro Sulla 83. pro Plancio 
9. Livius 5, 6, 1. 22, 59, 17. Die Stellen wo eine dieser 
beiden Partikeln an einer spätern Stelle des Satzes steht, sind 
bedeutend weniger zahlreich (mehercule: Terenz Eunuch. 67. 
Catull 38, 2. Phaedrus ὃ, 5,4. Plin. epist. 4,1, 1. — medius- 
fidius: Cato bei Gellius 10, 14, 3. Cicero ad Atticum 8, 15A 2. 
Quintil. ὃ, 12, 17). Bemerkenswert sind Cicero Αἰ. 4, 4" 2. me- 
diusfidius, ne tu emisti locum praeclarum, und ὃ, 10, ὃ 
mehercule etiam adventu nostro reriviscunt —, dureh die 


ganz eigentümliche Voranstellung der Partikel. — Was das 
vorklassische mecastor betrifft, so entsprechen Plautus Aulul. 
Οἵ moenum mecastor quid ego ero diecam meo — queo 


comminisci und auch Men. 754 ne istuc mecastor iam 
patrem accersam meum der Regel, Aulul. 112 novi hominem 
haud malum mecastor widerspricht ihr. 

Von der Stellungsregel für das vokativische hercule und 
dessen Genossen (siehe unten) unterscheidet sich die für meher- 
cule und Genossen darin, dass, von den isolierten Stellen Cicero 
Att.4,4”2.5,16,5 abgesehen, die mit ne- gebildeten von der 
ersten Stelle im Satz ausgeschlossen sind. Hiernach wird man 
ihre Neigung für die zweite Stelle nicht mit der bei hercule 
beobachtbaren zusammenstellen, sondern aus der enklitischen 
Natur des me herleiten. 


x 
Gehn wir zu andern Formen über! Wenn der Vokativ 
met wirklich dem nor in griechischem τέκνον wor u. dergl. (8. 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 413 
oben S. 362) gleichzusetzen ist, wie Brugmann Grundriss Il 
819 annimmt, so ist jedenfalls dem Wort in dieser Verwen- 
dung die Enklisis schon in vorhistorischer Zeit abhanden ge- 
kommen, da es sich bereits bei Plautus im Satzanfang findet. 
Es wäre nicht undenkbar, dass die Voranstellung von mi vor 
das Substantivum, zu dem es gehört, in solehen Sätzen auf- 
gekommen wäre, wo der Vokativ nicht an erster Stelle stand, 
ihm also ‚ni, um an die ihm zukommende zweite Stelle im 
Satz zu gelangen, dem Vokativ vorangestellt werden musste. 

Sicherer als dies ist, dass die obliquen Kasus von ἐδ, 
gerade wie att. αὐτοῦ und das enklitische asmai des Altin- 
dischen, der Weise von me, te folgen. Und so lesen wir z. B. 
Cicero Lael. 10 guam id recte fecerim, wie Brutus 12 popu- 
lus se Romanus erexit (s. oben S. 408). Ja auch bei den 
demonstrativeren Pronomina iste, ille haben wir enklitische 
Stellung in den S. 409 ff. besprochenen Wunsch- und Ver- 
wünschungssätzen. 

Weiterhin ist es vielleicht einem oder andern Leser auf- 
gefallen, dass in den Beispielen wo ein ne, te seiner Stellung 
wegen eine Wortgruppe zerreisst, demselben mehrfach ein ego, 
vorhergeht: Plautus Men. 990 per ego vobis deos — dico. 
Terenz Andr. 834 per ego te deos oro. Ähnlich Livius 23, 
972. Curtius 5, 8, 16. Fermer Plautus Cistell. 1, 1, 47 quo 
tu me modo voles esse. Auch der Nominativ von is, ea, id: 
Cicero Tuse. 2, 15 quo ea me cungue dusit. Man wird 
nicht bestreiten können, dass in solchen Fällen ego, tu, ea 
eben auch enklitisch sind, und wird sieh an die Enklisis von 
deutschem er, sie, es im Nebensatz, und bei Inversion und 
Frage, auch im Hauptsatz erinnern. Dann sind auch Stellen 
wie Cicero de orat. 2, 97 quantulum id cunque est; de 
nat. deorum 2, 76 quwale id cunque est, weiterhin pro 
Cluent. 66 guonam igitur haec modo gesta sunt, Sallust Cat. 
92,10 cauius haec cungue modi videntur, Terenz Ad. 36 ne 
aut ille alserit aut ceciderit, pro Deiot. 15 guonam ille 
modo cum regno distractus esset, auf diese Weise zu erklä- 
ren. Übrigens ist auch das aufs Verb unmittelbar folgende 
ego, tu, wie im Griechischen ἐγώ in gleicher Stellung, gewiss 
als wesentlich enklitisch zu fassen. 

Bei den Indefinita hält das Latein noch strenger an 
der alten Regel fest als das Griechische und erkennt man 


414 Jacob Wackernagel, 


dieselbe auch schon längst an, allerdings nicht mit ganz rich- 
tiger Formulierung. Nehmen wir den Sprachgebrauch der 
alten Inschriften, der Kommentarien Caesars und der Reden 
Cieeros nach dem Index zu CIL. I und den Lexica von Meu- 
sel und Merguet zusammen, so ergiebt sich, dass sich guös, 
quid in der unendlichen Mehrzahl der Belege an satzeinlei- 
tende Wörter wie e-, ne nebst dum ne, num, das Relativum 
qui nebst seinen Formen, quo, cum, quamvis, neque aunschliesst. 
Natürlich hat -ve (in neve, sive u. sonst) vor ihm den Vor- 
tritt, seltener — bei Caesar nur einmal — haben ihn prono- 
minale Enklitika: CIL. 1 206, 71 neve eorum ᾧ τι 0 οἱ saeptum 
clausumve habeto. ibid. 94 und 104 dum eorum quid faciet. 
Vgl. 205 II 15. 41 qui ἐξ quid confessus erit. Cicero Ver- 
rina 5, 168 gquod eum quis ignoret. Caesar bell. οἷν. 3, 32,5 
qui horum qguid acerbissime crudelissimeque fecerat, is et 
rir et civis optimus habebatur. Im eigentlichen Satzinnern 
findet sich in den genannten Texten das Indefinitum im gan- 
zen nur hinter alias und ali-, wobei zu beachten ist, dass es 
si quis alius, ne quis alius, nicht sö alius quis, ne alius quis 
zu heissen pflegt. Daneben finden wir im Ciceros Reden qwis, 
quid in Relativsätzen vom Relativum stets (an 7—8 Stellen) 
dureh ein oder zwei andre Wörter getrennt. Eine auffällige Aus- 
nahme ausserdem bildet CIL. 1 206, TO nei quis in eis locis 
inve eis porticibus quid inaedificatum immolitumve habeto. 

Ganz dasselbe gilt für die zugehörigen imdefiniten Ad- 
verbia, besonders gurando, und gilt andrerseits für die Indefi- 
nita überhaupt, so- viel ich sehe, in den sonstigen archaischen 
und klassischen Texten. Freilich muss man sich, um das zu 
erkennen, gelegentlich von den modernen Herausgebern eman- 
zipieren. Hat doch z. B. Götz in Plautus Merecator 774 ganz 
fröhlich das enklitische gaöd mitten in einen Satz und zugleich 
an den Anfang des Verses gestellt (s. dessen Ausgabe sowie 
Acta societ. phil. Lips. VI 244), obgleich die Überlieferung 
das korrekte αὐ guid bietet! Vereinzelte Ausnahmen lassen 
sich natürlich auftreiben, doch ist z.B. Plaut. Epid. 210 tum 
captirorum quid ducunt secum das quid wohl exelamativ 
zu fassen, also orthotoniert. 

Angesichts solcher Strenge der Stellungsregel kann we- 
der die Anastrophe Cicero Lael. 89. δὲ gquos inter socie- 
tas aut est aut fuit (vel.Seyffert z. ἃ. St.), noch die häufige, 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 415 
an die oben S. 367, 368 zusammengestellten Beispiele des Griechi- 
schen erinnernde Abtrennung des attributiven Indefinitums von 
seinem Nomen befremden z. B. Caesar bell. gall. 6, 22, 5 ne 
guwa oriatur pecuniae cupiditas. bell. οἷν. 1,21,1 ne qua 
aut largitionibus aut animi confirmatione aut falsis nuntüs 
commutatio fieret voluntatis u. s. w. u. 8. w. Daran, dass im 
Oskisehen und Umbrisehen pis, pid; pis, μὲν meist in unmittel- 
barem Anschluss an sea, svae; sve, so “wenn überliefert 
sind, sei nur im Vorbeigehn erinnert. 

Dass guiösguwe als auf enklitischem χες beruhend ein 
Enklitikum ist und dass es zwar häufiger als guis im Satz- 
innern steht, aber in der Regel doch nur hinter Superlativen, 
Ordinalien, unas und suus, sonst hinter dem ersten Satzwort, ist 
bekannt. In den Inschriften von CIL. I zeigt sich die Stellungs- 
regel in voller Deutlichkeit: guisque hinter primus 198, 46. 
64. 67, hinter sawus 206, 92 = 102, sonst im Wortinnern nur 
206, 22 guamque viam h. 1. quemgque tueri oportebit; im 
allen übrigen Beispielen an zweiter Stelle, öfters freilich so, 
(dass auf das Relativum zuerst das Substantiv, zu dem dasselbe 
als Attribut gehört, und dann erst gquisque folgt, z. B. 206, 65 
quo die quisque triumphabit, id. 147 quot anmos quisquwe 
eorum habet, id. 26 qua in parte urbis quisque eorum cu- 
ret, ebenso bei folgendem Genetiv z.B. 200, 71 quantum agri 
loci guoiusque in populi leiberi — datus adsignatusve est. 
Aber auch in diesen Beispielen ist die Voranstellung von quis- 
que vor die Wörter, zu denen es selbst im Attributivverhältnis 
steht: guisqgue eorum (so auch sonst noch öfter), quoiusque 
in populi leiberi, nur aus unserm Stellungsgesetz begreif- 
lieh. - Und insbesondere sind die Beispiele gar nieht selten, 
wo quisgue der Anfangsstellung zu lieb eine attributiv ver- 
bundene Wortgruppe spaltet: 199, 39 quem quisque eorum 
agrum posidebit; 202 133. 37. 41. 115 quam in quisquwe 
decuriam — lectus erit; 202 II27 qua in quisqwe decuria 
est. Die beiden letzten Beispiele zeigen, dass in Wortfolgen 
nach der Art von quam in decuriam die Präposition als zum 
Relativum gehörig empfunden wurde. Ähnlich zerreisst quis- 
que auch etwa die Verbindung zwischen regierendem Sub- 
stantiv und Genetiv, so guantum viae in 206, 59 quantum 
yuotiusqwe ante aedificium vice erit, 204, 2, 23 quod 
quibusquwe in rebus — iouris — fwit. So die alten In- 


410 Jacob Wackernagel, 


schriften. Die übrige ältere Litteratur gibt ähnliches, darun- 
ter die beachtenswerte Timesis guod guoique quomque inei- 
derit in mentem (Terenz Heaut. 484). Allerdings ist quisque 
allmählich auch orthotonischer Verwendung und der Stellung 
am Satzanfang fähig geworden. Noch viel mehr ist dies bei 
utergue der Fall, dessen ursprüngliche Enklisis selbstverständ- 
lich ist und auch in Stellen wie Plaut. Menaechmi 186 in eo 
utergue proelio potabimus noch hervortritt. Andrerseits 
ist ubigue um so länger dem Ursprüngliehen treu geblieben; 
Cicero in seinen Reden und ebenso Caesar haben es nicht 
nur immer in seiner eigentlichen Bedeutung “an jedem ein- 
zelnen Ort” verwendet, (— “überall” wird von beiden mit 
ommibus locis gegeben —), sondern es auch immer an em 
telativum (Caesar de bello οἷν. 2, 20, 8 an interrogatives 
quid) angelehnt. 

Dass der andere Indefinitstamm des Latem, der mit «- 
beginnende, überhaupt denselben Stellungsregeln wie der gut- 
turale unterlag, zeigt, abgesehen von der unverkennbaren Nei- 
gung, die allas, unguam, usquam für die zweite Stelle haben, 
Festus 102" 22. 


ΧΙ. 


Unter den Partikeln des Latem finden sich einige von 
jeher und immer an die zweite Stelle gefesselte: que, autem, 
ne; einige, die zwischen erster und zweiter Stelle teils von 
Anfang an schwanken teils durch den wechselnden Gebrauch 
hin und her geschoben werden, wie die Beteuerungspartikeln, 
wie ferner enim, igitur; endlich einige, bei denen Schwanken 
und Freiheit noch grösser ist: so tandem. Alle diese Parti- 
keln bewirken gelegentlich die beim Pronomen nachgewiese- 
nen Timesen; so z. B. enim die von cungue: Ovid ex Ponto 
4, 15, 6 qualis enim cungque est; igitur und tandem die 
von guomodo und Genossen, auch von jusjurandum: Cicero 
pro Uluentio 66 gquonam igitur haec modo gesta sunt. pro 
Scauro DO gquocangue igitur te modo. de ottieiis 3, 104 jus 
igitur jurandum. Verrina ὦ, SO quo tandem modo. Be- 
sonders tmetisch ist gae, insofern es nicht bloss in Fällen wie 
die oben genannten in soleher Weise wirkt (z. B. Cicero pro 
Caelio 54 jurisgue jurandi), sondern auch Präposition 
und Verbum (Festus 309° 30 transque dato, endoqwe plo- 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 417 


rato; Plautus Trinummus 853 dis que tulissent) und Präposition 
und Kasus trennt, letzteres zumal in der Bedeutung "wenn': 
altlateinisch absgue me esset, absque te foret, absque 
una hac foret, absquwe eo esset (Trinummus 832 mit freierer 
Wortfolge absquwe foret te). Es ist ken Ruhm für die La- 
tinisten, dass sie, nachdem von Schömann und Brugmann längst 
das Richtige gesagt ist, noch immer absque als gewöhnliche 
Präposition ansehen mögen. Denn gesetzt auch, dass bei Ci- 
eero ad Attieum 1, 19, 1 wirklich absque argumento ac sen- 
tentia “ohne— Inhalt” zu lesen sei, was mir Wölftlin nieht be- 
wiesen zu haben scheint, gesetzt also, dass die Bedeutung 
“ohne” nieht auf einem Irrtum der Archaisten des zweiten 
Jahrhunderts beruhe, sondern schon der Umgangssprache der 
eieeronischen Zeit eigen gewesen sei, so konnte ja in der Zeit 


zwischen Terenz und Cicero die Phrase absque me esset zunächst 
das Verb verlieren, so dass blosses absgue me als hypothetisches 
“ohne mich = wenn ich nicht gewesen wäre” gebraucht 
wurde: vergleiche Gellius 2, 21, 20 absque te uno forsi- 
tan lingua Graeca longe anteisset, sed tu — ”olme dich 
d. h. wenn du nicht gewesen wärest”, und Fronto 85, 24 N. 
absque te, satis superque et aetatis et laboris und infolge 
der Weglassung des Verbums sich dann weiter die hypothe- 
tische Bedeutung verflüchtigen, absque me die Bedeutung 
“ohne mieh” im Sinne von “indem ich nicht (dabei) bin” 
annehmen. Ganz ähnliehe Entwicklungen lassen sieh bei den 
Konzessivpartikeln nachweisen. (Vgl. über absque im allge- 
meinen Praun in Wölftlins Archiv für latein. Lexikogr. VI 
197—212). 

Als ganz sichere Stützen unseres Stellungsgesetzes kön- 
nen indessen nur die Partikeln gelten, die nicht der Satzverbin- 
dung, sondern bloss der Qualifizierung des Satzes oder Satz- 
theiles dienen, zu dem sie speziell gehören. Erstens guidem, 
das sich von indoiran. cid formell nur durch den Zusatz von 
-em, in der Funktion nur unwesentlich unterscheidet. Wie 
dieses kann es nieht hinter unbetonten Wörtern, besonders 
ursprünglich nicht hinter dem Verbum stehen (vgl., was οὐαὶ 
betrifft, Bartholomae ‘im Bezzenbergers Beitr. XIII 75), und 
nimmt wie cid je nach seiner Funktion entweder hinter dem 
ersten Wort des Satzes (beachte z. B. Cie. Lael. 37 Tibe- 
rium quidem Gracchum) oder aber hinter demjenigen be- 


418 Jacob Wackernagel, 


tonten Wort seine Stellung, dessen Begriff (etwa eines Gegen- 
satzes wegen) hervorgehoben werden soll. Besonders klar 
zeigt sich dieser Wechsel der Stellung bei der archaischen 
Zusammenordnung mit den Beteuerungspartiken, namentlich 
mit hercle. Unzähligemal findet sich guidem hercle u. Ss. w. 
hinter dem ersten Wort des Satzes, oft aber auch hercle — 
quidem. Nach Kellerhoff in Studemunds Studien a. d.G.d. archai- 
schen Lateins II 64 f. sind die Beispiele letzterer Stellung teils 
durch metrische Lizenz zu entschuldigen, teils wunerklärbar. 
Aber ohne Ausnahme zeigen sie guidem hinter einem beton- 
ten Personale, Demonstrativum, sö oder nunc: in allen diesen 
Fällen ist geödem durch das auf hercle und dergl. folgende 
Orthotonumenon angezogen worden. (Auch Plaut. Bach. 1194 
tam pol id quidem, welche Stelle bei Kellerhoff fehlt.) 

An guidem sei guögwe angeschlossen, das ich gleich 
altind. Ava ca setzen und ihm also als ursprüngliche Bedeu- 
tung ‘jederorts, jedenfalls geben zu müssen glaube. Ein Wort 
mit der Bedeutung jedenfalls war geeignet das Miteingeschlos- 
sensein eines Begriffs in eine Aussage auszudrücken; die ar- 
chaische Verbindung von gaogue mit etiam wird so auch ganz 
verständlich. Es liegt in der Funktion des Wortes, dass es, 
wie γε und z. T. guidem, trotz seiner Enklise an beliebigen 
Stellen des Satzes stehen kann, wo eben das Wort steht, des- 
sen Begriff als hinzugefügt zu bezeichnen ist. Aber wie re 
gelegentlich etwa (s. oben S. 371) der allgemeinen Gewohn- 
heit der Enklitika folgend sich von seinem Wort weg zum 
Satzanfang entfernt, so auch guogue: Varro de lingua lat. ὃ, 
D6 ab hoc guoque quattuor partes urbis tribus dictae (statt 
quattuor quoque). ὃ, 69 quae ideo quoqwe videtur ab La- 
tinis Iuno Lucina dicta (st. Juno quoque) |vgl. A. Spengel 
zu der St... 5, 151 ab eo quoque, quibus —, tribuni ae- 
rarü dieti (st. ab eo [ὲ} quoque quibus —). ὃ, 182 aes 
quoque stipem dicebant (st. stipem quoque). ὃ, 54 hine 
quogue illa nomina — (st. illa nomina quoque). Ebenso 
Properz 2, 34, 85 haec quoque perfecto ludebat Jasone 
Varro (st. Varro quoque). 2, 34, ST haec quoquwe lascivi 
cantarunt sceripta Catulli (st. lasciei Catulli quoque). 

Bedeutsam scheint ferner die Stellung der Fragepartikel 
ne, die ihrer Bedeutung wegen doch nieht mehr Anspruch 
hatte dieht beim Satzanfang zu stehen, als im Latein selbst 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 419 


die Negation oder als im Deutschen z. B. etwa oder vielleicht. 
Nur die Enklisis erklärt die übrigens längst anerkannte Regel, 
das ne unmittelbar hinter das erste Wort des Satzes gehöre, 
von welcher Natur immer dasselbe auch sei. Es ist nicht 
meine Aufgabe, im Anschluss an Hand Tursellinus 4, 75 ff. 
und Kämpf De pronominum personalium usu et collocatione 
S. 42-46 (vgl. zu letzterm die Rezension von Abraham Ber- 
liner philologische Wochenschrift 1886, 227, welcher für Sätze 
wie Plautus Mostell. 362 sed ego sumne infelix? Epidieus 909 
sed tu novistin fidicinam Acrobolistidem  Interpunktion hinter 
dem Pronomen verlangt) das gesamte Material zu durchgehen 
und die wirklichen und scheinbaren Ausnahmen zu besprechen. 
Es genüge darauf hinzuweisen, dass noch die klassische und 
spätere Sprache diese Regel kennt und darauf das seit Catull 
zu belegende autrumme statt utrum — ne zurückzuführen ist. 
Wie im nachhomerischen Griechischen τοιγάρ, weil man sich 
gewöhnt hatte darin nicht mehr einen selbständigen Satz, son- 
dern das erste Wort eines Satzes zu erblicken, das bei Homer 
noch davon getrennte toı an sich zog (s. oben ὃ. 911), 80 
utrum aus gleichartigem Grunde das -ne. 

Eine gewisse Abschwächung der alten Regel ist nur darın 
zu erkennen, dass, wenn eine aus Vordersatz und Nachsatz 
bestehende Periode durch ne als interrogativ zu bezeichnen 
war, die klassische Sprache ne erst im Nachsatz anzubringen 
pflegt, während in solchem Fall die alte Sprache -ne gleich 
an das Fügewort (des Vordersatzes anknüpfte. Mit letzterm 
hängt der häufige Gebrauch zusammen, in einem Relativsatz 
ne an das Relativum anzuhängen und dann mit solchem 
Relativsatz ohne Beifügung eimes Hauptsatzes zu fragen, ob 
die im vorausgehenden Satz gegebene Aussage für den im 
Relativsatz beschriebenen Begriff gelte. Auch andere Neben- 
sätze finden sich so verwendet. (Vgl. zu dem allem Brix zum 
Trinummus 360. Lorentz zum Miles 965, zur Mostellaria 738.) 

Von da aus wird m. E. eine bisher falsch erklärte Par- 
tikel verständlich. Ribbeck Beiträge zur Lehre v. d. latein. 
Partikeln (1869) S. 14. leitet unter dem Beifall von Schmalz 
Lateinische Grammatik (Iwan Müllers Handbuch der klass. 
Altertumswiss. II) ? 526 sin "wenn aber” aus einer Verbin- 
dung von sö mit der Negation ne her. Die dieser Herkunft 
entsprechende Bedeutung “wenn nicht” zeige sich noch au 


Indogermanische Forsehungzen 1 3 u. 4. 27 


490 Jacob Wackernagel, 


Stellen wie Cie. Att. 16, 13°’ 2 sö pares aeque inter se, quies- 
cendum; sin, latius manabit, et quidem ad nos, deinde com- 
mauniter. Zu sin habe man dann auch noch oft “ tautologisch 
oder hinüberleitend  aliter, secus, minus hinzugefügt; auch, 
wenn der durch solehes s?» "wenn nicht” angedeutete andere 
Fall bestimmter zu formulieren war, dies in der Form ein- 
facher Parataxis gethan. So sei sin schliesslich eine ge- 
wöhnliche adversative Konjunktion geworden. 

Gegen diese Erklärung können mehrere Emwendungen 
erhoben werden. Ich will die Möglichkeit, dass es ein sin 
“wenn nicht” geben konnte, nicht bestreiten, da guin zeigt, 
dass die Negation ne enklitisch werden und ihren Vokal ver- 
lieren konnte. (Jedenfalls gehört söne nieht hierher, sondern 
ist = indog. snne, d. ἢ. alter Lokativ von sena-, und der 
Hauptsache nach mit ἄνευ gleichzusetzen, mit welchem got. in, 
ahd. ano nichts zu thun haben, da diese altindischen ana, 
anı τι indog. enu, enu entsprechen. Die hiefür anzuneh- 
mende Bedeutungsentwickelung “entlang, längs” — " praeter 
— “ohne” ist durchaus natürlich.) Aber dass sin ursprüng- 
lich diese Bedeutung “wenn nieht” wirklich gehabt habe, da- 
für fehlt es völlig an Belegen. Denn diejenigen Beispiele, die 
Ribbeek teils beibringt, teils im Auge hat, in diesem Sinne zu 
verwenden, ist von vorn herein schon darum bedenklich, weil 
man nicht versteht wie die zu Plautus Zeit bereits verflüch- 
tigte negative Bedeutung in ceiceronischer Zeit wieder so le- 
bendig sein konnte. Und sieht man die Beispiele selbst an, 
so ergiebt sich, dass sie das nicht beweisen, was sie beweisen 
sollen. Cicero Epist. 12, 6, 2 qui st conservatus erit, vicimus; 
sin —, quod di omen avertant, ommis ommium cursus est ad 
vos. 14,5,9 σὲ perficitis quod agitis, me ad vos venire 
oportet; sin autem —. Sed nihil opus est religua scribere. 
ad Att. 10, 1,2. si τῶ" esse volet, praeclare cvvodia. Sin autem, 
erimus nos, qui solemus. 15, 22, 4 atque utinam tu quoque 
eodem die! sin quod —, multa enim utique postridie. 16, 
15’2 s. oben. — Priap. 51 donec proterva mil mei manu 
carpes, licebit ipsa sis pudicior Vesta. Sin, haec mei te 
ventris arma laxabunt. Dazu käme nach einer Konjektur 
Vahlens Tibull 1, 4, 15 sin (Codd. sed), ne te capiant, 
primo si forte negabit, taedia; doch wird diese Schreibung 
wohl kaum allgemein rezipiert werden. (Schmalz spricht auch 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 421 


von Belegen im alten Latein, doch finde ich nirgends solche 
nachgewiesen.) An allen diesen Stellen liegt einfach eine 
Aposiopese vor, wie solehe dem Priapeen- und dem Briefstil 
ziemt. Besonders die beiden ersten Stellen mit ihrem guod 
di omen avertant und sed mihil opus est religua scribere 
schliessen jeden Zweifel aus. 

Mit dem Wegfall dieser Stellen ist aber der Ribbeek- 
schen Hypothese dasjenige entzogen, was sie besonders em- 
pfahl, die Anknüpfung an einen thatsächliehen Sprachgebrauch. 
Nun könnte die Hypothese freilich trotzdem riehtig sein, sin 
in der, hinter der litterarischen Überlieferung zurückliegenden 
Zeit zuerst “wenn nicht” bedeutet und sich dann zu der hi- 
storisch allein bezeugten Bedeutung “wenn aber” entwickelt 
haben. Aber auch diese Entwicklung ist nicht so leicht kon- 
struierbar. Ribbeck äusserst sich nur sehr kurz über diesen 
Punkt. Wenn ich ihn recht verstehe, so meint er, ein Satz wie 
z. B. Plautus Trin. 309 /sö animus hominem pepulit, actumst, 
animo servit, non sibi.] sin ipse animum pepulit, vivit sei 
ursprünglich so gemeint gewesen, dass man hinter si» “ wenn 
nieht” “wenn dies nicht der Fall ist” interpungiert hätte und 
darauf asyndetisch die genauere Bezeichnung des gegenteiligen 
Falles hätte folgen lassen: ipse animum pepulit “ |im Falle 
dass] er selbst seinen Neigungen die Richtung gegeben hat’, 
schliesslich die Apodosis weit. Mir schiene ein Asyndeton, 
wie das hier zwischen sin und dem folgenden statuierte, un- 
denkbar: sed (oder eine Wiederholung des sö) wäre doch wohl 
unerlässlich. Wohl gibt es ein Asyndeton adversativum, aber 
nur in der Weise, dass der Gegensatz dabei auf andere Weise 
fühlbar gemacht wird, durch parallele Gestaltung der beiden 
Glieder oder dureh Voranstellung des Wortes, das den Gegen- 
satz hauptsächlich trägt im zweiten Gliede. 

Ich glaube, es bietet sich ein viel einfacherer Weg. 
Brix giebt zum Trinummus 360 unter den Beispielen des an 
das Fügewort des Vordersatzes angeschlossenen ne am Schluss 
folgende Stelle des Mercator 142 f.: Acanthio: At ego male- 
dicentiorem quam te novi meminem. Charimus: Sin saluti 
quod tibi esse censeo, id consuadeo? Acanthio: apage istius- 
modi salutem, cum cruciatu quae advenit.  Brix umschreibt 
die Worte des Charinus mit tumne maledicentem me dicis, 
si tibi id consuadeo. Offenbar ganz gemäss der Weise plau- 


422 Jacob Wackernagel, 


tinischen Konversationsstils, wo Fragesätze, die als solche durch 
-ne bezeichnet sind, ausserordentlich oft für Eimwendungen 
dienen z. B. Baechides 1189 egon ubi filius corrumpatur meus, 
bi potem? 1192 egon quom haec cum illo accubet, inspectem? 
Trin. 378 egone indotatam te urorem ut patiar? Bacch. 194 
at scin quam tiracundus stem? Besonders häufig sind in die- 
ser Weise die ne-Sätze gebraucht, wo der Fragesatz elliptisch 
nur aus einem Nebensatz mit ne besteht, also gerade die ne- 
Sätze, zu denen obiges Beispiel gehört. Amphitr. 297 Sosia: 
paulisper mane, dum edormiscat unum sommum. Amph.: 
quaene vigilans sommiat ? “aber dann träumt sie Ja mit offenen 
Augen.” Curenlio TO4f. Cappadox: dum quidem hercle ita 
iudices, ne quisguam a me argentum auferat. "Therapontigo- 
nus: quodne promisti? “aber du hast es ja versprochen”. 
Rudens 1019 quemne ego excepi in mari? “aber ich habe 
ihn ja im Meere aufgefangen”. 1231 guodne ego inreni in 
mari? “aber ich habe es ja im Meere gefunden.” Terenz 
Phormio 923 Demipho: illud mihi argentum rursum δι 
rescribi Phormio. Phormio: quodne ego discripsi porro illis, 
qwibus debwi? “aber ich habe es ja meinen Gläubigern gut- 
zeschrieben. 

Ein zweite Stelle, wo sin so steht, ist Persa 227: Pae- 
enium: ne me attrecta subigitatrise. Sophochdisca: sin te 
amo? Paegnium: imale operam locas. 

Die meisten Plautusleser werden freilich an beiden Stellen 
das sin einfach mit "wenn aber” übersetzen und darin das 
gewöhnliche si» erkennen. Weit entfernt dies tadeln zu wollen, 
erkenne ich darm gerade einen Beweis dafür, dass das ge- 
wöhnliche sin mit dem sin jener plautinischen Stellen iden- 
tisch ist. Wir können nieht bloss andern, sondern auch uns 
selbst einen Einwurf in der Form eines Fragesatzes machen. 
In solcher Weise steht einwendendes guine, quemme Catull 
64, 180 am patris auwrilium sperem? quemme ipsa religui —? 
“aber den habe ich ja verlassen”. 182f. coniugis an fido 
consoler memet amore? quine fugit lentos incurvans geurgite 
remos? “aber der flieht ja” (s. oben die Übersetzung von 
quine in den Beispielen aus Plautus und Terenz). Und wie 
an den beiden plautinischen sön-Stellen auf die vom zweiten 
Sprecher als Einwendung gebrachte Möglichkeit der erste 
Sprecher zur Beseitigung der Einwendung als asyndetisch an- 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 423 


gefügte Apodosis dasjenige giebt, was in dem betr. Fall ein- 
treten würde: apage istiusmodi salutem "dann fort mit sol- 
chem Heil”, und male operam locas "nun dann verschwendest 
du deine Mühe” —, so kann man auch eine selbstgemachte. 
Einwendung selbst mit derartiger Apodosis erledigen. 

Demgemäss würde an der oben nach der Ribbeckschen 
Hypothese analysierten Plautusstelle der ursprüngliche Gebrauch 
von sin hergestellt durch die Interpunktion: sin ipse animum 
pepulit? vieit. "Wie aber, wenn er selbst seinen Neigungen 
die Richtung gegeben hat? Nun dann lebt er.” Dass im Ver- 
lauf die eigentlich für Einwendungen aufgekommene Satzform 
überhaupt für Setzung eines entgegengesetzten Falls verwendet, 
‚und dass im Zusammenhang damit der sön-Fragesatz schlecht- 
weg als Vordersatz, der ursprüngliche Antwortsatz schlechtweg 
als Nachsatz empfunden wurde, ist eine ganz natürliche Ent- 
wicklung. 

Wenn Lueian Müller Lueil. 29, Fr. 87, V. 107 (vgl. zu 
Nonius 290,.4) richtig schreibt ad non sunt similes nmeque 
dant. quid? sin (codd. sint, ed. prine. Non. si) dare vellent? 
acciperesne? doce, so tritt hiermit zu den zwei loci didascaliei 
ddes Plautus ein dritter. Denn auch hier dient sin emem Ein- 
wand, mit dem Unterschied, dass derselbe dureh guid ange- 
kündigt ist, und dass ein die Frage näher präzisierender ne- 
Satz folgt. Nach Lucian Müller ist es ein Einwand, den einer 
sich selbst macht. — Das guodsin ulla (Lucil 4 Fr. 22 Vs. 58) 
desselben Gelehrten st. guodsi mulla mit wnerklärbarem -sin 
wird dureh richtige Schreibung der folgenden Zeile überflüssig. 

Den Beschluss mögen die Beteuerungs- und Verwunde- 
rungspartikeln, hercle, pol, edepol, ecastor, eccere bilden, die 
(die Eigentümlichkeit haben, bald die erste bald die zweite 
Stelle im Satz einzunehmen, weiter hinten aber nieht stehen 
‘zu können, ausser wenn ihnen andre Enklitika, wie guidem, 
autem (Aulul. 560), obsecro, quaeso, credo, oder ego, ta, ille 
hinter ne, oder tu hinter et, at, vel, kraft eignen Anspruchs 
auf diese Stelle den Platz versperren. Wie stark der Drang 
nach der zweiten Stelle auch bei dieser Wortklasse ist, zeigt 
sich an manchem. So daran, dass während die Verbindung 
pol ego bald am Satzanfang steht, bald ihr noch ein anderes 
Wort vorangeht und also ego gleich gern an dritter wie an 
zweiter Stelle des Satzes steht, das umgekehrte ego pol nur 


424 Jacob Wackernagel, 


am Satzanfang vorkommt (Kellerhoff in Studemunds Studien 
a.d.G.d. arch. Latein 11 62), pol also die dritte Stelle scheut. 
So daran, dass die Beteuerungspartikeln, wenn sie sich auf eine 
ganze Periode beziehen, dem ersten Wort des Vordersatzes 
angefügt werden: si hercle, si quidem hercle, ni hercle, post- 
quam hercle, si ecastor, si pol, si quidem pol sind ganz ge- 
wöhnlich, während die Setzung von hercle erst im Nachsatz 
zwar nicht unerhört (siehe Mil. Glor. 309, Persa 627), aber 
selten ist. (Vgl. Brix zum Trinumm. 457, Lorentz zum Miles 
156. 1239, zur Mostell. 229, Kellerhoff Studien II 72f.) Genau 
(die gleiche Erschemung haben wir beim fragenden -ne ge- 
troffen. Aber während bei -ne diese Stellung auf die alte 
Sprache beschränkt ist, lebt sie bei hercle, (hercules) in der 
klassischen Sprache fort (Müller zum Laelius ὃ 78? 8. 477, 
der auf ‚Wiehert Latein. Stilistik 5. 43, 239, 269 verweist. 
Weissenborn zu Livius 5, 4, 10 u. s. w.), wie denn die klas- 
sische Sprache überhaupt die traditionelle Stellung der Par- 
tikel hercle, der einzigen, die eben in die klassische Sprache 
fortiebt, festhält, immerhin so, dass die Setzung derselben an 
die Spitze des Satzes ausser Gebrauch kommt. Die Kaiser- 
zeit gestattet sich dann freilich grössere Willkür: Quintil. 
1,:2,:4.: Taeitus' Dial. 1.) Hister. E84) Plm.sEpist36, 1956: 
Gel 71,2, 1 mrs.: ww; 

Ferner veranlassen auch diese Partikeln, wie die früher 
besprochenen Enklitika, öfters Timesis. Dahin gehört neben 
Miles Glor. 3l ne hercle operae pretium quidem (gegenüber 
Baechides 1027 ne unum quidem hercle) und Mostell. 18 
cis hercle paucas tempestates und non edepol scio gegen- 
über nescio besonders die Spaltung der Zusammensetzungen 
mit per: Plautus Casina 370 per pol saepe peccas. Terenz 
Andria 416 per ecastor scitus puer est natus Pamphilo. 
Heeyra 1 per pol quam paucos. Gellius 2,6, 1 per hercle 
rem mirandam Aristoteles — dicit, und die Spaltung von 
quicungwe: Plautus Persa 210 ποὺ pol quomque ‚occasio est. 

Also herele und Genossen haben entweder die erste oder 
die zweite Stelle im Satz inne; sie werden, wenn sie nicht 
stark betont am Anfang stehen, nach Art der Enklitika be- 
handelt. Wer nun bedenkt, dass diese Partikeln eigentlich 
Vokative sind (vgl. Catull 1, 7 doctis Juppiter et laboriosis), 
wird sich sofort jener eigentümlichen Regel der Sanskritgram- 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 425 


matiker und Überlieferer der akzentuierten Vedentexte erinnern, 
dass der Vokativ, wenn am Satzanfang stehend, orthotoniert, 
wenn im Satzinnern stehend, enklitisch sei. (Vgl. die Erklä- 
rung, die Delbrück Syntakt. Forsch. V 34 f. dafür gibt.) Es 
kommt hinzu, dass, wenigstens in den klassischen Sprachen, 
auch der wirkliche Vokativ unverkennbare Neigung für die 
zweite Stelle im Satz zeigt. 

Nun macht freilich gerade der Umstand Schwierigkeit, 
dass was bei den vokativischen Partikeln Gesetz ist, sich beim 
wirklichen Vokativ nur als Neigung zeigt. Kaum darf man 
wohl annehmen, dass solche Neigung Abschwächung eines 
ältern strengern Gesetzes war. Viel wahrschemlicher ist das 
Umgekehrte, dass bei der durch herele repräsentierten Kate- 
gorie von Vokativen die Neigung zur Regel geworden war, 
und dass sich die Anrufung eines Gottes zum Zweck der 
Beteuerung früh im strengerer Konventionalität bewegte, als 
sonstige Anrufungen von Göttern und gar als Anreden an 
Menschen. (Das Griechische verfährt in der Stellung des ent- 
sprechenden Ἡράκλεις. und ähnlicher Anrufungen, soweit der 
Gebrauch der Komiker und der Redner ein Urteil gestattet, 
mit grosser Freiheit.) Daraus folgt aber weiter, wenn wir 
anders bei den Vokativen innern Zusammenhang zwischen 
Stellung und Betonung annehmen dürfen, dass die altindische 
Enklisis von Hause aus nur Neigung, nicht unbedingtes Gesetz 
war, und dass gelegentlich auch der nicht am Satz- oder Vers- 
anfang stehende Vokativ orthotoniert sein konnte, was dann 
dem Altindischen vermöge seines Generalisierungstriebs ver- 
loren ging. 

Es entgeht mir nicht, dass die Neigung des Vokativs 
für die zweite Stelle auch ohne Hinzunahme der alten Enklisis 
erklärt werden könnte. Um so wertvoller ist mir, dass von 
ganz anderm Standpunkt der Betrachtung aus Schmalz Latei- 
nische Syntax ? S. 557 für den an zweiter Stelle stehenden 
Vokativ des Latein schwachen "Ton behauptet. 

XI. 

Unsere neuhochdeutsche Regel (vgl. Erdmann Grundzüge 
der deutschen Syntax S. 181 ff., besonders 195), dass dem 
Verbum im Hauptsatz die zweite, im Nebensatz die letzte Stelle 
zu geben sei (beides mit bestimmten, in besondern Verhält- 


426 Jacob Wackernagel, 


nissen begründeten Ausnahmen) hat bekamtlich der Haupt- 
sache nach schon in der althochdeutschen Prosa und Poesie 
zegolten. (Vgl. ausser den Nachweisen Erdmanns besonders 
Tomanetz Die Relativsätze bei den ahd. Übersetzern des 8. 
und 9. Jahrhunderts, S. 54 ff., sowie denselben im Anzeiger 
für deutsches Altertum XVI (1890) 381.) Ja diese Stellungs- 
regel kann in Rücksicht auf die deutlichen Spuren, die sich 
von ihr nieht bloss im Altsächsischen, sondern auch im Angel- 
sächsischen, und weiterhin auch im Nordischen zeigen, wohl 
als gemein germanisch angesetzt werden. Trotzdem sind alle 
Forscher, die sich eingehender mit diesem germanischen Stel- 
lungsgesetz beschäftigt haben, so viel ich sehe, darin einig, 
die sich hier äussernde Scheidung der beiden Satzarten für 
unursprünglich zu erklären. Bergaigne (Memoires Soc. de Lingui- 
stique III 139 f.), Bebaghel (Germania XXIII 284) und Ries (Die 
Stellung von Subjekt und Prädikatsverbum im Heliand, Quellen 
und Forschungen XLI [1880] S. 88 ff.) behaupten, dass die 
Endstellung des Verbums, wie sie im Nebensatz vorliegt, ur- 
sprünglich allen Sätzen eigen gewesen und in den Hauptsätzen 
nur allmählich durch eine später aufgekommene entgegenge- 
setzt wirkende Regel verdrängt worden sei. Über das Wie 
und die Möglichkeit einer solchen Verdrängung haben sich 
aber die genannten Forscher teils nicht ausgesprochen, teils 
haben sie dafür Gründe beigebracht, die mit Scharfsimn aus- 
eedacht aber alles eher als überzeugend sind: wie wenn z. B. 
Ries behauptet, der natürliche Trieb, das Wiehtigere vor dem 
weniger Wiehtigen zum Ausdruck zu bringen, habe darum nur 
im Hauptsatz und nicht auch im Nebensatz zur Annäherung 
des Verbums an den Anfang führen müssen, weil das Verb 
für den Hauptsatz einen höhern Wert habe, als für den Ne- 
bensatz! 

Den entzegengesetzten Standpunkt vertritt Tomanetz (a.a.0. 
S. 82 ff.): er glaubt, erst durch eine allmähliche Verschiebung 
sei das Verb im Nebensatz ans Ende gerückt; ursprünglich 
habe es auch hier wie im Hauptsatz die zweite Stelle inne 
eehabt. So sehr sich auch Tomanetz' Ausführungen vor denen 
von Ries dureh Einfachheit und Klarheit auszeiehnen, vermag 
er doch nieht ohne die m. E. völlig unzulässige Annahme 
urehzukommen, «dass em Streben Haupt- und Nebensatz zu 
differenzieren wirksam gewesen sel. 


Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 427 


Altindisch, Latein und Litauisch stellen das Verbum 
regelmässig ans Ende des Satzes. Man glaubt hierin eine 
Gewohnheit der Grundsprache erkennen zu können. Und ge- 
wiss wird für den Nebensatz durch das hier hinzukommende 
Zeugnis des Germanischen die Endstellung des Verbums als 
indogermanisch gesichert. Beim Hauptsatz fehlt diese Über- 
einstimmung und, wenn sonstige Erwägungen nicht den Ent- 
scheid geben, ist es zum mindesten ebenso gut denkbar, dass 
im Altindischen, Lateinischen und Litauischen etwas bloss für 
den Nebensatz Gültiges auf den Hauptsatz ausgedehnt worden 
sei, als dass das Germanische nachträglich eine Unterscheidung 
der beiden Satzarten eingeführt habe. Nun ist es aber ganz 
unwahrscheinlich, dass die Grundsprache das Verbum im Haupt- 
satz und im Nebensatz verschieden betont, aber doch in bei- 
den Satzarten gleich gestellt hätte. Und weiterhm müssen 
wir auf Grund des früher Vorgetragenen erwarten, dass in der 
Grundsprache das Verbum des Hauptsatzes, weil und insofern 
es enklitisch war, unmittelbar hinter das erste Wort des Satzes 
gestellt worden sei. Mit andern Worten: das deutsche Stel- 
lungsgesetz hat schon in der Grundsprache gegolten. Dabei 
muss man sich gegenwärtig halten, dass nicht bloss die Sätze, 
die wir als Nebensätze ansehen, sondern alle als hypotaktisch 
empfundenen im Altindischen und somit, wie wir wohl annehmen 
dürfen, in der Grundsprache betontes Verbum hatten, also 
unter allen Umständen die Endstellung des Verbums sehr häufig 
vorkommen musste. 

Ich will nieht verschweigen, dass die aufgestellte These 
einer Emschränkung fähig wäre. Für das Gesetz über die 
Stellung «der Enklitika haben wir aus den verschiedenen Spra- 
chen (etwa von den Vokativen abgesehen) nur solche Belege 
beibringen können, in denen das Enklitikum den Umfang von 
zwei Silben nicht überscehritt. Man könnte also sagen, dass 
das Gesetz nur für ein- und zweisilbige Enklitika galt, mehr 
als zweisilbige dagegen an der dem betr. Satzteil sonst zu- 
kommenden Stellung festhielten. oder wenigstens, wenn man 
sich vorsichtiger ausdrücken will, dass von irgend eimem be- 
stimmten Umfang an ein Enklitikum nicht an das Steilungs- 
gesetz der Enklitika gebunden war. Dies auf das Verbum 
angewandt, würde zu der Annahme führen, dass die ein- und 
zweisilbigen Verbalformen, oder überhaupt die kürzern Verbal- 


498 Jacob Wackernagel, 


formen bis zu einem gewissen Umfang, im Hauptsatz an die 
zweite Stelle rückten, dass dagegen die andern Verbalformen 
auch im Hauptsatz die im Nebensatz herrschende Endstellung 
besassen. Es wäre dann weiter anzunehmen, dass das Ger- 
manische die für die kürzern Verbaltormen gültige Regel 
generalisiert hätte. Und jedenfalls wäre dann die Praxis der 
das Verb überhaupt an das Ende stellenden Sprachen noch 
leichter verständlich. 

Man wird nicht verlangen, dass ich über die Berechtigung 
dieser eventuellen Einschränkung meiner These ein abschlies- 
sendes Urteil abgebe. Wohl aber wird man erwarten, dass 
ich ein wenig weitere Umschau halte und frage, ob demn das 
verbale Stellungsgesetz der Grundsprache ausserhalb des Ger- 
manischen gar keine Spuren hinterlassen habe. Das Fehlen 
aller Anklänge an ein solches Gesetz könnte leicht Zweifel 
an der Richtigkeit der hier gegebenen Ausführungen rege 


C = 


machen. 

Nun, da muss allerdings gesagt werden, dass ausser den 
bereits erwähnten, die Endstellung durchführenden Sprachen 
nicht bloss das Keltische, sondern, was bei eier derartigen 
Untersuchung weit schwerer ins Gewicht fällt, auch das Grie- 
chische der germanischen Weise fern steht. Man sollte er- 
warten, dass das Griechische, wie und weil es beim Verbum 
den Hauptsatz-Akzent durchgeführt hat, so auch die Haupt- 
satz-Stellung durchführen werde. Aber das ist bekanntlich 
nicht der Fall. Die Stellung des Verbums ist im Ganzen eine 
sehr freie. 

Solchem Sachverhalt gegenüber ist es zunächst will- 
kommen, dass gerade zwei die Endstellung bevorzugende 
Sprachen in emem bestimmten Fall die germanische Haupt- 
satzstellung aufweisen. Für das Litauische lehrt Kurschat 
Grammatik $ 1637, dass, wenn das Prädikat aus Kopula und 
Nomen bestehe, gegen die allgemeine Regel nicht das Nomen 
vorausgehe, sondern die Kopula unmittelbar auf das Subjekt 
tolee. Ganz ähnliches findet sich beim Verbum esse im Latein. 
Seyffert zu Ciceros Laelius 70 (S. 441?) hat ausgeführt, 
dass esse sich gern an das erste Wort des Satzes anlehne, 
sowohl wenn dasselbe ein interrogativ oder relativ fungieren- 
(len Interrogativpronomen, als wenn es ein Demonstrativum 
sei oder sonst einer Wortklasse angehörte. Der Beispiele seien 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 429 


“unzählig’ viele. Aus dem Laelius führt er unter anderm an: 
8. 56 qui sint in amicitia (Interrog.). 17 quae est in me 
facultas (Relat.). 2 guanta esset hominum admiratio. 95 
quam fwerint inopes amicorum. 85 eorum est habendus. 
5 tum est (ato locutus. 11 nihil est enim. 48 ferream 
esse quandam. 102 ommis est e vita sublata iuncunditas. 

Zu dieser Beobachtung stimmt eine weitere Erscheinung: 
in einem Satz, der sowohl est, sunt als enim, igitur, autem 
enthält, werden namentlich bei Cicero überaus oft nicht diese 
Partikeln trotz ihres sonst anerkannten Anspruchs auf die 
zweite Stelle, sondern est, sunt an das erste Wort des Satzes 
angelehnt und enim, igitur, autem auf die dritte Stelle zurück- 
gedrängt. Das Richtige darüber hat Madvig gesagt zu Cicero 
de finibus 1, 43: ea est huius positus (sapientia est enim) 
ratio, ut elata voce in primo vocabulo, quo gravissima notio 
eontineatur, obseuretur enclitica; im altero positu /sapientia 
enim est/ vox minus in primum vocabulum ineidit. — Hane 
regulam contrariam prorsus Goerenzii aliorumque praeceptis, 
qui naturam eneliticae vocis ignorantes, adseverationem alıquam 
in est secundo loco posito inesse putarunt adhibito optimorum 
codieum testimonio — et reeta interpretatione stabilitum 111 
puto. (Vgl. Müller zum Laelius? S. 411.) 

Zur weitern Bestätigung könnte man auf Stellen wie 
Plaut. Bacch. 274 etiamne est quid porro verweisen, wo die 
Stellung von gaiöd enklitische Stellung von est voraussetzt. 
5esonders finden sich aber bei esse ähnliche Tmesen, wie bei 
den früher besprochnen Enklitika: solche von per- bei Cicero 
epistul. 3,5,3 (Bla.Ch.) tunc mihi ille dixit: quod classe 
tu welles decedere, per fore accommodatum tibi, si ad 
illam maritimam partem provinciae naribus accessissem und 
bei Gellius 2, 18, 1 Phaedo Elidensis ex cohorte illa Socra- 
tica fuit Socratique et Platoni per {εἰ familiaris, wo die 
fehlerhafte Anwendung solcher Timesis mitten im Satzinnern 
den Archaisten verrät. Tmesis von qui — cungue: Terenz 
Andria 63 cum quibus erat quomque una, eis se dedere. 
Cicero de finibus 4, 69 guod erit cunque visum, ages. Dazu 
bei einer Form von Με): Plautus Bacchides 252 istius ho- 
minis ubi fit qguomque mentio. 

Wenn das Latein nur bei ein, zwei Verben, wo sich die 
Tradition ursprünglicher Enklisis lebendig erhalten hatte, An- 


450 Jacob Wackernagel, 


lehnung an das erste Satzwort kennt (und bei diesem dann 
natürlich in allen Satzarten), so zeigt sich im Griechischen ein 
solcher Rest alter Stellungsgewohnheit bei einer ganzen An- 
zahl von Verben, aber nur in einer bestimmten Satzform. Auf 
altgriechischen Inschriften finden sieh oft Sätze, wo auf das 
Subjekt, obwohl eine appositionelle Bestimmung dazu gehört, 
doch zuerst das Verbum und dann erst die appositionelle Be- 
stimmung folgt, diese also in auffälliger Weise von dem Wort, 
zu dem sie gehört, durch das Verbum abgetrennt ist. Dass 
statt eines Subjektsnominativs auch etwa ein andrer Kasus, 
der an der Spitze des Satzes steht, im solcher Weise von sei- 
ner Apposition getrennt wird, und dass gelegentlich en ue dem 
Verbum noch vorgeschoben wird, macht keinen Unterschied. 
Boeckh zu CIG. 25 hat zuerst die Altertümlichkeit dieser Art 
von Wortstellung, Wilhelm Schulze in seiner Rezension von 
Meisters griech. Dialekten, Berliner philolog. Wochenschrift 1890, 
S. 1472 (5.261. des Separatabdrucks) die sprachgeschichtliche 
Bedeutung derselben betont. Es wird nicht undienlich sein, 
hier die Beispiele zusammenzustellen. 

Am häufigsten findet sich diese Stellung in Weih- und 
Künstlerinschriften. Mit ἀνέθηκε: ΟἿΑ. 1, 357 ᾿Αλκίβιος ἀνέ- 
Ankev Kıdapwdöoc vnawrnc. 1, 376 Ἐπιχαρῖνος [ἀνέΪ]θηκεν ὃ 
Ὁ--. 1,5388 Ztpövßlıyoc ἀνέθηκε! Ztpovßilxov oder — χίδου 
Εὐωνυμεύς! (fast sichere Ergänzung). 1,399 Mnxaviw|v] ave- 
Ankev ὁ rpauualteüc|. 1, 400. [Π7υ]θογέν[εια] avednkelv ᾿ΑΥγ]υρρίου 
er [Alamıadw[v|. 1,415 Αἰεχύλος ἀνέθη[κε] TTudeov ΤΤαιανιεύε!. 
41,575. Σίμων ἀνέθηκε] ὃ κναφεὺς [ἔργων] δεκάτην. 4 ?, 375, 
20. ᾿Ονήειμός u ἀνέθηκεν ἀπαρχὴν ᾿Αθηναίᾳ ὃ Σμικύθου υἱός. 
4. 575, 198 [ἢ δεῖνα ἀνέθηκεν! Εὐμηλίδου γυνὴ Σφηττόθεν. 
4+?, 375, 12 Zevorkenc ἀνέθηκεν: Zwcivew. 4°, 373, 225 
Xvaiadnc ἀνέθηκεν ὁ TTaAlAnvevc 4?, 375, 224 [X ]uixpoc 
ἀνέθηκε —| 6 εκυλοδεψ[ός]!. 4?, 373, 226 [ὃ δεῖνα ἀνέθηκε]ν 
Κηφιςιεύς. Inschrift von der Akropolis Νέαρχος ἀν[έθηκε Νεάρ- 
yov υἱ]ὺς ἔργων amapxnv. So nach Kabbadias Studnitzka, 
Jahrbuch II (1887), 8. 155 ff.; Robert: Νέαρχος av[ednke ὁ 


κεραμεῬύς —. ΟἿΑ. 2, 1648 (augusteische Zeit!) Μετρότιμος 
ἀνέθηκεν Ὀῆθεν. — Inseript. graecae antiq. 48 "Apıcrouevnc 


αἰν έθ] ηκ 


ε᾿Αλεξία τᾷ Δάματρι τᾷ Χθονίᾳ Ἑρμιονεύς. 96 (Tegea) 
[ὃ δεῖνα ἀνέ]θηκείν) Factuöxw. 486 (Milet) [Ἐρ]μηςειάναξ ἥμεας 
ἀνέθηκεν [ὃ ---Ἰ — idew τὠπόλλωνι. 512° (Gela) Παντάρης u 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellune. 451 
ἀνέθηκε Μενεκράτιος. 545 (achäisch) Kuvickoc με ἀνέθηκε ὥρ- 
τάαμος Fepywv δεκάταν. --- Delphische Inschrift in westgriech. 
Alphabet, Bull. Corr. Hellen. 6, 445 τοὶ Χαροπίνου παῖδες 
avedecav τοῦ Tlapiov. Naxische Inschrift von Delos ed. Ho- 
molle ibid. 12,464 f., 12, 464 f. Εἰ(θ)υκαρτίδης μ᾽ ἀνέθηκε ὃ 
Νάξιος moıncac. — Inschriften von Naukratis I No.218 Φάνης 
με ἀνέθηκε τὠπόλλωνίι tw MılAnciw ὁ Γλαύκου. II No. 722 
Mucöc μ᾽ ἀνέθηκεν ᾿Ονομακρίτου. 767 [ὃ δεῖνα ἀνέθηκεν "Appo- 
δ᾽ίτῃ ὃ Φίιλάϊμμίυνος!. 780 Φίλις μ᾽ ἀνέθηκε οὑπικά[ρτεος τῇ 
᾿Αφροδί[τῃ!. 784 Ἑρμοφάνης ἀνέθηκεν] © Ναυειτέίλευς!. 819 
[Λ]άκρι[τό]ς μ᾽ avelenlke οὑρμοθ]έμ[ζιος] τἠφροδί[τῃ!. — Böo- 
tische Inschrift ed. Kretschmer Hermes XXVI 123 ff. Τιμαεί- 
φιλος μ᾽ ἀνέθηκε τὠπόλλωνι τοῖ Πτωιεῖι ὁ Τραόλλειος. 

Auch in Versen: OCIA. 1, 98 Διογέν[ης] ἀνέθηκεν Αἰεχύλ- 
(λλου ὑὺς Κεφ[α]λῆος. 1GA.95 ΤΤραξιτέλης ἀνέθηκε Συρακόειος 
τόδ᾽ ἄγαλμα. Inschrift von Naukratis II No. 876 Ἑρμαγόρης 
μ᾽ ἀνέθηκε ὃ Τίήιος] τὠπόλλωνι. Pausanias 6, 10,7 (ὃ. Jahr- 
hundert) Κλεοεθένης μ᾽ ἀνέθηκεν ὁ Πόντιος ἐξ Ἐπιδάμνου. 
Epigramm von Erythrae Kaibel No. 769 (4. Jahrhundert) [---| 
-Bepenc ἀνέθηκεν ᾿Αθηναίῃ πολιούχῳ παῖς Ζωΐλου. Von Kalymna 
Kaibel No. 778 (id.?) Νικίας με ἀνέθηκε ᾿Απόλλωνι υἱὸς Θρα- 
cuundeoc. Vgl. auch CIA. 1, 403 [τόνδε Τυρῆς] ἀνέθηκε TTo- 
λυμνήετου φίλος υἱός]. ΙΑ. 98 (Arkadisch) Τέλλων τόνδ᾽ 
ἀνέθηκε Δαήμονος ἀγλαὸς υἱός. 

Mit lesbischem κάθθηκε: Inschriften von Naukratis II 
No. 788 [ὃ δεῖνα κάθ]θηκε τᾷ ᾿Αφροδίτᾳ ὁ MuriAnvanoc. 789 
und 790 [ὃ δεῖνά με] κάθθηκε ὁ Μυτ[ιλήναιος]. Vgl. 807 
[Αφροδί]τᾳ ὁ M—. 814 [’Appodlita ὁ Ke —. 

Mit emoince, ἐποίει: ΟἿΑ. 1,335 Τύρρος ἐποίηςεν 
᾿Αθηναῖος. 1,362 (vgl. Studnitzka Jahrbuch II [1881], S. 144) 
[Eluppövioc [ἐποίηςεν ὁ] κεραμεύς (die Ergänzung wohl sicher!). 
1, 483 Καλλωνίδης ἐποίει ὁ Δεινίου. 4, 477” [ὃ δεῖνα ἐποίηςεν 
oder ἐποίει TTjapıoc. 4“, 375,81 Κάλων ἐποίηςεν ΑἸ[γινήτης!]. 
ἘΦ 375, 95 [Alpxepuoc emoincev ὁ Χῖος]. 43, 373, 290 Λεώ- 
βιος ἐποίηςεν TTuperiaönc (oder TTuppnriadnc). IGA.42 (Argos) 
"Atwroc eEroifne ᾿Αργεῖος x Apyeıadac ᾿Αγελάδα TApyreiov. 44 
(id.) ἸΤολύκλειτος ἐποίει ’Apyeioc. 44 (id.)' — [elmolilfne ’Ap- 
γεῖος. 41 (id.) KpnciAac ἐποίηςε Kudwviorlacl. 165 Ὑπατόδω- 
ρος ᾿Αριςετο[τείτων] ἐποηςάταν Onßaiw. 348 TTauwvıoc ἐποίηςε 
Μενδαῖος. 498 Μίκων ἐποίηςεν ᾿Αθηναῖος. Loewy Inschriften 


432 .Jacob Wackernagel, 


griechischer Bildhauer No. 44 -wv emönce Θηβαῖος. DT ΞΙίε]νο- 
[— emoin|cev Ἐλευ[θερέυς 2] No.58. -ov [Elmöncev [Σικ]ελιώτης. 
96 Κλέων emönce Σικυώνιος. 105 [Δαίδαλος emloince Tlatpo- 
xAeloucl. 1354 (S. 388) [Σπ]ουδίας ἐποίηςε ᾿Αθηναῖος. 277 
Τιμόδαμος Tfıuodauov ἐΪποίηςε Aunpolkıwrnc). 297 (Apotheose 
Homers) ᾿Αρχέλαος ᾿Απολλωνίου ἐποίηςε TIpınveuc. 404 Nikav- 
dpoc ἐ[ποίηςεν] "Avdlpıoc). Klein Griechische Vasen mit Meister- 
signaturen 9. 12 Εὔχειρος emoincev οὑργοτίμου viuc (zweimal). 
S. 73 Ἐρτοτέλης emoincev 6 Neapyxov. 9. 202 Zevöpavroc 
erroincev ᾿Αθην[αῖος]. S. 202, 1 und 2 Τειείας Emoincev ᾿Αθη- 
vatoc. S. 215 Κρίτων ἐποίηςεν Λείι)ποῦς ὕς d. 1. υἱύς, nach 
der Lesung von Studnitzka Jahrbuch II 1887 S. 144. Pau- 
sanlas 6, 9, 1 τὸν de ἀνδριάντα οἱ Πτολίχος ἐποίηςεν Αἰγινήτης, 
was auf eine Originalinschrift TTröAıyoc ἐποίηςεν Αἰγινήτης 
schliessen lässt (vgl. Boeckh zu UIG. 25). 

Auch in Versen: ΟἿΑ. 4?, 3753, 105 Onßadnc elmönce —|- 
νου παῖς τόδ᾽ ἄγαλμα. Inschrift von der Akropolis ed. Stud- 
nitzka Jahrbuch II 1887 S. 155 ff. ᾿Αντήνωρ emlöncev ‘jo Ev- 
μάρους T|6d ἄγαλμα] IGA. 410 ᾿Αλξήνωρ ἐποίηςεν ὁ Nadıoc, 
ἀλλ᾽ ἐείδεεθε. Auch 349 Εὔφρων EZemoinc οὐκ ἀδαὴς Πάριος. 

Mit ἔγραφεν, ἔγραψεν, τράφει IGA. 482° Τήλεφος 
u ἔγραφε 6 ᾿Ιαλύειος. Klein Griechische Vasen mit Meister- 
signaturen. S. 29 Tiuwvidaolc μ᾽] ἔγραψε Bia. S. 196,7 Εὐθυ- 
μίδης ἔγραψεν ὃ TToAA)iov (zweimal). Ebenso ist 194, 2 (nach 
der Abbildung in Gerhards Vasenbildern 188) und ebenso 195 
zu lesen, beides nach Dümmler. Kyprische Inschrift No. 141} 
bei Meister Griechische Dialekte II 148 -oıköc μὲ γράφει Σε- 
λαμίνιος. 

Mit verschiedenen Synonymis obiger Verba: ΘΔ. 48 (Ar- 
2os) [Alwpößeoc ἐῤ[εἰργάεατο Apyreioc. 995° (Opus?) TIpikwv 
eimljalZa Kolkwra. Kyprische Inschrift No. 73 Deecke Γιλίκα 
ἁμὲ κατέεταςε ὃ Σταεικρέτεος. 

Mit εἰμί: IGA. 387 (Samos) [TTJoumöc εἰμι τοῦ Anuo- 
kpiveoc. 492 (Sigeum) ionischer Text: ®avodikov εἰμὶ TOUPUO- 
κράτεος τοῦ TIpokovvnciou; attischer Text: ®. εἰμὶ τοῦ Ἕρμο- 
κράτους τοῦ TI. 22 (Sizilien) Λονγηναῖός εἰμι δημόειος. D28 
(Cumae) Anuoxapıdöc εἰμι τοῦ ---. 01 (Antipolis) Τέρπων εἰμὶ 
θεᾶς θεράπων ceuvnc ᾿Αφροδίτης. Rhodische Inschrift bei Kirch- 
hoff Studien zur Gesch. des griech. Alph. * Ss. 49 Φιλτοῦς ἡμι 
τᾶς καλᾶς ἁ κύλιξ ἁ ποικίλα. Kyprische Inschr. 1 Deecke TIpa- 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 433 


τοτίμω nur τᾶς Tapiac τῶ iepnFoc. 10 D. τᾶς Bew nun τᾶς 
Tlapiac (ebenso 65. 66 Hoffin.). 23 D. Τιμοκύπρας ἠμὶ Τιμο- 
dauw. 78 H. Σταςαγόρου ἠμὶ τῶ Σταςάνδρω. 719 H. Tıuavdpw 
nur τῶ 'Ovacayöpov. SSH. TTvuriAXac nui τᾶς TIvuvrayöpav παι- 
δός. 121 H. Aufeideurtöc nur τῶ Bacı$An.Foc. 

Daran schliesst sieh IGA. 545 τᾶς Ἥρας ἱαρός εἰμι τᾶς 
ev πεδίῳ, wo ein Adjektiv verbunden mit εἶναι die Stelle des 
Verbums vertritt, und daran wieder die Beispiele, wo ein Ad- 
jektiv ohne εἶναι das Prädikat bildet: Klein Die griechischen 
Vasen mit Lieblingsinschriften S. 44 Acaypoc καλὸς ὁ παῖς. 
S. 68 TTavrozeva καλὰ Kopividlila], wie das von Klein gege- 
bene aber nicht erklärte KOPINO! wohl zu lesen ist. S. 81 
Γλαύκων καλὸς Acaypov. S. 89 Δρόμιππος καλὸς Δρομοκλείδου, 
Δίφιλος καλὸς Μελανώπου. S. 85 Λίχας καλὸς Σάμιος, ᾿Αλκι- 
μ[ήϊδης καλὸς Αἰεχυλίδου. S. 85 ᾿Αλκίμαχος καλὸς Ἐπιχάρους. 

Ausserhalb der bisher aufgeführten Kategorien liegen 
CIA. 453, 3572 Κλειεθένης ἐχορήγει Αὐτοκράτους. IGA. 110, 9 
(Elis) ἐν rymapoı x ἐνέχοιτο τοῖ ᾿νταῦτ᾽ ἐγραίμ)μένοι. (ΤῈ. 
1S06 ᾿Ακαμαντὶς ἐνίκα φυλή. 

Unter den aufgeführten Beispielen von ἀνέθηκε und κάθ- 
Onke enthalten dreizehn ausser Subjekt. Verbum und Apposition 
auch noch einen Dativ, drei (CIA. 4!, 373 f. IGA. 95. 543) 
einen substantivischen Akkusativ, 4?, 375, 90 beides. Wäh- 
rend nun der blosse Akkusativ überall auf die Apposition folgt 
(vgl. auch ΟἿΑ. 45. 373, 105 Onßadnc ἐ[πόηςε —|vou παῖς τόδ᾽ 
ἄγαλμα, sowie die Inschrift des Antenor), findet sich der Dativ. 
nur viermal (IGA. 486. Naukratis II 780. 819. 876) hinter der 
Apposition, achtmal (Naukratis I 218. II 767. 788. 801. 814. 
Hermes 26, 123. Kaibel 769. 778) davor: endlich in IGA. 48 folgt 
auf das Verbum zunächst der Genetiv des Vaternamens, dann 
der Dativ des Götternamens samt Epitheton und dann erst das 
zum Subjekt gehörige nominativische Ethnikon. In CIA. 42, 
375, 90 sind Akkusativ und Dativ zusammen zwischen Ver- 
bum und Apposition eingeschoben. — Diese Voranstellung der 
zum Verb gehörigen Kasus vor die Apposition ist leicht ver- 
ständlich; das Verb attrahiert seine Bestimmungen. 

Aus diesem Typus erklärt sich die seltsame Wortfolge 
in ΟἿΑ. 45, 375, 82, ergänzt von Studnitzka Jahrbuch II 1887 
S. 145: Κρίτων ᾿Αθηναίᾳ ὁ Σκύθου ἀν[έθηκε καὶ ἐ]ποίη[ςε] oder 
[ἐϊποίει. Der Verfasser der Inschrift hatte zunächst die kon- 


434 Jacob Wackernagel, 


ventionelle Wortfolge Κρίτων ἀνέθηκεν ᾿Αθηναίᾳ ὁ Σκύθου vor 
Augen und liess hiernach, als er durch die Beifügung von καὶ 
ἐποιήςε genötigt war, ἀνέθηκε hinter die Apposition zu rücken, 
doch den Dativ ᾿Αθηναίᾳ vor der Apposition stehen. 

Loewy Inschriften griechischer Bildhauer S. XV glaubt 
erweisen zu können, dass diese Wortstellung über die ersten 
Jahrzehnte des vierten Jahrhunderts hinaus nicht üblich ge- 
wesen sei (vgl. auch CIA. 2, 1621—1648 und die von Köhler 
zu No.1621 verzeichneten Künstlerinschriften). Die paar spä- 
tern Beispiele darf man füglich als Archaismen betrachten, 
zumal zwei derselben (Loewy 277.297, s. oben S. 431) durch 
Voranstellung «des Genetivs des Vaternamens vor das Verbum 
von der ursprünglichen Weise abgehen. Ausnahmslose Herr- 
schaft dieser Stellungsgewohnheit kann man auch für frühere 
Zeit nicht behaupten (Hoffmann Griech. Dialekte I 324), und 
namentlich weisen die attischen Weihimschriften zahlreiche Ge- 
senbeispiele auf. Aber sehr mächtig und zu gewissen Zeiten 
und in gewissen Gegenden entschieden vorherrschend war diese 
Gewohnheit doch, um so bereehtigter ist Schulze's Auffassung 
derselben als eines indogermanischen Erbteils. 

Das Altindische liefert augenfällige Parallelen. (Delbrück 
Syntaktische Forschungen IH 51 ff. V 23 f.). Häufig sind in 
der Brahmanasprache Sätze, die mit sa oder sa ha ὁ dieser 
eben” beginnen, darauf gleich das Verbum, meist ardca, tol- 
gen lassen, und dann erst die nähere Bezeichnung der vorher 
mittelst des Pronomens angekündigten Person beifügen z. B. 
si hovaca gärgyah, sd aiksata prajapatih. Älmlich (at. Br. 
ὃ, 1, ὃ, 4 td u haitd ücur dera adityaäh. Manchmal ist auch 
das Subjekt stärker belastet; manchmal, unter dem Emfluss 
der Gewohnheit den Satz mit dem Verbum zu schliessen, die 
Apposition zwar vom Pronomen getrennt, aber doch dem Ver- 
bum vorangeschickt. 

Weiterhin findet sich nun auch in denselben indischen 
Texten auffälliges Setzen des Verbums an zweite Stelle, wenn 
der Satz mit ὁ ha, tdd u ha, tdd u sma, dpi ha beginnt. 
Es handelt sich dabei meist um die’ Verba awaca, aha; der 
Name des Sprechers folgt dann erst nach dem Verbum. Also 
ganz die Weise deutscher Sätze mit Inversion. 


Jacob Wackernagel. 


Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 435 


Nachträge 
zu Abschnitt II S. 346— 551 I die Inschriften mit με, ἐμέ). 


Zu 8. 846, 351: IGA.351 (lokrisch) [TT]jepıpöva [ἀνέθηϊ]κέ 
ne (oder -κ᾿ ἐμέ) Zevayaroc muss wegen des Zustandes der 
Inschrift ausser Betracht fallen; vgl. Röhl z. d. St. 

Zu ὃ. 349: ΟἿΑ. 43, 373, 103 Οὐνπορίωνος Φίλων με 


ἐποίηςεν. --- Inschrift von Metapont Collitz 1643 Νικόμαχός μ᾽ 
ἐπόει. — BD cm Klein S. 65 No. 48 nach Six Gazette 


archeol. 1888, 195 Nikxocdevnc eu (Six: μ᾽ ἐ-)ποίηεεν. 

Zu S. 351: ἐμέ noch zweimal an zweiter Stelle in der 
alten Vaseninschrift bei Pottier Gazette archeol. 1888, 168: 
ἐκεράμευςεεν ἐμεὶ Οἰκωφέλης und Oikwp(e)Anc ἔμ᾽ ἔγραψεν (ge- 
schrieben εγραεφεεν). Vgl. auch ibid. 1888, 180: -πόλον ἐμέ. 


Verzeichnis der kritisch behandelten Stellen. 


ΕἸ ΣΕ ETlal zes 1 τ τ ὁ τ ον προ κρῖ  βενέδς τε βϑυν 9 19 
- {||1|2|8). τ τς ΟΕ ον το 
ΠΟ πο ΡΤ ae ἐλ EB EEE  Ν 9 

Be Bram: Da, Books: ieh „Vuaint Ar 10} 

ans, Penn sale We Ber; 
4 ige SER SE She ne 2) 

Froelrsemi ὃν Baker 'v845 
A N RT a Το ἐμ ρα. ΤΘΑΘ 
„ 4 66 Bek. . ἃ . . . . . ᾿ 5 5 “ Ö . . „ 37 

97, 4 Hiller (— 100 BER)R ἘΠ κί , τε τ Ὁ 

Pindar Olymp. 3, N ee Leg] 

Euripides laden), SSR) ME Peer = 

Thea A ee a er 6 a mE a 7) 
Antiphon 5, Sr Εν le PR SEH A eeehteN ke 
Aristophanes Acharn. 779. Ba en ΟΝ ae A ra 
> Email λδανν Ὁ Τ00 
Bieelen DDR a este, πε 989 
Demosthenes REINE EN ED EN 32 2.08 
> 18, ee Re ER to 

„ 94, er. RT a ΡΣ, 388 

5 BESSERES Er ee LS: 390 f. 

R λον N a a N τος κοῦ 
engseracım Ὁ ee ee  ππ ns 

u ih BEE Fu re Be 1 are} 

ΠΣ ee κε den es voran 

Anthol. Palat.'6, 140. . ... an 

Inseriptiones graecae antiquissimae ed. Röhl 384 RT 

= A SATA BER 2 eg 

Sammlung der griech. Dialektinschr. v. Collitz% . . . . 808 

„ » ” „ „ ” 3184, ne ve ” 374 
: Mil: : ΡΣ ΚΦ }913..0} 675; δὲ 


Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 97 


480 OÖ. Wiedemann, Got. fairgunt. 


Die griech. Vasen mit Meistersignaturen v. W. Klein S.51. S. 349 


3) ᾽) 2) 2 2) ” 3) 3) S. 194, 2 „ 432 
5 5 BRATEN ΠΝ 218,195, Bar AS 
Ἢ 5 1 Lieblingsinschr. A „19.168 1153 
Naukratis. By "Flinders Petrie I Inschrift No. 308 . . . . „ 348 
I = tee 34. 

11 τ ᾿ς RAS 

Plautus Bacchides 1258. a a hr er Bl Ψο, τ Ὁ ἢ ἢ 
Mereätor 154. a a SEITE EN TERRA: 


Got. fairguni. 


Ohne auf die bisher gegebnen etymologischen Erklärun- 
gen des got. fairguni “Berg’ näher emzugehn (sie sind von 
H. Webster Z. Gutturalfrage i. Got. 54 erwähnt; unerwähnt ist 
die von Leo Meyer [Got. Spr. 72] vorgeschlagene, aber lautlich 
unmögliche Zusammenstellung. mit aind. pdrvata-s "Berg’ ge- 
blieben), will ich eine andere Etymologie befürworten, die zur 
Voraussetzung hat, dass aisl. Fjorgyn, Fjorgynmn nichts mit aind. 
Parjänyass, lit. Perkunas zu thun hat, sondern eme Berggöttin, 
bez. einen Berggott bezeichnet. Gehn wir also von der Bedeu- 
tung “Berg” aus, so lässt fairguni sich an abulg. prags (ur- 
slav. *porgs) “Schwelle” anknüpfen; die Bedeutungen “Berg’ 
und “Schwelle” lassen sich ohne Schwierigkeit aus der allge- 
meineren Bedeutung “Erhöhung” ableiten. Zu beachten ist, 
dass russ. porog auch die Bedeutung “Stromschnelle’ hat und 
dass der Name der Stadt Prag wohl mit der bergigen Umge- 
bung zusammenhängt; die Bedeutung Berg’ schimmert also 
auch im Slavischen durch. 


Leipzig 8. Aug. 1891. 0. Wiedemann. 


Beiträge zur etymologischen Erläuterung 
der armenischen Sprache. 


Das Suffix -aw4. 


Das Armenische bildet mit dem Suffix -au/ Nomina agen- 
tis, z. B. enaui “genitor, parens’ von cnanim "pario, gigno, 
nascor', Aor. cnay. Seit dem 13. Jahrh. wird regelmässig 
cnö) geschrieben. Aus cno/ ist wieder die Form cnoA ent- 
standen; vgl. Verf. ΚΖ. ΧΧΧΙ 29—32. Die Form cnoA ist 
wohl zuerst in vortoniger Stellung entstanden; vgl. z. B. ceno- 
Jakan "appartenente al genitore’, cnoAutiun “l'esser genitore”. 

Dasselbe Suffix ist in kroA Träger’ von krem, spanoA 
“Töter’ von spananem Aor. spani u. v. a. enthalten. Wörter 
auf -au/, -Ö4, -0) werden teils von Präsensstämmen, teils von 
Aoriststämmen gebildet. Als Substantive werden dieselben mit 
Genetiven verbunden, z. B. enaui ordvoy “genitor filii’. Das 
Suffix hat auch adjektivische partizipiale Anwendung. Als 
Partizipia können die Wörter auf -04 später mit einem Objekte 
im Akkus. verbunden werden (Cirbied Gramm. 8. 637). 

Wenn man cnau/ “genitor’ mit dem Aor. 1. Ps. Sg. cnay, 
3. Ps. Sg. enav, 3. Ps. Pl. cnan vergleicht, liegt es nahe, das 
a in beiden Formen als identisch zu betrachten und demnach 
hier einen Verbalstamm cena-, aus *cina-, anzunehmen. 


Wie cnaui) zu cnanim, Aor. cnay, so verhält sich an- 
kau) zu ankanim, Aor. ankay "ich falle, werfe mich nieder, 
liege’; davon ankolin “Bett’. Ferner usau), usoA μαθηματι- 
κός ZU usanim μανθάνω, U. 8. W. 

Dem Stamme ena-, aus *eina-, in enau) entspricht genau 
der aind. Stamm jani- in janitär-; vgl. gr. yeverhp γενέτωρ, 
lat. genitor. Dem aind. ὁ, das aus idg. > entstanden ist, ent- 
spricht lautgesetzlich arm. a, z. B. arm. hair aind. pitär-. 


Indogermanische Forschungen 1 5. 38 


438 Sophus Bugge, 


Die Zusammenstellung des arm. cnau/ mit dem aind. ja- 
nitdr- gibt uns den Schlüssel zur Erklärung des Suffixes -au4. 
Das Suffix ist eigentlich -«4; a gehört zum Verbalstamme. 
Das Suffix -«4 steht mit dem idg. Suffixe -fer in Verbindung. 
In enaui ist das idg. ὁ nach a vor dem Hauptton lautgesetz- 
lieh geschwunden. Das nach a unmittelbar folgende z finden 
wir in andern arm. Formen, die zu dem idg. Suffixe -ter ge- 
hören, vor r: haur, hör, Gen. von hair “Vater’; a/auri “Mühle’, 
vgl. gr. ἀλέτριος. Das 4 für r findet sich auch in asti ἀςτήρ. 

Das « der Form enaui ist nach meiner Vermutung nicht 
dem « des aind. Genetivs janitur gleich zu stellen. Vielmehr 
führe ich enau) auf eine Grundform *genatro-s zurück. Mit 
den arm. Bildungen auf -a-u/ vergleiche ich demnach zunächst 
gr. intpöc “Arzt’, δαιτρός “Zerleger’. Das au von cnauk ist 
von derselben Art wie das von haur πατρός und das von 
araur aus *aratro-m (vgl. ἄροτρον). Arm. cenaui verhält sich 
also zu aind. janitar-, wie gr. intpöc zu ἰητήρ. 

enau) und andere Nomina, die von Verben auf -anim 
gebildet waren, gaben die hauptsächlichsten Muster für diese 
Bildung ab. Durch Analogie wurde das Partizipialsuffix -auA, 
-ολ, -0) auf die Verba überhaupt übertragen, so dass man von 
sirem siro), von tolum ἔολολ, von «ösim 20504 bildete. Von 
Präsensstämmen auf -α wurden Partizipia auf -au/ gewöhnlich 
nicht gebildet, dagegen von -Aoriststämmen auf -ac, z.B. αλα- 
co4. Jedoch findet sich z. B. orso/ “ Jäger’ neben orsam “jage, 
und ors “Jagd’; vgl. ezoA "bubuleus’ neben ezn “οβ΄. 

Es scheint möglich, dass das hier behandelte Suffix, als 
dasselbe durch Analogie zuerst verallgemeinert wurde, noch 
nicht -au/, sondern -aur lautete. Hierfür spricht alauri 
“Mühle”. Wenn dem so ist, kann Dissimilation zu dem Über- 
gange von -aur in -au/ mitgewirkt haben. Vgl. die ksl. No- 
mina agentis aut -telv, z. B. prijatelv Freund’, ahd. friudil 
“Geliebter’ 

Mehrere durch Analogie entstandene arm. Nomina agentis 
auf -ολ, -ολ verdrängten wahrschemlich ältere wenig abwei- 
chende Bildungen, welche eine Form des Suflixes -tro ent- 
hielten. So ist z. B. t«04 Geber’, wovon taokutiun, eine Ana- 
logiebildung; vorher gab es wahrscheinlich eine lautlich nicht 
stark abweichende Bildung, welche aus einer Grundform *do- 
trö-s lautgesetzlich entstanden war. 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 439 


Der Aorist. II mediı. 


Der arm. Aor. II Med. enthält Wurzel + Suffix a + Per- 
sonalendung. Z.B. hanem 'tollo’; Aor. II Akt. hani, haner, 
ehan, hanak, hanek, hanin; Aor. Il Med. hanay, hanar, ha- 
nav, hanak, hanayk, hanan. Den Ursprung dieses Aor. Med. 
habe ich im vorigen bereits angedeutet. Ich habe die An- 
nahme begründet, dass das a des Aor. enay “genui‘ und 'na- 
tus sum’ mit dem a des Nomen agentis enau) “genitor’ dem 
Ursprung nach identisch sei. cena- aus *cina- betrachtete ich 
als einen Verbalstamm, der mit dem aind. jani- von janitär- 
identisch und aus ursprachlichem gen»-, gend- entstanden sei. 
Hieraus erhellt, dass diese Aoristform zuerst, wenigstens zum 
Teil, von zweisilbigen Verbalstämmen, die auf idg. = arm. a, 
aind. ὁ endeten, gebildet wurde. Durch Analogie wurde dieser 
Aor. im Arm. dann auch von andern Verbalstämmen gebildet, 
um zu aktivischen Aoristen entsprechende passivische zu ha- 
ben; z.B. hanay, hanan neben dem aktivischen hani, hanin. 
Das a wurde somit zu einem Merkmal des Passivs. Die Ana- 
logie ist hier, wie bei dem neuarm. Passiv (zenvil u. 5. w. 
Hübschmann ΚΖ. XXIII 12), der Hauptfaktor, der die sprach- 
liche Neubildung erklärt. 

Die von mir gegebene Erklärung des arm. Aor. Med. 
wird durch mehrere Formen bestätigt. tanim Aor. taray "por- 
tare, trasferire, trasportare’ habe ich in ΚΖ. XXXII 67f. aus 
*tarnim erklärt und zu tara- trans‘, aind. feras, taraya- τι. 8. W. 
gestellt. Arm. taray zeigt einen zweisilbigen Verbalstamm 
tara-, der mit dem Stamm von danaccoı, ἐτάλαςςα, θάνατος 
u.a. analog ist. Zaray verhält sich zu Zanim wesentlich wie 
δαμάεςαι ZU δάμναται, KEdACCAH ZU κίδναται. 

Der einzige Aor. Med., der nicht auf -ay endet, ist der 
Aorist von elanim "werde, entstehe, werde geboren’: 616, 6161", 
elev, eleak, elek, eien. In meinen Beitr. z. etym. Erl. d. arm. 
Spr. 5. 30 habe ich e/anim zu βάλλω gestellt, indem ich der 
Bedeutung wegen ἐκβάλλω “bringe zur Welt, brüte aus’ ver- 
glich. Hiernach ist elanim aus *gel- entstanden. Wie ich in 
cnan einen Stamm cina- aus *gena- — aind. jani- erkannt habe, 
so muss in e/en das zweite e stammhaft sen. Der Stamm 
eke- aus "gele- findet sich in gr. ἑκατηβελέτης, βέλεμνον wieder. 
Der Aorist &ogay “ich ging’, der mit ὄν Aufbruch’, aind. 


440 Sophus Bugge, 


cyavate “geht fort" zusammen gehört, setzt vielleicht einen 
Stamm *gioud voraus. 

Der mediale Aorist hatte in der Ursprache -nto als die 
Endung der 3. Ps. Pl. Die Personalendung der 3. Ps. Pl. des 
medialen arm. Aor. ist -n, z. B. enan. Dies -»n kann lautge- 
setzlich aus dem ursprachlichen -nto entstanden sein, wenn die 
ursprachliche Form den Hauptton auf der ersten Silbe hatte; 
vgl. Verf. in KZ. XXXI 71. cnan kann aus *genanto, *ge- 
nanto hervorgegangen sein. Dureh lautliche Änderung fiel in 
der 3. Ps. Pl. die Personalendung des Aor. Medii mit der des 
Aor. Akt. zusammen. Dies bewirkte, dass in der 2. Ps. Sg., 
1. und 2. Ps. Pl. die Personalendung des Aor. Akt. auf den 
Aor. Med. übertragen wurde. Möglicherweise fand dasselbe 
in der 1.Ps. Sg. (Akt. hani, Med. hanay, cnay) statt. Sicher 
darf ich es jedoch hier nicht behaupten, weil ich nicht be- 
stimmen kann, wie die ursprachliche Endung des Aor. Med. 
in der 1. Ps. Sg. lautete. 

Dagegen zeigt die 3. Ps. Sg. des Aor. Med. eine Endung 
(-v), welehe dem Aor. Akt. fremd ist; z. B. cnav, elev. 

Dies enav etwa aus einer Urform *genat-ue zu erklären 
und in *we eine Nebenform zu idg. *swe “sich” (vgl. arm. vec 
“sechs” neben idg. ®szeks) zu sehen, finde ich schon darum un- 
statthaft, weil arm. % lautgesetzlich einem idg. ta entspricht. 
Die ursprachliche Endung war -to. Den Pluralformen *genanto 
(arm. cnan), *gelento (arm. e/en) müssen die Singularformen 
®genato, *geleto entsprochen haben. Dies stellt uns vor die 
Frage: Kann arm. cnav aus *genato, elev aus *"geleto entstan- 
den sein? Ich finde nichts, was entschieden hiergegen spricht. 
Nach Hübschmann soll freilich die Ablativendung -€ aus -etos 
entstanden sein: allein hiergegen habe ich mich bereits in ΚΖ. 
NXXXI 72 aus eimem anderen Grunde ausgesprochen. hair 
aus ®pater kann nicht die Annahme widerlegen, dass ταῦ aus 
-ato entstanden sei; denn im pater folgt nach t ein &. haur 
aus *patros, wo ὁ auf tr folgt, araur aus *aratrom, cnauk 
aus *genatro-s sprechen für meine Annahme. Arm. alauri 
setzt Falaur aus Falatro-s voraus. Eher lässt sich Cork “vier’ 
gegen mich anführen, wenn dies aus *kior-, *keor-, "keyor-, 
®getores entstanden ist. Allein die Regeln für den arm. In- 
laut und den arm. Auslaut können hier verschieden gewesen sein. 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 441 


Die Pluralendung -X. 


Ich habe (Arm. Beitr. S. 45 f.) die arm. Pluralendung -X 
aus -so erklärt und darin die idg. Endung -(e)s (-es, -0s τι. 8. W.) 
mit einer enklitischen Partikel -» = aind. « gesehen. Bartho- 
lomae (Stud. z. idg. Sprachgesch. II 13 Anm. 4) sagt dagegen: 
“Für unmöglich halte ich es nicht, dass dieses selbe suffix 


[wie in arm. $uk, buk] — etwa -tua — auch in der endung 
des nom. pl. steckt. Die flexion air — αὐ} — ark — aranc 
wäre wörtlich dann so aufzufassen: der mann — des mannes 
— die mannschaft — der männer”. 

Ich muss meine Erklärung gegen diese Vermutung B.'s 


aufrecht halten. 1) Bei der Auffassung B.'s müsste man *orok, 


"mardok, *sirtik, "zarduk für ork, mardk, sirtk, zardk er- 
ΠΟ 2) Bei derselben bleibt -m& in der 1. Ps. Pl. (z.B. 
emk “wir sind‘) unerklärt. 53) mardovk liesse sich dabei nur 
als Analogiebildung für *mardokov erklären. Endlich muss 
ich den deutlichen Parallelismus zwischen der arm. Endung -% 
und der idg. -s hier wieder hervorheben. Dies alles macht 
mir die Hypothese B.'s unglaublich. 


> 


Ὅλ. δὴ aus anl, ann. 


In mehreren arm. Wörtern ist ὅλ, 04 nach meiner Ver- 
mutung aus vortonigem anl, anr entstanden, und in der hier 
vorausgesetzten Lautverbindung anr war wieder ein Dental 
nach n mehrmals ausgedrängt. 

1. 504 .adjektivisch 5. v. a. so4aceal, lusapail, jerm in 
der Verbindung so amp 'nube infocata, ardente’; sonst sub- 
stantivisch “raggio del sole penetrato per la fessura; raggio, 
luce‘. Die am frühesten belegte Genetivform ist so/oy. Da- 
von so/am “risplendere’. Ich identifiziere $04 mit aind. scan- 
drd-s (nach Vokalen), später candrd-s adj. "schimmernd , subst. 
“der Mond’. Zu derselben Wurzel (aind. scand-) gehört arm. 
sand oder sant “ferro rovente, seintilla’, siehe ΚΖ. XXXIL 57, 
wo ich die Annahme begründet habe, dass anlautendes idg. 
sk und skh im Arm. s wurde, wenn der Hauptton in der Ur- 
sprache nicht auf der ersten Silbe lag. Ich kann daher die 
Frage Bartholomaes (St. z. idg. Sprachgesch. II 34): “ Beruht 
arm. 5 überall auf entlehnung?” nicht bejahen. 


442 Sophus Bugge, 


2. toi Gen. ἐολὲ “serie, fila, riga’; davon tolem "mettere 
in ordine‘. Ich führe 204 auf eine Urform *tantri- (*tntri-) 
oder, wenn die Flexion von £0/ nicht ihre Voraussetzung in 
der Urtorm hat, auf *tantro- zurück; von ten- "ausspannen'. 
Vgl. aind. täntra-m “fortlaufende Reihe, Grundordnung’, wo- 
von tantraya- "in einer bestimmten Ordnung folgen lassen, in 
Zucht und Ordnung halten’. In mehreren aind. Wörtern ist 
das Sufüix -tra-m betont. An einer Stelle der Väjas. 15, 2 
nimmt man Zandrd-m “Reihe’ an. Wegen des anlautenden t 
von £o/ vgl. meine Bemerkung in ΚΖ. XXXII 67. 

ὃ. hosm “Wind‘. Auch eine Form hoimn Pl. hoimunk 
wird angeführt. Fr. Müller (Armen. VI Nr. 32) vergleicht gr. 
öpun. Allein dies genügt wicht der Bedeutung: öpun “Andrang 
finde ich nicht von dem Winde angewendet. 

ho/m (ho/mmn) scheint mir auf armen. Boden durch das 
Sufix -m von einem andern Nomen abgeleitet zu sein, wie 
kolmn oder ko/m "Seite’ von ko) “Rippe, Seite’; atamn “Zahn 
vgl. ὀδούς. Das Stammwort des arm. ho/m entspricht nach 
meiner Vermutung wesentlich dem aind. anild-s. Das ho/- von 
ho/m ist aus αὐ. entstanden. Das ἢ ist, wie sonst sehr oft, 
vorgeschoben; vgl. meine Bemerkung unten zu hanem. 

4. moiez Gen. mosezi “Eidechse‘. Das Wort hat meh- 
rere spätere Nebenformen; so ist z. B. mo4oz durch Vokalassi- 
milation aus mo4ez entstanden. Trotz der Ähnlichkeit des 
tschetschenz. melgu Eidechse’ ud. milgone (Verf. KZ.XXXII 86) 
möchte ich in mo/ez ein echt armen. Wort sehen. Mit nhd. 
molch, mhd. mol, molle, αἰνὰ. mol hat dasselbe gewiss nichts 
zu thun; germ. ol entspricht nicht dem arm. 04. Dagegen ver- 
mute ich ein verwandtes Wort im aind. mandüka-s “ Frosch’, 
das in der Zigeunersprache Norwegens erhalten ist (Verf. in 
KB. I 151). mandüka-s ist wohl aus mandräka-s entstan- 
den; vgl. aind. andd- “Ei, Hode’ neben ksl. jedro “Hode’. 
Hiernach führe ich das mo4- von mo4ez auf eine Grundform 
mandr: zurück. Wenn arm. ἐξ Viper’ aus dem Eran. ent- 
lehnt ist (Bartholomae Stud. Il 34), kann das zweite Glied von 
moJ-ez Gen. mos-ezi (wenn dies ein Kompositum ist) vielleicht 
mit gr. ἔχις verwandt sein. 

5. Zökem Aor. Jöseci “ich verberge’, Aökim "ich verberge 
mich’: kommt bereits in der alten Bibelübersetzung oft vor. 
Ich vergleiche er. λάθρα und führe Aöse- Aause- auf eine Urform 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 443 


"Inthre- oder *Indhre- zurück. Aösem ist durch Assimilation 
aus *lolem entstanden; vgl. Aö/ak "animal aquatico' — lölak. 

6. 04) “anulus, eireulus’. Vielleicht aus *anl- und mit 
lat. analus wesentlich identiseh. Mit lat. anus, anulus habe 
ich (ΚΖ. XXXH 3) arm. anur zusammengestellt. 

Nach Aö/em, 0) vermute ich, dass das oA von soA, toA, 
hoAm, moJez zunächst aus 64 entstanden ist. Die Änderung 
von 64 zu ολ trat wahrscheinlich zuerst in vortoniger Stellung 
ein. In den genannten Wörtern ist 0), au/ wieder aus anlı 
entstanden. Die letztere Änderung hat in aucanem “salbe’ 
Aor. auei neben aind. anj-, lat. unguo, in au) “Schlange” ne- 
ben lit. angis, lat. anguis und in giut "Gewinn neben aind. 
vindd- "sewinnend’ nahe Analogie. Das ὁ von aucanem und 
das 7 von auxj sind aus dem Einfluss des τὸ zu erklären; vgl. 
Verf. Etr. u. Arm. I 80 und 162f. Auch im aucanem, auj, 
giut scheint mir das « in vortoniger Stellung entstanden zu sein. 


Der Schwund des idg. velaren g im arm. Anlaute. 


Durch viele (14) Belege habe ich bewiesen, dass das 
anlautende idg. velare g, das vor einem schwach betonten Vo- 
kale stand, in arm. mehrsilbigen Wortformen geschwunden ist 
eBeitr.7. et. ἘΠῚ. d..arm. Spr. S. 23—32; Κα: XXXI 32 £.). 
Ich gebe hier neue Belege. 

15. erd (Gen. erdoy) “casa, fuoco, famiglia; fenestra 
(terrazzo fatto) sul tetto delle casa’; davon erdakic “vieino di 
casa; che abita nella medesima casa’. erd identifiziere ich 
mit aind. grhd- M., später nur im Pl. M., sonst N. “Haus, 
Wohnstatt, M. Pl. die Familie’. Avest. geredha- hat eine ab- 
weichende Bedeutung ‘Höhle’. Arm. er wechselt mit ar (vgl. 


erag — arag, eragaz — aragaz, eitiur — altiur u. m. a.) und 
kann somit ein idg. » vertreten. Nach den mehrsilbigen For- 
men erdoy u. s. w. hat man ein eimsilbiges erd (für *gerd) 
gebildet. 

16. ostnum und osteim, Aor. ostecay “saltare, dare un 
salto; scoccarsi, lanciarsi’; end-ost “che salta, che seuote’. Aus 
idg. gost, zu anord. kast, N. ‘Wurf’, das jetzt in Norwegen 
auch “schnelle Bewegung, Luftsprung’ bedeutet, anord. kasta 
werfen’, nnorw. kasta seg “einen Luftsprung thun’; vgl. lat. 
gestire "sich munter regen’. Dass diese Wörter im Idg. ve- 
lares g hatten, beweist gr. BactdZw. 


444 Sophus Bugge, 


17. Zu derselben Wurzel in der Bedeutung “ werfen’ 
und daraus ‘weben’ stelle ich ostain "textura, tela‘. Vgl. anord. 
verpa “ werfen’ vom Gewebe (er orpinn vefr yta bormum); 
nhd. werft “stamen’, neunorw. varp dasselbe. Wegen des 
Suffixes vgl. z. B. orovain. 

13. aragil “Reiher, Storch’. Den bei de Lagarde Stud. 
$ 225 genannten Deutungen kann ich nicht beistimmen. ara- 
gil entspricht wohl dem ahd. chragil “garrulus', wozu chragi- 
lön “schwatzen’. Vgl. kregeln "gracillare, est sonus gallina 
rum’ Voc. 1482. Vgl. über das arm. Suffix -22 meine Bemer- 
kung in ΚΖ. XXXII 78. Mit chragil vergleichen R. Hilde- 
brand (Deutsch. Wtb. V 1956) und Fick (BB. XVII 320 {Ὁ 
lat. graculus, wofür Fick eme Grundform *graglo- (gragelo-) 
annimmt. Wegen des Anlauts von aragil vgl. araut neben 
gr. Ὑράω, aind. gras-. In aragil ist g aus vortonigem k ent- 
standen. 

19. oski “Gold’ haben Jensen (Z. f. Assyr. 1255 Anm.) 
und Schrader (Sprachvgl. u. Urgesch. ? 247) mit sumer. gu- 
shkin, gushgin “Gold’ verglichen. Dies Wort soll in verhält- 
nismässig späten Texten vorkommen und etymologisch "das 
biegsame Metall’ bedeuten. Wenn diese Vergleichung, welche 
durch das analoge Verhältnis bei andern arm. Metallnamen 
gestützt wird, richtig ist, muss oskö ein altes Lehnmwort und 
aus *goski entstanden sein. 


Schwund des idg. palatalen ἢ im armen. Anlaut. 

Mit 5 bezeichne ich nach Brugmann ein palatales g der 
Ursprache, statt dessen Fick jetzt z ansetzt. Wie das anlau- 
tende idg. velare q, das vor einem schwach betonten Vokale 
stand, im Arın. mehrfach geschwunden ist, so sprechen emige 
jeispiele dafür, dass das anlautende idg. g, wenn es vom 
haupttonigen Vokale entfernt war, im Arm. hat schwinden 
können. 

1. Für ‘Schwiegersohn’ finden wir aind. jamatar-, avest. 
zämätar-, gr. γαμβρός, lat. gener, alb. öender, lit. Zentas, ksl. 
zetv. Diese Wörter stimmen sämtlich im betreff des Anlauts 
überein. Sie sind auch, wie es scheint, unter emander ver- 
wandt, jedoch nieht alle identisch. Arm. aner bedeutet “der 
Vater der Frau’, “der Mann der Tochter’, “der Bruder der 
Frau’ (Hübsehmann bei Delbrück Verwandtschaftsnamen S. 140). 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 445 


Als “Schwiegersohn” stimmt aner also mit den oben genannten 
Wörtern anderer idg. Sprachen inbetreff der Bedeutung über- 
ein. Ich vermute daher, dass aner vom ein idg. 5 verloren 
hat; jedoch wage ich nieht die Grundform des Wortes sicher 
zu bestimmen (*ganater mit wechselnder Betonung 7). 

Dass aner ein uraltes und echt idg. Wort ist, wird durch 
ner oder ner ᾿σύννυμφος᾽ bestätigt. Denn dies Wort, das die- 
selbe Endung wie aner zeigt, gehört mit ksl. jetry, aind. yd- 
tar- u. Ss. w. zusammen (Verf. Arm. Beitr. S. 37). 

2. gavak "Hinterteil, Hinterbacken‘. Ich werde unten 
die Vermutung begründen, dass dies aus *ganak entstanden und 
mit aind. jaghäna- oder jaghand-, gr. xoxwvn verwandt sei. 
Die Urform des arm. Wortes hatte wahrscheinlich den Haupt- 
ton auf der 3. oder 4. Silbe. Im Anlaut ist nach meiner Ver- 
mutung nicht nur g aus idg. Jh, sondern auch ein Vokal ge- 
schwunden. Vgl. prcanem von aprust, der aus oc-er u. ähnl. 


Idg. zd im Armenischen. 


In KZ. XXXII S. 1 habe ich hervorgehoben, dass arm. 
azazem “arefacio" deutlich mit gr. ἄζω zusammengehört. 
Ebenso gehört arm. maz "spremuto, succo spremuto’, mzem 
“spremere’ zu gr. μυζάω (XXXI1 19). Allein nach @ech. apoln. 
ozd “Malzdarre’ haben Osthoff und Kern angenommen, dass 
ἄζω aus *azdo entstanden sei. Nun wird idg. zd in arm. ost 
"Zweig und näst "Sitz" durch st vertreten. Daher habe ich 
gefragt: “Ward idg. zd nur unmittelbar nach dem haupttoni- 
gen Vokale zu st, dagegen vor dem haupttonigen Vokale zu 
22° Diese Frage wage ich jetzt zu bejahen. 

Arm. ozor bedeutet dalar ost oloreal (eine grüne Gerte) 
“tortiglione’; davon ozora-cec afnel “flagellare coi vincigli 
ritorti -insieme, con vermene sottili e pieghevoli’. ozor ist 
nach meiner Vermutung von ost durch das gewöhnliche Suffix 
(-o-r) abgeleitet; vgl. olor, molor u. a. ost vertritt ein idg. 
#02do-s. In ozor ist dagegen ein haupttoniges Suflix ange- 
treten, und in diesem Worte vertritt oz- ein vortoniges idg. 
ozd+. Ich vermute, dass der Hauptton in ozor nicht erst im 
Armen. auf dem Suffixe ruhte, sondern dass das Suffix -ro 
hier bereits in der Urform den Hauptton trug. 


410 Sophus Bugge, 


t aus ide. t. 

In ΚΖ. XXXI 79f. habe ich die Vermutung geäussert, 
dass ursprachliches ? nach einem langen, mit geschleifter Be- 
tonung ausgesprochenen Vokale im Arm. zu ? geworden sei: 
Suflix -«f aus -Ot-, z. B. in ancanaut “ungekannt neben gr. 
Akk. ἀγνῶτα: Suffix -oift, z. B. m erevoit “Erscheinung, aus 
-eüti-s, vgl. gr. πνεῦσις u. ähnl. 

Dies wird durch auf, öt (Gen. öfi) "il pernottare, alloggia- 
mento; la sera’ bestätigt. Fr. Müller (Armen. VI Nr. 68) er- 
klärt dies gewiss mit Recht als eme Ableitung von der Wur- 
zel au-, die auch in aganim, Aor. agay "alloggiare, μου πο τα θ᾽ 
erscheint. Ich führe auf auf eine Grundform *aäti-s zurück. 
Vgl. wegen der Betonung nicht nur gr. Formen wie πνεῦσις, 
sondern auch lit. wie autas, piätis. Dagegen setzt arm. aud 
(Gen. audi) Schuh’ eine Urform *autis voraus (Verf. in KZ. 


XXXII 29). 


Arm... ausser. 

Es ist nachgewiesen worden, dass arm. αἱ mehrfach ein 
idg. kh vertritt. Da das anlautende x oft mit A wechselt, 
habe ich (ΚΖ. XXXII 41 f.) vermutet, dass das anlautende «, 
wie ἢ, auch ein idg. s vertreten könne. Hier werde ich den 
Nachweis versuchen, dass das anlautende idg. sk regelmässig 
durch arm. x vertreten wird. 

1. ei "protervo, contumace; ritroso, restio; con occhio 
bieco:; torto’; Subst. “rancore, odio, eorruceio’. Die Bedeutung 
“perversus’ muss als die sinnlichere, die ursprünglichere sein. 
Ich identifiziere we’ mit lit. skersas “quer, schielend’. Mit 
diesem lit. Worte vergleicht Fick Wtb.* I 386 preuss. körsa 
“über’, ksl. eres@ “durch hin’, lat. cerro “Querkopf”. 

Arm. 4:67" lit. skersas und 0% —= gr. ὄῤῥος, ahd. ars be- 
weisen, dass idg. rs im Arm. durch # vertreten wird, wenig- 
stens wo der Hauptton in der Ursprache unmittelbar vor rs 
lag. Auch m moranam Aor. moracay — and. mrsyate vertritt 
also # das idg. rs. Mit Unrecht nimmt Meillet (Memoires de 
la soc. de ling. VII 165) an, dass arm. r der lautgesetzliche 
Vertreter des idg. rs sei und dass moranam sein 7 dem Ein- 
tfluss des folgenden » verdanke. 

2. «οὐκ tal "scansare, schivare; farsi indietro; declinare; 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 447 


andarsene; függire’; wusem dasselbe. Aus einer Grundform 
#skeuko-. Zu nhd. scheu, mhd. schiech, ahıd. *scioh; ags. 
sceoh “furehtsam’; mhd. schiuhen “scheuen, meiden, ver- 
scheuchen '. 

3. zarak “scoglio, rupe’, wohl von derselben Wurzel 
wie german. skarja- N., anord. sker “Klippe, besonders im 
Meere’. 

4. zaut, «ot “infermo, malato’; zöfanam “ammalarsi’; 
(x. y-olokoc) “patire (di podagra), dolere (le gambe)’; ‘soffrire; 
attristarsi, dolere’. Ich vergleiche lit. skaudäs schmerzhaft’; 
skaudeti “schmerzen ’; skaddamas “mit Schmerzen behaftet, 
krank’. "Skaudama koja, ein kranker Fuss’ (Ness.). Auf 
das Verhältnis des arm. 7 zum lit. d gehe ich hier nicht ein. 

5. zriv “legne minute e secchi, sarmenti secchi '; gr. 
ckapipoc "trockner Zweig, Reis’ neben κάρφος. Vgl. wegen 
des # krunk “Kranich’ neben ΘΟ]. garan. Der Bedeutung 
wegen nenne ich wruwanam “disseccarsi, come frasche aride'; 
mit κάρφος ist καρφαλέος “trocken, dürre’ verwandt. 

6. op “vomero; palo, chiodo di ferro‘. In ΚΖ. XXXI173 
habe ich nachgewiesen, dass X regelmässig vor p schwindet. 
Daher vergleiche ich xop aus *xo/p mit gr. cxöAoyw Spitz- 
pfahl . 

1. zatarem “guastare, distruggere’ gehört vielleicht zu 
got. skabjan “schaden’, gr. ἀςκηθής “unversehrt. Arm. £ 
scheint hier ein idg. th zu vertreten. 

ὃ. zaxcut “instabile, mal fermo ’; zasweutk ἡ demigrazione '; 
xzaxtem “ erollare, scuotere; muovere, far emigrare’. Zu anord. 
skaka “sehütteln’; ags. scacan “moveri eum impetu’; air. 
scäich, scaig “praeterüt', cumscugud “ commutatio ', cumscai- 
gthe “motus’. 

9. zalam “cranio staccato dagli animali morti'. Viel- 
leicht zu neuengl. skaull “ Schädel’, mengl. sculle, scolle, wo- 
mit Skeat schott. skull, skoll “a bowl to hold liquor’ ver- 
gleicht. Jedoch kann zalam mit arm. welk “cervello; capo 
del ponte; il capo del fiume; poppa della nave’ verwandt sein. 

9. zaram "scoria’ steht wohl zu gr. ckwpia, ckwp im 
Ablautsverhältnisse. Vgl. wegen des Suffixes z. B. antaram 
und antarsam “ unverwelklich’. 

10. wei "storpiato; perverso, pravo’ gehört nach mei- 
ner Vermutung vielleicht wie se/ “obliquo, torto; sguancio’ 


448 Sophus Bugge, 


(Verf. Κα: XXXLU 57) zu lat. scelus "Vergehen’,, gr. ckoA1öc 
“krumm, verkehrt‘, cxeXoc Schenkel’. Ich vermute, dass das 
anlautende idg. sk, wo der Hauptton in der Ursprache aut 
der ersten Silbe lag, zu arm. x wurde; dagegen zu s, wo die 
erste Silbe schwach betont war. Diese Regel wurde später 
dureh Analogiebildung verdunkelt: der erste Vokal z. B. von 
zalam und zaram, zarak scheint in einer schwach betonten 
Silbe entstanden zu sein. Jedoch ist es möglich, dass xei 
vielmehr zu χωλός im Ablautsverhältnisse steht. 

11. zaragul "attaco (sorta di cavallette)" vgl. ckopößuXoc' 
κάνθαρος Hesych., ckapaßaloc, κάραβος. Die Endung -ul setzt 
wohl eine Grundform -*wllo-s voraus, im Gegensatz zu -u/ aus 
-"ulos in enjui "giovenco’ von 677 “giovenca‘. Das g von 
xzaragal ist vielleicht so zu erklären wie das anlautende g 
von gay kommt’ neben gr. Bißarı und von gog sage‘ neben 
gr. Boaw (Verf. n ΚΖ. XXXI 331L.). 

Es finden sich auch sonst sprachliche Verbindungen zwi- 
schen “Heuschreeke’ und “ Käfer’. βροῦχος ist eine ungeflügelte 
Heuschreekenart; allein in einem mnd. Vokab. bei Diefenbach 
wird bracas durch “wilde kever vel meigkever’ erklärt. Ahd. 
wibel übersetzt sowohl lat. attacus als lat. scarabeus. 

12. xorx “spoglie di serpente, pelle di porco, guscio, 
scorza‘. Vel. ksl. skora “Haut, Rinde’, poln. skorka ᾿ Häut- 
chen, die Schale vom Obst, Brotkruste”. Das zweite αἱ von 
zor.e ist vielleicht dem ersten assimiliert. 

13. τῳ λα. Siehe unten hei 7. 

14. herjanem. Siehe unten bei 1. 


Anm. de 7 ἄς: 


Hübschmann (Grundz. S. 79) nimmt mit Recht an, dass 
idg. jh im Arm. dureh j “im Anlaut und nach ἢ, r", dagegen 
nach Vokalen durch z vertreten werde. Unter dözel bemerkt 
freilich de Lagarde (Arm. St.): “ist Lehnwort, da gh armeni- 
sches 2 [d.h. 2, dz] fordert”. Allein *dijel wäre sprachwidrig. 

In unzusammengesetzten echt arm. Wörtern findet sich 
im Inlaut und Auslaut j nieht nach Vokalen. Hierbei gilt «aw, 
woraus ö, nieht als Vokal; es findet sich auj. Diese Regel, 
welche für 7 gilt, ist der von mir (ΚΖ. XXXI1131 f. und 357 f.) 
für δ und d angenommenen Regel analog. 

Auch nach X kann arm. 7 ein idg. Jh vertreten: 6617 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 449 


“glans, glandula, tonsilla’ vgl. Καὶ. zZleza "glandula’ (Verf. 
KZ. XXXU 5f.); atalj “materia da fabbrieare’ vgl. anord. 
telgja “zuschneiden, zuhauen Holz oder Stein’ (Verf. ΚΖ. 
XXXII 27). 

Allein j hat in nicht wenigen Wortformen einen ver- 
schiedenen Ursprung. In ΚΖ. XXXII 46 f. habe ich nach- 
gewiesen, dass c (d. h. fs) unter gewissen Bedingungen aus 
arm. ἐ entstanden ist. Hiernach muss man erwarten, dass 
arın. d unter gewissen Bedingungen zu 7 (d. ἢ. dz) werden könne. 
Dies ist meines Erachtens in den folgenden Wörtern auch 
wirklich der Fall. 

1. jorj “mantello, veste’ (Gen. -oy) ist gewiss aus "dor 
entstanden und steht im Ablautsverhältnisse zu handerj “Kleid, 
Zurüstung’; jorj spricht dafür, dass handerj nicht aus dem 
Persischen entlehnt ist. In jorj entsprang das erste j wahr- 
scheinliceh durch Assimilation. 

Besen euer‘, Dat. jez “euch”,, Abl. 76);  Instr. 
jevk hat man das j aus dem idg. y, das in aind. yayam u. 5. w. 
vorliegt, entstehen lassen. Allein ich habe nachgewiesen, dass 
dies nieht riehtig sein kann, weil das anlautende idg. y im 
Arm. entweder als y bleibt, oder auch schwindet: yaud "le- 
game’ — avest. yaoiti-, yam “tardanza’ zu aind. yam-; ner 
“cövvuupoc’ zu ksl. jetry, lat. janitrices (ΚΖ. XXXI 22; 
Arm. Beitr. S.37). Da der Nommativ zu 767 duk lautet, 
glaube ich vielmehr, dass jer aus *der entstanden und dass 
d hier vor e zu dz geworden ist. Man wird vielleicht ein- 
wenden, dass d in handerj, dez, dir u. s. w. bleibt. Allein 
hierauf antworte ich, dass das d in handerj, dez, dir aus idg. 
dh entstanden ist, dagegen in duk, *der aus idg. t. Hiermit 
kann Jie verschiedene Behandlung in Verbindung stehen. Wenn 
wir vom Anlaute absehen, sind jer, jez, jeek u. s. w. nach 
mer, mez, meck gebildet. Idg.t, das nach n, r, au vor dem 
haupttonigen Vokale stand, ist im Arm. zu d geworden. Das 
d von du, duk, *der (woraus jer) ist daher wahrscheinlich 
in derselben Lautstellung entstanden. 

3. heljanem (Aor. 3. Sg. eheij) und heijucanem  strango- 
lare’, heijanim und heijnum, heijum “esser strangolato‘. Da 
das anlautende A sonst mit αἱ wechselt, scheint es mir sicher 
zu sein, dass dieser Wortstamm mit weid (Gen. Pl. xeidie) 
“10 strangolare; laccio, nodo, capestro, eorda’, weidem "strango- 


450 Sophus Bugge, 


lare” zusammengehöre und dass heidz- unter irgend einer Be- 
dingung aus weid- entstanden sei. Vielleicht darf man xeid 
auf eine Grundform *skrt-is zurückführen, von einer Wurzel 
#®skert-, worin man eine Nebenform zu aind. ertdti "bindet ’ 
vermuten kann. Dies sei jedoch nur als eine unsichere Hypo- 
these erwähnt. 

4. Mit heijanem ist herjanem Aor. herji “fendere, rom- 

pere, dividere, risecare’ völlig gleichartig. Selten findet sich 
herj “fesso, fessura’. Ich vergleiche lit. skerdziu ”berste, 
springe auf, bekomme Ritze’, worin Brugmann (Idg. Forsch. 
I 176) einen Stamm sgerdh- findet und womit er das gleich- 
bedeutende ahd. scerintw verbindet. Arm. herj- ist nach meiner 
Vermutung aus *xerj-, xerd- entstanden. 
5. Der hier behandelte Lautübergang gibt uns viel- 
leicht über ein wichtiges Wort genügenden Aufschluss. anjn 
“persona, anima, ipse, corpus’ (vgl. anjneay “corpulentus, per- 
magnus'). 

Die Vergleichung des aind. datman- legt freilich die von 
Diefenbach (Vgl. Wtb. der got. Spr. I 47) geäusserte Vermu- 
tung nahe, dass anjn zu an- "atmen gehöre. Allein dabei 
gelangt man nieht so leicht zu einer wahrscheinlichen Grund- 
form von anjn. 

Das auslautende » in anjn ist wohl wie n in vielen andern 
Wörtern ein speziell armenischer Zusatz, der in naxanj "in- 
vidia’ (von nax “primum, prius’ und *anj s. v. a. anjn, vgl. 
Petermann Gloss.), Gen. naxanju, fehlt. 

Ich vermute, dass *anj- aus *and-, idg. snt x entstanden 
ist, und führe somit arm. anjn auf das Pzp. des idg. es- 
‘sein’ zurück; vgl. gr. ovcıa “Wesen. Nach der Auffassung 
Diefenbachs wäre anjn aus ursprachlichem *ant- "Atem ent- 
standen. 

Unter welehen Bedingungen ist nun dz aus αἱ hervorge- 
gangen? Dieser Übergang ist mit dem von mir in ΚΖ. XXX 
40 f. nachgewiesenen Übergange von t zu ts ganz analog. 
Man vergleiche he/janem, he/janim aus zeld-, herjanem aus 
®gerd-, idg. *skerdh- mit hecanim aus *het-, idg. *sed-; zaca- 
nem aus "xat-, aind. khäd-; amicanem aus *anit-, idg. *dneid-. 

Vor ὁ wurde £ lautgesetzlich zu ἐδ: zavarci von wavart; 
zaicim neben wait. Ebenso nehme ich an, dass heiji laut- 
gesetzlich aus *heidi, *xe/di entstanden ist. Aus jer neben 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 451 


duk folgere ich, dass das inlautende d auch vor e lautgesetz- 
lich in dz überging: *xeider, *heider wurde zu heijer. Allein 
durch Analogiebildungen ist das lautgesetzliche Verhältnis 
zwischen d und 7, wie das zwischen £ und c, verdunkelt 
worden. 

Abweichend ist arm. 2167 "medius’ aus idg. "medhyo-s, 
urju “Stiefkind’, wo das erste « wohl durch Vokalassimilation 
zu erklären ist, aus *ordyu, von ordi “Sohn’, entstanden. Dies 
aus dy entstandene 7 scheint mir älter als das vor ὁ, e aus ὦ 
entstandene 7, ἃ. h. ἀξ. Vgl. das Verhältnis zwischen (d2), 
Z und dz, z im Slavischen; siehe Brugmann Grundr. I S. 339, 
341. — Endlich kann 7 seinem Ursprung nach = d + sein. 

1. In sinj, sosinj “glutine, pece’ habe ich (KZ. XXXII 
86) ein Lehnwort aus einer nicht idg. Sprache vermutet, dessen 
j aus d + z entstanden sein sollte; vgl. awar. sino Leim’, 
sedeze “leimen’. 

2. yorjan “piena, fiumara; rapido corso delle acque; 
bollore’ scheint mir aus *yord-hosan entstanden zu sein. Vgl. 
yord “abbondante, copioso, pieno’; yordahos “che scorre rapido’, 
yordahosk ‘piena’; hosank “corso delle aeque‘. Aus *yord- 
hosan entstand zunächst *yordosan, *yordsan. Dann wurde 
s durch den Einfluss von d tönend: yordzan (yorjan). 

Auch sonst wird ein unbetontes o zuweilen, wie im Vulg.- 
Arm., ausgelassen: der aus οὔ er; gguem wird in dem Wtb. d. 
Akad. so erklärt: “ulnis ampleetor....i gogn ... paipayel’ 
und ist daher wohl von gog “sinus, gremium’ abgeleitet. 


Das anlautendeidg. sr im Armen. 


Wie das anlautende idg. sr im Arm. behandelt wurde, 
ist bisher nieht ermittelt. Es erhellt aus den folgenden Be- 
legen. 

1. aroganem oder oroganem ‘rigo, fundo, derivo', auch 
arogem (Aor. -geci) oder ofogem und arogacucanem. Das 
Wort wird oft von dem Blute angewendet, z. B. ariumn aro- 
ganer zerkirn Agathang. “das Blut benetzte die Erde”. Peter- 
mann vergleicht lat. rögare. Nach meiner Vermutung ist da- 
gegen afroganem aus einer Urform *srowdno (-nnö) entstanden. 
Ich vergleiche zunächst lit. srävinu “mache bluten’; vgl. noch 
aind. srävdyafti) u. 5. w. Der anlautende arm. Vokal ist 
vorgeschlagen wie in arag, orcam u. 5. W. 


459 Sophus Bugge, 


2. Zu derselben Wurzel (und nicht, wie Fr. Müller Armen. 
VI Nr. 9 meint, zu der aind. Wurzel ars-) gehört gewiss ar 
“rivus, eanalis’. Allein es lässt sich kaum sicher bestimmen, 
aus welcher Urform dies entstanden ist; denn es sind mehrere 
Möglichkeiten vorhanden, z. B. konnte sowohl *sruro-s, *srurd 
als *sruti-s zu ara werden. Dies steht zu aroganem im 
Ablautverhältnisse, wie ὄν “Aufbruch” zu dogay “ich ging''). 

3. αὐαΐ “abbondante, copioso, liberale, buono, ottimo'. 
Nach meiner Vermutung aus einer Grundform *sruad-, zu gr. 
ῥυάς — adoc flüssig’. Der Bedeutung wegen erinnere ich an 
ῥύδην “fliessend, reichlich’?). arat kann lautgesetzlich für 
®qjuat stehen. Dasselbe Suffix findet sich in parat zerstreut’, 
das ich (Arm. Beitr. S. 20) mit gr. σποράδ- zusammengestellt 
habe. 


Daside- tr im Armen. 


Der idg. Lautverbindung tr, welche im Inlaute vor dem 
Haupttone stand, entspricht im Arm., wie ich mit Hübschmann 
annehme, r; das ? ist zu konsonantischem ὁ oder « geworden 
oder ist geschwunden?). Einen guten Beleg hierfür giebt δὴ)" 
“mazza, elava, bastone grosso’ (wovon u. a. bravor “che ha 
bastone in mano’) = gr. φιτρός “Baumstamm, Block, Klotz’. 


L 


Uber φιτρός vgl. Brugmann Grundr. II 114 Fussnote 1, 
Thurneysen ΚΖ. XXXI 84. 


Arm. rk dureh Umstellung entstanden. 

1. o/ork “liseio, piano; pulito, lisciato; sdrucciolo, scorre- 
vole’. Jüngere Schreibungen sind w/ork und Zork. Durch 
Vokalassimilation aus *olörk; vgl. oros neben oris “separate. 
Andere Beispiele der Vokalassimilation in meinen Arm. Beitr. 
S. 58. oJork aus *olirk setzt eine Grundform *oligro-s — 
er. ὀλιβρός voraus, aus *ligro-s, Nebenforn zu *sligrö-s, nach 


< 
Ὑ 


"ick —= ags. sliper, noch bei Shakespeare slöpper. 

1) Über span. arroyo ‘Bach’, asp. arrogio, portug. arroio, 
lat. arrugia ‘Stollen’, friaul. roje roe “canale d’acqua corrente’ 
u. s. w., vgl. G. Meyer Etym. Wtb. ἃ. alb. Spr. S. 335 unter perua. 

2) Franz. effuston de coeur zeigt denselben Bedeutungsüber- 
gang wie nach meiner Vermutung das gleichbedeutende arm. aratu- 
tun 57}. 

3) Die von mir in Beitr. z. et. Erl. d. arm. Spr. S. 28 versuchte 

Deutung von ord? ist hiernach irrig. 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 453 


2. pirk “stretto’; davon prkem “legare stretto, appic- 
care, eondensare’. Statt *pörk (vgl. Verf. Arm. Beitr. 5. 34) 
aus einer Grundform *sphigro-s zu gr. cpiyyw "schnüre, presse, 
binde fest’. Vgl. parar aus idg.*sphoro-s (Verf. ΚΖ. XXX1 23 f.). 


ὃ aus ἢ. 


Mit Hübschmann nehme ich im Gegensatz zu Bartholomae 
(Stud. IE 37 Anm.) an, dass ein im idg. Inlaut stehendes m 
im Arm. durch vo, « vertreten sein kann. Ein, wie mir scheint, 
sicheres Beispiel ist anın Gen. anuan "Name, vgl. akymr. 
enw, air. ainm, u. 8. w. InBB.XVII 132 sagt Bartholomae, 
dass “wir .. des akymr. emo wegen doch eine Grundform 
°nwen annehmen müssen”. Allein, dass das w von enw viel- 
mehr aus m entstanden ist, lehrt Zeuss-Ebel Gr. Celt. 115. 
Auch andere Beispiele dieses Überganges, welche Hübschmann 
angeführt hat, sind, wie ich glaube, richtig, so z. B. aur Gen. 
avur Tag’ neben gr. ἦμαρ. Vgl. meine Bemerkungen in KZ. 
XXXI 13—15, wo ich u. a. hivand "schwach, krank’ aus 
"nemmto-s gedeutet habe. 

Das inlautende idg. m ist in andern arm. Wortformen 
durch m vertreten. Ich vermute, was ich nicht streng be- 
weisen kann, dass idg. m, wenn der nächst vorhergehende 
Vokal den Hauptton trug, im Arm. ungeändert blieb, dass 
dagegen das idg. m, welches nach einem schwachbetonten 
Vokale folgte, im Arm. zu vo, « wurde. 

Hiermit vergleiche man den oben unter au behandelten 
Lautübergang. Wir haben also im Arm. 

v, u aus m 

auc aus ang 

au) aus angh N vor dem Haupttone. 

au) aus anr 

iut aus ind | 
Im folgenden werde ich die Vermutung begründen, dass av 
ganz analog aus an entstanden sein kann. 

1. ktav “Lein’, Lehnwort aus pers. katän, vgl. de La- 
garde Stud. $ 1195. Das vo von ktav scheint mir in vortoniger 
Stellung aus » entstanden zu sem, vgl. Gen. ktavoy oder -u, 
ktavat "seme di lino’ u. s. w. 

2. aravir “indarno, in vano’ wohl von der Präpos.: a’ 
und anir “senza effetto, vano, inutile’ (von an- und ir). 

Indogermanische Forschungen I 5. 29 


454 Sophus Bugge, 


3.  avart “fine, termine, capo, colmo’ aus *anart zu gr. 
ἄνω (aus *avFw), ἀνύω, ἁνύω “bringe zum Ziele, vollende”, 
aind. sanöti “er gewinnt, erlangt”. Wegen des Suflixes vgl. 
z. B. parart von parar. 

4. gavak Gen. -ae “groppa, le natiche, chiappe’ aus 
*ganak zu aind. jaghäna- oder jaghand- m. und n. “Hinter- 
backe, Hinterteil’, gr. koxwvn “die Stelle”zwischen den Schen- 
keln bis hinten an den After’. Das erste a von gavak ist 
wohl wie in anurj (Bartholomae Bezz. Beitr. XVII 103) auf- 
zufassen. 

5. avwer “rovinato, distrutto', averem “rovinare, distrug- 
gere’ vielleicht für *aner, mit gr. evaipw “erlege, töte‘, vgl. 
πόλις ἐναίρεται “die Stadt wird zu Grunde gerichtet‘, ver- 
wandt. 

6. avar “bottino, preda, spoglio’; davon avarem "sac- 
cheggiare, predare, spogliare’. Das Wort erinnert an pehlewi 
äpär ‘Raub’, auch an osset. abreg, awar. abürik Räuber’ 
(Hübschm. Osset. Spr. S. 119), steht aber vielleicht für *anar 
und gehört dann wohl mit gr. ἔναρα “spolia, Kriegsbeute” zu- 
sammen. Gr. ἔναρα hat Curtius (Verbum) mit aind. sdnara- 
“Gewinn, Beute’ (RV. I 96, 8) zusammengestellt, indem er 
evaipw für verwandt ansieht. Das Verhältnis von aver zu 
ἐναίρω und von avar zu ἔναρα setzt einen alten Betonungs- 
wechsel voraus. Dadurch erklärt sich das arm. a dem gr. e 
gegenüber. 


» und p aus ὃ, idg. bh. 


Im Arm. wechselt b oft mit p. Dies ist sowohl im An- 
laut, als im Inlaut, sowohl bei Lehnwörtern als bei echt arm. 
Wörtern der Fall. In mehreren Lehnwörtern ist das p sicher 
aus b entstanden. Ich gebe im folgenden einige Beispiele 
dieses Wechsels. 

aparpi neben abarbi aus εὐφόρβιον (de Lagarde Stud. 
$ 2). ῥαλ- entsprieht dem Sinne nach dem gr. cuv-, dem lat. 
con-, 1. B. pakanun “univoco, sinonimo', pakarim “esser com- 
pitato’, pararutiun “sillaba’, paiem “unire‘. Daneben ba4-, 
z. B. balanunutiun “sinonimia’, bakajain “consonante', bakem 
“congiungere, unire’, pndern neben bndein, bndiin "scarafaggio'; 
zarnapndor neben zarnabendor “confusus'. 

Ferner wechselt das anlautende p oft mit p, und in die- 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 459 


sem Falle ist mehrfach nachgewiesen worden, dass p das ur- 
sprünglichere ist: por und por "Schwan’‘. palpakak “pietra 
transparente” neben ῥαλῥαλίηι “risplendere vivamente’, welche 
ich (Arm. Beitr. S. 34) zu aind. sphurdti gestellt habe. 

In dem Lehnworte parak, parag, parag, barak "baracco, 
bracco, cane da caccia’ ist arm. p, p aus ital. ὃ entstanden. 

Hiernach muss man erwarten, dass idg. bh in dem An- 
laute echt armenischer Wörter nicht nur zu b, sondern auch 
zu ἡ und p werden kann. Dies finde ich durch die folgen- 
den Beispiele bestätigt. 

1. paxceim Aor. paxeay fugio', paxucanem “fugo', 
Dasxust “fuga’ zu lit. bögu “laufe”, bega-s Flucht’, ksl. δόξα 
“fliehe’, begs “Flucht’. In demselben Ablautsverhältnisse steht 
arm. takcim “ich verberge mich’ zu gr. nrnccw. Wegen des 
arm. x neben dem lit. g vgl. arm. paxarakem "spotte, tadele’ 
neben gr. woyrepöc "tadelsüchtig, zaxut neben anord. skaka. 

Awar. bacdzize "verjage', bäcize "jagen, antreiben’ (Us- 
lar-Schiefner) klingt wohl nur zufällig an das arm. Wort an. 
Das awar. Wort hat beweglichen Anlaut, daneben findet sich 
racize. 

2. punj “mazzo, mazzetto di fiori, radice, stelo, gambo, 
fusto, fiocco, frangia‘. Z. B. evtn hask elanein i mium penji 
Genes. 41, 22 (im uno culmo). punj für *bunyo- zu arm. 
bun "tronco d’albero, fusto, gambo, stelo’; vgl. npers. bun, 
avest. buna-, air. bun (Verf. ΚΖ. XXX 5). 

3. paitem (Aor. -teci), paitucanem “dirompere', paitim 
“erepare, feudersi” vielleicht zu aind. bhedd- "das Zerbrechen’, 
bhid- bhindtti bhedati spalten’, Kaus. (in der späteren Sprache) 
bhedaya- "spalten, brechen, zerschlagen’. Ist arm. αὐ hier, ob- 
gleich idg. *bheid- zu der e- o-Reihe gehört, wie in ait neben 
gr. oidoc aufzufassen? Wegen des f von paitem vgl. poit 
neben gr. σπουδή. Oder kann ait aus *axtı entstanden sein 
und paitem mit paxumn “dirompimento’ verwandt sein? 

4. ῥαὶέ (Gen. paiti) "Holz, Baum’ gehört wahrscheinlich 
zu derselben Wurzel wie arm. paitem, aind. bhedati. Im Lat. 
wird findere gewöhnlich von dem Spalten des Holzes ange- 
wendet. Lautlich verhält sich pait zu paitem wie perekem 
zu perekem. 

9. perekem Aor. -eci "squarciare, fendere; aprire’; wird 
auch perekem geschrieben. paraktem “rompere, dividere, 


456 Sophus Bugge, 


got. brikan brechen u. 5. w. (Aind. sphärj- und was dazu 
gehört liegt dem Sinne nach ferner, dasselbe gilt vom lat. 
spargo.) 

6. palar “pustula, bolla, veseichetta, ornamento ἃ guisa 
di bolla’ vielleicht zu idg. bhla-; vgl. lat. flare, ahd. blatara 
(aus ble-) ‘Blatter’, anord. bladra, wozu Bartholomae (Stud. 
z. idg. Sprachgesch. II 152) avest. barenti ... ayan V. 8, 4 
“an einem windigen Tage’ stellt. Die Grundform von palar 
wage ich nicht zu bestimmen. 

τ. prpur °Schaum’ vgl. gr. πορφύρω "ich bin in un- 
ruhiger Bewegung, walle auf’ vom Meere? Oder zu lat. 
spuo? 

Der genannte Wechsel ist zum teil gewiss seinem Ur- 
sprung nach dialektisch. Altarm. ὃ wird ja jetzt dialektisch 
als p und ph, und umgekehrt p als b ausgesprochen. Allein 
da wir im Schrift-Arm. z. B. punj neben bun finden, scheint 
es möglich, dass eine Verschiebung der ursprachlichen Beto- 
nung (den genannten Wechsel in einigen Fällen hervorgebracht 
hat. Das Verhältnis von perekem zu peiekem ist wohl wie 
das Verhältnis von χιτών zu xıdwv zu erklären. Da das p 
von arpn ‘Licht’, erpn Farbe’ nach r aus v entstanden ist 
(Verf. ΚΖ. XXXI 65 und 75), mag das p von peiekem viel- 
leicht durch das folgende #* bedingt sein. 


separare’; erkparak “separato uno dall’ altro’. Vielleicht zu 


p aus ps. 

1. Zarap (Gen. -oy) "nimbus’. Zu aind. drapsd-s "Tro- 
pfen’. Arm. p ist hier aus idg. ps entstanden wie z. B. in 
epem ‘koche’, gr. &yw; vgl. Verf. Arm. Beitr. S. 21. Wegen 
des ersten a von tarap vgl. arac neben gr. ypacrıc, aragil 
neben ahd. chragil. Der Anlaut ist in eraz Traum’ aus 
drdh+ und eres “Gesicht” aus drk- (Verf. ΚΖ. XXXU 39) 
anders behandelt worden. 

2. In meinen Beitr. z. et. Erl. d. arm. Spr. S. 21 habe 
ich Beispiele davon angeführt, dass ein anlautendes arm. 
einem gr. w entspreehen kann. Zwei andere Beispiele will ieh 
hier geben. Das Fremdwort ψόλος findet sich einmal im Arm. 
pulos geschrieben. Vgl. piurid, piurit aus CTTUPIC (ςφυρίς), 
Akk. cmupida. Über Z in Lehnwörtern — gr. X siehe Verf. 


ΚΖ. XXXII 401. 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 457 


3. pux, pur “fragilis, friabilis, mollis’; davon parem 
“torreo, eontero’. Zu gr. wwxoc “alles Kleingeriebene’, ψώχω 
“zerreibe, zermalme’. 


Er KU. 

In meinen Beitr. z. etym. Erl. d. arm. Spr. S. 41f. habe 
ich erku “zwei als durch den Einfluss von erek ‘drei’ aus 
einer älteren Form ἔζων entstanden erklärt. *kau soll nach 
meiner Deutung aus *ou = idg. *duö entstanden sein. Mit 
dem vorausgesetzten *ku habe ich kai "raddoppiamento’ und 
krkin “doppelt’, vgl. mekin einfach‘, erekkin, corekkin u. ἃ. W., 
verbunden. Nach diesem krkin (*kirkin) ist, wie ich (Etrusk. 
u. Arm. I 121) vermutet habe, für erkir "secondo’ ein älteres 
*kir aus duit(e)ro-s voraussetzen. Ein verwandter Lautüber- 
gang erscheint im arm. ἢ aus idg. tu. 

Meine Erklärung von erka wird von Brugmann (Grund- 
riss II S. 469) als ‘sehr gewagt’ bezeichnet, und Andere haben 
erku als nicht indogermanisch erklärt. 

Dass erku ein idgerm. duo voraussetzt, lässt sich, wie 
ich vermute, auch von einer andern Seite aus wahrscheinlich 
machen. Neben erku zwei’ finden sich erkotasan "zwölf, 
erkokean “alle beide’. Das Verhältnis zwischem dem « von 
erku und dem o von erko- lässt sich kaum aus der speziell 
arm. Lautlehre erklären!). Dasselbe erklärt sich dagegen aus 
dem Verhältnis des idg. *duo zu "duo; vgl. gr. δύω, δώδεκα 
und daneben δύο, δυόδεκα. 

ku) “raddoppiamento’ enthält wohl nicht die Form *duö, 
sondern ist aus *kovA, "duöplo-s entstanden. Vgl. lat. duplas 
und arm. kun “ Schlaf’ aus *koen, "suopno-s. 


cork. 

Hübsehmann setzt für &ork “vier’ eine Grundform *getuores 
voraus, die lautgesetzlich zu &or- geworden sein soll. Allein 
tu wird, wie Bartholomae hervorhebt, im Arm. zu X und fällt 
nicht aus. Nach Bartholomae (Stud. z. idg. Sprachgesch. II 33) 
entstand aus einer Urform *getuor- zunächst *A’ekor-. Er 

1) Während die Wörter auf - (z. B. bar:i) als erstes Kompo- 
sitionsglied eine Form auf -e (z.B. bare-) aus -*ea annehmen, lautet 
z.B. alu als erstes Kompositionsglied wAua-, aru lautet arıa-. 


458 Sophus Bugge, 


nimmt alternativ an, dass hieraus *ckor-, cor- entstand, indem 
die Einsilbigkeit des daneben stehenden Kar die Ausstossung 
des e bewirkte. Allein es kommt mir sehr wenig wahrschein- 
lich vor, dass man *k’ekor- durch Analogie in *ckor- abgeändert 
habe, da *ckor- so schwer aussprechbar war, dass es wieder 
geändert werden musste. Die andere Vermutung B.s dor- 
stelle eine Konfusionsbildung von *cekor- und kar dar, ist 
meiner Meinung nach allzu kompliziert. 

Ich gehe von einer Grundform *getöres aus. Vgl. dor. 
teropec und aind. catearas, caturas. Ich nehme mit Hübsch- 
mann an, dass urarmen. -etö vor der Schlusssilbe im Arm. zu 
-&yo-, -ὅο-, -io- wurde. Also *getör-, *k’eyor-, *"k’eor-. "k’ior-; 
aus *kior- entstand wieder, wie ich vermute, *k’yor-, *yor-, 
cor-. In eork dürfte also das € wie sonst (Bartholomae Stud. 
II 20 f.) aus %’y entstanden sein. 


hanem. 


hanem, Aor. 5 Ps. Sg. ehan “tollo, eveho, aufero, pro- 
dueo’ setzt nach meiner Vermutung eine Urform *ano voraus. 
Diese verhält sich zu gr. ἀνά wesentlich wie ἄντομαι zu ἄντα. 
Ähnlich ist aind. tdrati “setzt über (ein Gewässer)’ mit tiras 
“trans” verwandt. Überhaupt wurden in der voridg. Ursprache 
die pronominalen Stämme, von welchen die Präpositionen ge- 
bildet worden sind, auch ohne irgend welchen Zusatz verbal 
aufgefasst. 

In vielen arm. Wörtern ist das A prosthetisch; siehe 
Verf. ΚΖ. XXXIH 13—16. Man sagt im Arm. hanel z-ogi 
‘spirare, esalar lo spirito’, y-ogeoc hanel "sospirare‘. Dies 
lässt vermuten, dass aind. dniti "atmet’, got. uz-ana "exspiro’ 
u. s. w. mit arm. hanem zusammengehören und dass “atmen’ 
bei denselben für eine spezielle Anwendung der Bedeutung 
“aufziehen, erheben’ zu erklären ist. 


hund. 


hund Gen. hndoy bedeutet ‘Samen’. In der Bedeutung 
“Hülsenfrucht’ (legume) ist es wohl dasselbe Wort und von 
und Gen. endoy “legume, eivaja’ nicht verschieden!). hund 


1) Fr. Müller (Armen. VI Nr. 48) stellt, wie ich glaube, mit 
Unrecht und mit gr. ἄνθος, aind. andhas zusammen. 


Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 459 


“Samen” enthält wohl dasselbe Sufüix wie enund "generazione, 
origine, stirpe, figlio', serund “procreazione, prole, stirpe?, 
snund “il nodrire, nodritura’. hund kann lautgesetzlich aus 
*hiund entstanden sem. Ich führe dasselbe auf eine Grund- 
form *seyonto- zurück und leite es vom westidg. *seio “ich 
säe’ ab. 


Y isem. 


yisem (Aor. yiseci) “ricordarsi’. Von der Präpos. © + 
us ‘memoria’. Vgl. Verbindungen wie y-us arkanel und y-us 
arnel 5. v. a. yisecucanel “ricordare', y-us liei, y-us esev. 
Also yisem für yesem, "y-us-em. 


veh. 

veh (Gen. vehi) "maggiore, piu grande, superiore, eceel- 
lente, sommo, sublime, supernale, altissimo’ wird von de La- 
sarde (Stud. $ 2120) mit aind. vasu-, avest. vanhu-, npers. 
bih zusammengestellt. Allein in echt arm. Wörtern wird ein 
intervokalisches idg. s nieht durch ἢ vertreten. Nach Peter- 
mann (Gramm. ? 5. 17) ist weh aus ver entstanden; allein r 
kann so nieht A werden. Da veh jedoch lautgesetzlich aus 
®gerh entstanden sein kann, hat Petermann gewiss insofern 
Recht, als veh mit ὁ ver “hinauf, oben, über’ verwandt ist. 
Das inlautende A, rh kann, was de Lagarde zuerst gesehen 
hat, aus rtr entstanden sein; vgl. mah, marh “ Tod’ aus *martr, 
idg. *mrtro-m — got. maurpr. Ich vermute daher für veh 
eine Urform *apertro-s aus idg. *upertero-s, wie ver aus idg. 
uper- entstanden ist. 

Das duale und komparative Suffiix -tero erscheint in den 
idg. Sprachen vielfach ohne das e; so z. B. im aind. antra-m, 
sr. ἀλλότριος, lat. intro, ksl. jetro (Brugmann Grundr. II 
S. 177). Wenn meine Deutung von veh richtig ist, wird durch 
dieselbe die Zusammenstellung von ὁ ver mit aind. varsman- 
widerlegt. 

Christiania, Anfang September 1891. 

Sophus Bugge. 


460 Rudolf Thurneysen, 


Der irische Imperativ auf -the. 

Die II. Sg. des Imperativs auf -the (-de) führt die Gramm. 
Celt.? 443 als "forma emphatica’ auf. Da sie aber von der 
kürzeren Form im der Bedeutung nicht abweicht, erscheint sie 
in Windischs Grammatik $ 255 einfach als deren Doppel- 
gänger; im Paradigma steht berthe neben θοῦ)", carthe neben 
car, lecethe neben leic. Speziell von diesen Verben ist aber 
der Imperativ auf -the nicht belegt. Er findet sich im Altiri- 
schen fast nur bei Verben, die immer oder vorzugsweise depo- 
nential flektieren; d.h. die Formen sind II. Sg. Imperat. Dep. 

Eine besondere Form für den deponentialen Imperativ hatte 
schon Stokes (K. Beitr. VII 2) ansetzen wollen, gestützt auf 
Beispiele wie ni aigther “fürchte nicht’; doch haben Ebel 
(Gr. ©. 1090 ad 442) und Windisch (8 591) in solchen Formen 
adhortative Konjunktive erkannt, wie bei mehreren schon die 
vorgesetzte Negation nd anzeigt, welche nicht mit den zweiten 
Personen (des Imperativs verbunden wird. Der alte Imperativ 
von -agur lautet vielmehr aögde LL. 278%, 591). 

Die Hauptfundgrube für die Formen auf -the sind die 
Denominativa mit -aög- -ig-, bei denen ja die deponentiale 
Flexion bei weitem vorherrscht. Die Gramm. Celt.? 445 u. 
1090 zitiert: nut-asigthe “caleia te’, dianaigthe “celera ‘, ruc- 
caigthe “eondemna’, ollaigthe “amplilfilea’, slänaigthe “osanna’; 
dazu kommen foilsigthe “revela’ MI. 56°, 2, fochridigthe "ac- 
eingere’ 27°, 5, trebrigthe "perpetua’ 884, 10. 

Auch bei andern Verben stellt sich -the (de) zu depo- 
nentialen Formen; so cwörthe “jeeta’ Ml. 56°, 5, frecuirthe 
ceill “recole’ B. Cr. 33P, 2 zu neich arind-chuiriur C. Paul. 1, 
neich frit-curethar cheill ΜΙ. 41%, 16 ete.; cluinte “exaudi’ 
MI. 136%, 10 zu ro-chluinethar; follaide ‘rege’ MI. 46”, 18 
zu follaither-su “regis’ MI. 324, 5; nos-comalnithe “ erfülle sie’ 
Wb. 30%, 1 zu forsnaht comalnatar Wb. 204, 1 ete.; nacham- 
dermainte “vergiss mich nicht’ MI. 324, 5 zu con-dermanam- 
mar-ni Μ]. 21°, 3 ete.; aditchide-siu, “detestare’ Ml. 105%, 7” zu 
ad-eitchethar MI. 509, 9 ete.; atlaigthe bude "sage Dank Fiacces 
H. 49 zu atluchedar buidi MI. 128°, 3 ete. Nur zu indnite 


1) Ebendort, letzte Zeile, steht dasneugebildete aktivische aög-sdu. 


Der irische Imperativ auf -ἔλμε. 461 


‘warte’ Wb. 10%, 21 sind bis jetzt bloss aktive Formen, ne- 
ben der III. Sg. indnadad Wb. 114, 14 die I. Sg. Ind. in- 
meuth (gl. operio) M. S. L. 5, 161; Rev. Celt. V 470 belegt. 
Doch vermag dieses eme Beispiel den ursprünglich deponen- 
tialen Charakter der Endung nicht in Frage zu stellen. 

Im Mittelirischen ist neben clwinte die häufigste Form 
dieser Gattung finta findtae “erkunde’ von dem Stamme finna-, 
der im Altirischen gleichfalls deponential flektiert, und der die 
Bedeutungen “erkunden, kennen lernen’ und “kennen, wissen’ 
in sich vereinigt. Die erstere hält Zimmer (Z. f. deutsch. 
Alterth. XXXV 148!) für die jüngere: die in Irland einfallenden 
Vikinger sollen den Eingeborenen finn bu "mache ausfindig!’ 
zugerufen haben; diese hätten es als ihr finta "wisse" aufge- 
fasst und nun diesen Imperativ im veränderter Bedeutung ver- 
wendet (!!). Unrichtig ist seine Angabe, schon im Altirischen 
trete der Stamm vorwiegend imperativisch auf. Vielmehr bie- 
ten die alten Glossen nur einen Beleg für den Imperativ neben 
sieben für andere Modi. Gewisse Tempora und Modi der 
Wurzel vid- können eben nur von diesem Stamme gebildet 
werden. Da das Präs. Ind. “ich weiss’ durch die singuläre 
Bildung ro-fetar vertreten wird, kommt die Sprache in Ver- 
legenheit, wenn sie das Imperf. Ind. und den Imperat., die 
gewöhnlich auf dem Präsensstamm beruhn, bilden soll; hier 
tritt der Stamm finna- vikarierend ein; vgl. Imperf. Ind. is 
eside rod-finnad “der wusste es’ Sg. 209”, 25; Ill. Sg. Im- 
perat. in-linn ro-fitir a-peccad, finnad a-ceursagad "wer ihre 
Sünde kennt, soll [auch] ihr Ausschelten kennen (kennen ler- 
nen)” Wb. 29%, 17, Glosse zu: Peecantes coram omnibus argue. 
Im Indikativ des Passivs kann das Präteritum ro-fess auch als 
Präsens “man weiss’ dienen (vgl. MI. 51®, 7). Häufiger wird 
Jedoch für das Präsens Passivi der Stamm finna- beigezogen; 
vgl. ni-taibre grad for-nech causa a-pectha 1. a-chain- 
gnima; ar bit alaili and, ro-finnatar a-pecthe r(e)sin docdi 
grdd forru; alaili, is iarum ro-finnatar "gib niemand einen 
kirchlichen Grad mit Rücksicht auf seine Sünde oder auf sein 
gutes Benehmen; denn es giebt solche, deren Sünden man 
kennt (kennen lernt), bevor sie den Grad erhalten, andere, bei 
denen man sie [erst] später kennen lernt" Wb. 29%, 28; in- 
chaingnimai aili, is iar-cein ro-finnatar “die andern guten 
Handlungen lernt man lange nachher kennen’ Wb. 29%, 30; 


462 Rudolf Thurneysen, 


am. nadn-airigther 7 nad-fintar an-du-gnither hi-suidi "wie 
man nicht bemerkt und nicht erkennt (weiss), was in ihr (in 
der Nacht) geschieht’ MI. 30%, 3. In den Mailänder Glossen 
wird auch das deponentiale Präs. Ind. verwendet, das sich 
dann von ro-fetar in der Bedeutung nicht wesentlich unter- 
scheidet: fs timnae n-de 7 a-forcaill, is ar-sainemli ad- 
rimther to-neuch rud-finnadar "die Kenntnis der Gebote Gottes 
und seines Zeugnisses wird dem als Auszeichnung angerechnet, 
der sie kennt” MI. 46°, 24; am. nad-finnatar sidi οἷα loc 
sainriud dia-regtais "wie diese (die Tiere) nicht wissen, an 
welchen Ort sie gerade gelangen sollten’ MI. 99°, 10. Die 
inchoative Bedeutung “erfahren, erkunden’ dürfte bei dem na- 
salierten Stamme die ältere sein. 

Die deponentiale Endung der 11. Sg. Imperat. -the (-de) 
ist offenbar nicht wesentlich verschieden von -ther (-der) in 
der II. Sg. Präs. Ind., Präs. Konj. und Fut. Dep.;; nur ist 
letztere um das sich ausbreitende -r vermehrt!). Wir sehen 
also, dass schon vor dem Antritt des -r die deponentiale Fle- 
xion sich von der aktiven unterschied, dass folglich das irische 
Deponens nicht als eine unmotiviert und spät hervorsprossende 
Nebenform der aktiven Flexion gefasst werden kann, wie 
Zimmer (KZ. XXX 224 ff.) thut. Von dieser Ansicht hätte 
ihn schon die Thatsache zurückhalten sollen, dass mehrere 
der irischen Deponentia zu den Verben gehören, für welche 
mediale Flexion seit ältester Zeit charakteristisch ist; vgl. 
-moiniur manyate -miniscor, -gainedar jayate nascor, -seche- 
thar sacate ἕπομαι sequor, vielleicht -tHuchur loquor. Das 
irische »-Deponens ist also ebenso der direkte Fortsetzer des 
alten Mediums wie das lateinische. 

Dass sich das deponentiale -the mit ind. -thas (vgl. Sto- 
kes K. Beitr. VII 6) und griech. -θης (Wackernagel KZ.XXX 
307) deekt, ist kaum zu bezweifeln: auslautendes -@s scheint 
also ir. τὸ zu ergeben (vgl. Brugmann Grundr. II S. 572). Wie 
sich dazu die Endung des Imperfekts verhält, die nach Mass- 
gabe des Nenirischen nieht nur im Konjunktiv, sondern auch 
im Indikativ als -tha scheint angesetzt werden zu müssen, 
vermag ich nicht zu bestimmen. Sie kann aus -the durch 

1) Vgl. Windisch Abhandl. ἃ. k. sächs. Ges. ἃ. Wiss., phil.-hist. 


Kl. X 496 f., der aber den deponentialen Charakter der Imperativ- 
endung nicht erkannt zu haben scheint. 


5 ε N 25] 
Der irische Imperativ auf -the. 469 


Antritt irgend eines Elementes umgestaltet sein; die Bildung 
dieses Tempus ist ja überhaupt noch nicht aufgeklärt. 

Von der Endung -the -ther weichen im Deponens ab 
— ausser dem Perfektum, das seine eigenen Wege geht — 
die II. Sg. des s-Konjunktivs und Futurums con-feser na-im- 
roimser ete. Gr. ©. 468. 1094 und des s- Präteritums: con- 
ruthochaisgesser MI. 43°, 9; ar-ru-cestaigser 24,3; ro-foirb- 
thichser 43%, 17; 50», 13; ro-lethnaigser 50%, 14; ro-suth- 
chaigser 81", 9; ro-taitnigser 105°, T: ro-sudigser 121°, 12, 
denen der Dental fehlt. Die Endung der letztgenannten lässt 
Zimmer (KZ. XXX 257) nach Analogie der II. Sg. des aktiven 
s-Präteritums -ais -is gebildet sein; das ist natürlich unmög- 
lich, weil dann die Formen auf -aör -ör ausgehn müssten. Denn 
-air wird nicht zu -er, wie -aör -ir in der III. Sg. Präs. Pass. 
und Perf. Dep. zeigen. Windisch (a. a. 0.496) nimmt an, die 
alte Endung des Aktivs *-sös (aus *-ses) sei vermittelst -” me- 
dialisiert worden, wie im Latein -imus zu -imur. Bedenkt 
man jedoch, dass beide s-Bildungen gewisse Formen ohne 
thematischen Vokal besitzen (so die III. Sg. Akt., einige starke 
Verba die imperativische 11. Sg. Akt.), so liegt es gewiss nä- 
her, die Endung -sse-r auf unthematisches -s-thes (+r) zu- 
rückzuführen mit ss aus sth — vgl. gr. ἐδαμάςθης ind. janös- 
thäs ‚ zumal nach Wackernagel (ΚΖ. XXX 313) -thes ur- 
sprünglich der unthematischen Konjugation eignete. Gegen 
diese Erklärung spricht kaum die II. Sg. Dep. mit scheinbar 
erhaltenem 2: con-festar ru-fiastar ro-suidigestar. Denn die 
Durchführung des ὁ (th) der III. Sg. durch fast das ganze 
Deponens wird im Gefolge jener Neuerungen stehen, durch 
welche die Sprache sekundär das Deponens vom Passivum zu 
unterscheiden trachtete (s. KZ. XXXI 63); so steht dem de- 
ponentialen Kon). -festar der passive -fessar gegenüber. Frei- 
lich verwischte sich der Unterschied allmählich wieder, indem 
das ἐ (th) auch in das Passiv eindrang; so schon air. Pass. 
-mestar neben -messar (ΚΖ. XXXI 75) u. ähnl. Die Veran- 
lassung war, dass die schwachen Verba von Alters her im 
Präsens das ? (th) auch im Passivum aufwiesen. 

So hat also die Endung der II. Sg. urspr. -thes im ΠῚ- 
schen das ganze Medium mit Ausnahme des Perfektums erobert. 

Freiburg 1. Br. Rudolf Thurneysen. 


404 Herman Hirt, 


Die Urheimat der Indogermanen. 


Von zwei verschiedenen Seiten aus hat man sich bemüht, 
die Urheimat der Indogermanen zu bestimmen, und bei der 
Wichtigkeit, die die Feststellung des ursprünglichen Wohnsitzes 
dieses Volkes in vielen Beziehungen hat, kann man es nur 
mit Freude begrüssen, dass man von verschiedenen Gebieten 
aus in diese Frage einzudringen versucht hat. Der Streit zwi- 
schen Anthropologie und Sprachwissenschaft wogt hin und 
her, aber in keinem dieser beiden Gebiete ist man schon zu 
einem endgültigen Ergebnis gekommen. Die anthropologische 
Forschung sucht die Rassenmerkmale der Indogermanen fest- 
zustellen und danach die Örtlichkeit zu bestimmen, an dem 
diese Rassenmerkmale sich mit Notwendigkeit entwickeln 
mussten. Dies hat vor allem Karl Penka in seinen anregen- 
den und interessanten Schriften “Origines Ariacae’ und "Die 
Herkunft der Arier’ und neuerdings wieder in einem Artikel 
im Ausland 1891 Nr. 7 ff. S. 132 ff. ‘Die Entstehung der ari- 
schen Rasse’ gethan, und es lässt sich nicht leugnen, dass 
seine Ansichten sehr viel bestechendes haben, und nachdem 
einmal das Ungewohnte derselben zum Gewohnten geworden 
ist, manchen Anhänger gewinnen werden. 

Die Sprachwissenschaft dagegen erschliesst die indoger- 
manische Ursprache und sucht nach den im derselben vorhan- 
denen Worten für Tiere und Pflanzen eine Örtlichkeit ausfindig zu 
machen, die all die Tiere und Pflanzen, die die Urzeit kannte, 
in sieh birgt. Ob sie mit diesem Mittel wirklich eine be- 
stimmte Örtlichkeit ausfindig machen kann, ist nicht von vorn- 


herein sicher, jedenfalls vermag sie — und das möchte ich 
hier vor allem betonen — nur bis zu einer Zeit unmittelbar 


vor der Trennung der einzelnen Völker vorzudrimgen, und das 
ist eine Epoche, die vielleicht gar nicht soweit zurück liegt, die 
in andern Gegenden der Erde sogar durch das Licht der Ge- 
schichte erhellt wird. Die Zeit aber, in die die Anthropologie 
(die Entstehung der Rasse versetzen muss, liegt unendlich viel 
weiter zurück, nach Penka erzeugte die europäische Eiszeit 
(die eigentümlichen Rassenmerkmale der “arischen’ Rasse. Und 


Die Urheimat der Indogermanen. 465 


welche unendliche Zeitkluft zwischen dieser und der linguistisch 
zu erschliessenden indogermanischen Urzeit liegt, ist ja jedem 
bekannt, der sich nur einigermassen über diese Fragen orien- 
tiert hat. In dieser Zwischenzeit können die “Arier’, wie sie 
Penka nennt, sehr wohl weit gewandert sein, können neue Wohn- 
sitze gewonnen haben, ohne die Rassenmerkmale zu verlieren. 
Penka selbst nimmt ja eine Einwanderung der “Arier’ nach 
Skandinavien aus Mitteleuropa, dann ein erneutes Vordringen 
derselben in den Kontinent an. Über diese ganze Zeit kann 
die Sprachwissenschaft nichts erforschen, und Penkas Ansichten 
könnten sogar mit der Ansicht vereinigt werden, dass der letzte 
Wohnsitz der ungetrennten Indogermanen irgendwo in Asien war. 

Wenn demnach die Ziele und Resultate der beiden 
Wissenschaften nicht identisch zu sein brauchen, ja im Grunde 
es nicht einmal sein können, so ist es bei der Schwierigkeit, 
beide Gebiete kompetent zu beurteilen, zunächst für jeden 
das beste, auf dem eigenen Gebiet zu bleiben und zu sehen, 
was mit den eigenen Mitteln zu erreichen ist. Wenn die bei- 
den Wissenschaften zu verschiedenen Resultaten kommen, so 
können sie trotzdem beide gleich richtig sein, und wenn sie 
zu den selben kommen, so brauchen diese deshalb nieht iden- 
tisch zu sein. 

Und noch eine Vorbemerkung. Dass die dolichokephalen 
srossen, blondhaarigen, blauäugigen, hellfarbigen “Arier’ Pen- 
kas eine distinkte Rasse waren, mögen ihm die Anthropologen 
einräumen, für die Annahme, dass das indogermanische Urvolk 
noch eine völlig einheitliche Rasse war, fehlen uns jegliche 
Beweise. Die Sprachwissenschaft hat nur das Recht, von 
einem Volk zu reden, denn das wird durch die erschlossene 
Ursprache notwendig vorausgesetzt; dass dies Volk einen ein- 
heitlichen Rassencharakter trug, können wir nicht erweisen, 
hat uns auch zunächst wenig zu kümmern. 

Vom sprachwissenschaftlichen Gebiete aus sind nun neuer- 
dings von verschiedenen Seiten neue Argumente und bestimmt 
formulierte Ansichten für unsere Frage vorgebracht. Im folgen- 
den will ich den Wert dieser neuesten Hypothesen besprechen 
und soweit als möglich meine eigene Ansicht begründen. 

Im Jahre 1885, in der ersten Auflage seiner “Sprachver- 
gleichung und Urgeschichte’, hatte ©. Schrader noch keine 
bestimmte Entscheidung über unsre Frage getroffen, wenngleich 


400 Herman Hirt, 


er zum Schluss seines Buches sagt, dass die Ansicht, ‚die Hei- 
mat sei eher west- als ostwärts zu suchen, ihm die den That- 
sachen weitaus entsprechendere scheine. In der neuen Aus- 
gabe vom vorigen Jahre (1890) dagegen glaubt er Europa, 
und zwar die südrussische Steppe an der Wolga, mit Wahr- 
scheinliehkeit für den Ursitz in Anspruch nehmen zu dürfen. 

Ganz andrer Ansicht ist Joh. Schmidt. In einem im 
vorigen Jahre auf dem Orientalistenkongress in Stockholm ge- 
haltenen Vortrage, der jetzt unter dem Titel “Die Urheimat 
der Indogermanen und das europäische Zahlensystem’, bedeu- 
tend erweitert, im Druck erschienen ist (Berlin 1890), will er 
den ersten sichern Punkt für die asiatische Heimat gefunden 
haben 1). Sein Beweismaterial ist in Kürze folgendes. 

Das ursprüngliche idg. Zahlensystem war dekadisch. In 
den europäischen Sprachen wird dies indessen von einem 
Zwölfersystem gekreuzt, das sich vor allem klar im Germani- 
schen zeigt. Erstens sind hier die Zahlen 11 und 12 abwei- 
chend von 13 u. s. w. benannt, sie sind mit -%f zusammen- 
gesetzt, got. ainlif, twalif, während 13, 14 Dvandvakomposita, 
3+10, 4+10 sind. Dann werden die Zehner bis 60 gleich- 
mässig mit figjus gebildet, got. fimf tigjus, saihs tigjus, von 
70 an tritt eine eigentümliche Bildung mit fehund ein. Und 
drittens finden wir ein Grosshundert im Germanischen im Werte 
von 120. 

Während von dem ersten und letzten dieser Einschnitte 
in den übrigen europäischen Sprachen nichts zu spüren ist, 
findet sich der mittlere, der nach 60, auch im Ital., Kelt. und 
Griech. Bis 60 liegt der Zehnerbildung die Kardinalzahl zu 
Grunde, ἑξήκοντα, air. sesca, lat. sexäginta, von TO an die 
Ordinalzahl, ἑβδομήκοντα, ὀγδοήκοντα, air. sehtmoga 70, ocht- 
moga δ, lat. septuäginta, wahrscheinlich Analogiebildung nach 
octuäginta für ursprüngliches *septumaginta, nönaginta. 


1) Nach Schrader handeln über unsere Frage: C. I. Taylor 
The origins of the Aryans London 1890. Gleunie The Eurasian 
Mediterranean and Aryan Origins Academy 1890 Nr. 971 p. 569. 
Köppen Ein neuer tiergeographischer Beitrag zur Frage über die 
Urheimat der Indoeuropäer und Ugrofinnen, Ausland 1891. Hux- 
ley The Aryan question 19 Century Nov. 1890 p. 756. Fr. Müller 
Joh. Schmidt über die Urheimat der Idg. Ausland 1891 Nr. 23. 
J. Schmidt Noch einmal die Urheimat der Idg. ebd. Nr. 27. Fr. 
Müller Noch einmal die Urheimat der Idg. ebd. Nr. 31. 


Die Urheimat der Indogermanen. 467 


Auch sind “sexwaginta, häufiger noch sescenti runde Zahlen, 
welche eine unbestimmte Vielheit ausdrücken und sich dadurch 
als begriffliche Abschnitte des Zahlensystems verraten.” 

Daraus schliesst Joh. Schmidt, dass dieser Abschnitt 
nach 60 der ursprüngliche gewesen ist, und er sieht darin 
einen Einfluss des Sumerisch-Babylonischen, in dessen Rechnungs- 
system, wie wir wissen, 60, der sossos, die Grundlage einer 
Zahlenreihe gewesen ist. Wie ein solches Zahlensystem bei 
diesem Volke zu stande gekommen, ist leicht erklärlich. Das 
Sonnenjahr, dessen Länge man auf 360 Tage annahm, wurde 
in Form eines Kreises dargestellt, und in jeden Kreis lässt sich 
bekanntlich der Radius 6 mal eintragen, wir erhalten also 
6 Abschnitte zu je 60. 

Nur wenige werden dem Gedanken, dass in unsrem Falle 
ein babylonisch-sumerischer Kultureinfluss vorliegen kann, 
von vornherein ablehnend oder zweifelnd gegenüberstehen. 
Wohl aber ist es mir nicht so einleuchtend, dass man daraus 
so sicher auf einen Wohnsitz der Indogermanen in Asien 
schliessen kann. 

Zunächst ist es auffallend, was Joh. Schmidt auch an- 
gibt, dass die Indoiranier von diesem Einfluss keme Spur auf- 
weisen, also — das ist der notwendige Schluss, — zur Zeit der 
Beeinflussung schon abgetrennt gesessen haben müssen. Von 
dem, was Schmidt im Persischen von der neuen Rechnung 
nachweist, wird wohl das meiste, wenn nicht alles, auf direk- 
tem späteren Einfluss beruhen. Diese Vermutung ist jedenfalls 
so lange für wahrscheinlich zu halten, als man nicht auch im 
Indischen Erscheinungen des 12- oder 60-Systems auffindet. 
Denn nur das, was auf diesen beiden Gebieten gemeinsam 
vorhanden ist, darf man, wenn die Möglichkeit einer Entleh- 
nung abgewiesen ist, für indoiranisch halten. Und erst dann 
kann von einem Vergleich mit den Europäern die Rede 
sein. Um so seltsamer ist dieses völlige Ausfallen des In- 
doiranischen, als in historischer Zeit die Indoiranier dem 
sumerisch-babylonischen Kultursitz am nächsten wohnen, auch 
sicher bedeutende Kulturerrungenschaften von ihnen empfangen 
haben. 

Es ist ferner nicht ersichtlich, in welcher Gegend die 
Westindogermanen, — irgendwie bestimmt äussert sich Schmidt 
darüber nicht —, diesen Einfluss erfahren haben können. 


408 Herman Hirt, 


Somewhere in Asia, wie Max Müller sagt, kann uns bei so 
bestimmt auftretender Ansicht doch nicht genügen. 

Um so haltloser wird aber ein Schluss von Beeinflussung 
auf unmittelbare Nachbarschaft, als auch ganz entfernt woh- 
nende Völker diesen Einfluss aufweisen. “Auch die finnischen 
Syrjänen im Norden von Europa-Asien machen hinter 60 einen 
Abschnitt, worauf schon Jacob Grimm (Gesch. d. d. Spr. 256) 


verwiesen hat.” Und selbst in Chma hat die Zahl 60, — wie 
Schmidt S. 46 mit Recht annimmt ebenfalls unter babyloni- 
schem Einfluss, — eine gewisse Bedeutung erlangt. Wie kann 


also bei soleher Ausdehnung eines Kultureinflusses dieser zur 
Lokalisation benutzt werden? Dass die Einwirkung auch auf 
Europa über Armenien und Thrakien stattgefunden haben 
kann, oder über Vorderasien, Griechenland und Italien, wird 
bei dem völligen Dunkel, das über diesen vorhistorischen Zeiten 
liegt, vor der Hand als unmöglieh nicht abzuweisen sein. 

Wie dem auch sein mag, dass das idg. Zahlensystem 
diesen Einfluss erfahren haben kann, ist nicht unbedingt ab- 
zuweisen. Aber zur Wahrscheinlichkeit fehlt noch viel. Man 
sieht nieht, wie und wo die Übertragung stattfand. Ausser- 
dem kann die Bedeutung, die die Zwölfzahl in Europa zeigt, 
auch auf anderm Wege erklärt werden. 

Dass der Einschnitt nach 60 der ursprünglichste sei, 
schliesst Schmidt aus der Übereinstimmung der 4 europäischen 
Sprachen, während der nach 12, da für ihn nur das Germa- 
nische zeugt, jünger sein muss. Diesen Schluss halte ich in- 
dessen für hinfällig, da die Griechen und Römer für 12 die 
alte indogermanische Bezeichnung *duö-dekm, lat. duodecim, 
gr. dWdera bewahrten. Sie könnten sehr wohl einen Einschnitt 
nach 12 besessen haben, denn die Annahme, mit dem Einfluss 
des Zwölfersystems hätte notwendig eine Änderung der Benen- 
nung verbunden sein müssen, ist entschieden abzuweisen. 

Ich bin durchaus der Ansicht, dass wir nur 12 als Grund- 
lage annehmen können. Schmidt geht allerdings von 60 aus, 
wie aber die Germanen hätten dazu gelangen können, 60 in. 
5X12 zu zerlegen, statt in 6X10, wie es ihr bis dahin gel- 
tendes Zahlensystem an die Hand gab, dafür ist J. Schmidt 
den Nachweis schuldig geblieben. 60 und 120 ergeben sich 
einfach als Vielfache von 12, 5X12 und 10X12. Ein eigent- 
liches Zwölfersystem liegt allerdings nicht vor, sondern eine 


Die Urheimat der Indosermanen. 469 
oO 


Zehnerreihe, in der die 12 eine Bedeutung erlangt hat. Auf 
das klarste geht dies daraus hervor, dass das Grosshundert 
niche — 12%X12 = 144, sondern = 10X12 ist. 

Schmidt weist die Ansicht, das die Zahl 12 durch reli- 
giöse Vorstellungen oder gesellschaftliche Einrichtungen ihre 
Bedeutung gewonnen haben könne, kurzer Hand ab. Ob er 
dabei übersehen oder absichtlich übergangen hat, dass sie 
thatsächlich in der Jahresrechnung der Indogermanen vorhan- 
den gewesen sein muss, weiss ich nicht. Die Indogermanen 
rechneten nach Nächten, d. ἢ. nach dem Mond, der vielleicht 
ursprünglich als der messende benannt war. 12 Mondmonate 
von *°/;, Tagen bildeten ein Mondjahr von 354 Tagen, das 
indessen dem Sonnenjahr gegenüber bedeutend zu kurz war. 
Die Differenz ist so gross, dass sie sich schon nach wenigen 
Jahren fühlbar machen musste. Man wird daher bald dahin 
gelangt sein, am Ende noch 12 Tage hinzuzuzählen, die, wie 
der Veda es treffend ausdrückt, ein Abbild der 12 Monate, 
ein kleines Jahr darstellten. Diese Rechnung ist im Indischen 
in zahlreichen Spuren erhalten (vgl. Zimmer Altindisches Leben 
S.365 ff... Sie war sicher auch bei den Germanen vorhanden. 
Die 12 Nächte zur Zeit der Wintersonnenwende waren und sind 
noch heute den Germanen heilig und mit abergläubischen Ge- 
bräuchen mannigfachster Art erfüllt. Die Rechnung nach dem 
Mondjahr ist auch sonst bei den indogermanischen Völkern 
nachzuweisen. Allerdings hat Weber, dem wir diese Verglei- 
chung verdanken, später selbst Bedenken gegen seine Auffas- 
sung geäussert (Ind. Stud. XVII 224), “weil wir durch die Ueber- 
einstimmung, die in Bezug auf die Zwölften zwischen Indern 
und Germanen vorliegt, genötigt werden, ein so richtiges Ver- 
ständnis der Mond- und Sommerzeit bereits für die idg. Urzeit 
anzunehmen, was dann aber doch immerhin seine nicht geringe 
Schwierigkeit hat, da man den Trägern derselben eine solche 
Kenntnis schwerlich auf Grund eigener Beobachtungen zu- 
trauen darf”. Ich teile diese Bedenken nicht. Setzen wir nur 
die Urheimat der Indogermanen in eine hohe Breite, so war 
die genaue Erkenntnis des Sommerjahres sehr wohl möglich. 
Thatsache aber bleibt, dass die Indogermanen das Jahr auf 
12 Mondmonate angenommen haben, und dass im Germanischen, 
das die vollste Ausbildung des Zwölfersystems zeigt, die 12 
Nächte eine besondere Bedeutung erhielten. 


Indogermanische Forschungen I 5. 3 


4τ Herman Hirt, 


Die Zahl 12 bietet, was immer zu beachten sein wird, 
in der Rechnung verschiedene Vorteile gegenüber 10, da sie 
durch 2, 3, und 4 teilbar ist, während 10 sich nur mn 2 und 5 
zerlegen lässt. 

Nur das Germanische zeigt sichre Spuren der Zwölfer- 
rechnung, mit seinen drei Abschnitten nach 12, 60 und 120, 
für das Gräko-Kelto-Italische sind sie nur gering und proble- 
matisch, da der alleinige Einschnitt nach 60 auch auf Zufällig- 
keiten beruhen kann, weil die Zahlen von 7—10 von je stär- 
ker mit einander verknüpft waren. Ein Einschnitt ist auch 
nach 6 bei den Ordinalzahlen vorhanden, da dieselben bis 6 
mit dem Suffix -to, lat. guintus, sexctus, gT. TTEUTTTÖC, EKTÖC, von 
da an mit -0- resp. -mo- gebildet werden, septimus, octavos, 
nönus, decimus, gr. ἕβδομος, ὄγδοος. 7 war eben von Anfang 
an mit 9 und 10 eng assoziiert, da es wie diese beiden auf -m 
ausging, und so brauchen wir uns nicht zu wundern, dass 
diese enge Verbindung sich auch an andern Stellen bemerkbar 
macht, und brauchen nicht gleich an ferne Kultureinflüsse zu 
denken, wenn wir eine solche finden. 

Ich will zum Schluss noch auf einen weiteren Punkt 
aufmerksam machen, den ich zuerst auch übersehen habe. 
Wir können es bestimmt erschliessen, dass die Etrusker ein 
Zwölfersystem hatten. Das können wir zwar nicht aus den 
Einschnitten in den Zahlenreihen, wohl aber aus den thatsäch- 
lichen Verhältnissen ersehen. Das beweisen die duodeeim po- 
puli des eigentlichen Etruriens, die Zwöltstädte der Poebene 
und Kampaniens, die 12 Liktoren, das Duodezimalsystem der 
ältesten Münzen, das Zwölfgöttersystem und anderer Andeutungen 
bei den antiken Schriftstellern mehr. Ich erinnere nebenbei 
an die 12 Städte Ioniens, die auf vorderasiatischem Kultur- 
boden lagen. Dass das Zwölfersystem durch die Etrusker zu 
den Römern und vor allem zu den Litauern und Germanen 
gekommen sei, ist an und für sich nieht unwahrschemlich. 
Das Litauische hat eigentümlicherweise das italische Wort für 
Gold *ausom, lit. auksas entlehnt, vgl. V. Hehn Kulturpflanzen 
und Haustiere 461, und zwar zu einer verhältnismässig frühen 
Zeit. Möglich ist, dass das italische Wort für Gold ebenfalls 
etruskischen Ursprungs ist. Jedenfalls werden die Verhältnisse 
dureh diese Station viel einfacher. So lange Schmidt nicht 
nachweist, dass die Etrusker Indogermanen waren, und der 


Die Urheimat der Indogermanen. 411 


Beweis ist unmöglich, weil eine Betrachtung der etruskischen 
Kultureigenheiten und anthropologischen Merkmale sie ent- 


schieden einer fremden Rasse zuweist — ihre Sprache könnte 
trotzdem indogermanisch, d. h. neu erworben sein, — solange 


wird man die Etrusker als die Vermittler des Zwölfersystems 
für Europa in Anspruch nehmen. Ich möchte noch darauf 
aufmerksam machen, dass von einigen Seiten im Etruskischen 
die Bedeutung 10 für die Lautgruppe ἔχ angenommen wird, 
vgl. Taylor The Etruscan language, was von andrer Seite freilich 
bestritten wird. Ist die Annahme richtig, so dürfte die Entleh- 
nung des lit. Zyka nicht unwahrscheinlich sein. Damit wäre 
dann allerdings die ganze Sache aufgeklärt. Aber leider ist 
die sichere Deutung des Etruskischen immer noch ein frommer 
Wunsch. 

Von irgend welcher Sicherheit kann jedenfalls in Schmidts 
Argumentation nicht die Rede sein, und wir können uns da- 
her nunmehr zu Schraders Ausführungen wenden. 

Er setzt jetzt (Sprachvergleichung und Urgeschichte ? 
S. 631 ff.) die Urheimat in die südrussische Steppe zu beiden 
Seiten der Wolga, deren altüberlieferten Namen Ra er aus 
einem idg. *srova deutet, das durch finnischen Mund gegangen 
sein soll. Ob diese Erklärung richtig ist, will ich nicht ent- 
scheiden. Andere haben den Namen mit avest. Ranha, aind. 
rasd, die einen mythischen Strom bezeichnen, in Zusammen- 
hang gebracht, und da in der Nähe der Wolga im Altertum 
sicher iranische Stämme wohnten, hat diese Deutung minde- 
stens eben so viel für sich als die Schraders (vgl. auch Joh. 
Schmidt Urheimat 21). 

Gegen die Steppenheimat sprechen aber, wie bereits 
Joh. Schmidt ἃ. ἃ. 0.5.21 ff. ausgeführt hat, das Vorhandensein 
des Bären, das Fehlen der Bienen und die Dreizahl der Jahres- 
zeiten. Ich kann Schmidts Gründen nur völlig beistimmen und 
bitte dieselben bei ihm selbst nachzulesen. 

Wir wollen gleichwohl Schraders Argumenten ein wenig 
nachgehen. Er gelangt zu seiner Urheimat vor allem auf fol- 
gendem Wege. Zwei grosse Abteilungen der Indogermanen, 
Indoiranier und Europäer, stellt er einander gegenüber. Die 
gemeinsame Heimat jener findet er vielleicht mit Recht am 
Oxus und Jaxartes, während diese, zu denen auch die klein- 
asiatischen Indogermanen mit den Armeniern gehören, in einem 


412 Herman Hirt, 


Terrain, “ welches wir uns im Süden von der Donau und dem 
Meer, im Osten von dem Dniepr, im Norden von den Wäldern 
und Sümpfen Wolhyniens, im Westen von den Karpathen be- 
grenzt denken”, eine Epoche verlebt haben müssen, im der sie 
eine Reihe von Kulturerwerbungen machten, an denen die In- 
doiranier nicht mehr teilnahmen. 

Die Gründe, die für eine solche gemeinsame Epoche spre- 
chen sollen, sind folgende. 

Die ungetrennten Indogermanen lebten von der Viehzucht, 
wie die zahlreichen gemeinsamen Wörter für das Rind, die 
Kuh, das Schaf u. s. w. beweisen, vgl. Schrader 376 ff. 

Die sprachlichen Gleichungen für den Ackerbau sind da- 
gegen äusserst dürftig und unsicher, so dass man heute viel- 
fach dazu gelangt ist, ihnen denselben ganz abzusprechen. 
Vielleicht sammelten sie nach Hehn eine wildwachsende Halm- 
frucht aind. ydva, avest. yava, gr. ζεά, lit. javar “Getreide”. 
Auch κριθή. lat. hordeum, ahd. gersta, die auf eine Grund- 
forn *gherzdha und *ghrzdhaä zurückgehen, dürfte wegen der 
eigenthümlichen Lautveränderungen, die es in den einzelnen 
Sprachen erlitten, uralt sein. 

Betrachten wir aber die Europäer allein, ohne die Indo- 
iranier, so sind bei diesen die gemeinsameu Ausdrücke, die 
sich auf den Ackerbau beziehen, zahlreich genug. Man sehe 
die Geichungen für Acker, pflügen, Pflug, Egge, eggen, säen, 
Same, mähen, Sichel, mahlen, Furche, Ähre, die Sehrader 
S. 410 anführt. Dazu kommen einige gemeinsame Namen für 
Cerealien und Feldfrüchte, Korn, Weizen, Gerste und andere, 
die zwar nicht sämtlich gleich sicher sind, doch im Verein 
mit den oben erwähnten technischen Ausdrücken für den 
Ackerbau an Beweiskraft gewinnen (vgl. Schrader S. 411). 

Ferner führt Schrader noch die gemeinsame Benennung 
des Meeres, des Salzes und der europäischen Bäume, Fichte, 
Eiche, Erle, Esche für eine europäische Kultur und Lebensge- 
meinschaft an, vel. S.509, 394 und 624 f. In dem Waldlande, 
in dem die Westindogermanen längere Zeit gesessen haben, 
soll sieh auch die Verehrung der Götter, vor allem des höchsten 
(rottes, in Wäldern erst ausgebildet haben. 

Auch für die indoiranische Zeit können wir mit Hülfe 
der Sprache gemeinsame Kulturfortschritte nachweisen, wie es 
ausführlich von Spiegel in seinem Buch “die arische Periode’ 


Die Urheimat der Indogermanen. 475 


geschehen ist. Diese gehört zu den sichersten Errungenschaften 
unsrer Wissenschaft. 

Aber es besteht trotzdem ein starker Unterschied zwischen 
den beiden Abteilungen. Für die Zeit der gemeinsamen ari- 
schen Periode haben wir sichre Beweise in der Veränderung 
der Sprache, z. B. in dem Übergang der idg. Velarlaute in 
Palatale vor hellen Vokalen, in der Verwandlung von e- und 
o-Vokalen in a. Für die Zeit des kulturhistorisch erschlos- 
senen Zusammenlebens der Europäer fehlen aber allen Spra- 
chen gemeinsame Lautveränderungen, denn die Differenz in 
der Behandlung der k-Laute geht ja mitten durch die euro- 
päischen Sprachen selbst hindurch, sodass wir sie nur als 
dialektische Eigentümlichkeit der idg. Urzeit zuschreiben 
können. 

Früher stand es mit der Annahme einer Kulturgemeinschaft 
der Europäer allerdings anders. Solange man den ind. Vokalis- 
mus für ursprünglich hielt, vermochte man Zeit für dieselbe 
auch in der Entwicklung der Sprache, der gemeinsamen Aus- 
bildung der e- und o-Vokale zu finden. Aber heute haben 
wir ja gelernt, dass diese europäische Sprachperiode nie be- 
standen hat, dass der bunte europäische Vokalismus nur alte 
Eigentümlichkeiten bewahrt. 

Zur Erklärung dieser auffallenden Thatsache, dem Vor- 
handensein neuer gemeinsamer Kulturerrungenschaften ohne 
gleichzeitige allgemeine Lautveränderungen, bieten sich, soviel 
ich sehe, drei Möglichkeiten. 

Erstens. Die neue Kulturgemeinschaft hat sich ohne 
Veränderung der Sprache entwickelt. Das ist bei der An- 
nahme möglich, dass die Indogermanen Europas auf altange- 
stammtem Boden in nieht zu langer Zeit diesen Fortschritt er- 
rungen haben. Vielleicht — so könnte man vermuten — führ- 
ten dieselben Gründe, z. B. Übervölkerung, Nahrungsmangel, 
die Abtrennung der Indoiranier und die Entwicklung des 
Ackerbaues herbei. Aber unannehmbar scheint mir diese erste 
Möglichkeit zu sein, wenn wir eine doch gewiss lange Zeit 
erfordernde Wandrung von Asien nach Europa annehmen. 
Nach einer solchen musste auch die Entwicklung und Ausbil- 
dung des Ackerbaues, die nur in Europa selbst möglich war, 
eine lange, lange Zeit in Anspruch nehmen. Denn solche 
Kulturfortsehritte vollziehen sieh nieht im kurzer Frist, selbst 


414 Herman Hirt, 


wenn wir fremden Einfluss vermuten, der bis jetzt aber noch 
keineswegs nachgewiesen ist. Dass aber in solchen langen 
Zeiträumen keine Veränderung der Sprache stattgefunden habe, 
ist nicht glaublich. Diese Erklärungsart ist also vielleicht 
möglich, wenn wir Europa als Heimat annehmen, denn in die- 
sem Falle können wir eine Wanderung der Indoiranier wohl 
rechtfertigen, aber nieht umgekehrt. 

Die Anhänger der asiatischen Hypothese haben uns dem- 
nach ihre Ansicht über diese Schwierigkeit erst auseinander- 
zusetzen, ehe wir ihnen Glauben schenken können. Sie wer- 
den sich, wie neuerdings von Bradke (Methode und Ergebnisse 
der arischen Altertumswissenschaft S. 206 ff.), vor allen Dingen 
auf die zweite Möglichkeit stützen, die V. Hehn angedeutet 
hat. Die gemeinsamen Ausdrücke für Ackerbau beweisen nach 
ihm nieht, dass dieselben in gemeinsamer Kulturentwicklung 
ausgebildet sind, sondern nur, dass die einzelnen Völker die 
neuen Entdeckungen und Fortschritte von ihren Stammver- 
wandten, nieht von fremden Völkern, Semiten oder Finnen, 
erhalten haben, dass wir es im Grunde nur mit eimer grossen 
Schieht ältester Lehnwörter zu tlıun haben. 

In gewissem Umfang ist das sicherlich richtig, aber ob es 
für die grosse Menge der uns vorliegenden Fälle ausreicht, ist 
mir beim Ackerbau schon etwas zweifelhaft, für unzureichend 
muss ich diese Annahme für die Erklärung der übereinstim- 
menden Benennung der Bäume halten. Obgleich auch ihre 
Namen hin und wieder wandern, so ist das doch m grossem 
Umfange nicht wahrscheinlich zu machen. 

Die dritte Möglichkeit aber ist, dass die Indogermanen 
Europas in diesen Punkten nur vereinzelt neues geschaffen, in 
der Hauptsache aber etwas altes bewahrt haben, welches die 
Indoiranier, die durch besondere Ereignisse irgend welcher Art 
veranlasst ihren Weg nach Süden im das Steppengebiet nah- 
men, verloren haben. 

Da die beiden ersten Annahmen in mehr als einer 
Hinsicht bedenklich waren, müssen wir genauer untersuchen, 
was sich für oder wider diese letzte Voraussetzung anführen 
lässt. 

Ob die vereinigten Indogermanen das Meer gekannt haben, 
ist von jeher eine Streitfrage gewesen. Ebenso entschieden, als 
man früher geneigt war, diese Frage zu bejahen, ist man jetzt 


Die Urheimat der Indogermanen. 475 


dazu gekommen, sie zu verneinen, einzig aus dem Grunde, 
weil dem Sanskrit eine Entsprechung fehlt. In diesem Fall 
einen Verlust alten Sprachgutes anzunehmen, geht sehr wohl 
an, da die Indoiranier lange Zeit entfernt vom Meere gesessen 
haben, und selbst die vedischen Inder es nicht kannten, wie 
H. Zimmers Untersuehungen (Altindisches Leben S. 21) mit 
grosser Wahrscheinlichkeit festgestellt haben. 

Bei der Frage, ob bei dem Versagen einer oder mehrerer 
Sprachen ein Wort für urzeitlich zu halten sei, kommt es 
darauf an, festzustellen, ob das Wort in den Einzelsprachen 
aus dem vorhandenen Sprachmaterial (Stamm und Suffix) neu 
gebildet werden konnte. Das ist bei *mo>ri, einem neutralen 
‘Stamm entschieden nicht der Fall. Denn solehe sind überall 
selten, sie befinden sich auf dem Aussterbeetat, so dass eine 
gemeineuropäische Neubildug entschieden eine grosse Un- 
wahrschemliehkeit in sich birgt. Es ist allerdings die Mög- 
lichkeit vorhanden, dass *mori bestanden, aber eine andere 
Bedeutung getragen hat, und hierfür hat man sich wohl auf 
ahd. muor “Sumpf, Lache’ berufen, das zu mare im Ablauts- 
verhältnis zu stehen scheint. Das Wort ist indessen nicht 
beweiskräftig, da man ahd. muor besser mit mos verbindet, 
das sich noch heute in den geographischen Namen “Erdinger, 
Dachauer Moos’ erhalten hat. Weder das Slavische noch das 
Keltische, denen beiden der Rhotazismus fremd ist, weisen einen 
Namen mör- auf, und auf das Germanische allein kann man 
nicht bauen. 

Ist die Hochstufe dieses Wortes nicht weiter zu belegen, 
so finden wir dagegen die “tonlose Tiefstufe’ in zwei bis jetzt 
übersehenen Fällen. Die Lautgruppe mr-, die wir als Tief- 
stufe zu mor- anzusetzen haben, wird in den meisten Sprachen 
nicht geduldet. Es ist jetzt festgestellt, zuletzt ausführlich 
durch Osthoff MU. V 85 f#f., dass mr im Griechischen und 
Germanischen zu br, im Lateinischen zu fr wird, und ich sehe 
daher den Stamm mr- in der Bedeutung “Meer’ noch erhalten 
in gr. βρύξ, Bpuxöc “der Meeresschlund ’, βρύχιος “die Meeres- 
tiefe betreffend‘, das sich schon bei Aischylos findet. u ist 
wahrscheimlich aus o entstanden wie in νύξ λύκος. βρύχιος 
entspricht ziemlich genau engl. brack, ndd. brakig “Salz-, See- 
wasser‘, namentlich dasjenige, welches zur Zeit der Flut in 
die Flüsse dringt. 


476 Herman Hirt, 


Alles dies weist auf ein hohes idg. Alter der Sippe in 
der Bedeutung “Meer’, und ich sehe daher keimen Grund trotz 
des Schweigens des Aind. den Indogermanen die Kenntnis des 
Meeres abzusprechen. Welches Meer es gewesen ist, lässt 
sich vorläufig nicht bestimmen. 

Ebenso steht es mit dem Salz, dessen eigentümliche 
Flexion *salt *salnes neuerdings Joh. Schmidt mit Recht ver- 
anlasst hat, ihm idg. Alter zuzusprechen, obgleieh auch m 
diesem Fall dem Indischen das betreffende Wort fehlt, (vgl. 
Neutra 5. 183, Urheimat 4f.). 

Etwas ausführlicher müssen wir uns mit den Baumna- 
men beschäftigen, da sie für unsere Frage besonders wichtig 
sind. Neue Kulturerrungenschaften, wie eine solche vor allem 
der Ackerbau war, können rasch wandern. Aber dass dies 
mit der Benennung der Bäume ebenso in grösserem Umfang 
der Fall sem konnte, hat man bis heute noch nieht wahrschein- 
lich zu machen vermocht. Die Europäer benennen die haupt- 
sächlichsten Waldbäume Europas durchweg gemeinsam. Nur 
wenige davon finden ihre Entsprechung im imdoiranischen. 
Andrerseits lassen sich gerade die Bäume verhältnismässig 
strene lokalisieren, sind daher für die Heimatsfrage von grösster 
Wichtigkeit. 

Bis jetzt wird eigentlich nur die Birke von vielen For- 
schern zugleich für urzeitlich gehalten. Es entsprechen sich 
deutsch Börke, lit. berzas, abulg. breza, russ. bereza skr. 
bharja. Die südeuropäischen Völker haben das Wort mit dem 
Gegenstand verloren, da die Birke nur im Norden gedeiht. 
Doch ist in lat. frasinus höchstwahrschemlich dasselbe Wort, 
wenn auch in der Bedeutung “Esche’ bewahrt. ra dürfte, 
obgleich «die Quantität des a nicht sicher zu ermitteln ist, als 
lang anzusehen und somit als Vertreter von 7 anzusehen sem, 
wie guadraginta, gr. rerpwkovra, wie auch @r im indischen 
bharja- aus 7 entstand. Die Erscheinung, dass der Name 
eines Baumes auf einen andern übertragen wird, begegnet 
ziemlich häufig. 

Ich möchte noch bemerken, worauf noch nicht hinge- 
wiesen ist, dass bhärja- nirgends im Rigveda erwähnt wird. 
Das Wort bezeichnet ja auch eine Birkenart, die im Himalaya 
wächst, kein Wunder also, dass die vedisehen Inder, die ja 
nur einen bestimmten Teil des ganzen Volkes, vor allen den 


- 


Die Urheimat der Indogermanen. 4τ|ι 


an den Ufern des Indus wohnenden bildeten, den Namen, da 
der Baum nicht zu ihrer Flora gehörte, nieht mehr gebrauch- 
ten, ja ihn vielleicht schon ganz vergessen hatten. Das muss 
uns gleich im Anfang mistrauisch gegen die Schlüsse ex si- 
lentio machen. Mögen wir die Heimat der Indogermanen 
suchen, wo wir wollen, darin sind alle einig, dass ihr Urwohn- 
sitz in einem gemässigten Klima gelegen gewesen sein muss. 
Die Inder aber gelangten in ein tropisches Land und mussten 
daher die Namen der alten Waldbäume, soweit sie sie nicht 
umwerteten, verlieren. Selbst die Uebereinstimmungen zwischen 
iranisch und indisch sind auf diesem Gebiet äusserst gering, was 
auch ganz natürlich ist, da Klima und Vegetation von Indien 
und Iran durchaus verschieden sind. 

Kurz brauche ich nur zu erwähnen, dass auch der Weide 
idg. Alter zugesprochen werden muss: ahd. wida, gr. itea, lat. 
vitex findet sich in airan. vaeti-, parsi wwzd, neupers. Did 
wieder. 

Ein zweiter Name für diesen Baum lat. salix, ir. sail, 
satleah, ahd. salaha, gr. ἑλίκη, bei Hesych als arkadisch für 
itea überliefert, — vielleicht hängt auch der Ἕλικών damit 
zusammen —, fehlt dem Indoiranischen. Aber schon hier wird 
der Schluss auf nieht ide. Alter bedenklich, und es ist wahr- 
scheinlicher, dass die Indoiranier dies Wort verloren, als dass 
sie es nie besessen haben. 

Wichtiger aber als diese beiden Wörter scheint mir 
eine andere Sippe zu sein, die Schrader m. E. entschieden 
falsch beurteilt. Es ist der weitverbreitete Stamm dra-, der 
in mannigfach verschiedener Wurzel- und Suffixgestalt in 
allen indogermanischen Sprachen sich wiederfindet. Vgl. Schra- 
der S. 395. Schrader erschliesst aus seinem Material die all- 
gemeine Bedeutung “Baum’ und aus der Uebereinstimmung 
von maked. δάρυλλος, ir. dair, daur, gr. δρῦς, sämmtlich mit 
der Bedeutung “ Eiche’, die speziell europäische Geltung “Eiche. 
Aber sein Material ist weder vollständig noch richtig gedeutet. 
Zunächst darf das Griechische nur mit grosser Vorsicht für 
die Bestimmung der Bedeutung verwendet werden. Hat es 
doch auch für pnyöc gegenüber lat. fagus, deutsch Buche die 
Geltung Eiche, Speiseeiche” angenommen. Und das Keltische 
kann gegenüber allen andern Zeugen nicht so hoch gerechnet 
werden. Nehmen wir als erwiesen an, dass dr«a- und seine 


478 Herman Hirt, 


Ablautsstufen abulg. drevo, got. triu “Baum’ im Idg. schon 
die allgemeine Bedeutung "Baum, Holz’ hatte, so kann diese 
aus eimer speziellen sehr wohl hervorgegangen sein. Welches 
war aber diese besondere Baumart, welche mit dra- bezeichnet 
wurde? Vergleichen wir mhd. zörbe, zirbel “Zirbelfichte’, 
anord. fZyrr “Föhre’ mit den Ableitungen ndl. teer, anord. 
tjara “Teer” — Teer wird durch Versieden der Föhren ge- 
wonnen —, so ergibt sich für das Urgermanische sicher die 
Bedeutung “Fichte, Föhre’, und dazu stimmt lit. derva “Kien- 
holz’, lat. larix aus *daric “Lärche’, die ebenfalls zu dieser 
Gattung gehört. Im Altindischen finden wir vollends zwei 
weitere Bäume deva-daru und pitu-darä, die beide hoch im 
Himalaya wachsende Fichtenarten bezeichnen. Auch dar 
allein bedeutet, wenn auch selten, die deva-där«-Fichte. 

Diesen Thatsachen gegenüber kann es kaum zweifelhaft 
sein, dass wir dem Stamm dru- die Bedeutung “Fiehte‘ für 
die idg. Urzeit beizulegen haben, und da er zugleich “Holz, 
Baum’ bedeutet, so dürfen wir schliessen, dass die Fichte der 
verbreitetste Baum, der Baum κατ᾽ ἐξοχήν war. 

Das Ausweichen des Griechischen und Keltischen in der 
Bedeutung erklärt sich wie auch sonst. Das Griechische ist 
wenig konservativ in der Erhaltung der Baumnamen. Das 
Zeugnis des Indischen, das sonst die meisten Baumnamen ver- 
loren hat, ist in diesem Falle von ausschlaggebendem Wert. 

Der Name einer zweiten idg. Fichtenart ist uns in skr. 
pitu-daru, gr. πίτυς überliefert. Schrader sieht diese Gleichung 
für gräkoarisch an, da dieses Wort zufällig den übrigen Spra- 
chen fehlt. Aber man wird dazu auch lat. prnus stellen und 
damit das Wort für die idg. Ursprache m Anspruch nehmen 
dürfen. penus aus "pztnu-s oder besser noch aus pät-snu-s. 

Weiter möchte ich die Vermutung wagen, dass unser 
speht, lat. pzcus, aind. pika- "Kuckuk’ von dem Stamm pik- 
in gr. micca, lat. pie, abulg. piklo "Pech’, Ableitung von 
einem Wort pik- in der Bedeutung “Fichte” (vgl. oben “Teer’), 
benannt ist, da der Vogel vor allem in Fichtenwaldungen lebt 
und sich von den unter der Rinde dieser Bäume lebenden 
Insekten nährt. Das wäre ein drittes idg. Wort für Fichte, 
da pika- sich auch im Indischen findet. 

Es gibt in den Einzelsprachen noch andere Bezeichnungen 
der Fichte, die aber nichts zur Entscheidung unsrer Frage 


ὃ 


Die Urheimat der Indogermanen. 479 


beitragen, da sich ihr idg. Alter nieht mit Sicherheit er- 
weisen lässt. 

Wenden wir uns jetzt zur Königin der europäischen 
Wälder, der wegen ihrer prachtvollen Form, ihrer Dauerhaf- 
tigkeit und Stärke so vielfach verherrlichten Eiche, die 
nicht allein ihres Holzes wegen, das von. unverwüstlicher 
Dauer und grosser Schönheit ist, hochgeschätzt wurde, sondern 
deren Früchte, die Eicheln, für die Schweinezucht in ältester 
Zeit sehr wichtig waren, vielfach aber auch für die Menschen 
als Nahrungsmittel dienten. 

Vor nicht allzu langer Zeit erst ist die Gleichung lat. 
quercus ahd. forha, jetzt föhre, aufgestellt und weitere Verwandt- 
schaft ist meines Wissens bis jetzt noch nicht ausfindig gemacht. 
Da der Name der Frucht der Eichel ziemlich weit verbrei- 
tet ist, gr. βάλανος, lat. glans, abulg. Zeladv, arm. kalin 
“Eichel’, so muss auch die Eiche von Alters her bekannt ge- 
wesen sein, und ich glaube, dass uns eine der ältesten Be- 
zeichnungen in lat. guercus ahd. forha vorliegt. Für dieses 
ahd. Wort ist als früheste Bedeutung “Eiche anzusetzen auf 
Grund des Komp. ahd. fereheih, genau wie Zirbelfichte 
und prtudaru- gebildet, und auf Grund der longob. Glosse 
fereha “aesculus‘. Das germanische Wort führt Kluge in der 
neuesten Auflage seines Wörterbuches auf eine Grundform 
*gerg- zurück, f aus q wie in vier got. fidwör, lit. keturi, lat. 
quattuor, gr. Teccapec, aind. catvaras. Diese Auffassung der 
Lautverhältnisse ist annehmbar, wenngleich nicht die einzig 
mögliche, da auch der germ. Anlaüut ursprünglich, und das 
lat. q aus p entstanden sein kann, wie in guinque aus *pen- 
que, gr. πέντε, aind. pdüca und wie m coguö aus "peguö aind. 
pacami!. Wie die Ableitung guerguetum beweist, war das 
zweite k in qwercus velar, und da in einem Teil der Kasus 
von quercu-s ursprünglich *gergu- vorhanden war (z. B. Gen. 
Sing. quercas aus *querguous), so kann gegen das Zurückführen 
von guerc- auf *pergu- nichts eingewendet werden. Und mit 
dieser Annahme werden wir, hoffe ich, weiter kommen. 

Es ist ein durch mehrfache Beispiele wohlbelegter Vor- 
gang, dass einerseits der Begriff des Waldes einer bestimmten 


1) [So jetzt auch Bartholomae Studien zur idg. Sprachgesch. 


Be RB 


480 Herman Hirt, 


Baumart in den Begriff des Waldes überhaupt, und die Be- 
deutung “Wald’ im die Bedeutung “Gebirge” übergeht. So 
bedeutet im Deutschen der Tann ursprünglich “"Tannenwald', 
aber im Mhd. ist von der engeren Bedeutung kaum etwas zu 
spüren. Tann übersetzt das mhd. Wörterbuch schlechthin 
mit “Wald’. Das alte Bacenis silva ist von Grimm mit Recht 
als “Buchenwald’ gedeutet; in manchen Gegenden Deutsch- 
lands finden wir einen Büch, Elm u. s. w. zur Bezeichnung 
eines bewaldeten Höhenzuges. Und unsre Gebirge nennen 
wir ja heutzutage noch Schwarz-, Böhmer-, Thüringer-, 
Frankenwald. Im Aind. bedeutet göri-, iran. gaöri-“ Berg, 
und dieses hat seine direkte Entsprechung in slav. gora “ Berg’ 
und in lit. göre, das aber die Bedeutung “Wald erhalten hat. 
So nehme ich denn auch an, dass sich der Stamm *pergu- in 
got. fairguni Gebirge‘, ursprünglich “Eichenwald’, dann Wald’, 
“Waldgebirge’ verbirgt. 

Von got. fairguni ist aber mhd. Virgunnia, der Virgunt 
nicht zu trennen, und darunter haben wir nach den sonstigen 
Zeugnissen das Gebirgsland vom Erzgebirge an, den Wald- 
kranz, der Böhmen umfasst, zu verstehen. Und weiterhin 
hängt mit Virgunt sicher die Hercynia silva der Alten zu- 
sammen. Dass dieser Name keltisch sei, hat schon Zeuss 
Gramm. celt. 10 Anm. 4 zu erweisen versucht, aber seine Deu- 
tung aus cymr. coyn “Höhe’ und ar befriedigt nicht, und 
es ist im Anschluss an ihn jetzt von Much ΖΦ. XXXII 454 
erkynia streng nach den keltischen Lautgesetzen aus *per- 
cunia gedeutet. Jetzt ergibt sich uns also auch eine völ- 
lig befriedigende Bedeutung dieses Namens. *perkunia silva 
ist der “Eichenwald’ wie bacenis silva “der Buchenwald’. 
Nur eines. ist noch zu der lautlichen Seite der Frage zu be- 
merken. Das Keltische kennt dieselbe Assimilation des an- 
lautenden p an folgendes ku wie das Lateinische, air. coiec, 
lat. geingue, und wir haben in Folge dessen ein g im Anlaut 
zu erwarten. Da aber im urkeltischen *pergunia die Labiali- 
sierung 9 hinter dem q vor dem folgenden sonantischen « ver- 
loren gegangen war, konnte die Assimilation des p nicht ein- 
treten. 

Wir können den Stamm *perg- oder "pergu- noch weiter 
verfolgen. Im altnod. Glauben existirt ein Gott und eine 
Göttin Zjorgyn, die vornehmlich mit dem Donnergott in Be- 


Die Urheimat der Indogermanen. 481 


ziehung stehen. Dieses Fjorgyn ensprieht Laut für Laut dem 
got. fairguni. Schon Jac. Grimm hat ihn weiter mit dem li- 
tauischen Perkänas, preuss. percunis “Donmner’ verglichen. 
Da wir in Fjorgyn und fairguni die Media y auf Tenuis zu- 
rückführen müssen, so kann an der Identität der beiden, die 
bis auf den Akzent vorhanden ist, kein Zweifel sein. 

Wir erhalten hiermit eine annehmhare Deutung dieses 
Gottesnamens. Von fast allen idg. Völkern wird uns eine 
Verehrung des höchsten Gottes in Eichenwäldern oder ein- 
zelnen Eichen „gemeldet. Bonifatius fällte bei Geismar die 
heilige Eiche; Livius I 16 berichtet von einer uralten Eiche 
auf dem Capitol, in der Jupiter feretrius verehrt wurde, und 
von den Litauern ist uns die Heiligung des Perkunas in der 
Eiche überliefert. Weiter heisst der in den heiligen Eichen- 
wäldern von Dodona verehrte Zeus φηγοναῖος — φηγός hatte 
im Griechischen die Bedeutung “Eiche” angenommen —., also 
der Eichengott. Und so denke ich, waren auch bei den Li- 
tauern und Skandinaviern Perkänas und Fjorgyn ursprünglich 
Beinamen des alten idg. Himmel- und Donnergottes *dieus, 
der “Eichengott’, die, wie es so oft bei den Beinamen vorkommt, 
auch für sich allein gebraucht wurden 1). 

Diese etwas lange Auseinandersetzung hat uns, denke 
ich, mit Sicherheit den europäischen Namen der Eiche kennen 
gelehrt. Wahrschemlich kehrt der Name aber auch im In- 
dischen wieder. parkati- ist eine Bezeichnung für fieus reli- 
giosa. Der Stamm park-, der uns hier geboten wird, stimmt 
zu genau mit der auf europäischem Boden gewonnenen Form, 
als dass man diese Gleiehung wegen der nicht stimmenden 
Bedeutung ablehnen möchte. Andrerseits hat Zimmer den 
Regen- und Donmnergott Parjanya- der Inder mit dem lit. 
Perkünas verglichen. Der Uebergang von Tenuis zur Media, 
namentlich in der Nähe eines Nasals, unterliegt für die idg. 
Urzeit keinem Bedenken, sodass die Gleiehung wohl zu Recht 
bestehen wird. Zu dem Wechsel von o- und x- Stamm möchte 
ich noch bemerken, dass vielleicht ursprünglich der o- Stamm 


1) Vielleicht steckt der Stamm perg- auch in dem thrakischen 
Namen TTep«n, vgl. Ectı δὲ ἡ Θράκη χώρα, ἣ TTepkn ἐκαλεῖτο καὶ ᾿Αρία. 
Stephanus von Byzanz 1215... de Lagarde Ges. Abh. 278. ἸΤέρκη 
wäre gleich Awpic. 


482 Hrerman+Ekmit, 


bestand, der a-Stamm, ebenso möglicherweise auch bei prtu- 
erst durch Assoziation mit dru- hervorgerufen war, vgl. über 
derartige Vorgänge Bloomfiell American Journal of Phil. 
XII 1ff. Aber auch diese Assoziationsvorgänge sprechen für 
idg. Alter, da dieselben in den Einzelsprachen kaum mehr 
möglich waren. 

So haben wir also bis jetzt neben der Birke und Weide 
zwei Fichtennamen dera- die “Zirbelfichte’ und pzta-, gr. πίτυς, 
lat. prnus, aind. prtu- und *pergu- “die Eiche‘ der idg. Heimat 
zusprechen können. Andres noch ergiebt sich auf einem andern 
Wege. Es ist bekannt, dass Waffen ihren Namen oft von 
dem Holz empfangen haben, aus dem sie gefertigt wurden. 
μελίη bedeutent bei Homer Esche’ und Speer’, δόρυ ist nur 
noch ‘Speer’. Das lat. taxus “ Eibe’ findet sich, wie längst 
gesehen, in gr. τόξον “Bogen’ wieder, da der Eibenbaum 
von altersher gern zur Anfertigung von Bögen gebraucht wurde. 
Im Anord. bedeutet elmr “den Bogen aus Ulmenholz’. Diese 
Erscheinung hat Schrader (BB. XV 284 ff.) jetzt durch einige 
glückliche Aufstellungen weiter belegt. So findet sich unser 
deutsches “Eiche’ in gr. aiyaven ‘Speer’ und in der aiyic des 
Zeus, dem Eiechenschild des Eichengottes, wieder. Auch lat. 
aesculus gehört wahrscheinlich zu dieser Sippe, aus *aegsculus. 

Uns interessiert vor allem aber die Gleichung ahd. tanne, 
aind. dhanvan- “Bogen’, nach Schrader “der Bogen aus Tannen- 
holz’. Lautlich scheint mir diese Gleichung völlig schlagend, 
aber sachlich ist zu bemerken, dass Tannenholz kaum zur 
Bogenbereitung tauglich ist. Vielmehr werden wir für tanne, 
da in ἃ]. Glossen auch die Bedeutung “quercus’ belegt 
ist, als ursprüngliche Geltung diese ansehen, und dazu den 
Bedeutungswandel Eiche — Föhre vergleichen. Aus jungem 
Eichenholz lassen sich sehr wohl Bogen schnitzen. Nun stellt 
Schrader zwar diese Gleiehung auf, aber den Schluss, dass 
uns damit ein neuer Baumname für die idg. Urzeit gesichert 
ist, zieht er nicht, wahrscheinlich, weil er zu sehr von der 
Steppenheimat des Urvolkes überzeugt ist. Mit dieser seiner 
Ansicht steht es auch in andrer Hinsicht schlecht. Schrader 
selbst nimmt an, dass idg. ναῦς ein sogenannter Einbaum war, 
also von ganz besonderer Stärke. Woher bekamen denn diese 
Indogermanen solche Stämme, wenn sie in der Steppe sassen ? 
Etwa auch auf dem Wege des Tauschhandels?. 


Die Urheimat der Indogermanen. 483 


Man kann weiter den aind. Ausdruck für Wald aranya- 
auf *armnya- zurückführen und darin den europäischen Namen 
der Ulme lat. ulmus, anord. elmr erkennen. Man kann ferner 
den Namen der Erle lat. alnus aus *alsnus, ahd. elira aus 
*elisa, slav. jelicho in aind. rsti, airan. arsti- “Speer, Lanze’ 
wiedersehen. Aber ich fürchte, hiermit die Grenze. des Be- 
weisbaren überschritten zu haben. Es genügt mir, den Indo- 
germanen die Weide, die Birke, die Fichte und die Eiche mit 
einiger Sicherheit zugesprochen zu haben. 

Unsere oben aufgestellte dritte Möglichkeit ist also hier, 
wie beim Meer, durch die Thatsachen bestätigt worden. Damit 
ist aber nicht nur die Schradersche Annahme einer Steppen- 
heimat widerlegt, sondern auch Asien als Heimat aus- 
geschlossen. Denn nur in dem europäischen Waldgebiet 
finden sich diese vier Bäume vereinigt vor. Da wir bei dem 
Indischen natürlich stets mit dem Verlust alten Sprachgutes 
rechnen müssen, so ist die Wahrscheimlichkeit vorhanden, dass 
noch mehr Baumnamen idg. sind, vor allem wohl der der 
Esche, an. askr, lit. «sis, slav. jasika, wozu kürzlich Fick 
(BB. XV1 171) überzeugend lat. ornus “Bergesche’ aus Fosinus 
gestellt hat. 

Zur näheren Bestimmung der europäischen Heimat dient 
zunächst die Birke. Da sie in Italien und Griechenland nicht 
auftritt, sind diese Länder ausgeschlossen, an die ja auch kaum 
Jemand gedacht hat. 

Weiterhin ist die Buche, lat. fagus, gr. φηγός wichtig, 
wie zuerst Fick gesehen hat, da ihre Vegetationsgrenze unsern 
Kontinent von Norden nach Süden durehquert; sie überschreitet 
nach Osten nieht eine Linie, die man sich vom frischen Haff 
bei Königsberg nach der Krim und von da zum Kaukasus ge- 
zogen denkt. 

Nun haben die slavischen Sprachen das Wort baky aus 
dem Germanischen entlehnt. Dass der Baum den Slavinen 
fremd war, beweist auch der Umstand, dass keine Ortsnamen 
damit gebildet werden. Und daraus schliesst Fick, dass die 
Urheimat der slavischen Völker in einer Gegend zu suchen 
ist, die keine Buchen kannte. 

Wir können den Baum aber auch für die Heimat der 
Indogermanen verwenden. Nach allgemeiner Annahme ist 
pnyöc wegen der essbaren Früchte von φαγεῖν “essen’ abge- 


484 Herman Hirt, 


leitet, und eine solche Ableitung macht den Eindruck nicht 
hohen Alters. In gewisser Hinsicht ist es also wahrscheinlich, 
dass die Indogermanen jenseits jener bezeichneten Buchen- 
grenze gesessen waren oder sie nur zu einem kleinen Teil 
überschritten hatten. Unbedingt sicher ist dieser Schluss na- 
türlich nicht, da ein alter Name der Buche verloren gegangen 
sein kann. 

Zur weiteren Bestimmung der Heimat muss uns das Meer 
dienen. Das Schwarze Meer und den Kaspischen See halte 
ich für ausgeschlossen, da sie zum grössten Teil im Steppen- 
gebiet liegen. Dazu kommt, dass die Zuflüsse dieser beiden 
Meere keine Aale führen, der Aal aber sicher den europäischen 
und wahrscheinlich auch schon den ungetrennten Indogermanen 
bekannt war, vgl. gr. ἔγχελυς, lat. anguilla, lit. ungurgs, 
preuss. angurgis, russ. ugorv, poln. wegorz. Diese unbequeme 
Gleichung suchen Schrader und Joh. Schmidt (Urheimat 19) 
mit der Annahme zu beseitigen, dass das Wort erst emzel- 
sprachlich von dem Wort Schlange gebildet sei. Ich gebe 
gern zu, dass anguilla u. 5. w. mit angais im Sprachbewusst- 
sein in Verbindung gebracht war; dass dies aber nicht von 
Anfang an der Fall gewesen ist, scheint mir gr. ἔγχελυς zu 
beweisen, da ja im Griechischen kein *eyxı- in der Bedeutung 
“Schlange’ bestand. 

Ist unsere Würdigung des Buchennamens richtig, so ist 
auch die Nordsee ausgeschlossen, und so kann nur die Ostsee 
bekannt gewesen sein. 

Einen wie grossen Teil dieses oben begrenzten Gebietes 
die Indogermanen eingenommen haben, lässt sich bis jetzt noch 
nicht bestimmen. 

Alle kulturhistorischen Thatsachen lassen sich mit dieser 
Heimat vollständig vereimigen, ich sehe keine, die irgend 
welche Schwierigkeiten bereitete, und einige können nur auf 
dieser Grundlage gedeutet werden. Hier hausen noch heute 
Wolf und Bär, hier schwärmten die Bienen, die den Honig 
zu dem Süsstrank *medhu- der Indogermanen bereiteten, hier 
wuchsen die mächtigen Bäume, die mit Hilfe des Feuers zu 
Schiffen ausgehöhlt wurden, hier konnte die Gottheit in 
den grossen, ehrfurchtgebietenden Wäldern verehrt werden. 
Für die Verwendung des Rosses bot sich hier kein Raum, 
Löwe und Tiger fehlen diesem Gebiet. Und schliesslich kann 


Die Urheimat der Indogermanen. 485 


man auch die Altertümlichkeit der litauischen und slavischen 
Sprache damit vereinigen, denn diese Völker wären ja den 
alten Wohnsitzen am nächsten und daher auch wohl von frem- 
den Bestandteilen am freisten geblieben. 

Ist die vorgetragene Ansicht richtig, so muss auch die For- 
schungsmethode der idg. Altertumswissenschaft auf eine andere 
Grundlage gestellt werden. Bisher musste das Indische sich 
mit dem Europäischen vereinigen, um einem Kulturbegriff indo- 
germanisches Alter zu sichern. Man hat aus dem Fehlen 
der beiden Teile gemeinsamer Ausdrücke für Ackerbau bisher 
immer noch auf ein Nomadenleben der Indogermanen geschlos- 
sen. Jetzt ist das nicht mehr so sicher. In dem Steppen- 
gebiet ist kein Ackerbau möglich. Kamnten die Indogermanen 
Europas denselben, wenn auch nur in primitiver Form, so 
mussten die Indoiranier bei ihrem Eintritt im die Steppe den- 
selben verlieren, also in der Kultur zurückschreiten, damit 
aber auch alle Ausdrücke, die sich auf den Feldbau bezogen, 
vergessen. Natürlich müssen wir uns hüten, aus den euro- 
päischen Sprachen allein jetzt alles erschliessen zu wollen, und 
auf Grund der gemeinsamen europäischen Ausdrücke den Indo- 
sermanen einen ausgebildeten Ackerbau zuschreiben. Stets 
müssen wir mit der von Hehn und Bradke vertretenen Mög- 
lichkeit der Entlehnung rechnen. Hier kann nur die Sprach- 
wissenschaft mit der Untersuchung helfen, ob die betreffenden 
Worte ein hohes oder junges Alter haben können. So weist 
lat. granum, got. kadrn, abulg. zrono auf eine Grundform 
mit =. Konnten solche Worte einzelsprachlich neugebildet wer- 
den, oder müssen wir ihnen indogermanisches Alter zuschrei- 
ben? Zur Zeit vermag ich diese Frage nicht zu beantworten, 
aber ich hoffe auf sie später zurückkommen zu können. 

Leipzig, 3. Juli 1891. Herman Hirt. 


Indogermanische Forschungen 15. Sl 


480 Christian Bartholomae, 


Arica 11. 


6. A. -cc-=av. -sk-=ap.-$ k aus ἢ K. 

Die in der Überschrift sich aussprechende, in meinem 
Handbuch $ 107 b, 108 aufgestellte Lehre wird von Caland 
ΚΖ. XXXI 271 ff. bestritten, wenigstens soweit sie das Ave- 
stische angeht. Es wird daselbst behauptet, “dass # vor c 
immer ? (£) bleibt” 2). Dann werden 9 Wörter aufgeführt, 
“aus denen man den erwähnten Übergang deduziert hat”. 
Von diesen finden sich bei mir nur 4: rapuaskihraiä, zareska, 
jaska und askıp. Für das letzte habe ieh inzwischen eine 
andere Erklärung gegeben. Das zweite hat die Neuausgabe 
zu Fall gebracht, wo zraska gelesen wird 3). Die Möglichkeit 
der von Caland dafür vorgeschlagenen Zurechtlegung gebe 
ich zu. 

Zu raeuask” wird gesagt, es “steht für raeuo.k°, datiert 
aber aus der Zeit, wo das Sandhigesetz: ausl. nominativisches 
ö geht vor t und k in -as über, noeh wirklich lebendig war”. 
Ich vermisse dabei: 1) den Nachweis, dass ein Nom. Sing. 
raeuöo existiert hat und zwar schon in jener frühen Zeit, 2) den 
Nachweis eines Kompositums mit einem a-Stamm als erstem 
Glied, darin dieser den Ausgang as aufzeigt. as, az ist sonst 
nur bei s-Stämmen bezeugt, und auch da nicht häufig und 
regelmässig; vgl. raokas.pairista, raokaskaesmanö, barenazda: 
daneben lwareno.da, pbaesö.taurua usw.*). Caland scheint mir 


1) S. diese Zeitschrift 1 178 ff. [Hier sind folgende Druckfehler 
stehen geblieben. S. 183, Z. 86 l.: söominam. S.187, Z. 33 1.: *sma- 
kam. S.192, 2. 14 1.: keuino. 8. 194,.Ζ. 8 1.: yösana.] 

2) Das Zitat “Spiegel Gramm. 8 29” ist aus Geldner ΚΖ. XXV 
(so!) 514 abgeschrieben, ohne Rücksicht darauf, dass es sich aufs 
Altpersische bezieht. 

3) Jt. 9. 26, 17. 46. Sonst schreibt freilich die Neuausgabe 
bald zarazd®, bald zrazd°, und zwar ohne dass das dabei befolgte 
Prinzip erkennbar wäre. Zu Jt. 13. 25 steht zrazdätema nach Fl, 
Pt 1, El gegen Mf3, K 13, 38, H5, L 18, aber: Jt. 13. 47 steht 
zarazdatoip mit ΜῈ 3, K 13, H 5, L 18, Ε 19 gesen ἘΠῚ FI Br 
8. noch σὺ. 10. δ. 19: 99 

4) Wegen räniö.skereitim 5. Verf. Ar. Forschungen II 162. 


Arica I. 487 


ganz zu verkennen, wann denn und wie das 0 in peso.tanus 
τι. 5. w. hereingekommen ist. Ursprünglich hat doch ein Nom. 
Sing. Mask. im Vorderglied einer Zusammensetzung, welcher 
Art sie auch sei, nichts zu schaffen. Sind doch in den Ga- 
tha’s noch die Formen mit a (und a) häufiger als die mit 6. 
Die Ersetzung des stammhaften a (und @) durch das nomina- 
tivische ö erfolgte erst spät und allmählich. Zuerst dürfte es in 
Komposita maskulinen Geschlechts sich eingestellt haben, da 
das zweite Glied, ein Substantiv, durch ein a-Adjektiv näher 
bestimmt wurde. Aus der Vermischung zweier Sätze wie 
*darez0 taua bazaus asti “lang ist dein Arm’ und *dareza- 
bazaus ahi “du bist ein Langarm’ konnte leicht ein darezo- 
bazaus ahi hervorgehen; vgl. Jt. 17. 22. Niemals aber tritt 
für dieses ö die arische Sandhiform as auf, die sich eben nur 
zeigt, wo arische Vorbilder dafür vorhanden sind, also z. B. 
bei «as-Stämmen. 

Freilich kann man ja sagen: wenn neben vareno.dä auch 
lIvarenazda üblich war, so konnte nach diesem und ähnlichen 
Mustern auch raeuaskipra- neben raguo.kihra- aufkommen. Es 
wäre aber doch ein äusserst wundersamer Zufall, wenn diese 
Analogiebildung gerade bei diesem und nur bei diesem Kom- 
positum vollzogen worden wäre, und zwar nachdem sich erst 
zu raeuant- ein Nom. Sing. Mask. auf -6 eingefunden hatte, 
wie solche ausser vielleicht in zwei Fällen, die Geldner KZ. 
XXX 515 namhaft gemacht hat, nicht aufzutreiben sind. Ne- 
ben raeuaskipra- findet sich auch raeuap.kipra-. Die beiden 
Wortformen verhalten sich zu einander genau so wie lvare- 
nazda zu larenödä; dort die Gestalt des Inlauts, hier die 
des Auslauts. 


Ähnlich: vouru.rafnöstema A 3.4. Vgl. noch jengstü, vestä J. 46. 
14, 17 (Verf. Handbuch 24 Note, Ar. Forsch. II 105; Geldner BB. 
XIV 26); rafnöhiai 4. 58. 7, vimanöhrm V. 1. 8. Über ein andres 
Ὁ s. Verf. ebd. XV 8f.: Note. 

Ich verweise hier auch auf asemno.vido und asemnö.gano, 
wie die Neuausgabe Jt. 10. 39, 40 bietet. Die Wörter gelten mir 
für Komposita aus asem “ das Richtige’ —- "das Ziel’ +na “ nicht’ 
+vrdo, bzw. ganö, Nom. Plur. zu ai. 4 vidh- und 2 han-. 

Sollte nieht auch höna V. 8. 41 f. für hae oder hä° stehen ὃ 
Das Wort wäre ein Lok. Sing. von ar. sanu-, ai. sanau. Gemeint 
ist jedenfalls die Nase. 


488 Christian Bartholomae, 


Ich will nieht untersuchen, ob die Art, in der Caland 
jaska erledigt, die riehtige ist); auch will ieh auf uska Jt. 
5. 61, das Caland nieht erwähnt, kem besondres Gewicht le- 
gen, obwohl ich es allerdings dem ai. «ccd- direkt gleich 
setze ?). Von ausschlaggebender Bedeutung aber scheint mir 
die Behandlung der in Rede stehenden arischen Gruppe im 
Altpersischen. Hier finden wir sk, vgl. anijaskij — ai. anydceid, 
avaskij, kiskij. Dieses selbe sk aber tritt auch für ar. 51. ein, 
vgl. kaskij = av. kaskip. Es ist mir nicht zweifelhaft, dass 
(diese beiden Erscheinungen mit emander zusammenhängen. 

Die iranischen Zeiehen, die man mit % (oder wie immer) 
umschreibt, stellen nichts andres dar, als die enge Verbindung 
eines ἐ- mit einem s-Laut. Nun zeigt sich bekamntlieh für je- 
des vor ἐ stehende 7 im Iranischen ein s. Ich nehme an, dass 
schon in der Ursprache ἐξ zu bt wurde, wofür im Uriranischen 
st eintrat, nachdem der Wandel von s in s nach ὁ, τὶ und r 
abgeschlossen war. Dann aber vollzog sieh der Übergang von 
ἐξ zu st im Uriranischen noch ein zweites Mal. Auch em £ 


vor dem aus idg. A” entwickelten #s-Laut wurde in s umge- 
setzt. Das Avestische blieb dabei stehen. Im Altpersischen 
aber ist ein vor ts stehendes s, gleichviel welcher Herkunft, 
dureh Assimilation zu s geworden. Die gleiche Assimilation 
sehen wir auch im Indischen, wo ja. für ste (=t$) ste 
(= sts) erscheint; vgl. Verf. Studien 149 Note. S. ferner Les- 
kien Handbuch ? 46 ff. 

Ich gebe zum Schluss eine übersichtliche Zusammen- 
stellung der hier besprochenen Lautwandlungen. 


Τα δ. bi lausths st tk’ sk‘ es ΞΞ 


Ar. Dt ist ed) 81. id) 


1) Seine Übersetzung von jt. 14. 44 halte ich nicht für ganz 
zutreffend. kataraskip ist nach meiner Meinung beide Male Neu- 
trum und bedeutet “beiderseits”. Also: “Wenn die Heere zusam- 
mentreffen, beiderseits die Schlachtreihe geordnet ist” ; “vier Federn 
sollst du verteilen auf dem Weg beiderseits”, d. 1. auf der freien 
Strecke zwischen den Heeren nach beiden Seiten. 

2) Unklar ist mir, wie sich Spiegel Vgl. Grammatik 69 die 
Entstehung von rawaskarat- denkt. rauah- ist “freier Raum, Frei- 
heit’ und bildet den Gegensatz von azah- “enge Gefangenschaft’, 
vol. 1)... .ὃ: 9. ἡ 18:10 

3) Welche Aussprache hatten jene arischen Laute, aus denen 
die indo-iranischen “Palatalen’ hervorgingen? Wurde schon im 


Arica NM. 489 


he a 4 ist ce 50 3SC 
Urin st ist sk sk 2 Ὁ ἸΞΞΞ 
N ER ost ΟἽ sk sk isk 


Das Avestische deckt sich in all diesen Fällen mit dem Ur- 
iranischen. Welche Bedeutung das ὁ der zweiten und fünften 
Kolumne hat, bedarf keiner Erläuterung. Sonst kommt auf 
die Qualität des vorausgehenden Vokals nichts an. 

Einige avestische Wörter mit pk und dk, bei welchen 
der Dental vor % etymologisch unbereehtigt zu sein scheint, 
hat Geldner Studien 1 54 besprochen; s. auch KZ. XXV 554, 
Verf. Altiran. Verbum 147. Es sind die Wörter vedköista 
fratap.karato, arenap.kaesem, fratap.kaia, uruap.kaem. Fer- 
ner idapka, ainidapka, jasebwapka. Die Erklärung ist nicht 
überall sicher. 

arenap.kaesem it. 10. 35 übersetzt Geldner im Anschluss 
an J. Schmidt mit “Schuldrächer‘. Das halte ich nicht für 
richtig. Es folgt vindap.spädem. Da ist es doch wahr- 
scheinlich, dass die beiden ersten Kompositionsglieder gleich- 
artig sind. Zudem kommt ein dem ai. ndm entsprechendes 
Wort sonst im Avesta nicht vor. Zu dem angeblichen ere- 
naua- “verpflichtet” in arenauaki Jt. 5. 34 u. ὃ. 8. J. Darme- 
steter Etudes Iran. II 213 ff.; wegen rena v. 7. 52 bei Geld- 
ner Studien I 27 5. jetzt BB. XIV 16. Auch heisst kaesa- 
doch schwerlich “Rache” oder “rächend’. Ich nehme arenap 
als Präsensform zum Aoristkonjunktiv aredap 1. 50. 11; ἢ 
vertritt ar. ndhn; 5. Verf. Studien II 94 ff., wo ich aren° hin- 
zuzufügen bitte. Aaesa- mag ‘versprechen’ bedeuten. Das 
ganze also “der das versprochene zur Ausführung bringt”. Vgl. 
4. B. AV. 11. 6. 19, wo satydsandhan als Beiwort von devan 
bezeugt wird. 

fratap.kaia v. 2.26 (,34) gehört sicher nieht zu 1) ki-, 
wie Justi will, sondern zu 1) tak-. Ob aber gleich *fratakaia? 
Für wahrschemlicher halte ich es, dass das 5 dem von afra- 
tap.kusis Jt. 13. 53 entspricht, also von Formen her bezogen 
ist, da k folgte; 5. Verf. Handbuch 8 106. Es wäre somit 
frat’ eine reduplizierte Bildung mit ai-a- in kausaler Bedeu- 
tung. Die Existenz soleher Stämme ist nicht wohl in Zweifel 


Arischen ἐξ (d. i. # mit palatalem 8) gesprochen? Dann mag auch 
schon im Arischen idg. tk zu ts geworden sein. 


490 Christian Bartholomae, 


zu ziehen. Vgl. av. titäraieiti 11. 8. 8, 39. Genau gleichartig 
formiert scheint ai. vavrdyamahe RV. 8. 40. 2 zu sein, nach 
dem Herkommen als Denominativ erklärt 1). Vielleicht ge- 
hören auch ai. suseodyanta, susedyantı dazu, gegen Verf. Stu- 
dien II 85 f. Note. Ihre Bildung hat man sich im Anschluss 
an gewöhnliche Reduplikationsformen vollzogen zu denken. 
So steht z. B. neben titärateiti ein titarap jt. 15. 77T; tita- 
raiap wird aus einer Kontamination von *taraiap und titarap 
hervorgegangen sein. 

Die meiste Wahrscheinliehkeit, dass D.k, dk für k ge- 
schrieben ist, besteht meines Erachtens für uruap.kaem und 
für erdköista, d.i. οὐ aus ar. *vikaiistha- mit Schwund des 
i vor i wie im Indischen, s. Verf. Beiträge 158, Studien 
[ 112f.2). Die Sehreibung p.k (ἃ. 1. p.ts) vergleicht sich 
mit der von D.t für ἐς s. dazu Geldner KZ. XXX 322. Zu 
Jt. 13. 12 hat Geldner die Westergaardsche Korrektur d»ha- 
tem statt "ap.tem in den Text aufgenommen. Ebenso umge- 
kehrt vindap.tem statt des überlieferten vindatem zu Jt. 17. 
ΟΝ. δὴ: 

1. ΠΑΝ" 57. — ἂν θη 

Jackson A hymn 44 führt eine Anzahl avestischer sr 
nach 2 und « aufidg. sr zurück und meint “the law of sound- 
change, s into s before r, is the same as in sanskrit ”. Seine 
Beispiele sind Dwisra-, kusra- und pisra-. “An exception vio- 
lating the law”, heisst es dann weiter, “is found in the nume- 
ἃ} bri-”: tisranam, tisram und tisrö. Den Stellenangaben 


1) Was ist aber va in vavavrüsas RV. 1. 173.5? An tripli- 
zierte Formen, von denen Brunnhofer ΚΖ. XXX 512 spricht, habe 
ich keinen rechten Glauben, trotz des Hinweises auf av. zaozizuie 
G.1.6 und ai. pipiprhi im BhP. Ich setze va=ava; vgl. Whitney 
Grammar? 8 1087a, Verf. Studien I 107 ἢ. 

2) Man halte dazu auch av. fraesta- in den Gatha’s, ἃ. 1. ar. 
*praüistha-. Es gibt hier kein zweites Wort, das in sicher geschlos- 
sener Inlautssilbe ein αὖ aufwiese. — raes[ka J. 68.21 u. ö., das ich 
im Handbuch ἃ 227 noch nicht verstand, ist ar. *raits, Akk. Plur.; 
raem Jt. 19. 19 kann ar. *raiam vertreten, aber auch dem ai. rayim 
entsprechen. 

3) So scheint auch möz2.tü (oder mözt«) «Ὁ. 10.69 für mörp.tü 
zu stehen. 


Arica 1. 491 


ist ZPG]. 1. 5 hinzuzufügen. “The unifying tendeney may 
from the letter form have produced the violation”. 

Zunächst einmal sei festgestellt, dass ein historischer Zu- 
sammenhang der beiden Wandlungen nicht bestehen kann. Denn 
wäre sr noch im Arischen zu sr geworden, oder wäre idg. sr 
nach ὁ und « unverändert geblieben, so wäre eben im Avesta 
»r dafür eingetreten, wie für jedes postvokalische sr. 

Was die von Jackson für tisrö ete. angenommene Aus- 
gleichung anlangt, so bestreite ich deren Möglichkeit nicht. 
Die arische Femininflexion von “drei’ scheint nach Maassgabe 
der beglaubigten Formen folgende gewesen zu sen: Nom.-Akk. 
*tisras, Instr. *tisrbhis, Dat. *tisrbhias, Gen. *tisram, Lok. 
*tisrsu. Danach müsste im Avestischen von den weniger 
häufig gebrauchten Kasus aus das s in den Nom.-Akk. und 
Gen. eingedrungen sein. Das umgekehrte ist prinzipiell wahr- 
scheinlicher, und es liegt dies ja thatsächlich im Indischen 
vor. Ich will aber einräumen, dass im Arischen flektiert wor- 
den sein könnte: Nom. *tisaras, Akk. *tisras, so dass das a 
in av. fisarö, wie die Handschriften mehrfach bieten, allenfalls 
etymologisch berechtigt ist. Die Neuausgabe geht noch nicht 
so weit. 

Zugestanden, dass tisrö ete. nicht gegen Jacksons Ge- 
setz sprechen: wie steht es denn mit der Gewähr der Wörter, 
die es beweisen sollen? 

kusra- J. 10.11, auch in vrkusra- und hankusra- V. 14.7 
enthalten, hat schon Geldner Metrik 159 zu ai. kösa- ge- 
stellt. Nun wird ja allerdings häufigst kösa- geschrieben, 
und Fick Wörterbuch I* 27 meint, es sei das richtiger. Er 
vergleicht lit. kduszas “Löffel’, kidusze “Schädel’, Kiauszis 


Ei’, deren sz für s stehen sollt). Ferner lat. caria — “ur- 
sprünglich “Haus’” — und got. has. Man sche aber we- 


gen der litauischen Wörter Leskien, Bildung der Nomina 


1) Die Akzente fehlen bei Fick. Ich vermag mit bestem Willen 
den Grundsatz nicht zu entdecken, nach dem er bei den indischen 
und litauischen Wörtern den Akzent gesetzt oder weggelassen hat. 
Wo er steht, ist er gar nicht selten falsch. S. 229 lesen wir: “8. tod 
jener, anderer, tvds — tvds der eine — der andere, mancher”; aind. 
tva- ist stets enklitisch! Im selben Artikel finden sich die inter- 
essanten Avesta-Formen fum “das’ und tum “den, jenen. S. Haug 
Arda Viraf 286, 312. 


492 Christian Bartholomae, 


44, 129 ein; wegen cäria und has L. Meyer Vgl. Grammatik 
1? 561, ©. Schrader Sprachvergleiechung ? 5. 496, 572, Web- 
ster Zur Gutturalfrage im Gotischen S. 30f. Dass die ältere 
Sehreibung kösa- auch die richtigere ist, geht auch aus kuksis 
hervor), das gewiss mit jenem Wort etymologisch zusammen- 
hängt; k$ ist =idg. ks. Es steckt also in av. kusra- “Wöl- 
bung, Höhle, Schlucht’ arisches sr, nicht sr. 

Das würde auch zu gelten haben, wenn Horm Recht 
hätte, kusra- mit kaso in kasö.tafedra (Jt. 19. 3) zu verbinden 
und in dem τὸ den Vertreter alter Nasaliıs sonans zu erkennen; 
Am. jourmal of philol. XI No. 1. Ich kann aber von den 
Beispielen, die er für solches « beibringt, kein einziges für 
beweiskräftig ansehen. Anscheinend das sicherste ist puhdo 
“der fünfte‘, das er denn auch vorangestellt hat. Es kann 
sein zz aber leicht vom vorhergehenden Ordinale bezogen haben, 
ar. *turthas (> ai. caturthäs, vgl. turiyas, av. tairiö). . Auch 
das folgende Ordinale muss einmal « gehabt haben: idg. *su- 
kthos; vgl. dazu Verf. Stud. II 22 Note. [von Fierlingers Fassung 
des Worts ΚΖ. XXVI 193 f. ist mir ebenfalls unannehmbar.] 

Zu pisra- fügt Jackson selber in Klammern bei: “if from 
pis-”. pisra- findet sich nur V. ὃ, 87—90, verbunden mit 
zaraniö.saepa-, erezato.s’, atö.s’ und haosafnaenö.s‘. Es 
heisst dort: “wer den Feuerbrand pisrap haka zaranio. (usw.) 
saepap au den gehörigen Ort hinbringt”. Ich wüsste mir da- 
bei unter pösra- nichts vorzustellen, was mit pös- "zerstampfen 
zusammenhängen könnte.  pisra- gehört zu ai. pis- "schmücken, 
gestalten, bilden’ und bedeutet “Bildnerei, Werkstätte’; vel. 
Geiger Ostir. Kultur 388. 

Es bleibt endlich Peeisra- J. 31. 13 wo ta kasmeng 
bwisra haro aibı asa aibi vaenahı vispa. Jackson übersetzt 
a. Ὁ. S.11 “all these in thine eye, ὁ glanceing one, guardian 
with righteousness thou seest”. Dabei wird auf Fieks Wörter- 
buch verwiesen, wo bwisra- zu ai. teis-, toegd- gestellt wird. 
An der Fassung von Dieisra als Vokativ und an dessen Über- 
setzung mit “o elaneing one’, allein daran also hängt Jack- 
sons Gesetz. Ich fürchte, der Striek hält nieht lang. Die 
Übersetzung “o glaneing one’ hat keine andere Stütze, als 


1) Fieks avestisches kusi- ‘Höhle’ a. ©. 190 ist auch eins von 
den arischen Wörtern, die es nicht gibt. S. Geldner Metrik 82. 


Arica I. 493 


eben den Anschluss des Worts an ai. tois- usw. Der Zusam- 
menhang verlangt sie keinesfalls. Ich wüsste auch aus den 
Gatha’s keine Stelle zu nennen, da Mazdah ein Beiwort von 
gleicher oder ähnlicher Bedeutung erhielte. Man berücksichtige 
übrigens auch ai. krchrd- "Not, Gefahr’, das sich wie eine Bil- 
dung aus dem Inchoativ-Stamm ansieht. Das Petersburger 
Wörterbuch will das Wort an kars- "hin und her zausen’ an- 
schliessen. Sonach könnte man Deeisra-, wenn der Zusammen- 
hang mit tvis- usw. durchaus aufrecht erhalten werden soll, 
aus dem Inchoativ dazu herleiten, also gleich ai. *teichra- 
setzen: vgl. lit. teöska “es blitzt'. 

Der Übergang eines alten $- zum s-Laut vor r beschränkt 
sich auf den Fall, dass eine Spirans vorausgeht. Vgl. fseratus, 
vizzradaieiti; Verf. Handbuch $ 149 ı, 172 ı, Studien II 
57 Note. 

8. Vokal ı Nasal 7 Tr im Avesta. 

Schon in den Gatha’s 76 f. habe ich es als Regel auf- 
gestellt, dass im Avesta arisches an, am vor r zum Nasal- 
vokal werde. Ich konnte mich aber dort nur auf ein einziges 
Beispiel stützen. Als Belege führe ich jetzt an: 

raremä Jt. 15. 40, darezö.rarömano Jt. 13. 29 (Hand- 
schriften auch rarem’ und raro.mano): Nominalbildungen aus 
dem Intensivstamm, ar. *"ramram’; vgl. Whitney Grammar ? 
8. 1148. 4. 

mamaröis J. 48. 10. Geldner ΚΖ. XXX 526 übersetzt 
die Zeile: kada mazda manarois naro visente mit “wann 
werden sie, ὁ Mazdah, Männer der Weisheit werden?” und 
meint S. 533: "manaroöis könnte Genetiv von manari- (7wei- 
silbig), man- + Suffix ri- sein”. Ich möchte das Wort eher für 
eine reduplizierte Bildung aus /s/mar- ansehen, vgl. Whitney 
ἃ. Ὁ. $-1155e, Lindner Nominalbildung 57; ar. *mamrais'). 

aipi.duanaraia Jt. 11.4. Justi übersetzt “ wolkenreich ', 
Geldner Studien I 116 "neblig‘.  Arische Grundform ist 
=dhuanra- oder dhuamra-. Das Wort gehört zusammen mit 
av. duammaibiö, dunman, ai. dhväntdim (Verf. Ar. Forschun- 
gen ΠῚ 57), vielleicht auch mit ai. dhümds und dhümras 
“düster, grau‘. Möglicherweise sind av. duanara- und ai. 

1) Die Bedeutung von manaris ist “Verkündigung, Botschaft. 
sc. der waren des Zarathustra. 


494 Christian Bartholomae, 


dhümrd- Ablautsformen des nämlichen Worts. Für die her- 
gebrachte Ableitung von ai. dhümrd- aus dhümd- fehlt es an 
Analogien. 


generam J. 53. 8 = ar. *g’hanram. Wegen des & =. 
Verf. Handbuch $47b, Ar. Forschungen II 137, 91, 105. 
hrüneram J. 55.8 = ar. *krunram oder °mram. Vgl. 


av. hrama-, zu dem es sich verhalten mag wie ai. dhümrd- 
zu dhümd-. 


Es ist also die arische Gruppe Vokal + Nasal - » im 
Avesta folgendermassen vertreten: 
1. Ar. -Anr-, -amr- = av.-ar-: raremd; 


— av. -anar-: manaroöts, "duanarald; 
av. -ener-: jeneram. 


| 


2. Ar. -ünr-, -umr- = av. -üner-: hrüneram. 

Das zwischen n und r geschriebene a oder e bedeutet 
nichts. Dass 2 und ἃ in den beiden letzten Beispielen nasa- 
liert gesprochen wurden, ist sehr wahrscheinlich. Es handelt 
sich darum, ob vor r ein Nasalvokal allein oder ein Nasal- 
vokal + Nasal gesprochen wurde. Die letztere Annahme 
scheint mir mehr für sich zu haben. Dafür lässt sich insbe- 
sondere der anaptyktische Vokal zwischen » und r in der 
Mehrzahl der Beispiele anführen. Ein Vokal vor Nasal + r 
wäre also ebenso gestaltet worden wie ein Vokal vor n + m. 
Was die ungleiche Darstellung angeht, so lässt sich auf ki- 
mäne Jt.10. 32 neben kinmäne Jt. 19. 33 verweisen; — ar. 
*kanmaänai, vgl. Verf. BB. XV 36 Note. 

Wegen der von mir ebd. XIII 64 besprochenen ave- 
stischen Formen danmahi, huanmahr und frianmahr bemerke 
ich bei der Gelegenheit, dass Geldner jetzt seine frühere Le- 
sung "am? wenigstens für die beiden ersten Wörter aufgegeben 
hat: vgl. ΚΖ. XXVIII 408 und die Neuausgabe zu A. 5.6. 

Es darf übrigens nicht verschwiegen werden, dass von 
(lem Gesetz über die Nasalierung eines Vokals vor Nasal und 
r auch einige Ausnahmen zu existieren scheinen. framru u. S. W. 
darf man freilich nieht heranholen, es sind das junge Zu- 
sammensetzungen; anlautendes mr bleibt aber erhalten ). 8. 
auch franmane Jt. 11. 25 gegenüber danmahi u. 8. W. 


δ 


1) Zu den bei Justi angeführten Wörtern kommt noch 2)}7}" - 
tem Jt. 17.12. mrätem karema ist ai. mläta carma. |So jetzt auch 
Geldner BB. XVII 349. Korr.-N.] 


Arica 1]. 495 


Wirkliche Ausnahmen aber scheinen amraos, kamraos 
Jt. 13. 109 und namra.vahs ZPGI. zu bilden. Aber die Quellen, 
in denen jene Wörter vorkommen, erwecken wenig Vertrauen, 
so dass sie nach meiner Meinung das oben formulierte Gesetz 
nicht gefährden. Die Kopenhagener Handschrift des ZPG]. hat 
namnra!). 


9. Altind. Infinitive auf -man und -mani. 


S. Brunnhofer ΚΖ. XXV 333 ff.; Verf. Studien II 170. 

Dass die Dative der man-Stämme im Arischen als In- 
finitive gebraucht wurden, ist eine bekannte Thatsache; vgl. 
ai. dämane usw. bei Ludwig Infinitiv 60, av. hsanmene, 
hsnümaine, staomaine?). Gleiches gilt von den Dativen der 
vwan-Stämme; cf. ai. davdne, av. viduanöi. In BB. XIII τὸ f. 
habe ich alsdann einen lokativischen Infinitiv auf -van nach- 
gewiesen: av. röibwen J. 51. 7; s. auch Jackson A hymn, 
71, 32. KZ. XXVII 22 habe ich auch avestische Lokative 
auf -mam und -meng (= ar. -män) als Infinitive nehmen wol- 
len; doch ist das kaum richtig. hahmeng J. 49. 3 ist Akk. 
Plur. (vgl. Geldner ebd. 196), die anderen angeführten For- 


1) Dass np. narm einem altiranischen "namra- = ai. namrd- 
entspricht — J. Darmesteter Etudes Ir. I 94 —, soll darum keines- 
wegs bestritten werden. 

2) Statt kasmaine, wie ich KZ. XXVIII 20 las, hat die Neuaus- 
gabe °maint. 

3) Wiedemanns Zerlegung dieser Infinitive, wonach sie mit 
-anai gebildet wären (lit. Präteritum 44), ist nach meiner Ansicht 
unhaltbar. Er meint, dass in vzduie "unverkennbar’ ein Stamm 
vidu- vorliege. Das ist jedoch nicht richtig. -uz@ vertritt sowohl 
ar. -uuai als ar. -wai; letzteres aber kann auch den Lokativausgang 
eines Stammes auf wa- darstellen; vgl. Verf. BB. XV 240 No. 3 und 4 
(wozu apreuss. ballitwes). 

Ich bemerke bei der Gelegenheit, dass ich Calands Fassung 
von av. daduie J. 46. 15 als Infinitiv und seine Übersetzung der 
Strophe in KZ. XXXI 261 nicht für zutreffend erachte; s. übri- 
gens auch Brunnhofer ebd. XXX 512. daduie ist 2. Plur. des Ao- 
ristpräsens in “thematischer’ Flexion, vgl. Verf. ebd. XXIX 316, Ar. 
Forschungen II 161, Geldner BB. XIV 5 (wo aber in der Übersetzung 
die Worte tars siaobanais vergessen sind). Brunnhofer ebd. XV 270 
und Fick Wörterbuch 11 70, 238 haben auch noch den avestischen 
Infinitiv duie J. 48. 7, den schon Roth Zeitschr. ἃ. dtsch. mgl. Ges. 
XXV 226 zu den Toten gelegt hat; s. auch die Neuausgabe. 


496 Christian Bartholomae, 


men scheinen Lokative in gewöhnlichem Gebrauch zu sein. 
Die Stelle mit kasmam J. 50. 10 ist mir noch nicht klar. — 
Dagegen finden sich Lokative sowohl auf -man als auf -mani 
in infinitivischer Verwendung im Veda, erstere den griechischen 


Infinitiven auf -uev entsprechend. Ich verzeichne hier — ohne 
auf Voliständigkeit Anspruch zu machen — die folgenden 1): 


1. οὐ 2 ἢ" ΝΣ 5332 9% 
prd bahü asrak savita sdvimani, 

“jetzt hat die Arme ausgestreckt Savitar (der Anreger) zur 
Anregung wel#daz ΠΗ: 

dd u syd derädh savita hiranydya 

bahü ayasta sdavanaya sukrdtuh ; 2. 38. 1: 

ud u syd devdh savita saväyal..asthät . 
sdeimani, sdvandya und savdya stehen sich begrifflich völlig 
gleich. Es ist ja gewiss richtig, dass man an der ersten Stelle 
auch übersetzen könnte: “bei der Anregung”. Es handelt 
sich aber doch nicht darum, wie man einer grammatischen 
Schablone zu Liebe allenfalls übersetzen könnte, sondern wie 
zu übersetzen ist auf Grund anderer Stellen, die sich im glei- 
chen Anschauungskreise bewegen. Danach aber ist sdrämani 
ebenso wie sdeanaya und savdya final gedacht. Will man 
für die beiden letzten die Bezeichnung Infinitiv’ nicht zu- 
lassen: gut, auf den Namen kommt es Ja wenig an. So viel 
ist sicher, dass sdieanaya und savdya final gebrauchte Dative 
aus Nomina Actionis sind. Das gleichbedeutende sdezmani 
wäre dann eben ein final gebrauchter Lokativ. Ich sehe aber 
nicht ein, warum man den mani- (und man-) Formen den 
Namen “Infinitiv' verweigern sollte. Daneben stehen solche 
auf -mane. Die Lokative aus Nomina-Agentis-Stämmen wer- 
den schon seit indogermanischer Zeit ebenso wie deren Dative 
als Infinitive verwendet ?); s. fürs Arische Verf. BB. XV 240 ff.; 


1) Brunnhofer führt als Infinitivformen auf -man, -mani tol- 
ende 4 auf: vidharmani ἈΝ. 3. 2. 3, savimani 4. 53. ὃ. haviman 
6. 63. 4, dharmani 1. 159. 3; vgl. ΚΖ. XXV 335, 337, 341, 353. 

2) Vgl. auch av. vidöihre Jt. 10. 82 > ai. dhartari, sötäri usw. 
bei Geldner KZ. XXV 524. Johansson ebd. XXX 415 hat diese Stelle 
vermutlich übersehen. S. besonders RV. 10. 100. 9: ürdhvö gräava 
vasavro 'stu sötdri mit 1. 28. 1: ... gräva..ürdhvö bhavati sötave. 
Oder soll man etwa mit Rücksicht auf 4. 3. 3: gräveva söta auch 
sötari als Nom. Sing. Neutr. (!) “als Presse’ nehmen? 


Arica II. 497 


. 


ferner Brugmann Grundriss II 613. — Ich bemerke noch, dass 
Ludwig zu RV. 4. 53. 3 übersetzt: “zur Belebung hat Savitar 
die beiden Arme ausgestreckt”. Im Kommentar heisst es 
dazu: “Sajana vortrefflich prasave 'nujnaya nimittabhaäta- 
yam’. 8. auch das gleich folgende. 
VS8..4.:23: 
ürdheä ydsyamdtir bhä ddidyutat  sdeimani 
hiranyapanir amimita sukrdtuh krpa sväh | 
“dessen Lichtglanz strahlte hochauf zur Anregung, er der 
Goldhändige, Weise hat jetzt mit seinem Leibe den Himmel 
ausgemessen . Die Verbindung von ärdhed- mit dem Lokativ 
hat keinen andern Sinn als die gewöhnliche mit dem Dativ, 
worüber Grassmanns Wörterbuch Auskunft gibt. Beachtenswert 
ist Mahidharas Erläuterung: yasya bhah adidyutat | kinnimit- 
tam | savimani anujnänimitta sarvan karmany anujhatum 
ty arthah . 
ΕΝ 851»: 
ida ha nündm esd 1 sumndm bhikseta märtyah 
aditydnam dpürveya sdeimant ||. 
Auch hier nehme ich sdo’ mit Ludwig, der wieder “zur Be- 
lebung” hat, final. In dpäreyam sehe ich hier und RV. 3. 
13. 5 ein Adverb und übersetze es wie das damit identische 
av. apaourvim J.28.5 "wie nie zuvor”; vgl. Jackson A hymn, 
20. Also: “Ihre, der Aditya Gunst soll sich jetzt der Sterb- 
liche erflehen, dass sie anregen wie nie zuvor”. 
Ausserdem findet sich sdermani noch dreimal im RV.: 
Ὁ ὉΠ ἢ 6,012 und 10. 80. 12... Ἀπ der ‚ersten Stelle.ist 
es gewiss gewöhnlicher Lokativ. Die beiden andern zeigen 
eine nieht zu verkennende Ähnlichkeit. 10. 36. 12 steht: 
sresthe syama savituh sdetmani , und 6. 71. 2: 
devasya vaya savituh sdeimani ı 
sresthe syama vdsunasca dävdne . 
An der zweiten Stelle sind sdermani und davdne offenbar 
parallel gebraucht. Ludwig übersetzt daher: “möchten wir 
(bestimmt) sein zur herrliehsten Belebung von seiten Savitars 
und dass er uns Treffliches gebe”. Bei Grassmann fehlt ca. 
Wurde srestha- als Synonymon von prathamd- gefühlt? Vgl. 
das Petersburger Wörterbuch. Von prathamd- kommt im AV. 
der pronominale Genetiv prathamdsyas vor, und Panini kennt 
auch den Nom. Plur. prathame. Danach liesse sich sresthe 


498 Christian Bartholomae, 


als Nom. Plur. fassen, bezogen auf vaydm, und sdvimani wie 
dävdne davon abhängig machen; vgl. 6. 26. 8: sresthö ghane!) 
ertränd sandye dhänändm. Doch will ich nieht versäumen, 
auch auf 1. 164. 26 srestha savdm zu verweisen. Für die 
Ausdehnung der Pronominalflexion aufs Nomen besitze ich 
keine Sammlungen. Lanman sagt nichts darüber. Im Avesta 
geht sie ziemlich weit. 
2. däriman RV. 1. 129. 8. Es’ heisst hier: 
prdpra τὸ asme svdyasöbhir ütt | 
parivarga indrö durmatind | 
däriman durmatindam 

Sowohl Grassmann als Ludwig übersetzen pariv’ und dar’ 
final; letzterer gibt die letzten zwei Zeilen so: “Indra (komme) 
zu der Boshaften Beseitigung, zu der Boshaften Zerreissung, 
und bemerkt dazu im Kommentar: “Lokativ in Dativbedeu- 
tung”. parivarge gilt als Lok. Sing. zu einem Stamm "vargd-, 
der sonst nicht vorkommt; dparivargam der Brahmana’s ist 
Absolutivum. Sonst findet sich noch der akkusativische In- 
finitiv parierjam (nirrtinam) RV. ὃ, 24. 24, abhängig von 
vettha, wozu 4.8.3: sd veda..dändmam zu vergleichen ist 5). 
Sollte es ganz und gar unzulässig sein, parivarge als Dativ- 
form zu nehmen? Nach Delbrücks Akzentregel für die ὁ- 
Dative (Verbum 222) wäre freilich Betonung auf der vor- 
letzten Silbe zu erwarten. Aber es gibt doch noch mehr Aus- 
nahmen ausser dem dort erwähnten vdhe. Ich führe noch an: 
badhe, sädhe sr 10. 35.9, taje 8. ιν 1 nase»: 122. 5, 12, 
Mer AV. 1. 34. 5, vighase 11. 2. 2, pramrade CB. 4. n 


3 Ὁ vgl. B et 2.0. 508-ff.; ee Infinitiv 56 ff. ® 
\ Infinitiv; 5. Brunnhofer ΚΖ. XXX 510; = idg. *"ghnn-at. 


Fehlt 4 Whitney Wurzeln. 

2) Bei Brunnhofer, Ludwig Infinitiv 55 und Whitney (Wurzeln) 
wird aändamam als Infinitiv aufgeführt, nicht aber pariv®. 

8) Bei Whitney Wurzeln fehlen sadhe, tıtje, na avidvise, 


vighase. — Zu ἐδ räye vgl. räya ätuje RV.T.32.9. Zu vighase 
vgl. Ludwig Rigveda II 549. — RV. 10. 35. 9 übersetze ich: “Um 


Sicherheit flehn wir jetzt bei der Breitung der Streu, bei der 
Schirrung der Steine, damit unser Wunsch sich erfülle”; vgl. dazu 
mdnma sädhaya 6. 56. 4 und die Verbindungen von sddh- mit 
maäti- und dhi-. — Nach Ludwig Infinitiv 56 ff. gehörten hierher 
noch: jambhe, yaje, saye und upasvase; doch s. jetzt seine Über- 
setzung und den Konmentar; zu upası® vgl. das Petersburger 
Wörterbuch. 


Arica I. 499 


An die letzte Form ist parivarge anzuschliessen; °’varge ver- 
hält sich zur Wurzel varg- genau so wie "mrade zu mrad.-. 
Die Hochstufenform der Wurzel begegnet bei den e-Infinitiven 
gar nicht so selten. Ein paar Mal stehen Hoch- und Tiet- 
stufenform neben einander: grbhe > nigräbhe, samndse > nase. 
Auch die Dehnstufenform kommt vor, vgl. Verf. BB. XV 219. 
3. haäviman RN. 6. 63. 4, wo: 
prä höta gürtdmanda wuranö | 
dyukta yö näsatya haviman 
Ludwig übersetzt richtig: “der angestellt ward zu der Nasatya 
Anrufung”. Aavıman ist mit dem Kasus des Verbs (Akku- 
sativ) verbunden. 
4. pdrimani RV.9. 11. 4. Die richtige Fassung von 
nenikte apsı ydjate pdrimani | 
gibt Ludwig im Kommentar. Es ist zu übersetzen: “er reinigt 
sich m den Wassern, um dem Opferer reichlich zu spenden”. 
Bei der hergebrachten Erklärung von ydjate als 5. Sing. hängt 
pdrtimani ganz in der Luft. 
Serdhärman, dharmani., ἘΝ. 9 1:1: 
dsrgram indavah pathä | 
dhärmann rtäsya susriyah | 
Ludwig übersetzt: “Auf ihren Weg sind die Tropfen ergossen, 
zu des Gesetzes Aufrechterhaltung, die herrlichen"; — ferner 
ebenso 9. 110. 4: 
djıjanö amrta märtyesv ὦ 1 
rtäsya dhärmann amitasya cärunah | 
Ludwig: “Du hast (ihn) erzeugt Unsterblicher unter den Sterb- 
lichen zu der Ordnung Erhaltung und des schönen Amrta ”. 
Zu vergleichen ist 2. 23. 17: 
sd ımacid vnayd brähmanas pdtir | 
druhö παρέα mahd rtäsya dhartari | 
S. die Litteraturangaben zu dieser Stelle bei Johansson RZ. 
XXX 414f. Es scheint mir das nächstgelegene, »tdsya dhär- 
man und rtdsya dhartäri in der gleichen Bedeutung zu neh- 
men. Jedenfalls nieht angängig ist Grassmanns Übersetzung, 
der an den ersten Stellen “nach des Rechtes Brauch”, “im 
Brauch des Opfers”, an der letzten aber “zu des grossen 
Rechtes Schutz bietet. So verschieden dürfen die Aus- 
drücke nicht genommen werden. Übersetzt man mit Johans- 
son rtdsya dhartdri mit “ ein Schutz des Rechtes” — s. oben 


500 Christian Bartholomae, Arica II. 


S.496 N. 2 —, so bleibt für »tdsya dhärman auch nichts an- 
dres übrig, als es final: “zum Schutz des Rechtes” zu fassen. 
Nominativ kann dharman ja doch nicht sein. 
RV. 1415993: 
sthätüs ca satyd jägatas ca dhärmani | 
putrdsya pathah paddm ddvayarvinah | 
Ludwig macht mit Recht satydm von dhärmani als Objekt 
abhängig vgl. auch seine Erläuterung im Kommentar ---: 
dann aber kann dhdrmani nur in finalem Sinn gebraucht sein. 
ἘΝ θεῶν grim aller 
yasya dhärman seär Enth ἃ 


saparydnti mätar üdhah | 
Wenn ich die Strophe recht verstehe, so bedeuten diese Worte: 
“den Agni verehr ich..., dessen Glanz zu erhalten die Bunten 
dler Mutter Schooss dienend aufsuchen”. Mit enzh werden die 
Holzscheite gemeint sem — nach Sayana sind es die dhuta- 
yah —, mit mätar (se. agneh) üdhah der Herd. 
S. noch Ludwigs Übersetzung zu RV. 3.38. 2 und 9. 97. 22 
(mit den Bemerkungen im Kommentar); ferner Brunnhofers 
Übersetzung zu 3.2.3. 
δ. dahdrimani a RVIL 28 
aydm jäyata mdnuso dhärimani | 
Ludwig: “Zu des Menschen Erhaltung ward (er) geboren”. 
S. auch Ludwigs Übersetzung zu 9. 86. 4. 
Münster (Westf.), 12. August 1891. 
Christian Bartholomae. 


Lat. perendie. 


It has long been recognised that the first part of this 
word is connected with the Sanskrit pdra (οἵ, KZ. ΠῚ 395, 
XI 6, XIII 190, Corssen Aussprache I? 446), but, so far as I 
know, no satisfactory explanation has been given of the form 
peren. According to Corssen (l. e.) perendie has arisen from 
"perom diem, in which case we should have to suppose that 
it became perendie after the analogy of postridie and the 
like. His explanation, however, may be called in question 


J. Strachan, Lat. perendie. 501 


for both phonetie and syntaetie reasons. Phonetically *perom 
diem might have been expected to become *perundiem, as 
=tantom-dem becomes tantundem. Syutactically a locative 
would have been more in place, ef. pridie, postridie, meridie, 
skr. aparedyus, paredyavt, οἵ. Grassmann KZ. XI 6 sq. Grass- 
mann suggests that in peren we have a locative form, but his 
explanation of it is untenable. *Peren as a locative from pero- 
could be compared only with the locatives in » that Bartho- 
lomae has pointed out m BB. XV 25 sqq., and it is most im- 
probable that such highly archaie forms should form part of an 
ordinary adjeetive deelension. Solmsen’s derivation of enim 
(ΚΖ. XXX1475) has suggested to me another possibility. Latin is 
one of those languages where certain adjectives in some cases 
follow the pronominal deelension (ef. Brugmann Grundriss II 
460). Thus corresponding to skr. pdrasmin we might have 
a loeative *peresmi whence, with loss of 2 (ef. Grundriss 1503, 
Leo Meyer VG. 15 991 54.) perem and, by assimilation, peren. 
As to the second part of the word, if we may assume a pre- 
historie peresmi dieui, it has followed the change of deelen- 
sion of dies. An Idg. locative *dieu or "die is not in itself 
ineonceivable, but could not be assumed without further evi- 
denee. For the meaning “the day after the morrow ef. 
ἔννηφι, skr. anyds, Curtius Gr. Et.° 310. 
Marple, Cheshire. {τ ΘΙ ἃ ΟἿ ἈΠ: 


Καταεβῶςαι bei Herodas. 


In den kürzlich ans Tageslicht getretenen, in ionischer 
Mundart abgefassten Mimiamben des Herodas heisst es (V,39): 
τήν «εὐ χολὴν γὰρ ἤθελον Karacßwcan. 

Karacßwcoı steht hier im Sinne von καταςβέςαι. Kkuther- 
ford, der mit der Form nichts anzufangen weiss, ändert sie 
in καταεβέεςαι und vergewaltigt damit die Überlieferung. An 
dieser ist nichts auszusetzen. 

Die Wortsippe cßevvüuı führt, wie ich Morphol. Unters. I 
19 ff. gezeigt habe, mit Notwendigkeit auf ein seg- als ihre 
Wurzel, wahrschemlich dieselbe Wurzel, von der lat. segni-s'!) 
| 1) sögni-s aus *segu-ni-s wie ägnu-s aus Fagu-no-s (vgl. avilla 
und duvö-c aus "aßvo-c). 


Indogermanische Forschungen I 5. 39 


502 Karl Brugmann, 


kam und ai. saj-, das, ausser “hängen im allgemeinen, auch 
“hängen bleiben, stecken bleiben, stehen bleiben, zögern u. 
dgl. bedeutete. cPB-ec- in cßec-caı cßevvuu u. 5. w. zeigt das- 
selbe wurzelerweiternde Suffix -es-, das z.B. in fr-es- “zittern 
von Wurzel ter- tr- (Tpec-cav τρέ(ε)ω al. trasa-ti “ erzittert ', 
vgl. τρ-έμω lat. tr-emo und ai. tar-ald-s “sich hin und her 
bewegend, zitternd 7), in E-ec- von Wurzel ges- gs- (Zec-ce ξέ(ε)ω, 
vgl. ξ-ύω und aksl. ces-ati “kämmen, striegeln’ lit. kas-Yyti 
“kratzen ), in Bd-ec- von Wurzel pezd- bzd- (βδέςαι βδέ(ε)ω 
Bdevvuuon, vgl. sloven. pezdeti cech. bzditi furzen lat. pedo aus 
®pezdo) und in w-es- "ankleiden von Wurzel eu- u- (griech. 
(F)ec-ca (F)evvuuaı lat. ves-ti-s, vgl. lat. er-uo aus ἕτοιμα *-euö 
umbr. an-ovihimu " mduimino ') vorliegt. Vgl. Verf. Grundr. II 
S.20, Per Persson Studien zur Lehre von der Wurzelerweiterung 
und Wurzelvariation 77 ff. Der Stamm cß-n- aber in E-cBn-v 
cBr-coucı €-cßn-ka, der nur mit gröblicher Vernachlässigung 
klarer Lautgesetze aus cßec- gewonnen werden kann, hatte 
dasselbe Suffix -ὅ- wie E-BA-n-v ἐ-βάλ-ητν von Wurzel gel- 
(βέλος), πλῆ-το von W. pel- "füllen (moAV-c got. filu), E-ppV-n 
von Wurzel sreu- (pe(F)-ea) und zahlreiche andre ein- oder 
zweisilbige Stämme (Verf. Griech. Gramm.*? $ 114 S. 153). 

Es eröffnet sich nun ein doppelter Weg zur Erklärung 
von cBwcaı. 

Zunächst kann man neben cß-n- ein mit ıhm ablauten- 
des cß-w- annehmen. Vgl. z. B. Z-w- (in EZwca Zww gort. 
δώ) neben Z-n- (in Zncw Einca ζῇ aus "Zn-ıa) aus *gi-e- 
®-0- (vgl. av. jyaiti- “ Leben’) von Wurzel gei- in av. gay-a- 
“Leben” und sonst; w-w- (mM ψώχω WWUO-C Wwpö-c) neben 
w-n- (in Eynca ψῇ aus *"yn-ıa) aus "bhs-e- *bhs-ö- (vgl. ai. 
psä-ti “zerkleinert, kaut, verzehrt’ part. psa-td-s) von W. bhes- 
in ai. bad-bhas-ti “zerkleinert, verzehrt bhds-man- " verzehrend '; 
ebenso gn-e- gn-ö- kennen’, pl-e- pl-6- füllen’, 1-6- ?-0- "ge- 
hen’ u. a. cßwcaı wäre hiernach mit Z-W-caı, ἀνα-γνῶςαι (Wur- 
zel gen-) u. ähnl. auf gleiche Linie zu stellen. 

Eine zweite Möglichkeit ist durch die Hesychglossen 
Zoacov (ἃ oder a?) cßecov (cod. ceßecov) und Zodc' εβέεεις 
(ecod. ζοᾶς᾽ ceßeceic) an die Hand gegeben. Das Z ist ebenso 
wie in Zeivauev' cßevvuuev (man schreibt wohl mit Recht Zeı- 
vuuev dafür) und in EZıwvev' ἐπεεβέννυεν Vertreter von zd. Ein 
*7do(c)aLw oder *zdo(c)aw neben cßec- zdec- ist nicht auffal- 


Καταςεβῶςαι bei Herodas. 503 


lender als got. wasja ahd. weriu werru "bekleide’ Grundf. 
#4oseio neben (F)-ec-ca oder als ai. trasa-s taträsa träasaya-ti 
neben tr-dsa-ti. Hiernach könnte cßwcaı dieselbe Kontraktion 
von on in w erlitten haben wie die ion. Eßwca em-Bwcouaı 
Beßwueva zu Boaw, EV-VWCÄC VEVWUEVOU ZU νοέω, ἐβώθεον ἐβώ- 
Oncav zu Bondew. 

Unser cßwcaı, mögen wir es mit Ζῶςαι oder mit Bwcaı 
Bofcaı auf eine Linie stellen, ist insofern von besonderm 
Interesse, als es uns den Wechsel zwischen cßec- und cdec- 
besser verstehen lehrt als wir ihn bisher verstehen konnten. 
Idg. g erscheint lautgesetzlich als ß vor o-, als ὃ vor e-Voka- 
len, wie in βούλομαι : dor. δήλομαι, βολή : ark. δέλλω, ὀβολό-ε: 
delph. 6deXö-c, βοῦς, ἔρεβος, δέ, ἀδήν u. 5. w. Lautgesetzlich 
waren also unter den überlieferten Formen unsrer Wortsippe 
nur καταςβῶςαι und Zeivauev (Zeivuuev). Von cBßo(c)- (cBw-) aus 
war ß in cßevvuu cßeccon εβῆναι eingeschleppt, von cdec- aus 
ὃ in Zoacov Zoäc. 

Nun ist freilich keineswegs sicher, dass Zoacov auf eine 
Stammform *zg-os- zu beziehen sei. Neben Z-ec-caı stand ein 
gs-u-, vertreten durch ξύω schabe, reibe ab’ Zu-pö-v ai. ksu- 
rd-s “Schermesser’, wozu wohl Zoö-c Zucuöc (Hesych), ξόα- 
vo-v und Zoic zu ziehen sind (mit Zof-, nicht mit Zoc-). Fer- 
ner stand neben ?r-e- (τρῆ-μα Loch’ ahd. drau “drehe’) ein 
tr-u- (τρύω “reibe auf TpUckw tpüxoc, aksl. trova “reibe auf, 
verbrauche ), neben pr-e- (πρήθω miu-npn-u “blase auf, sprühe, 
schüre, zünde’ russ. preju “schwitze, siede, entzünde mich’) 
ein pr-u- (aisl. fraud Schaum’ ai. pru-g- "spritzen ’ lit. prau- 
s-ti “das Gesicht waschen’) u. dgl., s. Per Persson a. a. Ὁ. 
S. 171. 173 u. sonst. So kann neben zg-es- und zg-e- ein 
2g-u- zg-eu- zg-ou- gelegen haben, auf das sich Zöacov bezie- 
hen liesse, indem man es auf *Zofacov zurückführte. 


Für einen Stamm zg-u- sprechen mit ihrem &- die beiden 
Glossen ἐξίνει: emecßevvvev und ἀποξίννυται: ἀποεβέννυται, de- 
nen sich xaracecac' cßecac anschliesst, da sein c, wie schon 
M. Schmidt s. v. amoZivvuraı vermutet hat, wahrscheinlich 
Schwächung von & war, vgl. att. Insechr. εὐλον εὔὐλινος (Mei- 
sterhans Gramm. d. att. Inschr.? 71), coavo ἀξίνη. TTagıoı zu 
ξόανον (vgl. Meister Die griech. Dial. II 249, ©. Hoffmann 
Die griech. Dial. 1 227), Σενοφίλου CIG. 2585 und andres, 


504 Karl Brugmann, 


3. Curtius Gr.? 696, G. Meyer Gr. Gr.? 257, Kretschmer KZ- 
XXIX 4682). 

Was zunächst den im ἐξίνει und ἀποξίννυται hinter der 
Wurzel auftretenden ö-Vokal betrifft, den auch EZıwvev’ emecßev- 
vvev hat, so haben wir hier wieder ein andres Wurzelsufhix, 
-7-, das z. B. auch vorliegt in op-ivw ai. r-i-nea-ti r-i-mäd-ti 
r-i-t- r-7-ti-$ neben ὄρ-νῦτ-μι al. 7-ned-ti, m xp-ivw lat. dis-cr- 
men neben lit. skör-ia, in gr. Ay-ıvw ay-ivew?) neben dy-w 
kret. ἀγ-νέω, im πινύμενο-ε πινυτό-ε aus FrF-ı-vu- neben vn- 
πύ-τιο-ε al. pu-nd-ti?), in ai. bhr-i-na-ti aksl. br-i-t (av. br-Oi- 
bra-) neben gap-o-c lat. for-are, in ai. sr-1-na-ti neben sr-td-s. 
Da öpivw lesb. ὀρίννω auf *öpı-vFfw zurückzuführen ist, so 
dürften ayıvw und EZivev entsprechend aus *ayı-vFo- und *zd1- 
vFo- entstanden sein. ayivew und ἐξίνει aber beruhten auf jün- 
gerem Übertritt in die Klasse der Verba auf -έω, wie mırvew 
neben mirvw, εἰλέω neben εἴλω, worüber ich an andrer Stelle 
handeln werde. damo-Zivvurar fasst man am einfachsten als 
eine Kombination von ξι- mit *zevvou 1). 

Die Wurzelform Z- kann nur als Vertreter von zy- an- 
gesehen werden. Ob eine wirkliche Umstellung der beiden 
Laute stattgefunden hatte, oder ob EZ nur ungenaue Bezeich- 
nung des gesprochenen, wahrscheinlich stimmhaften Lautes 
oder Lautkomplexes war (vgl. die Bemerkungen Kretschmers 
in ΚΖ. XXIX 459 ff. über die Aussprache von Z und w), bleibt 
ungewiss. zy- aber lässt vermuten, dass im Griech. einmal 
Formen mit «-Vokal vorhanden waren. Denn wo in demsel- 


1) Bei ξύν und εὖν mag die zwiefache Gestaltung des Anlau- 
tes in die vorgriechische Entwicklungsperiode hinaufreichen. S. 
Kretschmer RZ. XXXI 415 f. Dass dieses auch bei cbAov und codva 
der Fall sei (s. Kretschmer S. 417. 419), ist mir sehr unwahrschein- 
lich. Ganz abzuweisen ist es natürlich für Σενοφίλου τι. ἃ. (5. Kretsch- 
mer 5. 423). 

2) Vgl. ai. dj-@-s d-sar-ar-t (neben d-sar-t-t), wo dasselbe Suftix 
in Hochstufengestalt erscheint (vgl. Bartholomae Stud. zur ide. 
Sprachgesch. II 63 ff.). 

3) Dasselbe ἢ in italisch *px-7-/o-s osk. piihiui lat. p2u-s und 
in ai. pav-i-tär- (Bartholomae Stud. zur idg. Sprachgesch. II 155). 

4) Führen wir Zöacov auf *zg-ou- zurück, so haben wir ein 
Nebeneinander von «-Sufix und -Suftix, wie bei φλούω PA-vV-ddw 
und Φλ-ί- ας φλ-ι-δή, bei τρ-ὕω und lat. ἐγ-τ-εἰ ἐγ-τ-έιι- 5. u. dgl., 5. Per 
Persson S. 104. 124. 131. 160 und sonst. 


Karacßwcaı bei Herodas. 505 


ben Wortstamm allgemeingriechisch y xx mit ßmg oder ὃ τ 
8 als Vertreter von idg. Velarlauten wechselten, ist in allen 
klaren Fällen ein folgendes oder vorhergehendes «# im Spiele 
gewesen, wie bei rnpec-yu-c (vgl. ἐγ-γύ-ε weccn-yü-c) neben 
πρέεβιετο-ς, Yoy-rÜ-Zw neben Bon, ὑ-τιής eigentlich “wohllebend 
neben Bio-c und ζῇ (*gi-e-), Bou-KöAo-c neben ai-TöA0-C ἵππο- 
πόλο-ς, ἐλαχύ-ε neben ἐλαφρό-ς ἐλαθρό-ς (Ss. Verf. KZ. XAV 
Beer TS: 316 Ὁ 3197, Gr. Gr.” 8. 55 Ὁ de’ Saussure 
Mem. de la Soe. de lingu. VI 161 f., Wackernagel Das Deh- 
nungsgesetz der gr. Kompp. 4, Bezzenberger in seinen Beitr. 
XVI 252). So würden ἐξίνει, ἀποξίννυται und Katocecoc, indem 
sie auf ein *zg-«0- auf griechischem Boden weisen, zu gunsten 
der Annahme sprechen, «dass Zoacov und Zodc aus ZoF- ent- 
standen waren; diese Formen verhielten sich zu cßec-caı wie 
Zo(F)-6-c “das Schaben’ zu Zec-ca. 

Man hat aber — ich will keine Mögliehkeit beiseite las- 
sen — auch noch damit zu rechnen, dass das o von Zöacov und 
ζοῦς als Vertreter von v (x) gefasst werden kann, als welcher 
dieser Vokal in einer Reihe von hesychischen, zum teil kypri- 
schen Glossen erscheint (G. Meyer Gr. Gr.? 5. 105 f., Meister 
Die griech. Dial. II 217 ff., ©. Hoffmann Die griech. Dial. I 
165 f.), dass uns also in Zo- die nach dem Anlaut &- zu ver- 
mutende Stammform *zg-ı- noch unmittelbar überliefert sein 
kann. Indessen wird diese Auffassung durch unser κατα-εβῶ- 
coı, falls dieses aus *-cBoncaı entstanden war, unwahrschein- 
lich, weil das o dieser Form idg. o gewesen sem muss. 

Bei der Mamnigfaltigkeit von Formen, die die Sippe 


cBevvuu bietet, und bei der Art ihrer Überlieferung — wir 
wissen nicht, aus welchen Dialekten die hesychischen Glossen 
stammen und ob sie alle genau geschrieben sind — ist es 


natürlich, dass mancherlei im einzelnen zweifelhaft bleibt. Es 
genügt mir, gezeigt zu haben, dass ein Verständnis des über- 
lieferten ohne allzu gewagte Hypothesen wenigstens möglich 
ist. Was im besondern das neu entdeckte κατα-εβῶςαι be- 
trifft, von dem wir ausgingen, so ist es ohne Zweifel unan- 
getastet zu lassen, und so lange nicht ein mit cß-n- ablauten- 
des cß-w- sicher belegt ist, gebe ich der Herleitung aus *-cBon- 
caı den Vorzug, mag dieses ein *cB-oc- oder eim *-cB-oF- ent- 
halten haben. 
Leipzig. Karl Brugmann. 


506 Heinrich Lewy, 


Kyprisches. 


1. Unerklärt ist die Glosse bei Hesychios: ἀβάθματα" 
ς«τρέμματα (Κύπριοι). Das Wort hat semitischen Ursprung. 
Ich vergleiche ἀβᾶθ-ματα mit hebräisch ni22 "bhoth “Strick, 
Flechtwerk’. Im Phönizischen könnte der zweite Vokal leicht 
ein anderer (4) gewesen sein. 

2. Unerklärt ist die Glosse bei Hesychios: ecdAai' 
ξύλινα maiyvıa' AuaB8oVcıoı. Ο. Hoffmann (BB. XV 
50) liest EcoAaı — ἔς-εολαι — ἔκξυλαι ganz aus Holz beste- 
hend’. Durch diese Änderung wird die alphabetische Folge 
gestört. Ich betone ἔεθλαι und vergleiche €c-8Xa hinsichtlich 
des Suffixes mit ἱἹμάς-θλη. In €c- aber erkenne ich hebräisches 
und phönizisches y» ‘@s Holz’. Wegen der Vertretung von 
x durch c vgl. A. Müller BB. I 282 ff. Wenn das e nicht 
etwa im Phönizischen kurz war, so liegt es nahe, eine An- 
sleichung an ἐςθλός anzunehmen. 

3. οἱ γὰρ Κύπριοι τὸ δεεμωτήριον κέραμον καλοῦειν, 
heisst es im Scholion zu Ilias E 387, der einzigen Belegstelle 
für κέραμος in dieser Bedeutung: 

δῆςαν KPATEPW ἐνὶ dEcUW' 

χαλκέῳ δ᾽ ἐν κεράμῳ δέδετο τριςκαίδεκα μῆνας. 
Wir dürfen das homerische Wort unbedenklich als kyprisch 
nehmen, da eine Lokalisierung des Aloaden-Mythos, in dem es 
vorkommt, auf Kypros bezeugt ist: vgl. Preller Griech. Myth.* 
I 105. Bereits Hamaker, Miscellanea Phoenicia p. 304, hat 
(dieses κέραμος. als semitisch beansprucht, in Hoffmanns Ver- 
zeichnis der sicher oder wahrscheinlich semitischen Vokabeln 
(a. a. Ο. 5. 82) findet es sich aber nicht. Indessen würde ich 
nicht mit Hamaker an einen locas seclusus, cutus aditu pro- 
hibentur exteri (wie Harem “Frauengemach) denken, sondern 
an hebr. Dan cherem “Netz, Garn‘, also etwas, das zum Fan- 
&en dient. Man vergleiche das fein wie Spinnweb geschmie- 
ddete Netz, welches Hephaistos um Ares und Aphrodite schlingt 
(Odyss. θ 273 fgg.). Die auffallende Entsprechung 7 —=x (ge- 
wöhnlich ist 7 im Griechischen ganz weggefallen) zeigt sich 

auch in Θάψακος = noen, vgl. Müller a. a. Ὁ. S. 284. 
4. Ungedeutet ist die Glosse bei Hesycehios: κάβειος" 


Kyprisches. 507 


νέος. Πάφιοι, welche so an falscher Stelle, zwischen Kaßeıpoı 
und Kaßncöc, steht. Ich erkläre sie, mit Herstellung der alpha- 
betischen Ordnung, als entstanden aus xaßn' εἶδος νεώς. 
Vgl. Hesychios κάβος ᾿ μέτρον ειτικὸν χοινικαῖον, οἱ δὲ εκυρίδα. 
Wie hier κάβος den Korb, insbesondere den Fischkorb, be- 
zeichnet, so kann κάβη (ähnlich cxapn neben εκάφος, κύμβη 
neben κύμβος) sehr wohl auch für eine Art Schiff gebraucht 
worden sein, vgl. Hesychios κυμβίον ᾿ εἶδος ποτηρίου καὶ πλοίου, 
und κύμβη ᾿ νεὼς εἶδος καὶ ὀξύβαφον. Migliarini führt die 
Ansicht aus, dass man an Trinkgefässen die Augen angebracht 
habe, um sie als Schiffe zu charakterisieren, wie ja viele Ge- 
fässnamen von Fahrzeugen entlehnt seien, was für seefah- 
rende Völker eine erwünschte Erinnerung sei (Jahn Üb. d. 
Abergl. d. bösen Blickes, Verhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss. 
phil.-histor. Kl. 1855 δ. 65) 1). 

ὃ. Ungedeutet ist die bei Hesychios am richtigen Orte 
stehende Glosse: κυβάβδα᾽ αἷμα ᾿᾿Αμαθούειοι. Ich er- 
kläre KYBABAAAIMA als entstanden 
aus KYBABAAANTIA d. h. xuüßa' BaAavrıa, “Beutel, Geld- 
beutel’. Zu κύβον neben κύβος (κύβον Πάφιοι δὲ τὸ τρυβλίον) 
vgl. oben No. 4. Wegen der Bedeutung vgl. Hesychios κυ- 
Bnciav' πήραν, “Ranzen’, Kißıcıc' mApa Κύπριοι, Küußecıc 
ἢ kißıcıc ᾿ mnpa, ferner κίββα ᾿ πήρα᾽ Αἰτωλοί. Die Gleich- 
setzung der Wörter mit κυβ- und mit κιβ- ist zweitellos (vgl. 
indessen G. Meyer Griech. Gramm.? $ 91). 

Denselben Stamm mit der Grundbedeutung “hohl” finde 
ich im κύβος : Πάφιοι δὲ τὸ τρυβλίον, in κύββα ᾿ ποτήριον, 
in Kußäc ' cupöc (ειρός ? copöc ?), in κύβεθρα ᾿ τὰ τῶν μελιςεςῶν, 
Zellen’, in κίβος ᾿ κιβώτιον und κιβωτός ' λάρνοξ, κίετη (Sui- 
das). Die Hesychios-Glosse κίβον᾽ ἐνεόν Πάφιοι ändere 
ich nicht mit Hoffmann a. a. ©. δ. 97. in κίβον ᾿ ἐλεόν Küchen- 
tisch, Anrichte’, sondern wieder in κίβον εἶδος νεώς. 

Hoffmann a. a. O. S. 98 nimmt für Κύβος, κυβάς, κύββα, 
κύμβος (Hesychios κύμβος ᾿ κοῖλος μυχός, βυθός, καὶ κεραμίου 
πυθμήν), κύμβη (Hesychios κύμβας ᾿ καὶ εἴδη ποτηρίων), κύμβιον 
den Stamm ®xef an, von welchem κύαρ “Höhle’, κύτος Becher’ 
und κοῖλος —= *KöFf-ı\oc. Ourtius Griech. Etym.? S. 528 stellt 


1) Vgl. auch noch Suidas κυμβίον  eidöc τι ἐκπιύματος ἐπίμηκες 
καὶ «τενὸν καὶ TW cyruarı παρόμοιον τῷ πλοίω ὃ καλεῖται κυμβίον. 


508 Heinrich Lewy, 


κύμβη, κύμβος, womit er κύββα vergleicht, zu skr. kumbhas 
“Topf, Krug’ und avest. khumba “Topf. 

Ich halte den Stamm der oben von mir zusammenge- 
stellten Wörter für ebenso semitisch wie griechisch. 
Vgl. hebräisch 8212 kabhä‘, Stammwort „12 kabh (J. Levy 
Neuhebr. u. chald. Wörterb. II 301), welches bedeutet 1. Krug, 
Kanne, Kufe, 2. gewölbter Raum. Ferner 2p qäübba "Zelt, 
Gemach’. Auch diese Bedeutung erscheint bei Hesychios: κύ- 
βηνα ᾿εκήνωμα, und danach ändere ich die Glosse κυβιςείς  κήλη 
in κύβιεις ᾿εκηνή. Sodann hebr. m2p göbha “Bauch', 727 
qebha ‘Magen’. Auch »277 gobhä — "353 köbhad “Helm’, ὩΣΞΡ 
qüäbbaath Becher‘. Vergleiche jetzt Uppenkamp Der Begriff 
der Scheidung nach seiner Entwickelung in semit. u. indogerm. 
Sprachen (Progr. d. Königl. Gymn. Düsseldorf 1891) S. 18. 

6. Ungedeutet ist bei Hesychios die Glosse xadauoc 
τυφλός Σαλαμίνιοι. Hoffmann ἃ. ἃ. Ὁ. S. 87 möchte mit 
Sehmidt κ᾿ ἀλαός schreiben (das später folgende καλαός ' TU- 
φλός ist nämlich aus einem Missverständnis des Grammatikers 
geflossen, vgl. Odyss. 8 195). Allein xadauoc steht an dem 
ihm nach dem Alphabet zukommenden Platze, und so erkläre 
ich mir TY®AOC entstanden aus TY®RC (τυφώς) “zerstörender 
Wirbelwind, Sturm’. Alsdann stammt κάδαμος von D7p qedem 
‘Osten’ Stammform gadm), vgl. Κάδμος. Der Ostwind aber, 
272 gadım wird auch im Hebräischen des öfteren als schäd- 
licher Wind und auch allgemein statt Wind genannt. 

τ. Hesychios bietet zwischen ZaAov und Zaußukn die 
beiden Glossen: ζαλμάτιον τρύβλιον und ZaAuartoc' πί- 
ναξ ἰθυηρὸς παρὰ Παφίας. M. Schmidt liest Zaudrıov — 
ζάματος — ixBunpöc — Tlapioıc und vergleicht Ζωμός (ζωμὸν 
ἰχθυηρόν Luucian. Lexiph. ce. 5). Hoffmann S. 81 behält Ζαλ- 
uarıov, ZaAuatoc bei und denkt an die semitische Wurzel >>: 


“5 


galal, so dass ZT aus yj entstanden wäre. 

Ich stelle Zauarıov zu hebr. Dr selem (Grundform salm) 
Bild’: im Talmud findet sich auch das Denomimativum Dax 
sallem “ein Bild aufdrücken, bemalen‘. Für die Vertretung 
von £ dureh Z statt dureh c oder cc weiss ich nur ein siche- 
res Beispiel, aber dieses eine ist gerade kypriseh: ἄριζος (He- 
sychios ἄριζος ᾿ τάφος ᾿ Κύπριοι) entspricht ehaldäischem ya 
ch“ris “Graben’. ZaAudriov ist eine mit bildlichen Darstel- 
lungen versehene Schale, ähnlich der des Ziegenhirten bei 


Kyprisches. 509 


Theokrit I 27 ff. ZaAuaroc ist ein ähnliches Gefäss, nur grösser: 
eine Schüssel. Auf der Bronzeschale von Idalion ist ein Opfer 
an Aphrodite dargestellt, wobei die Göttin ebenso ausgestattet 
erscheint wie ihre Diener: vgl. Holwerda Die alten Kyprier 
in Kunst und Kultus (Leiden 1885) S. 31 ff. 

Das überlieferte παρὰ TTagpıac mit Schmidt in παρὰ TTo- 
φίοις zu ändern kann ieh mich nicht entschliessen, da gewöhn- 
lieh der Nommativ (Πάφιοι, Κύπριοι) steht und (dieser Zusatz 
doch vielmehr bei dem vorhergehenden Zakuarıov zu erwarten 
wäre. Bei Ableitung von ZaAuaroc aus dem Phönizischen 
sieht man auch nicht ein, warum das Wort gerade eme Fisch- 
schüssel bezeichnen sollte, und muss daher Bedenken tragen 
ἰθυηρός in ἰχθυηρός zu verwandeln. 

Nun wird aber p>x selem ganz besonders von Götter- 
bildern gebraucht, und dieser Umstand giebt Veranlassung, bei 
Tlapioc an die bekannte Τ]αφία d. h. die Aphrodite von Paphos 
zu denken. Ich erkläre mir die Entstehung der Verderbnis fol- 
gendermassen: TIINAZ IOY<®AAAOC) lEPOC TTAPAXCHMON) 
TTABIAC. Die Glosse hätte also ursprünglich gelautet: Zax- 
ματος ' πίναξ. ἰθύφαλλος ἱερὸς mapacnuov Tlapiac, 
d. h. ζάλματος bedeutet 1. eine Schüssel, 2. den heiligen Phallos, 
das Sinnbild der Göttin von Paphos. Zu Paphos wurde Aphro- 
dite im Allerheiligsten unter dem Bilde eines Kegels oder einer 
Pyramide verehrt, und dieses Bild erscheint sogar auf Münzen 
von Sardes und von Pergamon mit der Aufschrift TTapia: 
vgl. Preller Griech. Myth.* 1382. Den, oben in einen Knopf 
endigenden, Kegel — nach Furtwängler bei Roscher Lexikon I 
Sp. 407 die rohe plastische Urform der weiblichen Hauptgott- 
heit; nach Ed. Meyer Gesch. d. Altert. 1 242 von der ägypti- 
schen “Hieroglyphe des Lebens’, dem Henkelkreuze abzuleiten 
— konnte em Grammatiker sehr wohl als Phallos deuten, zu- 
mal wenn er gewisse Züge des Aphrodite-Kultus bedachte. 

Bei Hesychios ist zwischen Za und Zaßaxkeıv überliefert: 

ὲ 
ζάβατος πίναξ ἰθυηρὸς m παφίας, was Schmidt ebenfalls 
in ζάβατος᾽ πίναξ ἰχθυηρὸς παρὰ Παφίοις geändert hat. Aber 
diese Gleiehheit der Schreibfehler bei ζάλματος und Zaßatoc ist 
doch gar zu eigentümlich. Dazu kommt, dass Zaßaroc nieht zu 
erklären ist: denn die Annahme von Hoffmann S. 70, Ζ sei hier 
aus yj entstanden, dieses ; aber sei parasitisch und ζάβατος 
dem Stamme nach gleich γαβαθόν --- diese Annahme ist jetzt, 


510 Heinrich Lewy, Kyprisches. 


nachdem ZaAuatoc und ZaAuarıov eine andere Erklärung gefun- 
den haben, in Bezug auf ein Fremdwort jedenfalls unhaltbar. 

Angesichts der offenbaren Unordnung, welche im Hesy- 
chios bei den in Rede stehenden drei Glossen herrscht, glaube 
ich getrost behaupten zu dürfen, dass die Glosse Zaßatoc' 


ὲ 
πίναξ ἰθυηρὸς m παφίας als fehlerhaftere Wiederholung jener 
fehlerhaften anderen zu streichen 50]. 

Zwischen γαβαλάν und Yyaßepyöp steht bei Hesychios: 
ταβαθόν. τρύβλιον. τάβενα᾽ ὀξυβάφια, ἤτοι τρύβλια. 
Hoffmann 5. 70 vergleicht lateinisches gabata bei Martial 
(eine Art Speisegeschirr, Schale, Assiette: VII 48, 3; XI 31, 18) 
und die semitische Wurzel >>3 galäl, die nach ihm "aushöhlen , 
meines Wissens aber nur “wälzen, rollen, runden’ bedeutet. 
Sicherlich ist vielmehr hebr. »°23 gabhia “Kelch” zu ver- 
gleichen. | 

ταβαθόν fügt sich in die alphabetische Reihenfolge, wenn 
man es in raßarov (vel. gabata) ändert. 

Statt des zwischen γαμάλ und yaußpıa überlieferten yau- 
Bpıov τρύβλιον vermutet Δ]. Schmidt γαμάτιον. Hoffmann 
S. 70 denkt an yaıudrıov, entsprechend dem ZaAugrıov. Ich 
stelle die Ordnung her, indem ieh raudpıov schreibe, das auf 
s23 σαηια “trinken, schlürfen’ (vgl. auch J. Levy Neuhebr. 
u. chald. Wörterb. 1339) zurückgeht. 

8. Noeh unverstanden ist die Ortsbestimmung ἰ(ν) τοῖ 
ἔλει in der kyprischen Inschrift SGDI. 60,5. Die Erklärung 
— ἐν tw ἕλει “in der Niederung’ scheitert an dem, allgemein 
als ursprünglich angenommenen , £ von ἕλος (vgl. Curtius 
Griech. Etym. 5 S. 360). Meister Die griech. Dial. II 208, ver- 
mutet zweifelnd τὸ ”EXoc “das El-Land’ als Name eines 
von den phönizischen Einwohnern innegehabten Teiles vom 
Stadtgebiet Edalion. Allein ich kann nicht glauben, dass 
es möglich sei, von dem phönizischen Gottesnamen > "EA in 
(dieser Weise den Namen eines Stadtteils abzuleiten. Semitische 
Herkunft des Wortes &Xoc bleibt trotzdem wahrscheinlich, 
nachdem Deecke-Siegismund das in dieser Inschrift zweimal 
vorkommende iv) τῶ ipwvı eimleuchtend von > 2) Stadt’ 
abgeleitet haben. Wenn übrigens Meister a. a. OÖ. II 151 bei 
Annahme (dieser Ableitung bemerkt, das Wort sei im Phöni- 
zischen gerade sonst nieht nachweisbar, so kann jetzt auf die, 


Oskar Wiedemann, Gotische Etymologien. 511 


freilich hinsichtlich der Lesung nicht zweifellose, Inschrift Corp. 
inser. Semit. No. 113, ı.2 verwiesen werden. 

Ich fasse τὸ &Xoc als das Oberland und vergleiche hebr. 
5» ‘al ‘Höhe’; >>> “"lijja “Obergemach’; 1158» ‘2ljon “Höch- 
ster’. Derselbe Stamm in phönizisch >>, n>>, “auf, über’; τὸν 
“Deckel, Sargdeckel’; 723 “hinaufsteigen‘. Vielleicht erscheint 
derselbe semitische Stamm auch m der Hesychios- Glosse: 
ἐλαία δίφρου Κυρηναϊκοῦ μέρος. 

9. Zum Schluss eine Bemerkung anderer Art. Hesy- 
chios bietet, eingesprengt zwischen αὐγάζομαι und αὐγάζουςα, 
die Glosse: 7 αὔγαρος ' dcwroc ὑπὸ Κυπρίων. Hoffmann 
a. a. Ὁ. S. 60 deutet αὔγαρος als entstanden aus ἀ-γ-αρός 
und vergleicht skr. vajas Kraft’, ug-rds "stark, kräftig‘, lat. 
vigeo, griech. vy-ınc. Gegen die Richtigkeit dieser Dentung 
spricht, von Anderem abgesehen, schon der Umstand, dass 
bei Hesychios &cwroc, und nicht acdevnc, als Erklärung steht. 
Ich lese: ἀγαυρός ' dcwroc ὑπὸ Κυπρίων, und vergleiche hierzu 
Hesychios: ayaupöc ᾿ αὐθάδης, κομψός, κακός, besonders aber 
Suidas: ἀγαυρός ᾿ ὃ κομψός, οἱ δὲ κακός. ὑπὸ ᾿Ιώνων δὲ ἄπορος, 
ὑπὸ δὲ ᾿Αττικῶν τρυφερός. Bei den Kypriern bedeutete also 
das Wort, wie bei den Attikern: “schwelgerisch’. 

Mülhausen (Elsass). Heinrich Lewy. 


kotische Etymologien. 


1. bairhts. 


An Stelle der üblichen Zusammenstellung von got. bairhts 
glänzend’ mit aind. bharga-, bhärgas- Glanz’ hat neuerdings 
Johansson KZ. XXX 447 Anm. 1 die Zurückführung von 
bairhts auf die idg. W. merk "schimmern’ vorgeschlagen, in- 
dem er annimmt, b- in bairhts erkläre sich durch Übertragung 
aus denjenigen verwandten Wörtern, die br- aus idg. mr- haben. 
Eine derartige Übertragung ist aber sehr unwahrschemlich und 
daher führe ich b- in baörhts auf idg. bh zurück. Ob aber 
aind. bhärga-, bhärgas- mit bairhts verwandt sind, ist zwei- 
felhaft, denn sie können eben so gut zu griech. pAeyeıv, lat. 
fulgere gezogen werden; da dann aber auch in den germ. 
Sprachen /, nicht 1’, erwartet werden muss und ὦ in blick, 
blitzen usw. wirklich vorliegt, thun wir gut, die von H. Web- 


bi | 
Ἐπ 
τῷ 


Oskar Wiedemann, Gotische Etymologien. 


ster Z. Gutturalfr. im Got. 80 f. zur Stütze der Gleichung 
germ. 7 —= griech. A, lat. ὁ gemachten Versuche unberücksich- 
tigt zu lassen und uns nach einer andern Etymologie des got. 
bairhts umzusehen. Als Ersatz für die Zusammenstellung von 
bairhts mit den genannten aind., griech. und lat. Wörtern 
bietet sich der Vergleich mit lit. javas berszti “das Getreide 
wird weiss’ (Leskien Ablaut 368), wie auch Fiek Vergl. Wh. 
191 annimmt. Fick zieht ferner aind. bhras “glänzen’ und 
griech. popköc “weiss, hell’ heran; da jedoch got. -ht-, Nit. 
-szt- auch auf pal. Med. +? zurückgehen können, möchte ich 
lieber als Wurzelauslaut die Media annehmen. Wir würden 
dann zu dieser Wurzel auch die Wörter für Birke (aind. bhar- 
ja-s, abulg. breza, lit. berzas, aisl. bjork), für die man bis 
Jetzt kein wurzelverwandtes Verbum hatte, ziehen können. 
Hierzu gehört wohl auch lett. berzt “scheuern’, eig. “weiss, 
glänzend machen. 


2. mapljan. 

Indem er mit Recht die von Leo Meyer Got. Spr. 263 
gegebene Zusammenstellung von got. ımapl “ Markt’, got. mapl- 
jan “sprechen, reden’ mit aind. mdäntra-m "Beratung, Rat’ 
ablehnt, will Liden P.-Br. XV 513 ἢ mapl mit lat. macula 
"Fleek’ zusammenstellen, was zwar lautlich sehr wohl mög- 
lich, begriflich aber durchaus nicht zulässig ist. Wie griech. 
ἀτορεύειν “in der Volksversammlung reden’, abgel. von ἀγορά 
“Volksversammlung, Versammlungsplatz, Markt‘, in etymolo- 
gischem Zusammenhang mit griech. ayeipeıv ᾿ versammeln’ 
steht, so dürfen wir auch für mapl als ursprüngliche Bedeu- 
tung Versammlung‘, daraus dann ἡ Versammlungsplatz, Markt’ 
und für mapljan als ursprüngliche Bedeutung "in der Volks- 
versammlung reden’, daraus dann allgemein “sprechen” anneh- 
men und uns nach einem wurzelverwandten Verbum mit der 
Bedeutung versammeln’ umsehen. Ein solches Verbum bietet 
sieh uns in engl. to meet (— got. "metan) “zusammenkommen, 
begegnen , dazu engl. meeting “Versammlung, Beratung, Be- 
gesnung‘. Der Widerspruch zwischen engl. ὁ und got. ἡ wird 
beseitigt, sobald wir urgerm. *mapla- = idg. "matlo- in idg. 
"mad-tlo- zerlegen, danach de Saussure M&m. soe. ling. VI 246 ff. 
idg. Dental +t-+Kons. bereits in der idg. Ursprache zu t+ 
Kons. wird’). Ausserhalb der germ. Sprachen lässt sieh die 


1) In Wörtern wie lat. claustrum, röstrum, got. gelstr u. dgl. 


Wilhelm Streitberg, Anord. tyggja und Verwandtes. 513 


für engl. to meet vorauszusetzende idg. W. med nicht nach- 
weisen. Zu erwähnen ist noch, dass Bezzenberger BB. IX 
134 mapljan vermutungsweise zu lett. meklet "suchen, forschen’, 
griech. μεταλλᾶν forschen, fragen’ stellt, was sich aber hin- 
sichtlich der Bedeutung nicht rechtfertigen lässt. 


ὅν qiban. 


Von den vielen für got. geban "sagen, sprechen’ gege- 
benen Erklärungen ist keine einzige sowohl lautlich als be- 
eriffich zu billigen und ich will daher, ohne mich auf eine 
Widerlegung der bisher aufgestellten Etymologien einzulassen, 
eine neue Erklärung vorschlagen. Nehmen wir an, dass ὁ 
in giban —= idg. e ist, woran man mit Rücksicht auf die Fle- 
xion (giba : gab : gebum : gibans) ja zunächst denken darf, 
so kommen wir auf eine idg. W. get "sprechen’ und auf diese 
Wurzel kann ohne Bedenken auch air. be! “Mund, Lippe’ (aus 
urkelt. *betlo-) zurückgeführt werden. Stokes BB. IX δῚ ver- 
gleicht air. bel mit griech. χεῖλος Lippe’, was aber von sei- 
ten des Griechischen lautliche Schwierigkeiten bietet; vgl. jetzt 
auch Richard Schmidt ὁ. S. 48. 

Leipzig. Oskar Wiedemann. 


Anord. tyggja und Verwandtes. 


Im Germanischen existieren mehrere Wörter von Wurzeln, 
auf deren anlautende Konsonanz ein ὁ folgt. Die wichtigsten 
sind: 

1. Got. speiwan u. s. w. von Wurzel spiei-. Osthoff 
MU. IV 315 ff. sieht in seinem 2. die sog. nebentonige Tief- 
stufe, das germanische Verbum ist ihm also ein “Aoristpräsens', 
idg. *sp2uö. Eine solche Auffassung scheint mir aber wegen 
abg. pljuja lit. spjduju wenig wahrscheinlich. Vielmehr dürfte 
eine Erklärung den Vorzug verdienen, welche die germanische 
Form nicht von der baltischen und der slavischen trennt. Eine 
Übereinstimmung mit ihnen wird erzielt, wenn wir in speiwa 
einen Vertreter der wurzelbetonten e/o-Präsensklasse sehen 
und es auf idg. *spiöeuo mit sonantischem ὁ zurückführen. 
müsste man demgemäss ein Suffix -sfro- annehmen, was ja ganz 
unbedenklich ist; so auch de Saussure a. a. Ὁ. 248 Anm. 1. 


514 Wilhelm Streitberg, Anord. fyggja und Verwandtes. 


Hierdurch ist auch zugleich der indogerm. Lautwert des mehr- 
deutigen slav. « lit. au bestimmt: es setzt idg. eu fort. Das 
für das germanische Verbum aufgestellte öe musste in den 
einzelnen Dialekten schon früh zu © werden, sodass wir ohne 
Schwierigkeit zu den überlieferten Formen kommen. 

2. Urnord. *Tiur habe ich in den Komparativen aut 
-z- ὃ. 18 im Anschluss an Bremer Paul-Braunes Beiträge 
XI 41 direkt einem idg. *dieus gleichgesetzt. Daraus musste 
urgerm. *7jeus entstehen. Das 7 hinter dem anlautenden ? 
musste fortfallen, vgl. ahd. lebara von Wurzel *lieg-; lat. 
iecur aus *liecur wie Juppiter aus *diou-. Die Zeit, in welcher 
(das urgerm. 7 verloren ging, lässt sich nicht bestimmen. 

In verschiedenen Dialekten erscheinen nun auch Formen 
mit >”. Der Name des Himmels(gottes) hat aber niemals ein ἢ 
besessen. Den germanischen Götternamen deshalb von *dieus 
zu trennen, verbieten jedoch mythologische Erwägungen. Viel- 
mehr liegt hier wie oben bei speiwan sonantisches ὁ statt eines 
konsonantischen © vor. Es verhält sich demnach: 

ahd. Zios- : ags. Trwes- — lat. Iovis : lat. Diovis. 

3. Schon Jacob Grimm Kleine Schriften III 130 hat 
anord. tyggja “kauen’ mit ahd. kiwwan zusammengestellt. Da 
man aber der lautlichen Schwierigkeiten nicht Herr werden 
konnte, geriet diese Kombination wieder in Vergessenheit. Und 
doch, glaube ich, hat Grimm das richtige getroffen. Die beiden 
Anlaute lassen sich sehr wohl vereinigen. 

Die idg. Wurzel ist *gieu-. Ahd. kiuwwan geht zunächst 
auf *kewonon, und tyggja auf *tewanan zurück, deren w — 
Kögels 0! ist. Die gemeinsame urgermanische Grundform für 
beide ist ®/jewonon. Aus tautosyllabischem %j ist auf nor- 
ddischem Sprachgebiet ein alveolar-präpalataler Verschlusslaut, 
das sogenannte monuillierte + entstanden (vgl. Lenz KZ. XXIX 
25), das später seine Mouillierung verloren hat. An Paral- 
lelen für den Übergang von palatalem % zu {Γ΄ im modernen 
Nordischen fehlt es ja nicht. Ist diese Erklärung riehtig, so 
haben wir zugleich den oben vermissten Anhaltspunkt zur Da- 
tierung des j-Schwundes: Der Verlust des j nach % (t, 1, p) ist 
erst einzeldialektisch, nieht urgermanisch. 

Juni 1891. Wilhelm Streitberg. 


Sachregister. 


Ablaut (qualitativer), von 
ide. ἃ : ὃ im Baltischen 303 ?; 
beim Wurzeldeterminativ 6: ὁ 


502; im Lokativ Sing. der eu- 
Stämme 227; in der III. Pers. Plur. 


Präs. Akt. der athemat. Verba 
39 f£. 
Abstraktum wird Konkre- 


tum 319. 


Abstufung (quantitative): 
1) Wurzelabstufung bei mag- 
mus:ueyac91.303.2) Abstufung der 
stammbildenden Suffixe: 
bei den ze-Stämmen im Idg. 13. 
268. 2871; im German. 215; im 
Lit. 268; im Slav. 286 — bei den 
«se-Stämmen 91 — bei den ne- 
Stämmen 91 — bei den Partizi- 
pien auf -nt- von athematischen 
Verben 92 f.,, von thematischen 
Verben im Idg., Arischen und 
Griech. 300; im Slav. 290 — bei 


-ete- : -Wie- : -ie- 173; -Evro- : -vro- 
Borr ῬΕΙ͂ ai. asasa: asiga : 


asis 182 ff.; ai. kanya und av. 
kaine 188 ff. — 3) Abstufung in 
den Endungen: in der Dekl- 
nation 10 ff. 91; III. Pers. Plur. 
Präs. Akt. 89. 


Adverbialbildungen von 
Kasus: 1) Ablativ 25 ff. ai. -at, 
lat. -tra, got. -bro 24; ot. -dre 


Neubildung 209; griech. -wc keine 


ar 


ze). 


Ablativendung — 2) Instru- 
mental medd, ἅμα, παρά, μετά, 
*zexa 15 f.; τάχα, ὦκα 11: ai. diva 
und naktam, sada und sadam 
18; ai. Adverbien auf -äm, germ. 
ΓΟ ang. -u 182 20072 2092 297: 
tum, dum, quom 26. 287; griech. 
-Wc 25, got. -Ö -€ 200, westg. Ent- 
sprechungen 207; nicht zum Tn- 
strumental gehört lat. -nde (aus 


-Ane — gr. -θεν, germ. -tan -ban) 
16. — 3) Lokativ lit. Ze, sze, 


abg. te, lat. que, griech. te 29; 
got. war 29; lit. δὴ" 30. griech. τοῦ 
—abg.-u 80. dvw29f. rite, die 226. 
501; lit. paskov kein Lokativ 227. 
Lit. Adverbien auf -ur 30. 
271; got. Adv. auf -na lat. -ne 
210; lat. perendie 500. nhd. Adv. 


132. 


Akzent 1) Akzentquali- 
tät: Unterschied von schleifen- 
dem und gestossenem Akzent 
1 ΠΡ 1 It \Wesen.des schler. 
fenden Akzents 9. 298. Entste- 
hung des schleif. Akz. 10 ff. — 
22 f. 270. 280 (Michels’ Gesetz); 
schleif. Längen in der Schwund- 
stufe leichter Vokalreihen 13.2681. 
Übereinstimmung in den Akzent- 
qualitäten zwischen Lit., Griech. 
und Ind. 3 ff. Schleifende Beto- 
nung im Armen. 446. Akzentqua- 
lität und Auslautgesetze im Germ. 
195 ff., im Slav. 284 ff. Einfluss 


516 


der Akzentqualität auf die Vo- 
kalfärbung im Slav. 295 f. Zirkum- 
flex von gäm und Bwv 228 f. 270; 
von lit. tat 266. — 2) Akzent- 
stellung: Betonte Schwundstu- 
fenvokale (%, u, n, r) im Idg. 82 ff. 
Einfluss der Akzentstellung auf 
die Entwicklung der Laute im 
Armen.:ö in vortoniger Silbe 437. 
443, g vor schwachbetontem Vokal 
445. Idg. zd zu armen. st unmit- 
telbar nach betontem Vokal 445. 
Idg. η. vor dem Hauptton im Arm. 
455. Ausnahme des urbrittan. Ge- 
setzes über die Stellung des W ort- 
akzents 78. Einfluss der Ak- 
zentstellung auf die Behandlung 
der idg. Diphthonge im Lit. 37 £f., 
im Slav. 282. — 3) Satzakzent: 
Stellung der idg. Enklitika 334 ff. 


Altertumswissenschatft, 
die idg. und die Notwendigkeit, 
ihr eine neue Grundlage zu ge- 
ben 485. 


Analogie in derSprache und 
ihre Bedeutung für den Fort- 
schritt 244. 


Anthropologie und Sprach- 
wissenschaft 464. 


Assimilation im lrischen 
441 im Romanischen ebd., im 
Slavischen 45*, im Lateinischen 
479. — Vokal+n-+ m wird im 
rischen zu Vok. + m - m 79. 


Augmentativbildung im 
Neugriechischen 321. 


Auslautgesetze: Einfluss 
der Akzentqualität auf die Be- 
handlung der Vokale der Endsil- 
ben im Germanischen 195 ff., im 
Baltisch-Slavischen 259 ff. — Idge. 
-am zu got. -a, ahd. -ὦ 308: ide. 


Sachregister. 


-em zu got. -a 202. 204; idg. -Dm 
zu got. -au 206; idg. -o? im Got. 
217; auslautende - -u im Goti- 
schen nach kurzer Silbe erhalten, 
nach langer geschwunden 215 ft.: 
gestossene Längen des Auslauts 
im Westgermanischen nur nach 


kurzer Silbe erhalten 212: aus- 

laut. -© wird im Slavischen zu 

-7, auslaut. -ὃ zu - 295. 
Aussprache von nhd. gd 


199 


22, gs 123, von Fremdwörtern 


122.123. 


;Jaumnmamen, urindogerma- 
nische 476 ff. 


Dehnung, organische 10. 
Dehnstufe 101. Dehnung vor -ns 


im Slavischen 285 (sieh Ersatz- 
dehnung). 
Deklination, Akzentquali- 


täten der Kasusendungen 3 ff.: 
Flexion von ai. "asäs 182 ff.; von 
kanya 188 ff.; von ὄνομα 300 ff. 
— Kasus: I. Singular 1) No- 
minativ der 7eStämme 15, im 
Germ. 215, im'Lit. 268, im Slav. 
255 ; der 4-Stämme im Ahd. 
202; der 72-Stämme im Lit. 265, 
im Slav. 295; der en- und er- 
Stämme im Idg. 19. 21 f. 23. 25; 
der en-Ste. im Germ. 201. 204. 
205: 207, im Lit. 265, im Slave 
293 ff.; der er-Ste. im Germ. 212, 
im Lit. 275, im Slav. 293 ff.; der ἐς 
Stämme 201; von menes- im Lit. 
275, von “Wasser” 23 und 237. 
275. 296. -- 2) Akkusativ der 
te-Stämme im Lit. 268; der d- 
Stämme im Germ. 197, im Got. 
202, im Ahd. 203, im Lit. 269; 
der 7°-Stämme im Lit. 270, im 
Slav. 293. — Nom.-Akk. der neu- 
tralen /e-Stämme im Germ. 215. 

3) Genetiv ei- eu- 


der @- 


Sachregister. 


Stämme 11. — 4) Dativ der e- 
und a@-Stämme im Idg. 223, im 
Lit. 262 ff. 265 f.; der a-Stämme 
im Slav. 281.—5) Ablativ: Vo- 


kalqualität 24. — 6) Instrumen- 
tal, Kasussuffix -m 13 ff. Instru- 
mentalendung im Lit. 21. 272 ff. 


In Lokativ der einzelnen 
Stammklassen 27 ff. ; der e-Stämme 
im Got. 207; der e-Stämme im 
Germ. 210, im Lit. 270, im Slav. 
289: der eu-Stämme 225 f., im 
Slav. 289. — 8) Vokativ, Schlei- 


fender Akzent bei Ζεῦ u. dgl. 
42; der z&-Stämme im Slav. 29. 
I. Dual.: Nom.-Akk. Mask. 225, 


im Germ. 208, im.'Lit. 279 ἢ: 
Nom.-Akk. Fem. Neutr. 31 ff. — 
IM. Plural: 1) Nominativ der 
e- und 4-Stämme 7, im Germ. 215, 
der geschlechtigen Pronomina 
der e-Stämme 31 ff. Pluralendung 
- im Armen. 441. Plur. auf n in 
der st. Dekl. im Nhd. 101. — 2) 
Akkusativ der a4-Stämme 7; 
der eö-Stämme im Aind., Germ., 
Balt.-Slav. 7. — 3) Genetiv im 
Idg. 12.f. 289, im German. 205.207. 
274, im Balt.-Slav. 259 ff. beson- 
ders 264 f. und 282 ff. — 4) In- 
strumental im Idg. 223, im 
Balt. 264. 


Dissimilation der Redupli- 
kationssilbe im Irischen 44. 


Eigennamen, sprechende 
(appellative) bei Dienern 169; zu 
Appellativen gewordene 323; Be- 
handlung fremder E. 136 ff. 


Enklise sieh Akzent. 


Entlehnung von Kulturwör- 
tern 485; angebliche E. von irisch 
finta 461. (Siehe Fremdwörter.) 


Ersatzdehnung bei Vokal 
—+ Nasal + Explosiva+ m im lri- 


Indogermanisehe Forschungen 1 5. 


517 


schen 77. 
dehnung 


Sonstige irische Ersatz- 
60. 


Fremdwörter, ihre Aus- 
sprache 248; dialektische, archa- 
ische 147 ff.; Beseitigung 122 ff. 
156 f. 


Homonyme 116 ff. 


[πὶ ἘΠ 1 a und 


-mani im Aind. 495 ff. 


"man 


Kindersprache, ihre Be- 
deutung für die Sprachentwicke- 
lung 127. 2431. 


Komposition, Dvandva im 
Latein. 332. 


Konjugation. 1 Tempora: 
Präsens der Gewohnheit im Iri- 
schen 329 ff. Präsensflexion der 
ai-Verba im Got. 204. — Aorist 
II. Med. im Armen. 459. 7: 
Modi: Imperativ auf -the im Iri- 
schen 460 ff. — III. Personalen- 
dungen des Mediopassivs im 
Got. 217. — 1. Pers: Sing, Präs. 
Indik. im Lit. 2741, im Slav. 292f.; 
der got. ai-Verba 204. 1. Pers. Sing. 
Präs. Opt. im Got. 206. 1. Pers. 


Sing. Prät. der schw. Verba im 
Germ. 205. 1. Pers. Plur. Präs. 


Indik. im Breton. 50 ff. 2. Pers. 
Sing. Imperat. im Irischen 462; 
2. Pers. Sing. Prät. Indik. der 
schw. Verba im Got. 204. — 3. 
Pers. Sing. Präs. Indik. der schw. 
Verba im Germ. 210. — 3. Pers. 
Plur. Imperat. im Got. 206. 


Konsonantenverlust: g 
und 9 schwinden im Arm. 443; 
Kv. durch Dissimilation im Iri- 
schen 44; mit Ersatzdehnung im 
Ir. 60.79; γῶν τ 1m. 12.7.2080: 


Konsonantismus. Πρ’ 
Dental + + Kons. zu t+ Kons. 


33 


518 


512. — Absolut auslautendes ari- 
sches s 185 ff.; ai. -C c-, av. -S k-, 
ap. -$ k- aus -t k- 486 ff.; ar. $r 
= say. STr2 εἰ ΠῸ 81 a aus ὙΦ 
oder dd 171; av. an, am+tr zu 
Nasalvokal+ r 493 ἢ. — Arme- 
nisch k aus ide. fa 440, aus su 
441 ku aus ἔμιν 457, g und ἢ 
schwinden 445; ide. ὁ zu ἢ 446; 
zd zu st und αὶ 445; tr 452; 
451; sk zu © 446; P und p aus 
arm. ὃ, idg. bh 454; pP aus ps 
456; m, n zu v 455; anl, anr zu 
ολ 441; € aus ἔμ 458; Ursprung 
des j 448 ff.; γῇ zu h 459; ἢ 
prosthetisch 458. — Griechische 
Wiedergabe iran. Spiranten 328 
und 3281; cv 319: Wechsel zwi- 
schen cß und cd 5053; Z aus zd 
502; EZ aus zg 503; g vor u 506. 


sr 


u für ß geschrieben 325. — La- 
teinisch sn .320; cl, chi. 322; 


κυ zu v 255; gu+tn zu gn 5101; 
pv zu p 175. — Keltisch v! im 
Ir. 47; er 48. Assimilation von 
n und m im Ir. 60 f. Schwund 
von Verschlusslauten im Ir. 60. 
79 und 791. mp aus m durch 
Satzphonetik im  Bretonischen 
50. ff. Germanisch sm zu 
mm (m) 213. Die Wirkung eines 
auf den anlautenden Kons. fol- 
genden j, besonders bei %k 513. 
Mhd. db, nhd. » 99; nhd.. 2 und ὦ 
im Anlaut 99. — Baltisch-Sla- 
visch. Auslautendes r im Balt. 
erhalten 29. 271; im Slav. viel- 
leicht geschwunden 29 f. Nasale 
im Inlaut vor Konsonanz und 
im Auslaut 283. 


Kontraktion verursacht 
schleifende Betonung 10; hat 
möglicherweise bei den 7e-Stäm- 
men stattgefunden 19. 


Kulturgemeinschaft, 
ropäische 473 f. 


@U- 


Sachregister. 


Kurznamen, weibliche 168. 


Kürzung gestossener Län- 
sen des Auslauts im Germ. 19; 
der ersten Komponenten der 
Langdiphthonge im Griech. 261; 
im Latein 2801, im Germ. 260, 
im Lit. 262 ff., im Slav. 281 ff.; 
gestossener und  schleifender 
Langdiphthonge im Lat. Germ. 
Lit. Slav. 260. 


Langdiphthonge in den 
europ. Sprachen, speziell im Bal- 
tisch-Slavischen 260 ff. Verschie- 
dene Behandlung derselben 10 
nach der Akzentqualität im Ur- 
idg. 220 ff., im Slav. 292. 297 £. 


Metathesis bei arm. rk 452. 


Modi siehe Konjugation. 
Mouillierung im Anord.»14. 


Neubildungen, sprachliche 
149. 


Partikeln, Stellung dersel- 
ben im Satz 333 Indische 
Partikeln 402; avestische 405; 
apers. 405 ff. Griechische En- 
klitika: Indefinita 31; κε (κεν, Ka) 
372 ff. θην, vu, τοι 375. Postposi- 
tive Partikeln: ἄν, ἄρ, ἄρα, αὖ. 
γάρ, δέ, δῆτα, μέν, μήν, οὖν, τοί- 
νυν 377. Lateinisch que, au- 
tem, ne 416. 418 ἢ, gqwidem 417, 
quoque 418, sin 419 f.; Beteue- 
rungs- und Verwunderungspar- 
tikeln 423. 


Partizipium auf‘ -nt-.32 f£. 
290. 300. 


Pronomen infixum im Kelt. 
406. Stellung der enklit. Prono- 
mina siehe Wortstellung. 


Sachregister. 519 


Prothese von A im Armen. 
458; von a im Neugriech. 3211. 


Regelmässigkeit in der 
Sprache 124. 


Sandhi nur bei gestossenem 
Ton für Langdiphthonge statt- 
hätt 990 ff.; bei -m im Bret. 57; 
bei -n im Nhd. 57. 

Schwundstufe Tietstufe 
822, 


Silbenverlust ruft Beto- 
nungswechsel hervor 11 ff.; bei 
aestumare 171. 


Sprachgebrauch in seinem 
Verhältnis zur Sprachrichtigkeit 
236. 


Sprachrichtigkeit % ft. 
232 ff. Verschiedene Auffassung 
der Frage nach der Spır. 1) vom 
litterargeschichtlichen 90 ff. 
2) vom naturgeschichtlichen 
105 f. 3) vom rationellen 
(Zweckmässigkeits-St. 240) 112 ff. 
4) vom kombinierenden 
Standpunkt aus 237. Über den 
Sinn des Wortes “sprachrichtig’ 
2561. Schleichers Stellung zur 
Frage nach der Sprachrichtigkeit 
232 ff. 


Stammbildung siehe unter 
Abstufung. Wechsel von r- und 
n-Stämmen 3172. 

Stilistik, Regeln der 238 ἢ. 

Suffixe (sieh Abstufung u. 
Wurzelerweiterung) -at- 300 ff.; 
neugr. -apo- und -ουρα- 521; dal- 
mat. -este 324; idg. -tos 306 ff. 


Triphthonge im Irischen 
62. 80. 


Umlaut im Plural schw. No- 
mina zu nhd. Zeit 98. 102; in der 
2.3. Sing. Präs. Ind. im Nhd. 
150; im nhd. Komparativ 191. 


Urheimat der Indogerma- 
nen, ihre Bestimmung durch 
sprachgeschichtliche und anthro- 
pologische Kriterien 464 ff. Joh. 
Schmidts Hypothese 466 ff. Schra- 
ders Theorie 471 ff., Hirts Hypo- 
these 474 ff. 


Vokalentfaltung im Latei- 
nischen 320. 


Vokalismus. Idg. ὦ und Ὁ 
im Baltischen 3031. Betonte Na- 
salis sonans 82 ff. Idg. Lang- 
diphthonge 220 ff. 260 ff., speziell 
öu im Idg. und in Einzelspra- 
chen 225. 276 ff. — Armen. au/ 
zu 04 437. — Griech. o aus u 50. 
— Latein. -ae 266. — Irische 
Vertreter der Nas. son. 59 ff.; ὃ 
und seine Herkunft 60 ff. Sekun- 
däre Diphthonge und Triphthonge 
43 ff. 62. 80. Wechsel von ὁ und 
6 72 ff. — German. Vertretung 
des idg. du 194. 277; got. δ᾽ zu 
ai vor s 204. Verschiedenheit der 
Vokalqualität in ahd. Endsilben, 
abhängig von der Akzentquali- 
tät 207 ff. Nhd. ö : mhd. e 134. — 
Die baltische Doppelvertre- 
tung von ai, οἱ, ei und ihre Ur- 
sache 32 ff. Idg. ou 276 ff. — Vo- 
kal + Nasal im Slavischen 
285 ff. Slav. Doppelvertretung 
von urslav. Οὐ 281 f.; jo zu je 
285; -on zu -sn 285 ff.; idg. -On 
wird nicht zu slav. -y 298 f.; idg. 
-Ö zu -y, -€ zu -ὃ 29. 


Vokalverlust bewirkt Ak- 
zentveränderung 12. Schwund 
des auslaut. ὁ im Lat. 501. -, -u 
schwinden im Got. nur nach lan- 


520 Sachregister. 


ger Silbe 215 f. Gestossene Län- 
gen schwinden im Ahd. nach 
langer Silbe 212. 


Volksetymologie 121. 176. 


Vollstufe — Hochstufe 82 3, 

Wortstellung. Stellung 
der Enklitika in der idg.. Ur- 
sprache 333; im Ind. 402; im 
Avest. 405; im Apers. 405 ff.; in 
Griech. 333 ff.; im Latein 406 ff.; 
Stellung des Verbums im Haupt- 
und Nebensatz im Idg. 427; im 
Ind. 494: im Griech. 430 ff.; im 
Lat. 428 f.; im Deutschen 425 ff. 


Wurzelerweiterung durch 
ATI ἢ πα 116, 232502572 
504, u 505, δ 502 ἢ. 


Zahlensystem, das indo- 
germ. war dekadisch 466. Kreu- 
zung durch duodezimale Zählung 
400. Kein Sexagesimalsystem 468. 
Die Zahl 12 und die idg. Zeit- 
rechnung 469. Das Zwöltfersystem 
bei den Etruskern 470. Entleh- 
nung des Sexagesimalsystems 
von den Babyloniern 467. 


Zwillingsformen, verwen- 
det zum Ausdruck von Bedeu- 
tungschattierungen 159. 


Wortregister. 


I. Indogermanische Sprachen. 


Altindisch. 


a- 88. 

d- ST f. 
aktubhrs 18. 
ajais 504°. 
anj- 443. 
anji- 68. 
anda- 442. 
adıya 226. 
adha- 69. 
adharat 25. 
adhi 341. 
anas 319. 
dniti 458. 
anilas 442. 
anıu 34. 
antram 459. 
andhas 408 1, 
anydceid 488. 
anyas 501. 
apakät 25. 
aparedyus 501. 
apa-var- 175. 
apt-var- 175. 
apürvyam 49. 
abhi 68. 341. 


amavattarebhıyas 300. 
Y 


amaät 90. 
aranya- 488. 
ars- 452. 
avidvige 498°. 
asarıt 5042. 
dasarait 5042. 


Ajya- 68. 


‚ djyana- 68. 
᾿ς ätman- 450. 


ändmam 498 ?. 
aptyas 180. 
a-muc- 175. 
ärat 95. 

avam 19. 
asasa 182. 
asam 183. 


δία 182. 
as- 278. 


'asat 9ῦ. 


Το] 173. 
invati 174. 
isanyatı 172. 


‚iha 316. 


ide 171. 

irte 81. 

u 317. 

uksa 191. 
ugras 511. 
ucced- 488. 
uccais 20. 
ucceäistaräam 90. 
uttaräat 25. 
udrä 39. 
upasvase 498°. 
usant- 93. 
urna 41. 
urdhva- 497. 


rchati 173. 
ırnam 489. 


rnvati 173. 504. 
rta 226. 
rsti- 483. 
kana- 188. 
kaninaka 189. 

kantinas 189. 

kanyanäa 189. 
kanyala 189. 
kanya 138. 
 kars- 493. 

: kuksis 492. 
kutuhalat 25. 
kupyamiı 256. 

kupye 256. 
kumbhas 508. 
kuha 316. 
‚kürdati 172. 
‚krehrd- 498. 


krpanate 172. 174. 


'krpdnam 174. 
krpanas 114. 
kimis 259. 25T. 
krsamı 256. 
kösa- 491. 
kösa- 491. 
ksäama- 180. 
ksaman 180. 
κἰάς 310. 
kham 312. 
khäd- 450. 
 gatis 83. 

‚ geri- 480. 

| guna 11. 

| grbhe 49. 


grha- 445. 
gras- 444. 
caturas 458. 
caturthas 492. 
catväras 458. 479. 
candras 441. 
cicarisati 118. 
cit 405. 

ertatt 450. 
jaghana- 445. 454. 
JjJaghand- 445. 
janitär- 438. 
Janitum 3081. 
janisthäs 463. 
Jambhe 498°. 
jäta- 3081. 
jamätar- 444. 
Jayate 462. 
jijnasamäanas 159. 
jivds 39. 
jnanam 307°. 
Jyoktamam 20. 
tantram 442. 
tantraya- 442. 
tandram 442. 
tarati 458. 
taralas 502. 
taraya- 439. 
ἔα 439. 458. 
ἐι.76 498. 
turiyas 492. 
trnatti 172. 
trasati 173. 502. 
träsayatı 509. 
trasas 509. 

tva 4911. 

tvis- 492. 

tnesa- 492. 
dant- 92 f. 
dariman 498. 
däanupinvas 174. 
damane 49. 
davane Ad. 
das 311. 

diva 11. 

durat 95. 


devadaru- ATS. 


Wortregister. 


dyaus 1842. 278. 
drapsas 456. 


ει dhaksat- 86. 


dhanvan- 482. 
dharimani 500. 
dhartari 4962. 499. 
dharman- 49. 


dharmanı 490 1, 49. 


dhüumas 39. 493. 
dhumras 49. 
dhrsmumds 174. 
dhrsmus 174. 


, dhväantam 493. 
ınaktam 18. 


naktaya 18. 
napat 201. 
namra- 495 1. 
nase 498. 499. 
nigrabhe 49. 
ntcat >25. 

nu 340. 
pacami #79. 
panca #719. 
pancäasat- 45. 
para 500. 
parasmin 501. 


ıpari 34. 


parivarge 498. 499. 
parivrjam 498. 
parımami 49. 
paredyavi 501. 
parkati- 481. 
parc- 179. 
Parjanya- 481. 
pavitär- 504°. 
pasca 230. 
pascät 25. 
pika- #18. 
pitar- 451. 
pinvatı 114. 


pipiprhi 4901. 


pis- 492. 
pitudaru 478. 
punati 504. 
purus 184. 
purögas 312. 
pür 184. 
prtanam 114. 


pratamam 2. 
prataram 90. 
prati 341. 


‚ prati-mue- 175. 


pramrade 498. 
praväahika 176. 


 prinimas 175. 


prus- 509. 
plavate 117. 
pliha 230. 
psati 502. 
babhastı 502. 
baläat 23. 

bädhe 498, 
bisakhas 312. 
bhagattlis 3012. 
bha)- S0. 
bhandate 68. 
bhandistha- 68. 
bharat 300. 
bharga- 11. 
bhargas- 511. 
bhasman- 502. 
bhid- 455. 
bhinattı 445. 
bhürja- 476. 512. 
bheda- 452. 
bhedaya- 459. 
bhrasa- 67. 
bhräs- D12. 
bhrinati 173. 504. 
maghaättis 301°. 
mandükas- 442. 
mantram 12. 
mantrt 183°. 
manyate 462. 
mahat 300. 309. 
mahan 508. 
märdyatı 175. 
mis- 323. 
mrjdte 172. 
mrdati 171. 
mrlayattama- 501. 
mrsyate 172. 446. 
medhas 183. 
mrad- 499. 
mriyate 178. 
mläatam 4941, 


yaj- 111. 

yaje 498 °. 
yatna- 64. 

yava- 412. 

yätar- 445. 

yatas 3081. 
yuvam 186. 

yös- 193. 

räaksati 173. 
ranati 301. 
ratna- 64. 
räntya- 301. 
rayim 490 ?. 
rasa 471. 

ras 222. 

rinati 504. 
rinvati 173. 504. 
rit- 504. 

ritis 504. 

langh- 49. 
lopäka- 328 2. 
lopasa- 3281. 
varsman- 459. 
vavavrusas 490 1. 
vavrayamahe 490. 
vasu- 459. 

vajas- 511. 
vahate 1706. 

vahe 498. 
vighase 498. 498 3, 
vrdh- 486 4. 
vidharmani 496 1. 
vinda- 449. 
vindami 712. 
vipras 192. 
vi-bhid- 175. 
vi-muc- 179. 
vigvaminvas 114. 
vesanti 300 2. 
vyayati 118. 
rrädhantamas 300. 
sanais 90. 
sandaistaram 20. 
saye 498 5, 
sarad- 326. 

sasta 117. 
sirgatas 308. 
srtas 504. 


Wortregister. 


srnati 179. 
scandras 441. 
srinati 504. 

| sresthe 497. 
 srömatam 306. 
| so8- 73. 

sa 454. 

\ sakasat 950. 
saksat 25. 
sakhä 222. 
sacate 257. 462. 
saj- 502. 
sattamas 900. 
satyasandhan 489. 
sadam, sada 18. 
sanara- 454. 
sanat 90. 
sanemi 20 3. 
\sanöti 301. 454. 
'santi 88. 
santya- 301. 
sapta 83. δ 1. 
samnase 499. 
sam-bhid- 175. 
sdavanaya 4%. 
savaya 496. 


savrımani 496. 496 1. 


 sahantamas 500. 
ısahantı 301. 
sahanttama- 301. 
 sahantya- 301. 

᾿ sahuri- 213. 

ı sädhe 498. 498°. 
sano 1911. 
sanau 486 3. 
sayam 18. 

sim 409. 

sudas 311°. 
susvayanta 490. 
sötari 496 3. 
skandamt τ. 
sphurati 459. 
‚sphürj- 456. 
“πᾶ 333 ff. 403. 
sravayati 451. 

| svae 187. 

| han- 486 #. 
᾿μάγμαίζ 118. 175. 


5253 


haviman 496 1. 499. 

hasräa 1821. 

hiranyarasimattama 
300. 

hematas 306. 

heman 180. 307. 307°. 

hemantartös 306 5. 

hvayatı 179. 


Altpersisch. 


anijaskij 488. 
amaham 187°. 
avaskij 488. 
arasam 179. 
arijaramna 180 3. 
aspa- 329. 
ufratauwa 1911. 
uva 187. 
kaskij ASS. 
gapava 1911, 
hsayapira 11T. 
-ciy 405. 

kiskij 488. 

taiy 403. 
dahjauva 1911, 
dim 409. 

dis 405. 
babirauv 1911. 
° farna 187. 
mary 403. 
margauv 1911. 
mam 404. 


| vasıj 302. 


sparda 328. 


Ssary 404. 
sam 404. 


sim 404. 
sis 404. 
Avestisch. 


aipi.duanarala 493. 
ainidapka 489. 


‚ahstap 186. 


azösti 301°. 
apaourvim 49. 
afratap.kusts 489. 


5924 


anuharestät 501 3, 
anhaua 1911, 
anhöo 191 1. 
anhuo 1911. 
amanastarıa 300. 
amraos 49. 
aiare 180. 
aredap 482. 
arenap 489. 
arenap.kaesem 489. 
arenauäakt 48). 
aresva S1. 

arsti- 483. 

askıp 480. 

asem 486 #. 
asemnö.gano 486%. 
asemno.vrdo 486 #. 
as.hrapwastemo 501. 
asto 1911. 

apıwro 180. 

ara 19. 

Ferenana- 489. 
erezifya 3281. 
anhätem 490. 
amhäap.tem 490. 
azah- 488", 

ida 316. 

idapka 480, 
iribiastät- 9501 3. 
isarti 119. 
ἐδανοδἐαϊέία 53022. 
isasaitt 1}. 


uhdasna 186 1. 187. 


uruap.kacm 489. 400. 


uska 488. 

kaine 188 ft. 
kataraskip 4581. 
kaua 191. 195 3, 
karapa 195 2, 
kaskip ASS. 
keuino 191. 
kasö.tafedra 492. 
kuda 310. 

kusra- 490. 491. 
=kusi- 4921. 
gairı 480, 

gaya- 502. 
gätaua 191. 


Wortregister. 


gereda 445. 
hara- 512. 
hrüneram 494. 


hrüma- 494. 
hsapanem 514. 
hsanmene 490. 


hsnuto 157. 
hsnüumaine 49. 


hsuas 185. 187. 
 kaesa- 489. 


kamraos 49. 
karat- 1911. 
kasmaine 495 2. 
kasmam 496. 
ki- 1) 489. 


 kinmane 49. 


kimane 494. 
gano 480 #. 


 gahtika 1821. 


generam 49. 
giartı 502. 


faurualastemem 300. 


tak- 1) 489. 
tıtarap 4%. 


titararap 490. 


titaraieiti 490. 
tisaro 491. 
tsranam 490. 
tisro 490. 
tısram 4%. 


"tum 491 1, 
ı tuirio 499, 


dainhaua 1911. 
dainhuo 1911. 
daduie 495 °. 
dantano 5141, 
däahista 511 8. 
däahua 511. 
danmahr 494. 
damis 3122 
debenaota 178. 
demänem 307°. 
dunman 499. 
*dure 495 5, 
dwanmatrbio 49. 
bwisra- 490. 492. 


praetaono 180. 180 3. 
| bri- 490. 


bbaesö.taurua 486. 


ı pärendt? 184. 
“ροροίο 1911. 
 pesanaiti 172. 174. 
ı pesö.tanus 487. 


pisra- 490. 492. 
puhdö 492. 


ıbarenti 178. 456. 


buna- 45». 
bröibra- 504. 
fraesta- 490 5. 


frahstaite 186. 


framru 494. 


frasabiö 183 2. 


frahsnenem 186 }. 
fratap.kara 489. 


fratap.karatö 489. 


franmäne 494. 
fröga 512. 
frianmahi 175. 494. 


‚fseratus 493. 


 fsarema- 181 3, 
 fstäna- 187°. 


na 480 #. 


namravahs 499. 
ımaso 304. 


merenkatastema 300. 
merezdika- 111. 


'möl.tu 490 3. 
mapra 180 5, 


manaris 493. 499 1. 
mazda 309. 
mazd.rala 308. 
mrätem 4941, 


| yaoiti- 449. 
‚japanästärtia 301°. 
ıyava 412. 


jaska 486. 488. 
jasebwapka 489. 
Jatumastema 300. 
jengstü 480 3. 


Juvan- 192. 


Jusm® 185. 
jusma®’ 180 3, 


| vaeti- 411. 
|vaepiö 192. 


vanhu- 459. 


\vestä 486 #. 


vouru.rafnöstema 
486 1. 
vindäatem 490. 
vindäp.tem 4%. 
vikusra- 491. 
vrzzradaleiti 493. 
vrdöihre 496 3. 
viduwie 495 3. 
videanoi 49. 
vido 486 3. 
vidköista 489. 490. 
vimanöhrm 480 *. 
raem 490. 
raeuap.kibra- 487. 
raeuant- 481. 
raguaskipra- 487. 
raeuaskipraid 486. 
raguö.kipra- 481. 
raes[ka- 490 2. 


raokaskaesmano 486. 


raokas.pairista 486. 
rafnohiai 486 1. 
ravaskarät- 488 2. 
rauah- 488 3. 


rantö.skereitim 480 3. 


rena 489, 
röihwen 490. 
raremäa 495. 
raha 411. 
sauna 3081. 
saua 908 1, 
sareta 1911. 
sareda 326. 
salare 180. 
saro 3081. 
sasta 117. 
sisa 1831. 
staomaine 49. 
stamanem 314. 3141. 
spenvap 175. 

srada 327. 

sna 187. 

zaena 179. 

zaozizuie 490 1. 
zantaua 191 1. 
zantuo 191 1. 
zarazd- 480 °. 
®zareska 486. 


φᾷ 184. 310. 
| ev 0 — 
 zihsnanhemno 


Wortregister. 
zamatar- 444. 


185. 
zia 310. 

zraska 486. 

zrazd- 480 5. 
hahmeng 49. 


hankusra- 491. 


hama 179. | 
‚honäa 486 3. 
hinduöo 191 1. 


histaiti 3012. 


huanmahi 175. 494. 


lvwarenazdä 486. 487. 
lwareno.da 486. 487. 


warena 181. 


‚apär 454. 


lvarenti 300 3. 
ας 187. 


Pehlev. 


aspijan 181 1. 


Pärst. 
wrd AT. 


Neupersisch. 


525 


Afghanisch. 


manai 1792. 


BalucT. 
σύας 302. 
Jidghah. 


ahsah 187. 
ahsın 187. 
hsävah 187. 
hsirah 187. 


Pamirdialekt. 


mendz 1792. 


Ossetisch. 


‚abreg 454. 
‚äfsärm 181 3, 
ımah 1813. 


sard 326. 
smah 1872. 
Armenisch. 


abarbi 454. 
aganım 446. 


 azazem 445. 


lait 455. 


ab 1811. 


abten 181 1. 
| atbin 1811, 


tuhsa 187. 
bahsidan 187. 
bih 459. 

bid 417. 

bun 455. 
pistan 1872. 


 husnüd 187. 


‚saban 187: 


σαι, 326. 


'sarm 1872. 
sas 187. 


sinähtan 187. 


\suma 187. 187°. 


| katan 458. 


narım 495 1. 


akn 303 3. 
arLacor) 438. 
alu 4571. 
alues 3281. 
aktiur 443. 


᾿ alauri 488. 
‚aner 445. 
‚antaram 447. 


antarsam 447. 


 anicanem 450. 
ancanaut 446. 


ankanim 437. 


ankolin 437. 


ankau) 437. 


| anjn 450. 
anjneay 450. 


anun 453. 


anur 443. 


526 


anur), 454. 
aprust 445. 

ar 459. 

aravir 459. 
arat 452. 
aroganem 451. 


arogacucanem 451. 


aru 452. 

astı 438. 
avar 454. 
avarem 454. 
avart 454. 
aver 454. 
averem 454. 
αἰαλ) 449. 
atamn 442. 
arag 443. 451 
aragıl 444. 456. 
arac 456. 
aru 4511. 
arpn 456. 
araut 444. 
araur 438. 
aparpi 454. 
balajain 454. 


baranunutiun 454. 


basem 454. 
barak 459. 
bari 4571. 
bir 452. 
bndern 454. 
bndirn 454. 
bun AD». 
buk 441. 
bravor 452. 
gay 448. 
gavak 445. 454. 
gguem 451. 
φολ) 448. 
geut 449. 
gog 448. 451. 
dez 449. 
dizel 448. 
dir 449. 

duk 449. 451. 
ezn 438. 

ez0) 438. 
ehan 458. 


Wortregister. 


e,anım 459. 
elev 440. 
ere 439. 

ein 303°. 
eitiur 449. 


‚emk 441. 


erag 443. 
eraz 456. 
erd 443. 
erdakie 445. 
eres 456. 
erevorit 440. 
erek 4591. 
erekkin 451. 
erinj 448. 


ıerkir 451. 


erkotasan 457. 
erkokean 47. 
erku 457. 
erkparak 456. 
erpn 496. 
epem 456. 
zardk 441. 
zenvil 439. 

es 320. 322. 
endost 443. 
enju) 448. 
takcim ADD. 
ἔολολ 488. 
torum 438. 

ı 459. 

iz 442. 


isak 322. 


isakes 322. 
lusapail 441. 
Ikanem 112. 
lölak 443. 
xaleim 40. 


'gait 450. 


xalam 447. 


xazxut 447. 459. 


xaxrutk 447. 
xzaxtem 447. 
xwacanem 40. 


xarnabendor 454. 
xarnapndor 454. 


xavarcı 40. 
zavart 450. 


zaragul 448. 
xcarak 4471. 448. 
xzaram 447. 448. 
catarem 447. 
xcelk 447. 

αολ 447. 

αολα 448. 449. 
xe,dem 449. 
xer 446. 

xorx 448. 

αοὐ 441. 
zusem 447. 


| seriv 441. 


xruanam 441. 
xöosim 438. 
xosol 438. 
2cot 441. 
otanam 441. 


aut 447. 


enay 439. 
enan 440. 
enanim ABT. 
enav. 437. 440. 
οπολ 481. 
eno),akan 457. 
enokutiun ABT. 
enund 459. 
οπολ 451. 
enau) 451. 438. 
kalin 479. 

ko) 442. 


| kom. 442. 


kolmn 442. 
kur) 451. 
krunk 441. 
ktav 453. 
ktavat A53.: 
krem 451. 
krkin 191. 
kröor) 451. 
hair 437. 
hanay 439. 
handerj 442. 
hanel 458. 
hanem 4539. 458. 
hani 439. 


 haci 8083. 


hecanim 450. 


heijanem 449. 
heijanim 449. 
heijt 450. 
heijnum 449. 
heijucanem. 449. 
herj 450. 
herjanem 448. 450. 
hivand 317. 459. 
hoim 442. 
homn 442. 
hosank 451. 
hund 458. 
haur 458. 

jez 449. 

jevk 449. 

26." 449. 450. 
jenj 449. 

jiun 310. 

jorj 449. 
λόλαϊς 443. 
kökem 442. 445. 
mah 459. 
mardovk 441. 
mardk 441. 
marh 459. 

mez 449. 

mec 309. 
mekin 457. 
mevk 449. 

mer 449. . 
mzem 445. 

mej 451. 

molor 445. 
molez 442. 
moAo0z 442. 
moranam 446. 
muz 445. 

yam 449. 
yesem 459. 
yisem 459. 
yisecucanel 459. 
yord 451. 
yordahos 451. 
yordahosk 451. 
yorjan 451. 
yaud 449. 

nax 450. 
naxanj 450. 


Wortregister. 


navasard. 326. 
ıner 445. 

ner 445. 449. 
nist 445. 

nor 8326. 
sand 441. 
sant 441. 

se) 447. 

50) 441. 
soram 441. 
'sokaceal 441. 
'suk 441. 
\ozor 445. 
οἷον 449. 

| oAork 492. 
oder 445. 

\ or 446. 
\oroganem 491. 
\oski 444. 

ost 445. 
ostain 444. 
ostnum 445. 
‚osteim 449. 
\ordi 451. 
'oris 452. 
‚orcam 451 
|oros 452. 
\orovain 444. 
ors 438. 
orsam 488. 
orsoA ABS. 
\ork 441. 

und 458. 

us 459. 
usanim 437. 
'usoA 437. 
usau) 437. 
urju 451. 

cer 445. 451. 
cogay 439. 452. 
corekkin 457. 
\cork 440. 457. 
cu 439. 452. 
paitem 455. 
paitim 455. 
pattucanem 459. 
, palar 456. 
᾿ραϊραλαῖς 455. 


parakten® 459. 
'parag 499. 
 parar 453. 
parart 454. 
perekem 455. 
 pxerem 497. 
ı por 455. 
| prcanem 445. 
\jerm 509 3. 441. 
serund 459. 
sinj 451. 

| sirem 438. 
ısirok 498. 
sirtk 441. 
snund 459. 
sosinj 451. 
spananem 451. 
spano) 437. 
stom 8143. 

veh 459. 
| ver 459. 

τος 440. 

tanım 439. 
‚taray 439. 
‚tarap 456. 
\toA 442. 449. 
tolem 442. 
‚tun 310. 
᾿ἐυιολ 488. 
tuokutiun 488, 
 pait 459. 
 paxarakem 459. 
pazxeay 490. 
 paxcust 459. 
paxucanem 455. 
 pasckim 400. 
᾿ῥαλ- 454. 
Daranın 454. 

' pakarim 454. 
'palarutiun 454. 
pakem 454. 
 paipakim 459. 
parag 459. 
parat 432. 
parak 455. 

ı peiekem 455. 

ı piurid 456. 
 Diurit 456. 


928 


pndern 454. 
poit 455. 
por 459. 
pulos 456. 
pux 451. 
pur 451. 
punj 455. 456. 
prpur 456. 
Καὶ 458. 

kun 457. 

ot 446. 

0) 443. 

aud 446. 

aut 440. 
aucanem 449. 
auj 443. 

aur 458. 


Lydisch. 
Σάρδεις 326 ff. 
Ξυάρις 928. 

Karisch. 


᾿Αρύαξις 3281. 
Βρύαξις 3281. 
τάβα 324. 


Pamphylisch. 


”"Actevdoc 929. 
ΕΣΤΕΕΔΙΙῪΣ 329. 


Griechisch. 


a- 68. ST f. 
ἀβάθματα 506. 
᾿Αγαθθώ 168. 
ἄγαν 508. 
Ξάἀγαυρός D11. 


aryekoc ὁ. gen. 161. 


Ἄγγελος 164. 
ayeipw 519. 
arıvew 504. 
ἀτίνω 04. 
ἅτιος 171. 
ἀγνέω 04. 
ἀγνῶτα 410. 
ἀτορά 519. 


Wortregister. 


᾿ ἀγορεύω 512. 
᾿ἀγρέω 174. 


ἀγχοῦ 90. 
ἄγω 504. 


᾿ἀδήν 508. 
᾿ ἀεκαζόμενος 902. 
᾿Αέλλοπος 162. 


᾿Αελλώ 109. 
ἄζω 445. 


᾿αἰτανέη 482. 
| αἰγίς 482. 


αἰδέομαι 171. 


᾿ αἰεί, αἰέν 91. 
᾿ αἰῆ 230. 
αἰπόλος ἢθῦ. 


αἱρέω 114. 
Ἄιρος 159. 
᾿Ακάδημος 167. 
ἀλέξω 172. 
ἀλέτριος 498. 
ἀλλότριος 459. 


‚aApavw 172. 

. ἀλώπηξ 9281. 
᾿ ἅμα 18. 
‚“Auadw 168. 

‚ auaxei 21. 28. 


ἀμνός 303 2. 5011. 


᾿ἀμοχθεί 28. 


᾿Αμφοττώ 168. 


Ιἄν 377 ft. 


ἀνά 498. 
ἀνέθηκε 490. 
ἄνθος 458 1. 
ἄντα 198. 
ἄντομαι 458. 
ἀνύω 454. 
ἁνύω 494. 
ἄνω 218. 454. 
ἀποξίννυται 502. 
ἄρα 377 £. 
-Apeiwv 166. 
apeckw 179. 
Ἄρης 226. 
ἄριζος 05. 
᾿Αρίων 100. 
ΓἌρκη 169. 
ἀρκής 169. 
"Apxoı 169. 


"Apxkroı 169. 
ἄρξιφος 3281. 
ἄροτρον 438. 


Ἄρτεμις 164. 


᾿Αρχιῴ 222. 


᾿ἀεκηθής 447. 


ἀςτήρ 438. 
ad 9111: 


ἡ αὔγαρος 911. 


αὐτοψεί 98. 
αὐτοῦ 90. 
βάλανος 479. 


| βάεις 88. 


Backe 175. 
Bacrazw 443. 


ı Bdevvuuaı 502. 


βδέεαι 502. 


ı BeAeuvov 439. 
\ BeAoc 502. 


Bißarı 448. 
βίος 502. 
Bodw 448. 


‚Bon 505. 


Bondew 905. 
βολγός 325. 


᾿βολή 503. 


βουκόλος DON. 
βούλουαι 08. 
βοῦς 05". 

+Boben 109 #. 


' Bpoüxoc 448. 


Βρύαξις 3281. 


 BpuE A475. 


᾿βρύχιος 475. 


βῶς 184. 229. 
βῶκεαι BOB. 
γαβαθόν 509. 510. 
γαβαλάν 510. 
*raßarov 510. 
γάβενα 510. 


᾿χαβεργόρ 510. 


γάδος 321. 
γαίω 1706. 
γαμάλ 510. 
γαμάριον 510. 
γάμβρια 510. 
γαμβρός 444. 
γαῦρος 176. 


γενετήρ 497. 
γενέτωρ 491. 
γίννος 322. 
γλεῖνος I. 
γλῖνος 326. 
τγογγύζω 505. 
γράςτις 450. 
γράφει 432. 
γράω 444. 
δαιτρός 498. 
dauaccaı 439. 
dauvavrec 3021. 
δάρυλλος 326. 477. 
δαςεύς 300 1. 

δὲ. oil 9998: 
δείκνυμι 258. 
δέλλω 08. 
δήλομαι 02, 
διαζεύγνυμι 1τῦ. 
Δίας 160. 
διδόντες 909 1, 
δίεεθαι 100. 
Διόννυςος 319. 
Διόνυςεος 919. 
δῖος 100 1. 
Aw 168. 
Δίων 166. 
δόρυ 326. 482. 
Δρυόπη 168. 
δρῦς 477. 
Apuw 168. 

δύο 457. 
δυόδεκα 451. 
δύω 457. 

δὼ 29. 307. 
διύδεκα 451. 
δῶμα 807. 312. 
Awpic 4811. 
ἐβάλην 09, 
ἑβδομήκοντα 400, 
ἕβδομος 4τ0. 
ἔβλην 502. 
ἐβώθεον 902. 
eBwca 09. 
ἐττύς 505. 
Erpapev 429. 
Erpawev 432. 
ἔγχελυς 484. 


| 
| 
| 


Wortregister. 


edaudchnc 469. 
einca 02. 

ἔζινεν 502. 504. 
᾿ἔζωςα 902. 

eikw 174. 

‚eitew 504. 
εἰλήλουθα 176. 
“εἴλω 504. 

εἰμί 432 f. 

εἰν 340. 

"εἵνεκα 15. 

᾿ εἷς 1842. 

Ἑκάβη 1672. 
Ἑκάδημος 1013. 
Ἑκάτη 163. 
᾿ἑκατηβελέτης 439. 
ἕκατι 309 3, 
ἐκβάλλω 499, 
ἕκητι 17. 

᾿ ἑκτός 470. 

ἑκών 93. 302. 
᾿ἐλαθρός DO. 
ἐλαία 511. 
ἐλαφρός 49. δθῦ. 
᾿ἐλαχύς 902. 

| ἔλει 510. 
ἐλεύθερος 103. 
᾿ἐλεύεομαι 176. 


ein #77. 


Ἑλικών 477. 
"EXoc 510. 
ἐναίρω 454. 
“ἔναρα 454. 
\evdov 3151. 
“ἔνθα 16. 

| ἔννεπε 258. 
᾿ἔννηφι 501. 
᾿ἐννώςεας 503. 
|eve 1842. 

|evri 88. 
᾿ἐξενιχθῆναι 174. 
ἑξήκοντα 466. 
᾿ἔξιν 3281, 
᾿ἐξίνει 508. 
᾿ἐπιβιύεομαι DOB. 
᾿ἐπίλεκτος 168 3, 
"ἐποίει 481. 
ἐποίηςε 491. 


ἕπομαι 257. 402. 
ἑπτά 88. 871. 
epdw 175. 
ἔρεβος 508. 
eppun 502. 
ἔεβην 502. 

\ ecdAat 00. 
Ξέεθλαι 00. 
#EcoAaı ἤθ0. 
ἐτάλαςζα 439. 
᾿Εὐατγγελίς 162. 
Εὐάγτελος 109. 


529 


“Εὐρυβάτης 167. 169. 


“Εὐρυοδία 167. 
εὐφόρβιον 454. 
\exıc 442. 
ἐχυρός 219. 

| ἕψω 456. 
‚rakaßa 1672. 
 zeikarı 41. 
 evvuuor 502. 
\ seppeiv 257. 

| FEcca 502. 

‚ ztecdoı 159. 
είκατι 41. 
ıoßarıc 168. 
‚ sıömn 168. 
Fipoc 160. 

| stc 166. 

zw 168. : 
zıwv 166. 
σιωνίς 166. 
᾿“ρήτρα 48. 
|Za 509. 
᾿ζαβάλλω 509. 
| ζάβατος 509. 
᾿ζαλμάτιον 508. 
᾿ζάλματος 508. 
᾿ζάλον 508. 

ı *Zaudriov 508. 
| *Zauaroc 508. 
.ζαμβύκη DO8. 
ἄξω, 472. 
 Teivanev 902. 
FZeivuuev 502. 
| Ζεύς 1842, 
ζῇ 509. 

ı Ζῆν 270. 


530 


Ζής 184. 
Zncw 502. 
Zoäc 502. 
Zoacov H02. 
ζυγόν 285. 
Zwern 99. 
Zww 502. 
ἦμαρ 459. 
ἤνεγκα 114. 
ἤνεικα 114. 
ἥρως 228. 
θάνατος 499. 
Θάψακος 506. 
θέμις 312. 
Θεοκκώ 168. 
θερμός 909 3, 
Θῆβαι 324. 
θήγανον 174. 
θηγάνω 114. 
θην 372. 
Θυέετης 109. 
θυμός 39. 
θυςτάς 169. 
ἰαίνω 172. 
ἱέραξ 159. 


Wortregister. 


ἱστάντες 3021, 


ἰτέα 477. 
"Ixvößac 1672. 


m9 


᾿Ιχνοβάτης 167°. 
ὦ 1091. 170. 


ἰώ Mond’ 1τὸ 3. 


Ἐζώδης 1702. 
ἰών 98. 801. 


"iwv 1711. 
᾿κάβειος 506. 
οἤκάβη DOT. 
᾿κάβος 507. 
 xadauoc 08. 


Κάδμος ἢθδ. 
κάθθηκε 491. 


ο κ᾽ ἀλαός 908. 
᾿Καλλιθόη 170. 


Καλλιθύεςεςεα 169. 


᾿Καλλίθυιϊια 169. 


Καλλώ 168. 
Καλοννιώ 108. 
κάνθαρος 448. 
καπνός 25. 
καρφαλέος 441. 


κάρφος 447. 


᾿Κλυτόπωλος 167°. 


᾿ κοῖλος 507. 
κόρδαξ 112. 
κόρθυς 329. 
κοχλίας 322. 
κοχώνη 445. 454. 
xpadaw 172. 
κρατός 908. 
κριθή 472. 
“κρίνω 504. 
Κρονίων 189. 
κύαρ DOT. 
᾿Ξκύβα 50T. 
κυβάβδα 507. 
κυβάς DOT. 
κύββα DOT. 
κύβεθρα HOT. 
᾿κύβεεις DOT. 
κύβηνα 08. 
᾿κυβηείαν ῥθῖ. 
᾿κύβιεις 08. 
κύβος 507. 
᾿Κυματθόη 108. 
κύμβη DOT. 
κύμβιον HOT. 


ἱερόμας 109 1, 
Ἱερομνήμη 158 1, 


xatacßecaı 01. 
Ἑκαταςβέςεςαι 50]. 


κυμβίον 507. 5011, 
κύμβος 50T. 


ἱερός 157 ff. ᾿καταςβῶκεαι 501. ff. κύτος 507. 
ἰητήρ 438. | karacecac 905. ᾿κῶμα 313°. 
inrpöc 438. ᾿κάτω 218. λάθρα 442. 


ἱκανός 174. 
ἱκάνω 172. 
ἱκέεθαι 174. 
ἱκνέομαι 175. 
ἵκταρ 174. 
"oc 161. 

ἱμάς 87. 
ἱμάεθλη D06. 
tvvoc 32. 
"Ivvw 168. 
᾿Ιοβάτης 167. 
᾿Ιόβης 167. 
᾿Ιόπη 168. 
ἱπποπόλος DD. 
ἴρηξ 159. 

"Ipıc 157 ff. 
Ἶρος 159. 1601, 
ic 1672. 


ı Ke Ἢ Ἢ 
᾿κεδάςςαι 439. 


κέλευθος 176. 
κελεύω 176. 
κέλομαι 170. 
κέραμος DOG. 
Κήρυξ 163. 
κίββα 507. 
κίβιεις DOT. 


᾿κίβον DOT. 


κίβος BOT. 
κιβώτιον 50T. 
κιβωτός 50T. 


κίδναται 459, 


kıduv 450. 
κιχάνω 173. 
κλινότροχος 990. 
Κλύτοππος 167°. 


λύκος 475. 
᾿Λέλεξ 1083. 
᾿μακεδνός 63 1. 


μανιώδης 110 5, 
με 345 ff. 

“μέτα 300. 808. 
Μεγαβάτης 167. 
“μέγαθος 03. 
"μέγας 91. 

‚ μελίη 482. 
 MepexpatW 222. 
uepuepoc 101 1. 

| mepunpizw 101 1. 
᾿Μερόπη 168. 
᾿Μερώ 168. 

| μεεςηγύς DOD. 
᾿μεταλλᾶν 919. 
μευ 362 ff. 


μήτρως 998, 
μιν 395 

μνᾶ 320. 

uor 892 ff. 
μόκρων 631. 
μολγός 3. 
μυζάω 445. 
Mucoi 323. 
uuxAöc 822. 
ναῦς 228. 
νηπύτιος 04. 
Νικοττώ 168. 
νιν 940. 842. 
νοέω 05. 
νυ Ἐν ἙἘ- 

νύξ 475. 
ξένεος 172 f. 
Zevvw 168. 
Zevorkw 168. 
Ξένος. 172. 
Zecce 502. 


Zoic 909. 
ξόανον 503. 
Zoöc 503. 

ξύν 5041, 
ξύω 502. 503. 
ὀβολός 02. 
ὀγδοήκοντα 466. 
ὄτδοος 40. 
ὀδελός 08. 
ὀδούς 92. 449. 
ὄδωδα 303 3, 
οἱ 549 ff. 
οἶδος 455. 
Οἰνόμαος 1691. 
οἶνός 38. 89. 
ὀλιβρός 459. 
ὁμοῦ 90. 
ὀμφαλός TO. 
ὄνομα 300 ft. 
ὄνος 519 f. 
ὄνυξ τό. 
ὅπου 90. 
öperw 72. 
ὀρεύς 322. 


Wortregister. 


"Opti-wv 166. 

‚ öpivvw 504. 
‚öpivw 173. 504. 
ὁρμή 442. 
öpvuuı 04. 
öppoc 440. 
öpco 81. 

οὗ 90. 
οὐδαμοῦ 90. 
οὖν 59:8. 

‚ οὐρανόθεν 210. 


οὐρεύς # 
οὐςεία 450. 
ὀχυρός 212. 
ΤΤανύαξις 3281. 


παρά, mapal, πάρος 12. 


TTapdevvw 168. 
πᾶς 87. 
πάτρως 228, 
πεδά 19. 
TTeXomövvncoc 919. 
teuntöc 470. 
πέντε 479. 
πεντήκοντα 49. 
πέρι 19. 
TTepkn 4811. 
περρ- 340. 

Ι πῆ 280. 

na 901. 
πίμπρημι 05. 
‚ TTivdoc 19. 
 mıvuuevoc 504. 
 mıvutöc 904. 
πίεςα 478. 
mırvew 504. 
πίτνω 04. 

᾿ πίτυς 418. 
᾿πλέτω 177. 

᾿ πλῆτο 502. 
πνεῦεις 440. 
ΤΙοδάρκης 167. 1672. 


\ TToönc 167 2. 


πολύς 91. 184. 502. 
ı movrıköv 323. 
᾿πορφύρωῳ 456. 
᾿ποῦ 90. 

ı mpecßıcroc 505. 


πρέετυς DOD. 


᾿πρήθω 503. 


TTpörroc 1671. 
TTpoiroc 167 1. 


᾿προλελεγμένοι 108 3. 


πρός 340. 


᾿"πτήςεω 459. 
πῦρ 184. 
ı "Pa 471. 


" Boaua 905 3, 


popavw 303°. 


ı pudc 452. 
ῥύδην 452. 


cBevvuuı 501. 

cBecov 202. 
ςβήςομαι 502. 
Σενοφίλου 509. 

ceo, ceu 949. 559. 5609. 


 ckaipw 172. 
ı ckavdalov TD. 


ckapıpoc 441. 
ς«κάφη DOT. 
ς«κάφος DOT. 
«κέλος 448. 


| ckoAıöc 448. 


«κόλοψ 447. 
ckopößukoc 448. 


ı ckWwp 447. 


ı ckwpia 447. 
᾿ςοάνα 503. 


cmevöw 329. 
ςπέρχεεθαι 176. 
cmovdn 459. 
cmopad- 452. 
emupic 456. 


᾿«τόμα 314. 
 cröuaxoc 914. 


«τόμιον 314. 
«τρῶμα 312. 
«τώμυλος 9514. 
ευζεύγνυμι 175. 
εύλινος 903. 


᾿εύλον 508. 


I 
| 
| 
| 


εὖν 454. 5041, 
cpiyyw 453. 
cpıv 343. 356. 
cpupic 456. 
τάβα 324. 


532 


rapcoc 256. 
ταῦρος 169 #. 
τάχα 17. 

τὲ 29. 

teroc 194. 


Wortregister. 


φυγάς 302. 
᾿χάλυψ 323. 
χαμαί 912 3, 
χάρις 312. 
χεῖλος 48. 519. 


Τελεείδρομος 167. 169. | χεῖμα 312. 


τέλεον 256. 
reccapec 479. 
τέτορες 458. 


τετρώκοντα 476. 


τέχνη 320. 
τῆ 29. 230. 
τηλοῦ 90. 
τιθέντες 3021, 
τίλλειν 255. 
TIE 361 ll. 
tor 376 f. 
τοίνυν 977. 
τόξον 482. 
τρέμω 502. 
tpeccav 502. 
τρέω 173. 
τροχιλία 322. 
TpoxiXoc 169. 
τρύεκω ἢ09. 
τρῦχος 0. 


τρύω 508. 04 4, 


τυφλός 08. 
*TupwWc 08. 
ὑγιής 508. 511. 
ὕδωρ 29. 
ὑπείρ 940. 
ὑψοῦ 90. 
φαγεῖν 483. 
φάρος 904. 
pebyeckov 173. 
φηγός 477. 483. 
Φιλλώ 168. 
φιτρός 492. 
φλέγειν 511. 
Φλίας 04 4. 
φλιδή Ὀ04 1, 
φλυδάω 04 1. 
φλύω 044. 
φορκός 912. 
φορτητικός 319. 
φορτικός 319. 
φορτίς 919). 


᾿χειμερινός 314. 
χειμών 307. 

| Xeppövncoc 319. 
xew 177. 

χθών 184. 310. 
χιτών 456. 
χιών 310. 
χύτρα 177. 
χωλός 448. 
woyepöc 459. 
ıwöAoc 456. 
wwuöc 502. 
wwpöc H02. 
ψῶχος 497. 
'yuxw 457. 502. 
"wönc 1702. 
[ὦκα 17. 
᾿ῷΩκυπέτη 162. 
᾿Ωκυπόδης 101 5. 
| WAEvN .508 3. 
*bun 1702. 

] ὥν 93. 301. 


| 


᾿ἀείδαρος 320. 
ἀηδόνι 320. 

"Avdnvaı 441, 
ἄππαρος 321. 
| γάδαρος 390. 
᾿γαΐδαρος 990. 
γαϊδοῦρι 320. 


γαϊδουρόψαρον 91. 


youdpı 319. 321. 
γόμος 319. 
καϊμένος 5390. 
᾿κελαδῶ 290. 

, κελαϊδῶ 590. 
᾿κλάιμα 290. 
μούλαρος 321. 
ιουλάρι 322. 
πόδαρος 321. 


Neugriechisch. 


᾿ποντικός 323. 
᾿πούλαρος 321. 


caudpı 321. 
«κύλαρος 321. 
xadıv 320. 
χαϊδεύω 320. 


Albanesisch. 


‚ dant 3001, 


dent 3001. 


‚dender 444. 


legate 323. 
maöt 303. 
mad 309. 
musk 322. 
mütl 322. 
nuse 3191. 
perua 4521. 
timp 324. 
trege 324. 
Illyrisch. 
Ateste 324. 
Bigeste 324. 
Jadestini 324. 


Λάδεετα 324. 
Nadectov 324. 


‚luga- 323. 


“Λούγεον 323. 


Segesta 324. 


| Tergeste 323. 


lapygisch. 


Grumbestini 324. 


Lateinisch. 


absque 47. 
aesculus 482. 
aestumare 171. 
agnus 3032. 5011. 
almus 482. 

an 317. 

angutella 484. 
angutis 443. 484. 
anulus 449. 

anus 443. 


aperio 114. 
arrugia 4531. 
asellus 321. 
asinus 319. 
autem 26. 416. 429. 
avilla 901 1. 

avoco 172. 
Bacenis silva 480. 
bene 250. 

bos 184. 
brucus 448. 
bulga 325. 
cambiare 68. 
cerro 446. 

cena 172. 
cernere 958. 
cesna 172. 
citra 24. 
claustrum 5121. 
coclea 322. 
cocles 322. 
compescere 172. 
contungere 175. 
contegere 175. 
contra 24. 
coquere 479. 
eruentus 172. 
curta 491. 
decimus 470. 
detegere 175. 
dicere 258. 

dies 184. 
diserimen 504. 
distungere 175. 
dubius 175. 
dum 26. 
duodecim 468 
duplus 451. 
ecastor 423. 
eccere 423. 
edepol 423. 
endo 311. 


r 
“ 


enim 26. 377. 416. 429. 


501. 
examen ὅθ. 
extrad 24. 
exuo 02. 
fagus 417. 485. 


Wortregister. 
fermentum 175. 
| > ΓΝ 
 fertum 332. 
findere 455. 
176175: 


- flare 1781. 456. 


forare 504. 
formus 303 
\fraxinus 476. 

| Fugax 302. 
‚fulgere 511. 
fundere 177. 
gabata 510. 
gavisus 176. 
gener 444. 
genitor 437. 
gestire 443. 
glans #19. 
glinon 325. 
graculus 444. 
gradior 49. 75. 
granum 489. 
hamus 58. 
hercle 429. 


2, 


Hercynia silva 480. 


hibernus 314. 
hie 29. 

hodie 226. 
 hordeum 472. 
hostis 172. 
humi 3122 

ico 114. 

iens 95. 

igetur 416. 429. 
in- 68. 

inde 16. 210. 
inqguam 258. 
inseque 258. 

\ intra 94. 

intro 459. 
invitare 255. 257. 
invitus 253. 257. 
Τα 40. 
vanitrices 449. 
iecur 514. 
iocus 3032. 
‚tugum 259. 

' Iuppiter 514. 
lana 41. 257 


Indogermanische Forschungen I 5. 


larix 478. 

latro 14. 

latus 74. 

lien 23%. 

loqui 462. 
macula D12. 
‚magnus 91. 508. 
, male 250. 

mare 475. 
mecastor 411. 
med 351. 
mediusfidius 411. 
mehercule 411. 
meiere 322. 
mertidie 501. 

mi 412. 

mina 320. 
mingere 322, 
-miniscor 462. 
mulus 322. 
namque ὅτι. 
nasci 462. 

Ine 419. 

nolle 81. 
nonaginta 466. 
nonus +70. 
nucleus 322. 
num 26. 

| Numasioi 303 
obtegere 175. 
\obvenire 175. 
octavos +70. 

| octuaginta 466. 
| 

] 


„D 


onus 319. 
‚operio 114. 
ornus 483. 
pedere 502. 
per- 406. 
perendie 500. 
 pteus 478. 
 pinus 418, 
| pius 5049. 
ıpix 478. 
‚pol 423. 
 porrigere τῷ. 
 postridie 500. 
praesens 93 
 praetor 167 1, 
94 


39 


pridie 501. 
quadraginta #16. 
quando 414. 
quatuor 256. #9. 
que 29. 416. 
quercus 4719. 
querquetum 479. 
quicungque 47. 
quidem AT. 
gun 120. 
quinque 419. 
quintus 470. 
quis 256. 414. 
qwisque 419. 
quom 26. 
quomodo 401. 
quoque 418. 

res 222. 

retegere 12. 
rigare #1. 

rite 226. 

ritus 226. 
rostrum 5121. 
salix 417. 
scandere τῶ. 
scelus 448. 
secare 258. 
segnis 501. 
sentis 64. 
septimus 470. 
septuaginta 466. 
sequi 257. 462. 
sescenti 467. 
sexaginta 466. 
sextus 410. 

sic 411. 

sies 204. 
signum 258. 

sin 419. 

solum 303 3, 
sons 99. 
spargo 456. 
stramentum 306. 
strues 332. 
strufertarius 332. 
sullus 332. 
suinus 392. 


sunt SS. 


Wortregister. 


'suprad 24. 
'tandem 416. 
taxus 482. 
\techina 320. 
teetum 19. 
\tegere 194. 
'tremere 02. 
| tritus D04#. 

| trivi 5044. 
troclea 322. 

| tum 26. 

ubi 16. 
ulmus 489. 
ultra 94. 
\umbrlieus TO. 
umbilio TO. 
unde 16. 210. 
unguen 68. 
ungurs TO. 
unguo 443. 
vapor 290. 
\velimus S1. 
'vellere 253. 

| vermis 255. 257. 
verrere 290. 
veru 11. 

vestis 502. 

| vigeo 511. 

vitexc HIT. 


Sabinisch. 
teba 524. 

Oskisch. 
niumsieis 303°. 
pühiin 504°. 
veru 172. 

Umbrisch. 


heriest 175. 
|verofe 115. 


Italienisch. 


fanfaluca 44}. 


merluzzo 321. 


\ suovetaurilia 332. 


musso 322. 
nasello 321. 
pimpinella 441. 
spedire 441. 


| Provenzalisch. 
sauma 319. 
somella 319. 

Französisch. 
concombre 441. 
fanfreluche 44}. 
pimprenelle 441. 
tresor 441. 


Spanisch. 
arroyo 452. 
Portugiesisch. 
arroio 4591. 
fresta 441. 
Engadinisch. 


| amp 58. 
ham 58. 
propöst 44. 


| Friaulisch. 


muss 322. 
roje, roe 4521. 


propriest 441. 
ısplidir 441. 


Obwäldisch. 


| flodra 44. 


Rumänisch. 
muscoiu 322. 
targ 324. 

Zirg 324. 


Gallisch. 


Adianto 64. 
Adiantumnenti 64. 


Oberhalbsteinisch. 


Adiantunnos 64. 
ambi- 68. 

ande- 68. 
Andecamulos 68. 
ando- 69. 
Andocombogios 69. 
are- 69. 

bulga 325. 
Cingetorixz ΤΊ. 
Cintugenus 61. 
Cintugnatus 61. 
Cintus 61. 
Jantumarus 64. 
Jentumarus 64. 
Lingones ΤΊ. 
πεμπέδουλα 62. 
πομπαιδουλά 62. 
ver- 69. 
Vercingetorix 69. 
οὐέρτραγοι 702. 
vindo- 72. 


Wortregister. 


berthe 460. 
bind 68. 
bir 71. 


\bocht 80. 
‚böoim 80. 


bolg 325. 


 bongim 80. 


bran 41. 48. 


‚bree 66. 


briathar 48. 


brü TS. 


büain 621. 77. 
buden 531. 
bun 455. 


'caomhcehlud 441. 
‚car 460. 


carthe 460. 


\eead 67. 


Alt- und Mittelirisch. 


adernı 74. 
adeoncatar 76 !. 


adeonnareatar 761. 


adgen 69. 
adgeuin 69. 
adgrennim 75. 
aditehide-siu 460. 
des 453. 

aigde 460. 
aigther 460. 
ainm τι f. 

air- 69. 

am 80. 

an- 68. 
aratibrind 441. 
aratribrind 441. 
ar-chiunn τὸ. 


ar-ru-cestaigser 463. 


ateoch 79. 
atlaigthe 460. 

aur- 69. 

beimm “Reise’ 77. 
beimm "Schlag’ 77. 
beir 460. 

bel 48. 513. 


ceimm 59. 59 ft. 76. 


cenel 60. 62. 64. 
cenn 73. 

cet 60. 66. 

cetal 60. 64. 
cetne 61. 

ceud 61. 


-chiuir 621. 
\ cimb 68. 
\eing 1. 


cingim 41. 59. ff. 
ciunn 74. 


claemchlöd 441. 


cless 73. 


cliuss 73. 
‚ eloemchlod 441, 
 cluinte 460. 461. 


co-cara 331. 
coem 43. 


co-foichle 331. 


cöte ΟἹ f. 


‚cötca 49. 
‚ cöimmcehlöud 44. 


coimthecht 44. 


 com-mescatar 176. 


condecatar τθ 1. 
confeser 408. 


 con-festar 469. 
| coniceim 81. 
con-indarba 33. 


conruthochaisgesser 
403. 

‚cosmail 68. 

 co-tesba 330. 

co-tocaib 330. 

| co-toeba 331. 

' co-tbeband 330. 

co-torba 30. 

erenim 62. 

cuala 621. 

euirthe 460. 

cumscaigthe 447. 

cumscugud 447. 

dair 417. 

‚deoch 7». 

‚der 60. 

det 66. 

dianaigthe 460. 

diatibrind 441}. 

doaderenim 62. 

doarblaing 49. 

 doberam 40. 

ı dobiur 73. 

ı docheneiutl 69. 

| doeirbling 49. 

‚ dofoichred 44. 

| dolleblaing 41. 

ıdomm 22. 

 don-adbantar 331. 

, doradchinir 62. 

dorigeni 69. 

, doroiphann 46. 

doroiphnetar 40. 

dosephann 46. 

dosennim 46. 

drebraing 90. 

dreimm 55. 7 

dringim 50. 55. ΤΙ, 

droch 702. 

duaircher 621. 

ı dunn 52. 

| &- 68. 

\ecen 81. 

ech 73. 

 eesamail 68. 

en 60. 63. 

erimm 60. 

Eriu 78. 


7 


536 

et 64. 
etargninim 69. 
etirgein 69. 
faiseim 1716. 
fer 712. 

-fessar 469. 
find “Haar’ 72. 
find “ weiss’ 
findtae 461. 
finnaim 72. 
finta 461. 
füuch τ. 
fochichred 44. 
fochridigthe 460. 
foglennim 72. 
fogliunn τῷ. S1. 
foilsigthe 460. 
follaide 460. 
forcechan 4. 
fordingim ΤΊ. 
fordringim ΤΊ. 
forotblang 41. 
forrötchan 44. 
fortesid 60. 
frecuwirthe 460. 
-gainedar 462. 

«δὶς 69. 

-gen 621. 

gen ΤΊ. 

σειν 621. 

glenim 621. 

glice 81. 

-gninim 621. 
greimm TT. 

el 71. 

mb 68. 

imbliu τῷ. 

imlecan TO. 

imm 68. 
imthascarthithi 441. 
in- 68. 

ind- 69. 

ind "Spitze’ 
indarpae 69. 
inderb 68. 
indnadad 461. 
indnite 460. 
indrith 69. 


69. 


Wortregister. 


Yingen τ. 331. 


ingrennim 49. 


ingnath 68. 


\inneuth 461. 


inrograinn 49. 
iS-saın 
laige τ. 


331. 


laigim τῷ. 


leblaing #7. 48. 
leethe 100. 

ἰδὲς 460. 

leidr 74. 


‚leim DD. 


leimm 59 tt. 76. 


\leltar 621. 


lind 
lingim 47. 48.59 ΤΠ 


lige τῷ. 


| meit 66. 


menmme 48. 
mer 69. 
-messar 469. 


'-mestar 469. 
mid ΤΙ. 
‚meur ΟἿ. 


midiur 74. 
mi 11. 
mind 68. 
-moiniur 462. 


nachamdermainte 460. 


nadfinnatar 
nadfintar 462. 
na-imroimser A463. 
nasc 176. 

nasceim 176. 

nech (ἢ. 

nem 74. 


ni-carann 381. 


ni-foichlenn 331. 


ni-indarban(n) 330. 
nitaibrem 46. 
nitesban(n) 330. 
ni-thadbann 331. 
ni-toebann 381. 
ni-torban(n) 3%. 
nos-comalnithe 400. 


nut-astgthe 460. 
ochtmoga 400. 
oland Αἴ. 
ollaigthe 460. 
ragent 69. 
reimm τ. 
remes Ὁ. 
renim 621. 

ret 64. 

rethim 77. 
riadaim τ. 
rigim τῷ. 

rind “cacumen’ 
rind “Stern” 69. 73. 
rindaim 72. 


| rir 62 1: 


ro-chet 00. 
ro-chöimchloiset 441. 
ro-cloimeloiset 44}. 


'roeblaing 19. 


ro-fess 41. 
ro-fetar 461. 
ro-finnatar 461. 


| ro-fotrbth ichser 463. 


| scel 62. 


rogent 69. 
ro-leblaing #7. 
ro-lethnaigser 463. 
ro-sutdigestar 468. 
ro-sudigser 468. 
ro-suthchaigser 4634 
ro-taitnigser 469. 
ruad 561. 
ruccaigthe 460. 
ru-fiastar 469. 
satdbir 691. 

sail 411. 

scdich 447. 

64. 00. 
scendim 75. 


scingem Tl. 


-sechethar 462. 
sechtmoga 466. 


sen 14. 


ı set “Weg’ 60. 64. 69. 67. 
set "Kleinod’ 64. 69. 


| 


sesca 466. 


siniu 14. 
slänatgthe 400. 


smir 1]. 
tadbain 331. 
tadban 331. 
tadbat 531. 
taige 72. 
tarblaing 49. 
te 60. 

teg 14. 
tenga 48. 


tesban(n) 330. 331. 


tesbanat 331. 
-tesband 3%. 
tess 18. 

tige 72. 
-Huchur 462. 
to-ad-fiad- 331. 
tocaib 331. 
-torbanat 331. 
traig τὸ 3. 
trasgairim 441. 
trebrigthe 460. 
tren 69. 


Neuirisch. 


aos 48. 

beal 66. 

boim, buim 80. 
caoga 45 ff. 
caomh 43. 
ceud 67. 

eng 43 ft. 
cumhachta 45. 
can 66. 

geadh 66. 
reimheas 57. 
seinnim 73. τῷ. 
sgeal 66. 
trasgairim 441. 
trean 66. 


Kymrisch. 


addfwyn 64. 
addiant 64. 
am 68. 

an 68. 69. 
Andagello- 69. 


Wortregister. 


‚.anu TS. 
ar 480. 


cam 55. 18. 
cant 61. 
kenetl 60. 
CURAS: 
ewyn 480. 


| eychwynnaf τ. 
 eymmer ST. 
eymmeryd, eymrydds. 


kyntaf 61. 
chwedl 62. 76. 


‚ dant 66. 
eguin τῷ. 
 emenyn 68. 


en- 69. 
enuein ὃ. 
enw 458. 
erbynn τ). 
ewin TO. 
geneu Τί. 
gennyf 22. 


gulan, gwlan #7. 48. 
 gwlyb τῷ. 

| gwasgu 176. 

| gwydd 66. 


gwynn 72. 
hynt 61. 
lammam >». 
lemenic 53. 


lleidyr 74. 


Uyn 72. 
meint 66. 
mel 71. 
minn 68. 
miuyn 64. 
065, ots 43. 
penn τ. 
pimp 02. 
ym 52. 
ymenyn 68. 
yn 22. 

ynt 88. 


Kornisch. 


amenen 68. 
bom τ. 


cam DB». 
cams DT. 
cans 61. 
kensa, kynsa 61. 
dans 66. 


᾿ dym 32. 


emenin 68. 


euuin TO. 


garan 441. 
genaf 22. 
genau TI. 
gluan 48. 
guet 66, 
hins 61. 
myns 66. 


penn 9. 


Bretonisch. 


| amann 68. 


 lamm lamp 
mel 71. 


kamm 59. 
kamps DT. 
kant 61. 

comper Ὁ. 


| compret I. 
ı coms, comps DT. 


.—_ 


eranch 441. 
cuff 49. 
dant 66. 
deom 52. 
desquebl 62. 
diff 32. 
dymny Ὁ. 
etn 00. 
genou TI. 


\ gloan, glouan 48. 


goaz 66. 

queneff 22. 

hano \8. 

hent 61. 67. 

jun TO. 

55 f. 


ment 66. 

penn 9. 

prennest, prennestr 
441, 

punz 441. 


538 


quemret, quempret 51. 


quentaff 61. 


Quimper, Quimperle 


57. 
rems, TeEMPS DI. 
ruz 561. 
speret 62. 
tenzor 441. 


kotisch. 
aflwapjan 259. 
aftana 210. 
aftaro 200. 
agis 217. 
ainlif 466. 
aljar 22. 
aljaprö 24. 200. 
allapro 200. 
anasiuns 216. 
bairhts 511. 
balgs 323. 
blesan 118 1, 
brikan 456. 
dalaphro 200. 
fairguni 450. 480. 
fairrabro 200. 
faurpizei 211. 
filwor 479. 
filu 502. 
gaatstan 111. 
gadigis 217. 
gaqump)s 5». 
gawaknan 173. 
gestern. Ὁ19 1. 
geutan 177. 
grips τῷ. 
hatis 217. 
her 29. 
hidre 209. 
hindumists 61. 
hröt 194. 
hulundi 3002. 
haus 491. 
lvadre 209. 
lvar 29. 212. 218. 
lWwaphro 24. 200. 
/ve 204. 


inna 218, 


Wortregister. 


innana 210. 
innabro 200. 


‚tupa 218. 


iupana 210. 
tupabro 200. 
jainar 29. 


jaindre 209. 
jainhrö 24. 200. 


jukuzi 285. 
kaurn 485. 
mapl 512. 


maurbr 459. 


mikils 508. 


mins 217. 
gairnus 216. 


qiban 518. 


remis 217. 
rigis 217. 
saer 211. 
sandjan 61. 
sailvan 901 f. 
sibun ST1. 


sigis 217. 


sihu 214. 
stjais 204. 


ı simle 209. 


sind 88, 
sinpbs 00. 
siuns 908. 
skapis 217. 


'skapbjan 447. 
'skauns 216. 


speiwan 519. 
stöjan 277. 
sunja 9. 
sunjaba 202. 


|sunsei 211. 


figjus 466. 
triu A78. 


| tuggyo 48. 


banaseiphs 217. 


ἐμ αἰ 466. 


pande 900. 


bar 99. 512. 


hater 211. 
hapro 24. 200. 
pe 204. 
bugkjan 102. 


pbüusundi 102. 
ubtlaba 205. 
ufta 209. 
undar 69. 
undaro 2». 
unnuts 216. 
unte 209. 


‚unweniggöo 208. 


ustukns 174. 

uta 218. 

utana 210. 
utabro 200. 
uzanan 458. 
wairs 911. 
wasjan D0B. 
wato 23. 201. 296. 
waurms 90. 951. 
wileima S1. 

ἡ γαῖ 1. 

wulla 41. 


Altnordisch. 


askr 489. 
Aurgelmir 141. 
austan 210. 
Alof 141. 

bife 204. 
Bifrost 140. 
bjork 512. 
bladra 456. 


 Breidablik 140. 


bruüde 218. 

Eldir 140. 

Eggper 141. 

elmr 489. 

ero 81. 

fader 212. 
(BI 


| fat 30 
, Fjorgyn 480. 


fraud 509. 


'Frigg 140. 


Froya 140. 
Funde 218. 


 @udormr 140. 


hedan 210. 
Hjordis 140. 
Hlidsisjalf 140. 


hlynr 329. 
hvadan 210. 
kast 443. 

kasta 449. 
möder 212. 
Nidhoggr 140. 
Njordr 140. 
nordan 210. 
Orvasund 140. 
Reginn 140. 
sannr 9. 
Sigrdrifa 140. 
Sigurdr 141. 
skaka 447. 459. 
sker 441. 
skorpna 110. 
Sokkmimir 140. 
Sokkvabekkr 140. 
telgja 449. 
tjara 418. 

torg 324. 
tyggja >13. 
tyrr 418. 
badan 210. 

ati 218. 
Vafprüdnir 140. 
vokna 179. 
verpa 444. 
vestan 210. 
Verdandi 140. 
Ydalir 140. 
Yygdrasill 140. 


Schwedisch. 


avjud 222. 

biord 136. 

faul 109. 

fremsettende maade 
156. 

hysa 245. 

judskridning 252. 

knycka 249. 

Iysa 245. 

mysa 240. 

navneform 190. 

nevneform 136. 

navneord 136. 


Wortregister. 


omhänderhafva 109. 
ırycka 245. 

ryka 245. 

rysa 249. 

stedord 186. 

tycka 245. 
udsagnsord 150. 


Norwegisch. 


\varp 444. 


Angelsächsisch. 


| änungza 208. 
\dred 9. 
brand 99. 
brödor 212. 
|bydel 103. 

| dohtor 212. 
\eard 81. 
᾿οασίαμ 210. 
᾿)αάον 212. 
wer 29. 

| 25 31. 
\mödor 212. 
nordan 210. 
| secacan 447. 
sceoh 447. 
sliper 492. 
söd 95. 
spreot 117. 
sprütan 117. 
‚suadan 210. 

| sweostor 212. 
Tiies- 514. 
der 29. 

| üte 218. 
\weenan 1713. 
weter 212. 
\westan 210. 
witza 176. 
᾿αὐτέϊ 176. 
wringe 176. 
ymb, ymbe 68. 


Englisch. 


ıbrack #75. 


| meet 517. 


meeting 11. 


δι 447. 
ıstıpper 452. 


Niederländisch. 


artsenijmenger 131. 
gadelijk 151. 


tjdwijser 151. 


Langobardisch. 


fereha 479. 


Althochdeutsch. 


‚ancho 68. 


ars 446. 

ban 114. 
beinsegga 258. 
bital 108. 
blatara 456. 
blick 511. 


brinnan 173. 


bruodar 212. 
chragel 444. 456. 
chragilon 444. 
dar 29. 

der 212. 

drau 03. 
dusunt 102. 
einoti 128 2. 
elira 483. 

era 171. 
fallan 3032. 
fereheih 4719. 


fiozan 177. 


forasago 10. 


‚forha 41. 
‚friudil 458. 
 gersta #12. 
‚hintar ΟἹ. 


hliumunt 306. 
hwergin 212. 
kara 258. 
kiuwan 514. 


'lebara 514. 


540 


linboum 5320. 
mano 201. 
mol 442. 
mos #1. 
muor #2. 
nefo 201. 
peinseico 258. 
queran 298. 
ringan 116. 
rinnan 172. 
saga 258. 
sagen 258: 
sago 176. 
salaha 411. 
sehan 258. 
sciozan 117. 
serintan 170. 
serunta 176. 
smero 11. 
spannan 113. 114. 
speht 418. 
spinnan 179. 
springan 116. 


450. 


spriozan 11T. 
sprozzo 17. 
tanne 482. 
tineta 109. 
trinnan 179. 
umbı 68. 

üze 218. 

warm 303°. 
wazzar 212. 275. 
werran 201. D08. 
wibel 448. 

wrda +7. 

willa, wwille 206. 
williu, willu S1. 
175. 


wrssago 176. 


wirken 


wrzago 1τ0. 


Zios- 514. 


Mittelhochdeutsch. 


bitel 108. 
braht 9. 
brant 9. 
bräte 9. 


Wortregister. 
brüederlich 100. 
bruoder 100. 
‚veinen 148. 
 Vörgunt 480. 
' getelich 151. 
᾿ heien 128 3. 
\lehen 117. 
|lehenen 117. 
lene 117. 
‚lenen 117. 
liene 117. 
Tinboum 111. 
|Titkouf 1282. 
lüederlich Ὁ. 
‚lZuoder 100. 
\lünse 117. 
mol, molle 442 
miüeder 109. 
sinvluot 198 3, 
schiech 441. 
schic 148. 


schirze, scherze 112. 


‚schiuhen 447. 
schrimpfen 116. 
span 174. 
ıspriezen 177. 
stivelm 1011. 
‚tächt 102. 

tam 102. 
tiutsch 102. 
weterleich 128. 
weterlitzen 128. 
zirbe, zirbel 418. 


Neuhochdeutsch. 


ablang 122. 
ablugsen 129. 
abseite 129. 
abzucht 128°. 
ahnd 141. 
ahnden 111. 
ahnen 111. 
ande 147. 
angen 10. 
anhaben 147. 
‚ anklagefall 156. 
anlappen 150. 


anorgeln 150. 
 anseite 136. 
‚aposteln 119. 
arzeneimenger 191. 
atmungsfähre 129. 
attentäter 128 3, 
aufbegehren 1590. 
aufdecken 179. 
‚äufnen 149. 
aufreisen 149. 
 augenbraune 134. 
ausgetragen 190. 
auslauf 121. 
aussageweise 136. 
badearzt 154. 
bahnsteig 150. 
balde 132. 
barmen 10. 
bauer 119 1. 
beenden 1390. 
beendigen 129. 
befleissen 129. 
befleissigen 129. 
beginnen 141. 
begönne 125. 
bereich 144. 

| beziehende fürwörter 
| 186. 

 biederbe 147. 
‚bildsam 144. 
birke 416. 
blankscheit 128°. 
blitzen 51. 
boge 98. 

| Dösen (Verb) 149. 


brägenklieterig 150. 
bramsig 150. 

ı brate 98. 
braue 184. 
‚braune 154. 
brimmen 147. 
\brunft 128. 
brünne 147. 

| brunst 128. 
bugsieren 123. 
bündig 149. 
 bürge 125. 
 bürgern 119. 


büttel 103. 
courage 340 1, 
dachtel 155. 
damm 102. 
dang 127. 
deckname 144. 
deucht 236. 
deutsch 102. 
dingen 151. 
dinte 9. 

docht 102. 
drucksen 150. 
dung 127. 
dünken 102. 
durchfiebern 144. 
edeling 148. 
eigelichkeit 149. 
eiland 148. 
einfalt 129. 
einfältigkeit 129. 


eingeschrieben 150. 


einöde 1282. 
einzug 149. 
eisbein 121. 
empfindsam 144. 
enden 101. 
endigen 129. 
enttagen 144. 
erbrichten 149. 
ergötzen 134. 
ertragen 148. 
essighafen 149. 
ewiglich 129. 
fesnacht 121. 
fasten 101. 
fahrhabe 149. 
fehde 147. 
feien 148. 
felsen 129. 
fenstern 101. 
ferge 148. 
ferne 132. 
fernsprecher 150. 
ficht 130. 
fingern 118. 
flügeln 118. 
föhre 479. 
Franke 125. 


Wortregister. 


freidig 148. 
freislich 148. 
friede 125. 

Friedel 147. 
frieden (Verb) 148. 
frommen 147. 
frontenspitz 129. 
'fufzig 40. 

ı fünde 125. 
| fürwitz 120. 
fürwort 136. 

gaden 147. 
 gant 149. 
gantner 149. 
garten 100. 
| gast 172. 

' gastrisches fieber 116. 


‚ gattlich 151. 


gau 148. 
gaudieb 1282. 
geburttag 134. 
 gefallsucht 144. 
' gegenseite 136. 
geheischt 127. 
gehiessen 127. 

‚ gehirnkneifen 150. 
| geisel 117. 
'geissel 111. 
gelingen 49. 
gelackt 149. 
gemahnen 129. 
gemeinplatz 144. 
gente, ohne 116. 
ger 148. 

gerne 132. 
gewundrig 149. 
 gezwerg 147. 
geebeln 119. 

ı gefteritis 129. 
 giftptlz 149. 
glau 141. 

glaube 125. 
glomm 100. 
glück 101. 

gölte 129. 
 grammatikalisch 129. 
| gülte 149. 


Io 


| gummigut 129. 


541 


| guten (Verb) 149. 
‚haarrauch 198 3, 
hähne 101. 
hahnebüchen 150. 
hahnkrat 147. 

| hain 148. 

halfen 100. 
haltestelle 154. 

‚ handzıehle 149. 
harm 148. 

hart 101. 

haufe 125. 
 hauptwort 156. 

\ haute 126. 
heiderauch 1282. 
heim 148. 

heint 150. 
heiratern 150. 
herumwurmisieren 
| 14. 

höcher 124. 

| höhenrauch 123°. 
'hölle 121. 
hopfen 100. 

| hort 148. 

hülfe 125. 
 husten 100. 

idee 2511. 
indessen 129. 
‚irgend 57. 
‚irretieren 128. 
\örritieren 116. 
Jungfer 159. 
 kämpe 148. 
kiesetig 149. 150. 
| kleinodien 129. 

| klinze 148. 

Ι klub 123. 
‚knochen 100. 
 kommhurtig 129. 
 kranewanken 150. 
kregeln 444. 
kruppzeug 150. 

| kür 148. 

lange 132. 
lanzknecht 1282. 
laufte 126. 

\lehne 117. 325. 


542 


lehnepump 150. 
leichnam 101. 
leicht 49. 
leichtsinnigkeit 129. 
leihkauf 128 2. 

leine ziehn 150. 
lenne 325. 

lenz 101. 

letzteste 129. 
liebedienst 134. 


liederlich 99. 105. 256. 


lindwurm 148. 
loff 126. 

löffel 154. 
lüderlich 9. 
lungern 4). 
mage 148. 
malheur 2491. 
mamsell 249 1. 
massregeln 144. 
mehrste 124. 
menscheln 149. 
mesner 198 3, 
miesepetrig 150. 
minne 148. 
miswende 147. 
mittelwort 1506. 
molch 442. 
nachbar 1191, 
nächt 150. 
nachweis 130. 
nackedei 150. 
nackend 129. 
name 125. 
neiding 148. 
nennfall 130. 
nennform 136. 
niemand DT. 
norne 148. 
obrist 127. 
öfterer 129. 
pantalons 249. 
parapluie 2491. 


Wortregister. 


pfarrern 119. 
pflughalten 149. 
‚pilgrim 127. 

| posaune 109. 

ı pracht 9. 
prangen 9. 
profos 152. 
pseudonym 144. 
quoll 100. 
\radber 147. 
'ramschwaare 120, 
\rappe 125. 
rasaunen 10. 
recke 148. 
'redhaus 149. 


rücken 100. 
\rufte 127. 

rune 148. 
sanftmätigkeit 129. 
säuft 150. 
saufte 126. 
saugte 126. 
'schand 127. 
‚schaubild 144. 
scheu 447. 
schick 148. 
‚schiefe fälle 136. 
 schindete 127. 

᾿ schliefen 147. 
schlüsseln 119. 


schmäderfrässig 149. 


schmolz 100. 
schnaubte 126. 
schneid 150. 
schölte 125. 
schon 101. 
schöpfer 14. 
schraubte 126. 
'schund 191. 
schwäne 101. 
seen 101. 


\sippe 148. 


passtonen, noble 249 1. | spitzfindig 23%. 
| A 


pedell 105. 
perron 150. 
perspektive 144. 
petschiert 149. 


ıspönne 195. 


sporen 124. 
spornen 124. 
stacheln 101. 


rekommandiert 150. 


stentzen 150. 
sterbefall 154. 


‚stern 101. 
‚stiefeln 101. 


stille 132. 


'stöhle 125. 
| stünde 125. 
ıstürbe 125. 
‚sündflut 125 2. 182. 


sunken 98. 


‚tann 148. 


tarnkappe 148. 
tausend 102. 
teer #18. 

tele 150. 
telephon 150. 
teutsch 102. 
finte 90. 
triegen 236. 


‚trietzen 150. 


triftig 149. 

tum 141. 
umstandswort 136. 
ungefüge 141. 
ungeschlacht 121. 


'unmussig. 149. 


unterkietig 150. 
unwohnlich 149. 
unwort 149. 

ur 148. 

urig 150. 

verbiestern 1%. 
verbubanzen 150. 
verbummeln 149. 
verdürbe 125. 
verganten 149. 
vergleich 150. 
verheddern 10. 
verleichtsinnigen 142. 
verquer 150. 
verrunjenieren 44 1, 
verschmetterung 190. 
verschmökern 150. 
verschüpfen 149. 
vertulichkeit 149. 


viel 72. 
‚volkkönig 134. 


voller 129. 


vorhausen 149. 
wabern 147. 
wägen 99. 155. 
währschaft 149. 
wal 148. 
waldweben 148. 
warfen 100. 
wat 147. 
weigand 148. 
weihlich 147. 
werland 121. 
weissagen 198 5, 
weitläuftig 129. 
werft 444. 
wetterleuchten 128. 
wiegen 99. 134. 
wildschur 128. 
wille 125. 
windelator 129. 
wittib 127. 
wog 148. 
wrasen 150. 
wrucksen 150. 
würbe 125. 
würfe 125. 
zähdrätig 150. 
zäpfeln 149. 
zeitweiser 151. 
zeitwort 136. 
zerrbild 144. 
gerstreut 144. 
zeugefall 136. 


zielende zeitwörter 136. 
ziellose zeitwörter 136. 


zudecken 175. 


zusammenfingern 150. 


zweien, sich 149. 
zwölf 134. 


Altbulgarisch. 


agne 3032. 
bada 234. 
begv 459. 

belv 305 2. 
beza 459. 

betard 920. 
bratv 390. 


Wortregister. 


briti 504. 
breza 416. 512. 
buky 485. 
butar® 323. 
cesati 502 
eresp 446. 

dati 303 2. 

dolu 90. 

drevo 478. 

gavrand 48. 

gora 480. 

greda 79. 

\igo 285. 

jagne 3032. 

jasika 483. 

; | jedro 4492, 
'jelicho 483. 
|jetro 459. 
jetry 445. 
jezv 3281. 

klen® 325. 
eryti 194. 
kypeti 256. 
\liza 35. 
ıluza 323. 

Iyko 289. 

mezdu 302. 

| m»skd 525 


| 

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DD: 
ımvzgb 928 
ınazda 284. 
nuzda 984. 
Inynecu 90. 
onude 50. 
otvlekt 35. 
piklo ATS. 
pljuja 519. 
posredu 30. 

| prijatelv 438. 
sat» 8. 

᾿ sestra 2%. 
setd 11T. 
ıskora 448. 
snegb δῦ. 

| sokolv 258. 
|sy 93. 

ten23: 

tovar® 319. 
trova 509. 


trogb 324. 

tu 80. 

velja 81. 175. 
vidd 3. 
\vlona 47. 
voda 29. 
vrand 41. 
vrestn DIT. 

‚ vrdchu 30. 
vrvgnati 172. 
\vonu ὅ0. 

ı zeto 444. 
|zrono 485. 
zeladv 479. 
zezeto 441. 
zida 35. 
zleza 449. 
zröony 216. 


2%. 


Neubulgarisch.- 


mule 322. 


Serbisch. 


tovar 319. 321. 


Slovenisch. 


NND 
OU) τ, 


‚jasen 
gavran 48. 
karvan 48. 
kavran 48. 
kovran 48. 
kriv 194. 

pezdeti 502. 


Russisch. 


voron 48. 
‚bereza 476. 
| krovlja 194. 
‚krysa 19. 
preju 508. 
| ugoro 484. 


| 


| 
| 
bediti 


Gechisch. 


502. 


x 
545 


544 


havran 48. 
leryt 194. 
ozd 449. 


Polnisch. 


skörka 448. 
wilezura 128. 
wegorz 484. 


Preussisch. 


angurgis 454. 
anktan 68. 
aupallai 303 2. 
billitwei 495 2. 
deinan Ὁ. 
kirsa 446. 
percunis 481. 
poieiti 2791. 
pouis 2791. 
pout 9191. 
pouton 2791. 
poutwei 2791. 
puieyti 2791. 
puton 2791. 
quaits 255. 


warnis, warne 48, 


Litauisch. 


angıs 449. 
dtlaikas DD. DT. 
atlekas DD. 
atvweriu 175. 
auksas 470. 
antas 440. 
baandanı 36. 
barme 40. 
beda 39. 
begas 455. 
begu 459. 


berszti 512. 


berzas 476. 512. 


braidani 36. 
brödis 39. 
daiktas 34. 38. 


dainda 39. 


Wortregister. 


deive 35. 40. 
deivys 37T. 


 degas 98. 


dele 40. 


dena 38. 39. 


devas 33. 37. 38. 


derva 418. 
drekin 36. 
dumas 59. 
ditti 278. 808 3. 
eile 40. 

emi 32. 36. 
einü 37T. 


ıesas 9. 


ezys 328 1. 
gabenu 172. 
gardys 39. 
gedra 39. 


geidzik 35. 36. : 
gendü τῶ. 
gesme 40. 


gire 480. 
gyjvas 99. 
yra Ss. 


javar 412. 
jükas 808 5. 
7 ἰδέα 89. 


katlis 89. 
kam πα: δ 37. 
kairgs 39 
kaitra 39, 
kasıjti 502. 
kaskur 80. 
kaupas 808 2. 
kauszas 491. 
köcziar 39. 
keiszitt 36. 


| köle 40. 


kemas 7. 
leturi 479 

krausze 491. 
kiauszis 491. 


kirmele 255. 9571. 


Κλ 80. 
krattis 39. 


krüvinas 174. 
krüvinu 172. 174. 


kıipinas 174. 


-| 


| kupinu 114. 
καρ 256. 
kur 80. 
kväpas >55. 
kuepti 256. 

| kuvesti 258. 
kvötys 39 
lardas 98. 
laikjti ST. 
laima 40. 
laivas 38. 
lepa 40. 
lepsna Ss 
leptas 3 

| leszti ΕΙ 
|Tezin 35. 36. 
|lika 471. 
liügas 823. 
Iınkas 288. 

ı marnas 84. 88. 
marstas 58. 
maita 59. 
ımegas ST. 
meles AD. 

\ menü 19. 275 
| mezys 39. 
mirszti 172. 
mote 275. 
nalkte 40. 
name >27. 


nekas DS. 
nekur 90. 
neszti 38. 


nezal >>. 
ınıimas 808 2. 
pdine 40. 
 palaidas 34. 


| pasattis 34. 51. 
perlis 59. 


pemu 35. 


penas 9. 
Perkunas 481. 
peva 40. 
ıpintis 440. 


ı plaudziu 177 
| pleine 40. 


"γιὲ nas 38. 
pludziu 17T. 


plustu 177. 
praüsti 509. 
pülu 303°. 
püta, pota 279. 
raiszat 39. 
raisztis 89. 
reke 40. 
rötas 39. 
satkas 58. 
sakyti 258. 
seile 40. 
sekiu 174. 
söksnis 39. 
sena 40. 
senas 38. 
sesti 303 2. 
sesü 39. 275. 
“δίας 37. 
skaitaü 36. 
skaudamas 447. 
skaudeti 441. 
skaudüus 447. 
skedra 89. 


skerdziu 176. 450. 


skersas 446. 
sketas 38. 
skiriü 176. 504. 
skreiste 40. 
skrentu 176. 
slökas 38. 
snatgala 35. 
snega 39. 
snegas 35. 38. 
sprustu 177. 
srävinu 451. 
srebiu 303 3, 
srubti 303 3, 


Wortregister. 


starbis 39. 
sitlas 3032. 
svöstas 89. 
szale 91. 
szaltas 191 1. 


- 


szaudau 1717. 


‚szaudinu 177. 


szaudykle 177. 
szauju 177. 


ıs2& 29. 


szeiva 39. 
szöktas 88. 
szirde 40. 
szluju 911. 
szu 19. 265. 
szvesa 39. 
tat 267. 

te 29. 

tesa 39. 
turgus 924. 
torska 493. 
udra 59. 
unda 296. 


ungurys 268. 464. 


uzveriu 172. 
ülektis 3053 2. 
iisis 303 ?. 483. 


uüsta 278. 


 üsti 3032. 


\vardas 88. 


varkas 38. 
varras 98. 


varskas 38. 
vandu 23. 275. 296. 
\varnas 41. 


vartai 172. 
veidas 35. 38. 


versie 40. 

venas 80. 88. 39. 
veriüu 172. 
verziüt 110. 
vesene 40. 

veta 40. 

vezäs 42. 

vllna #7. 


δι)" 0. 


zema 39. 


zaislas 38. 
zatbas 38. 
zebint 36. 

zentas 444. 
zmü 303 2. 


zvaigzde 40. 


Lettisch. 


apkupt 256. 
bals 3053 2. 


berzt 512. 


güvs 278. 
kupains 256. 
küupet 256. 
küpinät 256. 
küps 303°. 
kvept 256. 
meklet 513. 
nüuma 303 2. 
schaudeklis 177. 
schaudrs 117. 
spraujus 177. 
sprautis 177. 


'steidzus 39. 


tirgus 324. 


545 


546 Wortregister. 


Il. Niehtindogermanische Sprachen. 


Sumerisch. Salsll. | sedeze 451. 
: : “αἰγγ)α 511. ısino 451. 
qushgin, gushkin 444.\|.., 7 _ € 
ed "eljon 511. 
“es 506. Udisch. 
Babylonisch. le» 510 | 
4 | ee ı malgone 442. 
sossos 467. selem D0S. | 
gebha 508. Ts ἀν 
: schetschenzisch. 
Altarmenisch.  qöbhä 508. | et 
΄ .. EVEN | 7 Ἢ 5 | ᾿ 5) 
Sardiie 3271. ı gübba 308. | melqu 442. 
ı gobhä* 508. | 
bee πες στο | Finnisch 
Hebräisch. ı qübbaäth 508. | Br 
son ı gedem 508. ankerias 268. 
aton ee ἶ ᾿ηαάτηι 508. | 
gablad 510. sällem 508. | Türkisch. 
galal 508. | 
= ar | oepl» 909), 
gama’ 510. Parish ı esek 320. 
ERBEN Avarisch. | gaizar 320 
cherem 506. ΡΝ ἜΡΟΝ 
charis 508. abürik 454. en 
lkubhäa’ 508. bacdxize 455. | ἢ 
ἤει τον ὍΣ Σὰ ΚΟ 5:2: Etruskisch. 
lköbha’ 508. bacize 459. | 
2 & eye Ir De | = 
abhöth 506. | racize 455. Id 471. 


Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. 


ANZEIGER 


FÜR 


INDOGERMANISCHE SPRACH- UND AUTERTUMSKUNDE 


bEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN 


HERAUSGEGEBEN 


WILHELM STREITBERG 


ERSTER BAND 


STRASSBURG 
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER 
1892 


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Inhalt. 


Letfmann Franz Bopp (Streitberg) . : 

Steyrer Ursprung der Sprache der Arier (Streitbere) 
Persson Wurzelerweiterung und Wurzelvariation (Sütterlin) 
Hillebrandt Sonnwendteste in Altindien (Lindner) 

Ehni Yama (Hillebrandt) . E : 2 
Caland Syntax der Pronomina im Ryan (Barkslonae, 
Rohde Psyche (Mogek) 


Kühner-Blass Griech. Grammatik I (Brugmann) . . . - 
Hoffmann Griech. Dialekte I (Solmsen) 
Nonmosklomerie dialeet (Kretschmer) . . . 2 2.2. 2... 


Weiss Griech. u. latein. Verbum (Brugmann) N LA 
Studemund Studien auf d. Gebiete des arch. Lat. II (Skutsch) 
Gaster Chrestomathie Roumaine (Meyer-Lübke). 
Jellinek German. Flexion (Michels) 5 
Mucke Niedersorbische Grammatik (Wiedemann) 
Wiedemann Litauisches Präteritum (Streitberg) 
Thumb Die neugriechische Sprachforschung in den Jahren 
SEO 199 Ἴ. 
Bibliographie von 1891 
Mitteilungen: 
Die indogermanische Sektion auf dem Münchener Philo- 
Meemtasn(Stueitbere). 2... Win. ale na. 0a 
Wenkers Sprachatlas . 
Personalien A RE 
Friedrich Zarnceke 7 (Streitberg) 
Schrader Vietor Hehn (Streitberg) 


Strong, Logeman, Wheeler Εν to the Study of 


the History of Language (Michels) 
Sweet A Primer of Phoneties (Bremer) 
Taylor The origin of the Aryans (Hirt) 
Pischel-Geldner Vedische Studien 1. (Franke) 
Avesta Die heiligen Schriften der Parsen herausgegeben von 
Geldner (Bartholomae). KK er N νον: 
lackson The Avestan Alphabet (Horn). . . - . . .. 
Jackson A hymn of Zoroaster (Bartholomae) . 


IV 


v. Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie 
(Streitberg) ee RE en DNB. ἐς SR 
Schrijnen Etude sur le phenomene del s mobile (Parmentien) 
Sütterlin Zur Geschichte der Verba denominativa 1. (Thumb) 
Audouin Etude sommaire des dialectes grecs (Meister) 
Boisacq Les dialectes doriens (Meister) . IR: 
Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens 1. (Roscher). 
Meyer Etymologisches Wörterbuch der albanesischen Sprache 
(Brugmann) EEE ΤῊΝ. 
Pauli Altitalische oenunsen II. (v. Planta) 
Weise Charakteristik der lateinischen Sprache (Stolz) 
Stowasser Eine zweite Reihe dunkle Wörter (Meyer-Lübke) 
Zanardelli Langues et Dialectes (Brugmann) . . . ... 
Lichtenberger De verbis quae in vetustissima Germanor. 
lingua reduplicatum praeteritum exhibebant (Loewe) 
Tamm Etymologisk svensk ordbok I. (Morgenstern) 
Hoffmann Stärke, Höhe, Länge (Heusler). 

Faulmann Etymologisches Wörterbuch I. (Streitberg) 
Garke Prothese und Aphaerese des A im Althochdeutschen 
(Bojunga) a ie ee FREE ΠΝ 5 
Wilkens Zum nen Konsonantismus (Hoffmann- 
Kraver) TE : ἜΣ ᾿ we 
Kauffmann ἘΣ ΑΞ der schw nen Mundart (Michel) 
Müllenhoftf Deutsche Altertumskunde V. ὃ (Kauffmann) . . 

Sobolevskij Drevnij cerkovno-slavjanskij (Zubaty) 

Thumb Die neugriechische Sprachforschung 11. 
3ibliographie 
Rezensionenverzeichnis 
Mitteilungen: 
Zu griechischen Inschriften (Meister). 
Thesaurus linguae latinae 
Vorschlag (Schuchardt) 
Personalien 
Bitte (Streitberg) 


Seite 


104 
109 
110 
111 
112 
112 


116 
118 
120 
121 
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123 
1% 

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13 


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206 


ANZEIGER 
FÜR INDOGERMANISCHE SPRACH- UND ALTERTUNSKUNDE, 


BEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN 
REDIGIERT 
VON 
WILHELM STREITBERG. 


BAND I HEFT 1. NOVEMBER 1591. 


Lefmann S. Franz Bopp, sein Leben und seine Wissen- 
schaft. Erste Hälfte. Berlin Georg Reimer 1891. 176 u. 
ΠΟ ΞΡ σιν. 8%. :M. 8. 

In uns allen lebt ein Stück Heroenkultus. Niemals wird 
uns deshalb die blosse Thatsache genügen können, dass etwas 
grosses vollbracht ist, sondern unser Blick wird unwillkürlich 
den suchen, der es vollbracht hat. Und unsere Phantasie 
wird nicht eher ruhen bis sie die Brücke geschlagen, die 
vom Faktum zur Persönlichkeit führt, bis es ihr gelungen, 


den Mann und sein Werk — dieses durch jenen, jenen durch 
dieses — zu begreifen und zu erklären. 


Deshalb darf auch Lefmann von vorneherein unseres 
Dankes gewiss sein, wenn er als Festgabe zu Bopps Jahr- 
hundertfeier ein Lebensbild des Meisters darbringt. Die erste 
Hälfte liegt bereits vor, ein stattlicher Band von fast 350 
Seiten, mit einem trefllichen Porträt geschmückt. Die Lebens- 
geschichte ist auf 176 Seiten bis zum Erscheinen der ver- 
gleichenden Grammatik geführt. Fast den selben Raum nimmt 
der “Anhang ein, der Briefwechsel Bopps mit Windischmann, 
A. W.v. Schlegel, W. v. Humboldt, Burnouf Vater und Sohn 
Ἵ- Ὡς bringt, um deren Sammlung sich Lefmann entschiedenes 
Verdienst erworben hat. 

Die Anforderungen, die eine Biographie Bopps stellt, sind 
nicht gering. Denn sein Leben ist an äussern Geschehnissen 
überaus arm, und sein innerer Werdegang hat die entschei- 
denden Stadien bereits durchmessen, bevor die Überlieferung 
beginnt. Nur einige der ältesten von den uns erhaltenen 
Briefen lassen flüchtige Streiflichter auf: ihn fallen. So ist 
denn der Biograph gezwungen den Mangel an individuellen 
Charakterzügen im Bilde seines Helden, soweit es angeht, 


Anzeiger I 1. 1 


2 Lefmann Franz Bopp. 


zu ersetzen durch die Schilderung des Charakters der Zeit, 
deren Kind er ist, die ihm, so gut wie allen andern, ihren 
Stempel aufgedrückt hat. Ferner muss für das unvermeid- 
liche Zurücktreten des persönlichen Momentes das stärkere 
Hervorheben des sachlichen Entschädigung bieten. Wir ver- 
langen nach einer eingehenden Darstellung der wissenschaft- 
lichen Thätigkeit Bopps, der Anregungen, die sie erfahren, 
des Einflusses, den sie ausgeübt. Und hier besitzen wir vom 
Konjugationssystem an, dessen Vorgeschichte wir freilich nur 
auf dem Wege der Kombination erschliessen können, alles, 
was uns not thut, um den wissenschaftlichen Entwickelungs- 
gang Bopps bis ins einzelne zu erkennen: seine Werke sind die 
reichlich fliessenden Quellen, an denen jeder schöpfen Kann, den 
es gelüstet. Noch mehr: wie Scherers Biographie Jacob Grimms 
sich ungezwungen zu einer Geschichte der germanischen Phi- 
lologie erweitert, so muss auch Bopps Lebensbild zu einer Ge- 
schichte der idg. Sprachwissenschaft ausgestaltet werden. 
Diesen Ansprüchen ist Lefmann, wie sich schon jetzt zwei- 
fellos erkennen lässt, nicht in vollem Umfang gerecht gewor- 
den. Ungern vermisst man vor allem jede Zeichnung des zeit- 
geschichtlichen Hintergrundes, ein Mangel, unter dem nament- 
lich die Schilderung der Jugend zu leiden hat. Dagegen hat 
der Verfasser, wie schon der Titel andeutet, die Darstellung 
der wissenschaftlichen Thätigkeit Bopps als integrierenden 
Bestandteil seines Werkes angesehn. Ihr ist denn auch ein brei- 
ter Raum gewidmet. Leider fehlt es aber an jeglicher Per- 
spektive. Alles wird mit gleicher Ausführlichkeit behandelt, zur 
Ermüdung und Verwirrung des Lesers, der die Gipfelpunkte 
dadurch aus dem Auge verliert. So gibt meiner Meinung 
nach Delbrücks feinsinnige Skizze in seiner “Einleitung ein 
ungleich schärferes Bild von Bopps Leistungen und ihrem 
Verhältnis zu denen seiner Vorgänger und Nachfolger als 
Lefmanns umfangreiche, aber inhaltsarme Ausführungen, die 
den Kern der Frage nicht selten gänzlich unberührt lassen. 
Noch manche Ausstellung könnte. man schon jetzt beim 
ersten Teile machen; anderes wird sich erst nach Vollen- 
dung des ganzen beurteilen lassen. Vielleicht darf ich mir 
jedoch im Interesse der Fortsetzung schon jetzt die Bitte 
erlauben, den Stil in Zukunft etwas weniger manieriert und 
geschraubt zu gestalten, ihn mit der Prosa des Inhalts etwas 
mehr in Einklang zu bringen. Das Buch würde an Lesbar- 
keit dadurch entschieden gewinnen. Und Leser möchte ich 
ihm trotz allem wünschen. Denn wenn es auch nicht wenige, 
wie ich glaube berechtigte, Wünsche unbefriedigt lässt, so 
füllt es doch immerhin eine schon längst empfundene Lücke 
aus und macht in den beigefügten Briefen, die erfreulicher 


Steyrer Ursprung der Sprache. 3 


Weise vollständig mitgeteilt sind, wenn auch ihr innerer Wert 
nicht immer ein hervorragender ist, ein reiches Material zum 
ersten Male zugänglich. Und die warme Begeisterung für 
den Begründer unserer Wissenschaft, die sich auf jeder Seite 
bekundet, lässt über viele Mängel hinwegsehn. 

September 1891. Wilhelm Streitberg. 


Steyrer J. Der Ursprung der Sprache der Arier. Wien A. 
Hölder in Komm. 1891. Vu. 1758. 8°. M. 5,20. 

Der Verf. hat 1887 in einer Schrift über “die urspr. 
Einheit des Vokalismus der Germanen auf Grund einer Ver- 
gleichung der bajuvarischen Mundart mit dem Englischen ” 
die Entdeekung gemacht, dass oa bezw. das gleichwertige’ 
or der germ. Grundvokal sei. Im dem vorliegenden, gefällig 
ausgestatteten Werke gelangt er, vornehmlich durch eine 
Analyse der Namen von Körperteilen, zu dem Ergebnis, dass 
dieses oa—or nichts geringeres sei als der Urlaut der Indo- 
germanen. Als solcher ist es ursprünglich “alldeutig’ d. h. 
“es stand dem Arier bei einem eintretenden praktischen Be- 
dürfnisse einst nur dieser Laut zur Verfügung. Erst später 
treten Differenzierungen ein: der or-Zeit folgt eine cor- und 
por-Periode u. 5. £. 

Ich fürchte, der Verf. darf sich auf die Zustimmung der 
Fachkreise zu seiner Theorie keine Hoffnung machen. Nicht 
einmal eine Diskussion der Hypothese kann stattfinden; denn 
eine solche setzt doch immer die Möglichkeit gegenseitiger 
Verständigung voraus: Der Verf. aber redet in Zungen, die 
uns andern fremd und unverständlich klingen. Ich be- 
schränke mich deshalb darauf, ihn auf eine Schrift hinzu- 
weisen, die ihm unbekannt zu sein scheint, deren Forschungs- 
art und Ergebnisse ihm aber sympathisch sein dürften, näm- 
lieh auf P. Regnauds Esquisse du veritable systeme primitif 
des voyelles. Vielleicht, dass der Entdecker des Urlautes oa 
und der Entdecker der Urlaute dö, δα δῷ bei einander das 
Verständnis finden, dessen Mangel bei den übrigen Forschern 
sie beklagen. 


Jul 1991-. Wilhelm Streitberg. 


Persson P. Studien zur Lehre von der Wurzelerweiterung 
und Wurzelvariation. Upsala Universitets Ärsskrift 1891. 
IOtoeer.,80...Kr...6. 

Auf Grund der geläuterten Anschauungen, die wir heute 
vom Wesen der Sprache haben, hat Per Persson die auch 
schon früher beobachtete und untersuchte, in ihrem Kerne 


4 Persson Wurzelerweiterung. 


aber noch nicht hinlänglich erklärte Erscheinung der Wurzel- 
erweiterung und der Wurzelvariation (d. h. der Variation und 
Kombination der Wurzeldeterminative) von neuem einer zu- 
sammenhängenden Betrachtung unterzogen. Er bietet ein rei- 
ches, sorgfältig gesammeltes Material aus allen idg. Sprachen, 
das er nach der Reihenfolge der teils Konsonantischen teils 
vokalischen Determinative (kgghtddhpbbhrlmms, so- 
wie di u) vorführt. 

Betrachtet man von seinem Standpunkt die mannigfaltig 
wechselnden Formen, in denen die idg. Wurzeln erscheinen, 
so fügt sich alles spielend in Reih und Glied. Durch die 
Annahme des Antrittes eines oder des andern Suffixes lassen 
sich die bisher höchst schwierig erscheinenden Beziehun- 
gen klarstellen. Man kann nicht leugnen, dass der Verfasser 
bei der Behandlung gerade solcher Verhältnisse viel Scharf- 
sinn bewiesen hat. Bei näherem Zusehen aber steigen doch 
Bedenken auf. Was P. uns bietet, nimmt sich auf dem Pa- 
pier ganz gut aus; aber man kann sich doch des Gefühls 
nicht erwehren, dass es bei dem allem etwas äusserlich und 
tot hergeht, wenn die Wurzelelemente und Suffixe wie Bau- 
kastensteine nur so auseinandergenommen und wieder anders 
zusammengesetzt werden. Man vermisst zu sehr die Berück- 
sichtigung des psychologischen Momentes. So kann man doch 
nicht schlechthin sagen, ai. jdäpaydmi (von ji- siegen‘) sei 
durch einfaches Zerlegen von sthapaydami u. 5. w. in sth-dpay- 
dmi und Ablösung des ganzen dpaya als Kausativcharakter 
zu seiner Endung gekommen (5. 207); denn damit ist das, 
was man in erster Linie wissen will, nicht erklärt, nämlich, 
aus welchem Grunde man gerade so und nicht anders zer- 
legte. Dieser Grund war aber offenbar, dass man das Par- 
tizipium jetas mit sthitas gleichstellte. 

in Perssons Weise lässt sich, zumal da auch mehrere 
Determinative zugleich antreten können, eigentlich alles ver- 
einigen, was nur den anlautenden oder genauer überhaupt 
den ersten Konsonanten der Wurzel unter sich gemein hat, 
vorausgesetzt natürlich. dass die Bedeutung dem nicht allzu- 
sehr entgegensteht. Schon deshalb ist bei Beschreitung eines 
Weges, wie ihn P. vorschlägt, grosse Vorsicht in mehrfacher 
Hinsicht geboten. Dass man zunächst mehr als sonst zu prü- 
(en hat, ob die Bedeutung eine lautlich mögliche Beziehung 
nicht unwahrscheinlich macht, braucht kaum erwähnt zu 
werden. 

Zwei andere Gesichtspunkte verdienen noch eingehen- 
dere Beachtung. Was den ersten betrifft, so hat der Verf. 
selbst an einigen Stellen darauf hingewiesen, dass bei dem 
Vorhandensein mehrerer gleichbedeutenden oder bedeutungs- 


τ 


Persson Wurzelerweiterung. 


“τ 
w 


ähnlichen Wurzeln oft eine aus der Vermischung zweier an- 
deren entstanden sein möge; besonders wenn ein Begriff nicht 
nur durch eine Reihe von Wurzeln zugleich seinen Ausdruck 
findet wie der des Spaltens, Schneidens durch er- bher- sker- 
sek- sken-, sondern wenn jede dieser Wurzeln wieder in so 
mannigfaltiger Gestalt auftritt wie z. B. au- oder ter-, ist 
Vorsicht bei der Beurteilung des Alters der einzelne Bildun- 
gen geboten. 

Persson macht in seiner Aufzählung in der Richtung 
keinen Unterschied. Freilich ist das bei dem hier in Betracht 
kommenden Material sehr schwer, weil die verschiedenen 
Formen häufig in gleicher Weise über die einzelnen Sprach- 
gebiete verteilt oder, wenn einmal eine anscheinend ‚jüngere 
Bildung nur in einer Sprache vorkommt, gerade hier andere 
Formen fehlen, die für jene hätten Muster werden können. 
Aber ein planmässiger Versuch zu einer solehen Ordnung des 
Materials — vielleicht in etwas tabellenartiger Form — ist 
dringend nötig; Perssons Sammlung, die trotz vieler Wieder- 
holung das Zusammengehörige an mehrere Stellen auseinan- 
derreisst, kann dabei als gute‘ Grundlage dienen. 

Des weiteren ist bei einer derartigen Arbeit nicht aus 
den Augen zu lassen, dass vielleicht noch manche Form ohne 
Zuhilfenahme von Wurzeldeterminativen auf dem Boden der 
Einzelsprache selbst ihre Erklärung finden kann. Dass für 
keine Sprache die lautgesetzliche Entwicklung völlig, für 
manche erst recht lückenhaft bekannt ist, steht ausser Frage. 
Vor allem bleibt, wie es scheint, noch zu untersuchen, ob 
gewisse Konsonantenverbindungen nicht manchmal überhaupt, 
in anderen Fällen etwa nur nach langem Vokal oder Diph- 
thong eine Vereinfachung erfahren. 

Zur Erklärung der Determinativsuffixe bringt Persson, 
obwohl man darauf am meisten gespannt ist, nicht viel we- 
sentlich Neues bei. Er findet es wie andere vor ihm mit 
Recht auch wahrscheinlich, dass sie im letzten Grunde mit 
den entsprechenden Nominalsuffixen zusammenhängen, und 
führt z.B. die Determinative ὁ und « auf die nominalen Bil- 
dungsmittel ὁ und « zurück. Im allgemeinen sind für die 
Beurteilung dieser Verhältnisse vielleicht jene ai. schon im 
Rgveda begegnenden Verba denominativa wichtig, die ein- 
fach durch Anfügung des Verbalausgangs -at? von einigen 
selbst mit einem Suffix versehenen Nominibus gebildet sind 
wie bhisdkti “heilen neben bhisdj Arzt‘, vanusate “erlangen 
neben vands eifrig’. Hoffentlich kommen wir durch weitere 
Untersuchungen, zu denen Perssons Arbeit jedenfalls anregen 
wird, in diesen Fragen bald vorwärts. 

Heidelberg. L. Sütterlin. 


6 Hillebrandt Sonnwendfeste. 


Hillebrandt A. Die Sonnwendfeste in Alt-Indien. Erlangen 
Junge 1889. δύ: 1530: 

Die indischen Ritualschriften sind noch nieht häufig zum 
Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht worden. 
Zwar ist die Brähmanalitteratur als ältestes Denkmal indischer 
Prosa sprachlich von grossem Interesse, aber der Inhalt schien 
nur für Sanskritisten vom Fach wichtig zu sein und auch 
unter diesen haben es nur wenige unternommen, sich durch 
den Waust priesterlicher Spekulationen, durch welche die ur- 
sprüngliche Bedeutung der dargestellten Opferhandlungen völ- 
lig überwuchert ist, hindurchzuarbeiten. So wie uns in die- 
sen Schriften das indische Ritual vorliegt, bietet es allerdings 
nur wenig Berührungen mit dem der verwandten Völker, 
aber es ist von vornherein wahrscheinlich und ausserdem 
durch die ältere Litteratur bezeugt, dass wir in ihnen das- 
selbe nicht in seiner ursprünglichen Gestalt vor uns haben. 
Nicht nur die Anschauung über die Bedeutung des Opfers 
überhaupt hat sich völlig verändert, sondern die einzelnen 
Teile haben sich verschoben, von ihren natürlichen Grund- 
lagen losgelöst, und jedes Merkmal ursprünglich volkstüm- 
lichen Charakters abgestreift. Will man daher das indische 
Ritual für die vergleichende Altertumskunde nutzbar machen, 
so muss man zunächst versuchen die ursprüngliche Gestalt 
zu ermitteln. Der Verf. vorliegender Schrift hat mit Erfolg 
diesen Versuch unternommen, indem er nachweist, dass 
zwei für das religiöse Leben der übrigen indogermanischen 


Völker besonders bedeutungsvolle Festfeiern — der Som- 
mer- und Wintersonnenwende — auch in Indien ursprünglich 


vorhanden waren und dass sich Spuren derselben noch in dem 
späteren Ritual nachweisen lassen. Es handelt sich um zwei 
Tage, die aus der über ein ganzes Jahr sich erstreckenden 
Somafeier des Gavämayana sich besonders hervorheben, den 
Vishuvant und Mahävrata. Dass wir es bei beiden mit ur- 
sprünglichen Sonnwendfeiern zu thun haben, weist der Verf. 
nach aus den dabei verwendeten Liedern und Melodien, so- 
wie aus der Bedeutung der dabei angerufenen Götter. Der 
Vishuvanttag fällt nach dem uns vorliegenden Ritual in die 
Mitte, der Mahävratatag ans Ende des Jahres, doch macht 
es der Verf. wahrscheinlich, dass hier eine Verschiebung von 
6 Monaten stattgefunden hat und dass der erstere ursprünglich 
mit dem Winter-, der letztere mit dem Sommersolstiz zusam- 
menfiel. Eine solche Verschiebung hat in Indien bei dem 
ganzen Charakter des späteren Rituals nichts auffallendes. 
Auf Einzelheiten einzugehen, ist hier nicht der Ort; Ref. will 
nur bemerken, dass seiner Meinung nach der vom Verf. ein- 
geschlagene Weg der richtige ist und allein zu rechtem Ver 


| 


Ehni Yama. 


ständniss und rechter Würdigung des indischen Opferrituals 
führen kann. Hoffentlich setzt der Verf., dem wir schon 
manchen wertvollen Beitrag zur Kenntnis dieses Rituals ver- 
danken, seine Untersuchungen über dasselbe in der hier ein- 
geschlagenen Richtung weiter fort. 

Leipzig. Bruno Lindner. 


Ehni J. Der vedische Mythus des Yama, verglichen mit den 
analogen Typen der persischen, griechischen und germa- 
nischen Mythologie. Strassburg K. J. Trübner 1889. M. ὃ. 

Der Verfasser der vorliegenden Monographie, welcher 
sich im Sanskrit durch eine wertvolle kleine Untersuchung 
über das Süryälied, RV. X 85, bekannt gemacht hat, hat 
sich hier die schwierige Aufgabe gestellt den altindischen 
Todesgott Yama und eine Anzahl ihm nahestehender Götter 
Vivasvant, Tvastr und Saranyü näher zu beleuchten. 

Je nachdem man in Yama einen ursprünglichen Gott 
oder einen mythischen König sieht, hat man geglaubt ihn 
auf eine Naturerscheinung oder eine menschliche Gestalt zu- 
rückführen zu müssen, aus der sich der “erste der Sterb- 
lichen” entwickelte. Ehni ist der ersten Meinung, der auch 
ich mich anschliesse, beigetreten und hat mit so grosser 
Sorgfalt aus verschiedenen vedischen Quellen das Material 
zur Begründung seiner Ansicht zusammengetragen, dass zu 
bedauern ist, dass er die gleiche Mühe nicht auch auf die 
Äusserlichkeiten der Transkription verwendet hat, die nicht 
nur schwankt, sondern auch oft ganz unrichtig ist. SO z.B. 
schreibt er 5. 46 visnuh, vievänarah, varunah u. 8. w. 

Ehni erklärt Yama für einen Sonnengott und zwar als 
Gott der lichten Tagsonne wie als Nachtsonne, welche Yamas 
Entwicklung zum Herrscher im Reich der Seligen verständlich 
machen soll, und zeigt Urteil und Geschick in der Bekäm- 
pfung entgegenstehender Ansichten. Die Gründe, mit denen 
er seine eigene Deutung rechtfertigt, scheinen mir aber nicht 
ausreichend zu sein, weil sie an Stellen sich anknüpfen, 
die zum Teil mehrdeutig, zum Teil dunkel sind. So kann 
man nach meiner Meinung sich weder auf die Verse RV.X 
17, 1.2 stützen, in der die Erklärung aller vorkommenden 
Götternamen (Tvastr, Vivasvant, Acvinau, Saranyü) schwankt, 
noch auf RVX 64,5 ff. saryamasa candramasa yamam divi, 
wo Ehni in candramasä yamam eine Dualverbindung nach 
Analogie von mitrd ... varumah schen will. Wenn diese Lö- 
sung auch vielleicht möglich wäre, so ist sie doch nicht, wo- 
rauf es ankommen würde, sicher; denn wenn man candra- 
masa mit ἢ ας αὶ verbinden wollte, so würde man sich auf 


5 Ehni Yama. 


den Vorgang von Säyana zur Rechtfertigung berufen dürfen. 
Die mythologische Erklärung von Yama wird bedingt durch 
die richtige Deutung von Vivasvant, dessen Sohn er ist. Ehni 
sieht in dem Vater die Verkörperung des “immer weiter 
und voller hervorleuchtenden ” Morgen- oder Frühlingshim- 
mels, wobei aber das spätere Sanskrit, in dem V. ein Name 
der Sonne ist, zu kurz kommt; denn es muss doch ange- 
nommen werden, dass das spätere Wort mit dem vedischen 
identisch ist und die Bedeutung sich nicht allzusehr verscho- 
ben hat. Unläugbar spielt bei Ehnis Erklärung --- ebenso wie 
bei der des Petersburger Wörterbuchs, das von dem “Gott 
des aufgehenden Tageslichtes, der Morgensonne” spricht — 
die Ableitung des Wortes von vi-vas “aufleuchten’ eine Rolle. 
Die Etymologie ist aber, nach meiner Auffassung, bei allen 
mythologischen Fragen keine sichere Beraterin; denn sie 
kann bisweilen wohl allgemein den Charakter eines Gottes 
zeigen, sagt aber über seine Individualität nichts näheres 
aus. Aufleuchtend’ ist jeder Lichtgott: der Blitz, Sonne, 
Mond, Sterne, die Nacht wie der Himmel. Wüssten wir nicht, 
dass Sürya die Sonne ist, die Etymologie würde eine so ge- 
naue Bestimmung der Wortbedeutung nicht gewähren. Tvastr 
bringt Ehni wie auch Geiger (Ostir. Kultur 304) mit av. thıwäsa 
“Himmelsraum zusammen, dem “schnell sich umdrehenden”. 
Besonnener Weise lässt er sich dadurch nicht zu einer Deu- 
tung des indischen Gottes verleiten; denn thwaäsa “ Himmel’ 
ist von thrwaäsa schnell’ ganz zu trennen; jenes ist vielleicht 
mit russ. fverd), dieses mit skr. tarta (tvarta) zusammenzu- 
stellen (Hübschmann Ein Zor. Lied 5. 76. 77; Geldner Kuhns 
2. XXV 521°, Bartholomae Ar. Forsch. II 46). Bleiben wir 
nun bei der gewöhnlichen Ableitung von teaks — taks, so 
erfahren wir wohl, dass Tvastr ein “Werkmeister' der Götter 
ist, aber durchaus niehts darüber hinaus: er ist jedoch viel 
mehr als ein blosser Werkmeister. Die Etymologie hat hier 
also für uns gar keine Bedeutung. Wir dürfen nieht ver- 
gessen, dass ein wichtiges Kapitel der indischen Lexikogra- 
phie noch nicht geschrieben, bisher überhaupt kaum in An- 
griff genommen ist, die Beeinflussung des vedischen Lexikons 
durch sprachliche Elemente der Aboriginerbevölkerung. Die 
Sprache und Anschauungen der Stämme, in deren Mitte die 
einwandernden Arier als Eroberer sich niederliessen, werden 
schwerlich spurlos an ihnen vorübergegangen sein. Es scheint 
mir nicht ausgeschlossen, dass manche Wörter, über die wir 
uns vergeblich den Kopf zerbreehen, diesem Boden entstam- 
men und einzelne Götter gar nicht indisch-arisch sind. Wie 
dann, wenn Tvastr zu diesen fremden Elementen gehört? 
Wenn ich diese Bedenken gegen wichtige Punkte der Ehni- 


Caland Pronomina im Avesta. 9 


schen Arbeit ausspreche, darf ich nicht unterlassen hinzuzu- 
fügen, dass ich seine Erörterung und seine entschiedene und 
begründete Stellungnahme gegen die Rothsche Hypothese, 
dass Yama der erste Mensch gewesen sei, als einen Fort- 
schritt in der Auffassung dieses Gottes anerkenne. Es wäre 
noch hinzuzufügen, dass Yama zwar ein martya, aber nie- 
mals ein jana heisst. "Sterbliche’ sind auch andere Götter, die 
Rbhus zum Beispiel. In der Definition Yamas als Nacht- 
sonne ist Ehni dem nach meiner Meinung Richtigen so nah 
gekommen, dass nur der Irrtum, der Mond spiele im Veda 
keine Rolle, ihn verhindert hat, es zu erfassen. Auf die 
vergleichende Behandlung des Stoffes gehe ich nicht ein, da 
ich sie für verfrüht halte. 
Breslau. Alfred Hillebrandt. 


Caland W. Zur Syntax der Pronomina im Avesta. Amster- 
dam Joh. Müller 1391. Letterk. Verh. der koninkl. Akade- 
mie, Deel XX. 68 u. IV 5. 4°. 

Der Verfasser, der schon in Kuhns Zeitschrift einige 
hübsche Aufsätze zur Grammatik des Avesta geliefert hat, 
stellt sich hier die Aufgabe “das für die Lehre der Prono- 
mina zu thun, was Hübschmann für die Kasuslehre und Jolly 
für die Moduslehre geleistet haben”. In 108 Paragraphen 
werden die syntaktischen Eigentümlichkeiten im Gebrauch 
der 1) Demonstrativa, 2) Relativa, 5) Interrogativa und Inde- 
finita, 4) Possessiva und 5) ungeschlechtigen Pronomina un- 
tersucht. Die Schrift bringt nicht eben viel neues, bleibt 
aber auch so dankenswert, weil sie da und dort Verstreutes 
zusammenträgt — freilich vielfach ohne die wünschenswerten 
Nachweise —, ordnet und mit reichlichen Beispielen illu- 
striert. Bedauerlich in hohem Grade ist dabei die geringe 
Sorgfalt, die auf die Korrektur der Textanführungen ver- 
wendet wurde. Seite 21 und 49 enthalten ausser 3 falschen 
Stellenansaben — 8.31, 12 1.: 33. 1; 5. 49, 3 1.: 9.22, 37 
l.: 45. 6 — und einer unmotivierten Wortverstellung — zu 
J. 55. 1 — zusammen nicht weniger als 38 Fehler. Dadurch 
wird die Benutzung der Schrift für jeden, der nicht völlig 
im Iranischen zu Haus ist — und deren Zahl ist klein —, 
sehr erheblich erschwert. 

Von den Notaten, die ich mir gemacht, mögen die nach- 
stehenden hier Platz finden. 

S. 4: taeibiö hat die NA. nach Abzug von J. 34.1 (s. 
S. 90) nur noch zu J. 44. 18; auch hier wird taib° zu schrei- 
ει Zu 3.4426 8. BB. XIV 18, XV 253. — In der For- 
menaufführung vermisse ich ha, Nom. Sing. Mask.; vgl. Am. 


10 Caland Pronomina im Avesta. 


or. soc. proc. 1889, CXXVI. — Zur Note s. BB. IX 307, KZ. 
XXIX 498. 

S. 9, $8: Ich sehe zwischen den beiden hier bespro- 
chenen Gebrauchsweisen von Ahuö keine Ähnlichkeit. In 
dem Satz: hiap mizdem.. fradadapa .. ahtä huo ne daidi 
(1. 40. 1, 2) nimmt ahia das vorhergehende mzzdem, huöo das 
in fradad° enthaltene Pron. 2 Pers. wieder auf. 

S.9f., $10: Ich halte daran fest, dass der “Artikel’ 
ta- auch enklitisch gebraucht wurde. J. 34. 6 und 49. ὃ sind 
nieht dazu angethan, das zu widerlegen. Entscheidend dafür 
ist Wortstellung und Sandhi. Auch die Existenz enklitischer 
Nominative des Pron. Pers. scheint mir sicher, gegen 8.56 f., 
8. 94. Für einen solchen sehe ich j@s an allen Stellen an; 
es folgt überall dem ersten Wort der Verszeile, während jü- 
Zem an der Spitze steht. Dass jas in J. 32. 3, 4 besonders 
“nachdrucksvoll’ gebraucht sei, kann ich nicht finden. Auch 
as “ich’ J. 46. 18 halte ich für die enklitische Form; vgl. 
dazu himkip V. 13. 31. 

S. 13, $ 15: Unter den Formen aus aua- fehlt auainhä 
Jt. δ. 91: 

S. 16, 821 ἢ: Die Stelle σι. 17.58 wird als Beleg für 
zwei verschiedene Gebrauchsweisen von auwa- angeführt. 

S. 21 f.: Die Relativverbindungen wie asim jam isiam 
statt (und neben) aszm ja ἐδῖα beruhen nach meiner Meinung 
auf Nachbildung; 5. meine Studien II 5. 70 Note. Beachtens- 
wert ist, dass dabei statt der mehrsilbigen Relativformen der 
Akk. Sing. Ntr. gebraucht wird: aeso jo iristo > aetahe 
jap (nicht jenhe) iristahe. Die Bemerkungen zu AV. 19. 20.1 
halte ich nieht für zutreffend. In den 165. steht »nyddhuh 
(nicht nyadhuh, s. Whitney Ind. Verb. S. 154), mit der Beto- 
nung des Nebensatzes. 

S. 40 ff.: Den wichtigsten Abschnitt bilden die ὃ8 72— 
15, wo untersucht wird, wie weit “die Auflösung des Rela- 
tivs in: subordinierende Konjugation mit pron. Demonstr. 1) 
zulässig ist. Der Verfasser will sie beschränkt wissen auf 
die Fälle, dass der Relativsatz 1) final, 2) hypothetisch, 9) 
konsekutiv, 4) kausal ist oder endlich 5) das Objekt bildet. 
Was den letzten Punkt anlangt, so stützt sich Calands Auf- 
stellung wesentlich auf Geldners Übersetzung von J. 51.15 
in KZ. XXVII 579. Aber die daselbst angenommene Inver- 
sion scheint mir denn doch zu stark ?). Dass in den übrigen 


1) Das passt aber nicht für den 5. unten angeführten Fall. 

2) maredaite (Κ. ὃ, J. 5) bedeutet “zerstört sich” (5101); Objekt 
ist erezaus haibim “das was dem Gerechten sicher ist”; ta ist Instr. 
“so, auf diese Weise”; jehia besagt dann “so dass seine...” 


Rohde Psyche. 11 


benannten Fällen jene Auflösung zulässig ist, darüber be- 
steht kein Zweifel. Die Frage ist, ob und wie weit sie sonst 
zugelassen werden muss. Und diese Frage wird weder mit 
der wünschenswerten Klarheit noch mit der nötigen Vollstän- 
digkeit behandelt. Caland scheint ausser im Fall 5 nur die 
Auflösung eines Nominativs zu gestatten, also 70 — “ damit 
er, wenn wer, so dass er, weil er‘. Ich verweise dem ge- 
genüber nochmals (s. ΚΖ. XXVII 14 N.) auf RV. 10. 89.1, 
wo yö zweifellos = γό asya. Entsprechendes halte ich auch 
im Avesta für möglich, wenn schon nicht geläugnet werden 
soll, dass man mehrfach zu weit gegangen ist. 

S.47,878: Apers. ka kann doch nicht — ai. kds sein; 
das wäre ka. ka ist Partikel. 5. KL. 1 11. 

S. 48 ff., 8. 805: 89: Ich vermisse die Stelle Jt. 13. 18: 
Jo.na.hrs .. barap...hö..kaskip. 

S. 57, 8 95: Die richtige Erklärung von auatiam J. 68.1 
stammt von Geldner KZ. XXVIII 407 £., nieht von Kern. 

5.64.8105: Die Borm'san'= han,‘ 3. Plur., ist doch 
ganz einfach; 5. mein Handbuch ὃ 198. 


[> 


Münster (Westf.) Bartholomae. 

Rohde E. Psyche, Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der 
@iechen. 1. Hälfte. : Freiburg i. Br. 1890. 294 5: 8°. 
Wer an der Hand eigner Quellenforschung vorurteilsfrei 

der Entwicklung der vergleichenden Religionswissenschaft der 
letzten Jahrzehnte gefolgt ist, kann nach der Lektüre von 
Rohdes Psyche nur ein Urteil über das Buch haben: es ist 
ein Werk, klassisch in seiner Form, meisterhaft in der streng 
philologischen Durchführung eines wohl erkannten, aber bis- 
her noch nicht in die rechte Bahn gebrachten mythologischen 
Systems. Die Mythologie lässt sich heute nicht mehr mit 
der beschränkten Kenntnis der Mythen eines Volkes behan- 
deln. Die Triebfedern religiösen Kultes, der Ursprung der 
Vorstellungen höherer Wesen sind bei fast allen Völkern ähn- 
liche oder gleiche, es sind die Triebfedern, die im Volks- 
geiste fortdauern, die allen Kulturströmungen mehr oder 
weniger Widerstand leisten oder mit diesen verschmelzen, die 
sich bewusst oder unbewusst selbst bei den Kulturvölkern 
auf der höchsten Stufe geistiger Entwicklung erhalten haben; 
der Mensch steht im Banne derselben. Erst der vergleichen- 
den Religionswissenschaft (d. h. vergleichend im eigentlichsten 
Sinne, nicht beschränkt auf die Vergleichung der Völker in- 
dogermanischer Sprache) verdanken wir diese Erkenntnis, und 
die Arbeiten eines Tylor und Spencer, eines Waitz, Bastian 
u. a. haben uns den Schlüssel zum Verständnis des Volks- 
glaubens der Kulturvölker gegeben. Es ist hierdurch zu- 


12 Rohde Psyche. 


gleich das grosse Problem vom Aberglauben der Völker der 
Gegenwart einen mächtigen Schritt der Lösung näher geführt, 
während bisher das Kapitel hiervon jedem ernsten Forscher 
ein Buch mit sieben Siegeln war, denn mit der alten Ver- 
sicherung, dass der Aberglaube einfach Überbleibsel ver- 
blassten Heidentums sei, war nicht auszukommen, so oft sie 
auch zu seiner Erklärung herhalten musste. Durch diese 
Forschung steht nun vor allem fest, dass fast alle Völker die 
Vorstellung von der Seele als eines zweiten Ichs haben, dass 
dieses zweite Ich als persönliches Wesen nach dem Tode fort- 
lebt, dass es während des Schlafes den Körper verlassen 
kann und in mancherlei Erscheinungen in der Natur und im 
Traume sich dem Menschen zu erkennen gibt. Naturgemäss 
gebührt ihm dann auch eine Pflege, wie sie der Mensch selbst 
bedarf, und so ist bei den Völkern der Seelen- und Ahnenkult 
entstanden, der ebenso alt ist wie die ältesten mythischen Vor- 
stellungen überhaupt. An diesen Resultaten lässt sich auf 
mythologischem Gebiete ebensowenig rütteln, wie auf sprach- 
lichem an der Thatsache der Lautverschiebung. Allerdings 
ist dies Ergebnis, wie es mit neueren Errungenschaften ja so 
oft geschieht, zu sehr ausgebeutet und verallgemeinert wor- 
den, und selbst die Arbeiten Spencers und Tylors, ganz ab- 
gesehen von denen Lipperts und Laistners, sind von dieser 
Übertreibung nicht frei zu sprechen. Da ist wie der Zauber- 
stab des Meisters Rohdes Psyche unter die heraufbesehworenen 
Geister, die eine so klare Thatsache schon in Miskredit ge- 
bracht hatten, gefahren und hat die mythologische Forschung 
in den rechten Fluss gebracht; die klassische Philologie hat 
auch auf dem Gebiete der vergleichenden Mythologie die Füh- 
rerschaft übernommen. Welch ein Unterschied zwischen dem 
entsprechenden Kapitel bei Lippert (Die Religionen der euro- 
päischen Kulturvölker 5. 308—412) und der Psyche! Rohde 
behandelt mit streng philologischer Kritik die Mythen der 
einzelnen griechischen Dichterschulen, der homerischen, böo- 
tischen, epischen. Er hat es vorzüglich verstanden, ‚scharf 
zwischen Volksglauben und religiöser Diehtung zu scheiden. 
Von dieser geht er aus, aber er zeigt, wie sie selbst noch 
zum grossen Teil im Volksglauben wurzelt, wie sie diesen 
sich untergeordnet, wie sie Neues durch die subjektive Phan- 
tasie einzelner grosser Dichter geschaffen hat und dadurch 
zuweilen mit der lebensfähigeren und lebendigeren Volksvor- 
stellung in Widerspruch gerät. In diesem scharfen Trennen 
der beiden Hauptquellen griechischer Mythologie liegt das 
grosse Verdienst, das sich Rohde um die mythologische For- 
schung erworben hat. 

Aber auch nach anderer Seite hin ist Rohdes Buch von 


Rohde Psyche. 13 


weittragender Bedeutung. Während man bisher mehr oder 
weniger die Gottheiten in den Mittelpunkt mythologischer 
Forsehung stellte, geht Rohde vom religiösen Kulte, von der 
Sitte aus und kehrt immer und immer wieder hierher zurück. 
Von hier aus allein kann man die Religion und Mythologie!) 
der Völker in ihrer geschichtlichen Entwicklung verstehen 
lernen. Götterkult und -glaube eines Volkes sind zwei un- 
trennbare Dinge, und die Sitte, die in jenem meist wurzelt, 
tritt als neuer Hauptquell der Religion ihnen zur Seite. 
Erst durch Erforschung von Kult und Sitte der Völker lernen 
wir den wirklichen Volksglauben, die Religion eines Volkes 
kennen, und werden hiervon trennen, was nur in gewissen 
Kreisen, namentlich der Dichter, sich besonderer Pflege er- 
freut hat, nämlich die religiöse Dichtung, die Göttermythen. 
Auch hier führt uns Rohde zu den echten Quellen des Volks- 
glaubens und zu den Teilen der Dichtung, in denen sich dies 
reine Wasser noch erkennen lässt. Er knüpft an an das 
grosse Leichenmahl zu Ehren des Patroklos (S. 14), an das 
Opfer des Odysseus am Eingange zum Hades (S. ὃ] ἢ), er 
führt uns zu den Grabstätten der Heroen (S. 149 ff.), zur 
Verehrungsstätte chthonischer Gottheiten (5. 123 ff.), schildert 
uns die Heiligkeit der Gräber und die Sitten, die hierin 
ihre Wurzel haben (S. 210 ff... Er lehrt uns den Triebfedern 
der Sitten und des Kultes nachgehen und zeigt immer und 
immer wieder, dass diese einem anderen Vorstellungskreise 
angehören als die künstlerisch vollendeten Göttergeschichten 
der homerischen, epischen, dramatischen Schule. Von den 
vielen Problemen, die hierdurch ihrer Lösung nahe gebracht 
sind, sei nur eines herausgegriffen, das Ref. auf dem Gebiete 
der germanischen Religionswissenschaft jahrelang beschäftigte 
und das er hier nur zu lösen vermochte, wie es Rohde auf 
dem der griechischen gelöst hat: die Weissagung. Weissagung 
findet sich bei fast allen Völkern. Sie beruht auf der ein- 
fachen Vorstellung, dass die vom Körper getrennte Seele sich 
über Raum und Zeit hinwegzusetzen und Thatsachen, die in 
entfernten Gegenden sich zutragen, oder die Zukunft zu kün- 
den vermag. Einzelne Personen besitzen dann besonders die 
Eigenschaft, mit der Seele verkehren zu können. Hieraus 
erklärt sich das ganze Orakelwesen in niederer und höherer 
Form, all unser Aberglaube von bösen und guten Anzeichen, 


1) Wir müssen in Zukunft diese beiden Begriffe zunächst 
von einander trennen: Religion ist in erster Linie Volksglaube und 
religiöser Kult, Mythologie dagegen die religiöse Dichtung, die 
wohl zur Religion werden kann, aber es durchaus nicht immer 
geworden ist, wie uns die vedischen, homerischen und eddischen 
Mythen zur Genüge lehren. 


14 Rohde Psyche. 


die Prophetie an Gräbern, an bestimmten Zeiten und Orten 
u. dgl. mehr. Wenn die Kraft, die Zukunft zu offenbaren, 
sich bei gewissen Gottheiten zeigt, so liegt hier eine höhere 
Stufe geistiger und kulturgeschiehtlicher Entwicklung vor. 
Rohde hat dies überzeugend an der Geschichte des Orakels 
zu Delphi gezeigt (S. 125 ff.), das von Haus nichts anderes ist 
als ein Totenorakel des Python gerade so wie die Toten- 
orakel des Amphiaraos bei Theben, des Trophonios bei Le- 
badea (S. 112); erst später ist der Kult des Apollo hierher 
verpflanzt und Apollo zum Herrn der Weissagung gemacht 
worden. 

Fassen wir noch kurz zusammen, was die Hauptergeb- 
nisse von Rohdes Forschung sind, und die Folgerungen, die 
darin für die vergleichende und die griechische Mythologie 
liegen. Zunächst sind alle Parallelen, die man zwischen grie- 
chischen und indischen Gottheiten oder überhaupt zwischen 
Gottheiten zweier indogermanischer Stämme gezogen hat, 
schon geschichtlich haltlos, wenn man die Gottheiten aus 
einer gemeinschaftlichen indogermanischen Gottheit ableiten 
will. Vielmehr haben sich die einzelnen Gottheiten nur bei 
den Griechen entwickelt; die Grundlage der Religion ist aber 
hier dieselbe, wie bei fast allen Natur- und Kulturvölkern. 
Es ist die Vorstellung der Seele als eines zweiten Ichs, als 
eines persönlichen Wesens, das nach dem Tode fortlebt wie 
der Mensch und nun als höheres Wesen göttlich- menschlich 
verehrt wird. Dieser Vorstellungskreis ist allen indogerma- 
nischen Völkern gemeinsam und infolgedessen sicher indo- 
germanisch. Wenn er sich in der älteren Rigvedasammlung 
ebenso wenig scharf ausgeprägt findet, wie in der Epik 
der homerischen Schule oder der eddischen Poesie, so kann 
dies die Thatsache nicht widerlegen. In dem einen wie in 
den anderen Fällen haben wir eine ausgeprägte religiöse 
Dichtung geistig hoch begabter Menschen, die wohl Elemente 
des Volksglaubens aufgenommen, diese aber ihrer subjektiven 
Phantasie und ihrer Schöpferkraft untergeordnet haben. Des- 
halb ist uns Volksglaube und -kult in späteren Quellen oft 
viel reiner bewahrt, in Quellen, wo die frei schaffende, dich- 
terische Kraft nicht so gewaltig gewesen ist, wie in den alten 
indischen, griechischen und nordischen Dichterkreisen. Letz- 
tere haben aber dann auf das Volk zurückgewirkt und des- 
halb nicht selten den alten Volksglauben verschoben und 
verändert. 


Leipzig, 1891. E. Mogk. 


Kühner Griech. Grammatik. 15 


Kühner Dr. R. Ausführliche Grammatik der griechischen 
Sprache. Erster Teil: Elementar- und Formenlehre, 3. Aufl. 
in 2 Bden., in neuer Bearbeitung besorgt von Dr. Fr. Blass. 
I. Bd. Hannover Hahnsche Buchh. 1890. XVI u. 645 8. 
ara). M. 12. 

Es sind mehr als 20 Jahre vergangen, dass die 2. Aufl. 
des wegen seiner reichen Materialsammlungen viel benutzten 
Werkes erschien. Sollte diesem die Stellung, die es bisher 
in der griech. Sprachwissenschaft eingenommen hat, für die 
Zukunft gewahrt bleiben, so hatte die notwendig gewordene 
neue Ausgabe vor allem die seit der 2. Auflage bekannt gewor- 
denen sprachlichen Thatsachen, voran die inschriftlichen Funde, 
nachzutragen und die im Thatsächlichen begangenen Irrtümer 
zu tilgen. Hierauf hat denn auch der Herr Bearbeiter, einer 
unsrer kenntnisreichsten und verdienstvollsten klassischen Phi- 
lologen, in dem uns vorliegenden 1. Band, der die “Elemen- 
tarlehre’ und die Formenlehre des Nomens und Pronomens 
umfasst, viel Fleiss verwendet. Einzelne Paragraphen sind 
dabei von Grund aus umgearbeitet worden. Eine wirklich 
vollständige Grammatik zu liefern konnte natürlich nicht in 
der Absicht des Bearbeiters liegen, wie das auch nicht Küh- 
ners Absicht war. 

Das Kühnersche Werk hatte von jeher nur als statistisch- 
beschreibende Sprachdarstellung einen erheblicheren Wert. 
Zwar gab sich sein Verf. redlich Mühe, auch den Anforde- 
rungen der historischen Sprachwissenschaft, der er aus inner- 
ster Überzeugung zugethan war, gerecht zu werden und den 
Kausalzusammenhang der Erscheinungen aufzuweisen. Aber 
er war zu wenig sprachwissenschaftlich geschult, um die um- 
laufenden Deutungen der Formen auf ihre Haltbarkeit prüfen 
und nach dieser Richtung etwas wirklichen Nutzen Stiftendes 
leisten zu können. Am liebsten hätte man daher in der Neu- 
bearbeitung das, was die 2. Auflage über das rein statistische 
hinaus enthält, so weit als irgend möglich beseitigt, die 
Darstellung in eine ausschliesslich statistische abgeändert 
gesehen. Leider aber sind Kühners Deutungen grösstenteils 
geblieben und von B. zahlreiche neue hinzugefügt, die dem 
heutigen Stand der historischen Sprachforschung ebenso wenig, 
Ja noch weniger entsprechen, als die Kühners seiner Zeit ent- 
sprachen. Wie hunderte von Stellen der Neubearbeitung be- 
kunden, ist an B. die Haupterrungenschaft der neueren Sprach- 
wissenschaft, die geläuterte Erkenntnis der Art der sprach- 
lichen Fortentwicklung, spurlos vorübergegangen. Er zitiert 
zwar häufig neuere und neuste Arbeiten dieser Wissenschaft, 
aber er hat zu ihr kein inneres Verhältnis und fällt daher oft 
die schiefsten Urteile, sowohl in den allgemeineren als auch 


16 Kühner Griech. Grammatik. 

in den Einzelfragent). Wie unklar seine Vorstellungen von 
den Aufgaben, den Zielen und der Methode der Sprachwissen- 
schaft sind, zeigt am besten das Vorwort p. IX sqq., wo B. 
auseinandersetzt, dass er an den Spekulationen der Linguisten 
keine Freude habe, dass ihm nur die Feststellung von “ That- 
sachen’ am Herzen liege. Ich kann auf das Einzelne dieser 
Erörterung leider hier nicht eingehen, nur auf Einen seltsamen 
Irrtum möchte ich nicht unterlassen hinzuweisen. Es heisst 
p. XV: “Indessen will ich von dem Gebäude der Grammatik, 
wenn auch die Hauptmasse davon aus Stein, ich meine aus 
Thatsachen, bestehen muss, auch den Sand, ἃ. 1. die Ver- 
mutungen, nicht völlig ausschliessen; ich habe auch selber 
hier ein bischen Sand hinzugenommen, ein bischen, nicht 
ganze Haufen. Schon animi causa wird man ab und zu ein- 
mal vermuten und ins Ungewisse und Unbekannte ausschwei- 
fen”. Ein Standpunkt, gegen den an sich niemand etwas 
einzuwenden berechtigt ist, wenn man sich auch unwillkür- 
lich fragt, warum denn B. und die andern Klassischen Philo- 
logen in den andern Gebieten ihrer Wissenschaft, in der 
Litteraturgeschichte u. s. w., so himmelweit davon entfernt 
sind die gleiche weise Enthaltsamkeit zu üben. Wenn diesem 
Standpunkt nur auch unsre Neubearbeitung wirklich einiger- 
massen entspräche! Aber nicht bloss ein bischen Sand und 
nicht bloss ganze Haufen, sondern ganze Berge Sand werden 
vor uns aufgefahren. Was ist denn z. B. die ganze "Wohl- 
lautslehre’ 5. 161—299 viel andres als ein einziger grosser 
Sandberg? Sind denn z.B. die für die "Synkope’ gegebenen Bei- 
spiele ἔεται aus ἔςεται u. 5. f. (S. 181) oder die für die “ Einschie- 
bung der Vokale’ gegebenen CTUPEAöC aus CTUPAÖC τι. 58. W. 
(5. 188) oder die für die "Kontraktion’ gegebenen τιμῶ aus 
τιμάω u. 5. w. (S. 201) nicht samt und sonders blosse “Ver- 
mutungen und Spekulationen’? B. ist sich offenbar dessen 
nicht bewusst, wie blutwenig in den traditionellen Gramma- 
tiken, selbst in den nüchternsten, die nur Materialsammlungen 
sein wollen, auf den Ehrennamen “Thatsache’ Anspruch hat; 
ist doch im letzten Grunde keine einzige historische Erkenntnis 
ohne Ergänzung des Gegebenen durch Spekulation möglich. 
Dass eine grosse Anzahl von jenen Vermutungen unsrer neuen 
Bearbeitung nach der Anschauung aller derer, die über das 


1) Man lese z. B. 8. 71 über “'skr. κα (k, ce)” —. al. gu Er m 
S. 82 über m aus s, 8.163 f. unter 4. über das, was “die Neueren’ 
über Ablaut lehren, S. 164 unter 5. über die Wurzel κλιν, stark 
κλῖν (κλίνω), schwach κλὶ (κέκχίμαι), 8.281 über μέν und ud aus uav 
u. s. w. Interessant ist auch die Mitteilung p. X, dass die Nasalis 
sonans kein in irgend einer idg. Sprache wirklich vorhandener 
Laut sei. 


Hoffmann Griech. Dialekte 1. 17 


Wesen der Sprachgeschichte ernstlicher nachgedacht haben, 
verfehlt ist, brauche ich kaum noch zuzufügen. 

Gegen die Gewohnheit der Menschen, bei der einmal 
vorgenommenen Schematisierung stehen zu bleiben und die 
Thatsachen immer wieder in das Fachwerk der alten Begriffe 
hineinzupressen, statt die Begriffe den Anforderungen der 
Thatsachen gemäss zu berichtigen, ist schwer anzukämpfen, 
und ich sehe voraus, dass unsre Neubearbeitung, die wegen 
der Materialsammlung ja in der That mit Freuden begrüsst 
zu werden verdient, von vielen klassischen Philologen darum 
ganz besonders warm wird bewillkommt werden, weil B. 
den Standpunkt der "Sprachvergleicher’ ablehnt und ihnen 
einmal seine Meinung sagt, die auch die ihrige ist. Schrif- 
ten wie Pauls 'Prineipien der Sprachgeschichte’ 
Ἐν eben,für einen grossen Theil unsrer 
klassischen Philologen immer noch nicht. Ich möchte 
mir aber noch an diese die Frage erlauben: wie würden sie 
eine heute hervortretende Darstellung der griech. Litteratur- 
geschichte aufnehmen, die zwar das für die Aufrichtung des 
Gerüstes der geschichtlichen Darstellung in Betracht zu zie- 
hende Quellenmaterial fleissig und sorgfältig gesammelt hätte, 
dabei aber in hellen Haufen jene dilettantischen, auf dem 
Boden der rohsten Empirie gewachsenen Kombinationen und 
Spekulationen, denen die wissenschaftliche Kritik seit Fr. A. 
Wolf mehr und mehr die Thür gewiesen hat, immer noch 
vorführte, als wenn sie nicht nur immer noch eine Berechti- 
gung hätten, sondern auch weiser und solider wären als die 
Ansichten der Neuern ? 

Leipzig, 4. Juni 1891. K. Brugmanın. 


Hoffmann Ὁ. Die griechischen Dialekte in ihrem histori- 
schen Zusammenhange mit den wichtigsten ihrer Quellen 
dargestellt. 1. Bd. Der südachäische Dialekt. Göttingen. 
SI XVII u. 3448. gr. 8°. 

Hoffmann, der im Laufe der letzten Jahre mehrere 
Untersuchungen aus dem Gebiete der griechischen Dialekte 
veröffentlicht hat, beginnt jetzt eine zusammenfassende Dar- 
stellung derselben. Der vorliegende erste Band bringt den 
von H. so genannten südachäischen Dialekt, d. h. denjenigen 
Dialekt, der von den Achäern im Peloponnes vor der dori- 
schen Wanderung gesprochen wurde und der sich in der 
Sprache der Arkader und Kyprier forterhalten hat, demge- 
mäs auch von H. aus den Denkmälern dieser Stämme rekon- 
struiert wird. H. giebt zunächt eine Einleitung, die über die 
Ausbreitung des südachäischen Dialekts in vorhistorischer, 


Anzeiger I 1. > 


18 Hoffmann Griech. Dialekte 1. 


seiner Nachkommen in historischer Zeit orientiert (S. 3—14), 
sodann die Quellen, und Zwar die arkadischen (14—55) und 
kyprischen (35—99) Inschriften und die Glossen (100—126), 
endlich die Darstellung des Dialektes selbst nach den Ge- 
sichtspunkten: Laute (127—232), Formen (233— 272), Wort- 
bildung (273— 276), Wortschatz (277—292), Syntax (292—326). 
In einem Anhange (327—530) werden die lautlichen und for- 
mellen Eigentümlichkeiten zusammengestellt, die den süd- 
achäischen Dialekt vom dorischen und ionischen scheiden. Es 
folgen Nachträge und Berichtigungen (331—333) und sehr 
brauchbare Sach- und Wortregister (334—344). 

Vor ungefähr 2 Jahren ist der zweite Band von Meisters 
griechischen Dialekten erschienen, der ausser dem Elischen 
gleichfalls das Arkadische und Kyprische behandelt. Natur- 
gemäss drängt sich die Frage auf, mit welchem Rechte Hoff- 
mann dieser Darstellung nach so kurzer Zeit eine neue folgen 
lässt. Ich verkenne die mannigfachen Schwächen nicht, die 
Meisters Buche anhaften, und werde selbst in Arbeiten, die 
demnächst an die Öffentlichkeit kommen werden, Gelegenheit 
nehmen auf Irrtümer hinzuweisen, die M. sich sehr wohl hätte 
ersparen können. Aber man muss billiger Weise doch sagen, 
dass die schlimmsten Fehler sich in Teilen des Buches finden, 
die mit der eigentlichen Darstellung der Mundarten nur in 
sehr lockerem Zusammenhange stehen, nämlich in etymolo- 
gischen u. ä. Exkursen, dass die eigentliche Darstellung aber 
im grossen und ganzen ihrer Aufgabe in befriedigender Weise 
gerecht wird. 

Hoffmann selbst hat das Werk in den Gött. Gel. Anz. 
1859, 5. 875 ff. einer sehr üblen Kritik unterzogen, und nicht 
günstiger lautet das Urteil, das er in dem Vorwort zu einer 
eigenen Arbeit S. X f. abgibt. Allein beide Urteile stehen 
nicht vollkommen im Einklange mit einander. An der letzt- 
genannten Stelle sagt H., Meister sei der Forderung die bei- 
den Dialekte erschöpfend darzustellen nicht gerecht geworden. 
GGA. a. a. Ὁ. dagegen erkennt er in den lobendsten Aus- 
drücken die Vollständigkeit und Übersichtlichkeit bei Meister 
an und nennt die Sammlung des Stoffes vortrefflich, und ich 
kann nur dieses frühere Urteil im Gegensatze zu dem späteren 
gut heissen. Es bleiben somit von den Vorwürfen, die H. 
dem Buche macht, nur zwei: einmal soll die Erklärung des 
Stoffes nach GGA. a. a. O. 5. 875 eine Fülle von Kuriositäten 
und Fehlern bieten, zum zweiten sollen die Grundzüge des 
alten südachäischen Dialekts in ungenügender Weise entwickelt 
sein (gr. Dial. S. II. Xf.). Wir haben also zu prüfen, ob 
diese beiden Punkte so schwerwiegend sind, bezw. ob ihre 
Behandlung bei H. die Meistersche in so hohem Masse über- 


Hoffmann Griech. Dialekte 1. 19 


ragt, dass durch sie das Erscheinen des H.schen Buches ge- 
rechtfertigt wird. 

Ich beginne mit dem zweiten. H. behauptet Vorwort 
5. III, alles, was die Verwandtschaft des arkadischen und 
kyprischen Dialekts betrifft, werde bei M. in sechs Zeilen 
einer Fussnote (II, 125) berührt. Dies entspricht den That- 
sachen nicht: in Wirklichkeit wird 5. 126—130 über das 
Verhältnis des Kypr. zum Ark. und Achäischen gesprochen, 
und jene sechs Zeilen stellen nur die Eigentümlichkeiten zu- 
sammen, die das Kypr. lediglich mit dem Ark. teilt, ent- 
sprechen also etwa dem bei H. 5. 327--330 Gegebenen. H. 
selbst stellt bei allen Spracherscheinungen den südachäischen 
Zustand an die Spitze und ordnet diesem die belegten Formen 
aus dem Ark. und Kypr. unter. Dies Verfahren bringt den 
Nachteil mit sich, dass die beiden thatsächlich historisch ge- 
gebenen Einheiten, die ark. und kypr. Mundart, nicht rein- 
lieh und glatt jede für sich zur Darstellung kommen, sondern 
dass man sie sich erst zusammensuchen muss. Mag dies 
indess bei dem vorliegenden Bande noch gehen, da eben Ark. 
und Kypr. ungestörte Fortentwicklungen des Südachäischen 
sind, so ist es mir gänzlich rätselhaft, wie H. in den folgen- 
den Bänden mit der Darstellung der nach seiner Theorie 
dureh Mischung entstandenen Dialekte zurechtkommen will, 
z. B. des kretischen, der nach ihm aus südachäischen und 
dorischen, oder des böotischen, der aus äolischen und dori- 
schen Bestandteilen gemischt sein soll. Behält H. die bis- 
herige Darstellungsweise bei, so würde man überhaupt kein 
einheitliches Bild von ihnen bekommen. Um ein solches zu 
erreichen, müsste H. sie besonders für sich darstellen. Dann 
aber würde er selbst das von ihm absichtlich gewählte Ver- 
fahren aufgeben, allemal die Formen der Einzelmundarten 
aus der angenommenen vorhistorischen Dialekteinheit herzu- 
leiten, und es würden zwei Einteilungsprinzipien durch sein 
Buch hindurchgehen. In anbetracht dessen kann ich nur dies 
Verfahren für unzweckmässig, für allein richtig dasjenige 
Meisters erachten, der jeden Dialekt, der in historischer Zeit 
uns als Einheit entgegentritt, für sich behandelt und die 
Verwandtschaftsverhältnisse einleitungsweise darlegt. Es mag 
dabei zugegeben werden, dass diese letzteren bei M. etwas 
stärker hätten betont werden können als es der Fall ist. — 
Eine arge Gedankenlosigkeit hat sich übrigens Verf. bei der 
Erschliessung des südach. Zustandes an einer Stelle zu 
Schulden kommen lassen. 8.212 lehrt er: “(im Auslaute vor 
Konsonanten) wurde in südachäischer Zeit ohne Rücksicht auf 
den folgenden Auslaut stets v geschrieben. Gesprochen 
hat man v sehr wahrscheinlich nur vor Dentalen”. Es be- 


90 Hoffmann Griech. Dialekte I. 


darf nur des Hinweises, um das Unhaltbare dieser Bemer- 
kung klarzulegen; denn für die südachäische Zeit kann von 
Schreiben überhaupt wohl keine Rede sein, das zeigt schon 
allein die Annahme des im Vergleich mit der Buchstaben- 
schrift recht primitiven Syllabars in Kypros. 

Wenden wir uns nun zu H.s Deutungen der sprachlichen 
Thatsachen. Weitaus die grösste Zahl der Punkte, in denen 
er von Meister abweicht, hat er schon in seinen früheren 
Arbeiten besprochen, der vorliegende Band bringt nur wenig 
neues. Von allen diesen Erklärungen stellen nur sehr wenige 
einen wirkliehen Gewinn unserer Erkenntnis dar, die meisten 
sind unsicher, eine ganze Anzahl höchst unwahrscheinlich 
oder nachweislich falsch. Die Sicherheit des Tones aber, in 
dem Verf. von den meisten spricht, steht in keinem Verhältnis 
zu ihrer wirklichen Sicherheit. Ich führe einige Beispiele an. 
S. 236 f. führt H. das -vı in kypr. iv Tviv (eod. iv Tviv) und 
anderen kret. und aeol. Adverbien auf -vı wieder, wie schon 
an anderen Orten, auf ein Lokativsuffix -Fı, das -uc in dor. ὅπυς 
müc ete. auf -Fıc zurück; “diese Auffassung ist die einzige, 
welche den überlieferten Lauten gerecht wird”. £ soll in den 
Adverbien vor betontem ı in v übergangen sein. Schon dies 
ist ganz unerwiesen und unerweislich. Und wo kommt denn 
sonst in anderen Sprachen ein solches Lokativsuffix -Fı vor? 
Die Berufung auf Ahrens II 365 nützt nichts. Denn hier 
werden aus -Fı lat. -bi, gr. -φι, -θι, -vı hergeleitet, die An- 
setzung von -fı beruht also auf einer Betrachtungsweise, die 
heutzutage niemand mehr mitmachen wird. In Wahrheit wird 
durch -fı gar nichts erklärt, und es entbehrt jedes Anhaltes. 
Ich kann auf die sehr schwierige Frage nach der Herkunft 
der Adverbia auf -vı, -vc hier nicht eingehen und will nur der 
Vermutung Ausdruck geben, dass ihr -v- mit dem -y des 
slav. Instr. Pl. zusammenhängt. — ἵν᾽ αὐτή. αὐτήν. αὐτόν. 
Κύπριοι wird S. 117. 258f. von dem “alten Pronominalstamme 
Ffi- er, sie” abgeleitet. Mir ist ein solcher Stamm anders- 
woher unbekannt, und bei G. Meyer -Gr. Gr.” $ 415. 416, 
wo dessen Reste nach Verf. gesammelt sein sollen, finde ich 
nichts derartiges. H. selbst hat auf der Inschr. von Meta- 
pont Coll. 1645 einen Akk. fıv nach Comparetti gelesen, ver- 
weist aber auch hier zur Rechtfertigung nur auf G. Meyer 
ὃ. ἃ. Ὁ. Als beweiskräftig wird er diese Lesung wohl selbst 
nicht ansehen, da andere Deutungen möglich und wahrschein- 
licher sind. — 5. 146 f. wendet sich Verf. gegen die übliche 
Annahme, dass das ἢ in ark. ἱγκεχηρήκοι, kypr. ὑχήρων χήρ 
auf Ersatzdehnung beruhe, ebenso wie in dor. xnp und εἰ in 
ion. att. χείρ. Wenn er sagt, dass nach dieser Annahme die 
Ersatzdehnung in einem urspr. Nomin. xepc ihre Quelle habe, 


Hoffmann Griech. Dialekte 1. 21 


so ist das falsch. Meister, der dies nach H. Dial. II 224 
lehren soll, lehrt es weder dort noch II 147 und II 95, und 
von Wackernagels Untersuchungen ΚΖ. XXIX 191 ff., die die 
ganze Frage auf einen neuen Boden gestellt haben, nimmt 
H. überhaupt keine Notiz. Damit verliert auch seine Bedeu- 
tung, was er als einzigen Einwand gegen die Ersatzdehnung 
anführt: der Nom. χέρα sei nicht als urgriech. anzusetzen; 
dieser ist für die ganze Sache überhaupt gleichgültig. H. 
selbst giebt folgende Erklärung: urspr. wechselten zwei Stamm- 
formen yxnp- und xep- in der Flexion; in den Dialekten wurde 
teils xnp- teils xep- durchgeführt, in den achäischen xnp-, im 
att. χερ-- Die nordachäischen Formen xeppöc, xeppi sind aus 
xnpöc, xnpi hervorgegangen, indem die Nordach. statt des 
langen Vokals vor einfacher Liquida kurzen Vokal vor dop- 
pelter Liquida sprachen. Att. χείρ geht auf xep-c zurück. 
Dies wurde zunächst zu *yep. *"xep aber wurde, da eine ein- 
zige weder natura noch positione lange Silbe in der Nominal- 
flexion unmöglich war, zu χείρ gedehnt wie ἔπός aus *TrOd-C 
zu πούς. Dieser Entwicklungsgang setzt nicht weniger als 
drei Lautgesetze voraus, die nicht zu erweisen sind: 1) Die 
angebliche Verdoppelung der Liquida und Verkürzung des 
Vokals statt langen Vokals und einfacher Liquida. Die Bei- 
spiele, die H. dafür beibringt, treten an Zahl und Wert ganz 
zurück hinter denen für das Gegenteil. Soweit ihre Ver- 
wendbarkeit für historische Rückschlüsse nicht überhaupt sehr 
fraglich ist, lassen sie sich mit leichter Mühe anders erklären. 
2) Der Abfall des c in xepc. 3) Die Dehnung einer einzigen 
kurzen Silbe in der Nominalflexion. Andrerseits aber zer- 
reisst H.s Erklärung ganz klare, rein lautgesetzliche Zusam- 
menhänge zwischen den verschiedenen Dialekten, und dies 
um so mehr ohne Not, als H. für ark. φθήρων Ersatzdehnung 
doch anerkennen muss (S. 220). Im allgemeinen möchte er 
diese für das Südach. am liebsten ganz ablehnen und dadurch 
wird seine Behandlung fast aller Fragen, die mit ihr in Zu- 
sammenhang stehen, eine unglückliche. φθήρων und xnp- 
zeigen, dass das Arkadisch-Kypr. bei urspr. οὐ und pc sich 
der urgr. Doppelkonsonanz in derselben Weise entledigen wie 
das Ion. und Dor. Methodisch ist es, daraus zu schliessen, 
dass es auch bei den andren urgr. Doppelliquiden und Na- 
salen ebenso verfahren sein wird, wie Ion. und Dor., solange 
nieht ein bestimmter Grund für die gegenteilige Annahme 
vorliegt. Methodisch also ist es ark. χιλίαις mit τ anzusetzen, 
nicht, wie H. 5. 219 thut, die Quantität des ı unbestimmt zu 
lassen, methodisch, kypr. emi mit ἠμί zu umschreiben, nicht, 
wie ὃ. 216 geschieht, mit ἐμί. Unrichtig ist es ferner, ark.- 
kypr. βόλομαι aus ἔβόλλομαι herzuleiten und mit ion. βούλομαι 


22 Hoffmann Griech. Dialekte 1. 


gleichzusetzen (5. 218), und unbegründet βωλᾶς auf der von 
Martha herausgegebenen Inschrift von Stymphalos, die ja 
allerdings einen Übergangsdialekt zum Dorischen zeigt, dem 
Ark. überhaupt abzusprechen (S. 219). Freilich giebt H. die 
übliche Herleitung von ion. βούλομαι βουλή aus *BöAvouaı 
*SoAva nicht zu. Denn nach ὃ. 123. 160. 217 will er GGA. 
1889, 5. 897 f. bewiesen haben, dass aus urspr. Av überhaupt 
nicht A mit Ersatzdehnung geworden sei. Vielmehr sei Av 
zu AA geworden bei konsonantischem A (ὄλλυμι ὠλλόν ἐλλός), 
dagegen Av geblieben bei silbebildendem ἃ (πιλνόν = plnön, 
πίλναμαι — plndmai). Dieser Gedanke wird wohl jedem ge- 
kommen sein, der sich einmal mit der Frage beschäftigt hat, 
aber jeder wird ihn auch als undurchführbar aufgegeben 
haben. Denn warum sollte / gerade nur in den genannten 
beiden Worten zu ı\, nicht zu aA geworden sein? Und was 
soll mit βούλομαι βουλή u. 5. w. geschehen, in denen man Av 
mit gutem Fug zu Grunde gelegt hat, weil eine andere Laut- 
gruppe nicht übrig blieb? H. hilft sich sehr einfach: hier soll 
/i das ursprüngliche sein. Damit ist aber nur ein Rätsel für 
ein anderes gesetzt und eine bisher Klare Erscheinung ohne 
zureichenden Grund verdunkelt; denn Δὲ wird, wo wir es mit 
Sicherheit ansetzen dürfen, zu AA in allen Mundarten ausser 
der kypr. 

Auch an Unklarheiten und Widersprüchen fehlt es nicht. 
Aus Πλήεταρχος TlAncriepoc ergiebt sich als ark. Superlativ 
*tAnctoc. Nach Meister II 95 ist dies nach anderen vom 
Stamme rAn- gebildeten Formen vokalisirt, also Analogiebil- 
dung. H. erklärt diese Annahme 5. 147 tür vorschnell. Nach 
ihm ist #mAnctoc von dem tAeicrtoc der anderen Mundarten 
überhaupt in der Bildung verschieden. “Da der südach. Dia- 
lekt bei den € und €v-Stämmen die starke Form bevorzugte, 
so wurde von rAn- nicht πλε-ῖοτος (vom schwachen Stamme 
trke-), sondern tAn-ıcroc gebildet, und daraus entstand πλῆςτος, 
indem der lange Diphthong nı im Inlaut das ı einbüsste.” 
Diese Erklärung kehrt 5. 185 wieder. Wenige Zeilen vorher 
aber wird gelehrt, die ursprünglichen (nicht durch Kontrak- 
tion entstandenen) langen Diphthonge dt, δὲ u. 5. w. seien im 
Inlaute zwischen Konsonanten bereits im Urgriech. zu di, δὲ 
u. 5. w. verkürzt worden. Dass der Superlativ zu πολύς 
schon aus der Ursprache mitgebracht, nicht etwa in den 
eriech. Dialekten zuerst gebildet wurde, ist selbstverständ- 
lich. Nehmen wir einmal wirklich zu gunsten H.s an, die 
Ursprache habe ihn von zwei Stammformen als *ple-is-tos und 
*ple-is-tos gebildet, so wurden diese nach allgemeiner An- 
nahme schon ursprachlich zu *pleistos, *pleistos kontrahiert. 
Wie H. zu dieser Annahme steht. ist freilich nicht klar er- 


Hoffmann Griech. Dialekte 1. 23 


sichtlich, da seine Angaben sich widersprechen: 8. 197 sagt 
er, bereits in idg. Zeit falle die Kontraktion des Augments 
ε mit anlaut. ἃ zu ἃ, 5. 148 dagegen, durch urgriech. Kon- 
traktion sei ἢ in ἦς ‘er war’ aus *E-nc oder €-ec ent- 
standen wie in kypr. ἦχε aus *€-exe. Urgr. *mAnicroc aber 
musste nach dem von H. selbst anerkannten Kürzungsgesetze 
zu tAeictoc werden, und damit werden wir für das Ark. doch 
wieder auf die Notwendigkeit einer Analogiebildung geführt. 
— Starke Unklarheiten entstehen auch durch das Bestreben 
des Verf., Ficks Gesetz, nach welchem die Verteilung von ı 
und ὁ und im Anschlusse daran Epenthese und Assimilation 
angeblich durch den Sitz des Akzents bestimmt wurden, zur 
Erklärung der Thatsachen heranzuziehen. Ich habe meinen 
Unglauben gegen dieses Gesetz schon ΚΖ. XXIX 99 bekannt 
und bin durch die Früchte, die es seitdem gezeitigt hat, nur 
darin bestärkt worden. H. setzt ὃ. 72 kypr. αἷλος = ἄλλος 
aus aAlös, ohne zu sagen, woher er diesen Akzent hat, 8. 175. 
219 dagegen wird ἄλλος bereits als urgriech. anerkannt, es 
fällt also auch für H. die Nötigung fort *aAlos anzusetzen. 
Ebenso unberechtigt ist die Ansetzung von κασπόϊο mit diesem 
Akzent zur Erklärung von κάπω (S. 235), und die von *que- 
γνώ», aus dem entweder durch Epenthese, also mit echtem 
ει, oder durch Ersatzdehnung, also mit unechtem εἰ, ἀμείνων 
geworden sein soll (S. 146)! — Weiter die Erklärung von 
wFaTta, wie Verf. auf der Vase Coll. 88 liest. S. 84 wird 
WFarta als die dialektisch geforderte Form für att. οὔατα be- 
zeichnet. “Attisch” mag blosser Lapsus sein. Zu verstehen 
aber ist dies nur so, dass οὐ unechter Diphthong ist, dem 
Kypr. u. 5. w. ὦ entpricht. S. 156 dagegen heisst es, WF- 
in dor. ὡς ὠατοθήεω u. 5. w. sei starke Stammform, während 
im Att. zu ὄξατος ein Nomin. vom schwachen Stamme: οὖς 
gebildet worden sei, beide Dialektformen werden also ganz 
von einander geschieden. Verf. verweist auf Joh. Schmidt 
Pluralbild. d. Neutr. 407. Hier wird eine ganz andere Er- 
klärung der Verschiedenheit gegeben. Eines aber hätte der 
Verf. dort lernen können, was er freilich auch so schon hätte 
wissen müssen, dass att. οὖς unechtes οὐ hat, dies also nicht 
vom zen. 6F-atoc bezogen haben kann. 

Derartige Unrichtigkeiten finden sich auch sonst. 5. 121. 
286 wird aus der Glosse μυλάςαςθαι᾽ TO..cunzachaı ein Subst. 
ξἕμυλά erschlossen und dies dem altbulg. mylo Seife’ gleich- 
gesetzt. mylo aber geht nach Ausweis des poln. mydto, cech. 
mydlo, osorb. mydlo auf *mydlo zurück; d vor 1 ist nach 
dem bekannten Lautgesetze der südostslav. Sprachen ge- 
schwunden. — Nach Herakleides ist πτόλεμος kyprisch und 
attisch gewesen. Verf. behauptet S. 123, attisch sei das Wort 


94 Hoffmann Griech. Dialekte 1. 


nie gewesen. Das Gegenteil ist wahr; vgl. jetzt die Zusammen- 
stellung des Materials bei Kretschmer ΚΖ. XXXI 426. — παν- 
wvıoc auf der Tafel von Edalion Z. 10, 23 übersetzt H. “mit 
dem ganzen Nutzen, mit vollem Ertrage’ und leitet es im 
Anschlusse an Ahrens von ὄνιος ὀνίνημι ab (ὃ. 71. 156). 
övıoc ist eine ganz späte, nachchristl. Bildung, und die Bil- 
dungsgesetze von ὀνίνημι verbieten die Herleitung von παᾶν- 
wvıoc für so frühe Zeit von diesem Stamme. Ich verweise 
auf eine eingehende Behandlung der Sache, die KZ. XXXI 
244 ff. erscheinen wird. 

Die angeführten Beispiele zeigen, dass H.s Darstellung 
nicht den Anspruch erheben kann an Stelle der Meisterschen 
zu treten. Es bleiben nun noch ein paar Worte über den 
Abdruck der Inschriften und Glossen zu sagen. Die kypr. 
Glossen hat H. schon Bezz. Beitr. XV 44 ff. gesammelt und 
besprochen; ihre Erklärung in den Dial. stimmt im wesent- 
lichen mit der dort gegebenen überein. Was die Inschriften 
betrifft, so ist gegen den Abdruck der kypr. bei der beson- 
deren Beschaffenheit des Materials nichts einzuwenden; doch 
hat H. auch hier das wesentlichste neue schon Bezz. Beitr. 
XIV 266 ff. veröffentlicht. Gänzlich unnötig aber erscheint mir 
der Neudruck der ark. und der für die weiteren Bände in 
Aussicht gestellten Inschriften der anderen Dialekte. H. sagt 
(Vorw. 5. VIII, die Collitz-Bechtelsche Sammlung werde wegen 
ihrer Vollständigkeit nur im Besitze derer sein, die eingehen- 
dere Studien auf diesem Gebiete zu machen beabsichtigten. 
Seine eigene Zusammenstellung der ark. Inschriften aber lässt 
nur sehr wenige von den bei Collitz-Bechtel verzeichneten 
Nummern weg, und diejenigen, welche sich in den griech. 
Dialekten nur zu orientieren beabsichtigen, kann man getrost 
auf Cauer verweisen, der zwar von H. auch verpönt ist, dessen 
Deleetus aber in seiner zweiten Auflage seinen Zweck in 
durchaus befriedigender Weise erfüllt. Die Thatsache ferner, 
dass seit dem Erscheinen des 1. Bandes von Collitz Samm- 
lung neue Inschriften gefunden sind, kann nicht geltend ge- 
macht werden, da Supplementhefte in Aussicht gestellt sind. 
In dieser Hinsicht würde auch H.s eigene Zusammenstellung 
bald veralten; denn hoftentlich lässt die Veröffentlichung der 
von G. Fougeres gefundenen Inschrift von Mantineja nicht 
mehr lange auf sich warten. Auch hier halte ich das von 
Meister eingeschlagene Verfahren für zweckmässiger. Übri- 
gens ist die Behandlung der wichtigsten der neugefunde- 
nen Inschriften, des Tempelrechts von Tegea. im einzelnen 
meines Erachtens wenig glücklich. Näher darauf einzugehen 
gestattet mir der Raum nicht, der mir hier zur Verfügung 
steht. 


Monro Grammar. 25 


Es wäre unbillig, wollte man nicht anerkennen, dass 
Hoffmann sein Material gründlich und sorgfältig gesammelt 
hat. Nichts desto weniger kann das Gesamturteil nach dem 
Dargelegten nur lauten: Das Neue, was in dem Buche steht, 
konnte H. bequem in einem Aufsatze von 1—2 Bogen sagen, 
das Buch als ganzes ist überflüssig. 

Halle a./S., den 18. August 1891. 

Felix Solmsen. 


Monro D. B. A grammar of the Homerie dialect. 2. edition, 
revised and enlarged. Oxford, at the Clarendon Press, 1891. 
ΟΡ ΠΣ sh.r6 ἃ. 

Die zweite Auflage von Monros Grammatik des home- 
rischen Dialekts bleibt dem Plan und der Anlage der ersten 
Bearbeitung getreu: sie legt das Hauptgewicht auf Formen- 
lehre und Syntax und lässt die Lautlehre, abgesehen von 
einigen Bemerkungen, welche in dem letzten Kapitel unter 
“Metrum und Quantität” sowie im Anhang untergebracht 
sind, gänzlich unberücksichtigt. Dies ist um so bedauerlicher, 
als die lautlichen Fragen unter den homerischen Problemen 
keine ganz geringe Rolle spielen und ihre Behandlung auch 
in der Grammatik von Vogrinz eine durchaus unzureichende 
ist. Trotz dieses Mangels ist das Buch von Monro, wenn 
man Grammatik mit Thatsachen der Formen- und Satzlehre 
übersetzt, im Ganzen eine nützliche und dankenswerte Arbeit 
— freilich nicht immer zugleich eine anregende. “Oede 
und trocken ist der Boden der Grammatik — erklärte kürz- 
lich ein Philolog — und das Gebiet der blossen Thatsachen ganz 
besonders”. Ich meine aber, dass uns Thatsachen an sich 
höchst gleichgültig sein können, wofern sie uns nichts neues 
zu denken geben. Also gilt es in der Wissenschaft nicht 
bloss ein Verzeiehnis von Thatsachen aufzustellen, die auf 
sprachlichem Gebiet nicht interessanter, aber auch nicht lang- 
weiliger sind, als auf jedem anderen, sondern sie unter för- 
dernden und fruchtbaren Gesichtspunkten zu betrachten. Vol- 
lends eine Darstellung des homerischen Dialekts sollte mehr 
sein als eine Aufzählung der bei Homer vorkommenden For- 
men und syntaktischen Verbindungen. Der Dialekt des Epos 
ist eine Kunstsprache von so scharf geprägtem Charakter, wie 
der griechische Geist keine zweite mehr geschatten hat. Sie 
hat weniger Natur und mehr Technik, als die Bewunderer 
Homers im vorigen Jahrhundert geahnt zu haben scheinen. 
Nur eine lang dauernde Entwicklung in festen Bahnen kann 
ihr dieses Gepräge verliehen haben. Eine Darstellung der 
epischen Sprache muss, meine ich, diese Verhältnisse nicht 


90 Weiss Griech. τι. latein. Verbum. 


nur im allgemeinen darlegen, sondern auch in allem Ein- 
zelnen, in Lautgeschichte und Flexion, in Wortbildung und 
Wortwahl. in Syntax und Stilistik nachweisen. Denn woher 
nimmt man das Recht, die Sprache einer einzelnen Litteratur- 
gattung aus dem Zusammenhange der ganzen Sprachentwick- 
lung herauszulösen, wenn man nicht das, was ihre Eigenart 
ausmacht, zum Hauptgegenstand der Betrachtung erhebt? 
Berlin. P. Kretschmer: 


Weiss P. Aug. Grundzüge des Griechischen und Lateinischen 
Verbums. Regensburg, Verlag von J. Habbel 1891. 238. 8°. 
M. —.50. 

Der 1. Abschnitt, “"Grundgesetze überschrieben, beginnt 
so: “Die griech. Worte (Laut, Halblaut) sind ah ah — ah aß, 
ah an — ah ay, ah ax — ah αὖ, ah ar.... und umgekehrt ha 
ah u.s. f. Nicht anders im Latein. Durch Bund (mapabecıc) 
entsteht das Vielwort. Darin ist der Halblaut = Wort. Pe 
eh pa ah ah al eh ex ah ah βεβληκα. πε eh ne ech ech eo ohorah 
ah ıh ıh nenpwrau. Durch Gleichbund entsteht Wortwort. de 
eh di ih ih ih dedi”. So geht es die 23 Seiten ununterbro- 
chen fort mit ah ah, ha ah, ih ih, hi ih u. s. w., also dass man 
als freundlicher Leser einzustimmen kaum umhin kann. 

Leipzig. Karl Brugmann. 


Studien auf dem Gebiete des archaischen Lateins herausge- 
eben von Wilhelm Studemund. Zweiter Band. Berlin 
Weidmann 1891. 2 Blätter u. 436 S. gr. 8°. M.9. 

Von den fünf in diesem Bande enthaltenen Abhand- 
lungen sind die erste von Schröder und die fünfte von Stude- 
mund, die sich mit der Herstellung fragmentierter Teile von 
Amphitruo und Cistellaria des Plautus beschäftigen, für die 
Leser dieser Zeitschrift ohne Interesse. Mit Sprachlichem be- 
fassen sich nur die drei mittleren (Kellerhoff De collocatione 
uerborum Plautina S. 47—84, Scherer De paiticulae gquando 
apud uetustissimos sceriptores latinos ui et usu 8. 85 —143, 
Bach De usu pronominum demonstratiuorum apud priscos 
seriptores latinos S. 149 — 415). Sie zeigen alle die feine und 
sichere Beobachtung der Latinität, die der Studemundschen 
Schule zu eigen ist und deren Wert für Sprachgeschichte 
und Textkritik dadurch kaum beeinträchtigt wird, dass die 
(glücklicherweise nicht häufigen) Exkurse auf das vorhisto- 
rische Gebiet nicht befriedigen (so in diesem Bande Scherers 
Etymologie von guando, das als eine Kontaminationsbildung 
aus "quodö = ai. kada und quam erklärt wird, und Bachs 
Deutung von interim ὃ. 582 und ecce 5. 387 ff.). Aus Keller- 
hoffs Abhandlung gebe ich kurz an, was auch für weitere 


ἴ 


N 


Studemund Studien 1. 


Kreise von Interesse sein dürfte: 5. 1 Stellung der Pronomina; 
$2 von zwei unmittelbar auf einander folgenden Kasus des- 
selben Stamms steht der Nominativ voran; ὃ ὥ Stellung der 
Beteuerungspartikeln, ὃ 4 der Negationen; $ 8 der Ablati- 
vus comparativus steht gewöhnlich vor dem Komparativ. — 
Scherer weist S. 98 ff. nach, dass vor Plautus gauando sich 
nur in temporalem Sinne findet, ohne zu leugnen, dass das 
rein zufällig sein könne (S. 104), und zählt dann (S. 105 ff.) 
unter kritischer Behandlung einer Reihe von Stellen die plau- 
tinischen Beispiele der Partikel auf u. zw. zunächst die 
temporalen, dann die kondizionalen (in denen indes die 
kondizionale Bedeutung immer eine Hinneigung zur tempo- 
ralen oder kausalen zeigt), kausalen und interrogativen, 
während er das einzige Beispiel für den indefiniten Gebrauch 
Cpt. 290 (ubi quando) mit Unrecht beseitigen will, da söguando 
für Ennius fragm. 235 Bähr. trotz Scherer 5. 150 ausser 
Zweifel steht. Darauf werden S$.129 ff. die Beispiele aus 
Terenz und den übrigen Altlateinern in ähnlicher Weise be- 
handelt. Endlich wird 5. 157 ff. guando quidem besprochen 
und richtig die Doppelzeitigkeit des o behauptet. Nur durfte 
nicht nesciöguis zum Vergleiche für ὅ herangezogen werden, 
da hier die Kürze um der vorausgehenden willen nach be- 
kanntem Gesetz (\_r wird ον.) entstanden ist. Quandö- 
quidem gehört vielmehr zu den durch Bücheler Wölff. Arch. III 
144 ff. aufgeklärten Worten, in denen “ Quantitätsentziehung 


durch Tonanschluss” vorliegt (faäquidem, sine = SEINE 
CIL. I 198. 54 ete.). — Wie der umfangreichste so der wert- 


vollste Teil des vorliegenden Bandes ist Bachs Abhandlung 
über das Demonstrativpronomen, eine durch staunenswerten 
Fleiss wie durch sorgfältige und glückliche Verwertung des 
reichen Materials gleich ausgezeichnete Arbeit. Der erste 
Teil derselben weist den alten Satz, dass hic Pronomen tpw- 
τότριτον, iste δευτερότριτον, ille Tpırörpırov ist, als ein für 
Plautus unverbrüchlich geltendes Gesetz nach. Hic ist durch- 
weg was der redenden Person gehört, was zu ihr in Be- 
ziehung steht, in ihrer Nähe sich befindet (5. 149 ff. 179 ἢ: 


haec manus = mea manus, hic homo = ego, hic scipio — 
sc. quem ego teneo, hoc quod dico, haec pugna = p. quamı 
ego descripsi, hoc audi = audi id quod ego dicam, hoc 


uerumst — id quod ego audio werumst, haec hominum natio), 
und geht darum mit Zeitbestimmungen verbunden immer auf 
die Gegenwart (S. 175 ff.: hoc saeculum = 8. quo ego wiuo, 
haec nox, hodie). Auch wenn hic vor dem Relativum er- 
scheint, sind auf das strikteste immer die angedeuteten Be- 
ziehungen beobachtet. Entsprechende Bedeutung wohnt den 
Adverbien hic (S. 194 ff.) hince (199 ff.) huc (202 ff.) horsum 


28 Studemund Studien I. 


abhinc ete. (5. 208 ff.) inne. Genau so wie hic hic hinc ete. 
zur ersten verhält sich ste isti(e) istince etc. zur zweiten 
Person (5. 211 ff.) und ille ΠΝ ΠΟ iÜllım etc. zur dritten 
(5. 286 ff.), was ich nicht erst mit Beispielen belege. Aus 
dem Absehnitt über ?lle will ich besonders hervorheben, was 
über die Benutzung von ölle als bestimmtem Artikel (5. 296 ff.) 
und Pronomen der dritten Person (S. 311 ff.) bei Plautus ge- 
sagt wird. Diese Benutzung wird mit Geschick auf die Grund- 
bedeutung von ille zurückgeführt und mit Recht betont, dass 
hier der romanische Gebrauch von ille schon auf das deut- 
lichste vorgebildet ist). Auch is hat seine genau bestimmte 
Verwendungssphäre (5. 544 ff.). Es ist erstens das Korrelativ- 
pronomen zum Relativum, denn hic iste ille stehen, wie schon 
angedeutet, auch vor dem Relativum nur in ihrer eigentlich- 
sten Bedeutung, und dient zweitens zur Wiederaufnahme eines 
vorangegangenen Begriffs, - ganz gleich wer dieses Begriffs 
vorher Erwähnung gethan hat (349 ff.: is το de quo iam disi 
oder di.risti oder di.eit, daher niemals von Jemand, den man 
eben erst erblickt 5. 358). Es bezeichnet also nichts anderes 
als die dritte Person ganz allgemein (wir: er oder der)?). 
Entsprechend werden ἐδὲ inde etc. gebraucht. — Der zweite 
Teil der Bachschen Abhandlung beschäftigt sich mit dem Ge- 
brauch von ecce, das im allgemeinen die Aufmerksamkeit auf 
eine Handlung und nicht auf eine Person hinlenkt (390 ff.), 
letzteres nur in den Verbindungen mit einem Pronomen: ecce 
me, eccillum, eccum ete. Dabei wird für ecceum 8.395 ff. schla- 
gend erwiesen, dass es aus ecce + *hum besteht. welches #hum 
sich zu hunc verhält wie illum zu ilunc. Dies etwa sind 
die Grundgedanken der Bachschen Arbeit, die für Indoger- 
manisten allenfalls zur Orientirung genügen können; wer 
näher sich mit Latein und besonders altem Latein befasst, 
dem kann kein noch so ausführliches Referat die Lektüre 
der Abhandlung selbst mit ihrer Fülle feiner und nützlicher 
Bemerkungen und Beobachtungen (z.B. über die Aktion und 
Stellung der Schauspieler, soweit sie sich aus den gebrauch- 
ten Pronomina ersehen lässt) und der nicht kleinen Zahl von 
Textbesserungen ersetzen. 
Breslau. F. Skutsch. 


l) Ich hoffe demnächst zu zeigen, dass auch formell die Be- 
dingungen für die Entstehung des romanisehen Artikels und Pro- 
nomens der dritten Person bereits bei Plautus in einem einsilbigen 
2] statt ille einer-, in einem endbetonten ?llım lldm usw. anderer- 
seits gegreben sind. 

2) Wenn trotzdem die romanischen Sprachen nur 2lle, nicht 
’s in dieser Verwendung übernommen haben, so wird das wohl an 
der lautlichen Körperlosigkeit von ἐς liegen, die sein allmähliches 
Verschwinden bereits in historischer Zeit herbeiführte (Bach S. 584 t.). 


Gaster Chrestomathie Roumaine. 29 


Gaster M. Chrestomathie Roumaine. Leipzig Brockhaus 1890. 
ΠΕ SIIOXLIX, 16*, 368; VII 562.8. M. 18. 

Obschon das vorliegende Werk mehr einen litterarischen 
als einen linguistischen Charakter trägt, so verdient es doch 
auch hier eine Erwähnung. Dem Sprachforscher, der nament- 
lich die Mischungsprozesse verschiedener Sprachen studieren 
will, bietet das Rumänische ein ausserordentlich reiches For- 
schungsfeld, ein Feld, das bis jetzt wohl hauptsächlich des- 
halb wenig beachtet worden ist, weil die Mittel, es gehörig 
zu bearbeiten für den, der nicht selber in Rumänien lebte, 
schwer erreichbar waren. Diesem Mangel hat Gaster ein für 
allemal abgeholfen. Er bietet eine ausserordentlich reiche 
Sammlung von Texten aus allen Epochen der rumänischen 
Litteratur, zum nicht geringen Teil bisher ungedruckte, in, 
soweit ich es habe kontrolieren können, durchaus zuverlässi- 
gen Abdrücken, sodass man sich jetzt ein ziemlich klares 
Bild der rumänischen Sprachgeschichte machen kann. Den 
Linguisten werden besonders die Dialektproben interessieren, 
die ebenfalls zum teil ganz neues Material bringen. Die Ein- 
leitung verbreitet sich über die Entstehungszeit der ältesten 
Texte und enthält darüber ganz neue, aber wohlgesicherte 
Resultate, ordnet dann, was in der Chrestomathie gedruckt 
ist, nach den Mundarten und gibt Paradigmen der Flexion 
mit zahlreichen Belegen für ältere Formen. Ein ausführliches, 
wohl angelegtes rumänisch-französisches Glossar beschliesst 
das Werk, das hoffentlich dazu führt, dass die sprachwissen- 
schaftliche Forschung mehr als bisher sich dem Rumänischen 
zuwendet. 

Wien. Wilhelm Meyer-Lübke. 


Jellinek Max Hermann Beiträge zur Erklärung der germani- 
schen Flexion. Berlin Speyer & Peters 1891. 107 5. 8°. 
M. 2,80. 

Die “Beiträge’ des äusserst fruchtbaren Verfassers suchen 
die auch von anderer Seite wieder in Angriff genommenen 
Probleme der germanischen Auslautsgesetze zu lösen. Die 
Resultate der Arbeiten von Collitz, van Helten, Hirt und 
Jellinek weichen ziemlich weit von einander ab, bringen in 
manches Licht und lassen das über anderm lastende Dunkel 
dafür um so unergründlicher erscheinen. Speziell für Jellinek 
habe ich mehr Widerspruch als Beifall. Bezeichnend ist, dass 
ihm die Fortführung des Hanssenschen Gedankens von der 
Wirkung der Akzentqualität, wie sie inzwischen Hirts anre- 
sender Aufsatz (IF. I 1ff., 125 ff.) durchgeführt hat, eigent- 


30 Jellinek Germanische Flexion. 


lich recht nahe lag. 5. 65 Fussnote liest man: “ Übrigens 
scheint mir auch Hanssens Theorie von der Wirkung des ge- 
stossenen und geschliffenen Akzents, gegen die Brugmann sich 
ablehnend verhält, beachtenswert”. In Wahrheit wird sie frei- 
lich weiter gar nicht beachtet, so dass man in diesem Punkte 
dem Verf. kaum den Vorwurf einer gewissen Flüchtigkeit 
wird ersparen können. 

Das 1. Kapitel, das vokalische Auslautsgesetz behandelnd, 
enthält den Kern des Ganzen, die drei andern, allerdings vor 
jenem geschrieben, bilden sozusagen ausführliche Exkurse. 
Eine Tabelle lässt uns S. 14 die Schicksale der auslautenden 
Längen nach Jellinek überschauen. Sofort fällt auf, dass 
den idg. Vokalen unmittelbar die got., ahd., ags., anord. ge- 
genübergestellt werden. Wie lauteten denn die urgerm. Zwi- 
schenstufen? Ich fürchte, dass Jellinek sich diese Frage gar 
nicht vorgelegt hat; beantwortet hat er sie wenigstens nicht. 
Idg. & und ὃ sind nach ihm in got. a, ahd., ags., anord. ὦ 
zusammengefallen; dm und öm dagegen sind nur im Got. (0) 
und Altnord. (a) zusammengefallen, sonst aber geschieden: 
jenes nämlich =ahd. a, ags. e, dieses = ahd. 0, ags. a. Für 
ds und Öös ist die Sache zweifelhaft gelassen. Während im 
allgemeinen Zusammenfall eingetreten ist, steht beim Ags. 
unter ds neben dem d, das auch ös entsprechen kann, ein 
bescheidenes [ὦ] vermerkt. Ich weiss also nicht recht, ob 
des Verf.s Meinung dahin geht, dass im Germ. überhaupt 
noch αὶ und 0 (oder ἃ und ö oder 0? und οἱ [Sievers Beitr. V 
135] oder wie er sonst schreiben mag) in den Endungen be- 
standen haben -— vielleicht auch in der Wurzel? — oder ob 
nur vor Nasal und eventuell s die ursprüngliche Qualität des 
Vokals gewahrt wurde. Die erste Möglichkeit schneidet mir 
die von Jellinek (S. 85) akzeptierte und auch mir trotz man- 
cher Schwierigkeiten geltende Möllersche Hypothese über die 
Entstehung der femininen n-Deklination aus der d-Deklination 
ab: *genö (= yuvn) : *rabjo (= ratio) — nach Hirt freilich 
®genö aber rapjö vgl. IF. 1207 (und doch wohl auch nefo/p] 
aber hanö trotz S.201). Dass der folgende Nasal — s bleibe bei 
Seite — wirkte, ist möglich, hätte aber zum mindesten einige 
Ausführung verdient; denn wie wenig glaublich ist doch von 
vornherein, dass in am gerade der Nasal die helle Klang- 
farbe wahrte, während er sonst in andern Sprachen wie auch 
im Germ. (ags. böhte) lediglich verdumpfende Wirkung hat!). 


1) Man werfe mir nicht die Vulgatansicht am — ahd.a, ἃ 
u ein. Diese Ubergänge erklären sich jetzt gut nach dem Streit- 
bergschen Kürzungsgesetz für lange Diphthonge: wgerm. öm > 
om > o >a, aber > u > u. friunt kann zunächst auf *friont 
zurückgehn; hier wirkte dann der erhaltene Nasal verdumpfend. 


Jellinek Germanische Flexion. 9.1 


Aber Jellineks Register hat auch ein bedenkliches Loch, 
durch das ahd. geba als Gen. Sg., N.-Akk. Pl. geschlüpft ist. 
Das ist um so bedauerlicher, als er Hanssens Theorie zum 
Vorwurf macht, dass sie für den Gen. irgend eine Analogie- 
wirkung zu Hilfe nehmen müsse (5. 11). Bei Jellinek ist 
nieht nur dieser Analogieform. “Mit der Erklärung der For- 
men ahd. gebä als Gen. Sg. und Nom. Akk. Pl. mag Brug- 
mann Recht haben, wenn es auch höchst auffällig ist u.s. w.” 
heisst es (S. 15) leicht hin. Nach Brugmann. sind nämlich 
diese Formen Analogiebildungen nach der 26-Deklination. Da 
nun aber Jellinek gewiss mit Recht leugnet, dass Akk. Sg. 
giba = *gibem sei, so weiss man nicht, woher das -es ge- 
rade in den Gen. Sg. gekommen sein soll. Schlagworte wie: 
“Es ist eben nicht wahr, dass nur der Nom. für die Flexion 
bestimmend ist; in unsern Paradigmen steht er allerdings 
oben an” (8. 8) sind allerdings stilistisch wirksam, täuschen 
aber doch nicht gar selten über bedenkliche Annahmen hin- 
weg. Und davon bieten die ersten 14 Seiten noch eine ganze 
Menge. 

5. 22 ff. werden wir in einer Tabelle von 17 Nummern 
über die nordischen Synkopegesetze belehrt. Jellinek steht 
auf dem Standpunkt Axel Kocks und hängt scharfsinnig ein 
Glied seiner Beweiskette ins andere. Aber gerade, was ihm 
eigen und neu ist, hält eingehender Prüfung nicht Stand. 
Da ist zunächst der Abfall von 6 (< 2) der als Nummer V, 
als ältester aller Vokalabfälle (vor a!) auftritt und die zu die- 
sem Zwecke unmittelbar davor angesetzte Kürzung ungedeck- 
ter Längen (Nr. IV). Diese ungedeckten Längen sind übrigens 
durch die gleich zu besprechende Entdeckung, dass auslau- 
tender Dental nach Länge noch lange erhalten blieb, ziem- 
lich vermindert. Der e-Abfall aber wird lediglich dem Da- 
tiv arm < arme zu Liebe angesetzt, der durchaus aus ὃ - δὲ 
nach der Theorie Schmidts (Festgruss an Böhtlingk 5. 102) 
entstanden sein soll. Mir ist nun 1) der idg. Sandhi δὲ, δὲ > 
ö, e nicht sicher bewiesen, 2) ein idg. Dativ auf δὴ noch viel 
weniger und deshalb 3) ein solcher auf & schon ganz und 
gar nicht. Und wenn er bewiesen wäre, würde ich ihn nicht 
in anord. arm wiederfinden. Ich halte hier den Abfall des 
e für einen ganz jungen Vorgang, bewirkt durch den Ton 
im Satzgefüge. Denn dass die Synkope nur bei langsilbigen 
eintritt (und, wie Noreen bemerkt, “eben so fast immer bei 
maskulinen ja-Stämmen, was wohl beweist, dass diesen Wör- 
tern kein Nebenton zukam”, Pauls Grdr. d. germ. Phil. I 
490) darf doch nicht einfach ignoriert werden. — Ebenso 
wenig kann ich die von Noreen abweichende Datierung des 
Nasalschwundes akzeptieren. Das sunu des Röksteines wird 


32 Jellinek Germanische Flexion. 


zwar sehr kühn mit einem “ beweist nichts” abgethan (8.21), 
aber karuR derselben Inschrift kann damit nicht verglichen 


werden, da es auf garuar zurückgeht. — Beiläufig bemerke 
ich, dass man nicht gemeinhin (s. z. B. No. 7 der Tabellen 
5. 23 ff.) übersehen sollte, dass sich germ. em (&?) = runisch 
a (wiwila, tawida) — altn. 6, ὁ (hane, täde), germ. öm — run. 
o (run. Akk. Sg. runo; worahto u. s. w.) — altn. a (tdda) 


genau entsprechen. Es ist pure Willkür in wiwda ein ὁ 
zu sehn. 

Noch abweichender von der Vulgatansicht gestaltet sich 
des Verf.s Darstellung der urgerm. Synkopierungen, die er 
in scharfer Polemik gegen Sievers und namentlich Paul ver- 
ficht. Es gelingt ihm mit Leichtigkeit die längst unhaltbar 
gewordene Position des logischen Betonungsprinzips zu neh- 
men; wo er aber an der festen Grundlage der Paulschen 
Akzentgesetze zu rütteln sucht, zeigt er auffallenden Mangel 
an Verständnis. Denn die Behauptung, es seien nicht Zwei 
gleich stark betonte Silben nebeneinander möglich, hat nicht 
den Charakter einer Hypothese, sondern beruht auf einem Ge- 
setz der Apperzeption, vgl. Wundt Psychologie II? 248 ff. Des- 
halb sehe ich keine Schwierigkeit in der Annahme, dass Wör- 
ter der Gestalt 2 uX, die nach dem Satzzusammenhang (Beitr. 
XV 55f.) bald als z,Xx bald als 2X erscheinen mussten, 
aus diesem Grunde verschieden synkopierten. Jellineks An- 
nahme, dass im Ags. allemal die letzte Silbe apokopiert wurde 
und die Ausnahmen auf Analogiebildung beruhen, befriedigt 
mich nieht. 

Die übrigen Kapitel (die Schicksale langer durch Dental 
gedeckter Vokale, der Nom. Sg. der n-Stämme, german. Kon- 
Junktive) enthalten zwar manches Förderliche, sind aber gros- 
senteils durch Hirts Ausführungen überholt. Dass auslauten- 
des Dental urgerm., wenigstens nach Länge, durchaus ge- 
wahrt blieb, scheint mir eine gänzlich verfehlte Annahme. 
Was erklärt werden soll, wird nicht erklärt. Ahd. nefo, 
mäno, anord. nefi, mdni (Ags. und As. werden überhaupt 
nicht beachtet!) können nur urgerm. zur n-Dekl. gekommen 
sein. Fabelhaft unglaublich ist, dass im Nord. 1) ein *ne- 
σα > *nefoöo > *nefu geworden sei — man muss annehmen 
(“es ist sehr wohl möglich” 5. 73), dass ὃ von dem in glei- 
cher Zeit bestehenden 6 in *ahto, *tungö verschieden, näm- 
lich geschlossen war und eigens zu -diesem Zweck zu % 
wurde — und dann 2) durch die obliquen Kasus der schwa- 
chen Deklination von Zlla, sira u. 5. w. und ein paar andere 
Eigennamen und Fremdwörtern allmählich zu einem Nomina- 
tiv auf a und 5) weiter zu einem solchen auf ὃ gelangte — 
wie? wird mir trotz des Verweises auf Burg Runeninschr. 


DL: 


Mucke Niedersorbische Gramm. 33 


S. 44 Anm. 2 nicht recht klar. Dazu die eben auch nicht 
nbermässig glaubliche Hypothese, dass bei dem zweiten Den- 
talabfall Dentale nach Kürze verschont blieben, also: 1) Ab- 
fall nach Kürze: *alu/d/ (urgerm.), 2) Ausfall von a, 6, si, u: 
2 Pl. *bindid[i), 3) Abfall nach Länge und Konsonanten: 
#nefo/d/, *bindid; aber Opt. *bindid muss wieder hergestellt 
sein nach *bindid! — Verdienstlich sind die Ausführungen 
über die Deklination von Fremdwörtern im Got. (8. 76 ff.). 

Dass sie nicht ohne Scharfsinn verfasst, anregend und 
präzise in der Darstellung ist, muss man der Schrift Jelli- 
neks zugestehn, der greifbaren Resultate aber bietet sie doch 
nur wenige. 

Berlin, 4. Sept. 1891. Vietor Michels. 


Mucke Dr. K. E. Historische und vergleichende Laut- und 
Formenlehre der niedersorbischen (niederlausitzisch - wen- 
dischen) Sprache. Leipzig S. Hirzel 1891. XVIL u. 615 S. 
hoch 4°. M. 20. 

In diesem von der Fürstlich Jablonowskischen Gesell- 
schaft preisgekrönten, dem Andenken Miklosichs gewidmeten 
Werk behandelt der Verf. in eingehendster Weise und mit 
grosser Sorgfalt die Laut- und Formenlehre der niedersorbi- 
schen Sprache. Der Verf. handelt zunächst in einer Ein- 
leitung über das ehemalige und heutige Sprachgebiet, die 
ausgestorbenen und lebenden Dialekte, die Sprachquellen und 
die bisherigen Bearbeitungen nicht nur der niedersorbischen, 
sondern auch der obersorbischen Sprache, welche letztere er 
überhaupt in dankenswerter Weise in weitem Umfang nicht 
nur herangezogen, sondern auch mit bearbeitet hat. Nach- 
dem M. dann Schrift und Aussprache behandelt hat, geht er 
zu einer ausführlichen Darstellung der Lautlehre über, die 
zunächst die niedersorbische Schriftsprache, in zweiter Linie, 
sobald dies erforderlich ist, die Dialekte und die Sprachge- 
schichte berücksichtigt. Nicht minder ausführlich ist auch 
die Formenlehre, die ebenfalls die Dialekte und die ältere 
Sprache in ausgiebiger Weise heranzieht und auch einen Teil 
der Stammbildungslehre (Koimnparation, Bildung der Numera- 
lia, Adverbia, der abgeleiteten Verba) enthält. 

Ist das Werk M.s im grossen und ganzen als eine fleis- 
sige und tüchtige Leistung anzuerkennen, so leidet es doch 
auch an manchen Mängeln. Namentlich ist es die Lautlehre, 
die zu Einwänden Veranlassung gibt. Der Verf. hat eine 
gewisse Scheu, die urslavischen Formen zu erschliessen und 
aus diesen die niedersorbischen zu entwickeln; er legt viel- 
mehr, falls er es nicht vorzieht, vom niedersorbischen Laut- 


Anzeiger I 1. 3 


34 Mucke Niedersorbische Gramm. 


bestand auszugehen, überall das Altbulgarische zu Grund, das 
ja in der Mehrzahl der Fälle mit dem Urslavischen überein- 
stimmt. Wenn aber der Verf. auch da, wo das Altbulgarische 
vom Urslavischen abweicht, von den altbulgarischen Lauten 
ausgeht, so wird das Bild, das er von der niedersorbischen 
Sprache entwirft, dadurch unläugbar weniger klar; so z. B. 
wenn der Verf. statt von den urslavischen Lautgruppen tert, 
tort, tort, tort u. 5. w. von den altbulgarischen Lautgruppen 
tret, trat, trot (trot) u. 5. w. ausgeht. Mehrfach macht sich 
eine rein äusserliche Auffassung der Laute geltend, so z. B. 
8.209 ἘΞ wo der Verf. die” Wandlung von *cj zu asl. CE =.os. 
e—ns. c (aus €)” behandelt; von *cj darf hier nur in Fällen 
wie 3. Sg. Präs. ns. kleco — abulg. Kklecets (Infinitiv klecati) 
die Rede sein, während in allen anderen Fällen nicht c, son- 
dern k zu Grunde liegt. Diese etwas schematische Darstel- 
lung ist auch die Veranlassung, dass M., wo ein urslavischer 
Laut im Niedersorbischen mehrfache Vertretung hat, oft ein- 
fach diese verschiedenen Vertretungen aufzählt, so z.B. S. 128, 
während sich doch aus den angeführten Beispielen deutlich die 
Regel ergibt, dass -el- (-jel-) da auftritt, wo in der folgenden 
Silbe ein palataler, -at- (-jat-) hingegen da, wo in der folgenden 
Silbe ein nichtpalataler Vokal steht oder gestanden hat. Die 
Behandlung der Lautgesetze ist im allgemeinen einwandfrei, 
nur wo es sich um sog. sporadischen Lautwandel handelt, 
geht M. mitunter zu weit, so z. B. 5. 255, wo diymoko und 
dial. glumoki tief (abulg. dioboko und glabokr) auf eine und 
dieselbe Wurzel zurückgeführt werden, während doch ersteres 
auf die urslav. W. delb, letzteres auf die urslav. W. gleb 
(glab) zurückgeht; oder 8. 286 f., wo es sich um sporadische 
Metathesis handelt und wo, um nur ein Beispiel herauszu- 
ereifen, karwona Krähe und os. hawron Rabe zusammenge- 
stellt werden, obgleich letzteres auf urslav. *gavorn, ersteres 
aber auf urslav. *korvona (vgl. lat. corvus) zurückgeht. Einen 
Verstoss gegen die Lautgesetze hat M. sich 5. 288 zu Schulden 
kommen lassen, wo er annimmt, in der 3. Sg. u. Pl. (z. B. 
bjerjo, bez. beru) sei das nach Verstummen des -ὅ auslau- 
tende ἐ abgefallen, während sonst ein nach Verstummen 
von -ὅ, -» in den Auslaut tretender Konsonant nie abfällt; 
die angeführten Formen sind vielmehr unechte Konjunktive 
auf ide. -t, wie sie ja im Altbulgarischen neben den Formen 
auf -t# häufig begegnen. Mehrfach hat der Verf. die nicht- 
sorbischen slavischen Sprachen nicht genügend berücksichtigt, 
so z.B. wenn er 8.35 gromada Haufen zu derselben Gruppe 
von Wörtern zieht, zu der broda, grod u. s. w. gehören, ob- 
gleich im Altbulgarischen, wie auch M. anführt, neben gra- 
mada auch gromada vorkommt, welche letztere Form auch 


Wiedemann Lit. Präteritum. 35 


im Russischen vorliegt, so dass ns. gromada urslav. -ro- ent” 
hält und grom- zu abulg. gram- im Ablautsverhältnis steht. — 
In der Darstellung der Formenlehre hätte Ref. statt der vom 
Verf. vorgenommenen Anordnung der verschiedenen Deklina- 
tionen nach dem Genus die Anordnung nach dem Stammaus- 
laut lieber gesehen, denn in der Darstellung des Verf.s wer- 
den die mask. und neutr. konsonantischen Stämme von den 
fem. konsonantischen Stämmen, die mask. von den fem. ὅ- 
Stämmen getrennt, wodurch die Übersicht leidet. 

Doch ich breche ab, da ich den mir zur Verfügung 
stehenden Raum wohl schon überschritten habe. Zum Schluss 
sei nur noch ausdrücklich betont, dass die Arbeit M.s trotz 
der erwähnten Mängel eine gediegene Leistung ist und dass 
sie fortan die Grundlage bilden wird für Einzeluntersuchungen 
nieht nur auf dem Gebiet des Niedersorbischen, sondern auch 
auf dem des Obersorbischen. 

Leipzig. Oskar Wiedemann. 


Wiedemann Ὁ. Das litauische Präteritum. Ein Beitrag zur 
Verbalflexion der indogermanischen Sprachen. Strassburg 
Mröbner 1831. XV u. 2308. 8%. Μ. 0. 

Wiedemanns Buch bietet mehr als sein Titel vermuten 
lässt. Nicht, als ob derselbe unpassend gewählt oder der 
Rahmen des ursprünglichen Planes durch unmotivierte Exkurse 
gesprengt wäre — alles wird vielmehr sub specie praeteriti 
betrachtet. Aber indem der Verf. sein Problem, die Ent- 
stehung des lit. Präteritums, allseitig beleuchtet und umsichtig 
nichts ausser Acht lässt, was für seine Zwecke irgendwie in 
betracht kommen kann, erweitert sich die Untersuchung un- 
willkürlich zu einer fast vollständigen Monographie über das 
lit. Verbum. So bildet das Buch eine Art Seitenstück zu 
des Verf.s Beiträgen zur abg. Konjugation, nur dass es ab- 
weichend von diesen das vergleichende Moment in den Vorder- 
grund stellt. Deshalb ruht auch auf dem Untertitel “ Ein Bei- 
trag zur Verbalflexion der idg. Sprachen” ein starker Neben- 
akzent.- Denn die Untersuchung beschäftigt sich mit zahl- 
reichen Fragen, die weit über das Gebiet des Baltischen hin- 
ausführen. Sie darf daher auch auf das Interesse derjenigen 
Forscher Anspruch machen, denen die Probleme der lit. Spezial- 
grammatik ferner liegen. 

Mit dem lit. Präteritum selbst befassen sich nur die 
beiden letzten der vier Kapitel. Die zwei ersten sind be- 
stimmt ein verlässliches Fundament für die Ausführungen 
jener zu schaffen. Sie behandeln daher das Verhältnis des 
lit. Vokalismus zum indogermanischen, und “da die Erörte- 


36 Wiedemann Lit. Präteritum. 


rung des Vokalismus des Präteritums den Vokalismus des 
Präsens zur Grundlage hat”, auch die lit. Präsensbildungen 
mit besonderer Rücksicht auf ihre Ablautstufen. Im allge- 
meinen schliesst sich Wiedemann dabei den üblichen An- 
schauungen an. Wenn er Mahlows Gleichung lit. ἃ = idg. 0 
bekämpft, so kann man ihm insofern zustimmen, als dieselbe 
offenbar zu eng ist. Dagegen wird er kaum auf Beistimmung 
rechnen dürfen, wenn er die Vertretung des idg. 0 durch %, 
seinerseits ins Extrem fallend, ganz leugnen und in « allein 
die Fortsetzung von idg. öuw sehen will. Meine Bedenken 
gegen diese Theorie habe ich bereits IF. 1 276 ff. darzulegen 
versucht, vgl. auch Zubaty Archiv f. slav. Phil. XIII 601 und 
Bartholomae IF. 1 303 Fussnote 22). Auch der Versuch € ne- 
ben ai als Reflex von idg. οὐ ganz aus der Welt zu schaffen, 
scheint allzu gewaltsam, um akzeptiert werden zu Können, 
vgl. Hirt IF. 135. Sehr dankenswert ist dagegen die einge- 
hende und sorgfältige Behandlung der idg. Langdiphthonge 
und ihrer Schicksale im Lit. Abgesehen von dem eben er- 
wähnten 0 erregt mir nur die Zurückführung von sau auf 
ide. @u Bedenken. Man versteht nicht, woher jenes ὁ kom- 
men soll. Das einzige von jedem Einwand freie Beispiel, 
das Wiedemann anführt, ist der Opt. -biau (-bei -be). Hier 
aber liegt idg. 26 (nicht e!) +% vor, vgl. auch IF. I 267. 
Das dritte Kapitel prüft den Wurzelablaut des Präteri- 
tums und kommt zu dem Resultat, dass die Schwundstufen- 
form als das Normale betrachtet werden muss. Hierdurch 
ist Osthoffs Versuch, an das Perfekt (mit e-Stufe) anzuknüpfen, 
wohl endgültig beseitigt. Nur für emiaü ejaü und allenfalls 
edzau will auch Wiedemann perfektische Herkunft zugestehn. 
Er muss zu diesem Zwecke die Verwandtschaft von lit. im& 
abg. öma mit νέμω leugnen und em als Wurzel ansetzen. 
Die Möglichkeit soll nieht bestritten werden, nur möchte ich 
das Hauptargument Wiedemanns, dass ®n»mö (so schreibt er 
für #nmö) nicht zu ima führen könne, für nicht stichhaltig 
ansehn. Denn auf welche Weise will man alsdann abg. 
ime erklären? Auch hier ist doch ®nmen bezw. "n»men als 
Grundform anzusetzen, während *>»nmen kaum zu rechtfertigen 
sein dürfte. Von Einzelheiten sei die ungemein scharfsinnige, 
doch mich noch immer nicht völlig überzeugende Erklärung 
des ὃ im Prät. Plur. der german. Verba vierter und fünfter 
Ablautsreihe erwähnt, sowie die eingehende Erörterung der 


1) Mit den positiven Vorschlägen beider Gelehrten vermag 
ich mich nicht einverstanden zu erklären. Bei Bartholomae be- 
fremdet in hohem Grade, dass idg. ö durch urbalt. @, idg. ἃ aber 
durch urbalt. ö verteten sein soll. Woher diese Umkehrung der 
ursprünglichen Verhältnisse ? 


Wiedemann Lit. Präteritum. 37 


Präsensflexion von Wz. bhü. S. 142 scheint auch das Präsens 
von gen seine langvermisste Aufklärung gefunden zu haben. 

Nachdem so das Problem des Vokalismus in der Haupt- 
sache als gelöst betrachtet werden darf, bleibt dem letzten 
Kapitel die Erklärung der eigentümlichen Stammbildung des 
Prät. vorbehalten. Dieselbe ist bekanntlich doppelter Art: die 
eine Hälfte der Verba hat -αὖὦ -a? -ö, die andere au -ei -ὁ. 
Wiedemann erkennt in ihnen Stämme auf idg. @ und δ, wie 
sie in den “starken Aoristen’ lat. eram, griech. ἐτύπην vorlie- 
gen. Hiermit hat er gewiss das richtige getroffen, wenn auch 
das ὁ der &-Klasse Schwierigkeiten bereitet. Man wird trotz 
mancher Bedenken kaum umhin können, in ihm den Einfluss 
der j-Präsentien zu sehen. Die lautlichen Hindernisse, die 
dieser Annahme entgegengestellt werden könnten, hat Victor 
Henry Revue Critique 1891 5. 163 Fussnote in befriedigender 
Weise aus dem Wege geräumt. 

Von anregenden, zu Beifall wie zu Widerspruch her- 
ausfordernden Nebenuntersuchungen, an denen es auch in 
diesem Abschnitt nicht fehlt, nenne ich nur die Besprechung 
der Präsensflexion der lat. d- und £-Verba, der germ. 6-Kon- 
jugation und der abg. Klasse IV (nach Leskiens Bezeich- 
nung). Auch auf die Erklärung des lat. -bam im Impf., 
die Erörterungen der abg. Endung -ὃ und den Deutungs- 
versuch des stammbildenden Elementes -02- im germ. Kom- 
parativ möchte ich aufmerksam machen. 

Trotz ihrer Reichhaltigkeit baut sich die ganze Unter- 
suchung in durchsichtiger Klarheit auf. Dieser Vorzug ver- 
dient um so nachdrücklicher betont zu werden, als die grosse 
Mehrzahl sprachwissenschaftlicher Arbeiten in formaler Bezie- 
hung so gut wie alles zu wünschen übrig lässt. Man em- 
pfindet diesen Übelstand doppelt, wenn man, wie hier, einer 
Ausnahme begegnet. 


August 1891. Wilhelm Streitberg. 


88 


Die neugriechische Sprachforschung in den Jahren 
1890 und 1591 1). 


I. 


Nur sehr gering ist die Zahl der Gelehrten, welche, 
mit wissenschaftlicher Methode ausgerüstet, Forschungen auf 
dem Gebiet der neugriechischen Sprache betreiben. Wenn 
trotzdem die Anzahl der Abhandlungen, über welche ich im 
folgenden referiere, verhältnismässig gross ist, so rührt das 
davon her, dass die neugriech. Sprachforschung entweder von 
angrenzenden Wissensgebieten Aufschlüsse erhält, oder dass 
Dilettanten mit mehr oder weniger Geschick auf dem brach 
liegenden Felde sich tummeln, oft auch zu grösserem Nutzen 
der Wissenschaft in der Herbeischaffung von Material Dienste 
leisten. 

Wir beginnen mit Arbeiten, die sich auf die Geschichte 
der neugriechischen Studien beziehen. Noch im Jahre 1889 
hat uns W. Meyer eine Ausgabe einer der ältesten neugr. 
Grammatiken, der des Simon Portius (1658), bescheert. Psi- 
chari gab in einer Einleitung dazu biographische Erörterun- 
gen und glaubte aus linguistischen Gründen erweisen zu kön- 
nen, dass Simon Portius ein Kreter gewesen sei. Diese Frage 
hat für die Beurteilung der Grammatik des Simon Portius 
ziemliche Bedeutung: sie erhielt endgiltige Lösung durch den 
Aufsatz von Legrand Contribution ἃ la biographie de Simon 
Portius, Revue des Etudes greeques IV (1891) p. 74—81. 

Portius stammt aus Trapezunt. dies ist das wichtigste 
Ergebnis der Abhandlung. die ausserdem einige weitere bio- 
graphische und litterarhistorische Nachweise über Portius gibt. 

Der grösste Geistesheros des modernen Griechenlands, 


1) D. h. etwa bis Mitte 1891; einigemal ist über das Jahr 1890 
zurückgegriffen worden, sei es um eine gewisse Kontinuität herzu- 
stellen, sei es um auf besonders Wichtiges aufmerksam zu machen. 
Vollständigkeit der bibliographischen Angaben ist erstrebt, für West- 
Europa hoffentlich auch erreicht. In bezug auf griech. Zeitschrif- 
ten, Zeitungen und Bücher ist es bei dem Mangel einer Zentralisa- 
tion des griech. Buchhandels ausserordentlich schwer, einen voll- 
ständigen Überblick über griech. Publikationen zu bekommen. Trotz- 
dem hoffe ich, Wichtiges nieht übersehen zu haben. Einige Unge- 
nauigekeiten von Zitaten bitte ich damit entschuldigen zu wollen, 
dass ich beim Niederschreiben meines Referats hin und wieder auf 
die Exzerpte angewiesen war, welche ich von Schriften angefertigt 
hatte, die mir seinerzeit vorlagen, jetzt aber nicht mehr zugänglich 
sind. Die hiesige Universitätsbibliothek hat (wie wohl die meisten 
deutschen Bibliotheken) nur einen geringen Bestand an Neograeca, 
so dass ich vielfach auf meine eigenen Erwerbungen angewiesen war, 


Thumb, Neugriech. Sprachforschung. 99 


der Schöpfer der neugr. Schriftsprache, Adamantios Korais, 

hat in Thereianos einen sachverständigen und begeisterten 

Biographen gefunden: 

᾿Αδαμάντιος Κοραῆς ὑπὸ A. Θερειανοῦ. Ἐκτυποῦται ἀναλώμαει 
τοῦ Οἰκονομείου κληροδοτήματος. ὃ Bde. Triest 1889. 1890. 

Rezensionen: Ἑετία 18. März 1890. Seibel in der Wo- 
chenschr. für klass. Philol. VIII Sp. 539 ff. Schenkl Zeitschr. 
für österreich. Gymnasien XLI 527—529. Neue philol. Rund- 
schau 1891 p. 224. Tozer Academy 1891 No. 998. A. Wa- 
gener Bl. f. ἃ. bayer. Gymnasialwesen XXVII (1891) p. 2435 — 
250. Zimmerer Berl. phil. Wochenschr. XI No. 59 f. 

An dieser Stelle ist vor allem der zweite Band hervor- 
zuheben, worin des Korais Ansichten über die neugr. Sprache 
und seine Thätigkeit für eine neugriech. Schriftsprache ein- 
gehend dargestellt werden. Thereianos verfolgt im Anschluss 
daran die Entwicklung der sogenannten Sprachfrage bis auf 
unsere Tage. 

Neugriechische Sprache und Literatur in Deutsel- 
land ist skizziert in der Beilage der Allgem. Zeitung 1890, 
16. und 11. Dezember. 

Von bibliographischen Zusammenstellungen über neu- 
griechische Dinge ist zu nennen der Bericht von Oberhum- 
mer über griech. Geographie in Bursians Jahresberichten Bd. 64 
(1891), besonders die Abschnitte, welche die heutige Bevöl- 
kerung betreffen, nämlich p. 389— 405, 407 ff., 411 ff. (Reise- 
werke), 439 (Name von Morea), 445 f. (Ethnographie). Bei 
dem Mange! an ausgedehnten und eingehenden Beobachtun- 
gen über neugriech. Sprache und Dialekte sind wir oft froh, 
in Werken heterogenen Inhalts einige sprachliche Notizen zu 
finden; es muss freilich auch betont werden, dass solche No- 
tizen, die in Reisewerken oder Aufsätzen ethnographischen 
Inhalts begegnen, meist sehr ungenau sind und scharfer Prü- 
fung bedürfen. 

Von grundlegender Bedeutung auch für die neugr. 
Sprachgeschichte ist die Ethnographie der Balkanhalbinsel, 
vor allem sofern sie die Frage von der Abstammung der 
heutigen Griechen, d. h. die Verwandtschaftsverhältnisse zwi- 
schen den alten Hellenen und den modernen Griechen, be- 
handelt. Die neugr. Sprache zeigt zwar (um von anderm zu 
schweigen) klar, dass sie eine Fortentwicklung des Altgrie- 
ehischen ist, und die These Fallmerayers lässt sich heuti- 
gentags nicht mehr aufrecht erhalten, aber trotzdem ist es 
wünschenswert, an der Hand genauer Statistik die heutige 
Verbreitung des griechischen Elements im Vergleich zu der 
im Altertum und derjenigen fremder Elemente auf einst 
griechischem Boden zu ermitteln und den Grad fremden Ein- 


40 Thumb, 


flusses festzustellen. An dieser Aufgabe ist auch die Sprach- 

forschung beteiligt; hier seien nur die speziell ethnographi- 

schen Arbeiten aufgezählt: 

Abstammung der heutigen Griechen (ohne Autornamen), 
Zeitschr. f. Schulgeogr. VIII 340—542 (mir nicht zugäng- 
lich). 

Xenopol Les Roumains et les Grees. Revue de geogr. 1891 
(mir nicht zugänglich.) 

Oppel Zur Ethnographie der Balkanhalbinsel, Globus Bd. 57 
(1890) p. 76— 79. (Übersicht über die bisherigen Arbeiten ; 
Griechen im heutigen Makedonien.) 

Dühmig Über die Chalkidike, Vortrag in der geogr. Ges. 
zu München. Cf. Verh. d. Ges. f. Erdk. z. Berlin 1891 
p. 102. (Die Chalkidike durchaus griechisch, womit auch 
Oppel übereinstimmt.) 

Über das griechische Element in Kleinasien belehrt uns 
in anthropologischer Hinsicht 
Luschan Reisen in Kleinasien, Verhandl. der Gesellsch. f. 

Erdkunde zu Berlin XV 41---Οὐ. 

Ich hebe daraus hervor (p. 55 f.), dass nur auf den In- 
seln und an der Westküste in hohem Prozentsatz der altgriech. 
Typus vertreten ist, während die Griechen im Innern, sowie 
an der Süd- und Nordküste physisch mit den Armeniern über- 
einstimmen; eine dritte Gruppe von Griechen mit semitischem 
Typus (Reste altsemitischer Kolonisation) beobachtete Luschan 
an der Südküste. Darüber vgl. auch denselben Gelehrten in 
seinem Aufsatz Die Tachtadsehy und andere Überreste 
der alten Bevölkerung Lykiens, Archiv für Anthropologie XIX 
31—53. Auch unter den nichtgriech. Bewohnern Kleinasiens 
fand Luschan griechische Spuren. 

Ob der Aufsatz von 
Ghenadieff La Macedoine, Bull. de la Soc. belge de geogr. 

ΝΥ. ὁ. {1891} 

Angaben über die griech. Bevölkerung enthält, weiss ich 

nicht, da mir die Zeitschrift nieht zugänglich ist. 

Von besonderem Werte und hoher Zuverlässigkeit sind 
die Arbeiten Philippsons über die Ethnographie des Pelo- 
ponnes. Einen kurzen Überbliek gibt uns dieser Gelehrte in 
seinem Aufsatz 
Besiedelung im Peloponnes, Verh. der Ges. f. Erdk. zu 

3erlin XV 442— 455. 

Ph. betont den Mischeharakter der peloponnesischen Be- 
völkerung, von der bekanntlich die Albanesen bis jetzt noch 
der Hellenisierung entgangen sind. In sprachlicher Beziehung 
wird hervorgehoben, dass das peloponnesische Griechisch 


Neugriech. Sprachforschung. 41 


(abgesehen vom Tzakonischen) ohne bedeutende dialektische 
Unterschiede sei. 

Ausführlicher beschäftigt sich Ph. mit derselben Frage in 

Zur Ethnographie des Peloponnes, Petermanns Mittei- 
lungen 1890 p. 1—11, 33—4l. 

In einem geschichtlichen Überblick werden auf grund 
der neueren Forschungen über byzantinische Geschichte die 
Einwanderungen fremder Stämme (besonders der Slaven, dann 
auch der Franken, Osmanen und endlich Albanesen) bespro- 
chen. Nur die Albanesen haben sich, wie erwähnt, noch bis 
heute gehalten, obwohl ein allmähliches Zurücktreten deutlich 
konstatiert werden kann. Die heutige Bevölkerung des Pe- 
loponnes enthält e. 12°/, (90000) Albanesen. Ich muss es 
mir versagen, die Details über deren Verbreitung wiederzu- 
geben; Ph., der den Peloponnes nach allen Seiten durchwan- 
dert hat, gibt in Tabellen und einer Karte genaue Auskunft. 
Ich erwähne als charakteristisch, dass zwischen Griechisch 
und Albanesisch scharfe Grenzen bestehen, dass vor allem 
nicht die Bildung einer Mischsprache zu beobachten ist. — 
Über die Tzakonen und Maniaten s. unten. Im Norden des 
Peloponnes sitzen einige rumeliotische Nomaden, die vielleicht 
Reste der um 1709 eingewanderten 6000 Rumelioten sind 
(p. 40), Kretenser bei Nauplia und in einem δῆμος Messe- 
niens; andere Elemente (Zigeuner, Vlachen) kommen heute 
nicht mehr in betracht. Ph. gelangt zu dem Ergebnis, dass 
die heutigen Peloponnesier ein fast völlig hellenisiertes Misch- 
volk 5] πα 1). 

Über die Albanesen im übrigen freien Griechenland er- 
halten wir von Philippson ebenfalls Auskunft in 
Reise dureh Mittel- und Nordgriechenland, Zeitschr. 

d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, Bd. XXV (1890) p. 331—406, 
bezw. p. 402 f. 

Das albanesische Element beträgt nach Ph. für ganz 
Griechenland 11,3 %/, (Euboeca 40000, Nord-Andros 10000, 
Attika und Boeotien mit Megara 84000). 


1) Die Resultate Philippsons haben manche Griechen unan- 
genehm berührt. So hat ein gewisser Mitsopulos in einer populären 
naturwiss. Zeitschrift (TTpoundeVc, des genaueren Zitats erinnere ich 
mich nicht mehr) zwar mit grossem chauviistischen Eifer, aber 
mit desto geringerer Wissenschattlichkeit Philippsons Forschungen 
herunterzusetzen versucht, freilich ohne Erfolg. Dem gegenüber 
muss lobend hervorgehoben werden, dass ein anderer Grieche, der 
tüchtige Geograph Miliarakis, die Verdienste Philippsons um das 
Gebiet der ethnographischen Statistik voll und ganz anerkennt (in 
einer Rezension in dem nach einigen Nummern wieder eingegean- 
genen Βιξλιογραφικὸν Δελτίον No. 3) und seinen Landsleuten vor- 
hält, statt müssiger Redereien ähnliche Untersuchungen anzustellen. 


43 Thumb, 


In bezug auf Zuverlässigkeit der Beobachtung darf 
neben Philippson der schon erwähnte Grieche A. Miliarakis 
genannt werden. Leider kenne ich sein letztes Buch 
Γεωγραφία πολιτικὴ νέα καὶ ἀρχαία τοῦ νομοῦ Κεφαλληνίας. 

Athen 1890 

nur aus der Besprechung in der Ἑετία vom 18. November 
1890 (παράρτ.) und aus dem Referat von Partsch Petermanns 
Mitteil. 1891 (Literatur-Bericht p. 28). Darnach enthält es 
wertvolle Angaben über die Bevölkerung, über Orts- und Fa- 
miliennamen. (In der Südostecke von Cefalonia wohnen Al- 
banesen, die im 15. Jahrh. eingewandert sind; so erkläre sich 
das Vorkommen des Namens μπάλτα; doch macht Partsch 
darauf aufmerksam, dass der Name schon 1262 urkundlich 
sich finde). 

Beiträge zur Volkskunde (Mythologie ete.) enthalten 
Tozer Islands of the Aegean. Oxford 1890 (Clarendon Press) 

und 
Roscher Studien zur griech. Mythologie, IV. Heft mit einem 

Anhang von Politis Über die bei den Neugriechen vor- 
handenen Vorstellungen vom Monde. 

Bekanntlich ist gerade die neugr. Volkskunde vorzüg- 
lich geeignet, den engen ethnischen Zusammenhang zwischen 
den alten Hellenen und den Neugriechen klar zu erweisen. 
Während Politis ein spezielles Gebiet behandelt, finden wir 
in dem Reisewerke von Tozer da und dort Notizen über 
griech. Aberglauben, Sitten und Gebräuche. Tozer gehört 
zu den wenigen Philologen, die bei ihren topographischen 
und antiquarischen Studien auch das moderne Griechenland 
und seine Bevölkerung gebührend berücksichtigen. T.’s Reise- 
werk bietet eine geschickte Übersicht dessen, was bis jetzt 
über die von ihm bereisten Gebiete (Geschichte, Land und 
Leute) bekannt ist. Auch der Sprachforscher findet hin und 
wieder zwar nicht ausgedehnte aber doch schätzenswerte An- 
gaben. Darüber weiter unten. Von Besprechungen des Wer- 
kes kenne ich Partsch Petermanns Mitteil. 1890 Lit.-Ber. 
No. 2467 und Paton The Classieal Review V (1891) p. 237—258. 

Ich muss es mir versagen, hier weiteres zur Volkskunde 
anzuführen, und verweise nur auf das Δελτίον τῆς ἱετορικῆς 
καὶ ἐθνολογικῆς Ἑταιρείας (Athen), eine Zeitschrift, die gerade 
auch diese Seite der neugriech. Philologie zu fördern ver- 
spricht. 

IR 


In der Publikation neuer mittelgriechischer Texte 
haben die letzten Jahre nur weniges geleistet. Einen kur- 
zen Bericht über mer. Handschriftenschätze der Konstanti- 


Neugriech. Sprachforschung. 43 


nopler Bibliothek vom heil. Grab gibt Psichari in seinem 

weiter unten zu besprechenden Rapport p. 29. Ein grösserer 

Text wurde von Legrand publiziert als Bd. V der Biblio- 

theque grecque vulgaire: 

La guerre de Troie, Po&me du XIV® siecle en vers octo- 
syllabes par Constantin Hermoniacos. Publi@ par E. Leg- 
rand. Paris 1890. XIV 4788. 

Rez. von Psichari Revue critique 1891 (I) p. 23—30. 

In der Vorrede wird der Sprachcharakter der Dichtung 
ganz vom Standpunkt Psicharis beurteilt; das Gedicht gebe 
die gleichzeitige Sprache von Epirus wieder. Der Text 
selbst ist nach L. eine Bearbeitung von Tzetzes Allegoriae 

Diadis. 3 Handschriften aus dem 15. Jahrhundert standen 

dem Herausgeber zu Gebote (2 Pariser und eine aus Leyden). 

Wertvoll ist der Index (p. 459 ff.), der von Legrand hinzuge- 

fügt wurde und der alle Spracheigenheiten des “Dichters” 

umfasst. 
7 kleinere Gedichte des Prodromos veröffentlichte gleich- 


falls 

Legrand Po&sies inedites de Theodore Prodrome, publiees 
d’apres la copie d’Alphonse l’athenien, Revue des £tudes 
greeques IV 

Hohes sprachgeschichtliches Interesse beansprucht eine 
vulgärgriechische Übersetzung des Pentateuch, die von einem 
Juden Konstantinopels verfertigt und im Jahr 1547 in he- 
bräischen Lettern gedruckt wurde. Über das seltene, in Paris 
befindliche Buch handelt 
Belleli Deux versions faites A Constantinople au seizieme 

sieele. Paris 1890 (16 5.) 

eine Schrift, die ich aus der Besprechung in der 'Ecria vom 
19. August 1890 kenne. Um die rein litterarhistorische Seite 
hier zu übergehen. hebe ich die Bemerkung hervor, dass der 
Text für die Kenntnis der damals in Konstantinopel gespro- 
chenen Volkssprache eine gute Quelle ist. Der Kritiker in 
der Ἑετία bezweifelt dies, weshalb Belleli in einer Entgeg- 
nung in der Ecria vom 26. August 1890 (παρ.) betont, “ὅτι N 
YAWcca τῆς μεταφράςεως ταύτης εἶνε n yvncia, τῆς Κωνεταντι- 
νοπόλεως δημοτική, ἄνευ ἴχνους ἰδιωτιεμῶὼν ἑβραϊκιὼν " 

Eine Probe des interessanten Textes giebt Belleli in der 
Revue des Etudes grecques ΠῚ 289—308. In der 
Einleitung dazu finden wir einige Notizen über die Sprache 
der Übersetzung. Auf diese selbst folgt ein kurzer (gram- 
matischer) Kommentar. Was übrigens die dem Herausgeber 
dunkle Etymologie von ἄπατα "aussi, encore betrifft (p. 294), 
so vermute ich darin eine Umbildung von ἔπειτα (> ἄπειτα 
cf. ἄξαφνα u.ä., dann ἄπατα mit Assimilation des 2). 


44 Thumb, 


Nur in loser Beziehung zur mittelgriech. Philologie 
steht der Aufsatz von 
7. Psiehari Le Roman de Florimont. Contribution & I’hi- 

stoire Jitteraire. Etude des mots grees dans ce roman. 
In den Etudes Romanes dediees A Gaston Paris. Paris 1891 
p. 5075501). 

Rez. von Suchier, Lit.-Bl. f. germ. u. rom. Philol. 1891 
Sp. 215. 

Ps. beschäftigt sich vor allem mit den in den Text einge- 
streuten griechischen Wörtern, die er aus ihrer verstümmelten 
Form (in lateinischen Lettern) wieder herzustellen sucht; hin- 
sichtlich des sprachgeschichtlichen Wertes dieser Wörter kommt 
Ps. zu dem Ergebnis “Les formes grecques du Florimont 
n’ont aucun interet en elles-memes. Elles ne nous apprennent 
rien sur la grammaire historique du gree au moyen äge”. 
Aber diese griech. Formen geben in ihrer Verstümmelung 
wichtige Aufschlüsse über die Textgeschichte des altfranz. 
Romans, ein Problem, das jedoch mehr für die Romanisten 
als für uns Interesse hat. 

Für alle Fragen über mgr. Texte, ihre Geschichte und 
Sprache sowie die einschlägige Bibliographie giebt ein Werk 
trefliche Belehrung, das für das ganze Gebiet einen festen 
Grund und Boden geschaffen hat: 

Krumbacher Geschichte der byzantinischen Literatur (J. v. 
Müller, Handbuch der klass. Altertumswiss. IX 1). Mün- 
chen 1891. 

Der Wert des Buches ist so allgemein anerkannt, dass 
es genügt, hier auf die Rezensionen zu verweisen: G. Meyer, 
Beilage der Allgem. Zeitung 1890 No. 297. Usp...iy Lit. 
Centralbl. 1891 Sp. 240—244. Weyman Histor. Jahrbuch 
XII 79—-86 (mit bibliographischen Nachträgen). Merkle Stu- 
dien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Cistercien- 
ser-Orden XII 1. Öster Neue philol. Rundschau 1891 p. 204— 
208. Gelzer Berl. philol. Wochensehr. XI No. 27 und 28. 
Draeseke Theolog. Literatur-Zeitung 1891 p. 329— 9334. 

Aus dem Gesammtgebiet der Lexikographie nenne ich 
zunächst, wenn auch einem etwas früheren Zeitraum als dem 
zu besprechenden angehörig, die Neuauflage des monumentalen 
Werkes von 
Sophocles, A Greek Lexicon of the Roman and Byzantine 

periods, New York und Leipzig 1888. 

Das Lexikon umfasst den spätgr. und mgr. Wortschatz 

(bis auf 1100); als Einleitung ist eine kurze Grammatik des 


1) Mir liegt durch die Güte des Herrn Verfassers ein Sepa- 
ratabzug vor. 


Neugriech. Sprachforschung. 45 


Vulgärgriechischen in geschichtlicher Entwicklung vorausge- 
schickt. 

Einige lexikalische Anmerkungen zu dem Werke findet 
man in der Rezension von Zenos The Classical Review IV 
(1890) p. 41-- 44. 

Ein anderes älteres Werk stupenden Fleisses, das Glos- 
sarium ad scriptores mediae et infimae graeecitatis von Du- 
eange ist durch einen unveränderten Neudruck (Breslau 1891, 
Koebner, 2 Bde.) wieder leichter zugänglich gemacht worden, 
wenn auch der Preis immer noch ein ziemlich hoher ist. 

Der neugriechischen Etymologie werden sehr grosse 
Dienste geleistet durch 
G. Meyer Etymologisches Wörterbuch der albanesischen 

Sprache. Strassburg, Trübner 1891. 

Indem Meyer den verschlungenen Pfaden albanesischer 
Lexikographie nachgeht, gibt er uns wertvolle Aufschlüsse 
über die Etymologie und Lexikographie der Sprachen der 
Balkanhalbinsel und schafft Klarheit in den bunten Wirrwar 
von Entlehnungen. Da gerade die Beziehungen zwischen Al- 
banesisch und Neugriechisch besonders enge sind, so tritt 
das Griechische nicht wenig hervor. Ein Wortverzeichnis 
(p. 505 ff.) orientiert uns rasch darüber. 

Ein spezielles Gebiet der neugriechischen Lexikographie 
behandelt 
Mıxpoyıavvnc Λατινικά in der griechischen Zeitschrift 'Ecria 

1891 No. 30 und 31. 

M. ist Schüler von Psichari; er schreibt in neugriechi- 
scher Volkssprache. In der Form eines Dialogs werden die 
wichtigsten lateinischen Lehnwörter des Neugriechischen, ihre 
Lautgesetze und die Kriterien ihrer Scheidung von den roma- 
nischen Lehnwörtern besprochen. 

Von etymologischen Einzelbeiträgen sind zu nennen: 
Hesseling Istambol, Revue des Etudes greeques ΠῚ 189— 

196. (Entstehung und türkische Umbildung des Namens 
aus εἰς τὴν πόλιν.) 

Über den Namen “Morea’ vgl. die Zusammenstellungen 
von Etymologien bei 
Gregorovius Geschichte von Athen I 309 f. und 
Öberhummer in dem schon genannten Bericht p. 459. 

Ferner zur Etymologie geographischer Namen: 
Μηλιαράκης TIodev ἣ λέξις Δαεκαλειό ὡς γεωγραφικὸν ὄνο- 

πη Fertig: 1890 (T) p. 49. 

(Der öfters für kleine Felseneilande begegnende Name 
Δαςκαλειό wird als volksetymologische Umgestaltung eines 
italien. di oder da scoglio erklärt.) 


40 Thumb, 


MnXıapaxnc Πόθεν τὸ κοινὸν τεωγραφικὸν ὄνομα Νειμπουρ- 
γιό, Νειμποργιός, Ἐμποργιός, Ἐμπορεῖον. “Ecria 1891 (D 
Ρ. 409 ff. 

(Die Namen sind nach der Ansicht von M. Verstümme- 
lungen von νειὸ μποῦργο zu mlat. burgus, haben demnach 
nichts mit agr. ἐμπορεῖον zu thun — scheint mir nur theil- 
weise richtig.) 

Ein Artikel von Joest (in den Verhandl. der Berl. 
Ges. f. Anthrop. 1890 p. 210 ff.) über die Etymologie des 
Wortes Caviar veranlasst Politis in der 'Ecria (Beiblatt) vom 
12. August 1890, auf die älteste Fundquelle des Wortes bei 
Prodromos hinzuweisen; doch leuchtet mir Politis’ Etymolo- 
gie von xaßıapı < αὐγάριον (αὐγόν — ὠόν) keineswegs ein. 

Burys Notiz über νερό The Classical Review V 232 
bringt nichts besonderes. 

Von sehr zweifelhaftem Wert sind die etymologischen 
Versuche von Boltz. So hat er seine “berühmte” Etymologie 
von ἄλογον (zu ai. gavala!) in der Amsterdamer Zeitschrift 
“ExXac I 1—20 durch eine ebenso abenteuerliche in derselben 
Zeitschr. II 157—166 ersetzt. 

Brauchbarer, wenn auch manches Verkehrte enthaltend 
und von grosser Weitschweifigkeit, sind desselben Verfassers 
Lexikologische Beiträge (I. über μωρέ etc. II. παλληκάριον 
III. -πουλος) im III. Bd. der genannten Zeitschrift. Boltz 
Verfahren ist unkritisch, weshalb seine Arbeiten nur als Samm- 
lungen von Material einiges Interesse haben. 

Zur rein praktischen Einführung in die neugriech. 
Grammatik haben die beiden letzten Jahre einiges gebracht; 
es genügt hier auf meinen Aufsatz Die neugriech. Sprache 
und ihre Erlernung in der Beilage zur Allg. Zeitung No. 181 
(6. August 1591) und auf meine Rezension von Sanders Gram- 
matik im Literar. Merkur 1891 No. 9 p. 61 hinzuweisen. In 
meinem zuerst genannten Aufsatz ging ich besonders auf die 
prinzipiellen Fragen ein, welche bei der Abfassung einer 
praktischen neugriechischen Grammatik in betracht gezogen 
werden müssen. 

Meinem Aufsatz habe ich nachzutragen bezw. hinzuzu- 
fügen: 

Manuel de conversation en trente langues par le Dr. Pous- 
sie avec la collaboration de savants francais et Etrangers. 
Paris 1890 (die neugriech. Volkssprache ist von Psichari 
bearbeitet) 

und die 

Neugriech. Grammatik von Mitzotakis, herausgegeben vom 
Seminar für orientalische Sprachen in Berlin 1891. Beides 

ist mir bis jetzt nicht zugänglich gewesen. 


Neugriech. Sprachforschung. 47 


Eine grosse wissenschaftliche Grammatik des Vulgär- 
griechischen ist bekanntlich von Foy schon seit Jahren in 
Aussicht gestellt worden; ich weiss nicht, wie weit der Plan 
gediehen ist. Eine historische Grammatik des Neugriechischen 
mit Einschluss der wichtigsten Dialekte ist freilich bis jetzt 
kaum zu erwarten, da die streng wissenschaftliche Unter- 
suchung der Einzelfragen sozusagen erst seit wenigen Jahren 
begonnen hat. Vorderhand ist die beste Einführung in das 
Gesammtgebiet der neugriech. Sprachforschung 
W. Meyers Neuausgabe von Portius Grammatica linguae 

graecae vulgaris. Paris 1559 (s. auch oben). 

Im grammatischen Kommentar giebt der verdiente Ro- 
manist eine Zusammenstellung des bis heute Erreichten und 
sucht die wichtigsten grammatischen Fragen im Zusammen- 
hang aufzuhellen und zu erklären; dass manches nur als 
erster Versuch betrachtet werden kann, ist nicht verwunder- 
lich: das Werk von Meyer zeigt eben, wie viel noch in Neo- 
graecis zu thun ist. Vgl. die eingehende Besprechung von 
Hatzidakis in der ᾿Αθηνᾶ I 512—532. — Kurze Inhaltsangabe 
von Flament im 2. Bd. der Ἑλλάς. 

Wie weit die ganz vor kurzem erschienene Historische 
Grammatik der hellenischen Sprache von H. C. Muller 
wissenschaftlichen Anforderungen genügt, weiss ieh nicht, da 
ich dieselbe noch nicht einsehen konnte. 

An dieser Stelle ist nochmals Krumbachers Ge- 
schichte der byzantinischen Literatur zu nennen: kurze Be- 
trachtungen über den Charakter der byzantinischen Schrift- 
und Volkssprache sind an verschiedenen Orten eingestreut; 
ein besonderer Abschnitt (mit bibliographischen Nachweisen) 
ist der Charakteristik des Vulgärgriechischen gewidmet (p. 385 
— 9%). In den Vordergrund tritt naturgemäs die Erörterung 
des litterarischen Verhältnisses zwischen Volks- und Sehrift- 
sprache, d.h. der Vertretung und des Kampfes beider Sprach- 
phasen in der mittelgriech. Litteratur. 

Die letztgenannte Frage wurde, nur von einem andern 
Standpunkt aus, von dem hervorragenden Vertreter neugriech. 
Sprachforschung, dem Griechen Hatzidakis, in 2 Abhand- 
lungen erörtert, nämlich: 

Zur neugriech. Sprachfrage im I. Bd. der Ἑλλάς 

und ausführlicher in griechischer Bearbeitung 

Περὶ τοῦ yAwccıkoo ζητήματος ἐν Ἑλλάδι in der ᾿Αθηνᾶ II 
169—235 (sowie separat Athen 1890, Perris. 67 8.). 

Dazu meine Rezension im Literar. Centralblatt 1890 
Sp. 1677. 

Hatzidakis orientirt kurz und präzis über die Geschicke 
der altgriechischen und die Entstehung der neugriechischen 


48 Thumb, 


Schriftsprache, wobei fortgesetzt auf die Entwicklung der 
Volkssprache Rücksicht genommen wird. Über die sogen. 
“Sprachfrage” s. unten. 

Die Keime der neugriech. Sprache sind bekanntlich 
schon im Altertum zu suchen; in der Koıvn finden wir die 
ersten Ansätze derjenigen Entwicklung des Griechischen, 
welche in konsequenter Weiterbildung zum Neugriechischen 
führt. Wir haben daher in unserer Übersicht auch die Un- 
tersuchungen über jene Sprachphase zu erwähnen, nämlich: 
Simeox The language of the New testament. London 1889. 

226 S. (mir nicht zugänglich). 

Rez. von Rendall The Classical Review IV 168 f. und 
im Athenaeum 1890 (letzteres mir nicht zugänglich). 
Schmidt Der Attieismus. 2 Bde. Stuttgart 1887—1889, 
gleichsam ein altgriech. Gegenstück zur Sprachfrage des mo- 
dernen Griechenland. 

Buresch yerovav und anderes Vulgärgriechisch. Rhein. Mus. 
46 (1891) p. 193—232. 

Hellenistische (vulgäre) Formen besonders aus der Bibel 
und dem sog. “alexandrinischen” Dialekt werden unter An- 
führung zahlreicher Belege erörtert; die Verhältnisse der 
Bibelhandschriften in sprachlicher Beziehung finden besonders 
eingehende Besprechung. Neugriechisches wird nur gestreift. 

Um den Sprachcharakter des mittelalterlichen Griechisch 
hat sich zwischen Hatzidakis und Psichari ein lebhafter, leider 
oft persönlich geführter Streit entsponnen. Die Frage ist 
deshalb wichtig, weil sie in letzter Linie auf die Methode 
der mittelgr. Sprachforschung abhebt. So enthält denn auch 
der Aufsatz von 
Hatzidakis Zur Geschichte des Mittel- und Neugriechi- 

schen, ΚΖ. XXXI 105—153}) 
vorwiegend Untersuchungen über die Methode, welche wir 
mittelgriech. Texten gegenüber anzuwenden haben. Ueber- 
zeugend weist H. den Mischeharakter der byzantinischen 
Sprache nach und folgert daraus konsequent, dass eine rein 
statistische Methode zu keinem Ziel führt, dass wir also qua- 
litativ, nicht quantitativ die mittelalterlichen Sprachformen 
abzuschätzen haben. H. sucht einige Kriterien zu gewinnen, 
welche uns in byzantinischen Texten die echt volkstümlichen 
Formen von toten oder monströsen Bildungen scheiden lassen. 

Hinsichtlich der sprachgeschichtlichen Methode in der 
Erforschung des Neugriechischen hat früher die Frage eine 
grosse Rolle gespielt, in welchem innern Verhältnis die alt- 
griech. Dialekte zum Neugriechischen stehen. Nachdem Ha- 


1) Angezeigt in der Ἑλλάς II 103 f. 


Neugriech. Sprachforschung. 49 


tzidakis seinerzeit die Entstehung des Neugriechischen aus 
der Κοινή klar erwiesen und damit allen “äolodorischen ” 
Spekulationen ein für alle mal den Garaus gemacht hatte, 
konnte doch vom neuen Standpunkt aus der Frage wiederum 
näher getreten werden, ob und wie weit die altgr. Dialekte 
Spuren im heutigen Griechisch oder in heutigen Dialekten 
(abgesehen vom Tzakonischen) hinterlassen haben. Die Frage 
ist zu bejahen, wenn auch jene Spuren verhältnismässig sehr 
gering sind. Die einigermassen sicheren und bis jetzt be- 
kannten dialektischen Reste sind zusammengestellt von 
Hatzidakis Zur Abstammungsfrage des Neugriechischen. 
Ἕ λλλάς II 1—5. 

Ausser diesen prinzipiellen Erörterungen hat Hatzi- 
dakis noch spezielle Gebiete der neugriech. Grammatik in 
folgenden Aufsätzen untersucht: 

Zum Vokalismus des Neugriechischen. KZ. XXX 357 
Dazu Nachtrag ib. XXXI 155—156. 

Περὶ τονικῶν weraßoAWv Ev τῇ vewrepa ἑλληνικῇ. ᾿Αθηνᾶ I 
241... δῖ. 481—511. 

᾿ἘΕτυμολογικαὶ εημειώςεις ib. I 287 f. (über das ı von μηγούνι 
und πηρούνι), Ὁ. 332—335 (über δά, νά — ecce und Era). 

In derselben Zeitschr. II 154—159 Referat eines Vor- 
trags über die neugr. Zahlwörter (welche den Ur- 
sprung des Neugriechischen aus der Koıvn erweisen). 

II 701—X08 Referat eines Vortrag über Geschlechts- 
wechsel im Neugriechischen. 

Περὶ τῆς ἐτυμολογίας τοῦ μαλώνω ib. III 94. 
Σημαειολογικαὶ μεταβολαί ib. III 11ῦ. 

Ich verziehte darauf, an diesem Orte näher auf die Auf- 
sätze des ausgezeichneten Neogräzisten einzugehen, da das 
Erscheinen eines Buches nahe bevorsteht, worin Hatzidakis 
seine neugriechischen Forschungen zusammenfasst. Dies wird 
mir Gelegenheit geben, auf die Bedeutung jener zurückzu- 
kommen. Endlich nenne ich noch: 

Pavolini Über Dvandva-Komposita im Neugriechischen. 


Ἑλλάς ΠΙ 290 ἢ ἢ. 


398. 


(Schluss folgt.) 


Freiburg i. B., September 1891. Albert Thumb. 


1) Miklosich Uber die Einwirkung des Türkischen auf die 
Grammatik der südosteuropäischen Sprachen. Sitzungsberichte der 
Wiener Ak. d. Wiss. 120. Bd. behandelt nicht das Neugriechische. 


Anzeiger 1 1. 4 


Bibliographie. 


Vorbemerkung. Die vorliegende Bibliographie will über die 
Erscheinungen des Jahres 1891 auf dem Gebiete der idg. Sprach- 
wissenschaft orientieren. Sie bringt in systematischer Reihenfolge 
die Titel sowohl selbständig erschienener Werke als auch von Zeit- 
schriftenaufsätzen. Bei letztern sind knappe Inhaltsangaben bei- 
gefügt, die sich jeder Kritik, — zustimmender wie ablehnender — 
enthalten. Ausdrücke wie "der Verf. beweist” sagen also über die 
Stellung, die der Referent zu den Theorien des Verfassers einnimmt, 
nichts aus. Da die selbständigen Publikationen in der Regel im 
kritischen Teile des Anzeigers zur Besprechung gelangen sollen, 
wird bei ihnen von einer Inhaltsangabe abgesehn. 

Absolute Vollständigkeit der Aufzählung ist nicht beabsichtigt. 
Sie ist schon um deswillen unmöglich, weil strenggenommen sämt- 
liche Veröffentlichungen, welche Philologie und Archäologie der ein- 
zelnen idg. Völker betreffen, heranzuziehen wären. So bleibt denn 
die Auswahl vielfach eine subjektive und es lässt sich über Auf- 
nahme oder Auslassung mancher Erscheinungen rechten. Doch 
hoffe ich, dass mit der Zeit sich eine festere Norm herausbilden 
wird. Bemerkt sei nur, dass Textpublikationen sowie Untersuchun- 
gen, die sich ausschliesslich mit der Sprache eines einzelnen Denk- 
mals oder Schriftstellers befassen, in der Regel ausgeschlossen sind. 
Ausnahmen, wie sie z. B. bei Homer gemacht sind, bedürfen kei- 
ner Rechtfertigung. 

Die Anordnung begreift sich ohne weitere Erklärung. Den 
Anfang machen allgemeine Werke. Daran schliessen sich die gram- 
matischen Untersuchungen in der üblichen Reihenfolge (Lautlehre, 
Stammbildung, Flexion, Syntax) und zwar zuerst die das ganze 
Sprachgebiet pehandelnden, hierauf diejenigen, welche sich auf be- 
stimmte Dialekte beschränken. Dann folgt das zur Wortforschung 
(Etymologie) gehörige. Hervorgehoben sei, dass alle Aufsätze, die 
Etymologien aus verschiedenen Sprachgebieten bringen, in der Ab- 
teilung für allgemeine ide. Sprachwissenschaft ihre Stelle gefunden 
haben. Den Schluss bilden Schriften zur Altertumskunde, vorab 
Mythologie. Hier war naturgemäss am meisten Beschränkung ge- 
boten. 

Die Abkürzungen der Titel sind die gebräuchlichen. 

Dass diesmal an Lücken und Ungleichheiten kein Mangel ist, 
verhehle ich mir nicht; man möge sie dem ersten Versuche zu Gute 
halten. Mit der Zeit werden sie sich naturgemäss verlieren. Vor 
allen Dingen muss ich bitten, das in der letzten Rubrik gebotene 
nur als Abschlagzahlung zu betrachten; erst im nächsten Hefte wird 
es möglich sein die baltisch -slavische Grammatik systematisch zu 
bearbeiten. Überhaupt sollen alle sich ergebenden Lücken nach 
Möglichkeit im 2. Hefte des Anzeigers ausgefüllt werden. 


Bibliographie. 51 


Bei der Zusammenstellung der Bibliographie waren mir fol- 
gende Herrn behülflich: Hr. Privatdozent Dr. H. Hirt - Leipzig 
(Arisch), Hr. Dr. Richard Meister-Leipzig (agriech. Dialekte), Hr. 
Dr. R. v. Planta-Fürstenau (Italisch), Hr. Dr. This-Strassburg (ro- 
manische Grammatik), Hr. Dr. Richard Schmidt-Leipzig (Keltisch). 
Ausserdem haben übernommen: die Zusammenstellung der ameri- 
kanischen Erscheinungen Hr. Prof. Dr. W. Jackson am Columbia- 
College in New-York, der englischen Hr. P. Giles, Dozent an der 
Univ. Cambridge, der französischen und belgischen Hr. Prof. Dr. 
Leon Parmentier an der Univ. Gent, der dänischen, schwedischen 
und norwegischen die Herrn Dr. Andersen in Kopenhagen und Dr. 
G. Morgenstern in Leipzig. 

Ein Verzeichnis der wichtigeren Rezensionen wird im zwei- 
ten Hefte des Anzeigers erscheinen. 

Wilhelm Streitberg. 


I. Aligemeine indogerm. Sprachwissenschaft. 


Krause Zur Sprachphilosophie. Aus dem handschriftl. Nach- 
lass des Verf. herausgeg. von A. Wünsche. Leipzig 
Schulze, X u. 168 5. gr. 8°. 

von der Gabelentz Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgabe, 
Methode u. bisherigen Ergebnisse. Leipzig Weigel Nachf. 
RX U. 5028. gr. 80. 

Strong, Logeman u. Wheeler Introduction to the study of 
the history of language. London Longmans, Green a. Co. 
Xu.4558. 8°. 

Ljungstedt Spräket, d. lif ock ursprung. Stockholm (— Stu- 
dentföreningen Verdandis smäskrifter nr. 30). 

Jespersen  Fremskridt i Sproget. Studier fra Sprog- og 
Oldtidsforskning Heft 4. Kbhn. 


Diese Studie bildet die Einleitung zu des Verf. Buch: Studier 
over engelske Kasus. 


Deville Notes sur le developpement du langage chez les 
enfants. Rev. ling. XXIV 10—45. 128—44. 

Rousselot Les modifications phonetiques du langage, etudides 
dans le patois d’une famille de Cellefrouin (Charente) Revue 
des patois gallo-romanes. No. 14 u. 15. 5. 69—208. 

Von prinzipieller Bedeutung, obwohl nur die Phonetik der 
Mundart seiner eignen Familie betrachtet wird. Inhalt: Analyse 
physiologique des sons de mon patois. Leurs modifications incon- 
scientes. Mesure du travail qu’en exige le production. 

Passy Etude sur les changements phonetiques et leurs carac- 
teres generaux. Paris Firmin-Didot. 254 5. 8°. 

Lloyd Speech sounds: their nature and causation. Phonet. 
Studien IV u. V1. 


52 Bibliographie. 


Rolin Essai de grammaire phoneötique. Phonet. Stud. IV u. V 1. 

Luick Unechte u. steigende Diphthonge. PBrB. XVI 335 —42. 

Scerbo Saggi glottologiei. Florenz Le Monnier Nachf. 61 8. 
Toy: ὃ. 

Löwe R. Die Ausnahmslosigkeit sämtlicher Sprachneuerungen. 
Zeitschr. ἃ. Vereins f. Volksk. 1 Νο. 1. 

Noreen Über Sprachrichtigkeit. IF. I 95—157. 

Abel Ο. Offener Brief an Prof. Dr. Gustav Meyer in Sachen 
der ägyptisch-indogerm. Sprachverwandtschaft. Leipzig 
Friedrich. gr. 8°. 

Abel Nachtrag zum offenen Brief an Prof. Dr. Gustav Meyer 
in Sachen der ägyptisch-indogerm. Sprachverwandtschaft. 
Leipzig Friedrich. 26 S. gr. 8°. 

Steyrer Ursprung der Sprache der Arier. Wien Hölder in 
Komm. V ul 198. 07.82 

Brugmann Zur Frage nach der Entstehung des gramm. Ge- 
schlechts. Aus Anlass von Roethes Vorwort zum Neudruck 
des. 5. Bandes der Grimmschen Grammatik. PBrB. XV 
523—81. 

Verteidigung seiner Theorie in Techmers Intern. Zeitschr. IV 
101—9. 

Roethe Noch einmal das indogermanische Genus. AfdA. 
XVII 181—84. 

Gegen Brugmanns vorgenannten Aufsatz. 

Michels V. Zur Beurteilung von Jacob Grimms Ansicht über 
das grammatische Geschlecht. Germania XXXVI 121—56. 

Gegen Roethes Vorwort. 
de la Grasserie De la categorie des modes. Muscon X 174— 84. 
Bloomfield On adaptation of suffixes in congenerie celasses 

of substantives. Am. Journ. Phil. XII 1—50. Auch im 
Sonderdruck erschienen. Boston 1891. 

1. The Greek nom. πούς. 2. Designation of parts of the body 
by heteroclitie stems in r and n. 3. Design. of parts of the body 
by other heteroclitice deelensions with n-stems in the obl. casus. 4. 
Design. of p. of the bodie in Armenian. 5. The I.E word for “"mem- 
ber, limb’. 6. Goth. fötus and tunbus. 7. Excursus on words for 
“right” and left’. 8. Assimilation of opposites and assim. of congeners. 
9. Design. of birds, animals and plants in Greek. 10. Design. of 
divisions of time. 11. Adaptation in other substantival categories. 


Bartholomae Studien zur idg. Sprachgeschichte 11. 1. idg. 
sk u. skh 2. ai. äsis —= lat. eräs. Halle Niemeyer. VI u. 
262.8. 82. 

Regnaud Etudes phonetiques et morphologiques dans le do- 
maine des "langues indo - europecennes. Rev. ling. XXIV 
166—77. 


25% 


Bibliographie. 53 


1. Über Komparativ u. Superlativ. 2. Über die ai. Linguale. 
3. Gebrochene Reduplikation im Griech. 
Kretschmer P. Indog. Akzent- u. Lautstudien. KZ. XXXI 
325—012. 
I. Progressive Akzentwirkung im Idg. Dass Schwund- 
stufe auch nach dem Hauptton erscheint, beweisen 1. Nom. Akk. 
Sg. der Stämme auf kurzes und langes ? und u. 9. nt-Stämme. 8. 
n-Ste. 4. r-Ste. 5. Komparative. 0. Neutra auf ἡ, 7. Komposita. 8. 
Gen. Sg. 9. Vok. Sg. 10. Zahlwort °10°. 11. Opt. Präs. Akt. ἃ. the- 
mat. Verba. 12. Enklitika. — 11. Zum idg. Vokalismus. 1. Ab- 
laut e/o (nicht durch die Akzentstellung veranlasst). 2. Vokalab- 
stufung in unbetonten Silben: ı für e, v für 0; ? @ aus Kontraktion 
entstanden; Aa pa = unbetonte, oA ap betonte Lig. son.; Ab- 
Sue zweisilbieer Wurzeln. — III. Zum idg. Konsonantismus. 
1 Anlautende δ erbindungen von Labialen und Gutturalen mit Den- 
talen. 2. Ide. u- Epenthese ( (dafür). Exkurs über öu im Latein: 
dass. ist durch ö vertreten. — Nachträge. 
Hirt Vom schleifenden u. gestossenen Ton in den idg. 
Sprachen.I.., IF. I 
Regnaud Öbservations eritiques sur 
Saussure. Gray Bouffant freres. 29 
Bartholomae Armen. a > griech. o u. die idg. Vokalreihen 
BB. XVII 91—133. 
Weist nach, dass einem europ. o im Armen. neben o auch a 
entspricht und folgert daraus, dass im Idg. neben ὁ ein @ bestan- 
den habe. Auf Grund hiervon wird folg. Ablautschema entworfen: 


systeme de M. de 


ano 


Hochstufe Tiefstufe Dehnstufe 
ler: 0 a. at 
ΟΣ δ -- 0 De: de “ἢ 
9. ἃ —=0 De ΩΣ --Ξ ἢ 
Immer — ὁ 9 ---. δ. --ὀ ὃ 
2. a — Ὁ 9 —. de — 6 
m δ᾽ -- ἢ). .Ξ ἢ 


Hierbei ist mit — langer, mit A überlanger Vokal bezeichnet. 
Ein Anhang (S. 132 f.) behandelt den Ablaut zweisilbiger Wurzeln. 


Bartholomae Nachträgliches zu BB. XV 1—43 188- 247 u. 
xvm 91—133. BB. XVII 339—49. 

Bemerkungen zum vorigen Aufsatz u. zur Partizipialflexion. 
Streitberg Betonte Nasalis sonans. IF. I 83 —9. 
Plaistowe Notes on sonant καὶ (3). Class. Rev. V 5. 253 

Fügt zu Thurnevsens Beispielen (KZ. XXX 351 ff.) hinzu: 
11, κρίβανος aus *krzb-. 2. a aus skr- z-bho-. 3. τάρτχος. 4. ppiE, 
πέφρικα. ὃ. χιλός. 6. βδέω. 7. βριθύς. 8. dic. 9. Inst. Pl. der n-ec-Ste. 
Schrijnen Etude sur 1. phenomene de 1’s mobile. Louvain 

istası 95 8. 8°. 
Regnaud L’elargissement des formes indo-europ6ennes sur les 
finales rhotacisees. Rev. ling. XXIV 49—56. 

Behandelt einen “rhotacisme proethnique’ durch den z. B. 
m Sg. der idg. Neutra wie ai. üdhar auf -nts zurückgeführt 
wird. 


54 Bibliographie. 


Brugmann Lat. velömus got. wileima u. ags. eard. IF. 181. 
Brugmann Ftymologisches. IF. I 171—177. 


1. ai. ide. 2. ξένεος. 3. ἤνεικα. 4. operio aperio. 5. gävisus. 6. 
ir. fatiscim. 7. ahd. serintu. 8. lit. spruüstu. 9. abg. set. 


Fick Etymologien BB. XVII 319—24. 
1. inuı. 2. cupio. 8. ςτύππη: 4. baculum. 5. graculus. 6. Yünc. 
7. bufo. 8. PAevvo. 9. germ. gerdan. 10. got. gelda. 11. xaßöc. 12. Ze- 
μέλη. 13. τύφος. 14. Beuepöc. 15. φερέεβιος. 16. γνωτός. 
Fröhde Griech. u. lat. Etymologien BB. XVII 305—19. 
1. äpaßoc. 2. ἕρμα. ὃ. icröc. 4. κρήδεμνον. 5. ἔμπαιος. 6. παλλακίς. 
7. πένθος. 8. «καπέρδα. ὃ. πιφαύςκιυ. 10. φλήναφος. 11. ppuäccouci. 12. 
arbutus. 18. augur. 14. balbus. 15. favonius. 16. foedus. 11. juba. 
18. Iitus. 19. manticulare. 20. mollis. 21. pecten. 22. oportet. 23. pro- 
cer. 24. concilium. 25. corrigia. 26. rumex. 27T. saepe. 28. sucula. 29. 
termes. 30. vägto. 
Pavot Etymologies dites inconnues. Solution des problemes. 
Paris Leroux VI u. 3138. 8°. 
Solmsen Das Pronomen enos onos in den idg. Sprachen. 
ΚΖ. XXXI 472—79. 
Erhalten in Ai. (anena), Lat. (enim), Griech. (ἔνη “der dritte 
Tag jener T.’ *(e)kei-evoc, ἕτει-ενος; ὁ δεῖνα, entstanden aus dem 
Neutr. Plur. τάδε-: ἔνα "dies u. jenes’), Germ. (jener Kontamination 
aus 716- u. ene-). 
Strachan Etymologies. BB. XVII 296 
1. Got. hatis. "2. ir. tuttim. 3. ar. cned.. A. air bree., ὧς ὍΝ: 
magu. 6. ir. feith. 1. air. scitt. 8. air. ross. 9. air. loon. 10. air. grinne. 
11. ir. erdach. 12. air. telach. 13. air. sned. 14. 'cy. lUlith. 15. air. dbren. 
16. ey. rhamu. 17. ir. serb. 18. cy. lludded. 19. ey. migen. 20. air. 
Scen. 
Sütterlin Etymologien. BB. XVII 162—66. 
1. delictus. 2. ai. mrgt. 3. φολκός. 4. nhd. Schuppen. 5. nhd. 
Flocke. 6. ags. dengel. 7. subuleus. ὃ. τύκος. 
Zimmermann Etymologische Versuche. Wochenschr. f. klass. 
Phil. VIII 1102.711538 8: 
1. sepelio. 2. culpa. 3. sospes. 4. γέντο “fasste”. 
Zimmermann Etymologische Versuche. Posener Gymn. Progr. 
1591. 
Zubaty Etymologien. BB. XVII 324—28. 
1. lett. dragaju. 2. lit. draikas. 3. slav. leza. 4. ai. piccha. ὃ. 
lit. stägstu. 6. lit. szuezias. 1. szaszas. 8. lett. tels. 9. slav. tiche. 10. 
ai. hedati. 11. lit. Zastis. 12. asl. Zelov». 13. lett. fmaidfet. 
de la Grasserie Essai de rythmique eomparee. Muscon X 
299 — 330. 
Unvollendet. 
Lefmann Franz Bopp, sein Leben und seine Wissenschaft. 
I. Teil. Berlin Georg Reimer. 176 u. 168* 8. gr. 8°. 
Schrader Ὁ. Vietor Hehn. Ein Bild seines Lebens und 
seiner Werke. Sonderabdruck aus Iwan v. Müllers Bio- 


02. 


«ΦΩ͂ 


Bibliographie. 55 


graphischem Jahrbuch für Altertumskunde. Berlin Calvary 
mr Komp. 168., 8°. 


II. Indog. Altertumskunde und Mythologie. 


Holstmann Studien zur vorgeschichtlichen Archäologie. Mit 
einem Vorwort von L. Lindenschmit. Braunschweig, 
Vieweg u. Sohn. 

Hoernes Urgeschichte des Menschen. Nach dem heutigen 
Stande der Wissenschaft. 2. Aufl. Wien Hartleben. 

Morgan Die Urgesellschaft. Untersuchungen über den Fort- 
schritt der Menschheit aus der Wildheit durch die Barba- 
rei zur Civilisation, aus dem Engl. übertr. v. W. Eichhoff 
unter Mitwirkung von K. Kautsky. Stuttgart Dietz. XVI 
WSAS0 5: ΡῈ. ὃ. 

Brunnhofer Kulturwandel u. Völkerverkehr. Leipzig Fried- 
ΤΙ AIH u. 2808. er 8°. 

Letourneau L’evolution politigque dans les diverses races 
humaines. Paris Leerosnier et Babe XXIV u. 56538. 8°. 

Letourneau L’evolution du mariage et de la famille. Paris 
Delahaye et Leerosnier. 8°. 

de Mortillet Origines de la chasse, de la peche et de l’agri- 
eulture I. Chasse, p@che, domestication. Paris Lecrosnier 
et Babe. XXIV u. 516 5. 8° (avec 148 fig.) 

Rörig Die Jagd in der Urzeit in Verbindung mit der Ent- 
wickelung der Gesellschaft in Zentraleuropa. Leipzig Eli- 
scher Nachf. 101 8. gr. 8°. 

Penka Die Entstehung der arischen Rasse. Ausland LXIV 
Not. 89. 

Resume seiner frübern Untersuchungen. 

Müller Fr. Johannes Schmidt über die Urheimat der Indo- 
germanen. Ausland LXIV No. 29. 

Gegen Schmidts Schrift “Die Urheimat der Indogermanen und 

das europäische Zahlsystem’. 

Schmidt J. Noch einmal die Urheimat der Indogermanen. 
Ausland LXIV No. 27. 

Entgegnung auf Müllers Einwände. 

Müller Fr. Noch einmal die Urheimat der Indogermanen. 
Ausland LXIV No. 31. 

Forchhammer Prolegomena zur Mythologie als Wissenschaft 
u. Lexikon der Mythensprache. Kiel Häseler. IV τὶ. 129 85. 89, 

Andree R. Die Flutsagen, ethnographisch betrachtet. Braun- 
schweig Vieweg u. Sohn. XI u. 152 S. 8° (mit einer 
Tafel). 


90 Bibliographie. 


v. Andrian Der Höhenkultus asiatischer und europäischer 
Völker. Wien Konegen. gr. 8°. 

Beer R. Heilige Höhen der alten Griechen u. Römer. Eine 
Ergänzung zu Ferd. Frh. v. Andrians 'Höhenkultus’. Wien 
Konegen X u. 868. gr 8°. 

Böttger H. Sonnenkult der Indogermanen (Indoeuropäer), 
insbesondere der Indoteutonen, aus 125 hebr., griech., lat. 
u. anord. Original- u. 278 sonstigen Quellen geschöpft u. 
erwiesen. Breslau Freund. XXXIH u. 101 5. gr. 8°. 

Krause E. (Carus Sterne), Tuisko-Land, der arischen Stämme 
u. Götter Urheimat. Erläuterungen zum Sagenschatze der 
Veden, Edda, Ilias u. Odyssee. Glogau Fleming. XIIu. 624 5. 
ΟὙ ΘΠ 16 Abb ἃ 1 Karte): 

Vodskov Sjxledyrkelse og Naturdyrkelse. DBidrag til Be- 
stemmelsen af den mytologiske Metode. I. B. Rig-Veda og 
Edda eller den komparative Mytologi. 1—2 Hf. Kbhn. 
1890,82. 

Veckenstedt Die mythischen Könige der arischen Volkshel- 
densage u Dichtung. Zeitschr. f. Volkskunde 1891. No. ὃ. 4. 

Wazler Die Eiche in alter und neuer Zeit. Eine mytholo- 
gisch-kulturhistorische Studie. II. (= Berliner Studien zur 
Klass. Philol. u. Archäol. XIII 2). Berlin Calvary u. Comp. 
Ir us 128 5982. 


III. Arisch. 


A. Indo-iranisch. 


Bartholomae Arica I. IF. I 178—94. 


B. Indisch. 


Neisser Vorvedisches im Veda BB. XVII 244—56. 

Über Umdeutung vorvedischen Sprachgutes wie z. B. öman- 

Hilfe’ für vorved. öman “Kälte”. 

Bloomfield Contributions to the interpretation of the Veda. 
Am. Journ. Phil. XI 319—56. 

Müller W. u. Knauer Th. Handbuch für das Studium der 
Sanskrit-Grammatik, Texte u. Wörterbuch (russ.). St. Peters- 
burg... 124 u. 1578. 8% 

Erste grössere Sanskritgramm. in russ. Sprache von Müller 

(ord. Prof. in Moskau); Texte u. Wtb. bearbeitet v. Knauer (ord. 

Prof. in Kiew). 

Fick R. Praktische Grammatik der Sanskritsprache für den 
Selbstunterrieht. Mit Übungsbeispielen, Lesestücken u. Glos- 
saren. Wien Hartleben. VIII u. 184 5. 8°. (= Kunst der 
Polyglottie Teil XXXIL.) 


δὲ 


Bibliographie. 57 


Franke Ὁ. Was ist Sanskrit? BB. XVII 54—%. 

Geht von der Bhäasäa aus “die an sich der Grammatik nicht 
bedürfende d. ἢ. lebende Sprache der Gebildeten von ganz Arya- 
varta” ist. Ursprüngliche Heimat vielleicht im Lande der Kuru 
u. Panecala. Panini lehrt kein individuelles organ. Idiom, sondern 
streut zwischen die Regeln, die einer lebenden Sprache entnommen 
sind, solche ein, die z. T. totes linguistisches Material enthalten. 
In diesem, aber nur in diesem Sinne ist seine Sprache mit der 
Bhasa nicht identisch. 

Liebich B. Panini. Ein Beitrag zur Kenntnis der ind. Litte- 
ratur u. Grammatik. Leipzig Haessel. 163 8. 8°. 

Capeller A Sanskrit-English dietionary. Based upon the St. 
Petersburg lexicons. London. VII u. 6738. Roy. 8°. 

Franke Über neutrale Funktion zweier Feminina im Päli. 
BE, XVII 256 f. 


sakkö u. labbha mit Inf. in unpersönlichen Sätzen. 
C. Iranisch. 


πα Zu den apers. Keilinsehriften. ΚΖ. XXXI 
123—53. 

1. NRa) 56—60. ὃ. adakaiy. 3. yava. 4. ana Parsäa D 14. 5. 
Citra(n)tayma. 6. Zur Konstruktion von P 16—27. T. nama nama. 
Kirste Die ältesten Zendalphabete. Wiener morgenl. Zeitschr. 

v9—24. 

Kanga A practical grammar of the Avesta language compa- 
red with Sanscrit. With a chapter on syntax and a chapter 
on the Gätha dialect. Bombay. 3128. 8°. 

Jackson The genet. sing. of wnouns in the Avesta and its 
relation to the question of Avestan accent. Transact. Am. 
bl Assoe. XXI S. XII f. 

Jackson The gen. sg. of w-nouns in the Avesta. A possible 
question of accent. BB. XVII 146—22. 

Gibt zuerst das Material und sucht nachzuweisen, dass Gen. 
-a08$ bei akzentuierter, us bei nicht akzentuierter Ultima eintritt. 
Horn Genetive auf -αὐ im Avesta. BB. XVII 152—55. 

Genetivisches -ahya ist zu -a? kontrahiert und dem Dativaus- 
gang gleichgemacht worden. 

Caland Zur Syntax der Pronomina im Avesta. Amsterdam 
Joh. Müller. (= Letterk. Verh. der konikl. Akademie 
Deel XX) 68 u. IV S. 4°. 

Jackson Avestan etymologies.. Am. Journ. Phil. XII 67—-"0. 

1. vörzdayant- vöizdat.. 2. zölsnu-. 

Geldner Avesta mra — ved. mla “gerben‘. BB. XVII 349. 

Bang W. Iranica. BB. XVII 267 —11. 

Etymologie von “Avesta’. Interpretationen. 


Wilhelm Zum XII fargard des Vendidäd. BB. XVII 155 


58. 


58 Bibliographie. 


Horn Beiträge zur Erklärung des Pehlewi-vendidad I. BB. 
XVII 257—67. 


IV. Armenisch. 


Bugge Beiträge zur etymol. Erläuterung der arm. Sprache. 
ΚΖ. XXXI 1—8%. 

Behandelt die Etymologie der Wörter azazem, alaunt, andra- 
nik, ankanim, anut, anur, ara), ard, ardevk, bay, bar, bein, beran, 
bun, gart, ge)j, gom, ir, luec, lur, zart, yorisy, camem, cunkk, kir, 
kork, haziv, haka-, hambak, hambav, hamr, hasanem, haravunk, 
hav, haci, πολι, (yele), hirand, hoviv, ju, mamur, mair, manr, 
marmajem, me), mer), mimram, mur, mut, muy, mun, munj, yag, 
yar, yolov, yordor, yaud, orm, urju. car, parar, sal, samik, ser, 
sut, stanam, ste,canem, vandem, vrnjem, tal, tasn, pul, aud, aurhnem. 

Ferner: arm. o aus au. b im In- und Auslaut. Schwund des idg. 
g im Anlaut. Anlaut g = idg.g. Pr os g? z aus ee dh. Anl. t aus 


pt. e in Lehnwörtern er: A. Anl. x ausudg.”s!.c aus szeund € 
aus sth. c aus t. Anl. arm. k idg. k. ee ὌΝ: eines vorarm. k (ᾳ). 
Anl. k aus ide. w. Anl. $ aus idg skh oder sk. Idg. p im Arm. 
Anl. s aus sp. Schwund des anl. idg. Ἵ; Vertretung des inl. w im 
Arm. Anl. 0 1de) 20 71η}- 9 5 ide. t. Schwund des idg. t nach 
u. Arm. Ὁ westeurop. sk. : aus ide. li, Im, Ip, Iph. Die Lokativ- 


endung -0j. Die Ablativendung -&. Die Endungen - -?n im Aor. 
Kausative auf -ucanem. Sufix "ali. Substantive auf -est. Suflix -1. 
Suffix -@m. Die Suffixe -uf -oit. Suffix -ut. “AAvuc, ein Beitr. zur arm. 
Sprachgeschichte. Lehnwörter aus nichtidg. kaukas. Sprachen: 
gini, ezn, erkat, erkain, erkar,lep, yor, cov, kot, koy, kortun, magil, 
mak, mzech, mocak, molez, o)n, san, sosinj, kac, kt. 


Y. Griechisch. 


Allinson On paroxytone accent in tribrach and dactylie en- 
dings. Am. Journ. Phil. XII 39—67. 
Gegen Wheelers Gesetz, dass Worte von daktyl. Ausgang, 
die urspr. Oxytona waren, zu Paroxytona werden. 
Hatzidakis Περὶ wılwcewc τοῦ ἄρθρου. ᾿Αθηνᾶ II 380. 
Gegen Thumb ‘Spiritus asper’ S. 18 wird für ὁ statt ὁ die 
Erklärung aufgestellt, dass der Verlust der Aspiration auf der Wir- 
kung des Hauchdissimilationsgesetzes beruhe und von Fällen wie 
ὁ θεός seinen Ausgang genommen habe. 
Solmsen Zum griech. Vokalkürzungsgesetz. BB. XVII 329— 39. 
1. Abfall des auslautenden rt im absoluten Auslaut. 2. Ver- 
kürzung langer Vokale vor -vr im Inlaut. 3. Ubertragung des 
t-Schwundes in den Inlaut des Satzes; daher das Nebeneinander 
der Satzdoppelformen ἔγνων u. Eyvov, φέρων τι. "pepov. 
Pascal Di alcuni fenomeni dell’ © Greeo-latino. Rivista di 
fill. XX 18-49. 
l. Intervokal 2. 2. Die gräko-ital. Verbreitung des Suffixes -ezo. 
Tserepes Ἐκ τῆς ἑλληνικῆς γραμματικῆς. ᾿Αθηνᾶ III 129-—74. 
Über vc us u. cv cu. 


Prellwitz du zu uv. BB. XVII 171 £. 


σι 


Bibliographie. 9 


Die Formen ’Ayauecuwv u. Mecuwv (Vaseninschr.) werden von 
-ueduwv Zu uedoucı sinne’ abgeleitet. Hieraus einerseits cu, ander- 
seits durch Metathese du zu ud und hieraus uv wie att. uecöuvn 
ion. uecödun. 

Dyroff Zum Pronomen reflexivum. ΚΖ. XXXIL 87—109. 

Gegen Bekkers Änderung von &öc in zedc: Nachweis, dass 
kein x im Anlaut existiert hat. Ausserdem wird das Verhältnis 
von ἑαυτοῦ U. αὑτοῦ erörtert. 

Weiss P. Grundzüge des griech. u. lat. Verbums. Regens- 
burg Habbel. 238. gr. 8°. 

Sütterlin Zur Geschichte der Verba denominativa im Alt- 
griechischen. 1. Die Verba auf -ἄω -έω -όω. Strassburg 
Trübner. 1288. 8°. 

Kallenberg Der Artikel bei Namen von Ländern, Städten u. 
Meeren in der griech. Prosa. Philologus LXIX 515—-47. 

I. Ländernamen. 1. -ac -adoc. 2. -ic -Idoc. 3. -ıkn. 4. -Atıc (-Nric) 
εἴτις -WTIc. 5. -Avn -ἥνη -tvn. 6. -ἴα. 7. "Acta, Εὐρώπη, Λιβύη. --- I. 
Städtenamen. — III. Namen von Meeren u. Meeresteilen. 
Kallenberg Studien über den griech. Artikel 11. Berlin 

Gärtner. 268. gr. 8°. 

Gildersleeve On the article with propernames. Am. Journ. 
Phil. XI No. 4. 

Hasse Artikel u. Pronomen des Dualis beim Femininum im 
att. Dialekt. Fleckeisens Jahrb. CXLIII 416—18. 

Grosse Beiträge zur Syntax des griechischen Mediums u. 
Passivums. Fortsetzung. Leipzig Fock. 228. gr. 4°. 

Tarbell The deliberative subjonetive in relative classes in 
Greek. Class. Rev. V S. 302. 

Wagner Der Gebrauch des imperativischen Infinitivs im 
Griechischen. Schweriner Gymn.-Progr. 1891. 

Tarbell On the infinitiv after expressions of fearing in Greek. 
Am. Journ. Phil. XII 70—12. 

Über Wendungen wie δέδοικα ἐλθεῖν im Sinne von δέδοικα μὴ 
ἔλθω. 

Gildersleeve The construction of τυγχάνω. Am. Journ. Phil. 
XI .76—79. 

Zu R. J. Wheeler Partieipial construction with τυγχάνω and 
κυρεῖν in “Havard studies’ Boston 1891. 

Humphreys On some uses of the aorist participle. Class. 
Rev. VS.3 ft. ξ 

Vgl. Whitelaw ebd. S. 248 u. Frank Carter ebd. 5. 259—53. 
Audouin Etude sommaire des dialeetes Grees litteraires 

(autres que l’attique). Avec une preface par OÖ. Riemann. 
Paris Klincksieck. 3048. kl. 8°. | 

Prellwitz Miszellen zu den griech. Dialekten. BB. XVII 

169— 11. 


60 Bibliographie. 


1. Elisch μαςτράαι. 2. argiv. ἸΤολύκλετος. 8, aleat. ΠΛΟΣ. 
Monro A grammar of the Homerie dialect. 2. ed. Oxford 
Clarendon Press XXIV u. 436 8. 8°. 
Gehring Index Homerieus. Leipzig Teubner. IV u. 874 Sp. 
Lex. 8°. 
Krügener Explieation linguistique d’Homere. Rev. de l’in- 
struction publ. en Belgique. XXXIV 84—93. 
Für Anfänger. 
van Leeuwen Homerica. Mnemosyne XIX 129—60. 


Fortsetzung von XVIII 299 ff. Inhalt: de littera digamma. 
Ficks Behandlung des - wird als inkonsequent verworfen, ebenso 
das Hartelsche Gesetz. In unserm Homertext ist anlautendes - 
herzustellen. 


Platt The Augment in Homer. Journ. Phil. (1891) No. 38. 

Hentze Parataxis bei Homer. III. Teil. Göttingen, Vanden- 
hoeck u. Ruprecht. 188. gr. 4°. 

Schmidt Christensen, Om den antagne homeriske Conjunction 
ὅ τε, dens formodede Betydingsudvikling og dens Forhold 
til Tidseonjuetionen ὅτε. Nord. Tidskr. f. ΕἾ]. X 90—159. 

Die Konjunktionen ὅ u. ὅτι sind neutrale Akk. Sg. von Re- 
lativen, syntakt. als Inhaltsakk. zu fassen. Eig. Bedeutung "dass’. 

Die älteste uns erreichbare Bed. von öre ist temporal “wann, als’. 

Kein Grund liegt vor, eine Konjunktion ὅτε oder ὅ τε —= Akk. 

Sg. N. von ὅετε mit gleicher Bedeutung anzunehmen. 


Fick Die Sprachform der lesb. Lyrik. BB. XVII 177—213. 
Konsequente Durchführung der vom äol. Dialekt geforderten 

Schreibung bei Alkaios u. Sappho. Gegen Beeinflussung durch 

fremde Sprachform u. geiehrte Neubildung. 

Christ Zum Dialekte Pindars. München. 628. 8°. 

Boisacq Les dialectes doriens. Phonetique et morphologie. 
Paris Thorin et Liege Vaillant-Carmanne. 2208. 8°. 

Blass Ein neues Epigramm aus Kreta. Fleckeisens Jahrb. 
18912 521 ΤΣ 

Sprachliche Betrachtung. Interessant πι-δίκνυτι att. ἐπιδεί- 
κνυτι. Konstatiert eine Art Lautverschiebung im jüngern Kretisch. 
Baunack Th. Inschriften aus dem kret. Asklepieion. Philo- 

logus NF. III S. 577. 

Weihinschr. in 6 Dist. u. 2 Bruchstücke eines Tempelgesetzes. 
3jemerkenswert: παρλελόνβηι att. mapeıAnpnı (kret. λέλονβα : Aau- 
βάνω att. λέλογχα : λαγχάνω) ψάφιμμα -- att. ψήφιεμα. 
Blinkenberg Eretriske Gravskrifter. Avee um resume en fran- 

cais (= Videnskabernes Selskabs Skrifter. 6. Ra&kke, hist.- 
phil. Afd. II 2) Kbhn. 4°. 


Breal A propos de l’inseription de Lemnos. M&m. soc. ling. 
ΝΠ 9.9. 
Die Sprache der von Cousin u. Durbach entdeckten Inschr. 
ist vielleicht ein Denkmal der homer. Zivriec ἀγριόφωνοι. 


BR νν 


Bibliographie. 61 


Fick Zu den argivischen Inschriften von W. Prellwitz. BB. 
XVII 174 ff. 


No. 3345 Εὔκλιππος Vollname zu den Kurznamen Εὔκλων u. 
Εὔκλω. No. 3352 ’Apo[n]vav zu schreiben, ’Apön Ort in Achaia. No. 3286 
2. 15 [ἐκ Kupelteäv zu lesen. Z. 9 [ex Ke]Aaidac. Mit den Κέλαιθοι 
seien die Αἴθικες ident., da Αἴθιξ Kurzform dazu sei. No. 3398 ’Ac- 
καλᾶ zu lesen, mit Hilfsvokal für ᾽᾿Αςκλο. 


Meister R. Zur griechischen Epigraphik und Grammatik. Ber. 
Den siuGes. ἢ. Wiss. 1891.85. 1 ἢ 


1. Zu den neu gefundenen Inschriften aus dem 
Kabirion bei Theben (Mitt. d. Inst. XV 379 ff). Von sprach- 
lichem Interesse ist das auf einer dieser Inschriften auftauchende 
Wort &vkovıcrac, als Bezeichnung des "im Sande’ des Ringplatzes 
sich übenden “Athleten’, vgl. κονίςαςεθαι " ἀγωείναεθαι Hesych, kovin ' 
μάχη Hesych, xövıcaı “ γυμνάεθητι Suid. u. A., xovicrpa ᾿ παλαίετρα 
Suid. u. A., &ykovioraı "kämpfe auf dem Ringplatze’ u. s. w. Des- 
gleichen rpemedditac Wechsler’: rpemedda war schon aus der Ni- 
haretainschrift bekannt (Philol. NF. II 412 zu Z. 139); es bedeutet 
zunächst den “dreifüssigen’ Tisch; dass die Böoter den Tisch “Drei- 
fuss° nannten, wissen wir aus Hesych: τρίπεζαν τὴν τράπεζαν 
Βοιωτοί: als “Dreifüsse’ werden auch bei Homer Il. 18, 373 ff. die 
Tische der Götter mit dem Worte Tpikodec bezeichnet. — Auf einer 
Vasenscherbe, die eine Weihung an den Sohn des Kabiren enthält, 
steht für παιδί geschrieben: FAEIAI, d. 1. malrjidı, ein interessanter 
inschriftlicher Beleg für das inlautende Digamma des Stammes 
ποδὸς “. 

2. Uber Bedeutung und Bildung des Wortes ἀρετα- 
λόγος. Das Wort bedeutet soviel als ἡδυλόγος, es bezeichnet einen 
Mann, der “"Gefälliges, Hübsches erzählt’. dperöc ist eine mehrfach 
nachweisbare Nebenlorm von äpecröc, das -a- in der Mitte von äpe- 
ταλόγος ist seiner Natur nach kurz, da die Form ἀρεταλόγος nicht 
etwa “dorisch’, sondern echt attisch ist, vergleichbar den attischen 
Wörtern doAıyadpöuoc, ξεναλόγος u.a. Im Hexameter wurde das -a- 
dieser Wörter aus metrischem Grunde zu -a- gedehnt. Dagegen 
scheinen in den ersten Gliedern der Komposita vom Schlage θανα- 
τηφόρος (dor. θαναταφόρος) Bildungen vorzuliegen, die von allen 
Neutren Plur. der -o-Stämme auf -4- ihren Ursprung genommen 
haben. 

Meister R. Herkunft und Dialekt des griechischen Teiles 
der Bevölkerung von Eryx und Segesta. Philologus NF. III 
(1891) 5. 607 ft. 

Auf Münzen von Eryx und Segesta aus dem 5. Jahrh. v. Chr. 
ne die Legenden SEFESTAZIB, ZETEZTAZIBEMI, ERVKAZIB 
ἃ. 1. Σεγεεταζίη, Σεγεςταξζίη, εἰμί, Ἐρυκαζίη, die dem ionischen Dia- 
arte entstammen, wie das -n der Endung beweist. Das Suffix, mit 
dem die Nominalformen gebildet sind, entspricht dem äolischen 
τάδιος; -d- ist im Dialekt von Eryx und Segesta spirantisch gewor- 
den und durch -Z- ausgedrückt. Nach Thuk. VI 2 sollen die grie- 
chischen Zuwandrer, von denen die elymischen Städte Eryx "und 
Segesta hellenisiert worden waren, Phoker gewesen sein: dem wider- 
spricht die Thatsache, dass der Dialekt dieser Griechen ionisch 
war. Dagegen stimmt alles zu der Annahme, dass es Phokäer ge- 
wesen sind: auch das Spirantischwerden des -d- war, wie die pho- 
käische Münzlegende Ziovü(cıoc) zeigt, eine Eigentümlichkeit des 
altphokäischen Dialekts. 


62 Bibliographie. 


Meister R. Weihinschrift einer bronzenen Stufenbasis des 
Berliner Antiquariums. Hermes XXVI (1891) 5. 319 ft., 480. 
Die nach Böotien (Tanagra oder Platää) zu verweisende In- 
schrift ist zu lesen: dvpw ξυνλῆ πρωροὲ ἀνέθηκαν und hat mit den 
weggefallenen Eigennamen der beiden Stifter wahrscheinlich einen 
Hexameter gebildet, wie z. B. [Γόργος Ἴων τ] dvpw ξυνμῆ πρωροὲ 
ἀνέθηκαν. Bemerkenswerth ist die hier zum ersten Male begegnende 
Aspirierung des v in ξυνλῆ, die sich vergleicht mit der bekannten 
Aspirierung von u in μεγάλου, Mhei£ıos, Mheyaoet, A in Ahapov, Aha- 
Pros, λμέων, p in ohoratoı, # in Fhezaöduos (s. Joh. Schmidt, Pluralb. 
453 ff.), sowie die böotische Form mpwpoe aus ἕπρο-Ξορού, der att. 
φρουροί entspricht. 

Recueil des inscriptions juridiques greeques par Dareste 
Haussoulier, Th. Reinach. Texte, traduction, commen- 
taire.. I. Paris Leroux. 200 S.'8°. 

Wird 3 Hefte umfassen. 

Simon Epigraphische Beiträge zum griech. Thesaurus. Zeitschr. 
f. österr. Gymn. 1891 5. 481---80. 

Angermann Voll- u. Kurzname bei einer u. derselben Person 
überliefert. BB. XVII 176. 

Crusius Voll- u. Kurzname bei derselben Person u. Ver- 
wandtes. Fleckeisens Jahrb. 1891 No. 6. 

Hoffmann Ὁ. ἀκάκητα. BB. XVII 328—29. 

Zu ἀκακέω, ἀκίς, lat. acer. : 

Imbert Lettre an Direeteur du Museon sur quelques noms 
propres de la stele Xanthienne. Museon X 270--73. 

Meister ivıc u. seine Verwandten. ΚΖ. XXXI 136—47. 

3etrachtet die zu ai. ?$näami gehörigen Verba ivaw -6w -E£w 
sowie die auf icvo- icva- zurückgehenden Nomina tepıvoc, πέρινον, 
mepiva'oc, ὑπέρινος, ἴννος und ivıc, ἰνίον, kaivita, denen Stamm icvı- 
zu Grunde liegt. 

Müller P. H. Zur Etymologie der Partikel ἄν. Hermes XXVI 
9932: 

Rekapitulierend. 

Prellwitz Delphisch τρικτεύαν κηῦαν u. καίω. BB. XVII 
166—69. 

Prellwitz Kyprisch κάς und’. BB. XVII 172—14. 

Kypr. κάτ᾽ : kypr. κάς : καί > ποτί : möc, 1. pos, lit. pas : arg. 
ποῖ, lett. 92 = προτί : πρός; mpec : lit. pre. 

Soring κανθήλη either ἀκανθί(ανθ)ήλη. Class. Rev. V 8. 66. 

Stengel θυήεις — θύελλα — θυόεις. Hermes XXVI 157—59. 

l. βωμός θυήεις “Brandopferaltar’. 2. θύελλαι “die Staub oder 

Gischt vor sich hertreibenden Stürme’. 3. θυόεις “wallend . 

Thumb Auxköcoupa. ΚΖ. XXXI 133—36. 

Der einheimische Name war Avkoupa “Lichtberg’ von Wz. 

*leuk “leuchten’ u. St. öpoc. 


EN τ a ze 


3ibliographie. 63 


Fürst Glossarium graeco-hebraeum oder griech. Wörterschatz 
der jüd. Midraschwerke. Ein Beitrag zur Kultur- und 
Altertumskunde. Strassburg Trübner. 

Dyer Studies of the Gods in Greece at certain sanetuaries 
recently excaveted (Being eight leetures given in 1890 at 
the Lowell Institute). London Macmillan. 462 5. 8°. 

Görres Studien zur griech. Mythologie II. Folge. (= Berliner 
Studien zur Klass. Philol. u. Archäol. XII 1). Berlin Cal- 
vary u. Ko. 

Gruppe OÖ. De Cadmi fabula. Berlin Gärtner. 21 5. 4°. 

Maass ’Ipıc. IF. I 157—11. 


VI. Albanesisch. 


Meyer G. Etymologisches Wörterbuch der albanesischen 
Sprache (— Sammlung indogermanischer Wörterbücher Band 
IM). Strassburg Trübner. 524 8. 8°. 


VII. Italisch und Romanisch. 
A. Altitalische Sprachen. 


Goetz Bericht über die Erscheinungen auf dem Gebiete der 
latein. Grammatiker für die Jahre 1877—90 im Jahresbe- 
richt f. die Fortschritte der kKlass. Altertumswissenschaft 
1891. Ξ 119-170. 

Commentationes Woelfflinianae. Leipzig Teubner. 8°. 

Stowasser surus 23—28. Suchier guietus im Rom. 69 —75. 
Blase unus beim Ipv. S5—90. Geyer loco — ἐδὲ 125—80. Goetz 
lexikal. Bemerkungen 130. Mayer Addenda lexieis lat. 131—55. 
Groeber Verstummung des ἢ, m und positionslange Silbe im Lat. 
169—82. Nettleship cognomen cognomentum 183—88. Huemer 
paropsis — parapsis 159—9. Thielmann Verwechselung von ab 
u. ob 255—59. Sittl Archaismus 401—8. 

Breal Varia Me&m. soc. ling. VII 324—27. 

1. Silenta, fluenta, eruenta alte Nom. Pl. Neutr. von Partizi- 
pien. 2. umbratilis exercitatio nach ckıauayia gebildet. 3. serus 
schwer’ — ahd. swäri. 4. dat (Aen. IX 266) zeigt eine Spur des 
Ausments. 5. Alte Infinitive, die zu Partiz. geworden seien, liegen 
vor in Fügungen wie monitos eos volo. 

Breal Sur la prononeiation de la lettre F' dans les langues 
italiques. Mem. soc. ling. VII 321—23. 

F war osk. sehr weicher Hauch. Es entstand im Ausl. nach w. 
So erklären sich osk. fruktatiuf u. a. 


Brugmann Umbrisches u. Oskisches. Berichte der sächs. Ges. 
der Wissensch. 1891 85. 205—43. 

Umb. angla, tribiisu, parfa, vef, vetu, Fise Fiso, sopir, ferar, 

ter u. ähnl. Formen. nu = lat. nu-, gr. vv, ai. nu, osk. sum, messi- 

mais, umbr. Asetus osk. acum, umbr.-samn. kn aus gn. 


64 Bibliographie. 


Zanardelli Le prefixe en et sa variante an dans la langue 
osque. Langues et dialeetes I 1—10. 

Panti Altitalische Forschungen III: Die Veneter u. ihre Schrift- 
denkmäler. Leipzig Barth. 

Weise OÖ. Charakteristik der latein. Sprache. Leipzig Teubner. 

Sjöstrand Loei nonnulli grammaticae latinae examinati. Akad. 
afhandl. Eund. 23 8.78%. 

Studien auf dem Gebiete des arch. Lateins hrsg. v. W. Stude- 
mund. Band II. Berlin Weidmann. 436 5. gr. 8°. 

Bücheler Altes Latein. Rhein. Mus. XLXI 233—43. 

acieris, acisculus, terruncius, das lat. Zahlzeichen für ‘100°. 

compes COMPOS. 

Linde Om Carmen Saliare. Profföreläsning hällen vid Lunds 
universitet 17. Febr. 1891. Lund. 8°. 

Havet 1, slatin cadue. Etudes romanes dedices ἃ G. Paris. 
Paris Bouillon 5. 305— 30. 

Vollständige Geschichte der Schicksale des auslautenden s 
im Latein. 

Stowasser Die Adjektive auf ös(s)us. Wiener Studien XII 
174— 16. 

Lat. -ösa entlehnt aus griech. -Öecca. 

Pascal I suffisi formatori delle -conjugazioni latini. Rivista 
di ἢ]. XIX 449—88. 

Cramer Zu alten Optativ- u. Konjunktivformen im Latein. 
Gymn.' VII 701—10. 

duim u. del. 

Kirkpatrick Latin aorist subjonetive. Class. Rev. V 8.67 ἢ 
Miles The passive inf. in Latin. Class. Rev. V 5. 198. 
amarier = amari + es d. h. Lokativ + Verbalstamm es. 
Conway The origin of the Latin gerund and gerundive. 
Class. Rev. V S. 296—301. 

Brugmanns bekannte Erklärung wird abgelehnt und die 
Form nach dem Vorgang von Curtius an ai. -antya- angeknüpft. 
Postgate The Latin infinit. in -turum. Class. Rev. V 

Ss. 301. 

3ei seiner (frühern) Erklärung von dicturum sei dietu als 
Lok. Sg. zu fassen. 

Riemann O. Remarques sur diverses questions de syntaxe 
latine. Rev. de phil. XV 34—30. 

Fortsetzung von XIV 63: VI. la periphrase seripturum esse 
peut-elle avoir le sens de l’irr&eel? Verneint. 

Schmidt M. Kleine Beobachtungen zum latein. Sprachgebrauch. 
Fleckeisens Jahrb. CXLIII 193— 97. 

Fortsetzung. 11. vitare mit ne. 12. defendo mit acc. ὁ. inf., 

ut oder ne. 13. addere addicere adiungere als Vertreter der Verba 


Bibliographie. 65 


dieendi. 14. servare observare mit ut oder ne. 15. usque eo ut. 
16. inguam ὁ. dat. 


Schmalz Ersatz des fehlenden Partizips v. esse. Fleckeisens 
Jahrb. CXLII 352. 

Hey Semasiologische Studien. Fleckeisens Jahrb. 18. Suppl.- 
Band S. 84—212. (auch besonders erschienen). 

1. Theoretisches. 2. Historische Beobachtungen und Unter- 
suchungen über die Bedeutungsdifferenzierung in der röm. Litt.- 
Sprache. 

Lattes la grande iscrizione etrusca del eippo di Perugia, 
Tradotta ed illustrata. Rendiconti del Istituto Lombardo 
XXIV fasc. 1 u. 2. — La nuova inserizione sabbellica ebd. 
fasc. 4. (Nach Ls. Lesung Pupdnum esiu:k apaits ads 
asıh siass manus meiiimum stud arstih smih push ma- 
tersh patersh). — Note di epigrafia etrusca ehd. fase. 6. 
— Iserizione etrusca alla Trivulziana ebd. fasc. ὃ u. ὃ. — 
L’interpunzione congiunetiva nelle iserizioni paleovenete ebd. 
fase. 14. 

Corpus Inscriptionum latinarum XV 1. Berlin Reimer. 

Inh.: Inscriptiones urbis Romae latinae. Instrumentum do- 
mesticum. Ed. H. Dressel. Pars 1. 

Ephemeris epigraphica, corporis inscriptionum latinarum 
supplementum VIII 1. Berlin Reimer. 


Inh.: Ihm Additamenta ad CIL. IX u. X. 
Inschriftl. Material findet sich ausserdem in den Bibl. philol. 
class. 1891 5. 58 ff. genannten Schriften. 


Abbott Italian osteria “Wirtshaus derived from hospes and 
not from hostis. Class. Rev. V 5. 96. 

Abbott Notes on latin hybrides. Class. Rev. V S. 18. 

Heisterbergk Provincia. Philologus. XLIX 629—44. 

Netusil Zur Etymologie von pontifex u. der urspr. Bedeutung 
des Kollegiums. Berl. phil. Wochenschr. 1891 5. 867. 

Osthoff sors BB. XVII 158—61. 

Aus *sorc-t-s zu ai. srj “ausgiessen.. 
Stokes On the etymologie of letum. Academy 1891 No. 998. 
Aus *detum — air. dith “detrimentum’. 

Stowasser immo. Wiener Stud. XII 153 ff. persona ebd. 
156 f. poscere (zu potus) ebd. 326 f. paedicare ebd. 327. 
Nochmals sarcire Zeitschr. f. österr. Gymn. 1891 85. 200 ff. 

Linde De Iano summo Romanorum deo. Lund Möller. 


B. Vulgärlatein. 
Körting Latein-roman. Wörterbuch. Mit anschliessendem ro- 
manischen u. deutschem Wörterverzeichnisse. Paderborn 
Schöningh. VI S. u. 828 Sp. u. 174 S. Lex. 8°. 


Anzeiger I 1. D 


00 Bibliographie. 


Fisch Die Walker oder Leben u. Treiben in aröm. Wäsche- 
reien. Mit einem Exkurs: Über lautliche Vorgänge 
aus, dem’ Gebrete ΘΕ Vulgärlaternsz« Bern 
Gärtner. 448. 8°. 

Cohn Die Suffixwandlungen im Vulgärlatein u. im vorlittera- 
rischen Französisch nach ihren Spuren im Neufranz. Halle 
Niemeyer. 


©. Romanische Sprachen. 


Gröber Verstummung des ἢ m u. positionslange Silbe im 
Lateinischen. Sonderabdr. aus den commentationes Woelflli- 
nianae 5. 169—82. Leipzig. 

Sucht auf artikulatorischem Wege das Verstummen von an- 
lautendem ἢ und auslautendem m und das Wesen der positions- 
langen Silbe zu erklären. Dies führt ihn dazu zu zeigen, dass im 
Lateinischen ein Gegensatz zwischen Legato- und Staccatovortrag 
bestand, und die Fälle zu bestimmen, in welchen sie in Gebrauch 
waren. 

Taverney Phonetique roumaine. Le traitement de 7, J et 
du suffixe -ulaum, -ulam en roumain. Ftudes romanes de- 
diees ἃ Guston Paris. Paris Bouillon. 

Gillieron J. Remarques sur la vitalit& phonetique des Patois. 
Etudes romanes dedices ἃ Gaston Paris 5, 459 —64. 

Monet PB. Le francais "ei: ler ‚proveneal. 7 Paris -Bowllon: 
DPA So. 

Übersetzung von Suchiers Abhandlung in Gröbers Grundriss 
mit Nachträgen und Berichtigungen des Verfassers. 

Hovelacque Les limites de la langue francaise. Rev. ling. 
189% Juli. 

Etienne La langue francaise depuis les origines jusqu’a la 
fin du XI. siecle. Paris Bouillon. Roy. 8°. 

Muret E., Sur quelques formes analogiques des verbes 
francais. Etudes rom. ded. ἃ G. Paris. 

Risop Studien zur Geschichte der franz. Konjugation auf 
-ir. Leipzig Fock. 318. gr. 8°. 

Manginca Daco-roman. Sprach- u. Geschichtsforschung. 1. Teil. 
Leipzig Köhler in Komm. gr. 8°. 

Dietrich A. Les parlers cer&oles des Mascareignes. Romania 
ΧΧ 216—277. 

ε Die Abhandlung beschäftigt sich mit dem Kreolischen der 

Maskarenischen Inseln, Bourbon und Maurice, nach gedrucktem 

Material und mit Benutzung eines Briefwechsels Schuchardts mit 

dortigen Einwohnern. Der Verf. behandelt die Laute, die Formen- 

lehre, den Funktions- und Bedeutungswandel der Wörter und be- 
rührt kurz die Satzkonstruktion. Er zeigt, welchem Einflusse diese 

Sprache ausgesetzt gewesen ist. In Laut- und Formenlehre haben 

die Negersprachen bedeutend eingewirkt. Der Wortbestand hat 


nr ee 


P 


Bibliographie. 67 


eine nicht geringe Bereicherung erfahren durch das Portugiesische, 

Madegassische, Kaffrische, Arabische, Hindostanische, Chinesische. 

Schuchardt Hugo Kreolische Studien IX. Uber das Malaio- 
portugiesische von Batavia und Tugu. Wien 1891. 256 S. 
8°. (Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wiss. phil.-hist. 
GI-OXRXTI N. X). 

Der Verf. behandelt das Malaioportugiesische der Insel Java, 
für welches ihm aus 3 Jahrhunderten Quellen zur Verfügung stan- 
den; für das zu Batavia gesprochene zumeist gedrucktes Material 
aus dem Ende des 17. und dem Ende des 18. Jahrh. und für unsere 
Zeit Aufzeichnungen aus Tugu. Der Schwerpunkt der wissenschaft- 
lichen Behandlung einer kreolischen Mundart liest in dem Nach- 
weis der Einwirkung der einen Sprache auf die andere. Als seine 
Hauptaufgabe hat der Verf. betrachtet, die Einwirkung des Malaii- 
schen in der inneren Form des Kreolisehen nachzuweisen, zunächst 
in der Bedeutung der einzelnen Wörter, sodann in der der satz- 
lich verbundenen. Die Erörterung des Lautlichen wird auf eine 
andere Gelegenheit verspart. S. Litteraturbl. f. germ. u. rom. Phil. 
XI Sp. 199—206 (Selbstanzeige von Schuchardt). 

Suchier H. gwietus im Romanischen. S.-A. aus Commen- 
tationes Woelfflinianae S. 69—75. Leipzig. 

S. verweist, um die in den romanischen Sprachen des Westens 
üblichen Formen mit 2 (quwitte, quitter u. s. w.) zu erklären, auf die 
mittelalterliche Verwendung von gwietus in der fränkischen Rechts- 
sprache, wonach germanische Vermittelung stattgefunden hätte. 
Schuchardt H. Wortgeschichtliches. Ztschrft. f. rom. Phil. 

XV 8. 257—241. 

Prov. altfranz. anceis u.s. w. Anceis stellt *antjidius für *an- 
tdius (nach dem Kompar. sordidius aus sordidus) dar, indem tj 
aus der männlichen Form *antior herübergenommen wurde. *An- 
tor und *antidius gehen auf einen Positiv *antus zurück, von wel- 
chem das rom. *antianus herkommt. — Ital. adesso; rum. λα». 
Adesso > ad ipsum; iard "wiederum’ ist zusammenzustellen mit 
lad. eir, eira “auch’, prov. er, era *jetzt’. — Frz. maint. Tam mag- 
nus + tantus ergab rom. *tamanto; daraus wurde manto abgezogen. 
Im Franz. lehnte sich maint an maint > magnus an. — Span. de- 
Jar. Sch. setzt an: *daxare > laxare + (lelaxare, und zwar müsste 
es sich um eine sehr alte Erscheinung handeln. 


Meyer-Lübke W. Wortgeschichtliches. Ztschrft. f. rom. Phil. 
XV S. 241— 246. 

Ital. aftillare wird zurückgeführt auf das Germanische, vgl. 

got. gatilon “erlanzgen’, gatils "passend’, ahd. zilon, ags. tılia. — 


Span. cacho aus Vulgärlat. cacculus statt caccabus. — Franz. gosier 
von geusiae bei Marcellus Empirieus. — Franz. meleze ist aus den 


südostfranz. Alpendialekten als melze belegt; dies von melix, wel- 
ches, möglicherweise in Anlehnung an ein Wort der vorrömischen 


Sprache dieser Gegend, an Stelle von larix getreten ist. — Ostfrz. 
nazier, τ. nasar > *natiare von germ. natjan "netzen’. — Nord- 
ital. patta scheint germanischen Ursprungs, got. paida “Rock’. — 
Ital. seccia von sicia aus fenisicia" Heuhaufen’ abstrahiert. — Franz. 


voison von lat. vösio, bei Philoxenus mit βδόλος glossiert. 
Settegast F. Wortgeschichtliches. Ztsehrft. f. rom. Phil. XV 
S. 246-256. 


68 Bibliographie. 


Franz. coche ‘Sau’ von dem im Mhd. seit dem 14. Jhd. be- 
zeugten Kotze “Hure’, woraus franz. coche entstand, indem man auf 
das schmutzigste Tier die Bezeichnung, die für schmutzige Perso- 
nen bestimmt ist, übertrug (vgl. aber Schuchardt in Ztschrft. f. rom. 
Phil. XV 5. 197). — Andain : andare. Andain (ondain) nebst an- 
dee (ondee, onde) sind am besten von indaginem (mit G. Paris) ab- 
zuleiten. Neuprov. ande, ante stammt vom lat. ambitus. Andare 
ist eine vulgärlat. Zusammensetzung von an (= ambi) mit dare 
“gehen’. (Weder hier noch bei den anderen zahlreichen Ableitun- 
gen von aller ist der Umstand berücksichtigt worden, dass Fut. und 
Condit. nicht von aller, sondern von 776 eebildet sind, der Inf. aller 
also wohl eine verhältnismässig junge Form ist. Andererseits sind 
die häufigsten — Präsens- — Formen von vadere abgeleitet, von 
dem im Latein. fast nur Praesens im Gebrauche war; ein Perf. vas? 
kommt erst bei Tertullian vor. Man müsste zur Aufklärung der 
Etymologie wohl besser von p. p. alle ausgehen, von welchem dann 
Inf. aller und die übrigen Formen &ebildet wurden. 

Schuchardt H. Romano-magyarisches. Ztschrft. für rom. Ph. 
XV 5. 88—123. 

Diese Abhandlung, ursprünglich im "Magyar Nyelvör’ (Βα. ΧΥ ΤΠ) 
erschienen, kommt hier in deutscher Sprache, mit Zusätzen, zum 
Abdruck. Verf. teilt die zu behandelnden Wörter in 4 Gruppen. 
Es werden zunächst magyarische Wörter, welche ins Germanische 
und Romanische eingedrungen sind, aufgeführt, sodann magyarische 
Wörter, welche mit romanischen aus einer gemeinsamen Quelle 
fliessen. Ferner sind viele Wörter aus dem Romanischen durch 
Vermittelung des Deutschen oder-des Slavischen ins Magyarische 
eingebürgert worden. Endlich werden sehr eingehend besprochen 
maeyarische Wörter, welche mit grösserer oder geringerer Wahr- 
scheinlichkeit als wirklich romanische Lehnwörter zu betrachten 
sind. In einer wichtigen Nachschrift kommt der Verf., im Anschluss 
an eine Darlegung des heutigen Standes der Streitfrage über die 
Herkunft von frz. aller, auf die “"Urschöpfung’ zu sprechen zur Er- 
klärung von Kürzungen, welche durch Lautregeln sich nicht deu- 
ten lassen. Die "Urschöpfung” und der Bedeutungswandel verdien- 
ten nicht mindere Berücksichtigung als der Lautwandel, wenn jene 
beiden Seiten der Sprachgeschichte auch nicht wie diese in ein 
System so fester Formeln sich bringen liessen. S. Litteraturbl. 
germ. u. rom. Phil. XI Sp. 461 (Meyer-Lübke). Romania XX 45 
(Gr Baris): 


VIll. Keltisch. 


Holder Altceltischer Sprachschatz. 1. Lieferung. A—Atep- 
atu-s. Leipzig Teubner 
Erscheint in ungfähr 18 viermonatlichen Lieferungen. 
Schmidt Rich. Zur keltischen Grammatik. IF. I 435—81. 
Rhys Some inseribed stones in the North. Academy 1891 
3. 1806. 220: 
Die Inss. bringen altkelt. Eigennamen. 
Rhys The Celts and the other Aryans of the p and q groups. 
Philol. Soeiety of London. Read Febr. 20. 1891. 
Scheidet das kontinentale Gallisch in zwei Gruppen, je nach- 


Bibliographie. 69 


dem idg. ᾧ als gu oder p erscheint und bespricht die analogen Ver- 

hältnisse in den übrigen idg. Sprachen. 

Thedenat Noms gaulois, barbares ou supposes tels dans les 
inseriptions. Rev. Celt. XII 131—141. 254—69. 354—69. 

Fortsetzung folgt. 

D’Arbois de Jubainville Les noms gaulois chez Cesar et 
Hirtius ‘de bello gallico'‘. Serie I. Paris ἘΠ. Bouillon. 18°. 

D’Arbois de Jubainville De quelques termes du droit publie 
et du droit prive qui sont communs au celtique et au ger- 
manique. M&m. soc. ling. VII 286—9. 

Entlehnungen von Rechtswörtern aus dem Kelt. beweisen eine 
vorhistorische kelto-germanische Kultur. Behandelt werden got. 
reiks, reiki, magus, hugan, dulgs, ahd. ambahti, deutsch Bann, frei, 
Schalk, Eid, Geisel, leihen, Erbe, West, weih. 

D’Arbois de Jubainville Les temoignages linguistique de la 
eivilisation commune aux Celts et aux Germains pendant 
Ben Ferne IV siecle avant “1: ©. „Rev. "archeol" XVII 
187—214. 

D’Arbois de Jubainville Donnotaurus. Rev. Celt. XII 162. 

Das Wort (Caes. de bell. gall. VII 65) wird in donno-tarvos 
“taureau princier’ geändert. 

Hayden An introduction to the study of the Irish language. 
Dublin Gill. 

D’Arbois de Jubainville Declinaison des pronons personnels 
en vieil-irlandais. M&m. soc. ling. VII 277—8. 

An Brugmann Gr. II 463—846 sich anschliessend. 

Ascoli Glossarium palaeo-hibernieum. (la-rig). Archivio glot- 
tologieo XII N. 5. 

a Glosses from Turin and Rome. BB. XVII 155—46. 

. air. Gl. in Turin. 2. air. Gl. in Rom. 3. abrit. Gl. in Rome. 
ee The second battle of Moytura. RC. XII 52 ff. 

Dazu “Index of the rarer words’ (mit engl. Übersetzung) 
S. 112—24. “Index of names’ S. 124—30. 

Zimmer Keltische Beiträge. HZ. XXXV 1—-172. 

Fortsetzung Ill. Weitere nordgerm. Einflüsse in der ältesten 
Überlieferung der ir. Heldensage. Als Lehnworte aus dem Nord. 
gedeutet ir ” fiann, fian, fene S. 15 f. 52 ff. Lothlann, Lochlann 
S. 135 ff. m “brate’ S. 159 Anm. 1. olgualai S. 170. ir. ch u. th 
im Beginn des 9. Jh. als ἢ gesprochen S$. 139. 

Stokes The etymology of fiann and fene. Academy 1891 
BLUT. 

Kritik von Zimmers Kelt. Beitr. III. Vgl. auch A. Nutt bezw. 
K. Meyer The Ossianie Saga ebd. S. 235 bezw. 283. 

Zimmer Acta sanctorum Hiberniae ed. Smedt et Baker. 
Kom. el, Anz. 1. März 189 

Deutung von ir. diberg aus dem Nord. S. 194 ff. [dagegen 


70 Bibliographie. 


Rev. Celt. XTI 396.] Doppelformen im Ir. hervorgerufen durch ver- 

schiedene Exspirationsintensität, S. 195 Anm. 

Zimmer Beiträge zur Namenforschung in den afr. Arthurepen. 
Zeitschr. f. franz. Sprache u. Lit. III 1. 

Zimmer ÖOssin u. Oskar. HZ. XXXV 2%2—5. 

Ossin nicht — "little deer’ sondern germ. — ags. Oswine. Eben- 
so Oscar — an. *Asgäarr, Nebenform von Asgeirr. 

Nettlau Notes on welsh consonants. RC. XII 142—52. 369— 85. 

Fortsetzung von XI 68. Behandelt unter sehr eingehender 
Berücksichtigung der neukymr. Dialekte die Laute #, th, d, dd; s; 
h; p, ph, b, f; ff; ferner Metathesen und sonstigen unregelmässigen 
Lautwandel. 

Strachan Middle Welsh pieu, Mod. Welsh piau. BB. XV 
292---Οθ. 

Emault Glossaire moyen-breton (suite) Μόμη. 806. ling. VII 
359—88. 

Buchstaben ἢ, 2, 72, k, 1. 

Loth Les mots latins dans les langues brittoniques. Annales 
de Bretagne publices par la Facult&e des lettres de Rennes. 
VI 561—646. 

Gallois, armoricain, cornique. Phonetique et commentaire 
avec une introduction sur la romanisation de l’ile de Bretagne. 
Loth Remarques sur les noms de lieux en -ac en Bretagne. 

Rev. Celt. XII 386—89. 


IX. Germanische Sprachen. 
A. Allgemeines. 


Grundriss der germanischen Philologie herausgegeben von 
Hermann Paul I. Band. Strassburg Trübner. XVILH u. 
1151 .8: Lex..82. 

van Helten Grammatisches. PBrB. XV 455—88 XV1 272— 314. 


I. Zum vokal. Auslautsgesetz u. zum Akk. Sg. u. Pl. der Kon- 
sonantstämme im Got. 11. Zur Chronologie d. vokal. Auslautsge- 
setze. III. Zur Entwickelung des ὦ und τὸ in urspr. Mittelsilbe. 
IV. We. τ im Inlaut aus 2). V. As. fraho usw. (un)fraho u. faho 
-ora. VI. Altes a im As. vor (m)f, (n)f. VII. As. wita. VII. Zur 
Geschichte der Verba pura. IX. Eine Ausnahme der konsonant. 
Apokopegesetze. X. Zur Geschichte der u- und der uz-Stämme. 
XI. Ahd. ouw(j) aus 0w%. XII. Gibt es im Awgerm. Fälle, wo ein 
durch die Wirkung der alten Apokopegesetze im Auslaut nach 
Konsonanz stehender Endungsvokal auf phonet. Wege abgefallen 
ist? XIII. Zur Geschichte der 70- u. ?o-Stämme im Germ. XIV. Zur 
Geschichte der Flexionsformen der Pronomina Da- u. /va- im Wem. 
XV, Zur Geschichte der Vokale vor w? im Nd., Nfr. u. Fries. XVI. 
Zur Chronologie der Apokope des ῥ (d). XVI. Der ags. afr. Nom. 
Pl. Fem. der u-Dekl. 


Sievers Grammatische Miszellen. PBrB. XVI 234—6). 


Bibliographie. 1 


1. Germ. ὦ als Vertreter von idg. 9. 2. Zum germ. geschlos- 
senen & (gegen Holz Urgerm. geschlossenes © u. Verwandtes. Leip- 
zig 1890). 3. Ahd. era-eren u. Verwandtes (-Verba zu nominalen 
ö-Stämmen). 4. Zur westgerm. Gemination (gegen Kauffmanns Theo 
rie ebd. XII 338 ff.). 


Collitz Die Behandlung des urspr. auslautenden αὐ im Got. 
Ahd. As. BB. XVII 1—599. 


14. Urgermanisch. Got. Ahd. As. Ags. An. 
n [a@ =] a in mehrsilbigen Wörtern a a a e e(t) 

ai, οἱ" 2. ai in einsilbigen Wörtern au. ἃ δ [7 ei 
| sekundäres αἱ ai ὦ e e e(t) 

äi, οὲ [οἱ —] ai une er te ei) 


Dazu ein Exkurs (S. 49-53) über die german. ai-Konjugation 
als eine urspr. mediale Flexion. 
Streitberg Weiteres zur Geschichte der 20-Stämme. PBrB. 
XV 489— 904. 
Gegen Jellinek Das Suflix -20- ebd. = 287— 97. 
Jellinek Das Suffix -#0-. PBrB. XVI 318—55. 
Gegen Streitberg ebd. XV 489 ff. 
Streitberg Zur Geschichte der es-Stämme. PBrB. XV 504—6. 
Sucht Zeyt-unpoc u. dgl. als lautgesetzliche Formen von es- 
Stämmen zu erweisen. Deutung von Düs- in Θουςνέλδα u. Θουμέλικος. 
Jellinek Beiträge zur Erklärung der german. Flexion. Berlin 
Speyer u. Peters. V u. 1058. 8°. 
Jellinek Zur Deklination der ahd. Abstrakta. Germ. XXXVI 
137—39. 
Setzt die Suffixform -in neben -in für die Abstrakta an. 


Wiedemann Der Dativus Sing. der german. Sprachen. KZ. 
ΧΧΧΙ. 479—84. 


Lokativ auf-2 bei den Kons.-Stämmen, Lok. auf -ou bei sunau, 
während kuni-mu/n]diu, ahd. suniu Lok. auf -eu- sind. &-Lok. ist 
bei den mask. eö-Stämmen belegt, das Fem. dagegen geht auf -2j% 
aus. Got. anstai ist nach dem Gen. gebildet. Ahd. tage usw. ist 
Lok., der sog. Instr. ἔασιν sowie demu repräsentieren alte Dative 
auf -0. Bei den d-Stämmen liegst Dativ in an. Deire usw., Lok. in 
ajef vor. 

Wiedemann Nachtrag (zu dem Aufsatz Der Dativus Sing. in 
den german. Sprachen). ΚΖ. XXXII 149—52. 


Sieht in mann einen en-Stamm. Setzt -Du nicht -@u als Loka- 
tivausgang bei den eu-Stämmen an und bestreitet die Existenz von 
-& neben -@ im Lok. der ei-Ste. Für den Dativ Sg. der e-Ste. wird 
die früher gebrachte Erklärung aufrecht erhalten. 


Lichtenberger De verbis quae in vetustissima germanorum 
lingua reduplicatum praeteritum exhibebant. These. Naney 
impr. Berger-Levrault et Cie. ΠῚ u. 106 5. 8°. 

Collitz Die Herkunft des schwachen Präteritums der german. 
Sprachen. BB. XVII 227—44. 

Unveränderter Abdruck aus dem Am. Journ. Phil. IX 42 ff. 


12 Bibliographie. 


Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 
5. verbesserte und stark vermehrte Auflage 1. Lieferung. 
Strassburg Trübner Lex. 8°. 

Muss-Arnolt Semitie and other glosses to Kluge’s “etym. 
Wörterbuch d. deutschen Sprache’. Baltimore. τ0 S. kl. 8°. 

Ehrismann Ahd. liuzil-lutzil. Germ. XXXVI 156 ἢ. 

Feist Got. Etymologien. PBrB. XV 545—52. 

1. aggwu. 2. ansts. 3. bansts. 4. fitan. 5. gawi. 6. haiht. T. sidus. 

8. anatrimpan. 

Jaekel Mundingasi. PBrB. XV 540—44. 

Kock Nägra etymologiska anmärkningar. Arkiv f. nord. ἢ]. 
ΥΠ 175—91. 

1. Schwed. Kräll isl. Kveld. 2. isl. ὦ meban. 3. schwed. Onas. 

4. nschw. barnmorska. ὃ. aschw. framtugh. 6. brullunge. 7. schw. 

jämte bredvid. 8. isl. hvetvetna. 

Liden Etymologien. PBrB. XV 507—22. 

1. Awn. skald. 2. nschw. gärs  Kaulbarsch’ 3. nn. karr“ Esche’. 

4. aisl. hrid ° Strecke’. 5. awn. meiss “wooden box’. 6. got. maßl. 

7. got. hlaifs. 8. germ. *sad(u)la. 9. nn. skare “ gefrorner Schnee’. 

10. lat. locusta. 11. germ. schwert. 12. awn. mosurr ° Ahorn’. 

13. schw. fösa " treiben’. 14. ἢ. lundr ‘ Hain’. 15. Winter—* Regenzeit". 

Much Unfachlas. HZ. XXX 207—9. 

“ungefüge’”. Bemerkungen zum a der Endung. 

Much German. Matronennamen. HZ. XXXV 315—24. 

Zu Saitchamims (vgl. AfdA. XVI 78). sait—=an. seidr ° Zau- 
ber’, -chamims zu “hemmen. 

Prellwitz Nhd. fratze. BB. XVII 174. 

Schröder E. Belisars Ross. HZ. XXXV 237—44. 

3ala (Βαλας) “ weiss’ zu lit. baltas “ weiss’. Damit verwandt 
balps "kühn urspr. glänzend’ u. Baldr "der Leuchtende’. 

Schröder RE. frisch. HZ. XXXV 262—64. 

Zu frijon, freidjan usw. Grf. *prit-kos “ gehegt, geschont, un- 
berührt’. 

Sievers Sintarfizilo.. PBrB. XVII 363—66. 

Gegen Kögel Pauls Grundriss II 185. 

Solmsen F. Ahd. jämar. ΚΖ. XXXI 1411. 

Zu gr. ἥμερος “sanft”. 

Wiedemann Got. hröt. IF. I 194. 

Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. V 2. Berlin Weidmann 
VII.n. 8. θῖν αἰτοῦ δ. 

Meyer El. H. Germanische Mythologie. Berlin Mayer u. Müller 
XI u. 3548. 8°. 

Kauffmann Fr. Mythologische Zeugnisse aus röm. Inschriften. 
PBrB. XV 553—-62. XVI 200-—14. 


l. Hercules Magusanus. 2. Mars Thingsus et duae Alaesiagae 


Bibliographie. 3 


( al + aisiag- “hilfreich’). 3. Die Nehalennia (= Neuolen? von neu-: 
näu- * Schiff’). 
Much Nehalennia. HZ. XXXV 324f. 

Kein Suffix -enz, sondern Kompositum: neha — got. nelva, 
-lennia zu got. af-linnan. 

Siebs Beiträge zur deutschen Mythologie I Der Todesgott 
ahd. Henno- Wotan = Mercurius. ZZ. XXIV 14597. 
Much Mereurius Hanno. HZ. XXXV 207 ἢ. 

Dazu Anz. XVII 184. 

Holthausen Requalivahanus. PBrB. XVI 342—45. 

Zu seinen Ausführungen in Jahrb. d. Vereins von Altertums- 
freunden im Rheinlande Heft 84 (1886) S. St f. Deutung aus rig?s- 
u. leivan mit Suffix -ko-: “der, dem die Finsternis überlassen ist’. 
Sievers Die angebliche Göttin Ricen. PBrB. XVI 366—68. 

Weist nach, dass röcenne (Wright-Wülker I 511, 35 II 387, 38) 
lat. “turrificare’ nicht “ Dianae’ übersetzt. 

Schwarz P. Reste des Wodankultus in der Gegenwart. Nach 
einem Vortrag. Leipzig Neumann. II u. 50 8. 8°. 
Saupe H. A. Der Indiculus superstitionum et paganionum. 
Ein Verzeichnis heidnischer u. abergläubischer Gebräuche 
Meinungen aus der Zeit Karls des Grossen, aus zumeist 
gleichzeitigen Schriften erläutert. Leipzig Hinrichs in Komm. 
34 8. gr. 4°. 


B. Ostgermanisch. 


Wrede Über die Sprache der Östgoten in Italien (= QF. 
LXVIN). Strassburg Trübner. VII u. 208 5. 8°. 


€. Nordgermanisch. 


Passy de Nordica lingua quantum in Islandia ab antiquissi- 
mus temporibus mutata sit. These. Paris Firmin Didot. 
64 5. 8°. 

Kock Fornnordiska Kvantitets och akcentfrägor. Arkiv f. nord. 
fill. VII 334— 77 


“Die gemeinnord. Sprache wendet Akzent 1 in Worten an, 
die einen auf urnord. Standpunkte der Wurzelsilbe unmittelbar fol- 
senden Vokal verloren hatten, sei es, dass die Worte in der gemein- 
nord. Sprache ein- oder mehrsilbig, einfach oder zusammengesetzt 
waren”. “ Die gemeinnord, Regel für Konsonantverlängerung nach 
langem Vokal muss formuliert werden: In zwei- und mehrsilbigen 
Worten ward ein intervokalischer kurzer Konsonant verlängert, 
wenn ihm ein langer Wurzelvokal mit einspitziger Fortis voraus- 
ging und ein Vokal mit Levissimus nachfolgte”. “Die zuweilen 
vorkommende Konsonantverlängerung nach langem Vokal in ein- 
silbigen Worten beruht auf besonderen, für die verschiedenen Wort- 
kategorien verschiedenen Umständen” (z. B. blott hat tt von blotta). 
S. 373 f. Übersicht über die Akzentuierung der gemeinnord. Sprache. 


τ4 Bibliographie. 


Bugge u. Sievers Vokalverkürzung im An. PBrB. XV 391— 
411. 

Gegen Hoffory, der bestritten hat, dass in der nord. Metrik 
langer Vokal vor Vokal als Kürze behandelt werde. 

Kock Till frägan om w-omljudet i fornsvenskan. Svensk. 
Landesm. Heft 43. 28 5. 

K. verteidigt seine Annahme von zwei Perioden des v-Umlautes 
gegen Wadsteins Angriffe (Fornnorska homiliebokens ljudlära 
Ὁ. 42 ff. 142 ff.). 

Gislason U- og regressiv v-omlyd af di islandsk. Arkiv f. 
nord. fil. VIII 52—82. 

Bestimmt den Umfang des Umlautes aus Skaldenreimen. 

Hellquist Bidrag til läran om den nordiska nominalbildnin- 
en. Arkiv f. nord. ἢ]. VII 1—62, 142—74. 
gen. Arkiv f rd. fil. VII 1—62, 142— 74 

1. Substantiverade adjektiv, particip och smäord samt därmed 
sammanhängande företeelser. 2. Suflixet ja 76. och därmed samman- 
hängande frägor. 3. Bildningar pä -jan -jon jämte parallella lager 
af an- On-stammar. 4. Nordiska bildningar pa k. 5. Denominativa 
bildningar pä -I-. 6. Bildningar μὰ -m-. 7. Bildningar med s som 
karaktäristik konsonant. 8. Bildningar pä -s!-. 9. Nägra kategorier 
af nordiska bildningar pä 2b, ab, ub. ὃ. 10. Nägra bildningar pä& 
ie. [=idg.] -str-. Exkurs till 8. ὃ (über Heimdallr). 

Erdmann A. Bidrag till zni-stammarnes historia i fornnor- 
diskan. Arkiv f. nord. ἢ]. VII 75—85. 

Die an. Feminina veide, myke, fiske, freisine, beidne und die 
Neutra fygle * Vogelfang’, Gen. Pl. kl&dna, fylkna sind urspr. zni- 
Stämme. 

Sörensen Danske Biord. Smäbemierkninger. Abdruck aus 
“Vor Ungdom’. Kbhn. 8°. 

3ehandelt die von Adjektiven auf -Zg u. -2g gebildeten Ad- 
verbia. 

Specht Das Verbum reflexivum u. die Superlative im West- 
nordischen. Sonderdruck. Berlin, Mayer u. Müller. 

Thorkelsson Personalsuffixet -m i forste Person Ental hos 
norske og islandske Oldtidsdigtere. Arkiv f. nord. fil. 
ΝΠΙ 534—51. 

Sammelt die bei den Skalden u. in den Eddaliedern vorkom- 
menden Formen der 1. Pers. Sg. Präs. u. Prät. Akt. auf -om bezw. 
-ome u. findet in ihnen die ursprüngliche, später verloren gegan- 
gene Form der 1. Pers. Sg. (=ahd. salböm usw.). 

Andersen V. Gentagelsen. En sproglig studie. Dania I 31—%. 

Handelt über tautologische Kombinationen (d. ἢ. über ” das 
Nebeneinanderstellen von gleichbedeutenden aber verschieden lauten- 
den einzelnen Worten’). Diese zerfallen in 1. tautologische Kon- 
Junktion z. B. krig og orlog. 2. Tautologische Komposition zZ. B. 
steevne-mode. 3. Taut. Konfusion z. B. gavtyv. Die erste Art wird 
ausführl. im Dän. verfolgt. 

Jessen Dansk Grammatik. Udgiven paa Carlsbergfondets Be- 
kostning. Kbhn. 8°. 

Deskriptive dän. Gramm. mit Syntax. 


Bibliographie. 75 


Larsson Södermanna lagens spräk I. Ljudlära. Upsala 8°. 
(= Antiqvarisk tidskrift för Sverige XII ὃ. 4.) 

Liljestrand Ordböjningen i Västmannalagen. I Substantivets 
böjning. Akademisk afhandling. Linköping 1890 4°. II 
Adjektiv räkneord och pronomen. ebd. 1891. 4°. 

Jespersen Danias Iydskrift. Dania I 33—9. 

Dazu Nachtrag S. 154. Aufstellung der Lautschrift, die bei der 
gramm. Darstellung dänischer Dialekte in der Dania befolgt wer- 
den soll. 

Lindgren J. V. Burträskmälets grammatik. Första häftet. 
Akademisk afhandling. Svensk. Landesm. Heft 33 166 SS. 

Lautlehre der Dialekte v. Burträsk in Vesterbotten. 

Hagfors J. Gamlakarlebymälet. Ljud- οὐκ formlära samt 
spräkprov. Akademisk afhandling. Med en Karta. Svensk. 
Landesm. Heft 45. 124 5. u. Karte. 

Laut- und Formenlehre des Dialekts von Gamlakarleby in 
Finnland. 

Rysh Norske Stedsnavne paa lo (ld, slöo og lignende). Arkiv 
f. nord. ἢ]. VII 244—56. 

Läffller Om norske ortnamn pä lo. Arkiv f. nord. ΠῚ. VI 
257 —62. 

Im Norw. existieren gleichzeitig Ortsnamen, zusammengesetzt 
mit 1. 1Ἰό (Mask. oder) Neutr. “hain’. 2. ἰό Fem. “ Sumpfwiese’. 3. 16 
(oder {&) Fem. “Meerwasser”. Das Geschlecht der beiden letzten 
Worte beeinflusste das des ersten. 

Bugge Om Forandring af Genus i norske Stedsnavne. Arkiv 
f. nord. ἢ]. VII 262—64. 

Bugge Runestenen fra Opedal i Hardanger. Arkiv f. nord. ἢ]. 
VII 1—53. 

Erklärung der im Sept. 1890 gefundenen Runeninschrift von 
Opedal (ὁ. 400 n. Chr.). 

Brate och Bugge Runverser. Undersökning af Sveriges me- 
triska runinskrifter. Stokholm 8°. (= Antigqvarisk tidskrift 
för Sverige. Del X Nr. 1—D). 

In den Anmerkungen steckt viel gramm. Material. 


Brynildsen Norsk-engelsk ordbog. 1—15. hefte. Kristiania 
1888—1891. 8°. 

Feilberg Bidrag til en Ordbog over jyske Almuesmäl. Udg. 
af Universitets-Jubileets danske Samfund. 1-—-7. Hefte. 
A—Harve. Kbhn. 8°. 

Fritzner Ordbog over det gamle norske Sprog. Omarbeidet, 
foroget og forbedret Udgave. 1—2. Bd. A—P. Kristiania 
1886—1891. 8°. 

Kalkar Ordbog til det »ldre danske Sprog (1300—1700). 
1—16. Hefte. Kbhn. 1881—1889. 


76 Bibliographie. 


Ross Norsk Ordbog. Tillag til ‚„‚Norsk-Ordbog‘‘ af Ivar Aasen. 
1—6. Hefte. Christiania og Kbhn. 1890—1891. 8°. 

Söderwall Ordbok öfver svenska medeltids-spräket. 1—12. 
häftet. Lund. 1884—1891. 4°. 

Sunden Ordbok öfver svenska spräket. ὃ. häftet. Stockholm. 
189.28 

Tamm Etymologisk svensk ordbok. 1. häftet. Stockholm. 
0, 3.1890). 9%. 

Nach Kluges Vorbild ausgearbeitet, aber mit Angabe der Lit- 
teratur für die neuesten Etymologien. 

Thorkelsson Supplement til islandske Ordboger. Tredje Sam- 
ling. 1. Hefte. Reykjavik 1890. 8°. 

Wenström ἃ jJeurling Svenska spräkets ordförräd eller 
SOO0OO inhemska ock främmande ord ock namn med öfver- 
sättningar ock förklaringar jämte uttalsbeteckning ock ac- 
centuering enligt Sv. akademiens ljudenligaste stafrätt. 
Under medverkan af flera spräkmän utarbetad. 1. häftet. 
Stockholm 1891. 8°. 


Boesen Nye og gamle ss om nordisk Gudetro. Vor 
Ungdom 18 891 8. 516 κ᾿ 
Übersicht über die seit Petersens “Nordisk Mytologi’ (1849) 
erschienenen Arbeiten über den Ursprung der nord. Mythen. 
Meyer E. H. Die eddische Kosmogonie. Freiburg Mohr. 
198.,8% j j 
Sander Harbardssangen jämte grundtexten til Völuspä. Myto- 
logiska undersökningar. Med nägra Eddaillustrationer. 
Stoekholm 8°. 
Lehmann Die Götterdämmerung in der nord. Mythologie. 
2. Aufl. Königsberg Boss. 43 8. 8°. 


D. Westgermanisch. 

Koch Historische Grammatik der engl. Sprache. III. Bd. Die 
Wortbildung d. engl. Sprache. 2. Aufl. zum Drucke besorgt 
von R. Wülker. Kassel Wigand. XXIV u. 4578. gr. 8°. 

Mayhew Synopsis of Old English Clarendon 
Press. XIX u. 3208. 8%. 

Oliphant The Old and the Middle English. 2nd. Ed. London 
Macmillan. 638 5. 8°. 

eis: Beiträge zur engl. Grammatik. Anglia NF. II Heft 2. 

Me. ἃ im Ne. 2. Ἵ eye, aye. 3. Me. at, ei im Ne. 4. Zur 

en τ von Me. ὦ, 2. 

Jespersen Studier over engelske Kasus. 1. Räkke med en 
Inledning: Fremskridt i Sproget. Kbhn. 8°. 

Bülbring Ablaut in the modern dialekts of the South of 


Bibliographie. {|| 


England. Translat. from "Geschichte des Ablauts der star- 
ken Zeitwörter innerhalb des Südenglischen’ by W. A. 
Badham. London English Dialect Society Series D. No. 63. 
29.,8,82. 

Skeat Coneise etymologieal dietionary of the Engl. language. 
New. ed. London Frowde 8°. 


Toller The Bosworths Anglosaxon dietionary. Part 4 Lan- 
guage and Literature. Section 1. Oxford Clarendon Press. 


Flügel Allgemeines engl.-deutsches u. deutsch-engl. Wörter- 
buch. 4. Aufl. von J. G. Flügels vollst. Wb. Braunschweig 
Westermann. Heft 1 ff. Lex. 8°. 

Murray A New English Dietonary on historical prineiples 
founded mainly on the materials colleeted by the philolo- 
gieal Society. Clarendon Press. Vol. II Part 1. Vol. II 
a μ᾿ 


Muret Encyklopädisches engl.-deutsches u. deutsch-englisches 
Wörterbuch. Mit Angabe der Aussprache nach dem phonet. 
System der Methode Toussaint-Langenscheidt. Grosse Aus- 
gabe. Heft 1 ff. Berlin Langenscheidt. Lex. 8°. 

Webster’s International dietionary of the English language. 
Under the supervision of Noah Porter. Revised and enlar- 
ged and reset in new type from beginning to end. In 12 
monthly parts. London Bell and Sons. 

Lentzner Colonial English. A glossary of Australian, Anglo- 
Indian, Pidgin English, West-Indian and South-American 
Words. Colleeted, compiled and edited by K. L. London, 
Kegan Paul, Trench, Trübner & Co. XIH u. 237 5. 

Winkler Friesland, Friesen u. fries. Sprache in den Nieder- 
landen 1—5. Globus LX. No. 2—6. 

Jaekel Zur Lexikologie des Altfriesischen. PBrB. XV 332—36. 

1. Lanthura. 2. Nasc-scelde, nasc-pendinge. 3. rosban. 4. Rüt- 
forst. 

van Helten Frisica.. PBrB. XVI 314—11. 

Gegen Jaekels vorhergen. Arbeit. 

Behaghel u. Gallee Altsächsische Grammatik. 1. Hälfte. 
Laut- u. Flexionslehre, bearbeitet v. J. H. Galldce (= Samm- 
lung kurzer Gramm. german. Dialekte VI). Halle Niemeyer 
Bel: 5. 9r.-8°. 

Reimann Die altniederdeutschen Präpositionen. Leipzig Fock. 
24,8. gr. 4°. 

Andree Die Grenzen der niederdeutschen Sprache (mit Karte). 
Globus LX No. 2. 3. 


18 Bibliographie. 


Nachträge zur Karte der niederdeutschen Sprache. Globus 
LX No. 10. 

1. Winkler Die nd. Sprache im franz. Flandern u. die Sprach- 
grenze in Belgien. 

2. Kirchhoff Die unterste Saale keine Grenze zwischen Mit- 
teldeutsch u. Niederdeutsch. 

Braune Althochdeutsche Grammatik 2. Aufl. (= Sammlung 
kurzer Gramm. german. Dial. V). Halle Niemeyer. gr 8°. 

Garke Prothese u. Aphaerese des #H im Althochdeutschen 
(= QF. LXIX). Strassburg Trübner. 

Wilkens Zum hochalemannischen Konsonantismus der ahd. 
Zeit. Leipzig Fock XII u. 94 S. gr. 8°. 

Zimmer Repetitorium und Examinatorium über die mhd. 
Grammatik. Nebst einer Übersicht über die beiden Laut- 
verschiebungen. Leipzig Rossberg VII u. 86 5. 8°. 

Kunz Der Artikel im Mittelhochdeutschen. Progr. v. Teschen. 

Kassewitz Die französischen Wörter im Mittelhochdeutschen. 
beipzig ‚Kock 11928. °T28.. 

v. Bahder Die neuhochdeutsche Sprachforschung, ihre Ergeb- 
nisse u. Ziele. Zeitschr. f. ἃ. deutschen Unterricht V No. 1. 

Burghauser Zur nhd. Lautgeschichte. Zeitschr. f. österr. Gymn. 
1891 5. 289—9. 

Behandelt den Übergang vom mhd. tautosyllabischen -ir -ur 

-zur zu nhd. -ezier -auer -euer, 

Schwarz Über die Partikel ge- vor Verben. Rieder Programm. 
ES. 29% 

Deutsches Wörterbuch v. Jacob Grimm u. Wilhelm Grimm, 
fortgesetzt v. Dr. M. Heyne, Dr. R. Hildebrand, Dr. M. 
Lexer, Dr. K. Weigand u. Dr. E. Wülker. Leipzig Hirzel. 

IV 1. 2. 3 (Genug-Geriesel) v. Dr. R. Hildebrand und Dr. 

K. Kant. 5. 3497—3688. 

VIII 6. (Rind-Roman) bearbeitet unter Leitung v. Dr. M. Heyne. 

S. 961—1152. 

Heyne Deutsches Wörterbuch. 3. Halbband (H-Licht). Leipzig 
Hirzel. (Band II Sp. 1—640). Lex. 8°. 

Baierns Mundarten. Beiträge zur deutschen Sprache u. Volks- 
kunde. Herausgeg. von Dr. Oskar Brenner u. Dr. A. Hart- 
mann. München Christ. Kaiser. 1. u. 2. Heft. 

Gaidoz Die Sprachverhältnisse in Luxemburg. Globus LX 
No0.110: 

Heibey Die Laute der Mundart von Börsum. Leipzig Fock 
48 8. gr. 8°. 

Heinzerling Probe eines Wörterbuchs der Siegerländer Mund- 
art. Leipzig Fock 39 5. gr. 8°. 


7 


Bibliographie. τῷ 


Jardon Grammatik der Aachener Mundart. 1. Teil, Laut- u. 
Formenlehre. Aachen CUremersche Verlagsbuchhandlung. 
Leidolf Die Naunheimer Mundart. Eine lautliche Untersuchung. 

Rudolstadt H. Dabis 53 5. gr. 8°. 

Lienhart H. Laut- und Flexionslehre der Mundart des mitt- 
leren Zornthales im Elsass (= Alsatische Studien 1. Heft). 
Strassburg Trübner VII u. 74 85. 8°. 

Leithäuser Gallizismen in niederdeutschen Mundarten 1. 
Leipzig Fock 32 8. gr. 4°. 

Schild Brienzer Mundart. 1. Teil: Die allgemeinen Lautge- 
setze u. Vokalismus. Basel Sallmann 106 5. 8°. 

Schweizerisches Idiotikon. H. 20. (hart-haw). 

Tomanek Über den Einfluss der dech. auf die deutsche Um- 
gangssprache in Österr.-Schlesien, besonders in Troppau u. 
Umgebung. Progr. Troppau. 39 5. 8°. 

Wissler Das Suffix ὁ in der Berner resp. Schweizer Mundart. 
Ein Beitrag zur vgl. Wortbildung u. Flexion der schweizer 
Mundart. Bern Huber u. Komp. 39 S. gr. 8°. 

Zimmerli Die deutsch - französische Sprachgrenze in der 
Schweiz. 1. Teil: Die Sprachgrenze im’ Jura. Basel. IX u. 
80 S. gr. 8° mit 16 Tabellen u. 1 Karte. 


X. Baltisch-Slavisch. 
A. Allgemeines. 


Uljanow Die Bedeutung der Verbalstämme in der litu-slavi- 
schen Sprache. (Russisch) Russkij filologiceskij westnik 
1891 No. 2. 


B. Slavisch. 


Zubaty Zum slav. ὅ Arch. f. slav. Phil. XIII 622—25. 


Neben ὁ =idg.e u. ὁ — 
idg. ra. 

Streitberg Slav. -Ejvs- u. germ. -0z- im Komparativ. PBrB. 
XVI 266— 11. 

Deutet -Ej»s- als vollstufige Suffixform zu ai. -iyas- gr. -ıwv, 
leugnet also die Annahme einer Zusammensetzung. 

Horäk Die Formen des Präsensstammes der Verba der 
IH. Klasse 2. Gruppe Zrspeti. Arch. f. slav. Phil. XIV 
152—55. 

Fasst den Indikativ Präs. dieser Klasse als alten Optativ. 

Brandt Bemerkungen zum etym. Wörterbuch von Miklosich. 
Schluss u. Register. (russ.) Russkij filologiceskij westnik. 
Warschau 1891 No. 2. 


urslav. οὐ giebt es ein drittes ὁ — 


80 Bibliographie. 


Potebnja Etymologische Notizen (russ.) Ziwaja starina. St. 
Petersburg 1891. Lieferung 3 S. 117—28. 

Erklärung russ., archaiischer u. dialektischer Wörter sowie 
formelhafter Wendungen. 

Möhl Notes slaves 1. Slavon jest»stvo ἡ nature’ ists “ veritable ἢ 
2. Serbe romizga bulgare rami "il bruine‘, Me&m. soc. 
ling. VII 3955—58. 

Möhl Slave blato "marais’. M&m. soe. ling. VII 276. 

blato“ Sumpf” entspricht lautlich lit. baltas “ weiss’ M. vergleicht 
lit. Dältüju u. das magyarische, aus dem Slav. entlehnte Wort ba- 
laton “ See’. 

Zubaty Slav. doma “zu Hause”. Arch f. slav. Phil. XIV 
150—52. 

doma = Lok. Sg. auf -5 von einem eu-Stamm. Zusammen- 
hang mit ai. amä lit. n-ämas ist möglich. 

Lundell Etudes sur la prononeiation russe 1. partie: Compte 
rendu de la litterature. 1. liv. 155 S. Upsala. 

Sobolevskij Vorlesungen über die Geschichte der russisch. 
Sprache (russ.). 2. vermehrte u. verbess. Aufl. St. Peters- 
burg, Selbstverlag des Verf. 


Tichov Abriss einer Grammatik des westbulgarischen Dia- 
lektes nach der Liedersammlung von W. Kacanowskjij (russ.). 
Kasan. 

Masing L. Zur Laut- u. Akzentlehre der makedoslavischen 
Dialekte. Ein Beitrag zur Kritik derselben. St. Petersburg 
Eggers u. Kemp. VII u. 1468. gr. 8°. 

Resetar Die Aussprache u. Schreibung des e im Serbo-Kroa- 
tischen... "Arch. f.slav. Phil: XTIE SI. 

Jagic’ Neue Erscheinungen im serbischen Auslaut. Arch. f. 
slav. Phil. «XII: 627 ff; 

Schwund von r, das in den Auslaut gekommen ist. 

Murko Zur Erklärung einiger gramm. Formen im Neuslo- 
venischen. Arch, f. slav. Phil. XIV 89 δ΄. 

1. Dat. (u. Lok.) Sg. Fem. von 5%. 2. Gen. Du. 3. Zur Er- 
klärung des epenthet. n- im Neuslov. und den übr. slav. Sprachen. 
4. Eine Pronominalform als Anhängepartikel. 5. Uber verkürzte 
Formen des Zeitwortes bada in den slav. Sprachen. 

Mucke Historische u. vergl. Lautlehre der niedersorbischen 
(niederlausitzisch-wendischen) Sprache mit besonderer Be- 
rücksichtigung der Grenzdialekte u. des ÖObersorbischen. 
(= Preisschriften der Fürstl. Jablonowskischen Ges. XXVI). 
Leipzig Hirzel. XVII u. 615 S. τὸν: 8°. 

Kühnel Die slav. Orts- u. Flurnamen in der Oberlausitz 
l. Heft. Leipzig Köhler in Komm. 

Weisker Slav. Sprachreste, insbesondere Ortsnamen aus dem 


Bibliographie. 81 


Havellande u. den angrenzenden Gebieten I. T. Rathenow 
Babenzien. 8°. 
C. Baltisch. 


Bezzenberger Zum balt. Vokalismus. BB. XVII 215—27. 

Lit. τὸ als Schwavokal in ur ul um bei zweisilbigen Wurzeln 
nach der Gleichung era: ur eva: uw. Vollstufiger erster Vokal 
einer zweisilbigen Wurzel wird gestossen betont, während der zweite 
Vokal nach Liquida, Halbvokal und wahrscheinlich auch Nasal ge- 
schwunden ist. 


Wiedemann Zu den lit. Auslautsgesetzen. KZ. XXX11109— 22. 
1. Ide. 6 liegt vor im Nom. Sg. der en- u. er-Stämme, im Instr. 


Sg. der e-Ste. u. der 1. Pers. Sg. Präs. Ind. — 2. -om erscheint im 
Gen. Pl. — ὃ. -öt im Abl. Sg. der e-Ste. und im Nom. Sg. menü. 


4. -öi im Dat. Sg. der e-Ste. 5. -0%s im Instr. Pl. ders. 

Leskien Die Bildung der Nomina im Litauischen (= Abhand- 
lungen d. phil.-hist. Klasse der kgl. sächs. Gesellschaft d. 
Wissensch. XI 3). Leipzig Hirzel. 468 5. Lex. 8°. 

Brückner Der lit.-poln. Katechismus vom Jahre 1598. Arch. 
f. slav- Phil. XIII 597—90. 

Textproben mit gramm. Einleitung. 

Lautenbach Der Dialekt der mittleren Abau (Kurland). BB. 
XVII 271—92. 

Zur Laut- u. Formenlehre, Syntax u. Lexikographie. 

Prellwitz Die deutschen Bestandteile in den lettischen Spra- 
chen 1. Heft. Göttingen Vandenhoeck u. Ruprecht. 


Mitteilungen. 


Die indogermanische Sektion auf dem Münchener 
Philologentag. 


Zum ersten Male seit 19 Jahren hat sich auf der 41. 
Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner, die vom 
19. bis 23. Mai in München tagte, eine selbständige idg. Sektion 
gebildet. Die Anregung war von Hrn. Prof. Osthoff-Heidel- 
berg und Hrn. Prof. Stolz-Innsbruck ausgegangen: 30 Mit- 
glieder fanden sich auf ihren Aufruf ein, darunter die Herrn 
Dr. Geiger-München, Prof. Kägi-Zürich, Dr. Kahle-Berlin, Dr. 
Krumbacher-München, Prof. Kuhn-München, Dr. Meister-Leip- 
zig, Dr. Michels-Berlin, Dr. v. der Pfordten-München, Dr. v. 
Planta-Fürstenau (Graubünden), Dr. Sütterlin-Heidelberg, Prof. 
Thurneysen-Freiburg (Breisgau), Prof. Wackernagel-Basel und 
der Unterzeichnete. In der konstituierenden Sitzung vom 21. Mai 
vormittags ward Hr. Prof. Osthoff zum ersten, Hr. Prof. Stolz 

Anzeiger 11. 6 


82 Mitteilungen. 


zum zweiten Vorsitzenden und die Herrn Dr. Sütterlin und 
Dr. v. Planta zu Schriftführern gewählte Am Nachmittag 
fand eine gemeinschaftliche Sitzung der indogermanischen 
und der deutsch-romanischen Sektion statt, in der Hr. Prof. 
Osthoff vor zahlreicher Zuhörerschaft über “Eine bisher 
nicht erkannte Präsensstammbildung des Indoger- 
manischen’ sprach. Dieselbe, so führte der Vortragende 
aus, findet sich am deutlichsten im Germanischen; erst in 
zweiter Linie kommen Baltisch -Slavisch und Arisch in be- 
tracht, während im Griechischen, Italischen und Keltischen 
nur spärliche Ausläufer vorhanden sind. 

A. Drei Gruppen lassen sich im Germanischen unter- 
scheiden. a) Die erste wird allein von got. as. usw. standan 
gebildet. Das Prät. entbehrt des Nasals, vgl. got. stöb, an. 
stöd, as. aes. stöd, ahd. stwot. Das Part. wird nur noch im 
Anord. nasallos gebildet: stadenn. Die Wurzel ist sta. 

bh) Zur zweiten Gruppe gehören drei 2-Wurzeln. Bei 
ihnen ist der Nasal allgemein durchgeführt. Es sind ags. 


usw. swindan, vgl. aisl. sv@na und svra. Wz. sur. — Got. 
usw. windan zu lat. viere, vimen, vitis, abg. vija, lit. vejü 
usw. — Got. usw. slindan zu gr. λαιμός λαῖτμα, Wz. slai. 


Die Verba dieser Art sind in die dritte Ablautsreihe überge- 
gangen. Vgl. nominale Neubildungen wie ahd. slunt usw. 
c) Weniger durchsichtig ist die Form der w-Verba 
von gleicher Bildung. Präsentien wie lat. tundo, pungo, 
rumpo haben im Germ. doppelte Umbildung erfahren: 1. 
Neubildung im Anschluss an das Präteritum. An Stelle von 
*"rumban — rauf —= lat. rumpo — räüpi trat *reufan — 
rauf vgl. aisl. rjüfa, ags. reöfan. 2. un-+ Kons. im Präsens 
ward nach dem Muster der Verba dritter Ablautsreihe durch 
in+Kons. ersetzt. Ζ. B. got. stiggan “stossen ', das zu ai. ἔμ) 
“schlagen” gehört. Die ursprüngliche Flexion war "stungan 


— *staug; hieraus entstand *stangan — stang und endlich 
stingan — stang, wie as. usw. tredan für *trodan, vgl. got. 


trudan, aisl. troda eingetreten ist. 

Behält man diesen Entwickelungsgang im Auge, so 
erklärt sich der Zusammenhang von ags. dindan “ schwellen ' 
mit lat. fameo, gr. τύλος ᾿ Schwiele’ taüc "gross ’, abg. tyja 
“werde fett’, ai. taviti. Es ist von Wz. tau genau so ge- 
bildet wie standan von Wz. sta. Gleicher Art sind *tindan 
“brennen vgl. got. tandjan tundnan zu gr. daiw, Wz. dau 
und hrindan “stossen zu gr. κρούω κροαίνω, Wz. krou. 

B. Den 7 germanischen stellen sich im Baltisch- 
Slavischen drei Beispiele zur Seite. Lit. juntu jutaü 
“durch Gefühl gewahr werden’. Das j ist prothetisch wie in 
junkstu. Zu juntü stellen sieh gr. diw "merke, abg. um» 


u 


Mitteilungen. 83 


“Verstand, got. ga-umjan “bemerken’. — Lit. puntü ρεΐαῶ 
“schwellen ', zu lett. pans  Auswuchs am Baume’ pumnis “Beule’. 
— Abg. kre(t)nati ‘drehen’, kretati “Neetere’ zu lat. curvus, 
ST. KUPTÖC, KOPWVÖC. 

C. Im Arischen gehören hierher: ai. krntdti, av. ke- 
rentaiti “schneidet, dazu Perf. ai. cakdrta, zu gr. xeipw, lat. 
curtus, germ. skeran, Wz. sker. — Ai. krndtti “dreht den 
Faden’, entweder zu abg. krenati von Wz. ker oder zu lat. 
colus, gr. KAWAW κλώεκω. 

D. Im Lateinischen dürfte vielleieht scintilla auf 
ein Präsens *sc’nto deuten. Zu vergleichen ist ahd. scinan, 
Wz. ski. 

Was nun die idg. Flexion der aufgezählten Präsentien 
anlangt, so lehrt das Arische, dass dieselbe doppelter Art 
war: 1. athematisch, entsprechend dem eben erwähnten 
krndtmi — krntmdäs, also etwa *sto-net-mi — *sto-nt-mes. 

2. thematisch wie krntdti : *sto-nt-ö. Man kann 
etwa das Nebeneinander von bhundkti und bhunjdti ver- 
gleichen. 

Auf Grund der thematischen Flexion stellten sich schon 
früh Beziehungen zur nasalinfigierenden’ Präsensklasse ein. 
Infolge dessen ward ὁ wurzelhaft. So entstand cakdrta nach 
Analogie von vavdrja, so jJutaü nach budaü, da die Präsen- 
tien beider Klassen in bestimmten Formen anscheinend iden- 
tische Flexion hatten. 

Umgekehrt erlitten die nasalinfigierenden’ Präsentien 
Beeinflussung von Seiten der »et-Bildungen. Da sie mit die- 
sen in den schwachen Formen übereinstimmten, bildeten sie 
auch starke Formen auf -ne- z. B. *li-ne-g-mi (ai. ri-nd-c-mi) 
zu *liog-mes (ai. rinc-mds). Diese Neubildung liegt in der 
altindischen VII. Klasse vor. Vielleicht reicht sie jedoch 
sehon in die Zeit der idg. Urgemeinschaft, wenn die Analyse 
von Κυνέω als Ku-ve-c-w (Wz. Aus) richtig sein sollte. 

Auf diese Weise liesse sich also die eigentümliche Ge- 
stalt der VII. Präsensklasse begreifen, die sonst dem Cha- 
rakter des idg. Wortbaus widerspricht. Wie zu dem schwa- 
chen Stamm wund- “Wasser” die starke Form uden- gehört, 
so könnte man annehmen, dass neben löng- ein *lig-en zu 
statuieren sei. Thatsächlich scheint aber -an- die Vollstufe 
zu sein. Vgl. armen. lkanem — linguo λιμπάνω usw. Danach 
ist als Urparadigma *lig-dn-ö *ling-mes anzusetzen. Im Grie- 
chischen liegt bei λιμπάνω, πυνθάνομαι, κλαγγάνω Kontamina- 
tion von schwacher und starker Form vor. Nur coiyyw ent- 
spricht der lat. germ. kelt. lit. Bildungsweise. 

Vergleicht man nun den Wechsel von d und t in pando: 
pateo, so ist derselbe dem von g und ὁ in pango : paciscor 


84 Mitteilungen. 


u.ä. ganz analog. Das lautgesetzliche Verhältnis der Medien 
zu den urspr. Tenues ist noch nicht ganz klar. Weahrschein- 
lich entstanden sie aus denselben zwischen Nasalen. Eine 
Übertragung des d in die starken Formen lag alsdann nahe. 
So erklären sich ai. trnddmi — trndmds, Wz. ter, vgl. gr. 
tepew, ai. bhinddmi — bhindmdäs, Wz. bht, vgl. air. benim, 
ahd. brhal, abg. biti; ai. chinddmi — chindmds, Wz. skhi, 
vgl. lat. de-sci-sco; avest. morendat "tötete‘, Wz. mer, vgl. 
lat. morior; gr. ἐκ-φλυνδάνω "breche auf (von Geschwüren)’, 
vgl. φλύω φλέω, lat. fluo; lat. fundo zu fütare, Wz. dhä, 
vgl. gr. θύω, ai. dhünöti, abg. dyja; lett. fadu aus *fundu 
“verschwinde’ zu lit. Zue& "komme um’ u.ä.; abg. bada aus 
#=bhund-ö, Wz. bhü. Das letztgenannte Verbum ist ein um 
so beweiskräftigeres Beispiel für das präsensstammbildende 
Suffix -nt- (-nd-), als es nur im Präsens vorkommt. 

Wie durch die engen Beziehungen der net- Präsentien 
zu den "nasalinfigierenden’ ἔ, d schon früh wurzelhaft ward 
(vgl. z. B. lit. kertü zu ai. krntdti, got. skaida zu ai. chi- 
nddmi, got. beita zu ai. bhinddmi), so dürfen wir auch ἐ, ὦ 
in manchen Fällen sö erklären, in denen kein -nt- -nd- neben 
ihm erhalten ist. So steht giutan neben χέω, «Πα. fliozan 
neben πλέω, sliozan lat. claudo neben clavis. Gr. κλύζω 
“wasche, reinige’, got. hlätrs “rein, klar’ hat lit. szldju zur 
Seite, gr. μύδος “Nässe” mnd. mätn “waschen ist mit abg. 
myja verwandt, gr. τένδω lat. tondeo mit TEu-vw, lat. cado 
entspricht einem ahd. houwan, abg. kova usw. 

In der Sitzung vom 22. Mai, vormittags 8 Uhr, fanden 
zwei Vorträge statt. Hr. Prof. Wackernagel sprach “Über 
ein Gesetz der idg. Wortstellung’, der Unterzeich- 
nete über "Betonte Nasalis sonans‘. Da beide Vorträge 
in den Indogermanischen Forschungen bereits erschienen sind 


EIIEIE 


(dieser S. 82 ff., jener S. 332 ff.), bedarf es keiner Inhalts- 
angabe. 
Wilhelm Streitberg. 


Wenkers Sprachatlas. 


Die Arbeit an dem, nicht nur für die deutsche Dialekt- 
forschung, sondern für die Sprachwissenschaft überhaupt un- 
gemein wichtigen Sprachatlas des deutschen Reichs, mit Unter- 
stützung des Reichs und des kgl. preuss. Ministeriums der 
geistl. etc. Angelegenheiten bearbeitet von Dr. G. Wenker 
in Marburg und den derzeitigen beiden Hilfsarbeitern Dr. 
F. Wrede und Dr. E. Maurmann, ist in ein neues Stadium 
getreten. Es werden jetzt regelmässig im Januar und Juni 


Mitteilungen. 85 


die in Handzeichnung fertigen Karten an die kgl. Bibliothek 
in Berlin abgeliefert. Je 5 Karten, 75:80 em. gross, im Maass- 
stabe 1: 1000000 bilden als Blatt nordwest, nordost, südwest 
das deutsche Reich und bringen ein Wort zur Darstellung, 
dessen heutige Formen aus den etwa 40000 deutschen, 302 
französischen, 62 litauischen, 79 sorbischen, 1257 polni- 
schen, 60 cechischen Orten in die selbe geographische Unter- 
lage farbig eingezeichnet werden. Jedem Worte ist eine Er- 
läuterung in Handschrift beigegeben. Bis jetzt sind 23 Wörter 
(d. h. 69 Karten) abgeliefert: bald, bett, brod, drei, eis, feld, 
gänse, gross, hund, kind, luft, mann, müde, nichts, pfund, 
salz, sechs, sitzen, tot, was, wasser, wein, winter. 


Personalien. 


Es haben sich für indogermanische Sprachwissenschaft 
im Jahre 1891 habilitiert: An der Universität Heidelberg 
Dr. Ludwig Sütterlin; an der Universität Berlin Dr. Paul 
Kretschmer; an der Universität Leipzig Dr. Herman Hirt; 
an der Universität Freiburg (Breisgau) Dr. Albert Thumb. 

Es wurden ernannt: P. Giles zum Dozenten der idg. 
Sprachwissenschaft an der Universität Cambridge; Professor 
Louis Duvau, bisher an der philos. Fakultät der Universität. 
Lille, zum Professor der indogermanischen Sprachwissenschaft 
an der Ecole des Hautes Etudes zu Paris, als Nachfolger 
Ferdinand de Saussures, der als ao. Professor des gleichen 
Faches an die Universität Genf berufen worden ist; Dr. Wil- 
helm Geiger, bisher Privatdozent an der Universität München, 
zum ord. Professor an der Universität Erlangen, nachdem die 
von Professor Dr. v. Spiegel innegehabte Professur für ori- 
entalische Sprachen in eine solche für idg. Sprachen um- 
gewandelt worden ist; Hjalmar Edgren, bisher Dozent in 
Lund, zum Professor der europäischen Linguistik an die neu- 
gegründete freie Hochschule Gothenburg in Schweden; Dr. 
Josef Zubaty, bisher Privatdozent in Prag, zum ao. Profes- 
sor der altindischen Philologie und vergleichenden Sprach- 
wissenschaft an der cechischen Universität Prag. 


Τ am 8. Januar zu Charlottenburg der Gymnasialober- 
lehrer und Privatdozent der Phonetik und allgemeinen Sprach- 
wissenschaft an der Universität Leipzig, Dr. E. Techmer. 

7 .. re. .. - 

Ἴ am 7. März zu Wien der Begründer der slavischen 
Sprachwissenschaft, Hofrat Professor Dr. Franz Ritter von 
Miklosich im 78. Lebensjahre. 


80 Mitteilungen. 


Friedrich Zarncke ὕ. 


Die germanische Philologie hat einen schweren, einen 
unersetzlichen Verlust erlitten: Friedrich Zarneke weilt nicht 
mehr unter den Lebenden. Im der Morgenfrühe des 15. Ok- 
tobers brach sein Auge, dessen hellen Blick der Tod allein 
zu verdunkeln im Stande war. 

An seinem Sarge trauert die indogermanische Sprach- 
wissenschaft. Denn auch ihr ward er entrissen. Als Lehrer 
der germanischen Grammatik ist er lange Jahre hindurch einer 
ihrer gelänzendsten und einflussreiehsten Vertreter gewesen. 
Es war der einzige aus den Reihen der ältern Generation, der 
in jenen Jahren, da neue Anschauungen sich in heissem Ringen 
Bahn brachen, rückhaltlos auf die Seite der Jugend trat. Und 
mit jugendfrischer Spannkraft ist er rastlos voran geschritten, 
unermüdet lernend und lehrend bis zum letzten Tage. 

Besonders schmerzlich trifft der Verlust die Indoger- 
manischen Forschungen, an denen er vor andern warmen 
Anteil nahm. Vor mir liegt ein Blatt, worin er ihr Erscheinen 
mit fröhlichem “Glückauf” begrüsste. Wie wenig ahnte ich 
damals, dass jene Zeilen die letzten bleiben sollten, die ich 
von seiner Hand empfing. 

Nun ist er uns entrissen. Doch sein Gedächtnis wird 
nieht mit seinem Tode erlöschen. Es wird fortleben, nicht 
nur in der Geschichte der Wissenschaft, für deren freie Ent- 
faltung er mehr als einmal in die Schranken getreten ist, 
sondern noch unvergänglicher in der Liebe seiner Schüler, 
deren Herz er gewonnen. 

“..... Vor allen, die je es gesehn, 
Wird ein gütiges Antlitz stehn 

Und eine Seele, die schlicht und klar, 
Und eine Grösse, die einfach war — 
Einfach, wie alles Echte ist, 

Das die Gottheit segnend geküsst...... 


2) 


Am Begräbnistage, 11. Oktober 1891. 


Wilhelm Streitberg. 


ANZEIGER 
FÜR INDOGERMANISCHR SPRACH- UND ALTERTUNSKUNDE. 


BEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN 
REDIGIERT 
VON 
WILHELM STREITBERG. 


BAND I HEFT 2. FEBRUAR 1892. 


Schrader Ὁ. Vietor Hehn. Ein Bild seines Lebens und sei- 
ner Werke. Sonderabdruck aus Iwan von Müllers biogra- 
phischem Jahrbuch für Altertumskunde. Berlin Calvary 
and Komp. 1891. 76,8. 8°. M.. ὃ. 

Bald jährt es sich zum zweitenmal, dass Vietor Hehn, 
einsam wie er gelebt, in einer Mansardenstube Berlins ge- 
storben ist, wenige Tage nach der Entlassung des einzigen 
Mannes, der, wie er einmal an Wiehmann schrieb, mitten in 
der demokratischen Plattheit und Seichtheit, von der man 
millionenfach in Wort und Sehrift und That umwimmelt wird, 
sein Trost und seine Erbauung gewesen war. Im 77T. Lebens- 
Jahr ist er gestorben, und dennoch zu früh: bevor er den 
zweiten Teil seiner köstlichen Gedanken über Goethe hat 
vollenden können. 

Was Hehn für die ide. Altertumskunde durch sein Klas- 
sisches Werk über Kulturpflanzen und Haustiere gethan hat, 
weiss ein Jeder. Zwei Jahrzehnte sind seit seinem ersten 
Erscheinen verstrichen; die Grundanschauungen der Sprach- 
wissenschaft haben wesentliche Umgestaltungen erfahren, treft- 
liche Werke, die ihrer Zeit bahnbrechend gewesen waren, 
sind schon längst veraltet und achtlos bei Seite geschoben 
— aber Hehns Buch steht noch immer in unzerstörter Frische 
da, als wär es erst heute geschrieben worden. Ja, fast 
möcht ich sagen: sein Tag soll erst kommen. Denn so 
viel wir ihm auch schon zu verdanken haben, noch unver- 
gleichlich schönere Früchte dürfen wir von ihm in Zukunft 
erwarten. 

Daher haben wir alle, so lang er noch unter den Le- 
benden weilte, mit hoher Verehrung zu dem ausgezeichneten 
Mann emporgeschaut, der “im jüngern Schwarme stolz und 


Anzeiger I 2. 7 


58 Schrader Vietor Hehn. 


schlieht” voll stiller Grösse vor uns stand. Undals er starb, 
da mochte sein Tod an der grossen Menge spurlos vorüber- 
gehn, die nicht wusste, wen sie verloren, wen sie besessen 
hatte — wer aber den Verlust besser ermessen konnte, den 
traf er um so schmerzlicher. 

Schon damals drängte sich gar manchem der Wunsch 
auf, ein Lebensbild Hehns zu erhalten. Begreiflich genug. 
Man wusste so wenig von seinem äussern Leben, noch we- 
niger von seiner innern Entwicklung. War er doch immer 
in fast unnahbarer Abgeschlossenheit seines Weges gegangen. 

Was kurz nach seinem Tod an biographischen Noti- 
zen erschien, konnte dem Verlangen nicht genügen. Es waren 
Erinnerungsblätter, flüchtige Skizzen, wie der Tag sie bringt 
und der Tag verschlingt. 

Unter diesen Umständen kann die schöne Studie Schra- 
ders über Hehns Leben und Werke bei allen Freunden des 
Verstorbnen auf lebhafte Teilname rechnen. Die grosse Be- 
gabung Schraders für biographische Darstellung, sein feines 
Verständnis für individuelle Eigenart, beide schon früher er- 
probt, bewähren sich auch diesmal aufs glänzendste. Trotz 
mancher Lücken in der Überlieferung ist es ihm gelungen, 
ein lebensvolles Bild von der Entwicklung Hehns zu ent- 
werfen, dessen Grundzüge dauern werden, so viel auch im 
Einzelnen zu ergänzen bleibt. 

So muss ich gestehn, dass ich selten eine Lebensbe- 
schreibung mit gleichem Genuss gelesen habe, wie diese. 
Wenn sie vielleicht einen Wunsch unerfüllt gelassen hat, ist 
es nur der, dass die drei Hauptwerke Helns etwas gleich- 
mässiger behandelt sein möchten. Der Abrundung käme 
das entschieden zu gut. Diese Erinnerung soll kein Tadel 
sein. Denn ich weiss sehr wohl, dass der Ort, wo die Bic- 
graphie zuerst erschienen ist, eine ausführlichere Betrachtung 
der Thätigkeit Hehns auf dem Gebiete der idg. Altertums- 
kunde forderte. Ich will nur eine Bitte ausgesprochen 
haben, falls eine zweite Auflage dem Verfasser, wie ich hoffe, 
Gelegenheit bietet, von jeder Fessel befreit zu arbeiten. 

Und noch ein andrer, ein alter Lieblingswunsch ist 
lebhafter denn je in mir erwacht, als ich Schraders Lebens- 
beschreibung las: Der Wunsch nach einer Gesamtaus- 
gabe von Hehns Werken. Ein Mann von so imponieren- 
der Einheit und Ganzheit des Charakters, an dem nichts zer- 
fahrenes, nichts gebrochenes zu finden ist, verdient vor allen 
andern, dass seine Persönlichkeit auch als ein Ganzes in sei- 
nen Werken dem Volk entgegentrete. 

An Teilnahme für Hehn fehlt es ja gottlob nieht. Vor 
wenigen Wochen hat sein Buch über Italien zum viertenmal 


Schrader Vietor Hehn. 80 


die Presse verlassen. Die Kulturpflanzen und Haustiere lie- 
gen schon in fünfter Auflage vor und von den Gedanken 
über Goethe ist noch im Jahr ihres Erscheinens eine Neu- 
‚ausgabe notwendig geworden, die freilich seltsamerweise bis 
heute die letzte geblieben ist. 

Dem Verleger droht also schwerlich Gefahr, wenn er 
diese drei Meisterwerke mit allem vereint, was wir sonst noch 
von Hehn besitzen. Ausser der 1877 erschienenen Studie über 
das Salz und den von Wichmann bei Cotta herausgegebnen 
Briefen würde folgendes in eine Gesamtausgabe gehören: 

Die Erstlingsschrift “Zur Charakteristik der Römer’, ein 
Pernauer Programm aus dem Jahr 1843, von dem Schrader 
nach einer Abschrift interessante Proben gegeben hat. Das 
Programm des folgenden Jahres “Über die Physiognomie der 
italienischen Landschaft‘; die Aufsätze aus der Dorpater Wo- 
chenschrift “Inland', die selbst Schrader nicht zugänglich 
waren; die wertvollen Beiträge zur Baltischen Monatsschrift, 
unter denen die meisterhaften Petersburger Korrespondenzen 
hervorragen, und was sich sonst noch an journalistischen 
Arbeiten Hehns (z. B. in der “Wage‘) finden lässt. Auch 
die vielgenannte Vorrede zur zweiten Auflage der Kultur- 
pflanzen und Haustiere, die Hehn selber später unterdrückt 
hat, darf nicht vergessen werden. 

Selbstverständlich gehört auch der Briefwechsel Hehns 
mit seinem Freunde Berkholz in eine Gesamtausgabe. Er 
befindet sich jetzt in H. Diederichs Besitz, vgl. Schrader 5. 4 
Anm. Haben schon die Briefe an Wichmann wertvolles Ma- 
terial zur Charakteristik Hehns geliefert, so dürfen wir von 
jenen an Seinen nächsten Freund noch viel wichtigere Auf- 
schlüsse erwarten. Schrader hat leider nur einzelne, für ihn 
abgeschriebene Stellen benutzen Können. 

Endlieh muss auch der Nachlass, soweit er zur Ver- 
öffentlichung geeignet ist, Aufnahme finden. Dr. Schiemann 
soll schon seit längrer Zeit die Herausgabe vorbereiten: 
möchte doch alles gleich der Gesamtausgabe eingegliedert 
werden!. Zwei Schriften daraus, res Judaeorum und res 
Ruthenorum betitelt, führt Schrader S. 45 an. Ein Brief an 
Wiehmann lässt zudem hoffen, dass auch vom zweiten Teil 
der Gedanken über Goethe manches schon ausgeführt sei. 

Man sieht, an Mannigfaltigkeit des Inhaltes würde es 
einer Gesamtausgabe nicht fehlen. Ebensowenig an ganz 
‘oder fast ganz unbekanntem Material. 

Es wäre mir eine grosse Freude, meinen Wunsch eines 
Tages erfüllt zu sehn. Nicht nur mir, sondern, wie ich über- 
zeugt bin, auch vielen andern. 

An der endlichen Erfüllung vermag ich nicht zu zwei- 


90 Strong, Logeman, Wheeler Introduction ete. 


feln. Heute, wo jeder Schriftsteller dritten und vierten Ran- 
ses mit seinen “gesammelten Werken’ vor dem Publikum. 
paradiert, sollte ein Mann von der geistigen Bedeutung Hehns, 
ein Mann, der nicht nur Meister der Forschung, sondern 
auch Meister der Darstellung ist, auf diese Ehre verzichten 
müssen? Das kann ich nicht glauben. 

Januar 1892. Wilhelm Streitberg. 


Strong, Logeman, Wheeler Introduction to the Study of the 
History of Language. London Longmans, Green & Co. 1891. 
Xu: 439820r7..82. 10.532620 

In gemeinsamer Arbeit suchen Strong, Logeman und 
Wheeler Pauls "Prinzipien der Spraehgeschichte’ in erster 
Linie englischen und amerikanischen Studenten mundgerecht 
zu machen. Die Übersetzung, die Strong früher gegeben hatte 
und demnächst in zweiter Auflage erscheinen lässt — eine 
Konkurrenz, die das Vorwort in etwas sonderbarer Weise be- 
rührt —, erfüllte diesen Zweck schon deshalb nieht hinläng- 
lich, weil Paul sich mit Vorliebe mittel- und frühneuhoch- 
deutscher Beipiele bedient, deren Verständnis Engländern in 
der Regel Schwierigkeiten bereiten mochte. In der vorliegen- 
den Bearbeitung sind diese Beispiele durch solche aus der 
englischen, gelegentlich auch der französischen oder lateini- 
schen Sprachgeschichte ersetzt. Sie sind durchweg gut, 
manchmal überraschend glücklich gewählt, sodass das Werk 
in dieser Hinsicht auch für deutsche Leser sehr beachtens- 
wert ist, in hervorragendem Masse für Anglisten. 

Diese stoflliche Abweichung gebot von vorn herein auch 
in der Darstellung ein freies Verhalten gegenüber dem Ori- 
ginal. Pauls Buch gilt vielfach für ein schwer lesbares. 
Was an diesem Urteil richtig ist, beruht wohl darauf, dass 
der Verfasser seine Leser zu wenig zwischen den Zeilen finden 
lässt, in dem Bestreben jedes einzelne Problem allseitig zu 
beleuchten. Einem solehen Original gegenüber hat eine Be- 
arbeitung naturgemäss einen sehr glücklichen Stand: für den 
Verlust kleinerer Züge entschädigt das schärfere Hervortreten 
der Hauptlinien. Das englische Buch liest sich meistens recht 
angenehm. Vielleicht wäre eine noch etwas weitergehende 
Emanzipation vorteilhaft gewesen. Die Paulsche Folge der 
Kapitel nämlich ist nicht sehr glücklich; im Anfang beson- 
ders werden wir zwischen lautlichen und syntaktischen Erschei- 
nungen hin- und hergeworfen. Analogie (Kap. V) und Kon- 
tamination (Kap. IX) sind weit auseinandergerissen, was in 
der Bearbeitung um so mehr auffällt, als hier für die Konta- 


Strong, Logeman, Wheeler Introduction etc. il 


mination neues und hübsches Material beigebracht wird, 
sodass die Zusammengehörigkeit beider Erscheinungen zu 
lebhaftem Ausdruck kommt. Was als Differenz angeführt 
wird (S. 142), ist völlig unzulänglich, und die Komparative 
worser und lesser werden denn auch an beiden Orten unter- 
gebracht. Die psychologischen Grundlagen sind dieselben; 
nur das Stärkeverhältnis der beiden assoziierten Worte (Wort- 
klassen) spielt eine Rolle. Übrigens ist seltsamerweise hier 
so wenig als in Wheelers früherm Schriftchen über Analogie- 
bildung das Verhältnis von Begriffskontamination zur Wur- 
zelkontamination ins Auge gefasst, vgl. sqguarson = squire + 
parson, “a squire who is a parson (S. 144), Prohiblican = 
Prohibitionist + Republican (Wheeler), abulg. serb. nestera, 
poln. nyesczora = *neti + sestra (Brückner Archiv f. slav. 
Phil. IX 175, Schmidt Neutra 65), was ins Kapitel der Sprach- 
sechöpfung überweist, wo electreeution — electrie execution 
(vgl. lat. semi-modius > semiodius, Brugmann Grdr. 1 8 049) 
untergebracht ist. (Was ich mit den durch den Druck her- 
vorgehobenen Buchstaben andeuten will, ist hoffentlich in die 
Augen springend. Man wird doch wohl von einem psycholo- 
gischen Gesetz reden dürfen). 

Am wenigsten gelungen sind die Kapitel VII. XIX. XX. 
In Kapitel VII (Change of Meaning in Syntax) ist die Disposi- 
tion nieht glücklich: beim freien’ und “gebundenen Akkusativ 
werden die Beispiele so durcheinander geworfen, dass man 
eine Weile (S. 150 f.) nur mit Hülfe des deutschen Originals 
ahnt, wovon die Rede ist. Kapitel XIX hat durch ein Schema 
der Kompositionsklassen mit 14 Haupt- und etlichen Unter- 
abteilungen an Übersichtlichkeit keineswegs gewonnen. Dabei 
sind Bildungen wie church-yard (= a yard of a chureh) mit 
Prince-regent, merchant tailor (= a tailor who is a merchant) 
zusammengeworfen (Klasse I 1: Appositionelle Verbindungen), 
ebenso neighbour mit holyday (11 1 Adj. + Subst.). Auch 
shameful, beautiful sähe ich lieber von blood-red, snow-white 
getrennt. Zur Erklärung des Bahuvrihi-Kompositums manly 
"Mannsgestalt (habend)’ wird 8. 339 pianoman "the man who 


has pianos’ herbeigezogen. — Hübsch sind XI. XI. XI. 
XXI. 


An einzelnen kleineren Versehen namentlich bei Zitaten 
fehlt es nieht. Unter die scherzhaften Übersetzungsschnitzer 
gehört S. 111: Dö spranc von dem gesidele her Hagene usw. 
— "Then sprang from the seat hither Hagen” usw. 


Berlin, 4. August 1891. Vietor Michels. 


92 Sweet A Primer of Phonetics. 


Sweet H. A Primer of Phoneties. Oxford Clarendon Press 
1800. ΠῚ τι 113,8. ΚΙ. 82.93 Sh265d. 

“ This book is intended to supply the double want of ἃ 
new edition of my Handbook of Phonetics and of a coneise 
introduction to phoneties, with especial reference to English 
and the four foreign languages most studied in this country 
— French, German, Latin and Greek”. Mit diesen Worten 
gibt der Verf. in der Vorrede den Zweck seines Büchleins 
an. “Rigorously exeluding all details that are not directly 
useful to the beginner”, ist das Buch “as coneise, definite, and 
practical as possible”. Auf 70 Seiten in kl. 8° — gegen 108 im 
“Handbook” ein Abriss der ganzen Phonetik! Das ist eine in 
der That bewundernswerte Leistung. Doch ich muss bezweifeln, 
ob eine derartige gedrängte, scharf präzisierende, dogmatische 
Darstellung, so nützlich sie an sich sein mag, und mit wie prak- 
tischem Geschick sie auch im einzelnen durchgeführt ist, wirk- 
lich für den Anfänger die geeignete ist. Ich halte es nicht 
für denkbar, dass jemand, der sich noch nieht mit Phonetik 
beschäftigt hat, hiernach eine klare Vorstellung von den 
Grundzügen der Sprachphysiologie erhält, so dass er im- 
stande ist die Forderung zu erfüllen, welche Sweet als Grund- 
lage des phonetischen Studiums aufstellt: “of forming sounds 
eorrectly and easily, and recognizing them by ear”. Dem 
Anfänger würde meines Erachtens eine breiter angelegte, 
induktive, die Einzelheiten in anschaulicher Weise ausführende, 
eklektische Darstellung am ehesten einen Ersatz für die 
freilich doch unersetzbar . bleibende mündliche Unterweisung 
bieten können. Mit knappen Formulierungen ist dem Anfänger 
am wenigsten gedient. Auch darf nur dem Vorgeschrittenern 
ein Dogma wie das des Vokalsystems der englischen Schule 
geboten werden. Dem Anfänger ist jedwede Systematisierung 
nur schädlich bei einem Gegenstande, bei dem es allein 
darauf ankommt, eine richtige Vorstellung von den gespro- 
chenen Schallgebilden und ein richtiges Gefühl für dieselben 
zu bekommen. Nur eine opportunistische Methode kann hier 
zum Ziele führen. 

So anfecehtbar Sweets Satz ist “ The only sound basis 
of theoretieal phoneties is a practical mastery of a limited 
number of sounds”, weit grössere Bedenken erregt die zweite 
Forderung, welcher das Buch Rechnung trägt: “The most 
important requisite for the praetical phonetieian is faeility 
in handling phonetie notation”. Ich gehöre auch zu denen, 
“who are inelined to grumble” — zwar weniger “at the suppo- 
sed diffieulty of the “Organie’ notation”, die in diesem Buche 
zur Anwendung kommt — aber über diese Art von 'Trans- 
skription an und für sieh, von deren Zweckmässigkeit ich 


Sweet A Primer of Phonetics. 95 


mich überhaupt nicht überzeugen kann, geschweige denn für 
einen Anfänger. Ich frage mich vergebens nach dem prakti- 
schen Nutzen einer Transskription, nach der jede Artiku- 
lationsstellung durch ‘einen besondern Strich oder Haken 
oder Punkt, reehts oder links, oben oder unten, bezeichnet 
wird, um so mehr, als absolute Genauigkeit ja doch ausge- 
schlossen ist. Da sind mir Jespersens mathematische Be- 
zeichnungen noch lieber. Was soll aber überhaupt eine 
“organische’ Transskription? Geschriebene und gedruckte Sätze 
und Wörter wollen wir doch lesen. Wir verbinden mit dem 
Buchstaben die Vorstellung von einem bestimmten Schallbilde, 
nicht von einer bestimmten Artikulationsstelle. Hier wird 
es immer einer besondern Beschreibung bedürfen, welche, 
abgesehen davon dass sie genauer ist als jede auch noch so 
fein ausgeklügelte “organische Transskription, auch den durch 
die vorhergehende und folgende Artikulationsstellung gege- 
benen Verhältnissen Rechnung tragen kann, was jene nicht ver- 
mag. Jene Transskription halte ich nicht nur für eine Spielerei, 
sondern insofern für eine zumal für Anfänger — gefähr- 
liche Spielerei, als hierdurch die Vorstellung erweckt wird, 
als gäbe es überhaupt fest abgegrenzte Laute, wie Buchstaben, 
eine Vorstellung, von welcher sich leider noch die wenigsten 
frei zu machen vermögen. Die Einführung der “organischen ’ 
Transskription in dem Primer’ dürfte daher nicht als ein 
Fortschritt gegenüber dem “Handbook angesehen werden. 
Ist das Buch nach meinem Dafürhalten für einen An- 
fänger sehr wenig geeignet, so ist es für den Vorgeschritte- 
nern vorzüglich als praktisches Repetitorium und als eine 
Art Katechismus der englischen Schule. Die Einteilung des 
Stoffes ist im wesentlichen die des “Handbook ; nur ist er 
mehr konzentriert. Der 39 S. umfassende Appendix “ The 
prineiples of spelling reform” fehlt ganz. Statt der holl., isld., 
schwed. und dän. Lautphysiologie bringt der “Primer ausser 
der engl. (15 S.), französ. (10 5.) und deutschen (8 5.) noch 
eine lateinische (Ὁ 5.) und griechische (4 S.). Der Lautphy- 
siologie folgen allemal Textproben in zum Teil dreifacher 
Transskription, der "Örganie’, der 'Broad Romie’ und der 
“ordinary spelling’. 
“ Die Ausstattung des Büchleins ist eine mustergültige. 
Stralsund, den 3. Oktober 1891. Otto Bremer. 


Taylor I. The origin of the Aryans. An account of the 
prehistorie ethnology and eivilisation of Europe, ‚ London 
Walter. Seott 1890.-.339 S. 83°. 3 sh. (θ᾽ ἃ. 

Für das Interesse, das man auch in England den wich- 


94 Taylor The origin of the Aryans. 


tigen Fragen nach der Kultur und Herkunft der Indoger- 
manen oder Arier, wie man dort zu Lande sagt, entgegen- 
bringt, legt ausser der neu erschienenen Übersetzung von 
Schraders Sprachvergleiehung und Urgeschichte auch dieses 
Buch beredtes Zeugnis ab. Es kann aber auch allen Deutschen, 
die sich mit den Fragen der ältesten Kulturgeschichte be- 
schäftigen, in mehr als einer Hinsicht empfohlen werden. 
Denn es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn jemand heute 
linguistische Paläontologie treibt, er die übrigen Wissenschaf- 
ten, die Lieht über die Urzeit verbreiten können, Ethnologie, 
Anthropologie und Archäologie, in den Kreis seiner Betrach- 
tung ziehen muss. Es geht nicht mehr an, dass die Sprach- 
wissenschaft im stolzen Selbstbewusstsein die Resultate dieser 
andern Wissenschaften unbeachtet lässt, es dürfte ihr sonst 
das Loos blühen, dass sie wiederum Luftschlösser erbaut, 
wie es bei der Frage nach der Urheimat der Fall war. 

In dem vorliegenden Werke wird uns nun eine äusserst 
klar und anziehend geschriebene Einführung in die Probleme 
und Resultate aller der erwähnten Wissenschaften geboten, und 
seine Bedeutung liegt m. E. in dieser Zusammenfassung, die 
den Weg weist, der künftig zu betreten ist. Der Verf. will 
keine neue Hypothese bieten, er zieht nur das Fazit der 
bisherigen Anschauungen und giebt eine Kritik derselben. 
In linguistischer Beziehung ist er ganz von Schraders erster 
Auflage abhängig. Das hat natürlich seine Nachteile, die 
wir leider mit in den Kauf nehmen müssen, da bei einer so 
schnell fortschreitenden Wissenschaft, wie die Sprachwissen- 
schaft es ist, fast jedes Buch, das nicht auf eigener Forschung 
beruht, schon beim Erscheinen recht viel Veraltetes bieten 
muss. Aber, da der Verf. die durch die Sprachwissenschaft 
sewonnenen Resultate durch die übrigen Wissenschaften stützt 
und korrigiert, so ist der Schaden nicht allzu gross. Gewiss, 
es finden sich in den sprachlichen Teilen des Buches zahl- 
reiche Fehler, manche Etymologie ist falsch, manche mehr als 
zweifelhaft, aber dass die Resultate des Buches dadurch bein- 
trächtigt würden, kann ich nieht finden. 

Von dem Inhalt geben die 6 Kapitel: I the Aryan 
controversy, II the prehistorie races of Europe, III the neo- 
lithie culture, IV the Aryan race, V the evolution of Aryan 
speech, VI the Aryan mythology kaum genügende Vorstel- 
lung. Als Hauptpunkte des Buches möchte ich folgende 
bezeiehnen. Für Asien als Heimat der Indogermanen lässt 
sich schlechterdings gar nichts vorbringen, vielmehr ist es 
durch archäologische und anthropologische Momente völlig 
sicher gestellt, dass die Europa bewohnenden Rassen dort von 
dem Zeitalter der geschliffenen Steingeräte an sesshaft sind. Iden- 


Taylor The origin of the Aryans. 95 


tität von Sprache schliesst nieht Identität von Rasse ein, und 
da Europa in der prähistorischen Zeit von vier verschie- 
denen Rassen bewohnt ist, so fragt es sich, welcher derselben 
die indogermanische Sprache zuerst angehörte. Von diesen 
vier Rassen scheiden zwei sofort aus, und es bleiben nur 1) die 
Skandinavier, gross, dolichocephal, mit blondem Haar, 
blauen Augen, jetzt repräsentiert durch die Schweden, Friesen 
und blonden Norddeutschen, und 2) die Kelten, gross, 
brachycephal, mit hellen Augen und rötlichem Haar, jetzt 
repräsentiert durch Dänen, Slaven und einige Iren. Penka 
nimmt bekanntlich die erste für die Indogermanen in An- 
spruch; Taylor macht dagegen sehr wichtige Bedenken gel- 
tend, und hat, um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, diese 
zweite Rasse aufgestellt. Dadurch würde es sich erklären, 
dass Litauer und Slaven die indogermanischen Laute am 
treusten bewahrt haben. Taylor eignet sich den Grundsatz 
an, dass viele der starken Veränderungen, die die Einzel- 
sprachen erlitten haben, durch Aneignung des Idioms seitens 
einer fremden Rasse entstanden sind, wobei er treffend das 
Beispiel der romanischen Sprachen heranzieht. Wenn der 
Verf. die Zischlaute in den satem-Sprachen dem Einfluss 
eines fremden Volkes zuschreibt, so übersieht er, dass von 
vielen Gelehrten, so von Joh. Schmidt, die Ursprünglichkeit 
dieser Laute verteidigt wird. Gerade durch die Ausführungen 
Taylors scheint mir diese Annahme an Wahrscheinlichkeit zu 
gewinnen; ist sie richtig, so würde uns das Litauische noch 
heut am treusten die Grundsprache repräsentieren, und da 
ferner das Litauische allein von allen Sprachen so subtile 
Unterschiede wie den gestossenen und schleifenden Ton be- 
wahrt hat, und da uns endlich die sprachlichen Thatsachen, 
wie ich demnächst zeigen werde, ebenfalls nach dem von 
Litauern und Slaven bewohnten Gebiet als Urheimat weisen, 
so scheint die Annahme Taylors allerdings manche Schwierig- 
keiten, freilich nicht alle, zu lösen. Ich hoffe bei anderer 
Gelegenheit. die Ansichten des Verf. genauer erörtern zu 
können. 
London, den 23. September 1891. Herman Hirt. 


Pischel R. und Karl F. Geldner Vedische Studien I. Bd. 
Stuttgart W. Kohlhammer 1889. XXXIIH und 327 8. 8°. 
M. 12. 

Die beiden namhaften Verfasser dieses ersten Bandes 
der „Vedischen Studien“, von denen, wie ich höre, ein zwei- 
ter Band sich jetzt gerade im Druck befindet, haben durch 


96 Pischel, Geldner Vedische Studien. 


ihre Arbeit die Veden-Kenntnis wesentlich gefördert. Es ist 
hier nicht Ort und Raum, um auf alle die belehrenden Ein- 
zelheiten einzugehen, welche die Autoren als Resultate einer 
entsagenden und mühevollen Bienenarbeit dem Veda-Forscher 
bieten. Nur der gesunde Grundgedanke kann hier hervor- 
gehoben werden. Es ist der, dass der Veda in erster Linie 
nicht als Denkmal indogermanischen, sondern indischen 
(reistes, als Erzeugnis und Zeugnis indischen Nationalwesens 
zu betrachten sei. Aufklärungen, welche die indogerma- 
nische Forschung gewährt, werden dabei selbstverständlich 
weder zurückgewiesen noch als unmöglich hingestellt. Ich 
halte diesen Grundgedanken für fruchtbar und bin wie die 
Verfasser der Ansicht, dass sogar Rgveda und Avesta und 
die ihnen zugrunde liegenden Anschauungsformen schon die 
Endpunkte einer langen Sonderentwicklung bilden. 

Wenn nun aber der Rgveda in erster Linie an die na- 
tional-indische Kultur und Entwicklungsreihe angeknüpft wird, 
so ist dabei die sehr wesentliche Unterfrage nach der Ein- 
heitlichkeit oder Nicht-Einheitlichkeit derselben mehr in den 
Vordergrund zu rücken. Ich bin zu der Ueberzeugung ge- 
langt, die ich in den Grundzügen schon in den Gött. Gel. 
Anz. 1891 No. 24 ausgesprochen habe und in fernern Un- 
tersuchungen näher zu begründen haben werde, dass es im 
alten arischen Indien zwei nach Wesen und Sprache getrennte 
Bevölkerungskomplexe gab, die sich in zwei verschiedenen 
Richtungen aus den vedischen Sitzen abgesondert hatten und 
dann auf getrennten Gebieten in eigentümlicher Weise sich 
weiter entwickelten: das brahmanische Sanskrit-Volk im Gan- 
ges-Thale und das nicht-brahmanische Päli-Volk im ganzen 
Indusgebiet und den südwestlichen Küstenländern. Wir haben 
so eine Dreigabelung der arischen Kultur und Sprache: Im 
Westen der iranische, im Osten der sanskritisch-brahmanische 
und in der Mitte in südlicher Erstreckung der Päli- Zweig. 
Der Rgveda bezeichnet den Berührungs- und Schnittpunkt 
dieser drei divergierenden Entwicklungsreihen. Es ergibt 
sich so die einfache Konsequenz, dass, nachdem dem Avesta 
und der sanskritischen Tradition (der letztern in markante- 
ster Weise durch Pischel und Geldner) das Recht vindiziert 
worden ist, als Erkenntnisquelle für die Rätsel des Rgveda 
zu gelten, nunmehr auch auf die Kultur und Sprache des 
Päli-Komplexes als selbstständigen und gleichberechtigten 
Faktor für die Veda-Kenntnis voller Nachdruck gelegt wer- 
den muss. Prof. Pischel selbst hat schon längst zu denen 
gehört, welche die Notwendigkeit betont haben, auch die Auf- 
klärungen, die Päli und Präkrit bieten, für den Rgveda nutz- 
bar zu machen, und auch im vorliegenden Werke wird von 


Pischel, Geldner Vedische Studien. ὍΝ 


den beiden Autoren diese Forderung wiederholt, z.B. S.XXXI: 
“selbst das Päli und Präkrit darf der “Vedist’ von Fach nicht 
ungestraft ignorieren”. Bei den bisherigen Anschauungen 
über die Sprachgruppierung in Indien konnte man es aber 
nur dem Zufall zuschreiben, dass hier und da Altertümlich- 
keiten im Päli und in den Präkrits erhalten sind, welche im 
Sanskrit fehlen, und die Ausnutzung dieser sogenannten Vul- 
gär-Sprachen für die Veda-Erklärung musste so den Charakter 
des Nebensächlichen tragen. Sie wird, wenn meine Anschauun- 
gen richtig sind, in Zukunft den der prinzipiellen Gleichberech- 
tigung annehmen müssen. Ich würde den mir zugemessenen 
Raum überschreiten, wenn ich die Reihe der dem Rgveda 
mit dem Päli resp. den Präkrits allein, nicht mit den Skr. 
gemeinsamen Eigenheiten, die schon wiederholt hervorgehoben 
sind und die bei meiner Auffassung mindestens die einfachste 
Erklärung finden, noch um einige vergrössern wollte. Aber 
zweierlei will ich doch hervorheben, nämlich einmal, dass 
ich im Päli auch den rgvedischen Instrumental auf -@ von 
a-Stämmen gefunden zu haben glaube und bei Gelegenheit 
die Belege dafür erbringen werde. Sodann möchte ich zur 
Stütze dessen, was Geldner 5. 119 ff. über kara — Sieg’ 
im Rgv. auseinandersetzt, und als vereinzelten Beweispunkt 
für die Fruchtbarkeit der Päli-Vergleichung he rvorheben, dass 
die Wurzel kar in der That im Päli die Bedeutung besie- 
gen’ hat. Zwar Dhammap. 42: diso disam yan tam kayira, 
veriväd pana verinarı, wo man sich zu gleicher Deutung ver- 
sucht sehen könnte, ei] dieselbe durch den folgenden Vers 
höchst unwahrscheinlich gemacht. Sicher aber steht sie für 
das Mahäparinibbänasutta (Journ. Roy. As. Soc. VII S. 52): 
akaranmiya "va bho. Gotama Vajjı ranna Maägadhena.. yad 
idarn yuddhassa — nicht zu besiegen sind durch den Kö- 
nig von Magadha, o Gotama, die Vajjis im Kampfe. 

Sodann noch zwei kurze Bemerkungen anderer Art! 
Ss. 18 behauptet Pischel auf Grund von astrand kurute “er 
übt sich in den Waffen’ ‚und von krtapunlkha “einer, der im 
Pfeilschiessen geübt ist”, dass ösaukrt auch be deuten könne 
“einer der sich im Pfeilschiessen übt‘, “Pfeilschütz’. Ich halte 
das für sehr gut möglich auf Grund der Prinzipien, die 
ich betreffs der Kompositionsverkürzung in ZDMG. XLIV 
S. 481 ff. erörtert habe, und als spezielle Parallele möchte 
ich, wiederum aus dem Päli, das Beispiel von S. 485 anfüh- 
ren, in dem ebenfalls Kunstfertigkeiten mit dem blossen Na- 
men des Gegenstandes bezeichnet werden, an dem sie sich 
äussern: Cullavagga I, 15, 2: hatthismim assasmim rathas- 
mim dhanusmim tharusmin sikkhanti, und aus der Mähä- 
rästri das a. a. Ὁ. folgende Beispiel isatthe — — “in der Kunst 


98 Geldner Avesta Die heiligen Schriften der Parsen. 


umzugehen mit Pfeilen und anderen Geschossen” (Skr. isu+ 
astra). 

Schliesslich erblicke ich in dem sädam — rasam des 
T. Br., nach Pischel S. 72 Ὁ: — "den schmackhaften Ab- 
sud', einen neuen Beleg für meine Anschauungen über die 
Komposition, die ich Gött. Gel. Anz. 1891 No. 24 ausgeführt 
habe, wonach nicht eine geheimnisvolle Kraft der Bahuvrihi- 
Komposition den beiden Gliedern den relativen, sekundären 
Sinn beilegt, sondern jedes selbständige Substantiv denselben 
annehmen und demnach “das und das besitzend bedeuten 
kann. 

Berlin, 171. Dez. 1891. R. OttorFranke. 


Avesta Die heiligen Schriften der Parsen, im Auftrag 
der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien 
herausgegeben von Karl F. Geldner. Gr. 4°. Stuttgart 
W. Kohlhammer 1885 ff. Erster Theil. Yasna 1886. Zwei- 
ter Teil. Vispered und Khorde Avesta 1889. 

Eine neue Ausgabe des Avesta war schon seit gerau- 
mer Zeit zu einem dringenden Bedürfnis geworden. Und als 
vor nunmehr sieben Jahren die erste Lieferung des obigen 
Werks erschien, wurde das Unternehmen von allen Seiten 
mit freudigem Dank begrüsst. Inzwischen sind der ersten 
Lieferung noch weitere fünf gefolgt und damit zwei Bände 
zum Abschluss gelangt. Ein dritter, der den Vendidad brin- 
gen wird, die bei Westergaard unter Jasht 21—24 geführten 
Stücke, sowie die in der ersten Lieferung versprochenen bis- 
her noch nicht veröffentlichten Texte, steht noch aus. Leider 
schreitet das Werk nicht so rüstig voran, als man es wünschen 
möchte und nach der raschen Aufeinanderfolge der drei ersten 


Lieferungen — sie: sind datiert vom Dezember 1884, August 
1885 und März 1886 — erwarten durfte. Es scheinen immer 


noch etwa vier bis fünf Jahre darüber hingehn zu sollen, 
bis das Werk uns vollständig vorliegt. Doch soll darum 
dem Herausgeber kein Vorwurf gemacht werden. 

Gegen die äussere Einrichtung der Neuausgabe habe ich 
früher — Kulıns Literaturblatt II 385 ff. — einige Einwen- 
dungen erhoben und dabei den Wunsch ausgesprochen, Geld- 
ner möge sich darüber äussern (386 Note). Das ist bisher 
nur bezüglich eines Punktes geschehen, der Niehtberücksieh- 
tigung des von mir mit m umschriebenen Zeichens; 5. KZ. 
XXX 328 Note 2). Voll aufrecht muss ich meinen Vorwurf 


i) Freilich in sehr kurzangebundener Weise. Welche Hand- 
schriften verwenden das Zeichen und welche nicht ? 


Geldner Avesta Die heiligen Schriften der Parsen. 99 


erhalten wegen der Verwendung des von Justi mit si wie- 
dergegebenen Zeichens für das vor ? (1) stehende s und 
für $k. Überall wo die Etymologie auf ar. sk hinweist, findet 
sich in den Handschriften neben jenem Zeichen auch s und 
k in getrennter Schreibung. So z. B.: saskenka J. 53. 1 
(vgl. AF. II 52); saskustema A. ὃ. 4 (ebd.); iskata® J.10.11, 
32102 14,19. 3 (vgl. Studien II 56) an den beiden letz- 
ten Stellen steht die Ligatur nur in je einer Handschrift —; 
huskem J. 11. 8, σι. 5. 771), Umgekehrt tritt vor ?, soviel 
ich sehe, niemals s+-k auf. Danach hätte in der Ausgabe 
unterschieden werden müssen. 

Auch darin behalte ich Recht, dass von den kritischen 
Zeichen * für “unächte” Wörter und 7 für “inkorrekte und 
verdächtige Verse” anfänglich ein zu ausgedehnter Gebrauch 
gemacht wurde. Die spätern Hefte lassen nicht Weniges 
unbeanstandet, was die ersten bei gleichem Wortlaut als un- 
ächt oder inkorrekt bezeichnen. Man vergleiche z.B. J. δῖ. 
ed mit “1. 102103, 13: 10: 0... δὲ 5. mit . 91: 8 
Denn αἰ. 8. 11: und im nämlichen: Heft Jt. 5. 34 mit 
9.14; 8 11 mit 10. 55. Im Hom-Jasht, der gewiss nicht 
schlecht überliefert ist, steht * 9, 7 8 mal im Text. Ich 
würde gern beide Zeichen überall vermissen. Sie spiegeln 
ja eben doch nur die zeitweilige Ansicht des Herausgebers 
wieder, welche, wie es sich von selbst versteht und wie die 
angeführten Stellen beweisen, vor Änderung keineswegs 
sicher ist. Was insbesondere die Metrik des jüngern Avesta 
anlangt, so ist es mir kaum zweifelhaft, dass auch Geldner 
jetzt wesentlich andern Anschauungen huldigt als früher. Die 
Verszeilen der Jashts lassen sich nach meiner Meinung am 
ersten mit solchen deutschen Zeilen vergleichen, wie sie uns 
Ζ. B. zu Anfang des ersten Faustmonologs entgegentreten. 
Da ist auch keine feste Schablone zu spüren, mit regelmäs- 
sigem Wechsel von Hebung und Senkung und mit unabän- 
derlicher Silbenzahl: und gleichwohl wird Niemand leugnen 
wollen, dass es dennoch Verse sind. Gegenüber Geldners 
Angaben betreffs der gathischen Verszeilen (1 98, 150 ff.) ge- 
statte ich mir wiederholt auf meine Ausführungen in AF. Il 
1 ff. zu verweisen. 


1) Der Eigenname in Jt. 9. 31 ist unsicher. — razbwiskarem 
Vsp. 3. 1 und G.3.5 wird auch von Geldner mit s+Ak geschrieben; 
s. die Varianten zur ersten Stelle. 

2) Ich spreche bei der Gelegenheit wiederholt die Bitte aus, 
Geldner möge auch die ihm in den Handschriften aufstossenden 
Zendalphabete veröffentlichen, sei es in der Ausgabe sei es anders- 
wo. Ihre Wichtigkeit ist doch nicht zu verkennen. Gehen die 
Handschriften erst wieder nach Indien zurück, so sind sie damit 
der Wissenschaft verloren. 


100 Geldner Avesta Die heiligen Schriften der Parsen. 


Geldner hat sich in anerkennenswerter Weise bemüht, für 
die Neuausgabe eine möglichst breite Unterlage zu schaffen. 
Dank der Einsicht und Bereitwilligkeit mehrerer Dasture ist 
es ihm geglückt, etwa fünf Mal so viel Handschriften zur 
Benutzung zu erhalten, als seiner Zeit Westergaard bei sei- 
ner Ausgabe vorgelegen haben. Und unter den bisher nicht 
verwerteten Handschriften befinden sich solche allerersten Rangs. 
Es ist klar, dass dadurch der Text des Avesta in überaus 
zahlreichen und wichtigen Punkten Veränderungen erfahren 
hat. Die früheren Ausgaben sind damit antiquiert. Sonach 
ergibt sich die Notwendigkeit, bei jeder Erörterung, die sich 
auf das Avestische bezieht, auch schon bei den blossen An- 
führungen seltnerer Avesta-Wörter die Neuausgabe einzusehen. 
Das mag ja gewiss für den Sprachforscher, der bisher zu- 
frieden war, sich für seine Aufstellungen auf Justis Handbuch 
berufen zu können, recht unbequem sein, insbesondere auch 
darum, weil die dortigen Stellenangaben vielfach eine andre 
Paragrapheneinteilung zur Voraussetzung haben als die Geld- 
nersche. Ich bin aber überzeugt, dass Justi selbst mir völ- 
lig beistimmen wird. Wörter wie duie “zu geben‘, kusi 
‘Höhle’ (s. IF. I 492 Note) sollten nicht mehr auf der Bild- 
fläche erscheinen. Die Versuche, Avesta philologisch zu be- 


handeln ohne Rücksicht auf die Neuausgabe — z. B. BB.XV 
317, wozu KZ. XXXI 273 zu vergleichen; ferner ZDMG. 
XLIV 363 ff., besonders 368 f. zu J. 28. 4 — werden hof- 
fentlich ohne Nachahmung bleiben. 

Dass es — bei der Summe von Lesarten, bei dem Wider- 


spruch, in dem sich vielfach auch die besten Handschriften 
nicht nur mit einander. sondern auch mit sich selber befin- 
den, endlich bei der Schwierigkeit der Exegese — nicht eben 
leicht war, sich zu entscheiden und dabei das Richtige zu 
treffen, bedarf eigentlich keiner besondern Versicherung. Und 
wenn gesagt werden darf, dass man in der weitaus grössern 
Mehrzahl der strittigen Fälle dem Herausgeber zustimmen 
ınuss, so bedeutet das für ihn kein geringes Lob. 

Ich kann natürlich hier keine erschöpfende Polemik 
treiben, sondern muss mich begnügen, einzelne Fälle heraus- 
zugreifen, da ich Geldner nieht beitreten kann. Im den Ga- 
thas findet sich 12 Mal die Form paouruim. So bietet auch 
Geldner an 9 Stellen, aber dreimal schreibt er powru’ auf 
Grund verschwindend weniger Handschriften; J. 28. 1: Pd, 
K 37; 31.8: 51 (pöuru’); 45. 3: Pt 4. Ausserdem findet sich 
pouru° nur noch in J T zu 45.5. Was war der Anlass, un- 
gleich zu schreiben? Das Nämliche gilt bezüglich mainieus 
J. 4. 7 (u. δ.) gegenüber manieus J. 61. 2 (u. ö.); zaraz- 
datöib σι. 13. 47 gegenüber zrazdät’ Jt. 10. 51, 15. 92 u. 


Geldner Avesta Die heiligen Schriften der Parsen. 101 


dgl. m. Anderswo hat sich doch Geldner nieht gescheut zu 
uniformieren. So schreibt er in den Gathas stets manieus, 
einmal, J. 31. 9, nur nach einer Handschrift, und in stetem 
Widerspruch mit der sehr sorgfältigen Handschrift Pt 41). 
Wird doch sogar Vp.9. 4 das nach meiner Ansicht ganz kor- 
rekte hudabiö andrer ähnlicher Stellen wegen in hudabto 
korrigiert; s. auch J. 24. 54 vanhudabio. 

Einige Male, so scheint es, hat sich Geldner durch 
srammatisch-linguistische Erwägungen vom rechten Weg ab- 
lenken lassen. So J. 38. 4, als er gegen fast alle Hand- 
schriften friamaht in den Text setzte; das n in frianmahı, 
an dem er sich offenbar gestossen hat, ist ganz am Platz; 
Den 119. 80 ὑ' 49: 9, als er mit Einer Handschrift 
ja gegen jam aller übrigen aufgenommen hat; vgl. meine 
Studien I 73. So Jt. 10. 45, wo er Westergaards hispö- 
semna gegen die besten Jashthandschriften durch Ahispös’ 
ersetzt hat; vgl. Jt. 8. 36. So J. 43. 8, wo die Bevorzugung 
ποτ Ὧν ἴῃ ME2, Jpl, K4 vor siao® in SI, M£f1, 1 2 
Κ Ὁ und den übrigen bloss dem indischen stdumi zu Liebe 
geschehen zu ὯΝ scheint. Warum ist die Lesart von Pt 4 
Zieht angeführt??) . Auch 4. 20:1 und Jt. 13. 21 bieten 
einige Hands ΠΝ Τα staumi; s. dazu BB. XVII 151 £. 
Über Andres der Art gelegentlich an andrer Stelle. 

Für eine Reihe von Stellen hat Geldner inzwischen 
selber eingeräumt, das Richtige verfehlt zu haben. Ich trage 
hier zusammen, was da und dort verstreut liegt, hoffend, 
dass das nicht überflüssig erscheinen wird. J. 30. le ὃ: 
jaekaı BB.’ XI 95. — ᾿ ala 9- Larmaitis, ὃ: hratus); 
Jackson a hymn 36. — J. 51. 15a 4: ma£nis; Jackson a. Ὁ 
41. — J. 31. 20e 2: vd; BB. XIV 13, Jackson a. O. 54. — 
283€ 2,3:2:0aipt: daibitana ; ὃ: asrüazdum; ΚΖ. XXX 528 
Bar ar :jabanais:;. BB. > 248, 250. — ἡ. 33. Ta 
4: ὦ ‚maipiaka ; BB. XV 249. 4. 94:1} 02: tasbio; BB: 
ον 2532 — J. 34..Da 9: vd; er XXVII 303. — 7. 49. 
κὰν 2: kilabwa;: KZ. XXX 317. — J. 43. 88 2: a bastıs; 
2.0. 518. — . 43. 12e und Ad l: uzireididi; a no 320. 
N 43. 12e 4: ranöibia; a. O. 320, BB. XIV 15. —— οἷς 
DDr ἀξ: ΚΟ ΧΧΧ 320, 531. I. 423 de), 4: 
tusna.maitis; BB. XV 259, KZ. XXX 321; 324. 1,48: 
16b 3: jeste; a. O. 321, BB. ΧΙν 19. -- ͵υὺ. 43, 164 1..2 
lveng.daresöt; ἃ. Ο. 19 ΠῚ ΚΖ. XXX 321. — 1. 44. 19e 3% 
maenis; Jackson a. O. 41. — 4. 46. 6b 4: a ΚΖ. 
XXX 532. 6 J. 46. 16b 5: usta stöi; BB. XIV Ξε 


1) S. auch J. 31. 9 bei Jackson a hymn 8. 
2) ΚΖ. XXXI 518 wird ebenfalls nichts erwähnt. 


102 Jackson The Avestan Alphabet. 


48. De ὃ, 4: aipt.zabem; ΚΖ. XXX 525, 950. — J. 48. Ta 
8... 20dum; a. 0..926. — J. 91a Pan: 2im0; 2202324 
— J. 51. 196 T:ıdaenarat: ΒΒ: ΧΙ ILS; Jackson 732 0745: 
— J. 60 Bd 3: asa drugem; KZ. XXXI 321. 

An Druckfehlern verzeichne ich: J. 1. 14. 26 1.: rasa- 


stato. - απ: ἢ. Ὁ. 2 12:2 2emarga202 03: 44.20 SR 
anment; vgl. BB. XII 98. — Jt.5. 120 f 21.: fianhuntaeka. 


— Jt. 10. 328 31.: garö nmäne. — ΤΙ 40 ist im Seitentitel 
Ardui Sür ausgefallen. 
Münster (Westf.), ὃ. November 1891. 


Chr. Bartholomae. 


Jackson A. V. W. The Avestan Alphabet and its Transerip- 
tion. Stuttgart W. Kohlhammer 1890. 36 S. 8°. M. 0,80. 
Das System, welches sich Jackson für eine Umschreibung 
des Avestaalphabets ausgesonnen hat und das er in der 
vorliegenden Broschüre empfiehlt, ist, das wird jeder zugeben, 
sehr geschiekt durchgeführt. Er wollte wissenschaftlich und 
praktisch zugleich sein, eine Absicht, die ihm gewiss ge- 
lungen ist; auch seine typographischen Anforderungen wird 
selbst eine bescheiden eingerichtete Druckerei befriedigen 
bez. wird sie sich mit den von ihm selbst gestatteten Er- 
leichterungen helfen können. Durchaus neu ist in Jacksons 
System die konsequente Verwendung eines Häkchens statt 
diakritischer Punkte oder Akzente, entsprechend dem sog. 
“Ableitungs-Strieh '; die andern von ihm benutzten Zeichen, 
wie 9, 3 (auf dem Kopfe stehendes 6, δ), ἢ, 2, ὃ, d, bv sind 
auch sonst schon, wenn auch wie 9, 5 noch nicht bei der 
Umschreibung des Avestaalphabets, angewandt worden. Statt 
do (ἃ) ein Zeichen aus ὦ und > zu kombinieren, war der 
Natur des Buchstabens vollständig entsprechend. Ilech meines- 
teils würde gern bereit sein, Jacksons Transskription anzu- 
wenden, wie sie auch schon einmal in einer kurzen Note von 
mir im Am. Journ. of Phil. zur Anwendung gekommen ist. 
wenn ich nieht durchaus der Ansicht Hübschmanns wäre, dass 
neue Transskriptionsvorschläge das Gesamtgebiet der iranischen 
Sprachen, nicht bloss das Zend umfassen müssen. Wir um- 
schreiben heute ziemlich allgemein nach Hübschmanns Weise 
wenigstens das Armenische, Ossetische, Beluci; diese bereits 
erreichte teilweise Einigkeit, die ich natürlich keineswegs be- 
daure, ist Jacksons System nicht günstig, dessen Buchstaben 
vielfach nicht zu Hübschmanns Transkription passen. Eher 
würde Jackson auf Annahme seiner Vorschläge rechnen kön- 
nen, wenn er sich entschlösse, sein System auf die iranischen 
Sprachen überhaupt auszudehnen. 


Jackson a hyımn of Zoroaster. 105 


Einen besonderen Wert verleiht dem Schriftehen die 
beigegebene übersichtliche vergleichende Tafel der bisherigen 
Umsehreibungen des Avestaalphabets. 

Strassburg i. E. Paul Horn. 


Jackson A. V. W. a hymn of Zoroaster. Yasna 31. Trans- 
lated with comments. Stuttgart W. Kohlhammer 1888. 
M. 1.90: 

Das Dunkel, in das die Hymnen des altiranischen Vol- 
kes gehüllt waren, beginnt sich allmählich zu lichten. Auf 
grammatischem, metrischem und exegetischem Gebiet sind 
wir in den letzten 10 Jahren unzweifelhaft um ein gut Stück 
weiter gekommen. Der Inhalt jener Gesänge, die zum gröss- 
ten Teil auf den Stifter der mazdischen Religion selber zu- 
rückzuführen sind, ist keineswegs so unbestimmt, so leer und 
gleichzeitig so zusammenhanglos wie er etwa in Spiegels Über- 
setzung erscheint. Es ist vorerst nur ein kleiner Kreis, den 
Zarathushtras Anhänger bilden; die Mehrheit steht abseits oder 
verhält sich geradezu feindlich; daher denn auch die wieder- 
holten Klagen in den Hymnen. Im übrigen bieten sie keine 
besonders grosse Zahl religiöser Ideen. Ein hervorstechen- 
der Zug ist die vielfache Beschäftigung mit den letzten 
Dingen. 

Es war ein glücklicher Griff, jene Hymne neu zu be- 
arbeiten, deren Behandlung durch Roth im Jahre 1876 von 
so wesentlichem Einfluss auf die Gathaexegese geworden ist. 
Manche Zeile und Strophe der Hymne wurde schon in der 
Zwischenzeit erörtert. Jackson hat die einschlägige Litte- 
ratur gut benutzt und es ist ihm zweifellos gelungen, die 
Rothsche Übersetzung in vielen und wichtigen Stücken zu 
verbessern. Dass gleichwohl noch eine stattliche Reihe von 
Differenzpunkten übrig bleibt, darf bei der Sprödigkeit des 
Stoffs nicht Wunder nehmen. Ein Paar will ich hier nam- 
haft machen. 

Str. 1: agusta möchte ich lieber mit ai. djusta-, av. 
zaosa- usw. verbinden; g zu z ist ja auch sonst nachweisbar. 

Str. 2: urudne nimmt man besser als Infinitiv “zur 
Wahl’, denn als Dativ zu arwan-, der normal urune zu lau- 
ten hat. 

Str. ὃ: Die Erklärung der Worte 70 14 md eresis halte 
ich nicht für gelungen. Ich glaube doch, dass eresis das 
ai. 788 wiedergibt. 

Str. 9: pabam, das Jackson noch an anderer Stelle 
besprochen hat, nehme ich als Lok. Sing. wie ai. usdm, us- 
räm, ksapdm u. a. 


Anzeiger I 9, fo) 


104 Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie. 


Str. 12: Zur Bedeutung von maeha s. jetzt BB. XV 251. 

Str. 13: Die Etymologie von bwisra halte ich für falsch; 
hierüber ausführlicher IF. I 492 f. 

Str. 14: Zu henkeretä vgl. Caland Zur Syntax 50 Note. 

Str. 17: aipi.debauatiap möchte ich jetzt nicht mehr mit 
debenaoti usw. zusammenstellen, sondern mit aipı.daibitänd 
“Irrlehrer ; vel. ΚΖ. XXX 528. Ebendazu auch ddebaoma 
RR ἴὰ 

Str. 18: Zu dusita s. meine AF. I 100. 

Str. 22: Zu: vazisto .astis 5. BB. XV.10#., XV 340. 

Münster (Westf.), November 1891. 

Chr. Bartholomae. 


von Hartel W. Über die Aufgaben und Ziele der klassischen 
Philologie. Inaugurationsrede, gehalten am 13. Oktober 
1890 im Festsaale der Universität. Zweite Auflage. Wien, 
Leipzig, Prag Freytag u. Tempsky 1890. 36 S. Lex. 8°. 
Me. 

Lipsius J. H. Die Aufgaben der klassischen Philologie in 
der Gegenwart. (Rektoratswechsel an der Universität Leip- 
zig am 31. Oktober 1891 5. 17—34.) Leipzig Druck von 
Edelmann. 4°. 

bonnet Δ]. La philologie elassique. Six conförenees sur l’ob- 
jet et la methode des etudes supcrieures, relatives A l’an- 
tiquit@© greeque et romaine. Paris Klincksieck 1892. III 
02 224 S Wo ΠΕ 

Drei namhafte Vertreter der klassischen Philologie be- 
handeln Methode und Aufgabe ihrer Wissenschaft — ge- 
wiss ein erfreulicher Beweis dafür, wie lebhaft man allerorten 
bestrebt ist, trotz der unvermeidlichen Arbeitsteilung und 
der unerlässlichen Detailforschung das Ganze nicht aus dem 
Auge zu verlieren. 

Am ausführlichsten hat Bonnet, der Verfasser des be- 
kannten Werkes über das Latein des Gregor von Tours, jetzt 
Professor an der philosophischen Fakultät zu Montpellier, sein 
Thema behandelt. Am ausführlicehsten, doch nicht am um- 
fassendsten. Vielmehr sind ihm an Weite des Blicks und 
Grösse der Auffassung die beiden deutschen Gelehrten un- 
zweifelhaft überlegen. 

Doch es ist hier nieht der Ort zu einer erschöpfenden 
Kritik. Diese muss den Organen der klassischen Philologie 
überlassen bleiben. Hier kann nur ein einziger Punkt zur 
Sprache kommen, dessen Bedeutung freilich nicht gering ist. 
Es ist die alte Frage: Wie stellt sieh die klassische Philolo- 


Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie. 105 


gie zu unsrer eignen Wissenschaft, der indogermanischen 
Sprachforschung'? 

Man weiss, dass zwischen beiden kaum jemals ein nä- 
heres Verhältnis bestanden hat. Während die germanische 
Philologie vom ersten Tag ihres Bestehens an unlösbar mit 
der indogermanischen Sprachwissenschaft verknüpft ist, hat 
die klassische Philologie von vorneherein der jüngern Schwes- 
ter gegenüber eine kühle, ja feindselige Haltung eingenom- 
men. Der Hauptgrund dieser Abneigung hat bei Lobeck 
klassischen Ausdruck gefunden. Ich meine den berühmten 
Angriff auf jene Mezzofantis, die Griechisch zu können glau- 
ben, wenn sie einige Wörterbücher und Kompendien durch- 
blättert haben, und verhängten Zügels durch hundert Spra- 
chen schweifen. 

Der Vorwurf ist hart, doch nicht ganz unberechtigt. We- 
nigstens nicht im Mund eines Mannes, der einst von sich 
bekannt hat: Wenn die Natur uns vergönnte 

"zum zweiten Male jung und wieder alt zu sein’, 
so würde ich diese doppelte Dauer des Lebens zwischen bei- 
den Studien verteilen, da die einfache kaum zur Kennt- 
nis einer Sprache hinreicht. 

Es ist das grosse Verdienst von Georg Curtius hierin 
Wandel geschaffen zu haben. Selbst von der Klassischen Phi- 
lologie ausgehend, mit ihren Anschauungen und Bedürfnissen 
daher völlig vertraut, hat er durch seine ebenso besonnene 
wie feinfühlige Behandlung der griechischen Sprache das jün- 
gere Geschlecht der klassischen Philologen in einem Umfange 
für die Sprachforschung gewonnen, wie niemand vorher — 
und nachher. 

Aber dieses erfreuliche Zusammenwirken beider Wissen- 
schaften hat nur kurz gedauert. Es kamen die siebziger 
‚Jahre und mit ihnen, Schlag auf Schlag, immer neue, immer 
glänzendere Entdeckungen, die bald die ganze Auffassung 
von dem Wesen und der Entwicklung der Sprache umge- 
stalteten. Aber in dem heissen Kampfe, der nun zwischen 
dem mächtig vordringenden Neuen und dem zähen Wider- 
stand leistenden Alten entbrannte, ward das von Curtius kaunı 
erst geknüpfte Band wieder zerrissen! grösser denn je ward 
jetzt die Zurückhaltung der klassischen Philologie. Es mag 
sein, dass diese Entfremdung unvermeidlich gewesen ist, sie 
bleibt aber darum nicht minder bedauerlich. 

Heute sind seit jenen Kämpfen schon Jahre dahinge- 
gangen. Was damals mühsam erobert und gegen Angriffe 
von allen Seiten unablässig verteidigt werden musste, ist 
längst zum unbestrittnen Gemeingut aller Sprachforscher 
geworden. Aber nun, da die Ruhe wieder hergestellt und 


100 Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie. 


der schwer errungene Besitz unter Dach und Fach geborgen 
ist, drängt sich aufs neue die Frage auf: Sollte jetzt nicht 
eine Versöhnung mit der alten Gegnerin, der klassischen 
Philologie, möglich werden? Gibt es keine Anzeichen, die 
über ihre zukünftige Stellung zur Sprachwissenschaft Auf- 
schluss geben können? 

Der geharnischte Protest, den erst vor kurzem ein be- 
kannter Gräzist gegen Methode und Ergebnisse der idg. 
Sprachforschung erhoben hat), gibt wenig Hoffnung. Er be- 
weist nur zu deutlich, dass die alten Vorurteile noch immer 
nicht ausgerottet sind. 

Auch Bonnets Auffassung des Verhältnisses von Philo- 
logie und ee ist nicht darnach angethan, 
dass man reine Freude daran haben könnte. Man mag seine 
Achtung vor der idg. Sprachwissenschaft, ihrer Methode und 
ihren Resultaten, deren Kenntnis er von jedem klassischen 
Philologen fordert, dankbar anerkennen; aber wenn man sieht 
wie er sich abmüht die alte Scheidung zwischen "philologi- 
scher’ und “linguistischer” Behandlung der Grammatik auf- 
recht zu erhalten, wenn man liest, dass das individuelle’ 
Element in der Sprache für den "Philologen’ von höchster 
Bedeutung sei, während es für den "Linguisten’ nur ganz 
geringen Wert habe, — wenn man diesen und ähnlichen An- 
schauungen begegnet, die längst als unhaltbar erkannt und 
abgethan sein sollten, dann kann man sich eines Gefühls von 
Unbehagen nicht erwehren. Was frommen alle schönen Worte, 
wenn in den Grundfragen solehe Unklarheit herrscht? Was 
not thut, ist die lebendige Erkenntnis, dass es nur eine ein- 
zige Art der Sprachbetrachtung gibt, die historische, die zu- 
gleich der physischen und der psychischen Seite der Sprache 
erecht zu werden weiss. 

Schon ein Blick auf die Geschichte der germanischen 
Philologie hätte Bonnet vor seinem verhängnisvollen Irrtum 
bewahren können. Hier hat man von einem Unterschied 
zwischen “philologischer und "linguistischer Sprachbetrach- 
tung nie etwas gewusst. Und doch wird nicht leieht jemand 
behaupten wollen. dass die germanische Grammatik in ihren 
Leistungen hinter der griechischen und der lateinischen zu- 
rückstehe. 

Mit doppelter Freude muss es da erfüllen, wenn man 
zwei klassische Philologen von der Bedeutung eines Hartel 
und Lipsius ihr gewichtiges Urteil über das Verhältnis ihrer 


1) Friedrich Blass im Vorwort zu seiner Neubearbeitung 
von Kühners griechischer Grammatik. Vgl. Brugmanns Bespre- 
chung Anzeiger I 13. 


Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie. 107 


Wissenschaft zu der unsern ganz und gar in dem Sinn ab- 
geben hört, den alle Sprachforscher seit langem als den 
alleinberecehtigten vertreten. Durch die völlige Übereinstim- 
mung beider Gelehrten gewinnt ihre Auffassung noch wesent- 
lieh an Wert: jeder Philologe wird sich in Zukunft 
mit ihnen, also mit Angehörigen seines eigenen 
Faches auseinanderzusetzen haben, wenn er die 
sprachwissenschaftliche Behandlung der Gramma- 
siksaplehmen will. 

Es muss, so sagt Hartel, die klassische Philologie und 
müssen alle andern, die deutsche, slavische, romanische, in 
enger Fühlung mit der idg. Sprachwissenschaft, ihren Ergeb- 
nissen und Methoden bleiben, wenn sie ihre Sprachen aus 
einem grossen Zusammenhang begreifen und in die lückenlose 
iüintwiekelung derselben aus der Fülle sprachlicher Mögliech- 
keiten einen richtigen Einblick gewinnen wollen. Und Lip- 
sius erklärt kurz und bestimmt: Seit Bopp ist für die wis- 
senschaftliche Grammatik die ausschliessliche Beschränkung 
auf das Gebiet der beiden klassischen Sprachen zur Unmög- 
liehkeit geworden. Damit ist auch von klassisch - philologi- 
scher Seite der sogenannten philologischen’ Grammatik das 
Todesurteil gesprochen. 

Aber — denn es fehlt auch hier ein Aber nicht — von 
der unumwundensten Anerkennung einer Theorie bis zu ihrer 
Verwirklichung in der Praxis führt nicht immer ein kurzer 
und leicht gangbarer Weg. Dessen wird man sich bewusst, 
wenn Hartel konstatiert, dass die idg. Sprachwissenschaft 
sich in ihren Wegen, Voraussetzungen, Formeln und Theo- 
rien so eigenartig entwickelt habe, dass ohne besonderes 
Studium kein Philologe eine linguistische Abhand- 
lung’ unserer Tage zu verstehen vermöge. 

Ich habe mir erlaubt, die letzten Worte hervorzuheben, 
weil sie mir von grösster Wichtigkeit zu sein scheinen. Denn 
sie berühren, wenn auch noch so schonend, einen wunden 
Punkt, der geheilt werden muss, falls ein fruchtbares Zu- 
sammenwirken von klassischer Philologie und idg. Sprach- 
wissenschaft mehr als ein frommer Wunsch sein soll. 

Gewiss, wir dürfen es uns nicht verhehlen, die idg. 
Sprachwissenschaft hat im Lauf der Jahre einen so esoteri- 
schen Charakter angenommen, dass man sieh nicht wundern 
darf, wenn mancher trotz alles guten Willens daran verzwei- 
felt, ihre Lehren sich zu eigen zu machen. Diesen Charak- 
ter muss sie unbedingt abstreifen, wenn sie darauf Anspruch 
erheben will — und sie muss es — auch im praktischen 
Leben den ihr gebührenden Platz einzunehmen. Bevor sie 
das nicht gethan hat, wird sie auch nicht als integrieren- 


108 Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie. 


der Bestandteil in das Lehrgebäude der klassischen Philolo- 
gie eingefügt werden. Denn für den Philologen ist das Stu- 
dium der Sprache nur ein Teil seiner Aufgabe, wenn auch 
ein wichtiger, ein unerlässlicher. Aber er kann sich unmög- 
lich in solchem Maasse darein vertiefen, wie der Sprachfor- 
scher, dessen Lebensberuf es bildet. Er ist daher zu dem 
Verlangen berechtigt, dass ihm das Sprachstudium, soweit 
es irgendwie angeht, erleichtert werde. Das geschieht in erster 
Linie durch gemeinfassliche Elementarbücher. Das Vorurteil. 
das man in Deutschland noch vielfach gegen sie hegt, als 
ob sie der Verflachung Vorschub leisteten, muss endlich ein- 
mal überwunden werden. Denn gerade das Gegenteil ist 
wahr: je schneller die Anfangsgründe überwunden werden, 
desto mehr Zeit bleibt für das eigentlich wissenschaftliche 
Studium übrig. Dann werden auch die Klagen verstummen, 
die man gegenwärtig so häufig hören muss, dass ausserhalb 
der engsten Fachkreise das Verständnis für das Wesen und 
die Entwicklung der Sprache so überaus gering sei. 

Die Zeit für ein planmässiges Vorgehen in dieser Rich- 
tung ist heute so günstig wie vielleicht nie zuvor. Der Sieg 
der neuen Anschauungen ist längst entschieden. Brugmanns 
ausgezeichneter Grundriss bietet für jedermann eine zuver- 
lässige Grundlage und fast unerschöpfliche Fundgrube. Pauls 
Prinzipien fassen die leitenden Ideen in musterhafter Weise 
zusammen. Diese und andere Schätze gilt es nun für die 
Praxis zu verwerten, für die weitesten Kreise nutzbar zu 
machen. Nur auf diese Art kann die Sprachforschung die 
breite Basis gewinnen, die jede Wissenschaft zu gedeihlicher 
Fortentwickelung braucht. 

Das ist von jeher meine Überzeugung gewesen und ich 
habe mich bestrebt sie so gut, wie mir möglich war, in 
die That umzusetzen: mit welchem Erfolge, mögen andre 
beurteilen, wenn das Ergebnis vorliegt. Hätte ich diese 
Überzeugung nicht gehabt, die Worte Hartels und Lipsius’ 
würden sie mir gegeben haben. Denn sie lehren unzweideu- 
tig, dass es der klassischen Philologie an gutem Willen nicht 
mehr fehlt, dass es jetzt nur darauf ankommt, ob auch die 
ide. Sprachwissenschaft aus ihrer halb freiwilligen, halb un- 
freiwilligen Abgeschlossenheit heraustrete und die ihr gebo- 
tene Hand ergreife. 

Ich hoffe zuversichtlich, dass die beiden Reden bei einer 
recht grossen Zahl von Fachgenossen die gleiche Anschauung 
sei es hervorrufen, sei es kräftigen werden. Gelingt ihnen 
das, so wäre ihr Verdienst schon gross genug, auch wenn 
sie keine andern Früchte getragen hätten. 

Dezember 1891. Wilhelm Streitberege. 


Schrijnen Etude sur le phenomene de U’ s mobile. 109 


Sehrijnen J. Etude sur le phenomöne de Τ᾿ s mobile dans 
les langues celassiques et subsidiairement dans les groupes 
eongeneres. Louvain J. B. Istas 1891. 90 p. 8°. 

On connait l’explieation que l’on donne ordinairement 
des formes parallöles asigmatiques et sigmatiques comme 
κεδάννυμι, CKEDAVVUUL, τέγος, CTEYW, etc. Ces doublets devraient 
leur existence A une loi du sandhi de la phrase qui aurait 
agi des l’epoque indo-europcenne. 

M. Schrijnen fait valoir contre cette hypothese des ar- 
guments qui ne manquent pas de force et qui en ebranlent 
assur&ement la vraisemblance C'est que la plupart des ex- 
plications relatives ἃ des phenomenes aussi anceiens ont ne- 
cessairement un cöte conjeetural et hasardeux qu’il est assez 
facile de mettre en relief. La αἰ ποι est de les remplacer 
par des hypotheses meilleures. Non content de eritiquer ses 
devaneciers, M. Schrijnen pretend avoir decouvert une cause 
nouvelle et plus vraisemblable du phenomene de I’ s mobile. 
Je n’oserais dire qu’'il a reussi dans cette täche. mais e’est 
un merite de l’avoir essay6, et sa tentative est digne d’at- 
tention. 

Selon M. Schrijnen, la caracteristique des formes sig- 
matiques en regard des formes asigmatiques est la nuance 
intensive. J’ai le regret de ne trouver aucun des exemples 
eites ἃ l’appui de cette these veritablement convaincant. A 
plus forte raison, dois-je faire les plus grandes reserves sur 
les eonelusions que l’auteur tire de ce point de depart {πὺξ 
douteux. 1L’ s serait le reste d’un ancien mot significatif 
(raeine sa?), et les racines A s initial representeraient des 
composes prehistoriques. 

A l’objeetion que l’hypothese d’une semblable composi- 
tion verbale n’est corroborece par rien d’analogue dans l’Epo- 
que indo-europeenne, M. Schrijnen repond en reportant la 
date de ses compos6ös A une Eepoque proto-arienne. En d’au- 
tres termes, l’hypothese de l’auteur nous introduit de plain- 
pied dans l’Cpoque paleontologique anterieure ἃ l’indo - euro- 
peen tel qu’il nous est permis de le reconstruire par la com- 
paraison. C’est la un domaine infiniment obsceur, tout rempli 
de problemes effrayants, et ot, dans l’Ctat actuel de la science, 
je n’ai nulle envie de m’aventurer. 

La liste des doublets sigmatiques et asigmatiques de 
M. Schrijnen est faite avec beaucoup de soin. Il a cependant 
trop ceede au desir, frequent en pareil cas, de multiplier les 
exemples favorables a sa these. Aussi un assez grand nombre 
de ses rapprochements me paraissent extremement douteux. 
Il serait trop long de les enumerer; je n’en eiterai que quel- 
ques-uns. Page 27: yxnd-oc douleur', rapproche de cxaZw, 


110 Sütterlin Zur Geschichte der Verba denominativa. 


“couper‘. Page 50: τάφ-ος n’est pas pour τῇῳτος. C'est la 
forme faible d’une racine θᾶφ- (τέ-θηπ-α); cf. τάχος de la 
racine 80x. Des lors, rien de plus hasardeux que de rappro- 
cher creußw, ἀετεμφής de τάφος. 

p. 59: Le gotique badrban “avoir besoin’ est A tort 
rattach‘ A un racine terbh, sterbh et compar& A ταρφύς “Gpais. 
L’ / de barf et du v. ἢ. all. darfan prouvent que la racine 
est ferp- et non terbh-; la vraie etymologie de Darf me pa- 
rait avoir ὁ. donnee par M. F. de Saussure, Mem. 500. ling. 
VII P..83 ss. 

ll serait tout ἃ fait superflu d’indiquer les autres rap- 
prochements contestables. Les linguistes ne pourront consulter 
les exemples de M. Schrijnen qu’aveec reserve, et en contrö- 
lant leur lögitimite. Telle qu’elle est d’ailleurs, cette &nume- 
ration comble une lacune et rendra des services. 

En general, l’auteur est suffisamment au courant des 
meilleurs travaux röcents. On s’ctonne cependant de rencontrer 
des explications comme celle-ei: "xedavvuuı est forme d’un 
theme en a, κεδα, et du suffixe cvu ἡ. Je doute fort de l’exi- 
stence de ce suffixe cvu, et je decomposerais FKEdAC-VUUL. 

En somme, la brochure de M. Schrijnen, qui lui a servi 
de dissertation inaugurale, est un bon travail de debutant et 
elle renferme des promesses pour l’avenir. 

Gand. L. Parmentier. 


Sütterlin L. Zur Geschichte der Verba denominativa im 
Altgriechischen. .l. Die Verba denominativa auf -άω, -Ew, 
-Ow. Strassburg Karl J. Trübner 1891. 8°. 1288. M..3. 

Die vorliegende Schrift ist nicht ohne Vorgänger; v. ἃ. 

Pfordten gab eine Statistik der Verba denominativa und 

skizzierte nach allgemeinen Gesichtspunkten ihre Geschichte, 

Johansson betonte die vorgeschichtlichen Fragen — Sütterlin 

schliesst sich v. d. Pfordten an, indem er besonders mit Ver- 

wertung inschriftlichen Materials die Sammlungen seines Vor- 
gängers ergänzt und teilweise berichtigt; aber der Haupt- 
zweck der Abhandlung ist der, im einzelnen den formalen 
und stofflichen Analogien nachzuspüren, welche mitgewirkt 
haben, die Typen auf -aw, -ew und -όω über ihren lautge- 
setzlichen Rahmen hinaus auszubreiten und mit bestimmter 
funktioneller Bedeutung auszustatten. Dadurch, dass jeweils 
die lautgesetzlichen Formen vorangestellt und die verschie- 
denen Gruppen sauber geschieden werden, ist eine klare Ein- 
sicht in den Verlauf des Entwicklungsprozesses ermöglicht. 
Vielleicht ist — bei allem Geschick, das der Verfasser dieser 
Untersuchung zeigt — manchmal eher zuviel Mühe auf das’ 


Audouin Etude sommaire des dialeetes grecs. 111 


Auffinden einzelner Analogieen verwendet. Der Verfasser 
weist selbst darauf hin, dass in jedem einzelnen Falle die 
bestimmende Analogie nicht mehr festzustellen ist; anderer- 
seits muss betont werden, dass eine bestimmte Musterform 
oft gar nicht notwendig war, nachdem einmal die Typen auf 
τάω usw. funktionell geworden waren. 

Von Einzelheiten kann ich nur ganz wenig herausgrei- 
fen. Glücklich scheint mir die Erklärung der Faktitiva auf 
-έω (S. 50 ff.). Die Formen auf -öw werden aus der Proportion 
FCKETTO, CKETTOIC : CKETTAW — θρίγκῳ, θρίγκοις : Bpıyköw abgeleitet 
(S. 98). Die These, dass diese Bildung schon “in der letz- 
ten Zeit der idg. Sprachgemeinschaft” entstanden sei, bleibt 
freilich ohne Beweis. Zu den S. 122 aufgezählten nicht laut- 
gesetzlichen Bildungen auf -öw bemerke ich, dass es nicht: 
gerade notwendig war, Muster unter den Derivatis von o-Stäm- 
men zu suchen, da Verba wie ὀρνιθόω, BaAkaccöow sehr wohl 
auf Grund des Kompositionsvokals in ὀρνιθο-εκόπος, ὀρνιθο-τρό- 
@Oc u. 5. w. oder θαλαςςοπόρος u. ä. geschaffen werden konnten. 
Für den Wechsel der Endungen -aw und -έω in späterer Zeit 
(5. 91) giebt die Entwickelung der Präsensbildung im Mittel- 
und Neugriechischen einen deutlichen Fingerzeig: der Zu- 
sammenfall der Verba auf -daw und -ew im Aoriststamm 
(ἐτίμ-η-εα EPIA-N-ca) verursachte eine Vermischung im Präsens, 
die im Neugriechischen ziemlich vollständig geworden ist. 
Doch ich breche ab. Ich hebe nochmals hervor, dass der 
Verfasser durch seine sorgfältige Untersuchung sich ein ent- 
schiedenes Verdienst um ein interessantes Gebiet der grie- 
chischen Sprachgeschichte erworben hat. 

Freiburg i. B. Albert Thumb. 


Audouin E. Etude sommaire des dialectes grecs litteraires 
(autres que l’attique), avec une preface par Ὁ. Riemann. 
Paris C. Klineksieck 1891. 304 S. kl. 8°. Frs. 3. 

Bei den philologischen Prüfungen in Frankreich werden 
häufig Aufgaben gestellt, die Vertrautheit mit den griechischen 
Dialekten erfordern. Riemann führt im Vorwort aus den 
letzten Jahren die Themata an: licenee £s lettres (Paris, mars 
1891): “transerire en dialeete attique Herodote III 91; ex- 
pliquer les formes ioniennes contenues dans ce morceau et 
Justifier les changements de formes et de syntaxe introduits 
dans la traduction” ; — agregation de grammaire (1887): 
donner la döelinaison dorienne de Movca, la d&eclinaison ionienne 
de ὕβρις"; — agregation des lettres (1886): “expliquer les 
formes particulieres au dialecte homerique qui se trouvent 
dans le passage suivant: Homöre, Iliade, vers 200—206”; 


112 Boisacq Les dialeetes doriens. 


usw. Das Büchlein Audouins will in erster Linie der Vorbe- 
reitung auf diesen Teil der griechischen Prüfungen dienen, 
indem es die griechische Schulgrammatik ergänzend die 
Hauptregeln des homerischen, herodoteischen, dorischen und 
äolischen Dialektes zusammenstellt. 

Leipzig. Richard Meister. 


Boisacq E. Les dialeetes doriens, phon6tique et morpholo- 
rie., Paris Thorin.1891. ΧῚῊ u. 220:8.=2r. 82. 

Die Brüsseler Dissertation Boisaeqs zeugt von Belesen- 
heit und Sammelfleiss und wird gewiss Vielen zur Ergänzung 
des von Ahrens De dial. Dor. behandelten Materials will- 
kommen erscheinen. Wo es gilt die Spracherscheinungen zu 
erklären, begnügt sich der Verf. gewöhnlich mit Zitaten und 
Verweisungen auf die neuere einschlägige Literatur, und tritt 
nur selten bei der Entscheidung strittiger Fragen mit eige- 
nem Urteil hinter seinen Vordermännern hervor. 

Leipzig. Richard Meister. 


Jo 


Immerwahr W. Die Kulte und Mythen Arkadiens. 1. Band: 
Die arkadischen Kulte. Leipzig B. G. Teubner 1891. VIIL 
1.0288 5: or. Sy MA, 

Das vorliegende Buch Immerwahrs gehört zu einer ge- 
genwärtig immer zahlreicher werdenden Klasse mythologi- 
scher Untersuchungen, welche der namentlich durch Ὁ. Grup- 
pes einschneidende Kritik vollendete Zusammenbruch der Hy- 
pothese von Kuhn und Max Müller, dass alle Kulte und My- 
then der einzelnen indoeuropäischen Völker nach Analogie 
ihrer Sprachen auf eine gemeinsame proethnische Religion 
zurückzuführen seien, hervorruft. Da nämlich die “ Stamm- 
baumtheorie” der Kuhn-Max Müllerschen Schule, der zufolge 
“das Verhältnis der ethnischen zu den proethnischen Reli- 
gionsanschauungen sich graphisch in der Form einer einfa- 
chen genealogischen Tabelle oder eines sich allmählich in 
immer kleinere Arme verästelnden Flusses” (Gruppe Die 
griech. Kulte u. Mythen usw. 5. 139 ff.) darstellen lassen soll, 
fast durchweg als nichtig erwiesen worden ist, so sind neuer- 
dings viele klassische Philologen, durch den eklatanten Mis- 
erfolg der frühern vergleichenden Methode!) kopfscheu ge- 


1) Leider scheint sich das Misstrauen der klassischen Philo- 
logie gegen die Vergleichungen Kuhns und Max Müllers neuerdings 
auf alle vergleichenden Methoden, sogar auf die Sprachver- 
zleichung, erstreckt zu haben. Man vgl. das was Immerwahr 


Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens. 113 


worden, wieder zu der bekannten von K. Οὐ. Müller begrün- 
deten und später von H. D. Müller, Gerhard u. A. weiter aus- 
gebildeten “Stammmythentheorie” (Gruppe a. ἃ. Ο. 141 ff.) 
zurückgekehrt, indem sie die unendliche Fülle der verschie- 
denartigsten Lokalkulte und -Mythen, die wir schon in der 
ältesten historischen Zeit über ganz Griechenland ausgebreitet 
finden, aus dem Verschmelzen verschiedener griechischen 
Stämme und Stammreligionen zu erklären suchen und anneh- 
men, dass, wenn an zwei oder mehrern Orten gleiche oder 
ähnliche Religionsvorstellungen sich vorfinden, diese Gleich- 
heit oder Ähnlichkeit nur durch die Wanderung eines und 
desselben Stammes von einem Orte zum andern sich begrei- 
fen lasse. Bekanntlich hat Gruppe (a. a. 0.) auch diese Theo- 
rie einer sehr scharfen Kritik unterworfen, indem er (S. 144 ff.) 
behauptet, dass die gesamte antike Überlieferung über Stamm- 
wanderungen nicht blos konstruiert, sondern auch falsch 
konstruiert sei, und sogar die bisher allgemein für eine histo- 
rische Thatsache gehaltene dorische Wanderung (wie auch im 
letzter Zeit Beloch gethan hat) für eine völlig unhistorische 
Fiktion erklärt. Natürlich kann ich mich an diesem Orte 
nieht auf eine eingehende Kritik der Gruppeschen Ansichten 
einlassen; es mag genügen hier zweierlei zu bemerken, er- 
stens, dass die Annahme einer Wanderung verschiedener grie- 
chischer Stämme (meist in der Richtung von Norden nach 
Süden), selbst wenn sie in vielen Einzelfällen vor dem Rich- 
terstuhle der strengsten historischen Kritik nicht beweisbar 
erscheint, doch im Ganzen schon deshalb eine sehr probable Hy- 
pothese ist, weil viel mehr historische Thatsachen mit ihr im 
Einklang als im Widerspruch stehen, und zweitens, dass eine 
prähistorische Völkerwanderung auch für die Balkanhalbinsel 
an sich höchst wahrscheinlich ist, weil derartige Verschie- 
bungen ganzer Völker und Stämme auch sonst nachweislich 
in den verschiedensten Gegenden Europas, Asiens und Afri- 
kas stattgefunden haben und geradezu als ein Charakteristi- 
kum gewisser primitiver Kulturperioden angesehen werden 
können. Ob freilich schon die Gleichheit oder Verwandt- 
schaft zweier Kulte an zwei verschiedenen oft weit ausein- 
anderliegenden Orten genügt, um daraus auf eine Wanderung 
desselben Stammes von einer Landschaft in die andere zu 
schliessen, muss auch ich mit Gruppe (a. a. Ὁ.) in den mei- 


5. 204 gegen eine der sichersten mythologischen Etymologien, näm- 
lieh die Ableitung des Namens Πάν ( Hüter der Heerden) von 
Wz. pa ‘hüten’ (vgl. pa-scor, pa-s-tor, pa-bulum, Pa-les u. 5. W.), 
bemerkt, um seine völlig unhaltbare Deutung des Pan als “Sonnen- 
gott’ zu stützen (vgl. dagegen mein Buch Uber Selene und Ver- 
wandtes Leipzig 1890 S. 148 ff.). 


114 Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens. 


sten Fällen bezweifeln, zumal da ja in historischer Zeit Kulte, 
Religionsvorstellungen und Mythen sich nicht bloss durch Ko- 
lonialgründung, sondern auch durch Abschluss politischer und 
religiöser Konföderationen sowie durch willkürliche Rezeption 
stammfremder Gottheiten auf Grund besonderer Veranlassun- 
gen geradezu massenhaft sich verbreitet haben, und ausser- 
dem immer mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass 
gleiche oder ähnliche religiöse Vorstellungen sich auch bis- 
weilen ganz unabhängig von einander an verschiedenen Orten 
entwickelt haben. 

Möge man aber über den historischen Wert der Stamm- 
wanderungstheorie von Ötfr. Müller und H. D. Müller, an 
die sich Immerwahr in den religionsgeschichtlichen Partien 
seines Werkes offenbar angeschlossen hat, denken wie man 
will: immerhin ist und bleibt eine möglichst vollständige 
Statistik der sämtlichen griechischen Lokalkulte und 
Lokalmythen auf Grund der antiken Zeugnisse eine höchst 
dankbare und notwendig zu lösende wissenschaftliche Auf- 
gabe. Dieser Forderung für Arkadien zuerst in recht be- 
friedigender Weise genügt zu haben, wird als ein bleibendes 
Verdienst des Verf. dankbar anerkannt werden müssen. Was 
die Anordnung des Stoffes betrifft, so ist sie eine ganz 
ähnliche wie in der 1888 zu Upsala erschienenen Abhandlung 
Wides De sacris Troezeniorum, Hermionensium, Epidaurio- 
rum und höchst wahrscheinlich auf dieselbe Anregung (K. 
Robert?) zurückzuführen. Wie Wide verfolgt auch 1. einen 
bestimmten Götterdienst durch die einzelnen Stadtgebiete und 
Landschaften, und zwar in der Weise, dass jedesmal die ge- 
samten für einen Kult vorhandenen Zeugnisse, also Autoren- 
stellen, Inschriften, Kunstdenkmäler, vor allem aber die Mün- 


zen — und .zwar die ersten beiden Kategorien in vollem 
Wortlaut — nach einzelnen Stadtgebieten oder Landschaften 


alphabetisch geordnet an die Spitze gestellt sind, um alsdann 
im Zusammenhang besprochen zu werden. Die Reihenfolge 
der behandelten Kulte ist folgende. Den Reigen eröffnen die 
grossen Götter: Zeus, Hera, Poseidon, Athena, Hermes, De- 
meter und Kora, Apollon, Artemis, Ares, Aphrodite; diesen 
sehliessen sich an Götter wie Asklepios, Pan, Helios, Selene, 
Ge u. s. w., den Beschluss machen die Kulte der Heroen und 
der historischen Personen wie Hadrian und Antinoos. Am 
Ende des Werkes finden sich mehrere nützliche Register, 
nämlich 1) ein Verzeichnis der einzelnen Kultkomplexe, 2) 
ein index locorum, 3) ein epigraphisches und 4) ein Sachre- 
gister. 

Die eigentliche Bedeutung des Buches von 1. besteht 
nach meiner Ansicht in der sehr fleissigen, gewissenhaften 


Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens. 115 


und, wie mir scheint, auch annähernd vollständigen Zusam- 
menstellung der antiken Zeugnisse, die uns über arkadische 
Kulte erhalten sind. Zu .diesen Partien des Werkes wird 
wohl nur Weniges nachzutragen sein. Ich gestatte mir fol- 
gende Bemerkungen und stelle es dem Herrn Verf. anheim, 
eventuell im 2. Bande davon Gebrauch zu machen. 

Im ersten Abschnitt über den Zeus Lykaios (5. 1 f.), 
der wohl am besten mit Abschnitt VII (5. 7) verbunden wor- 
den wäre, vermisse ich den Hinweis auf die Lokalbeschrei- 
bungen moderner Reisenden, z. B. von E. Curtius, Bursian 
u. A. Überhaupt dürfte es sich empfehlen, solehen auf Au- 
topsie beruhenden Schilderungen der Kultlokale künftig noch 
mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als dies 1. gethan hat, 
und dieselben geradezu mit in die Zahl der Zeugnisse auf- 
zunehmen. — ὃ. 4 hätte die Frage, ob im Text des Pausa- 
nias V 5,3 die von I. aufgenommene Lesart Λευκαίου Διός rich- 
tig oder statt dessen Λυκαίου zu schreiben ist, eine einge- 
hende Erörterung verdient, da sie für die Erkenntnis des 
ursprünglichen Wesens des Iykäischen Zeus von grosser Be- 
deutung ist. Sollte Λευκαίου, wie 1. anzunehmen scheint, rich- 
tig sein, so würde sich diese Lesart als ein schr gewichtiges 
Zeugnis für die übrigens von I. mit guten Gründen erschüt- 
terte Deutung des Iykäischen Zeus als eines Lichtgottes ver- 
werten lassen. — Jn dem Abschnitt über die Λύκαια, deren 
ungefähre Kalenderzeit S. 21 aus Xenophons Anabasis scharf- 
sinnig bestimmt wird, fehlt unter den Zeugnissen Simonides 
fr. 157 v. 8 bei Bergk P. Lyr.? 8. 919: eEvixncev..... dVo d 
ἐν Λυκαίῳ, ausserdem vermisst man ungern die Antwort auf 
die von Schwegler R. G. 1356, 1 angeregte Frage, ob sich 
nicht der beiderseitige Anteil, den Zeus und Pan an den 
lykäischen Spielen hatten, genau bestimmen lasse. Wenn I. 
S. 6 aus Paus. 8, 38,5 schliesst, dass der lykäische Pankult 
älter als der Zeuskult sei, so ist mir dies höchst zweifelhaft, 
zumal da die ältern griechischen Zeugen nur von Zeus 
als Inhaber der Lykaia reden. 

Es ist sehr beachtenswert, dass in der Reihe der nach 
Immerwahr’s Beobachtungen in Arkadien verehrten grossen 
Götter Hephaistos!) und Hestia fehlen. Meiner Ansicht 
nach sollten die Verfasser solcher Kultstatistiken nicht bloss 
eine Liste der nachweisbaren Götter für die behandelten Ge- 
biete, sondern auch eine solche der fehlenden, zumal 
wenn sie eine solche Bedeutung wie die beiden genannten 
haben, entwerfen. Ob freilich Hestiakult mit Recht als in 


k 1) Nach Wide im Skandinav. Archiv Bd. IH. 1 Lund 1891 
S. 120 Anm. ** fehlt Hephaistoskult auch in Lakonien. 


110 Meyer Etymologisches Wörterbuch. 


Arkadien fehlend angenommen wird, ist mir sehr zweifelhaft. 
Ich verweise auf die κοινὴ ἑςτία (περιφερὲς εχῆμα EXouca) zu 
Mantineia b. Paus. 8, 9, 5, auf die ecria ᾿Αρκάδων κοινή zu 
Tegea (Paus. 8, 59, 9), sowie auf das Kollegium der Hiero- 
thyten zu Phigaleia (Paus. 8, 42, 12), Thatsachen, die wenig- 
stens von Preuner in seinem gründlichen Artikel über Hestia 
in meinem Ausführl. Lex. ἃ. gr. u. röm. Mythol. I Sp. 2650 ff., 
wie mir scheint, mit Recht auf Hestiakult bezogen werden. — 
Auch vermisst man ungern eine kurze Zusammenstellung der- 
jenigen Kulte, welche in den nachweislich von Arkadern ge- 
gründeten Kolonien, zZ. B. auf Kypros und Zakynthos, be- 
standen haben. Vielleicht lassen sich dieselben noch in einem 
dem zweiten Bande beizugebenden Anhange nachtragen. 

Was endlich die von 1. aus den Zeugnissen gezogenen 
Schlüsse hinsichtlich des Alters, der Herkunft, der Wande- 
rungen der einzelnen arkadischen Kulte betrifft, so bin ich 
geneigt, ihm vielfach beizustimmen, muss aber auch hie und 
da seine Folgerungen (namentlich hinsichtlich der Stammwan- 
derungen — s. oben! —) als mehr oder weniger zweifelhaft 
bezeichnen. Dennoch ist es dem Verf. im Grossen und Gan- 
zen gelungen, wahrscheinlich zu machen — und das scheint 
mir das wichtigste religionsgeschichtliche Resultat seiner Ar- 
beit zu sein, — dass selbst in das autochthone Arkadien eine 
ziemliche Menge von Kulten aus Boiotien, Thessalien und 
Argos schon in sehr früher Zeit Eingang gefunden habe. 
Ob freilich die Hera von Heraia aus Elis stammt, wie 1. 5. 94 
zuversichtlich meint, ist mir schon deshalb höchst fraglich, 
weil, wie die Schwankungen des Dialekts in den ältesten 
olympischen Inschriften lehren, die Pisatis vor der Eroberung 
durch die aiolischen Eleier eine mit den Arkadern verwandte 
Bevölkerung hatte (vgl. Blass Sammlg. d. griech. Dialekt-Inschr. 
S. 313. Busolt Griech. Gesch. I S. 36), also auch der umge- 
kehrte Weg (von Arkadien nach Elis) sehr wohl denkbar ist. 
Wir hoffen recht bald auch über die “arkadischen Mythen ” 
berichten zu können. 

Wurzen. W. H. Roscher:. 


Meyer G. Etymologisches Wörterbuch der albanesischen 
Sprache. Strassburg Karl J. Trübner 1891. XV pp. 256 S. 
5°. (Sammlung indogermanischer Wörterbücher III). M. 12. 

Der Verf. will in diesem Buche einerseits den Wort- 
schatz der albanesischen Sprache in möglichster Vollständig- 
keit bieten, anderseits das von ihm zusammengetragene und 
gesichtete Material auf seine Herkunft prüfen. In beiden 

Beziehungen leistet das Werk vorzügliches, so dass es un- 


Meyer Etymologisches Wörterbuch. 117 


zweifelhaft einen bedeutenden Fortschritt in der Erforschung 
dieser Sprache bezeichnet und wesentlich dazu beitragen 
wird, diesem "Stiefkind unter den indogermanischen Spra- 
chen’ zu seinem Rechte zu verhelfen. 

In der Deutung des albanesischen Wortschatzes war 
bisher das meiste von Miklosich geleistet worden, der sieh 
besonders um die Bestimmung der romanischen, slavischen 
und türkischen Lehnwörter verdient gemacht hat. Ausserdem 
hatte G. Meyer selbst, dem die Wissenschaft bekanntlich sehon 
eine ganze Reihe von wichtigen Schriften und Aufsätzen zur 
albanesischen Sprachforschung verdankt, bereits mancherlei 
Beiträge zur Worterklärung geliefert. Das vorliegende Wörter- 
buch bringt nun eine Fülle von neuen und, soweit Referent 
urtheilen kann, meist völlig befriedigenden Etymologien, 
namentlich viel neues für die Entlehnungen aus dem Neugrie- 
chischen und für das echt einheimische. Aber auch die Zahl 
der Lehnwörter aus dem Romanischen, Slavischen und Tür- 
kischen ist gegenüber den Ermittelungen Miklosichs beträcht- 
lich gewachsen dank den dem Verf. zu Gebote stehenden 
reichern Wortsammlungen; z. B. hat G. Meyer 1420 Wörter 
romanischen Ursprungs gegenüber 950 bei Miklosich. Dass 
das Albanesische von fremden Bestandtheilen geradezu wim- 
mele, ist längst bekannt. Dennoch ist das Ergebnis dieses 
Buches überraschend, dass sich von den etwa 5140 Wörtern, 
die in ihm behandelt sind, nur etwa 400 mit mehr oder 
weniger Sicherheit als altes indogermanisches Erbgut erweisen 
lassen; 1420 werden als romanische, 1180 als türkische, 840) 
als neugriechische Entlehnungen nachgewiesen, während etwa 
730 Wörter bis jetzt jeder Ursprungsdeutung widerstreben. 

Wer von unsern Lesern das Werk auf die in ihm ge- 
gebenen Wortdeutungen, namentlich in Bezug auf den echt 
einheimischen Sprachstoff durchnehmen will, dem ist zu em- 
pfehlen sich den Inhalt von G. Meyers Aufsatz in Bezzen- 
bergers Beiträgen VIII 185 ff. zu vergegenwärtigen; hier 
findet man die wichtigsten Lautgesetze der Sprache zusam- 
mengestellt!,. Für viele von dem Verf. angenommene Laut- 
übergänge wird uns freilich wohl erst die von ihm verspro- 
chene ausführliche albanesische Grammatik die nähere Be- 
gründung bringen. So z. B. für die Zurückführung von dan 
“troekne, dörre’ auf *saus-nio (S. 88). Ist mit dem n dieser 
Grundform sonantisches » (n) gemeint, was man nicht wissen 


1) Nunmehr ist daneben auch das kürzlich erschienene 3. Het! 
von G. Meyers albanes. Studien heranzuziehen, das eine ausführ- 
liche Lautlehre der idg. Bestandteile des Albanesischen enthält 
(vgl. die Bibliographie). 


118 Pauli Altitalische Forschungen. 


kann — der verehrte Herr Verf. könnte meines Ermessens 
etwas weniger zurückhaltend sein in der Anwendung diakri- 
tischer Zeichen, die doch zumeist mehr als “blendender Aufputz 
sind —, so deekte sich dan mit gr. αὐαίνω völlig und unter- 
schiede sich von lit. saäsinu nur durch das Mehr des 10- 
Suffixes. Bei nes- "nächst folgend’, das der Verf. aus *nöks- 
herleitet (S. 305), möchte man wissen, ob es nicht nach den 
Lautgesetzen auf *nöts- zurückgebracht werden kann. Denn 
das verglichene air. messa ist nicht auf ®neks-, sondern auf 
#nets- von Wurzel nedh- zurückzuführen (Ber. der sächs. Ges. 
der Wiss. 1890 5. 236). Die Vokalstufe von nes- — *nöt-s- 
wäre die des lat. nödu-s. 

Ausführliche Register erleichtern die Benutzung des 
Buches, und seinen Schluss macht eine dankenswerthe Alba- 
nesische Bibliographie , die bald noch einmal so viel Nummern 
aufweist als die vom Verf. in seinen "Alban. Studien 1. u. 
11 (1883 und 1584) gegebenen Litteraturverzeichnisse. Drolliger- 
weise ist die Erwähnung gerade dieser Studien‘, auf grund 
deren der Verf. die neue Bibliographie angefertigt hat, in 
dieser (S. 520) vergessen worden. 

Meyers treflliches Werk ist vor kurzem vom Institut de 
France mit dem Volney-Preise gekrönt worden. Hoffentlich 
bleibt dem Verf. auch der beste Lohn, den man ihm wün- 
schen kann, nicht aus, eine immer regere Betheiligung an den 
albanesischen Sprachstudien von seiten seiner Fachgenossen. 

Leipzig. K. Brugmann. 


Pauli ©. Altitalische Forschungen, dritter Band, Die Veneter 
und ihre Schriftdenkmäler. Mit zwei Liehtdruck- und 7 
zinkographischen Tafeln. Leipzig J. A. Barth 1891. M. 40. 

Der Verf. hat sich durch dieses Buch um die altitalische 

Sprachen- und Völkerkunde, die ihm bereits so Vieles ver- 

dankt, ein neues grosses Verdienst erworben. Die von F. 

schon 1885 in seinen “Inschriften nordetruskischen Alphabets 

aufgestellte, inzwischen von Breal angezweifelte Ansicht, dass 
die Sprache der auf dem Gebiet der alten Veneter und nord- 
östlich bis nach Kärnten hin gefundenen Inschriften eine 
indogermanische sei und mit dem Messapischen zur illyrischen 

Gruppe gehöre, wird hier in umfassender Weise und mit 

vielem Scharfsinn aufs Neue behandelt und definitiv zu er- 

weisen gesucht. Das Werk zerfällt, ähnlich wie das frühere, 
in vier Teile: I. Die Denkmäler (S. 1—80, Nachtr. 5. 441 ff.), 

II. Die Schrift (5. 81—231), III. Die Sprache (5. 232—412) 


=) 


IV. Das Volk (5. 415-—440). Den Schluss bilden ausführliche 


Pauli Altitalische Forschungen. 119 


Register und neun Tafeln mit sorgfältigen Reproduktionen 
der Inschriften. Der erste Teil gibt nach vortrefllichen Prin- 
zipien (vgl. S. 404 f.) den Text der Denkmäler in lat. Um- 
schrift, nebst genauen Angaben über Fundort, Grösse usw. 
Im zweiten Teil folgt zunächst die Begründung von Paulis 
Lesung einiger Schriftzeichen. Hervorgehoben sei der Nach- 
weis, dass statt Deeckes Θ teils ὁ teils ὁ zu lesen sei. Die 
Erörterung des venetischen οὐ führt zu einer ausgedehnten 
Untersuchung über die Bezeichnung des f-Lautes in den 
italischen Alphabeten; bezüglich des Faliskischen möchte ich 
noch immer die Kirchhoffsche Erklärung aus f gegenüber P. 
und Andern für wahrscheinlich halten (Paulis Beweisstück 
Νυμψίου S. 105 ist zu streichen, denn so und nieht Νυμφίου 
ist zu lesen. Zu der merkwürdigen Punktierung einzelner 
Buchstaben, die S. 191 ff. behandelt wird, ist jetzt auch der 
Aufsatz von Lattes Rendie. del Ist. Lomb. XXIV fase. 14 zu 
beachten, der den Punkten verbindende Geltung zuschreibt. 
Das wahrscheinlichste ist doch wohl, dass sie lautliche Be- 
sonderheiten ausdrücken sollen (z. B. bei Vokalen Quantität, 
Qualität oder Betonung), vgl. die lat. Apices und Sieiliei. 
Sehr viel Anfechtbares enthält der Abschnitt über den Ur- 
sprung des venetischen Alphabets und das Verhältnis zu den 
übrigen italischen Alphabeten (S. 215—231). Im dritten 
Teil, der die Sprache behandelt, bewähren sich aufs Beste 
Paulis bei der Beschäftigung mit dem Etruskischen heraus- 
gebildete methodische Grundsätze (vgl. besonders S. 234). 
Dass die Sprache idg. sei, dürfte jetzt ausser Frage stehen. 
Man sehe namentlich das S. 405 f. gegebene Schema der 
Deklination, an welchem allerdings noch Mehreres zweifelhaft 
bleibt. Ausserdem macht Pauli folgende Deutungen wahr- 
scheinlich: eyo “ego’; meyo “me (vgl. gr. Eue-ye got. mi-k); 
zonasto “dedit’ Aor. Med., zu 1. donare (unsicherer z0t0o — 
gr. ἔδοτο); rehtiiah Name einer Göttin, — einem lat. *Rectiae; 
-geneh in einem Eigennamen zu gr. -yevnc; Präpos. op ap 
per zu lat. ob ab per. Die grosse Masse des übrigen erhal- 
tenen Wortmaterials besteht aus Eigennamen. Der umfang- 
reiche Abschnitt über die letztern ist namentlich als Mate- 
rjialsammlung wertvoll. Ob aus den Eigennamen wirklich 
ein Beweis für das Illyriertum der Veneter zu erbringen 
sein wird, kann erst eine ganz eingehende Untersuchung 
zeigen. Die von Pauli behauptete nahe Verwandtschaft des 
Venetischen mit dem Messapischen hat in der That Manches 
für sich. Doch kann das Venetische mit dem Albanesischen, 
das Pauli (wohl der Hypothese von der Verwandtschaft des 
Messapischen mit dem Albanesischen sich anschliessend) auf 
S. 242 f., 263 heranzieht, nm etwas zu thun haben, 


Anzeiger I 2. 9 


120 Weise Charakteristik der lateinischen Sprache. 


wenn Paulis Erklärung von eyo meyo -zeneh richtig ist, da 
das Albanesische bekanntlich in der Behandlung der idg. 
Palatal-Reihe zur Gruppe des Arischen und Baltisch-Slavischen 
gehört. Der vierte Teil wendet sich, nach Bekämpfung der 
Ansicht, dass unsere Inschriften auch euganeisch oder gallisch 
sein könnten, zur Feststellung des Weges, auf dem die Veneter 
in ihr Gebiet einrückten und ihrer einstigen Ausdehnung. 
Ausser der venetischen nimmt P. noch zwei ältere illyrische 
Invasionen nach Italien an, die messapische und eine noch 
frühere, welche sogar vor der Einwanderung der Italiker 
stattgefunden haben soll und deren Spuren P. in Umbrien, 
Picenum und bis nach Latium hinein vorfindet (z. T. im 
Anschluss an Fligier). Inschriftliche Reste der Sprache dieser 
letztern Illyrier wären nach P. die bisher altsabellisch ge- 
nannten Inschriften; mir ist vorläufig die ältere Ansicht 
wahrscheinlicher. 
R.. v. -Planta: 


Weise F. Ὁ. Charakteristik der lateinischen Sprache. Leip- 
zig B. G. Teubner 1891. X und 171 S. M. 2,40. 

Unzweifelhaft richtig ist der vom Verfasser dieser Schrift 
in dem Vorwort ausgesprochene Gedanke, dass auch beim 
Sprachunterrichte, wie in anderen Unterrichtszweigen, auf die 
geschichtliche Entwickelung in gebührender Weise Rück- 
sicht zu nehmen sei. Als ein Baustein in dieser Richtung 
ist demnach dieser “Versuch’ zu betrachten, der an die 
Adresse aller Freunde der lateinischen Sprache gerichtet ist, 
ganz besonders aber doch für die Lehrer der obern Klassen 
und für Studierende der klassischen Philologie bestimmt sein 
dürfte. Darnach ist es wohl klar, dass man an diese Arbeit 
nicht den Masstab strengster wissenschaftlicher Kritik anlegen 
darf, die nicht eben gar zu selten mit den Anschauungen des 
Verfassers in Zwiespalt geraten müsste. Indessen wird der 
allgemeine Wert unserer Schrift durch diese Mängel im ein- 
zelnen nicht allzusehr herabgedrückt, wenn man auch bei 
dem ausgesprochenen Zwecke des Buches gerne namentlich 
in allen Fragen der Etymologie und Grammatik sichern 
und verlässlichen Aufschluss finden möchte. Auch ist nicht 
immer die treibende Ursache mit hinlänglicher Klarheit her- 
vorgeehoben, so z. B. hinsichtlich der Verschiedenheit der Vo- 
kalisation der griechischen und lateinischen Sprache, die doch 
sicher dureh die Natur des lateinischen Akzents hervorgerufen 
ist. Ich will und kann mich aber durchaus nicht auf eine 
ausführliche Bespreehung dieser Mängel einlassen und führe 
zur Orientierung des Lesers nur noch ausdrücklich an, dass 


Stowasser Eine zweite Reihe dunkle Wörter. 121 


«ler Verfasser seinen Gegenstand in vier Kapiteln behandelt, 
deren Titel sind: I. Sprache und Volkscharakter. II. Sprache 
und Kulturentwicklung. Ill. Die Sprache der Dichter. IV. Die 
Sprache des Volks. Wenn man die Sprache der klassischen 
Prosa nicht in einem eigenen Abschnitte dargestellt findet, so 
hat dies darin seine Begründung, dass, wie der Verfasser 
mit Recht in der Vorrede hervorhebt, “auf diese in allen 
Kapiteln mehr oder weniger Rücksicht genommen und nament- 
lich in den beiden letzten ihre Abweichung von Volks- und 
Dichtersprache ausführlich dargethan wird”. Insbesondere 
verdient noch hervorgehoben zu werden, dass in den Anmer- 
kungen (S. 120—171) reichliche Litteraturnachweise beige- 
bracht sind, die als höchst willkommen bezeichnet werden 
müssen. Hier wird auch der unterrichtete Leser, der viel- 
leieht in den Ausführungen des Textes nicht viel neues findet, 
mancherlei Anregung und Belehrung empfangen, die das gut 
und frisch geschriebene Büchlein weitern Kreisen zu ver- 
mitteln sehr geeignet ist. 
Innsbruck, den 14. Sept. 91. Fr. Stolz. 


Stowasser J. M. Eine zweite Reihe dunkle Wörter. Wien 
Verlag des Franz-Joseph-Gymnasiums 1891. 33 8. 80, 

Ein lateinisches etymologisches Wörterbuch ist ein so 
dringendes Bedürfnis, dass man jeden Beitrag dazu begrüssen 
wird, auch wenn man bei dem Verf. jene Verbindung histo- 
rischer und sprachgeschichtlicher Kenntnisse auf verschiede- 
nen Gebieten vermisst, die das Erfordernis aller Etymologie 
ist. Kann man mitunter dem "Sprachvergleicher’ den Vorwurf 
nicht ersparen, dass er über der Vergleichung die Möglich- 
keit der Entlehnung nicht genügend berücksichtige, so stellt 
Stowasser sich umgekehrt auf direkt feindlichen Standpunkt 
zu den "Sprachvergleichern ', kommt aber allerdings etwas ver- 
spätet, sofern er nämlich sich fast stets auf Vanitek (!) beruft 
und offenbar kaum eine Ahnung davon hat, dass auch die "Sprach- 
vergleicher’ schon weit über Vanitcek hinaus sind. Nichts- 
destoweniger finden sich in dem vorliegenden Programm eine 
Reihe bemerkenswerter Deutungen, namentlich die erste: ma- 
cellum, als dessen älteste Bedeutung im Lateinischen Markt 
und zwar sowohl Gemüse- als Fleischmarkt gesichert wird, 
wodurch die Zusammenstellung mit mactare hinfällig ist. 
Für macellum nun wie für macellotae nach Varro 1.1. V 146 — 
Gartenthürchen bei den Joniern wird Entlehnung aus einem 
semitischen Worte, das in hebr. mikhela makhela vorliegt, 
mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen. (astrare von 
castor, schwer glaublich, da jenes im Lat. gang und gäbe, 


122 Zanardelli Langues et Dialectes. 


dieses ein nur von Wenigen gebrauchtes griech. Lehnwort 
ist an Stelle des volkstümlichen fiber. Suffix -tado, das ur- 
sprünglich im Gegensatz zu -tas den blossen Schein einer 
Eigenschaft ausdrückt, soll ein Subst. fado zu tueri, gebildet 
wie dulcedo sein. Von den vielen lautlichen und morphologischen 
Schwierigkeiten dieser Deutung scheint der Verf. keine Ah- 
nung zu haben. /nitium wird zutreffend in in-itium zerlegt, 
und dieses selbe -itium soll auch in sere-itium, calvitium 
“das kahlgehen', lanitium und sogar in dem Abstracta bilden- 
den -itia in tristitia usw. stecken. Evident ist aber wieder 
excidium discidium zu cadere, adsentari, eine Bildung wie 
absentare, also “sich anwesend machen, sich anschliessen '.. 
Weiter soll ecce aus exe entlehnt, excetra eine Zusammen- 
setzung aus ex — ἔχις und cetra Schild’ sein, welche ge- 
zwungene Deutung kein Vorurteilsloser der Weiseschen BB. 
VI 235 vorziehen wird. Veredus und burdo werden als Lehn- 
wörter aus dem semitischen phered erklärt, amussis aus se- 
mit. amatha, ohne dass die Deutung Weises aus ἄμυξις, die 
lautlich durchaus unbedenklich ist, auch nur Erwähnung 
fände, cimussa aus gr. ψιμύθιον, was auf der Hand liegt, 
cerussa aus Fxnpoecca. (achinnare wird in cach- (vgl. καχ-άζω) 
und hinnare — hinnire, also lach-wiehern', zerlegt, endlich die 
griechische Präposition κατά als cat wiedergefunden nicht nur 


in dem Lehnwort castula — καταςτυλή, sondern auch als ur- 
verwandt, wenn ich recht verstehe, in cat-asta (= -hasta), 


ca-stigare vgl. in-stigare (die Fröhdesche Deutung BB. 1195 
ist wieder totgeschwiegen), ca-pronae, ca-luere wie so-luere, 
also —= κατα-λύειν, ca-villari zu villus, wobei gegen Havets 
Zusammenstellung (Mem. 8500. ling, VI 21) mit κόβαλος gesagt 
wird, die Formgebung liege zu weit, was ich nicht verstehe, 
da ja ein ursprüngliches cog- im Gr. nur xoß-, im Lat. nur 
cav- ergeben kann. Diese ganzen Erklärungen aber gehen 
von der unbewiesenen Annahme aus, dass das a in κατά ein 
altes a, nicht wie z. B. das in ἑκατόν aus » entstanden sei: 
sobald sich letzteres nachweisen lässt (und diesen Nachweis 
hat bis zur Evidenz Asecoli geleistet Note irlandesi 1 ff.), 
fällt alles zusammen und die an sich schon unwahrschein- 
lichen Erklärungen richten sich selber. 
Wien. W. Meyer-Lübke. 


Langues et Dialeetes Revue trimestrielle publice sous la 
direction de T. Zanardelli, Professeur aux Cours de:la 
Ville de Bruxelles, I. Mai 1891. Bruxelles A. de Nocce, 
Editeur. 95 pp. 

Das uns vorliegende 1. Heft enthält acht Aufsätzchen 


Liehtenberger De verbis quae οἷς. 123 


«les Herrn Z., von denen sieben romanistischen Inhaltes sind, 
während einer, der erste (S. 5—9), ein Problem der oskischen 
Grammatik behandelt: le prefixe en et sa variante an dans 
la langue osque. Der Verf. sucht hier nachzuweisen, dass 
das dem lat. ön- “un- entsprechende osk. an- (dass auch das 
Umbrische dieses «an- hat, wird nicht erwähnt) aus en- ent- 
standen sei. Ich halte den Beweis nicht für erbracht. 
Beipzie, 3. Juni. 1891. K. Brugmann. 


Lichtenberger H. De verbis quae in vetustissima Germano- 
rum lingua reduplicatum praeteritum exhibebant. (Thesis.) 
Nanceii MDCCCLXXXXI. 

Der Verf. hat das Material sorgfältig zusammengestellt. 

Zur Lösung der schwierigen Frage, auf welchem Wege die 

reduplizierenden Präterita im Westgerm. und Nord. in die 

uns überlieferten Formen übergegangen sind, hat er schon 
aus dem Grunde, dass seine Methode eine unzulängliche ist, 
nichts beitragen können. Weshalb der Akzent im Northum- 
brischen auf der Reduplikationssilbe, sonst aber auf der Wurzel- 
silbe gestanden haben soll, wird nieht angegeben. Die Ent- 
stehung von north. heht aus ®he-hait-e oder *he-hit-e, von reord 
aus *re-röd u. 5. w. widerspricht gerade so gut wie die von 

#h-het aus Fhe-het *s-se aus *se-sE u. 5. w. den Lautgesetzen. 

Ebenso unstatthaft ist die Annahme des Schwundes von inl. 

ἢ und w wie in ags. heöldon aus *heuldum aus "hehuldume 

in *weupum aus Fwewäpume, "weuldum aus *wewuldume. Hin- 

sichtlich der ahd. Formen kiscrerot, anasteroz u. 5. w. hat 
sich der Verf. der neuerdings von Zarncke (Paul und Braunes 

Beitr. XV S. 350 ff.) wiederaufgenommenen Ansicht angeschlos- 

sen, dass das r hier nur euphonisches Einschiebsel sei. 80 

verdienstlich nun Zarnekes bezügliche Mitteilungen, so weit 

sie einfach Thatsachen angeben, auch sind, so bleibt es 
doch bei seiner Theorie völlig unaufgeklärt, wieso denn 
der betreffende Schreiber “euphonisches r lediglich in meh- 
reren Präteritalformen ursprünglich reduplizierender Verba, 
sonst aber nirgends eingeschoben hat. Es ist kein Zweifel, 
dass man zu diesen r-Formen nicht vom neuen ablautenden, 
sondern wieder vom alten reduplizierenden Typus wird aus- 
zugehen haben. 

Magdeburg. Richard Loewe. 

Tamm Fredr. Etymologisk svensk ordbok. Första häftet. 
Stoekholm Hugo Gebers förlag. Leipzig M. Spirgatis. SO 5. 
Sa Mi. ,D0: 

Dieses nach Kluges Vorbild ausgearbeitete etymologische 


124 Tamm Etymologisk svensk ordbok. 


Wörterbuch der schwedischen Sprache verspricht ein ganz 
vorzügliches Nachschlagebuch zu werden. Seite für Seite 
erweist es sich als Frucht eingehender Vorstudien und sau- 
brer Verarbeitung der Litteratur. Besondre Erwähnung ver- 
dient die Aufmerksamkeit, die der Verfasser den Lehnwör- 
tern zugewandt hat — was ja bei einer Sprache wie der 
schwedischen, die so vieles fremde Gut aufgenommen hat, 
besonders wichtig ist. 

Die äussere Anordnung braucht, da Kluges Wörterbuch 
sattsam bekannt ist, nicht weiter besprochen zu werden. Neu 
sind die den Artikeln eingeflochtenen Litteraturangaben. Ich 
halte diese Neuerung nicht für sonderlich glücklich; wenn 
auch die durch den beschränkten Raum geforderte Auswahl 
geschickt vorgenommen ist, so werden doch bei einem Buche, 
das sich an Fachleute und Nichtphilologen wendet, gerade 
bei Litteraturangaben beide Teile nieht in gleicher Weise 
befriedigt werden können. Doch soll hervorgehoben werden, 
dass zuweilen auf Arbeiten hingewiesen wird, die leicht über- 
sehn werden können. 

Die Auffassung des zweiten Gliedes von apelsin als 
Verkürzung von Messina ist nach Kluges Ausführungen in 
der 5. Auflage des Wörterbuchs nicht mehr haltbar. Unter bat 
wird die Möglichkeit offen gelassen, dass an. bdtr aus dem 


Ags. entlehnt sei — Kluge trägt in Pauls Grundriss I 785 
und dem Wörterbuch diese Auffassung als sicher vor — trotz- 


dem Lindgrens Erklärung (Sv. landsm. XI 1 8 88) zitiert 
wird. Aber einmal scheint es sehr unwahrscheinlich, «dass 
ags. bat als Mask. δά)" ins Nord. herübergenommen sein soll, 
wo das Neutr. beit daneben existiert. Andrerseits muss batr 
mit den übrigen Fällen, wo urgerm. ei scheinbar unregel- 
mässig im Nord. als d erscheint, zusammen behandelt wer- 
den. Aber bei runisch hateka und bei hataz für heitaz 
(Heimskringla, Unger 5. 96, 27, wo Frisianus und cod. AM. 
39 fol. hataz lesen, das wegen des in der nahverwandten 
Kringla stehenden heitaz entschieden mit d anzusetzen ist) ist 
Entlehnung aus dem Ags. ausgeschlossen. Einigermassen 
wahrscheinlich ist sie nur bei einem Worte, dem im Physio- 
logus XII 7 einmal belegten gdt (5. Dahlerup Aarb. f. nord. 
Oldk. 1889 5. 348 f.), wo die Geschichte des Denkmals viel- 
leicht — aber auch nur vielleicht — nach dieser Richtung 
weist. Selbst wenn also die Lindgren-Noreensche Erklärung 
abzuweisen wäre, haben wir kein Recht, Worte wie bdtr, hdäss, 
edkr, tdkn für Lehnwörter anzusehen. 

Unter barm wird die überzeugende Vermutung ausge- 
sprochen, dass aisl. barmi “ Bruder’ auf ein aisl. barmr hin- 
weise. Dann aber scheint mir Kocks Annahme (Nord. Tidskr. 


Hoffmann Stärke, Höhe, Länge. 125 


f. Filol. N. R. VII 310 £.), dass isl. badmr aus *barmr teils 
dureh auch sonst erwiesene Dissimilation, teils durch An- 
lehnung an fadmr entstanden sei, nicht abzuweisen, und 
badmr braucht also nicht eingeklammert zitiert zu werden. 
Hoffentlich beschenkt uns Tamm bald mit einem neuen 
Hefte. Nach dem im ersten gebotenen wird man der Fort- 
setzung mit lebhaftem Interesse entgegensehen. 
Leipzig-Lindenau. G. Morgenstern. 


Hoffmann E. Stärke, Höhe, Länge. Ein Beitrag zur Phy- 
siologie der Akzentuation mit spezieller Berücksichtigung 
des Deutschen. Strassburg Karl J. Trübner 1892. IX u. 
2ieS.0.80.M. 1,50. 

In den Vorstellungen vom Sprachakzent ist weder Klar- 
heit noch Einigung erreicht. Eine von alter Tradition dar- 
gebotene Terminologie ist dem Verständnis hinderlich. Die 
Buntheit der mundartlichen Verhältnisse bewirkt, dass mit 
einem Schlagworte mehrfacher Sinn sich verbindet. Viele 
haben resigniert, bedenkend, dass nur Apparate und schwie- 
rige Messungen fördern könnten, und nicht eben ermutigt 
durch die bisherigen Versuche in dieser Richtung. Die vor- 
liegende Schrift unternimmt es, ohne solehe objektive Fixie- 
rungen, zu sichten und zu definieren. Ohne das Beobach- 
tungsfeld erheblich zu erweitern oder zu bereichern, stellt 
sie in klarem, gut lesbarem Flusse die wichtigsten Gesichts- 
punkte zusammen. Manche Schwierigkeiten werden wohl 
mehr verschleiert als gelöst; der Unterschied zwischen Be- 
hauptung und Beweis ist nicht überall gewürdigt. 

Am wertvollsten scheint mir die Partie 5. 39 ff.: einige 
Formen des musikalischen Akzentes im Bühnendeutschen und 
im Alemannischen werden beschrieben und verglichen (sehr 
beachtenswert sind die paar Kinderliedzeilen S. 40); H. ver- 
sucht, verschiedene germanische Lautprozesse alter und neuer 
Zeit aus dem musikalischen Akzent zu erklären. Bei den 
altnord. und westgerm. Synkopierungen scheint mir immer 
noch die relative Tonstärke das einzige Agens zu sein: -% 
in *sölu und lagu hatte doch auch nach H. gleiche Ton- 
höhe. — Gegen eine Entwicklung gabala zu *gabla zu gablo 
im Obd. bringe ich Formen wie zweyolo, gnungola in Erinne- 
rung: die beiden Typen gabolo und gablo müssen in später Zeit 
noch nebeneinander existiert haben. Und wieso erklärt sich 
ein gabala zu gabel aus der absteigenden Betonung? Die tiefste 
Tonstufe, die ja sonst die Nebentonsilben charakterisiert 
(S. 36), hätte die Endsilbe -la vor Verstummen bewahren 
sollen, und von der Mittelsilbe mit ihrer Indifferenzlage 


126 Hoffmann Stärke, Höhe, Länge. 


hätten wir zu gewärtigen, dass sie sich verflüchtigte. Auch 
hier wird die dynamische Abstufung die treibende Kraft ge- 
wesen sein. 

In einem wichtigen Punkte stellt sich H. in Gegensatz 
zu der herrschenden Ansicht: er tritt aufs neue für den Satz 
ein: Höhe und Stärke stehn zu einander in Proportion. Und 
folglich: die germanischen Idiome mit tieftoniger Wurzelsilbe 
geben der Endsilbe keine geringere Dynamis (S. 20 ff.); der 
Wortakzent ist hier nicht Nachdruck sondern ὁ Vertiefung des 
Schalls”. Scehwerlich hat sich der Verf. in alle Konsequen- 
zen dieses Satzes hineingedacht! Eine Sprache, für die ein 
Vers 

SHINE, > 
rito rito ressli 
ein Unding wäre, spricht die Endsilben nicht gleichstark wie 
die Stammsilben; eine Sprache, worin ein Vers 
> > = = => > 
δαιμόνιοι μύθους μὲν ὑπερφιάλους ἀλέαςθε 


möglich ist, gibt ihren Akutsilben keine Stimmverstärkung, 
auch keine “geringe’ oder “unbedeutende (S. 11. 17). Wenn 
der Verf. 5.18 sagt: “Es ist eine uralte Tradition, dass mit 
der Exspirationsstärke der Stimme auch die Höhe des Klan- 
ges wachse , so trägt er da schon seinen neuen Glaubenssatz 
hinein: thatsächlieh versichern uns die betreffenden aind., 
altgriech., lat. Termini nur die Höhe der Akzentsilbe. Wenn 
man später im Deutschen und Romanischen mit analogen 
Ausdrücken die Dynamis bezeichnete, so liegt dem keine 
tiefere phonetische Einsicht zugrunde: es ist einfach ein Nach- 
sprechen der alten Definitionen. Der französische Akzent 
kann auf keine Weise mit dem altgriechischen verglichen 
werden (5. 9): wiederum spricht der romanische Versbau eine 
klare Sprache. Indem ich den Verf. auf die objektiven Ak- 
zentbilder A. Wagners aus dem Schwäbischen, das auch eine 
Tiefton-Sprache ist, aufmerksam mache, zweifle ich nicht, 
dass für die 5. 22 angeführten Dinge sich eine andre Erklä- 
rung finden wird. Ich bekenne mich immer noch zu der 
Formulierung von Sievers, die auf 5. 19 angezogen wird. 

Sollte auch noch der eine oder andre Punkt in unsrer 
Sehrift sieh nicht als haltbar erweisen, man wird sie nicht 
ohne Nutzen und Anregung lesen. 

Ich möchte noch auf folgendes aufmerksam machen. 
Der Verf. führt, in Übereinstimmung, wie ich glaube, mit 
der allgemeinen Auffassung, den Satz aus: der Wortakzent 
ist absolut: der Satzakzent ist relativ: die chromatische 
Bewegung ist eine andre in der Frage als in der Aussage; 
die dynamische Bewegung ist eine andre, je nachdem ich 


Faulmann Etymologisches Wörterbuch. 127 


«liesen oder jenen Satzteil hervorhebe. In praxi kann man 
getrost dabei stehn bleiben: “ein und derselbe Satz Kann 
verschieden betont werden”. Aber muss sieh der sprach- 
physiologisch genauen Betrachtung die Sache nicht anders 
darstellen? Wenn wir nebeneinander haben: a) Er wusste 
das nicht; Ὁ) er wusste das nicht? e) er wusste das nicht! 
d) er wusste das nicht, so ist dies nicht “ein und derselbe 
Satz mit verschiedener, relativer Betonung”; obwohl diesel- 
ben Buchstaben und dieselben etymologischen Bestandteile 
vorliegen, sind es vier verschiedene Sätze: b muss anders 
betont werden als a u. 5. f.; es hängt nicht vom subjektiven 
Wollen ab; diese 4 Akzentformen sind “absolut”. Man muss 
sich gegenwärtig halten, dass nicht der Satz in akzentloser 
Gestalt, als unfertiger Embryo, auf Lager liegt und die sub- 
jektive That des Sprechenden darin besteht, dass er ihm eine 
der möglichen Akzentformen aufpräge. Jeder gedachte oder 
gesprochene Satz hat von Anfang an seine bestimmte Ak- 
zentform; nur die grammatische Abstraktion schafft sich das 
akzentuatorisch indifferente Satzschema, von dem man dann 
sagen kann: es ist verschiedener Betonung fähig. Einer ra- 
tionellen Betrachtung muss auch der Satzakzent als abso- 
lut gelten. 
Basel, 28. Dezember 1891. Andreas Heusler. 


Faulmann K. Etymologisches Wörterbuch der deutschen 
Sprache, nach eigenen neuen Forschungen. Vollständig in 
10 Heften ἃ 120 Μ. Heft 1 (ὃ. 1—40) Lex. 8°. Halle a. 5. 
Ehrhardt Karras 1891. 

Auf der Innenseite des Umschlags kündigt der Verleger 
an: “Eine grossartige Entdeckung auf dem Gebiete 
der Sprachwissenschaft veröffentlichen wir in diesem 
Werke; denn dasselbe verspricht nicht nur eine Erklärung 
des Ursprungs der Wörter zu geben, sondern erfüllt 
auch das Versprechen in einer bisher für unmög- 
lich gehaltenen Weise. 

Die grossartige Entdeckung besteht, wie weiter unten 
zu lesen ist, darin, dass im Gegensatz “zu den Anschauun- 
gen der neuen indogermanischen Sprachforscher, welche den 
Ablaut misachten und statt dessen nach nie vorhanden 
gewesenen Sprachwurzeln suchen, wobei sie, da die soge- 
nannten idg. Wurzeln nicht ausreichen, die deutschen Wörter 
zu erklären, noch angeblich germanische Wurzeln zu Hilfe 
nehmen müssen”, bei dem Verfasser “der Ablaut, dieser Bau- 
stein, den die indogermanistischen Sprachforscher verworfen 


198 Faulmann Etymologisches Wörterbuch. 


haben”, “zum Eckstein einer neuen Sprachwis- 
senschaft geworden ist”. 

Mit andern Worten: Faulmann konstruiert sich als 
Grundlage sämtlicher Wortbildungen starke Verba mit dem 
Ablaut &—a—u, wobei er “die grosse Genugthuung” hat, in 
den ausserdeutschen Dialekten des Germanischen, als er diese 
später “in den Kreis seiner Untersuchungen zog, ... viele 
ablautenden Zeitwörter, welche er in der deutschen Sprache 
vorausgesetzt hatte, erhalten.... zu finden. 

Origineller als diese Entdeckung sind die Mittel, durch 
die er sie fruchtbar zu machen sucht. Er geht dabei recht 
ab 0v0, vom Urwort, aus: “Im Anfang war das Wort, 
müssen wir auch bezüglich der Sprache sagen; denn wir 
haben gegründete Veranlassung gefunden anzunehmen, dass 
auch die Laute ö@-—a—u ohne das Geräusch der Mitlauter 
von der ungelenken Zunge des Urmenschen nicht ausgespro- 
chen werden konnten. Möglicherweise, denn die Sprache 
enthält oft wunderbar treue Überlieferungen, waren einmal 
quing, quang, guung die fragenden, taring, twang, twung die 
antwortenden Laute, jedenfalls enthielt der hohe Ton ὁ den 
Willen, der mittlere Ton a die Bedeutung der Vollendung, 
worin er sich mit a einigte. Eine Sprache, welche die 
Gegenwart und die Vergangenheit im Inlaute aus- 
drückte, bedurfte keiner Endung; guing-an, twing-an 
haben diese Endungen erst angenommen als sie in jüngerer 
Zeit Mode geworden waren, gerade so wie das Volk sich 
nicht begnügt zu sagen: ich esse, sondern: ich thue essen 

“In diesem Zeitraum der noch ungelenken Zunge haben 
wir die erste Lautveränderung zu suchen. Je ärmer die 
Sprache an Wörtern war, desto mehr suchte sie dieselben 
zu verändern.” So ist aus deeöng entstanden: 1. thing “ver- 
ehren, 2. fing “pressen, 3. swing schwingen’, 4. sing "sin- 
gen’ u. dgl. m. 

Diesen Lautveränderungen stehen Begriffsveränderungen 
zur Seite: sie werden durch das Gesetz ‘des vierfachen 
Sinnes’ bestimmt. Jedes starke Verbum kann nämlich be- 
deuten: 1. feindlich wollen, drehen z. B. swing "als 
3jewegung der Luft, kreisende Bewegung der Hand. 2. wü- 
ten z. B. sing (“aus älterm *swönch abgeschwächt”) “hörbare, 
rauschende Bewegung’. 3. ruhig, friedlich sein, gedei- 
hen z. B. sinn “Aufhören der Bewegung, Ruhe‘. 4. Ver- 
sehen z.B. sinch “Verstärkung des Aufhörens durch Sinken’. 

Ferner gibt es ein Gesetz vom dreifachen Aus- 
laut, vgl. swingan : swimman : swintan und einen “drei- 
fachen Umlaut, indem an Stelle von » die Laute r und 


Faulmann Etymologisches Wörterbuch. 129 


l treten: quingen — (q)Jwergen — (qJwelgen. ” Eine solche 
Veränderung — sagt der Verfasser — konnte nur zu einer 
Zeit entstehen, wo die Laute noch nicht deutlich unterschie- 
den wurden, wie noch heute die Chinesen kein r aussprechen 
können und die Aegypter zwischen 2") und ὦ nicht unter- 
schieden ”. 

Schliesslich können die Laute r und ἢ auch ihre Stelle 
wechseln. So lässt sich *hwergan mit hringan, wöelgen 
mit giölingan verbinden u. 5. w. 

Für einen Etymologen von diesen Grundsätzen gibt es 
natürlich nichts, das unerklärlich wäre. Dadurch unterschei- 
det sich Faulmanns Buch wesentlich von dem Kluges: “Was 
auf Grund der idg. Sprachforschung für die Erklärung un- 
serer Wörter geboten werden konnte, liegt in Fr. Kluges 
etym. Wörterbuch d. d.Spr. vor; seine Schuld war es gewiss 
nicht, dass er so wenig in der Lage war, Aufschluss über 
den Ursprung der Wörter zu geben.” 

Nach allem kann es nicht weiter befremden, wenn der 
Verleger seine Ankündigung beschliesst: “Möge das Werk, 
welches ein deutscher Gelehrter, angeregt von allgemeinem 
Wissensdrange und begeistert von der Liebe zu seiner deut- 
schen Muttersprache geschaffen hat, die verdiente Würdigung 
finden, zur Ehre des deutschen Volkes und zur Freude seiner 
Vaterstadt, in deren Schoosse er seine Vervielfältigung durch 
den Druck erhält. 

So der Verleger, der zugleich der Drucker von Paul 
und Braunes Beiträgen und von Braunes Grammatik - Samm- 
lung ist! 

Jede Kritik, jeder Kommentar wäre überflüssig. Ja, 
vielleicht könnte es manchem Leser des Anzeigers scheinen, 
als ob schon jetzt der Raum ungebührlich in Anspruch ge- 
nommen sei für ein Werk, über dessen Wert kein Sachver- 
ständiger auch nur eine Minute im Zweifel sein Kann. Ge- 
wiss, es würde nichts besseres verdienen als schweigende 
Verachtung, wenn es nichts anders wäre als ein Kuriosum 
zur Erbauung weniger gleichgestimmten Gemüter und zur 
Erheiterung der andern. 

Aber das Buch ist nicht ganz so harmlos. Denn durch 
rührige Reklame unterstützt sucht es in die weitesten Volks- 
kreise einzudringen. Deshalb ist es eine Pflicht für jeden 
Fachmann dafür zu sorgen, dass die erfreuliche Teilnahme 
des Publikums an allem, was die deutsche Sprache betrifft, 
nieht gröblich irre geleitet werde, ganz abgesehn davon, dass 
es nicht ganz wertlos ist, von Zeit zu Zeit an einem cha- 
rakteristischen Beispiel zu beobachten, welche Anschauungen 
über Sprache und Sprachentwicklung noch immer bei vielen 


130 Garke Prothese und Aphaerese. 


bestehn, wenn sie sich auch nur selten noch in so krasser 
Form ans Tageslicht wagen. 

Im Interesse des Verlegers wie des Verfassers wäre 
dringend zu wünschen, dass das erste Heft auch das letzte 
bleibe. Dem Zweck, als abschreckendes Exempel zu dienen, 
genügt es schon vollkommen. 

Dezember 1891. Wilhelm Streitberg. 


Garke H. Prothese und Aphaerese des h im Althochdeutschen. 
(Quellen und Forschungen 69). Strassburg Karl J. Trübner 
1891. X u. 127,8. .M2 3: 

Eine Arbeit über Prothese und Aphaerese von anlau- 
tendem A hat diese Erscheinungen in erster Linie von der 
phonetischen Seite aus zu betrachten. Sie hat die Bedeutung 
des Lautzeichens A und der einfachen Vokalschreibung fest- 
zusteilen, also zu untersuchen, ob diesen Schreibungen wirk- 
lich mehr als Schreiberunsicherheit zugrunde liegt. Erst nach 
eingehender Prüfung des lautlichen Vorgangs kann entschie- 
den werden, in welcher Richtung sich eine historische Un- 
tersuchung zu bewegen hat. Der Verf. wiederholt z. T. Be- 
kanntes. Er legt in längerer Ausführung dar, dass das kehl- 
kopfspirantische ahd. A nicht gleich dem rom. h im hoch- 
tonigen Anlaut schwinden Könnte, dass also Aphaerese stets 
als Schreibfehler oder als rom. Einfluss anzusehen sei. Neu 
sind seine Ansichten über die Prothese. Dass diese von der 
Aphaerese zu trennen sei, beweist schon das, dass nur 22°/, 
der in Frage kommenden Hss. beide Erscheinungen zugleich 
zeigen. Der Prothese schreibt er 5. 18 “den vollen Laut- 
wert des echten A” zu. Sie wird hervorgerufen durch ge- 
wisse “ Folgekonsonanten”. Am günstigsten für ihre Entwick- 
lung sind nachfolgendes r, ἦ, ch, w mit 212, 201, 129, 75 
von im ganzen 905 ahd. Prothese-Fällen. Von Anlautsvoka- 
len nimmt e mit 53°/, aller Fälle die Prothese am liebsten 
an, o mit 71/,°/, am wenigsten. Von Begriffen begünstigen 
“die konkretesten Substantivbegriffe” die Prothese am mei- 
sten. Eine Zusammenstellung dieser Begriffe, an deren Be- 
zeichnungen sich Prothese zeigt, beweist den Zusammenhang 
zwischen ahd. und neuerer Prothese. Teil an dieser haben 
nur die westd. Mundarten, das Bayr. ist ziemlich frei davon. 
Den Schluss des Buches bilden genaue und übersichtliche Ver- 
zeichnisse sämtlicher Prothesefälle des Ahd. Andd. Dass dem 
Verfasser der Beweis für seine Behauptungen, soweit sie der 
herrschenden Ansicht widersprechen, durchaus mislungen ist, 
liegt hauptsächlich daran, dass er auf Grund falsch ange- 
wandter Statistik mit vorgefasstem Urteile, das durch phone- 


Garke Prothese und Aphaerese. 131 


tische und sprachgeschichtliche Kenntnisse nicht sonderlich 
getrübt wurde, an den Stoff herantrat, und es ist nur zu be- 
dauern, dass sich in eine Sammlung vom Werte der QF. eine 
Arbeit wie diese, an der die Verzeichnisse das einzige wirk- 
lich Dankenswerte sind, eindrängen konnte. Des Verf. ein- 
zige scheinbaren Beweise entpuppen sich als volksetymologische 
Anlehnungen: ahd. helfant an helfan, ahd. hiuwila an hiu- 
wilon, nhd. heischen an heissen, tiv. hegedex, πα]. haagdis 
an hecke, hag vgl. Kluge Et. Wb.? 5. 85, ahd. heren, mhd. 
heren an herjan S. 21. Mit diesem letzten erledigen sich 
auch die beiden Hel.-Stabreime 5. 19, alle andern Beleg- 
stellen S. 81 f. sind überhaupt aus endreimenden oder Prosa- 
stücken, beweisen also für Stabreim gar nichts. Auf das 
allein übrigbleibende “sia hauar kihalönt”’” Musp. 11 wird 
keiner Gewicht legen wollen, denn dort bilden nicht diese 
beiden Worte den Reim, sondern kihalönt — himile! Da zu 
einer eingehenden Kritik der Arbeitsart des Verf. der Raum 
fehlt, wird es zweckmässig sein, nur einige Beispiele dafür 
anzuführen. G.s Verständnis für Lautphysiologie, speziell 
seine Fähigkeit, Buchstaben und Laute von einander zu schei- 
den, erhellt aus Ausdrücken wie 5. 11 “spirant. Tenuis”, 
“spirant. Med.”, 5. 12 “Verschlusslaute mit spirantischem 
Werte”. Die Ungenauigkeit nicht gerechnet, dass er S. 11 
r als “dentalen Sonorlaut”, 5, z als “dentale Spiranten ” an- 
führt, nennt er dort ahd. 1 “gutturalen Sonorlaut” und rech- 
net den ahd. Halbvokal ww zu den Labialen! In seinen Zäh- 
lungen kennt er ebensowenig »- und /-Diphthonge wie kon- 
sonantisches ? und «. Als Kriterium für sein phonetisches 
Wissen genügt eigentlich schon, dass er zwar Sievers Pho- 
netik nicht benutzt hat, dafür sich aber S. 15 als phonetischen 
Gewährsmann auf — Jakob Grimm beruft! Ein Fall seiner 
Auffassung von Sprachentwicklung ist z. B. 5. δ, wo er an- 
gibt, dass der durch “Einwirkung der Folge-Konsonanten ὁ 
entstandene leise Hauch durch “die Analogie des echten ἢ 
zum vollwertigen Hauchlaute” verschärft wäre, vgl. 5. 18 
“die Analogie des gewöhnlichen h genügte vollauf, den pro- 
thetischen Hauch zu verstärken”. Ein Verweis auf Osthoff 
MU.I 211 Anm. Z. 7—4 v. u. genügt als Kritik. Zur Be- 
urteilung seiner Statistik will ich erwähnen, dass die Laute, 
die die Prothese am meisten begünstigen sollen, # und ἐ mit 
rund 46°/, aller Prothese-Fälle auch bei den Aphaerese-Fäl- 
len 3. 116 ff. mit rund 44°/, die weitaus kräftigsten Förde- 
rer sind. Das freilich zu berechnen hat er klüglich vermie- 
den! Um zu beweisen, dass ahd. Prothese und Aphaerese 
nichts mit einander gemein haben, rechnet er aus, dass nur 
22°,, der diese Erscheinungen zeigenden Hss. beides zugleich 


132 Wilkens Zum hochalemannischen Konsonantismus. 


aufweisen. Ganz anders würde sich die Sache stellen, wenn 
man erführe, dass in seinen ganzen ahd. andd. Sammlungen 
von wirklicher Aphaerese im vollbetonten Wortanfange nur 
6 Fälle in Hss. vorkommen, die keine Prothese zeigen! Bei 
dieser Bereehnung habe ich natürlich 7 Fälle von Aphaerese 
im 2. Kompositionsgliede wie zuoflutus (asylum) S. ST, 94 
weggelassen, ebenso 2 von G. selbst durch ? als unsicher 
bezeichnete Fälle und 2 von ihm ὃ. 41 und 44 als nicht 
hierhergehörig aufgeführte (er got S. 69, 44, agen (paliurus) 
S. 74, 46). Einen Beweis seiner Gewissenhaftigkeit gibt der 
Verf. auf seiner Tabelle S. 11, wo er für Prothese vor Vokal 
+2 201 Fälle anführt. Mit welcher Sorgfalt diese Zahl er- 
rechnet ist, zeigt 5. 3: “setzt man das durchgehends prothe- 
tische helfant mit 150 Belegen an — was nicht zu hoch 
ist "— usw. Diese 150 hat er in der Tabelle stillschweigend 
mit verrechnet, was sich daraus ergibt, dass er jetzt insge- 
samt 905 gegen vorher 755 Fälle hat. Nun, 201 sieht ja 
sorgfältiger aus wie so ein rundes 200. 

Mein Urteil über das Buch kann ich dahin zusammen- 
fassen, dass der Verf. zwar mit löblichem Fleisse den weit- 
zerstreuten Stoff zusammengetragen hat, dass aber zu dessen 
Verarbeitung und Beurteilung seine Kräfte in keiner Weise 
ausgereicht haben. Die Wissenschaft wird die behandelten 
Erscheinungen nach wie vor so auffassen, dass der feste Vo- 
kaleinsatz im Sandhi vor nieht hochtoniger Silbe leise wurde 
(Paul Über vokalische Aspiration und reinen Vokaleinsatz, 
Progr. Hamburg 1888 S. 41), dass unter gleichen Verhält- 
nissen das Ah seine Eigenschaft ais Kehlkopfspirant verlor 
und zum gehauchten Einsatz wurde (vgl. allenthalben, Bos- 
heit, Krankheit), sodass in dieser Stellung sich der Gegen- 
satz des Einsatzes bis zum Gradunterschied ausgleichen konnte 
(Paul Progr. S. 6). Teils hieraus, teils aus Schreibunsicher- 
heit erklärt sich die ganze ahd. Prothese und Aphaerese. 
Alle Fälle, die wirklich anlautende Kehlkopfspirans zeigen, 
sind davon zu trennen und als Anlehnung an lautverwandte 
Wörter oder bedeutungsverwandte Begriffe aufzufassen (vgl. 
hulan-husar Paul Progr. S. 40). 

Leipzig, den 21. Dezember 1891. 

Klaudius Bojunga. 
Wilkens Fr. Zum hochalemannischen Konsonantismus der 
althochdeutschen Zeit, Beiträge zur Lautlehre und Ortho- 
graphie des ältesten Hochalemannischen, auf Grundlage 
der deutschen Eigennamen in den St. Galler Urkunden 
(bis zum Jahre 825). Leipzig G. Fock 1891. X u. 94 Ὁ: 
ΟΡ ΝΜ ὦ» 


vw. 


Wilkens Zum hochalemannischen Konsonantismus. 13: 


Eine äusserst gründliche und in jeder Hinsicht fördernde 
Arbeit. Nicht nur zeichnet sich der Verfasser durch um- 
fassende grammatische Kenntnisse, sondern auch durch ein- 
gehendes Studium der kulturellen Seite des ahd. Kloster- 
wesens aus. Beide Qualitäten sind ja allerdings für ein so 
schwieriges Problem, wie es die Eruierung des Lautstandes 
älterer Sprachphasen ist, durchaus erforderlich, doch ist leider 
. nur zu oft in Grammatiken und Einzeluntersuchungen durch 
Nichtbeachtung der Kulturverhältnisse (als Klosterbeziehun- 
gen, Schreibergewohnheiten usw.) gesündigt worden. 


W.s Schrift hat aber noch einen andern Vorzug — 
und sie wird dadurch zum Fingerzeig für eventuelle spätere 
umfassendere Arbeiten auf grammatischem Gebiet —: die 
weitgehende Heranziehung moderner Mundarten. Durch den Zu- 
tritt dieses Momentes ist frühern Arbeiten gegenüber ein 
grosser Schritt vorwärts gethan worden, wie ja überhaupt 
die heutigen Laute stets das Hauptregulativ für die Beurtei- 
lung älterer graphischer Erscheinungen bilden sollen. Zu 
bedauern ist nur, dass W. die Arbeit von Schild Über d. 
Brienzer Ma. (Basel 1891) nieht mehr hat benützen können; 
dieselbe hätte ihm für seinen I. Teil (Notkers Anlautgesetz) 
manches Verwertbare liefern können (z. Β. ὃ 11 ἢ). 


Der Verf. steckt sich enge Grenzen; was er behandeln 
will, ist nur ein Teil des Konsonantismus der in den sankt- 
gallischen Urkunden bis 825 vorkommenden Eigennamen; 
diesen Gegenstand aber erschöpft er vollständig. Nach stren- 
ger Sichtung der Überlieferung hinsichtlich der Grammatik 
und Schreiberverhältnisse werden die Eigennamen zunächst auf 
das Notkersche Anlautgesetz geprüft: es folgen sodann Ein- 
zelbetrachtungen der germ. Konsonanten p, k; d, b, g; th, f 
mit ihren orthographischen und lautlichen Vertretungen im 
Hochalemannischen. Im Einzelnen ist wenig zu bemerken. 
Nieht übereinstimmen kann ich mit dem Verf. in der An- 
sicht, „dass bei der Komposition die einzelnen Glieder als 
selbständige Wörter innerhalb des Zusammenhangs empfunden 
werden“ (S. 22); der gemeinsame Akzent und spätere Re- 
duktionen des nicht haupttonigen Bestandteils beweisen das 
Gegenteil (z. B. δι σέο aus Höllstein; ylekki aus Klettgau usw.). 
Ferner ist die Anwendung des Heuslerschen „Neutralis“ (Wilk. 
$S 42) wohl nicht auf jedem al. Gebiete zulässig (vgl. Schild 
δ 15). Andere strittige Punkte — denn als völlig abschliessend 
kann die Arbeit doch noch nicht gelten — wären durch eine 
eingehende Besprechung zu erledigen, wofür hier der Raum 
fehlt. Jedenfalls danken wir für die gediegene Leistung aufs 
beste und sprechen die Hoffnung aus, dass die künftige Un- 


194 Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart. 


tersuchung späterer Urkunden, wie sie uns W. in Aussicht 
stellt, ihrer trefflichen Vorgängerin würdig sei. 
Zürich im Januar 1892. E. Hoffmann-Krayer. 


Kauffmann Fr. Geschichte der schwäbischen Mundart im 
Mittelalter und in der Neuzeit, mit Textproben und einer 
Geschichte der Schriftsprache in Schwaben. Strassburg 
Karl J.. Trübner 1890. RX VIE a. 22958. ΜῈ ὃ: 

Der Verfasser macht seit längerer Zeit zum ersten Male 
wieder den Versuch, die Mundart eines grossen Gebietes 
darzustellen. Was ihn von seinen Vorgängern, die gleiche 
Ziele verfolgten, unterscheidet, sind eine bessere Kenntnis der 
Phonetik und die hohen Gesichtspunkte, von denen aus er 
die Thatsachen betrachtet. Er möchte sein Buch als einen 
Beitrag zur historischen Anthropologie Schwabens betrachtet 
wissen und glaubt, dass nach dem Bilde, das er von der 
Entwickelungsgeschichte des schwäbischen Lautstandes gibt, 
die Ansichten der Prinzipienwissenschaft über die allgemeinen 
Faktoren des Lautwandels wesentlich zu modifizieren sein 
würden (5. VIII). Inwiefern Pauls Ansicht, dass die Haupt- 
periode der sprachlichen Beeinflussung die Zeit der Sprach- 
erlernung sei- und lautliche Wandlungen sich in der Haupt- 
sache aus fortdauernden kleinsten Veränderungen summieren, 
fremdartig sein und die Lauterzeugung zu sehr ins Interesse 
des Individuums rücken soll (IX) ist nicht einzusehen. K. 
meint, die Sprachorgane des homo sapiens seien auf der 
sanzen Erde ein und dieselben. Zwar liegen noch 
nicht für alle Teile ausreichende Messungen vor. Aber soviel 
ist ohne Weiteres Klar, dass die Sprachorgane z. B. eines ΟΥ- 
thognathen Dolichocephalen und eines prognathen Brachyce- 
phalen nicht ein und dieselben sind. Der Satz: “Die Ver- 
schiedenheit der Muskel- und Nerventhätigkeit involviert die 
Unterschiede der Mundarten nach ihrer lautlichen Seite”, ist 
selbstverständlieh, aber nieht in dem Sinne, als ob bei jeder 
lautlichen Differenzierung das physiologische Moment das pri- 
märe, das akustische hingegen das sekundäre sein müsse. 
Lautveränderungen sollen nur denkbar sein, wenn in den 
Funktionsorganen eine Veränderung eintritt. Dem werden 
auch überzeugte Darwinianer nicht ohne weiteres zustimmen. 
So rasch wie ein Lautwandel gehn organische Veränderungen 
bei der Gattung Mensch doch sonst nieht vor sich. Unklar 
bleibt, was der Verf. meint, wenn er auf $8.X die Überzeugung 
ausspricht, “dass die verschiedenen Lautveränderungen ein- 
ander noch viel näher zu rücken sind, so dass in einer Reihe 
von Jahrhunderten eine allmähliche aber radikale Umwand- 


Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart. 135 


lung der Lauterzeugung sich vollzogen hätte, die sowohl für 
Konsonantismus als Vokalismus eine Verschiebung der Arti- 
kulationsstellen und Artikulationsarten mit sich gebracht”. 
Den letzten Grund für Lautwandlungen sucht K. in einer 
Anpassung der Sprachorgane an einen andern Himmelsstrich 
und Luftdruck, an gänzlich andere Boden- und Lebensver- 
hältnisse. "Soweit dieselben äusseren Faktoren (eben die 
genannten) gewirkt haben, hat sich dann auch dieselbe Mund- 
art von der Nachbarschaft abgesondert. Dieselbe bestechende 
Hypothese ward schon durch W, v. Humboldt ausgesprochen ; 
aber sie ist nicht zu beweisen. Dass neben physikalischen 
(akustischen), physiologischen, psychischen und rein geschicht- 
lichen auch geophysikalische Ursachen bei der Sprachent- 
wickelung mitwirken können, soll nicht bestritten werden. 
Doch wenn in und nach Zeiten der Wanderschaft eines Volkes 
die Sprache rascher lebt und grössere Veränderungen erleidet, 
so ist dies nicht sowohl aus geologischen, klimatischen und 
dergl. Verhältnissen, als vielmehr aus ethnologischen Ursachen 
zu erklären. Die Glieder des Volkes selbst erfahren eine 
andere Gruppierung, sie vermischen sich mit der eingesesse- 
nen Bewohnerschaft und die Indifferenzlage und Artikulations- 
weise dieser macht ihren Einfluss auf die Sprache geltend. 
Diese Faktoren wirkten auch auf die Sprache des Sueven- 
stammes, als dieser seine jetzigen Wohnsitze einnahm. Eine 
genaue Beschreibung der Indifferenzlage fehlt übrigens in dem 
Buche; was in $ 32 über die Artikulationsbasis gesagt wird, 
kann den Mangel nicht ersetzen. Mit rein mechanischer Deu- 
tung der Lautgesetze ist nicht auszukommen. Ein Fall, wo sich 
die gesellschaftlichen Bedingungen für die Verbreitung eines 
Lautgesetzes noch bis zu einem gewissen Grade erkennen 
lassen, ist in ὃ ὧδ᾽ erwähnt: Der protestantische Norden von 
Schwaben hat «2 für mhd. iu, ebenso die protestant. Bevöl- 
kerung von Horb, während der katholische Teil der Be- 
wohnerschaft »2 spricht. Wie hier die Konfession eine laut- 
liche Bewegung weiter geleitet und ihr Grenzen gesteckt hat, 
so mögen es in andern Fällen andere Umstände gewesen sein, 
die selber vielleicht längst aufgehört haben zu existieren, 
während ihre Wirkungen fortbestehn. Die Ansicht von der 
Verschiebung der Lautbildung im Kindesalter soll vorerst 
die Erfahrung gegen sich haben. Die Beobachtung derartiger 
Verschiebungen setzt eine gute Gelegenheit und ein sehr 
inniges Verwachsensein mit der Mundart voraus. Der Verf. 
aber ist speziell mit der Mundart, die er seiner Darstellung zu 
Grunde legt, nur “infolge verwandtschaftlicher Beziehungen 
seiner Familie” vertraut geworden ($ 53 Anm.). 

Die hd. Lautverschiebung wird als ein Prozess bezeich 

Anzeiger I 2. 10 


136 Kauffmann Geschiehte der schwäbischen Mundart. 


net, der sich nur provinziell verfolgen lasse und den jede 
Mundart selbständig und eigenartig durchgemacht habe 
(XIII. Durch bloss provinzielle Betrachtung rückt man aber 
dem Verständnis des merkwürdigen Vorgangs nicht näher. 
Es sprieht im Gegenteil Vieles dafür, dass, um denselben auf 
seine Ursachen zurückführen zu können, man den Kreis der 
Betrachtung eher noch weiter ziehn muss als bisher, und selbst 
verwandte Vorgänge in den benachbarten roman. Mundarten 
unter denselben Gesichtspunkt zu rücken sind. Überraschend 
für jeden, der das Leben einer Mundart beobachtet hat, ist 
das Resultat, zu dem K. bei Darstellung der schwäb. Laut- 
geschichte gekommen ist: “dass seit 5 Jahrh. der schwäb. 
Lautstand sich überhaupt nicht mehr verändert hat und 
ohne Zweifel die Stabilität desselben in noch ältere Zeiten 
zurückreicht” (X). Sollte z. B. der teilweise Übergang des 
alten lingualen 2) zu einem Zäpfchenlaute (8 21) auch 500 
Jahre alt sein? und in welcher provinziellen Nerven- oder 
Muskelkontraktion sollte er begründet sein? Vgl. Trautmann 
Sprachlaute 8 588. 1070 ff. Vor 500 Jahren galt ao ahd. a 
(8 60), heute gilt in denselben Worten 6 ($ 61, 5). Aus dem 
15. Jahrh. wird (S 67 b), z. B. die Form maentac angeführt; 
jetzt lautet sie gesetzmässig medir. Lautete sie auch damals 
schon so, und beruhte maentac (für sonstiges mäntac) nur 
auf Schreibertradition, oder war das etymolog. Bewusstsein 
für dies Wort so stark, dass aen geschrieben ward, obgleich 
nur nasaliertes e zu hören war? Beides ist wenig wahr- 
scheinlich. Für mhd. ?n beweisen die Urkunden von Horb 
bis 1550 den Lautwert von ä (8 88). Jetzt gilt οἷ. -fräen, 
dräwen im Liederb. der Hätzlerin (8 95) weisen darauf hin, 
dass 1471 die Erweiterung des Kieferwinkels in mhd. δὲϊ 
erst bis eö oder ee vorgeschritten war (mayen, dessen Her- 
kunft zu bekannt war, beweist nichts dagegen); jetzt gilt in 
jenen Worten ae. In der ehronolog. Übersicht ($ 141) wird 
freilich der Übergang von ei zu ae bereits ins 12. Jahrh. 
gesetzt. 

3jeweise für die Richtigkeit der chronologischen An- 
setzungen fehlen zuweilen, so zZ. B. betreffs der Entrundung 
von äe und 0, des Umlauts von d@ und 0, des Nasalschwun- 
des nach langem Vokal. & soll bereits im 12. Jahrh. den 
Wert von ae gehabt haben ($ 72, 141). Aber noch die Reime 
der Reimehronik, die bis 1571 reicht, sprechen nur für er. 
Die ersten wirklichen Beweise für ae stammen aus dem ΤΊ. 
Jahrhundert! 

s 127 ff. wird versucht, die moderne Dehnung und 
Diphthongierung aus der Stellung einsilbiger Worte in Satz- 
pause zu erklären. Ich glaube nicht, dass man sich bei der 


Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart. le: 


Σὶ 


Kaufmannschen Erklärung wird beruhigen können. K. ver- 
lässt besonders hier zuweilen den Boden besonnener Phonetik ; 
so wenn er sagt dass ὦ (im Worte fol am Satzende) eine 
weitere Silbe einleitet, die ohne Sonanten ist”, oder wenn 
er im Fehlen des Glottisverschlusses zwischen Vokal und 
Konsonant die physiologische Ursache der Diphthongierung 
sieht. Nicht recht verständlich ist auch $ 126 die Vermutung, 
dass a “den tiefsten Eigenton im Vokalsystem gehabt” haben 
könnte. Der Ausdruck 'spiritus lenis’ sollte in der Gramm. 
einer modernen Sprache wegbleiben. Die Czermaksche Deu- 
tung als Kehlkopfexplosiva ist doch zu unsicher ($ 190 Anm.). 
In der Einl. werden zu den passiven Artikulationsorganen nicht 
nur Kehlkopf und Kiefer, sondern merkwürdigerweise auch 
Zunge und Lippen gerechnet. Aktivität wird Nerven und 
Muskeln zugeschrieben. Woraus bestehen Zunge und Lippen 
sonst noch? Die Art, wie die Enstehung des zweiten Kom- 
ponenten von ao, ei, ou (aus d, €, ö) erklärt wird, hat wenig 
Überzeugendes ($ 137). Erstens ist ein Aufsteigen des Tones 
etwa um eine Terz überhaupt zu unbedeutend, als dass es 
eine Hebung der Zunge zur Folge haben könnte; zweitens 
wäre “eine vermittels des Zungenbeins erfolgende Hebung” 
nur durch den m. hyoglossus denkbar. Durch die Wirksam- 
keit desselben kann aber nur ein w-artiger Laut, nie ein ἡ 
entstehen. Die Unabhängigkeit der Diphthongierung von d, 
6, ὁ vom steigenden Akzent geht auch daraus hervor, dass 
sie in Mundarten mit fallendem Akzent ebenfalls eingetreten 
ist. Das Gemeinsame bei der Diphthongierung von a eo 
liegt nicht in der Tätigkeit der Zunge, sondern der Kau- 
muskeln, die bei langen Vokalen den Unterkiefer der relativen 
Indifferenz resp. der Lage nähern, die er beim nachfolgenden 
Konsonanten einzunehmen hat. 


Übermässiges Generalisieren führt bisweilen zu Wider- 
sprüchen. So 8 156, wo es von der Diphthongierung heisst: 
Der Vorgang ist jünger als die Dehnung kurzer Vokale, da 
wenigstens einige derselben die Diphthongierung mitgemacht 
haben. Warum dann nicht alle? $ 127 wird gewarnt, Deh- 
nung des Vokals auf Konto nachfolgender Konsonanten zu 
setzen. S 156 dagegen heisst es: “ Vereinzelte Beispiele er- 
weisen, dass auch vor auslautender Liquida die Dehnung frü- 
her erfolgte, als vor den Geräuschlauten.” 


Die Thatsache, dass heute die schwäb. Diphthonge für 
ἢ, τ, ü verschieden sind von den bairischen, kann nicht als 
Beweis gegen die Annahme einer östlichen Herkunft der er- 
stern gebraucht werden ($ 138 Anm.). Der erste Komponent 
der Diphthonge hat einfach im Osten eine Weiterentwicke- 


138 Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart. 


lung durchgemacht, an der er in Schwaben nicht teilgenon- 
men hat. 

Die Entwickelung von ä zu ἢ wird ὃ 140 Anm. als 
nicht fassbar bezeichnet. Man wird annehmen müssen, (dass 
ü zu eä, dann durch Vorausnahme der Lippenrundung zu oü 
und zuletzt durch Annahme der Kieferöffnung von ? auch für 
o zu ai geworden ist, also eine mehrfache, aber verschieden- 
artige Angleichung, Umlautung des ersten Komponenten, die 
sich allerdings nicht mit der 500Ojährigen Stabilität vertra- 
gen würde. 

Die Nasalierung der Vokale soll nach Einleitung ΧΙ] 
auf einer historisch eingetretenen Verkürzung des m. palato- 
glossus beruhn. Sollte man dann nicht vermuten, dass es 
überhaupt nur nasalierte Vokale geben könnte? Die Richtig- 
keit der Annahme, dass dem Schwinden eines Nasales überall 
Nasalierung des Vokals vorausgegangen sein müsse, ist zu 
bezweifeln, auch wird der Wegfall der wesentlichen »- oder 
m-Artikulation durch jene Annahme nicht erklärt. Der tie- 
fere Grund für den Wegfall ist in dem Umstande zu suchen, 
dass die linguale resp. labiale Artikulation der genannten 
Konsonanten mit der Ruhelage des Sprachorgans zusammen- 
fällt und mit dem Aufhören des Stimmtons jener Konso- 
nanten auch die akustische Existenz derselben aufhört. 

Auch beim Konsonantismus werden die heutigen Laut- 
werte zuweilen ohne Bedenken in die älteste Zeit übertragen. 
Unbeholfenen Schreibungen, die für eine solehe Übertragung 
zu sprechen scheinen, wird zu grosses Gewicht beigelegt, 
alles Regelmässige durch Schreibertradition erklärt. Die aber 
hatte in älterer Zeit bei weitem nicht die Bedeutung, die RK. 
ihr beimisst. Das Lautfalschschreiben war noch nicht offi- 
zieller Lehrgegenstand wie heute; deshalb schrieb man in 
der Regel lautrichtig. Freilich aus Zusammenstellungen ein- 
zelner aus dem Zusammenhange gerissener Worte ist die Regel 
schwer zu erkennen. Die Beispielsammlungen des Buches 
sind darum zu einem guten Teil nicht beweisend. Ich kann 
mich der Ansicht, dass im Oberd. bereits zu ahd. Zeit keine 
stimmhaften Verschluss- und Reibelaute mehr existiert haben 
sollen, nieht anschliessen. Vergl. auch Wilkens Zum hoch- 
allem. Konsonantismus S. 90 ff. v und f (für germ. f) sollen 
regellos bereits in ältester Zeit wechseln. (8 147 Anm. 2) 
Doch gesteht K. selber (8 170 Anm.): “Im Allgem. ist aber 
die Schreibung intervokalisch -#-, auslautend f festgehalten.” 
Dass ein Schreiber, der lautgesetzlich in einem und dem- 
selben Worte baid f bald © zu schreiben hatte, auch einmal 
/ schrieb, wo er ® hätte hören müssen, oder d schrieb, wo 
t zu stehen hatte, ja dass auch in der gesprochenen Sprache 


a Zug 


Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart. 139 


früh schon Ausgleichungen vorgekommen sein mögen, ist nicht 
zu verwundern. Für den allgemeinen Zusammenfall von 
etym. f und dem aus p entstandenen ($ 170 Anm.) beweist 
zwelfe der ZBR. wenig und bidurfen gar nichts. f (für b) 
in bidurfen ist aus bidarf übertragen und hat natürlich den 
‘Wert von ausl. f beibehalten. Auffällig ist ὃ 148, wo Worte 
wie hanf, stumpf, fünf in eine und dieselbe Kategorie ge- 
bracht werden. Der mangelhaften Schreibung lat. Worte darf 
‚ebenfalls keine zu hohe Beweiskraft beigemessen werden ($ 162. 
171,5). Man muss bedenken, dass die Schreiber zum teil 
Klosterschüler waren, die die fremden Worte gar noch nicht 
sicher aufgefasst hatten, und dass überdies jedenfalls die 
roman. Aussprache vorbildlich war, was besonders hinsichtlich 
inlautender Konsonanten von Wichtigkeit ist. | 

Zur Verschiebungsstufe stl. Verschlusslaute im Altschwä- 
bischen wird viel Wertvolles beigebracht. Über Einzelheiten 
der Beweisführung lässt sich rechten. DBetreffs solcher Worte, 
in denen etym. einfache Tenuis mit doppelter wechselte, 
kann nicht allgemein entschieden werden, wann Verschluss-, 
wann Reibelaut anzusetzen ist; da einerseits Doppelformen 
sehr lange neben einander bestanden haben können, ander- 
seits Ausgleichungen schon sehr früh eingetreten sein mögen. 
Bezüglich Notkers hat Braunes Deutung (Ahd. Gramm. 144 
Anm. 4) mehr für sich als die Kauffmanns ($ 178). Als ein 
Beispiel unzutreffender Benutzung von Reimen für lautl. Fest- 
stellungen muss angeführt werden, dass K. ($ 188 Anm.) aus 
Ötfridischen Assonanzen wie arnon:korn u. w. das Alter 
des r-Ausfalles erkennen will. Um singuläre Erscheinungen 
wie erfl aus armvoll zu verstehen ($ 189 Anm. 5), muss man 
sich gegenwärtig halten, dass, wenn durch Kontraktion Laut- 
folgen entstehn, die sonst im Wortinlaut nicht vorkommen, 
das ungeübte Muskelgefühl die zunächstliegende geläufige 
dafür einsetzt. nähner (8 190 Ὁ) hat mit analogischem ἢ 
nichts zu schaffen; es ist Komp. zu ahd. ndhun. ὃ 192 wird 
versucht, auch die Assimilationsverhältnisse der Konsonanten 
als eine notwendige Folge des “schwachgeschnittenen Akzents” 
darzustellen, und dabei behauptet, es gebe im Schwäb. keinen 
einzigen Fall, bei welchem der auf den Vokal folgende Kon- 
sonant den Ausschlag gegeben hätte; das “ Gesetz der regres- 
siven Konsonantenassimilation” sei ausnahmlos und eins der 
wichtigsten Merkmale gegen Franken. Fallen die Übergänge 
intervokal. mb zu mm ($ 189 d), ng zu » (191, 3) auch unter 
regressive Assimilation? und welcher prinzipielle Unterschied 
ist zwischen ihnen und fränk. nd zu nn, ld zu 11? Übrigens 
finden sich die auf 5. 270 f. angeführten Sandhierscheinungen 
auch im Fränk., das den schwäb. Akzent nicht hat. 


140 Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. 


Etwas Äusserliches: In der Geschichte einer Mundart 
sollten die Quellenbelege zu den einzelnen Lauten in chrono- 
logischer Ordnung angeführt werden. Das Buch kommt in 
dieser Hinsicht dem Leser nicht entgegen. Vergl. z.B. SS 81, 
Inu a. 

Neben manchem, was in methodologischer, phonetischer 
oder etymologischer Hinsicht anfechtbar ist, bietet das Buch 
aber auch ungemein viel Anregendes, Lehrreiches und Treff- 
liches. Die Lautbezeichnung und -beschreibung ist klar und 
genau. Für die ausführlichen Angaben über die Akzent- und 
Quantitätsverhältnisse muss die mundartliche Grammatik ganz 
besonders dankbar sein. ‚Jedermann weiss, wie schwierig 
gerade diese Kapitel zu behandeln sind, und wie sehr sie 
trotz ihrer Wichtigkeit im allgemeinen vernachlässigt wer- 
den. Auch für die Textkritik unserer mhd. Dichter werden 
beachtenswerte Fingerzeige gegeben. Überall bemüht sich 
der Verf., nieht blos die Thatsachen zu rubrizieren, sondern 
auch die Ursachen der Erscheinungen aufzuspüren. Das Buch 
wird von keinem deutschen Grammatiker übersehn werden 
dürfen. Ausstattung und Druck sind vorzüglich. 

Reinhart Michel. 


Müllenhoff K. Deutsche Altertumskunde. Fünfter Band, 
zweite Abteilung. Berlin Weidmannsche Buchhandlung 1891. 
ὙΠ ΘΝ 2 

Lachmann hat sich einmal in einem Brief an Wilh. 
Grimm auf ein Wort Jacobs berufen: Die Sagen müssen histo- 
risch zusammengestellt werden wie die Sprachformen (Zeit- 
schrift für deutsche Philol. II 205). “Ist alles historisch zu- 
sammengestellt, so können wir dann sehn, wie weit wir 
zurückblicken können ... Es thut nichts, wenn die Samm- 
lungen auch anfangs leblos aussehen '. Diese Worte passen 

-wie ein Motto auf die vorliegende Publikation. Lachmanns 

Betrachtungsweise galt ja Müllenhoff als Muster und Meister- 

stück methodischer Sagenforschung. Lachmanns Kritik der 

Sage von den Nibelungen hat nach Müllenhoffs Überzeugung 

erst auf den Begriff der Altertumskunde geführt, da die Be- 

trachtung der epischen Stoffe die Zeit der Wanderung als das 
deutsche Heldenalter, sie selbst als Erzeugnisse und Überlie- 

ferungen einer noch ältern Zeit erkennen liess (DA. I IX). 

So ist das Volksepos, in engerm Sinn das Nibelungenlied, 

für Müllenhoff zu einem “lebendigen Buch wahrer Geschichte 

voll” geworden. Anlage und Abfassung seines grossen Wer- 
kes ist nur für den begreiflich, der nicht vergisst, dass Mül- 
lenhoff von der mittelhochdeutschen Litteratur aus die Auf- 


Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. 141 


gabe der Altertumskunde sich gestellt sah (DA. IX. ὙΠ]. XXIH), 
Die Poesie und ihre Geschichte waren die Lichtquellen seiner 
Forschung. Licht und Schatten ist von diesem so umfassen- 
den und doch wieder so einseitigen Standpunkt auf dasselbe 
gefallen. Im Grunde hängt es an dieser Auffassung der Dinge, 
dass alle die sich getäuscht sehen, welche von Müllenhoffs 
Altertumskunde ein nach dem gewöhnlichen Schema eingerich- 
tetes Handbuch der Antiquitäten erwarten. 

DA. Bd. V sollte nach dem Plan M.s den Volksglauben der 
Germanen behandeln, Bd. VI die Geschichte des deutschen 
Volksepos. Die zweite Abteilung von Bd. V knüpft an den 
Schluss des zweiten Buches: Über die ältere Edda. V 1 en- 
digte mit dem Exkurs über die Starkadsdichtung, V 2 be- 
handelt die eddischen Nibelungenlieder (Fra dauba 
Sinfjotla — Guprünarkeiba IIl). Nach den Vorbemerkun- 
gen Roedigers war hiefür nicht einmal ein Entwurf vorhan- 
den. Um aus dem V. Band einen Sammelpunkt für M.s nor- 
dische Studien zu bilden und die Darstellung der Heldensage 
vorzubereiten, wurde M.s Kollegienheft und Nachschriften 
aus den Jahren 1864/65, 1878/79, 1881 herangezogen. Wie 
viel im einzelnen aufzunehmen sei, wurde W. Ranisch zu 
prüfen überlassen, der die Arbeit unter Mithilfe Hofforys 
ausgeführt hat. Ranischs Ms. ist von Roediger endgültig be- 
arbeitet worden. Das Register zum ganzen Band ist gleich- 
falls von Ranisch fertiggestellt. 

Es ist, wie wir jetzt auch aus Ranischs Einleitung zu 
seiner Ausgabe der Volsungasaga (Berlin 1891) ersehen, M.s 
Meinung gewesen, der Sagenkomplex von den Nibelungen 
sei als Ganzes nach dem Norden getragen, aber erst im 10, 
Jahrh. in die erhaltenen Heldengedichte umgegossen worden !), 
nicht ohne dass eine Reihe spezifisch nordischer Züge einge- 
drungen wären. Die eingreifendste Wirkung hat die norwe- 
gische Helgisage ausgeübt. Ferner wird die Geschichte vom 
Hort fast ganz als nordisches Sagengut angesehen. Es sind 
einige Namenwechsel, eine Änderung in den Verhältnissen 
der Söhne Gjükis?) eingetreten und schliesslich hat sich die 
Jormunreksage angegliedert. Die nordische Nibelungensage 
des 10. Jahrh. sei zum teil in Prosa zum teil in Liedern be- 


1) Uber die zweite, jüngere Einwanderung’ der Sage finden 
sich spärliche Andeutungen DA. 398. Was Wimmer-Jönsson jetzt 
S. 39. 155 der Ausgabe des cod. reg. entziffert haben, konnte noch 
nicht berücksichtigt werden. 

2) Was die Fünfzahl der Söhne betrifft (S. 569. 578), so hätte 
zu Zimmer Zeitschr. f. deutsche Alt. XXXII 312 Stellung genommen 
werden sollen; desgl. zu Langbards lidar (S. 394) vgl. ebenda 5. 258. 
ΘΟ zu 5: 398) v8. Zimmer: 8327-0. a: 


149 Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. 


handelt gewesen. Um das Jahr 1000 beginne die Scheu vor 
dem grossen Gegenstand zu schwinden und mit Absicht wer- 
den am Stoff Änderungen vorgenommen: man interpoliert, 
rekapituliert, modernisiert τι. 5. w. Es beginne die Zeit künst- 
lerischen Niedergangs, der 'albernen Einfälle , traurigen Epi- 
gonentums, welches aus der gewaltigen Heroentragödie ein 
bürgerliches Rührstück mit Figuren wie Heimir, Bekkhildr, 
der stickenden!) und eifersüchtigen Valkyrje und andern 
Modemotiven gemacht habe. Es ist geradezu der Grundsatz 
ausgegeben worden: ein Lied ohne Interpolationen darf man 
mit ziemlicher Sicherheit für jung erklären (Ranisch Vols. 
5. XVI). So lange die zusammenfassende Darstellung der 
Heldensage im VI. Band nicht vorliegt, ist es nicht ratsam, 
diese sehr freien Anschauungen zu besprechen. Ich habe 
mich auf einige Bemerkungen zu dem ausgegebenen Hefte 
zu beschränken. 

Zu der Vermutung, dass die Prosa von Sinfjotlalok 
(warum nicht, wie in der Hs., fra daupa Sinfjotla?) wohl 
auf alten Liedfragmenten beruhe (S. 361), hätte auf die Halb- 
strophe Jestu af magni (Vols. C. 8) hingewiesen werden 
dürfen (Rosenberg Nordboernes tandsliv I 311 f£.). M. schlägt 
(S. 361) vor V. 15. 14 der sog. Reginsmäl in die Prosaein- 
leitung einzustellen, was ich sehr treffend finde. Das unbe- 
stimmte ein dag... der Prosa scheint die Unursprünglich- 
keit der Verbindung zu verraten. Ich kann nicht finden, 
dass die beiden Strophen an ihrer jetzigen Stelle fest gefügt 
seien. So erhalten wir ein wohlgeordnetes Gedicht, das ich 
keineswegs mit Mogk (Grundriss II 86) “wüst‘ nennen möchte. 
Nur sollte man dasselbe nicht länger als Reginsmäl bezeich- 
nen. Nach der phototypisch-diplomatischen Ausgabe hat die 
Hs. wahrscheinlich fra sigurpi als Überschrift. Es darf folg- 
lich kein Gewicht darauf gelegt werden, dass die Schluss- 
partie nicht zu den alten Peginsmdl gehörte. Man kann 
aber wohl zugeben. dass die Hnikarepisode ursprünglich selb- 
ständig gewesen sein mag (W. Grimm ΗΒ. ὅ S. 451). Was den 
Vorschlag betrifft, V. 26, 3 engr (Hs.) er fremri sd er fold 
rydi in beim er zu ändern, so ziehe ich mit Bugge engr vas 
des Nornagestpättr vor; warum soll sich die Halbstrophe nicht 
auf Sigemundr beziehen? Sowohl über die Ausmerzung der 
V. 12—1D der Fäfnismäl als über den einheitlich imposanten 
Eindruck, den dieses von ächtem Heroengeist durchwehte 
Lied macht, ist man einig. V.1l1 kann des Zusammenhangs 
wegen nicht “schon früh eingeschoben sein. Bei der An- 
sicht M.s, die zweite Hälfte von V. 20 sei aus V. 9 hieher- 


1) Doch beachte hierzu Rosenberg Nordb. I 46. 


Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. 143 


geraten und Vols S. habe das passendere bewahrt, bleibt auf- 
fallend, dass Fäfnir im letzten kritischen Augenblick von 
dem Hort geschwiegen haben sollte. Die Antworten Sigurds 
auf Fäfnirs Rede sind zudem stets derart eingerichtet, dass 
sie ein gegebenes Stichwort aufgreifen (vgl. R. M. Meyer Alt- 
germ. Poesie 5. 504 f... Das kann hier nur gull gewesen 
sein. Auch die weitern Änderungen der Überlieferung kann 
ich nicht akzeptieren'). Wo M. gestörte Überlieferung sieht 
{(V. 25—51), erkenne ich einen durch den Umschwung der 
Gesinnung veranlassten Wechsel des Tons und der Auffassung. 
M. bemerkt (wie Rosenberg I 318), es seien im Grunde Si- 
gurds eigene Gedanken, die durch die redenden Spechtmei- 
sen versinnbildlicht werden?) Der Zögling erkennt die Bei- 
hilfe an, die er dem weisen Meister zu verdanken hatte, aber 
die letzten Worte des sterbenden Fäfnir haben den Argwohn 
in seine Brust gesenkt. Die Peripetie fällt in die Pause, welche 
die Prosa bezeichnet und rasch bricht der selbstbewusste 
Kraftsinn des Helden sich freie Bahn. Die Vermutung Grundt- 
vigs, dass nur drei, nieht sechs Vögel anzunehmen seien, 
hätte durch Hinweis auf die bildliche Darstellung der Szene 
bekräftigt werden sollen (vgl. jetzt auch L. Dietrichson De 
norske Stavkirker S. 74). Es ist überhaupt zu wünschen, 
dass die Sigurdszenen auf Holz und Stein für die Geschichte 
der Sage gründlicher ausgebeutet werden. Der Inhalt des 
späten Situationsgedichtes Gußrunarkvipa I (S. 370) wird mit 
“uellennachweisen aus Guprunarkvipa II und dem 3. Sigurd- 
lied erzählt. Die Umstellung von V. 27 (S. 375) halte ich 
nieht für geboten, weil der Übergang von 22 zu 27 gar zu 
abrupt wäre und papan der Schlussprosa seine Beziehung 
verlöre. V. 18,5 avdlingö Hs. in *aurlingom zu ändern, ist 
überflüssig. Der Parallelismus der Zeilen 5 und 4 ist voll- 
ständig und die Schlusszeile als Variante (mit Ettmüller) zu 
streichen, da M. doch wohl die Einsetzung der (nichtüber- 
lieferten) Zeile 1 gebilligt hat. 5. 375 erklärt er die Auf- 
fassung Bugges betreffs der Bezeichnung des 5. Sigurdsliedes 
als eines kurzen, sei nicht ohne Weiteres abzuweisen (das 
hätte auch Ranisch Vols. S. XHI beachten sollen). Doch sei 
vielleicht eine andere Erklärung vorzuziehen. Vielleicht seien 
die Verhältnisse hier ähnlich wie bei der Volospo en skamma 
und Hyndloljöpß. Es habe vielleicht einmal ein "kurzes Si- 


1) Ranisch Vols. S. XII Anm. spricht davon, in V. 41 werde 
Gußprun erwähnt; M. sagt aber nur, V. 41 beziehe sich auf G. Die 
Strophe ist an ihrem Orte sehr leicht zu verteidigen. 

2) Man darf darüber die selbständige sagengeschichtliche Be- 
deutung der Sache nicht vergessen. 


144 Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. 


gurdslied gegeben, welches später durch Interpolationen ent- 
stellt und zu dem heute vorliegenden Liede (geida St- 
gurbar Hs.) aufgeschwellt wurde. Nach einer unwahrschein- 
lichen Strophenabtrennung lässt M. mit V. 6!) die Interpola- 
tion beginnen. Den Hauptinhalt bildet eine kurze Geschichte 
Sigurds und der Brynhildr in ca. 30 Strophen : 1—9. 22— 53 
(zum teil). 47, 3. 4+48. 49. 51, 3. 4+52. 53. 57. 65. 66— 
69. 71. V. 54—64 sind sicher jüngeres Einschiebsel, doch 
halte ich mit M. auch V.57T für echt. Bei der Strophenreihe 
22—55 ist M. selbst nicht zu klaren Ausscheidungen gelangt. 
Es handelt sich im Wesentlichen um die Existenzfrage für 
0. 9. 94:47 . Wieso. dadurch,‘ dass’ mit SV.6 derzHeld 
wechselt, dass Brynhildr statt Sigurdr in die Mitte gestellt 
wird, etwas gegen die Unursprünglicehkeit von V. 6 ff. be- 
wiesen sein soll, vermag ich nicht einzusehen. Sigurdr musste 
nach dem Gang der Ereignisse in den Hintergrund treten, 
wenn der Dichter uns in den Kreis seiner Feinde führen 
wollte. Gegen V. 16 wird der Vorwurf erhoben, sie stehe 
in unvereinbarem Widerspruch gegen den Geist der alten 
Diehtung und des Heldentums. Wenn das zuträfe, müsste 
all die Rohheit der That wie der Gesinnung, welche für die 
“Ungetreuen’ der Heldensage Charaktermerkmal bildet, aus 
der Überlieferung gestrichen werden. Das Motiv der Hab- 
sucht soll denn auch gegen V. 94 ff. entscheiden. Dass Bryn- 
hildr den Sigurdr bloss seiner Schätze wegen bevorzugt habe, 
widerspricht der V. 39 (Bugge), wo Brynhildr gerade von 
der Schönheit des Mannes besonders ergriffen wird. Wie sie 
Gunnars Frau geworden, hat jetzt Ranisch (Vols. S. XV) ge- 
zeigt und die Erwähnung der Todesfahrt beweist eben an 
sich schon, dass die Strophen ausserhalb des ganzen Liedes 
nicht denkbar sind. Noch auffallender ist mir, was M. gegen 
V. 45 geltend gemacht hat. Sie soll in schroffem Wider- 
spruch zu V. ὃ stehen, was allerdings richtig ist, aber seine 
volle Erklärung findet in den Schlussworten der V. ὃ und 
den daran hängenden Ereignissen, die doch nieht übersprun- 
gen werden dürfen. Ich kann mich auch nicht davon über- 
zeugen, dass Brynhildr in V. 69 an den Einzug in Valhell 
gedacht habe (vgl. auch 5. 388). Nicht bloss sind die reli- 
giösen Voraussetzungen (wie z. B. bei Sigmundr) hiefür nicht 
gegeben, zum andern ist uns auch nirgends bezeugt, dass 
eine gefallene Valkyrje in Valholl Einzug gehalten und zum 
dritten bliebe unerklärt, weshalb der Dichter die Halle der 


1) Bugges Lesung svelti (Arkiv II 123) ist jetzt durch Wim- 
iner-Jönsson bestätigt worden und dadurch hat M.s Übersetzung die 
erforderliche Bestätigung erfahren. 


Soholevskij Drevnij cerkovno-slavjanskij jazykü. 145 


Auserlesenen nicht genannt haben sollte (vgl. Helreid Bryn- 
hildar). Mit der herrschenden Ansicht über den Valhollglau- 
ben ist die Stelle allerdings nicht im Einklang, aber nicht 
diese, sondern jene bedarf der Remedur. Für die Bestattungs- 
feier hätte nieht nur auf Beowulf und Jordanes, sondern auch 
(insbesondere bezüglich der 2 haukar) auf den schwedischen 
Vendelfund verwiesen werden können (Hj. Stolpe Antiqv. 
Tidskrift VIII 1 ff... Für die Zeitbestimmung des Liedes 
dürfte dies nicht ohne Belang sein, obwohl man in Vendel 
nur unverbrannte Leichen gefunden hat. Kesselfang (5. 398) 
ist nicht bloss die häufigste Form des Gottesurteils bei Frauen 
gewesen, vielmehr war er in Norwegen (im Gegensatz zu Eng- 
land) gesetzmässig ausschliesslich für Frauen in Anwendung 
zu bringen (J. Grimm RA. S. 922. Taranger Den angelsak- 
siske Kirkes Inflydelse paa den norske 5. 323 ff.). Als frü- 
hester Termin für das ὃ. Gudrunlied wäre das 2. Viertel des 
11. Jahrh. möglich. Zu spekjor (S. 399) bemerke ich, dass 
das Wort wahrscheinlich Entlehnung des ags. spec ist; dass 
nicht, wie zu erwarten, e geschrieben, Könnte damit zu- 
sammenhängen, dass in der Hs. zuerst spell- gestanden hat, 
doch ist e—= « häufig genug belegt, Bugge Fornkv. 5. VIII. 
Zu Stamm und Bedeutung beachte mhd. gespehte. Für die 
veraltete Quantitätsbezeichnung gelten immer noch die Worte 
vom Möbius Germ. IX 350. 
Marburg i. H. Friedrieh Kauffmann. 


Sobolevskij A. J. Drevnij cerkovno-slavjanskij jazykü. Fo- 
netika. Moskva 1891. 8, VI und 124 S. Pr. 1 Rubl. 

Nach einer Einleitung, in welcher sich Sobolevskij u. a. 
als Anhänger derjenigen Forscher erweist, die im Kirchen- 
slavischen einen altbulgarischen Dialekt erbliecken, werden 
(das Verhältnis der slavischen Laute zu den gemeinindogerma- 
nischen, die gemeinslavischen und die speziell kirchenslavi- 
schen Lautveränderungen besprochen. Das Buch würde daher 
auch einen allgemeinern Titel verdienen, als es trägt. Leider 
scheint der Verf. mit den neuern Fortschritten der Sprach- 
wissenschaft nicht vertraut genug zu sein, trotzdem er unter 
seinen Quellen auch z. B. Brugmann, Saussure u. a. zitiert. 
Er kennt noch den sporadischen Lautwechsel (S. 1f.) und in 
seinen Ausführungen sieht es daher oft eher wie in einem 
Raritätenkabinet als wie in einem wohlgeordneten Museum aus. 
Man sollte nicht glauben, dass heute noch eine so verworrene 
Darstellung des Vokalablauts möglich ist wie die hier 5. 62 ff. 
gebotene. Es wird u. a. wieder ohne weiteres z.B. die slav. 
Endung -telv mit griech. -τερ- usw. verbunden (8. 83), in 


146 Thumb, 


slovo vlok% derselbe Auslaut gesucht (5. 88) usw. Nicht ein- 
mal die speziell slavistischen Forschungen hat S. genügend 
berücksichtigt: S. 87 werden z. B: Formen wie seds med» schon 
wieder als älter aufgefasst denn spds mod». Viel Selbstän- 
digkeit spürt man in S.s Buch auch nicht; und wo er eine 
eigene Meinung vorzutragen scheint, ist er in der Regel 
schwerlich im Recht: so lesen wir 5. 79 von einem Suffix 
-slo (in veslo maslo usw.), das mit lat. -clo- lit. -kla- iden- 
tisch sein soll, 5. 88 wird asl. beretz berats zu ai. abharata 
abharanta gestellt u. ä& m. Dazu gehört S. auch unter die 
zahlreichen Philologen, die das Bedürfnis empfinden, Sanskrit 
zu zitieren, ohne sich die Mühe gegeben zu haben, sich eine 
elementare Kenntnis desselben zu verschaffen: so wird z. B. 
S. 56 vahata als 2. Pl. indicativi aufgefasst, ebd. steht asva 
als Vok. Sg. der d-Deklination, S. 77 jh als die palatale 
Nebenform von gh; 8.60 begleitet der Verf. ai. mas- vidhava- 
mit der Bemerkung "in zusammengesetzten Wörtern‘, was 
darauf schliessen lässt, dass er die Wörter in irgend einem 
Buch gelesen und nicht verstanden hat, was das Trennungs- 
zeichen dabei zu bedeuten hat. Mit einem Wort, das Buch 
gehört unter diejenigen, die von sehr geringem Nutzen sind. 
Prag. Josef Zubaty. 


Die neugriechische Sprachforschung in den Jahren 
1890 und 1891). 
(Schluss.) 
DPI: 

Wir gehen zu den Leistungen auf dem Gebiet der 
neugriech. Dialektologie über. Von der Aufgabe, Methode 
und dem Wert der neugr. Dialektforschung handelt in einem 
kurzen Bericht: 

Psichari Rapport d’une mission en Grece et en Orient. Ar- 
chives des missions scientifiques. 1890 p. 23— 56. 

Wegen eines Prinzips zur Gruppierung der Dialekte 
ist nochmals auf Hatzidakis Zum Vokalismuss des Neugr. 
zu verweisen, wo zuerst die richtige Scheidung in eine nord- 
und südgriech. Gruppe (Grenze etwa der 38. Breitegrad) 
gemacht wird: das Einteilungsprinzip (Verhalten der unbe- 
tonten Vokale) ist so einleuchtend, dass ältere Gruppierungs- 
versuche vor diesem neuen zurücktreten müssen. Die beiden 


1) Vgl. Anzeiger I 5. 38. 


Neugriechische Sprachforschung. 147 


Gruppen scheinen mir im Allgemeinen ziemlich scharf von 

einander geschieden zu sein; die Ursachen dieser genauen 

Abgrenzung und die Frage nach Übergangsgebieten habe ich 

in der ᾿Αθηνᾶ III 120 ff. gestreift. 

Von einzelnen Dialektgebieten haben folgende mehr 
oder weniger Beachtung gefunden: 

Unteritalien. 

Zur Orientierung: 

Krumbacher Griechen im heutigen Italien. In der wissen- 
schaftlichen Rundschau der Münchener Neuesten Nachrichten 
vom 14. Februar 1891. 

Prince L.-L. Bonaparte Linguistie Islands of the Neapolitan 
and Sieilian provinces of Italy, still existing in 1889. 
Hertford 1890. 32 5. (Aus den Transactions of the Philo- 
logical Society.) 

Nach G. Meyer Zschr. f. rom. Philol. XV 546 ff. gibt 
der Aufsatz ein Verzeichnis albanesischer, griechischer u. a. 
Kolonien im heutigen Unteritalien, ferner eine Sprachprobe 
des italienisch-griech. Dialekts. 

Tozer The Greek-speaking Population of Southern Italy. 
Journal of Hellenie Studies X 11—42. 

Enthält ausser den Charakteristika der Dialekte von 
Bova und Ötranto eine sprachliche und historische Untersu- 
ehung über den Ursprung der unteritalienischen Griechen: 
sie sind nach T.s Ergebnissen vor dem 11. Jahrh. eingewan- 
dert, erhielten aber spätere Zuzüge. 

Morosi L’elemento greco nei dialetti dell’ Italia meridionale. 
Parte prima: Provincia di Reggio. Archivio glottologieo 
XII (1890) 76-—96. 

Die Arbeit beginnt mit einer kurzen Einleitung über 
die Bedeutung des griechischen Elements in Unteritalien 
(Altertum und Mittelalter) und zählt dann nach sachlichen 
Kategorien über 300 griechische Wörter auf, welche in unter- 
italienische Dialekte eingedrungen sind. Die Abhandlung ist 
unvollendet: der Tod hat den hochverdienten Gelehrten, der 
unserer Wissenschaft die beste Darstellung eines neugriechi- 
schen Dialekts geschenkt hat, am 22. Februar 1890 mitten 
aus einem schaffensfreudigen Leben im Alter von 46 Jahren 
hinweggenommen. Nach dem kurzen Nekrolog von Ascoli 
(am Ende des oben genannten Aufsatzes) besteht Hoffnung, 
dass aus den nachgelassenen Manuskripten noch manches für 
die Wissenschaft Wertvolle herausgegeben werden wird. 

Hatzidakis hat dem Verstorbenen einen Nachruf ge- 
widmet in der ᾿Αθηνᾶ II 697— 701, worin zugleich eine Über- 
sicht über die Leistungen auf dem Gebiete der italienisch- 
griechischen Dialekte gegeben wird. 


148 Thumb, 


Über die griechische Ansiedlung an der Westküste von 

Corsica (Carghese) zuletzt ausführlicher Φαρδύς Icropia τῆς 
ἐν Κορεικῇ ἑλληνικῆς ἀποικίας. Athen 1888. 

(Über die Sprache 5. 100 ff.). Dass das Griechische noch 
nieht erloschen ist, bestätigt neuerdings Hoefer im Globus 
1891 S. 159. 

Tonisehe Inseln. 


Partsch Kephallenia und Ithaka. Petermanns Mitteil. Er- 
gänzungsheft Nr. 98. (1890.) 

Enthält ausser rein geographischen Dingen eine auch 
für den Dialektforscher interessante Geschichte der beiden 
Inseln, dann einige Wetterregeln (von Cefalonia) und ein paar 
interessante Einzelwörter. — Ferner verweise ich nochmals 
auf das schon genannte Buch von Miliarakis (Anzeiger | 
5. 42). 

MP Tirus: 

Casangis Formules des souhaits et saluts en usage chez les 

Epirotes. ἙἝλλάς II 166—112. 
Ätolien. 

Χατζόπουλος Τὸ ickıwuevo χωριό. Ἑετία 1891 (II) 5. 156 ἢ 
Ätolische Sage; zwar Volkssprache, aber für die Kenntnis 
des Dialekts (abgesehen vom lexikalischen) ohne Bedeutung. 

Peloponnes. 

Über die Maniaten: 

Philippson in Peterm. Mitt. (s. oben) 1890 5. 38 f. (vorwie- 
gend ethnographisch und nur ganz allgemein über den Dia- 
lekt). 

Über die Zakonen ebd. 8.37 (ethnographisch; der Name 
der Zakonen ist nach Ph. wohl von einem Slavenstamm über- 
tragen). 

Athen. 


Καμπούρογλους Icropia τῶν ᾿Αθηνῶν I. Athen 1889. 
vgl. Boltz Ἑλλάς II 97 ff., Krumbacher Berl. philol. 
Wochensehr. 1890 Sp. 127, C.-E.R., Revue des Rt. ET. 1IV96: 
Das Werk (das ich leider noch nicht zu Gesicht bekom- 
men habe) bringt Lieder, Märchen, Sprüchwörter usw., end- 
lich eine Darstellung der athenischen Mundart. 
Ägina. 
A. Thumb Μελέτη περὶ τῆς εημερενῆς ev Αἰγίνῃ λαλουμένης 
διαλέκτου. ᾿Αθηνᾶ III θὉ.---198, 
Enthält 2 Sprachproben, eine kurze Darstellung der 
Hauptcharakteristika des Dialekts und Erörterungen über die 
Stellung des Äginetischen innerhalb der neugr. Dialekte: das 


Neugriechische Sprachforschung. 149 


Äginetische, Megarische und Athenische bilden eine Dialekt- 
Ξ ) 5 

gruppe, die selbst dem peloponnesischen Zweig des Südgrie- 
chischen angehört. 


Inseln des ägäıschen Meeres. 


Tozer The Islands of the Aegean (s. oben $. 42) passim. 

Samothrake: Tozer 5. 355 f.: ein paar Bemerkungen 
über die Sprache der Hirten, welche allein noch den ältern 
Dialekt bewahrt: haben. Die Notizen bieten übrigens viel 
weniger als was wir schon von Üonze, Reise auf den Inseln 
des thrak. Meeres 5. 55 ff. wissen. 

Chios: Sehr reichhaltig ist 
ἸΤαςεπάτης Χιακὸν FAwccapıov. Athen 1888. (450 5.) 
Κανελλάκης Χιακὰ "Avakerta. Athen 1890. (592 5.) 

vgl. G. Meyer im Literar. Centralbl. 1891 Sp. 113 £. 

Reiches Material an Volksliedern, Sprüchwörtern usw., 
Darstellung des Volkslebens (Aberglaube, Sitten und Ge- 
bräuche). 

Psichari verheisst eine Grammatik des chiischen Dia- 
lekts; vgl. über ein paar Einzelheiten des Idioms von Pyrgi 
auf Chios den schon genannten Raport (5. 30 ff.). 

Naxos: Eine volkstümliche Überlieferung im Dialekt 
wiedererzählt von Μαρκόπολις in der Ἑετία 1890 (II) p. 397 f. 

Derselbe ferner: Ναξίων δειειδαιμονίαι ebd. 1891 (I) 314 f. 
(abergläubische Vorschriften im Dialekt von Tragäa auf 
Naxos). 

Kreta: Παπαδοπετράκις Icropia τῶν Σφακίων. Athen 
1888. 

Enthält nach Karolidis, Revue historique LXV 128 auch 
Angaben über Sitten und Sprache der Sphakioten. 

Tozer besonders p. 90 f. Doch ist das meiste von dem, 
was angeführt wird, gar nicht so sehr vereinzelt wie T. 
meint, sondern gehört mehr oder weniger den Inseln über- 
haupt an. “The most notable feature” nämlich “the sot- 
tening of κ΄ (Aussprache wie €) ist vollends sehr weit ver- 
breitet (Peloponnes an verschiedenen Orten, megarisch - athe- 
nisch -äginetische Gruppe, Inseln des ägäischen Meeres). — 
Über p statt X bei den Sphakioten Tozer 5. 62. 
Σταυράκης περὶ τοῦ πληθυςεμοῦ τῆς Κρήτης. Athen 1891. 

(Mir nieht zugänglich). 

Cypern: Zur Bibliographie über Cypern vgl. 

OÖberhummer Aus Cypern (in der Einleitung). Zschr. d. 
Ges. f. Erdk. zu Berlin XXV (1890) S. 183 ff. 

In dem antiquarisch-topographischen Aufsatz wird gele- 
gentlich (S. 240) eine dialektische Eigentümlichkeit hervor- 
gehoben, die Aussprache des Κα und x als isch (&). Wir 


150 Thumb, 


haben oben gesehen, dass es mit der erstgenannten Eigen- 

heit nicht so weit her ist. 

Φρατκούδης Κύπρις ἤτοι οἱ Κύπριοι τῆς cNuepov. Athen 1890. 

Handelt auch von der Sprache (nach Karolidis,. Revue 
historique XLV 128). 

Eine mit grossem Fleiss ausgearbeitete und erschöpfende 
Monographie über Cypern besitzen wir in dem Werke von 
"A. Σακελλάριος Τὰ Κυπριακά, ἤτοι Yewypapia, ἱετορία καὶ 

Awcca τῆς vncov Κύπρου ἀπὸ τῶν ἀρχαιοτάτων χρόνων 
μέχρι εήμερον. Τόμος Α΄. Athen 1890. (842 5.) 

Rez. von Κ. K[rumbacher| im Lit. Centralbl. 1891 Sp. 
676—678. P. CJarolidis] Revue historique. XLV (1891) S. 257 ff. 

Der vorliegende erste Bd. giebt ausser einer reichhal- 
tigen Bibliographie!) (ob erschöpfend vermag ich nicht zu 
beurteilen, doch vermisse ich z. B. Deecke Der Ursprung 
der kyprischen Silbenschrift. Strassburg 1577 und G. Meyer 
Romanische Wörter in den eyprischen Chroniken Jahrbuch 
f. rom. u. engl. Spr. XV 35 ff.) die Geographie, Geschichte, 
öffentliches und privates Leben der Cyprier (Altertum, Mittel- 
alter und Neuzeit). Da erst der 2. Band ceyprische Sprache 
und Texte enthalten wird, so müssen wir es uns an dieser 
Stelle versagen, hier näher auf den schon vorliegenden Teil 
einzugehen. Immerhin findet auch der Erforscher des Neu- 
griechischen in dem erschienenen Bande manches Wertvolle: 
die Darstellung des Volkslebens, Volksaberglaubens, der Sit- 
ten und Gebräuche (702 ff.) bringt auch sprachliches Material, 
besonders in lexikalischer Hinsicht; einige umfangreiche Texte 
(Volkslieder) geben ein ungefähres Bild vom neueyprischen 
Dialekt — ein Bild, das freilich der 2. Band wesentlich ver- 
vollständigen wird. Obwohl nicht hierher gehörig, so sei 
ferner auf den Abschnitt über die allerälteste Geschichte hin- 
cewiesen, wo Fragen behandelt werden (Ursprung der griech.- 
eyprischen Bevölkerung), die für den Sprachforscher von In- 
teresse sind. Aber freilich sind in dem Gebiete der eypri- 
schen Urgeschichte die Behauptungen des Verfassers recht 
problematisch. 

Kieimasien. 

Kiepert Die Verbreitung der griechischen Sprache im pon- 
tischen Küstengebirge. Mit Karte. Zschr. d. Ges. f. Erdk. 
zu Berlin. XXV (1890) 317—330. 

Beschäftigt sich nur ganz wenig mit der Sprache selbst, 
giebt dagegen eine genaue Statistik der Verteilung des griech. 
Elements im Pontosgebiet. In der beigefügten Karte sind 


> 


1) Vgl. dazu Cobham in der Academy No. 983 (1891) 5. 236. 


δ 


Neugriechische Sprachforschung. 151 


sämmtliche griech. Orte (mit Angabe der Häuserzahl) deutlich 

hervorgehoben. 

Neophytos Le greec du nord-est de l’Asie mineure au point 
de vue anthropologique et ethnologique. In: L’Anthropologie 
II 1 (mir nicht zugänglich). 

Derselbe Le distriet de Kerassunde au point de vue an- 
thropologique et ethnographique. L’Anthropologie I 6 (mir 
nieht zugänglich). 

Ob Hoffmann Le vilayet de Trebizonde. Le Globe 
1890 S. 236—260 Sprachliches enthält, weiss ich nicht. 
BaAaßavnc Μικραειατικά. Athen 1891. 

Eine Sammlung von Aufsätzen über das Volksleben, die 
Kultur und die sonstigen Verhältnisse der meist türkisch 
redenden Griechen Kleinasiens; ausser vereinzelten Hinweisen 
auf Sprachliches (z. B. S. 157) bietet besonders das kurze 
Glossar aus Aravanion (5. 15 ff.) einige merkwürdige That- 
sachen des interessanten griechischen Dialekts jener Ortschaft. 

Über den Dialekt von Phertakaena in Kappadocien, 
handelte 
Κρινόπουλος Τὰ Φερτάκαινα. Athen 1889 (in wissenschaft- 

licher Beziehung dürftig, aber immerhin Materialsammlung). 


Die neugriech. Dialektforschung bedarf noch ganz be- 
deutender Pflege, bis wir ein ungefähr richtiges Gesamtbild 
erhalten. Denn so sehr es nach der obigen Aufzählung schei- 
nen möchte, als ob nicht wenig über neugriech. Dialekte 
geschrieben würde, so enthalten doch die meisten der genann- 
ten Schriften ungemein wenig über die betr. Dialekte, gewöhn- 
lich nur die eine oder andere Bemerkung über eine einzelne 
Thatsache, die dem Beobachter gerade aufgefallen ist; ande- 
rerseits lässt die Art der Aufzeichnung meist sehr zu wün- 
schen übrig. Aber ein Aufschwung neugriechischer Dialekt- 
studien lässt sich erhoffen, seit einige Griechen, die Verständ- 
nis für die griech. Volkssprache besitzen, sich zur Gründung 
einer Gesellschaft ᾿Σύλλογος Kopan vereinigt haben, um die Er- 
forschung der neugr. Sprache und ihrer Dialekte zu beleben. 
Die Statuten sind vom 10. September 1590 datiert und von 
’A. Παεπάτης als Vorsitzendem und Χατζιδάκις. als Sekretär 
unterzeichnet. Durch Verleihung von Preisen für tüchtige 
(unveröffentlichte) Dialektarbeiten (Ὑλωςεικὸς dıaywvicuöc ἢ und 
dureh Veröffentlichung derselben in einer eigenen Zeitschrift 
soll der Hauptzweck der Gesellschaft gefördert werden. Eine 
von Hatzidakis verfasste Anweisung gibt auch dem sprach- 
wissenschaftlich nicht Gebildeten die nötigen Winke für die 
Sammlung von Materialien. Der Name von Hatzidakis bürgt 
dafür, dass der Σύλλογος in streng wissenschaftlicher Weise 


Anzeiger I 2. 11 


192 Thumb, 


seiner Aufgabe gerecht werden wird, falls seine Landsleute 
ihrerseits das nötige Interesse zeigen. 
IV: 

Obwohl ieh mit meiner bibliographischen Übersieht über 
neugriechische Sprachforschung zu Ende bin, so weit eben diese 
selbst in Betracht kommt, so sei es mir doch gestattet, wenig- 
stens kurz noch auf drei Punkte einzugehen, die allerdings in 
einer mehr losen Beziehung zur neugriech. Grammatik stehen, 
aber immerhin entweder allgemein sprachwissenschaftliches oder 
praktisches Interesse haben und nicht leicht an einem andern 
Ort sich unterbringen lassen: es sind die drei Fragen über 
die Aussprache des Altgriechischen gewissermassen in 
neugriech. Beleuchtung, ferner die sogenannte Sprachfrage 
der heutigen Griechen und das Griechische als inter- 
nationale Gelehrtensprache. Diese drei Gegenstände 
sind gar nieht so verschiedenartig als es scheinen möchte: 
gewöhnlich werden von denjenigen, welche die eine Frage 
behandeln, auch die beiden andern mit herein gezogen. Hier 
befinden wir uns freilich auf einem Gebiet, wo der Dilettan- 
tismus üppige Blüten treibt. Man findet etwa folgenden 
Gedankengang: Alt- und Neugriechisch sind identisch; dies 
lasse sich leicht beweisen, wenn man die neugriech. Schrift- 
sprache (die man NB. dem Altgr. bewusst nähert) mit dem 
Altgr. vergleiche. Es ist auch "erwiesen, dass das Altgrie- 
chische neugriechisch auszusprechen sei; Altgriechisch wird 
auf diese Weise eine lebende Sprache und muss als solche 
gelehrt werden — und, fügen manche hinzu, dieses wieder- 
belebte modernisierte Altgriechisch sei am besten geeignet, 
als internationale Gelehrtensprache zu dienen. 

Es ist besonders eine Zeitschrift, welche diese und 
ähnliche Ideen vertritt, die schon öfters zitierte Ἕλλάς des 
Amsterdamer Φιλελληνικὸς Σύλλογος (bis jetzt vier Bde.). Für 
die Zeitschrift steht es fest, dass die neugr. Aussprache des 
Altgriechischen das einzig richtige ist; daher wird dekre- 
tiert “Abschaffung der erasmianischen Aussprache und Er- 
setzung derselben durch die lebende mutatis mutandis 
(sie!). Männer wie Engel usw. “haben ja das hohe Alter die- 
ser Aussprache bewiesen und dennoch will man den alten 
Schlendrian befolgen”! (III S. 27). Ich unterlasse es im Ein- 
zelnen derartige Leistungen aufzuführen und verweise den, 
der Zeit übrig hat, auf die Ἑλλάς selbst. Nur der Aufsatz 
von Kern, Zur Geschichte der Aussprache des Griechischen. 
Wiedergabe indischer Wörter bei griech. Autoren, Ἑλλάς I 
155 ff. II 85 ff., zeichnet sich durch wissenschaftliche Objek- 
tivität aus. Auch ausserhalb der Zeitschrift ist man thätig: 


Neugriechische Sprachforschung. 153 


Dawes The pronuneiation of Greek with suggestions for ἃ 
reform in teaching that language. London 18901). 

Beweise für die Behauptungen der Verfasserin sucht 
man vergebens; das Buch von Engel ist ihr eine Hauptquelle 
und Autorität! 

Telfy Meine Erlebnisse in Athen. Budapest, Wien, Leipzig 
1890. (Handelt u. a. von der Aussprache; mir nicht zu 
Händen.) 

Burnouf La prononciation du grec. Revue des deux Mon- 
des (1890) 5. 614—642. 

Auch dieser Aufsatz steht ganz auf dem oben skizzierten 
Standpunkte. 

Eine achtungswerte Leistung, auf die sich die Vorge- 
nannten gern berufen, ist das Buch von 
Παπαδημητρακόπουλος Βάςανος τῶν περὶ τῆς ἑλληνικῆς 

προφορᾶς EpacuıkWv ἀποδείξεων. Athen 1889. ιθ΄, 752 5. 

Dazu ein Nachtrag: Nouveaux documents Epigraphiques 
demontrant lV’antiquit& de la prononeiation des Grees moder- 
nes. Leiden 1890. 

vgl. A. Th(umb) Lit. Centralbl. 1890 Sp. 149 ἢ. Sittl 
Berl. philol. Wochenschr. 1890 8.540. Psichari Revue eritique 
1890 (II) S. 24. (Über den Nachtrag) Lit. Centralbl. 189] 
ΒΡ. 1999: 

Der Verfasser vertritt die neugriech. Aussprache des 
Altgriechischen und lässt es in der Verteidigung seiner Sache 
an Gründlichkeit und Scharfsinn nicht fehlen. Aber wenn 
er trotzdem in den Hauptpunkten nicht zu überzeugen ver- 
mag, so zeigt das eben, dass die Sache selbst von vornherein 
eine verzweifelte ist. 

Die Schriften von Παραδημητρακόπουλος und Bournouf 
veranlassten eine Auseinandersetzung von Psichari La pro- 
noneiation du gree. La nouvelle Revue 1890 1. Juli 8. 97 — 
78 (auch separat). Es ist vorwiegend eine Erörterung über 
Sprachentwieklung im allgemeinen. indem auf diesem Wege 
die Unrichtigkeit der antierasmischen Grundsätze nachge- 
wiesen wird. 

Psichari wird in massloser Weise angegriffen von 
K. Padnc Ὃ Ev Γαλλίᾳ περὶ τῆς ἑλληνικῆς YAwcenc ἀτών. 

Athen 1890. 

Die Broschüre handelt von der Aussprache des Altgr. 
und von der neugriech. Schriftsprache. Beides wird als "na- 
tionale’ Sache behandelt; d. h. wenn ein Grieche das Dogma 
von der neugr. Aussprache des Altgr. und von der Identität 
beider Sprachphasen nicht zugibt, so ist er ein Verräter an 


1) Natürlich in der λλάς (II 101) sehr gelobt. 


154 Thumb, 


seiner Nation. Wir sehen hier, wie wenig Chauvinismus und 
Wissenschaft zusammen passen. 

In Deutschland stehen wir solchen Dingen kühl gegen- 
über; umsomehr hat daher die Petition der Deutschen in 
Athen überrascht, man solle auf unsern Gymnasien die neu- 
griech. Aussprache einführen. Im zwei Artikeln 
Zur Aussprache des Altgriechischen in den Grenzboten 

1891 5. 354— 361 
Die Aussprache des’Griechischen’in der‘ Beilage "zur 
Allgemeinen Zeitung 1891 Nr. 34. 
wird lebhaft gegen solche Bestrebungen protestiert. In dem 
ersten Aufsatz wird auch die Sprachfrage kurz berührt, wie 
überhaupt mehr oder weniger in den angeführten Schriften. 

Eine gediegene wissenschaftliche Darstellung des Ὕλως- 
cıkxöv ζήτημα᾽ gab Hatzidakis in den schon oben 8.47 
genannten Aufsätzen, ausserdem Ἑλλάς II 92 ff., ferner Θ ε- 
ρειανός im 2. Bd. seines Κοραῆς (5. oben 8.39). Von beiden 
Gelehrten wird die Frage vorwiegend geschichtlich behan- 
delt!.,. Für den Sprachforscher hat das ganze Problem, das 
zunächst eine nur die Griechen betrettende praktische Frage 
ist, deshalb hohes Interesse, weil wir an einem konkreten 
Beispiel sehen können, wie ein Volk, dazu ein solches von 
grosser historischer Vergangenheit, nach einer Sehriftsprache 
ringt. Die Vergangenheit, d. h. das Altgriechische, hat bis 
jetzt den Sieg davon getragen. Während man aber über 
das Hauptprinzip zur Zeit ziemlich einig ist (altgriechische 
Grundlage auch für die heutige Schriftsprache), streitet man 
sich noch über den Grad der Altertümlichkeit. So liegen 
der “Attizist” Kontos und sein Gegner Βερναρδάκης mit 
einander in heftiger Fehde. Man vgl. (aus den beiden letz- 
ten Jahren) des Kövroc verschiedene Aufsätze in der ᾿Αθηνᾶ, 
besonders II 387—600 und dazu die anonym erschienene 
Schrift von Bepvapdaxnc 'EmcroAn περὶ ἐπιετολῆς (zuerst 
in der athenischen "’E@nuepic‘, dann als selbständige Bro- 
schüre Athen 1890). 

Ansätze zu einer Umkehr, d. h. Annäherung an die 
Volkssprache sind unverkennbar. Psichari ist der entschie- 
denste Verteidiger einer volkstümlichen Redeweise ; aber auch 
Hatzidakis redet einer Annäherung an die Volkssprache 
das Wort. Die angesehene (belletristische) Zeitschrift Ἑετία 
liebt es, von Zeit zu Zeit in demselben Sinne zu wirken. 
Man vel. z. B. Ἐφταλιώτης, Ἑετία 1890 (I) 5. 42. 156 und 
sonst, Προβελέγιος II 1 ff. TTarauäc II S. 113 ff. Apocivnc (Ac.) 


1) Wegen weiterer Artikel zur Sprachfrage verweise ich auf 
die Ἑλλάς. 


Neugriechische Sprachforschung. 155 


passim, ferner die Novelle ᾿Ζούλια᾽ von Psichari in No. 12 
und 14 d. J. und den schon genannten Aufsatz von Mıkpo- 
yıavvnc. Aber freilich herrscht bis jetzt noch die altgrie- 
chisch gefärbte Schriftsprache. 

Dass es natürlich nicht schwer ist, die Identität des 
Altgr. mit dem so künstlich zurechtgemachten Neugriechisch 
zu “erweisen (s. oben), liegt auf der Hand. Die 92°/, Altgrie- 
chisch, welche Blackie Is Greek a dead language? (im 1. Bd. 
der Ἑλλάς) in der Hamletübersetzung von Damiralis entdeckt 
hat, besagen daher nicht viel. 

Der Gedanke, das modernisierte Altgriechisch, d.h. die 
Schriftsprache der heutigen Griechen zum Gegenstand unse- 
rer Schulbildung zu machen und Altgriechisch als lebende’ 
Sprache zu behandeln, wird ebenfalls von den Mitgliedern 
des Amsterdamer Φιλελληνικὸς Σύλλογος (Boltz, H. C. Müller 
u. a.) mit Vorliebe gepflegt. Man glaubt gar, in der neu- 
griech. Schriftsprache die internationale Gelehrtensprache der 
Zukunft gefunden zu haben. Die Idee wurde schon von 
Eiehthal vertreten: aus neuester Zeit nenne ich 
Flach Der Hellenismus der Zukunft. 2. Aufl. Leipzig Fried- 

rich. 

Kuhlenbeek Das Problem einer internationalen Gelehrten- 
sprache und der Hellenismus der Zukunft. Leipzig Fried- 
rich. 

Boltz Hellenisch die internationale Gelehrtensprache der Zu- 
kunft. 2. vermehrte Auflage. Leipzig Friedrich. (Die zweite 
Auflage kam mir noch nicht zu Gesicht.) 


Ich schliesse meine Übersicht mit dem kurzen Gesamt- 
urteil, das ich bereits im Eingang angedeutet habe: die Zahl 
dessen, was über neugriechische Sprache geschrieben wird, 
ist nicht gering; aber der Schriften, welche die neugriech. 
Sprachwissenschaft fördern, sind es nur wenige. Vor- 
läufig müssen wir indessen für alles dankbar sein, was ge- 
boten wird, dürfen aber hoffen, dass mit der Weiterentwick- 
lung der jungen Disziplin der Dilettantismus immer mehr 
zurücktrete und ein richtiger, d. h. auf wissenschaftlicher 
Methode beruhender Betrieb immer weitere Verbreitung finde. 

Freiburg i. B., November 1891. Albert Thumb. 


eh rg 
Bibliographie'). 
Vorbemerkung. Auch diesmal ist mir die gütige Unterstütz- 
ung der Herrn Professoren P. Giles in Cambridge, W. Jackson 
in New-York und L. Parmentier in Gent zu teil geworden. 


Il. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft. 


Marty A. Uber Sprachreflex, Nativismus und absichtliche 
Sprachbildung. Vierteljahrsschrift für wissenschaftl. Philo- 
sophie. 8. Artikel XV 250—284; 9. Artikel XV 445— 
467; 10. (Schluss-)Artikel XVI 104—122. 

Eingehende Auseinandersetzung des Verfassers mit den über 
die Entstehung der Sprache bisher aufgestellten Theorien. 

Imme Andeutungen über das Wesen der Sprache auf Grund 
der neuern Psychologie. Zeitschr. des allgem. deutschen 
Sprachvereins. Wissenschaftl. Beihefte No. 2. 

Müller M. F. On thought and language. The Monist (Lon- 
don) Juli 1891. 

Deville G. Notes sur le developpement du langage chez 
les enfants. (suite). Rev. ling. XXIV 242—58. 300—21. 
Binet Les maladies du langage. Rev. d. deux Mondes. Januar 

1892. 5. 110-- 19». 

Handelt über Aphasie mit Benutzung der neuern Untersuchun- 
gen von Ribot, Kussmaul, Bernard, Egger usw. Schlussfolgerungen: 
“D’abord: pluralit&e et independance des memoires verbales; en se- 
cond lieu, preponderance frequente d’une de ces memoires sur les 
autres; et enfin solidarite, concours harmonieux de toutes ces τηὐ- 
moires, de facon ἃ former, dans les conditions normales, cet en- 
semble bien coordonne de sensations, de pensces et d’actes qu’on 
appelle la langage” 

Lloyd R. J. Speech sounds : their nature and causation (con- 
tinued). Phonetische Studien V 129—41. 

Thomas (. Voiced and voiceless consonants. The Univ. Re- 
eord. Univ. of Michigan 1 1. 

Borinski K. Grundzüge des Systems der artikulierten Pho- 
netik zur Revision der Prinzipien der Sprachwissenschaft. 
Stuttgart Göschen 1891. XI u. 66 S. gr. 8°. 150M. 

Paul H. Principles of the history of language. New and 
rev. 866. London Longmans. 9608. 8%. M02En, 16744 


1) Für die Druckfehler in der Bibliographie des vorigen An- 
zeizgerheftes bitte ich um Nachsicht: verschiedene Umstände haben 
mir damals die sorgfältige Erledigung der Korrektur leider unmög- 
lich gemacht. 


Bibliographie. 197 


Peile A modification in the latest editions of Pauls “Prinzi- 
pien’ and Brugmanns Greek Grammar. Cambr. Philol. Soc. 
Proe.. XXV—XXVI 5. 1. 

Zu Prinzipien ? 5. 58—60 u. Grammatik ? 5. 11 ἃ. h. über das 
Verhältnis von plötzlichem und allmählichem Lautwandel. 

Kovär Uvedeni do mluvnice (Einleitung in die Grammatik). 
Prag Rohlitek & Sievers 1891. gr. 8°. Pr. 50 Kr. ö.W. 
Johannson A. Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtig- 

keit. IF. I 232—55. 

Breal M. Le langage et les nationalites. Rev. ἃ. deux Mon- 
des ΟΥ ΠῚ 615—6939. 

Fasst die Sprachwissenschaft im Gegensatz zu Schleicher als 
hist. Wissenschaft; bestreitet die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze. 
Die Sprache ist nicht wie die Modernen olauben, das bedeutendste 
Kennzeichen der Nationalität. Es liegt wenig daran, dass die Sprache 
verschieden ist, wenn nur der Geist derselbe ist: Belgien, Schweiz, 
England sind Nationen, obgleich bei ihnen Sprachverschiedenheit 
besteht. 

Uhlenbeck Ο. ©. Baskische Studien. Amsterdam Müller 1891. 
51 5. 8° (Overgedrukt uit de Verslagen en Mededee- 
lingen der Koninklijke Akademie van Wetenschappen, Af- 
deeling Letterkunde 34° Reeks, Deel VII). 

Sucht die Verwandtschaft des Baskischen mit dem Indoger- 
manischen zu erweisen. 

Cust R. N. ng and oriental essays written from the 
year 1847 to 1890. 3. Series. London K. Paul, Trench, 
Trübner u. Komp. 8°. 21 sh. 

Benfey Th. Kleinere Schriften. Ausgewählt und herausgeg. 
von Adalbert Bezzenberger. Gedruckt mit Unterstützung 

Excellenz des kgl. preuss. Herrn Kultusministers u. 

der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. 
I. Band. Dritte u. vierte Abteilung. Mit Registern zu 
beiden Bänden von Dr. G. Meyer und einem Verzeichnis 
der Sehriften Benfeys. Berlin Reuther 1892. 257 u. 156 5. 
ΘΝ: 

Ahrens H. L. Kleine Schriften. I. Band. Zur Sprachwissen- 
schaft. Besorgt von C. Haeberlin. Mit einem Vorwort von 
©. Crusius. Hannover Hahn 1891. XV u. 584 S. gr. 8°. 
16 M. 

Philologische Abhandlungen H. Schweizer-Sidler zur Feier 
des fünfzigjährigen Jubiläums seiner Dozententhätigkeit an 
der züricher Hochschule gewidmet von der 1. Sektion der 
philos. Fakultät der Hochschule Zürich. Zürich S. Höhr 
ΠΟ ν U. MINS. er. AA M: 

Die in der Schrift enthaltenen Abhandlungen sind einzeln 
angeführt. 


158 3ibliographie. 


Ceci L. Appunti Glottologiei. Torino G. Loescher 1892. 

1. Indogermani od Indocelti. 2. R aus D. 3. Roma “cittä del 
fiume’. 4. carmen zu ai. Sas-man-, indem -sm- nach der Tonsilbe 
zu rm wird. 4. faber, von Wz. dhe-. 5. proletarius; von pro rata sei 
*proritarius, pr olitarius gebildet worden, woraus durch Volksety- 
mologie proletarius entstanden sei. 6. calamitas. τ. amoenus : für 
*amenus zu *amere. 8. ambulare, Grundlage im Anschluss an Bugge 
"angulus Sr. ἄγγελος, daraus ἢ Eambulus durch Einfluss v. ambire. 
9. orare : adorare "agere’ nur volksetymologisch hieran angelehnt. 
10. tot, vgl. topper aus *tot-per, nicht "Ὁ od -per. 11. en dare. 12. 
paniculum : panicula nach der Schmidtschen Theorie. 13. flexuntes 

flexu euntes’. 14. castrovs “capitis’. 15. γίνομαι, γινώεκω. 
Jenes von Wz. γιν-, ai. jine dieses Analogiebildung. 16. ἱρός ist 
Aolismus. 17. uiv vom sma- (ue-ta) nach Analogie von iv gebildet, 
ebenso wie viv aus n6, ne. 


Bartholomae Chr. Arisches und Linguistisches. Sonderdruck 
(aus Bezzenbergers Beiträgen). Mit Indices versehn. Göt- 
tingen Vandenhoeck u. Ruprecht 1891. IV u. 179 8. gr. 8°. 
5 M. Vgl. Abteilung I. 


Misteli Neupersisch und Englisch. Phil. Abhandlungen, H. 
Schweizer-Sidler .... gewidmet. (Zürich 1891) S. 28 
Ein Abschnitt aus seinem Buche “Zur Charakteristik ausge- 
wählter Typen des Sprachbaues’, das "hoffentlich in Jahrestrist" er- 
scheinen werde. Vergleichung verschiedener in beiden Sprachen 
selbständig infolge des Flexionsverlustes entstandnen Eigentüm- 
lichkeiten. 


Hirt H. Vom schleifenden und gestossenen Ton in den idg. 
Sprachen. II. Teil. IE. I 195—232. 

1. Die schleifende Betonung im Germanischen und die Aus- 
lautsgesetze. — 2. Die Akzentqualitäten und der Sandhi im Uridg. 
Bechtel F. Die Hauptprobleme der indogermanischen Laut- 

lehre seit Schleicher. Göttingen Vandenhoeck u. Ruprecht 
1599. ΤΧ u. 45 8 τ 8 3 ME 
Hoffmann O. Zur idg. Lautlehre. BB. XVII 149—99. 


I. Ide. g α gh und kv γσυ ghv im Anlaute. Zusammen- 
stellung von ved. edyate "hassen ’, gr. teiw mit pro und fijan. In 


,ῖο ist 7 antevokalischem οὐ. Sein p erklärt sich aus idg. kv. 
Man vel. die Doppelheit τις thess. kıc kvpr. εἰς, τείῳω thess. 
ξ j ὶ 


kypr. πείω. So ist auch das p von poena aufzufassen. Die Rich- 
tiekeit dieser Auffassung wird endgültig bewiesen durch das Wort 
für “wildes Tier’ abg. zver» lit. Zveris: “Grundform ghver. Diejeni- 
gen Griechen, welche reiw spreche n, haben hier Θήρ, diejenigen, 
welche teilw aufweisen, dagegen php. Ferner: idg. kr und ᾧ fallen 
arisch in %k zusammen. Nach dem Ausweis des Thessalisch -kypri- 
schen und Ioniseh-dorischen sind mit kr anzusetzen: 1. *Anetvor- “4: 
teccepec τι. πέεευρες, fidwör. 2. *kvelo-"Schaar’ : τέλος u. süd-dor. ἀπέλ- 
Aa, po-pulus, ahd. folk, slav. koleno. 3. *ghvedhio “bitten : Beccouaı 
u. böot. θιότφεετος, bidjan. 4. *ghveno Fülle’ : ev-Bevew u. thess.-äol. 
ö-pevoc. — II. Idg. ph im Anlaute. 1. ai. phalgua- : Hes. φελγύ- 
νει. 2. ai. phena- "Schaum’ : abg. pena. 3. ai. phalati : ὀ-φέλλω. 
4. phala "Brett' : abg. poloka. 


Bibliographie. 159 


Fennell €. A. M. Brugmanns theory of the Ind.-Europ. na- 
salis sonans. Class. Rev. V 451—54. 

“There is a far simpler alternative theory; that the accusa- 
tive suffixes were m, -oms; the primitive 5 pl. suffix -nti, -antar, 
the pres. part. act. suffix -ογέ-, the secondary 1 pers. sing. act. suf- 
fix m, οἷο. and that in Gk. and Skt. if they followed a vowel 
the ὁ vanished, if they followed a consonant the » or m vanished 
in affeeted syllables, and if final inGk. as in Skt., final -» is drop- 
ped from nominal stems; cf. dasa, nama, räja. Contrast skt. pa- 
dam : Gk. πόδα, and abödhisham : Gk. ἔδειξα. It is perfectly na- 
tural that the vowel should vanish after a vowel, and equally na- 
tural that the vowel — nasal after a consonant should merge into 
a nasal vowel’ (p. 452). 


Pedersen H. r-n-Stämme. Studien über den Stamm wechsel 
in der Deklination der idg. Nomina. ΚΖ. XXXI 240— 275 


Behandelt die Fälle wie ὕδωρ — ὕδατος, yakrt, dsrg; ferner 
en-Stämme, die im Nom. suffixlos sind, wie ai. dos dösnas, lat. Os: 
ai. äsnds usw.. Wechsel zwischen es- und en-Stamm: κέρας — κέρα- 
τος. Auch neben #— »-Stämmen treten s-Formen auf. Suffixlosigkeit 
und en-Formen stehen neben einander in Fällen wie γόνυ — Yoöva- 
τος. i—n-Stämme: asthö — asthnas. I—n-Stämme: sawil — sunna. 
Endlich &—n-Bildungen: roda — ὕδατος u. a. Kritik der frühern 
Erklärungen. 7-n hat suttixale Bedeutung: Spuren einer vorgeschicht- 
lichen Deklination: casus rectus und obliguus. — Exkurs über die 
Entstehung eimiger Zahlwörter. Idg. *oktou enthält, falls man die 
Möglichkeit des Übergangs von q zu k oder k zu g annimmt Voll- 
stufe von get-“F, nach der Proportion okt-: get nogt- : ngt-. — 
Idg. penge elliptisch für getvöores pen ge d. 1. "vier u. eins’. — 
Zusammenhang von der Bezeichnung der Neunzahl mit newo- neu’. 
9 58 u. ein neuer’ 


Meringer R. Beiträge zur Geschichte der idg. Deklination. 
Sitzungsberichte der k. Akademie d. Wissenschaften in Wien. 
Phil. -hist. Klasse Band CXXV, IH. Wien Tempsky 1891. 
Een 

A. Die einsilbigen Neutra des Indogermanischen. 

M. betrachtet die verschiedenen Elemente (, u, r, d, s, 9, d, ἢ) die 

im Nominativ antreten und rekonstruiert die ursprüngliche Flexion. 

B. Über einige idg. Präfixe. Behandelt mehrere Präfixe und 

vermutet die Identität von einigen derselben mit den im Nom. Sing. 

Neutr. erscheinenden Suffixen. 


Johansson K. F. Über den Wechsel von parallelen Stämmen 
auf -s τῷ -r usw. und die daraus entstandenen Kombina- 
tionsformen in den idg. Sprachen. BB. XVII 1—56. 

I. Ausgangspunkt ist die Erklärung der Nom. Plur. Neutr. 

-@si als Kontaminationsbildung von -@n-(?) und -@as- (1) (Gött. Gel. 

Anz. 1890 S. 101 δ). Das wahrscheinlich zu machen dienen die 

folgenden zahlreichen Beispiele vom Nebeneinander verschiedener 

Stämme. — II. Betrachtet 103 Bildungen darunter Nr. 100 Part. 

Perf. Akt. und Nr. 103 das primäre Komparativsuffix. — ΠῚ. Er- 

gebnisse: I) Im Idg. stehen verschiedene Stämme, vorab auf -s -n 

-r nebeneinander. Diese beruhen in vielen Fällen auf urspr. Ka- 

susformen, das beweisen 1. vereinzelte Formen die niemals als De- 

klinationsstämme verwendet wurden z. B. aizec αἰτέν, dhar dhan. 


160 Bibliographie. 


2. Die Wörter dieser Art sind meist entweder Raum- oder Zeitbe- 
zeiehnungen, also für den Lokativ am geeignetesten. II) Die man- 
niefachen Suffixkombinationen beweisen urspr. Bedeutungsidentität. 
II) Folglich 1. Möglichkeit der Kombination vorhanden. 2. Not- 
wendigekeit, sie anzunehmen, weil dyüsi neben diues- diuen- 
nur als Mischform aus ihnen zu erklären ist. 


Ascoli Sulla storia generale delle funzioni del suffisso -tero-, 
con ispeeiale eonsiderazione del riflesso irlandese. Supp!l. 
Per. all’ Arch. Glott. It. Prima Dispensa 1891. 5. 595—173. 


I. Bedeutungsschema: 1. Funzioni assegnative ὁ discerni- 
tive. 2. Funzione dativa. 3. Funzioni livellatrice o di ragguaglio. 
4. Funzione prelativa. — $ II. Die altirischen — ὃ III. die mitteliri 
schen Verhältnisse. 


Thomas F. W. On some Latin and Greek negative forms. 
Class. Rev. V 378—79. 434 (vgl. H. D. Darbishire CR. 
5. 485). 

1) non is not noenu .. noenum but no — ne (either a se- 
cond negative or a particle of emphasis). noenum not ne + oInom 
but γιοὲ + nu(m) Gk. vo. νῦν. 2) νώδυνος, νωλεμές etc. have w = pre- 
position im Skt. ὦ or le :ngthened from ὦ by a process correspon- 
ding to the Skt. vriddhi but show full negative ne in composition 
p. 434. Idg. negative ne appears in 12 forms (1) 9, nu. (2) πῃ. (8) 
nt. (4) n®. (5) ne. (6) ner. (T) no? (8) nö. (9) πὶ. (10) πᾶς. (11) na“. 
(12) naxt, all of which except (7) and (10) occur in Greek or Latin. 
Delboeuf G. (Juelques reflexions grammaticales sur les prin- 

eipaux adverbes (affirmations, maniere). Rev. de l’Instruc- 
tion publ. en Belgique XXXIV 381—89. 


Behandelt besonders die Negationen. 


Solmsen F. Zur Pluralbildung der Neutra. BB. XVII 144—4\. 


Ausgehend von dem Nom.-Akk. Plur. Neutr. ἅτι auf der In- 
schrift von Gortyn, das er als ἅτι fasst, und dem ai. εὐ in ya clca 
eleichsetzt, erklärt er die Schmidtsche Annahme, das τὰ der griech. 
Neutr. Plur. sei allein von den ὁ- und «-Stämmen übertragen, für 
unmöglich. Es ist nun erwiesen, dass die Ursprache Neutra aut 
-7 und -% besessen hat; ob daneben auch -a bestand ist zweifelhaft. 


Walker J. W. Philologieal Notes VIII (Greek Aorists and 
Perfeets in -xa). Class. Rev. V 446—D1. 

Greek and Latin are very closely related. fee, jeci are ge- 
nuine perfects θῆκα, ἧκα also Perfects by origin. These two and 
δῶκα, φρῆκα (. pf. of ppaccw) passed into aorists because the ori- 
einal aorists θῆν, ἣν, δῶν, φρῆν disappeared. nv, ἧς, n was too auı- 
biguous; θῆν was too like adverb θήν, φρῆν to φρήν, δῶς and dw 
also to other words. βέβακα is the true parent of the -«-suflix in 
the Gk. Perfeet. Extended root βᾶκ seen in βάκτρον in Sapphos 


ἀβάκην and Homeric ἀβάκηςαν Ymöpncav. In Latin bae in bacu- 
um, bac in imbeeillus. Root ba τ: ot baeto and English path ἃ 
partieipial form although IndoE. 


Aspirated perfec ts like ae arose from a Gk. dislike 
to a suecession of three or more syllables beginning with a tenwis. 
Originally meaning of Pf. and Aorist was closely allied 
Perfeet in Homer always (1) intensive present, (2) present simply, 


Bibliographie. 161 
(3) intensive or emphatie past. Never (4) in its prehistoric and La- 
tin use as a narrative tense. 

The singular of the Graeco-Italian perfect from a stem con- 
taining a long "vowel had no reduplication. Original form moide. Lat. 
pegi but πέπιθμεν Lat. pepigimus. The exception cecidi is owing 
to the influence of ceceidi so which by popular etymology it was 
felt to be the causative. The interaction of the verbs keeps caedo 
from making *caesi as it would otherwise have done, and on the 
other hand kept cado from making *cadut. — ἔαρ and ver not from 
a root ves but from a form Ξῆταρ gen. Nspoc from root ve and suflix 
ur in πῖαρ, Eidap. 

Wackernagel J. Über ein Gesetz der idg. Wortstellung IF. 
I 333—456. 
H. Über Fieks vergleichendes Wörterbuch der idg. 
Sprachen. Am. Journ. Phil. XII 293—509. 

Charakterisierung dessen, was Fick mit seinem Wörterbuch, 
vorab mit der Rekonstruktion der einzelnen idg. Wörter und der 
‘Ursprachen’ beabsichtigt hat. Zum Schluss entscheidet sich C. ge- 
gen die Bezeichnung “Indogermanen’ und sucht den Gesamtnamen 


“Arier’ durch Hinweis auf ἀρι- in ἀρί-τνωτος usw. sowie Ap-eiwv und 

ἄριετος zu rechtfertigen. 

Giles P. Etymologies. Proceedings of the. Cambridge Philol. 
Society XXV—XXVI (1891) 5. 14 ἢ 

1. φάτνη — funda. — 2. μιςέω, μῖςος; μιαρός, Miser : μιαρός U. 
miser von wcew zu trennen, das zu ai. mith gehört. Dazu engl. 
to miss, mistrust. — 3. augur : au + Suffix in πρέςβυ-ς, TPEIC-FU-C, 
ai. vanar-gu-, lit. 2mö-geü-s. Vielleicht gehört yu-vn hierzu. 

Meyer G. Etymologisches. IF. 1 319—29. 

1. ὄνος — asinus. 2. ner. yadapoc γαϊδοῦρι "Esel’. 3. lat. mu- 
lus alb. musk. 4. illvr. luga- “Sumpf’. 5. Triest. 6. karisch τάβα 
‘Fels’. 7. tarent. uoAyöc "Schlauch’. 8. maked. κλινότροχος. 9. Sar- 
des. 10. Aspendos. 

Moulton J. H. Etymologies. Proceedings of the Cambridge 
Philol. Society XXV—XXVL (1891) 

ἐνδύω ἐνδ-ύω. Infolge der Volksetymologie ἐν-δύω ward neuge- 
bildet ἐκ-δύω für *Elw vgl. exuo. — 2. ἀρετή von "nr-e-ta zu ner- 
“Mann’. — 3. Ayivew, Verb der neu-Klasse, von Wz. gei und Präp. 
n. — 4. ἄκιρος, das Negativ zu ved. ni-cira "careful’. — 5. Acpöde- 
λος “earth’s spear, eu zu got. azgo u. ὀδελός. — 6. fenestra, Wz. 
bhen, zu φαίνω. — T. fluo Wz. dhleug ‘How away’ zu trocken, dry, 
drought. — 8. os zu ai. löpäasa "fox’. — 9. opinor :0p ἐπί + 
ain- in αἶνος, αἰνέω. — 10. oppido *tmmedwc “planely’, hence 
“plainly’. — 11. prandium trotz Stolz zu prando vgl. pransus aus 
pram + ssus, Part. Perf. Pass. von edo.pram dor. mpav — 11. 
wirus zu av. vaeso. Kontamination mit 27s0- FLÖC, 

Graf E. Rhythmus und Metrum. Zur Synonymik. Marburg 
τ ΠῚ Blwert. IV u.:97 8. gr. 8°. 2,40.M. 

Teppe A. Les prineipes de tonalite et de rythme. Paris Fisch- 
bacher. 128. 8°%.*1,50 frs: 

Wulff Fr. Von der Rolle des Akzentes in der Versbildung 
Skand. Archiv I. Bd. 59—90. 


162 Bibliographie. 


Nach allgemeinen Erörterungen über das Verhältnis zwischen 
Akzent und Quantität, zwischen "Rhy thmus und Satzakzent sucht 
der Verf. die Frage, wie die Römer ihre Verse aufgefasst und vor- 
getragen haben, zu entscheiden. Bei der Untersuchung gelangt er 
zu dem Resultat, “dass die Römer ihre Verse mit einer feierlichen, 
ebenen, eedehnten Eintönigkeit lasen, die nicht so abwechselnd 
und lebhaft wie die Prosa war, aber aueh nicht so gebunden (me- 
lodisch) wie der Gesang’’. “Der Hochton kam nur dann zur Aus- 
führung, wenn die Arsis mit einer logisch hervorgehobenen Haupt- 
silbe zusammentraf, was besonders in den letzten zwei Versfüssen 
gar oft der Fall war. In dieser Weise wurde 1. der Rhythmus durch- 
<ehends hervorgehoben; 2. kein einziges logisch hervorragendes 
Wort verstümmelt oder negligiert; ὃ. kein einziges logisch aufge- 
hobenes (akzentloses) Wort auf Kosten anderer herv oreehoben’ z 

Demgemäss sc hlägt er als wahrscheinlich vor: 

Dabunt malum Metelli | Nx»vio poet» 
ee re NSS l SEE NIE = 
Hane deus et melior item natura diremit 


TRUE Se ee Ὁ» ES ANA 


wo + = lang und hochtonig. 
de la Grasserie R. Essai de rythmique comparce. Muscon 
X 589—63 
Fortsetzung. Vgl. Anz. I 54. 


Brugmann u. Streitberg Zum hundertjährigen Geburtstage 
Eranz..Bopps. IE. 1 IX. 

Hirt H. Franz Bopp der Begründer der vergleichenden Sprach- 
wissenschaft. Nord u. Süd. Oktober 1891. 

Steinthal H. Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Grie- 
chen und Römern, mit besonderer Rücksicht auf die Logik. 
2. vermehrte u. verbesserte Auflage. II. Teil. Berlin Dümm- 
ler. 380 5. gr. 8°. 8M. | 


II. Indog. Altertumskunde und Mythologie. 


Hoernes Δ]. Die Urgeschichte der Menschheit nach dem Stande 
der heutigen Wissenschaft. 22 gr. Il. u. 325 Abb. Wien 
Hartleben. 43 B. gr. 8°. geb. M. 15,50. 

Nehring A. Über Tundren und Steppen der Jetzt- und Vor- 
zeit mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Mit 
1 Abb. im Texte und 1 Karte. Berlin 1890. Angezeigt 
Lit. Cbl. 1891 Sp. 1042 ἡ. von N—e. 

Köppen Fr. Th. Über Tundren und Steppen einst und jetzt, 
mit besonderer Berücksichtigung ihrer Tierwelt. Ausland 
LXIV Nr. 

Besprechung des obigen Werkes. In Mitteleuropa gab es 
nach der Eiszeit eine Periode der Tundren, der eine Zeit der Step- 
pen folgte, welche ihrerseits erst viel später durch Urwälder abge- 
löst wurden, wie sie uns Taeitus schildert. 


ΡΠ ΟΡ 0 Π16. 163 


Hahn Ed. Waren die Menschen der Urzeit zwischen der Jä- 
gerstufe und der Stufe des Ackerbaues Nomaden? Ausland 
LXIV 23. 

Der erste Getreidebau stammt aus einer Epoche, die weit vor 
die Zähmung der wirtschaftlichen Haustiere fällt, der Hund allein 
geht höher hinauf. 

Der Nomade ist wirtschaftlich nicht ganz unabhängig. Er 
lebt nicht bloss von Milch und Fleisch seiner Herden, sondern be- 
darf in der Regel der Zerealien. 

Munro R. The Lake Dwellings of Europe. London 1890. Cas- 
sel u. Co. 

Schnarrenberger W. Die Pfahlbauten des Bodensees. Bei- 
lage zu dem Jahresberichte des grossherzogl. bad. Gymn. 
zu Konstanz. Konstanz 1891. 

“Diese Arbeit soll im wesentlichen eine Zusammenfassung des- 
sen sein, was bis jetzt in verschiedenen Zeitschriften im Laufe der 
letzten Jahrzehnte über die Pfahlbauten des Bodensees veröffent- 
licht wurde, ausserdem soll sie das Material, soweit es mir zugäng- 
lich war, vorlegen’. 

Müller G. Ad. Vorgeschichtliche Kulturbilder aus der Höh- 
len- und älteren Pfahlbauzeit. Buhl 1892. M. 2,80. 

Schultheiss Rasse und Volk. Globus LX Nr. 21. 


Müller Fr. Ethnologie und Sprachwissenschaft. Ausland LXIV 
Nr. 52. 

Woeikof A. Das Klima und die Kultur. Ausland LXIV Nr. 16. 
Kritik von Penkas Aufsätzen Ausland LXIV No. 7—10. 
Penka K. Der Mensch und das Klima. Ausland LXIV Nr. 21. 

Erwiderung auf Woeikot. 

Hirt H. Die Urheimat der Indogermanen. IF. I 464—8). 

Kovär O pravlasti närodüv indoeuropskych (Über die Urhei- 
mat der indoeurop. Völker). Ziva I (1891 Prag). 10 5. 
2II—IN. 

Prüfung bisheriger Ansichten. Die Indoeuropäer sind durch 
eine ethnische Mischung entstanden, und daher kann man von 
einem indoeur. Urstamm gar nicht reden. 

Köppen Beiträge zur Frage nach der Urheimat und der Ur- 
verwandtschaft d. indo-europ. und finn.-ugr. Volksstammes. 
Angezeigt von Stieda Arch. f. Anthrop. XX Nr. 9. 

Möhl Öbservations sur l’histoire des langues siberiennes. 
Mem. soc. ling. VII 389—434. 

Behandelt besonders die Entlehnungs- und Kulturwörter der 
sibirischen Sprachen. Manche asiatisch-europäischen Wörter schei- 
nen Überbleibsel einer uralten Kultur zu sein, deren letzte Vertre- 
ter die Völker Nord-Asiens jetzt wären. Aus diesem Ursprung wer- 
den besonders Metallnamen abgeleitet: “das Eisen’ ostjak. kart, 


finn. karta, ahd. skart, altbulg. skrada und lat. sartago “Bratpfanne’; 
preuss. αὐτοῖς “Blei’, lit. alwas “Zinn’, griech. u-öAußoc, ostjak. lolpa; 


164 Bibliographie. 


lit. kauft, ahd. howwan von der Wurzel *Aku "schmieden’, samojed. 
kues “Metall’, gr. κύκλωπες lautlich Hasava (*kues-lava) “Schmie- 
der’, ein Volksname. Ebenfalls werden mit sibir. Wörtern vergli- 
chen: slav. grad», lit. Zardis, got. gards, lat. hortus, gr. χόρτος, — 


griech. πύργος, πέργαμος, germ. baurgs, berg; — ἅλε, sal; — lat. 
mare; — lat. erus, gr. χῆρος, slav. s272. 


Hansen A. M. Über Einwanderungen in Skandinavien. Mit 
Karte. Aus Det Norske Geografiske Selskabs Arbog Il 
1890/91. Christiania 1891. 

Behandelt die Eiszeit, die skandinavische, lappische und fin- 
nische Einwanderung. 

Bertrand A. Nos origines. La Gaule avant les Gaulois d’a- 

> ’ 
pres les monuments et les textes. 2. Ed. entierement re- 
manie. Paris Leroux 1891. 
Erst im 6. Jh. v. Chr. haben nach B. die Kelten Gallien be- 


siedelt. Vorher sei der Norden von einer namenlosen, der Süd- 

westen von Iberern, der Südosten (est) von den Ligyern oder Ligu- 

rern, die keine Indogermanen waren, bewohnt gewesen. Schilde- 
rung der ursprünglichen Kultur. Vgl. Virchow Zeitschrift f. Eth- 

nologie 1891 S. 234f. u. RC. XII 3. 

Webster W. The Celt-Iberians. Academy 1891 No. 1012 

S. 268% 

Über die uridg. Bevölkerung Westeuropas, zu der die Iberer 
und wahrscheinlich auch die Basken gehörten. Anführung von 
Namen, die sich sowohl in Spanien wie in Südgallien finden, vgl. 
Ac. 1891 No. 1004 S. 99. 

Hesselmeyer E. Die Pelasgerfrage und ihre Lösbarkeit. 
Tübingen. Angezeigt: Lit. Cbl. 1891 Sp. 1109 ἢ. von A.H. 
(Lobend.) Wschr. f. klass. Philol. VIII 32/353 von Thumser. 

Olshausen Zweite Mitteilung über den alten Bernsteinhandel 
und die Goldfunde. Z. f. Ethnologie 1891 S. 286. 

Fischer W. Der Weg des steinzeitlichen Bernsteinhandels. 
Globus EX Nr. 17. 


Hoernes M. Die Bronzefunde von Olympia und der Ursprung 
der Hallstatt-Kultur. Ausland LXIV Nr. 15. 

“Ich wage demnach die Vermutung zu äussern, dass die Grie- 
chen und die Illyrier zu einer Zeit, als beide Völker noch im Be- 
sitz einer unentwickelten Bronzekultur im Norden der Halbinsel 
sassen, etwa um 1200 v. Chr., durch skythischen Einfluss mit dem 
Eisen bekannt wurden’. 

Hoernes M. Die Genesis der alteuropäischen Bronzekultur. 
Globus "EIX INT. 2]. 

Hoernes M. Zur Archaeologie des Eisens in Nordeuropa. 
Globus LIX Nr. 2. 

Lindenschmit L. Das etruskische Schwert aus den Gräbern 
von Hallstadt und das vorgeschichtliche Eisenschwert nörd- 
lich. der Alpen. Arch. f. Anthropol. XIX Nr: 4. 


ιν 4 


Bibliographie. 165 


Bolle Karl Die Eichenfrucht als menschliches Nahrungsmittel. 
Zschr. d. Vereins f. Volkskunde I 138. 

Buschan Zur Vorgeschichte der Obstarten der alten Welt. 
Ζ. f. Ethnologie. Verhandl. usw. 1891 S. 97. 

Apfel sehr verbreitet, Birne tritt zurück. Es werden ausser- 
dem besprochen Maulbeerbaum, Pflaume, Schlehe, Traubenkirsche, 
Himbeere, Brombeere, Hagebutten, Eberesche. 

Buschan G. Das Bier der Alten. Ausl. LXIV Nr. 47. 

Bier in Egypten, bei den Iberern, Ligurern, Phrygiern und 
Thrakern, Griechen, Italern, Galliern, Germanen. 

Buschan G. Zur Geschichte des Hopfens; seine Einführung 
und Verbreitung in Deutschland, speziell in Schlesien. Ausl. 
ΠΟ Nr..31. 

Der Hopfen kommt von den Slaven zu den Germanen. Am 
Schluss Litteratur-Angabe. 

Buschan Die Heimat und das Alter der europäischen Kul- 
turpflanzen. Korresp.-Blatt d. Gesellschaft f. Anthrop., Eth- 
nol. u. Urgesch. XXI Nr. 10. 

Werner H. Ein Beitrag zur Geschichte des europäischen 
Hausrindes. Naturwissenschaftliche Wochenschrift VII Nr. 1. 

Windisch E. Über den Sitz der denkenden Seele, besonders 
bei den Griechen u. Indern u. eine Etymologie von gr. 
npamidec. Berichte der kgl. sächs. Ges. d. Wissenschaften 
1891 5. 155 — 203. 

Kopf und Herz. Litauisches. Anschauungen der Inder (im 
Ai. spielt der Kopf als Sitz der Geisteskraft keine Rolle, sondern 
das Herz). Die Anschauungen der Griechen. (Bei Homer ist das 
Herz Hauptsitz des geist. Lebens, Ansichten der Spätern). Lucre- 
tius, Cicero, Galen. Das Gehirn im nicht philosophischen oder me- 
dizinischen Sprachgebrauch. Die Seele ein Hauch. @pevec (das 
Zwerchfell verdankt seiner engen Verbindung mit dem Herzen die 
Erhebung in die geistige Sphäre). Das Wort könnte mit ai. bhram 
oder bhur in Zusammenhang stehen. TTpamidec (nicht mit Bechtel 
zu ai. parsu, vielmehr starke Wurzelform pergu, zu got. fair- 
lvus usw.). 

Roscher W. H. Ausführliches Lexikon der griechischen u. 
römischen Mythologie. 21 L. (2. Band Sp. 513—672). Leip- 
zig Teubner. 2 M. 


Müller F. M. Anthropological religion. London Longmans u. 
Komp. 10. :sh..6 d. 

Hartland Edw. Sidn. The Science of fairy tales, an inquiry 
into fairy mythology. London W. Seott 1891. 

Vgl. Zeitschr. des Vereins f. Volkskunde I 345. 

Goodyear W. H. The Grammar of the Lotus: a New History 
of Classie Ornament as a Development of Sun Worship. 
With Observations on the “Bronce Culture’ of Prehistorie 
Europe as derived from Egypt, based on the study of 


100 Bibliographie. 


Patterns. 1 Vol. roy. 4 fully illustrated, boards. Preis 63 sh. 
Sampson Low, Marston & Co. London. 


Kaegi A. Die Neunzahl bei den Ostariern. Phil. Abhandlun- 
gen, Schweizer-Sidler ... gewidmet. (Zürich 1891) S.50— 11. 
Knüpft an die Beobachtung von H. Diels an, dass die Drei- 
und die Neunzahl mit dem chthonischen Dienst, dem Toten- und 
Lustrationskult eng verbunden sei. Indem K. vom Totenkult aus- 
geht und die wesentlichen Bräuche der Ostarier bei Tod und Be- 
stattung betrachtet und die Buss- und Sühnbräuche anreiht, kommt 
er zu dem Ergebnis, dass “die Neunzahl.... bei den Ostariern die 
entsprechende Rolle spielt wie bei den Griechen, Römern, Umbrern 
und Germanen”. Ursprung: “Dem Vater, dem Grossvater, dem 
Urgrossvater bringt man die Ehrengabe und um sie zu heben 
und zu steigern, bringt man sie dreifach oder dreimal.... daher 
die Drei- und Neunzahl im chthonischen Dienst, im Ma- 
nenkult”. 


Hahn (. Heilige Haine und Bäume bei den Völkern des Kau- 
kasus. Ausl. LXIV Nr. 41. 
Sehr häufig bei den Osseten. 
EHerman Hirt. 


III. Arisch. 


A. Indo-iranisch. 


Bartholomae Arisches und Linguistisches. (Sep.-Abdr. aus 
BB. XV u. XVI, mit ausführlichen Indices versehen). Göt- 
tingen Vandenhoeck & Ruprecht. IV u. 179 5. gr. 8°. 
M. ὃ. 


Bartholomae Arica II. IF. I 4856— 500. 
6. Ai. -c- Ξε αν. -Ssk-—=ap. “ἢ aus + K-. — 7. Ar. $r av. 
sr? — 8. Vokal+ Nasal-+ r im Avesta. — 9. Ai. Infinitive auf -man 


und -mant. 
Leitner G. W. The races and languages of the Hindu-Kush. 
As. Qu. Rev. II Ser. I No. 3 S. 139—56. 2 Taf. 

l. Polo in Hunza-Nagyr. Il. The Kohistän of the Indus, inelu- 
ding Gabriäl. II. A rough sketch of Khatlan (Koläb) and adjoining 
countries. IV. The language etc. 

Leumann E. Eine arische Femininbildungsregel. KZ. XXX 
294— 510. 


Die bei »-Stämmen entstandene Endung -än? ist auch auf die 
a-Stämme übergegangen und zufällig nur noch bei solchen erhal- 
4 . Ξ / > = ἢ > ᾿ 
ten. Verschiedener Akzent. Bedeutung: Frau des Mannes, auf des- 
sen Namen die Ableitung zurückgeht, nur je einmal im Avesta und 
Veda anscheinend dessen Tochter. Im Indischen auch mehrere Bil- 
dungen von ?- und «-Stämmen. Nebenbei Etymologie von purusa, 
putra, pumäs gegeben. 


[Peet 5. D.]| The Aryans and the Indians. Amer. Ant. & Or. 
J: ΧΠῚ 2, 811922. 


Bibliographie. 167 


Hopkins E. W. Note on the development of the charakter 
of Yama. Am. Or. Soc. Proc. May 1891 5. XCIV—XCV. 


Traces in the Indian and the Persian tradition “the change 
from Y, the king of an earthly paradise” until he became “god 


> 


in unearthly regions”. 
B. Indisch. 


Buultjens A. E. The Dutch in Ceylon. X. chapter (of Valen- 
tyn’g account of Ceylon). The Or. IV 3/4, 50—7. 

Carter Ch. English - Singhalese Dietionary, P. IV. Colombo 
1890. 

Conrady A. Das Newäri. Grammatik und Sprachproben. 
ZDMG. XLV 1—55. 

Newäri ist eine der etwa 30 nichtarischen lebenden Sprachen 
des Himälayalandes Nepäl; hat sich allein darunter zu einer Schrift- 
sprache entwickelt. Es enthält indisch-arische Lehnworte aus ver- 
schiedenen Entwicklungsschichten. Dem Grundstock nach aber eine 
der indochinesischen Sprachen. 

Conrady A. Das Hariccandranrtyam. Ein altnepalesisches 
Tanzspiel. Mit einer grammatischen Einleitung hrsg. 
Köhlers Antig. Leipzig. 45 S. gr. 8°. 1,50 M. 

Fumi F. G. Avviamento allo studio del sanserito. 2 ed. Mai- 
lang Hoepl. XIT.u. 251 S. Κὶς 89. 


Goonetilleke William The Letters  (R) and a (L) and the 
A inherent in a consonant. The Or. IV 3/4, 33—8. 

Goonetilleke William Pänini. Ebenda 47—9. 

Grierson George A., s. Hoernle. 

Henry V. Les hymnes Rohitas. Livre XIII de l’Atharvaveda, 
traduit et commente. Paris 1891. XII u. 56 5. 8°. 

Soll Anfang einer Übersetzung des ganzen Atharvaveda sein. 
Verf. wünscht für diese erst etwaige Vorschläge zur Aenderung 
seiner Methode zu hören. XIII steht in der vedischen Litteratur 
allein wegen der singulären Erscheinung des darin verherrlichten 
(zottes Rohita, Personifikation der Sonne. Gattin Rohini die Mor- 
genröte. 

Hillebrandt A. Vedische Mythologie. I Soma und verwandte 
Götter. Breslau Koebner 1891. X u. 5478. gr. 8°. 24M. 

Hoernle A. F. Rudolf and George A. Grierson A compara- 
tive Dietionary of the Bihäri Language (published under 
the patronage of the government of Bengal) Part II. Cal- 
eutta 1889. 5. 41—108. 9—32. Roy. 4°. M.5. Rezens. von 
BakeerJourm: Ass VII Ser... 7. XVEIM:'S. 310% und. Lit. 
Centralbl. 1892 No. 2 Sp. 55. 

Jedes Wort wird auf seine ältere Form im Sanskrit und Prä- 
krit, resp. Arab., zurückgeführt und erhält sein Korrelat in den 
anderen neuindischen Sprachen arischen Ursprungs zugesellt. Den 
Heften wird auch ein vollständiger Wortindex zu dem in altem 


Anzeiger I 2. 7 2) 


168 Bibliographie. 


Bais’wäri (Dialekt der Bihäri) abgefassten Rämäyan des Tul’si Däs 

beigegeben. 

Kellog Hindi Grammar. London K. Paul, Trench, Trübner ἃ 
Komp. 8% 


Lamairesse E. L’Inde avant le Bouddha. (Bibl. des religions 
comp.) Paris Carre. 18°. 4 Fırs. 

Lanman C. R. Mortuary Urns. Am. Or. Soc. Proc. May 1891 
5: ΟΝ ΠΕ 0: 

Proves from Skr. texts that the use of ceinerary jars existed 
among the ancient Hindus. Notices that designations of sex were 
marked on such urns. 

Levi S. La Grece et l’Inde d’apres les documents indiens. 
Revue des etudes greeques 1891 S. 24- 40, 

Auszug aus seiner Arbeit Qurd de Graecis veterum Indorum 
monumenta tradiderint. Paris Bouillon 1890. Diese rezens. von 
R. Otto Franke Berl. Phil. Wochenschr. 1891 No. 45, Sp. 1422 ff. 
Liebich Bruno Panini. Rezens. von V. Henry Rev. crit. 

XXV (1891) No. 39 S. 153 f. und von R. Otto Franke 
Gött. Gel. Anz. 1891 No. 24 S. 951—83. 

In der Auffassung der Komposition müssen wir uns von den 
Anschauungen der indischen Grammatiker emanzipieren. Neue 
Theorie vom Wesen der Komposita. Das Sanskrit war nicht der 
Dialekt von Päninis Heimat. Versuch der Lokalisierung von Sans- 
krit und Päli. Sanskrit der gesprochene Dialekt des Gangesthales, 
Päli der des Indusgebietes und der südlich anschliessenden Küsten- 
länder (Franke). 

Ludwig A. Die Genesis der grammatischen Formen des 
Sanskrit und die zeitliche Reihenfolge in der Selbstständig- 
werdung der indoeuropäischen Sprachen. Prag F. Rivuät 
in Komm. 164 S. Imp. 4°. (Aus Abhandl..d. kgl. Böhm. 
Ges. .d.. Wi.) 

Morris R. Notes on some Päli and Jaina Präkrit words. 
Acad. June 13 S. 566 £. 

Morris R. On the word bajjhaka in the Dipavamsa (IX 
16—17), Acad. 1891 Oct. 3. 5. 290. bujjhaka = kämpfend, 
aus vajjhaka für yujjhaka. 

Morris R. Notes on some Päli and Jaina Präkrit words — 
ἀμ. Acad. 1891 Oct. 31, S. 387. autti = " Absicht”. 
Morris R. Contributions to Päli Lexicography. Niddhäpeti. 
Acad. 1891 Dee. 26, 5. 592. Von nis+dhäv, Kaus., = hin- 

ausgehen lassen, vertreiben. 

Oertel H. On the meaning of sanrta in the Rig-Veda. Am. 
Or. Soc. Proe. May 1891 5. XCV—XCVII. 


The probable meaning of this word is 1. “kind, disposition’, 
2. “liberality’. 


Bibliographie. 169 


Oldham Serpent-Worship in India. Journ. Roy. As. Soc. Gr. 
Br & 1.1897 July. 


Pischel R. und K. Geldner Vedische Studien. KRezens. von 
M. Müller Physical Religion Appendix XI S. 384 ff. 
Müller vertritt gegen Beide den primitiven Charakter des 
Rigveda. 
Raffiuddin Ahmad Kaiser-i-Hind and Hindoostani. XIX. Cent. 
zoll 20. 


Reuter J. N. Die Betonung der kopulativen und der deter- 
minativen Komposita im Sanskrit. Helsingfors 1891. 8°. 

Reuter J. N. Die altindischen Nominalkomposita, ihrer Beto- 
nung nach untersucht ΚΖ. XXXII Heft 4 S. 485—612. 


Geordnet nach den Suffixen der letzten Glieder, darunter 
nach der Wortklassenzugehörigkeit der ersten Glieder, darunter 
nach der des zweiten Gliedes, schliesslich darunter nach dem Ak- 
zent des selbständigen Schlussgliedes. 


Sibree E. Sanskrit aseva “water’. Acad. 1891 Nov.7T, 8.411. 
asva "Pferd’ : eguus asv@a "Wasser’, jran. aspda: aqua. Von 
diesem asva (aspd) Spuren in gewissen indischen und iranischen 
Flussnamen vorhanden. 
Schmidt E. Die Anthropologie Indiens. Globus LXI No. 2u.2. 
Bericht über Risleys Werk. In Indien finden wir hauptsäch- 
lich 2 Grundformen. 1. Der “arische Typus’ ist ausgezeichnet durch 
‚einen relativ langen Kopf (Dolichocephalie), eine gerade schmale 
Nase, hohes, schmales Gesicht, gutentwickelte Stirn, regelmässige 
Gesichtszüge. Der Gesichtswinkel ist gross, der Wuchs hoch, von 
171,6 em. bei den Sikhs im Punjab, bis zu 165,5 em. bei den Brah- 
manen Bengalens. Der Körper ist wohl proportioniert, eher schlank 
als breit, die Hautfarbe hellbraun. 2. Der “dravidische Typus’ Ris- 
leys ist gekennzeichnet durch eine dicke, breite Nase mit einem 
Index, der an Grösse nur von dem des Negers übertroffen wird. 
Der Hirnschädel ist gleichfalls lang, der Gesichtswinkel verhältnis- 
mässig klein, die Lippen dick, das Gesicht breit, fleischig, die Ge- 
sichtszüge mehr unregelmässig. 


Vodskov H. 5. Rig-Veda og Edda. Rezens. von (Mo)gk 
Lit. Ctribl. 1891 No. 48 Sp. 1666 ff.: 

Anscheinend selbständige Forschung und der wissenschaftliche 
Standpunkt, den die Forschung der Gegenwart allein gestattet. 
Verf. verwirft vollständig die Theorie von der Wanderung der In- 
dogermanen und setzt dafür eine Ausbreitungstheorie der gesam- 
ten Menschheit vom inneren Asien aus. Die Mythologie hat sich 
zesondert ‚bei den einzelnen Völkern entwickelt. Aber eine ge- 
meinsame Wurzel, der Seelenkult. Die Hymnen des Rigveda keine 
Volksdichtung, sondern Gedichte der Priester, die das Volk auf 
Opfer und Religion hinweisen. Grosse Höhe geistiger Entwicklung, 
die mit indogermanischen Zuständen unvereinbar ist. 


Whitney W. D On the narrative use of perfect and imper- 
feet: tenses in the Brähmanas. Am. Or. Soc. Proc. May 
KON 29. ERXRV RCH. 


170 Bibliographie. 


Gives statistics of the relative proportions in the usage of the 
perfect and imperfect in the Brähmana texts; shows that in narra- 
tive uses the tenses are mainly equivalent, but that there is a mar- 
ked preference for the employment of the imperfect. The propor- 
tion of perfects increases with the lateness of date. 


6. Iranisch. 


Bang Willy Bemerkungen über das Verbum im Huzväres. 
Giorn. Soe. As. It. IV 218—24. 

Bang Beiträge zur Kunde der asiatischen Sprachen. Leiden. 
Brill. Separat-Abdr. 23 8. gr. 8°. 

Darmesteter James Chants populaires des Afgshans, reeueillis. 
Paris Leroux 1890. Rezens. von Grierson Ind. Ant. 1891 
Sept. 8. 397. 

Sein Referat: Text, Übersetzung, Vokabular und Kommentar, 
samt “drei bewundernswerten Essays über die Sprache, Litteratur 
und Geschichte dieser Nation”. Zwei Dialekte, Pukhtü im Nor- 
den, Pushtü im Süden. Geringer Unterschied. Entlehnungen in 
grossem Masstabe aus den persischen und indischen Dialekten, 
und aus dem Arabischen. Schlüsse: 1. das Afehän. nicht ein indi- 
scher Dialekt, 2. es ist ein iranischer Dialekt, 3. nicht einer der 
modernen persischen Dialekte, sondern 4. vom Zend oder einem sehr 
ähnlichen Dialekt abgeleitet. Es ist der bisher vergeblich gesuchte 
moderne Zeuge des alten Zend. 2. Kap. Geschichte der Afghanen 
von der ersten Erwähnung durch Albirüni (1050 ἢ. Chr.) bis jetzt. 
3. Kap. der Einleitung über die afzhän. Litteratur. Rezens. ferner 
von ὃ. Oldenburg Zivaja Starina 1891 II 5. 191; Ath. 1891, May 30, 
694 f. 

Geiger Wilh. Lautlehre des Balüci mit einem Anhange über 
Lehnwörter im Balüdci. München Franz in Komm. 68 8. 
40 ΜΝ. 2. (Aus ἃ. Abh.. d. Kg]. 'Bayr-=Ak..dr 7 Wiss LAK, 
XIX. Bd. II. Abt.). Rezensiert Lit. Ctrlbl. 1891 No. 53 
Sp. 1853 von. H. H(übschmann): 

Die Lehnwörter in einem Anhang von 312 Nummern ver- 
einigt und nur die übrig bleibenden originellen Wörter zur Basis 
der Lautlehre gemacht. An dieser ist daher auch nichts Wesent- 
liches auszusetzen. 

Hillebrandt Alfr. Zarathustra und der Zendavesta. Nord und 
Süd 15. Jahrg. Okt. 

Jackson A. V.W. Where was Zoroaster’s Native Place? Journ. 
Am. Or. Soc. 1891 5. 221—232. (Sonderdruck 1892). 

Kommt nach Prüfung der klassischen und iranischen Zeug- 
nisse zu dem Schluss: Zoroaster indeed arose in the west, most 
probably somewhere in Atropatene. He then presumably went to 
Ragha, but, finding this an unfruitful field, turned at last to Bac- 
tria.... From Bactria, the now organized state-religion spread 
back towards Media; thence down to Persia. 

Jackson A. V. W. Avesta. Vd. I 16 vaedanhö nöit uzöis. 
Journ. Am. Or. Soc. 1891 S. 231—2. 


Appendix zu “Zoroaster’s Native Place’. 


Bibliographie. 111 


Müller F. Kleine Mitteilungen. Wien. Z. V 2. Neupersische 
und armenische Miszellen. Ebenda 3. H. 5. 250 ff. Desgl. 
und Pahlawi- Miszellen und Bemerkungen über die Zend- 
alphabete und die Zendschrift. 

Tolman H. C. Syntactical points in the Old Persian inscrip- 
tions. Am. Or. Soc. Proceedings May 1891. 5. C—C1I. 

Brief remarks on the usage of the noun, adj., pron., and verb. 

Wahrmund A. Praktisches Handbuch der neupersischen 
Sprache. Rezens. von Eugen Wilhelm. Am. J. of Phil. 
SI April, 5. ὃ9 ff. 

R. Otto Franke. 


IV. Armenisch. 


Bugge S. Beiträge zur etymologischen Erläuterung der ar- 
menischen Sprache IF. I 457—459. 


Suftix -aul. — Aorist. II medii. — Pluralendung -k. — 04, 04 
aus anl, anr. — Schwund des idg. g im arm. Anlaut. — Schwund 
des idg. 9 im arm. Anlaut. — Idg. zd im Arm. — f aus idg. t. — 
Arm. x aus sk. — Arm. 7 d. 1. dz. — Anlautendes idg. sr im Arm. 
— Idg. fr im Arm. — Arm. rk durch Umstellung entstanden. — » 
aus n. — ἡ und p aus b, idg. bh. — pP aus ps. — erku. — Cork. — 
hanem. — hund. — yisem, — veh. 


Conybeare F. (. On the ancient Armenian Version of Plato. 
Am. Journ. Phil. XII 195—210. 

Kainz Praktische Grammatik der armenischen Sprache für 
den Selbstunterricht. I. Klassische Sprache. II Neuarme- 
nische Sprache mit einem neuarmenisch - deutschen und 
deutsch-neuarmenischen Wörterbuch und zahlreichen Lese- 
stücken. (Die Kunst der Polyglottie XXXV). Wien Hart- 
leben [1891]. 196 S. 8°. 2 M. 


V. Griechisch. 


Johansson K. F. Beiträge zur griechischen Sprachkunde. 
Upsala Lundström 1891. 173 S. gr. 8°. 6 M. 
Solmsen F. Zur Lehre vom Digamma. ΚΖ. XXXI 273—288. 


Die Beobachtung Leo Meyers, dass die Anlautsgruppen z0- 
#w- bei Homer keine Spur des + aufweisen, wird ergänzt und be- 
richtigt. Dem Material Meyers ist zunächst ὁ-, ὁτ-, ön- (in ὅπως 
u. ä.) aus *c-od- hinzuzufügen, dagegen ὅρκος zu streichen: ὅρκος 
und ἕρκος werden zu altbulg. sraka “ vestis, tunica’ und Verwandten 
in Beziehung gesetzt. L. Meyers Lautgesetz gilt auch für den Dia- 
lekt von Gortyn: -o-, #w- verlieren ihr #; alle Fälle, in denen καὶ 
sonst im Anlaut abgefallen sein soll, beruhen auf irriger Auffassung. 
So haben ai, ἡ "wenn’, Epcevec, ἑταῖρος nie ein .- im Anlaut gehabt, 
ἐλ- (ἑλόντα usw.) ist im Anlaut durch aipew (das nirgends Digamma- 
spuren zeigt) analogisch beeinflusst. Für andere Dialektgebiete ist 


112 Bibliographie. 


der Nachweis des Meyerschen Gesetzes schwierig wegen des Man- 

gels umfangreicher (und alter) Texte. Aber mit ziemlicher Wahr- 

scheinlichkeit gilt es auch für das Kyprische (Edalion), vielleicht 

für das Elische. (ἕλος “Sumpf” ist nicht auf *reXoc, sondern *ceXoc, 

lat. solum zurückzuführen). 

Solmsen Nachtrag zu 3. 285 des genannten Aufsatzes (kypr. 
πανώνιος). ΚΖ. XXXIL 288—294. 

Gegen Hoffmann Griech. Dial. I 71. 156 wird nachgewiesen, 
dass kyprisch mavwvıoc nicht zu övivnu und Verwandten gehören 
kann: die Zugehörigkeit zu wvoc "Kaufpreis’ ist festzuhalten. πα- 
vwvıoc (χῶρος, κᾶπος) auf der Tafel von Edalion bedeutet “mitsamt 
allen ὥνια, d. Ih. allen verkäuflichen Erträgnissen’ (sc. des Ackers 
oder Gartens). 

Smyth H. W. On digamma in Post-Homerie Ionie. Am. Journ. 
Phil. XII 211—22. 

1. Digamma in literature. 2. Digamma upon inscriptions. 
Bartholomae Griech. ὄνομα > ὀνόματος. IF. I 300-318. 
Wackernagel xexovdo. Berl. phil. Wschr. 1891 No. 47. 

Ein Perfektum κέχονδα zu xavdavw, Exade wird aus einer Les- 
art [xex|övdeı festgestellt, welche eine der von Kenyon publizierten 
Papyri zu Homer ®2 192 bietet. 

Walker F. W. Philologieal notes VIII. Greek aorists and 
perfects in -ka. Class. Rev. V 5. 446—451. (5. Abt. I.) 


Wharton un. Philologieal Society Nov. 6. Vgl. Academy 
1891. 17:3. 460. 

1. un ist ursprünglich und wesentlich keine negative oder 
prohibitive, sondern eine interrogative Partikel. 2. Manche Sätze 
mit un, die als Aftirmativsätze aufgefasst werden, sind als Frage- 
sätze anzusetzen. 9. Auch in andern Fällen ist zu beobachten, 
dass der anscheinend negative Sinn des Satzes einen interrogativen 
enthält oder voraussetzt. 

Steinmann Studie homerskä. (Eine Homerische Studie). Jah- 
resbericht d. k. k. Gymn. zu Königgrätz 1890/91. 

Uber Genetive auf -0oo (z. B. di6X0-v nicht -00), 60V ( ὅ-υ) 
und + (es wird ἀλλο-υειδέα εὐοικυῖαι, οὔτϊες u. 419]. für ἀλλοειδέα, εἰοι- 
κυῖαι olıec vorgeschlagen). 

Steinmann Studie homersk@ (Homerstudien). Listy filologiek@ 
(Prag) XVII 21—24, 232—46. XVII 8—23. 284. 8). 
396—44. 

Untersuchungen über die Richtigkeit der Überlieferung und 

Deutung verschiedener Verbalformen. 

Weck F. Die epische Zerdehnung. Programm des Lyceums 
zu Metz 1890. 43 S. 

! vez. von P. Cauer Wochenschrift f. klass. Philologie 1891 

Sp. 1276 ff. 

Conway A note on the Homerie adjeetives in -ot-. Cam- 
bridge Philological Society 26. Nov. 1891. Vgl. Academy 
1891 11.8.2566: 


Bibliographie. ἢν 


νυ 


Vgl. Ἤνοπι χάλκῳ, μέροπες ἄνθρωποι τι. del. Die Adjektive 
dieser Klasse haben ein Suffix -g-, Nebenform von -90- (modd-To-c). 
μέροψ : ai. maraka-. Hierher auch φύλοπις, urprel. “butchery’ 
Wz. ghü “opfern’. 

Sayce The mention of an Ionian Greek in the tablets of Tel 
el-Amarna. Academy No. 1015. 

Lewy H. Kyprisches IF. I 506—511. 

Σκίας Περὶ τῆς κρητικῆς διαλέκτου. Athen Sakellarios. Leipzig 
Biebiseh. 167 S. 8°. 350 M. Rez. Lit. Centralbl. 1892 
52-91. 


Cagnat R. Revue des publications epigraphiques relatives ἃ 
V’antiquite celassique Rev. Archeolog. XVII 405—19. XVII 
401—32. 

Ne@routsos-bey Inscriptions greeques et latines recueillies 
dans la ville d’Alexandrie ( Egypte) et aux environs. Rev. 
Arech&ol. XVII 338 —46. 

Reinach Th. Bulletin &epigraphique. Revue des Etudes grec- 
ques IV 314 ff. 

Gleichsam “Regesten’ der in den letzten 3 Jahren gefunde- 
nen griech. Inschriften, geographisch geordnet. 

Larfeld W. Jahresbericht über die griech. Epigraphik für 
1883. 1881. Zweiter Teil. Bursians Jahresber. LXVI (1891) 
5. 1—223. 

Simon J. Abkürzungen auf griech. Inschriften. Zschr. f. d. 
österr. Gymn. XLII 673— 11. 

Eine Sammlung der Abkürzungen, die auf Inschriften vor 


146 v. Chr. begegnen, und daran anknüpfend die allgemeinen Er- 
gebnisse. 


, 


Corpus inseriptionum Atticarum IV suppl. vol. I partem 3 
continens. Berlin 1891. 
Paton and Hicks The inseriptions of Cos. Oxford Claren- 
don Press 1891. 
Rez. von A. H. Lit. Centralbl. 1892 Sp. 155 f. 
Fröhner Insceriptions greeques archaiques. Revue Arch£olo- 
logique 1891 S. 45 


Behandelt zwei Inschriften, von denen besonders die zweite 
(aus Hermione?) sprachlich sehr interessant ist wegen einer Reihe 
eigenartiger Formen. 


55. 


Blass Zu der naxisehen Inschrift der Timandre. Fleckeisens 
Jahrbb. Bd. 143 (1891) 5. 335— 336. 


Statt BZ = hs = E steht auf der Inschrift ΗΣ. Dieses ΠῚ ist 
wahrscheinlich das naxische Zeichen für =. 
Κοντολέων ᾿Ανέκδοτος Μικραειαναὶ ἐπιτραφαί. Τεῦχος Πρυῖ τον. 
Athen 1890. 48 5. 
(94 Inschriften). Vgl. dazu Jaspar “Ἑλλάς 1891 S. 417—423. 


174 Bibliographie. 


Contoleon Inseriptions d’Asie-Mineure. Rev. ἃ. Etudes Gree- 
ques IV 174—75. 
Contoleon Inscriptions greeques inedites. Rev. d. Etudes 
gr. IV 297— 301. 
Reinach Th. Inscriptions archaiques d’Argos. Rev. d. Etu- 
des gr. IV 171—18. 
Behandelt die zweite der Fröhnerschen Inschriften, einen Ge- 
setztext von 7 Zeilen in argivischem Alphabet. 
Reinach Th. Deux inscriptions de l’Asie-Mineure. Rev. d. 
Etudes gr. IV 268—89. 
1. Conventions entre Aegae et Olympos. 2. Le sanctuaire 
de la Sibylla d’Erythree. 


Blass Archaische griechische Inschriften. Fleckeisens Jahrb. 
1891 5. δδ1---δθ0. 

Behandelt die beiden Bronzeinschriften aus der Sammlung 

des Grafen Tyszkiewiez (vgl. Mitteil.). B. liest auf dem Diskos den 

zweifelhaften Eigennamen ’Evcoidä4 als s-losen Nominativ eines Män- 


nernamens (vgl. unten a. a. 0.). — In der argivischen Inschrift 
möchte er aıtıcrıc in al τις Ändern und TovYpaccuoTtov IN TOVVdacc- 
UATWV τῶν daccudrwv vgl. δάςεματα ᾿ diauepicuara Hesych. (M.) 


Selivanov Inscriptiones Rhodiae ineditae. Mitt. d. Inst. XVI 
{1891} 5: ΤΟΣ Ἢ: 

Von sprachlichem Interesse sind besonders die ἃ: erster 
Stelle mitgeteilten drei archaischen Inschriften; in der zweiten 
liegt ein Eigenname Ὑφυλίδας vor; Ὕ-φυλος ist gebildet mit der 
Präposition Ö (gleichbedeutend mit ἐπί), ein Seitenstück zu dem 
Namen des wahrscheinlich auch aus Rhodos stammenden Söldners 
"Y-dauoc der Abu-Simbel-Inschrift und zu dem des Akräphiers ᾿Ιού- 
ctporoc, der mit böotischem Vokalismus für "Y-crparoc steht (vgl. 
R. Meister Mitt. ἃ. Inst. a. a. Ο. S. 357). — Die dritte Inschrift ist 
zu lesen (vgl. Jernstedt Mitt. ἃ. Inst. a. a. Ὁ. S. 240; Wackernagel 
ebd. S. 243; R. Meister ebd. S. 357): 

Zäaua τόζ᾽ ᾿Ιδαμενεὺς moinca, hiva κλέος ein. 
Zev(d) δέ νιν Öcrıc πημαίνοι, λειώλη Bein. (M.) 
Kulhoff Ἔπιπλα, ἐπίπλοα. Revue de Philologie XV 116. 

ἔπι-πλ-α zu W. πελ-, Singular ἔπιπλον. ἐπίπλοα bei Herodot I 
92 eine Textverderbnis. 

Hilberg ὡραΐζω oder ὡρᾶϊζω Ὁ Wiener Studien XII (1891) 
BONN 

Aus Dichterbelegen ist die Form ὡραϊζω zu erschliessen (ge- 
gen die übliche Ansetzung ὡραΐζω der Lexika). 
Brugmann Καταςπῶςαι bei Herodas. IF. I 501 


Laistner L. Kevraupoc. Zschr. f. ἃ. österreich. Gymn. XLII 
711—119 
«1 — 119. 

“Das a der Endung -aupoc scheint in manchen Wörtern auf 
sonantischen Nasal zurückzugehen”. Also z. B. caüpoc aus cv-po 
zu calvw, φαῦρος Wz. φν, cpv zu «πεν (cmavıoc), ebenso φλαῦρος (φρήν), 
καῦρος (ξένος), abpoc (οὔνιος), ἀφαυρός (ἄφνι USW.) πέταυρον (merv neben 
Ἐπέ(ρ)ταρ, lat. pertica aus *pertrica), u. a. Ausgangspunkt der Bil- 


508. 


Bibliographie. 175 


dung -aupoc sind vermutlich v-Stämme (zu caDpoc ein ενυ, εν», Car). 
Der Pflanzenname κενταύριον "Erdgalle’ zu ahd. hantag "beissend 
bitter’, auch °ferus, saevus, immanis’, ebendazu xevraupoc (κενθν). 
Das τ statt ὃ, 8 (τένδω, τένθω) und κ statt τ nach kevrew. Weiteres 
zur Wurzel (s)quend(h). 


Immerwahr W. Die Kulte und Mythen Arkadiens I. Die 
arkadischen Kulte. Leipzig Teubner. VIu. 288 5, gr. 8°. 
4 M. 


Schjott P. Ὁ. Mythologiske Studier 1. Zeus, Athamas, Apollo. 
Christiania Vid. Selsk. Forhandl. 1891. Nr. 7. Cl. 1. Dyb- 
made Ὁ Ὁ: δ, 


Wide Sam. Bemerkungen zu der spartanischen Lykurgos- 
legende. Skand. Archiv. I. Bd. 5. 91—150. 


Nach den Vermutungen des Verfassers ist der spartan. Ly- 
kurgos “ein über Hellas verbreiteter alter Gott, bez. Heros, mit dem 
thrakischen Lykurgos und anderen Trägern dieses Namens und an- 
derer aus der Wurzel Auk (ai. urka) abgeleiteter Namen, wie beson- 
ders Lykos, nahe verwandt, ja wohl ursprünglich identisch”. Der 
Verf. stellt dann eine sog. Identifizierungstheorie auf. Seine An- 
sicht ist, dass die sog. hellen. oder olymp. Götter auf dem griech. 
Boden nicht ursprünglich sind, und die Bewohner Griechenlands 
haben diese Götter nicht eekannt. Sie verehrten hauptsächlich die 
chtonischen Mächte und daneben wohl auch einige göttliche Wesen, 
die der Oberwelt angehörten. Diese wurden von den hellen. Gott- 
heiten nicht völlig verdrängt; die meisten wurden mit diesen iden- 
tifiziert, ein Prozess, der häufie darin seinen Ausdruck fand, dass 
der alte Gott zum Heros heı 'absank, und dem neuen Gott zur Seite 
gestellt wurde, während der neue Gott den Namen des alten als 
Beinamen bekam. 


Neophytos A. Le grec du Nord-Est de l’Asie-Mineure au 
point de vue anthropologique. L’Anthropologie II (1891) 
23—D. 

Die griech. Bevölkerung besteht nur zur Hälfte aus ursprüng- 
lich griech. Elementen. 


A, A alien or 
VI. Albanesisch. 


Meyer G. Albanesische Studien. III. Lautlehre der idg. Be- 
standteile des Albanesischen. (Sitzungsberichte der kais. 
Akademie d. Wissenschaften in Wien. Phil.-hist. Klasse, 
Band CXXV H. XT). Wien Tempsky 1892. 95 5: 8°. 


VII. Italisch und Romanisch. 
A. Altitalische Sprachen. 


Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft herausgege- 
ben von Iwan Müller, Band I, Erster Halbband. Zweite 
Auflage. München Beck. 


176 Bibliographie. 


Landgraf G. Litteraturnachweise und Bemerkungen zu sei- 
ner lateinischen Schulgrammatik. Bamberg Buchner. 56 S. 

Scerbo F. Grammatica della lingua latina I. Firenze Le 
Monnier. 

Valmaggi L. Grammatica latina. Mailand Hoepli 1892. 250 S. 


Consoli S. Fonologia latina esposta secondo il metodo scien- 
tifico, 2. ed. Mailand Hoepli. 205 5." 


Baudouin de Courtenay Izü lekecij po latinskoj fonetike. (Aus 
Vorlesungen über lat. Lautlehre). Filologiteskija zapiski 
XII 273—%. 

Fortsetzung seiner Darstellung der lat. Lautlehre. 
Wharton (Juelques a latins. M&em. Soc. Ling. VII 451—60. 

Einige lat. @« sind durch die Einwirkung eines folg. Hochtons 
entstanden. 

Meyer-Lübke Über ὁ und x im Lateinischen. Philologische 
Abhandlungen, Heinrich Schweizer - Sidler ... . gewidmet 
(Zürich 1891) 5. 19—24. 

Sucht in den Wechsel von ὁ und u Gesetzmässigkeit zu brin- 
gen: 1. o wird « in betonter vorletzter Silbe. 2. Anlautsilben: a) 
on+ Labial wird un. Ὁ) ἐ- Konsonanz verlangt stets γε. ὁ) Vor Ver- 
schlusslauten und s-Verbindungen bleibt 0; ebenso d) vor einfachem 
r,n, m. 6) Bei einfachem / scheint ὁ die Regel, ebenso bei ll. f) 
Vor ms steht u, vor mm ὦ. 9) cum und con. ΠῚ or + Kons. bleibt 
unverändert. 

Parodi Sorti di e ed o nel latino davanti a ἢ (m) in sillaba 
chiusa. Supplementi Periodiei all’ Arch. Glott. It. Prima 
Dispensa S. 1—19. 

I. en + Gutt.: ἢ. 1. engv, enc. 2. engv, eng. 3. egn. II. en+ 
Dent. : e bleibt. 1. ent. 2.end. III. en + Lab.:e bleibt. IV. en +1, 
r, m, v:e intakt. V. e-+ Nas. im Auslaut. VI. on + Gutt. 1. once: 
u. 2. ong :u. VI. ὁ Dent.:0. VII omp, omb:u. IX. on m 
der Schlussilbe. 

Hoffmann (). Lat. en und n in betonter geschlossener Silbe. 
BB. XVIII 156—59. 

In geschlossener Silbe stehendes lat. en wird unbetont 
stets zu ?n, betont nur, wenn ein Guttural oder wenn Doppel- 
konsonanz folgt. 

Conway S. Über den Wechsel von d und / im Lateinischen. 
Cambridge Philologieal Society 26. Nov. 1891. Vgl. die 
Notiz der Academy 1891 II S. 566. 

Erklärt d für sabinisch. Der Aufsatz wird in den IF. er- 
scheinen. 

Wiedemann Ὁ. Zur Gutturalfrage im Lateinischen. IF. 1 
255—I1T. 

Wölffllin E. af. Archiv f. lat. Lex. VII 506. 


Zwei neue Belege für af vor v auf der bei Amiternum gef. 


Bibliographie. 177 


Inscehr.: af. vineis und af. villa, die ab. castello und ab. seceie ge 

genüberstehen. 

Lindsay W. M. Latin accentuation Class. Rev. V 313— 
402—408. 

Eingehende Untersuchung über den Wert der lat. Gramma- 
tikernachrichten und der im archaischen und im Vulgärlatein nach- 
weisbaren Akzentgesetze für die Erkenntnis der lat. Betonung. 
Funck A. Neue Beiträge zur Kenntnis der lat. Adverbia auf 

-im. Archiv f. lat. Lex. VII 485—906. 

In alphabetischer Reihenfolge wird dasjenige zusammenge- 
stellt, “was als eine wesentliche Bereicherung unserer Lexika er- 
schien”, und zwar: I. Wörter, welche in Georges’ Handwörterbuch 
fehlen (56411). II. Wörter, für welche neue, bemerkenswerte Be- 
lege gefunden sind (54). 

Conway S. The origin of the Latin passive, illustrated by a 
recently discovered inseription. Cambr. Philol. Soc. Proc. 
XXV—XXVII (1891) 5. 16—21. 

Im Anschluss an Zimmer KZ. XXX 224 ff bringt er aus einer 
von Bücheler Rhein. Mus. 1890 Nr. 2 besprochenen osk. Inschr. ein 
Beispiel “of the rudimentary passive’, konstruiert mit einem Akk. 
Hiernach scheinen die r-Formen ursprünglich impersonale, aber 
transitive Bedeutung gehabt zu haben: sakrafir ültiumam. 
Wölfflin E. Zur Konstruktion der Ländernamen. Archiv f. 

lat. Lex. VII 581—83. 

Uber blossen Akk. auf die Frage: wohin ? 

Surber A. Über die Verwertung der wissenschaftlichen Er- 

“ gebnisse für die Schulsyntax des latein. Infinitivs. Phil. 
Abhandlungen, Heinrich Schweizer - Sidler . ... gewidmet. 
(Zürich 1891) 5. 36-50. 

Carlsson Om det latinska gerundivum och gerundium. Peda- 
gog. tidskr. 1891 5. 349—60. 

Sjöstrand N. De vi et usu supini secundi Latinorum. 54 S. 


Riemann tanguam “dans la pensde que‘. Rev. de philol. XV 
164. 

Cicero (Brut. 15) beweist, dass fanguam mit dem Konjunktiv 

im angegebenen Sinne nicht bloss auf die Kaiserzeit beschränkt 

ist, wie Schmalz u. a. meinen. 

Sjöstrand N. Quibus temporibus modisque guamvis, mescio 
an, forsitan, similes voces utantur. Lund Möller. III u. 
42 8. 8°. 

Guthmann Ueber eine Art unwilliger Fragen im Lateinischen. 
Progr. Nürnberg. 

Sturm J. B. Ueber iterative Satzgefüge im Lateinischen. 
Progr. Speier. 

Hale W. Die caxm-Konstruktionen. Ihre Geschichte und ihre 
Funktionen. Übersetzt von A. Neitzert. Mit Vorwort von 
B. Delbrück. Leipzig Teubner. X u. 341 S. gr. 8°. 6M. 


178 Bibliographie. 


Hoffmann E. Das Modus-Gesetz im lateinischen Zeitsatze. 
Antwort auf Hales „The caum-Constructions“. Wien Gerolds 
Sohn. V πὸ ἢ 5 ἢ Ν᾿: 

Wetzel M. Das Recht in dem Streite zwischen Hale und Em. 
Hoffmann über die Tempora und Modi in den lat. Tem- 
poralsätzen. Paderborn Sehöningh 1892. 48 S. kl. 8°. 
0,60 M. 

Lattmann H. Die Tempora der lat. Modalitätsverba in Ne- 
bensätzen. Philologus Suppl. VI 165—201. 

Funck A. Formelhafte Wendungen im Inschriftenlatein. Ar- 
chiv f. lat. Lex. VII 585 £. 

Linde Über das Carmen Saliare. Skandinavisches Archiv I 
130-— 54. 


Vgl. Anz. 1 5. 64. L. bietet einen kritischen, sprachlichen 
und mythologischen Kommentar. 


Linse F. De P. Ovidio Nasone vocabulorum inventore. Progr. 
Dortmund. 

Götz G. Der liber glossarum. Leipzig Hirzel. 

Schulze Zum Sprachgebrauch der römischen Juristen. Zeitschr. 
der Savigny-Stiftung, Rom. Abth. ΧΗ 1. 

Kübler B. Juristisches. Archiv f. lat. Lex. VII 594—96. 

Hauptsächlich über armentum u. seine Bedeutung bei den 
‚Juristen. 

Hertz M. Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen 
Wörterbuchs. Sitzungsber. der Berl. Akad. d. Wiss. 1891, 
671690. 

Wölfflin E. Zwei Gutachten über das Unternehmen eines 
lat. Wörterbuches. Archiv f. lat. Lex. VII 507—522. 

1. Über die Bedeutung des Thesaurus linguae latinae. 2. Ge- 
schichte des Unternehmens. 3. Die Organisation der Arbeit. 4. Ar- 
beiter und Leitung. 6. Zeit und Geld. 

Weyman abyssus — accedo. Archiv f. lat. Lex. VIl 2283—61. 

Bearbeitung des Zettelmaterials. Dazu “Erläuterungen zu 
accedo’ S. D68. 
wölfflin E. accelero — accendo. Archiv f. lat. Lex. VI 

969-—976. 

Bearbeitung des Zettelmaterials. Dazu S. 577—75 Erläute- 
rungen zu accendo. 

Funck A. Inschriftliche Zeugnisse für lat. Verwandtschafts- 
namen. Archiv f. lat. Lex. VII 585—8. 

Behandelt die 2039 Inschriften der Stadt Ostia nach Art der 
Sammlungen Hülsens aus den Inschr. von Lambaesis, veranlasst 
durch Delbrück. 

Gundermann G. smalacia; qubernius, gubernus. Archiv t. 
lat. Lex. VII 586—88. 


Bibliographie. 179 


Nettleship H. absanitas —= insanitas. Archiv f. lat. Lex. VII 
D7T8. 
Skutsch F. iaientare, iaiunus. Archiv f. lat. Lex. VII 
527—29. 
iatentare : teientare vatunus : tetumus. Die Breal-Bailly- 
sche Etymologie ist unhaltbar. 
Traube L. expiare. Archiv £. lat. Lex. VII 590. 
— befriedigen’. 
Wölfflin E. fluvius, fluvia, flumen. Archiv f. lat. Lex. VI 
ὃ88---Θ0. 
Keller Ο. Lateinische Volksetymologie und Verwandtes. Leip- 
zı0 Deubner. X. u. 387 S. gr. 80: 10 M. 
Stowasser .. M. Eine zweite Reihe dunkle Wörter. Leipzig 
Freytag. 
Breal M. Notes ätymologiques. M&m. soc. ling. VII 447—449. 


Attavus ist eine Zusammensetzung von atta mit avus, zuerst 
im Vok. atta ave. Die Verkürzung erklärt sich wie in Zdem, färina, 


sölidus. Durch Nachahmung entstanden atavia, adnepos. — Avı- 
dus “reichlich, fett’. Hor. Od. III 23. ὃ. — Läridum, lardum be- 


zeichnet was in dem als Vorratskammer angesehenen lararıum be- 
halten wurde. Die Zares bewahrten das Schweinefleisch wie die Pe- 
nates das Korn. — Umbr. sevom, osk. sivum ist ein adverb. Akkus. 
Neutr. von suwus abzuleiten. 


Hempl G. The etymology of Latin cartilagö, Englisch carti- 
lage. Am. Journ. Phil. XII 354. 
Herleitung aus *earunculago. 
Heraeus W. Noch einmal haud impigre. Fleckeisens Jahrb. 
CXLII 501—507. 


Meyer-Lübke W. mamphur. Philologische Abhandlungen, H. 
Schweizer-Sidler ... gewidmet (Zürich 1891). 5. 24—28. 
Das ἅπαξ λεγόμενον mamphur (Paulus Diaconus 132, 1) gehört 
zu frz. mandrin "Planscheibe u. s. w.’, senes. manfa, manfano, it. 
manfanile. Dem Wort ist / nicht ph zuzuschreiben. Idg. mbh, ndh 
wird lat. nicht zu nf, Neben osk. manfar muss lat. mandar be- 
standen haben. Jenes wird im osk. Gebiet zu mafar. Im Rom. 
fand Kontamination mit mandar statt. Zu vgl. an. mondull, viel- 
leicht gr. μόθουρας. 


Netusil J. Zur Etymologie und Semasiologie von iste und 
ipse nebst Zubehör. Archiv f. lat. Lex. VII 579—81. 
Findet in ihnen nicht suffigiertes so und fo, da -ο lautgesetz- 
lich nicht zu -e werde, sondern -se und -te, die kurzen enklitischen 
Formen des Reflexivs und des Pron. der 2. Pers., deren Existenz 
auch für den Dativ im Lat. angenommen werden kann. ste 
“der dir d. h. der, welcher zu dir in irgend einer Beziehung steht’ 
oder “der, denke dir’ zpse — “der gerade, welcher in irgend einer 
Beziehung zum (gramm. oder log.) Subjekt des Satzgefüges steht’. 
-se und -te können auf kurzes -sz -t7 eben so zurückgehn, wie mare 
auf *mari. 


180 Bibliographie. 


Stephens G. ver — spring. Skandinavisches Archiv I 154—59. 
Stolz F. Lat. strufertarius. IF. I 332. 
Strachan ambulare. Class. Rev. V (1891) S. 377 £. 


Von einer Wurzel el : ol ‘gehn’. Vgl. ir. ad-ellaim, kymı. 
elaf (Futurum), korn. ellen “gehe', amb-ulo “"umhergehn'. 


Strachan Latin sibilus, sibilo. BB. XVIII 147 
Zu ir. söge, sidhe, sighe “a blast' Wz. swerdh. Das nebenste- 


hende air. settim stützt K. Meyers Vermutung (ΚΖ. XXVIII 169), 
dass dh+t zu kelt. t werde. 


Strachan Lat. perendie. IF. I 500—501. 
Stürzinger sursum von surgere. Archiv f. lat. Lex. VII 
SITE 
sursum ist Partizip von surgere, 
Reinach S. Recherches nouvelles sur la langue etrusque. 
L’Anthropologie II (1891) 5. 108—12. 


Referat über Bugges neuere Untersuchungen über die nähere 
Verwandtschaft des Etruskise hen mit dem Armenischen. 


Lattes E. L’insriziono etrusca della tazza vaticana di Cere. 
Suppl. Period. all’ Archivio Glott. Ital. Prima Dispensa 
1891 Ss. 19—53. 


Ebers G. Etruskisches aus Ägypten. Beilage zur Allgem. 
Zeitung 1892 No. >. 


B. YVulgärlatein. 


Sittl K. Jahresbericht über Vulgär- und Spätlatein 1884— 
1890. Jahresber. über d. Fortschritte ἃ. klass. Altertums- 
wissenschaft LXVIII 226-240. 


Unvollendet. Beginnt mit dem Bekenntnis: “Das Vulgär- 
latein, mit welchem die Latinisten operieren, ist ein 
Phantasiegebilde”. Die neuere Entwickelung leidet an dem 
Grundfehler, dass sie zwischen lebenden und toten Sprachen kaum 
unterscheidet. Die unzulängliche Überlieferung ist schuld, dass 
es für das Lateinische und Griechische keine Laut-, sondern 
nur eine Buchstabenlehre gibt. Nur das Schriftlatein bildet 
aber das Objekt der latein. Sprachwissenschatt. Das Vulgärlatein 
könnte a priori nur auf 2 Wegen zu unserer Kenntnis kommen: 
l. Durch Dialektpoesie. Diese aber bei den Römern etwas 
undenkbares: mit Bewusstsein hat niemand vulgär geschrieben. 
2. Durch grammatische Darstellungen. Was sie aber sagen, ist 
nur eine Warnung vor dem regellosen Pöbel; daher das krause 
Gemisch von Vulgarismen, Misverständnissen und unpassenden Lese- 
früchten. 

Unsere direkte, kombinationsfreie Kenntnis der römischen 
Umgangssprache reduziert sich auf die beschränkte Anzahl von 
Wörtern, welche die Schriftsteller mit “voulgo’ u. dgl. bezeichnen. 
Dieses Sammelsurium, das aus allen Perioden ne lat. Sprache und 
aus allen Ländern des Reiches zusammengetragen ist, kann eben- 
sowenig einen Begriff vom Vulgärlateinischen geben als etwa die 
mit “veraltet” bezeichneten Wörter des Lexikons einer neuem 


πον 


nn πρυνυθων καῖ 


φῶ" mr 


ἊΝ 


ἘΒ 


mn as 


΄....».. 
zer 


Bibliographie. 181 


Sprache die Entwickelungsstufen des ältern Französisch, Spanisch 

u. dgl. Für die griech. ευνήθεια oder κοινή umspannen solche Quel- 

len noch ein paar Jahrhunderte mehr. — Anwendung dieser Grund- 

sätze im flg. 

Monceaux Le latin vulgaire d’apres les dernieres publieca- 
tions. Rev. des deux mondes, 15. juillet 1891. 5. 429—48. 


Lindsay W. M. Spuren vulgärlat. Betonung bei den alten 
Dramatikern. Archiv f. lat. Lex. VII 596 ἢ. 

Über Pänultimabetonungen wie mulöerem, parietem u. del. 

ἢ Gröber Arch. I 223 und Meyer-Lübke in Gröbers Grundriss 


© 
σς 
© 


Thurneysen R. Zur Bezeichnung der Reziprozität im gall. 
Latein. Archiv f. lat. Lex. VII 523—27. 

Knüpft an Thielmann Arch. VII 543 an und behandelt die 
Verbindung des Verbums mit inter (ls s’entr'aiment inter se 
«ımant), die sich bis zu den ältesten Denkmälern zurückverfolgen 
lässt. Kontamination der ältern Ausdrucksweise inter se amant 
und se interamant, wodurch önter- zum Hauptträger der reziproken 
Bedeutung ward. Dieser Gebrauch ist eine Eigentümlichkeit des 
alten gallischen Sprachgebiets und führt auf keltischen Einfluss. 
Irisch wie Brittisch stimmen in der Bezeichnung der Reziprozität 
überein: sie komponie ren das Verbum mit der Präposition ir. Zmm-, 
kymr. ym- “um’. Wenn auch die französ. Komposita mit entre- 
keine direkten Überse tzungen des entsprechenden gall. ambi- sind, 
so stammt doch aus der vorromanischen Landessprache die Ge- 
wohnheit, die Reziprozität durch Verbalkomposita auszudrücken. 
Das Keltische hat also nur die innere Sprachform geliefert; 
alles äussere stammt von Rom. 


Kubler B. Die Appendix Probi. Archiv ἢ. lat. Lex. VII 
593 — 9. 

Stützt Gaston Paris’ Ansicht, dass wir es mit einem afrikan. 

Dm. zu thun haben. 

Friedländer L. Petronii cena Trimalchionis. Mit deutscher 
Übersetzung und erklärenden Anmerkungen. Leipzig Hirzel. 
82. 5.M. 

Rönsch H. Colleetanea philologica. Herausgegeben von C. 
Wagener. Bremen Heinsius. 325 5. 


Saalfeld G. A. De Bibliorum sacrorum Vulgatae graeeitate. 
Quedlinburg Vieweg 1891. XVI u. 180 5. 8°. 7,50 M. 


Zusammenstellung sriechischer Lehn- und Fremdwörter mit 
Angabe sämtlicher Belege. 


Bourciez E. De praepositione ad casuali in latinitate aevi 
merovingiei. These. Bordeaux Cadoret. Paris Klincksieck. 
110. 5. 

Bonnet M. :nane Femininum. Archiv f. lat. Lex. VII 568. 
Beispiel für diesen Genuswechsel aus Gregor v. Tours. 
Gröber G. Zu colpus, colfus. (Arch. VII 443). Archiv f. lat. 

lex. VII 522 


189 Bibliographie. 


Die Anwendung von colpus im Lat. ist für frühere Zeit 
a. a. 0. dargethan, aber 1) nur für Italien, 2) in der Schreibune 
mit / doch erst für das 14. Jh. p zu f, ist also italienisch, und 
golfo ist vom adriatischen Meere nach Westen gewandert. 


R. vw. Planta. . W..Streitbers: 
C. Romanische Sprachen. 


Araujo F. Recherches sur la phonetique espagnole (Suite). 
Phonet. Studien V 2. 

Baist G. Die arabischen Laute im Spanischen. Roman. Forsch. 
IV 345—422 (Schluss folgt.) 

Michaelis C©. Der “portugiesische’ Infinitiv. Roman. Forsch. 
ΝΠ 49—122. 

Oreans K. Die o-Laute im Provenzalischen. Roman. Forsch. 
IV 427—482. 

Blanc A. Vocabulaire provencal -latin. Rev. des langues 
romanes V 29—88. 


Publikation eines ma. Glossars nach 2 Hss. der Nationalbib- 
liothek. 


Godefroy Dictionnaire de l’ancienne langue francaise et de 
tous ses dialectes du IX®. au XV*®. sieele. 5. 481—960. 
Paris Bouillon. 

Cledat Nouvelle grammaire historique du francais. Paris 
Garnier freres. VI u. 279 8. 12°. 

Darmesteter A. Cours de Grammaire historique de la lan- 
gue francaise. 1 Partie. Phonetique. Publice par les soins 
de M. Ernest Muret. Paris Delagrave 12°. 2 Fr. 

Araujo F. 1’@volution phonographique de 1 οἱ francais. Rev. 
de philologie franc. et prov. V 96--154. 161— 14. 

Horning A. Zur Behandlung der tonlosen Paenultima im Fran- 
zösischen. Zeitschr. f. roman. Phil. XV 493. 

Cron .J. Die Stellung des attributiven Adjektives im Altfran- 
zösischen. Strassb. Diss. 84 5. 4°. 

Meder !F. Pas, mie, point im Altfranzösischen. Marb. Diss. 


om 4 


DS ἸΘΙς: 

Tobler A. Kleine Beiträge zur franz. Grammatik. (Philol. 
Abhandlungen, Schweizer -Sidler ... gewidmet S. 1—15) 
Zürich 1891. 

l. donc. 2. des cent ans. 3. Asyndetische Paarung von Gegen- 
sätzen. 4. Sl faisait beau, je partirais. 

Rousselot Patois de Cellefrouin. Etude experimentale des 
sons. Rev. ἃ. patois gallo-romans. H. 14. 19. 

Thomas A. u. Hatzfeld A. Coquilles lexicographiques. Ro- 
mania XX 464—69. 


Alignonet, alpagne, anuer, awalies. 


γ 6} 
) 


Bibliographie. 18: 


Förster W. Etymologien. Zeitschr. f. roman. Philol. XV 

522 ff. 
train — trahinum . prone aus proisnier —- procinare . poulain 

— pullinum .terrain — terrinus. pugnale aus pugnus .pro, prode, 

prodom; F. setzt drei verschiedene Grundformen an: 1. prode zu 

volkslat. *prödis pröde. 2. pros prosa aus *prorsus. 3. prode aus 
prövidus. 

Cornu J. paisible. Zeitschr. f. roman. Philol. XV 529. 

paisible *plaisible zu placere wie cheville —- claväla. 

Geijer P. A. cabaret. Romania XX 462. 

Bestätigung von Lognons Etymologie "caput arietis’. 

Meyer G. Alcune aggiunte all’ articolo del Morosi sull’ ele- 
mento greco nei dialetti dell’ Italia meridionale. Arch. 
Glott. Ital. XII 137—40. 

Vgl. Arch. XII 76 ff. 

Morf H. tutti ὁ tre. (Philol. Abhandlungen, H. Schweizer- 
Sidler.. gewidmet S. 71—79). Zürich 1891. 

Tiktin H. Gramatica rominä. Partea I. Etimologiea. Jasi 
Saraga X u. 248 S. 8°. 

Weigand S. Die Vlacho-Meglen. Eine ethnographisch-philolo- 
gische Untersuchung. Leipzig Barth. XXXVIu. {SS. gr. 8°. 
3,60 ΜΝ. 

A. Becker. 


V1ll. Keltisch. 


Holder A. Altceltischer Sprachschatz. Heft 2. Leipzig Teub- 
ner 1892. Sp. 257—512. 

Von *Atepiacus his *branös ‘Rabe’. 

Zimmer Keltische Studien. ΚΖ. XXXII 153—240. 

9. Syntaktisches. Die Untersuchung knüpft an Wackernagels 
Erklärung von Αἴαντε Τεῦκρός τε (ΚΖ. XXIII 308) an und bringt 
Belege aus dem Irischen. — 10. Zur Personennamenbildung im Iri- 
schen: a) Vollnamen und Kosenamen für ein und dieselbe Person 
belegt. Ὁ) Namenartige Bildungen. οὐ Konsonantenverdoppelung 
bei Bildung der Kosenamen (wie fürs Germanische u. Griechische 
nachgewiesen) findet auch im Ir. in Fällen wie Fintan statt. d) 
Kosenamen und Deminutivbildung: entweder ohne jedes neue Suffix, 
oder (was am häufigsten) durch ἄγη (an) tan (vgl. gr. -wv -των), 
Dies in air. Zeit das einzige produktive Deminutivsuffix. Austausch 
zwischen Kosenamenbildung und Deminutivbildung, wodurch eine 
ganz neue Form der Kosenamenbildung aufkam, die im 6.—8. Jh. 
produktiv war. e) Zum Ursprung der Kosenamenbildung. Derselbe 
sei Form der zärtlichen Anrede. Es findet sich im Täin bo Cual- 
nge die Kurzform für Cuchulaind nur in kosender Anrede. [Da- 
her seien auch die Kurznamen, die im Böot. auf -n gegenüber att. 
-nc ausgehen, Vokative; vgl. auch die Vokative als Nominative 
bei Eigennamen in den serb. Volksliedern]. — 11. Uber das Alter 
dialekt. Erscheinungen im Irischen: die Orthographie des 6. Jh. 


Anzeiger 1 2. 15 


154 Bibliographie. 


deckte sich so ziemlich überall mit den Lauten. Von da ab die 

Orthogr. fast unverändert. Spuren verschiedener Dialekte a) ver- 

schiedene Entwickelung des urir. οὐ, in Connacht-Ulster und in Mun- 

ster-Leinster. b) Unterschiede zwischen Nord- und Südirland in der 

Entwickelung des Konsonantismus. — 12. Endlichers Glossar, ein 

zalloromanisches Denkmal des V. Jahrhunderts. Es stellt im we- 

sentlichen vulgärlateinische (romanische) Wörter gallischen Ur- 
sprungs, die in der roman. Volkssprache jener Zeit vorkamen, zu- 
sammen und erklärt sie: die Flexion sowohl der erklärten wie 
der erklärenden Wörter ist romanisch. Heimat des Denkmals in 

Südgallien. 

Rhys J. The Rhind Leetures on Archeology, in eonneetion 
with the Society of Antiquaries of Scotland delivered in 
December 1889 on the Early Ethnology of the Britith Isles. 

Unveränderter Sonderabdruck aus der Scottish Review (1890 — 
91). Zur Zeit, da die idg. Dialekte sich noch wenig unterschieden, 
sei das Alpenland von einem idg. sprechenden Volk bewohnt ge- 
wesen. das p für g anwandte, was auf nichtidg. Ursprung deute. 
Dies Volk teilte sich in drei Teile und diese wanderten 1. nach 
Griechenland, 2. nach Italien, 3. in das keltische Gebiet. Der Zweig 
der p-sprechenden Idg. in keltischem Gebiet sind die “Gallier’. ge- 
genüber den ἡ- sprechenden übrigen Kelten. Ähnlich sei der Über- 
gang von U zur (Ü zu erklären. Zwei folgende Abhandlungen 
behandeln die Mischung der Bevölkerung der britischen Inseln mit 
nichtidg. Bestandteilen, die letzte betrachtet "National names of the 
aborigines of the British isles’. Vgl. das Referat von Bradley Aca- 
demy 1892 No. 1027 5. 41 f. und D’Arbois de Jubainville Rev. Ceit. 
XI 477 { 

Stokes Wh. Zu den kelt. Etymologien in Fieks Wörterbuch. 
Academie 1891 Nr. 1015:48S. 329'£. 

Williams Ch. A. Die französischen Ortsnamen keltischer Ab- 
kunft. Strassburg Heitz. 87 S. ‘gr. 8%. 2 .M. 

D’Arbois de Jubainville Les noms gaulois dont le dernier 
terme est 720. dans le livre de bello gallico. Rev. arch£eol. 
XVII 82—99. 187—206. 

Behandelt werden Boiortx, Toutio-rix (roi des eitoyens’), 
Vasso-rix (roi des garcons ), Visu-rie (roi de la science’), Catu- 
riges, Ambio-rie (“roi des remparts’), Cingeto-rie (“roi des guer- 
riers’), Dumno-rte (τοὶ profond’ “grand roi’) und andere zu den- 
selben Stämmen gehörende Wörter. 


Stokes W. The Ogham inseriptions at Ballyknock. Academy 
1891 II S. 459. 

Zu Ballyknock in der Grafschaft Cork wurden 1859 Ogham- 
inschriften gefunden, die E. Barry 1890 photographierte. Sie finden 
sich übersetzt, kommentiert und mit Noten versehen durch Prot. 
Rhys im “Journal published by the Royal Society of Antiquaries of 
Ireland’. Khys hat sie 1891 selbst in Augenschein genommen. Es 
sind 15 Inss.: 1. Marlaguro maq ... lila. 2. Lama de licei mac 
maic Broce. 3. Eracobi magi eragetati. 4. Grilagni magi sellagni. 
Ὁ. Oltueoanas magi magi treni. 6. Drutiquli magt mage:: rodagni 
(rrrodagni). τ. Branan mag? ogoli. 8. Bogai magi Biraeo. 9. Uro- 
nun mac Bait. 10. Blat egsi. 11. Acto magi M... mago. 12. Er- 


Bibliographie. 185 


“αὐ dana. 13. Dommo maqu viducuri. 14. Anm meddugint. 15. 
C(o)saloti; der 2. Buchstabe ward als « von Barry, als o von Rhys 
gelesen. 
1. 2. 9. 10. 12 altirisch von 600—900. Der Rest altkelt. d. i. 
gall. in bezug auf Altertümlichkeit der Sprache. 
Ascoli Sulle vocali attratte, nell’ irlandese. Suppl. Period. 
all’ Arch. Glott. It. Prima dispensa 1891 ὃ. 73—16. 


Thurneysen R. Das sog. Präsens der Gewohnheit im Irischen. 
IF. 329—32. 
Thurneysen R. Der irische Imperativ auf -the. IF. I460—463. 
D’Arbois de Jubainville Le systeme de numeration duod£- 
cimale en Irlande. Rev. Celt. XII 482 £. 
Über das irische “Grosshundert’. 
Meyer K. Loanwords in Early Irish. Rev. Celt. XII 460—69. 
Fortsetzung von X1495 ff. Es werden angeführt 1) nordische, 
2) ags. und aengl., 9) lateinische, 4) afranz. Lehnwörter. 
Stokes W. Addenda et Corrigenda. ΚΖ. XXXII 319 £. 
Zu KZ. XXXI 232—255: Hibernica d. s. irische Glossen. 
Stokes W. On the Bodleian fragment of Cormae’s Glossary, 
gelesen in der Sitzung der Philological Society vom 4. XL. 
91. 98 S. 8°. Vgl. das Referat der Academy 1891 II S. 567. 
Das Glossar ist ein mir. Etymologieum. Folgende darin vor- 
kommende Wörter sind etymologisiert worden: 1. al "disgrace’, 
got. agls. — ὃ. dss "growth’, πατέομαι fodjan. 3. bel “lip’, idg. 
*getlos, giban |vgl. Wiedemann IF. 1513]. — 4. bothar ‘road’, nhd. 
Pfad. >. fetaim setaim "I am able’, swinhs. — 6. forosna ‘illu- 
mines’, got. sunno. — T. laith "champion’, πάλη πόλεμος. --- ὃ. lau 
little’, ἐλαχύς. — 9. lethech, mhd. vluoder “Flunder’. — 10. lomm 
“bare’, abg. lupiti “detrahere’. 11. Zue "steering oar’ (Stamm *lu- 
pet), slav. lopata “shovel’. — 12. mend “κα, alb. ment ‘to suck’. 
— 15. methoss ai. mit. — 14. mon “trick’, abg. maniti “trügen’. — 
15. orgem “I destroy’, gall. Orgeto-riz gr. ἐρέχθω. — 16. orn “de- 
struction’, ἔρις. — 17. pattu “hare’ entlehnt aus frz. patte. — 18. 
por foot’ v. afr. poe. — 19. ranc “baldness of the temples’, entlehnt 
von brit. Verwandten des lat. runco. — 20. robud "forewarning’ v. 
ro — pro und δια :bödhäami. — 21. rucht "mantle’ (St. ruktu-) : 
nhd. Rock. — 22. saim “ἃ yoke’, ἅμα. — 23. sen ‘a net’, ἔχω. — 
24. #ui "an eulogy’ (Gen. uath), ὕμνος. 
1. 2. 10. 12. 20 sind von Strachan, 15. von Per Persson, 18. 
von Kuno Meyer. 


Stokes W. On the linguistic value of the Irish annals. BB. 
XVII 56—132. (Reprinted, with additions and eorreetions, 
from the Proceedings of the Philological Society, for 1890.) 


Nach Aufzählung des benutzten Materials werden behandelt 
I. Irish words etymologically interesting: accidecht, altru, 
Anmargach (Däne), archt, brech (vrka-), cel (an. Ποῖ), ceiss (cista), 
cimbid (1. cingo), cin (ποινή), coimm (köußoc), condem (kvwdwv), cule 
(καλτά), culebad (culex), dadaig “at night’, daig (ai. dahati), diberg 
(di —- lat. de, Intensivpräf. und berg, verw. mit fr. brigand), di- 
miecin, diu (= oxyton didu), dremire (Wz. dreg zu nhd. Treppe), 


186 Bibliographie. 


duirthech (Komp. d [:ad] + or [:lat. oro] + teg), ech-lase (Engl. 
lash), eiss (pestis), €ss? LT (lat. ansa), rel (οὔλος), fichim 
(vinco), fin-scothach (fin ἤνοψ 2), fochann (0.6), fael (arm. garl), 
foirsed (vorso), fo-morach (mare Hi ntght-mare “"lamia’) geltai (da- 
von an. verda at gyaltı, vol. gr. xelıdwv) gemel (gemimi?) gen (ai. 
han), immoneitir, ini (v on ingen), machtarm (uaxaıpe), matta (mast). 
rO- midratar, mucc, muir-tucht (TeuKtöc), nemed (veuerov), nomad, 
aco “at’, othar (lat. puter), rathannatb D. Pl. (lat. ratis), rogach (ro- 
gare), Sabrann (Ptolemäus’ Zaßpiva), scalan (*scanlo- zu cknvN), SCO- 
thaim (skapjan), sengan (stingagno- zu e. > sonn, sruith, tlu- 
sach, toeb, tunna (entlehnt von 15]. funna?). — 11. 1 Low-Latin 
Words. 2. Irish Loans from Latin. — ΠῚ. 1. Cymrie names. 
2-lrish a from Welsh. — IV. Pictish names and other 
words. — Υ͂. 1. als Norse names and other words. Old-Norse 
words quoted. 2. Irish loans from Old-Norse. — VI. 1. Anglo- 
Saxon names. 2. Irish loans from Angelo-Saxon. 3. Irish 
loans from Middle-English. 


Stokes W. The Celtic etymologies in Fick’s comparative 
dietionary Vol. I. Academy 1891 Nr. 1015. 
Strachan J. vas “essen. KZ. XXXII 320. 

Vgl. Geldner ΚΖ. XXVI 217. Ir. festar könnte auf *vevosatar 
oder etwas ähnliches zurüc kgehn. 

Gaidoz H. Notes sur l’ötymologie populaire et l’analogie en 
irlandais. ΚΖ. XXXII 319. 

I. Etymologie populaire A) Noms communs. Anm- 
chara nichtlautgesetzliche Umbildung von anacorita, angcaire 
von anchora, baisdim von baptızo, bendacht u. maldacht, v. bene- 
dietio maledictio, brisca v. frz. biscuit, caindel v. candela, callaid 
v. callidus, coiler v. frz. carriere, corsercad v. consecratio, conblicht 
v. conflectus, ceruimther v. presbyter unter dem Einfl. des Kymri- 
schen, eruththaightheoir v. ereator, espartain v. vespertina, ithfern 
v. infernus, murchat, ordagraiffe v.orthographia, senmötr v. sermo, 
serr-cend v. serpens, sabaltair v. sepultura, umal v. humalis. — 
B) Noms propres. Anerıst, Anmargach, Antuaid, Apstalon ÜCenn- 
turto, Diuternoim, Farsaid, Genfamani, Golgotha, Hiruwath, Iudas 
Scartiöth, Latmhiach, Neamruaidh, Patifarsa, Torinis. — 11. Ana- 
logie Gen. sethar nach athar usw., cechtar de "un des deux’ für 
cechtar allein. Anglaicemhail wie die Adjektive auf /s/amhail, est- 
dein für E-side "lui-meme’ nach fadein "meme’, Octimber nach No- 
rimber. 

Hogan E. Irish-phrase book. Dublin Sullivan 144. 12°. 


Rhys J. Man’s Folk-Lore and superstitions. Folk-Lore II 
(1891) 5. 284— 314. 


Loth E. Les mots latins dans les langues brittoniques (gal- 
lois, armoricain, eornique) phonetique et commentaire avec 
une introduction sur la romanisation de l’ile de Bretagne. 
Annales de Bretagne t. VI 561—645. 

Ernault Glossaire moyen breton (suite). Mem. Soc. Ling. 
VII Heft 4. 


Anz. I 1 5. τὸ fälschlich Emault gedruckt! Inhalt: Die 
suchstaben an, n, 0. 


3ibliographie. 157 


Ernault E. Noms bretons des points dans l’espace. Rev. 
Celt. XII 413—20. 


"IX. Germanische Sprachen. 
A. Allgemeines. 


Paul Grundriss der germanischen Philologie. II. Band. 1. Ab- 
teilung. 6. Lieferung. Strassburg Trübner 1892. 

Osthoff H. Germanischer Sprache Eigenart. Frankfurter Zei- 
tung 1891 No. 294 u. 29. 

Dassonville A. Over den germaanschen tweeklank az. Phi- 
lolog. Bijdragen. Bijblad van ’t Belfort. Gent 1892 No.1. 
Ss. 1—17. 

Streitberg W. Anord. fyggja und Verwandtes. IF. 1 515 ἢ 

Über j nach anlautendem Konsonanten. 

Breal M. Anciens mots germaniques d’origine latine. Mem. 

500. ling. VII 4395 —46. 


1. Ahd. chranz stellt Vulgärlatein *coronatus, *ceronatus dar. 


2. Got. wadi von vulgärlat. vadium. 3. Ahd. pfant vulgärlat. 
"pantum aus *panctum statt pactum. 4. Ahd. chohhäri von lat. 
carchestum, mit dem Suffix -οὐὶ lat. -artum. carch wurde zu 


chohh wegen der Schwierigkeit der Aussprache. 5. Got. plapja 

von lat. platea. 6. Got. mes von lat. mensa. 7. Ahd. zelt von vul- 

gärlat. *tenda, von welchem prov. ital. tenda, span. fienda herkom- 
men. ὦ aus n, wie in as. οὐαί, got. in-kilbo “schwanger” =- ahd. 
chind. 8. Ahd. wwih “oppidum’ von lat. vicus. 

Breal M. Notes tymologiques. Mdm. soe. ling. VII 450. 

Über salida. 

Erdmann A. Die Grundbedeutung und Etymologie der Wör- 
ter Kleid und Filz im Germanischen nebst einem Exkurs. 
(Skrifter utgifna af Humanistika Vetenskapssamfundet i Up- 
sala 1 5) 48 S. 

Holub J. I. 1. Der Name “Germani’ in Taeitus’ Germania. 
2. Tungri — ein gallischer Stamm. Il. Der erste Ger- 

5 τ 
mane wurde nach dem Zeugnisse des Tacitus aus der Erde 
gebildet. Freiwaldau Titze. 25 S. gr. 8°. 0,50 M. 


Müllenhoff Deutsche Altertumskunde 3. Band. Berlin Weid- 
mann. XVI.u. 382 8. gr. 8°. 10M. 


Grienberger Th. v. Germanische Götternamen auf rheinischen 
Inschriften. HZ. XXXV 5388 —401. 


1. Mars Halamardus (zu an. halr ‘Mann’ u. nhd. mord: "Mann- 
mörder’. — 2. Dea Sandraudiga (das erste Glied findet sich in 
Sandrimer, Bedeutung “verax’, das zweite gehört zu got. audags 
usw., Bedeutung: “sehr selig’. — 3. Mercurius Leudisto (leudis-: 
ags. leod Fürst’; *leudisjan herrschen’). — 4. Dea Vagdavercustis 
(-vercustis zum Namen der Göttin Vercana, unserm Werk). Das 


188 Bibliographie. 


Suffix -ust- deutet auf alten es-Stamm. Vagda- zu ahd. -wegida in 

kiuuegida "vegetamen’ nötuuegida "violentia’. Bedeutung: “die Le- 

benskraft wirkende’. 5. Hercules Saxo (en-Stamm; "der Schwert- 

bewaffnete’) kein Gott, sondern Heros. 

Jaekel H. Die Hauptgöttin der Istvaeen. ZZ. XXIV 289— 
an 

l. Nehalennia. 1. Denkmäler und Inschriften. 2. Nehalennia 
und Hercules Macusanus; beide müssen als Gatte und Gattin be- 
trachtet werden. 3. Die Attribute Nehalennias. 4. Der Name Neha- 
lennia. Suftix -njo-, Stamm *Nehal got. "nailval- zu latein. ne- 
qualia, gr. νέκυς. Bedeutung: “Töterin’. — Il. Aödıwa. Ein Beiname 
der westistvaeischen Hauptgöttin, der sie als Ehegöttin charakteri- 
siert. — III. Die Hauptgöttin der marsischen Istvaeengruppe: Tan- 
fana oder Tamfana zu Wz. dam (gr. dauvdw usw.), deren p-Er- 
weiterung in dem Namen vorliegt. Bedeutung: "Bezwingerin'. 
Much R. Jupiter Tanarus. HZ. XXXV 372—14. 

Kelt. Tanarus mit Dunar aus derselben Quelle entsprungen. 
Sein an wie das germ. un nn-. Vgl. den Flussnamen Tanarus 
bei Plinius, Bed. “der rauschende’. Wie im Germanischen *Dreus 
zum Kriegsgott geworden ist, so auch im Keltischen, vgl. Mars 
Loucetius oder Leucetius "der leuchtende’, d. 1. *Dreus. 

Much R. Requalivahanus. HZ. XXXV 374— 6. 

Nom. *Requalivaho. rega- zu rigts wit Holthausen Bonner 
Jahrbb. LXXXI 81 f., doch sei als Grundlage ein @a-Stamm rekra- 
anzusetzen. -Uvah- got. *leibahs lebendig’ geht nicht an, viel- 
mehr ist /iveo, Iiwidus usw. heranzuziehen. Bedeutung: “der dun- 
kelfarbige’, ein genaues Gegenstück zu kymr. Gweynli, gall. 
* Vindolivus "der hellfarbige’. Der Name ist eine passende Bezeich- 
nung für den Gemahl der schwarzen oder halbschwarzen Hel. 

x Ye 7 - - Ἂς ὟΣ 7 r 7 .«},.9 or 
Much R. Die Sippe des Arminius. HZ. XXXV 361—311. 

Rekonstruktion der Verwandtschaftsverhältnisse, Deutung von 
bu(s) in Θουςνέλδα und Θουμέλικος, die mit der von Streitberg (PBrB. 
XV 506) gegebenen im wesentlichen übereinstimmt. -cveAda sei ver- 
schrieben aus -cveAAa. Οὐκρόμιρος ugro- gewaltig’ —+ mero-. Arpus 

“anas mas’ zu ags. eorp "fuscus’. Gandestrius im Suffix zu and. 
agastria “Elster” u.a. zu stellen, “Jupus’; Grundbedeutung "gäh- 
nend’. Segestes zu carmmisch Segeste. “‘Pawc zu an. ramr "stark. 


B. Ostgermanisch. 


Wilser L. Die Ostgermanen. Ausland 1891 No. 49. 

Wright J. A primer of the Gothie language with grammar, 
notes and glossary. Oxford Olarendon Press 1892. XI u. 
2418.92. 458: 0. 

Schröder E. Exkurs über die gotischen Adjektiva auf -ahs. 
HZ. XXXV 376--79. 

Neben den häufigen got. Adj. auf -ags (-eigs) steht eine kleine 
Gruppe auf -ahs. Durchgreifender Bedeutungsunterschied zwischen 
beiden Kategorien: den erstern liegt ein abstrakter Nominalstamın, 
natürlich mit der Vorstellung des Singulars, zu Grunde, den letz- 
tern der Nominalstamm eines Konkretums mit der Vorstellung der 
Mehrheit. mödags, wulbags usw. "iracundia, gloria... praeditus 


Bibliographie. 159 


(affeetus)” — stainahs "saxosus, saxorum plenus’. Der Unterschied 
war germanisch, nicht bloss erotisch. Dem got. stainahs entspricht 
ahd. steinaht, nicht steinac. Formell sind die beiden ersten nicht 
völlig identisch. 


Wiedemann Ὁ. Got. sailwan. IF. I 237—59. Got. fairgunt. 
IF. I 436. 
Wiedemann Ὁ. Gotische Etymologien. IF. I 511—1D. 


> 


1. bairhts 2. mahljan 3. gipan. 


C. Nordgermanisch. 


Bugge S. Norges Indskrifter med de wldre Runer. Udgivne 
for Det Norske Historiske Kildeskriftfond. 1. Heft. Chri- 
stiania 1891. 48 5. 4°. 


Kock A. Untersuchungen zur ost- und westnordischen Gram- 
matik. Skandinavisches Archiv, hrsg. v. E. Th. Walter. 
Bd. I Heft 1. S. 1—58. Lund nn 


I. Zur Frage über den Nom. Sg. auf -ain maskul. n- 
Stämmen. Der isl. Typus ‘Sturla’ ist nicht altertümlich; die hier- 
hergehörigen Worte sind z. T. ursprüngliche Feminina mit regel- 
mässiger n-Stammbeugung, z. T. Lehnworte, die im Nom. Sg. die 
Endung -a bewahrt haben, die sie in der Sprache hatten, aus der 
sie entlehnt sind. II. Zur Breehung des y im Altschwedi- 
schen. Für die aschw. Reichssprache gilt das Gesetz: wenn dem 
y ein palataler Konsonant unmittelbar vorausgeht, so wird es vor 
tautosyllabischem 7 zu u gebrochen. II. Östnordische En- 
dungsvokale. 1) Die Adjektivendung -likin, -likit. K. ver- 
teidigt die Annahme, dass -Kkin aus -likan hervorgegangen, gegen 
Noreen (Arkiv V 390. 2) Zum Wechsel der Endungsvokale 
«:o im Altschwedischen. Während im cod. bildstenianus 
(1420—50) der Gebrauch der Endvokale «:o in der Hauptsache 
keiner bestimmten Regel folgt, wird S. 676—125 das Vokalbalance- 
Gesetz angewandt, nur dass dem s-Laut auch nn u vorausgeht, 
wenn man nach dem Gesetze ὁ erwarten sollte. 8) Wechsel von 

e:e im Altdänischen. In der Hs. ‚von Manderities Reise (aus 
dem J. 1459) wird unabhängig von dem Ursprunge des Endungs- 
vokals in offener Silbe τὸ, in geschlossener gewöhnlich e gebraucht; 
doch steht in eschlossener Silbe einige Male ὁ, besonders nach 
Palatal (g, k). IV. Vokalverlust bei Hiatus im Altschwe- 
dischen. Wenn ὁ (6) in einer Silbe mit levissimus (dem schwäch- 
sten Exspirationsdruck der Sprache) unmittelbar einem andern Vokal 
nachfolgt, so wird 2 (e) lautgesetzlich mit diesem kontrahiert, so 
dass ἡ (6) verschwindet und der vorhergehende Vokal stehn bleibt. 
V. Zum Werte von αὶ im Altschwedischen. Nachweis, dass 
im Aschw. z den Lautwert ss haben konnte. 


Ross H. Norsk Ordbog. Tilleg til "Norsk Ordbog’ af Ivar 
Aasen. 7. H. Christiania o& Kjobenhavn 1891. 

Thorkelsson Jön Beyging sterkra sagnorda i islensku. Heft 
1—4, Reykjavik 1888—91. 8°. 


Vgl. die wichtige Rezension von E. Wadstein Arkiv VIN 
88---οὉ, : 


190 Bibliographie. 


Noreen A. Bidrag till den fornnordiska slutartieckelns historia. 
Arkiv VIII 140—152. 

Handelt über die zweisilbigen Formen des suffigierten Ar- 
tikels. 

Larsson L. Ordförrädet i de älsta islänska handskrifterna 
leksikaliskt ock gramatiskt ordnat. Lund Ph. Lindstedt. 
V 149828240 

Beckmann N. Om y-typen som tecken för ändelsevokaler i 
Sielinna Tröst. Ett bidrag till läran om fornsvenskans 
länga ändelse-vokaler. Arkiv VIII 167—175. 

Noreen A. Bidrag till äldre Västgötalagens täkstkritik I. 
(Arkiv VIII 176—181.) 

3ringt einiges Grammat. z. B. über die an. maskul. auf -a 
(Sturla etc.). 

Wennström E. & Jeurling ©. Svenska spräkets ordförräd. 
2.—4. H. (Schluss). Stockholm. 

Cederschiöld G. Döda ord. (Nord. tidskr. f. vetenskap, konst 
och industri 1891. 8. 457-178.) 

Behandelt Worte, die in der jetzigen schwedischen Reichs- 
sprache ausgestorben sind, aber in der ältern Litteratur noch an- 
gewandt werden. 

Lyttkens J. A. & Wulff J. A. Svensk uttals-ordbok. 2. H. 
Lund. Gleerup. 8°. 

Andersen Κ΄. Gentagelsen. (Dania I 198—225.) 

Schluss der Abhandlung ibid. SI—9%. (vgl. Anz. f. idg. Spr. 
Ὁ. 14). 

Jespersen O. Lydskriftprever. (Dania I 226—232). 
Dänische Dialektproben in der Lautschrift der Dania. 
Lund L. Tolv Fragmenter om Hedenskabet med szrligt Hen- 
syn til Forholdene 1 Nord- og Mellemeuropa. 1. Bd. 1. Heft. 

Kbhn. Reitzel. 504 5. 8°. 

Falk Hj. Martianus Capella og den nordiske Mytologi. (Aarb. 
f. nord. Oldk. 1891 5. 266—500.) 

Der Verf. nimmt die Schrift: De nuptiis Philologie et Mer- 
eurii mit Notkers Kommentar zum Ausgangspunkt mythologischer 
(in Bugges Sinn gehaltener) Untersuchungen. Er behandelt: 1) 
Die Erschaffung der Menschen. 2) Das Sonnenschild. 5) Od-Ado- 


nis. (Od gehört zu ödr "Dichtung’; die Deutung Adon(is) ἄδων 
ist im MA. gewöhnlich). 4) Der Name Loptr für Loke. (Loke wird 
mit Vulkan zusammengestellt, Loptr aörius. Die Schilderung 


Vulkans in Notkers Kommentar stimmt zu den Vorstellungen, die 
die Nordleute von Loke hatten). 5) Die Flüsse der Grimnismäl. 
6) Vorstellungen vom Monde. τὸ Uber Spuren der Dämonenlehre 
der klass. Litteraturen in der nord. Mythologie. 8) Haben die Tiere 
in der Yggdraselsesche ihren Ursprung in der Astrologie des MA? 
9) Fjolsvinnsmäls Lyfjaberg. 


Hjelmgvist T'h. Naturskildringarna i den norröna diktningen. 
Antiqv. tidskr. f. Sverige XII 1. 217 S. 


Bibliographie. 191 


S. 44 ff. behandelt das Verhältnis der Mythologie zur Natur- 
betrachtung. 
Meyer E. H. Skabelsesleren i Eddaerne, ved H. Anker. Ha- 
mar 430.889, 


D. Andersen u. G. Morgenstern. 


D. Westgermanisch. 


Erdmann A. Über die Heimat und den Namen der Angeln. 
(Skrifter utg. af Humanist. Vetenskaps samfundet i Upsala 
RN). "Upsala. 1890-91. ..119°8.:.8%. 

Bright J. W. An Anglo-Saxon Reader edited with notes and 
glossary. New York Holt u. Komp. 1891. VIIIu.385 8. 8°. 

Logeman H. L’inscription anglo-saxonne du reliquaire de la 
vraie croix au tresor de l’eglise des SS. Michel et Gu- 
dule ἃ Bruxelles. London Luzae u. Komp. 5318. 8°. 

Ein Silberband trägt flg. Inschrift: Rod is min nama; geo ie 
riene cyning ber, byfigynde, blode bestemed. has rode het KEplmaer 
wyrican 7 Adelwold hys berobo Criste to lofe for “Elfrices saule 
hyra berobor. 

Auf der Rückseite des hölzernen ‚Kreuzes, in dem sich die 
Reliquie befindet, steht: Drahmal me worhte.. Agnus Dei. Die In- 
schrift zeigt Einfluss des bekannten Gedichtes, erhalten im Ver- 
celli-Buch und in der Runeninschrift des Ruthwell-Kreuzes. Zeit 
etwa 1100. 

Brown E. M. Die Sprache der Rushworth-Glossen zum Evang. 
Matthäus und der mereische Dialekt. I. Vokale. Göttingen. 

Martineau Pronunciation of the English vowels in the 17. 
century. Philological Society, Sitzung v. 6. XI. 91. Vgl. 
Academy 1891 Bd. II S. 460. 

Beruht auf Buxtorfs (7 1629) Liste langer und kurzer hebr. 
Vokale, verglichen mit den engl., und John Davis’ Ü bersetzung die- 
ses Werkes 1656. Das Buxtorfsche Werk ist von dessen Sohn 1653 
veröffentlicht. 

Woodward B. D. Palatal eonsonants in English. Diss., Co- 
lumbia College. 

Einenkel E. Die Quelle der engl. Relativsätze II. Anglia 
XIV 122—32 

- Fortsetzung v. Anglia XIII 345 ff. Belege aus Robert of Brun- 
nes Chronik, Robert of "Gloucesters Chronik, Ae. Dichtungen ed. 
Böddeker, Genesis u. Exodus. 

Varnhagen Zur Etymologie von preost. Engl. Studien XVI 
155—54. 

preost, priost eine superlativische Neubildung zu prior. 
Hempl u. Mayhew The etymology of yet O. E. giet. Aca- 

demy 1891 Bd. II 564. 

1. Germ. zu + hinö-, got. ju hina, ags. *geohin, WS. *giehin, 

gien, non WS. 1) *gehin gen gena. 2 oe [geon] geona. 


- 


192 Bibliographie. 


2. Germ. iu + hito, got. ju hita. ΟἿ. *geohit. WS. *giehit, 
giet, gieta, non WS. 1) *gehit, get, geta. 2) *geohit, geot [geota). 
Die Formen auf -a nach der Analogie der übrigen Tempo- 
raladverbia auf -α. 
Skeat W.W. The etymology of dismal. Academy 1891 Βα. II 
5. 482. 
Von anglofranz. dis mal dies mali. Diese alte Ansicht 
gestützt durch ein Ms. von 1256: 
Ore dirrai des jours denietz 
Que vous dismal appelletz 
Dismal les appelent plusours 
(eo est a dire les mal jours. 
Chance F. The etymology of dismal. Academy 1891 Bad. II 
SB 
Bei Chaucer in einigen Hss.: “1 troıw it was in the dismal, 
Ihat was the ten woundes of Egipte”. Danach dismal “ten 
(dis) woes (mal). 
Vgl. Skeat Ac. 1023 S. 539. 
nn E. The etymology of dismal. Academy 1891 
Bd. II 5: 589. 
F = eine Stelle aus dem Diplomatarium Islandicum (IL 1. 
p. 183—4) in Übersetzung an: “Here is a statement concerning dis- 
mala daga |ace.] There are two such days in every month as in 
calendrie language [bok-mal] are called dies mali....' Er fol- 
gert daraus, dass die Quelle des Stückes englischen Ursprungs sei. 
Platt J. The etymology of “ever. Academy 1892 No. 1027 
5. 41. 


Vgl. Ac. vom 19. Dez. Die Annahme, ever sei das Adverb 
zum Adjektiv afor sei von ihm schon vor Jahren ausgesprochen. 
Chance F. "Deuce’ = Devil. Academy 1892 No. 1026. S.15. 

Gegen Skeats Herleitung aus afız. deus. Entweder sei Deuce 

“Teufel’ mit deuce — Zwei’ zu verknüpfen oder deuce sei eine 
durch franz. Vermittelung entstandene Umbildung von διάβολος. 
Skeat The verbe ‘to slate‘. Athenaeum 1891 No. 3559. 


Murray (Üontent, contents‘. Academy 1891. Bd. II S. 456. 

Bericht über die 341 Antworten, die auf seine Anfrage über 
die Stellung des Akzentes in diesen Wörtern eingelaufen sind. 150 
betonen stets auf der zweiten, 100 stets auf der ersten Silbe, die 
übrigen schwanken je nach der Bedeutung. 

Emerson Ὁ. F. The Ithaca (N. Y.) dialect. Dialect Notes 
III 85—173. Boston 1891. 

An extended treatment of the sounds found in that dialect. 
Traces some: of the conditions and influences under which the dia- 
lect has developed. 

Bosworth An Anglo-Saxon dietionary. Edited and enlarged 
by T. N. Toller Part. IV “Seetion. 1. 4°. 7 "Tondon ΕΙΣ 
Frowde. 8 sh. Ὁ. ἢ. 

Century Dictionary of the English language. Part. 24. (Schluss). 
London F. Unwin.. 10”sh..6..d. 


Bibliographie. 195 


Muret Enzyklopädisches englisch-deutsches u. deutsch -eng- 
lisches Wörterbuch. Teil I. Lieferung 3. 5. 195—304. 
Berlin Langenscheidt. 

Dictionary, the new English. Vol. II. C. D. Special quota- 
tions wanted. Academy 1891 Bd. II S. 480. 


Our Language A monthly journal devoted to the English 
Speech. Vol. 1. New York 1891. 
Upholds the spelling reform and gives record of the latest 
publications on the iunglish language. 
Höfer J. Zurückweichen des angelsächsischen Elementes in 
Nordamerika. Globus LX. No. 24. 


Nabert H. Karte der Verbreitung der Deutschen in Europa. 
Im Auftrage des deutschen Schulvereins u. unter Mitwir- 
kung von R. Bökh dargestellt 1: 925000. 5.u.6. Sektion. 
Glogau Flemming. Je3M. 

Behaghel A short historical grammar of the German lan- 
guage. Transl. and adapted from Prof. B.’s Deutsche Sprache 
by E. Treehmann. 194 S. 12°. Maecmillan. 4 sh. Ὁ d. 

Hoffmann E. Stärke, Höhe, Länge. Ein Beitrag zur Phy- 
siologie der Akzentuation mit spezieller Berücksichtigung 
des Deutschen. Strassburg Trübner 1892. VII u. 51 S. 
Ὁ ΜΝ. 

Burghauser G. Die nhd. Dehnung des mhd. kurzen Stamm- 
vokals in offener Silbe, vornehmlich unter phonetischem 
Gesichtspunkte. (Aus dem 15. Jahresberichte d. deutschen 
Staatsrealschule in Karolinenthal.) 

Tobler L. Über das s in nhd. Zusammensetzungen. Zeitschr. 
d. allgem. deutschen Sprachvereins. Wissenschaftl. Beihefte 
No. 2. 

Scheffler K. Einwendungen gegen Trautmann (Zur s-Frage). 
Ebenda. 

Poeschel J. Die sog. Inversion nach und. Anregung zu 
einer sprachgeschichtl. Untersuchung. Progr. der Fürsten- 
u. Landesschule z. Grimma. 


Hildebrand R. Zu der sog. Inversion nach und. Zeitschr. 
f. den deutschen Unterr. V. H. 12. 

Faulmann Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 
Nach eigenen neuen Forschungen. (10 Lieferungen von 
5—6 Bogen.) 1. Lieferung. Halle Karras 1891. 5. 1—40. 
1,20 M. 

Kluge F. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 
5. Auflage. Lieferung 2. Strassburg Trübner. 

Bis fromm. 


194 Bibliographie. 


Grimm J. u. W. Deutsches Wörterbuch VIII 7. Romanbau- 
herr — Ruck bearbeitet unter Leitung von M. Heyne. 
Leipzig Hirzel. 

Kluge Aar und Adler. ZZ. XXIV 311—315. 

Von 1500—1750 war aar allerwärts als zweites Glied von 
Kompositis in Gebrauch; es ist die frühnhd. Kompositionsform von 
adler, volksetymologische Deutung desselben als adel-ar. Aus den 
Kompositis ward dann aar als Simplex abstrahiert. 

Brandstetter R. Die Rezeption der nhd. Schriftsprache in 
Stadt u. Landschaft Luzern (1600—1850). Druck v. Ben- 
ziger u. Komp. Einsiedeln. 


Dittmar E. Die Blankenheimer Mundart. Eine lautliche Un- 
tersuchung. Leipzig Fock. 48 S. 8°. (Jen. Diss.). 

Feist S. Das s und Φ in den deutschen Mundarten. Zeit- 
schrift f. d. deutschen Unterricht V No. 10. 

Gradl H. Die Ortsnamen im Fichtelgebirge und dessen Vor- 
landen. Sonderdruck. Eger Kobrtsch und Gschihay. 177 5. 
ΣΌΝ. 

Günther S. Deutsche Sprachreste in Südtirol u. an der Grenze 
Italiens. Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1891 No. 289. 

Günther S. Von der deutseh-italienischen Sprachgrenze. Na- 
tion (1891). No. 10. 

Keiper Französische Familiennamen in der Pfalz u. Franzö- 
sisches im Pfälzer Volksmund. 2. Auflage. Kaiserslautern 
Gottholt. 11 ΝΜ]: 

Knoop ©. Plattdeutsches aus Hinterpommern. 2. Sammlung: 
Fremdsprachliches im hinterpomm. Platt nebst einer Anzahl 
von Fischerausdrücken u. Ekelnamen. (Fortsetzung). Leip- 
7210. Kock. 18282 ΠΝ: 

Reis H. Beiträge zur Syntax der Mainzer Mundart. Giessener 
Dissertation. 46 5. 8°. 

Schweizer Idiotikon. 21. Heft. (2. Band Spalte 1509—40 
und 3. Band Sp. 1—128. 4°. Frauenfeld Huber. 2 M. 


Baecalari G. Forschungen über das deutsche Wohnhaus. 
Ausland LXIV 31—97. 


X. Baltisch-Slavisch. 


A. Allgemeines. 


Streitberg W. Der Genitiv-Pluralis und die baltisch-slavischen 
Auslautgesetze. IF. 1 259— 500. 


Bibliographie. 195 


Uljanov Znatenija glagolnych osnov v litovsko - slavjanskom 
jazyke (Bedeutung der Verbalstämme im Litu- en 
Russkij filologiteskij vestnik XXIV (1890, ὃ 
XXV (1891, 1) 41—134. 


Unvollendet. 


B. Slavisch. 


Brand Dopol’nitelnyja zamelanija k razboru Etimologiteskago 
slovarja Miklosica (Ergänzende Bemerkungen zu einer Ana- 
lyse von Miklosichs Etymol. Wörterbuch). Russkij filolo- 
giteskij vestnik (Warschau) XXV (1891, 1) 27—40. 

Ergänzende und berichtigende Notizen zu Miklosich, alpha- 
betisch geordnet (terzu® — vecert); fortgesetzt aus den früheren 

Bänden. 

Matzenauer Piripevky ke slovansk&mu jazykozpytu (Beiträge 
zur slav. Sprachforschung). Listy ἢ]. XVII (4) 241— 270. 

Etymologische Deutungen, alphab. geordnet, zu versch. slav. 

Wörtern (rzzatı — razije); fortgesetzt aus früheren Bänden. 

Sobolevskij Drevnij cerkovno-slavjanskij jazyk (Die altkir- 
chenslav. Sprache). Fonetika. Moskau 1891. 

Vondräk Über einige orthographische und lexikalische Eigen- 
tümliechkeiten des Codex Suprasliensis im Verhältnis zu den 
anderen altslovenischen Denkmälern. Sitzungsber. der kais. 
Akad. d. W. in Wien, phil.-hist. Kl. Bd. OXXIV (44 S.). 

Wien 1891. 

Kalina Studyja nad historyja jezyka bulgarskiego (Studien 
zur Gesch. der bulgar. Sprache). PT (206 S:) und I 
(386 S.). Krakau 1891 (Akademie ἃ. Wiss.). 

Murko Enklitike v slovens£ini. 1. del. (Die Enklitika im Neu- 
sloven. 1. Th.). Laibach 1891 (S.-A. aus Letopis Matice 
Slovenske). 

Oblak Das älteste datierte slovenische (= neuslov.) Sprach- 
denkmal. Archiv f. slav. Phil. XIV (2) 5. 192—235. 

Aufzeichnungen a. d. J. 1497 ff. Deren orthogr., gramm. und 
lexik. Eigenschaften. 

Kvacsala J. Beiträge zur Geschichte der slovakischen Sprache. 
Enoar.ıkev. XI Ἢ 10. 

Sobolevskij Lekeii po istorii russkago jazyka. (Vorlesungen 
über die Geschichte der russ. Sprache). 5. Petersburg 1891. 
(274 S.). 

Sreznevskij Materialy dlja slovarja drevne-russkago jazyka 
po pistmennym pamjatnikam (Materialien zu einem altruss. 
Wörterbuch nach Litteraturdenkmälern). Vyp. 1 (A—G). 
Izd. II. otd. Imper. Akademii Nauk. 5. Petersburg 18%. 
(ΘΠ ΩΝ 


190 Bibliographie. 


Zelinskij Korneslov russkago jazyka (Wurzelwörterbuch der 
russ. Sprache). Moskau 1891. 

Für Schulen bestimmt. 

Mitrofanowicz Praktische Grammatik der kleinrussischen (ru- 
thenischen) Sprache. (Bibliothek der Polyglöttie No. 36). 
Wien Hartleben. 184 5. 8°. 2 M. 

Gebauer Starocesk& skloneni jmen kmene 7 (Die altböhm. 
Deklination der 2-Stämme). Abhandl. d.k. böhm. Gesellsch. 
d. Wiss. VII. Folge 4. Band. Prag 1891 (50 S.). 

Flaj hans Doklady k st&. skloneni kmene -o (Belege zur alt- 
böhm. Deklin. der o-Stämme). Listy filologieke XVIII 1/2, 
13—92. 4, 288—2%. 5, 369—584. 6, 441. 452, 

Nachtrag zur Abhandlung über die altböhm. «-Deklination. 
(Ebd. XVII.) 

Opatrny Starocesk@ stridnice predlozky stb. © prfed souhläs- 
kami retnymi (Die altböhm. Reflexe der Präp. ablg. οὖ 
vor den Lippenlauten). Listy fillologiek@ XVII 1/2, 58—62. 

Wo» (nach Havliks Bd. XVI ausgeführtem Gesetz) vokali- 
siert werden sollte, hat das Altböhm. auch hier ve; für sonstiges © 
tritt jedoch vor Labialen x ein (z. B. ve mne, u vode). 

Opatrny Staroceskä stiidnice za püvodni 7» (Der altböhm. 
Reflex für urspr. 7»). Listy filol. XVII 3, 177—208. 

Wo » vokalisiert wurde, hat das Altböhm. re, wo ausgestos- 
sen, r (aslv. starve» starvca = aböhm. staree starca). 

Kühnel Die slavischen Orts- und Flurnamen der Oberlausitz. 
(Sonderdruck). 2. Heft. 84 5. gr. 8°. Berlin Köhlers Anti- 
quarium in Komm. 2 Ν. 

Sprawozdania Komisyi jezykowej Akademii Umiejetnos’ci. 
Tom. IV (Berichte der sprachwissenschaftlichen Kommission 
der Akademie der Wissenschaften zu Krakau) B. IV 384, 
ESS: 

Von den Beiträgen sind ὃ der poln. Dialektologie, die übri- 
gen der ältern poln. Sprache gewidmet. Darunter von J. Hanusz 
(Ὁ) O ptsowni ὁ wokalizmie zabytkow jezyka polskiego w ksiegach 
sadowyeh krakowskich z wieku XIV—XVI (Orthographie und Vo- 
kalismus der in den Krakauer Gerichtsbüchern des 14.—16. Jh. ent- 
haltenen Denkmäler). — Vgl. das Bulletin der Akademie, Dezem- 
ber 1891 S. 344—49. 


Brückner A. Mytlhologische Studien III. Archiv f. slav. Phil. 
XIV 161—91. 
᾿ Myth. St. I. Archiv VI 910. ΠῚ ΝΜ St. IT Archive IX ΤΉ 
Uber die Ortsnamen Radigast, Goderac; das rügische Svetovitmär- 
chen. Volos, Trigtov, Ziva u. dgl. — I. Kritik des Zeugnisses des 
Diugosz über den Götterglauben der Polen (15. Jh... D. kennt 
tlg. poln. Gottheiten: vom Todaustragen her die Marzana und Dzve- 
wana, welche wohl gar keine Gottheiten waren; aus den Pfingst- 
liedern Jesza und Lyada; aus Sprachwendungen und Aberglauben 
die Deiecilela, Nyja, Pogoda und das Zywie. Miechowita fügt 


Rezensionen. 197 


den Pogwizd, eine Windgottheit, hinzu. — Ill. Weitere Spuren poln. 

Mythologie bieten die verschiedenen handsehriftlichen polnisch - la- 

teinischen Predigten des 15. Jh. Mitteilungen daraus. 

Nehring W. Die ethnographischen Arbeiten der Slaven 1. 
Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 1891 Heft ὃ. 


C. Baltisch. 


Zubaty J. Lit. silsetö-s u. Verwandtes. BB. XVIII 159 £. 
Zu ülseti-s ‘ruhen’. Es hat die Komposita at-si-ilseti, pa-st- 
Alseti, die mit der bekannten Verdoppelung des reflexiven Elemen- 
tes at-si-ilseti-s pa-si-iseti-s bezw. at-s’-useti-s pa-s’-Useti-s lauten. 
Hieraus durch Dekomposition selsetis. Ebenso mag lett. ?/-salkt 
“beugen’ neben lit. alktı entstanden sein. 
Josef Zubaty. 


Rezensionen aus dem Jahr 1891). 


Aeta sanctorum Hiberniae ex codice Salmanticensi ed. 
Smedt et Backer. GGA. 5 (Zimmer). 

D’Arbois de Jubainville H. Les noms gaulois chez O6sar 
et Hirtius de bello gallico I. Berl. phil. Wochenschr. XI 49 
(Meusel), RCr. XXV 49 (P. Lejay). 

v. Bahder K. Grundlagen des nhd. Lautsystems. LCB. 14 
(Zarneke), Zeitschr. f. österr. Gymn. 1891 2/3 (J. Schmidt), 
Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. XII 9 (Kauffmann). 

Bartholomae Studien zur idg. Sprachgeschichte II LCB. 42 
(Streitberg). 

Bloomfield On adaptation of suffixes in congeneric classes of 
substantives. Wochenschr. f. klass. Phil. VIII 45 (Bersu). 


Bonnet M. Le latin de Grögoire de Tours. Berl. phil. Wo- 
ehenscehr. XI 7 (Petschenig), DLZ. XII 12 (Meyer-Lübke), 
Wochenschr. f. klass. Philol. VIII 25 (Traube), RCr. XXV 
39 (Lejay), Neues Archiv XVI S. 452 ff. (Krusch), Am. Journ. 
Phil. XII 2 S. 221—29 (M. Warren). 

Brugmann K. Grundriss der vgl. Gramm. II2,1. RCr. XXV 
2 (Henry), LOB. 10 (G. Meyer), Athenaeum 35324, Am. Journ. 


1) Da der Umfang des zweiten Heftes schon weit überschrit- 
ten ist, hat das RKezensionenverzeichnis auf das notwendigste be- 
schränkt werden müssen. 


198 tezensionen. 


Phil. XII 3 5. 362— 70 (ΔΙ. Bloomfield), Wochenschr. f. Klass. 
Phil. VIII 14 (v. d. Pfordten). 

3ugge 5. Etruskisch u. Armenisch LCB. 5, DLZ. XII 14 
(Deecke), Berl. phil. Wochenschr. XI 22 (Deecke). 

Cohn G. Die Suffixwandlungen im Vulgärlatein. Literaturbl. 
f. germ. u. rom. Phil. XII 9 (Meyer-Lübke), LCB. 34. 

Diels H. Sibyllinische Blätter LCB. 6 (Crusius), Berl. phil. 
Wochensehr. XI ὃ (Dümniler). 

Fick A. Vergl. Wörterbuch 15. Wochenschr. f. klass. Phil. 
VIII 21 (Prellwitz), RCr. XXV 35/34 (Henry). 

Franke O. Die indischen Genuslehren LCB. 15 (Windisch). 

v. ἃ. Gabelentz Sprachwissenschaft LCB. 50 (G. Meyer). 

van Helten W. Altostfriesische Grammatik. Literaturbl. f£. 
germ. u..rom.: Phil. ΧΙ 12 (Fr. Kauffmann),. ΝΕ. Jhb: 
1891 (Bremer). 

Hoffmann Ὁ. Die griech. Dialekte I. GGA. Ὁ (Fick), RCr. 
XXV 22 (Henry). 

Holder A. Altceltischer Sprachschatz 1. GGA. 9 (Zimmer), 
Literaturblatt f. germ. u. rom. Phil. XII 7 (Thurneysen), 
LCB. 32 (Windisch), Wochenschr. f. klass. Phil. VII 29/30 
(Meusel), DLZ. XII 50 (Hübner). 

Jellinek M. H. Beiträge zur Erklärung der germ. Flexion. 
DLZ. XII 47 (Mahlow), Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. 
XII 11 (Hirt), AfdA. XVII 4 S. 275 (Collitz). 

Kauffmann Fr. Geschichte der schwäbischen Mundart. DLZ. 
XII 9 (A. Heusler), AfdA. ΧΎ 28. 98°(J. Franck), 22. 
XXIV 1 (Bohnenberger), Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. 
XII 1 (Behaghel), Germania XXXVI 406 (H. Fischer). 

Kauffmann Fr. Deutsche Mythologie. LCB. 26 (Mogk), DLZ. 
X1129 (Roediger), Beilage zur Allg. Zeit. 1590 No. 260 (Gol- 
ther), Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. XIII 1 (Schullerus). 

Körting G. Lateinisch -romanisches Wörterbuch. LCB. 48 
(Settegast), Zeitschr. f. österr. Gymn. 1891 8. 165-—78 (Ὁ. 
Meyer-Lübke), Romania XIX S. 657 (G. Paris), Arch. f. 
lat. Lex. VII (Suchier, Stürzinger), DLZ. XI Sp. 1539 (Cornu). 

Kühner-Blass Griech. Grammatik 1°. Revue de l’instruc- 
tion publ. en Belgique XXXIV S. 176 ff. (L. Parmentier). 

Laistner L. Das Rätsel der Sphinx LCB. 10 (Crusius), Ar- 
οἷν f. Anthropologie XX ὃ. (Golther). 

Löwe R. Die Ausnahmslosigkeit sämtlicher Sprachneuerun- 
gen. Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. XII 7 (Schuchardt). 

Meyer G. Etymologisches Wörterbuch der albanes. Sprache. 


Rezensionen. 199 


Berl. phil. Wochenschr. XI 18 (G. Meyer), Literaturbl. f. 
germ. u. rom. Phil. XII 7 (Meyer-Lübke), DLZ. XII 23 
(Jarnik), RCr. XXV. 6 (V. Henry) 

Mey ἘΣ une W. Gramm. der roman. Sprachen I. RCr. XXV 
ΠΡ Meyer), DLZ. XII 27 (Morf). 

ihre W. Italien. Gramm. RCr. XXV 16 (Bourciez). 

Moore A. W. The surnames and en of the isle of 
Man. GGA. 18 (Zimmer). 

Müller W. Zur Mythologie d. griech. u. deutschen Helden- 
sage. AfdA. XVII 2, 86 (E. H. Meyer), ZZ. XXIV 3 (Fr. 
Kauffmann). 

Noreen Urgermansk judlära DLZ. XII 26 (Burg), LCB. 
1890, 16. 

πον Ἐς Etude sur les changements phonetiques. Phon. Stud. 
V 2 (G. Storm). 

Paul H. Grundriss der german. Philologie. ZZ. XXIV 2 (E. 
Martin), Am. Journ. Phil. XII 5 (Learned), Literaturbl. 
f. germ. u. rom. Phil. XII 2 XIII 2 (Tobler), vgl. ebd. XI 4; 
Fiber Behrens Die franz. Laute im Engl. ebd. XII 2 (Su- 
chier)], vgl. LCB. 1890 (v. Bahder) 

Pauli C. Altital. Forsch. III. Die Veneter u. ihre Schrift- 
denkmäler. N. phil. Rundschau 21 (Stolz), Zeitschr. f. österr. 
Gymn. 1891 5. 992—96, Berl. phil. Wochenschr. XII 9, 
10 (G. Meyer) 

Rohde E. Psyche. Berl. phil. Wochenschr. ΧΙ 22 (Deneken), 
Beil. zur Allgem. Zeitung 151. Vgl. die Rezensionen des 
vorhergehenden Jahres: DLZ. XI 18 (Diels), LCB. 51 (Cru- 
sius), Journ. des Savants Okt. 1390 (Weil), Woche en f 
klass. Phil. VII 22 (Stengel), Theol. Lit.-Z2. (Dümmler). XV 22. 

Roscher Studien IV. Über Selene und Verwandtes. Berl. 
phil. Wochenschr. XI 22 (Steuding), DLZ. XII 59 (Immer- 
wahr), Wochenschr. f. klass. Phil. VIIL 25 (Stender), GGA. 
1891 Nr. 16 (Wieseler). 

Rydberg V. Undersökningar i germanisk mythologi. AfdA. 
XVII 4, 265 (E. H. Meyer). 

Schmidt J. Pluralbildungen der idg. Neutra. Literaturbl. 
f. germ. u. rom. Phil. XII 11 (Sütterlin), Zeitschr. f. österr. 
Gymn. 1891 Nr. 2/5 (Meringer), vgl. von den frühern Re- 
zensionen GGA. 1890 Nr. 19 (K. F. Johansson), LCB. 1890 
(G. Meyer). 

Siebs Th. Zur Geschichte der engl.-fries. Sprache. AfdA. 
XVII 3, 189 (J. Franck), Literaturbl. f. germ. u. rom. 
Phil. XII 3 (Jellinek). 

Skutsch De nominibus Jlatinis suffixi -no- ope formatis ob- 
Anzeiger I 2. 14 


900 Mitteilungen. 


servationes variae. Wochenschr. f. klass. Phil. VIII 20 (Bersu), 
DLZ. XII 14 (Bersu). 

Streitberg Die germ. Komparative auf -02-. Literaturbl. f. 
germ. u. rom. Phil. XII 6 (Kauffmann), vgl. LCB. 1890 
16 (Fr. Zarneke). 

Wiedemann 0. Das lit. Präteritum RCr. XXV 9 (Henry), 
AfslPh. XIII 4 (Zubaty), LCB. 9 (G. Meyer). 


Mitteilungen. 


Zu griechischen Inschriften. 


1. Archaische Inschrift eines kephallenischen Bron- 

‚ zediskos, mitgeteilt (mit Faksimile) von Fröhner, Revue 
arch&ol. 1891. Fröhner liest: 

EZwrpa μ᾽ ἀνέθηκε Διὸς ηώροιν μεγάλοιο 
χάλκεον, hw νίκαςε Κεφαλί(λ)ᾶνας μεγαθύμως. 

Zweifelhaft ist nur die Lesung des ersten Wortes. Das 
Faksimile weist auf 'EZoida hin. So lese ich, und vergleiche 
die Eigennamen Οἴδας, Οἰδίπους. Auch ist es gewiss nicht, 
wie Fröhner nach der Endung des Namens glaubt, eine Frau 
gewesen, von der die hochgemuten Kephallenier im Diskos- 
wurf besiegt wurden, sondern ein Mann; die -c-losen Nomi- 
native männlicher Eigennamen s. Gr. Dial. II 272 f. 

2. Archaische Inschrift einer Bronzeplatte aus Ar- 
560 5, mitgeteilt (mit Faksimile) von Fröhner, Revue arch&ol. 
1891 und ©. Robert Monumenti antichi I (1891) 5. 595 ff., 
besprochen nach Fröhners Veröffentlichung von T. Reinach) 
Revue des etudes Gr. II (1891) 5. 171 ff. und von Pepp- 
müller Woch. f.'klass. Phil. 1891 Nr. 31. 

Die vier ersten Zeilen haben links durch Bruch einige 
Zeichen verloren, wodurch das Verständnis des schwierigen 
Textes noch mehr erschwert wird. 

Fröhner. 
|djeıcaupw[v τῶν ἐν] τᾶς ᾿Αθαναίας αἴτιετις 
[Ιποτὰϊν βωλάν. τίὸνε] ἀνφ᾽ ᾿Αρίεετωνα ἢ TOV(C) ευναρτύοντας 
|... δ]Ιηλῶν, τίνα ταμίαν εὐθυνοῖ τέλος ἔχων E(d) δίκας. 

[ai] δὲ δικάεζαιτο τῶν γὙραςεμάτων, πένεκα τᾶς κατα- 

θέειος ἐ(τ) τᾶς ἀλιάςειος τρήτω καὶ δαμευέςεεθω ἐνς 

᾿Αθαναίαν. ha δὲ βωλὰ ποτελάτω havrıruyövca. αἱ 

δέ κα μή, αὐτοὶ ἔνοχοι ἔντω ἐνς ᾿Αθαναίαν. 

“Le contröle (?) des tresors (ἀροβόβ) dans (le temple) 
Ad’ Athene (vessortit) au Conseil. Ariston et ses collegues, 


Mitteilungen. 201 


ou ceux qui exercent avec lui les fonetions d’artyne, indi- 
queront quel est le tresorier que ceitera en Justice celui qui 
a (cette) mission de par la loi. Et s’il [16 tresorier] est con- 
damne pour fraude (?), il sera mis ἃ mort (?) des (sa sortie 
de) la seance judiejaire, et.ses biens seront confisques au 
profit d’Athened, pour le remboursement (des sommes detour- 
nees). Mais le Conseil doit faire rentrer (le produit de la 
eonfiseation) en donnant son concours (au juge). Si non, 
qu’ils [les conseillers] soient eux-mömes responsables envers 
Athene”. 

T. Reinach weicht ab in den Lesungen: Z. 1 [BJeı- 
caup[wv hevera| τᾶς ᾿Αθαναίας αἴ τις (statt αἴτιςτις): Z. ὃ [ἢ 
ἄλλον τινὰ ταμίαν; Z. 4 γδαςεμάτων (= dacuöc “tribut, im- 
pöt”?) und übersetzt: “Au sujet des tresors d’Athena, si 
quelqu’un reclame, par devant le sönat, des comptes A Ari- 
ston ou ἃ ses collegues ou A quelque autre tresorier, que 
laffaire soit deferee au tribunal eivil. Mais si le tr&sorier 
est condamnd au sujet du versement des impöts, quil soit 
exil@ du corps des eitoyens et ses biens confisques au profit 
d’Athena. Que le senat en exereice dirige les poursuites; 
sinon, que les senateurs eux-memes soient responsables de- 
vant Athena”. 

Peppmüller. 

“1. (Zurück)forderung der im Tempel der Athene be- 
findlich (gewesenen) Schätze. 

2. Beim Rat (als der für die Wiederbeschaffung des 
Geldes verantwortlich gemachten Behörde) sollen Ariston und 
Genossen (d. h. die mit Prüfung der Rechnungen betrauten 
Euthynen) oder die, welche zu den Artynen gehören, anzei- 
gen, welchen Schatzmeister (der Tempelgelder Athenes) der 
staatlich autorisierte Beamte zur Rechenschaft ziehen will. 

>. (Der Rat hatte nun, wie das folgende anzudeuten 
scheint, die Befugnis die Sache selbst abzumachen, falls der 
unredliche Schatzmeister zahlte) Wenn er sich aber der 
Geldhinterlegung wegen auf einen (Unterschlagungs-)Prozess 
einlassen sollte, so soll er (selbstverständlich wenn er verur- 
teilt wird) auf Grund eines Volksbeschlusses in der Verban- 
nung leben und zum Besten der Athene mit Konfiskation 
seines Vermögens bestraft werden. 

4. Aber der Rat soll für Abführung der wiedererlang- 
ten Gelder sorgen. 

ὃ. Thut er es nicht, so sollen seine Mitglieder selbst 
der Göttin gegenüber verantwortlich sein.” 

Peppmüller liest Z. 3 εὐθυν[εἰϊ und hält das h in hav- 
Tıruyövca für einen Schreibfehler. 


202 Mitteilungen. 


Robert. 
[Τῶν Olncaupw|v τῶν] τᾶς ᾿Αθαναίας αἱ TICTIC 
[ἢ τὰ]ν βωλὰν τὰν] ἀνφ᾽ ᾿Αρίεετωνα ἢ τὸνίς) εὐναρτύοντας 
[ἢ ἄϊλλον τινὰ [τ]αμίαν εὐθύνοι τέλος ἔχων ἢ δικάς- 
[ΙΖζων] ἢ δικάεζοιτο τῶν Ypaccuatwv Ππένεκα τᾶς κατα- 
θέειος ἢ τᾶς ἀλιάςειος, τρήτω καὶ δαμευέςεθω ἐνς 
᾿Αθαναίαν, ha δὲ βωλὰ ποτελάτω Πιαντιτυχόνεα᾽ αἱ 
δέ κα μή, αὐτοὶ ἔνοχοι ἔντω ἐνς ᾿Αθαναίαν. 

“Se chiechesia, essendo impiegato ὁ giudice, faceia 
responsabile, riguardo ai tesori di Minerva ὁ il senato che fu 
presieduto da Ariston ὁ 1 sopraintendenti ὁ qualque altro am- 
ministratore, © istitulsca un processo intorno agli atti di de- 
posito ὁ di ritiro, venga esiliato e la sua fortuna sia confis- 
cata a pro di Minerva, ed il senato allora in funzione ne ris- 
euota il prodotto: se no 1 senatori stessi siano responsabili 
dinanzi a Minerva.” 

Robert setzt also TICTIC — quisquis, Ὑραςεμάτων — γραμ- 
μάτων und vermutet, dass aAltaccıc, worin er den Gegensatz 
zu xatadecıc sucht, mit λιάζειν verwandt sei. 

Mein,;BErklärungesversuch, 

[Τῶν Olncaupw|v τῶν] τᾶς ᾿Αθαναίας αἴτιετις 

[ποτὰ]ν βωλὰν τίὸνςε] ἀνφ᾽ ἀρίεετωνα ἢ TOV(C) ευναρτύοντας 
[ἢ ἄΪϊλλον τινά. [Τ]αμίαν εὐθύνοι τέλος ἔχων ἐ(δ) δίκας. 
JAı δ]ὲ δικάεζοιτο τῶν Ypaccudrwv, πένεκα τᾶς κατα- 

θέειος ἐίτ) τᾶς ἁλιάςειος τρήτω καὶ δαμευέςεεθω Evc 
᾿Αθαναίαν. Ha δὲ βωλὰ ποτελάτω Ππαντιτυχόνεα᾽ αἱ 

δέ κα μή, αὐτοὶ ἔνοχοι ἔντω ἐνςε ᾿Αθαναίαν. 

“ Betreffs des Schatzes der Athene steht die Forderung 
beim Rate der Genossen des ἀρίετων oder bei dem Beamten- 
kollegium oder bei irgend einem andern. Den Schatzmeister 
soll richten, wer das Amt nach dem Rechte hat. Wenn er 
aber sich zu verantworten hat wegen der verbrauchten Gel- 
der, so soll er wegen seiner Aussage aus der Versammlung 
fliehen und sie bekannt machen angesichts der Athene. Der 
Rat aber, der im Amte ist, soll sieh hinbegeben; wenn aber 
nicht, so sollen sie selbst schuldig sein der Athene gegen- 
über. ” ) 

αἴτιετις von αἰτίζειν im Sinne von “zur Rechenschaft 
ziehen ”. ἀρίςετων scheint hier in appellativischer Bedeutung 
zu stehen für den Vorsitzenden des kleineren (οἱ ὀγδοήκοντα ἢ 
Thuk. V 47, 11) oder zweiten Rates (GDI. 3276, 15) von 
Argos, des Rates der δαμιοργοί (GDI. 3315, 4. 5, vgl. Et. M. 
265, 45). γράςεμα leitete schon Fröhner von γράω ab, ver- 
stand das Wort aber anders ( le eaissier infid@le limait les 
pieces d’or,  qu’il avait en depöt”)... Ich‘ nehme an, dass 
γράςεμα “ Aufgezehrtes” bedeutet, von γράω — ἐςθίω. Dass 


Mitteilungen. 203 


ecdiw, πίνω (καταπίνω), τρώγω in ähnlicher Weise übertragen 
eebraucht wird, ist bekannt, vgl. δωροφάγοι, οἶκος ἐεθίεται, 
ἔεθιε᾽ avakıcke (Hes.) u. Ss. w. 

3. Eine interessante, dem Anschein nach aus dem 4. 
Jahrh. v. Chr. stammende Inschrift aus dem äolischen Aigai 
hat Sal. Reinach in der Revue des &tudes grecques IV (1891) 
5, 268—275 bekannt gemacht nach einem von Dem. Baltazzi 
ihm übersandten Abklatsch. Leider hat die Beschaffenheit 
des Abklatsches nur die untere Hälfte der Inschrift zu ent- 
ziffern ermöglicht; sie lautet: 

τὰ ἐγκλήματα, Öc|c|a Eov Aryaeeccı καὶ Ὄλυ μπήνοις πρόεθε 
τᾶς ὑμ ολογίας, πάντα διαλέλ υεθαι ᾿ ἔπεροι καὶ ἀρνή αδες ἐρίων 
ἀτέλεες ᾿ χιμαίραδες αἴ κε τέκοιςει | ἀτέλεες “ ἀρνηάδων ἔταλα 
ἀτέλεα. 

7. 5 Reinach: πρὸς θέτας “les contestations entre Ae- 
geens et Olympeniens seront röglees conformement aux COn- 
ventions etablies”. 

Übersetzung: “alle Beschwerden, die die Ägäer und 
Ölympener vor dem Vertrage erhoben hatten, sollen beige- 
legt sein. Zuchtwidder und Mutterschafe sollen für die Wolle 
nicht besteuert werden. Ziegen sollen, wenn sie geworfen 
haben, nicht besteuert werden. Die Jährlinge der Mutter- 
schafe sollen nicht besteuert werden”. 

Dialektologisches. öclcla vgl. öccoc Gr. Dial. 1134. — 
€ov, vgl. das Imperfekt ἔον “παρὰ ᾿Αλκαίῳ" (fr. 127) Eust. 


Odyss. 1759, 27. — Aiyaeeccı, wie die Münzlegenden der 
Stadt meist Aiyaewv (oder AITAE) haben, Gr. Dial. I 90; zu 
den Dativendungen -eccı und -oıc ebd. 163 f. — πρόεθε; die 


Inschriften und Dichterfragmente haben nur die Endungen 
-θε, -dev, nicht -8a; πρόςθε steht auf den älteren Inschriften 


21510, 2142,22. — ὑμολογίας, äol. ὑμο- für Ouo- liegt schon 
mehrfach vor, Gr. Dial. I 52 f. —: ἔπεροι bereitet der Deu- 


tung Schwierigkeiten. Zwar der Sinn steht fest; bereits Rei- 
nach hat darauf hingewiesen, dass nach dem Zusammenhang 
das Wort nichts anderes als “Widder heissen kann. Ob Zu- 
sammenhang denkbar sei mit lat. aper und ahd. ebwr, aisl. 
jofurr “Eber’, die auf vorgermanisches eprös weisen, und 
das Wort ursprünglich nicht blos das männliche Schwein son- 
dern das männliche Zuchttier in weiterem Umfange bedeutet 
habe, ob En-epoc “Aufsteiger, ἐπιβήτωρ, ἐπιβάτης sei, gehö- 
rig ZU ἐπ-όρομαι, ἐπ-ορούω, wozu die e-Stufe griechisch in 
den Hesychglossen ἔρετο ᾿ ὡρμήθη; Epceo ᾿ διεγείρου; Epen ᾿ Op- 
unen vorliegt, oder welche Wurzel sonst dem Worte zugrunde 
liege, mag weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. — 
apvnadec Schafe‘, feminines Seitenstück zu ἀρνειός “Wid- 
der , das altäolisch ‚dpvnıoc Apvnoc gelautet haben wird. — 


204 Mitteilungen. 


ἀτέλεες ἀτέχεαῦ; vgl. Gr. Dial. I 154. — yxınaipadec “Zie- 
gen , Weiterbildung von xıuaıpa-. — TExoıcı flösst Bedenken 


ein. Bei αἵ κε ist nur die Konjunktivform statthaft, die würde 
aber von dem themavokalischen Indikativ ἔτεκον vielmehr 
terwıcı lauten müssen, wie. äolisch γράφωιςει, γινώεκωιει Gr. 
Dial. 1 81, und auf ionischem Sprachgebiete Aaßwıcı (Bechtel, 
Inschr, d. ion. Dial. S. 158). Ehe man die Erklärung wagen 
wird, dass in rekoıcı die kurzvokalische Bildungsweise des 
Konjunktivs von den Indikativen ohne thematischen Vokal 
(πρήξοιειν Chios Bechtel a. a. O. No. 147a Z. 16. 17 und 20) 
in die themavokalischen eingedrungen sei, wird man gut 
thun, abzuwarten, ob eine genauere Prüfung des Abklatsches 
oder besser des Steines selbst, nicht vielleicht Tekwıcı ge- 
schrieben findet. — ἔταλα "Jährlinge’, nicht mit Reinach für 
die äolische Form von ἀταλά anzusehen, sondern von FeETt- 
‘Jahr’ abzuleiten; #Fet-aAo-v entspricht der Form nach dem 
lat. vet-ulu-s, die Bedeutung lässt es zugleich mit vit-ulu-s, 
it-aAö-C Kalb’ zusammenbringen, die aus einem nicht näher 
zu bestimmenden idg. Dialekte Italiens stammten; vgl. auch 
ai. vatsas Kalb’ und got. eöbrus “jähriges Lamm, Widder‘. 
Leipzig. Richard Meister. 


Thesaurus linguae latinae. 


Der von Prof. E. Wölfflin vor 10 Jahren wieder ange- 
regte Gedanke eines Thesaurus linguae latinae scheint end- 
lieh seiner Verwirklichung entgegenzugehn, nachdem es Prof. 
M. Hertz gelungen ist das preuss. Kultusministerium und 
die kgl. Akademie zu Berlin dafür zu interessieren. Im den 
Sitzungsberichten der Akademie ist im vorigen Jahr eine 
Denkschrift über das Unternehmen von Hertz, begleitet von 
einem Gutachten der Akademie, erschienen. Beide Berichte 
unterwirft Prof. Wölftlin neuerdings in seinem Archiv (VII 
D06) einer interessanten Erörterung. Nach Hertz muss der 
Thesaurus 1. Eigennamen ausschliessen, 2. auf Zettelexzerp- 
ten der ganzen lat. Litteratur beruhen, 5. teils sämtliche, 
teils ausgewählte Stellen geben, 4. bis zu den beiden Gregor 
und dem Isidor einschl. reichen. Der Umfang der zu bear- 
beitenden Litteratur wird auf 250 Bd., der des Thes. auf 
10 Bd. gr. 4° von 1200 5. geschätzt. Die Kosten berechnet 
H. auf 1... Million, wovon 140000 M. auf die Herstellung 
der Zettel falle, die von D0 Sammlern unter Aufsicht eines 
Sekretärs in 6 ‚Jahren anzufertigen seien. Den Rest nimmt 
die lexikal. Bearbeitung in Anspruch, die in 12 Jahren dureh 
2 Ober- und ἃ Unterassistenten ausgeführt werde. Die Aka- 


Mitteilungen. 205 


demie wünscht eine etwas abweichende Organisation und 
findet vorab den Kostenanschlag um die Hälfte zu nieder. 
Prof. Wölfflin weist auf die Notwendigkeit hin, dass die Be- 
arbeiter der. Lexikonartikel örtlich vereinigt seien, und hält 
die Zeit für zu knapp bemessen. — Es bleibt zu wünschen, 
dass die hochgespannte Erwartung nicht getäuscht und das für 
die Sprach- und Litteraturgeschichte gleich epochemachende 
Werk auch wirklich bald in Angriff genommen werde. 


Vorschlag. 


Um bei sprachwissenschaftlichen Darstellungen die Zwei- 
deutigkeit des Zeichens = zu vermeiden, hat man vor eini- 
ger Zeit begonnen sich des Zeichens >, in dieser oder der 
umgekehrten Stellung, zu bedienen. Doch geben ihm die 
Einen den entgegengesetzten Werth als die Andern; die Einen 
sehreiben: (ital.) ceuore > (lat.) cor oder cor < cuore, die 
Andern: cuore « cor oder cor > cuore. Beides findet sich 
innerhalb derselben Zeitschrift, desselben Buches (z. B. in 
Pauls Grundriss bei Kluge und Behaghel). Es ist hohe Zeit, 
dass diesem Übelstande gesteuert werde; wir müssen uns 
für eine von den beiden Gebrauchsweisen entscheiden. Ich 
glaube, dass die den Vorzug verdient, nach welcher das Jün- 
gere an die offene, das Ältere an die spitze Seite des Zei- 
chens gestellt wird; denn von unsern (Greschlechtstafeln und 
den verschiedenartigsten wissenschaftlichen Veranschaulichun- 
gen her sind wir gewohnt die Entwickelung durch die Di- 
vergenz wiedergegeben zu sehen. So hat man schon vor 
langer Zeit bei lautgeschiehtlichen Erörterungen die Klammer 
| oder ) angewendet, von der > nur eine Abart ist. Auch 
die mathematische Geltung des Zeichens stimmt dazu, das 
Grössere steht doch zum Kleineren, nieht das Kleinere zum 
Grösseren im Verhältnis des Gewachsenen. Schliesslich wird 
in der Sprachwissenschaft das Zeichen > nicht bloss, auf 
doppelte Weise, in diesem einen Sinne angewendet, sondern 
noch in manchem andern; und das sogar nebeneinander (z.B. 
von Ch. Bartholomae in den Indog. Forsch. 1300 ff.: ὄνομα > 
ὀνόματος, ΚΒ]. agne > lat. ägnus, y > hu. s. w.). Solches 
kann doch am allerwenigsten geduldet werden. 

H. Schuchardt. 


Bemerkung. Ich bitte die Fachgenossen zu dem vorste- 
henden “ Vorschlag’ Stellung zu nehmen, da es jedenfalls im 
Interesse der Gemeinverständlichkeit ist, dass eine vollkom- 
mene Übereinstimmung im Gebrauch der Zeichen herrsche. 


206 Mitteilungen. 


Das beste dürfte freilich sein, mathematische Zeichen, wo 
es nur angeht, ganz zu vermeiden, wofür z. B. Zarneke 
und Brugmann, um nur diese beiden Namen zu nennen, 
immer eingetreten sind. Denn es ist nicht abzusehen, wa- 
rum nicht statt caore > cor oder cuore < cor vielmehr 
caore aus cor ebensogut, wenn nicht besser, gesagt werden 
sollte. Den Vorzug der Unzweideutigkeit hätte es wenigstens. 
W. Str. 


Personalien. 
Prof. Dr. Ch. Michel, bisher an der Universität Gent, 
ist zum ord. Prof. des Sanskrit und der idg. Sprachwissen- 
schaft an der Universität Lüttich ernannt worden. 


Bitte. 


Der Unterzeiehnete bittet dringend, ihm alle für den An- 
zeiger in betracht kommenden Programme, Dissertationen, Ge- 
legenheitsschriften, Beriehte über Vorträge in wissenschaft- 
lichen Gesellschaften, überhaupt alles, was an entlegenen Or- 
ten erscheint, für die Bibliographie übersenden zu wollen. 
Nur durch solehe direkten Mitteilungen wird es dem Anzeiger 
möglich werden, seinen Zweck zu erfüllen und ein umfassen- 
des und getreues Bild aller Leistungen auf dem Gebiet der 
idg. Sprachwissenschaft und Altertumskunde zu geben. Es 
braucht nicht hervorgehoben zu werden, dass die erbetene 
Einsendung im eigensten Interesse der Herrn Verfasser liegt: 
wie viele wertvollen Entdeckungen, wie viele fruchtbaren Be- 
obachtungen gehn der Wissenschaft verloren, nur deshalb, 
weil ihre Existenz unbekannt bleibt. Diesem Übelstand ab- 
zuhelfen, hat sich der Anzeiger zur Aufgabe gemacht. Es ist 
jedoch klar, dass er allein nicht im Stande wäre sie zu 
lösen, dass er vielmehr auf wohlwollende Unterstützung — 
namentlich von seiten des Auslands — angewiesen ist. 
Dass ihm diese nieht versagt werde, glaubt der Unterzeichnete 
im Interesse der Wissenschaft annehmen zu dürfen. 

Freiburg 1. d. Schweiz. Wilhelm Streitbere. 


Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi-in Bonn. 


Druckfehler. 


Anzeiger Seite 54 Zeile 26 
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Die übrigen Druckfehler 


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Loring κανθήλη either ἀκαν- 
θανθήλη or for it ἀνθήλη 
Superlativ 

Mayor 

Pauli 

materesh, pateresh 

Ernault 

biött — biotta 

stevune; gavtyv — galgen- 
strik > gavstrik 
Siljestrand 


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