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INDOGERMANISCHE FORSCHUNGEN
ZEITSCHRIFT
FÜR
INDOGERMANISCHE SPRACH- UND ALTERTUMSKUNDE
HERAUSGEGEBEN
VON
KARL BRUGMANN und WILHELM STREITBERG
ERSTER BAND
STRASSBURG
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER
1892
Inhalt.
K. Brugmann u. W. Streitberg Zu Franz Bopps hundert-
Jährigem Geburtstage . . ee ee
H. Hirt Vom schleifenden und Btossenen Ton in den indo-
germanischen Sprachen. I. Tel . . -...
R. Schmidt Zur keltischen Grammatik . .
K. Brugmann Lat. velimus got. wileima und ags. eard
W. Streitberg Betonte Nasalis sonans : 5
A. Noreen Über Sprachrichtigkeit (für πο τ isn ve ar-
beitet von A. Johannson)
E. Maass "Ipıc HN πο
K. Brugmann Etymologisches
Ch. Bartholomae Arica 1.
ὧν απο Grob. ro eo 1 lee ͵͵᾿ἸἜοστἰἰἸἸ ὰε
H. Hirt Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indo-
germanischen Sprachen II. Teil : :
τ Johannson Zu Noreens Abhandlung über Serchriehlo keit
). Wiedemann Zur Gutturalfrage im Lateinischen . . .
εἰ Wiedemann Got. sailwvan MN ER Nr en ie
W. Streitberg Der Genetiv Pluralis und die baltisch-sla-
meecheneNuslautwesetzern...- 2 ee ει τν-
Ch. Bartholomae Griech. ὄνομα > ὀνόματος.
G. Meyer Etymologisches . . . ἄμα gr ER RE
R. Thurneysen Das sog. Präsens der Gewohnheit im Irischen
Fr. Stolz Lat. strufertärius . . . : ale 5
J. Wackernagel Über ein Gesetz der a τ or
stellung INN
O0. Wiedemann er en ler: :
S. Bugge Beiträge zur etymologischen ποτ ΝΣ der arme-
nischen Sprache. Wr :
R. Thurneysen Der irische na ar ne
ΕΠ ἘΠῚ ὉΠ 16. Urheimat der Indogermanen -.. . . .
ersBastholomaeAriea 1 τος nu...
J. Strachan Lat. perendie u
Bebeuomannxotocßweor bei Herodas τ΄. τ: 2. ἡ
ἩΠ ΠΟ Kyprisches . . . ᾿ er ΕΡδν
Ο. Wiedemann Gotische anal Re
W. Streitberg Anord. tyggja und Verwandtes . . .
Sachregister .
N VNIERBERDIGNE 5 2 oe RER ρον τ
Seite
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11
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521
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Vom sehleifenden und gestossenen Ton in den indo-
germanischen Sprachen.
Erster Teil.
$1. Kaum ein Faktor im Sprachleben verdient grössere
Aufmerksamkeit als der Akzent. Von ihm hängt zum grossen
Teil die Entwieklung einer Sprache ab. Sobald im Sonder-
leben des Germanischen die Zurückziehung des Akzentes auf
die Stammsilbe stattgefunden hatte, mussten naturgemäss in
der Sprache bedeutende Veränderungen stattfinden. Nach wei-
terer, stärkerer Ausbildung des exspiratorischen Akzentes muss-
ten notwendig alle Silben, die nicht Träger des Haupttones
waren, mehr oder minder verkürzt werden. Die keltischen
und germanischen Sprachen, die beide einen starken, exspira-
torischen Akzent auf der ersten Silbe trugen, gleichen sieh in
dieser Verstümmelung der Endsilben gar sehr.
Von dem Akzente sind notwendigerweise die meisten
Lautveränderungen bedingt. Während die sogenannten Laut-
gesetze’ im Grunde nur einfache Thatsachen sind, welche be-
sagen, dass aus eimem Laute dieser Zeit ein andrer einer spä-
teren geworden ist, können wir, sobald wir eine Lautverän-
derung unter Einfluss des Akzentes nachweisen, von Ursache
und Wirkung reden.
Leider sind wir gerade bei der Erforschung des Akzen-
tes und der durch ihn bewirkten Lautveränderungen schlimm
daran. Bei manchen toten Sprachen kennen wir nicht einmal
den Sitz des Akzentes, geschweige denn, dass wir etwas von
der Stärke, von der Höhe wüssten, und über den Satzakzent
sind wir meistens ganz im unklaren. Bei der Betrachtung
der lebenden Sprachen wendet man diesen Fragen jetzt glück
licherweise grössere Aufmerksamkeit zu und sucht festzustel-
Indosermanische Forschungen I 1 u. 2. 1
9 Herman Hirt,
len, was festzustellen ist. Leider ist es unmöglich, das ge-
sprochene schriftlich genau wiederzugeben. Wir dürfen aber
hoffen, dass der Phonograph bald in den Dienst der Wissen-
schaft gestellt wird und uns im Studierzimmer ferne Dialekte
und künftigen Geschlechtern ausgestorbene Sprachen zu Ge-
hör bringt.
Für die toten Sprachen sind wir vielfach auf die leben-
den angewiesen, aus deren Betonung wir etwas für die älte-
ren Stadien erschliessen können. Noch ist hier alles höchst
lückenhaft, aber allmählich wird die Forschung Licht in das
Dunkel bringen.
Im folgenden sollen m der Hauptsache Lautveränderun-
gen besprochen werden, bei denen nach meiner Memung der
Akzent eine Rolle gespielt hat. Bekannt ist, und als gesichert
nehme ich an, dass wir für die imdogermanischen Sprachen
zwei verschiedene Akzentqualitäten unterscheiden müssen, die
sich im Litauischen noch heute als gestossene und schleifende
Betonung erhalten haben, während sie uns im Griechischen
als Akut und Zirkumflex überliefert sind. Das Verdienst, auf
die Zusammengehörigkeit der griechischen Akzentverschieden-
heiten mit den Hitauischen hingewiesen zu haben, gebührt
Bezzenberger (BB. VII 66 ff.). Später hat Hanssen (KZ.XXVI
612 ff.) selbständig dasselbe erkannt und den Versuch gemacht,
diese Verschiedenheit auch für das Germanische nachzuwei-
sen. Die Richtigkeit dieser Ausdehnung wird indessen ver-
schiedentlich bezweifelt. Brugmann (Grr. 1 ὃ 671 Anm. 1),
Streitberg (Die german. Comparative auf -0z 25), Meringer
(BB. XV1 222 £f.) bestreiten sie, nur Sievers (Pauls αὐ]. I 415)
stimmt für das Gotische zu, wobei er allerdings irrtümlich den
Lok. οἴκοι, got. daga mit gestossenem Akzent ansetzt. Es ist
Hanssen entgangen, dass auch das Indische starke Spuren
dieser verschiedenen Akzentqualitäten bietet.
$s 2. Augenblieklieh steht diese Frage im. Vordergrund
des sprachwissenschaftlichen Interesses, und ihre Wichtigkeit
ist allgemein anerkannt. Doch fehlt noch eine eingehende
Untersuchung derselben, und die Unsicherheit, die über sie
herrscht, zeigt sich vielfach darin, dass man gestossene und
schleifende Vokale unbedenklich oder zweifelnd „leichsetzt
oder Doppeltformen annimmt. So führt Joh. Schmidt (Fest-
eruss an Böhtlingk 106) ei, πεῖ, αὐτεῖ, τουτεῖ, ἐκεῖ und νηποι-
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 3
vei, αὐθημερεί in einem Atem an, Bezzenberger setzt im Nom.
Dualis Formen mit gestossenem und schleifendem Ton an
(BB. XII 79 Anm.), indem er sich auf den Lok. Sing. stützt,
in dem nach Hanssen gestossener und schleifender Ton unter-
schiedslos wechseln. Dieser Akzentwechsel zeigt sich ja auch
im Nom. der -n-Stämme gr. ποιμήν, lit. akma, im Instr. Sing.
gr. πῆ, lit. völkü, im Nom. Plur. gr. θεοί, lit. velkaö.
Bei einer Untersuchung über die Adverbialbildungen der
idg.-Sprachen, zu der mich mein hochverehrter Lehrer, Herr
Professor Brugmann veranlasst hatte, fühlte ich bei jedem
Schritt die Unsicherheit des Grundes, auf dem wir bisher
wandelten. Allmählich aber, bei fortgesetzter Beschäftigung
mit dieser Wortklasse, wurden mir die Akzentdifferenzen ver-
ständlicher, und ich glaube jetzt ein ziemlich glattes und ein-
faches Resultat vorlegen zu können.
Es sei daher diese Tonverschiedenheit zunächst erörtert.
Da das Griechische den freien Unterschied von Akut und
Zirkumflex nur in den Endsilben zeigt, während es ihn in der
vorletzten an die Quantität der ultima gebunden hat, so ist
das Material für die Stammsilben hier naturgemäss sehr be-
schränkt. Es ist daher geboten, die Betrachtung auf die End-
silben zu beschränken und dann zu sehen, wie weit das an
diesen gewonnene Ergebnis auch für die Stammsilben zur Er-
klärung dienen kann.
Ausserdem sei noch im voraus bemerkt und hervorge-
hoben, dass die in Rede stehenden verschiedenen Akzentqua-
litäten nicht an den Wortakzent gebunden sind; sie finden
sich im betonten und unbetonten Silben, nur dass sie in jenen
deutlicher wahrzunehmen sind.
$ 3. Ich beginne damit die im Litauischen und Griechi-
schen übereinstimmenden Fälle anzuführen.
I. Gestossenen Ton!) haben:
1) Nom. Sing. der -@-Deklination, gr. τιμή, lit. ranka,
verkürzt aus ®rankäd nach Leskiens Gesetz (Archiv für slavische
Philologie V 188 ff... Die Länge ist erhalten in geröji.
1) Im folgenden sollen die beiden Akzentqualitäten in den
erschlossenen Grundformen durch ” (gestossener Ton, Akut) und
(schleifender Ton, Zirkumflex) bezeichnet werden, während
4 Herman Hirt,
2) Nom. Dual. der -o-Deklination, gr. aypw, lit. but
(Adj. baltu ju-du).
3) Nom. Dual. der -@-Deklination, lit. Adj. ger, bestimmt
geröji-dwi, gr. Nom. Plur. καλαί, wenn Brugmann (ΚΖ. XXVII
199 ff., Grr. II $ 286) mit Recht diese Formen für ursprüng-
liche Duale erklärt.
4) Nom. Plur. der -o-Deklination der Adjektiva, gr. καλοί,
lit. geri, bestimmte Form geröjt.
II. Sehleifenden bez. zireumflektierten Ton haben:
1) Gen. Sing. der -@-Deklination, gr. τιμῆς lit. rankös.
2) Dat. Sing. der -@-Deklination, gr. τιμῇ lit. merga?.
5) Dat. Sing. der -o-Deklination, gr. θεῷ lit. kräsztui?
4) Gen. Plur. der -o-Deklination, gr. θεῶν lit. krasztü.
5) Instr. Plur. der -o-Deklination, gr. θεοῖν lit. krasztars.
6) 3. Sing. Opt. gr. eimoı, lit. Permissiv II. 3 Pers. te-
suke. Der Akut im εἴποι weist auf zirkumflektierende Betonung
der Endsilbe, vgl. οἴκοι --- ᾿Ιεθμοῖ.
Hiermit sind die Fälle direkter Übereinstimmung erschöpft.
Wir können aber mit grosser Wahrscheinlichkeit noch folgende
Fälle hinzufügen.
Fkurseestossenen Eon:
1) 1. Pers. Sing. Ind. Praes., lit. sukü reflex. sukäü-s gr.
φέρω.
2) Akk. Sing. der -@-Deklination, gr. τιμήν lit. merga.
5) Nom. Akk. Plur. Neutr. der -o-Stämme, identisch mit
dem Nom. Sing. Fem. der -a-Stämme, erhalten in keturio-lika
14, penkio-lika 15 (Brugmann Grr. I 8 338 S. 685).
4) Nom. Sing. der -i0-Stämme, lit. vezanti, “vehens’ aus
vezantı (vgl. Dial. geresny-ji “die bessere’ (ebend. II $ 191
S. 526).
II. Für schleifenden Ton:
1) Gen. Sing. der -o-Deklination lit. krasztöo. Die Form
zur Bestimmung des Akzentsitzes dienen soll. Für die langen Vo-
kale in Grundformen müssen besondere Zeichen eingeführt werden,
ich wähle a, ı, v, ἡ, ὦ. Im Griechischen können meistens Akut und
Zirkumflex die verschiedenen Tonqualitäten anzeigen, während im
Litauischen jede lange Endsilbe den schleifenden Ton hat, sodass
eine besondere Bezeichnung unnötig wird.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 5
ist aller Wahrscheinlichkeit nach alter Ablativ. Sie fehlt im
Griechischen.
2) Nom. Plur. der -@-Deklination, lit. mergös. Fehlt im
»riechischen.
9) Gen. Plur. der -@-Deklination, hit. mergä. Fehlt im
Griechischen.
4) Vok. der -- und -«-Stämme, lit. nakte, sanaü, vgl.
gr. Vok. Ζεῦ neben Nom. Ζεύς, Bacıked neben Bacıkevc.
5) Nom. Sing. der -zo-Stämme, lit. gaidys.
Dagegen finden sich auch eine Reihe von Differenzen,
die wir besprechen werden, nachdem wir die dritte in betracht
zu ziehende Sprache, das Indische, untersucht haben.
S4. Es ist zuerst von Kuhn, Beitr. IV 180 ff. bemerkt
worden, dass es im Vedischen eine Reihe von langen Vo-
kalen gibt, die zweisilbig gemessen werden müssen. Bezzen-
berger, Gött. gel. Anz. 1887 5. 415, hat dann zuerst Zusammen-
hang dieser metrischen Auflösungen mit dem griechischen Zir-
kumflex und dem litauischen schleifenden Ton behauptet. Zu-
gleich hat er auch gewisse Kürzen im Indischen an Stelle
sonstiger Längen mit dem gestossenen Ton in Verbindung
gebracht, worin ich ihm aber nicht beistimmen kann. Zuletzt
hat Oldenberg, die Hymnen des Rigv. I 163 ff., diese Fälle
der Auflösung noch einmal zusammengestellt. Da er von Bez-
zenbergers Theorie nichts weiss, so können wir seine Aufstel-
lungen mit um so grösserem Vertrauen entgegennehmen und
uns auf sie, soweit nötig, unbedenklich stützen. Leider sind
eine Reihe von Fällen nicht unbedingt sicher. Man kaım die
fehlende Silbe auch durch andre Mittel gewinnen. Nachdem
aber der Zusammenhang und Ursprung dieser Erscheinung er-
kannt ist, brauchen wir nieht mehr zu ihr wie zu einem ulti-
mum refugium unsre Zuflucht zu nehmen, vielmehr müssen
wir den Thatsachen der verwandten Sprachen Rechnung tra-
gen und sie bei der Bestimmung in betracht ziehen.
Da die geschleiften Silben nieht in jedem einzelnen Falle
metrisch zweisilbig gemessen werden, so ist daran festzuhal-
ten, dass aus dem Fehlen zweisilbiger Messung nieht unbe-
dingt der Schluss auf gestossene Betonung gezogen werden
darf. Dieser Schluss wird nur wahrscheinlich, wenn eine
grosse Menge von Fällen vorliegen und die verwandten Spra-
chen diese Annahme unterstützen.
0 Herman Hirt,
1) Bei weitem am sichersten und häufigsten ist die zwei-
silbige Messung im Gen. Plur. auf -@m belegt, vgl. Oldenberg
a.a. 0. 185, Lanman, Noun-Infleetion in the Veda 352. Nach
des letzteren Mitteilungen begegnet die Endung -anam 570 mal,
und zwar von Maskulin-Formen 333 mal, von Neutren 37 mal.
Die metrische Dehnung treffen wir 157 mal (144 masc., 13 neutr.).
Man sieht aus diesen Zahlen, dass es sich durchaus um keine
Notwendigkeit, sondern nur um eine Möglichkeit handelt.
Die gesamten Belege zerfallen in zwei verschiedene Ab-
teilungen. Lanman trennt die Beispiele, in denen die aufzu-
lösende Silbe im Innern des Pada steht, von denen, wo sie
das Ende einnimmt. Während er im ersten Fall die zweisil-
bige Messung unbedingt zugiebt, soll der zweite Fall mit sol-
chen Versen vereinigt werden, in denen auch ohne besondere
Gründe am Ende eine Silbe fehlt. Allerdings existieren, wie
auch Oldenberg (a. a. 0.35) annimmt, solche Verse im Rigvelda.
Indessen ist ihre Zahl nicht sehr gross, und wir müssen Ol-
denbergs Ansicht unbedingt billigen, dass diese beiden Arten
nicht zusammengeworfen werden dürfen. Die Auflösung er-
giebt ein ganz normales Verssehema, — in der vorletzten Silbe
wird die Kürze bevorzugt —, sodass auch von dieser Seite
ein ziemlich sichrer Beweis geführt ist. Für das weitere ver-
weise ich den Leser auf Oldenbergs Ausführungen a. a. 0.167 f.
Nur andeuten will ich hier, was ich später genauer aus-
zuführen gedenke, dass diese eigentümliche doppelsilbige Ver-
wendbarkeit sich nicht gleichmässig in allen Teilen des Rigveda
findet. Die Beispiele für -aam der -@-Stämme sind nach Lan-
wan (a. a. 0. 552) auf die einzelnen Mandalas folgendermas-
sen verteilt: Mandala I 321 —, II 3, IV 8 V 15, VI'9,
VIE 5, VIII 59, IX 9/ Χ 14, Val. 3. Es fälltChier sofort”das
8. Mandala dureh seine ungewöhnlich hohe Zahl von Beispielen
auf. Obgleich ich die umgekehrte Instanz, die Stellen, au
denen -zm einsilbig gemessen wird, nicht anziehen, also auch
keine Verhältniszahlen geben kann, so zeigt doch die hohe
Anzahl schon an und für sich klar genug, dass das achte Buch
von allen das älteste ist. Dies Ergebnis stimmt mit dem von
Lanman S. 576 ff. ebenfalls aus sprachlichen Kriterien gewon-
nenen überein. Es ergiebt sich ferner daraus, dass Brugmann
vielleicht mit semer Vermutung Recht hat, die schleifende
Betonung sei während der Rigveda-Zeit verloren gegangen. Wir
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 7
können die Ursache freilich. auch in den Fortschritten der
metrischen Technik sehen. Zweifellos hat aber eine Unter-
suchung über das Alter der verschiedenen Bücher des Rigveda
auch auf diesen Punkt Rücksicht zu nehmen.
Für die schleifende Betonung der Endung -am treten
das Griechische und das Litauische ein.
2) Zweitens nennt Oldenberg den Abl. Sing. der -a-
Stämme auf -αἰ. Lanman 357 leugnet dies; wie wir oben
sahen, mit Unrecht.
Das Litauische zeigt den schleifenden Ton im Gen., der
meines Erachtens dem alten Ablativ entspricht.
3) Nom. Vok. Plur. der männlichen -a-Stämme auf -as.
Diese Form ist in den beiden europäischen Sprachen nicht er-
halten, sondern durch die pronomimale Form ersetzt (gr. ἀγροί
lit. eilkar). Über den Ursprung der litauischen Form bestehen
Meinungsverschiedenheiten, die weiter unten besprochen wer-
den sollen. Ich halte diese Form für dieselbe wie die grie-
chische und sehe in dem schleifenden Akzent an Stelle des
gestossenen den Einfluss der verdrängten Form auf -os.
4) Nom. Akk. Plur. der weiblichen -@- Stämme auf -as.
Der Nom. entspricht lit. meigos, während der Akk. im Lit. den
gestossenen Ton hat. Für diesen Fall kann man an der Ur-
sprünglichkeit des altindischen Tons festhalten, wenn man
annimmt, dass die Feminina im Litauischen den gestossenen
Ton von den -o-Stämmen (krasztüäs), den -- und den -«-Stäm-
men (wagis, maktis, dangüs, sdnus) erhalten haben. Wir
haben keinen Grund, das Zeugnis des Indischen für diesen
Fall zu bezweifeln, und es ist daher für den Akkusativ eine
uridg. Form auf -d4s anzusetzen. Diese Form wird später
wichtige Dienste leisten.
9) Nom. Akk. Plur. Fem. auf -zs. Der Nom. entspricht
genau lit. Nom. Plur. Fem. naktys abulg. kosti. Auch got.
ansteis kann direkt damit verglichen werden. Ebenso hat das
Lateinische einige Fälle von ->s im Nom. Plur., die allerdings
auch Analogiebildung sein können, es aber nicht sein müssen.
Ich glaube, wir müssen für das Femininum einen idg. Nomi-
nativ auf -2s ansetzen, über dessen Entstehung man verschie-
dene Ansichten haben kann, vgl. dagegen Brugmann Ger. II
S 517 8. 664 f., der eine andre Ansicht aufstellt. Der. Akku-
sativ ist im Litauischen durch die Form mit n ersetzt.
ὃ Herman Hirt,
6) Führt Oldenberg noch den Nom. Dual. Fem. der -α-
Stämme an, für dessen metrische Zweisilbigkeit ein Beispiel
zu finden ist 1 29,53 abudhyamane. In diesem Falle wider-
sprechen litauisch und griechisch (vgl. oben), und da die Silbe
- am Ausgang des Pada steht, so dürfen wir diesen Vers
sicher als katalektisch fassen und damit die Differenz zwischen
indisch und litauisch-griechisch beseitigen.
7) Die Fälle, in denen der Instrumental Pluralis auf -aös
zweisilbig verwendet wird, erlauben nach Oldenberg (186) und
Lanman (350) durchweg andre Deutung. Vom sprachwissen-
schaftlichen Standpunkt ist gegen ihre Zulassung nichts ein-
zuwenden, da diese Form nach Ausweis des Litauischen und
Griechischen sicher schleifende Betonung hatte.
Das Resultat, das sich bis jetzt ergeben hat, ist zufrie-
denstellend. Im sämtlichen Fällen, in denen im Indischen
ein langer Vokal zweisilbig verwendet wurde, konnten wir
im Litauischen oder Griechischen, soweit die entsprechenden
Formen überhaupt vorhanden sind, schleifende Betonung nach-
weisen.
Und damit ist wohl schon genügend bewiesen, dass diese
beiden Erscheinungen im Zusammenhang stehen. Wir haben
deshalb keinen Grund die Glaubwürdigkeit des Indischen im
Fällen, in denen es allein zeugt, zu bezweiteln.
Dass im Vedischen durchaus noch keme Verwirrung ein-
getreten ist, wie Brugmann, griech. Gramm. ? 82 Fussn. 1 anzu-
nehmen geneigt ist, beweisen auch die Fälle mit uridg. ge-
stossener Betonung, für die durchaus keine irgend sicheren
Zerdehnungen anzuführen sind. Dahin gehört das -α des Nom.
Akk. Plur. Neutr., dessen Identität mit dem Nom. Sing. Fem.
Joh. Schmidt “Die Pluralbildungen der indogermanischen Neu-
tra’ ausführlich begründet hat. Der Nom. Sing. Fem. hat
nach Ausweis des Litauischen und Griechischen gestossenen
Ton, und denselben Ton hätten wir also für den Nom. Akk.
Plur. Neutr. zu erschliessen, wenn nicht die im Litauischen er-
haltenen Reste dafür direkt zeugten (keturio-lika). Eine sichere
Stelle für Zerdehnung ist nieht beizubringen (Oldenberg 186).
Ebenso steht es mit dem Nom. Akk. Sing. Fem. auf -a, -dam
(τιμή, τιμήν), dem auf -2>», dem Nom. Akk. Dual. Mask. auf
-ἃ (gr. ἀγρώ).
„Auf spärlichen und unsicheren Materialien“, sagt Ol-
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 9
denberg weiter, „beruht auch die Annahme eines zweisilbig
zu messenden -ὦ im Nom. Sing. der -as-Stämme auf -as, 80-
wie im Nom. Sing. der Stämme auf -tar (-ta).* Vgl. hiermit
gr. ἠώς, eidwc und πατήρ, ἀετήρ.
Andere Einzelentsprechungen zwischen Indisch und Grie-
ehisch-Ltauisch sind folgende (Oldenberg 187):
Akk. Sing. gdm gr. βοῦν dor. Bwv. Akk. Plur. gas gr.
βοῦς dor. Bwc.
Der Gen. von wi- ves, lit. akes.
Nom. Sing. bhäs gr. φῶς.
3. Sg. asthät gr. cn. Auch bhüt, das gr. φῦ entspricht,
dürfte im Text zu behalten und nicht durch Formen wie bhu-
vat zu ersetzen sein.
nü deckt sich zwar im Ausgang nicht mit gr. νῦν, doch
werden die Akzente auf alter Übereinstimmung beruhen.
va und md, die Oldenberg 189 zweifelhaft erscheinen,
dürften wegen griechisch n und un mit gestossenem Akzent
anzusetzen sein.
8. 5. Dies sind die Hauptzüge, die wir aus der Ver-
gleichung der drei Sprachen gewinnen. Ehe wir weiter gehen
und die Fälle betrachten, in denen die Sprachen auseinander-
gehen oder nur eine von ihnen Zeuge ist, müssen wir fragen,
welcher Art und welchen Ursprungs die schleifende Betonung
ist und war.
Vom litauischen schleifenden Ton giebt Kurschat (Lit.
Gramm. 8. 59) folgende Beschreibung: „Bei dem geschlitfenen
langen Vokal ruht der Ton anfangs auf einer niedern Ton-
stufe und erhebt sich dann wie mit einem Sprung auf eine
höhere, sodass bei einer solehen Betonung der Vokal wie aus
zwei Teilen zusammengesetzt erscheint.“ Der gestossene Ton
ist hingegen ein einfacher sinkender. „Der Ton schiesst ge-
radezu von oben herab.“ Des weiteren ist auf Masings Schrift
“Die Hauptformen des serbisch-chorvatischen Akzentes’ 47, 2
zu verweisen, in der Kurschats Angaben gegen Sievers ver-
teidigt werden, der die schleifende Betonung als zweigipflig
fasst (vgl. Sievers, Phonetik ? 203, 1). Ich kann diese Streit-
frage nicht entscheiden, da ich selbst den litauischen Akzent
nieht gehört habe. Wie dem aber sein mag, Kurschats An-
gabe, ‚dass bei einer solehen Betonung der Vokal wie aus
2 Teilen zusammengesetzt erscheint“, genügt völlig, um uns
10 Herman Hirt,
das Vorgehen der vedischen Dichter begreiflich zu machen.
War die schleifende indische Betonung gleich der litauischen,
so bedürfen wir keiner weiteren Erklärung für die indische
Metrik. Für ratsam halte ich es daher auch, diese Vokale
nicht, wie Oldenberg es thut, gedoppelt zu schreiben, sondern
sie nur mit emem Akzentzeichen wie dem Zirkumflex zu ver-
sehen.
$ 6. Über die Entstehung des idg. Zirkumflexes können
wir am ehesten Auskunft zu finden hoffen, wenn wir uns an
das Griechische wenden, das im Sonderleben lange Silben mit
schleifender und gestossener Betonung neugeschaffen hat. Die-
ser sekundäre Zirkumflex entsteht im Griechischen bei Kon-
traktion zweier Silben, wie τρεῖς aus *treies (aind. trdyas), τιμῶ
aus τιμάω u. 5. w., während Silben mit Ersatzdehnung, die
so zu sagen organische Länge haben, den Akut erhalten, vgl.
θείς aus *Bevrc, οὐδείς aus *oudevc. Nehmen wir dieselbe Ent-
stehung für das uridg. an, so können wir damit die Art des
litauischen schleifenden Tons und die Thatsachen der vedischen
Metrik sehr wohl vereinigen.
Man hat schon vielfach uridg. Längen in Endsilben als
Kontraktionsprodukte aufgefasst. Die Unterscheidung zwischen
schleifender und gestossener Betonung giebt uns ein Mittel an
die Hand zwischen Kontraktion und organischer Dehnung?!)
zu unterscheiden.
Die Endung des Akk. Sing. war m, das nach Konsonan-
ten sonantisch wurde. Akk. gr. m6d-a, λύκο-ν, Tıun-v. Die
Länge des a des letzten Wortes ist organisch, daher ge-
stossener Ton.
Der Nominativ der -n-, -r- und -s-Stämme kann kaum
den Verdacht erwecken durch Kontraktion entstanden zu sein.
Daher gr. ποιμήν, πατήρ, ἠώς.
Ist diese Regel richtig, so kann der Ausgang des Nom.
Dualis der -o-Stämme kein Kontraktionsprodukt sein. Darauf
weisen auch das -ὸ und das -@ der -- und -u-Stämme. Von
den beiden Möglichkeiten, die Brugmann Grr. II S. 641 an-
l) Organische Dehnung nenne ich das, was Brugmann langen
Hochstufenvokal heisst. Nachdem diese Arbeit als Habilitationsschrift
an die philosophische Fakultät in Leipzig eingesandt war, erschien
Bartholomaes neues Vokalsystem BB. XVII 9 ff., in dem der Aus-
druck „Dehnstufe* gebraucht wird.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 11
führt — aus -o+e oder Dehnung —, kann also nur die zweite
in betracht kommen.
Vergleichen wir hiermit den Nom. Plur. Mase. Dieser
Kasus hatte, wie aus der Vergleichung von ai. päd-as gr.
πόδ-ες, al. deay-as trdy-as gr. Föpeıc aus ξόφει-ες aksl. patoje
aus *"patoj-es, ai. sünde-as gr. lon. rınxe-ec aksl. synove aus
®synov-es hervorgeht, -es als Endung. Setzen wir als Grund-
form für aind. devas ein *deivo-es an, so sehen wir den Grund
der schleifenden Betonung in der Kontraktion bez. Synkope
des letzten Vokals. Wer den Nom. Dualis auf -o+e zurück-
führen will, muss jetzt erklären, warum in dem einen Fall
schleifende Betonung, in dem andern gestossene entstanden 1511).
Ebenso ist der Nom. Plur. der -@-Stämme ein Produkt
aus zwei Silben, aind. dsvas lit. rankos aus *-a-es.
Ich habe oben gesagt, Kontraktion oder Synkope müsse
die Ursache gewesen sein, und wir mussten den letzteren Aus-
druck hinzusetzen, weil uns es durchaus nicht so sicher er-
scheint als mancher wohl glauben möchte, dass wir im den
besprochenen Fällen Kontraktionen anzunehmen haben. Der
Gen. Sing. wird uns darüber belehren, und wir gelangen da-
mit zur zweiten Entstehungsart des idg. Zirkumflexes.
Für den Genitiv Sing. setzt Brugmann Grr. II $ 229
S. 569 die Endungen -es, -os, -s an. Die letzte sicher mit
Recht, da sich vom Gen. der -i- und -u-Stämme auf -ois und
-ous nur -s als Endung abtrennen lässt. Ebenso bei den -a-
Stämmen, gr. τιμῆς. Wäre hier aber wirklich von Anfang an
-s die Endung gewesen, die antrat, so müsste es ®tıunc heissen,
wie es τιμήν heisst. Das Litauische zeigt bei den -ἦ- und -«-
Stämmen ebenfalls den schleifenden Ton, naktes, sanaus. Wir
haben also eine Grundform *nogtoi-es anzusetzen, deren ὁ
wahrscheinlich durch dasselbe Gesetz schwand, das die Schwund-
stufe im Urindogermanischen überhaupt bewirkte, und eine
Nachwirkung dieser verloren gegangenen Silbe finden
wir mn der schleifenden Betonung, die die um eine
1) Die Ansicht, dass der idg. Zirkumflex durch Kontraktion
entstanden sei, ist auch von P. Kretschmer in dem nach Abschluss
dieser Arbeit mir zugehenden 3. Heft von KZ. XXXI ausgesprochen,
S. 358, 468. Er nimmt aber an, dass Kontraktion nicht durchgängig
Zirkumflex ergab. Diese Ansicht habe ich auch erwogen, aber
nichts gefunden, was sie sicher begründen könnte.
12 Herman Hirt,
Silbe verkürzten Worte auf ‘der letzten’tragen.” Da
man aber den Gen. Sing. der -@-Stämme kaum von dem der
-i- und -z-Stämme trennen kann, so wird die Synkope, der
Vokalausfall auch für die übrigen erwähnten Fälle möglich.
Da indessen aus einer Grundform Nom. Plur. -o-es kaum -ös
geworden wäre, so muss erwogen werden, ob nicht vielmehr
-O-es als ursprünglichster Ausgang anzusetzen ist. Die Unter-
suchung dieser Frage führte indessen zu einer Behandlung des
Ablautes, die unsre Aufgabe hier nicht sein kann.
Auch für diese indogermanische Erschemung können wir
eine Analogie aus dem Litauischen anführen. Brugmann sagt
Grr. Is 691 8.564: „Fiel ein kurzer Vokal der letzten Silbe,
der den Wortton hatte, weg, so bekam die nächstfolgende
Silbe den Wortakzent in Gestalt eines geschliffenen Tones.
Diese Änderung kann nieht im absoluten Auslaut eingetreten
sem. Lok. Sing. toje wurde zu ἰδ), Instr. Plur. tomis zu
toms, Instr. Sing. akimi zu akim, Instr. Plur. akimis zu akims,
pirma zu pirm. Demnach waren die Gen. Sing. akmens,
dukters aus "akmenes, "dukteres entstanden.“
Die Beschränkung, dass der ausgefallene Vokal betont
gewesen sein muss, gilt für das Indogermanische natürlich
nicht, vielmehr können dort überhaupt nur unbetonte Vokale
ausgefallen sein. Sehr sonderbar bleibt die Thatsache immer-
hin noch, dass betonte Vokale im Litauischen überhaupt aus-
fallen. Wir müssen wohl annehmen, dass zunächst eine Zu-
rückziehung des Tones um eine Silbe und dann der Schwund
des Sonanten der letzten Silbe stattgefunden hat.
Eine deutliche Kontraktion liegt andrerseits wieder im
Dativ Singularis vor. Die Endung der konsonantischen Stämme
ist gestossenes -aö. Das ergiebt sich aus gr. ἴδμεν-αι, δόμεν-αι.
Der Accent könnte nieht auf die drittletzte Silbe zurücktreten,
wenn αἱ nicht gestossenen Ton hätte, vgl. noch rapai.
Bei den -ο- und -a-Stämmen ist dieses -aö offenbar mit
dem Stammauslaut kontrahiert, und es entsteht mfolge dessen
der schleifende Ton, gr. ἀγρῷ, τιμῇ, lit. wilkui (?), rankar
aind. pronominal asmar (Oldenberg 188).
Ebenso müssen wir für den Gen. Plur. der -ο- und -@-
Stämme Kontraktion annehmen. Wie Osthoff, Morphol. Un-
ters. 1 207 wahrschemlich gemacht hat, und wie auch Brug-
mann Grr. IE ὃ 344 S. 088 ff. annimmt, war die Endung der
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 13
konsonantischen Stämme -om. Darauf weist slaw. τὸ in ma-
ter, slovesv. Die -ο- und -a-Stämme haben daher lautgesetz-
lich schleifenden Ton, gr. θεῶν lit. εὐ ῶ.
Dasselbe gilt vom Instr. Plur. gr. ἀγροῖς, lit. vilkars aus
-O+dis.
Ferner ist der Optativ mit emem Suffix -- gebildet, da-
her gepot lit. te-suk& mit schleifendem Ton.
Ich denke, das Gesetz ist ziemlich klar: wo immer
wir eine indogermanische zweisilbige Endung als
ursprünglich anzunehmen haben, finden wir schlei-
fenden Ton. Die Silben mit gestossenem Ton werden da-
her nicht solche Produkte sein.
Einen weiteren Beleg für das Synkopierungsgesetz bietet
der Nom. der -0-Stämme. In die Verhältnisse dieser Stämme
ist durch Streitberg, Paul u. Braune, Btr. XIV 166 ff. helles
Licht gebracht. Nur eine seimer Aufstellungen müssen wir
Jetzt etwas verändern. Er sieht in Hit. gaidys got. hairdeis
neben Zödis Ablaut, und in dem langen -2 Osthoffs nebento-
nige Tiefstufe. Das kann nicht ganz richtig sein. Ein Vokal
mit schleifendem Ton steht nirgends im Ablaut zu einer Kürze.
Wir könnten in der Endung -?s ein Kontraktionsprodukt sehen
und müssten ein indogermanisches -iös mit Brugmann (Grr. I
S 84 S. 81) voraussetzen, das schon in der Zeit der Urge-
meinschaft zu -2s wurde. Besser schemt mir aber zu sein,
ein uridg. -ios nach langer Wurzelsilbe anzusetzen. -os
schwand, wie im Gen. Sing. *sanou-es zu *sanoas wurde,
alsdann regelrecht -2s. Diese Auffassung wurde mir von Streit-
berg selbst vorgeschlagen. Dann hätten wir in dem got. -eis
nach langer Wurzelsilbe eine hohe Altertümlichkeit zu sehen,
denn ursprünglich wechselte -ἰο- und -iio- nach der Quantität
der vorhergehenden Silbe.
Instrumentalis Singularis.
$S 7. Mit der Aufdeckung der Entstehung des idg. Zir-
kumflexes haben wir die Möglichkeit gefunden, einige Streit-
fragen zu erledigen. Bekanntlich besteht eine Differenz der
Ansichten zwischen Joh. Schmidt und Brugmann-Osthoff über
die Bildung des Nom. Sing. Fem. und des Instr. Sing.
Osthoff (Zur Geschichte des Perfekts S. 575), dem Brug-
mann, wenn auch nicht unbedingt, folgt, setzt als Instrumen-
14 Herman Hirt,
talsuffiv -@ an, während Joh. Schmidt (Neutra 41) wiederum
-e verteidigt. An dieser Stelle sagt er: „Osthoffs Kombina-
tionen, welche wieder von einem angeblichen Instrumental-
suffix -a ausgehen, entbehren jeden Haltes. Ich glaube den
Nachweis geführt zu haben (ΚΖ. XXVI 292 ἢ), dass der Instr.
nicht -a, sondern -e als Suftix hatte. Osthoff bezeichnet ihn
als einen Fehlschuss, übergeht aber meine Beweisstücke skr.
pascd, gemeingr. πῆ got. /re, welche darthun, dass lat. aere
ursprüngliches, nieht aus -a entstandenes -e hat, mit Still-
schweigen. Wer -a als ursprüngliches Instrumentalsufix an-
setzt, thut dies allein auf Grund emiger griechischer Adver-
bia, von welchen jeder Unbefangene zugeben wird, dass sie
als andere Kasus wenigstens gedeutet werden können. Eine
Sprache, welche den Instr. als lebendigen Kasus verloren hat,
ist sicher nieht der einzige Ort, an welchem man verlässliche
Auskunft über die ursprüngliche Gestalt seines Sufixes zu
suchen hat. Als lebendigen Kasus finden wir den Instr. bei
den -o-Stämmen, im Lat., Germ., Lit. auf - oder -0 endend,
ursprünglich wohl so geregelt, dass alle Oxytona -e, alle übri-
gen -ὃ hatten (ΚΖ. XXVI 295). Wer diese -2, - aus -e+a
und -o+a erklären will, hat nachzuweisen, weshalb das femi-
ninbildende -α (*rpecyF-a—rpecßa) und das nach meiner An-
sicht damit identische -@a des Ntr. Plur. (τοῦν-αὐ mit dem
Auslaut der -o-Stämme nicht zu -ö, -e, sondern bei Oxytona
wie bei Barytona nur zu idg. -@ geworden ist: skr. sd, ἃ,
μάνα, νέα, nova, lit. mergäa u. ἃ. w.* Diese letzte Behaup-
tung erledigt sich durch unsern oben gegebenen Nachweis.
Der Nom. Sing. Fem. der -@-Stämme kann kein Kontraktions-
produkt wie die übrigen Kasus der -o- und -@-Stämme sein,
da er sonst schleitende Betonung haben müsste. Es muss
vielmehr thatsächlieh ein Sufttixv -# an die Tief-(Null-)stufe der
-o-Stämme angetreten sein. Daneben wird als Ablautsstufe
ein --Suffix bestanden haben, mit dem Formen wie *tpecy.F-a
gebildet sein mögen. Auf dieses τὸ (ai. τὸ gr. -a) weist mit
Sicherheit, wie Brugmann (Morph. Untersuchungen V 52 ff.)
gegen Joh. Schmidt ausgeführt hat, der Nom. Plur. Neutr.,
und bei den nahen Beziehungen, die zwischen Nom. Sing.
Fem. und Nom. Plur. Neutr. bestanden, dürfen wir diese En-
dung auch für den Nom. Sing. voraussetzen. -> verhält sich
zu -α wie -& in ἧδύς zu dem Suffix von Bacıkeüc, wie -mn
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 15
in ai. dhäma "Satzung, Sitz’ nama, lat. nomen, gr. ὄνομα
zu dem Suffix von ποιμήν, wie lat. alis zu gr. ἄλλος aus alios,
wie πώς ai. pdd zu ἵππος ai. asvas!).
Von dieser Seite hindert demnach nichts, das Instrumen-
talsuffix als -@ anzusehen.
Aber wie kommen wir damit weiter? Wir müssen schlei-
fenden Ton finden, wenn es ein Kontraktionsprodukt ist. Die-
sen zeigen allerdings die von Brugmann (Grr. II 627, 629) als
Instrumentale angesehenen Adverbien tarent. ai gort. n ion.
att. κρυφῆ, λάθρη (att. λάθρα) πάντη, πῆ, n dor. Kpupd, ταὐτᾶ,
ἅτε. Das Litauische dagegen, das den Instr. als lebendigen
Kasus erhalten hat und deshalb von höherem Wert ist als das
Griechische, weist bei -o- und -@ Stämmen gestossenen Ton
auf, velkü, daneben gerä-ju, ranka. So lange dieser gestos-
sene Ton des Litauischen nicht als sekundär nachgewiesen
ist, — und ich sehe keine Möglichkeit, wie dies geschehen
könnte, — so lange müssen wir es ablehnen, in dem Instr.
ein Kontraktionsprodukt zu sehen. Da für den Instr. schon
zwei prinzipiell verschiedene Bildungsweisen anzunehmen sind,
vgl. Brugmann Grr. II 8 274 5. 624 ff., so wären wir zur An-
nahme einer dritten gezwungen. Der Instr. Sing. der -o-
Stämme wird durch organische Dehnung gebildet, eine An-
sicht, die ja auch von andrer Seite aufgestellt worden ist.
Damit wäre der Instr. der -o-Stämme von dem der konsonan-
tischen getrennt, und die Frage, ob das Suffix des letzteren
τ oder -a war, muss von neuem und gesondert betrachtet
werden.
δ᾽ 8. Von griechischen isolierten Formen werden die fol-
genden von Osthoff und andern als Instrumentale gefasst: die
mit μετὰ gleichbedeutende Partikel πεδὰ (Osthoff, Zur Ge-
schichte d. Perf. 574), ἅμ-α una’, παρὰ neben Dat. mapoı,
Gen. Abl. πάρ-ος, Lok. nep-ı, Ἄξεκα in εἵνεκα ἕνεκα wegen’ aus
FEVFEK-O.
1) Ist der Nom. Plur. Neutr. der -»-Stämme mit dem Nom.
Sing. Fem. der -4-Stämme identisch, wie Joh. Schmidt annimmt, so
konnte er nur gestossene Betonung haben. Damit erledigt sich
Joh. Schmidts Annahme (Neutra S. 40), dass die Adverbien wie gr.
KpVpA att. κρυφῆ dor. διχᾶ, τριχᾶ dor. ἁμᾶ u. 5. w. diesen Kasus fort-
setzen.
10 Herman Hirt,
Ferner zeigen -a die aind. Gerundia der mit Präfixen
verbundenen Verba, z. B. prati-bhidy-a (ursprünglich “mit Spal-
ten’) a-gam-y-a mit herbeikommen a-gaty-a (dasselbe). Brug-
mann Grr. 11 632. Es sind dies Instrumentale alter --Stämme.
Ausserdem führen Osthoff und Brugmann das -ὅ von lat.
aere, pede auf dieses selbe -a zurück. Dazu umbr. pure igne’
(tab. Iguv. 16, 20). Für das Umbrische ist allerdings die Ab-
schwächung des -a@ zu -e sonst nicht nachzuweisen, aber es
spricht anderseits auch nichts gegen sie. Ich halte auch für
das Lateinische diesen Lautwandel keineswegs für sicher. Denn
Osthoffs Gleichung inde — ἔνθα (Gesch. d. Perf. 577) scheint
mir hinfällig zu sein. Erstens entsprechen sich die Bedeutun-
gen keineswegs genau. ἔνθεν ist der Bedeutung nach inde.
Die einander gegenüberstehenden ἔνθεν und ἔνθα lassen sich
vereinigen, wenn man &dn als Grundform für ἔνθα ansetzt.
Andererseits lässt sich önde nieht von ende trennen, und die-
ses gehört mit «-böi u. s. w. zusammen, wir haben also Stamm
u-, i-, Endung -nde. Diese Endung kann man nach zwei Seiten
anzuknüptfen versuchen. Erstlich könnte man sie aus -dne ent-
standen sein lassen. Dieses Suffix wäre mit gr. -Bev in οὐρανό-
θεν, ἔν-θεν u. 5. w. mit der Bedeutung “von her’ zu verbinden.
Und dazu scheint sicher germ. -tan in ags. δασέα, westan,
nordan, südan, “von Osten her’ anord. westan, aust-an nor-
dan, hva-dan, ba-dan zu gehören. Die Formen vereinigen
sich unter uridg. -then-, von dem verschiedene Ablauts- und
Kasusformen vorliegen.
Andrerseits können die, denen der Wandel von dn zu
nd im Lateinischen nicht für erwiesen gilt — Froehde hat
BB. XVI 198 ff. mit nieht zu unterschätzenden Gründen da-
gegen angekämpft — den Ausgang von unde und önde an die
abulg. Adverbialendung -ada, -ade, die Ortsadverbia auf die
Frage “woher” von Pronominalstämmen bildet, kada, kade
“woher ’, jada "68ev’, anknüpfen (Leskien, Handbuch d. abulg.
Sprache 96).
Für die latemischen Formen auf -e bieten sich aber auch
noch andre Erklärungsmöglichkeiten. Zunächst können sie
der Form nach Lokative sein, pede = gr. ποδί, und ferner
könnte pede doch auch aus pede entstanden sein. Dieses τὸ
wäre von (den -o-Stämmen übertragen, wie man dasselbe für
(las altindische -@ annimmt. Da die Ablativendung sicher von
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 17
den -o-Stämmen auf die konsonantischen übergegangen ist,
hätte der Vorgang nichts befremdliches.
Wir haben es also mit Sicherheit nur mit den Formen
des Griechischen und Altindischen zu thun, die wir aber
ebenso gut wie auf -a auch auf -m zurückführen können, da
die gesetzliche Vertretung dieses Lautes in beiden Sprachen
-a ist, also gr. med-ü aus "ped-m u. 5. W.
Zuvörderst ist über den Akzent dieses Kasus zu bemer-
ken, dass er kaum auf der Endung gelegen haben wird. Da-
gegen spricht der Akzent isolierter Formen wie ἅμ-α und πάρ-α
(aind. pdär-a), — denn dies ist die Betonung dieses griech.
Wortes, wenn es nicht proklitisch ist, — und wir müssen
sicher auf den überlieferten Akzent mehr Wert legen als auf
die Wurzelstufe, die ja nur allzuoft mit dem historisch zu
erschliessenden Akzent nicht in Einklang steht. Ebenso zie-
hen einige indische Adverbien in diesem Kasus den Akzent
zurück, wie diva “bei Tag’, σώμα "im Versteck’ von div-
und geah-.
Von griechischen Adverbien können wir auch solche wie
τάχα und ὦκα hierherstellen, die Mahlow (Die langen Vokale
A E075) mit Recht auf *taxfa, *wkfa zurückführt, aber als
Nom. Plur. Neutr. deutet. Zum Lautlichen ist zu bemerken,
dass wir wegen gr. πέλεκκον zu πέλεκυ-ς, λάκκος zu lat. lacus
τι. 5. w. (vgl. Brugmann Gr. Gr. ? 5. 32) eigentlich *wxka zu er-
warten haben, dass aber a nach ὠκύ-ς U. 5. w. zu ὦκα UM-
gewandelt ist. Die Bildung dieser Adverbia ist dieselbe wie
die der oben erwähnten aind. Gerundia prati-bhidy-a, d-gdt-
y-a, anu-srüty-a.
Es bietet sich ferner die Mögliehkeit, die aind. Instru-
mentale der konsonantischen Stämme auf -a@ auf -m zurück-
zuführen. Wir wären dann der Annahme einer Übertragung
von den -o-Stämmen überhoben.
Und dieses -n wird wahrschemlich auch in gr. ἕκητ-τι
(dor. ἕκα-τι) "wegen, um willen’ stecken, das zuerst Osthoff
(Gesch. d. Perf. 334 ff.) erklärt hat. Er sieht darin aber den
Instr. eines -@-Stammes, hebt also den Zusammenhang, den
er eben erst mit dem *Fexa in ἕνεκα geschaffen hat, eigentlich
wieder auf. Das veranlasste Wheeler (Der griechische Nomi-
nalakzent S.20, 1), in *Ffexa und Fexd Akkusative Sing.. auf
-m und -n zu sehen. Bei dieser Annahme ist nur zu erwägen,
Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 9)
18 Herman Hirt,
ob es nicht *Foxa heissen müsste, wie der Akk. πόδα heisst
neben dem Instr. πεδὰ. Man kann Wheelers Annahme nicht
unbedingt zurückweisen, die gegebene Erklärung halte ich
aber für betriedigender 1).
Wir finden im Indischen aber auch noch Formen mit
erhaltenem -m. Bekanntlich wurde -n im Indischen vor Kon-
sonanten zu -a, vor Vokalen zu -am. Dies gilt natürlich
nicht nur für das Innere des Wortes, sondern auch für den
Satzzusammenhang (vgl. Brugmann Grr. I ὃ 231 Anm.). diva
“bei Tage’ hängt mit ndktam bei Nacht” eng zusammen.
Wie Wheeler a. a. O0. mit Recht bemerkt, dürfen diese beiden
Formen nicht von einander getrennt werden, aber sein Schluss,
dass diva wegen naktam dem Akk. zuzuweisen ist, wird nun
hinfällig. Dass dem Instr. die hier angenommene Bedeutung
zukommt, beweisen die deutlichen Instrumentalformen »naktaya,
aktubhis “bei Nacht‘. Von dieser Seite lassen sich also keine
Einwendungen erheben.
In einem andern Falle stehen zwei Formen desselben
Stammes nebeneinander, sdda und sddam "in eimem fort.
Hier liegt der Sandhi noch deutlich zu Tage, denn sädam ist,
wie Grassmann im Wörterbuch angiebt, meistens durch fol-
gendes öd verstärkt, das heisst, es steht meistens vor Vokal.
Ebenso kann man noch saydm (Adv.) “am Abend’ hier-
herziehen, denn neben dem -o-Stamm saydm “ Einkehr’ kann
recht wohl ein konsonantischer Stamm bestanden haben.
$9. Die nächste Folge der Annahme emes Instrumen-
talsuffixes auf -m ist, dass wir die Formen der -ο- und -α-
Stämme auf uridg. -em, -öm und -äm zurückführen.
Die Form auf -@m ist in verschiedenen Sprachen noch
erhalten, zunächst in abulg. raka (vgl. Grr. ILS 276 5. 090 ἢ).
Ebenso setzt die litauische Form ranka, da es in einigen
Mundarten als vanku, im Lettischen als raku erscheint, eine
nasalirte Grundform voraus. Man hat dieses -m nach dem
Vorgange Leskiens für eine angetretene Partikel -eım erklärt.
Da diese Partikel -em in den verschiedensten Sprachen bald er-
scheint, bald fehlt, so müssen wir ihr Antreten im die idg.
Urzeit verlegen. Dann hätte nach unsern Ausführungen in-
dessen schleifende Betonung entstehen müssen. Es kann da-
1) Anders, aber mich nicht überzeugend, jetzt Kretschmer
ΚΖ. XXXI 458 ἢ.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 19
her bloss -m hinzugekommen sein, das, verbunden mit dem
Stammauslaut a, nur gestossenen Ton geben konnte, wie Akk.
Sing. gr. τιμήν. Indessen bedarf meines Erachtens die An-
nahme der Partikel -em oder -m sehr der Einschränkung.
Leskien wird zu ihrer Annahme veranlasst, weil es keine Laut-
gesetze giebt, nach denen das ursprünglich vorhandene -m in
den Einzelsprachen geschwunden sein könnte. Das ist rich-
tig, wir können aber diesen Lautwandel in die Urzeit ver-
legen, und da -m bald erscheint, bald fehlt, so müssen wir
diese Erschemung als Sandhi auffassen. Auf diesen Sandhi,
dem fast alle langen Diphthonge unterliegen, ist in der letzten
Zeit die Aufmerksamkeit in besonderem Masse gerichtet wor-
den. Ich stimme zunächst Bremer (Paul und Braune, Beiträge
XI 38) bei, dass die n-losen Formen der Nominative der -n-
Stämme durch diesen Sandhi entstanden sind, wie homö im
Lat., akma im Lit. Denn das die litauische Form auf eine
nasallose Bildung zurückgeht, scheint mir der Gen. Plur. der
-o-Stämme auf -2 zu beweisen, der sicher Nasal gehabt hat.
Wollte man beide Formen auf -m zurückführen, so wäre die
Differenz in der Lautentwieklung unerklärbar. Dass in litaui-
schen Dialekten szun für sz& ‘Hund’ erscheint (Brugmann
Grr. II $ 191 5. 528), wird kaum etwas dagegen beweisen.
Erstlich dürfen wir ja mit Bremer annehmen, dass im Idg.
neben -0-Formen solche auf -ön bestanden haben, zweitens
kann das -» im Sonderleben des Litauischen von den Casus
obliqui wieder neu eingeführt sein. Ausserdem spricht dafür,
dass dieses - auch bei mend “Mond’ und sest “Schwester ’,
erscheint, von denen jenes ein -es-, dieses ein -er-Stamm ist
(Kurschat, Gramm. $ 731). Auf einen andern Grund, weshalb
die Worte auf - auf idg. n-lose Formen zurückgeführt wer-
den müssen, kommen wir weiter unten zu sprechen.
Ebenso stehen einander gegenüber aind. mam, tvam,
iran, Pwam, abulg. me, te, se aus "mem, preuss. mien, tien,
tin, sien, sin und aind. md, tea, ivan. ῥιρᾶ lat. me, te, se.
Ferner av. Gathadialekt ava aind. deäm (Bartholomae,
Handbuch der altiranischen Dialekte 8 169), der Dat. Instr.
Dualis auf -Dhyam, während slav. -ma keinen Nasal verloren
haben kann).
EN leugne die Existenz einer Partikel -am oder -m in ge-
wissen Fällen nicht. Wir werden nachher ein Mittel finden zu ent-
20 Herman Hirt,
Ebenso stehen also im Instr. Sing. Formen auf -@m neben
denen auf -@. Auf letzteres müssen wir aind. dsea, av. haena
zurückführen.
Höchst wahrscheinlich dürfen wir jetzt auch eine Reihe
von Adverbien auf -am, die man bis jetzt meistens als Akk.
Sing. Fem. gefasst hat, für den Instrumental in Anspruch
nehmen.
Für das Indische führt Whitney, Indische Gramm. ὃ 1111
als Fem. Sing. an prataram, pratamäm, wuccäistardam, sandis-
tardm, jyöktamam. Hier weisen uns schon die ersten Be-
standteile zweier von diesen Adverbien den richtigen Weg,
denn wccais, ein Instr. Plur., wird allein schon adverbiell in
der Bedeutung „hoch“ verwendet, entsprechend sanais im der
Bedeutung „langsam“. Wenn der erste Bestandteil dieser Zu-
sammensetzung ein Instrumental ist, so dürfte der zweite am
besten auch so zu fassen sein. Nur das eine muss noch be-
merkt werden, dass -@m natürlich nicht mit Sicherheit auf
uridg. am weist, es kann ebenso gut -em oder -om sein, also
dem Maskulinum angehören.
Während für eine Instrumentalform -am die direktesten
Beweise vorliegen, fehlen solche für -em oder -om. Trotzdem
dürfen wir diese Ausgänge mit Wahrschemlichkeit ansetzen,
da die -o-Stämme kaum ein andres Suffix gehabt haben dürf-
ten als die -@- und konsonantischen Stämme. Die Sandhi-
erscheinungen des Idg. sind noch nicht genügend erforscht,
wir stehen in dieser Frage noch vor vielen Rätseln. Weshalb
in dem einen Falle die eine Form bevorzugt ist, in dem an-
dern die andre, lässt sich vorläufig nicht ausfindig machen.
Spuren für das ursprüngliche Vorhandensein des -m werden
wir weiter unten finden.
Für -öm könnte man die gotischen Adverbien auf -0 in
Anspruch nehmen, die Streitberg (Die germ. Comp. 37) als
Instrumentalformen auf -ο mit der Partikel -m deutet. Wir
waren schon oben skeptisch gegen diese Partikel. Ein ein-
facherer Weg, die Erhaltung des langen Vokals zu erklären,
bietet sich jetzt, wenn wir eine Instrumentalform auf -om an-
scheiden, ob die Formen ohne -m aus denen mit -m schon uridg.
hervorgegangen sind, oder ob im uridg. an die nasallose Form die
Partikel -m getreten ist, vgl. das Kapitel über den Sandhi.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 21
setzen. Indessen ist die Beurtheilung dieser Adverbien so
eng mit der Frage nach den germanischen Auslautsgesetzen
verknüpft, dass sie im Zusammenhang mit diesen weiter unten
erörtert werden muss.
Dagegen darf nach Leskien lit. vilkü aus οὐκὶ auf eine
Form mit Nasal zurückgeführt werden (Berichte d. sächs. Ge-
sellschaft der Wissensch. 1884 S. 100). Wie wir nachher
sehen werden, ist diese Auffassung wahrscheinlich die richtige.
Leskien hat auch auf die abulg. Adverbien auf -y hin-
gewiesen, die zum Teil wenigstens hierher gehören können.
8 10. Wir gingen davon aus, dass eine Reihe von grie-
ehischen Adverbien, die als Instrumentale angesehen werden,
schleifende Betonung aufweisen. Da wir den litauischen leben-
digen Kasusformen mehr Gewicht beilegen mussten, so würden
wir darauf geführt, eine neue Grundform für den Instr. anzu-
setzen. Wie lassen sich mit dieser Grundform die griechischen
Adverbien mit zirkumflektierender Betonung vereinigen? Das
ist die weitere Frage.
Man wird sich aus dem Aufsatz von Hanssen (Κα. XXVII)
erinnern, dass gewisse Differenzen zwischen der griechischen
und litauischen Betonung bestehen.
Zu diesen gehört zuerst der Nom. Sing. der maskulinen
-n-Stämme. Dieser hat im griechischen Akut ποιμήν, und
nach dem, was wir oben über die Entstehung des schleifen-
den Tones ermittelt zu haben glauben, muss dies die ursprüng-
liche Betonung sein. Das Litauische hat schleifenden Akzent,
akmd Stein’, augmdt Wachstum’, vandu Wasser’, szu
“Hund’. Hanssen a. a. Ὁ. sucht diese Differenz wie folgt zu
erklären. Im Litauischen bekommen sehr viele einsilbige
Worte den schleifenden Ton an Stelle des gestossenen. So
sei szu lautgesetzlich für ἔσχε eingetreten und diese Betonung
dann auf die übrigen -n-Stämme übertragen. Das unbetriedi-
gende dieser Erklärung liegt auf der Hand: dass ein Wort
so viele andre beeinflusst hat, ist nicht wahrschemlich. Nun
führten mich meine Untersuchungen über den schleifenden
Akzent im Germanisehen mit Notwendigkeit zu der Annahme,
dass in dieser Sprache Nominative von -n-Stämmen zum Teil
mit schleifendem, zum Teil mit gestossenem Akzent angesetzt
werden müssen. Fürs Germanische versagt Hanssens Annahme
völlig, abgesehen davon, dass=sich vom Boden des Litauischen
22 EHermansEsmt,
ganz erhebliche Einwendungen gegen Hanssen machen lassen,
vgl. Bezzenberger in seinen Beiträgen X 203 f.
Die Erklärung dieser Akzentuationsverschiedenheit blieb
mir ein Rätsel, bis mein Freund Dr. V. Michels die Frage
aufwarf, ob nicht der Schwund des -» im Sandhi in uridg.
Zeit mit Wechsel der Betonung verbunden gewesen, ob nicht
neben der Endung -en, -ön die Sandhiform -e, -0 entstanden
sei. Diese Auffassung scheint mir die richtige zu sein. So
erklärt sich auf das einfachste die Differenz gr. ποιμήν ge-
genüber akmu!).
Wir haben schon darauf hingewiesen, dass akma wegen
des -@ im Gen. Plur. kaum das -» im Sonderleben des Litaui-
schen verloren haben kann. Der schleifende Ton kann auch
nicht im Sonderleben des Litauischen durch Schwund des -n
entstanden sein. Das zeigt der Instr. sing. fem. ranka, der,
wie Leskien ausgeführt hat, auf *rankam zurückgehen muss.
Die Silben mit langem Vokal+Nasal werden also im Litaui-
schen ebenso verkürzt wie alle übrigen Silben mit gestosse-
nem Ton. Daher ist diese Erklärung nicht möglich, und es
bleibt als letzte Ausflucht Michels’ Gesetz.
Für dieses Gesetz spricht ferner der Akk. Plur. Fem. der
-a-Stämme aind. -@s in asvas got. gebös, der au schleitende
Betonung weist. Joh. Schmidt (ΚΖ. XXVI 337 ff.) führt diese
Form auf -ans zurück. Brugmann bezeichnet zwar diese An-
nahme (Grr. II 8 325 5. 672) als unsicher genug, indessen
giebt er selbst keine Erklärung für das Abweichen dieses Ka-
sus von dem allgemeinen Bildungstypus. Ich halte daher an
Schmidts Erklärung fest, die uns zugleich die schleifende Be-
tonung erklärt. Es ergiebt sich aber zugleich, dass eine an-
dere Kategorie von Formen, für die Joh. Schmidt denselben
Lautwandel in Anspruch nimmt, die Partizipia Pertekti auf
-wes- ihn nicht gehabt haben kann, denn es heisst im Grie-
chischen εἰδώς mit Akut.
1) Diese Ansicht spricht jetzt auch Kretschmer RZ. XNXXI1 358
aus. Da sein Aufsatz vom Juni vorigen Jahres datirt ist, so ge-
bührt ihm die Priorität. Seiner weiteren Annahme, dass auch der
Schwund von 2 und ἡ“ Akzentwechsel veranlasst habe, wie man der
Konsequenz halber zu [ordern geneigt ist, widersprechen indessen
die Thatsachen. Michels hat übrigens jetzt seine Auffassung modi-
ficiert und ist für die im folgenden gezogenen Schlüsse und Annah-
nen nicht verantwortlich zu machen.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 23
Ein weiteres Beispiel scheint mir das idg. Wort für
“Wasser” zu sein, gr. ὕδωρ, lit. vanda, slav. vodd (Akzent nach
dem Russischen), got. wato. Das Wort ist in den obliquen
Kasus -n-Stamm gewesen, vgl. gr. ὕδα-τος, got. watins, aind.
udnds, lit. vandens. Neben dem Nominativ auf -r hat un-
zweifelhaft ein solcher ohne -r gestanden, darauf weist sicher
got. wato (siehe unten) und wahrschemlich auch lit. vanda,
slaw. vodd. Denn der Abfall des -r in diesen Sprachen ist
mir trotz Joh. Schmidt (Neutra 195, 2) nieht bewiesen, vgl.
Brugmann Grr. I 8 665 S. 524 Anm. und unten.
Wie das --r in diesem Worte zu erklären ist, scheint
mir nicht ausgemacht zu sein. Ich fasse die Form gr. Vdw-(p),
got. wato, lit. vanda als den regelrechten Nomimativ mit
Schwund des -n wie in lat. homo, lit. alemu. Infolge dessen
zeigt auch das Litauische schleifende Betonung und hier auch
das Griechische, denn vdwp müssen wir wohl wegen ckwp an-
setzen!. So fasst die Form jetzt auch Brugmann gr. Gr. ?
8 11 ἃ Anm.
Ebenso stimmt gr. δῦ, wenn dieses mit Joh. Schmidt
(Neutra 222) auf *dom zurückzuführen ist. Doch sind für
diese Form auch andre Deutungen möglich, vgl. Brugmann
6122110820223 75,558:Amnm.:3:
8. 11. Jetzt kehren wir zu den griechischen Adverbien
mit Zirkumflex zurück, die für Instrumentale gehalten werden.
Als solehe werden zunächst die Adverbia der Art und Weise
auf -W, -ὧς gefasst, Wie WdE, οὕτω, οὕτως, καλῶς, φίλως, πάν-
τως, ταχέως.
Nach der ältesten Annahme, die auch heute noch ver-
breitet genug ist, sind sie Ablative auf -öd, und zwar soll
das -d im Griechischen zu -s geworden sein. Als man den
Lautveränderungen grössere Gesetzmässigkeit beizulegen an-
fing, musste diese Annahme fallen, denn εἰ schwand in andern
Fällen regelmässig. Curtius’ Stud. X 218 ff. und Joh. Schmidt,
Neutra 555 f. haben dann aufs neue versucht das -s auf -d
1) Zur Betonung von σκῶρ vgl. Bloomfield, The recessive ac-
eent in Greek, American Journal of Philology IX 12 u. 15: „I pre-
fer therefore to regard γλαῦξ and σκῶρ as the oldest forms on
Greek grounds, and to consider the coineidence of the Doric
accentuation γλαύξ und σκώρ with the etymological accent as acci-
dental.“
΄
24 rierm ἀπ ἩΠΙ ΤΥ;
zurückzuführen, indem sie die Formen mit -s für im Sandhi
entstanden erklärten: -f sei zu -s vor -t und -s geworden. In
betreff des Wertes dieser Ansicht verweise ich auf Brugmann
Grr. II $ 241 5.589 Anm. 1. Leugnen lässt sich die Mög-
lichkeit der Annahme von Curtius nieht, aber sie bleibt doch
unwahrscheimlich.
Wir müssen indessen diese Frage von einer andern Seite
anfassen. Ist es denn überhaupt möglich, diese Formen mit
τ-ῶς auf Ablative zurückzuführen? Bei der Entscheidung die-
ser Frage kommen in erster Linie die litauischen Ablative
auf - in betracht, die nach Mahlow (Die langen Vok. 130 ff.)
nur auf -ad zurückgehen können.
Es ist ja vielleicht, wie Brugmann Grr. II $ 291 8.591
bemerkt, über die Vertretung von ö im Lit. noch nicht das
letzte Wort gesprochen, aber ehe die Gesetze für die Vertre-
tung von uridg. τὸ im Lit. als -5 nicht nachgewiesen sind,
kann man auch nicht mit ihnen operieren'); uridg. ö wird in
akma sicher zu «. Die einzige Möglichkeit der verschiede-
nen Behandlung könnte man in der Verschiedenheit des Ak-
zentes sehen: der Gen. Abl. zieht den Akzent zurück, die
Nom. auf -ὦ tragen ihn auf der Endung, doch ist das nur
eine Möglichkeit, die allerdings durch den Wechsel δ- αὶ, ö-ei
gestützt wird.
ad liegen auch im Lateinischen
in ganz isolierten Adverbien vor, wie in extra, contra, intra,
Aber diese Formen auf
citra, ultra. Das ablativische -d ist belegt in ertrad, suprad
(Sen. eons. de Bach. 16; 22, 25, 29). Und dass diese For-
men uralt sind, beweist das Zusammenstimmen der Endung
mit den gotischen Adverbien auf -bro, vrabro “woher', baproö
daher’, jainpro “dorther’, aljapro “anderswoher’, die die
ablativische Bedeutung noch viel klarer bewahrt haben. Durch
die Übereinstimmung des Lateinischen mit dem Gotischen wird
m. E. ein uridg. Ausgang -trad erwiesen, und in dieser Zeit
kann von einem Ablativ der -a-Stämme gar nicht die Rede
sein ?).
Auch von seiten der Bedeutung lassen sich ganz erheb-
1) Wiedemanns Ausführungen, das litauische Präteritum 45 f.,
kann ich nicht beistimmen.
2) Für -@d jetzt auch Kretschmer ΚΖ. ΧΧΧΙ 457 ἢ
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 90
Θ oO
liehe Einwendungen machen. Ich kann nicht finden, dass die
griechischen Adverbia der Ablativbedeutung entsprechen. „Man
nimmt jetzt allgemein an,“ sagt Delbrück, Altindische Syntax
S. 106, „dass in den Ablativ derjenige Nominalbegriff tritt,
von welchem her die Handlung des Verbums erfolgt.“ Der
Ablativ ist der “von’-Kasus. Die indischen Adverbien, die
vom Ablativ gebildet werden, entsprechen dieser Bedeutung
vollkommen. Sie können meistens mit "von-her’ übersetzt
werden, vgl. Whitney, Indische Gr. $ 1114. asät nahe’, arät
“von ferne’, balat gewaltsam’, kutähalat neugierig’, sakasat
“von Seiten’, darät “von ferne’, nzcdt "unten ’, pascät “linken’,
saksät “vor Augen’, apakät “aus der Ferne’, amät “aus der
Nähe’, sandt "von Alters her’, uttarat "aus dem Norden’, adha-
rät unten‘, got. undarö. Diese Bedeutung finden wir im
Griechischen nieht bei den Adverbien auf -ς, sondern die
der Art und Weise, also eine instrumentale.
Da der Antritt des -s von Brugmann plausibel erklärt
ist (vgl. Grr. II $ 241 S. 589 1. Anm. 1), so dürfen wir in
unsern Formen Instrumentale sehen, die lautlich vollkommen
korrekten Sandhiformen zu den idg. Instrumentalen auf -Om,
eine Bestätigung der Michels’schen Regel.
In lit. villa kann nunmehr wegen des gestossenen Tones
nur die Form auf -om enthalten sein.
Ich stelle der Übersicht halber die Fälle für diese Regel
noch einmal zusammen: gr. ποιμήν, lit. akmu, Akk. Plur. Fem.
al. -ds aus -ans, gr. ὕδιῶ-ρ, got. wato, lit. vanda, lit. Instr.
vilkü aus *vilköm, ranka aus rankam gr. Adv. auf -W -ὥς.
Weiterer Bestätigung für den Instr. auf -om und für
dieses Sandhigesetz werden wir im Germanischen begegnen.
Nachdem wir -m als Suffix des Instrumentals nachge-
wiesen zu haben glauben, erklärt es sich leicht, warum diese
Form bei den konsonantischen Stämmen im Lateinischen ver-
loren gehen musste.
Wie sich ergeben hat, war bei den -o-Stämmen der Instr.
vom Akk. durch Dehnung des Vokals, d. h. durch Stammab-
stufung geschieden. Der Akk. lautete *ekuom, der Instr.
*ekuom. Wenn wir dem griechischen πεδὰ gegenüber Akk.
πόδα trauen dürfen, waren die beiden Kasus auch bei den
konsonantischen Stämmen durch Ablaut unterschieden. Auch
ὦκα gegenüber Akk. ndVv, aind. -ya gegenüber Akk. -im zei-
26 Eierman Hirt,
gen verschiedene Formation. Wurde im Laufe der Zeit, wie
es im Lateinischen geschah, die Stammabstufung ausgeglichen,
so fiel der Instrumental mit dem Akk. zusammen. Diese Sprache
sah sich daher nach einem Ersatz um und nahm die Endung
der -0-Stämme auf -2 herüber.
Vereinzelte Reste des alten können in enim, autem_ er-
halten sein. Ebenso werden in lateinischen Partikeln wie
tum, num, quom, dum die alten Instrumentale auf -om
stecken. Akk. Neutr. können es doch nicht sein, die hatten
-d als Endung (vgl. Mahlow, Die langen Vokale 86)}).
So haben wir eine einheitliche Instrumentalbildung für
alle Klassen hergestellt. Das in andern Fällen erscheinende
Suffix -mi, lit. nakti-mi, abulg. patomv, lit. sanum?, abulg.
synom» hängt damit offenbar auf das engste zusammen’).
Man könnte vermuten, dass dies durch eine Partikel - erwei-
tert ist, doch finden wir die Partikel - sonst nur im lokativi-
schen Sinn. Näher liegt es und besser erscheint es mir, das
τὸ durch Emwirkung des Suffixes -bhö zu erklären, das ur-
sprünglich gewiss eine andre Bedeutungsnüance vertrat, die
aber allmählich verloren ging. Wir hätten also eine soge-
nannte Kompromissbildung vor uns, indem ursprünglich nur
mo- und bhi- vorhanden waren, und hiernach mi- und bho-
entstanden.
Die Erörterung über die Bildung des Instrumentals hat
uns die dritte Art der Entstehung des idg. schleifenden Tones
kennen gelehrt. Damit ist der idg. Zirkumflex in Endsilben,
wie mir scheint, aufgeklärt, und "wir können die Resultate
folgendermassen zusammenfassen. Die idg. schleifende Beto-
nung entstand
l) dureh Kontraktion zweier Silben.
2) Bei Ausfall des letzten Vokales erhielt die nunmeh-
rige letzte Silbe, wenn sie lang war, den schleifenden Ton.
9) Bei Schwund eimes Nasals nach langem Vokal erhielt
dieser den schleifenden Ton.
Wir wenden uns jetzt zu emigen Kasusformen, die noch
der Aufklärung bedürfen.
1) Stolz Lat. Gr. 3 S. 309. 348 führt tum, quom auf *to-sme,
"quo-sme zurück.
2) Über ai. sanemi, das mit diesen Formen zusammengestellt
wird, vgl. Henry, Revue crit. 1891 p. 23.
N
S
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen.
Lokativ Singularis.
$ 12. Der Lok. Sing. der -o-Stämme lautete uridg.
auf -οὐ oder -οὐ aus. Auf die schleifende Betonung weist das
griechische οἴκοι "zu Hause’ gegenüber ᾿Ισθμοῖ, οἴκει, dor. πεῖ,
ὁπεῖ. Daneben führt Brugmann, Grr. II $ 265 S. 616 auch
Formen mit Akut an αἰεί, ἀμαχεί zu ἄμαχος. Das kann nicht
richtig sein. Auch das Litauische hat den schleifenden Ton
in dem Adverbium name “zu Hause’ noch erhalten, altlit.
häufiger gebraucht döee-p bei Gott’ (geschrieben diewiep)
τ 11 205. 8.617.
Die im modernen Litauischen geltende Endung -e z. B.
eilke kann mit dem idg. Suffix -er oder -οὐ nicht vereinigt
werden. Es kann altes -e oder -© vertreten.
Neben dieser idg. Bildung mit - stand bei den meisten
Stammklassen noch eine andre, endungslose, meistens mit Deh-
nung des Vokals, so von den -»-Stämmen auf -en und -en,
Avest. casman, aus *-en, gr. kret. inf. döunv und aind. mär-
dhän, uddn, kdrman, gr. auFf)ev “immer’ und die Infinitive
auf -uev wie δό-μεν, ἴδ- μεν, Eu-uev, die allerdings auch aus -en
im Satzzusammenhang verkürzt sein könnten. Die -i-Stämme
hatten -@i, daneben Schwund des -ἰ durch Sandhi, also -e.
e in aind. agnd, got. fiska aus *fiske, -ei in got. anstai aus
anstei, ad. ensti. Bei den «-Stämmen -eu, ai. saunad, got.
sunau, ahd. suniu, Grundform *suneu, vgl. Streitberg Comp.
25. Über alle diese Formen 5. Brugmamı Grr. II 8 257 ff.
S. 610 ff.
Haben wir es bei dieser Bildung, wie allgemein ange-
nommen wird, mit organischer Länge ohne jede Endung zu
thun, so konnte der Akzent im Uridg. nur der gestossene sein.
Und darauf weist das Litauische, dessen Verhältnisse, anschei-
nend verwickelt, das alte doch noch durchscheinen lassen.
Wir finden die lautgesetzliche Form uridg. auf -e in dem Ad-
verbium szale, “zur Seite’ aus *szalö zu nom. szalis ‘Seite’,
ferner in der Infinitivform auf -te: dekte, sukte, die ein idg.
-te, Lok. eines -ti-Stammes, repräsentieren kann.
Brugmann Grr. II ὃ 260 S. 613 meint, dass während
dieser Ausgang -t£ den Lok. uridg. -te vertreten könne, der
alte und jetzt noch in manchen Gegenden lebendige lit. Infini-
tivausgang -tö, z. B. dektö (trans. und intrans. “brennen’) auf
28 Herman Hirt,
uridg. -ei zurückgehen möge. Die Erhaltung des -ὃ weist in-
dessen auf schleifende Betonung. Wir können zwar nicht be-
stimmt behaupten, dass auch für die langen Diphthonge Les-
kiens Verkürzugsgesetz gilt, da uns das Material fehlt, aber
in den Silben mit langem Vokal + Nasal mussten wir es oben
annehmen, und zwischen diesen Silben und den übrigen lang-
diphthongischen lässt sich prinzipiell kein Unterschied errichten.
Auf Grundlage dieser unsicher gedeuteten litauischen Form
eine unerklärbare Ausnahme von den Gesetzen über gestossene
und schleifende Betonung anzunehmen, geht nicht an. Wir
finden aber thatsächlich auch die Formen mit Verkürzung auf
-j wie sükti, und wir führen daher dieses besser auf altes -e
oder -δὲ zurück.
Die Form auf -tö sieht genau so aus, wie die ursprüng-
liche Form der -o-Stämme auf -e2 oder -0?, während die Form
der -o-Stämme Jlautlich der der -z-Stämme entsprechen kann.
Dass ein solcher Umtausch, vermittelt wohl durch die -20o-Stämme,
stattgefunden haben kann, liegt im Bereich der Möglichkeit:
zeigen doch die -zo-Stämme sicher die Form der --Stämme.
Eine Möglichkeit, die Iitauische Form auf die --Stämme
zu beziehen, liegt allerdings vor. An die durch Sandhi ent-
standene Form auf -@ konnte das Lokativsuffix -2 wieder neu
angetreten sein wie aind. karmani neben karman, sunavi
neben sanau. Das musste schleifende Betonung ergeben.
Wurde -7% im Litauischen verkürzt zu -e2, so fiel diese Form
mit der der -o-Stämme zusammen. Daneben stand bei den --
Stämmen -2, und es war nur natürlich, dass diese Form auch
bei den -o-Stämmen gebraucht wurde, wo sie auf unaufge-
klärtem Weg die normale Form ganz verdrängte.
Diese Erklärung halte ich auch für einfacher als die
von Brugmann Grr. ὃ 424 8. 787 f. gegebene, obgleich sich
sonst nichts gegen dieselben einwenden lässt.
Die griechische Adverbialendung auf -ei (ἀμοχθεί, auayel,
αὐτοψεί, αὐτοματεί) müssen wir wegen ihres Akutes auf die
-7-Stämme beziehen. Das Erscheinen dieser Endung bei den
-o-Stämmen ist nicht wunderbarer als das Auftreten der En-
dung -ὦ bei andern als -o-Stämmen. Eine Reihe von Bei-
spielen aus andern Sprachen lassen eine solche Ausdehnung
einer Adverbialendung über ihr Ursprungsgebiet als ganz ge-
wöhnlich erscheinen. Jedenfalls ist daran festzuhalten, dass
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 29
auch hier von einer ursprünglichen beliebigen Doppelheit nicht
die Rede sein kann. -ei braucht, was kaum zu bemerken
nötig ist, nicht notwendig eine uridg. Form auf -ei fortzu-
setzen, sondern kann nach dem griechischen Verkürzungsgesetz
im Sandhi vor folgendem Konsonanten entstanden sein.
Wie die meisten Stammklassen, so haben höchst wahr-
scheinlich auch die -o-Stämme eine --lose Lokativbildung ge-
kannt; wie wir voraussetzen dürfen, mit Dehnung des Stamm-
vokals. Brugmann macht auf diese Thatsache Grr. II ὃ 424
S. 787 aufmerksam, indem er auf gewisse in Adverbien erhal-
tenen Reste hinweist, lit. fe “da’! sze her’; abulg. te “und’;
lat. gue, gr. τε, aind. ca “und‘, kann man noch hinzufügen.
Lit. te und sze können aus *te und sz& entstanden sein. Dieser
Locativ musste gestossenen Ton haben, da er nicht zusammen-
gesetzt war, und man darf deshalb nicht gr. τῆ, wie es Brug-
mann zweifelnd thut (Gr. Gramm. ? 8 201 5. 223 und 8 83),
damit vereinigen.
Die Existenz dieses Kasus lässt sich noch dureh einige
weitere Adverbialbildungen wahrscheinlich machen. Zunächst
möchte ich got. war “wo’, bar “da’, jainar “dort’, aljar “an-
derswo’ neben ahd. dar, unbetont der, ags. der, hw@r, hier-
herstellen. Wie Brugmann Grr. II 8 192 S. 529 im der Fuss-
note bemerkt, können diese Worte auf gemeinsame Grundformen
auf -er zurückgeführt werden. -er wird in unbetonter Silbe
got. zu -ar, ahd. zu -er, wie Streitberg (Germ. Comp. 8.22 ff.)
gesehen hat (got. fadar, ahd. fater). Im Got. sind die unbe-
tonten Formen verallgemeinert, var ist nach bar neu gebildet.
Diese Endung zerlegt sich offenbar in -e+r. Dieses r ist
eine angetretene Lokativpartikel, und -e ist der ursprüngliche
Lokativ der -o-Stämme. In einem andern Falle ist die Partikel
-r an den Lokativ eines -;-Stammes getreten, nämlich in got.
her..*he halte ich für identisch mit lat. h@ m hr-c, es geht
auf *khei oder *khei, ἃ. h. den Lokativ des Stammes *khi,
zurück; germ. €? ist trotz Holz, germanisches €? und Jellinek,
P. Br. Btr. XV 297 noch nicht aufgeklärt. Für sicher halte
ich, dass 2? aus der -“-Reihe herstammt, und es kann sich nur
fragen, ob es aus ei oder ei entstanden ist.
Diese Formen beweisen zwar nichts für den Akzent, das
thut aber eine andere Kategorie, die eng mit ihnen zusammen-
gehört, die griechischen Lokativadverbien auf -w, wie dvw,
90 Herman Hirt,
κάτω, ἔξω, ἔσω, εἴσω, πρόσω, πόῤῥω, ὀπίσω, ETTIOXEPW, EVIOXEPW.
Diese sind der Bedeutung nach sicher Lokative und die genaue
Entsprechung zu den germ. Formen auf -©-+r mit"dem be-
kannten Wechsel von -2 zu -Ö unter Einfluss des Akzentes.
Im Litauischen scheinen mir diese Lokative auf -ö, ver-
mehrt um -r, in gewissen Adverbien zu stecken: kör "wo,
wohm’, nekur "nirgend’, käaskur "wer weiss wo, irgendwo’,
kitur “anderswo’, vösur “überall, die wir unbedenklich auf
-ör zurückführen können. So schon Mahlow, 1). langen Vok.
115. Sollte dies richtig sein, so wäre damit der Beweis ge-
liefert, dass -r in der Sonderentwicklung des Litauischen nicht
abgefallen ist, wie dies Joh. Schmidt annimmt.
Ich halte nun die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen,
dass die litauischen Lokative der -o-Stämme auf -£ diese ur-
sprüngliche Bildungsweise noch repräsentieren). Sicher fand,
wenn diese Formen auch nur in wenigen Überresten in das
Litauische hineinkamen, ein Zusammenfall dieses Kasus bei
den -ο- und --Stämmen statt, und dies konnte der beste An-
lass werden zu der vollständigen Übertragung einer daneben
stehenden Endung auf die fremde Stammklasse.
Neben dem Lokativsuftix -2 stand im Idg. noch ein Suflix
-u, das zuerst Bartholomae BB. XV 23 nachgewiesen hat.
Im Lokativ Plur. sind uns beide Suffixe in lebendigen Bil-
dungen erhalten. - in gr. λύκοιςι, vielleicht auch in lat. Zupzs,
-u in ai. erkesu, abulg. vlocechz.
Auch im Singular liegt dies Suflixv -@ zunächst in ad-
verbialen Bildungen vor, vielleicht im Griech. in ποῦ “ubi’,
ὅπου, οὗ "ubi, αὐτοῦ daselbst’, ὑψοῦ oben’, τηλοῦ “fern’,
ἀγχοῦ nahe‘, ὁμοῦ zugleich’, οὐδαμοῦ nirgends’, auch hier
natürlich wieder mit schleifender Betonung. Allerdings ver-
mag ich nicht nachzuweisen, dass diese Adverbien echten
Diphthong hatten. Aber dass diese Formen so aufzufassen
sind, wird mir dureh die altbulg. Adverbia auf -« wahrschein-
lieh: erzcha@ “hinauf, oberhalb’, dola "himab’, vzna “hinaus,
posreda "in Mitten’, »yme-ca "jetzt’, ta "dort’, ona-de "exei’?).
1) Gegen die Ansicht Bezzenbergers, dass völke aus vilke ent-
standen sei (GGA. 1879 S. 921), hat sich Leskien, Ber. d. sächs.
Ges. ἃ. Wiss. 1854 S. 96 ff. gewendet. Ich kann seinen Ausführun-
gen nur beistimmen.
2) mezdü, das zu diesen Adverbien gestellt wird, ist von
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 31
Vielleicht ist der slavische Dativ der -o-Stämme auf -z die
Fortsetzung dieser Formation, da er lautlich weder aus -οἱ
noch aus ö erklärt werden kann. Die eigentümliche Syntax
des slavischen Dativs hat es Leskien schon seit langem wahr-
scheinlich gemacht, dass er eigentlich eine Lokativbildung sei.
Auch m den indischen Lokativen der -i-Stämme wie
agnau wird dieses Suffix angetreten sein, da andere Erklä-
rungsarten, wie wir unten sehen werden, unwahrscheinlieh sind.
Diese Bildung scheint mir nun zu beweisen, dass es un-
möglich ist, im Nom. Dual. der maskulinen -o-Stämme Antre-
ten der Partikel -« zu vermuten, wie dies Brugmann Grr. II
8 285 S. 641 thut. Wir hätten dann entschieden schleifende
Betonung zu erwarten. Meringers Annahme KZ. XXVII 233,
dass wir es hier mit Stammbildung zu thun haben, bietet die
einzig befriedigende Möglichkeit, die Form und den Akzent
zu erklären. Der Genitiv Dualis dieser Stämme auf -oxs oder
-eus (aind. -οϑ abulg. -«) ist der regelrechte Genitiv eines -u-
Stammes, und er ist daher vermutlich mit schleifender Beto-
nung anzusetzen.
Nominativ Pluralis der geschlechtigen Pronomina
der -o-Stämme. Nom. Dual. Fem. Neutr.
8. 15. Der Nom. Plur. Mask. der geschlechtigen Prono-
mina lautete im Uridg. auf -oö mit gestossenem Akzent, wie
&r. 101, oi beweist; ai. te, lat. istz, hr, qur, abulg. ti. Im
Litauischen hat ἐδ dagegen schleifende Betonung. Diese pro-
nommale Endung wird in verschiedenen Sprachzweigen auf
die Adjektive und Substantive übertragen. Gr. καλοί, θεοί
weisen denselben gestossenen Ton auf. Das Litauische hat
sicher die pronominale Endung auf die Adjektiva übertragen,
und diese haben in Übereinstimmung mit dem Griechischen
gestossenen Ton, ger. Dies macht es gewiss, dass ἐδ sekun-
där ist, dass es auf irgend welchem Wege erst im Sonder-
leben des Litauischen den Akzent gewechselt hat.
Die uridg. Form führt Joh. Schmidt (KZ. XXV 6) auf
to+i zurück. Wäre dies richtig, so müssten wir schleifende
Betonung finden, wie im Lok. Sing. gr. ποῖ aus mo-ı.
Leskien in Brugmanns Grr. II S. 656 als Lok. Dual. gedeutet. Ebenso
von Wiedemann Arch. f. slav. Phil.
92 HermancHitt,
Gegen Schmidts Deutung spricht von vornherein der
Umstand, dass dieses -2 sich auch in andern Pluralkasus vor
der Endung findet, so Gen. Plur. aind. tesam, preuss. s-teison,
abulg. techv. Man müsste annehmen und hat angenommen,
dass hier das -2 später vom Nom. eingeführt sei.
Die Entstehung der Flexion fällt vor die Zeit der Spra-
chentrennung, und wir haben nur die Möglichkeit unsichre
Vermutungen aufzustellen. Und ich wage daher auch nur mit
der grössten Reserve mich über unsern Ausgang -o? zu äus-
sern. Sind unsre bisherigen Ausführungen richtig, wird nicht
noch der Grund gezeigt, weshalb im Lok. Sing. o+i zu οὗ
wurde, im Nom. Plur. aber zu οὐ, so bleibt nichts übrig als
anzunehmen, dass wir es hier ebenfalls mit Stammbildung zu
thun haben: der Nom. Plur. gehörte eigentlich einem --Stamm
an. Bekamntlich stehen neben den pronominalen -o- auch -z-
Stämme, so ki neben ko, gi neben go (Brugmann Grr. II $ 409,
411). Der Stamm auf -2 fiel im einigen Formen mit dem
Stamm auf -/0o zusammen. Infolge dessen bildete sich schon
im Idg. ein Mischparadigma, im dem Kasus von dem -i- und
dem -o-Stamm zusammenstanden, toi gehört also ideell zu
einem Stamm #-, womit natürlich nicht bewiesen ist, dass
gerade dieser Stamm fi je existirt hat. Mit dieser selben An-
nahme hat Joh. Schmidt (ΚΖ. XXVII 386) aind. tdya erklärt,
das die Form eines --Stammes ist. Das ursprüngliche liegt
vor in ay-d, zum Stamme -i. te-na ist erst vom --Stamm
ena aus entstanden.
jrugmann lehnt diese Annahme Grr. II ὃ 422 S. 783
Anm. zwar ab. Seiner Eimwendung, dass man das -ὁ des Sin-
eular nieht von dem des Plurals trennen dürfe, können wir
natürlich nur beistimmen. Diese Trennung erweisen die That-
sachen aber als falsch. Damit fällt Joh. Schmidts Erklärung
des -3 als Pluralzeichen, wir müssen vielmehr seine Erklärung
des singularischen -2 auch auf den Plural ausdehnen.
Der Pronominalendung dürfen wir also auch von dieser
Seite her gestossenen Ton zuweisen.
$ 14. Im Litauischen ist die Pronominalendung sicher
auf die Adjektiva übertragen. Welchen Ursprunges ist dagegen
das in der Substantivflexion im Nom. Plur. auftretende -αὖ,
krasztai, bütai, kotar, tiltai.
Die nächstliegende Annahme ist auch hier, dass es von
GL
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 33
der Pronominalflexion übertragen ist, also altes -o2 repräsen-
tiert. Der schleifende Ton steht damit allerdings im Wider-
spruch, doch lässt sich diese Schwierigkeit mit der Annahme
beseitigen, dass der schleifende Ton von der ursprünglich
vorhandenen und verdrängten Form auf -ös, welche schlei-
fende Betonung hatte (vgl. oben), übertragen ist, dass also
eine Kompromissbildung vorliegt. Es handelt sich daher viel-
mehr um die Frage: Kann uridg. auslautendes -οὐ im Litaui-
schen dureh -aö vertreten sein? Joh. Schmidt und Mahlow
leugnen dies und leiten vilka? aus dem Neutrum her. Da-
gegen bemerkt Brugmann, Morph. Unters. V 57, Fussmote:
„Gegen Mahlows und Schmidts Herleitung der Endung -αὐ in
Lit. vartai, vilkai aus dem Neutrum habe ich mich schon
früher ablehnend verhalten und muss sie so lange als in der
Luft schwebend betrachten, bis nieht die doppelte Vertretung
des idg.-oi durch ai und & im Litauischen (z. B. snaögata und
snegas) aufs reine gebracht ist.“
Wir müssen daher diese Frage zunächst erörtern. Ge-
lingt es einen plausiblen Grund für diese Doppelheit zu finden,
so wird man die Schmidt-Mahlow’sche Annahme auf sich be-
ruhen lassen dürfen. Wie uridg. -oö eine doppelte Vertretung
im Litauischen zu haben scheint, so steht es auch mit -ei, das
bald als τοῦ, bald als -ὃ auftritt. Beide Fragen scheinen
mir in engstem Zusammenhang zu stehen und dürfen daher
nieht von einander getrennt werden.
Brugmann sagt Grr. 1868 8.61: „Für tautosyllabisches
idg. ei erscheint im Litauischen οὐ und ὅ. Die Bedingungen,
unter denen im Litauischen ei einmal blieb (οὐ), das andere
mal zu ö wurde, sind unermittelt (vgl. Mahlow, d.1. V.S. 143 f.)
und Osthoff, Morph. Unters. IV 112). Die Annahme liegt nahe,
dass nur das geschliffen betonte οὐ z. B. in eöti “gehen laut-
gesetzlich zu & wurde, und zwar dann, wenn die folgende Kon-
sonanz nieht palatales, durch einen ὁ- oder ö-Vokal der nach-
folgenden Silbe bewirktes Timbre hatte (vgl. die Doppelheit ὁ
und ia im Irischen); daher devas neben deivys, deive, eimi
neben ἐδὼ. Supin. οὐέι statt *öta wäre Analogiebildung nach
eiti; einü, eina “ich gehe, er geht’ (statt *enü, *ena) mit ei,
weil erst nach dem Erlöschen der Wirksamkeit des Umwandlungs-
gesetzes gebildet u.s.w. Schwierigkeiten machen freilich die
Verba wie löziu, lesti ‘lecken’ aksl. liza (aus l2z-ia) neben
Indogermanische Forschungen I ı u. 2. 3
9) Herman Hirt,
solchen wie geidziü, geisti.... Denn dass die wenigen Formen
wie Supinum Zösztu u.s.w. dem ganzen Verbum ὃ statt ei
zugeführt hätten, leuchtet nieht ein. Vgl. den Wechsel ai: ὃ."
Über diesen heisst es 8 84 8. S1f. „Idg. tautosyllabisches -oö
erscheint im Litauischen als ὃ und ai... . Nach welchem
Gesetze im Litauischen & und αὐ wechseln, ist unermittelt.
Ich vermute, dass αὐ ursprünglich lautgesetzlich nur blieb,
wenn die folgende Konsonanz ein palatales Timbre hatte, das
durch einen e- oder i-Vokal der nachfolgenden Silbe bewirkt
war; bei nieht palatalem Timbre wurde αὐ zu ae, dann offenem e,
hieraus -&. Vgl. z. B. kaimymas gegen kömas, pdsaitis m.
“ein verbindender Riemen’ gegen setas Strick’ und die zahl-
reichen Verba auf -yti wie Zaikyti (laikaü, taikiau, laikysiu).
Hiernach wäre kaömas (Nebenform von kömas) Analogiebildung
nach kaimpmnas, taikaut eine solehe nach /aikiaü ete., bei No-
mina wie atlaikas “Überbleibsel’, marnas “Tausch” käme das
Danebenstehen von Verba auf -yti und dgl. in Betracht. Den
Übergang in ö scheint nur das geschliffene αὐ (a2) erfahren
zu haben, während di (däiktas “Ding’ paldidas, “lose locker ἢ
auch vor Konsonanten mit dunkelm Timbre blieb.
Eine andere Ansicht hat Mahlow 1). lang. Vok. 143 auf-
gestellt: „Idg. οὐ ist im Baltischen stets durch οὐ vertreten, οἱ
und αὐ als ὃ."
ich, sehe,„nicht. =
Dagegen sagt Osthoff, Morphol. Unters. IV 112: „Mahlow
stützt sich auf unvollständiges Material und beurteilt selbst das
wenige, was er heranzieht, in äusserst problematischer Weise.
Ich hoffe in Bälde zeigen zu können, nach welchem Gesetze
lit. & und eö abwechseln in der Vertretung von idg. ei.“ Mir
ist nicht bekannt, dass Osthoff seine Ansicht schon veröffent-
licht hat. Hoffentlich thut er es bald, und man wird dann
sehen, welchen Weg er einschlägt.
Uber den Wechsel διαὶ äussert er sieh, soviel
Mahlows Ansicht kann wohl kaum aufrecht erhalten wer-
den. Man kann jetzt bei Leskien, Der Ablaut der Wurzelsilben
im Litauischen (Abh. d. sächs. Ges. d. Wissensch. Bd. IX),
ein reiches Material überblieken, und bei dessen Durehsicht
ergibt sich das Unmögliche der Mahlow’'schen Hypothese.
Neuerdings wendet sieh ©. Wiedemann in seinem Buch
“Das litauische Präteritum’ S. 14 ausführlich gegen Mahlow
und zeigt m. E. an ganz sichern Beispielen, dass οὐ und ὃ die
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 35
Vertreter von idg. ei sind. οὐ findet sich m eimi “gehe’ gr.
εἶμι, deive “Gespenst’, alat. deivos, ai. devds, veidas ἢ Antlitz
abulg. vid» ‘Aussehen’, gr. Feidoc, lett. steidzu-s “eile’, gr.
creixw, got. steiga, geidziu “begehre’, abulg. zöda warte’. & in
devas ‘Gott’, alat. deivos, löziü “lecke’, abulg. ἐξα, gr. λείχω
“lecke’, snega “es schneit’, gr. veipei, dena Tag’ pr. deinan,
got. sinteins "täglich.
Dagegen leugnet Wiedemann, dass uridg. οὐ durch & ver-
treten werde, abgesehen von Flexionssilben; wie mir scheint,
durchaus mit Unrecht. δ᾽ erscheimt in snögas "Sehnee’ abge.
snegs, got. snaivs, pemu “Hirtenknabe’, gr. ποιμήν, atlekas
(daneben atlaikas) “Rest, — abulg. otzlek» “Überbleibsel’,
gr. λοιπός “übrig’”. Er hält diese 3 Worte für Lehnworte aus
dem Slavischen. Das geht meines Erachtens entschieden zu
weit. Neben snegas findet sich it. snaögala, neben ätlökas —
ätlaikas. Wie soll es denn kommen, dass diese Worte, die
durchaus emheimisch waren, noch emmal entlehnt sind? Ausser-
dem scheidet Wiedemann unberechtigter Weise v-Enas aus,
und stellt auf Grund dieses Beispiels das Lautgesetz auf, dass
οἱ im Anlaut zu ὃ wird. vilkar setzt er ebenfalls bei Seite.
Wenn man so verfährt, erscheint es allerdings möglich, alle
widersprechenden Fälle zu eliminieren. Aber warum scheut
sich denn Wiedemann hier die unbekannte Ursache, die Difte-
renz bewirken zu lassen, die er bei οὐ voraussetzt? Die beiden
Fälle sind nicht von einander zu trennen.
Zur Erklärung dieser Fälle haben wir es also nur mit
Brugmanns Ansicht zu thun. Die Bedenken, die gegen seine
Auffassung sprechen, hat er selbst hervorgehoben. Es sind die
Verben leziu, löszti neben solchen wie geidziu, gersti. Und
dieser Fall wiegt allerdings schwer, denn bei jenen sind nur
wenige Formen vorhanden, die lautgesetzlich waren, und trotz-
dem sind diese Verben etwas zahlreicher als die mit οὐ. Hier
hätte also eine sehr auffallende Ausgleichung stattgefunden.
Merkwürdig ist aber, dass bei einer andern Klasse von Ver-
ben, denen auf -jti, der Wurzelvokal konstant αὐ ist, obwohl
hier mehr Formen vorhanden waren, in denen dies lautgesetz-
lich nicht der Fall war, als bei der vorigen Klasse. Statt
Taikau u.s. w. müssten wir *lökau erwarten. Und wenn auch
der Wechsel innerhalb desselben Verbalstammes ausgeglichen
wäre, so dürften wir doch die Ausgleichung nicht einseitig
90 Herman Hirt,
vollzogen finden, sondern auch von der andern Möglichkeit
der Ausgleichung Reste antreffen.
Zweitens erklärt aber diese Regel den Nom. Plur. der
-o-Stämme nicht. Da wir im absoluten Auslaut ὃ und αὐ fin-
dien, müssten wir schon den Sandhi zu Hilfe nehmen, wie
3rugmann thut (Morph. Untersuch. V 57), und das bleibt
immerhin bedenklich.
Aus diesen Gründen überzeugt mich Brugmanns Annahme
nicht recht, und auch von andrer Seite ist sie bis jetzt, soweit
ich sehe, nirgends gebilligt.
; Halten wir uns zunächst, um den Grund des Wechsels
zu erkennen, an die beiden Hauptklassen von Verben, die oben
erwähnt wurden. Bei der einen wechselt & und ei, bei der
andern ist αὐ konstant. Daraus darf man schliessen, dass die
beiden Klassen irgend einen Unterschied haben müssen, bei
der einen muss ein Faktor vorhanden sein, der bei der andern
fehlt. Und diesen Faktor dürfen wir als die wahrschemliche
Ursache in Anspruch nehmen.
Die nachfolgende Silbe kann es nicht sein, wohl aber
ist die Akzentuation der beiden Klassen verschieden. Bei den
Verben ö—ei steht der Akzent bald auf der Stammsilbe, bald
nicht, die Verba auf -yti nehmen ihn zwar in einigen Fällen
auf die Stammsilbe, gewöhnlich aber nicht.
Den Unterschied veranschaulicht das A-verbo beider
Klassen. Es heisst
drökiü, drekiau, dreksiu, drekti “ Halme streuen‘,
zebiü, zebiaü, Zepsiu, Zepti “anzünden ,
leziu, löziau, lesziu, leszti “lecken,
Ebenso mit ei
geidziu, geidziau, geisiu, geisti begehren ’',
keisziü, keisziaü, kersiu, keisti, "wechseln’ u. s. w.
Dagegen
baidaa, baidziaü, baidyjsiu, baidyti “scheuchen’,
braidaa, braidziau, braidyjsiu, braidyjti “umherwaten',
skaitan, skaicziau, skaitysiu, skaityjti zählen‘, u. s. w.
vgl. die Beispiele bei Kurschat, lit. Gramm. 335 ff.
Im Präsens und Aorist herrscht in der Betonung beider
Klassen allerdings kein Unterschied, sie tragen beide in der
ersten und zweiten Ind. Praes. und Aor. Sing. den Akzent auf
der Endung, von der dritten Person Sing. ab auf der Stamm-
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 37
silbe (vgl. Kurschat, lit. Gramm. 308 ff.). Aber darauf kann
man nichts geben, denn es existieren im Litauischen für diese
Konjugationsklassen nur zwei Akzentschemen, die sich nach dem
gestossenen und schleifenden Ton der Stammsilbe verteilen.
Hier also kann recht wohl eine Ausgleichung und Uniformierung
stattgefunden haben. Dagegen trägt im Futurum und Infinitiv
die erste Klasse den Akzent stets auf der Stammsilbe, die
zweite nie.
Daraufhin dürfen wir, denke ich, die Vermutung wagen,
dass der Akzent wirklich die Ursache der doppelten Behand-
lung gewesen ist, und können folgende Regel aufstellen: uridg.
ei und oi (ai) werden im Litauischen unter dem Hauptton zu
ö, unbetont bleiben sie ei und ai.
Ist diese Regel richtig, so mussten bei dem regen Akzent-
wechsel in der litauischen Flexion notwendig in demselben
Paradigma Formen mit verschiedenen Vokalen neben einander
entstehen. Natürlich wurde solche Doppelheit ausgeglichen,
indem bald die eine, bald die andre Vokalstufe verallgemeinert
wurde. Zunächst entstanden Doppelformen, von denen einige
in den Dialekten erhalten sind. In dem Paradigma selbst fin-
den wir im Litauischen keinen Wechsel mehr, wie das auch
zu erwarten ist.
Lautgesetzlich ist also devas und deivyjs, deive, eimü,
eimi, geidziüu und leszti, kömas-kaimynas, pdsaitis-sötas,
laikyjti u. s. w., ätlaikas “Überbleibsel’ u. s. w.
Die von Brugmann gegebenen Beispiele sind also fast
alle dadurch ebenso gut erklärt, und wir kommen über die
Hauptschwierigkeiten der beiden Verbalklassen leicht hinweg.
Wie und durch welchen Einfluss im einzelnen die Aus-
gleichungen vor sich gegangen sind, warum gerade diese Form
verallgemeinert ist, nicht jene, lässt sich nieht sagen. Aber
das ist überhaupt bei derartigen Ausgleichungen heute meist
noch unmöglich zu erkennen.
An der Hand der Kurschatschen Grammatik gehe ich
einzelne Klassen genauer durch, um das Gesagte noch besser
zu veranschaulichen.
1) -o-Stämme. Hier wechselt der Akzent in einer An-
zahl von Worten. Die Klasse dövas hat den Akzent nur im
Nom. Gen. Dat. Akk. Sing. auf der Stammsilbe. Daher wech-
selt & und αὐ in den hierhergehörigen Worten. megas “Schlaf”,
98 Herman Hirt,
plönas "Stahl’, snögas Schnee’, senas Heu’, dewas “Gott”
sind mit ihrem & nicht durchweg lautgesetzlich, ebenso wenig
wie mainas Tausch’, sarkas "Mass ’, vardas Zwist', varkas
“Knabe, vairas “grosses Ruder’, vazskas “Heer, Zarbas Blitz’.
Das ursprüngliche Paradigma wäre z. B. folgendes ge-
wesen:
N. snegas und Fmenas
G. snögo "meno
D. snegui "menui
A. snega "mena
V. Fsnaige maine
l. Fsnaigü mainü
L. *snaige maine.
Eine Bemerkung verdient nur noch das Plurale-tantum
nezar “Krätze’, da der Plural den Akzent nicht auf dem -€
trägt. Dies wird durch das Verbum neszti “jucken’ beein-
flusst sein. Im ganzen haben wir also 5 Fälle mit ὅ, 7 mit ai.
Das steht im Einklang damit, dass die Mehrzahl der Kasus
die Endung betont. Anders steht es bei den Fällen, die nach
pönas gehen. Diese betonen nur im Vok. Instr., Lok. Sing.
und Akk. Plur. die Endung. Die Ausgleichung musste daher
zu Gunsten des -ὅ geschehen.
Kurschat führt S. 153 f. an: löptas "Steg', nekas nichts’,
skötas Leinweberkamm’ und nur smaöstas “Aufruhr” mit αὐ.
Brugmann hat ferner die Vermutung aufgestellt, dass nur
geschleifte οὐ und ai die Verwandlung in € erfahren. Dies
wird durch die Flexionsendungen und durch vönas (gr. olvöc),
das gestossenen Ton hat, widerlegt.
Wir finden dem entsprechend den Wechsel auch bei den
Worten mit gestossenem Ton.
däiktas “Ding, dögas Keim‘,
ldidas Bürge', slökas Regenwurm',
ldivas Boot‘, szöktas “ein im Wasser liegender
reidas " Angesicht, Baumstamm’.
zdislas “Spielzeug,
Die Verschiedenheit erklärt sich durch den Wechsel des
Akzentes in der Flexion, wenn gleich die Verhältnisse nicht
ganz so günstig liegen als bei den oben angeführten Fällen.
Der vierte Fall, Schema ohne Akzentwechsel, hat nur ὅ.
Kurschat 154 8 544.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 539
rötas Oberschenkel’, seöstas “Butter’, penas Milch’.
2) -io-Stämme.
K. $ 566. Ausgleichung nach beiden Seiten. kaörys
“Linkhand’, gaidys ‘Hahn’, keötys "Weizenkorm', mözgys Ger-
stenkorn.
K. 8 567. kraitis “Brautausstattung’, perlis “Messer ’,
raisztis “(Kopf-)Binde’ neben raiszad, -yti. staibis "Schien-
bein’.
Die Ausgleichungen können hier kaum allem durch die
Flexion bewirkt sein.
K. $ 569. brödis “Elentier’, kecziai “Beifuss’, seksnis
“Klafter.. Diese drei haben gestossenen Ton und unveränder-
lichen Akzent. Nur kailis “Fell ist eine Ausnahme.
Es ist mir nicht wahrscheinlich, dass hier eine unerklär-
bare Abweichung vorliegt, weil das Fehlen des Wechsels des
Akzentes, wie es im Litauischen bei den Worten mit gestos-
sener Stammsilbe vorhanden, kaum ursprünglich ist. Die
meisten Worte, die wir in solchen Klassen finden, zeigen in
den verwandten Sprachen nicht Wurzelbetonung, so venas,
gr. οἶνός, dımas “Rauch’, gr. θυμός, aind. dhumds, jesta,
“Gürtel’, gr. Zwern, yyeas, aind. jeeds, ddra, aind. udra.
So gering die Zahl der angeführten Fälle ist, können sie
m. E. doch nieht auf Zufall beruhen, zeigen vielmehr, dass im
Litauischen eine Akzentverschiebung bei den Worten mit ge-
stossenem Vokal in der Stammsilbe stattgefunden hat. Klar
hierin zu sehen, verbietet die Dürftigkeit des Materials.
Meine Vermutung ist, dass die Worte mit gestossener
Stammsilbe ursprünglich im grossen und ganzen denselben
Akzentwechsel hatten wie die mit schleifendem Ton, dass also
das Paradigma mit starrem Akzent ganz aus dem Litauischen
gestrichen werden kann.
9) -a-Deklination. Akzentwechsel und daher Verschieden-
heit: ὑδαὰ Not’, dena Tag’, gedra “Dürre’, löpsnda Flamme‘,
skedra ‘Span’, szeösa ‘Licht’, tesa “Wahrheit’, zemäa “Win-
ter. Dagegen daina “Volksgesang', kaitra Hitze’, maitä
“Aas’, szeiwa “Rohrspülchen’.
Diese Fälle scheinen eher für Brugmann zu sprechen.
Aber da nirgends ein palataler Vokal in der Endung vorkomnit,
so würden doch die Fälle mit αὐ und οὐ Schwierigkeiten machen.
Von wo sollte z. B. daind beeinflusst sein?
40 Herman Hirt,
K. 81618: ve 20%
K. 5 619. Gestossener Ton, unveränderlicher Akzent.
weist mit seinem ai auf früheren Akzentwechsel.
4) --Deklination. Akzentwechsel.
K. $ 654. dele "Egel’, gesme Lied’, meles “Hefen’,
röke “Brodsehnitte’, veszne “ἃ. weibl. Gast‘. Dagegen deive
“Gespenst, eilE “Reihe‘, veisle “Zuchtart', Zeaigzde "Stern.
K. 8 636. skreöste "Mantel‘.
K. $ 058. Daime Frucht‘, Kele "Bachstelze’, pdine
“Verwiekelung’, pleine “treie Ebene, seile "Speichel.
Diese Klasse weist stark auf früheren Akzentwechsel.
Ich will das Material nieht weiter häufen, da es jeder an der
Hand der Kurschat'schen Grammatik leicht durchsehen kann.
Überall, auch beim Adjektivum und beim Verbum, lässt sich
unser Gesetz leieht durchführen.
Und ich meine, es gilt auch für τὸ Endsilben.
1) Endung des Gen. Sing. der --Stämme auf -ös. In
der Mehrzahl der Fälle ist & betont. Diese Form wurde ver-
allgemeinert. Dasselbe gilt für den Vokativ nakte, szirde.
2) Dat. Sing. der -@-Stämme mergai, lepai, gr. χώρᾷ.
Ob die Erhaltung des -aö von der Länge des Diphthongen
oder der Unbetontheit (ai trägt nie den Akzent) bewirkt wurde,
ist nicht sicher zu entscheiden, denn -azs im Instr. Plur. könnte
doch auch in Fällen wie fltais erhalten und von dort aus
übertragen sein.
3) Nom. Plur. der -o-Stämme dörwar. ai wird in Fällen wie
bütai erhalten und dann weiter übertragen sein. Ob in krasztar
und Δ οὐαὶ ai von jeher den Ton trug, ist nieht so ganz sicher.
Wir finden bekanntlich in diesem Kasus kein ei neben οὐ, und
wie wir weiter unten sehen werden, weist das abulg. -2 in
diesem Kasus ebenfalls auf Unbetontheit. Die Adjektiva tra-
gen dagegen den Ton auf der Endung und zeigen daher -,
geri, balti, dagegen mediniar.
4) Ebenso trägt der Nom. Dual. Fem. der Adjektiva den
Ton meist auf der Endung geri, medini und nur minksti.
5) Die 2. Sing. Praes. auf -7 geht auf -eö oder -οαὐ zu-
rück, es ist meist betont: suld, wert, pen. myli mit ge-
stossenem Ton ist aus dem oben erörterten Grund nicht be-
weiskräftig.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 41
6) Im Permissiv II te-suke, wahrscheinlich = gr. οἱ in
φέροι, ist & stets betont.
Gegen unser Gesetz würde es sprechen, wenn die Hit.
Dat. Akk. der Personalpronomina mi, ti, si, die Atona sind,
gleich gr. μοί, τοί, οἱ wären. Doch will mir das nicht unbe-
dingt sicher erscheinen, weil diese Formen auch als Akkusa-
tive Verwendung finden.
Damit ist das Material im wesentlichen erschöpft. Wie
wir sehen, bietet sich also eine Möglichkeit das -aö des Nom.
Plur. dem griech. -oı gleichzusetzen, und wir haben daher
keine Veranlassung, zu der künstlichen Hypothese Joh. Schmidts
unsre Zuflucht zu nehmen. Nur für die Adverbialbildung χολῇ
zu geras, szaltai zu szdltas ist, wie mir scheint, die Entstehung
aus -@+i nicht unbedingt von der Hand zu weisen.
Ebenso wie der Nom. Plur. der Pronomina hatte auch
der Nom. Dual. der Fem. gestossenen Ton geri im lit. — gr.
τιμαί. Die Substantivform ist hier schon in uridg. Zeit vom
Pronomen übertragen. Der Vorgang, den wir beim Nom. Plur.
Mask. der einzelsprachlichen Entwicklung zuschreiben müssen,
hat sich beim Nom. Dual. Fem. schon in der Ursprache voll-
zogen nach dem Gesetz, dass je weniger eine Form gebraucht
wird, sie auch um so eher der Analogiewirkung ausgesetzt ist.
Uridg. *tai müssen wir wegen Gen. Dual. tay-os, Dat. Sing.
tay-a genau wie *toi beurteilen. Vielleicht ist *to2 als Grund-
form anzusetzen als Ablaut zu *tai. Instr. Dual. ta-bhyam
kann ein altes *tai-bhy-am repräsentieren u. 5. w. Für das
Neutrum (Grundform -oi, -ei) ist Ablaut zu -© sehr wahrschein-
lich, vgl. Fei-karı und Fi-karı. -oi, -ei, -i verhalten sich wie
Gen. sing. -0s, -es, -s. Wahrscheinlich wurde die Form auf
-oi bei den -o-Stämmen auf Grund der äussern Ähnlichkeit
verwendet.
Einiger weniger Bemerkungen bedarf noch das Litanische.
Zweifellos haben viele einsilbige Worte den schleifenden Ton
an Stelle des gestossenen. So Akk. Sing. M. ta, szt, Fem. ta,
N. Plur. ἐδ, N. Dual. tadu, tödvi. Aber durchgehend ist dies
nicht: Der Instrumental Fem. heisst ta (*tam), N. Sing. Fem.
szı aus *sz2. Ich verweise in Betreff dieses Punktes auf Bezzen-
berger in seinen Beiträgen X 203 f. Wir haben es hier jeden-
42 Herman Hirt, Vom schleifenden und gestossenen Ton οἷο.
falls mit Satzdoubletten zu thun, ohne dass es möglich ist,
klar die Ursachen der Doppelheit zu erkennen. Die Erörterung
dieses Punktes gehört aber der litauischen Grammatik an und
hat mit dem uridg. Zirkumflex und seiner Entstehung nichts
zu schaffen.
Wenn im Akk. Sing. der -o-, -i-, -u- und -@-Stämme lange
Vokale neben kurzen stehen, so kann dies nur einer Einwirkung
von Seiten des Pronomens zugeschrieben werden, also merga
nach ta, dewa nach ta.
Es findet sich ausserdem noch eine scheinbare Überein-
stimmung zwischen Aind. und Litauisch. Oldenberg sagt: „Nicht
unwahrscheinlich ist zweisilbiges -@ in mahän V125, 1; VII
52,3, möglich auch in havisman 1127, 105 und das Litauische
hat schleifenden Ton im vezas. Wenn die indischen Fälle sicher
sind, was keineswegs ausgemacht ist, so ist doch kaum direkter
Zusammenhang mit dem Litauischen anzunehmen. Wie der
schleifende Ton im Litauischen entstanden ist, vermag ich nicht
zu sagen.
Eine Art des uridg. schleifenden Akzentes habe ich bis
hierher absichtlich übergangen, es ist der im Vokativ, gr.
Ζεῦ, βασιλεῦ, lit. ugne, sunaä auftretende. Dazu hat Bezzen-
berger (Btr. NV 296 ff.) noch auf die Übereinstimmung der
ved. Vokative auf -@ mit lett. z2nigö und dem Circumflex von
gr. ὦ hingewiesen. Über den Ursprung dieses schleifenden
Tones lässt sich nichts sicheres sagen. Er muss jedenfalls
von den übrigen Arten getrennt werden, und hat mit deren
Entstehungsweise nichts zu schaffen. Kretschmer, KZ.XAXI
S. 356 kommt auf diesen Kasus ausführlich zu sprechen, und
seine Bemerkung, dass im Vokativ der Zirkumflex durch die
eigentümliche Natur des Ausrufes veranlasst worden sei, Kann
man wohl als möglich gelten lassen, wenn auch sicher noch
andre Erklärungsarten in Betracht kommen. Aber es ist un-
nütz, für diesen einen Fall Hypothesen auszusprechen, die
nicht verifiziert werden Können.
Magdeburg. Herman Hirt.
Zur keltischen Grammatik.
I. Neuir. cdig fünf’ — caoga fünfzig’ und
Verwandtes.
Die neuir. Zahlen für “fünf” und “fünfzig”, cdig und caoga
(O’Donovan Ir. Gramm. p. 123 und 125), zeigen eine seltsame
Verschiedenheit im Vokalismus, indem das di von cdig “fünf”
einen einfachen Vokal mit Erweichung des nachfolgenden
Konsonanten andeutet, das ao von coaga “fünfzig” dagegen
nur die Fortsetzung eines echten uririschen Diphthongs sein
kann, der im air. als ae, ai, oe oder οὐ (gewöhnlich mit dem
Längezeichen) geschrieben wird und in den das alte idg. ai
und οὐ zusammengeronnen sind, während die brittannischen
Sprachen diese Diphthonge stets von emander gesondert er-
halten haben. So neuir. aos aus air. des Lebensalter’ (Stamm
aivestu-) Curtius Grdz.? 385, eymr. οὐδ, oes; neuir. caomh <
air. coem schön’ (Grdf. * koömos), eymr. cu, mbret. cuff. Dass
der echte Diphthong in neuir. caoga nicht erst von gestern
oder heute ist, beweisen die in Windischs Wörterbuche im Fülle
belegten mittelirischen Schreibungen mit oe, oe, ae, ai (einige
auch schon bei Z.? 306), während das Wort für “fünf” niemals
anders als mit δὲ, ai, erscheint; dass er aber etwa erst eine
mittelirische Schöpfung sein könne, ist bei dem Fehlen jedes
Musters von vornherein ausgeschlossen. Der Diphthong muss
also bereits im air. bestanden haben. Woher stammt er nun?
So viel ich sehe, ist bisher noch keine befriedigende Antwort
auf diese Frage gegeben worden. Windisch, Ir. Gramm. $ 64
spricht von ir. £, das durch erst sekundäre Zusammenrückung
zweier dentaler Explosivlaute entstanden ist, und fährt fort:
Ebenso steht cöica “fünfzig” für cööcecha. Diese Anschauung
ist anscheinend vollständig berechtigt, erklärt aber den Voka-
lismus nicht. Brugmann, Grundr. II S. 499 sagt: “coica viel-
leicht durch syllabische Dissimilation (vgl. gall. Lexucamulus
aus *Leuco-camulo-)". Aber auch hier wird über die Her-
kunft des Diphthongs nichts bemerkt.
Von indogerm. Adel kann er auch nicht sein, das ist
klar; denn die Grdf. für “fünf, *penge hat mit der ei-Reihe
nichts zu schaffen. Also muss er auf speziell keltischem Sprach-
44 Richard Schmidt,
boden sich entwickelt haben. Ich möchte coeca in dieselbe
Rubrik stellen wie irische Futurformen, z. B. dofoichred neben
fochichred "iacularetur , oder Perfektformen, z. B. forroichan
neben forcechan. Thurneysen hat Rev. Celt. VI 323 f., den
Standpunkt Windischs verteidigend, gegen Zimmer, Kelt. Stud.
II 126 den Nachweis geführt, dass in diesen Formen echte
Diphthonge vorliegen, indem dureh eine eigentümliche Dissimi-
lation der Reduplikationskonsonant ausgefallen sei. Unter
welchen Bedingungen findet nun dieser Vorgang statt? Sicher
und regelmässig in dem Falle, dass auf das hochbetonte,
nicht in vorletzter Silbe befindliche o eines Wortes
ein Konsonant-+ e oder ὁ + derselbe Konsonant folgt.
Diese Bedingungen sind erfüllt in einem Falle wie *do-fo-chi-
chred, *for-rö-che-chan, nicht minder aber auch bei *com-
im-chloud “Wechsel, woraus cöimmchlöud!) Sg. 62? 4, oder
®com-im-thecht, woraus cöimthecht "societas’ Sg. 98 ἢ entsteht.
1) Dieses Wort tritt im Mittel- und Neuirischen unter sehr
sonderbaren Gestalten auf. Thurneysen hat schon a. a. Ὁ. S. 324
Note 1 auf die auffällige Thatsache hingewiesen, dass als Fortsetzung
des alten mm in den jüngeren Sprachphasen mA erscheint (spät
mir. caomhehlüud). Ausserdem finden sich aber — worauf mich Prof.
Windisch aufmerksam machte — im Mir. eigentümliche Formen, in
denen das /! der zweiten Silbe auch in die erste eingedrungen ist;
so ro cloimelorset schon im L. Hymn. (Goid. ? S. 101, lin. 50) neben
ro chöimchlöiset (lin. 37), elaemchlöd Tog. Troi. 1058, celoemcehlöd 837.
In ganz entsprechender Weise steht dem air. ind imthascarthithr
91]. zu palestritae (im Cod. Carlisr. der Soliquia des Augustinus, bei
Windisch Ir. T. ΓΕῚ S. 156-el. 91; S. 163) im mir. und neuir. ’ein
Verbum frasgairim zur Seite. Auch bei dobiur findet sich Gleiches.
Die Worte aratibrind in m-bith ule Amr. Chol. Chille (L. Hymn.)
bei Stokes Goid.? 5. 159 lauten in LU. Tb 1. 25 aratribrind (mit
der Glosse vel diatibrind) in bith ule. Ein Schreibfehler ist hier
gewiss nicht anzunehmen, die Fälle stützen sich gegenseitig. Diese
Vorausnahme eines Sonorlautes findet sich auch sonst hier und da;
so im bret. prennestr “Fenster’ aus roman. fenestra (hier ist das r
sogar aus der letzten in die drittletzte Silbe gesprungen); reich-
lichere Beispiele bieten romanische Sprachen: frz. fresor (auch alt-
span. u. dial. ital. findet sich der Anlaut ?r), siehe Diez, Etymol.
Wtb.° 5.691, wo jedoch fälschlich r mit dem n in altlat. fensaurus
in Zusammenhang gebracht wird (das ebenda angezogene bret.
tenzor beweist gar nichts, denn das Bret. setzt nicht selten in ent-
lehnten Wörtern nasalen an Stelle des oralen Vokals — so z. B.
punz " Brunnen’, lat. puteus, eranch “Speichel’ < frz. eracher). Oft
Zur keltischen Grammatik. 45
Diese letzteren Worte sind deswegen besonders instruktiv,
weil sie beweisen, dass der zweimal vorhandene Konsonant
nicht beide Male in demselben Erhaltungszustande zu sein
brauchte, sondern ein Mal hart‘, das andere Mal “aspiriert’
sein konnte; denn com hat "aspiriertes’ m (vgl. nir. cumhachta
“Macht‘), ömm seiner Entstehung nach rein nasales m. Man
gedenkt unwillkürlich des Gesetzes der ir. Metrik, wonach
aspirierte und nicht aspirierte Konsonanten mit einander allit-
terieren, vgl. Windisch, Berichte d. sächs. Ges. d. Wiss., phil.-
hist. KI.XXXVI 224. Die urirische Form der Zahl fünfzig’ kann
nun nur gewesen sem *cöcecha (zunächst aus *concecha) oder
— wenn man mit Brugmann, Morph. Unters. V 18. 31 an die
Möglichkeit eines bereits idg. *penge komto wegen gr. πεντή-
κοντα und ind. pancasat denkt — *cöcrcha. Aus jeder dieser
Grundformen musste nach dem obigen Gesetze, da c und ch
dem Iren für gleichartig galten, *coicha entstehen. Dieses
liegt nicht vor; es ist durch eine nahe genug liegende analo-
gische Einwirkung des Zahlwortes für “fünf” das ch χὰ ὁ um-
gewandelt worden. Der verschiedenartige Vokalismus ist da-
ζ
gegen bis zum heutigen Tage unausgeglichen geblieben. Ein
interessantes Gegenstück zu den irischen Formen liefern uns
tritt später im Roman. Dissimilation ein; so frz. pimprenelle <
*pimplenelle, ital. pimpinella, Diez, Et. Wtb. 5 248, frz. fanfreluche
< *flanfleluche, it. fanfaluca das. S. 135; obwäldisch u. oberhalb-
steinisch flodra “Futteral’ « *frodra, ital. fodro (Lehnwort aus ahd.
fuotar), oberhalbst. splädir = it. spedire, Ascoli Archivio glottolog. I
S. 155. Es kann auch der ursprüngliche Sonorlaut schwinden, so
dial. bret. prennest, und dadurch der Schein einer einfachen Me-
tathesis erweckt werden; vgl. portug. fresta “fenestra’ Gröbers
Grundr. I 764. Häufig mag Volksetymologie im Spiele sein, so
bei ngriech. ᾿Ανθῆναι neben ᾿Αθῆναι oder nhd. dial. verrunjenieren
aus ver-rujenieren (nach verunstalten u. ä.). Zu trennen ist von
den bisher behandelten Fällen der Fall, dass durch Einschub eines
Lautes zwei aufeinander folgende Silben identisch werden; dahin
rechne ich z. B. oberhalbst. propriest “Vorsatz’ (Ascoli a. a. 0.) aus
*proprost- aus *propost- (engad. propöst) oder urslav. *"dzedzet» “er
brennt’ (abg. Zezets) aus *dedzets, Osthoff, Perf. S.72 Anm.*). Der-
artige Assimilationen der einen Silbe an die andere stehen auf ge-
nau derselben Linie wie frz. concombre < lat. cucumere.
*) [Vielmehr wurde *deget» zu *gegets, dieses weiter zu *dze-
dzetv, wie das russ. ?z-gaga "Sodbrennen’ beweist. Hiernach. ist
auch das in meinem Grundr. I S. 289 über die Wortsippe Gesagte
zu bessern. K. B.].
40 Richard Schmidt,
deutsche Dialekte, die fufzig neben fünf stehen haben und
denen es auch nicht in den Sinn kommt, die in diesem Falle
bis in die idg. Urzeit zurückreichende Doppelheit (Brugmann,
Grundr. II 476) durch analogische Verallgemeinerung der einen
Form aufzugeben.
Was die Chronologie des erwähnten Gesetzes anbelangt,
so muss es früher gewirkt haben, als das Gesetz, wonach der
Vokal der auf die Hochtonsilbe folgenden Silbe infolge des aus-
serordentlich energischen Wortakzentes im Irischen allerhand
Veränderungen bis zum völligen Schwunde unterliegt, voraus-
gesetzt, dass diese Silbe nicht die letzte ist. Denn wäre dieses
(Gesetz schon früher in Kraft getreten, so hätte es schon mit
Formen wie *forröchechan aufgeräumt, woraus es *forroicen
gemacht hätte, wie nitaibrem neben doberam beweist. Das
Dissimilationsgesetz ist also von höherem Alter. Da jedes Gesetz
an sich ausnahmslos wirkt, so müssen wir annehmen, dass auch
dieses ursprünglich im weit mehr Fällen seine Wirkung ge-
äussert hat, als uns aus der überlieferten Sprache bekannt sind.
Viele Formen mit lautgesetzlich entstandenem echten Diphthonge
werden durch Emwirkung der unversehrt gebliebenen die Neue-
rung wieder beseitigt und ihr altes o wieder angenommen haben;
nur in wenigen Formkategorien und vereinzelten Beispielen
tritt uns darum schliesslich die umgestaltende Kraft des alten
(Gesetzes noch entgegen. Im Neuir., das im Verbalsysteme die
oe-Formen aufgegeben hat, dürfte davon wohl nur das einzige
caoga noch lebendig sein.
Werfen wir jetzt noch einem Blick auf Formen, in denen
zwar auch «e, oe auftritt, ohne dass gleichwohl die oben für
das Wirken des Dissimilationsgesetzes aufgestellten Bedingungen
erfüllt wären. Nur scheimbar ist dies der Fall bei Formen
wie doroiphnetar, 1. Sing. also doroiphann, Perf. von dosen-
nim (Wz. suend-). Wiewohl «die Form ohne ro dosephann
lautet, ist doch doroiphann nicht Abkömmling emes *do-roö-
se-fann, sondern eines *do-ro-fe-fann gemäss dem Gesetze,
dass nur im absoluten Anlaute urspr. se als ir. s erscheint,
in allen anderen Fällen als f!) (resp. δ). Es ist also alles in
Ordnung.
I) Bisweilen scheint es, als ob urspr. sv im irischen Inlaute
schwände (geschrieben s oder f). Dies sind Analogiebildungen. In
Zur keltischen Grammatik. 47
Verwickeltere Verhältnisse liegen vor, wenn neben Formen
wie ro leblaing, dolleblaing "ich sprang’, Perf. zu lingim,
solche auftreten wie foroöblang (Windisch KZ. XXIII 204). Wie
ist diese Unregelmässigkeit zu erklären? Es ist von vornherein
wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen dieser und
der anderen Unregelmässigkeit, die in dem auffallenden b des
Perfektes besteht, vorhanden ist. Dieses ἢ ist anscheinend
dem Präsens lingim gegenüber in keiner Weise begründet.
Wie dem Präsens cingim “ich schreite’ ein Perf. cechaing ent-
spricht, ebenso erwartete man ein *lelaing. leblaing ist von
jeher eine wahre erux gewesen. Die Erklärung der Form
hängt ganz davon ab, unter welchen Lautgestalten man das
idg. v und © im Ir. fortexistieren lässt. Dass / der gewöhn-
liche Vertreter ist, bedarf keimer weiteren Bemerkung; giebt
es daneben vielleicht noch andere? Windisch, Ir. Gramm. ὃ 45
sagt: “für idg. vo erscheint auch ἢ im Anlaute vor » und 1:
bran Rabe’, ksl. voran», lit. varnas; leblaing “er sprang’ Per-
fekt von lingim, nur im Perfekt ist eine Spur von urspr. © im
Anlaut gewahrt, skr. valg” und ibid. 5. 46: “vereinzelt scheint
urspr. © im Anlaute abgefallen zu sein: lingim; oland “wolle
— eymr. gulan, got. vulla, skr. arna”. Beginnen wir von
hinten. Got. vulla ebenso wie lit. vilna, abg. vlana weisen
zurück auf ein ind. *u/nd; daneben existierte eine Form mit
langem Sonanten: *w/nd: sie erscheint im ind. arpa aus *varna
(Brugmann, Grundr. I S$ 306, 157), lat. Zana; wie nun aber
nach den Osthoffschen Ergebnissen im 4. Bande der Morph.
Unters. neben idg. *bhaio und *bhaiö auch ein *bhuiiö existiert,
so giebt es neben *u/na und *ulnä ein *ulnnä, und dieses
liegt vor im ir. olann (über die Behandlung von »» im Kelt.
vgl. Brugmann, Grundr. I $ 243, 4), indem die Zwischenformen
anzusetzen sind als: *alana > *olana > * olmäa > olann. Das
der grössten Mehrheit der Fälle entspricht ir. s einem urspr. ein-
fachen Laute, idg. s oder lat. f. Die intervokalische Gestalt dieser
Laute ist regelmässig $ (gesprochen h). Nach dem Vorbilde eines
a suide “sein Sitz’ neben swöde konnte leicht von söur ‘Schwester’
a siur entstehen (resp. a fiur) statt des richtigeren a fiur. Ganz
ebenso ist es bei Zusammensetzungen. mörfeser "sieben Mann’ ge-
genüber seser “sechs Mann’ ist die zu erwartende Form; mörfeser
und mörseser ahmen ein Muster wie ötgsuide (gl. tribunal) Sg. 50a
nach.
48 tichard Schmidt,
auf den ersten Blick befremdliche »r (mir. nd geschrieben)
dürfte durch die an vorletzter Stelle genannte Form ebenso
gut seine Erklärung finden, wie das mm in air. menmme
“Sinn” durch die unmittelbare Verbindung mit dem voraus-
gehenden n, trotz seiner anfänglich intervokalischen Stellung
in der Grundf. ® men->-men (vgl. Brugmann, Grundr. 1 $ 210).
Die brittannischen Formen sind: acymr. gulan, neymr. gwlan,
akorn. glaan, mbret. gloan, ebenso modern, vann. glouwan, gloan.
Meines Erachtens steht nichts im Wege, in ihnen ebenfalls die
Sprossen eines urkelt. *alana zu erblicken, aus dem im urbrit-
tann. vermöge der Betonung *uldna zunächst * eldna enstand.
Sonst könnte man übrigens auch die letztgenannte, mit Be-
stimmtheit vorauszusetzende Form nach Osthoffs Andeutungen
in MU. V p. V auf ein idg. *u/na zurückführen. Damit ist
dieses Wort erledigt.
Wenden wir uns weiter zu der Bezeichnung des Raben,
ir. bran und ebenso in allen britt. Dialekten. Es ist nicht zu
leugnen, dass die etymologische Zusammengehörigkeit des
inselkelt. bran mit den genannten baltisch-slavischen Worten
— deren Grdf. ®vornos ist, vgl. auch russ. voron, vorona,
preuss. warnis, warne — eine hohe Wahrscheinlichkeit besitzt.
Doch ist Verschiedenes dunkel; im Keltischen bereitet der An-
laut Schwierigkeiten, nicht minder aber auch das ra; im Balt.-
Slav. sind gewisse Nebenformen noch unerklärt: Miklosich,
Et. Wtb. p. 395 sagt: “diesen Wörtern wird ein noch uner-
klärtes Wörtchen vorgesetzt, das ga oder ka lautete: Aa scheint
ursprünglich zu sein ete.” — vgl. abg. gavrans “Rabe, cech.
hacran;, nslov. kovran, kavran, karcan, gavran usw. Wie
diese Rätsel auch zu lösen seien, urverwandt können die
keltischen und balt.-slavischen Worte auf keimen Fall sein. Das
Inselkeltische hat sein bran vielleicht aus emem festländischen
gallischen Dialekt bezogen, in welchem er zu br geworden
war. Schliesslich darf man auch die Möglichkeit nieht ausser
Acht lassen, dass die Worte der beiden Sprachgruppen mit
einander trotz aller begriftlichen Identität und lautlichen Ähn-
lichkeit ebensowenig etwas zu schaffen haben wie z. B. ir.
tenga “Zunge” mit got. tuggöo oder ir. bel Lippe’ mit gr.
χεῖλος oder ir. brzathar “Wort” mit gr. Fpntpa.
So bleibt schliesslich nur noch löngem, Perf. leblaing
übrig. Wir haben kein Recht lingim aus *elingim zu erklä-
Zur keltischen Grammatik. 49
ren, um so‘weniger, da die vorzüglichste Etymologie ihm zur
Seite steht. Es gehört zu der idg. Wurzel Zengh, die im ind.
langh-, gr. ἐλαφρός und germanischen Formen vorliegt, die
Kluge im deutschen etym. Wtb. unter gelingen und lungern
(vgl. auch leicht) aufführt. Betreffs des leblaing scheint mir
Thurneysen den richtigen Weg gewiesen haben, indem er
Keltorom. S. 99 Anm. 2 u. 86 von emer Wurzel seleng- oder
seling- ausgeht. Allerdings ist — worauf mich Prof. Brug-
mann aufmerksam macht — die Annahme eines uridg. Wur-
zelanlautes sul nicht unbedenklich. Man wird also vielmehr als
die ursprüngliche Wurzel suelg- ansetzen müssen und eine nasa-
lierte Präsensform als Grundlage der weiteren Entwicklung
zu betrachten haben, wie denn im Ir. nicht selten das Prä-
sensinfix 2 in andere Tempussysteme eingeschleppt wird, man
denke an ingrennim “aggredior' und sein Perf. inrograinn
MI. 26®, verglichen mit lat. gradior. Das ir. Perfekt des
Stammes soling müsste lauten *seblaing!), "ro seblaing; mit
Negation *ni ro-feflaing, daraus ni roeblaing, und letztere
Form existiert ja thatsächlich. Also: bei dem Nebeneinander
von *ni roelaing (Perfekt von lingim) und ni roeblaing (Per-
fekt von *slöingim) trug letzteres den Sieg davon und bewirkte
schliesslich, dass *lelaing zu leblaing umgestaltet wurde. Die
ganze Analogiebildung hat im Perfektsysteme stattgefunden
und sich auch jederzeit auf das Perfektsystem beschränkt;
zu einem Präsens *blöngim ist die Sprache niemals fortge-
schritten, nachdem das vorauszusetzende *slöngim abhanden
gekommen war. Von eimer anzunehmenden Form *seblaing
aus erklären sich auch am besten die von Windisch KZ. XXI
204 beigebrachten Formen mit scheinbar fehlender Redupli-
kation: doeirbling Tur. Gl. 59, doarblaing ibid. 60, tarblaing
LL. Sie gehen zurück auf *to-dr-fe-flaing, woraus zunächst
*dodrfflaing entstand. Ob diese geminierte Spirans lautge-
setzlich vor dem stimmhaften 7 stimmhaft geworden ist, ver-
mag ich aus Mangel an einem weiteren derartigen Beispiele
nicht zu sagen, möchte es aber fast bezweifeln. Das b würde
dann dem analogischen Einflusse von leblaing zuzuschreiben
sein. Ein ursprüngliches *do-är-leblaing hätte nur zu *do-
arlblaing, *tarlblaing führen können.
1) ὁ bezeichnet die tönende labiale Spirans.
Indogermanische Forschungen I ı u. 2. 4
50 Richard Schmidt,
Zum Schlusse noch emige Worte über das seiner Bil-
dung nach seltsamste aller irischen Perfekta, drebraing “er
ging , öfters im Felire belegt, Windisch a. a. O. 204, 223
Anm. Dass es sein Dasein lediglich einer Formübertragung
verdankt, steht ihm an der Stirne geschrieben. Es gehört zu
dringim "ich steige, komme vorwärts‘. Weil zu lingim ein
leblaing gehörte, wurde zu dringim ein drebraing geschaffen;
man sollte zwar eigentlich *dreblaing erwarten; doch scheint
der Ire noch das Gefühl gehabt zu haben, dass in der Re-
duplikationssilbe die Wiederholung eines Konsonanten des
Wurzelkörpers unerlässlich sei, und «da in diesem Falle dre-
als Reduplikation gelten musste, blieb nichts anderes übrig,
als drebraing zu schaffen, unter allen Umständen eine merk-
würdige und lehrreiche Analogiebildung.
Somit erfährt das obige Dissimilationsgesetz auch durch
die scheinbaren Ausnahmen volle Bestätigung.
HI. Uber bretonisches -mp im Verbal- und Prono-
minalsysteme.
In den bretonischen Konjugationsparadigmen lauten die
ersten Personen des Pluralis allenthalben auf -mp aus, und
derselbe befremdliehe Ausgang erscheint auch in dem sufh-
gierten Pronomen der 1. Plur. So heisst es schon mbret.
dougomp “portamus', beohimp "vivemus’, cafemp "invenieba-
mus’, leverzomp “diximus’ und so fort, und mit demselben
-mp deomp "nobis’, gueneomp “nobiseum’. Nirgends in den
zunächst verwandten Dialekten findet sich etwas Ähnliches.
Im Cymrischen erscheint in dem alten Präsens, das hier
gewöhnlich Futurbedeutung angenommen hat, -un, -wen als
Endung, 7. B. dywedırn “dieemus’, desgl. im Imperativ, z.B.
Hadıen “caedamus’; in allen übrigen Temporibus und Modis
dagegen -m: 4. B. Konjunkt. caffom "inveniamus’, Präs. sec.
gwelem "videbamus’, s-Präterit. dywedassam “diximus‘. Ein
ähnlicher Wechsel findet im Pronomen statt, imdem hier von
y (aus di = ir. do “ad’) gebildet wird ἡ “ad nos, nobis',
während bei allen anderen Präpositionen die Endung -m er-
scheint, z. B. gennym “nobiseum‘. Im Kornischen steht im
Zur keltischen Grammatik. 51
Verbal- so gut wie im Pronominalsysteme ausnahmslos -n;
ein -m fehlt gänzlich; also geylsyn ’vidimus', thyn "nobis’,
genen 'nobiscum‘. Dass die Buntheit des Cymrischen einen
älteren Zustand darstellt als die Einfarbigkeit des Kom. und
Bret., ist an sich wahrscheimlich.
Die eymr. Endungen unterscheiden sich dadurch von
einander, dass in -en “aspiriertes' m vorliegt (n ist das en-
klitisch angefügte Pron. pers.), in -m hartes’ m; vgl. hier-
über Windisch, Abhandlungen d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss.,
phil.-hist. Kl. X 488. Woher diese verschiedenartige Behand-
lungsweise des m herrührt, ist immer noch gänzlich unklar;
wir werden sofort näher darauf einzugehen haben. Im Korn.
ward -un verallgemeinert, wobei der Vokal allerlei Verän-
derungen erlitt; im Bret. erscheint -mp. Woher stammt es?
Dieser Frage sind die Keltisten immer gem aus dem
Wege gegangen; die Grammatica Ueltica begnügt sich mit
der Feststellung der Thatsache; doch ist es neuerdings Win-
disch gewesen, der sich mit den mp-Formen beschäftigt hat.
Er äussert a. a. ©. die Vermutung, es könne im eymr. Kon-
junktive carom mit “hartem m eine Beeinflussung durch die
3. Plur. caront vorliegen, dergestalt, dass die gruppierte Na-
salis von caront in der 1. Plur. die entsprechende Qualität
des m, also rein nasales, stimmhaftes 2 hervorgerufen habe;
im Bret. sei man noch einen Schritt weiter gegangen, indem
hier die in der 3. Plur. auftretende Gruppe: o+Nasal+Tenuis
in der ersten Pluralis die entsprechende Lautfolge durch ana-
logische Beeinflussung geschaffen habe, also -omp. Selbst
wenn man die Möglichkeit einer derartigen eigentümlichen,
gewissermassen nur ideellen Übertragung zugiebt, so bleiben
doch verschiedene Punkte unerledigt.
Im Cymr. gehen sämtliche dritte Personen des Plural
auf -»t aus, gerade wie in den beiden anderen Dialekten, nur
dass auslautendes ? im Korn. früh zu s geworden ist. Wenn
also w sich nach dem festen » in »t wieder zu m zurück-
verwandelte, warum erscheint m» nicht auch im Indie. Praes. ?
Warum versagt hier plötzlich die Wirksamkeit der Analogie?
‘Müssen wir deswegen nicht vielmehr annehmen, dass der eymr.
Weehsel von -ww(n) und -m in der 1. Plur. ursprünglich ist
und die brittannische Primär- und Sekundärendung dieser Per-
son darstellt? Auf welche Weise hiermit die ir. Formen in
52 Richard Schmidt,
Zusammenhang stehen, warum idg. τὲ einmal “aspiriert” wurde,
das andere Mal unversehrt blieb, sind Fragen, die auf einem
anderen Blatte stehen und die vielleicht nicht so bald erle-
digt werden.
Im Pronominalsystem ist eymr. yn “nobis’ als ursprüng-
lich anzusehen, da es genau mit dem air. dann übereinstimmt;
bei sämtlichen übrigen Präpositionen ist die Verbalendung
-m eingeschleppt worden, wie denn überhaupt die brittanischen
Sprachen Ausserordentliches darin leisten, Pronomina suftixa
und Verbalendungen bunt durcheinander zu wirren. Warum
nicht auch bei yn das m einzudringen vermochte, ist leicht
zu sagen: weil ym schon als "mihi’ = ir. domm fungierte,
während sonst überall das Pronomen personale suffiixum der
1. Pers. Sing. im eymr. f ist (spirantisches » im Auslaute),
vgl. gennyf “mecum‘. Diesen selben Unterschied bewahrt
auch das Komische, vgl. dym neben genaf (und sonst stets
-f); er ist also urbrittannisch; im Bret. hat indessen -/ den
Alleinbesitz ergriffen (mbret. diff "mihi', gueneff "mecum).
Vielleicht hat Stokes Recht, wenn er Celtie Declension p. 105
in -m alte Dativ- und in -f Akkusativform des angefügten
Pronomens sieht. Dagegen möchte ich nicht mit ihm auch
die Pluralformen auf -m für ursprünglich erklären.
Was nun das Bretonische betrifft, so bereitet die That-
sache Schwierigkeiten, dass es neben den mp-Formen auch
solche ohne m gegeben hat und bis zum heutigen Tage noch
giebt. Ausdrücklich erwähnt zwar hiervon die Gramm. Celt.
nichts, wohl aber findet sich ὃ. 380, 1. ὃ die mbret. Form
dymny nobis aus dem Grand Mystere de Jesus belegt. Ferner
gehört hieher z. B.: mbret. deom da clefuet "lasset uns gehen
zu hören’ Buh. 52, mbret. a so en bet man deom gamet “der
in dieser Welt für uns geboren ist” Rev. Celt. X 9; auch
ein Reim wie esom-deomp in der der Sprache nach freilich
viel jüngeren Creation du monde (Rev. Celt. X 208) könnte
mit angeführt werden. Immerhin treten diese p-losen Formen
so vereinzelt in der mbret. Schriftsprache auf, dass sie allein
gar nichts beweisen würden. Aber wir haben es eben mit
einer Schriftsprache zu thun, und Schriftsprachen sind oft
gegen die eine von zwei gleichbedeutenden Formen unduld-
sam. Dass einfaches » so selten geschrieben wird, ist noch
kein Zeichen dafür, dass es ebenso selten gesprochen worden
Zur keltischen Grammatik. 53
wäre. Und wirklich haben es bretonische Dialekte bis zur
Stunde erhalten.
Es war bis vor Kurzem ausserordentlich schwierig, wenn
nieht ganz unmöglich, sich fern von der lebendigen Quelle
ein Bild von den dialektischen Zuständen der keltisch spre-
ehenden Bretagne zu machen. Es ist darum sehr anerken-
nungswert, dass Loth in seiner Chrestomathie Bretonne, pre-
miere partie (Breton-Armorieain) Paris 1890 auf Seite 3635—
380 das Gleichnis vom verlorenen Sohne in nicht weniger als
10 modernen Dialekten mitgeteilt hat, wobei jede der vier
Hauptgruppen der bret. Sprache mindestens zweimal vertreten
ist. Loth hat sieh zum teil von Eingebornen das Gleichnis
in die Feder diktieren lassen, zum teil Niederschriften anderer
zugrunde gelegt und sich überall möglichst an die Orthogra-
phie von Le Gonidee angeschlossen. Im allgemeinen darf man
mit der Wiedergabe wohl zufrieden sein; sie weist hinläng-
liche Genauigkeit in phonetischen Dingen auf, so dass man
einen wirklich interessanten Einblick in die noch lebenden
bretonischen Dialekte von Breiz [26] erhält!).
Glücklicherweise finden sich nun im dem Texte dieses
Gleichnisses in V.23 (Lue. Kap. 15) Verbalformen der 1. Pers.
Plur. als Übersetzung des griech. καὶ φαγόντες εὐφρανθῶμεν,
und zwar lauten diese Worte in den Lothschen Dialektproben
der Reihe nach folgendermassen:
Dialekt von Leon I S. 364: debromp ha greomb banvez.
Leon II (Landerneau) S. 365: debromp ha gre-
omb bombans (= frz. bombance).
= » Treguier I (Treguier selbst)?): ma daipromp
a ma refomb fest.
N N”
1) Allerdings hätte eine Reihe von Versehen und Druckfeh-
lern noeh unterbleiben können, so z. B. fehlen die Verse 20—22 in
den 3 letzten Stücken, 5. 368 V. 19 muss es de vean heissen, wie
gleich darauf V. 21 richtig gedruckt ist, V. 19 steht ou mäb (efr.
V. 27 ou preur ὁ zou deut ag ou tad en eus lac’het etc.), V. 21 ὁ
mäb; ebendaselbst dürfte von e pokaz dan in v. 20 und ὁ laras
tan V. 531 wohl nur eins der thatsächlichen Aussprache gerecht
werden; S. 372 V.21 steht fälschlich € vap ena “sein älterer Sohn’,
5. 374 V. 22 ist dehön anstatt dehön zu schreiben; S. 380 V. 18 ist
ha väb doch wohl in da väb zu verändern; V. 22 köhän in köhän
(vgl. tewänkän in V. 12).
2) An Stelle des von Loth S. 366 gegebenen, von späterer
ἘΞ
54 tichard Schmidt,
Dialekt von Treguier II (Pays de Goello) S. 369: debomp
a greom cher-vad (frz. chere + bret. mad).
Cornouailles I (Morbihan) S. 371: debam a
gramp cher-vad.
a „ Cornouailles II (Nord-West) 5. 373: debom a
greomb bonbans.
τι „ Vannes I (Bas-Vannetais) 5. 374: debam a
gramp cher-vad.
a „ Vannes II (Haut-Vannetais) 5. ὃ
ha groamb fest.
Vannes ΠῚ (Groix) 8.578: deabeamb ha gramb
cherväd.
Vannes IV (Belle-Ie) S. 380: debramp ha gr-
wamp chervad.
Aus vier von zehn Dialektgebieten sind uns demnach in
den vorliegenden Proben noch p-lose Formen bezeugt.
Interessant sind ferner die entschieden nach ganz be-
stimmten Gesetzen mit einander abwechselnden np- und m-
Formen in einem auszugsweise von Loth auf Seite 319 ff. ab-
gedruckten Werke aus dem Jahre 1659, welches der gespro-
ehenen Sprache Rechnung zu tragen sucht. Hier erscheint
vor dem Pronomen personale n2 regelmässig einfaches mn, z. B.
6: drebamb
PB] )
x
S. 322 zu Ende: petra oulennom-ni, pa leueromp worum
bitten wir, wenn wir sprechen?’ oder S. 325 pet boet a ren-
com-ni euit mezur an ene? “wie vieler Speisen bedürfen wir
zur Nahrung der Seele?’
Wie sind nun die Formen ohne p und die mit p zu er-
klären? Wollte man an der oben mitgeteilten Anschauung
Windischs festhalten, so wäre man genötigt anzunehmen, dass
das ursprünglich “aspirierte” m in der 1. Plur. durch teilweise
Annäherung an die 3. Plur. in einer Reihe von Fällen zu har-
tem m geworden sei, dass das Bretonische im Gegensatze zum
Oymrischen diese Endung verallgemeinert habe, so dass das
alte © ganz unterging, dass hierauf in jüngerer bretonischer
Zeit abermals die 3. Plur. vermöge ihres -»t einen umgestal-
tenden Einfluss auf die 1. Plur. ausgeübt habe, wodurch sich
Hand stark durchkorrigierten Textes benutze ich die ursprüngliche
Fassung aus dem Jahre 1779 nach dem Abdrucke in der Rev.
Celt. XI 980 ff.
Zur keltischen Grammatik. 55
zum m ein p hinzugesellte, dass indessen diese neue Analogie-
bildung nicht im ganzen Sprachgebiete durchgedrungen sei,
indem dialektisch die alte Endung bewahrt blieb und sieh mit
der neuen nach gewissen euphonischen Prinzipien in die Herr-
schaft teilte. Dies erscheint von der gegebenen Grundlage aus
als die einzige Möglichkeit einer Erklärung; man müsste denn
etwa in -mp das dureh Analogie direkt aus dem spirantischen
m geschaffene Prius sehen und hieraus durch satzphonetische
Einflüsse (z. B. Konsonantenhäufung) »2 durch Schwund des p
hervorgehen lassen. Sind nun schon an sich alle diese Rekon-
struktionen wenig wahrschemlich, so verlieren sie vollends
jeden Halt durch die Thatsache, dass wenigstens in einem
sicheren Beispiele einem ursprünglichen mm dialektisch ein
mp gegenübersteht, und zwar in emem Falle, in welchem die
Möglichkeit einer associativen Anlehnung an ein Vorbild mit
p vollständig ausgeschlossen ist.
Dieses Wort ist das bret. Zamm “Sprung, neben dem eine
Form lamp erscheint. Die Etymologie des Wortes lässt an
Klarheit und Durchsichtigkeit nichts zu wünschen übrig. Im
Air. entspricht ibm leim gl. saltus, πήδηςις Sg. 106”, deut-
licher lZeömm zu schreiben, ein neutraler men-Stamm (Akk. Plur.
mir. lemend), der als Infinitiv zum Präsens löngim "ich springe’
fungiert, gerade wie ceimm zu ceingim “ich schreite’, dreimm
zu dringim “steige, komme vorwärts’. Aus dem Alteymr. ist
das Denominativum lZammam gl. salio und lemenic gl. salax
5
belegt (gloss. Oxon. in Eutych.) Z? 1053, woselbst auch die neu-
eymr. Formen angeführt werden. Ir. leemm weist auf eine
urirische Grundf. *lengmenn- hin und dieses im Verbindung
mit den brittannischen Wörtern weiterhin auf eine idg. Gestalt
logh-men- mit Tiefstufe der Wurzelsilbe, da an in den brittann.
Sprachen der regelmässige Vertreter einer idg. Nasalis sonans
ist, Brugmann, Grundr. 1 8 242. Ganz ebenso steht dem
Irischen ceimm gegenüber eymr. korn. cam, bret. kamm schritt’,
acymr. Plur. cemmein (gl. in gradibus) gl. Ox. 38’. Neben
der regelmässigen Form Zamm findet sich nun also im Bret.
eine Nebenform lamp, die zwar bei Troude Nouveau dietion-
naire breton-francais fehlt, sich aber wenigstens für Unterdia-
lekte von Tregser, Cornouailles und Vannes sicher be-
legen lässt. Sie findet sich einige male in dem Märchen
Koadalan, welches im Dialekte von Plouaret (Treger) geschrie-
56 Richard Schmidt,
ben ist, veröffentlicht von Luzel in Rev. Celt. I 106 ff.; z.B.
S. 112 ar chass a lamp warnehan “die Hunde stürzen sich
auf ihn’, S. 124 hag a lamp ebars “und springt hinein’, ar
re-man a lamp kerkent en tan S. 128 “diese springen sofort
ins Feuer, setu int ὁ vont d’ann daou-lamp ruz S. 112%),
‘siehe, da stürmen sie fort in kräftigem Galopp’ (wörtlich
Zweisprung). Ebenda S. 114 liegt der Infinitiv des Denomina-
tivums vor: ὁ. lampad bars ar ster "in den Fluss springend’.
Auch in den Dialektproben bei Loth fehlt das Wort Zamp
nicht:
Dialekt von Treger II (vgl. oben genaueres) 5. 368, V. 20:
e lampaz di c'houg.
1 „ Cornouailles I S. 571: e lampe d’i c’houg.
e » Vannes IS. 374: e lampaz d’i houg
“er stürzte an seinen Hals’. Dagegen Leon I, II ὁ lammaz,
in Treger I steht ein anderes Wort, Cornouailles II Ὁ
lammaz; in den Sprachproben für die Dialekte Vannes II—IV
ist, wie oben bemerkt, der Vers 20 leider ausgefallen.
Es erscheint also in verschiedenen Mundarten der Bretagne
neben dem regelmässigen /Zamm em lamp, wie neben deom
ein deomp; deomp lässt sich nur höchst gezwungen als Ana-
1) In dieser Redensart ist das Wort ruz bemerkenswert. Es
entspricht nämlich — da das frz. rude begriftlich weit abliegt —
ohne Zweifel dem ir. ruad, welches die Bedeutung ‘kräftig, stark’
hat. Vergl. in der Sage Genemain Aeda Slane: dolluwid dochum in
rig ruard “er kam zu dem starken König’, Windisch in den Be-
richten der sächs. Ges. d. Wiss., phil. histor. Klasse XXXVI 197, 212,
wo auch aus O’Clery’s Glossar ruadh. ὁ. tren no laidir angeführt
wird. Eine weitere Stelle ist in LL. dobressaib naruadrama (Zimmer
in Ztschr. f. deutsch. Altert. XXXIII 208), wo mit K.Meyer, Rev. Celt. X
963 “der starken Ruder’ zu übersetzen ist. In Windischs Wörterb.
ist das Wort dagegen nach Οὐ Reilly mit “strength, power, a lord’
verzeichnet, vielleicht zu erklären durch eine Substantivierung des
Neutrums des Adjectivs. Im Bret. scheint rız die Bedeutung "krät-
tige’ nur noch in starrgewordenen Redewendungen bewahrt zu
haben; wenigstens findet sich in Troudes eben genanntem Dietion-
naire nur ruz als rot’ aufgeführt, wohl aber ist unter dem Artikel
“lamm’ zu lesen: mont dann daou-lamm “aller au galop’, mont
dann daou lamm ruz “aller au grand galop’. Wir haben also be-
reits für das urkeltische Froudos die beiden Bedeutungen ‘rot’ und
kräftig’ anzusetzen, und es scheint mir nieht unmöglich, dass sich
die zweite erst aus der ersteren auf keltischem Boden entwickelt
habe; wenigstens fehlt mir ein anderweites passendes Etymon.
Zur keltischen Grammatik. 57
logiebildung erklären, /amp überhaupt nicht; denn wo böte
sich eine Musterform, die ihm zu seinem Ὁ verholfen haben
könnte? — Grund genug, die beiden Fälle mit einander zu
vereinigen und das p nicht durch Formassoziation, sondern
durch Satzphonetik zu erklären. Ich nehme an, dass ἢ oder »
an »n in derselben Weise angewachsen ist, wie das d unseres
nhd. niemand, irgend an die mhd. Formen nieman, iergen.
In bestimmter Stellung im Satze bildete sich nach vorausge-
gangenem Mundverschlusse an der Artikulationsstelle des Na-
sals ein explosiver Übergangslaut, nach m ein b oder p, nach
» ein εἰ oder ἐ. Welche Stellungen das sein mochten, darüber
sei eine kurze Vermutung geäussert. Im Mittelbret. tritt bis-
weilen zwischen 2 und s und m und 2) im Inlaute der Worte
ein eingeschobenes p ein, so z. B. coms und comps " Wort’
und sprechen’ (dessen Etymologie freilich unbekannt ist),
rems und remps “Lebensdauer” (ich kenne es nur aus Troude,
der es als “aneient’ bezeichnet), welches mit dem mir. remes
neuir. reimheas “atime, period’ trotz der verschiedenen Qua-
lität des »» identisch zu sein scheint (Lehnwort?); auch bret.
kamps “die Alba des Priesters’ neben kom. cams ist zu be-
achten (Thurneysen, Keltoromanisches S. 51). Neben guemeret
“nehmen” erscheinen die Formen gquemret, quempret, compret,
vgl. Loth, Chrestom. S. 54 und im Register, Z? 535; ferner
compret 2. B. Rev. Celt. X 5 Str. 5, quempret ibid. XV
Str. 42, 43. Man hat sich zu hüten, in diesem p etwas ur-
altes zu sehen, nämlich den Anlaut der Wurzel bher “tragen’,
die ja wirklich in dem bret. Verbum drinsteckt. Es kommt
noch dazu, dass in bret. comper “Zusammenfluss von Gewäs-
sern , als Eigenname @Qximper, Quimperle ete. (Loth S. 197,
Anm. 1), eymr. cymmer wirklich das p der Vertreter des alten
bh ist; dennoch ist in unserem Falle nieht daran zu denken.
Nur unmittelbar vor dem Hochtone (oder starkem Nebenakzente)
auf der ursprünglichen Penultima wird die Media nach einer
Nasalis tonlos, d.h. wahrscheinlich genau zu demselben Laute,
den unser mitteldeutsches d, g und ἢ (bez. t und p) besitzen,
zu einer reduzierten Media — vgl. Sievers, Phonetik? S. 175.
Im Bret. geht diese weiter in die Tenuis über, während das
Cymr. sie dem voranstehenden Nasale assimiliert. Befindet
sie sich jedoch nieht unmittelbar vor dem Hochtone, so tritt
in allen drei brittannischen Sprachen Assimilation ein. Letz-
5s tichard Schmidt,
terer Fall liegt hier vor: die ursprüngliche Betonung war *cem-
beret-, resp. cem-bret-; daraus entstand eymr. cymmeryd und
cymryd, kom. kemeres und bret. die oben aufgezählten In-
finitive. Vgl. Loth S. 69. Das p in quempret und compret
beruht also der Form quemret gegenüber thatsächlich auf
sekundärer Entwickelung zwischen m und r. Der Gedanke
dürfte darum mit einiger Wahrscheinlichkeit sich hören lassen,
dass auch hinter ἠὲ im Wortauslaute zu eimer bestimmten Zeit
bei engem Zusammenhange mit dem nachfolgenden Satzgliede,
falls dieses mit # oder vielleicht auch s anlautete, und bei
gewissen, nicht mehr aufzufimdenden Verhältnissen des em-
phatischen und tonischen Satzakzentes, sich ein labialer Ex-
plosivlaut entwickelte. Von hier aus hätte sich dann die
neue Form vielfach an solche Stellen emgedrängt, wo sie
keine genetische Berechtigung hatte. Es ist zu bedauern, dass
wir über die jetzige Verteilung der Formen m denjenigen Dia-
lekten, welehe noch beide ihr eigen nennen, gar nichts wissen.
Nieht unmöglich, dass noch heutiges Tages die Doubletten nicht
unterschiedslos, sondern nach festbestimmten satzphonetischen
Gesetzmässigkeiten gebraucht werden.
Daran, «dass es nur gelungen ist, ein einziges Substanti-
vum aufzutreiben, welches neben ursprünglichem mm auch den
Auslaut mp zeigt, ist kein Anstoss zu nehmen. Vielleicht
lassen sich aus den Dialekten noch mehr Beispiele aufstöbern;
aber auch wenn dieses nicht glücken sollte, hat die Annahme
nichts befremdliches, dass alle übrigen p»-Formen wieder be-
seitiet worden seien. Man denke an die wenigen nhd. For-
men mit d nach n, auf die oben hingewiesen wurde. Im
engadinischen Dialekte der rhätoromanischen Sprachensippe
erscheint als Vertreter des lat. hamas das Wort amp; wiewohl
der Ausgang -am in dieser Sprache gar nicht selten ist, ist
amp, wofür in der Übersetzung des NT. von 1560 noch ham
erscheint, doch das einzige Beispiel einer Erweiterung durch p;
aber auch dieses eine kann beim Mangel eines Musters nicht
als Analogiebildung, sondern nur als satzphonetische Doublette,
lautgesetzlich entstandene aufgefasst werden; vgl. Ascoli Ar-
ehivio glottol. ital. I 223.
Und nun zum Sehlusse noch ein Wort über die bret.
Formen auf -m. Wie oben auseinandergesetzt, empfiehlt es
sieh am meisten und entspricht den gegebenen Thatsachen am
Zur keltischen Grammatik. 59
besten, wenn man in der 1. Plur. schon im Urbrittannischen
für primäre und sekundäre Endungen getrennte Suffixe, spiran-
tisches und rein nasales »» annimmt. Beide existierten auch
im Urbret. Später verdrängte das sekundäre m das primäre
w. Ganz dasselbe ist einem beträchtlichen Teile des bret.
Sprachgebietes in relativ junger Zeit bei der 1. Sing. der Fall
gewesen, indem mbret. credaff “credo', crediff eredam’ neben
Präs. secund. eredenn “credebam’ dureh Übergreifen der se-
kundären Endung geworden sind zu nbret. (Dialekt von Leon)
credann, eredinn, credenn (lautgesetzlich wäre *credanv oder
®credan und *credi zu erwarten gewesen). Wohl zugleich mit
dem Überhandnehmen des m im Verbalsysteme nistete es sich
auch als Pronomen suffixum ein und verdrängte das alte n,
das fernerhin nur noch als Pron. infixum fortbestand: ef on care
“er liebte uns’ Z2 374. Ganz ähnliches geschah später eben-
falls beim Pron. suffixum der 1. Pers. Sing; auch hier erstickte
das wuchernde nn das alte /, sodass für das mbret. diff
“mihi’, ahanoff “a me’ nbret. (Dialekt von Leon) dinn, acha-
nounn eintritt, während im der 3. Sing. das alte /f, durch
keinen Rivalen beeinträchtigt, regelmässigen Lautwandel durch-
gemacht hat: mbret. dezaff ei’, anezaff ab eo > nbret. (1,608)
dezhan, anezhan. Nachdem schliesslich in der 1. Plur. -n feste
Wurzeln geschlagen hatte, entwickelte sich in der geschilder-
ten Weise -mp.
IH. Uber die Vertretung von idg. Nasalis sonans
im Irischen und Verwandtes.
Es erscheint aus verschiedenen Gründen empfehlenswert,
etwas näher auf die lautlichen Verhältnisse der auf S. 55 an-
gezogenen Worte einzugehen. Unseren Ausgangspunkt nehmen
wir von der Progression ir. lingim : cingim = ir. leimm : ceimm
— britt. Jamm : camm.
Es fragt sich, wie sich in lingim und cingim der i-Laut
der Wurzelsilbe zu dem e in leömm und ceimm verhalte. Dass
wir es nicht mit ei-Wurzeln zu thun haben, beweisen, wie be-
reits bemerkt, die brittannischen Formen, deren am auf ur-
sprüngliche Nasalis sonans hindeutet. Nun stellt Brugmann,
Grundriss I $ 242 im Anschlusse an Zimmer κά. XXIV 450
folgende Regel auf: “im Irischen waren vor Konsonanten idg.
00 Richard Schmidt,
Nas. sonans und idg. e + Nas. consonans wie im Ital. zusam-
mengefallen. Im Urkeltischen aber waren sie noch geschieden,
wie die verschiedene Behandlung im brittanischen Zweig be-
weist. Aus dem antesonantischen »n (nach Thurneysen) be-
reits im urkelt. an”. — Der Anfang dieses Gesetzes ist in
dieser allgemeinen Fassung für das Irische nieht richtig, in-
dem wenigstens in einem bestimmten Falle der behauptete
Zusammenfall auch im Irischen nicht eingetreten ist, die Laute
verschiedener Entstehung vielmehr bis zum heutigen Tage ihre
Verschiedenheit bewahrt haben. Stokes scheint der erste ge-
wesen zu sein, der diese Beobachtung gemacht hat, KZ.XXVII
61, wobei jedoch noch verschiedenes unklar blieb. Ich be-
handle daher die Sache noch einmal, und zwar vom streng
etymologischen Gesichtspunkte aus, indem ich mich nur sol-
ches Wortmateriales bediene, dessen Herkunft ausser Zweifel
steht.
Irisches € ist von sehr verschiedenartiger Entstehung.
Es ist nämlich
l».ir..8 =idg. ei, 2. B. 2.:Plur. Put. »fortessı— gr.vnep-
CTEIEETE.
2. entstanden durch “Ersatzdehnung’ bei der Lautgruppe
Nasal -- Tenuis oder s, indem der Nasal unter Dehnung
des vorhergehenden Vokals ausfiel; und zwar ist hier wie-
der zu unterscheiden:
a) idg. a + Nasal — Temuis oder 5, z.B. ir. ro οἶδέ “ean-
tatum est zu canim; cetal "Gesang — *can-tlo-m.
Ὁ) idg. e+ Nasal + Tenuis oder s, z. B. ir. set “Weg’ —
germ. sinba- (aus vorgerm. sento-).
ec) idg. Nasalis sonans + Tenuis oder s, z.B. ir. cet “hun-
dert’ = idg. *kmtom.
3. entstanden ause + explosiva + liquida oder nasalis,
7. B. ir. cenel ᾿ Geschlecht’ = acymr. kenetl, en Vogel’ —
abret. etn.
Noch sind einige wenige andere Fälle übrig, z. B. das
auffällige ir. der “Thräne’, das auf *dacr- zurückzuweisen
scheint (aceymr. dacr), wiewohl man alsdann ir. *dar zu er-
warten hätte, oder ir. te heiss’, dessen langer Vokal aus zwei
Kürzen zusammengezogen ist (urkelt. *te/p)ents), oder erimm
“Fahrt” aus &ss-reöimm; doch haben diese Fälle für unsere
Untersuchung ebenso wenig Bedeutung, wie Nr. 1 (ir. ὃ = idg.
Zur keltischen Grammatik. 61
ei). Wohl aber kommt für uns der ebenfalls noch nicht ru-
brizierte Fall, der unseren Ausgangspunkt bildete, in betracht,
nämlich ceimm und leimm, Stamm cemmen und lemmen aus
ursprünglichem *kng-men-, *Ing-men-; er würde zwischen Nr.
2° und 53 zu stellen sein.
Eine vorzügliche Hilfe zur Klassifizierung des irischen
Sprachschatzes nach der obigen Rubrik Nr. 2 giebt uns die
Vergleichung der brittannischen Sprachen an die Hand, indem
hier folgende Lautgruppen erscheinen:
Nr. 22: ant, z.B. cymr. cant “cecinit‘ (t-präteritum) Z? 524.
Nr. 2P: int, z.B. eymr. hynt weg’, akorn. hins, bret. hent.
Nr. 2°: ant, z. B. eymr. cant, korn. cans, bret. kant hundert’.
Da der Fall 2° zu den Seltenheiten gehört, so darf man für
gewöhnlich ein brittannisches -ant als Vertreter von Nas. son.
+ t ansehen.
Dass wir es übrigens im Falle 2” mit einem Stamme
sento- zu schaffen haben, kann aus den keltischen Wortformen
allein nicht geschlossen werden; wir bedürfen zu dieser Er-
kenntnis der Hilfe des Germanischen, welches uns mit dem
Faktitiv got. sandjan "senden einen alten Ablaut sento-, sonte-,
nachweist. Das Brittannische verwandelt also ursprüngliches
ent zu int in analoger Weise wie das Urgermanische; und da
anzunehmen ist, dass auch eme irische Lautfolge -inta- über
-enta- zu -et- führte, ist manchmal die Entscheidung, ob im
kelt. ursprünglich ent oder int vorliege, nicht mit Sicherheit
zu treffen. Ein Beispiel ist das Wort für “der erste’: air. cet-
in Zusammensetzungen, cetne, eymr. kyntaf, kon. kensa, kynsa,
bret. quentaff Z? 307, 322; im Agall. liegen zwar mehrere
Eigennamen mit Cinto- vor: Cintus, Ointugenus, Cintugnatus ;
es ist aber von dem Vokalismus des Gallischen viel zu wenig be-
kannt, als dass man hierauf Schlüsse aufbauen könnte. Hierzu
stellt Thurneysen in Brugmanns Grundr. II S. 467 das got.
hindumists, ahd. hintar, allein auch diese Wörter sind ihrem
Vokalismus nach doppeldeutig; da sie jedoch ursprünglich nicht
auf der Wurzelsilbe betont waren, ist ihr Stamm wahrschein-
licher als idg. könto- anzusetzen. Was übrigens den urbrit-
tannischen Lautwandel von e zu ὁ betrifft, so hat es den An-
schein, als ob er sich noch innerhalb weiterer Grenzen bewege,
nämlich überhaupt vor Nasalis-+ Explosiva eingetreten sei.
Wichtig ist das Wort für fünf’: ir. coic aus "kuenkue, da-
09 Richard Schmidt,
gegen acymr. pimp. gl. Ox. Im Gall. erscheint ὁ (0) im Pflan-
zennamen πειμπέδουλα, var. lecet. πομπαιδουλά Z?517. Weitere
Beispiele werden im Folgenden mehrfach begegnen. Dieses
alte britt. ὁ ist aber nur im Cymr. deutlich erhalten; im Korn.
ist altes e und ὁ im der Schrift gewöhnlich nieht mehr unter-
schieden (schon im altkornischen Vokabular beginnt e für ©
aufzutreten); das Bret. vollends verwandelt ὁ geradezu in ὁ
(vgl. bret. speret < lat. spiritus, bret. desquebl < lat. disci-
pulus). Doch kehren wir nunmehr zum Irischen zurück.
Wenn im Falle 3 infolge eines ursprünglich auslautenden,
später verschwundenen e oder ö Infektion der Wurzelsilbe ein-
tritt, erscheint in dieser die Vokalgruppe eiwi, eui, zwi oder
eoi (das Längezeichen ist auch oft auf den zweiten oder dritten
Vokal gesetzt) Z?19, und zwar vor 1, r und n; hingegen giebt
es kein Beispiel, in welchem auch vor m Triphthongierung
eingetreten wäre; 2. B.:
vor ἢ: gen. ceneuil zu nom. cenel (acymr. kenetl)“ Geschlecht’;
gen. sceoil zu scel (neymr. chwedl) “Erzählung ; geil
“adhaesit” Perf. zu glenim, wz. glei-!).
vor r: doradchiuir (gl. per redemptionem = redemit) Wh. 2”9,
Perfeetum zu do-ad-erenim; die Wurzel ist qrei-!).
1) Die Formen φήνη] und -chiuir bereiten der Erklärung Schwie-
rigkeiten. In beiden Fällen handelt es sich sicher um e/-Wurzeln,
trotz Windisch K. Schl. Btr. VIII 55; man erwartet darum das Plus
eines auslautenden Vokals. Gleich unregelmässig ist 111, das Perf.
von lenim, Wz. lei-. Wie die Form eigentlich heissen sollte, zeigt
uns das alte isolierte Perfektum cuala “audivi’, von Wz. kleu, wel-
ches aus *Ru-klova über coclava > cola entstanden ist (Windisch
ΚΖ. XXIII 245, der unnötigerweise an va aus einem durch Ersatz-
dehnung bedingten ö Anstoss nimmt, vgl. buain unten S. 77T. Die
Verhältnisse, unter denen im ir. € > ia und 5 > ua wird, sind
nicht völlig gleichartig). Zu lenim hätte also das Perfektum zu lau-
ten: *D-loia > *lelaia > *lela. Dass ll nicht ursprünglich sein
kann, wird besonders klar aus der 3. Plur. Zeltar Corm. B, als deren
Grdf. *V-I-ont-or anzusetzen wäre, eine direkt unmögliche Form.
Ebendasselbe gilt für die 2 oben genannten Perfekta. Es müssen
Analogiebildungen sein. Und zwar sind alle drei Perfekta anschei-
nend nach demselben Muster gebildet, infolge der Übereinstimmung
der Präsentia glenim, erenim, lenim aus "gli-na-mt, *kri-na-mi, li-
na-mi. Dann ergiebt sich aber der Schluss, dass — wie in ll ent-
schieden Reduplikation mit ὁ vorliegen muss — so auch giuel und
-chöiuir nicht auf eine Grdf. *ge-gl-e, *ke-kr-e, sondern nur *ge-gl-e,
*ki-kr-e zurückgeführt werden dürfen, dass sie oben als Beispiele
Zur keltischen Grammatik. 63
vor n: ind οἰ, Gen. von en Vogel‘, adgeuwin "cognovit'
neben adgen “cognovi. trauin, Gen. von tren tapfer’,
aus urkeltischem *treksnos, οἷν. Curtius Grdz. 5256.
Von emigen der bei Zeuss a. a. Ὁ. aufgezählten Worte
ist die Etymologie nieht klar; dies gilt auch für das ebenfalls
hierhergehörige mer Finger‘, Nom. Plur. meöir!) m Windischs
Wörterb. belegt.
Trat im Falle 3 eoö vor vr, I, n auf, so erscheint der-
also eigentlich zu streichen wären. In unserer Kategorie III
erfährt demnach die gleiche Behandlungsweise wie
e, nur erscheint hier stets die Schreibung 212, nie eu?.
Die 1. Sing. z. B. duaircher Lib. Ardm. 1682 wird über *cecra laut-
gesetzlich aus *ki-kr-a entsprungen sein. Ebenso ist *lel in der 1.
u. 2. Sing. zu erwarten; leider sind diese Formen nicht belegt. —
Der Ausgangspunkt für diese Analogiebildungen war vielleicht das
Präsens renim, Wz. per, aus *pr-na-mi über *prinami entstanden.
Man könnte annehmen, dass zu einer Zeit, als es Präsensformen
*prinami, linami ete. gab, im Perf., z. B. in der 3. Plur. nebenein-
ander bestanden: *pe-pr-ontor, *li-U-ontor, *gi-gli-ontor. Hierauf
sei gegenseitige Anähnlichung eingetreten, dergestalt, dass — wohl
auch unter dem Einflusse des noch im Präs. vorhandenen ὁ — ein
*pi-pr-ontor entstand, andrerseits nach diesem Muster *D-I-ontor,
*gi-gl-ontor etc. Ebenso in der 3. Sing. *pe-pr-e > *pipre, aber
*N-lor-e > *lle, "gi-gloi-e > *gi-gle. (Die Thatsache der Tiefstufe
der Wz. im Sing. thut hier nichts zur Sache.) Hieraus dann die
wirklich belegten Formen, nur dass in *ertar, *ir ein anlautendes
r als Reduplikationszeichen neu eingeführt ward, nach der Propor-
tion lenim:lıl = renim:rir. Dies ist wenigstens eine Möglichkeit.
Auch dem Perfektum 1. 2. Sing. -gen, 3. -geuin aus *ge-gn-a, *ge-
‚gn-e könnte man eine analogische Beeinflussung zumessen, wenn
dessen Präsens -gninim als ursprüngliche Bildung angesprochen
werden dürfte. Beispiele des -gninim sind: anı huanaithgnintar
“id de quo praedicatur’ Sg. 29 (th nach n regelrecht zu #, die
Bildung nach Series III der Gr. Celt.), itargninim (gl. sapio pru-
dentia) Pr. Cr. 57», ondi itargnin * ex intelligente’ Solil. Aug. Cr. 54
(Windisch Ir. T. p. 148, &1. 16) — diese Form nach Series I. Da ὦ
nirgends mit einem Längezeichen versehen ist, muss es als kurz
angesehen werden, die 3. Plur. ist anzusetzen als *-gnenat. Eine
solche Form neben -glenat könnte Anähnlichungen im Perfektsy-
steme zur Folge gehabt haben. Freilich erscheint mir die Ursprüng-
lichkeit des Typus gninim höchst zweifelhaft. Damit fallen alle
Rekonstruktionsversuche.
1) Prof. Brugmann erinnert mich an μόκρωνα᾽ τὸν ὀξύν. ’Epu-
θραῖοι Hesych. und an uaxedvög "schlank, ragend’.
64 Richard Schmidt,
selbe Lautkomplex vor ? im Falle 2”; denn von set "Weg?
lautet der Nom. Plur. int sewit Z? 215 und von dem gleich-
lautenden set in der Bedeutung “Kostbarkeit” wozu mlat. sentis
“fibula’? (Du Cange) gehört, findet sich der Nom. Plur. seust,
seoit bei Windisch. Das Gleiche gilt aber auch für den Fall
2%: (denn et “Eifer, Eifersucht’ bildet den Gen. ind eoit (gl. zeli)
ΜΙ. 3249. Dass das Wort wirklich in die Kategorie 2% ge-
hört, also idg. -ant enthält, muss jedoch erst kurz bewiesen
werden.
Wie Stokes zuerst gesehen hat, Bezzenb., Beitr. XI 140
ist ir. δέ zum ind. yatna "Anstrengung, Eifer’ zu stellen, zu
dem es sich genau ebenso verhält, wie ir. vet “Ding” (nur dass
dies ein a-Stamm ist) zu ind. ratnam “Habe, Gut, Kleinod’,
vgl. Windisch, Ber. d. kgl. sächs. Ges. d. Wissensch., phil.-hist.
KI.XXXVIII 244. Über das n, welches bald als Suffix, bald als
Infix erscheint, siehe Brugmann, Grundr. I 5 221. Aus dem
altgallischen Sprachgebiete gehört hierher Jantumarus Z? AT,
Adiantunneni (aufgefasst als Dativ eines a-Stammes), Adian-
tunnos, Adianto Stokes KZ. XXVIIL61. Den zuletzt genannten
Wörtern entspricht eymr. addiant "Sehnen (add- wie in eymr.
addfıwyn “edel’ neben mwyn Z? 897). Im Gall. und Brittan.
erscheint also jant-. Dieser Übereinstimmung gegenüber sind
wir berechtigt, das von d’Arbois de Jubainville, Etudes gram-
maticales, introduction S.9 beigebrachte gall. Jentumarus als
eine nur dialektische, vielleicht durch Emwirkung des anlau-
tenden 7 entstandene Nebenform ansusehen. Das eymr. und
gall. jant- kann aber nur aus einer gleichlautenden idg. Urform
entsprungen sein, weil mit einem angenommenen idg. jnt- oder
int- das ind. Wort kaum zu vereinigen wäre und vor allen
Dingen eine andere Art der Infektion im Irischen eintreten
müsste, wie wir sofort sehen werden.
Ir. τοῦ aus ursprüngl. ant und ir. -et aus -ent erleiden
also bei ö-Infektion die gleichen Veränderungen: doch darf
man darum noch nieht annehmen, dass auch der nichtinfizierte
Vokal in Worten wie et “Eifer’, cetal “Gesang?” und auf der an-
deren Seite set Weg’ phonetisch derselbe war, und dass weiterhin
auch das e von scel oder cenel sich damit genau deckte. Zum
Zustandekommen des eu genügt indess die Einwirkung eines
infizierenden ö auf gewisse #-Qualitäten noch nicht: als dritter
Faktor muss vielmehr noch ein bestimmter intervokalischer
Zur keltischen Grammatik. 65
Konsonant hinzukommen. Wie wir eben gesehen haben, lassen
sich als derartige Konsonanten nur /, », an und ἐ nachwei-
sen; s z. B. war ungeeignet, wie der irische Reflex des idg.
jhans- "Gans οἷο." beweist, ir. geis “Schwan?” (ein i-Stamm),
bei O’Clery mit eala erklärt. Das Wort gehört seiner Ge-
stalt nach zu Fall 2%, gerade wie et “Eifersucht”; während
aber von letzterem der Gen. eoit lautet, ist eine Form *gewis
unerhört.
Bezüglich der ewi-Formen muss übrigens bemerkt werden,
dass die Schreibung mit θεὲ nicht immer konsequent einge-
halten wird, sondern dass bisweilen ei an ihrer Stelle erscheint.
So steht etörgein (Perf. zu etargninim) Mi. 248 19, neben ge-
wöhnlichem -gewin Z?450, dind seit (de via) ΝΥ}. 24* 17.
Doch leidet es keinen Zweifel, dass wir es in solchen Fällen
nicht mit einem andersgearteten Vokale zu thun haben; sondern
der Schreiber — wenn er nicht blos eimen Buchstaben seiner
Vorlage abzuschreiben vergessen hat — hat sich begnügt, die
Mouillierung des auslautenden Konsonanten zu bezeichnen, ohne
der eigentümlichen Klangfarbe des Sonanten Rechnung zu tragen.
Ganz besonders ist zu betonen, dass in allen bisher auf-
geführten Fällen nur dann ewi erscheint, wenn der nach-
folgende palatale Vokal vollständig geschwunden ist;
ist dieser dagegen noch vorhanden, so steht einfaches e, bisweilen
eu: vergl. Wb. 19% 18: isicrist ataat insetisin, “in Christus be-
finden sich diese Wege’; set schwankt zwischen der o- und ;-
Deklination hin und her, daher es denn Stokes Bezz. Btr. XI
99 geradezu unter den “irregular nouns’ verzeichnet ; dasselbe
gilt auch von dem anderen set “Wertgegenstand’, von dem
der Nom. Plur. «δεξὶ Wb. 95 ὁ 4 erscheint neben oben ange-
führtem seoöt. Auch rogeni “ΤΟΙ ist hier zu erwähnen, öshe
inpeccad rogeni anwile comaccobar (gl. peecatum operatum
est omnem eoneupiscentiam) Wh. 3° 25, ibid. rageni mit Pron.
inf.; ebenso dorigeni z. B. Sg. 2000 10, nur dass hier der
Wortakzent auf dem ὁ ruht. Wenn endlich m einigen wenigen
Beispielen auch trotz des Mangels eines imfizierenden Vokals
eui geschrieben wird, z. B. docheneiwil “σου Z? 19, so wird
man so etwas als einfaches Versehen aufzufassen haben, denn
die Schreibung des ὁ ist geradezu falsch. ὁ an unrechter Stelle
findet sich auch manchmal ohne «x; so steht Wtb. 2312: act
rocloor forcainsceil si “wenn ich nur gute Nachricht von euch
Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 5
66 Richard Schmidt,
höre’ mit falschem ὁ, denn scel ist neutraler o-Stamm ἢ): aber
richtig gleich vorher 23’ 41: niconchloor act forcainscel “ich
höre nur gute Nachricht von euch.
Was das Neuir. betrifft, so existiert das alte eoö in der
Sehrift bis zum heutigen Tage, obwohl man gewöhnlich &
sehreibt, und ist auch der Aussprache nach noch immer von
dem letzteren verschieden, vgl. O’Donovan, Ir. Gr. S. 27, wo
er eoi als eö mit Erweichung des folgenden Konsonanten be-
schreibt. Derselbe giebt S. 85 geradezu als Regel an, dass
Monosyllaba mit da oder ex beide Formen im Gen. Sing. haben
könnten. Interessant sind seine Beispiele: geadh "Gans’, Gen.
geidh oder geoidh, ean "Vogel’, Gen. ein oder eoin, beal
‘Mund’, Gen. beil oder beoil, sgeal “ Erzählung’, Gen. sgeil
oder sgeoil, trean Held’, Gen. trein oder treoin: aber die
zweite Form sei selten, ausser in der Poesie oder poetischen
Prosa.
Die 4 letztgenannten Worte besitzen eoö mit Recht, nicht
aber geadh Gans’. Hier ist eine Trübung des Sprachbewusst-
seins eingetreten, denn das Wort hat idg. ei, wie die brittan-
nischen Sprachen beweisen: eymr. gerydd, akom. guit, bret.
goaz Z? 1014.
In den Fällen 2%, 2? und 3 tritt also bei vorhandener ö-
Infektion und auslautendem 1, r, n und # jederzeit eoö ein.
Anders bei 2°. Hier erscheint — obwohl auch ἐ im
Auslaute steht, im Falle der ö-Infektion durchgängig ei.
Beispiele:
1. ir. cet “hundert’, Gen. ceit, di chlaind cheit ἡγῇ “aus dem
Geschlecht von hundert Königen’, Paul. earm. 1. cet —
eymr. cant, kom. cans, bret. kant, idg. kmtom.
2. ir. det “Zahn? (i-Stamm), dat. do deit (gl. ad dentem)
Sg. 67° — ceymr. bret. dant, kom. dans <idg. dnt —
(efr. got. tanpus, ind. Akk. Plur. datds).
“ιν
ν-
ir. meit “Grösse” — urbritt. mantı, daraus meymr. meint,
korn. myns, mns, bret. ment “Grösse‘. 'Thurmeysen Kel-
torom. S. 105f.: KZ. XXVIIL 146.
Dies sind sichere Beispiele. Nicht zu diesen gehört das
ir. bree Lüge’ (a-Stamm) mit dem Akk. in nataibred breic
gl. nolite mentiri Wb. 27’ 12, welches Stockes KZ.XXVIIL61
1) Vielleicht stammt ὁ von dem -s? her.
Zur keltischen Grammatik. 67
ebenfalls hierher zieht. Zwar ist die Vergleichung mit skr.
bhrasa- m. “Fall, Sturz’ sicher richtig, allein für den Vokalis-
mus des keltischen Wortes lernen wir hieraus nichts. Dieses
könnte wohl auch aus *brenka oder *bramka entsprungen sein,
da vor c niemals ein eoi-Laut auftritt.
Wir erkennen aus dem Gegenüber von set Gen. seuit und
cet Gen. ceit, dass es sich in beiden Fällen um verschiedene
e-Laute (resp. ὁ + n-Laute) handeln musste, da ja die beiden
zur Infektion noch nötigen Bedingungen: ein dünner auslauten-
der Vokal und ein die Mouillierung vermittelnder Konsonant
beidemale in genau der gleichen Weise erfüllt sind. Der aus idg.
» neu entwickelte Diphthong en fiel also im Ir. nieht zusammen
mit dem aus idg. Urzeit überkommenen en. Ebensowenig war
dies in den britt. Sprachen der Fall, da hier überall Fälle wie
eymr. hynt und cant, bret. hent und cant streng von einander
auch in der Schrift geschieden sind, was ja im Ir. im allge-
meinen nieht geschieht. Mittelirisch und so noch Neuirisch
schreibt man zwar öfter ex als im Air., aber nicht immer an
der rechten Stelle: berechtigterweise in meur “Finger (mir.
Nom. plur. meoör in Windischs Wtb.), fälschlich m cead “hun-
dert” neben richtigem cead.
Es fragt sich nun, ob wir zur genaueren phonetischen
Bestimmung des vor urspr. » im Ir. erscheinenden Vokales
nicht auch Fälle aufzutreiben vermögen, in welchen dieser
Vokal keine durch das Verklingen des Nasals bedingten wei-
teren Veränderungen durchgemacht hat. Erhalten hat sich
nun der Nasal im Ir. nur vor Mediä; es käme also darauf
an, Material herbeizuschaffen, wo die idg. Verbindung: Nasalis
sonans + Media oder Media aspirata in einer den Wortakzent
tragenden ir. Silbe nachgewiesen werden könnte. Dieses Un-
ternehmen ist freilich mit den grössten Schwierigkeiten ver-
bunden, und zwar aus dem Grunde, weil oft gar nicht der
Beweis zu erbringen ist, dass nicht vielmehr starke Stamm-
form mit e vorliege. Von Wichtigkeit ist auch hier das a auf
brittanischem Sprachboden. Leider aber versagt es nur zu
oft da, wo man seiner Hilfe am dringendsten bedürfte. Denn
a erleidet im allen Dialekten durch nachtolgendes © Infek-
tion und ist alsdann von ursprünglichem e nieht mehr zu un-
terscheiden.
Einige sicher hierher gehörige Fälle, die schon mehrfach
68 Richard Schmidt,
unter anderen Gesichtspunkten zusammengestellt worden sind,
sind:
1. ir. imm Butter’ aus ömb, Gen. ömme, Dat. immim,
wodurch es als neutraler »-Stamm erwiesen wird = bret.
amann, akom. amenen, emenin (butirum), eymr. emenyn 2. 5
82, neymr. ymenyn “butter’ (neymr. y in vortoniger Silbe aus e,
dies wie im Korn. durch Infektion aus a). Dagegen Hoch-
stufe der Wurzel mit ὁ im skr. anji-, ahd. ancho, preuss. anktan
Butter’, lat. unguen; Tiefstufe — aber mit langer Nas. so-
nans (vgl. Brugmann, Grundr. I 8 255) — im ind. djya- n.
“Opferschmalz’, ajyana n. "Salbe, bes. Augensalbe'.
2. Ir. imb "um- herum’, eymr., korm., bret. am-, Z? 897
(als Präposition nur im Cymr., daneben auch ym-, em- durch
Infektion), gall. ambi-. Sie weisen auf eine Grundf. ®mbhi nach
Thurneysen im Grundriss I, p. 566, Z. 11 v. u., gerade wie
skr. abhi, ags. ymb (ahd. umbi, ags. ymbe ist eine Erweite-
rung mit der Präposition bi).
3. Die ir. Negativpartikel in Z? 860, z. B. in inderb
“incertus', öngnath “unbekannt, ungewöhnlich, wunderbar‘. In
den sicheren Beispielen steht @» nur vor d und g; ein Fall
mit ὁ liegt nicht vor. Grdf. ist n = lat. in-, gr. d- ete. Vor
tenues ist aus » regelmässig e- entstanden, ecsamail “unähn-
lich’, cosmail “ähnlich’, vor Vokalen an; im Britt. entspricht
überall an- Z? 893. Rhys Lect. 3 92, Zimmer ΚΖ. XXIV 898 ἢ.
4. Ir. bind (i-Stamm) ist von Windisch Rev. Celt. V
466 zu skr. bhandate "jauchzenden Zuruf empfangen’, bhan-
.distha “am Jlautesten jauchzend, gellend’ gestellt worden.
Wahrscheimlich ist es als *bAndi- mit Tiefstufe der Wurzel
zu erklären. Leider scheint den brittannischen Sprachen ein
verwandtes Wort abzugehen. Dagegen kann das ebendort an-
geführte ir. mind “diadem’ (meutraler. Stamm) wegen des
eymr. minn “sertum’ nicht hierhergezogen werden. Wohl aber
wäre dies sehr wohl möglich bei ir. cimb “Silber, Abgabe’,
von Windisch mit lat. cambiare verglichen, für welch letz-
teres er keltischen, also gallischen Ursprung annimmt. Die
Proportion ir. cimb :imb — gall. camb- : amb- ist zu auffällig,
als dass man nicht in cimb ein Aomb- erkennen sollte.
Weniger sicher ist es, ob auch die gall. Partikel ande-
hier angeführt werden darf, die in einer Reihe von Eigennamen
wie Andecamulos Z? 867 uns erhalten ist und wohl einen
Zur keltischen Grammatik. 69
ähnlichen verstärkenden Sinn besessen haben mag, wie ver-
in Vereingetorix. Mit anderem Auslaute tritt ando- auf in
Andocombogios auf der Inschrift von Briona, Stokes Bezzenb.
Beitr. XI 117; Irisch schemt ind- als Kompositionspartikel
mit der doppelten Bedeutung der Richtung nach emem Orte
hin und des Ausganges von wo her zu entsprechen, Z? 867,
indrith “Einfall’ und iöndarpae “ablatio’. Auf britt. Boden
gehört das eymr. en- Z? 896 hierher, das auch nur noch als
Verstärkungspartikel dient. Vielleicht darf man auch an den
alteymr. Eigennamen Andagello- auf eimer Inschrift: Curcagni
Fili Andagelli denken, Rhıys Lect. ? 338. Die gallische
Doppelheit und die Gegensätzlichkeit der Bedeutung im Irischen
legen die Vermutung nahe, dass wir es mit zwei verschiedenen
Kasusformen einer Pronominalwurzel zu thun haben, etwa einem
alten Instrumentalis ande- und einem Ablative ando-, ähnlich
wie im ir. air- und aur- auf zwei in den Endungen verschie-
dene Grundformen zurückweisen, auf are- = gall. are- und auf
aro- aru-, das aus dem Gall. noch nieht nachgewiesen ist.
Übrigens erkennt Stokes a. a. Ὁ. unser nd- oder ndh- wieder
im ind. adha- (adhara, adhama), got. undar etc.
Wahrscheinlich liegt diese Wurzelgestalt noch in einem an-
deren ir. Worte vor, nämlich in önd “Ende, Spitze’ (mase. ö-Stamm)
und in dem Compositum rind!) “Spitze, cacumen’, ebenfalls
mase. i-Stamm und nicht mit dem neutralen «-Stamm rind
“Stern” zu verwechseln. Man könnte, wenn man sich nicht
darauf kaprizieren will, dass manche Gegenstände wirklich
unten spitzig sind, das ‘unten’ mit der “Spitze’ sehr wohl
durch die Zwischenbedeutung “Ende” vermitteln. Vielleicht
gehört hierher auch das neymr. an “element, principle, ma-
terial’ (Spurell), dessen ursprüngliche Bedeutung “Grundlage ’
sein würde. Es ist ein Femininum, also Grdf. *ndha? Doch
ist dies ganz unsicher.
Nicht ganz sicher sind ferner:
1) rind könnte für ro-ind stehen ebenso wie saidbir “reich’
für su-adbur (doch ist satdbir ein ?-Stamm wie lat. inermis, imber-
bis), indem das hochbetonte ὁ vor einem folgenden Vokal im Iri-
schen nach bisher noch nicht ermittelten Gesetzen schwinden kann,
während es in anderen Fällen erhalten bleibt, vgl. Thurneysen Rev,
Celt. VI 149.
70 Richard Schmidt,
Ir. ingen!) "Nagel’, acymr. eguin "unguis’ gl. Ox., neymr.
ewin, akorn. euwin, bret. iwuin Z? 816; ὁ kann auch hier über-
all durch den Einfluss des nachfolgenden ὁ entstanden sein,
ebenso das bret. ὁ, da in diesem Dialekte vor einem noch vor-
handenen ὁ in auslautender Silbe a als ö erschemt, vgl. ὁ lüvi-
rinn “dieam’ neben ne a lavaro. Lautlich wäre ja alles in
Ordnung, wenn man *nghena?) als Grundform und als Tiet-
stufe zu lat. unguis, gr. ὄνυξ ete. (Curtius ὅ 522) ansetzte.
Immerhin liegt keine Notwendigkeit hierfür vor, zumal da in
den verwandten Sprachen nirgends Tiefstufe der Wurzel er-
schemt. Man könnte auch, wie wir später begründen werden,
über ein *enghena zu den kelt. Formen gelangen. Freilich
findet diese Grundform anderswo ebensowenig Bestätigung wie
die erste. Non liquet.
Ganz ebenso verhält es sich mit ir. ἐπείγει (-enn-Stamm),
imlecan “Nabel’, dessen Zusammengehörigkeit mit griech.
ὀμφαλός, lat. umbilio und embilicus (mit dem ümlecan auf-
fällig im Suffix übereinstimmt) ja sicher ist, ohne dass die
Ablautstufe der keltischen Worte sich ermitteln liesse. Hier
lassen uns noch dazu die brittannischen Sprachen im Stiche.
1) So ist der Nom. für das Air. anzusetzen. Vergl. Ascoli,
Archiv. glott. 6, p. LXXXVI, Thurneysen im Grundriss II 332
Anm. 2.
2) Es geht kaum an, wie Brugmann, Grundr. I 8 438b, 8 533
Nr.5 und 7 anzunehmen scheint, in dem kelt. y den direkten Nach-
kommen von idg. qh zu sehen; denn da das Urkelt. einerseits die
ide. Tenuis in hochbetonten Silben nirgends stimmhaft werden
lässt, andrerseits das Hauchelement bei den idg. Mediae aspiratae
spurlos getilgt hat, so liegt die Vermutung von vornherein nahe,
dass idg. Tenuis aspirata im Urkelt. entweder mit der Tenuis zu-
sammengefallen oder — wie auf altbaktrischem Gebiete — zu einer
stimmlosen Spirans geworden sei, dass sie also jedenfalls ihren
stimmlosen Charakter bewahrt habe. Diese Annahme findet Bestä-
tigung in der 2. Sing. des Präs. secund. no bertha "ferebas’, dessen
Endung nicht von ind. -tha, gr. -da und vor allem nicht von ind.
ἐμᾶς getrennt werden kann, womit sie ganz und gar identisch zu
sein scheint, Stokes Kuhn-Schleichers Beitr. VII6. Andere Beispiele
sind nicht so sicher, so die auch von Brugmann als zweitelhaft be-
zeichnete Zugehörigkeit des gall. οὐέρτραγοι, ir. fraig etc. zu der
Wurzel thregh-; iv. droch "Rad, Reif’ ist etymologisch ganz unklar.
Man wird wohl für ngen den analogen Wechsel von Tenuis aspi-
rata und Media aspirata annehmen müssen, welchen Brugmann im
Grundr. I 348, Nr. 7 für idg. Tenuis und Media nachweist.
Zur keltischen Grammatik. 71
Bei einer Anzahl von Präsensstämmen, die bald e, bald ὁ
als Wurzelvokal aufweisen und » wurzelhaft oder als Infix
enthalten, erhebt sich abermals die Frage nach ihrer Ablauts-
stufe. Dies gilt insbesondere von unseren eingangs erwähnten
lingim und eingim, zu denen sich noch andere Verba auf
-ingim hinzufügen lassen: dringim "ich steige" mit Compositum
fordringim “besteige', scingem “ich springe’, fordingim “ sup-
primo’ (siehe die Belege in Windischs Wörterbuche).
Inwieweit hier “-Wurzeln vorliegen, also Bildungen wie
lat. pingo, lässt sich nicht ausmachen, da mehrere der ge-
nannten Worte etymologisch undurchsichtig sind; dass aber
cingim und lingim nicht dazu gehören, haben wir bereits
früher konstatiert. Vom irischen Standpunkte aus würde nichts
hindern, diesen Wörtern Tiefstufe zuzuschreiben; doch bereiten
dann die gallischen Eigennamen (ingetoris und Lingones
Schwierigkeiten. Cingetorix wäre ir. *Cingedri, ri inna cin-
ged “König der Helden’ — vgl. ir. cing mit calma tapfer’
bei O’Dav. erklärt. Es lässt sich ja allerdings nicht mit
Sicherheit ausmachen, ob ein etymologischer Zusammenhang
zwischen dem Substantiv cöing und dem Verbum cingim besteht
und gerade so ist es bei löngim und Zingones: wahrschemlich
ist es aber immerhin, dass sie ein verwandtschaftliches Band
verknüpft; und dann haben wir kein Recht, ö» als ursprüng-
lich » zu deuten. Denn nach Ausweis des gall. ambi- wäre
dann im gall. «-Laut zu erwarten. Deswegen empfiehlt es
sich in löingim und cingem ein ursprüngliches e zu vermuten.
Leider sind die Gesetze, nach denen idg. e im ir. vor
einem dünnen Vokale in der nächsten Silbe bald als e erhal-
ten bleibt, bald zu © wird, noch nicht bekannt, vgl. Brug-
mann Grdr. I 566, wo eimige Fälle aufgeführt werden, die
sich noch vermehren liessen. So gehören zu dem Beispiele
mid, gen. meda (u-Stamm) “ Met’, noch fünf andere «-Stämme,
in denen zweifelsohne als Wurzelvokal e steckt und die trotz-
dem in allen Kasus, wo « in der Endung stand, zeigen. Es
sind smir “medulla’, gen. smera — vgl. ahd. smero, gen.
smörwes “Schmeer', bir gen. bera “Stachel, Spiess’, Stokes
Bezz. Btr. XI τὸ ἢ, dagegen in allen drei brittannischen Dia-
lekten ber, längst als identisch mit lat. vera erkannt, ir. mil
Honig, britt. mel, ir. gin“ Mund’, eymr. geneu, kom. genau,
bret. genou, schliesslich ö viel’, dessen idg. Grundform als
72 Richard Schmidt,
pelus anzusetzen ist. Hier überall wird man das © wohl dem
Einflusse des in der nächsten Silbe stehenden z zuzumessen
haben; gerade wie dies im Westgerm. stattfindet (vgl. Brug-
mann Grdr. I 59). Da unser nhd. wöel ebenfalls «-Stamm
war und mit ir. ö2 vollständig übereinstimmt, so haben wir ein
Beispiel für die Erscheinung, dass auf gesonderten Sprachge-
bieten gleiche Ursachen genau die gleichen Wirkungen her-
vorrufen können.
Noch ein weiterer, interessanter Fall ist hier zu ver-
zeichnen, der aber gewisser Lautgesetze wegen eine eingehen-
dere Besprechung erfordert. Irisch ὁ wird bekanntlich durch
einen hellen a- oder o-Vokal im der nächsten Silbe zu e um-
gefärbt, daher kelt. *vöros > ir. fer. Davon macht eine be-
merkenswerte Ausnahme die Verbindung inda-, indo-, indem
hier unter allen Umständen 2 erhalten blieb. Sichere Beispiele
sind}: ir. finnaim (nach series II), das ziemlich genau dem
ind. vöndami entspricht; ferner ir. finn "weiss : Nom. Plur.
mna finna “wmulieres candidae‘ bei Windisch. Das eymr. Masc.
gwynn, Fem. gwenn und gall. eindo- in Vindobona etc. wei-
sen ebenfalls auf vöndo- hin, aber — worauf aufmerksam ge-
macht werden mag — doch nur im Verbindung mit dem ir-
schen Worte. Denn das britt. vind- könnte auch aus vend-
hervorgegangen sem und bei ‚gallischen Formen lässt sich eime
derartige Annahme ebenfalls nieht von der Hand weisen. Wie
find “weiss hat wurzelhaftes ὁ auch find “das einzelne Haar,
ein d-Stamm: Gen. Sing. finna, Dat. Plur. findaib, Akk. Plur.
finna. Ferner vgl. das Denominativ rindaim "steche" zu dem
oben p. 69 erwähnten rind. Diese Beispiele genügen zur Be-
stätigung der Regel, dass die Gruppe ind in der Hochtonsilbe
irischer Wörter keinerlei Schwankungen im Vokalismus ausge-
setzt ist. Wo also neben Formen mit ind solehe mit end vor-
liegen, ist e als der ursprüngliche, ὁ als der sekundäre Vokal
anzusehen. Im Cymr. tritt natürlich auch hier ind auf und
erweckt leicht im Verbindung mit dem irischen ὁ den Schein,
als ob letzteres wurzelhaft wäre. Solch ein Beispiel ist ır.
lind trank’ (v-Stamm, Gen. lenna), eymr. Uyn trank’; als
1) Die Formen des Artikels, ferner zndas “quam est’ lasse ich
hier beiseite, da sie ihres prätonischen Charakters wegen nicht ge-
nügend beweiskräftig sind.
Zur keltischen Grammatik. 15
Grdf. ist Tendu- anzusetzen. Auch rind “Sternbild” hat unur-
sprüngliches ὁ, wie der Gen. renna beweist. Hier ist ὁ nur
durch Einwirkung des ἢ’ zu erklären. Keine Entscheidung
wage ich zu treffen in Fällen wie air. cliuss "Kunststück ',
earm. St. Paul. II 6, mir. dagegen cless; ferner mir. tess Hitze,
Gen. air. tesa, kaum aus te(/p)ess kontrahiert, eher von einem
Stamm zepstu- herzuleiten. Jedenfalls dürfte die Annahme
nichts bedenklieches haben, dass im Ir. ursprüngliches ὁ überall
da zu ö verwandelt wurde, wo 7, Z und n, welehe auch bei
der eoi-Diphthongierung eine Rolle spielten, durch « Labialı-
sierung erfuhren. Natürlich hat langes « denselben Einfluss
ausgeübt, sodass sich dobiur von der Wurzel bher erklärt.
Von weleher Wiehtigkeit der vermittelnde Konsonant ist, wird
bei Formen mit ch deutlich. Vor diesem tritt bei folgendem
ü niemals die Verwandlung eines e zu ὁ m hochbetonter Silbe
ein: der Dat. von ech “Pferd’ lautet eoch aus egä, von nech
“aliquis’, do neoch, do neuch; aus ad + techü entsteht ateoch
“ieh bitte’; aus dega (alter femininer «-Stamm Stokes Bezz.
Beitr. XI 77) deoch Getränk’. Wo im Ir. vor ch ein iu
auftritt, ist das ὁ wurzelhaft; so enthält flöuch "nass die Wur-
zel vlig-, was durch das eymr. gwelyb (mase.), gwwleb (fem.)
bewiesen wird. In einem merkwürdigen Beispiele könnte es
scheinen, als ob bereits in inselkeltischer Urzeit e dureh fol-
gendes z zu ὁ geworden sei. Es betrifft das ir. ar chiunn =
eymr. erbynn eigentlich “vor dem Kopfe’, dann überhaupt
“vor’, wie denn alle keltischen Sprachen eine ausgesprochene
Vorliebe für nominale Präpositionen hegen. Dass in erbynn
ein Rest der ehemaligen Deklination im Brittanischen, ein
alter Dativ, vorliege, ist zuerst von Siegfried und Norris
erkannt worden. Der Nom. lautet eymr., korn., bret. penn,
ir. cenn (o-Stamm). Windisch hat ihn auf eme Grundtf.
*kuindos zurückgeführt, welehe er mit griech. Πίνδος identi-
fieiert und mit der ind. Wurzel s»i- “schwellen" zusammen-
bringt. Leider verstösst diese schöne und sinngemässe Zu-
sammenstellung gegen die Lautgesetze: acymr. müsste pinn,
meymr. pynn erscheinen, da nur durch folgendes a eymr. ὁ
zu e gebrochen wird; aber auch irisch wäre an Stelle von
cenn vielmehr ceind, cinn zu gewärtigen, da nach den obigen
Bemerkungen die Gruppe ind durch a nicht verändert wird.
Ir. cenn, britt. penn lassen sich nur aus einer gemeinsamen
τί τὰ ὦ Schmidt,
Grundf. ®gennos begreifen. Allein die Dativformen verweisen
beide auf einen Stamm ginn. — Sollte seme Abzweigung be-
reits m gemeinsamer inselkeltischer Periode vor sich gegangen
sen? Höchst wahrschemliech nieht; vielmehr werden die For-
men mit ὁ in beiden Sprachgebieten unabhängig entsprungen
sein: im Irischen durch Einwirkung des a, *cennü > Fcinnü >
ciunn, im Cymr. dagegen verhältnismässig später, nämlich
dann erst als # über ö zu ὁ geworden war. Es handelt sich
also bei Liehte besehen hier gar nicht um Beeinflussung des
e durch @, sondern um gewöhnliche z-Infektion, gerade wie
bei der Entwicklungsreihe: lat. latrö > *latra > *latrüü >
=latri > *letri > leidr resp. lleidyr. Allerdings kenne ich
aus dem Cymrischen kein weiteres Beispiel, in dem e durch ὃ
zu ὁ verwandelt worden wäre. Aber dieser Wandel hat durch-
aus niehts auffälliges. Ich denke mir die Sache so, dass das
ὁ das a und e der vorhergehenden Silbe zunächst um eine
Stufe nach ὁ hin verschob, dabei entstand aus *latrz *letrr,
dagegen aus *pennz *pinnt. Späterhin wirkte 2 nochmals auf
den vorhergehenden Vokal ein; jetzt ward *letrz > *leitri;
pinni aber, das schon ὁ im der Stammsilbe besass, musste
bleiben, wie es war.
Um die obige Liste für ir. ὁ aus e fortzusetzen, so sei
des Komparativs siniu zum Positiv sen “alt gedacht, Grdf.
= seniös > "senias. Wahrscheinlich ist der Lautwandel auch
hier dem zuzuschreiben. Dagegen ist ὁ auf Rechnung von
jod zu setzen bei ad-czu aus -cesio Windisch, KZ.XXVIl 164,
indem zunächst *eösta entstand: dureh folgendes @« (in den
Konjunktivformen) wurde jedoch ὁ wieder zu e zurück ver-
wandelt: daher der Unterschied von Indik. aderu und Konjunkt.
adeeo. Ir. midiuer "ich denke’ ist aus medi- hervorgegangen,
wohl durch jod. Genau wie das bei Brugmann erwähnte feg
(dessen mir. Gen. taige als tige, also mit breitem’ ἐ und
nicht als faöge zu fassen ist) flektiert nem Himmel’, ebenfalls
ein s-Stamm: bei einem dritten s-Stamme leth Seite’ dagegen,
das irgendwie mit dem lat. lZates zusammengehört!), findet
sich keine Spur einer Form lith-. Besteht zwischen den ὁ für
ὁ in dobir “du giebst" —= doberes und Dat. fig, nim — teges,
1) Wahrschemlich so, dass ir. leth die Hochstutfe der Wz.
darstellt, lat. /Zatus die Tiefstufe nach Osthoff MU. V S.V.
Zur keltischen Grammatik. τὸ
nemes (suffixlose Lokative nach Thumeysen Bezz. Btr. VIII 269)
etwa ein innerer Zusammenhang? In anderen Fällen kann man
zweifeln, ob ursprünglich e oder Tiefstufe der Wurzel vorlag,
so bei ir. rögim “ich strecke’, obschon wegen seiner Verwandten
lat. por-rigo, griech. öperw die Zurückführung auf *regim viel
für sieh hat. Ähnliches gilt für Zöge “Bett, Lager’, zu dem
die Formen mit αὐ (laige laigim — 5. Windischs Wtb.) sich
genau ebenso zu verhalten scheinen wie air. föge : mir. taige.
Wir wenden uns nach dieser längeren Abschweifung zu
lingim und cingim zurück. Welche Ablautsstufe in ihnen sich
verbirgt, haben wir nicht mit voller Gewissheit ausmachen
können: Tiefstufe widerstritte den gall. Formen, Mittelstufe
lässt sich nieht sicher durch die Lautgesetze begründen.
Nahe verwandt mit den Verben auf -ingim ist eine andere
Reihe von Präsensstämmen, welche den Wurzelvokal e zeigt;
es sind die Bildungen auf -endim, in welchen 2 entweder Infix
oder wurzelhaft ist. Zur Vergleichung ist es angebracht, sie
näher ins Auge zu fassen. Windisch stellt sie in seiner Gram-
matik p. 63 in denselben Abschnitt mit Zöngim. Hierher ge-
hören: adgrennim, ingrennim “ich verfolge’, scendim ich
springe’, foglennim oder fogliunn “ich lerne’ (zweifelhaft, da
nn womöglich ursprünglich und nicht aus nd entstanden ist;
nd erst im Mir.). adgrennim, ingrennim gehören sicher zum
lat. gradior (mit Tiefstufe nach Osthoff), got. gröbs ΘΟ
(Stamm idg. *ghredhi-), abg. greda. Letzteres wird wohl aus
einer tiefstufigen Wurzelgestalt ghrndho- hervorgegangen sein,
die ja morphologisch allein berechtigt ist. Hingegen das ir.
Wort entstammt einem hochstufigen yrend-, da ein tiefstufiges
®grind nach den obigen Bemerkungen den Vokal nicht ver-
ändern könnte; grend- muss eine Neubildung nach solchen
Mustern, wie z. B. lit. gendü gesti sein. Jedenfalls waren derlei
uridg. Bildungen auch einst im Kelt. verbreitet. Auch scendim
bereitet Schwierigkeiten. Die Präsensform ist «durch die Be-
lege in Windischs Wörterbuch sicher gestellt, daneben tritt
neuir. scinnim auf, dessen Vokalismus jedoch ohne Wert ist.
Die erst mir. nachzuweisende Perfektform sescaind hat Win-
disch in den Grundz.? S. 166 zu lat. scando, griech. cxavda-
λον, ind. skandami gestellt. Die Wurzel ist also skand-, mit ve-
larem Guttural nach Ausweis des Indischen. Dazu will sich das
ir. Präsens im Vokalismus schlecht fügen und ebensowenig das
76 tichard Schmidt,
eymr. cychwynnaf “ich springe, fahre auf’, welche beide auf
eine Wurzelgestalt skvend- zurückgehen (vgl. ir. scel = eymr.
chwedl aus *skvetlom), die lautgesetzlich im eymr. ὁ bekom-
men hat. In welchem Verhältnisse skvend- zu den Formen
der übrigen Sprachen mit a stehe, ist unbekannt. Doch ist
das kelt. e wahrscheinlich erst sekundären Ursprungs. Oben
ist auch ein Wort scingim ebenfalls in der Bedeutung ich
springe’ erwähnt worden, vgl. Windisch KZ. XXIII 214. Sollte
dies nicht eine Kontaminationsbildung !) aus löingim und scendim
sein? Wir behielten alsdann als Grundformen lingem und scen-
dim. Ja vielleicht darf man noch einen Schritt weitergehen.
Vielleicht ist Zöngim, das wir auf ein älteres *lengim zurück-
führen dürfen, gerade infolge der ideologischen Verwandtschaft
„das Muster gewesen, nach dem sich scendim gerichtet hat.
Freilich muss dies schon in inselkeltischer Urzeit geschehen sein.
Jedenfalls erhöht -grennim mit seimer von nieht mehr nach-
weisbaren Mustern überkommenen sicheren e-Stufe die Wahr-
scheinlichkeit, dass die gleiche auch in lingim und cingim
vorliegt. Leider ist die Herkunft von cingim nicht ganz klar,
vgl. Windisch bei Curtius Grundz.° 380.
Wir schliessen jetzt den Kreis unserer Betrachtung, in-
dem wir zum Ausgangspunkte ir. ceimm und leimm — britt.
camm und lamm zurückkehren. Idg. Nasalis sonans ergiebt im
urir. in; die Länge zu diesem ὁ ist &. Das bewies uns cet
“hundert” neben imb “Butter”. Auch in leimm und ceimm
liegt Länge vor, welche durch Ersatzdehnung entstanden ist.
Und weil dabei Ersatzdehnung im Spiele ist, ist der Gedanke
ausgeschlossen, dass etwa schon in inselkeltischer Zeit, als
Gälen und Britten noch eine nationale und sprachliche Einheit
bildeten, -ngm zu mm assimiliert worden wäre. Denn wäre
dies bereits in jener weit zurückliegenden Periode geschehen,
so hätten die Iren mm mitsamt dem vorausgehenden Vokale
unversehrt erhalten müssen; die Länge des e wäre dann un-
erklärlich. Jede Sprachgruppe muss also den in Frage stehen-
den Lautwandel selbständig und unabhängig vollzogen haben.
δ
1) Vol. z. B. das mir. adconcatar “viderunt’, Mischform aus
condccatar und adeonnarcatar, woraus zunächst Fadeonaccatar ent-
stand, hierauf gesetzmässig die erstgenannte Form. Windisch im
Wörterbuch unter adenu.
Zur keltischen Grammatik. rd
Auf welchem Wege ist nun ir. leimm aus *ling-men entstan-
den? Ward es zunächst zu löamen und fiel » vor m unter
Erscheinung der Ersatzdehnung aus? Man könnte sich auf
beimm "Schlag’ berufen, das auf *ben-men zurückweise und
wo n in entsprechender Weise ausgefallen sei. Freilich muss
man sich dann erst mit dem schwierigen ainm “Name’ ab-
finden, denn hier liegt ganz sicher eine Grundform *anmen
vor. Ohne in diesen sehr heiklen Fragen lange das für und
wider gegen emander abzuwägen, will ich kurz sagen, wie
ich mir die Sache vorstelle. Meiner Ansicht nach trat nur in
der Gruppe
Vok. + Nasal + Explosiva + m
Ersatzdehnung ein, also es entstand
Vok. + Vok.+ m - m,
dagegen wurde
Vok. + Nasal + m > Vok. + m - m.
Im ersteren Falle entstand nämlich wahrscheimlich zuerst
durch das Schwinden der Explosiva langer Nasal, also in un-
serem Beispiele aus *lingmen- zunächst *lionmen ; 1910 assimilierte
sich hierauf dem rn, von dessen drei Moren eine an den Vo-
kal abgegeben ward; oder — was in praxi auf dasselbe hin-
ausläuft: »» spaltete sich (o-+») und gab seine erste Hälfte
an den vorausgehenden Vokal, die zweite an den nachfolgen-
den Konsonanten ab. So entstand schliesslich Zeimm. Ebenso
®grendmen > *grennmen > *gremmen > greimm, *bongni
> *bonmni > *bonni > büain. Für beimm wäre dagegen
"bemm zu erwarten; vielleicht aber auch dieses nicht. Denn
das Wort lautet im Korn. mit anderem und wohl ursprüng-
licherem Vokalismus bom ietus‘, Plur. bemmyn Z? 295 Τὶ
Darum wird man wahrschemlich ein *bon-men anzusetzen
haben, das im Ir. als *boömm erscheinen müsste, aber nicht
vorliegt. Ir. beimm ist erst nach den Vorbildern ceimm,
leimm, greimm, dreimm, reimm (wohl nieht aus *ret-men zu
ir. rethim, sondern zur Wz. reid- in riadaim gehörig) ge-
schaffen. Ebenso steht das andere beimm “Reise, Weg’ für
"bemm (idg. Wz. zem-).
Wie erklärt sich dann ir. ainm “Name’, wird man fra-
gen, wenn »m durchgängig zu mm geworden sein soll? Aller-
dings hätte aus *anmen *aimm werden müssen und ist es meines
Bedünkens einst wirklich geworden. Ebenso konnte ein Gen.
18 tichard Schmidt,
®=anmons nur "amma ergeben. Nun gab es aber neben For-
men mit anm- noch andere, bei denen zwischen ἢ und m ein
Vokal, wahrscheinlich idg. 9. stand. Ganz klar beweisen das
die brittannischen Sprachen: ein Plural wie alteymr. enuein
Mart. Cap. 1” ist hervorgegangen aus anoamdnt, gerade wie
eymr. cemmein, Plural zu cam, aus cammdn?. Intervokali-
sches m ward spirantisch, a@ zu e, bez. οὐ durch Einfluss des
’. Ebenso entstand der acymr. Sing. anu — bret. hanö aus
®dnoamen. Es scheint nämlich das urbrittannische Akzentua-
tionsgesetz, wonach der Wortakzent auf der Penultima lag,
für den Fall nieht gegolten zu haben, dass ein irrationaler
Vokal der Sonant der Penultima war; dann wurde vielmehr
die vorangehende Silbe der Träger des Wortakzentes. Leider
muss ich mir versagen, hier weiter auf diese Verhältnisse
mich einzulassen. Der Gang war also: dnomen > dnawen
>
> dmween > am. Im Ir. konnte aus einer Grdf. dnamons
gar nichts anderes werden als anma mit festem m nach n,
die thatsächlieh vorliegende Genitivform. Von solehen For-
men wie anma aus wurde dann »m auch in den Nominativ
eingeführt, *aimm > ainm. Von einem Nom. *anoamen aus
sehe ich keine Möglichkeit zu ainm zu kommen, es könnte
nur *anim entstehen!). Das anlautende a dürfte sich am
besten als urspr. » vor n erklären in Formen wie »mom-, vgl.
3rugmann, Grundr. 1 58 243,4. Wäre vielleicht auch aus Am-
zunächst anm- geworden? Thurneysens Erklärung im Grundr. II
S. 686 Anm. 2 befriedigt nicht. Für den angenommenen Laut-
wandel weiss er kein einziges Beispiel beizubringen. Das »n
in Nom. Plur. anmann u. s. w. bleibt nach wie vor rätselhaft,
das an in der Deklination von Wörtern wie bra (Gen. bronn),
Eriu (Gen. Erenn) oder in urkelt. Beispielen wie dem oben
behandelten *gennos “Kopf lässt sich davon nicht trennen.
Da dem irischen ön aus n als Länge © gegenübersteht,
wird man annehmen dürfen, dass ὁ ein offenes ὁ, bez. ge-
schlossenes e war. Wahrscheinlich stimmte dieses ὁ und ὁ
ganz überein und nur bezüglich der Dauer bestand ein Unter-
schied. Da die Nas. son. einen ‘-artigen Vokal vor sich ent-
l) So ist gebildet air. senöm Wb. 154 18 = swen-9-men; das
späte seinm O’Don. Suppl. ist erst nach dem Vorbilde von ainm
entstanden.
Zur keltischen Grammatik. 79
wiekelte, wird sie vorher jedenfalls selbst palatal gesprochen
worden sein und auch als sie konsonantisch geworden war,
dieses palatale Timbre beibehalten haben. In Fällen wie det
‘Zahn’ aus *dint verklang sie schliesslich, indem sie sich dem
erst aus ihr heraus geborenen ὁ anglich. Infolge der Gleich-
heit des Timbres ergab sieh ein einheitlicher Laut.
Ganz anders scheinen die Verhältnisse in den Fällen
gelegen zu haben, wo die triphthongische Gruppe eo7 entstand.
Diese sonderbare Erscheinung deute ich mir genetisch so.
Wenn man Verbindungen wie asa, ese, ösi etc. ausspricht, ist
zweierlei möglich. Entweder behält man die Mundstellung,
die zur Artikulation des Vokals notwendig war, auch während
der Hervorbringung des folgenden Konsonanten bei, sodass
man also as’a, es“e, is’i spricht, oder man geht von der spe-
zifischen Vokalstellung in eine Indifferenzlage der Mundorgane
über, deren Vokal bei uns im Deutschen das e in unbetonten
Endsilben ist, also em dumpfes ö m Wirklichkeit.
Ich glaube nun, dass die Iren ein ursprüngliches etn
“Vogel’ in der zuletzt angegebenen Weise gesprochen haben,
d. ἢ. dass sie die e-Stellung nicht auch für ? und » beibe-
halten, sondern ? und » in einer vokalischen Indifferenzlage
gesprochen haben. Nun muss etn einmal zweisilbig gewesen
sein; auch aus dem Gen. etni wird zunächst ein zweisilbiges
etn entstanden sein, und es ist begreiflich, dass zunächst die
Erweichung sich auf die letzte Silbe beschränkte, ? also un-
verändert liess. Nach und nach verklang ὁ durch allmähliches
Erschlaffen des Mundverschlusses: es blieb nur der irra-
zıonelle Vokal der Indifferenzlage ein ö-artiger
Laut, für den es im Alphabete keine Bezeichnung gab; und
so war aus etni entstanden e+ö-+n, geschrieben euin, eoin
ete. Ebenso bei scetlöi u.s. w., auch bei kökre, gigle‘). Für
auslautendes =» fehlen Beispiele und müssen fehlen. Höchst
wahrscheinlich war nämlich im Ir. die Behandlung der Grup-
1) Anders lag die Sache, wenn vor dem erweichten Sonor-
laute mehrere Konsonanten standen, z. B. urkelt. *kantlt, Gen. von
*kantlom "Gesang’. Das hieraus zunächst hervorgehende "kant!
konnte nicht wie *sget!’ einsilbig werden, es entwickelte sich viel-
mehr ein parasitischer Vokal zwischen ἐ und /, so entstand *cantil
und weiterhin cefil. Ebenso im Nom. *sgetlom > *sgetla > sceul,
aber *kantlom > *kantla > *kantal > cetal.
80 Richard Schmidt,
pen Explos. + nm und Explosiva + » verschieden, im ersteren
Falle assimilierte sich die Explosiva dem nachfolgenden Nasale,
im zweiten dem vorausgehenden Vokale Vel. ir. boimm
‘Stück’ Goid. ? S. 88 (das Längezeichen ist wertlos), O’Don.
Suppl. boöim, buim "a morsel’, Nom. Plur. bommand, zitiert
von Stokes aus LU. in Bezz. Btr. XI 95. Das Wort geht auf
®bog-men- zurück und gehört zu ir. bongim, Aor. bocht, Ind.
bhanakti, pass. bhajyate Fick et. Wtb. I? p. 688. Ir. am
“manus hostium’ widerspricht dem angenommenen Lautwandel
nicht; seine Grdf. wird *ag-men sein, in Übereinstimmung mit
dem lat. examen aus *ex-agmen.
Genau der Entwicklung von urkelt. *etnz entspricht die
des Gen. *sentz (viae). Es entsteht zunächst sent’, ebenfalls
eine zweisilbige Form, da mit der Explosiva ἐ΄ eme neue Silbe
beginnt. ἢ. wird darum von der Erweichung nicht ergriffen,
und so ergiebt sich regelrecht sewxit. Ausserdem erhielten alle
hierher gehörige Wörter zu der Zeit, als sie einsilbig wurden,
höchst wahrscheimlich zum Ersatze für die weggefallene Silbe
einen starken Akzentnebengipfel, und gerade diese zweigipflige
Betonung mag dahin gewirkt haben, dass der Diphthong viel
schärfer hervortrat als in Fällen, wo das ὁ noch erhalten war;
also sedit, aber seuti.
Hingegen musste eme Grundform gansi zu emsilbigem
gäns’ werden, das palatale s afficierte darum in diesem Falle
das n, sodass dieses zum Schlusse mit dem ebenfalls palatalen
e einen langen, einheitlichen Vokal bilden konnte.
Es könnte nach Strachans Ausführungen (Bezz. Btr. XIV
>12 ff.) scheinen, als ob die urkelt. Lautgruppe ens bereits
in gemeinsam inselkeltischer Zeit ihren Nasal eingebüsst hätte
und zu @s geworden wäre. Dann müsste man das ὃ des ir.
geis auch in dieser frühen Periode entstanden sein lassen, und
das ist bedenklich, weil der Wandel des an vor Konsonanten
in € eine speciell irische Eigentümlichkeit ist, die nicht gut
von Fällen wie cetal aus *kan-tlo- getrennt werden kann. Es
wird darum angemessener sein anzunehmen, dass Gälen und
Brittanner unabhängig von einander ens > es verändert haben.
Die Lautgruppe »% ist absichtlich in obigem Streifzuge
unberücksichtigt gelassen worden, da sie eme besondere Be-
handlung erheischt. Auf jeden Fall ist die Entwiekelung von
nk: im Ir. nicht ohne weiteres mit der von nt in Parallele zu
Zur keltischen Grammatik. 51
stellen. Besondere Schwierigkeiten bereitet das dort öfter auf-
tretende cc mit Kürze des Vokals — ein entsprechendes t/
fehlt vollständig — z. B. coniceim “ possum neben ecen “ ἀνάγκη͵,
glicce "klug? neben fogliunn ich lerne’. Auch das Fehlen
eines eoö vor c beweist, dass die beiden Lautgruppen ver-
schiedene Wege gegangen sind.
Leipzig. Richard Schmidt.
pag
Lat. velemus got. vileima und ags. eard.
1. Dass der Opt. des idg. *wel-mi “volo’ im Lat. und Germ.
starke Wurzelform zeigt statt schwacher (regelmässig ist ai. or-2ya-t
vur-t-ta), und dass neben lat. nölö nölim die Formen noli nolite
noltto lagen, erklärt sich am einfachsten daraus, dass es einen Ind.
Praes. *wel-(Ü)rd -τ-δὲ etc. gab, vgl. ahd. willu got. wiljan wiljands
aksl. velja velis? ete. Die Vermischung des Ind. und des Opt. ist
bei der Bedeutung dieses Verbums leicht begreiflich. Anders über
nölt Wackernagel Kuhns Ztschr. XXX 313 und Stolz Lat. Gramm. 3
S. 378 f.
2. Zu den auf ein idg. Praes. Med. *7-tai weisenden ai. ir-te
av. art-Sva, gr. Ööp-co Stellt man mit Recht ags. 2. Sg. eard (Ps.),
ard (north.), eart (wests.) “du bist’, Pl. earun (Ps.), aron (north.).
Man vergleiche, dass öpwpa in der spätern Gräzität geradezu εἰμὶ
vertrat. Auch lit. yra “ist” mag zu dieser W. gehören (J. Schmidt
Kuhns Zischr. XXV 59 f.. Da nun das germ. Perfekt in der 2.
Sg. nur -f zeigt, wie got. skalt ags. scealt, und auch solche Präsen-
tia, die die Perfektendung herübernahmen, nur -Z aufweisen, wie
ags. ahd. welt (ags. ahd. best aisl. est), so ist es wenig glaublich,
dass nur das Präsens eard noch die alte Lautvariante -b der
Perfektendung (got. bart für *barp nach last hlaft ete.) gerettet
habe. Es bietet sich eine doppelte Möglichkeit. Entweder man
fasst eard mit J. Schmidt a. O. als Perfektform, vgl. gr. ὄρ-ωρ-α,
Oder man betrachtet eard als die Fortsetzung der medialen Injunk-
tivform *7-thes ai. ir-thas; die Personalendung wäre im Ausgang
der aktiven Perfektendung (idg. -tha) angeglichen, vollständige
Ausgleichung mit deren frühe zur Norm erhobener Gestalt -t zeigte
eart; als Injunktivform vergliche sich eard mit der 3. Sg. ags. as.
ε
is aisl. es (run. 15) — idg. *es-t und mit der 3. Pl. 415]. ero eru ur-
germ. *z-unb idg. *s-nt.
Leipzig, 15. Juni 1891. KB:
Indogermanische Forschungen I 1 u. 2.
συ
Betonte Nasalis sonans).
Über die Vertretung der sogenannten betonten Nasalis
sonans der indogerm. Ursprache in den Einzelsprachen ist bis
Jetzt eme Einigung unter den auf grammatischem Gebiete thä-
tigen Forschern nicht erzielt. Noch heute stehen sich die ver-
schiedenen Anschauungen so schroff gegenüber wie vor Jah-
ren beim Beginne des Kampfes. Bedenkt man dazu die Karg-
heit und stellenweise empfindlich fühlbare Unsicherheit des
Materiales, so möchte es fast ein aussichtloses Beginnen schei-
nen, nicht nur den Streit entscheiden, sondern auch die geg-
nerischen Theorien mit eimander versöhnen zu wollen. Und
doch halte ich beides nicht für unmöglich. Jedenfalls lohnt
es sich den Versuch einmal zu wagen.
Drei Ansichten stehen gegenwärtig unvermittelt neben
Kae
. Die Begründer und namhaftesten Vertreter der ersten
sind Ei Brugmann und Hermann Osthoff. Vgl. Curtius, Stud.
IX: 304. 525: 990, KZ. XXIV 20%; MET 98. Π IV 29077:
Grundriss II, 1 S. XIV. Beide Forscher sehen in aind. an,
griech. av die streng lautgesetzliche Entwickelung des beton-
ten Nasals der Ursprache. In allen andern idg. Dialekten
sind dagezen nach ihnen betonter und unbetonter Nasal un-
terschiedlos zusammengefallen.
2. Gegen diese Auffassung hat schon früh Johannes
Schmidt Einspruch erhoben; vgl. Jenaer Litteraturzeitung 1878
D. 1.19, RZ. XXTV 8307 Anm, Anz ἢ ἈΠ VIERTE RE
XXV 591. DBetontes en — so schreibt er — ist seiner An-
sicht nach im Indischen zu an, in den übrigen Sprachen aber
zu en geworden und somit ganz und gar mit dem idg. voll-
stufigen?) en zusammengefallen. Seine Theorie hat neuerdings
Rudolf Meringer, Zeitschrift für österr. Gymn. XXXIX 148 ff.
weiter ausgeführt. Beiden ist eicı der Reflex eines ursprach-
1) Vortrag, gehalten auf der Münchener Philologenversamm-
lung in der Sitzung der idg. Sektion vom 22. Mai.
2) Ich gebrauche die Bezeichnungen “Voll- und Schwund-
stufe’ anstatt der inkorrekten “Hoch- und Tietstufe’.
\
Wilhelm Streitberg, Betonte Nasalis sonans. 33
lichen *ssnti, in dem sieh zur Zeit der “Akzentverschiebung ἢ
noch “der Rest eines e-Vokals’ vorfand.
Im Resultate trifft Rudolf Kögel, Paul-Braunes Bei-
träge VIII 102 ff. mit Joh. Schmidt zusammen. Er unter-
scheidet sich jedoch darin von ihm wie von allen übrigen
Forschern, dass er für betonte wie unbetonte Nasalis sonans
überall ursprachliches "ungeschwächtes" en einsetzen will, ein
Versuch, über dessen Undurchführbarkeit heute wohl kein
Zweifel mehr bestehen kann.
Bei allen sonstigen Differenzen ist jedoch Brugmann-
Osthoff auf der einen, Johannes Schmidt auf der andern Seite
eine Auffassung gemeinsam: beide Teile sehen gleicherweise
in dem an der ind. Sprache die normale Fortsetzung eines
'idg. ἡ bezw. en. Ferner nehmen sie für das Griechische Er-
haltung des Nasals an, im Gegensatz zur Erscheinungsform
des unbetonten ». In diesen Punkten unterscheiden sie sich
scharf von den Vertretern einer dritten Hypothese.
ὃ. Hermann Collitz, Anz. f. ἃ. A. V 333 und Fritz Bech-
tel, Philol. Anz. 1880 S. 16 nehmen unabhängig von einan-
der auf Grund des ved. saptd = griech. ἑπτά für den idg.
betonten Nasal die Vertretung durch « im Indischen wie im
Griechischen in Anspruch. Felix Hartmann, Deutsche Litte-
raturzeitung 1387 Sp. 375 kommt, ohne seine Vorgänger zu
kennen, zum selben Resultate. Das einzige Beispiel, das er
für sein Lautgesetz anführt, ist aind. gdtis = griech. Bacıc
(= got. gagumps). Wenn er dagegen eicı und Eacı als or-
thotonierte und enklitische Form emander gegenüber stellt,
scheint er der Schmidtschen Auffassung sich zu nähern. Frei-
lich bleibt dabei die Länge des a in der letztgenannten Form
ganz unerklärt.
Es fragt sich nun: welche dieser drei untereinander nicht
unbeträchtlich abweichenden Ansichten ist die richtige? Ich
glaube, eine in dieser Form gestellte Frage lässt sich nicht
kurzer Hand erledigen; denn es handelt sich meines Erach-
tens in dem vorliegenden Falle nicht darum, die Alleinberech-
tigung einer der drei Theorien darzuthun, wodurch die beiden
andern eo ipso zu Falle kommen. Vielmehr scheinen mir die
Verhältnisse derart zu liegen, dass man von allen dreien sagen
kann: “Sie sind gleich wahr und sie sind gleich
talsch'.
84 Wilhelm Streitberg,
Gleich wahr, denn von keiner der genannten Hypothe-
sen lässt sich nachweisen, dass sie objektiv falsches behaupte.
Erschöpfend sind sie freilich noch immer nicht. Man kann
den drei bereits angeführten Erscheinungsformen von 2 un-
schwer noch eine vierte zur Seite stellen, deren Berechtigung
um nichts grösser oder geringer ist als die der andern. Ich
meine damit on, wie sich später zeigen wird.
Gleich falsch darf man die drei Theorien insofern nen-
nen, als sie alle den Kern des Problems nicht berühren. Nicht
berühren konnten, da jede die gegebenen Thatsachen zu sehr
isoliert und sie unter einem ganz engen Gesichtswinkel be-
trachtet. Dies beweist am besten der Umstand, dass jede
im ausschliesslichen Besitze der Wahrheit zu sein glaubt:
meines Erachtens ein Verkennen der ganzen Sachlage.
Das Problem, das die Formen mit betonter Nasalis so-
nans bieten, ist nur ein Ausschnitt aus einem andern, ungleich
srössern, dass sich etwa durch folgende Fragen umgrenzen
lässt:
1. Wie haben wir uns die Entstehung des Schwundstu-
fenvokalismus zu denken ?
2. Wie verhalten sich Schwundstufenvokale, wenn sie
dureh irgendwelche Akzentverschiebung schon in idg. Urzeit
Träger des Wortakzentes werden?
3. In welehem Verhältnis stehen thematische und athe-
matische Flexion zu einander?
Wenn auch unsere Anschauungen über das idg. Vokal-
system noch immer nicht als vollständig geklärte und abze-
schlossene bezeichnet werden dürfen, so herrscht doch darüber
meines Wissens allgemeine Übereinstimmung, dass die Vokale
ea ἃ ὁ wnd die ihnen entsprechenden Längen — die sog.
Vollstufenvokale also — die einzigen Sonanten oder silbischen
Vokale des Indogermanischen waren zu eimer Zeit, als die
Schwundstufe sich noch nicht ausgebildet hatte. Die übrigen
Sonoren konnten nur in konsonantischer Funktion, als Kom-
ponenten eines mit den eben genannten Vollstufenvokalen ge-
bildeten Diphthongs vorkommen.
Wir haben also prinzipiell für alle Silben, hauptto-
nige wie niechthaupttonige ursprünglich einen der vier
Vollstufenvokale anzusetzen.
In einer jüngern Periode der Ursprache, in der das ex-
Betonte Nasalis sonans. 80
spiratorische Element des Akzentes stärker hervortrat, haben
dann alle nichthaupttonigen Silben, mochten sie vor oder
nach der Akzentsilbe stehen, eine Reduktion erlitten. Dies
ist die Zeit, wo sich die Schwundstufenvokale zu entwickeln
begannen: > und die durch Samprasärana entstandenen ἢ, 1;
7, [1 m, n.
Dieser Idealzustand ist jedoch m Wirklichkeit schon in
der idg. Urzeit selbst stark beeinträchtigt worden. Einmal
durch direkte Akzentverschiebungen, dann durch assoziative
Umbildungen, die uniformierend Schwundstufenvokalismus in
haupttonige Silben einführten und umgekehrt. So darf man
sich nieht wundern, Schwundstufenvokale sehr häufig als Trä-
ser des Wortakzentes anzutreffen. Das ist aber ein Zustand,
der notwendigerweise überall sekundär sein muss; denn ein
von Haus aus betonter Schwundstufenvokal ist, um in der
halbverschollenen Sprache der formalen Logik zu reden, eine
contradiectio in adiecto.
Welchen Einfluss übte nun die Übertragung des Haupt-
tons auf eime ursprünglich nichthaupttonige und infolge dessen
schwundstufig gewordene Silbe aus? Modifizierte sie den
Schwundstufenvokal derselben irgendwie in quantitativer oder
qualitativer Beziehung ?
Was den ersten Teil anlangt, so hat Paul Kretschmer,
ΚΖ. XXXI 338 ff. für haupttoniges © und @ vermutet, dass
die Länge durch die sehr alte, immerhin jedoch sekundäre
Akzentverschiebung bewahrt worden sei. Wie man sieht,
stimmt Kretschmer mit Osthoff, dessen Erklärung der "neben-
tonigen Tiefstufe’ er bekämpft, darin überein, dass er m δ
die Zwischenstufe zwischen ex und & sieht. Ich will die
Richtigkeit der Erkläruug ganz dahingestellt sein lassen, jeden-
falls haben wir es bei dieser Hypothese mit der Bewahrung
einer Altertümlichkeit, nicht mit emer Neuentwickelung in-
folge sekundärer Haupttonigkeit zu thun. Ferner ist sicher,
dass zahlreiche 7 und ἃ unter dem Haupttone existieren, mag
man nun die Akzentverschiebung, die dies verursacht hat, mit
Kretschmer für jünger halten als die oben erwähnte oder nicht.
Qualitative Veränderungen, etwa die Entwickelung
eines >, bei sekundär betontem Schwundstufenvokal sind nir-
gends nachzuweisen, auch nicht bei = und /. Sie sind auch
niemals von irgend einem Forscher behauptet worden.
80 Wilhelm Streitberg,
Sollte nun » (m) allein ganz abweichend behandelt
worden sein? Am ehesten liesse sich noch die verschiedene
Entwickelung von betontem und unbetontem » im Indischen
und Griechischen begreifen, falls wir Brugmann-Osthoffs Theo-
rie zu Grunde legen. Denn hier ist bei unbetontem » der
Nasal vollkommen geschwunden — eine ganz einzigartige Er-
scheinung. Es wäre nun an sich nicht unwahrschemlich, dass
durch Akzentverschiebung das » sich erhalten habe. Warum
aber, wie Joh. Schmidt will, die Vokalqualität sich geän-
dert haben sollte, indem en zu a, 47) dagegen zu ev geworden
sei, lässt sich in kemer Weise absehn. Noch weniger begreif-
lich ist die Verschiedenheit der Vokalqualität in jenen Spra-
chen, wo » erhalten bleibt. Weshalb soll ein got. sind aus
"sonti dem got. bundans aus *bhendhonos gegenüberstehen,
obgleich es ebensowohl veulfs wie hulpans heisst? Dass aber
die Akzentverschiebung bei zwalfs gemeinindogermanisch ist,
lehrt seine Übereinstimmung mit ai. erka- und gr. λύκος aus
®elkos nach dem Gesetze Bradke-Osthoffs.
Trotz aller Konzessionen aber, die man ihr allenfalls
machen kann, schemt mir Brugmann-Osthoffs Erklärung in
letzten Grunde unannehmbar. Ihr Beweismaterial ist im we-
sentlichen der Verbaltlexion entnommen. Aber gerade der Um-
stand, dass es einem so fest gegliederten Systeme angehört,
raubt ihm seinen Wert: überall liegt die Annahme von Kon-
taminationsbildungen allzu nahe. Die Endung der 3. Plur.
-Acı aus -avrı kann sehr wol auf einer Verschränkung von
-ovrı und -arı beruhen. -arı, homerisch -acı bei Perfekten
entspricht dem amd. -atz und geht auf idg. -nti zurück, das
7. B. in der reduplizierten Klasse athematischer Präsentien be-
rechtigt war.
Das -av der 3. Plur. Aor. wird sich zu diesem -avrı ver-
halten wie -ov:-ovri.
Beim Partizipium des s-Aoristes, dessen Sutfix als -avT- er-
scheint, ist das v überhaupt nicht lautgesetzlich. Dies lehrt der
vedische Nominativ dhäksat, vgl. Lanman, Noun - Intlektion
S. 505. Selbst Brugmann hat dies Grundriss II 375 aner-
kennen müssen. Die Umbildung von ἔδειξατ- zu δειξαντ- wäre
nach dem Muster der übrigen Partizipien erfolgt. Sollte aber
auch diese Auffassung unrichtig sein, — was ich nicht glaube
— so böte «doch der Indikativ mit seinem durchgehenden ἃ
Betonte Nasalis sonans. 87
eine hinlängliche Stütze für die Annahme, dass die a-Qualität
unter seinem Einfluss habe siegen können.
Auch die wenigen Nomimalstämme wie TAVT-, ἱμαντ- ge-
hören einem System an, dessen uniformierendem Zwange sie
ausgesetzt waren. Die Möglichkeit des Sieges von a zu leug-
nen, scheint mir undurchführbar. Haben doch die ment-Stämme
die Stufe -mnt- verallgemeimert (vgl. Kretschmer κά. XXXI
347 Anm.), einzelne alte Partizipien die Schwundstufe durch-
geführt.
Kurzum, der Boden scheint mir überall ein recht schwan-
kender zu sein.
Ich meinerseits stimme mit Collitz-Bechtel-Hartmann darin
überein, dass n nicht anders behandelt worden sei als alle
übrigen Sehwundstufenvokale, die durch Akzentverschiebung in
der Urzeit haupttonig wurden, d. h. dass es unverändert blieb
und im Indischen wie im Griechischen als «(0 erscheint. Ich
verzichte dabei gerne auf alles Beweismaterial, das irgend
einem Systeme angehört, obwol es mindestens ebenso reichlich
und um nichts weniger sicher ist als jenes für 2 —= αν. Alle
Fälle wie gatis — βάεις, ved. saptd — ἑπτά 5) mögen daher
bei Seite bleiben. Denn es existiert ein Fall, der meines Be-
dünkens die Frage endgiltig entscheidet; der ausserhalb jedes
Systemzwanges steht, bei dem wir deshalb, wenn irgendwo,
die Garantie einer rein lautgesetzlichen Entwickelung haben.
Dies ist das a-privativum, bekamntlich die indisch-grie-
ehische Schwundstufenform der Negation ne. Durch die ein-
gehende Untersuchung Knauers ΚΖ. XXVII 1ff. darf es als
bewiesen gelten, dass bei primärer Zusammensetzung (bei Kar-
madhäraya) das « den Ton trug. Dies tritt uns, wie Knauer
selbst sagt, “als unumstössliche Thatsache‘ entgegen.
Erst in sekundärer Komposition, in den aus Karmadhä-
raya entstandenen Bahuvrihi verliert es den Akzent. Dieser
1) Ich stimme mit Collitz, Anz. f. d. A. V 333 f. gegen Ost-
hoff MU. 197 ff. darin überein, dass ich durch ved. sapta, griech. entö,
wozu man unbedenklich auch &. sibun zählen kann, idg. Endbeto-
nung für erwiesen halte. Aber diese Betonung muss natürlich erst
sekundärer Weise durch Verschiebung entstanden sein! so kommen
wir doch schliesslich zu Östhoffs Annahme einer Analogiebildung
nach *oktou zurück, unterscheiden uns nur in der Datierung
von ihm.
88 Wilhelm Streitberg,
Prozess ist aber im wesentlichen erst einzeldialektisch: nur
bei den es-Stämmen scheint er im die Urzeit zurückzugehen,
wie die Gleichung atejds- — ἀτερπές lehrt.
Nun wird aber heute, nach Knauers Untersuchung, nie-
mand mehr mit Brugmann, Curtius’ Studien IX 300 annehmen
wollen, dass von dieser einzigen, der spätesten Urzeit zuzu-
weisenden Kategorie aus, sich ἃ - » für lautgesetzliches an
— ἡ über das ganze Gebiet verbreitet habe. Das wäre, von
andern Bedenken ganz zu schweigen, um so unglaublicher,
weil das angebliche an = n an dem antevokalischen an = nn
eine starke Stütze gehabt hätte.
Knauers Untersuchung hat vielmehr bestätigt, was Jo-
hannes Schmidt, KZ. XXIII 272 Anm. schon vermutet hatte,
dass wir nämlich auf Grund von Gleichungen wie dgata- —
ἄβατος für das idg. die lautgesetzlich allein berechtigte Grund-
form *rgmtos anzusetzen haben. Hierdurch aber ist der Zu-
sammenfall von » und % auch für das Indische und Griechische
bewiesen: für die übrigen Sprachen nehmen ihn Brugmann
und Osthoff ja ohnedies an.
Aber diese Erkenntnis gewährt uns noch keine Erklä-
rung der aind. an sowie der ihnen entsprechenden europ. en
und — füge ich hinzu — on. Wenn wir die Reihe aind. santi
griech. evri eymr. ynt germ. *sinp, der im lat. sunt,, im abg.
satz zur Seite steht, vorurteilslos betrachten, so können wir
uns dem Eindruck nieht entziehen, dass wir es hier mit indo-
germanischem Erbgut zu thun haben, nieht mit lauter einzel-
sprachlichen Neuerungen, die zufälliger Weise zum selben Re-
sultat geführt hätten. Dazu nötigt uns das einzige &acı mit
nichten, noch weniger der Umstand, dass evri wie ynt ihr an-
lautendes s durch assoziative Neubildung verloren haben. Wie
sollte sich ein so isoliert dastehender Ausgang der 3. Plur.
wie -entö in mehreren Sprachen zugleich eimgestellt haben!
Dagegen ist in -avrı für -arı die Umbildung nach dem Muster
von -ovrı unschwer begreiflich.
Demnach scheint Johannes Schmidt mit seiner Behaup-
tung, idg. #n werde zu einzelsprachlichem en» dennoch reeht
zu haben? Auch hier muss ich wieder antworten: ja und nein.
Ja, wenn er die Ursprünglichkeit des griech. ev verficht; nein,
weil auch er von einer Schwundstufenform, von ursprünglichem
en ausgeht.
Betonte Nasalis sonans. 80
Diese Differenz mag beim ersten Blick auf ein Spiel mit
Worten hinauszulaufen scheinen; in Wirklichkeit dürfte sich
aber der Unterschied als nieht unbeträchtlich herausstellen.
Mir ist nämlich ganz und gar unverständlich, wie man
bei einer derartigen Form überhaupt von einer Schwundstufe
als dem Ursprünglichen hat ausgehen können. Das haben aber
sowohl Brugmann-Osthoff wie ‚Joh. Schmidt gethan; denn ob
man mit diesem *son»ti mit jenen *s»tö schreibt, verschlägt
wenig: das Wesentliche ist und bleibt, dass beide Parteien
in der Annahme der Schwundstufe einig sind. Und ge-
rade dies scheint mir ein verhängnisvoller Irrtum zu sein.
Gehen wir in die Periode der idg. Urzeit zurück, die
der Ausbildung der Schwundstufe vorausging, so gelangen wir
nach allgememer Ansicht nur zu einer Grundform *esent().
Das anlautende e musste als unbetont schwinden; abgesehen
davon aber konnte die Form eine zwiefache Entwickelung
durehmachen:
1. Im Hauptsatze, wo sie enklitisch war, ward ihr en
zu n reduziert; wir bekommen also *snt().
2. Im Nebensatze, wo sie betont war, trug das en den
Wortakzent. Dadurch aber war es vor jeder Reduktion ge-
schützt. Wir dürfen daher nichts anders ansetzen als *sent(i),
mit vollstufigem en. Ebenso im Optativ *sient, griech εἶεν,
mit Übertragung des anlautenden e. Spricht man in diesen
Fällen von “betonter Nasalis sonans’, so muss man dies auch
bei *bhendho u.ä. thun. Das wäre aber eine ebenso seltsame
Terminologie, als wollte man ὅδ, eu m *bheidho, bheugo " be-
tontes ἡ, τι. sonans’ nennen.
Am nächsten ist dieser Anschauung, soviel ich sehe, Ost-
hoff, MU. IV 200 gekommen, wenn er hier die sekundäre
Endung der 1. Plur., für die Joh. Schmidt die Abstufung -mon:
-men annahm, den einfachen Wechsel von -men und -mn auf-
stellte “so dass man hier die “hochbetonte Nasalis sonans’ gar
nieht braucht”. Auch Felix Hartmann, DLZ. Sp. 375 nennt
eici die “orthotonierte Form’, ohne freilich seine Auffassung
näher zu präzisieren.
Mit dem idg. e lautet aber o ab. Worauf auch immer
dieser Weehsel zurückzuführen ist, jedenfalls sind wir bereeh-
tigt, ihn zur Erklärung heranzuziehen, wenn wir in der 3. Plur.
des Verbum substantivum em o neben e antreffen. Bei lat.
90 Wilhelm Streitberg,
sunt ist freilich die Annahme einer Neubildung nach den the-
matischen Verben ebenso nahe liegend; dagegen versagt dies
bequeme Aushilfsmittel bei dem abg. sato. Es kann kein
Zweifel darüber bestehen, dass jesm» seiner ganzen Flexion
nach aufs schärfste von den thematischen Verben unterschieden
ist, dagegen eng mit den übrigen athematischen assozilert.
Diese Sachlage aber schliesst den Gedanken vollständig aus,
in sat» eine Neubildung für älteres *setz zu sehen, die durch
den Ausgang -at» des thematischen Verba hervorgerufen sei.
Wäre dies richtig, so müsste auch jadets u. dgl. Umbildung
erfahren haben, nicht blos das einzige *sets. Vielmehr ver-
hält sich idg. *senti: sonti = gen. -€s : -όβ ἢ). In diesem Sinne
habe ich oben von on als einem Vertreter der “ betonten’ Na-
salis sonans gesprochen; denn on steht in jeder Beziehung
mit en auf gleicher Linie.
Ein Einwand liegt hier allerdings auf der Hand und ist
mir auch schon von befreundeter Seite gemacht worden. Man
sagt nämlich: Was soll dieses e/o, das in der athematischen
Flexion plötzlich auftritt, denn bedeuten? Aber ebenso nahe-
liegend wie die Frage ist die Antwort: das e/o in *senti,
®sonti ist nichts anders als das e/o der thematischen Flexion.
Mit der herkömmlichen, stark schematisierenden Art und
Weise, mit der man bei der Einteilung in “thematische” und
“athematische’ Flexion vorzugehen pflegt, habe ich mich nie
befreunden können, so bequem dieselbe auch sein mag. Denn
was kann einfacher sein, als sorgfältig überall den "Thema-
vokal’ e/o wegzulassen, um das Urparadigma der athematischen
Nomina und Verba zu erhalten? Ein solches Verfahren nimmt
sich auf dem Papiere nicht übel aus, genügt aber in der
Wirklichkeit nur allzuhäufig nicht, sondern führt zu Unformen
wie #sint, ®snt(i) u.ä., die niemals eine reale Existenz geführt -
haben können.
Thematische und athematische Flexion sind eben nicht
zwei von allem Anfang an getrennte Welten, die kein Band
verknüpft. Wer suchen will, findet der Fäden genug, die hin-
über und herüber führen. Allerdings, soweit wie Kögel, Paul-
1) Ich bin der Ansicht, die auch Kretschmer neuerdings ver-
treten hat, dass der Wechsel von ὁ und e mit der Stellung des
überlieferten ide. Akzentes nichts zu schaffen hat.
Betonte Nasalis sonans. 91
Braunes Beiträge VIII 102 ff. zu gehen, wird sich gegen-
wärtig schwerlich jemand entschliessen.
Auf jeden Fall aber setzen athematische Formen im
Prinzip ältere thematische voraus, aus denen sie durch Re-
duktion entstanden sind. Wo also keine Reduktion möglich
war, da musste natürlich der alte Vollstufenvokal erhalten
bleiben.
Auf das Vorkommen athematischer Formen in der thema-
tischen Flexion habe ich vor einigen Jahren bei den ze-Stämmen
aufmerksam gemacht. Ich will heute nicht darauf zurück-
kommen, kann mir aber nicht versagen, dem früher gebotenen
zwei charakteristische Beispiele hinzuzufügen, die der Dekli-
nation der -we- und -»e-Stämme entnommen sind.
Griech. πολύς, πολλοῦ ist uns erst durch Johannes Schmidts
Lautgesetz, dass vortoniges AF zu AA werde, verständlich ge-
worden, vgl. Pluralbildungen S. 47 Anm. Wir haben im Nom.
und Akk. schwundstufiges Suffix wie bei den ea-Stämmen, im
Gen. u.s.w. dagegen Vollstufe; TOA-U-c, πολ-ύ-ν : πολλοῦ aus
"toA-Fö-cio —= lit. med-i-s : Gen. medzio.
Nieht minder interessant ist die Vergleiehung von μέγας
mit magnus. Über die Abstufung der Wurzelsilbe hat Osthoffs
Entdeckung der verschiedenen Schwundstufenformen von Na-
salen und Liquiden helles Licht verbreitet: vgl. vorläufig MU.
V, Vorwort. μέγας = *meg-n-s, hat also Vollstufe der Wurzel,
Schwundstufe des Suffixes; mag-nu-s = "mog-no-s, Schwund-
stufe der Wurzel, aber Vollstufe «des Suffixes.. Wir dürfen
demnach ein idg. Paradigma rekonstruieren: Nom. "meg-n-s,
Akk. meg-n-m, Gen. mog-nö-sio τι. 5. ὙΥ. 1).
Auch an Fällen für die umgekehrte Erscheinung: the-
matische Formen im athematischen Paradigma fehlt es nicht.
Was ist der Gen. auf -es, -os anders als eine solche? Er unter-
scheidet sich von dem der thematischen Deklination auf -esio,
-osto nur durch das Fehlen der Partikel -io. Unser -es, -ός
verhält sich aber zu dem wirklich athematischen -s des Gene-
tivs, wie es in *deu-c u. ä. vorliegt, genau ebenso wie die
“thematische” Endung -Eent(), -ont(i) in *s-ent(i), *s-ont(i) zu
der “athematischen’ -nt(i) in aind. böbhr-ati, hom. AeAöyyx-acı.
1) Die Deutung von μέγας durch Joh. Schmidt, ΚΖ. XNXVI 408,
der sich Bartholomae, ΚΖ. XXIX 585 anschliesst, scheint mir ge-
zwuüungen.
92 Wilhelm Streitberg,
Ganz dasselbe gilt natürlich auch von dem Ausgang des Nom.
Plur. -es. Das wertvollste Beispiel gewähren uns jedoch die
in Jüngster Zeit so heiss umstrittenen Partizipien auf -nt-. Man
vergleiche in chronologischer Folge die stark angewachsene
Litteratur: Bartholomae KZ. XXIX 487 {᾿Ξ Brugmann, Grund-
riss II 578 ff., Griech Gramm. ? 108; J. Schmidt, Pluralbil-
dungen 422 #f.; Brugmann, Grundriss II 560, Anm.; Bartho-
lomae, BB. XVI 261ff.; Kretschmer KZ. XXXI 345 fi.
Bartholomae leugnet jeden quantitativen Ablaut für die
Partizipien; bei den thematischen Verben wechsele -ont- und
-ent-, bei den athematischen -»t- mit -nt-. Joh. Schmidt hat
den ersten Teil dieser Behauptung, der den eigentlichen Kern
der Theorie enthält, bestritten; den zweiten, der im Grunde
nur eine Bestätigung der Vulgatansicht ist, akzeptiert auch er.
Für mich kommt dieser Teil allem in Betracht.
Soviel steht fest, dass wir in den isolierten substantivi-
schen und adjektivischen »+-Stämmen wie *ad-ont- u. ἃ. die
sichersten Beispiele für die ursprüngliche Flexion der Klasse
haben. Denn man darf ja nicht vergessen, dass die Partizipien
von Hause aus nichts weiter sind als dem Verbalsystem ein-
gegliederte Nomina. Es ist aber von vorme herein die Mög-
lichkeit zuzugeben, dass diese Einfügung in ein festgegründe-
tes System Neubildungen im Gefolge gehabt haben kann.
Für die Nommalklasse nun kann eine Flexion *ad-ont-s,
®ad-ont-m, Fad-nt-6s nicht bestritten werden. Wir haben hier
denselben Wechsel zwischen -ont-!) und -»t- wie im der drit-
ten Person Plur. -önti, -enti :-nti. An die bekannte Vermutung,
dass wir es hier mit einer im Grunde identischen Bildung zu
thun hätten, mag hier nur erinnert werden, vgl. Brugmann,
Grundriss II 371, Anm. 1. Dieser Ablaut ist von dem schon
früher erwähnten -es, -os : -s im Genetiv Sing. nicht verschieden.
Wie steht es num bei den Partizipien der athematischen
Verba? Im Altindischen flektiert s-dnt-am, s-at-ds genau wie
d-dnt-am, d-at-ds. Aber der Theorie zu Liebe setzt man
hier */a)d-ont-m, dort aber *s-»t-m als Grundform an. Meines
Bedünkens gibt es aber im diesem Falle sogut wie bei der
3. Plur. nur zwei Mögliehkeiten:
1) Der Akzent rulite von jeher auf dem stammbildenden
1) Vielleicht existierte neben -ont auch -ent, vgl. Brugmann,
Grundriss II 371, Anm. 2.
Betonte Nasalis sonans. 93
Suffix, dasselbe muss also in der Vollstufe erscheinen; dies gilt
für santam nicht weniger als für dantam.
2) Die Endung ist betont, die vorausgehende suffixale
Silbe muss Reduktion erleiden: satds = datds.
Dass dem so ist, dass wir es im ersten Falle mit einer
“Akzentverschiebung” gar nicht zu thun haben können, lehrt
die einfache Erwägung, dass *sdnts sowenig wie die 3. Plur.
= scnt(i) jemals eine andere Silbe betont haben kann. Daraus
folgt aber mit Notwendigkeit, dass wir von dem Verhältnis
Vollstufe : Schwundstufe auch für die “athematischen’ Parti-
zipia ausgehen müssen. Der angebliche Wechsel von -»t-: -nt-
verdankt nur dem Schematisierungsbedürfnis des Grammatikers
seine Existenz.
Übersetzen wir ®sants ins Indogermanische, so gelangen
wir unter keinen Umständen zu einer andern Form als *sonts.
Hierdurch aber erklären sich mit einem Schlage die sonst so
rätselhaften Partizipialformen des Verbum substantivum: vgl.
mit ind. sant- griech. ὀντ- für Ovr- aus sont- wie Evrı für
idg. *senti; lat. söns, anord. sannr und ags. söd, lit. esas
(sas), abg. sy aus *sonts Gen. sasta aus *sont-jäd.
Die zugehörige Schwundstufenform findet sich in ai. Gen.
satds, griech. (dor.) Fem. Eacca aus *e(s)ntz, lat. praesens,
urgerm. Stamm *sundjö- (Nom. *sundi) vgl. got. sunja, preuss.
-SINS.
Für e-Stufe kann angeführt werden dor. Evrec für *sentes,
eventuell lat. prae-sens, preuss. dat. -sentisma.
Auf gleiche Weise erklären sich alle "thematischen Par-
tizipien zu athematischen Verben, die Brugmann, Berichte der
sächs. Gesellschaft der Wissensch. 1890 S. 232 noch zu schaffen
machten. So ist griech. iovr- im Suffix genau dem ind. ydnt-,
dem lat. eunt- gleich und repräsentiert die normale Vollstufen-
form eines Partizipiums, das zu einem athematischen Verbum
gehört. Dass wir es hier nicht etwa mit einer Neubildung zu
thun haben, beweist die merkwürdige, ganz isolierte Form
des Lateinischen, auf die mich Prof. Osthoff speziell aufmerk-
sam macht.
Ferner gehört hierher auch das von Kretschmer, KZ.
XXXI 347 verkannte griech. ἑκοντ-, im Suffix identisch mit
dem athematischen Partizip ai. usant-.
Neben sy, sasta stehen im Abg. die Partizipialformen der
94 Wilhelm Streitberg, Betonte Nasalis sonans.
übrigen athematischen Verba. Vgl. dady, dadasta und vor
allen Dingen jady, jadasta. Man käme in nicht geringe Ver-
legenheit, sollte man den Grund angeben, der sie als Umfor-
mungen eimes älteren -e -esta begreiflich erscheinen liesse.
Heisst es doch in der dritten Person des Plurals noch immer
bei diesen Verben -etz und existieren doch — was noch un-
gleich schwerer ins Gewicht fällt — Partizipien auf -e -esta
in grosser Anzahl; vgl. z. B. chvale, chvalesta. Ein ursprüng-
liches -et- — nt- und -»t- wäre daher nichts weniger als ver-
einzelt gewesen.
Wir stehen hier also vor einem grossen Gebiet, das the-
matischen Formen in der athematischen Konjugation von rechts-
wegen zukommt. Behält man dabei noch im Auge, dass es
auch im Verbum finitum Formen gab, die aus dem System
athematischer Flexion herauszutreten schienen, so kann man
sich nicht wundern, wenn man so häufig vollständige Doppel-
paradigmen antrifft. Wenn zu idg. *r-neu-ti die 3. Plur. laut-
gesetzlich *r-nu-onti lautete, so lag die Neubildung eines *r-
nue-ti u. 5. w. nur allzu nahe.
Meine Auffassung ist also — um den Inhalt der vorlie-
genden Blätter m Kürze zusammenzufassen — die folgende:
1. In Silben, die immer Träger des Wortakzentes waren,
gehört eme Reduktion zu den Unmöglichkeiten; en, on sind
hier von Alters her bewahrte Vollstufendiphthonge; ἐντί ist alt,
vgl. Joh. Schmidt.
2. Ward eine ehemals unbetonte Silbe durch Akzentver-
schiebung haupttonig, so blieb die Qualität des schwundstufigen
Sonanten unverändert. Also » = d vgl. Collitz-Bechtel-Hart-
mann.
3. Griech. av = » ist das Produkt von Kontaminationen;
vgl. Brugmann-Osthoff.
Sollte es mir gelungen sein, die Fachgenossen von der
jerechtigung meiner Theorie zu überzeugen, so darf ich mich
wohl der Hoffnung hingeben, dass hiermit em alter Streitpunkt
aus der Welt geschafft und der Beweis erbracht sei, dass eine
Versöhnung scheinbar schroff entgegengesetzter Ansichten viel-
fach leiehter herbeizuführen ist, als die Gegner in der Hitze
des Kampfes glauben.
Wilhelm Streitberg.
Über Sprachrichtigkeit').
Der auffallende Mangel an Interesse für allgemeine spe-
kulative Theorien in unserer Zeit und die unter den Ge-
lehrten der Gegenwart herrschende Vorliebe für Detailforschung
mit. Übergehung der prinzipiellen Fragen in der Wissenschaft
dürften wohl die Hauptursache davon sein, dass die Frage
nach der Sprachrichtigkeit jetzt weniger die Aufmerksamkeit
auf sich zu ziehen scheint, wenigstens in der Litteratur nur
kurz erörtert wird. Und doch ist es nieht lange her, dass
derartige Fragen der Gegenstand eines ganz allgemeinen und
lebhaften Interesses in Schweden bildeten: zum teil wurde dies
Interesse im Anfang unseres Jahrhunderts durch die patriotischen
Bestrebungen der “götischen Schule’, die unter anderem auch
“ein gutes Schwedisch’ als Forderung aufstellte, hervorgeru-
fen, zum teil durch J. E. Rydgvists und ©. Säves mehr all-
1) Diese Abhandlung ist Adolf Noreens Schrift "Om spräk-
riktighet’? (2. Auflage, Upsala, W. Schultz 1888), von dem Unter-
zeichneten aus dem Schwedischen übertragen und für deutsche
Leser bearbeitet. Diese Bearbeitung schliesst sich eng an den Ur-
text an, doch sind die erläuternden schwedischen Beispiele durch
deutsche ersetzt. Infolge dessen machten die an diese geknüpften
Erörterungen oft auch ein Abweichen vom schwedischen Text und
das Einsetzen eines eigenen deutschen Textes nötig. Solche
Stellen werden zwischen Sternehen eingeschlossen; Zu-
sätze des Bearbeiters sind durch eckige Klammern be-
zeichnet.
Da der Unterzeichnete in manchen Punkten von den Ansich-
ten Noreens abweicht, so wird er seinen Standpunkt in einem Nach-
trag zu der vorliegenden Abhandlung demnächst in den “Indoger-
manischen Forschungen’ darlegen.
Arwid Johannson.
Da Noreens interessante und anregende Schrift in Deutsch-
land bisher wenig Beachtung gefunden hat, so hat sich die Redak-
tion gerne bereit erklärt die vorliegende Bearbeitung zum Abdruck
zu bringen und so zur wünschenswerten Verbreitung beizutragen.
Derartige Bearbeitungen für deutsche Leser oder gar blosse Über-
setzungen wird diese Zeitschrift übrigens nur ganz ausnahmsweise
zulassen. Die Redaktion.
90 Adolf Noreen,
gemein und durch V. Rydbergs und Es. Tegners mehr spe-
ziell gehaltene Beiträge zur Klärung der Frage nach der
Sprachrichtigkeit, die wenigstens an den schwed. Universitäten
eine überaus lebhafte Erörterung dieses Gegenstands zur Folge
hatten. Es fehlt jedoch viel daran, dass man glauben dürfte,
diese Frage sei dadurch wesentlich ihrer Lösung näher ge-
bracht worden, und die Ansichten über dieses Thema, die
jetzt die verbreitetsten zu sein scheinen — wenigstens unter
den sechwed. Sehrittstellern und Lehrern — hält der Verfasser
dieser Zeilen für dermassen falsch, dass er nicht umhin kann,
einem lange genährten Wunsche zu willfahren und die Frage
abermals einer Behandlung zu unterziehen. Wenn er auch
nunmehr, wie oben angedeutet, vielleicht kein so allgemeines
Interesse für sie erhoffen kann, wie etwa vor einem oder zwei
Jahrzehnten, so dürfte doch, und zwar zum teil infolge des
oben erwähnten Umstands, der gegenwärtige Zeitraum einer
leidenschaftslosen Erörterung dieses Stoffes besonders günstig
sein. Dazu kommt noch, dass diese Frage von durchgreifen-
der praktischer Bedeutung und Wichtigkeit ist, und zwar
nicht am wenigsten für den Schulunterricht, dass sie ge-
rade zu jenen gehört, die man nieht fallen lassen darf, zu-
mal da man, wie es jetzt geschieht, geneigt zu sein scheint
iunrichtige Anschauungen, weil sie althergebracht sind und
von seiten der Sachverständigen der Widerspruch ausgeblie-
ben ist, gewissermassen zum Gesetz zu erheben. Möge die
folgende Darstellung einiges dazu beitragen, diesem Missstand
abzuhelfen!
Unter denen, die in dieser Frage ihre Ansicht geäussert
haben, lassen sich mit Leichtigkeit die Anhänger zweier verschie-
ddener Standpunkte sondern, die hier der Kürze halber — mit
Ausdrücken, die für den vorliegenden Zweck geschaffen sind
— der litterargeschiehtliche und der naturgeschicht-
liche genannt werden mögen. Diesen will der Verfasser sei-
nerseits noch einen dritten hinzufügen, den er mit leicht er-
klärlicher Parteilichkeit den rationellen nennt.
I. Der älteste und vornehmste Verfechter des litterar-
eeschichtlichen Standpunkts ist in diesem Jahrhundert
Jakob Grimm, “der Vater der historischen Sprachforschung.
Grimms Schüler 4. E. Rydqvist ist der hervorragendste Ver-
treter in Schweden. Von den älteren Gelehrten mag nament-
Über Sprachrichtigkeit. 97
lich ©. Säve als hergehörig genannt werden, unter den jün-
geren wird dieser Standpunkt vertreten von V. Rydberg —
besonders in seiner aufsehnerregenden Abhandlung “Tysk eller
nordisk svenska?’ (Svensk tidskrift 1873, Dezemberheft) —,
A. O0. Freudenthal, Hans Hildebrand — vorzugsweise in sei-
nen älteren Arbeiten — und anderen!); die Anhänger dieses
Standpunkts finden sich besonders unter den älteren der jetzigen
Generation, wenn ihn auch, wenigstens heutzutage, keiner von
ihnen in jeder Beziehung konsequent beibehält. Auf diesem
Standpunkt wird als Norm für Sprachrichtigkeit aufgestellt:
der Sprachgebrauch eines, oft ganz willkürlich gewähl-
ten, vergangenen Zeitraums. So z. B. soll für das La-
teinische die Sprache des römischen “goldenen’ Zeitalters die
massgebende sein, für das Französische der Sprachgebrauch
Voltaires und seiner Zeitgenossen. Im Schweden betrachtete
Rydqvist, der den Jüngern als eine unzweifelhafte Autorität galt,
das Altschwedische um 1300 — in rein sprachlicher Hinsicht —
als klassisch. Das beste Schwedisch ist mithin das, wel-
ches sich am wenigsten von der Sprachform dieser Zeit ent-
fernt. [Als Vertreter dieser Richtung in Deutschland mögen
hier angeführt werden: ausser Jakob Grimm?) Κα. A. J. Hoft-
mann (Neuhochdeutsche Schulgrammatik), Engelien (Gramma-
tik der neuhochdeutschen Sprache), Andresen (Sprachgebrauch
3
1) Ich muss hier auf das nachdrücklichste hervorheben, dass
es keineswegs meine Absicht ist, hiermit behaupten zu wollen, dass
die erwähnten Gelehrten auch noch jetzt sich zu diesem Stand-
punkt bekennen, auch nicht, dass sie sich jemals klar und deut-
lich für ihn ausgesprochen haben, nicht einmal, dass sie den
Gedankengang durchgemacht haben, der diesen Standpunkt
in seiner ganzen Ausdehnung kennzeichnet, wenn auch das
bei dem einen oder dem andern in mancher Beziehung der Fall
gewesen sein mag. Sondern ich will hiermit nur gesagt haben,
dass ihre diesbezüglichen gelegentlichen Aussprüche Bruchstücke
eines Gedankengangs sind, der, vollständig und konsequent durch-
geführt, meiner Meinung nach den weiter unten geschilderten Stand-
punkt ergiebt, und dass mehr oder minder zahlreiche Fälle in ihrer
sprachlichen Praxis vorkommen, die sich nur aus dem — bewuss-
ten oder unbewussten — Vorhandensein derartiger Theorien er-
klären lassen.
2) [Nachdrücklichst wurden die Bestrebungen dieses Stand-
punktes schon von Raumer in seinen Gesammelten sprachwissen-
schaftlichen Schriften 1863, namentlich S. 331 ff., bekämptt.]
Indogermanische Forschungen I 1 u. 2.
ξ > ί
98 Adolf Noreen,
und Sprachrichtigkeit im Deutschen), Hans von Wolzogen
(Über Verrottung und Errettung der deutschen Sprache, 3. Aufl.)
u. a.; auch Schleicher (Die deutsche Sprache) gehört dieser
Richtung an (siehe Nachwort). Alle diese treffen in Fällen,
wo es gilt, zwischen zwei neben einander vorkommenden For-
men zu wählen, ihre Entscheidung vorzugsweise dermassen,
dass sie die Form für die richtige erklären, die auf lautge-
setzlichem Wege mit der mittelhochdeutschen zu vereinigen ist.
Der Jlitterargeschichtliche Standpunkt dürfte wohl derjenige
sein, der gegenwärtig die meisten Anhänger zählt, da streng
genommen auch die ihm zugerechnet werden müssen, die für
(las jetzige Deutsch die Sprache Lessings, Goethes und Schil-
lers als Norm aufstellen. In den prosaischen Schriften die-
ser Klassiker “können wir kaum eine Seite aufschlagen, ohne
auf Wörter oder Wortverbindungen zu stossen, die uns tremd-
artig klingen” (Behaghel Die deutsche Sprache 50). Und da
zwischen ihrer und unserer Sprache “ein gutes Stück sprach-
licher Entwiekelung” liegt, repräsentiert uns jene auch eben
nur den Sprachgebrauch eines vergangenen Zeitraums.]
Die Anschauungsweise des litterargeschichtlichen Stand-
punktes führt nun beispielsweise zu folgenden Emzelaufstel-
lungen:
= Wir sunken, sprungen (statt sanken, sprangen) ist
“historisch richtig und deshalb nicht zu verwerfen (Hoffmann
Schulgrammatik 5 5. 58).
Boge, brate hält Grimm (Deutsches Wörterbuch II 218.
309) für allein richtig und sträubt sich “aus Leibeskräften
wider den auch nhd. eimgerissenen Vordrang des » in den
Nom.’: bogen, braten (Kleinere Schriften III 389); "noch
sprachwidriger ist” der Pl. bögen statt bogen, und gärten, grä-
ben sind “fehlerhaft” (Grimm Deutsche Gramm. I 623); dass
schwach flektierte Subst. in stark flektierte gewandelt werden,
“ist wider die Natur der Sprache” (ebenda I 745). Auch
Schleicher (Deutsche Spr. * 255) hält die Pl. bogen, magen,
graben für “besser und edler” als bögen, mägen, gräben;
diese “sind zu meiden”, sagt Andresen (S. 50). H. ν. Wolzogen
eifert gegen den Trieb, “der die uns glücklicherweise noch
erhaltene Dativendung e nachgerade gänzlich über die Seite
gebracht hat” (Über Verrottung und Errettung ὅς 34), und be-
kämpft (S. 35) den Gebrauch von dies, des anstatt dieses, dessen.
Über Sprachrichtigkeit. 99
“Falsch sind die Plurale stiefeln, fenstern” (Andresen S. 31,
Heyse-Lyon Deutsche Gramm. 122). Keller (Deutscher Anti-
barbarus ? S. 35) findet einen Satz wie Dismarck habe sich
dreimal wiegen lassen “lächerlich” und fragt: “Geschah das
in einer Wiege?”; er flektiert: zeäge, wiegst, wiegt, wägen,
wäget, wägen*“.
Die Beispiele können natürlich bis ms unendliehe ver-
mehrt werden, aber die schon aufgeführten dürften genügen,
um den Standpunkt zu beleuchten, der, wie aus den angezo-
genen Belegen zugleich hervorgeht, im praxi vor allem durch
einen ausgeprägten Widerwillen gegen all die sprachlichen
Veränderungen, die auf sogenannter Analogiebildung beruhen,
gekennzeichnet ist. Gegen die lautgesetzlich entstandenen
sprachlichen Veränderungen tritt man weniger feindlieh auf;
dabei ist man im allgemeinen geneigt, indem man allerdings
in einen nicht unbedeutenden Widerspruch zum Standpunkt
im grossen und ganzen wie auch im einzelnen gerät, als die
besten Sprachformen die herauszustreichen, die man, freilich
oft aus unzureichenden Gründen, für die regelrechten Ergeb-
nisse “der Gesetze der *betreffenden® Sprache hält, unter
denen man dann recht willkürlich immer die Lautgesetze ver-
steht. Auf Grund einer derartigen Anschauungsweise behaup-
tet man daher z. B., dass *bracht, brangen u. a. bessere For-
men seien als pracht, prangen, weil sonst emzelne Triebe
derselben Wurzel ausemandergerissen würden, weil em mhd. ὁ
auch im Nhd. durch b vertreten werde (Grimm Deutsches Wör-
terbuch II 597 #f.) und ein anlautendes mhd. 5b regelrecht
einem niederdeutschen oder ags. b entspreche (efr. mhd. brant,
brate= nhd. brand, braten = ags. brand, bred; mhd. braht —
as. braht). Tinte sei der Form dönte!) vorzuziehen; ahd. finde
sich allerdings neben fincta auch dincta, doch da dem Wort
das lat. fincta zu grunde liege, so sei ἐ das einzig richtige
(Kluge Deutsches Wörterbuch ὁ, Weigand Deutsches Wörter-
buch). Läüderlich sei richtiger als liederlich (Schleicher Deutsche
Sprache 186), denn mhd. heisse es lüederlich, abgeleitet von
1) Es handelt sich hier wie überall in dieser Abhandlung na-
türlich nur um die gesprochene Sprache. Sagt man finte, so
versteht es sich von selbst, dass finte eine bessere Schrittform als
dinte ist.
100 Adolf Noreen,
luoder (vgl. mhd. bruoder, brüederlich = nhd. bruder, brü-
derlich).
Also, was sprachgemäss ist, kann man nur vom Sprach-
forscher, vorzugsweise vom historischen Sprachtorscher er-
fahren. Er allein ist der Sachverständige in allen Fragen der
Sprachrichtigkeit, und er findet das in jedem einzelnen Fall
sprachgemässe durch das Studium der Sprachgeschichte. [An-
dresen Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit ° S. 6.]
Dass der eben gzeschilderte Standpunkt fast durchweg
unhaltbar ist, dürfte aus folgenden kritischen Bemerkungen
δὲς
hervorgehen.
1) Im allgemeimen ist es ungereimt, die Norm für ein
Ding ausserhalb desselben zu suchen. Dies thut man aber,
wenn man sich z. B. die Richtschnur für das *Nhd.* aus emer
wesentlich andern Sprache, dem *Mhd. oder Ahd.*, herholt.
2) Die Sprache einer verflossenen Periode unverändert
als Ideal für eimen spätern Zeitraum aufzustellen, ist, falls
wirklich jemand im Ernst mit einer solchen Forderung hervor-
treten sollte, nicht nur unrichtig, sondern auch, was schlimmer
ist, unmöglich und würde beim ersten Versuch der thatsäch-
liehen De ne sich augenblicklich von selbst verbieten.
) Begnügt man sich damit, eine (möglichst weitgehende)
Annäherung an die ältere Sprache als Forderung aufzustellen,
so verfällt man in die grösste Willkür, und kaum zwei Per-
sonen dürften darüber einig werden können, wie weit man in
dieser Hinsicht gehen soll. Auch hat man sich bei der that-
sächlichen Anwendung dieses Grundsatzes die schreiendsten
Folgewidrigkeiten zu Schulden kommen lassen. Nicht einmal
bezug auf die so getadelten Analogiebildungen ist man sich
einigermassen getren geblieben. * Man verwirft sanken, spran-
gen auf Grund ihrer Abweichung vom mhd. sunken, sprun-
gen, aber man billigt oder lässt wenigstens, ohne Anstoss daran
zu nehmen, ganz gleichartige Neubildungen gelten, wie halfen
(mhd. hulfen), warfen (mhd. wurfen), duldet die Verbalformen,
denen der Singular nach dem Plural ausgeglichen ist, wie
glomm, quoll, schmolz (mhd. glam, qual, smalz). Man hält
bogen, braten für sprachwidrig, weil schwache Nomina sieh
nicht zu starken umwandeln können, und muss doch wohl
hopfen, garten, husten, rücken, knochen (mhd. hopfe,
garte, huoste, rücke, knoche) gelten lassen; auch der Aner-
Über Sprachrichtigkeit. 101
kennung der Thatsache, dass die mhd. schwach flektierten störne,
lichname, lenze ım Nhd. als stern, leichnam, lenz stark
flektieren, wird man sich doch wohl nieht entziehen können.
Noch "sprachwidriger’ soll bögen, gräben sein, obgleich hähne,
schwäne (mhd. hanen, swanen) auch den Umlaut im Plur.
von ursprünglich schwach flektierten Wörtern zeigen. Man
eifert gegen solche Dative wie dem tag, dem hirt (mhd.
tage, hirte), aber andere Fälle, wo ebenfalls das auslautende
e geschwunden ist, behandelt man minder feindlich: das glück
(mhd. gelücke) oder die Adverbia hart, fast, schon (mhd.
harte, faste, schöne). Auch in Fällen wie: gott sei dank,
mit haus und hof, zu fuss, ein mann von wort dürfte
man wohl gegen diesen Trieb’, das e fortzulassen, nichts
einwenden. Übrigens machte sich dieser “Trieb’ schon in
weitem Umfang im Mhd. geltend, es findet sich z. B. dem
tröst, wän, bach u. s. w. Vgl. Weinhold Mhd. Grammatik !
S.419. Man will zu gunsten von dieses und dessen die Formen
dies und des aus der Welt schaffen, obgleich die letzteren
sogar die regelrechten Vertreter von ahd. diz mhd. diz und
ahd. mhd. des sind; die Form dieses dagegen ist eine Ana-
logiebildung, die durch Anlehnung an die Mase. und Fem. mhd.
diser, disiu erst am Ende des 15. Jahrhunderts ins Leben
gerufen wurde. Solche Plurale wie stiefeln, fenstern sollen
zu gunsten von stiefel, fenster (mhd. die stivel(e)!), diu ven-
ster) ausgerottet werden, aber ganz unbeanstandet lässt man
Fälle, wo ebenfalls im Nhd. dem starken Sgl. ein schwacher
Plural gegenübersteht, wie der stachel — die stacheln (mhd.
der stachel — die stachel(e)), der see — die seen (mhd.
der se — die sewe), das ende — die enden (mhd. daz ende
— diu ende).*
4) Auf Grund der Lautgesetze zu entscheiden, was in der
Sprache richtig d. h. regelmässig und lautgesetzlich aus dem
Bestande der ältern Sprache entwickelt sei, ist äusserst miss-
lich, um nicht zu sagen unmöglich. Denn ausser der prin-
zipiellen Schwierigkeit, welche darin besteht, zu bestimmen,
welehe Lautgesetze wir in Anwendung bringen sollen: die der
ältern Sprache oder die, die noch wirken, oder die, die erst im Be-
1) [Aber auch schon stiveln, was ganz übersehen worden ist,
vgl. Lexer Mhd. Wörterb., Benecke-Müller-Zarneke Mhd. Wörterb.]
102 Adolf Noreen,
griff sind zum Durchbruch zu kommen, oder gleichzeitig alle diese
(auch dann, wenn sie im Widerspruch zu einander stehen ?), ist zu
bemerken, dass wir selten oder nie die Art und das Wirkungs-
gebiet des einzelnen Lautgesetzes so von Grund aus kennen,
dass wir es scharf und bestimmt in eine Formel fassen könn-
ten. Die Fortschritte der Wissenschaft führen täglich zu neuen
und bessern Formulierungen der Lautgesetze, was notwendig
unaufhörliche Änderungen in der Anschauungsweise von der
Sprachrichtigkeit bald der einen Form, bald der andern nach
sich ziehen müsste. * Bis in den Beginn dieses Jahrhunderts
war man geneigt teutsch als die allein richtige hochdeutsche
Form zu betrachten, indem man es direkt mit Teutonen in
Beziehung setzte; oder man verwarf deutsch als eine nieder-
deutsche Form (vgl. nd. düvel = hd. teufel, nd. dag = hd.
tag), und gestützt auf die im Mhd. überwiegend gebrauchte
Form fiutsch schrieb und sprach man feutsch. Diese Form
wurde aber nach Entdeckung des Lautverschiebungsgesetzes
für falsch erklärt (vgl. Grimm Deutsch. Wörterbuch II 1045,
Schleicher Deutsche Sprache 201), da dem got. 5 im Ahd.,
Mhd. und Nhd. ein ὦ zu entsprechen habe (got. hata, beins =
nhd. dass, dein). Auf Grund dieser Erwägung müsste man
auch als die einzig richtige Form dausend und nicht tausend
betrachten (got. hasundi), zumal da es im Ahd. auch dasunt
heisst und tüsent erst im Spätahd. auftritt; und doch gilt faw-
send ganz unbestritten als die im Nhd. allein zulässige Form.
Neuerdings hat K. von Bahder die Fälle, wo mhd. ? einem
uhd. d gegenübersteht, in den “Grundlagen des nhd. Laut-
systems’ S. 239 ff. behandelt. Er sucht hier den Nachweis
zu führen, dass im 15. Jahrhundert in Oberdeutschland die
Fortis * des Mhd. sich in die Lenis wandelte; und die nhd.
Schriftsprache, zu deren Zustandekommen verschiedene Dia-
lekte mitwirkten, habe mit solehen Formen wie docht, damm
(gerenüber mhd. taht, tam) sich oberdeutsche Elemente ein-
verleibt. Es dürfte mithin misslich sein, zu entscheiden, ob wir
nhd. deutsch in der eben erwähnten Weise aus mhd. tiutsch
zu erklären haben, oder ob es der regelrechte Fortsetzer von
mhd. diutsch ist; und ebenso schwer dürfte es fallen vom rein
sprachhistorischen Standpunkt aus auszumachen, ob deutsch
oder teutsch die richtigere Form ist (efr. basundi — nhd.
tausend, aber got. bugkjan = nhd. dünken). Ein ähnliches
Über Sprachrichtigkeit. 103
Verhältnis liegt vor bei finte und dinte (schon ahd. tincta
neben dincta). Giebt man läderlich den Vorzug vor lieder-
lich, so legt man, ganz abgesehen davon, dass sich in mieder
(mhd. müeder, muoder) das mitteldeutsche und oberdeutsche ὁ
statt ö festgesetzt hat, wohl zu wenig Wert darauf, dass sich
das Wort im Mhd. (es tritt hier überhaupt erst sehr spät auf)
und im älteren Nhd. nur in der Gestalt liederlich findet. (Wei-
gand Dt. Wörterbuch ὁ I 1109, Lexer Mhd. Handwörterbuen:
die Form luoderlich in Diefenbachs novum glossarium 535°
ist überaus fragwürdig.) Ausserdem ist das Wort wohl ganz
von luder zu trennen: es gehört zu ἐλεύθερος, und durch volks-
etymologische Anlehnung an luder ist lüderlich entstanden.
(Vgl. Heyne in Grimms Deutsch. Wörterbuch VI 990 f., Kluge
Dir Wöxterb: &:212.)*
Doch ist es sicher nicht die Erkenntnis, dass unsere
Formulierungen der Lautgesetze mehr oder minder unsicher
und dem Wechsel unterworfen sind, die diejenigen, welche
von dem hier kritisierten Standpunkt aus unsere Sprache zu
verbessern suchen, abhält, ihre Theorien konsequent zur An-
wendung zu bringen. Fortwährend stösst man nämlich auch
hier auf Inkonsequenzen, und die Willkür schaltet frei. So
hat man z. B., um nur einen der unzähligen hierhergehörigen
Fälle anzuführen, ἢ sich zwar mit Hilfe der niederdeutschen
Lautstufe für bracht und brangen entschieden, jedoch posaune
(niederrheinisch basäne) oder pedell (mlat. bidellus, celevisch
bedelle, ahd. bital pital, mhd. bitel, ags. bydel; durch Be-
vorzugung von bedell wäre ausserdem der Zusammenhang mit
bättel besser bewahrt worden) sind, soviel ich weiss, von diesen
Verbesserungsbestrebungen nicht berührt worden. Übrigens
bekundet sich die Willkür in diesem Falle nicht nur dadurch,
dass einzelne Wörter verbessert werden, andere nieht, sondern
auch dadurch, dass man von der zwischen der Lenis und Fortis
hin und her schwankenden Schreibung des Oberdeutschen aus-
geht, während man das fast überall p aufweisende Mittel-
deutsche, das für die Konstituierung des Nhd. von allergrösstem
Belang ist, gar nicht zu Worte kommen lässt (vgl. v. Bahder
Grundlagen 224 ff.).®
9) Es ist ausschliesslich dem Gutdünken anheimgestellt,
sich den Zeitraum zu wählen, dessen Sprachgebrauch man
zum Ideal erheben will. Wenn Rydgvist sich in die Zeit um
104 Adolf Noreen,
1300 verliebte, so war sein subjektiver Grund augenscheinlich
der, dass aus dieser Zeit die älteste schwed. Litteratur stammt.
Stünde uns eine noch ältere Litteratur zu Gebote, so hätte
Rydqvist zweifellos im deren Sprache die oberste Norm für
die Sprachrichtigkeit gesucht. [Die deutschen Gelehrten dieser
Richtung beschränkten sich fast alle darauf, im wesentlichen
zur Beschaffung der Norm für die Sprachrichtigkeit im Nhd.
nicht weiter als bis auf die dem Neuhochdeutschen vorher-
gehende Sprache zurückzugreifen, d. h. bis auf das Mhd., für
dessen unmittelbare Fortsetzung man das Nhd. hielt. Dass es
jedoch Leute gab, die sich mit dem Zurückgreifen bis auf das
Mhd. nieht genügen liessen, dafür liefert uns Raumer einen
Beweis. Er sagt (Gesammelte sprachwissenschaftliche Schriften
162): “Ich habe einen hervorragenden Gelehrten gekannt, der
meinte, die ganze hochdeutsche Lautverschiebung sei doch
eigentlich eine Sprachverderbnis und rechtdeutsch sei nur das
Gotische, Altsächsische u. s. w. Dieselbe Betrachtung würde
aber ein ähnlich gesinnter altgriechischer oder indischer Gram-
matiker mit demselben Recht wieder über das Gotische und
Altsächsische anstellen.” ] Wäre im Schwedischen zu Rydqvists
Zeit noch keine Litteratur vorhanden gewesen, so wäre er nie
auf den Gedanken gekommen, in der ältern Sprache die Norm
für die jüngere zu suchen. Das führt uns zur Betrachtung
dessen, was den innersten Kern dieser ganzen Anschauungs-
weise ausmacht.
6) Sie beruht offenbar im letzten Grunde auf einer Über-
schätzung der litterarisch fixierten Sprache und infolge
dessen auf einer schlecht angebrachten Ehrerbietung vor einem
in dieser Hinsicht bedeutungsvollen Zeitraum (dem "goldenen ’
Zeitalter, der klassischen’ Zeit, unserer “ältesten” Sprache,
der “uralten ehrwürdigen Sprache unserer Vorfahren, oder
wie die Bezeiehnungen alle heissen mögen). Für die Verfech-
ter dieser Ansicht lebt die Sprache eigentlich und besser auf
dem Papier als im Munde der sprechenden Einzelwesen. Die
gesprochene Sprache hat sich nach der Meinung derselben,
oder wenigstens der meisten von ihnen, nach der geschriebenen
zu richten, obgleich es von rechtswegen umgekehrt sein muss.
Von dem Zeitpunkt an, wo eine Sprache eme Litteratur er-
halten hat, hat sie in ihren Augen gewissermassen die Weihe
empfangen, und da übrigens das ältere oft nur weil es alt ist
Über Sprachrichtigkeit. 105
als das bessere gilt, so ist es natürlich, dass Abweichung von
einem ältern Sprachgebrauch gleichbedeutend mit sprachlichem
“Verfall’ ist, wie man sich oft auszudrücken beliebt, und
nicht, wie es doch meistens der Fall ist, mit Entwicke-
lung.
7) Eine solehe Anschauungsweise führt somit zu einem
Entgegenarbeiten gegen das Leben der Sprache und würde,
in folgerichtige Praxis umgesetzt, die Erstarrung der Sprache
in einer Form, aus der die Sprache einst hervorgewachsen Ist,
mit sich bringen. Nichts berechtigt uns dazu, im Interesse
der Sprache an einem ältern Sprachgebrauch festzuhalten, die
Sprache erheischt vielmehr in einer jeden neuen Zeit ihre be-
sondere Form, um den Anforderungen der neuen Zeit Genüge
leisten zu können.
Diese und ähnliche Beobachtungen führten zu einem
neuen Standpunkt,
I. dem naturgeschichtliehen Standpunkt. Unter
den Vorkämpfern dieser Richtung mag besonders Schleicher
hervorgehoben werden, dessen Anschauungen im allgemeinen
in voller Übereinstimmung mit seinen darwinistischen Sympa-
thien waren, der aber trotzdem stark zur Grimmschen Rich-
tung hinneigte. Besonders teilte Schleicher den Abscheu der alten
Schule gegen Analogiebildungen, die als nieht natürlich (d.h.
unbewusst) genug angesehen wurden, weswegen sie auch alle
über einen Kamm geschoren und als falsche‘ gebrandmarkt
wurden [siehe Nachwort]. Der am talentvollsten oder wenig-
stens am gemeinverständlichsten die sprachphilosophische Grund-
lage dieses Standpunktes dargestellt hat, dürfte Max Müller
sein, der jedoch jetzt denselben aufgegeben hat. In Schweden
haben sich M. B. Richert [Ny Svensk Tidskrift 1888 S. ὅτι ff.]
und viele seiner Schüler zu ihm bekannt, und überhaupt kann
man wohl annehmen, dass die Mehrzahl der jüngern Sprach-
forscher dieses Landes noch seinem Lager angehört!). Die
Gedankenfolge ist hier diese:
Die ursprüngliche und eigentliche Sprache, aus der man
sich zunächst die Norm für die Sprachrichtigkeit holen muss,
ist die gesprochene Sprache, wobei es vollständig gleichgiltig
bleibt, ob sie in der Schrift fixiert ist oder nicht. Die gespro-
1) Auch hier gilt, was ich S. 97 Fussnote 1 bemerkt habe.
106 Adolf Noreen,
ehene Sprache ist ein lebendiger Organismus. Also darf
man daran keinen Anstoss nehmen, dass sie lebt. Man muss
im Gegenteil zur Einsicht gelangen, dass es eben im Wesen
der Sprache begründet ist, dass ihr Leben in der Veränderung
besteht; das ist nicht Verfall, sondern Entwickelung. Die
Sprache ist ein Organismus von der Art, die Naturprodukt
genannt wird (vgl. hierüber namentlich Max Müller), und ein
solehes ist um so besser, je freier und uneingeschränkter es
sich entfalten kann. Wir müssen, um gut zu sprechen, spre-
chen “wie der Schnabel uns gewachsen ist” (Schleicher). Also
fort mit aller “Schulmeisterei’ hinsichtlich der Sprache, zumal
sich derartige willkürliche Änderungen auf die Dauer doch
nie halten, nicht einmal, wenn sie von Kaisern [und Königen]
herrühren, wie von Tiberius, Sigismund, [Chilperich!) und
Friedrich dem Grossen ?),] die sich auf diesem Gebiet versucht
haben (Max Müller)?). Wie die Pflanze, die sich frei hat ent-
wickeln können, am herrlichsten ihre Natur offenbart, so auch
die Sprache, die nicht gemassregelt wird. Die Dialekte müs-
sen daher der gebildeten Schriftsprache gegenüber zu Ehren
kommen, denn sie machen die Sprache κατ᾽ ἐξοχήν aus, die
“natürliche” Sprache im Vergleich zur Litteratursprache, die-
ser gekünstelten Mischsprache, in der "die Lautgesetze’ bei
weitem nicht so herrlich und rein hervortreten. “Das wirk-
liche und natürliche Leben der Sprache pulsiert in ihren Mund-
arten” (Max Müller S. 57). (Man hatte soeben begonnen das
Studium der Phonetik zu pflegen, den Begriff “Lautgesetz
entdeckt — vorher hatte man mit Buchstaben anstatt mit
Lauten operiert —, und jetzt wurde dieser neue Abgott ver-
ehrt, während man früher der etwas mystischen und trans-
1) [Chilperich suchte vier deutschen Lauten eigene Zeichen zu
geben. Vgl. Scherer Zur Geschichte der deutschen Sprache ? 11.]
2) [Friedrich d. Gr. (De la litterature allemande. Oeuvres
primitives IV 1790, S. 380) schlägt vor, die Verba durch Anhängung
eines a wohlklingender zu machen, also sagena, gebena τι. Ss. W.|
3) “Wir könnten ebenso gut daran denken, die Gesetze, welche
unsern Blutumlauf beherrschen, zu modifizieren, ....als..... nach
Belieben neue Wörter zu erfinden” (Vorlesungen, deutsche Bear-
beitung 3 5. 43); “Die Versuche einzelner Grammatiker..... an
der Sprache herumzubessern, sind vollkommen erfolglos” (S. 79);
“Selbst ein Kaiser konnte das Geschlecht und die Endung des Wor-
tes Schisma nicht ändern” (S. 45).
Über Sprachrichtigkeit. 107
seendenten Gottheit “Gesetze der Sprache’ seine Huldigung dar-
gebracht hatte.) Das Ergebnis der Wirksamkeit eimes Lautge-
setzes ist natürlich unantastbar. Aber auch die andern Produkte
des Sprachlebens müssen respektiert werden. Ist eine sprachliche
Form einmal entstanden, so ist sie eo ipso daseinsberechtigt.
“ Das Wirkliche ist das Vernünftige”. Von mehreren widerstreiten-
den Formen ist diejenige die bessere, die von einer grösseren Zahl
gebraucht wird. Was allgemein gebräuchlich ist, ist der beste
Sprachgebrauch. “Vox populi, vox dei’. Kommt ein neuer
Sprachgebrauch auf und erwirbt sich die Mehrheit, so ist
dieser nun der beste. Die Minderheit hat immer Unrecht,
wohl zu beachten, relativ; denn etwas absolut unrichtiges
giebt es nicht, sobald es überhaupt vorhanden ist — näm-
lich in der gesprochenen Sprache. “ Unrichtig sind nur die
Formen, die von einem Schriftsteller angewandt werden,
ohne in der gesprochenen Sprache vorzukommen (Richert).
Alles andere ist mehr oder minder richtig. Welches der rich-
tigere Ausdruck sei, lässt sich im einzelnen Fall nicht so leicht
entscheiden; es kommt auf die Quantität der Redenden, nicht
auf ihre Qualität an. Sachverständig in der Frage nach
der Sprachrichtigkeit ist somit nicht vorzugsweise der Sprach-
forsceher, sondern das ist jeder beliebige aus der redenden
Gesamtheit, und man findet das in jedem einzelnen Falle
sprachrichtige durch eine statistische Untersuchung des
Sprachgebrauchs der Gegenwart.
[Von ältern deutschen Gelehrten, die sich zu diesem Stand-
punkt bekennen, mag hier noch genannt werden — Jakob
Grimm. Obschon er soeben als Vertreter der ersten Richtung
angeführt worden ist, muss er doch auch hier erwähnt werden.
Verschiedene Aussprüche in seinen Werken weisen darauf hin,
dass bei ihm eine Tendenz zu den Anschauungen des zweiten
Standpunkts vorhanden war. So heisst es z.B. in der Vorrede
(S. IX f.) zur ersten Auflage der Deutschen Grammatik: Durch
den Unterrieht in der Muttersprache wird “gerade die freie
Entfaltung des Sprachvermögens in den Kindern gestört’;
“Jeder Deutsche, der sein Deutsch schlecht und recht weiss,
d.h. ungelehrt, darf sich, nach dem treffenden Ausdruck eines
Franzosen, eine selbsteigene, lebendige Grammatik nennen und
kühnlich alle Sprachmeisterregeln fahren lassen . “Wie man
von einer republique des lettres redet, so entscheidet auch
108 Adolf Noreen,
über die Wörter und ihre Schreibung zuletzt nur der allge-
meine Sprachgebrauch und Volkswille” (Vorrede zum Wörter-
buch LXD. Durch diese Auffassung gerät Grimm mit sich
selbst in Widerspruch, da er, wie die oben angeführten
Beispiele zeigen, in Fällen, wo es gilt die Sprachrichtigkeit
einer Form festzustellen, ein ganz entgegengesetztes Verfahren
einschlägt, ein Widerspruch, der nur wenig gemildert wird
durch die Erklärung in der zweiten Aufl. der Deutsch. Gramm.
(Vorrede XIX), dass er "nur den fast sinnlosen Elementarun-
terricht angegriffen, nicht aber vernünftige Anwendung deutscher
Grammatik in höhern Klassen verredet habe”.]
= Unter den jüngern Sprachforschern mag Osthoff als Ver-
treter der naturgeschichtlichen Riehtung erwähnt werden τ): ἢ
vgl. “Schriftsprache und Volksmundart‘ (Heft 411 der Sammlung
gemeimverständlicher wissenschaftlicher Vorträge): “So muss
auch die Schriftsprache, als Sprache betrachtet, unzweifelhaft
zurückstehen an Werte gegenüber der Volksmundart” (S. 15).
“Es giebt überhaupt, dies kann nicht genug betont werden,
in dem Auge unbefangener, echt historischer Sprachbetrachtung
kein richtig und falsch einer Sprachform. Die Wissenschaft
des Völkerrechts verdankt dem Reehtshistoriker Savigny den
wichtigen Grundsatz, dass auf alle geschichtliche Entwickelung
die Begriffe von Recht und Unrecht nieht anwendbar sind,
dass etwas geschichtlich gewordenes eben darum, weil es ge-
worden ist, zu rechte besteht, dass ihm dies Recht des Be-
stehens nieht darum abzusprechen ist, weil es sich auf Kosten
eines vorher bestehenden anderen emporgeschwungen hat. Mag
auch Napoleon III. immerhin sich durch einen Staatsstreich
und sonstige moralisch verwerfliche Mittel an die Spitze des
Staates drängen, sowie es ihm gelingt, sich in der Macht fest-
zusetzen, ist er legitimer Kaiser der Franzosen” (ὃ. 27). “ Unter
Sprachfehler müssen wir dasjenige verstehen, was nicht, nicht
mehr oder noch nieht m den allgemeinen Gebrauch aufge-
nommen... . Ist”
Es dürfte, um diesen Standpunkt klar zu beleuchten,
nicht von nöten sein viel Beispiele dafür anzuführen, wie er
sich auf Thatsachen angewandt ausnimmt: *die stacheln und
1) [Ich habe mir erlaubt, die nachstehenden Ausführungen
Osthoffs aus der Fussnote hier in den Text herüberzunehmen.]
Über Sprachrichtigkeit. 109
stachel * sind als Pluralformen beide richtig, denn beide sind
im Gebrauch; da jene Form wohl in der Rede die gewöhn-
lichere ist, so ist sie wohl auch die richtigere. Der Plural
5 die spiegeln* ist wunrichtig, da er nicht gebraucht wird.
Ebenso die Pluralform fjällar von fjäll berg, die allerdings
in der Schrift, aber nicht in der mündlichen Rede vorkommt.
Ebenfalls ein unriehtiger Ausdruck ist omhänderhafva, da er
ausschliesslich der Schriftsprache angehört. Wollte z. B. je-
mand sich dazu verstehen, zum lat. caro einen neuen Genitiv
*carinis (vgl. eirgo: eirginis) oder *caronis (vgl. Juno : Juno-
nis) anstatt carnis zu bilden, so wäre das unrichtig, da der
Genitiv von caro thatsächlich carnis heisst u. s. w.
Es ist klar, dass dieser Standpunkt ebenso unhaltbar wie
der erste ist. Ja er ist noch ungereimter und kann durch die
Kritik grossenteils ad absurdum geführt werden, indem diese
seine eignen Voraussetzungen und Annahmen zum Ausgangs-
punkt nimmt. Folgende Einwände bieten sich fast von
selbst dar:
1) Es wäre höchst sonderbar, dass die Sprache eine solche
Ausnahmestellung einnehmen sollte, dass eben hier die Frage
nach recht und unrecht, besserem und schleehterem unfehlbar
durch einen Majoritätsbeschluss gelöst werden könnte. Hier
könnte mithin die Minderheit niemals den richtigeren Stand-
punkt vertreten. Hier allein wäre die Macht vollständig das-
selbe wie das Recht. Aber das wäre ja nichts anders als die
Verneinung alles eigentlichen Rechts.
2) Da bei diesem Standpunkt das bessere und schlechtere
von der Anzahl der Redenden abhängt, so folgt daraus, dass
man unmöglich von zwei verschiedenen Ausdrücken zur Bezeich-
nung desselben Dinges (den einen für den besseren erklären kann,
sobald diese Ausdrücke vollkommen gleich gebräuchlich sind.
Und da im ganzen Verbesserung (und Verschlechterung) auf
sprachlichem Gebiet nichts anderes bedeuten kann, als dass die
Sprache immer einheitlicher (oder sich widerstreitender) wird,
dass immer weniger (oder mehr) der Sprachgebrauch der Min-
derheit sich in ihr geltend macht, so ist damit auch gegeben,
dass man nicht sagen kann, von mehreren zu verschiede-
nen Zeiten herrschenden allgemein üblichen Ausdrucksweisen
sei die eine besser als die andere, dass man nicht behaupten
kann, die Sprache sei durch ihre Veränderungen besser (oder
110 Adolf Noreen,
schlechter) geworden. Aber wie man dann von Entwicke-
lung (oder Rückgang) in der Sprache reden kann, ist unbe-
greiflich. Man ist nieht berechtigt einen anderen Ausdruck
als Veränderung anzuwenden, wobei man mehr, als es bisher
der Fall gewesen ist, bedenken müsste, dass nicht alle Ver-
änderungen Änderungen zum bessern sind. Aber von diesem
Standpunkte aus ist ein Sprachgebrauch, der gang und gäbe
ist, immer vollkommen richtig, wie er auch beschaffen sein
mag. Nunwohl! angenommen, dass wir, bewusst oder unbe-
wusst, unsere Sprache in einer gewissen Weise änderten und
diese Änderung allgemein durchgeführt würde. Die neue Sprache
wäre ja nun gut, denn sie wäre allgemem gebräuchlich. Aber
nähmen wir dann eime neue Änderung vor, die den alten
Sprachgebrauch vollständig wiederemführte: nun wäre dieser
genau ebenso gut, wenn er nur ebenso allgemem angenommen
würde. Das wäre ja dasselbe, wie wenn man sagen wollte:
alle Kleidermoden sind gleieh gut, wenn sie nur
gleich gebräuchlich sind. Diese Anschauung scheint allerdings
in der That viele Anhänger zu haben, wenn auch nicht viele
Mut genug haben sie auszusprechen.
3) Es dürften indes bei einem Volk, das dieser Auf-
fassung allgemein huldigt — was doch die Bekenner der-
selben als wünschenswert ansehen müssten —, streng genom-
inen gar keine Sprachänderungen vorkommen, wenn man nicht
nur in obenerwähnter Weise lehrt, sondern auch nach ihr
lebt. Denn wer gut reden will, muss sich natürlich genau
nach der gebräuchlichsten Ausdrucksweise richten, mithin die
ungewöhnlichen Ausdrucksweisen und ganz besonders Neu-
schöpfungen vermeiden, denn diese sind absolut unrichtig,
dla sie nie vorher gehört worden sind. Und doch sind es jene,
die der Sprache vorzugsweise Farbe und Poesie geben, und
diese sind es, in denen und dureh die die Sprache hauptsäch-
lich lebt. Also führt auf diesem Wege das Streben nach
Sprachrichtigkeit zur Beschränkung und Erstarrung der spraeh-
lichen Ausdrücke, d. h. zur Armut und zum Tode der Sprache.
Und doch wollte man in diesem Lager ursprünglich ein Prin-
zip für die Sprachrichtigkeit, das das Leben der Sprache
achtet und befördert, gewinnen. Aber offenbar ist im letzten
Grunde «lieser Standpunkt nicht von dem ersten, der den
Sprachgebrauch einer vergangenen Zeit als allemseligmachend
Über Sprachrichtigkeit. 111
aufstellte, verschieden. Er proklamiert, folgerecht und ener-
gisch durchgeführt, den der Gegenwart. — Aber, wendet man
inir vielleicht ein, die Sprache würde trotz alledem am Leben
bleiben, denn der Wille des Menschen ist der Sprache gegen-
über ohnmächtig, und unsere eifrigsten Bemühungen würden
von keinem Erfolg gekrönt sein. Mag sein, obgleich ich für
meine Person keineswegs die Richtigkeit dieser Behauptung
zugebe. Unter allen Umständen würde sich die Sprache in
diesem Fall nur durch Verstösse gegen die Sprachrichtigkeit
am Leben erhalten und entwickeln; ihr Leben bestünde dann
in einer Reihe von sprachlichen Sünden; diejenigen, die
“falsch” sprechen, wären es, denen wir die “Entwiekelung
der Sprache zu verdanken hätten. Ein Prinzip aber, das zu
einer solehen Auffassung führt, ist offenbar unrichtig').
4) Dieser Standpunkt beruht in letzter Instanz sichtlich
auf einer irrigen Auffassung vom Wesen der Sprache, indem
diese als “Naturprodukt' angesehen wird. Selbst wenn man
dieses Dogma gelten lässt, ist der Gedankengang, der weiter
eingeschlagen wird, in mehrfacher Hinsicht unrichtig. Folge-
widrig ist es, da, wo man an die glücklichen Ergebnisse eines
wilden, (vom menschlichen Willen) ungehemmten Wachstums
glaubt, überhaupt noch von Sprachrichtigkeit zu reden. Eine
ganz eigentümlich gebildete verkrüppelte Fichtenart (Rauzen)
ist dann ebenso gut wie die typischste Fichte. Das aber ist
ein Irrtum, dass die Pflanze die beste ist, die wild gewachsen
ist. Werden nicht unzweckmässige Schösslinge abgeschnitten,
so kann die Pflanze ausgehen. Anderseits kann das Einimpfen
eines neuen Reises mitunter gerade das sein, was not thut.
Das Gewächs “entwickelt sich” besser durch eme gesunde
Kultur als im freien’, “natürlichen Zustand. Also: die
kultivierte, gezüchtete Pflanze steht ihrer Art nach höher und
ist besser als die wilde; der gepflegte Weinstock giebt edlern
Wein als der wilde. Gern will ich zugeben, dass ein doktri-
1) [Vergleiche übrigens Paul Prinzipien ? 350 f.: “Die Ge-
meinsprache ist ..... nichts als eine ideale Norm, die angiebt,
wie gesprochen werden soll..... wie ein Gesetzbuch oder ein
Dogma an sich unveränderlich ..... Sie ist nichts als eine starre
Regel, welche die Sprachbewegung zum Stillstand bringen würde,
wenn sie überall strikte befolgt würde, und nur soweit Verände-
rungen zulässt, als man sich nicht an sie kehrt.” ]
119 Adolf Noreen,
närer und zur Verkünstelung neigender Gärtner durch Be-
schneidung im Barockstil und andere verschrobene Massregeln
die Pflanze beschädigen und verunstalten kann und es auch
oft thut. Aber das schliesst doch nicht die Pflege der Pflanze
durch einen Gärtner, der ihre Natur und Bestimmung kennt,
aus, und das ist das Ideal.
Um ein vermünftiges Prinzip für die Sprachrichtigkeit
aufstellen zu können, muss man mithin versuchen zu einer
richtigen Auffassung von dem Wesen und der Bestimmung der
Sprache zu gelangen. Ist diese gefunden, so ist es verhält-
nismässig leicht, die Norm für die Sprachrichtigkeit anzugeben.
Derjenige Sprachgebrauch ist natürlich der beste, der die
der Sprache gestellte Aufgabe am besten löst. Was ist das
nun für eine Aufgabe ?
Die Beantwortung dieser Frage leitet uns zu dem über,
was ich oben bezeichnen zu können glaubte als (III.) den ratio-
nellen Standpunkt. Ich kann hier kaum auf irgend einen
Gelehrten als Hauptvertreter dieser Richtung hinweisen, da
(die betreffende Anschauungsweise, als wissenschaftliche Theorie,
sich noch im Zustande der Gestaltung befimdet und meines
Wissens noch nicht klar formuliert worden ist, obgleich sie
eine notwendige Ergänzung zu der Anschauung von dem Wesen
und der Aufgabe der Sprache ist, der von Madvig, Whitney,
Leskien, Paul und überhaupt der ganzen sogenannten Jjung-
erammatischen Schule gehuldigt wird und die so siegreich
verfochten worden ist. Indes zeigen deren Anhänger inbe-
treff der Sprachrichtigkeit noch eine schwankende Haltung, was
darin seinen Grund hat, dass es ihnen nicht gelungen ist, sich
vollständig vom Einfluss des ältern, soeben geschilderten "na-
turgesehiehtlichen Standpunkts frei zu machen. Das gilt
z.B. von Deutschland, wo sich die eifrigsten und talentvollsten
Junggrammatiker finden!), wie auch von Schweden, wo
sich vermutlich das jüngere Geschlecht der Sprachtforscher
1) Z. B. “Die überwiegende Häufigkeit einer Aussprache ist
der einzige Massstab für ihre Korrektheit und Mustergültigkeit”
(Paul Prinzipien der Sprachgeschichte ? 8.58). So weit jedoch Paul
hier nur die Aussprache im Auge hat — was sehr möglich
ist — und nicht zugleich die übrigen Arten der Formenbildung,
ist sein Ausdruck fast vollständig richtig. Das ist dagegen unter
keinen Umständen der Fall mit Osthoffs * oben angezogenen * zu-
gespitzten Aussprüchen.
Über Sprachrichtigkeit. 115
mehr oder weniger eng dieser Richtung anschliesst. In Schwe-
den könnte man jedoch Es. Tegner hinsichtlich der Sprachrich-
tigkeit als einen ziemlich konsequenten Vertreter des fraglichen
Standpunkts ansehn, obgleich er sich in seinem vorzüglichen
und für die Kritik des “litterargeschichtlichen " Standpunkts
so wichtigen Aufsatz “Über Sprache und Nationalität’ (Svensk
tidskrift 1874 S. 104 ff.) einige Ausdrücke hat zu schulden
kommen lassen, aus denen hervorzugehen scheint, dass er in Über-
einstimmung mit den Anhängern des vorigen Standpunkts den
Gebrauch als die oberste Norm für die Sprachrichtigkeit auf-
stellt). Viele vortrefflicehe Bemerkungen und Andeutungen,
die auf das rechte hinweisen, finden sich in dem kleinen Auf-
satz “Einige Worte über die Bearbeitung der schwedischen
Sprache in der Gegenwart’ von —n, einer Schrift, in der
schleehter Stil und grell hervortretender Mangel an Fachkennt-
nissen nebst manchen unhaltbaren Einfällen nicht imstande sind
den Eindruck des ungewöhnlich guten natürlichen Verstands,
von dem die Arbeit im ganzen zeugt, zu verwischen. Über-
1) “Mag die Sprache ihren Gang gehn” (S. 144); “Der denk-
bar grösste sprachliche Aberwitz ist richtig, sobald der Brauch auf
seine Seite tritt, wie auch der schlimmste Usurpator rechtmässig
ist, wenn er nur vollkommen fest auf seinem Thron sitzt” (S. 155);
“Eine Sprache ist nichts anderes als eine innerhalb eines gewissen
Kreises herrschende Mode. Wenn diese Mode auch noch so wider-
sinnig ist, so ist sie doch (“auch’ ist wohl Druckfehler) Sprachge-
setz, insofern sie ihre Giltigkeit behauptet. Darüber hinaus giebt
es keine Autorität, auf die man sich berufen könnte. Insofern
kann man sagen: vox populi vox dei” (S. 112). Hierauf antworte
ich natürlich (vgl. auch was ich darüber in der Zeitschrift Nysta-
varen 1886, S.23f. geäussert habe): Ebenso gewiss, wie man, um zu
ermitteln, wie eine richtige Kleidung beschaffen sein muss, von
einem modesüchtigen Publikum an den Arzt, der über die Bestim-
mung der Kleidung nachgedacht hat, und an den Schneider, der
sie gewerbsmässig verfertigt, appellieren kann, so kann man auch
hinsichtlich der Sprache an den Sprachphilosophen oder den form-
und sprachgewandten Beherrscher der Sprache Berufung einlegen.
Damit sei jedoch nicht in Abrede gestellt, dass der vorzugsweise
auf den Gebrauch gegründete Geschmack des Publikums einen
umgestaltenden Einfluss ausübt. Denn wenn ein Schneider im Ein-
vernehmen mit einem Arzt die vollkommensten Anzüge verfertigt,
aber das Publikum einen so verkehrten Geschmack hat, dass es
vorzieht unbekleidet zu gehn, so ist handgreiflich, dass diese Klei-
der für den gegebenen Fall (d.h. für dieses Publikum) schlecht,
ja durchaus unbrauchbar sind. Hiervon unten mehr.
Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. Ss
114 Adolf Noreen,
haupt mögen die meisten der nicht sprachwissenschaftlich ge-
scehulten Schriftsteller mehr oder weniger unbewusst auch in
der Praxis den memes Erachtens richtigen Standpunkt in der
Frage nach der Sprachrichtigkeit vertreten, während einem hier
das Vorgehen der eigentlichen Fachmänner manchmal das alte
Wort τὰ πολλά ce τράμματα εἰς μανίαν περιτρέπει ins Ge-
dächtnis ruft. Ich dürfte also wohl einer in weiten Kreisen
herrschenden Anschauung des natürlichen Verstands das Wort
reden, wenn ich mich nun dazu wende, den Gedankengang
darzulegen, der vom “rationellen Standpunkt’ aus zu befol-
gen ist.
Man hat hier von folgendem Grundsatz auszugehen: die
Sprache ist das Mittel der Mitteilung. Also ist der Sprach-
gebrauch der beste, der am besten das mitteilt, was mit-
geteilt werden soll. Absolut unrichtig ist mithin nur der
Sprachgebrauch, der entweder gar nicht vermag demjenigen,
an den die Worte gerichtet sind, die Gedanken des Sprechen-
den (Schreibenden u. s. w.) verständlich zu machen, oder
eine falsche Auffassung von ihnen beibringt. Falsch ist der
Sprachgebrauch, dem es nur unvollständig gelingt, seine Be-
stimmung zu erfüllen, nämlich den Gedanken zu übermitteln;
gut, bezw. am besten ist der Sprachgebrauch, dem es an-
nähernd oder vollkommen gelingt, den Angeredeten in das Ge-
danken- und Vorstellungsleben des Redenden hineinzuversetzen.
Welche Mittel und Kunstgriffe müssen nun angewandt werden,
um ein möglichst gutes Resultat zu erzielen? Das hängt na-
türlich davon ab, wer in jedem emzelnen Fall der Redende,
und wer der Angeredete ist. Dieser ist hierbei der wichtigere
von beiden. Der Gesichtspunkt ist mithin vollkommen oppor-
tunistisch. Kein Ausdruck ist überhaupt der beste, sondern
jeder ist nur in diesem speziellen Fall der beste. Was hier
gut ist, ist dort schlecht; was heute ein guter Sprachgebrauch
ist, ist morgen ein Sprachfehler. Als allgemeine Regel können
wir aufstellen: Am besten ist, was vom jeweiligen
Publikum am exaktesten und schnellsten verstanden
und vom Vortragenden am leichtesten hervorge-
bracht!) werden kann, oder, wie Flodström (Nystavaren
1) Vgl. Tegners Ausdruck (a. a. Ο. 150): “Was am leichtesten
gegeben und am leichtesten verstanden wird”.
Über Sprachrichtigkeit. 115
1887 5. 143) diese meine Fassung zu ändern vorschlägt:
Am besten ist die Sprachform, die mit der erfor-
derlicehen Deutlichkeit möglichst grosse Einfach-
heit verbindet. [Vgl. Behaghel Die deutsche Sprache 8. 83:
“Der oberste Zweck der Sprache ist die Verständlichkeit”;
es genügt “nicht für die Zwecke der Verständlichkeit, dass
für den Hörer bei reiflicher Erwägung die Zweideutigkeit aus-
geschlossen sei, sondern möglichst rasch und leicht soll die
Vorstellung des Hörenden durch em bestimmtes Lautbild an-
geregt werden '.]
Um nun zu zeigen, wohin diese Auffassung in der Praxis
führen muss, will ieh jetzt aus Schriftstellern einerseits eine
Anzahl von Beispielen für einen Sprachgebrauch vorführen,
der aus diesem Gesichtspunkt als Sprachfehler betrachtet wer-
den muss; anderseits Beispiele für einen solchen, der eine
wirkliche Verbesserung und Entwickelung der Sprache dar-
bietet. Hierbei muss ich jedoch noch einmal betonen, dass
das, was in Schriften (und Reden) für em bestimmtes
Publikum berechnet ist, ein Fehler, einem andern Publikum
gegenüber ein glücklicher Griff sein kann, und umgekehrt.
[Quintil. instit. X 1, 9: "omnia verba .... sunt alicubi op-
tima: nam et humilibus interim et vulgaribus est opus, et
quae nitidiore in parte videntur sordida, ubi res poscit, pro-
prie dicuntur”.)
1) Unriehtig ist, was missverstanden wird. Es ist
also z. B. entschieden wnrichtig, in einer nicht-philosophischen
oder in einer gemeinverständlichen philosophischen Darstellung
Ausdrücke *wie “Sinnlichkeit’, “Sittengebot‘, "reine Vernunft‘,
“ praktische Vernunft‘, “lebendige Kraft‘, “Ding an sich
zu gebrauchen, um die Begriffe, die in der Kantschen * Phi-
losophie fachmännisch so benannt werden, zu bezeichnen. Un-
richtig deshalb, weil diese Ausdrücke fast unbedingt von einem
nicht philosophisch gebildeten missverstanden werden müssen,
‚wie auch beinahe täglıch die Erfahrung erweist.
2) Unriehtig ist, was nicht verstanden wird. Es ist
mithin offenbar verkehrt, in Schriften, ἢ die sich an die minder
gebildeten Volksschichten wenden, Ausdrücke wie perfid für
treulos oder arglistig, nonchalant für lässig, saumselig U.S.W.
zu gebrauchen *. Sie sind unrichtig, nicht aus irgend welchen
patriotischen (puristischen) Gründen, sondern weil sie hier
110 Adolf Noreen,
nicht verstanden werden. Höchstens können sie missver-
standen werden, ® wie z. B. örritieren bei den untern Stän-
den Berlins so viel wie irre machen, gastrisches fieber, so
viel wie garstiges fieber besagt, oder in Würtemberg ohne
genie gleichbedeutend mit ungeniert ist.”
Ein besonderer Fall von Unverständlichkeit wird nicht
selten durch die sogenannten Homonymen veranlasst, d. h.
Wörter von gleichem Klang, aber verschiedener Bedeutung
(z. B. *die acht = eine Ziffer, Sorgfalt, Bann*). Obgleich
das Vorhandensein derselben in jeder Sprache mehr oder min-
der unvermeidlich !) ist, besteht darin doch eme nicht unwesent-
liche Unzulänglichkeit?) der Sprache, da dadurch leicht zwei-
deutige Ausdrücke geschaffen werden, d. h. Ausdrücke, die
insofern nicht verstanden werden, als sie keinen Aufschluss
geben, welehe von den beiden (oder von mehreren) denk-
baren Bedeutungen gemeint ist?). Sie gereichen nur den Lieb-
δι
1 Da ja die allermeisten “Wörter° mehrere Bedeutungen
haben, also eigentlich verschiedene Wörter sind, so besteht streng
genommen der überwiegend grösste Teil des Wortschatzes einer
Sprache aus Homonymen. Eine Sprache, in der jede Begriffsabstu-
fung ihren eignen Ausdruck findet, ist leider ein Hirngespinst.
2) Dagegen bringt das Bestehen von sogenannten Synony-
men, d.h. Wörtern von verschiedenem Rlang, aber (derselben oder)
ungefähr derselben Bedeutung einen höchst beträchtlichen Vorteil
für eine Sprache mit sich. Denn vor allem ist hervorzuheben, dass
sich die sinnverwandten Wörter fast nie vollständig decken, son-
dern gewisse Bedeutungsschattierungen angeben (wie z. B. *lan-
deskind, eingeborner, einheimischer, inländer, eingesessener, an-
sässiger *, u.a.) und somit geradezu notwendig sind, um einen Ge-
danken treffend und scharf zum Ausdruck zu bringen. Und ferner
ınöge man bedenken: wenn zwei Synonyme sich wirklich vollstän-
dig deckten (wie z. B. möglicherweise im gewöhnlichen Sprachge-
brauch Christus und Jesus), so ist es doch, namentlich in ästhe-
tischer Hinsicht, durchaus nicht zu unterschätzen, dass man die
Möglichkeit hat im Ausdruck zu wechseln.
3) Zu beachten ist, dass, wenn auch die Schrift bisweilen
dieser Ungelegenheit durch Schreibungen wie ὅτε : lied, wah-
ren :waaren:waren® u.ä. ausgewichen ist, dadurch gar nichts
für die gesprochene Sprache gewonnen wird, in der Redewen-
dungen wie *sein vater verfertigte waf(a)gen, oder nur einige
lerchen (lärchen) belebten die öde haide* zweideutig sind, wie
sie auch geschrieben werden mögen. Wenn indes in dieser Be-
ziehung die geschriebene Sprache besser als die gesprochene ist
Uber Sprachrichtigkeit. 117
habern von Wortspielen zu Nutz und Frommen, auf deren Be-
quemlichkeit man jedoch bei der Beurteilung von Fragen der
Sprachrichtigkeit keine sonderlich grosse Rücksieht zu nehmen
braucht. Indes sind die meisten Homonymen verhältnismässig
unschädlich, da man gewöhnlich aus dem Zusammenhang er-
sieht, welehe Bedeutung im jeweiligen Fall die rechte ist. Es
liegt aber unter allen Umständen eime, wenn auch nicht be-
sonders schwerwiegende, Misslichkeit darin, dass * wir z. B.
sechzehn verschiedene Wörter von der Form lehne haben näm-
lich 1) Sgl. Fem. lehne — Stütze, mhd. löne. 2) Sgl. Fem.
— wilde Sau, mhd. liene. 3. Sgl. Fem. — Achsnagel, läünse.
4) Sgl. Fem. — Lenne, Leinbaum, mhd. lanboum. Ὁ) Dat. Sgl.
von das lehn = das Lehen, mhd. Zehen. 6) Nom. Gen. Akk.
Plur. davon = die Lehen. 7) Kurzname = Helene. 8) 1 Pers.
Praes. Indik. von lehnen intransit. = sieh stützen, mhd. lönen.
9) 1. und 3. Pers. Praes. Konj. davon. 10) Imperativ davon. 11)
1. Pers. Praes. Indie. von lehnen — lehnen, transitiv, mhd.
leinen. 12) 1. und 3. Pers. Praes. Konj. davon. 13) Imperativ
davon. 14) 1. Pers. Praes. Indik. von lehnen — leihen (das
Simplex findet sich z. B. noch bei Stilling, Rückert), mhd.
lehenen. 15) 1. und 3 Pers. Praes. Konj. davon. 16) Imperativ
davon®. Es liegt daher auch auf der Hand, dass, wenn ein
Wort zwischen zwei Formen schwankt, von denen die eine
dem Klange nach mit der eines andern Wortes übereinstimmt,
die andere vorzuziehen ist. #Es ist demnach die Form ahnen
der Form ahnden gegenüber zu bevorzugen, da ahnden schon
in der Bedeutung rächen Verwendung findet. Desgleichen ist
die althergebrachte und von der Aussprache anerkannte Unter-
scheidung von geisel “obses’ und geissel "Hagellum’ beizube-
halten (vgl. Wilmanns Die Orthographie $ 126), obgleich ety-
— ein Vorzug, der doch sicherlich nieht von der Bedeutung ist,
dass der Unterschied in der Schrift aufrecht erhalten werden muss
mit Hintansetzung anderer beachtenswerther Gesichtspunkte, die
schon lange manchen veranlasst haben Unterscheidungen folgender
Art aufzugeben, wie *loos : los, haide : heide, saite : seite, thon:
ton*® u, ἃ. — wenn es sich so verhält, so ist hingegen die Schrift
mit einem andern, ihr eigentümlichen Übelstand behaftet, näm-
lich mit den sogenannten Homographen, d. h. Wörtern von ver-
schiedenem Klang und verschiedener Bedeutung, aber gleicher
Schreibung, z. B. * weg (Substantiv und Adverb), schoss (Verbum,
Trieb, Steuer, Hüftbug)* u. a.
118 Adolf Noreen,
mologisch beiden Wörtern s zukommt.* Von diesem Gesichts-
punkt aus muss man daher auch — als einem thatsächlichen
Nachteil für die Sprache — der Ausbreitung der in *Berlin
(und andern Orten, wie z.B. in Livland, jedoch mit einer Ein-
schränkung vor r) ganz üblichen Aussprache von ä!) entgegen-
arbeiten, infolge deren sägen und segen, bären und beeren,
fäden und fehden, säen und seen, zähe und zehe, träten
und treten, gäben und geben, bäten und beten u. Ss. w.* zu-
sammenfallen, mit dem notwendigen Ergebnis, dass die Sprache
hierdurch durch eimige Dutzend oder vielleicht einige Schock
neuer Homonymen bereichert wird.
Eine Gruppe von Homonymen, die hier besonders be-
achtet zu werden verdient, bilden die, die dadurch entstanden
sind, dass verschiedene Glieder eines Paradigmas dieselbe Form
angenommen haben. Eine derartige Vereinfachung des Para-
digmas ist nichts schlimmes, so lange dadurch keine Zwei-
deutiekeit entsteht — so z. B. bietet der Umstand, dass im
® Neuhochdeutschen beim Singular gewisser Paradigmen ® der
Nominativ, Dativ und Akkusativ dieselbe Form erhalten haben,
keine erwähnenswerte Missliehkeit, eher gewisse Vorzüge dar
— aber sie begreift eine Sprachverschlechterung in sich, so-
bald dieses der Fall ist. Denn das besagt nichts anderes als
(dass zwei (oder mehrere) wesentlich verschiedene Bedeutungen
um dieselbe Form ringen müssen, was doch em Mangel ist.
*=Als z. B. der mhd. Sing. der vinger, stival und der Plur.
die vingere, stivale gewissen Lautgesetzen zufolge sich in
der nhd. Sing.- und Plur.-Form finger, stiefel vereinigten,
entstand eine Zweideutigkeit, aus der sich ein wirklicher
Missstand ergab. In emer Wendung wie bring mir papas
stiefel oder sie flickt Ottos ärmel ist es uns ganz un-
möglich zu entscheiden, ob es sich um einen oder mehrere
Stiefel bezw. Ärmel handelt. Diesem Übelstand helfen die
dureh Anlehnung an die »-Stämme entstandenen Formen stie-
feln, fingern, ärmeln, stacheln, flägeln ab, Formen, die deutlich
und daher vortrefflich sind, wenngleich sie auch von manchen,
wie z. B. von Andresen (Sprachgebrauch 31) und von Heyse-
1) * Die Unterscheidung von ἃ und e ist ”schulmeisterlich
künstlich”. So Hermann Schmolke (Progr. des Friedrichs-Realgym-
nasium zu Berlin 1890 S. 14). ἢ
Über Sprachrichtigkeit. 119
Lyon (Deutsche Grammatik 122), zurückgewiesen werden.”
Ein Unglück für die Sprache ist es vielleicht, dass man
nicht auf dem einmal betretenen Weg weiterging, sondern
diese Plurale im Gegenteil allınählich zurückgedrängt worden
sind. Und “sprachwidrig ist es, jetzt solehen Formen entgegen-
arbeiten zu wollen, die glücklicherweise noch recht oft —
wenigstens in der gesprochenen Sprache [z. B. in Berlin] —
vorkommen). *Zu beachten ist noch, dass hie und da eine
Pluralform auf -», wie z. B. ärmeln (vgl. Weinhold Mhd.
Grammatik 432), stiefeln, 500 oder 600 jährige Ahnen hat, *
was ihr doch die Gunst der Freunde des alten zusichern müsste,
die bisher ihre ärgsten Feinde gewesen sind?). Hier haben
wir mithin wieder einen Fall, wo die, wenigstens in der ge-
schriebenen Sprache, weniger gebräuchliche Form die richtigere
ist.* “Über Buddhas aposteln’?) ist ein richtigerer Titel
als “Über Buddhas apostel’, * wenn es sich wirklich um
mehrere handelt; er ist richtiger, weil er deutlicher über die
Meinung der sich AÄussernden Auskunft giebt.* Bürgern,
pfarrern* u. s. w. wären richtigere Pluralformen als *bärger,
pfarrer* u. 5. w., wenn und sobald solehe Formen leich-
ter verstanden werden, was jedoch sicherlich noch nicht der
Fall ist, wie etwa mit ἢ schlässeln, giebeln® u.s. w. ὃ Man
ist nämlich noch gar zu wenig gewohnt die Endung -n bei
1) [Genau das umgekehrte Verhältnis — Schwanken im Sin-
gular, der Plural ausschliesslich schwach flektiert — weisen im Nhd.
bauer und nachbar auf, während sie im Ahd. und Mhd. sowohl
schwach als auch stark dekliniert werden konnten, also nhd. des
nachbarn oder nachbars, des bauern oder bauers — die nach-
barn, bauern. Wird nun in Wendungen wie ich kenne Ottos nach-
barn durch Bevorzugung der starken Form im Singular die Zwei-
deutigkeit gehoben, so erhielten wir genau den Flexionstypus, dem
oben das Wort geredet wurde, also: der stiefel, des stiefels — die
stiefeln.]|
2) “Es ist ein sonderbares Verhältnis, dass es vielen, im übri-
gen scharfsinnigen Männern, die dafür eifern, dass wir die Sprache
unserer Väter rein und unverderbt erhalten, schwer fällt, sich zu
vergegenwärtigen, dass unsere Väter nicht nur um 1200 und 1300,
sondern auch im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert lebten”.
(Es. Meener a. a. O0. S.. 132).
3) So auch schon im Mhd. neben der starken Flexion. Vgl.
die mhd. Wörterbücher. Auch Luther schreibt aposteln.
120 Adolf Noreen,
den Wörtern auf -el und -er zu finden. Doch auch an diese
alle wird und muss mit der Zeit die Reihe kommen. *
3) Unriehtig ist ferner das, was nur mit Schwierigkeit
verstanden wird. Ich habe bisher ausschliesslich darauf Nach-
druck gelegt, dass es von Wichtigkeit sei, dass ein Ausdruck
vom Angeredeten exakt erfasst werde. Es ist aber auch von
Belang, dass er schnell und mit möglichst geringer Anstren-
gung!) verstanden wird. [Rasch und leicht soll die Vorstel-
lung des Hörenden durch em bestimmtes Lautbild angeregt
werden.” Behaghel Deutsche Spr. 83.| Minder richtig ist
daher der Ausdruck, der minder rasch den Gedanken des
Sprechenden dem Angeredeten verständlich macht, der, um
richtig verstanden zu werden, grössere Anstrengung erfordert.
Hierbei spielt natürlich die subjektive Auffassung der einzelnen
eine grosse Rolle, da ja nicht nur die Ideenassoziation, son-
dern auch die Art und Weise, die Gedanken zu verknüpfen,
so ausserordentlich verschieden ist, dass der Ausdruck, der
augenblieklich dazu angethan ist, die Vorstellung des einen
auf den riehtigen Weg zu leiten, einem andern gegenüber sich
vollständig unbrauchbar erweisen kann. Ich bin mir daher
dessen vollständig bewusst, dass möglicher Weise manches
Beispiel für hierhergehörige Sprachfehler, das ich im folgen-
den anziehe, weniger elücklich gewählt sein und gar zu
sehr den Stempel meines persönlichen Geschmackes tragen
könnte.
* Fürwitz (Schiller, Heyse) scheint mir von diesem Stand-
punkt aus durchaus schlechter als vorweitz, da jenes sich
schlecht zu andern Zusammensetzungen, wie fürsprache, für-
wort, fürbitte, an die man unbewusster Weise denkt, schickt,
1) Was man gemeiniglich einen guten (leicht lesbaren) Stil
nennt, im Gegensatz zu einem schlechten (oder, wie es am häufig-
sten heisst, einem schwer lesbaren) Stil, das ist im Grunde nichts
andres als ein Stil, dem dieses Lob zukommt, weil der Schriftsteller
dieser Seite der Sprache Genüge gethan hat. Von diesem Ge-
sichtspunkt aus hat Herbert Spencer in seinem kleinen vortreflichen
Aufsatz “The philosophy of style’ (Westminster Review, Okt. 1552;
wiederabgedruckt in seinen Essays, Band II, 1568), gestützt auf eine
Menge feiner Beobachtungen, eine ganze Theorie für die stilistische
Fertigkeit aufgestellt. Auf diese Abhandlung erlaube ich mir zur
Ergänzung meiner Darstellung, hinsichtlich der in Frage kommen-
den Seite der Sache, zu verweisen.
Über Sprachrichtigkeit. 127
anderseits dieses durch vor- auch schon treffend die sich vor-
drängende Neugier oder Wissbegier bezeichnet.
Ungeschlacht steht an Deutlichkeit einem wungeartet,
roh, tölpelhaft bedeutend nach, da das jetzt nicht mehr ver-
standene -geschlacht auf schlachten bezogen wird, und unge-
schlacht, wie die nicht seltene Volksetymologie ungeschlachtet
zeigt, als “nicht zubereitet, nicht geniessbar gemacht’ aufge-
fasst wird.
Auch auslauf, das Grimm im Sinne von excurs Ver-
wendet, scheint wenig geeignet zu sein einem schnellen Ver-
ständnis zu dienen. Nach Analogie von ausgang oder von
auslaufen sollte man meimen, dass darunter etwa der Beginn
des Laufens oder ein Resultat zu verstehen sei, nicht aber eine
Abschweifung.
Weiland an stelle von vormals ist wenig angebracht,
da es infolge des Nebentons auf dem «a leicht als Zusammen-
setzung mit Jand aufgefasst werden kann.
Fastnacht ist eine richtigere Form als fasnacht, da die
Beziehung von jenem zu fasten wohl allgemein verständlich
sein dürfte, die von diesem zu faseln wohl kaum.
Eisbein für häftbein ist unvergleichlich schlechter, da
sich kaum einer, der sich nieht speziell mit der Etymologie
beschäftigt hat, beim ersten Bestandteil dieses Wortes etwas
denken kann (vgl. auch die Berliner Redensart ἐλ habe reene
eisbeene für kalte füsse).
Hölle durch helle ersetzen zu wollen, wie es z. B. die
thun, die die nhd. Orthographie nach der mhd. geregelt zu
sehen wünschen, ist nicht nur deshalb unrichtig, weil der im
Volksbewustsein noch lebendige Zusammenhang von hölle und
höhle gestört und ein wenig eimleuchtender mit helle, hellig-
keit geschaffen werden würde, sondern auch, weil hierdurch ein
neues Paar der schon ohnehin zu zahlreichen Homonymen ent-
stünde.* Übrigens dürfte es nieht uninteressant sein, zu erfahren,
ob der, welcher *helle® schreibt, auch wirklich in der Rede
der für ihn gleichermassen bindenden, aber nicht ganz so leicht
durchführbaren Umgestaltung gerecht wird. Widrigenfalls
möchte ich darauf hinweisen, dass, wenn eine Änderung sol-
cher, in der gesprochenen Sprache so gewöhnlicher Wörter
Aussicht haben soll durchzudringen, sie zunächst in der Rede
vorgenommen und womöglich auch durchgeführt werden muss.
129 Adolf Noreen,
Einigermassen anders liegt dagegen die Sache z. B. bei wissen-
schaftlichen Fachausdrücken, welehe in der Schrift ebenso oft
oder vielleicht noch häufiger als in der Rede vorkommen.
Alles was bisher als leitender Gesichtspunkt für die
Sprachriehtigkeit angeführt worden ist, ist nur der Bequem-
liehkeit des Angeredeten zu gute gekommen, die allerdings
auch sehr richtig in erster Linie in Betracht gezogen wer-
den muss. Es ist aber anderseits von grosser Wichtigkeit, dass
die Sprache auch für den Sprechenden so leicht als mög-
lich zu handhaben seit). Hieraus ergeben sich verschiedene
neue Anforderungen, die man an die Sprachrichtigkeit in des
Wortes eigentlicher Bedeutung erheben muss:
4) Schlechter sind solche Ausdrücke, die eine grössere
Schwierigkeit der Aussprache bedingen, d. h. die sich nicht
dem für die schwedische [resp. deutsche] Aussprache einge-
übten Bewegungsgefühl fügen wollen. Das ist indes ein ziemlich
untergeordneter Gesichtspunkt. Wenn durch den schwereren
Ausdruck in anderer Hinsicht etwas wesentliches gewonnen
wird, so muss man sich die Schwierigkeit der Aussprache ge-
fallen lassen, . die meistens, wenigstens mit der Zeit, recht
leicht zu bewältigen sein dürfte. Wenn aber ein Ausdruck
nicht aus andern Gründen zu bevorzugen ist, so ist er immer
infolge seiner grösseren Schwierigkeit mit einem Fehler be-
haftet, der bei der Beurteilung der Sprachrichtigkeit des Aus-
drucks nicht unberücksiehtigt bleiben darf.
* Es ist mithm z. B. die m Mittel- und Süddeutschland
vorkommende Aussprache balko, couse (mit Nasalvokal wie
im Französichen balcon, cousin) schlechter als die in Nord-
deutschland übliche balkon, cousen, wohlgemerkt im Munde
eines Deutschen, zu Deutschen gesprochen, denn die Rück-
sicht auf das Publikum ist hier, wie stets, wo es sich um die
Sprachrichtigkeit handelt, der Hauptgesichtspunkt, der nicht
ausser Acht gelassen werden darf.
Die von manchen verordnete Aussprache mägde, sma-
1) Dass das Interesse des Angeredeten (die Deutlichkeit
der Sprache) und das des Redenden (die Einfachheit der Sprache)
init einander im Streite liegen, und dass eine praktische Sprache
durch eine ununterbrochene Vereinbarung zwischen den Forderun-
gen beider gebildet werden muss, ist von Flodström a. a. Ὁ. S. 146
gezeigt worden.
Uber Sprachrichtigkeit. 123
ragde, jagden (mit den beiden stimmhaften Verschlusslauten
g und d bezw. mit stimmlosem Reibelaut + d) ist schlechter als
die Aussprache mähte, smarahte, jahten (mit dem stimmlosen
Reibelaut 7 und dem stimmlosen ἐ), die auf zwägte, lachte,
lachten reimen lässt. Denn einerseits ist im Deutschen die Ver-
bindung -gd- bezw. -hd- übel gelitten, anderseits würde durch
die erstere Aussprache (Plur. mägde, smaragde, jagden bezw.
mähde, smarahde, jahden neben dem Sgl. maht, smaraht,
jaht) das einheitliche Paradigma auseinandergetrieben werden,
ein für die Beurteilung der Sprachrichtigkeit ausschlaggebender
Umstand, der weiter unten zur Sprache kommt.
Die unbetonten Laautgruppen -el, -er, -em, -en mit hör-
barem e-Laut (mid-mixed) auszusprechen, wie es mancher
Redekünstler thut, also handal, blondor, blondom, blondon
oder sogar, wenn es ganz besonders fein’ sein soll, mit dem
mid-front e, also handel, blonder u. s. w., ist wenig ange-
bracht, da es der jetzigen Sprachgewohnheit vielfach wider-
strebt.“ Infolge dessen erscheint diese Aussprache auch häufig
als geziert, namentlich in der alltäglichen Rede. Etwas an-
ders liegen die Verhältnisse in der feierlichen und dichte-
rischen Sprache (wie auch im Gesang), im der altertümliche
Ausdrücke, mithin auch eme altertümliche Aussprache,
verhältnismässig berechtigt, in manchen Fällen sogar erstre-
benswert sind.
Ἔ Bugsieren, ablugsen, Dresden mit stimmhaftem Ver-
schlusslaut und stimmhaftem / auszusprechen, ist wenig em-
pfehlenswert, da im Deutschen 9-+/f bezw. [+ ἃ ganz un-
erhörte Lautverbindungen sind, die Aussprache buksieren,
Dresten dagegen dem deutschen Bewegungsgefühl vollkommen
mundgerecht ist. Die Aussprache von redakteur, ingenieur
u. s. w. nach Art des Französischen mit offenem langen ö ist
schleehter als die mit geschlossenem, da im Deutschen das
lange ö immer geschlossen ist.
Lord, klub, grog mit stimmhaftem Auslaut zu sprechen,
ist unerträglich pedantisch, da das Deutsche keine stimmhaften
Verschlusslaute im Auslaut duldet.
Eine halb englische Aussprache sport, lort oder viel-
leicht noch “besser sport, lord für sport, lört ist, wenn
die Wörter als Lehnwörter im Deutschen gebraucht wer-
den, d. h. von Deutschen zu Deutschen gesprochen, eine un-
124 Adolf Noreen,
leidliche Ziererei. Denn das Nhd. hat, mit Ausnahme einiger
Gegenden, einen entschiedenen Widerwillen gegen sp, st im
Wurzelanlaut, namentlich in Wörtern, denen man es nicht auf den
ersten Blick ansieht, dass sie dem Griechischen, Lateinischen
oder Französischen entlehnt sind, und ist ferner nicht geneigt
in Nomima die Verbindung ört zu ertragen (vgl. ort, hort,
fort, wort, mord, bord), eher noch in Zeitwörtern, wo die
Länge des o durch danebenliegende Formen geschützt wird
(vgl. bohrt, schmört neben böhren, schmören)*.
5) Schlechter sind solehe Formen, die sich schwerer in
dem Augenblick, wo man ihrer bedarf, auffinden lassen,
was darin seinen Grund hat, dass sie sich schwerer dem Ge-
dächtnis einprägen, was wiederum darauf beruht, dass sie sich
minder leicht mit andern Ausdrücken von ähnlichem Gebrauch
assoziieren. Ein Ausdruck, der sich bequem assoziieren lässt,
kann leichter im Gedächtnis festgehalten, erforderlichen Falles
leichter ins Bewusstsein gerufen, und, wie schon oben hervor-
gehoben, gewöhnlich auch bequemer und leichter verstanden
werden. [Von zwei Ausdrücken ist immer derjenige der
deutlichere, der anschaulichere, der etymologisch klarer ist.”
Behaghel Deutsche Sprache 84.| Eimen solchen Ausdruck pflegt
man aber eben einen regelmässig gebildeten zu nennen.
Hier stossen wir auf das alte Dogma, dass nämlich unregel-
mässige Formen gut und, vor allem, schön seien. Über die
Schönheit als eine Sache des Geschmacks und des Gutdünkens
wollen wir nicht rechten. Aber die Brauchbarkeit dürfte wohl
nur eingebildet sein. Dass Reichtum und Abwechselung in
der Sprache in anderer und besserer Weise erzielt werden
kann, werde ich weiter unten zeigen. Hier will ich nur be-
tonen, dass Regelmässigkeit an und für sich, systematische
Ausgestaltung, organischer Zusammenhang auf sprachlichem
(Gebiet ein herrlicher Vorzug ist.
Es ist mithin in der gewöhnlichen d. h. nieht feierlichen
Sprache * die Pluralform sporen schlechter als sporne oder
spornen, da sie sich schlechter an sporn anschliesst (vgl.
dorn, dorne, dornen). Der Superlativ meiste ist schlechter
alsgnehrste, das besser zum Komparativ mehrere stimmt (vgl.
schwerere - schwerste). Besser als die in der nhd. Schriftsprache
übliche Steigerung hoch, der hohe - höher - höchste ist die mittel-
und "süddeutsche hoch, der hoche - höcher - höchste. Die Nomi-
Über Sprachrichtigkeit. 125
nativform der haufe, name, glaube, friede, wille u. 8. w.
ist schlechter als haufen, namen u. 8. w. Denn ganz abge-
sehen davon, dass die allgememe Tendenz vorhanden ist bei
dieser Gruppe von Wörtern die Form -ern zur Alleinherrschaft
zu bringen, wie z. B. schaden, schatten, lumpen u. 85. W.
zeigen, ist der Nominativ auf -en darum zu empfehlen, einer-
seits weil er sich besser dem Genitiv auf -ens anfügt und eine
Flexion der namen, des namens, dem namen u. 5. w. sich
vollständig mit der Flexion der -na-Stämme, wie der degen,
wagen, des degens u. s. w. deckt, während eine Flexion der
name, des namens ein ganz neues, eigenartiges Paradigma
begründen würde; anderseits weil die Wörter, die eine Nomi-
nativform ohne -» aufweisen, fast alle mit Ausnahme der hier
in Frage kommenden (es sind ihrer etwa eim Dutzend, vgl.
Andresen Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit S. 26 f.) der
schwachen Flexion treu geblieben sind und vorzugsweise lebende
Wesen bezeichnen (vgl. der bote, hase, gatte u. 8. w.), da-
gesen der Analogie der -na-Stämme folgen, sobald sie als
Sachnamen verwandt werden: der rappen, franken — des
rappens, frankens gegenüber der rappe, franke — des
rappen, franken, vgl. Behaghel Deutsche Sprache 172 f.
Paul Grundriss I 616f. Die Optativfornen des Imperfekts
fände, stände, begänme, spänne, gewänne, schwämme, sind
den Formen fünde, stünde, begönne, spönne u. 5. W. VOrZU-
ziehen, weil sie sich mit ihrem ä leichter an den Indikativ
mit seinem a anschliessen, zumal da eine grosse Masse von
Imperfekta wie sang-sänge, band-bände u. s.w. dieses Ver-
hältnis als das regelmässige erscheinen lässt. Anders verhält
es sich dagegen mit Optativformen wie hälfe, stürbe, würbe,
würfe, verdürbe, gölte, schölte: hier hat man sich wohl gegen
die Bildung hälfe, stärbe u. s. w. zu entscheiden, nicht etwa,
weil die Formen mit ä jünger sind, auch nicht, weil sie nach
Heyse-Lyon (Deutsche Grammatik 211) hässlich sind, sondern
weil die Formen mit ä, bezw. ö einen Unterschied zwischen
dem Opt. Imperf. einerseits und dem Indie. Opt. Praes. ander-
seits begründen; denn helfe und hälfe sind nur in der geschrie-
benen, nicht aber in der gesprochenen Sprache verschieden,
in beiden Fällen haben wir hier das offene kurze e. Aus
diesem Grunde ist auch dem veralteten böürge gegenüber bärge
das Wort zu reden. Stöhle ist nicht deswegen schlecht, weil
190 Adolf Noreen,
es eime falsche Analogiebildung nach beföhle empföhle ist,
sondern weil beföhle, obgleich das ö hier lautgesetzlich ist
(mhd. bevälhe), an und für sich schon schlecht ist, da durch
das ö der Zusammenhang mit dem Indikativ hier unnützer-
weise gestört wird. Also richtig ist stahl-stähle, wie traf-
träfe, nahm-nähme. Der eben erwähnte Gesichtspunkt, eine
deutliche Unterscheidung zwischen dem Opt. Imperf. und Opt.
Praes. herzustellen, fällt hier natürlich ganz weg, da die ge-
bildete Sprache durchaus das geschlossene lange e in stehle
und das offene lange e in stähle zu Gehör kommen lässt. Schon
Adelung in seinem Lehrgebäude der deutschen Sprache 1103
findet, dass der Verfeinerungstrieb des Nhd. auf eine Beseiti-
gung der unregelmässigen Verba hinarbeite. Es liegt in der
Natur der Sache, dass dieses Bestreben Regelmässigkeit her-
zustellen sieh namentlich da geltend macht, wo das einzelne
Zeitwort nicht durch eine grosse Masse anderer gleichartiger
geschützt wird, wie z. B. bei der kleinen Anzahl der starken
Verben, die als Präsensvokal au oder «x zeigen. Hauen- hieb-
gehauen fällt aus aller Analogie heraus; besser ist nach Art
von bauen, krauen, brauen u. 8. w. haute, gehaut, was man
z. B. in Livland und in Berlin nicht selten hören kann. Von
schnauben und schrauben ist die starke Flexion schnob- ge-
schnoben u. 5. w. fast vollständig schon zu Gunsten von
schnaubte geschnaubt u. 5. w. zurückgetreten. Dagegen gilt
sog-gesogen von saugen noch als die mustergiltige Form, wie-
wohl saugte-gesaugt nach Analogie von taugen mehr zu em-
pfehlen wäre, da der Ablaut au-0-0 ganz isoliert dasteht. Wieder
ihre eignen Wege gehen saufen-soff-gesoffen und laufen -Tief-
gelaufen. Die in Dialekten (in Baden, vgl. Kuntze Zeitschr.
f. deutschen Unterricht V 41) und in der Litteratur (bei Goethe,
Wieland, Heime u. a.) vorkommende Bildung loff- geloffen wäre
schon mehr zu empfehlen, da sich durch diese Weise ein An-
schluss wenigstens an saufen ergäbe. Immerhin wäre die Ab-
lautreihe au-0-0 durch diese beiden Zeitwörter recht spärlich
vertreten. Im Interesse der Regelmässigkeit wäre vielmehr
Formen wie saufte, laufte, gesauft, gelauft, wie öfters man
aus Kindermund zu hören bekommt, das Wort zu reden. ὃ
Und warum ? Offenbar, weil die Sprache auf (diese Weise
leichter wird. Die Sprache wird aber, sobald die Deutlich-
keit nicht darunter leidet, insofern auch dadurch besser. Wir
Über Sprachrichtigkeit. 127
haben auch in sprachlichen Fragen manches von den Kindern
zu lernen. [Max Müller Vorlesungen, deutsche Ausgabe ? I 80
findet es “sehr wahrsehemlieh, dass das allmähliche Verschwin-
den unregelmässiger Deklinationen und Konjugationen sowohl
in Sprachen mit als ohne Litteratur zum Teil dem Dialekte der
Kinder zuzuschreiben ist.) *Auch rufen, rief, gerufen steht
mit seinem Ablaut z-e-u ganz vereinsamt da; nicht ganz un-
eben ist daher rufte-geruft, Formen, die jetzt kaum noch ge-
hört werden, sich aber bei Schiller, Goethe, Voss u. a. finden.
Noch ein altes reduplizierendes Verbum, das mit seinem Parti-
zipium ganz ohne gleichen dasteht, ist heissen-hiess-geheissen;
besser ist die namentlich in Norddeutschland verbreitete Form
gehiessen, durch die das Verb in volle Harmonie mit zweisen,
preisen u. a. tritt. Ebenso fällt ganz aus der Reihe heraus
das Part. geheischen. Es ist also deshalb die schwache Flexion
heischte, geheischt vorzuziehen, nicht etwa weil hiesch gehei-
schen erst eine im Mhd. auftretende Analogiebildung ist. Zu-
dem findet die schwache Flexion ihre Analoga in kreischen,
maischen u. a. “Dieses grammatische Gerechtigkeitsgefühl,
dieses Streben nach einfach analoger Ausbildung” (Max Müller)
ist auch beim Ablautsvokal des Imperfektums von ausschlag-
gebender Bedeutung, wo es gilt, die Ausgleichung zu gunsten
des Singularvokals oder die zu gunsten des Pluralvokals für die
richtige zu erklären. Daher tritt z. B., da die Verba, deren
Wurzeln auf ia + Kons. ausgehen, den Singularvokal verall-
gemeinert haben, sang rang band schwand, dung mit Recht
dang gegenüber zurück (vgl. Andresen Sprachrichtigkeit? 8. 72,
Weigand Deutsches Wörterbuch ὁ I 371). Daher ist schund
von schinden, weil es eben so ganz vereinzelt steht, eine
schlechte Form. Auch das in meiner livländischen Heimat ge-
bräuchliche schindete ist kein annehmbarer Ersatz, da einer-
seits diese schwache Form in Gegensatz zum starken Parti-
zipium geschunden tritt, anderseits alle Verba auf -inden stark
flektiert werden. Gut dagegen ist die bei Sanders ohne Be-
lege aufgeführte Form schand.
Es zeugt von einem gesunden sprachlichen Instinkt, dass
in der alltäglichen Sprache ungewöhnlich gebildete Wortformen
wie wwittib, pilgrim, obrist vermieden und statt deren zwöttwe,
pilger, oberst, Formen, deren Stammbildungssuffixe ein ver-
trauteres Aussehen haben, verwendet werden. Brunft und
198 Adolf Noreen,
brunst haben “Unwissenheit und Nachlässigkeit’ (Lessing) in
brunst zusammenfallen lassen, und doch kommt es der Sprach-
richtigkeit zugute, da brunst und brunft dieselbe Bedeutung
haben und der Zusammenhang des letzteren mit brummen kaum
mehr gefühlt wird, während die Beziehungen von braunst zu
brennen dem Sprachbewusstsein noch lebendig sind.
Doch der eben erwähnte Fall dürfte vielleicht mit besse-
rem Rechte als Beispiel für die sogenannte Volksetymologie
herangezogen werden können®, d. ἢ. eine im guten Glauben
(im Gegensatz zum Witz) vorgenommene Umdeutung eines
mehr oder minder schwer assoziierbaren Ausdrucks, die häufig
mit einer formellen Umgestaltung verbunden ist!). Derartige
Bildungen, die ehemals, und vielleicht auch noch jetzt viel-
fach, der tiefsten Verachtung anheim gegeben waren, weil sie
in höherem Grade als andere “Sprachfehler” zu verabscheuen
und eines wirklich “ gebildeten " Menschen unwürdig seien ?),
sind jedoch vortrefflich, falls der neue Ausdruck gewisser-
massen durchsichtiger als der alte ist und die Möglich-
keit einer bequemen Assoziation bietet, vermittels welcher er
leicht behalten, gefunden und verstanden werden kann. Eine
vortreffliche Volksetymologie liegt vor in dem Wort *wwetter-
leuchten aus mhd. weterleich (daneben weterlitzen). Gegen den
ersten Teil des Wortes wildschur (aus poln. wilezura Wolts-
1) Ausführlicher darüber handelt Noreen ‘Svensk folkety-
mologi’ in Nordisk tidskrift 1887 S. 554 und [“Folketymologier’ in
De svenska landsmälen Bd. VI H.5. Für das Deutsche kommt vor
allem in betracht Andresen Uber deutsche Volksetymologie 1889 5,
mit reichen Litteraturangaben. Vgl. auch Söhns Die Parias unserer
Sprache 1888 und Kluge Deutsch. Wörterb. (siehe Janssens Index
unter “Umdeutung’). Vieles hergehörige bietet auch Der richtige
Berliner in Wörtern und Redensarten 1882 #]
2) Nichts desto weniger ist die Schriftsprache über und über
voll von solchen Ungeheuerlichkeiten: * blankscheit (franz. plan-
chette), leihkauf (mhd. litkouf), weissagen (ahd. von ww755ago Pro-
phet gebildet), mesner (mlat. mansionartus), höhenrauch, heide-
rauch, haarrauch (heirauch zu mhd. heien brennen), abzucht (lat.
aquaeductus), einöde (ahd. einött, -öti ist Suffix), lanzlenecht (lan-
desknecht), sündflut (mhd. sinvluot), attentäter (: attentat täter :
tat), irritieren (in der Bedeutung irre machen gebraucht, auch in
der Schrift, vgl. Andresen Sprachgebr. u. Sprachr. 381; in Berlin
hört man örretieren), gaudieb ( tinker Dieb, nd. gau hd. yäh,
Heyne Deutsches Wörterbuch I 1054, Andresen Zeitschr. f. deutsche
Philol. XXIII 277) u.a. Vel. die in Fussnote 1 zitierte Litteratur*.
Über Sprachrichtigkeit. 129
fell) dürfte wenig einzuwenden sein; dagegen giebt der zweite
mit Recht zu Bedenken Anlass. Die ebenfalls in Mundarten
vorkommenden Wörter ablang (oblongus), kommhurtig (gum-
migut, drastisches Mittel), atmungsfähre (atmosphäre), fron-
tenspitz (frontispiz), abseite (ἀψίς), garstiges (gastrisches)
fieber, gifteritis (diphtheritis), windelator (ventilator) * eig-
nen sich trotz ihrer erstaunlichen Treffsicherheit doch nicht
sonderlich für einen allgemeinern Gebrauch, da es sich hier
um wissenschaftliche und Fachausdrücke handelt, welche so
kosmopolitisch wie möglich sein müssen, da die Wissenschaft
und die Fachbildung vor allem andern nicht “national” sind
oder es wenigstens nicht sein dürften.
Hinderlich ist aller unnützer Ballast. Es gilt in der
Sprache, wie auf den meisten andern Gebieten, der Satz: was
nicht nützt, das schadet. Das führt uns zu folgenden beiden
Behauptungen:
6) Schlechter ist em längerer Ausdruck, wenn er nichts
anderes als ein kürzerer besagt, oder wenigstens für den ge-
sebenen Fall nichts anderes bezeichnen kann oder darf.
["Ein Ausdruck ist um so eindringlicher, die mit ihm verbun-
dene Vorstellung wird um so leichter erfasst, aus je weniger
Elementen er besteht.” Behaghel, Deutsche Sprache 86.] Bei-
spiele für hergehörige Fälle sind unter anderm *sanftmut
(sanftmütigkeit), einfalt (einfältigkeit), grammatisch (gram-
matikalisch), kleinode (kleinodien), indes (indessen), öfter
(öfterer), letzte (letzteste), nackt (nackend),. ewig (ewiglich),
leichtsinn (leichtsinnigkeit), weitläufig (weitläuftig), fels
(felsen), sich befleissen (befleissigen), enden (endigen, beenden,
beendigen), mahnen (gemahnen) u. Ss. w. In Sätzen wie die
welt ist voller trug ist voller eine schlechtere Form als
voll, nicht etwa, weil hier voller analogisch die der starken
Form des Mask. zukommende Endung -er verallgemeinert hat
(vgl. Behaghel Deutsche Sprache 208; Erdmann Grundzüge d.
deutschen Syntax ὃ 66; Ondrusch Zeitschr. für deutschen
Unterricht IV 41 ff.), sondern weil das prädikative Adjektiv
im Nhd. durchaus in der sogenannten flexionslosen Form auf-
tritt, und weil voll, abgesehen von seiner regelmässigen Bil-
dung (siehe oben S. 124), auch kürzer ist als voller.* Der
hier hervorgehobene Gesichtspunkt ist jedoch für die Sprach-
richtigkeit von recht untergeordneter Bedeutung, da die län-
Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. Ω
150 Adolf Noreen,
gern Ausdrücke, auch manche der von mir oben angeführten,
fast immer eine Bedeutungsschattierung anzugeben imstande
sind und gebraucht werden, um diese zu bezeichnen, die sich,
wenn auch unbedeutend, von der Bedeutung des kürzeren Aus-
drucks unterscheidet. So z. B. kann meines Erachtens *ge-
leiten nicht vollständig durch leiten ersetzt werden, da jenes
nicht nur wie dieses “führen, lenken’, sondern auch ein pas-
sives begleiten’ ausdrücken kann.* [Namentlich Schopen-
hauer eifert vielfach mit Recht gegen ein derartiges kürzeres
Wort, wie nachweis, vergleich, “wie unsere stumpfen Tölpel
es verbessert haben” für »achweisung, vergleichung. Vgl.
auch Hans v. Wolzogen Über Verrottung und Errettung der
deutschen Sprache 1890 3 S. 34f.| — lch wende mich nun-
mehr zu einem wichtigeren Gesichtspunkt von ähnlicher Art.
7) Schlecht sind die Ausdrücke, die an pedantischer und
unnötiger Deutlichkeit leiden, d. h. die durch ihre Form
eine Bedeutungsverschiedenheit angeben, die zu bezeichnen
entweder nicht nötig ist, weil sie schon für den vorliegenden
Zweck in anderer Weise ausgedrückt ist, oder die auch nicht
bezeichnet werden darf, weil sie nicht mehr als solche ver-
standen wird.
Ein gutes Beispiel für eine aus dem ersteren Grunde
unnötige Formdiftferenzierung bietet uns die Verbalflexion der
Ἔ deutschen Schriftsprache: z. B. ich fechte, du fichtst, er
ficht, wir sie fechten, ihr fechtet oder ich saufe, du säuf'st,
er säuft, wir sie saufen, ihr sauft, wo die zweite und dritte
Person des Singulars sich von den andern Personen nicht nur
durch die Endung und das vorgesetzte Subjekt (resp. durch
letzteres allein), sondern auch durch die Brechung, bezw. den
Umlaut unterscheiden. Das letztere ist durchaus unnötig, da
schleehterdings keine Undenutlichkeit oder überhaupt keine Un-
gelegenheit durch eine Flexion wie ich fechte, du fechtest,
er fechtet oder ich saufe, du saufst, er sauft entstehen kann,
eine Flexion, die m der gesprochenen Sprache nichts seltenes
ist, zumal da bei andern Verben die Form ohne Brechung
(bezw. Umlaut) auch in der geschriebenen Sprache durchge-
drungen ist, z. B. du webst, er webt, du melkst, er melkt,
oder du haust, er haut, du rufst, er ruft. Wbenso liegen
die Verhältnisse beim Imperativ, wo die in der gesprochenen
Sprache häufig vorkommenden Formen wie gebe, vergesse, breche,
Über Sprachrichtigkeit. 131
bezw. geb ete. fast von allen Grammatikern verdammt werden
(z. B. von Andresen Sprachr. 77, Keller Antibarbarus ? 34,
Kuntze Zeitschr. f. deutschen Unterr. V 40; nur Burghauser
ebenda 50 f. bricht für diese Formen eine Lanze). Und doch
finden sich mehrere derartige Formen auch im der Litteratur,
4. B. bei Goetne und Heine, und Imperative wie genese, bewege,
pflege, webe (bezw. genes u.s. w.) sind in der Sprache ausschliess-
lich im Gebrauch. Desgleichen ist beim Komparativ die um-
lautslose Form zu bevorzugen, da die Endung allein schon
vollkommen genügt den Komparativ zu kennzeichnen, und er
nicht durch den Umlaut “schärfer und kemntlicher” (Schleicher
Deutsche Sprache 228) hervorgehoben zu werden hraucht.
Also bänger, gesünder, frömmer, stölzer, zärter τι. 5. w. müs-
sen gegenüber den Formen der Schriftsprache, die sich hier
für die umlautslosen Formen entscheidet, zurückstehen. Das
unflektierte drei (zwei) in die diener drei (zwei) grosser
herren, drei (zwei), drei (zwei) herren dienen ist aus
diesem Gesichtspunkt mehr zu empfehlen als der Genet.
dreier, der Dat. dreien, da das kasuelle Verhältnis hier dureh
andere Mittel zum Ausdruck kommt und es ganz wertlos wäre,
dasselbe auch am Zahlwort zu bezeichnen. Die Flexion des
Zahlwortes ist aber unerlässlich in Fällen wie die herrscher
zweier länder, dreien muss man trauen τι. Ss. w. Genaueres
darüber siehe Grimm Deutsch. Wörterb. II 1369 f., Heyne
Deutseh. Wörterb. 1599 f., Heyse-Lyon 176f., Sanders Haupt-
schwierigkeiten 16351 ff. Hans von Wolzogen (Über Verrottung
und Errettung der deutschen Sprache 34) eifert gegen den
Trieb, “der die uns glücklicherweise noch erhaltene Dativ-
endung e nachgerade gänzlich über die Seite gebracht hat”.
Und doch muss man der Form dem tag, dem land vor
dem tage, dem lande «den Vorzug zuerkennen, da schon
durch den Artikel (bezw. durch die Präposition, wie mit stolz,
zu fuss, vor tau und tag) die Form zur Genüge deutlich
ist. Dadurch erhält ausserdem die Kategorie des Dativs ein
regelmässigeres Aussehn, da eine grosse Anzahl von Wörtern,
wie z. B. alle auf -el, -en, -er nie ein e im Dativ vertragen
(vgl. dem sessel, wagen, winter), andere wieder, namentlich
Wörter mit schwerfälligerem Suffix und zusammengesetzte,
eine entschiedene Abneigung gegen das Dativ-e zeigen, wie
dem jüngling, reichtum, schicksal, landtag, bergland, vgl.
132 Adolf Noreen,
Sanders Hauptschwierigkeiten 105 f., Behaghel Deutsche
Sprache 159 Pauls Grundriss I 575 ff. Wesentlich analog
verhält es sich mit der Genitivendung -es und -s®.
Von den Beispielen für eine pedantische Bewahrung einer
Formdifferenz, die nicht mehr als Träger einer Bedeutungs-
differenz gefühlt wird, * mögen hier angeführt werden die Ad-
verbien auf 6. Andresen Sprachrichtigkeit 95 ist z. B. der
Ansicht, dass der Tadel verdiene, “ der den letzten vollkommen
gesicherten Rest einer alten Ordnung zu tilgen wünscht” und
lange “ohne Not” in lang kürzt. Für die heutige Sprache ist
aber das Gefühl für den Unterschied der Bedeutung von bald-
balde, fern-ferne, gern- gerne, still- stille vollständig erloschen;
still fungiert ebenso als Adverb wie stille, und es ist daher
kein Grund vorhanden, das e, das im Mhd. unbedingt nötig
war um aus Adjektiven Adverbien zu bilden, jetzt noch beizu-
behalten. Desgleichen scheint es wenig angemessen, in solchen
Verbindungen von Kardinalzahlen mit massbestimmenden mask.
oder neutr. Substantiven wie z. ἢ. zehn pfennig, mit zehn
pfennig, vier fass die Pluralendung zum Ausdruck kommen
zu lassen, also zehn pfennige, mit zehn pfennigen, vier fäs-
ser. Dem jetzigen Sprachgefühle nach haben wir es hier
nicht mit einer gewissen Anzahl von Individualitäten zu thun,
sondern das Substantiv gilt als eine typische Massemheit, als
abstrakter Sammelname, und abstrakt gebrauchte Wörter sind
keines Unterschiedes der Numeri fähig. Wie verkehrt es ist,
hier die Pluralendung durchführen zu wollen, zeigen andere
Verbindungen, wo zwischen der flektierten und der flexions-
losen Form ein ganz handgreiflicher Unterschied in der Bedeu-
tung besteht: zwei fuss — zwei füsse, fünf buch — fünf
bücher, sechs glas wein — sechs gläser wein u. s. w. Eine
reiche Beispielsammlung für die fraglichen Verbindungen findet
sich bei Sanders Hauptschwierigkeiten 228 f., über ihren Ur-
sprung handelt Behaghel Pauls Grundriss I 619 f., die psy-
chologische Erklärung giebt Paul Prinzipien 226f. *
Ferner aber und schliesslich kann man die Behauptung
aufstellen:
S) Absolut verwerflieh ist jede Änderung des Spraeh-
gebrauchs, durch die man nichts gewinnt, d. h. die nicht da-
hin zielt, dass der Gedanke exakter oder schneller mitgeteilt
wird; denn dann würde die Änderung nur eine Beschwerlieh-
Über Sprachrichtigkeit. 133
keit für den redenden, oft auch für den angeredeten, in sich
bergen, für keinen von ihnen auch nur den geringsten Nutzen.
Also ist der Gebrauch imsofern massgebend für die Sprach-
richtigkeit, als ceteris paribus (d. h. wenn der eine Ausdruck
in keiner andern Hinsicht besser als der andere ist) der ge-
läufigere Ausdruck der bessere ist, weil er leichter zugänglich
und bequemer zu handhaben ist, für den Redenden wie auch
für den Angeredeten, der übrigens das für das “schönere’ hält,
woran er gewöhnt ist. Da nun im allgemeinen durch eine
Änderung der Aussprache wenig gewonnen wird (hinsichtlich
der Vollkommenheit der Sprache), mehr schon durch eine
Änderung der Wortform, am meisten durch Änderungen ihrer
syntaktischen Verknüpfungen und deren Bedeutungen, so ist
damit schon gegeben, dass die Autorität des Gebrauchs da,
wo es sich um die Aussprache handelt, am stärksten ist.
Gegen eine geringfügige Abweichung von der gebräuchlichen
Aussprache kann man gewöhnlich mit gutem Grunde nur den
Vorwurf erheben: “das verstösst gegen den Brauch” !) und ver-
letzt mithin das Ohr (das man gewöhnlich mit dem “Schön-
heitssinn’ zu identifizieren für gut findet). Weniger Befugnis
hat der Gebrauch rücksichtlich der Wortformen und am aller-
wenigsten in betreff ihrer syntaktischen Verwendung und Bedeu-
tung. In dieser letzterwähnten Hinsicht hat der Gebrauch that-
sächtlich niemals eine besonders bedeutende Rolle gespielt. Fast
nie tritt der Fall ein, dass eim Ausdruck in genau derselben
Verbindung und völlig derselben Bedeutung, in der er früher
verwendet wurde, auftritt, sondern beständig entstehen neue
Kombinationen und neue Bedeutungen als Äusserungen neuer
Gedanken. Und das ist auch ganz in der Ordnung. Denn
diese Faktoren (namentlich die einst so verachteten “fal-
schen’ Analogiebildungen) sind es vorzugsweise, durch die die
Sprache lebt und sich entwickelt. Die Veränderungen der
Aussprache zeugen allerdings auch von Leben, aber sie und
namentlich die ehemals mit abergläubischer Ehrfurcht hoch-
gehaltenen Lautgesetze machen hauptsächlich das Gegenstück
vom Leben aus, das Verwendung, Abnutzung, Verbrauch des
1) Ist die Abweichung grösser, so kann dieser Umstand zu
einer unrichtigen Assoziation führen und auch vielfach in anderer
Hinsicht irreführend wirken.
184 Adolf Noreen,
Materials heisst. Da es sich so verhält, wird nicht einmal
der ärgste Feind des “"konventionellen’ daran Anstoss nehmen
können, wenn der immer, mit gutem Rechte, konservative Ge-
brauch hinsichtlich der lautlichen Seite der Sprache beimah
allmächtig, hinsichtlich der formellen und semasiologischen
Seite ohnmächtig sein muss. Doch jetzt einige Beispiele für
ungerechtfertiges Abweichen vom Gebrauch.
* Eine gänzlich nutzlose Änderung des geltenden Sprach-
gebrauchs wäre mit Jean Paul, und emigen Zeitungen der Ge-
genwart, neuerdings auch mit Trautmann (Der s-Unfug’ in den
Wissenschaftlichen Beiheften zur Zeitschrift des allg. deutschen
Sprachvereins 1891 Nr. I) das s in der Fuge von Zusammen-
setzungen zu tilgen, also geburttag, liebedienst, volkkönig statt
geburtstag, liebesdienst, volkskönig schreiben zu wollen (vgl.
auch Keller Antibarbarus? 22). Schon Jacob Grimm hat das
s diesen änderungslustigen gegenüber in Schutz genommen
(Kleinere Schriften 1403 ff., Deutsche Gramm. II neuer Abdr.
919. 922). Ebenso überflüssig ist auch der Kampf Kellers
(Antibarbarus ?21) gegen das e in badearzt, sterbefall, halte-
stelle. Von gar keinem Gewinn ist auch die Abweichung vom
allgemeinen Sprachgebrauch, der fast von sämtlichen Vertretern
der historischen Sprachbetrachtung in den sechziger und sieb-
ziger Jahren das Wort geredet wurde, ich meine das Bestre-
ben bei solchen Wörtern wie schöpfer, löffel, ergötzen, zwölf
u. a. in der Schrift und vielfach auch in der Sprache das
mhd. e wieder zur Geltung kommen zu lassen (vgl. v. Bahder
Grundlagen S. 168 ff., der nachzuweisen sucht, dass in der
nhd. Schriftsprache das ö seine Berechtigung hat). Ganz zweck-
los ist auch das Bestreben, wie es sich bei einzelnen Lehrern
zeigt, die Form braume zu gunsten von braue auszumerzen.
Abgesehen davon, dass die Form mit » auch bei den aller-
besten Schriftstellern vorkommt, schemt es doch willkürlich,
das n in braune anzufeinden, dagegen in börne, sporn u. a.
unbeanstandet zu lassen, in denen ebenso wie in jenem das ἢ,
das ursprünglich der schwachen Flexion von mhd. bra, brawe,
bir, spor in allen Kasus mit Ausnahme des Nom. Sg. eignete,
zum Stamm gezogen wurde und so eine ganz neue Flexion ins
Leben rief. Keller Antibarbarus? 55 will wiegen im Sinn von
"Gewicht haben’ und "Gewicht bestimmen’ nicht dulden, son-
dern hier nur die Form zwägen zulassen, von der er jedoch,
Über Sprachrichtigkeit. 135
wenn sie intransitiv ist, die zweite und dritte Person Sgl. nach
Art des Mhd. (wige, wigest, wiget, wegen, weget, wegent), also
wiegst, wiegt bildet; allerdings sehr zur Beeinträchtigung der
Regelmässigkeit. Ein thatsächlicher Vorteil dagegen erwächst
der Sprache dadurch, dass das Verbum gewissermassen ent-
zweigespalten wird, so dass, abgesehen von wiegen in der
Bedeutung "schaukeln, wwiegen als der intransitiv und transitiv
gebrauchte Ausdruck für Gewichtsbestimmungen gilt, wägen
hingegen mit überlegen sinnverwandt ist — eine Scheidung der
Form und Bedeutung, die sich aueh in der That einer weiten
Verbreitung erfreut. Dasselbe Verfahren ist zu grossem Vorteil
für eine gehaltvolle Ausdrucksweise der nhd. Sprache bei meh-
reren derartigen Wörtern eingeschlagen worden, z. B. deich-
teich, drucken - drücken, bett-beet, waffen-wappen, hei-
land-heilend, jungfrau-jungfer-junge frau, stadt-statt (Sub-
stantiv und Präposition)-stätte, 3 mann - 3 männer - 3 mannen,
bänder-bande-bände, sachlich-sächlich, höfisch-hübsch, ver-
want-verwendet, fluges-flugs, fährte (eig. Nom. Plur. zu)
-fahrt, Schweiz-Schwyz, Karl-kerl, Minna-minne, magd-
maid, atzen-ätzen, gegen-gen, bursch-bursche-börse, der-
derer-deren, schlecht-schlicht, fahl-falb*, und dergleichen
mehr!). In diesen und den andern, man könnte beinahe sagen,
unzähligen ähnlichen Fällen die eine Form als die minder
richtige tilgen zu wollen wäre ein strafbarer Versuch von
Diebstahl an unserer Sprache, und gelänge es wirklich, so
würde man sie eines bedeutenden Reiehtums berauben, der
im Laufe der Zeiten nicht ohne Mühe durch ein vernünftiges
Haushalten mit den Mitteln der Sprache gewonnen worden
ist. * Die ältere Form dachtel z. B. statt dattel (beide aus
δάκτυλος) oder profost, profos statt propst (beide aus pro-
positus) einzusetzen oder jungfer mit jungfrau zusaimmen-
1) [Reichhaltige Sammlungen hergehöriger Beispiele bieten
Behaghel Die neuhochdeutschen Zwillingswörter Germania XXII
257 ff. und Andresen Wortspaltungen auf dem Gebiete der neu-
hochdeutschen Schrift- u. Verkehrssprache Zeitschrift für deutsche
Philologie XXIII 265 ff.; über die gleichen Erscheinungen der
schwedischen Sprache handelt] ausführlich Noreen in seinem Auf-
satz "Om orddubbletter 1 nysvenskan’ in "Spräkvetenskapliga
sällskapets i Upsala förhandlingar’ 1882—1885 (Upsala 1886) S. 81 ff.
190 Adolf Noreen,
fallen zu lassen,* das dürfte nicht einmal der radikalste Reak-
tionär befürworten wollen. Aber das wäre die Konsequenz.
Unpraktisch und daher tadelnswert ist es, in der gram-
matischen Litteratur, die doch für Personen bestimmt ist, die
Jedenfalls die landläufigen grammatischen Bezeichnungen lernen
müssen oder sie schon vorher kennen, neue Ausdrücke einzu-
führen, die dasselbe besagen wie die alten und nicht bes-
5611). [Vgl. hierüber Grimm Deutsches Wörterbuch Vorrede
XXVIUH und XXXVII, Keller Antibarbarus ?15f., Andresen
Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit ? 385 41 Ich muss es
daher als Missgriff bezeichnen, wenn z. B. * in den deutschen
Volksschulen und daher auch in den Elementargrammatiken
solche Ausdrücke wie ziellose und zielende zeitwörter (tram-
sitive und intransitive Verba), beziehende fürwörter (relative
Pronomina), möttelwort (Partizipium), schiefe fälle (casus obli-
qui), zeugefall (Genitiv), anklagefall (Akkusativ) u. s. w. an-
gewandt werden. * Derartige beklagenswerte Bestrebungen
haben, dank einflussreichen Fürsprechern, ziemlich allgemein
in Dänemarks [und auch Deutschlands] grammatischer Litte-
ratur Nachfolge gefunden, meines Erachtens ohne Nutzen für
die Dänen [und Deutschen] selbst, aber entschieden zu grossem
Nachteil für die internationale Verwendbarkeit der Litteratur,
da solehe Bezeichnungen, wie stedord |bezw. fürwort| (Pro-
nomen), navneord |bezw. hauptwort]| (Substantivum), navne-
form |bezw. nennform) (Infinitivus), neeneform [bezw. nenn-
fall) (Nominativ), adsagnsord |bezw. zeitwort| (Verbum), biord
[bezw. wumstandswort| (Adverbium), fremscttende maade
|bezw. aussagerweise] (Indikativ) u. s. w. dem Ausländer und
vermutlich auch dem Inländer viel Mühe bereiten, die besser
angewandt werden könnte. Ein derartiges ἡ Vaterlandsgefühl Ὁ
ist beinahe ebenso sehr (bezw. ebenso wenig) am Platz, wie
der bekannte puristische Versuch in der mathematischen Litte-
ratur "kathete durch den "guten deutschen’ Ausdruck anseite
und Aypotenuse durch gegenseite * zu ersetzen.
Auf keinem Gebiet dürften die Ansichten über Sprach-
richtigkeit so weit auseinander gehen, nirgends ein so unüber-
sichtliches und hoffnungsloses Durchemander m der Praxis
1) Ich bezweifle stark, ob derartige Neuerungen auch nur
für den niedern Volksunterricht von irgend welchem Nutzen sind.
Über Sprachrichtigkeit. 137
herrschen als in der Frage nach der Behandlung der fremd-
sprachlichen Eigennamen im Schwedischen. Das hat darin seinen
Grund, dass sich hier zwei einander schnurstracks entgegen-
laufende Lehrmeinungen mit ungefähr der gleichen Stärke
geltend machen und beide recht talentvolle Vertreter gefun-
den haben. Auf der einen Seite stellt man als Grundsatz auf,
dass fremde Orte und Personen so benannt werden müssen,
wie sie in ihrem Heimatlande heissen und sich selbst nennen
oder genannt haben; eine Ansicht, die, was die geographischen
Namen betrifft, in einer sehr geistvollen, aber einseitigen Weise
von A. Hedin in seinem Aufsatz "Om geografiska namn och
derar rättskrifning’ (in Fria ord, herausgegeben vom Publieist-
klubben, Stockh. 1878) verfochten worden ist. Auf der andern
Seite erhebt man (z. B. C. J. Schlyter) die Forderung, dass
solehen Namen im Schwedischen eine schwedische Form ge-
geben werden möge, ja in gewissen Fällen sogar eine schwe-
disch lautende Form geschaffen werden müsse. Namentlich
mit Rücksicht auf die altisländischen Namen hat diese letztere
Ansicht viel Staub aufgewirbelt. Und, eigentümlich genug,
diese ursprünglich von Dänemark ausgegangene Bewegung hat
trotz ihrer meines Erachtens grell in die Augen springenden
Unwissenschaftlichkeit sich emes gewaltigen Vorschubs von
seiten mehrerer auf dem Gebiet der nordischen Sprachen wis-
senschaftlich hervorragender und begabter Sehriftsteller rühmen
können, wie eines ©. Säve (Schülers von N. M. Petersen), Th.
Wisen, V. Rydberg, H. und E. Hildebrand, P. A. Gödecke
(der jedoch eine gute Mittelstrasse einzuschlagen sucht), D. A.
Sunden u. a., während solche Autoritäten wie Rydgvist (Svenska
Spräkets lagar IV 544f.) und Lyngby (Tidskr. f. Philol. og
Pxdag. X 112f.) dagegen aufgetreten sind. Dass diese ganze
Frage sich noch in einer derartigen Gärung befindet und man
hüben wie drüben mit seinen zum teil berechtigten Anfor-
derungen so weit über das Ziel hinaus geschossen hat, beruht
darauf, dass man folgende, für die Beurteilung der Sprachrich-
tigkeit so wesentliche Gesichtspunkte übersehen hat. Vor
allem hat man Rücksicht auf sein Publikum zu nehmen und
mithin, wenn man sich an einen Schweden wendet, nicht an
erster Stelle darnach zu streben, von einem Ausländer ver-
standen zu werden. Alle nutzlosen Änderungen des üblichen
Sprachgebrauchs müssen vermieden werden. Namentlich ist
138 Adolf Noreen,
zu beachten, dass die Sprachrichtigkeit ganz verschiedene An-
forderungen einerseits an wirkliche, in der Sprache geläufige
Lehnwörter, anderseits an diejenigen Wörter stellt, die
mehr gelegentlich hie und da im Schwedischen zitiert wer-
den: inbezug auf diese letzteren haben die beiden ersten Ge-
sichtspunkte so gut wie nichts zu besagen, weshalb sich denn
hier mehr kosmopolitische Rücksichten vollauf geltend machen
können. Ausgehend von der soeben von mir verfochtenen An-
schauungsweise hinsichtlich der Sprachrichtigkeit, gelangt man
zu folgenden zwei, wie mir scheint, einfachen Grundsätzen:
a) Fremde Namen, welche als Lehnwörter im Schwe-
dischen allgemein in Brauch gekommen und daselbst in einer
gewissen Form gang und gäbe geworden sind, werden unver-
ändert in dieser Form beibehalten, weil durch eine
Änderung für das Publikum, um dessen willen sie im Schwe-
dischen da sind, nichts gewonnen wird, wohl aber viele un-
nötige Scherereien verursacht würden. Mit der Besprechung
dieses Grundsatzes und seiner Anwendung im einzelnen brauche
ich mich, trotz der grossen Wichtigkeit der Sache, nicht lange
aufzuhalten, da ungefähr dasselbe Axiom, wie ich es hier for-
muliert habe, in einer Reihe von Aufsätzen “Namnförklädnmmg
eller gamla och nya namn’ (Nya dagligt allehanda 1880
Nr. 280 und 282, 1882 Nr. 24) von einem anonymen Autor
ganz vorzüglich verfochten und durch Beispiele erläutert worden
ist. Ich kann jedoch nicht umhin diesen oder jenen einschlä-
gigen Fall zur Besprechung heranzuziehen.
Es ist also meines Erachtens entschieden wnrichtig, die
geläufigen Formen * Kopenhagen ἢ, Athen, Rom, Paris (mit
hörbarem s), Neapel, ἢ Dänemark *, Frankreich, England
(ausgesprochen Ängland) u. s. w. durch # Ajobenhaen #, bezw.
Athenai, Roma, Paris (ausgesprochen Pari), Napoli, ἢ Dan-
mark, France, England (ausgesprochen I/ngland) ersetzen
zu wollen, zumal da hier von einer Konsequenz nicht die Rede
sein kann. Der eme will Neapel nicht dulden, aber /om bei-
behalten. Der andere findet sich noch mit Roma, ja selbst
Athenai ab, verliert aber den Mut bei France und ἢ Danmark *.
Und wer möchte sieh wohl, wenigstens in der Praxis, dazu
verstehen, beispielsweise die slavischen Länder und Orte so
zu benennen, wie sie die Einwohner selbst benamen, also Ros-
sija statt ἢ Russland*, Brno statt Brünn, Sibir” statt Sibirien
Uber Sprachrichtigkeit. 159
u. s. w. Bekamntlich hat sich auch keine andere Sprache zu
einer solchen Zuvorkommenheit, wie man sie jetzt dem Schwe-
dischen gern aufreden möchte, dem Ausländer gegenüber bequemt.
Aus demselben Grunde ist es ein Missgriff, Zudwig XIV,
* Friedrich VII*, Jacob I, *Olaf der heilige*, Peter der
grosse in Louis XIV, ἢ Fredrik VII*, James I, O’lafr helge,
Petrv (lies Pjotr) velikij umzumodeln. Das letzte Beispiel
dürfte jedoch wohl kaum einen Fürsprecher gefunden haben,
und das ist nicht zu verwundern. Denn Konsequenz sucht man
hier ebenso vergebens wie bei den “Reformbestrebungen’ hin-
sichtlich der geographischen Namen 1).
b) Fremde Namen, die nur ausnahmsweise einmal zitiert
werden oder die lediglich in der wissenschaftlichen Litte-
ratur, zu der ich auch die gewöhnlichen Lehrbücher zähle,
vorkommen, müssen auch unverändert beibehalten, d. h. bei
der Form belassen werden, die sie im der fremden Sprache
haben, welcher sie gelegentlich entlehnt sind. * Ein tadelns-
wertes Verfahren ist es also, fremde Namen durch eine dritte
Sprache beeinflussen zu lassen und solche Verdrehungen wie
Ulixes, Platää, Aegospotami, Athenienser, Uyrus, Zoro-
aster, Don Quisxote (gesprochen don kischott), Don Juan
(gesprochen don zZuan), Lissabon, Oranjefluss (gesprochen
oranze) u. 8. w. statt Odysseus, Plataiai, Aigospotamoi,
Athener, Kurus, Zarapuströ, 1). (ἡ. (gesprochen don kihote),
1). J. (gesprochen don huan), Lisboa, O. (gesprochen oranje)
u. 5. w. in Umlauf zu setzen. Noch schlimmer ist es, bei ur-
sprünglich deutschen Namen in deutscher Rede die Form an-
zuwenden, die ihnen eine fremde Sprache gegeben hat, also
sich etwa Formen wie Nancy, Thionville, Bourgogne, Saar-
qguemines, Dinamind, Djerpt, Mitawa u. ἃ. statt Nanzig,
Diedenhofen, Burgund, Saargemünd, Dünamünde, Dorpat,
Mitau u.ä. zu bedienen. Desgleichen ist es vom Übel, deutschen
Namen, in denen die deutschen Endungen vollkommen genügen
würden, fremde Suffixschwänzchen anzuhängen, also statt
1) [Der folgende Absatz, im Original S. 37 u. 38, musste in
der Übersetzung vollständig in Wegfall kommen, da meines Wis-
sens auf deutschem Boden solche Verhältnisse und Bestrebungen,
aus denen sich Belege schöpfen liessen, die den daselbst angeführ-
ten schwed. Beispielen entsprächen, in der Gegenwart nicht vor-
handen sind.]
140 Adolf Noreen,
Märcker, Pommer, Anhalter, Badener u.ä. Märckaner, Pom-
meraner, Anhaltiner, Badenser zu bilden, Formen, die Keller
(Antibarbarus ? 18 f.) und Andresen (Sprachgebrauch 5 ST) mit
Recht rügen.
Seit den Zeiten Klopstocks hat man vielfach gegen den
oben aufgestellten Grundsatz bei der Wiedergabe altgermani-
scher und namentlich altisländischer Namen gesündigt, über
die man nach Willkür schalten und walten zu können glaubte,
und die man daher nach Gutdünken verdeutschte. Allerdings
kann sich dieses Verfahren in der eigentlichen Wissenschaft
dank der strafferen Methodik jetzt nicht mehr breit machen,
wohl aber stösst man in Schriften, die für weitere Kreise be-
rechnet sind, wie z. B. in Hans von Wolzogens Eddaüber-
setzung, der die folgenden Beispiele entnommen sind, auf der-
artige unglückliche Versuche. Solche Ummodelungen gereichen
dem Fachmanne wie dem Laien nur zum Schaden. Man weiss
nicht, wo man zu Hause ist, und nur mit Mühe findet man
sich zurecht, wenn man reden hört von Sturzbach für Sokkva-
bekkr, Quellmime für Sokkmimir, Breitblick für Breidablik,
Eibental für Ydalir, Guntwurm für Gubormr, Schreckross
für Yggdrasill, Zünder für Μ᾿ αὐ", Pfeilsund für Orvasund,
Siegbetreiberin für Sigrdrifa. Für den deutschen Leser noch
unverständlicher als die altnordischen Namen müssen solche
Formen wie Lidschelf, BDeberast, Wabedrut u. s. w. statt
ITlidskjolf, Bifrost, Vafprüdnir u. 5. w. sein. Nicht selten
sind die neuen Formen selbst vom eignen Standpunkt der
Verdeutschungstheorie aus falsch fabriziert, mögen sie nun
dem Laute nach oder der Bedeutung nach ins Deutsche über-
tragen sein. Nödhoggr ist nicht nhd. Neidhagen, sondern
Neidhau (Neidhieb); Njordr ist nicht gleich Nord, sondern
entspräche einem Nerd (Nerthus bei Tacitus). Wolzogen
giebt Hjordis durch Jördis wieder, während man doch ein
Hertis (bezw. Herdis) erwarten sollte. Die deutsche Entspre-
chung Verdandi ist nicht Werdand, sondern Werdende. Froya
ist nicht durch Freia wiederzugeben, sondern entspricht genau
dem nhd. Frau, während Freia, das dem Stamme nach nhd.,
der Endung nach ahd. ist (ahd. Frza — nhd. Freie), dem
anord. Frigg entspricht. H. v. Wolzogen, wie auch Uhland,
schreiben für anord. Reginn im Deutschen Zeigen, während
doch Fegin oder Rein zu erwarten wäre. Ebenso anfechtbar
Über Sprachrichtigkeit. 141
sind die Fälle, in denen von Wolzogen die fremden Namen ins
Deutsche der Bedeutung nach überträgt. So übersetzt er
Alof durch Unerlaubt, während es doch etwa einem deutschen
Anleib entsprechen würde, mit jenem leib, das wir m b(-
leiben, Gottlieb haben, und jenem an- als erstem Teil, das
wir z.B. in Anaolf, Anawalt, Anfrid, Enburc, Endrud u.a.
haben (vgl. Förstemann Altdeutsches Namenbuch I 81f.).
Eggber wird durch Schreckar wiedergegeben, eine Form, die
in ihrem a einen sonderbaren Anachronismus aufweist, wäh-
rend der Name “Schwertdiener" bedeutet und dem ahd. Hkki-
deo oder Eggideo entspricht. Sigurdr ist nicht gleich Sieg-
fried, sondern Siegwart. Aurgelmir erscheint im Deutschen
als Urgebraus, wofür man Schlammgebraus, Schuttgebraus
hätte erwarten können. Hierzu kommt noch der Umstand, dass
es prinzipiell inkonsequent ist, bloss die altisländischen Namen
verdeutschen zu wollen. Wie man von der ἡ Frieddiebssage
statt der Frödpjofssage sprechen müsste, so auch von Johannes
Jakob Rousseau, Lorenz Herz, Emmerich Vespucei, Alberich
statt Jean Jacques Rousseau, Lars Hjerta, Amerigo Ves-
puceci, Oberon (über diese beiden letzten Namen Hildebrand
Zeitschr. f. deutsch. Unterrieht III 305 ff.), ja sogar von ZLö-
wenstadt, Neustadt, Konrad, Luther, Dietrich statt Singa-
pore, Napoli, Θραεύβουλος, Κλεόετρατος, Δημῶναξ U. 5. W.
Diesem Verfahren möchte vielleicht der eine oder der andere
entgegenhalten, dass ein grosser Unterschied zwischen altger-
manischen, speziell altisländischen und andern Namen bestehe,
dass wir über jene weit freier schalten könnten als über diese.
Dieser Einwand dürfte wohl auf die Wurzel und den Ursprung
des falschen Standpunkts hinweisen. Im letzten Grunde fusst
er auf dem, wie jeder Fachmann jetzt weiss, nachweislich
unrichtigen, aber noch heute ziemlich geläufigen Dogma, dass
die altnordische Mythologie einmal sämtlichen Germanen gemein-
sam gewesen sei.” Es mag darauf hingewiesen werden, dass,
wenn auch die alte Auffassung richtig wäre, was sie jedoch
ganz und gar nicht ist, wir zu genau demselben Resultat
kämen. Auch wenn sich alle die isländischen Namen im
* Althochdeutschen® fänden, so müssten doch die, die im ®Neu-
hochdeutschen® fehlen, ihre alte Form behalten: die islän-
dische [also O’dinn, Urdr, Frigg, Tyr|, wenn es sich um
isländische Verhältnisse, die *althochdeutsche* [also
149 Adolt Noreen,
Wuotan, Wurt, Fria, Ziul, wenn es sich um *althoch-
deutsche* Verhältnisse handelt, da ja das * Ahd.* thatsäch-
lich eine andere Sprache ist als das *Nhd.*, ebenso wie das
Lateinische eine andere ist als seine Fortsetzung, das Fran-
zösische. Dass dagegen die, die sich *Nhd.* finden, ihre
®nhd.* Form haben müssen, ist oben gezeigt worden [also, auf
deutsche Verhältnisse angewandt, nicht anord. Dörr oder got.
Fripareiks, *biudareiks, auch nicht ahd. Donar, Fridurich,
Dioterih, sondern Donner, Friedrich, Dietrich, wie wir denn
auch nicht mehr von Hadwwic, Uodalrich, Brisigowi, Wiri-
zinburc, sondern von Hedwig, Ulrich, Breisgau, Würzburg
u. 5. w. sprechen.]
Bisher habe ich einen Punkt unberührt gelassen, dessen
Behandlung der Leser vielleicht als Hauptsache bei der Frage
nach der Sprachrichtigkeit erwartet haben wird, nämlich die
Schönheit der Sprache. Ich will mich diesem heiklen Thema
nicht dadurch zu entziehen suchen, dass ich ganz einfach die
Behauptung hinstelle, dass auf diesem wie auf allen andern
Gebieten objektive Gründe, nach denen einem Dinge die Be-
zeichnung schön’ zuerkannt werden könnte, anzugeben über-
aus schwierig ist. Ich will nicht sagen unmöglich. Mag es
zwar auch richtig sein, dass “de gustibus non disputandum est’
und keimer hier leicht zu überzeugen ist, so ist es doch ge-
wiss eben so sicher, dass der "Geschmack veredelt werden
kann, was in sich schliesst, dass ein objektiver Massstab für
die Schönheit gefunden werden kann, wenngleich es auch
schwierig ist, ihn ausfindig zu machen. Inbetreff der Sprache
mag vor allem hervorgehoben werden, dass für einen gesun-
den Geschmack ihre Schönheit hauptsächlich in ihrer Zweck-
mässigkeit besteht, und dass mithin die Schönheit in erster
veihe dadurch erzielt wird, dass den Forderungen der Sprach-
richtigkeit, die oben aus andern Gründen erhoben worden
sind, Genüge geleistet wird. Fermer aber ist besonders zu
bemerken, dass Reichtum und Wechsel im sprachlichen Aus-
druck in hohem Grade die Schönheit der Sprache befördert.
Je mehr Ausdrücke dem sprechenden zur Verfügung stehen,
desto besser. In der Weise erhält eme Sprache Farbe und
eine Fülle von Begriffsabstufungen, d.h. sie wird schön). Um
1) Vergleiche, was oben (S. 116 Fussn. 2) über die Vorteile
eines reichen Synonymenschatzes gesagt worden ist.
Über Sprachrichtigkeit. 143
nun diesen Reichtum zu gewinnen, hat man zwei Wege, näm-
lieh Neuschöpfung und Entlehnung, die in der Welt der Sprache
zu eben so glücklichen Resultaten führt wie jene, da das ent-
lehnte nicht zurückgegeben zu werden braucht. Beide Ver-
fahren sind daher angelegentlich zu empfehlen.
a) Neubildungen, d. h. solehe Ausdrücke, die mit
Hilfe der eignen, sehon vorhandenen Mittel der herrschenden
Sprache (wie z. B. neue Zusammensetzungen) oder auch “aus
nichts’ (wie viele neuzeitliche Interjektionen) geschaffen wer-
den, sind in mehrfacher Hinsicht besser als Entlehnungen.
Einerseits gewinnt man in der Regel für emen neugeschaffe-
nen einheimischen Ausdruck ein grösseres Publikum als für
einen von aussen her entlehnten, anderseits bedingt jener ge-
wissermassen geringere Transportkosten, da das Material leich-
ter zu beschaffen und jedem beliebigen, nicht nur den sprach-
lieh Gebildeten zugänglich ist. Ausserdem sind derartige Aus-
drücke gewöhnlich durchsichtiger, erregen mehr Ideenassozia-
tionen, stehn in besserem Einklang mit dem schon vorher
vorhandenen Wortvorrat und verquieken sich daher leichter
mit diesem, während Lehnwörter, um ganz gang und gäbe
zu werden, sich häufig einer volksetymologischen Umbildung
unterziehn, mit andern Worten teilweise neugebildet werden
müssen. Auf grund dieser ihrer grössern Übereinstimmung
mit den übrigen Bestandteilen der Sprache werden Neubil-
dungen auch als schöner angesehn. — Unter den zeitgenös-
sischen Schriftstellern, die am meisten und am besten die
schwedische Sprache durch Neubildungen bereichert haben,
wären vorzugsweise Viktor Rydberg und August Strindberg
hervorzuheben, obgleich ihre Wirksamkeit sich zwei gänzlich
verschiedenen Gebieten zuwendet, indem jener hauptsächlich
im Bereich der feierlicheren Sprache umgestaltend wirkt,
dieser dagegen mit Vorliebe die alltägliche Sprache pflegt
und vervollkommnet. Hinsichtlich der Neubildungen Rydbergs
verdient jedoch besonders betont zu werden, dass sie von
einem ganz andern Gesichtspunkt aus als dem, von welchem
aus vermutlich ihr Urheber selbst sie für lobenswert er-
achtet, gepriesen zu werden verdienen. Sie sind nämlich vor-
trefflich nicht als Ersatz für andre, “ausländische” Wörter;
sondern vielmehr, sofern es ihnen nicht gelingt, diese zu er-
setzen, sind sie neben diesen und zwar als Begriffsschattie-
144 Adolf Noreen,
rung von diesen erforderlich. [Von den zeitgenössischen deut-
schen Schriftstellern ist wohl Johannes Scherr derjenige, der
in seinen Schriften die meisten Neubildungen aufweist. Doch
dürften nur wenige, von diesen gleichwie die von Aristophanes,
Fischart, Carlyle, mit denen Scherr hinsichtlich seines Stils über-
haupt zu vergleichen ist, von nachhaltiger Wirkung sein und den
Wortschatz der Sprache dauernd bereichert haben. Während
in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts dem Nhd. durch die
grossen Schriftsteller (und auch im Anfang dieses Jahrhunderts
namentlich durch den Lexikographen Campe) eine Fülle von
Wörtern, die vorzugsweise aus dem Bestande der damaligen
Schrittsprache neugebildet wurden, zugeführt worden ist (wie
1. B. empfindsam, zerstreut - Lessing, gemeinplatz, bildsam -
Wieland, bereich-Goethe, zerrbild, gefallsucht - Campe, und
unzählige andere), haben die Schriftsteller des 19. Jahrh., durch
welche die Sprache eine Bereicherung an Neubildungen erfahren
hat, vorzugsweise Material verwandt, das sie aus den frühern
Entwicklungsstufen und den Mundarten der deutschen Sprache
herholten; darüber sieh das folgende. Doch damit ist natür-
lich nicht gesagt, dass nicht auch neuzeitliches Sprachgut zu
Neubildungen benutzt worden ist; Rückert, Wagner, Dahn,
Keller, Bismarck bieten uns dafür zur Genüge Beispiele. Eine
grosse Anzahl von modernen Neubildungen, giebt es, deren
Herkunft dunkel ist, die aber im aller Munde sind, wie z. B.
die “geflügelten Worte’ und die Neubildungen die im Zei-
tungsdeutsch auftauchen (vgl. den Aufsatz "Sprachliche Neu-
bildungen’ in den Grenzboten 1881 XIII und Keller Antibar-
barus 17 ff.). Eine reichhaltige Fundgrube von gebräuch-
lichen und noch ungebräuchlichen Neubildungen ist Sarrazins
Verdeutschungswörterbuch ?, em Werk, das durch Mitarbeit
aller Bevölkerungsschichten zu stande gekommen ist.| ἢ Das,
was oben über Rydbergs Neubildungen gesagt ist, gilt natür-
lich auch mutatis mutandis für das Deutsche: schaubild ist
insofern ein guter Ausdruck, als es eine konkretere Bedeutung
als perspektive hat oder haben kann: deckname (Dahn) ist
nur in dem Fall eme glückliche Bildung, dass es nicht voll-
kommen dieselbe Bedeutung wie pseudonym hat oder erlangt;
durchfiebern (Keller) und enttagen (Wagner) enthalten ohne
Zweifel eine andre Bedeutungsfärbung als durchdringen und
entspringen; massregeln ist ein ausgezeichnetes Wort, da der
Über Sprachrichtigkeit. 145
Begriff, den es wiedergiebt, vermutlich bisher in der deutschen
Sprache gar keinen Ausdruck gefunden hatte. ἢ
b) Lehnwörter sind, vom Standpunkt der schwedischen
Schriftsprache, Fremdwörter, mögen sie nun aus einer leben-
den oder toten, aus einer mehr oder minder fremden, aus der
altschwed. Sprache oder den jetzigen Mundarten aufgenommen
worden sein. Das scheint jedoch von den Puristen oder
“Sprachremigern', wie sie sich lieber nennen, d. ἢ. von denen,
die sich bemühen, die Fremdwörter, die “fremden” Sprachen
entnommen sind, aus der Sprache auszujäten, übersehn zu
werden. Dabei will man jedoch, wie mich dünkt, unter kei-
ner Bedingung zugeben, dass das Isländische eine fremde
Sprache sei, was es doch thatsächlich in höherm Grade als
z. B. das Dänische ist. Während die alten Puristen des 17.
Jahrhunderts, wie Stjernhjelm, Spegel, Svedberg u. a. sich zu
dem meines Erachtens vollständig richtigen Grundsatz bekann-
ten, lieber Wörter aus einer näher verwandten als aus einer
ungleichartigeren Sprache zu entlehnen, scheint heutzutage der
völlig entgegengesetzten Anschauungsweise gehuldigt zu wer-
den. Aus einer Schwestersprache wie dem Deutschen einen
Ausdruck herüberzunehmen soll jetzt viel mehr Tadel verdie-
nen als aus dem uns so fern stehenden Französischen. Aus
dem Dänischen Wörter aufzunehmen soll ganz verkehrt sein.
Aber einem entfernteren Verwandten wie dem Isländischen zu
entlehnen ist nicht nur zulässig, sondern sogar ein höchst
verdienstliches Thun. Dieser letzterwähnten Ansicht stimme
ich vollkommen bei, aber wohl gemerkt, wenn sie für alle
Entlehnungen gelten soll, vorausgesetzt, dass sie vorgenommen
werden, wo sie erforderlich sind. Und man bedarf ihrer täg-
lich und stündlich. Man hat im Schwedischen nicht zu viel
Fremdwörter, eher zu wenig, man hat aber zeitweilig gar.zu
einseitig entlehnt, entweder fast ausschliesslich aus dem Deut-
schen, oder fast ausschliesslich aus dem Französischen u. s. w.
Von diesem Gesichtspunkt kann man der von den Puristen
der Gegenwart gehuldigten Neigung bei den alten nordischen
Sprachen eine Anleihe zu machen nicht genug das Wort
reden. Und wohlgemerkt, wo keine gewichtigen Gründe für
die Entlehnung von anderer Seite sprechen, verdient die Auf
nahme, bezw. die Bewahrung alter schwedischer (oder wenig-
stens nordischer) Wörter entschieden den Vorrang, da diese
Indogermaniscehe Forsehungen I 1 u. 2. 10
140 Adolf Noreen,
mit den Neubildungen manche Vorzüge gemein haben, inson-
derheit den, dass der Wortschatz der Sprache dadurch em
einheitlicheres Gepräge erhält und leichter im Gedächtnis
haftet. Als allgemeine Regel aber gelte: man entlehne — je
nach «dem verschiedenen Zweck und dem verschiedenen Stil —
von allen Seiten, aus den alten Sprachen des Nordens, aus
den Mundarten, aus der Volkssprache der Städte, aus Spra-
chen fremdartigsten Baues!). [Auch auf das Deutsche findet
das so eben erörterte seine Anwendung; hier liegen die Ver-
hältnisse ganz ähnlich. Scehottelius und Leibniz (über ihr
gegenseitiges Verhältnis siehe Schmarsow QF. XXIID, die für
die Säuberung der deutschen Sprache “von dem überflüssigen
fremden Mischmasch (Unvorgreifliche Gedanken $ 73) der
französischen, italienischen, spanischen und lateinischen Wör-
ter eintraten, empfahlen, zur Bereicherung des Deutschen Wör-
ter aus den germanischen Sprachen und namentlich aus dem
Niederländischen einzubürgern?). Jüngst ist auch Franke für
die Heranziehung des Niederländischen, als der germanischen
Schriftsprache, die dem Nhd. am nächsten steht, eingetreten
(Reinheit und Reiehtum der deutschen Schriftsprache gefördert
dureh die Mundarten 1890 8.15 f.) und hat dasselbe für das
Nhd. fruchtbar zu machen versucht. Und im der That dürfte
das Niederländische als Schriftsprache besser als eine Mund-
art im stande sein die Sprache des Staatslebens und Gewer-
bes, der Wissenschaft und der Kunst zu bereichern und zu-
gleich eine gewisse Bürgschaft für die Lebensfähigkeit eines
Ausdrucks zu leisten. Das ΝΗ]. spielt in der Fremdwörter-
frage dem Nhd. gegenüber dieselbe Rolle, wie das Dänische
ὃ
1) Hiermit sei jedoch keineswegs in Abrede gestellt, dass in
für das Volksbewusstsein kritischen Zeiten. ein mässiger Purismus,
wie auch andre Schranken zwischen Völkern, berechtigt sein kann.
So z.B. in unsern Tagen in Nordschleswig (dem Deutschen gegen-
über), in Norwegen im Anfang dieses Jahrhunderts (dem Dänischen
gegenüber).
2) [“Gleichwie diejenigen Menschen leichter auffzunehmen,
deren Glauben und Sitten den unsern näher kommen, also hätte
man ehe in Zulassung derjenigen fremden Worte zu gehelen, so
aus den Sprachen teutschen Ursprungs, und sonderlich aus den
holländischen übernommen werden könten, als deren so aus der
lateinischen Sprache und ihren Töchtern hergehohlet.” Leibniz
Unvorgreifliche Gedanken $ 69.]
Über Sprachrichtigkeit. 147
dem Schwedischen gegenüber, während in dieser Beziehung
dem Altschwedischen und Altisländischen auf deutschem Bo-
den das Mittelhochdeutsche entspricht.]
Unter denen, die sich vorzugsweise durch Aufnahme von
Lehnwörtern aus dem Altschwedischen und Isländischen Ver-
dienste erworben haben, ist vor allem Viktor Rydberg zu nen-
nen, wenn er sich auch nieht immer in den Grenzen gehalten
hat, die der gesunde Geschmack zieht. Von solchen Miss-
griffen sind Säve, Gödecke und Hildebrand noch weniger frei-
zusprechen, denn namentlich in ihren Übersetzungen kommen
häufig genug Ausdrücke vor, welche alles eher als schwedisch,
d. h. für einen Schweden, der des Isländischen unkundig ist,
verständlich sind. * Während Gottsched und noch Adelung
der Einbürgerung von Wörtern aus der älteren deutschen
Sprache feindselig entgegen traten — der letztere bezeichnet
sie als “Auswurf und findet Ausdrücke wie beginnen, fehde,
frommen, anhaben, u.a. lächerlich’ (Raumer Gesch. der ger-
man. Philologie 232, Socim Sehriftsprache und Dialekte 419) —,
machte sich schon im 18. Jhd., namentlich durch Bodmer,
Klopstock und den Göttinger Dichterkreis hervorgerufen, eine
teutonisierende Richtung geltend, die sich angelegen sein liess
möglichst vielen alten Wörtern das Bürgerrecht zu erteilen,
ein Bestreben, das gemässigtere Fürsprecher auch in Lessing,
Herder, Wieland fand. Als dann im 19. Jhd. die wissen-
schaftliche Erforchung der deutschen Sprache begonnen hatte,
waren es besonders Jacob Grimm, Uhland, Scheffel, Richard
Wagner, die aus diesen fachwissenschaftlichen Studien für
die Bereicherung des nhd. Wortschatzes Münze schlugen. Als
Belege mögen hier stehen: wabern (G., W.), hahnkrat (G.),
schliefen (G.), brünne (U.), ungefüge (U.), wat (U.), ande
(— schmerzlich bei U. ist wohl dem Mhd. entnommen, während
ahnd bei Auerbach aus den jetzigen Dialekten — vgl. Weigand
Wörterbuch I unter ahnden — stammt), gaden (U., S., auch bei
Gotthelf), gezwerg (= Zwerg, S. u. W.), biederbe (Treitschke),
radber (Freytag)!), brimmen (Freytag), tum (= Urteil, Macht,
Wesen bei Massmann, Jahn), »nösıwende (W., auch bei Keller),
friedel (W.), glau (= glänzend, scharfsichtig, W.), weihlich
1) Möglich ist auch, dass Freytag dieses Wort seinem schle-
sischen Heimatsdialekt entnommen hat.
148 Adolf Noreen,
(W.), wog (= Woge, W.), klinze (= Spalte, W.), neiding (W.),
wal (=Walstatt, W.), ertagen (W.), kür (= Beschluss, W., schon
Klopstock), freislich (= schrecklich, W.), freidig (= kühn, W.),
waldweben (Gegensatz von Waldesstille, W.), frieden (= zur
tuhe oder zum Frieden bringen, W.) u.s.w.; frieden u.a. sind
gute Wörter, wenn sie neben beruhigen u. a. und mit einer
etwas andern Färbung gebraucht werden, nicht aber, wenn
sie diese ersetzen sollen. Übrigens soll zugegeben werden,
dass sich unter den oben angeführten Beispielen manche be-
finden mögen, die infolge ihrer schwereren Verständlichkeit
minder gelungen erscheinen. Dass aber derartige Bestrebungen
nicht fruchtlos sind, dass ein derartiges, in grossem Massstabe
betriebenes Entlehnungsverfahren zu glücklichen Ergebnissen
führen kann, und dass der als allmächtig angesehene Sprach-
gebrauch’ sich wirklich fügen muss, da er die Entwicklung
der Sprache hindert, geht unter anderm aus der Menge der-
artiger Lehnwörter hervor, die seit dem Erwachen des Inter-
esses für die älteren Entwicklungsstufen der deutschen Sprache
und Litteratur eingebürgert wurden und jetzt als geborgenes,
unveräusserliches Gut des Nhd. angehen werden, wie: tann,
mage, ger, hort, eiland, norne, weigand, tarnkappe,
rune, minne, lindwurm, kämpe, ferge, ur, heim, hain,
harm, gau, edeling, feien (wohl aus mhd. veinen mit An-
lehnung an fei), schick (falls das Wort nicht durch das fran-
zösische chic wieder ins Deutsche kam, das seinerseits dem
Mhd. schic entnommen ist), sippe, recke u. a. Ein Gebiet,
auf dem am meisten und zum grössten Vorteil für die
Sprache derartige Entlehnungen vorgenommen werden, ist das
der Personennamen. Erwin, Wolfgang, Burghart, Hartwig,
Walther u. a. weiteifern mit Erfolg mit Aonstantin, Eugen,
Maximilian, Josef u. s. w.; Elsa, Gertrud, Hedwig, T’hus-
nelda, Hildegard, Irmgard u. a. finden vielleicht jetzt mehr
Anklang als Marie, Louise, Josefine, Concordia, Dorothea
USW.”
Aus den Dialekten hat man noch lange nicht in dem
Masse Wörter aufgenommen, wie es hätte geschehen sollen;
ja die Ausbeutung dieser überaus ergiebigen Fundgrube hat
gerade jetzt erst ihren Anfang genommen. In dieser Bezie-
hung schon reeht viel erspriessliches auszurichten ist August
Bondeson gelungen. [Während auf deutschem Boden im vo-
Über Sprachrichtigkeit. 149
rigen Jahrhundert noch Gottsched eifrig beflissen war alle
mundartlichen Wörter auszujäten, wiesen Bodmer, Wieland und
Herder auf die Notwendigkeit hin dieses fruchtbare Feld nicht
brach liegen zu lassen. Und dass diese ihre Bestrebungen Er-
folg gehabt haben, zeigt die jetzige nhd. Schriftsprache, deren
Wortschatz schon zu emem ziemlich erklecklichen Teil aus mund-
artlichen Elementen besteht, wovon man sich annähernd ein Bild
machen kann, wenn man die stattliche Reihe der dialektischen
Wörter in Janssens Index zu Kluges etymologischem Wörterbuch
(5. 249 f., vgl. auch daselbst “Mundartliches’ S. 256 f.) durch-
mustert. Wie sich das Verhältnis von Sehriftsprache und Dia-
lekt im 19. Jhd. weiter gestaltet hat, darüber handelt ein-
gehend Socin (Schriftsprache und Dialekte S. 466 ff.). Neuer-
dings ist Franke in seinem oben erwähnten Buche mit prak-
tischen Vorschlägen hervorgetreten, die deutschen Mundarten
und das Holländische für die Schriftsprache zu verwerten.]
*Als dialektische Wörter, die sich bei schriftsprachlichen Au-
toren, also nieht reinen Dialektdichtern wie z. B. Reuter, fin-
den, mögen hier einige Belege aus Gottfried Keller stehen:
äufnen (= mehren, emporbringen), herummwurmisieren, un-
wohnlicher zustand, wumwort (überflüssiges Wort), einzug
(Herberge für verdächtiges Gesindel), fahrhabe, petschiert
(= berlin. gelackt, hereingefallen), essöighafen (= berlin. gift-
pilz), handzwehle, gülte (auch bei Uhland und Gotthelf), gant
(= Konkurs auch bei Gotthelf, ebenso verganten; gantner
Wildenbruch). Überreich mit dialektischen Bestandteilen dureh-
setzt sind die Schriften von Jeremias Gotthelf (Albert Bitzius):
währschaft (solid), verleichtsinnigen (— berlin. verbummeln),
bündig (gleich lang mit etwas), guten, bösen (besser, schlimmer
werden), auf die stauden klopfen (zu verstehen geben, son-
dieren), es zweit mir sich (ich bin in Zweifel), pflug halten
(Männerarbeit thun), vertwlichkeit (Gewohnheit viel zu ver-
brauchen), ein redhaus sein (viel sprechen), verschüpfen (lieb-
los behandeln), eögelichkeit (Verbindung von Ordnung, Pünkt-
lhiehkeit «und Reinheit), zäpfeln (spöttische Blicke zuwerfen),
unmussige zeit (wo keine Hand zu entbehren ist), gewundrig
(meugierig), erbrichten (den Kopf zurecht setzen), schmäder-
frässig (= berlin. kiesetig), verstaunt (in Gedanken verloren),
aufreisen (aufhetzen), vorhausen (durch Sparen vorwärtskom-
men), Zröftig (behaglicher Aufenthaltsort), menscheln (nach
150 Adolf Noreen,
Menschenart handeln oder sein), heint (kommende Nacht, vgl.
nächt vergangene Nacht bei Uhland und Auerbach) u. a. *
Aus der Volkssprache, dem sogen. "slang’, können zum
Bedarf der niederen Alltagssprache viele Ausdrücke gedeihliche
Verwendung finden. Auf diesem Gebiet dürfte Strindberg
[bezw. auf deutschem Boden etwa Julius Stinde und E. von Wil-
denbruch] als primus inter pares unter den insgesamt in dieser
Hinsicht mehr oder minder hochverdienten, jetzigen realisti-
schen Schriftstellern hervorragen. Von den ausdrucksvollen
Wörtern, die sich reichlich in ὃ Stindes und Wildenbruchs *®
Arbeiten finden, mögen beispielsweise folgende genannt werden:
Ἔ sich verschmökern, wrasen, sich verheddern, ausgetragen
(— pfiffig), verquer, angen und bangen, zusammenfingern,
anorgeln, kruppzeug, rasaumen, schmeid (W.) — sich verbie-
stern, kiesetig, bramsig, hahmebüchen, verbubanzen, tele, an-
lappen, miesepetrig, brägenklieterig, trietzen, unterkietig, zäh-
drähtig, heiratern, stentzen, aufbegehren, barmen, nackedei,
verschmetterung, drucksen und wrucksen, leine ziehn, ge-
hirnkneifen, ramschwaare (S.).*
Aber auch das berechtigtste Streben kann zu weit ge-
trieben werden. Dass mehr als eine verschwindend geringe
Zahl von * Niehtberlinern # den Inhalt solcher Ausdrücke wie
*urig, lehnepump, kranewanken (St.) # vollkommen zu er-
fassen vermögen, dürfte in Zweifel gezogen werden können.
Entlehnungen aus fremden Sprachen im engeren Sinne
— wofür wohl keme Belege angeführt zu werden brauchen —
sind namentlich für Benennungen von Gegenständen der allge-
meinen Kultur zu empfehlen. In diesem Fall sind einheimische
Bildungen (wie z. B. fernsprecher, eingeschrieben, bahnsteig)
von mehreren Gesichtspunken in sprachlicher Hinsicht den aus-
ländischen Lehnwörtern (telephon, recommandiert, perron)
unterlegen 1). Ferner dürften diese Lehnwörter in der leichtern
Roman- und Novellenlitteratur am meisten am Platze sein, wenn
sie sparsam und mit Auswahl verwandt werden. Denn dass
man leicht einen Fehlgriff begehen kann, auch bei Entleh-
nungen aus einer so wenig fremden’ Sprache wie der *hol-
ländischen oder der mittelhochdeutschen, dafür finden wir z.B.
Belege bei Franke (Reinheit und Reichtum der Schriftsprache)
1) Vergleiche hierüber Tegener a. a. Ὁ. S. 129 ἢ
Über Sprachrichtigkeit. 151
oder bei R. Wagner. Jener redet z. B. (S. 50f.) Ausdrücken
wie zeitweiser (aus holländisch tijdwijser) für kalender,
dingen (holl. mhd. dingen) für prozessieren, arzeneimenger
(holl. artsenijmenger) für apotheker das Wort. Zeitweiser
empfiehlt sich deshalb nicht, weil man dabei unbedingt an uhr
denken würde, dingen, weil dieses Wort schon in der Sprache,
und zwar mit der ausschliesslichen Bedeutung mieten, vorhan-
den ist. Franke sucht die Entlehnungen durch Hinweis auf
zeitung, zeitschrift bezw. bedingen zu stützen, meines Erach-
tens aber mit wenig Aussicht auf Erfolg. Arzeneimenger scheint
mir ebenso wie pillendreher eine etwas herabsetzende Bedeu-
tung zu haben (man vergleiche weinmenger, sprachmenger).
Auch gattlich (mhd. getelich, nniedl. gadelijk, in deutschen
Dialekten, unter anderm bei Gotthelf) mit der Bedeutung ma-
nierlich, wohlgeartet, wie sie übrigens noch bei Goethe sich
findet, wieder für die Schriftsprache beleben zu wollen (Franke
42) scheint mir deshalb verfehlt, weil sich dieses Wort für das
jetzige Sprachgefühl durchaus mit gatte, gatten assoziieren
würde, vgl. Weigand Deutsch. Wrtb. I 613. Richard Wagner
gebraucht frieden (Götterdämmerung 18: “der erde holdeste
frauen friedeten längst ihn schon’) im Sinne von “lieben, sich
bewerben , offenbar mit Anlehnung an mhd. vriedel “Geliebter’;
den wenigsten dürfte hier wohl der Zusammenhang mit freien
gegenwärtig sein. ®
Nachdem ich nunmehr meinen Standpunkt dargelegt und
ihn durch Beispiele erläutert habe, gehe ich schliesslich dazu
über, einigen Einwänden entgegenzutreten, die sich sicherlich
schon manchem meiner Leser autgedrängt haben. So z.B. dürfte
der eine oder andere behaupten wollen, dass sich mein Stand-
punkt eigentlich mit dem decke, der dem ‘Gebrauch’ als höch-
stem Gesetze huldigt. Denn unbestreitbar bin ich in den meisten
Fällen zu dem Resultat gekommen, dass das, was thatsächlich
Jetzt gebraucht wird, besser ist als der Ersatz, den verschie-
dene Sprachreiniger u. a. vorgeschlagen haben. Aber nicht
zu übersehen ist, dass ich einerseits nur in den meisten Fällen
den Brauch gebilligt habe, während ich oft für den bisher
ungehörten oder nur in der Schrift vorkommenden Ausdruck
eingetreten bin, weil er (auch für die gesprochene Sprache)
besser ist als der in der mündlichen Rede geläufige, dass an-
derseits in den Fällen, in denen die Anhänger des Sprachge-
152%. Adolf Noreen.
brauchs und ich hinsichtlich des Ergebnisses übereinstimmen,
meine Begründung eime ganz andere als die ihrige gewesen
ist. Denn mir gilt als ausgemacht, dass ein Ausdruck nieht
deshalb gut ist, weil er gebräuchlich ist, sondern er in Ge-
brauch gekommen ist, weil er sich als gut erwiesen hat!);
demn unwillkürlich greift man in der Mehrzahl der Fälle zum
passenden Ausdruck. Hiermit sei jedoch keineswegs in Abrede
gestellt, dass auch häufig zu schlechten Ausdrücken gegriffen
worden ist, dass diese gebräuchlich wurden und noch gebräuch-
lich sind. Das ist ein Zugeständnis, das die Anhänger des
zweiten Standpunkts, wenn sie diesem treu bleiben, nicht machen
können, denn “das, was gebraucht wird, ist gut”. Ich aber
kann wohl diese Emräumung machen; denn von meinem Stand-
punkt aus heisst esnur: das, was nicht gebraucht werden kann,
taugt nichts, und vom gebräuchlichen oder brauchbaren, selbst
wenn es noch nieht zur Anwendung gekommen sein sollte, ist
ein Teil gut, ein Teil schlecht, ja vieles ist zugleich gut und
schlecht, nämlich von verschiedenen Gesichtspunkten aus. Mit
Bezugnahme auf diese widerstreitenden Gesichtspunkte kann
ich mir auch erlauben, ohne in Inkonsequenz oder Widerspruch
zu verfallen, zu behaupten: was an und für sich (abstrakt
betrachtet) richtig ist, wird oft in casu (im konkreten Fall) un-
richtig, d. h. was vom Standpunkt des Redenden das beste
ist, was am wirksamsten seinen Gedanken zum Ausdruck bringt,
ist bisweilen vom Standpunkt des Angeredeten das schlechteste,
ist durchaus ungeeignet diesem den Gedanken des ersteren zu
übermitteln. Ein Beispiel. Wenn ich im Gespräch mit einem
Mann aus dem Volk den Ausdruck nonchalant anstatt des un-
gefähr gleichbedeutenden lässig anwende, so ist es sehr wahr-
scheinlich, dass der von mir benutzte Ausdruck der ist, der
am besten der Sache wie auch meiner Ansicht entspricht. Es
ist vielleicht der, mittels dessen ich am besten meine Meinung
zum Ausdruck bringen kann. Da ich nun aber einmal nicht zu
meinem eignen Vergnügen spreche, sondern um meine Ansicht
dem, mit dem ich mich unterhalte, beizubringen, so ist damit
1) Oder um ein Beispiel aus einem naheliegenden Gebiet zu
wählen: die telegraphische Zeichensprache ist nicht deshalb „ut,
weil sie gebraucht wird, sondern sie ist in Anwendung, weil sie
für praktisch befunden ist.
Über Sprachrichtigkeit. 153
schon gesagt, dass ich, falls der Ausdruck von dem Mann nicht
verstanden wird, meine Absicht nieht erreicht habe, und zwar
darum nieht, weil ich meinen Ausdruck schlecht gewählt habe,
der mithin, wenn alle Umstände in Betrachtung gezogen wer-
den, falsch ist. Er ist falsch, weil es am wichtigsten ist, dem
Interesse des Angeredeten genüge zu tun, wenn auch zweifels-
ohne das Interesse des Redenden der Art nach höher steht,
da dadurch, dass diesem vollauf genüge getan wird, falls das
überhaupt möglich wäre, die Sprache nicht nur für den einzelnen
Fall vollkommner würde, sondern auch im ganzen und allge-
meinen eine höhere Stufe der Entwiekelung erreichen würde.
Die Rücksichtnahme auf die Anforderungen der Entwickelung
(d.h. der Verbesserung) ist ja bei all unserm Thun und Lassen,
mag es sich nun um das Einzelwesen, um das Volk oder um
die Menschheit handeln, der höchste Gesichtspunkt, der nie-
mals ausser acht gelassen werden darf, da er unser Handeln
in die richtige Bahn weist. Trotz alledem aber ist die Rücksicht
auf die Kräfte und den Standpunkt desjenigen, der entwickelt
werden soll, der für jeden besondern Fall wichtigste Gesichts-
punkt, weil er bestimmt, was jetzt d. h. im Augenblick der
Handlung geschehen soll, und zwar ın der rechten Richtung
oder wenigstens in keiner unrechten. Der Opportunismus,
die Neigung sich nach den Umständen zu richten, kann nicht
genug gerühmt werden, bei dem nämlich, der wirklich Grund-
sätze und Ideale hat; bei andern ist gewöhnlich weiter nichts
als Charakterlosigkeit.
Ferner möchte vielleicht mancher der Ansicht sein, dass
sich aus meiner hier gebotenen Erörterung kein praktischer
Nutzen ergebe. Denn es verläuft doch so, wie es die Mehrzahl
will: der Brauch ist übermächtig, der einzelne machtlos. Aber
das ist üunrichtig. Denn es ist nicht die Mehrzahl, die in der
Sprache den Ausschlag giebt, sondern den geben einige wenige
begabte Persönlichkeiten; hierüber unten. Und weder diesen
noch den andern kann es ohne Belang sein, die Richtung, in
der man die Sprache entwickeln muss, deutlich bezeichnet zu
sehn und die Angabe der richtigen Gesichtspunkte zur Beur-
teilung dessen, was in jedem einzelnen Fall hierfür gethan wer-
den könnte und mithin müsste, zu erhalten, wenn man sich
auch oft begnügen muss festzustellen: so ist doch der Verlauf.
Keineswegs kann mir die Erkenntnis unwesentlich sein, dass
154 Adolf Noreen,
der Ausdruck nonchalant unter andern und glücklichern sprach-
lichen Verhältnissen der beste Ausdruck gewesen wäre für
das, was ich diesmal, um nicht falsch oder gar nicht ver-
standen zu werden, mit emem Wort, das nicht vollkommen
genau meine Meinung wiedergab, auszudrücken genötigt und
mithin auch verpflichtet war. Denn sich der Notwendigkeit zu
fügen ist ja stets eine Tugend. — Von der grössten Trag-
weite sind die Folgerungen aus meimer Auffassung von der
Sprachrichtigkeit für den Unterricht, namentlich in den Schulen,
in denen viel Humbug ausgerottet werden kann und muss,
z. B. die zeitverschwendende Anfehdung soleher Pluralformen
wie *stiefeln, fenstern* und andrer, gelinde gesagt, unschul-
diger Formen. Wünschenswert wäre auch, dass z. B. solche
® Imperative wie vergess, brech* u. a. bald als tadelloses
* Deutsch® anerkannt würden; damit wäre dann auch der bei
der Schuljugend häufig genug vorkommende Fehler erledigt,
der mehr als etwas anderes der Art dazu beitragen dürfte,
einem, dem es obliegt, Aufsätze zu korrigieren, sem ohnehin
schon mühevolles Leben noch mehr zu vergällen. Man hat
fürwahr schon genug damit zu thun, die wirklichen Fehler der
Schüler auszumerzen, als dass man sich noch aufbürden sollte,
den Schüler auch in den Punkten zu berichtigen, in denen
er sich besser als sein Lehrer ausdrückt. Es ist wohl über-
flüssig, hinzuzufügen, dass es natürlich nicht meine Absicht
sein kann, dass diese und andere von meinen radikalen An-
sichten in der Schule durchgeführt werden sollen, noch weni-
ger, dass daselbst für sie die Werbetrommel gerührt werden
soll, ehe sie m der Wissenschaft den Sieg errungen haben. Die
Schule ist kein wissenschaftliches Versuchsfeld. Auf den Fur-
chen, die Brot geben sollen, darf man keinen zweifelhaften
Samen, noch weniger Steine aussäen. Das haben die Für-
sprecher der ältern Ansichten gar zu oft übersehn.
Schliesslich laufe ich Gefahr dem in gewisser Hinsicht
begründeten Einwand zu begegnen, dass meine Regeln für die
Sprachrichtigkeit gar zu verwickelt seien, um befolgt werden
zu können, dass gar zu viel Gesichtspunkte gleichzeitig Be-
achtung erheischen, als dass jeder beliebige sich erfolgreich
mit der Verbesserungsarbeit an der Sprache befassen könnte,
wenn man diese für möglich und geboten halte. Das ist
allerdings wahr, aber “jeder beliebige’ soll sich auch nicht
Über Sprachrichtigkeit. 155
mit der Sache befassen, denn “jeder beliebige’ kann es wirk-
lieh nieht. Wer ist denn hier der Sachverständige, der wahre
Meister (nieht der Meisterer) der Sprache? Es ist das nicht
der historische Sprachforscher, auch nicht der Sprachforscher
überhaupt). Es ist auch nieht der Statistiker, der den Ge-
brauch verzeichnet, sondern es ist das einerseits der Sprach-
philosoph, der besser als andere über die idealen Aufgaben
der Sprache nachgedacht hat und mithin weiss, was not thut,
anderseits und besonders der formgewandte Beherrscher
der Sprache, der besser als andre die Sprache gehandhabt und
dem Gedanken den entsprechenden Ausdruck geschaffen hat
und mithin weiss, was sich aus den vorhandenen Mitteln für
uns andre machen lässt. Denn wir, wir bilden die grosse
Menge, die die Gewänder unserer Gedanken, die von jenen er-
funden und nach unserem Bedarf verfertigt sind, trägt; wir
benutzen sie und vor allem — wir nutzen sie ab. Selbst-
thätig zur Entwicklung der Sprache können wir nur wenig
beitragen, und zwar nur unter der Leitung dieser unserer
Lehrer. Wir müssen uns darein zn finden suchen, ihnen gegen-
über Schüler zu sein. Und man soll nieht die Welt umge-
stalten wollen, so lange man noch auf der Schulbank sitzt.
Ich bin also bei derjenigen Auffassung angelangt, die man
als den Standpunkt des gesunden Menschenverstandes bezeich-
nen könnte. Man hat eine “gute’ Sprache, wenn man wie die
“guten” Redner und Schriftsteller sprieht und schreibt. Das
ist auch vollständig richtig. Es liegt in dieser Behauptung
nur scheinbar ein Zirkelschluss. Denn ich habe oben ausführ-
lich darzulegen versucht, was das für Rücksichten sind, durch
deren Beobachtung eben ein Schriftsteller zu einem Meister
der Sprache wird. Dieser ist sich jedoch, wie auch andre Künst-
ler, oft der Regeln, die er (also in diesem Falle instinktiv)
befolgt, um durchschlagend zu wirken, gar nicht bewusst. —
Dies führt mich zur Beantwortung der Frage, die mir von
denen, die ich hier zur Lösung aufgestellt hatte, einzig noch
übrig bleibt.
Welche sprachphilosophische Auffassung vom Wesen der
1) “Der Sprachforscher hat keineswegs die Aufgabe die Ge-
setze der Sprache zu schreiben, sondern sie nur zu beschrei-
Benz ’(Rsr Tesner a; ἃ. Ὁ. 5. 1995):
156 Adolf Noreen,
Sprache liegt nun dem Standpunkt, den ich hier im einzelnen
verfochten habe, zu grunde? Meine Antwort lautet: Die
Sprache ist nicht, so zu sagen, eine Menge ein für alle mal
hergestellter Papierscheine, deren Zahl, Stoff, Form und Wert
bestimmt ist, und bei deren Umsatz wir nur zuzusehn haben,
dass wir sie nicht mehr abnutzen als unbedingt notwendig
ist. Sie ist auch kein Naturprodukt, das in dem grossen
Weltall unabhängig vom Willen, ja trotz dem Willen des
Menschen, Leben, Bewegung und Dasein hat. Die Sprache ist
vielmehr, ebenso wie Kleider, Wohnung und Werkzeuge, we-
sentlich ein Kunstprodukt; em Kunstprodukt, das sich
allerdings verändert, weil es benutzt und dabei abgenutzt wird,
das sich aber vor allen Dingen entwickelt und verbessert, weil
auch im selben Verhältnis eine Entwiekelung stattfindet, einer-
seits bei dem Künstler (dem Menschen), der es herstellt, ander-
seits bei dem (dem Menschen in seinem Gedanken- und Vor-
stellungsleben), für den es hergestellt wird. Dass die Sprache
ein Kunstprodukt sei, wird in keinerlei Weise durch die rich-
tige Bemerkung widerlegt, dass sie vielleicht zum grössten
Teile oder wenigstens bei den meisten Sprechenden unbe-
wusst und unfreiwillig hervorgebracht wird. Denn dasselbe
gilt auch vom Bau des Bibers, der Zelle der Biene u. s. w.,
welche Kunstwerke sind, obschon sie nur infolge eines Kunst-
triebes, nicht durch eine bewusste und freiwillige künstlerische
Thätigkeit zustande gekommen sind. Beim Menschen aber,
mit dem es in dieser Hinsicht glücklicherweise besser als mit
dem Biber oder der Biene bestellt ist, muss zugleich eine solche
höhere künstlerische Thätigkeit in bezug auf die Sprache
stattfinden, wofern diese die hohe Aufgabe, welche ihr als dem
herrlichsten Werkzeug des Menschen gestellt ist, würdig lösen
soll. Das besagt keineswegs, dass man “der Sprache Gewalt
anthun’ solle. Hier, wie in der Kunst, kann übrigens die
Verehrung “der Natur’ zu weit getrieben werden. Die That-
sache, dass die Biene sich selbst eine notdürftige Wohnung
schafft, hat mit Recht «den Bienenzüchter nicht davon abge-
halten, immer bessere Bienenstöcke zu erfinden und mit Erfolg
anzuwenden. Der Mensch aber sollte, weil er schon notdürftig
seine Gedanken beherbergen kann, davon abstehen, mit Bewusst-
sein darnach zu streben, ihnen eine vollkommenere Wohnstätte
zu bereiten! Anderseits: eben so gewiss, wie der Bienen-
Über Sprachrichtigkeit. 157
züchter darauf achten muss, dass er nicht, durch seine theore-
tischen Erwägungen veranlasst, die Behausung der Bienen so
ideal einrichtet dass die Bienen sieh nieht zurecht finden und
daher nicht hineinwollen, so muss auch der Sprachverbesserer
den Gebrauch, den jüngern sowohl wie auch den ältern, ge-
bührend berücksichtigen. Ich wiederhole nochmals: von der
Sprachverbesserung abzustehen und “die Sprache sich selbst
zu überlassen‘, das wäre der Menschen unwäürdig, das dürfen
wir micht; aber: nicht ein jeder ist berufen die Sprache zu
verbessern, sondern nur das Sprachgenie (im praktischen Sinn),
d. h. der Redekünstler in des Wortes bester Bedeutung, und
die grossen Schriftsteller, denen es beschieden ist, einst die
klassischen genannt zu werden.
Adolf Noreen.
Arwid Johannson.
ΠΡ ς
I. In dem inschriftlich erhaltenen, von Carl Curtius (In-
schriften und Studien zur Geschichte von Samos, Lübecker
Schulprogramm 1877) veröffentlichten Heraionmventar findet
sich ein Tempelbeamter erwähnt, welcher die Erklärer ein-
gehend beschäftigt hat, ohne dass ein annehmbares Ergebnis
erreicht wäre. S. 11 bei C. Curtius (besser herausgegeben
bei U. Koehler Athenische Mitteilungen VII S. 368) lesen
wir: “ἐν τῷ μεγάλῳ νει ÖCa ἐν τοῖς UEPECIV, ἀνεγίγνωεκεν ἐκ
τοῦ βιβλίου τοῦ cecnuacuevov, καὶ ὁ ἱερὸς τῆς θεοῦ Πελύειος
ἀπέφαινεν ὄντα πλὴν τῶνδε κτλ. Pelysios, ein in der Heraion-
verwaltung beschäftigter Mann, wies nach, dass die in das
amtliche Verzeichnis aufgenommenen Gegenstände wirklich
auch im Tempelinventar vorhanden waren mit einigen genau
angegebenen Ausnahmen. Was ist aber der ἱερὸς τῆς Beov?
Man hat an Verkürzung aus ἱερόδουλος gedacht. Das geht
nicht an, weil ein Hierodulendienst dieser Art im samischen
Heraion weder überliefert noch glaublieh ist). Und doch
sind die ἱερόδουλοι eine passende Analogie?), desgleichen
TayE 1) Darauf läuft Koehlers Erklärung im Grunde hinaus. Er
hatte u.a. an Boeckh (zu dem unten angeführten CIG.) einen Vor-
ganger.
2) Einfach als γυναῖκες ἱεραί bezeichnet Strabo XII p. 559 die
Hierodulen von Komana, als ἱερόδουλοι die vom Eryx VI p. 272.
158 Ernst Maass,
ἱεροκῆρυξ (oder ἱερὸς κῆρυξ), ἱερομνήμων 1), ἱερὴ ἀγορή (Ditten-
berger Sylloge 5), ἱεραὶ παρθένοι, ἱερὸς λόγος u.a.ım. Nichts
als der Gegensatz zum Profanen wird durch ἱερός ausgedrückt:
ἱερός ist allgemein, wer eine heilige Beschäftigung treibt, der
sakrale Beamte, und zwar als fester Terminus, auch ohne zu-
gesetzte nähere Bestimmung in allegemeinem Gebrauch. Da in
der Beurteilung des emschlägigen Stellenmaterials auf mannig-
fache Weise geirrt worden ist, mag hier eine kurze Bespre-
chung der wichtigsten Belege folgen. Im Rahmen meiner Un-
tersuchung wird sie sich von selber rechtfertigen.
Auf der Mysterieninschrift von Andania bei Dittenberger
Sylloge 335 erscheint ein Kollegium von ἱεροί und \epai. Sie
werden alljährlich phylenweise aus einer bevorzugten Gruppe
durchs Loos erwählt, um für den ordnungsmässigen Verlauf
des grossen Festes der Demeter und Persephone Sorge zu
tragen. Von den Priestern (ἱερεῖς) scharf geschieden charakte-
risieren sie sich als Tempelbeamte für den Aussendienst. Wir
mögen sie ruhig als “heilige Männer’ und “heilige Frauen’
oder als “heiliges Kollegium’ bezeichnen. Sauppe hat das ge-
than. Andere haben es ohne Grund, wie ich meine, bestritten.
Auf der altlakonischen Grabsehrift von Gerenia IGA.64
werden verzeichnet iapöc Xaporivoc, ἱαρὸς "Apıccrödauoc.
Da die Spartaner nur die vor dem Feinde gefallenen oder im
Dienste der Götter thätig gewesenen Mitbürger durch Insehrif-
ten ehrten (Plutarch Lykurgos 27), so folgerte Roehl, dass in
den beiden iapoı von Gerenia Priester erwartet werden müss-
ten. Priester’ nicht, sondern Tempelbeamte aus jener Kate-
gorie, die für Andania durch das epigraphische Denkmal fest-
steht. So und nicht anders glaube ich auch den Ἴκιος ἱαρὸς
Σμυρναίων (UlG. II 3394) und die pergamenischen ἱεροί,
᾿Απολλωνίδης ἱερός und Γάϊος ἱερός bei Koehler, Mitteilungen
VII S. 370 A., auffassen zu müssen.
Ferner sagt Euripides in der aulischen Iphigeneia 673 ἢν:
"Ay. θῦςαί με θυείαν πρῶτα δεῖ τιν᾽ ἐνθάδε.
Ip. ἀλλὰ ξὺν ἱεροῖς χρὴ τό γ᾽ εὐςεβὲς εκοπεῖν.
"Ar. εἴεῃ εὖὐ' χερνίβων γὰρ ἑετήξεις πέλας.
Es sind die “heiligen Männer’, mit welchen das Opfer beraten
wird, in diesem Falle allerdings von den ἱερεῖς kaum verschie-
den. So sagte auch Plato ἱερά für ἱέρεια (Bekker An. I 100).
1) Dazu ist “lepouvnun das Femininum: Hermes 1855 S. 616.
Ἴρις. 159
Im euripideischen Jon beschliessen die Delphier Kreusa
zu steinigen, weil sie den Tempeldiener habe vergiften wollen:
τὸν ἱερὸν WC KTEIVOUCAV ἔν τ᾽ ἀνακτόροις
φόνον τιθεῖςαν.
Jon kehrt und säubert tagtäglich in der Frühe die vielbe-
suchten Tempelräume, wie der Dichter so anschaulich V. 121 ff.
geschildert hat. Mit ἱερός nennt ihn Euripides ganz allgemein als
“im heiligen Dienste befindlich‘. So sagen die Inschriften auch
von den zu den niedrigen Tempeldiensten verpflichteten Per-
sonen ᾿ἱερατεύουειν᾽, z.B. die Inschrift vom Tempel des Zeus
Panamaros im Bulletin de Correspondance hellenique 1591 p. 204.
Il. Allein es gibt noch einen zweiten Stamm, welcher
äusserlich zwar mit dem in ἱερός “heilig” identisch ist, sich
durch die Länge des ı aber von jenem scharf sondert und —
wiederum im Gegensatz zu tepöc “heilig’ — im Anlaut ein (Ε
besass. Es ist der Stamm fi in Fiecdoı “eilen’ (L. Meyer
BB. I 501 ἢ). Da wird es zunächst nicht überflüssig sem
zu fragen, ob der Habicht iepa&-ipn& (der im Anlaut sicher
ein f besass: Epicharm Fr. 25 L., wo aber statt des überlie-
ferten ὕες TE ἱέρακές τε aus Hesych s. v. Beipaxec (des Verses
wegen Fipakec herzustellen ist) diesen seinen allgemein grie-
chischen Namen nicht vielleicht vom Stamme Fi entlehnt
hat, um so mehr, als er im Epos durch ständige Epitheta
Wie ὠκύς, ὠκύπτερος, ἐλαφρότατος πετεηνῶν u. A. vor den an-
dern Vögeln ausgezeichnet erscheint. Ganz grundlos zieht die
geläufige Etymologie es vor, sich den Vogel als “heiligen’ zu
denken. Ἴρις. kennt Herodian II 437, 2 L. als Name eines
Vogels, Statius in der Thebais VI 461 f. als Name einer Stute
neben der nicht minder deutlichen Z’hoe!). Die appellative
Kraft des Wortes hat sich in diesen Fällen ersichtlich noch
voll und ganz erhalten: denn wie aus Tepöc, so muss auch
aus Ἱερός die zusammengezogene Form ipoc werden.
In der Odyssee heisst es XVIII 5 ff. vom Bettler Iros,
dessen Digamma durch das Wortspiel V. 73 "Ipoc-"Aıpoc voll-
kommen feststeht ?):
1) Als attischer Schiffsname ist Iris unsicher, vielmehr Ἔρις
mit Boeckh (Seeurkunden S. 317) zu schreiben. Ἵερά kommt dage-
gen in dieser Verwendung vor (von tepöc heilig).
2) [Danach ist Tümpels “ruchloser Heiliger’ zu beurteilen:
Ehilol. 18918. 7129:
160 Ernst Maass,
᾿Αρναῖος δ᾽ ὄνομ᾽ Ecke — τὸ Yap θέτο πότνια μήτηρ
ἐκ γενετῆς --- εἴρον δὲ νέοι KIKÄNCKOV ἅπαντες,
οὕνεκ᾽ ἀπαγγέλλεεκε κιών, ὅτε πού τις ἀνώτοι.
Dem Dichter der Stelle gelten Fipoc und ἄγγελλος. noch als
gleichbedeutend: er weiss, dass Fipoc “hurtig’ heisst. Für
einen Boten Kann es eine passendere Bezeichnung gar nicht
geben. Damit ist diese Frage doch wohl erledigt!). Und
noch eine andre, welche besser niemals hätte aufgeworfen
werden sollen. Sie gehört m das Gebiet der Paradoxien,
durch die die Wissenschaft von Zeit zu Zeit beunruhigt und kaum
gefördert wird. “Der landläufige Bettler Iros’ — sagt Th.
jergk in seiner "Griechischen Litteraturgeschichte’ I S. 742
mit Dümmlers Zustimmung in Studniezkas Kyrene 5.205 ° —
“den der Diehter mit sichtlichem Behagen und so naturgetreu
schildert, führt wohl nicht zufällig diesen Zunamen. Denn
gerade so hiess eines der Häupter der Oligarchen von Ery-
thrai, das treulos seinen Fürsten erschlug (Hippias bei Athenaios
VI p. 259 ncav δ᾽ οὗτοι ᾿Ορτύγης καὶ Ἶρος καὶ Ἔχαρος, ol
ἐκαλοῦντο διὰ τὸ περὶ τὰς θεραπείας εἶναι τῶν ἐπιφανιὼν πρός-
Kuvec καὶ κόλακες). Nach dem historischen Iros ist der Bettler
in der Odyssee genannt, nieht umgekehrt’. Die Ähnlichkeit
der beiden Iroi geht nieht eben tief, und das Zusammentreffen
in dem durchsichtigen Namen besagt nichts. Der Name ist
ganz geläufig: Iros Aktors Sohn und Iros Chrysippos’ Sohn
stehen bei Pape im Namenlexikon s. v. verzeichnet. Endlich
heisst Iros, der homerische Bettler, nach der Aussage dessen,
der es doch wissen muss, so und nicht anders, οὕνεκ᾽ ἀπατγέλ-
λεεκε κιών, ὅτε κέν τις ἀνώγοι. Der Dichter hat es nieht nötig
Gründe anzuführen, warum er den Schöpfungen seiner Phan-
tasie diesen oder jenen Namen beilegt. Führt er trotzdem
einen ohne weiteres einleuchtenden Grund an, wie hier ge-
schehn — wer nimmt sich das Recht, ihm den Glauben zu
versagen? Nichtsdestoweniger hat Bergk mit der Heranzie-
hung des Iros von Erythrai unbewusst vielleicht einen glück-
1) Hesych 5. v. ipoc kann aus der Dichterstelle geflossen
sein. Irgendwo habe ich gelesen, der Bettler Ἶρος sei aus der Göt-
tin Ἴρις gemacht, die Etymologie im NXVIII Buch der Odyssee nur
ein schlechter “Kalauer' ! Niese (Entwicklung der homerischen Poe-
sie S. 50) meint, auf die Iris der Ilias werde durch den Bettler Iros
der Odyssee wenigstens angespielt.
"Ipıc. 161
lichen Griff gethan. Wir lernen so wenigstens eine der Gegen-
den kennen, in welchen diese Wortform lebendig war — vor-
ausgesetzt natürlich, dass der historische Erythraeer "Ipoc von
ἱερός und nieht (was ebenfalls möglich wäre) von Ἱερός gebil-
det ist. Einen Lesbier und einen Malier dieses Namens nennt
Stephanos (s. v. Ἰρά und Λαμπέτειον). Iros lebt aber auch in der
korinthischen Sage. Proxenos, der Verfasser einer epeirotischen
Geschichte, nennt einen Iros, Mermeros’ Sohn!), unter den
Enkeln der Medeia in Epeiros (Schol. Odyss. I 259), und
diesen wollten einige πὶ das erste Buch der Odyssee statt
des gut überlieferten Ἴλος Mepuepidönc einschwärzen; vgl. Wi-
lamowitz Hom. Unt. S. 26.
Sehr merkwürdig ist ferner die Inschrift von Tenos CIG.
II 2999 "Ὁ in den Addendis. Sie meldet von einer Privatge-
sellschaft zu nautischen Zwecken und datiert nach dem Vor-
stande des Klubs wie folgt: ἀγαθῇ τύχῃ ἐπὶ ναυάρχου ᾿Απολ-
Awvidov, τοῦ ἀγγέλου TIpwriwvoc, καὶ γραμματέως Δάμωνος,
ἱεροῦ Πυθίωνος κτὰ. Was birgt sich unter dem ἱερὸς Τυθίω-
voc? Gehen wir von seinem Gegenstück aus, welches mit den
Worten τοῦ ἀγγέλου TIpwriwvoc eingeführt wird. ᾿Αγγέλου
fasste Boeckh als Vatersnamen, eine Ansicht, die einmal durch
die parallele, wenn auch noch unverstandene Bezeichnung ἱεροῦ
Tudiwvoc, sodann durch eme ganze Gruppe von Grabschriften
der Inseln widerlegt wird. Ich meine jene theräischen Steine,
auf denen (merkwürdig genug) der Name des Verstorbenen
fehlt und nur sein Verhältnis zu einer im Genetiv namhaft
gemachten andern Person durch das zugesetzte ἄγγελος be-
zeichnet wird. So CIG. II 2476. a ἄγγελος Κρατεροῦ, e ἄγγε-
λος Mntpodwpov, Ross Inseriptiones ineditae p. 13 (worauf mich
W. Schulze aufmerksam macht) ἄγγελος Φιλομούςου, und viele
andre. Diese Ausdrucksweise hat ihre Analogieen im Leben
— Mareipor Lucipor sagen die Römer, einige Male sogar bei
Freigelassenen — wie in der Poesie: ἁ Mepuvwvoc ἐριθακὶς
ἁ μελανόχρως heisst die Magd bei Theokrit III 352). Ich meine
also: Die beiden Bestimmungen stehen in der tenischen In-
Bel 1) Ein anderer Mermeros wird wegen seiner Schnelligkeit
belobt bei Ovid Metam. XII 304. Mit dem hier reduplizierten Stamm
μερ hängen auch die μέρμερα ἔργα und μερμηρίζειν (über welches
Fulda einiges gut vorgearbeitet hat) zusammen. Es führt dies hier
aber zu weit.
2) Vgl. das Greifswalder Winterprooemium 1891/92 p. XIIT2.
Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 11
162 Ernst Maass,
schrift parallel; dem ἄγγελος entspricht formell der ἱερός. Auch
inhaltlich würde er entsprechen, wenn wir uns entschliessen
könnten, an ἱερός statt an ἵερός ‘heilig’ (was gar keinen Sinn
gibt, wie man es auch wende) zu denken. Schliesslich ziehe
ich zweifelnd noch die messenischen späten Grabsteine hier-
her: Le Bas-Waddington Voyage archeol. II p. 146 (aus
Pherai) ᾿Αθάπτων ἱαρὸς Βούριος χαῖρε und Κάρπων Αἰνήου ἱαρός,
CIG. 1 2953 b 2. 35 Θεόδωρος ὃ αὐτοῦ (eines vorhergenann-
ten) ἱερός.
Ill. In dem von ©. Curtius herausgegebenen Heraioninventar
lesen wir Z. 21 κρήδεμνα ἑπτά᾽ τούτων ἐν n Evaryekic ἔχει
und Z. 37 κιθῶνες δύο Evdura τῆς Εὐαγτγελίδος. Koehler hält,
wenn ich ihn recht verstehe, “Euangelis’ für die allgemeine
Bezeichnung der amtierenden Herapriesterin (Mitteilungen VII
S. 3702). Allein sie tritt hier in der Gesellschaft des Hermes
auf, dessen Bild ebenfalls im Tempel stand und Inventarstücke
besass. Ausserdem würde man nach dem sonstigen Verfahren
in dieser Inschrift den Namen der amtierenden Priesterin er-
warten müssen. Es handelt sich, das scheint mir notwendig,
um eine Statue der Euwangelis. Das ist wichtig genug, um
hier ausdrücklich hervorgehoben zu werden. Der Vergleich
mit Hermes legt den Gedanken an eine Herapriesterin der
Sage am nächsten: Εὐάγγελος bezeugt Hesych s. v. als Kult-
namen auch des Hermes, und neben der ephesischen Artemis
genoss der Hirte “Euangelos’ Verehrung!). Nun ist Heras
“flinke’ Botin in der Ilias bekamntlich Iris, ein Name, dessen
Digamma im Anlaut vollständig sicher steht, von der Wurzel
Fi, auch in der Bedeutung gleich ταχεῖα ἀέλλοπος ποδήνειιος
πόδας ὠκέα u. 5. f. Sie ist die echte Schwester der 'NKkurern
und ᾿Αελλώ, d. 1. ᾿Αέλλοπος. Von allen dreien sagt Hesiod
Theog. 266 f.:
αἵ ῥ᾽ ἀνέμων πνοιῆει καὶ οἰωνοῖς ἅμ᾽ ἕπονται
ὠκείῃς TTTEPUFECCI μεταχρόνιαι γὰρ ἴαλλον.
Kallimachos schildert die Botenläuferin Iris gar als vollendete
Bedientenseele, immerhin noch mit mehr Verständnis für das
Wesen dieser Göttergestalt, als diejenigen, welche sie zur Per-
sonifikation des Regenbogens zu machen belieben; vgl. Hymn.
in Delum 215—239. An der Identität der samischen Euangelis
1) Vitruv, De architectura X 7 p. 252 R.
|
Ἴρις. 109
mit der homerischen Iris kann darum em Zweifel nicht wohl
obwalten, weil beide im Dienste der Hera auftreten, ebenso-
wenig daran, dass beide der Sage und nicht etwa lediglich
der Phantasie einer diehtenden Persönlichkeit verdankt wer-
den. So war auch der eleusinische Keryx, der Eponym des
attischen Geschlechtes der Κήρυκες, ein Geschöpf der Sage.
Auf “Thyestes’ werden wir S. 169 zu sprechen kommen: die
“Thyestadai’ von Delos setzen ihn voraus (Dittenberger Syll.
Ba).
Athenaios XIV 645 b berichtet: Σῆμος ἐν β΄ Ankıadoc
“ev τῇ τῆς Ἑκάτης, @nciv, vncw τῇ Ἴριδι θύουει Δήλιοι τοὺς
βαευνίας καλουμένους, welche dann als eine Art aus Honig und
Waizen gekochter Brei erklärt werden. Die hier genannte
Hekateinsel ist dicht bei Delos gelegen. Schon ©. Müller
Aeginetica p. 170 und Lobeck Aglaophamos II p. 1064 kom-
binierten mit Semos die Bemerkung des Harpokration s. v.
Ἑκάτης νῆςος] Λυκοῦργος κατὰ Mevecaixuou πρὸ τῆς Δήλου
κεῖταί τι vncVdpıov, ὅπερ ὑπ᾽ ἐνίων καλεῖται Ψαμμητίχη, ὡς Φα-
γόδημος ἐν τῇ a. Ψαμμητίχην δὲ κεκλῆςθαί φηςιν ὃ Σῆμος ἐν
α΄ Δηλιακῶν διὰ τὸ τοῖς ψαμμήτοις τιμᾶςεθαι τὴν θεόν. ψάμμητα
δ᾽ ἐςτὶ Ψψαιετῶν τις idea. “Die Göttin’ kann nach dem Zu-
sammenhang des Artikels bei Harpokration nur die eponyme
Göttin des Eilands sein!). So schloss O. Müller auf die Iden-
tität der Hekate und Iris, auf eine Ἑ κάτη - ἴρις. Lobeck be-
streitet die Bündigkeit der Folgerung durch den Hinweis auf
den Unterschied zwischen Gerstenkuchen und Waizenkuchen.
Möglich, dass eine der beiden Erklärungen des dargebrachten
Opfers nicht ganz genau ist; möglich, dass man beide Kuchen-
sorten darbrachte. Für O. Müller spricht doch entschieden,
dass “Ἑκάτη - Αγγελος mit Hilfe anderer Zeugnisse, - wie schon
Lobeck selbst kurz angedeutet hatte, nachgewiesen werden
kann; denn die formelle Gleichung von Ἴρις “die Eilige’ und
Ἄγγελος “die Botin’ betrachte ich nunmehr als feststehend.
Der Nachweis soll im Folgenden geführt werden. Ich denke,
er wird sich auch nach den Bemerkungen bei Roscher s. v.
Hekate einigermassen lohnen. Ich finde dort zwar emige
Stellen zitiert, aber unausgenutzt, und das historische Moment
vernachlässigt.
1) ἡ vilcoc ἡ Ἑκάτης heisst das Eiland auf der Inschrift bei
Homolle Bulletin de Corresp. hell. 1882 p. 83 3.
164 Ernst Maass,
Wir hören bei Hesych s. v. Ἄγγελος] Συρακόειοι τὴν "Ap-
teuıv Aeyovcıv. An sich ist nicht grade glaublich, dass Artemis,
die hehre Göttin, jemals als allgemeine Götterbotin oder -die-
nerin gegolten habe!). Wir wissen vielmehr, wie Preller-Ro-
bert richtig bemerken, nur Persephone (nicht einmal die sonst
fast immer mit dieser zusammengehende Demeter) als diejenige
namhaft zu machen, zu welcher Artemis-Hekate (deren Identität
für die alte Zeit ja feststeht) in einem dienenden Verhältnis
gestanden hat. Der ambrosianische Theokritscholiast bezeichnet
sie II 12 als Amme?) der Persephone?), und deutlicher noch
redet der homerische Demeterhymnus. Doch erfordert derselbe
eine etwas eingehendere Behandlung.
Kein Gott oder Mensch vernahm den Hilferuf der Per-
sephone, als Hades sie entführte,
εἰ μὴ TTepcatov θυγάτηρ ἀταλὰ Ppoveouca
ὄιεν ἐξ ἄντρου Ἑκάτη λιπαροκρήδεμνος
κούρης κεκλομένης πατέρα Κρονίδην.
Neun ganze Tage irrt Demeter ihre Tochter suchend über die
Erde, am zehnten erscheint Hekate vor ihr, eine Fackel in
den Händen haltend, und teilt ihr die Entführung durch Hades
mit (καί pa οἱ ἀγγέλλουςτα ἔπος φάτο φώνησέν Te). Helios
bestätigt, als sie auf Veranlassung und in Begleitung der He-
kate ihn aufsucht, ihr das Gehörte, Helios der alles sieht und
alles hört. Ergrimmt meidet Demeter hinfort die Gemeinschaft
der Götter und hält sich zu den Menschen. So kommt sie
auf ihrer Wanderung nach Eleusis. Da schreitet Zeus ein,
und Mutter und Tochter haben sich wenigstens die Hälfte des
Jahres wieder. Damals ward Hekate Dienerin der Persephone,
weil sie sie liebte, V. 439:
τῆειν δ᾽ ἐγτύθεν ἦλθ᾽ Ἑκάτη λιπαροκρήδεμνος"
πολλὰ δ᾽ ἄρ᾽ ἀιιφαγάπηςε κόρην Δημήτερος ἁγνήν ᾿
ἐκ τοῦ οἱ πρόπολος καὶ ὀπάων ἔπλετ᾽ Üvaccd.
1) Artemis hat ein zahlreiches Dienstpersonal, vgl. Kallima-
chos’ Artemishymnus. Auch Hekabe ist Dienerin der Artemis-He-
kate. Das ist wichtizx zum Verständnis der troischen Hekabe und
der troischen Sage überhaupt.
2) Als solche nennt er sie Demeters Tochter. Nach Sophron
in den andern bei Ahrens z. ἃ. St. abgedruckten Scholien war "An-
gelos’ Tochter des Zeus und der Hera.
3) Kalligeneia gilt als Demeters Amme, Priesterin, Begleiterin:
Hesychs. v.,als Proserpinas Amme: De Aeschyli Supplieibus p.XXXV1.
Ἴρις. 165
Die geflügelte Göttin also, welche auf der Vase bei Gerhard
(Trinkschalen und Gefässe Taf. A. B. S. 21) und sonst der
Entsendung des Triptolemos beiwohnt, muss mit Robert (bei
Preller Griech. Mythol. I* S. 324) als Hekate gedeutet wer-
den. Nun ist Persephone Hauptgöttin auch von Syrakus;
dort ist nach der heimischen Erzählung ihr Raub erfolgt. Dem-
nach halte ich den Schluss für berechtigt, dass es der syra-
kusanische Persephonekult war, in welchem Artemis-Hekate
den für Syrakus bei Hesych bezeugten Kultnamen ”AyyeXog
führte, ganz wie dieselbe Hekate in Eleusis, wie Hekate-Iris
bei den Deliern, wie Iris-Euangelis im samischen Heraion. Es
besassen aber Demeter und Persephone auch in Korinth, der
Mutterstadt von Syrakus, hervorragende Verehrung (Paus. II
4, 7). Also fragt es sich, ob Artemis-Hekate erst in Syrakus
oder sehon in Korinth als Ἄγτελος der Persephone galt. Die
eleusinische Parallele entscheidet, dünkt mich, für das Mutter-
land. Damit ist, was wir in Eleusis und Syrakus bezeugt
finden, für Korinth zu erschliessen!). Halten wir das fest,
so lässt sich einiges für den eleusinischen Hymnus gewinnen.
Dieser erzählt die Einführung der Demeter-Persephonereligion
in Eleusis. Ihren Ausgangspunkt deutet er mit einer für seine
Zeit, etwa die Wende des VIII. zum VII. Jahrhundert, wohl
ausreichenden Genauigkeit an. Uns machen diese Hinweise
heute zum Teil die allergrösste Schwierigkeit. Zur Zeit ist nach
dieser Seite der Hymnenforschung, wenn wir ehrlich sein wollen,
so gut wie nichts geschehn, auch das nicht, was sich erreichen
lässt, und der neueste Erklärer dieser von jeher vernachlässigten
Poesien hat von diesem Teil seiner Aufgabe die richtige Vor-
stellung nicht gehabt. Jeder Versuch, auf methodischem Wege
über die religiösen Grundlagen der Hymnen nähere oder ent-
terntere Auskunft zu geben, muss wohlwollend aufgenommen
werden. So vermute ich wegen der Hekate-Angelos ein ko-
rinthisches, jedenfalls mit Korinth sich stark berührendes Ele-
ment im eleusinischen Kult und dem eleusmischen Gedichte.
Attika hat lange nach der Pelopsinsel gravitiert. Die neuesten
1) Auf korinthischen Monumenten, z. B. der Lade des Kyp-
selos in Olympia, findet sich die geflügelte Artemis (Paus. V 19,5).
Die Beflügelung passt zur Artemis. Studniczka behandelt in lehr-
reicher Weise die Beflügelung dieser Göttin (Kyrene 5. 153 ἢ). Auch
Denkmäler chalkidischer Provenienz kennen (nach St.) dieses Motiv.
166 Ernst Maass,
Arbeiten haben das erwiesen auf dem Gebiet der Geschichte,
Religion und Kunst.
IV. Die Wurzel Fi “eilen’ liegt noch in andern Bildungen
vor. Fiwv erscheint als Name für Krieger und Jäger auf den
altkorinthischen Vaseninschriften, welche Kretschmer in einer
schr nützlichen Abhandlung (Kuhns Zeitschrift N. F. IX 1888
S. 170 ff.) bespricht. Während aber Kretschmer, wohl einer
Andeutung in Lehrs’ De Aristarchi studiis Homericis ? p. 464
folgend, an die Ableitung von fic “die Kraft’ dachte, stellt
W. Schulze Quaest. ep. p. 470 sie zu der Wurzel fi “eilen’, ich
denke mit Recht, einmal wegen der gleich zu behandelnden
Femininbildungen, sodann weil neben Fiwv die gleichbedeu-
tende Namensform Δίων ebendort für dieselben Personengrup-
pen (wie Schulze anführt) verwendet wird. Δίων (mit kurzem ı)
kommt hier vom Stamme δῖ in δίεσθαι, wie das Ross des Am-
phiarnos Δίας, “der Renner‘, auch). Fıwvic, von Flwv weiter-
gebildet, ist Name einer Stute auf der korinthischen Vase bei
Kretschmer S. 168. Das arkadische Sagenross Αρίων — ein
Name, der auch in Lesbos und Milet vorkommt (Schol. Lyk.
401) — wird doch wohl aus "Api-Fiwv (sehr schnell’) entstan-
den sein: ᾿Αδρήετου ταχὺς ἵππος, ὃς ἐκ θεόφιν γένος ἦεν. Nach-
dem die alte Schreibung ᾿Αρείων durch die inschriftlichen
Funde auf Vasen und Münzen von Thelpusa (wo "Epiwv
steht, Kretschmer S. 164) widerlegt worden, spricht alles für,
nichts gegen diese Herleitung. Sie gewinnt durch die einzige
Erwähnung des Namens im alten Epos (Ilias XXIII 346) an
Wahrscheinlichkeit, sofern sich ohne Schwierigkeit die unkon-
trahierte Form des Wortes im ihrer Ursprünglichkeit herstellen
lässt: οὐδ᾽ εἴ κεν uerönıcdev ᾿Αρίονα δῖον ἐλαύνοι, ᾿Αδρήετου
ταχὺν ἵππον gestattet mit geringfügiger Änderung zu lesen
μετόπιςθ᾽ ᾿Αρϊίονα ὃ. ἐς Bei dem späten Verfasser des Scutum
120 wird allerdings "Apiova durch den Vers erfordert. Das
will so gut wie nichts besagen. Gegen Kretschmer sei be-
merkt, dass der "Opifwv der Vase auf S. 164 mit ᾿Αρίων nichts
zu schaffen haben kann. Den Namen verstehe ich allerdings
so wenig wie er.
Noch ein Name der Sage, der peloponnesisch-Iykischen,
1) Schol. Pind. Olymp. VI 21. Jeschonnek De nominibus quae
Graeci pecudibus domestieis indiderunt (Königsberg 1885) p. 46
denkt an δῖος "eöttlich’.
Ἴρις. 167
wird sieh etymologisch nunmehr begreifen lassen: "loßarnc,
dessen ı Anthol. Palat. ΠῚ 15 lang gebraucht wird. Es ist
der “Sehnellsehreitende’, wie Εὐρυβάτης, Μεταβάτης, Εὐρυοδία
(Mutter des Laertes)!, Ποδάρκης (1. XIV 695) und Τελεεί-
dpouoc von Eleusis, Greifswalder Prooemium 1891/2 p. AIII)?).
Ἰόβης, wie es scheint seine Kurzform, wird, allerdings von einer
andern Persönlichkeit, gebraucht bei Apoll. 117,8 (Roscher s. v.)?).
Auf denselben korinthischen Vasen (S. 165, 166, 170)
steht mehrfach Fıw, nicht zwar für die Heroine aus der Argolis,
1) Jobates Freund, der Tirynthier TTpoitoc, eigentlich TTpö-ıroc
(nach Herodian, vgl. Ahrens-Meister Dialekte I S. 96: die Ilias er-
trägt zumeist die dreisilbige Messung, fordert sie aber nirgends)
vom Stamme i in ἰέναι, heisst genau, was lateinisch praetor, "voran-
schreitend’. Möglich, dass er als Heerführer gedacht ist. Doch
heisst z. B. auch Hades ’Ayncikaoc “Hyrncavöpoc u.ä. Proitos als Stif-
ter eines Artemisheiligtums: Preller-Robert 11 S. 306.
2) Lehrs Aristarch. 2. p. 464 bringt den Namen mit ic “die
Kraft” zusammen. Eine interessante Parallele liegt bei Hygin Fab. 18
(p- 37 Schm.) vor in dem Verzeichnis der Hunde des Aktaion. Dies
beginnt: Melampus, Ichnobates (auch bei Ovid Metam. III 210),
Echnobas, Pamphagus ete. Den unverstandenen FEchnobas hat
Schmidt eingeklammert, Bunte wegen p. 37, 16 in Ichneus geändert,
Jeschonnek p. 9 denkt an Ichneutes oder Ähnliches. Das Wahre
hat keiner gesehn. Es liegt nämlich in Dehnobas ein ’Iyvößac ver-
steckt, Kurzform zu dem voranstehenden ’Iyvoßarnc. Schwerlich
haben sie dann aber nebeneinander in demselben Verzeichnis ge-
standen, vielmehr wird in der griechischen Vorlage, welche Ovid
und Hygin benutzten (Baecker De canum nominibus graeeis p. 46
[Königsberg 1884]), der Text so gelautet haben: ’Ixvoßarnc ἢ Ixvö-
βας. Daraus machte man Hichnobas-Echnobas. Uber Varianten in
den Namenvorlagen Hygins: Hermes 1885 S. 613 ff. Ἑκάβη hat
Fick (Personennamen S. 107) zu βαίνειν gestellt und ebenso aufge-
fasst, wie ich ’lößnc: gewiss irrig. Was sollte der Name heissen ?
In seiner “Homerischen Ilias’ S. 232 hat er zwei andre nicht weni-
ger überflüssige Vermutungen geäussert. Das » steht für den An-
laut dieses Namens durch das korinthische Gefäss auf S. 168 bei
Kretschmer fest, wo Hekabe zaxdßa heisst (vgl. ᾿Ακάδημος neben Ἑκά-
önuoc). Ich bemerke dies gegen Fick 5. 959, — TTödng (als Männer-
name Ilias XVII 575, als Hundename CIG. 8139) ist aus ’Rxuno-
önc ἸΤοδάρκης oder Ähnlichen gekürzt.
9) Hübsch ist, dass bei David in Aristot. Cat. 25a Bekk. ’loßa-
του τοῦ Λιβύων Bacıkewc von Juba gesagt ist (W. Schulze). Neben
Ἰόβης steht bei Apollodor Κλύτοππος, d. 1. Κλυτόπωλος ο. A. nach
bekannter Regel. Diesem hat man durch üble Konjekturen bös
mitgespielt.
108 Ernst Maass,
sondern für Nereiden und andere weibliche Wesen. Die “flinken’
Wassermädehen führen gerne Namen von dieser Bedeutung,
und dass grade auch Fw dort noch appellativisch empfun-
den ward, das zeigt die Umgebung: neben Fıw stehen!) Διώ
Κυματθόη (sie) ᾿Αμαθιώ, εἰ. 1. “zusammen mit andern laufend’.
Aber die Endung bedarf noch einiger Worte. Bei zweisilbigen
(auch mehrsilbigen) Eigennamen scheint dies w-Suffix, nach
den Fickschen Regeln zu urteilen (welchen Robert bei Preller
Myth. I* S. 395 1. beipflichtet), nur weiblichen Kosenamen
eigentümlich zu seim. Soeben hatten wir S. 162 ᾿Αελλώ —
᾿Αέλλοπος. Apuw-Apuörn und Mepw-Mepörn habe ich in den
Analecta Eratosthenica p. 130 vereinigt, massenhaftes Material
liegt inschriftlich, besonders für Phokis und Boeotien, vor.
᾿Αγαθθώ Θεοκκώ Νικοττώ Φιλλώ Zevvw TlapdevvWw Ξενοκκώ
᾿Αμφοττώ ᾿Ιννώ Καλλώ Καλοννιώῦ zeigen sich auch äusserlich in
der Doppelkonsonanz als Kurznamen, deren Langformen na-
türlich nicht jedesmal mit Sicherheit anzugeben sind. So kann
man denn auch bei der Nereide Fıw zweifeln. Vielleicht war
Fioßarıs das ursprüngliche, vielleicht eine Zusammensetzung
mit ποῦς, also etwa Fıörn "schnellfüssig’. So heisst Iphikles’
Tochter, Theseus’ Geliebte, Ἰόπη bei Plutarch Theseus 29 —
wo Wellmann De Istro p. 19 auf Grund von Ath. XIII p. 55Ta
zu schnell ändern wollte — eime thessalische Stadt dieses
Namens bezeugt Stephanos Byz. s. v., den lakonischen Heros
Ἴοψ Pausanias III 12, 4°); vgl. Tümpel im Supplement von
Fleckeisens Jahrbb. 1885 5. 144.
1) Kretschmer S. 170 bringt die Hamatho fälschlich mit der
hesiodeischen Psamathe zusammen (Theog. 260).
2) ΤΤροϊόντων de κατὰ ᾿Αφεταΐδα ἡρῶά Ecriv Ἴοπός τε κατὰ Λέ-
λεγὰ ἢ Μύλητα γενέεθαι δοκοῦντος καὶ ᾿Αμφιαράου τοῦ Οἰκλέους.... καὶ
αὐτοῦ Λέλεγός ἐςτιν ἡρῷον. Lelex gilt als Stammvater des vielum-
strittenen Volkes der Leleger, welche man bald zu Aegyptern, bald
zu einem semitisch-griechischen Mischvolk gemacht hat. Ganz ver-
einzelt steht die allein berechtigte Auffassung, dass die Leleser
Griechen waren und vom Festlande Griechenlands und den davor
gelagerten westlichen Inseln nach der kleinasiatischen Küste gezo-
gen sind, genau so wie die gute antike Überlieferung behauptet.
Λέ-λεξ, redupliziert vom Stamme Aey, heisst “der Auserlesene’; ἐπί-
λεκτος würde das spätere Griechisch sagen und hat Xenophon von
Kerntruppen gesagt (W. Schulze Berliner philol. Wochenschrift
1890 No. 45); προλελεγμένοι nennt die Ilias XIII 689 “die zuvorderst
befindlichen’.
"Ipıc. 169
Ich glaube beobachtet zu haben, dass den Götterdienern
der Sage wie den untergeordneten Personen in der guten alten
Poesie gern nicht Eigennamen, sondern gewisse das dienende
Verhältnis nur im allgemeinen bestimmende Appellativa zu Teil
zu werden pflegen. Den namenlosen τροφοί ἄγγελοι κήρυκες
παιδαγωγοί der alten Tragödie und Komödie entsprechen im
Epos und in der Sage z. B. König Θυέςτης, “der Opferer’
(rex sacrificulus): θυςτάς] ὁ ἱερεὺς παρὰ Kpnciv und θυςτάδες!ὄ
ἐλέγοντο δὲ καὶ αἱ τῇ Περσεφόνῃ ἱερώμεναι Hesychios s. v.
Ferner die Namen Καλλίθυϊα und Καλλιθύεεςα, “die gut Opfernde’
(kakıepoüca)!), Εὐρυβάτης — so heissen in der Ilias je ein
Herold des Agamemnon und Odysseus — Τροχίλος “der Läufer’,
Priester der Demeter in Argos und Eleusis?), bemerkenswert
durch die deminutive Namensform, Texecidpouoc (S. 167). In
diesen Kreis möchte ich die ”Apkoı oder Ἄρκτοι hineinbeziehn,
welche in Brauron und Munichia als Artemisdienerinnen unter
der Priesterin thätig waren®). Warum man diese Mädchen
hätte “Bärinnen’ nennen sollen, ist nieht leicht zu sagen*) und
die Annahme wohl nicht ungerechtfertigt, dass sich in diesem
ἀρκ- ein ganz anderer Stamm als in dem “Bären’ verbirgt.
Nun heisst ἀρκής schnell’ nach Hesych s. v., den das home-
rische ποδάρκης bestätigt, n ”Apkn hat sich der Schwindler
Ptolemaios Chennos p. 195 West. als Schwester der Iris wohl
aus älterer Litteratur hervorgesucht, um ihr eine unglaubliche
Geschichte eigner Fabrik anzuhängen. Durch diese einfache
Erklärung, Αρκοι- Ἄρκτοι “die schnellen’, werden die sonst
versuchten Deutungen dieses altattischen Wortes wohl einiger-
massen zweifelhaft (vgl. Preller-Robert Griech. Mythol. 1?8. 315).
1) Hesych. s. v. ὦ] KoAAıdVecca. “Καλλιθύεεςα᾽ ἐκαλεῖτο (kai wohl
zu ergänzen) N πρώτη ἱέρεια τῆς ᾿Αθηνᾶς: wo Ἥρας eine überflüssige
Vermutung ist. Die Glosse bei Hes. s. v. ἱερόμας] τῶν iepWv ἐπιμε-
Aobuevoc drückt dasselbe aus. Übrigens wird durch sie Οἰνόμαος
(= ὁ τοῦ οἴνου ἐπιμελούμενος) verständlich.
2) Paus. I 14, 2. Schol. Mare. in Aratum 161 u. A.
3) Apollodors Bericht über diese Mädchen in dem Buche περὶ
θεῶν hat G. Stein in seiner Ausgabe der Scholia in Aristoph. Lys.
p. XIII gut hergestellt.
4) Dass Tempelknaben des Poseidon in Ephesos (Amerias Ath.X
p- 425e und Hesych s. v.) ταῦροι hiessen, verschlägt nichts, da ταῦ-
poc, der Stier, etymologisch noch unerkannt ist. Ebensowenig Hes.
5. v. βούςη] (zu schreiben βούς] ἡ) δούλη. Vgl. Back De caerim. p. 26 sqq.
Vielleicht gehört die Glosse μωρίαι] ἵπποι καὶ βόες ὑπὸ ᾿Αρκάδων hierher.
170 Ernst Maass,
V. Über die Bedeutung des Namens der argivischen He-
roine Jo ist viel geschrieben, Mögliches und Unmögliches. Un-
möglich ist die Herleitung aus dem Koptischen, wo joh den
Mond bedeuten soll!): denn Jo hat ursprünglich gar nichts mit
dem Nillande zu schaffen, wie De Aeschyli Supplieibus p. XXI
sqq. von mir erwiesen ist. Eimen prosodischen Fehler begeht,
wer den Namen zum Stamme 1 in ἰέναι stellt und Jo zur Wand-
lerin macht?): die Länge des anlautenden Vokals zeigen die
aeschyleischen Verse. Man wird vielleicht geneigt sein, den
Namen dieser bedeutenden Sagengestalt aufzufassen wie die
Nereide Fıw als “die Flinke’. Sie ist ja Herapriesterin, heisst
sogar im Fr. 4 der Phoronis Καλλιθόη mit redendem Namen,
und ihr Sohn ist der erwähnte Trochilos. Tümpel meinte sogar,
die Gleichung Ἰώ-Ἰόπη für die Heraheroime sei bezeugt S. 144,
sofern bei Eustathios zum Periegeten Dionysios V. 910 Jaffa,
die syrische Stadt, ἀπὸ Ἰοῦς ἢ ἀπὸ ᾿Ιόπης, θυγατρὸς μὲν Αἰό-
λου, γυναικὸς δὲ Κηφέως benannt sein soll?). Doch kann hier
1) Vgl. Plew in Fleckeisens Jahrbb. 1870 S. 665 ff., welcher
die Hypothese mit Recht zurückweist.
2) So Usener (Rhein. Mus. 1868 S. 324), Ed. Schwartz u. A.
Siecke gar hält nur denjenigen für urteilsfähig, der an die wan-
delnde Mondkuh Jo glaubt! Progr. des städt. Progymn. Berlin
1885. — Mit ἰώ sollen die Argiver den Mond bezeichnet haben (vgl.
Roscher 5. v.). Sollte das auf den Stamm εἴ “eilen’ gehen? πόδας
ὠκέα Mnvn, ὦκα Beovca Σελήνη, Bon νύξ u. A. stellt Roscher Selene
S.93 zusammen. Sonst weiss ich nichts mit der Notiz anzufangen.
Irreleitend könnte auch Aischylos Suppl. 149 ff. sein: ὦ Ζήν, ᾿Ιοῦς
ἰὼ μῆνις μάςτειρ᾽ ἐκ θεῶν, “ο Zeus, die Menis, die die Götter gegen
Jo hegen, spürt uns’. Die Wortstellung (sagt man) macht es un-
glaublich, dass in iw der Ausruf steckt. Die Scholien haben das
Wort adjektivisch aufgefasst; denn dass sich in dem sinnlosen ὦ
Ζεῦ, ἡ παρὰ τῶν θεῶν μῆνις κατὰ ᾿Ιοῦς RAHC ἐστι καὶ uacrıywrarn (2) ein
dem uacrırwrarn parallel stehendes Adjektivum verbirgt, ist ohne
weiteres klar und zugegeben. Oberdick schreibt iwönc; “giftig” ist
aber kein dem Götterzorn irgendwie zukommendes Epitheton. Ein
Andrer vermutet noch übler μανιώδης. Mit Rücksicht auf v. 177
(wun ξὺν ὀργῇ) schlage ich QMH vor. Damit soll natürlich nicht
gesagt sein, dass ein durch wun wiederzugebendes Adjektiv in dem
ἰώ des Textes stecke. Geschützt wird ἰώ vielmehr durch die Par-
echese. Ich glaube also, dass ἰώ in Parenthese zu setzen und als
Ausruf trotz der Interpreten zu nehmen ist. Die ungewöhnliche
Stellung scheint mir durch die Neigung des Dichters zur Parechese
veranlasst.
3) Die Stelle scheint aus einem volleren Stephanosexemplar
Ἴρις. {76 Ὶ
die äusserliche Namenähnliehkeit wirksam gewesen sein; ich
gestehe, auf dieses Zeugnis hin Ἰόπη und Ἰώ nicht als Aqui-
valente annehmen zu können. Auch sonst habe ich schwere Be-
denken gegen die Herleitung der argivischen. Jo von «dem Voll-
namen Jope, weil mir, wie Robert bei Preller 1% 5.395, diese
Sagenfigur im Grunde von der Göttin, welcher sie im Mythus
dient, nieht verschieden zu sein scheint. Das weist auch die
Etymologie in eine andere Richtung. Lehrs a. a. Ὁ. und
Kretschmer 5. 170 ff. bringen den Kurznamen Ἰώ mit Fic “die
Kraft’ zusammen!. Als Langformen liessen sich dazu manche
vermuten, von keiner zur zeit aber nachweisen, dass sie die
einzig richtige oder auch nur wahrscheinliche für diese Jo wäre.
Wir müssen uns bescheiden.
Greifwald, im April 1891. Ernst Maass.
Etymologisches.
1. Ai. 2de.
Die öfters vorgetragene Ansicht, ai. öde “verehre, preise,
flehe an’ gehöre zu gr. αἰδέομαι, ist lautgeschichtlich nicht zu
reehtfertigen. Wohl möglich ist aber Zusammenhang mit lat.
aestumäre, g0t. ga- distan, deren Wurzel, wie ahd. era zeigt, ats-
war. Dabei ist zu beachten, dass das got. Verbum ebenso gut
auf ide. aiz-d- als auf ide. ais-t- zurückführbar ist und dass
zu einem aiz-d- auch das lat. Verbum gezogen werden kann,
wenn man es aus *aizditumare entstanden sein lässt (Bartho-
lomae Bezzenbergers Beitr. XII 91 Fussn.). Indessen kann
:de auch hergeleitet werden von yaj- “verehren, huldigen,
opfern’ (gr. @y-ıo-c), Part. ös-fd-s, wonach ?d- aus ?g-d- her-
vorgegangen wäre. Eine sichere Entscheidung zwischen die-
sen beiden Möglichkeiten dürfte kaum zu finden sein. Zur
Wurzelerweiterung mit -d- vgl. ai. mrdd-ti "ist gnädig, ver-
zeiht’ (aus *mr2da-) av. mer“zdika- N. "Gnade, Verzeihung” zu
ausgezogen zu sein. Geffeken behandelte sie nicht richtig De Ste-
phano p. 17 (Göttingen 1889).
1) Kretschmer hat Ungehöriges eingemischt: ων hat mit Ἰώ
nichts zu schaffen.
172 Karl Brugmann,
W. merg- “abwischen’ ai. mrjd-tt “wischt ab, reinigt von
Schuld’ oder zu ai. mis-ya-te “vergisst lit. mörsz-ti "verges-
sen’; ai. kär-da-t "springt, hüpft,, gr. xpa-d-aw "schwinge,
schwenke’ κόρδ-αξ, mhd. scherze schärze “springe lustig’ von
W. (siger- gr. cxaipw “hüpfe, springe, tanze'; ai. tar-d- tr-d-
“durehbohren, spalten, öffnen trndtti tatärda zu tar- “hin-
durchdringen’ u. a. dgl.
2. Gr. ZevFfo-c ZEVo-c.
Über dieses Wortes Herkunft ist schon viel geschrieben,
aber noch nichts allseitig befriedigendes vorgebracht worden.
Ich selbst habe mich an den Deutungsversuchen beteiligt
in Curtius’ Stud. V 226 ff. und Morph. Unt. I 16. Der letzte
Versuch dürfte der von Froehde sein, wonach das Wort als
Zev-Fo-c oder *Zevc-Fo-c zu lat. cena cesna gehören soll (Bez-
zenbergerss Beitr.oXVT 217).
Begriftlich am ansprechendsten ist unzweifelhaft ©. Mül-
lers Verbindung mit lat. hostis und unserm gast (zu Festus
S. 102). Ich habe mich an der angeführten Stelle der Morph.
Unt. zu dieser Etymologie, nach der das Wort in Z-evfo-c zu
zerlegen wäre, bekannt mit dem Zusatz: “Allerdings hat die
Suffixkombination -e-vfo-c im Griechischen meines Wissens
keine weiteren Analogien, aber singulär bleibt das Wort auch
in dem Falle, dass wir die Elemente -ev- zur Wurzel ziehen
und danach das Wort in Zev-Fo-c zerlegen”.
Heute scheint mir die Annahme eines Nominalsuffixes
-evFfo- ganz unbedenklich.
Neben der Präsenssuffixform -no- standen «die Formen
-NNO-, -eNO-, -0NO-. -mmo- 7. B. in armen. IK-ane-m ver-
lasse’, gr. dAp-avw, lit. Arav-inu “mache blutig’ (krüvin-ta-s =
lat. eruen-tu-s). -eno- z. B. in lit. gab-enü bringe‘. -nno-
oder -eno- im ai. is-ana-t “er setze in Bewegung, errege, er-
quicke‘ (hierzu gr. ἰαίνω aus Fic-av-ıw — al. is-an-yd-ti),
krp-dna-te er thut Jämmerlich, erbittet’, av. pes-ana-iti kämpft.
-ono- in den aksl. Verba wie verpgnati: ursprünglich Praes.
#_ona Aor. *-on-s *-a-ss Inf. *-on-ti *-a-ti; indem nun im
Präsens -no- auf Kosten von -ono-, das nur bei konsonantisch
schliessenden Wurzeln vorkam, verallgemeinert wurde, das letz-
tere aber ausserhalb des Präsens blieb, entstand hier eine
Etymologisches. 173
Kompromissform: ein *erogati z. B. ward nach erogna vrpgnesi
u. 5. f. zu erognati umgebildet, worauf -na- auf die Verba
von vokalisch auslautenden Wurzeln wie mi-na überging (vgl.
Wiedemann Archiv f. slav. Phil. X 653 ff.). -nno- oder -ono-
im Germ. in den Inchoativa wie got. ga-vaknan aisl. vakna
ags. wecnan “erwachen‘. Auf ähnliche Abstufungsverschie-
denheiten im Suffix der Verba der ai. IX. Classe (sr-nd-ti)
deuten av. fryan-mahr von ar. prai- “lieben, erfreuen, um
Gnade angehen’ (ai. prö-nr-mds) und hvan-mahr von ar. sau-
“anregen, verhelfen’ (s. Bartholomae Kulhns Zeitschr. XXIX
310). Klarer noch als bei -nd- ist bei -neu- -nu- und der
themavokalischen Gestalt -na-o- derartiger Ablaut nachweis-
bar. Ar. -anau- -anua- — idg. -nneu- -nuo- oder — idg.
-eneu- -enuo- in av. gäth. 2. Pl. debenaota aus "db-anao-ta
von dab- "betrügen', spenva-p "proficiebat’ aus *sp-anua-t von
W. spe- spo- (ai. sphä- sphi-, lat. spe- spa-, german. spe-
spa-), 5. Bartholomae a. Ὁ. 309. Ahd. trinn«a “sondere mich
ab, trenne mich, laufe davon’ aus *dr-en«wo von W. der-
spalten’ (ai. dr-nd-ti), und so möchte ich auch spinnu "spinne’,
das man mit dem von W. spe- kommenden spannu "spanne,
breite aus, bin in erwartungsvoller Aufregung’ d. 1. #spo-nuo
zusammenzubringen pflegt, auf *sp-envwo zurückführen und mit
jenem av. spenva-p geradezu identifizieren. Ferner ahd. rinnu
als *r-enuo zu ai. r-nevd-ti und brinnu als *bhr-enuo zu lat.
fermentum, falls sie nicht näher mit ai. rö-nva-ti hom. öpıvw
(ide. ®r-i-nue-ti) und mit ai. bhri-na-ti (#bhr-i-nd-) zu verbin-
den sind. Für -»nuo- kann man aus dem Griechischen hom.
ikavw aus Fik-avfw neben ik-veo-ucı und kıyavw aus "Kıx-avFw
verwerten.
Die in Rede stehenden Abstufungsverhältnisse ordnen
sich, wie ich hier nur kurz andeuten kann, einem grossen
Kreis von gleichartigen Erscheinungen im Gebiet der präsen-
tischen Stammbildung ein. Z. ἢ. -eio- -ilo- -io- (al. mär-
dya-ti vy-dya-ti hv-dya-ti, mr-iyd-te, här-ya-ti); -eso- -980-
-so- (ai. tr-dsa-ti gr. Tp-Elc)w gr. Z-E(c)w, ai. ci-car-isa-ti, ai.
rdk-sa-ti gr. ἀλέκ-εω); -esko- -sko- (av. is-asa-iti apers.
a-r-asa-m gr. AP-ECKW φεύγ-εεκο-ν, al. ichd-ti av. isa-iti al.
rchd-ti gr. Bü-cke).
Es bedarf schliesslich noch des Hinweises darauf, dass
alle diese Präsensstämme seit uridg. Zeit auch als Nominal-
174 Karl Brugmann,
stämme vorlagen. Man vergleiche, um nur für die Nasalsuf-
fixe Beispiele zu geben, ai. pr’tana-m "Kampf und av. pesana-
iti, ai. krpdna-m Jammer krpand-s jJämmerlich’ und krpaäna-te,
gr. θήγανο-ν und Anyavw, got. us-lakn-s "oftfen’ und ws-lakna,
lit. krürina-s blutig’ und kraveinu, küpina-s “gehäuft” und
küpinu, ai. dhrs-md-s "kühn’ und dhrs-nu-mds, ai. viseam-
ined-s "im alles eindrimgend und i-nva-ti, danu-pinvd-s “tau-
schwellend’ und pönva-ti, mhd. spa-n (Gen. spannes) "Span-
nung’ und ahd. spa-nnu, ahd. ban (Gen. bannes) “Gebot unter
Strafandrohung’ und bannu d. 1. *bho-nuo.
Unser Zevfo-c d. 1. *ghs-enuo-s hat demnach zu einem
verschollenen Präsens *Zevfw gehört, wie ai. -invd-s zu inva-ti,
9. Gr. Nveiko.
Das neben ἤνεγκα bei Homer und sonst auftretende
ἤνεικα aus eveyk- abzuleiten ist ebenso unmöglich wie etwa
die Herleitung von aipew aus Aaypew; neben eveik- stand ein
tiefstufiges evık-, z.B. in ion. ἐξ-ενιχθῆναι (vgl. die Zusammen-
stellungen bei Baunack Inschr. von Gortyn 56 ff.). Unser
Wort gehörte entweder zu ik-Tap “zusammentreffend, zugleich,
nahe’ lat. öco τὲ treffe‘, so dass das Kompositum ev-eık-
ursprünglich “eintreffen machen, in unmittelbare Nähe bringen
bedeutete (vgl. φ 196 ei ποθεν ἔλθοι ὧδε μάλ᾽ ἐξαπίνης καί τις
θεὸς αὐτὸν ἐνείκαι), oder zu Hit. sekiu "ich lange (mit der
Hand)’, mit dem Fick Göttimg. gel. Anz. 1891 5. 207 ἱκανός
Ἱκέεθαι dor. eikw verbinden möchte. Das Kompositum ἐν-εικ-
nahm den Charakter eimes Simplex an und wurde mit dem
laut- und bedeutungsähnlichen ἤνεγκα vermischt. Gleichartige
Wortverkettungen sind schon häufig genug beobachtet.
4. Lat. operiö aperio.
Weit verbreitet scheint die Ansicht zu sein (vgl. z. B.
Fick Bezzenbergers Beitr. I 57, Thurneysen Über Herkunft
und Bildung der Verba auf -öo 28, Stolz Lat. Gr. ? 292, Whar-
ton Etyma Latina 8.6. 69), die auch ieh in meinem Grundr. I
S. 367 f. vertrat, dass diese Verba als op-eriö ap-eriö zu al.
ar- “etwas bewegen, wohm schaffen’, apa-ar- "wegschaften,
beseitigen, öffnen" gehörten. Eine viel bessere und, wie mir
jetzt scheint, die einzig befriedigende Deutung haben Pott
Etymologisches. 175
Et. Forsch. I! 225, Bopp Gloss. “ 9450 und Ebel Kulıns
Zeitschr. VI 202 gegeben, indem sie ai. var- "schliessen, be-
decken, verhüllen’ (api-var- verschliessen, bedecken, verhüllen
apa-var- “aufdecken, enthüllen, öffnen‘) und lit. veria “mache
auf oder zu, öffne oder schliesse’ (At-veriu “öffne, az-veriu
“schliesse’) verglichen, nur dass sie die lat. Gestalt der beiden
Verba im einzelnen nicht zu rechtfertigen wussten. Üorssen
Ausspr. II” 410 hielt Ebel entgegen, diese müssten bei dieser
Herleitung ja a-verio und ob-verio lauten, wie d-voco und
ob-venio. Der Einwand ist hinfällig. Die alten * ap-verio
= op-veriöo wurden lautgesetzlich zu aperiö operio (vgl. 1. Sg.
-bam aus ὃ bhu-a-m, 1. Sg. -bö aus *bhu-ö6, du-bius aus
= bhu-iio-s, fit aus Ὁ bhu-r-t(i)), und bei diesen Formen bliebs,
weil das Simplex ®veröö ausgestorben war und andere Kom-
posita von *veriö, die ihr ὁ lautgesetzlich fest hielten und das
Gefühl für den Charakter jener beiden Formen als Zusammen-
setzungen hätten lebendig erhalten können, nieht vorhanden
waren. Als isolierte Formen entgingen sie den analogischen
Neuerungen, die sie unter andern Umständen aller Wahrschein-
lichkeit nach betroffen hätten. Das lat. # ver-i0 und das lit.
ver-iü decken sich Laut für Laut. Zum Vokalismus der Wurzel-
silbe vgl. ai. här-ya-ti umbr. heriest, as. williu aksl. velja,
gr. ἔρδω aus *uerg-iö, ahd. wirkliu u. a.
In beiden Sprachen wie auch im Indischen waren zuerst
die das Bedecken, Zumachen bedeutenden Komposita vorhan-
den. Die Opposita ap-erio dt-veriu apa-var- stellten sich dann
ebenso ein, wie man z. B. im Deutschen neben zu-decken ein
auf-decken, im Lat. neben ob-tegere con-tegere ein de-tegere
und ein re-tegere, neben con-jungo ein dis-Jungo (entsprechend
im Griech. neben συ-ζεύγνυμι ein δια-ζεύγνῦθμι). neben com-
pesco (zu ai. parc- "mengen, mischen, vereinigen‘) ein dis-
pescö, im Ai. neben vö-bhid- “diffindere, spalten" ein sam-bhid-
“zusammenbringen, verbinden, neben »i-muc- “ablösen, losbin-
den’ ein prati-muc- und ein d-muc- “anbinden, anziehen, an-
legen’ stellte (vgl. Delbrück Altind. Synt. 5. 439, Verf. Gr.
Kamm? 84.216).
Der nächste Verwandte der lat. Verba auf italischem
Boden war das umbrisch-oskische Wort für Thor, umbr. verof-e
“in portam’ osk. veru ‘portam’. Vgl. lit. var-tai Pl. “Thor,
Thür’.
1τὸ Karl Brugmann,
5. Lat. gavısu-s.
Diese Partizipialform darf weder aus ὃ garissu-s = *gavid
+ to- oder *gavidh + to-, noch auch, wie Corssen Ausspr. II?
547 will, aus ὃ gavid + so- (oder *gaerdh + so-) hergeleitet wer-
den, weil dem Lateinischen solche Ersatzdehnung fremd war.
Auch befriedigt die Annahme nicht, man habe von einer Basis
*gau-i- aus (vgl. gr. ταίω “freue mich’ aus *yaF-ıw, ταῦ-ρο-ε
"stolz ) sowohl em *gau-i-dh- (hierzu gaudeo) als auch em
= gau-2-dh- (hierzu gavrısu-s) gebildet. Der Römer wird viel-
mehr zu der Zeit, als #® gavideo noch nicht durch Synkope zu
gaudeo geworden war, das Verbum unwillkürlich mit video m
Zusammenhang gebracht und infolge dessen nach e2su-s ein
gärisu-s gemacht haben. Vgl. die zu κέλομαι κελεύω gehörigen
κελευθ- κολουθ- (κέλευθος ἀ-κόλουθος), die im Anschluss an ἐλευθ-
ἐλουθ- (eXevcoucı εἰλήλουθα) entstanden, ahd. zwezssago "Weis-
sager, Wahrsager‘, das durch Anlehnung an sago Sprecher’
fora-sago ‘Prophet’ aus dem zu ags. zwwztiz "wissend, weise
witza Prophet’ gehörigen wzzago umgestaltet war, u. dgl. m.
(Fleckeisens Jahrbb. 1880 5. 228 ff.)
6.. „ Ir.s faiscim:
Ir. faiscim eymr. gwasgu “drücke, dränge, presse’ zu
ai. väh-a-te “drückt, drängt, presst" pra-vahika "plötzlicher
Drang zum Stuhlgang‘. Wegfall des wurzelschliessenden Kon-
sonanten vor dem Präsenssuffix -sko- wie in com-mescatar
“miscentur” von W. meik- “mischen” und in nascim “binde’
nasc “ Ring’ von W. nedh- “binden.
1. Ahd. serintu.
Ahd. seröntu berste, springe auf, bekomme Risse’ serunta
“Spalte, Ritz, Riss’ nicht zu lit. skrentu skresti “sich mit einer
trocknen Kruste beziehen, krustenartig betrocknen ’, wie Kluge
Et. Wtb.* 316 will, sondern zu lit. skerdziu “berste, springe
auf, bekomme Risse’; das lit. wie das hd. Verbum besonders
oft vom Aufspringen der Haut. Vgl. ahd. springu : gr. ςπέρ-
χομαι; ahd. ringe ags. wringe : lit. verzia; mhd. schrimpfe:
aisl. skorpna. Stamm sgerdh- wahrscheinlich als sger-dh- zu
lit. skör-tö "trennen, scheiden’.
—1
Etymologisches. ΤῸ
8. Lit. sprüstu spräudziu.
Lit. spr&stu "dringe heraus aus einer Klemme, fahre
heraus, entschlüpfe’ (Praet. spradau), sprdudziu “dränge etwas
gewaltsam in einen engen Zwischenraum, klemme’ (die ganze
lit. Wortsippe s. bei Leskien Der Ablaut der Wurzelsilben im
Lit. 47) schliessen sich als d-Erweiterung an lett. sprau-jü-s
sprau-ti-s “emporkommen, empordringen’ (z. B. von der Saat)
an. Vgl. ahd. fliuzu "tliesse‘ lit. plaudziu "wasche, reinige’
pludziu "schwatze’ plästu "gerate ins Schwimmen’ (Praet.
plüdau) zu ai. pläv-a-te gr. πλέ(.)-ὦ, ahd. sciuzu "schiesse’
lit. szaud y-kle "Weberschiffehen” szdadau "schiesse mehrfach’
szdudinu “lasse schiessen’ lett. schaudekli-s “Weberspule
schaudr-s hastig, hitzig’ zu lit. szdu-ju "schiesse’, got. giuta
“giesse’ lat. fundo füdi zu gr. xe(f)-w χύ-τρᾶ u. del. mehr.
Seine nächsten Verwandten ausserhalb des baltisch-slavischen
Zweiges hat das lit. sprau-d- in mhd. spriezen ags. sprütan
"keimen, sprossen ahd. spriaga Stütze’ (aus einem Schössling
gemachter Stab) ags. spreöt "Schaft, Stange’ ahd. spro350
"Sprosse’ u. s. w., deren Grundbegriff der des Hervordringens
aus der Erde war (von Pflanzen und vom Quellwasser, mhd.
wazzers spriez) und für die Kluge (Et. Wtb.* s. v. spriessen)
aussergermanische Anknüpfung vermisst.
9. Aksl. set.
Miklosichs Herleitung der isoliert stehenden 3. Sg. setz
“inquit” aus W. swen- "tönen, erklingen’ (Lex. Pal. Ὁ. 975)
ist lautlich und begrifflich anstössig, und er scheint sie jetzt
selbst aufgegeben zu haben, s. Etym. Wörterb. d. slav. Spr.
S. 291. Ich ziehe das Verbum zur W. kens-, die im Ai. “her-
sagen, aufsagen, loben, preisen’, im Iranischen aber auch ein-
fach "sprechen, sagen’, bedeutet, z.B. in der häufigen Formel
der Dariusinschriften hatiy darayavaus «sayapiya “es spricht
Darius der König’. Ai. 2. Pl. sas-ta, av. 2. Pl. sas-tä (mit
Nasal aus dem Singular) weisen auf ein Präs. ®kens-mi Pl.
#® kns-mes. Die 3. Sg. * kens-t wurde im Slav. lautgesetzlich
zu ®se. Hieraus se-ts, wie pri-jeto für pri-je u. dgl. (8. Les-
τ Handb. ὁ 5: 1950..154. 140}.
Leipzig, 2. Mai 1891. K. Brugmanın.
Indogermanische Forschungen I ı u. 2. 12
175 Christian Bartholomae,
Arica 1.
1. Absol. Lok. mit Part. Praes. im Avesta.
Vgl. Delbrück Ai. Syntax S.387. Bei Hübschmann Zur
Kasuslehre S. 244 ff. und Spiegel Vergl. Grammatik 8.448 ἢ,
nicht berührt.
Die Gathas bieten kein Beispiel. Aus dem jüngeren Avesta
führe ich an:
V.8. 4: jab ahmi nmane jap mazdaiasnöis spa va nd
va iripiap varenti va snaezinti va barenti va [temanham va
aiwi.gato] aian va varetafso varetö.vire gasenti kupa te
verezian aete 76ὶ mazdatasna, ἃ. 1. “wenn in dem Haus
eines Mazdagläubigen em Hund oder ein Mensch stirbt, wenn
der Tag (= an einem Tag, da es) regnet oder schneit oder
stürmt!) [oder nachdem die Dunkelheit eingebrochen ist] oder
wenn (sonst) ein Tag gekommen ist, da man Tiere und Leute
nicht aus dem Hause lässt, was sollen dann die Mazdagläubi-
gen machen?” Die in | ] eingeschlossenen Worte, die den
Satzzusammenhang unterbrechen, halte ich für eine klügelnde
Zuthat späterer Überarbeiter. Dass varenti snaezinti und
barenti nicht 3. Plur. sind, wie man angenommen hat —z. B.
Hübschmann a. ©. 8.249 N. —, sondern Lok. Sing., und dass
sie mit dem Lok. aian zusammengehören?), zeigt deutlich Jt. 16.
10, wo der Gen. steht: tabriaskip haka hsafno varentid
snaezintid sraskintid fianhuaitia?). Zur ganzen Stelle vel.
W. Geiger Ostir. Kultur S. 271; ferner Geldner Studien I
3.121:
1) Zu lat. fläre (J. Darmesteter Etudes irann. II S. 138 f.) und
got. blesan (Verf. Studien II S. 152 Note).
2) Auch aog. 53: apare aian “am folgenden Tag’ Sonst ist
aian Akk. Plur.: vispais aan hsafnaka J. 56. 17 oder Gen. Sing.:
hamahe aian hamala va hsapo 4. 57. 31, ainhe adan ainha hsapo
Jt. 1.18. Vgl. dazu J. Schmidt Pluralbildungen S. 100, Verf. Stu-
dien 1 5. 59 f., 104. Brugmanns Bedenken Grundriss II 5. 578 1.
sind unbegründet; jungav. -an vertritt ar. -an, -ans und -ans.
5) So die Neuausgabe nach zwei Handschriften. Besser wohl
°antia mit den übrigen. — An der ähnlichen Stelle Jt. 5. 120 haben
beide Ausgaben den gemeinsamen Druckfehler frianhunt®.
Arica 1. 19
V. 5. 10: fra hama sakainti!) aba aiwi.game kupa te
verezian aete joi mazdaiasna, d. 1. “wenn der Sommer ver-
geht (vergangen ist), dann im Winter, was sollen da die Mazda-
gläubigen machen?” Die Form hama ist neuerdings bespro-
chen worden bei Verf. Ar. Forschungen II S. 111 und bei
J. Schmidt Pluralbildungen 5. 209 ff.?2). An beiden Orten
wurden sie falsch bestimmt. Ausser an der obigen Stelle fin-
den wir sie noch:
J. 16. 10: ab hama ap zaiene, ἃ. i. “im Sommer und
im Winter”;
V.5. 42: aiwi.gäme dap hama, d. i. “im Winter; aber
im Sommer...”
V.15. 45. atwi.game iba hama, ἃ. 1. “im Winter und
im Sommer”.
V.16. 12: jap va hama .. jab va aete?) zaena, ἃ. i.
“wenn sie im Sommer, .. wenn sie im Winter sind”. Zu zaena
5. unten.
Nir. fol. 75: hama apa..dap aiwi.gäame, ἃ. 1. “so im
Winter wie im Sommer; s. Haug im zendpehl.-gloss. S. 77.
Endlieh: Rama mit dem Gegensatz aiwi.gäme, ebd. 8.38,
126; hama allein, ebd. 5. 76.
Während ich früher hama an der erstangeführten Stelle
als Nom. Plur. — statt sakainti las ich mit Westergaard
‚sakinte —, an den übrigen als zeitlich gebrauchten Instr. Sing.
fassen wollte, hat J. Schmidt es überall als den Nom.-Akk.
‚Sing.-Plur. eines neutralen »-Stamms genommen, der in V. 5.
10 als Subjekt, sonst als temporaler Akkusativ fungieren
würde). Ich halte jetzt, wie gesagt, beide Erklärungen für
verfehlt.
hama ist an allen Stellen, darin hat J. Schmidt recht,
der gleiche Kasus. Und zwar ist es der selbe wie aiwi.gäme,
also ein Lok. Sing. Zu seiner Formation vergleiche Verf.
Bezzenbergers Beiträge XV S. 29 ff. Gleicher Bildung ist
auch zaena “im Winter’ V. 16. 12 (s. oben), das sich zu ai.
1) So richtig Spiegel; s. unten.
2) Auf die schwache Stammform des Worts geht ausser av.
maidiodisemem wohl afgh. manai und pamird. mendäö (Tomaschek
Sitzungsber. ἃ. Ak. ἃ. W. zu Wien XCVI 5. 752) zurück; m ist hm.
3) sc. 70ὲ mazdarasna.
4) S. übrigens auch S. 321.
180 Christian Bartholomae,
heman verhält, wie ksdäma zu ksäman; wegen des innern 7
s. ebenda S. 36 mit Note 2.
Der Akk.-Nom. Plur. eines arischen Neutralstamms *sa-
mar-, den J. Schmidt in hama tindet, würde meines Erachtens
*hamare oder "hamäre zu lauten haben. Sein Versuch, die
Formen aiare und salare als verderbt zu erweisen 2.930,
S. 316 ff.) —, hat meinen Beifall nicht, so wenig wie seine
Erklärung der avestischen Akk.-Nom. Plur. auf -an, die damit
in innigstem Zusammenhang steht. Ich habe mich darüber
bereits Studien I S. 69 ff. geäussert.
Der Einwand, den man allenfalls gegen meine Fas-
sung von hama in V.5. 10 erheben könnte, der nämlich, dass
der Präsensstamm saka- sonst nur medial flektiert wird, ist
hinfällig, wie em Blick auf die handschriftliche Überlieferung
der Stellen darthun kann.
2. Ai. aptyds > av. abwio.
Av. dpwiö kommt nur einmal vor, J. 9.7, als Name des
Vaters des Helden braetaono, der desshalb abwiano oder v0
puprö apwianöis genannt wird. Dem Thraitauna?) Athwja
des Avesta entspricht der Trita Aptya des Veda. Die Zusam-
menstellung aptyds > apwiö ist schon uralt. Ar. Forschun-
gen 1 S.8f. Note habe ich die arische Gestalt des Wortes
zu ermitteln gesucht. Dabei bin ich zu dem Ergebnis gelangt,
sie sei *atpids gewesen — genauer *atpias und *atpiias, die
nebeneinander üblich waren —; *atpias sei geradeswegs zu
av. dbwiö geworden, während das ai. aptyds (zwei- und drei-
1) razäre bei Verf. Ar. Forschungen II S. 150 ist blosser Druck-
(ehler statt °are, wie ich mit Rücksicht auf das bei J. Schmidt a. 0.
5.320 gesagte bemerken will. Eskam mir dort nur auf den Wechsel
zwischen dem r- und n-Suffix an; 5. jetzt Bezzenbergers Beiträge
XV S. 401.
2) Der Name praetaonöo wird doch von einem Nomen Jraeta-
an- herkommen. Dies muss ursprünglich so flektirt worden sein:
*hraetaua, Ptauanem, °taona, °taone etc. Das ao drang zuerst in den
Akkusativ, dann aber wurde zu °taonem ein neuer Nominativ nach
der a-Deklination gebildet. Die gleiche Umgestaltung hat die Fiexion
von äriäräman- im Altpersischen erfahren, vgl. arijäramna Nom.
Sing., artjärämnahja Gen.
Area ik 181
silbig) seine Entstehung eimer volksetymologischen Anlehnung
an ἄρ- “Wasser’ verdanke!).
Gegen diese Aufstellung wendet sich Pischel Ved. Stu-
dien I S. 186: “Trita... hat das Beiwort äptyd-, was nicht
bloss volksetymologisch an @p- angelehnt worden ist... ., son-
dern einen sehr reellen Hintergrund hat und wirklich von ap-
“Wasser” stammt, da Trita von Anfang an ein Gott des Meeres
und der Gewässer war”. Ich kann mir nicht denken, dass
mit diesen Worten überhaupt der Zusammenhang zwischen
tritö aptyds und braetaono apwiö geläugnet werden soll. Ist
das aber nieht der Fall, so kann ich nieht umhin, gegen jene
Bemerkung ein paar Einwendungen zu erheben. Ich will sie
in Fragen kleiden.
1) Ist Pischel der Meinung, dass bei Wörtern, da das
Indische und Iranische lautlich ausemander gehen, im Indi-
schen eo ipso die ältere Form bewahrt sei?, dass also die
lautgesetzlichen Änderungen im Iranischen weniger streng sich
vollziehen als im Indischen?
2) Pischel sagt, Trita sei von Anfang an ein Gott der
Gewässer gewesen. Was heisst “von Anfang an”? Doch
höchstens nur von Anfang der indischen Zeit an. Dass der
iranische Thraitauna ein Gott des Meeres und der Gewässer
gewesen, wird man aus den Geschichten, die von ihm erzählt
werden, mit dem besten Willen nicht herauslesen können.
3) Zweifellos ist num aber Trita-Thraitauna eme arische
Figur. Hält sich Pisehel für berechtigt, die Züge, die wir
vom Indischen Trita kennen, ohne weiteres auf jene arische
Mythenfigur zu übertragen? Das dürfte mit seinen methodo-
logischen Auseinandersetzungen in der Eimleitung zu den ve-
1) Zu Spiegels Bemerkung, Arische Periode S.270N. 5, Verf.
Zeitschrift ἃ. deutsch. mg]. Ges. XLII S. 159, Brugmann Grundriss I
S. 267. Im Neupersischen wiederholt sich die oben angenommene
volksetymologische Wandlung des Worts. Neben dtbin treffen wir
äbtın, das gewiss an ab " Wasser’ angeschlossen ist. Spiegel frei-
lich meint a. O., abtin zeige die mittleren Konsonanten in der “rich-
tigen’ Reihenfolge. Aber arisches pt wird im Neupersischen doch
durch /t vertreten, nicht durch bt! Die Gruppe bt kann gar
nicht alt sein. Das Pehlevi hat, nach der gewöhnlichen Umschrei-
bung, äspijän (z. B. Bund. 32. 4, 7, 8). Weiteres bei Justi Hand-
buch S. 50.
182 Christian Bartholomae,
dischen Studien I— 5. besonders S. XNXIX — schlecht in Ein-
klang zu bringen sein).
4) Ob die durch Trita und Thraitauna vertretene ari-
sche Gottheit mit dem Meer und dem Gewässer in näherer
3eziehung stand, wissen wir nicht. Dafür lässt sich eben nur
das Indische anführen. Ist es nun Pischel etwa unbekannt,
dass die volksetymologische Umgestaltung eines Worts, insbe-
sondere eines mythologischen, völlig neue Anschauungen her-
vorrufen kann? Was hat unser Wort Sändflut, die “um der
Sünden der Menschen willen veranstaltete Überschwemmung ”
--- “die berühmte und unantastbare Umdeutung ”, wie Andresen
es nennt — “von Anfang an” mit der “Sünde’ zu schaffen?
Gilt es Pischel für ganz ausgeschlossen, dass der vedische
Trito aptyas erst dann zu einem Gott des Meeres und der Ge-
wässer geworden ist, als sein Beiwort dptyas aus *atpyas
hervorgegangen war?
Sollte Pischel in der Lage sein, den hier vorgetragenen
jedenken wirksam zu begegnen, so werde ich gerne bereit
sein, die Thorheit meiner Aufstellung über aptyds > abwio ein-
en, Andernfalls freilich müsste ich behaupten, dass
Pischel sie mit ganz nichtigen Gründen bestritten hat, und
ohne auch nur den Versuch gemacht zu haben, die Erwägun-
gen, die dazu führten, zu prüfen und zu würdigen.
3. Ai. asdsa > äsisa > äsis etc.
Vgl. dazu Lanman, Journ. of the Am. Or. Soc. X 5. 492 1.
) Freilich verstösst Pischel auch sonst dagegen. AufS. XVII
wird geschrieben: “50. hat Bartholomae (BB. XV S.2f£.), ohne eine
Ahnung der dabei in betracht kommenden indischen Vorstellungen
zu haben, lediglich durch Herbeiziehung von av. jahika die richtige
Deutung des vedischen hasra gegeben”, Ist das, frage ich, metho-
disch, arische Wörter aus indischen Vorstellungen heraus zu erklären?
[Und worin bestehen nun “die in betracht kommenden in-
dischen Vorstellungen”, deren blosse Ahnung mir sogar versagt ist?
Das wird uns auf S. 196 mitgeteilt: “ Das Lächeln des Mädchens ist
die Zustimmung zu den Wünschen des Mannes und hasrd "die
Lächelnde’ ist der vedische Ausdruck für Buhlerin, Hetäre”. Es
kommt mir so vor, als ob dergleichen glückverheissendes Zulächeln
ausserhalb Indiens, sagen wir einmal bei uns in Deutschland, auch
gelegentlich beobachtet werden könnte.]
Zur ganzen Frage s. auch noch Verf. Bezzenbergers Beiträge
XVII S. 339.
Ariea 1. 183
492 ff. Das iin asisa ist zweifellos das nämliche, wie das im
sismds und dsisat ete.!), d. 1. idg. 9. Die alte Flexion des
Worts lässt sich noch mit hinreichender Sicherheit herstellen.
Der alte Nom. Sing. war *asäs. Er ist nicht bezeugt,
aber sicher vorauszusetzen für den Akk. asdam AV.6. 119.5,
der dazu gebildet ist wie z. B. medhäam zu medhäs. asam
selber rief dann wieder neue Kasusformen nach der femininen
a-Deklination hervor: asds N. Pl., asäbhyas ete.; vgl. medhä
N. Sg., medhäya Instr. u. 5. w.
Der Akk. Sing., Nom. (Dual. und) Plur. hatten ebenfalls
die Stammform mit as, lauteten also *asasam, *asäsas. Be-
zeugt ist der Nom. Plur. sisasasas AV. 18. ὃ. 162).
Die Verbindung des Nom. Sing. *asds mit solchen No-
minativen wie acetäs, arepäs u. 5. w. erzeugte nach dem
Muster acetdsam, arepdsas die neuen Formen asdsas Nom.
Plur., und im weitern Anschluss daran asdsa Instr. Sing.,
asdsas Akk. Plur.
Die übrigen Kasus, die ursprünglich den Akzent auf
der Flexionssilbe trugen, bildeten sich aus der “schwachen
Stammform mit ἐδ: der Akzent ist durchweg auf das ὁ getre-
ten: asisa Instr., asisi, prasisi Lok., asisas, prasisas Akk.
Plur.
Das is wurde nun aber auch auf die starken’ Kasus
übertragen. Wir finden so die Akk. Sing. asisam, prasisam,
die Nom. Plur. asisas, prasisas. Und endlich dringt das ὁ
auch in den Nom. Sing. em: asisg. Das lange > darin ver-
dankt seine Entstehung der Analogie der as-Stämme — vgl.
2. B. acetäs > acetdse — u. a., oder auch einem Kompromiss,
etwa wie das 2, ὦ in mantri?), ger, pür u. 5. w.; 5. Verf. Bez-
zenbergers Beiträge XVII S. 114 mit Note 2, Studien I S. 21f.
Note®). Die Erklärung, die de Saussure Memoire S. 250,
) Av. sisä etc. mit falschem 7 statt @.
) Gehört dazu av. frasäabiö J.29. 5? S. Verf. Ar. Forsch. III
S. 40 ff.
3) Wegen der vedisch-avestischen Differenz mantrı > maphraä,
mantrine > mapräne sei auf aind. söomanam RV.1. 18.1 verwiesen,
das die Bedeutung von söminem hat, und auf nikamabhis 10. 92. 9
neben kämi kaminas. Die herkömmliche Fassung der Wörter ist
freilich eine andere.
4) Dass der Wechsel ὦ > u, wie er z. B. bei gr. μῦς > uvöc
vorliegt, schon ursprachlich ist, gestehe ich J. Schmidt Pluralbil-
184 Christian Bartholomae,
264 und Brugmann Grundriss II S. 534 für ger, pur u. 5. w.
vorschlagen, halte ich trotz des Hinweises auf ksds, g0sds
ete. für nicht zutreffend. In Übereinstimmung mit J. Schmidt
erachte ich das Verhältnis von (z. B.) ai. ksäs > av. zd zum
Lok. Sing. ksdami > av. zemi (J. 10. 17)!) dem für völlig
genau entsprechend, welches zwischen gr. βῶς = lat. δὸς und
al. gdei, zwischen gr. Ζής > lat. dies und ai. dydvi?) besteht.
Das zugehörige griech. χθών ist zunächst für ἔχθωμ, dann
aber weiter für ἔχθως eingetreten; die Reihenfolge in der
Formenentwicklung war: ἔχθως > ἔχθομι; ἔχθωμ > ἔχθομι:
χθών > ἔχθομι, χθών > χθονί. Pischels Bemerkung zum aind.
Nom. Sing. pär: "formell = πῦρ. (ved. Studien I S. 185) ist
mindestens recht unklar.
Gegen die de Saussure - Brugmannsche Zurechtlegung
der Flexion von Wurzelstämmen auf » lässt sich auch das
avestische parendi?) geltend machen. Das Wort ist zweifel-
los mit dem aind. piramdhis aufs engste verwandt. Wir haben
darin ein Kompositum mit einem Akk. Sing. als erstem Kom-
positionsglied. Av. #parem geht auf ar. *param, aind. *puram
auf ®prram. In der arischen Flexion des Worts muss also ar
mit 27) gewechselt haben, und es ist an sich klar, in welchen
Kasus das eine, im welchen das andre altheimisch war. Das
gemeinsame arische Wort ist mit #parandhis anzusetzen; "paran
aus ®»aram ist der Akk. Sing. eines mit aind. purds, gr. πολύς
u. Ss. w. zusammengehörigen Wurzelnomens. Im Avestischen
wurde das Wort in die Flexion der 7-Stämme überführt, sonst
aber nieht verändert. Im Altindischen dagegen wurde ®paran
durch den neu aufgekommenen Akkusativ #param ersetzt, des-
sen zr von den obliquen Kasus mit vokalisch anlautendem
Suffix bezogen ist. Das genannte Wurzelnomen muss also in
frühindischer Zeit noch viel gebraucht und die Herkunft von
dungen S. 209 ohne weiteres zu, behaupte aber, dass er sich in
der Ursprache in gleicher Weise ergeben hat, wie in den obigen
Beispielen innerhalb des Indischen.
1) Zweisilbig. Zum Verhältnis von k$>z vgl. Verf. Bezzen-
bergers Beiträge XV S. 25, XVII S. 344. Das ai. g in gmas neben
Jmas ist allenfalls nach Verf. Studien II S. 42f. zu beurteilen.
2) Mit dem gr. Ζεύς ai. dyaus deckt sich formell εἷς — kret.
ἕνς aus *sems.
3) So — mit ἃ — in der Neuausgabe überall ausser J. 38.2,
13.1, Vsp. 7. 2; vgl. jedoch die Varianten.
Arica 1. 185
*pärandhis dem Spreehenden noch deutlich gewesen sein);
sonst wäre eben jene Veränderung nicht möglich gewesen.
Zur Bedeutung der Wörter s. Hillebrandt Wiener Zeitschrift III
SB, 259#r., Pischel a. Ὁ. S.'202 ff.
4. Av. jüsm’ > hsm°, Pron. 2. Person.
Fr. Müller, Wiener Zeitschrift IV S. 309 glaubt die
Entstehung der zweiten Form aus der ersten durch den An-
satz folgender Entwieklungsreihe darthun zu können: "jush-
maäka = gushmaka = geshmäka = yshmäaka'. Ich vermisse
dabei folgendes: 1) einen zweiten Beleg für den Wandel von
7 in 4: 2) einen zweiten Beleg für die Reduktion von x in ὁ
(Schwa); 3) einen zweiten Beleg für den Ausfall eines derart
reduzierten Vokals?) und für die im Zusammenhang damit
stehende Umsetzung eines d m y. Bis diese Belege erbracht
sind, halte ich jenen Ansatz für verfehlt.
Das bei Verf. Ar. Forschungen III S. 20 aufgestellte
Gesetz — absolut anlautendem ar. 5?) vor Konsonanz wird im
Iranischen eine gutturale Spirans vorgeschlagen — bleibt trotz
Fr. Müller bestehen. Wegen seiner Bedenken hinsichtlich des
avest. hsuas sei auf Verf. Beiträge S. 156 verwiesen; Ficks
seltsame Etymologie “2. khvas*) = ksveks = (pen)k’e-se-
veks (ὁ) — das soll heissen “fünf um eins wachsend’ —, Wör-
terbuch I* S. 151 wird wohl schwerlich viel Gläubige finden.
Zungen bei Verf. a. 0.8.19 f. "und! Studien: IT’S. 57
gegebenen Beispielen kommen noch hinzu:
rm2
av. zihsnanwhemnö Jt. 15. 49, 73 > ai. jijnasamanas.
1) Historisch beglaubigt ist nur purbhis RV. 5. 66. 4.
2) Wegen frahstata, angeblich — frahrstata 5. unten S. 186.
3) Absolut anlautend ist ein Laut dann, wenn er nach irgend
welcher Pause steht. Der Satzinlaut, innerhalb dessen Satzsandhi
stattfindet, reicht von Pause zu Pause.
4) Lies khsvas. Die Zahl der Druckfehler ist ganz ausser-
ordentlich gross. Allein in den arischen Wörtern, die ich mir ge-
nauer angesehen, habe ich einige hundert gefunden. Die Bemer-
kungen auf S. VII unten müssen übrigens sehr, sehr viel entschul-
digen. Stützt sich doch Fick z. B. für das Altpersische noch auf
die erste Auflage der Spiegelschen Keilinschriften. Da treffen wir
noch aisa " ging’ mit den wundersamen Trennungspunkten (S. 158),
ferner kamana treu’ (ὃ. 183), ndviya * die Schiffe’, Akk. Plur. (S. 276)
u. a. m. Dem arischen Teil des Buchs gegenüber ist Vorsicht bei
der Benutzung aufs dringendste zu empfehlen.
186 Christian Bartholomae,
Lautgesetzlich richtig wäre zisn’, wie auch verschiedene
Handschriften bieten; s. noch J. 57. 6 (4) u. s. hsn° ist die
Form des absoluten Anlauts, cf. ap. hsnasatij > lat. gnösco!).
Av. ahstap, frahstäite u. s. w. Der Ansatz einer beson-
dern Wurzel’ dafür — s. Geldner Studien I S. 157 ff., Verf.
Beiträge S. 52 — ist unnötig. Ich kehre zu dem zurück,
was ich schon Handbuch S. 158. 23 lehrte. Ar. sta- ist wie
ai. sthrv- u. Ss. w. zu beurteilen, s. Verf. Studien II S. 42%
Es verdient beachtet zu werden, dass Ast’ nur im Inlaut und
nur nach a, ἃ auftritt; Geldners *nihstata Jt. 10. 127 hat die
Neuausgabe beseitigt. Die alte Erklärung von frahstata aus
*frahistata, die auch bei Fick a. Ο. S. 355 wiederkehrt, ist
ganz unhaltbar.
Ich sehe jetzt die avestischen Pronominalformen mit
hsm’ für iranische Analogiebildungen an, und finde in ihnen
erst recht eine Bestätigung des von mir aufgestellten Lautge-
setzes über das nachgeborene ἢ. Der Veda hat bei der 2.
Person folgende Dualformen: yurdm Nom. yuram Akk.,
yuvdbhyam, yuvabhyam Instr., yurdd Abl., yurös, yurdyos
Gen., endlich das tonlose cam, Akk.-Gen.-Dat.; das Avesta
fügt dazu noch den Genetiv judkem. Die andern Formen
sind im Iranischen nicht nachweisbar, lassen sich aber nach
dem Indischen unschwer herstellen. Der Nom. wäre *iuuam,
der Akk. *ruuam, dagegen in unbetonter Form *uam. Die
betonten Dualformen unterschieden sich somit von den unbe-
tonten durch das Mehr des anlautenden iu. Dieses Verhältnis
wurde vom Dual. auf den Plural übertragen. Neben die be-
tonten Kasus mit Zausma-?) traten tonlose mit *sima-, das sich
noch im Uriranischen im absoluten Anlaut in #7sma- umsetzte.
In den absoluten Anlaut konnte *sna° bei der Proklise ge-
raten. Es ist aber auch möglich, dass die zunächst tonlosen
Formen mit #sma’ so frühzeitig schon auch betont gebraucht
wurden, dass sie noch unter jenes Gesetz fielen: s. dazu Brug-
mann Grundriss II S. 831 zu gr. vw. Im Avesta sind die
Formen mit jasm’ und mit Asm’ völlig gleichwertig. Die
1) Lautgesetzlich korrekt ist uhdasna * der die Sprüche kennt’
(im Zendpehl.-Glossar) gegenüber frähsnenem u. Ss. W.
2) Das ἢ in av. jüsma° beweist nicht viel; es kann gar wohl
für u geschrieben sein. Andernfalls mag es aus dem Nominativ
stammen, wie J. Schmidt Pluralbildungen S. 219 will.
Ariea 1. 187
mit sm’ sind verschollen; über einen ähnlichen Fall s. Brug-
mann ἃ. 0. 5. 803. Es scheint aber, als ob im Pehl., Neu-
pers. suma das altiranische *smakam sich erhalten habe; we-
nigstens sollte man für #7smakam nach husnad > av. hsnüto
vielmehr *=husma erwarten!). Dem entsprechend wird man
das neup. sinahtan an av. sna in uhdasna (S. 186 N.) anzu-
schliessen haben. Der Wandel von altir. ἢ zu neup. s ist
nur für die Stellung vor Vokalen sicher nachweisbar; s. die
Beispiele bei 1. Darmesteter Etudes irann. I S. 84ff., der
aber arisch ks und hs (Verf. Studien I S. 56, II S. 19)
nicht auseinander zu halten weiss.
[Neup. sas ‘sechs’ gegenüber av. hsuas beweist nichts; im
Arischen standen *sas und suas nebeneinander (Verf. Beiträge
S.155 f., Brugmann a. Ὁ. S. 477), und das gleiche wird auch
im Uriranischen noch der Fall gewesen sein. Auffällig frei-
lich sind neup. bahsidan und ἐμ δα, für deren 7s man $ er-
warten sollte. Stammt As aus Wörtern, darin ein Konsonant
folgte? Oder haben wirs mit Dialektmischung zu thun, die
ja im Iranischen so überaus häufig vorkommt? Das ἢ von
altiran. ἢ 5. hat sich erhalten z. B. im Ossetischen, 5. Hübsch-
mann Oss. Sprache 5. 26, 99, 10] 3): ferner im jidghah,
vgl. hsavah, hsirah, ahsın, ahsah bei Tomaschek Bezzen-
bergers Beiträge VII S. 195, 202, 204, 206. Dialektmischun-
gen jeder Art haben im Iranischen seit ältester Zeit in grossem
Umfang stattgefunden; vgl. dazu Verf. Zeitschr. d. dtsch. mgl.
Ges. XLIV S. 551. Aus dem Altpersischen sei hier beispiels-
weise auf die Differenz aufmerksam gemacht, welehe zwischen
uva’ — al. δυᾶ", av. va’ und °farna (" fara) = av. "lvarenä
in vzdaf° besteht; vgl. J. Darmesteter a. Ὁ. I 5. 95, Stein
Zoroastrian deities S. 5. Nur in den Gathas des Avesta ist
1) S. ferner unten zum oss. smah.
2) Das oss. smah ‘ihr’ wird also wie das neup. suma altir.
*"smakäam wiedergegeben. Wegen des auslautenden A s. oss. mah “wir’
und ap. amaham, wozu Verf. Ar. Forschungen I S. 79 Note.
Ebenso hat sich im Össetischen die Spirans / des altiran. fs
gehalten, das sonst ebenfalls zu καὶ geworden ist; vgl. oss. äfsärm > av.
fsarema-, np. sarm; 5. dazu np. saban — altir. *fsupana-, Hübsch-
mann Zeitschr. d. dtsch.-mgl. Ges. XLIV S. 560. Unklar ist mir
das Verhältnis von np. pistan zu av. fstäna-. In Übereinstimmung
mit Ausnüd (oben), wäre *fistan zu erwarten.
188 Christian Bartholomae,
uns ein, soweit dies möglich, reiner iranischer Dialekt er-
halten.]
5. ΑἹ. kanya ete. und av. kaine ete. “Mädchen’.
Im Rg- und Atharvaveda treffen wir folgende Formen:
Sing. Nom. kanya.
(en. kandyas.
Lok. kanyayam.
Plur. Nom. kanyas.
Gen. kanyänam, kaninam.
Lok. kanyasu.
Dazu fügt das Avesta noch:
Sing. Nom. kaine, kaint.
Akk. kaniam, kainınem (V. 15. 9).
Gen. kania, katnıno, kainino.
Plur. Nom. kaininö, kainino, kainina.
Akk. kainio.
Dat. katnibio.
Das Petersburger Wörterbuch nimmt zur Erklärung der
indischen Formen zwei Stämme an: kand- und kanya-; für
die avestischen setzt Justi ebenfalls zwei an: kanid- und
kainin-. Aber die Rechnung geht leider nicht glatt auf, weder
hier noch dort. Von den indischen Kasus bleibt der Gen.
Plur. unerklärt. Denn was Lanman Journal of the Am. Or.
Soc. X S. 364, dazu bemerkt: “The gen. pl. of kania,
kantandm, always appears in a contracted form, kanınam
(five times)” ist doch nur eme Anerkennung der Schwierig-
keit, keine Erklärung derselben. Auch hätte man sich noch
mit dem Vers RV. 9. 56. 3b abzufinden: jardm nd kanyana-
sata; nach dem Metrum enthält er einen Fehler, welcher nur
in kanya (ἃ. 1. *kaniya) stecken kann!)
Und von den avestischen Formen bleibt zum mindesten
der Akk. Plur. kainio (jt. 17. 59) dunkel. Dies so wie das
eben erwähnte ai. kanınam scheinen auf einen Stamm kanz-
hinzuweisen, wozu sich auch av. kaini und kainibiö ziehen
lassen. kanid kann eben dazu oder auch zu kanid- gezogen
werden; vgl. vairia stöis J. 45. 15 und unten.
1) Wenigstens ist sonst das y im RV. überall silbebildend.
Anders freilich im AV.
Arica 1. 189
Somit wäre zur Entwicklung der arischen Kasusformen
des einen Worts der Ansatz von vier verschiedenen Stämmen
nötig: kand-, kaniia-, kant und kanin-. Das sind drei mehr
als man zu eimer wirklichen Erklärung brauchen darf. S.
Verf. Bezzenbergers Beiträge XV S. 14, 30 f.
Einen andern Weg hat neuerdings Zubaty eingeschlagen,
Kuhns Zeitschrift XXXI S. 1 Er will alle Formen auf
einen idg. zi@”n-Stamm zurückführen. S. auch Brugmann
Grundriss II S. 529, 723. Nun ist es ja freilich verlockend,
den Nom. Sing. ai. kanya mit griech. Nom. wie Kpoviwv
(Brugmann ebd. S. 357) zu vergleichen und wegen der Flexion
Nom. kanyä > Akk. (av.) kaininem auf lat. caro > carnem,
lat. legio > osk. leginum zu verweisen. Allein die Reehnung
stimmt leider wiederum nicht. Der Gen. Sing. ai. kandyas
lässt sich, so weit ich sehen kann, mit der Annahme eines
»-Stamms durchaus nicht veremigen!). Freilich verweist Zubaty
noch auf die Ableitungen kanydna, kaninakdä und kaninas,
die den selben »-Stamm enthalten sollen. Es war aber doch
auch das mit kanydna gleichbedeutende kanyala zu erwähnen,
und dies aus einem »-Stamm herzuleiten sehe ich keine Mög-
lichkeit.
Mir scheint, dass man von einem femininen Stamm auf
d*i- auszugehen hat, wie solche in den griechischen Formen
wie Antw, Antw, Λητοῦς enthalten sind. Vgl. dazu J. Schmidt
Kuhns Zeitschrift XXVII S. 374 ff.
Der arische Nom. Sing. zu *kanai- ist mit *kand anzu-
setzen, und so ist aller Wahrscheimlichkeit nach RV. 9. 56. 3
statt des überlieferten kanya herzustellen. Für die Existenz
eines aind. *kand spricht auch der Gen. Sing. kandyas, der
dem Nominativ nach dem Muster der «-Stämme angeschlossen
wurde. Der avestische Nom. Sing. kaöne ist nicht sicher be-
stimmbar. Er kann dem aind. kanya entsprechen, wie ich
Handbuch ὃ 241 annahm, kann aber auch wie z.B. kainike,
näirike (J. 23. 3) u. 5. w. gebildet sein?); dann würde sich
1) Es soll übrigens nicht verschwiegen werden, dass kanayäs
zwar 4mal bezeugt ist, dass aber alle Stellen einer Hymne ange-
hören: BRV. 10. ,61.
2) Das Vorhandensein soleher Formen im Gathadialekt wird
von J. Schmidt Kuhns Zeitschrift XXVII 5. 385 zu Unrecht be-
stritten. S. noch Geldner ebd. XXX S.533 zu, bwör in J. 48. 8 —
190 Christian Bartholomae,
kaine zu ai. "kand stellen etwa wie perene (V. 2. 8ff.) zu
purna.
Der Akk. Sing. lautete in alter Zeit wohl *kanatam
(vgl. av. kauaem, Verf. a. Ο. 8. 226); entsprechend gr.
Antw, statt “τῶ aus “τόα, von wo aus das o in den Dativ
“τόι, Gen. “τόος übertragen wurde; s. das folgende.
Die obliquen Kasus hatten ursprünglich die schwache
Stammform neben kanat- und kanät-, d. 1. kant, kanii-.
Aus ihr leiten sich her: av. kainio und kainibio (mit ὁ statt
8). Ar. *kaniias, *kantbhias mit "nadiias, *nadıbhias (ai.
nadyas, nadibhyas), *dainitas, *"daiuibhias (av. daeuio, ai.
devibhyas) in Beziehung gesetzt, riefen den neuen Nom. Sing.
*kanı = av. kaini und den Gen. Plur. *kanınam = :äi.
kaninam hervor. Allenfalls beruht auch av. kainibio bereits
auf Neubildung!). Nach dem selben Paradigma ist ferner av.
kania gebildet, Gen. Sing. = ar. "kanias oder kaniias. Den
gleichen Ausgang hatten aber vordem die d-Stämme; vgl. ai.
gnäs (in gnäspdtis), av. daenä J. 34. 15, vairid 4. 43. 135,
kipa V.5. 26. Auf diese Weise konnte ein neuer Nom. Sing.
entstehen *kaniia — ai. kanya, dessen Bildung das Neben-
einander von "kant und *kand noch besonders gefördert
haben mag. Aber auch noch ein andrer Weg kann zur 2a-
Deklination geführt haben. Im Gen. Sing. stand *kanaias
(= ai. kandyäs) neben kanitas (= av. kaniä), das kann
gar wohl der Anlass zu der Mischbildung *kanitaias (= ai.
kanydyas) gewesen sein?). Danach erklären sieh von den
indischen Formen kanyä, kanyayam, kanyas, kanyanam,
kanyäsu, von den avestischen kaniam und allenfalls kaine.
Die Betonung der indischen Kasus auf dem ὁ (kaniya) wird
davon herrühren, dass früher z. B. neben dem Nom. Sing.
"kand der Akk. Plur. *kaniyas (av. kainio) stand, die sich
[in der Übersetzung des Verses 5. 526 ist das Wort vergessen] —
und zu berehde in J. 48. 6 ebd. 5. 525, 531.
1) Av. kainika wird zu kaini nach dem Vorbild nairika >
näirt geschaffen sein.
2) Auf der andern Seite dürfte der Wechsel von *kanräas
(oder *"kantiras) mit *kandiäas die Genetive av. haendä (J. 9. 18)
neben haenaid, ai. senayäs, haoia 4. 11. 1 neben hauala u. 5. νν.
ins Leben gerufen haben. Danach auch gaepiai J. 9. 3ff., Dat.
Sing. neben gaepbarar u. Ähnl.
Arica 1. 191
ihrer Bildung und Akzentuirung nach ganz mit aksa > u-
ksdänas (mit an aus 2222) vergleichen lassen. Der dem » zu-
nächst folgende Sonant hat überall den Ton.
Schwierigkeit bereiten der Erklärung ohne Frage die
avestischen Kasus mit ön, τ. Aber sie wird auch dureh Zu-
batys Fassung — vom Gen. Sing. kandyas ganz abgesehen —
nicht beseitigt, da für die angenommene Flexion * kanita(n) >
*=kaninas (Gen.) eim Analogon auf dem gesamten arischen Ge-
biet nieht aufzutreiben ist. Dagegen finde ich für meine Deu-
tung eine Stütze in av. kewinöo J. 51. 12. keuinö (Gen. Sing.
verhält sich zu kaua (Nom. Sing.; zum Thema 5. S. 190) wie
kainino zu ai. kand.
Die Gathastelle ist zuletzt von Geldner Kuhns Zeitschrift
XXX S. 524 behandelt worden. Er übersetzt die Worte vae-
piö keuino mit “Vaipja, der Kavianhänger 1): s. auch Verf.
Bezzenbergers Beiträge XIII S. 83 Note. Es ist aber nicht
1) Ehd. wird peretö zimo übersetzt mit "im härtesten Winter’,
indem pereto als Lok. Sing. zu *peretis > ai. pürtis genommen
wird. Aber die Lok. Sing. der a’-Stämme gehen im Gathadialekt
sonst ausschliesslich auf -@ aus; auch im jüngern Avesta ist -ὸ (=
av. -au) bei den ar-Stämmen ganz Selten; 5. Verf. Bezzenbergers
Beiträge IX 5. 308f. Vielleicht ist peretö zimö “an der Brücke des
Winters’ doch eine Ortsbezeichnung; 5. ebd. XIII S.83. Ein zweiter
gathischer au-Lokativ der «-Deklination ist astöo J.51. 12; 5. Verf.
ebd. XV 5. 12 gegen Geldner a. Ὁ. Entsprechende indische Bil-
dungen sind sänöo — das man freilich durchaus nicht gelten lassen
will — und vastöo; 5. Kaegi Festgruss S. 481, Verf. a. O. 5. 185 ἢ,
205 ff. Das jüngere Avesta stellt dazu: amhö J. 71. 16, anhaua
Jt.6. 3, V.9.1, gätaua J. 65. 9, dainhaua J. 9. 24, Vsp. 12. 5, zan-
taua ΒΡ. 12.5 — mit postponirtem a; 5. Jackson Am. Or. Society's
Proceedings 1889 S.CXXV, Caland Kuhns Zeitschrift XXXI 8. 263 —:
die Keilinschriften margauv, babirauv und — mit der Postposition —
ufräatauva, dahjauva, gabava, 5. Verf. Bezzenbergers Beiträge XIII
S. 69. Die gewöhnlichen jungavestischen Formen auf -u0 : zantuo,
dainhuö, hinduö, anhuo u. s. w. sind aus den ö-Formen zantö ete.
hervorgegangen, ganz wie z. B. ai. sakhydau aus *sakhäu.
Die Übersetzung der dritten Zeile von J. 51, 12 bei Geldner
kann meines Erachtens auch noch nicht richtig sein. hiap höi im
karataska aodereskäa zölsenü vazä soll heissen: “auch als seine bei-
den Zugtiere und zwar zitternd vor Kälte zu ihm kamen’. Die
verschiedene Fassung der beiden auf einander folgenden kä —
“auch’ und “und zwar’ — halte ich für unthunlich. Auch dürfte
das mit auch’ gegebene ka doch nicht hinter dem Verbum finitum
stehen. Das nächstgelegene ist jedenfalls kar° und aod°® zu koor-
192 Christian Bartholomae,
einzusehen, warum hier vaepio etwas anderes bedeuten soll als
V. 8 32. Der Anschluss des Worts an ai. vipra-s, dem ich
selber früher beipflichtete, ist doch sehr gesucht. S. auch
Spiegel Kommentar II S. 410 f. Mit kauad wird von Zara-
thustra eine ganz bestimmte Persönlichkeit gemeint, wie insbe-
sondere J. 44.20 zeigen kann; s. dazu Geldner Bezzenbergers
jeiträge XII S. 98. Seine Anhänger werden nicht als *keuzna,
sondern als kauaiö bezeichnet, J. 32. 14, 46. 11; s. Verf.
Beiträge: 8. 12, Geldner a. 0. XIV S. 3f. "Indem engen
Kreis, an den sich Zarathustra wendete, kannte sicher jeder
den vaepio keumo gerade so gut wie den kaua selber.
Das » von keuinöo muss dem in ai. kavind, Instr. Sing
gleichgestellt werden; \s. dazu Verf. Ar. Forschungen I S. 63,
;rugmann Grundriss II S. 724 f. kauznö verhält sich zu kauois
— al. kaves wie av. kaoiam, Gen. Plur. zu ai. kavinam und wie
ai. pdtina zu pdtya. Freilich ist es auffällig, dass das n, das
doch aus dem Neutrum stammt, bei dem femininen Wort für
“Mädchen sich im Avesta so häufig vorfindet. Es ist zusam-
Or
.
men 13mal bezeugt, Imal im Akk. Sing. — V. 15.9 —, 4mal
im Gen. Sing. — Jt. 5. 64, 126, 13. 107, 22. 9 —, Smal im
Nom, Blur. τ Τὺ ὃν 87,.15.739, 17.411,54, 55,36. 73223
V. 12. 7 (Glosse). Man berücksichtige aber dabei, dass die
4 Stellen mit dem Gen. Sing. und ebenfalls 4 mit dem Nom.
Plur. den gleichen Wortlaut haben, also auf die gleiche Quelle
zurückgehen. Förderlich für das Überhandnehmen der %-
Formen mag das Vorhandensein von Wörtern gewesen sein,
welche den indischen kanydna-, kaninakd-, kantna- entsprachen.
Insbesondere aber hat meines Erachtens das maskuline Gegen-
stück dazu beigetragen, nämlich Ὁ juan- (d. i. juuan-; s. Verf.
Handbuch S. 86 f.). In Jt. 15. 40 wünschen sich die kainina
anupaeta masianam eimen juuan-, der sie gut behandeln und
ihnen Nachkommenschaft erzeugen soll; in Jt. 22. 9 ἢ. er-
scheint dem urwan- des nar- asauan-, der die Gestalt eines
dinieren. aoderes ist Gen. Sing. zu aodar-, wie Geldner richtig ge-
sehen hat; also wird karatö Gen. Sing. von karat- sein, das etwa mit
sareta " kalt’, lit. szaltas u. Ss. w. zusammengehören mag; wegen
der Differenz im Anlaut 5. Verf. Studien I 5. 1Sf. Als Verbum der
dritten Zeile sehe ich urüaraost an. im geht auf das folgende vaza;
dass im auch auf eine Mehrheit sich beziehen kann, weist J. 45. 1
aus. S. dazu Wackernagel Kuhns Zeitschrift NXIV S. 606.
Arica 1. 193
juan- hat, ja haua daena in der Gestalt eines schönen ete.
Mädehens (kaininö), um ihn in das Paradies zu geleiten. Vgl.
auch noch RV. 8. 35. 5, wo yavaseva kanydnam überliefert
ist; ferner AV. 11. 5. 18: brahmacdryena kanya ydeanam
vindate pdtim'). Ar. *kand οἷο. ist das geschlechtsreife Mädchen
-- im Avesta 15 Jahre alt — *iuua der geschlechtsreife Junge
Mann. Die Gegenüberstellung des Nom. Sing. (av.) * jaua und
* kainı-, der Gen. Plur. *janam und * kainınam kann sehr
leicht den Akk. Sing. * kaininem nach * juuanem, den Gen.
Sing. kainıno nach jano ins Leben gerufen haben. Wäre nicht
auch keuino als Gen. Sing. zu kaua bezeugt, so würde man
die avestischen »-Kasus zu *kainı sogar ausschliesslich auf
den Einfluss der entsprechenden Formen zu * juuwa zurück-
führen dürfen ?).
Soviel dürfte jedenfalls aus den obigen Ausführungen
hervorgehen — und darauf kommt es mir wesentlich an —,
dass die Brugmann-Zubatysche Annahme eines Stammes auf
ian- für unser Wort weder nötig noch ausreichend ist.
Ich mache hier anhangsweise noch auf eime andere, ganz
ähnliche Formenübertragung aufmerksam. Für die Kasus aus
ai. 405°, nach dem Petersburger Wörterbuch “Mädchen, junges
Weib, Gattin’ werden daselbst vier Themen angesetzt: yösana-,
yösan-, yösd- und yosit. Der RV. bietet die Formen: yöosand
(einmal yosdna), "nam, "ne, "näs, "näsu; yösanas (Nom.
Plur.); yösa, "am, °e, °as; yösitam.
Bei Delbrück Verwandtschaftsnamen S. 40 heisst es:
yös° “ bezeichnet das junge, zum Liebesgenuss geeignete Weib.
Es wird zwar in den Brahmana häufig als Gegensatz zu orsan
... gebraucht, aber die Bedeutung "junges mannbares Weib’
kommt doch auch zum Vorschein”. Es scheint mir ganz un-
zweifelhaft, dass der Nom. Plur. yösanas zum Nom. Sing.
1) Man beachte die Ähnlichkeit dieser Stelle mit Jt. 15. 39 f.,
wo es heisst: kainina .. gaidien auap diaptem dazdi.no .. jap
nmano.paitim vindama juäano sraesta.kehrpa .. S. noch AV.
14. 2. 22.
2) Neben dem καμία wird oft der karapäa genannt; so in den
Gathas J. 32. 15, 44. 28. Unmöglich ist es nicht, dass die Bildung
von kewino durch den entsprechenden Kasus zu karapa veran-
lasst wurde. Die Gleichung könnte gewesen sein *karapabio:
* kawibio - "karapano : *"kauino ( keutnö).
Indogermanische Forschungen I 1 u. 2. 13
194 Oskar Wiedemann, Got. hrot.
yösa nach dem vorbildlichen Gegenstück vrsanas gegenüber
vrsa gebildet ist; darauf weist msbesondere das kurze a, das
bei ersan ganz normal ist. Der Nom. Sing. y6sand beruht
auf einem Ausgleich der »- mit den a@-Formen. In welchem
Verhältnis yositam, yositas zu den übrigen Kasus stehen, ist
mir noch nieht klar. Die Aufstellung eines Sekundärsuffixes
it- trägt zur Verdeutlichung nicht das mindeste bei. Man be-
achte, dass neben häris, häribyas ete. haritas steht, welches
kaum anders denn hari-t-as geteilt werden darf; vgl. auch av.
huzamito, Nom.-Akk. Plur. neben hazamım; s. dazu von Bradke
Zeitschr. ἃ. dtsch.-mgl. Ges. XL S. 355. Sollte es erlaubt
sein, yösa ganz wie *kand auf emen -Stamm zu beziehen Ὁ
Dann mag man allenfalls das # in yösitam aus der nämlichen
Quelle herleiten, wie das in gr. xeiuarı, ἥπατι u. Ss. w. Dass
yösa ete. in irgend welcher Sprache Verwandte hätte, ist mir
nicht bekannt.
Münster (Westf.), 9. Juni 1891.
Christian Bartholomae.
Got. hrot.
Eine etymologische Erklärung von got. hrot “Dach’ ist,
so viel ich weiss, bisher noch nicht versucht worden. Wie
griech. τέγος, lat. teetum "Dach zu lat. tegere decken’ gehören,
wird man auch neben Ahrot ein Verbum mit der Bedeutung
“deeken’ vermuten dürfen. Berücksichtigen wir, dass im hrot
urgerm. 6 (got. 0) aus älterem ou — idg. ou oder du entstan-
den sein kann (Kirchhoff Got. Runenalph. Σ 55, Joh. Schmidt
KZ.XXVI 1 ff.), was Brugmann (Grdr.-I 8 181 Anm.) freilich,
aber, wie mir scheint, mit Unrecht, nur für urgerm. δ) (aus
älterem 027) zugeben will (ähnlich auch Streitberg Germ. Komp.
auf -οζ- 27 f.), so bietet sich zum Vergleieh mit Arot aus ur-
germ. yröoutam abulg. kryti decken, wozu slov. krie, cech.
kryt, vuss. krysa, krovlja Dach’ gehören.
Leipzig. Oskar Wiedemann.
Vom sehleifenden und gestossenen Ton in den indo-
germanischen Sprachen.
Zweiter Teil.
Die schleifende Betonung im Germanischen und
die Auslautsgesetze.
$ 14. Nachdem ich durch Vergleichung der drei Spra-
chen, die den Unterschied der beiden Betonungsarten noch
offen oder in leicht erkennbaren Nachwirkungen aufweisen,
eine genügend sichere Grundlage der Beurteilung geschaffen
zu haben glaube, wende ich mich zu der Frage, ob sieh auch
im Germanischen Reste dieser doppelten Betonung in Nach-
wirkungen an den Auslautsgesetzen feststellen lassen.
Die germanischen Auslautsgesetze sind eines der schwie-
rigsten Kapitel der indogermanischen Grammatik. Immer und
immer wieder hat die Forschung aufs neue einsetzen müssen,
und erst durch die vereinigte Arbeit Vieler sind die jetzt gül-
tigen Resultate erreicht. Die grösste Sicherheit herrscht in
Betreff der kurzen Vokale, und im grossen und ganzen stehen
wir in diesem Gebiet am Abschluss, wenn sich hier auch
kleinere Korrekturen wohl noch anbringen lassen.
Die Auslautsgesetze der langen Vokale liegen dagegen
sehr im Argen. Welche Unsicherheit auf diesem Gebiete
herrscht, kann man sehon daraus erkennen, dass noch im der
letzten Zeit zwei ganz neue Erklärungsversuche aufgestellt
sind, von Brugmann in dem letzten Teile seines Grundrisses
und von Kluge in seiner Vorgeschichte der altgerm. Dialekte
in Pauls Grundriss der germanischen Philologie. Auf die an-
dern Versuche, die gemacht sind, um die Schwierigkeiten zu
Indogermanische Forsehungen I 3 u. 4. 13
196 Herman Hirt,
heben, will ich kritisierend hier nicht eingehen). Sie müssen
sich, wenn überhaupt, durch die neue Grundlage erledigen,
die ich zu errichten versuchen werde. Die Bedeutung der
beiden Forscher, die sieh zuletzt über unsere Frage geäussert
haben, erfordert es aber, dass wir ihre Ansichten genauer
prüfen.
S 15. Ich stelle zunächst das sichere zusammen, um daran
anknüpfend Brugmanns und Kluges Erklärungsversuche zu be-
sprechen.
1) Allgemeine Übereinstimmung ist darüber erzielt, dass
ein auslautendes germanisches τῷ im Gotischen als -a, im
west- und nordgermanischen als τῆλ. erscheint, so im Nom. Fem.
Sing. der a-Stämme got. giba, an. gjof, ags. ziefu, ahd. nur
im Pronomen erhalten sia, diu, desiu, lit. ranka, gr. τιμή
und andre mehr.
2) Im weitern gehen aber die Aufstellungen stark aus-
einander, welche die Schwierigkeiten beseitigen sollen, die
das Westgermanische bereitet. Hier stehen sich ahd. -o,
ags. τὰ und ahd. -a, ags. τὸ (@) gegenüber, die beide schein-
bar denselben Laut fortsetzen.
a) ahd. -0, ags. -a.
Gen. Plur. Fem.: ahd. gibono, zungöno, ags. zifa, gZt-
fena, tungena.
Gen. Plur. Mask.: ahd. tago, ags. daga.
Nom. Sing. Mask. der »-Stämme: ahd. hano, ags. hana,
(damit übereinstimmend das schwache Adjektivum: ahd. blinto,
ags. zöda.
Nom. Plur. Fem. der Pronomina: ahd. dio, ags. ba.
Ὁ) ahd. -a, ags. -e.
Nom. Sing. Fem. der »-Stämme: ahd. zunga, ags. tungze.
Nom. Sing. Neutr. der n-Stämme: ahd. herza, ags. edge.
Dem entsprechen die schwachen Adjektiva Fem. Neutr.: ahd.
blinta, ags. blinde.
1) Man kann sich jetzt out darüber bei Jellinek Beiträge
zur Erklärung der „ermanischen Flexion 1891 S. 1 ff. unterrich-
ten. Benutzt konnte die Schrift nicht mehr werden, doch bietet sie
mir auch keine Veranlassung, irgend eine der folgenden Aufstel-
lungen zu ändern.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 197
1 Pers. Sing. Praet. der schwachen Verba: ahd. nerita,
ags. nerede.
Gen. Sing. Fem. der a-Stämme: ahd. geba, blindera,
ags. giefe, blindre.
Nom. Plur. Fem.: alıd. gebaä, ags. ziefe.
Kluge Pauls Ger. 1 385 ff. behält im allgemeinen die
gewöhnlich angenommenen Gleichungen bei:
got. Gen. Sing. gibos, ahd. geba, ags. ziefe,
Nom. Sing. tuggö zunga tunge,
augo auga edaze,
und erklärt alıd. Gen. Plur. tago, Nom. Sing. hano, ags. daga,
hana aus urgerm. -ym, got. dage, *hane. Dieser Weg ist in
der That höchst einfach, und man würde ihn ‘gern einschlagen,
wenn nicht der vorausgesetzte Lautwandel, dass -7m ahd. zu το,
-om zu -a wird, höchst sonderbar wäre. Ein Punkt, der direkt
gegen diese Annahme spräche, sobald man zugibt, dass Län-
sen nur in gedeckten Silben erhalten blieben, ist mir nicht
aufgestossen, allerdings auch nichts, was den angenommenen
Lautwandel bewiese. Ein soleher Nachweis ist aber gerade
wegen der Absonderliehkeit desselben dringend erforderlich,
während wir seiner entraten könnten, wenn der Lautwandel
physiologisch leicht zu begründen wäre. So lange also nicht
noch beweisende Punkte beigebracht werden, muss ich Kluges
Annahme, obschon sie manche Vorkommnisse sehr einfach er-
klärt, doch für unwahrscheinlich halten.
Brugmann Grr. II $ 192 S. 528 f. sieht in ahd. -o,
ags. τὰ, tago, hano die Vertretung von urgerm. -om, und ist
infolgedessen genötigt, jedes ahd. -a, ags. -e auf urgerm. -n
δι
zurückzuführen. Er setzt also nicht nur awga, sondern auch
zunga = -nn, wofür wir doch sonst keine Gründe haben, wäh-
rend auga aus -7n wenigstens in lat. semen, abulg. seme aus-
-en eine Stütze haben könnte.
Akk. Sing. geba, ags. ziefe wird als übertragen von den
te-Stämmen wie gatinne, angenommen, ebenso der Gen. Sing.
geba, Nom. Plur. Fem. geba@. Nom. Plur. Mask. taga soll weiter
eine Analogiebildung nach dem Femininum sein. Nun sind
aber die ie-Stämme schon gotisch kaum noch zu erkennen;
dass sie im Ahd, ihre alte Flexion irgendwie bewahrt hätten,
kann mindestens nicht bewiesen werden. Und wenn auch,
die angenommene Übertragung bleibt immer höchst unwahr-
198 Herman Hirt,
scheinlich, besonders da auch das Adjektivum und das Pro-
nomen diesen selben Ausgang zeigen, blinda, dia sowie dera
—+ 01.1208:
Ich glaube nicht, dass Brugmanns Annahme, so scharf-
sinnig sie ist, sich grossen Beifall erringen wird; mir ist es
unmöglich an ihre wahrscheimliche Richtigkeit zu glauben.
Nun ist schon früher von Hanssen KZ. XXVII 614 be-
hauptet worden, “dass vokalische Längen in den Endsilben
mehrsilbiger Wörter (im Gotischen) erhalten bleiben, wenn sie
den Zirkumflex trugen”.
Sein Material ist das folgende:
1. Gen. Sing. τιμῆς, mergös, qibos,
2. Nom. Plur. mergös, giboös,
>. Gen. Plur. mergäa, gebo,
4. ψυχρῶς, devo, galeiko,
>. ποταμῶν, deva, dage,
0. akes, anstais,
(. dangaüs, faihaus,
3. κυνῶν, szund, nasjande,
9. φαίνοι, te-bere, hilpai.
Gestossen betonte Längen werden verkürzt:
10. τιμή, merga, giba,
11. τιμήν, merga, giba,
12. τιμαί, mergi, twa busundja (mach Mahlow D. lang
γΌΟΙϊς. 5. 08).
13. kurt (pronommmal), hrri,
14. πανδημεί, pone, wulfa (Lokativ nach J. Schmidt
ΚΖ. ΧΧΥῚ 43),
15. keturio-lika, juka,
16. ποταμούς, ponüs, dagamns,
17. πληθύς, handus aus *"handas,
IS. πληθύν, handu aus "handun,
19. ἡγεμών, hana,
20. suka, hilpa,
21. süukiva, hilpatwa,
22. φαίνεαι, φαίνεται, φαίνονται, hilpaza, hilpada, hil-
panda.
Wie man sieht, berücksichtigt er nur (das Gotische, wäh-
rend doch gerade das Westgermanische den Auslautsgesetzen
die grössten Schwierigkeiten bereitet. Die Erhaltung der
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 199
Längen, die er der Kraft der schleifenden Betonung zuschreibt,
erklärte man bis jetzt durch die deekende Wirkung des fol-
genden Konsonanten, und dies reicht auch für 1—8 vollkom-
men aus, wenn wir für den Instrumental eine Grundform auf
-Om ansetzen, wie wir es oben gethan, und selbst für die Ab-
lativadverbien auf -bro, baprö, lvahro könnte man die Erhal-
tung der Länge mit Fick dem uridg. -d zuschreiben, das hier
abgefallen ist.
Da die Silben auf uridg. -ὲ und -ai, wie es scheint,
dem Gesetze nicht folgen, jedenfalls hier gewisse Schwierig-
keiten auch auf andrem Wege beseitigt werden können, so
lässt sich von dieser Seite kein irgendwie überzeugender Be-
weis führen, und es haben denn auch eine Reihe von Sprach-
forschern: Brugmann, Meringer, Streitberg Hanssens Versuche
abgelehnt, vgl. oben S. 2.
$ 16. Gegen die Richtigkeit aller dieser Ansichten muss
von einem andern Punkte aus operiert werden, der Kluge
und Brugmann gemeinsam ist. Beide nehmen mit der Mehr-
zahl der Forscher an, dass im Germanischen im Auslaut nur
gedeckte Längen als solche erhalten bleiben. Von Konsonanten
kommen nur 5, r und die Nasale in Betracht. s und r blei-
ben bis in historische Zeit hinein bewahrt, n schwindet da-
gegen, nachdem es seine Wirkung in der Erhaltung der Länge
ausgeübt hatte. Da » nicht mehr historisch überliefert war,
musste man versuchen, seine Existenz aus den verwandten
Sprachen nachzuweisen, und man hat dies auch, um die Aus--
lautsgesetze konsequent durchzuführen, in jedem Falle versucht.
Ich leugne die Richtigkeit dieser Voraussetzung, und
werde dies darzulegen unternehmen, indem ich den Nachweis
zu erbringen versuche, dass Silben, die nie einen Nasal
im Auslaut hatten, nicht verkürzt sind, und dass
Silben mit Nasal ihre Länge nicht erhalten haben.
Und dies ist offenbar der feste Punkt, von dem aus allein
die Frage nach dem schleifenden Ton in germanischen End-
silben definitiv erledigt werden kann. Durch einen merkwür-
digen Zufall haben die urgerm. im absoluten Auslaut stehen-
den Vokale uridg. gestossenen Ton, die gedeckten schleifen-
den. Von den mit Nasalen gebildeten Silben sind aber beide
Bildungen im Germanischen repräsentiert. Verschwand die ver-
schiedene Betonungsqualität im Germanischen vor der Wirkung
900 HermanHirt,
der Auslautsgesetze, so mussten sie zusammenfallen und gleich
behandelt werden. Zeigen sich aber in diesen Silben Diffe-
renzen, so dürfen wir diese wohl in erster Linie auf die ver-
schiedene Betonungsqualität zurückführen.
5. 17. Für den ersten Punkt, dass Silben ohne Nasal ihre
Länge bewahrt haben, kommen gewisse Adverbien in Betracht,
die got. auf -0, ahd. -o, ags. τῷ, an. -a auslauten. Ihre letzte
Besprechung haben sie durch Streitberg Die germanischen
c
Komparative auf -öz- erfahren.
Wir müssen im Gotischen zwei Arten von Adverbien auf
-ο unterscheiden.
1) Gewöhnliehe Adverbia auf -0, welche die Art
und Weise ausdrücken: galeiko, ahteigo, biubjo u. 8. w. Die-
sen entsprechen altnordische Adverbia auf-a: gorva, tlla, vida,
blodliga, ahd. as. τοῦ argo, berahto, baltlıhho, ags. -e, in den
ältesten Quellen -@e geschrieben: hearde, söde, söfte, heardlice.
2) Ortsadverbia auf die Frage woher?
aftaro ᾿ ὄπιεθεν᾽, aljabro ᾿ ἀλλαχόθεν᾽, allapro ᾿ παντόθεν᾽,
dalapro ᾿κάτω᾽, fairrapro “ano μακρόθεν᾽, rabro ᾿ πόθεν᾽, in-
napbro “Ecwdev , iupapro ᾿ ἄνωθεν, Avw', jainbro ᾿ἐκεῖθεν᾽, ba-
pro ᾿ ἐντεῦθεν, ἔπειτα᾽, utabro ᾿ ἔξξωθεν᾽.
Für die erste Kategorie hat zuerst Osthoff ΚΖ. XXIII 90
eine nasalierte Grundform vorausgesetzt und in ihnen Akk. Sing.
Fem. gesehen. Auf das Bedenkliehe dieser Annahme hat Mah-
low aufmerksam gemacht, und seine Bedenken teilen jetzt
Streitberg Komp. 57 und Brugmann Grr. II 8. 213 S. 547.
Jener stellt eme andre und offenbar befriedigendere Annahme
auf. Er sieht in ihnen den Kasus, dem sie ihrer Bedeutung
nach am ehesten zufallen, Instrumentale auf -w, -n, “die ver-
mehrt sind um die bekannte, in der Deklination eine so be-
deutende Rolle spielende Partikel -@m, über welehe Leskien
(Ber. d. sächs. Ges. d. W. phil.-hist. Kl. 1884 Bd. XXXVI
94—105) gehandelt hat”.
Diese Partikel -am habe ich oben ὃ. 18 ff. für viele
Fälle auf andre Weise zu erklären versucht. Nach meinen
Ausführungen hindert jetzt nichts mehr eine Instrumentalform
auf -om anzusetzen, die für die Erhaltung der Länge die ge-
nügende Erklärung geben würde.
Aber es gab auch Instrumentale auf -Ö als Sandhi-
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 201
form zu -öm, und dass diese hier zu Grunde liegen können,
lässt sich nieht von der Hand weisen. Zweifellos aber haben
wir nasallose Formen in der zweiten Kategorie vor uns. Streit-
berg a. a. 0.37 bemerkt zu diesen: “Der Sinn aller dieser
Bildungen ist, wie ich rückhaltlos Mahlow zugeben muss, ein
ausgesprochen ablativischer”. Sein Versuch, auch hier ein
-m dureh Übertragung hineinzubringen, ist nicht warschein-
lich. Wir müssen konstatieren: Für die got. Ortsadverbien
auf -0 ist ablativische Herkunft sicher, einen Nasal für die
Erhaltung der Länge in Anspruch zu nehmen geht nicht an,
auslautendes germ. -0 ist hier als Länge erhalten, folglich ist
die bisherige Fassung der Auslautsgesetze nicht richtig.
Ein andrer Fall erhaltener Länge ohne Nasaleinwirkung
liegt bei den »-Stämmen vor. Man setzt für got. tauggo, hairto
Grundformen auf -On an. Streng beweisen lässt sich das nicht,
weil schon uridg. Formen ohne -» daneben standen, lat. homo,
lit. akmu; für einen Fall lässt sich indessen nachweisen, dass
er kein -» gehabt haben kann, das ist das Wort für Wasser
got. wato, ahd. wazzar. Keine idg. Sprache weist hier auf
nasalierte Grundform; wie wir oben gesehen haben, sind nur
Formen auf -ö oder -ör belegt, gr. ὕδωρ, lit. vanda. Hier
für das Germanische eine nasalierte Grundform anzusetzen, hiesse
alle Methode vernachlässigen. Denn man kann wohl wato
mit lit. vanda, abulg. voda direkt vergleichen, got. namo
aber mit nichts, da in den verwandten Sprachen -» oder -en,
gr. ὄνομα, lat. nomen, aind. nama, abulg. ime entspricht. Zu-
dem ist die Grundform auf -ör in ahd. wazzar noch erhalten,
die gotische Form wird die auf -ö sein. Es ist nicht wahr-
scheinlich, dass ein so häufig gebrauchtes Wort einer Analo-
giewirkung ausgesetzt worden wäre. Ein noch sichrerer Fall
ist ahd. nefo, aind. napat, ahd. mano, lit. ment, also -t-
Stämme. Wie wäre es möglich, dass diese Worte in die Ana-
logie der -n-Stämme übergeführt wären, wenn nicht auch bei
diesen Nominative auf -w vorhanden waren. nefo ist direkt
gleich aind. napat.
Wir haben also zwei weitere Fälle, in denen auslauten-
des -w bewahrt ist. Ich leugne nicht, dass es dureh Annahme
einer Reihe von Analogiebildungen möglich ist, beide Formen
zu erklären. Aber wahrschemlieh sind solche keineswegs.
Beide Fälle unterstützen vielmehr das oben bei den Ablativen
902 Herman Hirt,
gewonnene Resultat, dass auslautendes -w auch ohne folgen-
den Nasal erhalten bleibt.
$ 18. Für den diesem entgegengesetzten Fall, dass eme na-
salierte Silbe im Gotischen als Kürze erscheint, gibt es meines
Erachtens ein ganz sicheres Beispiel. Es ist der Akkusativ der
ie-Stämme, got. bandja, frijondja. Brugmann (Grr. II $ 216
S. 550) sagt: "got. frijondja (Nom. frijondi) war eme Neu-
bildung nach sibja "Verwandtschaft" (Nom. sibja) und giba,
vgl. frijondjos wie sibjos, gibos Dat. frijöndjai wie sibjai,
gibai”. Das scheint mir kaum möglich zu sein, denn fri-
jondjos und frijondjai sind ja selber erst Neubildungen, die
wahrschemlich zu ihrer Erklärung den Akk. bandja voraus-
setzen. Den Akk. giba hält Brugmann für die Nominativform,
die für diesen infolge der Gleichheit von Nom. und Akk. im
Plural, gebos, gibos eingetreten ist. Diese Ansicht wird rich-
tig sein, aber dann hatte die Sprache doch das Gefühl be-
kommen, für Nom. und Akk. dieselbe Form zu gebrauchen,
man hätte demzufolge für den Akk. von bandi ebenfalls *bandi
sagen müssen. Denn die Endung -a@ hatte nichts spezifisch
Akkusativisches an sich. Wir mässen also daran festhalten,
(lass die Differenz zwischen bandi und bandja alt ist. Die
beste Grundform, auf die sich bandja zurückführen lässt, ist
offenbar *bandjen, welches wir auch für lit. Zeme, abulg.
zemlja voraussetzen müssen (Brugmann Grr. II $ 216 8. 549).
Ob diese Form aus der Zeit der Urgemeinschaft überkommen
ist, Jässt sich nicht mit Bestimmtheit behaupten oder ableug-
nen. Eine ursprüngliche Form ist sie zwar nicht, aber sie
kann sehon in der Urzeit neu gebildet sein. Man könnte sie
ferner für eine gemeinsame Neubildung des Litauisch-Slavi-
schen und Germanischen halten, aber die Möglichkeit, dass
jede dieser Sprachen selbständig dazu gekommen, ist auch
nicht ausgeschlossen.
Der Lautwandel -en oder -e zu got. -a steht ganz mit
dem im Eimklang, was Streitberg über die langen Diphthonge
im got. Auslaut ermittelt hat: δὲ zu ai, eu zu au, er zu ar,
e zu d.
Die Zurückführung auf am, die noch in Betracht zu
ziehen ist, setzt erst eine Analogiebildung nach «den a-Stäm-
men voraus, und ist daher komplizierter. Ausserdem kann
man, wie mir scheint, für -@m eine andre Vertretung im Go-
Vom schleifenden und zestossenen Ton in den indoe. Sprachen. 203
δ x
tischen in Anspruch nehmen und damit gewisse Formen gut
erklären.
Dagegen ist -7» in einem andern Falle, im Gen. Plur.
der Mask. -o-Stämme als -©e erhalten, got. dage aus *dagnn.
Dieses hatte nach aller Analogie sicher schleifenden Ton,
*bandien dagegen sicher gestossenen, denn es besteht aus
dem Stammauslaut -z7e-+m, wie τιμήν aus -d+m.
Wir finden ferner im Westgermanischen eine Differenz
in der Behandlung nasaler Silben, die anscheinend auf die-
selbe Grundform zurückgehen. Akk. Sing. Fem. ahd. geba,
blinta, ags. ziefe, blinde wird am einfachsten auf urgerm. -on
zurückgeführt. Auf dieselbe Grundform weist Gen. Plur. ahd.
tago, geböno, ags. daga, ziefa mit altem -on. Das Nordische
zeigt diese Differenz nicht. Es bildet Akk. Sing. Fem. vom
Adj. spaka = Gen. Plur. fjadra, hat also vielleicht frühere
Differenzen aufgegeben. Wie das so häufig der Fall ist,
sind die beiden westgermanisch getrennten Laute zusam -
mengefallen. Doch könnte fjadra auch -7n wie got. dage
haben.
Das Gotische Akk. giöba, Gen. Plur. giböo zeigt zwar eine
Differenz, doch kann, wie oben bemerkt wurde, der Akk. Sing.
die ursprüngliche Nommativform sein, wie umgekehrt die ahd.
Akkusativform als Nominativ gebraucht wurde.
Für diese ahd. Formen sind von Brugmann und Kluge
Hypothesen aufgestellt, die zwar dieselben zur Not erklären,
aber die zuerst erörterten Fälle unaufgehellt lassen.
Dem ahd. Akk. Sing. geba und dem Gen. Plur. tago
stehen im Griechischen τιμήν und θεν gegenüber. Dass die
verschiedene Vokalqualität des Idg., die uns das Griechische
erhalten hat, die Ursache dieser verschiedenen Behandlung
desselben Lautes im Ahd. sei, ist unmöglich. Es bleibt also
nur die verschiedene Akzentqualität als Faktor zur Erklärung
dieser Differenz übrig, dieselbe Annahme, auf die wir im er-
sten Falle auch geführt wurden, und da durch zweier Zeu-
gen Mund allerorts die Wahrheit kund wird, so dürfen wir es
schon einmal mit dieser Voraussetzung weiter wagen.
Wie wir sehen werden, lösen sich bei der Annahme,
dass Silben mit gestossenem Ton anders als die mit schlei-
fendem behandelt sind, alle Schwierigkeiten ziemlich ein-
904 Hiema.nzEiizt,
fach. Der Übersicht halber stelle ich die auf dieser Grundlage
gewonnenen Resultate im folgenden systematisch zusammen.
s 19. 1. urgerm. -en und -en.
A. Auf -en gehen zurück:
a) got. bandja, vgl. oben.
b) got. hana, an hani, gr. ποιμήν.
Diese Entsprechung ist schon längst aufgestellt, doch
führte man got. hana und anord. hani auf -n zurück (Kluge
Pauls Grr. IS: 384T., Brugmann Grr. I 8. 192 S. 529). Dies
konnte nach unsern Ausführungen S. 22 aber nur schleifenden
Ton haben, und müsste alsdann im Got. als € erscheinen.
Diese Gleichung wird durch eine andre gestützt, die
genau entspricht, aber bisher übersehen ist.
ec) 1 Sing. Praes. got. haba an. hefe. Grundform -en. No-
reen Pauls Grr. 1 S. 514 führt die nordiseche Form zweifelnd
auf -aim zurück. Dass gotisch haba auch haben entsprechen
könne, hat schon Johannsson De derivatis verbis contraetis
152 Anm. bemerkt. Das beste will mir schemen für beide
-en als Grundform anzusehen. Streitberg Komp. 21 hat zu
zeigen versucht, dass ahd. habem, habes, habet direkt auf
urgerm. "yapemi, *zapezi, gapedi zurückgehen können. Ich
sehe nichts, was dieser Annahme im Wege stünde. Das Go-
tische stimmt nun offenbar auf das beste dazu, wenn wir für
die erste Person eine Form mit sekundärer Personalendung
ansetzen. Dass dies möglich ist, beweist anord. bife, gegen-
über ahd. bibem. Ob habais mit Bremer und Streitberg auf
thematische Flexion zurückgehen muss, erscheint mir nicht
ganz sieher, nachdem Johannsson De der. verb. contr. 187
(die Gleichung got. sijais, lat. sies aufgestellt hat. Vor s er-
scheint δ᾽ nur in nasides, und dies kann sein € recht wohl
vom Plural und Dual erhalten haben. Also habais = an.
hefir, ahd. habes =*zapezi. *yapen musste natürlich gestos-
senen Ton haben.
d) Ein Instrumentalis auf -en liegt wahrscheinlich in got.
daga, ags. deze vor. In den einsilbigen Formen be, Are findet
sich im Gotischen noch sieher die e-Qualität, und diese können
daher ohne Anstand auf "ben, "wen zurückgeführt werden.
Im Ags. erscheint ein sogenannter Instrumental auf -e, wofür
in den ältesten Quellen noch -2 geschrieben wird. Dieses -2
bewirkt ö-Umlaut. Die Endung findet sich auch in einigen
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 205
isolierten Adverbien, @ne, hwene, die Kluge (Grr. 1 402) auf
-zm zurückführt. Welchen Ursprunges aber dies -zm sein soll,
gibt er nicht an. Sievers hat P.-Br. Btr. VIII 325 ff. aus-
führlieh über diesen Kasus gehandelt. Er sieht in ihm einen
alten Lokativ auf -eö. An dieser Annahme ist nur bedenk-
lich, dass die Bedeutung des Kasus durchaus instrumental ist.
Besser wird es daher sein den Kasus als das zu fassen, was
er seiner Bedeutung nach sicher ist, als Instrumental, ihn auf
eine Grundform auf -en zurückzuführen und dem got. daga
gleichzusetzen. Ich sehe nicht, was vom Jlautlichen Stand-
punkt hiergegen eingewendet werden könnte. Die Behandlung
der Silbe -er im Nordischen stützt vielmehr meine Annahme
sehr, da Westgermanisch und Altnordisch in diesem Teil der
Auslautsgesetze durchaus Hand in Hand gehen.
Derselbe Kasus wird in den Adverbien auf -ba stecken,
die die Art und Weise ausdrücken, wie abilaba “böse’, baörht-
aba "glänzend, sunjaba “wahr”, und in aufta “ott'.
B. -en: n fällt ab, die Länge bleibt erhalten.
Gen. Plur. got. dage, Akzent nach Analogie von θεῶν
schleifend. Anord. arma, barna kann direkt entsprechen. Im
Westgermanischen sind diese Genetive im as. kinda, Hrodber-
finga, üsa erhalten (vgl. Brugmann Grr. ITS 345 S. 691 und
Kögel P.-Br. Btr. XIV 114).
S 20. 2. urgerm. -On, -On.
A. Die Vertretung für -on ist ahd. -a, ags. -@, anord. -a,
umord. -0.
a) Akk. Sing. Fem. der a-Stämme: ahd. geba, blinda, sia,
ags. ziefe, hwate, anord. Adj. spaka, ba, gr. τιμήν.
b) Nom. Sing. Fem. der n-Stämme: ahd. zunga, blinta,
ags. tunze, zöde, anord. gata, spaka, wmord. -o, hariso (Him-
lingoje),- lupro (Strärup), fino (Berga), gr. ἀηδών.
ὁ) Nom. Sing. Neutr. der »-Stämme: ahd. herza, blinta,
ags. eaze, zöde, anord. hjarta, spaka. Grundform -on.
d) 1 Sing. Praet. der schwachen Verba: ahd. nerita, ags.
nerede, wmord. -o, tawido “machte” (Goldenes Horn), faihido
“sehrieb’ (Einang), daraus im anord. -a, orta “machte’. Grund-
form -om mit gestossenem Akzent nach sonstiger Analogie.
e) Instrumentale auf -on in den angelsächsischen Adver-
bien auf -@ anord. -a: ags. hearde, sode, hlütre, söfte, heard-
Ice, sodlice, anord. blidliga, vıda, gjarna, illa.
900 Herman Hirt,
Diesen Formen entspricht got. zum Teil -a, zum Teil
τοῦ giba, tuggö, augö, nasida. Von diesen könnte man am
ehesten -@ für die lautgesetzliche Vertretung halten, doch kann
giba Nominativform, nasida 5 Pers. Sing. sein.
Auch -5 ist nieht notwendig als Vertretung von -on zu
fassen wegen zeato. Ich vermute vielmehr, dass 0» im Got.
durch au vertreten ist, das dann natürlich als Monophthong,
offenes -o, aufzufassen ist.
Es fallen hierher die 1 Pers. Sing. Opt. bairau und die
> Pers. Plur. Imp. bairandau.
Die erste Form wird von Paul Btr. IV 378 auf *bheroim
zurückgeführt. Indessen ist der Ausfall des -© den Paul hier
annimmt, mit den Lautgesetzen nicht zu vereinen. Ist -au
die Vertretung von -On, so können wir bairau aus *bheron
— lat. feram, abulg. bera setzen. Das altnordische fara kann
ohne weiteres darauf zurückgehen. Ebenso finden sieh Spuren
davon im Ahd. Es begegnet dort 1 Pers. Sing. Praes. wille bei
Otfrid, in Pa, dem Vokab. St. Galli und den Casseler Glos-
sen; (vgl. Braune Ahd. Gramm. 8 585a. 1 und die dort zitier-
ten Stellen). Dieses το kann lautgesetzlich zunächst auf
"eilja und dann auf *wiljom zurückgeführt werden, d.h. auf
dieselbe Grundform, die wir für das Gotische und Nordische
voraussetzen.
01 Tatian begegnet auch vwilla, dessen -a möglicherweise
von Bildungen ohne -), got. bairau, übertragen sein kann. Ebenso
kann 1 Pers. Sing. suoche, zelle die lautgesetzliche Fortsetzung
des alten -jon sein. Der Zusammenfall, der bei dieser Bil-
dung zwischen der ersten und dritten Sing. stattgefunden hatte,
führte zur Verdrängung von *nema durch die 5 Sing. Wie weit
das im Ahd. an dieser Stelle wirklich noch auftretende -a
(Braune $ 5lla Anm. 1) lautgesetzlich ist, lässt sich bei der
mangelhaften Orthographie des Ahd. nicht entscheiden.
Ags. nerie, binde können mit ziefe auf -on zurückge-
führt werden.
bairandan ist schon oft mit gr. φερόντων verglichen
worden, ohne dass sich diejenigen, die es gethan haben, über
(die lautgesetzliche Möglichkeit geäussert hätten. Die ein-
fachste Erklärung ist es jedenfalls, und lautgesetzlich stünde
Jetzt nichts mehr im Wege.
Ausserdem könnte man die gotischen Partikeln mit aus-
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 207
lautendem -au auf -on zurückführen, und in ihnen alte In-
strumentale auf -om sehen; arppau, jau, bau, lat. tum,
dum, cum.
Ist aus -on got. au geworden, so kann natürlich Akk.
geba nicht lautgesetzlich sein, wie das Hanssen annimmt, der
freilich sowohl a als au auf on zurückführt.
B. -ön ist vertreten durch got. -0, ahd. -0, ags. -a — an. -?-
vgl. Gen. Plur. got. gibö, ahd. tago, gibono, ags. daga,
ziefa, tunzena.
ξ 21. Aus dem Vorhergehenden wird der Leser wohl
die Überzeugung gewonnen haben, dass die beiden Akzent-
qualitäten im Germanischen noch vorhanden waren und eine
nachhaltige Wirkung ausgeübt haben.
Dieselben Differenzen treffen wir auch bei den Silben
ohne Nasal, die im absoluten Auslaut standen. Hier
können wir die Regel aufstellen: Eine ursprünglich lange
Silbe mit schleifender Betonung bleibt im Germ.
durchaus erhalten.
1. urgerm. - und -0.
A. -ὅ: got. -ö, ahd. -o, ags. -a, anord. -?-.
a) Nom. Sg. Fem. got. tauggo aus -ῦ, wgerm. ön. Nach
dem oben S. 22 entwickelten Gesetz war -ὃ die Sandhiform
zu -Om; also auch das Germanische bestätigt die Regel. Na-
türlieh ist es unsicher, ob got. taggo eine uridg. Form fort-
setzt. Es kann auch Analogiebildung nach den übrigen Ka-
sus sein. Die Entsprechung von wgerm. -on wäre got. wahr-
schemlich -au gewesen.
Ὁ) Nom. Sg. Ntr. got. wato mit -ῦ: namo N. entspricht
genau ahd. namo. Es ist nur Genuswechsel eingetreten; lit.
vandü.
e) Nom. Sg. Mask. ahd. hano, ags. hana. Grf. -ö, lit.
akma, got. an.-en. Nunmehr stellt sich heraus, wie man
sehen wird, dass got. hana nur auf-en zurückgehen kann.
-ö hätte -5 ergeben, -0n aber -aw.
d) Die Adverbien der Art und Weise: Got. galeiko,
ühteigo, biubjö, ahd. argo, berahto, baltlıhho. Diese stim-
men nun ganz und gar zu den griechischen Adverbien auf
-Dc und gehen auf die unnasalierte Instrumentalform mit schlei-
fender Betonung zurück. Die ags. und anord. Adverbien auf
208 Herman Hirt,
-ce bezw. -a fassten wir als aus -0n entstanden. Sie repräsen-
tieren also die andre Form, die in den lat. Adverbien farm, dum,
cam erhalten ist. Andrerseits könnten sie allerdings auch auf
-2 zurückgehen, vgl. weiter unten. Die Formen auf -0 müs-
sen wir im Ags. als τὰ treffen, sie sind auch vereinzelt er-
halten, denn es entspricht got. amweniggo “unverhofit” genau
ags. anunza, eallunga, darnunga, ags. wissungo, ags. zedra,
zeostra, sona, ahd. ferro, sano.
ec) Die Adverbien des Ortes auf die Frage:‘ woher?
wapro ᾿πόθεν᾽, jainbro ᾿ἐκεῖθεν᾽ u. Ss. w. Grundform auf
Fölt).
B. -ö. Die Vertretung des gestossenen -0 ist got. -a, in
den übrigen Dialekten -z, das nach langer Silbe abfällt.
a) Nom. Sg. Fem. der a-Stämme: got. göba, anord. gjof,
ags. ziefu, ahd. nur im Pronomen erhalten sia, diu, desiu,
lit. ranka, gr. τιμή.
Ὁ) Nom. Akk. Plur. Neutr.: got. juka, anord. fot, ags.
fatu, ahd. die, siu, desiu, lit. ketwrio-lika. Den Nom. Plur.
Neutr. sche ich auch im got. meina, pbeina, seina. In den
übrigen Dialekten ist das vorauszusetzende τς lautgesetzlich
geschwunden. Torp Lehre vom geschlechtslosen Pronomen
28 f. sieht in got. -@ eine angetretene Partikel, die im West-
und Nordgermanischen fehlt, was mir nicht glaublieh ist, da
hinter ahd. mn ein Vokal abgefallen sein muss.
6) 1 Sing. Praes. got. nöma, anord. in kollo-mk, ags. nio-
mau, ahd. nimu, lit. vezu.
4) Nom. Dual. Mask. hat Kluge in ags. nosu, duru ge-
sehen, Möller KZ. XXIV 429 in isländ. tjogu angenommen
(vgl. Kluge Pauls Grr. 1 5. 384), lit. οὐ, gr. θεώ.
Man hat hierher auch den Instr. Sing. Mask. ahd. tagu ge-
stellt. Ob got. daga gleich dem ahıd. Instrumental auf -« ist,
kann man nicht sicher wissen, da andre Erklärungsarten mög-
lieh und wahrseheimlicher sind. Ahd. tagae wird wegen der
Bedeutung ein Instr. sein müssen; auf -om wie lit. vilk& kann
es, wie wir geschen haben, nicht zurückgehen, auf die Neben-
form auf -ö ebenfalls nicht. Wir beseitigen diese Schwierig-
keiten am besten, wenn wir annehmen, dass von der Form
-om der gestossene Akzent auf-0 übertragen wurde. Dane-
ben muss man beachten, dass der Instrumental der konsonan-
tischen Stämme auf-u aus -m auslauten musste, das nach
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 209
kurzer Silbe erhalten blieb. Die o-Stämme können in diesem
Falle recht wohl die Kasusendung von den konsonantischen
Stämmen entlehnt haben, wie dies im Slavischen im Gen.
Plur. angenommen wird.
Dieselben Gründe gelten durchaus für den Instr. Sing.
Fem. anord. gjof, ahd. gebu. Die Ansicht Joh. Schmidts, dass
diese Form den urindogermanischen Dativ auf -@ (Nebenform von
ai) fortsetzte (Festgruss an Böhtlingk 102 Anm.), ist zu unsicher,
um hier in Betracht zu kommen. Sie streitet auch durchaus mit
den Auslautsgesetzen: ὦ hätte ahd. nur o geben können. Da
gegen die Gleichsetzung mit got. gäbai sich ebenfalls schwere
Bedenken regen, so müssen wir wohl eine Grundform auf ge-
stossenes -0 ansetzen, eine Kompromissbildung aus -om und -0.
Ausserdem erscheint noch -« in ahd. demu, got. bamma,
das man mit ai. Abl. tasmat vergleicht (vgl. Brugmann Grr. II
$ 423 8. 784), tasmät ist indessen selbst eine Neubildung. Der
ursprüngliche Ablativ, wie er noch im Adverbien ai. tat, gat
vorliegt, hatte das -sm nicht. Daher kann diese Gleichung
nicht als hinreichend sicher betrachtet werden. Ob demu
got. bamma entspricht, ist nicht gewiss, woher es aber stammt,
lässt sich schwer sagen. Vielleicht spielt hier die Unbetont-
heit eine Rolle, worauf das einfache m weist. ὃ
8 22. 2. urgerm. -ὃ und -e.
A.-£ liegt vor in den gotischen Adverbien auf -e. wadıre
“wohin’, jaindre “dorthin, hidre hierher’, sömle “einst’, unte,
bande "wann, die ebenfalls ablativischer und instrumentaler
Herkunft sein werden. Bei den ersten drei scheint mir die
ablativische Herkunft sicher, da sie im engsten Zusam-
menhang mit den Adverbien auf -hro stehen. -pro und
-dre zeigen nicht nur Vokalablaut, sondern auch gramma-
tischen Wechsel, der auf Akzentwechsel weist. Die ursprüng-
liehen Formen waren also yudpro(d) woher’, zuadıre(d) "wohin’.
Das stösst die Ansetzung eines Ablativs auf uridg. -ad nieht um.
-äad wurde im Germanischen zu -0d, fiel also mit den übrigen -0,
die im Ablaut zu -© standen, dage—tago, hana—hano, zusam-
men, und nun konnte recht wohl eine Neubildung stattfinden.
Auf diese weist auch die Thatsache, dass die Dialekte in dieser
Bildung sehr ausemandergehen. Im Nordischen entspricht ba-dra,
he-dra genau got. lvadre, hidre, ags. heisst es dagegen hider,
bider. Das schleifende -© kann natürlich nicht abgefallen
910 Herman Hirt,
sein, wohl aber irgend ein andrer Vokal. Das anzunehmen ist
indessen nicht unbedingt nötig. höder, pider können urger-
manische endungslose Formen sein = lat. citer. In den ahd.
Formen fehlt dagegen der t-Laut, sie heissen hera, wara,
dara. Ihr -a kann dem got. -€e entsprechen, wie wanta,
danta — got. pande sind. Am besten können wir alle diese
Formen vereinigen, wenn wir neben einander *-ter und -re
als Endung ansetzen. Diese beiden liegen im Ags. und Ahd.
noch vor, während die got. und nord. Formen Kompromissbil-
dungen wären.
Als Resultat erhalten wir jedenfalls, dass - im Ahd.
als τὰ und ebenso im Altnord. vertreten ist. Da -ὃ im Ahd.
als τὸ erscheint, so können wir die beiden Fälle dahm zusam-
menfassen, dass -2 und - wie die Vokale in haupttonigen
Silben behandelt werden.
B. - haben wir im Lokativ der i-Stämme anzusetzen.
leh vermute, dass es got. zu -a wurde. Dat. der ö-Stämme
balga, gasta aus €. Dem entsprechend haben wir im West-
germanischen -e zu erwarten, von dem wir vermuten dürfen,
dass es nach langer Silbe wie -@ schwinden musste. Ob dies
-e in Formen wie ahd. chume erhalten ist, lässt sich kaum
entscheiden. Ferner stand -© wahrschemlich in der 3 Sing.
Praet. der schwachen Verba got. nasida, anord. -e, -i, saf-
nade, svafde, umord. w(o)rta (Etelhem), wurte (Tjurkö), urte
(Sölvesberg). Im Westgerm. ist die erste Person für die dritte
eingetreten. -e (oder -0) sehe ich ferner in den Adverbien
jupana “von oben‘, atana “von aussen’, innana “von innen,
aftana “von hinten’. Die Endung -ne, die in allen diesen
Worten steckt, hat Joh. Schmidt KZ. XXVII 291 mit -ne
in lat. superne “oberwärts, von oben her’ verglichen, aind.
vi-nd. Ferner könnte dies -ne in inde, unde aus "-dne, Fu-dne
steeken, -e wäre lautgesetzlich abgefallen in anord. hvadan,
ba-dan, he-dan, wes-tan, aus-tan, nor-dan, ags. eas-tan, wes-
tan, nor-dan, sa-dan, “von Osten u. s. w. her’. Das Suflix
-dan- ist wohl verwandt mit dem gr. -Vev in οὐρανό-θεν.
Grundform -tha"n-.
8. 23. 3. urgerm. - und -2.
A. -ἢ könnte vorliegen in got. managei, doch kann dies
natürlich auch nach dem Verhältnis tuygo, tuggons neu ge-
bildet sein.
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 211
Wahrschemlicher ist dagegen, dass -ὖ in der Partikel -ei
in sa-ei, bat-ei, sums-ei sobald als‘, faurpiz-ei bevor’ anzu-
nehmen ist. Ich halte diese Partikel für einen Instrumental
auf -2, Nebenform zu -zm. Sie kann aber auch Lokativ auf
-e? sein.
B. -». Nom. Sing. der ze-Stämme, got. bandi, frijöndi,
uridg. -2, ai. brrhati, av. barenti, lit. vezanti.
Im Westgermanischen musste dies -2 nach langer Wurzel-
silbe schwinden. Wie weit in den endungslosen ahd. Nomi-
nativen (Drumnihelt, Hiltigund) diese Formen stecken, ist nicht
festzustellen, da andre Erklärungen möglich sind.
S 24. 4. ἡ und -2.
A. Für -@ kenne ich keine Beispiele.
B. -@ fällt wgerm. nach langer Silbe ab. Ahd. swigar,
uridg. *suekrä.
Eine kurze Bemerkung erfordert noch das Altnordische.
Es lässt sich hier keine sichre Entsprechung von urgerm. -0
und -ö» nachweisen. Die Adverbien auf -a setzen wir besser
den ags. auf -e gleich, den Gen. Plur. der Mask. dem got. -e,
und da nun -a die alleinige Endung des Gen. Plur. bei allen
Klassen ist, so kann dies wohl auf einer Übertragung von
Seiten der Maskulina beruhen. Im allen sonstigen Lautwand-
lungen stimmt das Altnordische zum Westgermanischen, und
daraus dürfen wir schliessen, dass -ῦ und -5» im Nordischen
wie im Ahd. dureh -o vertreten wäre. Wenn sich Beispiele
beibringen liessen, könnte diese Ansicht natürlich auf grössere
Sicherheit Anspruch machen.
S 25. Aus dem bisher Angeführten geht zur Genüge
hervor, dass bei schleifendem Ton zwischen den Vokalen
im absoluten Auslaut und den ursprünglich nasalierten kein
Unterschied in der Behandlung sich findet. Wir können
also über «die Zeit des Abfalls des Nasals bei geschleiftem
Akzent von dieser Seite nichts behaupten. Dagegen ist sicher,
dass τὸ und -on verschieden behandelt werden, dem ersten
entspricht wgerm. -x, got. -a, dem andern ahd. -a, got. -au (2),
und dieses -a@ scheint nirgends zu schwinden, so dass also der
Nasal in diesem Falle die Länge erhalten haben muss.
Wir müssen uns daher im weiteren mit der Frage be-
schäftigen, wie weit bewahren in andem Fällen schliessende
Indogermanische Forschungen 1 3 u. 4. 14
nn.
212 Herman Hirt,
Konsonanten die Länge? Ist die Erhaltung emer Länge in
solchen Fällen dem schliessenden Konsonanten oder der schlei-
fenden Betonung zuzuschreiben? Die Frage ist ziemlich schwie-
rig, da das Material recht beschränkt ist.
Für Silben mit schliessendem -" sind zuerst die Ver-
wandtschaftsnamen heranzuziehen, die uridg. auf -er und -or
auslauteten.
Streitberg hat die ansprechende Gleichung got. fadar,
ahd. fater aufgestellt. Dazu fügte Brugmann got. var, ahd.
hwer-gin, par —der. Beide Formationen gehen auf -er zurück.
Daraus dürfen wir schliessen, dass -” die Verkürzung nicht
aufhielt.
Ob im Germanischen noch Formen auf -or bestanden
haben, ist sehr zweifelhaft. Im Got. finden wir durchweg -ar,
fadar, bropar, dadhtar, swistar, im Nordischen gewöhnlich
-er, fader, möder, im Ahd. ebenfalls -er, im Ags. dagegen
feder gegenüber brodor, modor, dothor, sweostor. Ich glaube
aber keineswegs, dass dies alte Formen auf -ör sind. Hielt
-r die Verkürzung nicht auf, so musste -e, wie alle andern
gestossenen Vokale nach kurzer Silbe erhalten bleiben, nach
langer schwinden. Wir hätten also ags. feder und *brodr
zu erwarten. Aus letzterem musste sich notwendig brodor
entwickeln (vgl. Sievers Ags. Gramm. ? ὃ 187 £.). So erklärt
sich ebenfalls ahd. braodar, das nur vereinzelt vorkommt.
Das Ahd. gleicht auch hier viel stärker aus als das Ags.
Im Nordischen muss dieser Svarabhakti-Vokal als -u auf-
treten, und wir finden dem entsprechend altschwedische For-
men wie fabur, mopur, von denen nur die zweite lautgesetz-
lich war.
Dagegen hatte das Wort für Wasser gr. ὕδωρ, lit. vanda,
wie wir oben nachgewiesen zu haben glauben, schleifenden
Ton. Wir finden im ahd. wazzar, as. watar, ags. wetter. Da
es kurze Wurzelsilbe hat, kann es nicht synkopiert sein. Wir
können es daher gleich ὕδωρ setzen. Wie aber gestossenes
-or behandelt ist, dafür fehlen Beispiele. Die Wandlung von
-ör zu ahd. -ar, ags. -er steht mit dem im Einklang, was wir
bei «den s-Silben finden.
Bei diesen sind folgende Gleichungen ziemlich allgemein
angenommen:
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 219
Gen. Sg. Fem. got. gibos, ahd. geba, ags. ziefe(e), an.
fjadrar aus -0s.
Nom. Akk. Plur. Fem. got. g@bos, αἰνὰ. geba, ags. ziefe (@),
an. /jadrar aus -ös.
Nom. Plur. Mask. dagos, alıd. taga, ags. |dömas], an:
armar aus 608.
Wie man sieht, stimmen diese Gleichungen zu ahd. wazzar,
ags. wwceter, und wir haben keinen Grund von ihnen abzu-
gehen. Nicht im absoluten Auslaut stehendes -ῦ wird anders
behandelt als das im reinen Auslaut. Möglicherweise könnte
man aber dem -s und - den Lautwandel zuweisen.
Nun gab es im Uridg. nur 2 Fälle, in denen gestossenes
τοῦ auftrat, der eine ist das Partizipium Perf. und die Kom-
parative auf -wos bezw. -20s, der andre gewisse es-Stämme mit
dem Nommativ auf -ös.
Die ersten kommen im Germanischen nieht in Betracht,
da ihre Nominative durchaus durch Systemzwang beeinflusst
sein können, dagegen ist die zweite Kategorie von Wichtig-
keit. Bekamntlich stehen im Germanischen neben alten es-
Stämmen scheinbar ö- und «-Stämme, so ahd. sigi, ags. sige,
m. ‘Sieg’, ahd. söga, sigo neben ags. sigor.
Brusmann Grr. II $S 132 S. 395 hält es für geraten, in
diesem Falle alte ὁ- und u-Stämme neben den es-Stämmen
anzusetzen. Dies scheint mir indessen nieht unbedingt nötig
zu sein. Die Bemerkung, dass der Übertritt in das Geleise
der :-Stämme wegen Segi-merus, Segi-mundus schon um
Christi Geburt geschehen sein müsse, kann man wohl mit dem
Hinweis begegnen, dass dieser Stamm Sege- nur vor -m_ er-
scheint (daneben steht Segestes) und also aus *Segizmerus
lautgesetzlich entstanden sein kann, denn -zm wurde zu -mm,
das nach unbetonter Silbe vereinfacht wurde, vgl. demu =
g0t. bamma aus *tasmö-. Streitberg P.-B. Btr. XV 509 ἢ,
der auf dieselbe Annahme kam, macht noch auf Thus-
nelda neben T’ihu-melicus aufmerksam. Für die «-Formen
hat Joh. Schmidt Neutra 152 ff. einen Fingerzeig gegeben.
Er setzt ®sigos, das zu sögor wurde, voraus, mit Abfall des
-r entstand sego, “das in die Komposition drang: Sego-bert,
-ald, -ard, Seco-fred und nach Verkürzung seines o mit dem
geschleehtlich unbestimmbaren indogermanischen u-Stamm zu-
sammenfiel, welcher in skr. sdhu-ri siegreich’, ἐχυ-ρός, ὀχυ-ρός
914 Herman Hirt.
und in got. söhu vorliegt.” Eine solche Annahme lässt sich
lautgesetzlich kaum begründen, abgesehen davon, dass recht
verwickelte Analogiebildungen nötig wären, sie durchzuführen.
Nehmen wir dagegen an, dass τὸς genau wie -ο behan-
delt wurde, so wäre a im ahd. sögu, situ die regelrechte west-
germanische Fortsetzung des gestossenen -0. Ist diese Ansicht
richtig, was allerdings keineswegs sicher ist, so wäre damit
(der Beweis geliefert, dass auch die Länge vor dem -s in got.
gibos u. Ss. w. durch den schleifenden Ton und nicht durch
den Konsonanten erhalten ist.
S 26. Ahd. -a, ags. -e (@) ist aber, wie es scheint, nicht
der einzige Vertreter von got. -0s.
jrugmann (Grr. II 8 315 S. 663) setzt Nom. Plur. Fem.
der a-Stämme got. gibos = ahd. alem. kebo, ags. ziefa, und
sieht den Ausgang -0s ferner erhalten in ahd. deo, dio. Er
muss deswegen -a von den ?e-Stämmen übertragen und wei-
ter den Nom. Plur. Mask. von dem Femininum herüber-
genommen sein lassen (Grr. II ὃ 314 5. 662). Das ist eine
Fülle von Analogiebildungen, an die es schwer wird zu glau-
ben. Aber ein Punkt ist daran vor allen andern bedenklich.
Neben der Analogiebildung geba hat sich noch im Nom. Plur.
Fem. die ursprüngliche Form auf -o erhalten. Man fragt erst-
lieh, warum nieht auch im Mask.? Diese Form muss doch
notwendig jünger sein als die Femiminform, und man dürfte
daher erwarten, bei ihr noch mehr Reste der alten Form zu
finden als dort. Aber das ist nieht der Fall, und darum bleibt
diese Analogiebildung unwahrscheinlich. Wir müssen auch zu
einer Analogiebildung unsre Zuflucht nehmen, aber zu einer,
die sich ganz im Rahmen der sonstigen bewegt.
Wir finden die Form auf -ο im Ahd. allgememgültig im
Nom. Plur. Fem. der Adjektiva und Pronomma: blinto, dio.
Im Ags. erscheint -@ für -e im Substantivum, Adjektivum und
Pronomen: ziefa, zoda, da. Die Form auf -a ist beim Sub-
Stantivum aber nicht die älteste. Sie fehlt m den frühsten
Quellen (vgl. Sievers Ags. Gramm. ? ὃ 252 Anmm. 3). Das ist
(loch schon ein schwerwiegender Grund gegen ihre Ursprüng-
lichkeit. Ags. dä entspricht genau got. bos. Das -a ist im
Ags. hier wegen des Hochtones nicht zu -e abgeschwächt,
und ebenso ist ahd. dio zu beurteilen, nur dass wir die dem
Ags. und Got. entsprechende Form *do als ursprünglich zu
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 215
Grunde legen müssen. Diese pronominale Form ist zunächst
in beiden Sprachen auf das Adjektivum übertragen, ahd. blönto,
ags. zoda, dort ganz, hier nahezu zur Alleinherrschaft gelangt.
Das ist genau derselbe Vorgang, wie ihn für gotisch blindai
anzunehmen keiner Bedenken trägt. Dieses hat sein -αὐ von
bai erhalten.
In beiden Sprachen ist auch das Substantivum angegrif-
fen worden; im späteren Ags. ist die Pronominalform auch
hier völlig durehgedrungen, im Ahd. bleibt es dagegen bei
Versuchen. Die allein bereehtigte Form behält den Sieg. So
erklärt es sieh einfach, weshalb nieht im Gen. Sing. im ahd.
-0, ags. -a erscheint, und ebenfalls nicht im Nom. Plur. Mask.,
denn hier lauteten die Pronominalformen anders.
Nom. Plur. der Mask. o-Stämme lautete ags. auf -as
dömas. Hier ist offenbar das -a wegen des erhaltenen -s nicht
zu -ce geschwächt, vorausgesetzt, dass diese Form mit der got.
und ahd. identisch ist.
$ 27. Ein andrer langer Vokal erscheint im Nom. der
io-Stämme. Streitbergs Abhandlung (P.-Br. Btr. XIV 165 ff.)
hat hier vieles aufgeklärt. Er hat nachgewiesen, dass got.
hairdeis nur aus -2s zurückgehen kann; wie das Litauische
ausweist, hatte diese Endung schleifenden Ton. Der Vokal
musste deshalb in allen Dialekten erhalten bleiben. Es hindert
also von dieser Seite nichts ahd. hörte, ags. ende, altn. hirdir
auf -s zurückzuführen. Aber die Gegeninstanz, ein Fall auf
-?s, fehlt hier wieder.
Ebenso könnte lautlieh an. 2121, ags. rice ein altes -2m
vertreten. Sicher ist das nieht, denn diese Formen könnten
auch aus *roköiom erklärt werden. Dass sie auf dieselbe
Grundform wie got. kuni, reiki zurückgehen, vermag ich Streit-
berg nicht zuzugeben. Diese können nur auf -jom oder -im
zurückgeführt werden. Für Westgermanisch müssen wir aber
-jiom oder -2m ansetzen, da ich unter andern Verhältnissen
nicht an die Erhaltung des sekundären -ὁ glauben kann.
Die Ansetzung von -im als gotische Grundform für kun
bedarf einer kurzen Begründung. Nachdem Sievers nachge-
wiesen hat, dass im Westgerm. die kurzen Vokale nach lan-
ger Silbe abfallen, nach kurzer erhalten bleiben, denen die
aus langen Vokalen durch gestossenen Ton verkürzten Silben
hinzuzufügen sind, hat Axel Kock P.-Br. Btr. XIV 55 ff. das-
210 Herman Hirt,
selbe Grundprinzip für das Altnordische behauptet. Streng
beweisen lässt sich diese Annahme ja nicht, aber wir erlan-
sen dadurch eine Einheitliehkeit, die sehr willkommen ist.
Mir ist dieselbe Annahme schon seit langer Zeit für das Go-
tische wahrschemlich. Das Gotische weicht bekanntlich darin
ab, dass es bei den «-Stämmen wie es scheint, das x nach
langer und kurzer Wurzelsilbe bewahrt, das ὁ dagegen in bei-
den Fällen synkopiert.
Einer Sprache, die so grosse Tendenz zur Uniformierung
hat, dass fast der ganze grammatische Wechsel ausgeglichen
ist, kann man es auch zutrauen, dass sie in diesem Falle
starke Analogiebildungen vorgenommen hat, wenn sich Fälle
finden, die mit dem Gesetz der andern Sprachen übereinstim-
men. Für die Synkope des « ist von Kahle Zur Entwick-
lung der kons. Deklin. im Germ. S. 3 auf tagr hingewiesen,
(das sicher ein alter «-Stamm war skr. asru, lat. dacruma, gr.
δάκρυ.
Ferner befinden sich unter den «-Stämmen verhältnis-
mässig schr häufig gebrauchte kurzsilbige: sumus, magus, hai-
rus. fotus, tunbus, vielleicht auch handus waren ursprünglich
konsonantische Stämme. Auch ist bei dem Feminmum die
Entstehung aus -@s in Betracht zu ziehen, vgl. gairnus — abge.
zrony.
Dann muss der Akkusativ der konsonantischen Stämme
got. bropar, nasjand, naht, guman hier berücksichtigt werden,
der am einfachsten aus -m zu -um erklärt wird. Wir werden
dadurch emer Fülle von Analogiebildungen überhoben.
Von den femininen 3-Stämmen ist die Mehrzahl langsil-
big ansts, gens, dails, wens, naups, siuns, sokns, tdikns u. 8. W.
Unter den Worten, die Braune (Got. Gr. $ 105) anführt, findet
sich kem einziges kurzsilbiges. Von den maskulinen Stämmen
ist aber zu bemerken, dass sie im Sing. genau wie die ὁ-
Stämme flektieren, also gar nichts für Synkope beweisen.
Dagegen kommt folgendes in Betracht:
Sämmtliche z0-Stämme, für die Streitberg den Nom. auf
-7s ansetzt, sind ebenfalls langsilbig, so skauns, amasiuns.
"nuts ist nicht belegt, sondern nur ummuts, das aber mit den
langsilbigen wegen der Zweisilbigkeit auf einer Linie steht.
Ferner müssen die alten s-Stämme herbeigezogen werden. Die-
selben sind im Gotischen in die o-Deklination übergeführt,
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 217
agis n., gadigis n., hatis, rigis, rimis, sigis, skapis (vgl. v.
Bahder Verbalabstrakta 54). Die germanischen Verhältnisse
scheinen mir darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Ab-
stufung N. -0s, Gen. -esos zu -es, -esos ausgeglichen ist; -es
wurde zu -ἦς und diese Formen liegen regelrecht in den go-
tischen Nominativen vor. Es ist aber auffallend, dass -ös nur
nach kurzer Wurzelsilbe sich findet. Sollte das ein Zufall sein ?
Ferner müssen wir gewisse Komparativadverbien auf -2s
zurückführen, mins, wairs, bana-seips, aber das sind wieder
nur langsilbige. Wir können also soviel mit Sicherheit be-
haupten: ein einwandfreies Beispiel, dass -2 nach kurzer Wur-
zelsilbe im Gotischen synkopiert ward, ist noch nieht beigebracht.
Bis das geschehen ist, dürfen wir auch *kunim als lautgesetz-
liche Grundform für kun annehmen und *haris für harjis
voraussetzen.
$ 28. Einen weiteren Beweis für die Wirkung des gestosse-
nen und schleifenden Tones hat Hanssen in der Behandlung des
uridg. -οὐ im Gotischen gesehen: schleifendes -aö bleibt im Got.
als -aö, gestossenes wird -a. Nachdem wir oben nachgewie-
sen haben, dass die Akzentqualitäten in germanischen Endsil-
ben noch vorhanden waren, muss man es a priori auch für
-αἱ voraussetzen. Es kommt folgendes Material in Betracht.
ot: Lok. Sing. uridg. -o7, ahd. wulfe, got. [daga), 3
Sing. Konj. got. bairai, ahd. gebe, ags. helpe, anord. falle, -i,
gr. φέροι, εἴποι.
τοῦ: 3 Sing. Pass. got. haitada, gr. φέρεται. Brugmann
lehnt diesen Lautwandel wegen got. daga, ἃν. tage ab. Hans-
sen ist diese Ausnahme natürlich auch aufgefallen. Er weist
darauf hin, dass im Idg. Lokative mit schleifendem und ge-
stossenem Ton neben eimander bestanden haben. Das Unbe-
rechtigte dieser Annahme glaube ich oben zur Genüge nach-
gewiesen zu haben. Der Lokativ der o-Stämme hatte im Idg.
durchweg schleifenden Ton, der der z-Stämme gestossenen.
Got. daga ist offenbar mehrdeutig. Man hat es vielfach als
Instrumental gefasst = ahd. tage. Wir führten es oben auf
-em zurück.
Andrerseits könnte daga auch ein Lokativ sein, der von
den ö-Stämmen fiska herübergenommen ist. Dass die o-Stämme
auch einmal von den ö-Stämmen empfangen haben, liegt dureh-
aus im Bereich der Möglichkeit. Im Westgermanischen haben
218 EHierman’tirt,
wir den umgekehrten Vorgang anzunehmen. Hier ist gaste
die Form der o-Stämme. Die einzige Sprache, die die beiden
Stammklassen im Lok. auseinanderhält, ist das Altnordische.
Die o-Stämme haben regelmässig -e, -2: arme, umord. belegt
in -Zaude (Björketorp), -kurne (Tjurkö), hulmi (Högby), —
diese Endung muss ahd. -e in zwulfe entsprechen. Die ὁ-
Stämme sind endungslos und können ohne Bedenken auf -e
mit got. fiska zurückgeführt werden (gest, stad, elg).
Bei der vielfachen Berührung, die zwischen o- und ἡ-
Stämmen vorhanden war, hat auch hier selbstverständlich
Übertragung stattgefunden. So findet sich bei den o-Stämmen
zuweilen ein endungsloser Lokativ. Doch möchte ich die Lo-
kative der z-Stämme auf -e nicht so erklären, sondern ich
sche in funde m. "Zusammenkunft, Dbrade f. "Braut die Re-
flexe von got. amstai (Streitberg Komp. 25). Soweit dürfte
die Sache glaublich erscheinen. Joh. Schmidt ΚΖ. XXVII
hat aber auf folgende Entsprechungen aufmerksam gemacht:
Got. uta, ahd. ze, ags. üte, an. üti,
got. inna, iupa mit denselben Entspreehungen. Hierauf
gründet er die Vermutung, dass -aö im Got. zu -a geworden
sei. Aber unüberwindlich scheint mir diese Schwierigkeit nicht
zu sein. Die got. Adverbien können von dem Lok. der o-
Stämme neu beeinflusst sein. Wir dürfen aber auch anneh-
men, dass in got. uta, inna, iupa alte Lokative auf -e oder
-o stecken (got. war aus "re-r, gr. ἄνω, κάτω), dass die west-
und nordgermanischen Formen dagegen die durch -ὁ erweiter-
ten Lokative auf -07 sind.
Für die Annahme, dass gestossenes -αὐ zu -a wird, führt
man haitada, φέρεται an, und hinzuzufügen ist vielleicht 1
Dual. Opt. nimai-wa, abulg. nese-ve.
Für -οὔ = αὐ ist im Got. nur ein Beispiel vorhanden:
9. Sing. Opt. bairai = φέροι, lit. te-suke. Brugmann hält dies
für nicht ganz einwandfrei, da nimai nach nimais, nimaima
neugebildet sein könne für "-nmima.
Indessen ist dagegen die Frage aufzuwerfen, warum in
> Sing. Opt. Praet. nemi nicht das -eö nach nemeis, nemeima
restituiert ist. Dass die 3 Sing. Opt. nöma mit der 1 Praes.
Ind. zusammengefallen wäre, kann doch kaum ein hmreichen-
der Grund sein. Ich halte deshalb »imai für einwandfrei
genug, um die Behauptung, schleifendes -aö blieb im Got. -αὐ,
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen.
als wahrscheinlich aufrecht zu erhalten.
-i, 3 Sing. Konj. skjöte.
Bei Nom. Plur. Mask. blindai kann man daran denken,
dass -aö nieht nur von bai beeinflusst ist, sondern dass genau
219
Anord. entspricht -e,
wie im Litauischen die verdrängte Endung -s der neuen En-
dung den Zirkumflex gegeben hat.
Ich stelle zum Schluss die Ergebnisse in Form einer
Tabelle zusammen.
urgerm. | gotisch altnordisch althochdeutsch angelsächsisch
τὸ a. giba, juka, τι. qjof, fo, 16. siu, cunniu u. zeefu, fatu,
nima kollomk, tjogu | nimm ı niomu, nosu
c - . |
τα - | |
δ) a. fiska | e, 2. gest. e. chume ᾿ 6. stede
Ξ | —
7 Ν ΣΝ 2 Ι 2 en Men
0 ὃ. frijondi | =. ΠΣ | 2
ah) Ey, Eu, | Ἔχ. I
me - -- | -
3) ö.kvwaphroö, galı- o.berhto, hana, | a. anunga,
kö,tuggo, wato, nefo hona
δ 6. hidre, bande a. hedra a. hıwanta
} ei. bat-ei, ma- | |
nager | |
\ ‚. a.spaka, gata ὦ. jtefe, tunze
Bo au. bairau, bai-\ 9.1. 9 a. geba, zunga, | 7: 9 79; 0m)
on?) hjarta, vida, ; τ᾿ eaze, sode, ne-
randau, bau \ herza, nerita
| orta | | rede
an —
a. hana, daga ; ; 5 | ;
en?) = 9 ἢ nani, hefe | dezi
bandja, haba
ön 0. yibo 0. tago a. daza
ze : — - --
en ὃ. dage a. arıma a. alts. kında
in ἡ. γἹ 9 i. rike?
OS u. sigu? u. sızu?
RE αν τες" El | Ἢ 5:73 ΟΣ
ς 08. gibos, gebos, ar. fjadrar,fja-\ a. geba, geba, @. gief®, giefe,
dagos drar, armar | taga domas ?
er ar. fadar, bar | er. fader er. fater er. feder
ör wazzar weter
πον στ΄ = | Β ἘΞ ἘΣ τὸ
ar ' a. hartada
—— u — — —_ — — | — — Zi — -—
ad ai. bairat 6. arme, skjöte 6. wulfe, bere w.döme, binde
1) oeiü fallen nach langer Silbe im West- und Nordger-
manischen ab.
2) Man beachte den Parallelismus ö
om
em — got.
= got.
got.
ὃ, ahd. o.
au, ahd. a.
a, anord. e.
220 Herman Hirt,
Die Akzentqualitäten und der Sandhi im Uridg.
$ 29. Andre Sprachen, als die bisher besprochenen, in
denen sieh die beiden Akzentqualitäten noch nachweisen lies-
sen, sind nicht vorhanden. Im Lateinischen und Keltischen
habe ich keine Spur entdecken können, auch das Slavische
bietet, wie leicht zu sehen ist, nur ein negatives Resultat.
Wir haben also nunmehr das vollständige Material vor uns,
und können daher die Frage behandeln, ob der uridg. Sandhi
der langen Diphthonge von der Akzentqualität abhängig ist.
Wir haben im vorhergehenden Teil unsrer Arbeit angenommen,
dass ὦ, τὸ, r und n nach αὖ im Idg. geschwunden sind. An
der Richtigkeit dieser Annahme für eme Reihe von Fällen
kann heute kaum jemand zweifeln, wohl aber gehen die Mei-
nungen über die Frage, welche Fälle denn unter dies Gesetz
zehören, mannigfach auseinander.
Zuletzt hat sich über diese Frage Rud. Meringer BB.
XVI 221 geäussert in einem Aufsatz, betitelt: Sandhi oder
Ton? d.h. weiter ausgeführt: Ist die Ursache des Schwindens
(des zweiten Bestandteiles der langen Diphthonge dem Sandhi
zuzuschreiben oder dem gestossenen Ton? Meringer erörtert
alle Möglichkeiten, die in Betracht kommen, ausführlich ge-
nug. Seine Resultate sind folgende: die Annahme Bezzen-
bergers, dass die gestossenen langen Diphthonge stets ihren
zweiten Komponenten verlieren, ist nicht durchführbar. Es
finden sich zahlreiche Fälle, in denen der zweite Komponent
erhalten ist, umgekehrt gibt es Fälle, m denen bei schleifen-
der Betonung Verlust des zweiten Teiles eintritt.
Auch eine zweite Fassung, eine Verschmelzung der Sandhi-
und der Akzenttheorie scheint ihm nieht annehmbar: "Gestos-
sener langer Diphthong verlor im Uridg. vor Konsonant des-
selben Wortes oder konsonantischem Beginne des nächsten im
Satze den Halbvokal (und ebenso bei 7, n) während schleifen-
der ihn immer erhielt.” Er führt noch eme dritte Vermutung
an. “I. Die langen Diphthonge des Hochtons -&i, -μ und
ebenso -ör, -ön verloren vor Konsonant den zweiten Bestand-
teil. II. Die langen Diphthonge des Nachtons τοῦ, τοῦ und
ebenso -or, -on dagegen erhielten diesen unter allen Umständen.”
Auch diese lehnt er ab, und zwar unbedingt mit Recht, und
sagt zum Schluss: “Kurz ieh kann nicht finden, dass uns die
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 221
heutige Kenntnis des idg. Akzentes irgend etwas bei der Auf-
klärung der in Frage stehenden Erscheinungen nützt, und bleibe
bei meiner Sandhihypothese, weil man mit ihr weitaus die
meisten Erscheiungen erklären kann, und weil sie noch in
der Überlieferung der Veda einen Halt hat.”
An und für sich genommen ist nach dem, was wir bisher
ermittelt haben, die Möglichkeit, dass die Qualität bei der Be-
handlung der langen Diphthonge eine Rolle gespielt hat, von
vornherein sehr in Betracht zu ziehen. Erstlich ist es nicht wahr-
schemlich, ja wir dürfen es, methodisch genommen, nicht ein-
mal von vornherein voraussetzen, dass Vokale mit gestossenem
und schleifendem Ton, — eine Unterscheidung, die sich bis
tief in die einzelsprachliche Entwicklung gehalten hat, —
gleichbehandelt sind. Ein -m ist einem -öm ebensowenig
gleich als e gleich ö ist. Zweitens ergibt sich aus dem, was
wir über die Entstehung des schleifenden Tones ermittelt
haben, dass er durch Kontraktion oder Synkope entstanden
ist, die Möglichkeit, dass das Schwundgesetz bei den ge-
stossenen Längen zu wirken begonnen hatte, als die schlei-
fenden Längen noch gar nicht entstanden waren. Diese Mög-
lichkeit deutet Brugmann beim Instr. Plur. der o-Stämme an.
Zu den Fällen, in denen der “schleifende Ton’ den Ver-
lust des zweiten Komponenten verhindert hat, in erster Linie
dem Instr. Plur. der maskulinen o-Stämme auf -ös, kommt
jetzt ein zweiter schlagender Fall, der Gen. Plur der o- und
a-Stämme auf -öm und -am (2) gegenüber dem Nom. Sing. der
n-Stämme auf -on und dem daraus entstandenen -Ö und dem
Instrumentalis auf -om und -ö. Im Gen. Plur. weist keine
Sprache auf eine Form ohne Nasal, während im Nom. Sing.
und im Instrumental bald Formen mit Nasal, bald ohne den-
selben auftreten. Wenn also -öm stets bleibt, -om, -on dagegen
mit -ὃ wechselt, so dürfen wir das dem Einfluss des schlei-
fenden Tones mit Berücksichtigung der erörterten Möglich-
keiten zuschreiben, denn ein andrer Faktor ist in diesem Falle
nicht zu spüren.
Für verfehlt halte ich es indessen aus der Thatsache,
dass -om zu -ῦ wird, zu schliessen, dass auch -em in densel-
ben Fällen zu -ὃ wurde. Eine solehe Annahme stellt z. B.
Bartholomae BB. XV 17 Anm. 1 auf, wenn er zu Meringers
_ Lautgesetz: “idg. τὸς wurde vor Konsonant im Satz zu -0°
222 Herman Hirt,
hinzufügt “und -eu zu -e, au zu -α. Wir müssen vielmehr
hier erst die Thatsachen befragen. Denn es kann sehr wohl
möglich sein, dass die konsonantischen Bestandteile infolge
ihrer Klangverwandtschaft mit dem vorhergehenden Vokal ge-
schwunden sind, dass also wohl -eö zu & wurde, nicht aber -αἱ
zu -ad, wohl -ou zu -0, nicht aber -eu zu -e, oder -ou zu -0
vor allen Konsonanten, -2u zu -@ aber nur vor gewissen. Ich
halte also für den einzig richtigen Weg, nicht vorschnell zu
verallgemeinern, sondern die Thatsachen genau zu prüfen, ein
Weg, den Brugmann in allen diesen Fällen schon eingeschla-
een hat. So erkennt er den Übergang von Οἱ zu -© durchaus
an, nieht aber den von -οὲ zu -0. Wie weit er in seinen An-
nahmen Recht hat, bedarf weiterer Untersuchung. Prinzipiell
seheint mir sein Weg der richtige zu sein.
8. 50. Besprechen wir jetzt die einzelnen Fälle wobei
wir von vornherein Silben mit gestossenem und schleifendem
Ton sondern.
1) -ei wird zu -© im Lok. Sing. der ö-Stämme, Lok. Sing.
aind. agnd, lit. szale, got. fiska. Ferner lat. res aus reis,
aind. r@s “Gut, Schatz’, aind.: Nom. Plur. rayas.: In 720%
anstai ist wahrschemlich das -2 erhalten. Es könnte aller-
(dings auch aus dem Lokativ auf -e mit der angetretenen Lo-
kativpartikel - entstanden sein.
2) -ot zu ö. Diesen Lautwandel hat Joh. Sehmidt wahr-
scheinlieh gemacht (ΚΖ. XXVIL 370), vgl. ai. sdakha aus sa-
khoi, gr. TTvew. Diese Nominative hatten natürlich gestosse-
nen Ton, wie wir oben gesehen haben. Daneben finden sich
im Griechischen, wie Danielsson (grammatiska anmärkningar
II om de grekiska substantiverna med nommativändelsen -w,
Upsala 1885) bemerkt, auch alte Formen auf -w die aus einer
Zeit stammen, wo οὐ noch nieht zu 0 geworden war, nämlich
Apxıw Röhl 415. Μερεκρατώ 435, beide von Melos, (vgl. ἃ.
Meyer Gr. Gr.? S. 315).
Auch in diesem Falle lässt sich offenbar keine sichere
Entscheidung geben, ob hier die alte Satzdoublette vorliegt,
oder ob, wie Joh. Schmidt KZ. XXVII 377 will, der Nom.
auf -wı zu dem Vokativ auf -οἵ nach dem Verhältnis der No-
minative τῶν, τῆν, -wp, -np, τῆς zu den Vokativen auf -ov, -Ev,
-0p, -ep, -ec neugebildet ist.
Ein andrer Fall, in dem -0- aus -07 entstanden sein kann,
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 223
ist 1 Sing. Praes. Akt. auf -ö. Ein Kontraktionsprodukt, wie
Osthoff will, kann sie nieht sein, da ahd. »ima, lit. σὰ auf
gestossenen Ton weisen. Ebenso wenig kann es auch aus -om
entstanden sein, wie ich längere Zeit annahm, da auch dieses
zu -Ö geworden wäre. Setzen wir -Οοὐ an, so ist das Ablaut
zu aind. -©@ in bhave, das dann wahrscheinlich = οἱ ist.
In diesem Falle, der wegen semer Isolierung schliesslich
das meiste Gewicht hätte, wenn die angenommene Entstehungs-
art richtig wäre, ist von ὁ keine Spur mehr zu entdeeken.
Gegen die Annahme, dass ὁ nach ὁ und σ᾽ (nach a feh-
len Beispiele) im idg. Auslaut durchweg geschwunden ist, las-
sen sich sichere Instanzen nicht anführen. Aber wir können
dem vorliegenden Material auch keine absolute Beweiskraft
zusprechen.
Ganz anders liegt die Sache bei den schleifenden 1-
Diphthongen.
1) Instr. Plur. uridg. -öis. Keine Sprache zeigt hier
Schwund des -2 aind. devais, gr. ἵπποις, lit. οὐραῖς.
2) Dat. Sing. Mask. der o-Stämme auf -0. -0i liegt
vor in gr. ἵππῳ, lat. populoi, Numasioi, lit. eilkui? aind. kd-
may-a, asımdi.
3) Dat. Sing. Fem. auf -ῶν: gr. τιμῇ; lat. mensae, got.
gibai, lit. rankai, abulg. race, aind. senaydi.
Für die beiden letzten Formationen ist jetzt von ver-
schiedenen Seiten nahezu gleichzeitig der Nachweis von San-
dhiformen ohne © zu führen versucht.
Joh. Schmidt Festgruss an Böhtlingk 102 sieht solehe
Formen in lat. populo neben populoi Romanoi Numasioi,
preuss. waldniku, kasmu, ahd. mo, hwemu. Dative auf -0 aus
τοὶ in umbr. pople, pusme, got. mammeh, in got. wulfa, au.
αἰ, ags. wulfe, as. wulbe, ahd. wolfe. “ Hiemach”, so sagt
er weiter, “verhält sich got. rammeh zu ahd. Awemu wie
umbr. pople zu lat. populo oder wie umbr. pasme zu preuss.
kasmu”.
Ebenso sieht er -@ neben -@? in lat. matre Matuta u. Ss. νυ.
(CIL. I. Index. S. 603), praenestin. Fortuna primogenia, (Her-
mes XXIX 455), falisk. Menerva (Zvetaieff 1. I. I. 70), neben
osk. aasat und in ahd. gebu, an. voku, gjof neben got. gibai,
ags. ziefe.
224 Herman Hirt,
Auf lat. Matuta u. s. w. hat gleichzeitig auch Meringer
(Z. f. d. österr. Gymn. 1888 S. 770) hingewiesen.
Zunächst können wir die germanischen Formen mit Sicher-
heit aus dieser Liste streichen, nachdem wir oben die Aus-
lautsgesetze richtig gestellt kaben. Der Dativ auf -w, den
Joh. Schmidt voraussetzt, hätte sicher schleifenden Ton. Idg. -ὃ
wird aber ahd. zu τὸ wie die Adverbien und hano beweisen.
Ebenso fällt got. wulfa fort, da ein -ὃ als -@ erhalten geblie-
ben wäre.
Die italischen Formen können ebenfalls nicht auf lange
Monophthonge zurückgehen. Wäre das τὸ von populö, bello
uridg. -0, so könnte es im Lateinischen nicht erhalten sein,
da alle im absoluten Auslaut stehenden Längen im Lateinischen
verkürzt werden, (vgl. Brugmann Grr. I 8 655 5. 504, Stolz
Lat. Gramm. ? ὃ 40 S. 280), es muss also hinter -5 noch etwas
gestanden haben. Es ist durchaus daran festzuhalten, dass
der lat. Dativ auf - die auf italischem Boden entstandene
Sandhiform zu -ö% ist. 2 schwindet intervokalisch im Itali-
schen, also wurde aller Wahrscheinliehkeit nach -02 vor voka-
lischem Anlaut zu -©. Und dasselbe gilt natürlich auch für
τα ın Matata.
Die umbrischen und preussischen Formen sind zu unsicher,
um hier in Betracht zu kommen. Sollten sie auf -e und -ὸ
zurückgehen müssen, was keineswegs sicher ist, so würde ich
in ihnen Instrumentale auf -€ und -ὃ sehen.
Wir können also mit Sicherheit behaupten: auf dem
ganzen europäischen Sprachgebiete ist keine Sandhiform zu
-i und -@i zu belegen. Was man dafür angeführt hat, ist
teils falsch, teils kann es anders gedeutet werden.
Im indoiranischen Sprachzweige sind ungefähr gleich-
zeitig Dative auf -@ neben solchen auf αὐ ans Licht gezogen,
von Aufrecht Festgruss an Böhtlnek 1 und von Pischel Ve-
dische Studien I S. 61. Zuerst hat Kluge ΚΖ. XXV 309 f.
einen Dativ auf -@ R. V.1,6, 5 konjiziert. Ob mit Recht, thut
hier nichts zur Sache. Kluge hält diese Dativform für spe-
ziell indische Entwicklung. Aind. -@i wurde vor Vokalen zu -«,
und Aufrecht und Pischel verwahren sich dagegen in den
Formen etwas altes zu sehen. Ersterer sagt a. a. Ὁ. 2.: "Die
vier Formen sakhya, ratnadheya, pdusya, marya haben ya
als Schlusssilbe, und es scheint, dass wir es hier mit einem
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 225
rein lautliehen Vorgang zu thun haben. Die dem Tone nach
stärkere Silbe -ya hat das folgende anklingende schwächere
-ya in sich aufgenommen”. Solehe Vorgänge sind auch aus
andern Sprachen zu belegen vgl. gr. nuediuvoc aus "nulule-
dıuvoc. Letzteres scheint allerdings nicht ganz ausreichend zu
sein, da Pischel auch Dative ohne vorhergehendes y nach-
weist. Für diesen Fall dürfen wir Kluges Hypothese zu Hülfe
rufen, und- speziell indische Sandhiformen annehmen, die an
Stellen treten, an denen” sie ursprünglich nicht begründet
waren. Bartholomae BB. XV 221 meint dagegen: “Die rich-
tige Erklärung der indischen a-Dative hat sich der von J.
Sehmidt Festgruss S. 102 für got. wulfa u. s. w. gegebenen
anzuschliessen”. Von dieser Erklärung ist aber, was walfa
betrifft, entschieden Abstand zu nehmen, und man wird daher
nicht mehr wagen dürfen, aus dem Indoiranischen allein einen
idg. Sandhi für schleifende Diphthonge anzunehmen, da er
hier als speziell indische Entwicklung gedeutet werden kann.
$ 30. Dasselbe, was wir für die <-Diphthonge nachgewiesen
haben, gilt auch für die «-Diphthonge, nur dass hier der
Sandhi an andre Bedingungen geknüpft gewesen zu sein
scheint. Das ergibt sich daraus, dass a viel häufiger erhalten
ist als ©. Die in Betracht kommenden Fälle sind:
1) Nom. Dual. der maskulinen o-Stämme -ou, τὸ. Hier
stehen im Indisehen die Formen auf -@ und -αὐὐ noch neben
einander. -awu steht meistens vor Vokalen, so fast durchweg
in den ältesten -Partieen des Rigveda (vgl. Lanman Noun-In-
fleetion 341). -a@ erscheint meistens vor Konsonant oder am
Ende des Päda, nämlich 230 mal hier, 799 mal vor Konsonant,
und nur 95 mal vor Vokal. Daraus geht also mit ziemlicher
Sicherheit hervor, dass τῶν vor Konsonant und im absoluten
Auslaut zu -ὦ wurde. In den europäischen Sprachen zeigt
sich fast durchweg -o, gr. ἵππω, ags. nosu, lit. buta, abulg.
raba. Es ist nicht verwunderlich, dass τοῦς hier so gut wie
ganz verloren gegangen ist, denn selbst im Rgveda begegnet
ad 1129 mal, au nur 171 mal, also im Verhältnis von ὦ zu 1.
Trotzdem können wir an dem Sandhi nieht zweifeln.
2) Ganz anders liegt es bei -eu. Hier liegen wenige
und unsichere Formen auf -e vor.
Die Hauptkategorie ist der Lokativ der «-Stämme, ur-
idg. auf -e«. Hier finden wir im Indischen nur Formen auf
226 Herman Hirt,
-au und avi, von einem Sandhi also keine Spur. Trotzdem
muss nach Meringer die Sandhiform auf -@ vorausgesetzt wer-
den, weil nur so das Auftreten des -z# bei den ö-Stämmen
erklärt werden könne. Die Sandhiform zu -ei war aind. -a,
zu -eu sei es ebenfalls aind. -@. Es sei dann der Sandhi der
«-Stämme auf den der -Stämme übertragen worden. Das
ist eine sehr kühne Annahme, da bei den -z-Stämmen kein
Sandhi in historischer Zeit mehr vorhanden ist. Es bietet
sich aber eine andre Möglichkeit agnau zu erklären, es ist
agna mit der angetretenen Lokativpartikel -x, die Bartholo-
mae nachgewiesen hat, die im Plural gleichberechtigt neben
τὸ steht, und die wir oben in andern Sprachen vermuteten.
Dass ein agnau neben agna entsteht, ist derselbe Prozess
durch den sanari neben sanau gestellt wird.
Die übrigen Sprachen weisen ebenfalls auf Erhaltung
des -w: lat. -u, fructu aus *fructeu, got. sunau, ahd. suniu,
Grf. suneu (vgl. Streitberg Komp. 25), abulg. suna aus *suneu.
Es scheint allerdings einige Formen zu geben, in denen
schon uridg. « geschwunden ist. Darauf weist lat. rzte
Lok. Sing. zu lat. ritus, aind. γί (Mahlow d. 1. V. S. 54).
Auch die in hodie —= aind. adya stimmen überein (Meringer
BB. XVI 226). Diese Reste sind aber doch nicht einwandsfrei
genug, um den Lautwandel zu beweisen. Jedenfalls kann der-
selbe nur in sehr kleinem Umfange stattgehabt haben, viel-
leicht nur vor -m, wofür die sichere Gleiehung aind. dyam,
gr. Znv (Ζῆν), lat. diem spricht, während der Nom. aind.
dyaus, gr. Ζεύς heisst. Merimger geht entschieden zu weit,
wenn er diesen klaren Gegensatz zwischen dyam und dyaus
beseitigen will (Z. f. d. österr. Gym. 1888 S. 139). Allerdings
ist Ζής bei Grammatikern belegt, aber was beweist das? Es
kann und wird Neubildung sein, ebenso wie lat. dies nach
(lem Muster facies :faciem zu diem neu gebildet ist, und das-
selbe gilt für alle Fälle, in denen im Nom. -nc aus -eus er-
scheint, wie in ”Apnc. Die Akzenthypothese, wie sie Merin-
ger nennt, lässt sich auch hier ganz gut durchführen, wenn
wir ums nur vor unbewiesenen zu weitgehenden Verallgemei-
nerungen hüten. Eines schiekt sieh nieht für alle. © und u
sind doch durchaus nicht gleichwertig, was am besten die
Behandlung im Sonderleben des Griechischen beweist. An-
lautendes ὁ war längst Spiritus asper, als « noch bestand,
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 227
und ebenso ist der intervokalische Schwund der beiden Laute
nieht gleichzeitig.
Wir haben bis jetzt nur von einem Lokativ auf -eu ge-
sprochen; hat es auch einen solchen auf τοι gegeben? Loka-
tive auf uridg. -ὅχε und zwar mit schleifendem Ton hat Bezzen-
berger Göttinger Nachrichten 1885 S. 160 ff. als Grundform
für einige litauische dialektische Lokative auf - angenommen,
Wilnuo “mn Wilma’, pakajo’ “in Frieden’, dango” “im Him-
mel’, pasko® ‘nach’, verszo” oben‘. Er sagt a. a. O. 161:
“Ist hiernach ὦ als die ehemalige Endung des Lok. Sing. im
Preussisch - Nordlitauischen und Zemaitischen anzusetzen, so
ist damit die Berechtigung der Voraussetzung, dass der ide.
Ausgang dieses Kasus -Οὐέ gewesen sei, erwiesen; denn nur
hierauf, nicht auf -2u kann nach dem gegenwärtigen Stand
der litauischen und indogermanischen Lautlehre jenes -« zu-
rückgeführt werden.” Ich habe indessen gegen diesen Lo-
kativ auf -öu sehr viel einzuwenden. Erstlich kann ein Lo-
kativ auf -9u nur gestossenen Ton gehabt haben. Die Mög-
lichkeit, dass τοῖν zu -Ö geworden, und dann die Lokativpar-
tikel « aufs neue angetreten sei, könnte ja Bezzenberger für
sich anführen. Aber die Annahme eines urindogerm. Lokativs
auf -9&« hängt völlig in der Luft (vgl. Streitbergs treffende
Bemerkungen Komp. 25). Und es lässt sich sogar wahrschein-
lich machen, dass dem «-Diphthongen aller Sprachen im Lo-
kativ -u, nicht -9&« zu Grunde liegen muss. Das beweist
eben der Sandhi. Der Diphthong -5« im Nom. Dual. wird
fast in allen Sprachen ausschliesslich durch -ὁ repräsen-
tiert. Es wäre ein sonderbarer Zufall, wenn im Lok. Sing.
nur die σις, nicht auch die ö-Formen erhalten wären. Ich
glaube also, dass die Differenz zwischen gr. ἵππω, lat. duo,
ambo, ags. nosu, abulg. elska, und dem Sandhi aind. asva
und aseau gegenüber lat. fructa, got. sunau, ahd. sumiu,
abulg. syna, aind. konstant asedau diesem Diphthongen die
Geltung -2u zuweist. Und dafür sprechen die ganz paralle-
len ö-Stämme, bei denen ebenfalls keine o-Stufe nachgewie-
sen ist, und die Endbetonung der @-Lokative im Urslavischen,
die sich aus der Vergleichung von Serbisch und Russisch er-
gibt. Im Serbischen ist der Lokativ der o-Stämme auf -«
der Kasus der alten «-Stämme. Dass er den Ton auf dem
Ende trug, beweist die Betonung serb. dası aus *cası gegen-
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 15
228 Herman Hirt,
über Gen. casa, Dat. casu, prstu aus "prstü gegenüber prsta,
hlädu aus *hladu gegenüber hlada. Im Russischen nehmen
die einsilbigen Substantive diese Endung ebenfalls häufig an,
aber stets ist -z0 dann betont: sadı von sads "Garten, beregu
von beregs “Ufer, abulg. bregs, ursl. *bergs. Hier hat sich
also ein Rest der uridg. Betonung erhalten, denn mit dem
Hochton war e-Stufe wahrscheinlich verbunden.
Wir müssen aus allen diesen Gründen Bezzenbergers An-
nahme ablehnen. Urindogermanischen Lokativen können die
litauischen Formen nieht entsprechen.
Die verschiedene Behandlung von -eu und -0x erklärt
sich entweder aus dem verschiedenen Vokalklang oder dem
verschiedenen Akzent, τοῦ war ursprünglich betont, -9u nicht.
Die verschiedene Behandlung von -eu und -ou treffen wir
auch in den griechischen Nomma auf -εὖὐς und -ὠς wie ἱππεύς,
Bacıkeüc, ἱερεύς, die aus -nuc verkürzt sind, wie Ζεύς aus Ζηύς vgl.
Gustav Meyer Gr. Gr.? $ 3235. Weackernagels Verknüpfung
dieser Worte mit den aind. Maskulmen auf -ayds ist von ver-
schiedenen Seiten angefochten worden, vgl. Brugmann Gr. Gr. ?
s TOP S. 100 f. Neben den Worten auf -euc erscheinen solche
auf -wc wie πάτρως, μήτρως, ἥρως, die schon G. Meyer Gr.
αν. 3 8 325 auf -wuc zurückgeführt hat. Ferner hat Prellwitz
Gött. gel. Anzeigen 1886 5. 765 die verschiedene Vokalqua-
lität mit dem Akzent in Zusammenhang gebracht. Ihm stimmt
Meringer BB. XV1229 zu, und ich glaube allerdings auch, dass
diese Annahme. die Formen am einfachsten erklärt. -eaus ver-
hält sich zu -ous zu -us, wie -en :-On :-n (ποιμήν, ἄκμων, ὄνο-
ua), -er 2-07 2-7 (πατήρ, εὐπάτωρ, ἧπαρ lat. jecur), und gr. -euc:
τως wie Lok. Sing. τὸ zu Nom. Dual. -0.
Ablehnend gegen diese Annahme verhält sich Brugmann
ἃ. ἃ. Ὁ. Hier kommt es nur darauf an zu zeigen, dass, sollte
die entwickelte Ansicht richtig sein, sie mit den sonstigen
Verhältnissen durchaus im Einklang steht.
Schwieriger liegen die Verhältnisse bei den Fällen mit
schleifendem Ton: ναῦς, ai. »ads ist korrekt. Es hat schlei-
fenden Ton. Wie steht es aber mit βοῦς, ai. gaus? Der Akk.
βῶν findet seine Entsprechung in aind. gam, also der Schwund
des -ἰ ist beiden Sprachen gemeinsam. Das weist auf ge-
stossenen Ton. Trotzdem zeigt gerade aind. gam zweisilbige
Messung und das Griechische den Zirkumflex in βῶν. Und
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 229
ebenso im Akk. Plur. dor. ßwc, ai. gas. Die Verhältnisse
scheinen mir durch eine Reihe von Analogiebildungen sehr
verwirrt zu sein, das folgende kann nichts weiter sein als ein
Versuch, die Schwierigkeiten zu lösen. Ich nehme an, dass
ai. gaus, gr. βοῦς ein «-Stamm ist mit o-Stufe, uridg. *gous.
Dem musste im griech. *Bovc und *Bwe entsprechen, denn unter
gewissen Bedingungen blieb wahrscheinlich « nach -0 vor -s
bewahrt. Der Akk. wurde uridg. zu *göm aus *göoum mit ge-
stossenem Ton. Im Akk. Plur. hat Joh. Schmidt aind. gas
und dor. Bwc direkt verglichen und beide auf eine Grundform
*gouns zurückgeführt, daraus *gons und *g0s. Dieser Entwick-
lungsgang erscheint Brugmann unwahrscheinlich. Er hält *gouns
für eine unmögliche Form, die nur *gouns hätte lauten können.
Ich gebe das zu, nehme aber an, dass nach dem Akk. Sing.
*40m schon uridg. der Akk. Plur. *göns neugebildet wurde.
Wenn wir weiter annehmen, was sich allerdings nieht bewei-
sen lässt, dass der Schwund des -x vor -m älter ist, als der
des -n vor -s, so musste aus *gons uridg. *gös werden und
zwar mit schleifendem Ton nach Michels’ Gesetz. Diese Form
liegt vor in aind. gas, dor. βῶς. Der Akk. und Nom. Sing.
haben weiterhin ihren schleifenden Ton erst vom Akk. Plura-
lis erhalten.
Eine andre Mögliehkeit den schleifenden Ton zu erklä-
ren, sehe ich nicht. Ursprünglich schleifende Diphthonge haben
keinen Sandhi wie ναῦς u. 5. w. beweist. Sekundärer schlei-
fender Ton entsteht, soweit wir bis jetzt wissen, nur durch
Schwund eines Nasals. Infolge dessen müssen wir um den
schleifenden Ton in dor. Bwc u. s. w. zu erklären, vom Akk.
Plur. ausgehen 1).
$ 31. Ähnlich wie bei -x steht es mit dem Sandhi bei
-n, -m. Ganz sicher erscheint mir derselbe nur nach -ö vorzu-
liegen, während er nach - wahrscheinlich nicht statt hatte.
1) Nom. Sing. der n-Stämme. Formen ohne -n: aind.
rdja, lat. homo, ahd. hano, ags. zuma, lit. akmü; mit -n: gr.
1) Ich verkenne die Schwierigkeiten, die hier noch vorliegen,
nicht, und halte die gegebene Erklärung nur für einen Notbehelf.
Dass in dem Ubergang von stossendem zu schleifendem Ton bei
Wegfall des zweiten Komponenten der langen Diphthonge die Stel-
lung des Akzentes eine Rolle spielen kann, halte ich für möglich,
nur ist ein Beweis schwer zu erbringen.
230 Herman Hirt,
ἄκμων, abulg. kamy, ahd. zunga. Die Möglichkeit ist nicht
ausgeschlossen, dass -» hier von den Kas. obl. restituiert wurde,
aber die Annahme von Doppelformen ist einfacher.
Dagegen findet sich kein -ὃ neben -en, gr. ποιμήν, got.
hana, an. hani, lat. lien. Femer in abulg. seme, ime aus
en, vielleicht auch in lat. nomen, semen. aind. pliha, lat. lien
ist natürlich nieht beweiskräftig, da es mit den übrigen Stäm-
men zusammenfallend auch deren Nominativ angenommen
haben wird.
2) Der Instrumental auf -om zeigt den Sandhi ebenfalls
aufs deutlichste. Die Beispiele sind oben gegeben.
Sind die griechischen Adverbien wie m, ai, πῆ, lat.
bene, male, ai. pascä hinten’ als Instrumentale zu fassen, wie
wahrscheinlich ist, so brauchen sie ihr -»2 nicht lautgesetzlich
verloren zu haben, sondern können nach dem Verhältnis -ὃ :
om — -€:-£m im Uridg. neugebildet sein.
Dasselbe gilt von den Instrumentalen auf -@ zu -am.
3) In keiner Sprache zeigt sich im Gen. Plur. der o-
Stämme eme n-lose Form. Ursache: der schleifende Ton.
Den Sandhi von -r müssen wir auf Grund von aind. pitd,
mäta, lit. möte, sesa, abulg. mati annehmen, aber die Bedin-
gungen, unter denen er stattgefunden hat, sind wegen der
Dürftigkeit des Materials nicht zu eruieren. Auf Grund des
schleifenden 'Tones der lit. Worte kann man annehmen, dass
Schwund des - mit Übergang zu schleifender Betonung ver-
bunden war.
Nach dem oben Ausgeführten dürfen wir mit Sicherheit
annehmen, dass die Akzentqualität bei dem uridg. Sandhi
eine wichtige Rolle gespielt hat. Verfehlt scheint es nur die
Regeln zu allgemein zu fassen und von einem Falle sofort auf
die andern zu schliessen.
Ich stelle zum Schluss die Zeugnisse der vier Sprachen
für den gestossenen und schleifenden Ton der Endsilben in
Form emer Tabelle zusammen 1).
l) Auf den gestossenen und schleifenden Ton in Wurzel-
silben einzugehen verzichte ich für jetzt. Es sei nur bemerkt,
dass ich glaube, das Akzentverhältnis von gr. wirnp mit gestos-
senem ἢ und μητρός mit schleifendem — denn .dies ist nach Ana-
logie aller andern Fälle anzunehmen — sei urindogermanisch, jedoch
damals noch nicht an die Quantität der letzten Silbe gebunden ge-
Vom schleifenden und gestossenen Ton in den indog. Sprachen. 23
altindisch | griechisch | litauisch germanisch
N. Se. | ποιμήν got. hana, an. hani
der n-, | πατή ᾿ eot. fadar, an. fadir
᾽ so {= 5 ’
γ-, 5- | pracetäs ἠώς ahd. sigu
Stämme VOW-P akmaı, vandu Πα. hano, zot. wato
der vo-St. gaidys got. hairdeis
a-St. send τιμή mergd got, giba, ags. geefu
π΄ 1 1 1 ee ιξ a —— OR Ihn
16- 0. ἢ drhati \ vezantı ΠΡΟ 7 ἀ)σγιαϊ
Sy senam ᾿ τιμήν menga ahd. geba, ags. jtefe
ve-St. zeme got. Frijöndja
Gen. Se. | ves ı akes ‚ anstais
i-, u-St. | sunaüs sunaus
Bremer jokr. ὦ |. 2
u, > | vrkäad 2 vrtko got. Aa yabro
SEE a7 “unde’ = / u
asmadl θεὼ vrtkur?
Dat.Sing. τιμῇ rankai ı got. gibal
ἔμμεν-αι |
Lok. Se. | οἴκοι name Πα. wolfe
0-, d-, χώρᾳ ; | got. gebai
i-St. | Ady. auf-ei | szale fiska
| Adv. auf-nv merga
ΤΕΣ ΠΟΥ ags. hearde, an. vida
SR got. daga
Zr καλῶς | got. galeiko, ahd. argo
| τῆ | |
vrka θεώ , velkeu | ags. nosu
] ὁ 4 |
ln τιμαί rankı | σοί. twa busundja
N’ Phur | vrkäas | got. dagös
j " | dsväs mergös got. gebos
Ale Plür ΕΣ METER, ὍΣ:
ΝΠ Τὴ dsväs got. gibös
Gen. | vrkam θεῶν ᾿ vilkü | go τς wulfe, ahd.wolfo
Plur. | dsva-nam ranku | Ἢ . gibo
Instr. R ZI
Plur θεοῖς ı vilkars
Pers. | Tank liSEREF SH LETE RE
Braes suku got. nima, ahd. nimu
AUS. |
I SI Tat ar , TE — Summe ug χε - τ--------- [ε--- ΄ ἜΑ Zee =
38g.Opt. | φέροι te-suke got. bairai
38g. | | |
Praes. | φέρεται | got. hartada
Med. |
wesen. Vielmehr dürfte der schleifende Ton der Wurzelsilbe im
Gen. Sing. durch den Silbenverlust bedingt sein. Über dieses und
die damit zusammenhängenden Probleme wird, wie ich hoffe, von
andrer Seite nächstens Licht verbreitet werden.
Magdeburg. Herman Hirt.
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit.
Bei Bearbeitung der Noreenschen Abhandlung über Sprach-
richtigkeit oben S. 95 ff. habe ich sorgfältig vermieden, der
Darstellung eine Färbung zu geben, die etwa meine eignen
Anschauungen zur Geltung bringen könnte, mich vielmehr be-
müht, möglichst unparteiisch den Standpunkt des Verfassers
hervortreten zu lassen. Der Aufsatz erscheint daher in einer
Gestalt, wie sie ihr etwa der Verfasser selbst, wenn sie deutsch
und mit besonderer Rücksicht auf die Verhältnisse des Nhd.
geschrieben wäre, gegeben hätte oder hätte geben können.
Dieser Umstand, dass ich, um die Einheitlichkeit des Aufsatzes
zu wahren, nicht nur darauf verzichtet habe, bei manchen
Aufstellungen, die ich nicht zu den meinigen machen kann,
Verwahrung einzulegen, sondern sie auch im Sinne des Ver-
fassers durch Heranziehung neuen Materials zu stützen ver-
sucht habe, mag es vielleicht rechtfertigen, dass ich mir ge-
statte, nachträgliche Bemerkungen folgen zu lassen, die Fälle
betreffen, bei «denen mir bei Umarbeitung der genannten Sehrift
bedeutende Zweitel aufgestiegen sind. Ein weiterer Beweg-
grund, der zu eimer etwas eingehenderen Besprechung herans-
fordert, liegt in der Thatsache, dass die Arbeit eine Fülle
neuer Gesichtspunkte aufweist, so dass keiner, der mit Fragen
der Sprachrichtigkeit zu thun hat, sie unberücksiehtigt lassen
darf, sondern zu ihr Stellung nehmen muss, sei es nun, dass
er vom sprachphilosophischen Standpunkt an sie herantritt, sei
es, dass er die Ergebnisse für die praktische Stilistik und den
Unterricht, bei dem hinsichtlich der Sprachrichtigkeit noch
unglaublich oft auf verkehrten Bahnen gewandelt wird, frucht-
bar zu machen sucht.
Hinsichtlich der Besprechung des litterarhistorischen
Standpunkts wird man wohl durchweg den Ausführungen des
Verf. Beifall zollen; bei der Behandlung des naturgeschicht-
lichen Standpunkts gestatte ich mir dagegen mehreres zu be-
merken.
Zunächst möchte ich kurz auf die Stellung Schleichers
zur Sprachrichtigkeitsfrage eingehen, da meines Erachtens
die Charakteristik, die der Verfasser von dem grossen Toten ent-
Arwid Johannson, Zu Noreens Abhandlung etc. 233
wirft, nicht zutreffend ist. Obwohl Schleicher in der Sprach-
forsehung die naturwissenschaftliche Methode zur Anwen-
dung bringen will, ist er doch, hinsichtlich der Sprachriehtig-
keit, wie ich glaube, von der naturgeschiehtlichen Richtung
zu trennen, und durchaus, was Noreen übrigens in beschränk-
terem Masse auch annimmt, als Vertreter des litterargeschicht-
lichen Standpunkts aufzuführen. Deshalb sind wir jedoch
nicht berechtigt, Schleicher der Folgewidrigkeit zu zeihen,
denn es scheint mir ein Unterschied, ob er darauf dringt für
die wissenschaftliche Erforschung einer naturwüchsigen Volks-
sprache jede zu Gebote stehende sprachliche Erscheinung als
Untersuchungsobjekt heranzuziehen und jeder in dieser Hin-
sicht einen gleichen Wert beimisst, oder ob er, zumal bei einer
Sprache wie der nhd. Sehriftsprache!), hinsichtlich der Rich-
tigkeit über den Wert der sprachlichen Erscheinungen sein
Gutachten abgibt und der einen vor der andern einen Vorrang
zugesteht. Schleichers Anschauungen über die Sprachrichtig-
keit kennen wir hauptsächlich aus semem Buche über die
deutsche Sprache, in dem sie an der Hand des Nhd. zur
Anwendung gekommen sind. Suchen wir sie uns nun aus ein-
zelnen Fällen zu erschliessen. Dass Schleicher keinen "Abscheu
segen die Analogiebildungen hegte, sie auch nicht alle als
‘falsche’ brandmarkte, dürfte aus seinen eignen Ausführungen
hervorgehen: ihm ist die Analogiebildung ein wesentlicher
Faktor der Sprachbildung, denn schon in den ältern Sprach-
perioden beginne die Analogie die Mamnigfaltigkeit der Formen
auf das Notwendigste zu beschränken, das Streben nach be-
quemer Uniformierung habe den Bau der Sprache immer mehr
vereinfacht (a. a. Ὁ. 60f.). Im weitesten Umfang macht
Schleicher bei der Erklärung der Formen von der Analogie
Fenauche(wie 7: B2°S..61, 170, 172,7247 7251, u. 8: w.).
Ausserdem ist zu bemerken, dass Schleicher in diesen Bei-
spielen, wie auch an der Stelle, wo er das Wesen dieser Er-
scheinung zum ersten Mal und am eingehendsten bespricht
(S. 60f.), nur den Ausdruck Analogie’, nicht “falsche
1) “An dem Mangel ausnahmslos durchgreifender
Lautgesetze (sic!) bemerkt man recht klar, dass unsere Schrift-
sprache keine im Munde des Volkes lebendige Mundart, keine un-
gestörte Weiterentwickelung der älteren Sprachform ist.” (Deutsche
Sprache * 173.)
234 Arwid Johannson,
Analogie'!) gebraucht. Es lässt sich auch, vom eignen
Standpunkt Noreens aus, der Schleicher der naturhistorischen
Gruppe zuzählt, beweisen, dass Schleicher keinen “Abschen’
gegen die Analogiebildungen gehabt haben kann. Denn, da es
nach dieser Ansicht heisst: “Ist eine sprachliche Form einmal
entstanden, so ist sie eo ipso daseinsberechtigt”, so könnte
Schleicher auch emer durch falsche Analogie entstandenen
Form nicht die Anerkennung versagen. Es mag immerhin
zugegeben werden, dass die Forscher der Gegenwart mit Recht
vieles auf analogischem Wege erklären, was Schleicher noch
mit Hilfe eines Lautgesetzes ins reine bringen zu können
glaubte; doch das ist ein ganz natürlicher Vorgang, dass jener
der auf eines andern Schulter steht, einen weitern Ausblick
hat, als sein Träger: Schleicher war es nur beschieden, das
Fundament zu legen, man darf ihm also nicht verargen, dass
er nicht jedes einzelne Stück richtig unter Dach und Fach
gebracht hat.
Dass jedoch Schleicher hinsichtlich der Sprachrichtig-
keit durchaus dem litterargeschichtlichen Standpunkt zuzuzählen
ist, geht aus seinen Aussprüchen hervor. Überall, wo es sich
nicht um die wissenschaftliche Erforschung, sondern um den
praktischen Wert der Sprache handelt, stellt er die Schrift-
sprache hoch über die Mundart?). Wiederholt sieht er sich
veranlasst, Formen, als in der Schriftsprache unberechtigt, als
nur der Mundart angehörig, zurückzuweisen, wie z. B. 213, 228.
Doch zwei Aussprüche finden sich, die, aus ihrer Umgebung
1) Übrigens scheint mir diese Bezeichnung mit wenig Recht
verketzert zu werden; man muss nur den Ausdruck “falsch’ nicht
auf das Vorsichgehn der Assoziation selbst, sondern auf das Er-
gebnis derselben beziehen; denn da das Sprechen ausser der Re-
produktion auf der Assoziation beruht, diese aber in ihrem Resultat
entweder sich mit dem schon Bestehenden deckt, also zu dem-
selben Ziel führt, wie die Reproduktion, oder aber von dem Be-
stehenden abweicht, und somit etwas neues schafft, so ist es nicht
unwillkommen, für diese Art der Assoziation einen besonderen Aus-
druck zu haben.
2) “Schriften in Volksmundarten .... müssen immer die Dar-
leeung des mundartlichen Wesens, der Sprache und der lokalen
Anschauungs- und Darstellungsweise zum Zwecke haben, nicht aber
darf die mundartliche Sprache als blosses Mittel der Mitteilung auf-
treten. Dies Recht steht nur der einen allgemeinen hochdeutschen
Schriftsprache zu” (a. a. O. 112).
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 235
herausgerissen, den Anschein erwecken können, als ob Schleicher
dem naturgeschichtlichen Standpunkt das Wort geredet habe,
die aber im Zusammenhang betrachtet, gerade das Gegenteil
beweisen. “Wir müssen, um gut zu sprechen, sprechen, wie
der Schnabel uns gewachsen ist.“ Dieser Satz, den auch
Noreen heranzieht, findet sich S. 210 und wird gegen den
gerichtet, der sich bemüht neben schneiden stehen und nicht
schtehen zu sprechen. Die ganze Stelle lautet: “Hier ist es
am besten, so zu reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist,
entweder überall sch oder überall s. Die Künstelei führt auch
hier, wie überall, nicht zur vermeintlichen Korrektheit, sondern
zur Sprachwidrigkeit. Nur ist eben zu merken, dass das Fest-
halten am alten s nicht hochdeutsch, sondern niederdeutsch
ist; wer hochdeutsch sprechen will, der muss schprechen,
schtehen, schtechen u. s. f. sagen, so gut als schwein, schnell
u. 5. f. Fort also mit dem gouvernantenmässigen, uns wider-
strebenden und der Sprache unangemessenen sprechen, stehen,
stechen u. 8. f. mit reinem κ΄ damit scheint mir doch weiter
nichts gemeint als: wer dem niederdeutschen Dialekt angehört,
soll überall s, wer dem hochdeutschen Dialekt angehört,
überall sch sagen, nicht aber der eine oder der andere bald
sch, hald s sprechen. Wer dagegen schriftdeutsch reden will,
der muss, um richtig zu sprechen, überall sch anwenden.
Ähnlich verhält es sich mit folgendem Satz auf S. 284 f.:
“Keine grammatische Form findet man so häufig falsch ge-
bildet als diese (nämlich solche Opt. Imperf. wie begänne statt
begönne). (uäle man sich nicht mit Herstellung eimer Uni-
torm für alle Verba, sondern wähle jeder die Form, die ihm
mundgerecht ist. Mit Rücksicht auf das, was Schleicher un-
mittelbar vorher von den Optativen gesagt hat, glaube ich die
Stelle so auslegen zu müssen: wenige gebrauchen die lautge-
setzliche Form, die meisten die analogische, und trotz dem
Gebrauche der Mehrheit ist diese Form falsch. Schleicher hat
also durchaus Stellung genommen: er duldet begänne zwar,
erklärt es aber ausdrücklich für falsch. Das ist doch etwas
anderes, als wenn er sagen wollte: begänne und begönne sind
gleich gut, gleich richtig.
Zum Schluss erlaube ich mir noch, um zu zeigen, dass
Schleicher hinsichtlich der Sprachrichtigkeit zur ersten Rich-
tung gehört und sich mithin zwischen der lautgesetzlichen und
236 Arwid Johannson,
der analogischen Form zu gunsten der ersten entscheidet,
einige Belege anzuziehen; man vergleiche sein Urteil in Ver-
hältnissen wie spitzfündig — spitzfindig (S. 180), lüderlich
— liederlich (S. 186), triegen — trügen (S. 191), bleib —
bleibe (5. 274), ward — wurde (ὃ. 283), sog — saugte (S. 287),
diünkt, deuchte deucht, deuchte — dünkt, dünkte (ὃ. 289)
u. 5. w. Das mag genügen; dem Suchenden begegnen in dem
;uche auf Schritt und Tritt solche Beispiele.
Dem nachdrücklichen Einspruch Noreens gegen die Be-
rechtigung, die Norm für die Sprachrichtigkeit nach dem Ge-
brauch der Quantität der Redenden zu regeln, muss ich fast
in allen Stücken beipflichten. Ganz unberührt von diesem ver-
nichtenden Angriff bleibt dagegen eine andere Anschauung,
die sich zwar ebenfalls auf den Brauch gründet, aber nicht
auf den Brauch der Menge der Redenden, sondern auf den
der Güte der Redenden, bezw. Schreibenden. Richtig ist
also nicht die Ausdrucksweise der Mehrzahl, sondern die
Sprache, die die guten Schriftsteller und Redner verwenden).
Es ist das eine Ansicht, die schon im Altertum viele Anhänger
zählte, und die man noch heutzutage in Deutschland, mehr oder
1) Man darf den Begriff des Wortes richtig in Fragen des
Sprachgebrauchs nicht auf die Spitze treiben. Unter Sprachrich-
tigkeit ist nicht das zu verstehn, was den Gesetzen der sprachlichen
Entwickelung gemäss ist, denn dann wäre die Form dünkte genau
so richtig wie deuchte, dann könnten wir eigentlich von “ richtig
und falsch einer Sprachform”, wie meiner Überzeugung nach Ost-
hoff treffend bemerkt, gar nicht reden, und eine Untersuchung
über die Richtigkeit einer Sprachform, wie überhaupt alles histo-
risch gewordenen, wäre unmöglich. Man muss vielmehr richtig nur
als Ausdruck einer Wertangabe betrachten, statt dessen wir auch
farblosere Bezeichnungen, wie etwa gut, empfehlenswert u. a.
wählen könnten. So ist es zu verstehen, wenn ich im folgenden
von sprachrichtig rede, und zwar wende ich den Ausdruck auf die
gegenwärtig vorliegende Entwickelungsform der Sprache an, wäh-
rend dagegen richtig in jener ersten Bedeutung zu dem Ursprung
oder der Entwickelung einer Form in Beziehung gesetzt wird, und
somit hauptsächlich auf einen verflossenen Zeitraum in der Sprache
hinzielt.
Beim “rationellen’ Standpunkt nimmt das Wort häufig die
Bedeutung "zweckmässig für die weitere Entwickelung der Sprache’
an, blickt also offenbar in die Zukunft. Für diese Spielart des Be-
griffs "sprachrichtig’ gebrauche ich lieber den Ausdruck "zweck-
mässig’.
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 237
minder bewusst, überaus häufig zur Anwendung bringt. Als
der älteste Vertreter dieser Richtung dürfte wohl Krates von
Mallos anzusehn sein und mit ihm die ganze anomalistische
Schule (vgl. Steinthal Geschichte der Sprachw. bei d. Griechen
und Römern 490). Dieselbe gewann immer mehr und mehr die
Oberhand, so dass schliesslich selbst die Analogisten zur Ano-
malie umschlugen und sich genötigt sahen ihr die grössten
Rechte einzuräumen, ohne zu merken, dass sie dadurch über
ihren eignen Standpunkt den Stab brachen (vgl. Steinthal
a. a. Ο. 018 ἢ). Am weitesten vorgeschritten in dieser Er-
kenntnis ist der Analogist Quintilianus (Institutiones I 6):
“ consuetudinem sermonis vrocabo consensum eruditorum, sicut
vivendi consensum bonorum; “consuetudo vero certissima
loquendi magistra. Formen, die der Analogie gemäss wären,
dürften jedoch nicht verteidigt werden, wenn sie nicht zum
Sprachgebrauch stimmten; nur im zweifelhaften Fällen habe
die Analogie zu entscheiden, “incerta certis probet.’ Es ist
das also im wesentlichen der Standpunkt, der unter den ältern
Gelehrten von K. L. Heyse (vgl. Socin Schriftsprache und
Dialekte 473 f.) und von R. v. Raumer eingenommen wird, und
der in der Gegenwart durch Paul (Prinzipien? 350 ff.) und
ganz besonders durch Behaghel (Deutsche Sprache 46 ff.) sei-
nen deutlichsten Ausdruck gefunden hat. Die Gedankenfolge
dieses Standpunkts, den ich den kombinierenden nennen
möchte, ist folgende:
“Was gebräuchlich ist, ist sprachrichtig, was nicht ge-
bräuchlich ist, widerspricht der Sprachrichtigkeit” (Behaghel).
“Es kann das aber nicht der Usus der Gesamtheit sein” . ..
“Sowohl um eine Einheit herbeizuführen als um eine schon
vorhandene aufrecht zu erhalten, ist etwas erforderlich, was
von der Sprachthätigkeit der Gesamtheit unabhänig ist, dieser
objektiv gegenüber steht. Als solches dient überall der Usus
eines bestimmten engen Kreises” (Paul). “ Die Stimmen dürfen
nicht nur gezählt, sie müssen auch gewogen werden; nicht
bei denen kann man lernen, was gute Sitte ist, die auf Sitte,
auf äussere Form keinen Wert legen” (Behaghel). “Dem
übereinstimmenden Sprachgebrauch der klassischen Sehrift-
steller hat er (nämlich der Grammatiker, der diesen verzeichnet)
sich zu unterwerfen, er mag ihm nun gefallen oder nicht”
(vgl. Raumer Gesamm. sprachw. Schriften 160). “ Eine Schrift-
238 Arwid Johannson,
sprache, die dem praktischen Bedürfnisse dienen soll, muss
sich gerade wie die lebendige Mundart mit der Zeit verän-
dem.” .... Der Sprachgebrauch der Gegenwart muss neben
dden alten Mustern, wo nicht ausschliesslich zur Norm werden.”
(Paul). “Selbst für die sorgfältigste Beobachtung, für das
feinste Sprachgefühl muss ein Rest bleiben, wo der Sprachge-
brauch für die Sprachrichtigkeit nicht mehr den Ansschlag
geben kann. In dem Kampf zwischen Altem und Neuem muss
es Augenblicke geben, wo beide Mächte sich die Wage halten,
wo für verschiedene Gebrauchsweisen sich gleich viele und
gleich starke Autoritäten geltend machen lassen, was ist in
solchen Fällen zu thun? Die Rücksicht auf die Verständlich-
keit in der Gegenwart kann es nicht thun; so entscheide die
Rücksicht auf die Zukunft” (Behaghel).
Wie man ersieht, läuft die Anschauung im wesentlichen
auf dasselbe hinaus, wie die Noreens, denn auch nach dieser
wird dem eine gute Sprache zuerkannt, der so spricht und
schreibt, wie die guten Redner und Schriftsteller (5. 155
und 157). Beide Anschauungen treffen wohl am selben Ziel
zusammen, aber schlagen nur zum Teil denselben Weg ein.
Der Unterschied spitzt sich hier zur Frage zu, was einen guten
Schriftsteller ausmache. Laut Noreen ist derjenige ein sol-
cher, der sich von den bei der Besprechung des rationellen
Standpunkts gegebenen Gesichtspunkten leiten lässt. Warum
c
ich mir diese nicht in allen Stücken zu eigen machen kann,
will ich weiter unten darzulegen versuchen. Meimes Erachtens
kommen bei der Frage nach dem stilistischen Wert eimes
Schriftstellers folgende Hauptmomente inbetracht, die ich nur
in aller Kürze anführe, dla die Mehrzahl von ihnen teils von Noreen
vortrefflich behandelt ist, teils sich mit Leichtigkeit aus seinem
(S. 114) an die Spitze gestellten Grundsatz ableiten lässt.
l. Die Darstellung muss der Verstandesthätigkeit Vor-
schub leisten:
a) Die Darstellung muss verständlich sein, sowohl im
einzelnen Ausdrücken, als auch im Bau und in der Verknüpfung
der Sätze.
b) Der Begriff, der zum Ausdruck gebraelit werden soll,
muss bestimmt gedacht und demgemäss auch mit Bestimmtheit
ausgedrückt werden; so z. B. müssen die feinen Bedeutungs-
unterschiede der sinnverwandten Wörter beobachtet werden
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 239
(wie leib — körper, manche — viele u. 8. w.), desgleichen
auch die synonymischen Wortformen (wie neuheit — neuigkeit,
unterschied — unterscheidung) auseinander gehalten werden.
e) Die Darstellung muss kurz und bündig sein, sowohl
in syntaktischer, als auch in formeller Beziehung.
d) Sie muss logisch sein, darf keine innern Widersprüche
oder falsche Folgerungen enthalten.
II. Die Darstellung muss dem Schönheitsgefühl Genüge
leisten:
a) Der einzelne Ausdruck oder die Darstellung eines
Teiles muss dem Habitus oder der Stilart des grössern Ab-
schnitts angemessen sein. Zur Einheitlichkeit des Stiles gehört
auch seine Reinheit d.h. das Freisein von entbehrlichen Fremd-
wörtern.
b) Die Ausdrücke müssen noch sinnliche Frische und
Anschauliehkeit besitzen; abgeblasste, wie auch abgegriffene
Wörter und Bilder sind zu meiden.
ce) Die Darstellung muss über Reichtum und Mannigfaltig-
keit in der Ausdrucksweise verfügen !).
Behaghel meint “die Krücken der Logik und Ästhetik ἢ
bei der Wertbestimmung des Stils entbehren zu können. Wenn
auch zuzugeben ist, dass den einzelnen in Frage kommen-
den Fällen sich nicht immer scharfe Grenzen ziehen lassen,
so wird anderseits dieser Mangel dadurch ausgeglichen, dass
nicht jeder Gesichtspunkt für sich allem in betracht kommt,
sondern gleichzeitig alle zusammen wirken müssen. Ganz und
gar nicht ist des Massstabs der Zweckmässigkeit und der
Schönheit bei Beschaffung einer richtigen Anschauung vom
Stil einer Schrift da zu entraten, wo es sich um eme Sprache
handelt, die noch keinen anerkanntermassen mustergiltigen
Schriftsteller hat. Wo aber ein solcher vorhanden ist, sei
es nun auch in einer weiter zurückliegenden Zeit, da kann
man diesen Massstab schon leichter missen, denn hier hat man
schon festen Boden unter den Füssen: die bisher rein theo-
retische Norm hat sich in eine praktische umgesetzt, Me-
1) Über Stilistik im allgemeinen vergleiche Behaghel Deutsche
Sprache 42-46 und namentlich Beckers deutschen Stil? bear-
beitet von Lyon, ein etwas breit angelegtes Buch, das neben vielen
verkehrten Anschauungen vom Wesen der Sprache eine Fülle feiner
Bemerkungen enthält.
940 Arwid Johannson,
thode und Resultat können sich gegenseitig kontrollieren. Aus
den guten Schriftstellern eines vergangenen Zeitraums, deren
Wert über allen Zweifel erhaben ist, erhellt, was für Anforde-
rungen wir an die Schriftsteller der Gegenwart zu stellen haben.
Es hat sich dadurch ein Stilgefühl herausgebildet, so dass im all-
gemeinen keine Uneimigkeit zu bestehen pflegt, welchen Schritft-
steller man als einen guten Stilisten zu bezeichnen hat. G. Frey-
tag, P. Heyse, G. Keller, Ranke z. B. werden fast einstimmig
als mustergiltige Stilisten der Gegenwart angesehn, ohne dass
meines Wissens eine umfassendere Untersuchung über ihren
Stil angestellt worden ist. Diesen werden wir also zu folgen
haben, wenn wir richtig sprechen wollen. Wo die Vorbilder
aber selbst uneinig unter einander sind, oder auch uns ganz
im Stiche lassen, da haben wir das zu wählen, was für die
weitere Ausgestaltung der Sprache am dienlichsten ist. Ein
gründlicher Kenner der Geschichte seiner Muttersprache wird
uns mit ziemlicher Wahrschemlichkeit den Weg weisen können,
den die Sprache in ihrer nächsten Entwicklungsstufe ein-
schlagen dürfte.
Ich gehe jetzt zur Behandlung des rationellen
Standpunkts über, für den ich lieber als Namen “Zweck-
mässigkeitsstandpunkt” vorschlagen möchte, und gedenke
ihn nur insoweit einer Erörterung zu unterziehen, als ich mich
mit ihm nicht emverstanden erklären kann.
Der Grundsatz “ein Sprachgebrauch, der am besten das
Mitzuteilende dem Angeredeten beibringt, ist der beste; absolut
unrichtig ist, wenn er das nicht vermag; was hier gut ist,
ist da schlecht”, der in dieser allgemeinen Fassung sich so
natürlich ausnimmt, würde zur Unmöglichkeit, wenn er wirk-
lieh in emem eingehenden Werk über Sprachrichtigkeit, das
doch durchaus zu wünschen ist, die Grundlage einer bis in alle
Einzelheiten ausgearbeiteten Norm abgeben sollte. Denn da
nicht nur die verschiedenen Spielarten der Redenden, sondern
auch die der Angeredeten inbetracht kommen müssten, so er-
hielten wir eme wnabsehbare Menge von Normen für die
Sprachrichtigkeit, und der Grundsatz verlöre nieht nur für den
Schulunterricht, sondern überhaupt allen praktischen Wert").
I) Ein beliebiges Beispiel: Vom Feldmarschall Wrangel, des-
sen Ausdrucksweise bekanntlich vom Gebrauch der Schriftsprache
bedeutend abwich, wird erzählt, er habe in einer Gemäldeausstel-
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 241
Es scheint mir wahrscheinlich, dass Noreen seinen Satz nicht
so verstanden haben will, sondern, wie aus denjenigen Bei-
spielen der ganzen Arbeit, bei denen nichts ausdrückliches
über die Sprachstutfe des Redenden bemerkt ist, erhellt, geht
er zwar stillschweigend, doch, wie ich meine, mit Recht von
der Voraussetzung aus, dass erstens Redender und Angerede-
ter auf der gleichen Höhe sprachlicher Bildung stehn, zweitens
für alle hier behandelte Punkte durehgehends die gleiche
Spielart der Sprache anzunehmen ist, und zwar legt er, wie
S. 99 Anm. 1 ausdrücklich bemerkt wird, die gesprochene
Sprache zugrunde, und wie die angezogenen Beispiele noch
deutlicher erweisen, was gemeint ist, die dialektfreie Umgangs-
oder alltägliche Verkehrssprache, nicht die Schrift- oder Ge-
meinsprache. Aus der eben zitierten Anmerkung, falls ich sie
richtig erfasse, scheint hervorzugehen, dass der Verf. für die
bestehende Schriftsprache hinsichtlich der Sprachrichtigkeit
eine besondere Stellung verlangt: während für die Form der
Umgangssprache als Norm die Zweckmässigkeit aufgestellt
wird, wird der Schriftform der Brauch zugrunde gelegt (allra
ist die bessere Schriftform, aldra besser in der gesprochenen
Sprache, vgl. im Original S. 4 Anm. 2 u. ὃ. 6)'). Was mich
abhält dieser Theorie beizupflichten, sind folgende Bedenken:
1) Da es mir richtiger scheint, dort eine Grenze zu ziehn,
wo ein natürlicher Abschluss vorliegt, so wäre es vielleicht
empfehlenswerter gewesen, als Norm die prosaische Form
der Sehriftsprache aufzustellen. Denn zwischen der Schrift-
lung gefragt, von wem ein bestimmtes Bild gemalt sei. — “Von
mir, Excellenz”, war die Antwort. “Von Mir, das ist wohl kein
deutscher Maler?” — “Ich meine, von mich” — “ Ach so, von Sie,
na das freut mir”. —- In diesem Fall wäre also als Norm aufzu-
stellen: von mit. dem Ace. ist das beste, absolut unrichtig ist von
mit dem Dat.
1) Jedoch auch für die Umgangssprache kann dieser Stand-
punkt nicht ganz der Norm, die durch den Gebrauch gegeben wird,
entraten: Auf ihn gründet sich der Geschmack der Redenden,
dem eine modifizierende Bedeutung zugewiesen wird (S. 113 Anm. 1):
von im übrigen gleich guten Formen ist die gebräuchliche die
bessere (S. 133); der Brauch übt auf Aussprache, Wortform und syn-
taktische Anwendung derselben eine Autorität aus, auf die erste
die grösste, auf die letzte die geringste (ebd.). Wann das Prinzip der
Zweckmässigkeit, wann das der Gebräuchlichkeit zur Anwendung zu
kommen hat, dürfte nicht in allen Fällen leicht zu entscheiden sein.
949 Arwid Johannson,
sprache und der Umgangssprache besteht kem prinzipieller
Unterschied, sondern nur ein gradueller; es finden sich so rege
Wechselbeziehungen und innig verwobene Zusammenhänge
zwischen beiden, dass die Stelle, an der ein Querschnitt vor-
genommen werden soll, immer etwas willkürlich ausgewählt
werden muss.
2) Die Norm, die der Schriftsprache entnommen wird,
erfüllt besser ihren Zweck emer möglichst grossen Anzahl als
Mittel der Verständigung zu dienen. Die Norm, die man aus
der Umgangssprache gewinnt, würde hingegen eine zentrifugale
Wirkung ausüben, da es, wenigstens auf deutschem Boden,
keine allgemein geltende Umgangssprache gibt. Während die
Umgangssprache der Gebildeten Norddeutschlands nur unerheb-
lich von der Schriftsprache abweicht, spielt in die Verkehrs-
sprache der Würtemberger, Östreicher, Schweizer die örtliche
Mundart so stark hinein, dass wir demgemäss für die Um-
gangssprache jedes dieser Gebiete eme besondre Norm ΔῈ
stellen müssten. Man versuche nur die Theorie in die Praxis
zu übersetzen, und etwa für jede Mundart ein ausführliches
Register der Sprachrichtigkeit aufzustellen, man wird dann
die Zersplitterung recht deutlich gewahr werden.
3) In der Umgangssprache ist im allgemeinen das be-
wusste Bestreben, sprachriehtig zu sprechen nicht sonderlich
stark ausgeprägt Es herrscht vielmehr die Neigung zur Be-
quemlichkeit, zum Sichgehnlassen und lässigen Reden, zum
Verharren im gewohnten Gleise vor. Je weniger gebildet je-
mand ist, um so weniger wird er auch das Bedürfnis fühlen,
Sorgfalt auf die Richtigkeit zu verwenden, es genügt ihm nur
irgend wie seine Meinung kund zu geben, wie er es eben ge-
wohnt ist, “wie ihm gerade der Schnabel gewachsen ist”).
Ist aber in der Umgangssprache das Streben, richtig zu spre-
chen, so wenig entwickelt, so erscheint es mir auch nicht
billie, sie als erstrebenswerte Norm vorzuhalten. Es dünkt
mich passender als Norm die Schriftsprache aufzustellen und
(lie Sprachrichtigkeit nach dem Abstand von dieser Norm zu
bemessen. Selbstredend muss ein Unterschied gemacht wer-
den zwischen dem, was als Muster vorgestellt ist und dem,
1) Abgesehen natürlich von den Fällen, wo er im mündlichen
oder schriftlichen Verkehr sich einer ganz besondern Sorgfalt be-
tleissigen zu müssen glaubt.
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 243
was, veranlasst durch besondere Umstände, zugelassen werden
kann. Eine Konstruktion, wie von mich, ist nur als Notnagel
anzusehn und darf nicht zum Gesetz erhoben werden. Das
Streben des Gesetzes geht auf Vervollkommnung; die Handlun-
sen derer können uns daher nieht wohl Gesetz sein, die in
ihrer geistigen Entwicklung noch weit von Vollkommenheit
entfernt sind).
4) Übrigens langt Noreen am Ende seiner Arbeit (8. 155)
auch auf dem Punkte an, von dem ich ausgegangen bin.
Seine Schlussfolgerung lautet so: es nehmen gewisse Redner
und Schriftsteller Sprachformen, die sie aus der Umgangs-
sprache unter Befolgung der von ihm entwickelten Gesetze der
Sprachriehtigkeit gewonnen, in die Schriftsprache auf, mithin
zählen sie in stilistischer Beziehung zu den grossen Rednern
und klassischen Verfassern; will man nun gut reden und
schreiben, so muss man als Vorbild ihre Sehriften benutzen.
Man gelangt also auf diesem Wege dazu, die aus der Schrift-
sprache (nicht aus der Umgangssprache) geschöpfte und auf
jener beruhenden Norm als Richtschnur auch für die Um-
gangssprache anzuerkennen ?).
1) Das gilt natürlich auch von der Sprache der Kinder
und den Bestrebungen ihrer Sprache Muster für die Sprache der
Entwickelteren zu entnehmen. Der S. 127 aufgeführte Gedanke
Max Müllers hat neuerdings in Löwe (Ztschr. d. Vereins f. Volks-
kunde I 61 ff.) einen Verteidiger gefunden, dem zufolge Lautwandel
wie Analogiebildung “ in letzter Instanz aus der Sprache der spre-
chen lernenden Kinder abzuleiten” ist. Für eine Litteratursprache
mindestens ist dieser Gesichtspunkt so gut wie ganz ohne Belang,
da die von Kindern, die sich die Sprache erst anzueignen haben,
ausgehenden Neuerungen wirkungslos im Verkehr mit den der
Sprache Kundigen untergehen. Vgl. auch S. 245 f.
2) Anlässlich des Streites zwischen der Anomalie und Analogie
fällt ein Anhänger jener, Sextus Empirieus (πρὸς τοὺς μαθηματικούς
I 201) folgendes Urteil: Ἵνα γὰρ deitwcıv (nämlich die Analogisten),
ὅτι οὐ διαλεκτέον κατὰ τὴν cuvNdeıav, εἰεάγουει τὴν ἀναλογίαν ἡ δέ
ἀναλογία οὐκ ἰεχυροποιεῖται. εἰ μὴ εὐυνήθειαν ἔχοι τὴν βεβαιοῦςαν. Da
bei den Anomalisten ευνήθεια geradezu“ Gebrauch der mustergiltigen
Schriftsteller” bedeuten kann, so träfe der Ausspruch auch im vor-
liegenden Fail zu, wenn es nicht zu kühn wäre, für ἀναλογία “ Norm
der Umgangssprache” einzusetzen, wofür wir allerdings eine gewisse
Berechtigung haben, da der Standpunkt der alten Analogisten sich
vielfach mit dem Zweckmässigkeitsstandpunkt berührt und der Ana-
logie bei diesem auch ein weitumfassender Wirkungskreis zuge-
wiesen ist. Siehe im Text S. 244.
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 16
244 Arwid Johannson,
ὃ) Der Zweckmässigkeitsstandpunkt kann Anwendung
finden, wenn es eine Entscheidung abzugeben gilt in Fällen,
wo es sich um die genauste und schnellste Auffassung und
die leichteste Hervorbringung handelt. In fast allen andern
Fragen, wo diese Kategorieen sich nicht anwenden lassen,
versagt er; so 2. B. kann man bei diesem Standpunkt keme
Gewissheit erzielen, ob man dinte oder finte, hilfe oder hülfe,
sträuche oder sträucher, dorne, dörner oder dornen, trotz
des Regens oder dem Regen, mir oder mich dünkt u. 5. w.
sagen soll, da die zusammengehörigen Beispiele sich gleich
leicht hervorbringen lassen und verstanden werden. Hier muss
man doch seime Zuflucht zum Sprachgebrauch nehmen, was
der Verf. selbst auch anzudeuten scheint (S. 133).
Sehr bezeichnend für den Zweckmässigkeitsstandpunkt
ist, dass Noreen bei der Frage nach der Sprachriehtigkeit
der Analogie einen solch ungemeim weiten Spielraum einräumt.
In dieser Beziehung sind schon zur griech.-röm. Zeit die Ana-
logisten, die Gegner der anomalistischen Lehre vom muster-
giltigen Sprachgebrauch, seine Vorläufer. Schon damals wurde
die Analogie angewandt, um eine praktische Sprachrichtigkeit
herzustellen: Ζεύς sollte z. B. Zeöc, Zei, Zea flektiert werden,
ja selbst klassische Schriftsteller, wie Thukydides, entgiengen
nicht der Massregelung (vgl. Benfey Gesch. d. Sprachw. 153 f.).
Schon von I. Flodström (Nystavaren 1887 5. 143 ff.)
sind im einer kleinen, sehr lesenswerten, den Noreenschen Auf-
satz ergänzenden Schrift, die Noreen in der zweiten Auflage
seiner Sprachrichtigkeit auch berücksichtigt, jedoch, wie ınir
scheint, nicht überall in gebührendem Masse, Bedenken vor-
gebracht worden. Auf den wesentlichen Inhalt dieser Schrift,
so weit er nicht deutlich bei Noreen zum Ausdruck kommt,
gehe ich hier kurz ein, da sie wohl den meisten deutschen
Lesern unbekannt sein dürfte. So rügt er, dass die Lautge-
setze bei der Frage nach der Sprachricehtigkeit nicht zu ihrem
Rechte kommen, was bei einem Forscher wie Noreen, der
eine so erspriessliche Thätigkeit auf dem Gebiete der Laut-
lehre entfaltet habe, um so mehr zu verwundern sei. Sie
stellten vielleicht weniger das Absterben und den Verbrauch
des Materials dar, sondern sehlössen vielmehr eine Absehlei-
fung, eime Verfeinerung des Vehikels der Gedanken in sich,
wodurch die Mitteilung handlicher werde, da man nicht lang-
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 245
samer m der Rede als im Gedankengang zu sein brauche).
Welehe Machtstellung die Lautgesetze einnähmen, leuchte z.B.
daraus hervor, dass im Nom. Plur. der aschwed. starken
Neutra kraft eines mechanischen Lautgesetzes das « geschwun-
den sei, wodurch die Form vollkommen mit dem Nom. Sing.
zusammenfiel, bord = Tisch und Tische 5). “ Die Schwierigkeit,
die Pluralendungen im Widerstreit mit den durch die Aus-
sprache bedingten Verhältnissen, die sich auch sonst geltend
machten, beizubehalten, war grösser als die infolge des Zu-
sammenfalls der Formen entstandene Schwierigkeit für das
Verständnis.” Systematische Ausgestaltung und organischer
Zusammenhang in der Sprache sei zwar ein grosser Vorteil,
der aber ebenso gut auch für die physische Seite der Sprache
Giltigkeit habe.
Auch der Umstand ist nicht ausser Acht zu lassen, dass
fast jede analogische Ausgleichung hüben die Zerreissung eines
Zusammenhangs drüben zur Folge hat, eine Erkenntnis, die
sich auch bei dem gemässigten Analogisten Quintilianus findet 5).
So ist z. B. gemäss der Ansicht Noreens (Original S. 25) rysa —
rös eine empfehlenswerte Analogiebildung nach frysa — frös.
Da aber hysa, Iysa, mysa im Präteritum hyste, myste, Iyste
aufweisen, so ist schwer einzusehn, warum gerade rös eine
bessere Form sein soll als vyste. Rycka — röck nach ryka
— rök scheint mir nicht nur deshalb “nicht ganz so gelungen ”,
weil die Quantität des Stammvokals in beiden Verben verschieden
ist, sondern vor allem auch, weil es umnütz von knycka —
konyckte, tycka — tyckte losgerissen wird. Recht typische
Beispiele, wie durch Herstellung von Analogieen andre wichtige
Zusammenhänge zerrissen werden, gewährt die Sprache der
Kinder. Auf die Ausgestaltung der Sprache können diese gar
nicht einwirken, denn sie sind im sprachlicher Beziehung —
Fremde. Weil sie sich die Sprache noch nicht ordentlich an-
geeignet, sind sie nicht imstande, gedächtnismässig zu repro-
duzieren, sondern genötigt, die Form, deren sie gerade be-
1) Vgl. jetzt auch Jespersen Studier over engelske kasus,
förste rekke 1591 8 9.
2) Dieses Beispiel findet sich auch bei Noreen, jedoch nieht zur
Erhärtung der Wirksamkeit der Lautgesetze angeführt (Original S. 18).
3) Instit. 1 0 15: “ meminerimus non per ommia duei analogiae
posse rationem, cum et sibi ipsa plurimis in locis repugnet.”
240 Arwid Johannson,
dürfen, durch eine Proportion zu erschliessen, und da die
thatsächlich vorhandenen sprachlichen Formen nur oberfläch-
lich in ihrem Bewusstsein haften, können sie keine Kontrolle
ausüben; die Folge ist die Unmasse der verschiedenartigsten
Entgleisungen. Die Behauptung, dass unregelmässig, mehr
vereinzelt stehende Formen die Leichtigkeit des Sprechens und
Verstehens beemträchtigen, möchte ich nur sehr bedingt aner-
kennen. Dass dem Fremden dadurch die Erlernung der
Sprache erschwert wird, liegt auf der Hand), kommt aber so
gut wie gar nicht inbetracht, da meines Erachtens bei Fragen
der Sprachriehtigkeit die Rücksichtnahme auf die Bequemlich-
keit der Fremden ganz fallen gelassen werden kann. Für den
Einheimischen aber, als Angehörigen einer Kultursprache,
möchte ich auch diese Ungelegenheit nicht allzu hoch an-
schlagen, da ihm die Sprachthätigkeit doch ganz mechanisch
geworden. Ein Grieche bezw. ein Deutscher wird wohl kaum
bei einem Wort wie Διός bezw. besser ratlos sein, wenn es
gilt Ζεύς bezw. gut ausfindig zu machen oder das Zusammen-
gehörige in Beziehung zu setzen. Um so weniger wird für
ihn die Unregelmässigkeit ins Gewicht fallen, je mehr er den
durch die schriftliche Fixierung zu grösserer Stetigkeit ge-
langenden Gebrauch auf sich wirken lässt.
Was die überflüssige Formunterscheidung anbe-
trifft, hat man die Frage aufzuwerfen, ob wirklich die Ersparnis in
lautlicher Hinsicht den Misstand aufwiegt, der daraus entsteht,
dass nicht jede einzelne Form an sich selbst (nicht durch Ver-
bindung mit andern) als solche gekennzeichnet wird. Jag
känner professorns söner, som bor pa landet; bor, das
sowohl “wohnt’ als auch “wohnen vertritt, ist hier entschie-
den mangelhaft. Ebenso lässt uns das Relativum som darüber
im Dunkeln, ob es als Sing. oder Plur. zu verstehen ist: pro-
fessorns söner, som 760 känner. Dieselbe Ungelegenheit
findet sich auch beim deutschen Relativum. Eim Satz, wie
ich ihn neulich in einem Briefe gesehn, “die Verschreibung
1) Demgemäss müssten wir auch annehmen, dass es einem
Kinde, dessen Muttersprache durch den Lautwandel sehr zersetzt
ist, wie etwa das Altirische, schwerer fällt, sich diese anzueignen,
als etwa einem deutschen oder schwedischen Kinde. Ob dieses
thatsächlich der Fall ist, weiss ich nicht, möchte es aber, so lange
nicht der Beweis erbracht ist, bezweifeln.
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 247
über die 1000 Mark, die B. zur Verwahrung übernommen,
ist datiert vom u. 5. w.', liess den Leser ungewiss, ob die
Verscehreibung oder die Summe selbst zur Verwahrung über-
nommen worden ist. In "soweit die deutsche Zunge klingt
und Gott im Himmel Lieder singt” wird Gott häufig genug
für einen Nominativ gehalten. Eine reichhaltige Sammlung
von Beispielen für solche Misstände bieten Sanders Haupt-
sehwierigkeiten !% 352f., auch Keller Antibarbarus δ {. 42,
Andresen Sprachgebrauch 365 f. 370. Ich hebe noch einige
heraus. "Seinem Landsmann, dem er in seiner ganzen Bil-
dung ebensoviel verdankte, wie Goethe” (Nom. oder Dat.?).
“Doch würde die Gesellschaft der Imdierin (Gen. oder
Dat.?) lästig gewesen sein”. “Darin hat Caballero wohl
nur einen Konkurrenten, die Elliot, welche freilich die
spanische Dichterin nicht ganz erreicht”. “Nur Dio-
peithes feindet insgeheim Dich an und die Schwester des
Kimon und Dein Weib Telesippa.. Wasistin diesen beiden
letzten Sätzen Subj., was Obj.? Die mangelhafte Bezeichnung
des formellen Verhältnisses an dem Wort selbst trägt natür-
lich auch zur Vermehrung der Homonymen bei, der man, wie
Noreen selbst bemerkt (S. 116 ff.), als einem wirklichen Nachteil
steuern muss. Der Einwand Flodströms‘ (a. a. Ὁ. S. 147),
man könne ja durch andre Konstruktionen Zweideutigkeiten
leicht vermeiden, ist ziemlich hinfällig, da einerseits dem Re-
denden selbst häufig genug die Zweideutigkeit gar nicht ins
Bewusstsein tritt, ihm ist der Sinn ganz klar und er setzt das-
selbe auch für den Angeredeten voraus, anderseits thatsäch-
lich vorhandene, wie z. B. in jenem Brief, nicht mehr zurück-
genommen werden können. Ausserdem würden dadurch die
Misstände nieht beseitigt, sondern nur umgangen. Beschrän- .
kung der formellen Unterscheidung scheint mir nichts Erstre-
benswertes. Je grösser der Formenreichtum ist, um so verständ-
licher ist die Rede‘). Durch ihn wird eime um so grössere
Mamnigfaltigkeit des Satzbaues ermöglicht, während sonst die
Ausdrucksweise auf eine bestimmte Wortstellung festgenagelt
1) Hiermit will ich natürlich nicht einem überschwänglichen,
unbeholfenen Formenreichtum, wie er sich z. B. in den Bantu-
sprachen findet, das Wort geredet haben, sondern ich denke immer
nur an den Formenschatz der idg. Sprachen.
248 Arwid Johannson,
werden müsste. Schon die Rücksicht auf die Zukunft, die
Sprache vor Undeutlichkeit zu bewahren, müsste einen Ver-
treter des Zweekmässigkeitsstandpunkts abhalten den Formen-
bestand zu verkürzen).
Ich betrete schliesslich noch ein Gebiet, auf dem ich
mich vielfach im Gegensatz zum Verf. weiss, ich meine die
brennende Fremdwörterfrage, die im Deutschland im letz-
ter Zeit ungemein grosse Erfolge aufzuweisen hat?). Die Zei-
1) Prof. Noreen, der mich auf einzelne Unebenheiten gütigst
aufmerksam gemacht hat, verdanke ich auch den Hinweis auf Jes-
persens jüngst erschienenes Buch. So geistvoll es auch geschrie-
ben ist, so fühle ich mieh doch nicht von seiner hier in Betracht
kommenden Darlegung überzeugt (8 7—15, 8 38—43). Es ist wohl
nicht zweifelhaft, was schwerer wiegt: Vermeidung von Misver-
ständnissen oder Ersparung der Flexionsendungen und einige an-
dere geringfügige, leicht auf anderem Wege zu erzielende, Be-
quemlichkeiten. Dass auch bei der festgeregeltsten Stellung durch
Abschleifung der Formelemente dem Misverständnis ein weiter Spiel-
raum eingeräumt wird, dafür dürften sich leicht Beispiele beibrin-
gen lassen; vgl. die im Texte angeführten, die eine ganz regel-
mässige Wortfolge aufweisen. (Jespersens Gegenbeispiel für Mis-
verständnis selbst bei formellem Reichtum ($ 43) ist nicht ganz
glücklich gewählt, da nichts darauf ankommt zu zeigen, dass Ho-
raz bei andern Völkern und in andern Zeiten, sondern nur dar-
auf, dass er von seinen eignen Sprachgenossen misverstanden
worden ist.) Im Gegensatz zu Jespersen halte ich nicht die Aus-
drucksweise für eine meisterhafte, die “weise verschweigt”, und
so zum Teil erraten lässt, was gemeint ist, sondern die, die voll-
kommen und deutlich andern die Meinung des Sprechenden bezw.
des Schreibenden beibringen kann. Als nicht unwesentliches Mittel
dient aber auch die Nachdrücklichkeit, und der kommt in nicht
geringem Grade die Möglichkeit einer freien, den Verhältnissen
angepassten Wortstellung zu gute. Durch die Möglichkeit im Satz-
bau wechseln zu können, wird auch der Schönheit der Sprache
Genüge gethan; und wie man nicht wohl einen Reichtum an Aus-
drücken einen Luxus nennen kann, und es mir auch nicht berech-
tigt scheint die Freiheit in der Verknüpfung der Sätze als “Unord-
nung” zu bezeichnen, ebensowenig lässt sich diese Bezeichnung auf
eine mannigfaltige Wortfolge, die meist je nach der verschiedenen
Färbung des Gedankens wechselt, anwenden.
2) Die Litteratur ist überaus reichhaltig; ich führe nur das
Hauptsächlichste an. Aus der Praxis entstanden, gewissermassen
durch des ganzen Volks Mitarbeit hervorgegangen, ist das vortreff-
liche Werk von Ὁ. Sarrazin Verdeutschungswörterbuch ? 1889.
Ders. Beiträge zur Fremdwortfrage 1857. Dunger Wörterbuch von
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 249
ten, in denen man jedes Fremdwort für überflüssig und über-
setzbar hielt (vgl. Statthalter der Leibwachgaulerei für Leut-
nant der Gardekavallerie), sind glücklich vorbei; ausmerzen
will man jetzt nur, die nieht entbehrt werden können. Die
Gesichtspunkte, die über die Notwendigkeit eines Fremdwor-
tes entscheiden, sind meiner Ansicht nach folgende:
Umangetastet müssen bleiben: 1) aus frühern Zeiträumen
alt überkommene Fremdwörter, die, wenn sie sich in Laut, Bil-
dung und Betonung von den deutschen nicht unterscheiden,
als eingebürgert zu betrachten sind, wie z. B. pfalz, pfirsich,
keller, vers u. s. w. Demgemäss ist das Bürgerrecht auch
den Wörtern zu erteilen, die aus einem älteren Zeitraum der-
selben Sprache oder aus nah verwandten Sprachen (bezw.
Mundarten) aufgenommen sind.
2) Jedes Fremdwort ist beizubehalten, falls nicht ein
vollkommen entsprechendes, durch den Gebrauch mustergilti-
ger Schriftsteller als richtig verbrieftes, einheimisches Wort
vorhanden ist. Wer ein Fremdwort ächtet und dann erst Er-
satz zu schaffen sucht, schädigt die Sprache.
3) Wo ein Fremdwort offiziell im Gebrauch ist oder als
technischer Ausdruck in Wissenschaft, Kunst und Gewerbe
besteht, ist es beizubehalten. Falls dagegen durch massge-
bende Schriften neben dem fremden Wort ein einheimisches
als gut gestempelt ist, ist das fremde zu meiden.
4) Fremdwörter sind beizubehalten, wenn es gilt Schat-
tierungen anzugeben!) oder Mannigfaltigkeit im Ausdruck zu
erzielen, doch wohlbemerkt, wenn zu diesem Behuf keine sinn-
verwandten deutschen Ausdrücke zur Verfügung stehn.
In allen übrigen Fällen ist die Anwendung von Fremd-
Verdeutschungen entbehrlicher Fremdw. 1882. Ders. Die Sprachrei-
nigung u. ihre Gegner 1887. Riegel Zeitschrift des allg. deutschen
Sprachvereins 1855 ff. Becker-Lyon 3 150 ff. Andresen Sprachge-
brauch ὅ 384 ff. Keller Antibarbarus? 11 ff. Paul Prinzipien 3 339 ff.
Verschiedene Aufsätze in der Ztschr. für deutsch. Unterricht.
1) Zu bemerken ist, dass Fremdwörter sich trefllich eignen,
wo man absichtlich etwas herabsetzen, ins Lächerliche ziehn oder
in Plattheiten sprechen will. Man vergleiche mamsell w. fräulein,
parapluie u. regenschirm, pantalons u. beinkleider, malheur u. mis-
geschick, courage u. mut, noble passionen u. edle leidenschaften.
Siehe Becker-Lyon 155 ff., Müller Ztschr. f. deutsch. Unterricht III
321 ff.
250 Arwid Johannson,
wörtern zu unterlassen. Wo für einen neuen Begriff ein passen-
der Ausdruck fehlt, da soll nicht bei irgend einer fremden
Sprache eine Anleihe gemacht werden, sondern die Erfinder
und Gelehrten mögen einen Namen geben, den sie aus den
Mitteln der eignen Sprache beschaffen). Folgendes scheint
mir gegen die Berechtigung der Fremdwörter zu sprechen:
1) Da die Sprache Fremdwörter aufgenommen hatte,
nicht nur, weil es ihr an der Bezeichnung eines Begriffs gebrach
und sie kraft eigner Uranlage, vielleicht aus Bequemlichkeit,
kein Wort schaffen mochte oder in Zeiten geistiger Stumpf-
heit nicht schaffen konnte, sondern hauptsächlich, weil die
Aufnahme von Fremdwörtern, und zwar eine massenhafte,
stattgefunden hat auch in Zeiten der Knechtschaft, Bedrük-
kung und geschwundenen nationalen Selbstbewusstseins?), so
scheint mir, da kein Volk an seine dies atri erinnert zu wer-
den liebt, aus patriotischen Gründen vollkommen gerechtfer-
tigt, «diese Denkmale nationaler Schmach verfallen zu lassen
und sie nicht immer und immer wieder aufzufrischen.
2) “Schleehter sind solche Formen, die sich schwerer
. auffinden lassen, .... sich schwerer dem Gedächtnis ein-
prägen, .... sich minder leicht mit andern .... assoziieren”
(Noreen S. 124). Zu ‚diesen gehören auch die Fremdwörter
(hier stimmt der Verf. mit mir überein S. 145), und deshalb
sind, meiner Meinung nach (im Gegensatz zu Noreen S. 136
Anm.), für den ersten Volksunterricht die in deutschen Gram-
matiken allgemein üblichen Bezeichnungen (wie hauptwort,
zeitwort, aussageweise, dritter oder wem-, vierter oder ıwen-
fall u.s. w.) wohl geeignet. Wo man in Volksschriften Fremd-
wörter nicht vermeiden kann, da empfiehlt es sich, em ein-
heimisches Wort in Klammern daneben zu setzen).
1) Dass auf Erfolg gerechnet werden kann, zeigt u. a. die
finnische Sprache, die sich, als das Bedürfnis an sie herantrat, in
weitem Umfang aus eigenen Mitteln für Wissenschaft und Gewerbe
init Benennungen ausrüstete.
2) Von solchen Zeiten gilt, was Leibniz in seinen Unvorgreif-
lichen Gedanken (ὃ 20) sagt: “es werde Teutsch in Teutschland
selbst nicht weniger verlohren gehen, als das Engelsächsische in
Engelland”. Vel. auch, was Noreen S. 146 Anm. 1 bemerkt.
5) Das umgekehrte Verfahren schlägt Leibniz (a. a. Ὁ. $ 92)
vor, um einen neugeschaffenen deutschen Ausdruck geläufig und
bekannt zu machen.
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 25
Namentlich Sarrazin (Vorwort XVII f.) hat darauf hin-
gewiesen, dass das Fremdwort “nur den weiteren, allgemeine-
ren, So zu sagen den Rohbegriff” liefere, “während die ge-
naue, besondere und feinere Unterscheidung durch die deutsche
Ausdrucksweise gewonnen wird”. Dieser Ausspruch gilt selbst-
verständlieh nicht unbeschränkt, findet jedoch im grossen und
ganzen Bestätigung. Im Satz “das Bild, das in der Seele
des Dichters lebt, entspricht nicht der Vorstellung, welche
man mit dem für ein Kunstwerk geeigneten dichterischen
Vorwurf verbindet” ist für die Bedeutungen der gesperrt ge-
druckten Wörter das Fremdwort ödee!) durchaus geläufig; man
könnte es auch hier überall vortreftlich einsetzen, unterlässt
es jedoch wegen der viermaligen Wiederholung. Also: “ Ver-
deutschung und Verschwommenheit der Gedanken dulden ein-
ander selten, während unklarer Sinn und Fremdwort meist
die verträglichsten Bundesbrüder sind.”
Noreen ist der Ansicht, dass die Sprache im Gegenteil
durch das Fremdwort an Verständlichkeit gewönne — näm-
lich für den internationalen Verkehr. Das ist nicht zu leug-
nen, es fragt sich nur, was das Ausschlaggebende ist: die
Misstände, die das Fremdwort dem Einheimischen mit sich
bringt, oder die Bequemlichkeit, die dem Fremden zu gute
kommt?). Ich meine, das erstere. Ausserdem glaube ich nicht,
dass es zulässig sei, bei der Festsetzung der Richtigkeit einer
Sprache andere Sprachen mitsprechen zu lassen, denn “im all-
gemeinen ist es ungereimt, die Norm für ein Ding ausserhalb
desselben zu suchen ”?). Abgesehen davon ist der Nutzen
kein wesentlicher, da das Vorhandensein von internationalen
Fachausdrücken in einer Sprache dem Fremden das Erlernen
1) Über weitere Bedeutungen von ?dee siehe Sarrazina.a.O.XIV.
2) “Vor allem hat man Rücksicht auf sein Publikum zu neh-
men, und mithin, wenn man sich an einen Schweden wendet, nicht
an erster Stelle darnach zu streben, von einem Ausländer ver-
standen zu werden.” Noreen 137.
3) Noreen S. 100. Man könnte vielleicht geneigt sein, hieraus
zu folgern, die internationale (wissenschaftliche u. a.) Sprache müsse
daher auch die Norm in sich selbst tragen. Dieser Einwand, den
Noreen auch erhoben hat, scheint mir deshalb nicht zu verschla-
gen, weil es keine internationale Sprache giebt: das wissenschaft-
liche Deutsch ist doch vor allem als Teil des deutschen, nicht als
Teil eines internationalen Verkehrsmittels zu betrachten.
209 Arwid Johannson.,
dieser Sprache doch nicht erspart. Wissenschaft, Kunst und
Gewerbe mögen kosmopolitisch sein, aber deswegen braucht
und kann es nicht die Sprache. Wünschenswert ist es, dass
für gewisse Gebiete eine Sprache durch ihr natürliches Über-
gewicht auf diesen eine internationale Geltung erlangt, wie
z. B. etwa für den Handel und Verkehr das Englische, für
die Diplomatie das Französische, für die Wissenschaft das
Deutsche). Daraus folgt aber nicht, dass das Deutsche, wenn
es sich um die Verkehrssprache handelt, möglichst viele oder
ausschliesslich englische, oder wenn die Diplomatie in Frage
kommt, französische Fachausdrücke anwenden soll. Folgerich-
tig wäre dann, dass man auch die schon bestehenden heimi-
schen Wörter durch Ausdrücke der betreffenden Sprache er-
setzte: man dürfte dann im Deutschen nicht mehr von dam-
pfer und zoll, sondern nur noch von steamer und duty
reden; im Interesse der kosmopolitischen Verständlichkeit müss-
ten dann auch die vom Verfasser, wie ich meine, mit voll-
stem Recht angewandten Ausdrücke "arjud', "judskridning
wieder durch ablaut, lautverschiebung ersetzt werden, wie es
in ältern schwedischen Werken noch Brauch war.
3) Gegen die Fremdwörter spricht die Rücksicht auf
die Emheitlichkeit der Sprache. Wie stark das Deutsche mit
fremden Bestandteilen durchsetzt ist, geht aus dem Umstand
hervor, dass das Wörterbuch des Deutschen nach Dungers
ungefährer Schätzung (Zeitsehr. f. deutsch. Unterricht III 285)
250000 einheimische und 70000 fremde Wörter zählt, so
dass der Vergleich mit einem “buntgeflickten Bettlergewand”
nicht ganz ohne Berechtigung ist. “Leute, für die “stilvoll”
ein unentbehrliches Schlagwort ist, die es als einen Frevel be-
trachten würden, modernes Geräte in ein altdeutsches Zimmer
zu stellen, sie scheuen sich nicht, deutsche, lateinische, fran-
zösische Wörter in bunter Mischung zu gebrauchen, ohne die
leiseste Ahnung von der Stilwidrigkeit, die sie «damit bege-
hen” (Behaghel Deutsche Spr. 46).
1) Auch Brunnhofer (Kulturwandel u. Völkerverkehr 39 ff.)
tritt für das Recht vieler, neben einander bestehender Kulturspra-
chen ein. “Das Glück der Menschheit geht nicht aus der Unifor-
mierung aller nationalen Besonderheiten, sondern aus deren höch-
ster Ausbildung hervor.”
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 253
4) Für Vermeidung der Fremdwörter spricht das Vorbild
mustergiltiger Schriftsteller, die namentlich in den letzten Jah-
ren begonnen haben den deutschen Wörtern zum Rechte zu
verhelfen. Allen voran steht in dieser Hinsicht wieder Gustav
Freytag, der in den neuern Auflagen die im seinen Schriften
vorkommenden Fremdwörter durch emheimische ersetzt und
so ein Bild vorhält, wie zu verdeutschen ist. Dankenswerte
Gegenüberstellungen der alten und neuen Lesarten giebt Künk-
ler (Ztsehr. f. deutsch. Unterricht ΠῚ 210 ff. 481 ff.).
Dass am Erfolg dieser Bestrebungen nicht zu zweifeln
ist, das beweist uns die Geschichte des Fremdwörterwesens in
Deutsehland. Vgl. Beeker-Lyon 151 ff. Dunger (ἃ. ἃ. 0.285 ff.).
Wenn es mir gelungen ist in der Umarbeitung der No-
reenschen Abhandlung bei solehen Formen, wie: die fingern,
flügeln, aposteln, die mehrsten, die sporne, höcher — höchst,
der namen (Sgl.), haute — gehaut, ich schand, brech — seh —
befehl (Imperativ) u. s. w., die Entscheidung im Sinne des Ver-
fassers zu fällen, und man etwa diese Formen als Kriterien
für den Wert eines Schriftstellers aus den letzten 50 Jahren
benutzen wollte, dann, muss ich gestehn, dann steht es wohl
verzweifelt um unsere schriftsprachliche Litteratur, keiner
möchte bei der Prüfung bestehn: wir hätten kaum einen guten
Schriftsteller aufzuweisen, vielleicht, dass wir erst einen von
der Zukunft zu erwarten hätten.
Meines Erachtens ist der nicht durch den Schriftbrauch
eingeschränkte Zweckmässigkeitsstandpunkt ein äusserst ge-
fährlicher; ein radikaler Anhänger könnte mit Hülfe desselben
aus dem Deutschen ein Volapük machen. Doch damit hat es
wohl keine Gefahr. Nicht alles, was zweckmässig ist, kann
durchgeführt werden, die historisch gewordenen Verhältnisse
setzen dem unübersteigbare Schranken entgegen.
Ebensowenig, wie in sprachlicher Hinsicht Zweekmässig-
keit mit Richtigkeit sich decken, ebensowenig kann ich zu-
geben, dass die Schönheit der Sprache hauptsächlich auf ihrer
Zweckdienlichkeit beruht (Verf. S. 142). Der juristische und
diplomatische Stil ist, wie männiglich bekannt, sogar sehr
zweckmässig, aber Wenigen, auch nicht einem “gesunden Ge-
schmack”, dürfte der Kanzleistil schön erscheinen.
Ich bin weit davon entfernt das Kriterion der Zweck-
954 Arwid Johannson,
mässigkeit zu unterschätzen, ich halte im Gegenteil die vom
Verf. von S. 115 an aufgeführten Kategorieen für höchst wert-
volle Merkmale, um an ihnen die Sprachrichtigkeit zu bemes-
sen und zwischen den vorhandenen, sich gegenüberstehenden
Formen eine Auswahl zu treffen — in allen Fällen nämlich,
in denen sich für den Sprachgebrauch bei den guten Prosais-
ten der Gegenwart (ich verstehe darunter etwa die letzten
50 Jahre) keine Übereinstimmung erzielen lässt, und das ist
häufig genug der Fall. Mögen die zeitgenössischen Schrift-
steller die Sprache fortbilden, aus rein naturwüchsiger Kraft
oder reflektierend — ganz wie sie es für ihren Bedarf und
Zweck als gut befinden. Mag man ihnen Mass und Richt-
schnur zum Ausbau der Sprache zur Verfügung stellen, wie
dem Storch das Rad als Grundlage seines Nests: ob nun
die Schriftsteller von dem, was ihnen willig geboten wird,
Gebrauch machen wollen, sei ihnen durchaus anheimge-
stellt. Der Anschauung Richerts (Ny Svensk Tidskrift 1888
S. 591 ff.), dass Neuerungen nicht in der geschriebenen, son-
dern im der gesprochenen Sprache zuerst aufkommen müs-
sen, kann ich ebensowenig wie der Verf. beitreten!), denn
dann würde der Schriftsteller dazu verdammt sein, abgegrif-
fene Münzen m Umlauf zu setzen und dürfte sich nicht unter-
fangen, wenn er nicht als Fälscher gelten will, ein Stück
eigner Prägung auszugeben. Was von dem Schüler gilt, dem
man nicht die Quellen muttersprachlicher Schöpterkraft ver-
siegen lassen darf, das gilt auch vom Schriftsteller; sonst
nimmt man ihm “sein schönstes Gut, die aus dem Innern quel-
lende Rede, und schiebt ihm statt dessen den Wechselbalg
angelernter Phrasen unter” (v. Raumer Gesamm. spwt. Schrift.
208). “In wie weit schöpferische Geister, die durch ihre
Erzeugnisse neue Epochen der Litteratur begründen, sich
von jenen (d. h. den vorhandenen) Formen lossagen dürfen,
ist eine Frage, die sich nur thatsächlich entscheidet. Bei an-
dern Menschen aber nennt man Verstösse gegen den festge-
stellten Sprachgebrauch Schnitzer” (ebd. 350).
I) Damit ist natürlich nicht in Abrede gestellt, dass eine Form
auch im mündlichen Gebrauch aufkommen kann; mustergiltig wird
sie jedoch erst dann, wenn sie sich auf das Zeugnis eines der füh-
renden Schriftsteller berufen kann.
Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtigkeit. 255
Manechem möchte es vielleicht scheinen, als ob den guten
Schriftstellern eine zu grosse Macht über die Sprachgenossen
eingeräumt werde; das ist jedoch nur schembar der Fall. Die
Macht, die die Schriftsteller inne haben, ist ihnen erst vom
Volk übertragen worden. Denn indem das Volk ihre Schriften
immer und immer wieder liest, sie auf sich wirken lässt und
ihnen nachahmt, erkennt es sie als gut und geeignet, zum Vor-
bilde zu dienen, und als befähigt, Vorschriften zu erlassen, an.
Sie sind gewissermassen die vom Volk gewählten Vertreter,
die dazu ausersehn sind, ihm Gesetze zu geben, welche dann
vom Volk (mehr oder minder) sorgsam beachtet werden. Da
also das Volk seinen Vertretern das Recht gegeben hat, Sat-
zungen zu schaffen, so muss auch ein Gesetz, «das sich in
der Folge als nicht zweckmässig erweist, so lange es gilt,
d.h. so lange die führenden Schriftsteller in diesem Gebrauch
einig sind, wie die Verfügung einer jeden andern gesetzgebe-
rischen Gewalt, befolgt werden, bis die Bestimmung von neuen
Volksvertretern abgeschafft wird.
Diesem anspruchslosen Nachtrag liegt natürlich nichts
ferner als der Glaube, etwas Abgeschlossenes geliefert zu
haben. Wenn es ihm gelingt zu weiterer Forschung anzuregen
und somit Anlass zu geben, dass die Kriterien der Sprach-
richtigkeit in immer schärferer Abgrenzung hervortreten, so
ist sen Zweck vollauf erfüllt.
Upsala im Juni 1891. Arwid Johannson.
Zur Gutturalfrage im Lateinischen.
Zu den wohl ziemlich allgemein angenommenen Verglei-
chungen von lat. vapor mit griech. καπνός, got. af-wapjan,
lit. keäpas, lat. vermis mit aind. krmi-s, lit. körmele, got.
wahrms, lat. in-vrtus mit pr. guaits, lat. in-vrtare mit lit.
keesti, wo nach der herrschenden Ansicht lat. v- einem idg. q-
entspricht, fügt Bersu (1). Gutt. u. ihre Verbind. mit © im Lat.
151) noch lat. vellere: griech. τίλλειν und lat. verrere: griech.
256 Oskar Wiedemann,
τέλεον (Tapcoc), aind. krsämi, deren v- er ebenfalls = idg. q-
setzt. Brugmann (Grdr. 1 325) hält diese Gleichsetzung für zwei-
felhaft, wie mir scheint, mit vollem Reeht: denn bei den oben
genannten Wörtern wäre, falls wir bier idg. g- annehmen, die
Vertretung desselben nicht nur im Latemischen, sondern zum
teil auch im Litauischen und Germanischen eine von der son-
stigen Vertretung von idg. qg- abweichende, imdem in keapas,
quäits, kvesti lit. ke- (pr. qu-) statt des zu erwartenden k-,
in waurms got. w- statt )v- h- auftritt. Es liegt daher die
Vermutung nahe, dass hier besondere Lautverhältnisse in Be-
tracht kommen.
Dass bei den m Rede stehenden Wörtern im der That
nicht eben so idg. φ- vorliegt wie z. B. in gwis, quatuor usw.,
ergibt sich klar aus emer genaueren Betrachtung der mit lat.
capor, griech. καπνός, got. af-wapjan, lit. keapas verwandten
Wörter, die namentlich im Litu-Slavischen zahlreich vertreten
sind. Neben kvapas “Hauch, Duft’ liegt im Litauischen das
Verbum kvepti hauchen , lett. kvept “qualmen’ und viele andre
mit Av- anlautende Wörter, die bei Leskien (Ablaut ἃ. Wur-
zelsilb. im Lit., Abh. d. phil.-hist. Kl. der Kgl. sächs. Ges. d.
Wiss. IN 535) zusammengestellt sind. Ausser diesen mit ko-
anlautenden Wörtern gehören zu derselben Wurzel im Litaui-
schen aber auch Wörter mit ka-, nämlich kaputi "schwer at-
men’, lett. ap-kapt "beräuchert werden’, lett. käpet "rauchen
— abulg. kypeti "sieden’, lett. kapinat "Rauch machen’, lett.
käpains "rauchig’, deren Wurzelform kap- im Ablaut zu der
in kvepti usw. vorliegenden Wurzelform Avep- steht (lit. Prät.
127; vgl. auch Joh. Schmidt Pluralbild. 204): die doppelt re-
duzierte Wurzel, idg. gup-, liegt vor in aind. kupye "gerate
in Bewegung, züme', kdpyami “walle auf, züme” und lat. cw-
pio "begehre‘, welche beiden letzteren Wörter auch Osthoff
(MU. IV 55) mit abulg. Aypeti zusammengestellt hat. Aus
den Wurzelformen idg. gap- gup- ergibt sich, dass das « ΠῚ
lat. vapor, got. af-wapjan usw. nicht labiale Entwicklung
ist, sondern dass wir als Wurzelanlaut die Konsonantenverbin-
dung idg. ge annehmen müssen. Bei lat. in-vitus: pr. quadits,
lat. in-wotare : lit. koesti lässt sich nicht idg. ge als Wurzel-
anlaut nachweisen; wir werden aber trotzdem auch hier idg.
ge- annehmen und aus vapor, in-vitus, in-vitäre den Schluss
ziehen dürfen, dass idg. q©- im Lateinischen anders vertreten
Zur Gutturalfrage im Lateinischen. 357
wird als labialisiertes idg. g-, während im Gotischen sowohl
labialisiertes idg. g- als auch idg. ge- durch 7r- vertreten wird.
Anders als in vapor, in-vitus, in-vitäre ıst lat. v- in ver-
mis, vellere, verrere zu beurteilen. Was zunächst vermis be-
trifft, so würde es ja, wenn idg. ge- in vapor sich nieht sicher
ergeben hätte und in ön-vrtus, in-vrtare nicht vorauszusetzen
wäre, am nächsten liegen, vermis mit got. wadrms zu aind.
krmi-s, lit. körmele zu stellen. Hiergegen spricht aber schon
der Umstand, dass in körmele nieht kv- vorliegt, sondern %-,
denn man darf schwerlich annehmen, dass eine Sprache, die
nachweislich % gelegentlich in ku wandelt (Bersu a. a. 0.5
Anm. 1), auch umgekehrt altes ko in k ändert. Dazu kommt
noch die grosse Schwierigkeit, die die Zurückführung von
got. w- in wadrms auf idg. ge- oder g- macht; denn falls wir
hier idg. ge- annehmen, erwarten wir got. iv- wie in af-lwap-
jan, nehmen wir aber idg. - an, so könnte vor urgerm. 4
keine labiale Entwicklung eimtreten (Brugmann Grdr. I 332).
Daher kann ich nicht umhin, mit Kluge (Etym. Wtb.* 5391)
und Feist (Got. Etym. 152) lat. vermis mit got. wadrms von
aind. kymi-s usw. zu trennen, wenn sie auch in der Bedeu-
tung und im Suffix identisch sind. Eben so wenig wie in ver-
mis liegt in vellere und verrere idg. - vor; beide gehen auf
Wurzeln mit idg. v- zurück und zwar vellere mit lat. lana
“wolle” und den zugehörigen Wörtern der verwandten Sprachen
auf eine idg. W. vel, während verrere mit griech. Feppeiv “schlep-
pen, ahd. werran “verwirren', abulg. vresti “dreschen’ auf
eine idg. W. vers (so auch Fick Vergl. Wtb. * 1550 f.) zurück-
zuführen ist.
5. Juli 1891. Oskar Wiedemann.
Got. saivan.
Die von Aufrecht (KZ.1352) vorgeschlagene Zusammen-
stellung von got. saiwan "sehen’ mit lat. seguor, griech. ἕπο-
μαι, aind. sdce folge’ scheint allgemeine Zustimmung gefunden
zu haben (vgl. Kluge Etym. Wtb. s. v. sehen, Brugmann Grdr. I
310, Feist Got. Etym. 94 f., H. Webster Z. Gutturalfrage im Got.
15); Ja dieselbe Etymologie hat neuerdings auch Möhl (Mem.
soc. ling. VI 444 ff.), ohne Aufrecht zu erwähnen, also, wie
208 Oskar Wiedemann, Got. sailvan.
es scheint, unabhängig von Aufreeht, zu begründen versucht
und dabei, wie er (S. 446 Anm.) angibt, die Zustimmung Saus-
sures gefunden. Trotzdem kann ich dieser Etymologie nicht
beipflichten. Ist die angenommene Bedeutungsentwicklung "mit
den Augen folgen" schon an und für sich sehr gekünstelt (vel.
auch Curtius KZ. ΠῚ 405), so wird sie noch bedenklicher
durch got. siuns (aus urgerm. *si/z)eniz) “Gesicht, Sehkratft,
Erscheinung, Gestalt‘. Endgiltig widerlegt wird aber die Ety-
mologie Aufrechts durch die bei Graff VI 129, bez. 145 ange-
führten ahd. bein-segga, pein-seico "pedisequa', die Joh. Schmidt
(ΚΖ. XIX 275) mit Recht zu lat. seguor usw. zieht und die
die alte Bedeutung der idg. W. seq ‘folgen’ treu bewahrt
haben. Auf dem richtigen Weg der etymologischen Erklärung
des got. satvan war bereits Aufrecht, mdem er a. a. ©. lat.
in-seque “sage an heranzog; aber auch dies trennte er nicht
von σοφοῦ. Ich führe saiwan mit lat. ön-seque, in-quam
(aus *in-sguam), griech. Fevcerte, ἔννεπε, lit. sakyjti sagen’ auf
eine idg. W. seg “sehen’ zurück, die im Griech., Lat., Lit.
die Kausativbedeutung “sehen lassen, zeigen — sagen’ (vel.z. B.
lat. dicere : griech. δεικνύναι) angenommen hat. Aus den germ.
Sprachen gehören hierher noch ahd. saga "sage, sagen "sa-
sen’ und die damit verwandten Wörter, deren nieht labiali-
sierter Guttural in Hinblick auf den ebenfalls nicht labialisier-
ten Guttural in ahd. sehan und dem entsprechenden Verbum
der übrigen aussergotischen germ. Sprachen sowie im Hinblick
auf das Verhältnis von ahd. gueran zu ahd. kara nichts auf-
fälliges hat. Weiter gehört zu idg. seg ‘sehen’ noch lat. sig-
num Zeichen’ und wohl auch abulg. sokol» “Falke”. — Laut-
lich zulässig wäre auch die Zusammenstellung von sailwan
mit lat. secare und dessen Verwandten (Fick Vergl. Wtb. 11
559); doch tritt bei allen diesen Wörtern nie die Bedeutung
“scheiden, unterscheiden hervor wie in dem von Fick zur Stütze
seiner Etymologie erwähnten lat. cernere und seinen Zusam-
mensetzungen und Verwandten, sondern wir haben es bei se-
cäre usw. ausschliesslieh mit den Bedeutungen "sehneiden,
hauen’ zu thun.
8. Juli 1891. Oskar Wiedemann.
Der &enetiv Pluralis und die baltisch-slavischen
Auslautgesetze.
Noch immer steht das Suffix -> im slavischen Genetiv
Pluralis isoliert da, “so lange keine annehmbare Möglichkeit
gefunden ist” es “als Fortsetzung eines urindogermanischen
-Om zu erklären”, vgl. Brugmann Grundriss II 8 344 S. 688.
Denn darüber kann heute kein Zweifel mehr bestehen, dass
die beiden eimzigen bisher gewagten Versuche slav. τὸ mit
idg. -öm zu vereinigen vollständig gescheitert sind.
Leskien Deklination S. 84 will dadurch zum Ziele kom-
men, dass er eine Verkürzung von -un zu -sn annimmt, die
vor die Wirksamkeit der übrigen Auslautgesetze falle, eine
Vermutung, für die es bis jetzt an jedem Anhalt fehlt und
die er selbst schon längst aufgegeben hat, vgl. Handbuch der
abg. Sprache ?$8 15,3 Bb 5. 19.
Nieht minder unwahrschemlich ist Mahlows Hypothese,
der -5 aus -om in unbetonter d. h. nicht den Wortakzent
tragender Silbe entstehen lässf,; vgl. Die langen Vokale S. 88.
Denn für ein derartiges Lautgesetz fehlt es an halbwegs plau-
sibeln Parallelen vollkommen.
Unter diesen Umständen lag der Gedanke nahe, aus der
Thatsache der Unverembarkeit von slav. -» und idg. -öm die
sich notwendig ergebende Folgerung zu ziehen und beide
Suffixformen von eimander zu trennen. Das hat Osthoff MU. I
207 fi. gethan. In seinen Augen ist slav. -ὁ der Reflex eines
indogermanischen -öm, in dem er die ursprüngliche Genetiv-
endung der konsonantischen Stämme zu erkennen glaubt. Da-
gegen repräsentiere das gewöhnlich auftretende -om ein Kon-
traktionsprodukt des ebengenannten -0m und des auslautenden
Vokals der e- und a-Stämme. Nach ihm besteht also das
Verhältnis
Gen. Plur. -öm : -om = Dat. Sg. -di : -öi.
Da diese Theorie die unleugbar vorhandenen Schwierig-
keiten in befriedigender und zugleich auch einfacher Weise
zu lösen schien, hat sie fast allgemeine Zustimmung gefunden.
Ihre Aufnahme war gewiss nicht zum wenigsten deshalb eine
so warme, weil Osthoff ausser auf slavischem Boden auch im
Keltischen einen Genetivausgang -Om zu finden vermeinte.
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. Ἴ 70
900 Wilkelm’Streitberg,
Das aber war ein Irrtum. Wie wir jetzt wissen, muss im
Keltischen auslautendes -öm ebensowohl wie -Om lautgesetz-
lich schwinden.
Diese Erkenntnis hat aber Osthofis Hypothese einer ihrer
stärksten Stützen beraubt. Denn nun bleibt das Auftreten von
-öm lediglich auf das slavische Sprachgebiet beschränkt. Nicht
einmal das ihm so nahestehende Baltische hat Teil an dieser
Form. Sein -@ lässt sich auf nichts anders als auf idg. -0m
zurückführen. Diesem Mangel einer vergleichbaren -Bildung
auf baltischem Boden muss aber, wie ich glaube, ein bei wei-
tem grösseres Gewicht beigelegt werden, als gewöhnlich ge-
schiebt. Denn sind Baltisch und Slavisch auch nieht so nahe
mit eimander verwandt wie die beiden arischen Dialekte, so
sind doch die Übereinstimmungen zwischen ihnen so zahlreich
und so bedeutend, dass man sich nicht ohne zwingenden Grund
dazu verstehen sollte, eine tiefgehende Differenz zwischen ihnen
zu statuieren.
So führt die ganze Situation immer wieder zu dem Ge-
danken zurück, dass wir m dem slavischen -ὁ doch nur eine
auf speziell slavischen Lautgesetzen beruhende Modifikation
eines ursprachlichen -öm zu sehen haben.
Welches aber sind diese speziellen Lautgesetze? Ich
glaube eine Antwort auf diese Frage geben zu können. Ich
knüpfe dabei an die Ergebnisse meiner Untersuchung über
die germanischen Langdiphthonge an (vgl. Die Komparative
auf -öz-, Freiburg 1890), die Anregungen von Hirts Abhand-
lung über den gestossenen und schleifenden Ton im den idg.
Sprachen (oben SS. 1 ff. 195 ff.) mir zu Nutze machend. Zu-
gleich hoffe ich eme vielleicht nicht unwillkommene Ergän-
zung ihrer Resultate bieten zu können.
Meine Ansicht geht dahin, dass abg. -ὁ die vollkommen
lautgesetzliche Fortsetzung eines indogermanischen -öm mit
schleifender Betonung ist. Zum Beweise meiner Behauptung
sei es mir gestattet etwas weiter auszuholen.
Das Baltisch-Slavische gehört zu denjenigen Sprachen,
welche alle Langdiphthonge, mögen sie gestossenen oder schlei-
fenden Ton tragen, sowohl im In- wie im Auslaut verkürzen.
Es berührt sich in dieser Beziehung aufs engste mit dem La-
teinischen; etwas ferner steht das Germanische.
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 261
Meines Wissens ist Osthoff der erste gewesen, der dieses
Kürzungsgesetz für verschiedene europäische Sprachen nach-
gewiesen hat, vgl. Philol. Rundschau 1851 Sp. 1595 ff., MU. 11
129 ff., Perfekt 5. 84 ff. Neuerdings hat auch Ὁ. Wiedemann
in seiner Schrift über das lit. Präteritum für das Baltische
dankenswerte Ergänzungen gegeben, vgl. SS. 25—30, 32—33,
122 sowie desselben Verfassers Ausführungen RZ. XNXXIH 114 ff.
“ Wenn ieh eben gesagt habe, dass die Kürzung im In-
und Auslaut stattgefunden habe, so will ich damit kemes-
wegs behaupten, dass sie in beiden Fällen zu gleicher Zeit
erfolgt sei. Im Gegenteil, man muss beide Stellungen in chro-
nologischer Beziehung scharf von einander scheiden. Wohl
ist es richtig, dass auslautende Lautverbindungen prinzipiell
keine andere Behandlung erfahren als die unter gleichen Be-
dingungen auftretenden des Inlauts. Aber das kann naturge-
mäss nur bei jenen der Fall sein, die vor vokalischem oder
konsonantischem Anlaut in ununterbrochen fortlaufender Rede
stehen. Eime isolierte Entwickelung müssen dagegen die
Pausaformen durchmachen, weil ihnen innerhalb eines
Wortes bezw. Sprechtaktes nichts entspricht. Gerade die
Pausaformen spielen aber bei der Normalisierung des Auslauts
die erste Rolle, man vgl. z. B. das Griechische. Hier treffen
wir einen tiefgehenden Unterschied an in der Behandlung der
inlautenden und der mit ihnen ganz parallelen auslautenden
antekonsonantischen Langdiphthonge einer- und der Pausafor-
men anderseits. Während αἰών aus ἕαϊξων mit Θηβαι-γενής
aus ἔΘηβαι *"yevnc völlig übereinstimmt, heisst es χώρᾳ d. 1.
xwpä, vgl. Verf. Komparative S. 16.
Im Baltisch-Slavischen können wir allerdings, wie schon
hervorgehoben, eine solche Verschiedenheit in der Behandlung
beider Klassen — Kürzung hier, Monophthongierung dort —
nicht konstatieren. Das aber dispensiert uns nicht von der
Verpfliehtung, die Frage aufzuwerfen: haben wir vielleicht
nicht doch Anhaltspunkte, dass die auslautenden Langdiph-
thonge später gekürzt wurden als die inlautenden? Ist diese
Frage zu bejahen, so begegnen wir auf baltisch-slavischem
Boden ganz analogen Verhältnissen, wie sie auf germanischem
Sprachgebiet thatsächlich existieren.
Ferner muss die Frage gestellt werden: hat die Qualität
des Silbenakzentes irgend welchen Einfluss auf die Zeit der
262 Wilhelm Streitberg,
Kürzung? Wenn ja: welche Langdiphthonge sind früher ge-
kürzt, die gestossenen oder die schleifenden ?
Zur Vermeidung von Irrtümern schieke ich voraus, dass
ich unter einem “Langdiphthong’ im Anschluss an Sievers
Phonetik ? S. 148 im weitern Sinn jede Verbindung eines lan-
gen Sonanten mit sog. konsonantischem oder überkurzem So-
norlaut verstehe. Die Quantität des Sonanten bezeichne ich
mit "; die Qualität des Akzentes mit ” (gestossen), ” (schlei-
fend), wobei ich den Akut auf den ersten, den Zirkumflex auf
den zweiten Komponenten des Diphthongs setze. Ich hoffe,
diese Abweichung von der graphischen Darstellung Hirts wird
im Verlauf der Untersuchung ihre Rechtfertigung finden.
Es ist geboten das Baltische und das Slavische gesondert
zu betrachten. Denn die Kürzung auslautender Langdiphthonge
fällt nicht in die Periode der baltisch - slavischen Urgemein-
schaft, sondern in die Zeit des Eimzellebens beider Dialekte.
Das beweisen u. a. folgende Momente.
Erstlich der Zusammenfall von maskulinen e- und femi-
ninen d-Stämmen im Akkusativ Sing. auf baltischem Boden,
ihre Verschiedenheit auf slavischem: filta = merga gegenüber
rabz und Zena. Zum andern die Ungleichheit von Genetiv
Plur. und Akkusativ Sing. der e-Stämme im Litauischen, ihre
Übereinstimmung im Altbulgarischen. Hier ist rabs — Gene-
tiv Plur. und Akkusativ Sing., dort lautet der Genetiv Plur.
tilta, der Akkusativ Sing. aber tilta.
A. Die auslautenden Langdiphthonge des Baltischen.
I. Mit schleitenderBetonun®
1. Dativ Sing. der e-Stämme: Ziltwi. Wenn auch nach
einem speziell lit. Akzentgesetz die Dativendung im lebendigen
Paradigma niemals den Wortton trägt, so lässt sich doch an
der schleifenden Qualität derselben nieht zweifeln. Sie wird
einmal indirekt dureh die Erhaltung des Diphthongs erwiesen,
da dieser bei gestossener Betonung zum Monophthong hätte
werden müssen. Dann aber ist sie auch, worauf mich Prof.
Leskien aufmerksam macht, bei einigen Adverbien direkt über-
liefert, z. B. paskur nachher’, eine Bildung, die den übrigen
dativischen Adverbien wie ölgainiui u. a. genau entspricht.
Die Gleichheit der Akzentqualität ist ein neuer Beweis
dafür, dass lit. -τἰῦ — griech. -w ἃ. h. nichts anders als die
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 263
regelrechte Dativform der e-Stämme ist. Schleichers auch
lautlich sehr bedenkliche Annahme (Kompendium * S. 553), der
sich Leskien Deklination S. 54 ff. angeschlossen hat, wonach
der Ausgang -u? von den eu-Stämmen in die e- Deklination
übertragen worden sei, verliert somit aufs neue eine Stütze.
Ausserdem gewährt aber das Baltische selber noch eimen Be-
weis dafür, dass -«2 auf älteres -ἀδ d. 1. idg. -02 zurückgeht.
Es finden sieh nämlich dialektische Dativformen ohne ὁ, die
(einzeldialektischen Ὁ) Sandhiformen zu -«2, vgl. Zubaty Archiv
f. slav. Philologie XIII 602. Auch das -ou des Dativs bei
Dowkont (vgl. paskou = paskur), an das mich Prof. Leskien
erinnert, gehört hierher, da es lautgesetzlich -« vertritt.
Der urlit. Langdiphthong -« erlitt also Reduktion seines
ersten Komponenten. Diese Behandlung des & im Diphthong
stimmt mit jener des alleinstehenden vollkommen überein. Auch
aus diesem wird in allen Fällen, in denen Kürzung eintreten
muss, nichts anders als -«.
Die angeführten Thatsachen beweisen zweierlei: a) dass
‚auslautendes idg. -0% nieht mit auslautendem idg. -οὔ zusam-
mengefallen ist. Dieses erscheint nämlich lautgesetzlieh ent-
weder als -ὃ — vgl. den Lokativ Sing. der e-Stämme z. B.
name “zu Hause’, Brugmann Grundriss II 8 265 5. 617 —
oder aber als -αὖ — vgl. den Nominativ Plur. der maskulinen
e-Stämme z. B. tiltai. Die Bedingungen, die diesen Unter-
schied -ὃ : -αὐ veranlasst haben, sind noch nicht mit voller Sicher-
heit erkannt, doch vgl. die Vermutung Hirts oben S. 31 ff.
b) Dass auslautendes idg. -οὐ auch nicht mit inlautendem
idg. -0i- übereinstimmt. Das ist aber nicht befremdlich. Der
Unterschied in der Entwickelung beruht auf dem Unterschied
der Zeit, in welcher die Verkürzung in beiden Fällen statt-
fand. Die Reduktion der inlautenden Langdiphthonge ist näm-
lich bedeutend älter als die der auslautenden. Daher kommt
es, dass im Inlaut ein idg. ö mit dem Kurzdiphthong idg.
οὐ zusammenfallen kann, nicht aber im Auslaut. Im Griechi-
schen finden wir ja die genaue Parallele hierzu: Im Inlaut
Zusammenfall von Lang- und Kurzdiphthong, im Auslaut ge-
trennte Entwickelung beider. Auch fürs Germanische glaube
ich ein entsprechendes Gesetz nachgewiesen zu haben.
Meines Bedünkens verkennt daher Wiedemann KZ.XXXII
120 f. die chronologischen Verhältnisse vollständig, wenn er
904 Wilhelm Streitberg,
Mahlows Theorie von der Vertretung des idg. ö dureh hit. ὦ
mit der Bemerkung widerlegt zu haben glaubt, die Zurück-
führung der Instrumentalendung -ars auf idg. -02s widerstreite
seinem eigenen Lautgesetz. Warum? Ist nicht der Übergang
von urbalt. ö zu ὦ eine relativ. junge, jener von idg. o zu
urbalt. « eine bedeutend ältere Lauterscheinung? Der Zu-
sammenfall von δὲ und οὐ war also nur m dem Falle mög-
lich, dass die Kürzung in sehr frühe Zeit fiel; im eine Pe-
riode, wo o und ö noch in ihrer alten Qualität erhalten waren.
Eine so alte Kürzung ist aber nur dann möglich, wenn der
Langdiphthong vor Konsonanz, nicht wenn er in Pausa stand.
Es scheint mir sogar nicht unmöglich, dass in jener Stellung
die Reduktion noch in die Zeit der baltisch-slavischen Urge-
meinschaft fällt, während in diesem hiervon keine Rede sein
kann, wie oben S. 262 gezeigt ist. Dem Einwand Wiede-
manns entspräche es daher ungefähr, wenn man die Zurück-
führung eines ahd. vorkonsonantischen οὐ auf urgerm. σὲ des-
halb für unmöglich erklären wollte, weil urgerm. 5 zu ahd.
«wo geworden sei.
2. Dem Übergang von idg. -οὐ zu Hit. -τῦ entspricht
aufs genauste derjenige von idg. -om zu lit. -z, wie wir ihn
im Genetiv Plur. beobachten können. So wenig dort -02 mit
-0? zusammengefallen ist, so wenig hier -0m mit -om. Vel.
kotü: Akk. Sg. ta. Bei letzterm ist allerdings die schleifende
Akzentqualität nicht urindogermanisch, doch hindert dies eine
Vergleichung nicht. Ist doch die Entwickelung selbst gestos-
sener Kurzdiphthonge — abgesehen von ihrer spätern Kürzung
im absoluten Auslaut — keine andere als die der schleifenden:
Vgl. z. B. Lokativ Sing. name mit idg. -o? und Nominativ
Plur. balte-ji mit idg. -6i.
Der Lautwandel -om zu -un!) zu -un ist dem von -02
zu -ui zu -u2 parallel. Aber während hier ein Abschluss da-
init erreicht ist, muss dort — und zwar wie wir aus manchen
Thatsachen wissen, in relativ später Zeit — der Nasal unter
“Ersatzdehnung’ in einer Anzahl von Dialekten schwinden.
Diese Verlängerung bleibt erhalten, weil die Tonqualität der
Silbe die schleifende ist. So besteht z. B. im Instrumentalis Sing.
I) Der Übergang von auslautendem m zu n scheint schon
in die Zeit der baltisch-slavischen Urgemeinschatft zu fallen.
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 265
der femininen @-Stämme ein Unterschied in der Quantität zwi-
schen unbestimmtem und bestimmtem Adjektiv auf nordlitaui-
schem Dialektgebiet, nicht aber im Genetiv Plur., vgl. gera:
gerd-ja aber gera: gerü-jü.
Erhaltenen Nasal zeigen bekamntlich dialektische Gene-
tivformen auf -ua, vgl. Kurschat Grammatik 8 530 8. 149.
z. B. ponun “der Herren’.
Lettisch -« im Genetiv Plur. ist regelrecht, vgl. Wiede-
mann KZ. XXXII 115; ἐδ (6 = ὦ mit dem sogenannten "ge-
dehnten’ Ton) ist zu beurteilen wie der Akkusativ Sing ἐδ,
vgl. Brugmann Grundriss II 8 345 5. 692 Anm.
3. Dem Genetiv Plur. schliesse ich eine andere Form
an, der ursprünglich schleifender Ton zwar nicht eigen war,
die ihn aber im Litauischen durch Übertragung erhalten hat.
Nach Vietor Michels bei Hirt oben S. 22 und Kretsch-
mer ΚΖ. XXXI 358 wechseln von alters her im Nominativ
Sing. der en-Stämme Formen auf -ön und -ö, indem der durch
den Satzzusammenhang bedingte Schwund des Nasals eine
Änderung der Akzentqualität veranlasst hat. Während nun
im Hoechlitauischen ausschliesslich Bildungen der letzten Art
herrschen, vgl. z. B. akma, treten in Dialekten auch Formen
mit -» auf. Aber ihr Akzent ist nicht der lautgesetzlich be-
rechtigte gestossene, sondern der schleifende, vgl. szun ‘Hund’
bei Kurschat Grammatik $ 731 S. 207, Brugmann Grundriss
II $ 192 S. 528. Die Unregelmässigkeit in der Akzentquali-
tät dürfte wohl darauf hinweisen, dass wir es hier nicht mit
uridg. -ön zu thun haben, sondern dass an -z aus idg. -ῦ durch
den Einfluss der obliquen Kasus das n neuangetreten ist.
Das vor dem n stehende « aus früherm ὦ entspricht
den bei dem Genetiv Plur. und Dativ Sing. beobachteten That-
sachen.
Alle drei bisher angeführten Endungen besitzen idg. ö
in diphthongischer Verbindung; alle drei stimmen darin über-
ein, dass dieses 0 im Litauischen zu « (urbalt. 6), nicht zu Ὁ
(urbalt. @) geworden ist. Einen weitern Fall für «+Sonorlaut
werden wir später noch antreffen.
4. Dativ Sing. der 4-Stämme auf idg. -αὖ.: katrai —
griech. τιμῇ. Ein Unterschied in der Vertretung des auslau-
tenden Langdiphthongs von der des inlautenden ist hier nicht
wie bei idg. -οὐ zu bemerken, vielmehr ergibt -ai in beiden
900 Wilhelm Streitberg,
Stellungen αὐ (bezw. δ), fällt also mit dem ursprünglichen
Kurzdiphthong zusammen. Vgl. Wiedemann Präteritum S. 29.
Auslautendes -di, dessen gestossener Ton, wie schon bemerkt,
im Litauischen einen prinzipiellen Unterschied im der Behand-
lung nicht bedingt, finden wir im Nominativ Du. Fem.: ge-
re-ji und ger.
Woher kommt es nun, dass wohl -a? mit idg. -αὐ und -oi
zusammenfällt, nicht aber -#2?7 Haben wir auf Grund dieser
Verschiedenheit etwa einen chronologischen Unterschied zwi-
schen der Verkürzung von -02 und -αὖ anzunehmen? Gewiss
nieht. Die Differenz beruht vielmehr darauf, dass ide. ö im
Urbaltischen als ὁ (lit. «), dagegen idg. a als a (lit. δ) ver-
treten war. Dass ferner der Übergang von ö zu ἡ wie auch
die Übereinstimmung von Litauisch und Lettisch lehrt, in be-
deutend frühere Zeit fällt als der von urbalt. @ zu hochlit. 6.
Will man diese beiden Lautprozesse in chronologische Bezie-
hung zu dem Kürzungsgesetz bringen, so muss man die Re-
duktion in die zwischen ihnen liegende Periode setzen. Es
ergibt sich also für alle in Betracht kommende Lautgesetze
folgende relative Datierung:
1. Kürzung inlautender Langdiphthonge.
2. Idg. o und a fallen in balt. « zusammen.
3. Urbalt. δ wird ὦ, urbalt. ἃ bleibt erhalten. Also Ge-
netiv Plur. -52 wird zu -aun.
4. Reduktion auslautender Langdiphthonge. Der Gene-
tiv Plur. -ὠδ wird -un; Dat. Sg. αὐ gibt -ao.
5. Balt. ἃ geht in hochlit. ö über.
Es leuchtet nun ein, dass die Möglichkeit eines Zusam-
menfalls von reduziertem -αὖ mit ursprünglichem -αὐ so lange be-
stand, als der unter Nummer 5 angeführte Lautwandel noch
nicht stattgefunden hatte.
5. Vielleicht ist auch noch eine andere Form auf idg.
-ai zurückzuführen: das ταῦ im Nom. Plur. pronomimaler Neu-
tra wie ta?, vorausgesetzt, dass die Theorie Johannes Schmidts
zu Rechte besteht, wonach an die Form auf -a@ ein Sufix -2
angetreten ist. Die Form würde dann zu lat. gaae genau
stimmen, welches langes a gehabt haben muss. Denn dass
ai als ae in einsilbigen Wörtern erhalten sei, lässt sich durch
nichts wahrscheinlich machen. Auch gxi, für das man in die-
sem Falle doch *gua *ca zu erwarten hätte (vgl. anus), lässt
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 267
die Erklärung nicht in günstigerem Lichte erscheinen. Fasst
man dagegen guae als idg. *gai d.h. als das feminin-neutrale
®ga+- Partikel © und betrachtet man den Nominativ Plur. mensae
nicht mit Brugmann als einen alten Nominativ Du., sondern
als eine Analogiebildung nach dem -οὐ der Maskulina, wobei
die Länge des a sich direkt erklärt, so lösen sich alle Schwie-
rigkeiten ohne Zuhilfenahme so verwickelter Neubildungen wie
sie Osthoff für seine Theorie notwendig hat.
Lässt sich so die Möglichkeit, dass lit. ta? für ide. *tar
steht, nicht bestreiten, so fehlt doch zur Gewissheit noch viel.
Denn wie Leskien mit Recht hervorhebt, kann fa? auch ohne
jeden Anstoss auf fa+a? zurückgeführt werden, wobei ta —
idg. *tod, -αὐ dagegen dieselbe deiktische Partikel ist, die in
dem sehr gebräuchlichen tas-a? “der da’ erscheint. Also non
liquet.
; 6. Lit. -αὖ im der ersten Person Sing. Prät. ist nach
Wiedemann Präteritum S. 145 ff. aus -@+u dureh Kontraktion
sekundärer Weise entstanden. Gegen die Möglichkeit dieses
Lautprozesses ist nichts zu erinnern; der schleifende Akzent
harmoniert durchaus mit der vorgeschlagenen Erklärung.
ἧς. Anders als Wiedemann muss ich dagegen -ἑαῶ auf-
fassen. Die von ihm angenommene Zurückführung auf e-+u
scheitert an dem vorausgehenden ὁ. Ein auf lit. Boden ent-
standener sekundärer Langdiphthong -eu hätte doch bei einer
Verkürzung des ersten Komponenten nur -2zx und weiter-
hin -au ergeben können. Das ö bleibt also völlig rätselhaft.
Es lässt sich, worauf mich Prof. Leskien aufmerksam macht,
nur dadurch erklären, dass man Kontraktion von ie mit «
annimmt. In diesem Falle muss die Verkürzung von -eu zu
-eu sowie der darauf folgende Übergang von -eu zu -au vor
jene Periode fallen, in der ein ὁ vor palatalen Vokalen ge-
sechwunden ist.
Die lautlichen Schwierigkeiten lassen sich also auf die-
sem Wege wohl heben. Aber bei dieser Lösung drängt sich
sofort die Frage auf, was jener Stamm auf -ie- denn
eigentlich sei. In Wiedemanns Theorie scheint er mir nicht
hineinpassen zu wollen. Doch das ist en Problem, das aus-
serhalb des Rahmens dieser Untersuchung fällt, dessen Erör-
terung ich mir deshalb versagen muss.
Im folgenden wende ich mich der Betrachtung verschie-
208 Wilhelm Streitbers,
dener Formen zu, die mit einer Ausnahme in indogermanischer
Urzeit gestossenen Ton gehabt haben müssen. Im Litauischen
ist für sie jedoch schleifender Akzent anzusetzen. Ich glaube,
dass (diese litauische Neuerung auf einem mit der Quanti-
tät in Verbindung stehenden einzelsprachlichen Akzentgesetze
beruht.
Ss. Der Akkusativ Sing. zu dem Nominativ gaidys lau-
tet gazdi. Schleifende Akzentqualität ist hier, nach dem No-
minativ zu schliessen, etymologisch berechtigt. Sie wird fer-
ner dadurch gestützt, dass auch die abstufenden ze-Stämme
mit kurzem Schwundstufenvokal des Suffixes nach Ausweis
der Pronomina (etymologisch freilich nicht berechtigte) schlei-
fende Qualität der Endsilbe haben, vgl. 77, kokr, kurt. Jeden-
falls lehrt der Zusammenfall beider Klassen, dass auslauten-
des -zm nicht anders als -ör2 behandelt ward, dass also Re-
(duktion des 2 vorauszusetzen ist.
Schwieriger ist die Frage, woher die schleifende Quali-
tät im Nominativ -9s und im Akkusativ - komme. Die An-
sicht Joh. Schmidts (zuletzt ausgesprochen im den Pluralbil-
dungen S. 424), der an Schleicher anknüpfend lehrt, lit. öja
werde zu ὁ, vermag ich mir so wenig zu eigen zu machen
wie Leskien oder Brugmann. Auch durch finnische Lehn-
wörter mit -zas, welche lit. Nominativen auf -7s gegenüber-
stehen wie z. B. finn. ankerias = lit. ungurgs (vgl. schon Verf.
-io- und -ien- S. 29), wird ein solcher Übergang nicht erwiesen.
Denn wie wir beobachten können, breiten sich die abstufen-
den ie-Stämme auf Kosten der nichtabstufenden mehr und
mehr aus. Wir sind also berechtigt in dem -is -9s vieler
Nominative blosse Analogiebildungen zu sehen.
Ich habe oben S. 13 im Sinne der Hirtschen Erklärung
von *sunoüs aus "sanou-es die Vermutung ausgesprochen, dass
vor Entstehung der Schwundstufe die ide. Grundform auf
zweisilbiges -2ios, nicht auf einsilbiges -2os ausgegangen sein
könne. Wahrscheinlicher will mir jetzt eine andere Erklä-
rungsmöglichkeit vorkommen.
Vor allen Dingen leugne ich die Behauptung Hirts: “Ein
Vokal mit schleifendem Ton steht nirgends im Ablaut mit
einer Kürze”. Ich halte im Gegenteil schleifende Länge für
eine normale Ablautstufe eines Kurzdiphthongs. Wenn näm-
lich Bartholomae BB. XVII 105 ff. — wie ich glaube — recht
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 269
hat auch für die drei leichten Vokalreihen als erste Schwund-
stufe idg. Schwa (9) anzusetzen; wenn ferner dieses Schwa
mit konsonantischem Sonorlaut zur Länge verschmilzt, so muss
diese als ein Kontraktionsprodukt nach Hirts eigener Theorie
notwendig schleifende Betonung haben. Die schleifende Länge
im Ablaut zu einem Kurzdiphthong wäre also das, was Ost-
hoff “nebentonige Tiefstufe” nennt. Wie man sieht, berühre
ich mich in dieser Auffassung zum Teile wenigstens mit Kretsch-
mer ΚΖ. XXXI 339 f. 344 f.
Natürlich darf man aber nieht die in den leichten Vo-
kalreihen auftretenden Längen mit jenen, die in den schweren
erscheinen, ohne Weiteres auf gleiche Stufe stellen. Vielmehr
entspricht, wie leicht ersichtlich, dem Verhältnis von Lang-
diphthong: Länge‘ dort jenes von "Aurzdiphthong: Kürze‘.
Oder formelhaft:
en (26): 5 ΞΞΞ. ὃν (6) : .
Man wird also mit Kretschmer das lit. -2s in gaidyjs dem
griech. -@s in ὀφρῦς parallelisieren müssen, nicht aber dem
aus τσ entstandenen -2 im Nominativ Sing. der abstufenden
ie-Stämme, vgl. geresny-ji “die bessere’ in litauischen Dialek-
ten. Im letztern Falle ist nach dem oben Gesagten der ge-
stossene Ton allein berechtigt.
9. Im Gegensatz zu dem etymologisch begründeten
schleifenden Tone der Endung von gardi steht die gestossene
Akzentqualität der Schlusssilbe im Akkusativ Sing. der a-
Stämme für die idg. Urzeit vollkommen fest. Trotzdem herrscht
im Litauischen auch hier ausschliesslich der schleifende Ton,
wie die den Wortakzent tragenden Pronominalendungen be-
weisen, vgl. f@: griech. τήν, katra u.ä.
Diese merkwürdige Neuerung in der Akzentqualität be-
schränkt sich nicht etwa auf den Akkusativ Sing. der a-
Stämme. Wir treffen sie auch bei den e-Stämmen in diesem
Kasus, vgl. ἐᾷ gegenüber griech. τόν, katr@ usw. Maskulinum
und Femininum sind also im Akkusativ Sing. völlig zusam-
mengefallen, der beste Beweis für die Reduktion des a vor
Schwund des auslautenden Nasals.. Auch idg. -zm erscheint
als lit. 2, vgl. die schon oben zitierten 72, kokt, aber griech.
τίν-α.
Woher dieser Akzentwechsel? Ich glaube er beruht auf
der Quantität der Silbe. Diese aber ist mittelzeitig, vgl.
270 Wilhelm Streitberg,
Baranowski und Weber Ostlitauische Texte I 5. XVII. Eine
mittelzeitige Silbe, d.h. eine solche, welche zwei Moren zählt,
kann aber den Silbenakzent nur auf der zweiten More tragen,
mit andern Worten, sie muss schleifende Betonung haben.
Das gilt nicht nur von dem Akkusativ Sing. der e- und a-
Stämme, sondern auch von dem der ei- und eu-Stämme. Auch
in nakti, in sinu ist die letzte Silbe mittelzeitig, folglich
schleifend anzusetzen.
10. Schleifenden Ton hat endlich auch der Akkusativ
Sing. der nichtabstufenden öe-Stämme. Dies darf man einmal
auf Grund des Baranowskischen Gesetzes vermuten, denn -e
ist mittelzeitig (vgl. a. Ὁ. 5. XVIID), dann führt auch der
Akzent des Nominativs auf diese Annahme: kate. Urindoger-
manisch kann derselbe freilich nicht sein, denn es gibt kein
(resetz, welches für die Vollstufe -ze schleifende Qualität recht-
fertigen könnte. Meiner Ansicht nach ist der Zirkumflex viel-
mehr von dem Nominativ der er-Stämme Feminini Generis
auf idg. -© (aus -r nach Michels-Kretschmer) wie mote über-
tragen. Diese waren ausser den ze-Stämmen die einzigen Fe-
minina mit dem Nominativausgang τος eine Übertragung ihrer
Akzentqualität lag also nahe.
Il. Gestossene Langdiphthonge im Auslaut.
1. Nach den Untersuchungen von Johannes Schmidt und
Rudolf Meringer sind für den Lokativ Sing. der ei-Stämme
im Indogermanischen Doppelformen anzunehmen, nämlich -e
und -£, deren Gebrauch aller Wahrscheimlichkeit nach durch
satzphonetische Bedimgungen geregelt war. Die erste Form
trug sicher gestossenen Akzent, denn sie repräsentiert die von
Bartholomae sogenannte “Dehnstufe’ der eö-Stämme, entspricht
also dem -En -Er -ς der en- er- es-Stämme. Dagegen nehme
ich für die Sandhiform auf -@ mit Michels und Kretschmer im
Gegensatz zu Hirt die schleifende Betonung als lautgesetzlich
an. Denn ich glaube, dass die Langdiphthonge auf x und ἢ
jenen auf » r parallel behandelt werden. Dafür spricht mei-
nes Bedünkens doch wohl die Übereinstimmung von aind. gam
mit griech. Bwv, ferner wohl auch Akk. Ζῆν gegenüber Nominativ
Ζεύς. Ich muss daher Brugmann beistimmen, dass τῇ die regel-
rechte z-lose Lokativform eines ei-Stammes ist, vgl. Griech.
Gramm. 2 8 201 8.223 und 8 88. Denn dass lit. te “da’ sze “her”
D
Genetiv Plur. nnd die balt.-slav. Auslautgesetze. 211
aus *te *sze verkürzt und Liokative von ei-Stämmen seien,
wie Hirt oben S.29 anzunehmen geneigt ist, wird durch abe.
te, lat. que, griech. τε, aind. ca sehr wenig glaubhaft.
Doch es ist hier der Ort nicht, auf diese Frage näher
einzugehen. Für jetzt habe ich es lediglich mit -& und sei-
nem Reflex im Litauischen zu thun. Denn ein solcher exi-
stiert meiner Meinung nach. wirklich.
Zwar darf man nicht mit Brugmann Grundriss IE $ 260
5. 613 in dem dialektischen -© der Infinitive, wie z. B. dekte
brennen’, den idg. Lokativausgang -ὀλ suchen wollen; dem
widerspricht die schleifende Betonung, wie Hirt S. 28 riehtig
hervorgehoben hat. Wohl aber liegt, was man meines Wis-
sens bisher übersehen hat, der regelrechte Lokativ der ei-
Stämme in dem gewöhnlichen lit. Infinitiv auf -f vor. Idg.
-ei musste zu -di bezw. -ὅ werden, dies aber nach Leskiens
Gesetz zu - Reduktion erleiden. Das - ist in manchen Dia-
lekten beim Reflexiv erhalten, z. B. süktes, vgl. Kurschat
Grammatik $ 1148 S. 298. R ἷ
Die Erkenntnis, dass lit. -ἐλ die Fortsetzung des urindog.
-tei ist, weist auch für die Beurteilung des abg. -t den rich-
tigen Weg. Johannes Schmidt hat darin eine Form mit idg. -e
(= -£) zu sehen geglaubt. Lautlich ist diese Annahme unanstös-
sig, wie mati aus idg. "mate lehrt. Aber sie zerreisst ohne
Not nicht nur den Zusammenhang mit lit. -f, sondern auch
den mit abg. - im Lokativ der ex-Stämme, z. B. synu aus
idg. "saneu. Deshalb dürfte es vorzuziehen sein, beide En-
dungen auf eine gemeinsame Grundform idg. -tei direkt zu-
rückzuführen. Dessen -Οὲ musste auch im Altbulgarischen zu
-£i gekürzt werden und dann gleich- ursprünglichem -ei in -2
übergehn.
Was den lit. Infinitiv auf -te anlangt, z. B. dekte, so
wird anzunehmen sein, dass er seine Akzentqualität von den
ungleich häufiger gebrauchten Infinitiven auf -teö bezogen hat,
wenn nicht, wie bei dialektischem dektö, überhaupt eine Neu-
bildung nach der e-Deklination anzunehmen ist.
2. Im Litauischen existieren eme Anzahl Lokativad-
verbien auf -ar z. B. kür "wo’, nekur 'nirgends’ usw. Dass
dieselben mit Bildungen wie griech. νύκτωρ “nachts’ in ihrer
Endung übereinstimmen, dass ferner got. bar var aus *ber
"fer im Ablaut zu ihnen stehen, scheint mir unzweifelhaft
272 Wilhelm Streitbersg,
und ist bereits von Mahlow Lange Vokale S. 115 und ganz
neuerdings von Hirt oben’ S. 29 f. mit Recht hervorgehoben
worden. Diese Adverbien lehren uns nun dreierlei:
a) dass auslautendes -” im Litauischen nicht, wie Johan-
nes Schmidt behauptet (zuletzt Pluralbildungen S. 193 f. Fuss-
note), abgefallen ist.
b) dass idg. o auch vor -r als ὦ erscheint, d. h. dass
es überhaupt vor Sonorlaut in Endungen nicht zu urbalt. a
geworden ist. Da nun nach Wiedemann selber das gleiche
auch von absolut auslautendem idg. -0 gilt, so ist nicht ver-
ständlich, wie ein noch dazu schon früh geschwundenes d im
Genetiv-Ablativ den Wandel von 0 zu a veranlasst haben soll.
c) dass gestossener Langdiphthong mit idg. ö nieht an-
ders behandelt wird als schleifender. Denn -ar aus idg. -ör
entspricht aufs genauste dem aus -02 entstandenen -u2 des
Dativ Sing. und dem auf -om zurückgehenden -ἢ im Gene-
tiv Plur.
3. Der Instrumentalis Sing. der «-Stämme geht auf idg.
-im aus. Gestossenen Ton besitzt auch lit. gerad. Für die
einstige Existenz eines auslautenden Nasals ist der Ausgang
des bestimmten Adjektivs: gerd-ja, sowie τῶι in dialektischem
runku (Kurschat Grammatik $ 601 S. 174) und lett. rakau (im
Volksliedern) beweisend. Der Vokal -ἃ ist kurz, nicht mittel-
zeitig (Ostlit. Texte IS. XVD, daher die Bewahrung der ur-
sprünglichen Akzentqualität.
IE, Zweitelhatte Rätle
‚
Nachdem im vorausgehenden alle mir bekannten Fälle
erörtert sind, für die mit Sicherheit ursprünglicher Lang-
diphthong im Auslaut anzusetzen ist, bleibt mir noch die Be-
sprechung einiger Formen übrig, die von mancher Seite mit
mehr oder weniger stichhaltigen Gründen jenen Beispielen
gleichgesetzt worden sind.
l. Instrumentalis Sing. der e-Stämme: gerüa und gerü-
ju. Leskien Partikel -am S. 100 hat das -u : -&- auf idg. -Om
aus -ö--am zurückgeführt. Dagegen erhebt Hirt oben 8.13 ff.
Einsprache, weil man bei einer derartigen Kontraktion schlei-
fende Betonung erwarten müsse). Er stellt semerseits ein
1) Es könnte aber doch auch ö+konsonantisches m (Schwund-
stufe der Leskienschen Partikel) anzusetzen sein, was ebensowohl
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 273
Instrumentalsuffix -öm (bezw. bei Sehwund des Nasals -0) : -m
auf und erklärt 5. 25: “In lit. velkü kann nunmehr wegen
des gestossenen Tones nur die Form auf -öm erhalten sein.’
Abweichend von beiden Gelehrten führt Wiedemann KZ.
XNXXIH 112 f. die Endung des 110. Instrumentals auf idg. -ö
zurück im Hinblick auf den Nominativausgang der ea-Stämme
einer- und die Endung des Genetiv Plur. anderseits. Auf die
Akzentqualität, welche Hirts Hauptargument
-öm) bildet, geht er dabei freilich nicht ein.
Welehe von beiden Parteien hat recht? Ich glaube, un-
zweifelhaft Wiedemann, wenn auch seine Beweisführung der
Ergänzung fähig ist.
Hirts Hypothese geht von dem Unterschied zwischen
schleifendem und gestossenem -Oöm aus. Er muss notwendiger
Weise annehmen, dass jenes früher gekürzt ist als dieses.
Mit andern Worten, dass dort die Reduktion des langen Vo-
kals vor, hier aber nach dem Schwund des auslautenden
Nasals bezw. nach dessen Herabsinken zur blossen Nasalie-
rung eingetreten sei. |
An sich ist diese Auffassung möglich. Eine sehr inter-
essante Parallele dafür, dass ein auslautender Nasal vor der
Reduktion des vorausgehenden langen Vokals geschwunden
ist, gewährt das Germanische. Hier ist, wie ich in meiner
Schrift über die germanischen Komparative. auf -02- nachge-
wiesen zu haben glaube, die Kürzung auslautender Langdiph-
thonge ein recht später, erst dem Sonderleben der drei gros-
sen Dialektgruppen angehöriger Akt. Älter dagegen ist die
Reduktion auslautender Nasale. Durch den Umstand nun,
dass die Reduktion des Nasals in die Zeit vor der Kürzung
der Länge fällt, erklärt sich emzig und allen, warum wir
im Gotischen z. B. in der Endung des Genetiv Plur. -@ als
Länge erhalten haben. Wäre nämlich der Nasal so spät ge-
schwunden wie im Litauischen, so hätte keine schleifende Ak-
zentqualität das vor -» stehende e vor Verkürzung schützen
können. Wir hätten alsdann mit derselben Notwendigkeit
Ὁ ἢ wie im Litauischen -«%, im Lateimischen -um oder wie
im Gotischen selber beim Dativ Sing. der a-Stämme -ai aus
idg. -@2.
gegen -ὅ (aus
-öm ergeben müsste, wie im Akkusativ Sing. -ä+m zu -dam, -i+m
zu -ım wird.
914 Wilhelm Streitberg,
Die Wirkung, welche der schleifende Ton bei got. δ
aus -em ausgeübt hat, besteht also nicht darin, dass er des-
sen Verkürzung verhindert hat, als es noch im diphthongischer
Verbindung stand — das vermag er überhaupt nicht — son-
dern dass er als urgerm. -e2 zu -2 d. h. nasaliertem -@ ge-
worden war, die Länge dieses neuentstandenen Nasalvokals
wahrte.
So könnte man also die Möglichkeit der Hirtschen Auf-
fassung im Prinzip ganz wohl zugestehen; trotzdem scheitert
aber die Hypothese in concreto, da sie in den Rahmen der
feststehenden Chronologie nicht passen will. Die Verkürzung
eines gestossenen, auf Nasal auslautenden Langdiphthongs
fällt nämlich nicht im eine Periode, die auf die Reduktion
des Nasals folgt — was Hirts Theorie doch zur notwendigen
Voraussetzung hat — sondern in eme, die ihr vorausgeht.
Dies beweist aufs klarste der Instrumentalis Sing. der @-Stämme.
Sein -4 steht nur scheinbar mit dem -@ der Maskulina auf
gleicher Stufe. Dies erkennt man sofort, wenn man das be-
stimmte Adjektiv heranzieht. Denn hier heisst es beim Mas-
kulmum gerä-ju, beim Femininum aber nicht *gero-ja, son-
dern gerd-ja.
Dem Instr. gera:gerd-ja entspricht also bei ö-Diph-
thongen em -@: *-u-ju, vgl. Gen. Pl. ger@: gerä-ja. Dem vor-
handenen gerü: gerd-ja dagegen ist im Paradigma des Femi-
ninums gerad: gerö-ji (Nom.) zu vergleichen, also eine nasal-
lose Form )).
Wie ist nun das urbalt. -ὁ im Instrumental zu erklären?
Ich gestehe, dass mir auch nach Hirt die (modifizierte) Auf-
fassung Leskiens, nach der -om -am auf -0 -d-m zurückge-
hen, nieht unwahrscheinlich vorkommt. Dann wäre - Hit. -%
die alte, nicht erweiterte Form. Das erweiterte -öm kann
nun seinerseits im Indogermanischen den Nasal verlieren, dann
muss natürlich das ö schleifenden Akzent erhalten. Das ide.
Verhältnis -öm : τῦ wird sich m lat. tum : lit. ἐῶ (got. be dazu
ablautend) widerspiegeln.
Möglich ist natürlich auch die andere Auffassung, dass
der gestossene Ton des -5 von der neben ihm stehenden Bil-
1) Ebenso ist natürlich auch die Endung der 1. Pers. Sing.
Präs. -ὰ : -ἰ- zu beurteilen.
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 275
dung auf -öm übertragen sei. Müssen wir eine solehe Über-
tragung der Akzentqualität meines Erachtens doch auch für
das -ό neben -a im Nom.-Akk. Du. annehmen, da gam βῶν
mir dafür zu sprechen scheint; dass auch der Verlust des τὸ
die Tonqualität vorausgehender Länge beeinflusse. Solche
Übertragung nimmt ja auch Hirt für manche Fälle an.
2. sesa mote. Johannes Schmidt KZ. XXV 22, Plural-
bildungen 193 f. Fussnote 2 behauptet bekamntlich, dass sie
im Litauischen aus ältern *sesar "moter entstanden seien. Der
‚an der zweitgenannten Stelle niedergelegten Beweisführung
vermag ich nicht zu folgen. Denn es will mir nicht einleuch-
ten, inwiefern lit. Neubildungen des Nominativs der er-Stämme
wie sesun für die Existenz eines altlit. Nominativausgangs -r
sprechen können. Sie vermögen doch nur zu beweisen, dass
en- und er-Stämme im Nominativ zusammengefallen sind und
zwar deshalb, weil das auslautende -n» bezw. -r geschwun-
den war. Ob dieser Schwund aber in urindogermanische
oder in einzeldialektische Zeit falle, darüber können sie uns
keine Auskunft geben.
Wohl aber thut dies der schleifende Akzent der Endung
von sest, mote und akma&, der sich nur durch das Michels-
Kretschmersche Betonungsgesetz erklären lässt. Dieses aber
ist ursprachlich. Ferner lehren die oben besprochenen Adver-
bien auf -ar = idg. -Or, dass auslautendes -r im Litauischen
nicht abfällt.
Neben sesü akmü steht der es-Stamm menu “Mond’,
sowie das im Indogermanischen heteroklitische Neutrum vandı
undda (Mask.) Wasser’. Dass die beiden letzten Worte in der
Endung idg. -ὃ aus -ör gehabt haben sollten, scheint mir aus
mehr als einem Grunde zweifelhaft. Vielmehr glaube ich,
dass lit. vandü so gut wie got. wato Neubildungen für *van-
dur ®watar sind, d. h. dass zur en-Flexion der obliquen Ka-
sus ein entsprechender Nominativ auf analogischem Wege
gebildet ward. Dafür scheint mir auch das neben got.
wato stehende offenbar altertümlichere ahd. wazzar deutlich zu
sprechen.
Mit Sicherheit muss dagegen der Nominativausgang -ο
bei dem es-Stamm menes- als den Lautgesetzen nicht entspre-
chend bezeichnet werden. Johannes Schmidt nimmt bekannt-
lieh als Grundform *menot an, dessen t aus s vor einem s
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 18
210 Wilhelm Streitberg,
der Endung entstanden sei, vgl. ΚΖ. XXVI 346, Pluralbildun-
sen S. 158 ff. Fussnote 2 und 193 ff. Fussnote 2. Ich will ganz
davon absehn, dass ich mich von der Stichhaltigkeit der Gründe,
die Joh. Schmidt für seine Hypothese beibringt, nicht über-
zeugen kann (vgl. auch Bartholomae KZ. XXIX 523 und Stu-
dien D); trotzdem vermag ich schon deshalb nicht an die Laut-
gesetzlichkeit des -«(t) zu glauben, weil wir für die Dehnstufe
des Suffixes, die im Nommativ der en- er- es-Stämme erscheint,
nur gestossenen, nicht aber schleifenden Akzent zu fordern
verpflichtet sind. Daran kann doch auch der Übergang von
s zu t und der (einzeldialektische) Schwund des ὁ nichts än-
dern. Also mindestens der schleifende Ton muss übertragen
sein, und woher könnte er sonst stammen als von dem Aus-
gang -Ö im Nominativ der en- und er-Stämme? Sollte es da
nicht möglich sein, dass nicht bloss der Akzent, sondern die
ganze Endung von ihnen entlehnt wäre?
3. Gestossenes -öa erscheint im Nominativ Du. der mas-
kulinen e-Stämme.
Die Frage nach der Vertretung des auslautenden -o2 im
Litauischen ist aufs engste mit jener nach dem Schicksal des
inlautenden verknüpft. Ich kann daher nicht umhin, einen
Blick auch auf dieses zu werfen, ehe ich an jenes herantrete.
A. Inlautendes öx. Auf S.13 der Komparative auf
-ö2- habe ich jenes balt. ἃ, das im der e«x-Reihe auftritt, auf
idg. ou zurückgeführt. Diesem ὃ ist nun auch in Wiedemanns
reichhaltiger Schrift über das lit. Präteritum ein ganzer Ab-
schnitt gewidmet (S. 33 ff... Wiedemanns Ergebnis trifft an-
scheinend mit dem memen zusammen, denn auch ihm ist «
der Vertreter eines ältern oa. Trotz dieser äusserlichen Gleich-
heit sind aber unsere Anschauungen wesentlich von einander
verschieden. Wiedemann verlegt nämlich den Übergang von
ou zu ὁ (a) in die Periode des Sonderlebens der baltischen
Sprache; ich halte ihn dagegen mit Wilhelm Schulze und Ru-
dolf Meringer für urindogermanisch. Nach meimer Ansicht
hat also das Baltische ein aus ursprünglichem o« entstandenes
ö aus der Urzeit ererbt, das sich von den übrigen idg. 6 in
keiner Weise unterschied, deshalb auch die gleiche Entwicke-
lung durechmachen musste.
Dieser Unterschied in der Beurteilung des ἡ ist für das
System des lit. Vokalismus deshalb von Wichtigkeit, weil er
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 277
mit der Frage nach der Vertretung des idg. ö im Baltischen
aufs engste zusammenhängt. Abgesehn von der Stellung im
In- und Auslaut sowie vor 7 leugnet Wiedemann, wie schon
erwähnt, die Mahlowsche Gleichung idg. 6 = lit. ἃ. Auf die
Behandlung dieser allgemeinen Frage muss ich an dieser Stelle
natürlich verziehten; ich kann dies um so eher, als ich im
Zusammenhang darauf zurückzukommen gedenke?). Die Gründe
nun, welche mir die Theorie Wiedemanns von der Herkunft
des lett.-Iit. © aus urbaltischem oa wunannehmbar machen,
sind die folgenden:
1. A priori sprieht die Erwägung dagegen, dass alle
andern Langdiphthonge des Inlauts — auch nach Wiedemann
selber — Kürzung des ersten Komponenten erfahren, vgl. Prä-
teritum SS. 25—30, 32—53. Wenn aber das Kürzungsgesetz
sowohl für αὐ ei Οὲ als auch für aa eu Gültigkeit hat, warum
allein für ö« nieht?
Den naheliegenden Einwurf 0x sei anders als au und
eu behandelt worden, weil σ᾽ und x einander näher stehen als
a oder ὁ und τι, kann ich deshalb nicht gelten lassen, weil
eine solche Argumentation bei dem parallelen δὲ vollständig
versagt.
2. Ebenso singulär wie die Monophthongierung von oz
zu ö im Baltischen wäre sie im Sonderleben anderer Dialekte.
In allen europäischen Sprachen herrscht das Kürzungsgesetz,
ohne deshalb voreinzelsprachlich zu sein. Wer nun & in szlaju
durch ein speziell baltisches Lautgesetz erklärt, muss auch
das ö in got. stöjan flödus, griech. mAwröc u. dgl. für eimzel-
sprachlich halten. Wie will man aber alsdann das Nebenein-
ander zweier sich direkt widersprechenden Gesetze erklären ?
Ich habe deshalb in Gemeinschaft mit den beiden oben ge-
nannten Gelehrten die Entstehung von ö aus o« nicht ins Ein-
zelleben der Dialekte, sondern in die Urzeit verlegt ?).
1) Zubatys Erklärung im Archiv f. slav. Philol. XIII scheint
mir in dieser Fassung unhaltbar; -2 -ur -ür sind doch auch Ver-
treter der e-Reihe und dennoch haben sie οὖ nicht ὃ.
2) Trotz meiner Polemik gegen Johannes Schmidt, der die
Entstehung von Ο aus öu vor Konsonanz ins Urgermanische
setzt, und gegen Brugmann, der sie nur vor 2 im Urgermani-
schen gelten lassen will (vgl. Komparative S. 9 ff.), lässt mich Wie-
demann oben S. 94 einen “ähnlichen Standpunkt wie Brugmann’
τῷ
5ι
an
Wilhelm Streitberg,
Bei Wiedemann herrscht in diesem Punkte ein eigen-
tümliches Schwanken, vgl. Fussnote S. 186. Ferner erklärt
er S. 122 im Gegensatz zu Osthoff Perfekt S. 84, dass Ver-
kürzung eines langen Vokals nicht allgemein vor “Sonorlaut
—.Konsonanz’, sondern nur vor “Nasal-+ Konsonanz’ nachweis-
bar sei, hat aber dabei vergessen, dass er selber ausser
vor ὁ a, die nach der Sieversschen Terminologie doch auch
zu den “Sonoren’ gehören — vor ὁ Kürzung annimmt, vgl.
S.39 2. 13 von unten.
5. Auch das Arische spricht gegen Wiedemanns Datie-
rung. Wenn etwas als gesichert betrachtet werden darf, so
ist es die Thatsache, dass ar. as vor s erhalten bleibt. Das
beweist schlagend die bekannte Doppelheit gaus: gam, dyaus:
dyam (Ζῆν). Treffen wir nun auch auf indischem Boden eine
Form @s- ‘Mund’ an, so sind wir nicht berechtigt für sta
noch urbalt. *ousta anzusetzen.
4. Es mag zugestanden werden, dass doa- die ursprüng-
liehste Form der Wurzel für ‘geben’ repräsentiere. Daraus
folgt aber noch nicht, dass hit. dati direkt auf sie zurück-
geht. Vielmehr ist das Verhältnis döti: daviau dem von δί-
dwcı :dofevan ind. dadati : dävdne vollkommen gleich zu stel-
len. Wer für dati urbalt. *douti ansetzt, muss auch für dd-
däati ein urarisches *dadauti konstruieren. Und selbst hierdurch
ist für den indischen und griechischen Infinitiv wenig gewon-
nen; denn wie Vietor Henry Revue Critique 1891 S. 164 mit
Recht hervorhebt, ist ein Infinitivausgang -enai um nichts we-
niger singulär als -wenai.
Cl
ὃ. Recht künstlich scheint mir die Deutung des lett.
gües. Zwar kann Wiedemann nicht die evidente Gleichung
Joh. Schmidts σάτα = gavi antasten, aber er sucht ihre Kon-
sequenzen dadurch zu umgehen, dass er seiner Theorie zu
Liebe eine Neubildung *gowris nach den obliquen Kasus an-
nimmt. Übrigens wird man hier auch die Frage aufwerfen
müssen: Wenn idg. 5 in seiner Qualität durch folgendes he-
terosyllabisches ὁ gewahrt werden soll (was mir allerdings
den Thatsachen nicht ganz zu entsprechen scheint), warum
vertreten. Bei Kauffmann Beitr. XVI 215 ist “urgerm’ wohl nur
Versehen für urindogerm., wie mir aus dem Zusammenhang her-
vorzugehen scheint.
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 279
nicht auch durch das ihm so nahe verwandte heterosylla-
bische κα 2 ε
6. Nach Wiedemann werden δὲ und ai ganz gleich
behandelt, warum nicht auch 0x und au?
7. Nieht zu seinem Rechte kommt bei Wiedemann päta
bezw. pota "Trinkgelage‘. Ob dem Worte urbalt. a oder Ὁ
zukommt, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen 1), thut
auch nichts zur Sache. Jedenfalls hat die Wurzel ein ὁ nach
langem Vokal besessen. Das Verhältnis von p&ta — pota :
lat. pötus : gr. πέπω-κα : ind. patum ist also prinzipiell iden-
tisch mit dem von d&ti : donum : didwcı : ddadati oder von lit.
gomurys : ahd. guomo. Ist der Schwund von « hier einzel-
dialektisch, so muss es dort auch der von ὁ sein. Wie stimmt
damit aber die Vertretung von ö durch ai, Präteritum S.29f.?
B. Auslautendes -öu«. Ein Urteil über seine Vertre-
tung im Litauischen ermöglichen zwei Momente. Erstlich die
Erkenntnis, dass gestossene Langdiphthonge im Auslaut nicht
anders behandelt werden als schleifende. Zum andern die
Thatsache, dass idg. ö in auslautenden Langdiphthongen als
ἡ erscheint, das weiterhin zu « verkürzt wird. Demgemäss
wäre für -όω als Endresultat -ἃ : -&- zu erwarten.
Ein solches liegt aber im Litauischen nicht im Nomi-
nativ Du. vor, sondern nur -ὼ : -&-. Wiedemann schliesst
daraus, dass -0u zu -ὦ werde; aber so wenig wie für den
Inlaut hat dieser Schluss für den Auslaut zwingende Kraft.
Denn die Behauptung, dass “amd. asta, griech. ὀκτώ, lat.
octö auch im Sonderleben des Altindischen bez. Griechischen
und Lateinischen das auslautende « verloren haben können,
wofür namentlich die Vertretung von idg. -οὐ in den einzelnen
idg. Sprachen spricht”, entbehrt selber des Beweises.. Wenn
τοῖν z.B. im Lateinischen zu -© geworden ist, wie will Wiede-
mann das ὅ in duö u. dgl. erklären? Auf alte Länge muss
es zurückgehen, da idg. ö im absoluten Auslaut nicht unver-
ändert bleibt. Es darf anderseits nicht auf einzelsprachliehes
1) Nach einer Mitteilung Prof. Leskiens schreiben Szyrwid
u. a. puota, Mielcke pota. Die preuss. Formen poüt, püton, pou-
ton, poutwei "trinken’; poteiti, pwieyti 2. Pers. Plur. Imperat. “trin-
ket’; poüuis "das Trinken’ helfen nicht weiter.
980 Wilhelm Streitberg,
-öu zurückgeführt werden, da sonst die Länge des ö geschützt,
eine Verkürzung nicht eingetreten wäre?).
Unglücklich ist auch die Verweisung auf die Schicksale
des -οὐ. Verliert dieses im Litauischen denn durchweg sein
ὁ Verhält sich nicht vielmehr -ὦ : -w = -ü: *-a? Vgl. Zu-
baty Archiv f. slav. Philologie XIII 602.
Ich vermag deshalb in lit. -% : -&- nichts anders zu sehen
als die Fortsetzung einer idg. Sandhiform auf -0. Diese Auf-
fassung kann auch für Wiedemann selber nichts anstössiges
haben, da er ja ausdrücklich den Übergang von idg. -0 zu
lit. -« für den absoluten Auslaut anerkennt, also nach seiner
eigenen Lehre die uridg. Grundform des lit. Nominativ Du.
zweideutig ist.
Auffallend ist der gestossene Akzent für den, welcher
and. gam = griech. Bwv als lautgesetzliche Form ansieht.
Er muss annehmen, dass, da auch das Griechische bei -w die
gleiche Tonqualität aufweist, schon in idg. Urzeit das Neben-
einander von -Ö und -öu Ausgleich des Akzentes veranlasste,
ein Vorgang, der nichts ungewöhnliches hat.
Möglicherweise haben wir übrigens noch einen streng
lautgesetzlichen Nachkommen von idg. -Ö aus τόν im Litaui-
schen erhalten, wenn es nämlich mit Bezzenbergers Lokativen
auf -z von ea-Stämmen seine Richtigkeit hat, was ich jedoch
bezweifele. Vgl. Gött. Nachr. 1885 S. 161, Meringer BB. XVI
227, Wiedemann ΚΖ. XXXIH 149 ff., Zubaty Archiv f. slav.
Philologie XVI 151, Hirt oben 5. 227 £.
Das Gesamtergebnis lässt sich für das Baltische in fol-
genden Sätzen zusammenfassen:
1. Auslautende Langdiphthonge sind später gekürzt als
inlautende.
2. Die Kürzung auslautender Langdiphthonge hat statt-
gefunden, als urbalt. 6 schon zu ἡ geworden, dagegen urbalt.
ä als solehes im Hochlitauischen noch erhalten war. Beide
Bedingungen treffen für die Periode zu, in der auslautende
lange Vokale mit gestossenem Ton gekürzt wurden. Man
vergleiche z. B. den Instrumental ger& mit dem Dativ tiltui,
1) Kretschmers Ausführungen über lat. ὃ = öu (ΚΖ. ΧΧΧῚ
451 ff.) stimme ich bei, halte aber das Lautgesetz nicht für speziell
lateinisch, sondern für urindogermanisch.
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 281
den Nominativ gerd mit dem Dativ gerai. Die Reduktion
der Langdiphthonge und die der gestossenen Längen haben
also den gleichen Terminus a quo und ad quem.
3. Von einem zeitlichen Unterschied zwischen der Kür-
zung schleifender und derjenigen gestossener Langdiphthonge
lässt sich nichts wahrnehmen. Damit soll jedoch nicht ge-
leugnet sein, dass ein solcher bestanden habe. Das wäre bei
dem grossen Zwischenraume zwischen den festgestellten Grenz-
punkten sehr wohl möglich.
B. Die auslautenden Langdiphthonge des Slavischen.
Bent schleitender Betonung.
1. Dativ-Lokativ Sing. der a-Stämme auf -a2 :abg. Zene.
Beide Kasus waren in ihrer äussern Gestalt identisch, vgl.
Verfasser bei Brugmann Griech. Gramm. ? S. 122 Fussnote 1.
Sie sind im Slavischen mit folgenden Formen zusammmenge-
fallen :
1. Nominativ-Akkusativ Dualis der «Stämme: Zene. En-
dung idg. -di.
2. Nominativ-Akkusativ Dualis der neutralen e-Stämme:
lete. Endung idg. -οἱ (Ὁ), dessen Akzentqualität mir unbe-
kannt ist.
3. Lokativ Sing. der e-Stämme: lete, rabe. Endung
idg. -02').
4. 1. Person Sing. des Mediums: vede — lat. vidi. En-
dung idg. -di.
Abweichend werden dagegen behandelt:
1. Nominativ Plur. der maskulinen e-Stämme: rabi. En-
dung idg. -0i.
2. Singular des Imperativs, der.dem idg. Optativ ent-
spricht: p»ni. Endung idg. -025 -oöt.
Aus den vorstehenden Gleichungen ergibt sich, dass ıdg.
-αὐ mit schleifendem wie gestossenem idg. -οὐ und -ai zusam-
mengefallen ist. Die Kürzung von -a2 ist demnach recht alt.
Sie muss notwendigerweise in eine Zeit fallen, da idg. «a noch
1) Die Zwillingsform auf idg. -οἵ (vgl. griech. οἴκει) repräsen-
tieren vielleicht Lokativadverbien wie ἐδ, vom Stamme ?o-, u. dgl.,
auf die mich Prof. Leskien hinweist.
282 Wilhelm Streitberg,
nicht zu urslav. o geworden war, weil sonst der Zusammenfall
des Kürzungsproduktes -@2 mit idg. urslav. -oö unmöglich wäre.
Wir haben also am Dativ-Lokativ Sing. der a-Stämme einen
Beweis dafür, dass idg. a und o nicht nur in der balt.-slav.
Grundsprache getrennt erhalten waren, — das beweist balt. a
gegenüber slav. o — sondern auch noch im Urslavischen eine
Zeitlang nebeneinander existierten.
Ferner lehrt das Verhältniss von rabe: p»ni, die beide
urslav. -02, sowie dasjenige von rabi: vede, die urslav. -6i
aufweisen, dass die zwiespältige Entwickelung von urslav. -οὐ
nicht durch die Akzentqualität hervorgerufen sein kann, wie
man mehrfach vermutet hat. Vielleicht, dass man dagegen
mit Hirt an einen Einfluss der Akzentstellung denken darf.
Zum Schlusse sei noch auf den Zusammenfall von aus-
lautendem -αὐὖ mit inlautendem -οὐ aufmerksam gemacht, der
ebenfalls für das Alter der Reduktion spricht.
2. Genetiv Pluralis auf idg. -om : rabs maters. Die
Form ist mit dem Akkusativ Sing. der maskulinen e-Stämme
zusammengefallen. Dieser Umstand beweist aber keineswegs,
wie Osthoff angenommen hat, dass der Genetiv Plur. auf idg.
urslav. -om ausgegangen sei. Vielmehr steht: die Thatsache
des Zusammenfalls im besten Einklang mit dem, was wir so-
eben beim Dativ Sing. der a@-Stämme beobachtet haben. Es
ist daher in hohem Grade auffällig, dass man diesen absolu-
ten Parallelismus bis jetzt hat völlig übersehen können. Kon-
sequenter Weise müsste doch derjenige, der für den Genetiv
Plur. ein -om ansetzt, auch für den Dativ Sing. der «-Stämme
ein -a2, nicht ein -az aufstellen.
Der Grund dafür, dass man die vollständige Regelmäs-
sigkeit des Genetiv Plur. so ganz unbeachtet hat lassen kön-
nen, beruht, soviel ich sehe, einzig und allein darauf, dass
man stets mit einer vorgefassten Meinung an ihn herantrat,
die man sich bei der Analyse des Nomimativ Sing. der mas-
kulinen en-Stämme, z. B. kamy, gebildet hatte. Dass aber
die Zurückführung seiner Endung auf idg. -ön eine unhaltbare
ist, wird sich später herausstellen. Hier will ich mich auf
die Bemerkung beschränken, dass selbst für den, welcher an
den Übergang von idg. -ön zu slav. -y glaubt, eine Gestalt
πα der Genetivendung idg. -om nicht ohne weiteres feststeht.
Denn der Unterschied der Akzentqualität, welcher für die bei-
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 283
den Formen aufs beste beglaubigt ist, kann sehr wohl auch
einen Unterschied in der Behandlung derselben bedingen.
Die Entwickelung von idg. -om zu abg. -» hat folgen-
den Gang genommen, dessen einzelne Stationen wir noch nä-
her zu bestimmen vermögen. Idg. -om — urslav. -öon (— -αἢ
— -qA) — -oR — τη — -5. Ob zwischen -0% und -oR die bei-
den in Klammer gesetzten Zwischenglieder einzuschieben sind,
muss, soviel ich sehe, eine offene Frage bleiben. Wir wissen
nur, dass zur Zeit der Kürzung o und a noch geschieden
waren, vgl. das zu dem Dativ Sing. der a-Stämme bemerkte.
Ob aber auch die entsprechenden Längen noch gesondert exi-
stierten, kann beim Mangel aller Anhaltspunkte nicht mehr
festgestellt werden. Wie dem aber auch sei, auf alle Fälle
ist der Parallelismus zu -a2 — -aö — -oi unantastbar.
Ein Unterschied besteht jedoch. Idg. -αὐ ist mit inlau-
tendem -oi- zusammengefallen, -0m bleibt von dem -om- -on-
des Inlauts verschieden. Worauf beruht diese Differenz?
Nach allem, was von Wiedemann Archiv f. slav. Philo-
logie X 652 in bezug auf +n, vom Verfasser Paul-Braunes
Beiträge XIV 226 und von Wiedemann Präteritum S. 58 f.
168 f. über »-+n» ermittelt ist, lässt sich nicht mehr daran
zweifeln, dass folgendes Lautgesetz im Urslavischen bestan-
den hat:
Kurzer Vokal+Nasal ergeben im Inlaut vor
Konsonanz einen Nasalvokal, im Auslaut dagegen
unnasalierte Kürze.
Diese Verschiedenheit in der Behandlung beruht auf
einer Verschiedenheit in der Chronologie. Kurzer Vokal +
Nasal sind im Auslaut länger intakt erhalten geblieben als
im Inlaut vor Konsonanz. Dafür spricht auch aufs deutlichste
der Einfluss, den ein voraufgehendes j auf o vor auslauten-
dem Nasal ausübt. Hieraus ergibt sich die notwendige Fol-
gerung, dass das, was wir in den Schlusssilben als Fortsetzung
von Kürze+Nasal antreffen, die lautgesetzliche Vertretung der
Pausaform sein muss.
Gegen das eben aufgestellte Lautgesetz über die Be-
handlung der inlautenden Nasalverbindungen darf man Fälle
wie abulg. Zyko : lit. lünkas “Bast’ oder das Sufix abg. -ika :
lit. -inkas nicht als Gegenbeweise anführen. Denn wer bürgt
uns dafür, dass die slav. Formen überhaupt einen Nasal be-
984 Wilhelm Streitberg,
sessen haben? Man darf doch nicht vergessen, dass der Nasal
in Zünkas u. dgl. nicht wurzelhaft sein kann. Denn nach
Osthoffs bekanntem Gesetz ergeben die Verbindungen von ὁ
an vor Konsonanz lautgesetzlich nur idg. © u+n. Ein in
an vor Konsonanz beruht immer entweder auf sekundärer
_Nasalierung oder auf Übertragung der antevokalischen Form.
Was nun das Verhältnis von Z!yko : lünkas, dessen mit-
telzeitiges a auf idg. @ anstandlos zurückgeführt werden kann,
anlangt — warum soll es nicht dem von abg. voda : lit. vandı
gleich sein? Dass dies mehr als eine blosse Möglichkeit ist,
beweist das von Wiedemann konstatierte Verhältnis von abg.
nuzda : mazda Not’, wo unnasaliertes urslav. oz einem nasa-
lierten ἢ gegenübersteht. Ferner lässt sich bada einzig auf
ide. *bhu-nd-6 zurückführen d. h. auf eine Bildung nach der
von Osthoff kürzlich entdeckten Präsensklasse, vgl. die Be-
richte über die Verhandlungen der Münchener Philologenver-
sammlung (1591) und das Referat im ersten Hefte des An-
zeigers f. idg. Sprach- und Altertumskunde.
Abg. -ik5 seinerseits kann mit lit. -rkas überhaupt nichts
zu thun haben. Das lit. Suffix beruht auf einer idg. Grund-
form -ngo-, auf die auch germanisch -un30- zurückgeht. Dies
hätte aber, wie auch die Anhänger der alten Theorie zugeben
müssen, nur abg. *-ek2 ergeben können. Das richtige hat ganz
neuerdings auch Leskien im seinem Werke über die Bildung
der Nomina im Litauischen S. 520 f. gesehen: Abg. -ik3 ent-
spricht dem lit. -zkas, welches in den Drucken älterer Zeit
und in modernen Dialekten ganz gewöhnlich ist. Auch im
Preussischen ist es belegt. Auf germanischem Boden dürfte
-750- zu vergleichen sein.
Die Chronologie aller für den Genetiv Plur. und den Ak-
kusativ Sing. Mask. in betracht kommenden Lautgesetze ist
die folgende.
l. Abg. e »+-n wird vor Konsonanz im Wortinlaut zu
ὁ: 0o37n in gleicher Stellung zu a. Im absoluten Auslaut
und vor schliessendem s bleiben sie dagegen unverändert er-
halten. Also z. B. sata : "rabon "rabons.
2. Abg. jo wird zu je. Dass dies Gesetz jünger sein
muss als das unter Nummer 1 genannte, ergibt sich zur Evi-
ddenz aus der Thatsache, dass ein vor Nasal+Konsonant im
Wortinlaut stehendes jo niemals zu je wird. Dagegen unter-
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 285
liest ihm auslautendes -ons und, wie wir infolge dessen not-
wendig weiter schliessen müssen, -on. Man vergleiche znajatz
mit dem Akkusativ Plur. Mask. *konjens und dem Nominativ-
Akkusativ Sing. Neutr. *poljen.
A. Für den Akkusativ Plur. ist die Entwickelung: -jons
— -jens — -jens — -je mit Notwendigkeit anzusetzen: Denn
a) Id. 6 oder <a wird in jeder Stellung zu abg. ja,
vgl. znaja, pojass : jüsti.
Ὁ) Idg. ie wird ebenfalls stets zu abg. ja: zemlja —
lit. Z&me, zemlja = lit. Z&me; jame (= idg. *edmi).
Folglich muss abg. -jens — -je auf sekundäres, aus je
entstandenes je zurückgehen, dessen Länge noch nicht exi-
stierte, als das unter b) genannte Lautgesetz wirksam war.
B. Für den Akkusativ Sing. Mask. und Nominativ Ak-
kusativ Sing. Neutr. wird der Lautwandel -jon zu -jen (nicht
-jon zu -jon) durch folgende Umstände erwiesen.
a) Wäre der Lautübergang von on zu on älter als der
von 70 zu je, so müsste doch offenbar im Akkusativ Plur.
Mask. -zns : *-jons in -sns : *-jvuns und weiterhin in -y : *-j2 über-
gehn. Statt dessen treffen wir aber -y:-je d.h. -jens mit
gedehntem Vokale an. Folglich muss auch im Akkusativ
Mask. und Neutr. -jon zu -jen geworden sein, wie dies schon
Leskien Handbuch ?$ 15 B Anmerkung S. 19 vermutet hat.
b) Wenn -jon lautgesetzlich zu -jen geworden ist und
das Neutrum polje die regelrechte Endung aufweist, wie er-
klärt sich da der Ausgang -j» im Akkusativ der Maskulina Ὁ
Seit Leskien Deklination S. 67 f. und Brugmann Grund-
riss IIS 27 8. 565 f. kann es als feststehend betrachtet wer-
den, dass der Auslaut -ο im Nominativ-Akkusativ der Neutra
sowohl auf den es-Stämmen (abg. ögo kann direkt auf idg.
"jugos beruhen vgl. got. jukuz-i mit idg. -95- nach Sievers
Beitr. XV1 235 ff. Idg. Doppelbildungen wie ®jugos und *ju-
gom — gr. ζυγόν, lat. zugum usw. — mögen das Umsich-
greifen der Endung -o erleichtert haben), als auch auf der
Pronominalform -od beruht, die jedenfalls zuerst auf die Ad-
Jektiva übergegangen ist. Wie aber sollte das -o sich im
Nomen überall eimgestellt haben, wenn dasselbe ausschliess-
lich -ὸ *-j» als Endung besessen hätte? Hier hilft allein die
Erkenntnis weiter, dass -jon zu -jen -je wird. Abg. -je aus
on fiel mit -je aus -jos und -jod zusammen. Die Folge
280 Wilhelm Streitberg,
davon war bei den reinen e-Stämmen die Neubildung -o (für - 5)
nach τὸ aus -os -od.
6) Was ich Beiträge XIV 166 ff. fürs Slavische nur
wahrscheinlich machen konnte, ist num durch das Lautgesetz,
dass -jon zu -jen wird, strikte bewiesen, nämlich dass Nomi-
nativ- und Akkusativendung der maskulinen 16 - Stämme
schwundstufiges Suffix haben, demnach den litauischen
Bildungen wie Zödis, zödi gleichgesetzt werden müssen. Sie
unterscheiden sich von ihnen nur dadurch, dass die Erweichung
(das j) von den obliquen Kasus übertragen ist, dass also konj»
d. 1. kom für *kon» steht, eine Umbildung, die sich auch sonst
im Slavischen findet, z. B. bogynji für *bogyni, mesasti d. 1.
"nesontji für "nesati.
Dabei bleibt aber noch eine Frage zu erledigen: Durch
welche Gründe ist die Verteilung der Voll- und Schwundstufe
des Suffixes -ie- auf die verschiedenen Genera bedingt?
Auch hierauf lässt sich, wie ich glaube, eine vollkommen be-
friedigende Antwort geben.
Ich habe schon oben S. 268 hervorgehoben, dass die unge-
mein grosse Zahl abstufender öe-Stämme im Litauischen durch
analogische Neubildungen zu erklären ist. Dasselbe gilt vom
Slavischen, und wenn Hirts Analyse von harjis (= 80».
konj» d. h. idg. Endung -s mit übertragenem j) richtig ist,
auch vom Germanischen. Dem Slavischen allein aber ist
eigentümlich, dass die Schwundstufe beim Maskulinum, die
Vollstufe beim Neutrum durchgeführt ist: Aonj» und polje.
Diese sekundäre Verteilung beruht auf einer Art Selektion,
auf Herbert Spencers Prinzip: Survival of the fittest. Em
maskuliner Nominativ-Akkusativ auf -» hatte an den masku-
linen ei-Stämmen eine starke Stütze, während ein maskuliner
Nominativ-Akkusativ auf -je (aus -jon) nicht nur eine als
vokativisch empfundene Endung -e besessen hätte (vgl. Brug-
mann Grundriss II 8 194 Anm. 1 8.552), sondern auch mit den
neutralen Pronominibus (und ev. auch mit zes-Stämmen) zu-
sammengefallen ist. Daher ist es begreiflich, dass bei einem
Nebeneinander von -» (-j») und -je in diesen Kasus die erst-
genannte Endung beim Maskulinum den Sieg und die Allein-
herrschaft erringen musste.
Gerade umgekehrt steht es beim Neutrum. Hier war
der Ausgang -» ganz isoliert, stimmte zudem mit der Endung
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 2387
der ei-Mask ulina überein, obwohl sonst beim Nomen Mas-
kulinum und Neutrum geschieden waren. Die vollstufige En-
dung -je (aus -jon) fand dagegen Anhalt am Pronomen. So
war für das Neutrum, im Gegensatz zum Maskulinum, die
Vollstufe des Suflixes -je (aus -jon) "the fittest” und folglich
auch die lebenskräftigere 1).
1) Wenn van Helten Beitr. XVI 283 meine Erklärung der ger-
manischen ° Partieipia necessitatis’ für” einschmeichelnd jedoch nicht
zwingend” erklärt und fragt: “ Warum hätte es im Germanischen
kein Suffix -- geben können, das wie aind. -ya- u. Ss. w.... zur Bildung
von Adjektiven mit partizipialer passivischer und gerundivischer
Bedeutung verwandt wurde?” so ist dies eine Art der Argumen-
tation, der ich nicht zu folgen vermag. Denn
1. Haben wir im Gotischen ein deutlich aus οὐ- und /e-Flexion
semischtes Paradigma bei den fraglichen Adjektiven; ähnlich
auch im Nordischen.
2. Finden wir eine solche ‘Mischflexion’ aufs klarste im Bal-
tischen und Slavischen, weniger deutlich im Italischen.
3. Stehen nun doch einmal den im Gotischen “gemischt flek-
tierenden Participia necessitatis die indischen ya-Bildungen als ge-
naue Korrelate zur Seite. Sie lassen sich sofort mit den eigentüm-
lichen germanischen Formen vereinen, wenn wir das baltisch-slavisch-
germanisch-italische abstufende Paradigma zu grunde legen, es
für die idg. Urzeit ansetzen.
Hierzu sind wir aber berechtigt, denn es ist ein auf allen
Gebieten wissenschaftlicher Forschung gültiger methodischer Grund-
satz, dass verwandte Erscheinungen zu einer höheren Einheit zu-
sammenzufassen sind, wenn die bestehenden Gesetze es erlauben.
Die umfassendere Hypothese hat immer vor der engeren den Vor-
zug, so lange keine positiven Thatsachen sie unmöglich machen.
Letzteres ist aber bei meiner Theorie nicht der Fall, so lange nicht
die Unmöglichkeit schwundstufiger Silben nach dem Wortakzent
erwiesen ist.
ran Helten setzt dem allen sein: ‘Warum hätte es denn
nicht .... .. entgegen. Eine solche Argumentation ist allerdings
unanfechtbar, weil rein subjektiv. Aber mit ihr kann man alles
bestreiten. “Warum hätten sich denn nicht’ z. B. auch im Paradigma
von *dieus "gous zwei ganz verschiedene Stämme zusammenfinden
können: dieu- göu- und die- gö- u. dgl. mehr?
Auf die dankenswerten Ausführungen van Heltens über die
substantivischen ze-Stämme näher einzugehen, muss ich mir für jetzt
versagen. Ich verzichte um so lieber, als das ganze Problem durch
Hirts Hypothese (oben S.215 ff.) in ein neues Stadium eingetreten ist.
Vielleicht, dass sie den Weg zur Verständigung bahnt, die doch
das Endziel aller wissenschaftlichen Kontroverse ist.
988 Wilhelm Streitberg,
d) Da es im Urslavischen konjens und nicht *konjons
heisst, so kann -j» auch nieht die streng lautgesetzliche Form
des Genetiv Plur. der ze-Stämme sein, sondern muss als Neue-
rung betrachtet werden. Zwei Wege, die zu -j» geführt haben
können, gibt Brugmann Grundriss II 8 345 S. 692 an. Eine
dritte Möglichkeit ist die. Im Akkusativ (und später auch im
Nominativ) der maskulinen e- und ze-Stämme stehen sich -2
und -j» gegenüber. Letzteres ist, wie oben gezeigt für -» ein-
getreten, das die lautgesetzliche Form eines schwundstufigen
ie-Stammes ist. Ward nun im Gen. Plur. das ursprüngliche
Verhältnis -3:*-je, das sonst nirgends wiederkehrt, unbequem,
so lag es bei dem Zusammenfall von Akkusativ Smg. und
Genetiv Plur. sehr nahe, *-je durch -j» nach dem Vorbilde
des vielgebrauchten erstgenannten Kasus zu ersetzen.
3. Abe. -on wird zu -sn, -ons zu -sns. Das τὸ von konje
beweist, dass dieses Lautgesetz jünger ist als No. 2.
4. Dehnung von 2, » und e vor auslautendem (tauto-
syllabischem) -2s, wahrschemlich verbunden mit Reduktion des
Nasals. Erst nach diesem Vorgang kann -s fortgelassen sein.
Dass die Dehnung nicht etwa eme Art “Ersatzdehnung” für
den Abfall des s ist, beweist der Umstand, dass gerade die
Gruppe -»s in andern Sprachen die Dehnung voraufgehender
Kürzen veranlasst, vgl. z. B. lat. ferens: ferrem. Ein ein-
facher Nasal im Auslaut besitzt im Slavischen keine dehnende
Kraft: Akk. rabs, syn», pat».
Zum Schlusse dieses Abschnittes noch eine Bemerkung
über den Zusammenfall von Genetiv Plur. und Akkusativ Sing.
der e-Stäme im Slavischen. Derselbe ist um nichts seltsamer
oder unerklärlicher als im Lateinischen, und doch hat ihn hier
meines Wissens noch keim einziger Forscher angezweitelt. Nun
existiert aber das ἡ Kürzungsgesetz’ im Slavischen nicht minder
als im Lateinischen. Daher entspricht auch ein slav. Akkusativ
und Genetiv rabs genau dem lat. Akkusativ und Genetiv
deum. Die beiden Sprachen unterscheiden sich also scharf
vom Griechischen, das auslautende Langdiphthonge überhaupt
nicht kürzt, wo es also θεῶν gleichwie χώρᾳ, ἀνθρώπιυ heisst.
Das Germanische kürzt dieselben zwar, aber erst in einzel-
ddialektischer Zeit und nach dem Verlust auslautender Nasale
(s. 0). Deshalb steht hier ein got. gibai, ahtau dem Gen.
dage gegenüber.
δι
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 289
Woher stammt nun der Zirkumflex in der ide. Genetiv-
endung -5m? Nach Kretschmer und Hirt entsteht schleifender
Ton im Indogermanischen
a) durch Kontraktion,
b) dureh Verlust eines Sonorlautes.
Die zweite Möglichkeit ist beim Genetiv Plur. ausge-
schlossen. Ist derselbe aber als Kontraktionsprodukt aufzu-
fassen, so kommen wir schliesslich doch wieder zu Osthoffs
Hypothese von der Verschmelzung des stammauslautenden So-
nanten mit dem anlautenden Suflixvokal zurück. Festzuhalten
ist ihm gegenüber jedoch die Thatsache, dass -om schon in
der Urzeit allein bei allen Stammklassen geherrscht, Genetive
auf -om schon damals nicht mehr bestanden haben.
Weitere Beispiele für sehleifende Langdiphthonge sind
mir auf slavischem Bodem nicht bekannt. Der Dativ Sing.
auf -@ hat -mit dem imdogermanischen auf -02% natürlich eben-
sowenig zu thun wie der Instrumentalis Plur. auf -y mit dem
idg. auf -öös. Jener hat seine befriedigende Erklärung bereits
gefunden: es ist ein Lokativ mit Suffix -z, vgl. Bartholomae
BB. XV 23, Hirt oben 5. 350 und Leskien ebenda 5. 31.
Dieser ist noch immer ungedeutet.
II. Gestossene Langdiphthonge.
1. Lokativ Sing. der ei-Stämme auf idg. -:pati. Dass
wir es hier mit einer auf idg. ὁ ausgehenden Form zu thun haben,
macht das Baltische sehr wahrscheinlich. Ausserdem spricht
der Parallelismus der ex-Stämme für die Wahrung des -. Ich
setze also dati direkt = lit. d«ti. Rein lautlich genommen
wäre auch der Auslaut igd. -ὃ möglich. Entscheiden wir uns
für den Diphthong, so kann nur -&, nicht -# in betracht
kommen, wie die Lautgeschichte lehrt.
2. Lokativ Sing. der ea-Stämme, idg. -&u (und -u?):
synu. Das -&i der abg. ei-Stämme redet der Grundform auf
τόν das Wort. Hat dies hier bestanden, so muss die Kürzung
des & vor die Wirksamkeit des Lautgesetzes fallen, dass -eu
zu ou, weiterhin @ wird vgl. oben S. 267.
Sonstige Anhaltspunkte zur genauern Datierung der Kür-
zung fehlen bei beiden Formen vollständig.
3. Akkusativ Sing. der a-Stämme auf ide. -äm: Zena.
Dass eine Verkürzung auch bei gestossenem Langdiph-
290 Wilhelm Streitberg,
thong stattfinden muss, haben die Lokative der ei- und eu-
Stämme gelehrt. Damit ist aber für Zena d.h. für den Fall,
(lass dem langen Vokal ein Nasal folgte, noch gar nichts ge-
sagt. Denn dieser musste reduziert werden. Es fragt sich
daher einzig und allein, in welche chronologische Beziehung
wir diese Nasalreduktion zur Vokalkürzung bringen müssen.
Fällt sie vor die Periode der Verkürzung, so konnte diese im
Akkusativ Sing. der a-Stämme überhaupt nicht in Wirksam-
keit treten, da ein “Langdiphthong” gar nieht mehr vorhanden
war, sondern nur nasalierte Länge. Ist sie dagegen nach
derselben erst eingetreten, so musste Vokalkürzung bei *Zenan
so gut wie bei *patei vorgenommen werden.
Welche der beiden Datierungen die richtige ist, lässt
sich dem Akk. Zena selber nicht ansehn. Dennoch ist meines
Bedünkens eine Entscheidung möglich und zwar zu gunsten
des erstgenannten Falles. Die Grundlage derselben bildet der
Akkusativ Plur. mit seinem -2, τῷ, -e. Die Chronologie ist fol-
gende:
1. Idg. -om wird zu slav. -on.
2. Dlav. -jens aus *-jons : -ons.
3. Slav. -on zu -6m, -ons zu -dns !-jens.
4. -sns wird zu -y, -sns zu -2:-jens zu -je.
a) Schon Leskien Deklination S. 13 ff. hat darauf hin-
gewiesen — was man zum Schaden der slav. Lautgeschichte
vernachlässigt hat —, dass urslav. o nur vor -ns zu -y wird.
Urslav. -ons liegt aber ausser im Akkusativ Plur. der masku-
linen e-Stämme (und der Feminma auf -@) nur im Nominativ
Sing. Mask. der Partizipia Präs. von Verben auf -e- vor, vgl.
nesy. Dagegen kann — was man, wie es scheint, bisher über-
sehen hat — der Nomimativ-Akkusativ des Neutrums lautge-
setzlich nieht gleich idg. -ont sein. Denn weder konnte idg.
®nekont zu slav. nesy, noch idg. *gnöiont zu zuaje auf irgend
welchem Wege führen. Vielmehr hätte sich in beiden Fällen
aus idg. urslav. -ont lautgesetzlich lediglich -@ ergeben. Vel.
die 3. Pers. Plur. Präs. Ind. mit sekundärer Endung, die auch
nach 7 nur a aus idg. -ont aufweist.
Folgendes ist die Erklärung, die ieh für die beiden For-
men vorschlage. Der Nominativ des Maskulinums zraje ist
(der gesetzmässige Vertreter von idg. *gnoion(t)s, wie konje von
®gonions. Ebenso gesetzmässig ist das Neutrum zwaje, das
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 291
aber nicht auf idg. *gnoiont, sondern auf idg. *gnöint zurück-
geht. Über den neutralen Ausgang -»t im Nominativ-Akku-
sativ Sing. vgl. Brugmann Grundriss II $ 225 S. 560 ἡ. Dass
abg. -e die absolut regelmässige Fortsetzung von idg. -nt ist,
beweist die 3. Pers. Plur. Aor., vgl. dase aus idg. *dösnt.
Auf diese Weise fiel bei den ze-Präsentien im Nominativ
Sing. des Partizips Maskulinum und Neutrum streng lautge-
‚setzlich zusammen. Da dies auch bei den Partizipien auf -znt-
von den 2-Präsentien der Fall war, so lag es nahe, den Unter-
schied von Maskulinum und Neutrum im Nominativ der ein-
zigen Verbalklasse, wo er überhaupt bestand, ebenfalls zu be-
seitigen und zum -Maskulinum »esy statt des lautgesetzlichen
#nese (so angesetzt wegen znaje) ein Neutrum nesy neu zu
bilden; wie auch sonst einem -je stets nur -y gegenüber stand.
Diese Thatsachen haben, wenn ich recht sehe, eine über
das slavische Sprachgebiet hinausgehende Bedeutung, denn
sie dürften berufen sein in der Frage nach Abstufung der
thematischen Partizipia eine Rolle zu spielen. Das auffallende,
von jedem Verdacht der Entlehung freie Neutrum zaaje') hat
denselben Ausgang wie aind. bharat und muss bei seiner Iso-
liertheit als ein nicht ungewichtiger Zeuge für die Altertüm-
lichkeit der indischen Form gelten. Dem gegenüber schemt
mir die Beweiskraft des griech. τὸν aus -ovr nicht allzuhoch
anzuschlagen, da hier die Möglichkeit einer unter dem System-
zwang vollzogenen Neuerung doch eine ungemein grosse Ist. —
b) Die Akkusative Plur., deren kurzer Vokal vor -ns ge-
dehnt worden ist, zeigen erhaltene Länge, vgl. raby, pati,
syny. Wir haben infolge dessen anzunehmen, dass der Ver-
schlusslaut » zur blossen Nasalierung geworden ist, bevor Ver-
1) An eine Entlehnung von chvale aus *chvali-nt ist nicht zu
denken. Denn die ganze Flexion desselben ist von der des Part.
znaje total verschieden: hier geht -a-, dort aber -e- durch alle Kasus
hindurch. Wäre unter diesen Umständen ein Einfluss von seiten
des Part. chvale ausgeübt worden, so hätte er doch nur in der
Gleichmachung des Nominativvokals mit dem der obliquen Kasus
bestehen können. Also bei einem ursprünglichen Nom. Mask. znaje,
Neutr, *znaja (wie ihn die Hypothese der Nichtabstufung fordert:
idg. -ont), wäre das Maskulinum, nicht das Neutrum gewichen. Vgl.
die Proportion:
Nom. Mask. und Neutr. chvale: Kas. obl. chvalest- = *"znaja:
znajast-.
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 19
292 Wilhelm Streitberg,
kürzung des gedehnten 2, y möglich war. Folglich haben wir
auch für die Endung von konje ursprünglich langen Nasal-
vokal, also -@ anzusetzen. Ist dies aber der Fall, so gilt ὁ
auch für öme aus idg. *nmen und weiterhin a für Zena aus
idg. *gendm.
Durch diese Erkenntnis ist uns auch endlich der so lang
vermisste Anhaltspunkt gegeben, der uns die Kürzung gestos-
sener Langdiphthonge ehronologisch genauer zu fixieren gestattet:
Die Kürzung der ersten Komponenten gestosse-
ner Langdiphthonge ist jünger als die der schlei-
fenden. Denn diese setzt Erhaltung auslautender
Nasale voraus, jene aber schon ihre Reduktion, ihren
Übergang zur blossen Nasalierung.
Selbstverständlieh ist unter diesen Umständen em Zu-
sammenfall des Akkusativ Sing. der a-Stämme mit jenem der
maskulinen e-Stämme ganz unmöglich. Diese Verschiedenheit
beider Kasus gewährt emen neuen und gleichfalls, wie ich
glaube, schlagenden Beweis für die Verschiedenheit der Perio-
den, in denen die Kürzung schleifender und gestossener Lang-
diththonge stattfand. Denn wenn idg. -αὐ im Slavischen mit idg.
-0%, -di, -di zusammenfällt, so müsste auch idg. -äm gleich
-im, -dm sein, falls seine Kürzung mit der des -a2 zeitlich
zusammenfiele.
4. Mit dem Ausgang des Akkusativ Sing. stimmt die
Endung des Instrumentalis Sing. der a-Stämme im Altbulga-
rischen überein, sowohl was den Vokal als auch was die Akzent-
qualität betrifft. Vgl. abg. Zena mit lit. ranka, ferner das
pronominale toja (wonach Zenoja gebildet ist) mit alit. taja
(Johannes Schmidt KZ. XXXVII 386 f.). Im Polnischen und
Cechisehen besteht allerdings ein Unterschied zwischen Akku-
sativ- und Instrumentalendung: diese hat pol. -a, «ech. τοῦ,
&cht also auf langen Nasalvokal zurück; jene dagegen weist
mit ihrem -e bezw. -« auf alte Kürze hin. Aber dieser Unter-
schied der Quantität kann mit der idg. Quantität nichts zu
schaffen haben, denn er findet sich auch im Fällen, wo idg.
sicher kurze Vokale zu grunde lagen.
5. Nicht für völlig gesichert vermag ich dagegen die
beliebte Zurückführung des τῷ der 1. Pers. Sing. Ind. Präs.
auf ide. -im zu betrachten. Lautlich kann ebenso gut ide.
-öm zu grunde liegen; denn folgender Nasal beeinflusst nie-
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 293
mals die Qualität voraufgehender Länge. Zudem haben wir
nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass idg. 0 vor Na-
sal in so später Zeit wie diese ist, wo die Kürzung gestossener
Langdiphthonge stattfand, als ö im Slavischen erhalten und
weiterhin noch gar zu @ geworden sei.
Für welche der beiden Möglichkeiten man sich zu ent-
scheiden habe, hängt von syntaktischen Erwägungen ab, für
die hier nieht der Ort ist. Entscheidet man sich für -äm, so
sei hervorgehoben, dass das sogenannte konjunktivische a, wie
die gestossene Akzentqualität des Slavischen beweist, keines-
falls ein Kontraktionsprodukt von -4 mit dem Auslaut voka-
lischer Stämme sein kann, so wenig wie z. B. m der Dekli-
nation das -@ des Nom. Sing. Fem. = Nom. Plur. Neutr. aus
0o-+ ὁ oder dergl. enstanden ist.
6. Idg. -&n wird -e, das, wie oben gezeigt, ursprüng-
lich langer Nasalvokal gewesen sem muss. Vgl. öme.
ἡ. Idg. -iöm treffen wir im Akkusativ Singularis der
idg. ie-Stämme an. Abg. zemlja stimmt Laut für Laut mit
lit. zeme überein. Beide Bildungen von einander zu trennen,
wäre ein Akt schlimmster Willkür. Im übrigen beweist das
-ja, dass die Endung -je im Akkusativ Plur. ein urslav. -jens
voraussetzt, das aus idg. -iens verkürzt ist wie lit. -a2s aus
-öis und das bestanden haben muss als je zu ja geworden ist.
Nolzoben! S. 285.
III. Zweifelhafte Fälle.
Es bleibt mir hier im wesentlichen nur eine einzige Form
zu besprechen übrig, eine Form, die dem Leser der vorauf-
gehenden Seiten gewiss mehr als einmal auf den Lippen ge-
schwebt hat. Es ist dies der Nominativ Sing. der maskulinen
en-Stämme, dessen Endung im Altbulgarischen - ist. Vel.
kamy.
Wie bekannt, pflegt man in diesem -y die streng laut-
gesetzliche Vertretung eines idg. Nominativausgangs -ο zu
erblicken. Nur Leskien Deklination S. 13 ff. hat diese auf
Scherer zurückgehende Hypothese bestritten und im Anschluss
an Schleicher -ans’ d. ἢ. idg. -ons als Endung aufgestellt,
da er, wie oben sehon erwähnt, der Überzeugung war, nur
urslav. -ons könne von allen Endungen, die einen o-(a-)Vokal
besitzen, später zu -y werden. Doch auch Leskien ist nach-
294 Wilhelm Streitberg,
mals von seinen Zweifen an der Möglichkeit des Übergangs
von idg. -ön zu slav. -y (urslav. -an) zurückgekommen, vgl.
Handbuch ? $S 15, 3 Bb ὃ. 19.
Leider. Denn wenn sich auch gegenwärtig niemand
mehr für einen Nominativausgang -ons bei den en-Stämmen
erwärmen dürfte, so bleibt doch heute noch so gut wie vor
15 Jahren der Einwand in voller, ungeschwächter Kraft be-
stehen, dass die Annahme emes Übergangs von idg. -on zu
slav. -an, jeder Stütze entbehrend, in der Luft schwebt. Denn
dass man weder das -y des Akkusativ Pluralis der e-Stämme,
noch das - des Genetiv Pluralis als Parallelen heranziehen
darf, hoffe ich oben zur Genüge dargethan zu haben. Beide
setzen ein kurzes o voraus.
Zur Zeit, als -@? gekürzt ward, bestanden ὁ und a noch
nebeneinander; ob auch ὃ und a, ist möglich, aber nicht
erweisbar.
Zur Zeit, als jo zu je ward, waren dagegen o und a
schon zusammengefallen: zemlje').
Nun fällt aber der Übergang von -o zu -» vor Nasal
nach jenem von 70 zu je: ist es unter diesen Verhältnissen
wahrscheinlich, dass zur Zeit, als τὸ zu -» ward, 0 und @ im
Gegensatz zu o und a noch als getrennte Laute existierten,
obwohl wir auch jetzt so wenig wie früher eine positive Spur
dieser Sonderexistenz nachzuweisen vermögen ?
Unter diesen Umständen scheint mir, wie vordem Les-
kien, der ohme Schatten eines Beweises behauptete Übergang
von idg. -on zu -än zu -y vollkommen unhaltbar.
Für den Nominativausgang -y der maskulinen en-Stämme
muss also notwendigerweise eine andere Erklärung gesucht
werden. Und ich denke, man kann anstandlos eime solche
akzeptieren, die in bezug auf ihre lautliche Seite sieh auf
eine ganz genaue Parallele der slavischen Lautgeschichte stützt
und die ausserdem noch den Vorzug hat, die slavische Form
mit der im Baltischen gebräuchlichen aufs engste zu verknüpften.
Johannes Schmidt hat bekanntlich das Lautgesetz auf-
gestellt, dass idg. τὸ im absoluten Auslaut zu urslav. -2 werde.
1) Ein idg. Vokativ auf -7e für 7°-Stämme ist nicht anzunehmen.
Ich betrachte vielmehr den Ausgang *-o (aus idg. -a) als übertragen
von den 4-Stämmen.
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 295
Er stützt sich dabei auf den Nominativ mati, eine singuläre
und von jedem Verdacht der Entlehnung freie Form. Aber
in der Schmidtschen Fassung kann das Gesetz nicht voll-
kommen richtig sein. Denn es existieren idg. -ὸ im Auslaut,
die nicht anders behandelt sind als die inlautenden. Vgl. den
Nominativ Sing. zemlja = lit zeme. Dass das vorausgehende }
den Übergang von © zu 2 habe verhindern können, ist undenk-
bar. Wird doch sekundäres -€ nach 7 zu ©. Auch das lässt
sich nicht annehmen, dass ursprüngliches, lautgesetzliches *-jö
dureh analogische Einwirkung umgebildet sei; ist doch der
Nominativausgang -j2 bei Femininen ein recht gebräuchlicher,
so dass wir eine Flexion nach 8 60 S.66 von Leskiens Hand-
buch zu erwarten hätten, wenn ®ghemie auch von dem Schmidt-
schen Gesetze betroffen worden wäre.
Worauf beruht nun dieser Unterschied zwischen mati
und zemlja?
Auf der Akzentqualität, lautet die Antwort.
Das -2 in idg. *mate muss nach Michels- Kretschmer
schleifenden Ton gehabt haben (vgl. lit. mote), die Nomi-
nativendung -ἰ6 dagegen gestossenen. Lit. -&in Zeme u. 5. w.
kann nur auf einer Neubildung beruhen. Sem Muster ist
leicht zu finden: es ist mote u. s. w. Die Einwirkung von
mote auf Zeme ward aber erst durch das spezifisch baltische
Lautgesetz ermöglicht, dass 7 vor palatalem Vokal schwinden
musste. Es ergiebt sich also aus dem Nebenemander von
slav. mati und zemlja folgendes Gesetz:
Das schleifende idg. -@ des absoluten Auslauts
erfährt im Slavischen Tonerhöhung zu -2, das ge-
stossene hingegen bleibt unverändert erhalten.
Die Folgerung für kamy ist hieraus unmittelbar zu zie-
hen. Setzen wir die slavische Form direkt gleich der litaui-
schen, also kamy —= akma, so ist sie erklärt. Während näm-
lich auslautendes idg. 0 mit gestossenem Akzent nicht anders
behandelt wird als imlautendes, d. h. während es mit idg. ἃ
zusammenfällt, wie die Übereinstimmung der Endungen des
Nominativ Dual. der maskulinen e-Stämme: raba = hit. tiltu
mit dem Nominativ Sing. der a-Stämme: Zena und dem Nom.
Akk. Plur. des e-Neutra: leta = lit. keturioö-lika sowie mit dem
idg. ὦ, 6 in mati, dati lehrt, wird schleifendes 0 (δ) im
absoluten Auslaut zu -@ später -y.
290 Wilhelm Streitberg,
Der Parallelismus von -ῦ : τῶ und -ὃ : 2 ist also voll-
kommen.
Selbstverständlich geht em derartiges Lautgesetz in ein
hohes Altertum zurück, in eine Zeit, wo von einem Übergang
von -on zu -»n und dgl. noch keine Rede sein konnte; denn
es knüpft direkt an Zustände der idg. Urzeit an.
« Zwei Formen!) sehe ich nur, die man gegen obenstehen-
des Lautgesetz allenfalls geltend machen könnte, die aber
beide von so problematischer Natur sind, dass ich ihnen irgend
welche Beweiskraft zuzuerkennen nicht im stande bin.
Das erste Wort ist abg. voda "Wasser’. Ganz direkt mit
lit. vandu undu ist es schon seiner unnasalierten Wurzelsilbe
wegen nicht zusammenzustellen. Vielmehr besteht folgendes
Verhältnis:
Lit. vanda τ αἴ, :lat. unda — got. wato : abg. voda.
Mit andern Worten: Wer die Behauptung vertritt, dass
der feminine a@-Stamm des Slavischen: voda auf idg. "wodö
zurückgehe, der hat vorher den Nachweis zu führen, dass
auch der feminine a-Stamm des Lateinischen: znda zugleich
mit lit. unda auf eine idg. Grundform *undo zurückzuführen
sei. So lange ein solcher Beweis aber nicht erbracht ist, so
lange sind wir vollauf berechtigt das slav. Femminum voda
und das lat. Feminmum unda als urindogermanische «-Stämme
zu betrachten, die unabhängig neben der heteroklitischen
Flexion existierten.
Das zweite Wort ist sestra, das für idg. *sesö — it.
sesu stehen soll. Neben sestra steht aber das in seinem Aus-
sehn offenbar altertümlichere brats. Welches von beiden sollen
wir aufidg. -ῦ (aus ör) zurückführen? Hat nicht das r-lose bratz
mindestens ebensoviel Recht zu Rate gezogen zu werden als
sestra mit seinem analogischen #, das nicht allzu jung sein
kann, wie der Übergangslaut # bezeugt? ?)
Vielmehr glaube ich, dass es kein Zufall ist, dass im
Baltischen wie im Slavischen nur bei «den Feminmis die er-
1) Zubatys Deutung von abg. doma im Archiv ἢ. slav. Philo-
logie XIV 150 ff. ist viel zu bedenklich, um hier irgendwie in Be-
tracht kommen zu können.
2) Mahlows Hypothese der Verkürzung, wenn die Silbe den
Wortakzent nicht trug, hat hier so wenig Überzeugungskraft wie
beim Genetiv Plur. Siehe oben S. 159.
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 297
Flexion bewahrt ist. Diese Übereinstimmung deutet doch da-
rauf hin, dass der Verlust der er-Deklination bei den Masku-
linis in hohes Altertum zurückreicht, was durch die altertüm-
liche r-lose Form abg. brats noch weiter bestätigt wird. Nun
sind ‘Bruder’ und “Schwester” Pendants, genau wie “Mutter
und “Toehter’. Die Folge davon war, dass *sueser- seine er-
Flexion (vgl. lit. sesa, sesers) im Abg. verlor und sich auch im
Äussern seinem Gegenstück entspreehend gestaltete.
Für den, der mit Johannes .Schmidt. einzeldialektischen
Abfall des auslautenden -" annimmt, kann natürlich sestra die
fast direkte Fortsetzung von *swesör sein. Denn abweichend vom
Baltischen lässt sich im Slavischen keine Form mit erhaltenem
-r im Auslaut nachweisen. Sein Schwund im Urslavischen
ist also wenigstens nicht unmöglich; er müsste, ähnlich wie
der des -» vor der Kürzung gestossener Langdiphthonge des
Auslauts erfolgt sein. Für wahrscheinlich kann ich jedoch
eine solche Erklärung nicht halten, weil bei ihr die isolierte
r-Form des Nominativs von *sweser- gegenüber lit. sesa und
slav. mati, dukti unbegreiflich bleibt.
Daher kann mich sestre sowenig wie voda an meiner
Deutung des -y von kamy irre machen. Ist diese aber richtig,
so können die Instrumentaladverbien auf -y keine Endung -öm
besessen haben (vgl. Leskien Partikel -am S. 104, Verfasser
Komparative auf -öz- S. 37, Hirt oben S. 21). Ob sie z. T.
-Ö aus -öm gehabt haben (vgl. lit. t«) ist wegen der gewöhn-
lichen Akzentqualität der lit. Instrumentalendung zweifelhaft.
Es wird jedenfalls das sicherste sein, sie sämtlich dem Instr.
Plur. zuzuweisen.
Ziehen wir das Fazit, so ergibt sich folgendes Resultat:
1. Hirt ist im Unrecht, wenn er die Fortexistenz der
indogermanischen Doppelheit von gestossenem und schleifen-
dem Ton für das Urslavische ganz in Abrede stellt. Beide
Akzentqualitäten sind vielmehr in gewissen Fällen noch an
ihren Nachwirkungen erkennbar. Damit ist zugleich die be-
fremdliche Thatsache beseitigt, dass das Slavische keine Spur
mehr von jener Betonungsdifferenz aufweisen sollte, die im
Baltischen eine so ungemein grosse Rolle spielt.
2. Schleifende Langdiphthonge sind im Auslaut früher
gekürzt als gestossene. Wir sind daher berechtigt, auch für
208 Wilhelm Streitberg,
das Baltische, wo es an Anhaltspunkten zu genauerer Datie-
rung fehlt, ein ähnliches chronologisches Verhältnis anzu-
nehmen. —
Noch ein Punkt bleibt zu erledigen. Es fragt sich näm-
lich, ob sich nicht der Grund finden lassen sollte, der die
zeitliche Differenz in der Kürzung schleifender und gestossener
Langdiphthonge veranlasst hat. Denn im ersten Augenblick
(dürfte mancher geneigt sein, in der frühen Kürzung der schlei-
fenden Langdiphthonge einen Widerspruch gegen Leskiens
(Gesetz zu erblicken, dass gestossene Längen im Auslaut früher
gekürzt werden als schleifende. In Wirklichkeit aber stimmen
beide Thatsachen, wie ich glaube, aufs trefllichste zusammen.
Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die An-
gaben von Kurschat Grammatik Kap. V, Leopold Masing Die
Hauptformen des serbisch-chorwatischen Akzents $$ 15—42,
Sievers Phonetik? S. 194 ff., Bezzenberger BB. IX 273, X
202 ff., sowie vor allen Dingen auf die grundlegende Einlei-
tung zu dem ersten Hefte der ostlitauischen Texte von Bara-
nowski und Weber und der auf ihr beruhenden liehtvollen
Darstellung in Brugmanns Grundriss I 8 693 8. 001 ἢ
Danach steht fest, dass im Litauischen lange d. h. drei-
morige Silben von der Zusammensetzung: Vokal + Sonorlaut
folgende Formen aufweisen:
1. Sie bestehen aus einem mittelzeitigen, d. h. zwei-
morigen Vokal + kurzem d. h. einmorigem Sonorlaut. In die-
sem Falle haben sie gestossenen Ton d. h. der Moment der
grössten Intensität des Akzentes fällt in die erste More, z. B.
vdrna ist — vdarna (£u-+tv) genau wie biti = buuuti
Kst:
Sie bestehen aus kurzem Vokal —+ mittelzeitigem
Sonorlaut. Dann können sie nur schleifenden Ton haben d.h.
der Moment der grössten Intensität des Akzentes fällt in die
letzte More, z. B. vardas = varıdas („Tur), wie küdas =
kuuddas (vos).
Es lässt sich meiner Meinung nach nicht verkennen, dass
diese auffallende Entsprechung von Mittelzeitigkeit und Betont-
heit der Komponenten einer langen Silbe in einem ursächlichen
Zusammenhange von Quantität und Betonung begründet sein
MUSS,
Genetiv Plur. und die balt.-slav. Auslautgesetze. 293
Ferner ist es bekannt, dass Silben von der Form d(e) +
iu), die also mittelzeitigen Vokal haben, den zweiten Kompo-
nenten zu reduzieren pflegen, vgl. Adilis, bliduti. In schlei-
fenden Silben bleibt derselbe jedoch immer erhalten: keosti,
Taükas. Man vergleiche hiermit auch den von Bezzenberger
beobachteten Wechsel der Quantität und des Akzentes zwischen
1. und 3. Pers. Sing. Fut., z. B. kelidusiu : keliaüs.
Hiermit stimmt nun weiterhin aufs genauste die gleich-
falls von Bezzenberger entdeckte und durch die Untersuchungen
Hirts bestätigte Thatsache, dass in indogermanischer Urzeit
die gestossenen Langdiphthonge sehr leicht dem Verluste ihres
zweiten Komponenten ausgesetzt sind, während bei den schlei-
fenden sicher verbürgte Spuren des gleichen urzeitlichen Ver-
lustes durchaus fehlen. Wir dürfen also auch für die Periode
der Urgemeinschaft bei jenen ein Vorwiegen des ersten, bei
diesen ein Vorwiegen des zweiten Bestandteils annehmen.
Und es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass diese Differenz
darauf hindeutet, es habe in der Urzeit ein ähnliches Verhältnis
zwischen Quantität und Akzentqualität bestanden wie im Li-
tauischen zwischen vdrna (£l+t,) und vardas (u+ux). Das
gilt natürlich für die überlangen Silben so gut wie für die
gewöhnlichen langen.
Diese Erwägungen aber machen memes Bedünkens auch
die Thatsache begreiflich, dass von den in Pausa stehenden
Langdiphthongen des Auslauts die gestossenen den domi-
nierenden ersten Komponenten länger intakt erhalten haben
können als die schleifenden, bei denen er — vielleicht schon
von Hause aus in der Quantität dem der gestossenen Lang-
diphthonge nachstehend — hinter den präponderierenden
zweiten Komponenten zurücktrat.
Juli 1891.
Wilhelm Streitberg.
Griech. ὄνομα > ὀνόματος.
Pluralbildungen S. 187. hat J. Schmidt eine neue Er-
klärung der Flexion ὄνομα > ὀνόματος vorgeschlagen. Es heisst
dort: “Bei den neutralen »-Stämmen fiel ... . der Nom. Sing.
mit dem alten Nom. Sing. der »t-Stämme lautgesetzlich zu-
sammen: ὄνομα -- ndma wie μέγα — mahdt (Zeitschrift XXVI
408) und vorhistorisch ἔφερα — bhärat; ebenso endeten beide
Stammklassen im Lok. Plur. gleichmässig auf -accı. Infolge
dessen bildeten erstere auch alle übrigen ursprünglich ver-
schiedenen Kasus nach Analogie der letzteren. ὀνόματος nach
Analogie von ἔφερατος...
Was die Lok. Plur. angeht, so thut man wohl besser,
wenn man sie ganz aus dem Spiele lässt. Denn die »-Stämme
hatten doch sicher zunächst einen andern Ausgang als das
angenommene -accı).
Den Gründen, die mir gegen die ablautende Flexion der
nt-Partizipien zu sprechen scheinen — Verf. Beiträge S. 125 ff.,
Bezzenbergers Beiträge XVI 261ff.?) —, habe ich Studien II
105 Note 1 einen weiteren hinzugefügt. Sollte sich die Über-
einstimmung, welche in der Bildungsweise zwischen ai. ord-
dhantamas, sdhantamas — oder "nttamas nach Whitneys
Schreibung — und av. merenkatiastema, tauruaiastemem be-
steht, d. s. Superlative aus »t-Partizipien thematischer Präsen-
tien, und anderseits zwischen ai. sdttamas und av. hastema, den
entsprechenden Formationen vom unthematischen Präsens;
ferner zwischen ai. dmavattarebhyas, hiranyarasımattama
und av. amauastara, jatumastema, d. s. Steigerungsbildungen
aus Adjektivstämmen auf n/want-, die sicher seit Alters ab-
lautend flexirt wurden: sollte sich wirklich diese Übereinstim-
1) Lautgesetzlich wäre -ns? zu -aı geworden. Wegen des an-
geblich aus *dnsus enstandenen δαςύς — so z. B. Fick Wörterbuch
[+ 460 — vgl. alb. dent, dant und G. Meyer Etym. Wörterbuch S. 65.
2) Auf 5. 270 habe ich wegen des got. hulundi "höhle’ auf
die vereinzelt stehende vedische Bildung vesantı * Teich’ verwiesen.
Ich trage hier das avestische /varenti ‘Nahrungsmittel, Speise’ nach,
dessen Formation der des vedischen Worts genau entspricht. Be-
zeugt ist /varentis, Akk. Plur., V. 8. 27, 29, σὺ: 24. 36.
Christian Bartholomae, Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 301
mung durch blossen Zufall ergeben haben, ohne dass tiefer
liegende Ursachen vorhanden waren? Über die einzige avestische
Abweichung — as.hrabwastemö — habe ich mich bereits Bez-
zenbergers Beiträge XVI 262 ausgesprochen. Ihre Erklärung
bietet keinerlei Schwierigkeit. Und ebensowenig die einzige
Ausnahme im Veda: mrlaydttama- ἈΝ. 1. 94. 14, 114. 91).
Zur Bildung von Komparativen und Superlativen aus Partizipial-
stämmen war selbstverständlich um vieles seltener Gelegenheit
geboten, als zu solchen aus Adjektiven auf -»t-. Es ist darum
wohl begreiflich, dass die letzteren als Vorbilder benutzt wurden,
nachdem erst einmal die Mehrzahl der Kasus in beiden Stamm-
klassen den gleichen Ausgang gewonnen hatte.
Auch das Adjektiv sdhantya- halte ich für bemerkens-
wert. Es ist das jedenfalls eme Weiterbildung aus dem Parti-
zipialthema sdhant-, und es steht sdhantya- zum Superlativ
sdhanttama- in den nämlichen Beziehungen, wie satyd- zu
sdttama-. Für die verschiedene Betonung — sdhantya- findet
sich TS. 3.1. 10.3; sonst ist das Wort als Vokativ unbetont —
sind die Femininalformen belehrend: sahantz > sati; Verf. Beiträge
5. 128 ff.2). Der Vokativ santya, von unklarer Bedeutung,
gehört sicher nicht mit asti zusammen; gewöhnlich zieht man
ihn zu sanöti; vgl. rdntya- > rdnati.
Auch die Beweisstücke die neuerdings Kretschmer Kuhns
Zeitschrift XXXI 346 ff. zu gunsten der alten Ansicht vor-
bringt, vermögen mich nicht zu überzeugen. “ Die Thatsache,
dass die Partizipia der unthematischen Verba wie ὦν, ἰών,
1) Wegen der Betonung 5. Verf. Studien II 173 ἢ
2) Zu den avestischen Abstraktbildungen wie zribiastät-
“Sterblichkeit? bemerkt Spiegel Vgl. Gramm. S. 206, es könne frag-
lich erscheinen, ob sie nicht besser zu einem Suffix stat- zu stellen
Seien, einer “Abart’ von Zät-; s. dazu S. 196, 215. Ich meine, es
darf diese “Abart’ getrost aus der Grammatik verschwinden. Die
betreffenden Wörter sind Komposita mit stät- “stehend, befindlich’
oder mit stätz- “Stand, Zustand etc.” Zu dem angeblichen anuhare-
stat 5. Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 17; zu dem “adverbischen’
Japanästäitia 5. die Neuausgabe. Mit dem ἡ Suffix’ st-, das sich zu
stät- verhalten soll wie f- zu tät- (s. S. 215), steht es ganz ähnlich.
Vgl. Justi Handbuch unter azösti. Mit aind. -ἐ- in bhagattis,
maghaättis hat es nichts zu schaffen. Entweder gehört es mit asti
oder mit histarti zusammen; in letzterem Fall vertritt es sthö- aus
sth- > ti-; s. dazu J. Schmidt Kuhns Zeitschrift XXV 29, 56, Verf
Ar. Forschungen II 104.
302 Christian Bartholomae,
ἑκών in die Flexion der thematischen übergetreten sind, weist
darauf hin, dass zwischen beiden Flexionen in den schwachen
Kasus Berührungen stattgefunden haben.” Das halte ich gar
nieht für durchaus nötig; s. Brugmann Grundriss II 722,
J. Schmidt Pluralbildungen S. 441 a. Statt μένοντες καὶ
®javrec konnte ohne weiters μ΄ κ΄ ἰόντες gesagt werden, die
ovr-Partizipien bilden ja weitaus die Mehrzahl!). Übrigens
liessen sich doch ohne Mühe auch die von Kretschmer gefor-
derten Proportionsgleichungen ansetzen. Wegen des attischen
ὧν, ὄντος vgl. die 3. Plur. ὄντων (lat. sunto, sunt neben umbr.
sent) und die Infinitive ἔμεν, ἔμεναι (Solmsen Kuhns Zeitschrift
XXIX 72). Zu ἑκών etc. s. noch Verf. Bezzenbergers Bei-
träge XVI 268; es mag sich zum altpers. vasij — eigentlich
“nach Wunsch’, dann “genügend” (s. bal. geas; Hübschmann
Zeitschr. d. dtsch. mgl. Ges. XLIV 561), endlich ‘viel’ und
adverbial “sehr° — verhalten wie ai. mahän (Verf. a. Ὁ.
S. 278) zu mdhi.
“Em weiteres Zeugnis” bildet nach Kretschmer φυγάς,
φυγάδος (und Genossen), das aus φυγών, ἔφυγατος nach dem
Vorbild δεκάς, *deratoc, später δεκάδος hervorgegangen sein
soll. Ich frage aber: wenn jene Stammgruppe wirklich mit
dem »t-Partizip in Zusammenhang steht, muss es denn dann
gerade das eines thematischen Verbums sem? Die Betonung
auf der Endsilbe würde doch eher mit der Herkunft aus emem
unthematischen Tempus in Einklang zu bringen sein. Übri-
gens, mit Rücksicht auf die Bedeutung jener Stämme —
φυγάς ist Ja nicht “fugiens’, sondern "fugasx’ — läge es doch
noch näher, sie mit den Adjektiven auf -nt- in Beziehung zu
bringen, für welehe der alte Flexionsablaut ja von Niemandem
in Abrede gestellt wird. Vgl. ἀεκαζόμενος > ἑκών, oben?).
1) ictavrec, dauvavrec etc. sind geblieben, weil sie an der Vo-
kalisation der finiten Formen Anhalt fanden. διδόντες und τιθέντες
sind Neubildungen, aber nicht für *didarec, *ridarec, wie Schmidt
und Brugmann annehmen — 5. des letztern Grundriss Il 3721. —
sondern für Ἐδιδάντες, *rıdavrec; 5. Verf. Beiträge 5. 134. icrarı:
ἱστάντες δίδωτι : διδόντες τίθητι : τιθέντες und auch δείκνῦτι :
δεικνύντες. Den oben besprochenen Partizipien standen keine
stützenden Verbalformen zur Seite, daher sie der o-Majorität er-
lagen.
2) Kretschmers Fassung von &arı ἕκητι (a. O. S. 458 1.) ist
mir nicht annehmbar; s. S. 305 zu lit. vilko. Da scheint mir doch
Griech. ὄνομα > ὀνοματος. 303
Der J. Schmidtschen Gleichung ὄνομα : ὀνόματος — ἔφερα :
Ἔφερατος streite ich sonach jegliche Berechtigung ab.
Anders verhält es sich mit der zweiten Gleichung: ὄνομα :
ÖVOUATOC — μέγα : ἔμεγατος. Es fragt sich: ist μέγα, wie
angenommen, identisch mit dem ai. mahdt? Durch μέγαθος,
worauf das Zitat Kuhns Zeitschrift XXVI 408 verweist, wird
das doch gewiss nicht dargethan; 5. Verf. Beiträge S. 102
Studien I 19 Note. Ich habe Beiträge S. 145 jene Gleichung
akzeptiert, gestehe aber, dass mir inzwischen erhebliche Zweifel
aufgestiegen sind. Abgesehen von der Differenz y > h, die
ich nicht für belangreich halte (s. Verf. Studien II 29): be-
trächtliche Schwierigkeit machen die Vokalverhältnisse. Es
seheint mir nämlieh sicher, dass das a in ai. mahän, mahän-
tam, av. mazäntem u.s.w. idg. » vertritt. Für entscheidend
halte ich av. maza J. 49. 10 (lies maza.hsapra?) und maza.
raia J. 48. 12; vgl. Verf. Bezzenbergers Beiträge X 273,
Geldner Kulns Zeitschrift XXVIII 402, XXX 3319). Sonach
hätte ai. mahadt im Griechischen — mit Y>h — als *uaya
oder bei gleichem Akzent als *uayav zu erscheinen. Das gr.
μέγας, μεγάλη, das arm. mec, das got. mikils dagegen setzen
ein Urwort mit e und ohne Nasal voraus; dazu gehört auch
ἄγαν, ἀγα- “sehr” und lat. magnus; s. hierüber Fick Bezzen-
bergers Beiträge V 168, Verf. ebd. XVII 120; das selbe «a
wie magnus wird auch das alb. mad, maöi enthalten, gegen
G. Meyer Etym. Wörterbuch S. 252. Wieder zu einer andern
Ablautsreihe — der zweiten nach meiner Zählung, a. ©. S. 105,
121°) — stellt sich eine dritte Gruppe bedeutungsverwandter
die frühere a. Ὁ: XXX 586 den Vorzug zu verdienen. Vgl. av.
isarestaäitia (Lok. Sing. mit postponiertem a) und Verf. Beiträge
S. 164.
1) Das auf mich verweisende Zitat daselbst ist falsch.
2) Ich habe dort für die Ursprache zwei o-Laute, einen hel-
leren und einen dumpferen, «° und ὁ angesetzt und glaube auch
S. 90 ff. mit Hülfe des Armenischen das Vorhandensein dieser Ver-
schiedenheit erwiesen zu haben. Wiedemann Das lit. Präteritum,
S. 45 ff. wendet sich gegen die durch Mahlow eingeführte Lehre,
dass dem griech. ὦ lat. ö, litauisches « entspreche; ihr Vertreter
sei vielmehr ὁ, abgesehen von An- und Auslautsilben. Damit
schiesst aber Wiedemann zweifellos, wie mir scheint, über das Ziel
hinaus; vgl. auch Zubaty Archiv für slav. Philol. XIII 601. Wiede-
manns Versuch, jedes inlautende « auf altes öu zurückzuführen, ist
904 Christian Bartholomae,
Wörter, die ebenfalls mit ηὲ anlauten: av. masö, mastm, masio,
ap. mapista, gr. μῆκος, μακρός, μήκιετος U. 5. w. Wenn nun
allzu gewaltsam; lit. dit? aus ksl. dat? dürfen nicht auseinander-
gerissen werden; zu den z-Formen der Wurzeln 5. jetzt Per Persson
Wurzelerweiterung und Wurzelvariation S. 139, 290. Wenn Wiede-
mann a. O0. S.55 meint: “Durch den Nom. Dual. der mask. o-Stämme
und den dialektischen Lok. Sing. der v-Stämme wird das Lautge-
setz, idg. ou lit., lett. « erwiesen”, so ist das mindestens in der
Allgemeinheit nicht richtig; Auslautsilben unterliegen ja doch viel-
fach einer besonderen Umgestaltung; s. unten. Ich möchte auf einen
Ausweg hinweisen, der mir alles in Ordnung zu bringen scheint.
Das in der e-Reihe häufigst auftretende o kann nur dem
Dehnvokal ὃ dieser Reihe entsprechen; also H-tok-a.: tek-Eti — τρωπ-άω:
τρέπ-ω. Dieses 5 ist identisch mit dem zweiten Hochstufen-(Ablauts-)
vokal der schweren Reihen; und in der That treffen wir auch hier
o gegenüber dem griech. w; 5. Wiedemann S.19f., 22, wo Beispiele
aus der & und ä®-Reihe gegeben werden. Bei der Besprechung
der ö- (meiner 4°-) Reihe wird S.23 gesagt, es finde sich kein sicher
dazu gehöriges Beispiel mit dem geforderten o. pülu falle’ gegen-
über apr. au-pallai und ahd. fallıu, das er unsrer Reihe zuzuweisen
nicht umhin kann, soll sein ἡ statt o nach S. 50, 52 wegen des fol-
genden gutturalen (wurzelhaften) 7 bekommen haben ; ebenso sulas
“Bank’ gegenüber lat. solum. Ferner sei ὦ im Anlaut der Wörter
für idg. ö eingetreten: ilektis * Elle’ > gr. ὠλένη, dstz “ riechen’ >
ὄδωδα, 11828 “ Esche’ > nserb., nslov. jasen. Dagegen soll inlauten-
des 4 aus idg. διε hervorgegangen sein, z. B. dutz aus *dout° u. 5. w.
Das klingt alles recht unwahrscheinlich. Neben ksl. δόϊο “ weiss’
steht lett. bals, das wäre lit. *bolas; vel. zum Vokalwechsel z. B.
gr. θερμός, arm. jerm > lat. formus, ahd. warm; das list guttural;
warum nun nicht *bulas? Am ὦ kanns also nicht liegen.
Der erwähnte Ausweg ist:
Idg. ὃ (und ὃ, überlang) — baltoslav. 0? (offen) — lit. ö, lett.,
apr. ὦ ΘΙ αν
ide. ἄο (und 4°, überlang) — baltoslav. 01 (geschlossen) —
lit., lett. ὦ, apr. ἃ und oa, ksl. a.
Mit diesen Ansätzen lässt sich alles schlichten, ausgenommen
vielleicht die Auslautssilben, für welche auch Wiedemann Besonder-
heiten statuieren muss; 5. ἃ. Ὁ, S.46f. und neuerdings Kuhns Zeit-
schrift ΧΧΧΙ 109 ff. Das ὦ in st? entspricht dem gr. ὦ in ὄδωδα
und ducwönc; es ist in diesem Fall 40 der erste Dehnvokal der a°-
Reihe, s. Verf. a. Ὁ. S. 129f. Gleiches gilt von dem ὦ in jükas,
sıllas, pidas gegenüber lat. jocus, solum, an. fat. — In sl. jasen ist
ja nicht - idg. δ, sondern = idg. 4° mit “prothetischem’ 7, wie „2 B.
in ksl. jagne neben agne > lat. dägnus, gr. duvöc (aus *auvoc,
*@ßvoc) u. a. Auch dieses @o gehört der dritten leichten Reihe an;
der erste Hochstufenvokal liegt deutlich vor in arm. haei, ferner
Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 305
aber μέγα und mahdt in der Wurzelsilbe nicht zusammen-
stimmen — vom Akzent ganz abgesehen —, so fällt damit
in an. askr, ahd. asc, gr. ὀξύη, alb. ah; 5. OÖ. Schrader Sprachver-
gleichung ? S. 398, Bugge Kuhns Zeitschrift XXXII 14f., Verf. a. O.
S.93 ff. und, wegen des arm. A, Studien II 44. Das Urwort ist mit
aoskh- > a’oskh- anzusetzen (s. Verf. ebd. S.41t., Bugge ἃ. Ὁ. S. 33);
vgl. dazu jikas > lat. jocus u.s.w. — Dasselbe 4° steckt in srübti
“schlürfen’ gegenüber gr. ῥοφάνω, ῥόμμα, zu welch letzterem es sich
verhält wie z. B. sestz “sitzen’ zu ai. sddma — idg. *sedmn; die
“" Wurzel’ ist trotz lit. srebiu, srebti mit sraobh- anzusetzen. Der Zu-
sammenfall in den Tiefstufen konnte leicht Neubildungen nach den
Formen der von Anfang an numerisch überwiegenden e-Wurzeln
hervorrufen.
Dass ü auch in der u-Reihe auftritt, ist ja zweifellos richtig;
5. Leskien Ablaut der Wurzelsilben S. 31ff., Wiedemann a. Ὁ. 5. 30ff.
Ich sehe aber keinen Grund, der es verbieten würde, die Bezie-
hungen zwischen (z. B.) lit. kaupas und lett. küps denen zu ver-
gleichen, welche zwischen gr. βοῦς und βῶς, Ζεύς und Ζής u. 5. w.
bestehen [Streitberg Komp. S. 13]; die Verkürzung von ide. ou oder
aou zu au geht der von 02 zu αὐ parallel; s. Verf. Studien II 116,
Kretschmer a. Ὁ. XXXI 451 ft.
Mehrmals spricht Wiedemann von einem "sekundären’ Ablaut
% >; einen solchen nimmt er z. B. S. 51 für lit. nämas, lett.
nüma “ Zins’ an; (vgl. dazu osk. niumsieis, altlat. mnumasiot, die auf
altes «x hinweisen). In «#-Wurzein der dritten und sechsten Reihe
kann sich «4 neben u aus alter Zeit erhalten haben; möglicherweise
wurde auch inlaut. % in bestimmter Stellung zu « gekürzt. Der
sekundäre Ablaut «> ὦ mag auf Nachbildung solcher Fälle beruhen.
Was die Auslautssilben angeht, so hat der Abl. Sing. der o-
Deklination ganz sicher ö gehabt; daher lit. vilko = idg. *ulköd.
Im übrigen ist zu beachten, dass es sich hier und fast bei allen
übrigen Fällen um @-Vokale handelt, welche aller Wahrscheinlichkeit
nach durch Kontraktion entstanden sind. ὦ mit a musste aber
doch nicht notwendig 5 ergeben.
Wegen akmit neben akmens und gr. ἄκμονος gebe ich zu be-
denken, ob denn wirklich alle »-Stämme der gleichen Reihe ange-
hörten, wie man annimmt. Es ist doch an sich gar nicht ausge-
schlossen, dass sich ein Teil in der dritten Reihe bewegte. Wie
aber neben gr. ποιμένι der Nominativ ποιμήν steht, so ist neben lo-
kativischem -@°n? nominativisches -4°n zu erwarten. Der Zusammen-
fall der tiefstufigen Ausgänge konnte leicht Ausgleich und Mischung
bewirken; vgl. z. B. lit. Zmü > Zmönes. Im armenischen steht
neben dem Nom. ein der Gen. e/in, mit in aus idg. -enes oder -enos;
aber neben akn steht akan. Ist -an etwa doch anders zu beurteilen,
als bei Verf. Bezzenbergers Beiträge XVII 92? Geht -an auf idg.
-aPn° zurück ὃ
900 Christian Bartholomae,
auch die Hauptstütze für die Gleichsetzung der Ausgänge -α
und -at. Dass - und -a in mdhi und μέγα sich nicht decken,
wie z. B. jüngst noch Fick Wörterbuch 1* 511 behauptet, ist
auch meine Meinung. Dagegen halte ich es für sehr wohl
möglich, dass μέγα idg. *megn vertritt, wie Brugmann Grund-
riss II 325 annimmt. Dafür lässt sich lat. magnus verwerten
(ebd. S. 131 Anm., Morph. Untersuchungen II 175 ff.); allen-
falls auch ἄγαν 1).
Aber gesetzt auch, dass gr. -a in μέγα und ai. -at in
mahdt auf der nämlichen Grundlage, idg. -»t beruhen — vgl.
auch Kretschmer a. Ὁ. XXXI 346, bei dem *xapıfa > ἔχα-
puFaroc als Musterbeispiele fungieren —: selbst dann leidet
J. Schmidts Erklärung noch an schweren Bedenken. Von all
(len Musterformen, die sie zur Voraussetzung hat, ist nur eine
einzige, ueya, historisch beglaubigt. Nun räume ich ja gerne
ein, dass dies Moment nicht an sieh für ausschlaggebend an-
gesehen werden darf. Es kommt aber noch ein andres hinzu.
Durch J. Schmidts Theorie werden gr. ὀνόματος, οὔθατος U. S. W.
von ähnlichen Formen, welche die verwandten Sprachen bie-
ten: lat. strämentum, ahd. hliumunt, ai. srömatam τι. Ss. W.
(s. unten), gänzlich losgelöst, da ihre Entstehung eben auf den
spezifisch griechischen Zusammenfall von idg. » und »t im
(absoluten) Auslaut zurückgeführt wird.
Neben gr. χείματος steht in gleicher Funktion ai. hema-
tas?); 5. Verf. a. Ο. XV 37. Dass diese beiden Wörter Laut
für Laut zusammenstimmen, wird niemand bestreiten wollen.
Was aber ihre Bildungsart und ihre Entstehungszeit anlangt,
so wären sie nach J. Schmidt völlig auseinander zu halten.
Denn χείματος gilt ihm ja für eine speziell griechische Neu-
schöpfung nach *ueraroc ete. Vorausgesetzt wird dabei, dass
Zu gunsten der Annahme von zwei qualitativ verschiedenen
ursprachlichen o-Lauten lässt sich auch die bei Collitz ebd. X 54,
Kretschmer a. Ὁ. XXXT 366 ff. besprochene Theorie verwerten, d.h.
diejenigen Fälle, welche ihr zu widersprechen scheinen, z. B. gr.
ἠώς a. OÖ. 5. 85 ἢ, 62f. Natürlich muss sie dann allgemeiner gefasst
werden. Man kann sagen: Die beiden Vokale der Hoch- (und
Dehn-)Stufen verteilten sich von Haus aus so, dass der hellere der
hochtonigen, der dunkler gefärbte der nachtonigen Silbe zukam.
1) Wenn nämlich ἀγα zu dyav sich verhält wie ἀ- (priv.) zu
av-. Auffällig aber ist das gewöhnlichere ἄγαν.
2) Kommentiert mit hemantartös.
Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 307
es im Urgriechischen bereits, zur Zeit als *ueratoc ete. noch
existierten, einen neutralen Akk.-Nom. Sing. χεῖμα gegeben
habe. Ich habe seiner Zeit (a. O.) gerade umgekehrt χεῖμα
als Neubildung, gefolgert aus χείματος. genommen, wie es auch
J. Schmidt Pluralbildungen S. 222 für δῶμα vorschlägt).
Und jedenfalls ist das Vorhandensein eines ursprachlichen
Akk. Neutr. ®gheimn nicht erweislich, es sei denn, dass man
eben das griechische χεῖμα als dessen vollgültige Bestätigung
ansieht. Das aind. höman "im Winter” — andere Formen mit
n fehlen — lässt sieh als Stütze dafür durchaus nieht ver-
werten). Und ebensowenig χειμών, ungeachtet der Ausfüh-
rungen und Zusammenstellungen, die J. Schmidt a. Ὁ. 5.90 ff.
gibt. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob seine Theorie über
das Neutr. Plur. das richtige trifft oder nicht. Wenn erst
χεῖμα existierte, so konnte sich nach von Alters her bewahrten
Musterpaaren auch χειμών dazu gesellen.
Lassen wir aber χείματος. einmal ganz bei Seite. Ich
frage: wie alt ist, aus welcher Zeit stammt die m ai. hematas
vorliegende Bildungsweise? Ist sie indisch oder arisch oder
indogermanisch ?
Ich glaube auch von J. Schmidts Seite keine Wider-
sprüche zu erfahren, wenn ich sie in die Periode der Urge-
meinschaft rücke. Sagt er doch selber auf S. 222: "Neben
der Flexion dw, Gen. *devc, dec bestand noch eine andre δι,
δώματος, welche sich zu δῶμα, δώματος ausglich”; s. auch
S. 4005). Er hält also — anders ist das doch nicht zu ver-
stehen — δώματος für älter als dWwua, folglich kann δώματος
nieht nach dem Muster *ueyatoc > μέγα gebildet sein, folg-
lich muss es aus vorgriechischer Zeit stammen.
1) S. aber unten S. 310 £.
2) Brugmann Grundriss II 235, 320, 453 teilt he-man, ich viel-
mehr Ahem-an. Ich sehe nicht, wie man mit der 5. 459. Note an-
sedeuteten Hypothese durchkommen soll. S. dagegen Verf. a. Ὁ.
8. 86, XVII 133, Per Persson a. O. 5. 231.
3) Dass av. demänem auf der alten n-Flexion des Wurzel-
worts beruht, wie S.222 gesagt wird, ist jedenfalls nicht erweislich.
demänem, d. 1. ar. dmänam verhält sich zu einem Gen. Sing. *da-
mds (idg. *dmmes) wie ai. dhyanam zu dhiyas oder wie av. *fra-
nem (Verf. Studien II 102 f.) zu ai. puras (zu 1 pur-, arı prnas);
vgl. noch ai. jnänam, worauf ich schon Kuhns Litteraturblatt I 19
aufmerksam gemacht habe.
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 20
308 Christian Bartholomae,
Wenn man nun aber in δώματος, dem in den verwandten
Dialekten eine entsprechende Form nicht zur Seite steht, den
geraden Fortsetzer einer indogermanischen Bildung sieht, so
wird man doch nieht wohl behaupten dürfen, dass χείματος,
dem das aind. hömatas sekundiert, nicht aus ursprachlicher
Zeit überkommen ist, oder, mit indogermanischer Bildungs-
weise keinen Zusammenhang hat. Vgl. noch κρᾶτός > ai.
sirsatds; Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 55, J. Schmidt
a. O. 5. 372, Fick Wörterbuch I* 44, 209, 423%). War aber
1) Meine Erklärung von κρᾶτός aus *krsntos gilt mir auch
jetzt noch für die einfachste. Die Gleichung xpac° — sirs° bei
J. Schmidt 5. 374 und bei Fiek S. 209 halte ich nicht für richtig.
Sind denn wirklich s7irs-nds und κρά-ατος einander "zweifellos’
gleich? Ich für meinen Teil bezweifle das. Zum Wechsel von r
— ST. ‚pa mit 7 = al. (0.8. W.) 5: Verl. αν ἈΝ II 3427 Pass
die Annahme von 7, ἢ ete. für die Ursprache unberechtigt sei, da-
von kann ich mich auch nach den Ausführungen Kretschmers a. 0.
XXXI 400 ἢ. nicht überzeugen. Auf S.409 schreibt er: “ Nach dem
Verhältnis ami : am erwarten wir dn als schwache Form zu ant,
dafür erscheint blosses 4: janitum : jäta-, jati-, jayate... Der Ver-
lust des Nasals in der Lautgruppe -änt- vor dem Hochton findet
seine Parallele in der Flexion der Partizipialstämme auf -ant-: Sg.
Akk. yäntam, Gen. yätas ... Das in den Partizipien auf -td- und
den Verbalabstrakten auf -fi- berechtigte -4- kann von dort aus
leicht auch in jayate u. dgl. eingedrungen sein”. Meint Kretsch-
mer wirklich, dass μαΐάς auf rein lautlichem Weg aus *yantds her-
vorgegangen sei? Nach meiner Ansicht lässt sich yatds mit jatd-
gar nicht vergleichen; es ist Nachbildung nach yatds > yantamz
5. Verf. Beiträge S. 137. Ich empfehle noch zur Berücksichtigung
die Wörter, die ich Ar. Forschungen II 90 f. und Bezzenbergers
Beiträge X 278 ff. zusammengetragen habe; 5. auch ebd. XVII 122.
Weeen des bei J. Schmidt S. 364 erwähnten av. 547)» Jt. 14.
12 bemerke ich, dass es nicht erstes, sondern zweites Kompositions-
glied ist, und zwar Nom. Sing. Mask., also scheinbar einem a-Stamm
angehörig; s. Geldner Drei Yasht S. 70 und die Neuausgabe. Ein
“Stamm’ sära- “Kopf”, Ntr. findet sich auch sonst; 5. Justi im Hand-
buch. Der Dehnvokal begegnet uns bei neutralen s-Stämmen zum
öftern; 5. Verf. a. O. S. 125. Whitney Grammar? $ 115lc. Zum
Übertritt von särah- in die a-Deklination vgl. Verf. Handbuch 8 251,
Horn Nominalflexion (Diss., Halle 1885) S. 30 ff. [Wegen karsard
V. 9. 12 bei J. Schmidt S. 140 s. Horn S. 30 No. 10; J. 11. 2 steht
karsuid. nemem ist Jt. 1. 21 und 14. 61 bezeugt. Zu v7spö.paesem
συ. 10. 124 und stehrpaesem J. 57. 22 halte man ai. purupesäasu
RV. 2. 10. 3 neben purupesasam 83. 3. 6. Ich erwähne besonders:
sauä J. 44. 12, sauwäis J. 48. 1 u. ὃ. neben sawanmhö etc. aus dem
Griech. ὄνομα > ὀνάματος. 909
χείματος als Erbe aus dem Stammgut bewahrt geblieben, so
bietet die Erklärung von χείματι u. s. w. keine Schwierigkeit.
Gegen die Ficksche Theorie hat J. Schmidt a. Ὁ. S. 190
folgende Einwendungen zu erheben: “Das Suffix -Ttoc ist an
griechischen Nominalstämmen überhaupt noch nieht nachge-
wiesen. Warum sollte es nur bei »-Stämmen, und zwar nur
bei neutralen erhalten sein und diese Störung herbeigeführt
haben? Erst wenn erklärt wäre, wesshalb kein ἕποιματος,
Ἑάκματος vorkommt, liesse sich Fieks Vorschlag in Erwägung
ziehen. Das τ findet sich ausschliesslich bei Neutren. Jede
Erklärung, welche diese Beschränkung nicht begründet, ge-
nügt schon desshalb nicht”. Ich will versuchen, diese Ein-
würfe zu entkräften und die Lücken in Ficks Konstruktion
auszufüllen.
Dass -tos als lebendiges Suftix im Griechischen nicht
gebraucht wird, ist richtig. Aber im der Ursprache hat es
doch als solches gedient. Die von J. Schmidt für seine Theo-
rie benötigte Flexion ἔφερα > ἔφερατος, μέγα > *ueraroc ist
doch auch nicht nachgewiesen. Gab es ein indogermanisches
*gheimntos, warum sollte nicht auch das Urgriechische ein
entsprechendes *%Aheimatos besessen haben können? Später
gingen die andern fos-Bildungen unter, wurden durch solche
mit -8ev ersetzt; nur kheima-tos und Genossen blieben erhal-
ten, warum? soll später noch erörtert werden.
Weshalb aber, sagt J. Schmidt weiter, weshalb kommt
-tos nur beim Neutrum vor, wesshalb existiert kein *roıuatoc?
Der Einwand ist wohl beachtenswert. In der That haben
alle Wörter, welehe -atoc aufweisen, neutrales Geschlecht. Ich
behaupte aber, dass ein Teil erst innerhalb des Griechischen
das neutrale Geschlecht angenommen hat.
Das Wort für “Winter’, zu dem χείματος gehört, ist in
keiner der verwandten Sprachen neutral. Also, so schliesse
ich, ist es erst im Griechischen neutral geworden.
Gathadialekt. Id. -@s wurde im Arischen in gewissen Fällen zu
-d4; 85. Verf. Beiträge S. 151, 76. Geht av. saud neben sauä auf ar.
*saud aus °äs oder beruht es auf iranischer Neubildung? Wahr-
scheinlich trifft das erstere zu. Dann versteht man die Vermischung
der (neutralen) @- und as- Deklination leicht; im Ausgang des Akk.
Plur. fielen eben beide Stammklassen zusammen.]
910 Christian Bartholomae,
Ebenso war das Wort für “Haus’, wozu sich δώματος
stellt, ursprünglich nicht neutral. Das griech. δῶ erklärt
J. Schmidt a. O. S. 222 als Nom.-Akk. Sing. des Neutrums,
und zwar setzt er es gleich idg. *do, der “im absoluten Aus-
laute und vor gewissen Konsonanten ἢ entstandenen Nebenform
zu *döm, welches seiner Bildung nach an κῆρ angeschlossen
wird: vgl. auch Verf. Beiträge S. 77, Solmsen Kuhns Zeit-
schrift XXIX 329, Kretschmer ebd. XXXI 407. .Nehmen
wir einmal an, der ursprachliche Stamm da”m- sei maskulin
gewesen, wie Brugmann Grundriss II 454 will, so haben
wir den Nom. Sing. mit *doms anzusetzen, woraus noch in
der Ursprache unter gewissen Bedingungen *dos hervorgehen
musste; vgl. ai. ksäs, av. zd, zid u.a. m. Zu *dös aber
konnte leicht ein Akk. Sing. *dom gebildet werden; vgl. ai.
ksäim, av. zam, ziam neben den eben erwähnten Nominativen.
Auf diese Weise gelangt man zu der nämlichen Grundform,
wie sie J. Schmidt verlangt. Das arm. fan “Haus’, auf das
sich J. Sehmidt zu gunsten seiner Erklärung hätte berufen
können, vertritt allerdings altes "dom; s. Verf. Studien II
36. Aber es kann ganz wohl auf dem neuen Akkusativ
=Jom beruhen — Nom. und Akk. Sing. sind im Armenischen
stets gleich — oder auch auf einer Neubildung des Nom. Sing.
von der gleichen Art, wie sie z. B. in gr. χθών > ai. ksäs
vorliegt; χθών aus "xBwu und fan aus "tom, beide für älteres
°ös, ständen sich dann ganz gleich. S. auch jüun "Winter"
> er.yxıwv, vgl. Verf. oben S. 184.
Freilich lässt sich ja nun wieder darauf hinweisen, dass
δὼ bei Homer zu verschiedenen Malen deutlich als neutraler
Akk. Sing. gebraucht wird — χαλκοβατὲς δὼ A 426, Φ 438,
505, = 173, 08 321, v4: εὐρυπυλὲς δῶ Ψ 14, A δ11: ὑψερεφὲς
δῶ x 111, e 424, 432 —, und einmal als Nominativ, a 3592.
Aber dem gegenüber kann man mit J. Schmidt S. 224 die
Thatsache betonen, “dass dw schon in den homerischen Gesän-
gen eine nur noch formelhaft überlieferte Altertümlichkeit ist,
wie seine Beschränkung auf die letzte Silbe des Verses lehrt”.
Sonach ist es doch ganz gut denkbar, dass χαλκοβατὲς dW
u.s.w. auf Nachbildung nach nur mehr halb verstandenen
Verbindungen wie ἡμέτερον διῶ, ὑμέτερον dW, EUOV δῶ — ZU-
sammen mal bezeugt — zurückgehen.
Wie aber, wenn zwischen διὺ und dWwua, dwWuaroc über-
Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 311
haupt kein etymologischer Zusammenhang besteht? Fiek Wör-
terbuch I* 458 leugnet ihn und erkennt in δῶ eime sub-
stantivierte Postposition, die selbe, die m lat. endo!) u. Ss. w.
vorliegt?). Dass Fieks Fassung möglich ist, unterliegt ja kei-
nem Zweifel; das wird auch z. B. von Brugmann a. 0.11
558 eingeräumt. δῶμα zerlegte sich für das Sprachgefühl
gewiss in d&W-+ua, vgl. crpw-ua neben cTpw-Töc u. Ss. w. Da-
durch aber war die Gleiehsetzung von ἐμόν dw mit ἐμὸν dWua
äusserst nahe gelegt. Mir scheint, dass Ficks Erklärung am
besten geeignet ist, die vorhandenen Schwierigkeiten zu be-
seitigen. Für den indogermanischen oder urgriechischen Ab-
fall eines auslautenden m ist ein zweites Beispiel, soviel mir
bekannt, nicht nachgewiesen. Die Berufung auf G. Meyer
Gr. Gramm. 5 8 306 hilft auch nicht; denn die Fälle, da -v
wirklich fehlt, stehen ganz veremzelt, die andern aber — ὅΦι,
ἄμμι, νύ — sind dort falsch beurteilt; s. Brugmann a. O.
S. 696, 784 f.
Ich bin wie Brugmann der Meinung, dass das fragliche
Wort für ‘Haus’ ursprünglich maskulin war. Zwar, dass der
oben vorausgesetzte Nom. Sing. *dos in ai. däs RV.6. 16. 26
vorliegt, wie ich Ar. Forschungen I 96 annahm, möchte ich
nicht mehr behaupten®). Dagegen scheint mir av. dahua
J. 50. 2, Lok. Plur. mit postfigiertem ὦ — 5. Verf. Bezzen-
bergers Beiträge XIII 77, Caland Kuhns Zeitschrift XXX
545 —, einen arischen Nom. Sing. *das vorauszusetzen, zu
dem es sich verhält wie z. B. ai. ksäsu zu ksäs, Thema
ksam 5: w. Der Lok. Sing. ai. de RV.5. 41. 1 “kann”
nach J. Schmidt S. 222 “nur von einem Nom. *dam meta-
plastisch gebildet sem”. Ich finde, dass zwischen de und dem
1) Nach Fick = gr. ἔνδω. Wo kommt das Wort vor? Und
wo das auf der selben Seite angeführte lat. däs “du gibst’? S. ferner
S.70, 288 und Hoffmann Präsens 5. 140. Nicht wenige Wörter, die
es nicht gibt, bieten die arischen Partien des Fickschen Buches.
2) S. übrigens auch Johannson Bezzenbergers Beiträge XV
312, XVI 126. — Das avestische “Vorsatzwort’ da, de, t (bei Fick
S. 457 und 65) hätte nicht verdient, wieder ins Leben gerufen zu
werden.
3) das wird mit Recht zu dadaäti gezogen, aber das Thema
ist mit das- anzusetzen; vgl. sudäs ete., Lanman Journ. of the Am.
Or. Soc. X 492 ff. Das Avesta hat den Superlativ dazu bewahrt:
danısta Jt. 13217. (ef. 13.12).
312 Christian Bartholomae
’
Nom. *das dieselben Beziehungen walten, wie zwischen svar-ge
und purö-gäs, av. frö-ga (Thema gam-) oder zwischen bisa-
khäs und su-khe!) (Thema khan-). Die von der Grammatik
angegebenen Lok. Sing. auf -5 zu Nominativen auf -ds kom-
men im Veda nicht vor?). Liesse sich ein Nom. Sing. *dam
nachweisen, so wäre er als Neubildung zu de u. s. w. nach
der a-Deklination anzusetzen, mit gleichzeitigem Geschlechts-
wechsel. Das lehrt ai. khäm, Plur. khäni neben khe und
dem Akk. Sing. khäm, dem Nom. av. ha. Selbstverständlich
ist der Stamm mit khan- anzusetzen; s. auch J. Schmidt
Kuhns Zeitschrift XXVI 405: in dem vrddhierten Adjektiv
av. haia- J. 68. 6, Jt. 8.41 (besser hania-, ἃ. 1. ar. *khaniia-;
s. die Varianten an der ersten Stelle) liegt er ja deutlich vor.
Auf die Flexion θέμις > θέμιτος gegenüber der avesti-
schen damis > damois, über die Fick Bezzenbergers Beiträge
ΧΙ 7 gehandelt hat — s. auch Brugmann a. O. 5.595 —,
ist J. Schmidt überhaupt nicht eingegangen. Trifft aber Ficks
Erklärung das richtige, dann kommt eben -roc doch thatsäch-
lieh nicht nur beim Neutrum vor. Auch die Flexion χάρις >
χάριτος hätte eine Bemerkung verdient.
Die Formen dWwua, χεῖμα und δώματος, χείματος reichen
nach meiner Ansicht alle in die ursprachliche Periode zurück.
Aber δῶμα, χεῖμα sind ursprünglich nicht Akk.-Nom. des Neu-
trums, sondern Akkusative des Maskulins. Sie sind aber in
der Folge zu Neutren geworden, weil sie im Ausgang mit der
zahlreichen Gruppe neutraler Akkusative auf -ua aus men-
Stämmen zusammenfielen.
Zu dem wurzelhaften »»-Stamm für “Erde? ὁ) lautet der
1) räthe. Über ein andres sukhd- s. Jacobi Kuhns Zeitschrift
XXV 438 ff.
2) Überhaupt scheint es einsilbige Lok. Sing. auf - nicht zu
geben. Av. zemi 4. 10. 17 ist zweisilbig und entspricht dem ai.
ksami. Zu dam ‘Haus’ lautet er av. dam oder damit (ὃ. 315).
Sonst finden wir av. zeme (einsilbig), ai. ksmayd, jmaya; s. Verf.
Bezzenbergers Beiträge XV 21, 26. Steht deren a? im Zusammen-
hang mit dem Ausgang von gr. χαμαί lat. Aumi? Daraus würde
folgen, dass das gewöhnliche Lokativsuffix ursprünglich ablautend
war: -αἱ > -ὖ, und es würden sich enge Beziehungen zum Dativ
ergeben; s. dazu Brugmann a. Ο. 5. 609, 818 ἢ
3) Wegen des Anlauts s. Verf. a. 0. XV 25, XVII 344, Kretsch-
Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 313
Akk. Sing. im Veda ksäm, im Avesta zam. Die Form ist
aber entschieden für eine Neubildung anzusehen — gegen
Brugmann a. Ὁ. S. 454 —, aufgebaut auf dem Nom. Sing.,
wenn auch nicht geleugnet werden soll, dass das Muster aus
der Ursprache stammt. Die normale Form wäre aind. ὅλ βά-
mam, vgl. vdcam = lat. vöcem, ai. pädam = got. fötu, ai.
seva-rdäjam —= lat. regem, ap. naham — lat. narem u. 5. W.,
also mit dem Dehnvokal. Ihr Verhältnis zu dem metaplasti-
schen ksäm gleicht genau dem von ai. usäsam = av. usänhem
zu ai. usdam — av. usam oder dem von ai. sahasrasas, Nom.
Plur., Thema auf n, zu av. asö-nhänö!). Demgemäss ist der
alte Akkusativ von dem »-Stamm für “Haus’ mit *dömm an-
zusetzen, eine Form, die sich eben im griech. dwua erhalten
hat; so schon Verf. Ar. Forschungen I 96.
Brugmann schreibt a. ©. “Akk. *döm, woher gr. dwua”.
Er scheint also das -α dem von τίνα, Ζῆνα u. 5. w. gleich-
zustellen. Dann erwartete ich aber auch *dwva?). Vermutlich
steht diese abweichende Erklärung in Zusammenhang mit sei-
ner Theorie über die Vertretung des idg. o in offener Silbe
durch ar. ἃ — “ai. väcam — idg. *uokm’, ὃ. 450 —: eine
Theorie, die meines Erachtens nicht zu halten ist. Dass be-
reits die Ursprache einen Akk. Sing. *döm besessen haben
kann, stelle ich nicht in Abrede. Ich will sogar die Möglich-
keit zugestehen, dass *dom auf lautgesetzlichem Wege aus
der vorauszusetzenden Grundform hervorgegangen ist. Aber
doch nur im Satzsandhi vor Vokalen. Hier konnte, das räume
ich ein, *domm’ mit konsonantischem »» gesprochen werden,
woraus dann *dom entstanden sein mag. Aber vor Konsonan-
ten war lautgesetzlich nur *domm am Platz. Zwischen -dum-,
mer a. OÖ. XXXI 433f. Ai. ksas und gr. χθών mögen sich danach
auf einem idg. *7dho° vereinigen lassen. Daneben muss aber auch
*dzhom° mit der Sandhiform *z7hom° bestanden haben; 5. Verf. Stu-
dien I 121. Fick a. O. S. 54, 217, 434 widerspricht sich.
1) Jt. 13. 151; es fungirt als Akk. Plur., ist aber der Form
nach Nominativ. — Für eine Neubildung nach °nhäano gegenüber
°säs, °säm (sahasrasäm) halte ich /söipro.]pano gegenüber /g0./päs,
°pam: Thema pa- oder pät-. Unrichtig: Verf. Beiträge 5. 76.
2) Für Brugmanns Ansicht lässt sich höchstens κῶμα anfüh-
ren, wenn dies auf dem Akk. Sing. eines Wurzelstammes kö7- be-
ruhen sollte. Das ist aber doch sehr zweifelhaft. S. dazu J. Schmidt
Pluralbildungen S. 255 (aber auch Verf. Studien II 91).
914 Christian Bartholomae,
-dim- und -@amm- besteht doch ein nicht ganz unerheblicher
Unterschied.
Für eine jenem dwua gleichartige Bildung sehe ich χεῖμα
an, das ich somit auf "gheimm oder *gheimm zurückführe.
Die Stammform gheim- oder gheim- enthält auch der r-Lo-
kalis, die Basis der Adjektiva gr. χειμερινός und lat. höbernus;
gheim- birgt der aind. Lokativ heman, der avest. zaena: 8.
dazu Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 56 f., Brugmann-Streit-
bergs Idg. Forsch. I 179 f., Osthoff Morph. Untersuchungen V
δὴ f. Die ursprüngliche Flexion des Wortes wird sich freilich
kaum herstellen lassen. Aber jedenfalls wird durch das Vor-
handensein der bezeichneten Formen das des Akk. Sing. χεῖμα
als möglich ausgewiesen.
Ein dritter Akkusativ der selben Art ist cröua. Dass
das m darin nicht zum Suffix gezogen werden kann, hat
Jüngst auch Kretschmer a. Ὁ. XXXI 349 ausgesprochen. Da-
gegen lässt sich ausser dem o auch noch cröuwov anführen
und, wenn zugehörig, cröuoxoc und crwuvAoc. Das avest.
stamanem*‘) verhält sich zum alten »-Stamm genau wie Asa-
panem zum Stamm (ar.) ksap-, Fem.?).. Ob das Wort für
"Mund, Maul’ ursprünglich maskulin oder feminin war, ist
nicht sicher auszumachen; doch s. unten 5. 515.
Dass δῶμα, χεῖμα, «τόμα dem Einfluss der übergrossen
Neutralgruppe auf -ua, mit denen sie reimten, verfielen und
deren Geschlecht annahmen, ist ohne weiteres begreiflich. Ins-
besondere bei δῶμα. Der Akk. Sing. war bei diesem Wort
erklärlicher Weise sehr häufig gebraucht; man vergleiche z. B.
die zahlreichen Verbindungen von δῶμα mit πρός, κατά und
ec bei Homer. War aber erst δῶμα zum Neutrum geworden,
so hatten «die selteneren χεῖμα und cröua gar keinen Rück-
halt mehr.
Nun kann man freilich wieder die Einrede machen,
wenn dwua aus *domm hervorgewachsen ist, warum gibt es
1) Den bei Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 25 ff. aufge-
zählten »-Bildungen ist ausser dem obigen stamanem noch dantano
“Zähne’ (Zpgl.) zuzufügen.
9) Fick a. Ὁ. 5. 146, 332, 570 stellt dazu arm. stom, daser
offenbar Justis Handbuch entnommen hat. Vgl. aber de Lagarde
Arm. Studien S. 140. Schon Ciakciak bezeichnet stom als Lehn-
wort aus dem Griechischen.
Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 315
dann nieht auch ein neutrales *xAwua “Erde? Der Einwand
wiegt aber nicht sonderlich schwer. Denn δῶμα und ἔχθῶμα
waren einander doch nicht völlig gleich. Neben dem Akku-
sativ ἕἙκαλλὸν δῶμα stand ἕκαλλὸν crpwua u. 5. w. Dadurch
war die Neubildung τὸ δῶμα nach τὸ crpWwua ganz erheblich
begünstigt. Aber das Wort für “Erde’ hatte ja von Haus aus
feminines Geschlecht. Es hiess also im alter Zeit Ξκαλλὰν
χθῶμα. Sonach war die Bildung emes *T6 χθῶμα zum min-
desten nicht so nahe gelegt als die von τὸ δῶμα. In der
Folge ging ἔχθῶμα ganz unter, und an dessen Stelle trat der
vom Nom. Sing. χθών aus — für -öm und weiter für -ös, vel.
ai. ksäs — neuformierte Akkusativ χθόνα.
Das hier zu ἔχθῶμα bemerkte macht es übrigens wahr-
scheinlich, dass das Wort für ‘Mund’, wozu gr. cröuo, ur-
sprünglich maskulin war.
Die Bildung von dwua reicht also in die Zeit der Ur-
gemeinschaft zurück. Das gleiche darf man auch für δώμα-
τος behaupten; zu dieser Annahme führt ja auch die Konse-
quenz der von J. Schmidt über das gegenseitige Verhältnis
der beiden Formen ausgesprochenen Ansicht, s. oben 8. 307.
Wegen der Bildung und wegen der Stammvokalisation sei
auf Verf. a. ὦ. S. 32f. (ὕδατος etc.) und 28 f. (ai. ksäman)
verwiesen.
Nun ist gerade bei dem Worte für ‘Haus’ der Ablativ
em Kasus, zu dessen Gebrauch sich jederzeit häufigst Gele-
genheit bot. So konnte es leicht kommen, und so ist es ge-
kommen, dass man zu ex δώματος zunächst ἐν δώματι bildete,
so dass sich also δώματι an die Stelle eimes älteren *dwv
(= av. ὃ: J. Schmidt a. Ὁ. S. 222f.) oder *dwu (=
av. dami, Jt. 1. 25 Neuausgabe) oder auch *deu (vel. ai.
ksdmi) schob!). Gewiss wurden die Ausdrücke “aus dem
Hause’ und “in dem Hause’ oft neben einander oder einander
gegenüber gestellt. Gerade darin aber liegt der Hauptanlass
für ausgleichende Neubildungen jeglicher Art?). In ev (&c)
1) Nieht wahrscheinlich ist mir Meringers Annahme (Zeitschrift
für öst. Gymn. 1888 S. 152), dass dov in ἔνδον Lok. Sing. sei. Es
müsste schon ἔνδον Sandhiform für *evdwv sein.
2) Auch für syntaktische Analogiebildungen; s. z. B. Verf.
316 Christian Bartholomae,
δῶμα, ἐκ δώματος, ἐν δώματι ist die gesamte Flexion enthalten.
Es konnte nieht ausbleiben, dass sich auch die übrigen Kasus,
nach der t-Deklination geformt, dazu eimfanden. Endlich hat
sich die t-Flexion von δῶμα aus — mit Unterstützung seitens
χεῖμα, χείματος --- vorerst etwa auf Reimwörter und solche die
begriffliich nicht allzu weit ablagen: crpWwua, ἅριια, sodann
aber auf alle neutralen men-Stämme übertragen, während
diese ihr Geschlecht an δῶμα und Genossen abgaben.
Es bleibt schliesslich noch ein Punkt zu erledigen: Wa-
rum sind δώματος, χείματος. erhalten geblieben, während sonst
dem Ablativsufiix -tos — ai. -tas griechisches -8ev gegenüber
steht? Man könnte mit einer Gegenfrage antworten: warum
gibt es kein *dwuodev od. dgl.?
Soviel mir bekannt, existiert für das griech. -dev oder
-de des Ablativs in den verwandten Sprachen kein Äquivalent.
Aber als griechische Neubildung ist es auch nicht begreiflich.
Klar ist ja der Zusammenhang von -Bev mit -da und -θι,
deren hohes Alter durch andere Sprachen erwiesen wird: vgl.
ai. ihd, kuha = av. (gd.) ida, kuda u.s. w. Man sieht aber
nicht, wie zu altererbtem -8a und -Pı mit Lokativbedeutung
ein ablativisches -8ev sollte neugeschaffen worden sein, mit
einem Ausgang, der an keiner syntaktisch entsprechenden
Form Anlehnung findet. Ich schliesse daraus, dass auch -dev
aus alter Zeit stammt. Die Grundform wäre mit -dhem oder,
wenn v nachträglich angetreten ist, mit -dhe oder auch mit
-dhed anzusetzen, welch letzteres einen Ablativausgang ent-
halten würde.
Es fragt sich nun: wenn -fos und -dhed von anfang an
gleichbedeutend waren — und das wird doch nicht zu leug-
nen sein —, wie grenzten sich ihre ursprünglichen Gebrauchs-
kreise gegen einander ab? Denn dass bei jedem Wort belie-
big das eine und das andre Suftix verwendet werden konnte,
ist doch durchaus unwahrscheinlich. Ich möchte es danach
nicht gerade für unmöglich ansehen, dass das Griechische die
Studien II 158. Als solche gilt mir auch eicw δώματος 0 292, und
zwar nach ἔξω δώματος. Ein Missverständnis konnte ja nicht ent-
stehen, da die Richtung schon durch εἴσω hinreichend verdeutlicht
war. Auch der Reim thut viel.
Griech. ὄνομα > ὀνόματος. 317
alte Verteilung der Suffixe gewahrt hat. Es lässt sich aber
für das Auftreten des -tos gerade bei der »-Deklination em
spezieller Grund anführen.
Es kann für ausgemacht gelten, dass schon in der Pe-
riode der Urgemeinschaft sich enge Beziehungen zwischen »-
und »to-Stämmen herausgebildet hatten. Vgl. die Beispiel-
sammlung bei Brugmann Grundriss II 234 ff., der sich aus
dem armenischen hiövand, d.i. *peunto- > gr. πῆμα hinzufügen
lässt; s. Bugge Kuhns Zeitschrift XXXII 15, Verf. Studien II
37. Wurde nun, wie angenommen, nach dem Muster δῶμα >
δώματος zu crpwua ein Abl.-Gen. crpwuaroc gebildet, so ge-
wann diese Form dadurch sofort an Festigkeit, dass von alter
Zeit her andere t-Kasus von gleicher Bedeutung existierten, z. B.
*ctpwuatov — lat. sträamentum. Der zu cTpWuo, «τρώματος
neugeschaffene Akk.-Nom. Plur. war crpwuora. Ebenso lau-
tete aber auch schon im Urgriechischen die antevokalische
Sandhiform des selben Kasus zu Fcrpwuatov; κ5. Wackernagel
Dehnungsgesetze S. 651). Die Folge war, dass die T-Dekli-
nation noch im Urgriechischen ganz zu Gunsten der konso-
nantischen aufgegeben ward. Als späterhin das Suflix -Toc
des Gen.-Abl. durch -8e(v) ersetzt wurde, da war es bei den
uo-Stämmen bereits “m der Deklination verarbeitet” (Brug-
mann a. Ὁ. 8. 595) und somit jener Änderung entzogen.
Zur Zeit als neben den T-Kasus: crpwuatoc, “τι etc.
noch solche mit v gebraucht wurden: *crpwuvoc, *crpwuvi,
ἕάρματος, ἕάρμανι etc, da kam auch bei andern neutralen
Stämmen -atoc neben -voc und -avoc auf?), z. B. οὔθατος ne-
1) Anders G. Meyer Grammatik 5 8 368. Praktisch kommt es
aufs nämliche hinaus.
2) Woher das n stammt, ist dabei ganz gleichgiltig. S. dazu
Verf. Bezzenbergers Beiträge XV 25 ff. ὕδατος neben ai. udnds
kann gar wohl aus der Urzeit stammen; aber die Hereinnahme des
t in den °Stamm’ ist doch unter dem Einfluss von δώματος etc.
erfolgt.
Gegen die dort S. 42 gegebene Erklärung des Wechsels von
r- und n-Kasus hat Bloomfield Adaptation of suffixes S. 21 f. (Am.
Journal of Philol. XII) folgendes einzuwenden: “Bartholomae ...
assumes that the n-cases of the heteroclitie deelension n r-n..
grew up on the basis of a locative in n, and he does not hesitate
to take very sturdily the econsequences of this view: they may be
stated by saying that the entire deelension of the words for “νου
518 Christian Bartholomae, Griech. ὄνομα > ὀνόματος.
ben ξούθνος > ai. üdhnas, ἥπατος neben *nmavoc > lat. *je-
cinis ete., und schliesslich trugen die neuen r-Formen über
die alten mit v einen vollständigen Sieg davon.
Dass diese Erklärung der Flexion ὄνομα > ὀνόματος,
°rı möglich ist, das wird auch von J. Schmidt nicht mehr
bestritten werden dürfen, wenigstens nicht mehr mit den oben
S. 509 angeführten Gründen. Denn die Beschränkung des τ
auf die n- Deklination und aufs Neutrum ist ja nun ausrei-
chend motiviert. Ich meine aber, dass meine Erklärung nicht
nur ebenso möglich ist, wie die J. Schmidts, sondern noch um
einiges wahrscheinlicher. Denn sie baut nur mit wirklich vor-
handenem Material, und das ist denn doch em nieht ganz un-
wesentlicher Vorzug.
Ich gebe zum Schluss eine gedrängte Übersicht. — Die
Voraussetzung, von der ich ausgehe, ist, dass folgende vier
Formen aus der Ursprache stammen; 1. (ςτρῶ)μα — idg. "mn,
Akk. Sing. Ntr.; 2. (crpw)uata = [urlidg. *mnta, Akk. Plur.
Ntr.; ὃ. δῶμα — idg. *dömm, Akk. Sing. Mask.; 4. δώματος
— idg. *domntos, Abl. Sing. mit -tos. Darauf gründe ich fol-
gende drei Annahmen: 1. δῶμα wird Neutrum nach (ςτρῶ)μα;
2, -roc überträgt sich, begünstigt und gehalten durch (crpw)-
>
ματα, von δώματος auf (ctpw)ua; 3. die T-Flexion wird aus-
gebaut, die v-Formen gehen unter.
Münster (Westf.), 11. Juli 1891.
Christian Bartholomae.
ἧπαρ, ἥπατος ete., or "bloon’, vedie dsr), asnds οἷος, has grown Up
on the basis of original locatives. One may ask whimsically how
often the ancient IndoEuropeans, who were scarcely advanced
bacteriologists, had occasion to employ the expression “in the
blood’”. Da hat Bloomfield ganz Recht, und hätte ich wirklich die
von ihm genannten Beispiele zum Ausgangspunkt meiner Aufstel-
lungen genommen, so hätte ich einfach thöricht gehandelt. Aber
die kunstvolle Wahl jener beiden Wörter stammt nicht von mir.
Ich habe ganz allgemein gesprochen und ohne Namhaftmachung
von Beispielen. Dass ich gerade jene im Auge gehabt habe, ist
eine überkühne Vermutung.
Etymologisches.
1. ὄνος — asinus.
Es scheint, dass der Esel und sem Name den Griechen
und Römern durch thrakisch-illyrische Vermittlung aus Klein-
asien zukam. Auf jeden Fall halte ich daran fest, dass gr.
ὄνος und lat. asinus dasselbe Wort sind, d. h. auf eine ge-
meinsame Quelle zurückgehen. Man hat das wegen der be-
fremdlichen Lautgestaltung des griechischen Wortes bezwei-
felt, so z. B. Solmsen, ΚΖ. XXIX 89 ἔς: und Fiek dekretiert in
der neuen Auflage seines Wörterbuches I 15, övoc habe mit
lat. asinus nichts zu thun, gehöre zu ai. dnas, lat. onus “Last ’
und sei “wohl der Last(träger), vgl. φορτικός = φορτητικός,
φορτὶς ναῦς — φορτηγίς u.ä. Die Beweiskräftigkeit der letz-
ten Vergleichungen verstehe ich nieht, denn φορτικός φορτίς
sind ja doch Ableitungen, welche eine Beziehung zur Last,
φόρτος, ausdrücken. Fick hätte vielmehr auf prov. sauma
“Lasttier', somella “kleine Last’ und “Eselin’ verweisen dür-
fen, die der Abkürzung eines Ausdruckes wie franz. bete de
somme ihre Bedeutung verdanken, oder auf serb. fovar “Last,
Esel’ — asl. tovars “Last” (türk. nach Miklosich Türk. Elem.
II 77, Nachtr. U 57). Auch ngr. γομάρι “Esel’ hat man frü-
her als eine Verkleinerungsform von yöuoc ‘Last’ gefasst (so
z. B. Foy Lautsystem der griech. Vulgärsprache 106); die
richtige Erklärung habe ich Et. Wtb. d. alb. Spr. 127 gege-
ben. Es ist nicht nötig für ὄνος den Bedeutungsübergang des
prov. sauma anzunehmen. Ein urgriechisches *öcvoc hätte in
den einzelnen Mundarten die lautgesetzliche Entwieklung durch-
machen müssen und würde daher im lonischen und Attischen
*ovvoc lauten; das Wort ist aber als später eingedrungenes
Fremdwort von Stamm zu Stamm gewandert und gehört da-
her auf eine Stufe mit Wörtern wie TTeAorövvncoc Χερρόνη-
coc (Wackernagel KZ. XXIX 126) Aıövvucoc Διόνυςος 1). Das
>
1) Uber diesen Götternamen hat zuletzt Kretschmer in "Aus
der Anomia’ Berlin 1890, S. 17—29 gehandelt. Die Scheidung zweier
Grundformen Aıövucoc und *Aıöcvucoc scheint mir ebenso unnötig
wie die Erschliessung eines thrakischen *nüsos “Sohn’ unrichtig,
wobei besonders die Berufung auf alb. nuse (s. Et. Wtb. d. alb.
Spr. 312) verunglückt ist.
320 Gustav Meyer,
‘nördliche’ Wort, welches dem gr. #öcvoc ὄνος zu Grunde liegt,
lautete *asnas. *öcvoc ist daraus entstanden wie asl. os»la
aus got. asilus. Dieses *asnas ist, ebenfalls von Norden her,
auch zu den Römern gekommen, die daraus asinus machten,
wie mina aus μνᾶ, techina aus τέχνη. Dass die Römer ihr
asinus von den Griechen bezogen hätten, ist einfach unmög-
lich, weil im griechischem Munde -sn- zweifellos bei der ersten
Aufnahme des Fremdwortes zu -n- geworden war. Von den
Römern haben die Goten das -- übernommen, von den Goten
die Slaven und Litauer das -/-; damit erledigt sich der Ein-
wand von Solmsen a. a. Ὁ. 5. 90. Die Herkunft des dem
gr. ὄνος, lat. asinus zu Grunde liegenden *asnas ist noch nicht
mit Sicherheit ermittelt. Der Anknüpfung an hebr. atön, arab.
atan ist von Lagarde Armenische Studien S. 56, 817 hoffent-
lieh für immer der Boden entzogen: für nieht unwahrschein-
lich halte ich die auch von Schrader Sprachvergleichung und
Urgeschichte * 335 empfohlene Verbindung mit arm. es Gen.
isoy, wovon türk. esek (Radloft Wörterbuch der Türkdialekte I
Sp. 905) nicht zu trennen ist; anders über 2s F. Müller Ar-
meniaca III 11 = Wiener Sitzungsberichte 66, 271.
2, Neugr. yadapoc γαϊδοῦρι Esel”.
Dies neugriechische Wort für “Esel” ist in mehrfacher
Hinsicht schwierig zu verstehen. Yyadapoc, Fem. yadapa, 7. B.
im Lexikon des Somavera, in Bova nach Pellegrini, in Klein-
asien (Acıßrcıov) nach Musäos, daraus mit Umstellung Yapadoc
in Chios nach Paspatis, wird heut fast überall Yaidapoc ge-
sprochen. Das αὐ ist in seinem Verhältnis zu a weder hier
noch in χαϊδεύω von xadıv (Et. Wtb. d. alb. Spr. 155), xeXai-
DW aus keladw (Anlehnung an ἀηδόνι “Nachtigall’?) erklärt,
während für κλάϊιμα Kaiuevoc die richtige Erklärung im Simon
Portins von W. Meyer S. 99 gegeben ist. Du Cange führt
im Gloss. med. et inf. graee. aus einer Menge von Stellen in
Glossaren und selbst Texten ein Wort aeidapoc für “Esel” an,
was offenbar nichts als eine Erfindung zu Liebe der thörich-
ten Etymologie von ἀεὶ depecha ist. Bianchi-Kietfer Dietion-
naire ture-francais II 337 führen ein türk. Aus gaizar “Esel’
an, und Passow im Glossar zu den Carmina popularia be-
trachtet dies als die Quelle des griechischen Wortes. Das
Verhältniss ist gerade umgekehrt, ‚Ass ist aus yaidapoc ent-
Etymologisches. 321
lehnt und das arabische 5 gibt genau das interdentale gr. ὃ
wieder. Noch verkehrter ist die Herleitung aus türk. „s\i® ka-
ter “Maulesel’ bei Cihae Dietionnaire d’etymologie daco-ro-
mane II 181. Auf den Weg zur richtigen Erklärung von
γάδαρος hat schon Korais gewiesen (vgl. Bikelas Sur la nomen-
elature moderne de la faune grecque Paris 1879 S. 7). Bei
Athenäos VII 315 F wird mit einem Zitat aus Dorion der
Fischname yadoc als Synonym von ὄνος, övickoc belegt; es
ist derselbe Fisch, den die Römer mit asellus bezeichneten,
wahrscheinlich der ital. merluzzo, der im Ital. auch nasello
heisst; ngr. yaidoupöyapov; auch im Serb. ist tovar ‘Esel’
und “merluzzo'. Die Gattung der Dorsche heisst daher z00-
logisch gadus. Nun ist zweierlei möglich. Entweder hatte
die agr. Volkssprache ein Wort yadoc für “Esel’, das ebenso,
wie övoc, auch auf den Fisch übertragen wurde, und dessen
ältere Bedeutung sich in ngr. yadapoc erhalten hat; diese An-
nahme findet freilich in keiner bezeugten Thatsache eine Stütze.
Oder yadoc bezeichnete lediglich den sonst ὄνος övickoc ge-
nannten Seefisch; und wie man vom Esel ausgehend den Fisch
övickoc kleinen Esel’ nannte, so nannte man, von dem Fische
ὄνος ausgehend, den Esel γάδαρος, grossen γάδος. Denn -apoc
bildet Augmentative, vgl. μούλαρος πούλαρος πόδαρος εκύλαρος
ἄππαρος (kyprisch — Pferd’) u.a., vgl. Dossios Beiträge zur
neugriechischen Wortbildungslehre Zürich 1879 8. 421). ya-
δοῦρι, γαϊδοῦρι, Fem. γαδούρα γαϊδούρα (bei Somavera) ist eine
selbständige Bildung von yadoc; das ebenfalls romanische -ούρα
wird auch zur Bildung von Augmentativen verwendet, Dos-
sios a. a. 0. 32. Vielleicht ist zunächst das Femininum ge-
schaffen worden, dazu dann yadoüpı, nach τομάρι cauapı. Vel.
auch kypr. βονικόν ‘Esel’ von ὄνος. Foys (Lautsystem der
griech. Vulgärsprache 186) Heranziehung der aus ai. garda-
bhäs entstandenen neuindischen Formen kann zur Aufhellung
von yadoc nichts beitragen.
1) Diese Augmentativa auf -apoc sind zunächst aus den De-
minutiven auf -άρι --- -Apıov entstanden. Dafür ist beweisend das
kypr. ἄππαρος ‘Pferd’, dessen o- sich nur in ἀππάριν verstehen lässt;
hier ist es im Plural τὰ immdpıa entstanden, das man rarrdpıa sprach
und τ᾽ ἀππάρια trennte. Auch das οὐ von πούλαρος zu πῶλος ist zu-
nächst in der tonlosen Silbe von πουλάρι entstanden.
322 Gustav Meyer,
3. Lat. mülus alb. musk.
Für “Maulesel’ ist in die Sprachen der Balkanhalbinsel,
wie auch anderwärts, das lat. mälus eingedrungen: neugr.
μουλάρι, bulg. male, alb. in Griechenland ον. Ein altes m-
teressantes Wort ist alb. musk, das ich Et. Wtb. ἃ. alb. Spr.
295 f. ausführlich besprochen habe. Es geht auf eine Grund-
form maus-ko- zurück, wie lat. malus auf mus-lo-: alb. -ko-
und lat. -/o- sind Deminutivsufixe. Aus dem Illyrischen,
speziell Altvenetischen stammen friaul. mass venez. mausso
Esel’; ihnen liegt das Stammwort von alb. mausk lat. malus
zu Grunde, und diese beiden bedeuten eigentlich “kleiner
Esel’: vgl. arm. es “Esel’, 2sak “Eselchen’, isakes “ἡμίονος:
Die Annahme, dass mälus aus gr. μυχλός entlehmt sei (so
noch Schrader Sprachvergleichung und Urgeschichte ? 3854) ist
lautlich unmöglich: μυχλός wäre im Lat. *maclus geworden,
vgl. coclea (später cochlea) aus κοχλίας (Georges Lexikon der
lat. Wortformen Sp. 144), troclea (später trochlea) aus Tpo-
χιλία (Georges a. a. Ὁ. Sp. 704); die Lautverbindung -εἰ- ist
aber im Lat. nicht alteriert worden, wie ausser den beiden
angeführten Beispielen noch nucleus cocles und Sufüix -clum
zeigen. Über das Unwahrschemliche des Bedeutungsübergan-
ges von “Zuchtesel’ zu “Maultier” habe ich mich a. a. O. aus-
gesprochen; Schrader a. a. ©. kann also seine Erklärung von
οὐρεύς als “Besamer” nicht mehr durch den “sicheren Bedeu-
tungsübergang: 1. bespringender Esel, 2. Maultier’ stützen.
Das Maultier ist ja eben zur Fortpflanzung untauglich. In der
Herleitung von μύκλος μυχλός bin ich, was zu konstatieren
mich freut, mit Schrader a. a. O. zusammengetroffen; über
(len Gebrauch von οὐρεῖν, mängere meiere von der Samen-
entleerung vgl. noch die Stellen bei Sternbach Anthologiae
Planudeae appendix Barberino -Vaticana (Lpz. 1890) S. 85.
Für ὀρεύς, οὐρεύς bleibe ich bei der alten, mir ebenso wie
Hehn «durchaus passend erscheinenden Erklärung als “Berg-
tier’. Über ivvoc müht sieh zuletzt Meister ΚΖ. XNNXII 143 f.
ab; er trennt das Wort in Etymologie und Bedeutung von
rivvoc, das nur krüppelhaft kleine Maultiere bezeichnet
habe. Das illyrische #mausko- erscheint im Rumänischen mit
lateinischer Endung als mascoruw und kann hier zu dem alten,
vorrömischen Bestande der Sprache gehören; als Lehnwort
Etymologisches, 323
ist es ins Slavische übergegangen (Et.Wtb. 295): asl. m»zgs und
mo»skd. Miklosich Vergl. Gramm. I 111 sagt über dieses Wort:
“die Zusammenstellung mit Wz. mis, ai. mis, ist falsch, die
Berechtigung des » nicht bewiesen”. » aus τι wie in θέα)
neben batars “dolium’ von volkslat. *butis (Et.Wtb.56). Über
die Etymologie des illyrischen ®muso- #musko- kann ich nur
eine sehr unsichere Vermutung vorbringen. Man nimmt an,
dass das pontische Kleinasien die Heimat des Maultieres sei,
nach Anakreon (frg. 35 Bergk) haben die Mucoi die μῖξις
ὄνων πρὸς ἵππους erfunden. Wie, wenn znzso- das “mysische
Thier’ wäre? Das Wort gehörte dann zu der grossen Menge
der für die kulturhistorische Forschung überhaupt wichtigen
Eigennamen, die zu Appellativen geworden sind. Mit Recht
hat ©. Schrader neulich (Vietor Hehn Ein Bild seines Lebens
und seiner Werke Berlin 1891 S. 42) eine eingehende Unter-
suchung derselben für sehr wünschenswert erklärt. Grade
Kleinasien hat unter anderm χάλυψ “chalybischer Stahl’, πον-
τικόν “ΠΧ pontica’ — türk. κ᾿ φυλὰς, ngr. ποντικός “Maus’ ge-
liefert. Die Illyrier haben das kleinasiatische Wort den Sla-
ven und Italikern vermittelt.
4. Illyrisch laga- “Sumpf”.
In der Beschreibung von Istrien sagt Strabon S. 314:
ὁμοίως δὲ καὶ ἐκ Τεργέετε κώμης Kapvırnc ὑπέρθεείς ἐςτι διὰ
τῆς "Orpac εἰς ἕλος Λούγεον καλούμενον. Diese Bezeichnung
der sumpfigen Niederung gehört zu lit. Zöägas "Morast’, asl.
luza “Sumpf, Pfütze’ und lässt, da Istriens Bevölkerung illy-
risch war, auf ein illyrisches Zagas m. oder Zuga f. Sumpf’
schliessen. Das albanische l&gate “ Lache, Pfütze, sumpfiger
Ort’ ist mit dem lateinischen Suffixe -@tum davon abgeleitet.
Also ist das, was ich im Et. Wtb. d. alb. Spr. 242 über das
letztere Wort gesagt habe, zu modifizieren: die Annahme einer
Entlehnung aus dem Slavischen ist nicht nötig.
5. Der Stadtname Tiriest.
Die in der oben angeführten Stelle Strabons vorkom-
mende “karnische’ Ortschaft Tergeste ist das heutige Triest.
Auf ursprünglich istrischem, später von den Karnern erober-
ten Boden gelegen, bot Tergeste eine günstigere Lage als die
benachbarten Küstenstädte für den Handelsverkehr über die
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. Dil
324 Gustav Meyer,
Alpis Julia nach dem Binnenlande am Saus’, Kiepert Lehrbuch
der alten Geographie S. 355. Der Name bedeutet “Handels-
platz, Marktplatz’ und lässt ein illyrisches terga- “Markt er-
schliessen, vgl. asl. trag forum’. Das Suftix -este kehrt wie-
der in dem «dalmatischen Städtenamen Digeste (Tomaschek
Die vorslavische Topographie der Bosna, Herzegowina, Urma-
Gora. Wien 1880, S. 30), dem liburnischen Inselnamen Aa-
decta oder Λάδεετον (Steph. Byz.), dem venetischen Stadtna-
men Ateste (heut Este); vielleicht ist auch Segesta am Saus
illyrisch. Vgl. auch den dalmatischen Volksnamen „Jadestini,
die @rambestini im Japygischen Unteritalien und die m Ily-
rien häufige Gentilmamenendung -Ectaı (Kiepert a. a. 0. 450).
Auch die illyrischen Ortsnamen auf -ista, wie sie Tomaschek,
Bzzb. Beitr. IX 101 verzeichnet, liegen nahe. trag» war bis-
her nur im Slavischen nachgewiesen, von dem aus es ins Li-
tauische (furgas), Lettische (törges), Altnordische (torg), Ru-
mänische /(förg, targ), Albanische (trege Et. Wtb. 456) überge-
gangen ist. Es ist nicht unmöglich, dass das slavische Wort
selbst aus dem Illyrischen stammt. Slavische Ortsnamen, die
von trzgs abgeleitet sind, hat Miklosich Die slav. Ortsnamen
aus Appellativen II (Denkschriften der Wiener Akademie XXIII
249 zusammengestellt.
6. Karisch taßa ‘Fels’.
Bei Stephanos von Byzanz heisst es unter Τάβαι πόλις
Λυδίας unter anderm: οἱ δέ φαει τὸν Kıßüpav καὶ Μαρεύαν
ἀδελφοὺς τὸν μὲν κτίςεαι Κιβύραν πόλιν, τὸν δὲ Τάβας, καὶ κα-
λέεαι ἀπὸ τοῦ ἐπὶ πέτρας οἰκεῖεθαι᾽ τάβαν γὰρ τὴν πέτραν Ἕλ-
Anvec ἑρμηνεύουειν. Nach Strabon XII p. 570 lag die Stadt
vielmehr an der Grenze von Phrygien und Karien. Es bleibt
also fraglich, welcher kleinasiatischen Sprache das Wort an-
gehörte, welches die Griechen mit ᾿πέτρα᾽ übersetzten; Georg
Meyer Bezzenbergers Beitr. X 195 hat es als karisch in An-
spruch genommen. taba gehört zu dem italischen teba, wel-
ches Varro de re rustica III 1, 6 als sabinisch anführt. Es
ist damit nieht gesagt, (dass das Wort ein indogermanisches
sei; es kann in Italien vorarisch sein. Möglicherweise gehören
dazu auch die griechischen Städte Namens Θῆβαι, über welche
init gewohnter Verworrenheit Grasberger Studien zu den grie-
chischen Ortsnamen ὃ. 149f. handelt. Vgl. auch mein Et.
Wtb. ἃ. alb. Sprache unter timp.
Etymologisches. 325
1. Tarentinisch uoAyöc “Schlauch.
Pollux X 187 μολγὸν, ὅς Ecrı κατὰ τὴν τῶν Ταραντίνων
γλῶτταν βόειος ἀεκός. Hesychios μολγός: . .. ἄλλοι δὲ μολγὸν
τὸν βόειον ἀεκόν. μολγός ist für βολγός geschrieben, wie in
den Griech. Gramm. ? $ 180 angeführten Beispielen, und dieses
βολγός “Schlauch” entspricht got. balgs, air. bolg "Sack ’; la-
teinisch bulga war keltisch: bulgas Galli saceulos scorteos
appellant, Paulus Fest. S.35 Müll. = 25,15 Thewrek. Wegen
der Konsonantenverhältnisse kann BoAyöc — balgs nicht grie-
chisch sein; es mag in die Mundart der Tarentiner aus dem
benachbarten Messapischen eingedrungen sein, ist also illyrisch.
8. Makedoniseh κλινότροχος.
In der Naturgeschichte des Plinius XVI 15 heisst es von
den Arten des Ahorns: Graeei situ discernunt, campestre enim
candidum esse nee erispum, quod glinon vocant u.8.w. Die
Handschriften haben alinono, alinon, die Verbesserung glinon
stammt aus Theophrasts Pflanzengeschichte III 11, 2 mv de
πεδεινὴν [cpevdauvov| λευκήν TE καὶ μανοτέραν καὶ TTTOV
οὔλην καλοῦςι δ᾽ αὐτὴν ἔνιοι τλεῖνον, οὐ εφένδαμνον. Den
ursprünglichen Anlaut aber bietet der Anfang desselben Ka-
pitels des Theophrast, wo gesagt wird: τῆς δὲ ςφενδάμνου
καθάπερ εἴπομεν δύο γένη ποιοῦειν, οἱ δὲ TpIa' Ev μὲν δὴ TW
KOLVW προςαγορεύουςει CPEVdAUVOV, ἕτερον δέ Zuylav, τρίτον δὲ
κλινότροχον ὡς οἱ περὶ Στάγειρα. Theophrast hat offenbar
nicht gemerkt, dass dieses κλινο- und jenes yAeivoc dasselbe
Wort sind; und den neueren Kulturhistorikern (z. B. Schrader ?
398) ist es entgangen, dass wir in dem Worte den Vertreter
von asl. klens, an. hlynr, ahd. lanboum, nhd. lehne, lenne
auf der Balkanhalbinsel besitzen!). κλινότροχος, was der
Thesaurus ebenso geschmackvoll als verständlich mit “leetiro-
taria’ übersetzt, ist ein altmakedonisches Wort, das in seinem
zweiten Teile wahrscheinlich volksetymologische Umgestaltung
trägt. Das Altmakedonische ist für mich noch immer ein un-
1) Nachträglich sehe ich, dass der alte Nemnich in seinem
Allgem. Polyglottenlexikon der Naturgeschichte I Sp. 26 in seiner
Weise auf den Zusammenhang hingewiesen hat: “wahrscheinlich ist
dieses nordische Wort [die lenne]| und das klen der slavischen Völker
aus dem griech. gleinos entstanden’.
326 Gustav Meyer,
griechischer Dialekt, der sich, wie die Vertretung der idg.
Medialaspiraten durch Medien allem schon zeigt, an das Thra-
kische und Illyrische anschliesst. yAetvoc, d.i. yAtvoc, mag im
Griechischen Fremdwort sein. In dem zweiten Teil des make-
donischen Wortes mag ursprünglich eine Bezeichnung für
"Baum’ gesteckt haben, vgl. ahd. löinboum; man kann viel-
leicht an eine gutturale Erweiterung von *deru-, dopv- denken,
wie sie im air. Gen. darach vorliegt. Dass das Makedonische
den Wortstamm besass, zeigt δάρυλλος ' n δρῦς, ὑπὸ Μακεδό-
vwv Hes.
9. Der Stadtmame Sardes.
Der Name der Iydischen Hauptstadt, Σάρδεις, ist in
neuester Zeit von Fr. Müller in der Wiener Zeitschrift für
Kunde des Morgenlandes I 344 f. besprochen worden, was eine
kleine Kontroverse zwischen Nöldeke und Fr. Müller ebenda
II 92 #f. hervorgerufen hat. Joannes Lydus, ein Byzantiner
des 6. Jahrhunderts, hat die Mitteilung (de mensibus III 14):
νέον ςάρδιν TO νέον ἔτος ἔτι καὶ νῦν λέγεεθαι ευνομολογεῖται ᾿"
εἰεὶ δὲ οἵ Pacı τῇ Λυδῶν ἀρχαίᾳ φωνῇ τὸν ἐνιαυτὸν καλεῖςεθαι
capdıv. Lagarde Gesammelte Abhandlungen 274. Mit diesem
capdıc hat Lagarde (vgl. seine Armenischen Studien No. 1601)
ai. sarad-, av. sareöa-, pers. sal, arm. navasard “der erste
Monat des armenischen Jahres’ verglichen, Fr. Müller hat oss.
sard “Sommer ’ (särde) hinzugefügt; vgl. Hübschmann Etymo-
logie und Lautlehre der ossetischen Sprache S. 55. Was das
arm. navasard anbetrifft, so stimme ich Hübschmann bei, der
ΚΖ. XXIII 403 es für ein Lehnwort hält, weil "neu’ im Arme-
nischen »or heisst; es ist aus dem Persischen entlehnt, natür-
lich zu einer Zeit, als man statt Si καἰ, noch *sard sprach
(Darmesteter Etudes iraniennes I 97)'). Das νέον cäpdıv des
Byzantiners Lydus halte ich für nichts andres als das halb
gräzisierte armenische resp. persische »arasard; Iydische
Sprache hat es im 6. nachehristlichen Jahrhundert gewiss
nicht mehr gegeben. Und für das Altlydische ein capdıc =
‘Jahr’ zu erweisen, dafür reicht für mich die Autorität der
unfassbaren ἔνιοι des Lydus auch nieht hin. capdıc wird also
1) Ein arm. sard will Lagarde Arm. Stud. no. 300 auch in
osard “vecchia’ erkennen.
Etymologisches. 327
aus der Reihe der als sicher bezeugten Iydischen Worte zu
streichen sein, unter welche es nach Lagarde Ges. Abh. 274
z. B. noch Pauli Eine vorgriechische Inschrift von Lemnos
S. 68 gestellt hat.
Wie dem aber auch sei, der Name der Stadt Sardes
kann mit diesem iranischen (armenischen, Iydischen) Worte
nichts zu thun haben, denn “Jahr” ist kein Namenwort für
eine Ortsbezeichnung. Ahrens hat in einem verunglückten
Aufsatze Orient und Oceident II 33 Σάρδεις mit dem asiatischen
Sandas-Herakles zu verbinden versucht, was wir auf sieh be-
ruhen lassen können. Auf die Benennung von einem Sonnen-
gotte ist Sayce verfallen. Dieser hat im Journal of the Royal
Asiatie Society N. S. XIV 472 in einer der Keilinschriften vom
Van-See Z. 21 ein sar-di-i-e gelesen, worin er einen Sonnen-
gott sehen will, und damit bringt er S. 487 sowohl den Stadt-
namen als cäpdıc ‘Jahr’ zusammen. Er fügt hinzu: "The
word is not Aryan, and it may therefore be regarded as deri-
ved from the language of the people who inhabitated the
shores of Lake Van before the arrival of the Aryan Armenians .
Das ist sicher unrichtig; denn wenn ich auch nieht weiss, was
der “altarmenische’ Sonnengott sardiie ist — wenn er über-
haupt existiert hat —, so ist doch das Vorhandensein eines
iranischen sard- nicht zu bezweifeln, das durch die indische
Parallele als arisch erwiesen wird.
Fr. Müller nun deutet WZKM. I 344 Sardes als Serail:
d. h. er erschliesst als altiranische Grundform für np. s';“
ein av. *srada- ap. "Prada “Halle, Burg, Palast’, das in dem
lydischen Städtenamen vorliege, mit der Bedeutung “Residenz ',
die das persische Wort auch im Türkischen hat. Die Rich-
tigkeit jener Grundform zugegeben, kann ich nieht finden,
dass “der Stamm Zapdı- zu srada- Oräda- sich ebenso verhält
wie das oben besprochene capdı- “Jahr” zu awestischem
sareöa-. Denn die Quantität des a und die Stellung der
Liquida ist eine ganz verschiedene, und wir baben keine Ver-
anlassıung, zwischen der Sprache, welcher der Name Sardes
entstammt, und dem Iranischen ein Verhältnis voraus zu setzen,
wie zwischen lit. gardas und asl. grad». Th. Nöldeke hat
in Schenkels Bibellexikon s. v. Lud (s. WZKM. II 92) auf die
wichtige Thatsache hingewiesen, dass der Lydier Xanthos,
ein Zeitgenosse Herodots, für Sardes auch den Namen Ayaris
998 Gustav Meyer,
kenne: Zapdıv γὰρ αὐτὴν καὶ Ξυάριν ὁ Ξάνθος καλεῖ ‚Joann.
Lyd. de mens. III 14. Damit ist zu kombinieren, dass Lydien
in den Inschriften des Darius sparda heisst, nach der Haupt-
stadt; man hat dies zwar bezweifelt (s. Spiegel Keilinschriften ?
242), aber die Stellung von sparda neben yau/na] in Beh.
I 15, und besonders die zwischen katapatuka und yauına NR.
a 28 macht die Deutung als "Lydien’ für mich ganz sicher,
dessen Nichterwähnung geradezu unbegreiflich wäre. Lesen wir
nun statt Zväpıc mit leichter Veränderung Ξυάρδις und er-
wägen wir, dass E zur Bezeichnung von dem Grieebischen
fremden Zischlauten gebraucht wurde), so ist das Verhältnis
von ‚euardis und sparda ohne weiteres klar: jenes, zu ver-
stehen als swardi- seardi-, ist die einheimische, dieses die
iranisierte Form des Städtenamens (iran. sp = nicht-iran.
se —1dg. ke); Zapdeic aber ist die gräzisierte Form. Wenn
1) Vgl. z. B. ἔξιν, 6 Ecrıv ἐχῖνος phrygisch Steph. Byz. 8. v.
’AZavoi, wo ξ für einen tönenden Zischlaut (lit. ezys, asl. jezv) steht.
ἄρξιφος : ἀετὸς παρὰ Tlepcaıc Hes. zu av. erezifya (Lagardes Ges.
Abh. 222 äpZıpog ist also unnötig). TTavbatıc neben -accıc und -aTıc
Verf. Griech. Gr. ? 273 A. 2. Karisch ᾿Αρύαξις Βρύαξις Georg Meyer
Bzzb. Btr. X 177. Vgl. auch den neuen Aufsatz De Lagardes
‚Samech’ Mitteilungen IV (1891) 370 ff. (schon F. Müller, K. Btr.
II 491 über ξίφος, arab. _&ım: “so entspricht hier &E dem s, wie das
semitische Samech dem griechischen E im Alphabete’). Auch das
zZ von ἀλώπηξ ist wahrscheinlich so zu beurteilen. Vermittelung des
Wortes mit ai. Zopäsds *Schakal, Fuchs oder ein ähnliches Tier’
auf dem Wege der Urverwandtschaft, wie sie zuletzt noch Kluge
im Festgruss für Böhtlingk S. 60 versucht hat, scheint mir gänzlich
ausgeschlossen. Andrerseits ist der Anschluss an armenisch a/ues
ganz evident. Mir ist ἀλώπηξ nur als Lehnwort aus einer klein-
asiatischen Sprache begreiflich, vielleicht aus der Form, die dem
arın. aiues > *alopes zu grunde liegt. Das Verhältnis des arme-
nischen Wortes zu den iranischen, die man bei De Lagarde Arm. Stud.
S. 8, Jaba-Justi Dietionnaire kurde-francais S. 213, Hübschmann
Armenische Studien I 17, ders. Etymologie und Lautlehre der osse-
tischen Sprache 54 zusainmengestellt findet, ist lautlich noch nicht
hinreichend aufgeklärt. -&, das ursprünglich = s oder einem ähn-
lichen Laute war, fand an zahlreichen Tiernamen mit demselben
Ausgange (Bloomfield Adaptation of Suftixes, Am. Jourmal of Phil.
XII 17) Anlehnung und wurde wie diese flektiert; dAwrnkuv steht
im 5. Fragmente des Jambographen Ananios V. ὃ Bergk. Das in-
dische lopäka- “Art Schakal’ hält A. Weber Monatsberichte der Ber-
liner Akademie 1871 S. 619 für griechisches Lehnwort, “ durch
aesopische Fabeln vermittelt”.
Etymologisches. 329
der Name der Stadt Sardes, seardi-, ein Iydisches Wort ist,
dann ist die Sprache der Lyder keine iranische gewesen. Ob
eine indogermanische? Wer für den Namen eine idg. Etymologie
sucht, kann an gr. κόρθυς ‘Haufe’ denken, Wz. kverdh-, eig.
“Erhebung’, so dass also svardi- "Berg, Burg’ bezeichnen
würde. Doch das ist natürlich ganz unsicher.
10. Aspendos.
Es gibt vielleicht noch einen andern Städtenamen in
Kleinasien, bei dem wir die einheimische und die iranisierte
Form kennen. Ich meine das pamphylische Aspendos. "Actmevdoc
hat selbstverständlich mit gr. cmevdw nichts zu thun (Pape-
Benseler I 160 “Freistadt, eig. nicht im Bunde mit den Hel-
lenen’!), sondern gehört zu den zahlreichen Ortsnamen in
Kleinasien, welche -nd- im Suffixe enthalten (vgl. Georg Meyer
Bzzb. Btr. X 179). Der Anfang erinnert sofort an das ira-
nische aspa- “Pferd‘. In einer Sprache, welche nicht iranisch
ist, aber mit dem Arischen die an Stelle der %-Reihe getretenen
Zischlaute theilt, wie das Slavolettische, Illyrische, Thrakische,
Phrygische, Armenische, muss dieses Wort *eseo- gelautet
haben. Nun zeigen die Silbermünzen von Aspendos die Auf-
schrift EZTFEAIYZ oder Abkürzungen davon: Friedländer
Zeitschrift für Numismatik V 297 ff. Siegismund Curt. Stud.
IX 94. Collitz GDI. I 365. Vielleicht liegt in diesem ect.fe-
das postulierte esvo- vor; freilich ist mir cr nicht sehr klar.
Ietzeszeın I wie in, den,von mir.Griech..Gr. 2 273.A.2 zu-
sammengestellten Fällen, und dient cT, wie auch T allein, zur
Bezeichnung eines dem griechischen c nicht ganz adäquaten
Zischlautes? Dann wäre esvendos der einheimische Name,
den die Perser in aspendos umgestaltet hätten.
Graz im August 1891.
Gustav Meyer.
Das sog. Präsens der Gewohnheit im ILrischen.
Dass die mittel- und neuirischen Verbalformen auf -ann
und -enn -eann den Namen eines “Präsens der Gewohnheit’
nicht verdienen, welchen nach dem Vorgange irischer Gram-
matiker auch kontinentale Gelehrte ihnen beigelegt haben, hat
330 Rudolf Thurneysen,
R. Atkinson!) überzeugend nachgewiesen. Im Mittelirischen
vertreten die Formen einfach die sog. konjunkte III Sg. Präs.
Ind., ohne Unterschied der Bedeutung; z. B. Fis Adamn. 18
(Ir. T. S. 182) liest die eine Handschrift co-tocaib, die andere
co-töeband "so dass er hebt‘. Alt sind diese Bildungen nicht:
sie fehlen nicht nur den altirischen Glossenhandschriften, son-
dern auch noch dem Saltair na-Rann (um 987 gedichtet)
und der Vita Tripartita δ. Patricü. Dagegen treten sie im
Lebor na h-Uidre (um 1100) nicht ganz selten auf (s. Stokes
K. Beitr. VI 469). scheinen also etwa um Beginn unseres
Jahrtausends aufgekommen zu sein. Freilich über das ganze
(rebiet der alten konjunkten Form erstrecken sie sieh nicht:
das mit Präpositionen zusammengesetzte Verb hat im allge-
meinen einen andern Weg eingeschlagen, indem das Verbum
compositum sich etwa seit dem 10. Jh. allmählich dem V. sim-
plex anschliesst und die absoluten Endungen annimmt; vel.
tocbaid “er hebt Ir. T. 211, 28. Nur da, wo beide, das
Simplex wie das Kompositum, seit alter Zeit nur konjunkte
Flexion zeigen, nämlich nach den Negationen ni nach nad,
der Fragepartikel in, dem Relativum in Verbindung mit Prä-
positionen hat die Neubildung auf -nn zunächst als Nebenform
Eingang gefunden. Dass jene endungslose ältere Form gerne
eine charakteristische Endung angenommen hat, ist begreit-
lich; aber woher sie dieselbe bezogen, ist noch nicht klarge-
legt worden.
Den Weg zur Erklärung scheint mir das Gedicht des
Flann Manistrech (7 1056) über den Tod der Könige Irlands
zu weisen (LL 191 Ὁ). Es beginnt mit den Versen: Rig Themra
dia-tesband tn, ad-fessam an-aidedu “Die Könige von Te-
mair, denen Feuer (d. h. Leben) fehlt, — ihren Tod wollen
wir berichten”. Die Form -tesband (d. 1. tesbann) «ehört
nicht zu den mittelirischen Neubildungen; es ist das altir. tes-
ban fehlt‘, über dessen Entstehung ich KZ. XXXI 9 ge-
handelt habe. Im diesem und den verwandten Verben haben
wir, glaube ich, die Muster zu sehen für unsere Endung. Ne-
ben «dem Indikativ mit » lag der Konjunktiv ohne »: co-tesba
ni-tesban/n), ebenso: con-indarba ni-indarban(n), co-torba ni-
1) Proceedings of the R. Irish Academy 3rd Ser. Vol. I No. ὃ
p. 416 ff.
Das sog. Präsens der Gewohnheit im Irischen.
torban(n) ete. (s. KZ. XXXI δά ff.). So war der Weg ge-
öffnet, zum Konj. co-töeba den Ind. ni-toebann (st. ni-tocaib),
dann zu co-cara ni-carann und — bei palataler Konsonanz —
zu co-foichle ni-foichlenn zu bilden u. s. w. Freilich haben
die Musterverba das 2) in allen Personen, z. B. III Plur. tes-
banat -torbanat; aber das Bedürfnis einer neuen Endung war
bei den andern eben nur in der konjunkten III Sg. vorhan-
den, besonders weil dieselbe mehr und mehr mit der III Sg.
des schwachen Präteritums (mittelir. töcaib “er hob’) zusam-
menfiel.
Noch nieht klar ist mir die Veranlassung zur Verdoppe-
lung des -n. Rein graphisch kann sie nicht sein. Denn wenn
auch doppeltes -» hinter unbetontem Vokal hier und da ein-
fach geschrieben wird, so findet doch meines Wissens das
umgekehrte in besseren mittelirischen Handschriften nicht statt;
Wörter wie öngen Tochter‘, buden “Schaar’ werden nie mit
-nn oder -nd geschrieben. Wir können die Verdoppelung des
n — sie muss vor die Entwickelung der allgemeimen III Sg.
auf -»n fallen — auch an anderen Verben als -tesban(n) be-
obachten; so an einem, das zwar nicht zu den ursprünglichen
n-Verben, aber doch, wie tesban, zu der älteren Schieht der
übergetretenen gehört. Das Verbum to-ad-fiad- "zeigen’ bildet
gewöhnlich im Altirischen die III Sg. Praes. Ind. tadbat, Pass.
tadbadar. Der s-Konjunktiv musste *tadbe, später *tadba
(betont *ad-fe) lauten; hier fand Zusammenfall mit den oben
berührten »-Verben statt. Daher treffen wir schon in den
Augustinus-Glossen (Ir. T. II 1 5. 151 Gl. 44) die analogische
III Sg. Pass. ös-sain don-adbantar mit n. Im Saltair na-
Rann hat die III Sg. Präs. Akt. der »-Bildung dreifache
Gestalt. In dem angehängten Gedichte CLX V. 8226 steht
tadban. (im Reime mit falman), die zu erwartende Form; im
Saltair V. 97. 279. 423 tadbain!) (Reim immer: talmain) mit
dem eindringenden ö der III Sg.; aber V.303 ist ni-thadbann
geschrieben, das durch das Reimwort anmann gesichert wird.
Also um Ende des 10. Jh. hatte die Verdoppelung des -n bei
den »-Verben begonnen.
Die konjunkte Form auf -ann -eann hat in der irischen
Sprache ungeheuren Erfolg gehabt. Bis um 1600 ist sie zur
1) V. 97 bietet die Hdschr. trotz des Reims fadban.
332 Friedrich Stolz, Lat. strufertarius.
alleinherrschenden Bildung geworden, der nur wenige, daher
unregelmässige Verba sich entziehen, und nach Atkinson scheint
sie schon damals auch die II Sg. erobert zu haben. Seit dem
18. Jh. dringt sie weiter in die übrigen Personen des Präsens
ein und, über ihr syntaktisches Gebiet hmausgreifend, macht
sie der alten absoluten III Sg. auf -aidh -idh Konkurrenz.
Freiburg 1. Β. τ ΠΥ ΠΥ ΒΘῊΣ
Lat. strufertärius.
Ein meines Wissens bis jetzt unbeachtet gebliebenes
Dvandva-Kompositum ist das von Paul. Festi S. 417 ed. Thew-
rewk de Ponor überlieferte strufertarios (dieebant, qui quae-
dam sacrificia ad arbores fulguritas faciebant, a ferto sci-
licet quodam sacrificii genere). Diesem Kompositum liegen
die beiden Worte straes (= Opfergebäck) und fertum (=
Opferkuchen) zu grunde, die auch mehrmals verbunden vor-
kommen, wie die von Georges 8. v. strues zitierten Stellen
beweisen. Wir haben also zunächst em Kompositum *strau-
ferta (Neutrum Plur.) vorauszusetzen, das auf gleicher Linie
steht mit suowetaurilia, wenn man davon absieht, dass das
zuletzt zitierte Wort eine suffixale Weiterbildung angenom-
men hat. Die Bedeutung des Sekundärsuffixes -ario- ist die-
selbe wie in sagittarius; strufertäriü bezeichnet also dieje-
nigen, welehe “Opfergebäck und Opferkuchen darbringen’,
eigentlich zunächst “haben. Was die Gestaltung des ersten
Gliedes stra- anlangt, wofür man *strai- erwarten könnte, so
kann hier dieselbe Unterdrückung des Vokals der nachtonigen
Silbe vorliegen, wie diese für eine gewisse Periode des archai-
schen Latein an emer Reihe von anderen Beispielen nachge-
wiesen ist, vel. meine Laut- und Formenlehre ? 73. Oder es
ist die Stammform stra- auf Analogiebildung nach dem Ver-
hältnis von stru-is: su-is (vgl. das oben erwähnte sa-ovetauri-
lia und die Ableitungen su-illus, su-inus) zurückzuführen. Von
diesen beiden Möglichkeiten hat die zweite memes Erachtens
mehr Wahrschemlichkeit für sich.
Innsbruck den 9. September 1891.
Fr, Stolz
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung'!).
L.
Albert Thumb hat vor vier Jahren in den Jahrbüchern
für Philologie OXXXV 641—648 die Behauptung aufgestellt,
die griechischen Pronominalakkusative μὲν und νιν seien durch
Verschmelzung von Partikeln mit dem alten Akkusativ des
Pronominalstammes ὁ entstanden. Insbesondere das ionische
μιν beruhe auf der Verbindung von ir mit emer Partikel ma,
älter sma, die in thessalischem ua und altindischem sma be-
legt sei. Den Hauptbeweis für diese Deutung entnimmt Thumb
der angeblichen Thatsache, dass die Stellung von uwv bei Ho-
mer wesentlich dieselbe sei wie die Stellung von sma im Rig-
veda. Es sei eben, auch nachdem der selbständige Gebrauch
von sma als Partikel geschwunden sei und wv durchaus die
Geltung einer einheitlichen Pronominalform erlangt habe, doch
an μιν die für sma gültig gewesene Stellungsregel haften ge-
blieben, und es habe ein entsprechendes Stellungsgefühl dessen
Anwendung begleitet. Und jedenfalls bei den Verfassern der
homerischen Gedichte sei dieses Gefühl noch wirksam ge-
wesen.
Nun beschränkt sich aber diese Ähnlichkeit der Stellung,
wenn man das von Thumb beigebrachte Material nach den
von ihm aufgestellten Gesichtspunkten unbefangen durchmu-
stert, wesentlich darauf, dass uv wie sma im ganzen selten
(genau genommen noch viel seltener als sa) unmittelbar hin-
ter Nomina und Adverbien nominalen Ursprungs steht. Und
dieser allgemeinen farblosen Ähnlichkeit stehen wesentliche
Abweichungen gegenüber. Zwar ist es ein seltsamer Irrtum
Thumbs, wenn er zu dem zehnmaligen un μιν Homers das
1) In den nachfolgenden Beispielsammlungen verdanke ich
vieles den bekannten Hauptwerken über griechische Grammatik,
sowie den Spezialwörterbüchern, ohne dass ich im einzelnen meine
Gewährsmänner immer werde nennen können. Monros Grammar
of the Homerie Dialect 2. Aufl, wo S. 335—338 über homerische ἡ
Wortstellung Bemerkungen gegeben sind, die sich mit meinen Auf-
stellungen sehr nahe berühren, konnte ich nur flüchtig, Gehrings
Index Homerieus (Leipzig 1891) gar nicht mehr benützen.
334 Jacob Wackernagel,
nach seiner Hypothese diesem im Altindisehen entsprechende
ma sma daselbst nicht aufzutreiben weiss, da doch nieht nur
Böhtlingk-Roth (s. v. ma 9) zahlreiche Beispiele aufführen, da-
runter eines aus dem Rigveda (10, 272, 24 mä smaitädi’g dpa
gahah samarye), sondern es auch gerade über Bedeutung und
Form der Präterita hinter ma sma eine bekannte Regel der
Sanskritgrammatik gibt (Panini 3, 3, 176. 6, 4, 74. Vgl. Ben-
ἴον Vollst. Gramm. $ 808 I Bem. 4). Aber m andern Fällen
ist die Divergenz zwischen μιν und sma thatsächlich. Nach
Thumb findet sich μιν bei Homer ca. 60 mal, m 10°, aller
Belege, hinter subordinierenden Partikeln; sma im Rigveda in
soleher Weise nur selten und nur hinter yatha. Und während
sma gern hinter Präpositionen steht, findet sich μὲν nie hinter
solehen.
Freilich will Thumb diese Abweichung daraus erklären,
dass die homerische Sprache es nicht liebe zwisehen Präposi-
tion und Substantiv noch eme Partikel einzuschieben. Ja er
wagt sogar die kühne Behauptung, dass in Rücksicht hierauf
diese Abweichung seime Theorie geradezu stütze. Ich gestehe
offen, dass ich diese Erklärung nicht verstehe. Wo sma im
Rigveda auf eine Präposition folgt, steht diese entweder als
Verbalpräposition in tmesi (so wohl auch 1, 51, 12 ὦ sma
rdtham — tisthasi, vgl. Grassmann Sp. 1598) oder, wenn
überhaupt Fälle dieser zweiten Art belegt sind, in Anastrophe‘.
Wenn also μιν die Stellungsgewohnheit von sma teilt, so dür-
fen wir es nieht hinter den mit eimem Kasus verbundenen
Präpositionen suchen, und wenn es hier fehlt, dies nicht mit
jener angeblichen homerischen Abneigung gegen Zwischen-
schiebung von Partikeln entschuldigen, sondern müssen es hin-
ter selbständigen Präpositionen erwarten und in dem Umstand,
dass es hier fehlt, eben einen Gegenbeweis gegen Thumbs Auf-
stellung erkennen.
Aber auch abgesehen von diesen und sonst etwa noch
erwähnbaren Differenzen zwischen der Stellung des homeri-
schen μιν und des vedischen sma, war Thumb meines Erach-
tens verpflichtet zu untersuchen, ob sich die Stellung von uv
im homerischen Satz nieht auch noch von emem andern Ge-
siehtspunkt aus, als dem der Qualität des vorausgehenden
Wortes, bestimmen lasse, und ob ähnliche Stellungsgewohnbhei-
ten wie bei μὲν sieh nicht auch bei andern (etwa bedeutungs-
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 335
verwandten oder formähnlichen) Wörtern finden, bei denen an
Zusammenhang mit sma nicht gedacht werden kann.
Und da scheint mir nun bemerkenswert, dass von den
neun vereinzelten’ Fällen, wo μιν auf ein nominales Adverb
folgt, fünf (E 181. Z 173. A 419. O 160. ὃ 500) es an zweiter
Stelle des Satzes haben, und dass ferner alle von Thumb auf-
geführten Beispiele für μὲν hinter dem Verb, dem Demonstra-
tivum und den Negationen eben dasselbe zeigen. Von soleher
Stellungsregel aus wird es nun auch verständlich, warum uıv
so gern auf Partikeln und namentlich auch in Abweichung von
sma so gem auf subordinierende Partikeln folgt, und warum
es ferner auf Pronomina wesentlich nur insofern unmittelbar
folgt, als sie satzverknüpfend sind, also am Satzanfang stehen.
Oder um von anderm Standpunkt aus zu zählen, so bie-
ten die Bücher N ΠΡ, die mit ihren 2465 Versen über die
Sprache der ältern Teile der Ilias genügend Aufschluss geben
können, μιν in folgenden Stellungen: 21 mal als zweites Wort
des Satzes, 28 mal als drittes oder viertes, aber in der Weise,
dass es vom ersten Wort nur dureh ein Enklitikum oder eine
den Enklitika gleichstehende Partikel, wie δέ, yap, getrennt
ist. Dazu kommt ei καί μιν N 58 und τούνεκα καί μιν N 432,
wo καί eng zum ersten Satzwort gehört; ἐπεὶ οὔ μιν Ρ 641,
für welches die Neigung der Negationen im gleichen Satz
stehende Enklitika auf sich folgen zu lassen in Betracht kommt
(vgl. vorläufig οὔτις, οὔπω, οὔ ποτε, auch οὐκ ἄν). Endlich
P 399 οὐδ᾽ εἰ μάλα μιν χόλος ἵκοι. Wir haben also 49 Fälle,
die unserer obigen Regel genau entsprechen; 3 Fälle, die be-
sonderer Erklärung fähig sind, und nur 1 wirkliche Ausnahme.
[Aus den andern Büchern verzeichnet Monro ? 337 f. bloss noch
Γ 368 οὐδ᾽ ἔβαλόν μιν. Φ 576 εἴ περ τὰρ φθάμενός μιν ἢ οὐ-
τάςῃ, wo er μὶν streichen will. K 344 ἀλλ᾽ ἐῶμέν μιν πρῶτα
παρεξελθεῖν πεδίοιο.] Dies alles in Versen, also unter Bedin-
gungen, die es erschweren an der gemeinüblichen Wortstellung
festzuhalten. Besonders bemerkenswert ist die bekanntlich auch
sonst häufige Phrase τοῦ μιν eeicauevoc προςέφη oder Trpoce-
pwvee für τῷ ἐειεάμενος TPOCEPN μιν, wo der Drang wv an
die zweite Stelle zu setzen deutlich genug wirksam ist. Ähn-
lich in der häufigen Wendung καί μιν φωνήςεας ἔπεα πτερό-
EVTA προςηύδα, Wo μιν zu προςηύδα gehört und nicht zu φω-
vncac. Fermer beachte man Φ 347 χαίρει δέ μιν öcrıc ἐθείρῃ
336 Jacob Wackernagel,
“es freut sich, wer es (das Feld) bearbeitet”. Hier ist das
zum Nebensatz gehörige Pronomen in den Hauptsatz gezogen,
ohne dass man doch von sogen. Prolepse sprechen kann, da
das Verb des Hauptsatzes den Dativ verlangen würde. Eimzig
der Drang nach dem Satzanfang kann die Stellung des μιν
erklären.
Für den nachhomerischen Gebrauch von μιν tritt Herodot
als Hauptzeuge ein, bei dem mir ausser, auf alle Bücher sich
erstreckender, sporadischer Lektüre das siebente Buch das
nötige Material geliefert hat. Und da kann ich wenigstens
sagen, dass die Mehrzahl der Beispiele uv an zweiter oder
so gut wie zweiter Stelle zeigt, darunter so eigentümliche
Fälle, wie die folgenden: (ich zitiere hier und später nach
Steins Ausgabe mit deutschem Kommentar, deren Zeilenzahlen
in der Regel annähernd für alle Ausgaben passen) 1, 204, 7
πολλά TE γάρ μιν καὶ μεγάλα τὰ ἐπαείροντα καὶ ETTOTPUVOVTA
ἣν (uıv gehört zu den Partizipien). 1, 213, 3 &c uıv ö te
οἶνος ἀνῆκε καὶ ἔμαθε (μιν gehört blos zu ἀνῆκε). 2, 90, T ἀλλά
μιν οἱ ἱρέες αὐτοὶ οἱ τοῦ Νείλου --- θάπτουει. ὃ, 46, 11 οἱ γάρ
μιν Σελινούειοι ἐπαναςτάντες ἀπέκτειναν καταφυγόντα ἐπὶ Διὸς
ἀτοραίου βωμόν. Vel.Kallinos1,20 ὥςπερ γάρ μιν πύργον ἐν 6@-
Bakuoicıv öpwcıv, wobei ich hinzufügen möchte, dass die Elegi-
ker bis auf Theognis und diesen eingerechnet uv 12mal an zwei-
ter Stelle, nur einmal (Theognis 195) an dritter Stelle bieten.
Und dass nun dieses Drängen nach dem Satzanfang bei
αν nicht auf irgend welchen etymologischen Verhältnissen be-
ruht, geht aus der ganz gleichartigen Behandlung des enkli-
tischen Dativs οἱ ihm’ hervor, der dem Akkusativ μιν ihn’
in Bedeutung und Akzent ganz nahe steht, aber in der Laut-
form von ihm gänzlich abweicht. In den Büchern NTTP der
Hias findet sich jenes οἱ 92 mal. Umd zwar 34 mal an zwei-
ter Stelle, 55 mal an dritter oder vierter, aber so, dass es vom
ersten Wort des Satzes durch ein Wort oder zwei Wörter ge-
trennt ist, das bezw. die auf die zweite Stelle im Satz noch
srössern Anspruch haben, wie de, τε, ke. Anders geartet sind
nur fünf Stellen. TT 251 νηῶν μέν οἱ und Ῥ 215 τῷ καὶ οἵ;
wo μέν bezw. καί eng zum ersten Satzwort gehören; Ρ 153
γῦν δ᾽ οὔ οἱ und P 410 δὴ τότε γ᾽ οὔ οἱ, die dem Gesetz unter-
liegen, dass bei Nachbarschaft von Negation und Enklitikum
die Negation vorangehen muss. Daraus wäre auch PTI εἰ
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellune. 33U
δ ΞΩ
μή οἱ ἀγάεεατο Φοῖβος ᾿Απόλλων zu erklären, wenn hier nicht
die Untrennbarkeit von εἰ und un schon einen genügenden Er-
klärungsgrund böte. Man darf also wohl sagen, dass die für
μιν erschlossene Stellungsregel durchaus auch für οἱ gilt.
Diese Analogie zwischen μὲν und οἱ setzt sich bei He-
rodot fort. Es findet sich bei ihm οἱ etwa doppelt so oft an
zweiter oder so gut wie zweiter, als an anderweitiger Satz-
stelle. (Bei den ältern Elegikern scheint sich οἱ nur an zwei-
ter Stelle zu finden.)
Besonders beachtenswert ist nun aber, dass diese Stel-
lungsgewohnheit oft bei Homer und fast noch häufiger bei He-
τοσοῦ (vgl. Stein zu 1, 115, 8) dazu geführt hat, dem οἱ eine
dem syntaktischen Zusammenhang widersprechende oder in
andrer Hinsicht auffällige Stellung anzuweisen.
1) Entschieden dativisches οἱ steht von dem regierenden
Worte weit ab und drängt sich mitten in eime am Satzanfang
stehende sonstige Wortgruppe ein. P 232 τὸ δέ οἱ κλέος ἔς-
CETAL ÖCCcoV ἐμοί περ. T 00 τῶ δέ οἱ ὀγδοάτῳ κακὸν ἤλυθε
δῖος Ὀρέετης. — Herodot 1, τῦ, 10 Θαλῆς οἱ ὁ Μιλήειος διε-
Bißace. 1, 199, 14 ἤ τίς οἱ ξείνων ἀργύριον ἐμβαλὼν ἐς τὰ
γούνατα μιχθῇ. (τὶς geht dem οἱ voran, weil es selbst ein
Enklitikum ist). 2, 108, 4 τούς TE οἱ λίθους (folgen 14 Worte)
ovToı Ncav οἱ ελκύςαντες. 4,45, 19 öcrıc οἱ ἢν ὁ θέμε-
voc (scil. τούὐύνομο). 5, 92, β ἐκ. δέ οἱ ταύτης τῆς γυναικὸς
οὐδ᾽ ἐξ ἄλλης παῖδες ἐγίνοντο. 6, 63,2 ἐν δέ οἱ χρόνῳ ἐλάς-
covı ἣ γυνὴ τίκτει τοῦτον. 7, ὃ, 14 οὗτος μέν οἱ ὃ λόγος ἢν
τιμωρός.
2) Genetivisches oder halbgenetivisches οἱ ist von seinem
nachfolgenden Substantiv durch andre Worte getrennt: A 219
τά οἵ ποτε πατρὶ φίλα φρονέων πόρε Χείρων. M 333 ὅετις
οἱ ἀρὴν ἑτάροιειν ἀμύναι. Ρ 195 ἅ οἱ θεοὶ οὐρανίωνες πατρὶ
φίλῳ ἔπορον. ὃ T6T θεὰ δέ οἱ ἔκλυεν ἀρῆς. ὃ 771 ὅ οἱ (Her-
werden Revue de philologie II 195 (ὦ!) φόνος υἷι τέτυκται.
Herodot 1, 34, 16 un τί οἱ κρεμάμενον τῷ παιδὶ Eurecn.
3) Genetivisches oder halbgenetivisches οἱ geht seinem
Substantiv und dessen Attributen unmittelbar voraus, eine bei
einem Enklitikum an und für sich unbegreifliche Stellung:
1 244 un οἱ ἀπειλὰς ἐκτελέεωει θεοί. Ρ 324 ὅς οἱ παρὰ πα-
τρὶ τέροντι κηρύεεων τήραεκε. --- Herodot 3, 14, 14 δεύτερά
οἱ τὸν παῖδα ἔπεμπε. 3, 15, 12 τήν οἵ ὃ πατὴρ εἶχε ἀρχήν.
&
CR
Jacob Wackernagel,
3, δῦ, 10 καί οἱ (καὶ 01?) τῶ πατρὶ ἔφη Σάμιον τοὔνομα TE-
θῆναι, ὅτι οἱ ὃ πατὴρ ᾿Αρχίης ἐν Σάμῳ ἀριετεύςεας ἐτελεύ-
τήςε. — Allerdings findet sich diese Wortfolge bei Herodot
auch so, dass οἱ dabei nicht an zweiter Stelle steht, z. B. 1,
60, 8 εἰ βούλοιτό οἱ τὴν θυγατέρα ἔχειν τυναῖκα. Aber ich
glaube, die Sache liegt so: weil das an zweiter Stelle stehende
οἱ so oft ein regierendes Substantiv hinter sich hatte, kam es
auf, auch mitten im Satz οἱ dem regierenden Substantiv un-
mittelbar vorausgehen zu lassen.
4) Genetivisches oder halb genetivisches οἱ steht zwischen
dem ersten und zweiten Glied des regierenden Ausdrucks,
auch dies eine für ein Enklitikum an sich auffällige Stellung.
a) Zwischen Präposition nebst folgender Partikel und Artikel:
Herodot 1, 108, 9 ἐκ γάρ οἱ τῆς ὄψιος οἱ τῶν μάγων ὀνειρο-
πόλοι ἐςήμαινον. b) Zwischen Artikel nebst folgender Partikel
und Substantiv: Β 211 tw δέ οἱ ὥμω κυρτώ. N 616 τὼ δέ
οἱ ὄεςε χαμαὶ πέςον. Ρ 695 -- Ψ 396 τὼ δέ οἱ ὄςεςε δακρυόφιν
πλῆςεθεν. Ähnlich = 438, O 001, T 365 und mehrfach in der
Odyssee. W392 αἱ δέ οἱ ἵπποι ἀμφὶς ὁδοῦ dpauernv. Ψ 00 αἱ
δέ οἱ ἵπποι ὑψός᾽ ἀειρέεθην. --- Herodot 1, 1, 19 τὸ δέ οἱ οὔνομα
εἶναι --- Ἰοῦν. Ὁ, ὃ, 10 τῶν δέ οἱ παίδων τὸν πρεςεβύτερον εἰπεῖν.
3, 48, 14 τόν τέ οἱ παῖδα ἐκ τῶν ἀπολλυμένων εώζειν. 9, 129,
D ὃ γάρ οἱ ἀετράγαλος ἐξεχώρηςε ἐκ τῶν ἄρθρων. ὃ, 95, 4 τὰ
δέ οἱ ὅπλα ἔχουει ᾿Αθηναῖοι. 6, 41, T τὴν δέ οἱ πέμπτην τῶν
νεῶν κατεῖλον διώκοντες οἱ Φοίνικες. — Ebenso (die ionischen
Diehter: Archilochus 99, 2 Bgk. ἢ δέ οἱ κόμη ὥμους KATECKIALE
καὶ μετάφρενα. 91, 1 ἣ δέ οἱ ςάθη — ἐπλήμμυρεν. ὁ) Zwischen
Artikel und Substantiv: Herodot 1, 82, 41 τῶν οἱ ευλλοχιτέ-
ὧν διεφθαρμένων. ὃ, 155, 4 τῶν οἱ εἰτοφόρων ἡμιόνων μία
ἔτεκε.
Parallelen hiezu lietern auch die nicht ionischen nachho-
merischen Dichter, für «die οἱ emen Bestandteil des traditio-
nellen poetischen Sprachguts bildet. Ich bringe, was mir ge-
rade vor die Augen gekommen ist. Zu 1) gehört Pindar Pyth.
2, 42 ἄνευ οἱ Χαρίτων τέκεν τόνον ὑπερφίαλον. Euphorion
Anthol. Palat. 6, 278, 3 (= Meineke Analeeta Alexandrina 5. 164)
ἀντὶ δέ οἱ πλοκαμῖδος ἑκηβόλε καλὸς ἐπείη Wyxapviidev dei
κιςςὸς ἀεξομένῳ. --- Zu 2) Theokrit 2, 198 ἐγὼ δέ οἱ ἁ τα-
χυπειθὴς χειρὸς ἐφαψαμένα (vel. Meineke zu 7, 88). — Zu
1) oder zu 2) Sophokles Aias 907 ἐν γάρ οἱ χθονὶ πηκτὸν
Uber ein Gesetz der indogermanischen W ortstellung. 339
τόδ᾽ ἔγχος περιπετὲς κατηγορεῖ. --- Zu 3) Europa 41 ἅτε οἱ
αἵματος Eckev. --- Zu 4) Sophokles Trachin. 650 ἁ δέ οἱ φίλα
δάμαρ τάλαιναν δυετάλαινα καρδίαν πάγκλαυτος αἰὲν ὥλλυτο.
Die Inschriften der οἱ anwendenden Dialekte sind uner-
giebig. Für die Doris liefern nur die epidaurischen reichere
Ausbeute, und diese gehören bekamntlich in eine verhältnis-
mässig späte Zeit. Ich zähle in No. 3339 und 3340 Collitz
vierzehn oi an zweiter, acht οἵ an anderweitiger Stelle. Die
wenigen nicht-dorischen Beispiele, die ich zur Hand habe,
fügen sich sämtlich der Regel. Tegea 1222, 35 Coll. un οἱ
ἔετω ἴνδικον. Kypros 59, 3 Coll. ἀφ᾽ ὦ For τὰς εὐχωλὰς ἐπέ-
τυχε oder ἐπέδυκε (vgl. Meister Griech. Dial. II 148. Hoff-
mann I 67 f.). id. 60, 29 Coll. avocija Foı γένοιτυ-
Nun könnte es aber jemand trotz alledem bemerkenswert
finden, dass Thumb jene eigentümliche, angeblich an die Stel-
lung von sma im Veda erinnernde Stellungsgewohnheit bei
μιν hat aufdeeken können, und könnte geneigt sein, doch noch
dahinter irgend etwas von Bedeutung zu vermuten. Um dar-
über Klarheit zu schaffen, scheint es am richtigsten, die von
Thumb für μὲν gegebene Statistik am Gebrauch von οἱ in
NTTP zu messen. Thumb 1°: “in 68°/, sämtlicher Fälle steht
μιν hinter einer Partikel”; οἱ m 66 von 92 Fällen, also in
72°/, (33mal hinter δέ, wie δέ auch vor μιν am häufigsten
vorkommt; daneben in absteigender Häufigkeit hinter ἄρα, pa,
Kal, γάρ, οὐδέ, τε, ἔνθα, ἀλλά, N, μέν, πως, τάχα). — Thumb 1P:
“in 10°/, steht μιν hinter einer subordinierenden Konjunktion”;
Οἵ viermal (hinter öfr)rı, ἐπεί, ὄφρα), also nur m 450; eine
Differenz, die um so weniger ins Gewicht fällt, als Thumb für
diese Kategorie eine Abweichung des μιν von sma konstatie-
ren muss, da sma solche Stellung nicht liebt. — Thumb 2:
“μιν niemals unmittelbar hinter Präpositionen (im Gegensatz
zu sma!)”; οἱ auch niemals. — Thumb 3: “ob μιν, un μιν in
15 von 600 Beispielen”, also in 21/,0/,”; οὔ οἱ, un οἱ in 3 von
92 Beispielen, also in 31/,°/,.. — Thumb 4: “μιν hinter Prono-
mina sehr häufig”, : wie es scheint ea. 100 mal oder 16?/3%/o;
οἱ auch häufig, nämlich 17 mal, also in 181/,%/,. — Thumb
ὃ und 6: “μιν hinter Verbum und nominalen Wörtern m ὅσ Ὁ
oi hinter aimu N 317, αἵματι P 5l, also in 2%,-
Die Thumbschen Beobachtungen gelten also gerade so
gut für οἱ wie für μιν. Οἱ findet sich hinter denselben Wör-
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 92)
Pe)
40 Jacob Wackernagel,
tern wie μιν und hinter diesen fast genau mit derselben Häu-
figkeit wie μιν. Wir haben es also bei dem, was Thumb für
μιν nachweist, nicht mit irgend etwas für μὲν Partikulärem zu
thun, sondern mit emer, uwv und Οἱ gemeinsamen Konsequenz
des Stellungsgesetzes, das ihnen beiden die zweite Stellung
im Satz anweist.
Wenn so der Herleitung des μὲν aus sm/(a)-im der Haupt-
stützpunkt entzogen ist, so wird dieselbe geradezu widerlegt
durch das Fehlen jeder Wirkung des angeblich ehemals vor-
handenen Anlautes sm-; man müsste doch bei Homer gele-
gentlich δέ μιν als Trochäus (oder Spondeus), ἀλλά μιν als
Antibaechius (oder Molossus) erwarten; Thumb schweigt sich
über diesen Punkt aus. Dazu kommt eine weitere Erwägung.
Entweder ist die Zusammenrückung von sma und im, welche
μιν ergeben haben soll, uralt. Dann ist das Vergessen der
ursprünglichen Funktion von sma in der Anwendung von μιν
begreiflich, aber man müsste entsprechend altindischem *smem
griechisch *(cJuoıv erwarten. Oder die Zusammenrückung hat
nicht lange vor Homer stattgefunden, in welchem Fall die
Anwendung des spezifisch griechischen Elisionsgesetzes, also
die Reihe ua iv — μ᾽ iv — μιν, begreiflich wird: dann versteht
man nicht den völligen Untergang der Funktion von (c)ug,
die Behandlung von uv ganz in Weise einer gewöhnlichen
Pronominalform, zumal ja im Thessalischen in der Bedeutung
“aber” eine Partikel ua vorkommt, deren Gleiehsetzung mit
altind. sma allerdings bestreitbar ist.
Noch weniger glücklich schemt mir Thumbs Erklärung
les dorischen νιν aus na-im, da mir hier unüberwindliche
lautliche Schwierigkeiten entgegenzustehen scheinen. Denn
wenn er bemerkt: “dass auslautendes #, wie im Altindischen
(z. B. kö ne dtra) vor Vokal unter gewissen Bedingungen
ehemals als Konsonant (u) gesprochen wurde, darf unbedenk-
lich angenommen werden”: und sich hierfür auf Fälle wie
πρός aus profi, εἰν aus eni, ὑπείρ aus Ayperi ( = altind.
upary neben upari), lesb. πέρρ- aus peri- beruft, in denen ὦ
für 2 in die Zeit der indogermanischen Urgemeimschaft hinauf-
reiche, so ist dabei übersehen, dass nicht alle auslautenden
-i, -a auf gleiche Linie gestellt werden dürfen. Im Rigveda
findet sieh Übergang von -i, -u zu -y, τὸ in etweleher Häufig-
keit gerade nur bei der Wortklasse, bei der das Griechische
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 341
Reflexe solehes Übergangs zeigt, nämlich bei den zweisilbigen
Präpositionen, wie abhi, prati, anu, pari, adhi; sonst ausser
dem jüngern X. Buch und den Välakhilyas nur ganz sporadisch,
bei Einsilblern nur in der Zusammensetzung avyustäh 2,28,9,
und dann in »y alipsata 1, 191, 3, also in einem anerkannt
späten Liede (Oldenberg Rigveda S. 1438 Anm.). Und spe-
ziell nu (ähnlich wie «) entzieht sich solehem Sandhi durch-
aus, wird umgekehrt öfters lang und sogar mit Zerdehnung
zweisilbig gemessen. Und selbst wenn wir auch trotz alle
dem urgriechisches νειν, woraus dorisch νιν, "hinter vokali-
schem Auslaut konstruieren könnten, so bliebe ein postkonso-
nantisches vıv doch unverständlich; eine Entwicklungsreihe
ὅς vu iv, ὅς νι τιν, ὅς νιν lässt sich gar nicht denken.
Wenn übrigens Thumb S. 646 andeutet, dass die Stel-
lung von vıv im Satz keine speziellen Analogieen mit derjeni-
gen von altind. »au, griech. vu aufweise, und dies mit dem
geringern Alter der vıv bietenden Sprachquellen (Pindars und
der Tragiker) entschuldigt, so ist allerdings wahr, dass diese
Autoren nicht bloss aus chronologischen Gründen, sondern auch
wegen der grössern Künstlichkeit ihrer Wortstellung kein so
reinliches Resultat für vıv liefern können, wie Homer und
Herodot für μιν. Aber man wird doch fragen dürfen, ob nicht
gewisse Tendenzen zu erkennen sind. Und da ist zu konsta-
tieren, dass an 30 unter 47 äschyleischen Belegstellen νιν dem
für μὲν und οἱ eruierten Stellungsgesetz folgt, und zwar, was
vielleicht beachtenswert ist, an 5 unter 7 in den Persern und
den Septem, an 21 unter 32 m der Orestie, in 2 unter 5 im
Prometheus. Etwas ungünstiger ist das Verhältnis bei So-
phokles, wo von 81 Belegstellen 47 vıv an gesetzmässiger,
34 an ungesetzmässiger Stelle haben. Zu ersterer Klasse ge-
hören die Fälle von Tmesis: Sophokles Antig. 432 εὺν δέ νιν
θηρώμεθα. 601 κατ᾽ αὖ νιν φοινία θεῶν TWV νερτέρων ἀμᾷ
κοπίς. Übrigens ist eine Empfindung dafür, welches die eigent-
liche Stellung von vıv sei, auch sonst lebendig. Vgl. Aristoph.
Acharn. 775, besonders aber Eurip. Medea 1258 ἀλλά νιν, ὦ
φάος dioyevec, kateipre. Helena 1519 τίς δέ νιν ναυκληρία
ἐκ τῆςδ᾽ ἀπῆρε χθονός. Iphig. Aul. 615 ὑμεῖς δὲ, νεάνιδές,
vıv ἀγκάλαις ἔπι δέξαεθε. Bacch. 30 ὧν νιν οὕνεκα κτανεῖν
Ζῆν᾽ ἐξεκαυχῶντί(ο). — Dazu Theokrit. 2, 103 ἐγὼ δέ νιν ὡς
ἐνόηςα. 6, 11 τὰ δέ νιν καλὰ κύματα φαίνει. Höchst bemer-
342 Jacob Wackernagel,
kenswert ist endlich die kürzlich von Selivanov in den athen.
Mitteil. XVI 112 ff. herausgegebene alte rhodische Inschrift
caua TÖLZ ᾿Ιδαμενεὺς toinca ἵνα κλέος ein‘ Ζεὺς δέ νιν ὅςτις
πημαίνοι, λειώλη θείη, wo das νιν syntaktisch zu πημαίνοι ge-
hört, also mit dem oben 8.552 f. erwähnten μιν in ® 347 χαί-
ρει δέ μιν ὅςτις ἐθείρῃ aufs genaueste zusammenstimmt.
Diese wesentliche Übereinstimmung von vıv und μιν in der
Stellung wirft Thumbs ganze Beweisführung nochmals um.
Eines gebe ich ihm allerdings zu, dass u-ıv, v-ıv zu teilen und
Ἐν der Akk. zu lat. ös, und das sowohl die Annahme zugrunde
liegender Reduplikativbildungen *iwıu, *ıvıv, als die Annahme
in μιν, νιν enthaltener Stämme wmi-, ni- verkehrt ist. Mir
scheint es, bessere Belehrung vorbehalten, am emfachsten u-,
v- aus dem Sandhi herzuleiten. Wenn es nebeneinander hiess
αὐτίκα-μ-ιν (aus -Amm im) und αὐτίκα μάν, Apa-u-ıv und ἄρα
μάν, pa-u-ıv und pa μάν (falls man für den Auslaut von ἄρα,
pa labiale Nasalis sonans annehmen darf), so konnte wohl
auch ἀλλά uv neben ἀλλὰ μάν sich einstellen und uw allmäh-
lich weiterwuchern; ἀλλά μιν: αὐτίκα μιν — μηκέτι : οὐκέτι.
In ähnlicher Weise kann das v- von vıv auf auslautender den-
taler Nasalis sonans beruhen. Vgl. Kulıns Zeitschr. XXVIII 119.
121.125 über ἄττα aus ττα, οὕνεκα aus ἕνεκα und Verwandtes,
sowie auch das prakritische Enklitikum m-iva, mmira für sanskr.
iva, dessen m natürlich aus dem Auslaut der Akkusative und
der Neutra stammt (Lassen Institut. S. 370). Weiteres Tobler
Kuhns Zeitschr. XXIII 423, G. Meyer Berliner philolog. Wochen-
schrift 1885 5. 943 f., Ziemer ibid. 5. 1371, Schuchardt Litt.
Blatt für rom. Philologie 1887 Sp. 181, Thielmann Archiv
für lat. Lexikogr. VI 167 Anm.
IT.
Die Vorliebe von μιν, νιν, οἱ für die zweite Stelle im
Satz gehört nun aber in einen grösseren Zusammenhang hin-
ein. Bereits 1877 hat Bergaigne Mcmoires de la Societe de
Linguistique III 177. 178 darauf hingewiesen, dass die enkli-
tischen Pronominalformen überhaupt "se placent de preterenee
apres le premier mot de la proposition.” Er führt als Belege
an A 75 ὃ εφιν EU φρονέων Ayopncato καὶ μετέειπεν. A 120
ὅ μοι τέρας ἔρχεται ἄλλῃ.
Diese Beobachtung bestätigt sich, sobald man antängt
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 949
Beispiele zu sammeln. In den von mir zugrunde gelegten
Büchern NTTP findet sich, um im Anschluss an μιν, νιν, οἱ
mit dem Pronomen der dritten Person zu beginnen, € viermal,
allemal an zweiter oder möglichst nahe bei der zweiten Stelle
(ich werde im folgenden diesen Unterschied nicht mehr be-
rüeksichtigen). cpı[v) zwölfmal, und zwar elfmal regelmässig,
regelwidrig nur P 756 ἐπὶ δὲ πτόλεμος τέτατό εφίν (beachte
auch K 559 τὸν δέ εφιν ἄνακτ᾽ ἀγαθὸς Διομήδης ἔκτανε, WO
cpıv sich in die Gruppe τὸν δὲ ἄνακτα eingedrängt hat). coıcı(v)
sechsmal, immer regelmässig. cgeac in P278 μάλα γάρ cpeac
DK ἐλέλιξεν. cpwe P 91 εἰ un cpw’ Αἴαντε διέκριναν UEUAWTE.
Aus dem sonstigen homerischen Gebrauch sei das hyperthe-
tische καί εφεας φωνήςας ἔπεα πτερόεντα προςηύδα angeführt.
Ebenso in der zweiten Person: ceo, cevu findet sich fünf-
mal, allemal an zweiter Stelle (weitere Beispiele s. unten);
τοι (bei dem ich aus naheliegenden Gründen die Fälle, wo
es als Partikel gilt, mit einrechne, jedoch ohne ἤτοι, ἤτοι) findet
sich 47 mal, und zwar 45 mal der Regel gemäss, nur zwei-
mal anders: N 582 ἐπεὶ οὔ τοι ἐεδνωταὶ κακοί εἰμεν, und TI
449 ἀτὰρ οὔ τοι πάντες ἐπαινέομεν θεοὶ ἄλλοι. An beiden
Stellen hat die schon früher besprochene Tendenz der Nega-
tionen die Enklitika an sich anzulehnen die Hauptregel durch-
kreuzt. — ce findet sich 21 mal, davon 19 mal nach der Regel,
zweimal anders: TT 623 εἰ καὶ erw ce βάλοιμι, und P 171
ἢ τ᾽ ἐφάμην ce.
Ebenso in der ersten Person: weu findet sich N 090.
P 29, an beiden Stellen zunächst dem Satzanfang; μοι findet
sich mit Einreehnung von ὦμοι 32 mal, davon 27 mal der
Regel gemäss, wozu als 28. Beleg wohl P 97 ἀλλὰ rin μοι
ταῦτα φίλος διελέξατο θυμός gefügt werden darf. Abweichend
sind TT.112 ἕεπετε νῦν μοι (ἕεπετέ νύν wor? bei welcher
Schreibung diese Stelle zu den regelmässigen Beispielen ge-
hören würde). Τ 238 ἠδ᾽ ἔτι καὶ νῦν μοι τόδ᾽ ἐπικρήηνον ἐέλ-
δωρ. ΤῸ 523 ἀλλὰ εὖ πέρ μοι ἄναξ τόδε καρτερὸν ἕλκος
ἄκεςςαι. ΤΙ δῦ αἰνὸν ἄχος τό μοί ecrıv, Ausnahmen, die weder
dureh ihre Zahl noch durch ihre Beschaffenheit die Regel er-
schüttern können, während umgekehrt eine Stelle wie T 287
ἸΠάτροκλέ μοι δειλῇ πλεῖετον Kexapıcueve θυμιὼ, wo der Anschluss
von μοὶ an einen Vokativ schon den Alten auffiel, einen Be-
leg für die durchgreifende Gültigkeit der Regel liefert. Ähn-
944 Jacob Wackernagel,
lich auffällig ist μοι nach ἄλλ᾽ Are: a 169 ἀλλ᾽ ἄγε μοι τόδε
εἰπέ. — Endlich με findet sich 15 mal, immer nach der Regel.
[Ausnahmen aus den andern Büchern bespricht Monro ? 336 ff.,
z. T. mit Änderungsvorschlägen.]
Auch ausserhalb Homers lassen sich Spuren der alten
Regel nachweisen. So bei den Elegikern bis Theognis (mit
Einschluss desselben), die ue 42 mal an zweiter, mal an
späterer; μοι 36 mal an zweiter, Ὁ mal an späterer; ce 27 mal
an zweiter, 6 mal an späterer Stelle zeigen. So ferner auch
in den von Homer weniger als die Elegiker abhängigen dia-
lektischen Denkmälern. Denn wenn die Arkader ihr coeic
ziemlich frei gestellt zu haben scheinen, so stimmt um so
besser der dorische Akkusativ tu: Fragm. Iyr. adesp. 43 A
(poeta Iyr. gr. ed. Bergk ὃ ἢ, 5. 101) καί τυ φίλιππον ἔθηκεν.
Epicharm bei Athen. 4,159 Β ἐκάλεςε τάρ τύ τις; Soplron bei
Apollonius de pron. 68 B τί τυ eywv ποιέω; Aristoph. Acharn.
130 ἐπόθουν TU ναί τὸν φίλιον ἅπερ ματέρα. Dazu der (von
Ahrens II 255 nicht erwähnte) dorische Orakelspruch bei
Stephanus Byz. 73,14 M. (aus Ephorus) ποῖ τυ λαβὼν (ἄξω»
καὶ ποῖ τυ καθίξω und die Mehrzahl der ungefähr dreissig
theokriteischen Beispiele, darunter bemerkenswert 5, 74 un τύ
τις Hpwrn (= att. uNTIc ce eipWra), wo unrıc dureh tu ent-
zwei gesprengt ist, und 1, 82 ἁ δέ TU κώρα πάςας ἀνὰ κράνας,
πώντ᾽ ἄλεεα ποςεὶ φορεῖται ζατεῦς(α), wo das von Bruneck aus
dem best überlieferten aber unmetrischen Ttoı sicher herge-
stellte τὸ als Akkusativ zu Zateüca gehört, aber weit davon
abstehend ἁ und κώρα von einander trennt. (Die einzige Stelle
des Kallimachus epigr. 47 (46), 9 οὐδ᾽ ὅςον ἀττάραγόν TU
dedoikauec, widerspricht der Regel.) Höchst beachtenswert ist
endlich das einzige inschriftliche Beispiel, das ich zur Hand
habe: Collitz 3339, 10 (Epidauros) αἵ τύ κα ὑγιῆ ποιήσω (—
att. ἐάν ce ὑγιᾶ m.), wo tu zwischen die sonst eng verbun-
dienen Partikeln αἱ und κα getreten ist. Das einzige abwei-
ehende Beispiel der vor-alexandrinischen Zeit, Sophron bei
Apollon. de pron. 75 A οὐχ ὁδεῖν Tu ἐπίκαζε, kann, solange die
Lesung nieht sicher gestellt ist, nicht ins Gewicht fallen.
Ganz nahe zu Homer stellen sich ferner die äolischen
Diehter. Ich zähle in deren Fragmenten, die ich nach Bergks
Poetae Iyriei, 4. Aufl., zitiere, 38 (oder je nach der Schrei-
bung von Sappho fragm. 2, 7 und fragm. 100 — siehe gleich
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 345
nachher 36) Belege der enklitischen Formen des Personal-
pronomens. 30 folgen der homerischen Regel, darunter sämt-
liche sicheren (12) Beispiele von ue und sämtliche 10 Beispiele
von μοι. Abweichend ist roı dreimal (Sappho 2, 2. 8. 70, 1)
und ce einmal (Sappho 104, 2). Bleiben drei Stellen mit be-
strittner Lesung, deren handschriftliche Überlieferung ich zu-
nächst hersetze: Sappho 2, T ὡς γάρ c ἴδω βροχεώς με φωνὰς
οὐδὲν ET εἴκει, Sappho 43 ὅτα πάννυχος Acpı κατάγρει, endlich
Sappho 100 nach dem volleren Wortlaut bei Choirikios (Oeu-
vres de Charles Graux II 97) .... ce τετίμηκεν ἐξόχως ἣ ᾿Αφρο-
δίτη. An der ersten wird nun die von Ahrens vorgeschlagene,
von Vahlen in seiner Ausgabe der Schrift περὶ ὕψους (Kap.
10, 2) gebilligte Lesung ὥς ce γὰρ «ἴδω, βροχέως με φώνας
κτέ. nur um so wahrscheinlicher und Seidlers von Bergk und
Hiller gebilligte Versetzung des ce hinter Bpoxewc und Strei-
chung des μὲ nur um so unwahrscheinlicher. Für die zweite
Stelle kann ich nun noch bestimmter die KZ.XXVIIT 141 gefor-
derte Lesung ὅτά cpı πάννυχος κατάγρεις als notwendig be-
zeichnen. Und an der dritten Stelle ergiebt sich nun Weils
von Hiller (Antholog. Iyr. fragm. 97) rezipierte Schreibung
τετίμακ᾽ ἔξοχά «ε΄ ᾿Αφροδίτα als. entschieden unwahrscheinlich.
So kommen wir durch Addition der 50.obigen Fälle,
des ce und μὲ bei Sappho 47 und des cpı für dcpı bei Sappho
45 auf 35 regelrechte Beispiele gegenüber 4 regelwidrigen und
einem (Sappho 100), wo die Überlieferung uns im Stich lässt
und wir nieht einmal wissen, ob wir es mit einem Enklitikum
zu thun haben. Ganz ausser Rechnung fällt Ale. 68, wo
manche nach Bekker πάμπαν δὲ τυφὼς ἔκ ς᾽ ἕλετο φρένας
schreiben, aber hinter ἐκ vielmehr δ᾽ überliefert ist; vgl. was
Bergk gegen Bekkers Schreibung bemerkt.
An mancher jener 33 Stellen werden obendrein durch
das enklitische Pronomen Wortgruppen durchschnitten: Artikel
und Substantiv Sappho 2,13 @ δέ μ᾽ ἰδρὼς κακχέεται. 118, ὃ
Αἰθοπίᾳ με κόρᾳ Λατοῦς ἀνέθηκεν 'Apicra. Attribut und Sub-
Stantiv Sappho 34, 1 εμίκρα μοι πάϊς ἔμμεν ἐφαίνεο κἄχαρις.
Präposition und Verba Alcaeus 95 ἔκ μ᾽ ἔλαεας ἀλγέων. Vel.
auch Sappho 2, Ὁ τό μοι μάν und 2, 7 ὥς ce γάρ, Wo μάν
und yap auf die Stelle hinter τό, bezw. ὡς Anspruch gehabt
hätten. Ebenfalls beachtenswert sind die Fälle, wo das Pro-
nomen in sonst auffälliger Weise von den Wörtern abgetrennt
346 Jacob Wackernagel,
ist, zu denen es syntaktisch gehört: Sappho 1, 19 tie c, w
Ψάπφ᾽ adırne. 104, 1, τίῳ ς΄, ὦ φίλε Yaußpe, κάλως ἐϊκάεδω.
SS τί με TTavdiovıc ὥραννα χελίδων. An einen satzeinleitenden
Vokativ ist μοὶ angelehnt Sappho 45 ἄγε δὴ, xeAu dia, μοι
pwvdecca τένοιο. Endlich verweise ich auf Sappho 6 ἤ ce
Κύπρος ἢ Πάφος N TTavopuoc.
Allgemein üblich ohne Unterschied der Dialekte ist es,
das archaische (Klein Die griechischen Vasen mit Meister-
sigenaturen 5 S. 15) μὲ mn Weih- und Künstlerinschriften
gleich hinter das erste Wort zu setzen. Es wird dienlich sein,
die Beispiele vollständig zusammen zu stellen.
Ich beginne mit u ἀνέθηκε: Attika Üorpus inscript.
att. 4°, 373, 8T -ıTöc u’ ἀνέθηκεν: 373, 90 ’Ovncıuög u’ Ave-
θηκεν ἀπαρχὴν τἀθηναίᾳ ὃ Σμικύθου υἱός. 919, 120 [ὃ δεῖνα]
μ΄ ἀνέθηκεν δεκάθην (sie!) ᾿Αθηναίᾳ. Inseript. graecae antig. 1
(attisch oder euböisch) Znuwvidnc μ᾽ ἀνέθηκεν. Vel. 375, 100
[Στρόγ]γυλός. u ἀνέθηκε, wo jedoch ein Dativ vorausgeht.
Vielfach auch in Versen (obwohl hier natürlich Gegenbei-
spiele nicht fehlen: CIA. 1, 343. 374. 42, 373, 831 u. s. w.):
CIA. 1, 349 -θάνης μ᾽ ἀνέθηκεν "Adnvalalı πολιούχψ! 352
Ἰφιδίκη μ᾽ ἀνέθηκεν, 4? 375, 85 ᾿Αλκίμαχός μ᾽ alvednke|.
375, 909. Τίμαρχός μ΄ ἀνέθηκε Διὸς κρατερόφρονι κούρῃ. 919,
215 (Vgl. Studnitzka Jahrbuch des archäol. Instituts II (1881)
145) Nnciadnc κεραμεύς με καὶ ᾿Ανδοκίδης ἀνέθηκεν. 319, 216
ΤΤαλλάδι u ἐγρεμάχᾳ Διονύειοίς τόϊδ᾽ ἄγαλμα criice Κολοίου
παῖς [εὐξάμενος δεκάτην. 373,218 ἀνέθηκε δέ μ᾽ Εὐδίκου υἱός.
Inschrift von der Akropolis ed. Foucart Bull. de Corresp. hellen.
13, 160 [ἜἝρμό τ ]δωρός u’ ἀνέθηκεν ᾿Αφροδίτῃ δῶρον ἀπαρχήν.
— Böotien: Insehriftnach Reinach behandelt von Kretschmer
Hermes XXVI 123 ff. Τιμαείφιλός μ᾽ avedeıke τὠπόλλωνι τοῖ
Πτωεῖι ὃ TTpaölkeıoc. — Korinth (von hier an scheide ich
die poetischen und die prosaischen Inschriften nicht mehr):
IGA. 20, τ Σιμίων μ᾽ ἀνέθηκε Tloradarwvlı Favarrıl. 20, ὃ
-wv μὴ ἀνέθηκε Tloreidavı Ἐάν[ακτι] 20, 9 (= 1 = 1])
Φλέβων μ᾽ ἀνέθηκε TToteidälvıl. 20, 42 Δόρκων μ᾽ avednklel.
20, 43 Ἴγρων μ᾽ ἀν[έθηκε!. 20, 41 Κυλοίδας μ᾽ ἀνέθηκε. 20, 48
Εὐρυμήδης u’ ἀνέθηκε. 20, 49 Λυειάδας μ᾽ [ἀνέθηκε]. 20, 85
μ᾽ ἀνέθ[ηκε]. 20, 87 und 89 -c μ᾽ ἀνέθηκε. 20, 813 — με
ἀνέθ(η)κε τῶ. 20, 94 --- u’ ἀνέθηκε. 20, 102 [ΠΊ]έριλός μ᾽ —.
Korkyra: IGA. 341 3187 Collitz) Λόφιός μ᾽ ἀνέθηκε.
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 941
-- Hermione: Kaibel 926 [ΠΠαν]τακλῆς μ᾽ ἀνέθηκεν. --- Kyra
bei Aegina: Inschrift ed. Jamot Bull. Corr. hellen. 12, 186 οἱ
φρουροί μ᾽ alvedecav?| — Lakonien: IGA. 62? (S. 174)
TTAeıcriadac μ᾽ ἀνέθηκε! Διοεκώροιειν ἄγαλμα]. — Naxos:
IGA 407 Νικάνδρη μ΄ ἀνέθηκεν ἑκηβόλῳ ἰοχεαίρῃ. 408 Δεινα-
γόρης μ᾽ ἀνέθηκεν ἑκηβόλῳ ᾿Απόλλωνι. Im Delos gefundene
Insehrift ed. Homolle Bull. Corresp. hellen. 12, 404 f. Εἰ(θ)υ-
καρτίδης μ᾽ ἀνέθηκε ὁ Νάξιος moincac. — Samos: IGA. 584
Χηραμύης μ᾽ avedin)kev τἤρῃ ἄγαλμα. Köhl ergänzt am An-
fang [Ἐνθάδε] und bemerkt: “Primam vocem versus hexametri
utrum is qui inscripsit an is qui deseripsit titulum omiserit,
nune in medio relinguo”. Sicher weder der eine noch der
andere. Nieht der Urheber der Abschrift: Dümmler bemerkt
mir, dass der von ihm gesehene Abklatsch keine Spur einer
vor Χηραμύης einst vorhandenen Wortes aufweise. Aber auch
nicht der Steinmetz: weder der Sinn noch, wie man nun besser
als vor zehn Jahren weiss, das Metrum verlangen eine Er-
gänzung; und die Stellung des μὲ schliesst ein solche aus. —
Kalymna: Kaibel 778 Νικίας με ἀνέθηκεν ᾿Απόλλωνι υἱὸς
Θραευμήδεος. --- Kypros: Inschrift bei Hoffmann Die griech.
Dialekte 1, 85 No. 165 [---ἰ μ᾽ alve)önkav τῷ ᾿Απόλί(λ)ωνι.
Kaibel 794 (1. Jahrhundert n. Ch.) [Kexpo|miönc μ᾽ ἀνέθηκε.
— Achäisch (Grossgriechenland) : IGA. 545 Kuvickoc με
ἀνέθηκεν ὥρταμος «ἐέργων δεκάταν. — Syrakus: Inseriptiones
Graecae Sieiliae ed. Kaibel 5 ᾿Αλκιάδης μ᾽ [ἀνέθηκεν]. ---
Naukratis: Naukratis I by Flinders Petrie (die Inschriften
von Gardner ὃ. 60—63) No. ὃ Tlapuevwvu (sie!) με ἀνέθηκε
τὠππόλλωνι (sie). 24 -c με ἀϊνέθηκε!. 80 -- μ᾽ ἀνέθηκεν
τὠπολλων[1]. 114 -wv μ[ε ἀνέθηκε. 137 -c μ᾽ ἀνέθηκε]. 177
ΤΙρώταρχός με [ἀνέθηκε τ|ἰὠπόλλωνι. 186 [Π|]ρώταρχός με
ἀνέθηκ[ε]. 202 [ὃ δεῖνα] με ἀνέθηκε. 218 Φάνης με ἀνέθηκε
τὠπόλλων]ι τῷ Μι]ληείῳ ὃ Γλαύκου. 220 Χαριδίων με ἀνέθηκε].
223 [Πολύ]κεετός μ᾽ ἀνέθηκε τί ὠπόλλωνι]. 235 Σληύης μ᾽ ἀνέ-
θηκε τὠπόλλωνι. 237 [Χ]αρ(όγφης με ἀνέθηκε τἀπόϊλλωνι TW
Mlıkaciw. 255 -nc u’ ἀνέθηκε. 259 -c wu’ ἰνέθηκε!: 326
Να[ύπλι]ός με [ἀνέθηκε. 327 -δης μ᾽ ἀνέθηκε τὠπόλλωνι. 446
-ς με ἀνέ[θηκεν]. id. vol. II (by Gardner) S. 62—69: Νο. 10]
Σώεςτρατός μ᾽ ἀνέθηκεν TNPpodim. 709 -oc μ᾽ ἀνέθηκε τῆ]ι
᾿Αφροδίτῃ] ἐπὶ τῆ —. {11 Kaiköc μ᾽ [ἀνέϊθηκεν. 720 -opoc μ᾽
ἀν[έθηκεν! 722 Mucöc μ᾽ ἀνέθηκεν "Ovouarpıtov. 7123 "Acoc
48 Jacob Wackernagel,
u’ ἀνέθηκεν. 734 -va& μ᾽ [ἀνέθηκεν]! 736 -wv με ἀν[έθηκεν].
138 [ὃ δεῖνα] μ᾽ ἀνέθηκεν ᾿Αφροδίτῃ (7). 742 -ηιλός μ᾽ ἀνέ-
θηκεν. 748 Ἑρμηςειφάνης μ΄ ἀνέθηκεν τὐφροδίτῃ. 770 -unc
με ἀν[έθηκε τἠφροδίτηι|. {1 Χάρμ[η]ς με [ἀνέθηκεν! 775
[Κ]Ἰλεόδηιιος με ἀϊνέϊθηκε τῇ ᾿Αἰφροδίτῃ!. ἴτ0---ττῖ Χάρμης
με ἀνέθηκε τἠφροδίτῃ (bezw. τῇ ᾿Α.) εὐχωλήν. 778 Ροῖϊκός μ᾽
ἀνέθηκε τῇ ᾿Αφρ]οδίτῃ. 780 Φιλίς μ᾽ ἀνέθηκε τ[ῇ ᾿Αφρ]οδί[τῃ!.
181 Θούτιμός με ἀνέθηκ[εν]. 785 [ὃ δεῖνα! μ᾽ ἀν[έθηκε τῇ
’Applodirn. 794 ΤΤολύερμός u’ ἀν[έθηκε] τῇ ᾿Αφροδίτῃ. 799 ᾽Ωχί-
λος μ᾽ ἀνέθηκε. 817 [ὃ δεῖνα] καὶ Χ[ρυςε]όδωρός με ἀνέθηκαν].
δΤ1Ὸ [Alaxpı[tölc μ᾽ ἀνέ[θηϊΪκε οὑρμο[θ]έμ[ιος] τἠφροδί[τῃ]. ὅτ᾽ Ἕρ-
μαγόρης μ᾽ ἀνέθηκε ὃ Τίήιϊιος] τὠπόλλωνι (Vers!). ST7T TTüp(p)oc
με ἀνέθηκεν. [Metapont: 1643 Coll. ὅ τοι κεραμεύς μ᾽ ἀνέθηκε.
Von der Norm weichen ab (ausser einigen poetischen
Inschriften, siehe oben S. 345) bloss Naukratis 1, 305 [ὃ δεῖνα
ἀνέθηκέ!] με und 307 [ὃ δεῖνα ἀνέθηκ]έ με, beide Inschriften,
wie sich nun ergiebt, falsch ergänzt, und die zweizeilige In-
schrift Naukratis 2, 750, wo die obere Linie [τῇ ᾿Αφροδί]τῃ,
die untere Ἑρμαγαθῖνός u avedlnkev| bietet. Gardner liest
danach m ’A. Ἑ. μ᾽ ἀνέθηκεν. Aber Dümmler bemerkt mir,
dass die obere Zeile, weil kürzer und den Raum nicht aus-
füllend, nicht die erste Zeile sein könne, sondern offenbar den
Schluss der untern längern Zeile bilde. Folglich muss, schon
ganz abgesehen von unserer Stellungsregel, Ἑρμαγαθῖνός μ᾽
ἀνέθηκε] [τῇ ᾿Αφροδίτη gelesen werden.
Ganz Analoges gilt für die mit Synonymis von ἀνέθηκε
gebildeten Aufschriften: με κατέθηκε Kypros: Deecke 1
Κάς μι κατέθηκε τᾷ TTapia ᾿Αφροδίτᾳ. 2 αὐτάρ μι κατέ[θηκε]
᾿ΟὈναείθεμις. 3 αὐτάρ με [κατέθηκε Ovacildeulcl. 15 αὐτάρ
με κατέθηκε [᾿ΑἸκεετόθεμις. --- Naukratis II No. 790 [ὃ δεῖνα
ule κάθθη[κε] ὁ Μυτιλήναιος. 840 Νέαρχός με κά[θθηκε το]ῖς
Aliocköpoicıl. --- μ᾽ ἐπέθηκε Aegina: IGA. 362 Διότιμός μ᾽
ἐπέθηκε. --- με (κατ)έεταςε Kypros: Deecke 11 κά μὲν
ἔεταςαν |xajcıyvnror (Vers!). Hoffmann I 46 No. 01 Γιλίλλίκα
με κατέεταςε ὁ Σταεικρέτεος. --- με ἔξεξε Kypros: Hoffmann
I 46 No. 66 [αὐ]τάρ με ἔξλεξε | Ovacıldeuc. --- u ἔδωκε
Sikyon: 1GA.22 Ἐπαίνετός μ᾽ ἔδωκεν Χαρόπῳ. Abweichend
die böotische Inschrift IGA. 219 Χάρης ἔδωκεν Εὐπλοίωνί
με. Wozu Röhl: “ Versu trimetro dedieationem ineludere stu-
duit Chares, sed male ei cessit.” (Vgl. übrigens auch die Stel-
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 349
lung von coı in der attischen Insehrift IGA. 2 mmvdi coı Θού-
dnuoc δίδιωςι.)
In poetischen Weihinschriften findet sich so gestelltes
με bis in die Kaiserzeit: Kaibel 821 Βάκχῳ μ[ε] Βάκχον καὶ
mpocuuvoia Bew cracavro. 822, 9 Aadoüxoc με Κόρης,
Βαειλᾶν, Διός, ἱερὰ εηκῶν Ἥρας κλεῖθρα φέρων βωμὸν ἔθηκε
“Pen. 877® (S. XIX) ἄνθετο μέν uw ’Emidaupoc. Vgl. 868
᾿Αεκληπιοῦ με δμῶα πυρφόρον θεοῦ oder ξένε] TTeicwva λεύς-
ceıc. (Mit andrer Stellung von μὲ Kaibel 809, 815, 843.)
Ganz ebenso die Künsterinschriften: u ἐποίηςε, u ἐποίει:
CIA. 4? 375, 206 [Ε]ὐθυκλῆς μ᾽ emoincev. IGA.492 (attische
Inschrift von Sigeum) καί μ᾽ Emolin)cev Aicwrroc καὶ ἁδελφοί.
CIA. 1,466 ᾿Αριετίων μ᾽ emöncev. 1,469 (vgl. Löwy Inschrit-
ten griechischer Bildhauer S. 15) "Apıcriwv TTapılöoc u’ emlölncle
(die Ergänzung sicher!). IGA. 378 (Thasos) TTapuevwv με
ἐ[ποίηςε]. IGA. 485 (Milet) Εὔδημός με ἐποίειν. IGA. 597
(Elis?) Koiöc μ᾽ amöncev. IGA.22 (— Klein Griechische Vasen
mit Meistersignaturen S. 40) Ἐξηκίας μ᾽ eroince Klein S. 41
’Einkiac u’ Emoincev ev. S. 31 OeöLotöc u Emönce ὃ. 94
Ἔργότιμός μ᾽ eroincev. 8.43, 45 (bis!), 48 ᾿Αμαείς μ᾽ Emoincev.
S. 48 Χόλχος μ᾽ ἐποίηςεν. 8.66 -c μ᾽ emoincev. S. 71 Νικο-
cdevnc μ᾽ ἐποίηςεν. S. 75 ᾿Ανακλῆς με emoincev.. S. 75 Νικο-
cdevnc με Emoincev. S. 76 ᾿Αρχεκλῆς μ᾽ emoincev. S. {1 Γλαυ-
κίτης μ᾽ ἐποίηςεν. S.84 (bis!) Τληνπόλεμός μ᾽ emoincev. 8.85
Γάγεος μ᾽ ἐποίηςεν. 5. 90 Πανφαῖός u ἐποίηςεν. S. 215
Λυςείας μ᾽ ἐποίηςεν ἡμιχώνῃ. Dazu die metrische Aufschrift
IGA. 536 [Γλαυκία]ι με Κάλων γε[νεᾷ .Ε]αλεῖ[ο]ς ἐποίει. Dagegen
kommt Löwy No. 411 [Αρτέϊμων με ἐποίηςε durch die Behand-
lung der Inschrift bei Köhler ΟἿΑ. 2,1181 in Wegfall. — Der
Regel widerspricht Klein S. 51 Χαριταῖος emoincev με. Hier
hat wohl <e)ue entweder ursprünglich dagestanden oder ist
wenigstens beabsichtigt gewesen. (Vgl. über ἐμέ unten S. 551).
u’ ἔγραψε, μ᾽ ἔγραφε: IGA. 20, 102 (Korinth) -wv μ᾽
[ἔγραψε]! nach der Ergänzung von Blass No. 3119e Collitz.
Kyprische Inschrift bei Hoffmann I 90 No. 189 -oıköc με
γράφει Zekauivioc. Klein S. 29 Tiuwvidac μ᾽ ἔγραφε. ὃ. 30
Χάρης μ᾽ ἔγραψε. S. 38 Neapxöc μ᾽ ἔγραψεν καὶ (EMOINCEV).
— Abweichend IGA. 474 (Kreta) -uwv ἔγραφέ με. Doch
lässt sich diese Ausnahme leicht durch die Schreibung ἔγραφ᾽
ἐμέ beseitigen. Vergleiche die Inschrift bei Klein S. 40 κἀποίης᾽
350 Jacob Wackernagel,
ἐμέ mit eben solcher Elision, wo ἐμέ durch andere Aufzeich-
nungen derselben Inschrift mit ἐπόηςε ἐμέ gesichert ist. |Vel.
in Betr. des inschriftlichen ue noch die Nachträge.]
Zu den auf Steinen und Vasen überlieferten Inschriften
mit μὲ kommen emige z. T. recht alte von Pausanias aus
Olympia. "beigebrachte'»hinzu..15, 20, 19. ΞΞ ὃ. 427 ΤΟ 415
Thasos) υἱός μέν με Μίκωνος Ὀνάτας ἐξετέλεεςεν. 6, 10, 7
(ὃ. Jahrhundert) KAeocdevnc μ᾽ ἀνέθηκεν 6 TIovrıoc ἐξ Ἐπιδάιι-
νου. 6, 19, 6 (altattisch) Ζηνί u’ ἄγαλμ᾽ ἀνέθηκαν. In dem
Epigramm bei Paus. 5, 23, 7 Zeile 3 καὶ μετρεῖτ᾽ ᾿Αρίετων
ἠδὲ Τελέετας αὐτοκαείγνητοι καλὰ Λάκωνες *"Ecav verbessert F.
Dümmler nach freundlicher Mitteilung καί ue Κλειτορίοις ᾿Αρί-
ctwv κτλ.» — Hierher gehören auch die von Herodot 5, 59
und 5, 60 aus dem Ismenion beigebrachten Aufschriften ’Augn-
τρύων u ἀνέθηκεν Fewv ἀπὸ Τηλεβοάων und Σκαῖος πυγμαχέων
με ἑκηβόλῳ ᾿Απόλλωνι νικήςεας ἀνέθηκε, letztere die einzige
regelwidrige in dieser Gruppe, zudem, weil metrisch, nicht
schwer ins Gewicht fallend.
Auch die jüngern Epigrammatiker haben, wo sie das
altertümliche ve für ihre gedichteten Aufschriften anwandten,
sich mit auffälliger Strenge an die Norm gehalten: Kallimachus
Epier. 23 (21 Wilamowitz), 1 ὅετις ἐμὸν παρὰ εῆμα φέρεις
πόδα, Καλλιμάχου με ἴεθι Kupnvalov παῖδά TE καὶ Yevernv. 0
(34 W.), 1 τίν με, λεοντάγχ᾽ ὦνα CUOKTÖVE, φήγινον ὄζον θῆκε.
50 (49 W.), 1 τῆς ᾿Αγοράνακτος με λέγε, ξένε, κωμικὸν ὄντως
ἀτκεῖεθαι νίκης μάρτυρα τοῦ Ῥοδίου ΤΤάμφιλον. ὃὺ (δ), 1 τῷ
με Κανωπίτῃ Καλλίετιον εἴκοει μύξαις πλούειον ἣ Κριτίου λύχ-
γον ἔθηκε θεῷ. Fragm. 95 (Laertius Diog. 1, 29) Θαλῆς με
τῶ μεδεῦντι Νείλεω δήμου δίδωςι, τοῦτο δὶς λαβὼν ἀριετεῖον.
— Anthol. Pal. 6, 49 (Athen. 6, 252 B) καί μ᾽ ἐπὶ Πατρόκλῳ
θῆκεν πόδας ὠκὺς ᾿Αχιλλεύς. 6, 178, 1 δέξαι u Ἡράκλεις
᾿Αρχεετράτου ἱερὸν ὅπλον. — Abweichend, doch nur unbedeu-
tend abweichend 6, 209 1 Βιθυνὶς Κυθέρη με τεῆς ἀνεθή-
κατο, Κύπρι, μορφῆς εἴδωλον λύγδινον εὐξαμένη. 6, 239, 1
«μήνεος ἔκ με ταιὼν γλυκερὸν θέρος ἀντὶ νομαίων γηραιὸς
Κλείτων cmeice μελιςςοπόνος. 6, 261, 1 χάλκεον ἀργυρέῳω
με πανείκελον, ᾿Ινδικὸν ἔργον, ὄλπην -- --- πέιπεν yndouevn
εὺν φρενὶ Κριναγόρης. Dagegen wird für 6, 158, 1 πρὶν μὲν
Καλλιτέλης μ᾽ ἱδρύεατο die Überlieferung des Palatinus durch
das auf einem Stein zum Vorschein gekommene Original
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 901
BAR, 381 ΞΞ Kaibel' 758 widerlegt, ‘das kein u bietet.
Hieraus ergiebt sich auch für 6, 140, 1 παιδὶ φιλοςτεφάνῳ Σεμέ-
λας (u) ἀνέθηκε das von Hecker ergänzte u’ als überflüssig.
Unsere Durechmusterung der Inschriften mit μὲ ergiebt
also, dass dasselbe bei poetischer Fassung mit Vorliebe, bei
prosaischer so gut wie ausnahmslos an zweite Stelle gesetzt
wurde. Denn wenn wir IGA. 474 ἔγραφ᾽ ἐμέ abteilen, Nau-
kratis 1, 305 und 307, wo bloss ME bezw. EME überliefert
ist, als ganz unsicher bei Seite lassen, endlich Naukratis 2, 750
die vom Schreiber der Inschrift wirklich gemeinte Wortfolge
wiederherstellen, so bleiben nur IGA. 219 Χάρης ἔδωκεν Ev-
πλοίωνί με, was zwar nicht ein Vers ist, aber ein Vers sein
will, und Klein S. 51 Χαριταῖος ἐποίηςέν μὲ übrig. Letzteres
ist also die einzige wirkliche Ausnahme; um so näher liegt
die Vermutung eines Fehlers.
Andrerseits erhält unsre Regel noch weitere Bestätigung.
Erstens dadurch, dass auch sonst in archaischen Inschriften,
in welchen das Denkmal oder der durch das Denkmal Geehrte
spricht, μὲ die zweite Stelle hat: IGA. 475 (Rhodus) Kocuia
ἡμί, ἄγε de με Κλιτομίας. 524 (Cumae) — Inseript. Sieiliae
ed. Kaibel 865 ὃς δ᾽ ἄν με κλέψει, —. Zweitens (um dies
einem spätern Abschnitt vorwegzunehmen) durch die analogen
lateinischen Inschriften: Manios med fefaked, Duenos med
feced, Novios Plautios med Romai fecid.
Besonders belehrend sind aber die paar Inschriften mit
ἐμέ. Zweimal steht dieses ἐμέ auch an zweiter Stelle: IGA.
20,8 (Korinth) ᾿Απολλόδωρος ἐμὲ ἀνέθ[ηκε! und Gazette ar-
cheol. 1888 S. 168 Mevaidac Eu’ emoilF)nce Xaporn|ıl. Aber
sechsmal steht ἐμέ anders: Klein S.39 Ἐξηκίας ἔγραψε κἀπόηςε
ἐμέ (Vers?) 5. 40 Ἑξηκίας ἔγραψε κἀ(ι)ποίης᾽ ἐμέ (Vers?).
S. ΟῚ Χαριταῖος ἐποίηςεν ἔμ᾽ εὖ. 8. 82 Ἑρμογένης ἐποίηςεν
ἐμέ. 8.85 Ἑρμογένης ἐποίηςεν eve (liess ἐμέ). 8. SD Σακω-
νίδης ἔγραψεν ἐμέ. Diese Stellen zeigen, dass die regelmässige
Stellung von μὲ hinter dem ersten Wort nicht zufällig und dass
sie durch seine enklitische Natur bedingt ist. |[Vgl. noch die
Nachträge.]
III.
Wichtiger für diese Frage (wie überhaupt für jede über
etymologische Spielereien hinausreichende Sprachforschung)
sind natürlich die umfangreichern Texte der ionischen und
352 Jacob Wackernagel,
der attischen Litteratur, vor allem wieder Herodot. So wenig
allerdings, als bei wv und oi, hat er bei den übrigen enkli-
tischen Pronomina die alte Regel festgehalten.
Im siebenten Buche des Herodot findet sich cpewv 13 mal,
davon 6 mal an zweiter Stelle; cpı TO mal, davon 46 mal an
zweiter Stelle: cpeac 32 mal, davon 20 mal an zweiter Stelle;
cpea 1 mal, nicht an zweiter Stelle. Also von 116 Stellen,
wo co-Formen vorliegen, folgen 72 der Regel, also ca. 62°/,.
Unvollständige Sammlungen aus den übrigen Büchern ergaben
ein analoges Verhältnis.
Im Pronomen der zweiten Person haben wir in Herodot
VII. ceo einmal, regelmässig; τοῖ (mit Ausschluss der Fälle, wo
es deutlich Partikel ist) 45 mal, «davon 18—20 mal an zweiter
Stelle: ce 16 mal, davon 10 mal an zweiter Stelle. — Im
Pronomen der ersten Person: ueo 3 mal, hiervon einmal regel-
mässig: μοι 37T mal, davon 24 mal an zweiter Stelle, wenn
man 15, 6 ἔγνων δὲ ταῦτά μοι ποιητέα ἐόντα. 41, ὃ φέρε
τοῦτό μοι ἀτρεκέως εἰπέ. 103,5 ἄγε εἰπέ μοι hierher stellen
darf; με 6 mal, davon zweimal regelmässig. Also in der
ersten und zweiten Person haben wir 58mal regelmässige,
50 mal regelwidrige Stellung.
Es ergiebt sich aus dieser Statistik zwar mit völliger
Klarheit, dass die alte Regel bei Herodot nicht mehr ohne
weiters gilt, dass andere Stellungsregeln in Wirkung getreten
sind. Aber zugleich auch, dass trotz und neben diesen neuern
Regeln die alte Regel doch noch Kraft genug hat, um in
mehr als der Hälfte der Fälle die Stellung des Pronomens zu
bestimmen: freilich sind in dieser grössern Hälfte die Beispiele
mit begriffen, wo für das Pronomen die zweite Stelle im Satz
auch nach den jüngern Regeln das Natürliche war.
Bei den Attikern lassen Zählungen, die ich vorgenommen
habe, auf ein noch weiteres Zurückgehen der alten Regel
schliessen. Aber unverkennbare Spuren derselben finden sich
in bestimmten Wendungen und Wortverbindungen auch noch
bei ihnen, wie bei Herodot und überhaupt den nachhomerischen
Autoren.
Jedem Leser der attischen Redner muss es auffallen, wie
häufie der Aufforderungssatz, wodurch die Verlesung einer
Urkunde oder das Herbeirufen von Zeugen veranlasst werden
soll, mit καί μοι beginnt, ja man kann sagen, dass wenn er
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 393
überhaupt mit καί beginnt und uoı enthält, uor sich ausnahms-
los unmittelbar an καί anschliesst. Ich ordne die Beispiele
nach der Chronologie der Redner, und die Wendungen nach
der Zeit des ältesten Beispiels.
καί μοι κάλει mit folgendem Objekt Andoe. 1,14. 1,28
Bene γ 5 159. 19. 17,2: 17,3. 1779. 19,59, 31, 16: Iso-
τ 112. 17 10.018: 8. 18, 54 Isaeus 6,37. 710.8, 42.
Biere Demosth.,29, 12. 29, 18: 41, 6. 57, 12: 57, 38.57, 39.
δῖ, 46. Va 44, 14. 44, 44. 58, 32. 58, 33. 59, 25.
99,28. 59, 32. 59, 34. 59, 40. Aeschines 1, 100. Oder mit
andrer Stellung des Objekts καί μοι μάρτυρας τούτων κάλει
Antiphon 5, 56; καί μοι ἁπάντων τούτων τοὺς μάρτυρας κάλει
Andoe. 1, 127; καί uoı τούτους κάλει πρῶτον Isäus 5, 11.
καί μοι λαβὲ καὶ ἀνάγνωθι mit folgendem Objekt Andoe.
ID,
καί μοι ἀνάγνωθι mit ὧν κεν Objekt Andoe. 1, 94.
ΠΡ δ 1,86. 1,87. 1. 90. Lysiası10, 14. 10, 15,
193.99..15, 50. 14, ὃ. Isokrates : ἣν 0928 τ ΠΕ ΠΕ ΟἿΣ 3
7 Ὁ 3. [Demosth.) 34,.10. 34, 11. 34, 20. 34, 39.
43, 16. 46, 26. 47, 17. 47, 20. 47, 40. 47, 44. 48, 30. 59, 52.
Aeschines 3, 24. Oder mit andrer Stellung des Objekts kai
MOL τὰς μαρτυρίας ἀνάγνωθι ταύτας (tavracı) Isaeus 2, 16. 2,34;
καί μοι τούτων ἀνάγνωθι τὴν μαρτυρίαν [Demosth.] 50, 42;
καί μοι λαβὼν ἀνάγνωθι πρῶτον τὸν Σόλωνος νόμον Demosth.
57, 31. Ohne Objekt [Demosth.] 47, 24.
καί μοι ἀνάβητε μάρτυρες (oder τούτων μάρτυρες) Ly-
sias1,29. 1,42. 13, 64. 16, 14. 16, 17. 32, 27; contra Aeschi-
nem Er. I (Orat..att. ed. Sauppe 2, 172, 26) bei Athen. 13,
612 F. Isokrates 17, 37. 17,41; καί μοι τούτων ἀνάβητε
μάρτυρες Isokr. 17, 14; καί μοι ἀνάβητε δεῦρο Lysias 20,29;
kai uoı ἀνάβηθι Lysias 16, 13. Isokr. 17, 32.
καί μοι δεῦρ᾽ ἴτε μάρτυρες Lysias 1, 10.
καί μοι λαβέ mit folgendem Objekt Lysias 9, 8. Isokr.
“ΟΠ 10. 7 Isaeus 6,16: 6, 48.8, 11. 12. 11. Lykurg 125.
Bemosth. 18, 222. 30,10. 30,32. 30, 34. 31,4. 36, 4. 41,24.
1 Ὁ» 35. 1:57,19. δύ, 20. [Demosth.]«34, 7
34, 17. 44, 14. 48, 3. 58,51. 59,87. 59, 104. Aeschines 2, 65;
καί μοι πάλιν λαβέ [Demosth.] 58, 49.
καί μοι ἀπόκριναι Lysias 13, 32.
354 Jacob Wackernagel,
Kal μοὶ ἐπίλαβε TO Vdwp Lysias 25,4. 23,8. 23, 11.
23,.214.0,23: 15:
καί μοι Avayıyvwcke mit folgendem Objekt Demosth.
27, 8. [Demasth.] 85, 20.
καί μοι λέτε mit folgendem Objekt Demosth. 19, 130.
19; :154.5197276. 18,23.:18,83218510524185 1163. 2185248:
32, 18..2.31,.17. 98.9.98. 122 7 1Demosth.) 32.975032:
Neschimest2,. 91. 8, 212 ὦ, ΟΣ
Kal wol ne τὸ ψήφιςεμα TO τότε τενόμενον Demosth.
18,179.
Abweichend ist blos Aeschines 1, 50 καὶ τελευταίαν δέ
μοι λαβὲ τὴν αὐτοῦ MıcyöAa μαρτυρίαν. Hier haben wir aber
nicht blosses καί, sondern καὶ — de. Und vor diesem δέ, also
hinter kaı, war ein stark betontes Wort erforderlich, somit uoı
unmöglich.
Aber auch ausserhalb dieser rednerischen Wendung ist
καί μοι am Anfang von Sätzen'in der ganzen nachhomerischen
Litteratur merkwürdig häufig (vgl. Blass zu Demosth. 18, 199).
Hier ein paar Beispiele; jedes Schriftwerk bietet solche.
Archilochus Fragm. 22 Bek. καί μ᾽ οὔτ᾽ ἰάμβων οὔτε TEPTTW-
λέων μέλει. 40 καί μοι CUUUAXOC YOUVOUUEvW ἵλαος γτενεῦ.
Sappho Fragm. 79 καί μοι —. Solon bei Aristoteles ᾿Αθη-
ναίων πολιτ. 14,5 Kenyon. yırvuckw, καί μοι φρενὸς ἔνδοθεν
ἄλγεα κεῖται, πρεεβυτάτην ἐςορῶν γαῖαν ᾿Ιαονίας. Theognis 258
καί μοι τοῦτ᾽ ἀνιηρότατον. 1199 καί μοι κραδίην ἐπάταξε
μέλαιναν. Sophokles Elektra 116 καί μοι τὸν ἐμὸν πέμψατ᾽ ἀδελ-
φόν. Id. Aapıccatoı Fragm. 349 Nauck καί μοι τρίτον ῥίπτοντι
Δωτιεὺς ἀνὴρ ἀγχοῦ προςῆψεν Ἔλατος ἐν διεκήματι. Herodot
7, 9° T καί μοι μέχρι Μακεδονίης ἐλάςαντι οὐδεὶς ἠντιιύθη.
7, 152, 15 καὶ μοὶ τοῦτο τὸ ἔπος. EXETW ἔξ πᾶντο AOYov.
Euripides Medea 1222 καί μοι τὸ μὲν εὸν ἐκποδὼν ἔετω λόγου.
Thucyd. 1, 191, 4 καί μοι εὐεργεεία ὀφείλεται. Aristoph.
Ran. 755 καί μοι gpacov. FEkkles. 41 καί μοι δοκεῖ κατὰ
ςχολὴν παρὰ τἀνδρὸς ἐξελθεῖν μόνη. Plato Apologie 21D καί
μοι ταὐτὰ ταῦτα ἔδοξε. 290 (ΞΞ Gorg. 402 B) καί μοι ἀπό-
κριναι. BI E καί μοι μὴ ἄχθεεθε λέγοντι τἀληθῆ. Phaedo
BUG καί μοι δοκεῖ (3011. Αἴεωπος) --- μῦθον ἂν ευνθεῖναι.
65 A καί μοι δοκεῖ Κέβης εἰς. ce τείνειν τὸν λόγον. (91 1)
καί μοι @päcev.) 98 ( καί μοι ἔδοξεν (scil. ᾿Αναξαγόρας)
ὁμοιότατον πεπονθέναι. Sympos. 11 B καί μοι ὡμολόγει.
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 355
189 B καὶ οι Ectw ἄρρητα τὰ εἰρημένα. 2180 καί μοὶ
φαίνῃ ὀκνεῖν. Gorgias 449 C καί μοι ἐπίδειξιν αὐτοῦ τούτου
ποίηςαι. 482 A καί μοί ECTIV τῶν ἑτέρων παιδικῶν πολὺ ἧττον
ἔμπληκτος. 48ῦ Β καί μοι δοκεῖ δουλοπρεπές τι εἶναι. 492 1)
— 494B καὶ μοὶ λέγε. 4090 καί μοι ὥςπερ παιδὶ χρῇ.
Charmides 157 B καί μοι πάνυ εφόδρα ἐνετέλλετο. Sophistes
510 Ὁ καί μοι δοκεῖ θεὸς μὲν ἁνὴρ οὐδαμῶς εἶναι. 235 D
καί μοι πειρῶ προςέχων τὸν νοῦν εὖ μάλα ἀποκρίναςθαι, WO
μοι vom regierenden Verbum durch πειρῶ getrennt ist. Leges
1,6420 καί μοι νῦν ἥ τε φωνὴ προςφιλὴς ὑμιῶν. Demosth.
18, 280 καί μοι δοκεῖς προελέεθαι. Philemon Fragm. 4, 4
Kock (2 5. 419) καί μοι λέγειν τοῦτ᾽ ἔετιν ἁρμοςτόν, Σόλων.
Kallimachus Epigr. 41 (40 Wilamow.), 5 καί uoı τέκν᾽ ἐγένοντο
δύ᾽ Apceva. (Recht selten ist μοὶ an ein satzeinleitendes καί
nicht angeschlossen: Plato Gorg. 485 C καὶ πρέπειν μοι δοκεῖ.
486 καὶ οὐδέν μοι δεῖ ἄλλης Bacavov. Demosth. 18, 246
καὶ ταῦτά μοι πάντα πεποίηται.) [καί μοι auch Eurip. Hippol.
Ὁ 19.7.3}
Speziell gehören zusammen als Beispiele sogenannter
Prodiorthose (Blass zu Demosth. 18, 199) Plato Apol. 20 E καί
μοι, ὦ ἄνδρες ᾿Αθηναῖοι, un Bopußnente Vgl. die oben ange-
führte Stelle 31 E. Gorgias 486 A καί μοι μηδὲν ἀχθεεθῇς.
Demosth. 5, 15 καί μοὶ un Bopußnen μηδείς. 20, 102 καί
μοι μηδὲν ὀργιεθῇς. Und diesen Stellen sind wieder ganz
ähnlich, nur dass wir den Genetiv des Pronomens haben, De-
mosth. 18, 199 καί μου πρὸς Διὸς καὶ θεῶν μηδὲ εἷς τὴν
ὑπερβολὴν θαυμάςῃ. 18, 256 καί μου πρὸς Διὸς μηδεμίαν
ψυχρότητα καταγνῷ μηδείς.
Überhaupt ist die Neigung, das Pronomen an satzeinlei-
tendes καί anzuschliessen, nieht auf uor beschränkt. Gerade
καί μου findet sich auch noch Theognis 1366 καί μου παῦρ᾽
ἐπάκουςον ἔπη. Aristoph. Ran. 1006 καί μου τὰ επλάγχν᾽
ἀγανακτεῖ. Plato Apol. 22 D καί μου ταύτῃ copwWrepor Ncav.
Republ. 1, 327 B καί μου ὄπιεθεν ὁ παῖς λαβόμενος τοῦ ἱμα-
τίου. Parmen. 126 A καί μου λαβόμενος τῆς χειρός.
Für καί με erinnere ich an die schon vorher aufgeführten
Weih- und Künstlerinschriften, die es enthalten: IGA. 492. Ky-
prisch Deecke 1, 71. Pausan. 5, 23, 7. Anthol. Pal. 6, 49. Vgl.
Kaibel 806 καί μ᾽ ἔετεψε πατὴρ (e)icapiduorc Errecı. Jungkyprische
Inschr. Deecke No. 30 καί με χθὼν ἧδε καλύπτει. Dazu kommt
Indogermanisehe Forschungen I 3 u. 4. 25
356 Jacob Wackernagel,
noch (Solon bei Aristot. ’A9nv. πολ. 8.30, 1 Kenyon. κἀδόκουν
EKOCTOC αὐτῶν ὄλβον εὑρήςειν πολὺν καί με κωτίλλοντα λείως
τραχὺν ἐκφανεῖν νόον.) Anakreon Fragm. 60 καί μ᾽ ἐπίβωτον
κατὰ τείτονας ποιήςεις. Hipponax Fragm. 64 καί με δεςπότεω
βεβροῦ λαχόντα Atccoucı ce μὴ ῥαπίζεεθαι. Theognis 00 καί
με βιᾶται οἶνος. τδὺ καί μ᾽ ἐφίλευν προφρόνως πάντες ἐπερχό-
μενον. Sophokles Oed. Rex 72 καί μ᾽ ἤμαρ ἤδη ξυμμετρού-
μενον χρόνῳ λυπεῖ τί πράςςει. (Herodot 3, 35, T φάναι ἸΤέρεας
τε λέτειν ἀληθέα καί με un εὠφρονέειν). Eurip. Alkestis 641
καί μ᾽ οὐ νομίζω παῖδα cov πεφυκέναι. Andromache 354
τέθνηκα τῇ ch θυγατρὶ καί μ᾽ ἀπώλεςε. Med. 3598 καί μ᾽
ἀπάλλαξον πόνων. Helena (278 πόειν ποθ᾽ ἥξειν καί μ᾽ ἀπαλ-
λάξειν κακῶν.) DDT καί μ᾽ ἑλὼν θέλει δοῦναι τυράννοις. Vrestes
τοῦ καί με πρὸς τύιιβον πόρευεα πατρός. δ09 καί μ᾽ ἔφερβε
cöc δόμος. Aristoph. [Eq. 809] Ran. (338 καί μ᾽ ἀςφαλῶς πανή-
uepov Traical τε καὶ χορεῦςαι.) [980 καί — με]. 916 καί με
τοῦτ᾽ ἔτερπεν. Plut. 353 καί u’ οὐκ Apeckeı. -Demosth. 18,59
καί με μηδεὶς ἀπαρτᾶν vouien τὸν AöYov τῆς γραφῆς.
Pronomen der II. Person: Theognis 241 καί ce — νέοι
ἄνδρες — ἄεονται. 465 καί «οι τὰ δίκαια φίλ᾽ ἔετω. 692
καί ce Tlocadawv xapua φίλοις ἀνάγοι. Herodot ἴ,11, 4 καί
τοι ταύτην τὴν ἀτιμίην προετίθημι ἐόντι κακῷ καὶ Adluw.
Eurip. Medea 456 καί ς΄ ἐβουλόμην μένειν. Helena 1280 καί
ς᾽ οὐ κεναῖει χερεὶ γῆς ἀποετελῶ. 1587 Kal ce προςποιούμεθα
(Nauck καὶ ce). Orestes δῦ καί c ἀναγκαῖον θανεῖν. 1047
καί c ἀμείψαεθαι θέλω φιλότητι χειρῶν. Bacch. 1112 ὁρῶ
καί ce δέξομαι εὐγκωμον. Aristoph. Equites 300 καί ce φαίνω
τοῖς πρυτάνεειν. Pax 396 καί ce θυείαιειν ἱεραῖει --- ἀγαλοῦ-
uev. 405 “καί coı ppacw rı πρᾶγμα 418 xaı coı (al. καὶ
coli) τὰ μεγάλ᾽ ἡμεῖς ἸΤαναθήναι᾽ ἄξομεν. Plato Gorg. 482 1)
καί cou κατεγέλα. D2TA καί ce ἴεως τυπτήςει τις: Anthol.
Pal. 6, 157, 3 καί coı ἐπιρρέξει Γόργος χιμάροιο νομαίης αἷμα.
Vgl. das oben ὥ. 344 angeführte Fragm. Iyr. adesp. 43 A
καί τυ φίλιππον ἔθηκεν.
Pronomen der III. Person: Archilochus Fragm. 27, 2
καί cpeac ὄλλυ᾽ wcrmep ὀλλύεις. 14, ὃ καί cpıv θαλάεςςης
ἠχέεντα κύματα φίλτερ᾽ ἠπείρου γένηται. Mimnerm. Fragm. 15
καί μιν em ἀνθρώπους βάξις ἔχει χαλεπή. Theognis 405 καί
οἱ ἔθηκε δοκεῖν. 422 καί εφιν TOM ἀμέλητα μέλει. 7192
καί εφιν τοῦτο τένοιτο φίλον. 1347 καί μιν ἔθηκεν δαίμονα.
Über ein Gesetz der indogermanischen W ortstellung. DON
Herodot 4, 119, 2 καί cpewv eEcxicdncav αἱ γνῶμαι. Kurip.
Or. 1200 καί νιν δοκῶ. Bacch. 231 καί cpac cudnpaic
ἁρμόςας ἐν ἄρκυει παύςω — τῆεδε βακχείας. Kallimach. Epigr.
14 (12 Wilamow.), 5 καί εφῖν ἀνιηρὸν μὲν ἐρεῖς ἔπος, ἔμπα
δὲ λέξεις.
Ein Beispiel für καί με und eines für καί cpeac sei be-
sonders herausgehoben: Plato Gorg. 506 B καί με ἐὰν ἐξε-
λέγχῃς, οὐκ ἀπεχθήςομαί «οι. Herodot 6, 34, 12 καί cpeoc
WC οὐδεὶς ἐκάλεε, ἐκτράπονται ἐπ᾽ Adnvewv. An beiden Stellen
ist das Pronomen aus dem Nebensatz, in den es gehört, her-
ausgenommen und an καί angehängt. — Übrigens. findet sich
καί mit folgendem enklitischem Pronomen auch bei Homer
schon oft.
Auch noch andern regelmässig oder oft am Anfang des
Satzes stehenden Partikeln ist diese Attraktionskraft eigen:
so Οὐ, un, γάρ, εἰ, ἐάν. Auch ἀλλά ist hier zu nennen: Ar-
ehiloch. 58, 3 ἀλλά μοί εμικρός τις εἴη. δῦ ἀλλά μ᾽ ὃ Avcı-
μελής, ὠταῖρε, δάμναται πόθος. Alcacus 55, 2 θέλω τι Feimmv,
ἀλλά με κωλύει αἴδως. Theognis 941 ἀλλά μ᾽ ἑταῖρος ἐκλεί-
mei. 1195 ἀλλα μοι εἴη ζῆν ἀπὸ τῦν ὀλίγων. Εππὶρ. Or.
1323 ἀλλά μοι φόβος τις εἰςελήλυθί(ε).. Aristoph. Ran. 1338
(euripidisierend) ἀλλά μοι ἀμφίπολοι λύχνον ἅψατε. Häufig
ist ἀλλά μοι. bei Plato (Apol. 39E, 41 D, Phaedo 63E, 72D.
Sympos. 207 C, 213 A. Gorgias 453 A, 476 B, 8118 u. s. w.).
ἀλλά ce Theognis 1287, 1333. Eurip. Med. 759, 1389 u. s. w.
Ferner finden wir, wie bei Homer und Sappho, das en-
klitische Pronomen mehrmals sogar an einen Vokativ ange-
lehnt, wenn ein solcher erstes Wort des Satzes ist oder auf
das erste Wort des Satzes folgt: Hipponax Fragm. 85, 1
Moüca μοι Εὐρυμεδοντιάδεα — evvep —. Vgl. Fragm. Iyr.
adesp. 30 A (Poetae Iyr. ed. Bergk 3, 696) Moica μοι ἀμφὶ
Σκάμανδρον EUPPOOV Apxou ἀείδειν. Sophokles Antig. 544
μήτοι καειγνήτη μ᾽ arıuacnc. Eurip. Heraclid. 79 68° ὦ ξένοι
ME, ςοὺς ἀτιμάζων θεούς, ἕλκει. Helena 010 ὃ Διός, 6 Διός, ὦ
möcı με παῖς Ἑρμᾶς ἐπέλαςεν Νείλῳ. Bacch. 1120 οἴκτιρε δ᾽ ὦ
μῆτέρ με. Andromeda Fragm. 118 Ν. €acov ᾿Αχοῖ με εὺν
φίλαιειν γόου κόρον λαβεῖν. Aristoph. Thesmoph. 1134 μέμνηςο
TTepced μ᾽ ὡς καταλείπεις. Theokrit. 2, 95 ei’ ἄγε Θεςετυλί μοι
χαλεπᾶς νόςω εὑρέ τι μᾶχος.
Verwandt damit ist die Anlehnung an einen vorausge-
398 Jacob Wackernagel,
schiekten imperativischen Ausdruck, wie im homerischen ἀλλ᾽
ἄγε μοι: Eurip. Bacch. 341 δεῦρό couv «τέψω κάρα. Iphig.
Δα]. 1436 παῦςαί με un κάκιζε, wo με zu κάκιζε gehört. Plato
Gorg. 464 " φέρε δή «οι, ἐὰν δύνωμαι, CAPECTEPOV ἀποδείξω.
49506 ἴθι δή μοι, ἐπειδὴ —, διελοῦ τάδε. Ion δῦ " ἔχε δή
μοι τόδε εἰπέ. Ebenso die Anlehnung an βούλει, wenn eine
1. Sing. Konjunktivi folgt: Eurip. Kyklops 149 βούλει ce τεύεω.
Plato Gorg. 5160 βούλει coı ὁμολογήσω. 591) βούλει coı
εἴπω. Aeschines 3, 165 βούλει ce θῶ φοβηθῆναι. — Im all-
semeinen Ähnlich sind Plato Euthydem. 297 C νεωςτί, μοι do-
Keiv, καταπεπλευκότι und Parmen. 157 B τί οὖν, εἰπεῖν, μοι
ἀποκρινεῖται.
Öfters finden wir nun aber ein solches Pronomen der
zweiten Stelle im Satz zu lieb von den Wörtern getrennt, zu
denen es syntaktisch gehört. Theognis 559 λῷςτά ce μήτε
λίην ἀφνεὸν KTeateccı γενέεθαι μήτε cE τ᾽ ἐς πολλὴν xpnuocuvnv
ἐλάςαι. Wieder anders Eurip. Iphig. Taur. 1004 οὐδέ u εἰ
θανεῖν χρεών. Aristoph. Lysistr. 753 ἵνα μ᾽ εἰ καταλάβοι
τόκος ἔτ᾽ ἐν πόλει, τέκοιμι.ι Theokrit 2, 4 ὅς μοι δωδεκαταῖος
ἀφ᾽ ὦ τάλας οὐδέποθ᾽ ἵκει. Vgl. oben S.357T über καί ue, καί
cpeac. — Bei Partizipien: Sophokles Antig. 450 οὐ γάρ τί
μοι Ζεὺς ἦν © κηρύξας τάδε. KEurip. Iphig. Aul. 1459 τίς
μ᾽ eicıv ἄξων. Plato Gorg. 521 D πονηρός τίς μ᾽ ἔεται ὃ Eic-
ayrwv. [Demosth.] 59, 1 πολλά με τὰ παρακαλοῦντα ἦν. (Vel.
auch Kock zu Aristoph. Av. 95). — Herodot 7, 235, 18 τάδε
τοι mpocdöka Ececdaı. — Sophokles Antig. 546 un μοι θά-
νης εὺ κοινά.
Leicht trennt das Pronomen vermöge derartiger Stellung
eng zusammengehörige Wörter. So finden wir bei Alkman
26, 1 οὔ μ᾽ ἔτι, παρθενικαὶ μελιγάρυες ἱμερόφωνοι, τυῖα φέρειν
δύναται und fragm. Iyr. adesp. 5 (Poetae Ilyr. ed. Bergk 3,
090) οὔ μοι Er εὐκελάδων ὕμνων μέλει durch με, μοι die Par-
tikel οὐκέτι zerrissen. AÄhnlieh Eurip. Orest. 803 εἴ ce μὴν
δειναῖειν ὄντα ευμφοραῖς ertapkecw. Plato Apol. 29E ἐάν μοι
μὴ δοκῇ. Phaedrus 236 E ἔαν μοι μὴ εἴπῃς, obwohl es sonst
stets εἰ μή, ἐὰν un in enger Verbindung heisst. Plato Gorgias
448 A οὐδείς μέ TW ἠρώτηκεν καινὸν οὐδέν. Auch Herodot
1, 155, 17 θωῦμά μοι ὧν Kal τοῦτο γέγονεν gehört hierher, da
sonst wv unmittelbar hinter dem ersten Satzwort zu stehen pflegt.
Ein attributiver Genetiv ist vom regierenden Wort getrennt
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 359
bei Ion, wenn er zu Beginn seiner Τριαγμοί (bei Harpokration
s. v. Ἴων) sagt: ἀρχὴ δέ μοι τοῦ λόγου (Lobeck ἀρχὴ ἣδέ
μοι). Ähnlich Eurip. Medea 281 τίνος μ᾽ ἕκατι τῆς ἀποετέλ-
λεις. Helena 674 ἁ Δίος μ᾽ ἄλοχος ὥλεςεν. 010 ὃ Διός, ὦ
möcı, με παῖς Ἑρμᾶς ἐπέλαςεν Νείλῳ: Thueyd. 1, 128, 7
εἰ οὖν TI ce τούτων ἀρέεκει für τι τούτων ce Andoc. 1, 47
ÖCOUC μοι τῶν cuyyovwv ἀπώλλυεν. Theokrit. 18, 19 Ζηνός
τοι θυτάτηρ ὑπὸ τὰν μίαν ἵκετο χλαῖναν. [Allerdings auch
ἐμέ so: Eurip. Heraklid. 687 οὐδεὶς ἔμ᾽ ἐχθρῶν προεβλέπων
ἀνέξεται. ]
Ein attributives Adjektiv oder Pronomen oder eine Appo-
sition ist dureh ein enklitisches Pronomen von dem Satzteil,
zu dem es oder sie gehört, abgetrennt: Herodot 3, 14, 3
δεςπότης ce Kaußucnc, Yauunvıre, εἰρωτᾷ. 6, 111, ὃ ἀπὸ ταύ-
τῆς ἐφι τῆς μάχης — κατεύχεται ὃ κῆρυξ Πλαταιεῦςει (dureh
ΤΙλαταιϊεῦσι wird das weit abliegende cpı wieder aufgenom-
men). 7, 16% 2 τά ce καὶ ἀμφότερα περιήκοντα ἀνθρώπων κα-
κῶν ὁμιλίαι ςφάλλουςειν, WO τά mit ἀμφότερα, ce mit περιή-
κοντὰ zusammengehört. 9, 45, 16 ὀλίγων γάρ εφι Nuepewv
λείπεται cıria. [Hippokrates] περὶ τέχνης S. 52, 18 Gomp.
ωὑτὸς δέ μοι λόγος καὶ ὑπὲρ τῶν ἄλλων. Eurip. Medea 1013
πολλή μ᾽ ἀνάγκη. Helena 94 Αἴας u’ ἀδελφὸς ὥλες᾽ ἐν Τροίᾳ
θανών. 995 τοὐκεῖ με μέγεθος τῶν πόνων πείθει. 1281 φή-
μας δέ μοι ἐεθλὰς ἐνεγκών. 1645 διεςοὶ δέ ce Διόεκοροι κα-
λοῦειν. Orestes 167 Ἑλένη ς᾽ ἀδελφὴ ταῖεδε δωρεῖται χοαῖς.
482 φίλου μοι πατρός Ectiv ἔκγονος. 1626 Φοιβός μ᾽ ὃ Λητοῦς
παῖς ὁδδ᾽ ἐγγὺς ὧν καλῶ. Fragm. 911 χρύςεαι δή μοι πτέρυ-
yec περὶ νώτῳ. Rhesos 401 τίς γάρ ce κήρυξ ἢ τερουεία Φρυ-
Ὑῶν --- οὐκ ἐπέεκηψεν πόλει. Aristoph. Ran. 1332 (Euripides
nachbildend) τίνα μοι δύετανον ὄνειρον πέμπεις. Ekkles. 1113
αὐτή τέ. μοι δέεποινα μακαριωτάτη. Plato Apol. ὃ Ο πολλὴ
μέντάν με φιλοψυχία ἔχοι. 40 (ξ μέγα μοι τεκμήριον τούτου
γέτονεν. Phaedo 99 ( οὗτος οὖν ςοι 6 λότος ἐκείνῳ πῶς ξυν-
ἄςεται. Gorg. 456 B μέγα δέ coı τεκμήριον ἐρῶ. 481 ἢ ἱκα-
νόν μοι τεκμήριόν Ecrıv. 488 Β τοῦτό μοι αὐτὸ εαφῶς διόρι-
cov. 4031) φέρε δή, ἄλλην coı εἰκόνα λέγω. 5130 ὅντινά
μοι τρόπον δοκεῖς εὖ λέγειν. Phileb. 23 D τετάρτου μοι τγέ-
νους αὖ προςδεῖν φαίνεται. NXenophon Hellen. 3, 1, 11 ὃ ἀνήρ
coı ὃ ἐμὸς καὶ τἄλλα φίλος ἦν. Aeschin. 1, 110 δύο δέ μοι
τῆς κατηγορίας εἴδη λέλειπται. Bion 9, 1 ἁ μεγάλα μοι Κύ-
900 Jacob Wackernagel,
πρις ἔθ᾽ ὑπνώοντι παρέετα. Leonidas Tarent. Anthol. Pal. T,
660 Ξεῖνε, Συρηκόειός τοι ἀνὴρ τόδ᾽ ἐφίεται "Opdwv. Die zahl-
reichen Stellen, wo auf so eingeschobenes Pronomen zunächst
das Verbum folgt, wie Eurip. Heraclid. 236 rpıccai μ᾽ ἀναγ-
κάζουειν cvupopäc 6801. Plato Gorg. 463 B ταύτης μοι δοκεῖ
πολλὰ — μόρια εἶναι. ‚Kallimach. Epigr. 1, 3 δοῖός με καλεῖ
γάμος, will ich nicht alle aufführen, obwohl sie m. E. auch
hierher gehören. In anderer Weise gehört hierher Plato
Apol. 23 A ὅτι πολλή μοι ἀπέχθεια γέγονεν Kal πρὸς πολλούς
ug (671:
Oder das Pronomen schliesst sich an «den Artikel an.
Selten unmittelbar: Theognis ST5—=862 οἵ με φίλοι προδιδοῦ-.
εἰν. 813 οἵ με: φίλοι. mpovdwrav. Theokrit 7, 45 av Toı,
ἔφα, κορύναν δωρύττομαι. Meist folgt dem Artikel zunächst
eine “postpositive’ Partikel: Herodot 1, 31, 10 οἱ δέ cp:
βόες οὐ παρεγένοντο. 1, 115, ὃ οἱ γάρ με ἐκ τῆς κώμης παῖ-
δες --- ecrncavro βαειλέα. 1, 201, 6 τὰ δέ μοι παθήματα τὰ
ἐόντα ἀχάριτα μαθήματα γέγονε. ὦ, 65, 10 ὁ δέ μοι μάγος
ταῦτα ἐνετείλατο. Aristoph. Ekkles. 913 n γάρ μοι μήτηρ βέ-
βηκεν ἄλλῃ. Plato Phaedrus 236 D 0 δέ μοι λότος ὅρκος ἔξεται.
Sympos. ITTA ἣ μέν μοι ἀρχὴ τοῦ λόγου ἐςτὶ κατὰ τὴν Εὐ-
ριπίδου Μελανίππην. Theokrit 5, 125 τὰ δέ τοι cia καρπὸν
ἐνείκαι. 1, 82 ἁ δέ τυ κώρα πάκςας ἀνὰ κράναςε --- φορείται
φοιτεῦς(α). (Siehe oben S. 344).
Oder das Pronomen lehnt sich an eine Präposition und
trennt sie dadurch von ihrem Kasus: Terpander Fragm. 2
ἀμφί μοι αὖτε ἄναχθ᾽ ἑκαταβόλον aderw ἁ φρήν. Hymn. aut
Pan 1 ἀμφί μοι Ἑρμείαο φίλον τόνον ἔννεπε Μοῦςα. KRlıesos
1 κατά με τᾶς ζῶντα möpevcov. Auf die Präposition folgt
zunächst noch eine Partikel Herodot ὃ, 69, 20 ἐν γάρ ce τῇ
νυκτὶ ταύτῃ ἀναιρέομαι. - Kallimach. Hymn. 1, 10 ἐν δέ ςε
Τ]αρραείῃ Ῥείη τέκεν. Epigr. 2, 1 ἐς δέ με δάκρυ ἤγατεν.
Dazu der bekannte Fall, wo ein von wirklich gesetztem
ges ce ZWi-
L
oder zu supplierendem Verbum des Bittens abhängıi
schen πρός und den davon regierten Genetiv getreten ist:
Eurip. Ale. 1098 un, πρός ce τοῦ cmeipavroc Avroucı Διός.
Ähnlieh Soph. Phil. 468. Oed. Col. 250. 1333. Eurip. Hiket.
277. (Dagegen Eurip. Med. 853 μή, πρὸς γονάτων CE πάντως
πάντη ς᾽ ἱκετεύομεν). Das Verbum des Bittens ist zu ergänzen
Soph. Trach. 436 μή, πρός ce τοῦ κατ᾽ ἄκρον Οἰταῖον πάγον
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 361
Διὸς καταςετράπτοντος, ἐκκλέψῃς λόγον. Ebenso Eurip. Medea
524. Andromache 89. (Vgl. Iph. Taur. 1068.) In allen die-
sen Fällen nimmt ce die zweite Stelle hinter der nächst voran-
gehenden Interpunktion ein; Soph. Phil. 465 πρός νύν ce πα-
tpöc, Oed. Col. 1533 πρός νύν ce κρηνῶν und Eurip. He-
lena 1237 πρός νύν ce γονάτων tWwvdle), wo das enklitische
νυν noeh vorgeschoben ist, bilden natürlich keine Ausnahme.
Aus den ausserattischen Dichtern kommt hinzu Alkman Fr. 52
πρὸς δέ TE τῶν φίλων. Apollonius, dem wir dieses Fragment
verdanken, scheint allerdings re hier als orthotonisch zu be-
trachten, und ausschliesslich tu als enklitische Akkusativform
für das Dorische anzuerkennen. Aber enklitisches dorisches
te wird gesichert durch die Worte des Megarers Ar. Ach. 779
πάλιν τ᾽ ἀποις ναὶ τὸν Ἑρμᾶν oikadıc, wo man, weil man eben
te nicht anerkennen wollte, sich genötigt glaubte ru mit un-
schönem Hiatus einzusetzen. Besonders aber ist Kallim. Fr.
114 = AP. 13, 10 zu vergleichen: ποτί te Ζηνὸς (der Cod.
Pal. morıreZnvoc) ἱκνεῦμαι Aruevockönw; Bloomfield setzt un-
nötig das enklitische tu. Immerhin fällt der von ©. Schneider
gegen ihn erhobene Vorwurf “foede erravit’ auf diesen selbst
und die von ihm vorgezogene Vulgata-Schreibung ποτὶ τὲ Za-
vöc mit der sinnlosen Orthotonese und dem falschen Genetiv
Zavöc zurück.
Ohne Bezugnahme auf die zwei letztgenannten Stellen
hat kürzlich Christ Philologische Kleinigkeiten München 1891
S. 4f. für Pindar Olymp. 1, 48 ὕδατος ὅτι TE πυρὶ Zeoicav
εἰς ἀκμὰν μαχαίρᾳ τάμον κατὰ μέλη die Meinung geäussert,
dass das als Partikel wenig ansprechende τε als Akkusativ des
Pronomens zu nehmen sei, wie denn schon längst Bergk dafür
hat ce einsetzen wollen. Die Stellung von re empfiehlt diese
Auffassung.
Aber auch gegenüber der Verbindung der Präpositionen
mit dem Verbum macht das alte Stellungsgesetz seinen Ein-
fluss geltend (Krüger Dialektische Syntax 68, 48, 5). Man
durchmustere die folgenden Beispiele nachhomerischer Tmesis:
Aleäus Fr. 95 ἔκ μ᾽ E&Xacac ἀλγέων. Anakreon 50, 1 ἀπό μοι
θανεῖν yevort(o). Hipponax Fr. 31 ἀπό ς᾽ ὀλέςειεν "Apreuıc,
ce de κὠπόλλων. Sophokles El. 1067 κατά μοι Boacov. Phi-
loktet 811 ἀπό μ᾽ ὀλεῖς. Oed. Col. 1689 κατά με φόνιος Al-
δας ἕλοι. Eurip. Herakles 1055 διά μ᾽ ὀλεῖτε. Hiket. 45 ἀνά
909 Jacob Wackernagel,
μοι τέκνα λῦςαι. 829 κατά με πέδον γᾶς ἕλοι. Hippolyt 1357
διά μ᾽ ἔφθειρας. Bacch. 579 ἀνά μ᾽ ἐκάλεςεν. Aristoph. Acharn.
295 κατά ce xwcouev. Plut. 65 ἀπό c’ ὀλῶ κακὸν κακῶς. Plato
Phaedr. 237 ξύμ μοι Aaßeche τοῦ μύθου. Kallimach. Epigr.
1,5 ei δ᾽ ἄγε, εὐμ μοι Boukeucov. — Mit vorangehender Par-
tikel u. dgl.: Sophokles Philoktet 1177 ἀπὸ νύν με λείπετ᾽
non. Eurip. Or. 1047 ἔκ τοί με τήξεις. Aristoph. Vesp. 457
ἔν TI coı πατήςεται. 784 ἀνά τοί με πείθεις. Vgl. oben S. 338
die ähnlichen Stellen mit νιν. Wenn vereinzelt (Aleäus Fr. 68
schrieb Bekker irrig τύφως ἔκ ς΄ ἕλετο φρένας) das Pronomen
durch solche Tmesis nicht an die zweite Stelle gekommen
sein sollte, wird uns das nieht stören.
ΤΥ.
3esondere Betrachtung verdienen μοι, τοι, (Cpl), μεο ---
μευ — μου, CEO — ςεὺ -- κοὐ, cpewv als attribute Genetive. Dass
μοι, τοι, wie auch οἱ, die Genetivfunktion nicht erst nachträg-
lich übernahmen, sondern entsprechend ıhren mdischen Korre-
laten me, te, se von Haus aus besassen und mit dem Lokativ
nichts zu thun haben (vgl. Delbrück Altind. Syntax S. 205),
betrachte ieh als sicher; dass die Genetivfunktion sieh im Grie-
chisehen nieht bloss bei Homer (siehe Brugmann Grundriss II
819. Verf. Berliner philol. Woch. 1890 Sp. 39) und den lo-
niern erhalten hat, ergibt sich zumal aus der Bemerkung von
Wilamowitz zu Eurip. Herakles 626 (οὐ τ᾽ ὦ γύναι μοι, CUX-
Aoyov ψυχῆς Aaße): “Das Drama drückt in der Anrede das
possessive Verhältnis bei Verwandtschaftswörtern durch den
Dativ aus, θύγατέρ μοι, τέκνον μοι |Eurip. Ion 1399. Orestes
124. Iph. Aul. 615] γύναι μοι. Der Genetiv ist überhaupt
nicht üblich; sein Eindringen, z. B. in der jüdisch-ehristlichen
Litteratur, vielmehr ein Zeichen des Plebeiertums”.
Die natürlichste Stellung für diese Genetive schiene uns
die hinter ihren Substantiven. Bekamntlich findet sich nun
zwar diese recht oft, wie z. B. gerade bei den von Wilamo-
witz besprochenen vokativischen Verbindungen, aber daneben
als völlig gleichberechtigt die Stellung vor dem Substantiv
und dessen Attributen mit Einschluss des Artikels. Der Ur-
sprung dieser seltsamen Stellung wird klar, wenn wir die
ältesten Beispiele derselben prüfen. Schon Homer hat diese
Stellung A 2753 καὶ μέν μευ βουλέων ξύνιεν. N 626 οἵ μευ
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 363
κουριδίην ἄλοχον Kal κτήματα πολλὰ μάψ᾽ οἴχεςθ᾽ ἀνάγον-
τες. Ε 511 καί μευ κλέος ἦγον ᾿Αχαιοί. τ 230 καί μευ κλέος
οὐρανὸν ἵκει. (1 405 ἡ μή τίς cev μῆλα βροτῶν ἀέκοντος ἐλαύ-
νει). μ 919 οἵ μευ βοῦς ἔκτειναν. ο 401 οἵ μευ πατέρ᾽ ἀιμ-
φεπένοντο. x 231 καί ςευ φίλα τούν αθ᾽ ἱκάνω. ὦ 3281 τῷ
κέ cpewv γτούνατ᾽ ἔλυςεα hier überall so, dass sie durch un-
ser Stellungsgesetz bewirkt ist. Die spätern haben sich dann
gestattet diese Genetive weiter vom Satzanfang zu entfernen,
aber die aus dem alten Stellungsgesetz folgende Voranstellung
dann doch noch vielfach beibehalten. Nachwirkungen des
ursprünglichen Zusammenhangs zwischen der Voranstellung
und dem alten Stellungsgesetz zeigen sich aber mancherlei.
Erstens nehmen die vorangestellten Genetive eben doch
häufig die zweite Stelle im Satz ein. Für μοι, Toı verweise
ich auf Herodot 4, 29, 3 μαρτυρέει δέ μοι τῆ γνώμῃ καὶ
“Ounpov ἔπος: 7, 27, ὃ ὅς τοι τὸν πατέρα dwprcato. So-
phokles Trachin. 1233 ἥ μοι μητρὶ μὲν θανεῖν μόνη μεταί-
τιος. Für die eigentlichen Genetivformen auf folgende, die
Zahl der Belege natürlich bei weitem nicht erschöpfende Bei-
spiele: Hipponax Fragm. 76 λαιμᾷ δέ εευ τὸ χεῖλος. 8
λάβετέ μευ θαϊμάτια. Herodot 4, 80, 11 ἔχεις δέ μευ τὸν
ἀδελφεόν. T, ὃ], 3 ε δέ μευ ευμβουλίην ἔνδεξαι. Eurip.
Medea 1233 ὥς εου εὐμφορὰς οἰκτίρομεν. Helena 277 ἥ
μου τὰς τύχας ὥχει μόνη. Hiket. 1162 ἔθιγτέ μου φρενῶν.
Orestes 297 εὖ μου τὸ δεινὸν καὶ διαφθαρὲν φρενῶν
ἴεχναινε. Aristoph. Eq. 289 κυνοκοπήεω εου τὸ νῶτον. 709
ἀπονυχιῶ COU τὰν πρυτανείῳ cıtia. Pax 1212 ἀπώλεςεάς μου
τὴν τέχνην καὶ τὸν βίον. Aves 139 καλῶς γέ μου τὸν
υἱόν ὦ Στιλβωνίδη οὐκ Erucac. Lysistr. 409 ὀρχουμένης μου
τῆς τυναικὸς ἑςπέρας ἢ βάλανος ἐκπέπτωκεν. Ranae 1006
καί μου τὰ cnAAyxv ἀγανακτεῖ. Plato Apol. 18 ἢ διττούς
μου τοὺς κατηγόρους γεγονέναι. 20 Α εἰ μέν εου τὼ υἱέε
πώλω ἢ μόεχω ἐγενέεθην. Phaedo 89 B καταψήςας οὖν μου
τὴν κεφαλήν. Alcaeus com. Fragm. 29 Kock ἐβίαςέ μου τὴν
γυναῖκα. Aeschines 3, 16 ἀφομοιοῖ γάρ μου τὴν φύειν τοῖς
πεῖ ἤεῖν Theokrit 2, 55 τί μεῦ μέλαν ἐκ χροὺς αἷμα — πέ.
πωκας. 2, 69 1.8. w. φράζεό μευ τὸν ἔρωθ᾽ ὅθεν ἵκετο. ὃ, 4
τόν μευ τὰν cUpıyya πρόαν κλέψαντα Κομάταν. 5, 19. οὔ
τευ τὰν εὐριζγα λαθὼν ἔκλεψε Κομάτας. 6, 36 καλὰ δέ μευ
6 nie xwpa. 15, 31 Ti εὺ τὸ xırwvıov ἄρδει: 15, 69
364 Jacob Wackernagel,
δίχα μευ τὸ θερίετριον ἤδη ἔεχιεται. 22, 10 οἱ δέ cpewv
κατὰ πρύμναν ἀείραντες μέτα κῦμα.
Noch entschiedener ist der Einfluss unseres Stellungsge-
setzes in den ohnehin auffälligen Beispielen anzuerkennen, wo der
vorausgehende pronominale Genetiv vom regierenden Substanti-
vum durch andre Worte getrennt ist. Dies zeigt sich an dem roı
Theokrits 7, ST ὥς τοι ἐγὼν ἐνόμευον Av ὥρεα τὰς καλὰς αἷ-
Tac φωνᾶς eicaiwv, wo Meinekes Bemerkungen zu vergleichen
sind. Ferner steht bei Homer an den in diese Klasse gehöri-
gen Stellen der Genetiv regelmässig an zweiter Stelle: E 811
ἀλλά CEU ἢ κάματος TTOAUAIE γυῖα δέδυκεν ἤ νύ CE που δέος
ἴεχει, wo die Stellung des Pronomens besonders bemerkenswert
ist. 1355 μόγις de neu EKkpuyev öpunv. Z95 = P175 νῦν
δέ «εὖ ὠνοςάμην πάγχυ φρένας. T 185 χαίρω ceu Λαερτιάδη
τὸν μῦθον ἀκούεας. ΚΤ] θεὰ δέ μευ ἔκλυεν αὐδῆς. K 485
ol uev φθινύθουει φίλον κῆρ. (Nur m 92 ἡ μάλα μευ κατα-
δάπτετ᾽ ἀκούοντος φίλον. ἤτορ, wo μεὺ erst an dritter Stelle
steht, bildet eine, übrigens nicht sehr schwer wiegende Aus-
nahme.) — Und wenn nicht regelmässig, so doch überaus
häufig nimmt auch bei den Spätern ein so von seimem Sub-
stantiv abgetrennter pronominaler Genetiv die zweite Stelle
ein: Theognis 969 πρίν cov κατὰ πάντα δαῆναι ἤθεα. Herodot
4, 119, 2 καί cpewv Ecxicdncav αἱ γνῶμαι. Eurip. Helena
SIS μή μου κατείπῃς εὖ Kacıyvatw möcıv. Bacch. 341 δεῦρό
«οὐ στέψω κάρα. 61H οὐδέ cou εὐνῆψε χεῖρα. Fragm.
687, 1 ἐμπλήεθητί μου πιὼν κελαινὸν αἷμα. 9290 οἴμοι, δρά-
κων μου Yiyrveraı τὸ ἥμιευ. Aristoph. Eq. 708 ἐξαρπάςομαί
cou τοῖς ὄνυξι τἄντερα. Pax 1068 εἴθε couv εἶναι ὥφελεν,
w λαζών, οὑτωςεὶ θερμὸς ὁ πλευμών. Ran. D73 οἷς μου κατέ-
φαγες τὰ φορτία. Plato Phaedo 11ἴ B ἕως ἄν εου βάρος ἐν
τοῖς “κέχεςι γένηται. KRepubl. 1, 327 B καὶ: μοῦ Orıcdev
λαβόμενος ὃ παῖς τοῦ ἱματίου. Parmen. 126 A καί μου λα-
βόμενος τῆς χειρός. Demosth. 18, 190. καί μου μηδὲ εἷς τὴν
ὑπερβολὴν θαυμάςῃ. Theokrit 2,32 ὥς ueu περὶ θυ μὸς ἰάφθη.
Bion 6, 1 εἴ μευ καλὰ πέλει τὰ μελύδρια |Menand. fr. 498].
(sanz Gleichartiges haben wir bei dem genetivischen Οἱ
getroffen (s. oben S. 5531). Und wie nun dieses auch mitten in
der regierenden Wortgruppe, d. h. hinter deren erstem Wort,
Stellung nehmen kann, so auch die von uns hier zu bespre-
chenden Formen. Und zwar a) im Anschluss an eme Partikel
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 365
Hipponax Fr. 62 οἱ δέ μευ πάντες ὀδόντες ἐντὸς Ev γνάθοις
κεκινέαται. Anakreon fr. Sl αἱ δέ μευ φρένες ἐκκεκωφέαται.
Herodot ὃ, 102, 19 αἱ γάρ εφι κάμηλοι ἵππων οὐκ ἕςςονές
eicıv. 4, 202, ὃ τῶν δέ εφι τυναικῶν τοὺς μαζοὺς ἀποτα-
μοῦςα. 9,50, T οἵ τέ εφεων ὀπέωνες --- ἀπεκεκληίατο. Aristoph.
Eq. 787 τοῦτό τέ τοί «οὐ τοὔργον ἀληθῶς γενναῖον καὶ φιλό-
δημον. Theokrit 4, 1 ταὶ δέ μοι αἴτες βόεκονται κατ᾽ ὄρος.
(Vgl. auch die bereits oben S. 359. 360 angeführten Stellen mit
μοι Eurip. Or. 482, Aristoph. Ekkles. 913. 1115). b) unmittel-
bar hinter Artikel oder Präposition Herodot 7, 38, 12 cv
δέ, ὦ βαειλεῦ, ἐμὲ ἐς τόδε ἡλικίης ἥκοντα οἰκτίρας, τῶν μοι
παίδων παράλυεον ἕνα τῆς crparınc. Ganz ebenso kyprisch
(Deecke Nr. 26) 6 μοι πόεις Ὀναείτιμος “mein Gatte ist Ona-
sitimos’, was Hoffmann Die griechischen Dialekte I 325 als
“sehr eigentümlich’ bezeichnet, während Meister Die griechi-
schen Dialekte II 139. 140, sich sogar genötigt glaubt, ein
neues Wort öuormocıc “Mitgatte” zu konstruieren '). — Dazu
aus den attischen Dichtern Eurip. Medea 144 διά μου xe-
φαλᾶς φλὸξ οὐρανία Pain. Hippolyt 1351 διά μου κεφαλᾶς
ἄεεους᾽ ὀδύναι. Heraclid. 799 εἷς μου λόγος εοι πάντα εημα-
vei τάδε. Aristoph. Lysistrate 416 ὦ εκυτοτόμε, τῆς μου τυ-
ναϊκὸς τοὺς πόδας. Vgl. Theokrit 5, 2. τό μευ νάκος ἐχθὲς
ἔκλεψεν. Ausser am Satzanfang findet sich uov u. s. w. jeden-
falls höchst selten so eingeschoben, und für die Stellen, wo
es geschieht, wie z. B. Aristoph. Ran. 485 deicaca γὰρ εἰς
τὴν κάτω μου κοιλίαν καθείρπυςεν, dürfen wir voraussetzen,
dass die am Satzanfang aufgekommene Einschiebung im Satz-
innern nachgeahmt wurde.
Die Stellung der barytonetischen, also ursprünglich en-
klitischen Pluralformen ἥμων, ἥμιν u. s. w. will ich angesichts
der Schwierigkeit sie an den einzelnen Stellen von den echt-
orthotonischen zu unterscheiden, hier nicht untersuchen (man
beachte immerhin IGA. 486 (Milet) [Eplunciava& ἥμεας ἀνέθη-
κεν [ὃ...], ganz wie sonst μ᾽ ἀνέθηκεν und 482°5 (Elephan-
1) Auf Wunsch des Herrn Dr. Meister bemerke ich, dass er
auf Grund von Wilamowitz’ Anmerkung zu Eurip. Herakles V. 626
(siehe oben S. 362) schon längst zur richtigen Auffassung dieser
Worte gelangt war und vorgehabt hatte seine frühere Erklärung
öffentlich zurückzunehmen.
366 Jacob Wackernagel,
tine) ἔγραφε δ᾽᾿ᾶμε Ἄρχων “Auoıßixov); wohl aber möchte ich
daran erinnern, dass nach den Nachweisen Krügers, dessen
ordnendem Scharfsinn wir ja überhaupt die feineren Gesetze
für die Stellung dieser Genetive verdanken, αὐτοῦ, αὐτῆς, Au-
τῶν in anaphorischer Bedeutung den gleichen Stellungsregeln
wie uov unterliegt. Zwar gilt dies nicht für Homer, bei dem
sich die anaphorische Bedeutung und die Tonlosigkeit von
αὐτοῦ erst anzubahnen beginnt, und der es daher auch an
Stellen, wo wir es mit οὗλες. wiedergeben, weit vom Satzanfang
stellt, wie z.B. Β 347 ἄνυεις δ᾽ οὐκ Eccetaı αὐτῶν. P 546 δὴ
γὰρ νόος ἐτράπετ᾽ αὐτοῦ. (n 263 dagegen liegt in der gleichen
Wendung ein Nachdruck auf αὐτῆς). u 130 γόνος δ᾽ οὐ Yiyverau
αὐτῶν, was eimen sehr wertvollen indirekten Beweis für un-
sere Stellungsregel liefert. Wohl aber ist bei den Attikern
αὐτοῦ, αὐτῆς, αὐτῶν gerade so gern dem regierenden Substan-
tiv vorangestellt wie μου, und dann gerade wie uov häufig dem
Satzanfang nahe, z. B. Thyeyd. 1,138, 1 ἐθαύμαςέ τε αὐτοῦ τὴν
διάνοιαν. 4, 109, 11 καὶ αὐτῶν τὴν χώραν ἐμμείνας τῷ
ετρατιὺ ἐδήου. Plato Gorg.448E ἐγκωμιάζεις μὲν αὐτοῦ τὴν τέχ-
νην. Und ebenso findet sich αὐτοῦ wie uov seinem Substantiv so
vorangestellt, dass es durch ein oder mehrere Wörter davon ge-
trennt ist, und auch da, wie uov, gern an zweiter Stelle z. B. Eu-
rip. Heraclid. 12 ἐπεὶ τὰρ αὐτῶν τῆς ἀπηλλάχθη πατήρ. Wer
endlich die von Stein zu 6, 30, T aufgeführten herodoteischen
Stellen durchmustert, an denen αὐτοῦ zwischen Artikel und
Substantiv steht, wird an diesen allen (und ebenso auch 1,
146; 10. 3,.177,3.2,2149,01937,7129, 3) ταὐτοῦ an ?zweiler
Stelle finden, wobei ich τ, 156, 11 Meyapeac τε τοὺς ἐν Σι-
κελίῃ, WC — προςεχώρηςαν, τοὺς μὲν αὐτῶν παχέας --- πολιή-
τας ἐποίηςε mitrechne. Also ganz wie bei eingeschobnem uoı,
μου. Die Attiker sind hier freier: Isokr. 18, 52 yvwcecde τὴν
ἄλλην αὐτοῦ πονηρίαν. Xenoph. Anab. 6, 2, 14 ὅπως — au-
τοὶ Kal οἱ αὐτῶν ετρατιῶται ἐκπλεύςειαν. Vielleicht kommt
für das αὐτοῦ bei Isokrates wie für das uov Aristoph. Ran.
485 (oben S. 365) in Betracht, dass der Genetiv sich nicht
an «den Artikel, sondern an ein Attribut anlehnt.
V.
Bergaigne nimmt an, das in Abschnitt II—IV erörterte
Stellungsgesetz der enklitischen Personalpronomina sei bei den
τς
)
=
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 9.
anaphorischen Pronomima entstauden; «diese habe man gern
dem vorausgehenden Satze möglichst nahe gerückt, um dadurch
die Verbindung mit diesem besser zu markieren. Von den
anaphorischen Pronomina sei dann die Stellungsregel auch auf
die Pronomina der ersten und zweiten Person übergegangen,
und durch diese ihre Stellung nach dem ersten Wort des Satzes
und ihre Anlehnung an dasselbe seien die betr. Pronomina
enklitisch geworden (Memoires de la Societe de Linguistique
299277...178).
Diese Annahme hat wenig für sich. Denn gerade was
bei οἱ, cpıv nach Bergaigne die Stellung nächst dem Satzan-
fang begünstigte, die Beziehung auf den vorausgehenden Satz,
fehlt ja bei μοι, τοι. Dagegen wird die von Bergaigne ver-
worfene Möglichkeit, dass “le langage s’est habitue A les con-
struire apres le premier mot, parce quils &taient prives d’ac-
cent”, als Thatsache durch den Umstand erwiesen, dass auch
ausserhalb des persönlichen Pronomens die Enklitika dieser
Stellungsregel unterworfen werden. Schon Kühner Griechische
(Grammatik I? 268 Anm. 8 bemerkt, “bei der freien Wortstel-
lung der griechischen Sprache darf man sich nicht wundern,
wenn die Encliticae sich oftmals nieht an das Wort anschlies-
sen, zu dem sie gehören, sondern an ein anderes, zu dem sie
nicht gehören”. In welcher Richtung diese Abweichungen
liegen, lässt Kühner unerörtert. Aber sämtliche Beispiele, die
er a. a. O. folgen lässt, erledigen sich aus unserm Stellungs-
gesetz.
“Unter den deklinabeln Enklitika kommt bloss noch das
indefinite Pronomen in betracht. Sehr evident tritt bei die-
sem die Stellungsregel nicht zu Tage. Denn wenn man etwa
darauf Gewicht legen wollte, dass die altertümlichen Formen
του, tw auf den attischen Inschriften ausser ΟἿΑ. 4, 61° 15
— ἔχοντός τοῦ, nur im unmittelbaren Anschluss an ei, ἐάν vor-
kommen (vgl. die Belege bei Meisterhans Grammatik der atti-
schen Inschriften ? S. 123 Anm. 1106), so genügt es auf Thucy-
dides zu verweisen, der diese Formen an ganz beliebigen Stel-
len des Satzes bietet. Doch ist bei Homer die Neigung τὶς
an den Anfang zu rücken unverkennbar. Man beachte, ausser
ὅετις nebst Zubehör, ei τις, un τις, besonders folgende Stellen:
mit Losreissung zum gehörigen Nomen E 897 εἰ δέ τευ ἐξ
ἄλλου Ye θεῶν. © 515 ἵνα τις cruyencı καὶ ἄλλος. N 464
308 Jacob Wackernagel,
εἴ πέρ TI ce κῆδος ἱκάνει (zugleich vor dem enklitischen ce!).
Y331 ἤ τευ εῆμα βροτοῖο πάλαι κατατεθνηῶτος. Y 348 (—
ὡς ὑμεῖς παρ᾽ ἐμεῖο θοὴν ἐπὶ νῆα κίοιτε) ὥς τέ τευ ἢ παρὰ
πάμπαν Aveiuovoc ἠὲ πενιχροῦ. ἡ 195 μηδέ τι μεςεςηγύς
τε κακὸν καὶ πῆμα πάθῃειν. Mit Voranstellung von τις vor
ein sonst zur zweiten Stelle berechtigtes Wort (vgl. N 404)
ΤΙ 37 καί τινά τοι map Ζηνὸς ἐπέφραδε πότνια μήτηρ. X 218
ὅτε τίς κε θάνῃει (vgl. Hesiod Ἔργα 280 εἰ γάρ τίς κ᾽ ἐθέλῃ.
Peppmüller Berliner philolog. Wochenschrift 1890 Sp. 559).
Hierher gehört das nicht seltene ὥς τίς τε statt ὥςτε τις wie
2. B. P657 βῆ δ᾽ ἰέναι ὥς τίς TE λέων ἀπὸ μεςςαύλοιο.
Beispiele der ersten Kategorie lassen sich auch aus der
Folgezeit beibringen (Kühner Gramm. II 572 Anm. 6): Theog-
nis 833 oVdE τῖς Nulv αἴτιος AaAdavarwv. DT ei Tı madwv
ἀπ᾿ ἐμεῦ ἀγαθὸν μέγα un χάριν οἶδας. 1192 ἀλλά τί μοι
ζῶντι γένοιτ᾽ ἀγαθόν. 1265 οὐδέ τις ἀντ᾽ ἀγαθῶν Ecrı χά-
pıc παρὰ coi. Aeschyl. Fragm. 241 οὔπω τις ᾿Ακταίων᾽ ἄθη-
ρος nuepa — ἔπεμψεν. ἐς döuouc. Herodot 2, 23, 3 οὐ γὰρ
Tıva Eywye olda ποταμὸν Nkeavov Eövro. T, 235, 9 αἰεὶ
τι προεδοκῶν ἀπ᾿ αὐτῆς τοιοῦτο ἔςεεθαι. Eurip. Medea 285
μή μοί τι δράςῃς παῖδ᾽ ἀνήκεετον κακόν. Elektra 26 un
τῷ λαθραίως τέκνα γενναίῳ τέκοι. Helena 41τ| ἔετι γάρ τις
ἐν δόμοις τύχη. Thucyd. 1,10,1 εἴ τι τῶν τότε πόλιεμα. ArTi-
stoph. Pax 834 καὶ ric ecrıv ἀστήρ. Ran. 170 καὶ γάρ τῆν,
ἐκφέρουει τουτονὶ νεκρόν. Plato Phaedo 95 B un τις ἡμῖν
Backavia περιτρέψῃ τὸν λόγον. ΤΌΤ A un τίς coı ἐναντίος
λόγος ἀπαντήςῃ. Sympos. 114 ΠΕ καί τι ἔφη αὐτόθι τελοῖον
παθεῖν. 218Ε καί τίς ἐςτ᾽ Ev ἐμοὶ δύναμις. Gorg. 493 A ἤδη
του ἔτωγε καὶ ἤκουςκα τῶν εοφῶν. Xenophon Hellen. 4, 1,11
ὅταν τι τοῖς φίλοις ἀγαθὸν εὑρίεκω. 4, 8,35 εἴ τί που λαμβά-
νοι ᾿Αθηναίων πλοῖον. Demosth. 18,18 ἀλλά τις ἣν ἄκριτος
καὶ παρὰ τούτοις καὶ παρὰ τοῖς ἄλλοις ἔρις. 18,69 ἣν ἄν τις
κατὰ τῶν ἐναντιωθέντων οἷς ἔπραττεν ἐκεῖνος, μέμψις καὶ κα-
τητορία. Menander Fragm. 572 Kock ὅταν τι πράττῃς Öcıov.
Fragm. Iyr. adesp. 58 Bgk. (3%, 706) ἀλλά τις ἄμμι δαίμων.
Dazu Plato Leges 3, 683 B ei γοῦν, ὦ ξένε, τις NUlv ὑπό-
cxoıro θεός, wo zugleich auch noch die Anlehnung von τὶς
an den Vokativ Beachtung verdient, vgl. das oben S. 345 über
ΤΤάτροκλέ μοι bemerkte. Aus Nachahmung derartiger Stellen
ist dann die Wortfolge von Stellen wie Thucyd. 1, 106, 1
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellune. 369
καὶ αὐτῶν μέρος — ECETTECEV ἔς του χωρίον ἰδιώτου zu erklä-
ren, wo mitten im Satze stehendes τὶς von dem später nach-
folgenden Satzteil durch andere Wörter getrennt ist.
Und wie das homerische, drängt auch das nachhome-
rische τὶς andere Wörter von der ihnen zukommenden zweiten
Stelle weg. Aus der attischen Litteratur gehört bloss etwa die
Tmesis Aristoph. Vesp. 457 ἔν τί coı παγήςεται und Stellen
wie Plato Gorg. 520 E ὅντιν᾽ ἄν τις τρόπον ὡς βέλτιετος εἴη
hierher. Aber die Wortfolge τίς κε hinter dem Einleitungs-
wort eines Konjunktivsatzes, welche die epische Sprache (ab-
gesehen vom gemeinüblichen öcrıc ke) nur in Einem homeri-
schen und Einem hesiodischen Beispiel kennt, ist im Dorischen
(natürlich mit κα statt ke) geradezu die Regel. (Vgl. Ahrens
Dial. II 383). So im gortynischen Gesetz: 9, 43 αἴ τις κα.
αὐ τινα Ka. 9.29. (ebenso ὁ, 23.6, 43. 9. 13} καὶ τί κ΄.
8, 17 το uev τίς κ΄. 3, 9 ὅτι δέ τίς κα΄ : Abweichend 5, 13
17 — 22 αἱ δέ κα un τις und 4, 14 ὦ de κα μή τις ἢ ετέγα,
wo un das Indefinitivum attrahiert hat, sowie ὁπῶ κά τιλ An
10, 33. — Auf jüngern kretischen Inschriften CIG. 3048 (—
‚auer ? 123), 33 εἰ δέ τινές κα τῶν ὁρμιωμένων (ebenso 3049,
9.8038, 13). 3048, 58 εἴ τίς κα ἄγῃ (ebenso 3049, 14. 3058,
16). — Auf den Tafeln von Heraklea 1, 105 καὶ ai τινί κα
oAw. 1, 117 xoi ai τινά τε κα ἄλλους. 1, 119 ai δέ τινά
ka γήρᾳᾷ — ἐκπέτωντι. 1, 127 καὶ εἴ τινές Ka μὴ πεφυτεύ-
kwvrı. 1, 128 ai de τίς ka ἐπιβῇ. 1, 151 oi δέ τῖς κα τῶν
kopmıZouevwv ἀποθάνει. 1, 173 αἴ τινά κα yipa — ἐκπέτωντι.
— Auf der Inschrift v. Orchomenos Dittenberger Syll. 178, 10 καὶ
εἴ τίς κα μὴ euuevn. — Auf der Inschrift von Mykene Collitz
3316, ὃ αἱ δέ τί κα πένηται. — Auf den korkyräischen In-
ἀπε εἶδα Coll. 3206, 25 εἰ δέ τί x’ ἀδύνατον γένοιτο: 3206,
109 εἰ δέ τί κα -- μὴ ὀρθῶς ἀπολογίξωνται. 3206, 114 εἴ
τινός κα ἄλλου δοκῆ. Dazu vielleicht Theokrit 2, 159 ai δέ
τί κά με — λυπῇ. (Siehe unten S. 372).
Angesichts so konstanten Gebrauchs, dem ich, abgesehen
von den gortynischen Ausnahmen, wo teils un im Spiele ist,
teils nicht ei vorhergeht, nur Epieharm S. 217 Lor. (Athen. 6,
236 A) 2. ὃ καΐ κά τις ἀντίον (ti) An τήνῳ λέγειν und S. 281
Lor. (Athen. 2, TOF) αἴ κά τις ἐκτρίψας καλῶς παρατιθῇ νιν
als Gegenbeispiele entgegenstellen kann, scheint es mir klar,
dass auf der korkyräischen Inschrift 3213 Collitz (= CIG.
370 Jacob Wackernagel,
1550), 5 das überlieferte αἵ κα mäcyn nicht mit Boeckh in αἴ
κά (ti) πάςχη zu verbessern ist, sondern vielmehr in αἵ
(TI) κα πάεχη. Übrigens ist diese Stellungsgewohnheit nicht
bloss dorisch: Tafel von Idalion, Z. 29 ὄπι είς κε τὰς Fpntac
tacde Alben. — Vgl. ferner Sophron bei Athen. 3, 110 D ἄρτον
γάρ τις τυρῶντα τοῖς παιδίοις Take, mit Trennung von ἄρτον
τυρῶντα.
Endlich kann man die Frage aufwerfen, ob nicht die
von Herodot an den Prosaisten geläufige Zwischenschiebung
von τὶς zwischen den Artikel nebst eventuellem Attribut und
das Substantiv des zugehörigen Genetivus partitivus (z. B. τῶν
τινα Avdwv, ἐς τῶν ἐκείνων TI χωρίων, τῶν ἄλλων τινὰς EAAN-
νων) in Sätzen aufgekommen sei, wo τις dadurch an zweite
Stelle kam.
Die vom Indefinitum abgeleiteten Adverbia befolgen bei
Homer unser Gesetz ziemlich streng. In NTTP findet sich
που 14 mal, immer an zweiter Stelle, darunter beachtenswert
N 295 un πού τις ὑπερφιάλως veuecnen mit Trennung von un
und τις und N 225 ἀλλά που. — ποθι zweimal, N 630 ἀλλά
ποθι, N 309 ἐπὶ οὔ ποθι ἔλπομαι, wo noch οὐ vorhergeht. —
πῶς neunmal, siebenmal an zweiter Stelle, dazu ἀλλ᾽ οὔ πως
N 729. P354 — ποτε viermal, zweimal an zweiter Stelle,
daneben N 776 ἄλλοτε δή ποτε μᾶλλον ἐρωῆςαι πολέμοιο μέλλω.
TT 236 ἠμὲν δή ποτ᾽ ἐμὸν ἔπος ἔκλυες εὐξαμένοιο. --- πῇ nur
einmal (TT 110), korrekt. — rw fünfmal korrekt, dazu P 190
θέων δ᾽ ἐκίχανεν ἑταίρους ὦκα μάλ᾽, οὔ πω τῆλε, ποεὶ κραιπ-
voicı ueracnwv. Ρ τὶ δύο δ᾽ οὔ πω φῶτε πεπύεθην. [Aus-
nahmen aus den andern Büchern verzeichnet Monro ? S. 356 ff. ]
Die nachhomerische Zeit verfährt bei diesen Partikeln
recht frei. Reste des Alten legen ausser in ἤπου, δήπου, vor
in Stellen wie Theokrit 18, 1 ἔν ποκ᾽ ἄρα Σπάρτᾳ —. Anti-
pater Anthol. Pal. 6, 219, 1 ἔκ ποτέ τις φρικτοῖο θεᾶς ceco-
Bnuevoc oictpw. (Nach solehen Mustern «dann Pind. Pyth. 2,
33 ὅτι τε μεταλοκευθέεειν ἔν ποτε θαλάμοις. Leonidas Anthol.
Pal. 9, 9 Ἴξαλος εὐπώγων αἰγὸς πόεις ἔν ποθ᾽ ἁλωῇ). Vel.
auch Plato Phaedo 73D ἄλλη που ἐπιετήμη ἀνθρώπου καὶ
λύρας. 101 B 6 αὐτὸς γάρ που φόβος.
Viel ergebnisreicher ist die Betrachtung sonstiger enkli-
tischer Partikeln. Zwar wenn τε und pa stets an zweiter
Stelle stehen (B 310 βωμοῦ ὑπαΐξας πρός ῥὰ πλατάνιετον ὄρου-
Uber ein Gesetz der indogermanischen W ortstellung. 911
© >
cev ist das Partizip einem Nebensatz gleichwertig), könnte man
dies aus ihrer Funktion die Sätze zu verbinden erklären. An-
dererseits entzieht sich ye jeder durchgreifenden Stellungsregel,
weil es an das Wort gebannt ist, auf dessen Begriff das Haupt-
gewicht der Bejahung fällt; höchstens könnte man darauf
hinweisen, dass bei Thucydides mehrmals ein zu einem Par-
tizip gehöriges ye nicht an dieses, sondern an ein früheres
Wort angeschlossen ist (Stahl zu Thucyd. 2, 38, 1): 2, 38, 1
ἀγῶςει μέν Ye καὶ θυείαις διετηςίοις νομίζοντες. 4, 65, 4 οὕτω
τῇ γε παρούςεῃ εὐτυχίᾳ χρώμενοι. 4, 86, 2 πίετεις γε διδοὺς
τὰς μεγίετας. Vgl. Demosth. 18, 226 ὡς γ᾽ ἐμοὶ δοκεῖ statt
ὡς ἔμοιγε δοκεῖ.- Ähnliches wie für re, gilt für περ.
Aber Eine konstant enklitische Partikel kann doch ge-
nannt werden, die, obwohl durchaus nieht der Satzverbindung
dienend, doch ganz unverkennbar Vorliebe für die zweite Stelle
hat, nämlich κε (kev, ka). Schon G. Hermann De particula
ἄν (Opuseula IV) S. 7 deutet dies mit den Worten an: “κεν,
quae quod enclitica est ab incipienda oratione arcetur, etiam
ante ea verba, ad quorum sententiam pertinet, poni potest,
dummodo aliqua vox in eadem constructione verborum prae-
cesserit”, und bringt als Beispiel H 125 ἡ κε μέγ᾽ οἰμώξειε
γέρων ἱππηλάτα Πηλεύς. Doch denkt Hermann nicht daran,
seradewegs der Partikel die zweite Stelle im Satz zu vindi-
zieren. Und selbst der neueste Gesamtdarsteller des homeri-
schen Gebrauchs von xe, E. Eberhard in Ebelings Lexikon,
behandelt dessen Stellung zwar auf fast sieben eng gedruck-
ten Spalten, aber ohne prinzipiell über Hermann hinauszukom-
men, so sehr das von ihm selbst zusammengebrachte Material
ihn hätte auf die richtige Bahn bringen müssen. So wenn
er im Anschluss an Schnorr hervorhebt, dass κε dem Verb
nur dann folge, wenn dieses an der Spitze des Satzes stehe,
und dem Partizip nur w 47T ἰδοῦςά κε θυμὸν ἰάνθης, oder dass
sich die und die Verbindung von κε mit eimem vorausgehen-
den Wort nur “in introitu versus” finde.
Allgemein anerkannt ist vorerst, dass in allen grieehi-
schen Mundarten, die ke oder eine Nebenform desselben über-
haupt besitzen, die Partikel dem einleitenden Pronomen oder
Fügewort konjunktivischer Nebensätze ausnahmslos unmittel-
bar folgt, es sei denn, dass sich sonstige Enklitika oder Quasi-
Enklitika, wie τε, δέ, γάρ, μέν, vereinzelt auch τὶς (siehe oben
Indogermanische Forschungen 1 3 u. 4. 24
372 Jacob Wackernagel,
ὃ >
S. 369), τὺ (siehe oben S. 344) und τοὶ (Theognis 092 6 τοί
κ᾿ ἐπὶ τὸν νόον ἔλθῃ) dazwischen drängen: ὅς κε, εἰς ὅ κε, εἴ
κε, αἴ κε, ἐπείκε, ὅτε κε (dor. ὅκκα), ἕως κε, ὄφρα κε, ὥς κε,
ὅί ππως κε oder ὃς δέ κε, εἰ δέ κε u. dergl. (Doch Epicharm
S. 225 Lor. [Athen. 6, 236A] Z. 10 aixa τὸ ἐντύχ τοῖς
περιπόλοις und Theokrit 1, 5 αἴκα δ᾽ αἶτα λάβη τῆνος γέρας
neben 1, 10 αἱ δέ κ᾽ ἀρέεκῃ τι. 5. νν.). Undenkbar schemt mir
die von Ahrens für Theokrit 1,159 vorgeschlagene, von Mei-
neke und Hiller akzeptierte Schreibung αἱ δ᾽ ἔτι κά με — λυπῇ,
so dass at von κα durch ἔτι getrennt wäre. Der Zusammen-
hang hindert nicht das grammatisch einzig zulässige αἱ δέ τί
κά με einzusetzen und diese Stelle den oben S. 369 aufge-
führten mit τίς zwischen αἱ und κα einzureihen. (Gottfried
Hermann ei δ᾽ ἔτι καί με — λυπεῖ, was weniger anspricht.)
Ganz Entsprechendes zeigen nun aber die andern Satz-
arten. Auch die Hauptsätze und interrogativen Nebensätze
mit konjunktivischem Verb haben bei Homer κε ausnahmslos
an zweiter Stelle, so in NTTP an folgenden Stellen: TT 129
ἐγὼ δέ κε λαὸν Aareıpw. N 742 (emippaccatueda βουλήν) ἤ κεν
ἐνὶ νήεεει πολυκλήιει πέεωμεν --- N κεν ἔπειτα παρ νηῶν ἐἔλ-
θωμεν. P50O6 ἤ κ᾽ αὐτὸς ἐνὶ πρώτοιειν ἁλώῃ. Ebenso die
Futursätze: P 241 ὥς κε τάχα Τρώων κορέει κύνας ἠδ᾽ οἰω-
γνούς. P5Ä5T εἴ κ᾽ ᾿Αχιλῆος ἀγαυοῦ TICTOV ἑταῖρον τείχει ὕπο
Τρώων ταχέες κύνες eAkrcoucıv. P 515 τὰ δέ κεν Διὶ πάντα
μελήςει. (So auch sonst, und zwar auch auf die Gefahr hin
Zusammengehöriges zu trennen: F 138 τῷ δέ κε vırncavrı φίλη
κεκλήςῃ ἄκοιτις). Nicht anders ist der Gebrauch beim Optativ
und beim Präteritum. In NTTP haben wir ke 2S mal an zwei-
ter oder so gut wie zweiter Stelle optativischer Sätze (mit
Einsehluss von N 127 ἃς οὔτ᾽ ἄν κεν Ἄρης ὀνόςεαιτο WETEX-
θών οὔτε K ᾿Αθηναίη und von P 629 ᾧὦ πόποι, ἤδη μέν κε —
γνοίη) und τ mal an zweiter Stelle präteritaler Sätze. Diesen
35 Beispielen, worunter ἀλλά κεν N 290 [und dreimal in der
Odyssee] und καί κεν N 37T. P613 [und sonst noch oft, 5.
Ebeling II 733] (vgl. kai μοι), ferner N 321 ἀνδρὶ δέ κ᾽ οὐκ
εἴξειε μέγας Τελαμώνιος Αἴας mit seiner Voranstellung von ΚΕ
vor die Negation besonders bemerkenswert sind, steht nur Ein
Gegenbeispiel gegenüber: P 260 τῶν δ᾽ ἄλλων τίς κεν ἧςει
φρεεὶν οὐνόματ᾽ εἴποι, wo die Entfernung des fragenden τίς
von der ihm zukommenden Stelle am Satzanfang auch für xe,
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 919
das dem τίς nieht vorangehen durfte, eine Verschiebung nach
sich gezogen hat.
Halten wir bei Homer weitere Umschau, so können wir
namentlich konstatieren, dass die für die konjunktivischen Ne-
bensätze anerkannte Regel, dass sich κε an das satzeinleitende
Wort unmittelbar anschliessen soll, gerade so auch für die
optativischen und indikativischen gilt, und ὅς κε, οἷος κε, ὅθεν
κε, ὅτε κε, εἰς ὅ κε, ἕως κε, ὄφρα κε, ὥς κε, εἴ κε, αἴ ke bei
ihnen gerade so eng zusammenhängen, wie bei den konjunk-
tivischen. Der Ausnahmen für diese wie für die sonstigen
xe-Sätze sind verschwindend wenige: Ψ 592 ei καί νύ κεν οἵ-
κοθεν ἄλλο μεῖζον ἐπαιτήςειας, wo eben εἰ καί eine ähnliche
Einheit bildet wie εἴπερ; vgl. N58 εἰ καί μιν. Sodann, wie-
derum wie bei μιν, mehrere Beispiele mit οὐ: = 91 μῦθον
ὃν οὔ κεν ἀνήρ γε διὰ «τόμα πάμπαν ἄγοιτο. α 236 ἐπεὶ οὔ
κε θανόντι περ ὧδ᾽ ἀκαχοίμην. ὃ 64 ἐπεὶ οὔ κε κακοὶ τοιούςδε
τέκοιεν. θΘ 280 τά τ᾽ οὔ κέ τις οὐδὲ ἴδοιτο, und vielleicht noch
einige andere. Dann A 256 ἄλλοι τε Τρῶες μέγα κεν κεχα-
ροίατο θυμῷ. Eine viel seltsamere Ausnahme wäre, zumal da
εἴ κε sonst immer zusammenbleibt, E 273 — © 196 ei τούτω
κε λάβοιμεν, ἀροίμεθά κεν κλέος ἐεθλόν. Aber schon zahlreiche
Herausgeber, zuletzt auch Nauck, haben hier das sinngemässe
ve eingesetzt. Um so auffälliger ist Naucks Schreibung y 319
ὅθεν οὐκ ἔλποιτό κε θυμῷ ἐλθέμεν gegenüber dem ye aller
Handschriften.
Auf den inschriftlichen Denkmälern der Dialekte, welche
xe, ka anwenden, kommt diese Partikel ausserhalb der bereits
besprochenen konjunktivischen Nebensätze nur selten vor, was
durch den Inhalt der meisten derselben bedingt ist. Aeolisch
haben wir ein paar mal ὥς κε ὁ. optat., kyprisch das sehr be-
merkenswerte τάς κε ζᾶς τάςδε — ἔξο(ν)ει aifel, also κε an
zweiter Stelle zwischen Artikel und Substantiv bei futurischem
Verbum (Tafel von Idalion Z. 30; vgl. Hoffmann Griech. Dia-
lekte I 70. 73, der gegenüber dem früher gelesenen γε das
Richtige erkannt hat), argivisch (Collitz 3277, 8) ἅι κα δικάς-
caıev, korkyräisch (Collitz 3206, 84) ἀφ᾽ οὗ κ᾽ ἀρχί(ὰ) γένοιτο,
epidaurisch in der grossen Heilungsinschrift (3339 Collitz) auf
2.60 ai κα ὑγιῆ νιν ποιήςαι, aber Z. 84 τοῦτον γὰρ οὐδέ κα
ὃ ἐν Ἐπιδαύρωι ᾿Αεκλαπιὸς ὑγιῆ ποιῆςαι δύναιτο, sowie bei
Isyllos (3342 Collitz) neben (Ζ. 30) οὕτω; τοί κ᾿ ἀμῶν περιφεί-
374 Jacob Wackernageel
Θ 3
dort’ εὐρύοπα Ζεύς im Vers, Ζ. δ f. in Prosa ἢ λώιον οἵ κα εἴη
ἀγγράφοντι τὸν παιᾶνα. Ἐμάντευςε λώιόν οἵ κα εἶμεν ἀττρά-
φοντι.
Ein bischen reicher an Beispielen für κα sind bloss die
(lodonäischen und die eleischen Inschriften. Und nun beachte
man, dass sämtliche mit τίνι θεῶν θύοντες und Ähnlichem an-
fangenden und auf ein optativisches Verb ausgehenden Betra-
gungen des dodonäischen Orakels, wenn sie κα haben, dieses
unmittelbar hinter τίνι setzen und mit demselben also τίνι von
dem nächst zugehörigen Genetiv trennen, ein deutlicher Beweis
für den Drang von κα nach der zweiten Stelle: Collitz 1562,
1565, 1566, 1582%, 1582”, z. B. (1565) τίνι ka θεῶν [ἢ] npwwv
θύοντες καὶ εὐχ[ό](μ)ενοίι) ὁμονοοῖεν ἐπ]ὶ rwya@öov. — Ähnlich
15728 τί κα θύκςας —.
Wenn Blass in der Inschrift 3184 Coll. (= 1564 Coll.)
τίνας θεῶν ἱλαςεκόμενος λώιον Kal ἄμεινον Trpaccoı, die Partikel
κα, die allerdings hinter τίνας sicher nicht gestanden hat, an
einem Zeilenende hinter Awıov einschieben will, weil sie uner-
lässlich sei, so übersieht er, dass die dodonäischen Inschriften
den Optativ ohne κα mehrmals potenzial verwenden, z. B.
1562 B τίνι θεῶν Hlouca λώιον καὶ ἄμεινον TIPÜCCOL καὶ τᾶς
νότου παύςεαιτο.ς 1983, 2. ἡ μὴ ν[αἰ υἹκλαρῆ(ν) Awıoy καὶ ἄμει-
vou tpaccomı. 1587° τίνα θεῶν ἢ ἡρώων τιμᾶντι λώιον καὶ
ἄμεινον εἴη. — Ausserhalb jener festen mit τίς beginnenden
Formel ist allerdings auf diesen Inschriften die Stellung von
κα eine freie: 1568, 1 ἦ τυγχάνοιμί κα. 1573 — βέλτιόμ μοί
κ᾿ εἴη.
Bei den eleischen Inschriften müssen -zunächst 1151, 12.
1154, 1. 1157, 4. 1158, 2 ausser Rechnung fallen, weil hier
κα zwar überliefert, aber seine Stellung im Satz nicht erkenn-
bar ist; ebenso alle Beispiele mit ergänztem κα, ausser 1151,19,
wo die Stelle des zu ergänzenden κα wenigstens negativ fest-
gestellt werden kann. Es bleiben so 25 Beispiele: 21 bieten
ka an zweiter oder so gut wie zweiter Stelle, wobei ich
1149, 9 ἐν τἠπιάροι κ᾿ ἐνέχοιτο und 1152, 7 ev Tal Zexauvalaı
x’ ἐνέχοιτο mit einrechne; diesen 21 stehen bloss 7 Gegenbei-
spiele gegenüber. Das Gewicht dieser Zahlen wird verstärkt
durch die Beschaffenheit folgender Stellen: 1154, 1 τοὶ ZE κα
θεοκόλοι. 1154, 3 mevraratiac κα δαρχμάς. 1156,2 a δέ Ka
Fpatpo. 1156,35 τῶν δέ κα γραφέων. 1158, 1 ὁ δέ κα ξένος,
Über ein Gesetz der indogermanischen W ortstellung. 375
an welchen allen κα den Artikel oder ein Attribut von seinem
Substantiv trennt. Dazu kommt 1157, 7 τῶν Ze mpocrıliwv
οὐζέ κα ul εἴη, wo κα zwar nicht an zweiter Stelle steht,
aber die Tmesis doch ein Drängen der Partikel nach dem
Satzanfang verrät.
Für die nachhomerischen Dichter darf man trotz der
Spärlichkeit der Belege Geltung der Regel bis an den Schluss
des sechsten Jahrhunderts behaupten. Die Fragmente der
vorpindarischen Meliker, wie die der Elegiker vor Theognis
bieten xe, ka nur an zweiter Stelle (siehe bes. auch Xeno-
phanes 2, 10 ταῦτά χ᾽ ἅπαντα Aayoı). Sappho Fragm. 66 6
δ᾽ Ἄρευς φαῖςεί κεν "Apaıctov ἄγην ist schlecht überliefert,
und Alcaeus 83 schreibt zwar Bergk: αἵ κ᾿ εἴπῃς, τὰ θέλεις,
(avröc) ἀκούεαις (ke), τά κ᾿ οὐ θέλοις. Aber weder αὐτός
noch κε ist überliefert. Man wird jetzt andre Wege der Besse-
rung versuchen müssen. Dann freilich die theognideische
Spruchsammlung, Pindar und Epicharm gehn von der alten
Norm ab: Theognis (neben Stellen wie 900 μέγα κεν πῆμα
Bporoicıv ἐπῆν) 645, 653, 747, 765; Pindar öfters; Epicharm
(gegenüber normalem Gebrauch S. 223, Busiris Fragm. 1:
S. 264, Fragm. 33, 1 und S. 267 Vs. 12) 5. 257, Fragm. 7,
or Ve. 9.5. 268, Vs. 16.8. 269, Vs. 11.'8.'274,
Fragm. 53; Vs. 167 Mullach: wobei man die Frage nach der
Eehtheit der einzelnen Stellen wohl auf sich beruhen lassen
kann.
Von den noch übrigen enklitischen Partikeln θην, vu, τοι
steht Θήν bei Homer immer an zweiter Stelle (natürlich mit
Einrechnung von ® 568 καὶ γάρ θην und © 448 οὐ μέν θην);
ebenso Aeschylus Prom. 928 εὖ θην ἃ χρήζεις, ταῦτ᾽ emiyAwccäd
Διός: ebenso bei Theokrit in den ererbten Verbindungen τύ
θην 1,97. 7,83 (vgl. Aeschylus a. a. O.) und καὶ γάρ θην
6, 34 (vgl. ® 568), daneben noch in aivöc θην 14, 43 und
πείρᾳ θην 15, 62. Zweimal (2,114. 5, 111) hat Theokrit die
Regel verletzt. Vor ihm schon Epicharm ’Eimic S.226 Lor.,
Vs. 2 καίτοι νῦν Ya θην εὔωνον αἰνεῖ εἶἴτον.
vu, νυν stehen bei Homer so gut wie immer an zweiter
Stelle, zu schliessen aus der Bemerkung bei Ebeling s. v.:
“partieula ut est enelitica, ita ad vocem gravissimam quamgque
se applieat.”° T 95 καὶ γὰρ δή νύ ποτε Ζεὺς Acato rechne
ich nicht als Ausnahme. Umgekehrt fällt stark ins Gewicht,
316 Jacob Wackernagel,
erstens dass vu andern Enklitika, wie μοι, τοι, οἱ, ce, τις, TI,
ποτε, που (doch K 105 ὅεα πού νυν ἐέλπεται), περ, κεν regel-
mässig vorangeht, und nur δέ vor sich hat; dazu νὺ γάρ N 257
neben γάρ vu O 259. γὰρ δή vu T 95. Zweitens trennt es
öfters enge Verbindungen oder hilft solehe trennen: Attribut
und Substantiv © 104 ἠπεδανὸς de νύ τοι θεράπων. T 169
θαρεαλέον νύ τοι ἦτορ Evi ppeciv. (ὁ 2059 — 521 ειδήρειόν νύ
τοι ἦτορ. Artikel und Substantiv A 382 οἱ δέ νυ λαοὶ θνῆεκον.
X 405 ἣ δέ νυ μήτηρ τίλλε κόμην. Präposition und Substan-.
tiv I 116 ἀντί νυ πολλῶν λαῶν ἐςτὶν ἀνήρ. Gegen die Regel
verstösst, so viel ich sehe, nur α 217 ὡς δὴ ἔτωτγ᾽ ὄφελον
μάκαρός νύ TEU ἔμμεναι υἱὸς ἀνέρος.
Für den nachhomerischen Gebrauch verweise ich auf
φέρε νυν, ἄγε νυν (Aristoph. Pax 1056), un νυν, ferner auf
das zumal bei Herodot so oft an zweiter Stelle zu lesende
μέν νυν, sowie endlich auf Sophokles Philokt. 468 πρός νύν
CE πατρὸς πρός TE μητρός — ἱκέτης ἱκνοῦμαι. Oed. Col. 1333
πρός νύν CE κρηνῶν καὶ θεῶν ὁμογνίων αἰτῶ πιθέεθαι. Eurip.
Helena 191 πρός νύν ce γονάτων τῶνδίε). Ferner auf So-
phokles Phil. 1177 ἀπό νύν με λείπετ᾽ ἤδη. Eurip. Hiket. 56
μετά νυν δός. Vgl. auch Lobeck zum Aias Vs. 1352. — Im
Kyprischen ist die Stellung von vu freier: Tafel von Idal. 6
ἢ dufavor vu. 16 ἢ δώκοι vu. Ebenso im Böotischen: Collitz
488, 85 κὴ τὴ οὑπεραμερίη ἄκουρύ vu ἔνθω (= καὶ αἱ ὑπερη-
μέριαι ἄκυροι ἔετων). --- Ob übrigens in kypr. ὄνυ “hie”, τόνυ
“hune”, arkad. τάνυ “hane” die Partikel vu enthalten sei,
scheint mir höchst zweifelhaft. Eher das v von οὗτος: vel.
ark. twvi, Tavvı.
Endlich noch ein Wort über τοι, soweit es reine Par-
tikel geworden ist, für das die Stellung nach unserer Regel
allgemein anerkannt ist; vgl. καίτοι, μέντοι. Darnach 1) Time-
sis: Eurip. Herakles 1105 ἔκ τοι πέπληγμαι. Orestes 1047
ἔκ τοί με τήξεις. Aristoph. Vesp. 784 ἀνά τοί με πείθεις.
2) Aristoph. Ekkles. 976 διά τοι ce πόνους ἔχω. Ferner mit
γάρ τοι Theognis 287 Ev γάρ τοι πόλει ὧδε κακοψόγῳ ἁνδάνει
οὐδέν. Plato Phaedo 600 περὶ γάρ τοι τῶν ποιημάτων.
108 1) περὶ γάρ τοι γῆς πολλὰ ἀκήκοα. 2) Sophokles Fragm.
855, 1 ὦ παῖδες, ἥ τοι Κύπρις οὐ Κύπρις μόνον. Eurip. Fragm.
222 N.? τήν τοι Δίκην λέγουει παῖδ᾽ εἶναι Χρόνου. Aristoph.
Pax 211 οἵ τοι γεωργοὶ τοὔργον ἐξέλκουςι. Plato Sympos.
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. BY
219A ἥ τοι τῆς διανοίας ὄψις. Ferner mit γάρ τοι Eurip.
Helena 93 τὸ γάρ τοι πρᾶγμα ευμφορὰν ἔχει. Plato Apol. 29 A
τὸ γάρ τοι θάνατον δεδιέναι. 4) Theognis 95 τοιοῦτός τοι
ἑταῖρος (Bergk ἑταίρῳ) ἀνὴρ φίλος. 605 πολλῷ τοι πλέονας
λιμοῦ κόρος ὥλεεεν ἤδη ἄνδρας. δ᾽ dıccal TOL πόειος κῆρες
δειλοῖει βροτοῖειν. 965 πολλοί τοι κίβδηλοι --- κρύπτουκί(!).
1027 ῥηιδίη τοι πρῆξις ἐν ἀνθρώποις κακότητος. 1030 δειλῶν
τοι κραδίη γίγνεται ὀξυτέρη. Aeschyl. Agam. 365 Δία τοι
ξένιον μέγαν αἰδοῦμαι. Eur. Or. 1101. Plato Syinpos. 218 E
ἀμήχανόν τοι κάλλος U. 8. W.
Attisch roıyaproı ist auch ein Zeichen für den Drang
der Partikel nach vorn. Bei Homer kommt τοιγάρτοι noch
nieht vor. Dafür haben wir noch mehrfach τοιγὰρ ἐγώ Tor —
καταλέξω (oder ein anderes Futurum), wo eigentlich hinter τοιγάρ
leicht zu interpungieren ist: “weil es so (τοί — Instrumental
tw + ı?) ist, —”. Nachhomerisch wurde dann τοι — und
ebenso οὖν — unmittelbar an τοιγάρ angeschlossen; τοιγάρτοι:
τοιγάρ — τοι -Ξ Jlatein. utrıumme : utrum — ne (siehe unten).
v1.
Dieht neben die Enklitika stellt sich eine Gruppe von
Wörtern, die Krüger passend postpositive Partikeln nennt, weil
sie gerade so wenig wie die Enklitika fähig sind an der Spitze
eines Satzes zu stehen: dv, dp, ἄρα, αὖ, γάρ, δέ, δῆτα, μέν,
μήν, οὖν, τοίνυν. Woher diese Ähnlichkeit mit den Enklitika
herrührt, habe ich hier nicht zu untersuchen. Doch scheinen
verschiedene Momente im Betracht zu kommen: eme dieser
Partikeln, nämlich αὖ, könnte ursprünglich wirklich enklitisch
gewesen sein, da sie dem altindischen Enklitikum « etymolo-
gisch entspricht, was ich gegenüber Kretschmer RZ. XXX1964
festhalte. Sodann setzt sich τοίνυν aus zwei Enklitika τοι
vuv zusammen. Das Ursprüngliche war jedenfalls z. B. αὐτός
τοί νυν. Seit wann man αὐτὸς τοίνυν sprach, lässt sieh nicht
mehr ermitteln. Bei andern lässt sich denken, dass sie erst
allmählich postpositiv geworden seien, gerade wie im La-
temischen enim und nach dessen Vorbild später namque
(itaque nach igitur). So wird man ἄν kaum von der lateimi-
schen und gotischen Fragepartikel an trennen können, und die
ist in beiden Sprachen präpositiv. Man wird wohl sagen
dürfen, dass im Griechischen die Partikel durch den Einfluss
318 Jacob Wackernagel,
von κε, mit dem sie bedeutungsgleich geworden war, von der
ersten Stelle im Satz weggelenkt und postpositiv geworden sei.
Vor unsern Augen vollzieht sich eine derartige Wendung bei
ön, das bei Homer und bei den seiner Sprache folgenden
Diehtern den Satz einleiten kann, aber schon bei Homer ent-
schieden postpositiv zu werden beginnt und dies in der Prosa
ausschliesslich ist.
Nun liegt aber bei beiden Arten von postpositiven Par-
tikeln, sowohl bei den von Haus aus enklitischen wie av, als
bei den unter den Einfluss eines Enklitikums getretenen wie
av, die Frage nahe, ob sie an der speziellen Stellungs-
regel der Enklitika, wie sie sich bei unserer Betrachtung her-
ausgestellt hat, Anteil nehmen. Für diejenigen unter ihnen,
die der Satzverknüpfung dienen, überhaupt für alle ausser ἄν,
ist wohl anerkannt, dass sie dies thun, und bekannt, dass sie
gerade so wie die eigentlichen Enklitika vermöge der Stel-
lungsregel oft Tmesis und Ähnliches bewirken z.B. Sophokles
Antig. 601 κατ᾽ αὖ νιν φοινία θεῶν TWV νερτέρων ἀμιᾷ κοπίς.
Eurip. Herakles 1085 ἀν᾽ αὖ βακχεύςει Καδμείων πόλιν. Häufig
tritt οὖν zwischen Präposition und Kasus, zwischen Artikel und
Substantiv. Ganz regelmässig thut dies de, bei dem überhaupt
die Regel am schärfsten ist, da es vor allen Enklitika und
Enklitoiden den Vortritt hat und nur äusserst selten an dritter
Stelle steht. Bei den andern erleidet die Regel gewisse Ein-
schränkungen: ἄρα folgt etwa einmal erst dem Verb z. B. E 748
Ἥρη δὲ uacrıyı θοῶς ἐπεμαίετ᾽ ἄρ᾽ ἵππους. Herodot 4, 45, 21
πρότερον δὲ ἦν ἄρα ἀνώνυμος. Ovv wird gern von der mit
einem Verb verbundenen Präposition attrahiert und tritt dann
zwischen sie und das Verbum: so überaus oft bei Herodot
und Hippokrates; Hipponax (?) Fragm. 61 ἑςπέρης καθεύδοντα
ἀπ᾿ οὖν ἔδυςε; Epicharm 5. 225 Lor. (Athen. 6, 236 A) V.
τὺ: τήνῳ κυδάζοιμαί τε Kam ὧν ἠχθόμαν. Melanippides bei
Ath. 10, 429 C τάχα δὴ τάχα τοὶ μὲν ἀπ᾿ ὧν ὄλοντο. Sehr
frei ist die Stellung von δή.
Eine Sonderstellung nimmt ἄν ein. Gottfried Hermann
lehrt Opuse. 4, 7 “ἄν eum non sit enelitica et tamen initio
poni nequeat, apertum est poni eam debere post eorum aliquod
vocabulorum, ad quorum sententiam constituendam pertinet”,
und stellt ἄν in scharfen Gegensatz zu ke. Schon bei Homer
trete der Unterschied der Stellung an den beiden Beispielen
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 379
N κε μέτ᾽ οἰμώξειε, wo ke unmittelbar auf ἢ folge, und n c’ ἂν
tıcalunv, wo sich ἄν erst an das zweite Wort, ce, anschliesse,
deutlich hervor. Dieser Unterschied zwischen ἄν und κεν
muss uns überraschen. Wenn die Annahme richtig ist, dass
av durch den Einfluss von xe postpositiv geworden ist, so
können wir für ἄν keine andre Stellung als die von κεν cr-
warten.
Ist aber der von Hermann behauptete Gegensatz wirk-
lich vorhanden? Jedenfalls nieht in einer umfänglichen Kate-
gorie von Sätzen, den Nebensätzen mit konjunktivischem Ver-
bum. Denn hier ist unmittelbarer Anschluss an das satzein-
leitende Wort bei ἄν ebenso unbedingte Regel wie bei κείν).
Hierbei gilt öcrıc als Worteinheit; ebenso ὁποῖός τις: Plato
Phaedo 81 E önol' ἄττ᾽ ἂν καὶ μεμελετηκυῖαι τύχωςει. Xeno-
phon Poroi 1, 1 ὁποῖοί τινες Av οἱ mpocraraı wcı. Ferner
gehen gewisse Partikeln, die selbst an den Satzanfang drän-
gen, nämlich γάρ, Ye, δέ, μέν, -περ, τε dem ἄν regelmässig
voran, vereinzelt: auch δή z. B. Plato Phaedo 114B οἱ δὲ δὴ
ἂν δόξωει διαφερόντως προκεκρίεθαι, μέντοι zZ. B. Kenophon
Cyrop. 2, 1,9 οἵ γε μέντ᾽ ἂν αὐτῶν φεύγωει, οὖν z. B. Ari-
stoph. Ran. 1420 ὁπότερος οὖν ἂν τῇ πόλει παραινέεειν
μέλλει τι χρηςετόν, (wiewohl Herodot an einigen Stellen dem ἄν
auch vor μέν und de den Vortritt lässt 1, 138, Ὁ ὃς ἂν δὲ τῶν
ἀςτῶν λέπρην — ἔχῃ. ὃ, 12,20 ὃς Av μέν νυν τῶν πυλωρῶν
erwv mapın. 18 5 ὃς ἂν de ἔχων ἥκῃ. 1,89 ὃς ἂν δὲ
ἔχων ἥκῃ). Aber vor allen andern Wörtern hat ἄν den Vor-
tritt. Die nieht entschuldbare Ausnahme Antiphon 5,38 καθ᾽
ὧν μηνύῃ ἄν τις hat Mätzner längst aus dem Oxoniensis, wel-
cher καθ᾽ ὧν ἂν μηνύῃ τις schreibt, berichtigt. Um so unbe-
greiflicher ist noch in der zweiten Ausgabe der Fragm. Trag.
von Nauck unter Euripides Fragm. 1029 den Versen zu be-
gegnen ἀρετὴ δ᾽ Öcwrep μᾶλλον ἂν χρῆεθαι θέλῃς, TOcWdE
μείζων γίγνεται καθ᾽ ἡμέραν. Für das fehlerhafte μᾶλλον ἄν
vermutet Dümmler ἂν πλέον. Oder ist θέλῃς in θέλοις zu
ändern? — Sicherer scheint mir die Heilung einer dritten
Stelle mit falsch gestelltem ἄν: Aristoph. Ran. 259 Omöcov
ἢ φάρυγξ Av ἡἥμῶν xavdavn. Es ist einfach umzustellen n
φάρυγξ ὁπόεον ἂν nuwv, wodurch die Responsion mit Vers
264 οὐδέποτε᾽ κεκράξομαι γάρ nicht schlechter wird. Ganz eng
BJ
ist der Anschluss von ἄν an das Fügewort geworden in ion. ἤν,
380 Jacob Wackernagel,
att. ἄν, woraus durch nochmaligen Vortritt von εἰ das gewöhn-
liche ἐάν entstanden ist, in ὅταν, ἐπειδάν, ἐπάν = Ion. ἐπήν,
wo dann die Möglichkeit auch nur eine Partikel dem ἄν vor-
zuschieben wegfällt.
Aber auch in den andern Satzarten ist ursprünglich
zwischen den Stellungsgewohnheiten von av und denen von
κείν) kein wesentlicher Unterschied zu bemerken. In Haupt-
sätzen wie in indikativischen und optativischen Nebensätzen
finden wir bei Homer auf ἄν die Stellungsregel der Enklitika
angewandt. Nur in wenigen Fällen entfernt sich ἄν etwas
weiter von der Regel. Erstens hinter οὐ: A 301 τῶν οὐκ ἄν
τι φέροις. B 488 πληθὺν δ᾽ οὐκ ἂν ἐγὼ μυθήςεομαι οὐδ᾽ ὀνο-
unvw. Γ 66 ἑκὼν δ᾽ οὐκ ἄν τις ἕλοιτο. Ο 40 τὸ μὲν οὐκ
ἂν ErW ποτε μὰψ Ouocamı Ρ' 489 ἐπεὶ οὐκ ἂν ἐφορμηθέντε
γε νῶϊ τλαῖεν ἐναντίβιον «τάντες uoxecachaı Ἄρηι. Nun haben
wir schon früher wiederholt beobachtet, dass die Negationen
gern die Enklitika hinter sich nehmen. Und wenn bei xe
diese Erscheinung weniger zu Tage tritt als bei ἄν, so darf
an Ficks Bemerkung erinnert werden, dass das überhaupt im
überlieferten Text auffallend häufige οὐκ ἄν mehrfach an die
Stelle von οὔ κεν getreten scheine. (Doch siehe hiergegen
Monro A Grammar of the Homerie Dialeet 2. Ausg. S. 350).
Dazu kommen noch drei weitere Stellen, eine mit καὶ ἄν:
E 362 = 457 ὃς νῦν γε καὶ ἂν Διὶ πατρὶ μάχοιτο, während
= 244 f. ἄλλον μέν κεν ἔγωγε θεῶν αἰειγενετάων ῥεῖα κατευνή-
camı καὶ ἂν ποταμοῖο ῥέεθρα ᾽Ωκεανοῦ das καὶ ἄν als neuer
Satzanfang betrachtet werden kann. Eine mit τάχ᾽ av: A205
ἧς ὑπεροπλίῃει τάχ᾽ ἄν ποτε θυμὸν Ökecen. (Vgl. τάχ᾽ ἄν am
Satzanfang αὶ 76 τάχ᾽ ἄν ποτε καὶ τίεις εἴη.) Endlich eine
mit TOT’ ὃν (vgl. τότ᾽. dv, am Satzanfang. > 397, 2213, 1211):
Χ 108 ἐμοὶ δὲ τότ᾽ ἂν πολὺ κέρδιον εἴη. Diese paar Stellen
genügen doch gewiss nicht, um Hermanns scharfe Trennung
von ἄν und κείν) zu rechtfertigen. Sein eigenes Beispiel ἡ ς᾽
ἂν Tıcatunv gegenüber ἢ κε uer οἰμώξειε besagt nichts, da
c/e) enklitisch ist. Und aus ei περ ἄν gegenüber H 387 at κέ
περ ὕμμι φίλον Kal ἡδὺ γένοιτο lassen sich natürlich eben-
falls keine Folgerungen ziehen. Vergleiche überdies die frei-
lich bestrittenen Verbindungen ὄφρ᾽ ἂν μέν κεν, OUT ἄν κεν.
Die nachhomerische Litteratur hat ἄν streng nach der
alten Regel in den konjunktivischen Nebensätzen. Schwan-
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 981
kender ist der Gebrauch bei Nebensätzen mit anderm Modus.
Doch haftet auch hier ἄν m gewissen Fällen fest am Einlei-
tungswort. Besonders in betracht kommen die Verbindungen
ὡς ἄν, ὅπως ἄν, ὥςπερ ἄν.
Am klarsten ist der Sachverhalt bei den mit wc und
ὅπως beginnenden, den Optativ oder Indikativ mit ἄν enthalten-
den Final- und Konsekutivsätzen, dank den Sammlungen, die
für die erstern Weber angelegt und publiziert hat (Weber Die
Entwicklungsgeschichte der Absichtsätze [Beiträge zur histo-
rischen Syntax der griechischen Sprache herausgegeben von
M. Scehanz II] 1 und 2). In solchen Sätzen haben wir ὡς ἄν
in unmittelbarer Folge nicht bloss bei Homer (z. B. p 562
WC ἂν πύρνα κατὰ μνηςετῆρας ayeipoı) sondern auch Archiloch.
Fragm. 30 wc ἂν καὶ γέρων npäccato und Fragm. 101 ὡς
ἄν ce θωϊὴ λάβοι. Pindar Olymp. 7, 42 ὡς ἂν θεᾷ πρῶτοι
κτίςαιεν βωμόν. Sophokles bei Aristoph. Aves 1358 ὡς ἂν
motaßeinv. Herodot 1, 152, 4 ὡς ἂν πυνθανόμενοι πλεῖετοι
cuveAdorev Σπαρτιητέων. Ebenso 5, 37, 9. 1, 176, 20. 8, 7,2.
9, 22,18. 9, 51,14. [Andocides] 4, 23 ὧς Av ᾿μάλιετα τὸν
υἱὸν ἐχθρὸν ἑαυτῷ καὶ τῇ πόλει ποιήςειε. Plato Phaedo 82 E
ὡς ἂν μάλιετα αὐτὸς ὃ δεδεμένος ξυλλήπτωρ εἴη τοῦ δεδέεθαι.
Sympos. 181 D τοῖς μὲν κοςμίοις τῶν ἀνθρώπων, καὶ ὡς ἂν
κοςμιώτεροι γίγνοιντο οἱ μή πω ὄντες, δεῖ χαρίζεεθαι. 1900
δοκῶ μοι --- ἔχειν μηχανήν, WC ἂν εἶεν ἄνθρωποι καὶ TTAUCALVTO
τῆς ἀκολαςείας. Demosth. 6, BT ὡς δ᾽ ἂν ἐξεταςθείη μάλιςτ᾽
ἀκριβῶς, μὴ γένοιτο, wo das ὡς ἄν doch wohl konsekutiv zu
nehmen ist. Sehr häufig bei Xenophon, dem einzigen attischen
Prosaisten, der häufig ὡς mit ἄν und dem Optativ in rein
finalem Sinne verbindet. Von den siebzehn bei Weber S. 83 ff.
aufgeführten Belegstellen haben vierzehn ἄν unmittelbar hinter
ὡς, nur drei davon getrennt, final Cyrop. 5, 1, 18 ὡς μηδενὸς
ἂν δέοιτο. 7,5,37 ὡς ὅτι ἥκιετα ἂν ἐπιφθόνοις «πάνιος TE
καὶ ςεμνὸς φανείη, konsekutiv Sympos. 9,3 ὡς πᾶς ἂν ἔγνω,
ὅτι Acuevn ἤκουςε: die ersten und einzigen Fälle, wo die den
Zusammenschluss von wc und ἄν verlangende Tradition dureh-
brochen ist. Allerdings kommen nach der handsehriftlichen
Überlieferung noch zwei euripideische Verse hinzu: Iphig.
Taur. 1024 ὡς δὴ «κότος λαβόντες ἐκεωθεῖμεν ἄν und Iphig.
Aul. 171 ᾿Αχαιῶν crparıav ὡς ἴδοιμ᾽ ἄν. Aber der erstere
Vers ist seit Markland den Kritikern verdächtig, und im
982 Jacob Wackernagel,
zweiten schreibt man jetzt allgemein ὡς ecıdotuav |Pl. Gorg.
455 C οὕτω προΐῃ, wc μάλιςτ᾽ ἂν — - ποιοίη ist we relativ.]
Noch fester ist die Verbindung ὅπως ἄν in solchen Sätzen:
Aeschylus Agam. 362 ὅπως ἄν — μήτε πρὸ καιροῦ μήθ᾽ ὑπὲρ
ἄετρων βέλος ἠλίθιον εκήψειεν. Herodot 1, 75, 16 ὅκως ἂν
τὸ CTPATOTEDOV ἱδρυμένον κατὰ νώτου λάβοι. Ebenso 1, 91,7.
15° 110, 16: ΡΟ 9; ΕΗ το Ὁ, 5: Ὁ Ξ
Thueydides 7, 65, 1 ὅπως ἂν ἀπολιεθάνοι καὶ μὴ ἔχοι ἀντιλα-
βὴν ἣ χείρ. Aristoph. Ekkles. 881 ὅπως ἂν περιλάβοιμ᾽ αὐτῶν
τινα. Plato Lysis 207 E ὅπως ἂν εὐδαιμονοίης. Sehr häufig
bei Xenophon, zwölfmal (ungerechnet ὅπως “wie” nach Ver-
ben des Beratens und Überlegens) nach den Nachweisen von
Weber 2, S. 83 ff., überall so, dass ἄν dem ὅπως unmittelbar
folgt; eigentümlich Sympos. 7, 2 ckonW, ὅπως ἂν ὃ μὲν παῖς
ὅδε ὁ CÖC καὶ N παῖς ἧδε ὡς ῥᾷετα διάγοιεν, ἡμεῖς d ἂν μά-
Aıcra (Av) εὐφραινοίμεθα. Corpus Inser. Att. 9, 500, 90 (295,4
a. Ch.) ὅπως ἂν ὃ δῆμος ἀπαλλατγείη τ]οῦ πολέμου, wo der
von Herwerden und Weber 2 S. 3 empfohlene Konjunktiv
ἀπαλλαγῇ für die Lücke, deren Umfang durch die croıyndöv-
Schreibung feststeht, zu kurz ist. — Nach allem dem kann
kein Zweifel sein, dass Hermann und Velsen Aristoph. Ekkles.
916 mit Unrecht önwc cauric (Av) xatövar(o) schreiben wol-
len, und dass, wenn hier überhaupt ἄν einzusetzen ist, es seine
Stelle unmittelbar hinter ὅπως haben muss.
Den Finalsätzen mit ὡς, ὅπως ganz nahe stehn die mit
denselben Partikeln oder auch mit πῶς eingeleiteten indirekten
Fragesätze mit Optativ und ἄν. a) ὡς ἄν ist unmittelbar ver-
bunden Plato Republ. ὃ, 473 A ἐὰν οἷοί TE γενώμεθα εὑρεῖν, WC
ἂν ἐττύτατα τῶν εἰρημένων πόλις οἰκήςειεν. Nenophon. Veconom.
19, 15 διδάςκει, wc ἂν κάλλιετά τις αὐτῇ χριῶτο. Demosth.
4, 15 τἀλλ᾽ ὡς ἄν μοι βέλτιετα καὶ τάχιετα δοκεῖ παραςκευ-
αςεθῆναι, καὶ δὴ πειράςομαι λέγειν. [230,. 81] Abweichend ist, so
viel ich sehe, nur der zweite Teil des demosthenischen Bei-
spiels 6, 3 ὡς μὲν ἂν εἴποιτε Kal — ευνεῖτε, ἄμεινον Φιλίππου
παρεςκεύαςεθε, ὡς δὲ κωλύςαιτ᾽ ἂν ἐκεῖνον ---. παντελῶς ἀργῶς
ἔχετε. [Demosth.] 10, 45 siehe unten. b) ὅπως ἄν ist un-
mittelbar verbunden [Hippokrates] περὶ τέχνης e.2 γὰρ. 42, 20
Gomp. οὐκ οἷδ᾽ ὅπως ἄν τις αὐτὰ vouicae un ἐόντα. Auch
häufig bei Xenophon: Anab. 2,5, T τὸν γὰρ θεῶν πόλεμον οὐκ
οἶδα —, ὅπως ἂν εἰς ἐχυρὸν χωρίον ἀποεταίη. Ebenso Anab.
ζ ζ
Uber ein Gesetz der indogsermanischen Wortstellune. 383
ἕω [-]
90220, 4,3,14..5;.7,20.-Bellenika 2, 3, 13: 3,.2, 1.1... 31:
7,1,33. Cyropädie 1,4,13. 2,1,4. — Gegenbeispiele habe
ich keine zur Hand. (Vgl. aber Eurip. Hel. 146 f. wc τύχω
μαντευμάτων, ὅπῃ νεὼς ετείλαιμ᾽ ἂν οὔριον πτερόν.) ὁ) πῶς
ἄν unmittelbar verbunden z. B. Xenophon Anab. 1, 7, 2 cuve-
βουλεύετο, πῶς ἂν τὴν μάχην ποιοῖτο. Demosth. 19, 14 ei
— ἐεκόπει —, πῶς ἂν ἄριετ᾽ ἐναντιωθείη τῇ εἰρήνῃ. Auch
hier habe ich keine Gegenbeispiele.
Aber auch das relativische ὡς, ὥςπερ wie’ zeigt die
Eigentümlichkeit ἄν fest an sich zu fesseln; zwar haben wir,
um mit wc zu beginnen, bei Sophokles Oed. Col. 1678 ὡς
μάλιετ᾽ ἂν ἐν πόθῳ λάβοις, bei Plato Phaedo 59 A wc εἰκὸς
δόξειεν ἂν εἶναι παρόντι πένθει. 118 B ὡς ἡμεῖς φαῖμεν ἄν.
Sympos. 190 A ὡς ἀπὸ τούτων ἄν τις εἰκάςειεν. Phileb. 15 C
ὡς γοῦν ἐγὼ φαίην ἄν. Leges 4, 112 Ο ὥς τ᾽ ἡμεῖς ἂν oin-
θεῖμεν und öfters; beiXenoph. Anab. 1, ὃ, 8 θᾶττον ἢ ὥς τις ἂν
ᾧετο, bei Pseudo-Demosth. 10,45 ὦ ες μὲν οὖν εἴποι τις ἄν, —
ταῦτ᾽ ἴεως ἐςτίν᾽ (der Rest des Satzes: ὡς δὲ καὶ γένοιτ᾽ ἄν,
νόμῳ διορθώςαεθαι dei, enthält fragendes wc). Aber diesen
3eispielen gegenüber haben wir nicht bloss bei Plato Phae-
drus 231 A ἑκόντες, ὡς ἂν ἄριετα περὶ τῶν οἰκείων βουλεύ-
ςαιντο, πρὸς τὴν δύναμιν τὴν αὑτῶν εὖ ποιοῦειν, [Apol. 34 Ὁ]; bei
Demosth. 27,7 wc ἂν εὐντομώτατ᾽ εἴποι τις. 39, 22 ετέρξας ὡς
ἂν υἱόν τις «ετέρξαι. 40, 18 οὐδὲ μεμαρτύρηκεν ἁπλῶς, ὡς ἄν
τις τἀληθῆ μαρτυρήςειε. Proöm. 2,3 (BB bei Blass) τὸ — μὴ
πάνθ᾽ ὡς ἂν ἡμεῖς βουλοίμεθ᾽ ἔχειν —, οὐδέν ἐςτι θαυμαετόν,
sondern vor allem kommt in betracht der elliptische Gebrauch
von wc ἄν, der nur zu begreifen ist, wenn enge Verbindung
von ὡς dv im Sprachbewusstsein festsass. Eigentlich ist bei
solehem Gebrauch das Verb des Hauptsatzes in optativischer
Form wiederholt zu denken, wie es an den angeführten Stellen
Demosth. 39, 22 und 45, 15 wirklich wiederholt ist.
Es steht dieses wc ἄν a) vor ei Plato Protag. 344 B wc
av ei λέτοι; vgl. das wcavei der nachklassischen Gräzität;
b) vor Partizipien; 0) mit neuem Subjekt: Xenophon Cyrop.
1,5, 8 καὶ τὸν Κῦρον ἐρέεθαι προπετῶς, WC ἂν παῖς μηδέπω
ὑποπτήςεων. Memorah. 3, 8, 1 ἀπεκρίνατο, οὐχ ὥςπερ οἱ φυ-
λαττόμενοι —, ἀλλ᾿ ὡς ἂν πεπειεμένοι μάλιετα πράττειν τὰ
δέοντα. Demosth. 4,6 ἔχει τὰ μέν, ὡς ἂν ἑλών τις πολέμῳ.
24, 19 οὐδὲ ταῦθ᾽ ἁπλῶς -- Οφανήεςεεται γεγραφώς, ἀλλ᾽ ὡς
354 Jacob Wackernagel,
ἂν μάλιςετά τις ὑμᾶς ἐξαπατῆςαι καὶ παρακρούςαςθαι βουλόμενος.
[Demosth.]) 34, 22 ευγτραφὰς ἐποιήςαντο —, ὡς ἂν οἱ μάλιετα
ἀπιετοῦντες. Häufiger ß) ohne ausdrückliche Nennung des
eigentlich gedachten unbestimmten Subjekts (“wie einer thäte
in der und der Verfassung”), wobei dann wc ἄν der Bedeu-
tung von ἅτε sehr nahe kommt und das Partizip sich nach
dem Kasus desjenigen Wortes im Hauptsatz richtet, dessen Be-
griff als Träger der partizipialen Bestimmung vorschwebt. So
schon Solon Fragm. 36, 10 Bgk. (nun bestätigt durch Aristot.
Ἄθην. πολιτεία S. 31, 10 Kenyon) yAwccav οὐκέτ᾽ ᾿Αττικὴν
Ἱέτνας, WC ἂν πολλαχοῦ πλανωμένους. Lysias 1, 12 ἣ γυνὴ
οὐκ ἤθελεν ἀπιέναι, ὧς ἂν Acuevn με ἑορακυῖα. Xenophon
Memorab. 3, 6, 4 διεειώπηςεν, WC ἂν τότε «εκοπῶν, ὁπόθεν
ἄρχοιτο. Demoösth. 21, 14 κρότον τοιοῦτον WC ἂν ἐπαινοῦντές
τε καὶ cuvncdevrec ἐποιήςατε. 19, 256 θρυλοῦντος ἀεί, τὸ μὲν
πρῶτον WC ἂν εἰς κοινὴν γνώμην ἀποφαινομένου. D4 ἴ δια-
λεχθείς τι πρὸς αὑτὸν οὕτως ὡς ἂν μεθύων. [Demosth.] 59, 24
ςυνεδείπνει ἐναντίον πολλῶν Νέαιρα, ὡς ἂν ἑταίρα οὖτα. Ari-
stot. ᾿Ἄθην. πολιτ. 19, 12 Keny. εημεῖον δ᾽ ἐζπιΣφέρουει τό
τε ὄνομα τοῦ τέλους, WC ἂν ἀπὸ τοῦ πράγματος κείμενον. Än-
thol. Palat. 6, 259, 6 ἔπτη δ᾽ ὡς ἂν ἔχων τοὺς πόδας ἡμετέρους.
e) Sonst: Aeschylus Suppl. 118 ἄγαν καλῶς κλύουςά Y ὡς
ἂν οὐ φίλη. Thucyd. 1, 33, 1 ὡς ἂν μάλιετα, μετὰ ἀειμνή-
«του μαρτυρίου τὴν χάριν Katodnceche. 6, DT, ὦ ATEPICKETTWC
προςπεςόντες καὶ ὡς ἂν μάλιςετα δι᾿ ὀργῆς. Xenophon. Cyrop.
5, 4, 29 δῶρα πολλὰ --- φέρων καὶ ἄγων, ὡς ἂν ἐξ οἴκου με-
γάλου. Memorab. 2, 0, 98 εἴ «οι πείςαιμι --- (ἐπιτρέπειν) τὴν
πόλιν ψευδόμενος, WC ἂν CTPATNYIKW TE καὶ δικαςτικῷ καὶ πο-
Aırıköd. Demosth. 1, 21 οὐδ᾽ ὡς ἂν καλλιςτ᾽ αὐτῷ τὰ παρόντ᾽
ἔχει. 18, 291 οὐχ ὡς ἂν εὔνους καὶ δίκαιος πολίτης ἔςχε τὴν
γνώμην. 29,104 ἀφυλάκτων ὄντων, WC ἂν πρὸς φίλον TWV
ἐν τῇ χώρᾳ. Corpus Inser. Att. 2, 243 (vor 301 a. Chr.), 3
ὑπὲρ τῶν ἱππέων τῶν αἰχμαλώτων WC ἂν ὑπὲρ πολιτῶν.
Noch schlagender vielleicht ist der Gebrauch von ὥςπερ.
Zwar sagt Sophokles Fragm. 787 ὥςπερ ςελήνης ὄψις εὐφρό-
vac δύο ετῆναι δύναιτ᾽ ἄν und Demosthenes 4, 39 τὸν αὐτὸν
τρόπον, ὥςπερ τῶν «ετρατευμάτων ἀξιώςειέ τις ἂν τὸν CTPATN-
γὸν ἡτεῖεθαι. Aber dafür lesen wir bei Antiphon 6, 11 ὥςπερ
ἂν ἥδιετα καὶ ἐπιτηδειότατα ἀμφοτέροις ἐγίγνετο, ἐγὼ μὲν ἐκέ-
λευον u. Ss. w., bei Plato Phaedo ST Β δοκεῖ ὁμοίως λέγεεθαι
>
1.
br |
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. €
ταῦτα, ὥςπερ ἄν τις περὶ ἀνθρώπου — AEyoı τοῦτον τὸν λόγον.
Phaedrus 908 D ἀλλ᾽ ὥςπερ ἂν μουεικὸς ἐντυχὼν ἀνδρὶ ---
οὐκ ἀγρίως εἴποι ἄν mit beachtenswertem doppeltem ἄν, bei
Xenophon Hellen. 3, 1, 14 ἐκείνῳ δὲ πιςτευούςης, WCTTEP ἂν
γυνὴ ταμβρὸν ἀςπάζοιτο. Besonders aber, wenn dem Verglei-
ehungssatz ein kondizionaler emgefügt ist, herrscht durchaus
die Wortfolge ὥςπερ ἂν εἰ —: Plato Apologie 17 D ὥςπερ
’ )
οὖν ἄν, εἴ TW ὄντι ξένος ἐτύγχανον ὦν, ξυνεγιγνώεκετε δήπου
ἄν μοι. Gorgias 4411 ὥςπερ ἄν, εἰ ἐτύγχανεν ὧν ὑποδη-
μάτων δημιουργός, ἀποκρίναιτο ἂν δήπου co. 451 A ὥςπερ
ἀν EI TIC ME ἔροιτο - εἴποιμ, ἄν. “455 ΟἽ ὥξπερ Av, εἰ
ἐτύγχανον —, ἀρ᾽ οὐκ ἂν δικαίως ce ἠρόμην; Protag. 511"
ὥςπερ ἄν. εἰ ἐπενόεις --- ἀργύριον τελεῖν ---᾿ εἴ τίς CE ἤρετο
-- τί ἂν ἀπεκρίνω. 18 Β ὥεπερ ἄν, εἰ --- Ἱπποκράτης ὅδε
ἐπιθυμήςειε — - καὶ --- ÜKOUCEIEV —, El αὐτὸν ἐπανέροιτο —,
m
εἴποι Av αὐτῶ. 27T E ὥςπερ Av, εἰ ζητοίης, τίς διδάεκαλος
τοῦ ἑλληνίζειν, οὐδ᾽ ἂν εἷς φανείη, und öfters. Demosth. 20, 145
ὥςπερ ἄν, εἴ τις --- τάττοι, οὐκ ἂν αὐτός Y ἀδικεῖν παρες-
κευάεθαι δόξαι.
Auch hier tritt der enge Anschluss von ἄν besonders
daran zu Tage, dass ὥςπερ ἄν überaus oft elliptisch ohne
(optativisches oder präteritales) Verbum steht, entweder indem
eine Form des Verbums εἰμί zu ergänzen ist, wie Demosth.
9, 30 ὥςπερ ἄν, εἰ υἱὸς — διώκει τι μὴ καλῶς ἢ ὀρθῶς, αὐτὸ
μὲν τοῦτ᾽ ἄξιον μέμψεως, oder das Verbum des übergeordneten
Satzes: Andoe. 1,57 χρὴ ἀνθρωπίνως περὶ τῶν πραγμάτων
ἐκλογίζεεθαι, ὥςπερ ἂν αὐτὸν ὄντα ἐν τῇ cuupopd (= ὥςπερ
ἄν τις αὐτὸς ὧν --- ἐκλογίζοιτο). Isäus 6, 04 τοῦτ᾽ αὐτὸ ἐπι-
δεικνύτω, ὥςπερ ἂν ὑμῶν Ekactoc. Demosth. 18, 298 οὐδὲ —
ὁμοίως ὑμῖν, ὥςπερ ἂν τρυτάνη ῥέπων ἐπὶ τὸ λῆμμα ευμβεβού-
λεῦκα (V. C. ὥςπερ ἂν εἰ, Blass bloss ὥςπερ). 19, 226 ὥςπερ
ἂν παρεςτηκότος αὐτοῦ. 21, 111 χρώμενος ὥςπερ ἂν ἄλλος
τις αὐτῷ τὰ πρὸ τούτους 21, 225 δεῖ τοίνυν τούτοις βοηθεῖν,
ὥςπερ ἂν αὑτῷ τις ἀδικουμένῳ. 20, 80 ὥςπερ ἄν τις CUKO-
φαντεῖν ἐπιχειρῶν. (S. Blass nach A: die meisten ὥςπερ ἂν
εἴ τις, mit welcher Lesart die Stelle unten einzufügen wäre.)
39, 10 πλὴν ei cnueiov ὥςπερ ἂν ἄλλω τινί, TW χαλκίῳ προς-
έεται. 45, δ ὥςπερ ἂν δοῦλος δεςπότῃ διδούς. 49,27 ὥςπερ
ἂν ἄλλος τις ἀποτυχών.
Zumal findet sich dieses bei folgendem εἰ ὁ. optativo
356 Jacob Wackernagel,
oder praeterito: Isocrates 4, 69 ὥςπερ ἂν ei (“wie wenn”)
πρὸς ἅπαντας ἀνθρώπους ἐπολέμηςαν. 18,59 ὥςπερ ἂν εἴ tw
Φρυνώνδας πανουργίαν ὀνειδίςειεν. Vgl. 10, 10. 15,2. 15, 14.
15, 298. Ebenso Plato Protag. 341 Ο ὥςπερ ἂν εἰ ἤκουεν.
Kratyl. 395 E Wctnep ἂν εἴ τις ὀνομάςειε καὶ εἴποι. Vgl.
Krat. 430 A. Gorg. 479 A. Phaedo 98 C, 109 Ὁ. Sympos.
199D, 204E. Republik 7,529Du.s.w. Ebenso Xenophon Cyrop.
1, 3, 2 ἠςπάζετο αὐτόν, ὥςπερ ἂν εἴ τις — ἀςπάζοιτο. Ebenso
Demosthenes 6, ὃ ὥςπερ ἂν εἰ πολεμοῦντες τύχοιτε. 18, 194
ὥςπερ ἂν εἴ τις ναύκληρον αἰτιῶτο (vgl. ὃ 245) und andere
Redner. [Demosth.] 35, 28 ὥςπερ ἂν εἴ τις εἰς Αἴγιναν ἢ
εἰς Meyapa ὁρμίςαιτο. — Daran knüpft sich wieder ὥςπερ ἂν
ei (meist geschrieben werepavei) im Sinne von quasi wie’,
vgl. ὡςεί, werrepei, ohne Verbum finitum gebraucht z.B. Plato
Gorgias 479 A ὡεςπερανεὶ παῖς. Isokrates 4, 148. Xenophon
Sympos. 9,4. Demosth. 18, 214. Über ὡςπερανεί, καθαπερα-
vei bei Aristoteles belehrt der Bonitzsche Index S. 41.
Auch die Relativsätze geben zu Bemerkungen Anlass.
Erstens folgt in der Verbindung οὐκ Ecriv ὅςτις (oder auch in
fragender Form ἔςτιν öcrtic .....;), wo der Hauptsatz erst
durch den Nebensatz seinen Inhalt erhält und also der Zu-
sammenschluss beider Sätze ein besonders enger ist, das ἄν
regelmässig unmittelbar auf das Relativum: Soph. Antig. 912
οὐκ ἔςετ᾽ ἀδελφός, ὅετις Av βλάετοι ποτέ. Eurip. El. 903 οὐκ
ἔετιν οὐδεὶς ὅετις ἂν μέμψαιτό ce. |Heracl. 972]. Pl. Phaedo ἴδ. A
οὐκ ἔςετιν εἰς ὅ τι ἂν ἀναγκαιότερον ἀναλίεκοιτε χρήματα. ὃἃ9 Ὁ)
οὐκ ἔςτ'ν, ὅτι ἄν τις μεῖζον --- πάθοι. Phaedrus 243 B του-
τωνὶ οὐκ ἔςτιν, ἅττ᾽ ἂν ἐμοὶ εἶπες ἡδίω. Demosth. 24, 138
οἶμαι τὰρ τοιοῦτον οὐδὲν εἶναι, ὅτου ἂν ἀπέεςχετο. 24, 157
ἔςτιν, ὅςτις ἂν --- ἐψήφιςεν; 19, 309 ἔετιν, ὅετις ἂν — ὑπέΞ
μεινεν; 18, 43 οὐ τὰρ ἦν, ὅ τι ἂν ἐποιεῖτε. 45, 38. ἔεςτιν οὖν,
ὅετις ἂν τοῦ ξύλου καὶ τοῦ χωρίου -- TOCAUTNV ὑπέμεινε
φέρειν μίεθωειν; ἔετι δ᾽ ὅετις ἂν — ἐπέτρεψεν; vgl. auch
|Demosth.]| 13, 22 οὐκ ἔςτ᾽ οὐδείς, ὅετις ἂν εἴποι. Fast gleich-
wertig mit οὐκ ἔςτιν ὅςτις sind solche Wendungen, wie die bei
Sophokles Oed. Col. 252 vorliegende οὐ τὰρ ἴδοις ἂν ἀθρῶν
βροτῶν ὅετις ἂν εἰ θεὸς ἄγοι ἐκφυγεῖν δύναιτο oder die bei
Plato Phaedo 107 A οὐκ οἶδα εἰς ὅντιν᾽ ἄν τις ἄλλον καιρὸν
ἀναβάλλοιτο und bei Nenophon Anab. 3, 1, 40 οὐκ οἶδα ὅ τι
ὧν τις χρήςεαιτο αὐτῷ. Und ebenso eng wie in allen diesen
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 387
Beispielen ist der Zusammenschluss von Haupt- und Neben-
satz, wenn ὅςτις durch οὕτω angekündigt ist: Isokrates 9, 55
οὐδεὶς TAp ἐετιν οὕτω ῥάθυμος ὅετις ἂν δέξαιτο.
Die Verbindung von ὅςτις und ἄν kann in solchen Sätzen
allerdings unterbrochen werden, erstens durch more, was ganz
natürlich ist: Plato Phaedo 79 A τῶν δὲ κατὰ ταῦτα ἐχόντων
οὐκ ἔετιν ὅτῳ ποτ᾽ ἂν ἄλλῳ ἐπιλάβοιο. Zweitens durch οὐκ:
Isokr. 8, 52 ὧν οὐκ ἔςτιν, ὅετις οὐκ ἄν τις καταφρονήεειεν.
Plato Gorgias 456 C οὐ γάρ ἐετιν, περὶ ὅτου οὐκ ἂν πιθα-
νώτερον εἴποι ὁ ῥητορικός. [91 E.| Symposion 179 A οὐδεὶς οὕτω
κακός, ὅντινα οὐκ ἂν αὐτὸς ὁ Ἔρως ἔνθεον ποιήςειεν. Χο-
nophon Cyrop. 7,5, ΟἹ οὐδεὶς τάρ, ὅετις οὐκ ἂν ἀξιώσειεν.
(Vgl. Lykurg 69 τίς οὕτως --- φθονερός ἐςτιν —, ὃς οὐκ ἂν
εὔξαιτο —;) Man beachte, dass von den Beispielen mit un-
mittelbar verbundenem ὅςτις ἄν keines im Relativsatze die
Negation enthält, sodass also die Zwischenschiebung von οὐκ
als Regel gelten kann. Sie ist auch gar nicht verwunderlich;
man vergleiche, was oben 8.335, 356, 345 über die Voranstel-
lung von οὐκ vor Enklitika und S. 380 über homerisches οὐκ
av zu bemerken war. Eigentümlich ist Demosth. 18, 206: Hier
geben S und L, also die beste Textquelle: οὐκ ἔςθ᾽ ὅετις ἂν
οὐκ ἂν εἰκότως ἐπιτιμήςειέ μοι. Wenn die Überheferung rich-
tig ist, so beruht die Ausdrucksweise auf einer Kontamimation,
auf dem Bedürfnis der üblichen Verbindung ὅςτις ἄν und der
üblichen Verbindung (ὅςτις) οὐκ ἄν gleichmässig gerecht zu
werden. In unmittelbarer Folge finden sich ἂν οὐκ ἄν auch
Sophokles Oed. Rex 446. Elektra 439. Oed. Col. 1566.
Eragm. ine. 673. Eurip. Heraklid. 74. Aristoph. Lysistr.
361 und ἂν οὐδ᾽ ἄν Sophokles Elektra 97 (noch öfter, und
selbst bei Aristoteles noch, ἂν — οὐκ ἄν oder οὐδεὶς ἄν durch
mehrere Wörter getrennt). Da immerhin dem vierten Jahr-
hundert ἂν οὐκ ἄν fremd und die Wiederholung von ἄν über-
haupt nur nach längerem Zwischenraum eigen zu sein scheint,
haben vielleicht die Herausgeber recht, die mit den übrigen
Handschriften das erste der beiden ἄν streichen und einfach
ὅςτις οὐκ ἄν schreiben.
Durch andere Wörter als πότε oder οὐ werden ὅςτις und
av in solehen Sätzen bei den guten Attikern nicht getrennt.
Freilich Xenophon hat Anabasis 2, 3, 23 οὔτ᾽ Ecrıv ὅτου ἕνεκα
βουλοίμεθα ἂν τὴν βαειλέως χώραν κακῶς ποιεῖν. ὃ, TT Ecriv
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 95
388 Jacob Wackernagel,
οὖν ÖCTIC τοῦτο ἂν δύναιτο ὑμᾶς ἐξαπατῆςαι. Ihm folgt auf-
tälliger Weise Lykurg 39 τίς δ᾽ ἦν οὕτω ἢ μιςόδημος τότε ἢ
μιςαθήναιος, ὅετις ἐδυνήθη ἄν. Ist auch hierauf die Bemer-
kung von Blass, attische Beredsamkeit 3, 2, 103 anwendbar:
“was (bei L.) als unklassisch oder sprachwidrig auffällt, muss
auf Reehnung der anerkannt schlechten Überlieferung gesetzt
werden?” Aber bei Demosthenes 18,45 ist in dem Texte
von Dlass οὐ γὰρ nv 6 τι ἄλλ᾽ ἂν ἐποιεῖτε das ἄλλο blosse
Konjektur des Herausgebers. [Doch Eurip. Med. 1339 οὐκ
Ectiv, ἥτις τοῦτ ἂν EAAnvic γυνὴ ErAn. Lies πε Av T08’?]
Weniger sicher war die Tradition in den Sätzen, wo
eines der zu ὅςτις gehörigen relativen Adjektiva oder Adverbia
in solehen Sätzen stand, oder wo zwar öcrıc selbst sich an
einen negativen Satz anschloss, aber zu dessen Ergänzung
nicht unbedingt notwendig und daher nicht so eng mit ihm
verbunden war. Zwar haben wir aus erster Kategorie Eurip.
Kyklops 469 ἔςτ᾽ οὖν ὅπως ἂν ὡεςπερεὶ «πονδῆς θεοῦ κἀγὼ
λαβοίμην ---: (nicht negativer Fragesatz!) Aristoph. Aves 627 οὐκ
ἔετιν ὅπως ἂν ἐγώ ποθ᾽ ἑκὼν τῆς εῆς γνώμης ET ἀφείμην. Ly-
sias ὃ, T οὐδὲν αὐτὸς ἐξηῦρον, ὁπόθεν ἂν εἰκότως ὑπερείδετε
τὴν ἐμὴν ὁμιλίαν. Plato Sympos. 178 E οὐκ ἔςτιν, ὅπως ἂν
ἄμεινον οἰκήςειαν τὴν ἑαυτῶν. 223 A οὐκ ἔεθ᾽ ὅπως ἂν ἐνθάδε
μείναιμι. Nenophon Hellen. 6, 1,9 οὐκ εἶναι ἔθνος, ὁποίῳ ἂν
ἀξιώςεειαν ὑπήκοοι εἶναι Θετταλοί. Demosth. 24, 64 ἔετιν οὖν
ὅπως ἂν ἐναντιώτερά τις δύο θείη. (Obwohl der Revisor des
Codex S oben an τις ein zweites ἄν eingezeichnet hat, ist
doch die von Weil und nach ihm von Blass vorgenom-
mene Streichung des bloss im Augustanus fehlenden ἄν hinter
ὅπως und Versetzung desselben hinter evavrıwrepa UNZU-
lässig.) 18, 165 ἔετιν οὖν ὅπως ἂν μᾶλλον ἄνθρωποι πάνθ᾽
ὑπὲρ Φιλίππου πράττοντες ἐξελεγχθεῖεν. (Vgl. auch οὐκ οἶδ᾽,
ὅπως ἄν — oben ὃ. 382.) Zu diesen Beispielen würde nicht
in Widerspruch stehen Herodot 8, 119, 9 οὐκ ἔχω ὅκως οὐκ
ἂν Icov πλῆθος τοῖς Tlepencı ἐξέβαλε, und wohl auch nieht
Xenophon Anab. 5, 7, 1 τοῦτ᾽ οὖν ἐςτιν ὅπως τις ἂν ὑμᾶς
ἐξαπατήςαι; aber wirklich in Widerspruch stehn Sophokles
Antigone 1156 οὐκ ἔςθ᾽ ὁποῖον cravr' ἂν ἀνθρώπου βίον
οὔτ᾽ alvecamı ἂν οὔτε ueuyalunv ποτέ. Aristoph. Nubes 1181
οὐ γὰρ Ed ὅπως ur ἡμέρα γένοιτ᾽ ἂν ἡμέραι δύο. Vesp. 212
κοὺκ ἔςθ᾽ ὅπωςε --- ἂν -- --- λάθοι. Pax 306 οὐ γὰρ ἔςθ᾽ ὅπως
Über ein Gesetz der indoeermanischen Wortstellung. » 389
[-Ἱ δ
ἀπειπεῖν Av δοκῶ μοι τήμερον. [Pl. Apol. 40 (.] Demosth. 15, 18 οὐ
γὰρ ἔςθ᾽ ὅπως εὖνοι γένοιντ᾽ ἄν. 19, 308 Ectıv οὖν, ὅπω ς ταῦτ᾽
ἄν, ἐκεῖνα προειρηκώς, --- ἐτόλμηςεν εἰπεῖν (geringere Hand-
schriften: ὅπως ἂν ταῦτ). ῴ Ahnlich lesen wir zwar Eurip.
Alkestis 80 ἀλλ᾽ οὐδὲ φίλων πέλας οὐδείς, ÖCTIC ἂν εἴποι͵
Plato Phaedo 57 Β οὔτε τις ξένος ἀφῖκται —, ὅετις ἂν ἡμῖν
capec τι ἀγγεῖλαι οἷός T ἦν περὶ τούτων, aber andrerseits So-
phokles Oed. Rex 117 οὐδ᾽ ἄγγελός τις οὐδὲ ευμπράκτωρ ὁδοῦ
κατεῖδ᾽ ὅτου τις ἐκμαθὼν ἐχρήςεατ᾽ ἄν.
Eine zweite Gruppe hier in betracht kommender Relativ-
sätze sind die mit ὅπερ eingeleiteten, bei denen ja das -Tep
begriftlich scharfe Unterordnung unter den Hauptsatz andeutet,
also nach dem bei ὅετις Beobaehteten unmittelbaren Anschluss
von ἄν an das Relativum fordern würde. Nun gilt zwar dieser
“Anschluss bei vollen öctep-Sätzen nicht immer, sondern bloss
in der Mehrzahl der Beispiele: Herodot 8, 156, 16 κατήλπιζε
εὐπετέως τῆς θαλάςεης κρατήςειν, τάπερ ἂν καὶ nv. [Hippo-
krates] περὶ τέχνης Kap. 5 S. 46, 12 Gomperz τοιαῦτα θερα-
TTEUCAVTEC EWUTOUC, ὁποῖά περ ἂν ἐθεραπεύθηςαν. Thucydides
2, 94, 1 ἐνόμιζον — ὅςον οὐκ ἐςπλεῖν αὐτούς ὅπερ ἄν, εἰ
ἐβουλήθηςαν μὴ κατοκνῆςαι, ῥᾳδίως ἂν ἐγένετο. Isokrates 8, 133
ἐὰν ευμβούλους ποιώμεθα τοιούτους —, οἵους περ ἂν περὶ
τῶν ἰδίων ἡμῖν εἶναι βουληθεῖμεν. 15, 23 χρὴ τοιούτους εἶναι
κριτάς--, οἵων περ ἂν αὐτοὶ τυγχάνειν ἀξιώςειαν. 17, 21
ἀξιῶν τὴν αὐτὴν Τ]αείωνι --- τίγνεεθαι ζημίαν, ἥεπερ ἂν αὐτὸς
ἐτύγχανεν. Plato Kriton 52 D πράττεις ἅπερ ἂν δοῦλος φαυ-
λότατος πράξειεν. Sympos. 211 B Wunv διαλέξεεθαι αὐτόν μοι,
ἅπερ ἂν ἐραετὴς παιδικοῖς διαλεχθείη. Xenophon Anah. ὃ, 4, 3:
ἐποίουν ἅπερ ἂν ἄνθρωποι ἐν ἐρημίᾳ ποιήςειαν. Aber mit
Trennung des ἄν von ὅεπερ Thucyd. 1, 33,3 τὸν δὲ πόλεμον,
δι ὅνπερ χρήειμοι ἂν εἶμεν, εἴ τις ὑμῶν μὴ οἴεται ἔςεεθαι.
Demosth. 6, 30 Φίλιππος δ᾽ ἅπερ εὔξαιςθ᾽ ἂν ὑμεῖς, - πράξει.
19, 328 ὑμεῖς δ᾽, ἅπερ εὔξαιςθ᾽ Av, ἐλπίςεαντες —.
Deutlich indessen tritt das Bewusstsein von der engen
Zusammengehörigkeit von ἄν mit ὅεπερ bei Ellipse des Ver-
bums zu Tage, wobei die Ellipse des konjunktivischen Ver-
bums z. B. Eurip. Medea 1153 φίλους νομίζους᾽ οὕεπερ ἂν
möcıc cedev. Isokrates 3, 60 φιλεῖν οἴεεθε δεῖν καὶ τιμᾶν,
Οὕςπερ ἂν καὶ ὃ Bacıkeüc. Demosth. 18, 280 τὸ τοὺς αὐτοὺς
μιςεῖν καὶ φιλεῖν, οὕεπερ ἂν ἣ πατρίς. CIA. 2,589, 26 (um
590 Jacob Wackernagel,
300 a. Ch.) τελεῖν δὲ αὐτὸν τὰ αὐτὰ τέλη Ev τῷ δήμω ἅπερ
ἂγ καὶ Πειραιεῖς verglichen werden kann. Als Beispiele mö-
gen (dienen Isokrates 4, 86 τοςαύτην ποιηςάμενοι CTTOVdNY,
ὅεην περ ἂν τῆς αὑτῶν χώρας πορθουμένης. ὃ, 90 νικῆςαι
- TOCOUTOV, ÖCOV περ ἂν εἰ ταῖς γτυναιξὶν αὐτῶν ευνέβαλον.
10, 49 τοςοῦτον ἐφρόνηςαν, ὅεον περ ἄν, εἰ πάντων ἡμῶν
ἐκράτηςαν. 14, 37 ἅπερ ἂν εἷς τοὺς πολεμιωτάτους, ἐξαμαρ-
τεῖν ἐτόλμηςαν. 1D, 28 εἰς τὸν αὐτὸν καθέετηκα κίνδυνον, εἰς
ὅνπερ ἄν, εἰ πάντας ἐτύγχανον ἠδικηκώς. Plato Republ. 2,
368 0 δοκεῖ μοι - τοιαύτην ποιήεαεθαι Ζζήτηςειν αὐτοῦ, οἵαν
περ ἄν, εἰ προςεέταξέ τις. Xenophon Anab. 5, 4, 34 μόνοι
τε ὄντες ὅμοια ἔπραττον, ἅπερ ἂν μετ᾽ ἄλλων ὄντες. Demösth.
55, 12 ἀπεκρινάμην αὐτῶ, ἅπερ ἂν νέος ἄνθρωπος.
Unter den mit blossem ὅς. eingeleiteten Relativsätzen
sind die mit assimiliertem Pronomen am meisten als «dem
Hauptsatz eng verbunden gekennzeichnet. Dem entspricht,
dass die meisten mir zur Hand liegenden Beispiele ἄν hinter
ὅς haben: Plato Sympos. 218 A erw δεδηγμένος TO ἀλγεινό-
τατον ὧν Av τις δηχθείη. Isäus ὃ, 21 ἐμμενεῖν οἷς ἂν οὗτοι
γνοῖεν. ὃ, 33 ἐμμενεῖν οἷς ἂν αὐτοὶ γνοῖεν. Demosth. 15,16
πρὸς ἅπαειν τοῖς ἄλλοις, οἷς ἂν εἰπεῖν τις ὑπὲρ Κτηειφῶντος
ἔχοι. Doch ıst die Zahl der Beispiele zu klem, um darauf
eine Regel zu gründen, und Dem. 20, 136 μηδὲν ὧν ἰδίᾳ
φυλάξαιςθ᾽ ἄν widerspricht.
Ganz bunt und regellos scheint der Gebrauch bei den
übrigen Relativsätzen. Doch glaube ich sagen zu können,
dass die gewöhnlichen Relativsätze ἄν wohl bemahe eben so
oft unmittelbar hinter dem Pronomen, als an einer spätern
Stelle des Satzes haben. Eine natürliche Folge dieses Schwan-
kens ist die nieht seltene Doppelsetzung von ἄν in Relativ-
sätzen, z. B. Thucyd. 2, 48, 5 ἀφ᾽ ὧν ἄν τις «κοπῶν, εἴ ποτε
καὶ αὖθις ἐπιπέςοι, μάλιςετ᾽ ἂν ἔχοι τι προειδὼς μὴ ἀγνοεῖν.
Demosth. 14, 27 ὅεα yap ἂν νῦν mopicaı ἄν. |Demosth.]
59, T0 οὗς ἄν τις δεόμενος --- εἴποι Av. Vgl. das unten zu
bespreehende doppelte ἄν im Hauptsatz. Daher ist auch an
einer Stelle, wie Demosth. Proöm. 1, ἢ ἃ dei καὶ dr ὧν παυ-
ςαίμεθ᾽ αἰεχύνην ὀφλιεκάνοντες, wo sicher ein ἄν ausgefallen
ist, von unserm Standpunkt der Betrachtung aus schlechter-
dings nieht auszumachen, ob δι ὧν (Av) maucaiued oder
δι ὧν mavcaiued’ (Av) (so die Herausgeber seit Bekker) zu
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 991
schreiben sei. Wo dagegen das Relativpronomen in der Weise
des Latein an Stelle von οὗτος bloss dazu dient eine zweite
Hauptaussage an eine erste anzuknüpfen, wo wir also kemen
Relativsatz, sondern einen Hauptsatz haben, steht dv nie
hinter dem Pronomen:; vgl. Andoeides 1, 67 ev οἷς ἐγὼ
— δικαίως ἂν ὑπὸ πάντων ἐλεηθείην. Lysias 2, 34 ὃ τίς
ἰδὼν οὐκ ἂν ἐφοβήθη; Demosth. 18, 49 ἐξ ὧν «εαφέετατ᾽ ἄν
Tıc 1801.
Dem entspricht, dass in allen übrigen Nebensätzen, die
etwa dv ὁ. optat. oder praeterito enthalten, das ἄν zumeist
an einer spätern Stelle «des Satzes steht, da ja in allen sol-
chen Fällen der Nebensatz nicht als Nebensatz, sondern als
Vertreter eines Hauptsatzes den betr. Modus hat. So bei wc
“dass” z. B. Plato Sympos. 214D wc erw οὐδ᾽ ἂν Eva ἄλλον
ἐπαινέςεαιμι (doch Thucyd. 5, 9, 3 wc ἂν ἐπεξέλθοι τις), ὥςτε
“so dass’ z. B. Plato Sympos. 197 A ὥςτε καὶ οὗτος Ἔρωτος
ἂν ein μαθητής, ὅτι dass, weil’ z. B. Plato Phaedo 98 C M-
λον ὅτι τοιαῦτ᾽ ἄττ᾽ ἂν λέγοι. Sympos. 195 Ο ὅτι οὕτως ἂν
ἡμῶν τὸ γένος εὔδαιιιον γένοιτο. Demosth. 18, 79 ὅτι τῶν
ἀδικημάτων ἂν ἐμέμνητο τῶν αὑτοῦ U.8. w. τι. 5. w. Ebenso
bei ἐπεί ‘denn’ z. B. Plato Kratyl. 410 A ἐπεὶ ἔχοι γ᾽ ἄν τις
εἰπεῖν περὶ αὐτῶν. Demosth. 18, 49 ἐπεὶ διά γ᾽ ὑμᾶς πάλαι
ἂν ἀπωλώλειτε. Bei den Zeitpartikeln giebt die Überlieferung
zu Zweifeln Anlass: ὅταν ὁ. opt. ist überliefert Aeschyl. Pers.
450, ἕως ἄν 6. opt. Isokrat. 17,15 und Plato Phaedo 101D.
(Sophokles Trach. 687 wird es seit Elmsley nicht mehr ge-
schrieben). Sicher steht Demosth. 4, 31 ἡνίκ᾽ ἂν ἡμεῖς un
δυναίμεθ᾽ ἐκεῖς᾽ ἀφικέεθαι. --- Xenophon Hellen. 2, 3, 48 πρὶν
ἂν μετέχοιεν. 101. πρὶν ἂν - Katacmceav. 2,4, 1ὃ πρὶν ἂν
ἢ πέςοι τις ἢ τρωθείη wird ἄν gestrichen.
Von der Konjunktion ausnahmslos getrennt ist ἄν in op-
tativischen ei-Sätzen: εἰ ‘ob’ z. B. Plato Sympos. 210 B οὐκ
old’ Ei οἷός T ἂν εἴης, ei “wenn z.B. Eurip. Helena 825 ei
πῶς ἂν ἀναπείεαιμεν IKETEVOVTE νιν. Demosth. 4,18 οὐδ᾽ εἰ un
ποιήςαιτ᾽ ἂν ἤδη. 20, 62 οὐκοῦν αἰεχρόν, εἰ μέλλοντες μὲν
εὖ πάεχειν CUKOPAVTNV ἂν τὸν ταῦτα λέτονθ᾽ nyoicde, ἐπὶ τῷ
d ἀφελέεθαι --- ἀκούςεεθες 19, 112 ἐξώλης ἀπολοίμην —, εἰ
προςελαβών τ᾽ ἂν ἀργύριον — Erpecßeucoa. Hier überall ist der
durch ἄν angegebene hypothetische Charakter des Satzes nicht
durch ei bedingt; vgl. die Erklärer zu den einzelnen Stellen.
392 Jacob Wackernagel,
3esonders bezeichnend sind aber die Fälle, wo naeclı
Ausdrücken des Befürchtens und Erwartens un mit dem Op-
tativ und ἄν steht: Sophokles Trachin. 631 δέδοικα γάρ, μὴ
πρὼ λέγοις ἂν τὸν πόθον. Thucyd. 2, 93, 3 οὔτε TTPOCdOKIA
οὐδεμία ἦν, μὴ ἄν ποτε οἱ πολέμιοι ἐξαπιναίως οὕτως ἐπιπλεύ-
ceıav. Xenophon Anab. 6, 1, 28 ἐκεῖνο ἐννοῶ, μὴ λίαν ἂν
ταχὺ εωφρονιεθείην. Poroi 4, 41 φοβοῦνται, μὴ ματαία ἂν
γένοιτο αὕτη ἣ mapackeun. Hier ist es ausser allem Zweifel,
(dass der Optativ mit dv auf einer Beeinflussung des un-Satzes
durch den Hauptsatz beruht, und da hat unter vier Beispielen
nur eines ἄν unmittelbar hinter un.
Und hieraus wird es nun auch klar, warum die Stellung
des ἄν in Konjunktivsätzen so ganz fest, in den andern Ne-
bensätzen schwankend ist. In der klassischen Gräzität kommt
ἄν cum conj. nur in Nebensätzen vor; was hätte also dieses
av aus seiner traditionellen Stellung bringen sollen? Dagegen
ἄν ὁ. indie. und ὁ. opt. ist nicht bloss häufiger im den Haupt-
als in den Nebensätzen, sondern auch in den letztern vielfach
geradezu aus den Hauptsätzen übertragen. Notwendig muss-
ten sich die Stellungsgewohnheiten, die ἄν im Hauptsatz hat,
auf die betr. Nebensätze übertragen.
VII:
Wie verhält es sich nun aber mit dieser freien Stellung
von ἄν im Hauptsatz? Es ist umbestreitbar, dass in diesem
(las ἄν sehr weit vom Anfang entfernt stehen kann. Eine
Grenze nach hinten bildet bloss das letzte im betr. Satz ste-
hende und durch ἄν irgendwie qualifizierte Verbum finitum
oder infinitum, wobei ich besonders darauf hinweise, dass Par-
tizipien, die mit hypothetischen Nebensätzen gleichwertig sind,
gern ἄν hinter sich haben (vgl. z. B. Aristoph. Ranae 96
γόνιμον δὲ ποιητὴν ἂν οὐχ εὕροις ἔτι ζητῶν ἄν). Auf die-
ses Verbum darf ἄν nur in der Weise folgen, dass es sich
ihm unmittelbar anschliesst. Doch finden sich Stellen, wo
y oder ein einsilbiges Enklitikon oder sonst ein Monosyl-
labon zwischen dem Verbum und ἄν steht: γ᾽: Plato Kratyl.
410 A ἐπεὶ ἔχοι τ᾽ ἄν τις εἰπεῖν περὶ αὐτῶν. --- τις: [Eur.
Or. 694.] Demosth. 18, 282 τί δὲ μεῖζον ἔχοι τις ἂν εἰπεῖν.
18, 316 οὐ μὲν οὖν εἴποι τις ἂν ἡλίκας. --- ποτ΄: Eurip.
Helena 912 { κεῖνος δὲ πῶς τὰ ZWvra τοῖς θανοῦειν ἀπο-
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 999
δοίη ποτ᾽ ἄν. — οὐ: Sophokles Alias 1350 ἡ γὰρ εἴην οὐκ
ἂν εὖ φρονῶν. --- τάχ᾽: Oed. Rex 1115 f. τῇ δ᾽ ἐπιετήμῃ εὖ
μου προύχοις τάχ᾽ ἄν που. --- τάδ᾽: Eurip. Helena 97 τίς
cwppovwv τλαίη τάδ᾽ ἄν. --- ταῦτ᾽: Solon Fragm. 36, 1 ευμ-
μαρτυροίη ταῦτ᾽ ἂν ἐν δίκῃ. — μεντ΄: Aristoph. Ran. 743
ὥμωξε μέντ᾽ ἄν. Plato Phaedo τὸ " βουλοίμην μέντ᾽ ἄν.
Apol.30 D. Doch lassen die drei letzten Stellen (Solon, Ar. Ran.
743, Pl. Phaedo 76B) auch noch eime andere Erklärung zu.
Wenn nämlich das Verbum am Anfang des Satzes steht, scheint
jene obige Regel überhaupt nicht zu gelten: Sophokles Oed.
Col. 125 mpoceßa γὰρ οὐκ ἂν acrıßec ἄλεος ἔς. Eurip. Hi-
ketiden 944 ὄλοιντ᾽ idoücaı τοῦςδ᾽ Av. Demosth. 20, 61 μά-
θοιτε δὲ τοῦτο μάλιςτ᾽ ἄν. Übrigens versteht es sich von
selbst, dass wenn ein Satz mehrere ἄν enthält, die Regel für das
letzte ἄν gilt. Sophokles Oed. Rex 1438 Edpac ἂν (εὖ τόδ᾽
ich’) av. Elektra-697 δύναιτ᾽ ἂν οὐδ᾽ ἂν ἰεχύων φυγεῖν. Ari-
stoph. Nubes 977 ἠλείψατο δ᾽ ἂν τοὐμφαλοῦ οὐδεὶς παῖς ὑπέ-
vepdev τότ᾽ ἄν ist die Entfernung des zweiten dv vom Ver-
bum aus der Anfangsstellung des Verbums zu erklären. —
Sonach haben die Herausgeber von Aristoph. Rittern Recht
gehabt, wenn sie Vs. 707 das überlieferte ἐπὶ τῷ gayoıc
ἥδιςτ᾽ ἄν in ἐπὶ τῷ φαγὼν ἥδοιτ᾽ (oder ἥδοι᾽) ἄν ändern; da-
gegen Aristophanes Ran. 949 f. οὐδὲν παρῆκ᾽ ἂν ἀργόν, ἀλλ᾽
ἔλεγεν ἣ γυνή τέ μοι χὠ δοῦλος οὐδὲν ἧττον χὠ δεςεπότης χὴ
παρθένος χῆ γραῦς ἄν bildet nur eine scheinbare Ausnahme,
da bei jedem der aneinandergereihten Nomimative ἔλεγεν hin-
zuzudenken ist. Vgl. Soph. Phil. 292 πρὸς τοῦτ᾽ ἄν. [Eurip.
Or. 941 κοὺ φθάνοι Avnckwv τις ἄν.
Aus dieser Regel lässt sich aber schon erkennen, was
für Tendenzen dazu geführt haben, das ἄν des selbständigen
Satzes. in nachhomerischer Zeit von der Stelle wegzuziehen,
die es m homerischer Zeit noch einnahm. Das Verb, dessen
Modalität durch ἄν bestimmt wird, zog es an sich, daneben
die Negationen, die Adverbia, besonders die superlativischen,
überhaupt derjenige Satzteil, für den der durch ἄν angezeigte
hypothetische Charakter des Satzes am meisten in betracht
kam, gerade wie die enklitischen Pronomina ihrer traditionel-
len Stellung dadurch verlustig gingen, dass das Bedürfnis
immer stärker wurde, „ihnen den Platz zu geben, den ihre
Funktion im Satze zu fordern schien. Wie aber bei den en-
r
394 Jacob Wackernagel,
klitischen Pronomina, so hat auch bei ἄν die Tradition immer
einen gewissen Einfluss bewahrt.
Erstens lässt sich auch bei av die Neigung für Anleh-
nung an satzbeginnende Wörter nachweisen. So unbestreitbar
an τίς und die zugehörigen Formen, besonders πῶς (Vgl. Jebb
zu Sophokles Oed. Col. 1100, der auf Aeschyl. Agam. 1402
τίς ἂν ἐν τάχει μὴ περιώδυνος μὴ deuviornpnc μόλοι verweist.
ΧΩ]. ΘΠ 367.0 208. x 573). Ferner ist hiefür ΠΟ ΒΟΌΣ
achtung Werfers Acta philologorum Monacensium 1 246 ff.,
zu verwerten, dass sich ἄν “ paene innumeris Joeis” an γάρ
anschliesse. Die Fülle der Beispiele verbietet eine Wieder-
holung und Ergänzung von Werfers Beispielsammlung an die-
ser Stelle. Ieh will nur bemerken, erstens, dass zwar aus
allen Litteraturgattungen Gegenbeispiele beigebracht werden
können, aber doch γὰρ ἄν unendlich häufiger ist als Yap — ἄν,
und zweitens, dass infolge der Setzung von ἄν gleich hinter
γάρ sehr oft das Bedürfnis empfunden wird, in einem spätern
Teil des Satzes ἄν nochmals einzufügen: Sophokles Oed. Rex
172 τῷ γὰρ Av καὶ μείζονι λέξαιμ᾽ ἂν ἢ «οἱ. 802 οὐδὲν γὰρ
ἂν mpazaım av. Fraem. 513 Nauck?, 6 καμοὶ γὰρ ἂν ma-
τήρ Ye δακρύων χάριν ἀνῆκτ᾽ ἂν εἰς φῶς. Fragm. 835 ἀλλ᾽
οὐ rap ἂν τὰ θεῖα κρυπτόντων θεῶν μάθοις ἄν. Eurip. Hi-
ket. 855 μόλις γὰρ ἄν τις αὐτὰ τἀναγκαῖ᾽ δρᾶν δύναιτ᾽ ἂν
ἑστὼς πολεμίοις ἐναντίος. Helena 948 τὴν Τροίαν γὰρ ἂν
δειλοὶ γενόμενοι πλεῖετον αἰεχύνοιμεν ἄν. 1011] καὶ γὰρ ἂν
κεῖνος βλέπων ἀπέδωκεν ἄν «οι τῆνδ᾽ ἔχειν. 1298 εὐμενέετερον
γὰρ ἂν τῶ φιλτάτῳ μοι Μενέλεω τὰ πρόςφορα δρῴης ἄν. Arı-
stoph. Vesp. 927 οὐ γὰρ ἄν ποτε τρέφειν δύναιτ᾽ ἂν μία λό-
χμη κλέπτα δύο. Pax 321 οὐ γὰρ ἂν χαίροντες ἡμεῖς τήμε-
ρον παυςαίμεθ᾽ ἄν. Lysistr. 252 ἄλλως γὰρ ἂν ἄμαχοι YU-
ναῖκες καὶ μιαραὶ κεκλήμεθ᾽ ἄν. Thesmoph. 196 καὶ τὰρ ἂν
μαινοίμεθ᾽ ἄν. Plato Apol. 355D εαφῶς τὰρ ἄν, εἰ πείθοιμι
ὑμᾶς —, θεοὺς ἂν διδάεκοιμι. 40. 1) ἐγὼ γὰρ ἂν οἶμαι, εἰ ---
δέοι- . oludı ἂν -- τὸν μέγαν βαειλέα εὐαριθμήτους ἂν EU-
ρεῖν. (Vel. Demosth. 14, 27 öca γὰρ ἂν νῦν πορίεαιτ᾽ ἄν).
Aristot. de caelo 227” 94 οὔτε γὰρ ἂν αἱ τῆς ceAnvnc ἐκλεί-
WEIC τοιαύτας ἂν εἶχον τὰς “ἀποτομᾶς. De gener. et corTt.
991» 1 μέλλων γὰρ Av βαδίζειν τις οὐκ. ἂν Bodiceiev. De
part. anim. 654° 18 οὕτως γὰρ ἂν Exev χρηειμώτατον ἂν εἴη.
(vgl. Vahlen Zur Poetik 1460P 7) u. Ss. w.
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 395
Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Verbindungen
κἄν aus καὶ ἄν "auch wohl’ und tax ἄν, in denen ἄν mit sei-
nem Vorworte bis zur völligen Verblassung seimer eigenen
Bedeutung verschmolzen ist, in der Mehrzahl der Fälle am
Satzanfang stehen. Doch dürfen wir hierauf kem Gewicht
legen, da gerade καὶ ἄν und τάχ᾽ av sich schon bei Homer
im Innern von Sätzen finden und überhaupt kein Grund vor-
handen ist, den engen Anschluss von avan καί und τάχα aus
den Fällen herzuleiten, wo καί und τάχα den Satz beginnen.
(καί “und’ hat ἄν unmittelbar hinter sich Herodot 4, 118, 21
καὶ ἂν ἐδήλου).
Zweitens findet man ἂν vereinzelt wie die Enklitika
hinter einem Vokativ: Aristoph. Pax 137 ἀλλ᾽ ὦ μέλ᾽ ἄν μοι
εἰτίων διπλιν ἔδει.
Drittens verdrängt es öfters οὖν, seltener τε, δέ von ihrem
Platze: Herodot 7, 150, ὃ οὕτω ἂν ὧν εἶμεν. [Eur. Med. 504.]
Ar. Lysistr. 191 τίς ἂν οὖν γένοιτ᾽ ἂν ὄρκος. [Lysias] 20, 15
πῶς ἂν οὖν οὐκ ἂν δεινὰ πάεχοιμεν. Plato Phaedo 64 A πῶς
ἂν οὖν δὴ τοῦθ᾽ οὕτως ἔχοι --- ἐγὼ πειράςομαι φράςαι. SYyM-
pos. 202D πῶς ἂν οὖν θεὸς εἴη ὅ γε τῶν καλῶν καὶ ἀγαθῶν
"Ἢ
ἄμοιρος, und öfters. Xen. Anab. 2,5, 20 πῶς ἂν οὖν ἔχοντες
τοςούτους πόρους — - ἔπειτα ἐκ τούτων πάντων τοῦτον ἂν τὸν
τρόπον ἐξελοίμεθα —; ὕ, T, ὃ πῶς ἂν οὖν ἐγὼ ἤ βιαεαίμην
ὑμᾶς --- ἢ ἐξαπατήςας Ayo. ὃ, 1, 9 πῶς ἂν οὖν ἀνὴρ μᾶλ-
λον δοίη δίκην. Respubl. Lacedaem. 5,9 οὐκ ἂν οὖν ῥᾳδίως
γέ τις εὕροι Σπαρτιατῶν ὑγιεινοτέρους. Demosth. 25, 35 τίς
ἂν οὖν εὖ φρονῶν αὑτὸν ἂν N τὰ τῆς πατρίδος CUUPEPOVTA
ταύτῃ εὐυνάψειε. [Demosth.] 40, 13 πῶς ἂν οὖν μὴ εἰδὼς ὁ
πατὴρ αὐτὸν ᾿Αθηναῖον ECÖUEVOV ἔδωκεν ἂν τὴν ἑαυτοῦ τυναῖκα.
Aeschines 1, 17 ἴεως ἂν οὖν τις θαυμάςειεν. 3, 219 πῶς ἂν
οὖν ἐτὼ προεδεικνύμην ᾿Αλεξάνδρῳ. Dass in der Mehrzahl der
Beispiele das dem οὖν vorausgeschiekte ἄν sich an τίς oder
πῶς anlehnt, passt zu dem oben S. 394 bemerkten. (Dass
ἄν dem οὖν häufiger noch folgt, soll nicht geleugnet werden.)
— Einem re geht ἄν voraus ΤΊ πον. 2, 65, 3 Täxıct ἄν TE
πόλιν οἱ τοιοῦτοι ἀπολέςειαν, einem δέ Thucyd. 6, 2, 4 τάχ᾽
ἂν δὲ καὶ ἄλλως ἐςπλεύεαντες und vielleicht 6, 10, 4 tax’ Av
δ᾽ ἴεως (die Mehrzahl der Handschr. und die Ausgaben τάχα
δ᾽ ἂν icwc). Doch ist bei den beiden letzten Stellen der Zu-
396 Jacob Wackernöagel,
sammenschluss mit τάχα für ἄν von wesentlicherer Bedeutung,
als die Stellung an sich.
Viertens lässt sich av gern durch einen Zwischensatz
von den Hauptbestandteilen des Satzes, zu dem es gehört,
trennen: Aristoph. Ran. 1222 οὐδ᾽ ἄν, μὰ τὴν Δήμητρα, Ppov-
ticami γε. Plato Phaedo 102A cd δ᾽ — oiuaı, ἄν, ὡς ἐγὼ
λέγω, ποιοίης. Sympos. 202D τί οὖν ἄν, ἔφη, ein ὁ Ἔρως.
202 Β καὶ πῶς ἄν, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ὁμολογοῖτο. KRe-
publ. 1, 333 A πρός τε ὑποδημάτων ἄν, οἶμαι, φαίης κτῆειν.
4, 458Α ἴεως γὰρ ἄν, ἔφη, δοκοίη τι λέγειν ὃ ταῦτα λέγων.
Leges 2,658 Α τί ἄν, εἰ --- (folgen sieben Zeilen), τί ποτ᾽ ἂν
ἡγούμεθα ἐκ ταύτης τῆς προρρήςεως ξυμβαίνειν. Xenophon Hel-
len. 6, 1, 9 οἶμαι ἄν, αὐτῶν εἰ καλῶς τις ἐπιμελοῖτο, οὐκ εἶναι
ἔθνος. Uyrop. 2, 1,5 eyw av, εἰ--ἔχοιμι, ὡς TAXIcTa ὁπλα
ἐποιούμην τοῖς Tlepcaıc. Demosth. 18, 195 τί ἄν, εἴ που τῆς
χώρας τοῦτο πάθος ευνέβη, προςδοκῆςαι χρῆν.
Dass man dann gem nach dem Zwischensatz ἄν wieder-
holte, ist verständlich: Sophokles Antig. 69 οὔτ᾽ ἄν, ei θέλοις
ἔτι πράςςειν, ἐμοῦ γ᾽ ἂν ἡδέως rpaccoıc μέτα. 400 ἀλλ᾽ ἄν,
εἰ τὸν ἐξ ἐμῆς μητρὸς θανόντ᾽ ἄθαπτον ἠνεχόμην νέκυν, κείνοις
ἂν ἤλγουν. Oed. Rex 1438 ἔδρας ἄν, εὖ τόδ᾽ Ich, ἄν; εἰ "μὴ
— ἔχρῃζον. Elektra 335 Wer ἄν, εἰ εθένος λάβοιμι, δηλώ-
cam ἄν. 439 ἀρχὴν δ᾽ ἄν, εἰ μὴ τλημονεετάτη γυνὴ παςῶν
ἔβλαετε, — χοὰς οὐκ ἄν ποθ᾽ ὃν τ᾽ ἔκτεινε, τῷδ᾽ ἐπέετεφε.
Thueyd. 1, 190, 5 ἐκεῖνον δ᾽ ἄν, εἰ ἐκδοίη αὐτόν —, εὠτη-
ρίας ἂν τῆς ψυχῆς ἀποετερῆςαι. Aristoph. Lysistr. 572 κἄν,
ὑμῖν εἴ τις ἐνῆν νοῦς, ἐκ τῶν ἐρίων τῶν ἡμετέρων ἐπολιτεύεεθ᾽
ἂν ἅπαντα. Ranae ἢῷῶ κἄν, εἴ με τύπτοις, οὐκ ἂν ἀντείποιμί
τοι. Plato Protag. 918 Ο κἄν, εἰ Ὀρθαγόρᾳ τῷ Θηβαίῳ cuYYe-
VÖUEVOC --- ἐπανέροιτο αὐτόν —, εἴποι ἄν. Leges ὃ, 841 Ὁ
τάχα δ᾽ ἄν, εἰ θεὸς ἐθέλοι, κἂν δυοῖν θάτερα βιαςεαίμεθα περὶ
ἐρωτικῶν. Demosth. 4, 1 ἐπιεχὼν ἄν, ἕως -- εἰ —, ἡευχίαν
ἂν ἦγον. 21,115 ἀρ᾽ ἄν, ei Y eixe —, -τοῦτ᾽ Av eiacev. 37,16
οὐδ᾽ ἄν, εἴ τι τένοιτ᾽, WNONV ἂν δίκην μοι λαχεῖν ποτε τοῦτον.
[Demosth.] 47,66 καίτοι πῶς ἄν, εἰ μὴ TETOPICUEVOV τε ἦν ---,
εὐθὺς ἂν ἀπέλαβον. Aeschines 1, 122 οἶμαι δ᾽ ἄν, εἰ —, ταῖς
ὑμετέραις μαρτυρίαις ῥᾳδίως ἂν ἀπολύςεαςεθαι τοὺς τοῦ KATNYO-
ρου λόγους. |Hen. Anabasis 7, 7, 98.]
Das Umgekehrte, wenn man will, aber doch etwas aus
derselben Stellungsregel entspringendes liegt vor, wenn ein
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 39T
syntaktisch zu einem Zwischensatz oder zu einem abhängigen
Satz gehöriges ἄν hinter das erste Wort des übergeordneten
Satzes gezogen wird: Plato Kriton 52 D ἄλλο τι οὖν, ἂν φαῖεν,
ἢ ξυνθήκας τὰς πρὸς Nudc αὐτοὺς --- mapoßaiveıc. Phaedo δῖ A
τί οὖν, ἂν φαίη ὃ λότος, ἔτι ἀπιετεῖς. Hippias major 299 A
μανθάνω, ἂν ἴεος φαίη, καὶ ἐγώ. Demosth. 1, 14 τί οὖν, ἄν
τις εἴποι, ταῦτα λέγεις. 1, 19 τί οὖν, ἄν τις εἴποι, CU γράφεις
το τὶ εἰναι crparıwrıkd. Proöm. 35, 4 τί οὖν; ἂν τις. εἴποι;
εὺ παραινεῖς; [Demosth.] 45, 55 ὅτι νὴ Δί᾽, ἂν εἴποι, τοῦτον
εἰςπεποίηκα υἱόν. — Vgl. auch Demosth. 11, 44 οὐκ ἂν οἶδ᾽
ὅ τι πλέον εὕροι τούτου. Plato Timäus 20 Β erw γάρ, ἃ μὲν
χθὲς ἤκουςα, οὐκ ἂν οἷδ᾽ εἰ δυναίμην ἅπαντα ἐν μνήμῃ πάλιν
λαβεῖν. Ähnliches οὐκ ἂν οἶδ᾽ ὅ τι im Satzinnern Demosth. 45, τ.
Auf dergleichen Wendungen basiert dann wohl wiederum das
euripideische οὐκ (bezw. οὐ γὰρ) old ἂν εἰ meicamı Mede:
941. Aleestis 48. Eigentümlich Thucyd. 5, 9, 3 καὶ οὐκ ἂν
ἐλπίεαντες ὡς ἂν ἐπεξέλθοι τις, wo das erste dv nur als Anti-
zipation aus dem Nebensatz erklärt werden kann.
Seehstens sprengt ἄν, gerade wie die Enklitika, öfters
am Satzanfang stehende Wortgruppen auseinander. Dahin
könnte man οὐδ᾽ ἂν εἷς stellen: Sophokles Oed. Rex 281 οὐδ᾽
ἂν εἷς δύναιτ᾽ ἀνήρ. Oed. Col. 1656 οὐδ᾽ ἂν εἷς θνητῶν
φράςειε. Plato Prot. ὅ28 A οὐδ᾽ ἂν εἷς φανείη. Aleib. 1221)
οὐδ᾽ ἂν εἷς ἀμφιςεβητήςειε. Demosth. 19, 312 οὐδ’ ἂν εἷς
εὖ old ὅτι φήςειεν. 18, 09 οὐδ᾽ ἂν εἷς ταῦτα φήςειεν. 18,
94 οὐδ᾽ ἂν εἷς εἰπεῖν ἔχοι. Aristot. ᾿Αθην. πολ. 21,2 Κ. οὐδ᾽
ἂν εἷς εἴποι. Doch findet sich diese Tmesis wenigstens ebenso
häufig im Satzinnern: Lys. 19, 60. 24, 24. Isokr. 15, 225.
21,20. Plato Sympos. 192E, 214D, 216E. Gorg.512E.519C.
ΠΟ ΠΕ ΤΙ 125 20,,.136.. 18, 68..18,. 128. Lykurg 49. 57,
und scheint somit wesentlich auf der Attraktionskraft des οὐδέ
zu beruhen.
Einen bessern Beweis bildet das zweimalige Y ἂν οὖν
statt γοῦν ἄν bei Thucydides: 1, 76,4 ἄλλους τ᾽ ἂν οὖν οἰόμεθα
τὰ ἡμέτερα λαβόντες δεῖξαι ἄν und 1, 77, 6 ὑμεῖς Y ἂν οὖν,
εἰ — ἄρξαιτε, τάχ᾽ ἂν μεταβάλοιτε, sowie folgende Fälle, wo
ἄν mitten in eine Wortgruppe eingedrungen ist: Solon fragm.
37, 4 πολλῶν ἂν ἀνδρῶν nd ἐχηρώθη. πόλις. Aeschyl. Pers.
652 μόνος ἂν θνητῶν πέρας εἴποι. TO ἀνθρώπεια δ᾽ ἄν τοι
πήματ᾽ ἂν τύχοι βροτοῖς. Sophokles Aias 155 κατὰ δ᾽ ἄν τις
398 Jacob Wackernagel,
ἐμοῦ τοιαῦτα λέγων οὐκ ἂν πείθοι. Oed. Rex 175 ἄλλον δ᾽
ἂν ἄλλω προείδοις. 502 copia δ᾽ ἂν Copiav παραμείψειεν
ἀνήρ. Elektra 1105 τίς οὖν ἂν ὑμῶν τοῖς ἔεω φράεειεν ἄν.
Oed. Col. 1100 τίς ἂν θεῶν «οι τόνδ᾽ ἄριετον ἄνδρ᾽ ἰδεῖν δοίη.
Herodot 1, 56, ὃ ἐφρόντιζε IcTopewv, τοὺς ἂν Ἑλλήνων δυνα-
τωτάτους ἐόντας προςκτήςαιτο φίλους. 1, 67, ἴ ἐπειρώτεον,
τίνα ἂν θεῶν ἱλαςάμενοι κατύπερθε τῶ πολέμω Τεγεητέων τε-
νοίατο. 1, 196, 22 τὸ δὲ ἂν χρυείον ἐγίνετο ἀπὸ τιν εὐει-
δέων παρθένων. 7, 48, ὃ ετρατοῦ ἂν ἄλλου τις τὴν ταχίετην
ἄγερειν ποιέοιτος 7, 155, 12 ἕκαετος ἂν ὑμῶν ἄρχοι γῆς EX-
λάδος. 7, 139, 9 κατά γε ἂν τὴν ἤπειρον τοιάδε ἐγίνετο. [Η]}-
pokrates| περὶ τέχνης ὁ. 5 (5. 44, ὃ Gomperz) ἐν ἄλλοιειν ἂν
λόγοιειν ςαφέετερον διδαχθείη. (Vgl. auch ce. 2, 5. 42, 196.
ἐπεὶ τῶν τε μὴ ἐόντων τίνα ἄν τις οὐείην θεηςάμενος ἀπαγ-
γείλειεν ὡς ἔεςετιν). Thucyd. 1, 10 πολλὴν ἂν οἶμαι ἀπιετίαν
τῆς δυνάμεως - τοῖς ἔπειτα πρὸς τὸ κλέος αὐτῶν εἶναι. 1, 0,
3 βραχυτάτῳ δ᾽ ἂν κεφαλαίῳ τῶδ᾽ ἂν μὴ προέεθαι ἡμᾶς μά-
θοιτε. ὦ, 22, 2 πρὸς γὰρ ἂν τοὺς ᾿Αθηναίους, εἰ ἐξῆν χωρεῖν.
Aristoph. Thesmoph. 768 τίν᾽ οὖν ἂν ἄγγελον πέμψαιμ᾽ Em
αὐτόν. Isokrates 5, 35 εκεπτέον, τί ἂν ἀγαθὸν αὐτὰς ἐργαςά-
μένος φανείης ἄξια --- πεποιηκώς. Plato Apologie 25 B πολλή
γὰρ ἄν τις εὐδαιμονία εἴη περὶ τοὺς νέους. Phaedo τ ἃ πολλὴ
ἂν ἐλπὶς εἴη καὶ καλὴ. TOD 1001) ἄλλου ἄν του δέοι λόγου
107 C οὐδεμία ἂν εἴη ἄλλη ἀποφυγή. Xenophon Anab. 3, 1, 6
ἐλθὼν δ᾽ 6 Ξενοφῶν ἐπήρετο τὸν ᾿Απόλλω, τίνι ἂν θεῶν θύων
καὶ εὐχόμενος κάλλιετα καὶ ἄριετα ἔλθοι τὴν ὁδόν, ἣν ἐπινοεῖ,
καὶ καλῶς πράξας εωθείη, was sofort an das τίνι κα θεῶν
u. 8. w. der dodonäischen Orakeltäfelehen (siehe oben S. 374)
erinnert. Vgl. auch das Orakel bei, [Demosth.| 45, 66 ere-
\
ρωτᾷ ὃ δῆμος, ὅ τι ἂν dpwcıv — ein, und Herodot 1, 67, 7
oben. — Anahb. ὃ, 2, 29 λαβόντες δὲ τοὺς ἄρχοντας, ἀναρχίᾳ
ἂν καὶ ἀταξίᾳ ἐνόμιζον ἡμᾶς ἀπολέεθαι. Poroi 3, 14 πολλὴ
ἂν καὶ ἀπὸ τούτων πρόςοδος γίγνοιτο. 4, 1 πάμπολλα ἂν νο-
μίζω χρήματα --- προειέναι. Demosth. 1, 1 ἀντὶ πολλῶν ἄν,
(ὦ ἄνδρες ᾿Αθηναῖοι, χρημάτων ὑμᾶς ἑλέεθαι νομίζω. 4, 12 πλη-
CIOV UEV ὄντες, ἅπαειν ἂν τοῖς πράγμαειν τεταραγμένοις ἐπιετάν-
τες ὅπως βούλεεθε διοικήςαιεθε. 19, 45 τί ἂν ποιῶν ὑμῖν χα-
ρίςαιτο. 18, 22 τί Av einwv τέ TIc "ὀρθύυς προςείποι; (18, 81
ὅτι πολλὰ μὲν ἂν χρήματα ἔδωκε Φιλιςετίδης). 18, 295 μείζων
ἂν δοθείη δωρειά. 29, 1 θαυμαείως ἂν ὡς εὐλαβούμην. 99),
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 399
24 καίτοι, τίς ἂν ὑμῶν οἴεται τὴν μητέρα πέμψαι; epist. 9, 37
τί ἂν eimwv μήθ᾽ ἁμαρτεῖν δοκοίην μήτε ψευςαίμην. |Demosth.|
35, 26 τί ἄν τις ἄλλο ὄνομ᾽ ἔχοι θέεθαι τῷ τοιούτῳ. --- Dazu
kommen die zahlreichen Stellen nach Art von Demosth. 21, 50
οὐκ ἂν oleche δημοςίᾳ πάντας ὑμᾶς προξένους αὑτῶν ποιή-
cacdaı.
Unter diesen Beispielen, deren Zahl sich übrigens ohne
grosse Mühe verdoppeln liesse, finden sieh, wie unter den
vorhergehenden Kategorien, mehrere, wo die spätere Hälfte
des Satzes ein zweites ἄν enthält, mit dem das erste ἄν wie-
der aufgenommen wird. Ich füge einen besonders instruktiven
Fall hinzu. Zu Demosth. 1, 1 (5. oben) findet sich in proöm.
> eine parallele Fassung, worin der zweite Teil des Satzes
stark erweitert ist, statt χρημάτων ὑμᾶς ἐἑλέεθαι νομίζω : χρη-
μάτων TO μέλλον CUVOICEIV περὶ ὧν νῦν τυγχάνετε CKOTTOUVTEC
οἶμαι πάντας ὑμᾶς ἐἑλέεθαι, und hier ist nun der erweiterten
Fassung des Satzes wegen hinter πάντας das ἄν wiederholt.
(Ganz irrig ist es, wenn Blass im Proöm deswegen das erste
ἄν hinter πολλῶν gegen die bessere Überlieferung streicht).
Ich glaube wir dürfen sagen, dass in allen Fällen, wo ἄν
mehrfach gesetzt ist, dies einen Kompromiss darstellt zwischen
dem traditionellen Drang ἄν nah beim Satzanfang zu haben
und dem in der klassischen Sprache aufgekommenen Bedürf-
nis die Partikel dem Verb und andern Satzteilen (siehe oben
S. 395) anzunähern: wodurch sich auch erklärt, warum dop-
peltes &v konjunktivischen Sätzen fremd ist. So sind für uns
überhaupt alle Sätze mit mehrern ἄν, deren erstes die zweite
Stelle inne hat, von Wert, nieht bloss die bereits angeführten.
Ich lasse die mir unter die Hand gekommenen Beispiele fol- Ὁ
gen, natürlich mit Ausschluss von οὔτ᾽ ἄν — οὔτ᾽ ἄν, das
nicht hierher gehört.
Aeschyl. Agam. 340 οὔ τἂν ἑλόντες αὖθις ἀνθαλοῖεν Av.
1048 ἐντὸς δ᾽ ἂν οὐςα μορείμων ἀγρευμάτων πείθοι᾽ ἄν. Choeph.
349 λιπὼν ἂν εὔκλειαν ἐν δόμοιειν --- πολύχωετον ἂν εἶχες
τάφον. Hiket. 227 πῶς δ᾽ ἂν γαμῶν ἄκουςαν ἄκοντος πάρα
ἁγνὸς γένοιτ᾽ ἄν. Sophokles Aias 557 τί δῆτ᾽ ἂν ὡς ἐκ τῶνδ᾽
ἂν ὠφελοῖμί ce. 1058 ἡμεῖς μὲν ἂν τήνδ᾽ ἣν ὅδ᾽ εἴληχεν
τύχην θανόντες ἂν προὐκείμεθ᾽ αἰεχίετῳ μόρῳ. 10τὰ ἀλλ᾽ ἄν-
ὃρα χρὴ — Ddokeiv, πεςεῖν ἂν κἂν ἀπὸ εμικροῦ κακοῦ. Oed.
Rex 1539 τάχ᾽ ἂν κἄμ᾽ ἂν τοιαύτῃ χειρὶ τιμωρεῖν θέλοι. 440
400 Jacob Wackernagel,
cuBeic T ἂν οὐκ ἂν ἀλτγύνοις πλέον. 602 οὔτ᾽ ἂν μετ᾽ ἄλλου
δρῶντος ἂν τλαίην ποτέ. 1055 nd ἂν τάδ᾽ οὐχ ἥκιςτ᾽ ἂν lo-
κάετη λέτοι. Elektra 697 δύναιτ᾽ ἂν οὐδ᾽ ἂν ἰεχύων φυτεῖν.
1216 τίς οὖν ἂν ἀξίαν γε CoD πεφηνότος μεταβάλοιτ᾽ ἂν ὧδε
cırav λόγων. Philoktet 222 ποίας ἂν ὑμᾶς πατρίδος (oder
πόλεος) ἢ γένους ποτὲ τύχοιμ᾽ ἂν εἰπών; (so Dindorf und Heim-
reich für das handschriftliche toiac πάτρας ἂν ὑμᾶς ἢ γένους
ποτέ, wo der durch die Stellung von ὑμᾶς bewirkte metrische
Fehler von andern weniger glücklich gebessert wird). Oed.
Col. 391 τίς δ᾽ ἂν τοιοῦδ᾽ ὑπ᾽ ἀνδρὸς εὖ πράξειεν ἄν. 180
ap Av ματαίου" τῆςδ᾽ Av ἡδονῆς. τύχοις: 971 πῶς Av TO Y
ἄκον πρᾶγμ᾽ ἂν εἰκότως ψέγοις. 1900 ἢ τἂν οὐκ ἂν ἦ. Phae-
dra fr. 622, IN. οὐ yap not ἂν γένοιτ᾽ ἂν ἀεφαλὴς πόλις
Fragm. ine. 675 πῶς ἂν οὐκ ἂν ἐν δίκῃ θάνοιμ᾽ ἄν (mit
drei ἄν!)
Herodot 2, 90, 9 ὃ ἥλιος ἂν ἀπελαυνόμενος ἐκ UECOU τοῦ
οὐρανοῦ --- ἤιε ἂν τὰ ἄνω τῆς Εὐρώπης. 2, 20, [1 διεξιόντα
᾿᾿ἄν μιν διὰ πάεης Εὐρώπης ἔλπομαι ποιέειν ἂν τὸν Ἴετρον.
3, 55, 17 οὐδ᾽ ἂν αὐτὸν ἔγωγε δοκέω τὸν θεὸν οὕτω ἂν κα-
κῶς βαλεῖν. ἴ, 187, ὃ οὐδ᾽ ἂν τούτων ὑπὸ πλήθεος οὐδεὶς
ἂν εἴποι πλῆθος. Eurip. Alk. 72 πόλλ᾽ ἂν εὺ λέξας οὐδὲν ἂν
πλέον λάβοις. id. 96 πῶς ἂν ἔρημον τάφον "AdunToc κεδνῆς
ἂν ἔπραξε τυναικός. Androm. 994. οὐκ ἂν ἔν γ᾽ ἐμοῖς δόμοις
βλέπους᾽ ἂν αὐγὰς τἄμ᾽ ἐκαρποῦτ᾽ ἂν λέχη. Hekabe 742 AX-
γος ἂν προεθείμεθ᾽ ἄν. Helena τὸ TWd ἂν εὐςτόχῳ TTTEPW
ἀπόλαυειν εἰκοῦς ἔθανες ἂν Διὸς κόρης. Heraclid. 721 φθάνοις
δ᾽ ἂν οὐκ ἂν τοῖςδε ςὸν κρύπτων δέμας. (Vgl. hiezu Elmsley).
Hiketiden 417 ἄλλος τε πῶς ἂν μὴ διορθεύων λόγους ὀρθῶς
δύναιτ᾽ ἂν δῆμος εὐθύνειν πόλιν. (BUG τίν᾽ ἂν λόγον, τάλαινα, τίν᾽
ἂν τῶνδ᾽ αἰτία λάβοιμι). DD οὐκ ἂν δυναίμην οὔτ᾽ ἐρωτῆςαι
τάδε οὔτ᾽ ἂν πιθέεθαι. Hippolvyt. 480. ἢ τἀρ᾽ ἂν ὄψε τ᾽ ἄν-
ὃρες ἐξεύροιεν ἄν. Iphig. Taur. 1020 ap” ἂν τύραννον διολέ-
coı δυναίμεθ᾽ ἄν. Medea 616 οὔτ᾽ ἂν ξένοιει τοῖει coic χρη-
catue® ἄν. Troades 400 οὐκέτ᾽ ἂν φθάνοις ἂν αὔραν ἱετίοις
καραδοκῶν. 1244 ἀφανεῖς ἂν ὄντες οὐκ ἂν ὑμνηθεῖμεν ἄν.
Meleagros fragm. 527 Nauck ? μόνον δ᾽ ἂν (Nauck: malim
ἕν) ἀντὶ χρημάτων οὐκ ἂν λάβοις.
Thueyd. 2, 41, 1 λέτω — καὶ κάθ᾽ ἕκαετον, δοκεῖν ἄν
μοι τὸν αὐτὸν ἄνδρα παρ᾽ ἡμῶν ἐπὶ πλεῖςετ᾽ ἂν εἴδη καὶ μετὰ
χαρίτων μάλιετ᾽ εὐτραπέλως τὸ cWUA αὔταρκες παρέχεεθαι. (Vgl.
Ὁ
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 40]
Stahl zu d. Stelle). 4, 114, 4 οὐδ᾽ ἂν «εφῶν πειραςομένους
— αὐτοὺς δακεῖν nccov, ἀλλὰ TOAAW μᾶλλον — εὔνους ἂν
cpicı γενέεθαι. 6, 10, 4 τάχ᾽ ἂν δ᾽ ἴεως, ei — λάβοιεν --
καὶ πάνυ ἂν ξυνεπίθοιντο. 6, 11, 2 Σικελιῶται δ᾽ ἄν μοι δο-
κοῦςειν, WC γε νῦν ἔχουειν, καὶ ἔτι ἂν ἥςεον δεινοὶ ἡμῖν γτενέες-
θαι. 6, 18, 2 βραχὺ ἄν τι προςκτώμενοι αὐτῇ περὶ αὐτῆς ἂν
ταύτης μᾶλλον κινδυνεύοιμεν. 8, 40, 2 γενομένης δ᾽ ἂν --
ἀρχῆς ἀπορεῖν ἂν αὐτόν. Hippokrates περὶ ἀρχαίης ἰητρικῆς
1, 572 Littre οὔτε ἂν αὐτῷ τῶ λέγοντι οὔτε τοῖς ἀκούουει
δῆλα ἂν εἴη. Aristoph. Acharn. 215 οὐδ᾽ ἂν ἐλαφρῶς ἂν ἀπε-
πλίξατο. BUS πώς δέ Υ᾽ ἂν καλῶς λέγοις ἄν. Nubes 977 ἠλεί-
ψατο δ᾽ ἂν τοὐμφαλοῦ οὐδεὶς παῖς ὑπένερθεν τότ᾽ ἄν. 1989
μαμμᾶν δ᾽ ἂν αἰτήεαντος ἧκόν corı φέρων ἂν ἄρτον. Pax 68
πῶς ἄν ποτ᾽ ἀφικοίμην ἂν εὐθὺ τοῦ Διός. 646 ἣ δ᾽ Ἑλλὰς
ἂν ἐξερημωθεῖς᾽ ἂν ὑμᾶς ἔλαθε. 1223 οὐκ ἂν πριαίμην οὐδ᾽
ἂν ἰεχάδος μιᾶς. Aves 829 καὶ πῶς ἂν ἔτι γένοιτ᾽ ἂν εὔτακ-
τος πόλις. Lysistr. 113 ἐγὼ δέ τἂν κἄν (sell. ἐθέλοιμι), εἴ
με χρείη --- ἐκπιεῖν. 115 ἐγὼ δέ γ᾽ ἂν κἂν ὥςπερ εἰ ψῆτταν
δοκὼ δοῦναι ἂν ἐμαυτῆς παρταμοῦςα θἤμιευ. 147 μᾶλλον ἂν
διὰ τουτογὶ γένοιτ᾽ ἂν εἰρήνη. 9501] φωνὴν ἂν οὐκ ἂν εἶχον.
Ranae 34 ἡ τἄν ce κωκύειν ἂν ἐκέλευον μακρά. δὶ οὐκ ἂν
γενοίμην Ἡρακλῆς ἄν. Ekkles. 118 οὐκ ἂν φθάνοις τὸ τένειον
ἂν περιδουμένη.
Plato Sympos. [Apol. 41 A.| 176 0 ἴεως ἂν ἐγὼ περὶ τοῦ με-
θύεκεεθαι --- τἀληθῆ λέγων ἧττον ἂν εἴην ἀηδής. Phaedrus 232 C
εἰκότως ἂν (Schanz konj. δή) τοὺς ἐρῶντας μᾶλλον ἂν φοβοῖο.
201 C Tax’ οὖν ἂν ὑπὸ φιλοτιμίας ἐπίεχοι Nulv ἂν τοῦ γτρά-
φειν. Republ. 7, 5260 οὐκ ἂν ῥᾳδίως οὐδὲ πολλὰ ἂν εὕροις
wc τοῦτο. Menexenus 236 D κἂν ὀλίγου, εἴ με κελεύοις ἀπο-
δύντα ὀρχήςαςθαι, χαριςαίμην ἄν. Sophist. 235 A πῶς οὖν ἄν
ποτέ τις --- δύναιτ᾽ ἂν ὑγιές τι λέγων ἀντειπεῖν. 255 B εχολῇ
TOT ἂν αὐτοῖς τις χρήματα διδοὺς ἤθελεν ἂν — Σᾷμαθητὴς τίγ-
vecöcı. [Legg. 5, 742C]. Xen. Cyrop 1, 3, 11 ετὰς ἂν ὥςπερ
οὗτος ἐπὶ τῇ εἰςόδῳ — λέγοιμ᾽ Av. Xen. Anab. 1,3,6 ὑμῶν δ᾽
ἔρημος ὥν, οὐκ ἂν ἱκανὸς οἶμαι εἶναι οὔτ᾽ ἂν φίλον ὠφελῆςαι
οὔτ᾽ ἂν ἐχθρὸν ἀλέξαεθαι. 4, 6, 13 δοκοῦμεν δ᾽ ἄν μοι ταύτῃ
προςποιούμενοι προςεβαλεῖν ἐρηιιωτέρῳ ἂν τῶ ὄρει χρῆςεθαι. 5,
0, 32 διαςπαςεθέντες δ᾽ ἂν καὶ κατὰ μικρὰ γενομένης τῆς δυνά-
MEWC οὔτ᾽ ἂν τροφὴν δύναιεθε λαμβάνειν οὔτε χαίροντες ἂν
ἀπαλλάξαιτε. Oecon. 4, Ὁ Wd ἂν --- ἐπιεκοποῦντες --- ἴεως ἂν
402 Jacob Wackernagel,
καταμάθοιμεν. II S. 283. Epikrates (fragm. com. ed. Kock)
ἢ". 9.2. γ.11 eidec δ᾽ ἂν αὐτῆς Φαρνάβαζον θᾶττον ἄν. (Demosth.
18. 240 τί ἂν οἴεςθ᾽ εἰ --- ἀπῆλθον —, TI ποιεῖν ἂν ἢ τί λέ-
γεῖν τοὺς ἀςεβεῖς ἀνθρώπους τουτουςί gehört, da die Wieder-
holung des ἄν durch die Wiederaufnahme des fragenden τί
bewirkt ist, nieht hierher.) 27, 56 οὐκ ἂν nyeich' αὐτὸν κἂν
ἐπιδραμεῖν. Aristot. poet. 25, 1400» 1 ὧδ᾽ ἂν Bewpoücıv τέ-
νοιτ ἂν φανερόν und öfters; vgl. Vahlen zu d. Stelle und
Wiener Sitzungsber. LVI 408. 458.
Wenn meine Beispielsammlung in ihrer Unvollständigkeit
nicht gar zu ungleichmässig ist, ergibt sich starke Abnahme
dieser Art von Doppelsetzung von ἄν im vierten Jahrhundert.
Zumal die rednerische Prosa zeigt nur ganz spärliche Bei-
spiele; bekanntlich hat Lysias ἄν gar nie doppelt gesetzt.
Ich zweitle nicht, dass diese Abnahme auf fortschreitendes
Erlöschen derjenigen Tradition zurückzuführen ist, welche ἄν
an zweiter Stelle des Satzes forderte.
Nun findet sich Doppelsetzung des ἄν auch so, dass das
erste ἄν nicht die zweite Stelle im Satz einnimmt, sondern
eine spätere. Dies ist ganz natürlich, da ja die verschieden-
sten Satzteile &v gern hinter sich hatten, und folglich, sobald
ein Satz breiter angelegt war, sich verschiedene mit einan-
der kollidierende Ansprüche auf die Partikel geltend machen
mussten. Die hieraus sich ergebenden Kombinationen zu be-
trachten und für eine jede die betr. Beispiele beizubringen,
liegt ausserhalb unserer Aufgabe, die nur die Erforschung der
Reste des alten Stellungsgesetzes in sich schliesst, so interes-
sant und so wiehtig für die Würdigung der Jüngern Sprache
es auch wäre, die in dieser herrschend gewordnen Tendenzen
im Einzelnen klar zu legen.
ὙΠ].
Das Stellungsgesetz, dessen Geltung im Griechischen auf
(den vorausgehenden Seiten besprochen worden ist, ist für em-
zelne der asiatischen Schwestersprachen längst anerkannt.
Für die Altindische Prosa lehrt Delbrück Syntakt.
Forschungen III 47: “ Enklitische Wörter rücken möglichst
nah an den Anfang des Satzes”. Wesentlich stimmt dazu die
Bemerkung, die Bartholomae Ar. Forschungen II 3 für den
Rigveda giebt: “Auch bei oberflächlicher Betrachtung drängt
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 405
sich die Wahrnehmung auf, dass im RV. die enklitischen For-
men der Personalpronomima, sowie gewisse Partikeln, in den
meisten Fällen «die zweite Stelle innerhalb des Verses oder
des Vers- Abschnitts einnehmen”. Vgl. denselben Ar. For-
schungen III 30 Anın. über som, sma, sowie die harte Timesis
RV. 5, 2, ἡ sunas cic chepam niditam sahasrad yüpad
amuncak.
Entsprechende Beobachtungen hat derselbe Gelehrte an
den Gathas des Avesta gemacht (Ar. Forschungen II
3.) Er stellt dort S. 11 f. für diese die Regel auf: “En-
klitische Pronomina und Partikeln lehnen sich an den ersten
Hochton im Versglied an”, und ist dabei zur Anerkennung
von Ausnahmen bloss bei czf genötigt, das eben oft einzelne
Satzteile hervorzuheben hat und dann an die betr. Satzteile
4
.)
geheftet ist. Auch dies lässt sich zu der Delbrückschen Regel
leicht in Beziehung setzen.
Ganz genau bewährt sich aber diese, wie es scheint, in
der mittelindischen Prosa (vgl. z. B. Jacobi Mähärästri-
Erzählungen S. 8 Z. 15 jena se parikkhemi balavisesam, Wo
se syutaktisch zu balavisesam gehört) und sicher im Altper-
sischen, dessen Keilschriftdenkmäler sieh durch ihre feier-
lieh-korrekte Sprechweise und ihre genaue Unterscheidung der
önklitika in der Schrift für derartige Beobachtungen beson-
ders eignen. Ich gebe das Material nach Spiegels zweiter
Ausgabe vollständig, mit Ausnahme der Stellen, wo das En-
klitikum ergänzt ist. Ausnahmslos an zweiter Stelle finden
sich zunächst
maäiy: hinter den geschlechtigen Nominativen Laura-
ΠῚ 1 25.55. 37. 94. 2, 24.40. 60. 68.3, 6, 17.
37. 44. 60. 65. 86. 4, 60. ΝΕ ἃ 50. dahyaus Bh. 4, 39 hauv
Bh. 2, 79. 3, 11; sodann hinter dem neutralen tya (ausser
Bh. 4, 65, über das der Lücke wegen nichts bestimmtes ge-
sagt werden kann), Xerxes A 24. 30. ©? 13 (zweimal), C" 22
(zweimal). D 19. 8 19; endlich hinter «ta Bh. 4, 74. 18.
Xerxes D15 (dazu NR: 52, Xerxes D 18. E2 18. A 29, ob-
wohl κα an diesen Stellen nicht Sätze, sondern nur Satz-
glieder verbindet).
taiy: hinter den geschlechtigen Nommativen Aura-
mazda Bh. 4,58. 78, hause ΝΠ ἃ 57, |wo allerdings nach Thumbs
Deutung ΚΖ. XXXI 132 ff. taiy an fünfter Stelle stände!]
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 90
404 Jacob Wackernagel,
hinter dem Neutrum ava Bh. 4, 76. 79, hinter ada NR: 48.
45, hinter uta Bh. 4, 58. 75. 79.
saiy hinter haue Darius ΠΗ ὃ. tyaiy (Nom. Pl.) Bh. 1,
57.2, 74.080482 51.773: avaphar3, 14: uam, TA: 8379, ΜῈΝ
pasäva 2, 88.
Also maiy, taiy, saiy folgen der Regel an im ganzen
56 Stellen im Anschluss an die verschiedensten Wörter, und
ohne dass eine einzige Stelle widerspricht. Besonderer Be-
achtung wert sind Bh. 1,57 uta tyaisaiy fratama martiya
gegenüber dem ata martiya tyaisaiy fra-
ζ
anusiya ahanta, 2
tama u. s. w. der übrigen Stellen mit fyaisaiy, ferner Bh. 4,
74 — 4, τὸ, utämaiy, yava tauma ahatiy, parikaräha-dis,
wo maiy vor dem Zwischensatz, das Verbum erst dahinter
kommt; vorzüglich aber Xerxes D 15 atamaiy tya pita
akunaus — καί μοι ἅττα ὃ πατὴρ Eroincev, wo das in den
Relativsatz gehörige maiy dem Anschluss an πα zu liebe vor
das Relativpronomen gestellt ist.
Ganz ähnliche Resultate ergeben sich bei den übrigen
personalen Enklitika: beim enklitischen mam, das an der ein-
zigen Belegstelle (Bh. 1, 52) auf satzemleitendes matya folgt;
bei sim: hinter den Nominativen api Bh. 1, 95. kara 1, 50.
adam 1, 52, sowie haruıva 2, ἴδ. 90; hinter dem Akkusativ
satram 1, 59: hinter den Partikeln avada 1, 59. 3, 79.5, 14.
nai 4, 49. pasäva 2, 90; bei sis hinter avada 3, 52; bei
sam hinter den Nommativen adam NR? 18: hya Bh. 2, 15;
dem Akkusativ avam Bh. 2, 20. 83., dem Neutrum tya
Bh. 1, 19. NR» 20. 36; hinter den Partikeln avatha 2,27.
31.42.2602. 83..98.:3,.,8. 19. 40. Ἀπ’ 0: 00: 268.28, md
Diesen 35 Stellen, die damit zu den obigen 56 hinzu-
kommen, stehen allerdings 5 abweichende gegenüber: Bh.1, 14
vasnd Auramazdaha adamsam xsayapiya äham; 4,6 vasn/a
Aurama]zdäha adamsam ajanamz; NR?*535 vasna Aura-
mazdaha adamsim gapra niyasadayamy, immerhin schliesst
sich an allen drei das Enklitikon unmittelbar an das Subjekt
adam an. Und mehr als ausgeglichen werden diese Ausnah-
τὸ Ξε ἢ, 90 haruwasim kara
araina |“ universus eum populus videbat”) wo das Pronomen
zwischen Attribut und Substantiv getreten ist, oder wie Bh.
nen dureh solehe Stellen wie Bh. 2,
3,56 utasam 1 martiyam maphistam akumaus, wo sdäm SYU-
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 405
taktisch zu mapistam gehört ("und er machte einen Menschen
zum Obersten derselben”).
Sieht man von hacama ‘von mir’ und haca avadasa
“von da aus’ ab, so bleiben noch -ciy (= altind. eit) und dim,
dis. Letztere folgen der Regel hinter dem Nominativ drauga
Bh. 4, 34, dem neutralen tya Bh. 1,65, der Partikel naöy 4, 73.
78, pasava Bh.4, 55. ΝΕ ἃ 33, der Verbalform visanaha Bh.
4, 77. Kaum als Ausnahme kann 4, 74 gelten: utämaiy,
yava tauma ahatiy, parikarahadis (Spiegel: "sondern sie
mir, so lange deine Familie dauert, bewahrst”): denn wenn
sich hier dis auch nicht an das erste Wort des Satzes schlecht-
hin anschliesst, so doch an das erste auf den Zwischensatz
folgende Wort. So widerspricht nur NR? 42 /yathja sesna-
s/ahadis/ “damit du sie kennst, und da mag man billig
fragen, ob nicht die Ergänzung falsch sei.
Dagegen οὖν emanzipiert sich von der Regel. Zwar
steht es Bh. 1, 53 hinter kas, S. 23 hinter hauv und Xerxes
D 20. (Ὁ 14.” 24 an zweiter, aber Bh. 1, 46 hinter kas, 1, 53
hinter eis, 1, 63. 67. 69 hinter paravam, 4, 46 und Xerxes
D 13 hinter aniyas an dritter Stelle oder noch weiter hinten
im Satz. Es steht eben hinter dem Wort, das der Hervorhe-
bung bedarf; vgl. die Stellung von cz? im Avesta (oben S.405).
So die indoiranischen Sprachen. Aber auch ausserhalb
derselben bieten sich belehrende Parallelen dar. Dass vorerst
den germanischen Sprachen unser Stellungsgesetz nicht
fremd ist, zeigt schon die Behandlung der schwachbetonten
Personalpronomina im Neuhochdeutschen. Zumal, wenn sich
im Nebensatz und dann in weiter Entfernung vom Verbum
steht, kommt uns das Gesetz zum Bewusstsein, freilich als
eine unbequeme Fessel, deren wir uns in schriftlicher Darstel-
lung gern dadurch entledigen, dass wir das Pronomen zum
Verbum ziehen. Wir glauben hierdurch deutlicher zu sein,
empfinden aber solehe Stellung doch als unschön. Und oft
entschlüpft uns-in mündlicher Rede doppeltes sich, eines am
traditionellen Platze zu Anfang, und eines beim Verbum: ganz
analog dem doppelten ἄν der Griechen. — Auch bei den an-
dern persönlichen Pronomina kann man solche Tendenz beob-
‚achten.
Doch wage ich auf diesem Gebiet eingehendere Erör-
terungen nicht, und möchte nur noch an die von Kluge KZ.
400 Jacob Wackernagel,
XXVI 80 in ihrer Bedeutung hervorgehobenen gotischen Tme-
sen ga-u-laubeis, ga-u-bwa-sehi, us-nu-gibib und die Fälle
erinnern, wo u/h) und ähnliche Partikeln im Gotischen Prä-
position und Kasus trennen. Mit Reeht erkennt Kluge in die-
sem Drang der Enklitika sich unmittelbar an das erste Wort
anzuschliessen, einen alten Rest aus der Vorzeit. Das lehr-
reichste Beispiel ist unstreitig ga-u-la-sehi mit seinem Ein-
schub des Indefinitums va — τὶ.
IX,
Indem ich dahingestellt lasse, ob das Pronomen infixum
des Keltischen (Zeuss Grammatica celtica 8.327 ff.) nicht von
hier aus Licht empfange, wende ich mich sogleich zum La-
tein, und konstatiere hier zum voraus, dass die Latinisten
alter Schule schon längst lehren, dass zumal in klassischer
Prosa die Stelle unmittelbar hinter dem ersten Wort des Satzes
mit Tonsehwäche verbunden sei, und die dorthin gestellten
Wörter entweder von Haus aus enklitisch seien oder es dureh
eben diese Stellung werden (Reisig Vorlesungen über latein.
Sprachwissenschaft S. 818; Madvig zu Cie. de finibus I 45;
Seyffert-Müller zu Cie. Laelius? S. 49. 64; Schmalz Latein.
Syntax ? 5. 557 u. s. w.) Für die Einzeluntersuchung ist es
nun allerdings unbequem, dass die Überlieferung anders als
im Griechischen keine äussern Kennzeichen zur Unterscheidung
orthotonischer und enklitischer Formen liefert. Trotzdem kön-
nen wir ziemlich sicher gehen. Denn gesetzt z.B. es zeige ein
Casus obliquus eines persönlichen Pronomens, auf dem
nach Ausweis des Zusammenhangs keinerlei Nachdruck liegt,
genau dieselben Stellungseigentümlichkeiten, die wir bei μοι
und seinen Genossen gefunden haben, so muss in emem sol-
chen Fall sowohl die enklitische Betonung des betr. Pronomens
als die Gültigkeit des fürs Griechische aufgestellten Stellungs-
gesetzes auch fürs Latein m. E. als erwiesen gelten. Und
solche Fälle finden sich genug.
Erstens eigentliche Tmesis zwischen Präposition und Ver-
bum (vgl. fürs Griechische oben S. 361): sub vos placo, ob
vos sacro (Festus 190P 2. 8098 30). Zweitens Zertrennung
anderer, sonst zur Eimheit verwachsener Wortverbindungen
durch ein der zweiten Stelle zustrebendes schwach betontes
Pronomen: a) mit per verbundener Adjektive: Cicero de orat.
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 407
(1, 214 in quo per mihi mirum visum est). 2, 211 nam sicut,
quod apud Catonem ist —, per mihi scitum videtur —: sic
profecto se res habet. ad Quintum fr. 1, 1 (9), 2 per mihi
benigne respondit. ad Att. 1, 4,3 quod ad me de Hermathena
‚scribis, per mihi gratum est. 1,20, per mihi, per, inguam,
gratum feceris. Dass Lael. 16 pergratum mihi feceris, spero
item Scaevolae steht und nicht per mihi gratum, wie Orelli
verlangte, dient zur Bestätigung unserer Regel, da mihi wegen
‚des Gegensatzes zu Scaevolae stark betont gewesen sein muss
(Seyffert-Müller zu d. St. 5. 90 3). Die weitern Fälle, in denen
per Timesis erleidet, werden im Verlauf zur Erwähnung kom-
men, ausser de or. 1,209 östa sumt pergrata perguwe iucunda
und ad. Att. 10, 1,1 per enim magni aestimo, in welch bei-
den Beispielen übrigens eine, die zweite Stelle verlangende,
Partikel die Trennung bewirkt hat.
b) Des Pronomens gqui-cungue (Neue 5. 2, 489), nebst Zu-
behör (dessen Tmesis in Fällen wie Oicero pro Sest. 68 quod
iudicium cunque subierat. De divin. 2, T qua re cumquwe. Lu-
erez 4, δῖ quae loca cungue. Ὁ, 89 qua de causa cunque.
6, S6T quae semina cungue. Horaz Oden 1, 6, 5 guam rem
cungee und in den von Neue aus Gellius und Appuleius an-
geführten Stellen; ferner in Cicero de legibus 2, 46 quod ad
cungue legis genus besondrer Art ist). Cicero de orat. 3, 60
quam se cumque im partem dedisset. Tuseul. 2, 15 quo ea
me cumque ducet. De divin. 2,149 quo te cunque verteris.
Verg. Aen. 1, 610 guae me cunque vocant terrae. ὃ, 14 quo
te cunque lacus miserantem incommoda nostra fonte tenet.
12, 61 gui te cungue manent isto certamine casus. ΠΟΙᾺ
Oden 1,7,25 quo nos cunque feret melior Fortuna parente.
1, 27, 14 quae te cungue domat Venus. (Ovid. trist. 2, 78
delicias legit qui tibi cungue meas.) Martial 2, 61, 6 nomen
quod tibi cungue datur. Darmach Terenz Andria 2653 quae
meo quomque animo lubitum est facere. Ausser an diesen
Stellen und den unten wegen andrer Enklitika anzuführenden
kommt Tmesis von guicungue nur Lucrez 6, 1002. Horaz 1,
912.1,16, 2. Sat. 2, 5, 51 vor, wo ganz beliebige Wörter
dazwischen getreten sind. (Vgl. Horaz Sat. 1, 9, 33 garrulus
hune quando consumet cunque.) Wir dürfen ruhig hierin
poetische Freiheiten erkennen.
ὁ) Des Adverbs guomodo. Plautus Cistell 1, 1, 41 ne-
%
408 Jacob Wackernagel,
cesse est, quo tu me modo voles esse, ita esse mater. Uicero
pro Rose. Am. 859 quo te modo iactaris. in Pisonem 89 quo
te modo ad tuam intemperantiam inmovasti. pro Scauro ὃ0
quo te nunc modo appellem. Vgl. pro Rab. Post. 19 guonam
se modo defendet. pro Scauro DV guocungque igitur te modo —.
Weiteres unten; Trennung durch volltonige Wörter scheint
sich nicht zu finden. Denn Cicero de lege agr. 1, 25 quo
uno modo ist besondrer Art.
Drittens ist die Trennung von Präposition und regiertem
Kasus in der bekannten Bittformel zu nennen: Plautus Bacch.
WB per te ere obsecro deos immortales. Menaechmi 990 per
ego vobis deos atque homines dico. Terenz Andria 958 per
te deos oro et nostram amteitiam, Chremes. 834 per ego te
deos oro. Tibull 3, 11(=4,5,) 1 per te duleissima furta per-
que tuos oculos per geniumgue rogo. Livius 23,9,2 per ego
te, inguit, fili, guaecungue iura tungunt liberos parentibus, pre-
cor quaesogue. Curtius Ὁ, 8,16 per ego vos decora matorum
— 010 et obtestor. Lucan 10,370 per te quod fecimus una
perdidimusque nefas — ades (das Verbum des Bittens ist hier,
wie im folgenden Beispiel, weggelassen). Silius 1, 658 per
vos culta diu Rutulae primordia gentis —, conservate pios-
Das per, woran sich das Pronomen te, vos, vobis anhängt,
steht also immer am Anfang des Satzes.
Viertens seien die paar Beispiele von Trennung minder
enger Wortgruppen angeführt, die von den vorgenannten La-
tinisten als Belege für Ciceros Neigung das tonlose Prono-
ınina hinter dem ersten Wort einzuschieben beigebracht wer-
den: (de orat._3, 209 his autem de rebus sol me ille admo-
nuit.) Brutus 12 populus se Romanus erexit. orator 92 sen-
tiebam, non te id sciscitari. de oflie. 1, 151 in agros se pos-
sessionesque contulit. (Laelius 15 idque eo mihi magis est
cordi. ST ut aliquis nos deus ex hac hominum frequentia
tolleret.)
Fünftens sind emige Fälle zu nennen, wo ein zwei Glie-
dern des Satzes gemeinsames Pronomen ims erste eingescho-
ben wird (Müller zum Laelius XX 72). Cic. epist 4,7, 2 sed
idem etiam illa vidi, neque te consilium cieilis belli ita ge-
rendi nec copias On. Pompei — probare. Laelius 31 nec se
comitem ilius furoris, sed ducem praebuit. Sallust or. Phi-
lippi 16 negue te prorinciae neque leges neque di penates
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 409
civem patiuntur. (Ebenso, aber ohne Einfluss des Stellungs-
gesetzes Caesar bell. οἷν. 1, 85, 11 guae omnia et se tulisse
patienter et esse laturum, wozu jedoch Paul: “se omitten-
dum esse verborum eonsecutio docet ”.)
Anderes geben die bisherigen Forschungen über die Stel-
lung des Pronomens bei den Komikern an die Hand. (Vgl. Kämpf
De pronominum personalium usu et conlocatione apud poetas
scenicos Romanorum : Berliner Studien für Klass. Philologie u.
Archäologie III 2. 1886). Aus Kämpf hebe ich namentlich die
Beobachtung hervor (S. 31. 36), dass sich die Personalprono-
mina in der grossen Mehrzahl der Fälle an Fragewörter und
an satzeinleitende Konjunktionen unmittelbar anschliessen; (vgl.
z. B. bei Joseph Bach in Studemunds Studien auf d. Gebiete
des archaischen Lateins II 245 die Zusammenstellung der Fälle
mit guid tibi und folgendem den Akkusativ regierenden Sub-
stantivum verbale auf -tio), ebenso (5.40) an die Aftirmativpar-
tikeln, wie hercle, pol, edepol u. 5. w., die, worauf später die
Rede kommen wird, entweder die erste oder die zweite Stelle
im Satz einnehmen. Sehr beachtenswert ist auch die an
eine Beobachtung Kellerhoffs geknüpfte Bemerkung Kämpfs,
dass in den überaus zahlreichen Fällen, wo die Negation an
der Spitze des Verses steht, sich ein allfällig vorhandenes
Pronomen personale daran anlehnt.
Am lehrreichsten ist aber der Nachweis, den Langen
Rhein. Museum XII (1857) 426 ff. betreffend die Beteuerungs-,
Wunsch- und Verwünschungsformeln mit di, di deaeque
oder einem einzelnen Gottesnamen als Subjekt und konjunk-
tivischem (oder futurischem) Verbum als Prädikat gegeben
hat. (Vgl. auch Kellerhoff in Studemunds Studien II 77 f.).
Wo di, di deaegue, oder der betr. Gottesname am Satzan-
fang steht, folgen die vom Verb regierten pronominalen Ak-
kusative und Dative me, te, tibi, ebenso die in diesen Wen-
dungen seltener vorkommenden wos, wobis, fistum), istunc,
istam, istunc, istaec, illum dem Subjekt unmittelbar. Wo
das Subjekt mehrgliedrig ist, findet sich das Pronomen zwar
vereinzelt erst nach der ganzen Subjektgruppe: Plautus Casina
275 Hercules dique istam perdant. Vgl. Epidieus 192 di
hercle omnes me adiuvant, augent, amant, wo Langen (und
nach ıhm Götz) di me hercle ommes ändert. Mostell. 192
di deaeque omnes me pessumis exemplis interficiant. (Ritschl
410 Jacob Wackernagel,
me omnes). Öfter ist das Pronomen nach dem ersten Gliede
eingeschoben: Aulul. 698 Zuppiter te dique perdant. (Das-
selbe Captivi 868. Cureulio 317. Rudens 1112). Captivi 919
Diespiter te dique, Ergasile, perdant. Pseudolus 271 di te
deaegue ament. Mostell. 4653 di te deaeque ommes faxint
cam istoc omine. 684 di te deaeque ommes funditus per-
dant, sene.r. Ebenso bei attributiver Gruppe: Menaechmi 596
di illum omnes perdant. Terenz Phormio 519 di tibi
omnes id quod es dignus dwint. Eine Mittelstellung nimmt
Plautus Persa 292 ein: di deaeque me ommes perdant;
ebenso Mostell. 192 nach Ritschls Schreibung, siehe oben.
Schon dies ist beachtenswert; von besondrer Bedeutung
ist aber, dass wenn an der Spitze des Satzes ein ἐξα, itaque,
ut, utinam, hercle, qui, at steht, darauf nicht etwa zuerst
di oder der Göttername und dann erst das Pronomen folgt,
sondern in diesem Fall das Pronomen dem noninmalen Subjekt
voraneeht. Wo at und öta verbunden sind, steht das Prono-
men dahinter Cureulio 574 at ita me machaera et clypeus
bene invent. Miles glor. 501 at ita me di deaeque ommes
ament; dagegen zwischen beiden Partikeln Poenulus 1258 at
me ἐξα. dei servent, wo ich dem Metrum lieber mit der Schrei-
bung med, als mit der von den Neuern vorgezogenen Umstel-
lune at ita me aufhelfen würde. Auch hinter andern Anfangs-
wörtern, als den angeführten Partikeln, geht das Pronomen
dem Subjekt di voraus: Pseudolus 430 sö te di ament. 956
tantum tibi boni di immortales duint. Mostell. 695 malım
quod (= κακόν τι) isti di deaeque omnes duint u. s. w. An
dder widerstrebenden Stelle Plautus Casina 609 gquin hercle di
te perdant will Langen, dem sich Kellerhoff a. a. ©. und
Schöll in seiner Ausgabe anschliessen, guin hercle te di perdant
umstellen, während Seyffert mittelst der Interpunktion gain
hercle “di te perdant” dem Schaden abzuhelfen sucht.
Die Beobachtung von Langen bewährt sich auch an der
klassischen Latinität. Insofern wenigstens als die Beteuerungs-
tormeln mit öta, söc auch hier das me, te, mihi fast ausnahmslos
unmittelbar hinter öa, sic haben. Mit ἐξα: Cicero divmatio
in Caee. 41 öta mihi deos velim propitios. Verrma ὃ, 39
ita mihi meam voluntatem — vestra populique Romani ewi-
stimatio comprobet. ὃ, BT ita mihi ommis deos propitios
velim. Epistulae 5, 21, 1 nam tecum esse, ita mihi com-
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 41]
moda omnia quae opto contingant, ut vehementer velim. ad
Attieum 1, 16, 1 saepe, ita me di iwwvent, te
15, 5 [Oetavianus] ἐμ) αὐ "ita sibi parentis honores consequi
liceat”. Catull ΟἹ, 196 at manrite, ita me iuvent caelites,
nihilo minus pulcer es. 66, 15 non (ita me divi) vera ge-
desideravi. 16,
maunt (inerint). IT, 1 non, ita me di ament, quicquam referre
putavi. Diese Stellung bleibt auch, wenn dem iöta noch eine
Partikel vorgeschoben wird: Cicero in Catil. 4, 11 nam ita
mihi salva republica vobiscum perfrui liceat, ut —. epist. 10,
12, 1 tamen ita te victorem complectar —, ut —. (Plancus ad
Ciceronem epist. 10, 9, 2 ta ab imminentibus malis respub-
lica me adiuvante liberetur und Petron. T4 ita genium meum
propitium habeam kommen natürlich nicht in betracht.
Mit sie: Oatull. 17, 5 sic tibi bonus ex tua pons libi-
dine fiat. Virgil Eel. 10, 4 sie tibi, cum fluctus supterla-
bere Sicanos, Doris amara suam mon imtermisceat undam.
Horaz Oden 1, 3, 1 sic te diva potens Uypri — regat. Ti-
bull 2, 5, 121 sic tibi sint intonsi Phoebe capilli. Properz
Bee N HemUht te referas- levis. ὦ, 6, 2 sicrtibi sint
dominae Lygdame dempta iuga. Ovid. Heroid. 4, 169 sic
tibi secretis agilis dea saltibus adsit. 4, 115 sic tibi dent
nymphae. Metamorph. 14, 765 sic tibi nec vernum nmascen-
tia frigus adurat poma. Corpus inser. lat. 4, 2776 presta
mi sincerulm) sic te amet que custodit ortu(m) Venus. Vgl.
Martial 7, 95, 8 perpetuo liceat sie tibi ponte frui, wo das
Pronomen zwar nicht an zweiter Stelle, aber doch unmittelbar
hinter sic steht. Bei einem Ablativus absolutus (Horaz Oden
1, 28, 25 sic — Venusinae plectantur silvae te sospite) und
beim Possessivum (Petron. 75 rogo, sic peculium tuum fru-
niscaris; doch Virgil Eel. 9, 30 sic tua Uyrneas fugiant
examina taxcos) haben wir kein Recht Geltung der Regel zu
erwarten. Auch Ovid Trist. 5, 2, B1f. (sic habites terras et
te desideret aether) sic ad pacta tibi sidera tardus eas
kann nicht als Verletzung der Regel gelten. Dagegen ist auf-
fällig Tibull 1,4, 1 sic umbrosa tibi contingant tecta Priape.
Petron 61 sic felicem me videas.
Aus Ausdrücken wie die eben besprochnen sind meher-
cule, mediusfidius, mecastor bekamntlich verkürzt. Daraus
scheint sich mir auch ihre Stellung zu erklären. Im der gros-
sen Mehrzahl der Beispiele stehn sie an zweiter Stelle des
412 Jacob Wackernagel,
Satzes. So die beiden ersten ausnahmslos in Ciceros Reden.
Vel. für mehercule auch Terenz Eunuch. 416. Cicero de or.
25 1. Epist 221 A ada Atem 102137 1216 Are
Ξε bei Ciersad Att. Yu TS1:=@achusÜber Cie. epist. 85. Ὲ
Planeus ibid. 10, 11, 3. Plin. Epist. 6, 30; für mediusfidius
auch Cicero epist. 5, 21, 1. Tuseul. 1, 74 me ille medius-
fidius vir sapiens). Sallust Catil. 35, 2. Livius 5, 6, 1.
22, 59, 11. Seneca suas Ὁ; Ὁ. Plin.zepist. Ὁ Ὁ. Ὁ. Besonders
beweiskräftig ist die nicht seltene Einschiebung der zu einer
ganzen Periode gehörigen Beteuerungspartikel hinter die ein-
leitende Partikel des Vordersatzes: sö mehercule Cicero pro
Caeeina 64. Catil. 2, 16. pro Scauro fragm. 10 Müller. Sal-
lust Catil. 52, 55. guanto mehercule Sallust Histor. oratio
Philippi 17. sö mediusfidius Cicero pro Sulla 83. pro Plancio
9. Livius 5, 6, 1. 22, 59, 17. Die Stellen wo eine dieser
beiden Partikeln an einer spätern Stelle des Satzes steht, sind
bedeutend weniger zahlreich (mehercule: Terenz Eunuch. 67.
Catull 38, 2. Phaedrus ὃ, 5,4. Plin. epist. 4,1, 1. — medius-
fidius: Cato bei Gellius 10, 14, 3. Cicero ad Atticum 8, 15A 2.
Quintil. ὃ, 12, 17). Bemerkenswert sind Cicero Αἰ. 4, 4" 2. me-
diusfidius, ne tu emisti locum praeclarum, und ὃ, 10, ὃ
mehercule etiam adventu nostro reriviscunt —, dureh die
ganz eigentümliche Voranstellung der Partikel. — Was das
vorklassische mecastor betrifft, so entsprechen Plautus Aulul.
Οἵ moenum mecastor quid ego ero diecam meo — queo
comminisci und auch Men. 754 ne istuc mecastor iam
patrem accersam meum der Regel, Aulul. 112 novi hominem
haud malum mecastor widerspricht ihr.
Von der Stellungsregel für das vokativische hercule und
dessen Genossen (siehe unten) unterscheidet sich die für meher-
cule und Genossen darin, dass, von den isolierten Stellen Cicero
Att.4,4”2.5,16,5 abgesehen, die mit ne- gebildeten von der
ersten Stelle im Satz ausgeschlossen sind. Hiernach wird man
ihre Neigung für die zweite Stelle nicht mit der bei hercule
beobachtbaren zusammenstellen, sondern aus der enklitischen
Natur des me herleiten.
x
Gehn wir zu andern Formen über! Wenn der Vokativ
met wirklich dem nor in griechischem τέκνον wor u. dergl. (8.
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 413
oben S. 362) gleichzusetzen ist, wie Brugmann Grundriss Il
819 annimmt, so ist jedenfalls dem Wort in dieser Verwen-
dung die Enklisis schon in vorhistorischer Zeit abhanden ge-
kommen, da es sich bereits bei Plautus im Satzanfang findet.
Es wäre nicht undenkbar, dass die Voranstellung von mi vor
das Substantivum, zu dem es gehört, in solehen Sätzen auf-
gekommen wäre, wo der Vokativ nicht an erster Stelle stand,
ihm also ‚ni, um an die ihm zukommende zweite Stelle im
Satz zu gelangen, dem Vokativ vorangestellt werden musste.
Sicherer als dies ist, dass die obliquen Kasus von ἐδ,
gerade wie att. αὐτοῦ und das enklitische asmai des Altin-
dischen, der Weise von me, te folgen. Und so lesen wir z. B.
Cicero Lael. 10 guam id recte fecerim, wie Brutus 12 popu-
lus se Romanus erexit (s. oben S. 408). Ja auch bei den
demonstrativeren Pronomina iste, ille haben wir enklitische
Stellung in den S. 409 ff. besprochenen Wunsch- und Ver-
wünschungssätzen.
Weiterhin ist es vielleicht einem oder andern Leser auf-
gefallen, dass in den Beispielen wo ein ne, te seiner Stellung
wegen eine Wortgruppe zerreisst, demselben mehrfach ein ego,
vorhergeht: Plautus Men. 990 per ego vobis deos — dico.
Terenz Andr. 834 per ego te deos oro. Ähnlich Livius 23,
972. Curtius 5, 8, 16. Fermer Plautus Cistell. 1, 1, 47 quo
tu me modo voles esse. Auch der Nominativ von is, ea, id:
Cicero Tuse. 2, 15 quo ea me cungue dusit. Man wird
nicht bestreiten können, dass in solchen Fällen ego, tu, ea
eben auch enklitisch sind, und wird sieh an die Enklisis von
deutschem er, sie, es im Nebensatz, und bei Inversion und
Frage, auch im Hauptsatz erinnern. Dann sind auch Stellen
wie Cicero de orat. 2, 97 quantulum id cunque est; de
nat. deorum 2, 76 quwale id cunque est, weiterhin pro
Cluent. 66 guonam igitur haec modo gesta sunt, Sallust Cat.
92,10 cauius haec cungue modi videntur, Terenz Ad. 36 ne
aut ille alserit aut ceciderit, pro Deiot. 15 guonam ille
modo cum regno distractus esset, auf diese Weise zu erklä-
ren. Übrigens ist auch das aufs Verb unmittelbar folgende
ego, tu, wie im Griechischen ἐγώ in gleicher Stellung, gewiss
als wesentlich enklitisch zu fassen.
Bei den Indefinita hält das Latein noch strenger an
der alten Regel fest als das Griechische und erkennt man
414 Jacob Wackernagel,
dieselbe auch schon längst an, allerdings nicht mit ganz rich-
tiger Formulierung. Nehmen wir den Sprachgebrauch der
alten Inschriften, der Kommentarien Caesars und der Reden
Cieeros nach dem Index zu CIL. I und den Lexica von Meu-
sel und Merguet zusammen, so ergiebt sich, dass sich guös,
quid in der unendlichen Mehrzahl der Belege an satzeinlei-
tende Wörter wie e-, ne nebst dum ne, num, das Relativum
qui nebst seinen Formen, quo, cum, quamvis, neque aunschliesst.
Natürlich hat -ve (in neve, sive u. sonst) vor ihm den Vor-
tritt, seltener — bei Caesar nur einmal — haben ihn prono-
minale Enklitika: CIL. 1 206, 71 neve eorum ᾧ τι 0 οἱ saeptum
clausumve habeto. ibid. 94 und 104 dum eorum quid faciet.
Vgl. 205 II 15. 41 qui ἐξ quid confessus erit. Cicero Ver-
rina 5, 168 gquod eum quis ignoret. Caesar bell. οἷν. 3, 32,5
qui horum qguid acerbissime crudelissimeque fecerat, is et
rir et civis optimus habebatur. Im eigentlichen Satzinnern
findet sich in den genannten Texten das Indefinitum im gan-
zen nur hinter alias und ali-, wobei zu beachten ist, dass es
si quis alius, ne quis alius, nicht sö alius quis, ne alius quis
zu heissen pflegt. Daneben finden wir im Ciceros Reden qwis,
quid in Relativsätzen vom Relativum stets (an 7—8 Stellen)
dureh ein oder zwei andre Wörter getrennt. Eine auffällige Aus-
nahme ausserdem bildet CIL. 1 206, TO nei quis in eis locis
inve eis porticibus quid inaedificatum immolitumve habeto.
Ganz dasselbe gilt für die zugehörigen imdefiniten Ad-
verbia, besonders gurando, und gilt andrerseits für die Indefi-
nita überhaupt, so- viel ich sehe, in den sonstigen archaischen
und klassischen Texten. Freilich muss man sich, um das zu
erkennen, gelegentlich von den modernen Herausgebern eman-
zipieren. Hat doch z. B. Götz in Plautus Merecator 774 ganz
fröhlich das enklitische gaöd mitten in einen Satz und zugleich
an den Anfang des Verses gestellt (s. dessen Ausgabe sowie
Acta societ. phil. Lips. VI 244), obgleich die Überlieferung
das korrekte αὐ guid bietet! Vereinzelte Ausnahmen lassen
sich natürlich auftreiben, doch ist z.B. Plaut. Epid. 210 tum
captirorum quid ducunt secum das quid wohl exelamativ
zu fassen, also orthotoniert.
Angesichts solcher Strenge der Stellungsregel kann we-
der die Anastrophe Cicero Lael. 89. δὲ gquos inter socie-
tas aut est aut fuit (vel.Seyffert z. ἃ. St.), noch die häufige,
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 415
an die oben S. 367, 368 zusammengestellten Beispiele des Griechi-
schen erinnernde Abtrennung des attributiven Indefinitums von
seinem Nomen befremden z. B. Caesar bell. gall. 6, 22, 5 ne
guwa oriatur pecuniae cupiditas. bell. οἷν. 1,21,1 ne qua
aut largitionibus aut animi confirmatione aut falsis nuntüs
commutatio fieret voluntatis u. s. w. u. 8. w. Daran, dass im
Oskisehen und Umbrisehen pis, pid; pis, μὲν meist in unmittel-
barem Anschluss an sea, svae; sve, so “wenn überliefert
sind, sei nur im Vorbeigehn erinnert.
Dass guiösguwe als auf enklitischem χες beruhend ein
Enklitikum ist und dass es zwar häufiger als guis im Satz-
innern steht, aber in der Regel doch nur hinter Superlativen,
Ordinalien, unas und suus, sonst hinter dem ersten Satzwort, ist
bekannt. In den Inschriften von CIL. I zeigt sich die Stellungs-
regel in voller Deutlichkeit: guisque hinter primus 198, 46.
64. 67, hinter sawus 206, 92 = 102, sonst im Wortinnern nur
206, 22 guamque viam h. 1. quemgque tueri oportebit; im
allen übrigen Beispielen an zweiter Stelle, öfters freilich so,
(dass auf das Relativum zuerst das Substantiv, zu dem dasselbe
als Attribut gehört, und dann erst gquisque folgt, z. B. 206, 65
quo die quisque triumphabit, id. 147 quot anmos quisquwe
eorum habet, id. 26 qua in parte urbis quisque eorum cu-
ret, ebenso bei folgendem Genetiv z.B. 200, 71 quantum agri
loci guoiusque in populi leiberi — datus adsignatusve est.
Aber auch in diesen Beispielen ist die Voranstellung von quis-
que vor die Wörter, zu denen es selbst im Attributivverhältnis
steht: guisqgue eorum (so auch sonst noch öfter), quoiusque
in populi leiberi, nur aus unserm Stellungsgesetz begreif-
lieh. - Und insbesondere sind die Beispiele gar nieht selten,
wo quisgue der Anfangsstellung zu lieb eine attributiv ver-
bundene Wortgruppe spaltet: 199, 39 quem quisque eorum
agrum posidebit; 202 133. 37. 41. 115 quam in quisquwe
decuriam — lectus erit; 202 II27 qua in quisqwe decuria
est. Die beiden letzten Beispiele zeigen, dass in Wortfolgen
nach der Art von quam in decuriam die Präposition als zum
Relativum gehörig empfunden wurde. Ähnlich zerreisst quis-
que auch etwa die Verbindung zwischen regierendem Sub-
stantiv und Genetiv, so guantum viae in 206, 59 quantum
yuotiusqwe ante aedificium vice erit, 204, 2, 23 quod
quibusquwe in rebus — iouris — fwit. So die alten In-
410 Jacob Wackernagel,
schriften. Die übrige ältere Litteratur gibt ähnliches, darun-
ter die beachtenswerte Timesis guod guoique quomque inei-
derit in mentem (Terenz Heaut. 484). Allerdings ist quisque
allmählich auch orthotonischer Verwendung und der Stellung
am Satzanfang fähig geworden. Noch viel mehr ist dies bei
utergue der Fall, dessen ursprüngliche Enklisis selbstverständ-
lich ist und auch in Stellen wie Plaut. Menaechmi 186 in eo
utergue proelio potabimus noch hervortritt. Andrerseits
ist ubigue um so länger dem Ursprüngliehen treu geblieben;
Cicero in seinen Reden und ebenso Caesar haben es nicht
nur immer in seiner eigentlichen Bedeutung “an jedem ein-
zelnen Ort” verwendet, (— “überall” wird von beiden mit
ommibus locis gegeben —), sondern es auch immer an em
telativum (Caesar de bello οἷν. 2, 20, 8 an interrogatives
quid) angelehnt.
Dass der andere Indefinitstamm des Latem, der mit «-
beginnende, überhaupt denselben Stellungsregeln wie der gut-
turale unterlag, zeigt, abgesehen von der unverkennbaren Nei-
gung, die allas, unguam, usquam für die zweite Stelle haben,
Festus 102" 22.
ΧΙ.
Unter den Partikeln des Latem finden sich einige von
jeher und immer an die zweite Stelle gefesselte: que, autem,
ne; einige, die zwischen erster und zweiter Stelle teils von
Anfang an schwanken teils durch den wechselnden Gebrauch
hin und her geschoben werden, wie die Beteuerungspartikeln,
wie ferner enim, igitur; endlich einige, bei denen Schwanken
und Freiheit noch grösser ist: so tandem. Alle diese Parti-
keln bewirken gelegentlich die beim Pronomen nachgewiese-
nen Timesen; so z. B. enim die von cungue: Ovid ex Ponto
4, 15, 6 qualis enim cungque est; igitur und tandem die
von guomodo und Genossen, auch von jusjurandum: Cicero
pro Uluentio 66 gquonam igitur haec modo gesta sunt. pro
Scauro DO gquocangue igitur te modo. de ottieiis 3, 104 jus
igitur jurandum. Verrina ὦ, SO quo tandem modo. Be-
sonders tmetisch ist gae, insofern es nicht bloss in Fällen wie
die oben genannten in soleher Weise wirkt (z. B. Cicero pro
Caelio 54 jurisgue jurandi), sondern auch Präposition
und Verbum (Festus 309° 30 transque dato, endoqwe plo-
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 417
rato; Plautus Trinummus 853 dis que tulissent) und Präposition
und Kasus trennt, letzteres zumal in der Bedeutung "wenn':
altlateinisch absgue me esset, absque te foret, absque
una hac foret, absquwe eo esset (Trinummus 832 mit freierer
Wortfolge absquwe foret te). Es ist ken Ruhm für die La-
tinisten, dass sie, nachdem von Schömann und Brugmann längst
das Richtige gesagt ist, noch immer absque als gewöhnliche
Präposition ansehen mögen. Denn gesetzt auch, dass bei Ci-
eero ad Attieum 1, 19, 1 wirklich absque argumento ac sen-
tentia “ohne— Inhalt” zu lesen sei, was mir Wölftlin nieht be-
wiesen zu haben scheint, gesetzt also, dass die Bedeutung
“ohne” nieht auf einem Irrtum der Archaisten des zweiten
Jahrhunderts beruhe, sondern schon der Umgangssprache der
eieeronischen Zeit eigen gewesen sei, so konnte ja in der Zeit
zwischen Terenz und Cicero die Phrase absque me esset zunächst
das Verb verlieren, so dass blosses absgue me als hypothetisches
“ohne mich = wenn ich nicht gewesen wäre” gebraucht
wurde: vergleiche Gellius 2, 21, 20 absque te uno forsi-
tan lingua Graeca longe anteisset, sed tu — ”olme dich
d. h. wenn du nicht gewesen wärest”, und Fronto 85, 24 N.
absque te, satis superque et aetatis et laboris und infolge
der Weglassung des Verbums sich dann weiter die hypothe-
tische Bedeutung verflüchtigen, absque me die Bedeutung
“ohne mieh” im Sinne von “indem ich nicht (dabei) bin”
annehmen. Ganz ähnliehe Entwicklungen lassen sieh bei den
Konzessivpartikeln nachweisen. (Vgl. über absque im allge-
meinen Praun in Wölftlins Archiv für latein. Lexikogr. VI
197—212).
Als ganz sichere Stützen unseres Stellungsgesetzes kön-
nen indessen nur die Partikeln gelten, die nicht der Satzverbin-
dung, sondern bloss der Qualifizierung des Satzes oder Satz-
theiles dienen, zu dem sie speziell gehören. Erstens guidem,
das sich von indoiran. cid formell nur durch den Zusatz von
-em, in der Funktion nur unwesentlich unterscheidet. Wie
dieses kann es nieht hinter unbetonten Wörtern, besonders
ursprünglich nicht hinter dem Verbum stehen (vgl., was οὐαὶ
betrifft, Bartholomae ‘im Bezzenbergers Beitr. XIII 75), und
nimmt wie cid je nach seiner Funktion entweder hinter dem
ersten Wort des Satzes (beachte z. B. Cie. Lael. 37 Tibe-
rium quidem Gracchum) oder aber hinter demjenigen be-
418 Jacob Wackernagel,
tonten Wort seine Stellung, dessen Begriff (etwa eines Gegen-
satzes wegen) hervorgehoben werden soll. Besonders klar
zeigt sich dieser Wechsel der Stellung bei der archaischen
Zusammenordnung mit den Beteuerungspartiken, namentlich
mit hercle. Unzähligemal findet sich guidem hercle u. Ss. w.
hinter dem ersten Wort des Satzes, oft aber auch hercle —
quidem. Nach Kellerhoff in Studemunds Studien a. d.G.d. archai-
schen Lateins II 64 f. sind die Beispiele letzterer Stellung teils
durch metrische Lizenz zu entschuldigen, teils wunerklärbar.
Aber ohne Ausnahme zeigen sie guidem hinter einem beton-
ten Personale, Demonstrativum, sö oder nunc: in allen diesen
Fällen ist geödem durch das auf hercle und dergl. folgende
Orthotonumenon angezogen worden. (Auch Plaut. Bach. 1194
tam pol id quidem, welche Stelle bei Kellerhoff fehlt.)
An guidem sei guögwe angeschlossen, das ich gleich
altind. Ava ca setzen und ihm also als ursprüngliche Bedeu-
tung ‘jederorts, jedenfalls geben zu müssen glaube. Ein Wort
mit der Bedeutung jedenfalls war geeignet das Miteingeschlos-
sensein eines Begriffs in eine Aussage auszudrücken; die ar-
chaische Verbindung von gaogue mit etiam wird so auch ganz
verständlich. Es liegt in der Funktion des Wortes, dass es,
wie γε und z. T. guidem, trotz seiner Enklise an beliebigen
Stellen des Satzes stehen kann, wo eben das Wort steht, des-
sen Begriff als hinzugefügt zu bezeichnen ist. Aber wie re
gelegentlich etwa (s. oben S. 371) der allgemeinen Gewohn-
heit der Enklitika folgend sich von seinem Wort weg zum
Satzanfang entfernt, so auch guogue: Varro de lingua lat. ὃ,
D6 ab hoc guoque quattuor partes urbis tribus dictae (statt
quattuor quoque). ὃ, 69 quae ideo quoqwe videtur ab La-
tinis Iuno Lucina dicta (st. Juno quoque) |vgl. A. Spengel
zu der St... 5, 151 ab eo quoque, quibus —, tribuni ae-
rarü dieti (st. ab eo [ὲ} quoque quibus —). ὃ, 182 aes
quoque stipem dicebant (st. stipem quoque). ὃ, 54 hine
quogue illa nomina — (st. illa nomina quoque). Ebenso
Properz 2, 34, 85 haec quoque perfecto ludebat Jasone
Varro (st. Varro quoque). 2, 34, ST haec quoquwe lascivi
cantarunt sceripta Catulli (st. lasciei Catulli quoque).
Bedeutsam scheint ferner die Stellung der Fragepartikel
ne, die ihrer Bedeutung wegen doch nieht mehr Anspruch
hatte dieht beim Satzanfang zu stehen, als im Latein selbst
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 419
die Negation oder als im Deutschen z. B. etwa oder vielleicht.
Nur die Enklisis erklärt die übrigens längst anerkannte Regel,
das ne unmittelbar hinter das erste Wort des Satzes gehöre,
von welcher Natur immer dasselbe auch sei. Es ist nicht
meine Aufgabe, im Anschluss an Hand Tursellinus 4, 75 ff.
und Kämpf De pronominum personalium usu et collocatione
S. 42-46 (vgl. zu letzterm die Rezension von Abraham Ber-
liner philologische Wochenschrift 1886, 227, welcher für Sätze
wie Plautus Mostell. 362 sed ego sumne infelix? Epidieus 909
sed tu novistin fidicinam Acrobolistidem Interpunktion hinter
dem Pronomen verlangt) das gesamte Material zu durchgehen
und die wirklichen und scheinbaren Ausnahmen zu besprechen.
Es genüge darauf hinzuweisen, dass noch die klassische und
spätere Sprache diese Regel kennt und darauf das seit Catull
zu belegende autrumme statt utrum — ne zurückzuführen ist.
Wie im nachhomerischen Griechischen τοιγάρ, weil man sich
gewöhnt hatte darin nicht mehr einen selbständigen Satz, son-
dern das erste Wort eines Satzes zu erblicken, das bei Homer
noch davon getrennte toı an sich zog (s. oben ὃ. 911), 80
utrum aus gleichartigem Grunde das -ne.
Eine gewisse Abschwächung der alten Regel ist nur darın
zu erkennen, dass, wenn eine aus Vordersatz und Nachsatz
bestehende Periode durch ne als interrogativ zu bezeichnen
war, die klassische Sprache ne erst im Nachsatz anzubringen
pflegt, während in solchem Fall die alte Sprache -ne gleich
an das Fügewort (des Vordersatzes anknüpfte. Mit letzterm
hängt der häufige Gebrauch zusammen, in einem Relativsatz
ne an das Relativum anzuhängen und dann mit solchem
Relativsatz ohne Beifügung eimes Hauptsatzes zu fragen, ob
die im vorausgehenden Satz gegebene Aussage für den im
Relativsatz beschriebenen Begriff gelte. Auch andere Neben-
sätze finden sich so verwendet. (Vgl. zu dem allem Brix zum
Trinummus 360. Lorentz zum Miles 965, zur Mostellaria 738.)
Von da aus wird m. E. eine bisher falsch erklärte Par-
tikel verständlich. Ribbeck Beiträge zur Lehre v. d. latein.
Partikeln (1869) S. 14. leitet unter dem Beifall von Schmalz
Lateinische Grammatik (Iwan Müllers Handbuch der klass.
Altertumswiss. II) ? 526 sin "wenn aber” aus einer Verbin-
dung von sö mit der Negation ne her. Die dieser Herkunft
entsprechende Bedeutung “wenn nicht” zeige sich noch au
Indogermanische Forsehungzen 1 3 u. 4. 27
490 Jacob Wackernagel,
Stellen wie Cie. Att. 16, 13°’ 2 sö pares aeque inter se, quies-
cendum; sin, latius manabit, et quidem ad nos, deinde com-
mauniter. Zu sin habe man dann auch noch oft “ tautologisch
oder hinüberleitend aliter, secus, minus hinzugefügt; auch,
wenn der durch solehes s?» "wenn nicht” angedeutete andere
Fall bestimmter zu formulieren war, dies in der Form ein-
facher Parataxis gethan. So sei sin schliesslich eine ge-
wöhnliche adversative Konjunktion geworden.
Gegen diese Erklärung können mehrere Emwendungen
erhoben werden. Ich will die Möglichkeit, dass es ein sin
“wenn nicht” geben konnte, nicht bestreiten, da guin zeigt,
dass die Negation ne enklitisch werden und ihren Vokal ver-
lieren konnte. (Jedenfalls gehört söne nieht hierher, sondern
ist = indog. snne, d. ἢ. alter Lokativ von sena-, und der
Hauptsache nach mit ἄνευ gleichzusetzen, mit welchem got. in,
ahd. ano nichts zu thun haben, da diese altindischen ana,
anı τι indog. enu, enu entsprechen. Die hiefür anzuneh-
mende Bedeutungsentwickelung “entlang, längs” — " praeter
— “ohne” ist durchaus natürlich.) Aber dass sin ursprüng-
lich diese Bedeutung “wenn nieht” wirklich gehabt habe, da-
für fehlt es völlig an Belegen. Denn diejenigen Beispiele, die
Ribbeek teils beibringt, teils im Auge hat, in diesem Sinne zu
verwenden, ist von vorn herein schon darum bedenklich, weil
man nicht versteht wie die zu Plautus Zeit bereits verflüch-
tigte negative Bedeutung in ceiceronischer Zeit wieder so le-
bendig sein konnte. Und sieht man die Beispiele selbst an,
so ergiebt sich, dass sie das nicht beweisen, was sie beweisen
sollen. Cicero Epist. 12, 6, 2 qui st conservatus erit, vicimus;
sin —, quod di omen avertant, ommis ommium cursus est ad
vos. 14,5,9 σὲ perficitis quod agitis, me ad vos venire
oportet; sin autem —. Sed nihil opus est religua scribere.
ad Att. 10, 1,2. si τῶ" esse volet, praeclare cvvodia. Sin autem,
erimus nos, qui solemus. 15, 22, 4 atque utinam tu quoque
eodem die! sin quod —, multa enim utique postridie. 16,
15’2 s. oben. — Priap. 51 donec proterva mil mei manu
carpes, licebit ipsa sis pudicior Vesta. Sin, haec mei te
ventris arma laxabunt. Dazu käme nach einer Konjektur
Vahlens Tibull 1, 4, 15 sin (Codd. sed), ne te capiant,
primo si forte negabit, taedia; doch wird diese Schreibung
wohl kaum allgemein rezipiert werden. (Schmalz spricht auch
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 421
von Belegen im alten Latein, doch finde ich nirgends solche
nachgewiesen.) An allen diesen Stellen liegt einfach eine
Aposiopese vor, wie solehe dem Priapeen- und dem Briefstil
ziemt. Besonders die beiden ersten Stellen mit ihrem guod
di omen avertant und sed mihil opus est religua scribere
schliessen jeden Zweifel aus.
Mit dem Wegfall dieser Stellen ist aber der Ribbeek-
schen Hypothese dasjenige entzogen, was sie besonders em-
pfahl, die Anknüpfung an einen thatsächliehen Sprachgebrauch.
Nun könnte die Hypothese freilich trotzdem riehtig sein, sin
in der, hinter der litterarischen Überlieferung zurückliegenden
Zeit zuerst “wenn nicht” bedeutet und sich dann zu der hi-
storisch allein bezeugten Bedeutung “wenn aber” entwickelt
haben. Aber auch diese Entwicklung ist nicht so leicht kon-
struierbar. Ribbeck äusserst sich nur sehr kurz über diesen
Punkt. Wenn ich ihn recht verstehe, so meint er, ein Satz wie
z. B. Plautus Trin. 309 /sö animus hominem pepulit, actumst,
animo servit, non sibi.] sin ipse animum pepulit, vivit sei
ursprünglich so gemeint gewesen, dass man hinter si» “ wenn
nieht” “wenn dies nicht der Fall ist” interpungiert hätte und
darauf asyndetisch die genauere Bezeichnung des gegenteiligen
Falles hätte folgen lassen: ipse animum pepulit “ |im Falle
dass] er selbst seinen Neigungen die Richtung gegeben hat’,
schliesslich die Apodosis weit. Mir schiene ein Asyndeton,
wie das hier zwischen sin und dem folgenden statuierte, un-
denkbar: sed (oder eine Wiederholung des sö) wäre doch wohl
unerlässlich. Wohl gibt es ein Asyndeton adversativum, aber
nur in der Weise, dass der Gegensatz dabei auf andere Weise
fühlbar gemacht wird, durch parallele Gestaltung der beiden
Glieder oder dureh Voranstellung des Wortes, das den Gegen-
satz hauptsächlich trägt im zweiten Gliede.
Ich glaube, es bietet sich ein viel einfacherer Weg.
Brix giebt zum Trinummus 360 unter den Beispielen des an
das Fügewort des Vordersatzes angeschlossenen ne am Schluss
folgende Stelle des Mercator 142 f.: Acanthio: At ego male-
dicentiorem quam te novi meminem. Charimus: Sin saluti
quod tibi esse censeo, id consuadeo? Acanthio: apage istius-
modi salutem, cum cruciatu quae advenit. Brix umschreibt
die Worte des Charinus mit tumne maledicentem me dicis,
si tibi id consuadeo. Offenbar ganz gemäss der Weise plau-
422 Jacob Wackernagel,
tinischen Konversationsstils, wo Fragesätze, die als solche durch
-ne bezeichnet sind, ausserordentlich oft für Eimwendungen
dienen z. B. Baechides 1189 egon ubi filius corrumpatur meus,
bi potem? 1192 egon quom haec cum illo accubet, inspectem?
Trin. 378 egone indotatam te urorem ut patiar? Bacch. 194
at scin quam tiracundus stem? Besonders häufig sind in die-
ser Weise die ne-Sätze gebraucht, wo der Fragesatz elliptisch
nur aus einem Nebensatz mit ne besteht, also gerade die ne-
Sätze, zu denen obiges Beispiel gehört. Amphitr. 297 Sosia:
paulisper mane, dum edormiscat unum sommum. Amph.:
quaene vigilans sommiat ? “aber dann träumt sie Ja mit offenen
Augen.” Curenlio TO4f. Cappadox: dum quidem hercle ita
iudices, ne quisguam a me argentum auferat. "Therapontigo-
nus: quodne promisti? “aber du hast es ja versprochen”.
Rudens 1019 quemne ego excepi in mari? “aber ich habe
ihn ja im Meere aufgefangen”. 1231 guodne ego inreni in
mari? “aber ich habe es ja im Meere gefunden.” Terenz
Phormio 923 Demipho: illud mihi argentum rursum δι
rescribi Phormio. Phormio: quodne ego discripsi porro illis,
qwibus debwi? “aber ich habe es ja meinen Gläubigern gut-
zeschrieben.
Ein zweite Stelle, wo sin so steht, ist Persa 227: Pae-
enium: ne me attrecta subigitatrise. Sophochdisca: sin te
amo? Paegnium: imale operam locas.
Die meisten Plautusleser werden freilich an beiden Stellen
das sin einfach mit "wenn aber” übersetzen und darin das
gewöhnliche si» erkennen. Weit entfernt dies tadeln zu wollen,
erkenne ich darm gerade einen Beweis dafür, dass das ge-
wöhnliche sin mit dem sin jener plautinischen Stellen iden-
tisch ist. Wir können nieht bloss andern, sondern auch uns
selbst einen Einwurf in der Form eines Fragesatzes machen.
In solcher Weise steht einwendendes guine, quemme Catull
64, 180 am patris auwrilium sperem? quemme ipsa religui —?
“aber den habe ich ja verlassen”. 182f. coniugis an fido
consoler memet amore? quine fugit lentos incurvans geurgite
remos? “aber der flieht ja” (s. oben die Übersetzung von
quine in den Beispielen aus Plautus und Terenz). Und wie
an den beiden plautinischen sön-Stellen auf die vom zweiten
Sprecher als Einwendung gebrachte Möglichkeit der erste
Sprecher zur Beseitigung der Einwendung als asyndetisch an-
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 423
gefügte Apodosis dasjenige giebt, was in dem betr. Fall ein-
treten würde: apage istiusmodi salutem "dann fort mit sol-
chem Heil”, und male operam locas "nun dann verschwendest
du deine Mühe” —, so kann man auch eine selbstgemachte.
Einwendung selbst mit derartiger Apodosis erledigen.
Demgemäss würde an der oben nach der Ribbeckschen
Hypothese analysierten Plautusstelle der ursprüngliche Gebrauch
von sin hergestellt durch die Interpunktion: sin ipse animum
pepulit? vieit. "Wie aber, wenn er selbst seinen Neigungen
die Richtung gegeben hat? Nun dann lebt er.” Dass im Ver-
lauf die eigentlich für Einwendungen aufgekommene Satzform
überhaupt für Setzung eines entgegengesetzten Falls verwendet,
‚und dass im Zusammenhang damit der sön-Fragesatz schlecht-
weg als Vordersatz, der ursprüngliche Antwortsatz schlechtweg
als Nachsatz empfunden wurde, ist eine ganz natürliche Ent-
wicklung.
Wenn Lueian Müller Lueil. 29, Fr. 87, V. 107 (vgl. zu
Nonius 290,.4) richtig schreibt ad non sunt similes nmeque
dant. quid? sin (codd. sint, ed. prine. Non. si) dare vellent?
acciperesne? doce, so tritt hiermit zu den zwei loci didascaliei
ddes Plautus ein dritter. Denn auch hier dient sin emem Ein-
wand, mit dem Unterschied, dass derselbe dureh guid ange-
kündigt ist, und dass ein die Frage näher präzisierender ne-
Satz folgt. Nach Lucian Müller ist es ein Einwand, den einer
sich selbst macht. — Das guodsin ulla (Lucil 4 Fr. 22 Vs. 58)
desselben Gelehrten st. guodsi mulla mit wnerklärbarem -sin
wird dureh richtige Schreibung der folgenden Zeile überflüssig.
Den Beschluss mögen die Beteuerungs- und Verwunde-
rungspartikeln, hercle, pol, edepol, ecastor, eccere bilden, die
(die Eigentümlichkeit haben, bald die erste bald die zweite
Stelle im Satz einzunehmen, weiter hinten aber nieht stehen
‘zu können, ausser wenn ihnen andre Enklitika, wie guidem,
autem (Aulul. 560), obsecro, quaeso, credo, oder ego, ta, ille
hinter ne, oder tu hinter et, at, vel, kraft eignen Anspruchs
auf diese Stelle den Platz versperren. Wie stark der Drang
nach der zweiten Stelle auch bei dieser Wortklasse ist, zeigt
sich an manchem. So daran, dass während die Verbindung
pol ego bald am Satzanfang steht, bald ihr noch ein anderes
Wort vorangeht und also ego gleich gern an dritter wie an
zweiter Stelle des Satzes steht, das umgekehrte ego pol nur
424 Jacob Wackernagel,
am Satzanfang vorkommt (Kellerhoff in Studemunds Studien
a.d.G.d. arch. Latein 11 62), pol also die dritte Stelle scheut.
So daran, dass die Beteuerungspartikeln, wenn sie sich auf eine
ganze Periode beziehen, dem ersten Wort des Vordersatzes
angefügt werden: si hercle, si quidem hercle, ni hercle, post-
quam hercle, si ecastor, si pol, si quidem pol sind ganz ge-
wöhnlich, während die Setzung von hercle erst im Nachsatz
zwar nicht unerhört (siehe Mil. Glor. 309, Persa 627), aber
selten ist. (Vgl. Brix zum Trinumm. 457, Lorentz zum Miles
156. 1239, zur Mostell. 229, Kellerhoff Studien II 72f.) Genau
(die gleiche Erschemung haben wir beim fragenden -ne ge-
troffen. Aber während bei -ne diese Stellung auf die alte
Sprache beschränkt ist, lebt sie bei hercle, (hercules) in der
klassischen Sprache fort (Müller zum Laelius ὃ 78? 8. 477,
der auf ‚Wiehert Latein. Stilistik 5. 43, 239, 269 verweist.
Weissenborn zu Livius 5, 4, 10 u. s. w.), wie denn die klas-
sische Sprache überhaupt die traditionelle Stellung der Par-
tikel hercle, der einzigen, die eben in die klassische Sprache
fortiebt, festhält, immerhin so, dass die Setzung derselben an
die Spitze des Satzes ausser Gebrauch kommt. Die Kaiser-
zeit gestattet sich dann freilich grössere Willkür: Quintil.
1,:2,:4.: Taeitus' Dial. 1.) Hister. E84) Plm.sEpist36, 1956:
Gel 71,2, 1 mrs.: ww;
Ferner veranlassen auch diese Partikeln, wie die früher
besprochenen Enklitika, öfters Timesis. Dahin gehört neben
Miles Glor. 3l ne hercle operae pretium quidem (gegenüber
Baechides 1027 ne unum quidem hercle) und Mostell. 18
cis hercle paucas tempestates und non edepol scio gegen-
über nescio besonders die Spaltung der Zusammensetzungen
mit per: Plautus Casina 370 per pol saepe peccas. Terenz
Andria 416 per ecastor scitus puer est natus Pamphilo.
Heeyra 1 per pol quam paucos. Gellius 2,6, 1 per hercle
rem mirandam Aristoteles — dicit, und die Spaltung von
quicungwe: Plautus Persa 210 ποὺ pol quomque ‚occasio est.
Also herele und Genossen haben entweder die erste oder
die zweite Stelle im Satz inne; sie werden, wenn sie nicht
stark betont am Anfang stehen, nach Art der Enklitika be-
handelt. Wer nun bedenkt, dass diese Partikeln eigentlich
Vokative sind (vgl. Catull 1, 7 doctis Juppiter et laboriosis),
wird sich sofort jener eigentümlichen Regel der Sanskritgram-
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 425
matiker und Überlieferer der akzentuierten Vedentexte erinnern,
dass der Vokativ, wenn am Satzanfang stehend, orthotoniert,
wenn im Satzinnern stehend, enklitisch sei. (Vgl. die Erklä-
rung, die Delbrück Syntakt. Forsch. V 34 f. dafür gibt.) Es
kommt hinzu, dass, wenigstens in den klassischen Sprachen,
auch der wirkliche Vokativ unverkennbare Neigung für die
zweite Stelle im Satz zeigt.
Nun macht freilich gerade der Umstand Schwierigkeit,
dass was bei den vokativischen Partikeln Gesetz ist, sich beim
wirklichen Vokativ nur als Neigung zeigt. Kaum darf man
wohl annehmen, dass solche Neigung Abschwächung eines
ältern strengern Gesetzes war. Viel wahrschemlicher ist das
Umgekehrte, dass bei der durch herele repräsentierten Kate-
gorie von Vokativen die Neigung zur Regel geworden war,
und dass sich die Anrufung eines Gottes zum Zweck der
Beteuerung früh im strengerer Konventionalität bewegte, als
sonstige Anrufungen von Göttern und gar als Anreden an
Menschen. (Das Griechische verfährt in der Stellung des ent-
sprechenden Ἡράκλεις. und ähnlicher Anrufungen, soweit der
Gebrauch der Komiker und der Redner ein Urteil gestattet,
mit grosser Freiheit.) Daraus folgt aber weiter, wenn wir
anders bei den Vokativen innern Zusammenhang zwischen
Stellung und Betonung annehmen dürfen, dass die altindische
Enklisis von Hause aus nur Neigung, nicht unbedingtes Gesetz
war, und dass gelegentlich auch der nicht am Satz- oder Vers-
anfang stehende Vokativ orthotoniert sein konnte, was dann
dem Altindischen vermöge seines Generalisierungstriebs ver-
loren ging.
Es entgeht mir nicht, dass die Neigung des Vokativs
für die zweite Stelle auch ohne Hinzunahme der alten Enklisis
erklärt werden könnte. Um so wertvoller ist mir, dass von
ganz anderm Standpunkt der Betrachtung aus Schmalz Latei-
nische Syntax ? S. 557 für den an zweiter Stelle stehenden
Vokativ des Latein schwachen "Ton behauptet.
XI.
Unsere neuhochdeutsche Regel (vgl. Erdmann Grundzüge
der deutschen Syntax S. 181 ff., besonders 195), dass dem
Verbum im Hauptsatz die zweite, im Nebensatz die letzte Stelle
zu geben sei (beides mit bestimmten, in besondern Verhält-
426 Jacob Wackernagel,
nissen begründeten Ausnahmen) hat bekamtlich der Haupt-
sache nach schon in der althochdeutschen Prosa und Poesie
zegolten. (Vgl. ausser den Nachweisen Erdmanns besonders
Tomanetz Die Relativsätze bei den ahd. Übersetzern des 8.
und 9. Jahrhunderts, S. 54 ff., sowie denselben im Anzeiger
für deutsches Altertum XVI (1890) 381.) Ja diese Stellungs-
regel kann in Rücksicht auf die deutlichen Spuren, die sich
von ihr nieht bloss im Altsächsischen, sondern auch im Angel-
sächsischen, und weiterhin auch im Nordischen zeigen, wohl
als gemein germanisch angesetzt werden. Trotzdem sind alle
Forscher, die sich eingehender mit diesem germanischen Stel-
lungsgesetz beschäftigt haben, so viel ich sehe, darin einig,
die sich hier äussernde Scheidung der beiden Satzarten für
unursprünglich zu erklären. Bergaigne (Memoires Soc. de Lingui-
stique III 139 f.), Bebaghel (Germania XXIII 284) und Ries (Die
Stellung von Subjekt und Prädikatsverbum im Heliand, Quellen
und Forschungen XLI [1880] S. 88 ff.) behaupten, dass die
Endstellung des Verbums, wie sie im Nebensatz vorliegt, ur-
sprünglich allen Sätzen eigen gewesen und in den Hauptsätzen
nur allmählich durch eine später aufgekommene entgegenge-
setzt wirkende Regel verdrängt worden sei. Über das Wie
und die Möglichkeit einer solchen Verdrängung haben sich
aber die genannten Forscher teils nicht ausgesprochen, teils
haben sie dafür Gründe beigebracht, die mit Scharfsimn aus-
eedacht aber alles eher als überzeugend sind: wie wenn z. B.
Ries behauptet, der natürliche Trieb, das Wiehtigere vor dem
weniger Wiehtigen zum Ausdruck zu bringen, habe darum nur
im Hauptsatz und nicht auch im Nebensatz zur Annäherung
des Verbums an den Anfang führen müssen, weil das Verb
für den Hauptsatz einen höhern Wert habe, als für den Ne-
bensatz!
Den entzegengesetzten Standpunkt vertritt Tomanetz (a.a.0.
S. 82 ff.): er glaubt, erst durch eine allmähliche Verschiebung
sei das Verb im Nebensatz ans Ende gerückt; ursprünglich
habe es auch hier wie im Hauptsatz die zweite Stelle inne
eehabt. So sehr sich auch Tomanetz' Ausführungen vor denen
von Ries dureh Einfachheit und Klarheit auszeiehnen, vermag
er doch nieht ohne die m. E. völlig unzulässige Annahme
urehzukommen, «dass em Streben Haupt- und Nebensatz zu
differenzieren wirksam gewesen sel.
Uber ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 427
Altindisch, Latein und Litauisch stellen das Verbum
regelmässig ans Ende des Satzes. Man glaubt hierin eine
Gewohnheit der Grundsprache erkennen zu können. Und ge-
wiss wird für den Nebensatz durch das hier hinzukommende
Zeugnis des Germanischen die Endstellung des Verbums als
indogermanisch gesichert. Beim Hauptsatz fehlt diese Über-
einstimmung und, wenn sonstige Erwägungen nicht den Ent-
scheid geben, ist es zum mindesten ebenso gut denkbar, dass
im Altindischen, Lateinischen und Litauischen etwas bloss für
den Nebensatz Gültiges auf den Hauptsatz ausgedehnt worden
sei, als dass das Germanische nachträglich eine Unterscheidung
der beiden Satzarten eingeführt habe. Nun ist es aber ganz
unwahrscheinlich, dass die Grundsprache das Verbum im Haupt-
satz und im Nebensatz verschieden betont, aber doch in bei-
den Satzarten gleich gestellt hätte. Und weiterhm müssen
wir auf Grund des früher Vorgetragenen erwarten, dass in der
Grundsprache das Verbum des Hauptsatzes, weil und insofern
es enklitisch war, unmittelbar hinter das erste Wort des Satzes
gestellt worden sei. Mit andern Worten: das deutsche Stel-
lungsgesetz hat schon in der Grundsprache gegolten. Dabei
muss man sich gegenwärtig halten, dass nicht bloss die Sätze,
die wir als Nebensätze ansehen, sondern alle als hypotaktisch
empfundenen im Altindischen und somit, wie wir wohl annehmen
dürfen, in der Grundsprache betontes Verbum hatten, also
unter allen Umständen die Endstellung des Verbums sehr häufig
vorkommen musste.
Ich will nieht verschweigen, dass die aufgestellte These
einer Emschränkung fähig wäre. Für das Gesetz über die
Stellung «der Enklitika haben wir aus den verschiedenen Spra-
chen (etwa von den Vokativen abgesehen) nur solche Belege
beibringen können, in denen das Enklitikum den Umfang von
zwei Silben nicht überscehritt. Man könnte also sagen, dass
das Gesetz nur für ein- und zweisilbige Enklitika galt, mehr
als zweisilbige dagegen an der dem betr. Satzteil sonst zu-
kommenden Stellung festhielten. oder wenigstens, wenn man
sich vorsichtiger ausdrücken will, dass von irgend eimem be-
stimmten Umfang an ein Enklitikum nicht an das Steilungs-
gesetz der Enklitika gebunden war. Dies auf das Verbum
angewandt, würde zu der Annahme führen, dass die ein- und
zweisilbigen Verbalformen, oder überhaupt die kürzern Verbal-
498 Jacob Wackernagel,
formen bis zu einem gewissen Umfang, im Hauptsatz an die
zweite Stelle rückten, dass dagegen die andern Verbalformen
auch im Hauptsatz die im Nebensatz herrschende Endstellung
besassen. Es wäre dann weiter anzunehmen, dass das Ger-
manische die für die kürzern Verbaltormen gültige Regel
generalisiert hätte. Und jedenfalls wäre dann die Praxis der
das Verb überhaupt an das Ende stellenden Sprachen noch
leichter verständlich.
Man wird nicht verlangen, dass ich über die Berechtigung
dieser eventuellen Einschränkung meiner These ein abschlies-
sendes Urteil abgebe. Wohl aber wird man erwarten, dass
ich ein wenig weitere Umschau halte und frage, ob demn das
verbale Stellungsgesetz der Grundsprache ausserhalb des Ger-
manischen gar keine Spuren hinterlassen habe. Das Fehlen
aller Anklänge an ein solches Gesetz könnte leicht Zweifel
an der Richtigkeit der hier gegebenen Ausführungen rege
C =
machen.
Nun, da muss allerdings gesagt werden, dass ausser den
bereits erwähnten, die Endstellung durchführenden Sprachen
nicht bloss das Keltische, sondern, was bei eier derartigen
Untersuchung weit schwerer ins Gewicht fällt, auch das Grie-
chische der germanischen Weise fern steht. Man sollte er-
warten, dass das Griechische, wie und weil es beim Verbum
den Hauptsatz-Akzent durchgeführt hat, so auch die Haupt-
satz-Stellung durchführen werde. Aber das ist bekanntlich
nicht der Fall. Die Stellung des Verbums ist im Ganzen eine
sehr freie.
Solchem Sachverhalt gegenüber ist es zunächst will-
kommen, dass gerade zwei die Endstellung bevorzugende
Sprachen in emem bestimmten Fall die germanische Haupt-
satzstellung aufweisen. Für das Litauische lehrt Kurschat
Grammatik $ 1637, dass, wenn das Prädikat aus Kopula und
Nomen bestehe, gegen die allgemeine Regel nicht das Nomen
vorausgehe, sondern die Kopula unmittelbar auf das Subjekt
tolee. Ganz ähnliches findet sich beim Verbum esse im Latein.
Seyffert zu Ciceros Laelius 70 (S. 441?) hat ausgeführt,
dass esse sich gern an das erste Wort des Satzes anlehne,
sowohl wenn dasselbe ein interrogativ oder relativ fungieren-
(len Interrogativpronomen, als wenn es ein Demonstrativum
sei oder sonst einer Wortklasse angehörte. Der Beispiele seien
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 429
“unzählig’ viele. Aus dem Laelius führt er unter anderm an:
8. 56 qui sint in amicitia (Interrog.). 17 quae est in me
facultas (Relat.). 2 guanta esset hominum admiratio. 95
quam fwerint inopes amicorum. 85 eorum est habendus.
5 tum est (ato locutus. 11 nihil est enim. 48 ferream
esse quandam. 102 ommis est e vita sublata iuncunditas.
Zu dieser Beobachtung stimmt eine weitere Erscheinung:
in einem Satz, der sowohl est, sunt als enim, igitur, autem
enthält, werden namentlich bei Cicero überaus oft nicht diese
Partikeln trotz ihres sonst anerkannten Anspruchs auf die
zweite Stelle, sondern est, sunt an das erste Wort des Satzes
angelehnt und enim, igitur, autem auf die dritte Stelle zurück-
gedrängt. Das Richtige darüber hat Madvig gesagt zu Cicero
de finibus 1, 43: ea est huius positus (sapientia est enim)
ratio, ut elata voce in primo vocabulo, quo gravissima notio
eontineatur, obseuretur enclitica; im altero positu /sapientia
enim est/ vox minus in primum vocabulum ineidit. — Hane
regulam contrariam prorsus Goerenzii aliorumque praeceptis,
qui naturam eneliticae vocis ignorantes, adseverationem alıquam
in est secundo loco posito inesse putarunt adhibito optimorum
codieum testimonio — et reeta interpretatione stabilitum 111
puto. (Vgl. Müller zum Laelius? S. 411.)
Zur weitern Bestätigung könnte man auf Stellen wie
Plaut. Bacch. 274 etiamne est quid porro verweisen, wo die
Stellung von gaiöd enklitische Stellung von est voraussetzt.
5esonders finden sich aber bei esse ähnliche Tmesen, wie bei
den früher besprochnen Enklitika: solche von per- bei Cicero
epistul. 3,5,3 (Bla.Ch.) tunc mihi ille dixit: quod classe
tu welles decedere, per fore accommodatum tibi, si ad
illam maritimam partem provinciae naribus accessissem und
bei Gellius 2, 18, 1 Phaedo Elidensis ex cohorte illa Socra-
tica fuit Socratique et Platoni per {εἰ familiaris, wo die
fehlerhafte Anwendung solcher Timesis mitten im Satzinnern
den Archaisten verrät. Tmesis von qui — cungue: Terenz
Andria 63 cum quibus erat quomque una, eis se dedere.
Cicero de finibus 4, 69 guod erit cunque visum, ages. Dazu
bei einer Form von Με): Plautus Bacchides 252 istius ho-
minis ubi fit qguomque mentio.
Wenn das Latein nur bei ein, zwei Verben, wo sich die
Tradition ursprünglicher Enklisis lebendig erhalten hatte, An-
450 Jacob Wackernagel,
lehnung an das erste Satzwort kennt (und bei diesem dann
natürlich in allen Satzarten), so zeigt sich im Griechischen ein
solcher Rest alter Stellungsgewohnheit bei einer ganzen An-
zahl von Verben, aber nur in einer bestimmten Satzform. Auf
altgriechischen Inschriften finden sieh oft Sätze, wo auf das
Subjekt, obwohl eine appositionelle Bestimmung dazu gehört,
doch zuerst das Verbum und dann erst die appositionelle Be-
stimmung folgt, diese also in auffälliger Weise von dem Wort,
zu dem sie gehört, durch das Verbum abgetrennt ist. Dass
statt eines Subjektsnominativs auch etwa ein andrer Kasus,
der an der Spitze des Satzes steht, im solcher Weise von sei-
ner Apposition getrennt wird, und dass gelegentlich en ue dem
Verbum noch vorgeschoben wird, macht keinen Unterschied.
Boeckh zu CIG. 25 hat zuerst die Altertümlichkeit dieser Art
von Wortstellung, Wilhelm Schulze in seiner Rezension von
Meisters griech. Dialekten, Berliner philolog. Wochenschrift 1890,
S. 1472 (5.261. des Separatabdrucks) die sprachgeschichtliche
Bedeutung derselben betont. Es wird nicht undienlich sein,
hier die Beispiele zusammenzustellen.
Am häufigsten findet sich diese Stellung in Weih- und
Künstlerinschriften. Mit ἀνέθηκε: ΟἿΑ. 1, 357 ᾿Αλκίβιος ἀνέ-
Ankev Kıdapwdöoc vnawrnc. 1, 376 Ἐπιχαρῖνος [ἀνέΪ]θηκεν ὃ
Ὁ--. 1,5388 Ztpövßlıyoc ἀνέθηκε! Ztpovßilxov oder — χίδου
Εὐωνυμεύς! (fast sichere Ergänzung). 1,399 Mnxaviw|v] ave-
Ankev ὁ rpauualteüc|. 1, 400. [Π7υ]θογέν[εια] avednkelv ᾿ΑΥγ]υρρίου
er [Alamıadw[v|. 1,415 Αἰεχύλος ἀνέθη[κε] TTudeov ΤΤαιανιεύε!.
41,575. Σίμων ἀνέθηκε] ὃ κναφεὺς [ἔργων] δεκάτην. 4 ?, 375,
20. ᾿Ονήειμός u ἀνέθηκεν ἀπαρχὴν ᾿Αθηναίᾳ ὃ Σμικύθου υἱός.
4. 575, 198 [ἢ δεῖνα ἀνέθηκεν! Εὐμηλίδου γυνὴ Σφηττόθεν.
4+?, 375, 12 Zevorkenc ἀνέθηκεν: Zwcivew. 4°, 373, 225
Xvaiadnc ἀνέθηκεν ὁ TTaAlAnvevc 4?, 375, 224 [X ]uixpoc
ἀνέθηκε —| 6 εκυλοδεψ[ός]!. 4?, 373, 226 [ὃ δεῖνα ἀνέθηκε]ν
Κηφιςιεύς. Inschrift von der Akropolis Νέαρχος ἀν[έθηκε Νεάρ-
yov υἱ]ὺς ἔργων amapxnv. So nach Kabbadias Studnitzka,
Jahrbuch II (1887), 8. 155 ff.; Robert: Νέαρχος av[ednke ὁ
κεραμεῬύς —. ΟἿΑ. 2, 1648 (augusteische Zeit!) Μετρότιμος
ἀνέθηκεν Ὀῆθεν. — Inseript. graecae antiq. 48 "Apıcrouevnc
αἰν έθ] ηκ
ε᾿Αλεξία τᾷ Δάματρι τᾷ Χθονίᾳ Ἑρμιονεύς. 96 (Tegea)
[ὃ δεῖνα ἀνέ]θηκείν) Factuöxw. 486 (Milet) [Ἐρ]μηςειάναξ ἥμεας
ἀνέθηκεν [ὃ ---Ἰ — idew τὠπόλλωνι. 512° (Gela) Παντάρης u
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellune. 451
ἀνέθηκε Μενεκράτιος. 545 (achäisch) Kuvickoc με ἀνέθηκε ὥρ-
τάαμος Fepywv δεκάταν. --- Delphische Inschrift in westgriech.
Alphabet, Bull. Corr. Hellen. 6, 445 τοὶ Χαροπίνου παῖδες
avedecav τοῦ Tlapiov. Naxische Inschrift von Delos ed. Ho-
molle ibid. 12,464 f., 12, 464 f. Εἰ(θ)υκαρτίδης μ᾽ ἀνέθηκε ὃ
Νάξιος moıncac. — Inschriften von Naukratis I No.218 Φάνης
με ἀνέθηκε τὠπόλλωνίι tw MılAnciw ὁ Γλαύκου. II No. 722
Mucöc μ᾽ ἀνέθηκεν ᾿Ονομακρίτου. 767 [ὃ δεῖνα ἀνέθηκεν "Appo-
δ᾽ίτῃ ὃ Φίιλάϊμμίυνος!. 780 Φίλις μ᾽ ἀνέθηκε οὑπικά[ρτεος τῇ
᾿Αφροδί[τῃ!. 784 Ἑρμοφάνης ἀνέθηκεν] © Ναυειτέίλευς!. 819
[Λ]άκρι[τό]ς μ᾽ avelenlke οὑρμοθ]έμ[ζιος] τἠφροδί[τῃ!. — Böo-
tische Inschrift ed. Kretschmer Hermes XXVI 123 ff. Τιμαεί-
φιλος μ᾽ ἀνέθηκε τὠπόλλωνι τοῖ Πτωιεῖι ὁ Τραόλλειος.
Auch in Versen: OCIA. 1, 98 Διογέν[ης] ἀνέθηκεν Αἰεχύλ-
(λλου ὑὺς Κεφ[α]λῆος. 1GA.95 ΤΤραξιτέλης ἀνέθηκε Συρακόειος
τόδ᾽ ἄγαλμα. Inschrift von Naukratis II No. 876 Ἑρμαγόρης
μ᾽ ἀνέθηκε ὃ Τίήιος] τὠπόλλωνι. Pausanias 6, 10,7 (ὃ. Jahr-
hundert) Κλεοεθένης μ᾽ ἀνέθηκεν ὁ Πόντιος ἐξ Ἐπιδάμνου.
Epigramm von Erythrae Kaibel No. 769 (4. Jahrhundert) [---|
-Bepenc ἀνέθηκεν ᾿Αθηναίῃ πολιούχῳ παῖς Ζωΐλου. Von Kalymna
Kaibel No. 778 (id.?) Νικίας με ἀνέθηκε ᾿Απόλλωνι υἱὸς Θρα-
cuundeoc. Vgl. auch CIA. 1, 403 [τόνδε Τυρῆς] ἀνέθηκε TTo-
λυμνήετου φίλος υἱός]. ΙΑ. 98 (Arkadisch) Τέλλων τόνδ᾽
ἀνέθηκε Δαήμονος ἀγλαὸς υἱός.
Mit lesbischem κάθθηκε: Inschriften von Naukratis II
No. 788 [ὃ δεῖνα κάθ]θηκε τᾷ ᾿Αφροδίτᾳ ὁ MuriAnvanoc. 789
und 790 [ὃ δεῖνά με] κάθθηκε ὁ Μυτ[ιλήναιος]. Vgl. 807
[Αφροδί]τᾳ ὁ M—. 814 [’Appodlita ὁ Ke —.
Mit emoince, ἐποίει: ΟἿΑ. 1,335 Τύρρος ἐποίηςεν
᾿Αθηναῖος. 1,362 (vgl. Studnitzka Jahrbuch II [1881], S. 144)
[Eluppövioc [ἐποίηςεν ὁ] κεραμεύς (die Ergänzung wohl sicher!).
1, 483 Καλλωνίδης ἐποίει ὁ Δεινίου. 4, 477” [ὃ δεῖνα ἐποίηςεν
oder ἐποίει TTjapıoc. 4“, 375,81 Κάλων ἐποίηςεν ΑἸ[γινήτης!].
ἘΦ 375, 95 [Alpxepuoc emoincev ὁ Χῖος]. 43, 373, 290 Λεώ-
βιος ἐποίηςεν TTuperiaönc (oder TTuppnriadnc). IGA.42 (Argos)
"Atwroc eEroifne ᾿Αργεῖος x Apyeıadac ᾿Αγελάδα TApyreiov. 44
(id.) ἸΤολύκλειτος ἐποίει ’Apyeioc. 44 (id.)' — [elmolilfne ’Ap-
γεῖος. 41 (id.) KpnciAac ἐποίηςε Kudwviorlacl. 165 Ὑπατόδω-
ρος ᾿Αριςετο[τείτων] ἐποηςάταν Onßaiw. 348 TTauwvıoc ἐποίηςε
Μενδαῖος. 498 Μίκων ἐποίηςεν ᾿Αθηναῖος. Loewy Inschriften
432 .Jacob Wackernagel,
griechischer Bildhauer No. 44 -wv emönce Θηβαῖος. DT ΞΙίε]νο-
[— emoin|cev Ἐλευ[θερέυς 2] No.58. -ov [Elmöncev [Σικ]ελιώτης.
96 Κλέων emönce Σικυώνιος. 105 [Δαίδαλος emloince Tlatpo-
xAeloucl. 1354 (S. 388) [Σπ]ουδίας ἐποίηςε ᾿Αθηναῖος. 277
Τιμόδαμος Tfıuodauov ἐΪποίηςε Aunpolkıwrnc). 297 (Apotheose
Homers) ᾿Αρχέλαος ᾿Απολλωνίου ἐποίηςε TIpınveuc. 404 Nikav-
dpoc ἐ[ποίηςεν] "Avdlpıoc). Klein Griechische Vasen mit Meister-
signaturen 9. 12 Εὔχειρος emoincev οὑργοτίμου viuc (zweimal).
S. 73 Ἐρτοτέλης emoincev 6 Neapyxov. 9. 202 Zevöpavroc
erroincev ᾿Αθην[αῖος]. S. 202, 1 und 2 Τειείας Emoincev ᾿Αθη-
vatoc. S. 215 Κρίτων ἐποίηςεν Λείι)ποῦς ὕς d. 1. υἱύς, nach
der Lesung von Studnitzka Jahrbuch II 1887 S. 144. Pau-
sanlas 6, 9, 1 τὸν de ἀνδριάντα οἱ Πτολίχος ἐποίηςεν Αἰγινήτης,
was auf eine Originalinschrift TTröAıyoc ἐποίηςεν Αἰγινήτης
schliessen lässt (vgl. Boeckh zu UIG. 25).
Auch in Versen: ΟἿΑ. 4?, 3753, 105 Onßadnc elmönce —|-
νου παῖς τόδ᾽ ἄγαλμα. Inschrift von der Akropolis ed. Stud-
nitzka Jahrbuch II 1887 S. 155 ff. ᾿Αντήνωρ emlöncev ‘jo Ev-
μάρους T|6d ἄγαλμα] IGA. 410 ᾿Αλξήνωρ ἐποίηςεν ὁ Nadıoc,
ἀλλ᾽ ἐείδεεθε. Auch 349 Εὔφρων EZemoinc οὐκ ἀδαὴς Πάριος.
Mit ἔγραφεν, ἔγραψεν, τράφει IGA. 482° Τήλεφος
u ἔγραφε 6 ᾿Ιαλύειος. Klein Griechische Vasen mit Meister-
signaturen. S. 29 Tiuwvidaolc μ᾽] ἔγραψε Bia. S. 196,7 Εὐθυ-
μίδης ἔγραψεν ὃ TToAA)iov (zweimal). Ebenso ist 194, 2 (nach
der Abbildung in Gerhards Vasenbildern 188) und ebenso 195
zu lesen, beides nach Dümmler. Kyprische Inschrift No. 141}
bei Meister Griechische Dialekte II 148 -oıköc μὲ γράφει Σε-
λαμίνιος.
Mit verschiedenen Synonymis obiger Verba: ΘΔ. 48 (Ar-
2os) [Alwpößeoc ἐῤ[εἰργάεατο Apyreioc. 995° (Opus?) TIpikwv
eimljalZa Kolkwra. Kyprische Inschrift No. 73 Deecke Γιλίκα
ἁμὲ κατέεταςε ὃ Σταεικρέτεος.
Mit εἰμί: IGA. 387 (Samos) [TTJoumöc εἰμι τοῦ Anuo-
kpiveoc. 492 (Sigeum) ionischer Text: ®avodikov εἰμὶ TOUPUO-
κράτεος τοῦ TIpokovvnciou; attischer Text: ®. εἰμὶ τοῦ Ἕρμο-
κράτους τοῦ TI. 22 (Sizilien) Λονγηναῖός εἰμι δημόειος. D28
(Cumae) Anuoxapıdöc εἰμι τοῦ ---. 01 (Antipolis) Τέρπων εἰμὶ
θεᾶς θεράπων ceuvnc ᾿Αφροδίτης. Rhodische Inschrift bei Kirch-
hoff Studien zur Gesch. des griech. Alph. * Ss. 49 Φιλτοῦς ἡμι
τᾶς καλᾶς ἁ κύλιξ ἁ ποικίλα. Kyprische Inschr. 1 Deecke TIpa-
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 433
τοτίμω nur τᾶς Tapiac τῶ iepnFoc. 10 D. τᾶς Bew nun τᾶς
Tlapiac (ebenso 65. 66 Hoffin.). 23 D. Τιμοκύπρας ἠμὶ Τιμο-
dauw. 78 H. Σταςαγόρου ἠμὶ τῶ Σταςάνδρω. 719 H. Tıuavdpw
nur τῶ 'Ovacayöpov. SSH. TTvuriAXac nui τᾶς TIvuvrayöpav παι-
δός. 121 H. Aufeideurtöc nur τῶ Bacı$An.Foc.
Daran schliesst sieh IGA. 545 τᾶς Ἥρας ἱαρός εἰμι τᾶς
ev πεδίῳ, wo ein Adjektiv verbunden mit εἶναι die Stelle des
Verbums vertritt, und daran wieder die Beispiele, wo ein Ad-
jektiv ohne εἶναι das Prädikat bildet: Klein Die griechischen
Vasen mit Lieblingsinschriften S. 44 Acaypoc καλὸς ὁ παῖς.
S. 68 TTavrozeva καλὰ Kopividlila], wie das von Klein gege-
bene aber nicht erklärte KOPINO! wohl zu lesen ist. S. 81
Γλαύκων καλὸς Acaypov. S. 89 Δρόμιππος καλὸς Δρομοκλείδου,
Δίφιλος καλὸς Μελανώπου. S. 85 Λίχας καλὸς Σάμιος, ᾿Αλκι-
μ[ήϊδης καλὸς Αἰεχυλίδου. S. 85 ᾿Αλκίμαχος καλὸς Ἐπιχάρους.
Ausserhalb der bisher aufgeführten Kategorien liegen
CIA. 453, 3572 Κλειεθένης ἐχορήγει Αὐτοκράτους. IGA. 110, 9
(Elis) ἐν rymapoı x ἐνέχοιτο τοῖ ᾿νταῦτ᾽ ἐγραίμ)μένοι. (ΤῈ.
1S06 ᾿Ακαμαντὶς ἐνίκα φυλή.
Unter den aufgeführten Beispielen von ἀνέθηκε und κάθ-
Onke enthalten dreizehn ausser Subjekt. Verbum und Apposition
auch noch einen Dativ, drei (CIA. 4!, 373 f. IGA. 95. 543)
einen substantivischen Akkusativ, 4?, 375, 90 beides. Wäh-
rend nun der blosse Akkusativ überall auf die Apposition folgt
(vgl. auch ΟἿΑ. 45. 373, 105 Onßadnc ἐ[πόηςε —|vou παῖς τόδ᾽
ἄγαλμα, sowie die Inschrift des Antenor), findet sich der Dativ.
nur viermal (IGA. 486. Naukratis II 780. 819. 876) hinter der
Apposition, achtmal (Naukratis I 218. II 767. 788. 801. 814.
Hermes 26, 123. Kaibel 769. 778) davor: endlich in IGA. 48 folgt
auf das Verbum zunächst der Genetiv des Vaternamens, dann
der Dativ des Götternamens samt Epitheton und dann erst das
zum Subjekt gehörige nominativische Ethnikon. In CIA. 42,
375, 90 sind Akkusativ und Dativ zusammen zwischen Ver-
bum und Apposition eingeschoben. — Diese Voranstellung der
zum Verb gehörigen Kasus vor die Apposition ist leicht ver-
ständlich; das Verb attrahiert seine Bestimmungen.
Aus diesem Typus erklärt sich die seltsame Wortfolge
in ΟἿΑ. 45, 375, 82, ergänzt von Studnitzka Jahrbuch II 1887
S. 145: Κρίτων ᾿Αθηναίᾳ ὁ Σκύθου ἀν[έθηκε καὶ ἐ]ποίη[ςε] oder
[ἐϊποίει. Der Verfasser der Inschrift hatte zunächst die kon-
434 Jacob Wackernagel,
ventionelle Wortfolge Κρίτων ἀνέθηκεν ᾿Αθηναίᾳ ὁ Σκύθου vor
Augen und liess hiernach, als er durch die Beifügung von καὶ
ἐποιήςε genötigt war, ἀνέθηκε hinter die Apposition zu rücken,
doch den Dativ ᾿Αθηναίᾳ vor der Apposition stehen.
Loewy Inschriften griechischer Bildhauer S. XV glaubt
erweisen zu können, dass diese Wortstellung über die ersten
Jahrzehnte des vierten Jahrhunderts hinaus nicht üblich ge-
wesen sei (vgl. auch CIA. 2, 1621—1648 und die von Köhler
zu No.1621 verzeichneten Künstlerinschriften). Die paar spä-
tern Beispiele darf man füglich als Archaismen betrachten,
zumal zwei derselben (Loewy 277.297, s. oben S. 431) durch
Voranstellung «des Genetivs des Vaternamens vor das Verbum
von der ursprünglichen Weise abgehen. Ausnahmslose Herr-
schaft dieser Stellungsgewohnheit kann man auch für frühere
Zeit nicht behaupten (Hoffmann Griech. Dialekte I 324), und
namentlich weisen die attischen Weihimschriften zahlreiche Ge-
senbeispiele auf. Aber sehr mächtig und zu gewissen Zeiten
und in gewissen Gegenden entschieden vorherrschend war diese
Gewohnheit doch, um so bereehtigter ist Schulze's Auffassung
derselben als eines indogermanischen Erbteils.
Das Altindische liefert augenfällige Parallelen. (Delbrück
Syntaktische Forschungen IH 51 ff. V 23 f.). Häufig sind in
der Brahmanasprache Sätze, die mit sa oder sa ha ὁ dieser
eben” beginnen, darauf gleich das Verbum, meist ardca, tol-
gen lassen, und dann erst die nähere Bezeichnung der vorher
mittelst des Pronomens angekündigten Person beifügen z. B.
si hovaca gärgyah, sd aiksata prajapatih. Älmlich (at. Br.
ὃ, 1, ὃ, 4 td u haitd ücur dera adityaäh. Manchmal ist auch
das Subjekt stärker belastet; manchmal, unter dem Emfluss
der Gewohnheit den Satz mit dem Verbum zu schliessen, die
Apposition zwar vom Pronomen getrennt, aber doch dem Ver-
bum vorangeschickt.
Weiterhin findet sich nun auch in denselben indischen
Texten auffälliges Setzen des Verbums an zweite Stelle, wenn
der Satz mit ὁ ha, tdd u ha, tdd u sma, dpi ha beginnt.
Es handelt sich dabei meist um die’ Verba awaca, aha; der
Name des Sprechers folgt dann erst nach dem Verbum. Also
ganz die Weise deutscher Sätze mit Inversion.
Jacob Wackernagel.
Über ein Gesetz der indogermanischen Wortstellung. 435
Nachträge
zu Abschnitt II S. 346— 551 I die Inschriften mit με, ἐμέ).
Zu 8. 846, 351: IGA.351 (lokrisch) [TT]jepıpöva [ἀνέθηϊ]κέ
ne (oder -κ᾿ ἐμέ) Zevayaroc muss wegen des Zustandes der
Inschrift ausser Betracht fallen; vgl. Röhl z. d. St.
Zu ὃ. 349: ΟἿΑ. 43, 373, 103 Οὐνπορίωνος Φίλων με
ἐποίηςεν. --- Inschrift von Metapont Collitz 1643 Νικόμαχός μ᾽
ἐπόει. — BD cm Klein S. 65 No. 48 nach Six Gazette
archeol. 1888, 195 Nikxocdevnc eu (Six: μ᾽ ἐ-)ποίηεεν.
Zu S. 351: ἐμέ noch zweimal an zweiter Stelle in der
alten Vaseninschrift bei Pottier Gazette archeol. 1888, 168:
ἐκεράμευςεεν ἐμεὶ Οἰκωφέλης und Oikwp(e)Anc ἔμ᾽ ἔγραψεν (ge-
schrieben εγραεφεεν). Vgl. auch ibid. 1888, 180: -πόλον ἐμέ.
Verzeichnis der kritisch behandelten Stellen.
ΕἸ ΣΕ ETlal zes 1 τ τ ὁ τ ον προ κρῖ βενέδς τε βϑυν 9 19
- {||1|2|8). τ τς ΟΕ ον το
ΠΟ πο ΡΤ ae ἐλ EB EEE Ν 9
Be Bram: Da, Books: ieh „Vuaint Ar 10}
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4 ige SER SE She ne 2)
Froelrsemi ὃν Baker 'v845
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„ 4 66 Bek. . ἃ . . . . . ᾿ 5 5 “ Ö . . „ 37
97, 4 Hiller (— 100 BER)R ἘΠ κί , τε τ Ὁ
Pindar Olymp. 3, N ee Leg]
Euripides laden), SSR) ME Peer =
Thea A ee a er 6 a mE a 7)
Antiphon 5, Sr Εν le PR SEH A eeehteN ke
Aristophanes Acharn. 779. Ba en ΟΝ ae A ra
> Email λδανν Ὁ Τ00
Bieelen DDR a este, πε 989
Demosthenes REINE EN ED EN 32 2.08
> 18, ee Re ER to
„ 94, er. RT a ΡΣ, 388
5 BESSERES Er ee LS: 390 f.
R λον N a a N τος κοῦ
engseracım Ὁ ee ee ππ ns
u ih BEE Fu re Be 1 are}
ΠΣ ee κε den es voran
Anthol. Palat.'6, 140. . ... an
Inseriptiones graecae antiquissimae ed. Röhl 384 RT
= A SATA BER 2 eg
Sammlung der griech. Dialektinschr. v. Collitz% . . . . 808
„ » ” „ „ ” 3184, ne ve ” 374
: Mil: : ΡΣ ΚΦ }913..0} 675; δὲ
Indogermanische Forschungen I 3 u. 4. 97
480 OÖ. Wiedemann, Got. fairgunt.
Die griech. Vasen mit Meistersignaturen v. W. Klein S.51. S. 349
3) ᾽) 2) 2 2) ” 3) 3) S. 194, 2 „ 432
5 5 BRATEN ΠΝ 218,195, Bar AS
Ἢ 5 1 Lieblingsinschr. A „19.168 1153
Naukratis. By "Flinders Petrie I Inschrift No. 308 . . . . „ 348
I = tee 34.
11 τ ᾿ς RAS
Plautus Bacchides 1258. a a hr er Bl Ψο, τ Ὁ ἢ ἢ
Mereätor 154. a a SEITE EN TERRA:
Got. fairguni.
Ohne auf die bisher gegebnen etymologischen Erklärun-
gen des got. fairguni “Berg’ näher emzugehn (sie sind von
H. Webster Z. Gutturalfrage i. Got. 54 erwähnt; unerwähnt ist
die von Leo Meyer [Got. Spr. 72] vorgeschlagene, aber lautlich
unmögliche Zusammenstellung. mit aind. pdrvata-s "Berg’ ge-
blieben), will ich eine andere Etymologie befürworten, die zur
Voraussetzung hat, dass aisl. Fjorgyn, Fjorgynmn nichts mit aind.
Parjänyass, lit. Perkunas zu thun hat, sondern eme Berggöttin,
bez. einen Berggott bezeichnet. Gehn wir also von der Bedeu-
tung “Berg” aus, so lässt fairguni sich an abulg. prags (ur-
slav. *porgs) “Schwelle” anknüpfen; die Bedeutungen “Berg’
und “Schwelle” lassen sich ohne Schwierigkeit aus der allge-
meineren Bedeutung “Erhöhung” ableiten. Zu beachten ist,
dass russ. porog auch die Bedeutung “Stromschnelle’ hat und
dass der Name der Stadt Prag wohl mit der bergigen Umge-
bung zusammenhängt; die Bedeutung Berg’ schimmert also
auch im Slavischen durch.
Leipzig 8. Aug. 1891. 0. Wiedemann.
Beiträge zur etymologischen Erläuterung
der armenischen Sprache.
Das Suffix -aw4.
Das Armenische bildet mit dem Suffix -au/ Nomina agen-
tis, z. B. enaui “genitor, parens’ von cnanim "pario, gigno,
nascor', Aor. cnay. Seit dem 13. Jahrh. wird regelmässig
cnö) geschrieben. Aus cno/ ist wieder die Form cnoA ent-
standen; vgl. Verf. ΚΖ. ΧΧΧΙ 29—32. Die Form cnoA ist
wohl zuerst in vortoniger Stellung entstanden; vgl. z. B. ceno-
Jakan "appartenente al genitore’, cnoAutiun “l'esser genitore”.
Dasselbe Suffix ist in kroA Träger’ von krem, spanoA
“Töter’ von spananem Aor. spani u. v. a. enthalten. Wörter
auf -au/, -Ö4, -0) werden teils von Präsensstämmen, teils von
Aoriststämmen gebildet. Als Substantive werden dieselben mit
Genetiven verbunden, z. B. enaui ordvoy “genitor filii’. Das
Suffix hat auch adjektivische partizipiale Anwendung. Als
Partizipia können die Wörter auf -04 später mit einem Objekte
im Akkus. verbunden werden (Cirbied Gramm. 8. 637).
Wenn man cnau/ “genitor’ mit dem Aor. 1. Ps. Sg. cnay,
3. Ps. Sg. enav, 3. Ps. Pl. cnan vergleicht, liegt es nahe, das
a in beiden Formen als identisch zu betrachten und demnach
hier einen Verbalstamm cena-, aus *cina-, anzunehmen.
Wie cnaui) zu cnanim, Aor. cnay, so verhält sich an-
kau) zu ankanim, Aor. ankay "ich falle, werfe mich nieder,
liege’; davon ankolin “Bett’. Ferner usau), usoA μαθηματι-
κός ZU usanim μανθάνω, U. 8. W.
Dem Stamme ena-, aus *eina-, in enau) entspricht genau
der aind. Stamm jani- in janitär-; vgl. gr. yeverhp γενέτωρ,
lat. genitor. Dem aind. ὁ, das aus idg. > entstanden ist, ent-
spricht lautgesetzlich arm. a, z. B. arm. hair aind. pitär-.
Indogermanische Forschungen 1 5. 38
438 Sophus Bugge,
Die Zusammenstellung des arm. cnau/ mit dem aind. ja-
nitdr- gibt uns den Schlüssel zur Erklärung des Suffixes -au4.
Das Suffix ist eigentlich -«4; a gehört zum Verbalstamme.
Das Suffix -«4 steht mit dem idg. Suffixe -fer in Verbindung.
In enaui ist das idg. ὁ nach a vor dem Hauptton lautgesetz-
lieh geschwunden. Das nach a unmittelbar folgende z finden
wir in andern arm. Formen, die zu dem idg. Suffixe -ter ge-
hören, vor r: haur, hör, Gen. von hair “Vater’; a/auri “Mühle’,
vgl. gr. ἀλέτριος. Das 4 für r findet sich auch in asti ἀςτήρ.
Das « der Form enaui ist nach meiner Vermutung nicht
dem « des aind. Genetivs janitur gleich zu stellen. Vielmehr
führe ich enau) auf eine Grundform *genatro-s zurück. Mit
den arm. Bildungen auf -a-u/ vergleiche ich demnach zunächst
gr. intpöc “Arzt’, δαιτρός “Zerleger’. Das au von cnauk ist
von derselben Art wie das von haur πατρός und das von
araur aus *aratro-m (vgl. ἄροτρον). Arm. cenaui verhält sich
also zu aind. janitar-, wie gr. intpöc zu ἰητήρ.
enau) und andere Nomina, die von Verben auf -anim
gebildet waren, gaben die hauptsächlichsten Muster für diese
Bildung ab. Durch Analogie wurde das Partizipialsuffix -auA,
-ολ, -0) auf die Verba überhaupt übertragen, so dass man von
sirem siro), von tolum ἔολολ, von «ösim 20504 bildete. Von
Präsensstämmen auf -α wurden Partizipia auf -au/ gewöhnlich
nicht gebildet, dagegen von -Aoriststämmen auf -ac, z.B. αλα-
co4. Jedoch findet sich z. B. orso/ “ Jäger’ neben orsam “jage,
und ors “Jagd’; vgl. ezoA "bubuleus’ neben ezn “οβ΄.
Es scheint möglich, dass das hier behandelte Suffix, als
dasselbe durch Analogie zuerst verallgemeinert wurde, noch
nicht -au/, sondern -aur lautete. Hierfür spricht alauri
“Mühle”. Wenn dem so ist, kann Dissimilation zu dem Über-
gange von -aur in -au/ mitgewirkt haben. Vgl. die ksl. No-
mina agentis aut -telv, z. B. prijatelv Freund’, ahd. friudil
“Geliebter’
Mehrere durch Analogie entstandene arm. Nomina agentis
auf -ολ, -ολ verdrängten wahrschemlich ältere wenig abwei-
chende Bildungen, welche eine Form des Suflixes -tro ent-
hielten. So ist z. B. t«04 Geber’, wovon taokutiun, eine Ana-
logiebildung; vorher gab es wahrscheinlich eine lautlich nicht
stark abweichende Bildung, welche aus einer Grundform *do-
trö-s lautgesetzlich entstanden war.
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 439
Der Aorist. II mediı.
Der arm. Aor. II Med. enthält Wurzel + Suffix a + Per-
sonalendung. Z.B. hanem 'tollo’; Aor. II Akt. hani, haner,
ehan, hanak, hanek, hanin; Aor. Il Med. hanay, hanar, ha-
nav, hanak, hanayk, hanan. Den Ursprung dieses Aor. Med.
habe ich im vorigen bereits angedeutet. Ich habe die An-
nahme begründet, dass das a des Aor. enay “genui‘ und 'na-
tus sum’ mit dem a des Nomen agentis enau) “genitor’ dem
Ursprung nach identisch sei. cena- aus *cina- betrachtete ich
als einen Verbalstamm, der mit dem aind. jani- von janitär-
identisch und aus ursprachlichem gen»-, gend- entstanden sei.
Hieraus erhellt, dass diese Aoristform zuerst, wenigstens zum
Teil, von zweisilbigen Verbalstämmen, die auf idg. = arm. a,
aind. ὁ endeten, gebildet wurde. Durch Analogie wurde dieser
Aor. im Arm. dann auch von andern Verbalstämmen gebildet,
um zu aktivischen Aoristen entsprechende passivische zu ha-
ben; z.B. hanay, hanan neben dem aktivischen hani, hanin.
Das a wurde somit zu einem Merkmal des Passivs. Die Ana-
logie ist hier, wie bei dem neuarm. Passiv (zenvil u. 5. w.
Hübschmann ΚΖ. XXIII 12), der Hauptfaktor, der die sprach-
liche Neubildung erklärt.
Die von mir gegebene Erklärung des arm. Aor. Med.
wird durch mehrere Formen bestätigt. tanim Aor. taray "por-
tare, trasferire, trasportare’ habe ich in ΚΖ. XXXII 67f. aus
*tarnim erklärt und zu tara- trans‘, aind. feras, taraya- τι. 8. W.
gestellt. Arm. taray zeigt einen zweisilbigen Verbalstamm
tara-, der mit dem Stamm von danaccoı, ἐτάλαςςα, θάνατος
u.a. analog ist. Zaray verhält sich zu Zanim wesentlich wie
δαμάεςαι ZU δάμναται, KEdACCAH ZU κίδναται.
Der einzige Aor. Med., der nicht auf -ay endet, ist der
Aorist von elanim "werde, entstehe, werde geboren’: 616, 6161",
elev, eleak, elek, eien. In meinen Beitr. z. etym. Erl. d. arm.
Spr. 5. 30 habe ich e/anim zu βάλλω gestellt, indem ich der
Bedeutung wegen ἐκβάλλω “bringe zur Welt, brüte aus’ ver-
glich. Hiernach ist elanim aus *gel- entstanden. Wie ich in
cnan einen Stamm cina- aus *gena- — aind. jani- erkannt habe,
so muss in e/en das zweite e stammhaft sen. Der Stamm
eke- aus "gele- findet sich in gr. ἑκατηβελέτης, βέλεμνον wieder.
Der Aorist &ogay “ich ging’, der mit ὄν Aufbruch’, aind.
440 Sophus Bugge,
cyavate “geht fort" zusammen gehört, setzt vielleicht einen
Stamm *gioud voraus.
Der mediale Aorist hatte in der Ursprache -nto als die
Endung der 3. Ps. Pl. Die Personalendung der 3. Ps. Pl. des
medialen arm. Aor. ist -n, z. B. enan. Dies -»n kann lautge-
setzlich aus dem ursprachlichen -nto entstanden sein, wenn die
ursprachliche Form den Hauptton auf der ersten Silbe hatte;
vgl. Verf. in KZ. XXXI 71. cnan kann aus *genanto, *ge-
nanto hervorgegangen sein. Dureh lautliche Änderung fiel in
der 3. Ps. Pl. die Personalendung des Aor. Medii mit der des
Aor. Akt. zusammen. Dies bewirkte, dass in der 2. Ps. Sg.,
1. und 2. Ps. Pl. die Personalendung des Aor. Akt. auf den
Aor. Med. übertragen wurde. Möglicherweise fand dasselbe
in der 1.Ps. Sg. (Akt. hani, Med. hanay, cnay) statt. Sicher
darf ich es jedoch hier nicht behaupten, weil ich nicht be-
stimmen kann, wie die ursprachliche Endung des Aor. Med.
in der 1. Ps. Sg. lautete.
Dagegen zeigt die 3. Ps. Sg. des Aor. Med. eine Endung
(-v), welehe dem Aor. Akt. fremd ist; z. B. cnav, elev.
Dies enav etwa aus einer Urform *genat-ue zu erklären
und in *we eine Nebenform zu idg. *swe “sich” (vgl. arm. vec
“sechs” neben idg. ®szeks) zu sehen, finde ich schon darum un-
statthaft, weil arm. % lautgesetzlich einem idg. ta entspricht.
Die ursprachliche Endung war -to. Den Pluralformen *genanto
(arm. cnan), *gelento (arm. e/en) müssen die Singularformen
®genato, *geleto entsprochen haben. Dies stellt uns vor die
Frage: Kann arm. cnav aus *genato, elev aus *"geleto entstan-
den sein? Ich finde nichts, was entschieden hiergegen spricht.
Nach Hübschmann soll freilich die Ablativendung -€ aus -etos
entstanden sein: allein hiergegen habe ich mich bereits in ΚΖ.
NXXXI 72 aus eimem anderen Grunde ausgesprochen. hair
aus ®pater kann nicht die Annahme widerlegen, dass ταῦ aus
-ato entstanden sei; denn im pater folgt nach t ein &. haur
aus *patros, wo ὁ auf tr folgt, araur aus *aratrom, cnauk
aus *genatro-s sprechen für meine Annahme. Arm. alauri
setzt Falaur aus Falatro-s voraus. Eher lässt sich Cork “vier’
gegen mich anführen, wenn dies aus *kior-, *keor-, "keyor-,
®getores entstanden ist. Allein die Regeln für den arm. In-
laut und den arm. Auslaut können hier verschieden gewesen sein.
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 441
Die Pluralendung -X.
Ich habe (Arm. Beitr. S. 45 f.) die arm. Pluralendung -X
aus -so erklärt und darin die idg. Endung -(e)s (-es, -0s τι. 8. W.)
mit einer enklitischen Partikel -» = aind. « gesehen. Bartho-
lomae (Stud. z. idg. Sprachgesch. II 13 Anm. 4) sagt dagegen:
“Für unmöglich halte ich es nicht, dass dieses selbe suffix
[wie in arm. $uk, buk] — etwa -tua — auch in der endung
des nom. pl. steckt. Die flexion air — αὐ} — ark — aranc
wäre wörtlich dann so aufzufassen: der mann — des mannes
— die mannschaft — der männer”.
Ich muss meine Erklärung gegen diese Vermutung B.'s
aufrecht halten. 1) Bei der Auffassung B.'s müsste man *orok,
"mardok, *sirtik, "zarduk für ork, mardk, sirtk, zardk er-
ΠΟ 2) Bei derselben bleibt -m& in der 1. Ps. Pl. (z.B.
emk “wir sind‘) unerklärt. 53) mardovk liesse sich dabei nur
als Analogiebildung für *mardokov erklären. Endlich muss
ich den deutlichen Parallelismus zwischen der arm. Endung -%
und der idg. -s hier wieder hervorheben. Dies alles macht
mir die Hypothese B.'s unglaublich.
>
Ὅλ. δὴ aus anl, ann.
In mehreren arm. Wörtern ist ὅλ, 04 nach meiner Ver-
mutung aus vortonigem anl, anr entstanden, und in der hier
vorausgesetzten Lautverbindung anr war wieder ein Dental
nach n mehrmals ausgedrängt.
1. 504 .adjektivisch 5. v. a. so4aceal, lusapail, jerm in
der Verbindung so amp 'nube infocata, ardente’; sonst sub-
stantivisch “raggio del sole penetrato per la fessura; raggio,
luce‘. Die am frühesten belegte Genetivform ist so/oy. Da-
von so/am “risplendere’. Ich identifiziere $04 mit aind. scan-
drd-s (nach Vokalen), später candrd-s adj. "schimmernd , subst.
“der Mond’. Zu derselben Wurzel (aind. scand-) gehört arm.
sand oder sant “ferro rovente, seintilla’, siehe ΚΖ. XXXIL 57,
wo ich die Annahme begründet habe, dass anlautendes idg.
sk und skh im Arm. s wurde, wenn der Hauptton in der Ur-
sprache nicht auf der ersten Silbe lag. Ich kann daher die
Frage Bartholomaes (St. z. idg. Sprachgesch. II 34): “ Beruht
arm. 5 überall auf entlehnung?” nicht bejahen.
442 Sophus Bugge,
2. toi Gen. ἐολὲ “serie, fila, riga’; davon tolem "mettere
in ordine‘. Ich führe 204 auf eine Urform *tantri- (*tntri-)
oder, wenn die Flexion von £0/ nicht ihre Voraussetzung in
der Urtorm hat, auf *tantro- zurück; von ten- "ausspannen'.
Vgl. aind. täntra-m “fortlaufende Reihe, Grundordnung’, wo-
von tantraya- "in einer bestimmten Ordnung folgen lassen, in
Zucht und Ordnung halten’. In mehreren aind. Wörtern ist
das Sufüix -tra-m betont. An einer Stelle der Väjas. 15, 2
nimmt man Zandrd-m “Reihe’ an. Wegen des anlautenden t
von £o/ vgl. meine Bemerkung in ΚΖ. XXXII 67.
ὃ. hosm “Wind‘. Auch eine Form hoimn Pl. hoimunk
wird angeführt. Fr. Müller (Armen. VI Nr. 32) vergleicht gr.
öpun. Allein dies genügt wicht der Bedeutung: öpun “Andrang
finde ich nicht von dem Winde angewendet.
ho/m (ho/mmn) scheint mir auf armen. Boden durch das
Sufix -m von einem andern Nomen abgeleitet zu sein, wie
kolmn oder ko/m "Seite’ von ko) “Rippe, Seite’; atamn “Zahn
vgl. ὀδούς. Das Stammwort des arm. ho/m entspricht nach
meiner Vermutung wesentlich dem aind. anild-s. Das ho/- von
ho/m ist aus αὐ. entstanden. Das ἢ ist, wie sonst sehr oft,
vorgeschoben; vgl. meine Bemerkung unten zu hanem.
4. moiez Gen. mosezi “Eidechse‘. Das Wort hat meh-
rere spätere Nebenformen; so ist z. B. mo4oz durch Vokalassi-
milation aus mo4ez entstanden. Trotz der Ähnlichkeit des
tschetschenz. melgu Eidechse’ ud. milgone (Verf. KZ.XXXII 86)
möchte ich in mo/ez ein echt armen. Wort sehen. Mit nhd.
molch, mhd. mol, molle, αἰνὰ. mol hat dasselbe gewiss nichts
zu thun; germ. ol entspricht nicht dem arm. 04. Dagegen ver-
mute ich ein verwandtes Wort im aind. mandüka-s “ Frosch’,
das in der Zigeunersprache Norwegens erhalten ist (Verf. in
KB. I 151). mandüka-s ist wohl aus mandräka-s entstan-
den; vgl. aind. andd- “Ei, Hode’ neben ksl. jedro “Hode’.
Hiernach führe ich das mo4- von mo4ez auf eine Grundform
mandr: zurück. Wenn arm. ἐξ Viper’ aus dem Eran. ent-
lehnt ist (Bartholomae Stud. Il 34), kann das zweite Glied von
moJ-ez Gen. mos-ezi (wenn dies ein Kompositum ist) vielleicht
mit gr. ἔχις verwandt sein.
5. Zökem Aor. Jöseci “ich verberge’, Aökim "ich verberge
mich’: kommt bereits in der alten Bibelübersetzung oft vor.
Ich vergleiche er. λάθρα und führe Aöse- Aause- auf eine Urform
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 443
"Inthre- oder *Indhre- zurück. Aösem ist durch Assimilation
aus *lolem entstanden; vgl. Aö/ak "animal aquatico' — lölak.
6. 04) “anulus, eireulus’. Vielleicht aus *anl- und mit
lat. analus wesentlich identiseh. Mit lat. anus, anulus habe
ich (ΚΖ. XXXH 3) arm. anur zusammengestellt.
Nach Aö/em, 0) vermute ich, dass das oA von soA, toA,
hoAm, moJez zunächst aus 64 entstanden ist. Die Änderung
von 64 zu ολ trat wahrscheinlich zuerst in vortoniger Stellung
ein. In den genannten Wörtern ist 0), au/ wieder aus anlı
entstanden. Die letztere Änderung hat in aucanem “salbe’
Aor. auei neben aind. anj-, lat. unguo, in au) “Schlange” ne-
ben lit. angis, lat. anguis und in giut "Gewinn neben aind.
vindd- "sewinnend’ nahe Analogie. Das ὁ von aucanem und
das 7 von auxj sind aus dem Einfluss des τὸ zu erklären; vgl.
Verf. Etr. u. Arm. I 80 und 162f. Auch im aucanem, auj,
giut scheint mir das « in vortoniger Stellung entstanden zu sein.
Der Schwund des idg. velaren g im arm. Anlaute.
Durch viele (14) Belege habe ich bewiesen, dass das
anlautende idg. velare g, das vor einem schwach betonten Vo-
kale stand, in arm. mehrsilbigen Wortformen geschwunden ist
eBeitr.7. et. ἘΠῚ. d..arm. Spr. S. 23—32; Κα: XXXI 32 £.).
Ich gebe hier neue Belege.
15. erd (Gen. erdoy) “casa, fuoco, famiglia; fenestra
(terrazzo fatto) sul tetto delle casa’; davon erdakic “vieino di
casa; che abita nella medesima casa’. erd identifiziere ich
mit aind. grhd- M., später nur im Pl. M., sonst N. “Haus,
Wohnstatt, M. Pl. die Familie’. Avest. geredha- hat eine ab-
weichende Bedeutung ‘Höhle’. Arm. er wechselt mit ar (vgl.
erag — arag, eragaz — aragaz, eitiur — altiur u. m. a.) und
kann somit ein idg. » vertreten. Nach den mehrsilbigen For-
men erdoy u. s. w. hat man ein eimsilbiges erd (für *gerd)
gebildet.
16. ostnum und osteim, Aor. ostecay “saltare, dare un
salto; scoccarsi, lanciarsi’; end-ost “che salta, che seuote’. Aus
idg. gost, zu anord. kast, N. ‘Wurf’, das jetzt in Norwegen
auch “schnelle Bewegung, Luftsprung’ bedeutet, anord. kasta
werfen’, nnorw. kasta seg “einen Luftsprung thun’; vgl. lat.
gestire "sich munter regen’. Dass diese Wörter im Idg. ve-
lares g hatten, beweist gr. BactdZw.
444 Sophus Bugge,
17. Zu derselben Wurzel in der Bedeutung “ werfen’
und daraus ‘weben’ stelle ich ostain "textura, tela‘. Vgl. anord.
verpa “ werfen’ vom Gewebe (er orpinn vefr yta bormum);
nhd. werft “stamen’, neunorw. varp dasselbe. Wegen des
Suffixes vgl. z. B. orovain.
13. aragil “Reiher, Storch’. Den bei de Lagarde Stud.
$ 225 genannten Deutungen kann ich nicht beistimmen. ara-
gil entspricht wohl dem ahd. chragil “garrulus', wozu chragi-
lön “schwatzen’. Vgl. kregeln "gracillare, est sonus gallina
rum’ Voc. 1482. Vgl. über das arm. Suffix -22 meine Bemer-
kung in ΚΖ. XXXII 78. Mit chragil vergleichen R. Hilde-
brand (Deutsch. Wtb. V 1956) und Fick (BB. XVII 320 {Ὁ
lat. graculus, wofür Fick eme Grundform *graglo- (gragelo-)
annimmt. Wegen des Anlauts von aragil vgl. araut neben
gr. Ὑράω, aind. gras-. In aragil ist g aus vortonigem k ent-
standen.
19. oski “Gold’ haben Jensen (Z. f. Assyr. 1255 Anm.)
und Schrader (Sprachvgl. u. Urgesch. ? 247) mit sumer. gu-
shkin, gushgin “Gold’ verglichen. Dies Wort soll in verhält-
nismässig späten Texten vorkommen und etymologisch "das
biegsame Metall’ bedeuten. Wenn diese Vergleichung, welche
durch das analoge Verhältnis bei andern arm. Metallnamen
gestützt wird, richtig ist, muss oskö ein altes Lehnmwort und
aus *goski entstanden sein.
Schwund des idg. palatalen ἢ im armen. Anlaut.
Mit 5 bezeichne ich nach Brugmann ein palatales g der
Ursprache, statt dessen Fick jetzt z ansetzt. Wie das anlau-
tende idg. velare q, das vor einem schwach betonten Vokale
stand, im Arın. mehrfach geschwunden ist, so sprechen emige
jeispiele dafür, dass das anlautende idg. g, wenn es vom
haupttonigen Vokale entfernt war, im Arm. hat schwinden
können.
1. Für ‘Schwiegersohn’ finden wir aind. jamatar-, avest.
zämätar-, gr. γαμβρός, lat. gener, alb. öender, lit. Zentas, ksl.
zetv. Diese Wörter stimmen sämtlich im betreff des Anlauts
überein. Sie sind auch, wie es scheint, unter emander ver-
wandt, jedoch nieht alle identisch. Arm. aner bedeutet “der
Vater der Frau’, “der Mann der Tochter’, “der Bruder der
Frau’ (Hübsehmann bei Delbrück Verwandtschaftsnamen S. 140).
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 445
Als “Schwiegersohn” stimmt aner also mit den oben genannten
Wörtern anderer idg. Sprachen inbetreff der Bedeutung über-
ein. Ich vermute daher, dass aner vom ein idg. 5 verloren
hat; jedoch wage ich nieht die Grundform des Wortes sicher
zu bestimmen (*ganater mit wechselnder Betonung 7).
Dass aner ein uraltes und echt idg. Wort ist, wird durch
ner oder ner ᾿σύννυμφος᾽ bestätigt. Denn dies Wort, das die-
selbe Endung wie aner zeigt, gehört mit ksl. jetry, aind. yd-
tar- u. Ss. w. zusammen (Verf. Arm. Beitr. S. 37).
2. gavak "Hinterteil, Hinterbacken‘. Ich werde unten
die Vermutung begründen, dass dies aus *ganak entstanden und
mit aind. jaghäna- oder jaghand-, gr. xoxwvn verwandt sei.
Die Urform des arm. Wortes hatte wahrscheinlich den Haupt-
ton auf der 3. oder 4. Silbe. Im Anlaut ist nach meiner Ver-
mutung nicht nur g aus idg. Jh, sondern auch ein Vokal ge-
schwunden. Vgl. prcanem von aprust, der aus oc-er u. ähnl.
Idg. zd im Armenischen.
In KZ. XXXII S. 1 habe ich hervorgehoben, dass arm.
azazem “arefacio" deutlich mit gr. ἄζω zusammengehört.
Ebenso gehört arm. maz "spremuto, succo spremuto’, mzem
“spremere’ zu gr. μυζάω (XXXI1 19). Allein nach @ech. apoln.
ozd “Malzdarre’ haben Osthoff und Kern angenommen, dass
ἄζω aus *azdo entstanden sei. Nun wird idg. zd in arm. ost
"Zweig und näst "Sitz" durch st vertreten. Daher habe ich
gefragt: “Ward idg. zd nur unmittelbar nach dem haupttoni-
gen Vokale zu st, dagegen vor dem haupttonigen Vokale zu
22° Diese Frage wage ich jetzt zu bejahen.
Arm. ozor bedeutet dalar ost oloreal (eine grüne Gerte)
“tortiglione’; davon ozora-cec afnel “flagellare coi vincigli
ritorti -insieme, con vermene sottili e pieghevoli’. ozor ist
nach meiner Vermutung von ost durch das gewöhnliche Suffix
(-o-r) abgeleitet; vgl. olor, molor u. a. ost vertritt ein idg.
#02do-s. In ozor ist dagegen ein haupttoniges Suflix ange-
treten, und in diesem Worte vertritt oz- ein vortoniges idg.
ozd+. Ich vermute, dass der Hauptton in ozor nicht erst im
Armen. auf dem Suffixe ruhte, sondern dass das Suffix -ro
hier bereits in der Urform den Hauptton trug.
410 Sophus Bugge,
t aus ide. t.
In ΚΖ. XXXI 79f. habe ich die Vermutung geäussert,
dass ursprachliches ? nach einem langen, mit geschleifter Be-
tonung ausgesprochenen Vokale im Arm. zu ? geworden sei:
Suflix -«f aus -Ot-, z. B. in ancanaut “ungekannt neben gr.
Akk. ἀγνῶτα: Suffix -oift, z. B. m erevoit “Erscheinung, aus
-eüti-s, vgl. gr. πνεῦσις u. ähnl.
Dies wird durch auf, öt (Gen. öfi) "il pernottare, alloggia-
mento; la sera’ bestätigt. Fr. Müller (Armen. VI Nr. 68) er-
klärt dies gewiss mit Recht als eme Ableitung von der Wur-
zel au-, die auch in aganim, Aor. agay "alloggiare, μου πο τα θ᾽
erscheint. Ich führe auf auf eine Grundform *aäti-s zurück.
Vgl. wegen der Betonung nicht nur gr. Formen wie πνεῦσις,
sondern auch lit. wie autas, piätis. Dagegen setzt arm. aud
(Gen. audi) Schuh’ eine Urform *autis voraus (Verf. in KZ.
XXXII 29).
Arm... ausser.
Es ist nachgewiesen worden, dass arm. αἱ mehrfach ein
idg. kh vertritt. Da das anlautende x oft mit A wechselt,
habe ich (ΚΖ. XXXII 41 f.) vermutet, dass das anlautende «,
wie ἢ, auch ein idg. s vertreten könne. Hier werde ich den
Nachweis versuchen, dass das anlautende idg. sk regelmässig
durch arm. x vertreten wird.
1. ei "protervo, contumace; ritroso, restio; con occhio
bieco:; torto’; Subst. “rancore, odio, eorruceio’. Die Bedeutung
“perversus’ muss als die sinnlichere, die ursprünglichere sein.
Ich identifiziere we’ mit lit. skersas “quer, schielend’. Mit
diesem lit. Worte vergleicht Fick Wtb.* I 386 preuss. körsa
“über’, ksl. eres@ “durch hin’, lat. cerro “Querkopf”.
Arm. 4:67" lit. skersas und 0% —= gr. ὄῤῥος, ahd. ars be-
weisen, dass idg. rs im Arm. durch # vertreten wird, wenig-
stens wo der Hauptton in der Ursprache unmittelbar vor rs
lag. Auch m moranam Aor. moracay — and. mrsyate vertritt
also # das idg. rs. Mit Unrecht nimmt Meillet (Memoires de
la soc. de ling. VII 165) an, dass arm. r der lautgesetzliche
Vertreter des idg. rs sei und dass moranam sein 7 dem Ein-
tfluss des folgenden » verdanke.
2. «οὐκ tal "scansare, schivare; farsi indietro; declinare;
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 447
andarsene; függire’; wusem dasselbe. Aus einer Grundform
#skeuko-. Zu nhd. scheu, mhd. schiech, ahıd. *scioh; ags.
sceoh “furehtsam’; mhd. schiuhen “scheuen, meiden, ver-
scheuchen '.
3. zarak “scoglio, rupe’, wohl von derselben Wurzel
wie german. skarja- N., anord. sker “Klippe, besonders im
Meere’.
4. zaut, «ot “infermo, malato’; zöfanam “ammalarsi’;
(x. y-olokoc) “patire (di podagra), dolere (le gambe)’; ‘soffrire;
attristarsi, dolere’. Ich vergleiche lit. skaudäs schmerzhaft’;
skaudeti “schmerzen ’; skaddamas “mit Schmerzen behaftet,
krank’. "Skaudama koja, ein kranker Fuss’ (Ness.). Auf
das Verhältnis des arm. 7 zum lit. d gehe ich hier nicht ein.
5. zriv “legne minute e secchi, sarmenti secchi '; gr.
ckapipoc "trockner Zweig, Reis’ neben κάρφος. Vgl. wegen
des # krunk “Kranich’ neben ΘΟ]. garan. Der Bedeutung
wegen nenne ich wruwanam “disseccarsi, come frasche aride';
mit κάρφος ist καρφαλέος “trocken, dürre’ verwandt.
6. op “vomero; palo, chiodo di ferro‘. In ΚΖ. XXXI173
habe ich nachgewiesen, dass X regelmässig vor p schwindet.
Daher vergleiche ich xop aus *xo/p mit gr. cxöAoyw Spitz-
pfahl .
1. zatarem “guastare, distruggere’ gehört vielleicht zu
got. skabjan “schaden’, gr. ἀςκηθής “unversehrt. Arm. £
scheint hier ein idg. th zu vertreten.
ὃ. zaxcut “instabile, mal fermo ’; zasweutk ἡ demigrazione ';
xzaxtem “ erollare, scuotere; muovere, far emigrare’. Zu anord.
skaka “sehütteln’; ags. scacan “moveri eum impetu’; air.
scäich, scaig “praeterüt', cumscugud “ commutatio ', cumscai-
gthe “motus’.
9. zalam “cranio staccato dagli animali morti'. Viel-
leicht zu neuengl. skaull “ Schädel’, mengl. sculle, scolle, wo-
mit Skeat schott. skull, skoll “a bowl to hold liquor’ ver-
gleicht. Jedoch kann zalam mit arm. welk “cervello; capo
del ponte; il capo del fiume; poppa della nave’ verwandt sein.
9. zaram "scoria’ steht wohl zu gr. ckwpia, ckwp im
Ablautsverhältnisse. Vgl. wegen des Suffixes z. B. antaram
und antarsam “ unverwelklich’.
10. wei "storpiato; perverso, pravo’ gehört nach mei-
ner Vermutung vielleicht wie se/ “obliquo, torto; sguancio’
448 Sophus Bugge,
(Verf. Κα: XXXLU 57) zu lat. scelus "Vergehen’,, gr. ckoA1öc
“krumm, verkehrt‘, cxeXoc Schenkel’. Ich vermute, dass das
anlautende idg. sk, wo der Hauptton in der Ursprache aut
der ersten Silbe lag, zu arm. x wurde; dagegen zu s, wo die
erste Silbe schwach betont war. Diese Regel wurde später
dureh Analogiebildung verdunkelt: der erste Vokal z. B. von
zalam und zaram, zarak scheint in einer schwach betonten
Silbe entstanden zu sein. Jedoch ist es möglich, dass xei
vielmehr zu χωλός im Ablautsverhältnisse steht.
11. zaragul "attaco (sorta di cavallette)" vgl. ckopößuXoc'
κάνθαρος Hesych., ckapaßaloc, κάραβος. Die Endung -ul setzt
wohl eine Grundform -*wllo-s voraus, im Gegensatz zu -u/ aus
-"ulos in enjui "giovenco’ von 677 “giovenca‘. Das g von
xzaragal ist vielleicht so zu erklären wie das anlautende g
von gay kommt’ neben gr. Bißarı und von gog sage‘ neben
gr. Boaw (Verf. n ΚΖ. XXXI 331L.).
Es finden sich auch sonst sprachliche Verbindungen zwi-
schen “Heuschreeke’ und “ Käfer’. βροῦχος ist eine ungeflügelte
Heuschreekenart; allein in einem mnd. Vokab. bei Diefenbach
wird bracas durch “wilde kever vel meigkever’ erklärt. Ahd.
wibel übersetzt sowohl lat. attacus als lat. scarabeus.
12. xorx “spoglie di serpente, pelle di porco, guscio,
scorza‘. Vel. ksl. skora “Haut, Rinde’, poln. skorka ᾿ Häut-
chen, die Schale vom Obst, Brotkruste”. Das zweite αἱ von
zor.e ist vielleicht dem ersten assimiliert.
13. τῳ λα. Siehe unten hei 7.
14. herjanem. Siehe unten bei 1.
Anm. de 7 ἄς:
Hübschmann (Grundz. S. 79) nimmt mit Recht an, dass
idg. jh im Arm. dureh j “im Anlaut und nach ἢ, r", dagegen
nach Vokalen durch z vertreten werde. Unter dözel bemerkt
freilich de Lagarde (Arm. St.): “ist Lehnwort, da gh armeni-
sches 2 [d.h. 2, dz] fordert”. Allein *dijel wäre sprachwidrig.
In unzusammengesetzten echt arm. Wörtern findet sich
im Inlaut und Auslaut j nieht nach Vokalen. Hierbei gilt «aw,
woraus ö, nieht als Vokal; es findet sich auj. Diese Regel,
welche für 7 gilt, ist der von mir (ΚΖ. XXXI1131 f. und 357 f.)
für δ und d angenommenen Regel analog.
Auch nach X kann arm. 7 ein idg. Jh vertreten: 6617
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 449
“glans, glandula, tonsilla’ vgl. Καὶ. zZleza "glandula’ (Verf.
KZ. XXXU 5f.); atalj “materia da fabbrieare’ vgl. anord.
telgja “zuschneiden, zuhauen Holz oder Stein’ (Verf. ΚΖ.
XXXII 27).
Allein j hat in nicht wenigen Wortformen einen ver-
schiedenen Ursprung. In ΚΖ. XXXII 46 f. habe ich nach-
gewiesen, dass c (d. h. fs) unter gewissen Bedingungen aus
arm. ἐ entstanden ist. Hiernach muss man erwarten, dass
arın. d unter gewissen Bedingungen zu 7 (d. ἢ. dz) werden könne.
Dies ist meines Erachtens in den folgenden Wörtern auch
wirklich der Fall.
1. jorj “mantello, veste’ (Gen. -oy) ist gewiss aus "dor
entstanden und steht im Ablautsverhältnisse zu handerj “Kleid,
Zurüstung’; jorj spricht dafür, dass handerj nicht aus dem
Persischen entlehnt ist. In jorj entsprang das erste j wahr-
scheinliceh durch Assimilation.
Besen euer‘, Dat. jez “euch”,, Abl. 76); Instr.
jevk hat man das j aus dem idg. y, das in aind. yayam u. 5. w.
vorliegt, entstehen lassen. Allein ich habe nachgewiesen, dass
dies nieht riehtig sein kann, weil das anlautende idg. y im
Arm. entweder als y bleibt, oder auch schwindet: yaud "le-
game’ — avest. yaoiti-, yam “tardanza’ zu aind. yam-; ner
“cövvuupoc’ zu ksl. jetry, lat. janitrices (ΚΖ. XXXI 22;
Arm. Beitr. S.37). Da der Nommativ zu 767 duk lautet,
glaube ich vielmehr, dass jer aus *der entstanden und dass
d hier vor e zu dz geworden ist. Man wird vielleicht ein-
wenden, dass d in handerj, dez, dir u. s. w. bleibt. Allein
hierauf antworte ich, dass das d in handerj, dez, dir aus idg.
dh entstanden ist, dagegen in duk, *der aus idg. t. Hiermit
kann Jie verschiedene Behandlung in Verbindung stehen. Wenn
wir vom Anlaute absehen, sind jer, jez, jeek u. s. w. nach
mer, mez, meck gebildet. Idg.t, das nach n, r, au vor dem
haupttonigen Vokale stand, ist im Arm. zu d geworden. Das
d von du, duk, *der (woraus jer) ist daher wahrscheinlich
in derselben Lautstellung entstanden.
3. heljanem (Aor. 3. Sg. eheij) und heijucanem strango-
lare’, heijanim und heijnum, heijum “esser strangolato‘. Da
das anlautende A sonst mit αἱ wechselt, scheint es mir sicher
zu sein, dass dieser Wortstamm mit weid (Gen. Pl. xeidie)
“10 strangolare; laccio, nodo, capestro, eorda’, weidem "strango-
450 Sophus Bugge,
lare” zusammengehöre und dass heidz- unter irgend einer Be-
dingung aus weid- entstanden sei. Vielleicht darf man xeid
auf eine Grundform *skrt-is zurückführen, von einer Wurzel
#®skert-, worin man eine Nebenform zu aind. ertdti "bindet ’
vermuten kann. Dies sei jedoch nur als eine unsichere Hypo-
these erwähnt.
4. Mit heijanem ist herjanem Aor. herji “fendere, rom-
pere, dividere, risecare’ völlig gleichartig. Selten findet sich
herj “fesso, fessura’. Ich vergleiche lit. skerdziu ”berste,
springe auf, bekomme Ritze’, worin Brugmann (Idg. Forsch.
I 176) einen Stamm sgerdh- findet und womit er das gleich-
bedeutende ahd. scerintw verbindet. Arm. herj- ist nach meiner
Vermutung aus *xerj-, xerd- entstanden.
5. Der hier behandelte Lautübergang gibt uns viel-
leicht über ein wichtiges Wort genügenden Aufschluss. anjn
“persona, anima, ipse, corpus’ (vgl. anjneay “corpulentus, per-
magnus').
Die Vergleichung des aind. datman- legt freilich die von
Diefenbach (Vgl. Wtb. der got. Spr. I 47) geäusserte Vermu-
tung nahe, dass anjn zu an- "atmen gehöre. Allein dabei
gelangt man nieht so leicht zu einer wahrscheinlichen Grund-
form von anjn.
Das auslautende » in anjn ist wohl wie n in vielen andern
Wörtern ein speziell armenischer Zusatz, der in naxanj "in-
vidia’ (von nax “primum, prius’ und *anj s. v. a. anjn, vgl.
Petermann Gloss.), Gen. naxanju, fehlt.
Ich vermute, dass *anj- aus *and-, idg. snt x entstanden
ist, und führe somit arm. anjn auf das Pzp. des idg. es-
‘sein’ zurück; vgl. gr. ovcıa “Wesen. Nach der Auffassung
Diefenbachs wäre anjn aus ursprachlichem *ant- "Atem ent-
standen.
Unter welehen Bedingungen ist nun dz aus αἱ hervorge-
gangen? Dieser Übergang ist mit dem von mir in ΚΖ. XXX
40 f. nachgewiesenen Übergange von t zu ts ganz analog.
Man vergleiche he/janem, he/janim aus zeld-, herjanem aus
®gerd-, idg. *skerdh- mit hecanim aus *het-, idg. *sed-; zaca-
nem aus "xat-, aind. khäd-; amicanem aus *anit-, idg. *dneid-.
Vor ὁ wurde £ lautgesetzlich zu ἐδ: zavarci von wavart;
zaicim neben wait. Ebenso nehme ich an, dass heiji laut-
gesetzlich aus *heidi, *xe/di entstanden ist. Aus jer neben
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 451
duk folgere ich, dass das inlautende d auch vor e lautgesetz-
lich in dz überging: *xeider, *heider wurde zu heijer. Allein
durch Analogiebildungen ist das lautgesetzliche Verhältnis
zwischen d und 7, wie das zwischen £ und c, verdunkelt
worden.
Abweichend ist arm. 2167 "medius’ aus idg. "medhyo-s,
urju “Stiefkind’, wo das erste « wohl durch Vokalassimilation
zu erklären ist, aus *ordyu, von ordi “Sohn’, entstanden. Dies
aus dy entstandene 7 scheint mir älter als das vor ὁ, e aus ὦ
entstandene 7, ἃ. h. ἀξ. Vgl. das Verhältnis zwischen (d2),
Z und dz, z im Slavischen; siehe Brugmann Grundr. I S. 339,
341. — Endlich kann 7 seinem Ursprung nach = d + sein.
1. In sinj, sosinj “glutine, pece’ habe ich (KZ. XXXII
86) ein Lehnwort aus einer nicht idg. Sprache vermutet, dessen
j aus d + z entstanden sein sollte; vgl. awar. sino Leim’,
sedeze “leimen’.
2. yorjan “piena, fiumara; rapido corso delle acque;
bollore’ scheint mir aus *yord-hosan entstanden zu sein. Vgl.
yord “abbondante, copioso, pieno’; yordahos “che scorre rapido’,
yordahosk ‘piena’; hosank “corso delle aeque‘. Aus *yord-
hosan entstand zunächst *yordosan, *yordsan. Dann wurde
s durch den Einfluss von d tönend: yordzan (yorjan).
Auch sonst wird ein unbetontes o zuweilen, wie im Vulg.-
Arm., ausgelassen: der aus οὔ er; gguem wird in dem Wtb. d.
Akad. so erklärt: “ulnis ampleetor....i gogn ... paipayel’
und ist daher wohl von gog “sinus, gremium’ abgeleitet.
Das anlautendeidg. sr im Armen.
Wie das anlautende idg. sr im Arm. behandelt wurde,
ist bisher nieht ermittelt. Es erhellt aus den folgenden Be-
legen.
1. aroganem oder oroganem ‘rigo, fundo, derivo', auch
arogem (Aor. -geci) oder ofogem und arogacucanem. Das
Wort wird oft von dem Blute angewendet, z. B. ariumn aro-
ganer zerkirn Agathang. “das Blut benetzte die Erde”. Peter-
mann vergleicht lat. rögare. Nach meiner Vermutung ist da-
gegen afroganem aus einer Urform *srowdno (-nnö) entstanden.
Ich vergleiche zunächst lit. srävinu “mache bluten’; vgl. noch
aind. srävdyafti) u. 5. w. Der anlautende arm. Vokal ist
vorgeschlagen wie in arag, orcam u. 5. W.
459 Sophus Bugge,
2. Zu derselben Wurzel (und nicht, wie Fr. Müller Armen.
VI Nr. 9 meint, zu der aind. Wurzel ars-) gehört gewiss ar
“rivus, eanalis’. Allein es lässt sich kaum sicher bestimmen,
aus welcher Urform dies entstanden ist; denn es sind mehrere
Möglichkeiten vorhanden, z. B. konnte sowohl *sruro-s, *srurd
als *sruti-s zu ara werden. Dies steht zu aroganem im
Ablautverhältnisse, wie ὄν “Aufbruch” zu dogay “ich ging'').
3. αὐαΐ “abbondante, copioso, liberale, buono, ottimo'.
Nach meiner Vermutung aus einer Grundform *sruad-, zu gr.
ῥυάς — adoc flüssig’. Der Bedeutung wegen erinnere ich an
ῥύδην “fliessend, reichlich’?). arat kann lautgesetzlich für
®qjuat stehen. Dasselbe Suffix findet sich in parat zerstreut’,
das ich (Arm. Beitr. S. 20) mit gr. σποράδ- zusammengestellt
habe.
Daside- tr im Armen.
Der idg. Lautverbindung tr, welche im Inlaute vor dem
Haupttone stand, entspricht im Arm., wie ich mit Hübschmann
annehme, r; das ? ist zu konsonantischem ὁ oder « geworden
oder ist geschwunden?). Einen guten Beleg hierfür giebt δὴ)"
“mazza, elava, bastone grosso’ (wovon u. a. bravor “che ha
bastone in mano’) = gr. φιτρός “Baumstamm, Block, Klotz’.
L
Uber φιτρός vgl. Brugmann Grundr. II 114 Fussnote 1,
Thurneysen ΚΖ. XXXI 84.
Arm. rk dureh Umstellung entstanden.
1. o/ork “liseio, piano; pulito, lisciato; sdrucciolo, scorre-
vole’. Jüngere Schreibungen sind w/ork und Zork. Durch
Vokalassimilation aus *olörk; vgl. oros neben oris “separate.
Andere Beispiele der Vokalassimilation in meinen Arm. Beitr.
S. 58. oJork aus *olirk setzt eine Grundform *oligro-s —
er. ὀλιβρός voraus, aus *ligro-s, Nebenforn zu *sligrö-s, nach
<
Ὑ
"ick —= ags. sliper, noch bei Shakespeare slöpper.
1) Über span. arroyo ‘Bach’, asp. arrogio, portug. arroio,
lat. arrugia ‘Stollen’, friaul. roje roe “canale d’acqua corrente’
u. s. w., vgl. G. Meyer Etym. Wtb. ἃ. alb. Spr. S. 335 unter perua.
2) Franz. effuston de coeur zeigt denselben Bedeutungsüber-
gang wie nach meiner Vermutung das gleichbedeutende arm. aratu-
tun 57}.
3) Die von mir in Beitr. z. et. Erl. d. arm. Spr. S. 28 versuchte
Deutung von ord? ist hiernach irrig.
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 453
2. pirk “stretto’; davon prkem “legare stretto, appic-
care, eondensare’. Statt *pörk (vgl. Verf. Arm. Beitr. 5. 34)
aus einer Grundform *sphigro-s zu gr. cpiyyw "schnüre, presse,
binde fest’. Vgl. parar aus idg.*sphoro-s (Verf. ΚΖ. XXX1 23 f.).
ὃ aus ἢ.
Mit Hübschmann nehme ich im Gegensatz zu Bartholomae
(Stud. IE 37 Anm.) an, dass ein im idg. Inlaut stehendes m
im Arm. durch vo, « vertreten sein kann. Ein, wie mir scheint,
sicheres Beispiel ist anın Gen. anuan "Name, vgl. akymr.
enw, air. ainm, u. 8. w. InBB.XVII 132 sagt Bartholomae,
dass “wir .. des akymr. emo wegen doch eine Grundform
°nwen annehmen müssen”. Allein, dass das w von enw viel-
mehr aus m entstanden ist, lehrt Zeuss-Ebel Gr. Celt. 115.
Auch andere Beispiele dieses Überganges, welche Hübschmann
angeführt hat, sind, wie ich glaube, richtig, so z. B. aur Gen.
avur Tag’ neben gr. ἦμαρ. Vgl. meine Bemerkungen in KZ.
XXXI 13—15, wo ich u. a. hivand "schwach, krank’ aus
"nemmto-s gedeutet habe.
Das inlautende idg. m ist in andern arm. Wortformen
durch m vertreten. Ich vermute, was ich nicht streng be-
weisen kann, dass idg. m, wenn der nächst vorhergehende
Vokal den Hauptton trug, im Arm. ungeändert blieb, dass
dagegen das idg. m, welches nach einem schwachbetonten
Vokale folgte, im Arm. zu vo, « wurde.
Hiermit vergleiche man den oben unter au behandelten
Lautübergang. Wir haben also im Arm.
v, u aus m
auc aus ang
au) aus angh N vor dem Haupttone.
au) aus anr
iut aus ind |
Im folgenden werde ich die Vermutung begründen, dass av
ganz analog aus an entstanden sein kann.
1. ktav “Lein’, Lehnwort aus pers. katän, vgl. de La-
garde Stud. $ 1195. Das vo von ktav scheint mir in vortoniger
Stellung aus » entstanden zu sem, vgl. Gen. ktavoy oder -u,
ktavat "seme di lino’ u. s. w.
2. aravir “indarno, in vano’ wohl von der Präpos.: a’
und anir “senza effetto, vano, inutile’ (von an- und ir).
Indogermanische Forschungen I 5. 29
454 Sophus Bugge,
3. avart “fine, termine, capo, colmo’ aus *anart zu gr.
ἄνω (aus *avFw), ἀνύω, ἁνύω “bringe zum Ziele, vollende”,
aind. sanöti “er gewinnt, erlangt”. Wegen des Suflixes vgl.
z. B. parart von parar.
4. gavak Gen. -ae “groppa, le natiche, chiappe’ aus
*ganak zu aind. jaghäna- oder jaghand- m. und n. “Hinter-
backe, Hinterteil’, gr. koxwvn “die Stelle”zwischen den Schen-
keln bis hinten an den After’. Das erste a von gavak ist
wohl wie in anurj (Bartholomae Bezz. Beitr. XVII 103) auf-
zufassen.
5. avwer “rovinato, distrutto', averem “rovinare, distrug-
gere’ vielleicht für *aner, mit gr. evaipw “erlege, töte‘, vgl.
πόλις ἐναίρεται “die Stadt wird zu Grunde gerichtet‘, ver-
wandt.
6. avar “bottino, preda, spoglio’; davon avarem "sac-
cheggiare, predare, spogliare’. Das Wort erinnert an pehlewi
äpär ‘Raub’, auch an osset. abreg, awar. abürik Räuber’
(Hübschm. Osset. Spr. S. 119), steht aber vielleicht für *anar
und gehört dann wohl mit gr. ἔναρα “spolia, Kriegsbeute” zu-
sammen. Gr. ἔναρα hat Curtius (Verbum) mit aind. sdnara-
“Gewinn, Beute’ (RV. I 96, 8) zusammengestellt, indem er
evaipw für verwandt ansieht. Das Verhältnis von aver zu
ἐναίρω und von avar zu ἔναρα setzt einen alten Betonungs-
wechsel voraus. Dadurch erklärt sich das arm. a dem gr. e
gegenüber.
» und p aus ὃ, idg. bh.
Im Arm. wechselt b oft mit p. Dies ist sowohl im An-
laut, als im Inlaut, sowohl bei Lehnwörtern als bei echt arm.
Wörtern der Fall. In mehreren Lehnwörtern ist das p sicher
aus b entstanden. Ich gebe im folgenden einige Beispiele
dieses Wechsels.
aparpi neben abarbi aus εὐφόρβιον (de Lagarde Stud.
$ 2). ῥαλ- entsprieht dem Sinne nach dem gr. cuv-, dem lat.
con-, 1. B. pakanun “univoco, sinonimo', pakarim “esser com-
pitato’, pararutiun “sillaba’, paiem “unire‘. Daneben ba4-,
z. B. balanunutiun “sinonimia’, bakajain “consonante', bakem
“congiungere, unire’, pndern neben bndein, bndiin "scarafaggio';
zarnapndor neben zarnabendor “confusus'.
Ferner wechselt das anlautende p oft mit p, und in die-
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 459
sem Falle ist mehrfach nachgewiesen worden, dass p das ur-
sprünglichere ist: por und por "Schwan’‘. palpakak “pietra
transparente” neben ῥαλῥαλίηι “risplendere vivamente’, welche
ich (Arm. Beitr. S. 34) zu aind. sphurdti gestellt habe.
In dem Lehnworte parak, parag, parag, barak "baracco,
bracco, cane da caccia’ ist arm. p, p aus ital. ὃ entstanden.
Hiernach muss man erwarten, dass idg. bh in dem An-
laute echt armenischer Wörter nicht nur zu b, sondern auch
zu ἡ und p werden kann. Dies finde ich durch die folgen-
den Beispiele bestätigt.
1. paxceim Aor. paxeay fugio', paxucanem “fugo',
Dasxust “fuga’ zu lit. bögu “laufe”, bega-s Flucht’, ksl. δόξα
“fliehe’, begs “Flucht’. In demselben Ablautsverhältnisse steht
arm. takcim “ich verberge mich’ zu gr. nrnccw. Wegen des
arm. x neben dem lit. g vgl. arm. paxarakem "spotte, tadele’
neben gr. woyrepöc "tadelsüchtig, zaxut neben anord. skaka.
Awar. bacdzize "verjage', bäcize "jagen, antreiben’ (Us-
lar-Schiefner) klingt wohl nur zufällig an das arm. Wort an.
Das awar. Wort hat beweglichen Anlaut, daneben findet sich
racize.
2. punj “mazzo, mazzetto di fiori, radice, stelo, gambo,
fusto, fiocco, frangia‘. Z. B. evtn hask elanein i mium penji
Genes. 41, 22 (im uno culmo). punj für *bunyo- zu arm.
bun "tronco d’albero, fusto, gambo, stelo’; vgl. npers. bun,
avest. buna-, air. bun (Verf. ΚΖ. XXX 5).
3. paitem (Aor. -teci), paitucanem “dirompere', paitim
“erepare, feudersi” vielleicht zu aind. bhedd- "das Zerbrechen’,
bhid- bhindtti bhedati spalten’, Kaus. (in der späteren Sprache)
bhedaya- "spalten, brechen, zerschlagen’. Ist arm. αὐ hier, ob-
gleich idg. *bheid- zu der e- o-Reihe gehört, wie in ait neben
gr. oidoc aufzufassen? Wegen des f von paitem vgl. poit
neben gr. σπουδή. Oder kann ait aus *axtı entstanden sein
und paitem mit paxumn “dirompimento’ verwandt sein?
4. ῥαὶέ (Gen. paiti) "Holz, Baum’ gehört wahrscheinlich
zu derselben Wurzel wie arm. paitem, aind. bhedati. Im Lat.
wird findere gewöhnlich von dem Spalten des Holzes ange-
wendet. Lautlich verhält sich pait zu paitem wie perekem
zu perekem.
9. perekem Aor. -eci "squarciare, fendere; aprire’; wird
auch perekem geschrieben. paraktem “rompere, dividere,
456 Sophus Bugge,
got. brikan brechen u. 5. w. (Aind. sphärj- und was dazu
gehört liegt dem Sinne nach ferner, dasselbe gilt vom lat.
spargo.)
6. palar “pustula, bolla, veseichetta, ornamento ἃ guisa
di bolla’ vielleicht zu idg. bhla-; vgl. lat. flare, ahd. blatara
(aus ble-) ‘Blatter’, anord. bladra, wozu Bartholomae (Stud.
z. idg. Sprachgesch. II 152) avest. barenti ... ayan V. 8, 4
“an einem windigen Tage’ stellt. Die Grundform von palar
wage ich nicht zu bestimmen.
τ. prpur °Schaum’ vgl. gr. πορφύρω "ich bin in un-
ruhiger Bewegung, walle auf’ vom Meere? Oder zu lat.
spuo?
Der genannte Wechsel ist zum teil gewiss seinem Ur-
sprung nach dialektisch. Altarm. ὃ wird ja jetzt dialektisch
als p und ph, und umgekehrt p als b ausgesprochen. Allein
da wir im Schrift-Arm. z. B. punj neben bun finden, scheint
es möglich, dass eine Verschiebung der ursprachlichen Beto-
nung (den genannten Wechsel in einigen Fällen hervorgebracht
hat. Das Verhältnis von perekem zu peiekem ist wohl wie
das Verhältnis von χιτών zu xıdwv zu erklären. Da das p
von arpn ‘Licht’, erpn Farbe’ nach r aus v entstanden ist
(Verf. ΚΖ. XXXI 65 und 75), mag das p von peiekem viel-
leicht durch das folgende #* bedingt sein.
separare’; erkparak “separato uno dall’ altro’. Vielleicht zu
p aus ps.
1. Zarap (Gen. -oy) "nimbus’. Zu aind. drapsd-s "Tro-
pfen’. Arm. p ist hier aus idg. ps entstanden wie z. B. in
epem ‘koche’, gr. &yw; vgl. Verf. Arm. Beitr. S. 21. Wegen
des ersten a von tarap vgl. arac neben gr. ypacrıc, aragil
neben ahd. chragil. Der Anlaut ist in eraz Traum’ aus
drdh+ und eres “Gesicht” aus drk- (Verf. ΚΖ. XXXU 39)
anders behandelt worden.
2. In meinen Beitr. z. et. Erl. d. arm. Spr. S. 21 habe
ich Beispiele davon angeführt, dass ein anlautendes arm.
einem gr. w entspreehen kann. Zwei andere Beispiele will ieh
hier geben. Das Fremdwort ψόλος findet sich einmal im Arm.
pulos geschrieben. Vgl. piurid, piurit aus CTTUPIC (ςφυρίς),
Akk. cmupida. Über Z in Lehnwörtern — gr. X siehe Verf.
ΚΖ. XXXII 401.
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 457
3. pux, pur “fragilis, friabilis, mollis’; davon parem
“torreo, eontero’. Zu gr. wwxoc “alles Kleingeriebene’, ψώχω
“zerreibe, zermalme’.
Er KU.
In meinen Beitr. z. etym. Erl. d. arm. Spr. S. 41f. habe
ich erku “zwei als durch den Einfluss von erek ‘drei’ aus
einer älteren Form ἔζων entstanden erklärt. *kau soll nach
meiner Deutung aus *ou = idg. *duö entstanden sein. Mit
dem vorausgesetzten *ku habe ich kai "raddoppiamento’ und
krkin “doppelt’, vgl. mekin einfach‘, erekkin, corekkin u. ἃ. W.,
verbunden. Nach diesem krkin (*kirkin) ist, wie ich (Etrusk.
u. Arm. I 121) vermutet habe, für erkir "secondo’ ein älteres
*kir aus duit(e)ro-s voraussetzen. Ein verwandter Lautüber-
gang erscheint im arm. ἢ aus idg. tu.
Meine Erklärung von erka wird von Brugmann (Grund-
riss II S. 469) als ‘sehr gewagt’ bezeichnet, und Andere haben
erku als nicht indogermanisch erklärt.
Dass erku ein idgerm. duo voraussetzt, lässt sich, wie
ich vermute, auch von einer andern Seite aus wahrscheinlich
machen. Neben erku zwei’ finden sich erkotasan "zwölf,
erkokean “alle beide’. Das Verhältnis zwischem dem « von
erku und dem o von erko- lässt sich kaum aus der speziell
arm. Lautlehre erklären!). Dasselbe erklärt sich dagegen aus
dem Verhältnis des idg. *duo zu "duo; vgl. gr. δύω, δώδεκα
und daneben δύο, δυόδεκα.
ku) “raddoppiamento’ enthält wohl nicht die Form *duö,
sondern ist aus *kovA, "duöplo-s entstanden. Vgl. lat. duplas
und arm. kun “ Schlaf’ aus *koen, "suopno-s.
cork.
Hübsehmann setzt für &ork “vier’ eine Grundform *getuores
voraus, die lautgesetzlich zu &or- geworden sein soll. Allein
tu wird, wie Bartholomae hervorhebt, im Arm. zu X und fällt
nicht aus. Nach Bartholomae (Stud. z. idg. Sprachgesch. II 33)
entstand aus einer Urform *getuor- zunächst *A’ekor-. Er
1) Während die Wörter auf - (z. B. bar:i) als erstes Kompo-
sitionsglied eine Form auf -e (z.B. bare-) aus -*ea annehmen, lautet
z.B. alu als erstes Kompositionsglied wAua-, aru lautet arıa-.
458 Sophus Bugge,
nimmt alternativ an, dass hieraus *ckor-, cor- entstand, indem
die Einsilbigkeit des daneben stehenden Kar die Ausstossung
des e bewirkte. Allein es kommt mir sehr wenig wahrschein-
lich vor, dass man *k’ekor- durch Analogie in *ckor- abgeändert
habe, da *ckor- so schwer aussprechbar war, dass es wieder
geändert werden musste. Die andere Vermutung B.s dor-
stelle eine Konfusionsbildung von *cekor- und kar dar, ist
meiner Meinung nach allzu kompliziert.
Ich gehe von einer Grundform *getöres aus. Vgl. dor.
teropec und aind. catearas, caturas. Ich nehme mit Hübsch-
mann an, dass urarmen. -etö vor der Schlusssilbe im Arm. zu
-&yo-, -ὅο-, -io- wurde. Also *getör-, *k’eyor-, *"k’eor-. "k’ior-;
aus *kior- entstand wieder, wie ich vermute, *k’yor-, *yor-,
cor-. In eork dürfte also das € wie sonst (Bartholomae Stud.
II 20 f.) aus %’y entstanden sein.
hanem.
hanem, Aor. 5 Ps. Sg. ehan “tollo, eveho, aufero, pro-
dueo’ setzt nach meiner Vermutung eine Urform *ano voraus.
Diese verhält sich zu gr. ἀνά wesentlich wie ἄντομαι zu ἄντα.
Ähnlich ist aind. tdrati “setzt über (ein Gewässer)’ mit tiras
“trans” verwandt. Überhaupt wurden in der voridg. Ursprache
die pronominalen Stämme, von welchen die Präpositionen ge-
bildet worden sind, auch ohne irgend welchen Zusatz verbal
aufgefasst.
In vielen arm. Wörtern ist das A prosthetisch; siehe
Verf. ΚΖ. XXXIH 13—16. Man sagt im Arm. hanel z-ogi
‘spirare, esalar lo spirito’, y-ogeoc hanel "sospirare‘. Dies
lässt vermuten, dass aind. dniti "atmet’, got. uz-ana "exspiro’
u. s. w. mit arm. hanem zusammengehören und dass “atmen’
bei denselben für eine spezielle Anwendung der Bedeutung
“aufziehen, erheben’ zu erklären ist.
hund.
hund Gen. hndoy bedeutet ‘Samen’. In der Bedeutung
“Hülsenfrucht’ (legume) ist es wohl dasselbe Wort und von
und Gen. endoy “legume, eivaja’ nicht verschieden!). hund
1) Fr. Müller (Armen. VI Nr. 48) stellt, wie ich glaube, mit
Unrecht und mit gr. ἄνθος, aind. andhas zusammen.
Zur etymolog. Erläuterung der armen. Sprache. 459
“Samen” enthält wohl dasselbe Sufüix wie enund "generazione,
origine, stirpe, figlio', serund “procreazione, prole, stirpe?,
snund “il nodrire, nodritura’. hund kann lautgesetzlich aus
*hiund entstanden sem. Ich führe dasselbe auf eine Grund-
form *seyonto- zurück und leite es vom westidg. *seio “ich
säe’ ab.
Y isem.
yisem (Aor. yiseci) “ricordarsi’. Von der Präpos. © +
us ‘memoria’. Vgl. Verbindungen wie y-us arkanel und y-us
arnel 5. v. a. yisecucanel “ricordare', y-us liei, y-us esev.
Also yisem für yesem, "y-us-em.
veh.
veh (Gen. vehi) "maggiore, piu grande, superiore, eceel-
lente, sommo, sublime, supernale, altissimo’ wird von de La-
sarde (Stud. $ 2120) mit aind. vasu-, avest. vanhu-, npers.
bih zusammengestellt. Allein in echt arm. Wörtern wird ein
intervokalisches idg. s nieht durch ἢ vertreten. Nach Peter-
mann (Gramm. ? 5. 17) ist weh aus ver entstanden; allein r
kann so nieht A werden. Da veh jedoch lautgesetzlich aus
®gerh entstanden sein kann, hat Petermann gewiss insofern
Recht, als veh mit ὁ ver “hinauf, oben, über’ verwandt ist.
Das inlautende A, rh kann, was de Lagarde zuerst gesehen
hat, aus rtr entstanden sein; vgl. mah, marh “ Tod’ aus *martr,
idg. *mrtro-m — got. maurpr. Ich vermute daher für veh
eine Urform *apertro-s aus idg. *upertero-s, wie ver aus idg.
uper- entstanden ist.
Das duale und komparative Suffiix -tero erscheint in den
idg. Sprachen vielfach ohne das e; so z. B. im aind. antra-m,
sr. ἀλλότριος, lat. intro, ksl. jetro (Brugmann Grundr. II
S. 177). Wenn meine Deutung von veh richtig ist, wird durch
dieselbe die Zusammenstellung von ὁ ver mit aind. varsman-
widerlegt.
Christiania, Anfang September 1891.
Sophus Bugge.
460 Rudolf Thurneysen,
Der irische Imperativ auf -the.
Die II. Sg. des Imperativs auf -the (-de) führt die Gramm.
Celt.? 443 als "forma emphatica’ auf. Da sie aber von der
kürzeren Form im der Bedeutung nicht abweicht, erscheint sie
in Windischs Grammatik $ 255 einfach als deren Doppel-
gänger; im Paradigma steht berthe neben θοῦ)", carthe neben
car, lecethe neben leic. Speziell von diesen Verben ist aber
der Imperativ auf -the nicht belegt. Er findet sich im Altiri-
schen fast nur bei Verben, die immer oder vorzugsweise depo-
nential flektieren; d.h. die Formen sind II. Sg. Imperat. Dep.
Eine besondere Form für den deponentialen Imperativ hatte
schon Stokes (K. Beitr. VII 2) ansetzen wollen, gestützt auf
Beispiele wie ni aigther “fürchte nicht’; doch haben Ebel
(Gr. ©. 1090 ad 442) und Windisch (8 591) in solchen Formen
adhortative Konjunktive erkannt, wie bei mehreren schon die
vorgesetzte Negation nd anzeigt, welche nicht mit den zweiten
Personen (des Imperativs verbunden wird. Der alte Imperativ
von -agur lautet vielmehr aögde LL. 278%, 591).
Die Hauptfundgrube für die Formen auf -the sind die
Denominativa mit -aög- -ig-, bei denen ja die deponentiale
Flexion bei weitem vorherrscht. Die Gramm. Celt.? 445 u.
1090 zitiert: nut-asigthe “caleia te’, dianaigthe “celera ‘, ruc-
caigthe “eondemna’, ollaigthe “amplilfilea’, slänaigthe “osanna’;
dazu kommen foilsigthe “revela’ MI. 56°, 2, fochridigthe "ac-
eingere’ 27°, 5, trebrigthe "perpetua’ 884, 10.
Auch bei andern Verben stellt sich -the (de) zu depo-
nentialen Formen; so cwörthe “jeeta’ Ml. 56°, 5, frecuirthe
ceill “recole’ B. Cr. 33P, 2 zu neich arind-chuiriur C. Paul. 1,
neich frit-curethar cheill ΜΙ. 41%, 16 ete.; cluinte “exaudi’
MI. 136%, 10 zu ro-chluinethar; follaide ‘rege’ MI. 46”, 18
zu follaither-su “regis’ MI. 324, 5; nos-comalnithe “ erfülle sie’
Wb. 30%, 1 zu forsnaht comalnatar Wb. 204, 1 ete.; nacham-
dermainte “vergiss mich nicht’ MI. 324, 5 zu con-dermanam-
mar-ni Μ]. 21°, 3 ete.; aditchide-siu, “detestare’ Ml. 105%, 7” zu
ad-eitchethar MI. 509, 9 ete.; atlaigthe bude "sage Dank Fiacces
H. 49 zu atluchedar buidi MI. 128°, 3 ete. Nur zu indnite
1) Ebendort, letzte Zeile, steht dasneugebildete aktivische aög-sdu.
Der irische Imperativ auf -ἔλμε. 461
‘warte’ Wb. 10%, 21 sind bis jetzt bloss aktive Formen, ne-
ben der III. Sg. indnadad Wb. 114, 14 die I. Sg. Ind. in-
meuth (gl. operio) M. S. L. 5, 161; Rev. Celt. V 470 belegt.
Doch vermag dieses eme Beispiel den ursprünglich deponen-
tialen Charakter der Endung nicht in Frage zu stellen.
Im Mittelirischen ist neben clwinte die häufigste Form
dieser Gattung finta findtae “erkunde’ von dem Stamme finna-,
der im Altirischen gleichfalls deponential flektiert, und der die
Bedeutungen “erkunden, kennen lernen’ und “kennen, wissen’
in sich vereinigt. Die erstere hält Zimmer (Z. f. deutsch.
Alterth. XXXV 148!) für die jüngere: die in Irland einfallenden
Vikinger sollen den Eingeborenen finn bu "mache ausfindig!’
zugerufen haben; diese hätten es als ihr finta "wisse" aufge-
fasst und nun diesen Imperativ im veränderter Bedeutung ver-
wendet (!!). Unrichtig ist seine Angabe, schon im Altirischen
trete der Stamm vorwiegend imperativisch auf. Vielmehr bie-
ten die alten Glossen nur einen Beleg für den Imperativ neben
sieben für andere Modi. Gewisse Tempora und Modi der
Wurzel vid- können eben nur von diesem Stamme gebildet
werden. Da das Präs. Ind. “ich weiss’ durch die singuläre
Bildung ro-fetar vertreten wird, kommt die Sprache in Ver-
legenheit, wenn sie das Imperf. Ind. und den Imperat., die
gewöhnlich auf dem Präsensstamm beruhn, bilden soll; hier
tritt der Stamm finna- vikarierend ein; vgl. Imperf. Ind. is
eside rod-finnad “der wusste es’ Sg. 209”, 25; Ill. Sg. Im-
perat. in-linn ro-fitir a-peccad, finnad a-ceursagad "wer ihre
Sünde kennt, soll [auch] ihr Ausschelten kennen (kennen ler-
nen)” Wb. 29%, 17, Glosse zu: Peecantes coram omnibus argue.
Im Indikativ des Passivs kann das Präteritum ro-fess auch als
Präsens “man weiss’ dienen (vgl. MI. 51®, 7). Häufiger wird
Jedoch für das Präsens Passivi der Stamm finna- beigezogen;
vgl. ni-taibre grad for-nech causa a-pectha 1. a-chain-
gnima; ar bit alaili and, ro-finnatar a-pecthe r(e)sin docdi
grdd forru; alaili, is iarum ro-finnatar "gib niemand einen
kirchlichen Grad mit Rücksicht auf seine Sünde oder auf sein
gutes Benehmen; denn es giebt solche, deren Sünden man
kennt (kennen lernt), bevor sie den Grad erhalten, andere, bei
denen man sie [erst] später kennen lernt" Wb. 29%, 28; in-
chaingnimai aili, is iar-cein ro-finnatar “die andern guten
Handlungen lernt man lange nachher kennen’ Wb. 29%, 30;
462 Rudolf Thurneysen,
am. nadn-airigther 7 nad-fintar an-du-gnither hi-suidi "wie
man nicht bemerkt und nicht erkennt (weiss), was in ihr (in
der Nacht) geschieht’ MI. 30%, 3. In den Mailänder Glossen
wird auch das deponentiale Präs. Ind. verwendet, das sich
dann von ro-fetar in der Bedeutung nicht wesentlich unter-
scheidet: fs timnae n-de 7 a-forcaill, is ar-sainemli ad-
rimther to-neuch rud-finnadar "die Kenntnis der Gebote Gottes
und seines Zeugnisses wird dem als Auszeichnung angerechnet,
der sie kennt” MI. 46°, 24; am. nad-finnatar sidi οἷα loc
sainriud dia-regtais "wie diese (die Tiere) nicht wissen, an
welchen Ort sie gerade gelangen sollten’ MI. 99°, 10. Die
inchoative Bedeutung “erfahren, erkunden’ dürfte bei dem na-
salierten Stamme die ältere sein.
Die deponentiale Endung der 11. Sg. Imperat. -the (-de)
ist offenbar nicht wesentlich verschieden von -ther (-der) in
der II. Sg. Präs. Ind., Präs. Konj. und Fut. Dep.;; nur ist
letztere um das sich ausbreitende -r vermehrt!). Wir sehen
also, dass schon vor dem Antritt des -r die deponentiale Fle-
xion sich von der aktiven unterschied, dass folglich das irische
Deponens nicht als eine unmotiviert und spät hervorsprossende
Nebenform der aktiven Flexion gefasst werden kann, wie
Zimmer (KZ. XXX 224 ff.) thut. Von dieser Ansicht hätte
ihn schon die Thatsache zurückhalten sollen, dass mehrere
der irischen Deponentia zu den Verben gehören, für welche
mediale Flexion seit ältester Zeit charakteristisch ist; vgl.
-moiniur manyate -miniscor, -gainedar jayate nascor, -seche-
thar sacate ἕπομαι sequor, vielleicht -tHuchur loquor. Das
irische »-Deponens ist also ebenso der direkte Fortsetzer des
alten Mediums wie das lateinische.
Dass sich das deponentiale -the mit ind. -thas (vgl. Sto-
kes K. Beitr. VII 6) und griech. -θης (Wackernagel KZ.XXX
307) deekt, ist kaum zu bezweifeln: auslautendes -@s scheint
also ir. τὸ zu ergeben (vgl. Brugmann Grundr. II S. 572). Wie
sich dazu die Endung des Imperfekts verhält, die nach Mass-
gabe des Nenirischen nieht nur im Konjunktiv, sondern auch
im Indikativ als -tha scheint angesetzt werden zu müssen,
vermag ich nicht zu bestimmen. Sie kann aus -the durch
1) Vgl. Windisch Abhandl. ἃ. k. sächs. Ges. ἃ. Wiss., phil.-hist.
Kl. X 496 f., der aber den deponentialen Charakter der Imperativ-
endung nicht erkannt zu haben scheint.
5 ε N 25]
Der irische Imperativ auf -the. 469
Antritt irgend eines Elementes umgestaltet sein; die Bildung
dieses Tempus ist ja überhaupt noch nicht aufgeklärt.
Von der Endung -the -ther weichen im Deponens ab
— ausser dem Perfektum, das seine eigenen Wege geht —
die II. Sg. des s-Konjunktivs und Futurums con-feser na-im-
roimser ete. Gr. ©. 468. 1094 und des s- Präteritums: con-
ruthochaisgesser MI. 43°, 9; ar-ru-cestaigser 24,3; ro-foirb-
thichser 43%, 17; 50», 13; ro-lethnaigser 50%, 14; ro-suth-
chaigser 81", 9; ro-taitnigser 105°, T: ro-sudigser 121°, 12,
denen der Dental fehlt. Die Endung der letztgenannten lässt
Zimmer (KZ. XXX 257) nach Analogie der II. Sg. des aktiven
s-Präteritums -ais -is gebildet sein; das ist natürlich unmög-
lich, weil dann die Formen auf -aör -ör ausgehn müssten. Denn
-air wird nicht zu -er, wie -aör -ir in der III. Sg. Präs. Pass.
und Perf. Dep. zeigen. Windisch (a. a. 0.496) nimmt an, die
alte Endung des Aktivs *-sös (aus *-ses) sei vermittelst -” me-
dialisiert worden, wie im Latein -imus zu -imur. Bedenkt
man jedoch, dass beide s-Bildungen gewisse Formen ohne
thematischen Vokal besitzen (so die III. Sg. Akt., einige starke
Verba die imperativische 11. Sg. Akt.), so liegt es gewiss nä-
her, die Endung -sse-r auf unthematisches -s-thes (+r) zu-
rückzuführen mit ss aus sth — vgl. gr. ἐδαμάςθης ind. janös-
thäs ‚ zumal nach Wackernagel (ΚΖ. XXX 313) -thes ur-
sprünglich der unthematischen Konjugation eignete. Gegen
diese Erklärung spricht kaum die II. Sg. Dep. mit scheinbar
erhaltenem 2: con-festar ru-fiastar ro-suidigestar. Denn die
Durchführung des ὁ (th) der III. Sg. durch fast das ganze
Deponens wird im Gefolge jener Neuerungen stehen, durch
welche die Sprache sekundär das Deponens vom Passivum zu
unterscheiden trachtete (s. KZ. XXXI 63); so steht dem de-
ponentialen Kon). -festar der passive -fessar gegenüber. Frei-
lich verwischte sich der Unterschied allmählich wieder, indem
das ἐ (th) auch in das Passiv eindrang; so schon air. Pass.
-mestar neben -messar (ΚΖ. XXXI 75) u. ähnl. Die Veran-
lassung war, dass die schwachen Verba von Alters her im
Präsens das ? (th) auch im Passivum aufwiesen.
So hat also die Endung der II. Sg. urspr. -thes im ΠῚ-
schen das ganze Medium mit Ausnahme des Perfektums erobert.
Freiburg 1. Br. Rudolf Thurneysen.
404 Herman Hirt,
Die Urheimat der Indogermanen.
Von zwei verschiedenen Seiten aus hat man sich bemüht,
die Urheimat der Indogermanen zu bestimmen, und bei der
Wichtigkeit, die die Feststellung des ursprünglichen Wohnsitzes
dieses Volkes in vielen Beziehungen hat, kann man es nur
mit Freude begrüssen, dass man von verschiedenen Gebieten
aus in diese Frage einzudringen versucht hat. Der Streit zwi-
schen Anthropologie und Sprachwissenschaft wogt hin und
her, aber in keinem dieser beiden Gebiete ist man schon zu
einem endgültigen Ergebnis gekommen. Die anthropologische
Forschung sucht die Rassenmerkmale der Indogermanen fest-
zustellen und danach die Örtlichkeit zu bestimmen, an dem
diese Rassenmerkmale sich mit Notwendigkeit entwickeln
mussten. Dies hat vor allem Karl Penka in seinen anregen-
den und interessanten Schriften “Origines Ariacae’ und "Die
Herkunft der Arier’ und neuerdings wieder in einem Artikel
im Ausland 1891 Nr. 7 ff. S. 132 ff. ‘Die Entstehung der ari-
schen Rasse’ gethan, und es lässt sich nicht leugnen, dass
seine Ansichten sehr viel bestechendes haben, und nachdem
einmal das Ungewohnte derselben zum Gewohnten geworden
ist, manchen Anhänger gewinnen werden.
Die Sprachwissenschaft dagegen erschliesst die indoger-
manische Ursprache und sucht nach den im derselben vorhan-
denen Worten für Tiere und Pflanzen eine Örtlichkeit ausfindig zu
machen, die all die Tiere und Pflanzen, die die Urzeit kannte,
in sieh birgt. Ob sie mit diesem Mittel wirklich eine be-
stimmte Örtlichkeit ausfindig machen kann, ist nicht von vorn-
herein sicher, jedenfalls vermag sie — und das möchte ich
hier vor allem betonen — nur bis zu einer Zeit unmittelbar
vor der Trennung der einzelnen Völker vorzudrimgen, und das
ist eine Epoche, die vielleicht gar nicht soweit zurück liegt, die
in andern Gegenden der Erde sogar durch das Licht der Ge-
schichte erhellt wird. Die Zeit aber, in die die Anthropologie
(die Entstehung der Rasse versetzen muss, liegt unendlich viel
weiter zurück, nach Penka erzeugte die europäische Eiszeit
(die eigentümlichen Rassenmerkmale der “arischen’ Rasse. Und
Die Urheimat der Indogermanen. 465
welche unendliche Zeitkluft zwischen dieser und der linguistisch
zu erschliessenden indogermanischen Urzeit liegt, ist ja jedem
bekannt, der sich nur einigermassen über diese Fragen orien-
tiert hat. In dieser Zwischenzeit können die “Arier’, wie sie
Penka nennt, sehr wohl weit gewandert sein, können neue Wohn-
sitze gewonnen haben, ohne die Rassenmerkmale zu verlieren.
Penka selbst nimmt ja eine Einwanderung der “Arier’ nach
Skandinavien aus Mitteleuropa, dann ein erneutes Vordringen
derselben in den Kontinent an. Über diese ganze Zeit kann
die Sprachwissenschaft nichts erforschen, und Penkas Ansichten
könnten sogar mit der Ansicht vereinigt werden, dass der letzte
Wohnsitz der ungetrennten Indogermanen irgendwo in Asien war.
Wenn demnach die Ziele und Resultate der beiden
Wissenschaften nicht identisch zu sein brauchen, ja im Grunde
es nicht einmal sein können, so ist es bei der Schwierigkeit,
beide Gebiete kompetent zu beurteilen, zunächst für jeden
das beste, auf dem eigenen Gebiet zu bleiben und zu sehen,
was mit den eigenen Mitteln zu erreichen ist. Wenn die bei-
den Wissenschaften zu verschiedenen Resultaten kommen, so
können sie trotzdem beide gleich richtig sein, und wenn sie
zu den selben kommen, so brauchen diese deshalb nieht iden-
tisch zu sein.
Und noch eine Vorbemerkung. Dass die dolichokephalen
srossen, blondhaarigen, blauäugigen, hellfarbigen “Arier’ Pen-
kas eine distinkte Rasse waren, mögen ihm die Anthropologen
einräumen, für die Annahme, dass das indogermanische Urvolk
noch eine völlig einheitliche Rasse war, fehlen uns jegliche
Beweise. Die Sprachwissenschaft hat nur das Recht, von
einem Volk zu reden, denn das wird durch die erschlossene
Ursprache notwendig vorausgesetzt; dass dies Volk einen ein-
heitlichen Rassencharakter trug, können wir nicht erweisen,
hat uns auch zunächst wenig zu kümmern.
Vom sprachwissenschaftlichen Gebiete aus sind nun neuer-
dings von verschiedenen Seiten neue Argumente und bestimmt
formulierte Ansichten für unsere Frage vorgebracht. Im folgen-
den will ich den Wert dieser neuesten Hypothesen besprechen
und soweit als möglich meine eigene Ansicht begründen.
Im Jahre 1885, in der ersten Auflage seiner “Sprachver-
gleichung und Urgeschichte’, hatte ©. Schrader noch keine
bestimmte Entscheidung über unsre Frage getroffen, wenngleich
400 Herman Hirt,
er zum Schluss seines Buches sagt, dass die Ansicht, ‚die Hei-
mat sei eher west- als ostwärts zu suchen, ihm die den That-
sachen weitaus entsprechendere scheine. In der neuen Aus-
gabe vom vorigen Jahre (1890) dagegen glaubt er Europa,
und zwar die südrussische Steppe an der Wolga, mit Wahr-
scheinliehkeit für den Ursitz in Anspruch nehmen zu dürfen.
Ganz andrer Ansicht ist Joh. Schmidt. In einem im
vorigen Jahre auf dem Orientalistenkongress in Stockholm ge-
haltenen Vortrage, der jetzt unter dem Titel “Die Urheimat
der Indogermanen und das europäische Zahlensystem’, bedeu-
tend erweitert, im Druck erschienen ist (Berlin 1890), will er
den ersten sichern Punkt für die asiatische Heimat gefunden
haben 1). Sein Beweismaterial ist in Kürze folgendes.
Das ursprüngliche idg. Zahlensystem war dekadisch. In
den europäischen Sprachen wird dies indessen von einem
Zwölfersystem gekreuzt, das sich vor allem klar im Germani-
schen zeigt. Erstens sind hier die Zahlen 11 und 12 abwei-
chend von 13 u. s. w. benannt, sie sind mit -%f zusammen-
gesetzt, got. ainlif, twalif, während 13, 14 Dvandvakomposita,
3+10, 4+10 sind. Dann werden die Zehner bis 60 gleich-
mässig mit figjus gebildet, got. fimf tigjus, saihs tigjus, von
70 an tritt eine eigentümliche Bildung mit fehund ein. Und
drittens finden wir ein Grosshundert im Germanischen im Werte
von 120.
Während von dem ersten und letzten dieser Einschnitte
in den übrigen europäischen Sprachen nichts zu spüren ist,
findet sich der mittlere, der nach 60, auch im Ital., Kelt. und
Griech. Bis 60 liegt der Zehnerbildung die Kardinalzahl zu
Grunde, ἑξήκοντα, air. sesca, lat. sexäginta, von TO an die
Ordinalzahl, ἑβδομήκοντα, ὀγδοήκοντα, air. sehtmoga 70, ocht-
moga δ, lat. septuäginta, wahrscheinlich Analogiebildung nach
octuäginta für ursprüngliches *septumaginta, nönaginta.
1) Nach Schrader handeln über unsere Frage: C. I. Taylor
The origins of the Aryans London 1890. Gleunie The Eurasian
Mediterranean and Aryan Origins Academy 1890 Nr. 971 p. 569.
Köppen Ein neuer tiergeographischer Beitrag zur Frage über die
Urheimat der Indoeuropäer und Ugrofinnen, Ausland 1891. Hux-
ley The Aryan question 19 Century Nov. 1890 p. 756. Fr. Müller
Joh. Schmidt über die Urheimat der Idg. Ausland 1891 Nr. 23.
J. Schmidt Noch einmal die Urheimat der Idg. ebd. Nr. 27. Fr.
Müller Noch einmal die Urheimat der Idg. ebd. Nr. 31.
Die Urheimat der Indogermanen. 467
Auch sind “sexwaginta, häufiger noch sescenti runde Zahlen,
welche eine unbestimmte Vielheit ausdrücken und sich dadurch
als begriffliche Abschnitte des Zahlensystems verraten.”
Daraus schliesst Joh. Schmidt, dass dieser Abschnitt
nach 60 der ursprüngliche gewesen ist, und er sieht darin
einen Einfluss des Sumerisch-Babylonischen, in dessen Rechnungs-
system, wie wir wissen, 60, der sossos, die Grundlage einer
Zahlenreihe gewesen ist. Wie ein solches Zahlensystem bei
diesem Volke zu stande gekommen, ist leicht erklärlich. Das
Sonnenjahr, dessen Länge man auf 360 Tage annahm, wurde
in Form eines Kreises dargestellt, und in jeden Kreis lässt sich
bekanntlich der Radius 6 mal eintragen, wir erhalten also
6 Abschnitte zu je 60.
Nur wenige werden dem Gedanken, dass in unsrem Falle
ein babylonisch-sumerischer Kultureinfluss vorliegen kann,
von vornherein ablehnend oder zweifelnd gegenüberstehen.
Wohl aber ist es mir nicht so einleuchtend, dass man daraus
so sicher auf einen Wohnsitz der Indogermanen in Asien
schliessen kann.
Zunächst ist es auffallend, was Joh. Schmidt auch an-
gibt, dass die Indoiranier von diesem Einfluss keme Spur auf-
weisen, also — das ist der notwendige Schluss, — zur Zeit der
Beeinflussung schon abgetrennt gesessen haben müssen. Von
dem, was Schmidt im Persischen von der neuen Rechnung
nachweist, wird wohl das meiste, wenn nicht alles, auf direk-
tem späteren Einfluss beruhen. Diese Vermutung ist jedenfalls
so lange für wahrscheinlich zu halten, als man nicht auch im
Indischen Erscheinungen des 12- oder 60-Systems auffindet.
Denn nur das, was auf diesen beiden Gebieten gemeinsam
vorhanden ist, darf man, wenn die Möglichkeit einer Entleh-
nung abgewiesen ist, für indoiranisch halten. Und erst dann
kann von einem Vergleich mit den Europäern die Rede
sein. Um so seltsamer ist dieses völlige Ausfallen des In-
doiranischen, als in historischer Zeit die Indoiranier dem
sumerisch-babylonischen Kultursitz am nächsten wohnen, auch
sicher bedeutende Kulturerrungenschaften von ihnen empfangen
haben.
Es ist ferner nicht ersichtlich, in welcher Gegend die
Westindogermanen, — irgendwie bestimmt äussert sich Schmidt
darüber nicht —, diesen Einfluss erfahren haben können.
408 Herman Hirt,
Somewhere in Asia, wie Max Müller sagt, kann uns bei so
bestimmt auftretender Ansicht doch nicht genügen.
Um so haltloser wird aber ein Schluss von Beeinflussung
auf unmittelbare Nachbarschaft, als auch ganz entfernt woh-
nende Völker diesen Einfluss aufweisen. “Auch die finnischen
Syrjänen im Norden von Europa-Asien machen hinter 60 einen
Abschnitt, worauf schon Jacob Grimm (Gesch. d. d. Spr. 256)
verwiesen hat.” Und selbst in Chma hat die Zahl 60, — wie
Schmidt S. 46 mit Recht annimmt ebenfalls unter babyloni-
schem Einfluss, — eine gewisse Bedeutung erlangt. Wie kann
also bei soleher Ausdehnung eines Kultureinflusses dieser zur
Lokalisation benutzt werden? Dass die Einwirkung auch auf
Europa über Armenien und Thrakien stattgefunden haben
kann, oder über Vorderasien, Griechenland und Italien, wird
bei dem völligen Dunkel, das über diesen vorhistorischen Zeiten
liegt, vor der Hand als unmöglieh nicht abzuweisen sein.
Wie dem auch sein mag, dass das idg. Zahlensystem
diesen Einfluss erfahren haben kann, ist nicht unbedingt ab-
zuweisen. Aber zur Wahrscheinlichkeit fehlt noch viel. Man
sieht nieht, wie und wo die Übertragung stattfand. Ausser-
dem kann die Bedeutung, die die Zwölfzahl in Europa zeigt,
auch auf anderm Wege erklärt werden.
Dass der Einschnitt nach 60 der ursprünglichste sei,
schliesst Schmidt aus der Übereinstimmung der 4 europäischen
Sprachen, während der nach 12, da für ihn nur das Germa-
nische zeugt, jünger sein muss. Diesen Schluss halte ich in-
dessen für hinfällig, da die Griechen und Römer für 12 die
alte indogermanische Bezeichnung *duö-dekm, lat. duodecim,
gr. dWdera bewahrten. Sie könnten sehr wohl einen Einschnitt
nach 12 besessen haben, denn die Annahme, mit dem Einfluss
des Zwölfersystems hätte notwendig eine Änderung der Benen-
nung verbunden sein müssen, ist entschieden abzuweisen.
Ich bin durchaus der Ansicht, dass wir nur 12 als Grund-
lage annehmen können. Schmidt geht allerdings von 60 aus,
wie aber die Germanen hätten dazu gelangen können, 60 in.
5X12 zu zerlegen, statt in 6X10, wie es ihr bis dahin gel-
tendes Zahlensystem an die Hand gab, dafür ist J. Schmidt
den Nachweis schuldig geblieben. 60 und 120 ergeben sich
einfach als Vielfache von 12, 5X12 und 10X12. Ein eigent-
liches Zwölfersystem liegt allerdings nicht vor, sondern eine
Die Urheimat der Indosermanen. 469
oO
Zehnerreihe, in der die 12 eine Bedeutung erlangt hat. Auf
das klarste geht dies daraus hervor, dass das Grosshundert
niche — 12%X12 = 144, sondern = 10X12 ist.
Schmidt weist die Ansicht, das die Zahl 12 durch reli-
giöse Vorstellungen oder gesellschaftliche Einrichtungen ihre
Bedeutung gewonnen haben könne, kurzer Hand ab. Ob er
dabei übersehen oder absichtlich übergangen hat, dass sie
thatsächlich in der Jahresrechnung der Indogermanen vorhan-
den gewesen sein muss, weiss ich nicht. Die Indogermanen
rechneten nach Nächten, d. ἢ. nach dem Mond, der vielleicht
ursprünglich als der messende benannt war. 12 Mondmonate
von *°/;, Tagen bildeten ein Mondjahr von 354 Tagen, das
indessen dem Sonnenjahr gegenüber bedeutend zu kurz war.
Die Differenz ist so gross, dass sie sich schon nach wenigen
Jahren fühlbar machen musste. Man wird daher bald dahin
gelangt sein, am Ende noch 12 Tage hinzuzuzählen, die, wie
der Veda es treffend ausdrückt, ein Abbild der 12 Monate,
ein kleines Jahr darstellten. Diese Rechnung ist im Indischen
in zahlreichen Spuren erhalten (vgl. Zimmer Altindisches Leben
S.365 ff... Sie war sicher auch bei den Germanen vorhanden.
Die 12 Nächte zur Zeit der Wintersonnenwende waren und sind
noch heute den Germanen heilig und mit abergläubischen Ge-
bräuchen mannigfachster Art erfüllt. Die Rechnung nach dem
Mondjahr ist auch sonst bei den indogermanischen Völkern
nachzuweisen. Allerdings hat Weber, dem wir diese Verglei-
chung verdanken, später selbst Bedenken gegen seine Auffas-
sung geäussert (Ind. Stud. XVII 224), “weil wir durch die Ueber-
einstimmung, die in Bezug auf die Zwölften zwischen Indern
und Germanen vorliegt, genötigt werden, ein so richtiges Ver-
ständnis der Mond- und Sommerzeit bereits für die idg. Urzeit
anzunehmen, was dann aber doch immerhin seine nicht geringe
Schwierigkeit hat, da man den Trägern derselben eine solche
Kenntnis schwerlich auf Grund eigener Beobachtungen zu-
trauen darf”. Ich teile diese Bedenken nicht. Setzen wir nur
die Urheimat der Indogermanen in eine hohe Breite, so war
die genaue Erkenntnis des Sommerjahres sehr wohl möglich.
Thatsache aber bleibt, dass die Indogermanen das Jahr auf
12 Mondmonate angenommen haben, und dass im Germanischen,
das die vollste Ausbildung des Zwölfersystems zeigt, die 12
Nächte eine besondere Bedeutung erhielten.
Indogermanische Forschungen I 5. 3
4τ Herman Hirt,
Die Zahl 12 bietet, was immer zu beachten sein wird,
in der Rechnung verschiedene Vorteile gegenüber 10, da sie
durch 2, 3, und 4 teilbar ist, während 10 sich nur mn 2 und 5
zerlegen lässt.
Nur das Germanische zeigt sichre Spuren der Zwölfer-
rechnung, mit seinen drei Abschnitten nach 12, 60 und 120,
für das Gräko-Kelto-Italische sind sie nur gering und proble-
matisch, da der alleinige Einschnitt nach 60 auch auf Zufällig-
keiten beruhen kann, weil die Zahlen von 7—10 von je stär-
ker mit einander verknüpft waren. Ein Einschnitt ist auch
nach 6 bei den Ordinalzahlen vorhanden, da dieselben bis 6
mit dem Suffix -to, lat. guintus, sexctus, gT. TTEUTTTÖC, EKTÖC, von
da an mit -0- resp. -mo- gebildet werden, septimus, octavos,
nönus, decimus, gr. ἕβδομος, ὄγδοος. 7 war eben von Anfang
an mit 9 und 10 eng assoziiert, da es wie diese beiden auf -m
ausging, und so brauchen wir uns nicht zu wundern, dass
diese enge Verbindung sich auch an andern Stellen bemerkbar
macht, und brauchen nicht gleich an ferne Kultureinflüsse zu
denken, wenn wir eine solche finden.
Ich will zum Schluss noch auf einen weiteren Punkt
aufmerksam machen, den ich zuerst auch übersehen habe.
Wir können es bestimmt erschliessen, dass die Etrusker ein
Zwölfersystem hatten. Das können wir zwar nicht aus den
Einschnitten in den Zahlenreihen, wohl aber aus den thatsäch-
lichen Verhältnissen ersehen. Das beweisen die duodeeim po-
puli des eigentlichen Etruriens, die Zwöltstädte der Poebene
und Kampaniens, die 12 Liktoren, das Duodezimalsystem der
ältesten Münzen, das Zwölfgöttersystem und anderer Andeutungen
bei den antiken Schriftstellern mehr. Ich erinnere nebenbei
an die 12 Städte Ioniens, die auf vorderasiatischem Kultur-
boden lagen. Dass das Zwölfersystem durch die Etrusker zu
den Römern und vor allem zu den Litauern und Germanen
gekommen sei, ist an und für sich nieht unwahrschemlich.
Das Litauische hat eigentümlicherweise das italische Wort für
Gold *ausom, lit. auksas entlehnt, vgl. V. Hehn Kulturpflanzen
und Haustiere 461, und zwar zu einer verhältnismässig frühen
Zeit. Möglich ist, dass das italische Wort für Gold ebenfalls
etruskischen Ursprungs ist. Jedenfalls werden die Verhältnisse
dureh diese Station viel einfacher. So lange Schmidt nicht
nachweist, dass die Etrusker Indogermanen waren, und der
Die Urheimat der Indogermanen. 411
Beweis ist unmöglich, weil eine Betrachtung der etruskischen
Kultureigenheiten und anthropologischen Merkmale sie ent-
schieden einer fremden Rasse zuweist — ihre Sprache könnte
trotzdem indogermanisch, d. h. neu erworben sein, — solange
wird man die Etrusker als die Vermittler des Zwölfersystems
für Europa in Anspruch nehmen. Ich möchte noch darauf
aufmerksam machen, dass von einigen Seiten im Etruskischen
die Bedeutung 10 für die Lautgruppe ἔχ angenommen wird,
vgl. Taylor The Etruscan language, was von andrer Seite freilich
bestritten wird. Ist die Annahme richtig, so dürfte die Entleh-
nung des lit. Zyka nicht unwahrscheinlich sein. Damit wäre
dann allerdings die ganze Sache aufgeklärt. Aber leider ist
die sichere Deutung des Etruskischen immer noch ein frommer
Wunsch.
Von irgend welcher Sicherheit kann jedenfalls in Schmidts
Argumentation nicht die Rede sein, und wir können uns da-
her nunmehr zu Schraders Ausführungen wenden.
Er setzt jetzt (Sprachvergleichung und Urgeschichte ?
S. 631 ff.) die Urheimat in die südrussische Steppe zu beiden
Seiten der Wolga, deren altüberlieferten Namen Ra er aus
einem idg. *srova deutet, das durch finnischen Mund gegangen
sein soll. Ob diese Erklärung richtig ist, will ich nicht ent-
scheiden. Andere haben den Namen mit avest. Ranha, aind.
rasd, die einen mythischen Strom bezeichnen, in Zusammen-
hang gebracht, und da in der Nähe der Wolga im Altertum
sicher iranische Stämme wohnten, hat diese Deutung minde-
stens eben so viel für sich als die Schraders (vgl. auch Joh.
Schmidt Urheimat 21).
Gegen die Steppenheimat sprechen aber, wie bereits
Joh. Schmidt ἃ. ἃ. 0.5.21 ff. ausgeführt hat, das Vorhandensein
des Bären, das Fehlen der Bienen und die Dreizahl der Jahres-
zeiten. Ich kann Schmidts Gründen nur völlig beistimmen und
bitte dieselben bei ihm selbst nachzulesen.
Wir wollen gleichwohl Schraders Argumenten ein wenig
nachgehen. Er gelangt zu seiner Urheimat vor allem auf fol-
gendem Wege. Zwei grosse Abteilungen der Indogermanen,
Indoiranier und Europäer, stellt er einander gegenüber. Die
gemeinsame Heimat jener findet er vielleicht mit Recht am
Oxus und Jaxartes, während diese, zu denen auch die klein-
asiatischen Indogermanen mit den Armeniern gehören, in einem
412 Herman Hirt,
Terrain, “ welches wir uns im Süden von der Donau und dem
Meer, im Osten von dem Dniepr, im Norden von den Wäldern
und Sümpfen Wolhyniens, im Westen von den Karpathen be-
grenzt denken”, eine Epoche verlebt haben müssen, im der sie
eine Reihe von Kulturerwerbungen machten, an denen die In-
doiranier nicht mehr teilnahmen.
Die Gründe, die für eine solche gemeinsame Epoche spre-
chen sollen, sind folgende.
Die ungetrennten Indogermanen lebten von der Viehzucht,
wie die zahlreichen gemeinsamen Wörter für das Rind, die
Kuh, das Schaf u. s. w. beweisen, vgl. Schrader 376 ff.
Die sprachlichen Gleichungen für den Ackerbau sind da-
gegen äusserst dürftig und unsicher, so dass man heute viel-
fach dazu gelangt ist, ihnen denselben ganz abzusprechen.
Vielleicht sammelten sie nach Hehn eine wildwachsende Halm-
frucht aind. ydva, avest. yava, gr. ζεά, lit. javar “Getreide”.
Auch κριθή. lat. hordeum, ahd. gersta, die auf eine Grund-
forn *gherzdha und *ghrzdhaä zurückgehen, dürfte wegen der
eigenthümlichen Lautveränderungen, die es in den einzelnen
Sprachen erlitten, uralt sein.
Betrachten wir aber die Europäer allein, ohne die Indo-
iranier, so sind bei diesen die gemeinsameu Ausdrücke, die
sich auf den Ackerbau beziehen, zahlreich genug. Man sehe
die Geichungen für Acker, pflügen, Pflug, Egge, eggen, säen,
Same, mähen, Sichel, mahlen, Furche, Ähre, die Sehrader
S. 410 anführt. Dazu kommen einige gemeinsame Namen für
Cerealien und Feldfrüchte, Korn, Weizen, Gerste und andere,
die zwar nicht sämtlich gleich sicher sind, doch im Verein
mit den oben erwähnten technischen Ausdrücken für den
Ackerbau an Beweiskraft gewinnen (vgl. Schrader S. 411).
Ferner führt Schrader noch die gemeinsame Benennung
des Meeres, des Salzes und der europäischen Bäume, Fichte,
Eiche, Erle, Esche für eine europäische Kultur und Lebensge-
meinschaft an, vel. S.509, 394 und 624 f. In dem Waldlande,
in dem die Westindogermanen längere Zeit gesessen haben,
soll sieh auch die Verehrung der Götter, vor allem des höchsten
(rottes, in Wäldern erst ausgebildet haben.
Auch für die indoiranische Zeit können wir mit Hülfe
der Sprache gemeinsame Kulturfortschritte nachweisen, wie es
ausführlich von Spiegel in seinem Buch “die arische Periode’
Die Urheimat der Indogermanen. 475
geschehen ist. Diese gehört zu den sichersten Errungenschaften
unsrer Wissenschaft.
Aber es besteht trotzdem ein starker Unterschied zwischen
den beiden Abteilungen. Für die Zeit der gemeinsamen ari-
schen Periode haben wir sichre Beweise in der Veränderung
der Sprache, z. B. in dem Übergang der idg. Velarlaute in
Palatale vor hellen Vokalen, in der Verwandlung von e- und
o-Vokalen in a. Für die Zeit des kulturhistorisch erschlos-
senen Zusammenlebens der Europäer fehlen aber allen Spra-
chen gemeinsame Lautveränderungen, denn die Differenz in
der Behandlung der k-Laute geht ja mitten durch die euro-
päischen Sprachen selbst hindurch, sodass wir sie nur als
dialektische Eigentümlichkeit der idg. Urzeit zuschreiben
können.
Früher stand es mit der Annahme einer Kulturgemeinschaft
der Europäer allerdings anders. Solange man den ind. Vokalis-
mus für ursprünglich hielt, vermochte man Zeit für dieselbe
auch in der Entwicklung der Sprache, der gemeinsamen Aus-
bildung der e- und o-Vokale zu finden. Aber heute haben
wir ja gelernt, dass diese europäische Sprachperiode nie be-
standen hat, dass der bunte europäische Vokalismus nur alte
Eigentümlichkeiten bewahrt.
Zur Erklärung dieser auffallenden Thatsache, dem Vor-
handensein neuer gemeinsamer Kulturerrungenschaften ohne
gleichzeitige allgemeine Lautveränderungen, bieten sich, soviel
ich sehe, drei Möglichkeiten.
Erstens. Die neue Kulturgemeinschaft hat sich ohne
Veränderung der Sprache entwickelt. Das ist bei der An-
nahme möglich, dass die Indogermanen Europas auf altange-
stammtem Boden in nieht zu langer Zeit diesen Fortschritt er-
rungen haben. Vielleicht — so könnte man vermuten — führ-
ten dieselben Gründe, z. B. Übervölkerung, Nahrungsmangel,
die Abtrennung der Indoiranier und die Entwicklung des
Ackerbaues herbei. Aber unannehmbar scheint mir diese erste
Möglichkeit zu sein, wenn wir eine doch gewiss lange Zeit
erfordernde Wandrung von Asien nach Europa annehmen.
Nach einer solchen musste auch die Entwicklung und Ausbil-
dung des Ackerbaues, die nur in Europa selbst möglich war,
eine lange, lange Zeit in Anspruch nehmen. Denn solche
Kulturfortsehritte vollziehen sieh nieht im kurzer Frist, selbst
414 Herman Hirt,
wenn wir fremden Einfluss vermuten, der bis jetzt aber noch
keineswegs nachgewiesen ist. Dass aber in solchen langen
Zeiträumen keine Veränderung der Sprache stattgefunden habe,
ist nicht glaublich. Diese Erklärungsart ist also vielleicht
möglich, wenn wir Europa als Heimat annehmen, denn in die-
sem Falle können wir eine Wanderung der Indoiranier wohl
rechtfertigen, aber nieht umgekehrt.
Die Anhänger der asiatischen Hypothese haben uns dem-
nach ihre Ansicht über diese Schwierigkeit erst auseinander-
zusetzen, ehe wir ihnen Glauben schenken können. Sie wer-
den sich, wie neuerdings von Bradke (Methode und Ergebnisse
der arischen Altertumswissenschaft S. 206 ff.), vor allen Dingen
auf die zweite Möglichkeit stützen, die V. Hehn angedeutet
hat. Die gemeinsamen Ausdrücke für Ackerbau beweisen nach
ihm nieht, dass dieselben in gemeinsamer Kulturentwicklung
ausgebildet sind, sondern nur, dass die einzelnen Völker die
neuen Entdeckungen und Fortschritte von ihren Stammver-
wandten, nieht von fremden Völkern, Semiten oder Finnen,
erhalten haben, dass wir es im Grunde nur mit eimer grossen
Schieht ältester Lehnwörter zu tlıun haben.
In gewissem Umfang ist das sicherlich richtig, aber ob es
für die grosse Menge der uns vorliegenden Fälle ausreicht, ist
mir beim Ackerbau schon etwas zweifelhaft, für unzureichend
muss ich diese Annahme für die Erklärung der übereinstim-
menden Benennung der Bäume halten. Obgleich auch ihre
Namen hin und wieder wandern, so ist das doch m grossem
Umfange nicht wahrscheinlich zu machen.
Die dritte Möglichkeit aber ist, dass die Indogermanen
Europas in diesen Punkten nur vereinzelt neues geschaffen, in
der Hauptsache aber etwas altes bewahrt haben, welches die
Indoiranier, die durch besondere Ereignisse irgend welcher Art
veranlasst ihren Weg nach Süden im das Steppengebiet nah-
men, verloren haben.
Da die beiden ersten Annahmen in mehr als einer
Hinsicht bedenklich waren, müssen wir genauer untersuchen,
was sich für oder wider diese letzte Voraussetzung anführen
lässt.
Ob die vereinigten Indogermanen das Meer gekannt haben,
ist von jeher eine Streitfrage gewesen. Ebenso entschieden, als
man früher geneigt war, diese Frage zu bejahen, ist man jetzt
Die Urheimat der Indogermanen. 475
dazu gekommen, sie zu verneinen, einzig aus dem Grunde,
weil dem Sanskrit eine Entsprechung fehlt. In diesem Fall
einen Verlust alten Sprachgutes anzunehmen, geht sehr wohl
an, da die Indoiranier lange Zeit entfernt vom Meere gesessen
haben, und selbst die vedischen Inder es nicht kannten, wie
H. Zimmers Untersuehungen (Altindisches Leben S. 21) mit
grosser Wahrscheinlichkeit festgestellt haben.
Bei der Frage, ob bei dem Versagen einer oder mehrerer
Sprachen ein Wort für urzeitlich zu halten sei, kommt es
darauf an, festzustellen, ob das Wort in den Einzelsprachen
aus dem vorhandenen Sprachmaterial (Stamm und Suffix) neu
gebildet werden konnte. Das ist bei *mo>ri, einem neutralen
‘Stamm entschieden nicht der Fall. Denn solehe sind überall
selten, sie befinden sich auf dem Aussterbeetat, so dass eine
gemeineuropäische Neubildug entschieden eine grosse Un-
wahrschemliehkeit in sich birgt. Es ist allerdings die Mög-
lichkeit vorhanden, dass *mori bestanden, aber eine andere
Bedeutung getragen hat, und hierfür hat man sich wohl auf
ahd. muor “Sumpf, Lache’ berufen, das zu mare im Ablauts-
verhältnis zu stehen scheint. Das Wort ist indessen nicht
beweiskräftig, da man ahd. muor besser mit mos verbindet,
das sich noch heute in den geographischen Namen “Erdinger,
Dachauer Moos’ erhalten hat. Weder das Slavische noch das
Keltische, denen beiden der Rhotazismus fremd ist, weisen einen
Namen mör- auf, und auf das Germanische allein kann man
nicht bauen.
Ist die Hochstufe dieses Wortes nicht weiter zu belegen,
so finden wir dagegen die “tonlose Tiefstufe’ in zwei bis jetzt
übersehenen Fällen. Die Lautgruppe mr-, die wir als Tief-
stufe zu mor- anzusetzen haben, wird in den meisten Sprachen
nicht geduldet. Es ist jetzt festgestellt, zuletzt ausführlich
durch Osthoff MU. V 85 f#f., dass mr im Griechischen und
Germanischen zu br, im Lateinischen zu fr wird, und ich sehe
daher den Stamm mr- in der Bedeutung “Meer’ noch erhalten
in gr. βρύξ, Bpuxöc “der Meeresschlund ’, βρύχιος “die Meeres-
tiefe betreffend‘, das sich schon bei Aischylos findet. u ist
wahrscheimlich aus o entstanden wie in νύξ λύκος. βρύχιος
entspricht ziemlich genau engl. brack, ndd. brakig “Salz-, See-
wasser‘, namentlich dasjenige, welches zur Zeit der Flut in
die Flüsse dringt.
476 Herman Hirt,
Alles dies weist auf ein hohes idg. Alter der Sippe in
der Bedeutung “Meer’, und ich sehe daher keimen Grund trotz
des Schweigens des Aind. den Indogermanen die Kenntnis des
Meeres abzusprechen. Welches Meer es gewesen ist, lässt
sich vorläufig nicht bestimmen.
Ebenso steht es mit dem Salz, dessen eigentümliche
Flexion *salt *salnes neuerdings Joh. Schmidt mit Recht ver-
anlasst hat, ihm idg. Alter zuzusprechen, obgleieh auch m
diesem Fall dem Indischen das betreffende Wort fehlt, (vgl.
Neutra 5. 183, Urheimat 4f.).
Etwas ausführlicher müssen wir uns mit den Baumna-
men beschäftigen, da sie für unsere Frage besonders wichtig
sind. Neue Kulturerrungenschaften, wie eine solche vor allem
der Ackerbau war, können rasch wandern. Aber dass dies
mit der Benennung der Bäume ebenso in grösserem Umfang
der Fall sem konnte, hat man bis heute noch nieht wahrschein-
lich zu machen vermocht. Die Europäer benennen die haupt-
sächlichsten Waldbäume Europas durchweg gemeinsam. Nur
wenige davon finden ihre Entsprechung im imdoiranischen.
Andrerseits lassen sich gerade die Bäume verhältnismässig
strene lokalisieren, sind daher für die Heimatsfrage von grösster
Wichtigkeit.
Bis jetzt wird eigentlich nur die Birke von vielen For-
schern zugleich für urzeitlich gehalten. Es entsprechen sich
deutsch Börke, lit. berzas, abulg. breza, russ. bereza skr.
bharja. Die südeuropäischen Völker haben das Wort mit dem
Gegenstand verloren, da die Birke nur im Norden gedeiht.
Doch ist in lat. frasinus höchstwahrschemlich dasselbe Wort,
wenn auch in der Bedeutung “Esche’ bewahrt. ra dürfte,
obgleich «die Quantität des a nicht sicher zu ermitteln ist, als
lang anzusehen und somit als Vertreter von 7 anzusehen sem,
wie guadraginta, gr. rerpwkovra, wie auch @r im indischen
bharja- aus 7 entstand. Die Erscheinung, dass der Name
eines Baumes auf einen andern übertragen wird, begegnet
ziemlich häufig.
Ich möchte noch bemerken, worauf noch nicht hinge-
wiesen ist, dass bhärja- nirgends im Rigveda erwähnt wird.
Das Wort bezeichnet ja auch eine Birkenart, die im Himalaya
wächst, kein Wunder also, dass die vedisehen Inder, die ja
nur einen bestimmten Teil des ganzen Volkes, vor allen den
-
Die Urheimat der Indogermanen. 4τ|ι
an den Ufern des Indus wohnenden bildeten, den Namen, da
der Baum nicht zu ihrer Flora gehörte, nieht mehr gebrauch-
ten, ja ihn vielleicht schon ganz vergessen hatten. Das muss
uns gleich im Anfang mistrauisch gegen die Schlüsse ex si-
lentio machen. Mögen wir die Heimat der Indogermanen
suchen, wo wir wollen, darin sind alle einig, dass ihr Urwohn-
sitz in einem gemässigten Klima gelegen gewesen sein muss.
Die Inder aber gelangten in ein tropisches Land und mussten
daher die Namen der alten Waldbäume, soweit sie sie nicht
umwerteten, verlieren. Selbst die Uebereinstimmungen zwischen
iranisch und indisch sind auf diesem Gebiet äusserst gering, was
auch ganz natürlich ist, da Klima und Vegetation von Indien
und Iran durchaus verschieden sind.
Kurz brauche ich nur zu erwähnen, dass auch der Weide
idg. Alter zugesprochen werden muss: ahd. wida, gr. itea, lat.
vitex findet sich in airan. vaeti-, parsi wwzd, neupers. Did
wieder.
Ein zweiter Name für diesen Baum lat. salix, ir. sail,
satleah, ahd. salaha, gr. ἑλίκη, bei Hesych als arkadisch für
itea überliefert, — vielleicht hängt auch der Ἕλικών damit
zusammen —, fehlt dem Indoiranischen. Aber schon hier wird
der Schluss auf nieht ide. Alter bedenklich, und es ist wahr-
scheinlicher, dass die Indoiranier dies Wort verloren, als dass
sie es nie besessen haben.
Wichtiger aber als diese beiden Wörter scheint mir
eine andere Sippe zu sein, die Schrader m. E. entschieden
falsch beurteilt. Es ist der weitverbreitete Stamm dra-, der
in mannigfach verschiedener Wurzel- und Suffixgestalt in
allen indogermanischen Sprachen sich wiederfindet. Vgl. Schra-
der S. 395. Schrader erschliesst aus seinem Material die all-
gemeine Bedeutung “Baum’ und aus der Uebereinstimmung
von maked. δάρυλλος, ir. dair, daur, gr. δρῦς, sämmtlich mit
der Bedeutung “ Eiche’, die speziell europäische Geltung “Eiche.
Aber sein Material ist weder vollständig noch richtig gedeutet.
Zunächst darf das Griechische nur mit grosser Vorsicht für
die Bestimmung der Bedeutung verwendet werden. Hat es
doch auch für pnyöc gegenüber lat. fagus, deutsch Buche die
Geltung Eiche, Speiseeiche” angenommen. Und das Keltische
kann gegenüber allen andern Zeugen nicht so hoch gerechnet
werden. Nehmen wir als erwiesen an, dass dr«a- und seine
478 Herman Hirt,
Ablautsstufen abulg. drevo, got. triu “Baum’ im Idg. schon
die allgemeine Bedeutung "Baum, Holz’ hatte, so kann diese
aus eimer speziellen sehr wohl hervorgegangen sein. Welches
war aber diese besondere Baumart, welche mit dra- bezeichnet
wurde? Vergleichen wir mhd. zörbe, zirbel “Zirbelfichte’,
anord. fZyrr “Föhre’ mit den Ableitungen ndl. teer, anord.
tjara “Teer” — Teer wird durch Versieden der Föhren ge-
wonnen —, so ergibt sich für das Urgermanische sicher die
Bedeutung “Fichte, Föhre’, und dazu stimmt lit. derva “Kien-
holz’, lat. larix aus *daric “Lärche’, die ebenfalls zu dieser
Gattung gehört. Im Altindischen finden wir vollends zwei
weitere Bäume deva-daru und pitu-darä, die beide hoch im
Himalaya wachsende Fichtenarten bezeichnen. Auch dar
allein bedeutet, wenn auch selten, die deva-där«-Fichte.
Diesen Thatsachen gegenüber kann es kaum zweifelhaft
sein, dass wir dem Stamm dru- die Bedeutung “Fiehte‘ für
die idg. Urzeit beizulegen haben, und da er zugleich “Holz,
Baum’ bedeutet, so dürfen wir schliessen, dass die Fichte der
verbreitetste Baum, der Baum κατ᾽ ἐξοχήν war.
Das Ausweichen des Griechischen und Keltischen in der
Bedeutung erklärt sich wie auch sonst. Das Griechische ist
wenig konservativ in der Erhaltung der Baumnamen. Das
Zeugnis des Indischen, das sonst die meisten Baumnamen ver-
loren hat, ist in diesem Falle von ausschlaggebendem Wert.
Der Name einer zweiten idg. Fichtenart ist uns in skr.
pitu-daru, gr. πίτυς überliefert. Schrader sieht diese Gleichung
für gräkoarisch an, da dieses Wort zufällig den übrigen Spra-
chen fehlt. Aber man wird dazu auch lat. prnus stellen und
damit das Wort für die idg. Ursprache m Anspruch nehmen
dürfen. penus aus "pztnu-s oder besser noch aus pät-snu-s.
Weiter möchte ich die Vermutung wagen, dass unser
speht, lat. pzcus, aind. pika- "Kuckuk’ von dem Stamm pik-
in gr. micca, lat. pie, abulg. piklo "Pech’, Ableitung von
einem Wort pik- in der Bedeutung “Fichte” (vgl. oben “Teer’),
benannt ist, da der Vogel vor allem in Fichtenwaldungen lebt
und sich von den unter der Rinde dieser Bäume lebenden
Insekten nährt. Das wäre ein drittes idg. Wort für Fichte,
da pika- sich auch im Indischen findet.
Es gibt in den Einzelsprachen noch andere Bezeichnungen
der Fichte, die aber nichts zur Entscheidung unsrer Frage
ὃ
Die Urheimat der Indogermanen. 479
beitragen, da sich ihr idg. Alter nieht mit Sicherheit er-
weisen lässt.
Wenden wir uns jetzt zur Königin der europäischen
Wälder, der wegen ihrer prachtvollen Form, ihrer Dauerhaf-
tigkeit und Stärke so vielfach verherrlichten Eiche, die
nicht allein ihres Holzes wegen, das von. unverwüstlicher
Dauer und grosser Schönheit ist, hochgeschätzt wurde, sondern
deren Früchte, die Eicheln, für die Schweinezucht in ältester
Zeit sehr wichtig waren, vielfach aber auch für die Menschen
als Nahrungsmittel dienten.
Vor nicht allzu langer Zeit erst ist die Gleichung lat.
quercus ahd. forha, jetzt föhre, aufgestellt und weitere Verwandt-
schaft ist meines Wissens bis jetzt noch nicht ausfindig gemacht.
Da der Name der Frucht der Eichel ziemlich weit verbrei-
tet ist, gr. βάλανος, lat. glans, abulg. Zeladv, arm. kalin
“Eichel’, so muss auch die Eiche von Alters her bekannt ge-
wesen sein, und ich glaube, dass uns eine der ältesten Be-
zeichnungen in lat. guercus ahd. forha vorliegt. Für dieses
ahd. Wort ist als früheste Bedeutung “Eiche anzusetzen auf
Grund des Komp. ahd. fereheih, genau wie Zirbelfichte
und prtudaru- gebildet, und auf Grund der longob. Glosse
fereha “aesculus‘. Das germanische Wort führt Kluge in der
neuesten Auflage seines Wörterbuches auf eine Grundform
*gerg- zurück, f aus q wie in vier got. fidwör, lit. keturi, lat.
quattuor, gr. Teccapec, aind. catvaras. Diese Auffassung der
Lautverhältnisse ist annehmbar, wenngleich nicht die einzig
mögliche, da auch der germ. Anlaüut ursprünglich, und das
lat. q aus p entstanden sein kann, wie in guinque aus *pen-
que, gr. πέντε, aind. pdüca und wie m coguö aus "peguö aind.
pacami!. Wie die Ableitung guerguetum beweist, war das
zweite k in qwercus velar, und da in einem Teil der Kasus
von quercu-s ursprünglich *gergu- vorhanden war (z. B. Gen.
Sing. quercas aus *querguous), so kann gegen das Zurückführen
von guerc- auf *pergu- nichts eingewendet werden. Und mit
dieser Annahme werden wir, hoffe ich, weiter kommen.
Es ist ein durch mehrfache Beispiele wohlbelegter Vor-
gang, dass einerseits der Begriff des Waldes einer bestimmten
1) [So jetzt auch Bartholomae Studien zur idg. Sprachgesch.
Be RB
480 Herman Hirt,
Baumart in den Begriff des Waldes überhaupt, und die Be-
deutung “Wald’ im die Bedeutung “Gebirge” übergeht. So
bedeutet im Deutschen der Tann ursprünglich “"Tannenwald',
aber im Mhd. ist von der engeren Bedeutung kaum etwas zu
spüren. Tann übersetzt das mhd. Wörterbuch schlechthin
mit “Wald’. Das alte Bacenis silva ist von Grimm mit Recht
als “Buchenwald’ gedeutet; in manchen Gegenden Deutsch-
lands finden wir einen Büch, Elm u. s. w. zur Bezeichnung
eines bewaldeten Höhenzuges. Und unsre Gebirge nennen
wir ja heutzutage noch Schwarz-, Böhmer-, Thüringer-,
Frankenwald. Im Aind. bedeutet göri-, iran. gaöri-“ Berg,
und dieses hat seine direkte Entsprechung in slav. gora “ Berg’
und in lit. göre, das aber die Bedeutung “Wald erhalten hat.
So nehme ich denn auch an, dass sich der Stamm *pergu- in
got. fairguni Gebirge‘, ursprünglich “Eichenwald’, dann Wald’,
“Waldgebirge’ verbirgt.
Von got. fairguni ist aber mhd. Virgunnia, der Virgunt
nicht zu trennen, und darunter haben wir nach den sonstigen
Zeugnissen das Gebirgsland vom Erzgebirge an, den Wald-
kranz, der Böhmen umfasst, zu verstehen. Und weiterhin
hängt mit Virgunt sicher die Hercynia silva der Alten zu-
sammen. Dass dieser Name keltisch sei, hat schon Zeuss
Gramm. celt. 10 Anm. 4 zu erweisen versucht, aber seine Deu-
tung aus cymr. coyn “Höhe’ und ar befriedigt nicht, und
es ist im Anschluss an ihn jetzt von Much ΖΦ. XXXII 454
erkynia streng nach den keltischen Lautgesetzen aus *per-
cunia gedeutet. Jetzt ergibt sich uns also auch eine völ-
lig befriedigende Bedeutung dieses Namens. *perkunia silva
ist der “Eichenwald’ wie bacenis silva “der Buchenwald’.
Nur eines. ist noch zu der lautlichen Seite der Frage zu be-
merken. Das Keltische kennt dieselbe Assimilation des an-
lautenden p an folgendes ku wie das Lateinische, air. coiec,
lat. geingue, und wir haben in Folge dessen ein g im Anlaut
zu erwarten. Da aber im urkeltischen *pergunia die Labiali-
sierung 9 hinter dem q vor dem folgenden sonantischen « ver-
loren gegangen war, konnte die Assimilation des p nicht ein-
treten.
Wir können den Stamm *perg- oder "pergu- noch weiter
verfolgen. Im altnod. Glauben existirt ein Gott und eine
Göttin Zjorgyn, die vornehmlich mit dem Donnergott in Be-
Die Urheimat der Indogermanen. 481
ziehung stehen. Dieses Fjorgyn ensprieht Laut für Laut dem
got. fairguni. Schon Jac. Grimm hat ihn weiter mit dem li-
tauischen Perkänas, preuss. percunis “Donmner’ verglichen.
Da wir in Fjorgyn und fairguni die Media y auf Tenuis zu-
rückführen müssen, so kann an der Identität der beiden, die
bis auf den Akzent vorhanden ist, kein Zweifel sein.
Wir erhalten hiermit eine annehmhare Deutung dieses
Gottesnamens. Von fast allen idg. Völkern wird uns eine
Verehrung des höchsten Gottes in Eichenwäldern oder ein-
zelnen Eichen „gemeldet. Bonifatius fällte bei Geismar die
heilige Eiche; Livius I 16 berichtet von einer uralten Eiche
auf dem Capitol, in der Jupiter feretrius verehrt wurde, und
von den Litauern ist uns die Heiligung des Perkunas in der
Eiche überliefert. Weiter heisst der in den heiligen Eichen-
wäldern von Dodona verehrte Zeus φηγοναῖος — φηγός hatte
im Griechischen die Bedeutung “Eiche” angenommen —., also
der Eichengott. Und so denke ich, waren auch bei den Li-
tauern und Skandinaviern Perkänas und Fjorgyn ursprünglich
Beinamen des alten idg. Himmel- und Donnergottes *dieus,
der “Eichengott’, die, wie es so oft bei den Beinamen vorkommt,
auch für sich allein gebraucht wurden 1).
Diese etwas lange Auseinandersetzung hat uns, denke
ich, mit Sicherheit den europäischen Namen der Eiche kennen
gelehrt. Wahrschemlich kehrt der Name aber auch im In-
dischen wieder. parkati- ist eine Bezeichnung für fieus reli-
giosa. Der Stamm park-, der uns hier geboten wird, stimmt
zu genau mit der auf europäischem Boden gewonnenen Form,
als dass man diese Gleiehung wegen der nicht stimmenden
Bedeutung ablehnen möchte. Andrerseits hat Zimmer den
Regen- und Donmnergott Parjanya- der Inder mit dem lit.
Perkünas verglichen. Der Uebergang von Tenuis zur Media,
namentlich in der Nähe eines Nasals, unterliegt für die idg.
Urzeit keinem Bedenken, sodass die Gleiehung wohl zu Recht
bestehen wird. Zu dem Wechsel von o- und x- Stamm möchte
ich noch bemerken, dass vielleicht ursprünglich der o- Stamm
1) Vielleicht steckt der Stamm perg- auch in dem thrakischen
Namen TTep«n, vgl. Ectı δὲ ἡ Θράκη χώρα, ἣ TTepkn ἐκαλεῖτο καὶ ᾿Αρία.
Stephanus von Byzanz 1215... de Lagarde Ges. Abh. 278. ἸΤέρκη
wäre gleich Awpic.
482 Hrerman+Ekmit,
bestand, der a-Stamm, ebenso möglicherweise auch bei prtu-
erst durch Assoziation mit dru- hervorgerufen war, vgl. über
derartige Vorgänge Bloomfiell American Journal of Phil.
XII 1ff. Aber auch diese Assoziationsvorgänge sprechen für
idg. Alter, da dieselben in den Einzelsprachen kaum mehr
möglich waren.
So haben wir also bis jetzt neben der Birke und Weide
zwei Fichtennamen dera- die “Zirbelfichte’ und pzta-, gr. πίτυς,
lat. prnus, aind. prtu- und *pergu- “die Eiche‘ der idg. Heimat
zusprechen können. Andres noch ergiebt sich auf einem andern
Wege. Es ist bekannt, dass Waffen ihren Namen oft von
dem Holz empfangen haben, aus dem sie gefertigt wurden.
μελίη bedeutent bei Homer Esche’ und Speer’, δόρυ ist nur
noch ‘Speer’. Das lat. taxus “ Eibe’ findet sich, wie längst
gesehen, in gr. τόξον “Bogen’ wieder, da der Eibenbaum
von altersher gern zur Anfertigung von Bögen gebraucht wurde.
Im Anord. bedeutet elmr “den Bogen aus Ulmenholz’. Diese
Erscheinung hat Schrader (BB. XV 284 ff.) jetzt durch einige
glückliche Aufstellungen weiter belegt. So findet sich unser
deutsches “Eiche’ in gr. aiyaven ‘Speer’ und in der aiyic des
Zeus, dem Eiechenschild des Eichengottes, wieder. Auch lat.
aesculus gehört wahrscheinlich zu dieser Sippe, aus *aegsculus.
Uns interessiert vor allem aber die Gleichung ahd. tanne,
aind. dhanvan- “Bogen’, nach Schrader “der Bogen aus Tannen-
holz’. Lautlich scheint mir diese Gleichung völlig schlagend,
aber sachlich ist zu bemerken, dass Tannenholz kaum zur
Bogenbereitung tauglich ist. Vielmehr werden wir für tanne,
da in ἃ]. Glossen auch die Bedeutung “quercus’ belegt
ist, als ursprüngliche Geltung diese ansehen, und dazu den
Bedeutungswandel Eiche — Föhre vergleichen. Aus jungem
Eichenholz lassen sich sehr wohl Bogen schnitzen. Nun stellt
Schrader zwar diese Gleiehung auf, aber den Schluss, dass
uns damit ein neuer Baumname für die idg. Urzeit gesichert
ist, zieht er nicht, wahrscheinlich, weil er zu sehr von der
Steppenheimat des Urvolkes überzeugt ist. Mit dieser seiner
Ansicht steht es auch in andrer Hinsicht schlecht. Schrader
selbst nimmt an, dass idg. ναῦς ein sogenannter Einbaum war,
also von ganz besonderer Stärke. Woher bekamen denn diese
Indogermanen solche Stämme, wenn sie in der Steppe sassen ?
Etwa auch auf dem Wege des Tauschhandels?.
Die Urheimat der Indogermanen. 483
Man kann weiter den aind. Ausdruck für Wald aranya-
auf *armnya- zurückführen und darin den europäischen Namen
der Ulme lat. ulmus, anord. elmr erkennen. Man kann ferner
den Namen der Erle lat. alnus aus *alsnus, ahd. elira aus
*elisa, slav. jelicho in aind. rsti, airan. arsti- “Speer, Lanze’
wiedersehen. Aber ich fürchte, hiermit die Grenze. des Be-
weisbaren überschritten zu haben. Es genügt mir, den Indo-
germanen die Weide, die Birke, die Fichte und die Eiche mit
einiger Sicherheit zugesprochen zu haben.
Unsere oben aufgestellte dritte Möglichkeit ist also hier,
wie beim Meer, durch die Thatsachen bestätigt worden. Damit
ist aber nicht nur die Schradersche Annahme einer Steppen-
heimat widerlegt, sondern auch Asien als Heimat aus-
geschlossen. Denn nur in dem europäischen Waldgebiet
finden sich diese vier Bäume vereinigt vor. Da wir bei dem
Indischen natürlich stets mit dem Verlust alten Sprachgutes
rechnen müssen, so ist die Wahrscheimlichkeit vorhanden, dass
noch mehr Baumnamen idg. sind, vor allem wohl der der
Esche, an. askr, lit. «sis, slav. jasika, wozu kürzlich Fick
(BB. XV1 171) überzeugend lat. ornus “Bergesche’ aus Fosinus
gestellt hat.
Zur näheren Bestimmung der europäischen Heimat dient
zunächst die Birke. Da sie in Italien und Griechenland nicht
auftritt, sind diese Länder ausgeschlossen, an die ja auch kaum
Jemand gedacht hat.
Weiterhin ist die Buche, lat. fagus, gr. φηγός wichtig,
wie zuerst Fick gesehen hat, da ihre Vegetationsgrenze unsern
Kontinent von Norden nach Süden durehquert; sie überschreitet
nach Osten nieht eine Linie, die man sich vom frischen Haff
bei Königsberg nach der Krim und von da zum Kaukasus ge-
zogen denkt.
Nun haben die slavischen Sprachen das Wort baky aus
dem Germanischen entlehnt. Dass der Baum den Slavinen
fremd war, beweist auch der Umstand, dass keine Ortsnamen
damit gebildet werden. Und daraus schliesst Fick, dass die
Urheimat der slavischen Völker in einer Gegend zu suchen
ist, die keine Buchen kannte.
Wir können den Baum aber auch für die Heimat der
Indogermanen verwenden. Nach allgemeiner Annahme ist
pnyöc wegen der essbaren Früchte von φαγεῖν “essen’ abge-
484 Herman Hirt,
leitet, und eine solche Ableitung macht den Eindruck nicht
hohen Alters. In gewisser Hinsicht ist es also wahrscheinlich,
dass die Indogermanen jenseits jener bezeichneten Buchen-
grenze gesessen waren oder sie nur zu einem kleinen Teil
überschritten hatten. Unbedingt sicher ist dieser Schluss na-
türlich nicht, da ein alter Name der Buche verloren gegangen
sein kann.
Zur weiteren Bestimmung der Heimat muss uns das Meer
dienen. Das Schwarze Meer und den Kaspischen See halte
ich für ausgeschlossen, da sie zum grössten Teil im Steppen-
gebiet liegen. Dazu kommt, dass die Zuflüsse dieser beiden
Meere keine Aale führen, der Aal aber sicher den europäischen
und wahrscheinlich auch schon den ungetrennten Indogermanen
bekannt war, vgl. gr. ἔγχελυς, lat. anguilla, lit. ungurgs,
preuss. angurgis, russ. ugorv, poln. wegorz. Diese unbequeme
Gleichung suchen Schrader und Joh. Schmidt (Urheimat 19)
mit der Annahme zu beseitigen, dass das Wort erst emzel-
sprachlich von dem Wort Schlange gebildet sei. Ich gebe
gern zu, dass anguilla u. 5. w. mit angais im Sprachbewusst-
sein in Verbindung gebracht war; dass dies aber nicht von
Anfang an der Fall gewesen ist, scheint mir gr. ἔγχελυς zu
beweisen, da ja im Griechischen kein *eyxı- in der Bedeutung
“Schlange’ bestand.
Ist unsere Würdigung des Buchennamens richtig, so ist
auch die Nordsee ausgeschlossen, und so kann nur die Ostsee
bekannt gewesen sein.
Einen wie grossen Teil dieses oben begrenzten Gebietes
die Indogermanen eingenommen haben, lässt sich bis jetzt noch
nicht bestimmen.
Alle kulturhistorischen Thatsachen lassen sich mit dieser
Heimat vollständig vereimigen, ich sehe keine, die irgend
welche Schwierigkeiten bereitete, und einige können nur auf
dieser Grundlage gedeutet werden. Hier hausen noch heute
Wolf und Bär, hier schwärmten die Bienen, die den Honig
zu dem Süsstrank *medhu- der Indogermanen bereiteten, hier
wuchsen die mächtigen Bäume, die mit Hilfe des Feuers zu
Schiffen ausgehöhlt wurden, hier konnte die Gottheit in
den grossen, ehrfurchtgebietenden Wäldern verehrt werden.
Für die Verwendung des Rosses bot sich hier kein Raum,
Löwe und Tiger fehlen diesem Gebiet. Und schliesslich kann
Die Urheimat der Indogermanen. 485
man auch die Altertümlichkeit der litauischen und slavischen
Sprache damit vereinigen, denn diese Völker wären ja den
alten Wohnsitzen am nächsten und daher auch wohl von frem-
den Bestandteilen am freisten geblieben.
Ist die vorgetragene Ansicht richtig, so muss auch die For-
schungsmethode der idg. Altertumswissenschaft auf eine andere
Grundlage gestellt werden. Bisher musste das Indische sich
mit dem Europäischen vereinigen, um einem Kulturbegriff indo-
germanisches Alter zu sichern. Man hat aus dem Fehlen
der beiden Teile gemeinsamer Ausdrücke für Ackerbau bisher
immer noch auf ein Nomadenleben der Indogermanen geschlos-
sen. Jetzt ist das nicht mehr so sicher. In dem Steppen-
gebiet ist kein Ackerbau möglich. Kamnten die Indogermanen
Europas denselben, wenn auch nur in primitiver Form, so
mussten die Indoiranier bei ihrem Eintritt im die Steppe den-
selben verlieren, also in der Kultur zurückschreiten, damit
aber auch alle Ausdrücke, die sich auf den Feldbau bezogen,
vergessen. Natürlich müssen wir uns hüten, aus den euro-
päischen Sprachen allein jetzt alles erschliessen zu wollen, und
auf Grund der gemeinsamen europäischen Ausdrücke den Indo-
sermanen einen ausgebildeten Ackerbau zuschreiben. Stets
müssen wir mit der von Hehn und Bradke vertretenen Mög-
lichkeit der Entlehnung rechnen. Hier kann nur die Sprach-
wissenschaft mit der Untersuchung helfen, ob die betreffenden
Worte ein hohes oder junges Alter haben können. So weist
lat. granum, got. kadrn, abulg. zrono auf eine Grundform
mit =. Konnten solche Worte einzelsprachlich neugebildet wer-
den, oder müssen wir ihnen indogermanisches Alter zuschrei-
ben? Zur Zeit vermag ich diese Frage nicht zu beantworten,
aber ich hoffe auf sie später zurückkommen zu können.
Leipzig, 3. Juli 1891. Herman Hirt.
Indogermanische Forschungen 15. Sl
480 Christian Bartholomae,
Arica 11.
6. A. -cc-=av. -sk-=ap.-$ k aus ἢ K.
Die in der Überschrift sich aussprechende, in meinem
Handbuch $ 107 b, 108 aufgestellte Lehre wird von Caland
ΚΖ. XXXI 271 ff. bestritten, wenigstens soweit sie das Ave-
stische angeht. Es wird daselbst behauptet, “dass # vor c
immer ? (£) bleibt” 2). Dann werden 9 Wörter aufgeführt,
“aus denen man den erwähnten Übergang deduziert hat”.
Von diesen finden sich bei mir nur 4: rapuaskihraiä, zareska,
jaska und askıp. Für das letzte habe ieh inzwischen eine
andere Erklärung gegeben. Das zweite hat die Neuausgabe
zu Fall gebracht, wo zraska gelesen wird 3). Die Möglichkeit
der von Caland dafür vorgeschlagenen Zurechtlegung gebe
ich zu.
Zu raeuask” wird gesagt, es “steht für raeuo.k°, datiert
aber aus der Zeit, wo das Sandhigesetz: ausl. nominativisches
ö geht vor t und k in -as über, noeh wirklich lebendig war”.
Ich vermisse dabei: 1) den Nachweis, dass ein Nom. Sing.
raeuöo existiert hat und zwar schon in jener frühen Zeit, 2) den
Nachweis eines Kompositums mit einem a-Stamm als erstem
Glied, darin dieser den Ausgang as aufzeigt. as, az ist sonst
nur bei s-Stämmen bezeugt, und auch da nicht häufig und
regelmässig; vgl. raokas.pairista, raokaskaesmanö, barenazda:
daneben lwareno.da, pbaesö.taurua usw.*). Caland scheint mir
1) S. diese Zeitschrift 1 178 ff. [Hier sind folgende Druckfehler
stehen geblieben. S. 183, Z. 86 l.: söominam. S.187, Z. 33 1.: *sma-
kam. S.192, 2. 14 1.: keuino. 8. 194,.Ζ. 8 1.: yösana.]
2) Das Zitat “Spiegel Gramm. 8 29” ist aus Geldner ΚΖ. XXV
(so!) 514 abgeschrieben, ohne Rücksicht darauf, dass es sich aufs
Altpersische bezieht.
3) Jt. 9. 26, 17. 46. Sonst schreibt freilich die Neuausgabe
bald zarazd®, bald zrazd°, und zwar ohne dass das dabei befolgte
Prinzip erkennbar wäre. Zu Jt. 13. 25 steht zrazdätema nach Fl,
Pt 1, El gegen Mf3, K 13, 38, H5, L 18, aber: Jt. 13. 47 steht
zarazdatoip mit ΜῈ 3, K 13, H 5, L 18, Ε 19 gesen ἘΠῚ FI Br
8. noch σὺ. 10. δ. 19: 99
4) Wegen räniö.skereitim 5. Verf. Ar. Forschungen II 162.
Arica I. 487
ganz zu verkennen, wann denn und wie das 0 in peso.tanus
τι. 5. w. hereingekommen ist. Ursprünglich hat doch ein Nom.
Sing. Mask. im Vorderglied einer Zusammensetzung, welcher
Art sie auch sei, nichts zu schaffen. Sind doch in den Ga-
tha’s noch die Formen mit a (und a) häufiger als die mit 6.
Die Ersetzung des stammhaften a (und @) durch das nomina-
tivische ö erfolgte erst spät und allmählich. Zuerst dürfte es in
Komposita maskulinen Geschlechts sich eingestellt haben, da
das zweite Glied, ein Substantiv, durch ein a-Adjektiv näher
bestimmt wurde. Aus der Vermischung zweier Sätze wie
*darez0 taua bazaus asti “lang ist dein Arm’ und *dareza-
bazaus ahi “du bist ein Langarm’ konnte leicht ein darezo-
bazaus ahi hervorgehen; vgl. Jt. 17. 22. Niemals aber tritt
für dieses ö die arische Sandhiform as auf, die sich eben nur
zeigt, wo arische Vorbilder dafür vorhanden sind, also z. B.
bei «as-Stämmen.
Freilich kann man ja sagen: wenn neben vareno.dä auch
lIvarenazda üblich war, so konnte nach diesem und ähnlichen
Mustern auch raeuaskipra- neben raguo.kihra- aufkommen. Es
wäre aber doch ein äusserst wundersamer Zufall, wenn diese
Analogiebildung gerade bei diesem und nur bei diesem Kom-
positum vollzogen worden wäre, und zwar nachdem sich erst
zu raeuant- ein Nom. Sing. Mask. auf -6 eingefunden hatte,
wie solche ausser vielleicht in zwei Fällen, die Geldner KZ.
XXX 515 namhaft gemacht hat, nicht aufzutreiben sind. Ne-
ben raeuaskipra- findet sich auch raeuap.kipra-. Die beiden
Wortformen verhalten sich zu einander genau so wie lvare-
nazda zu larenödä; dort die Gestalt des Inlauts, hier die
des Auslauts.
Ähnlich: vouru.rafnöstema A 3.4. Vgl. noch jengstü, vestä J. 46.
14, 17 (Verf. Handbuch 24 Note, Ar. Forsch. II 105; Geldner BB.
XIV 26); rafnöhiai 4. 58. 7, vimanöhrm V. 1. 8. Über ein andres
Ὁ s. Verf. ebd. XV 8f.: Note.
Ich verweise hier auch auf asemno.vido und asemnö.gano,
wie die Neuausgabe Jt. 10. 39, 40 bietet. Die Wörter gelten mir
für Komposita aus asem “ das Richtige’ —- "das Ziel’ +na “ nicht’
+vrdo, bzw. ganö, Nom. Plur. zu ai. 4 vidh- und 2 han-.
Sollte nieht auch höna V. 8. 41 f. für hae oder hä° stehen ὃ
Das Wort wäre ein Lok. Sing. von ar. sanu-, ai. sanau. Gemeint
ist jedenfalls die Nase.
488 Christian Bartholomae,
Ich will nieht untersuchen, ob die Art, in der Caland
jaska erledigt, die riehtige ist); auch will ieh auf uska Jt.
5. 61, das Caland nieht erwähnt, kem besondres Gewicht le-
gen, obwohl ich es allerdings dem ai. «ccd- direkt gleich
setze ?). Von ausschlaggebender Bedeutung aber scheint mir
die Behandlung der in Rede stehenden arischen Gruppe im
Altpersischen. Hier finden wir sk, vgl. anijaskij — ai. anydceid,
avaskij, kiskij. Dieses selbe sk aber tritt auch für ar. 51. ein,
vgl. kaskij = av. kaskip. Es ist mir nicht zweifelhaft, dass
(diese beiden Erscheinungen mit emander zusammenhängen.
Die iranischen Zeiehen, die man mit % (oder wie immer)
umschreibt, stellen nichts andres dar, als die enge Verbindung
eines ἐ- mit einem s-Laut. Nun zeigt sich bekamntlieh für je-
des vor ἐ stehende 7 im Iranischen ein s. Ich nehme an, dass
schon in der Ursprache ἐξ zu bt wurde, wofür im Uriranischen
st eintrat, nachdem der Wandel von s in s nach ὁ, τὶ und r
abgeschlossen war. Dann aber vollzog sieh der Übergang von
ἐξ zu st im Uriranischen noch ein zweites Mal. Auch em £
vor dem aus idg. A” entwickelten #s-Laut wurde in s umge-
setzt. Das Avestische blieb dabei stehen. Im Altpersischen
aber ist ein vor ts stehendes s, gleichviel welcher Herkunft,
dureh Assimilation zu s geworden. Die gleiche Assimilation
sehen wir auch im Indischen, wo ja. für ste (=t$) ste
(= sts) erscheint; vgl. Verf. Studien 149 Note. S. ferner Les-
kien Handbuch ? 46 ff.
Ich gebe zum Schluss eine übersichtliche Zusammen-
stellung der hier besprochenen Lautwandlungen.
Τα δ. bi lausths st tk’ sk‘ es ΞΞ
Ar. Dt ist ed) 81. id)
1) Seine Übersetzung von jt. 14. 44 halte ich nicht für ganz
zutreffend. kataraskip ist nach meiner Meinung beide Male Neu-
trum und bedeutet “beiderseits”. Also: “Wenn die Heere zusam-
mentreffen, beiderseits die Schlachtreihe geordnet ist” ; “vier Federn
sollst du verteilen auf dem Weg beiderseits”, d. 1. auf der freien
Strecke zwischen den Heeren nach beiden Seiten.
2) Unklar ist mir, wie sich Spiegel Vgl. Grammatik 69 die
Entstehung von rawaskarat- denkt. rauah- ist “freier Raum, Frei-
heit’ und bildet den Gegensatz von azah- “enge Gefangenschaft’,
vol. 1)... .ὃ: 9. ἡ 18:10
3) Welche Aussprache hatten jene arischen Laute, aus denen
die indo-iranischen “Palatalen’ hervorgingen? Wurde schon im
Arica NM. 489
he a 4 ist ce 50 3SC
Urin st ist sk sk 2 Ὁ ἸΞΞΞ
N ER ost ΟἽ sk sk isk
Das Avestische deckt sich in all diesen Fällen mit dem Ur-
iranischen. Welche Bedeutung das ὁ der zweiten und fünften
Kolumne hat, bedarf keiner Erläuterung. Sonst kommt auf
die Qualität des vorausgehenden Vokals nichts an.
Einige avestische Wörter mit pk und dk, bei welchen
der Dental vor % etymologisch unbereehtigt zu sein scheint,
hat Geldner Studien 1 54 besprochen; s. auch KZ. XXV 554,
Verf. Altiran. Verbum 147. Es sind die Wörter vedköista
fratap.karato, arenap.kaesem, fratap.kaia, uruap.kaem. Fer-
ner idapka, ainidapka, jasebwapka. Die Erklärung ist nicht
überall sicher.
arenap.kaesem it. 10. 35 übersetzt Geldner im Anschluss
an J. Schmidt mit “Schuldrächer‘. Das halte ich nicht für
richtig. Es folgt vindap.spädem. Da ist es doch wahr-
scheinlich, dass die beiden ersten Kompositionsglieder gleich-
artig sind. Zudem kommt ein dem ai. ndm entsprechendes
Wort sonst im Avesta nicht vor. Zu dem angeblichen ere-
naua- “verpflichtet” in arenauaki Jt. 5. 34 u. ὃ. 8. J. Darme-
steter Etudes Iran. II 213 ff.; wegen rena v. 7. 52 bei Geld-
ner Studien I 27 5. jetzt BB. XIV 16. Auch heisst kaesa-
doch schwerlich “Rache” oder “rächend’. Ich nehme arenap
als Präsensform zum Aoristkonjunktiv aredap 1. 50. 11; ἢ
vertritt ar. ndhn; 5. Verf. Studien II 94 ff., wo ich aren° hin-
zuzufügen bitte. Aaesa- mag ‘versprechen’ bedeuten. Das
ganze also “der das versprochene zur Ausführung bringt”. Vgl.
4. B. AV. 11. 6. 19, wo satydsandhan als Beiwort von devan
bezeugt wird.
fratap.kaia v. 2.26 (,34) gehört sicher nieht zu 1) ki-,
wie Justi will, sondern zu 1) tak-. Ob aber gleich *fratakaia?
Für wahrschemlicher halte ich es, dass das 5 dem von afra-
tap.kusis Jt. 13. 53 entspricht, also von Formen her bezogen
ist, da k folgte; 5. Verf. Handbuch 8 106. Es wäre somit
frat’ eine reduplizierte Bildung mit ai-a- in kausaler Bedeu-
tung. Die Existenz soleher Stämme ist nicht wohl in Zweifel
Arischen ἐξ (d. i. # mit palatalem 8) gesprochen? Dann mag auch
schon im Arischen idg. tk zu ts geworden sein.
490 Christian Bartholomae,
zu ziehen. Vgl. av. titäraieiti 11. 8. 8, 39. Genau gleichartig
formiert scheint ai. vavrdyamahe RV. 8. 40. 2 zu sein, nach
dem Herkommen als Denominativ erklärt 1). Vielleicht ge-
hören auch ai. suseodyanta, susedyantı dazu, gegen Verf. Stu-
dien II 85 f. Note. Ihre Bildung hat man sich im Anschluss
an gewöhnliche Reduplikationsformen vollzogen zu denken.
So steht z. B. neben titärateiti ein titarap jt. 15. 77T; tita-
raiap wird aus einer Kontamination von *taraiap und titarap
hervorgegangen sein.
Die meiste Wahrscheinliehkeit, dass D.k, dk für k ge-
schrieben ist, besteht meines Erachtens für uruap.kaem und
für erdköista, d.i. οὐ aus ar. *vikaiistha- mit Schwund des
i vor i wie im Indischen, s. Verf. Beiträge 158, Studien
[ 112f.2). Die Sehreibung p.k (ἃ. 1. p.ts) vergleicht sich
mit der von D.t für ἐς s. dazu Geldner KZ. XXX 322. Zu
Jt. 13. 12 hat Geldner die Westergaardsche Korrektur d»ha-
tem statt "ap.tem in den Text aufgenommen. Ebenso umge-
kehrt vindap.tem statt des überlieferten vindatem zu Jt. 17.
ΟΝ. δὴ:
1. ΠΑΝ" 57. — ἂν θη
Jackson A hymn 44 führt eine Anzahl avestischer sr
nach 2 und « aufidg. sr zurück und meint “the law of sound-
change, s into s before r, is the same as in sanskrit ”. Seine
Beispiele sind Dwisra-, kusra- und pisra-. “An exception vio-
lating the law”, heisst es dann weiter, “is found in the nume-
ἃ} bri-”: tisranam, tisram und tisrö. Den Stellenangaben
1) Was ist aber va in vavavrüsas RV. 1. 173.5? An tripli-
zierte Formen, von denen Brunnhofer ΚΖ. XXX 512 spricht, habe
ich keinen rechten Glauben, trotz des Hinweises auf av. zaozizuie
G.1.6 und ai. pipiprhi im BhP. Ich setze va=ava; vgl. Whitney
Grammar? 8 1087a, Verf. Studien I 107 ἢ.
2) Man halte dazu auch av. fraesta- in den Gatha’s, ἃ. 1. ar.
*praüistha-. Es gibt hier kein zweites Wort, das in sicher geschlos-
sener Inlautssilbe ein αὖ aufwiese. — raes[ka J. 68.21 u. ö., das ich
im Handbuch ἃ 227 noch nicht verstand, ist ar. *raits, Akk. Plur.;
raem Jt. 19. 19 kann ar. *raiam vertreten, aber auch dem ai. rayim
entsprechen.
3) So scheint auch möz2.tü (oder mözt«) «Ὁ. 10.69 für mörp.tü
zu stehen.
Arica 1. 491
ist ZPG]. 1. 5 hinzuzufügen. “The unifying tendeney may
from the letter form have produced the violation”.
Zunächst einmal sei festgestellt, dass ein historischer Zu-
sammenhang der beiden Wandlungen nicht bestehen kann. Denn
wäre sr noch im Arischen zu sr geworden, oder wäre idg. sr
nach ὁ und « unverändert geblieben, so wäre eben im Avesta
»r dafür eingetreten, wie für jedes postvokalische sr.
Was die von Jackson für tisrö ete. angenommene Aus-
gleichung anlangt, so bestreite ich deren Möglichkeit nicht.
Die arische Femininflexion von “drei’ scheint nach Maassgabe
der beglaubigten Formen folgende gewesen zu sen: Nom.-Akk.
*tisras, Instr. *tisrbhis, Dat. *tisrbhias, Gen. *tisram, Lok.
*tisrsu. Danach müsste im Avestischen von den weniger
häufig gebrauchten Kasus aus das s in den Nom.-Akk. und
Gen. eingedrungen sein. Das umgekehrte ist prinzipiell wahr-
scheinlicher, und es liegt dies ja thatsächlich im Indischen
vor. Ich will aber einräumen, dass im Arischen flektiert wor-
den sein könnte: Nom. *tisaras, Akk. *tisras, so dass das a
in av. fisarö, wie die Handschriften mehrfach bieten, allenfalls
etymologisch berechtigt ist. Die Neuausgabe geht noch nicht
so weit.
Zugestanden, dass tisrö ete. nicht gegen Jacksons Ge-
setz sprechen: wie steht es denn mit der Gewähr der Wörter,
die es beweisen sollen?
kusra- J. 10.11, auch in vrkusra- und hankusra- V. 14.7
enthalten, hat schon Geldner Metrik 159 zu ai. kösa- ge-
stellt. Nun wird ja allerdings häufigst kösa- geschrieben,
und Fick Wörterbuch I* 27 meint, es sei das richtiger. Er
vergleicht lit. kduszas “Löffel’, kidusze “Schädel’, Kiauszis
Ei’, deren sz für s stehen sollt). Ferner lat. caria — “ur-
sprünglich “Haus’” — und got. has. Man sche aber we-
gen der litauischen Wörter Leskien, Bildung der Nomina
1) Die Akzente fehlen bei Fick. Ich vermag mit bestem Willen
den Grundsatz nicht zu entdecken, nach dem er bei den indischen
und litauischen Wörtern den Akzent gesetzt oder weggelassen hat.
Wo er steht, ist er gar nicht selten falsch. S. 229 lesen wir: “8. tod
jener, anderer, tvds — tvds der eine — der andere, mancher”; aind.
tva- ist stets enklitisch! Im selben Artikel finden sich die inter-
essanten Avesta-Formen fum “das’ und tum “den, jenen. S. Haug
Arda Viraf 286, 312.
492 Christian Bartholomae,
44, 129 ein; wegen cäria und has L. Meyer Vgl. Grammatik
1? 561, ©. Schrader Sprachvergleiechung ? 5. 496, 572, Web-
ster Zur Gutturalfrage im Gotischen S. 30f. Dass die ältere
Sehreibung kösa- auch die richtigere ist, geht auch aus kuksis
hervor), das gewiss mit jenem Wort etymologisch zusammen-
hängt; k$ ist =idg. ks. Es steckt also in av. kusra- “Wöl-
bung, Höhle, Schlucht’ arisches sr, nicht sr.
Das würde auch zu gelten haben, wenn Horm Recht
hätte, kusra- mit kaso in kasö.tafedra (Jt. 19. 3) zu verbinden
und in dem τὸ den Vertreter alter Nasaliıs sonans zu erkennen;
Am. jourmal of philol. XI No. 1. Ich kann aber von den
Beispielen, die er für solches « beibringt, kein einziges für
beweiskräftig ansehen. Anscheinend das sicherste ist puhdo
“der fünfte‘, das er denn auch vorangestellt hat. Es kann
sein zz aber leicht vom vorhergehenden Ordinale bezogen haben,
ar. *turthas (> ai. caturthäs, vgl. turiyas, av. tairiö). . Auch
das folgende Ordinale muss einmal « gehabt haben: idg. *su-
kthos; vgl. dazu Verf. Stud. II 22 Note. [von Fierlingers Fassung
des Worts ΚΖ. XXVI 193 f. ist mir ebenfalls unannehmbar.]
Zu pisra- fügt Jackson selber in Klammern bei: “if from
pis-”. pisra- findet sich nur V. ὃ, 87—90, verbunden mit
zaraniö.saepa-, erezato.s’, atö.s’ und haosafnaenö.s‘. Es
heisst dort: “wer den Feuerbrand pisrap haka zaranio. (usw.)
saepap au den gehörigen Ort hinbringt”. Ich wüsste mir da-
bei unter pösra- nichts vorzustellen, was mit pös- "zerstampfen
zusammenhängen könnte. pisra- gehört zu ai. pis- "schmücken,
gestalten, bilden’ und bedeutet “Bildnerei, Werkstätte’; vel.
Geiger Ostir. Kultur 388.
Es bleibt endlich Peeisra- J. 31. 13 wo ta kasmeng
bwisra haro aibı asa aibi vaenahı vispa. Jackson übersetzt
a. Ὁ. S.11 “all these in thine eye, ὁ glanceing one, guardian
with righteousness thou seest”. Dabei wird auf Fieks Wörter-
buch verwiesen, wo bwisra- zu ai. teis-, toegd- gestellt wird.
An der Fassung von Dieisra als Vokativ und an dessen Über-
setzung mit “o elaneing one’, allein daran also hängt Jack-
sons Gesetz. Ich fürchte, der Striek hält nieht lang. Die
Übersetzung “o glaneing one’ hat keine andere Stütze, als
1) Fieks avestisches kusi- ‘Höhle’ a. ©. 190 ist auch eins von
den arischen Wörtern, die es nicht gibt. S. Geldner Metrik 82.
Arica I. 493
eben den Anschluss des Worts an ai. tois- usw. Der Zusam-
menhang verlangt sie keinesfalls. Ich wüsste auch aus den
Gatha’s keine Stelle zu nennen, da Mazdah ein Beiwort von
gleicher oder ähnlicher Bedeutung erhielte. Man berücksichtige
übrigens auch ai. krchrd- "Not, Gefahr’, das sich wie eine Bil-
dung aus dem Inchoativ-Stamm ansieht. Das Petersburger
Wörterbuch will das Wort an kars- "hin und her zausen’ an-
schliessen. Sonach könnte man Deeisra-, wenn der Zusammen-
hang mit tvis- usw. durchaus aufrecht erhalten werden soll,
aus dem Inchoativ dazu herleiten, also gleich ai. *teichra-
setzen: vgl. lit. teöska “es blitzt'.
Der Übergang eines alten $- zum s-Laut vor r beschränkt
sich auf den Fall, dass eine Spirans vorausgeht. Vgl. fseratus,
vizzradaieiti; Verf. Handbuch $ 149 ı, 172 ı, Studien II
57 Note.
8. Vokal ı Nasal 7 Tr im Avesta.
Schon in den Gatha’s 76 f. habe ich es als Regel auf-
gestellt, dass im Avesta arisches an, am vor r zum Nasal-
vokal werde. Ich konnte mich aber dort nur auf ein einziges
Beispiel stützen. Als Belege führe ich jetzt an:
raremä Jt. 15. 40, darezö.rarömano Jt. 13. 29 (Hand-
schriften auch rarem’ und raro.mano): Nominalbildungen aus
dem Intensivstamm, ar. *"ramram’; vgl. Whitney Grammar ?
8. 1148. 4.
mamaröis J. 48. 10. Geldner ΚΖ. XXX 526 übersetzt
die Zeile: kada mazda manarois naro visente mit “wann
werden sie, ὁ Mazdah, Männer der Weisheit werden?” und
meint S. 533: "manaroöis könnte Genetiv von manari- (7wei-
silbig), man- + Suffix ri- sein”. Ich möchte das Wort eher für
eine reduplizierte Bildung aus /s/mar- ansehen, vgl. Whitney
ἃ. Ὁ. $-1155e, Lindner Nominalbildung 57; ar. *mamrais').
aipi.duanaraia Jt. 11.4. Justi übersetzt “ wolkenreich ',
Geldner Studien I 116 "neblig‘. Arische Grundform ist
=dhuanra- oder dhuamra-. Das Wort gehört zusammen mit
av. duammaibiö, dunman, ai. dhväntdim (Verf. Ar. Forschun-
gen ΠῚ 57), vielleicht auch mit ai. dhümds und dhümras
“düster, grau‘. Möglicherweise sind av. duanara- und ai.
1) Die Bedeutung von manaris ist “Verkündigung, Botschaft.
sc. der waren des Zarathustra.
494 Christian Bartholomae,
dhümrd- Ablautsformen des nämlichen Worts. Für die her-
gebrachte Ableitung von ai. dhümrd- aus dhümd- fehlt es an
Analogien.
generam J. 53. 8 = ar. *g’hanram. Wegen des & =.
Verf. Handbuch $47b, Ar. Forschungen II 137, 91, 105.
hrüneram J. 55.8 = ar. *krunram oder °mram. Vgl.
av. hrama-, zu dem es sich verhalten mag wie ai. dhümrd-
zu dhümd-.
Es ist also die arische Gruppe Vokal + Nasal - » im
Avesta folgendermassen vertreten:
1. Ar. -Anr-, -amr- = av.-ar-: raremd;
— av. -anar-: manaroöts, "duanarald;
av. -ener-: jeneram.
|
2. Ar. -ünr-, -umr- = av. -üner-: hrüneram.
Das zwischen n und r geschriebene a oder e bedeutet
nichts. Dass 2 und ἃ in den beiden letzten Beispielen nasa-
liert gesprochen wurden, ist sehr wahrscheinlich. Es handelt
sich darum, ob vor r ein Nasalvokal allein oder ein Nasal-
vokal + Nasal gesprochen wurde. Die letztere Annahme
scheint mir mehr für sich zu haben. Dafür lässt sich insbe-
sondere der anaptyktische Vokal zwischen » und r in der
Mehrzahl der Beispiele anführen. Ein Vokal vor Nasal + r
wäre also ebenso gestaltet worden wie ein Vokal vor n + m.
Was die ungleiche Darstellung angeht, so lässt sich auf ki-
mäne Jt.10. 32 neben kinmäne Jt. 19. 33 verweisen; — ar.
*kanmaänai, vgl. Verf. BB. XV 36 Note.
Wegen der von mir ebd. XIII 64 besprochenen ave-
stischen Formen danmahi, huanmahr und frianmahr bemerke
ich bei der Gelegenheit, dass Geldner jetzt seine frühere Le-
sung "am? wenigstens für die beiden ersten Wörter aufgegeben
hat: vgl. ΚΖ. XXVIII 408 und die Neuausgabe zu A. 5.6.
Es darf übrigens nicht verschwiegen werden, dass von
(lem Gesetz über die Nasalierung eines Vokals vor Nasal und
r auch einige Ausnahmen zu existieren scheinen. framru u. S. W.
darf man freilich nieht heranholen, es sind das junge Zu-
sammensetzungen; anlautendes mr bleibt aber erhalten ). 8.
auch franmane Jt. 11. 25 gegenüber danmahi u. 8. W.
δ
1) Zu den bei Justi angeführten Wörtern kommt noch 2)}7}" -
tem Jt. 17.12. mrätem karema ist ai. mläta carma. |So jetzt auch
Geldner BB. XVII 349. Korr.-N.]
Arica 1]. 495
Wirkliche Ausnahmen aber scheinen amraos, kamraos
Jt. 13. 109 und namra.vahs ZPGI. zu bilden. Aber die Quellen,
in denen jene Wörter vorkommen, erwecken wenig Vertrauen,
so dass sie nach meiner Meinung das oben formulierte Gesetz
nicht gefährden. Die Kopenhagener Handschrift des ZPG]. hat
namnra!).
9. Altind. Infinitive auf -man und -mani.
S. Brunnhofer ΚΖ. XXV 333 ff.; Verf. Studien II 170.
Dass die Dative der man-Stämme im Arischen als In-
finitive gebraucht wurden, ist eine bekannte Thatsache; vgl.
ai. dämane usw. bei Ludwig Infinitiv 60, av. hsanmene,
hsnümaine, staomaine?). Gleiches gilt von den Dativen der
vwan-Stämme; cf. ai. davdne, av. viduanöi. In BB. XIII τὸ f.
habe ich alsdann einen lokativischen Infinitiv auf -van nach-
gewiesen: av. röibwen J. 51. 7; s. auch Jackson A hymn,
71, 32. KZ. XXVII 22 habe ich auch avestische Lokative
auf -mam und -meng (= ar. -män) als Infinitive nehmen wol-
len; doch ist das kaum richtig. hahmeng J. 49. 3 ist Akk.
Plur. (vgl. Geldner ebd. 196), die anderen angeführten For-
1) Dass np. narm einem altiranischen "namra- = ai. namrd-
entspricht — J. Darmesteter Etudes Ir. I 94 —, soll darum keines-
wegs bestritten werden.
2) Statt kasmaine, wie ich KZ. XXVIII 20 las, hat die Neuaus-
gabe °maint.
3) Wiedemanns Zerlegung dieser Infinitive, wonach sie mit
-anai gebildet wären (lit. Präteritum 44), ist nach meiner Ansicht
unhaltbar. Er meint, dass in vzduie "unverkennbar’ ein Stamm
vidu- vorliege. Das ist jedoch nicht richtig. -uz@ vertritt sowohl
ar. -uuai als ar. -wai; letzteres aber kann auch den Lokativausgang
eines Stammes auf wa- darstellen; vgl. Verf. BB. XV 240 No. 3 und 4
(wozu apreuss. ballitwes).
Ich bemerke bei der Gelegenheit, dass ich Calands Fassung
von av. daduie J. 46. 15 als Infinitiv und seine Übersetzung der
Strophe in KZ. XXXI 261 nicht für zutreffend erachte; s. übri-
gens auch Brunnhofer ebd. XXX 512. daduie ist 2. Plur. des Ao-
ristpräsens in “thematischer’ Flexion, vgl. Verf. ebd. XXIX 316, Ar.
Forschungen II 161, Geldner BB. XIV 5 (wo aber in der Übersetzung
die Worte tars siaobanais vergessen sind). Brunnhofer ebd. XV 270
und Fick Wörterbuch 11 70, 238 haben auch noch den avestischen
Infinitiv duie J. 48. 7, den schon Roth Zeitschr. ἃ. dtsch. mgl. Ges.
XXV 226 zu den Toten gelegt hat; s. auch die Neuausgabe.
496 Christian Bartholomae,
men scheinen Lokative in gewöhnlichem Gebrauch zu sein.
Die Stelle mit kasmam J. 50. 10 ist mir noch nicht klar. —
Dagegen finden sich Lokative sowohl auf -man als auf -mani
in infinitivischer Verwendung im Veda, erstere den griechischen
Infinitiven auf -uev entsprechend. Ich verzeichne hier — ohne
auf Voliständigkeit Anspruch zu machen — die folgenden 1):
1. οὐ 2 ἢ" ΝΣ 5332 9%
prd bahü asrak savita sdvimani,
“jetzt hat die Arme ausgestreckt Savitar (der Anreger) zur
Anregung wel#daz ΠΗ:
dd u syd derädh savita hiranydya
bahü ayasta sdavanaya sukrdtuh ; 2. 38. 1:
ud u syd devdh savita saväyal..asthät .
sdeimani, sdvandya und savdya stehen sich begrifflich völlig
gleich. Es ist ja gewiss richtig, dass man an der ersten Stelle
auch übersetzen könnte: “bei der Anregung”. Es handelt
sich aber doch nicht darum, wie man einer grammatischen
Schablone zu Liebe allenfalls übersetzen könnte, sondern wie
zu übersetzen ist auf Grund anderer Stellen, die sich im glei-
chen Anschauungskreise bewegen. Danach aber ist sdrämani
ebenso wie sdeanaya und savdya final gedacht. Will man
für die beiden letzten die Bezeichnung Infinitiv’ nicht zu-
lassen: gut, auf den Namen kommt es Ja wenig an. So viel
ist sicher, dass sdieanaya und savdya final gebrauchte Dative
aus Nomina Actionis sind. Das gleichbedeutende sdezmani
wäre dann eben ein final gebrauchter Lokativ. Ich sehe aber
nicht ein, warum man den mani- (und man-) Formen den
Namen “Infinitiv' verweigern sollte. Daneben stehen solche
auf -mane. Die Lokative aus Nomina-Agentis-Stämmen wer-
den schon seit indogermanischer Zeit ebenso wie deren Dative
als Infinitive verwendet ?); s. fürs Arische Verf. BB. XV 240 ff.;
1) Brunnhofer führt als Infinitivformen auf -man, -mani tol-
ende 4 auf: vidharmani ἈΝ. 3. 2. 3, savimani 4. 53. ὃ. haviman
6. 63. 4, dharmani 1. 159. 3; vgl. ΚΖ. XXV 335, 337, 341, 353.
2) Vgl. auch av. vidöihre Jt. 10. 82 > ai. dhartari, sötäri usw.
bei Geldner KZ. XXV 524. Johansson ebd. XXX 415 hat diese Stelle
vermutlich übersehen. S. besonders RV. 10. 100. 9: ürdhvö gräava
vasavro 'stu sötdri mit 1. 28. 1: ... gräva..ürdhvö bhavati sötave.
Oder soll man etwa mit Rücksicht auf 4. 3. 3: gräveva söta auch
sötari als Nom. Sing. Neutr. (!) “als Presse’ nehmen?
Arica II. 497
.
ferner Brugmann Grundriss II 613. — Ich bemerke noch, dass
Ludwig zu RV. 4. 53. 3 übersetzt: “zur Belebung hat Savitar
die beiden Arme ausgestreckt”. Im Kommentar heisst es
dazu: “Sajana vortrefflich prasave 'nujnaya nimittabhaäta-
yam’. 8. auch das gleich folgende.
VS8..4.:23:
ürdheä ydsyamdtir bhä ddidyutat sdeimani
hiranyapanir amimita sukrdtuh krpa sväh |
“dessen Lichtglanz strahlte hochauf zur Anregung, er der
Goldhändige, Weise hat jetzt mit seinem Leibe den Himmel
ausgemessen . Die Verbindung von ärdhed- mit dem Lokativ
hat keinen andern Sinn als die gewöhnliche mit dem Dativ,
worüber Grassmanns Wörterbuch Auskunft gibt. Beachtenswert
ist Mahidharas Erläuterung: yasya bhah adidyutat | kinnimit-
tam | savimani anujnänimitta sarvan karmany anujhatum
ty arthah .
ΕΝ 851»:
ida ha nündm esd 1 sumndm bhikseta märtyah
aditydnam dpürveya sdeimant ||.
Auch hier nehme ich sdo’ mit Ludwig, der wieder “zur Be-
lebung” hat, final. In dpäreyam sehe ich hier und RV. 3.
13. 5 ein Adverb und übersetze es wie das damit identische
av. apaourvim J.28.5 "wie nie zuvor”; vgl. Jackson A hymn,
20. Also: “Ihre, der Aditya Gunst soll sich jetzt der Sterb-
liche erflehen, dass sie anregen wie nie zuvor”.
Ausserdem findet sich sdermani noch dreimal im RV.:
Ὁ ὉΠ ἢ 6,012 und 10. 80. 12... Ἀπ der ‚ersten Stelle.ist
es gewiss gewöhnlicher Lokativ. Die beiden andern zeigen
eine nieht zu verkennende Ähnlichkeit. 10. 36. 12 steht:
sresthe syama savituh sdetmani , und 6. 71. 2:
devasya vaya savituh sdeimani ı
sresthe syama vdsunasca dävdne .
An der zweiten Stelle sind sdermani und davdne offenbar
parallel gebraucht. Ludwig übersetzt daher: “möchten wir
(bestimmt) sein zur herrliehsten Belebung von seiten Savitars
und dass er uns Treffliches gebe”. Bei Grassmann fehlt ca.
Wurde srestha- als Synonymon von prathamd- gefühlt? Vgl.
das Petersburger Wörterbuch. Von prathamd- kommt im AV.
der pronominale Genetiv prathamdsyas vor, und Panini kennt
auch den Nom. Plur. prathame. Danach liesse sich sresthe
498 Christian Bartholomae,
als Nom. Plur. fassen, bezogen auf vaydm, und sdvimani wie
dävdne davon abhängig machen; vgl. 6. 26. 8: sresthö ghane!)
ertränd sandye dhänändm. Doch will ich nieht versäumen,
auch auf 1. 164. 26 srestha savdm zu verweisen. Für die
Ausdehnung der Pronominalflexion aufs Nomen besitze ich
keine Sammlungen. Lanman sagt nichts darüber. Im Avesta
geht sie ziemlich weit.
2. däriman RV. 1. 129. 8. Es’ heisst hier:
prdpra τὸ asme svdyasöbhir ütt |
parivarga indrö durmatind |
däriman durmatindam
Sowohl Grassmann als Ludwig übersetzen pariv’ und dar’
final; letzterer gibt die letzten zwei Zeilen so: “Indra (komme)
zu der Boshaften Beseitigung, zu der Boshaften Zerreissung,
und bemerkt dazu im Kommentar: “Lokativ in Dativbedeu-
tung”. parivarge gilt als Lok. Sing. zu einem Stamm "vargd-,
der sonst nicht vorkommt; dparivargam der Brahmana’s ist
Absolutivum. Sonst findet sich noch der akkusativische In-
finitiv parierjam (nirrtinam) RV. ὃ, 24. 24, abhängig von
vettha, wozu 4.8.3: sd veda..dändmam zu vergleichen ist 5).
Sollte es ganz und gar unzulässig sein, parivarge als Dativ-
form zu nehmen? Nach Delbrücks Akzentregel für die ὁ-
Dative (Verbum 222) wäre freilich Betonung auf der vor-
letzten Silbe zu erwarten. Aber es gibt doch noch mehr Aus-
nahmen ausser dem dort erwähnten vdhe. Ich führe noch an:
badhe, sädhe sr 10. 35.9, taje 8. ιν 1 nase»: 122. 5, 12,
Mer AV. 1. 34. 5, vighase 11. 2. 2, pramrade CB. 4. n
3 Ὁ vgl. B et 2.0. 508-ff.; ee Infinitiv 56 ff. ®
\ Infinitiv; 5. Brunnhofer ΚΖ. XXX 510; = idg. *"ghnn-at.
Fehlt 4 Whitney Wurzeln.
2) Bei Brunnhofer, Ludwig Infinitiv 55 und Whitney (Wurzeln)
wird aändamam als Infinitiv aufgeführt, nicht aber pariv®.
8) Bei Whitney Wurzeln fehlen sadhe, tıtje, na avidvise,
vighase. — Zu ἐδ räye vgl. räya ätuje RV.T.32.9. Zu vighase
vgl. Ludwig Rigveda II 549. — RV. 10. 35. 9 übersetze ich: “Um
Sicherheit flehn wir jetzt bei der Breitung der Streu, bei der
Schirrung der Steine, damit unser Wunsch sich erfülle”; vgl. dazu
mdnma sädhaya 6. 56. 4 und die Verbindungen von sddh- mit
maäti- und dhi-. — Nach Ludwig Infinitiv 56 ff. gehörten hierher
noch: jambhe, yaje, saye und upasvase; doch s. jetzt seine Über-
setzung und den Konmentar; zu upası® vgl. das Petersburger
Wörterbuch.
Arica I. 499
An die letzte Form ist parivarge anzuschliessen; °’varge ver-
hält sich zur Wurzel varg- genau so wie "mrade zu mrad.-.
Die Hochstufenform der Wurzel begegnet bei den e-Infinitiven
gar nicht so selten. Ein paar Mal stehen Hoch- und Tiet-
stufenform neben einander: grbhe > nigräbhe, samndse > nase.
Auch die Dehnstufenform kommt vor, vgl. Verf. BB. XV 219.
3. haäviman RN. 6. 63. 4, wo:
prä höta gürtdmanda wuranö |
dyukta yö näsatya haviman
Ludwig übersetzt richtig: “der angestellt ward zu der Nasatya
Anrufung”. Aavıman ist mit dem Kasus des Verbs (Akku-
sativ) verbunden.
4. pdrimani RV.9. 11. 4. Die richtige Fassung von
nenikte apsı ydjate pdrimani |
gibt Ludwig im Kommentar. Es ist zu übersetzen: “er reinigt
sich m den Wassern, um dem Opferer reichlich zu spenden”.
Bei der hergebrachten Erklärung von ydjate als 5. Sing. hängt
pdrtimani ganz in der Luft.
Serdhärman, dharmani., ἘΝ. 9 1:1:
dsrgram indavah pathä |
dhärmann rtäsya susriyah |
Ludwig übersetzt: “Auf ihren Weg sind die Tropfen ergossen,
zu des Gesetzes Aufrechterhaltung, die herrlichen"; — ferner
ebenso 9. 110. 4:
djıjanö amrta märtyesv ὦ 1
rtäsya dhärmann amitasya cärunah |
Ludwig: “Du hast (ihn) erzeugt Unsterblicher unter den Sterb-
lichen zu der Ordnung Erhaltung und des schönen Amrta ”.
Zu vergleichen ist 2. 23. 17:
sd ımacid vnayd brähmanas pdtir |
druhö παρέα mahd rtäsya dhartari |
S. die Litteraturangaben zu dieser Stelle bei Johansson RZ.
XXX 414f. Es scheint mir das nächstgelegene, »tdsya dhär-
man und rtdsya dhartäri in der gleichen Bedeutung zu neh-
men. Jedenfalls nieht angängig ist Grassmanns Übersetzung,
der an den ersten Stellen “nach des Rechtes Brauch”, “im
Brauch des Opfers”, an der letzten aber “zu des grossen
Rechtes Schutz bietet. So verschieden dürfen die Aus-
drücke nicht genommen werden. Übersetzt man mit Johans-
son rtdsya dhartdri mit “ ein Schutz des Rechtes” — s. oben
500 Christian Bartholomae, Arica II.
S.496 N. 2 —, so bleibt für »tdsya dhärman auch nichts an-
dres übrig, als es final: “zum Schutz des Rechtes” zu fassen.
Nominativ kann dharman ja doch nicht sein.
RV. 1415993:
sthätüs ca satyd jägatas ca dhärmani |
putrdsya pathah paddm ddvayarvinah |
Ludwig macht mit Recht satydm von dhärmani als Objekt
abhängig vgl. auch seine Erläuterung im Kommentar ---:
dann aber kann dhdrmani nur in finalem Sinn gebraucht sein.
ἘΝ θεῶν grim aller
yasya dhärman seär Enth ἃ
saparydnti mätar üdhah |
Wenn ich die Strophe recht verstehe, so bedeuten diese Worte:
“den Agni verehr ich..., dessen Glanz zu erhalten die Bunten
dler Mutter Schooss dienend aufsuchen”. Mit enzh werden die
Holzscheite gemeint sem — nach Sayana sind es die dhuta-
yah —, mit mätar (se. agneh) üdhah der Herd.
S. noch Ludwigs Übersetzung zu RV. 3.38. 2 und 9. 97. 22
(mit den Bemerkungen im Kommentar); ferner Brunnhofers
Übersetzung zu 3.2.3.
δ. dahdrimani a RVIL 28
aydm jäyata mdnuso dhärimani |
Ludwig: “Zu des Menschen Erhaltung ward (er) geboren”.
S. auch Ludwigs Übersetzung zu 9. 86. 4.
Münster (Westf.), 12. August 1891.
Christian Bartholomae.
Lat. perendie.
It has long been recognised that the first part of this
word is connected with the Sanskrit pdra (οἵ, KZ. ΠῚ 395,
XI 6, XIII 190, Corssen Aussprache I? 446), but, so far as I
know, no satisfactory explanation has been given of the form
peren. According to Corssen (l. e.) perendie has arisen from
"perom diem, in which case we should have to suppose that
it became perendie after the analogy of postridie and the
like. His explanation, however, may be called in question
J. Strachan, Lat. perendie. 501
for both phonetie and syntaetie reasons. Phonetically *perom
diem might have been expected to become *perundiem, as
=tantom-dem becomes tantundem. Syutactically a locative
would have been more in place, ef. pridie, postridie, meridie,
skr. aparedyus, paredyavt, οἵ. Grassmann KZ. XI 6 sq. Grass-
mann suggests that in peren we have a locative form, but his
explanation of it is untenable. *Peren as a locative from pero-
could be compared only with the locatives in » that Bartho-
lomae has pointed out m BB. XV 25 sqq., and it is most im-
probable that such highly archaie forms should form part of an
ordinary adjeetive deelension. Solmsen’s derivation of enim
(ΚΖ. XXX1475) has suggested to me another possibility. Latin is
one of those languages where certain adjectives in some cases
follow the pronominal deelension (ef. Brugmann Grundriss II
460). Thus corresponding to skr. pdrasmin we might have
a loeative *peresmi whence, with loss of 2 (ef. Grundriss 1503,
Leo Meyer VG. 15 991 54.) perem and, by assimilation, peren.
As to the second part of the word, if we may assume a pre-
historie peresmi dieui, it has followed the change of deelen-
sion of dies. An Idg. locative *dieu or "die is not in itself
ineonceivable, but could not be assumed without further evi-
denee. For the meaning “the day after the morrow ef.
ἔννηφι, skr. anyds, Curtius Gr. Et.° 310.
Marple, Cheshire. {τ ΘΙ ἃ ΟἿ ἈΠ:
Καταεβῶςαι bei Herodas.
In den kürzlich ans Tageslicht getretenen, in ionischer
Mundart abgefassten Mimiamben des Herodas heisst es (V,39):
τήν «εὐ χολὴν γὰρ ἤθελον Karacßwcan.
Karacßwcoı steht hier im Sinne von καταςβέςαι. Kkuther-
ford, der mit der Form nichts anzufangen weiss, ändert sie
in καταεβέεςαι und vergewaltigt damit die Überlieferung. An
dieser ist nichts auszusetzen.
Die Wortsippe cßevvüuı führt, wie ich Morphol. Unters. I
19 ff. gezeigt habe, mit Notwendigkeit auf ein seg- als ihre
Wurzel, wahrschemlich dieselbe Wurzel, von der lat. segni-s'!)
| 1) sögni-s aus *segu-ni-s wie ägnu-s aus Fagu-no-s (vgl. avilla
und duvö-c aus "aßvo-c).
Indogermanische Forschungen I 5. 39
502 Karl Brugmann,
kam und ai. saj-, das, ausser “hängen im allgemeinen, auch
“hängen bleiben, stecken bleiben, stehen bleiben, zögern u.
dgl. bedeutete. cPB-ec- in cßec-caı cßevvuu u. 5. w. zeigt das-
selbe wurzelerweiternde Suffix -es-, das z.B. in fr-es- “zittern
von Wurzel ter- tr- (Tpec-cav τρέ(ε)ω al. trasa-ti “ erzittert ',
vgl. τρ-έμω lat. tr-emo und ai. tar-ald-s “sich hin und her
bewegend, zitternd 7), in E-ec- von Wurzel ges- gs- (Zec-ce ξέ(ε)ω,
vgl. ξ-ύω und aksl. ces-ati “kämmen, striegeln’ lit. kas-Yyti
“kratzen ), in Bd-ec- von Wurzel pezd- bzd- (βδέςαι βδέ(ε)ω
Bdevvuuon, vgl. sloven. pezdeti cech. bzditi furzen lat. pedo aus
®pezdo) und in w-es- "ankleiden von Wurzel eu- u- (griech.
(F)ec-ca (F)evvuuaı lat. ves-ti-s, vgl. lat. er-uo aus ἕτοιμα *-euö
umbr. an-ovihimu " mduimino ') vorliegt. Vgl. Verf. Grundr. II
S.20, Per Persson Studien zur Lehre von der Wurzelerweiterung
und Wurzelvariation 77 ff. Der Stamm cß-n- aber in E-cBn-v
cBr-coucı €-cßn-ka, der nur mit gröblicher Vernachlässigung
klarer Lautgesetze aus cßec- gewonnen werden kann, hatte
dasselbe Suffix -ὅ- wie E-BA-n-v ἐ-βάλ-ητν von Wurzel gel-
(βέλος), πλῆ-το von W. pel- "füllen (moAV-c got. filu), E-ppV-n
von Wurzel sreu- (pe(F)-ea) und zahlreiche andre ein- oder
zweisilbige Stämme (Verf. Griech. Gramm.*? $ 114 S. 153).
Es eröffnet sich nun ein doppelter Weg zur Erklärung
von cBwcaı.
Zunächst kann man neben cß-n- ein mit ıhm ablauten-
des cß-w- annehmen. Vgl. z. B. Z-w- (in EZwca Zww gort.
δώ) neben Z-n- (in Zncw Einca ζῇ aus "Zn-ıa) aus *gi-e-
®-0- (vgl. av. jyaiti- “ Leben’) von Wurzel gei- in av. gay-a-
“Leben” und sonst; w-w- (mM ψώχω WWUO-C Wwpö-c) neben
w-n- (in Eynca ψῇ aus *"yn-ıa) aus "bhs-e- *bhs-ö- (vgl. ai.
psä-ti “zerkleinert, kaut, verzehrt’ part. psa-td-s) von W. bhes-
in ai. bad-bhas-ti “zerkleinert, verzehrt bhds-man- " verzehrend ';
ebenso gn-e- gn-ö- kennen’, pl-e- pl-6- füllen’, 1-6- ?-0- "ge-
hen’ u. a. cßwcaı wäre hiernach mit Z-W-caı, ἀνα-γνῶςαι (Wur-
zel gen-) u. ähnl. auf gleiche Linie zu stellen.
Eine zweite Möglichkeit ist durch die Hesychglossen
Zoacov (ἃ oder a?) cßecov (cod. ceßecov) und Zodc' εβέεεις
(ecod. ζοᾶς᾽ ceßeceic) an die Hand gegeben. Das Z ist ebenso
wie in Zeivauev' cßevvuuev (man schreibt wohl mit Recht Zeı-
vuuev dafür) und in EZıwvev' ἐπεεβέννυεν Vertreter von zd. Ein
*7do(c)aLw oder *zdo(c)aw neben cßec- zdec- ist nicht auffal-
Καταςεβῶςαι bei Herodas. 503
lender als got. wasja ahd. weriu werru "bekleide’ Grundf.
#4oseio neben (F)-ec-ca oder als ai. trasa-s taträsa träasaya-ti
neben tr-dsa-ti. Hiernach könnte cßwcaı dieselbe Kontraktion
von on in w erlitten haben wie die ion. Eßwca em-Bwcouaı
Beßwueva zu Boaw, EV-VWCÄC VEVWUEVOU ZU νοέω, ἐβώθεον ἐβώ-
Oncav zu Bondew.
Unser cßwcaı, mögen wir es mit Ζῶςαι oder mit Bwcaı
Bofcaı auf eine Linie stellen, ist insofern von besonderm
Interesse, als es uns den Wechsel zwischen cßec- und cdec-
besser verstehen lehrt als wir ihn bisher verstehen konnten.
Idg. g erscheint lautgesetzlich als ß vor o-, als ὃ vor e-Voka-
len, wie in βούλομαι : dor. δήλομαι, βολή : ark. δέλλω, ὀβολό-ε:
delph. 6deXö-c, βοῦς, ἔρεβος, δέ, ἀδήν u. 5. w. Lautgesetzlich
waren also unter den überlieferten Formen unsrer Wortsippe
nur καταςβῶςαι und Zeivauev (Zeivuuev). Von cBßo(c)- (cBw-) aus
war ß in cßevvuu cßeccon εβῆναι eingeschleppt, von cdec- aus
ὃ in Zoacov Zoäc.
Nun ist freilich keineswegs sicher, dass Zoacov auf eine
Stammform *zg-os- zu beziehen sei. Neben Z-ec-caı stand ein
gs-u-, vertreten durch ξύω schabe, reibe ab’ Zu-pö-v ai. ksu-
rd-s “Schermesser’, wozu wohl Zoö-c Zucuöc (Hesych), ξόα-
vo-v und Zoic zu ziehen sind (mit Zof-, nicht mit Zoc-). Fer-
ner stand neben ?r-e- (τρῆ-μα Loch’ ahd. drau “drehe’) ein
tr-u- (τρύω “reibe auf TpUckw tpüxoc, aksl. trova “reibe auf,
verbrauche ), neben pr-e- (πρήθω miu-npn-u “blase auf, sprühe,
schüre, zünde’ russ. preju “schwitze, siede, entzünde mich’)
ein pr-u- (aisl. fraud Schaum’ ai. pru-g- "spritzen ’ lit. prau-
s-ti “das Gesicht waschen’) u. dgl., s. Per Persson a. a. Ὁ.
S. 171. 173 u. sonst. So kann neben zg-es- und zg-e- ein
2g-u- zg-eu- zg-ou- gelegen haben, auf das sich Zöacov bezie-
hen liesse, indem man es auf *Zofacov zurückführte.
Für einen Stamm zg-u- sprechen mit ihrem &- die beiden
Glossen ἐξίνει: emecßevvvev und ἀποξίννυται: ἀποεβέννυται, de-
nen sich xaracecac' cßecac anschliesst, da sein c, wie schon
M. Schmidt s. v. amoZivvuraı vermutet hat, wahrscheinlich
Schwächung von & war, vgl. att. Insechr. εὐλον εὔὐλινος (Mei-
sterhans Gramm. d. att. Inschr.? 71), coavo ἀξίνη. TTagıoı zu
ξόανον (vgl. Meister Die griech. Dial. II 249, ©. Hoffmann
Die griech. Dial. 1 227), Σενοφίλου CIG. 2585 und andres,
504 Karl Brugmann,
3. Curtius Gr.? 696, G. Meyer Gr. Gr.? 257, Kretschmer KZ-
XXIX 4682).
Was zunächst den im ἐξίνει und ἀποξίννυται hinter der
Wurzel auftretenden ö-Vokal betrifft, den auch EZıwvev’ emecßev-
vvev hat, so haben wir hier wieder ein andres Wurzelsufhix,
-7-, das z. B. auch vorliegt in op-ivw ai. r-i-nea-ti r-i-mäd-ti
r-i-t- r-7-ti-$ neben ὄρ-νῦτ-μι al. 7-ned-ti, m xp-ivw lat. dis-cr-
men neben lit. skör-ia, in gr. Ay-ıvw ay-ivew?) neben dy-w
kret. ἀγ-νέω, im πινύμενο-ε πινυτό-ε aus FrF-ı-vu- neben vn-
πύ-τιο-ε al. pu-nd-ti?), in ai. bhr-i-na-ti aksl. br-i-t (av. br-Oi-
bra-) neben gap-o-c lat. for-are, in ai. sr-1-na-ti neben sr-td-s.
Da öpivw lesb. ὀρίννω auf *öpı-vFfw zurückzuführen ist, so
dürften ayıvw und EZivev entsprechend aus *ayı-vFo- und *zd1-
vFo- entstanden sein. ayivew und ἐξίνει aber beruhten auf jün-
gerem Übertritt in die Klasse der Verba auf -έω, wie mırvew
neben mirvw, εἰλέω neben εἴλω, worüber ich an andrer Stelle
handeln werde. damo-Zivvurar fasst man am einfachsten als
eine Kombination von ξι- mit *zevvou 1).
Die Wurzelform Z- kann nur als Vertreter von zy- an-
gesehen werden. Ob eine wirkliche Umstellung der beiden
Laute stattgefunden hatte, oder ob EZ nur ungenaue Bezeich-
nung des gesprochenen, wahrscheinlich stimmhaften Lautes
oder Lautkomplexes war (vgl. die Bemerkungen Kretschmers
in ΚΖ. XXIX 459 ff. über die Aussprache von Z und w), bleibt
ungewiss. zy- aber lässt vermuten, dass im Griech. einmal
Formen mit «-Vokal vorhanden waren. Denn wo in demsel-
1) Bei ξύν und εὖν mag die zwiefache Gestaltung des Anlau-
tes in die vorgriechische Entwicklungsperiode hinaufreichen. S.
Kretschmer RZ. XXXI 415 f. Dass dieses auch bei cbAov und codva
der Fall sei (s. Kretschmer S. 417. 419), ist mir sehr unwahrschein-
lich. Ganz abzuweisen ist es natürlich für Σενοφίλου τι. ἃ. (5. Kretsch-
mer 5. 423).
2) Vgl. ai. dj-@-s d-sar-ar-t (neben d-sar-t-t), wo dasselbe Suftix
in Hochstufengestalt erscheint (vgl. Bartholomae Stud. zur ide.
Sprachgesch. II 63 ff.).
3) Dasselbe ἢ in italisch *px-7-/o-s osk. piihiui lat. p2u-s und
in ai. pav-i-tär- (Bartholomae Stud. zur idg. Sprachgesch. II 155).
4) Führen wir Zöacov auf *zg-ou- zurück, so haben wir ein
Nebeneinander von «-Sufix und -Suftix, wie bei φλούω PA-vV-ddw
und Φλ-ί- ας φλ-ι-δή, bei τρ-ὕω und lat. ἐγ-τ-εἰ ἐγ-τ-έιι- 5. u. dgl., 5. Per
Persson S. 104. 124. 131. 160 und sonst.
Karacßwcaı bei Herodas. 505
ben Wortstamm allgemeingriechisch y xx mit ßmg oder ὃ τ
8 als Vertreter von idg. Velarlauten wechselten, ist in allen
klaren Fällen ein folgendes oder vorhergehendes «# im Spiele
gewesen, wie bei rnpec-yu-c (vgl. ἐγ-γύ-ε weccn-yü-c) neben
πρέεβιετο-ς, Yoy-rÜ-Zw neben Bon, ὑ-τιής eigentlich “wohllebend
neben Bio-c und ζῇ (*gi-e-), Bou-KöAo-c neben ai-TöA0-C ἵππο-
πόλο-ς, ἐλαχύ-ε neben ἐλαφρό-ς ἐλαθρό-ς (Ss. Verf. KZ. XAV
Beer TS: 316 Ὁ 3197, Gr. Gr.” 8. 55 Ὁ de’ Saussure
Mem. de la Soe. de lingu. VI 161 f., Wackernagel Das Deh-
nungsgesetz der gr. Kompp. 4, Bezzenberger in seinen Beitr.
XVI 252). So würden ἐξίνει, ἀποξίννυται und Katocecoc, indem
sie auf ein *zg-«0- auf griechischem Boden weisen, zu gunsten
der Annahme sprechen, «dass Zoacov und Zodc aus ZoF- ent-
standen waren; diese Formen verhielten sich zu cßec-caı wie
Zo(F)-6-c “das Schaben’ zu Zec-ca.
Man hat aber — ich will keine Mögliehkeit beiseite las-
sen — auch noch damit zu rechnen, dass das o von Zöacov und
ζοῦς als Vertreter von v (x) gefasst werden kann, als welcher
dieser Vokal in einer Reihe von hesychischen, zum teil kypri-
schen Glossen erscheint (G. Meyer Gr. Gr.? 5. 105 f., Meister
Die griech. Dial. II 217 ff., ©. Hoffmann Die griech. Dial. I
165 f.), dass uns also in Zo- die nach dem Anlaut &- zu ver-
mutende Stammform *zg-ı- noch unmittelbar überliefert sein
kann. Indessen wird diese Auffassung durch unser κατα-εβῶ-
coı, falls dieses aus *-cBoncaı entstanden war, unwahrschein-
lich, weil das o dieser Form idg. o gewesen sem muss.
Bei der Mamnigfaltigkeit von Formen, die die Sippe
cBevvuu bietet, und bei der Art ihrer Überlieferung — wir
wissen nicht, aus welchen Dialekten die hesychischen Glossen
stammen und ob sie alle genau geschrieben sind — ist es
natürlich, dass mancherlei im einzelnen zweifelhaft bleibt. Es
genügt mir, gezeigt zu haben, dass ein Verständnis des über-
lieferten ohne allzu gewagte Hypothesen wenigstens möglich
ist. Was im besondern das neu entdeckte κατα-εβῶςαι be-
trifft, von dem wir ausgingen, so ist es ohne Zweifel unan-
getastet zu lassen, und so lange nicht ein mit cß-n- ablauten-
des cß-w- sicher belegt ist, gebe ich der Herleitung aus *-cBon-
caı den Vorzug, mag dieses ein *cB-oc- oder eim *-cB-oF- ent-
halten haben.
Leipzig. Karl Brugmann.
506 Heinrich Lewy,
Kyprisches.
1. Unerklärt ist die Glosse bei Hesychios: ἀβάθματα"
ς«τρέμματα (Κύπριοι). Das Wort hat semitischen Ursprung.
Ich vergleiche ἀβᾶθ-ματα mit hebräisch ni22 "bhoth “Strick,
Flechtwerk’. Im Phönizischen könnte der zweite Vokal leicht
ein anderer (4) gewesen sein.
2. Unerklärt ist die Glosse bei Hesychios: ecdAai'
ξύλινα maiyvıa' AuaB8oVcıoı. Ο. Hoffmann (BB. XV
50) liest EcoAaı — ἔς-εολαι — ἔκξυλαι ganz aus Holz beste-
hend’. Durch diese Änderung wird die alphabetische Folge
gestört. Ich betone ἔεθλαι und vergleiche €c-8Xa hinsichtlich
des Suffixes mit ἱἹμάς-θλη. In €c- aber erkenne ich hebräisches
und phönizisches y» ‘@s Holz’. Wegen der Vertretung von
x durch c vgl. A. Müller BB. I 282 ff. Wenn das e nicht
etwa im Phönizischen kurz war, so liegt es nahe, eine An-
sleichung an ἐςθλός anzunehmen.
3. οἱ γὰρ Κύπριοι τὸ δεεμωτήριον κέραμον καλοῦειν,
heisst es im Scholion zu Ilias E 387, der einzigen Belegstelle
für κέραμος in dieser Bedeutung:
δῆςαν KPATEPW ἐνὶ dEcUW'
χαλκέῳ δ᾽ ἐν κεράμῳ δέδετο τριςκαίδεκα μῆνας.
Wir dürfen das homerische Wort unbedenklich als kyprisch
nehmen, da eine Lokalisierung des Aloaden-Mythos, in dem es
vorkommt, auf Kypros bezeugt ist: vgl. Preller Griech. Myth.*
I 105. Bereits Hamaker, Miscellanea Phoenicia p. 304, hat
(dieses κέραμος. als semitisch beansprucht, in Hoffmanns Ver-
zeichnis der sicher oder wahrscheinlich semitischen Vokabeln
(a. a. Ο. 5. 82) findet es sich aber nicht. Indessen würde ich
nicht mit Hamaker an einen locas seclusus, cutus aditu pro-
hibentur exteri (wie Harem “Frauengemach) denken, sondern
an hebr. Dan cherem “Netz, Garn‘, also etwas, das zum Fan-
&en dient. Man vergleiche das fein wie Spinnweb geschmie-
ddete Netz, welches Hephaistos um Ares und Aphrodite schlingt
(Odyss. θ 273 fgg.). Die auffallende Entsprechung 7 —=x (ge-
wöhnlich ist 7 im Griechischen ganz weggefallen) zeigt sich
auch in Θάψακος = noen, vgl. Müller a. a. Ὁ. S. 284.
4. Ungedeutet ist die Glosse bei Hesycehios: κάβειος"
Kyprisches. 507
νέος. Πάφιοι, welche so an falscher Stelle, zwischen Kaßeıpoı
und Kaßncöc, steht. Ich erkläre sie, mit Herstellung der alpha-
betischen Ordnung, als entstanden aus xaßn' εἶδος νεώς.
Vgl. Hesychios κάβος ᾿ μέτρον ειτικὸν χοινικαῖον, οἱ δὲ εκυρίδα.
Wie hier κάβος den Korb, insbesondere den Fischkorb, be-
zeichnet, so kann κάβη (ähnlich cxapn neben εκάφος, κύμβη
neben κύμβος) sehr wohl auch für eine Art Schiff gebraucht
worden sein, vgl. Hesychios κυμβίον ᾿ εἶδος ποτηρίου καὶ πλοίου,
und κύμβη ᾿ νεὼς εἶδος καὶ ὀξύβαφον. Migliarini führt die
Ansicht aus, dass man an Trinkgefässen die Augen angebracht
habe, um sie als Schiffe zu charakterisieren, wie ja viele Ge-
fässnamen von Fahrzeugen entlehnt seien, was für seefah-
rende Völker eine erwünschte Erinnerung sei (Jahn Üb. d.
Abergl. d. bösen Blickes, Verhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss.
phil.-histor. Kl. 1855 δ. 65) 1).
ὃ. Ungedeutet ist die bei Hesychios am richtigen Orte
stehende Glosse: κυβάβδα᾽ αἷμα ᾿᾿Αμαθούειοι. Ich er-
kläre KYBABAAAIMA als entstanden
aus KYBABAAANTIA d. h. xuüßa' BaAavrıa, “Beutel, Geld-
beutel’. Zu κύβον neben κύβος (κύβον Πάφιοι δὲ τὸ τρυβλίον)
vgl. oben No. 4. Wegen der Bedeutung vgl. Hesychios κυ-
Bnciav' πήραν, “Ranzen’, Kißıcıc' mApa Κύπριοι, Küußecıc
ἢ kißıcıc ᾿ mnpa, ferner κίββα ᾿ πήρα᾽ Αἰτωλοί. Die Gleich-
setzung der Wörter mit κυβ- und mit κιβ- ist zweitellos (vgl.
indessen G. Meyer Griech. Gramm.? $ 91).
Denselben Stamm mit der Grundbedeutung “hohl” finde
ich im κύβος : Πάφιοι δὲ τὸ τρυβλίον, in κύββα ᾿ ποτήριον,
in Kußäc ' cupöc (ειρός ? copöc ?), in κύβεθρα ᾿ τὰ τῶν μελιςεςῶν,
Zellen’, in κίβος ᾿ κιβώτιον und κιβωτός ' λάρνοξ, κίετη (Sui-
das). Die Hesychios-Glosse κίβον᾽ ἐνεόν Πάφιοι ändere
ich nicht mit Hoffmann a. a. ©. δ. 97. in κίβον ᾿ ἐλεόν Küchen-
tisch, Anrichte’, sondern wieder in κίβον εἶδος νεώς.
Hoffmann a. a. O. S. 98 nimmt für Κύβος, κυβάς, κύββα,
κύμβος (Hesychios κύμβος ᾿ κοῖλος μυχός, βυθός, καὶ κεραμίου
πυθμήν), κύμβη (Hesychios κύμβας ᾿ καὶ εἴδη ποτηρίων), κύμβιον
den Stamm ®xef an, von welchem κύαρ “Höhle’, κύτος Becher’
und κοῖλος —= *KöFf-ı\oc. Ourtius Griech. Etym.? S. 528 stellt
1) Vgl. auch noch Suidas κυμβίον eidöc τι ἐκπιύματος ἐπίμηκες
καὶ «τενὸν καὶ TW cyruarı παρόμοιον τῷ πλοίω ὃ καλεῖται κυμβίον.
508 Heinrich Lewy,
κύμβη, κύμβος, womit er κύββα vergleicht, zu skr. kumbhas
“Topf, Krug’ und avest. khumba “Topf.
Ich halte den Stamm der oben von mir zusammenge-
stellten Wörter für ebenso semitisch wie griechisch.
Vgl. hebräisch 8212 kabhä‘, Stammwort „12 kabh (J. Levy
Neuhebr. u. chald. Wörterb. II 301), welches bedeutet 1. Krug,
Kanne, Kufe, 2. gewölbter Raum. Ferner 2p qäübba "Zelt,
Gemach’. Auch diese Bedeutung erscheint bei Hesychios: κύ-
βηνα ᾿εκήνωμα, und danach ändere ich die Glosse κυβιςείς κήλη
in κύβιεις ᾿εκηνή. Sodann hebr. m2p göbha “Bauch', 727
qebha ‘Magen’. Auch »277 gobhä — "353 köbhad “Helm’, ὩΣΞΡ
qüäbbaath Becher‘. Vergleiche jetzt Uppenkamp Der Begriff
der Scheidung nach seiner Entwickelung in semit. u. indogerm.
Sprachen (Progr. d. Königl. Gymn. Düsseldorf 1891) S. 18.
6. Ungedeutet ist bei Hesychios die Glosse xadauoc
τυφλός Σαλαμίνιοι. Hoffmann ἃ. ἃ. Ὁ. S. 87 möchte mit
Sehmidt κ᾿ ἀλαός schreiben (das später folgende καλαός ' TU-
φλός ist nämlich aus einem Missverständnis des Grammatikers
geflossen, vgl. Odyss. 8 195). Allein xadauoc steht an dem
ihm nach dem Alphabet zukommenden Platze, und so erkläre
ich mir TY®AOC entstanden aus TY®RC (τυφώς) “zerstörender
Wirbelwind, Sturm’. Alsdann stammt κάδαμος von D7p qedem
‘Osten’ Stammform gadm), vgl. Κάδμος. Der Ostwind aber,
272 gadım wird auch im Hebräischen des öfteren als schäd-
licher Wind und auch allgemein statt Wind genannt.
τ. Hesychios bietet zwischen ZaAov und Zaußukn die
beiden Glossen: ζαλμάτιον τρύβλιον und ZaAuartoc' πί-
ναξ ἰθυηρὸς παρὰ Παφίας. M. Schmidt liest Zaudrıov —
ζάματος — ixBunpöc — Tlapioıc und vergleicht Ζωμός (ζωμὸν
ἰχθυηρόν Luucian. Lexiph. ce. 5). Hoffmann S. 81 behält Ζαλ-
uarıov, ZaAuatoc bei und denkt an die semitische Wurzel >>:
“5
galal, so dass ZT aus yj entstanden wäre.
Ich stelle Zauarıov zu hebr. Dr selem (Grundform salm)
Bild’: im Talmud findet sich auch das Denomimativum Dax
sallem “ein Bild aufdrücken, bemalen‘. Für die Vertretung
von £ dureh Z statt dureh c oder cc weiss ich nur ein siche-
res Beispiel, aber dieses eine ist gerade kypriseh: ἄριζος (He-
sychios ἄριζος ᾿ τάφος ᾿ Κύπριοι) entspricht ehaldäischem ya
ch“ris “Graben’. ZaAudriov ist eine mit bildlichen Darstel-
lungen versehene Schale, ähnlich der des Ziegenhirten bei
Kyprisches. 509
Theokrit I 27 ff. ZaAuaroc ist ein ähnliches Gefäss, nur grösser:
eine Schüssel. Auf der Bronzeschale von Idalion ist ein Opfer
an Aphrodite dargestellt, wobei die Göttin ebenso ausgestattet
erscheint wie ihre Diener: vgl. Holwerda Die alten Kyprier
in Kunst und Kultus (Leiden 1885) S. 31 ff.
Das überlieferte παρὰ TTagpıac mit Schmidt in παρὰ TTo-
φίοις zu ändern kann ieh mich nicht entschliessen, da gewöhn-
lieh der Nommativ (Πάφιοι, Κύπριοι) steht und (dieser Zusatz
doch vielmehr bei dem vorhergehenden Zakuarıov zu erwarten
wäre. Bei Ableitung von ZaAuaroc aus dem Phönizischen
sieht man auch nicht ein, warum das Wort gerade eme Fisch-
schüssel bezeichnen sollte, und muss daher Bedenken tragen
ἰθυηρός in ἰχθυηρός zu verwandeln.
Nun wird aber p>x selem ganz besonders von Götter-
bildern gebraucht, und dieser Umstand giebt Veranlassung, bei
Tlapioc an die bekannte Τ]αφία d. h. die Aphrodite von Paphos
zu denken. Ich erkläre mir die Entstehung der Verderbnis fol-
gendermassen: TIINAZ IOY<®AAAOC) lEPOC TTAPAXCHMON)
TTABIAC. Die Glosse hätte also ursprünglich gelautet: Zax-
ματος ' πίναξ. ἰθύφαλλος ἱερὸς mapacnuov Tlapiac,
d. h. ζάλματος bedeutet 1. eine Schüssel, 2. den heiligen Phallos,
das Sinnbild der Göttin von Paphos. Zu Paphos wurde Aphro-
dite im Allerheiligsten unter dem Bilde eines Kegels oder einer
Pyramide verehrt, und dieses Bild erscheint sogar auf Münzen
von Sardes und von Pergamon mit der Aufschrift TTapia:
vgl. Preller Griech. Myth.* 1382. Den, oben in einen Knopf
endigenden, Kegel — nach Furtwängler bei Roscher Lexikon I
Sp. 407 die rohe plastische Urform der weiblichen Hauptgott-
heit; nach Ed. Meyer Gesch. d. Altert. 1 242 von der ägypti-
schen “Hieroglyphe des Lebens’, dem Henkelkreuze abzuleiten
— konnte em Grammatiker sehr wohl als Phallos deuten, zu-
mal wenn er gewisse Züge des Aphrodite-Kultus bedachte.
Bei Hesychios ist zwischen Za und Zaßaxkeıv überliefert:
ὲ
ζάβατος πίναξ ἰθυηρὸς m παφίας, was Schmidt ebenfalls
in ζάβατος᾽ πίναξ ἰχθυηρὸς παρὰ Παφίοις geändert hat. Aber
diese Gleiehheit der Schreibfehler bei ζάλματος und Zaßatoc ist
doch gar zu eigentümlich. Dazu kommt, dass Zaßaroc nieht zu
erklären ist: denn die Annahme von Hoffmann S. 70, Ζ sei hier
aus yj entstanden, dieses ; aber sei parasitisch und ζάβατος
dem Stamme nach gleich γαβαθόν --- diese Annahme ist jetzt,
510 Heinrich Lewy, Kyprisches.
nachdem ZaAuatoc und ZaAuarıov eine andere Erklärung gefun-
den haben, in Bezug auf ein Fremdwort jedenfalls unhaltbar.
Angesichts der offenbaren Unordnung, welche im Hesy-
chios bei den in Rede stehenden drei Glossen herrscht, glaube
ich getrost behaupten zu dürfen, dass die Glosse Zaßatoc'
ὲ
πίναξ ἰθυηρὸς m παφίας als fehlerhaftere Wiederholung jener
fehlerhaften anderen zu streichen 50].
Zwischen γαβαλάν und Yyaßepyöp steht bei Hesychios:
ταβαθόν. τρύβλιον. τάβενα᾽ ὀξυβάφια, ἤτοι τρύβλια.
Hoffmann 5. 70 vergleicht lateinisches gabata bei Martial
(eine Art Speisegeschirr, Schale, Assiette: VII 48, 3; XI 31, 18)
und die semitische Wurzel >>3 galäl, die nach ihm "aushöhlen ,
meines Wissens aber nur “wälzen, rollen, runden’ bedeutet.
Sicherlich ist vielmehr hebr. »°23 gabhia “Kelch” zu ver-
gleichen. |
ταβαθόν fügt sich in die alphabetische Reihenfolge, wenn
man es in raßarov (vel. gabata) ändert.
Statt des zwischen γαμάλ und yaußpıa überlieferten yau-
Bpıov τρύβλιον vermutet Δ]. Schmidt γαμάτιον. Hoffmann
S. 70 denkt an yaıudrıov, entsprechend dem ZaAugrıov. Ich
stelle die Ordnung her, indem ieh raudpıov schreibe, das auf
s23 σαηια “trinken, schlürfen’ (vgl. auch J. Levy Neuhebr.
u. chald. Wörterb. 1339) zurückgeht.
8. Noeh unverstanden ist die Ortsbestimmung ἰ(ν) τοῖ
ἔλει in der kyprischen Inschrift SGDI. 60,5. Die Erklärung
— ἐν tw ἕλει “in der Niederung’ scheitert an dem, allgemein
als ursprünglich angenommenen , £ von ἕλος (vgl. Curtius
Griech. Etym. 5 S. 360). Meister Die griech. Dial. II 208, ver-
mutet zweifelnd τὸ ”EXoc “das El-Land’ als Name eines
von den phönizischen Einwohnern innegehabten Teiles vom
Stadtgebiet Edalion. Allein ich kann nicht glauben, dass
es möglich sei, von dem phönizischen Gottesnamen > "EA in
(dieser Weise den Namen eines Stadtteils abzuleiten. Semitische
Herkunft des Wortes &Xoc bleibt trotzdem wahrscheinlich,
nachdem Deecke-Siegismund das in dieser Inschrift zweimal
vorkommende iv) τῶ ipwvı eimleuchtend von > 2) Stadt’
abgeleitet haben. Wenn übrigens Meister a. a. OÖ. II 151 bei
Annahme (dieser Ableitung bemerkt, das Wort sei im Phöni-
zischen gerade sonst nieht nachweisbar, so kann jetzt auf die,
Oskar Wiedemann, Gotische Etymologien. 511
freilich hinsichtlich der Lesung nicht zweifellose, Inschrift Corp.
inser. Semit. No. 113, ı.2 verwiesen werden.
Ich fasse τὸ &Xoc als das Oberland und vergleiche hebr.
5» ‘al ‘Höhe’; >>> “"lijja “Obergemach’; 1158» ‘2ljon “Höch-
ster’. Derselbe Stamm in phönizisch >>, n>>, “auf, über’; τὸν
“Deckel, Sargdeckel’; 723 “hinaufsteigen‘. Vielleicht erscheint
derselbe semitische Stamm auch m der Hesychios- Glosse:
ἐλαία δίφρου Κυρηναϊκοῦ μέρος.
9. Zum Schluss eine Bemerkung anderer Art. Hesy-
chios bietet, eingesprengt zwischen αὐγάζομαι und αὐγάζουςα,
die Glosse: 7 αὔγαρος ' dcwroc ὑπὸ Κυπρίων. Hoffmann
a. a. Ὁ. S. 60 deutet αὔγαρος als entstanden aus ἀ-γ-αρός
und vergleicht skr. vajas Kraft’, ug-rds "stark, kräftig‘, lat.
vigeo, griech. vy-ınc. Gegen die Richtigkeit dieser Dentung
spricht, von Anderem abgesehen, schon der Umstand, dass
bei Hesychios &cwroc, und nicht acdevnc, als Erklärung steht.
Ich lese: ἀγαυρός ' dcwroc ὑπὸ Κυπρίων, und vergleiche hierzu
Hesychios: ayaupöc ᾿ αὐθάδης, κομψός, κακός, besonders aber
Suidas: ἀγαυρός ᾿ ὃ κομψός, οἱ δὲ κακός. ὑπὸ ᾿Ιώνων δὲ ἄπορος,
ὑπὸ δὲ ᾿Αττικῶν τρυφερός. Bei den Kypriern bedeutete also
das Wort, wie bei den Attikern: “schwelgerisch’.
Mülhausen (Elsass). Heinrich Lewy.
kotische Etymologien.
1. bairhts.
An Stelle der üblichen Zusammenstellung von got. bairhts
glänzend’ mit aind. bharga-, bhärgas- Glanz’ hat neuerdings
Johansson KZ. XXX 447 Anm. 1 die Zurückführung von
bairhts auf die idg. W. merk "schimmern’ vorgeschlagen, in-
dem er annimmt, b- in bairhts erkläre sich durch Übertragung
aus denjenigen verwandten Wörtern, die br- aus idg. mr- haben.
Eine derartige Übertragung ist aber sehr unwahrschemlich und
daher führe ich b- in baörhts auf idg. bh zurück. Ob aber
aind. bhärga-, bhärgas- mit bairhts verwandt sind, ist zwei-
felhaft, denn sie können eben so gut zu griech. pAeyeıv, lat.
fulgere gezogen werden; da dann aber auch in den germ.
Sprachen /, nicht 1’, erwartet werden muss und ὦ in blick,
blitzen usw. wirklich vorliegt, thun wir gut, die von H. Web-
bi |
Ἐπ
τῷ
Oskar Wiedemann, Gotische Etymologien.
ster Z. Gutturalfr. im Got. 80 f. zur Stütze der Gleichung
germ. 7 —= griech. A, lat. ὁ gemachten Versuche unberücksich-
tigt zu lassen und uns nach einer andern Etymologie des got.
bairhts umzusehen. Als Ersatz für die Zusammenstellung von
bairhts mit den genannten aind., griech. und lat. Wörtern
bietet sich der Vergleich mit lit. javas berszti “das Getreide
wird weiss’ (Leskien Ablaut 368), wie auch Fiek Vergl. Wh.
191 annimmt. Fick zieht ferner aind. bhras “glänzen’ und
griech. popköc “weiss, hell’ heran; da jedoch got. -ht-, Nit.
-szt- auch auf pal. Med. +? zurückgehen können, möchte ich
lieber als Wurzelauslaut die Media annehmen. Wir würden
dann zu dieser Wurzel auch die Wörter für Birke (aind. bhar-
ja-s, abulg. breza, lit. berzas, aisl. bjork), für die man bis
Jetzt kein wurzelverwandtes Verbum hatte, ziehen können.
Hierzu gehört wohl auch lett. berzt “scheuern’, eig. “weiss,
glänzend machen.
2. mapljan.
Indem er mit Recht die von Leo Meyer Got. Spr. 263
gegebene Zusammenstellung von got. ımapl “ Markt’, got. mapl-
jan “sprechen, reden’ mit aind. mdäntra-m "Beratung, Rat’
ablehnt, will Liden P.-Br. XV 513 ἢ mapl mit lat. macula
"Fleek’ zusammenstellen, was zwar lautlich sehr wohl mög-
lich, begriflich aber durchaus nicht zulässig ist. Wie griech.
ἀτορεύειν “in der Volksversammlung reden’, abgel. von ἀγορά
“Volksversammlung, Versammlungsplatz, Markt‘, in etymolo-
gischem Zusammenhang mit griech. ayeipeıv ᾿ versammeln’
steht, so dürfen wir auch für mapl als ursprüngliche Bedeu-
tung Versammlung‘, daraus dann ἡ Versammlungsplatz, Markt’
und für mapljan als ursprüngliche Bedeutung "in der Volks-
versammlung reden’, daraus dann allgemein “sprechen” anneh-
men und uns nach einem wurzelverwandten Verbum mit der
Bedeutung versammeln’ umsehen. Ein solches Verbum bietet
sieh uns in engl. to meet (— got. "metan) “zusammenkommen,
begegnen , dazu engl. meeting “Versammlung, Beratung, Be-
gesnung‘. Der Widerspruch zwischen engl. ὁ und got. ἡ wird
beseitigt, sobald wir urgerm. *mapla- = idg. "matlo- in idg.
"mad-tlo- zerlegen, danach de Saussure M&m. soe. ling. VI 246 ff.
idg. Dental +t-+Kons. bereits in der idg. Ursprache zu t+
Kons. wird’). Ausserhalb der germ. Sprachen lässt sieh die
1) In Wörtern wie lat. claustrum, röstrum, got. gelstr u. dgl.
Wilhelm Streitberg, Anord. tyggja und Verwandtes. 513
für engl. to meet vorauszusetzende idg. W. med nicht nach-
weisen. Zu erwähnen ist noch, dass Bezzenberger BB. IX
134 mapljan vermutungsweise zu lett. meklet "suchen, forschen’,
griech. μεταλλᾶν forschen, fragen’ stellt, was sich aber hin-
sichtlich der Bedeutung nicht rechtfertigen lässt.
ὅν qiban.
Von den vielen für got. geban "sagen, sprechen’ gege-
benen Erklärungen ist keine einzige sowohl lautlich als be-
eriffich zu billigen und ich will daher, ohne mich auf eine
Widerlegung der bisher aufgestellten Etymologien einzulassen,
eine neue Erklärung vorschlagen. Nehmen wir an, dass ὁ
in giban —= idg. e ist, woran man mit Rücksicht auf die Fle-
xion (giba : gab : gebum : gibans) ja zunächst denken darf,
so kommen wir auf eine idg. W. get "sprechen’ und auf diese
Wurzel kann ohne Bedenken auch air. be! “Mund, Lippe’ (aus
urkelt. *betlo-) zurückgeführt werden. Stokes BB. IX δῚ ver-
gleicht air. bel mit griech. χεῖλος Lippe’, was aber von sei-
ten des Griechischen lautliche Schwierigkeiten bietet; vgl. jetzt
auch Richard Schmidt ὁ. S. 48.
Leipzig. Oskar Wiedemann.
Anord. tyggja und Verwandtes.
Im Germanischen existieren mehrere Wörter von Wurzeln,
auf deren anlautende Konsonanz ein ὁ folgt. Die wichtigsten
sind:
1. Got. speiwan u. s. w. von Wurzel spiei-. Osthoff
MU. IV 315 ff. sieht in seinem 2. die sog. nebentonige Tief-
stufe, das germanische Verbum ist ihm also ein “Aoristpräsens',
idg. *sp2uö. Eine solche Auffassung scheint mir aber wegen
abg. pljuja lit. spjduju wenig wahrscheinlich. Vielmehr dürfte
eine Erklärung den Vorzug verdienen, welche die germanische
Form nicht von der baltischen und der slavischen trennt. Eine
Übereinstimmung mit ihnen wird erzielt, wenn wir in speiwa
einen Vertreter der wurzelbetonten e/o-Präsensklasse sehen
und es auf idg. *spiöeuo mit sonantischem ὁ zurückführen.
müsste man demgemäss ein Suffix -sfro- annehmen, was ja ganz
unbedenklich ist; so auch de Saussure a. a. Ὁ. 248 Anm. 1.
514 Wilhelm Streitberg, Anord. fyggja und Verwandtes.
Hierdurch ist auch zugleich der indogerm. Lautwert des mehr-
deutigen slav. « lit. au bestimmt: es setzt idg. eu fort. Das
für das germanische Verbum aufgestellte öe musste in den
einzelnen Dialekten schon früh zu © werden, sodass wir ohne
Schwierigkeit zu den überlieferten Formen kommen.
2. Urnord. *Tiur habe ich in den Komparativen aut
-z- ὃ. 18 im Anschluss an Bremer Paul-Braunes Beiträge
XI 41 direkt einem idg. *dieus gleichgesetzt. Daraus musste
urgerm. *7jeus entstehen. Das 7 hinter dem anlautenden ?
musste fortfallen, vgl. ahd. lebara von Wurzel *lieg-; lat.
iecur aus *liecur wie Juppiter aus *diou-. Die Zeit, in welcher
(das urgerm. 7 verloren ging, lässt sich nicht bestimmen.
In verschiedenen Dialekten erscheinen nun auch Formen
mit >”. Der Name des Himmels(gottes) hat aber niemals ein ἢ
besessen. Den germanischen Götternamen deshalb von *dieus
zu trennen, verbieten jedoch mythologische Erwägungen. Viel-
mehr liegt hier wie oben bei speiwan sonantisches ὁ statt eines
konsonantischen © vor. Es verhält sich demnach:
ahd. Zios- : ags. Trwes- — lat. Iovis : lat. Diovis.
3. Schon Jacob Grimm Kleine Schriften III 130 hat
anord. tyggja “kauen’ mit ahd. kiwwan zusammengestellt. Da
man aber der lautlichen Schwierigkeiten nicht Herr werden
konnte, geriet diese Kombination wieder in Vergessenheit. Und
doch, glaube ich, hat Grimm das richtige getroffen. Die beiden
Anlaute lassen sich sehr wohl vereinigen.
Die idg. Wurzel ist *gieu-. Ahd. kiuwwan geht zunächst
auf *kewonon, und tyggja auf *tewanan zurück, deren w —
Kögels 0! ist. Die gemeinsame urgermanische Grundform für
beide ist ®/jewonon. Aus tautosyllabischem %j ist auf nor-
ddischem Sprachgebiet ein alveolar-präpalataler Verschlusslaut,
das sogenannte monuillierte + entstanden (vgl. Lenz KZ. XXIX
25), das später seine Mouillierung verloren hat. An Paral-
lelen für den Übergang von palatalem % zu {Γ΄ im modernen
Nordischen fehlt es ja nicht. Ist diese Erklärung riehtig, so
haben wir zugleich den oben vermissten Anhaltspunkt zur Da-
tierung des j-Schwundes: Der Verlust des j nach % (t, 1, p) ist
erst einzeldialektisch, nieht urgermanisch.
Juni 1891. Wilhelm Streitberg.
Sachregister.
Ablaut (qualitativer), von
ide. ἃ : ὃ im Baltischen 303 ?;
beim Wurzeldeterminativ 6: ὁ
502; im Lokativ Sing. der eu-
Stämme 227; in der III. Pers. Plur.
Präs. Akt. der athemat. Verba
39 f£.
Abstraktum wird Konkre-
tum 319.
Abstufung (quantitative):
1) Wurzelabstufung bei mag-
mus:ueyac91.303.2) Abstufung der
stammbildenden Suffixe:
bei den ze-Stämmen im Idg. 13.
268. 2871; im German. 215; im
Lit. 268; im Slav. 286 — bei den
«se-Stämmen 91 — bei den ne-
Stämmen 91 — bei den Partizi-
pien auf -nt- von athematischen
Verben 92 f.,, von thematischen
Verben im Idg., Arischen und
Griech. 300; im Slav. 290 — bei
-ete- : -Wie- : -ie- 173; -Evro- : -vro-
Borr ῬΕΙ͂ ai. asasa: asiga :
asis 182 ff.; ai. kanya und av.
kaine 188 ff. — 3) Abstufung in
den Endungen: in der Dekl-
nation 10 ff. 91; III. Pers. Plur.
Präs. Akt. 89.
Adverbialbildungen von
Kasus: 1) Ablativ 25 ff. ai. -at,
lat. -tra, got. -bro 24; ot. -dre
Neubildung 209; griech. -wc keine
ar
ze).
Ablativendung — 2) Instru-
mental medd, ἅμα, παρά, μετά,
*zexa 15 f.; τάχα, ὦκα 11: ai. diva
und naktam, sada und sadam
18; ai. Adverbien auf -äm, germ.
ΓΟ ang. -u 182 20072 2092 297:
tum, dum, quom 26. 287; griech.
-Wc 25, got. -Ö -€ 200, westg. Ent-
sprechungen 207; nicht zum Tn-
strumental gehört lat. -nde (aus
-Ane — gr. -θεν, germ. -tan -ban)
16. — 3) Lokativ lit. Ze, sze,
abg. te, lat. que, griech. te 29;
got. war 29; lit. δὴ" 30. griech. τοῦ
—abg.-u 80. dvw29f. rite, die 226.
501; lit. paskov kein Lokativ 227.
Lit. Adverbien auf -ur 30.
271; got. Adv. auf -na lat. -ne
210; lat. perendie 500. nhd. Adv.
132.
Akzent 1) Akzentquali-
tät: Unterschied von schleifen-
dem und gestossenem Akzent
1 ΠΡ 1 It \Wesen.des schler.
fenden Akzents 9. 298. Entste-
hung des schleif. Akz. 10 ff. —
22 f. 270. 280 (Michels’ Gesetz);
schleif. Längen in der Schwund-
stufe leichter Vokalreihen 13.2681.
Übereinstimmung in den Akzent-
qualitäten zwischen Lit., Griech.
und Ind. 3 ff. Schleifende Beto-
nung im Armen. 446. Akzentqua-
lität und Auslautgesetze im Germ.
195 ff., im Slav. 284 ff. Einfluss
516
der Akzentqualität auf die Vo-
kalfärbung im Slav. 295 f. Zirkum-
flex von gäm und Bwv 228 f. 270;
von lit. tat 266. — 2) Akzent-
stellung: Betonte Schwundstu-
fenvokale (%, u, n, r) im Idg. 82 ff.
Einfluss der Akzentstellung auf
die Entwicklung der Laute im
Armen.:ö in vortoniger Silbe 437.
443, g vor schwachbetontem Vokal
445. Idg. zd zu armen. st unmit-
telbar nach betontem Vokal 445.
Idg. η. vor dem Hauptton im Arm.
455. Ausnahme des urbrittan. Ge-
setzes über die Stellung des W ort-
akzents 78. Einfluss der Ak-
zentstellung auf die Behandlung
der idg. Diphthonge im Lit. 37 £f.,
im Slav. 282. — 3) Satzakzent:
Stellung der idg. Enklitika 334 ff.
Altertumswissenschatft,
die idg. und die Notwendigkeit,
ihr eine neue Grundlage zu ge-
ben 485.
Analogie in derSprache und
ihre Bedeutung für den Fort-
schritt 244.
Anthropologie und Sprach-
wissenschaft 464.
Assimilation im lrischen
441 im Romanischen ebd., im
Slavischen 45*, im Lateinischen
479. — Vokal+n-+ m wird im
rischen zu Vok. + m - m 79.
Augmentativbildung im
Neugriechischen 321.
Auslautgesetze: Einfluss
der Akzentqualität auf die Be-
handlung der Vokale der Endsil-
ben im Germanischen 195 ff., im
Baltisch-Slavischen 259 ff. — Idge.
-am zu got. -a, ahd. -ὦ 308: ide.
Sachregister.
-em zu got. -a 202. 204; idg. -Dm
zu got. -au 206; idg. -o? im Got.
217; auslautende - -u im Goti-
schen nach kurzer Silbe erhalten,
nach langer geschwunden 215 ft.:
gestossene Längen des Auslauts
im Westgermanischen nur nach
kurzer Silbe erhalten 212: aus-
laut. -© wird im Slavischen zu
-7, auslaut. -ὃ zu - 295.
Aussprache von nhd. gd
199
22, gs 123, von Fremdwörtern
122.123.
;Jaumnmamen, urindogerma-
nische 476 ff.
Dehnung, organische 10.
Dehnstufe 101. Dehnung vor -ns
im Slavischen 285 (sieh Ersatz-
dehnung).
Deklination, Akzentquali-
täten der Kasusendungen 3 ff.:
Flexion von ai. "asäs 182 ff.; von
kanya 188 ff.; von ὄνομα 300 ff.
— Kasus: I. Singular 1) No-
minativ der 7eStämme 15, im
Germ. 215, im'Lit. 268, im Slav.
255 ; der 4-Stämme im Ahd.
202; der 72-Stämme im Lit. 265,
im Slav. 295; der en- und er-
Stämme im Idg. 19. 21 f. 23. 25;
der en-Ste. im Germ. 201. 204.
205: 207, im Lit. 265, im Slave
293 ff.; der er-Ste. im Germ. 212,
im Lit. 275, im Slav. 293 ff.; der ἐς
Stämme 201; von menes- im Lit.
275, von “Wasser” 23 und 237.
275. 296. -- 2) Akkusativ der
te-Stämme im Lit. 268; der d-
Stämme im Germ. 197, im Got.
202, im Ahd. 203, im Lit. 269;
der 7°-Stämme im Lit. 270, im
Slav. 293. — Nom.-Akk. der neu-
tralen /e-Stämme im Germ. 215.
3) Genetiv ei- eu-
der @-
Sachregister.
Stämme 11. — 4) Dativ der e-
und a@-Stämme im Idg. 223, im
Lit. 262 ff. 265 f.; der a-Stämme
im Slav. 281.—5) Ablativ: Vo-
kalqualität 24. — 6) Instrumen-
tal, Kasussuffix -m 13 ff. Instru-
mentalendung im Lit. 21. 272 ff.
In Lokativ der einzelnen
Stammklassen 27 ff. ; der e-Stämme
im Got. 207; der e-Stämme im
Germ. 210, im Lit. 270, im Slav.
289: der eu-Stämme 225 f., im
Slav. 289. — 8) Vokativ, Schlei-
fender Akzent bei Ζεῦ u. dgl.
42; der z&-Stämme im Slav. 29.
I. Dual.: Nom.-Akk. Mask. 225,
im Germ. 208, im.'Lit. 279 ἢ:
Nom.-Akk. Fem. Neutr. 31 ff. —
IM. Plural: 1) Nominativ der
e- und 4-Stämme 7, im Germ. 215,
der geschlechtigen Pronomina
der e-Stämme 31 ff. Pluralendung
- im Armen. 441. Plur. auf n in
der st. Dekl. im Nhd. 101. — 2)
Akkusativ der a4-Stämme 7;
der eö-Stämme im Aind., Germ.,
Balt.-Slav. 7. — 3) Genetiv im
Idg. 12.f. 289, im German. 205.207.
274, im Balt.-Slav. 259 ff. beson-
ders 264 f. und 282 ff. — 4) In-
strumental im Idg. 223, im
Balt. 264.
Dissimilation der Redupli-
kationssilbe im Irischen 44.
Eigennamen, sprechende
(appellative) bei Dienern 169; zu
Appellativen gewordene 323; Be-
handlung fremder E. 136 ff.
Enklise sieh Akzent.
Entlehnung von Kulturwör-
tern 485; angebliche E. von irisch
finta 461. (Siehe Fremdwörter.)
Ersatzdehnung bei Vokal
—+ Nasal + Explosiva+ m im lri-
Indogermanisehe Forschungen 1 5.
517
schen 77.
dehnung
Sonstige irische Ersatz-
60.
Fremdwörter, ihre Aus-
sprache 248; dialektische, archa-
ische 147 ff.; Beseitigung 122 ff.
156 f.
Homonyme 116 ff.
[πὶ ἘΠ 1 a und
-mani im Aind. 495 ff.
"man
Kindersprache, ihre Be-
deutung für die Sprachentwicke-
lung 127. 2431.
Komposition, Dvandva im
Latein. 332.
Konjugation. 1 Tempora:
Präsens der Gewohnheit im Iri-
schen 329 ff. Präsensflexion der
ai-Verba im Got. 204. — Aorist
II. Med. im Armen. 459. 7:
Modi: Imperativ auf -the im Iri-
schen 460 ff. — III. Personalen-
dungen des Mediopassivs im
Got. 217. — 1. Pers: Sing, Präs.
Indik. im Lit. 2741, im Slav. 292f.;
der got. ai-Verba 204. 1. Pers. Sing.
Präs. Opt. im Got. 206. 1. Pers.
Sing. Prät. der schw. Verba im
Germ. 205. 1. Pers. Plur. Präs.
Indik. im Breton. 50 ff. 2. Pers.
Sing. Imperat. im Irischen 462;
2. Pers. Sing. Prät. Indik. der
schw. Verba im Got. 204. — 3.
Pers. Sing. Präs. Indik. der schw.
Verba im Germ. 210. — 3. Pers.
Plur. Imperat. im Got. 206.
Konsonantenverlust: g
und 9 schwinden im Arm. 443;
Kv. durch Dissimilation im Iri-
schen 44; mit Ersatzdehnung im
Ir. 60.79; γῶν τ 1m. 12.7.2080:
Konsonantismus. Πρ’
Dental + + Kons. zu t+ Kons.
33
518
512. — Absolut auslautendes ari-
sches s 185 ff.; ai. -C c-, av. -S k-,
ap. -$ k- aus -t k- 486 ff.; ar. $r
= say. STr2 εἰ ΠῸ 81 a aus ὙΦ
oder dd 171; av. an, am+tr zu
Nasalvokal+ r 493 ἢ. — Arme-
nisch k aus ide. fa 440, aus su
441 ku aus ἔμιν 457, g und ἢ
schwinden 445; ide. ὁ zu ἢ 446;
zd zu st und αὶ 445; tr 452;
451; sk zu © 446; P und p aus
arm. ὃ, idg. bh 454; pP aus ps
456; m, n zu v 455; anl, anr zu
ολ 441; € aus ἔμ 458; Ursprung
des j 448 ff.; γῇ zu h 459; ἢ
prosthetisch 458. — Griechische
Wiedergabe iran. Spiranten 328
und 3281; cv 319: Wechsel zwi-
schen cß und cd 5053; Z aus zd
502; EZ aus zg 503; g vor u 506.
sr
u für ß geschrieben 325. — La-
teinisch sn .320; cl, chi. 322;
κυ zu v 255; gu+tn zu gn 5101;
pv zu p 175. — Keltisch v! im
Ir. 47; er 48. Assimilation von
n und m im Ir. 60 f. Schwund
von Verschlusslauten im Ir. 60.
79 und 791. mp aus m durch
Satzphonetik im Bretonischen
50. ff. Germanisch sm zu
mm (m) 213. Die Wirkung eines
auf den anlautenden Kons. fol-
genden j, besonders bei %k 513.
Mhd. db, nhd. » 99; nhd.. 2 und ὦ
im Anlaut 99. — Baltisch-Sla-
visch. Auslautendes r im Balt.
erhalten 29. 271; im Slav. viel-
leicht geschwunden 29 f. Nasale
im Inlaut vor Konsonanz und
im Auslaut 283.
Kontraktion verursacht
schleifende Betonung 10; hat
möglicherweise bei den 7e-Stäm-
men stattgefunden 19.
Kulturgemeinschaft,
ropäische 473 f.
@U-
Sachregister.
Kurznamen, weibliche 168.
Kürzung gestossener Län-
sen des Auslauts im Germ. 19;
der ersten Komponenten der
Langdiphthonge im Griech. 261;
im Latein 2801, im Germ. 260,
im Lit. 262 ff., im Slav. 281 ff.;
gestossener und schleifender
Langdiphthonge im Lat. Germ.
Lit. Slav. 260.
Langdiphthonge in den
europ. Sprachen, speziell im Bal-
tisch-Slavischen 260 ff. Verschie-
dene Behandlung derselben 10
nach der Akzentqualität im Ur-
idg. 220 ff., im Slav. 292. 297 £.
Metathesis bei arm. rk 452.
Modi siehe Konjugation.
Mouillierung im Anord.»14.
Neubildungen, sprachliche
149.
Partikeln, Stellung dersel-
ben im Satz 333 Indische
Partikeln 402; avestische 405;
apers. 405 ff. Griechische En-
klitika: Indefinita 31; κε (κεν, Ka)
372 ff. θην, vu, τοι 375. Postposi-
tive Partikeln: ἄν, ἄρ, ἄρα, αὖ.
γάρ, δέ, δῆτα, μέν, μήν, οὖν, τοί-
νυν 377. Lateinisch que, au-
tem, ne 416. 418 ἢ, gqwidem 417,
quoque 418, sin 419 f.; Beteue-
rungs- und Verwunderungspar-
tikeln 423.
Partizipium auf‘ -nt-.32 f£.
290. 300.
Pronomen infixum im Kelt.
406. Stellung der enklit. Prono-
mina siehe Wortstellung.
Sachregister. 519
Prothese von A im Armen.
458; von a im Neugriech. 3211.
Regelmässigkeit in der
Sprache 124.
Sandhi nur bei gestossenem
Ton für Langdiphthonge statt-
hätt 990 ff.; bei -m im Bret. 57;
bei -n im Nhd. 57.
Schwundstufe Tietstufe
822,
Silbenverlust ruft Beto-
nungswechsel hervor 11 ff.; bei
aestumare 171.
Sprachgebrauch in seinem
Verhältnis zur Sprachrichtigkeit
236.
Sprachrichtigkeit % ft.
232 ff. Verschiedene Auffassung
der Frage nach der Spır. 1) vom
litterargeschichtlichen 90 ff.
2) vom naturgeschichtlichen
105 f. 3) vom rationellen
(Zweckmässigkeits-St. 240) 112 ff.
4) vom kombinierenden
Standpunkt aus 237. Über den
Sinn des Wortes “sprachrichtig’
2561. Schleichers Stellung zur
Frage nach der Sprachrichtigkeit
232 ff.
Stammbildung siehe unter
Abstufung. Wechsel von r- und
n-Stämmen 3172.
Stilistik, Regeln der 238 ἢ.
Suffixe (sieh Abstufung u.
Wurzelerweiterung) -at- 300 ff.;
neugr. -apo- und -ουρα- 521; dal-
mat. -este 324; idg. -tos 306 ff.
Triphthonge im Irischen
62. 80.
Umlaut im Plural schw. No-
mina zu nhd. Zeit 98. 102; in der
2.3. Sing. Präs. Ind. im Nhd.
150; im nhd. Komparativ 191.
Urheimat der Indogerma-
nen, ihre Bestimmung durch
sprachgeschichtliche und anthro-
pologische Kriterien 464 ff. Joh.
Schmidts Hypothese 466 ff. Schra-
ders Theorie 471 ff., Hirts Hypo-
these 474 ff.
Vokalentfaltung im Latei-
nischen 320.
Vokalismus. Idg. ὦ und Ὁ
im Baltischen 3031. Betonte Na-
salis sonans 82 ff. Idg. Lang-
diphthonge 220 ff. 260 ff., speziell
öu im Idg. und in Einzelspra-
chen 225. 276 ff. — Armen. au/
zu 04 437. — Griech. o aus u 50.
— Latein. -ae 266. — Irische
Vertreter der Nas. son. 59 ff.; ὃ
und seine Herkunft 60 ff. Sekun-
däre Diphthonge und Triphthonge
43 ff. 62. 80. Wechsel von ὁ und
6 72 ff. — German. Vertretung
des idg. du 194. 277; got. δ᾽ zu
ai vor s 204. Verschiedenheit der
Vokalqualität in ahd. Endsilben,
abhängig von der Akzentquali-
tät 207 ff. Nhd. ö : mhd. e 134. —
Die baltische Doppelvertre-
tung von ai, οἱ, ei und ihre Ur-
sache 32 ff. Idg. ou 276 ff. — Vo-
kal + Nasal im Slavischen
285 ff. Slav. Doppelvertretung
von urslav. Οὐ 281 f.; jo zu je
285; -on zu -sn 285 ff.; idg. -On
wird nicht zu slav. -y 298 f.; idg.
-Ö zu -y, -€ zu -ὃ 29.
Vokalverlust bewirkt Ak-
zentveränderung 12. Schwund
des auslaut. ὁ im Lat. 501. -, -u
schwinden im Got. nur nach lan-
520 Sachregister.
ger Silbe 215 f. Gestossene Län-
gen schwinden im Ahd. nach
langer Silbe 212.
Volksetymologie 121. 176.
Vollstufe — Hochstufe 82 3,
Wortstellung. Stellung
der Enklitika in der idg.. Ur-
sprache 333; im Ind. 402; im
Avest. 405; im Apers. 405 ff.; in
Griech. 333 ff.; im Latein 406 ff.;
Stellung des Verbums im Haupt-
und Nebensatz im Idg. 427; im
Ind. 494: im Griech. 430 ff.; im
Lat. 428 f.; im Deutschen 425 ff.
Wurzelerweiterung durch
ATI ἢ πα 116, 232502572
504, u 505, δ 502 ἢ.
Zahlensystem, das indo-
germ. war dekadisch 466. Kreu-
zung durch duodezimale Zählung
400. Kein Sexagesimalsystem 468.
Die Zahl 12 und die idg. Zeit-
rechnung 469. Das Zwöltfersystem
bei den Etruskern 470. Entleh-
nung des Sexagesimalsystems
von den Babyloniern 467.
Zwillingsformen, verwen-
det zum Ausdruck von Bedeu-
tungschattierungen 159.
Wortregister.
I. Indogermanische Sprachen.
Altindisch.
a- 88.
d- ST f.
aktubhrs 18.
ajais 504°.
anj- 443.
anji- 68.
anda- 442.
adıya 226.
adha- 69.
adharat 25.
adhi 341.
anas 319.
dniti 458.
anilas 442.
anıu 34.
antram 459.
andhas 408 1,
anydceid 488.
anyas 501.
apakät 25.
aparedyus 501.
apa-var- 175.
apt-var- 175.
apürvyam 49.
abhi 68. 341.
amavattarebhıyas 300.
Y
amaät 90.
aranya- 488.
ars- 452.
avidvige 498°.
asarıt 5042.
dasarait 5042.
Ajya- 68.
‚ djyana- 68.
᾿ς ätman- 450.
ändmam 498 ?.
aptyas 180.
a-muc- 175.
ärat 95.
avam 19.
asasa 182.
asam 183.
δία 182.
as- 278.
'asat 9ῦ.
Το] 173.
invati 174.
isanyatı 172.
‚iha 316.
ide 171.
irte 81.
u 317.
uksa 191.
ugras 511.
ucced- 488.
uccais 20.
ucceäistaräam 90.
uttaräat 25.
udrä 39.
upasvase 498°.
usant- 93.
urna 41.
urdhva- 497.
rchati 173.
ırnam 489.
rnvati 173. 504.
rta 226.
rsti- 483.
kana- 188.
kaninaka 189.
kantinas 189.
kanyanäa 189.
kanyala 189.
kanya 138.
kars- 493.
: kuksis 492.
kutuhalat 25.
kupyamiı 256.
kupye 256.
kumbhas 508.
kuha 316.
‚kürdati 172.
‚krehrd- 498.
krpanate 172. 174.
'krpdnam 174.
krpanas 114.
kimis 259. 25T.
krsamı 256.
kösa- 491.
kösa- 491.
ksäama- 180.
ksaman 180.
κἰάς 310.
kham 312.
khäd- 450.
gatis 83.
‚ geri- 480.
| guna 11.
| grbhe 49.
grha- 445.
gras- 444.
caturas 458.
caturthas 492.
catväras 458. 479.
candras 441.
cicarisati 118.
cit 405.
ertatt 450.
jaghana- 445. 454.
JjJaghand- 445.
janitär- 438.
Janitum 3081.
janisthäs 463.
Jambhe 498°.
jäta- 3081.
jamätar- 444.
Jayate 462.
jijnasamäanas 159.
jivds 39.
jnanam 307°.
Jyoktamam 20.
tantram 442.
tantraya- 442.
tandram 442.
tarati 458.
taralas 502.
taraya- 439.
ἔα 439. 458.
ἐι.76 498.
turiyas 492.
trnatti 172.
trasati 173. 502.
träsayatı 509.
trasas 509.
tva 4911.
tvis- 492.
tnesa- 492.
dant- 92 f.
dariman 498.
däanupinvas 174.
damane 49.
davane Ad.
das 311.
diva 11.
durat 95.
devadaru- ATS.
Wortregister.
dyaus 1842. 278.
drapsas 456.
ει dhaksat- 86.
dhanvan- 482.
dharimani 500.
dhartari 4962. 499.
dharman- 49.
dharmanı 490 1, 49.
dhüumas 39. 493.
dhumras 49.
dhrsmumds 174.
dhrsmus 174.
, dhväantam 493.
ınaktam 18.
naktaya 18.
napat 201.
namra- 495 1.
nase 498. 499.
nigrabhe 49.
ntcat >25.
nu 340.
pacami #79.
panca #719.
pancäasat- 45.
para 500.
parasmin 501.
ıpari 34.
parivarge 498. 499.
parivrjam 498.
parımami 49.
paredyavi 501.
parkati- 481.
parc- 179.
Parjanya- 481.
pavitär- 504°.
pasca 230.
pascät 25.
pika- #18.
pitar- 451.
pinvatı 114.
pipiprhi 4901.
pis- 492.
pitudaru 478.
punati 504.
purus 184.
purögas 312.
pür 184.
prtanam 114.
pratamam 2.
prataram 90.
prati 341.
‚ prati-mue- 175.
pramrade 498.
praväahika 176.
prinimas 175.
prus- 509.
plavate 117.
pliha 230.
psati 502.
babhastı 502.
baläat 23.
bädhe 498,
bisakhas 312.
bhagattlis 3012.
bha)- S0.
bhandate 68.
bhandistha- 68.
bharat 300.
bharga- 11.
bhargas- 511.
bhasman- 502.
bhid- 455.
bhinattı 445.
bhürja- 476. 512.
bheda- 452.
bhedaya- 459.
bhrasa- 67.
bhräs- D12.
bhrinati 173. 504.
maghaättis 301°.
mandükas- 442.
mantram 12.
mantrt 183°.
manyate 462.
mahat 300. 309.
mahan 508.
märdyatı 175.
mis- 323.
mrjdte 172.
mrdati 171.
mrlayattama- 501.
mrsyate 172. 446.
medhas 183.
mrad- 499.
mriyate 178.
mläatam 4941,
yaj- 111.
yaje 498 °.
yatna- 64.
yava- 412.
yätar- 445.
yatas 3081.
yuvam 186.
yös- 193.
räaksati 173.
ranati 301.
ratna- 64.
räntya- 301.
rayim 490 ?.
rasa 471.
ras 222.
rinati 504.
rinvati 173. 504.
rit- 504.
ritis 504.
langh- 49.
lopäka- 328 2.
lopasa- 3281.
varsman- 459.
vavavrusas 490 1.
vavrayamahe 490.
vasu- 459.
vajas- 511.
vahate 1706.
vahe 498.
vighase 498. 498 3,
vrdh- 486 4.
vidharmani 496 1.
vinda- 449.
vindami 712.
vipras 192.
vi-bhid- 175.
vi-muc- 179.
vigvaminvas 114.
vesanti 300 2.
vyayati 118.
rrädhantamas 300.
sanais 90.
sandaistaram 20.
saye 498 5,
sarad- 326.
sasta 117.
sirgatas 308.
srtas 504.
Wortregister.
srnati 179.
scandras 441.
srinati 504.
| sresthe 497.
srömatam 306.
| so8- 73.
sa 454.
\ sakasat 950.
saksat 25.
sakhä 222.
sacate 257. 462.
saj- 502.
sattamas 900.
satyasandhan 489.
sadam, sada 18.
sanara- 454.
sanat 90.
sanemi 20 3.
\sanöti 301. 454.
'santi 88.
santya- 301.
sapta 83. δ 1.
samnase 499.
sam-bhid- 175.
sdavanaya 4%.
savaya 496.
savrımani 496. 496 1.
sahantamas 500.
ısahantı 301.
sahanttama- 301.
sahantya- 301.
᾿ sahuri- 213.
ı sädhe 498. 498°.
sano 1911.
sanau 486 3.
sayam 18.
sim 409.
sudas 311°.
susvayanta 490.
sötari 496 3.
skandamt τ.
sphurati 459.
‚sphürj- 456.
“πᾶ 333 ff. 403.
sravayati 451.
| svae 187.
| han- 486 #.
᾿μάγμαίζ 118. 175.
5253
haviman 496 1. 499.
hasräa 1821.
hiranyarasimattama
300.
hematas 306.
heman 180. 307. 307°.
hemantartös 306 5.
hvayatı 179.
Altpersisch.
anijaskij 488.
amaham 187°.
avaskij 488.
arasam 179.
arijaramna 180 3.
aspa- 329.
ufratauwa 1911.
uva 187.
kaskij ASS.
gapava 1911,
hsayapira 11T.
-ciy 405.
kiskij 488.
taiy 403.
dahjauva 1911,
dim 409.
dis 405.
babirauv 1911.
° farna 187.
mary 403.
margauv 1911.
mam 404.
| vasıj 302.
sparda 328.
Ssary 404.
sam 404.
sim 404.
sis 404.
Avestisch.
aipi.duanarala 493.
ainidapka 489.
‚ahstap 186.
azösti 301°.
apaourvim 49.
afratap.kusts 489.
5924
anuharestät 501 3,
anhaua 1911,
anhöo 191 1.
anhuo 1911.
amanastarıa 300.
amraos 49.
aiare 180.
aredap 482.
arenap 489.
arenap.kaesem 489.
arenauäakt 48).
aresva S1.
arsti- 483.
askıp 480.
asem 486 #.
asemnö.gano 486%.
asemno.vrdo 486 #.
as.hrapwastemo 501.
asto 1911.
apıwro 180.
ara 19.
Ferenana- 489.
erezifya 3281.
anhätem 490.
amhäap.tem 490.
azah- 488",
ida 316.
idapka 480,
iribiastät- 9501 3.
isarti 119.
ἐδανοδἐαϊέία 53022.
isasaitt 1}.
uhdasna 186 1. 187.
uruap.kacm 489. 400.
uska 488.
kaine 188 ft.
kataraskip 4581.
kaua 191. 195 3,
karapa 195 2,
kaskip ASS.
keuino 191.
kasö.tafedra 492.
kuda 310.
kusra- 490. 491.
=kusi- 4921.
gairı 480,
gaya- 502.
gätaua 191.
Wortregister.
gereda 445.
hara- 512.
hrüneram 494.
hrüma- 494.
hsapanem 514.
hsanmene 490.
hsnuto 157.
hsnüumaine 49.
hsuas 185. 187.
kaesa- 489.
kamraos 49.
karat- 1911.
kasmaine 495 2.
kasmam 496.
ki- 1) 489.
kinmane 49.
kimane 494.
gano 480 #.
gahtika 1821.
generam 49.
giartı 502.
faurualastemem 300.
tak- 1) 489.
tıtarap 4%.
titararap 490.
titaraieiti 490.
tisaro 491.
tsranam 490.
tisro 490.
tısram 4%.
"tum 491 1,
ı tuirio 499,
dainhaua 1911.
dainhuo 1911.
daduie 495 °.
dantano 5141,
däahista 511 8.
däahua 511.
danmahr 494.
damis 3122
debenaota 178.
demänem 307°.
dunman 499.
*dure 495 5,
dwanmatrbio 49.
bwisra- 490. 492.
praetaono 180. 180 3.
| bri- 490.
bbaesö.taurua 486.
ı pärendt? 184.
“ροροίο 1911.
pesanaiti 172. 174.
ı pesö.tanus 487.
pisra- 490. 492.
puhdö 492.
ıbarenti 178. 456.
buna- 45».
bröibra- 504.
fraesta- 490 5.
frahstaite 186.
framru 494.
frasabiö 183 2.
frahsnenem 186 }.
fratap.kara 489.
fratap.karatö 489.
franmäne 494.
fröga 512.
frianmahi 175. 494.
‚fseratus 493.
fsarema- 181 3,
fstäna- 187°.
na 480 #.
namravahs 499.
ımaso 304.
merenkatastema 300.
merezdika- 111.
'möl.tu 490 3.
mapra 180 5,
manaris 493. 499 1.
mazda 309.
mazd.rala 308.
mrätem 4941,
| yaoiti- 449.
‚japanästärtia 301°.
ıyava 412.
jaska 486. 488.
jasebwapka 489.
Jatumastema 300.
jengstü 480 3.
Juvan- 192.
Jusm® 185.
jusma®’ 180 3,
| vaeti- 411.
|vaepiö 192.
vanhu- 459.
\vestä 486 #.
vouru.rafnöstema
486 1.
vindäatem 490.
vindäp.tem 4%.
vikusra- 491.
vrzzradaleiti 493.
vrdöihre 496 3.
viduwie 495 3.
videanoi 49.
vido 486 3.
vidköista 489. 490.
vimanöhrm 480 *.
raem 490.
raeuap.kibra- 487.
raeuant- 481.
raguaskipra- 487.
raeuaskipraid 486.
raguö.kipra- 481.
raes[ka- 490 2.
raokaskaesmano 486.
raokas.pairista 486.
rafnohiai 486 1.
ravaskarät- 488 2.
rauah- 488 3.
rantö.skereitim 480 3.
rena 489,
röihwen 490.
raremäa 495.
raha 411.
sauna 3081.
saua 908 1,
sareta 1911.
sareda 326.
salare 180.
saro 3081.
sasta 117.
sisa 1831.
staomaine 49.
stamanem 314. 3141.
spenvap 175.
srada 327.
sna 187.
zaena 179.
zaozizuie 490 1.
zantaua 191 1.
zantuo 191 1.
zarazd- 480 °.
®zareska 486.
φᾷ 184. 310.
| ev 0 —
zihsnanhemno
Wortregister.
zamatar- 444.
185.
zia 310.
zraska 486.
zrazd- 480 5.
hahmeng 49.
hankusra- 491.
hama 179. |
‚honäa 486 3.
hinduöo 191 1.
histaiti 3012.
huanmahi 175. 494.
lvwarenazdä 486. 487.
lwareno.da 486. 487.
warena 181.
‚apär 454.
lvarenti 300 3.
ας 187.
Pehlev.
aspijan 181 1.
Pärst.
wrd AT.
Neupersisch.
525
Afghanisch.
manai 1792.
BalucT.
σύας 302.
Jidghah.
ahsah 187.
ahsın 187.
hsävah 187.
hsirah 187.
Pamirdialekt.
mendz 1792.
Ossetisch.
‚abreg 454.
‚äfsärm 181 3,
ımah 1813.
sard 326.
smah 1872.
Armenisch.
abarbi 454.
aganım 446.
azazem 445.
lait 455.
ab 1811.
abten 181 1.
| atbin 1811,
tuhsa 187.
bahsidan 187.
bih 459.
bid 417.
bun 455.
pistan 1872.
husnüd 187.
‚saban 187:
σαι, 326.
'sarm 1872.
sas 187.
sinähtan 187.
\suma 187. 187°.
| katan 458.
narım 495 1.
akn 303 3.
arLacor) 438.
alu 4571.
alues 3281.
aktiur 443.
᾿ alauri 488.
‚aner 445.
‚antaram 447.
antarsam 447.
anicanem 450.
ancanaut 446.
ankanim 437.
ankolin 437.
ankau) 437.
| anjn 450.
anjneay 450.
anun 453.
anur 443.
526
anur), 454.
aprust 445.
ar 459.
aravir 459.
arat 452.
aroganem 451.
arogacucanem 451.
aru 452.
astı 438.
avar 454.
avarem 454.
avart 454.
aver 454.
averem 454.
αἰαλ) 449.
atamn 442.
arag 443. 451
aragıl 444. 456.
arac 456.
aru 4511.
arpn 456.
araut 444.
araur 438.
aparpi 454.
balajain 454.
baranunutiun 454.
basem 454.
barak 459.
bari 4571.
bir 452.
bndern 454.
bndirn 454.
bun AD».
buk 441.
bravor 452.
gay 448.
gavak 445. 454.
gguem 451.
φολ) 448.
geut 449.
gog 448. 451.
dez 449.
dizel 448.
dir 449.
duk 449. 451.
ezn 438.
ez0) 438.
ehan 458.
Wortregister.
e,anım 459.
elev 440.
ere 439.
ein 303°.
eitiur 449.
‚emk 441.
erag 443.
eraz 456.
erd 443.
erdakie 445.
eres 456.
erevorit 440.
erek 4591.
erekkin 451.
erinj 448.
ıerkir 451.
erkotasan 457.
erkokean 47.
erku 457.
erkparak 456.
erpn 496.
epem 456.
zardk 441.
zenvil 439.
es 320. 322.
endost 443.
enju) 448.
takcim ADD.
ἔολολ 488.
torum 438.
ı 459.
iz 442.
isak 322.
isakes 322.
lusapail 441.
Ikanem 112.
lölak 443.
xaleim 40.
'gait 450.
xalam 447.
xazxut 447. 459.
xaxrutk 447.
xzaxtem 447.
xwacanem 40.
xarnabendor 454.
xarnapndor 454.
xavarcı 40.
zavart 450.
zaragul 448.
xcarak 4471. 448.
xzaram 447. 448.
catarem 447.
xcelk 447.
αολ 447.
αολα 448. 449.
xe,dem 449.
xer 446.
xorx 448.
αοὐ 441.
zusem 447.
| seriv 441.
xruanam 441.
xöosim 438.
xosol 438.
2cot 441.
otanam 441.
aut 447.
enay 439.
enan 440.
enanim ABT.
enav. 437. 440.
οπολ 481.
eno),akan 457.
enokutiun ABT.
enund 459.
οπολ 451.
enau) 451. 438.
kalin 479.
ko) 442.
| kom. 442.
kolmn 442.
kur) 451.
krunk 441.
ktav 453.
ktavat A53.:
krem 451.
krkin 191.
kröor) 451.
hair 437.
hanay 439.
handerj 442.
hanel 458.
hanem 4539. 458.
hani 439.
haci 8083.
hecanim 450.
heijanem 449.
heijanim 449.
heijt 450.
heijnum 449.
heijucanem. 449.
herj 450.
herjanem 448. 450.
hivand 317. 459.
hoim 442.
homn 442.
hosank 451.
hund 458.
haur 458.
jez 449.
jevk 449.
26." 449. 450.
jenj 449.
jiun 310.
jorj 449.
λόλαϊς 443.
kökem 442. 445.
mah 459.
mardovk 441.
mardk 441.
marh 459.
mez 449.
mec 309.
mekin 457.
mevk 449.
mer 449. .
mzem 445.
mej 451.
molor 445.
molez 442.
moAo0z 442.
moranam 446.
muz 445.
yam 449.
yesem 459.
yisem 459.
yisecucanel 459.
yord 451.
yordahos 451.
yordahosk 451.
yorjan 451.
yaud 449.
nax 450.
naxanj 450.
Wortregister.
navasard. 326.
ıner 445.
ner 445. 449.
nist 445.
nor 8326.
sand 441.
sant 441.
se) 447.
50) 441.
soram 441.
'sokaceal 441.
'suk 441.
\ozor 445.
οἷον 449.
| oAork 492.
oder 445.
\ or 446.
\oroganem 491.
\oski 444.
ost 445.
ostain 444.
ostnum 445.
‚osteim 449.
\ordi 451.
'oris 452.
‚orcam 451
|oros 452.
\orovain 444.
ors 438.
orsam 488.
orsoA ABS.
\ork 441.
und 458.
us 459.
usanim 437.
'usoA 437.
usau) 437.
urju 451.
cer 445. 451.
cogay 439. 452.
corekkin 457.
\cork 440. 457.
cu 439. 452.
paitem 455.
paitim 455.
pattucanem 459.
, palar 456.
᾿ραϊραλαῖς 455.
parakten® 459.
'parag 499.
parar 453.
parart 454.
perekem 455.
pxerem 497.
ı por 455.
| prcanem 445.
\jerm 509 3. 441.
serund 459.
sinj 451.
| sirem 438.
ısirok 498.
sirtk 441.
snund 459.
sosinj 451.
spananem 451.
spano) 437.
stom 8143.
veh 459.
| ver 459.
τος 440.
tanım 439.
‚taray 439.
‚tarap 456.
\toA 442. 449.
tolem 442.
‚tun 310.
᾿ἐυιολ 488.
tuokutiun 488,
pait 459.
paxarakem 459.
pazxeay 490.
paxcust 459.
paxucanem 455.
pasckim 400.
᾿ῥαλ- 454.
Daranın 454.
' pakarim 454.
'palarutiun 454.
pakem 454.
paipakim 459.
parag 459.
parat 432.
parak 455.
ı peiekem 455.
ı piurid 456.
Diurit 456.
928
pndern 454.
poit 455.
por 459.
pulos 456.
pux 451.
pur 451.
punj 455. 456.
prpur 456.
Καὶ 458.
kun 457.
ot 446.
0) 443.
aud 446.
aut 440.
aucanem 449.
auj 443.
aur 458.
Lydisch.
Σάρδεις 326 ff.
Ξυάρις 928.
Karisch.
᾿Αρύαξις 3281.
Βρύαξις 3281.
τάβα 324.
Pamphylisch.
”"Actevdoc 929.
ΕΣΤΕΕΔΙΙῪΣ 329.
Griechisch.
a- 68. ST f.
ἀβάθματα 506.
᾿Αγαθθώ 168.
ἄγαν 508.
Ξάἀγαυρός D11.
aryekoc ὁ. gen. 161.
Ἄγγελος 164.
ayeipw 519.
arıvew 504.
ἀτίνω 04.
ἅτιος 171.
ἀγνέω 04.
ἀγνῶτα 410.
ἀτορά 519.
Wortregister.
᾿ ἀγορεύω 512.
᾿ἀγρέω 174.
ἀγχοῦ 90.
ἄγω 504.
᾿ἀδήν 508.
᾿ ἀεκαζόμενος 902.
᾿Αέλλοπος 162.
᾿Αελλώ 109.
ἄζω 445.
᾿αἰτανέη 482.
| αἰγίς 482.
αἰδέομαι 171.
᾿ αἰεί, αἰέν 91.
᾿ αἰῆ 230.
αἰπόλος ἢθῦ.
αἱρέω 114.
Ἄιρος 159.
᾿Ακάδημος 167.
ἀλέξω 172.
ἀλέτριος 498.
ἀλλότριος 459.
‚aApavw 172.
. ἀλώπηξ 9281.
᾿ ἅμα 18.
‚“Auadw 168.
‚ auaxei 21. 28.
ἀμνός 303 2. 5011.
᾿ἀμοχθεί 28.
᾿Αμφοττώ 168.
Ιἄν 377 ft.
ἀνά 498.
ἀνέθηκε 490.
ἄνθος 458 1.
ἄντα 198.
ἄντομαι 458.
ἀνύω 454.
ἁνύω 494.
ἄνω 218. 454.
ἀποξίννυται 502.
ἄρα 377 £.
-Apeiwv 166.
apeckw 179.
Ἄρης 226.
ἄριζος 05.
᾿Αρίων 100.
ΓἌρκη 169.
ἀρκής 169.
"Apxoı 169.
"Apxkroı 169.
ἄρξιφος 3281.
ἄροτρον 438.
Ἄρτεμις 164.
᾿Αρχιῴ 222.
᾿ἀεκηθής 447.
ἀςτήρ 438.
ad 9111:
ἡ αὔγαρος 911.
αὐτοψεί 98.
αὐτοῦ 90.
βάλανος 479.
| βάεις 88.
Backe 175.
Bacrazw 443.
ı Bdevvuuaı 502.
βδέεαι 502.
ı BeAeuvov 439.
\ BeAoc 502.
Bißarı 448.
βίος 502.
Bodw 448.
‚Bon 505.
Bondew 905.
βολγός 325.
᾿βολή 503.
βουκόλος DON.
βούλουαι 08.
βοῦς 05".
+Boben 109 #.
' Bpoüxoc 448.
Βρύαξις 3281.
BpuE A475.
᾿βρύχιος 475.
βῶς 184. 229.
βῶκεαι BOB.
γαβαθόν 509. 510.
γαβαλάν 510.
*raßarov 510.
γάβενα 510.
᾿χαβεργόρ 510.
γάδος 321.
γαίω 1706.
γαμάλ 510.
γαμάριον 510.
γάμβρια 510.
γαμβρός 444.
γαῦρος 176.
γενετήρ 497.
γενέτωρ 491.
γίννος 322.
γλεῖνος I.
γλῖνος 326.
τγογγύζω 505.
γράςτις 450.
γράφει 432.
γράω 444.
δαιτρός 498.
dauaccaı 439.
dauvavrec 3021.
δάρυλλος 326. 477.
δαςεύς 300 1.
δὲ. oil 9998:
δείκνυμι 258.
δέλλω 08.
δήλομαι 02,
διαζεύγνυμι 1τῦ.
Δίας 160.
διδόντες 909 1,
δίεεθαι 100.
Διόννυςος 319.
Διόνυςεος 919.
δῖος 100 1.
Aw 168.
Δίων 166.
δόρυ 326. 482.
Δρυόπη 168.
δρῦς 477.
Apuw 168.
δύο 457.
δυόδεκα 451.
δύω 457.
δὼ 29. 307.
διύδεκα 451.
δῶμα 807. 312.
Awpic 4811.
ἐβάλην 09,
ἑβδομήκοντα 400,
ἕβδομος 4τ0.
ἔβλην 502.
ἐβώθεον 902.
eBwca 09.
ἐττύς 505.
Erpapev 429.
Erpawev 432.
ἔγχελυς 484.
|
|
|
Wortregister.
edaudchnc 469.
einca 02.
ἔζινεν 502. 504.
᾿ἔζωςα 902.
eikw 174.
‚eitew 504.
εἰλήλουθα 176.
“εἴλω 504.
εἰμί 432 f.
εἰν 340.
"εἵνεκα 15.
᾿ εἷς 1842.
Ἑκάβη 1672.
Ἑκάδημος 1013.
Ἑκάτη 163.
᾿ἑκατηβελέτης 439.
ἕκατι 309 3,
ἐκβάλλω 499,
ἕκητι 17.
᾿ ἑκτός 470.
ἑκών 93. 302.
᾿ἐλαθρός DO.
ἐλαία 511.
ἐλαφρός 49. δθῦ.
᾿ἐλαχύς 902.
| ἔλει 510.
ἐλεύθερος 103.
᾿ἐλεύεομαι 176.
ein #77.
Ἑλικών 477.
"EXoc 510.
ἐναίρω 454.
“ἔναρα 454.
\evdov 3151.
“ἔνθα 16.
| ἔννεπε 258.
᾿ἔννηφι 501.
᾿ἐννώςεας 503.
|eve 1842.
|evri 88.
᾿ἐξενιχθῆναι 174.
ἑξήκοντα 466.
᾿ἔξιν 3281,
᾿ἐξίνει 508.
᾿ἐπιβιύεομαι DOB.
᾿ἐπίλεκτος 168 3,
"ἐποίει 481.
ἐποίηςε 491.
ἕπομαι 257. 402.
ἑπτά 88. 871.
epdw 175.
ἔρεβος 508.
eppun 502.
ἔεβην 502.
\ ecdAat 00.
Ξέεθλαι 00.
#EcoAaı ἤθ0.
ἐτάλαςζα 439.
᾿Εὐατγγελίς 162.
Εὐάγτελος 109.
529
“Εὐρυβάτης 167. 169.
“Εὐρυοδία 167.
εὐφόρβιον 454.
\exıc 442.
ἐχυρός 219.
| ἕψω 456.
‚rakaßa 1672.
zeikarı 41.
evvuuor 502.
\ seppeiv 257.
| FEcca 502.
‚ ztecdoı 159.
είκατι 41.
ıoßarıc 168.
‚ sıömn 168.
Fipoc 160.
| stc 166.
zw 168. :
zıwv 166.
σιωνίς 166.
᾿“ρήτρα 48.
|Za 509.
᾿ζαβάλλω 509.
| ζάβατος 509.
᾿ζαλμάτιον 508.
᾿ζάλματος 508.
᾿ζάλον 508.
ı *Zaudriov 508.
| *Zauaroc 508.
.ζαμβύκη DO8.
ἄξω, 472.
Teivanev 902.
FZeivuuev 502.
| Ζεύς 1842,
ζῇ 509.
ı Ζῆν 270.
530
Ζής 184.
Zncw 502.
Zoäc 502.
Zoacov H02.
ζυγόν 285.
Zwern 99.
Zww 502.
ἦμαρ 459.
ἤνεγκα 114.
ἤνεικα 114.
ἥρως 228.
θάνατος 499.
Θάψακος 506.
θέμις 312.
Θεοκκώ 168.
θερμός 909 3,
Θῆβαι 324.
θήγανον 174.
θηγάνω 114.
θην 372.
Θυέετης 109.
θυμός 39.
θυςτάς 169.
ἰαίνω 172.
ἱέραξ 159.
Wortregister.
ἱστάντες 3021,
ἰτέα 477.
"Ixvößac 1672.
m9
᾿Ιχνοβάτης 167°.
ὦ 1091. 170.
ἰώ Mond’ 1τὸ 3.
Ἐζώδης 1702.
ἰών 98. 801.
"iwv 1711.
᾿κάβειος 506.
οἤκάβη DOT.
᾿κάβος 507.
xadauoc 08.
Κάδμος ἢθδ.
κάθθηκε 491.
ο κ᾽ ἀλαός 908.
᾿Καλλιθόη 170.
Καλλιθύεςεςεα 169.
᾿Καλλίθυιϊια 169.
Καλλώ 168.
Καλοννιώ 108.
κάνθαρος 448.
καπνός 25.
καρφαλέος 441.
κάρφος 447.
᾿Κλυτόπωλος 167°.
᾿ κοῖλος 507.
κόρδαξ 112.
κόρθυς 329.
κοχλίας 322.
κοχώνη 445. 454.
xpadaw 172.
κρατός 908.
κριθή 472.
“κρίνω 504.
Κρονίων 189.
κύαρ DOT.
᾿Ξκύβα 50T.
κυβάβδα 507.
κυβάς DOT.
κύββα DOT.
κύβεθρα HOT.
᾿κύβεεις DOT.
κύβηνα 08.
᾿κυβηείαν ῥθῖ.
᾿κύβιεις 08.
κύβος 507.
᾿Κυματθόη 108.
κύμβη DOT.
κύμβιον HOT.
ἱερόμας 109 1,
Ἱερομνήμη 158 1,
xatacßecaı 01.
Ἑκαταςβέςεςαι 50].
κυμβίον 507. 5011,
κύμβος 50T.
ἱερός 157 ff. ᾿καταςβῶκεαι 501. ff. κύτος 507.
ἰητήρ 438. | karacecac 905. ᾿κῶμα 313°.
inrpöc 438. ᾿κάτω 218. λάθρα 442.
ἱκανός 174.
ἱκάνω 172.
ἱκέεθαι 174.
ἱκνέομαι 175.
ἵκταρ 174.
"oc 161.
ἱμάς 87.
ἱμάεθλη D06.
tvvoc 32.
"Ivvw 168.
᾿Ιοβάτης 167.
᾿Ιόβης 167.
᾿Ιόπη 168.
ἱπποπόλος DD.
ἴρηξ 159.
"Ipıc 157 ff.
Ἶρος 159. 1601,
ic 1672.
ı Ke Ἢ Ἢ
᾿κεδάςςαι 439.
κέλευθος 176.
κελεύω 176.
κέλομαι 170.
κέραμος DOG.
Κήρυξ 163.
κίββα 507.
κίβιεις DOT.
᾿κίβον DOT.
κίβος BOT.
κιβώτιον 50T.
κιβωτός 50T.
κίδναται 459,
kıduv 450.
κιχάνω 173.
κλινότροχος 990.
Κλύτοππος 167°.
λύκος 475.
᾿Λέλεξ 1083.
᾿μακεδνός 63 1.
μανιώδης 110 5,
με 345 ff.
“μέτα 300. 808.
Μεγαβάτης 167.
“μέγαθος 03.
"μέγας 91.
‚ μελίη 482.
MepexpatW 222.
uepuepoc 101 1.
| mepunpizw 101 1.
᾿Μερόπη 168.
᾿Μερώ 168.
| μεεςηγύς DOD.
᾿μεταλλᾶν 919.
μευ 362 ff.
μήτρως 998,
μιν 395
μνᾶ 320.
uor 892 ff.
μόκρων 631.
μολγός 3.
μυζάω 445.
Mucoi 323.
uuxAöc 822.
ναῦς 228.
νηπύτιος 04.
Νικοττώ 168.
νιν 940. 842.
νοέω 05.
νυ Ἐν ἙἘ-
νύξ 475.
ξένεος 172 f.
Zevvw 168.
Zevorkw 168.
Ξένος. 172.
Zecce 502.
Zoic 909.
ξόανον 503.
Zoöc 503.
ξύν 5041,
ξύω 502. 503.
ὀβολός 02.
ὀγδοήκοντα 466.
ὄτδοος 40.
ὀδελός 08.
ὀδούς 92. 449.
ὄδωδα 303 3,
οἱ 549 ff.
οἶδος 455.
Οἰνόμαος 1691.
οἶνός 38. 89.
ὀλιβρός 459.
ὁμοῦ 90.
ὀμφαλός TO.
ὄνομα 300 ft.
ὄνος 519 f.
ὄνυξ τό.
ὅπου 90.
öperw 72.
ὀρεύς 322.
Wortregister.
"Opti-wv 166.
‚ öpivvw 504.
‚öpivw 173. 504.
ὁρμή 442.
öpvuuı 04.
öppoc 440.
öpco 81.
οὗ 90.
οὐδαμοῦ 90.
οὖν 59:8.
‚ οὐρανόθεν 210.
οὐρεύς #
οὐςεία 450.
ὀχυρός 212.
ΤΤανύαξις 3281.
παρά, mapal, πάρος 12.
TTapdevvw 168.
πᾶς 87.
πάτρως 228,
πεδά 19.
TTeXomövvncoc 919.
teuntöc 470.
πέντε 479.
πεντήκοντα 49.
πέρι 19.
TTepkn 4811.
περρ- 340.
Ι πῆ 280.
na 901.
πίμπρημι 05.
‚ TTivdoc 19.
mıvuuevoc 504.
mıvutöc 904.
πίεςα 478.
mırvew 504.
πίτνω 04.
᾿ πίτυς 418.
᾿πλέτω 177.
᾿ πλῆτο 502.
πνεῦεις 440.
ΤΙοδάρκης 167. 1672.
\ TToönc 167 2.
πολύς 91. 184. 502.
ı movrıköv 323.
᾿πορφύρωῳ 456.
᾿ποῦ 90.
ı mpecßıcroc 505.
πρέετυς DOD.
᾿πρήθω 503.
TTpörroc 1671.
TTpoiroc 167 1.
᾿προλελεγμένοι 108 3.
πρός 340.
᾿"πτήςεω 459.
πῦρ 184.
ı "Pa 471.
" Boaua 905 3,
popavw 303°.
ı pudc 452.
ῥύδην 452.
cBevvuuı 501.
cBecov 202.
ςβήςομαι 502.
Σενοφίλου 509.
ceo, ceu 949. 559. 5609.
ckaipw 172.
ı ckavdalov TD.
ckapıpoc 441.
ς«κάφη DOT.
ς«κάφος DOT.
«κέλος 448.
| ckoAıöc 448.
«κόλοψ 447.
ckopößukoc 448.
ı ckWwp 447.
ı ckwpia 447.
᾿ςοάνα 503.
cmevöw 329.
ςπέρχεεθαι 176.
cmovdn 459.
cmopad- 452.
emupic 456.
᾿«τόμα 314.
cröuaxoc 914.
«τόμιον 314.
«τρῶμα 312.
«τώμυλος 9514.
ευζεύγνυμι 175.
εύλινος 903.
᾿εύλον 508.
I
|
|
|
εὖν 454. 5041,
cpiyyw 453.
cpıv 343. 356.
cpupic 456.
τάβα 324.
532
rapcoc 256.
ταῦρος 169 #.
τάχα 17.
τὲ 29.
teroc 194.
Wortregister.
φυγάς 302.
᾿χάλυψ 323.
χαμαί 912 3,
χάρις 312.
χεῖλος 48. 519.
Τελεείδρομος 167. 169. | χεῖμα 312.
τέλεον 256.
reccapec 479.
τέτορες 458.
τετρώκοντα 476.
τέχνη 320.
τῆ 29. 230.
τηλοῦ 90.
τιθέντες 3021,
τίλλειν 255.
TIE 361 ll.
tor 376 f.
τοίνυν 977.
τόξον 482.
τρέμω 502.
tpeccav 502.
τρέω 173.
τροχιλία 322.
TpoxiXoc 169.
τρύεκω ἢ09.
τρῦχος 0.
τρύω 508. 04 4,
τυφλός 08.
*TupwWc 08.
ὑγιής 508. 511.
ὕδωρ 29.
ὑπείρ 940.
ὑψοῦ 90.
φαγεῖν 483.
φάρος 904.
pebyeckov 173.
φηγός 477. 483.
Φιλλώ 168.
φιτρός 492.
φλέγειν 511.
Φλίας 04 4.
φλιδή Ὀ04 1,
φλυδάω 04 1.
φλύω 044.
φορκός 912.
φορτητικός 319.
φορτικός 319.
φορτίς 919).
᾿χειμερινός 314.
χειμών 307.
| Xeppövncoc 319.
xew 177.
χθών 184. 310.
χιτών 456.
χιών 310.
χύτρα 177.
χωλός 448.
woyepöc 459.
ıwöAoc 456.
wwuöc 502.
wwpöc H02.
ψῶχος 497.
'yuxw 457. 502.
"wönc 1702.
[ὦκα 17.
᾿ῷΩκυπέτη 162.
᾿Ωκυπόδης 101 5.
| WAEvN .508 3.
*bun 1702.
] ὥν 93. 301.
|
᾿ἀείδαρος 320.
ἀηδόνι 320.
"Avdnvaı 441,
ἄππαρος 321.
| γάδαρος 390.
᾿γαΐδαρος 990.
γαϊδοῦρι 320.
γαϊδουρόψαρον 91.
youdpı 319. 321.
γόμος 319.
καϊμένος 5390.
᾿κελαδῶ 290.
, κελαϊδῶ 590.
᾿κλάιμα 290.
μούλαρος 321.
ιουλάρι 322.
πόδαρος 321.
Neugriechisch.
᾿ποντικός 323.
᾿πούλαρος 321.
caudpı 321.
«κύλαρος 321.
xadıv 320.
χαϊδεύω 320.
Albanesisch.
‚ dant 3001,
dent 3001.
‚dender 444.
legate 323.
maöt 303.
mad 309.
musk 322.
mütl 322.
nuse 3191.
perua 4521.
timp 324.
trege 324.
Illyrisch.
Ateste 324.
Bigeste 324.
Jadestini 324.
Λάδεετα 324.
Nadectov 324.
‚luga- 323.
“Λούγεον 323.
Segesta 324.
| Tergeste 323.
lapygisch.
Grumbestini 324.
Lateinisch.
absque 47.
aesculus 482.
aestumare 171.
agnus 3032. 5011.
almus 482.
an 317.
angutella 484.
angutis 443. 484.
anulus 449.
anus 443.
aperio 114.
arrugia 4531.
asellus 321.
asinus 319.
autem 26. 416. 429.
avilla 901 1.
avoco 172.
Bacenis silva 480.
bene 250.
bos 184.
brucus 448.
bulga 325.
cambiare 68.
cerro 446.
cena 172.
cernere 958.
cesna 172.
citra 24.
claustrum 5121.
coclea 322.
cocles 322.
compescere 172.
contungere 175.
contegere 175.
contra 24.
coquere 479.
eruentus 172.
curta 491.
decimus 470.
detegere 175.
dicere 258.
dies 184.
diserimen 504.
distungere 175.
dubius 175.
dum 26.
duodecim 468
duplus 451.
ecastor 423.
eccere 423.
edepol 423.
endo 311.
r
“
enim 26. 377. 416. 429.
501.
examen ὅθ.
extrad 24.
exuo 02.
fagus 417. 485.
Wortregister.
fermentum 175.
| > ΓΝ
fertum 332.
findere 455.
176175:
- flare 1781. 456.
forare 504.
formus 303
\fraxinus 476.
| Fugax 302.
‚fulgere 511.
fundere 177.
gabata 510.
gavisus 176.
gener 444.
genitor 437.
gestire 443.
glans #19.
glinon 325.
graculus 444.
gradior 49. 75.
granum 489.
hamus 58.
hercle 429.
2,
Hercynia silva 480.
hibernus 314.
hie 29.
hodie 226.
hordeum 472.
hostis 172.
humi 3122
ico 114.
iens 95.
igetur 416. 429.
in- 68.
inde 16. 210.
inqguam 258.
inseque 258.
\ intra 94.
intro 459.
invitare 255. 257.
invitus 253. 257.
Τα 40.
vanitrices 449.
iecur 514.
iocus 3032.
‚tugum 259.
' Iuppiter 514.
lana 41. 257
Indogermanische Forschungen I 5.
larix 478.
latro 14.
latus 74.
lien 23%.
loqui 462.
macula D12.
‚magnus 91. 508.
, male 250.
mare 475.
mecastor 411.
med 351.
mediusfidius 411.
mehercule 411.
meiere 322.
mertidie 501.
mi 412.
mina 320.
mingere 322,
-miniscor 462.
mulus 322.
namque ὅτι.
nasci 462.
Ine 419.
nolle 81.
nonaginta 466.
nonus +70.
nucleus 322.
num 26.
| Numasioi 303
obtegere 175.
\obvenire 175.
octavos +70.
| octuaginta 466.
|
]
„D
onus 319.
‚operio 114.
ornus 483.
pedere 502.
per- 406.
perendie 500.
pteus 478.
pinus 418,
| pius 5049.
ıpix 478.
‚pol 423.
porrigere τῷ.
postridie 500.
praesens 93
praetor 167 1,
94
39
pridie 501.
quadraginta #16.
quando 414.
quatuor 256. #9.
que 29. 416.
quercus 4719.
querquetum 479.
quicungque 47.
quidem AT.
gun 120.
quinque 419.
quintus 470.
quis 256. 414.
qwisque 419.
quom 26.
quomodo 401.
quoque 418.
res 222.
retegere 12.
rigare #1.
rite 226.
ritus 226.
rostrum 5121.
salix 417.
scandere τῶ.
scelus 448.
secare 258.
segnis 501.
sentis 64.
septimus 470.
septuaginta 466.
sequi 257. 462.
sescenti 467.
sexaginta 466.
sextus 410.
sic 411.
sies 204.
signum 258.
sin 419.
solum 303 3,
sons 99.
spargo 456.
stramentum 306.
strues 332.
strufertarius 332.
sullus 332.
suinus 392.
sunt SS.
Wortregister.
'suprad 24.
'tandem 416.
taxus 482.
\techina 320.
teetum 19.
\tegere 194.
'tremere 02.
| tritus D04#.
| trivi 5044.
troclea 322.
| tum 26.
ubi 16.
ulmus 489.
ultra 94.
\umbrlieus TO.
umbilio TO.
unde 16. 210.
unguen 68.
ungurs TO.
unguo 443.
vapor 290.
\velimus S1.
'vellere 253.
| vermis 255. 257.
verrere 290.
veru 11.
vestis 502.
| vigeo 511.
vitexc HIT.
Sabinisch.
teba 524.
Oskisch.
niumsieis 303°.
pühiin 504°.
veru 172.
Umbrisch.
heriest 175.
|verofe 115.
Italienisch.
fanfaluca 44}.
merluzzo 321.
\ suovetaurilia 332.
musso 322.
nasello 321.
pimpinella 441.
spedire 441.
| Provenzalisch.
sauma 319.
somella 319.
Französisch.
concombre 441.
fanfreluche 44}.
pimprenelle 441.
tresor 441.
Spanisch.
arroyo 452.
Portugiesisch.
arroio 4591.
fresta 441.
Engadinisch.
| amp 58.
ham 58.
propöst 44.
| Friaulisch.
muss 322.
roje, roe 4521.
propriest 441.
ısplidir 441.
Obwäldisch.
| flodra 44.
Rumänisch.
muscoiu 322.
targ 324.
Zirg 324.
Gallisch.
Adianto 64.
Adiantumnenti 64.
Oberhalbsteinisch.
Adiantunnos 64.
ambi- 68.
ande- 68.
Andecamulos 68.
ando- 69.
Andocombogios 69.
are- 69.
bulga 325.
Cingetorixz ΤΊ.
Cintugenus 61.
Cintugnatus 61.
Cintus 61.
Jantumarus 64.
Jentumarus 64.
Lingones ΤΊ.
πεμπέδουλα 62.
πομπαιδουλά 62.
ver- 69.
Vercingetorix 69.
οὐέρτραγοι 702.
vindo- 72.
Wortregister.
berthe 460.
bind 68.
bir 71.
\bocht 80.
‚böoim 80.
bolg 325.
bongim 80.
bran 41. 48.
‚bree 66.
briathar 48.
brü TS.
büain 621. 77.
buden 531.
bun 455.
'caomhcehlud 441.
‚car 460.
carthe 460.
\eead 67.
Alt- und Mittelirisch.
adernı 74.
adeoncatar 76 !.
adeonnareatar 761.
adgen 69.
adgeuin 69.
adgrennim 75.
aditehide-siu 460.
des 453.
aigde 460.
aigther 460.
ainm τι f.
air- 69.
am 80.
an- 68.
aratibrind 441.
aratribrind 441.
ar-chiunn τὸ.
ar-ru-cestaigser 463.
ateoch 79.
atlaigthe 460.
aur- 69.
beimm “Reise’ 77.
beimm "Schlag’ 77.
beir 460.
bel 48. 513.
ceimm 59. 59 ft. 76.
cenel 60. 62. 64.
cenn 73.
cet 60. 66.
cetal 60. 64.
cetne 61.
ceud 61.
-chiuir 621.
\ cimb 68.
\eing 1.
cingim 41. 59. ff.
ciunn 74.
claemchlöd 441.
cless 73.
cliuss 73.
‚ eloemchlod 441,
cluinte 460. 461.
co-cara 331.
coem 43.
co-foichle 331.
cöte ΟἹ f.
‚cötca 49.
‚ cöimmcehlöud 44.
coimthecht 44.
com-mescatar 176.
condecatar τθ 1.
confeser 408.
con-festar 469.
| coniceim 81.
con-indarba 33.
conruthochaisgesser
403.
‚cosmail 68.
co-tesba 330.
co-tocaib 330.
| co-toeba 331.
' co-tbeband 330.
co-torba 30.
erenim 62.
cuala 621.
euirthe 460.
cumscaigthe 447.
cumscugud 447.
dair 417.
‚deoch 7».
‚der 60.
det 66.
dianaigthe 460.
diatibrind 441}.
doaderenim 62.
doarblaing 49.
doberam 40.
ı dobiur 73.
ı docheneiutl 69.
| doeirbling 49.
‚ dofoichred 44.
| dolleblaing 41.
ıdomm 22.
don-adbantar 331.
, doradchinir 62.
dorigeni 69.
, doroiphann 46.
doroiphnetar 40.
dosephann 46.
dosennim 46.
drebraing 90.
dreimm 55. 7
dringim 50. 55. ΤΙ,
droch 702.
duaircher 621.
ı dunn 52.
| &- 68.
\ecen 81.
ech 73.
eesamail 68.
en 60. 63.
erimm 60.
Eriu 78.
7
536
et 64.
etargninim 69.
etirgein 69.
faiseim 1716.
fer 712.
-fessar 469.
find “Haar’ 72.
find “ weiss’
findtae 461.
finnaim 72.
finta 461.
füuch τ.
fochichred 44.
fochridigthe 460.
foglennim 72.
fogliunn τῷ. S1.
foilsigthe 460.
follaide 460.
forcechan 4.
fordingim ΤΊ.
fordringim ΤΊ.
forotblang 41.
forrötchan 44.
fortesid 60.
frecuwirthe 460.
-gainedar 462.
«δὶς 69.
-gen 621.
gen ΤΊ.
σειν 621.
glenim 621.
glice 81.
-gninim 621.
greimm TT.
el 71.
mb 68.
imbliu τῷ.
imlecan TO.
imm 68.
imthascarthithi 441.
in- 68.
ind- 69.
ind "Spitze’
indarpae 69.
inderb 68.
indnadad 461.
indnite 460.
indrith 69.
69.
Wortregister.
Yingen τ. 331.
ingrennim 49.
ingnath 68.
\inneuth 461.
inrograinn 49.
iS-saın
laige τ.
331.
laigim τῷ.
leblaing #7. 48.
leethe 100.
ἰδὲς 460.
leidr 74.
‚leim DD.
leimm 59 tt. 76.
\leltar 621.
lind
lingim 47. 48.59 ΤΠ
lige τῷ.
| meit 66.
menmme 48.
mer 69.
-messar 469.
'-mestar 469.
mid ΤΙ.
‚meur ΟἿ.
midiur 74.
mi 11.
mind 68.
-moiniur 462.
nachamdermainte 460.
nadfinnatar
nadfintar 462.
na-imroimser A463.
nasc 176.
nasceim 176.
nech (ἢ.
nem 74.
ni-carann 381.
ni-foichlenn 331.
ni-indarban(n) 330.
nitaibrem 46.
nitesban(n) 330.
ni-thadbann 331.
ni-toebann 381.
ni-torban(n) 3%.
nos-comalnithe 400.
nut-astgthe 460.
ochtmoga 400.
oland Αἴ.
ollaigthe 460.
ragent 69.
reimm τ.
remes Ὁ.
renim 621.
ret 64.
rethim 77.
riadaim τ.
rigim τῷ.
rind “cacumen’
rind “Stern” 69. 73.
rindaim 72.
| rir 62 1:
ro-chet 00.
ro-chöimchloiset 441.
ro-cloimeloiset 44}.
'roeblaing 19.
ro-fess 41.
ro-fetar 461.
ro-finnatar 461.
| ro-fotrbth ichser 463.
| scel 62.
rogent 69.
ro-leblaing #7.
ro-lethnaigser 463.
ro-sutdigestar 468.
ro-sudigser 468.
ro-suthchaigser 4634
ro-taitnigser 469.
ruad 561.
ruccaigthe 460.
ru-fiastar 469.
satdbir 691.
sail 411.
scdich 447.
64. 00.
scendim 75.
scingem Tl.
-sechethar 462.
sechtmoga 466.
sen 14.
ı set “Weg’ 60. 64. 69. 67.
set "Kleinod’ 64. 69.
|
sesca 466.
siniu 14.
slänatgthe 400.
smir 1].
tadbain 331.
tadban 331.
tadbat 531.
taige 72.
tarblaing 49.
te 60.
teg 14.
tenga 48.
tesban(n) 330. 331.
tesbanat 331.
-tesband 3%.
tess 18.
tige 72.
-Huchur 462.
to-ad-fiad- 331.
tocaib 331.
-torbanat 331.
traig τὸ 3.
trasgairim 441.
trebrigthe 460.
tren 69.
Neuirisch.
aos 48.
beal 66.
boim, buim 80.
caoga 45 ff.
caomh 43.
ceud 67.
eng 43 ft.
cumhachta 45.
can 66.
geadh 66.
reimheas 57.
seinnim 73. τῷ.
sgeal 66.
trasgairim 441.
trean 66.
Kymrisch.
addfwyn 64.
addiant 64.
am 68.
an 68. 69.
Andagello- 69.
Wortregister.
‚.anu TS.
ar 480.
cam 55. 18.
cant 61.
kenetl 60.
CURAS:
ewyn 480.
| eychwynnaf τ.
eymmer ST.
eymmeryd, eymrydds.
kyntaf 61.
chwedl 62. 76.
‚ dant 66.
eguin τῷ.
emenyn 68.
en- 69.
enuein ὃ.
enw 458.
erbynn τ).
ewin TO.
geneu Τί.
gennyf 22.
gulan, gwlan #7. 48.
gwlyb τῷ.
| gwasgu 176.
| gwydd 66.
gwynn 72.
hynt 61.
lammam >».
lemenic 53.
lleidyr 74.
Uyn 72.
meint 66.
mel 71.
minn 68.
miuyn 64.
065, ots 43.
penn τ.
pimp 02.
ym 52.
ymenyn 68.
yn 22.
ynt 88.
Kornisch.
amenen 68.
bom τ.
cam DB».
cams DT.
cans 61.
kensa, kynsa 61.
dans 66.
᾿ dym 32.
emenin 68.
euuin TO.
garan 441.
genaf 22.
genau TI.
gluan 48.
guet 66,
hins 61.
myns 66.
penn 9.
Bretonisch.
| amann 68.
lamm lamp
mel 71.
kamm 59.
kamps DT.
kant 61.
comper Ὁ.
| compret I.
ı coms, comps DT.
.—_
eranch 441.
cuff 49.
dant 66.
deom 52.
desquebl 62.
diff 32.
dymny Ὁ.
etn 00.
genou TI.
\ gloan, glouan 48.
goaz 66.
queneff 22.
hano \8.
hent 61. 67.
jun TO.
55 f.
ment 66.
penn 9.
prennest, prennestr
441,
punz 441.
538
quemret, quempret 51.
quentaff 61.
Quimper, Quimperle
57.
rems, TeEMPS DI.
ruz 561.
speret 62.
tenzor 441.
kotisch.
aflwapjan 259.
aftana 210.
aftaro 200.
agis 217.
ainlif 466.
aljar 22.
aljaprö 24. 200.
allapro 200.
anasiuns 216.
bairhts 511.
balgs 323.
blesan 118 1,
brikan 456.
dalaphro 200.
fairguni 450. 480.
fairrabro 200.
faurpizei 211.
filwor 479.
filu 502.
gaatstan 111.
gadigis 217.
gaqump)s 5».
gawaknan 173.
gestern. Ὁ19 1.
geutan 177.
grips τῷ.
hatis 217.
her 29.
hidre 209.
hindumists 61.
hröt 194.
hulundi 3002.
haus 491.
lvadre 209.
lvar 29. 212. 218.
lWwaphro 24. 200.
/ve 204.
inna 218,
Wortregister.
innana 210.
innabro 200.
‚tupa 218.
iupana 210.
tupabro 200.
jainar 29.
jaindre 209.
jainhrö 24. 200.
jukuzi 285.
kaurn 485.
mapl 512.
maurbr 459.
mikils 508.
mins 217.
gairnus 216.
qiban 518.
remis 217.
rigis 217.
saer 211.
sandjan 61.
sailvan 901 f.
sibun ST1.
sigis 217.
sihu 214.
stjais 204.
ı simle 209.
sind 88,
sinpbs 00.
siuns 908.
skapis 217.
'skapbjan 447.
'skauns 216.
speiwan 519.
stöjan 277.
sunja 9.
sunjaba 202.
|sunsei 211.
figjus 466.
triu A78.
| tuggyo 48.
banaseiphs 217.
ἐμ αἰ 466.
pande 900.
bar 99. 512.
hater 211.
hapro 24. 200.
pe 204.
bugkjan 102.
pbüusundi 102.
ubtlaba 205.
ufta 209.
undar 69.
undaro 2».
unnuts 216.
unte 209.
‚unweniggöo 208.
ustukns 174.
uta 218.
utana 210.
utabro 200.
uzanan 458.
wairs 911.
wasjan D0B.
wato 23. 201. 296.
waurms 90. 951.
wileima S1.
ἡ γαῖ 1.
wulla 41.
Altnordisch.
askr 489.
Aurgelmir 141.
austan 210.
Alof 141.
bife 204.
Bifrost 140.
bjork 512.
bladra 456.
Breidablik 140.
bruüde 218.
Eldir 140.
Eggper 141.
elmr 489.
ero 81.
fader 212.
(BI
| fat 30
, Fjorgyn 480.
fraud 509.
'Frigg 140.
Froya 140.
Funde 218.
@udormr 140.
hedan 210.
Hjordis 140.
Hlidsisjalf 140.
hlynr 329.
hvadan 210.
kast 443.
kasta 449.
möder 212.
Nidhoggr 140.
Njordr 140.
nordan 210.
Orvasund 140.
Reginn 140.
sannr 9.
Sigrdrifa 140.
Sigurdr 141.
skaka 447. 459.
sker 441.
skorpna 110.
Sokkmimir 140.
Sokkvabekkr 140.
telgja 449.
tjara 418.
torg 324.
tyggja >13.
tyrr 418.
badan 210.
ati 218.
Vafprüdnir 140.
vokna 179.
verpa 444.
vestan 210.
Verdandi 140.
Ydalir 140.
Yygdrasill 140.
Schwedisch.
avjud 222.
biord 136.
faul 109.
fremsettende maade
156.
hysa 245.
judskridning 252.
knycka 249.
Iysa 245.
mysa 240.
navneform 190.
nevneform 136.
navneord 136.
Wortregister.
omhänderhafva 109.
ırycka 245.
ryka 245.
rysa 249.
stedord 186.
tycka 245.
udsagnsord 150.
Norwegisch.
\varp 444.
Angelsächsisch.
| änungza 208.
\dred 9.
brand 99.
brödor 212.
|bydel 103.
| dohtor 212.
\eard 81.
᾿οασίαμ 210.
᾿)αάον 212.
wer 29.
| 25 31.
\mödor 212.
nordan 210.
| secacan 447.
sceoh 447.
sliper 492.
söd 95.
spreot 117.
sprütan 117.
‚suadan 210.
| sweostor 212.
Tiies- 514.
der 29.
| üte 218.
\weenan 1713.
weter 212.
\westan 210.
witza 176.
᾿αὐτέϊ 176.
wringe 176.
ymb, ymbe 68.
Englisch.
ıbrack #75.
| meet 517.
meeting 11.
δι 447.
ıstıpper 452.
Niederländisch.
artsenijmenger 131.
gadelijk 151.
tjdwijser 151.
Langobardisch.
fereha 479.
Althochdeutsch.
‚ancho 68.
ars 446.
ban 114.
beinsegga 258.
bital 108.
blatara 456.
blick 511.
brinnan 173.
bruodar 212.
chragel 444. 456.
chragilon 444.
dar 29.
der 212.
drau 03.
dusunt 102.
einoti 128 2.
elira 483.
era 171.
fallan 3032.
fereheih 4719.
fiozan 177.
forasago 10.
‚forha 41.
‚friudil 458.
gersta #12.
‚hintar ΟἹ.
hliumunt 306.
hwergin 212.
kara 258.
kiuwan 514.
'lebara 514.
540
linboum 5320.
mano 201.
mol 442.
mos #1.
muor #2.
nefo 201.
peinseico 258.
queran 298.
ringan 116.
rinnan 172.
saga 258.
sagen 258:
sago 176.
salaha 411.
sehan 258.
sciozan 117.
serintan 170.
serunta 176.
smero 11.
spannan 113. 114.
speht 418.
spinnan 179.
springan 116.
450.
spriozan 11T.
sprozzo 17.
tanne 482.
tineta 109.
trinnan 179.
umbı 68.
üze 218.
warm 303°.
wazzar 212. 275.
werran 201. D08.
wibel 448.
wrda +7.
willa, wwille 206.
williu, willu S1.
175.
wrssago 176.
wirken
wrzago 1τ0.
Zios- 514.
Mittelhochdeutsch.
bitel 108.
braht 9.
brant 9.
bräte 9.
Wortregister.
brüederlich 100.
bruoder 100.
‚veinen 148.
Vörgunt 480.
' getelich 151.
᾿ heien 128 3.
\lehen 117.
|lehenen 117.
lene 117.
‚lenen 117.
liene 117.
Tinboum 111.
|Titkouf 1282.
lüederlich Ὁ.
‚lZuoder 100.
\lünse 117.
mol, molle 442
miüeder 109.
sinvluot 198 3,
schiech 441.
schic 148.
schirze, scherze 112.
‚schiuhen 447.
schrimpfen 116.
span 174.
ıspriezen 177.
stivelm 1011.
‚tächt 102.
tam 102.
tiutsch 102.
weterleich 128.
weterlitzen 128.
zirbe, zirbel 418.
Neuhochdeutsch.
ablang 122.
ablugsen 129.
abseite 129.
abzucht 128°.
ahnd 141.
ahnden 111.
ahnen 111.
ande 147.
angen 10.
anhaben 147.
‚ anklagefall 156.
anlappen 150.
anorgeln 150.
anseite 136.
‚aposteln 119.
arzeneimenger 191.
atmungsfähre 129.
attentäter 128 3,
aufbegehren 1590.
aufdecken 179.
‚äufnen 149.
aufreisen 149.
augenbraune 134.
ausgetragen 190.
auslauf 121.
aussageweise 136.
badearzt 154.
bahnsteig 150.
balde 132.
barmen 10.
bauer 119 1.
beenden 1390.
beendigen 129.
befleissen 129.
befleissigen 129.
beginnen 141.
begönne 125.
bereich 144.
| beziehende fürwörter
| 186.
biederbe 147.
‚bildsam 144.
birke 416.
blankscheit 128°.
blitzen 51.
boge 98.
| Dösen (Verb) 149.
brägenklieterig 150.
bramsig 150.
ı brate 98.
braue 184.
‚braune 154.
brimmen 147.
\brunft 128.
brünne 147.
| brunst 128.
bugsieren 123.
bündig 149.
bürge 125.
bürgern 119.
büttel 103.
courage 340 1,
dachtel 155.
damm 102.
dang 127.
deckname 144.
deucht 236.
deutsch 102.
dingen 151.
dinte 9.
docht 102.
drucksen 150.
dung 127.
dünken 102.
durchfiebern 144.
edeling 148.
eigelichkeit 149.
eiland 148.
einfalt 129.
einfältigkeit 129.
eingeschrieben 150.
einöde 1282.
einzug 149.
eisbein 121.
empfindsam 144.
enden 101.
endigen 129.
enttagen 144.
erbrichten 149.
ergötzen 134.
ertragen 148.
essighafen 149.
ewiglich 129.
fesnacht 121.
fasten 101.
fahrhabe 149.
fehde 147.
feien 148.
felsen 129.
fenstern 101.
ferge 148.
ferne 132.
fernsprecher 150.
ficht 130.
fingern 118.
flügeln 118.
föhre 479.
Franke 125.
Wortregister.
freidig 148.
freislich 148.
friede 125.
Friedel 147.
frieden (Verb) 148.
frommen 147.
frontenspitz 129.
'fufzig 40.
ı fünde 125.
| fürwitz 120.
fürwort 136.
gaden 147.
gant 149.
gantner 149.
garten 100.
| gast 172.
' gastrisches fieber 116.
‚ gattlich 151.
gau 148.
gaudieb 1282.
geburttag 134.
gefallsucht 144.
' gegenseite 136.
geheischt 127.
gehiessen 127.
‚ gehirnkneifen 150.
| geisel 117.
'geissel 111.
gelingen 49.
gelackt 149.
gemahnen 129.
gemeinplatz 144.
gente, ohne 116.
ger 148.
gerne 132.
gewundrig 149.
gezwerg 147.
geebeln 119.
ı gefteritis 129.
giftptlz 149.
glau 141.
glaube 125.
glomm 100.
glück 101.
gölte 129.
grammatikalisch 129.
| gülte 149.
Io
| gummigut 129.
541
| guten (Verb) 149.
‚haarrauch 198 3,
hähne 101.
hahnebüchen 150.
hahnkrat 147.
| hain 148.
halfen 100.
haltestelle 154.
‚ handzıehle 149.
harm 148.
hart 101.
haufe 125.
hauptwort 156.
\ haute 126.
heiderauch 1282.
heim 148.
heint 150.
heiratern 150.
herumwurmisieren
| 14.
höcher 124.
| höhenrauch 123°.
'hölle 121.
hopfen 100.
| hort 148.
hülfe 125.
husten 100.
idee 2511.
indessen 129.
‚irgend 57.
‚irretieren 128.
\örritieren 116.
Jungfer 159.
kämpe 148.
kiesetig 149. 150.
| kleinodien 129.
| klinze 148.
Ι klub 123.
‚knochen 100.
kommhurtig 129.
kranewanken 150.
kregeln 444.
kruppzeug 150.
| kür 148.
lange 132.
lanzknecht 1282.
laufte 126.
\lehne 117. 325.
542
lehnepump 150.
leichnam 101.
leicht 49.
leichtsinnigkeit 129.
leihkauf 128 2.
leine ziehn 150.
lenne 325.
lenz 101.
letzteste 129.
liebedienst 134.
liederlich 99. 105. 256.
lindwurm 148.
loff 126.
löffel 154.
lüderlich 9.
lungern 4).
mage 148.
malheur 2491.
mamsell 249 1.
massregeln 144.
mehrste 124.
menscheln 149.
mesner 198 3,
miesepetrig 150.
minne 148.
miswende 147.
mittelwort 1506.
molch 442.
nachbar 1191,
nächt 150.
nachweis 130.
nackedei 150.
nackend 129.
name 125.
neiding 148.
nennfall 130.
nennform 136.
niemand DT.
norne 148.
obrist 127.
öfterer 129.
pantalons 249.
parapluie 2491.
Wortregister.
pfarrern 119.
pflughalten 149.
‚pilgrim 127.
| posaune 109.
ı pracht 9.
prangen 9.
profos 152.
pseudonym 144.
quoll 100.
\radber 147.
'ramschwaare 120,
\rappe 125.
rasaunen 10.
recke 148.
'redhaus 149.
rücken 100.
\rufte 127.
rune 148.
sanftmätigkeit 129.
säuft 150.
saufte 126.
saugte 126.
'schand 127.
‚schaubild 144.
scheu 447.
schick 148.
‚schiefe fälle 136.
schindete 127.
᾿ schliefen 147.
schlüsseln 119.
schmäderfrässig 149.
schmolz 100.
schnaubte 126.
schneid 150.
schölte 125.
schon 101.
schöpfer 14.
schraubte 126.
'schund 191.
schwäne 101.
seen 101.
\sippe 148.
passtonen, noble 249 1. | spitzfindig 23%.
| A
pedell 105.
perron 150.
perspektive 144.
petschiert 149.
ıspönne 195.
sporen 124.
spornen 124.
stacheln 101.
rekommandiert 150.
stentzen 150.
sterbefall 154.
‚stern 101.
‚stiefeln 101.
stille 132.
'stöhle 125.
| stünde 125.
ıstürbe 125.
‚sündflut 125 2. 182.
sunken 98.
‚tann 148.
tarnkappe 148.
tausend 102.
teer #18.
tele 150.
telephon 150.
teutsch 102.
finte 90.
triegen 236.
‚trietzen 150.
triftig 149.
tum 141.
umstandswort 136.
ungefüge 141.
ungeschlacht 121.
'unmussig. 149.
unterkietig 150.
unwohnlich 149.
unwort 149.
ur 148.
urig 150.
verbiestern 1%.
verbubanzen 150.
verbummeln 149.
verdürbe 125.
verganten 149.
vergleich 150.
verheddern 10.
verleichtsinnigen 142.
verquer 150.
verrunjenieren 44 1,
verschmetterung 190.
verschmökern 150.
verschüpfen 149.
vertulichkeit 149.
viel 72.
‚volkkönig 134.
voller 129.
vorhausen 149.
wabern 147.
wägen 99. 155.
währschaft 149.
wal 148.
waldweben 148.
warfen 100.
wat 147.
weigand 148.
weihlich 147.
werland 121.
weissagen 198 5,
weitläuftig 129.
werft 444.
wetterleuchten 128.
wiegen 99. 134.
wildschur 128.
wille 125.
windelator 129.
wittib 127.
wog 148.
wrasen 150.
wrucksen 150.
würbe 125.
würfe 125.
zähdrätig 150.
zäpfeln 149.
zeitweiser 151.
zeitwort 136.
zerrbild 144.
gerstreut 144.
zeugefall 136.
zielende zeitwörter 136.
ziellose zeitwörter 136.
zudecken 175.
zusammenfingern 150.
zweien, sich 149.
zwölf 134.
Altbulgarisch.
agne 3032.
bada 234.
begv 459.
belv 305 2.
beza 459.
betard 920.
bratv 390.
Wortregister.
briti 504.
breza 416. 512.
buky 485.
butar® 323.
cesati 502
eresp 446.
dati 303 2.
dolu 90.
drevo 478.
gavrand 48.
gora 480.
greda 79.
\igo 285.
jagne 3032.
jasika 483.
; | jedro 4492,
'jelicho 483.
|jetro 459.
jetry 445.
jezv 3281.
klen® 325.
eryti 194.
kypeti 256.
\liza 35.
ıluza 323.
Iyko 289.
mezdu 302.
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piklo ATS.
pljuja 519.
posredu 30.
| prijatelv 438.
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᾿ sestra 2%.
setd 11T.
ıskora 448.
snegb δῦ.
| sokolv 258.
|sy 93.
ten23:
tovar® 319.
trova 509.
trogb 324.
tu 80.
velja 81. 175.
vidd 3.
\vlona 47.
voda 29.
vrand 41.
vrestn DIT.
‚ vrdchu 30.
vrvgnati 172.
\vonu ὅ0.
ı zeto 444.
|zrono 485.
zeladv 479.
zezeto 441.
zida 35.
zleza 449.
zröony 216.
2%.
Neubulgarisch.-
mule 322.
Serbisch.
tovar 319. 321.
Slovenisch.
NND
OU) τ,
‚jasen
gavran 48.
karvan 48.
kavran 48.
kovran 48.
kriv 194.
pezdeti 502.
Russisch.
voron 48.
‚bereza 476.
| krovlja 194.
‚krysa 19.
preju 508.
| ugoro 484.
|
|
|
bediti
Gechisch.
502.
x
545
544
havran 48.
leryt 194.
ozd 449.
Polnisch.
skörka 448.
wilezura 128.
wegorz 484.
Preussisch.
angurgis 454.
anktan 68.
aupallai 303 2.
billitwei 495 2.
deinan Ὁ.
kirsa 446.
percunis 481.
poieiti 2791.
pouis 2791.
pout 9191.
pouton 2791.
poutwei 2791.
puieyti 2791.
puton 2791.
quaits 255.
warnis, warne 48,
Litauisch.
angıs 449.
dtlaikas DD. DT.
atlekas DD.
atvweriu 175.
auksas 470.
antas 440.
baandanı 36.
barme 40.
beda 39.
begas 455.
begu 459.
berszti 512.
berzas 476. 512.
braidani 36.
brödis 39.
daiktas 34. 38.
dainda 39.
Wortregister.
deive 35. 40.
deivys 37T.
degas 98.
dele 40.
dena 38. 39.
devas 33. 37. 38.
derva 418.
drekin 36.
dumas 59.
ditti 278. 808 3.
eile 40.
emi 32. 36.
einü 37T.
ıesas 9.
ezys 328 1.
gabenu 172.
gardys 39.
gedra 39.
geidzik 35. 36. :
gendü τῶ.
gesme 40.
gire 480.
gyjvas 99.
yra Ss.
javar 412.
jükas 808 5.
7 ἰδέα 89.
katlis 89.
kam πα: δ 37.
kairgs 39
kaitra 39,
kasıjti 502.
kaskur 80.
kaupas 808 2.
kauszas 491.
köcziar 39.
keiszitt 36.
| köle 40.
kemas 7.
leturi 479
krausze 491.
kiauszis 491.
kirmele 255. 9571.
Κλ 80.
krattis 39.
krüvinas 174.
krüvinu 172. 174.
kıipinas 174.
-|
| kupinu 114.
καρ 256.
kur 80.
kväpas >55.
kuepti 256.
| kuvesti 258.
kvötys 39
lardas 98.
laikjti ST.
laima 40.
laivas 38.
lepa 40.
lepsna Ss
leptas 3
| leszti ΕΙ
|Tezin 35. 36.
|lika 471.
liügas 823.
Iınkas 288.
ı marnas 84. 88.
marstas 58.
maita 59.
ımegas ST.
meles AD.
\ menü 19. 275
| mezys 39.
mirszti 172.
mote 275.
nalkte 40.
name >27.
nekas DS.
nekur 90.
neszti 38.
nezal >>.
ınıimas 808 2.
pdine 40.
palaidas 34.
| pasattis 34. 51.
perlis 59.
pemu 35.
penas 9.
Perkunas 481.
peva 40.
ıpintis 440.
ı plaudziu 177
| pleine 40.
"γιὲ nas 38.
pludziu 17T.
plustu 177.
praüsti 509.
pülu 303°.
püta, pota 279.
raiszat 39.
raisztis 89.
reke 40.
rötas 39.
satkas 58.
sakyti 258.
seile 40.
sekiu 174.
söksnis 39.
sena 40.
senas 38.
sesti 303 2.
sesü 39. 275.
“δίας 37.
skaitaü 36.
skaudamas 447.
skaudeti 441.
skaudüus 447.
skedra 89.
skerdziu 176. 450.
skersas 446.
sketas 38.
skiriü 176. 504.
skreiste 40.
skrentu 176.
slökas 38.
snatgala 35.
snega 39.
snegas 35. 38.
sprustu 177.
srävinu 451.
srebiu 303 3,
srubti 303 3,
Wortregister.
starbis 39.
sitlas 3032.
svöstas 89.
szale 91.
szaltas 191 1.
-
szaudau 1717.
‚szaudinu 177.
szaudykle 177.
szauju 177.
ıs2& 29.
szeiva 39.
szöktas 88.
szirde 40.
szluju 911.
szu 19. 265.
szvesa 39.
tat 267.
te 29.
tesa 39.
turgus 924.
torska 493.
udra 59.
unda 296.
ungurys 268. 464.
uzveriu 172.
ülektis 3053 2.
iisis 303 ?. 483.
uüsta 278.
üsti 3032.
\vardas 88.
varkas 38.
varras 98.
varskas 38.
vandu 23. 275. 296.
\varnas 41.
vartai 172.
veidas 35. 38.
versie 40.
venas 80. 88. 39.
veriüu 172.
verziüt 110.
vesene 40.
veta 40.
vezäs 42.
vllna #7.
δι)" 0.
zema 39.
zaislas 38.
zatbas 38.
zebint 36.
zentas 444.
zmü 303 2.
zvaigzde 40.
Lettisch.
apkupt 256.
bals 3053 2.
berzt 512.
güvs 278.
kupains 256.
küupet 256.
küpinät 256.
küps 303°.
kvept 256.
meklet 513.
nüuma 303 2.
schaudeklis 177.
schaudrs 117.
spraujus 177.
sprautis 177.
'steidzus 39.
tirgus 324.
545
546 Wortregister.
Il. Niehtindogermanische Sprachen.
Sumerisch. Salsll. | sedeze 451.
: : “αἰγγ)α 511. ısino 451.
qushgin, gushkin 444.\|.., 7 _ €
ed "eljon 511.
“es 506. Udisch.
Babylonisch. le» 510 |
4 | ee ı malgone 442.
sossos 467. selem D0S. |
gebha 508. Ts ἀν
: schetschenzisch.
Altarmenisch. qöbhä 508. | et
΄ .. EVEN | 7 Ἢ 5 | ᾿ 5)
Sardiie 3271. ı gübba 308. | melqu 442.
ı gobhä* 508. |
bee πες στο | Finnisch
Hebräisch. ı qübbaäth 508. | Br
son ı gedem 508. ankerias 268.
aton ee ἶ ᾿ηαάτηι 508. |
gablad 510. sällem 508. | Türkisch.
galal 508. |
= ar | oepl» 909),
gama’ 510. Parish ı esek 320.
ERBEN Avarisch. | gaizar 320
cherem 506. ΡΝ ἜΡΟΝ
charis 508. abürik 454. en
lkubhäa’ 508. bacdxize 455. | ἢ
ἤει τον ὍΣ Σὰ ΚΟ 5:2: Etruskisch.
lköbha’ 508. bacize 459. |
2 & eye Ir De | =
abhöth 506. | racize 455. Id 471.
Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn.
ANZEIGER
FÜR
INDOGERMANISCHE SPRACH- UND AUTERTUMSKUNDE
bEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN
HERAUSGEGEBEN
WILHELM STREITBERG
ERSTER BAND
STRASSBURG
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER
1892
IV ΠΝ γῶν δ
5
RZ
eG
u
ΝΣ
Ξ
ar
De Dr
--
Inhalt.
Letfmann Franz Bopp (Streitberg) . :
Steyrer Ursprung der Sprache der Arier (Streitbere)
Persson Wurzelerweiterung und Wurzelvariation (Sütterlin)
Hillebrandt Sonnwendteste in Altindien (Lindner)
Ehni Yama (Hillebrandt) . E : 2
Caland Syntax der Pronomina im Ryan (Barkslonae,
Rohde Psyche (Mogek)
Kühner-Blass Griech. Grammatik I (Brugmann) . . . -
Hoffmann Griech. Dialekte I (Solmsen)
Nonmosklomerie dialeet (Kretschmer) . . . 2 2.2. 2...
Weiss Griech. u. latein. Verbum (Brugmann) N LA
Studemund Studien auf d. Gebiete des arch. Lat. II (Skutsch)
Gaster Chrestomathie Roumaine (Meyer-Lübke).
Jellinek German. Flexion (Michels) 5
Mucke Niedersorbische Grammatik (Wiedemann)
Wiedemann Litauisches Präteritum (Streitberg)
Thumb Die neugriechische Sprachforschung in den Jahren
SEO 199 Ἴ.
Bibliographie von 1891
Mitteilungen:
Die indogermanische Sektion auf dem Münchener Philo-
Meemtasn(Stueitbere). 2... Win. ale na. 0a
Wenkers Sprachatlas .
Personalien A RE
Friedrich Zarnceke 7 (Streitberg)
Schrader Vietor Hehn (Streitberg)
Strong, Logeman, Wheeler Εν to the Study of
the History of Language (Michels)
Sweet A Primer of Phoneties (Bremer)
Taylor The origin of the Aryans (Hirt)
Pischel-Geldner Vedische Studien 1. (Franke)
Avesta Die heiligen Schriften der Parsen herausgegeben von
Geldner (Bartholomae). KK er N νον:
lackson The Avestan Alphabet (Horn). . . - . . ..
Jackson A hymn of Zoroaster (Bartholomae) .
IV
v. Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie
(Streitberg) ee RE en DNB. ἐς SR
Schrijnen Etude sur le phenomene del s mobile (Parmentien)
Sütterlin Zur Geschichte der Verba denominativa 1. (Thumb)
Audouin Etude sommaire des dialectes grecs (Meister)
Boisacq Les dialectes doriens (Meister) . IR:
Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens 1. (Roscher).
Meyer Etymologisches Wörterbuch der albanesischen Sprache
(Brugmann) EEE ΤῊΝ.
Pauli Altitalische oenunsen II. (v. Planta)
Weise Charakteristik der lateinischen Sprache (Stolz)
Stowasser Eine zweite Reihe dunkle Wörter (Meyer-Lübke)
Zanardelli Langues et Dialectes (Brugmann) . . . ...
Lichtenberger De verbis quae in vetustissima Germanor.
lingua reduplicatum praeteritum exhibebant (Loewe)
Tamm Etymologisk svensk ordbok I. (Morgenstern)
Hoffmann Stärke, Höhe, Länge (Heusler).
Faulmann Etymologisches Wörterbuch I. (Streitberg)
Garke Prothese und Aphaerese des A im Althochdeutschen
(Bojunga) a ie ee FREE ΠΝ 5
Wilkens Zum nen Konsonantismus (Hoffmann-
Kraver) TE : ἜΣ ᾿ we
Kauffmann ἘΣ ΑΞ der schw nen Mundart (Michel)
Müllenhoftf Deutsche Altertumskunde V. ὃ (Kauffmann) . .
Sobolevskij Drevnij cerkovno-slavjanskij (Zubaty)
Thumb Die neugriechische Sprachforschung 11.
3ibliographie
Rezensionenverzeichnis
Mitteilungen:
Zu griechischen Inschriften (Meister).
Thesaurus linguae latinae
Vorschlag (Schuchardt)
Personalien
Bitte (Streitberg)
Seite
104
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206
ANZEIGER
FÜR INDOGERMANISCHE SPRACH- UND ALTERTUNSKUNDE,
BEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN
REDIGIERT
VON
WILHELM STREITBERG.
BAND I HEFT 1. NOVEMBER 1591.
Lefmann S. Franz Bopp, sein Leben und seine Wissen-
schaft. Erste Hälfte. Berlin Georg Reimer 1891. 176 u.
ΠΟ ΞΡ σιν. 8%. :M. 8.
In uns allen lebt ein Stück Heroenkultus. Niemals wird
uns deshalb die blosse Thatsache genügen können, dass etwas
grosses vollbracht ist, sondern unser Blick wird unwillkürlich
den suchen, der es vollbracht hat. Und unsere Phantasie
wird nicht eher ruhen bis sie die Brücke geschlagen, die
vom Faktum zur Persönlichkeit führt, bis es ihr gelungen,
den Mann und sein Werk — dieses durch jenen, jenen durch
dieses — zu begreifen und zu erklären.
Deshalb darf auch Lefmann von vorneherein unseres
Dankes gewiss sein, wenn er als Festgabe zu Bopps Jahr-
hundertfeier ein Lebensbild des Meisters darbringt. Die erste
Hälfte liegt bereits vor, ein stattlicher Band von fast 350
Seiten, mit einem trefllichen Porträt geschmückt. Die Lebens-
geschichte ist auf 176 Seiten bis zum Erscheinen der ver-
gleichenden Grammatik geführt. Fast den selben Raum nimmt
der “Anhang ein, der Briefwechsel Bopps mit Windischmann,
A. W.v. Schlegel, W. v. Humboldt, Burnouf Vater und Sohn
Ἵ- Ὡς bringt, um deren Sammlung sich Lefmann entschiedenes
Verdienst erworben hat.
Die Anforderungen, die eine Biographie Bopps stellt, sind
nicht gering. Denn sein Leben ist an äussern Geschehnissen
überaus arm, und sein innerer Werdegang hat die entschei-
denden Stadien bereits durchmessen, bevor die Überlieferung
beginnt. Nur einige der ältesten von den uns erhaltenen
Briefen lassen flüchtige Streiflichter auf: ihn fallen. So ist
denn der Biograph gezwungen den Mangel an individuellen
Charakterzügen im Bilde seines Helden, soweit es angeht,
Anzeiger I 1. 1
2 Lefmann Franz Bopp.
zu ersetzen durch die Schilderung des Charakters der Zeit,
deren Kind er ist, die ihm, so gut wie allen andern, ihren
Stempel aufgedrückt hat. Ferner muss für das unvermeid-
liche Zurücktreten des persönlichen Momentes das stärkere
Hervorheben des sachlichen Entschädigung bieten. Wir ver-
langen nach einer eingehenden Darstellung der wissenschaft-
lichen Thätigkeit Bopps, der Anregungen, die sie erfahren,
des Einflusses, den sie ausgeübt. Und hier besitzen wir vom
Konjugationssystem an, dessen Vorgeschichte wir freilich nur
auf dem Wege der Kombination erschliessen können, alles,
was uns not thut, um den wissenschaftlichen Entwickelungs-
gang Bopps bis ins einzelne zu erkennen: seine Werke sind die
reichlich fliessenden Quellen, an denen jeder schöpfen Kann, den
es gelüstet. Noch mehr: wie Scherers Biographie Jacob Grimms
sich ungezwungen zu einer Geschichte der germanischen Phi-
lologie erweitert, so muss auch Bopps Lebensbild zu einer Ge-
schichte der idg. Sprachwissenschaft ausgestaltet werden.
Diesen Ansprüchen ist Lefmann, wie sich schon jetzt zwei-
fellos erkennen lässt, nicht in vollem Umfang gerecht gewor-
den. Ungern vermisst man vor allem jede Zeichnung des zeit-
geschichtlichen Hintergrundes, ein Mangel, unter dem nament-
lich die Schilderung der Jugend zu leiden hat. Dagegen hat
der Verfasser, wie schon der Titel andeutet, die Darstellung
der wissenschaftlichen Thätigkeit Bopps als integrierenden
Bestandteil seines Werkes angesehn. Ihr ist denn auch ein brei-
ter Raum gewidmet. Leider fehlt es aber an jeglicher Per-
spektive. Alles wird mit gleicher Ausführlichkeit behandelt, zur
Ermüdung und Verwirrung des Lesers, der die Gipfelpunkte
dadurch aus dem Auge verliert. So gibt meiner Meinung
nach Delbrücks feinsinnige Skizze in seiner “Einleitung ein
ungleich schärferes Bild von Bopps Leistungen und ihrem
Verhältnis zu denen seiner Vorgänger und Nachfolger als
Lefmanns umfangreiche, aber inhaltsarme Ausführungen, die
den Kern der Frage nicht selten gänzlich unberührt lassen.
Noch manche Ausstellung könnte. man schon jetzt beim
ersten Teile machen; anderes wird sich erst nach Vollen-
dung des ganzen beurteilen lassen. Vielleicht darf ich mir
jedoch im Interesse der Fortsetzung schon jetzt die Bitte
erlauben, den Stil in Zukunft etwas weniger manieriert und
geschraubt zu gestalten, ihn mit der Prosa des Inhalts etwas
mehr in Einklang zu bringen. Das Buch würde an Lesbar-
keit dadurch entschieden gewinnen. Und Leser möchte ich
ihm trotz allem wünschen. Denn wenn es auch nicht wenige,
wie ich glaube berechtigte, Wünsche unbefriedigt lässt, so
füllt es doch immerhin eine schon längst empfundene Lücke
aus und macht in den beigefügten Briefen, die erfreulicher
Steyrer Ursprung der Sprache. 3
Weise vollständig mitgeteilt sind, wenn auch ihr innerer Wert
nicht immer ein hervorragender ist, ein reiches Material zum
ersten Male zugänglich. Und die warme Begeisterung für
den Begründer unserer Wissenschaft, die sich auf jeder Seite
bekundet, lässt über viele Mängel hinwegsehn.
September 1891. Wilhelm Streitberg.
Steyrer J. Der Ursprung der Sprache der Arier. Wien A.
Hölder in Komm. 1891. Vu. 1758. 8°. M. 5,20.
Der Verf. hat 1887 in einer Schrift über “die urspr.
Einheit des Vokalismus der Germanen auf Grund einer Ver-
gleichung der bajuvarischen Mundart mit dem Englischen ”
die Entdeekung gemacht, dass oa bezw. das gleichwertige’
or der germ. Grundvokal sei. Im dem vorliegenden, gefällig
ausgestatteten Werke gelangt er, vornehmlich durch eine
Analyse der Namen von Körperteilen, zu dem Ergebnis, dass
dieses oa—or nichts geringeres sei als der Urlaut der Indo-
germanen. Als solcher ist es ursprünglich “alldeutig’ d. h.
“es stand dem Arier bei einem eintretenden praktischen Be-
dürfnisse einst nur dieser Laut zur Verfügung. Erst später
treten Differenzierungen ein: der or-Zeit folgt eine cor- und
por-Periode u. 5. £.
Ich fürchte, der Verf. darf sich auf die Zustimmung der
Fachkreise zu seiner Theorie keine Hoffnung machen. Nicht
einmal eine Diskussion der Hypothese kann stattfinden; denn
eine solche setzt doch immer die Möglichkeit gegenseitiger
Verständigung voraus: Der Verf. aber redet in Zungen, die
uns andern fremd und unverständlich klingen. Ich be-
schränke mich deshalb darauf, ihn auf eine Schrift hinzu-
weisen, die ihm unbekannt zu sein scheint, deren Forschungs-
art und Ergebnisse ihm aber sympathisch sein dürften, näm-
lieh auf P. Regnauds Esquisse du veritable systeme primitif
des voyelles. Vielleicht, dass der Entdecker des Urlautes oa
und der Entdecker der Urlaute dö, δα δῷ bei einander das
Verständnis finden, dessen Mangel bei den übrigen Forschern
sie beklagen.
Jul 1991-. Wilhelm Streitberg.
Persson P. Studien zur Lehre von der Wurzelerweiterung
und Wurzelvariation. Upsala Universitets Ärsskrift 1891.
IOtoeer.,80...Kr...6.
Auf Grund der geläuterten Anschauungen, die wir heute
vom Wesen der Sprache haben, hat Per Persson die auch
schon früher beobachtete und untersuchte, in ihrem Kerne
4 Persson Wurzelerweiterung.
aber noch nicht hinlänglich erklärte Erscheinung der Wurzel-
erweiterung und der Wurzelvariation (d. h. der Variation und
Kombination der Wurzeldeterminative) von neuem einer zu-
sammenhängenden Betrachtung unterzogen. Er bietet ein rei-
ches, sorgfältig gesammeltes Material aus allen idg. Sprachen,
das er nach der Reihenfolge der teils Konsonantischen teils
vokalischen Determinative (kgghtddhpbbhrlmms, so-
wie di u) vorführt.
Betrachtet man von seinem Standpunkt die mannigfaltig
wechselnden Formen, in denen die idg. Wurzeln erscheinen,
so fügt sich alles spielend in Reih und Glied. Durch die
Annahme des Antrittes eines oder des andern Suffixes lassen
sich die bisher höchst schwierig erscheinenden Beziehun-
gen klarstellen. Man kann nicht leugnen, dass der Verfasser
bei der Behandlung gerade solcher Verhältnisse viel Scharf-
sinn bewiesen hat. Bei näherem Zusehen aber steigen doch
Bedenken auf. Was P. uns bietet, nimmt sich auf dem Pa-
pier ganz gut aus; aber man kann sich doch des Gefühls
nicht erwehren, dass es bei dem allem etwas äusserlich und
tot hergeht, wenn die Wurzelelemente und Suffixe wie Bau-
kastensteine nur so auseinandergenommen und wieder anders
zusammengesetzt werden. Man vermisst zu sehr die Berück-
sichtigung des psychologischen Momentes. So kann man doch
nicht schlechthin sagen, ai. jdäpaydmi (von ji- siegen‘) sei
durch einfaches Zerlegen von sthapaydami u. 5. w. in sth-dpay-
dmi und Ablösung des ganzen dpaya als Kausativcharakter
zu seiner Endung gekommen (5. 207); denn damit ist das,
was man in erster Linie wissen will, nicht erklärt, nämlich,
aus welchem Grunde man gerade so und nicht anders zer-
legte. Dieser Grund war aber offenbar, dass man das Par-
tizipium jetas mit sthitas gleichstellte.
in Perssons Weise lässt sich, zumal da auch mehrere
Determinative zugleich antreten können, eigentlich alles ver-
einigen, was nur den anlautenden oder genauer überhaupt
den ersten Konsonanten der Wurzel unter sich gemein hat,
vorausgesetzt natürlich. dass die Bedeutung dem nicht allzu-
sehr entgegensteht. Schon deshalb ist bei Beschreitung eines
Weges, wie ihn P. vorschlägt, grosse Vorsicht in mehrfacher
Hinsicht geboten. Dass man zunächst mehr als sonst zu prü-
(en hat, ob die Bedeutung eine lautlich mögliche Beziehung
nicht unwahrscheinlich macht, braucht kaum erwähnt zu
werden.
Zwei andere Gesichtspunkte verdienen noch eingehen-
dere Beachtung. Was den ersten betrifft, so hat der Verf.
selbst an einigen Stellen darauf hingewiesen, dass bei dem
Vorhandensein mehrerer gleichbedeutenden oder bedeutungs-
τ
Persson Wurzelerweiterung.
“τ
w
ähnlichen Wurzeln oft eine aus der Vermischung zweier an-
deren entstanden sein möge; besonders wenn ein Begriff nicht
nur durch eine Reihe von Wurzeln zugleich seinen Ausdruck
findet wie der des Spaltens, Schneidens durch er- bher- sker-
sek- sken-, sondern wenn jede dieser Wurzeln wieder in so
mannigfaltiger Gestalt auftritt wie z. B. au- oder ter-, ist
Vorsicht bei der Beurteilung des Alters der einzelne Bildun-
gen geboten.
Persson macht in seiner Aufzählung in der Richtung
keinen Unterschied. Freilich ist das bei dem hier in Betracht
kommenden Material sehr schwer, weil die verschiedenen
Formen häufig in gleicher Weise über die einzelnen Sprach-
gebiete verteilt oder, wenn einmal eine anscheinend ‚jüngere
Bildung nur in einer Sprache vorkommt, gerade hier andere
Formen fehlen, die für jene hätten Muster werden können.
Aber ein planmässiger Versuch zu einer solehen Ordnung des
Materials — vielleicht in etwas tabellenartiger Form — ist
dringend nötig; Perssons Sammlung, die trotz vieler Wieder-
holung das Zusammengehörige an mehrere Stellen auseinan-
derreisst, kann dabei als gute‘ Grundlage dienen.
Des weiteren ist bei einer derartigen Arbeit nicht aus
den Augen zu lassen, dass vielleicht noch manche Form ohne
Zuhilfenahme von Wurzeldeterminativen auf dem Boden der
Einzelsprache selbst ihre Erklärung finden kann. Dass für
keine Sprache die lautgesetzliche Entwicklung völlig, für
manche erst recht lückenhaft bekannt ist, steht ausser Frage.
Vor allem bleibt, wie es scheint, noch zu untersuchen, ob
gewisse Konsonantenverbindungen nicht manchmal überhaupt,
in anderen Fällen etwa nur nach langem Vokal oder Diph-
thong eine Vereinfachung erfahren.
Zur Erklärung der Determinativsuffixe bringt Persson,
obwohl man darauf am meisten gespannt ist, nicht viel we-
sentlich Neues bei. Er findet es wie andere vor ihm mit
Recht auch wahrscheinlich, dass sie im letzten Grunde mit
den entsprechenden Nominalsuffixen zusammenhängen, und
führt z.B. die Determinative ὁ und « auf die nominalen Bil-
dungsmittel ὁ und « zurück. Im allgemeinen sind für die
Beurteilung dieser Verhältnisse vielleicht jene ai. schon im
Rgveda begegnenden Verba denominativa wichtig, die ein-
fach durch Anfügung des Verbalausgangs -at? von einigen
selbst mit einem Suffix versehenen Nominibus gebildet sind
wie bhisdkti “heilen neben bhisdj Arzt‘, vanusate “erlangen
neben vands eifrig’. Hoffentlich kommen wir durch weitere
Untersuchungen, zu denen Perssons Arbeit jedenfalls anregen
wird, in diesen Fragen bald vorwärts.
Heidelberg. L. Sütterlin.
6 Hillebrandt Sonnwendfeste.
Hillebrandt A. Die Sonnwendfeste in Alt-Indien. Erlangen
Junge 1889. δύ: 1530:
Die indischen Ritualschriften sind noch nieht häufig zum
Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht worden.
Zwar ist die Brähmanalitteratur als ältestes Denkmal indischer
Prosa sprachlich von grossem Interesse, aber der Inhalt schien
nur für Sanskritisten vom Fach wichtig zu sein und auch
unter diesen haben es nur wenige unternommen, sich durch
den Waust priesterlicher Spekulationen, durch welche die ur-
sprüngliche Bedeutung der dargestellten Opferhandlungen völ-
lig überwuchert ist, hindurchzuarbeiten. So wie uns in die-
sen Schriften das indische Ritual vorliegt, bietet es allerdings
nur wenig Berührungen mit dem der verwandten Völker,
aber es ist von vornherein wahrscheinlich und ausserdem
durch die ältere Litteratur bezeugt, dass wir in ihnen das-
selbe nicht in seiner ursprünglichen Gestalt vor uns haben.
Nicht nur die Anschauung über die Bedeutung des Opfers
überhaupt hat sich völlig verändert, sondern die einzelnen
Teile haben sich verschoben, von ihren natürlichen Grund-
lagen losgelöst, und jedes Merkmal ursprünglich volkstüm-
lichen Charakters abgestreift. Will man daher das indische
Ritual für die vergleichende Altertumskunde nutzbar machen,
so muss man zunächst versuchen die ursprüngliche Gestalt
zu ermitteln. Der Verf. vorliegender Schrift hat mit Erfolg
diesen Versuch unternommen, indem er nachweist, dass
zwei für das religiöse Leben der übrigen indogermanischen
Völker besonders bedeutungsvolle Festfeiern — der Som-
mer- und Wintersonnenwende — auch in Indien ursprünglich
vorhanden waren und dass sich Spuren derselben noch in dem
späteren Ritual nachweisen lassen. Es handelt sich um zwei
Tage, die aus der über ein ganzes Jahr sich erstreckenden
Somafeier des Gavämayana sich besonders hervorheben, den
Vishuvant und Mahävrata. Dass wir es bei beiden mit ur-
sprünglichen Sonnwendfeiern zu thun haben, weist der Verf.
nach aus den dabei verwendeten Liedern und Melodien, so-
wie aus der Bedeutung der dabei angerufenen Götter. Der
Vishuvanttag fällt nach dem uns vorliegenden Ritual in die
Mitte, der Mahävratatag ans Ende des Jahres, doch macht
es der Verf. wahrscheinlich, dass hier eine Verschiebung von
6 Monaten stattgefunden hat und dass der erstere ursprünglich
mit dem Winter-, der letztere mit dem Sommersolstiz zusam-
menfiel. Eine solche Verschiebung hat in Indien bei dem
ganzen Charakter des späteren Rituals nichts auffallendes.
Auf Einzelheiten einzugehen, ist hier nicht der Ort; Ref. will
nur bemerken, dass seiner Meinung nach der vom Verf. ein-
geschlagene Weg der richtige ist und allein zu rechtem Ver
|
Ehni Yama.
ständniss und rechter Würdigung des indischen Opferrituals
führen kann. Hoffentlich setzt der Verf., dem wir schon
manchen wertvollen Beitrag zur Kenntnis dieses Rituals ver-
danken, seine Untersuchungen über dasselbe in der hier ein-
geschlagenen Richtung weiter fort.
Leipzig. Bruno Lindner.
Ehni J. Der vedische Mythus des Yama, verglichen mit den
analogen Typen der persischen, griechischen und germa-
nischen Mythologie. Strassburg K. J. Trübner 1889. M. ὃ.
Der Verfasser der vorliegenden Monographie, welcher
sich im Sanskrit durch eine wertvolle kleine Untersuchung
über das Süryälied, RV. X 85, bekannt gemacht hat, hat
sich hier die schwierige Aufgabe gestellt den altindischen
Todesgott Yama und eine Anzahl ihm nahestehender Götter
Vivasvant, Tvastr und Saranyü näher zu beleuchten.
Je nachdem man in Yama einen ursprünglichen Gott
oder einen mythischen König sieht, hat man geglaubt ihn
auf eine Naturerscheinung oder eine menschliche Gestalt zu-
rückführen zu müssen, aus der sich der “erste der Sterb-
lichen” entwickelte. Ehni ist der ersten Meinung, der auch
ich mich anschliesse, beigetreten und hat mit so grosser
Sorgfalt aus verschiedenen vedischen Quellen das Material
zur Begründung seiner Ansicht zusammengetragen, dass zu
bedauern ist, dass er die gleiche Mühe nicht auch auf die
Äusserlichkeiten der Transkription verwendet hat, die nicht
nur schwankt, sondern auch oft ganz unrichtig ist. SO z.B.
schreibt er 5. 46 visnuh, vievänarah, varunah u. 8. w.
Ehni erklärt Yama für einen Sonnengott und zwar als
Gott der lichten Tagsonne wie als Nachtsonne, welche Yamas
Entwicklung zum Herrscher im Reich der Seligen verständlich
machen soll, und zeigt Urteil und Geschick in der Bekäm-
pfung entgegenstehender Ansichten. Die Gründe, mit denen
er seine eigene Deutung rechtfertigt, scheinen mir aber nicht
ausreichend zu sein, weil sie an Stellen sich anknüpfen,
die zum Teil mehrdeutig, zum Teil dunkel sind. So kann
man nach meiner Meinung sich weder auf die Verse RV.X
17, 1.2 stützen, in der die Erklärung aller vorkommenden
Götternamen (Tvastr, Vivasvant, Acvinau, Saranyü) schwankt,
noch auf RVX 64,5 ff. saryamasa candramasa yamam divi,
wo Ehni in candramasä yamam eine Dualverbindung nach
Analogie von mitrd ... varumah schen will. Wenn diese Lö-
sung auch vielleicht möglich wäre, so ist sie doch nicht, wo-
rauf es ankommen würde, sicher; denn wenn man candra-
masa mit ἢ ας αὶ verbinden wollte, so würde man sich auf
5 Ehni Yama.
den Vorgang von Säyana zur Rechtfertigung berufen dürfen.
Die mythologische Erklärung von Yama wird bedingt durch
die richtige Deutung von Vivasvant, dessen Sohn er ist. Ehni
sieht in dem Vater die Verkörperung des “immer weiter
und voller hervorleuchtenden ” Morgen- oder Frühlingshim-
mels, wobei aber das spätere Sanskrit, in dem V. ein Name
der Sonne ist, zu kurz kommt; denn es muss doch ange-
nommen werden, dass das spätere Wort mit dem vedischen
identisch ist und die Bedeutung sich nicht allzusehr verscho-
ben hat. Unläugbar spielt bei Ehnis Erklärung --- ebenso wie
bei der des Petersburger Wörterbuchs, das von dem “Gott
des aufgehenden Tageslichtes, der Morgensonne” spricht —
die Ableitung des Wortes von vi-vas “aufleuchten’ eine Rolle.
Die Etymologie ist aber, nach meiner Auffassung, bei allen
mythologischen Fragen keine sichere Beraterin; denn sie
kann bisweilen wohl allgemein den Charakter eines Gottes
zeigen, sagt aber über seine Individualität nichts näheres
aus. Aufleuchtend’ ist jeder Lichtgott: der Blitz, Sonne,
Mond, Sterne, die Nacht wie der Himmel. Wüssten wir nicht,
dass Sürya die Sonne ist, die Etymologie würde eine so ge-
naue Bestimmung der Wortbedeutung nicht gewähren. Tvastr
bringt Ehni wie auch Geiger (Ostir. Kultur 304) mit av. thıwäsa
“Himmelsraum zusammen, dem “schnell sich umdrehenden”.
Besonnener Weise lässt er sich dadurch nicht zu einer Deu-
tung des indischen Gottes verleiten; denn thwaäsa “ Himmel’
ist von thrwaäsa schnell’ ganz zu trennen; jenes ist vielleicht
mit russ. fverd), dieses mit skr. tarta (tvarta) zusammenzu-
stellen (Hübschmann Ein Zor. Lied 5. 76. 77; Geldner Kuhns
2. XXV 521°, Bartholomae Ar. Forsch. II 46). Bleiben wir
nun bei der gewöhnlichen Ableitung von teaks — taks, so
erfahren wir wohl, dass Tvastr ein “Werkmeister' der Götter
ist, aber durchaus niehts darüber hinaus: er ist jedoch viel
mehr als ein blosser Werkmeister. Die Etymologie hat hier
also für uns gar keine Bedeutung. Wir dürfen nieht ver-
gessen, dass ein wichtiges Kapitel der indischen Lexikogra-
phie noch nicht geschrieben, bisher überhaupt kaum in An-
griff genommen ist, die Beeinflussung des vedischen Lexikons
durch sprachliche Elemente der Aboriginerbevölkerung. Die
Sprache und Anschauungen der Stämme, in deren Mitte die
einwandernden Arier als Eroberer sich niederliessen, werden
schwerlich spurlos an ihnen vorübergegangen sein. Es scheint
mir nicht ausgeschlossen, dass manche Wörter, über die wir
uns vergeblich den Kopf zerbreehen, diesem Boden entstam-
men und einzelne Götter gar nicht indisch-arisch sind. Wie
dann, wenn Tvastr zu diesen fremden Elementen gehört?
Wenn ich diese Bedenken gegen wichtige Punkte der Ehni-
Caland Pronomina im Avesta. 9
schen Arbeit ausspreche, darf ich nicht unterlassen hinzuzu-
fügen, dass ich seine Erörterung und seine entschiedene und
begründete Stellungnahme gegen die Rothsche Hypothese,
dass Yama der erste Mensch gewesen sei, als einen Fort-
schritt in der Auffassung dieses Gottes anerkenne. Es wäre
noch hinzuzufügen, dass Yama zwar ein martya, aber nie-
mals ein jana heisst. "Sterbliche’ sind auch andere Götter, die
Rbhus zum Beispiel. In der Definition Yamas als Nacht-
sonne ist Ehni dem nach meiner Meinung Richtigen so nah
gekommen, dass nur der Irrtum, der Mond spiele im Veda
keine Rolle, ihn verhindert hat, es zu erfassen. Auf die
vergleichende Behandlung des Stoffes gehe ich nicht ein, da
ich sie für verfrüht halte.
Breslau. Alfred Hillebrandt.
Caland W. Zur Syntax der Pronomina im Avesta. Amster-
dam Joh. Müller 1391. Letterk. Verh. der koninkl. Akade-
mie, Deel XX. 68 u. IV 5. 4°.
Der Verfasser, der schon in Kuhns Zeitschrift einige
hübsche Aufsätze zur Grammatik des Avesta geliefert hat,
stellt sich hier die Aufgabe “das für die Lehre der Prono-
mina zu thun, was Hübschmann für die Kasuslehre und Jolly
für die Moduslehre geleistet haben”. In 108 Paragraphen
werden die syntaktischen Eigentümlichkeiten im Gebrauch
der 1) Demonstrativa, 2) Relativa, 5) Interrogativa und Inde-
finita, 4) Possessiva und 5) ungeschlechtigen Pronomina un-
tersucht. Die Schrift bringt nicht eben viel neues, bleibt
aber auch so dankenswert, weil sie da und dort Verstreutes
zusammenträgt — freilich vielfach ohne die wünschenswerten
Nachweise —, ordnet und mit reichlichen Beispielen illu-
striert. Bedauerlich in hohem Grade ist dabei die geringe
Sorgfalt, die auf die Korrektur der Textanführungen ver-
wendet wurde. Seite 21 und 49 enthalten ausser 3 falschen
Stellenansaben — 8.31, 12 1.: 33. 1; 5. 49, 3 1.: 9.22, 37
l.: 45. 6 — und einer unmotivierten Wortverstellung — zu
J. 55. 1 — zusammen nicht weniger als 38 Fehler. Dadurch
wird die Benutzung der Schrift für jeden, der nicht völlig
im Iranischen zu Haus ist — und deren Zahl ist klein —,
sehr erheblich erschwert.
Von den Notaten, die ich mir gemacht, mögen die nach-
stehenden hier Platz finden.
S. 4: taeibiö hat die NA. nach Abzug von J. 34.1 (s.
S. 90) nur noch zu J. 44. 18; auch hier wird taib° zu schrei-
ει Zu 3.4426 8. BB. XIV 18, XV 253. — In der For-
menaufführung vermisse ich ha, Nom. Sing. Mask.; vgl. Am.
10 Caland Pronomina im Avesta.
or. soc. proc. 1889, CXXVI. — Zur Note s. BB. IX 307, KZ.
XXIX 498.
S. 9, $8: Ich sehe zwischen den beiden hier bespro-
chenen Gebrauchsweisen von Ahuö keine Ähnlichkeit. In
dem Satz: hiap mizdem.. fradadapa .. ahtä huo ne daidi
(1. 40. 1, 2) nimmt ahia das vorhergehende mzzdem, huöo das
in fradad° enthaltene Pron. 2 Pers. wieder auf.
S.9f., $10: Ich halte daran fest, dass der “Artikel’
ta- auch enklitisch gebraucht wurde. J. 34. 6 und 49. ὃ sind
nieht dazu angethan, das zu widerlegen. Entscheidend dafür
ist Wortstellung und Sandhi. Auch die Existenz enklitischer
Nominative des Pron. Pers. scheint mir sicher, gegen 8.56 f.,
8. 94. Für einen solchen sehe ich j@s an allen Stellen an;
es folgt überall dem ersten Wort der Verszeile, während jü-
Zem an der Spitze steht. Dass jas in J. 32. 3, 4 besonders
“nachdrucksvoll’ gebraucht sei, kann ich nicht finden. Auch
as “ich’ J. 46. 18 halte ich für die enklitische Form; vgl.
dazu himkip V. 13. 31.
S. 13, $ 15: Unter den Formen aus aua- fehlt auainhä
Jt. δ. 91:
S. 16, 821 ἢ: Die Stelle σι. 17.58 wird als Beleg für
zwei verschiedene Gebrauchsweisen von auwa- angeführt.
S. 21 f.: Die Relativverbindungen wie asim jam isiam
statt (und neben) aszm ja ἐδῖα beruhen nach meiner Meinung
auf Nachbildung; 5. meine Studien II 5. 70 Note. Beachtens-
wert ist, dass dabei statt der mehrsilbigen Relativformen der
Akk. Sing. Ntr. gebraucht wird: aeso jo iristo > aetahe
jap (nicht jenhe) iristahe. Die Bemerkungen zu AV. 19. 20.1
halte ich nieht für zutreffend. In den 165. steht »nyddhuh
(nicht nyadhuh, s. Whitney Ind. Verb. S. 154), mit der Beto-
nung des Nebensatzes.
S. 40 ff.: Den wichtigsten Abschnitt bilden die ὃ8 72—
15, wo untersucht wird, wie weit “die Auflösung des Rela-
tivs in: subordinierende Konjugation mit pron. Demonstr. 1)
zulässig ist. Der Verfasser will sie beschränkt wissen auf
die Fälle, dass der Relativsatz 1) final, 2) hypothetisch, 9)
konsekutiv, 4) kausal ist oder endlich 5) das Objekt bildet.
Was den letzten Punkt anlangt, so stützt sich Calands Auf-
stellung wesentlich auf Geldners Übersetzung von J. 51.15
in KZ. XXVII 579. Aber die daselbst angenommene Inver-
sion scheint mir denn doch zu stark ?). Dass in den übrigen
1) Das passt aber nicht für den 5. unten angeführten Fall.
2) maredaite (Κ. ὃ, J. 5) bedeutet “zerstört sich” (5101); Objekt
ist erezaus haibim “das was dem Gerechten sicher ist”; ta ist Instr.
“so, auf diese Weise”; jehia besagt dann “so dass seine...”
Rohde Psyche. 11
benannten Fällen jene Auflösung zulässig ist, darüber be-
steht kein Zweifel. Die Frage ist, ob und wie weit sie sonst
zugelassen werden muss. Und diese Frage wird weder mit
der wünschenswerten Klarheit noch mit der nötigen Vollstän-
digkeit behandelt. Caland scheint ausser im Fall 5 nur die
Auflösung eines Nominativs zu gestatten, also 70 — “ damit
er, wenn wer, so dass er, weil er‘. Ich verweise dem ge-
genüber nochmals (s. ΚΖ. XXVII 14 N.) auf RV. 10. 89.1,
wo yö zweifellos = γό asya. Entsprechendes halte ich auch
im Avesta für möglich, wenn schon nicht geläugnet werden
soll, dass man mehrfach zu weit gegangen ist.
S.47,878: Apers. ka kann doch nicht — ai. kds sein;
das wäre ka. ka ist Partikel. 5. KL. 1 11.
S. 48 ff., 8. 805: 89: Ich vermisse die Stelle Jt. 13. 18:
Jo.na.hrs .. barap...hö..kaskip.
S. 57, 8 95: Die richtige Erklärung von auatiam J. 68.1
stammt von Geldner KZ. XXVIII 407 £., nieht von Kern.
5.64.8105: Die Borm'san'= han,‘ 3. Plur., ist doch
ganz einfach; 5. mein Handbuch ὃ 198.
[>
Münster (Westf.) Bartholomae.
Rohde E. Psyche, Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der
@iechen. 1. Hälfte. : Freiburg i. Br. 1890. 294 5: 8°.
Wer an der Hand eigner Quellenforschung vorurteilsfrei
der Entwicklung der vergleichenden Religionswissenschaft der
letzten Jahrzehnte gefolgt ist, kann nach der Lektüre von
Rohdes Psyche nur ein Urteil über das Buch haben: es ist
ein Werk, klassisch in seiner Form, meisterhaft in der streng
philologischen Durchführung eines wohl erkannten, aber bis-
her noch nicht in die rechte Bahn gebrachten mythologischen
Systems. Die Mythologie lässt sich heute nicht mehr mit
der beschränkten Kenntnis der Mythen eines Volkes behan-
deln. Die Triebfedern religiösen Kultes, der Ursprung der
Vorstellungen höherer Wesen sind bei fast allen Völkern ähn-
liche oder gleiche, es sind die Triebfedern, die im Volks-
geiste fortdauern, die allen Kulturströmungen mehr oder
weniger Widerstand leisten oder mit diesen verschmelzen, die
sich bewusst oder unbewusst selbst bei den Kulturvölkern
auf der höchsten Stufe geistiger Entwicklung erhalten haben;
der Mensch steht im Banne derselben. Erst der vergleichen-
den Religionswissenschaft (d. h. vergleichend im eigentlichsten
Sinne, nicht beschränkt auf die Vergleichung der Völker in-
dogermanischer Sprache) verdanken wir diese Erkenntnis, und
die Arbeiten eines Tylor und Spencer, eines Waitz, Bastian
u. a. haben uns den Schlüssel zum Verständnis des Volks-
glaubens der Kulturvölker gegeben. Es ist hierdurch zu-
12 Rohde Psyche.
gleich das grosse Problem vom Aberglauben der Völker der
Gegenwart einen mächtigen Schritt der Lösung näher geführt,
während bisher das Kapitel hiervon jedem ernsten Forscher
ein Buch mit sieben Siegeln war, denn mit der alten Ver-
sicherung, dass der Aberglaube einfach Überbleibsel ver-
blassten Heidentums sei, war nicht auszukommen, so oft sie
auch zu seiner Erklärung herhalten musste. Durch diese
Forschung steht nun vor allem fest, dass fast alle Völker die
Vorstellung von der Seele als eines zweiten Ichs haben, dass
dieses zweite Ich als persönliches Wesen nach dem Tode fort-
lebt, dass es während des Schlafes den Körper verlassen
kann und in mancherlei Erscheinungen in der Natur und im
Traume sich dem Menschen zu erkennen gibt. Naturgemäss
gebührt ihm dann auch eine Pflege, wie sie der Mensch selbst
bedarf, und so ist bei den Völkern der Seelen- und Ahnenkult
entstanden, der ebenso alt ist wie die ältesten mythischen Vor-
stellungen überhaupt. An diesen Resultaten lässt sich auf
mythologischem Gebiete ebensowenig rütteln, wie auf sprach-
lichem an der Thatsache der Lautverschiebung. Allerdings
ist dies Ergebnis, wie es mit neueren Errungenschaften ja so
oft geschieht, zu sehr ausgebeutet und verallgemeinert wor-
den, und selbst die Arbeiten Spencers und Tylors, ganz ab-
gesehen von denen Lipperts und Laistners, sind von dieser
Übertreibung nicht frei zu sprechen. Da ist wie der Zauber-
stab des Meisters Rohdes Psyche unter die heraufbesehworenen
Geister, die eine so klare Thatsache schon in Miskredit ge-
bracht hatten, gefahren und hat die mythologische Forschung
in den rechten Fluss gebracht; die klassische Philologie hat
auch auf dem Gebiete der vergleichenden Mythologie die Füh-
rerschaft übernommen. Welch ein Unterschied zwischen dem
entsprechenden Kapitel bei Lippert (Die Religionen der euro-
päischen Kulturvölker 5. 308—412) und der Psyche! Rohde
behandelt mit streng philologischer Kritik die Mythen der
einzelnen griechischen Dichterschulen, der homerischen, böo-
tischen, epischen. Er hat es vorzüglich verstanden, ‚scharf
zwischen Volksglauben und religiöser Diehtung zu scheiden.
Von dieser geht er aus, aber er zeigt, wie sie selbst noch
zum grossen Teil im Volksglauben wurzelt, wie sie diesen
sich untergeordnet, wie sie Neues durch die subjektive Phan-
tasie einzelner grosser Dichter geschaffen hat und dadurch
zuweilen mit der lebensfähigeren und lebendigeren Volksvor-
stellung in Widerspruch gerät. In diesem scharfen Trennen
der beiden Hauptquellen griechischer Mythologie liegt das
grosse Verdienst, das sich Rohde um die mythologische For-
schung erworben hat.
Aber auch nach anderer Seite hin ist Rohdes Buch von
Rohde Psyche. 13
weittragender Bedeutung. Während man bisher mehr oder
weniger die Gottheiten in den Mittelpunkt mythologischer
Forsehung stellte, geht Rohde vom religiösen Kulte, von der
Sitte aus und kehrt immer und immer wieder hierher zurück.
Von hier aus allein kann man die Religion und Mythologie!)
der Völker in ihrer geschichtlichen Entwicklung verstehen
lernen. Götterkult und -glaube eines Volkes sind zwei un-
trennbare Dinge, und die Sitte, die in jenem meist wurzelt,
tritt als neuer Hauptquell der Religion ihnen zur Seite.
Erst durch Erforschung von Kult und Sitte der Völker lernen
wir den wirklichen Volksglauben, die Religion eines Volkes
kennen, und werden hiervon trennen, was nur in gewissen
Kreisen, namentlich der Dichter, sich besonderer Pflege er-
freut hat, nämlich die religiöse Dichtung, die Göttermythen.
Auch hier führt uns Rohde zu den echten Quellen des Volks-
glaubens und zu den Teilen der Dichtung, in denen sich dies
reine Wasser noch erkennen lässt. Er knüpft an an das
grosse Leichenmahl zu Ehren des Patroklos (S. 14), an das
Opfer des Odysseus am Eingange zum Hades (S. ὃ] ἢ), er
führt uns zu den Grabstätten der Heroen (S. 149 ff.), zur
Verehrungsstätte chthonischer Gottheiten (5. 123 ff.), schildert
uns die Heiligkeit der Gräber und die Sitten, die hierin
ihre Wurzel haben (S. 210 ff... Er lehrt uns den Triebfedern
der Sitten und des Kultes nachgehen und zeigt immer und
immer wieder, dass diese einem anderen Vorstellungskreise
angehören als die künstlerisch vollendeten Göttergeschichten
der homerischen, epischen, dramatischen Schule. Von den
vielen Problemen, die hierdurch ihrer Lösung nahe gebracht
sind, sei nur eines herausgegriffen, das Ref. auf dem Gebiete
der germanischen Religionswissenschaft jahrelang beschäftigte
und das er hier nur zu lösen vermochte, wie es Rohde auf
dem der griechischen gelöst hat: die Weissagung. Weissagung
findet sich bei fast allen Völkern. Sie beruht auf der ein-
fachen Vorstellung, dass die vom Körper getrennte Seele sich
über Raum und Zeit hinwegzusetzen und Thatsachen, die in
entfernten Gegenden sich zutragen, oder die Zukunft zu kün-
den vermag. Einzelne Personen besitzen dann besonders die
Eigenschaft, mit der Seele verkehren zu können. Hieraus
erklärt sich das ganze Orakelwesen in niederer und höherer
Form, all unser Aberglaube von bösen und guten Anzeichen,
1) Wir müssen in Zukunft diese beiden Begriffe zunächst
von einander trennen: Religion ist in erster Linie Volksglaube und
religiöser Kult, Mythologie dagegen die religiöse Dichtung, die
wohl zur Religion werden kann, aber es durchaus nicht immer
geworden ist, wie uns die vedischen, homerischen und eddischen
Mythen zur Genüge lehren.
14 Rohde Psyche.
die Prophetie an Gräbern, an bestimmten Zeiten und Orten
u. dgl. mehr. Wenn die Kraft, die Zukunft zu offenbaren,
sich bei gewissen Gottheiten zeigt, so liegt hier eine höhere
Stufe geistiger und kulturgeschiehtlicher Entwicklung vor.
Rohde hat dies überzeugend an der Geschichte des Orakels
zu Delphi gezeigt (S. 125 ff.), das von Haus nichts anderes ist
als ein Totenorakel des Python gerade so wie die Toten-
orakel des Amphiaraos bei Theben, des Trophonios bei Le-
badea (S. 112); erst später ist der Kult des Apollo hierher
verpflanzt und Apollo zum Herrn der Weissagung gemacht
worden.
Fassen wir noch kurz zusammen, was die Hauptergeb-
nisse von Rohdes Forschung sind, und die Folgerungen, die
darin für die vergleichende und die griechische Mythologie
liegen. Zunächst sind alle Parallelen, die man zwischen grie-
chischen und indischen Gottheiten oder überhaupt zwischen
Gottheiten zweier indogermanischer Stämme gezogen hat,
schon geschichtlich haltlos, wenn man die Gottheiten aus
einer gemeinschaftlichen indogermanischen Gottheit ableiten
will. Vielmehr haben sich die einzelnen Gottheiten nur bei
den Griechen entwickelt; die Grundlage der Religion ist aber
hier dieselbe, wie bei fast allen Natur- und Kulturvölkern.
Es ist die Vorstellung der Seele als eines zweiten Ichs, als
eines persönlichen Wesens, das nach dem Tode fortlebt wie
der Mensch und nun als höheres Wesen göttlich- menschlich
verehrt wird. Dieser Vorstellungskreis ist allen indogerma-
nischen Völkern gemeinsam und infolgedessen sicher indo-
germanisch. Wenn er sich in der älteren Rigvedasammlung
ebenso wenig scharf ausgeprägt findet, wie in der Epik
der homerischen Schule oder der eddischen Poesie, so kann
dies die Thatsache nicht widerlegen. In dem einen wie in
den anderen Fällen haben wir eine ausgeprägte religiöse
Dichtung geistig hoch begabter Menschen, die wohl Elemente
des Volksglaubens aufgenommen, diese aber ihrer subjektiven
Phantasie und ihrer Schöpferkraft untergeordnet haben. Des-
halb ist uns Volksglaube und -kult in späteren Quellen oft
viel reiner bewahrt, in Quellen, wo die frei schaffende, dich-
terische Kraft nicht so gewaltig gewesen ist, wie in den alten
indischen, griechischen und nordischen Dichterkreisen. Letz-
tere haben aber dann auf das Volk zurückgewirkt und des-
halb nicht selten den alten Volksglauben verschoben und
verändert.
Leipzig, 1891. E. Mogk.
Kühner Griech. Grammatik. 15
Kühner Dr. R. Ausführliche Grammatik der griechischen
Sprache. Erster Teil: Elementar- und Formenlehre, 3. Aufl.
in 2 Bden., in neuer Bearbeitung besorgt von Dr. Fr. Blass.
I. Bd. Hannover Hahnsche Buchh. 1890. XVI u. 645 8.
ara). M. 12.
Es sind mehr als 20 Jahre vergangen, dass die 2. Aufl.
des wegen seiner reichen Materialsammlungen viel benutzten
Werkes erschien. Sollte diesem die Stellung, die es bisher
in der griech. Sprachwissenschaft eingenommen hat, für die
Zukunft gewahrt bleiben, so hatte die notwendig gewordene
neue Ausgabe vor allem die seit der 2. Auflage bekannt gewor-
denen sprachlichen Thatsachen, voran die inschriftlichen Funde,
nachzutragen und die im Thatsächlichen begangenen Irrtümer
zu tilgen. Hierauf hat denn auch der Herr Bearbeiter, einer
unsrer kenntnisreichsten und verdienstvollsten klassischen Phi-
lologen, in dem uns vorliegenden 1. Band, der die “Elemen-
tarlehre’ und die Formenlehre des Nomens und Pronomens
umfasst, viel Fleiss verwendet. Einzelne Paragraphen sind
dabei von Grund aus umgearbeitet worden. Eine wirklich
vollständige Grammatik zu liefern konnte natürlich nicht in
der Absicht des Bearbeiters liegen, wie das auch nicht Küh-
ners Absicht war.
Das Kühnersche Werk hatte von jeher nur als statistisch-
beschreibende Sprachdarstellung einen erheblicheren Wert.
Zwar gab sich sein Verf. redlich Mühe, auch den Anforde-
rungen der historischen Sprachwissenschaft, der er aus inner-
ster Überzeugung zugethan war, gerecht zu werden und den
Kausalzusammenhang der Erscheinungen aufzuweisen. Aber
er war zu wenig sprachwissenschaftlich geschult, um die um-
laufenden Deutungen der Formen auf ihre Haltbarkeit prüfen
und nach dieser Richtung etwas wirklichen Nutzen Stiftendes
leisten zu können. Am liebsten hätte man daher in der Neu-
bearbeitung das, was die 2. Auflage über das rein statistische
hinaus enthält, so weit als irgend möglich beseitigt, die
Darstellung in eine ausschliesslich statistische abgeändert
gesehen. Leider aber sind Kühners Deutungen grösstenteils
geblieben und von B. zahlreiche neue hinzugefügt, die dem
heutigen Stand der historischen Sprachforschung ebenso wenig,
Ja noch weniger entsprechen, als die Kühners seiner Zeit ent-
sprachen. Wie hunderte von Stellen der Neubearbeitung be-
kunden, ist an B. die Haupterrungenschaft der neueren Sprach-
wissenschaft, die geläuterte Erkenntnis der Art der sprach-
lichen Fortentwicklung, spurlos vorübergegangen. Er zitiert
zwar häufig neuere und neuste Arbeiten dieser Wissenschaft,
aber er hat zu ihr kein inneres Verhältnis und fällt daher oft
die schiefsten Urteile, sowohl in den allgemeineren als auch
16 Kühner Griech. Grammatik.
in den Einzelfragent). Wie unklar seine Vorstellungen von
den Aufgaben, den Zielen und der Methode der Sprachwissen-
schaft sind, zeigt am besten das Vorwort p. IX sqq., wo B.
auseinandersetzt, dass er an den Spekulationen der Linguisten
keine Freude habe, dass ihm nur die Feststellung von “ That-
sachen’ am Herzen liege. Ich kann auf das Einzelne dieser
Erörterung leider hier nicht eingehen, nur auf Einen seltsamen
Irrtum möchte ich nicht unterlassen hinzuweisen. Es heisst
p. XV: “Indessen will ich von dem Gebäude der Grammatik,
wenn auch die Hauptmasse davon aus Stein, ich meine aus
Thatsachen, bestehen muss, auch den Sand, ἃ. 1. die Ver-
mutungen, nicht völlig ausschliessen; ich habe auch selber
hier ein bischen Sand hinzugenommen, ein bischen, nicht
ganze Haufen. Schon animi causa wird man ab und zu ein-
mal vermuten und ins Ungewisse und Unbekannte ausschwei-
fen”. Ein Standpunkt, gegen den an sich niemand etwas
einzuwenden berechtigt ist, wenn man sich auch unwillkür-
lich fragt, warum denn B. und die andern Klassischen Philo-
logen in den andern Gebieten ihrer Wissenschaft, in der
Litteraturgeschichte u. s. w., so himmelweit davon entfernt
sind die gleiche weise Enthaltsamkeit zu üben. Wenn diesem
Standpunkt nur auch unsre Neubearbeitung wirklich einiger-
massen entspräche! Aber nicht bloss ein bischen Sand und
nicht bloss ganze Haufen, sondern ganze Berge Sand werden
vor uns aufgefahren. Was ist denn z. B. die ganze "Wohl-
lautslehre’ 5. 161—299 viel andres als ein einziger grosser
Sandberg? Sind denn z.B. die für die "Synkope’ gegebenen Bei-
spiele ἔεται aus ἔςεται u. 5. f. (S. 181) oder die für die “ Einschie-
bung der Vokale’ gegebenen CTUPEAöC aus CTUPAÖC τι. 58. W.
(5. 188) oder die für die "Kontraktion’ gegebenen τιμῶ aus
τιμάω u. 5. w. (S. 201) nicht samt und sonders blosse “Ver-
mutungen und Spekulationen’? B. ist sich offenbar dessen
nicht bewusst, wie blutwenig in den traditionellen Gramma-
tiken, selbst in den nüchternsten, die nur Materialsammlungen
sein wollen, auf den Ehrennamen “Thatsache’ Anspruch hat;
ist doch im letzten Grunde keine einzige historische Erkenntnis
ohne Ergänzung des Gegebenen durch Spekulation möglich.
Dass eine grosse Anzahl von jenen Vermutungen unsrer neuen
Bearbeitung nach der Anschauung aller derer, die über das
1) Man lese z. B. 8. 71 über “'skr. κα (k, ce)” —. al. gu Er m
S. 82 über m aus s, 8.163 f. unter 4. über das, was “die Neueren’
über Ablaut lehren, S. 164 unter 5. über die Wurzel κλιν, stark
κλῖν (κλίνω), schwach κλὶ (κέκχίμαι), 8.281 über μέν und ud aus uav
u. s. w. Interessant ist auch die Mitteilung p. X, dass die Nasalis
sonans kein in irgend einer idg. Sprache wirklich vorhandener
Laut sei.
Hoffmann Griech. Dialekte 1. 17
Wesen der Sprachgeschichte ernstlicher nachgedacht haben,
verfehlt ist, brauche ich kaum noch zuzufügen.
Gegen die Gewohnheit der Menschen, bei der einmal
vorgenommenen Schematisierung stehen zu bleiben und die
Thatsachen immer wieder in das Fachwerk der alten Begriffe
hineinzupressen, statt die Begriffe den Anforderungen der
Thatsachen gemäss zu berichtigen, ist schwer anzukämpfen,
und ich sehe voraus, dass unsre Neubearbeitung, die wegen
der Materialsammlung ja in der That mit Freuden begrüsst
zu werden verdient, von vielen klassischen Philologen darum
ganz besonders warm wird bewillkommt werden, weil B.
den Standpunkt der "Sprachvergleicher’ ablehnt und ihnen
einmal seine Meinung sagt, die auch die ihrige ist. Schrif-
ten wie Pauls 'Prineipien der Sprachgeschichte’
Ἐν eben,für einen grossen Theil unsrer
klassischen Philologen immer noch nicht. Ich möchte
mir aber noch an diese die Frage erlauben: wie würden sie
eine heute hervortretende Darstellung der griech. Litteratur-
geschichte aufnehmen, die zwar das für die Aufrichtung des
Gerüstes der geschichtlichen Darstellung in Betracht zu zie-
hende Quellenmaterial fleissig und sorgfältig gesammelt hätte,
dabei aber in hellen Haufen jene dilettantischen, auf dem
Boden der rohsten Empirie gewachsenen Kombinationen und
Spekulationen, denen die wissenschaftliche Kritik seit Fr. A.
Wolf mehr und mehr die Thür gewiesen hat, immer noch
vorführte, als wenn sie nicht nur immer noch eine Berechti-
gung hätten, sondern auch weiser und solider wären als die
Ansichten der Neuern ?
Leipzig, 4. Juni 1891. K. Brugmanın.
Hoffmann Ὁ. Die griechischen Dialekte in ihrem histori-
schen Zusammenhange mit den wichtigsten ihrer Quellen
dargestellt. 1. Bd. Der südachäische Dialekt. Göttingen.
SI XVII u. 3448. gr. 8°.
Hoffmann, der im Laufe der letzten Jahre mehrere
Untersuchungen aus dem Gebiete der griechischen Dialekte
veröffentlicht hat, beginnt jetzt eine zusammenfassende Dar-
stellung derselben. Der vorliegende erste Band bringt den
von H. so genannten südachäischen Dialekt, d. h. denjenigen
Dialekt, der von den Achäern im Peloponnes vor der dori-
schen Wanderung gesprochen wurde und der sich in der
Sprache der Arkader und Kyprier forterhalten hat, demge-
mäs auch von H. aus den Denkmälern dieser Stämme rekon-
struiert wird. H. giebt zunächt eine Einleitung, die über die
Ausbreitung des südachäischen Dialekts in vorhistorischer,
Anzeiger I 1. >
18 Hoffmann Griech. Dialekte 1.
seiner Nachkommen in historischer Zeit orientiert (S. 3—14),
sodann die Quellen, und Zwar die arkadischen (14—55) und
kyprischen (35—99) Inschriften und die Glossen (100—126),
endlich die Darstellung des Dialektes selbst nach den Ge-
sichtspunkten: Laute (127—232), Formen (233— 272), Wort-
bildung (273— 276), Wortschatz (277—292), Syntax (292—326).
In einem Anhange (327—530) werden die lautlichen und for-
mellen Eigentümlichkeiten zusammengestellt, die den süd-
achäischen Dialekt vom dorischen und ionischen scheiden. Es
folgen Nachträge und Berichtigungen (331—333) und sehr
brauchbare Sach- und Wortregister (334—344).
Vor ungefähr 2 Jahren ist der zweite Band von Meisters
griechischen Dialekten erschienen, der ausser dem Elischen
gleichfalls das Arkadische und Kyprische behandelt. Natur-
gemäss drängt sich die Frage auf, mit welchem Rechte Hoff-
mann dieser Darstellung nach so kurzer Zeit eine neue folgen
lässt. Ich verkenne die mannigfachen Schwächen nicht, die
Meisters Buche anhaften, und werde selbst in Arbeiten, die
demnächst an die Öffentlichkeit kommen werden, Gelegenheit
nehmen auf Irrtümer hinzuweisen, die M. sich sehr wohl hätte
ersparen können. Aber man muss billiger Weise doch sagen,
dass die schlimmsten Fehler sich in Teilen des Buches finden,
die mit der eigentlichen Darstellung der Mundarten nur in
sehr lockerem Zusammenhange stehen, nämlich in etymolo-
gischen u. ä. Exkursen, dass die eigentliche Darstellung aber
im grossen und ganzen ihrer Aufgabe in befriedigender Weise
gerecht wird.
Hoffmann selbst hat das Werk in den Gött. Gel. Anz.
1859, 5. 875 ff. einer sehr üblen Kritik unterzogen, und nicht
günstiger lautet das Urteil, das er in dem Vorwort zu einer
eigenen Arbeit S. X f. abgibt. Allein beide Urteile stehen
nicht vollkommen im Einklange mit einander. An der letzt-
genannten Stelle sagt H., Meister sei der Forderung die bei-
den Dialekte erschöpfend darzustellen nicht gerecht geworden.
GGA. a. a. Ὁ. dagegen erkennt er in den lobendsten Aus-
drücken die Vollständigkeit und Übersichtlichkeit bei Meister
an und nennt die Sammlung des Stoffes vortrefflich, und ich
kann nur dieses frühere Urteil im Gegensatze zu dem späteren
gut heissen. Es bleiben somit von den Vorwürfen, die H.
dem Buche macht, nur zwei: einmal soll die Erklärung des
Stoffes nach GGA. a. a. O. 5. 875 eine Fülle von Kuriositäten
und Fehlern bieten, zum zweiten sollen die Grundzüge des
alten südachäischen Dialekts in ungenügender Weise entwickelt
sein (gr. Dial. S. II. Xf.). Wir haben also zu prüfen, ob
diese beiden Punkte so schwerwiegend sind, bezw. ob ihre
Behandlung bei H. die Meistersche in so hohem Masse über-
Hoffmann Griech. Dialekte 1. 19
ragt, dass durch sie das Erscheinen des H.schen Buches ge-
rechtfertigt wird.
Ich beginne mit dem zweiten. H. behauptet Vorwort
5. III, alles, was die Verwandtschaft des arkadischen und
kyprischen Dialekts betrifft, werde bei M. in sechs Zeilen
einer Fussnote (II, 125) berührt. Dies entspricht den That-
sachen nicht: in Wirklichkeit wird 5. 126—130 über das
Verhältnis des Kypr. zum Ark. und Achäischen gesprochen,
und jene sechs Zeilen stellen nur die Eigentümlichkeiten zu-
sammen, die das Kypr. lediglich mit dem Ark. teilt, ent-
sprechen also etwa dem bei H. 5. 327--330 Gegebenen. H.
selbst stellt bei allen Spracherscheinungen den südachäischen
Zustand an die Spitze und ordnet diesem die belegten Formen
aus dem Ark. und Kypr. unter. Dies Verfahren bringt den
Nachteil mit sich, dass die beiden thatsächlich historisch ge-
gebenen Einheiten, die ark. und kypr. Mundart, nicht rein-
lieh und glatt jede für sich zur Darstellung kommen, sondern
dass man sie sich erst zusammensuchen muss. Mag dies
indess bei dem vorliegenden Bande noch gehen, da eben Ark.
und Kypr. ungestörte Fortentwicklungen des Südachäischen
sind, so ist es mir gänzlich rätselhaft, wie H. in den folgen-
den Bänden mit der Darstellung der nach seiner Theorie
dureh Mischung entstandenen Dialekte zurechtkommen will,
z. B. des kretischen, der nach ihm aus südachäischen und
dorischen, oder des böotischen, der aus äolischen und dori-
schen Bestandteilen gemischt sein soll. Behält H. die bis-
herige Darstellungsweise bei, so würde man überhaupt kein
einheitliches Bild von ihnen bekommen. Um ein solches zu
erreichen, müsste H. sie besonders für sich darstellen. Dann
aber würde er selbst das von ihm absichtlich gewählte Ver-
fahren aufgeben, allemal die Formen der Einzelmundarten
aus der angenommenen vorhistorischen Dialekteinheit herzu-
leiten, und es würden zwei Einteilungsprinzipien durch sein
Buch hindurchgehen. In anbetracht dessen kann ich nur dies
Verfahren für unzweckmässig, für allein richtig dasjenige
Meisters erachten, der jeden Dialekt, der in historischer Zeit
uns als Einheit entgegentritt, für sich behandelt und die
Verwandtschaftsverhältnisse einleitungsweise darlegt. Es mag
dabei zugegeben werden, dass diese letzteren bei M. etwas
stärker hätten betont werden können als es der Fall ist. —
Eine arge Gedankenlosigkeit hat sich übrigens Verf. bei der
Erschliessung des südach. Zustandes an einer Stelle zu
Schulden kommen lassen. 8.212 lehrt er: “(im Auslaute vor
Konsonanten) wurde in südachäischer Zeit ohne Rücksicht auf
den folgenden Auslaut stets v geschrieben. Gesprochen
hat man v sehr wahrscheinlich nur vor Dentalen”. Es be-
90 Hoffmann Griech. Dialekte I.
darf nur des Hinweises, um das Unhaltbare dieser Bemer-
kung klarzulegen; denn für die südachäische Zeit kann von
Schreiben überhaupt wohl keine Rede sein, das zeigt schon
allein die Annahme des im Vergleich mit der Buchstaben-
schrift recht primitiven Syllabars in Kypros.
Wenden wir uns nun zu H.s Deutungen der sprachlichen
Thatsachen. Weitaus die grösste Zahl der Punkte, in denen
er von Meister abweicht, hat er schon in seinen früheren
Arbeiten besprochen, der vorliegende Band bringt nur wenig
neues. Von allen diesen Erklärungen stellen nur sehr wenige
einen wirkliehen Gewinn unserer Erkenntnis dar, die meisten
sind unsicher, eine ganze Anzahl höchst unwahrscheinlich
oder nachweislich falsch. Die Sicherheit des Tones aber, in
dem Verf. von den meisten spricht, steht in keinem Verhältnis
zu ihrer wirklichen Sicherheit. Ich führe einige Beispiele an.
S. 236 f. führt H. das -vı in kypr. iv Tviv (eod. iv Tviv) und
anderen kret. und aeol. Adverbien auf -vı wieder, wie schon
an anderen Orten, auf ein Lokativsuffix -Fı, das -uc in dor. ὅπυς
müc ete. auf -Fıc zurück; “diese Auffassung ist die einzige,
welche den überlieferten Lauten gerecht wird”. £ soll in den
Adverbien vor betontem ı in v übergangen sein. Schon dies
ist ganz unerwiesen und unerweislich. Und wo kommt denn
sonst in anderen Sprachen ein solches Lokativsuffix -Fı vor?
Die Berufung auf Ahrens II 365 nützt nichts. Denn hier
werden aus -Fı lat. -bi, gr. -φι, -θι, -vı hergeleitet, die An-
setzung von -fı beruht also auf einer Betrachtungsweise, die
heutzutage niemand mehr mitmachen wird. In Wahrheit wird
durch -fı gar nichts erklärt, und es entbehrt jedes Anhaltes.
Ich kann auf die sehr schwierige Frage nach der Herkunft
der Adverbia auf -vı, -vc hier nicht eingehen und will nur der
Vermutung Ausdruck geben, dass ihr -v- mit dem -y des
slav. Instr. Pl. zusammenhängt. — ἵν᾽ αὐτή. αὐτήν. αὐτόν.
Κύπριοι wird S. 117. 258f. von dem “alten Pronominalstamme
Ffi- er, sie” abgeleitet. Mir ist ein solcher Stamm anders-
woher unbekannt, und bei G. Meyer -Gr. Gr.” $ 415. 416,
wo dessen Reste nach Verf. gesammelt sein sollen, finde ich
nichts derartiges. H. selbst hat auf der Inschr. von Meta-
pont Coll. 1645 einen Akk. fıv nach Comparetti gelesen, ver-
weist aber auch hier zur Rechtfertigung nur auf G. Meyer
ὃ. ἃ. Ὁ. Als beweiskräftig wird er diese Lesung wohl selbst
nicht ansehen, da andere Deutungen möglich und wahrschein-
licher sind. — 5. 146 f. wendet sich Verf. gegen die übliche
Annahme, dass das ἢ in ark. ἱγκεχηρήκοι, kypr. ὑχήρων χήρ
auf Ersatzdehnung beruhe, ebenso wie in dor. xnp und εἰ in
ion. att. χείρ. Wenn er sagt, dass nach dieser Annahme die
Ersatzdehnung in einem urspr. Nomin. xepc ihre Quelle habe,
Hoffmann Griech. Dialekte 1. 21
so ist das falsch. Meister, der dies nach H. Dial. II 224
lehren soll, lehrt es weder dort noch II 147 und II 95, und
von Wackernagels Untersuchungen ΚΖ. XXIX 191 ff., die die
ganze Frage auf einen neuen Boden gestellt haben, nimmt
H. überhaupt keine Notiz. Damit verliert auch seine Bedeu-
tung, was er als einzigen Einwand gegen die Ersatzdehnung
anführt: der Nom. χέρα sei nicht als urgriech. anzusetzen;
dieser ist für die ganze Sache überhaupt gleichgültig. H.
selbst giebt folgende Erklärung: urspr. wechselten zwei Stamm-
formen yxnp- und xep- in der Flexion; in den Dialekten wurde
teils xnp- teils xep- durchgeführt, in den achäischen xnp-, im
att. χερ-- Die nordachäischen Formen xeppöc, xeppi sind aus
xnpöc, xnpi hervorgegangen, indem die Nordach. statt des
langen Vokals vor einfacher Liquida kurzen Vokal vor dop-
pelter Liquida sprachen. Att. χείρ geht auf xep-c zurück.
Dies wurde zunächst zu *yep. *"xep aber wurde, da eine ein-
zige weder natura noch positione lange Silbe in der Nominal-
flexion unmöglich war, zu χείρ gedehnt wie ἔπός aus *TrOd-C
zu πούς. Dieser Entwicklungsgang setzt nicht weniger als
drei Lautgesetze voraus, die nicht zu erweisen sind: 1) Die
angebliche Verdoppelung der Liquida und Verkürzung des
Vokals statt langen Vokals und einfacher Liquida. Die Bei-
spiele, die H. dafür beibringt, treten an Zahl und Wert ganz
zurück hinter denen für das Gegenteil. Soweit ihre Ver-
wendbarkeit für historische Rückschlüsse nicht überhaupt sehr
fraglich ist, lassen sie sich mit leichter Mühe anders erklären.
2) Der Abfall des c in xepc. 3) Die Dehnung einer einzigen
kurzen Silbe in der Nominalflexion. Andrerseits aber zer-
reisst H.s Erklärung ganz klare, rein lautgesetzliche Zusam-
menhänge zwischen den verschiedenen Dialekten, und dies
um so mehr ohne Not, als H. für ark. φθήρων Ersatzdehnung
doch anerkennen muss (S. 220). Im allgemeinen möchte er
diese für das Südach. am liebsten ganz ablehnen und dadurch
wird seine Behandlung fast aller Fragen, die mit ihr in Zu-
sammenhang stehen, eine unglückliche. φθήρων und xnp-
zeigen, dass das Arkadisch-Kypr. bei urspr. οὐ und pc sich
der urgr. Doppelkonsonanz in derselben Weise entledigen wie
das Ion. und Dor. Methodisch ist es, daraus zu schliessen,
dass es auch bei den andren urgr. Doppelliquiden und Na-
salen ebenso verfahren sein wird, wie Ion. und Dor., solange
nieht ein bestimmter Grund für die gegenteilige Annahme
vorliegt. Methodisch also ist es ark. χιλίαις mit τ anzusetzen,
nicht, wie H. 5. 219 thut, die Quantität des ı unbestimmt zu
lassen, methodisch, kypr. emi mit ἠμί zu umschreiben, nicht,
wie ὃ. 216 geschieht, mit ἐμί. Unrichtig ist es ferner, ark.-
kypr. βόλομαι aus ἔβόλλομαι herzuleiten und mit ion. βούλομαι
22 Hoffmann Griech. Dialekte 1.
gleichzusetzen (5. 218), und unbegründet βωλᾶς auf der von
Martha herausgegebenen Inschrift von Stymphalos, die ja
allerdings einen Übergangsdialekt zum Dorischen zeigt, dem
Ark. überhaupt abzusprechen (S. 219). Freilich giebt H. die
übliche Herleitung von ion. βούλομαι βουλή aus *BöAvouaı
*SoAva nicht zu. Denn nach ὃ. 123. 160. 217 will er GGA.
1889, 5. 897 f. bewiesen haben, dass aus urspr. Av überhaupt
nicht A mit Ersatzdehnung geworden sei. Vielmehr sei Av
zu AA geworden bei konsonantischem A (ὄλλυμι ὠλλόν ἐλλός),
dagegen Av geblieben bei silbebildendem ἃ (πιλνόν = plnön,
πίλναμαι — plndmai). Dieser Gedanke wird wohl jedem ge-
kommen sein, der sich einmal mit der Frage beschäftigt hat,
aber jeder wird ihn auch als undurchführbar aufgegeben
haben. Denn warum sollte / gerade nur in den genannten
beiden Worten zu ı\, nicht zu aA geworden sein? Und was
soll mit βούλομαι βουλή u. 5. w. geschehen, in denen man Av
mit gutem Fug zu Grunde gelegt hat, weil eine andere Laut-
gruppe nicht übrig blieb? H. hilft sich sehr einfach: hier soll
/i das ursprüngliche sein. Damit ist aber nur ein Rätsel für
ein anderes gesetzt und eine bisher Klare Erscheinung ohne
zureichenden Grund verdunkelt; denn Δὲ wird, wo wir es mit
Sicherheit ansetzen dürfen, zu AA in allen Mundarten ausser
der kypr.
Auch an Unklarheiten und Widersprüchen fehlt es nicht.
Aus Πλήεταρχος TlAncriepoc ergiebt sich als ark. Superlativ
*tAnctoc. Nach Meister II 95 ist dies nach anderen vom
Stamme rAn- gebildeten Formen vokalisirt, also Analogiebil-
dung. H. erklärt diese Annahme 5. 147 tür vorschnell. Nach
ihm ist #mAnctoc von dem tAeicrtoc der anderen Mundarten
überhaupt in der Bildung verschieden. “Da der südach. Dia-
lekt bei den € und €v-Stämmen die starke Form bevorzugte,
so wurde von rAn- nicht πλε-ῖοτος (vom schwachen Stamme
trke-), sondern tAn-ıcroc gebildet, und daraus entstand πλῆςτος,
indem der lange Diphthong nı im Inlaut das ı einbüsste.”
Diese Erklärung kehrt 5. 185 wieder. Wenige Zeilen vorher
aber wird gelehrt, die ursprünglichen (nicht durch Kontrak-
tion entstandenen) langen Diphthonge dt, δὲ u. 5. w. seien im
Inlaute zwischen Konsonanten bereits im Urgriech. zu di, δὲ
u. 5. w. verkürzt worden. Dass der Superlativ zu πολύς
schon aus der Ursprache mitgebracht, nicht etwa in den
eriech. Dialekten zuerst gebildet wurde, ist selbstverständ-
lich. Nehmen wir einmal wirklich zu gunsten H.s an, die
Ursprache habe ihn von zwei Stammformen als *ple-is-tos und
*ple-is-tos gebildet, so wurden diese nach allgemeiner An-
nahme schon ursprachlich zu *pleistos, *pleistos kontrahiert.
Wie H. zu dieser Annahme steht. ist freilich nicht klar er-
Hoffmann Griech. Dialekte 1. 23
sichtlich, da seine Angaben sich widersprechen: 8. 197 sagt
er, bereits in idg. Zeit falle die Kontraktion des Augments
ε mit anlaut. ἃ zu ἃ, 5. 148 dagegen, durch urgriech. Kon-
traktion sei ἢ in ἦς ‘er war’ aus *E-nc oder €-ec ent-
standen wie in kypr. ἦχε aus *€-exe. Urgr. *mAnicroc aber
musste nach dem von H. selbst anerkannten Kürzungsgesetze
zu tAeictoc werden, und damit werden wir für das Ark. doch
wieder auf die Notwendigkeit einer Analogiebildung geführt.
— Starke Unklarheiten entstehen auch durch das Bestreben
des Verf., Ficks Gesetz, nach welchem die Verteilung von ı
und ὁ und im Anschlusse daran Epenthese und Assimilation
angeblich durch den Sitz des Akzents bestimmt wurden, zur
Erklärung der Thatsachen heranzuziehen. Ich habe meinen
Unglauben gegen dieses Gesetz schon ΚΖ. XXIX 99 bekannt
und bin durch die Früchte, die es seitdem gezeitigt hat, nur
darin bestärkt worden. H. setzt ὃ. 72 kypr. αἷλος = ἄλλος
aus aAlös, ohne zu sagen, woher er diesen Akzent hat, 8. 175.
219 dagegen wird ἄλλος bereits als urgriech. anerkannt, es
fällt also auch für H. die Nötigung fort *aAlos anzusetzen.
Ebenso unberechtigt ist die Ansetzung von κασπόϊο mit diesem
Akzent zur Erklärung von κάπω (S. 235), und die von *que-
γνώ», aus dem entweder durch Epenthese, also mit echtem
ει, oder durch Ersatzdehnung, also mit unechtem εἰ, ἀμείνων
geworden sein soll (S. 146)! — Weiter die Erklärung von
wFaTta, wie Verf. auf der Vase Coll. 88 liest. S. 84 wird
WFarta als die dialektisch geforderte Form für att. οὔατα be-
zeichnet. “Attisch” mag blosser Lapsus sein. Zu verstehen
aber ist dies nur so, dass οὐ unechter Diphthong ist, dem
Kypr. u. 5. w. ὦ entpricht. S. 156 dagegen heisst es, WF-
in dor. ὡς ὠατοθήεω u. 5. w. sei starke Stammform, während
im Att. zu ὄξατος ein Nomin. vom schwachen Stamme: οὖς
gebildet worden sei, beide Dialektformen werden also ganz
von einander geschieden. Verf. verweist auf Joh. Schmidt
Pluralbild. d. Neutr. 407. Hier wird eine ganz andere Er-
klärung der Verschiedenheit gegeben. Eines aber hätte der
Verf. dort lernen können, was er freilich auch so schon hätte
wissen müssen, dass att. οὖς unechtes οὐ hat, dies also nicht
vom zen. 6F-atoc bezogen haben kann.
Derartige Unrichtigkeiten finden sich auch sonst. 5. 121.
286 wird aus der Glosse μυλάςαςθαι᾽ TO..cunzachaı ein Subst.
ξἕμυλά erschlossen und dies dem altbulg. mylo Seife’ gleich-
gesetzt. mylo aber geht nach Ausweis des poln. mydto, cech.
mydlo, osorb. mydlo auf *mydlo zurück; d vor 1 ist nach
dem bekannten Lautgesetze der südostslav. Sprachen ge-
schwunden. — Nach Herakleides ist πτόλεμος kyprisch und
attisch gewesen. Verf. behauptet S. 123, attisch sei das Wort
94 Hoffmann Griech. Dialekte 1.
nie gewesen. Das Gegenteil ist wahr; vgl. jetzt die Zusammen-
stellung des Materials bei Kretschmer ΚΖ. XXXI 426. — παν-
wvıoc auf der Tafel von Edalion Z. 10, 23 übersetzt H. “mit
dem ganzen Nutzen, mit vollem Ertrage’ und leitet es im
Anschlusse an Ahrens von ὄνιος ὀνίνημι ab (ὃ. 71. 156).
övıoc ist eine ganz späte, nachchristl. Bildung, und die Bil-
dungsgesetze von ὀνίνημι verbieten die Herleitung von παᾶν-
wvıoc für so frühe Zeit von diesem Stamme. Ich verweise
auf eine eingehende Behandlung der Sache, die KZ. XXXI
244 ff. erscheinen wird.
Die angeführten Beispiele zeigen, dass H.s Darstellung
nicht den Anspruch erheben kann an Stelle der Meisterschen
zu treten. Es bleiben nun noch ein paar Worte über den
Abdruck der Inschriften und Glossen zu sagen. Die kypr.
Glossen hat H. schon Bezz. Beitr. XV 44 ff. gesammelt und
besprochen; ihre Erklärung in den Dial. stimmt im wesent-
lichen mit der dort gegebenen überein. Was die Inschriften
betrifft, so ist gegen den Abdruck der kypr. bei der beson-
deren Beschaffenheit des Materials nichts einzuwenden; doch
hat H. auch hier das wesentlichste neue schon Bezz. Beitr.
XIV 266 ff. veröffentlicht. Gänzlich unnötig aber erscheint mir
der Neudruck der ark. und der für die weiteren Bände in
Aussicht gestellten Inschriften der anderen Dialekte. H. sagt
(Vorw. 5. VIII, die Collitz-Bechtelsche Sammlung werde wegen
ihrer Vollständigkeit nur im Besitze derer sein, die eingehen-
dere Studien auf diesem Gebiete zu machen beabsichtigten.
Seine eigene Zusammenstellung der ark. Inschriften aber lässt
nur sehr wenige von den bei Collitz-Bechtel verzeichneten
Nummern weg, und diejenigen, welche sich in den griech.
Dialekten nur zu orientieren beabsichtigen, kann man getrost
auf Cauer verweisen, der zwar von H. auch verpönt ist, dessen
Deleetus aber in seiner zweiten Auflage seinen Zweck in
durchaus befriedigender Weise erfüllt. Die Thatsache ferner,
dass seit dem Erscheinen des 1. Bandes von Collitz Samm-
lung neue Inschriften gefunden sind, kann nicht geltend ge-
macht werden, da Supplementhefte in Aussicht gestellt sind.
In dieser Hinsicht würde auch H.s eigene Zusammenstellung
bald veralten; denn hoftentlich lässt die Veröffentlichung der
von G. Fougeres gefundenen Inschrift von Mantineja nicht
mehr lange auf sich warten. Auch hier halte ich das von
Meister eingeschlagene Verfahren für zweckmässiger. Übri-
gens ist die Behandlung der wichtigsten der neugefunde-
nen Inschriften, des Tempelrechts von Tegea. im einzelnen
meines Erachtens wenig glücklich. Näher darauf einzugehen
gestattet mir der Raum nicht, der mir hier zur Verfügung
steht.
Monro Grammar. 25
Es wäre unbillig, wollte man nicht anerkennen, dass
Hoffmann sein Material gründlich und sorgfältig gesammelt
hat. Nichts desto weniger kann das Gesamturteil nach dem
Dargelegten nur lauten: Das Neue, was in dem Buche steht,
konnte H. bequem in einem Aufsatze von 1—2 Bogen sagen,
das Buch als ganzes ist überflüssig.
Halle a./S., den 18. August 1891.
Felix Solmsen.
Monro D. B. A grammar of the Homerie dialect. 2. edition,
revised and enlarged. Oxford, at the Clarendon Press, 1891.
ΟΡ ΠΣ sh.r6 ἃ.
Die zweite Auflage von Monros Grammatik des home-
rischen Dialekts bleibt dem Plan und der Anlage der ersten
Bearbeitung getreu: sie legt das Hauptgewicht auf Formen-
lehre und Syntax und lässt die Lautlehre, abgesehen von
einigen Bemerkungen, welche in dem letzten Kapitel unter
“Metrum und Quantität” sowie im Anhang untergebracht
sind, gänzlich unberücksichtigt. Dies ist um so bedauerlicher,
als die lautlichen Fragen unter den homerischen Problemen
keine ganz geringe Rolle spielen und ihre Behandlung auch
in der Grammatik von Vogrinz eine durchaus unzureichende
ist. Trotz dieses Mangels ist das Buch von Monro, wenn
man Grammatik mit Thatsachen der Formen- und Satzlehre
übersetzt, im Ganzen eine nützliche und dankenswerte Arbeit
— freilich nicht immer zugleich eine anregende. “Oede
und trocken ist der Boden der Grammatik — erklärte kürz-
lich ein Philolog — und das Gebiet der blossen Thatsachen ganz
besonders”. Ich meine aber, dass uns Thatsachen an sich
höchst gleichgültig sein können, wofern sie uns nichts neues
zu denken geben. Also gilt es in der Wissenschaft nicht
bloss ein Verzeiehnis von Thatsachen aufzustellen, die auf
sprachlichem Gebiet nicht interessanter, aber auch nicht lang-
weiliger sind, als auf jedem anderen, sondern sie unter för-
dernden und fruchtbaren Gesichtspunkten zu betrachten. Vol-
lends eine Darstellung des homerischen Dialekts sollte mehr
sein als eine Aufzählung der bei Homer vorkommenden For-
men und syntaktischen Verbindungen. Der Dialekt des Epos
ist eine Kunstsprache von so scharf geprägtem Charakter, wie
der griechische Geist keine zweite mehr geschatten hat. Sie
hat weniger Natur und mehr Technik, als die Bewunderer
Homers im vorigen Jahrhundert geahnt zu haben scheinen.
Nur eine lang dauernde Entwicklung in festen Bahnen kann
ihr dieses Gepräge verliehen haben. Eine Darstellung der
epischen Sprache muss, meine ich, diese Verhältnisse nicht
90 Weiss Griech. τι. latein. Verbum.
nur im allgemeinen darlegen, sondern auch in allem Ein-
zelnen, in Lautgeschichte und Flexion, in Wortbildung und
Wortwahl. in Syntax und Stilistik nachweisen. Denn woher
nimmt man das Recht, die Sprache einer einzelnen Litteratur-
gattung aus dem Zusammenhange der ganzen Sprachentwick-
lung herauszulösen, wenn man nicht das, was ihre Eigenart
ausmacht, zum Hauptgegenstand der Betrachtung erhebt?
Berlin. P. Kretschmer:
Weiss P. Aug. Grundzüge des Griechischen und Lateinischen
Verbums. Regensburg, Verlag von J. Habbel 1891. 238. 8°.
M. —.50.
Der 1. Abschnitt, “"Grundgesetze überschrieben, beginnt
so: “Die griech. Worte (Laut, Halblaut) sind ah ah — ah aß,
ah an — ah ay, ah ax — ah αὖ, ah ar.... und umgekehrt ha
ah u.s. f. Nicht anders im Latein. Durch Bund (mapabecıc)
entsteht das Vielwort. Darin ist der Halblaut = Wort. Pe
eh pa ah ah al eh ex ah ah βεβληκα. πε eh ne ech ech eo ohorah
ah ıh ıh nenpwrau. Durch Gleichbund entsteht Wortwort. de
eh di ih ih ih dedi”. So geht es die 23 Seiten ununterbro-
chen fort mit ah ah, ha ah, ih ih, hi ih u. s. w., also dass man
als freundlicher Leser einzustimmen kaum umhin kann.
Leipzig. Karl Brugmann.
Studien auf dem Gebiete des archaischen Lateins herausge-
eben von Wilhelm Studemund. Zweiter Band. Berlin
Weidmann 1891. 2 Blätter u. 436 S. gr. 8°. M.9.
Von den fünf in diesem Bande enthaltenen Abhand-
lungen sind die erste von Schröder und die fünfte von Stude-
mund, die sich mit der Herstellung fragmentierter Teile von
Amphitruo und Cistellaria des Plautus beschäftigen, für die
Leser dieser Zeitschrift ohne Interesse. Mit Sprachlichem be-
fassen sich nur die drei mittleren (Kellerhoff De collocatione
uerborum Plautina S. 47—84, Scherer De paiticulae gquando
apud uetustissimos sceriptores latinos ui et usu 8. 85 —143,
Bach De usu pronominum demonstratiuorum apud priscos
seriptores latinos S. 149 — 415). Sie zeigen alle die feine und
sichere Beobachtung der Latinität, die der Studemundschen
Schule zu eigen ist und deren Wert für Sprachgeschichte
und Textkritik dadurch kaum beeinträchtigt wird, dass die
(glücklicherweise nicht häufigen) Exkurse auf das vorhisto-
rische Gebiet nicht befriedigen (so in diesem Bande Scherers
Etymologie von guando, das als eine Kontaminationsbildung
aus "quodö = ai. kada und quam erklärt wird, und Bachs
Deutung von interim ὃ. 582 und ecce 5. 387 ff.). Aus Keller-
hoffs Abhandlung gebe ich kurz an, was auch für weitere
ἴ
N
Studemund Studien 1.
Kreise von Interesse sein dürfte: 5. 1 Stellung der Pronomina;
$2 von zwei unmittelbar auf einander folgenden Kasus des-
selben Stamms steht der Nominativ voran; ὃ ὥ Stellung der
Beteuerungspartikeln, ὃ 4 der Negationen; $ 8 der Ablati-
vus comparativus steht gewöhnlich vor dem Komparativ. —
Scherer weist S. 98 ff. nach, dass vor Plautus gauando sich
nur in temporalem Sinne findet, ohne zu leugnen, dass das
rein zufällig sein könne (S. 104), und zählt dann (S. 105 ff.)
unter kritischer Behandlung einer Reihe von Stellen die plau-
tinischen Beispiele der Partikel auf u. zw. zunächst die
temporalen, dann die kondizionalen (in denen indes die
kondizionale Bedeutung immer eine Hinneigung zur tempo-
ralen oder kausalen zeigt), kausalen und interrogativen,
während er das einzige Beispiel für den indefiniten Gebrauch
Cpt. 290 (ubi quando) mit Unrecht beseitigen will, da söguando
für Ennius fragm. 235 Bähr. trotz Scherer 5. 150 ausser
Zweifel steht. Darauf werden S$.129 ff. die Beispiele aus
Terenz und den übrigen Altlateinern in ähnlicher Weise be-
handelt. Endlich wird 5. 157 ff. guando quidem besprochen
und richtig die Doppelzeitigkeit des o behauptet. Nur durfte
nicht nesciöguis zum Vergleiche für ὅ herangezogen werden,
da hier die Kürze um der vorausgehenden willen nach be-
kanntem Gesetz (\_r wird ον.) entstanden ist. Quandö-
quidem gehört vielmehr zu den durch Bücheler Wölff. Arch. III
144 ff. aufgeklärten Worten, in denen “ Quantitätsentziehung
durch Tonanschluss” vorliegt (faäquidem, sine = SEINE
CIL. I 198. 54 ete.). — Wie der umfangreichste so der wert-
vollste Teil des vorliegenden Bandes ist Bachs Abhandlung
über das Demonstrativpronomen, eine durch staunenswerten
Fleiss wie durch sorgfältige und glückliche Verwertung des
reichen Materials gleich ausgezeichnete Arbeit. Der erste
Teil derselben weist den alten Satz, dass hic Pronomen tpw-
τότριτον, iste δευτερότριτον, ille Tpırörpırov ist, als ein für
Plautus unverbrüchlich geltendes Gesetz nach. Hic ist durch-
weg was der redenden Person gehört, was zu ihr in Be-
ziehung steht, in ihrer Nähe sich befindet (5. 149 ff. 179 ἢ:
haec manus = mea manus, hic homo = ego, hic scipio —
sc. quem ego teneo, hoc quod dico, haec pugna = p. quamı
ego descripsi, hoc audi = audi id quod ego dicam, hoc
uerumst — id quod ego audio werumst, haec hominum natio),
und geht darum mit Zeitbestimmungen verbunden immer auf
die Gegenwart (S. 175 ff.: hoc saeculum = 8. quo ego wiuo,
haec nox, hodie). Auch wenn hic vor dem Relativum er-
scheint, sind auf das strikteste immer die angedeuteten Be-
ziehungen beobachtet. Entsprechende Bedeutung wohnt den
Adverbien hic (S. 194 ff.) hince (199 ff.) huc (202 ff.) horsum
28 Studemund Studien I.
abhinc ete. (5. 208 ff.) inne. Genau so wie hic hic hinc ete.
zur ersten verhält sich ste isti(e) istince etc. zur zweiten
Person (5. 211 ff.) und ille ΠΝ ΠΟ iÜllım etc. zur dritten
(5. 286 ff.), was ich nicht erst mit Beispielen belege. Aus
dem Absehnitt über ?lle will ich besonders hervorheben, was
über die Benutzung von ölle als bestimmtem Artikel (5. 296 ff.)
und Pronomen der dritten Person (S. 311 ff.) bei Plautus ge-
sagt wird. Diese Benutzung wird mit Geschick auf die Grund-
bedeutung von ille zurückgeführt und mit Recht betont, dass
hier der romanische Gebrauch von ille schon auf das deut-
lichste vorgebildet ist). Auch is hat seine genau bestimmte
Verwendungssphäre (5. 544 ff.). Es ist erstens das Korrelativ-
pronomen zum Relativum, denn hic iste ille stehen, wie schon
angedeutet, auch vor dem Relativum nur in ihrer eigentlich-
sten Bedeutung, und dient zweitens zur Wiederaufnahme eines
vorangegangenen Begriffs, - ganz gleich wer dieses Begriffs
vorher Erwähnung gethan hat (349 ff.: is το de quo iam disi
oder di.risti oder di.eit, daher niemals von Jemand, den man
eben erst erblickt 5. 358). Es bezeichnet also nichts anderes
als die dritte Person ganz allgemein (wir: er oder der)?).
Entsprechend werden ἐδὲ inde etc. gebraucht. — Der zweite
Teil der Bachschen Abhandlung beschäftigt sich mit dem Ge-
brauch von ecce, das im allgemeinen die Aufmerksamkeit auf
eine Handlung und nicht auf eine Person hinlenkt (390 ff.),
letzteres nur in den Verbindungen mit einem Pronomen: ecce
me, eccillum, eccum ete. Dabei wird für ecceum 8.395 ff. schla-
gend erwiesen, dass es aus ecce + *hum besteht. welches #hum
sich zu hunc verhält wie illum zu ilunc. Dies etwa sind
die Grundgedanken der Bachschen Arbeit, die für Indoger-
manisten allenfalls zur Orientirung genügen können; wer
näher sich mit Latein und besonders altem Latein befasst,
dem kann kein noch so ausführliches Referat die Lektüre
der Abhandlung selbst mit ihrer Fülle feiner und nützlicher
Bemerkungen und Beobachtungen (z.B. über die Aktion und
Stellung der Schauspieler, soweit sie sich aus den gebrauch-
ten Pronomina ersehen lässt) und der nicht kleinen Zahl von
Textbesserungen ersetzen.
Breslau. F. Skutsch.
l) Ich hoffe demnächst zu zeigen, dass auch formell die Be-
dingungen für die Entstehung des romanisehen Artikels und Pro-
nomens der dritten Person bereits bei Plautus in einem einsilbigen
2] statt ille einer-, in einem endbetonten ?llım lldm usw. anderer-
seits gegreben sind.
2) Wenn trotzdem die romanischen Sprachen nur 2lle, nicht
’s in dieser Verwendung übernommen haben, so wird das wohl an
der lautlichen Körperlosigkeit von ἐς liegen, die sein allmähliches
Verschwinden bereits in historischer Zeit herbeiführte (Bach S. 584 t.).
Gaster Chrestomathie Roumaine. 29
Gaster M. Chrestomathie Roumaine. Leipzig Brockhaus 1890.
ΠΕ SIIOXLIX, 16*, 368; VII 562.8. M. 18.
Obschon das vorliegende Werk mehr einen litterarischen
als einen linguistischen Charakter trägt, so verdient es doch
auch hier eine Erwähnung. Dem Sprachforscher, der nament-
lich die Mischungsprozesse verschiedener Sprachen studieren
will, bietet das Rumänische ein ausserordentlich reiches For-
schungsfeld, ein Feld, das bis jetzt wohl hauptsächlich des-
halb wenig beachtet worden ist, weil die Mittel, es gehörig
zu bearbeiten für den, der nicht selber in Rumänien lebte,
schwer erreichbar waren. Diesem Mangel hat Gaster ein für
allemal abgeholfen. Er bietet eine ausserordentlich reiche
Sammlung von Texten aus allen Epochen der rumänischen
Litteratur, zum nicht geringen Teil bisher ungedruckte, in,
soweit ich es habe kontrolieren können, durchaus zuverlässi-
gen Abdrücken, sodass man sich jetzt ein ziemlich klares
Bild der rumänischen Sprachgeschichte machen kann. Den
Linguisten werden besonders die Dialektproben interessieren,
die ebenfalls zum teil ganz neues Material bringen. Die Ein-
leitung verbreitet sich über die Entstehungszeit der ältesten
Texte und enthält darüber ganz neue, aber wohlgesicherte
Resultate, ordnet dann, was in der Chrestomathie gedruckt
ist, nach den Mundarten und gibt Paradigmen der Flexion
mit zahlreichen Belegen für ältere Formen. Ein ausführliches,
wohl angelegtes rumänisch-französisches Glossar beschliesst
das Werk, das hoffentlich dazu führt, dass die sprachwissen-
schaftliche Forschung mehr als bisher sich dem Rumänischen
zuwendet.
Wien. Wilhelm Meyer-Lübke.
Jellinek Max Hermann Beiträge zur Erklärung der germani-
schen Flexion. Berlin Speyer & Peters 1891. 107 5. 8°.
M. 2,80.
Die “Beiträge’ des äusserst fruchtbaren Verfassers suchen
die auch von anderer Seite wieder in Angriff genommenen
Probleme der germanischen Auslautsgesetze zu lösen. Die
Resultate der Arbeiten von Collitz, van Helten, Hirt und
Jellinek weichen ziemlich weit von einander ab, bringen in
manches Licht und lassen das über anderm lastende Dunkel
dafür um so unergründlicher erscheinen. Speziell für Jellinek
habe ich mehr Widerspruch als Beifall. Bezeichnend ist, dass
ihm die Fortführung des Hanssenschen Gedankens von der
Wirkung der Akzentqualität, wie sie inzwischen Hirts anre-
sender Aufsatz (IF. I 1ff., 125 ff.) durchgeführt hat, eigent-
30 Jellinek Germanische Flexion.
lich recht nahe lag. 5. 65 Fussnote liest man: “ Übrigens
scheint mir auch Hanssens Theorie von der Wirkung des ge-
stossenen und geschliffenen Akzents, gegen die Brugmann sich
ablehnend verhält, beachtenswert”. In Wahrheit wird sie frei-
lich weiter gar nicht beachtet, so dass man in diesem Punkte
dem Verf. kaum den Vorwurf einer gewissen Flüchtigkeit
wird ersparen können.
Das 1. Kapitel, das vokalische Auslautsgesetz behandelnd,
enthält den Kern des Ganzen, die drei andern, allerdings vor
jenem geschrieben, bilden sozusagen ausführliche Exkurse.
Eine Tabelle lässt uns S. 14 die Schicksale der auslautenden
Längen nach Jellinek überschauen. Sofort fällt auf, dass
den idg. Vokalen unmittelbar die got., ahd., ags., anord. ge-
genübergestellt werden. Wie lauteten denn die urgerm. Zwi-
schenstufen? Ich fürchte, dass Jellinek sich diese Frage gar
nicht vorgelegt hat; beantwortet hat er sie wenigstens nicht.
Idg. & und ὃ sind nach ihm in got. a, ahd., ags., anord. ὦ
zusammengefallen; dm und öm dagegen sind nur im Got. (0)
und Altnord. (a) zusammengefallen, sonst aber geschieden:
jenes nämlich =ahd. a, ags. e, dieses = ahd. 0, ags. a. Für
ds und Öös ist die Sache zweifelhaft gelassen. Während im
allgemeinen Zusammenfall eingetreten ist, steht beim Ags.
unter ds neben dem d, das auch ös entsprechen kann, ein
bescheidenes [ὦ] vermerkt. Ich weiss also nicht recht, ob
des Verf.s Meinung dahin geht, dass im Germ. überhaupt
noch αὶ und 0 (oder ἃ und ö oder 0? und οἱ [Sievers Beitr. V
135] oder wie er sonst schreiben mag) in den Endungen be-
standen haben -— vielleicht auch in der Wurzel? — oder ob
nur vor Nasal und eventuell s die ursprüngliche Qualität des
Vokals gewahrt wurde. Die erste Möglichkeit schneidet mir
die von Jellinek (S. 85) akzeptierte und auch mir trotz man-
cher Schwierigkeiten geltende Möllersche Hypothese über die
Entstehung der femininen n-Deklination aus der d-Deklination
ab: *genö (= yuvn) : *rabjo (= ratio) — nach Hirt freilich
®genö aber rapjö vgl. IF. 1207 (und doch wohl auch nefo/p]
aber hanö trotz S.201). Dass der folgende Nasal — s bleibe bei
Seite — wirkte, ist möglich, hätte aber zum mindesten einige
Ausführung verdient; denn wie wenig glaublich ist doch von
vornherein, dass in am gerade der Nasal die helle Klang-
farbe wahrte, während er sonst in andern Sprachen wie auch
im Germ. (ags. böhte) lediglich verdumpfende Wirkung hat!).
1) Man werfe mir nicht die Vulgatansicht am — ahd.a, ἃ
u ein. Diese Ubergänge erklären sich jetzt gut nach dem Streit-
bergschen Kürzungsgesetz für lange Diphthonge: wgerm. öm >
om > o >a, aber > u > u. friunt kann zunächst auf *friont
zurückgehn; hier wirkte dann der erhaltene Nasal verdumpfend.
Jellinek Germanische Flexion. 9.1
Aber Jellineks Register hat auch ein bedenkliches Loch,
durch das ahd. geba als Gen. Sg., N.-Akk. Pl. geschlüpft ist.
Das ist um so bedauerlicher, als er Hanssens Theorie zum
Vorwurf macht, dass sie für den Gen. irgend eine Analogie-
wirkung zu Hilfe nehmen müsse (5. 11). Bei Jellinek ist
nieht nur dieser Analogieform. “Mit der Erklärung der For-
men ahd. gebä als Gen. Sg. und Nom. Akk. Pl. mag Brug-
mann Recht haben, wenn es auch höchst auffällig ist u.s. w.”
heisst es (S. 15) leicht hin. Nach Brugmann. sind nämlich
diese Formen Analogiebildungen nach der 26-Deklination. Da
nun aber Jellinek gewiss mit Recht leugnet, dass Akk. Sg.
giba = *gibem sei, so weiss man nicht, woher das -es ge-
rade in den Gen. Sg. gekommen sein soll. Schlagworte wie:
“Es ist eben nicht wahr, dass nur der Nom. für die Flexion
bestimmend ist; in unsern Paradigmen steht er allerdings
oben an” (8. 8) sind allerdings stilistisch wirksam, täuschen
aber doch nicht gar selten über bedenkliche Annahmen hin-
weg. Und davon bieten die ersten 14 Seiten noch eine ganze
Menge.
5. 22 ff. werden wir in einer Tabelle von 17 Nummern
über die nordischen Synkopegesetze belehrt. Jellinek steht
auf dem Standpunkt Axel Kocks und hängt scharfsinnig ein
Glied seiner Beweiskette ins andere. Aber gerade, was ihm
eigen und neu ist, hält eingehender Prüfung nicht Stand.
Da ist zunächst der Abfall von 6 (< 2) der als Nummer V,
als ältester aller Vokalabfälle (vor a!) auftritt und die zu die-
sem Zwecke unmittelbar davor angesetzte Kürzung ungedeck-
ter Längen (Nr. IV). Diese ungedeckten Längen sind übrigens
durch die gleich zu besprechende Entdeckung, dass auslau-
tender Dental nach Länge noch lange erhalten blieb, ziem-
lich vermindert. Der e-Abfall aber wird lediglich dem Da-
tiv arm < arme zu Liebe angesetzt, der durchaus aus ὃ - δὲ
nach der Theorie Schmidts (Festgruss an Böhtlingk 5. 102)
entstanden sein soll. Mir ist nun 1) der idg. Sandhi δὲ, δὲ >
ö, e nicht sicher bewiesen, 2) ein idg. Dativ auf δὴ noch viel
weniger und deshalb 3) ein solcher auf & schon ganz und
gar nicht. Und wenn er bewiesen wäre, würde ich ihn nicht
in anord. arm wiederfinden. Ich halte hier den Abfall des
e für einen ganz jungen Vorgang, bewirkt durch den Ton
im Satzgefüge. Denn dass die Synkope nur bei langsilbigen
eintritt (und, wie Noreen bemerkt, “eben so fast immer bei
maskulinen ja-Stämmen, was wohl beweist, dass diesen Wör-
tern kein Nebenton zukam”, Pauls Grdr. d. germ. Phil. I
490) darf doch nicht einfach ignoriert werden. — Ebenso
wenig kann ich die von Noreen abweichende Datierung des
Nasalschwundes akzeptieren. Das sunu des Röksteines wird
32 Jellinek Germanische Flexion.
zwar sehr kühn mit einem “ beweist nichts” abgethan (8.21),
aber karuR derselben Inschrift kann damit nicht verglichen
werden, da es auf garuar zurückgeht. — Beiläufig bemerke
ich, dass man nicht gemeinhin (s. z. B. No. 7 der Tabellen
5. 23 ff.) übersehen sollte, dass sich germ. em (&?) = runisch
a (wiwila, tawida) — altn. 6, ὁ (hane, täde), germ. öm — run.
o (run. Akk. Sg. runo; worahto u. s. w.) — altn. a (tdda)
genau entsprechen. Es ist pure Willkür in wiwda ein ὁ
zu sehn.
Noch abweichender von der Vulgatansicht gestaltet sich
des Verf.s Darstellung der urgerm. Synkopierungen, die er
in scharfer Polemik gegen Sievers und namentlich Paul ver-
ficht. Es gelingt ihm mit Leichtigkeit die längst unhaltbar
gewordene Position des logischen Betonungsprinzips zu neh-
men; wo er aber an der festen Grundlage der Paulschen
Akzentgesetze zu rütteln sucht, zeigt er auffallenden Mangel
an Verständnis. Denn die Behauptung, es seien nicht Zwei
gleich stark betonte Silben nebeneinander möglich, hat nicht
den Charakter einer Hypothese, sondern beruht auf einem Ge-
setz der Apperzeption, vgl. Wundt Psychologie II? 248 ff. Des-
halb sehe ich keine Schwierigkeit in der Annahme, dass Wör-
ter der Gestalt 2 uX, die nach dem Satzzusammenhang (Beitr.
XV 55f.) bald als z,Xx bald als 2X erscheinen mussten,
aus diesem Grunde verschieden synkopierten. Jellineks An-
nahme, dass im Ags. allemal die letzte Silbe apokopiert wurde
und die Ausnahmen auf Analogiebildung beruhen, befriedigt
mich nieht.
Die übrigen Kapitel (die Schicksale langer durch Dental
gedeckter Vokale, der Nom. Sg. der n-Stämme, german. Kon-
Junktive) enthalten zwar manches Förderliche, sind aber gros-
senteils durch Hirts Ausführungen überholt. Dass auslauten-
des Dental urgerm., wenigstens nach Länge, durchaus ge-
wahrt blieb, scheint mir eine gänzlich verfehlte Annahme.
Was erklärt werden soll, wird nicht erklärt. Ahd. nefo,
mäno, anord. nefi, mdni (Ags. und As. werden überhaupt
nicht beachtet!) können nur urgerm. zur n-Dekl. gekommen
sein. Fabelhaft unglaublich ist, dass im Nord. 1) ein *ne-
σα > *nefoöo > *nefu geworden sei — man muss annehmen
(“es ist sehr wohl möglich” 5. 73), dass ὃ von dem in glei-
cher Zeit bestehenden 6 in *ahto, *tungö verschieden, näm-
lich geschlossen war und eigens zu -diesem Zweck zu %
wurde — und dann 2) durch die obliquen Kasus der schwa-
chen Deklination von Zlla, sira u. 5. w. und ein paar andere
Eigennamen und Fremdwörtern allmählich zu einem Nomina-
tiv auf a und 5) weiter zu einem solchen auf ὃ gelangte —
wie? wird mir trotz des Verweises auf Burg Runeninschr.
DL:
Mucke Niedersorbische Gramm. 33
S. 44 Anm. 2 nicht recht klar. Dazu die eben auch nicht
nbermässig glaubliche Hypothese, dass bei dem zweiten Den-
talabfall Dentale nach Kürze verschont blieben, also: 1) Ab-
fall nach Kürze: *alu/d/ (urgerm.), 2) Ausfall von a, 6, si, u:
2 Pl. *bindid[i), 3) Abfall nach Länge und Konsonanten:
#nefo/d/, *bindid; aber Opt. *bindid muss wieder hergestellt
sein nach *bindid! — Verdienstlich sind die Ausführungen
über die Deklination von Fremdwörtern im Got. (8. 76 ff.).
Dass sie nicht ohne Scharfsinn verfasst, anregend und
präzise in der Darstellung ist, muss man der Schrift Jelli-
neks zugestehn, der greifbaren Resultate aber bietet sie doch
nur wenige.
Berlin, 4. Sept. 1891. Vietor Michels.
Mucke Dr. K. E. Historische und vergleichende Laut- und
Formenlehre der niedersorbischen (niederlausitzisch - wen-
dischen) Sprache. Leipzig S. Hirzel 1891. XVIL u. 615 S.
hoch 4°. M. 20.
In diesem von der Fürstlich Jablonowskischen Gesell-
schaft preisgekrönten, dem Andenken Miklosichs gewidmeten
Werk behandelt der Verf. in eingehendster Weise und mit
grosser Sorgfalt die Laut- und Formenlehre der niedersorbi-
schen Sprache. Der Verf. handelt zunächst in einer Ein-
leitung über das ehemalige und heutige Sprachgebiet, die
ausgestorbenen und lebenden Dialekte, die Sprachquellen und
die bisherigen Bearbeitungen nicht nur der niedersorbischen,
sondern auch der obersorbischen Sprache, welche letztere er
überhaupt in dankenswerter Weise in weitem Umfang nicht
nur herangezogen, sondern auch mit bearbeitet hat. Nach-
dem M. dann Schrift und Aussprache behandelt hat, geht er
zu einer ausführlichen Darstellung der Lautlehre über, die
zunächst die niedersorbische Schriftsprache, in zweiter Linie,
sobald dies erforderlich ist, die Dialekte und die Sprachge-
schichte berücksichtigt. Nicht minder ausführlich ist auch
die Formenlehre, die ebenfalls die Dialekte und die ältere
Sprache in ausgiebiger Weise heranzieht und auch einen Teil
der Stammbildungslehre (Koimnparation, Bildung der Numera-
lia, Adverbia, der abgeleiteten Verba) enthält.
Ist das Werk M.s im grossen und ganzen als eine fleis-
sige und tüchtige Leistung anzuerkennen, so leidet es doch
auch an manchen Mängeln. Namentlich ist es die Lautlehre,
die zu Einwänden Veranlassung gibt. Der Verf. hat eine
gewisse Scheu, die urslavischen Formen zu erschliessen und
aus diesen die niedersorbischen zu entwickeln; er legt viel-
mehr, falls er es nicht vorzieht, vom niedersorbischen Laut-
Anzeiger I 1. 3
34 Mucke Niedersorbische Gramm.
bestand auszugehen, überall das Altbulgarische zu Grund, das
ja in der Mehrzahl der Fälle mit dem Urslavischen überein-
stimmt. Wenn aber der Verf. auch da, wo das Altbulgarische
vom Urslavischen abweicht, von den altbulgarischen Lauten
ausgeht, so wird das Bild, das er von der niedersorbischen
Sprache entwirft, dadurch unläugbar weniger klar; so z. B.
wenn der Verf. statt von den urslavischen Lautgruppen tert,
tort, tort, tort u. 5. w. von den altbulgarischen Lautgruppen
tret, trat, trot (trot) u. 5. w. ausgeht. Mehrfach macht sich
eine rein äusserliche Auffassung der Laute geltend, so z. B.
8.209 ἘΞ wo der Verf. die” Wandlung von *cj zu asl. CE =.os.
e—ns. c (aus €)” behandelt; von *cj darf hier nur in Fällen
wie 3. Sg. Präs. ns. kleco — abulg. Kklecets (Infinitiv klecati)
die Rede sein, während in allen anderen Fällen nicht c, son-
dern k zu Grunde liegt. Diese etwas schematische Darstel-
lung ist auch die Veranlassung, dass M., wo ein urslavischer
Laut im Niedersorbischen mehrfache Vertretung hat, oft ein-
fach diese verschiedenen Vertretungen aufzählt, so z.B. S. 128,
während sich doch aus den angeführten Beispielen deutlich die
Regel ergibt, dass -el- (-jel-) da auftritt, wo in der folgenden
Silbe ein palataler, -at- (-jat-) hingegen da, wo in der folgenden
Silbe ein nichtpalataler Vokal steht oder gestanden hat. Die
Behandlung der Lautgesetze ist im allgemeinen einwandfrei,
nur wo es sich um sog. sporadischen Lautwandel handelt,
geht M. mitunter zu weit, so z. B. 5. 255, wo diymoko und
dial. glumoki tief (abulg. dioboko und glabokr) auf eine und
dieselbe Wurzel zurückgeführt werden, während doch ersteres
auf die urslav. W. delb, letzteres auf die urslav. W. gleb
(glab) zurückgeht; oder 8. 286 f., wo es sich um sporadische
Metathesis handelt und wo, um nur ein Beispiel herauszu-
ereifen, karwona Krähe und os. hawron Rabe zusammenge-
stellt werden, obgleich letzteres auf urslav. *gavorn, ersteres
aber auf urslav. *korvona (vgl. lat. corvus) zurückgeht. Einen
Verstoss gegen die Lautgesetze hat M. sich 5. 288 zu Schulden
kommen lassen, wo er annimmt, in der 3. Sg. u. Pl. (z. B.
bjerjo, bez. beru) sei das nach Verstummen des -ὅ auslau-
tende ἐ abgefallen, während sonst ein nach Verstummen
von -ὅ, -» in den Auslaut tretender Konsonant nie abfällt;
die angeführten Formen sind vielmehr unechte Konjunktive
auf ide. -t, wie sie ja im Altbulgarischen neben den Formen
auf -t# häufig begegnen. Mehrfach hat der Verf. die nicht-
sorbischen slavischen Sprachen nicht genügend berücksichtigt,
so z.B. wenn er 8.35 gromada Haufen zu derselben Gruppe
von Wörtern zieht, zu der broda, grod u. s. w. gehören, ob-
gleich im Altbulgarischen, wie auch M. anführt, neben gra-
mada auch gromada vorkommt, welche letztere Form auch
Wiedemann Lit. Präteritum. 35
im Russischen vorliegt, so dass ns. gromada urslav. -ro- ent”
hält und grom- zu abulg. gram- im Ablautsverhältnis steht. —
In der Darstellung der Formenlehre hätte Ref. statt der vom
Verf. vorgenommenen Anordnung der verschiedenen Deklina-
tionen nach dem Genus die Anordnung nach dem Stammaus-
laut lieber gesehen, denn in der Darstellung des Verf.s wer-
den die mask. und neutr. konsonantischen Stämme von den
fem. konsonantischen Stämmen, die mask. von den fem. ὅ-
Stämmen getrennt, wodurch die Übersicht leidet.
Doch ich breche ab, da ich den mir zur Verfügung
stehenden Raum wohl schon überschritten habe. Zum Schluss
sei nur noch ausdrücklich betont, dass die Arbeit M.s trotz
der erwähnten Mängel eine gediegene Leistung ist und dass
sie fortan die Grundlage bilden wird für Einzeluntersuchungen
nieht nur auf dem Gebiet des Niedersorbischen, sondern auch
auf dem des Obersorbischen.
Leipzig. Oskar Wiedemann.
Wiedemann Ὁ. Das litauische Präteritum. Ein Beitrag zur
Verbalflexion der indogermanischen Sprachen. Strassburg
Mröbner 1831. XV u. 2308. 8%. Μ. 0.
Wiedemanns Buch bietet mehr als sein Titel vermuten
lässt. Nicht, als ob derselbe unpassend gewählt oder der
Rahmen des ursprünglichen Planes durch unmotivierte Exkurse
gesprengt wäre — alles wird vielmehr sub specie praeteriti
betrachtet. Aber indem der Verf. sein Problem, die Ent-
stehung des lit. Präteritums, allseitig beleuchtet und umsichtig
nichts ausser Acht lässt, was für seine Zwecke irgendwie in
betracht kommen kann, erweitert sich die Untersuchung un-
willkürlich zu einer fast vollständigen Monographie über das
lit. Verbum. So bildet das Buch eine Art Seitenstück zu
des Verf.s Beiträgen zur abg. Konjugation, nur dass es ab-
weichend von diesen das vergleichende Moment in den Vorder-
grund stellt. Deshalb ruht auch auf dem Untertitel “ Ein Bei-
trag zur Verbalflexion der idg. Sprachen” ein starker Neben-
akzent.- Denn die Untersuchung beschäftigt sich mit zahl-
reichen Fragen, die weit über das Gebiet des Baltischen hin-
ausführen. Sie darf daher auch auf das Interesse derjenigen
Forscher Anspruch machen, denen die Probleme der lit. Spezial-
grammatik ferner liegen.
Mit dem lit. Präteritum selbst befassen sich nur die
beiden letzten der vier Kapitel. Die zwei ersten sind be-
stimmt ein verlässliches Fundament für die Ausführungen
jener zu schaffen. Sie behandeln daher das Verhältnis des
lit. Vokalismus zum indogermanischen, und “da die Erörte-
36 Wiedemann Lit. Präteritum.
rung des Vokalismus des Präteritums den Vokalismus des
Präsens zur Grundlage hat”, auch die lit. Präsensbildungen
mit besonderer Rücksicht auf ihre Ablautstufen. Im allge-
meinen schliesst sich Wiedemann dabei den üblichen An-
schauungen an. Wenn er Mahlows Gleichung lit. ἃ = idg. 0
bekämpft, so kann man ihm insofern zustimmen, als dieselbe
offenbar zu eng ist. Dagegen wird er kaum auf Beistimmung
rechnen dürfen, wenn er die Vertretung des idg. 0 durch %,
seinerseits ins Extrem fallend, ganz leugnen und in « allein
die Fortsetzung von idg. öuw sehen will. Meine Bedenken
gegen diese Theorie habe ich bereits IF. 1 276 ff. darzulegen
versucht, vgl. auch Zubaty Archiv f. slav. Phil. XIII 601 und
Bartholomae IF. 1 303 Fussnote 22). Auch der Versuch € ne-
ben ai als Reflex von idg. οὐ ganz aus der Welt zu schaffen,
scheint allzu gewaltsam, um akzeptiert werden zu Können,
vgl. Hirt IF. 135. Sehr dankenswert ist dagegen die einge-
hende und sorgfältige Behandlung der idg. Langdiphthonge
und ihrer Schicksale im Lit. Abgesehen von dem eben er-
wähnten 0 erregt mir nur die Zurückführung von sau auf
ide. @u Bedenken. Man versteht nicht, woher jenes ὁ kom-
men soll. Das einzige von jedem Einwand freie Beispiel,
das Wiedemann anführt, ist der Opt. -biau (-bei -be). Hier
aber liegt idg. 26 (nicht e!) +% vor, vgl. auch IF. I 267.
Das dritte Kapitel prüft den Wurzelablaut des Präteri-
tums und kommt zu dem Resultat, dass die Schwundstufen-
form als das Normale betrachtet werden muss. Hierdurch
ist Osthoffs Versuch, an das Perfekt (mit e-Stufe) anzuknüpfen,
wohl endgültig beseitigt. Nur für emiaü ejaü und allenfalls
edzau will auch Wiedemann perfektische Herkunft zugestehn.
Er muss zu diesem Zwecke die Verwandtschaft von lit. im&
abg. öma mit νέμω leugnen und em als Wurzel ansetzen.
Die Möglichkeit soll nieht bestritten werden, nur möchte ich
das Hauptargument Wiedemanns, dass ®n»mö (so schreibt er
für #nmö) nicht zu ima führen könne, für nicht stichhaltig
ansehn. Denn auf welche Weise will man alsdann abg.
ime erklären? Auch hier ist doch ®nmen bezw. "n»men als
Grundform anzusetzen, während *>»nmen kaum zu rechtfertigen
sein dürfte. Von Einzelheiten sei die ungemein scharfsinnige,
doch mich noch immer nicht völlig überzeugende Erklärung
des ὃ im Prät. Plur. der german. Verba vierter und fünfter
Ablautsreihe erwähnt, sowie die eingehende Erörterung der
1) Mit den positiven Vorschlägen beider Gelehrten vermag
ich mich nicht einverstanden zu erklären. Bei Bartholomae be-
fremdet in hohem Grade, dass idg. ö durch urbalt. @, idg. ἃ aber
durch urbalt. ö verteten sein soll. Woher diese Umkehrung der
ursprünglichen Verhältnisse ?
Wiedemann Lit. Präteritum. 37
Präsensflexion von Wz. bhü. S. 142 scheint auch das Präsens
von gen seine langvermisste Aufklärung gefunden zu haben.
Nachdem so das Problem des Vokalismus in der Haupt-
sache als gelöst betrachtet werden darf, bleibt dem letzten
Kapitel die Erklärung der eigentümlichen Stammbildung des
Prät. vorbehalten. Dieselbe ist bekanntlich doppelter Art: die
eine Hälfte der Verba hat -αὖὦ -a? -ö, die andere au -ei -ὁ.
Wiedemann erkennt in ihnen Stämme auf idg. @ und δ, wie
sie in den “starken Aoristen’ lat. eram, griech. ἐτύπην vorlie-
gen. Hiermit hat er gewiss das richtige getroffen, wenn auch
das ὁ der &-Klasse Schwierigkeiten bereitet. Man wird trotz
mancher Bedenken kaum umhin können, in ihm den Einfluss
der j-Präsentien zu sehen. Die lautlichen Hindernisse, die
dieser Annahme entgegengestellt werden könnten, hat Victor
Henry Revue Critique 1891 5. 163 Fussnote in befriedigender
Weise aus dem Wege geräumt.
Von anregenden, zu Beifall wie zu Widerspruch her-
ausfordernden Nebenuntersuchungen, an denen es auch in
diesem Abschnitt nicht fehlt, nenne ich nur die Besprechung
der Präsensflexion der lat. d- und £-Verba, der germ. 6-Kon-
jugation und der abg. Klasse IV (nach Leskiens Bezeich-
nung). Auch auf die Erklärung des lat. -bam im Impf.,
die Erörterungen der abg. Endung -ὃ und den Deutungs-
versuch des stammbildenden Elementes -02- im germ. Kom-
parativ möchte ich aufmerksam machen.
Trotz ihrer Reichhaltigkeit baut sich die ganze Unter-
suchung in durchsichtiger Klarheit auf. Dieser Vorzug ver-
dient um so nachdrücklicher betont zu werden, als die grosse
Mehrzahl sprachwissenschaftlicher Arbeiten in formaler Bezie-
hung so gut wie alles zu wünschen übrig lässt. Man em-
pfindet diesen Übelstand doppelt, wenn man, wie hier, einer
Ausnahme begegnet.
August 1891. Wilhelm Streitberg.
88
Die neugriechische Sprachforschung in den Jahren
1890 und 1591 1).
I.
Nur sehr gering ist die Zahl der Gelehrten, welche,
mit wissenschaftlicher Methode ausgerüstet, Forschungen auf
dem Gebiet der neugriechischen Sprache betreiben. Wenn
trotzdem die Anzahl der Abhandlungen, über welche ich im
folgenden referiere, verhältnismässig gross ist, so rührt das
davon her, dass die neugriech. Sprachforschung entweder von
angrenzenden Wissensgebieten Aufschlüsse erhält, oder dass
Dilettanten mit mehr oder weniger Geschick auf dem brach
liegenden Felde sich tummeln, oft auch zu grösserem Nutzen
der Wissenschaft in der Herbeischaffung von Material Dienste
leisten.
Wir beginnen mit Arbeiten, die sich auf die Geschichte
der neugriechischen Studien beziehen. Noch im Jahre 1889
hat uns W. Meyer eine Ausgabe einer der ältesten neugr.
Grammatiken, der des Simon Portius (1658), bescheert. Psi-
chari gab in einer Einleitung dazu biographische Erörterun-
gen und glaubte aus linguistischen Gründen erweisen zu kön-
nen, dass Simon Portius ein Kreter gewesen sei. Diese Frage
hat für die Beurteilung der Grammatik des Simon Portius
ziemliche Bedeutung: sie erhielt endgiltige Lösung durch den
Aufsatz von Legrand Contribution ἃ la biographie de Simon
Portius, Revue des Etudes greeques IV (1891) p. 74—81.
Portius stammt aus Trapezunt. dies ist das wichtigste
Ergebnis der Abhandlung. die ausserdem einige weitere bio-
graphische und litterarhistorische Nachweise über Portius gibt.
Der grösste Geistesheros des modernen Griechenlands,
1) D. h. etwa bis Mitte 1891; einigemal ist über das Jahr 1890
zurückgegriffen worden, sei es um eine gewisse Kontinuität herzu-
stellen, sei es um auf besonders Wichtiges aufmerksam zu machen.
Vollständigkeit der bibliographischen Angaben ist erstrebt, für West-
Europa hoffentlich auch erreicht. In bezug auf griech. Zeitschrif-
ten, Zeitungen und Bücher ist es bei dem Mangel einer Zentralisa-
tion des griech. Buchhandels ausserordentlich schwer, einen voll-
ständigen Überblick über griech. Publikationen zu bekommen. Trotz-
dem hoffe ich, Wichtiges nieht übersehen zu haben. Einige Unge-
nauigekeiten von Zitaten bitte ich damit entschuldigen zu wollen,
dass ich beim Niederschreiben meines Referats hin und wieder auf
die Exzerpte angewiesen war, welche ich von Schriften angefertigt
hatte, die mir seinerzeit vorlagen, jetzt aber nicht mehr zugänglich
sind. Die hiesige Universitätsbibliothek hat (wie wohl die meisten
deutschen Bibliotheken) nur einen geringen Bestand an Neograeca,
so dass ich vielfach auf meine eigenen Erwerbungen angewiesen war,
Thumb, Neugriech. Sprachforschung. 99
der Schöpfer der neugr. Schriftsprache, Adamantios Korais,
hat in Thereianos einen sachverständigen und begeisterten
Biographen gefunden:
᾿Αδαμάντιος Κοραῆς ὑπὸ A. Θερειανοῦ. Ἐκτυποῦται ἀναλώμαει
τοῦ Οἰκονομείου κληροδοτήματος. ὃ Bde. Triest 1889. 1890.
Rezensionen: Ἑετία 18. März 1890. Seibel in der Wo-
chenschr. für klass. Philol. VIII Sp. 539 ff. Schenkl Zeitschr.
für österreich. Gymnasien XLI 527—529. Neue philol. Rund-
schau 1891 p. 224. Tozer Academy 1891 No. 998. A. Wa-
gener Bl. f. ἃ. bayer. Gymnasialwesen XXVII (1891) p. 2435 —
250. Zimmerer Berl. phil. Wochenschr. XI No. 59 f.
An dieser Stelle ist vor allem der zweite Band hervor-
zuheben, worin des Korais Ansichten über die neugr. Sprache
und seine Thätigkeit für eine neugriech. Schriftsprache ein-
gehend dargestellt werden. Thereianos verfolgt im Anschluss
daran die Entwicklung der sogenannten Sprachfrage bis auf
unsere Tage.
Neugriechische Sprache und Literatur in Deutsel-
land ist skizziert in der Beilage der Allgem. Zeitung 1890,
16. und 11. Dezember.
Von bibliographischen Zusammenstellungen über neu-
griechische Dinge ist zu nennen der Bericht von Oberhum-
mer über griech. Geographie in Bursians Jahresberichten Bd. 64
(1891), besonders die Abschnitte, welche die heutige Bevöl-
kerung betreffen, nämlich p. 389— 405, 407 ff., 411 ff. (Reise-
werke), 439 (Name von Morea), 445 f. (Ethnographie). Bei
dem Mange! an ausgedehnten und eingehenden Beobachtun-
gen über neugriech. Sprache und Dialekte sind wir oft froh,
in Werken heterogenen Inhalts einige sprachliche Notizen zu
finden; es muss freilich auch betont werden, dass solche No-
tizen, die in Reisewerken oder Aufsätzen ethnographischen
Inhalts begegnen, meist sehr ungenau sind und scharfer Prü-
fung bedürfen.
Von grundlegender Bedeutung auch für die neugr.
Sprachgeschichte ist die Ethnographie der Balkanhalbinsel,
vor allem sofern sie die Frage von der Abstammung der
heutigen Griechen, d. h. die Verwandtschaftsverhältnisse zwi-
schen den alten Hellenen und den modernen Griechen, be-
handelt. Die neugr. Sprache zeigt zwar (um von anderm zu
schweigen) klar, dass sie eine Fortentwicklung des Altgrie-
ehischen ist, und die These Fallmerayers lässt sich heuti-
gentags nicht mehr aufrecht erhalten, aber trotzdem ist es
wünschenswert, an der Hand genauer Statistik die heutige
Verbreitung des griechischen Elements im Vergleich zu der
im Altertum und derjenigen fremder Elemente auf einst
griechischem Boden zu ermitteln und den Grad fremden Ein-
40 Thumb,
flusses festzustellen. An dieser Aufgabe ist auch die Sprach-
forschung beteiligt; hier seien nur die speziell ethnographi-
schen Arbeiten aufgezählt:
Abstammung der heutigen Griechen (ohne Autornamen),
Zeitschr. f. Schulgeogr. VIII 340—542 (mir nicht zugäng-
lich).
Xenopol Les Roumains et les Grees. Revue de geogr. 1891
(mir nicht zugänglich.)
Oppel Zur Ethnographie der Balkanhalbinsel, Globus Bd. 57
(1890) p. 76— 79. (Übersicht über die bisherigen Arbeiten ;
Griechen im heutigen Makedonien.)
Dühmig Über die Chalkidike, Vortrag in der geogr. Ges.
zu München. Cf. Verh. d. Ges. f. Erdk. z. Berlin 1891
p. 102. (Die Chalkidike durchaus griechisch, womit auch
Oppel übereinstimmt.)
Über das griechische Element in Kleinasien belehrt uns
in anthropologischer Hinsicht
Luschan Reisen in Kleinasien, Verhandl. der Gesellsch. f.
Erdkunde zu Berlin XV 41---Οὐ.
Ich hebe daraus hervor (p. 55 f.), dass nur auf den In-
seln und an der Westküste in hohem Prozentsatz der altgriech.
Typus vertreten ist, während die Griechen im Innern, sowie
an der Süd- und Nordküste physisch mit den Armeniern über-
einstimmen; eine dritte Gruppe von Griechen mit semitischem
Typus (Reste altsemitischer Kolonisation) beobachtete Luschan
an der Südküste. Darüber vgl. auch denselben Gelehrten in
seinem Aufsatz Die Tachtadsehy und andere Überreste
der alten Bevölkerung Lykiens, Archiv für Anthropologie XIX
31—53. Auch unter den nichtgriech. Bewohnern Kleinasiens
fand Luschan griechische Spuren.
Ob der Aufsatz von
Ghenadieff La Macedoine, Bull. de la Soc. belge de geogr.
ΝΥ. ὁ. {1891}
Angaben über die griech. Bevölkerung enthält, weiss ich
nicht, da mir die Zeitschrift nieht zugänglich ist.
Von besonderem Werte und hoher Zuverlässigkeit sind
die Arbeiten Philippsons über die Ethnographie des Pelo-
ponnes. Einen kurzen Überbliek gibt uns dieser Gelehrte in
seinem Aufsatz
Besiedelung im Peloponnes, Verh. der Ges. f. Erdk. zu
3erlin XV 442— 455.
Ph. betont den Mischeharakter der peloponnesischen Be-
völkerung, von der bekanntlich die Albanesen bis jetzt noch
der Hellenisierung entgangen sind. In sprachlicher Beziehung
wird hervorgehoben, dass das peloponnesische Griechisch
Neugriech. Sprachforschung. 41
(abgesehen vom Tzakonischen) ohne bedeutende dialektische
Unterschiede sei.
Ausführlicher beschäftigt sich Ph. mit derselben Frage in
Zur Ethnographie des Peloponnes, Petermanns Mittei-
lungen 1890 p. 1—11, 33—4l.
In einem geschichtlichen Überblick werden auf grund
der neueren Forschungen über byzantinische Geschichte die
Einwanderungen fremder Stämme (besonders der Slaven, dann
auch der Franken, Osmanen und endlich Albanesen) bespro-
chen. Nur die Albanesen haben sich, wie erwähnt, noch bis
heute gehalten, obwohl ein allmähliches Zurücktreten deutlich
konstatiert werden kann. Die heutige Bevölkerung des Pe-
loponnes enthält e. 12°/, (90000) Albanesen. Ich muss es
mir versagen, die Details über deren Verbreitung wiederzu-
geben; Ph., der den Peloponnes nach allen Seiten durchwan-
dert hat, gibt in Tabellen und einer Karte genaue Auskunft.
Ich erwähne als charakteristisch, dass zwischen Griechisch
und Albanesisch scharfe Grenzen bestehen, dass vor allem
nicht die Bildung einer Mischsprache zu beobachten ist. —
Über die Tzakonen und Maniaten s. unten. Im Norden des
Peloponnes sitzen einige rumeliotische Nomaden, die vielleicht
Reste der um 1709 eingewanderten 6000 Rumelioten sind
(p. 40), Kretenser bei Nauplia und in einem δῆμος Messe-
niens; andere Elemente (Zigeuner, Vlachen) kommen heute
nicht mehr in betracht. Ph. gelangt zu dem Ergebnis, dass
die heutigen Peloponnesier ein fast völlig hellenisiertes Misch-
volk 5] πα 1).
Über die Albanesen im übrigen freien Griechenland er-
halten wir von Philippson ebenfalls Auskunft in
Reise dureh Mittel- und Nordgriechenland, Zeitschr.
d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, Bd. XXV (1890) p. 331—406,
bezw. p. 402 f.
Das albanesische Element beträgt nach Ph. für ganz
Griechenland 11,3 %/, (Euboeca 40000, Nord-Andros 10000,
Attika und Boeotien mit Megara 84000).
1) Die Resultate Philippsons haben manche Griechen unan-
genehm berührt. So hat ein gewisser Mitsopulos in einer populären
naturwiss. Zeitschrift (TTpoundeVc, des genaueren Zitats erinnere ich
mich nicht mehr) zwar mit grossem chauviistischen Eifer, aber
mit desto geringerer Wissenschattlichkeit Philippsons Forschungen
herunterzusetzen versucht, freilich ohne Erfolg. Dem gegenüber
muss lobend hervorgehoben werden, dass ein anderer Grieche, der
tüchtige Geograph Miliarakis, die Verdienste Philippsons um das
Gebiet der ethnographischen Statistik voll und ganz anerkennt (in
einer Rezension in dem nach einigen Nummern wieder eingegean-
genen Βιξλιογραφικὸν Δελτίον No. 3) und seinen Landsleuten vor-
hält, statt müssiger Redereien ähnliche Untersuchungen anzustellen.
43 Thumb,
In bezug auf Zuverlässigkeit der Beobachtung darf
neben Philippson der schon erwähnte Grieche A. Miliarakis
genannt werden. Leider kenne ich sein letztes Buch
Γεωγραφία πολιτικὴ νέα καὶ ἀρχαία τοῦ νομοῦ Κεφαλληνίας.
Athen 1890
nur aus der Besprechung in der Ἑετία vom 18. November
1890 (παράρτ.) und aus dem Referat von Partsch Petermanns
Mitteil. 1891 (Literatur-Bericht p. 28). Darnach enthält es
wertvolle Angaben über die Bevölkerung, über Orts- und Fa-
miliennamen. (In der Südostecke von Cefalonia wohnen Al-
banesen, die im 15. Jahrh. eingewandert sind; so erkläre sich
das Vorkommen des Namens μπάλτα; doch macht Partsch
darauf aufmerksam, dass der Name schon 1262 urkundlich
sich finde).
Beiträge zur Volkskunde (Mythologie ete.) enthalten
Tozer Islands of the Aegean. Oxford 1890 (Clarendon Press)
und
Roscher Studien zur griech. Mythologie, IV. Heft mit einem
Anhang von Politis Über die bei den Neugriechen vor-
handenen Vorstellungen vom Monde.
Bekanntlich ist gerade die neugr. Volkskunde vorzüg-
lich geeignet, den engen ethnischen Zusammenhang zwischen
den alten Hellenen und den Neugriechen klar zu erweisen.
Während Politis ein spezielles Gebiet behandelt, finden wir
in dem Reisewerke von Tozer da und dort Notizen über
griech. Aberglauben, Sitten und Gebräuche. Tozer gehört
zu den wenigen Philologen, die bei ihren topographischen
und antiquarischen Studien auch das moderne Griechenland
und seine Bevölkerung gebührend berücksichtigen. T.’s Reise-
werk bietet eine geschickte Übersicht dessen, was bis jetzt
über die von ihm bereisten Gebiete (Geschichte, Land und
Leute) bekannt ist. Auch der Sprachforscher findet hin und
wieder zwar nicht ausgedehnte aber doch schätzenswerte An-
gaben. Darüber weiter unten. Von Besprechungen des Wer-
kes kenne ich Partsch Petermanns Mitteil. 1890 Lit.-Ber.
No. 2467 und Paton The Classieal Review V (1891) p. 237—258.
Ich muss es mir versagen, hier weiteres zur Volkskunde
anzuführen, und verweise nur auf das Δελτίον τῆς ἱετορικῆς
καὶ ἐθνολογικῆς Ἑταιρείας (Athen), eine Zeitschrift, die gerade
auch diese Seite der neugriech. Philologie zu fördern ver-
spricht.
IR
In der Publikation neuer mittelgriechischer Texte
haben die letzten Jahre nur weniges geleistet. Einen kur-
zen Bericht über mer. Handschriftenschätze der Konstanti-
Neugriech. Sprachforschung. 43
nopler Bibliothek vom heil. Grab gibt Psichari in seinem
weiter unten zu besprechenden Rapport p. 29. Ein grösserer
Text wurde von Legrand publiziert als Bd. V der Biblio-
theque grecque vulgaire:
La guerre de Troie, Po&me du XIV® siecle en vers octo-
syllabes par Constantin Hermoniacos. Publi@ par E. Leg-
rand. Paris 1890. XIV 4788.
Rez. von Psichari Revue critique 1891 (I) p. 23—30.
In der Vorrede wird der Sprachcharakter der Dichtung
ganz vom Standpunkt Psicharis beurteilt; das Gedicht gebe
die gleichzeitige Sprache von Epirus wieder. Der Text
selbst ist nach L. eine Bearbeitung von Tzetzes Allegoriae
Diadis. 3 Handschriften aus dem 15. Jahrhundert standen
dem Herausgeber zu Gebote (2 Pariser und eine aus Leyden).
Wertvoll ist der Index (p. 459 ff.), der von Legrand hinzuge-
fügt wurde und der alle Spracheigenheiten des “Dichters”
umfasst.
7 kleinere Gedichte des Prodromos veröffentlichte gleich-
falls
Legrand Po&sies inedites de Theodore Prodrome, publiees
d’apres la copie d’Alphonse l’athenien, Revue des £tudes
greeques IV
Hohes sprachgeschichtliches Interesse beansprucht eine
vulgärgriechische Übersetzung des Pentateuch, die von einem
Juden Konstantinopels verfertigt und im Jahr 1547 in he-
bräischen Lettern gedruckt wurde. Über das seltene, in Paris
befindliche Buch handelt
Belleli Deux versions faites A Constantinople au seizieme
sieele. Paris 1890 (16 5.)
eine Schrift, die ich aus der Besprechung in der 'Ecria vom
19. August 1890 kenne. Um die rein litterarhistorische Seite
hier zu übergehen. hebe ich die Bemerkung hervor, dass der
Text für die Kenntnis der damals in Konstantinopel gespro-
chenen Volkssprache eine gute Quelle ist. Der Kritiker in
der Ἑετία bezweifelt dies, weshalb Belleli in einer Entgeg-
nung in der Ecria vom 26. August 1890 (παρ.) betont, “ὅτι N
YAWcca τῆς μεταφράςεως ταύτης εἶνε n yvncia, τῆς Κωνεταντι-
νοπόλεως δημοτική, ἄνευ ἴχνους ἰδιωτιεμῶὼν ἑβραϊκιὼν "
Eine Probe des interessanten Textes giebt Belleli in der
Revue des Etudes grecques ΠῚ 289—308. In der
Einleitung dazu finden wir einige Notizen über die Sprache
der Übersetzung. Auf diese selbst folgt ein kurzer (gram-
matischer) Kommentar. Was übrigens die dem Herausgeber
dunkle Etymologie von ἄπατα "aussi, encore betrifft (p. 294),
so vermute ich darin eine Umbildung von ἔπειτα (> ἄπειτα
cf. ἄξαφνα u.ä., dann ἄπατα mit Assimilation des 2).
44 Thumb,
Nur in loser Beziehung zur mittelgriech. Philologie
steht der Aufsatz von
7. Psiehari Le Roman de Florimont. Contribution & I’hi-
stoire Jitteraire. Etude des mots grees dans ce roman.
In den Etudes Romanes dediees A Gaston Paris. Paris 1891
p. 5075501).
Rez. von Suchier, Lit.-Bl. f. germ. u. rom. Philol. 1891
Sp. 215.
Ps. beschäftigt sich vor allem mit den in den Text einge-
streuten griechischen Wörtern, die er aus ihrer verstümmelten
Form (in lateinischen Lettern) wieder herzustellen sucht; hin-
sichtlich des sprachgeschichtlichen Wertes dieser Wörter kommt
Ps. zu dem Ergebnis “Les formes grecques du Florimont
n’ont aucun interet en elles-memes. Elles ne nous apprennent
rien sur la grammaire historique du gree au moyen äge”.
Aber diese griech. Formen geben in ihrer Verstümmelung
wichtige Aufschlüsse über die Textgeschichte des altfranz.
Romans, ein Problem, das jedoch mehr für die Romanisten
als für uns Interesse hat.
Für alle Fragen über mgr. Texte, ihre Geschichte und
Sprache sowie die einschlägige Bibliographie giebt ein Werk
trefliche Belehrung, das für das ganze Gebiet einen festen
Grund und Boden geschaffen hat:
Krumbacher Geschichte der byzantinischen Literatur (J. v.
Müller, Handbuch der klass. Altertumswiss. IX 1). Mün-
chen 1891.
Der Wert des Buches ist so allgemein anerkannt, dass
es genügt, hier auf die Rezensionen zu verweisen: G. Meyer,
Beilage der Allgem. Zeitung 1890 No. 297. Usp...iy Lit.
Centralbl. 1891 Sp. 240—244. Weyman Histor. Jahrbuch
XII 79—-86 (mit bibliographischen Nachträgen). Merkle Stu-
dien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Cistercien-
ser-Orden XII 1. Öster Neue philol. Rundschau 1891 p. 204—
208. Gelzer Berl. philol. Wochensehr. XI No. 27 und 28.
Draeseke Theolog. Literatur-Zeitung 1891 p. 329— 9334.
Aus dem Gesammtgebiet der Lexikographie nenne ich
zunächst, wenn auch einem etwas früheren Zeitraum als dem
zu besprechenden angehörig, die Neuauflage des monumentalen
Werkes von
Sophocles, A Greek Lexicon of the Roman and Byzantine
periods, New York und Leipzig 1888.
Das Lexikon umfasst den spätgr. und mgr. Wortschatz
(bis auf 1100); als Einleitung ist eine kurze Grammatik des
1) Mir liegt durch die Güte des Herrn Verfassers ein Sepa-
ratabzug vor.
Neugriech. Sprachforschung. 45
Vulgärgriechischen in geschichtlicher Entwicklung vorausge-
schickt.
Einige lexikalische Anmerkungen zu dem Werke findet
man in der Rezension von Zenos The Classical Review IV
(1890) p. 41-- 44.
Ein anderes älteres Werk stupenden Fleisses, das Glos-
sarium ad scriptores mediae et infimae graeecitatis von Du-
eange ist durch einen unveränderten Neudruck (Breslau 1891,
Koebner, 2 Bde.) wieder leichter zugänglich gemacht worden,
wenn auch der Preis immer noch ein ziemlich hoher ist.
Der neugriechischen Etymologie werden sehr grosse
Dienste geleistet durch
G. Meyer Etymologisches Wörterbuch der albanesischen
Sprache. Strassburg, Trübner 1891.
Indem Meyer den verschlungenen Pfaden albanesischer
Lexikographie nachgeht, gibt er uns wertvolle Aufschlüsse
über die Etymologie und Lexikographie der Sprachen der
Balkanhalbinsel und schafft Klarheit in den bunten Wirrwar
von Entlehnungen. Da gerade die Beziehungen zwischen Al-
banesisch und Neugriechisch besonders enge sind, so tritt
das Griechische nicht wenig hervor. Ein Wortverzeichnis
(p. 505 ff.) orientiert uns rasch darüber.
Ein spezielles Gebiet der neugriechischen Lexikographie
behandelt
Mıxpoyıavvnc Λατινικά in der griechischen Zeitschrift 'Ecria
1891 No. 30 und 31.
M. ist Schüler von Psichari; er schreibt in neugriechi-
scher Volkssprache. In der Form eines Dialogs werden die
wichtigsten lateinischen Lehnwörter des Neugriechischen, ihre
Lautgesetze und die Kriterien ihrer Scheidung von den roma-
nischen Lehnwörtern besprochen.
Von etymologischen Einzelbeiträgen sind zu nennen:
Hesseling Istambol, Revue des Etudes greeques ΠῚ 189—
196. (Entstehung und türkische Umbildung des Namens
aus εἰς τὴν πόλιν.)
Über den Namen “Morea’ vgl. die Zusammenstellungen
von Etymologien bei
Gregorovius Geschichte von Athen I 309 f. und
Öberhummer in dem schon genannten Bericht p. 459.
Ferner zur Etymologie geographischer Namen:
Μηλιαράκης TIodev ἣ λέξις Δαεκαλειό ὡς γεωγραφικὸν ὄνο-
πη Fertig: 1890 (T) p. 49.
(Der öfters für kleine Felseneilande begegnende Name
Δαςκαλειό wird als volksetymologische Umgestaltung eines
italien. di oder da scoglio erklärt.)
40 Thumb,
MnXıapaxnc Πόθεν τὸ κοινὸν τεωγραφικὸν ὄνομα Νειμπουρ-
γιό, Νειμποργιός, Ἐμποργιός, Ἐμπορεῖον. “Ecria 1891 (D
Ρ. 409 ff.
(Die Namen sind nach der Ansicht von M. Verstümme-
lungen von νειὸ μποῦργο zu mlat. burgus, haben demnach
nichts mit agr. ἐμπορεῖον zu thun — scheint mir nur theil-
weise richtig.)
Ein Artikel von Joest (in den Verhandl. der Berl.
Ges. f. Anthrop. 1890 p. 210 ff.) über die Etymologie des
Wortes Caviar veranlasst Politis in der 'Ecria (Beiblatt) vom
12. August 1890, auf die älteste Fundquelle des Wortes bei
Prodromos hinzuweisen; doch leuchtet mir Politis’ Etymolo-
gie von xaßıapı < αὐγάριον (αὐγόν — ὠόν) keineswegs ein.
Burys Notiz über νερό The Classical Review V 232
bringt nichts besonderes.
Von sehr zweifelhaftem Wert sind die etymologischen
Versuche von Boltz. So hat er seine “berühmte” Etymologie
von ἄλογον (zu ai. gavala!) in der Amsterdamer Zeitschrift
“ExXac I 1—20 durch eine ebenso abenteuerliche in derselben
Zeitschr. II 157—166 ersetzt.
Brauchbarer, wenn auch manches Verkehrte enthaltend
und von grosser Weitschweifigkeit, sind desselben Verfassers
Lexikologische Beiträge (I. über μωρέ etc. II. παλληκάριον
III. -πουλος) im III. Bd. der genannten Zeitschrift. Boltz
Verfahren ist unkritisch, weshalb seine Arbeiten nur als Samm-
lungen von Material einiges Interesse haben.
Zur rein praktischen Einführung in die neugriech.
Grammatik haben die beiden letzten Jahre einiges gebracht;
es genügt hier auf meinen Aufsatz Die neugriech. Sprache
und ihre Erlernung in der Beilage zur Allg. Zeitung No. 181
(6. August 1591) und auf meine Rezension von Sanders Gram-
matik im Literar. Merkur 1891 No. 9 p. 61 hinzuweisen. In
meinem zuerst genannten Aufsatz ging ich besonders auf die
prinzipiellen Fragen ein, welche bei der Abfassung einer
praktischen neugriechischen Grammatik in betracht gezogen
werden müssen.
Meinem Aufsatz habe ich nachzutragen bezw. hinzuzu-
fügen:
Manuel de conversation en trente langues par le Dr. Pous-
sie avec la collaboration de savants francais et Etrangers.
Paris 1890 (die neugriech. Volkssprache ist von Psichari
bearbeitet)
und die
Neugriech. Grammatik von Mitzotakis, herausgegeben vom
Seminar für orientalische Sprachen in Berlin 1891. Beides
ist mir bis jetzt nicht zugänglich gewesen.
Neugriech. Sprachforschung. 47
Eine grosse wissenschaftliche Grammatik des Vulgär-
griechischen ist bekanntlich von Foy schon seit Jahren in
Aussicht gestellt worden; ich weiss nicht, wie weit der Plan
gediehen ist. Eine historische Grammatik des Neugriechischen
mit Einschluss der wichtigsten Dialekte ist freilich bis jetzt
kaum zu erwarten, da die streng wissenschaftliche Unter-
suchung der Einzelfragen sozusagen erst seit wenigen Jahren
begonnen hat. Vorderhand ist die beste Einführung in das
Gesammtgebiet der neugriech. Sprachforschung
W. Meyers Neuausgabe von Portius Grammatica linguae
graecae vulgaris. Paris 1559 (s. auch oben).
Im grammatischen Kommentar giebt der verdiente Ro-
manist eine Zusammenstellung des bis heute Erreichten und
sucht die wichtigsten grammatischen Fragen im Zusammen-
hang aufzuhellen und zu erklären; dass manches nur als
erster Versuch betrachtet werden kann, ist nicht verwunder-
lich: das Werk von Meyer zeigt eben, wie viel noch in Neo-
graecis zu thun ist. Vgl. die eingehende Besprechung von
Hatzidakis in der ᾿Αθηνᾶ I 512—532. — Kurze Inhaltsangabe
von Flament im 2. Bd. der Ἑλλάς.
Wie weit die ganz vor kurzem erschienene Historische
Grammatik der hellenischen Sprache von H. C. Muller
wissenschaftlichen Anforderungen genügt, weiss ieh nicht, da
ich dieselbe noch nicht einsehen konnte.
An dieser Stelle ist nochmals Krumbachers Ge-
schichte der byzantinischen Literatur zu nennen: kurze Be-
trachtungen über den Charakter der byzantinischen Schrift-
und Volkssprache sind an verschiedenen Orten eingestreut;
ein besonderer Abschnitt (mit bibliographischen Nachweisen)
ist der Charakteristik des Vulgärgriechischen gewidmet (p. 385
— 9%). In den Vordergrund tritt naturgemäs die Erörterung
des litterarischen Verhältnisses zwischen Volks- und Sehrift-
sprache, d.h. der Vertretung und des Kampfes beider Sprach-
phasen in der mittelgriech. Litteratur.
Die letztgenannte Frage wurde, nur von einem andern
Standpunkt aus, von dem hervorragenden Vertreter neugriech.
Sprachforschung, dem Griechen Hatzidakis, in 2 Abhand-
lungen erörtert, nämlich:
Zur neugriech. Sprachfrage im I. Bd. der Ἑλλάς
und ausführlicher in griechischer Bearbeitung
Περὶ τοῦ yAwccıkoo ζητήματος ἐν Ἑλλάδι in der ᾿Αθηνᾶ II
169—235 (sowie separat Athen 1890, Perris. 67 8.).
Dazu meine Rezension im Literar. Centralblatt 1890
Sp. 1677.
Hatzidakis orientirt kurz und präzis über die Geschicke
der altgriechischen und die Entstehung der neugriechischen
48 Thumb,
Schriftsprache, wobei fortgesetzt auf die Entwicklung der
Volkssprache Rücksicht genommen wird. Über die sogen.
“Sprachfrage” s. unten.
Die Keime der neugriech. Sprache sind bekanntlich
schon im Altertum zu suchen; in der Koıvn finden wir die
ersten Ansätze derjenigen Entwicklung des Griechischen,
welche in konsequenter Weiterbildung zum Neugriechischen
führt. Wir haben daher in unserer Übersicht auch die Un-
tersuchungen über jene Sprachphase zu erwähnen, nämlich:
Simeox The language of the New testament. London 1889.
226 S. (mir nicht zugänglich).
Rez. von Rendall The Classical Review IV 168 f. und
im Athenaeum 1890 (letzteres mir nicht zugänglich).
Schmidt Der Attieismus. 2 Bde. Stuttgart 1887—1889,
gleichsam ein altgriech. Gegenstück zur Sprachfrage des mo-
dernen Griechenland.
Buresch yerovav und anderes Vulgärgriechisch. Rhein. Mus.
46 (1891) p. 193—232.
Hellenistische (vulgäre) Formen besonders aus der Bibel
und dem sog. “alexandrinischen” Dialekt werden unter An-
führung zahlreicher Belege erörtert; die Verhältnisse der
Bibelhandschriften in sprachlicher Beziehung finden besonders
eingehende Besprechung. Neugriechisches wird nur gestreift.
Um den Sprachcharakter des mittelalterlichen Griechisch
hat sich zwischen Hatzidakis und Psichari ein lebhafter, leider
oft persönlich geführter Streit entsponnen. Die Frage ist
deshalb wichtig, weil sie in letzter Linie auf die Methode
der mittelgr. Sprachforschung abhebt. So enthält denn auch
der Aufsatz von
Hatzidakis Zur Geschichte des Mittel- und Neugriechi-
schen, ΚΖ. XXXI 105—153})
vorwiegend Untersuchungen über die Methode, welche wir
mittelgriech. Texten gegenüber anzuwenden haben. Ueber-
zeugend weist H. den Mischeharakter der byzantinischen
Sprache nach und folgert daraus konsequent, dass eine rein
statistische Methode zu keinem Ziel führt, dass wir also qua-
litativ, nicht quantitativ die mittelalterlichen Sprachformen
abzuschätzen haben. H. sucht einige Kriterien zu gewinnen,
welche uns in byzantinischen Texten die echt volkstümlichen
Formen von toten oder monströsen Bildungen scheiden lassen.
Hinsichtlich der sprachgeschichtlichen Methode in der
Erforschung des Neugriechischen hat früher die Frage eine
grosse Rolle gespielt, in welchem innern Verhältnis die alt-
griech. Dialekte zum Neugriechischen stehen. Nachdem Ha-
1) Angezeigt in der Ἑλλάς II 103 f.
Neugriech. Sprachforschung. 49
tzidakis seinerzeit die Entstehung des Neugriechischen aus
der Κοινή klar erwiesen und damit allen “äolodorischen ”
Spekulationen ein für alle mal den Garaus gemacht hatte,
konnte doch vom neuen Standpunkt aus der Frage wiederum
näher getreten werden, ob und wie weit die altgr. Dialekte
Spuren im heutigen Griechisch oder in heutigen Dialekten
(abgesehen vom Tzakonischen) hinterlassen haben. Die Frage
ist zu bejahen, wenn auch jene Spuren verhältnismässig sehr
gering sind. Die einigermassen sicheren und bis jetzt be-
kannten dialektischen Reste sind zusammengestellt von
Hatzidakis Zur Abstammungsfrage des Neugriechischen.
Ἕ λλλάς II 1—5.
Ausser diesen prinzipiellen Erörterungen hat Hatzi-
dakis noch spezielle Gebiete der neugriech. Grammatik in
folgenden Aufsätzen untersucht:
Zum Vokalismus des Neugriechischen. KZ. XXX 357
Dazu Nachtrag ib. XXXI 155—156.
Περὶ τονικῶν weraßoAWv Ev τῇ vewrepa ἑλληνικῇ. ᾿Αθηνᾶ I
241... δῖ. 481—511.
᾿ἘΕτυμολογικαὶ εημειώςεις ib. I 287 f. (über das ı von μηγούνι
und πηρούνι), Ὁ. 332—335 (über δά, νά — ecce und Era).
In derselben Zeitschr. II 154—159 Referat eines Vor-
trags über die neugr. Zahlwörter (welche den Ur-
sprung des Neugriechischen aus der Koıvn erweisen).
II 701—X08 Referat eines Vortrag über Geschlechts-
wechsel im Neugriechischen.
Περὶ τῆς ἐτυμολογίας τοῦ μαλώνω ib. III 94.
Σημαειολογικαὶ μεταβολαί ib. III 11ῦ.
Ich verziehte darauf, an diesem Orte näher auf die Auf-
sätze des ausgezeichneten Neogräzisten einzugehen, da das
Erscheinen eines Buches nahe bevorsteht, worin Hatzidakis
seine neugriechischen Forschungen zusammenfasst. Dies wird
mir Gelegenheit geben, auf die Bedeutung jener zurückzu-
kommen. Endlich nenne ich noch:
Pavolini Über Dvandva-Komposita im Neugriechischen.
Ἑλλάς ΠΙ 290 ἢ ἢ.
398.
(Schluss folgt.)
Freiburg i. B., September 1891. Albert Thumb.
1) Miklosich Uber die Einwirkung des Türkischen auf die
Grammatik der südosteuropäischen Sprachen. Sitzungsberichte der
Wiener Ak. d. Wiss. 120. Bd. behandelt nicht das Neugriechische.
Anzeiger 1 1. 4
Bibliographie.
Vorbemerkung. Die vorliegende Bibliographie will über die
Erscheinungen des Jahres 1891 auf dem Gebiete der idg. Sprach-
wissenschaft orientieren. Sie bringt in systematischer Reihenfolge
die Titel sowohl selbständig erschienener Werke als auch von Zeit-
schriftenaufsätzen. Bei letztern sind knappe Inhaltsangaben bei-
gefügt, die sich jeder Kritik, — zustimmender wie ablehnender —
enthalten. Ausdrücke wie "der Verf. beweist” sagen also über die
Stellung, die der Referent zu den Theorien des Verfassers einnimmt,
nichts aus. Da die selbständigen Publikationen in der Regel im
kritischen Teile des Anzeigers zur Besprechung gelangen sollen,
wird bei ihnen von einer Inhaltsangabe abgesehn.
Absolute Vollständigkeit der Aufzählung ist nicht beabsichtigt.
Sie ist schon um deswillen unmöglich, weil strenggenommen sämt-
liche Veröffentlichungen, welche Philologie und Archäologie der ein-
zelnen idg. Völker betreffen, heranzuziehen wären. So bleibt denn
die Auswahl vielfach eine subjektive und es lässt sich über Auf-
nahme oder Auslassung mancher Erscheinungen rechten. Doch
hoffe ich, dass mit der Zeit sich eine festere Norm herausbilden
wird. Bemerkt sei nur, dass Textpublikationen sowie Untersuchun-
gen, die sich ausschliesslich mit der Sprache eines einzelnen Denk-
mals oder Schriftstellers befassen, in der Regel ausgeschlossen sind.
Ausnahmen, wie sie z. B. bei Homer gemacht sind, bedürfen kei-
ner Rechtfertigung.
Die Anordnung begreift sich ohne weitere Erklärung. Den
Anfang machen allgemeine Werke. Daran schliessen sich die gram-
matischen Untersuchungen in der üblichen Reihenfolge (Lautlehre,
Stammbildung, Flexion, Syntax) und zwar zuerst die das ganze
Sprachgebiet pehandelnden, hierauf diejenigen, welche sich auf be-
stimmte Dialekte beschränken. Dann folgt das zur Wortforschung
(Etymologie) gehörige. Hervorgehoben sei, dass alle Aufsätze, die
Etymologien aus verschiedenen Sprachgebieten bringen, in der Ab-
teilung für allgemeine ide. Sprachwissenschaft ihre Stelle gefunden
haben. Den Schluss bilden Schriften zur Altertumskunde, vorab
Mythologie. Hier war naturgemäss am meisten Beschränkung ge-
boten.
Die Abkürzungen der Titel sind die gebräuchlichen.
Dass diesmal an Lücken und Ungleichheiten kein Mangel ist,
verhehle ich mir nicht; man möge sie dem ersten Versuche zu Gute
halten. Mit der Zeit werden sie sich naturgemäss verlieren. Vor
allen Dingen muss ich bitten, das in der letzten Rubrik gebotene
nur als Abschlagzahlung zu betrachten; erst im nächsten Hefte wird
es möglich sein die baltisch -slavische Grammatik systematisch zu
bearbeiten. Überhaupt sollen alle sich ergebenden Lücken nach
Möglichkeit im 2. Hefte des Anzeigers ausgefüllt werden.
Bibliographie. 51
Bei der Zusammenstellung der Bibliographie waren mir fol-
gende Herrn behülflich: Hr. Privatdozent Dr. H. Hirt - Leipzig
(Arisch), Hr. Dr. Richard Meister-Leipzig (agriech. Dialekte), Hr.
Dr. R. v. Planta-Fürstenau (Italisch), Hr. Dr. This-Strassburg (ro-
manische Grammatik), Hr. Dr. Richard Schmidt-Leipzig (Keltisch).
Ausserdem haben übernommen: die Zusammenstellung der ameri-
kanischen Erscheinungen Hr. Prof. Dr. W. Jackson am Columbia-
College in New-York, der englischen Hr. P. Giles, Dozent an der
Univ. Cambridge, der französischen und belgischen Hr. Prof. Dr.
Leon Parmentier an der Univ. Gent, der dänischen, schwedischen
und norwegischen die Herrn Dr. Andersen in Kopenhagen und Dr.
G. Morgenstern in Leipzig.
Ein Verzeichnis der wichtigeren Rezensionen wird im zwei-
ten Hefte des Anzeigers erscheinen.
Wilhelm Streitberg.
I. Aligemeine indogerm. Sprachwissenschaft.
Krause Zur Sprachphilosophie. Aus dem handschriftl. Nach-
lass des Verf. herausgeg. von A. Wünsche. Leipzig
Schulze, X u. 168 5. gr. 8°.
von der Gabelentz Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgabe,
Methode u. bisherigen Ergebnisse. Leipzig Weigel Nachf.
RX U. 5028. gr. 80.
Strong, Logeman u. Wheeler Introduction to the study of
the history of language. London Longmans, Green a. Co.
Xu.4558. 8°.
Ljungstedt Spräket, d. lif ock ursprung. Stockholm (— Stu-
dentföreningen Verdandis smäskrifter nr. 30).
Jespersen Fremskridt i Sproget. Studier fra Sprog- og
Oldtidsforskning Heft 4. Kbhn.
Diese Studie bildet die Einleitung zu des Verf. Buch: Studier
over engelske Kasus.
Deville Notes sur le developpement du langage chez les
enfants. Rev. ling. XXIV 10—45. 128—44.
Rousselot Les modifications phonetiques du langage, etudides
dans le patois d’une famille de Cellefrouin (Charente) Revue
des patois gallo-romanes. No. 14 u. 15. 5. 69—208.
Von prinzipieller Bedeutung, obwohl nur die Phonetik der
Mundart seiner eignen Familie betrachtet wird. Inhalt: Analyse
physiologique des sons de mon patois. Leurs modifications incon-
scientes. Mesure du travail qu’en exige le production.
Passy Etude sur les changements phonetiques et leurs carac-
teres generaux. Paris Firmin-Didot. 254 5. 8°.
Lloyd Speech sounds: their nature and causation. Phonet.
Studien IV u. V1.
52 Bibliographie.
Rolin Essai de grammaire phoneötique. Phonet. Stud. IV u. V 1.
Luick Unechte u. steigende Diphthonge. PBrB. XVI 335 —42.
Scerbo Saggi glottologiei. Florenz Le Monnier Nachf. 61 8.
Toy: ὃ.
Löwe R. Die Ausnahmslosigkeit sämtlicher Sprachneuerungen.
Zeitschr. ἃ. Vereins f. Volksk. 1 Νο. 1.
Noreen Über Sprachrichtigkeit. IF. I 95—157.
Abel Ο. Offener Brief an Prof. Dr. Gustav Meyer in Sachen
der ägyptisch-indogerm. Sprachverwandtschaft. Leipzig
Friedrich. gr. 8°.
Abel Nachtrag zum offenen Brief an Prof. Dr. Gustav Meyer
in Sachen der ägyptisch-indogerm. Sprachverwandtschaft.
Leipzig Friedrich. 26 S. gr. 8°.
Steyrer Ursprung der Sprache der Arier. Wien Hölder in
Komm. V ul 198. 07.82
Brugmann Zur Frage nach der Entstehung des gramm. Ge-
schlechts. Aus Anlass von Roethes Vorwort zum Neudruck
des. 5. Bandes der Grimmschen Grammatik. PBrB. XV
523—81.
Verteidigung seiner Theorie in Techmers Intern. Zeitschr. IV
101—9.
Roethe Noch einmal das indogermanische Genus. AfdA.
XVII 181—84.
Gegen Brugmanns vorgenannten Aufsatz.
Michels V. Zur Beurteilung von Jacob Grimms Ansicht über
das grammatische Geschlecht. Germania XXXVI 121—56.
Gegen Roethes Vorwort.
de la Grasserie De la categorie des modes. Muscon X 174— 84.
Bloomfield On adaptation of suffixes in congenerie celasses
of substantives. Am. Journ. Phil. XII 1—50. Auch im
Sonderdruck erschienen. Boston 1891.
1. The Greek nom. πούς. 2. Designation of parts of the body
by heteroclitie stems in r and n. 3. Design. of parts of the body
by other heteroclitice deelensions with n-stems in the obl. casus. 4.
Design. of p. of the bodie in Armenian. 5. The I.E word for “"mem-
ber, limb’. 6. Goth. fötus and tunbus. 7. Excursus on words for
“right” and left’. 8. Assimilation of opposites and assim. of congeners.
9. Design. of birds, animals and plants in Greek. 10. Design. of
divisions of time. 11. Adaptation in other substantival categories.
Bartholomae Studien zur idg. Sprachgeschichte 11. 1. idg.
sk u. skh 2. ai. äsis —= lat. eräs. Halle Niemeyer. VI u.
262.8. 82.
Regnaud Etudes phonetiques et morphologiques dans le do-
maine des "langues indo - europecennes. Rev. ling. XXIV
166—77.
25%
Bibliographie. 53
1. Über Komparativ u. Superlativ. 2. Über die ai. Linguale.
3. Gebrochene Reduplikation im Griech.
Kretschmer P. Indog. Akzent- u. Lautstudien. KZ. XXXI
325—012.
I. Progressive Akzentwirkung im Idg. Dass Schwund-
stufe auch nach dem Hauptton erscheint, beweisen 1. Nom. Akk.
Sg. der Stämme auf kurzes und langes ? und u. 9. nt-Stämme. 8.
n-Ste. 4. r-Ste. 5. Komparative. 0. Neutra auf ἡ, 7. Komposita. 8.
Gen. Sg. 9. Vok. Sg. 10. Zahlwort °10°. 11. Opt. Präs. Akt. ἃ. the-
mat. Verba. 12. Enklitika. — 11. Zum idg. Vokalismus. 1. Ab-
laut e/o (nicht durch die Akzentstellung veranlasst). 2. Vokalab-
stufung in unbetonten Silben: ı für e, v für 0; ? @ aus Kontraktion
entstanden; Aa pa = unbetonte, oA ap betonte Lig. son.; Ab-
Sue zweisilbieer Wurzeln. — III. Zum idg. Konsonantismus.
1 Anlautende δ erbindungen von Labialen und Gutturalen mit Den-
talen. 2. Ide. u- Epenthese ( (dafür). Exkurs über öu im Latein:
dass. ist durch ö vertreten. — Nachträge.
Hirt Vom schleifenden u. gestossenen Ton in den idg.
Sprachen.I.., IF. I
Regnaud Öbservations eritiques sur
Saussure. Gray Bouffant freres. 29
Bartholomae Armen. a > griech. o u. die idg. Vokalreihen
BB. XVII 91—133.
Weist nach, dass einem europ. o im Armen. neben o auch a
entspricht und folgert daraus, dass im Idg. neben ὁ ein @ bestan-
den habe. Auf Grund hiervon wird folg. Ablautschema entworfen:
systeme de M. de
ano
Hochstufe Tiefstufe Dehnstufe
ler: 0 a. at
ΟΣ δ -- 0 De: de “ἢ
9. ἃ —=0 De ΩΣ --Ξ ἢ
Immer — ὁ 9 ---. δ. --ὀ ὃ
2. a — Ὁ 9 —. de — 6
m δ᾽ -- ἢ). .Ξ ἢ
Hierbei ist mit — langer, mit A überlanger Vokal bezeichnet.
Ein Anhang (S. 132 f.) behandelt den Ablaut zweisilbiger Wurzeln.
Bartholomae Nachträgliches zu BB. XV 1—43 188- 247 u.
xvm 91—133. BB. XVII 339—49.
Bemerkungen zum vorigen Aufsatz u. zur Partizipialflexion.
Streitberg Betonte Nasalis sonans. IF. I 83 —9.
Plaistowe Notes on sonant καὶ (3). Class. Rev. V 5. 253
Fügt zu Thurnevsens Beispielen (KZ. XXX 351 ff.) hinzu:
11, κρίβανος aus *krzb-. 2. a aus skr- z-bho-. 3. τάρτχος. 4. ppiE,
πέφρικα. ὃ. χιλός. 6. βδέω. 7. βριθύς. 8. dic. 9. Inst. Pl. der n-ec-Ste.
Schrijnen Etude sur 1. phenomene de 1’s mobile. Louvain
istası 95 8. 8°.
Regnaud L’elargissement des formes indo-europ6ennes sur les
finales rhotacisees. Rev. ling. XXIV 49—56.
Behandelt einen “rhotacisme proethnique’ durch den z. B.
m Sg. der idg. Neutra wie ai. üdhar auf -nts zurückgeführt
wird.
54 Bibliographie.
Brugmann Lat. velömus got. wileima u. ags. eard. IF. 181.
Brugmann Ftymologisches. IF. I 171—177.
1. ai. ide. 2. ξένεος. 3. ἤνεικα. 4. operio aperio. 5. gävisus. 6.
ir. fatiscim. 7. ahd. serintu. 8. lit. spruüstu. 9. abg. set.
Fick Etymologien BB. XVII 319—24.
1. inuı. 2. cupio. 8. ςτύππη: 4. baculum. 5. graculus. 6. Yünc.
7. bufo. 8. PAevvo. 9. germ. gerdan. 10. got. gelda. 11. xaßöc. 12. Ze-
μέλη. 13. τύφος. 14. Beuepöc. 15. φερέεβιος. 16. γνωτός.
Fröhde Griech. u. lat. Etymologien BB. XVII 305—19.
1. äpaßoc. 2. ἕρμα. ὃ. icröc. 4. κρήδεμνον. 5. ἔμπαιος. 6. παλλακίς.
7. πένθος. 8. «καπέρδα. ὃ. πιφαύςκιυ. 10. φλήναφος. 11. ppuäccouci. 12.
arbutus. 18. augur. 14. balbus. 15. favonius. 16. foedus. 11. juba.
18. Iitus. 19. manticulare. 20. mollis. 21. pecten. 22. oportet. 23. pro-
cer. 24. concilium. 25. corrigia. 26. rumex. 27T. saepe. 28. sucula. 29.
termes. 30. vägto.
Pavot Etymologies dites inconnues. Solution des problemes.
Paris Leroux VI u. 3138. 8°.
Solmsen Das Pronomen enos onos in den idg. Sprachen.
ΚΖ. XXXI 472—79.
Erhalten in Ai. (anena), Lat. (enim), Griech. (ἔνη “der dritte
Tag jener T.’ *(e)kei-evoc, ἕτει-ενος; ὁ δεῖνα, entstanden aus dem
Neutr. Plur. τάδε-: ἔνα "dies u. jenes’), Germ. (jener Kontamination
aus 716- u. ene-).
Strachan Etymologies. BB. XVII 296
1. Got. hatis. "2. ir. tuttim. 3. ar. cned.. A. air bree., ὧς ὍΝ:
magu. 6. ir. feith. 1. air. scitt. 8. air. ross. 9. air. loon. 10. air. grinne.
11. ir. erdach. 12. air. telach. 13. air. sned. 14. 'cy. lUlith. 15. air. dbren.
16. ey. rhamu. 17. ir. serb. 18. cy. lludded. 19. ey. migen. 20. air.
Scen.
Sütterlin Etymologien. BB. XVII 162—66.
1. delictus. 2. ai. mrgt. 3. φολκός. 4. nhd. Schuppen. 5. nhd.
Flocke. 6. ags. dengel. 7. subuleus. ὃ. τύκος.
Zimmermann Etymologische Versuche. Wochenschr. f. klass.
Phil. VIII 1102.711538 8:
1. sepelio. 2. culpa. 3. sospes. 4. γέντο “fasste”.
Zimmermann Etymologische Versuche. Posener Gymn. Progr.
1591.
Zubaty Etymologien. BB. XVII 324—28.
1. lett. dragaju. 2. lit. draikas. 3. slav. leza. 4. ai. piccha. ὃ.
lit. stägstu. 6. lit. szuezias. 1. szaszas. 8. lett. tels. 9. slav. tiche. 10.
ai. hedati. 11. lit. Zastis. 12. asl. Zelov». 13. lett. fmaidfet.
de la Grasserie Essai de rythmique eomparee. Muscon X
299 — 330.
Unvollendet.
Lefmann Franz Bopp, sein Leben und seine Wissenschaft.
I. Teil. Berlin Georg Reimer. 176 u. 168* 8. gr. 8°.
Schrader Ὁ. Vietor Hehn. Ein Bild seines Lebens und
seiner Werke. Sonderabdruck aus Iwan v. Müllers Bio-
02.
«ΦΩ͂
Bibliographie. 55
graphischem Jahrbuch für Altertumskunde. Berlin Calvary
mr Komp. 168., 8°.
II. Indog. Altertumskunde und Mythologie.
Holstmann Studien zur vorgeschichtlichen Archäologie. Mit
einem Vorwort von L. Lindenschmit. Braunschweig,
Vieweg u. Sohn.
Hoernes Urgeschichte des Menschen. Nach dem heutigen
Stande der Wissenschaft. 2. Aufl. Wien Hartleben.
Morgan Die Urgesellschaft. Untersuchungen über den Fort-
schritt der Menschheit aus der Wildheit durch die Barba-
rei zur Civilisation, aus dem Engl. übertr. v. W. Eichhoff
unter Mitwirkung von K. Kautsky. Stuttgart Dietz. XVI
WSAS0 5: ΡῈ. ὃ.
Brunnhofer Kulturwandel u. Völkerverkehr. Leipzig Fried-
ΤΙ AIH u. 2808. er 8°.
Letourneau L’evolution politigque dans les diverses races
humaines. Paris Leerosnier et Babe XXIV u. 56538. 8°.
Letourneau L’evolution du mariage et de la famille. Paris
Delahaye et Leerosnier. 8°.
de Mortillet Origines de la chasse, de la peche et de l’agri-
eulture I. Chasse, p@che, domestication. Paris Lecrosnier
et Babe. XXIV u. 516 5. 8° (avec 148 fig.)
Rörig Die Jagd in der Urzeit in Verbindung mit der Ent-
wickelung der Gesellschaft in Zentraleuropa. Leipzig Eli-
scher Nachf. 101 8. gr. 8°.
Penka Die Entstehung der arischen Rasse. Ausland LXIV
Not. 89.
Resume seiner frübern Untersuchungen.
Müller Fr. Johannes Schmidt über die Urheimat der Indo-
germanen. Ausland LXIV No. 29.
Gegen Schmidts Schrift “Die Urheimat der Indogermanen und
das europäische Zahlsystem’.
Schmidt J. Noch einmal die Urheimat der Indogermanen.
Ausland LXIV No. 27.
Entgegnung auf Müllers Einwände.
Müller Fr. Noch einmal die Urheimat der Indogermanen.
Ausland LXIV No. 31.
Forchhammer Prolegomena zur Mythologie als Wissenschaft
u. Lexikon der Mythensprache. Kiel Häseler. IV τὶ. 129 85. 89,
Andree R. Die Flutsagen, ethnographisch betrachtet. Braun-
schweig Vieweg u. Sohn. XI u. 152 S. 8° (mit einer
Tafel).
90 Bibliographie.
v. Andrian Der Höhenkultus asiatischer und europäischer
Völker. Wien Konegen. gr. 8°.
Beer R. Heilige Höhen der alten Griechen u. Römer. Eine
Ergänzung zu Ferd. Frh. v. Andrians 'Höhenkultus’. Wien
Konegen X u. 868. gr 8°.
Böttger H. Sonnenkult der Indogermanen (Indoeuropäer),
insbesondere der Indoteutonen, aus 125 hebr., griech., lat.
u. anord. Original- u. 278 sonstigen Quellen geschöpft u.
erwiesen. Breslau Freund. XXXIH u. 101 5. gr. 8°.
Krause E. (Carus Sterne), Tuisko-Land, der arischen Stämme
u. Götter Urheimat. Erläuterungen zum Sagenschatze der
Veden, Edda, Ilias u. Odyssee. Glogau Fleming. XIIu. 624 5.
ΟὙ ΘΠ 16 Abb ἃ 1 Karte):
Vodskov Sjxledyrkelse og Naturdyrkelse. DBidrag til Be-
stemmelsen af den mytologiske Metode. I. B. Rig-Veda og
Edda eller den komparative Mytologi. 1—2 Hf. Kbhn.
1890,82.
Veckenstedt Die mythischen Könige der arischen Volkshel-
densage u Dichtung. Zeitschr. f. Volkskunde 1891. No. ὃ. 4.
Wazler Die Eiche in alter und neuer Zeit. Eine mytholo-
gisch-kulturhistorische Studie. II. (= Berliner Studien zur
Klass. Philol. u. Archäol. XIII 2). Berlin Calvary u. Comp.
Ir us 128 5982.
III. Arisch.
A. Indo-iranisch.
Bartholomae Arica I. IF. I 178—94.
B. Indisch.
Neisser Vorvedisches im Veda BB. XVII 244—56.
Über Umdeutung vorvedischen Sprachgutes wie z. B. öman-
Hilfe’ für vorved. öman “Kälte”.
Bloomfield Contributions to the interpretation of the Veda.
Am. Journ. Phil. XI 319—56.
Müller W. u. Knauer Th. Handbuch für das Studium der
Sanskrit-Grammatik, Texte u. Wörterbuch (russ.). St. Peters-
burg... 124 u. 1578. 8%
Erste grössere Sanskritgramm. in russ. Sprache von Müller
(ord. Prof. in Moskau); Texte u. Wtb. bearbeitet v. Knauer (ord.
Prof. in Kiew).
Fick R. Praktische Grammatik der Sanskritsprache für den
Selbstunterrieht. Mit Übungsbeispielen, Lesestücken u. Glos-
saren. Wien Hartleben. VIII u. 184 5. 8°. (= Kunst der
Polyglottie Teil XXXIL.)
δὲ
Bibliographie. 57
Franke Ὁ. Was ist Sanskrit? BB. XVII 54—%.
Geht von der Bhäasäa aus “die an sich der Grammatik nicht
bedürfende d. ἢ. lebende Sprache der Gebildeten von ganz Arya-
varta” ist. Ursprüngliche Heimat vielleicht im Lande der Kuru
u. Panecala. Panini lehrt kein individuelles organ. Idiom, sondern
streut zwischen die Regeln, die einer lebenden Sprache entnommen
sind, solche ein, die z. T. totes linguistisches Material enthalten.
In diesem, aber nur in diesem Sinne ist seine Sprache mit der
Bhasa nicht identisch.
Liebich B. Panini. Ein Beitrag zur Kenntnis der ind. Litte-
ratur u. Grammatik. Leipzig Haessel. 163 8. 8°.
Capeller A Sanskrit-English dietionary. Based upon the St.
Petersburg lexicons. London. VII u. 6738. Roy. 8°.
Franke Über neutrale Funktion zweier Feminina im Päli.
BE, XVII 256 f.
sakkö u. labbha mit Inf. in unpersönlichen Sätzen.
C. Iranisch.
πα Zu den apers. Keilinsehriften. ΚΖ. XXXI
123—53.
1. NRa) 56—60. ὃ. adakaiy. 3. yava. 4. ana Parsäa D 14. 5.
Citra(n)tayma. 6. Zur Konstruktion von P 16—27. T. nama nama.
Kirste Die ältesten Zendalphabete. Wiener morgenl. Zeitschr.
v9—24.
Kanga A practical grammar of the Avesta language compa-
red with Sanscrit. With a chapter on syntax and a chapter
on the Gätha dialect. Bombay. 3128. 8°.
Jackson The genet. sing. of wnouns in the Avesta and its
relation to the question of Avestan accent. Transact. Am.
bl Assoe. XXI S. XII f.
Jackson The gen. sg. of w-nouns in the Avesta. A possible
question of accent. BB. XVII 146—22.
Gibt zuerst das Material und sucht nachzuweisen, dass Gen.
-a08$ bei akzentuierter, us bei nicht akzentuierter Ultima eintritt.
Horn Genetive auf -αὐ im Avesta. BB. XVII 152—55.
Genetivisches -ahya ist zu -a? kontrahiert und dem Dativaus-
gang gleichgemacht worden.
Caland Zur Syntax der Pronomina im Avesta. Amsterdam
Joh. Müller. (= Letterk. Verh. der konikl. Akademie
Deel XX) 68 u. IV S. 4°.
Jackson Avestan etymologies.. Am. Journ. Phil. XII 67—-"0.
1. vörzdayant- vöizdat.. 2. zölsnu-.
Geldner Avesta mra — ved. mla “gerben‘. BB. XVII 349.
Bang W. Iranica. BB. XVII 267 —11.
Etymologie von “Avesta’. Interpretationen.
Wilhelm Zum XII fargard des Vendidäd. BB. XVII 155
58.
58 Bibliographie.
Horn Beiträge zur Erklärung des Pehlewi-vendidad I. BB.
XVII 257—67.
IV. Armenisch.
Bugge Beiträge zur etymol. Erläuterung der arm. Sprache.
ΚΖ. XXXI 1—8%.
Behandelt die Etymologie der Wörter azazem, alaunt, andra-
nik, ankanim, anut, anur, ara), ard, ardevk, bay, bar, bein, beran,
bun, gart, ge)j, gom, ir, luec, lur, zart, yorisy, camem, cunkk, kir,
kork, haziv, haka-, hambak, hambav, hamr, hasanem, haravunk,
hav, haci, πολι, (yele), hirand, hoviv, ju, mamur, mair, manr,
marmajem, me), mer), mimram, mur, mut, muy, mun, munj, yag,
yar, yolov, yordor, yaud, orm, urju. car, parar, sal, samik, ser,
sut, stanam, ste,canem, vandem, vrnjem, tal, tasn, pul, aud, aurhnem.
Ferner: arm. o aus au. b im In- und Auslaut. Schwund des idg.
g im Anlaut. Anlaut g = idg.g. Pr os g? z aus ee dh. Anl. t aus
pt. e in Lehnwörtern er: A. Anl. x ausudg.”s!.c aus szeund €
aus sth. c aus t. Anl. arm. k idg. k. ee ὌΝ: eines vorarm. k (ᾳ).
Anl. k aus ide. w. Anl. $ aus idg skh oder sk. Idg. p im Arm.
Anl. s aus sp. Schwund des anl. idg. Ἵ; Vertretung des inl. w im
Arm. Anl. 0 1de) 20 71η}- 9 5 ide. t. Schwund des idg. t nach
u. Arm. Ὁ westeurop. sk. : aus ide. li, Im, Ip, Iph. Die Lokativ-
endung -0j. Die Ablativendung -&. Die Endungen - -?n im Aor.
Kausative auf -ucanem. Sufix "ali. Substantive auf -est. Suflix -1.
Suffix -@m. Die Suffixe -uf -oit. Suffix -ut. “AAvuc, ein Beitr. zur arm.
Sprachgeschichte. Lehnwörter aus nichtidg. kaukas. Sprachen:
gini, ezn, erkat, erkain, erkar,lep, yor, cov, kot, koy, kortun, magil,
mak, mzech, mocak, molez, o)n, san, sosinj, kac, kt.
Y. Griechisch.
Allinson On paroxytone accent in tribrach and dactylie en-
dings. Am. Journ. Phil. XII 39—67.
Gegen Wheelers Gesetz, dass Worte von daktyl. Ausgang,
die urspr. Oxytona waren, zu Paroxytona werden.
Hatzidakis Περὶ wılwcewc τοῦ ἄρθρου. ᾿Αθηνᾶ II 380.
Gegen Thumb ‘Spiritus asper’ S. 18 wird für ὁ statt ὁ die
Erklärung aufgestellt, dass der Verlust der Aspiration auf der Wir-
kung des Hauchdissimilationsgesetzes beruhe und von Fällen wie
ὁ θεός seinen Ausgang genommen habe.
Solmsen Zum griech. Vokalkürzungsgesetz. BB. XVII 329— 39.
1. Abfall des auslautenden rt im absoluten Auslaut. 2. Ver-
kürzung langer Vokale vor -vr im Inlaut. 3. Ubertragung des
t-Schwundes in den Inlaut des Satzes; daher das Nebeneinander
der Satzdoppelformen ἔγνων u. Eyvov, φέρων τι. "pepov.
Pascal Di alcuni fenomeni dell’ © Greeo-latino. Rivista di
fill. XX 18-49.
l. Intervokal 2. 2. Die gräko-ital. Verbreitung des Suffixes -ezo.
Tserepes Ἐκ τῆς ἑλληνικῆς γραμματικῆς. ᾿Αθηνᾶ III 129-—74.
Über vc us u. cv cu.
Prellwitz du zu uv. BB. XVII 171 £.
σι
Bibliographie. 9
Die Formen ’Ayauecuwv u. Mecuwv (Vaseninschr.) werden von
-ueduwv Zu uedoucı sinne’ abgeleitet. Hieraus einerseits cu, ander-
seits durch Metathese du zu ud und hieraus uv wie att. uecöuvn
ion. uecödun.
Dyroff Zum Pronomen reflexivum. ΚΖ. XXXIL 87—109.
Gegen Bekkers Änderung von &öc in zedc: Nachweis, dass
kein x im Anlaut existiert hat. Ausserdem wird das Verhältnis
von ἑαυτοῦ U. αὑτοῦ erörtert.
Weiss P. Grundzüge des griech. u. lat. Verbums. Regens-
burg Habbel. 238. gr. 8°.
Sütterlin Zur Geschichte der Verba denominativa im Alt-
griechischen. 1. Die Verba auf -ἄω -έω -όω. Strassburg
Trübner. 1288. 8°.
Kallenberg Der Artikel bei Namen von Ländern, Städten u.
Meeren in der griech. Prosa. Philologus LXIX 515—-47.
I. Ländernamen. 1. -ac -adoc. 2. -ic -Idoc. 3. -ıkn. 4. -Atıc (-Nric)
εἴτις -WTIc. 5. -Avn -ἥνη -tvn. 6. -ἴα. 7. "Acta, Εὐρώπη, Λιβύη. --- I.
Städtenamen. — III. Namen von Meeren u. Meeresteilen.
Kallenberg Studien über den griech. Artikel 11. Berlin
Gärtner. 268. gr. 8°.
Gildersleeve On the article with propernames. Am. Journ.
Phil. XI No. 4.
Hasse Artikel u. Pronomen des Dualis beim Femininum im
att. Dialekt. Fleckeisens Jahrb. CXLIII 416—18.
Grosse Beiträge zur Syntax des griechischen Mediums u.
Passivums. Fortsetzung. Leipzig Fock. 228. gr. 4°.
Tarbell The deliberative subjonetive in relative classes in
Greek. Class. Rev. V S. 302.
Wagner Der Gebrauch des imperativischen Infinitivs im
Griechischen. Schweriner Gymn.-Progr. 1891.
Tarbell On the infinitiv after expressions of fearing in Greek.
Am. Journ. Phil. XII 70—12.
Über Wendungen wie δέδοικα ἐλθεῖν im Sinne von δέδοικα μὴ
ἔλθω.
Gildersleeve The construction of τυγχάνω. Am. Journ. Phil.
XI .76—79.
Zu R. J. Wheeler Partieipial construction with τυγχάνω and
κυρεῖν in “Havard studies’ Boston 1891.
Humphreys On some uses of the aorist participle. Class.
Rev. VS.3 ft. ξ
Vgl. Whitelaw ebd. S. 248 u. Frank Carter ebd. 5. 259—53.
Audouin Etude sommaire des dialeetes Grees litteraires
(autres que l’attique). Avec une preface par OÖ. Riemann.
Paris Klincksieck. 3048. kl. 8°. |
Prellwitz Miszellen zu den griech. Dialekten. BB. XVII
169— 11.
60 Bibliographie.
1. Elisch μαςτράαι. 2. argiv. ἸΤολύκλετος. 8, aleat. ΠΛΟΣ.
Monro A grammar of the Homerie dialect. 2. ed. Oxford
Clarendon Press XXIV u. 436 8. 8°.
Gehring Index Homerieus. Leipzig Teubner. IV u. 874 Sp.
Lex. 8°.
Krügener Explieation linguistique d’Homere. Rev. de l’in-
struction publ. en Belgique. XXXIV 84—93.
Für Anfänger.
van Leeuwen Homerica. Mnemosyne XIX 129—60.
Fortsetzung von XVIII 299 ff. Inhalt: de littera digamma.
Ficks Behandlung des - wird als inkonsequent verworfen, ebenso
das Hartelsche Gesetz. In unserm Homertext ist anlautendes -
herzustellen.
Platt The Augment in Homer. Journ. Phil. (1891) No. 38.
Hentze Parataxis bei Homer. III. Teil. Göttingen, Vanden-
hoeck u. Ruprecht. 188. gr. 4°.
Schmidt Christensen, Om den antagne homeriske Conjunction
ὅ τε, dens formodede Betydingsudvikling og dens Forhold
til Tidseonjuetionen ὅτε. Nord. Tidskr. f. ΕἾ]. X 90—159.
Die Konjunktionen ὅ u. ὅτι sind neutrale Akk. Sg. von Re-
lativen, syntakt. als Inhaltsakk. zu fassen. Eig. Bedeutung "dass’.
Die älteste uns erreichbare Bed. von öre ist temporal “wann, als’.
Kein Grund liegt vor, eine Konjunktion ὅτε oder ὅ τε —= Akk.
Sg. N. von ὅετε mit gleicher Bedeutung anzunehmen.
Fick Die Sprachform der lesb. Lyrik. BB. XVII 177—213.
Konsequente Durchführung der vom äol. Dialekt geforderten
Schreibung bei Alkaios u. Sappho. Gegen Beeinflussung durch
fremde Sprachform u. geiehrte Neubildung.
Christ Zum Dialekte Pindars. München. 628. 8°.
Boisacq Les dialectes doriens. Phonetique et morphologie.
Paris Thorin et Liege Vaillant-Carmanne. 2208. 8°.
Blass Ein neues Epigramm aus Kreta. Fleckeisens Jahrb.
18912 521 ΤΣ
Sprachliche Betrachtung. Interessant πι-δίκνυτι att. ἐπιδεί-
κνυτι. Konstatiert eine Art Lautverschiebung im jüngern Kretisch.
Baunack Th. Inschriften aus dem kret. Asklepieion. Philo-
logus NF. III S. 577.
Weihinschr. in 6 Dist. u. 2 Bruchstücke eines Tempelgesetzes.
3jemerkenswert: παρλελόνβηι att. mapeıAnpnı (kret. λέλονβα : Aau-
βάνω att. λέλογχα : λαγχάνω) ψάφιμμα -- att. ψήφιεμα.
Blinkenberg Eretriske Gravskrifter. Avee um resume en fran-
cais (= Videnskabernes Selskabs Skrifter. 6. Ra&kke, hist.-
phil. Afd. II 2) Kbhn. 4°.
Breal A propos de l’inseription de Lemnos. M&m. soc. ling.
ΝΠ 9.9.
Die Sprache der von Cousin u. Durbach entdeckten Inschr.
ist vielleicht ein Denkmal der homer. Zivriec ἀγριόφωνοι.
BR νν
Bibliographie. 61
Fick Zu den argivischen Inschriften von W. Prellwitz. BB.
XVII 174 ff.
No. 3345 Εὔκλιππος Vollname zu den Kurznamen Εὔκλων u.
Εὔκλω. No. 3352 ’Apo[n]vav zu schreiben, ’Apön Ort in Achaia. No. 3286
2. 15 [ἐκ Kupelteäv zu lesen. Z. 9 [ex Ke]Aaidac. Mit den Κέλαιθοι
seien die Αἴθικες ident., da Αἴθιξ Kurzform dazu sei. No. 3398 ’Ac-
καλᾶ zu lesen, mit Hilfsvokal für ᾽᾿Αςκλο.
Meister R. Zur griechischen Epigraphik und Grammatik. Ber.
Den siuGes. ἢ. Wiss. 1891.85. 1 ἢ
1. Zu den neu gefundenen Inschriften aus dem
Kabirion bei Theben (Mitt. d. Inst. XV 379 ff). Von sprach-
lichem Interesse ist das auf einer dieser Inschriften auftauchende
Wort &vkovıcrac, als Bezeichnung des "im Sande’ des Ringplatzes
sich übenden “Athleten’, vgl. κονίςαςεθαι " ἀγωείναεθαι Hesych, kovin '
μάχη Hesych, xövıcaı “ γυμνάεθητι Suid. u. A., xovicrpa ᾿ παλαίετρα
Suid. u. A., &ykovioraı "kämpfe auf dem Ringplatze’ u. s. w. Des-
gleichen rpemedditac Wechsler’: rpemedda war schon aus der Ni-
haretainschrift bekannt (Philol. NF. II 412 zu Z. 139); es bedeutet
zunächst den “dreifüssigen’ Tisch; dass die Böoter den Tisch “Drei-
fuss° nannten, wissen wir aus Hesych: τρίπεζαν τὴν τράπεζαν
Βοιωτοί: als “Dreifüsse’ werden auch bei Homer Il. 18, 373 ff. die
Tische der Götter mit dem Worte Tpikodec bezeichnet. — Auf einer
Vasenscherbe, die eine Weihung an den Sohn des Kabiren enthält,
steht für παιδί geschrieben: FAEIAI, d. 1. malrjidı, ein interessanter
inschriftlicher Beleg für das inlautende Digamma des Stammes
ποδὸς “.
2. Uber Bedeutung und Bildung des Wortes ἀρετα-
λόγος. Das Wort bedeutet soviel als ἡδυλόγος, es bezeichnet einen
Mann, der “"Gefälliges, Hübsches erzählt’. dperöc ist eine mehrfach
nachweisbare Nebenlorm von äpecröc, das -a- in der Mitte von äpe-
ταλόγος ist seiner Natur nach kurz, da die Form ἀρεταλόγος nicht
etwa “dorisch’, sondern echt attisch ist, vergleichbar den attischen
Wörtern doAıyadpöuoc, ξεναλόγος u.a. Im Hexameter wurde das -a-
dieser Wörter aus metrischem Grunde zu -a- gedehnt. Dagegen
scheinen in den ersten Gliedern der Komposita vom Schlage θανα-
τηφόρος (dor. θαναταφόρος) Bildungen vorzuliegen, die von allen
Neutren Plur. der -o-Stämme auf -4- ihren Ursprung genommen
haben.
Meister R. Herkunft und Dialekt des griechischen Teiles
der Bevölkerung von Eryx und Segesta. Philologus NF. III
(1891) 5. 607 ft.
Auf Münzen von Eryx und Segesta aus dem 5. Jahrh. v. Chr.
ne die Legenden SEFESTAZIB, ZETEZTAZIBEMI, ERVKAZIB
ἃ. 1. Σεγεεταζίη, Σεγεςταξζίη, εἰμί, Ἐρυκαζίη, die dem ionischen Dia-
arte entstammen, wie das -n der Endung beweist. Das Suffix, mit
dem die Nominalformen gebildet sind, entspricht dem äolischen
τάδιος; -d- ist im Dialekt von Eryx und Segesta spirantisch gewor-
den und durch -Z- ausgedrückt. Nach Thuk. VI 2 sollen die grie-
chischen Zuwandrer, von denen die elymischen Städte Eryx "und
Segesta hellenisiert worden waren, Phoker gewesen sein: dem wider-
spricht die Thatsache, dass der Dialekt dieser Griechen ionisch
war. Dagegen stimmt alles zu der Annahme, dass es Phokäer ge-
wesen sind: auch das Spirantischwerden des -d- war, wie die pho-
käische Münzlegende Ziovü(cıoc) zeigt, eine Eigentümlichkeit des
altphokäischen Dialekts.
62 Bibliographie.
Meister R. Weihinschrift einer bronzenen Stufenbasis des
Berliner Antiquariums. Hermes XXVI (1891) 5. 319 ft., 480.
Die nach Böotien (Tanagra oder Platää) zu verweisende In-
schrift ist zu lesen: dvpw ξυνλῆ πρωροὲ ἀνέθηκαν und hat mit den
weggefallenen Eigennamen der beiden Stifter wahrscheinlich einen
Hexameter gebildet, wie z. B. [Γόργος Ἴων τ] dvpw ξυνμῆ πρωροὲ
ἀνέθηκαν. Bemerkenswerth ist die hier zum ersten Male begegnende
Aspirierung des v in ξυνλῆ, die sich vergleicht mit der bekannten
Aspirierung von u in μεγάλου, Mhei£ıos, Mheyaoet, A in Ahapov, Aha-
Pros, λμέων, p in ohoratoı, # in Fhezaöduos (s. Joh. Schmidt, Pluralb.
453 ff.), sowie die böotische Form mpwpoe aus ἕπρο-Ξορού, der att.
φρουροί entspricht.
Recueil des inscriptions juridiques greeques par Dareste
Haussoulier, Th. Reinach. Texte, traduction, commen-
taire.. I. Paris Leroux. 200 S.'8°.
Wird 3 Hefte umfassen.
Simon Epigraphische Beiträge zum griech. Thesaurus. Zeitschr.
f. österr. Gymn. 1891 5. 481---80.
Angermann Voll- u. Kurzname bei einer u. derselben Person
überliefert. BB. XVII 176.
Crusius Voll- u. Kurzname bei derselben Person u. Ver-
wandtes. Fleckeisens Jahrb. 1891 No. 6.
Hoffmann Ὁ. ἀκάκητα. BB. XVII 328—29.
Zu ἀκακέω, ἀκίς, lat. acer. :
Imbert Lettre an Direeteur du Museon sur quelques noms
propres de la stele Xanthienne. Museon X 270--73.
Meister ivıc u. seine Verwandten. ΚΖ. XXXI 136—47.
3etrachtet die zu ai. ?$näami gehörigen Verba ivaw -6w -E£w
sowie die auf icvo- icva- zurückgehenden Nomina tepıvoc, πέρινον,
mepiva'oc, ὑπέρινος, ἴννος und ivıc, ἰνίον, kaivita, denen Stamm icvı-
zu Grunde liegt.
Müller P. H. Zur Etymologie der Partikel ἄν. Hermes XXVI
9932:
Rekapitulierend.
Prellwitz Delphisch τρικτεύαν κηῦαν u. καίω. BB. XVII
166—69.
Prellwitz Kyprisch κάς und’. BB. XVII 172—14.
Kypr. κάτ᾽ : kypr. κάς : καί > ποτί : möc, 1. pos, lit. pas : arg.
ποῖ, lett. 92 = προτί : πρός; mpec : lit. pre.
Soring κανθήλη either ἀκανθί(ανθ)ήλη. Class. Rev. V 8. 66.
Stengel θυήεις — θύελλα — θυόεις. Hermes XXVI 157—59.
l. βωμός θυήεις “Brandopferaltar’. 2. θύελλαι “die Staub oder
Gischt vor sich hertreibenden Stürme’. 3. θυόεις “wallend .
Thumb Auxköcoupa. ΚΖ. XXXI 133—36.
Der einheimische Name war Avkoupa “Lichtberg’ von Wz.
*leuk “leuchten’ u. St. öpoc.
EN τ a ze
3ibliographie. 63
Fürst Glossarium graeco-hebraeum oder griech. Wörterschatz
der jüd. Midraschwerke. Ein Beitrag zur Kultur- und
Altertumskunde. Strassburg Trübner.
Dyer Studies of the Gods in Greece at certain sanetuaries
recently excaveted (Being eight leetures given in 1890 at
the Lowell Institute). London Macmillan. 462 5. 8°.
Görres Studien zur griech. Mythologie II. Folge. (= Berliner
Studien zur Klass. Philol. u. Archäol. XII 1). Berlin Cal-
vary u. Ko.
Gruppe OÖ. De Cadmi fabula. Berlin Gärtner. 21 5. 4°.
Maass ’Ipıc. IF. I 157—11.
VI. Albanesisch.
Meyer G. Etymologisches Wörterbuch der albanesischen
Sprache (— Sammlung indogermanischer Wörterbücher Band
IM). Strassburg Trübner. 524 8. 8°.
VII. Italisch und Romanisch.
A. Altitalische Sprachen.
Goetz Bericht über die Erscheinungen auf dem Gebiete der
latein. Grammatiker für die Jahre 1877—90 im Jahresbe-
richt f. die Fortschritte der kKlass. Altertumswissenschaft
1891. Ξ 119-170.
Commentationes Woelfflinianae. Leipzig Teubner. 8°.
Stowasser surus 23—28. Suchier guietus im Rom. 69 —75.
Blase unus beim Ipv. S5—90. Geyer loco — ἐδὲ 125—80. Goetz
lexikal. Bemerkungen 130. Mayer Addenda lexieis lat. 131—55.
Groeber Verstummung des ἢ, m und positionslange Silbe im Lat.
169—82. Nettleship cognomen cognomentum 183—88. Huemer
paropsis — parapsis 159—9. Thielmann Verwechselung von ab
u. ob 255—59. Sittl Archaismus 401—8.
Breal Varia Me&m. soc. ling. VII 324—27.
1. Silenta, fluenta, eruenta alte Nom. Pl. Neutr. von Partizi-
pien. 2. umbratilis exercitatio nach ckıauayia gebildet. 3. serus
schwer’ — ahd. swäri. 4. dat (Aen. IX 266) zeigt eine Spur des
Ausments. 5. Alte Infinitive, die zu Partiz. geworden seien, liegen
vor in Fügungen wie monitos eos volo.
Breal Sur la prononeiation de la lettre F' dans les langues
italiques. Mem. soc. ling. VII 321—23.
F war osk. sehr weicher Hauch. Es entstand im Ausl. nach w.
So erklären sich osk. fruktatiuf u. a.
Brugmann Umbrisches u. Oskisches. Berichte der sächs. Ges.
der Wissensch. 1891 85. 205—43.
Umb. angla, tribiisu, parfa, vef, vetu, Fise Fiso, sopir, ferar,
ter u. ähnl. Formen. nu = lat. nu-, gr. vv, ai. nu, osk. sum, messi-
mais, umbr. Asetus osk. acum, umbr.-samn. kn aus gn.
64 Bibliographie.
Zanardelli Le prefixe en et sa variante an dans la langue
osque. Langues et dialeetes I 1—10.
Panti Altitalische Forschungen III: Die Veneter u. ihre Schrift-
denkmäler. Leipzig Barth.
Weise OÖ. Charakteristik der latein. Sprache. Leipzig Teubner.
Sjöstrand Loei nonnulli grammaticae latinae examinati. Akad.
afhandl. Eund. 23 8.78%.
Studien auf dem Gebiete des arch. Lateins hrsg. v. W. Stude-
mund. Band II. Berlin Weidmann. 436 5. gr. 8°.
Bücheler Altes Latein. Rhein. Mus. XLXI 233—43.
acieris, acisculus, terruncius, das lat. Zahlzeichen für ‘100°.
compes COMPOS.
Linde Om Carmen Saliare. Profföreläsning hällen vid Lunds
universitet 17. Febr. 1891. Lund. 8°.
Havet 1, slatin cadue. Etudes romanes dedices ἃ G. Paris.
Paris Bouillon 5. 305— 30.
Vollständige Geschichte der Schicksale des auslautenden s
im Latein.
Stowasser Die Adjektive auf ös(s)us. Wiener Studien XII
174— 16.
Lat. -ösa entlehnt aus griech. -Öecca.
Pascal I suffisi formatori delle -conjugazioni latini. Rivista
di ἢ]. XIX 449—88.
Cramer Zu alten Optativ- u. Konjunktivformen im Latein.
Gymn.' VII 701—10.
duim u. del.
Kirkpatrick Latin aorist subjonetive. Class. Rev. V 8.67 ἢ
Miles The passive inf. in Latin. Class. Rev. V 5. 198.
amarier = amari + es d. h. Lokativ + Verbalstamm es.
Conway The origin of the Latin gerund and gerundive.
Class. Rev. V S. 296—301.
Brugmanns bekannte Erklärung wird abgelehnt und die
Form nach dem Vorgang von Curtius an ai. -antya- angeknüpft.
Postgate The Latin infinit. in -turum. Class. Rev. V
Ss. 301.
3ei seiner (frühern) Erklärung von dicturum sei dietu als
Lok. Sg. zu fassen.
Riemann O. Remarques sur diverses questions de syntaxe
latine. Rev. de phil. XV 34—30.
Fortsetzung von XIV 63: VI. la periphrase seripturum esse
peut-elle avoir le sens de l’irr&eel? Verneint.
Schmidt M. Kleine Beobachtungen zum latein. Sprachgebrauch.
Fleckeisens Jahrb. CXLIII 193— 97.
Fortsetzung. 11. vitare mit ne. 12. defendo mit acc. ὁ. inf.,
ut oder ne. 13. addere addicere adiungere als Vertreter der Verba
Bibliographie. 65
dieendi. 14. servare observare mit ut oder ne. 15. usque eo ut.
16. inguam ὁ. dat.
Schmalz Ersatz des fehlenden Partizips v. esse. Fleckeisens
Jahrb. CXLII 352.
Hey Semasiologische Studien. Fleckeisens Jahrb. 18. Suppl.-
Band S. 84—212. (auch besonders erschienen).
1. Theoretisches. 2. Historische Beobachtungen und Unter-
suchungen über die Bedeutungsdifferenzierung in der röm. Litt.-
Sprache.
Lattes la grande iscrizione etrusca del eippo di Perugia,
Tradotta ed illustrata. Rendiconti del Istituto Lombardo
XXIV fasc. 1 u. 2. — La nuova inserizione sabbellica ebd.
fasc. 4. (Nach Ls. Lesung Pupdnum esiu:k apaits ads
asıh siass manus meiiimum stud arstih smih push ma-
tersh patersh). — Note di epigrafia etrusca ehd. fase. 6.
— Iserizione etrusca alla Trivulziana ebd. fasc. ὃ u. ὃ. —
L’interpunzione congiunetiva nelle iserizioni paleovenete ebd.
fase. 14.
Corpus Inscriptionum latinarum XV 1. Berlin Reimer.
Inh.: Inscriptiones urbis Romae latinae. Instrumentum do-
mesticum. Ed. H. Dressel. Pars 1.
Ephemeris epigraphica, corporis inscriptionum latinarum
supplementum VIII 1. Berlin Reimer.
Inh.: Ihm Additamenta ad CIL. IX u. X.
Inschriftl. Material findet sich ausserdem in den Bibl. philol.
class. 1891 5. 58 ff. genannten Schriften.
Abbott Italian osteria “Wirtshaus derived from hospes and
not from hostis. Class. Rev. V 5. 96.
Abbott Notes on latin hybrides. Class. Rev. V S. 18.
Heisterbergk Provincia. Philologus. XLIX 629—44.
Netusil Zur Etymologie von pontifex u. der urspr. Bedeutung
des Kollegiums. Berl. phil. Wochenschr. 1891 5. 867.
Osthoff sors BB. XVII 158—61.
Aus *sorc-t-s zu ai. srj “ausgiessen..
Stokes On the etymologie of letum. Academy 1891 No. 998.
Aus *detum — air. dith “detrimentum’.
Stowasser immo. Wiener Stud. XII 153 ff. persona ebd.
156 f. poscere (zu potus) ebd. 326 f. paedicare ebd. 327.
Nochmals sarcire Zeitschr. f. österr. Gymn. 1891 85. 200 ff.
Linde De Iano summo Romanorum deo. Lund Möller.
B. Vulgärlatein.
Körting Latein-roman. Wörterbuch. Mit anschliessendem ro-
manischen u. deutschem Wörterverzeichnisse. Paderborn
Schöningh. VI S. u. 828 Sp. u. 174 S. Lex. 8°.
Anzeiger I 1. D
00 Bibliographie.
Fisch Die Walker oder Leben u. Treiben in aröm. Wäsche-
reien. Mit einem Exkurs: Über lautliche Vorgänge
aus, dem’ Gebrete ΘΕ Vulgärlaternsz« Bern
Gärtner. 448. 8°.
Cohn Die Suffixwandlungen im Vulgärlatein u. im vorlittera-
rischen Französisch nach ihren Spuren im Neufranz. Halle
Niemeyer.
©. Romanische Sprachen.
Gröber Verstummung des ἢ m u. positionslange Silbe im
Lateinischen. Sonderabdr. aus den commentationes Woelflli-
nianae 5. 169—82. Leipzig.
Sucht auf artikulatorischem Wege das Verstummen von an-
lautendem ἢ und auslautendem m und das Wesen der positions-
langen Silbe zu erklären. Dies führt ihn dazu zu zeigen, dass im
Lateinischen ein Gegensatz zwischen Legato- und Staccatovortrag
bestand, und die Fälle zu bestimmen, in welchen sie in Gebrauch
waren.
Taverney Phonetique roumaine. Le traitement de 7, J et
du suffixe -ulaum, -ulam en roumain. Ftudes romanes de-
diees ἃ Guston Paris. Paris Bouillon.
Gillieron J. Remarques sur la vitalit& phonetique des Patois.
Etudes romanes dedices ἃ Gaston Paris 5, 459 —64.
Monet PB. Le francais "ei: ler ‚proveneal. 7 Paris -Bowllon:
DPA So.
Übersetzung von Suchiers Abhandlung in Gröbers Grundriss
mit Nachträgen und Berichtigungen des Verfassers.
Hovelacque Les limites de la langue francaise. Rev. ling.
189% Juli.
Etienne La langue francaise depuis les origines jusqu’a la
fin du XI. siecle. Paris Bouillon. Roy. 8°.
Muret E., Sur quelques formes analogiques des verbes
francais. Etudes rom. ded. ἃ G. Paris.
Risop Studien zur Geschichte der franz. Konjugation auf
-ir. Leipzig Fock. 318. gr. 8°.
Manginca Daco-roman. Sprach- u. Geschichtsforschung. 1. Teil.
Leipzig Köhler in Komm. gr. 8°.
Dietrich A. Les parlers cer&oles des Mascareignes. Romania
ΧΧ 216—277.
ε Die Abhandlung beschäftigt sich mit dem Kreolischen der
Maskarenischen Inseln, Bourbon und Maurice, nach gedrucktem
Material und mit Benutzung eines Briefwechsels Schuchardts mit
dortigen Einwohnern. Der Verf. behandelt die Laute, die Formen-
lehre, den Funktions- und Bedeutungswandel der Wörter und be-
rührt kurz die Satzkonstruktion. Er zeigt, welchem Einflusse diese
Sprache ausgesetzt gewesen ist. In Laut- und Formenlehre haben
die Negersprachen bedeutend eingewirkt. Der Wortbestand hat
nr ee
P
Bibliographie. 67
eine nicht geringe Bereicherung erfahren durch das Portugiesische,
Madegassische, Kaffrische, Arabische, Hindostanische, Chinesische.
Schuchardt Hugo Kreolische Studien IX. Uber das Malaio-
portugiesische von Batavia und Tugu. Wien 1891. 256 S.
8°. (Sitzungsberichte der kais. Akad. der Wiss. phil.-hist.
GI-OXRXTI N. X).
Der Verf. behandelt das Malaioportugiesische der Insel Java,
für welches ihm aus 3 Jahrhunderten Quellen zur Verfügung stan-
den; für das zu Batavia gesprochene zumeist gedrucktes Material
aus dem Ende des 17. und dem Ende des 18. Jahrh. und für unsere
Zeit Aufzeichnungen aus Tugu. Der Schwerpunkt der wissenschaft-
lichen Behandlung einer kreolischen Mundart liest in dem Nach-
weis der Einwirkung der einen Sprache auf die andere. Als seine
Hauptaufgabe hat der Verf. betrachtet, die Einwirkung des Malaii-
schen in der inneren Form des Kreolisehen nachzuweisen, zunächst
in der Bedeutung der einzelnen Wörter, sodann in der der satz-
lich verbundenen. Die Erörterung des Lautlichen wird auf eine
andere Gelegenheit verspart. S. Litteraturbl. f. germ. u. rom. Phil.
XI Sp. 199—206 (Selbstanzeige von Schuchardt).
Suchier H. gwietus im Romanischen. S.-A. aus Commen-
tationes Woelfflinianae S. 69—75. Leipzig.
S. verweist, um die in den romanischen Sprachen des Westens
üblichen Formen mit 2 (quwitte, quitter u. s. w.) zu erklären, auf die
mittelalterliche Verwendung von gwietus in der fränkischen Rechts-
sprache, wonach germanische Vermittelung stattgefunden hätte.
Schuchardt H. Wortgeschichtliches. Ztschrft. f. rom. Phil.
XV 8. 257—241.
Prov. altfranz. anceis u.s. w. Anceis stellt *antjidius für *an-
tdius (nach dem Kompar. sordidius aus sordidus) dar, indem tj
aus der männlichen Form *antior herübergenommen wurde. *An-
tor und *antidius gehen auf einen Positiv *antus zurück, von wel-
chem das rom. *antianus herkommt. — Ital. adesso; rum. λα».
Adesso > ad ipsum; iard "wiederum’ ist zusammenzustellen mit
lad. eir, eira “auch’, prov. er, era *jetzt’. — Frz. maint. Tam mag-
nus + tantus ergab rom. *tamanto; daraus wurde manto abgezogen.
Im Franz. lehnte sich maint an maint > magnus an. — Span. de-
Jar. Sch. setzt an: *daxare > laxare + (lelaxare, und zwar müsste
es sich um eine sehr alte Erscheinung handeln.
Meyer-Lübke W. Wortgeschichtliches. Ztschrft. f. rom. Phil.
XV S. 241— 246.
Ital. aftillare wird zurückgeführt auf das Germanische, vgl.
got. gatilon “erlanzgen’, gatils "passend’, ahd. zilon, ags. tılia. —
Span. cacho aus Vulgärlat. cacculus statt caccabus. — Franz. gosier
von geusiae bei Marcellus Empirieus. — Franz. meleze ist aus den
südostfranz. Alpendialekten als melze belegt; dies von melix, wel-
ches, möglicherweise in Anlehnung an ein Wort der vorrömischen
Sprache dieser Gegend, an Stelle von larix getreten ist. — Ostfrz.
nazier, τ. nasar > *natiare von germ. natjan "netzen’. — Nord-
ital. patta scheint germanischen Ursprungs, got. paida “Rock’. —
Ital. seccia von sicia aus fenisicia" Heuhaufen’ abstrahiert. — Franz.
voison von lat. vösio, bei Philoxenus mit βδόλος glossiert.
Settegast F. Wortgeschichtliches. Ztsehrft. f. rom. Phil. XV
S. 246-256.
68 Bibliographie.
Franz. coche ‘Sau’ von dem im Mhd. seit dem 14. Jhd. be-
zeugten Kotze “Hure’, woraus franz. coche entstand, indem man auf
das schmutzigste Tier die Bezeichnung, die für schmutzige Perso-
nen bestimmt ist, übertrug (vgl. aber Schuchardt in Ztschrft. f. rom.
Phil. XV 5. 197). — Andain : andare. Andain (ondain) nebst an-
dee (ondee, onde) sind am besten von indaginem (mit G. Paris) ab-
zuleiten. Neuprov. ande, ante stammt vom lat. ambitus. Andare
ist eine vulgärlat. Zusammensetzung von an (= ambi) mit dare
“gehen’. (Weder hier noch bei den anderen zahlreichen Ableitun-
gen von aller ist der Umstand berücksichtigt worden, dass Fut. und
Condit. nicht von aller, sondern von 776 eebildet sind, der Inf. aller
also wohl eine verhältnismässig junge Form ist. Andererseits sind
die häufigsten — Präsens- — Formen von vadere abgeleitet, von
dem im Latein. fast nur Praesens im Gebrauche war; ein Perf. vas?
kommt erst bei Tertullian vor. Man müsste zur Aufklärung der
Etymologie wohl besser von p. p. alle ausgehen, von welchem dann
Inf. aller und die übrigen Formen &ebildet wurden.
Schuchardt H. Romano-magyarisches. Ztschrft. für rom. Ph.
XV 5. 88—123.
Diese Abhandlung, ursprünglich im "Magyar Nyelvör’ (Βα. ΧΥ ΤΠ)
erschienen, kommt hier in deutscher Sprache, mit Zusätzen, zum
Abdruck. Verf. teilt die zu behandelnden Wörter in 4 Gruppen.
Es werden zunächst magyarische Wörter, welche ins Germanische
und Romanische eingedrungen sind, aufgeführt, sodann magyarische
Wörter, welche mit romanischen aus einer gemeinsamen Quelle
fliessen. Ferner sind viele Wörter aus dem Romanischen durch
Vermittelung des Deutschen oder-des Slavischen ins Magyarische
eingebürgert worden. Endlich werden sehr eingehend besprochen
maeyarische Wörter, welche mit grösserer oder geringerer Wahr-
scheinlichkeit als wirklich romanische Lehnwörter zu betrachten
sind. In einer wichtigen Nachschrift kommt der Verf., im Anschluss
an eine Darlegung des heutigen Standes der Streitfrage über die
Herkunft von frz. aller, auf die “"Urschöpfung’ zu sprechen zur Er-
klärung von Kürzungen, welche durch Lautregeln sich nicht deu-
ten lassen. Die "Urschöpfung” und der Bedeutungswandel verdien-
ten nicht mindere Berücksichtigung als der Lautwandel, wenn jene
beiden Seiten der Sprachgeschichte auch nicht wie diese in ein
System so fester Formeln sich bringen liessen. S. Litteraturbl.
germ. u. rom. Phil. XI Sp. 461 (Meyer-Lübke). Romania XX 45
(Gr Baris):
VIll. Keltisch.
Holder Altceltischer Sprachschatz. 1. Lieferung. A—Atep-
atu-s. Leipzig Teubner
Erscheint in ungfähr 18 viermonatlichen Lieferungen.
Schmidt Rich. Zur keltischen Grammatik. IF. I 435—81.
Rhys Some inseribed stones in the North. Academy 1891
3. 1806. 220:
Die Inss. bringen altkelt. Eigennamen.
Rhys The Celts and the other Aryans of the p and q groups.
Philol. Soeiety of London. Read Febr. 20. 1891.
Scheidet das kontinentale Gallisch in zwei Gruppen, je nach-
Bibliographie. 69
dem idg. ᾧ als gu oder p erscheint und bespricht die analogen Ver-
hältnisse in den übrigen idg. Sprachen.
Thedenat Noms gaulois, barbares ou supposes tels dans les
inseriptions. Rev. Celt. XII 131—141. 254—69. 354—69.
Fortsetzung folgt.
D’Arbois de Jubainville Les noms gaulois chez Cesar et
Hirtius ‘de bello gallico'‘. Serie I. Paris ἘΠ. Bouillon. 18°.
D’Arbois de Jubainville De quelques termes du droit publie
et du droit prive qui sont communs au celtique et au ger-
manique. M&m. soc. ling. VII 286—9.
Entlehnungen von Rechtswörtern aus dem Kelt. beweisen eine
vorhistorische kelto-germanische Kultur. Behandelt werden got.
reiks, reiki, magus, hugan, dulgs, ahd. ambahti, deutsch Bann, frei,
Schalk, Eid, Geisel, leihen, Erbe, West, weih.
D’Arbois de Jubainville Les temoignages linguistique de la
eivilisation commune aux Celts et aux Germains pendant
Ben Ferne IV siecle avant “1: ©. „Rev. "archeol" XVII
187—214.
D’Arbois de Jubainville Donnotaurus. Rev. Celt. XII 162.
Das Wort (Caes. de bell. gall. VII 65) wird in donno-tarvos
“taureau princier’ geändert.
Hayden An introduction to the study of the Irish language.
Dublin Gill.
D’Arbois de Jubainville Declinaison des pronons personnels
en vieil-irlandais. M&m. soc. ling. VII 277—8.
An Brugmann Gr. II 463—846 sich anschliessend.
Ascoli Glossarium palaeo-hibernieum. (la-rig). Archivio glot-
tologieo XII N. 5.
a Glosses from Turin and Rome. BB. XVII 155—46.
. air. Gl. in Turin. 2. air. Gl. in Rom. 3. abrit. Gl. in Rome.
ee The second battle of Moytura. RC. XII 52 ff.
Dazu “Index of the rarer words’ (mit engl. Übersetzung)
S. 112—24. “Index of names’ S. 124—30.
Zimmer Keltische Beiträge. HZ. XXXV 1—-172.
Fortsetzung Ill. Weitere nordgerm. Einflüsse in der ältesten
Überlieferung der ir. Heldensage. Als Lehnworte aus dem Nord.
gedeutet ir ” fiann, fian, fene S. 15 f. 52 ff. Lothlann, Lochlann
S. 135 ff. m “brate’ S. 159 Anm. 1. olgualai S. 170. ir. ch u. th
im Beginn des 9. Jh. als ἢ gesprochen S$. 139.
Stokes The etymology of fiann and fene. Academy 1891
BLUT.
Kritik von Zimmers Kelt. Beitr. III. Vgl. auch A. Nutt bezw.
K. Meyer The Ossianie Saga ebd. S. 235 bezw. 283.
Zimmer Acta sanctorum Hiberniae ed. Smedt et Baker.
Kom. el, Anz. 1. März 189
Deutung von ir. diberg aus dem Nord. S. 194 ff. [dagegen
70 Bibliographie.
Rev. Celt. XTI 396.] Doppelformen im Ir. hervorgerufen durch ver-
schiedene Exspirationsintensität, S. 195 Anm.
Zimmer Beiträge zur Namenforschung in den afr. Arthurepen.
Zeitschr. f. franz. Sprache u. Lit. III 1.
Zimmer ÖOssin u. Oskar. HZ. XXXV 2%2—5.
Ossin nicht — "little deer’ sondern germ. — ags. Oswine. Eben-
so Oscar — an. *Asgäarr, Nebenform von Asgeirr.
Nettlau Notes on welsh consonants. RC. XII 142—52. 369— 85.
Fortsetzung von XI 68. Behandelt unter sehr eingehender
Berücksichtigung der neukymr. Dialekte die Laute #, th, d, dd; s;
h; p, ph, b, f; ff; ferner Metathesen und sonstigen unregelmässigen
Lautwandel.
Strachan Middle Welsh pieu, Mod. Welsh piau. BB. XV
292---Οθ.
Emault Glossaire moyen-breton (suite) Μόμη. 806. ling. VII
359—88.
Buchstaben ἢ, 2, 72, k, 1.
Loth Les mots latins dans les langues brittoniques. Annales
de Bretagne publices par la Facult&e des lettres de Rennes.
VI 561—646.
Gallois, armoricain, cornique. Phonetique et commentaire
avec une introduction sur la romanisation de l’ile de Bretagne.
Loth Remarques sur les noms de lieux en -ac en Bretagne.
Rev. Celt. XII 386—89.
IX. Germanische Sprachen.
A. Allgemeines.
Grundriss der germanischen Philologie herausgegeben von
Hermann Paul I. Band. Strassburg Trübner. XVILH u.
1151 .8: Lex..82.
van Helten Grammatisches. PBrB. XV 455—88 XV1 272— 314.
I. Zum vokal. Auslautsgesetz u. zum Akk. Sg. u. Pl. der Kon-
sonantstämme im Got. 11. Zur Chronologie d. vokal. Auslautsge-
setze. III. Zur Entwickelung des ὦ und τὸ in urspr. Mittelsilbe.
IV. We. τ im Inlaut aus 2). V. As. fraho usw. (un)fraho u. faho
-ora. VI. Altes a im As. vor (m)f, (n)f. VII. As. wita. VII. Zur
Geschichte der Verba pura. IX. Eine Ausnahme der konsonant.
Apokopegesetze. X. Zur Geschichte der u- und der uz-Stämme.
XI. Ahd. ouw(j) aus 0w%. XII. Gibt es im Awgerm. Fälle, wo ein
durch die Wirkung der alten Apokopegesetze im Auslaut nach
Konsonanz stehender Endungsvokal auf phonet. Wege abgefallen
ist? XIII. Zur Geschichte der 70- u. ?o-Stämme im Germ. XIV. Zur
Geschichte der Flexionsformen der Pronomina Da- u. /va- im Wem.
XV, Zur Geschichte der Vokale vor w? im Nd., Nfr. u. Fries. XVI.
Zur Chronologie der Apokope des ῥ (d). XVI. Der ags. afr. Nom.
Pl. Fem. der u-Dekl.
Sievers Grammatische Miszellen. PBrB. XVI 234—6).
Bibliographie. 1
1. Germ. ὦ als Vertreter von idg. 9. 2. Zum germ. geschlos-
senen & (gegen Holz Urgerm. geschlossenes © u. Verwandtes. Leip-
zig 1890). 3. Ahd. era-eren u. Verwandtes (-Verba zu nominalen
ö-Stämmen). 4. Zur westgerm. Gemination (gegen Kauffmanns Theo
rie ebd. XII 338 ff.).
Collitz Die Behandlung des urspr. auslautenden αὐ im Got.
Ahd. As. BB. XVII 1—599.
14. Urgermanisch. Got. Ahd. As. Ags. An.
n [a@ =] a in mehrsilbigen Wörtern a a a e e(t)
ai, οἱ" 2. ai in einsilbigen Wörtern au. ἃ δ [7 ei
| sekundäres αἱ ai ὦ e e e(t)
äi, οὲ [οἱ —] ai une er te ei)
Dazu ein Exkurs (S. 49-53) über die german. ai-Konjugation
als eine urspr. mediale Flexion.
Streitberg Weiteres zur Geschichte der 20-Stämme. PBrB.
XV 489— 904.
Gegen Jellinek Das Suflix -20- ebd. = 287— 97.
Jellinek Das Suffix -#0-. PBrB. XVI 318—55.
Gegen Streitberg ebd. XV 489 ff.
Streitberg Zur Geschichte der es-Stämme. PBrB. XV 504—6.
Sucht Zeyt-unpoc u. dgl. als lautgesetzliche Formen von es-
Stämmen zu erweisen. Deutung von Düs- in Θουςνέλδα u. Θουμέλικος.
Jellinek Beiträge zur Erklärung der german. Flexion. Berlin
Speyer u. Peters. V u. 1058. 8°.
Jellinek Zur Deklination der ahd. Abstrakta. Germ. XXXVI
137—39.
Setzt die Suffixform -in neben -in für die Abstrakta an.
Wiedemann Der Dativus Sing. der german. Sprachen. KZ.
ΧΧΧΙ. 479—84.
Lokativ auf-2 bei den Kons.-Stämmen, Lok. auf -ou bei sunau,
während kuni-mu/n]diu, ahd. suniu Lok. auf -eu- sind. &-Lok. ist
bei den mask. eö-Stämmen belegt, das Fem. dagegen geht auf -2j%
aus. Got. anstai ist nach dem Gen. gebildet. Ahd. tage usw. ist
Lok., der sog. Instr. ἔασιν sowie demu repräsentieren alte Dative
auf -0. Bei den d-Stämmen liegst Dativ in an. Deire usw., Lok. in
ajef vor.
Wiedemann Nachtrag (zu dem Aufsatz Der Dativus Sing. in
den german. Sprachen). ΚΖ. XXXII 149—52.
Sieht in mann einen en-Stamm. Setzt -Du nicht -@u als Loka-
tivausgang bei den eu-Stämmen an und bestreitet die Existenz von
-& neben -@ im Lok. der ei-Ste. Für den Dativ Sg. der e-Ste. wird
die früher gebrachte Erklärung aufrecht erhalten.
Lichtenberger De verbis quae in vetustissima germanorum
lingua reduplicatum praeteritum exhibebant. These. Naney
impr. Berger-Levrault et Cie. ΠῚ u. 106 5. 8°.
Collitz Die Herkunft des schwachen Präteritums der german.
Sprachen. BB. XVII 227—44.
Unveränderter Abdruck aus dem Am. Journ. Phil. IX 42 ff.
12 Bibliographie.
Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.
5. verbesserte und stark vermehrte Auflage 1. Lieferung.
Strassburg Trübner Lex. 8°.
Muss-Arnolt Semitie and other glosses to Kluge’s “etym.
Wörterbuch d. deutschen Sprache’. Baltimore. τ0 S. kl. 8°.
Ehrismann Ahd. liuzil-lutzil. Germ. XXXVI 156 ἢ.
Feist Got. Etymologien. PBrB. XV 545—52.
1. aggwu. 2. ansts. 3. bansts. 4. fitan. 5. gawi. 6. haiht. T. sidus.
8. anatrimpan.
Jaekel Mundingasi. PBrB. XV 540—44.
Kock Nägra etymologiska anmärkningar. Arkiv f. nord. ἢ].
ΥΠ 175—91.
1. Schwed. Kräll isl. Kveld. 2. isl. ὦ meban. 3. schwed. Onas.
4. nschw. barnmorska. ὃ. aschw. framtugh. 6. brullunge. 7. schw.
jämte bredvid. 8. isl. hvetvetna.
Liden Etymologien. PBrB. XV 507—22.
1. Awn. skald. 2. nschw. gärs Kaulbarsch’ 3. nn. karr“ Esche’.
4. aisl. hrid ° Strecke’. 5. awn. meiss “wooden box’. 6. got. maßl.
7. got. hlaifs. 8. germ. *sad(u)la. 9. nn. skare “ gefrorner Schnee’.
10. lat. locusta. 11. germ. schwert. 12. awn. mosurr ° Ahorn’.
13. schw. fösa " treiben’. 14. ἢ. lundr ‘ Hain’. 15. Winter—* Regenzeit".
Much Unfachlas. HZ. XXX 207—9.
“ungefüge’”. Bemerkungen zum a der Endung.
Much German. Matronennamen. HZ. XXXV 315—24.
Zu Saitchamims (vgl. AfdA. XVI 78). sait—=an. seidr ° Zau-
ber’, -chamims zu “hemmen.
Prellwitz Nhd. fratze. BB. XVII 174.
Schröder E. Belisars Ross. HZ. XXXV 237—44.
3ala (Βαλας) “ weiss’ zu lit. baltas “ weiss’. Damit verwandt
balps "kühn urspr. glänzend’ u. Baldr "der Leuchtende’.
Schröder RE. frisch. HZ. XXXV 262—64.
Zu frijon, freidjan usw. Grf. *prit-kos “ gehegt, geschont, un-
berührt’.
Sievers Sintarfizilo.. PBrB. XVII 363—66.
Gegen Kögel Pauls Grundriss II 185.
Solmsen F. Ahd. jämar. ΚΖ. XXXI 1411.
Zu gr. ἥμερος “sanft”.
Wiedemann Got. hröt. IF. I 194.
Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. V 2. Berlin Weidmann
VII.n. 8. θῖν αἰτοῦ δ.
Meyer El. H. Germanische Mythologie. Berlin Mayer u. Müller
XI u. 3548. 8°.
Kauffmann Fr. Mythologische Zeugnisse aus röm. Inschriften.
PBrB. XV 553—-62. XVI 200-—14.
l. Hercules Magusanus. 2. Mars Thingsus et duae Alaesiagae
Bibliographie. 3
( al + aisiag- “hilfreich’). 3. Die Nehalennia (= Neuolen? von neu-:
näu- * Schiff’).
Much Nehalennia. HZ. XXXV 324f.
Kein Suffix -enz, sondern Kompositum: neha — got. nelva,
-lennia zu got. af-linnan.
Siebs Beiträge zur deutschen Mythologie I Der Todesgott
ahd. Henno- Wotan = Mercurius. ZZ. XXIV 14597.
Much Mereurius Hanno. HZ. XXXV 207 ἢ.
Dazu Anz. XVII 184.
Holthausen Requalivahanus. PBrB. XVI 342—45.
Zu seinen Ausführungen in Jahrb. d. Vereins von Altertums-
freunden im Rheinlande Heft 84 (1886) S. St f. Deutung aus rig?s-
u. leivan mit Suffix -ko-: “der, dem die Finsternis überlassen ist’.
Sievers Die angebliche Göttin Ricen. PBrB. XVI 366—68.
Weist nach, dass röcenne (Wright-Wülker I 511, 35 II 387, 38)
lat. “turrificare’ nicht “ Dianae’ übersetzt.
Schwarz P. Reste des Wodankultus in der Gegenwart. Nach
einem Vortrag. Leipzig Neumann. II u. 50 8. 8°.
Saupe H. A. Der Indiculus superstitionum et paganionum.
Ein Verzeichnis heidnischer u. abergläubischer Gebräuche
Meinungen aus der Zeit Karls des Grossen, aus zumeist
gleichzeitigen Schriften erläutert. Leipzig Hinrichs in Komm.
34 8. gr. 4°.
B. Ostgermanisch.
Wrede Über die Sprache der Östgoten in Italien (= QF.
LXVIN). Strassburg Trübner. VII u. 208 5. 8°.
€. Nordgermanisch.
Passy de Nordica lingua quantum in Islandia ab antiquissi-
mus temporibus mutata sit. These. Paris Firmin Didot.
64 5. 8°.
Kock Fornnordiska Kvantitets och akcentfrägor. Arkiv f. nord.
fill. VII 334— 77
“Die gemeinnord. Sprache wendet Akzent 1 in Worten an,
die einen auf urnord. Standpunkte der Wurzelsilbe unmittelbar fol-
senden Vokal verloren hatten, sei es, dass die Worte in der gemein-
nord. Sprache ein- oder mehrsilbig, einfach oder zusammengesetzt
waren”. “ Die gemeinnord, Regel für Konsonantverlängerung nach
langem Vokal muss formuliert werden: In zwei- und mehrsilbigen
Worten ward ein intervokalischer kurzer Konsonant verlängert,
wenn ihm ein langer Wurzelvokal mit einspitziger Fortis voraus-
ging und ein Vokal mit Levissimus nachfolgte”. “Die zuweilen
vorkommende Konsonantverlängerung nach langem Vokal in ein-
silbigen Worten beruht auf besonderen, für die verschiedenen Wort-
kategorien verschiedenen Umständen” (z. B. blott hat tt von blotta).
S. 373 f. Übersicht über die Akzentuierung der gemeinnord. Sprache.
τ4 Bibliographie.
Bugge u. Sievers Vokalverkürzung im An. PBrB. XV 391—
411.
Gegen Hoffory, der bestritten hat, dass in der nord. Metrik
langer Vokal vor Vokal als Kürze behandelt werde.
Kock Till frägan om w-omljudet i fornsvenskan. Svensk.
Landesm. Heft 43. 28 5.
K. verteidigt seine Annahme von zwei Perioden des v-Umlautes
gegen Wadsteins Angriffe (Fornnorska homiliebokens ljudlära
Ὁ. 42 ff. 142 ff.).
Gislason U- og regressiv v-omlyd af di islandsk. Arkiv f.
nord. fil. VIII 52—82.
Bestimmt den Umfang des Umlautes aus Skaldenreimen.
Hellquist Bidrag til läran om den nordiska nominalbildnin-
en. Arkiv f. nord. ἢ]. VII 1—62, 142—74.
gen. Arkiv f rd. fil. VII 1—62, 142— 74
1. Substantiverade adjektiv, particip och smäord samt därmed
sammanhängande företeelser. 2. Suflixet ja 76. och därmed samman-
hängande frägor. 3. Bildningar pä -jan -jon jämte parallella lager
af an- On-stammar. 4. Nordiska bildningar pa k. 5. Denominativa
bildningar pä -I-. 6. Bildningar μὰ -m-. 7. Bildningar med s som
karaktäristik konsonant. 8. Bildningar pä -s!-. 9. Nägra kategorier
af nordiska bildningar pä 2b, ab, ub. ὃ. 10. Nägra bildningar pä&
ie. [=idg.] -str-. Exkurs till 8. ὃ (über Heimdallr).
Erdmann A. Bidrag till zni-stammarnes historia i fornnor-
diskan. Arkiv f. nord. ἢ]. VII 75—85.
Die an. Feminina veide, myke, fiske, freisine, beidne und die
Neutra fygle * Vogelfang’, Gen. Pl. kl&dna, fylkna sind urspr. zni-
Stämme.
Sörensen Danske Biord. Smäbemierkninger. Abdruck aus
“Vor Ungdom’. Kbhn. 8°.
3ehandelt die von Adjektiven auf -Zg u. -2g gebildeten Ad-
verbia.
Specht Das Verbum reflexivum u. die Superlative im West-
nordischen. Sonderdruck. Berlin, Mayer u. Müller.
Thorkelsson Personalsuffixet -m i forste Person Ental hos
norske og islandske Oldtidsdigtere. Arkiv f. nord. fil.
ΝΠΙ 534—51.
Sammelt die bei den Skalden u. in den Eddaliedern vorkom-
menden Formen der 1. Pers. Sg. Präs. u. Prät. Akt. auf -om bezw.
-ome u. findet in ihnen die ursprüngliche, später verloren gegan-
gene Form der 1. Pers. Sg. (=ahd. salböm usw.).
Andersen V. Gentagelsen. En sproglig studie. Dania I 31—%.
Handelt über tautologische Kombinationen (d. ἢ. über ” das
Nebeneinanderstellen von gleichbedeutenden aber verschieden lauten-
den einzelnen Worten’). Diese zerfallen in 1. tautologische Kon-
Junktion z. B. krig og orlog. 2. Tautologische Komposition zZ. B.
steevne-mode. 3. Taut. Konfusion z. B. gavtyv. Die erste Art wird
ausführl. im Dän. verfolgt.
Jessen Dansk Grammatik. Udgiven paa Carlsbergfondets Be-
kostning. Kbhn. 8°.
Deskriptive dän. Gramm. mit Syntax.
Bibliographie. 75
Larsson Södermanna lagens spräk I. Ljudlära. Upsala 8°.
(= Antiqvarisk tidskrift för Sverige XII ὃ. 4.)
Liljestrand Ordböjningen i Västmannalagen. I Substantivets
böjning. Akademisk afhandling. Linköping 1890 4°. II
Adjektiv räkneord och pronomen. ebd. 1891. 4°.
Jespersen Danias Iydskrift. Dania I 33—9.
Dazu Nachtrag S. 154. Aufstellung der Lautschrift, die bei der
gramm. Darstellung dänischer Dialekte in der Dania befolgt wer-
den soll.
Lindgren J. V. Burträskmälets grammatik. Första häftet.
Akademisk afhandling. Svensk. Landesm. Heft 33 166 SS.
Lautlehre der Dialekte v. Burträsk in Vesterbotten.
Hagfors J. Gamlakarlebymälet. Ljud- οὐκ formlära samt
spräkprov. Akademisk afhandling. Med en Karta. Svensk.
Landesm. Heft 45. 124 5. u. Karte.
Laut- und Formenlehre des Dialekts von Gamlakarleby in
Finnland.
Rysh Norske Stedsnavne paa lo (ld, slöo og lignende). Arkiv
f. nord. ἢ]. VII 244—56.
Läffller Om norske ortnamn pä lo. Arkiv f. nord. ΠῚ. VI
257 —62.
Im Norw. existieren gleichzeitig Ortsnamen, zusammengesetzt
mit 1. 1Ἰό (Mask. oder) Neutr. “hain’. 2. ἰό Fem. “ Sumpfwiese’. 3. 16
(oder {&) Fem. “Meerwasser”. Das Geschlecht der beiden letzten
Worte beeinflusste das des ersten.
Bugge Om Forandring af Genus i norske Stedsnavne. Arkiv
f. nord. ἢ]. VII 262—64.
Bugge Runestenen fra Opedal i Hardanger. Arkiv f. nord. ἢ].
VII 1—53.
Erklärung der im Sept. 1890 gefundenen Runeninschrift von
Opedal (ὁ. 400 n. Chr.).
Brate och Bugge Runverser. Undersökning af Sveriges me-
triska runinskrifter. Stokholm 8°. (= Antigqvarisk tidskrift
för Sverige. Del X Nr. 1—D).
In den Anmerkungen steckt viel gramm. Material.
Brynildsen Norsk-engelsk ordbog. 1—15. hefte. Kristiania
1888—1891. 8°.
Feilberg Bidrag til en Ordbog over jyske Almuesmäl. Udg.
af Universitets-Jubileets danske Samfund. 1-—-7. Hefte.
A—Harve. Kbhn. 8°.
Fritzner Ordbog over det gamle norske Sprog. Omarbeidet,
foroget og forbedret Udgave. 1—2. Bd. A—P. Kristiania
1886—1891. 8°.
Kalkar Ordbog til det »ldre danske Sprog (1300—1700).
1—16. Hefte. Kbhn. 1881—1889.
76 Bibliographie.
Ross Norsk Ordbog. Tillag til ‚„‚Norsk-Ordbog‘‘ af Ivar Aasen.
1—6. Hefte. Christiania og Kbhn. 1890—1891. 8°.
Söderwall Ordbok öfver svenska medeltids-spräket. 1—12.
häftet. Lund. 1884—1891. 4°.
Sunden Ordbok öfver svenska spräket. ὃ. häftet. Stockholm.
189.28
Tamm Etymologisk svensk ordbok. 1. häftet. Stockholm.
0, 3.1890). 9%.
Nach Kluges Vorbild ausgearbeitet, aber mit Angabe der Lit-
teratur für die neuesten Etymologien.
Thorkelsson Supplement til islandske Ordboger. Tredje Sam-
ling. 1. Hefte. Reykjavik 1890. 8°.
Wenström ἃ jJeurling Svenska spräkets ordförräd eller
SOO0OO inhemska ock främmande ord ock namn med öfver-
sättningar ock förklaringar jämte uttalsbeteckning ock ac-
centuering enligt Sv. akademiens ljudenligaste stafrätt.
Under medverkan af flera spräkmän utarbetad. 1. häftet.
Stockholm 1891. 8°.
Boesen Nye og gamle ss om nordisk Gudetro. Vor
Ungdom 18 891 8. 516 κ᾿
Übersicht über die seit Petersens “Nordisk Mytologi’ (1849)
erschienenen Arbeiten über den Ursprung der nord. Mythen.
Meyer E. H. Die eddische Kosmogonie. Freiburg Mohr.
198.,8% j j
Sander Harbardssangen jämte grundtexten til Völuspä. Myto-
logiska undersökningar. Med nägra Eddaillustrationer.
Stoekholm 8°.
Lehmann Die Götterdämmerung in der nord. Mythologie.
2. Aufl. Königsberg Boss. 43 8. 8°.
D. Westgermanisch.
Koch Historische Grammatik der engl. Sprache. III. Bd. Die
Wortbildung d. engl. Sprache. 2. Aufl. zum Drucke besorgt
von R. Wülker. Kassel Wigand. XXIV u. 4578. gr. 8°.
Mayhew Synopsis of Old English Clarendon
Press. XIX u. 3208. 8%.
Oliphant The Old and the Middle English. 2nd. Ed. London
Macmillan. 638 5. 8°.
eis: Beiträge zur engl. Grammatik. Anglia NF. II Heft 2.
Me. ἃ im Ne. 2. Ἵ eye, aye. 3. Me. at, ei im Ne. 4. Zur
en τ von Me. ὦ, 2.
Jespersen Studier over engelske Kasus. 1. Räkke med en
Inledning: Fremskridt i Sproget. Kbhn. 8°.
Bülbring Ablaut in the modern dialekts of the South of
Bibliographie. {||
England. Translat. from "Geschichte des Ablauts der star-
ken Zeitwörter innerhalb des Südenglischen’ by W. A.
Badham. London English Dialect Society Series D. No. 63.
29.,8,82.
Skeat Coneise etymologieal dietionary of the Engl. language.
New. ed. London Frowde 8°.
Toller The Bosworths Anglosaxon dietionary. Part 4 Lan-
guage and Literature. Section 1. Oxford Clarendon Press.
Flügel Allgemeines engl.-deutsches u. deutsch-engl. Wörter-
buch. 4. Aufl. von J. G. Flügels vollst. Wb. Braunschweig
Westermann. Heft 1 ff. Lex. 8°.
Murray A New English Dietonary on historical prineiples
founded mainly on the materials colleeted by the philolo-
gieal Society. Clarendon Press. Vol. II Part 1. Vol. II
a μ᾿
Muret Encyklopädisches engl.-deutsches u. deutsch-englisches
Wörterbuch. Mit Angabe der Aussprache nach dem phonet.
System der Methode Toussaint-Langenscheidt. Grosse Aus-
gabe. Heft 1 ff. Berlin Langenscheidt. Lex. 8°.
Webster’s International dietionary of the English language.
Under the supervision of Noah Porter. Revised and enlar-
ged and reset in new type from beginning to end. In 12
monthly parts. London Bell and Sons.
Lentzner Colonial English. A glossary of Australian, Anglo-
Indian, Pidgin English, West-Indian and South-American
Words. Colleeted, compiled and edited by K. L. London,
Kegan Paul, Trench, Trübner & Co. XIH u. 237 5.
Winkler Friesland, Friesen u. fries. Sprache in den Nieder-
landen 1—5. Globus LX. No. 2—6.
Jaekel Zur Lexikologie des Altfriesischen. PBrB. XV 332—36.
1. Lanthura. 2. Nasc-scelde, nasc-pendinge. 3. rosban. 4. Rüt-
forst.
van Helten Frisica.. PBrB. XVI 314—11.
Gegen Jaekels vorhergen. Arbeit.
Behaghel u. Gallee Altsächsische Grammatik. 1. Hälfte.
Laut- u. Flexionslehre, bearbeitet v. J. H. Galldce (= Samm-
lung kurzer Gramm. german. Dialekte VI). Halle Niemeyer
Bel: 5. 9r.-8°.
Reimann Die altniederdeutschen Präpositionen. Leipzig Fock.
24,8. gr. 4°.
Andree Die Grenzen der niederdeutschen Sprache (mit Karte).
Globus LX No. 2. 3.
18 Bibliographie.
Nachträge zur Karte der niederdeutschen Sprache. Globus
LX No. 10.
1. Winkler Die nd. Sprache im franz. Flandern u. die Sprach-
grenze in Belgien.
2. Kirchhoff Die unterste Saale keine Grenze zwischen Mit-
teldeutsch u. Niederdeutsch.
Braune Althochdeutsche Grammatik 2. Aufl. (= Sammlung
kurzer Gramm. german. Dial. V). Halle Niemeyer. gr 8°.
Garke Prothese u. Aphaerese des #H im Althochdeutschen
(= QF. LXIX). Strassburg Trübner.
Wilkens Zum hochalemannischen Konsonantismus der ahd.
Zeit. Leipzig Fock XII u. 94 S. gr. 8°.
Zimmer Repetitorium und Examinatorium über die mhd.
Grammatik. Nebst einer Übersicht über die beiden Laut-
verschiebungen. Leipzig Rossberg VII u. 86 5. 8°.
Kunz Der Artikel im Mittelhochdeutschen. Progr. v. Teschen.
Kassewitz Die französischen Wörter im Mittelhochdeutschen.
beipzig ‚Kock 11928. °T28..
v. Bahder Die neuhochdeutsche Sprachforschung, ihre Ergeb-
nisse u. Ziele. Zeitschr. f. ἃ. deutschen Unterricht V No. 1.
Burghauser Zur nhd. Lautgeschichte. Zeitschr. f. österr. Gymn.
1891 5. 289—9.
Behandelt den Übergang vom mhd. tautosyllabischen -ir -ur
-zur zu nhd. -ezier -auer -euer,
Schwarz Über die Partikel ge- vor Verben. Rieder Programm.
ES. 29%
Deutsches Wörterbuch v. Jacob Grimm u. Wilhelm Grimm,
fortgesetzt v. Dr. M. Heyne, Dr. R. Hildebrand, Dr. M.
Lexer, Dr. K. Weigand u. Dr. E. Wülker. Leipzig Hirzel.
IV 1. 2. 3 (Genug-Geriesel) v. Dr. R. Hildebrand und Dr.
K. Kant. 5. 3497—3688.
VIII 6. (Rind-Roman) bearbeitet unter Leitung v. Dr. M. Heyne.
S. 961—1152.
Heyne Deutsches Wörterbuch. 3. Halbband (H-Licht). Leipzig
Hirzel. (Band II Sp. 1—640). Lex. 8°.
Baierns Mundarten. Beiträge zur deutschen Sprache u. Volks-
kunde. Herausgeg. von Dr. Oskar Brenner u. Dr. A. Hart-
mann. München Christ. Kaiser. 1. u. 2. Heft.
Gaidoz Die Sprachverhältnisse in Luxemburg. Globus LX
No0.110:
Heibey Die Laute der Mundart von Börsum. Leipzig Fock
48 8. gr. 8°.
Heinzerling Probe eines Wörterbuchs der Siegerländer Mund-
art. Leipzig Fock 39 5. gr. 8°.
7
Bibliographie. τῷ
Jardon Grammatik der Aachener Mundart. 1. Teil, Laut- u.
Formenlehre. Aachen CUremersche Verlagsbuchhandlung.
Leidolf Die Naunheimer Mundart. Eine lautliche Untersuchung.
Rudolstadt H. Dabis 53 5. gr. 8°.
Lienhart H. Laut- und Flexionslehre der Mundart des mitt-
leren Zornthales im Elsass (= Alsatische Studien 1. Heft).
Strassburg Trübner VII u. 74 85. 8°.
Leithäuser Gallizismen in niederdeutschen Mundarten 1.
Leipzig Fock 32 8. gr. 4°.
Schild Brienzer Mundart. 1. Teil: Die allgemeinen Lautge-
setze u. Vokalismus. Basel Sallmann 106 5. 8°.
Schweizerisches Idiotikon. H. 20. (hart-haw).
Tomanek Über den Einfluss der dech. auf die deutsche Um-
gangssprache in Österr.-Schlesien, besonders in Troppau u.
Umgebung. Progr. Troppau. 39 5. 8°.
Wissler Das Suffix ὁ in der Berner resp. Schweizer Mundart.
Ein Beitrag zur vgl. Wortbildung u. Flexion der schweizer
Mundart. Bern Huber u. Komp. 39 S. gr. 8°.
Zimmerli Die deutsch - französische Sprachgrenze in der
Schweiz. 1. Teil: Die Sprachgrenze im’ Jura. Basel. IX u.
80 S. gr. 8° mit 16 Tabellen u. 1 Karte.
X. Baltisch-Slavisch.
A. Allgemeines.
Uljanow Die Bedeutung der Verbalstämme in der litu-slavi-
schen Sprache. (Russisch) Russkij filologiceskij westnik
1891 No. 2.
B. Slavisch.
Zubaty Zum slav. ὅ Arch. f. slav. Phil. XIII 622—25.
Neben ὁ =idg.e u. ὁ —
idg. ra.
Streitberg Slav. -Ejvs- u. germ. -0z- im Komparativ. PBrB.
XVI 266— 11.
Deutet -Ej»s- als vollstufige Suffixform zu ai. -iyas- gr. -ıwv,
leugnet also die Annahme einer Zusammensetzung.
Horäk Die Formen des Präsensstammes der Verba der
IH. Klasse 2. Gruppe Zrspeti. Arch. f. slav. Phil. XIV
152—55.
Fasst den Indikativ Präs. dieser Klasse als alten Optativ.
Brandt Bemerkungen zum etym. Wörterbuch von Miklosich.
Schluss u. Register. (russ.) Russkij filologiceskij westnik.
Warschau 1891 No. 2.
urslav. οὐ giebt es ein drittes ὁ —
80 Bibliographie.
Potebnja Etymologische Notizen (russ.) Ziwaja starina. St.
Petersburg 1891. Lieferung 3 S. 117—28.
Erklärung russ., archaiischer u. dialektischer Wörter sowie
formelhafter Wendungen.
Möhl Notes slaves 1. Slavon jest»stvo ἡ nature’ ists “ veritable ἢ
2. Serbe romizga bulgare rami "il bruine‘, Me&m. soc.
ling. VII 3955—58.
Möhl Slave blato "marais’. M&m. soe. ling. VII 276.
blato“ Sumpf” entspricht lautlich lit. baltas “ weiss’ M. vergleicht
lit. Dältüju u. das magyarische, aus dem Slav. entlehnte Wort ba-
laton “ See’.
Zubaty Slav. doma “zu Hause”. Arch f. slav. Phil. XIV
150—52.
doma = Lok. Sg. auf -5 von einem eu-Stamm. Zusammen-
hang mit ai. amä lit. n-ämas ist möglich.
Lundell Etudes sur la prononeiation russe 1. partie: Compte
rendu de la litterature. 1. liv. 155 S. Upsala.
Sobolevskij Vorlesungen über die Geschichte der russisch.
Sprache (russ.). 2. vermehrte u. verbess. Aufl. St. Peters-
burg, Selbstverlag des Verf.
Tichov Abriss einer Grammatik des westbulgarischen Dia-
lektes nach der Liedersammlung von W. Kacanowskjij (russ.).
Kasan.
Masing L. Zur Laut- u. Akzentlehre der makedoslavischen
Dialekte. Ein Beitrag zur Kritik derselben. St. Petersburg
Eggers u. Kemp. VII u. 1468. gr. 8°.
Resetar Die Aussprache u. Schreibung des e im Serbo-Kroa-
tischen... "Arch. f.slav. Phil: XTIE SI.
Jagic’ Neue Erscheinungen im serbischen Auslaut. Arch. f.
slav. Phil. «XII: 627 ff;
Schwund von r, das in den Auslaut gekommen ist.
Murko Zur Erklärung einiger gramm. Formen im Neuslo-
venischen. Arch, f. slav. Phil. XIV 89 δ΄.
1. Dat. (u. Lok.) Sg. Fem. von 5%. 2. Gen. Du. 3. Zur Er-
klärung des epenthet. n- im Neuslov. und den übr. slav. Sprachen.
4. Eine Pronominalform als Anhängepartikel. 5. Uber verkürzte
Formen des Zeitwortes bada in den slav. Sprachen.
Mucke Historische u. vergl. Lautlehre der niedersorbischen
(niederlausitzisch-wendischen) Sprache mit besonderer Be-
rücksichtigung der Grenzdialekte u. des ÖObersorbischen.
(= Preisschriften der Fürstl. Jablonowskischen Ges. XXVI).
Leipzig Hirzel. XVII u. 615 S. τὸν: 8°.
Kühnel Die slav. Orts- u. Flurnamen in der Oberlausitz
l. Heft. Leipzig Köhler in Komm.
Weisker Slav. Sprachreste, insbesondere Ortsnamen aus dem
Bibliographie. 81
Havellande u. den angrenzenden Gebieten I. T. Rathenow
Babenzien. 8°.
C. Baltisch.
Bezzenberger Zum balt. Vokalismus. BB. XVII 215—27.
Lit. τὸ als Schwavokal in ur ul um bei zweisilbigen Wurzeln
nach der Gleichung era: ur eva: uw. Vollstufiger erster Vokal
einer zweisilbigen Wurzel wird gestossen betont, während der zweite
Vokal nach Liquida, Halbvokal und wahrscheinlich auch Nasal ge-
schwunden ist.
Wiedemann Zu den lit. Auslautsgesetzen. KZ. XXX11109— 22.
1. Ide. 6 liegt vor im Nom. Sg. der en- u. er-Stämme, im Instr.
Sg. der e-Ste. u. der 1. Pers. Sg. Präs. Ind. — 2. -om erscheint im
Gen. Pl. — ὃ. -öt im Abl. Sg. der e-Ste. und im Nom. Sg. menü.
4. -öi im Dat. Sg. der e-Ste. 5. -0%s im Instr. Pl. ders.
Leskien Die Bildung der Nomina im Litauischen (= Abhand-
lungen d. phil.-hist. Klasse der kgl. sächs. Gesellschaft d.
Wissensch. XI 3). Leipzig Hirzel. 468 5. Lex. 8°.
Brückner Der lit.-poln. Katechismus vom Jahre 1598. Arch.
f. slav- Phil. XIII 597—90.
Textproben mit gramm. Einleitung.
Lautenbach Der Dialekt der mittleren Abau (Kurland). BB.
XVII 271—92.
Zur Laut- u. Formenlehre, Syntax u. Lexikographie.
Prellwitz Die deutschen Bestandteile in den lettischen Spra-
chen 1. Heft. Göttingen Vandenhoeck u. Ruprecht.
Mitteilungen.
Die indogermanische Sektion auf dem Münchener
Philologentag.
Zum ersten Male seit 19 Jahren hat sich auf der 41.
Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner, die vom
19. bis 23. Mai in München tagte, eine selbständige idg. Sektion
gebildet. Die Anregung war von Hrn. Prof. Osthoff-Heidel-
berg und Hrn. Prof. Stolz-Innsbruck ausgegangen: 30 Mit-
glieder fanden sich auf ihren Aufruf ein, darunter die Herrn
Dr. Geiger-München, Prof. Kägi-Zürich, Dr. Kahle-Berlin, Dr.
Krumbacher-München, Prof. Kuhn-München, Dr. Meister-Leip-
zig, Dr. Michels-Berlin, Dr. v. der Pfordten-München, Dr. v.
Planta-Fürstenau (Graubünden), Dr. Sütterlin-Heidelberg, Prof.
Thurneysen-Freiburg (Breisgau), Prof. Wackernagel-Basel und
der Unterzeichnete. In der konstituierenden Sitzung vom 21. Mai
vormittags ward Hr. Prof. Osthoff zum ersten, Hr. Prof. Stolz
Anzeiger 11. 6
82 Mitteilungen.
zum zweiten Vorsitzenden und die Herrn Dr. Sütterlin und
Dr. v. Planta zu Schriftführern gewählte Am Nachmittag
fand eine gemeinschaftliche Sitzung der indogermanischen
und der deutsch-romanischen Sektion statt, in der Hr. Prof.
Osthoff vor zahlreicher Zuhörerschaft über “Eine bisher
nicht erkannte Präsensstammbildung des Indoger-
manischen’ sprach. Dieselbe, so führte der Vortragende
aus, findet sich am deutlichsten im Germanischen; erst in
zweiter Linie kommen Baltisch -Slavisch und Arisch in be-
tracht, während im Griechischen, Italischen und Keltischen
nur spärliche Ausläufer vorhanden sind.
A. Drei Gruppen lassen sich im Germanischen unter-
scheiden. a) Die erste wird allein von got. as. usw. standan
gebildet. Das Prät. entbehrt des Nasals, vgl. got. stöb, an.
stöd, as. aes. stöd, ahd. stwot. Das Part. wird nur noch im
Anord. nasallos gebildet: stadenn. Die Wurzel ist sta.
bh) Zur zweiten Gruppe gehören drei 2-Wurzeln. Bei
ihnen ist der Nasal allgemein durchgeführt. Es sind ags.
usw. swindan, vgl. aisl. sv@na und svra. Wz. sur. — Got.
usw. windan zu lat. viere, vimen, vitis, abg. vija, lit. vejü
usw. — Got. usw. slindan zu gr. λαιμός λαῖτμα, Wz. slai.
Die Verba dieser Art sind in die dritte Ablautsreihe überge-
gangen. Vgl. nominale Neubildungen wie ahd. slunt usw.
c) Weniger durchsichtig ist die Form der w-Verba
von gleicher Bildung. Präsentien wie lat. tundo, pungo,
rumpo haben im Germ. doppelte Umbildung erfahren: 1.
Neubildung im Anschluss an das Präteritum. An Stelle von
*"rumban — rauf —= lat. rumpo — räüpi trat *reufan —
rauf vgl. aisl. rjüfa, ags. reöfan. 2. un-+ Kons. im Präsens
ward nach dem Muster der Verba dritter Ablautsreihe durch
in+Kons. ersetzt. Ζ. B. got. stiggan “stossen ', das zu ai. ἔμ)
“schlagen” gehört. Die ursprüngliche Flexion war "stungan
— *staug; hieraus entstand *stangan — stang und endlich
stingan — stang, wie as. usw. tredan für *trodan, vgl. got.
trudan, aisl. troda eingetreten ist.
Behält man diesen Entwickelungsgang im Auge, so
erklärt sich der Zusammenhang von ags. dindan “ schwellen '
mit lat. fameo, gr. τύλος ᾿ Schwiele’ taüc "gross ’, abg. tyja
“werde fett’, ai. taviti. Es ist von Wz. tau genau so ge-
bildet wie standan von Wz. sta. Gleicher Art sind *tindan
“brennen vgl. got. tandjan tundnan zu gr. daiw, Wz. dau
und hrindan “stossen zu gr. κρούω κροαίνω, Wz. krou.
B. Den 7 germanischen stellen sich im Baltisch-
Slavischen drei Beispiele zur Seite. Lit. juntu jutaü
“durch Gefühl gewahr werden’. Das j ist prothetisch wie in
junkstu. Zu juntü stellen sieh gr. diw "merke, abg. um»
u
Mitteilungen. 83
“Verstand, got. ga-umjan “bemerken’. — Lit. puntü ρεΐαῶ
“schwellen ', zu lett. pans Auswuchs am Baume’ pumnis “Beule’.
— Abg. kre(t)nati ‘drehen’, kretati “Neetere’ zu lat. curvus,
ST. KUPTÖC, KOPWVÖC.
C. Im Arischen gehören hierher: ai. krntdti, av. ke-
rentaiti “schneidet, dazu Perf. ai. cakdrta, zu gr. xeipw, lat.
curtus, germ. skeran, Wz. sker. — Ai. krndtti “dreht den
Faden’, entweder zu abg. krenati von Wz. ker oder zu lat.
colus, gr. KAWAW κλώεκω.
D. Im Lateinischen dürfte vielleieht scintilla auf
ein Präsens *sc’nto deuten. Zu vergleichen ist ahd. scinan,
Wz. ski.
Was nun die idg. Flexion der aufgezählten Präsentien
anlangt, so lehrt das Arische, dass dieselbe doppelter Art
war: 1. athematisch, entsprechend dem eben erwähnten
krndtmi — krntmdäs, also etwa *sto-net-mi — *sto-nt-mes.
2. thematisch wie krntdti : *sto-nt-ö. Man kann
etwa das Nebeneinander von bhundkti und bhunjdti ver-
gleichen.
Auf Grund der thematischen Flexion stellten sich schon
früh Beziehungen zur nasalinfigierenden’ Präsensklasse ein.
Infolge dessen ward ὁ wurzelhaft. So entstand cakdrta nach
Analogie von vavdrja, so jJutaü nach budaü, da die Präsen-
tien beider Klassen in bestimmten Formen anscheinend iden-
tische Flexion hatten.
Umgekehrt erlitten die nasalinfigierenden’ Präsentien
Beeinflussung von Seiten der »et-Bildungen. Da sie mit die-
sen in den schwachen Formen übereinstimmten, bildeten sie
auch starke Formen auf -ne- z. B. *li-ne-g-mi (ai. ri-nd-c-mi)
zu *liog-mes (ai. rinc-mds). Diese Neubildung liegt in der
altindischen VII. Klasse vor. Vielleicht reicht sie jedoch
sehon in die Zeit der idg. Urgemeinschaft, wenn die Analyse
von Κυνέω als Ku-ve-c-w (Wz. Aus) richtig sein sollte.
Auf diese Weise liesse sich also die eigentümliche Ge-
stalt der VII. Präsensklasse begreifen, die sonst dem Cha-
rakter des idg. Wortbaus widerspricht. Wie zu dem schwa-
chen Stamm wund- “Wasser” die starke Form uden- gehört,
so könnte man annehmen, dass neben löng- ein *lig-en zu
statuieren sei. Thatsächlich scheint aber -an- die Vollstufe
zu sein. Vgl. armen. lkanem — linguo λιμπάνω usw. Danach
ist als Urparadigma *lig-dn-ö *ling-mes anzusetzen. Im Grie-
chischen liegt bei λιμπάνω, πυνθάνομαι, κλαγγάνω Kontamina-
tion von schwacher und starker Form vor. Nur coiyyw ent-
spricht der lat. germ. kelt. lit. Bildungsweise.
Vergleicht man nun den Wechsel von d und t in pando:
pateo, so ist derselbe dem von g und ὁ in pango : paciscor
84 Mitteilungen.
u.ä. ganz analog. Das lautgesetzliche Verhältnis der Medien
zu den urspr. Tenues ist noch nicht ganz klar. Weahrschein-
lich entstanden sie aus denselben zwischen Nasalen. Eine
Übertragung des d in die starken Formen lag alsdann nahe.
So erklären sich ai. trnddmi — trndmds, Wz. ter, vgl. gr.
tepew, ai. bhinddmi — bhindmdäs, Wz. bht, vgl. air. benim,
ahd. brhal, abg. biti; ai. chinddmi — chindmds, Wz. skhi,
vgl. lat. de-sci-sco; avest. morendat "tötete‘, Wz. mer, vgl.
lat. morior; gr. ἐκ-φλυνδάνω "breche auf (von Geschwüren)’,
vgl. φλύω φλέω, lat. fluo; lat. fundo zu fütare, Wz. dhä,
vgl. gr. θύω, ai. dhünöti, abg. dyja; lett. fadu aus *fundu
“verschwinde’ zu lit. Zue& "komme um’ u.ä.; abg. bada aus
#=bhund-ö, Wz. bhü. Das letztgenannte Verbum ist ein um
so beweiskräftigeres Beispiel für das präsensstammbildende
Suffix -nt- (-nd-), als es nur im Präsens vorkommt.
Wie durch die engen Beziehungen der net- Präsentien
zu den "nasalinfigierenden’ ἔ, d schon früh wurzelhaft ward
(vgl. z. B. lit. kertü zu ai. krntdti, got. skaida zu ai. chi-
nddmi, got. beita zu ai. bhinddmi), so dürfen wir auch ἐ, ὦ
in manchen Fällen sö erklären, in denen kein -nt- -nd- neben
ihm erhalten ist. So steht giutan neben χέω, «Πα. fliozan
neben πλέω, sliozan lat. claudo neben clavis. Gr. κλύζω
“wasche, reinige’, got. hlätrs “rein, klar’ hat lit. szldju zur
Seite, gr. μύδος “Nässe” mnd. mätn “waschen ist mit abg.
myja verwandt, gr. τένδω lat. tondeo mit TEu-vw, lat. cado
entspricht einem ahd. houwan, abg. kova usw.
In der Sitzung vom 22. Mai, vormittags 8 Uhr, fanden
zwei Vorträge statt. Hr. Prof. Wackernagel sprach “Über
ein Gesetz der idg. Wortstellung’, der Unterzeich-
nete über "Betonte Nasalis sonans‘. Da beide Vorträge
in den Indogermanischen Forschungen bereits erschienen sind
EIIEIE
(dieser S. 82 ff., jener S. 332 ff.), bedarf es keiner Inhalts-
angabe.
Wilhelm Streitberg.
Wenkers Sprachatlas.
Die Arbeit an dem, nicht nur für die deutsche Dialekt-
forschung, sondern für die Sprachwissenschaft überhaupt un-
gemein wichtigen Sprachatlas des deutschen Reichs, mit Unter-
stützung des Reichs und des kgl. preuss. Ministeriums der
geistl. etc. Angelegenheiten bearbeitet von Dr. G. Wenker
in Marburg und den derzeitigen beiden Hilfsarbeitern Dr.
F. Wrede und Dr. E. Maurmann, ist in ein neues Stadium
getreten. Es werden jetzt regelmässig im Januar und Juni
Mitteilungen. 85
die in Handzeichnung fertigen Karten an die kgl. Bibliothek
in Berlin abgeliefert. Je 5 Karten, 75:80 em. gross, im Maass-
stabe 1: 1000000 bilden als Blatt nordwest, nordost, südwest
das deutsche Reich und bringen ein Wort zur Darstellung,
dessen heutige Formen aus den etwa 40000 deutschen, 302
französischen, 62 litauischen, 79 sorbischen, 1257 polni-
schen, 60 cechischen Orten in die selbe geographische Unter-
lage farbig eingezeichnet werden. Jedem Worte ist eine Er-
läuterung in Handschrift beigegeben. Bis jetzt sind 23 Wörter
(d. h. 69 Karten) abgeliefert: bald, bett, brod, drei, eis, feld,
gänse, gross, hund, kind, luft, mann, müde, nichts, pfund,
salz, sechs, sitzen, tot, was, wasser, wein, winter.
Personalien.
Es haben sich für indogermanische Sprachwissenschaft
im Jahre 1891 habilitiert: An der Universität Heidelberg
Dr. Ludwig Sütterlin; an der Universität Berlin Dr. Paul
Kretschmer; an der Universität Leipzig Dr. Herman Hirt;
an der Universität Freiburg (Breisgau) Dr. Albert Thumb.
Es wurden ernannt: P. Giles zum Dozenten der idg.
Sprachwissenschaft an der Universität Cambridge; Professor
Louis Duvau, bisher an der philos. Fakultät der Universität.
Lille, zum Professor der indogermanischen Sprachwissenschaft
an der Ecole des Hautes Etudes zu Paris, als Nachfolger
Ferdinand de Saussures, der als ao. Professor des gleichen
Faches an die Universität Genf berufen worden ist; Dr. Wil-
helm Geiger, bisher Privatdozent an der Universität München,
zum ord. Professor an der Universität Erlangen, nachdem die
von Professor Dr. v. Spiegel innegehabte Professur für ori-
entalische Sprachen in eine solche für idg. Sprachen um-
gewandelt worden ist; Hjalmar Edgren, bisher Dozent in
Lund, zum Professor der europäischen Linguistik an die neu-
gegründete freie Hochschule Gothenburg in Schweden; Dr.
Josef Zubaty, bisher Privatdozent in Prag, zum ao. Profes-
sor der altindischen Philologie und vergleichenden Sprach-
wissenschaft an der cechischen Universität Prag.
Τ am 8. Januar zu Charlottenburg der Gymnasialober-
lehrer und Privatdozent der Phonetik und allgemeinen Sprach-
wissenschaft an der Universität Leipzig, Dr. E. Techmer.
7 .. re. .. -
Ἴ am 7. März zu Wien der Begründer der slavischen
Sprachwissenschaft, Hofrat Professor Dr. Franz Ritter von
Miklosich im 78. Lebensjahre.
80 Mitteilungen.
Friedrich Zarncke ὕ.
Die germanische Philologie hat einen schweren, einen
unersetzlichen Verlust erlitten: Friedrich Zarneke weilt nicht
mehr unter den Lebenden. Im der Morgenfrühe des 15. Ok-
tobers brach sein Auge, dessen hellen Blick der Tod allein
zu verdunkeln im Stande war.
An seinem Sarge trauert die indogermanische Sprach-
wissenschaft. Denn auch ihr ward er entrissen. Als Lehrer
der germanischen Grammatik ist er lange Jahre hindurch einer
ihrer gelänzendsten und einflussreiehsten Vertreter gewesen.
Es war der einzige aus den Reihen der ältern Generation, der
in jenen Jahren, da neue Anschauungen sich in heissem Ringen
Bahn brachen, rückhaltlos auf die Seite der Jugend trat. Und
mit jugendfrischer Spannkraft ist er rastlos voran geschritten,
unermüdet lernend und lehrend bis zum letzten Tage.
Besonders schmerzlich trifft der Verlust die Indoger-
manischen Forschungen, an denen er vor andern warmen
Anteil nahm. Vor mir liegt ein Blatt, worin er ihr Erscheinen
mit fröhlichem “Glückauf” begrüsste. Wie wenig ahnte ich
damals, dass jene Zeilen die letzten bleiben sollten, die ich
von seiner Hand empfing.
Nun ist er uns entrissen. Doch sein Gedächtnis wird
nieht mit seinem Tode erlöschen. Es wird fortleben, nicht
nur in der Geschichte der Wissenschaft, für deren freie Ent-
faltung er mehr als einmal in die Schranken getreten ist,
sondern noch unvergänglicher in der Liebe seiner Schüler,
deren Herz er gewonnen.
“..... Vor allen, die je es gesehn,
Wird ein gütiges Antlitz stehn
Und eine Seele, die schlicht und klar,
Und eine Grösse, die einfach war —
Einfach, wie alles Echte ist,
Das die Gottheit segnend geküsst......
2)
Am Begräbnistage, 11. Oktober 1891.
Wilhelm Streitberg.
ANZEIGER
FÜR INDOGERMANISCHR SPRACH- UND ALTERTUNSKUNDE.
BEIBLATT ZU DEN INDOGERMANISCHEN FORSCHUNGEN
REDIGIERT
VON
WILHELM STREITBERG.
BAND I HEFT 2. FEBRUAR 1892.
Schrader Ὁ. Vietor Hehn. Ein Bild seines Lebens und sei-
ner Werke. Sonderabdruck aus Iwan von Müllers biogra-
phischem Jahrbuch für Altertumskunde. Berlin Calvary
and Komp. 1891. 76,8. 8°. M.. ὃ.
Bald jährt es sich zum zweitenmal, dass Vietor Hehn,
einsam wie er gelebt, in einer Mansardenstube Berlins ge-
storben ist, wenige Tage nach der Entlassung des einzigen
Mannes, der, wie er einmal an Wiehmann schrieb, mitten in
der demokratischen Plattheit und Seichtheit, von der man
millionenfach in Wort und Sehrift und That umwimmelt wird,
sein Trost und seine Erbauung gewesen war. Im 77T. Lebens-
Jahr ist er gestorben, und dennoch zu früh: bevor er den
zweiten Teil seiner köstlichen Gedanken über Goethe hat
vollenden können.
Was Hehn für die ide. Altertumskunde durch sein Klas-
sisches Werk über Kulturpflanzen und Haustiere gethan hat,
weiss ein Jeder. Zwei Jahrzehnte sind seit seinem ersten
Erscheinen verstrichen; die Grundanschauungen der Sprach-
wissenschaft haben wesentliche Umgestaltungen erfahren, treft-
liche Werke, die ihrer Zeit bahnbrechend gewesen waren,
sind schon längst veraltet und achtlos bei Seite geschoben
— aber Hehns Buch steht noch immer in unzerstörter Frische
da, als wär es erst heute geschrieben worden. Ja, fast
möcht ich sagen: sein Tag soll erst kommen. Denn so
viel wir ihm auch schon zu verdanken haben, noch unver-
gleichlich schönere Früchte dürfen wir von ihm in Zukunft
erwarten.
Daher haben wir alle, so lang er noch unter den Le-
benden weilte, mit hoher Verehrung zu dem ausgezeichneten
Mann emporgeschaut, der “im jüngern Schwarme stolz und
Anzeiger I 2. 7
58 Schrader Vietor Hehn.
schlieht” voll stiller Grösse vor uns stand. Undals er starb,
da mochte sein Tod an der grossen Menge spurlos vorüber-
gehn, die nicht wusste, wen sie verloren, wen sie besessen
hatte — wer aber den Verlust besser ermessen konnte, den
traf er um so schmerzlicher.
Schon damals drängte sich gar manchem der Wunsch
auf, ein Lebensbild Hehns zu erhalten. Begreiflich genug.
Man wusste so wenig von seinem äussern Leben, noch we-
niger von seiner innern Entwicklung. War er doch immer
in fast unnahbarer Abgeschlossenheit seines Weges gegangen.
Was kurz nach seinem Tod an biographischen Noti-
zen erschien, konnte dem Verlangen nicht genügen. Es waren
Erinnerungsblätter, flüchtige Skizzen, wie der Tag sie bringt
und der Tag verschlingt.
Unter diesen Umständen kann die schöne Studie Schra-
ders über Hehns Leben und Werke bei allen Freunden des
Verstorbnen auf lebhafte Teilname rechnen. Die grosse Be-
gabung Schraders für biographische Darstellung, sein feines
Verständnis für individuelle Eigenart, beide schon früher er-
probt, bewähren sich auch diesmal aufs glänzendste. Trotz
mancher Lücken in der Überlieferung ist es ihm gelungen,
ein lebensvolles Bild von der Entwicklung Hehns zu ent-
werfen, dessen Grundzüge dauern werden, so viel auch im
Einzelnen zu ergänzen bleibt.
So muss ich gestehn, dass ich selten eine Lebensbe-
schreibung mit gleichem Genuss gelesen habe, wie diese.
Wenn sie vielleicht einen Wunsch unerfüllt gelassen hat, ist
es nur der, dass die drei Hauptwerke Helns etwas gleich-
mässiger behandelt sein möchten. Der Abrundung käme
das entschieden zu gut. Diese Erinnerung soll kein Tadel
sein. Denn ich weiss sehr wohl, dass der Ort, wo die Bic-
graphie zuerst erschienen ist, eine ausführlichere Betrachtung
der Thätigkeit Hehns auf dem Gebiete der idg. Altertums-
kunde forderte. Ich will nur eine Bitte ausgesprochen
haben, falls eine zweite Auflage dem Verfasser, wie ich hoffe,
Gelegenheit bietet, von jeder Fessel befreit zu arbeiten.
Und noch ein andrer, ein alter Lieblingswunsch ist
lebhafter denn je in mir erwacht, als ich Schraders Lebens-
beschreibung las: Der Wunsch nach einer Gesamtaus-
gabe von Hehns Werken. Ein Mann von so imponieren-
der Einheit und Ganzheit des Charakters, an dem nichts zer-
fahrenes, nichts gebrochenes zu finden ist, verdient vor allen
andern, dass seine Persönlichkeit auch als ein Ganzes in sei-
nen Werken dem Volk entgegentrete.
An Teilnahme für Hehn fehlt es ja gottlob nieht. Vor
wenigen Wochen hat sein Buch über Italien zum viertenmal
Schrader Vietor Hehn. 80
die Presse verlassen. Die Kulturpflanzen und Haustiere lie-
gen schon in fünfter Auflage vor und von den Gedanken
über Goethe ist noch im Jahr ihres Erscheinens eine Neu-
‚ausgabe notwendig geworden, die freilich seltsamerweise bis
heute die letzte geblieben ist.
Dem Verleger droht also schwerlich Gefahr, wenn er
diese drei Meisterwerke mit allem vereint, was wir sonst noch
von Hehn besitzen. Ausser der 1877 erschienenen Studie über
das Salz und den von Wichmann bei Cotta herausgegebnen
Briefen würde folgendes in eine Gesamtausgabe gehören:
Die Erstlingsschrift “Zur Charakteristik der Römer’, ein
Pernauer Programm aus dem Jahr 1843, von dem Schrader
nach einer Abschrift interessante Proben gegeben hat. Das
Programm des folgenden Jahres “Über die Physiognomie der
italienischen Landschaft‘; die Aufsätze aus der Dorpater Wo-
chenschrift “Inland', die selbst Schrader nicht zugänglich
waren; die wertvollen Beiträge zur Baltischen Monatsschrift,
unter denen die meisterhaften Petersburger Korrespondenzen
hervorragen, und was sich sonst noch an journalistischen
Arbeiten Hehns (z. B. in der “Wage‘) finden lässt. Auch
die vielgenannte Vorrede zur zweiten Auflage der Kultur-
pflanzen und Haustiere, die Hehn selber später unterdrückt
hat, darf nicht vergessen werden.
Selbstverständlich gehört auch der Briefwechsel Hehns
mit seinem Freunde Berkholz in eine Gesamtausgabe. Er
befindet sich jetzt in H. Diederichs Besitz, vgl. Schrader 5. 4
Anm. Haben schon die Briefe an Wichmann wertvolles Ma-
terial zur Charakteristik Hehns geliefert, so dürfen wir von
jenen an Seinen nächsten Freund noch viel wichtigere Auf-
schlüsse erwarten. Schrader hat leider nur einzelne, für ihn
abgeschriebene Stellen benutzen Können.
Endlieh muss auch der Nachlass, soweit er zur Ver-
öffentlichung geeignet ist, Aufnahme finden. Dr. Schiemann
soll schon seit längrer Zeit die Herausgabe vorbereiten:
möchte doch alles gleich der Gesamtausgabe eingegliedert
werden!. Zwei Schriften daraus, res Judaeorum und res
Ruthenorum betitelt, führt Schrader S. 45 an. Ein Brief an
Wiehmann lässt zudem hoffen, dass auch vom zweiten Teil
der Gedanken über Goethe manches schon ausgeführt sei.
Man sieht, an Mannigfaltigkeit des Inhaltes würde es
einer Gesamtausgabe nicht fehlen. Ebensowenig an ganz
‘oder fast ganz unbekanntem Material.
Es wäre mir eine grosse Freude, meinen Wunsch eines
Tages erfüllt zu sehn. Nicht nur mir, sondern, wie ich über-
zeugt bin, auch vielen andern.
An der endlichen Erfüllung vermag ich nicht zu zwei-
90 Strong, Logeman, Wheeler Introduction ete.
feln. Heute, wo jeder Schriftsteller dritten und vierten Ran-
ses mit seinen “gesammelten Werken’ vor dem Publikum.
paradiert, sollte ein Mann von der geistigen Bedeutung Hehns,
ein Mann, der nicht nur Meister der Forschung, sondern
auch Meister der Darstellung ist, auf diese Ehre verzichten
müssen? Das kann ich nicht glauben.
Januar 1892. Wilhelm Streitberg.
Strong, Logeman, Wheeler Introduction to the Study of the
History of Language. London Longmans, Green & Co. 1891.
Xu: 439820r7..82. 10.532620
In gemeinsamer Arbeit suchen Strong, Logeman und
Wheeler Pauls "Prinzipien der Spraehgeschichte’ in erster
Linie englischen und amerikanischen Studenten mundgerecht
zu machen. Die Übersetzung, die Strong früher gegeben hatte
und demnächst in zweiter Auflage erscheinen lässt — eine
Konkurrenz, die das Vorwort in etwas sonderbarer Weise be-
rührt —, erfüllte diesen Zweck schon deshalb nieht hinläng-
lich, weil Paul sich mit Vorliebe mittel- und frühneuhoch-
deutscher Beipiele bedient, deren Verständnis Engländern in
der Regel Schwierigkeiten bereiten mochte. In der vorliegen-
den Bearbeitung sind diese Beispiele durch solche aus der
englischen, gelegentlich auch der französischen oder lateini-
schen Sprachgeschichte ersetzt. Sie sind durchweg gut,
manchmal überraschend glücklich gewählt, sodass das Werk
in dieser Hinsicht auch für deutsche Leser sehr beachtens-
wert ist, in hervorragendem Masse für Anglisten.
Diese stoflliche Abweichung gebot von vorn herein auch
in der Darstellung ein freies Verhalten gegenüber dem Ori-
ginal. Pauls Buch gilt vielfach für ein schwer lesbares.
Was an diesem Urteil richtig ist, beruht wohl darauf, dass
der Verfasser seine Leser zu wenig zwischen den Zeilen finden
lässt, in dem Bestreben jedes einzelne Problem allseitig zu
beleuchten. Einem solehen Original gegenüber hat eine Be-
arbeitung naturgemäss einen sehr glücklichen Stand: für den
Verlust kleinerer Züge entschädigt das schärfere Hervortreten
der Hauptlinien. Das englische Buch liest sich meistens recht
angenehm. Vielleicht wäre eine noch etwas weitergehende
Emanzipation vorteilhaft gewesen. Die Paulsche Folge der
Kapitel nämlich ist nicht sehr glücklich; im Anfang beson-
ders werden wir zwischen lautlichen und syntaktischen Erschei-
nungen hin- und hergeworfen. Analogie (Kap. V) und Kon-
tamination (Kap. IX) sind weit auseinandergerissen, was in
der Bearbeitung um so mehr auffällt, als hier für die Konta-
Strong, Logeman, Wheeler Introduction etc. il
mination neues und hübsches Material beigebracht wird,
sodass die Zusammengehörigkeit beider Erscheinungen zu
lebhaftem Ausdruck kommt. Was als Differenz angeführt
wird (S. 142), ist völlig unzulänglich, und die Komparative
worser und lesser werden denn auch an beiden Orten unter-
gebracht. Die psychologischen Grundlagen sind dieselben;
nur das Stärkeverhältnis der beiden assoziierten Worte (Wort-
klassen) spielt eine Rolle. Übrigens ist seltsamerweise hier
so wenig als in Wheelers früherm Schriftchen über Analogie-
bildung das Verhältnis von Begriffskontamination zur Wur-
zelkontamination ins Auge gefasst, vgl. sqguarson = squire +
parson, “a squire who is a parson (S. 144), Prohiblican =
Prohibitionist + Republican (Wheeler), abulg. serb. nestera,
poln. nyesczora = *neti + sestra (Brückner Archiv f. slav.
Phil. IX 175, Schmidt Neutra 65), was ins Kapitel der Sprach-
sechöpfung überweist, wo electreeution — electrie execution
(vgl. lat. semi-modius > semiodius, Brugmann Grdr. 1 8 049)
untergebracht ist. (Was ich mit den durch den Druck her-
vorgehobenen Buchstaben andeuten will, ist hoffentlich in die
Augen springend. Man wird doch wohl von einem psycholo-
gischen Gesetz reden dürfen).
Am wenigsten gelungen sind die Kapitel VII. XIX. XX.
In Kapitel VII (Change of Meaning in Syntax) ist die Disposi-
tion nieht glücklich: beim freien’ und “gebundenen Akkusativ
werden die Beispiele so durcheinander geworfen, dass man
eine Weile (S. 150 f.) nur mit Hülfe des deutschen Originals
ahnt, wovon die Rede ist. Kapitel XIX hat durch ein Schema
der Kompositionsklassen mit 14 Haupt- und etlichen Unter-
abteilungen an Übersichtlichkeit keineswegs gewonnen. Dabei
sind Bildungen wie church-yard (= a yard of a chureh) mit
Prince-regent, merchant tailor (= a tailor who is a merchant)
zusammengeworfen (Klasse I 1: Appositionelle Verbindungen),
ebenso neighbour mit holyday (11 1 Adj. + Subst.). Auch
shameful, beautiful sähe ich lieber von blood-red, snow-white
getrennt. Zur Erklärung des Bahuvrihi-Kompositums manly
"Mannsgestalt (habend)’ wird 8. 339 pianoman "the man who
has pianos’ herbeigezogen. — Hübsch sind XI. XI. XI.
XXI.
An einzelnen kleineren Versehen namentlich bei Zitaten
fehlt es nieht. Unter die scherzhaften Übersetzungsschnitzer
gehört S. 111: Dö spranc von dem gesidele her Hagene usw.
— "Then sprang from the seat hither Hagen” usw.
Berlin, 4. August 1891. Vietor Michels.
92 Sweet A Primer of Phonetics.
Sweet H. A Primer of Phoneties. Oxford Clarendon Press
1800. ΠῚ τι 113,8. ΚΙ. 82.93 Sh265d.
“ This book is intended to supply the double want of ἃ
new edition of my Handbook of Phonetics and of a coneise
introduction to phoneties, with especial reference to English
and the four foreign languages most studied in this country
— French, German, Latin and Greek”. Mit diesen Worten
gibt der Verf. in der Vorrede den Zweck seines Büchleins
an. “Rigorously exeluding all details that are not directly
useful to the beginner”, ist das Buch “as coneise, definite, and
practical as possible”. Auf 70 Seiten in kl. 8° — gegen 108 im
“Handbook” ein Abriss der ganzen Phonetik! Das ist eine in
der That bewundernswerte Leistung. Doch ich muss bezweifeln,
ob eine derartige gedrängte, scharf präzisierende, dogmatische
Darstellung, so nützlich sie an sich sein mag, und mit wie prak-
tischem Geschick sie auch im einzelnen durchgeführt ist, wirk-
lich für den Anfänger die geeignete ist. Ich halte es nicht
für denkbar, dass jemand, der sich noch nieht mit Phonetik
beschäftigt hat, hiernach eine klare Vorstellung von den
Grundzügen der Sprachphysiologie erhält, so dass er im-
stande ist die Forderung zu erfüllen, welche Sweet als Grund-
lage des phonetischen Studiums aufstellt: “of forming sounds
eorrectly and easily, and recognizing them by ear”. Dem
Anfänger würde meines Erachtens eine breiter angelegte,
induktive, die Einzelheiten in anschaulicher Weise ausführende,
eklektische Darstellung am ehesten einen Ersatz für die
freilich doch unersetzbar . bleibende mündliche Unterweisung
bieten können. Mit knappen Formulierungen ist dem Anfänger
am wenigsten gedient. Auch darf nur dem Vorgeschrittenern
ein Dogma wie das des Vokalsystems der englischen Schule
geboten werden. Dem Anfänger ist jedwede Systematisierung
nur schädlich bei einem Gegenstande, bei dem es allein
darauf ankommt, eine richtige Vorstellung von den gespro-
chenen Schallgebilden und ein richtiges Gefühl für dieselben
zu bekommen. Nur eine opportunistische Methode kann hier
zum Ziele führen.
So anfecehtbar Sweets Satz ist “ The only sound basis
of theoretieal phoneties is a practical mastery of a limited
number of sounds”, weit grössere Bedenken erregt die zweite
Forderung, welcher das Buch Rechnung trägt: “The most
important requisite for the praetical phonetieian is faeility
in handling phonetie notation”. Ich gehöre auch zu denen,
“who are inelined to grumble” — zwar weniger “at the suppo-
sed diffieulty of the “Organie’ notation”, die in diesem Buche
zur Anwendung kommt — aber über diese Art von 'Trans-
skription an und für sieh, von deren Zweckmässigkeit ich
Sweet A Primer of Phonetics. 95
mich überhaupt nicht überzeugen kann, geschweige denn für
einen Anfänger. Ich frage mich vergebens nach dem prakti-
schen Nutzen einer Transskription, nach der jede Artiku-
lationsstellung durch ‘einen besondern Strich oder Haken
oder Punkt, reehts oder links, oben oder unten, bezeichnet
wird, um so mehr, als absolute Genauigkeit ja doch ausge-
schlossen ist. Da sind mir Jespersens mathematische Be-
zeichnungen noch lieber. Was soll aber überhaupt eine
“organische’ Transskription? Geschriebene und gedruckte Sätze
und Wörter wollen wir doch lesen. Wir verbinden mit dem
Buchstaben die Vorstellung von einem bestimmten Schallbilde,
nicht von einer bestimmten Artikulationsstelle. Hier wird
es immer einer besondern Beschreibung bedürfen, welche,
abgesehen davon dass sie genauer ist als jede auch noch so
fein ausgeklügelte “organische Transskription, auch den durch
die vorhergehende und folgende Artikulationsstellung gege-
benen Verhältnissen Rechnung tragen kann, was jene nicht ver-
mag. Jene Transskription halte ich nicht nur für eine Spielerei,
sondern insofern für eine zumal für Anfänger — gefähr-
liche Spielerei, als hierdurch die Vorstellung erweckt wird,
als gäbe es überhaupt fest abgegrenzte Laute, wie Buchstaben,
eine Vorstellung, von welcher sich leider noch die wenigsten
frei zu machen vermögen. Die Einführung der “organischen ’
Transskription in dem Primer’ dürfte daher nicht als ein
Fortschritt gegenüber dem “Handbook angesehen werden.
Ist das Buch nach meinem Dafürhalten für einen An-
fänger sehr wenig geeignet, so ist es für den Vorgeschritte-
nern vorzüglich als praktisches Repetitorium und als eine
Art Katechismus der englischen Schule. Die Einteilung des
Stoffes ist im wesentlichen die des “Handbook ; nur ist er
mehr konzentriert. Der 39 S. umfassende Appendix “ The
prineiples of spelling reform” fehlt ganz. Statt der holl., isld.,
schwed. und dän. Lautphysiologie bringt der “Primer ausser
der engl. (15 S.), französ. (10 5.) und deutschen (8 5.) noch
eine lateinische (Ὁ 5.) und griechische (4 S.). Der Lautphy-
siologie folgen allemal Textproben in zum Teil dreifacher
Transskription, der "Örganie’, der 'Broad Romie’ und der
“ordinary spelling’.
“ Die Ausstattung des Büchleins ist eine mustergültige.
Stralsund, den 3. Oktober 1891. Otto Bremer.
Taylor I. The origin of the Aryans. An account of the
prehistorie ethnology and eivilisation of Europe, ‚ London
Walter. Seott 1890.-.339 S. 83°. 3 sh. (θ᾽ ἃ.
Für das Interesse, das man auch in England den wich-
94 Taylor The origin of the Aryans.
tigen Fragen nach der Kultur und Herkunft der Indoger-
manen oder Arier, wie man dort zu Lande sagt, entgegen-
bringt, legt ausser der neu erschienenen Übersetzung von
Schraders Sprachvergleiehung und Urgeschichte auch dieses
Buch beredtes Zeugnis ab. Es kann aber auch allen Deutschen,
die sich mit den Fragen der ältesten Kulturgeschichte be-
schäftigen, in mehr als einer Hinsicht empfohlen werden.
Denn es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn jemand heute
linguistische Paläontologie treibt, er die übrigen Wissenschaf-
ten, die Lieht über die Urzeit verbreiten können, Ethnologie,
Anthropologie und Archäologie, in den Kreis seiner Betrach-
tung ziehen muss. Es geht nicht mehr an, dass die Sprach-
wissenschaft im stolzen Selbstbewusstsein die Resultate dieser
andern Wissenschaften unbeachtet lässt, es dürfte ihr sonst
das Loos blühen, dass sie wiederum Luftschlösser erbaut,
wie es bei der Frage nach der Urheimat der Fall war.
In dem vorliegenden Werke wird uns nun eine äusserst
klar und anziehend geschriebene Einführung in die Probleme
und Resultate aller der erwähnten Wissenschaften geboten, und
seine Bedeutung liegt m. E. in dieser Zusammenfassung, die
den Weg weist, der künftig zu betreten ist. Der Verf. will
keine neue Hypothese bieten, er zieht nur das Fazit der
bisherigen Anschauungen und giebt eine Kritik derselben.
In linguistischer Beziehung ist er ganz von Schraders erster
Auflage abhängig. Das hat natürlich seine Nachteile, die
wir leider mit in den Kauf nehmen müssen, da bei einer so
schnell fortschreitenden Wissenschaft, wie die Sprachwissen-
schaft es ist, fast jedes Buch, das nicht auf eigener Forschung
beruht, schon beim Erscheinen recht viel Veraltetes bieten
muss. Aber, da der Verf. die durch die Sprachwissenschaft
sewonnenen Resultate durch die übrigen Wissenschaften stützt
und korrigiert, so ist der Schaden nicht allzu gross. Gewiss,
es finden sich in den sprachlichen Teilen des Buches zahl-
reiche Fehler, manche Etymologie ist falsch, manche mehr als
zweifelhaft, aber dass die Resultate des Buches dadurch bein-
trächtigt würden, kann ich nieht finden.
Von dem Inhalt geben die 6 Kapitel: I the Aryan
controversy, II the prehistorie races of Europe, III the neo-
lithie culture, IV the Aryan race, V the evolution of Aryan
speech, VI the Aryan mythology kaum genügende Vorstel-
lung. Als Hauptpunkte des Buches möchte ich folgende
bezeiehnen. Für Asien als Heimat der Indogermanen lässt
sich schlechterdings gar nichts vorbringen, vielmehr ist es
durch archäologische und anthropologische Momente völlig
sicher gestellt, dass die Europa bewohnenden Rassen dort von
dem Zeitalter der geschliffenen Steingeräte an sesshaft sind. Iden-
Taylor The origin of the Aryans. 95
tität von Sprache schliesst nieht Identität von Rasse ein, und
da Europa in der prähistorischen Zeit von vier verschie-
denen Rassen bewohnt ist, so fragt es sich, welcher derselben
die indogermanische Sprache zuerst angehörte. Von diesen
vier Rassen scheiden zwei sofort aus, und es bleiben nur 1) die
Skandinavier, gross, dolichocephal, mit blondem Haar,
blauen Augen, jetzt repräsentiert durch die Schweden, Friesen
und blonden Norddeutschen, und 2) die Kelten, gross,
brachycephal, mit hellen Augen und rötlichem Haar, jetzt
repräsentiert durch Dänen, Slaven und einige Iren. Penka
nimmt bekanntlich die erste für die Indogermanen in An-
spruch; Taylor macht dagegen sehr wichtige Bedenken gel-
tend, und hat, um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, diese
zweite Rasse aufgestellt. Dadurch würde es sich erklären,
dass Litauer und Slaven die indogermanischen Laute am
treusten bewahrt haben. Taylor eignet sich den Grundsatz
an, dass viele der starken Veränderungen, die die Einzel-
sprachen erlitten haben, durch Aneignung des Idioms seitens
einer fremden Rasse entstanden sind, wobei er treffend das
Beispiel der romanischen Sprachen heranzieht. Wenn der
Verf. die Zischlaute in den satem-Sprachen dem Einfluss
eines fremden Volkes zuschreibt, so übersieht er, dass von
vielen Gelehrten, so von Joh. Schmidt, die Ursprünglichkeit
dieser Laute verteidigt wird. Gerade durch die Ausführungen
Taylors scheint mir diese Annahme an Wahrscheinlichkeit zu
gewinnen; ist sie richtig, so würde uns das Litauische noch
heut am treusten die Grundsprache repräsentieren, und da
ferner das Litauische allein von allen Sprachen so subtile
Unterschiede wie den gestossenen und schleifenden Ton be-
wahrt hat, und da uns endlich die sprachlichen Thatsachen,
wie ich demnächst zeigen werde, ebenfalls nach dem von
Litauern und Slaven bewohnten Gebiet als Urheimat weisen,
so scheint die Annahme Taylors allerdings manche Schwierig-
keiten, freilich nicht alle, zu lösen. Ich hoffe bei anderer
Gelegenheit. die Ansichten des Verf. genauer erörtern zu
können.
London, den 23. September 1891. Herman Hirt.
Pischel R. und Karl F. Geldner Vedische Studien I. Bd.
Stuttgart W. Kohlhammer 1889. XXXIIH und 327 8. 8°.
M. 12.
Die beiden namhaften Verfasser dieses ersten Bandes
der „Vedischen Studien“, von denen, wie ich höre, ein zwei-
ter Band sich jetzt gerade im Druck befindet, haben durch
96 Pischel, Geldner Vedische Studien.
ihre Arbeit die Veden-Kenntnis wesentlich gefördert. Es ist
hier nicht Ort und Raum, um auf alle die belehrenden Ein-
zelheiten einzugehen, welche die Autoren als Resultate einer
entsagenden und mühevollen Bienenarbeit dem Veda-Forscher
bieten. Nur der gesunde Grundgedanke kann hier hervor-
gehoben werden. Es ist der, dass der Veda in erster Linie
nicht als Denkmal indogermanischen, sondern indischen
(reistes, als Erzeugnis und Zeugnis indischen Nationalwesens
zu betrachten sei. Aufklärungen, welche die indogerma-
nische Forschung gewährt, werden dabei selbstverständlich
weder zurückgewiesen noch als unmöglich hingestellt. Ich
halte diesen Grundgedanken für fruchtbar und bin wie die
Verfasser der Ansicht, dass sogar Rgveda und Avesta und
die ihnen zugrunde liegenden Anschauungsformen schon die
Endpunkte einer langen Sonderentwicklung bilden.
Wenn nun aber der Rgveda in erster Linie an die na-
tional-indische Kultur und Entwicklungsreihe angeknüpft wird,
so ist dabei die sehr wesentliche Unterfrage nach der Ein-
heitlichkeit oder Nicht-Einheitlichkeit derselben mehr in den
Vordergrund zu rücken. Ich bin zu der Ueberzeugung ge-
langt, die ich in den Grundzügen schon in den Gött. Gel.
Anz. 1891 No. 24 ausgesprochen habe und in fernern Un-
tersuchungen näher zu begründen haben werde, dass es im
alten arischen Indien zwei nach Wesen und Sprache getrennte
Bevölkerungskomplexe gab, die sich in zwei verschiedenen
Richtungen aus den vedischen Sitzen abgesondert hatten und
dann auf getrennten Gebieten in eigentümlicher Weise sich
weiter entwickelten: das brahmanische Sanskrit-Volk im Gan-
ges-Thale und das nicht-brahmanische Päli-Volk im ganzen
Indusgebiet und den südwestlichen Küstenländern. Wir haben
so eine Dreigabelung der arischen Kultur und Sprache: Im
Westen der iranische, im Osten der sanskritisch-brahmanische
und in der Mitte in südlicher Erstreckung der Päli- Zweig.
Der Rgveda bezeichnet den Berührungs- und Schnittpunkt
dieser drei divergierenden Entwicklungsreihen. Es ergibt
sich so die einfache Konsequenz, dass, nachdem dem Avesta
und der sanskritischen Tradition (der letztern in markante-
ster Weise durch Pischel und Geldner) das Recht vindiziert
worden ist, als Erkenntnisquelle für die Rätsel des Rgveda
zu gelten, nunmehr auch auf die Kultur und Sprache des
Päli-Komplexes als selbstständigen und gleichberechtigten
Faktor für die Veda-Kenntnis voller Nachdruck gelegt wer-
den muss. Prof. Pischel selbst hat schon längst zu denen
gehört, welche die Notwendigkeit betont haben, auch die Auf-
klärungen, die Päli und Präkrit bieten, für den Rgveda nutz-
bar zu machen, und auch im vorliegenden Werke wird von
Pischel, Geldner Vedische Studien. ὍΝ
den beiden Autoren diese Forderung wiederholt, z.B. S.XXXI:
“selbst das Päli und Präkrit darf der “Vedist’ von Fach nicht
ungestraft ignorieren”. Bei den bisherigen Anschauungen
über die Sprachgruppierung in Indien konnte man es aber
nur dem Zufall zuschreiben, dass hier und da Altertümlich-
keiten im Päli und in den Präkrits erhalten sind, welche im
Sanskrit fehlen, und die Ausnutzung dieser sogenannten Vul-
gär-Sprachen für die Veda-Erklärung musste so den Charakter
des Nebensächlichen tragen. Sie wird, wenn meine Anschauun-
gen richtig sind, in Zukunft den der prinzipiellen Gleichberech-
tigung annehmen müssen. Ich würde den mir zugemessenen
Raum überschreiten, wenn ich die Reihe der dem Rgveda
mit dem Päli resp. den Präkrits allein, nicht mit den Skr.
gemeinsamen Eigenheiten, die schon wiederholt hervorgehoben
sind und die bei meiner Auffassung mindestens die einfachste
Erklärung finden, noch um einige vergrössern wollte. Aber
zweierlei will ich doch hervorheben, nämlich einmal, dass
ich im Päli auch den rgvedischen Instrumental auf -@ von
a-Stämmen gefunden zu haben glaube und bei Gelegenheit
die Belege dafür erbringen werde. Sodann möchte ich zur
Stütze dessen, was Geldner 5. 119 ff. über kara — Sieg’
im Rgv. auseinandersetzt, und als vereinzelten Beweispunkt
für die Fruchtbarkeit der Päli-Vergleichung he rvorheben, dass
die Wurzel kar in der That im Päli die Bedeutung besie-
gen’ hat. Zwar Dhammap. 42: diso disam yan tam kayira,
veriväd pana verinarı, wo man sich zu gleicher Deutung ver-
sucht sehen könnte, ei] dieselbe durch den folgenden Vers
höchst unwahrscheinlich gemacht. Sicher aber steht sie für
das Mahäparinibbänasutta (Journ. Roy. As. Soc. VII S. 52):
akaranmiya "va bho. Gotama Vajjı ranna Maägadhena.. yad
idarn yuddhassa — nicht zu besiegen sind durch den Kö-
nig von Magadha, o Gotama, die Vajjis im Kampfe.
Sodann noch zwei kurze Bemerkungen anderer Art!
Ss. 18 behauptet Pischel auf Grund von astrand kurute “er
übt sich in den Waffen’ ‚und von krtapunlkha “einer, der im
Pfeilschiessen geübt ist”, dass ösaukrt auch be deuten könne
“einer der sich im Pfeilschiessen übt‘, “Pfeilschütz’. Ich halte
das für sehr gut möglich auf Grund der Prinzipien, die
ich betreffs der Kompositionsverkürzung in ZDMG. XLIV
S. 481 ff. erörtert habe, und als spezielle Parallele möchte
ich, wiederum aus dem Päli, das Beispiel von S. 485 anfüh-
ren, in dem ebenfalls Kunstfertigkeiten mit dem blossen Na-
men des Gegenstandes bezeichnet werden, an dem sie sich
äussern: Cullavagga I, 15, 2: hatthismim assasmim rathas-
mim dhanusmim tharusmin sikkhanti, und aus der Mähä-
rästri das a. a. Ὁ. folgende Beispiel isatthe — — “in der Kunst
98 Geldner Avesta Die heiligen Schriften der Parsen.
umzugehen mit Pfeilen und anderen Geschossen” (Skr. isu+
astra).
Schliesslich erblicke ich in dem sädam — rasam des
T. Br., nach Pischel S. 72 Ὁ: — "den schmackhaften Ab-
sud', einen neuen Beleg für meine Anschauungen über die
Komposition, die ich Gött. Gel. Anz. 1891 No. 24 ausgeführt
habe, wonach nicht eine geheimnisvolle Kraft der Bahuvrihi-
Komposition den beiden Gliedern den relativen, sekundären
Sinn beilegt, sondern jedes selbständige Substantiv denselben
annehmen und demnach “das und das besitzend bedeuten
kann.
Berlin, 171. Dez. 1891. R. OttorFranke.
Avesta Die heiligen Schriften der Parsen, im Auftrag
der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien
herausgegeben von Karl F. Geldner. Gr. 4°. Stuttgart
W. Kohlhammer 1885 ff. Erster Theil. Yasna 1886. Zwei-
ter Teil. Vispered und Khorde Avesta 1889.
Eine neue Ausgabe des Avesta war schon seit gerau-
mer Zeit zu einem dringenden Bedürfnis geworden. Und als
vor nunmehr sieben Jahren die erste Lieferung des obigen
Werks erschien, wurde das Unternehmen von allen Seiten
mit freudigem Dank begrüsst. Inzwischen sind der ersten
Lieferung noch weitere fünf gefolgt und damit zwei Bände
zum Abschluss gelangt. Ein dritter, der den Vendidad brin-
gen wird, die bei Westergaard unter Jasht 21—24 geführten
Stücke, sowie die in der ersten Lieferung versprochenen bis-
her noch nicht veröffentlichten Texte, steht noch aus. Leider
schreitet das Werk nicht so rüstig voran, als man es wünschen
möchte und nach der raschen Aufeinanderfolge der drei ersten
Lieferungen — sie: sind datiert vom Dezember 1884, August
1885 und März 1886 — erwarten durfte. Es scheinen immer
noch etwa vier bis fünf Jahre darüber hingehn zu sollen,
bis das Werk uns vollständig vorliegt. Doch soll darum
dem Herausgeber kein Vorwurf gemacht werden.
Gegen die äussere Einrichtung der Neuausgabe habe ich
früher — Kulıns Literaturblatt II 385 ff. — einige Einwen-
dungen erhoben und dabei den Wunsch ausgesprochen, Geld-
ner möge sich darüber äussern (386 Note). Das ist bisher
nur bezüglich eines Punktes geschehen, der Niehtberücksieh-
tigung des von mir mit m umschriebenen Zeichens; 5. KZ.
XXX 328 Note 2). Voll aufrecht muss ich meinen Vorwurf
i) Freilich in sehr kurzangebundener Weise. Welche Hand-
schriften verwenden das Zeichen und welche nicht ?
Geldner Avesta Die heiligen Schriften der Parsen. 99
erhalten wegen der Verwendung des von Justi mit si wie-
dergegebenen Zeichens für das vor ? (1) stehende s und
für $k. Überall wo die Etymologie auf ar. sk hinweist, findet
sich in den Handschriften neben jenem Zeichen auch s und
k in getrennter Schreibung. So z. B.: saskenka J. 53. 1
(vgl. AF. II 52); saskustema A. ὃ. 4 (ebd.); iskata® J.10.11,
32102 14,19. 3 (vgl. Studien II 56) an den beiden letz-
ten Stellen steht die Ligatur nur in je einer Handschrift —;
huskem J. 11. 8, σι. 5. 771), Umgekehrt tritt vor ?, soviel
ich sehe, niemals s+-k auf. Danach hätte in der Ausgabe
unterschieden werden müssen.
Auch darin behalte ich Recht, dass von den kritischen
Zeichen * für “unächte” Wörter und 7 für “inkorrekte und
verdächtige Verse” anfänglich ein zu ausgedehnter Gebrauch
gemacht wurde. Die spätern Hefte lassen nicht Weniges
unbeanstandet, was die ersten bei gleichem Wortlaut als un-
ächt oder inkorrekt bezeichnen. Man vergleiche z.B. J. δῖ.
ed mit “1. 102103, 13: 10: 0... δὲ 5. mit . 91: 8
Denn αἰ. 8. 11: und im nämlichen: Heft Jt. 5. 34 mit
9.14; 8 11 mit 10. 55. Im Hom-Jasht, der gewiss nicht
schlecht überliefert ist, steht * 9, 7 8 mal im Text. Ich
würde gern beide Zeichen überall vermissen. Sie spiegeln
ja eben doch nur die zeitweilige Ansicht des Herausgebers
wieder, welche, wie es sich von selbst versteht und wie die
angeführten Stellen beweisen, vor Änderung keineswegs
sicher ist. Was insbesondere die Metrik des jüngern Avesta
anlangt, so ist es mir kaum zweifelhaft, dass auch Geldner
jetzt wesentlich andern Anschauungen huldigt als früher. Die
Verszeilen der Jashts lassen sich nach meiner Meinung am
ersten mit solchen deutschen Zeilen vergleichen, wie sie uns
Ζ. B. zu Anfang des ersten Faustmonologs entgegentreten.
Da ist auch keine feste Schablone zu spüren, mit regelmäs-
sigem Wechsel von Hebung und Senkung und mit unabän-
derlicher Silbenzahl: und gleichwohl wird Niemand leugnen
wollen, dass es dennoch Verse sind. Gegenüber Geldners
Angaben betreffs der gathischen Verszeilen (1 98, 150 ff.) ge-
statte ich mir wiederholt auf meine Ausführungen in AF. Il
1 ff. zu verweisen.
1) Der Eigenname in Jt. 9. 31 ist unsicher. — razbwiskarem
Vsp. 3. 1 und G.3.5 wird auch von Geldner mit s+Ak geschrieben;
s. die Varianten zur ersten Stelle.
2) Ich spreche bei der Gelegenheit wiederholt die Bitte aus,
Geldner möge auch die ihm in den Handschriften aufstossenden
Zendalphabete veröffentlichen, sei es in der Ausgabe sei es anders-
wo. Ihre Wichtigkeit ist doch nicht zu verkennen. Gehen die
Handschriften erst wieder nach Indien zurück, so sind sie damit
der Wissenschaft verloren.
100 Geldner Avesta Die heiligen Schriften der Parsen.
Geldner hat sich in anerkennenswerter Weise bemüht, für
die Neuausgabe eine möglichst breite Unterlage zu schaffen.
Dank der Einsicht und Bereitwilligkeit mehrerer Dasture ist
es ihm geglückt, etwa fünf Mal so viel Handschriften zur
Benutzung zu erhalten, als seiner Zeit Westergaard bei sei-
ner Ausgabe vorgelegen haben. Und unter den bisher nicht
verwerteten Handschriften befinden sich solche allerersten Rangs.
Es ist klar, dass dadurch der Text des Avesta in überaus
zahlreichen und wichtigen Punkten Veränderungen erfahren
hat. Die früheren Ausgaben sind damit antiquiert. Sonach
ergibt sich die Notwendigkeit, bei jeder Erörterung, die sich
auf das Avestische bezieht, auch schon bei den blossen An-
führungen seltnerer Avesta-Wörter die Neuausgabe einzusehen.
Das mag ja gewiss für den Sprachforscher, der bisher zu-
frieden war, sich für seine Aufstellungen auf Justis Handbuch
berufen zu können, recht unbequem sein, insbesondere auch
darum, weil die dortigen Stellenangaben vielfach eine andre
Paragrapheneinteilung zur Voraussetzung haben als die Geld-
nersche. Ich bin aber überzeugt, dass Justi selbst mir völ-
lig beistimmen wird. Wörter wie duie “zu geben‘, kusi
‘Höhle’ (s. IF. I 492 Note) sollten nicht mehr auf der Bild-
fläche erscheinen. Die Versuche, Avesta philologisch zu be-
handeln ohne Rücksicht auf die Neuausgabe — z. B. BB.XV
317, wozu KZ. XXXI 273 zu vergleichen; ferner ZDMG.
XLIV 363 ff., besonders 368 f. zu J. 28. 4 — werden hof-
fentlich ohne Nachahmung bleiben.
Dass es — bei der Summe von Lesarten, bei dem Wider-
spruch, in dem sich vielfach auch die besten Handschriften
nicht nur mit einander. sondern auch mit sich selber befin-
den, endlich bei der Schwierigkeit der Exegese — nicht eben
leicht war, sich zu entscheiden und dabei das Richtige zu
treffen, bedarf eigentlich keiner besondern Versicherung. Und
wenn gesagt werden darf, dass man in der weitaus grössern
Mehrzahl der strittigen Fälle dem Herausgeber zustimmen
ınuss, so bedeutet das für ihn kein geringes Lob.
Ich kann natürlich hier keine erschöpfende Polemik
treiben, sondern muss mich begnügen, einzelne Fälle heraus-
zugreifen, da ich Geldner nieht beitreten kann. Im den Ga-
thas findet sich 12 Mal die Form paouruim. So bietet auch
Geldner an 9 Stellen, aber dreimal schreibt er powru’ auf
Grund verschwindend weniger Handschriften; J. 28. 1: Pd,
K 37; 31.8: 51 (pöuru’); 45. 3: Pt 4. Ausserdem findet sich
pouru° nur noch in J T zu 45.5. Was war der Anlass, un-
gleich zu schreiben? Das Nämliche gilt bezüglich mainieus
J. 4. 7 (u. δ.) gegenüber manieus J. 61. 2 (u. ö.); zaraz-
datöib σι. 13. 47 gegenüber zrazdät’ Jt. 10. 51, 15. 92 u.
Geldner Avesta Die heiligen Schriften der Parsen. 101
dgl. m. Anderswo hat sich doch Geldner nieht gescheut zu
uniformieren. So schreibt er in den Gathas stets manieus,
einmal, J. 31. 9, nur nach einer Handschrift, und in stetem
Widerspruch mit der sehr sorgfältigen Handschrift Pt 41).
Wird doch sogar Vp.9. 4 das nach meiner Ansicht ganz kor-
rekte hudabiö andrer ähnlicher Stellen wegen in hudabto
korrigiert; s. auch J. 24. 54 vanhudabio.
Einige Male, so scheint es, hat sich Geldner durch
srammatisch-linguistische Erwägungen vom rechten Weg ab-
lenken lassen. So J. 38. 4, als er gegen fast alle Hand-
schriften friamaht in den Text setzte; das n in frianmahı,
an dem er sich offenbar gestossen hat, ist ganz am Platz;
Den 119. 80 ὑ' 49: 9, als er mit Einer Handschrift
ja gegen jam aller übrigen aufgenommen hat; vgl. meine
Studien I 73. So Jt. 10. 45, wo er Westergaards hispö-
semna gegen die besten Jashthandschriften durch Ahispös’
ersetzt hat; vgl. Jt. 8. 36. So J. 43. 8, wo die Bevorzugung
ποτ Ὧν ἴῃ ME2, Jpl, K4 vor siao® in SI, M£f1, 1 2
Κ Ὁ und den übrigen bloss dem indischen stdumi zu Liebe
geschehen zu ὯΝ scheint. Warum ist die Lesart von Pt 4
Zieht angeführt??) . Auch 4. 20:1 und Jt. 13. 21 bieten
einige Hands ΠΝ Τα staumi; s. dazu BB. XVII 151 £.
Über Andres der Art gelegentlich an andrer Stelle.
Für eine Reihe von Stellen hat Geldner inzwischen
selber eingeräumt, das Richtige verfehlt zu haben. Ich trage
hier zusammen, was da und dort verstreut liegt, hoffend,
dass das nicht überflüssig erscheinen wird. J. 30. le ὃ:
jaekaı BB.’ XI 95. — ᾿ ala 9- Larmaitis, ὃ: hratus);
Jackson a hymn 36. — J. 51. 15a 4: ma£nis; Jackson a. Ὁ
41. — J. 31. 20e 2: vd; BB. XIV 13, Jackson a. O. 54. —
283€ 2,3:2:0aipt: daibitana ; ὃ: asrüazdum; ΚΖ. XXX 528
Bar ar :jabanais:;. BB. > 248, 250. — ἡ. 33. Ta
4: ὦ ‚maipiaka ; BB. XV 249. 4. 94:1} 02: tasbio; BB:
ον 2532 — J. 34..Da 9: vd; er XXVII 303. — 7. 49.
κὰν 2: kilabwa;: KZ. XXX 317. — J. 43. 88 2: a bastıs;
2.0. 518. — . 43. 12e und Ad l: uzireididi; a no 320.
N 43. 12e 4: ranöibia; a. O. 320, BB. XIV 15. —— οἷς
DDr ἀξ: ΚΟ ΧΧΧ 320, 531. I. 423 de), 4:
tusna.maitis; BB. XV 259, KZ. XXX 321; 324. 1,48:
16b 3: jeste; a. O. 321, BB. ΧΙν 19. -- ͵υὺ. 43, 164 1..2
lveng.daresöt; ἃ. Ο. 19 ΠῚ ΚΖ. XXX 321. — 1. 44. 19e 3%
maenis; Jackson a. O. 41. — 4. 46. 6b 4: a ΚΖ.
XXX 532. 6 J. 46. 16b 5: usta stöi; BB. XIV Ξε
1) S. auch J. 31. 9 bei Jackson a hymn 8.
2) ΚΖ. XXXI 518 wird ebenfalls nichts erwähnt.
102 Jackson The Avestan Alphabet.
48. De ὃ, 4: aipt.zabem; ΚΖ. XXX 525, 950. — J. 48. Ta
8... 20dum; a. 0..926. — J. 91a Pan: 2im0; 2202324
— J. 51. 196 T:ıdaenarat: ΒΒ: ΧΙ ILS; Jackson 732 0745:
— J. 60 Bd 3: asa drugem; KZ. XXXI 321.
An Druckfehlern verzeichne ich: J. 1. 14. 26 1.: rasa-
stato. - απ: ἢ. Ὁ. 2 12:2 2emarga202 03: 44.20 SR
anment; vgl. BB. XII 98. — Jt.5. 120 f 21.: fianhuntaeka.
— Jt. 10. 328 31.: garö nmäne. — ΤΙ 40 ist im Seitentitel
Ardui Sür ausgefallen.
Münster (Westf.), ὃ. November 1891.
Chr. Bartholomae.
Jackson A. V. W. The Avestan Alphabet and its Transerip-
tion. Stuttgart W. Kohlhammer 1890. 36 S. 8°. M. 0,80.
Das System, welches sich Jackson für eine Umschreibung
des Avestaalphabets ausgesonnen hat und das er in der
vorliegenden Broschüre empfiehlt, ist, das wird jeder zugeben,
sehr geschiekt durchgeführt. Er wollte wissenschaftlich und
praktisch zugleich sein, eine Absicht, die ihm gewiss ge-
lungen ist; auch seine typographischen Anforderungen wird
selbst eine bescheiden eingerichtete Druckerei befriedigen
bez. wird sie sich mit den von ihm selbst gestatteten Er-
leichterungen helfen können. Durchaus neu ist in Jacksons
System die konsequente Verwendung eines Häkchens statt
diakritischer Punkte oder Akzente, entsprechend dem sog.
“Ableitungs-Strieh '; die andern von ihm benutzten Zeichen,
wie 9, 3 (auf dem Kopfe stehendes 6, δ), ἢ, 2, ὃ, d, bv sind
auch sonst schon, wenn auch wie 9, 5 noch nicht bei der
Umschreibung des Avestaalphabets, angewandt worden. Statt
do (ἃ) ein Zeichen aus ὦ und > zu kombinieren, war der
Natur des Buchstabens vollständig entsprechend. Ilech meines-
teils würde gern bereit sein, Jacksons Transskription anzu-
wenden, wie sie auch schon einmal in einer kurzen Note von
mir im Am. Journ. of Phil. zur Anwendung gekommen ist.
wenn ich nieht durchaus der Ansicht Hübschmanns wäre, dass
neue Transskriptionsvorschläge das Gesamtgebiet der iranischen
Sprachen, nicht bloss das Zend umfassen müssen. Wir um-
schreiben heute ziemlich allgemein nach Hübschmanns Weise
wenigstens das Armenische, Ossetische, Beluci; diese bereits
erreichte teilweise Einigkeit, die ich natürlich keineswegs be-
daure, ist Jacksons System nicht günstig, dessen Buchstaben
vielfach nicht zu Hübschmanns Transkription passen. Eher
würde Jackson auf Annahme seiner Vorschläge rechnen kön-
nen, wenn er sich entschlösse, sein System auf die iranischen
Sprachen überhaupt auszudehnen.
Jackson a hyımn of Zoroaster. 105
Einen besonderen Wert verleiht dem Schriftehen die
beigegebene übersichtliche vergleichende Tafel der bisherigen
Umsehreibungen des Avestaalphabets.
Strassburg i. E. Paul Horn.
Jackson A. V. W. a hymn of Zoroaster. Yasna 31. Trans-
lated with comments. Stuttgart W. Kohlhammer 1888.
M. 1.90:
Das Dunkel, in das die Hymnen des altiranischen Vol-
kes gehüllt waren, beginnt sich allmählich zu lichten. Auf
grammatischem, metrischem und exegetischem Gebiet sind
wir in den letzten 10 Jahren unzweifelhaft um ein gut Stück
weiter gekommen. Der Inhalt jener Gesänge, die zum gröss-
ten Teil auf den Stifter der mazdischen Religion selber zu-
rückzuführen sind, ist keineswegs so unbestimmt, so leer und
gleichzeitig so zusammenhanglos wie er etwa in Spiegels Über-
setzung erscheint. Es ist vorerst nur ein kleiner Kreis, den
Zarathushtras Anhänger bilden; die Mehrheit steht abseits oder
verhält sich geradezu feindlich; daher denn auch die wieder-
holten Klagen in den Hymnen. Im übrigen bieten sie keine
besonders grosse Zahl religiöser Ideen. Ein hervorstechen-
der Zug ist die vielfache Beschäftigung mit den letzten
Dingen.
Es war ein glücklicher Griff, jene Hymne neu zu be-
arbeiten, deren Behandlung durch Roth im Jahre 1876 von
so wesentlichem Einfluss auf die Gathaexegese geworden ist.
Manche Zeile und Strophe der Hymne wurde schon in der
Zwischenzeit erörtert. Jackson hat die einschlägige Litte-
ratur gut benutzt und es ist ihm zweifellos gelungen, die
Rothsche Übersetzung in vielen und wichtigen Stücken zu
verbessern. Dass gleichwohl noch eine stattliche Reihe von
Differenzpunkten übrig bleibt, darf bei der Sprödigkeit des
Stoffs nicht Wunder nehmen. Ein Paar will ich hier nam-
haft machen.
Str. 1: agusta möchte ich lieber mit ai. djusta-, av.
zaosa- usw. verbinden; g zu z ist ja auch sonst nachweisbar.
Str. 2: urudne nimmt man besser als Infinitiv “zur
Wahl’, denn als Dativ zu arwan-, der normal urune zu lau-
ten hat.
Str. ὃ: Die Erklärung der Worte 70 14 md eresis halte
ich nicht für gelungen. Ich glaube doch, dass eresis das
ai. 788 wiedergibt.
Str. 9: pabam, das Jackson noch an anderer Stelle
besprochen hat, nehme ich als Lok. Sing. wie ai. usdm, us-
räm, ksapdm u. a.
Anzeiger I 9, fo)
104 Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie.
Str. 12: Zur Bedeutung von maeha s. jetzt BB. XV 251.
Str. 13: Die Etymologie von bwisra halte ich für falsch;
hierüber ausführlicher IF. I 492 f.
Str. 14: Zu henkeretä vgl. Caland Zur Syntax 50 Note.
Str. 17: aipi.debauatiap möchte ich jetzt nicht mehr mit
debenaoti usw. zusammenstellen, sondern mit aipı.daibitänd
“Irrlehrer ; vel. ΚΖ. XXX 528. Ebendazu auch ddebaoma
RR ἴὰ
Str. 18: Zu dusita s. meine AF. I 100.
Str. 22: Zu: vazisto .astis 5. BB. XV.10#., XV 340.
Münster (Westf.), November 1891.
Chr. Bartholomae.
von Hartel W. Über die Aufgaben und Ziele der klassischen
Philologie. Inaugurationsrede, gehalten am 13. Oktober
1890 im Festsaale der Universität. Zweite Auflage. Wien,
Leipzig, Prag Freytag u. Tempsky 1890. 36 S. Lex. 8°.
Me.
Lipsius J. H. Die Aufgaben der klassischen Philologie in
der Gegenwart. (Rektoratswechsel an der Universität Leip-
zig am 31. Oktober 1891 5. 17—34.) Leipzig Druck von
Edelmann. 4°.
bonnet Δ]. La philologie elassique. Six conförenees sur l’ob-
jet et la methode des etudes supcrieures, relatives A l’an-
tiquit@© greeque et romaine. Paris Klincksieck 1892. III
02 224 S Wo ΠΕ
Drei namhafte Vertreter der klassischen Philologie be-
handeln Methode und Aufgabe ihrer Wissenschaft — ge-
wiss ein erfreulicher Beweis dafür, wie lebhaft man allerorten
bestrebt ist, trotz der unvermeidlichen Arbeitsteilung und
der unerlässlichen Detailforschung das Ganze nicht aus dem
Auge zu verlieren.
Am ausführlichsten hat Bonnet, der Verfasser des be-
kannten Werkes über das Latein des Gregor von Tours, jetzt
Professor an der philosophischen Fakultät zu Montpellier, sein
Thema behandelt. Am ausführlicehsten, doch nicht am um-
fassendsten. Vielmehr sind ihm an Weite des Blicks und
Grösse der Auffassung die beiden deutschen Gelehrten un-
zweifelhaft überlegen.
Doch es ist hier nieht der Ort zu einer erschöpfenden
Kritik. Diese muss den Organen der klassischen Philologie
überlassen bleiben. Hier kann nur ein einziger Punkt zur
Sprache kommen, dessen Bedeutung freilich nicht gering ist.
Es ist die alte Frage: Wie stellt sieh die klassische Philolo-
Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie. 105
gie zu unsrer eignen Wissenschaft, der indogermanischen
Sprachforschung'?
Man weiss, dass zwischen beiden kaum jemals ein nä-
heres Verhältnis bestanden hat. Während die germanische
Philologie vom ersten Tag ihres Bestehens an unlösbar mit
der indogermanischen Sprachwissenschaft verknüpft ist, hat
die klassische Philologie von vorneherein der jüngern Schwes-
ter gegenüber eine kühle, ja feindselige Haltung eingenom-
men. Der Hauptgrund dieser Abneigung hat bei Lobeck
klassischen Ausdruck gefunden. Ich meine den berühmten
Angriff auf jene Mezzofantis, die Griechisch zu können glau-
ben, wenn sie einige Wörterbücher und Kompendien durch-
blättert haben, und verhängten Zügels durch hundert Spra-
chen schweifen.
Der Vorwurf ist hart, doch nicht ganz unberechtigt. We-
nigstens nicht im Mund eines Mannes, der einst von sich
bekannt hat: Wenn die Natur uns vergönnte
"zum zweiten Male jung und wieder alt zu sein’,
so würde ich diese doppelte Dauer des Lebens zwischen bei-
den Studien verteilen, da die einfache kaum zur Kennt-
nis einer Sprache hinreicht.
Es ist das grosse Verdienst von Georg Curtius hierin
Wandel geschaffen zu haben. Selbst von der Klassischen Phi-
lologie ausgehend, mit ihren Anschauungen und Bedürfnissen
daher völlig vertraut, hat er durch seine ebenso besonnene
wie feinfühlige Behandlung der griechischen Sprache das jün-
gere Geschlecht der klassischen Philologen in einem Umfange
für die Sprachforschung gewonnen, wie niemand vorher —
und nachher.
Aber dieses erfreuliche Zusammenwirken beider Wissen-
schaften hat nur kurz gedauert. Es kamen die siebziger
‚Jahre und mit ihnen, Schlag auf Schlag, immer neue, immer
glänzendere Entdeckungen, die bald die ganze Auffassung
von dem Wesen und der Entwicklung der Sprache umge-
stalteten. Aber in dem heissen Kampfe, der nun zwischen
dem mächtig vordringenden Neuen und dem zähen Wider-
stand leistenden Alten entbrannte, ward das von Curtius kaunı
erst geknüpfte Band wieder zerrissen! grösser denn je ward
jetzt die Zurückhaltung der klassischen Philologie. Es mag
sein, dass diese Entfremdung unvermeidlich gewesen ist, sie
bleibt aber darum nicht minder bedauerlich.
Heute sind seit jenen Kämpfen schon Jahre dahinge-
gangen. Was damals mühsam erobert und gegen Angriffe
von allen Seiten unablässig verteidigt werden musste, ist
längst zum unbestrittnen Gemeingut aller Sprachforscher
geworden. Aber nun, da die Ruhe wieder hergestellt und
100 Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie.
der schwer errungene Besitz unter Dach und Fach geborgen
ist, drängt sich aufs neue die Frage auf: Sollte jetzt nicht
eine Versöhnung mit der alten Gegnerin, der klassischen
Philologie, möglich werden? Gibt es keine Anzeichen, die
über ihre zukünftige Stellung zur Sprachwissenschaft Auf-
schluss geben können?
Der geharnischte Protest, den erst vor kurzem ein be-
kannter Gräzist gegen Methode und Ergebnisse der idg.
Sprachforschung erhoben hat), gibt wenig Hoffnung. Er be-
weist nur zu deutlich, dass die alten Vorurteile noch immer
nicht ausgerottet sind.
Auch Bonnets Auffassung des Verhältnisses von Philo-
logie und ee ist nicht darnach angethan,
dass man reine Freude daran haben könnte. Man mag seine
Achtung vor der idg. Sprachwissenschaft, ihrer Methode und
ihren Resultaten, deren Kenntnis er von jedem klassischen
Philologen fordert, dankbar anerkennen; aber wenn man sieht
wie er sich abmüht die alte Scheidung zwischen "philologi-
scher’ und “linguistischer” Behandlung der Grammatik auf-
recht zu erhalten, wenn man liest, dass das individuelle’
Element in der Sprache für den "Philologen’ von höchster
Bedeutung sei, während es für den "Linguisten’ nur ganz
geringen Wert habe, — wenn man diesen und ähnlichen An-
schauungen begegnet, die längst als unhaltbar erkannt und
abgethan sein sollten, dann kann man sich eines Gefühls von
Unbehagen nicht erwehren. Was frommen alle schönen Worte,
wenn in den Grundfragen solehe Unklarheit herrscht? Was
not thut, ist die lebendige Erkenntnis, dass es nur eine ein-
zige Art der Sprachbetrachtung gibt, die historische, die zu-
gleich der physischen und der psychischen Seite der Sprache
erecht zu werden weiss.
Schon ein Blick auf die Geschichte der germanischen
Philologie hätte Bonnet vor seinem verhängnisvollen Irrtum
bewahren können. Hier hat man von einem Unterschied
zwischen “philologischer und "linguistischer Sprachbetrach-
tung nie etwas gewusst. Und doch wird nicht leieht jemand
behaupten wollen. dass die germanische Grammatik in ihren
Leistungen hinter der griechischen und der lateinischen zu-
rückstehe.
Mit doppelter Freude muss es da erfüllen, wenn man
zwei klassische Philologen von der Bedeutung eines Hartel
und Lipsius ihr gewichtiges Urteil über das Verhältnis ihrer
1) Friedrich Blass im Vorwort zu seiner Neubearbeitung
von Kühners griechischer Grammatik. Vgl. Brugmanns Bespre-
chung Anzeiger I 13.
Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie. 107
Wissenschaft zu der unsern ganz und gar in dem Sinn ab-
geben hört, den alle Sprachforscher seit langem als den
alleinberecehtigten vertreten. Durch die völlige Übereinstim-
mung beider Gelehrten gewinnt ihre Auffassung noch wesent-
lieh an Wert: jeder Philologe wird sich in Zukunft
mit ihnen, also mit Angehörigen seines eigenen
Faches auseinanderzusetzen haben, wenn er die
sprachwissenschaftliche Behandlung der Gramma-
siksaplehmen will.
Es muss, so sagt Hartel, die klassische Philologie und
müssen alle andern, die deutsche, slavische, romanische, in
enger Fühlung mit der idg. Sprachwissenschaft, ihren Ergeb-
nissen und Methoden bleiben, wenn sie ihre Sprachen aus
einem grossen Zusammenhang begreifen und in die lückenlose
iüintwiekelung derselben aus der Fülle sprachlicher Mögliech-
keiten einen richtigen Einblick gewinnen wollen. Und Lip-
sius erklärt kurz und bestimmt: Seit Bopp ist für die wis-
senschaftliche Grammatik die ausschliessliche Beschränkung
auf das Gebiet der beiden klassischen Sprachen zur Unmög-
liehkeit geworden. Damit ist auch von klassisch - philologi-
scher Seite der sogenannten philologischen’ Grammatik das
Todesurteil gesprochen.
Aber — denn es fehlt auch hier ein Aber nicht — von
der unumwundensten Anerkennung einer Theorie bis zu ihrer
Verwirklichung in der Praxis führt nicht immer ein kurzer
und leicht gangbarer Weg. Dessen wird man sich bewusst,
wenn Hartel konstatiert, dass die idg. Sprachwissenschaft
sich in ihren Wegen, Voraussetzungen, Formeln und Theo-
rien so eigenartig entwickelt habe, dass ohne besonderes
Studium kein Philologe eine linguistische Abhand-
lung’ unserer Tage zu verstehen vermöge.
Ich habe mir erlaubt, die letzten Worte hervorzuheben,
weil sie mir von grösster Wichtigkeit zu sein scheinen. Denn
sie berühren, wenn auch noch so schonend, einen wunden
Punkt, der geheilt werden muss, falls ein fruchtbares Zu-
sammenwirken von klassischer Philologie und idg. Sprach-
wissenschaft mehr als ein frommer Wunsch sein soll.
Gewiss, wir dürfen es uns nicht verhehlen, die idg.
Sprachwissenschaft hat im Lauf der Jahre einen so esoteri-
schen Charakter angenommen, dass man sieh nicht wundern
darf, wenn mancher trotz alles guten Willens daran verzwei-
felt, ihre Lehren sich zu eigen zu machen. Diesen Charak-
ter muss sie unbedingt abstreifen, wenn sie darauf Anspruch
erheben will — und sie muss es — auch im praktischen
Leben den ihr gebührenden Platz einzunehmen. Bevor sie
das nicht gethan hat, wird sie auch nicht als integrieren-
108 Hartel, Lipsius, Bonnet Ziele der klassischen Philologie.
der Bestandteil in das Lehrgebäude der klassischen Philolo-
gie eingefügt werden. Denn für den Philologen ist das Stu-
dium der Sprache nur ein Teil seiner Aufgabe, wenn auch
ein wichtiger, ein unerlässlicher. Aber er kann sich unmög-
lich in solchem Maasse darein vertiefen, wie der Sprachfor-
scher, dessen Lebensberuf es bildet. Er ist daher zu dem
Verlangen berechtigt, dass ihm das Sprachstudium, soweit
es irgendwie angeht, erleichtert werde. Das geschieht in erster
Linie durch gemeinfassliche Elementarbücher. Das Vorurteil.
das man in Deutschland noch vielfach gegen sie hegt, als
ob sie der Verflachung Vorschub leisteten, muss endlich ein-
mal überwunden werden. Denn gerade das Gegenteil ist
wahr: je schneller die Anfangsgründe überwunden werden,
desto mehr Zeit bleibt für das eigentlich wissenschaftliche
Studium übrig. Dann werden auch die Klagen verstummen,
die man gegenwärtig so häufig hören muss, dass ausserhalb
der engsten Fachkreise das Verständnis für das Wesen und
die Entwicklung der Sprache so überaus gering sei.
Die Zeit für ein planmässiges Vorgehen in dieser Rich-
tung ist heute so günstig wie vielleicht nie zuvor. Der Sieg
der neuen Anschauungen ist längst entschieden. Brugmanns
ausgezeichneter Grundriss bietet für jedermann eine zuver-
lässige Grundlage und fast unerschöpfliche Fundgrube. Pauls
Prinzipien fassen die leitenden Ideen in musterhafter Weise
zusammen. Diese und andere Schätze gilt es nun für die
Praxis zu verwerten, für die weitesten Kreise nutzbar zu
machen. Nur auf diese Art kann die Sprachforschung die
breite Basis gewinnen, die jede Wissenschaft zu gedeihlicher
Fortentwickelung braucht.
Das ist von jeher meine Überzeugung gewesen und ich
habe mich bestrebt sie so gut, wie mir möglich war, in
die That umzusetzen: mit welchem Erfolge, mögen andre
beurteilen, wenn das Ergebnis vorliegt. Hätte ich diese
Überzeugung nicht gehabt, die Worte Hartels und Lipsius’
würden sie mir gegeben haben. Denn sie lehren unzweideu-
tig, dass es der klassischen Philologie an gutem Willen nicht
mehr fehlt, dass es jetzt nur darauf ankommt, ob auch die
ide. Sprachwissenschaft aus ihrer halb freiwilligen, halb un-
freiwilligen Abgeschlossenheit heraustrete und die ihr gebo-
tene Hand ergreife.
Ich hoffe zuversichtlich, dass die beiden Reden bei einer
recht grossen Zahl von Fachgenossen die gleiche Anschauung
sei es hervorrufen, sei es kräftigen werden. Gelingt ihnen
das, so wäre ihr Verdienst schon gross genug, auch wenn
sie keine andern Früchte getragen hätten.
Dezember 1891. Wilhelm Streitberege.
Schrijnen Etude sur le phenomene de U’ s mobile. 109
Sehrijnen J. Etude sur le phenomöne de Τ᾿ s mobile dans
les langues celassiques et subsidiairement dans les groupes
eongeneres. Louvain J. B. Istas 1891. 90 p. 8°.
On connait l’explieation que l’on donne ordinairement
des formes parallöles asigmatiques et sigmatiques comme
κεδάννυμι, CKEDAVVUUL, τέγος, CTEYW, etc. Ces doublets devraient
leur existence A une loi du sandhi de la phrase qui aurait
agi des l’epoque indo-europcenne.
M. Schrijnen fait valoir contre cette hypothese des ar-
guments qui ne manquent pas de force et qui en ebranlent
assur&ement la vraisemblance C'est que la plupart des ex-
plications relatives ἃ des phenomenes aussi anceiens ont ne-
cessairement un cöte conjeetural et hasardeux qu’il est assez
facile de mettre en relief. La αἰ ποι est de les remplacer
par des hypotheses meilleures. Non content de eritiquer ses
devaneciers, M. Schrijnen pretend avoir decouvert une cause
nouvelle et plus vraisemblable du phenomene de I’ s mobile.
Je n’oserais dire qu’'il a reussi dans cette täche. mais e’est
un merite de l’avoir essay6, et sa tentative est digne d’at-
tention.
Selon M. Schrijnen, la caracteristique des formes sig-
matiques en regard des formes asigmatiques est la nuance
intensive. J’ai le regret de ne trouver aucun des exemples
eites ἃ l’appui de cette these veritablement convaincant. A
plus forte raison, dois-je faire les plus grandes reserves sur
les eonelusions que l’auteur tire de ce point de depart {πὺξ
douteux. 1L’ s serait le reste d’un ancien mot significatif
(raeine sa?), et les racines A s initial representeraient des
composes prehistoriques.
A l’objeetion que l’hypothese d’une semblable composi-
tion verbale n’est corroborece par rien d’analogue dans l’Epo-
que indo-europeenne, M. Schrijnen repond en reportant la
date de ses compos6ös A une Eepoque proto-arienne. En d’au-
tres termes, l’hypothese de l’auteur nous introduit de plain-
pied dans l’Cpoque paleontologique anterieure ἃ l’indo - euro-
peen tel qu’il nous est permis de le reconstruire par la com-
paraison. C’est la un domaine infiniment obsceur, tout rempli
de problemes effrayants, et ot, dans l’Ctat actuel de la science,
je n’ai nulle envie de m’aventurer.
La liste des doublets sigmatiques et asigmatiques de
M. Schrijnen est faite avec beaucoup de soin. Il a cependant
trop ceede au desir, frequent en pareil cas, de multiplier les
exemples favorables a sa these. Aussi un assez grand nombre
de ses rapprochements me paraissent extremement douteux.
Il serait trop long de les enumerer; je n’en eiterai que quel-
ques-uns. Page 27: yxnd-oc douleur', rapproche de cxaZw,
110 Sütterlin Zur Geschichte der Verba denominativa.
“couper‘. Page 50: τάφ-ος n’est pas pour τῇῳτος. C'est la
forme faible d’une racine θᾶφ- (τέ-θηπ-α); cf. τάχος de la
racine 80x. Des lors, rien de plus hasardeux que de rappro-
cher creußw, ἀετεμφής de τάφος.
p. 59: Le gotique badrban “avoir besoin’ est A tort
rattach‘ A un racine terbh, sterbh et compar& A ταρφύς “Gpais.
L’ / de barf et du v. ἢ. all. darfan prouvent que la racine
est ferp- et non terbh-; la vraie etymologie de Darf me pa-
rait avoir ὁ. donnee par M. F. de Saussure, Mem. 500. ling.
VII P..83 ss.
ll serait tout ἃ fait superflu d’indiquer les autres rap-
prochements contestables. Les linguistes ne pourront consulter
les exemples de M. Schrijnen qu’aveec reserve, et en contrö-
lant leur lögitimite. Telle qu’elle est d’ailleurs, cette &nume-
ration comble une lacune et rendra des services.
En general, l’auteur est suffisamment au courant des
meilleurs travaux röcents. On s’ctonne cependant de rencontrer
des explications comme celle-ei: "xedavvuuı est forme d’un
theme en a, κεδα, et du suffixe cvu ἡ. Je doute fort de l’exi-
stence de ce suffixe cvu, et je decomposerais FKEdAC-VUUL.
En somme, la brochure de M. Schrijnen, qui lui a servi
de dissertation inaugurale, est un bon travail de debutant et
elle renferme des promesses pour l’avenir.
Gand. L. Parmentier.
Sütterlin L. Zur Geschichte der Verba denominativa im
Altgriechischen. .l. Die Verba denominativa auf -άω, -Ew,
-Ow. Strassburg Karl J. Trübner 1891. 8°. 1288. M..3.
Die vorliegende Schrift ist nicht ohne Vorgänger; v. ἃ.
Pfordten gab eine Statistik der Verba denominativa und
skizzierte nach allgemeinen Gesichtspunkten ihre Geschichte,
Johansson betonte die vorgeschichtlichen Fragen — Sütterlin
schliesst sich v. d. Pfordten an, indem er besonders mit Ver-
wertung inschriftlichen Materials die Sammlungen seines Vor-
gängers ergänzt und teilweise berichtigt; aber der Haupt-
zweck der Abhandlung ist der, im einzelnen den formalen
und stofflichen Analogien nachzuspüren, welche mitgewirkt
haben, die Typen auf -aw, -ew und -όω über ihren lautge-
setzlichen Rahmen hinaus auszubreiten und mit bestimmter
funktioneller Bedeutung auszustatten. Dadurch, dass jeweils
die lautgesetzlichen Formen vorangestellt und die verschie-
denen Gruppen sauber geschieden werden, ist eine klare Ein-
sicht in den Verlauf des Entwicklungsprozesses ermöglicht.
Vielleicht ist — bei allem Geschick, das der Verfasser dieser
Untersuchung zeigt — manchmal eher zuviel Mühe auf das’
Audouin Etude sommaire des dialeetes grecs. 111
Auffinden einzelner Analogieen verwendet. Der Verfasser
weist selbst darauf hin, dass in jedem einzelnen Falle die
bestimmende Analogie nicht mehr festzustellen ist; anderer-
seits muss betont werden, dass eine bestimmte Musterform
oft gar nicht notwendig war, nachdem einmal die Typen auf
τάω usw. funktionell geworden waren.
Von Einzelheiten kann ich nur ganz wenig herausgrei-
fen. Glücklich scheint mir die Erklärung der Faktitiva auf
-έω (S. 50 ff.). Die Formen auf -öw werden aus der Proportion
FCKETTO, CKETTOIC : CKETTAW — θρίγκῳ, θρίγκοις : Bpıyköw abgeleitet
(S. 98). Die These, dass diese Bildung schon “in der letz-
ten Zeit der idg. Sprachgemeinschaft” entstanden sei, bleibt
freilich ohne Beweis. Zu den S. 122 aufgezählten nicht laut-
gesetzlichen Bildungen auf -öw bemerke ich, dass es nicht:
gerade notwendig war, Muster unter den Derivatis von o-Stäm-
men zu suchen, da Verba wie ὀρνιθόω, BaAkaccöow sehr wohl
auf Grund des Kompositionsvokals in ὀρνιθο-εκόπος, ὀρνιθο-τρό-
@Oc u. 5. w. oder θαλαςςοπόρος u. ä. geschaffen werden konnten.
Für den Wechsel der Endungen -aw und -έω in späterer Zeit
(5. 91) giebt die Entwickelung der Präsensbildung im Mittel-
und Neugriechischen einen deutlichen Fingerzeig: der Zu-
sammenfall der Verba auf -daw und -ew im Aoriststamm
(ἐτίμ-η-εα EPIA-N-ca) verursachte eine Vermischung im Präsens,
die im Neugriechischen ziemlich vollständig geworden ist.
Doch ich breche ab. Ich hebe nochmals hervor, dass der
Verfasser durch seine sorgfältige Untersuchung sich ein ent-
schiedenes Verdienst um ein interessantes Gebiet der grie-
chischen Sprachgeschichte erworben hat.
Freiburg i. B. Albert Thumb.
Audouin E. Etude sommaire des dialectes grecs litteraires
(autres que l’attique), avec une preface par Ὁ. Riemann.
Paris C. Klineksieck 1891. 304 S. kl. 8°. Frs. 3.
Bei den philologischen Prüfungen in Frankreich werden
häufig Aufgaben gestellt, die Vertrautheit mit den griechischen
Dialekten erfordern. Riemann führt im Vorwort aus den
letzten Jahren die Themata an: licenee £s lettres (Paris, mars
1891): “transerire en dialeete attique Herodote III 91; ex-
pliquer les formes ioniennes contenues dans ce morceau et
Justifier les changements de formes et de syntaxe introduits
dans la traduction” ; — agregation de grammaire (1887):
donner la döelinaison dorienne de Movca, la d&eclinaison ionienne
de ὕβρις"; — agregation des lettres (1886): “expliquer les
formes particulieres au dialecte homerique qui se trouvent
dans le passage suivant: Homöre, Iliade, vers 200—206”;
112 Boisacq Les dialeetes doriens.
usw. Das Büchlein Audouins will in erster Linie der Vorbe-
reitung auf diesen Teil der griechischen Prüfungen dienen,
indem es die griechische Schulgrammatik ergänzend die
Hauptregeln des homerischen, herodoteischen, dorischen und
äolischen Dialektes zusammenstellt.
Leipzig. Richard Meister.
Boisacq E. Les dialeetes doriens, phon6tique et morpholo-
rie., Paris Thorin.1891. ΧῚῊ u. 220:8.=2r. 82.
Die Brüsseler Dissertation Boisaeqs zeugt von Belesen-
heit und Sammelfleiss und wird gewiss Vielen zur Ergänzung
des von Ahrens De dial. Dor. behandelten Materials will-
kommen erscheinen. Wo es gilt die Spracherscheinungen zu
erklären, begnügt sich der Verf. gewöhnlich mit Zitaten und
Verweisungen auf die neuere einschlägige Literatur, und tritt
nur selten bei der Entscheidung strittiger Fragen mit eige-
nem Urteil hinter seinen Vordermännern hervor.
Leipzig. Richard Meister.
Jo
Immerwahr W. Die Kulte und Mythen Arkadiens. 1. Band:
Die arkadischen Kulte. Leipzig B. G. Teubner 1891. VIIL
1.0288 5: or. Sy MA,
Das vorliegende Buch Immerwahrs gehört zu einer ge-
genwärtig immer zahlreicher werdenden Klasse mythologi-
scher Untersuchungen, welche der namentlich durch Ὁ. Grup-
pes einschneidende Kritik vollendete Zusammenbruch der Hy-
pothese von Kuhn und Max Müller, dass alle Kulte und My-
then der einzelnen indoeuropäischen Völker nach Analogie
ihrer Sprachen auf eine gemeinsame proethnische Religion
zurückzuführen seien, hervorruft. Da nämlich die “ Stamm-
baumtheorie” der Kuhn-Max Müllerschen Schule, der zufolge
“das Verhältnis der ethnischen zu den proethnischen Reli-
gionsanschauungen sich graphisch in der Form einer einfa-
chen genealogischen Tabelle oder eines sich allmählich in
immer kleinere Arme verästelnden Flusses” (Gruppe Die
griech. Kulte u. Mythen usw. 5. 139 ff.) darstellen lassen soll,
fast durchweg als nichtig erwiesen worden ist, so sind neuer-
dings viele klassische Philologen, durch den eklatanten Mis-
erfolg der frühern vergleichenden Methode!) kopfscheu ge-
1) Leider scheint sich das Misstrauen der klassischen Philo-
logie gegen die Vergleichungen Kuhns und Max Müllers neuerdings
auf alle vergleichenden Methoden, sogar auf die Sprachver-
zleichung, erstreckt zu haben. Man vgl. das was Immerwahr
Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens. 113
worden, wieder zu der bekannten von K. Οὐ. Müller begrün-
deten und später von H. D. Müller, Gerhard u. A. weiter aus-
gebildeten “Stammmythentheorie” (Gruppe a. ἃ. Ο. 141 ff.)
zurückgekehrt, indem sie die unendliche Fülle der verschie-
denartigsten Lokalkulte und -Mythen, die wir schon in der
ältesten historischen Zeit über ganz Griechenland ausgebreitet
finden, aus dem Verschmelzen verschiedener griechischen
Stämme und Stammreligionen zu erklären suchen und anneh-
men, dass, wenn an zwei oder mehrern Orten gleiche oder
ähnliche Religionsvorstellungen sich vorfinden, diese Gleich-
heit oder Ähnlichkeit nur durch die Wanderung eines und
desselben Stammes von einem Orte zum andern sich begrei-
fen lasse. Bekanntlich hat Gruppe (a. a. 0.) auch diese Theo-
rie einer sehr scharfen Kritik unterworfen, indem er (S. 144 ff.)
behauptet, dass die gesamte antike Überlieferung über Stamm-
wanderungen nicht blos konstruiert, sondern auch falsch
konstruiert sei, und sogar die bisher allgemein für eine histo-
rische Thatsache gehaltene dorische Wanderung (wie auch im
letzter Zeit Beloch gethan hat) für eine völlig unhistorische
Fiktion erklärt. Natürlich kann ich mich an diesem Orte
nieht auf eine eingehende Kritik der Gruppeschen Ansichten
einlassen; es mag genügen hier zweierlei zu bemerken, er-
stens, dass die Annahme einer Wanderung verschiedener grie-
chischer Stämme (meist in der Richtung von Norden nach
Süden), selbst wenn sie in vielen Einzelfällen vor dem Rich-
terstuhle der strengsten historischen Kritik nicht beweisbar
erscheint, doch im Ganzen schon deshalb eine sehr probable Hy-
pothese ist, weil viel mehr historische Thatsachen mit ihr im
Einklang als im Widerspruch stehen, und zweitens, dass eine
prähistorische Völkerwanderung auch für die Balkanhalbinsel
an sich höchst wahrscheinlich ist, weil derartige Verschie-
bungen ganzer Völker und Stämme auch sonst nachweislich
in den verschiedensten Gegenden Europas, Asiens und Afri-
kas stattgefunden haben und geradezu als ein Charakteristi-
kum gewisser primitiver Kulturperioden angesehen werden
können. Ob freilich schon die Gleichheit oder Verwandt-
schaft zweier Kulte an zwei verschiedenen oft weit ausein-
anderliegenden Orten genügt, um daraus auf eine Wanderung
desselben Stammes von einer Landschaft in die andere zu
schliessen, muss auch ich mit Gruppe (a. a. Ὁ.) in den mei-
5. 204 gegen eine der sichersten mythologischen Etymologien, näm-
lieh die Ableitung des Namens Πάν ( Hüter der Heerden) von
Wz. pa ‘hüten’ (vgl. pa-scor, pa-s-tor, pa-bulum, Pa-les u. 5. W.),
bemerkt, um seine völlig unhaltbare Deutung des Pan als “Sonnen-
gott’ zu stützen (vgl. dagegen mein Buch Uber Selene und Ver-
wandtes Leipzig 1890 S. 148 ff.).
114 Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens.
sten Fällen bezweifeln, zumal da ja in historischer Zeit Kulte,
Religionsvorstellungen und Mythen sich nicht bloss durch Ko-
lonialgründung, sondern auch durch Abschluss politischer und
religiöser Konföderationen sowie durch willkürliche Rezeption
stammfremder Gottheiten auf Grund besonderer Veranlassun-
gen geradezu massenhaft sich verbreitet haben, und ausser-
dem immer mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass
gleiche oder ähnliche religiöse Vorstellungen sich auch bis-
weilen ganz unabhängig von einander an verschiedenen Orten
entwickelt haben.
Möge man aber über den historischen Wert der Stamm-
wanderungstheorie von Ötfr. Müller und H. D. Müller, an
die sich Immerwahr in den religionsgeschichtlichen Partien
seines Werkes offenbar angeschlossen hat, denken wie man
will: immerhin ist und bleibt eine möglichst vollständige
Statistik der sämtlichen griechischen Lokalkulte und
Lokalmythen auf Grund der antiken Zeugnisse eine höchst
dankbare und notwendig zu lösende wissenschaftliche Auf-
gabe. Dieser Forderung für Arkadien zuerst in recht be-
friedigender Weise genügt zu haben, wird als ein bleibendes
Verdienst des Verf. dankbar anerkannt werden müssen. Was
die Anordnung des Stoffes betrifft, so ist sie eine ganz
ähnliche wie in der 1888 zu Upsala erschienenen Abhandlung
Wides De sacris Troezeniorum, Hermionensium, Epidaurio-
rum und höchst wahrscheinlich auf dieselbe Anregung (K.
Robert?) zurückzuführen. Wie Wide verfolgt auch 1. einen
bestimmten Götterdienst durch die einzelnen Stadtgebiete und
Landschaften, und zwar in der Weise, dass jedesmal die ge-
samten für einen Kult vorhandenen Zeugnisse, also Autoren-
stellen, Inschriften, Kunstdenkmäler, vor allem aber die Mün-
zen — und .zwar die ersten beiden Kategorien in vollem
Wortlaut — nach einzelnen Stadtgebieten oder Landschaften
alphabetisch geordnet an die Spitze gestellt sind, um alsdann
im Zusammenhang besprochen zu werden. Die Reihenfolge
der behandelten Kulte ist folgende. Den Reigen eröffnen die
grossen Götter: Zeus, Hera, Poseidon, Athena, Hermes, De-
meter und Kora, Apollon, Artemis, Ares, Aphrodite; diesen
sehliessen sich an Götter wie Asklepios, Pan, Helios, Selene,
Ge u. s. w., den Beschluss machen die Kulte der Heroen und
der historischen Personen wie Hadrian und Antinoos. Am
Ende des Werkes finden sich mehrere nützliche Register,
nämlich 1) ein Verzeichnis der einzelnen Kultkomplexe, 2)
ein index locorum, 3) ein epigraphisches und 4) ein Sachre-
gister.
Die eigentliche Bedeutung des Buches von 1. besteht
nach meiner Ansicht in der sehr fleissigen, gewissenhaften
Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens. 115
und, wie mir scheint, auch annähernd vollständigen Zusam-
menstellung der antiken Zeugnisse, die uns über arkadische
Kulte erhalten sind. Zu .diesen Partien des Werkes wird
wohl nur Weniges nachzutragen sein. Ich gestatte mir fol-
gende Bemerkungen und stelle es dem Herrn Verf. anheim,
eventuell im 2. Bande davon Gebrauch zu machen.
Im ersten Abschnitt über den Zeus Lykaios (5. 1 f.),
der wohl am besten mit Abschnitt VII (5. 7) verbunden wor-
den wäre, vermisse ich den Hinweis auf die Lokalbeschrei-
bungen moderner Reisenden, z. B. von E. Curtius, Bursian
u. A. Überhaupt dürfte es sich empfehlen, solehen auf Au-
topsie beruhenden Schilderungen der Kultlokale künftig noch
mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als dies 1. gethan hat,
und dieselben geradezu mit in die Zahl der Zeugnisse auf-
zunehmen. — ὃ. 4 hätte die Frage, ob im Text des Pausa-
nias V 5,3 die von I. aufgenommene Lesart Λευκαίου Διός rich-
tig oder statt dessen Λυκαίου zu schreiben ist, eine einge-
hende Erörterung verdient, da sie für die Erkenntnis des
ursprünglichen Wesens des Iykäischen Zeus von grosser Be-
deutung ist. Sollte Λευκαίου, wie 1. anzunehmen scheint, rich-
tig sein, so würde sich diese Lesart als ein schr gewichtiges
Zeugnis für die übrigens von I. mit guten Gründen erschüt-
terte Deutung des Iykäischen Zeus als eines Lichtgottes ver-
werten lassen. — Jn dem Abschnitt über die Λύκαια, deren
ungefähre Kalenderzeit S. 21 aus Xenophons Anabasis scharf-
sinnig bestimmt wird, fehlt unter den Zeugnissen Simonides
fr. 157 v. 8 bei Bergk P. Lyr.? 8. 919: eEvixncev..... dVo d
ἐν Λυκαίῳ, ausserdem vermisst man ungern die Antwort auf
die von Schwegler R. G. 1356, 1 angeregte Frage, ob sich
nicht der beiderseitige Anteil, den Zeus und Pan an den
lykäischen Spielen hatten, genau bestimmen lasse. Wenn I.
S. 6 aus Paus. 8, 38,5 schliesst, dass der lykäische Pankult
älter als der Zeuskult sei, so ist mir dies höchst zweifelhaft,
zumal da die ältern griechischen Zeugen nur von Zeus
als Inhaber der Lykaia reden.
Es ist sehr beachtenswert, dass in der Reihe der nach
Immerwahr’s Beobachtungen in Arkadien verehrten grossen
Götter Hephaistos!) und Hestia fehlen. Meiner Ansicht
nach sollten die Verfasser solcher Kultstatistiken nicht bloss
eine Liste der nachweisbaren Götter für die behandelten Ge-
biete, sondern auch eine solche der fehlenden, zumal
wenn sie eine solche Bedeutung wie die beiden genannten
haben, entwerfen. Ob freilich Hestiakult mit Recht als in
k 1) Nach Wide im Skandinav. Archiv Bd. IH. 1 Lund 1891
S. 120 Anm. ** fehlt Hephaistoskult auch in Lakonien.
110 Meyer Etymologisches Wörterbuch.
Arkadien fehlend angenommen wird, ist mir sehr zweifelhaft.
Ich verweise auf die κοινὴ ἑςτία (περιφερὲς εχῆμα EXouca) zu
Mantineia b. Paus. 8, 9, 5, auf die ecria ᾿Αρκάδων κοινή zu
Tegea (Paus. 8, 59, 9), sowie auf das Kollegium der Hiero-
thyten zu Phigaleia (Paus. 8, 42, 12), Thatsachen, die wenig-
stens von Preuner in seinem gründlichen Artikel über Hestia
in meinem Ausführl. Lex. ἃ. gr. u. röm. Mythol. I Sp. 2650 ff.,
wie mir scheint, mit Recht auf Hestiakult bezogen werden. —
Auch vermisst man ungern eine kurze Zusammenstellung der-
jenigen Kulte, welche in den nachweislich von Arkadern ge-
gründeten Kolonien, zZ. B. auf Kypros und Zakynthos, be-
standen haben. Vielleicht lassen sich dieselben noch in einem
dem zweiten Bande beizugebenden Anhange nachtragen.
Was endlich die von 1. aus den Zeugnissen gezogenen
Schlüsse hinsichtlich des Alters, der Herkunft, der Wande-
rungen der einzelnen arkadischen Kulte betrifft, so bin ich
geneigt, ihm vielfach beizustimmen, muss aber auch hie und
da seine Folgerungen (namentlich hinsichtlich der Stammwan-
derungen — s. oben! —) als mehr oder weniger zweifelhaft
bezeichnen. Dennoch ist es dem Verf. im Grossen und Gan-
zen gelungen, wahrscheinlich zu machen — und das scheint
mir das wichtigste religionsgeschichtliche Resultat seiner Ar-
beit zu sein, — dass selbst in das autochthone Arkadien eine
ziemliche Menge von Kulten aus Boiotien, Thessalien und
Argos schon in sehr früher Zeit Eingang gefunden habe.
Ob freilich die Hera von Heraia aus Elis stammt, wie 1. 5. 94
zuversichtlich meint, ist mir schon deshalb höchst fraglich,
weil, wie die Schwankungen des Dialekts in den ältesten
olympischen Inschriften lehren, die Pisatis vor der Eroberung
durch die aiolischen Eleier eine mit den Arkadern verwandte
Bevölkerung hatte (vgl. Blass Sammlg. d. griech. Dialekt-Inschr.
S. 313. Busolt Griech. Gesch. I S. 36), also auch der umge-
kehrte Weg (von Arkadien nach Elis) sehr wohl denkbar ist.
Wir hoffen recht bald auch über die “arkadischen Mythen ”
berichten zu können.
Wurzen. W. H. Roscher:.
Meyer G. Etymologisches Wörterbuch der albanesischen
Sprache. Strassburg Karl J. Trübner 1891. XV pp. 256 S.
5°. (Sammlung indogermanischer Wörterbücher III). M. 12.
Der Verf. will in diesem Buche einerseits den Wort-
schatz der albanesischen Sprache in möglichster Vollständig-
keit bieten, anderseits das von ihm zusammengetragene und
gesichtete Material auf seine Herkunft prüfen. In beiden
Beziehungen leistet das Werk vorzügliches, so dass es un-
Meyer Etymologisches Wörterbuch. 117
zweifelhaft einen bedeutenden Fortschritt in der Erforschung
dieser Sprache bezeichnet und wesentlich dazu beitragen
wird, diesem "Stiefkind unter den indogermanischen Spra-
chen’ zu seinem Rechte zu verhelfen.
In der Deutung des albanesischen Wortschatzes war
bisher das meiste von Miklosich geleistet worden, der sieh
besonders um die Bestimmung der romanischen, slavischen
und türkischen Lehnwörter verdient gemacht hat. Ausserdem
hatte G. Meyer selbst, dem die Wissenschaft bekanntlich sehon
eine ganze Reihe von wichtigen Schriften und Aufsätzen zur
albanesischen Sprachforschung verdankt, bereits mancherlei
Beiträge zur Worterklärung geliefert. Das vorliegende Wörter-
buch bringt nun eine Fülle von neuen und, soweit Referent
urtheilen kann, meist völlig befriedigenden Etymologien,
namentlich viel neues für die Entlehnungen aus dem Neugrie-
chischen und für das echt einheimische. Aber auch die Zahl
der Lehnwörter aus dem Romanischen, Slavischen und Tür-
kischen ist gegenüber den Ermittelungen Miklosichs beträcht-
lich gewachsen dank den dem Verf. zu Gebote stehenden
reichern Wortsammlungen; z. B. hat G. Meyer 1420 Wörter
romanischen Ursprungs gegenüber 950 bei Miklosich. Dass
das Albanesische von fremden Bestandtheilen geradezu wim-
mele, ist längst bekannt. Dennoch ist das Ergebnis dieses
Buches überraschend, dass sich von den etwa 5140 Wörtern,
die in ihm behandelt sind, nur etwa 400 mit mehr oder
weniger Sicherheit als altes indogermanisches Erbgut erweisen
lassen; 1420 werden als romanische, 1180 als türkische, 840)
als neugriechische Entlehnungen nachgewiesen, während etwa
730 Wörter bis jetzt jeder Ursprungsdeutung widerstreben.
Wer von unsern Lesern das Werk auf die in ihm ge-
gebenen Wortdeutungen, namentlich in Bezug auf den echt
einheimischen Sprachstoff durchnehmen will, dem ist zu em-
pfehlen sich den Inhalt von G. Meyers Aufsatz in Bezzen-
bergers Beiträgen VIII 185 ff. zu vergegenwärtigen; hier
findet man die wichtigsten Lautgesetze der Sprache zusam-
mengestellt!,. Für viele von dem Verf. angenommene Laut-
übergänge wird uns freilich wohl erst die von ihm verspro-
chene ausführliche albanesische Grammatik die nähere Be-
gründung bringen. So z. B. für die Zurückführung von dan
“troekne, dörre’ auf *saus-nio (S. 88). Ist mit dem n dieser
Grundform sonantisches » (n) gemeint, was man nicht wissen
1) Nunmehr ist daneben auch das kürzlich erschienene 3. Het!
von G. Meyers albanes. Studien heranzuziehen, das eine ausführ-
liche Lautlehre der idg. Bestandteile des Albanesischen enthält
(vgl. die Bibliographie).
118 Pauli Altitalische Forschungen.
kann — der verehrte Herr Verf. könnte meines Ermessens
etwas weniger zurückhaltend sein in der Anwendung diakri-
tischer Zeichen, die doch zumeist mehr als “blendender Aufputz
sind —, so deekte sich dan mit gr. αὐαίνω völlig und unter-
schiede sich von lit. saäsinu nur durch das Mehr des 10-
Suffixes. Bei nes- "nächst folgend’, das der Verf. aus *nöks-
herleitet (S. 305), möchte man wissen, ob es nicht nach den
Lautgesetzen auf *nöts- zurückgebracht werden kann. Denn
das verglichene air. messa ist nicht auf ®neks-, sondern auf
#nets- von Wurzel nedh- zurückzuführen (Ber. der sächs. Ges.
der Wiss. 1890 5. 236). Die Vokalstufe von nes- — *nöt-s-
wäre die des lat. nödu-s.
Ausführliche Register erleichtern die Benutzung des
Buches, und seinen Schluss macht eine dankenswerthe Alba-
nesische Bibliographie , die bald noch einmal so viel Nummern
aufweist als die vom Verf. in seinen "Alban. Studien 1. u.
11 (1883 und 1584) gegebenen Litteraturverzeichnisse. Drolliger-
weise ist die Erwähnung gerade dieser Studien‘, auf grund
deren der Verf. die neue Bibliographie angefertigt hat, in
dieser (S. 520) vergessen worden.
Meyers treflliches Werk ist vor kurzem vom Institut de
France mit dem Volney-Preise gekrönt worden. Hoffentlich
bleibt dem Verf. auch der beste Lohn, den man ihm wün-
schen kann, nicht aus, eine immer regere Betheiligung an den
albanesischen Sprachstudien von seiten seiner Fachgenossen.
Leipzig. K. Brugmann.
Pauli ©. Altitalische Forschungen, dritter Band, Die Veneter
und ihre Schriftdenkmäler. Mit zwei Liehtdruck- und 7
zinkographischen Tafeln. Leipzig J. A. Barth 1891. M. 40.
Der Verf. hat sich durch dieses Buch um die altitalische
Sprachen- und Völkerkunde, die ihm bereits so Vieles ver-
dankt, ein neues grosses Verdienst erworben. Die von F.
schon 1885 in seinen “Inschriften nordetruskischen Alphabets
aufgestellte, inzwischen von Breal angezweifelte Ansicht, dass
die Sprache der auf dem Gebiet der alten Veneter und nord-
östlich bis nach Kärnten hin gefundenen Inschriften eine
indogermanische sei und mit dem Messapischen zur illyrischen
Gruppe gehöre, wird hier in umfassender Weise und mit
vielem Scharfsinn aufs Neue behandelt und definitiv zu er-
weisen gesucht. Das Werk zerfällt, ähnlich wie das frühere,
in vier Teile: I. Die Denkmäler (S. 1—80, Nachtr. 5. 441 ff.),
II. Die Schrift (5. 81—231), III. Die Sprache (5. 232—412)
=)
IV. Das Volk (5. 415-—440). Den Schluss bilden ausführliche
Pauli Altitalische Forschungen. 119
Register und neun Tafeln mit sorgfältigen Reproduktionen
der Inschriften. Der erste Teil gibt nach vortrefllichen Prin-
zipien (vgl. S. 404 f.) den Text der Denkmäler in lat. Um-
schrift, nebst genauen Angaben über Fundort, Grösse usw.
Im zweiten Teil folgt zunächst die Begründung von Paulis
Lesung einiger Schriftzeichen. Hervorgehoben sei der Nach-
weis, dass statt Deeckes Θ teils ὁ teils ὁ zu lesen sei. Die
Erörterung des venetischen οὐ führt zu einer ausgedehnten
Untersuchung über die Bezeichnung des f-Lautes in den
italischen Alphabeten; bezüglich des Faliskischen möchte ich
noch immer die Kirchhoffsche Erklärung aus f gegenüber P.
und Andern für wahrscheinlich halten (Paulis Beweisstück
Νυμψίου S. 105 ist zu streichen, denn so und nieht Νυμφίου
ist zu lesen. Zu der merkwürdigen Punktierung einzelner
Buchstaben, die S. 191 ff. behandelt wird, ist jetzt auch der
Aufsatz von Lattes Rendie. del Ist. Lomb. XXIV fase. 14 zu
beachten, der den Punkten verbindende Geltung zuschreibt.
Das wahrscheinlichste ist doch wohl, dass sie lautliche Be-
sonderheiten ausdrücken sollen (z. B. bei Vokalen Quantität,
Qualität oder Betonung), vgl. die lat. Apices und Sieiliei.
Sehr viel Anfechtbares enthält der Abschnitt über den Ur-
sprung des venetischen Alphabets und das Verhältnis zu den
übrigen italischen Alphabeten (S. 215—231). Im dritten
Teil, der die Sprache behandelt, bewähren sich aufs Beste
Paulis bei der Beschäftigung mit dem Etruskischen heraus-
gebildete methodische Grundsätze (vgl. besonders S. 234).
Dass die Sprache idg. sei, dürfte jetzt ausser Frage stehen.
Man sehe namentlich das S. 405 f. gegebene Schema der
Deklination, an welchem allerdings noch Mehreres zweifelhaft
bleibt. Ausserdem macht Pauli folgende Deutungen wahr-
scheinlich: eyo “ego’; meyo “me (vgl. gr. Eue-ye got. mi-k);
zonasto “dedit’ Aor. Med., zu 1. donare (unsicherer z0t0o —
gr. ἔδοτο); rehtiiah Name einer Göttin, — einem lat. *Rectiae;
-geneh in einem Eigennamen zu gr. -yevnc; Präpos. op ap
per zu lat. ob ab per. Die grosse Masse des übrigen erhal-
tenen Wortmaterials besteht aus Eigennamen. Der umfang-
reiche Abschnitt über die letztern ist namentlich als Mate-
rjialsammlung wertvoll. Ob aus den Eigennamen wirklich
ein Beweis für das Illyriertum der Veneter zu erbringen
sein wird, kann erst eine ganz eingehende Untersuchung
zeigen. Die von Pauli behauptete nahe Verwandtschaft des
Venetischen mit dem Messapischen hat in der That Manches
für sich. Doch kann das Venetische mit dem Albanesischen,
das Pauli (wohl der Hypothese von der Verwandtschaft des
Messapischen mit dem Albanesischen sich anschliessend) auf
S. 242 f., 263 heranzieht, nm etwas zu thun haben,
Anzeiger I 2. 9
120 Weise Charakteristik der lateinischen Sprache.
wenn Paulis Erklärung von eyo meyo -zeneh richtig ist, da
das Albanesische bekanntlich in der Behandlung der idg.
Palatal-Reihe zur Gruppe des Arischen und Baltisch-Slavischen
gehört. Der vierte Teil wendet sich, nach Bekämpfung der
Ansicht, dass unsere Inschriften auch euganeisch oder gallisch
sein könnten, zur Feststellung des Weges, auf dem die Veneter
in ihr Gebiet einrückten und ihrer einstigen Ausdehnung.
Ausser der venetischen nimmt P. noch zwei ältere illyrische
Invasionen nach Italien an, die messapische und eine noch
frühere, welche sogar vor der Einwanderung der Italiker
stattgefunden haben soll und deren Spuren P. in Umbrien,
Picenum und bis nach Latium hinein vorfindet (z. T. im
Anschluss an Fligier). Inschriftliche Reste der Sprache dieser
letztern Illyrier wären nach P. die bisher altsabellisch ge-
nannten Inschriften; mir ist vorläufig die ältere Ansicht
wahrscheinlicher.
R.. v. -Planta:
Weise F. Ὁ. Charakteristik der lateinischen Sprache. Leip-
zig B. G. Teubner 1891. X und 171 S. M. 2,40.
Unzweifelhaft richtig ist der vom Verfasser dieser Schrift
in dem Vorwort ausgesprochene Gedanke, dass auch beim
Sprachunterrichte, wie in anderen Unterrichtszweigen, auf die
geschichtliche Entwickelung in gebührender Weise Rück-
sicht zu nehmen sei. Als ein Baustein in dieser Richtung
ist demnach dieser “Versuch’ zu betrachten, der an die
Adresse aller Freunde der lateinischen Sprache gerichtet ist,
ganz besonders aber doch für die Lehrer der obern Klassen
und für Studierende der klassischen Philologie bestimmt sein
dürfte. Darnach ist es wohl klar, dass man an diese Arbeit
nicht den Masstab strengster wissenschaftlicher Kritik anlegen
darf, die nicht eben gar zu selten mit den Anschauungen des
Verfassers in Zwiespalt geraten müsste. Indessen wird der
allgemeine Wert unserer Schrift durch diese Mängel im ein-
zelnen nicht allzusehr herabgedrückt, wenn man auch bei
dem ausgesprochenen Zwecke des Buches gerne namentlich
in allen Fragen der Etymologie und Grammatik sichern
und verlässlichen Aufschluss finden möchte. Auch ist nicht
immer die treibende Ursache mit hinlänglicher Klarheit her-
vorgeehoben, so z. B. hinsichtlich der Verschiedenheit der Vo-
kalisation der griechischen und lateinischen Sprache, die doch
sicher dureh die Natur des lateinischen Akzents hervorgerufen
ist. Ich will und kann mich aber durchaus nicht auf eine
ausführliche Bespreehung dieser Mängel einlassen und führe
zur Orientierung des Lesers nur noch ausdrücklich an, dass
Stowasser Eine zweite Reihe dunkle Wörter. 121
«ler Verfasser seinen Gegenstand in vier Kapiteln behandelt,
deren Titel sind: I. Sprache und Volkscharakter. II. Sprache
und Kulturentwicklung. Ill. Die Sprache der Dichter. IV. Die
Sprache des Volks. Wenn man die Sprache der klassischen
Prosa nicht in einem eigenen Abschnitte dargestellt findet, so
hat dies darin seine Begründung, dass, wie der Verfasser
mit Recht in der Vorrede hervorhebt, “auf diese in allen
Kapiteln mehr oder weniger Rücksicht genommen und nament-
lich in den beiden letzten ihre Abweichung von Volks- und
Dichtersprache ausführlich dargethan wird”. Insbesondere
verdient noch hervorgehoben zu werden, dass in den Anmer-
kungen (S. 120—171) reichliche Litteraturnachweise beige-
bracht sind, die als höchst willkommen bezeichnet werden
müssen. Hier wird auch der unterrichtete Leser, der viel-
leieht in den Ausführungen des Textes nicht viel neues findet,
mancherlei Anregung und Belehrung empfangen, die das gut
und frisch geschriebene Büchlein weitern Kreisen zu ver-
mitteln sehr geeignet ist.
Innsbruck, den 14. Sept. 91. Fr. Stolz.
Stowasser J. M. Eine zweite Reihe dunkle Wörter. Wien
Verlag des Franz-Joseph-Gymnasiums 1891. 33 8. 80,
Ein lateinisches etymologisches Wörterbuch ist ein so
dringendes Bedürfnis, dass man jeden Beitrag dazu begrüssen
wird, auch wenn man bei dem Verf. jene Verbindung histo-
rischer und sprachgeschichtlicher Kenntnisse auf verschiede-
nen Gebieten vermisst, die das Erfordernis aller Etymologie
ist. Kann man mitunter dem "Sprachvergleicher’ den Vorwurf
nicht ersparen, dass er über der Vergleichung die Möglich-
keit der Entlehnung nicht genügend berücksichtige, so stellt
Stowasser sich umgekehrt auf direkt feindlichen Standpunkt
zu den "Sprachvergleichern ', kommt aber allerdings etwas ver-
spätet, sofern er nämlich sich fast stets auf Vanitek (!) beruft
und offenbar kaum eine Ahnung davon hat, dass auch die "Sprach-
vergleicher’ schon weit über Vanitcek hinaus sind. Nichts-
destoweniger finden sich in dem vorliegenden Programm eine
Reihe bemerkenswerter Deutungen, namentlich die erste: ma-
cellum, als dessen älteste Bedeutung im Lateinischen Markt
und zwar sowohl Gemüse- als Fleischmarkt gesichert wird,
wodurch die Zusammenstellung mit mactare hinfällig ist.
Für macellum nun wie für macellotae nach Varro 1.1. V 146 —
Gartenthürchen bei den Joniern wird Entlehnung aus einem
semitischen Worte, das in hebr. mikhela makhela vorliegt,
mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen. (astrare von
castor, schwer glaublich, da jenes im Lat. gang und gäbe,
122 Zanardelli Langues et Dialectes.
dieses ein nur von Wenigen gebrauchtes griech. Lehnwort
ist an Stelle des volkstümlichen fiber. Suffix -tado, das ur-
sprünglich im Gegensatz zu -tas den blossen Schein einer
Eigenschaft ausdrückt, soll ein Subst. fado zu tueri, gebildet
wie dulcedo sein. Von den vielen lautlichen und morphologischen
Schwierigkeiten dieser Deutung scheint der Verf. keine Ah-
nung zu haben. /nitium wird zutreffend in in-itium zerlegt,
und dieses selbe -itium soll auch in sere-itium, calvitium
“das kahlgehen', lanitium und sogar in dem Abstracta bilden-
den -itia in tristitia usw. stecken. Evident ist aber wieder
excidium discidium zu cadere, adsentari, eine Bildung wie
absentare, also “sich anwesend machen, sich anschliessen '..
Weiter soll ecce aus exe entlehnt, excetra eine Zusammen-
setzung aus ex — ἔχις und cetra Schild’ sein, welche ge-
zwungene Deutung kein Vorurteilsloser der Weiseschen BB.
VI 235 vorziehen wird. Veredus und burdo werden als Lehn-
wörter aus dem semitischen phered erklärt, amussis aus se-
mit. amatha, ohne dass die Deutung Weises aus ἄμυξις, die
lautlich durchaus unbedenklich ist, auch nur Erwähnung
fände, cimussa aus gr. ψιμύθιον, was auf der Hand liegt,
cerussa aus Fxnpoecca. (achinnare wird in cach- (vgl. καχ-άζω)
und hinnare — hinnire, also lach-wiehern', zerlegt, endlich die
griechische Präposition κατά als cat wiedergefunden nicht nur
in dem Lehnwort castula — καταςτυλή, sondern auch als ur-
verwandt, wenn ich recht verstehe, in cat-asta (= -hasta),
ca-stigare vgl. in-stigare (die Fröhdesche Deutung BB. 1195
ist wieder totgeschwiegen), ca-pronae, ca-luere wie so-luere,
also —= κατα-λύειν, ca-villari zu villus, wobei gegen Havets
Zusammenstellung (Mem. 8500. ling, VI 21) mit κόβαλος gesagt
wird, die Formgebung liege zu weit, was ich nicht verstehe,
da ja ein ursprüngliches cog- im Gr. nur xoß-, im Lat. nur
cav- ergeben kann. Diese ganzen Erklärungen aber gehen
von der unbewiesenen Annahme aus, dass das a in κατά ein
altes a, nicht wie z. B. das in ἑκατόν aus » entstanden sei:
sobald sich letzteres nachweisen lässt (und diesen Nachweis
hat bis zur Evidenz Asecoli geleistet Note irlandesi 1 ff.),
fällt alles zusammen und die an sich schon unwahrschein-
lichen Erklärungen richten sich selber.
Wien. W. Meyer-Lübke.
Langues et Dialeetes Revue trimestrielle publice sous la
direction de T. Zanardelli, Professeur aux Cours de:la
Ville de Bruxelles, I. Mai 1891. Bruxelles A. de Nocce,
Editeur. 95 pp.
Das uns vorliegende 1. Heft enthält acht Aufsätzchen
Liehtenberger De verbis quae οἷς. 123
«les Herrn Z., von denen sieben romanistischen Inhaltes sind,
während einer, der erste (S. 5—9), ein Problem der oskischen
Grammatik behandelt: le prefixe en et sa variante an dans
la langue osque. Der Verf. sucht hier nachzuweisen, dass
das dem lat. ön- “un- entsprechende osk. an- (dass auch das
Umbrische dieses «an- hat, wird nicht erwähnt) aus en- ent-
standen sei. Ich halte den Beweis nicht für erbracht.
Beipzie, 3. Juni. 1891. K. Brugmann.
Lichtenberger H. De verbis quae in vetustissima Germano-
rum lingua reduplicatum praeteritum exhibebant. (Thesis.)
Nanceii MDCCCLXXXXI.
Der Verf. hat das Material sorgfältig zusammengestellt.
Zur Lösung der schwierigen Frage, auf welchem Wege die
reduplizierenden Präterita im Westgerm. und Nord. in die
uns überlieferten Formen übergegangen sind, hat er schon
aus dem Grunde, dass seine Methode eine unzulängliche ist,
nichts beitragen können. Weshalb der Akzent im Northum-
brischen auf der Reduplikationssilbe, sonst aber auf der Wurzel-
silbe gestanden haben soll, wird nieht angegeben. Die Ent-
stehung von north. heht aus ®he-hait-e oder *he-hit-e, von reord
aus *re-röd u. 5. w. widerspricht gerade so gut wie die von
#h-het aus Fhe-het *s-se aus *se-sE u. 5. w. den Lautgesetzen.
Ebenso unstatthaft ist die Annahme des Schwundes von inl.
ἢ und w wie in ags. heöldon aus *heuldum aus "hehuldume
in *weupum aus Fwewäpume, "weuldum aus *wewuldume. Hin-
sichtlich der ahd. Formen kiscrerot, anasteroz u. 5. w. hat
sich der Verf. der neuerdings von Zarncke (Paul und Braunes
Beitr. XV S. 350 ff.) wiederaufgenommenen Ansicht angeschlos-
sen, dass das r hier nur euphonisches Einschiebsel sei. 80
verdienstlich nun Zarnekes bezügliche Mitteilungen, so weit
sie einfach Thatsachen angeben, auch sind, so bleibt es
doch bei seiner Theorie völlig unaufgeklärt, wieso denn
der betreffende Schreiber “euphonisches r lediglich in meh-
reren Präteritalformen ursprünglich reduplizierender Verba,
sonst aber nirgends eingeschoben hat. Es ist kein Zweifel,
dass man zu diesen r-Formen nicht vom neuen ablautenden,
sondern wieder vom alten reduplizierenden Typus wird aus-
zugehen haben.
Magdeburg. Richard Loewe.
Tamm Fredr. Etymologisk svensk ordbok. Första häftet.
Stoekholm Hugo Gebers förlag. Leipzig M. Spirgatis. SO 5.
Sa Mi. ,D0:
Dieses nach Kluges Vorbild ausgearbeitete etymologische
124 Tamm Etymologisk svensk ordbok.
Wörterbuch der schwedischen Sprache verspricht ein ganz
vorzügliches Nachschlagebuch zu werden. Seite für Seite
erweist es sich als Frucht eingehender Vorstudien und sau-
brer Verarbeitung der Litteratur. Besondre Erwähnung ver-
dient die Aufmerksamkeit, die der Verfasser den Lehnwör-
tern zugewandt hat — was ja bei einer Sprache wie der
schwedischen, die so vieles fremde Gut aufgenommen hat,
besonders wichtig ist.
Die äussere Anordnung braucht, da Kluges Wörterbuch
sattsam bekannt ist, nicht weiter besprochen zu werden. Neu
sind die den Artikeln eingeflochtenen Litteraturangaben. Ich
halte diese Neuerung nicht für sonderlich glücklich; wenn
auch die durch den beschränkten Raum geforderte Auswahl
geschickt vorgenommen ist, so werden doch bei einem Buche,
das sich an Fachleute und Nichtphilologen wendet, gerade
bei Litteraturangaben beide Teile nieht in gleicher Weise
befriedigt werden können. Doch soll hervorgehoben werden,
dass zuweilen auf Arbeiten hingewiesen wird, die leicht über-
sehn werden können.
Die Auffassung des zweiten Gliedes von apelsin als
Verkürzung von Messina ist nach Kluges Ausführungen in
der 5. Auflage des Wörterbuchs nicht mehr haltbar. Unter bat
wird die Möglichkeit offen gelassen, dass an. bdtr aus dem
Ags. entlehnt sei — Kluge trägt in Pauls Grundriss I 785
und dem Wörterbuch diese Auffassung als sicher vor — trotz-
dem Lindgrens Erklärung (Sv. landsm. XI 1 8 88) zitiert
wird. Aber einmal scheint es sehr unwahrscheinlich, «dass
ags. bat als Mask. δά)" ins Nord. herübergenommen sein soll,
wo das Neutr. beit daneben existiert. Andrerseits muss batr
mit den übrigen Fällen, wo urgerm. ei scheinbar unregel-
mässig im Nord. als d erscheint, zusammen behandelt wer-
den. Aber bei runisch hateka und bei hataz für heitaz
(Heimskringla, Unger 5. 96, 27, wo Frisianus und cod. AM.
39 fol. hataz lesen, das wegen des in der nahverwandten
Kringla stehenden heitaz entschieden mit d anzusetzen ist) ist
Entlehnung aus dem Ags. ausgeschlossen. Einigermassen
wahrscheinlich ist sie nur bei einem Worte, dem im Physio-
logus XII 7 einmal belegten gdt (5. Dahlerup Aarb. f. nord.
Oldk. 1889 5. 348 f.), wo die Geschichte des Denkmals viel-
leicht — aber auch nur vielleicht — nach dieser Richtung
weist. Selbst wenn also die Lindgren-Noreensche Erklärung
abzuweisen wäre, haben wir kein Recht, Worte wie bdtr, hdäss,
edkr, tdkn für Lehnwörter anzusehen.
Unter barm wird die überzeugende Vermutung ausge-
sprochen, dass aisl. barmi “ Bruder’ auf ein aisl. barmr hin-
weise. Dann aber scheint mir Kocks Annahme (Nord. Tidskr.
Hoffmann Stärke, Höhe, Länge. 125
f. Filol. N. R. VII 310 £.), dass isl. badmr aus *barmr teils
dureh auch sonst erwiesene Dissimilation, teils durch An-
lehnung an fadmr entstanden sei, nicht abzuweisen, und
badmr braucht also nicht eingeklammert zitiert zu werden.
Hoffentlich beschenkt uns Tamm bald mit einem neuen
Hefte. Nach dem im ersten gebotenen wird man der Fort-
setzung mit lebhaftem Interesse entgegensehen.
Leipzig-Lindenau. G. Morgenstern.
Hoffmann E. Stärke, Höhe, Länge. Ein Beitrag zur Phy-
siologie der Akzentuation mit spezieller Berücksichtigung
des Deutschen. Strassburg Karl J. Trübner 1892. IX u.
2ieS.0.80.M. 1,50.
In den Vorstellungen vom Sprachakzent ist weder Klar-
heit noch Einigung erreicht. Eine von alter Tradition dar-
gebotene Terminologie ist dem Verständnis hinderlich. Die
Buntheit der mundartlichen Verhältnisse bewirkt, dass mit
einem Schlagworte mehrfacher Sinn sich verbindet. Viele
haben resigniert, bedenkend, dass nur Apparate und schwie-
rige Messungen fördern könnten, und nicht eben ermutigt
durch die bisherigen Versuche in dieser Richtung. Die vor-
liegende Schrift unternimmt es, ohne solehe objektive Fixie-
rungen, zu sichten und zu definieren. Ohne das Beobach-
tungsfeld erheblich zu erweitern oder zu bereichern, stellt
sie in klarem, gut lesbarem Flusse die wichtigsten Gesichts-
punkte zusammen. Manche Schwierigkeiten werden wohl
mehr verschleiert als gelöst; der Unterschied zwischen Be-
hauptung und Beweis ist nicht überall gewürdigt.
Am wertvollsten scheint mir die Partie 5. 39 ff.: einige
Formen des musikalischen Akzentes im Bühnendeutschen und
im Alemannischen werden beschrieben und verglichen (sehr
beachtenswert sind die paar Kinderliedzeilen S. 40); H. ver-
sucht, verschiedene germanische Lautprozesse alter und neuer
Zeit aus dem musikalischen Akzent zu erklären. Bei den
altnord. und westgerm. Synkopierungen scheint mir immer
noch die relative Tonstärke das einzige Agens zu sein: -%
in *sölu und lagu hatte doch auch nach H. gleiche Ton-
höhe. — Gegen eine Entwicklung gabala zu *gabla zu gablo
im Obd. bringe ich Formen wie zweyolo, gnungola in Erinne-
rung: die beiden Typen gabolo und gablo müssen in später Zeit
noch nebeneinander existiert haben. Und wieso erklärt sich
ein gabala zu gabel aus der absteigenden Betonung? Die tiefste
Tonstufe, die ja sonst die Nebentonsilben charakterisiert
(S. 36), hätte die Endsilbe -la vor Verstummen bewahren
sollen, und von der Mittelsilbe mit ihrer Indifferenzlage
126 Hoffmann Stärke, Höhe, Länge.
hätten wir zu gewärtigen, dass sie sich verflüchtigte. Auch
hier wird die dynamische Abstufung die treibende Kraft ge-
wesen sein.
In einem wichtigen Punkte stellt sich H. in Gegensatz
zu der herrschenden Ansicht: er tritt aufs neue für den Satz
ein: Höhe und Stärke stehn zu einander in Proportion. Und
folglich: die germanischen Idiome mit tieftoniger Wurzelsilbe
geben der Endsilbe keine geringere Dynamis (S. 20 ff.); der
Wortakzent ist hier nicht Nachdruck sondern ὁ Vertiefung des
Schalls”. Scehwerlich hat sich der Verf. in alle Konsequen-
zen dieses Satzes hineingedacht! Eine Sprache, für die ein
Vers
SHINE, >
rito rito ressli
ein Unding wäre, spricht die Endsilben nicht gleichstark wie
die Stammsilben; eine Sprache, worin ein Vers
> > = = => >
δαιμόνιοι μύθους μὲν ὑπερφιάλους ἀλέαςθε
möglich ist, gibt ihren Akutsilben keine Stimmverstärkung,
auch keine “geringe’ oder “unbedeutende (S. 11. 17). Wenn
der Verf. 5.18 sagt: “Es ist eine uralte Tradition, dass mit
der Exspirationsstärke der Stimme auch die Höhe des Klan-
ges wachse , so trägt er da schon seinen neuen Glaubenssatz
hinein: thatsächlieh versichern uns die betreffenden aind.,
altgriech., lat. Termini nur die Höhe der Akzentsilbe. Wenn
man später im Deutschen und Romanischen mit analogen
Ausdrücken die Dynamis bezeichnete, so liegt dem keine
tiefere phonetische Einsicht zugrunde: es ist einfach ein Nach-
sprechen der alten Definitionen. Der französische Akzent
kann auf keine Weise mit dem altgriechischen verglichen
werden (5. 9): wiederum spricht der romanische Versbau eine
klare Sprache. Indem ich den Verf. auf die objektiven Ak-
zentbilder A. Wagners aus dem Schwäbischen, das auch eine
Tiefton-Sprache ist, aufmerksam mache, zweifle ich nicht,
dass für die 5. 22 angeführten Dinge sich eine andre Erklä-
rung finden wird. Ich bekenne mich immer noch zu der
Formulierung von Sievers, die auf 5. 19 angezogen wird.
Sollte auch noch der eine oder andre Punkt in unsrer
Sehrift sieh nicht als haltbar erweisen, man wird sie nicht
ohne Nutzen und Anregung lesen.
Ich möchte noch auf folgendes aufmerksam machen.
Der Verf. führt, in Übereinstimmung, wie ich glaube, mit
der allgemeinen Auffassung, den Satz aus: der Wortakzent
ist absolut: der Satzakzent ist relativ: die chromatische
Bewegung ist eine andre in der Frage als in der Aussage;
die dynamische Bewegung ist eine andre, je nachdem ich
Faulmann Etymologisches Wörterbuch. 127
«liesen oder jenen Satzteil hervorhebe. In praxi kann man
getrost dabei stehn bleiben: “ein und derselbe Satz Kann
verschieden betont werden”. Aber muss sieh der sprach-
physiologisch genauen Betrachtung die Sache nicht anders
darstellen? Wenn wir nebeneinander haben: a) Er wusste
das nicht; Ὁ) er wusste das nicht? e) er wusste das nicht!
d) er wusste das nicht, so ist dies nicht “ein und derselbe
Satz mit verschiedener, relativer Betonung”; obwohl diesel-
ben Buchstaben und dieselben etymologischen Bestandteile
vorliegen, sind es vier verschiedene Sätze: b muss anders
betont werden als a u. 5. f.; es hängt nicht vom subjektiven
Wollen ab; diese 4 Akzentformen sind “absolut”. Man muss
sich gegenwärtig halten, dass nicht der Satz in akzentloser
Gestalt, als unfertiger Embryo, auf Lager liegt und die sub-
jektive That des Sprechenden darin besteht, dass er ihm eine
der möglichen Akzentformen aufpräge. Jeder gedachte oder
gesprochene Satz hat von Anfang an seine bestimmte Ak-
zentform; nur die grammatische Abstraktion schafft sich das
akzentuatorisch indifferente Satzschema, von dem man dann
sagen kann: es ist verschiedener Betonung fähig. Einer ra-
tionellen Betrachtung muss auch der Satzakzent als abso-
lut gelten.
Basel, 28. Dezember 1891. Andreas Heusler.
Faulmann K. Etymologisches Wörterbuch der deutschen
Sprache, nach eigenen neuen Forschungen. Vollständig in
10 Heften ἃ 120 Μ. Heft 1 (ὃ. 1—40) Lex. 8°. Halle a. 5.
Ehrhardt Karras 1891.
Auf der Innenseite des Umschlags kündigt der Verleger
an: “Eine grossartige Entdeckung auf dem Gebiete
der Sprachwissenschaft veröffentlichen wir in diesem
Werke; denn dasselbe verspricht nicht nur eine Erklärung
des Ursprungs der Wörter zu geben, sondern erfüllt
auch das Versprechen in einer bisher für unmög-
lich gehaltenen Weise.
Die grossartige Entdeckung besteht, wie weiter unten
zu lesen ist, darin, dass im Gegensatz “zu den Anschauun-
gen der neuen indogermanischen Sprachforscher, welche den
Ablaut misachten und statt dessen nach nie vorhanden
gewesenen Sprachwurzeln suchen, wobei sie, da die soge-
nannten idg. Wurzeln nicht ausreichen, die deutschen Wörter
zu erklären, noch angeblich germanische Wurzeln zu Hilfe
nehmen müssen”, bei dem Verfasser “der Ablaut, dieser Bau-
stein, den die indogermanistischen Sprachforscher verworfen
198 Faulmann Etymologisches Wörterbuch.
haben”, “zum Eckstein einer neuen Sprachwis-
senschaft geworden ist”.
Mit andern Worten: Faulmann konstruiert sich als
Grundlage sämtlicher Wortbildungen starke Verba mit dem
Ablaut &—a—u, wobei er “die grosse Genugthuung” hat, in
den ausserdeutschen Dialekten des Germanischen, als er diese
später “in den Kreis seiner Untersuchungen zog, ... viele
ablautenden Zeitwörter, welche er in der deutschen Sprache
vorausgesetzt hatte, erhalten.... zu finden.
Origineller als diese Entdeckung sind die Mittel, durch
die er sie fruchtbar zu machen sucht. Er geht dabei recht
ab 0v0, vom Urwort, aus: “Im Anfang war das Wort,
müssen wir auch bezüglich der Sprache sagen; denn wir
haben gegründete Veranlassung gefunden anzunehmen, dass
auch die Laute ö@-—a—u ohne das Geräusch der Mitlauter
von der ungelenken Zunge des Urmenschen nicht ausgespro-
chen werden konnten. Möglicherweise, denn die Sprache
enthält oft wunderbar treue Überlieferungen, waren einmal
quing, quang, guung die fragenden, taring, twang, twung die
antwortenden Laute, jedenfalls enthielt der hohe Ton ὁ den
Willen, der mittlere Ton a die Bedeutung der Vollendung,
worin er sich mit a einigte. Eine Sprache, welche die
Gegenwart und die Vergangenheit im Inlaute aus-
drückte, bedurfte keiner Endung; guing-an, twing-an
haben diese Endungen erst angenommen als sie in jüngerer
Zeit Mode geworden waren, gerade so wie das Volk sich
nicht begnügt zu sagen: ich esse, sondern: ich thue essen
“In diesem Zeitraum der noch ungelenken Zunge haben
wir die erste Lautveränderung zu suchen. Je ärmer die
Sprache an Wörtern war, desto mehr suchte sie dieselben
zu verändern.” So ist aus deeöng entstanden: 1. thing “ver-
ehren, 2. fing “pressen, 3. swing schwingen’, 4. sing "sin-
gen’ u. dgl. m.
Diesen Lautveränderungen stehen Begriffsveränderungen
zur Seite: sie werden durch das Gesetz ‘des vierfachen
Sinnes’ bestimmt. Jedes starke Verbum kann nämlich be-
deuten: 1. feindlich wollen, drehen z. B. swing "als
3jewegung der Luft, kreisende Bewegung der Hand. 2. wü-
ten z. B. sing (“aus älterm *swönch abgeschwächt”) “hörbare,
rauschende Bewegung’. 3. ruhig, friedlich sein, gedei-
hen z. B. sinn “Aufhören der Bewegung, Ruhe‘. 4. Ver-
sehen z.B. sinch “Verstärkung des Aufhörens durch Sinken’.
Ferner gibt es ein Gesetz vom dreifachen Aus-
laut, vgl. swingan : swimman : swintan und einen “drei-
fachen Umlaut, indem an Stelle von » die Laute r und
Faulmann Etymologisches Wörterbuch. 129
l treten: quingen — (q)Jwergen — (qJwelgen. ” Eine solche
Veränderung — sagt der Verfasser — konnte nur zu einer
Zeit entstehen, wo die Laute noch nicht deutlich unterschie-
den wurden, wie noch heute die Chinesen kein r aussprechen
können und die Aegypter zwischen 2") und ὦ nicht unter-
schieden ”.
Schliesslich können die Laute r und ἢ auch ihre Stelle
wechseln. So lässt sich *hwergan mit hringan, wöelgen
mit giölingan verbinden u. 5. w.
Für einen Etymologen von diesen Grundsätzen gibt es
natürlich nichts, das unerklärlich wäre. Dadurch unterschei-
det sich Faulmanns Buch wesentlich von dem Kluges: “Was
auf Grund der idg. Sprachforschung für die Erklärung un-
serer Wörter geboten werden konnte, liegt in Fr. Kluges
etym. Wörterbuch d. d.Spr. vor; seine Schuld war es gewiss
nicht, dass er so wenig in der Lage war, Aufschluss über
den Ursprung der Wörter zu geben.”
Nach allem kann es nicht weiter befremden, wenn der
Verleger seine Ankündigung beschliesst: “Möge das Werk,
welches ein deutscher Gelehrter, angeregt von allgemeinem
Wissensdrange und begeistert von der Liebe zu seiner deut-
schen Muttersprache geschaffen hat, die verdiente Würdigung
finden, zur Ehre des deutschen Volkes und zur Freude seiner
Vaterstadt, in deren Schoosse er seine Vervielfältigung durch
den Druck erhält.
So der Verleger, der zugleich der Drucker von Paul
und Braunes Beiträgen und von Braunes Grammatik - Samm-
lung ist!
Jede Kritik, jeder Kommentar wäre überflüssig. Ja,
vielleicht könnte es manchem Leser des Anzeigers scheinen,
als ob schon jetzt der Raum ungebührlich in Anspruch ge-
nommen sei für ein Werk, über dessen Wert kein Sachver-
ständiger auch nur eine Minute im Zweifel sein Kann. Ge-
wiss, es würde nichts besseres verdienen als schweigende
Verachtung, wenn es nichts anders wäre als ein Kuriosum
zur Erbauung weniger gleichgestimmten Gemüter und zur
Erheiterung der andern.
Aber das Buch ist nicht ganz so harmlos. Denn durch
rührige Reklame unterstützt sucht es in die weitesten Volks-
kreise einzudringen. Deshalb ist es eine Pflicht für jeden
Fachmann dafür zu sorgen, dass die erfreuliche Teilnahme
des Publikums an allem, was die deutsche Sprache betrifft,
nieht gröblich irre geleitet werde, ganz abgesehn davon, dass
es nicht ganz wertlos ist, von Zeit zu Zeit an einem cha-
rakteristischen Beispiel zu beobachten, welche Anschauungen
über Sprache und Sprachentwicklung noch immer bei vielen
130 Garke Prothese und Aphaerese.
bestehn, wenn sie sich auch nur selten noch in so krasser
Form ans Tageslicht wagen.
Im Interesse des Verlegers wie des Verfassers wäre
dringend zu wünschen, dass das erste Heft auch das letzte
bleibe. Dem Zweck, als abschreckendes Exempel zu dienen,
genügt es schon vollkommen.
Dezember 1891. Wilhelm Streitberg.
Garke H. Prothese und Aphaerese des h im Althochdeutschen.
(Quellen und Forschungen 69). Strassburg Karl J. Trübner
1891. X u. 127,8. .M2 3:
Eine Arbeit über Prothese und Aphaerese von anlau-
tendem A hat diese Erscheinungen in erster Linie von der
phonetischen Seite aus zu betrachten. Sie hat die Bedeutung
des Lautzeichens A und der einfachen Vokalschreibung fest-
zusteilen, also zu untersuchen, ob diesen Schreibungen wirk-
lich mehr als Schreiberunsicherheit zugrunde liegt. Erst nach
eingehender Prüfung des lautlichen Vorgangs kann entschie-
den werden, in welcher Richtung sich eine historische Un-
tersuchung zu bewegen hat. Der Verf. wiederholt z. T. Be-
kanntes. Er legt in längerer Ausführung dar, dass das kehl-
kopfspirantische ahd. A nicht gleich dem rom. h im hoch-
tonigen Anlaut schwinden Könnte, dass also Aphaerese stets
als Schreibfehler oder als rom. Einfluss anzusehen sei. Neu
sind seine Ansichten über die Prothese. Dass diese von der
Aphaerese zu trennen sei, beweist schon das, dass nur 22°/,
der in Frage kommenden Hss. beide Erscheinungen zugleich
zeigen. Der Prothese schreibt er 5. 18 “den vollen Laut-
wert des echten A” zu. Sie wird hervorgerufen durch ge-
wisse “ Folgekonsonanten”. Am günstigsten für ihre Entwick-
lung sind nachfolgendes r, ἦ, ch, w mit 212, 201, 129, 75
von im ganzen 905 ahd. Prothese-Fällen. Von Anlautsvoka-
len nimmt e mit 53°/, aller Fälle die Prothese am liebsten
an, o mit 71/,°/, am wenigsten. Von Begriffen begünstigen
“die konkretesten Substantivbegriffe” die Prothese am mei-
sten. Eine Zusammenstellung dieser Begriffe, an deren Be-
zeichnungen sich Prothese zeigt, beweist den Zusammenhang
zwischen ahd. und neuerer Prothese. Teil an dieser haben
nur die westd. Mundarten, das Bayr. ist ziemlich frei davon.
Den Schluss des Buches bilden genaue und übersichtliche Ver-
zeichnisse sämtlicher Prothesefälle des Ahd. Andd. Dass dem
Verfasser der Beweis für seine Behauptungen, soweit sie der
herrschenden Ansicht widersprechen, durchaus mislungen ist,
liegt hauptsächlich daran, dass er auf Grund falsch ange-
wandter Statistik mit vorgefasstem Urteile, das durch phone-
Garke Prothese und Aphaerese. 131
tische und sprachgeschichtliche Kenntnisse nicht sonderlich
getrübt wurde, an den Stoff herantrat, und es ist nur zu be-
dauern, dass sich in eine Sammlung vom Werte der QF. eine
Arbeit wie diese, an der die Verzeichnisse das einzige wirk-
lich Dankenswerte sind, eindrängen konnte. Des Verf. ein-
zige scheinbaren Beweise entpuppen sich als volksetymologische
Anlehnungen: ahd. helfant an helfan, ahd. hiuwila an hiu-
wilon, nhd. heischen an heissen, tiv. hegedex, πα]. haagdis
an hecke, hag vgl. Kluge Et. Wb.? 5. 85, ahd. heren, mhd.
heren an herjan S. 21. Mit diesem letzten erledigen sich
auch die beiden Hel.-Stabreime 5. 19, alle andern Beleg-
stellen S. 81 f. sind überhaupt aus endreimenden oder Prosa-
stücken, beweisen also für Stabreim gar nichts. Auf das
allein übrigbleibende “sia hauar kihalönt”’” Musp. 11 wird
keiner Gewicht legen wollen, denn dort bilden nicht diese
beiden Worte den Reim, sondern kihalönt — himile! Da zu
einer eingehenden Kritik der Arbeitsart des Verf. der Raum
fehlt, wird es zweckmässig sein, nur einige Beispiele dafür
anzuführen. G.s Verständnis für Lautphysiologie, speziell
seine Fähigkeit, Buchstaben und Laute von einander zu schei-
den, erhellt aus Ausdrücken wie 5. 11 “spirant. Tenuis”,
“spirant. Med.”, 5. 12 “Verschlusslaute mit spirantischem
Werte”. Die Ungenauigkeit nicht gerechnet, dass er S. 11
r als “dentalen Sonorlaut”, 5, z als “dentale Spiranten ” an-
führt, nennt er dort ahd. 1 “gutturalen Sonorlaut” und rech-
net den ahd. Halbvokal ww zu den Labialen! In seinen Zäh-
lungen kennt er ebensowenig »- und /-Diphthonge wie kon-
sonantisches ? und «. Als Kriterium für sein phonetisches
Wissen genügt eigentlich schon, dass er zwar Sievers Pho-
netik nicht benutzt hat, dafür sich aber S. 15 als phonetischen
Gewährsmann auf — Jakob Grimm beruft! Ein Fall seiner
Auffassung von Sprachentwicklung ist z. B. 5. δ, wo er an-
gibt, dass der durch “Einwirkung der Folge-Konsonanten ὁ
entstandene leise Hauch durch “die Analogie des echten ἢ
zum vollwertigen Hauchlaute” verschärft wäre, vgl. 5. 18
“die Analogie des gewöhnlichen h genügte vollauf, den pro-
thetischen Hauch zu verstärken”. Ein Verweis auf Osthoff
MU.I 211 Anm. Z. 7—4 v. u. genügt als Kritik. Zur Be-
urteilung seiner Statistik will ich erwähnen, dass die Laute,
die die Prothese am meisten begünstigen sollen, # und ἐ mit
rund 46°/, aller Prothese-Fälle auch bei den Aphaerese-Fäl-
len 3. 116 ff. mit rund 44°/, die weitaus kräftigsten Förde-
rer sind. Das freilich zu berechnen hat er klüglich vermie-
den! Um zu beweisen, dass ahd. Prothese und Aphaerese
nichts mit einander gemein haben, rechnet er aus, dass nur
22°,, der diese Erscheinungen zeigenden Hss. beides zugleich
132 Wilkens Zum hochalemannischen Konsonantismus.
aufweisen. Ganz anders würde sich die Sache stellen, wenn
man erführe, dass in seinen ganzen ahd. andd. Sammlungen
von wirklicher Aphaerese im vollbetonten Wortanfange nur
6 Fälle in Hss. vorkommen, die keine Prothese zeigen! Bei
dieser Bereehnung habe ich natürlich 7 Fälle von Aphaerese
im 2. Kompositionsgliede wie zuoflutus (asylum) S. ST, 94
weggelassen, ebenso 2 von G. selbst durch ? als unsicher
bezeichnete Fälle und 2 von ihm ὃ. 41 und 44 als nicht
hierhergehörig aufgeführte (er got S. 69, 44, agen (paliurus)
S. 74, 46). Einen Beweis seiner Gewissenhaftigkeit gibt der
Verf. auf seiner Tabelle S. 11, wo er für Prothese vor Vokal
+2 201 Fälle anführt. Mit welcher Sorgfalt diese Zahl er-
rechnet ist, zeigt 5. 3: “setzt man das durchgehends prothe-
tische helfant mit 150 Belegen an — was nicht zu hoch
ist "— usw. Diese 150 hat er in der Tabelle stillschweigend
mit verrechnet, was sich daraus ergibt, dass er jetzt insge-
samt 905 gegen vorher 755 Fälle hat. Nun, 201 sieht ja
sorgfältiger aus wie so ein rundes 200.
Mein Urteil über das Buch kann ich dahin zusammen-
fassen, dass der Verf. zwar mit löblichem Fleisse den weit-
zerstreuten Stoff zusammengetragen hat, dass aber zu dessen
Verarbeitung und Beurteilung seine Kräfte in keiner Weise
ausgereicht haben. Die Wissenschaft wird die behandelten
Erscheinungen nach wie vor so auffassen, dass der feste Vo-
kaleinsatz im Sandhi vor nieht hochtoniger Silbe leise wurde
(Paul Über vokalische Aspiration und reinen Vokaleinsatz,
Progr. Hamburg 1888 S. 41), dass unter gleichen Verhält-
nissen das Ah seine Eigenschaft ais Kehlkopfspirant verlor
und zum gehauchten Einsatz wurde (vgl. allenthalben, Bos-
heit, Krankheit), sodass in dieser Stellung sich der Gegen-
satz des Einsatzes bis zum Gradunterschied ausgleichen konnte
(Paul Progr. S. 6). Teils hieraus, teils aus Schreibunsicher-
heit erklärt sich die ganze ahd. Prothese und Aphaerese.
Alle Fälle, die wirklich anlautende Kehlkopfspirans zeigen,
sind davon zu trennen und als Anlehnung an lautverwandte
Wörter oder bedeutungsverwandte Begriffe aufzufassen (vgl.
hulan-husar Paul Progr. S. 40).
Leipzig, den 21. Dezember 1891.
Klaudius Bojunga.
Wilkens Fr. Zum hochalemannischen Konsonantismus der
althochdeutschen Zeit, Beiträge zur Lautlehre und Ortho-
graphie des ältesten Hochalemannischen, auf Grundlage
der deutschen Eigennamen in den St. Galler Urkunden
(bis zum Jahre 825). Leipzig G. Fock 1891. X u. 94 Ὁ:
ΟΡ ΝΜ ὦ»
vw.
Wilkens Zum hochalemannischen Konsonantismus. 13:
Eine äusserst gründliche und in jeder Hinsicht fördernde
Arbeit. Nicht nur zeichnet sich der Verfasser durch um-
fassende grammatische Kenntnisse, sondern auch durch ein-
gehendes Studium der kulturellen Seite des ahd. Kloster-
wesens aus. Beide Qualitäten sind ja allerdings für ein so
schwieriges Problem, wie es die Eruierung des Lautstandes
älterer Sprachphasen ist, durchaus erforderlich, doch ist leider
. nur zu oft in Grammatiken und Einzeluntersuchungen durch
Nichtbeachtung der Kulturverhältnisse (als Klosterbeziehun-
gen, Schreibergewohnheiten usw.) gesündigt worden.
W.s Schrift hat aber noch einen andern Vorzug —
und sie wird dadurch zum Fingerzeig für eventuelle spätere
umfassendere Arbeiten auf grammatischem Gebiet —: die
weitgehende Heranziehung moderner Mundarten. Durch den Zu-
tritt dieses Momentes ist frühern Arbeiten gegenüber ein
grosser Schritt vorwärts gethan worden, wie ja überhaupt
die heutigen Laute stets das Hauptregulativ für die Beurtei-
lung älterer graphischer Erscheinungen bilden sollen. Zu
bedauern ist nur, dass W. die Arbeit von Schild Über d.
Brienzer Ma. (Basel 1891) nieht mehr hat benützen können;
dieselbe hätte ihm für seinen I. Teil (Notkers Anlautgesetz)
manches Verwertbare liefern können (z. Β. ὃ 11 ἢ).
Der Verf. steckt sich enge Grenzen; was er behandeln
will, ist nur ein Teil des Konsonantismus der in den sankt-
gallischen Urkunden bis 825 vorkommenden Eigennamen;
diesen Gegenstand aber erschöpft er vollständig. Nach stren-
ger Sichtung der Überlieferung hinsichtlich der Grammatik
und Schreiberverhältnisse werden die Eigennamen zunächst auf
das Notkersche Anlautgesetz geprüft: es folgen sodann Ein-
zelbetrachtungen der germ. Konsonanten p, k; d, b, g; th, f
mit ihren orthographischen und lautlichen Vertretungen im
Hochalemannischen. Im Einzelnen ist wenig zu bemerken.
Nieht übereinstimmen kann ich mit dem Verf. in der An-
sicht, „dass bei der Komposition die einzelnen Glieder als
selbständige Wörter innerhalb des Zusammenhangs empfunden
werden“ (S. 22); der gemeinsame Akzent und spätere Re-
duktionen des nicht haupttonigen Bestandteils beweisen das
Gegenteil (z. B. δι σέο aus Höllstein; ylekki aus Klettgau usw.).
Ferner ist die Anwendung des Heuslerschen „Neutralis“ (Wilk.
$S 42) wohl nicht auf jedem al. Gebiete zulässig (vgl. Schild
δ 15). Andere strittige Punkte — denn als völlig abschliessend
kann die Arbeit doch noch nicht gelten — wären durch eine
eingehende Besprechung zu erledigen, wofür hier der Raum
fehlt. Jedenfalls danken wir für die gediegene Leistung aufs
beste und sprechen die Hoffnung aus, dass die künftige Un-
194 Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart.
tersuchung späterer Urkunden, wie sie uns W. in Aussicht
stellt, ihrer trefflichen Vorgängerin würdig sei.
Zürich im Januar 1892. E. Hoffmann-Krayer.
Kauffmann Fr. Geschichte der schwäbischen Mundart im
Mittelalter und in der Neuzeit, mit Textproben und einer
Geschichte der Schriftsprache in Schwaben. Strassburg
Karl J.. Trübner 1890. RX VIE a. 22958. ΜῈ ὃ:
Der Verfasser macht seit längerer Zeit zum ersten Male
wieder den Versuch, die Mundart eines grossen Gebietes
darzustellen. Was ihn von seinen Vorgängern, die gleiche
Ziele verfolgten, unterscheidet, sind eine bessere Kenntnis der
Phonetik und die hohen Gesichtspunkte, von denen aus er
die Thatsachen betrachtet. Er möchte sein Buch als einen
Beitrag zur historischen Anthropologie Schwabens betrachtet
wissen und glaubt, dass nach dem Bilde, das er von der
Entwickelungsgeschichte des schwäbischen Lautstandes gibt,
die Ansichten der Prinzipienwissenschaft über die allgemeinen
Faktoren des Lautwandels wesentlich zu modifizieren sein
würden (5. VIII). Inwiefern Pauls Ansicht, dass die Haupt-
periode der sprachlichen Beeinflussung die Zeit der Sprach-
erlernung sei- und lautliche Wandlungen sich in der Haupt-
sache aus fortdauernden kleinsten Veränderungen summieren,
fremdartig sein und die Lauterzeugung zu sehr ins Interesse
des Individuums rücken soll (IX) ist nicht einzusehen. K.
meint, die Sprachorgane des homo sapiens seien auf der
sanzen Erde ein und dieselben. Zwar liegen noch
nicht für alle Teile ausreichende Messungen vor. Aber soviel
ist ohne Weiteres Klar, dass die Sprachorgane z. B. eines ΟΥ-
thognathen Dolichocephalen und eines prognathen Brachyce-
phalen nicht ein und dieselben sind. Der Satz: “Die Ver-
schiedenheit der Muskel- und Nerventhätigkeit involviert die
Unterschiede der Mundarten nach ihrer lautlichen Seite”, ist
selbstverständlieh, aber nieht in dem Sinne, als ob bei jeder
lautlichen Differenzierung das physiologische Moment das pri-
märe, das akustische hingegen das sekundäre sein müsse.
Lautveränderungen sollen nur denkbar sein, wenn in den
Funktionsorganen eine Veränderung eintritt. Dem werden
auch überzeugte Darwinianer nicht ohne weiteres zustimmen.
So rasch wie ein Lautwandel gehn organische Veränderungen
bei der Gattung Mensch doch sonst nieht vor sich. Unklar
bleibt, was der Verf. meint, wenn er auf $8.X die Überzeugung
ausspricht, “dass die verschiedenen Lautveränderungen ein-
ander noch viel näher zu rücken sind, so dass in einer Reihe
von Jahrhunderten eine allmähliche aber radikale Umwand-
Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart. 135
lung der Lauterzeugung sich vollzogen hätte, die sowohl für
Konsonantismus als Vokalismus eine Verschiebung der Arti-
kulationsstellen und Artikulationsarten mit sich gebracht”.
Den letzten Grund für Lautwandlungen sucht K. in einer
Anpassung der Sprachorgane an einen andern Himmelsstrich
und Luftdruck, an gänzlich andere Boden- und Lebensver-
hältnisse. "Soweit dieselben äusseren Faktoren (eben die
genannten) gewirkt haben, hat sich dann auch dieselbe Mund-
art von der Nachbarschaft abgesondert. Dieselbe bestechende
Hypothese ward schon durch W, v. Humboldt ausgesprochen ;
aber sie ist nicht zu beweisen. Dass neben physikalischen
(akustischen), physiologischen, psychischen und rein geschicht-
lichen auch geophysikalische Ursachen bei der Sprachent-
wickelung mitwirken können, soll nicht bestritten werden.
Doch wenn in und nach Zeiten der Wanderschaft eines Volkes
die Sprache rascher lebt und grössere Veränderungen erleidet,
so ist dies nicht sowohl aus geologischen, klimatischen und
dergl. Verhältnissen, als vielmehr aus ethnologischen Ursachen
zu erklären. Die Glieder des Volkes selbst erfahren eine
andere Gruppierung, sie vermischen sich mit der eingesesse-
nen Bewohnerschaft und die Indifferenzlage und Artikulations-
weise dieser macht ihren Einfluss auf die Sprache geltend.
Diese Faktoren wirkten auch auf die Sprache des Sueven-
stammes, als dieser seine jetzigen Wohnsitze einnahm. Eine
genaue Beschreibung der Indifferenzlage fehlt übrigens in dem
Buche; was in $ 32 über die Artikulationsbasis gesagt wird,
kann den Mangel nicht ersetzen. Mit rein mechanischer Deu-
tung der Lautgesetze ist nicht auszukommen. Ein Fall, wo sich
die gesellschaftlichen Bedingungen für die Verbreitung eines
Lautgesetzes noch bis zu einem gewissen Grade erkennen
lassen, ist in ὃ ὧδ᾽ erwähnt: Der protestantische Norden von
Schwaben hat «2 für mhd. iu, ebenso die protestant. Bevöl-
kerung von Horb, während der katholische Teil der Be-
wohnerschaft »2 spricht. Wie hier die Konfession eine laut-
liche Bewegung weiter geleitet und ihr Grenzen gesteckt hat,
so mögen es in andern Fällen andere Umstände gewesen sein,
die selber vielleicht längst aufgehört haben zu existieren,
während ihre Wirkungen fortbestehn. Die Ansicht von der
Verschiebung der Lautbildung im Kindesalter soll vorerst
die Erfahrung gegen sich haben. Die Beobachtung derartiger
Verschiebungen setzt eine gute Gelegenheit und ein sehr
inniges Verwachsensein mit der Mundart voraus. Der Verf.
aber ist speziell mit der Mundart, die er seiner Darstellung zu
Grunde legt, nur “infolge verwandtschaftlicher Beziehungen
seiner Familie” vertraut geworden ($ 53 Anm.).
Die hd. Lautverschiebung wird als ein Prozess bezeich
Anzeiger I 2. 10
136 Kauffmann Geschiehte der schwäbischen Mundart.
net, der sich nur provinziell verfolgen lasse und den jede
Mundart selbständig und eigenartig durchgemacht habe
(XIII. Durch bloss provinzielle Betrachtung rückt man aber
dem Verständnis des merkwürdigen Vorgangs nicht näher.
Es sprieht im Gegenteil Vieles dafür, dass, um denselben auf
seine Ursachen zurückführen zu können, man den Kreis der
Betrachtung eher noch weiter ziehn muss als bisher, und selbst
verwandte Vorgänge in den benachbarten roman. Mundarten
unter denselben Gesichtspunkt zu rücken sind. Überraschend
für jeden, der das Leben einer Mundart beobachtet hat, ist
das Resultat, zu dem K. bei Darstellung der schwäb. Laut-
geschichte gekommen ist: “dass seit 5 Jahrh. der schwäb.
Lautstand sich überhaupt nicht mehr verändert hat und
ohne Zweifel die Stabilität desselben in noch ältere Zeiten
zurückreicht” (X). Sollte z. B. der teilweise Übergang des
alten lingualen 2) zu einem Zäpfchenlaute (8 21) auch 500
Jahre alt sein? und in welcher provinziellen Nerven- oder
Muskelkontraktion sollte er begründet sein? Vgl. Trautmann
Sprachlaute 8 588. 1070 ff. Vor 500 Jahren galt ao ahd. a
(8 60), heute gilt in denselben Worten 6 ($ 61, 5). Aus dem
15. Jahrh. wird (S 67 b), z. B. die Form maentac angeführt;
jetzt lautet sie gesetzmässig medir. Lautete sie auch damals
schon so, und beruhte maentac (für sonstiges mäntac) nur
auf Schreibertradition, oder war das etymolog. Bewusstsein
für dies Wort so stark, dass aen geschrieben ward, obgleich
nur nasaliertes e zu hören war? Beides ist wenig wahr-
scheinlich. Für mhd. ?n beweisen die Urkunden von Horb
bis 1550 den Lautwert von ä (8 88). Jetzt gilt οἷ. -fräen,
dräwen im Liederb. der Hätzlerin (8 95) weisen darauf hin,
dass 1471 die Erweiterung des Kieferwinkels in mhd. δὲϊ
erst bis eö oder ee vorgeschritten war (mayen, dessen Her-
kunft zu bekannt war, beweist nichts dagegen); jetzt gilt in
jenen Worten ae. In der ehronolog. Übersicht ($ 141) wird
freilich der Übergang von ei zu ae bereits ins 12. Jahrh.
gesetzt.
3jeweise für die Richtigkeit der chronologischen An-
setzungen fehlen zuweilen, so zZ. B. betreffs der Entrundung
von äe und 0, des Umlauts von d@ und 0, des Nasalschwun-
des nach langem Vokal. & soll bereits im 12. Jahrh. den
Wert von ae gehabt haben ($ 72, 141). Aber noch die Reime
der Reimehronik, die bis 1571 reicht, sprechen nur für er.
Die ersten wirklichen Beweise für ae stammen aus dem ΤΊ.
Jahrhundert!
s 127 ff. wird versucht, die moderne Dehnung und
Diphthongierung aus der Stellung einsilbiger Worte in Satz-
pause zu erklären. Ich glaube nicht, dass man sich bei der
Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart. le:
Σὶ
Kaufmannschen Erklärung wird beruhigen können. K. ver-
lässt besonders hier zuweilen den Boden besonnener Phonetik ;
so wenn er sagt dass ὦ (im Worte fol am Satzende) eine
weitere Silbe einleitet, die ohne Sonanten ist”, oder wenn
er im Fehlen des Glottisverschlusses zwischen Vokal und
Konsonant die physiologische Ursache der Diphthongierung
sieht. Nicht recht verständlich ist auch $ 126 die Vermutung,
dass a “den tiefsten Eigenton im Vokalsystem gehabt” haben
könnte. Der Ausdruck 'spiritus lenis’ sollte in der Gramm.
einer modernen Sprache wegbleiben. Die Czermaksche Deu-
tung als Kehlkopfexplosiva ist doch zu unsicher ($ 190 Anm.).
In der Einl. werden zu den passiven Artikulationsorganen nicht
nur Kehlkopf und Kiefer, sondern merkwürdigerweise auch
Zunge und Lippen gerechnet. Aktivität wird Nerven und
Muskeln zugeschrieben. Woraus bestehen Zunge und Lippen
sonst noch? Die Art, wie die Enstehung des zweiten Kom-
ponenten von ao, ei, ou (aus d, €, ö) erklärt wird, hat wenig
Überzeugendes ($ 137). Erstens ist ein Aufsteigen des Tones
etwa um eine Terz überhaupt zu unbedeutend, als dass es
eine Hebung der Zunge zur Folge haben könnte; zweitens
wäre “eine vermittels des Zungenbeins erfolgende Hebung”
nur durch den m. hyoglossus denkbar. Durch die Wirksam-
keit desselben kann aber nur ein w-artiger Laut, nie ein ἡ
entstehen. Die Unabhängigkeit der Diphthongierung von d,
6, ὁ vom steigenden Akzent geht auch daraus hervor, dass
sie in Mundarten mit fallendem Akzent ebenfalls eingetreten
ist. Das Gemeinsame bei der Diphthongierung von a eo
liegt nicht in der Tätigkeit der Zunge, sondern der Kau-
muskeln, die bei langen Vokalen den Unterkiefer der relativen
Indifferenz resp. der Lage nähern, die er beim nachfolgenden
Konsonanten einzunehmen hat.
Übermässiges Generalisieren führt bisweilen zu Wider-
sprüchen. So 8 156, wo es von der Diphthongierung heisst:
Der Vorgang ist jünger als die Dehnung kurzer Vokale, da
wenigstens einige derselben die Diphthongierung mitgemacht
haben. Warum dann nicht alle? $ 127 wird gewarnt, Deh-
nung des Vokals auf Konto nachfolgender Konsonanten zu
setzen. S 156 dagegen heisst es: “ Vereinzelte Beispiele er-
weisen, dass auch vor auslautender Liquida die Dehnung frü-
her erfolgte, als vor den Geräuschlauten.”
Die Thatsache, dass heute die schwäb. Diphthonge für
ἢ, τ, ü verschieden sind von den bairischen, kann nicht als
Beweis gegen die Annahme einer östlichen Herkunft der er-
stern gebraucht werden ($ 138 Anm.). Der erste Komponent
der Diphthonge hat einfach im Osten eine Weiterentwicke-
138 Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart.
lung durchgemacht, an der er in Schwaben nicht teilgenon-
men hat.
Die Entwickelung von ä zu ἢ wird ὃ 140 Anm. als
nicht fassbar bezeichnet. Man wird annehmen müssen, (dass
ü zu eä, dann durch Vorausnahme der Lippenrundung zu oü
und zuletzt durch Annahme der Kieferöffnung von ? auch für
o zu ai geworden ist, also eine mehrfache, aber verschieden-
artige Angleichung, Umlautung des ersten Komponenten, die
sich allerdings nicht mit der 500Ojährigen Stabilität vertra-
gen würde.
Die Nasalierung der Vokale soll nach Einleitung ΧΙ]
auf einer historisch eingetretenen Verkürzung des m. palato-
glossus beruhn. Sollte man dann nicht vermuten, dass es
überhaupt nur nasalierte Vokale geben könnte? Die Richtig-
keit der Annahme, dass dem Schwinden eines Nasales überall
Nasalierung des Vokals vorausgegangen sein müsse, ist zu
bezweifeln, auch wird der Wegfall der wesentlichen »- oder
m-Artikulation durch jene Annahme nicht erklärt. Der tie-
fere Grund für den Wegfall ist in dem Umstande zu suchen,
dass die linguale resp. labiale Artikulation der genannten
Konsonanten mit der Ruhelage des Sprachorgans zusammen-
fällt und mit dem Aufhören des Stimmtons jener Konso-
nanten auch die akustische Existenz derselben aufhört.
Auch beim Konsonantismus werden die heutigen Laut-
werte zuweilen ohne Bedenken in die älteste Zeit übertragen.
Unbeholfenen Schreibungen, die für eine solehe Übertragung
zu sprechen scheinen, wird zu grosses Gewicht beigelegt,
alles Regelmässige durch Schreibertradition erklärt. Die aber
hatte in älterer Zeit bei weitem nicht die Bedeutung, die RK.
ihr beimisst. Das Lautfalschschreiben war noch nicht offi-
zieller Lehrgegenstand wie heute; deshalb schrieb man in
der Regel lautrichtig. Freilich aus Zusammenstellungen ein-
zelner aus dem Zusammenhange gerissener Worte ist die Regel
schwer zu erkennen. Die Beispielsammlungen des Buches
sind darum zu einem guten Teil nicht beweisend. Ich kann
mich der Ansicht, dass im Oberd. bereits zu ahd. Zeit keine
stimmhaften Verschluss- und Reibelaute mehr existiert haben
sollen, nieht anschliessen. Vergl. auch Wilkens Zum hoch-
allem. Konsonantismus S. 90 ff. v und f (für germ. f) sollen
regellos bereits in ältester Zeit wechseln. (8 147 Anm. 2)
Doch gesteht K. selber (8 170 Anm.): “Im Allgem. ist aber
die Schreibung intervokalisch -#-, auslautend f festgehalten.”
Dass ein Schreiber, der lautgesetzlich in einem und dem-
selben Worte baid f bald © zu schreiben hatte, auch einmal
/ schrieb, wo er ® hätte hören müssen, oder d schrieb, wo
t zu stehen hatte, ja dass auch in der gesprochenen Sprache
a Zug
Kauffmann Geschichte der schwäbischen Mundart. 139
früh schon Ausgleichungen vorgekommen sein mögen, ist nicht
zu verwundern. Für den allgemeinen Zusammenfall von
etym. f und dem aus p entstandenen ($ 170 Anm.) beweist
zwelfe der ZBR. wenig und bidurfen gar nichts. f (für b)
in bidurfen ist aus bidarf übertragen und hat natürlich den
‘Wert von ausl. f beibehalten. Auffällig ist ὃ 148, wo Worte
wie hanf, stumpf, fünf in eine und dieselbe Kategorie ge-
bracht werden. Der mangelhaften Schreibung lat. Worte darf
‚ebenfalls keine zu hohe Beweiskraft beigemessen werden ($ 162.
171,5). Man muss bedenken, dass die Schreiber zum teil
Klosterschüler waren, die die fremden Worte gar noch nicht
sicher aufgefasst hatten, und dass überdies jedenfalls die
roman. Aussprache vorbildlich war, was besonders hinsichtlich
inlautender Konsonanten von Wichtigkeit ist. |
Zur Verschiebungsstufe stl. Verschlusslaute im Altschwä-
bischen wird viel Wertvolles beigebracht. Über Einzelheiten
der Beweisführung lässt sich rechten. DBetreffs solcher Worte,
in denen etym. einfache Tenuis mit doppelter wechselte,
kann nicht allgemein entschieden werden, wann Verschluss-,
wann Reibelaut anzusetzen ist; da einerseits Doppelformen
sehr lange neben einander bestanden haben können, ander-
seits Ausgleichungen schon sehr früh eingetreten sein mögen.
Bezüglich Notkers hat Braunes Deutung (Ahd. Gramm. 144
Anm. 4) mehr für sich als die Kauffmanns ($ 178). Als ein
Beispiel unzutreffender Benutzung von Reimen für lautl. Fest-
stellungen muss angeführt werden, dass K. ($ 188 Anm.) aus
Ötfridischen Assonanzen wie arnon:korn u. w. das Alter
des r-Ausfalles erkennen will. Um singuläre Erscheinungen
wie erfl aus armvoll zu verstehen ($ 189 Anm. 5), muss man
sich gegenwärtig halten, dass, wenn durch Kontraktion Laut-
folgen entstehn, die sonst im Wortinlaut nicht vorkommen,
das ungeübte Muskelgefühl die zunächstliegende geläufige
dafür einsetzt. nähner (8 190 Ὁ) hat mit analogischem ἢ
nichts zu schaffen; es ist Komp. zu ahd. ndhun. ὃ 192 wird
versucht, auch die Assimilationsverhältnisse der Konsonanten
als eine notwendige Folge des “schwachgeschnittenen Akzents”
darzustellen, und dabei behauptet, es gebe im Schwäb. keinen
einzigen Fall, bei welchem der auf den Vokal folgende Kon-
sonant den Ausschlag gegeben hätte; das “ Gesetz der regres-
siven Konsonantenassimilation” sei ausnahmlos und eins der
wichtigsten Merkmale gegen Franken. Fallen die Übergänge
intervokal. mb zu mm ($ 189 d), ng zu » (191, 3) auch unter
regressive Assimilation? und welcher prinzipielle Unterschied
ist zwischen ihnen und fränk. nd zu nn, ld zu 11? Übrigens
finden sich die auf 5. 270 f. angeführten Sandhierscheinungen
auch im Fränk., das den schwäb. Akzent nicht hat.
140 Müllenhoff Deutsche Altertumskunde.
Etwas Äusserliches: In der Geschichte einer Mundart
sollten die Quellenbelege zu den einzelnen Lauten in chrono-
logischer Ordnung angeführt werden. Das Buch kommt in
dieser Hinsicht dem Leser nicht entgegen. Vergl. z.B. SS 81,
Inu a.
Neben manchem, was in methodologischer, phonetischer
oder etymologischer Hinsicht anfechtbar ist, bietet das Buch
aber auch ungemein viel Anregendes, Lehrreiches und Treff-
liches. Die Lautbezeichnung und -beschreibung ist klar und
genau. Für die ausführlichen Angaben über die Akzent- und
Quantitätsverhältnisse muss die mundartliche Grammatik ganz
besonders dankbar sein. ‚Jedermann weiss, wie schwierig
gerade diese Kapitel zu behandeln sind, und wie sehr sie
trotz ihrer Wichtigkeit im allgemeinen vernachlässigt wer-
den. Auch für die Textkritik unserer mhd. Dichter werden
beachtenswerte Fingerzeige gegeben. Überall bemüht sich
der Verf., nieht blos die Thatsachen zu rubrizieren, sondern
auch die Ursachen der Erscheinungen aufzuspüren. Das Buch
wird von keinem deutschen Grammatiker übersehn werden
dürfen. Ausstattung und Druck sind vorzüglich.
Reinhart Michel.
Müllenhoff K. Deutsche Altertumskunde. Fünfter Band,
zweite Abteilung. Berlin Weidmannsche Buchhandlung 1891.
ὙΠ ΘΝ 2
Lachmann hat sich einmal in einem Brief an Wilh.
Grimm auf ein Wort Jacobs berufen: Die Sagen müssen histo-
risch zusammengestellt werden wie die Sprachformen (Zeit-
schrift für deutsche Philol. II 205). “Ist alles historisch zu-
sammengestellt, so können wir dann sehn, wie weit wir
zurückblicken können ... Es thut nichts, wenn die Samm-
lungen auch anfangs leblos aussehen '. Diese Worte passen
-wie ein Motto auf die vorliegende Publikation. Lachmanns
Betrachtungsweise galt ja Müllenhoff als Muster und Meister-
stück methodischer Sagenforschung. Lachmanns Kritik der
Sage von den Nibelungen hat nach Müllenhoffs Überzeugung
erst auf den Begriff der Altertumskunde geführt, da die Be-
trachtung der epischen Stoffe die Zeit der Wanderung als das
deutsche Heldenalter, sie selbst als Erzeugnisse und Überlie-
ferungen einer noch ältern Zeit erkennen liess (DA. I IX).
So ist das Volksepos, in engerm Sinn das Nibelungenlied,
für Müllenhoff zu einem “lebendigen Buch wahrer Geschichte
voll” geworden. Anlage und Abfassung seines grossen Wer-
kes ist nur für den begreiflich, der nicht vergisst, dass Mül-
lenhoff von der mittelhochdeutschen Litteratur aus die Auf-
Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. 141
gabe der Altertumskunde sich gestellt sah (DA. IX. ὙΠ]. XXIH),
Die Poesie und ihre Geschichte waren die Lichtquellen seiner
Forschung. Licht und Schatten ist von diesem so umfassen-
den und doch wieder so einseitigen Standpunkt auf dasselbe
gefallen. Im Grunde hängt es an dieser Auffassung der Dinge,
dass alle die sich getäuscht sehen, welche von Müllenhoffs
Altertumskunde ein nach dem gewöhnlichen Schema eingerich-
tetes Handbuch der Antiquitäten erwarten.
DA. Bd. V sollte nach dem Plan M.s den Volksglauben der
Germanen behandeln, Bd. VI die Geschichte des deutschen
Volksepos. Die zweite Abteilung von Bd. V knüpft an den
Schluss des zweiten Buches: Über die ältere Edda. V 1 en-
digte mit dem Exkurs über die Starkadsdichtung, V 2 be-
handelt die eddischen Nibelungenlieder (Fra dauba
Sinfjotla — Guprünarkeiba IIl). Nach den Vorbemerkun-
gen Roedigers war hiefür nicht einmal ein Entwurf vorhan-
den. Um aus dem V. Band einen Sammelpunkt für M.s nor-
dische Studien zu bilden und die Darstellung der Heldensage
vorzubereiten, wurde M.s Kollegienheft und Nachschriften
aus den Jahren 1864/65, 1878/79, 1881 herangezogen. Wie
viel im einzelnen aufzunehmen sei, wurde W. Ranisch zu
prüfen überlassen, der die Arbeit unter Mithilfe Hofforys
ausgeführt hat. Ranischs Ms. ist von Roediger endgültig be-
arbeitet worden. Das Register zum ganzen Band ist gleich-
falls von Ranisch fertiggestellt.
Es ist, wie wir jetzt auch aus Ranischs Einleitung zu
seiner Ausgabe der Volsungasaga (Berlin 1891) ersehen, M.s
Meinung gewesen, der Sagenkomplex von den Nibelungen
sei als Ganzes nach dem Norden getragen, aber erst im 10,
Jahrh. in die erhaltenen Heldengedichte umgegossen worden !),
nicht ohne dass eine Reihe spezifisch nordischer Züge einge-
drungen wären. Die eingreifendste Wirkung hat die norwe-
gische Helgisage ausgeübt. Ferner wird die Geschichte vom
Hort fast ganz als nordisches Sagengut angesehen. Es sind
einige Namenwechsel, eine Änderung in den Verhältnissen
der Söhne Gjükis?) eingetreten und schliesslich hat sich die
Jormunreksage angegliedert. Die nordische Nibelungensage
des 10. Jahrh. sei zum teil in Prosa zum teil in Liedern be-
1) Uber die zweite, jüngere Einwanderung’ der Sage finden
sich spärliche Andeutungen DA. 398. Was Wimmer-Jönsson jetzt
S. 39. 155 der Ausgabe des cod. reg. entziffert haben, konnte noch
nicht berücksichtigt werden.
2) Was die Fünfzahl der Söhne betrifft (S. 569. 578), so hätte
zu Zimmer Zeitschr. f. deutsche Alt. XXXII 312 Stellung genommen
werden sollen; desgl. zu Langbards lidar (S. 394) vgl. ebenda 5. 258.
ΘΟ zu 5: 398) v8. Zimmer: 8327-0. a:
149 Müllenhoff Deutsche Altertumskunde.
handelt gewesen. Um das Jahr 1000 beginne die Scheu vor
dem grossen Gegenstand zu schwinden und mit Absicht wer-
den am Stoff Änderungen vorgenommen: man interpoliert,
rekapituliert, modernisiert τι. 5. w. Es beginne die Zeit künst-
lerischen Niedergangs, der 'albernen Einfälle , traurigen Epi-
gonentums, welches aus der gewaltigen Heroentragödie ein
bürgerliches Rührstück mit Figuren wie Heimir, Bekkhildr,
der stickenden!) und eifersüchtigen Valkyrje und andern
Modemotiven gemacht habe. Es ist geradezu der Grundsatz
ausgegeben worden: ein Lied ohne Interpolationen darf man
mit ziemlicher Sicherheit für jung erklären (Ranisch Vols.
5. XVI). So lange die zusammenfassende Darstellung der
Heldensage im VI. Band nicht vorliegt, ist es nicht ratsam,
diese sehr freien Anschauungen zu besprechen. Ich habe
mich auf einige Bemerkungen zu dem ausgegebenen Hefte
zu beschränken.
Zu der Vermutung, dass die Prosa von Sinfjotlalok
(warum nicht, wie in der Hs., fra daupa Sinfjotla?) wohl
auf alten Liedfragmenten beruhe (S. 361), hätte auf die Halb-
strophe Jestu af magni (Vols. C. 8) hingewiesen werden
dürfen (Rosenberg Nordboernes tandsliv I 311 f£.). M. schlägt
(S. 361) vor V. 15. 14 der sog. Reginsmäl in die Prosaein-
leitung einzustellen, was ich sehr treffend finde. Das unbe-
stimmte ein dag... der Prosa scheint die Unursprünglich-
keit der Verbindung zu verraten. Ich kann nicht finden,
dass die beiden Strophen an ihrer jetzigen Stelle fest gefügt
seien. So erhalten wir ein wohlgeordnetes Gedicht, das ich
keineswegs mit Mogk (Grundriss II 86) “wüst‘ nennen möchte.
Nur sollte man dasselbe nicht länger als Reginsmäl bezeich-
nen. Nach der phototypisch-diplomatischen Ausgabe hat die
Hs. wahrscheinlich fra sigurpi als Überschrift. Es darf folg-
lich kein Gewicht darauf gelegt werden, dass die Schluss-
partie nicht zu den alten Peginsmdl gehörte. Man kann
aber wohl zugeben. dass die Hnikarepisode ursprünglich selb-
ständig gewesen sein mag (W. Grimm ΗΒ. ὅ S. 451). Was den
Vorschlag betrifft, V. 26, 3 engr (Hs.) er fremri sd er fold
rydi in beim er zu ändern, so ziehe ich mit Bugge engr vas
des Nornagestpättr vor; warum soll sich die Halbstrophe nicht
auf Sigemundr beziehen? Sowohl über die Ausmerzung der
V. 12—1D der Fäfnismäl als über den einheitlich imposanten
Eindruck, den dieses von ächtem Heroengeist durchwehte
Lied macht, ist man einig. V.1l1 kann des Zusammenhangs
wegen nicht “schon früh eingeschoben sein. Bei der An-
sicht M.s, die zweite Hälfte von V. 20 sei aus V. 9 hieher-
1) Doch beachte hierzu Rosenberg Nordb. I 46.
Müllenhoff Deutsche Altertumskunde. 143
geraten und Vols S. habe das passendere bewahrt, bleibt auf-
fallend, dass Fäfnir im letzten kritischen Augenblick von
dem Hort geschwiegen haben sollte. Die Antworten Sigurds
auf Fäfnirs Rede sind zudem stets derart eingerichtet, dass
sie ein gegebenes Stichwort aufgreifen (vgl. R. M. Meyer Alt-
germ. Poesie 5. 504 f... Das kann hier nur gull gewesen
sein. Auch die weitern Änderungen der Überlieferung kann
ich nicht akzeptieren'). Wo M. gestörte Überlieferung sieht
{(V. 25—51), erkenne ich einen durch den Umschwung der
Gesinnung veranlassten Wechsel des Tons und der Auffassung.
M. bemerkt (wie Rosenberg I 318), es seien im Grunde Si-
gurds eigene Gedanken, die durch die redenden Spechtmei-
sen versinnbildlicht werden?) Der Zögling erkennt die Bei-
hilfe an, die er dem weisen Meister zu verdanken hatte, aber
die letzten Worte des sterbenden Fäfnir haben den Argwohn
in seine Brust gesenkt. Die Peripetie fällt in die Pause, welche
die Prosa bezeichnet und rasch bricht der selbstbewusste
Kraftsinn des Helden sich freie Bahn. Die Vermutung Grundt-
vigs, dass nur drei, nieht sechs Vögel anzunehmen seien,
hätte durch Hinweis auf die bildliche Darstellung der Szene
bekräftigt werden sollen (vgl. jetzt auch L. Dietrichson De
norske Stavkirker S. 74). Es ist überhaupt zu wünschen,
dass die Sigurdszenen auf Holz und Stein für die Geschichte
der Sage gründlicher ausgebeutet werden. Der Inhalt des
späten Situationsgedichtes Gußrunarkvipa I (S. 370) wird mit
“uellennachweisen aus Guprunarkvipa II und dem 3. Sigurd-
lied erzählt. Die Umstellung von V. 27 (S. 375) halte ich
nieht für geboten, weil der Übergang von 22 zu 27 gar zu
abrupt wäre und papan der Schlussprosa seine Beziehung
verlöre. V. 18,5 avdlingö Hs. in *aurlingom zu ändern, ist
überflüssig. Der Parallelismus der Zeilen 5 und 4 ist voll-
ständig und die Schlusszeile als Variante (mit Ettmüller) zu
streichen, da M. doch wohl die Einsetzung der (nichtüber-
lieferten) Zeile 1 gebilligt hat. 5. 375 erklärt er die Auf-
fassung Bugges betreffs der Bezeichnung des 5. Sigurdsliedes
als eines kurzen, sei nicht ohne Weiteres abzuweisen (das
hätte auch Ranisch Vols. S. XHI beachten sollen). Doch sei
vielleicht eine andere Erklärung vorzuziehen. Vielleicht seien
die Verhältnisse hier ähnlich wie bei der Volospo en skamma
und Hyndloljöpß. Es habe vielleicht einmal ein "kurzes Si-
1) Ranisch Vols. S. XII Anm. spricht davon, in V. 41 werde
Gußprun erwähnt; M. sagt aber nur, V. 41 beziehe sich auf G. Die
Strophe ist an ihrem Orte sehr leicht zu verteidigen.
2) Man darf darüber die selbständige sagengeschichtliche Be-
deutung der Sache nicht vergessen.
144 Müllenhoff Deutsche Altertumskunde.
gurdslied gegeben, welches später durch Interpolationen ent-
stellt und zu dem heute vorliegenden Liede (geida St-
gurbar Hs.) aufgeschwellt wurde. Nach einer unwahrschein-
lichen Strophenabtrennung lässt M. mit V. 6!) die Interpola-
tion beginnen. Den Hauptinhalt bildet eine kurze Geschichte
Sigurds und der Brynhildr in ca. 30 Strophen : 1—9. 22— 53
(zum teil). 47, 3. 4+48. 49. 51, 3. 4+52. 53. 57. 65. 66—
69. 71. V. 54—64 sind sicher jüngeres Einschiebsel, doch
halte ich mit M. auch V.57T für echt. Bei der Strophenreihe
22—55 ist M. selbst nicht zu klaren Ausscheidungen gelangt.
Es handelt sich im Wesentlichen um die Existenzfrage für
0. 9. 94:47 . Wieso. dadurch,‘ dass’ mit SV.6 derzHeld
wechselt, dass Brynhildr statt Sigurdr in die Mitte gestellt
wird, etwas gegen die Unursprünglicehkeit von V. 6 ff. be-
wiesen sein soll, vermag ich nicht einzusehen. Sigurdr musste
nach dem Gang der Ereignisse in den Hintergrund treten,
wenn der Dichter uns in den Kreis seiner Feinde führen
wollte. Gegen V. 16 wird der Vorwurf erhoben, sie stehe
in unvereinbarem Widerspruch gegen den Geist der alten
Diehtung und des Heldentums. Wenn das zuträfe, müsste
all die Rohheit der That wie der Gesinnung, welche für die
“Ungetreuen’ der Heldensage Charaktermerkmal bildet, aus
der Überlieferung gestrichen werden. Das Motiv der Hab-
sucht soll denn auch gegen V. 94 ff. entscheiden. Dass Bryn-
hildr den Sigurdr bloss seiner Schätze wegen bevorzugt habe,
widerspricht der V. 39 (Bugge), wo Brynhildr gerade von
der Schönheit des Mannes besonders ergriffen wird. Wie sie
Gunnars Frau geworden, hat jetzt Ranisch (Vols. S. XV) ge-
zeigt und die Erwähnung der Todesfahrt beweist eben an
sich schon, dass die Strophen ausserhalb des ganzen Liedes
nicht denkbar sind. Noch auffallender ist mir, was M. gegen
V. 45 geltend gemacht hat. Sie soll in schroffem Wider-
spruch zu V. ὃ stehen, was allerdings richtig ist, aber seine
volle Erklärung findet in den Schlussworten der V. ὃ und
den daran hängenden Ereignissen, die doch nieht übersprun-
gen werden dürfen. Ich kann mich auch nicht davon über-
zeugen, dass Brynhildr in V. 69 an den Einzug in Valhell
gedacht habe (vgl. auch 5. 388). Nicht bloss sind die reli-
giösen Voraussetzungen (wie z. B. bei Sigmundr) hiefür nicht
gegeben, zum andern ist uns auch nirgends bezeugt, dass
eine gefallene Valkyrje in Valholl Einzug gehalten und zum
dritten bliebe unerklärt, weshalb der Dichter die Halle der
1) Bugges Lesung svelti (Arkiv II 123) ist jetzt durch Wim-
iner-Jönsson bestätigt worden und dadurch hat M.s Übersetzung die
erforderliche Bestätigung erfahren.
Soholevskij Drevnij cerkovno-slavjanskij jazykü. 145
Auserlesenen nicht genannt haben sollte (vgl. Helreid Bryn-
hildar). Mit der herrschenden Ansicht über den Valhollglau-
ben ist die Stelle allerdings nicht im Einklang, aber nicht
diese, sondern jene bedarf der Remedur. Für die Bestattungs-
feier hätte nieht nur auf Beowulf und Jordanes, sondern auch
(insbesondere bezüglich der 2 haukar) auf den schwedischen
Vendelfund verwiesen werden können (Hj. Stolpe Antiqv.
Tidskrift VIII 1 ff... Für die Zeitbestimmung des Liedes
dürfte dies nicht ohne Belang sein, obwohl man in Vendel
nur unverbrannte Leichen gefunden hat. Kesselfang (5. 398)
ist nicht bloss die häufigste Form des Gottesurteils bei Frauen
gewesen, vielmehr war er in Norwegen (im Gegensatz zu Eng-
land) gesetzmässig ausschliesslich für Frauen in Anwendung
zu bringen (J. Grimm RA. S. 922. Taranger Den angelsak-
siske Kirkes Inflydelse paa den norske 5. 323 ff.). Als frü-
hester Termin für das ὃ. Gudrunlied wäre das 2. Viertel des
11. Jahrh. möglich. Zu spekjor (S. 399) bemerke ich, dass
das Wort wahrscheinlich Entlehnung des ags. spec ist; dass
nicht, wie zu erwarten, e geschrieben, Könnte damit zu-
sammenhängen, dass in der Hs. zuerst spell- gestanden hat,
doch ist e—= « häufig genug belegt, Bugge Fornkv. 5. VIII.
Zu Stamm und Bedeutung beachte mhd. gespehte. Für die
veraltete Quantitätsbezeichnung gelten immer noch die Worte
vom Möbius Germ. IX 350.
Marburg i. H. Friedrieh Kauffmann.
Sobolevskij A. J. Drevnij cerkovno-slavjanskij jazykü. Fo-
netika. Moskva 1891. 8, VI und 124 S. Pr. 1 Rubl.
Nach einer Einleitung, in welcher sich Sobolevskij u. a.
als Anhänger derjenigen Forscher erweist, die im Kirchen-
slavischen einen altbulgarischen Dialekt erbliecken, werden
(das Verhältnis der slavischen Laute zu den gemeinindogerma-
nischen, die gemeinslavischen und die speziell kirchenslavi-
schen Lautveränderungen besprochen. Das Buch würde daher
auch einen allgemeinern Titel verdienen, als es trägt. Leider
scheint der Verf. mit den neuern Fortschritten der Sprach-
wissenschaft nicht vertraut genug zu sein, trotzdem er unter
seinen Quellen auch z. B. Brugmann, Saussure u. a. zitiert.
Er kennt noch den sporadischen Lautwechsel (S. 1f.) und in
seinen Ausführungen sieht es daher oft eher wie in einem
Raritätenkabinet als wie in einem wohlgeordneten Museum aus.
Man sollte nicht glauben, dass heute noch eine so verworrene
Darstellung des Vokalablauts möglich ist wie die hier 5. 62 ff.
gebotene. Es wird u. a. wieder ohne weiteres z.B. die slav.
Endung -telv mit griech. -τερ- usw. verbunden (8. 83), in
146 Thumb,
slovo vlok% derselbe Auslaut gesucht (5. 88) usw. Nicht ein-
mal die speziell slavistischen Forschungen hat S. genügend
berücksichtigt: S. 87 werden z. B: Formen wie seds med» schon
wieder als älter aufgefasst denn spds mod». Viel Selbstän-
digkeit spürt man in S.s Buch auch nicht; und wo er eine
eigene Meinung vorzutragen scheint, ist er in der Regel
schwerlich im Recht: so lesen wir 5. 79 von einem Suffix
-slo (in veslo maslo usw.), das mit lat. -clo- lit. -kla- iden-
tisch sein soll, 5. 88 wird asl. beretz berats zu ai. abharata
abharanta gestellt u. ä& m. Dazu gehört S. auch unter die
zahlreichen Philologen, die das Bedürfnis empfinden, Sanskrit
zu zitieren, ohne sich die Mühe gegeben zu haben, sich eine
elementare Kenntnis desselben zu verschaffen: so wird z. B.
S. 56 vahata als 2. Pl. indicativi aufgefasst, ebd. steht asva
als Vok. Sg. der d-Deklination, S. 77 jh als die palatale
Nebenform von gh; 8.60 begleitet der Verf. ai. mas- vidhava-
mit der Bemerkung "in zusammengesetzten Wörtern‘, was
darauf schliessen lässt, dass er die Wörter in irgend einem
Buch gelesen und nicht verstanden hat, was das Trennungs-
zeichen dabei zu bedeuten hat. Mit einem Wort, das Buch
gehört unter diejenigen, die von sehr geringem Nutzen sind.
Prag. Josef Zubaty.
Die neugriechische Sprachforschung in den Jahren
1890 und 1891).
(Schluss.)
DPI:
Wir gehen zu den Leistungen auf dem Gebiet der
neugriech. Dialektologie über. Von der Aufgabe, Methode
und dem Wert der neugr. Dialektforschung handelt in einem
kurzen Bericht:
Psichari Rapport d’une mission en Grece et en Orient. Ar-
chives des missions scientifiques. 1890 p. 23— 56.
Wegen eines Prinzips zur Gruppierung der Dialekte
ist nochmals auf Hatzidakis Zum Vokalismuss des Neugr.
zu verweisen, wo zuerst die richtige Scheidung in eine nord-
und südgriech. Gruppe (Grenze etwa der 38. Breitegrad)
gemacht wird: das Einteilungsprinzip (Verhalten der unbe-
tonten Vokale) ist so einleuchtend, dass ältere Gruppierungs-
versuche vor diesem neuen zurücktreten müssen. Die beiden
1) Vgl. Anzeiger I 5. 38.
Neugriechische Sprachforschung. 147
Gruppen scheinen mir im Allgemeinen ziemlich scharf von
einander geschieden zu sein; die Ursachen dieser genauen
Abgrenzung und die Frage nach Übergangsgebieten habe ich
in der ᾿Αθηνᾶ III 120 ff. gestreift.
Von einzelnen Dialektgebieten haben folgende mehr
oder weniger Beachtung gefunden:
Unteritalien.
Zur Orientierung:
Krumbacher Griechen im heutigen Italien. In der wissen-
schaftlichen Rundschau der Münchener Neuesten Nachrichten
vom 14. Februar 1891.
Prince L.-L. Bonaparte Linguistie Islands of the Neapolitan
and Sieilian provinces of Italy, still existing in 1889.
Hertford 1890. 32 5. (Aus den Transactions of the Philo-
logical Society.)
Nach G. Meyer Zschr. f. rom. Philol. XV 546 ff. gibt
der Aufsatz ein Verzeichnis albanesischer, griechischer u. a.
Kolonien im heutigen Unteritalien, ferner eine Sprachprobe
des italienisch-griech. Dialekts.
Tozer The Greek-speaking Population of Southern Italy.
Journal of Hellenie Studies X 11—42.
Enthält ausser den Charakteristika der Dialekte von
Bova und Ötranto eine sprachliche und historische Untersu-
ehung über den Ursprung der unteritalienischen Griechen:
sie sind nach T.s Ergebnissen vor dem 11. Jahrh. eingewan-
dert, erhielten aber spätere Zuzüge.
Morosi L’elemento greco nei dialetti dell’ Italia meridionale.
Parte prima: Provincia di Reggio. Archivio glottologieo
XII (1890) 76-—96.
Die Arbeit beginnt mit einer kurzen Einleitung über
die Bedeutung des griechischen Elements in Unteritalien
(Altertum und Mittelalter) und zählt dann nach sachlichen
Kategorien über 300 griechische Wörter auf, welche in unter-
italienische Dialekte eingedrungen sind. Die Abhandlung ist
unvollendet: der Tod hat den hochverdienten Gelehrten, der
unserer Wissenschaft die beste Darstellung eines neugriechi-
schen Dialekts geschenkt hat, am 22. Februar 1890 mitten
aus einem schaffensfreudigen Leben im Alter von 46 Jahren
hinweggenommen. Nach dem kurzen Nekrolog von Ascoli
(am Ende des oben genannten Aufsatzes) besteht Hoffnung,
dass aus den nachgelassenen Manuskripten noch manches für
die Wissenschaft Wertvolle herausgegeben werden wird.
Hatzidakis hat dem Verstorbenen einen Nachruf ge-
widmet in der ᾿Αθηνᾶ II 697— 701, worin zugleich eine Über-
sicht über die Leistungen auf dem Gebiete der italienisch-
griechischen Dialekte gegeben wird.
148 Thumb,
Über die griechische Ansiedlung an der Westküste von
Corsica (Carghese) zuletzt ausführlicher Φαρδύς Icropia τῆς
ἐν Κορεικῇ ἑλληνικῆς ἀποικίας. Athen 1888.
(Über die Sprache 5. 100 ff.). Dass das Griechische noch
nieht erloschen ist, bestätigt neuerdings Hoefer im Globus
1891 S. 159.
Tonisehe Inseln.
Partsch Kephallenia und Ithaka. Petermanns Mitteil. Er-
gänzungsheft Nr. 98. (1890.)
Enthält ausser rein geographischen Dingen eine auch
für den Dialektforscher interessante Geschichte der beiden
Inseln, dann einige Wetterregeln (von Cefalonia) und ein paar
interessante Einzelwörter. — Ferner verweise ich nochmals
auf das schon genannte Buch von Miliarakis (Anzeiger |
5. 42).
MP Tirus:
Casangis Formules des souhaits et saluts en usage chez les
Epirotes. ἙἝλλάς II 166—112.
Ätolien.
Χατζόπουλος Τὸ ickıwuevo χωριό. Ἑετία 1891 (II) 5. 156 ἢ
Ätolische Sage; zwar Volkssprache, aber für die Kenntnis
des Dialekts (abgesehen vom lexikalischen) ohne Bedeutung.
Peloponnes.
Über die Maniaten:
Philippson in Peterm. Mitt. (s. oben) 1890 5. 38 f. (vorwie-
gend ethnographisch und nur ganz allgemein über den Dia-
lekt).
Über die Zakonen ebd. 8.37 (ethnographisch; der Name
der Zakonen ist nach Ph. wohl von einem Slavenstamm über-
tragen).
Athen.
Καμπούρογλους Icropia τῶν ᾿Αθηνῶν I. Athen 1889.
vgl. Boltz Ἑλλάς II 97 ff., Krumbacher Berl. philol.
Wochensehr. 1890 Sp. 127, C.-E.R., Revue des Rt. ET. 1IV96:
Das Werk (das ich leider noch nicht zu Gesicht bekom-
men habe) bringt Lieder, Märchen, Sprüchwörter usw., end-
lich eine Darstellung der athenischen Mundart.
Ägina.
A. Thumb Μελέτη περὶ τῆς εημερενῆς ev Αἰγίνῃ λαλουμένης
διαλέκτου. ᾿Αθηνᾶ III θὉ.---198,
Enthält 2 Sprachproben, eine kurze Darstellung der
Hauptcharakteristika des Dialekts und Erörterungen über die
Stellung des Äginetischen innerhalb der neugr. Dialekte: das
Neugriechische Sprachforschung. 149
Äginetische, Megarische und Athenische bilden eine Dialekt-
Ξ ) 5
gruppe, die selbst dem peloponnesischen Zweig des Südgrie-
chischen angehört.
Inseln des ägäıschen Meeres.
Tozer The Islands of the Aegean (s. oben $. 42) passim.
Samothrake: Tozer 5. 355 f.: ein paar Bemerkungen
über die Sprache der Hirten, welche allein noch den ältern
Dialekt bewahrt: haben. Die Notizen bieten übrigens viel
weniger als was wir schon von Üonze, Reise auf den Inseln
des thrak. Meeres 5. 55 ff. wissen.
Chios: Sehr reichhaltig ist
ἸΤαςεπάτης Χιακὸν FAwccapıov. Athen 1888. (450 5.)
Κανελλάκης Χιακὰ "Avakerta. Athen 1890. (592 5.)
vgl. G. Meyer im Literar. Centralbl. 1891 Sp. 113 £.
Reiches Material an Volksliedern, Sprüchwörtern usw.,
Darstellung des Volkslebens (Aberglaube, Sitten und Ge-
bräuche).
Psichari verheisst eine Grammatik des chiischen Dia-
lekts; vgl. über ein paar Einzelheiten des Idioms von Pyrgi
auf Chios den schon genannten Raport (5. 30 ff.).
Naxos: Eine volkstümliche Überlieferung im Dialekt
wiedererzählt von Μαρκόπολις in der Ἑετία 1890 (II) p. 397 f.
Derselbe ferner: Ναξίων δειειδαιμονίαι ebd. 1891 (I) 314 f.
(abergläubische Vorschriften im Dialekt von Tragäa auf
Naxos).
Kreta: Παπαδοπετράκις Icropia τῶν Σφακίων. Athen
1888.
Enthält nach Karolidis, Revue historique LXV 128 auch
Angaben über Sitten und Sprache der Sphakioten.
Tozer besonders p. 90 f. Doch ist das meiste von dem,
was angeführt wird, gar nicht so sehr vereinzelt wie T.
meint, sondern gehört mehr oder weniger den Inseln über-
haupt an. “The most notable feature” nämlich “the sot-
tening of κ΄ (Aussprache wie €) ist vollends sehr weit ver-
breitet (Peloponnes an verschiedenen Orten, megarisch - athe-
nisch -äginetische Gruppe, Inseln des ägäischen Meeres). —
Über p statt X bei den Sphakioten Tozer 5. 62.
Σταυράκης περὶ τοῦ πληθυςεμοῦ τῆς Κρήτης. Athen 1891.
(Mir nieht zugänglich).
Cypern: Zur Bibliographie über Cypern vgl.
OÖberhummer Aus Cypern (in der Einleitung). Zschr. d.
Ges. f. Erdk. zu Berlin XXV (1890) S. 183 ff.
In dem antiquarisch-topographischen Aufsatz wird gele-
gentlich (S. 240) eine dialektische Eigentümlichkeit hervor-
gehoben, die Aussprache des Κα und x als isch (&). Wir
150 Thumb,
haben oben gesehen, dass es mit der erstgenannten Eigen-
heit nicht so weit her ist.
Φρατκούδης Κύπρις ἤτοι οἱ Κύπριοι τῆς cNuepov. Athen 1890.
Handelt auch von der Sprache (nach Karolidis,. Revue
historique XLV 128).
Eine mit grossem Fleiss ausgearbeitete und erschöpfende
Monographie über Cypern besitzen wir in dem Werke von
"A. Σακελλάριος Τὰ Κυπριακά, ἤτοι Yewypapia, ἱετορία καὶ
Awcca τῆς vncov Κύπρου ἀπὸ τῶν ἀρχαιοτάτων χρόνων
μέχρι εήμερον. Τόμος Α΄. Athen 1890. (842 5.)
Rez. von Κ. K[rumbacher| im Lit. Centralbl. 1891 Sp.
676—678. P. CJarolidis] Revue historique. XLV (1891) S. 257 ff.
Der vorliegende erste Bd. giebt ausser einer reichhal-
tigen Bibliographie!) (ob erschöpfend vermag ich nicht zu
beurteilen, doch vermisse ich z. B. Deecke Der Ursprung
der kyprischen Silbenschrift. Strassburg 1577 und G. Meyer
Romanische Wörter in den eyprischen Chroniken Jahrbuch
f. rom. u. engl. Spr. XV 35 ff.) die Geographie, Geschichte,
öffentliches und privates Leben der Cyprier (Altertum, Mittel-
alter und Neuzeit). Da erst der 2. Band ceyprische Sprache
und Texte enthalten wird, so müssen wir es uns an dieser
Stelle versagen, hier näher auf den schon vorliegenden Teil
einzugehen. Immerhin findet auch der Erforscher des Neu-
griechischen in dem erschienenen Bande manches Wertvolle:
die Darstellung des Volkslebens, Volksaberglaubens, der Sit-
ten und Gebräuche (702 ff.) bringt auch sprachliches Material,
besonders in lexikalischer Hinsicht; einige umfangreiche Texte
(Volkslieder) geben ein ungefähres Bild vom neueyprischen
Dialekt — ein Bild, das freilich der 2. Band wesentlich ver-
vollständigen wird. Obwohl nicht hierher gehörig, so sei
ferner auf den Abschnitt über die allerälteste Geschichte hin-
cewiesen, wo Fragen behandelt werden (Ursprung der griech.-
eyprischen Bevölkerung), die für den Sprachforscher von In-
teresse sind. Aber freilich sind in dem Gebiete der eypri-
schen Urgeschichte die Behauptungen des Verfassers recht
problematisch.
Kieimasien.
Kiepert Die Verbreitung der griechischen Sprache im pon-
tischen Küstengebirge. Mit Karte. Zschr. d. Ges. f. Erdk.
zu Berlin. XXV (1890) 317—330.
Beschäftigt sich nur ganz wenig mit der Sprache selbst,
giebt dagegen eine genaue Statistik der Verteilung des griech.
Elements im Pontosgebiet. In der beigefügten Karte sind
>
1) Vgl. dazu Cobham in der Academy No. 983 (1891) 5. 236.
δ
Neugriechische Sprachforschung. 151
sämmtliche griech. Orte (mit Angabe der Häuserzahl) deutlich
hervorgehoben.
Neophytos Le greec du nord-est de l’Asie mineure au point
de vue anthropologique et ethnologique. In: L’Anthropologie
II 1 (mir nicht zugänglich).
Derselbe Le distriet de Kerassunde au point de vue an-
thropologique et ethnographique. L’Anthropologie I 6 (mir
nieht zugänglich).
Ob Hoffmann Le vilayet de Trebizonde. Le Globe
1890 S. 236—260 Sprachliches enthält, weiss ich nicht.
BaAaßavnc Μικραειατικά. Athen 1891.
Eine Sammlung von Aufsätzen über das Volksleben, die
Kultur und die sonstigen Verhältnisse der meist türkisch
redenden Griechen Kleinasiens; ausser vereinzelten Hinweisen
auf Sprachliches (z. B. S. 157) bietet besonders das kurze
Glossar aus Aravanion (5. 15 ff.) einige merkwürdige That-
sachen des interessanten griechischen Dialekts jener Ortschaft.
Über den Dialekt von Phertakaena in Kappadocien,
handelte
Κρινόπουλος Τὰ Φερτάκαινα. Athen 1889 (in wissenschaft-
licher Beziehung dürftig, aber immerhin Materialsammlung).
Die neugriech. Dialektforschung bedarf noch ganz be-
deutender Pflege, bis wir ein ungefähr richtiges Gesamtbild
erhalten. Denn so sehr es nach der obigen Aufzählung schei-
nen möchte, als ob nicht wenig über neugriech. Dialekte
geschrieben würde, so enthalten doch die meisten der genann-
ten Schriften ungemein wenig über die betr. Dialekte, gewöhn-
lich nur die eine oder andere Bemerkung über eine einzelne
Thatsache, die dem Beobachter gerade aufgefallen ist; ande-
rerseits lässt die Art der Aufzeichnung meist sehr zu wün-
schen übrig. Aber ein Aufschwung neugriechischer Dialekt-
studien lässt sich erhoffen, seit einige Griechen, die Verständ-
nis für die griech. Volkssprache besitzen, sich zur Gründung
einer Gesellschaft ᾿Σύλλογος Kopan vereinigt haben, um die Er-
forschung der neugr. Sprache und ihrer Dialekte zu beleben.
Die Statuten sind vom 10. September 1590 datiert und von
’A. Παεπάτης als Vorsitzendem und Χατζιδάκις. als Sekretär
unterzeichnet. Durch Verleihung von Preisen für tüchtige
(unveröffentlichte) Dialektarbeiten (Ὑλωςεικὸς dıaywvicuöc ἢ und
dureh Veröffentlichung derselben in einer eigenen Zeitschrift
soll der Hauptzweck der Gesellschaft gefördert werden. Eine
von Hatzidakis verfasste Anweisung gibt auch dem sprach-
wissenschaftlich nicht Gebildeten die nötigen Winke für die
Sammlung von Materialien. Der Name von Hatzidakis bürgt
dafür, dass der Σύλλογος in streng wissenschaftlicher Weise
Anzeiger I 2. 11
192 Thumb,
seiner Aufgabe gerecht werden wird, falls seine Landsleute
ihrerseits das nötige Interesse zeigen.
IV:
Obwohl ieh mit meiner bibliographischen Übersieht über
neugriechische Sprachforschung zu Ende bin, so weit eben diese
selbst in Betracht kommt, so sei es mir doch gestattet, wenig-
stens kurz noch auf drei Punkte einzugehen, die allerdings in
einer mehr losen Beziehung zur neugriech. Grammatik stehen,
aber immerhin entweder allgemein sprachwissenschaftliches oder
praktisches Interesse haben und nicht leicht an einem andern
Ort sich unterbringen lassen: es sind die drei Fragen über
die Aussprache des Altgriechischen gewissermassen in
neugriech. Beleuchtung, ferner die sogenannte Sprachfrage
der heutigen Griechen und das Griechische als inter-
nationale Gelehrtensprache. Diese drei Gegenstände
sind gar nieht so verschiedenartig als es scheinen möchte:
gewöhnlich werden von denjenigen, welche die eine Frage
behandeln, auch die beiden andern mit herein gezogen. Hier
befinden wir uns freilich auf einem Gebiet, wo der Dilettan-
tismus üppige Blüten treibt. Man findet etwa folgenden
Gedankengang: Alt- und Neugriechisch sind identisch; dies
lasse sich leicht beweisen, wenn man die neugriech. Schrift-
sprache (die man NB. dem Altgr. bewusst nähert) mit dem
Altgr. vergleiche. Es ist auch "erwiesen, dass das Altgrie-
chische neugriechisch auszusprechen sei; Altgriechisch wird
auf diese Weise eine lebende Sprache und muss als solche
gelehrt werden — und, fügen manche hinzu, dieses wieder-
belebte modernisierte Altgriechisch sei am besten geeignet,
als internationale Gelehrtensprache zu dienen.
Es ist besonders eine Zeitschrift, welche diese und
ähnliche Ideen vertritt, die schon öfters zitierte Ἕλλάς des
Amsterdamer Φιλελληνικὸς Σύλλογος (bis jetzt vier Bde.). Für
die Zeitschrift steht es fest, dass die neugr. Aussprache des
Altgriechischen das einzig richtige ist; daher wird dekre-
tiert “Abschaffung der erasmianischen Aussprache und Er-
setzung derselben durch die lebende mutatis mutandis
(sie!). Männer wie Engel usw. “haben ja das hohe Alter die-
ser Aussprache bewiesen und dennoch will man den alten
Schlendrian befolgen”! (III S. 27). Ich unterlasse es im Ein-
zelnen derartige Leistungen aufzuführen und verweise den,
der Zeit übrig hat, auf die Ἑλλάς selbst. Nur der Aufsatz
von Kern, Zur Geschichte der Aussprache des Griechischen.
Wiedergabe indischer Wörter bei griech. Autoren, Ἑλλάς I
155 ff. II 85 ff., zeichnet sich durch wissenschaftliche Objek-
tivität aus. Auch ausserhalb der Zeitschrift ist man thätig:
Neugriechische Sprachforschung. 153
Dawes The pronuneiation of Greek with suggestions for ἃ
reform in teaching that language. London 18901).
Beweise für die Behauptungen der Verfasserin sucht
man vergebens; das Buch von Engel ist ihr eine Hauptquelle
und Autorität!
Telfy Meine Erlebnisse in Athen. Budapest, Wien, Leipzig
1890. (Handelt u. a. von der Aussprache; mir nicht zu
Händen.)
Burnouf La prononciation du grec. Revue des deux Mon-
des (1890) 5. 614—642.
Auch dieser Aufsatz steht ganz auf dem oben skizzierten
Standpunkte.
Eine achtungswerte Leistung, auf die sich die Vorge-
nannten gern berufen, ist das Buch von
Παπαδημητρακόπουλος Βάςανος τῶν περὶ τῆς ἑλληνικῆς
προφορᾶς EpacuıkWv ἀποδείξεων. Athen 1889. ιθ΄, 752 5.
Dazu ein Nachtrag: Nouveaux documents Epigraphiques
demontrant lV’antiquit& de la prononeiation des Grees moder-
nes. Leiden 1890.
vgl. A. Th(umb) Lit. Centralbl. 1890 Sp. 149 ἢ. Sittl
Berl. philol. Wochenschr. 1890 8.540. Psichari Revue eritique
1890 (II) S. 24. (Über den Nachtrag) Lit. Centralbl. 189]
ΒΡ. 1999:
Der Verfasser vertritt die neugriech. Aussprache des
Altgriechischen und lässt es in der Verteidigung seiner Sache
an Gründlichkeit und Scharfsinn nicht fehlen. Aber wenn
er trotzdem in den Hauptpunkten nicht zu überzeugen ver-
mag, so zeigt das eben, dass die Sache selbst von vornherein
eine verzweifelte ist.
Die Schriften von Παραδημητρακόπουλος und Bournouf
veranlassten eine Auseinandersetzung von Psichari La pro-
noneiation du gree. La nouvelle Revue 1890 1. Juli 8. 97 —
78 (auch separat). Es ist vorwiegend eine Erörterung über
Sprachentwieklung im allgemeinen. indem auf diesem Wege
die Unrichtigkeit der antierasmischen Grundsätze nachge-
wiesen wird.
Psichari wird in massloser Weise angegriffen von
K. Padnc Ὃ Ev Γαλλίᾳ περὶ τῆς ἑλληνικῆς YAwcenc ἀτών.
Athen 1890.
Die Broschüre handelt von der Aussprache des Altgr.
und von der neugriech. Schriftsprache. Beides wird als "na-
tionale’ Sache behandelt; d. h. wenn ein Grieche das Dogma
von der neugr. Aussprache des Altgr. und von der Identität
beider Sprachphasen nicht zugibt, so ist er ein Verräter an
1) Natürlich in der λλάς (II 101) sehr gelobt.
154 Thumb,
seiner Nation. Wir sehen hier, wie wenig Chauvinismus und
Wissenschaft zusammen passen.
In Deutschland stehen wir solchen Dingen kühl gegen-
über; umsomehr hat daher die Petition der Deutschen in
Athen überrascht, man solle auf unsern Gymnasien die neu-
griech. Aussprache einführen. Im zwei Artikeln
Zur Aussprache des Altgriechischen in den Grenzboten
1891 5. 354— 361
Die Aussprache des’Griechischen’in der‘ Beilage "zur
Allgemeinen Zeitung 1891 Nr. 34.
wird lebhaft gegen solche Bestrebungen protestiert. In dem
ersten Aufsatz wird auch die Sprachfrage kurz berührt, wie
überhaupt mehr oder weniger in den angeführten Schriften.
Eine gediegene wissenschaftliche Darstellung des Ὕλως-
cıkxöv ζήτημα᾽ gab Hatzidakis in den schon oben 8.47
genannten Aufsätzen, ausserdem Ἑλλάς II 92 ff., ferner Θ ε-
ρειανός im 2. Bd. seines Κοραῆς (5. oben 8.39). Von beiden
Gelehrten wird die Frage vorwiegend geschichtlich behan-
delt!.,. Für den Sprachforscher hat das ganze Problem, das
zunächst eine nur die Griechen betrettende praktische Frage
ist, deshalb hohes Interesse, weil wir an einem konkreten
Beispiel sehen können, wie ein Volk, dazu ein solches von
grosser historischer Vergangenheit, nach einer Sehriftsprache
ringt. Die Vergangenheit, d. h. das Altgriechische, hat bis
jetzt den Sieg davon getragen. Während man aber über
das Hauptprinzip zur Zeit ziemlich einig ist (altgriechische
Grundlage auch für die heutige Schriftsprache), streitet man
sich noch über den Grad der Altertümlichkeit. So liegen
der “Attizist” Kontos und sein Gegner Βερναρδάκης mit
einander in heftiger Fehde. Man vgl. (aus den beiden letz-
ten Jahren) des Kövroc verschiedene Aufsätze in der ᾿Αθηνᾶ,
besonders II 387—600 und dazu die anonym erschienene
Schrift von Bepvapdaxnc 'EmcroAn περὶ ἐπιετολῆς (zuerst
in der athenischen "’E@nuepic‘, dann als selbständige Bro-
schüre Athen 1890).
Ansätze zu einer Umkehr, d. h. Annäherung an die
Volkssprache sind unverkennbar. Psichari ist der entschie-
denste Verteidiger einer volkstümlichen Redeweise ; aber auch
Hatzidakis redet einer Annäherung an die Volkssprache
das Wort. Die angesehene (belletristische) Zeitschrift Ἑετία
liebt es, von Zeit zu Zeit in demselben Sinne zu wirken.
Man vel. z. B. Ἐφταλιώτης, Ἑετία 1890 (I) 5. 42. 156 und
sonst, Προβελέγιος II 1 ff. TTarauäc II S. 113 ff. Apocivnc (Ac.)
1) Wegen weiterer Artikel zur Sprachfrage verweise ich auf
die Ἑλλάς.
Neugriechische Sprachforschung. 155
passim, ferner die Novelle ᾿Ζούλια᾽ von Psichari in No. 12
und 14 d. J. und den schon genannten Aufsatz von Mıkpo-
yıavvnc. Aber freilich herrscht bis jetzt noch die altgrie-
chisch gefärbte Schriftsprache.
Dass es natürlich nicht schwer ist, die Identität des
Altgr. mit dem so künstlich zurechtgemachten Neugriechisch
zu “erweisen (s. oben), liegt auf der Hand. Die 92°/, Altgrie-
chisch, welche Blackie Is Greek a dead language? (im 1. Bd.
der Ἑλλάς) in der Hamletübersetzung von Damiralis entdeckt
hat, besagen daher nicht viel.
Der Gedanke, das modernisierte Altgriechisch, d.h. die
Schriftsprache der heutigen Griechen zum Gegenstand unse-
rer Schulbildung zu machen und Altgriechisch als lebende’
Sprache zu behandeln, wird ebenfalls von den Mitgliedern
des Amsterdamer Φιλελληνικὸς Σύλλογος (Boltz, H. C. Müller
u. a.) mit Vorliebe gepflegt. Man glaubt gar, in der neu-
griech. Schriftsprache die internationale Gelehrtensprache der
Zukunft gefunden zu haben. Die Idee wurde schon von
Eiehthal vertreten: aus neuester Zeit nenne ich
Flach Der Hellenismus der Zukunft. 2. Aufl. Leipzig Fried-
rich.
Kuhlenbeek Das Problem einer internationalen Gelehrten-
sprache und der Hellenismus der Zukunft. Leipzig Fried-
rich.
Boltz Hellenisch die internationale Gelehrtensprache der Zu-
kunft. 2. vermehrte Auflage. Leipzig Friedrich. (Die zweite
Auflage kam mir noch nicht zu Gesicht.)
Ich schliesse meine Übersicht mit dem kurzen Gesamt-
urteil, das ich bereits im Eingang angedeutet habe: die Zahl
dessen, was über neugriechische Sprache geschrieben wird,
ist nicht gering; aber der Schriften, welche die neugriech.
Sprachwissenschaft fördern, sind es nur wenige. Vor-
läufig müssen wir indessen für alles dankbar sein, was ge-
boten wird, dürfen aber hoffen, dass mit der Weiterentwick-
lung der jungen Disziplin der Dilettantismus immer mehr
zurücktrete und ein richtiger, d. h. auf wissenschaftlicher
Methode beruhender Betrieb immer weitere Verbreitung finde.
Freiburg i. B., November 1891. Albert Thumb.
eh rg
Bibliographie').
Vorbemerkung. Auch diesmal ist mir die gütige Unterstütz-
ung der Herrn Professoren P. Giles in Cambridge, W. Jackson
in New-York und L. Parmentier in Gent zu teil geworden.
Il. Allgemeine indogerm. Sprachwissenschaft.
Marty A. Uber Sprachreflex, Nativismus und absichtliche
Sprachbildung. Vierteljahrsschrift für wissenschaftl. Philo-
sophie. 8. Artikel XV 250—284; 9. Artikel XV 445—
467; 10. (Schluss-)Artikel XVI 104—122.
Eingehende Auseinandersetzung des Verfassers mit den über
die Entstehung der Sprache bisher aufgestellten Theorien.
Imme Andeutungen über das Wesen der Sprache auf Grund
der neuern Psychologie. Zeitschr. des allgem. deutschen
Sprachvereins. Wissenschaftl. Beihefte No. 2.
Müller M. F. On thought and language. The Monist (Lon-
don) Juli 1891.
Deville G. Notes sur le developpement du langage chez
les enfants. (suite). Rev. ling. XXIV 242—58. 300—21.
Binet Les maladies du langage. Rev. d. deux Mondes. Januar
1892. 5. 110-- 19».
Handelt über Aphasie mit Benutzung der neuern Untersuchun-
gen von Ribot, Kussmaul, Bernard, Egger usw. Schlussfolgerungen:
“D’abord: pluralit&e et independance des memoires verbales; en se-
cond lieu, preponderance frequente d’une de ces memoires sur les
autres; et enfin solidarite, concours harmonieux de toutes ces τηὐ-
moires, de facon ἃ former, dans les conditions normales, cet en-
semble bien coordonne de sensations, de pensces et d’actes qu’on
appelle la langage”
Lloyd R. J. Speech sounds : their nature and causation (con-
tinued). Phonetische Studien V 129—41.
Thomas (. Voiced and voiceless consonants. The Univ. Re-
eord. Univ. of Michigan 1 1.
Borinski K. Grundzüge des Systems der artikulierten Pho-
netik zur Revision der Prinzipien der Sprachwissenschaft.
Stuttgart Göschen 1891. XI u. 66 S. gr. 8°. 150M.
Paul H. Principles of the history of language. New and
rev. 866. London Longmans. 9608. 8%. M02En, 16744
1) Für die Druckfehler in der Bibliographie des vorigen An-
zeizgerheftes bitte ich um Nachsicht: verschiedene Umstände haben
mir damals die sorgfältige Erledigung der Korrektur leider unmög-
lich gemacht.
Bibliographie. 197
Peile A modification in the latest editions of Pauls “Prinzi-
pien’ and Brugmanns Greek Grammar. Cambr. Philol. Soc.
Proe.. XXV—XXVI 5. 1.
Zu Prinzipien ? 5. 58—60 u. Grammatik ? 5. 11 ἃ. h. über das
Verhältnis von plötzlichem und allmählichem Lautwandel.
Kovär Uvedeni do mluvnice (Einleitung in die Grammatik).
Prag Rohlitek & Sievers 1891. gr. 8°. Pr. 50 Kr. ö.W.
Johannson A. Zu Noreens Abhandlung über Sprachrichtig-
keit. IF. I 232—55.
Breal M. Le langage et les nationalites. Rev. ἃ. deux Mon-
des ΟΥ ΠῚ 615—6939.
Fasst die Sprachwissenschaft im Gegensatz zu Schleicher als
hist. Wissenschaft; bestreitet die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze.
Die Sprache ist nicht wie die Modernen olauben, das bedeutendste
Kennzeichen der Nationalität. Es liegt wenig daran, dass die Sprache
verschieden ist, wenn nur der Geist derselbe ist: Belgien, Schweiz,
England sind Nationen, obgleich bei ihnen Sprachverschiedenheit
besteht.
Uhlenbeck Ο. ©. Baskische Studien. Amsterdam Müller 1891.
51 5. 8° (Overgedrukt uit de Verslagen en Mededee-
lingen der Koninklijke Akademie van Wetenschappen, Af-
deeling Letterkunde 34° Reeks, Deel VII).
Sucht die Verwandtschaft des Baskischen mit dem Indoger-
manischen zu erweisen.
Cust R. N. ng and oriental essays written from the
year 1847 to 1890. 3. Series. London K. Paul, Trench,
Trübner u. Komp. 8°. 21 sh.
Benfey Th. Kleinere Schriften. Ausgewählt und herausgeg.
von Adalbert Bezzenberger. Gedruckt mit Unterstützung
Excellenz des kgl. preuss. Herrn Kultusministers u.
der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen.
I. Band. Dritte u. vierte Abteilung. Mit Registern zu
beiden Bänden von Dr. G. Meyer und einem Verzeichnis
der Sehriften Benfeys. Berlin Reuther 1892. 257 u. 156 5.
ΘΝ:
Ahrens H. L. Kleine Schriften. I. Band. Zur Sprachwissen-
schaft. Besorgt von C. Haeberlin. Mit einem Vorwort von
©. Crusius. Hannover Hahn 1891. XV u. 584 S. gr. 8°.
16 M.
Philologische Abhandlungen H. Schweizer-Sidler zur Feier
des fünfzigjährigen Jubiläums seiner Dozententhätigkeit an
der züricher Hochschule gewidmet von der 1. Sektion der
philos. Fakultät der Hochschule Zürich. Zürich S. Höhr
ΠΟ ν U. MINS. er. AA M:
Die in der Schrift enthaltenen Abhandlungen sind einzeln
angeführt.
158 3ibliographie.
Ceci L. Appunti Glottologiei. Torino G. Loescher 1892.
1. Indogermani od Indocelti. 2. R aus D. 3. Roma “cittä del
fiume’. 4. carmen zu ai. Sas-man-, indem -sm- nach der Tonsilbe
zu rm wird. 4. faber, von Wz. dhe-. 5. proletarius; von pro rata sei
*proritarius, pr olitarius gebildet worden, woraus durch Volksety-
mologie proletarius entstanden sei. 6. calamitas. τ. amoenus : für
*amenus zu *amere. 8. ambulare, Grundlage im Anschluss an Bugge
"angulus Sr. ἄγγελος, daraus ἢ Eambulus durch Einfluss v. ambire.
9. orare : adorare "agere’ nur volksetymologisch hieran angelehnt.
10. tot, vgl. topper aus *tot-per, nicht "Ὁ od -per. 11. en dare. 12.
paniculum : panicula nach der Schmidtschen Theorie. 13. flexuntes
flexu euntes’. 14. castrovs “capitis’. 15. γίνομαι, γινώεκω.
Jenes von Wz. γιν-, ai. jine dieses Analogiebildung. 16. ἱρός ist
Aolismus. 17. uiv vom sma- (ue-ta) nach Analogie von iv gebildet,
ebenso wie viv aus n6, ne.
Bartholomae Chr. Arisches und Linguistisches. Sonderdruck
(aus Bezzenbergers Beiträgen). Mit Indices versehn. Göt-
tingen Vandenhoeck u. Ruprecht 1891. IV u. 179 8. gr. 8°.
5 M. Vgl. Abteilung I.
Misteli Neupersisch und Englisch. Phil. Abhandlungen, H.
Schweizer-Sidler .... gewidmet. (Zürich 1891) S. 28
Ein Abschnitt aus seinem Buche “Zur Charakteristik ausge-
wählter Typen des Sprachbaues’, das "hoffentlich in Jahrestrist" er-
scheinen werde. Vergleichung verschiedener in beiden Sprachen
selbständig infolge des Flexionsverlustes entstandnen Eigentüm-
lichkeiten.
Hirt H. Vom schleifenden und gestossenen Ton in den idg.
Sprachen. II. Teil. IE. I 195—232.
1. Die schleifende Betonung im Germanischen und die Aus-
lautsgesetze. — 2. Die Akzentqualitäten und der Sandhi im Uridg.
Bechtel F. Die Hauptprobleme der indogermanischen Laut-
lehre seit Schleicher. Göttingen Vandenhoeck u. Ruprecht
1599. ΤΧ u. 45 8 τ 8 3 ME
Hoffmann O. Zur idg. Lautlehre. BB. XVII 149—99.
I. Ide. g α gh und kv γσυ ghv im Anlaute. Zusammen-
stellung von ved. edyate "hassen ’, gr. teiw mit pro und fijan. In
,ῖο ist 7 antevokalischem οὐ. Sein p erklärt sich aus idg. kv.
Man vel. die Doppelheit τις thess. kıc kvpr. εἰς, τείῳω thess.
ξ j ὶ
kypr. πείω. So ist auch das p von poena aufzufassen. Die Rich-
tiekeit dieser Auffassung wird endgültig bewiesen durch das Wort
für “wildes Tier’ abg. zver» lit. Zveris: “Grundform ghver. Diejeni-
gen Griechen, welche reiw spreche n, haben hier Θήρ, diejenigen,
welche teilw aufweisen, dagegen php. Ferner: idg. kr und ᾧ fallen
arisch in %k zusammen. Nach dem Ausweis des Thessalisch -kypri-
schen und Ioniseh-dorischen sind mit kr anzusetzen: 1. *Anetvor- “4:
teccepec τι. πέεευρες, fidwör. 2. *kvelo-"Schaar’ : τέλος u. süd-dor. ἀπέλ-
Aa, po-pulus, ahd. folk, slav. koleno. 3. *ghvedhio “bitten : Beccouaı
u. böot. θιότφεετος, bidjan. 4. *ghveno Fülle’ : ev-Bevew u. thess.-äol.
ö-pevoc. — II. Idg. ph im Anlaute. 1. ai. phalgua- : Hes. φελγύ-
νει. 2. ai. phena- "Schaum’ : abg. pena. 3. ai. phalati : ὀ-φέλλω.
4. phala "Brett' : abg. poloka.
Bibliographie. 159
Fennell €. A. M. Brugmanns theory of the Ind.-Europ. na-
salis sonans. Class. Rev. V 451—54.
“There is a far simpler alternative theory; that the accusa-
tive suffixes were m, -oms; the primitive 5 pl. suffix -nti, -antar,
the pres. part. act. suffix -ογέ-, the secondary 1 pers. sing. act. suf-
fix m, οἷο. and that in Gk. and Skt. if they followed a vowel
the ὁ vanished, if they followed a consonant the » or m vanished
in affeeted syllables, and if final inGk. as in Skt., final -» is drop-
ped from nominal stems; cf. dasa, nama, räja. Contrast skt. pa-
dam : Gk. πόδα, and abödhisham : Gk. ἔδειξα. It is perfectly na-
tural that the vowel should vanish after a vowel, and equally na-
tural that the vowel — nasal after a consonant should merge into
a nasal vowel’ (p. 452).
Pedersen H. r-n-Stämme. Studien über den Stamm wechsel
in der Deklination der idg. Nomina. ΚΖ. XXXI 240— 275
Behandelt die Fälle wie ὕδωρ — ὕδατος, yakrt, dsrg; ferner
en-Stämme, die im Nom. suffixlos sind, wie ai. dos dösnas, lat. Os:
ai. äsnds usw.. Wechsel zwischen es- und en-Stamm: κέρας — κέρα-
τος. Auch neben #— »-Stämmen treten s-Formen auf. Suffixlosigkeit
und en-Formen stehen neben einander in Fällen wie γόνυ — Yoöva-
τος. i—n-Stämme: asthö — asthnas. I—n-Stämme: sawil — sunna.
Endlich &—n-Bildungen: roda — ὕδατος u. a. Kritik der frühern
Erklärungen. 7-n hat suttixale Bedeutung: Spuren einer vorgeschicht-
lichen Deklination: casus rectus und obliguus. — Exkurs über die
Entstehung eimiger Zahlwörter. Idg. *oktou enthält, falls man die
Möglichkeit des Übergangs von q zu k oder k zu g annimmt Voll-
stufe von get-“F, nach der Proportion okt-: get nogt- : ngt-. —
Idg. penge elliptisch für getvöores pen ge d. 1. "vier u. eins’. —
Zusammenhang von der Bezeichnung der Neunzahl mit newo- neu’.
9 58 u. ein neuer’
Meringer R. Beiträge zur Geschichte der idg. Deklination.
Sitzungsberichte der k. Akademie d. Wissenschaften in Wien.
Phil. -hist. Klasse Band CXXV, IH. Wien Tempsky 1891.
Een
A. Die einsilbigen Neutra des Indogermanischen.
M. betrachtet die verschiedenen Elemente (, u, r, d, s, 9, d, ἢ) die
im Nominativ antreten und rekonstruiert die ursprüngliche Flexion.
B. Über einige idg. Präfixe. Behandelt mehrere Präfixe und
vermutet die Identität von einigen derselben mit den im Nom. Sing.
Neutr. erscheinenden Suffixen.
Johansson K. F. Über den Wechsel von parallelen Stämmen
auf -s τῷ -r usw. und die daraus entstandenen Kombina-
tionsformen in den idg. Sprachen. BB. XVII 1—56.
I. Ausgangspunkt ist die Erklärung der Nom. Plur. Neutr.
-@si als Kontaminationsbildung von -@n-(?) und -@as- (1) (Gött. Gel.
Anz. 1890 S. 101 δ). Das wahrscheinlich zu machen dienen die
folgenden zahlreichen Beispiele vom Nebeneinander verschiedener
Stämme. — II. Betrachtet 103 Bildungen darunter Nr. 100 Part.
Perf. Akt. und Nr. 103 das primäre Komparativsuffix. — ΠῚ. Er-
gebnisse: I) Im Idg. stehen verschiedene Stämme, vorab auf -s -n
-r nebeneinander. Diese beruhen in vielen Fällen auf urspr. Ka-
susformen, das beweisen 1. vereinzelte Formen die niemals als De-
klinationsstämme verwendet wurden z. B. aizec αἰτέν, dhar dhan.
160 Bibliographie.
2. Die Wörter dieser Art sind meist entweder Raum- oder Zeitbe-
zeiehnungen, also für den Lokativ am geeignetesten. II) Die man-
niefachen Suffixkombinationen beweisen urspr. Bedeutungsidentität.
II) Folglich 1. Möglichkeit der Kombination vorhanden. 2. Not-
wendigekeit, sie anzunehmen, weil dyüsi neben diues- diuen-
nur als Mischform aus ihnen zu erklären ist.
Ascoli Sulla storia generale delle funzioni del suffisso -tero-,
con ispeeiale eonsiderazione del riflesso irlandese. Supp!l.
Per. all’ Arch. Glott. It. Prima Dispensa 1891. 5. 595—173.
I. Bedeutungsschema: 1. Funzioni assegnative ὁ discerni-
tive. 2. Funzione dativa. 3. Funzioni livellatrice o di ragguaglio.
4. Funzione prelativa. — $ II. Die altirischen — ὃ III. die mitteliri
schen Verhältnisse.
Thomas F. W. On some Latin and Greek negative forms.
Class. Rev. V 378—79. 434 (vgl. H. D. Darbishire CR.
5. 485).
1) non is not noenu .. noenum but no — ne (either a se-
cond negative or a particle of emphasis). noenum not ne + oInom
but γιοὲ + nu(m) Gk. vo. νῦν. 2) νώδυνος, νωλεμές etc. have w = pre-
position im Skt. ὦ or le :ngthened from ὦ by a process correspon-
ding to the Skt. vriddhi but show full negative ne in composition
p. 434. Idg. negative ne appears in 12 forms (1) 9, nu. (2) πῃ. (8)
nt. (4) n®. (5) ne. (6) ner. (T) no? (8) nö. (9) πὶ. (10) πᾶς. (11) na“.
(12) naxt, all of which except (7) and (10) occur in Greek or Latin.
Delboeuf G. (Juelques reflexions grammaticales sur les prin-
eipaux adverbes (affirmations, maniere). Rev. de l’Instruc-
tion publ. en Belgique XXXIV 381—89.
Behandelt besonders die Negationen.
Solmsen F. Zur Pluralbildung der Neutra. BB. XVII 144—4\.
Ausgehend von dem Nom.-Akk. Plur. Neutr. ἅτι auf der In-
schrift von Gortyn, das er als ἅτι fasst, und dem ai. εὐ in ya clca
eleichsetzt, erklärt er die Schmidtsche Annahme, das τὰ der griech.
Neutr. Plur. sei allein von den ὁ- und «-Stämmen übertragen, für
unmöglich. Es ist nun erwiesen, dass die Ursprache Neutra aut
-7 und -% besessen hat; ob daneben auch -a bestand ist zweifelhaft.
Walker J. W. Philologieal Notes VIII (Greek Aorists and
Perfeets in -xa). Class. Rev. V 446—D1.
Greek and Latin are very closely related. fee, jeci are ge-
nuine perfects θῆκα, ἧκα also Perfects by origin. These two and
δῶκα, φρῆκα (. pf. of ppaccw) passed into aorists because the ori-
einal aorists θῆν, ἣν, δῶν, φρῆν disappeared. nv, ἧς, n was too auı-
biguous; θῆν was too like adverb θήν, φρῆν to φρήν, δῶς and dw
also to other words. βέβακα is the true parent of the -«-suflix in
the Gk. Perfeet. Extended root βᾶκ seen in βάκτρον in Sapphos
ἀβάκην and Homeric ἀβάκηςαν Ymöpncav. In Latin bae in bacu-
um, bac in imbeeillus. Root ba τ: ot baeto and English path ἃ
partieipial form although IndoE.
Aspirated perfec ts like ae arose from a Gk. dislike
to a suecession of three or more syllables beginning with a tenwis.
Originally meaning of Pf. and Aorist was closely allied
Perfeet in Homer always (1) intensive present, (2) present simply,
Bibliographie. 161
(3) intensive or emphatie past. Never (4) in its prehistoric and La-
tin use as a narrative tense.
The singular of the Graeco-Italian perfect from a stem con-
taining a long "vowel had no reduplication. Original form moide. Lat.
pegi but πέπιθμεν Lat. pepigimus. The exception cecidi is owing
to the influence of ceceidi so which by popular etymology it was
felt to be the causative. The interaction of the verbs keeps caedo
from making *caesi as it would otherwise have done, and on the
other hand kept cado from making *cadut. — ἔαρ and ver not from
a root ves but from a form Ξῆταρ gen. Nspoc from root ve and suflix
ur in πῖαρ, Eidap.
Wackernagel J. Über ein Gesetz der idg. Wortstellung IF.
I 333—456.
H. Über Fieks vergleichendes Wörterbuch der idg.
Sprachen. Am. Journ. Phil. XII 293—509.
Charakterisierung dessen, was Fick mit seinem Wörterbuch,
vorab mit der Rekonstruktion der einzelnen idg. Wörter und der
‘Ursprachen’ beabsichtigt hat. Zum Schluss entscheidet sich C. ge-
gen die Bezeichnung “Indogermanen’ und sucht den Gesamtnamen
“Arier’ durch Hinweis auf ἀρι- in ἀρί-τνωτος usw. sowie Ap-eiwv und
ἄριετος zu rechtfertigen.
Giles P. Etymologies. Proceedings of the. Cambridge Philol.
Society XXV—XXVI (1891) 5. 14 ἢ
1. φάτνη — funda. — 2. μιςέω, μῖςος; μιαρός, Miser : μιαρός U.
miser von wcew zu trennen, das zu ai. mith gehört. Dazu engl.
to miss, mistrust. — 3. augur : au + Suffix in πρέςβυ-ς, TPEIC-FU-C,
ai. vanar-gu-, lit. 2mö-geü-s. Vielleicht gehört yu-vn hierzu.
Meyer G. Etymologisches. IF. 1 319—29.
1. ὄνος — asinus. 2. ner. yadapoc γαϊδοῦρι "Esel’. 3. lat. mu-
lus alb. musk. 4. illvr. luga- “Sumpf’. 5. Triest. 6. karisch τάβα
‘Fels’. 7. tarent. uoAyöc "Schlauch’. 8. maked. κλινότροχος. 9. Sar-
des. 10. Aspendos.
Moulton J. H. Etymologies. Proceedings of the Cambridge
Philol. Society XXV—XXVL (1891)
ἐνδύω ἐνδ-ύω. Infolge der Volksetymologie ἐν-δύω ward neuge-
bildet ἐκ-δύω für *Elw vgl. exuo. — 2. ἀρετή von "nr-e-ta zu ner-
“Mann’. — 3. Ayivew, Verb der neu-Klasse, von Wz. gei und Präp.
n. — 4. ἄκιρος, das Negativ zu ved. ni-cira "careful’. — 5. Acpöde-
λος “earth’s spear, eu zu got. azgo u. ὀδελός. — 6. fenestra, Wz.
bhen, zu φαίνω. — T. fluo Wz. dhleug ‘How away’ zu trocken, dry,
drought. — 8. os zu ai. löpäasa "fox’. — 9. opinor :0p ἐπί +
ain- in αἶνος, αἰνέω. — 10. oppido *tmmedwc “planely’, hence
“plainly’. — 11. prandium trotz Stolz zu prando vgl. pransus aus
pram + ssus, Part. Perf. Pass. von edo.pram dor. mpav — 11.
wirus zu av. vaeso. Kontamination mit 27s0- FLÖC,
Graf E. Rhythmus und Metrum. Zur Synonymik. Marburg
τ ΠῚ Blwert. IV u.:97 8. gr. 8°. 2,40.M.
Teppe A. Les prineipes de tonalite et de rythme. Paris Fisch-
bacher. 128. 8°%.*1,50 frs:
Wulff Fr. Von der Rolle des Akzentes in der Versbildung
Skand. Archiv I. Bd. 59—90.
162 Bibliographie.
Nach allgemeinen Erörterungen über das Verhältnis zwischen
Akzent und Quantität, zwischen "Rhy thmus und Satzakzent sucht
der Verf. die Frage, wie die Römer ihre Verse aufgefasst und vor-
getragen haben, zu entscheiden. Bei der Untersuchung gelangt er
zu dem Resultat, “dass die Römer ihre Verse mit einer feierlichen,
ebenen, eedehnten Eintönigkeit lasen, die nicht so abwechselnd
und lebhaft wie die Prosa war, aber aueh nicht so gebunden (me-
lodisch) wie der Gesang’’. “Der Hochton kam nur dann zur Aus-
führung, wenn die Arsis mit einer logisch hervorgehobenen Haupt-
silbe zusammentraf, was besonders in den letzten zwei Versfüssen
gar oft der Fall war. In dieser Weise wurde 1. der Rhythmus durch-
<ehends hervorgehoben; 2. kein einziges logisch hervorragendes
Wort verstümmelt oder negligiert; ὃ. kein einziges logisch aufge-
hobenes (akzentloses) Wort auf Kosten anderer herv oreehoben’ z
Demgemäss sc hlägt er als wahrscheinlich vor:
Dabunt malum Metelli | Nx»vio poet»
ee re NSS l SEE NIE =
Hane deus et melior item natura diremit
TRUE Se ee Ὁ» ES ANA
wo + = lang und hochtonig.
de la Grasserie R. Essai de rythmique comparce. Muscon
X 589—63
Fortsetzung. Vgl. Anz. I 54.
Brugmann u. Streitberg Zum hundertjährigen Geburtstage
Eranz..Bopps. IE. 1 IX.
Hirt H. Franz Bopp der Begründer der vergleichenden Sprach-
wissenschaft. Nord u. Süd. Oktober 1891.
Steinthal H. Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Grie-
chen und Römern, mit besonderer Rücksicht auf die Logik.
2. vermehrte u. verbesserte Auflage. II. Teil. Berlin Dümm-
ler. 380 5. gr. 8°. 8M. |
II. Indog. Altertumskunde und Mythologie.
Hoernes Δ]. Die Urgeschichte der Menschheit nach dem Stande
der heutigen Wissenschaft. 22 gr. Il. u. 325 Abb. Wien
Hartleben. 43 B. gr. 8°. geb. M. 15,50.
Nehring A. Über Tundren und Steppen der Jetzt- und Vor-
zeit mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Mit
1 Abb. im Texte und 1 Karte. Berlin 1890. Angezeigt
Lit. Cbl. 1891 Sp. 1042 ἡ. von N—e.
Köppen Fr. Th. Über Tundren und Steppen einst und jetzt,
mit besonderer Berücksichtigung ihrer Tierwelt. Ausland
LXIV Nr.
Besprechung des obigen Werkes. In Mitteleuropa gab es
nach der Eiszeit eine Periode der Tundren, der eine Zeit der Step-
pen folgte, welche ihrerseits erst viel später durch Urwälder abge-
löst wurden, wie sie uns Taeitus schildert.
ΡΠ ΟΡ 0 Π16. 163
Hahn Ed. Waren die Menschen der Urzeit zwischen der Jä-
gerstufe und der Stufe des Ackerbaues Nomaden? Ausland
LXIV 23.
Der erste Getreidebau stammt aus einer Epoche, die weit vor
die Zähmung der wirtschaftlichen Haustiere fällt, der Hund allein
geht höher hinauf.
Der Nomade ist wirtschaftlich nicht ganz unabhängig. Er
lebt nicht bloss von Milch und Fleisch seiner Herden, sondern be-
darf in der Regel der Zerealien.
Munro R. The Lake Dwellings of Europe. London 1890. Cas-
sel u. Co.
Schnarrenberger W. Die Pfahlbauten des Bodensees. Bei-
lage zu dem Jahresberichte des grossherzogl. bad. Gymn.
zu Konstanz. Konstanz 1891.
“Diese Arbeit soll im wesentlichen eine Zusammenfassung des-
sen sein, was bis jetzt in verschiedenen Zeitschriften im Laufe der
letzten Jahrzehnte über die Pfahlbauten des Bodensees veröffent-
licht wurde, ausserdem soll sie das Material, soweit es mir zugäng-
lich war, vorlegen’.
Müller G. Ad. Vorgeschichtliche Kulturbilder aus der Höh-
len- und älteren Pfahlbauzeit. Buhl 1892. M. 2,80.
Schultheiss Rasse und Volk. Globus LX Nr. 21.
Müller Fr. Ethnologie und Sprachwissenschaft. Ausland LXIV
Nr. 52.
Woeikof A. Das Klima und die Kultur. Ausland LXIV Nr. 16.
Kritik von Penkas Aufsätzen Ausland LXIV No. 7—10.
Penka K. Der Mensch und das Klima. Ausland LXIV Nr. 21.
Erwiderung auf Woeikot.
Hirt H. Die Urheimat der Indogermanen. IF. I 464—8).
Kovär O pravlasti närodüv indoeuropskych (Über die Urhei-
mat der indoeurop. Völker). Ziva I (1891 Prag). 10 5.
2II—IN.
Prüfung bisheriger Ansichten. Die Indoeuropäer sind durch
eine ethnische Mischung entstanden, und daher kann man von
einem indoeur. Urstamm gar nicht reden.
Köppen Beiträge zur Frage nach der Urheimat und der Ur-
verwandtschaft d. indo-europ. und finn.-ugr. Volksstammes.
Angezeigt von Stieda Arch. f. Anthrop. XX Nr. 9.
Möhl Öbservations sur l’histoire des langues siberiennes.
Mem. soc. ling. VII 389—434.
Behandelt besonders die Entlehnungs- und Kulturwörter der
sibirischen Sprachen. Manche asiatisch-europäischen Wörter schei-
nen Überbleibsel einer uralten Kultur zu sein, deren letzte Vertre-
ter die Völker Nord-Asiens jetzt wären. Aus diesem Ursprung wer-
den besonders Metallnamen abgeleitet: “das Eisen’ ostjak. kart,
finn. karta, ahd. skart, altbulg. skrada und lat. sartago “Bratpfanne’;
preuss. αὐτοῖς “Blei’, lit. alwas “Zinn’, griech. u-öAußoc, ostjak. lolpa;
164 Bibliographie.
lit. kauft, ahd. howwan von der Wurzel *Aku "schmieden’, samojed.
kues “Metall’, gr. κύκλωπες lautlich Hasava (*kues-lava) “Schmie-
der’, ein Volksname. Ebenfalls werden mit sibir. Wörtern vergli-
chen: slav. grad», lit. Zardis, got. gards, lat. hortus, gr. χόρτος, —
griech. πύργος, πέργαμος, germ. baurgs, berg; — ἅλε, sal; — lat.
mare; — lat. erus, gr. χῆρος, slav. s272.
Hansen A. M. Über Einwanderungen in Skandinavien. Mit
Karte. Aus Det Norske Geografiske Selskabs Arbog Il
1890/91. Christiania 1891.
Behandelt die Eiszeit, die skandinavische, lappische und fin-
nische Einwanderung.
Bertrand A. Nos origines. La Gaule avant les Gaulois d’a-
> ’
pres les monuments et les textes. 2. Ed. entierement re-
manie. Paris Leroux 1891.
Erst im 6. Jh. v. Chr. haben nach B. die Kelten Gallien be-
siedelt. Vorher sei der Norden von einer namenlosen, der Süd-
westen von Iberern, der Südosten (est) von den Ligyern oder Ligu-
rern, die keine Indogermanen waren, bewohnt gewesen. Schilde-
rung der ursprünglichen Kultur. Vgl. Virchow Zeitschrift f. Eth-
nologie 1891 S. 234f. u. RC. XII 3.
Webster W. The Celt-Iberians. Academy 1891 No. 1012
S. 268%
Über die uridg. Bevölkerung Westeuropas, zu der die Iberer
und wahrscheinlich auch die Basken gehörten. Anführung von
Namen, die sich sowohl in Spanien wie in Südgallien finden, vgl.
Ac. 1891 No. 1004 S. 99.
Hesselmeyer E. Die Pelasgerfrage und ihre Lösbarkeit.
Tübingen. Angezeigt: Lit. Cbl. 1891 Sp. 1109 ἢ. von A.H.
(Lobend.) Wschr. f. klass. Philol. VIII 32/353 von Thumser.
Olshausen Zweite Mitteilung über den alten Bernsteinhandel
und die Goldfunde. Z. f. Ethnologie 1891 S. 286.
Fischer W. Der Weg des steinzeitlichen Bernsteinhandels.
Globus EX Nr. 17.
Hoernes M. Die Bronzefunde von Olympia und der Ursprung
der Hallstatt-Kultur. Ausland LXIV Nr. 15.
“Ich wage demnach die Vermutung zu äussern, dass die Grie-
chen und die Illyrier zu einer Zeit, als beide Völker noch im Be-
sitz einer unentwickelten Bronzekultur im Norden der Halbinsel
sassen, etwa um 1200 v. Chr., durch skythischen Einfluss mit dem
Eisen bekannt wurden’.
Hoernes M. Die Genesis der alteuropäischen Bronzekultur.
Globus "EIX INT. 2].
Hoernes M. Zur Archaeologie des Eisens in Nordeuropa.
Globus LIX Nr. 2.
Lindenschmit L. Das etruskische Schwert aus den Gräbern
von Hallstadt und das vorgeschichtliche Eisenschwert nörd-
lich. der Alpen. Arch. f. Anthropol. XIX Nr: 4.
ιν 4
Bibliographie. 165
Bolle Karl Die Eichenfrucht als menschliches Nahrungsmittel.
Zschr. d. Vereins f. Volkskunde I 138.
Buschan Zur Vorgeschichte der Obstarten der alten Welt.
Ζ. f. Ethnologie. Verhandl. usw. 1891 S. 97.
Apfel sehr verbreitet, Birne tritt zurück. Es werden ausser-
dem besprochen Maulbeerbaum, Pflaume, Schlehe, Traubenkirsche,
Himbeere, Brombeere, Hagebutten, Eberesche.
Buschan G. Das Bier der Alten. Ausl. LXIV Nr. 47.
Bier in Egypten, bei den Iberern, Ligurern, Phrygiern und
Thrakern, Griechen, Italern, Galliern, Germanen.
Buschan G. Zur Geschichte des Hopfens; seine Einführung
und Verbreitung in Deutschland, speziell in Schlesien. Ausl.
ΠΟ Nr..31.
Der Hopfen kommt von den Slaven zu den Germanen. Am
Schluss Litteratur-Angabe.
Buschan Die Heimat und das Alter der europäischen Kul-
turpflanzen. Korresp.-Blatt d. Gesellschaft f. Anthrop., Eth-
nol. u. Urgesch. XXI Nr. 10.
Werner H. Ein Beitrag zur Geschichte des europäischen
Hausrindes. Naturwissenschaftliche Wochenschrift VII Nr. 1.
Windisch E. Über den Sitz der denkenden Seele, besonders
bei den Griechen u. Indern u. eine Etymologie von gr.
npamidec. Berichte der kgl. sächs. Ges. d. Wissenschaften
1891 5. 155 — 203.
Kopf und Herz. Litauisches. Anschauungen der Inder (im
Ai. spielt der Kopf als Sitz der Geisteskraft keine Rolle, sondern
das Herz). Die Anschauungen der Griechen. (Bei Homer ist das
Herz Hauptsitz des geist. Lebens, Ansichten der Spätern). Lucre-
tius, Cicero, Galen. Das Gehirn im nicht philosophischen oder me-
dizinischen Sprachgebrauch. Die Seele ein Hauch. @pevec (das
Zwerchfell verdankt seiner engen Verbindung mit dem Herzen die
Erhebung in die geistige Sphäre). Das Wort könnte mit ai. bhram
oder bhur in Zusammenhang stehen. TTpamidec (nicht mit Bechtel
zu ai. parsu, vielmehr starke Wurzelform pergu, zu got. fair-
lvus usw.).
Roscher W. H. Ausführliches Lexikon der griechischen u.
römischen Mythologie. 21 L. (2. Band Sp. 513—672). Leip-
zig Teubner. 2 M.
Müller F. M. Anthropological religion. London Longmans u.
Komp. 10. :sh..6 d.
Hartland Edw. Sidn. The Science of fairy tales, an inquiry
into fairy mythology. London W. Seott 1891.
Vgl. Zeitschr. des Vereins f. Volkskunde I 345.
Goodyear W. H. The Grammar of the Lotus: a New History
of Classie Ornament as a Development of Sun Worship.
With Observations on the “Bronce Culture’ of Prehistorie
Europe as derived from Egypt, based on the study of
100 Bibliographie.
Patterns. 1 Vol. roy. 4 fully illustrated, boards. Preis 63 sh.
Sampson Low, Marston & Co. London.
Kaegi A. Die Neunzahl bei den Ostariern. Phil. Abhandlun-
gen, Schweizer-Sidler ... gewidmet. (Zürich 1891) S.50— 11.
Knüpft an die Beobachtung von H. Diels an, dass die Drei-
und die Neunzahl mit dem chthonischen Dienst, dem Toten- und
Lustrationskult eng verbunden sei. Indem K. vom Totenkult aus-
geht und die wesentlichen Bräuche der Ostarier bei Tod und Be-
stattung betrachtet und die Buss- und Sühnbräuche anreiht, kommt
er zu dem Ergebnis, dass “die Neunzahl.... bei den Ostariern die
entsprechende Rolle spielt wie bei den Griechen, Römern, Umbrern
und Germanen”. Ursprung: “Dem Vater, dem Grossvater, dem
Urgrossvater bringt man die Ehrengabe und um sie zu heben
und zu steigern, bringt man sie dreifach oder dreimal.... daher
die Drei- und Neunzahl im chthonischen Dienst, im Ma-
nenkult”.
Hahn (. Heilige Haine und Bäume bei den Völkern des Kau-
kasus. Ausl. LXIV Nr. 41.
Sehr häufig bei den Osseten.
EHerman Hirt.
III. Arisch.
A. Indo-iranisch.
Bartholomae Arisches und Linguistisches. (Sep.-Abdr. aus
BB. XV u. XVI, mit ausführlichen Indices versehen). Göt-
tingen Vandenhoeck & Ruprecht. IV u. 179 5. gr. 8°.
M. ὃ.
Bartholomae Arica II. IF. I 4856— 500.
6. Ai. -c- Ξε αν. -Ssk-—=ap. “ἢ aus + K-. — 7. Ar. $r av.
sr? — 8. Vokal+ Nasal-+ r im Avesta. — 9. Ai. Infinitive auf -man
und -mant.
Leitner G. W. The races and languages of the Hindu-Kush.
As. Qu. Rev. II Ser. I No. 3 S. 139—56. 2 Taf.
l. Polo in Hunza-Nagyr. Il. The Kohistän of the Indus, inelu-
ding Gabriäl. II. A rough sketch of Khatlan (Koläb) and adjoining
countries. IV. The language etc.
Leumann E. Eine arische Femininbildungsregel. KZ. XXX
294— 510.
Die bei »-Stämmen entstandene Endung -än? ist auch auf die
a-Stämme übergegangen und zufällig nur noch bei solchen erhal-
4 . Ξ / > = ἢ > ᾿
ten. Verschiedener Akzent. Bedeutung: Frau des Mannes, auf des-
sen Namen die Ableitung zurückgeht, nur je einmal im Avesta und
Veda anscheinend dessen Tochter. Im Indischen auch mehrere Bil-
dungen von ?- und «-Stämmen. Nebenbei Etymologie von purusa,
putra, pumäs gegeben.
[Peet 5. D.]| The Aryans and the Indians. Amer. Ant. & Or.
J: ΧΠῚ 2, 811922.
Bibliographie. 167
Hopkins E. W. Note on the development of the charakter
of Yama. Am. Or. Soc. Proc. May 1891 5. XCIV—XCV.
Traces in the Indian and the Persian tradition “the change
from Y, the king of an earthly paradise” until he became “god
>
in unearthly regions”.
B. Indisch.
Buultjens A. E. The Dutch in Ceylon. X. chapter (of Valen-
tyn’g account of Ceylon). The Or. IV 3/4, 50—7.
Carter Ch. English - Singhalese Dietionary, P. IV. Colombo
1890.
Conrady A. Das Newäri. Grammatik und Sprachproben.
ZDMG. XLV 1—55.
Newäri ist eine der etwa 30 nichtarischen lebenden Sprachen
des Himälayalandes Nepäl; hat sich allein darunter zu einer Schrift-
sprache entwickelt. Es enthält indisch-arische Lehnworte aus ver-
schiedenen Entwicklungsschichten. Dem Grundstock nach aber eine
der indochinesischen Sprachen.
Conrady A. Das Hariccandranrtyam. Ein altnepalesisches
Tanzspiel. Mit einer grammatischen Einleitung hrsg.
Köhlers Antig. Leipzig. 45 S. gr. 8°. 1,50 M.
Fumi F. G. Avviamento allo studio del sanserito. 2 ed. Mai-
lang Hoepl. XIT.u. 251 S. Κὶς 89.
Goonetilleke William The Letters (R) and a (L) and the
A inherent in a consonant. The Or. IV 3/4, 33—8.
Goonetilleke William Pänini. Ebenda 47—9.
Grierson George A., s. Hoernle.
Henry V. Les hymnes Rohitas. Livre XIII de l’Atharvaveda,
traduit et commente. Paris 1891. XII u. 56 5. 8°.
Soll Anfang einer Übersetzung des ganzen Atharvaveda sein.
Verf. wünscht für diese erst etwaige Vorschläge zur Aenderung
seiner Methode zu hören. XIII steht in der vedischen Litteratur
allein wegen der singulären Erscheinung des darin verherrlichten
(zottes Rohita, Personifikation der Sonne. Gattin Rohini die Mor-
genröte.
Hillebrandt A. Vedische Mythologie. I Soma und verwandte
Götter. Breslau Koebner 1891. X u. 5478. gr. 8°. 24M.
Hoernle A. F. Rudolf and George A. Grierson A compara-
tive Dietionary of the Bihäri Language (published under
the patronage of the government of Bengal) Part II. Cal-
eutta 1889. 5. 41—108. 9—32. Roy. 4°. M.5. Rezens. von
BakeerJourm: Ass VII Ser... 7. XVEIM:'S. 310% und. Lit.
Centralbl. 1892 No. 2 Sp. 55.
Jedes Wort wird auf seine ältere Form im Sanskrit und Prä-
krit, resp. Arab., zurückgeführt und erhält sein Korrelat in den
anderen neuindischen Sprachen arischen Ursprungs zugesellt. Den
Heften wird auch ein vollständiger Wortindex zu dem in altem
Anzeiger I 2. 7 2)
168 Bibliographie.
Bais’wäri (Dialekt der Bihäri) abgefassten Rämäyan des Tul’si Däs
beigegeben.
Kellog Hindi Grammar. London K. Paul, Trench, Trübner ἃ
Komp. 8%
Lamairesse E. L’Inde avant le Bouddha. (Bibl. des religions
comp.) Paris Carre. 18°. 4 Fırs.
Lanman C. R. Mortuary Urns. Am. Or. Soc. Proc. May 1891
5: ΟΝ ΠΕ 0:
Proves from Skr. texts that the use of ceinerary jars existed
among the ancient Hindus. Notices that designations of sex were
marked on such urns.
Levi S. La Grece et l’Inde d’apres les documents indiens.
Revue des etudes greeques 1891 S. 24- 40,
Auszug aus seiner Arbeit Qurd de Graecis veterum Indorum
monumenta tradiderint. Paris Bouillon 1890. Diese rezens. von
R. Otto Franke Berl. Phil. Wochenschr. 1891 No. 45, Sp. 1422 ff.
Liebich Bruno Panini. Rezens. von V. Henry Rev. crit.
XXV (1891) No. 39 S. 153 f. und von R. Otto Franke
Gött. Gel. Anz. 1891 No. 24 S. 951—83.
In der Auffassung der Komposition müssen wir uns von den
Anschauungen der indischen Grammatiker emanzipieren. Neue
Theorie vom Wesen der Komposita. Das Sanskrit war nicht der
Dialekt von Päninis Heimat. Versuch der Lokalisierung von Sans-
krit und Päli. Sanskrit der gesprochene Dialekt des Gangesthales,
Päli der des Indusgebietes und der südlich anschliessenden Küsten-
länder (Franke).
Ludwig A. Die Genesis der grammatischen Formen des
Sanskrit und die zeitliche Reihenfolge in der Selbstständig-
werdung der indoeuropäischen Sprachen. Prag F. Rivuät
in Komm. 164 S. Imp. 4°. (Aus Abhandl..d. kgl. Böhm.
Ges. .d.. Wi.)
Morris R. Notes on some Päli and Jaina Präkrit words.
Acad. June 13 S. 566 £.
Morris R. On the word bajjhaka in the Dipavamsa (IX
16—17), Acad. 1891 Oct. 3. 5. 290. bujjhaka = kämpfend,
aus vajjhaka für yujjhaka.
Morris R. Notes on some Päli and Jaina Präkrit words —
ἀμ. Acad. 1891 Oct. 31, S. 387. autti = " Absicht”.
Morris R. Contributions to Päli Lexicography. Niddhäpeti.
Acad. 1891 Dee. 26, 5. 592. Von nis+dhäv, Kaus., = hin-
ausgehen lassen, vertreiben.
Oertel H. On the meaning of sanrta in the Rig-Veda. Am.
Or. Soc. Proe. May 1891 5. XCV—XCVII.
The probable meaning of this word is 1. “kind, disposition’,
2. “liberality’.
Bibliographie. 169
Oldham Serpent-Worship in India. Journ. Roy. As. Soc. Gr.
Br & 1.1897 July.
Pischel R. und K. Geldner Vedische Studien. KRezens. von
M. Müller Physical Religion Appendix XI S. 384 ff.
Müller vertritt gegen Beide den primitiven Charakter des
Rigveda.
Raffiuddin Ahmad Kaiser-i-Hind and Hindoostani. XIX. Cent.
zoll 20.
Reuter J. N. Die Betonung der kopulativen und der deter-
minativen Komposita im Sanskrit. Helsingfors 1891. 8°.
Reuter J. N. Die altindischen Nominalkomposita, ihrer Beto-
nung nach untersucht ΚΖ. XXXII Heft 4 S. 485—612.
Geordnet nach den Suffixen der letzten Glieder, darunter
nach der Wortklassenzugehörigkeit der ersten Glieder, darunter
nach der des zweiten Gliedes, schliesslich darunter nach dem Ak-
zent des selbständigen Schlussgliedes.
Sibree E. Sanskrit aseva “water’. Acad. 1891 Nov.7T, 8.411.
asva "Pferd’ : eguus asv@a "Wasser’, jran. aspda: aqua. Von
diesem asva (aspd) Spuren in gewissen indischen und iranischen
Flussnamen vorhanden.
Schmidt E. Die Anthropologie Indiens. Globus LXI No. 2u.2.
Bericht über Risleys Werk. In Indien finden wir hauptsäch-
lich 2 Grundformen. 1. Der “arische Typus’ ist ausgezeichnet durch
‚einen relativ langen Kopf (Dolichocephalie), eine gerade schmale
Nase, hohes, schmales Gesicht, gutentwickelte Stirn, regelmässige
Gesichtszüge. Der Gesichtswinkel ist gross, der Wuchs hoch, von
171,6 em. bei den Sikhs im Punjab, bis zu 165,5 em. bei den Brah-
manen Bengalens. Der Körper ist wohl proportioniert, eher schlank
als breit, die Hautfarbe hellbraun. 2. Der “dravidische Typus’ Ris-
leys ist gekennzeichnet durch eine dicke, breite Nase mit einem
Index, der an Grösse nur von dem des Negers übertroffen wird.
Der Hirnschädel ist gleichfalls lang, der Gesichtswinkel verhältnis-
mässig klein, die Lippen dick, das Gesicht breit, fleischig, die Ge-
sichtszüge mehr unregelmässig.
Vodskov H. 5. Rig-Veda og Edda. Rezens. von (Mo)gk
Lit. Ctribl. 1891 No. 48 Sp. 1666 ff.:
Anscheinend selbständige Forschung und der wissenschaftliche
Standpunkt, den die Forschung der Gegenwart allein gestattet.
Verf. verwirft vollständig die Theorie von der Wanderung der In-
dogermanen und setzt dafür eine Ausbreitungstheorie der gesam-
ten Menschheit vom inneren Asien aus. Die Mythologie hat sich
zesondert ‚bei den einzelnen Völkern entwickelt. Aber eine ge-
meinsame Wurzel, der Seelenkult. Die Hymnen des Rigveda keine
Volksdichtung, sondern Gedichte der Priester, die das Volk auf
Opfer und Religion hinweisen. Grosse Höhe geistiger Entwicklung,
die mit indogermanischen Zuständen unvereinbar ist.
Whitney W. D On the narrative use of perfect and imper-
feet: tenses in the Brähmanas. Am. Or. Soc. Proc. May
KON 29. ERXRV RCH.
170 Bibliographie.
Gives statistics of the relative proportions in the usage of the
perfect and imperfect in the Brähmana texts; shows that in narra-
tive uses the tenses are mainly equivalent, but that there is a mar-
ked preference for the employment of the imperfect. The propor-
tion of perfects increases with the lateness of date.
6. Iranisch.
Bang Willy Bemerkungen über das Verbum im Huzväres.
Giorn. Soe. As. It. IV 218—24.
Bang Beiträge zur Kunde der asiatischen Sprachen. Leiden.
Brill. Separat-Abdr. 23 8. gr. 8°.
Darmesteter James Chants populaires des Afgshans, reeueillis.
Paris Leroux 1890. Rezens. von Grierson Ind. Ant. 1891
Sept. 8. 397.
Sein Referat: Text, Übersetzung, Vokabular und Kommentar,
samt “drei bewundernswerten Essays über die Sprache, Litteratur
und Geschichte dieser Nation”. Zwei Dialekte, Pukhtü im Nor-
den, Pushtü im Süden. Geringer Unterschied. Entlehnungen in
grossem Masstabe aus den persischen und indischen Dialekten,
und aus dem Arabischen. Schlüsse: 1. das Afehän. nicht ein indi-
scher Dialekt, 2. es ist ein iranischer Dialekt, 3. nicht einer der
modernen persischen Dialekte, sondern 4. vom Zend oder einem sehr
ähnlichen Dialekt abgeleitet. Es ist der bisher vergeblich gesuchte
moderne Zeuge des alten Zend. 2. Kap. Geschichte der Afghanen
von der ersten Erwähnung durch Albirüni (1050 ἢ. Chr.) bis jetzt.
3. Kap. der Einleitung über die afzhän. Litteratur. Rezens. ferner
von ὃ. Oldenburg Zivaja Starina 1891 II 5. 191; Ath. 1891, May 30,
694 f.
Geiger Wilh. Lautlehre des Balüci mit einem Anhange über
Lehnwörter im Balüdci. München Franz in Komm. 68 8.
40 ΜΝ. 2. (Aus ἃ. Abh.. d. Kg]. 'Bayr-=Ak..dr 7 Wiss LAK,
XIX. Bd. II. Abt.). Rezensiert Lit. Ctrlbl. 1891 No. 53
Sp. 1853 von. H. H(übschmann):
Die Lehnwörter in einem Anhang von 312 Nummern ver-
einigt und nur die übrig bleibenden originellen Wörter zur Basis
der Lautlehre gemacht. An dieser ist daher auch nichts Wesent-
liches auszusetzen.
Hillebrandt Alfr. Zarathustra und der Zendavesta. Nord und
Süd 15. Jahrg. Okt.
Jackson A. V.W. Where was Zoroaster’s Native Place? Journ.
Am. Or. Soc. 1891 5. 221—232. (Sonderdruck 1892).
Kommt nach Prüfung der klassischen und iranischen Zeug-
nisse zu dem Schluss: Zoroaster indeed arose in the west, most
probably somewhere in Atropatene. He then presumably went to
Ragha, but, finding this an unfruitful field, turned at last to Bac-
tria.... From Bactria, the now organized state-religion spread
back towards Media; thence down to Persia.
Jackson A. V. W. Avesta. Vd. I 16 vaedanhö nöit uzöis.
Journ. Am. Or. Soc. 1891 S. 231—2.
Appendix zu “Zoroaster’s Native Place’.
Bibliographie. 111
Müller F. Kleine Mitteilungen. Wien. Z. V 2. Neupersische
und armenische Miszellen. Ebenda 3. H. 5. 250 ff. Desgl.
und Pahlawi- Miszellen und Bemerkungen über die Zend-
alphabete und die Zendschrift.
Tolman H. C. Syntactical points in the Old Persian inscrip-
tions. Am. Or. Soc. Proceedings May 1891. 5. C—C1I.
Brief remarks on the usage of the noun, adj., pron., and verb.
Wahrmund A. Praktisches Handbuch der neupersischen
Sprache. Rezens. von Eugen Wilhelm. Am. J. of Phil.
SI April, 5. ὃ9 ff.
R. Otto Franke.
IV. Armenisch.
Bugge S. Beiträge zur etymologischen Erläuterung der ar-
menischen Sprache IF. I 457—459.
Suftix -aul. — Aorist. II medii. — Pluralendung -k. — 04, 04
aus anl, anr. — Schwund des idg. g im arm. Anlaut. — Schwund
des idg. 9 im arm. Anlaut. — Idg. zd im Arm. — f aus idg. t. —
Arm. x aus sk. — Arm. 7 d. 1. dz. — Anlautendes idg. sr im Arm.
— Idg. fr im Arm. — Arm. rk durch Umstellung entstanden. — »
aus n. — ἡ und p aus b, idg. bh. — pP aus ps. — erku. — Cork. —
hanem. — hund. — yisem, — veh.
Conybeare F. (. On the ancient Armenian Version of Plato.
Am. Journ. Phil. XII 195—210.
Kainz Praktische Grammatik der armenischen Sprache für
den Selbstunterricht. I. Klassische Sprache. II Neuarme-
nische Sprache mit einem neuarmenisch - deutschen und
deutsch-neuarmenischen Wörterbuch und zahlreichen Lese-
stücken. (Die Kunst der Polyglottie XXXV). Wien Hart-
leben [1891]. 196 S. 8°. 2 M.
V. Griechisch.
Johansson K. F. Beiträge zur griechischen Sprachkunde.
Upsala Lundström 1891. 173 S. gr. 8°. 6 M.
Solmsen F. Zur Lehre vom Digamma. ΚΖ. XXXI 273—288.
Die Beobachtung Leo Meyers, dass die Anlautsgruppen z0-
#w- bei Homer keine Spur des + aufweisen, wird ergänzt und be-
richtigt. Dem Material Meyers ist zunächst ὁ-, ὁτ-, ön- (in ὅπως
u. ä.) aus *c-od- hinzuzufügen, dagegen ὅρκος zu streichen: ὅρκος
und ἕρκος werden zu altbulg. sraka “ vestis, tunica’ und Verwandten
in Beziehung gesetzt. L. Meyers Lautgesetz gilt auch für den Dia-
lekt von Gortyn: -o-, #w- verlieren ihr #; alle Fälle, in denen καὶ
sonst im Anlaut abgefallen sein soll, beruhen auf irriger Auffassung.
So haben ai, ἡ "wenn’, Epcevec, ἑταῖρος nie ein .- im Anlaut gehabt,
ἐλ- (ἑλόντα usw.) ist im Anlaut durch aipew (das nirgends Digamma-
spuren zeigt) analogisch beeinflusst. Für andere Dialektgebiete ist
112 Bibliographie.
der Nachweis des Meyerschen Gesetzes schwierig wegen des Man-
gels umfangreicher (und alter) Texte. Aber mit ziemlicher Wahr-
scheinlichkeit gilt es auch für das Kyprische (Edalion), vielleicht
für das Elische. (ἕλος “Sumpf” ist nicht auf *reXoc, sondern *ceXoc,
lat. solum zurückzuführen).
Solmsen Nachtrag zu 3. 285 des genannten Aufsatzes (kypr.
πανώνιος). ΚΖ. XXXIL 288—294.
Gegen Hoffmann Griech. Dial. I 71. 156 wird nachgewiesen,
dass kyprisch mavwvıoc nicht zu övivnu und Verwandten gehören
kann: die Zugehörigkeit zu wvoc "Kaufpreis’ ist festzuhalten. πα-
vwvıoc (χῶρος, κᾶπος) auf der Tafel von Edalion bedeutet “mitsamt
allen ὥνια, d. Ih. allen verkäuflichen Erträgnissen’ (sc. des Ackers
oder Gartens).
Smyth H. W. On digamma in Post-Homerie Ionie. Am. Journ.
Phil. XII 211—22.
1. Digamma in literature. 2. Digamma upon inscriptions.
Bartholomae Griech. ὄνομα > ὀνόματος. IF. I 300-318.
Wackernagel xexovdo. Berl. phil. Wschr. 1891 No. 47.
Ein Perfektum κέχονδα zu xavdavw, Exade wird aus einer Les-
art [xex|övdeı festgestellt, welche eine der von Kenyon publizierten
Papyri zu Homer ®2 192 bietet.
Walker F. W. Philologieal notes VIII. Greek aorists and
perfects in -ka. Class. Rev. V 5. 446—451. (5. Abt. I.)
Wharton un. Philologieal Society Nov. 6. Vgl. Academy
1891. 17:3. 460.
1. un ist ursprünglich und wesentlich keine negative oder
prohibitive, sondern eine interrogative Partikel. 2. Manche Sätze
mit un, die als Aftirmativsätze aufgefasst werden, sind als Frage-
sätze anzusetzen. 9. Auch in andern Fällen ist zu beobachten,
dass der anscheinend negative Sinn des Satzes einen interrogativen
enthält oder voraussetzt.
Steinmann Studie homerskä. (Eine Homerische Studie). Jah-
resbericht d. k. k. Gymn. zu Königgrätz 1890/91.
Uber Genetive auf -0oo (z. B. di6X0-v nicht -00), 60V ( ὅ-υ)
und + (es wird ἀλλο-υειδέα εὐοικυῖαι, οὔτϊες u. 419]. für ἀλλοειδέα, εἰοι-
κυῖαι olıec vorgeschlagen).
Steinmann Studie homersk@ (Homerstudien). Listy filologiek@
(Prag) XVII 21—24, 232—46. XVII 8—23. 284. 8).
396—44.
Untersuchungen über die Richtigkeit der Überlieferung und
Deutung verschiedener Verbalformen.
Weck F. Die epische Zerdehnung. Programm des Lyceums
zu Metz 1890. 43 S.
! vez. von P. Cauer Wochenschrift f. klass. Philologie 1891
Sp. 1276 ff.
Conway A note on the Homerie adjeetives in -ot-. Cam-
bridge Philological Society 26. Nov. 1891. Vgl. Academy
1891 11.8.2566:
Bibliographie. ἢν
νυ
Vgl. Ἤνοπι χάλκῳ, μέροπες ἄνθρωποι τι. del. Die Adjektive
dieser Klasse haben ein Suffix -g-, Nebenform von -90- (modd-To-c).
μέροψ : ai. maraka-. Hierher auch φύλοπις, urprel. “butchery’
Wz. ghü “opfern’.
Sayce The mention of an Ionian Greek in the tablets of Tel
el-Amarna. Academy No. 1015.
Lewy H. Kyprisches IF. I 506—511.
Σκίας Περὶ τῆς κρητικῆς διαλέκτου. Athen Sakellarios. Leipzig
Biebiseh. 167 S. 8°. 350 M. Rez. Lit. Centralbl. 1892
52-91.
Cagnat R. Revue des publications epigraphiques relatives ἃ
V’antiquite celassique Rev. Archeolog. XVII 405—19. XVII
401—32.
Ne@routsos-bey Inscriptions greeques et latines recueillies
dans la ville d’Alexandrie ( Egypte) et aux environs. Rev.
Arech&ol. XVII 338 —46.
Reinach Th. Bulletin &epigraphique. Revue des Etudes grec-
ques IV 314 ff.
Gleichsam “Regesten’ der in den letzten 3 Jahren gefunde-
nen griech. Inschriften, geographisch geordnet.
Larfeld W. Jahresbericht über die griech. Epigraphik für
1883. 1881. Zweiter Teil. Bursians Jahresber. LXVI (1891)
5. 1—223.
Simon J. Abkürzungen auf griech. Inschriften. Zschr. f. d.
österr. Gymn. XLII 673— 11.
Eine Sammlung der Abkürzungen, die auf Inschriften vor
146 v. Chr. begegnen, und daran anknüpfend die allgemeinen Er-
gebnisse.
,
Corpus inseriptionum Atticarum IV suppl. vol. I partem 3
continens. Berlin 1891.
Paton and Hicks The inseriptions of Cos. Oxford Claren-
don Press 1891.
Rez. von A. H. Lit. Centralbl. 1892 Sp. 155 f.
Fröhner Insceriptions greeques archaiques. Revue Arch£olo-
logique 1891 S. 45
Behandelt zwei Inschriften, von denen besonders die zweite
(aus Hermione?) sprachlich sehr interessant ist wegen einer Reihe
eigenartiger Formen.
55.
Blass Zu der naxisehen Inschrift der Timandre. Fleckeisens
Jahrbb. Bd. 143 (1891) 5. 335— 336.
Statt BZ = hs = E steht auf der Inschrift ΗΣ. Dieses ΠῚ ist
wahrscheinlich das naxische Zeichen für =.
Κοντολέων ᾿Ανέκδοτος Μικραειαναὶ ἐπιτραφαί. Τεῦχος Πρυῖ τον.
Athen 1890. 48 5.
(94 Inschriften). Vgl. dazu Jaspar “Ἑλλάς 1891 S. 417—423.
174 Bibliographie.
Contoleon Inseriptions d’Asie-Mineure. Rev. ἃ. Etudes Gree-
ques IV 174—75.
Contoleon Inscriptions greeques inedites. Rev. d. Etudes
gr. IV 297— 301.
Reinach Th. Inscriptions archaiques d’Argos. Rev. d. Etu-
des gr. IV 171—18.
Behandelt die zweite der Fröhnerschen Inschriften, einen Ge-
setztext von 7 Zeilen in argivischem Alphabet.
Reinach Th. Deux inscriptions de l’Asie-Mineure. Rev. d.
Etudes gr. IV 268—89.
1. Conventions entre Aegae et Olympos. 2. Le sanctuaire
de la Sibylla d’Erythree.
Blass Archaische griechische Inschriften. Fleckeisens Jahrb.
1891 5. δδ1---δθ0.
Behandelt die beiden Bronzeinschriften aus der Sammlung
des Grafen Tyszkiewiez (vgl. Mitteil.). B. liest auf dem Diskos den
zweifelhaften Eigennamen ’Evcoidä4 als s-losen Nominativ eines Män-
nernamens (vgl. unten a. a. 0.). — In der argivischen Inschrift
möchte er aıtıcrıc in al τις Ändern und TovYpaccuoTtov IN TOVVdacc-
UATWV τῶν daccudrwv vgl. δάςεματα ᾿ diauepicuara Hesych. (M.)
Selivanov Inscriptiones Rhodiae ineditae. Mitt. d. Inst. XVI
{1891} 5: ΤΟΣ Ἢ:
Von sprachlichem Interesse sind besonders die ἃ: erster
Stelle mitgeteilten drei archaischen Inschriften; in der zweiten
liegt ein Eigenname Ὑφυλίδας vor; Ὕ-φυλος ist gebildet mit der
Präposition Ö (gleichbedeutend mit ἐπί), ein Seitenstück zu dem
Namen des wahrscheinlich auch aus Rhodos stammenden Söldners
"Y-dauoc der Abu-Simbel-Inschrift und zu dem des Akräphiers ᾿Ιού-
ctporoc, der mit böotischem Vokalismus für "Y-crparoc steht (vgl.
R. Meister Mitt. ἃ. Inst. a. a. Ο. S. 357). — Die dritte Inschrift ist
zu lesen (vgl. Jernstedt Mitt. ἃ. Inst. a. a. Ὁ. S. 240; Wackernagel
ebd. S. 243; R. Meister ebd. S. 357):
Zäaua τόζ᾽ ᾿Ιδαμενεὺς moinca, hiva κλέος ein.
Zev(d) δέ νιν Öcrıc πημαίνοι, λειώλη Bein. (M.)
Kulhoff Ἔπιπλα, ἐπίπλοα. Revue de Philologie XV 116.
ἔπι-πλ-α zu W. πελ-, Singular ἔπιπλον. ἐπίπλοα bei Herodot I
92 eine Textverderbnis.
Hilberg ὡραΐζω oder ὡρᾶϊζω Ὁ Wiener Studien XII (1891)
BONN
Aus Dichterbelegen ist die Form ὡραϊζω zu erschliessen (ge-
gen die übliche Ansetzung ὡραΐζω der Lexika).
Brugmann Καταςπῶςαι bei Herodas. IF. I 501
Laistner L. Kevraupoc. Zschr. f. ἃ. österreich. Gymn. XLII
711—119
«1 — 119.
“Das a der Endung -aupoc scheint in manchen Wörtern auf
sonantischen Nasal zurückzugehen”. Also z. B. caüpoc aus cv-po
zu calvw, φαῦρος Wz. φν, cpv zu «πεν (cmavıoc), ebenso φλαῦρος (φρήν),
καῦρος (ξένος), abpoc (οὔνιος), ἀφαυρός (ἄφνι USW.) πέταυρον (merv neben
Ἐπέ(ρ)ταρ, lat. pertica aus *pertrica), u. a. Ausgangspunkt der Bil-
508.
Bibliographie. 175
dung -aupoc sind vermutlich v-Stämme (zu caDpoc ein ενυ, εν», Car).
Der Pflanzenname κενταύριον "Erdgalle’ zu ahd. hantag "beissend
bitter’, auch °ferus, saevus, immanis’, ebendazu xevraupoc (κενθν).
Das τ statt ὃ, 8 (τένδω, τένθω) und κ statt τ nach kevrew. Weiteres
zur Wurzel (s)quend(h).
Immerwahr W. Die Kulte und Mythen Arkadiens I. Die
arkadischen Kulte. Leipzig Teubner. VIu. 288 5, gr. 8°.
4 M.
Schjott P. Ὁ. Mythologiske Studier 1. Zeus, Athamas, Apollo.
Christiania Vid. Selsk. Forhandl. 1891. Nr. 7. Cl. 1. Dyb-
made Ὁ Ὁ: δ,
Wide Sam. Bemerkungen zu der spartanischen Lykurgos-
legende. Skand. Archiv. I. Bd. 5. 91—150.
Nach den Vermutungen des Verfassers ist der spartan. Ly-
kurgos “ein über Hellas verbreiteter alter Gott, bez. Heros, mit dem
thrakischen Lykurgos und anderen Trägern dieses Namens und an-
derer aus der Wurzel Auk (ai. urka) abgeleiteter Namen, wie beson-
ders Lykos, nahe verwandt, ja wohl ursprünglich identisch”. Der
Verf. stellt dann eine sog. Identifizierungstheorie auf. Seine An-
sicht ist, dass die sog. hellen. oder olymp. Götter auf dem griech.
Boden nicht ursprünglich sind, und die Bewohner Griechenlands
haben diese Götter nicht eekannt. Sie verehrten hauptsächlich die
chtonischen Mächte und daneben wohl auch einige göttliche Wesen,
die der Oberwelt angehörten. Diese wurden von den hellen. Gott-
heiten nicht völlig verdrängt; die meisten wurden mit diesen iden-
tifiziert, ein Prozess, der häufie darin seinen Ausdruck fand, dass
der alte Gott zum Heros heı 'absank, und dem neuen Gott zur Seite
gestellt wurde, während der neue Gott den Namen des alten als
Beinamen bekam.
Neophytos A. Le grec du Nord-Est de l’Asie-Mineure au
point de vue anthropologique. L’Anthropologie II (1891)
23—D.
Die griech. Bevölkerung besteht nur zur Hälfte aus ursprüng-
lich griech. Elementen.
A, A alien or
VI. Albanesisch.
Meyer G. Albanesische Studien. III. Lautlehre der idg. Be-
standteile des Albanesischen. (Sitzungsberichte der kais.
Akademie d. Wissenschaften in Wien. Phil.-hist. Klasse,
Band CXXV H. XT). Wien Tempsky 1892. 95 5: 8°.
VII. Italisch und Romanisch.
A. Altitalische Sprachen.
Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft herausgege-
ben von Iwan Müller, Band I, Erster Halbband. Zweite
Auflage. München Beck.
176 Bibliographie.
Landgraf G. Litteraturnachweise und Bemerkungen zu sei-
ner lateinischen Schulgrammatik. Bamberg Buchner. 56 S.
Scerbo F. Grammatica della lingua latina I. Firenze Le
Monnier.
Valmaggi L. Grammatica latina. Mailand Hoepli 1892. 250 S.
Consoli S. Fonologia latina esposta secondo il metodo scien-
tifico, 2. ed. Mailand Hoepli. 205 5."
Baudouin de Courtenay Izü lekecij po latinskoj fonetike. (Aus
Vorlesungen über lat. Lautlehre). Filologiteskija zapiski
XII 273—%.
Fortsetzung seiner Darstellung der lat. Lautlehre.
Wharton (Juelques a latins. M&em. Soc. Ling. VII 451—60.
Einige lat. @« sind durch die Einwirkung eines folg. Hochtons
entstanden.
Meyer-Lübke Über ὁ und x im Lateinischen. Philologische
Abhandlungen, Heinrich Schweizer - Sidler ... . gewidmet
(Zürich 1891) 5. 19—24.
Sucht in den Wechsel von ὁ und u Gesetzmässigkeit zu brin-
gen: 1. o wird « in betonter vorletzter Silbe. 2. Anlautsilben: a)
on+ Labial wird un. Ὁ) ἐ- Konsonanz verlangt stets γε. ὁ) Vor Ver-
schlusslauten und s-Verbindungen bleibt 0; ebenso d) vor einfachem
r,n, m. 6) Bei einfachem / scheint ὁ die Regel, ebenso bei ll. f)
Vor ms steht u, vor mm ὦ. 9) cum und con. ΠῚ or + Kons. bleibt
unverändert.
Parodi Sorti di e ed o nel latino davanti a ἢ (m) in sillaba
chiusa. Supplementi Periodiei all’ Arch. Glott. It. Prima
Dispensa S. 1—19.
I. en + Gutt.: ἢ. 1. engv, enc. 2. engv, eng. 3. egn. II. en+
Dent. : e bleibt. 1. ent. 2.end. III. en + Lab.:e bleibt. IV. en +1,
r, m, v:e intakt. V. e-+ Nas. im Auslaut. VI. on + Gutt. 1. once:
u. 2. ong :u. VI. ὁ Dent.:0. VII omp, omb:u. IX. on m
der Schlussilbe.
Hoffmann (). Lat. en und n in betonter geschlossener Silbe.
BB. XVIII 156—59.
In geschlossener Silbe stehendes lat. en wird unbetont
stets zu ?n, betont nur, wenn ein Guttural oder wenn Doppel-
konsonanz folgt.
Conway S. Über den Wechsel von d und / im Lateinischen.
Cambridge Philologieal Society 26. Nov. 1891. Vgl. die
Notiz der Academy 1891 II S. 566.
Erklärt d für sabinisch. Der Aufsatz wird in den IF. er-
scheinen.
Wiedemann Ὁ. Zur Gutturalfrage im Lateinischen. IF. 1
255—I1T.
Wölffllin E. af. Archiv f. lat. Lex. VII 506.
Zwei neue Belege für af vor v auf der bei Amiternum gef.
Bibliographie. 177
Inscehr.: af. vineis und af. villa, die ab. castello und ab. seceie ge
genüberstehen.
Lindsay W. M. Latin accentuation Class. Rev. V 313—
402—408.
Eingehende Untersuchung über den Wert der lat. Gramma-
tikernachrichten und der im archaischen und im Vulgärlatein nach-
weisbaren Akzentgesetze für die Erkenntnis der lat. Betonung.
Funck A. Neue Beiträge zur Kenntnis der lat. Adverbia auf
-im. Archiv f. lat. Lex. VII 485—906.
In alphabetischer Reihenfolge wird dasjenige zusammenge-
stellt, “was als eine wesentliche Bereicherung unserer Lexika er-
schien”, und zwar: I. Wörter, welche in Georges’ Handwörterbuch
fehlen (56411). II. Wörter, für welche neue, bemerkenswerte Be-
lege gefunden sind (54).
Conway S. The origin of the Latin passive, illustrated by a
recently discovered inseription. Cambr. Philol. Soc. Proc.
XXV—XXVII (1891) 5. 16—21.
Im Anschluss an Zimmer KZ. XXX 224 ff bringt er aus einer
von Bücheler Rhein. Mus. 1890 Nr. 2 besprochenen osk. Inschr. ein
Beispiel “of the rudimentary passive’, konstruiert mit einem Akk.
Hiernach scheinen die r-Formen ursprünglich impersonale, aber
transitive Bedeutung gehabt zu haben: sakrafir ültiumam.
Wölfflin E. Zur Konstruktion der Ländernamen. Archiv f.
lat. Lex. VII 581—83.
Uber blossen Akk. auf die Frage: wohin ?
Surber A. Über die Verwertung der wissenschaftlichen Er-
“ gebnisse für die Schulsyntax des latein. Infinitivs. Phil.
Abhandlungen, Heinrich Schweizer - Sidler . ... gewidmet.
(Zürich 1891) 5. 36-50.
Carlsson Om det latinska gerundivum och gerundium. Peda-
gog. tidskr. 1891 5. 349—60.
Sjöstrand N. De vi et usu supini secundi Latinorum. 54 S.
Riemann tanguam “dans la pensde que‘. Rev. de philol. XV
164.
Cicero (Brut. 15) beweist, dass fanguam mit dem Konjunktiv
im angegebenen Sinne nicht bloss auf die Kaiserzeit beschränkt
ist, wie Schmalz u. a. meinen.
Sjöstrand N. Quibus temporibus modisque guamvis, mescio
an, forsitan, similes voces utantur. Lund Möller. III u.
42 8. 8°.
Guthmann Ueber eine Art unwilliger Fragen im Lateinischen.
Progr. Nürnberg.
Sturm J. B. Ueber iterative Satzgefüge im Lateinischen.
Progr. Speier.
Hale W. Die caxm-Konstruktionen. Ihre Geschichte und ihre
Funktionen. Übersetzt von A. Neitzert. Mit Vorwort von
B. Delbrück. Leipzig Teubner. X u. 341 S. gr. 8°. 6M.
178 Bibliographie.
Hoffmann E. Das Modus-Gesetz im lateinischen Zeitsatze.
Antwort auf Hales „The caum-Constructions“. Wien Gerolds
Sohn. V πὸ ἢ 5 ἢ Ν᾿:
Wetzel M. Das Recht in dem Streite zwischen Hale und Em.
Hoffmann über die Tempora und Modi in den lat. Tem-
poralsätzen. Paderborn Sehöningh 1892. 48 S. kl. 8°.
0,60 M.
Lattmann H. Die Tempora der lat. Modalitätsverba in Ne-
bensätzen. Philologus Suppl. VI 165—201.
Funck A. Formelhafte Wendungen im Inschriftenlatein. Ar-
chiv f. lat. Lex. VII 585 £.
Linde Über das Carmen Saliare. Skandinavisches Archiv I
130-— 54.
Vgl. Anz. 1 5. 64. L. bietet einen kritischen, sprachlichen
und mythologischen Kommentar.
Linse F. De P. Ovidio Nasone vocabulorum inventore. Progr.
Dortmund.
Götz G. Der liber glossarum. Leipzig Hirzel.
Schulze Zum Sprachgebrauch der römischen Juristen. Zeitschr.
der Savigny-Stiftung, Rom. Abth. ΧΗ 1.
Kübler B. Juristisches. Archiv f. lat. Lex. VII 594—96.
Hauptsächlich über armentum u. seine Bedeutung bei den
‚Juristen.
Hertz M. Gutachten über das Unternehmen eines lateinischen
Wörterbuchs. Sitzungsber. der Berl. Akad. d. Wiss. 1891,
671690.
Wölfflin E. Zwei Gutachten über das Unternehmen eines
lat. Wörterbuches. Archiv f. lat. Lex. VII 507—522.
1. Über die Bedeutung des Thesaurus linguae latinae. 2. Ge-
schichte des Unternehmens. 3. Die Organisation der Arbeit. 4. Ar-
beiter und Leitung. 6. Zeit und Geld.
Weyman abyssus — accedo. Archiv f. lat. Lex. VIl 2283—61.
Bearbeitung des Zettelmaterials. Dazu “Erläuterungen zu
accedo’ S. D68.
wölfflin E. accelero — accendo. Archiv f. lat. Lex. VI
969-—976.
Bearbeitung des Zettelmaterials. Dazu S. 577—75 Erläute-
rungen zu accendo.
Funck A. Inschriftliche Zeugnisse für lat. Verwandtschafts-
namen. Archiv f. lat. Lex. VII 585—8.
Behandelt die 2039 Inschriften der Stadt Ostia nach Art der
Sammlungen Hülsens aus den Inschr. von Lambaesis, veranlasst
durch Delbrück.
Gundermann G. smalacia; qubernius, gubernus. Archiv t.
lat. Lex. VII 586—88.
Bibliographie. 179
Nettleship H. absanitas —= insanitas. Archiv f. lat. Lex. VII
D7T8.
Skutsch F. iaientare, iaiunus. Archiv f. lat. Lex. VII
527—29.
iatentare : teientare vatunus : tetumus. Die Breal-Bailly-
sche Etymologie ist unhaltbar.
Traube L. expiare. Archiv £. lat. Lex. VII 590.
— befriedigen’.
Wölfflin E. fluvius, fluvia, flumen. Archiv f. lat. Lex. VI
ὃ88---Θ0.
Keller Ο. Lateinische Volksetymologie und Verwandtes. Leip-
zı0 Deubner. X. u. 387 S. gr. 80: 10 M.
Stowasser .. M. Eine zweite Reihe dunkle Wörter. Leipzig
Freytag.
Breal M. Notes ätymologiques. M&m. soc. ling. VII 447—449.
Attavus ist eine Zusammensetzung von atta mit avus, zuerst
im Vok. atta ave. Die Verkürzung erklärt sich wie in Zdem, färina,
sölidus. Durch Nachahmung entstanden atavia, adnepos. — Avı-
dus “reichlich, fett’. Hor. Od. III 23. ὃ. — Läridum, lardum be-
zeichnet was in dem als Vorratskammer angesehenen lararıum be-
halten wurde. Die Zares bewahrten das Schweinefleisch wie die Pe-
nates das Korn. — Umbr. sevom, osk. sivum ist ein adverb. Akkus.
Neutr. von suwus abzuleiten.
Hempl G. The etymology of Latin cartilagö, Englisch carti-
lage. Am. Journ. Phil. XII 354.
Herleitung aus *earunculago.
Heraeus W. Noch einmal haud impigre. Fleckeisens Jahrb.
CXLII 501—507.
Meyer-Lübke W. mamphur. Philologische Abhandlungen, H.
Schweizer-Sidler ... gewidmet (Zürich 1891). 5. 24—28.
Das ἅπαξ λεγόμενον mamphur (Paulus Diaconus 132, 1) gehört
zu frz. mandrin "Planscheibe u. s. w.’, senes. manfa, manfano, it.
manfanile. Dem Wort ist / nicht ph zuzuschreiben. Idg. mbh, ndh
wird lat. nicht zu nf, Neben osk. manfar muss lat. mandar be-
standen haben. Jenes wird im osk. Gebiet zu mafar. Im Rom.
fand Kontamination mit mandar statt. Zu vgl. an. mondull, viel-
leicht gr. μόθουρας.
Netusil J. Zur Etymologie und Semasiologie von iste und
ipse nebst Zubehör. Archiv f. lat. Lex. VII 579—81.
Findet in ihnen nicht suffigiertes so und fo, da -ο lautgesetz-
lich nicht zu -e werde, sondern -se und -te, die kurzen enklitischen
Formen des Reflexivs und des Pron. der 2. Pers., deren Existenz
auch für den Dativ im Lat. angenommen werden kann. ste
“der dir d. h. der, welcher zu dir in irgend einer Beziehung steht’
oder “der, denke dir’ zpse — “der gerade, welcher in irgend einer
Beziehung zum (gramm. oder log.) Subjekt des Satzgefüges steht’.
-se und -te können auf kurzes -sz -t7 eben so zurückgehn, wie mare
auf *mari.
180 Bibliographie.
Stephens G. ver — spring. Skandinavisches Archiv I 154—59.
Stolz F. Lat. strufertarius. IF. I 332.
Strachan ambulare. Class. Rev. V (1891) S. 377 £.
Von einer Wurzel el : ol ‘gehn’. Vgl. ir. ad-ellaim, kymı.
elaf (Futurum), korn. ellen “gehe', amb-ulo “"umhergehn'.
Strachan Latin sibilus, sibilo. BB. XVIII 147
Zu ir. söge, sidhe, sighe “a blast' Wz. swerdh. Das nebenste-
hende air. settim stützt K. Meyers Vermutung (ΚΖ. XXVIII 169),
dass dh+t zu kelt. t werde.
Strachan Lat. perendie. IF. I 500—501.
Stürzinger sursum von surgere. Archiv f. lat. Lex. VII
SITE
sursum ist Partizip von surgere,
Reinach S. Recherches nouvelles sur la langue etrusque.
L’Anthropologie II (1891) 5. 108—12.
Referat über Bugges neuere Untersuchungen über die nähere
Verwandtschaft des Etruskise hen mit dem Armenischen.
Lattes E. L’insriziono etrusca della tazza vaticana di Cere.
Suppl. Period. all’ Archivio Glott. Ital. Prima Dispensa
1891 Ss. 19—53.
Ebers G. Etruskisches aus Ägypten. Beilage zur Allgem.
Zeitung 1892 No. >.
B. YVulgärlatein.
Sittl K. Jahresbericht über Vulgär- und Spätlatein 1884—
1890. Jahresber. über d. Fortschritte ἃ. klass. Altertums-
wissenschaft LXVIII 226-240.
Unvollendet. Beginnt mit dem Bekenntnis: “Das Vulgär-
latein, mit welchem die Latinisten operieren, ist ein
Phantasiegebilde”. Die neuere Entwickelung leidet an dem
Grundfehler, dass sie zwischen lebenden und toten Sprachen kaum
unterscheidet. Die unzulängliche Überlieferung ist schuld, dass
es für das Lateinische und Griechische keine Laut-, sondern
nur eine Buchstabenlehre gibt. Nur das Schriftlatein bildet
aber das Objekt der latein. Sprachwissenschatt. Das Vulgärlatein
könnte a priori nur auf 2 Wegen zu unserer Kenntnis kommen:
l. Durch Dialektpoesie. Diese aber bei den Römern etwas
undenkbares: mit Bewusstsein hat niemand vulgär geschrieben.
2. Durch grammatische Darstellungen. Was sie aber sagen, ist
nur eine Warnung vor dem regellosen Pöbel; daher das krause
Gemisch von Vulgarismen, Misverständnissen und unpassenden Lese-
früchten.
Unsere direkte, kombinationsfreie Kenntnis der römischen
Umgangssprache reduziert sich auf die beschränkte Anzahl von
Wörtern, welche die Schriftsteller mit “voulgo’ u. dgl. bezeichnen.
Dieses Sammelsurium, das aus allen Perioden ne lat. Sprache und
aus allen Ländern des Reiches zusammengetragen ist, kann eben-
sowenig einen Begriff vom Vulgärlateinischen geben als etwa die
mit “veraltet” bezeichneten Wörter des Lexikons einer neuem
πον
nn πρυνυθων καῖ
φῶ" mr
ἊΝ
ἘΒ
mn as
΄....»..
zer
Bibliographie. 181
Sprache die Entwickelungsstufen des ältern Französisch, Spanisch
u. dgl. Für die griech. ευνήθεια oder κοινή umspannen solche Quel-
len noch ein paar Jahrhunderte mehr. — Anwendung dieser Grund-
sätze im flg.
Monceaux Le latin vulgaire d’apres les dernieres publieca-
tions. Rev. des deux mondes, 15. juillet 1891. 5. 429—48.
Lindsay W. M. Spuren vulgärlat. Betonung bei den alten
Dramatikern. Archiv f. lat. Lex. VII 596 ἢ.
Über Pänultimabetonungen wie mulöerem, parietem u. del.
ἢ Gröber Arch. I 223 und Meyer-Lübke in Gröbers Grundriss
©
σς
©
Thurneysen R. Zur Bezeichnung der Reziprozität im gall.
Latein. Archiv f. lat. Lex. VII 523—27.
Knüpft an Thielmann Arch. VII 543 an und behandelt die
Verbindung des Verbums mit inter (ls s’entr'aiment inter se
«ımant), die sich bis zu den ältesten Denkmälern zurückverfolgen
lässt. Kontamination der ältern Ausdrucksweise inter se amant
und se interamant, wodurch önter- zum Hauptträger der reziproken
Bedeutung ward. Dieser Gebrauch ist eine Eigentümlichkeit des
alten gallischen Sprachgebiets und führt auf keltischen Einfluss.
Irisch wie Brittisch stimmen in der Bezeichnung der Reziprozität
überein: sie komponie ren das Verbum mit der Präposition ir. Zmm-,
kymr. ym- “um’. Wenn auch die französ. Komposita mit entre-
keine direkten Überse tzungen des entsprechenden gall. ambi- sind,
so stammt doch aus der vorromanischen Landessprache die Ge-
wohnheit, die Reziprozität durch Verbalkomposita auszudrücken.
Das Keltische hat also nur die innere Sprachform geliefert;
alles äussere stammt von Rom.
Kubler B. Die Appendix Probi. Archiv ἢ. lat. Lex. VII
593 — 9.
Stützt Gaston Paris’ Ansicht, dass wir es mit einem afrikan.
Dm. zu thun haben.
Friedländer L. Petronii cena Trimalchionis. Mit deutscher
Übersetzung und erklärenden Anmerkungen. Leipzig Hirzel.
82. 5.M.
Rönsch H. Colleetanea philologica. Herausgegeben von C.
Wagener. Bremen Heinsius. 325 5.
Saalfeld G. A. De Bibliorum sacrorum Vulgatae graeeitate.
Quedlinburg Vieweg 1891. XVI u. 180 5. 8°. 7,50 M.
Zusammenstellung sriechischer Lehn- und Fremdwörter mit
Angabe sämtlicher Belege.
Bourciez E. De praepositione ad casuali in latinitate aevi
merovingiei. These. Bordeaux Cadoret. Paris Klincksieck.
110. 5.
Bonnet M. :nane Femininum. Archiv f. lat. Lex. VII 568.
Beispiel für diesen Genuswechsel aus Gregor v. Tours.
Gröber G. Zu colpus, colfus. (Arch. VII 443). Archiv f. lat.
lex. VII 522
189 Bibliographie.
Die Anwendung von colpus im Lat. ist für frühere Zeit
a. a. 0. dargethan, aber 1) nur für Italien, 2) in der Schreibune
mit / doch erst für das 14. Jh. p zu f, ist also italienisch, und
golfo ist vom adriatischen Meere nach Westen gewandert.
R. vw. Planta. . W..Streitbers:
C. Romanische Sprachen.
Araujo F. Recherches sur la phonetique espagnole (Suite).
Phonet. Studien V 2.
Baist G. Die arabischen Laute im Spanischen. Roman. Forsch.
IV 345—422 (Schluss folgt.)
Michaelis C©. Der “portugiesische’ Infinitiv. Roman. Forsch.
ΝΠ 49—122.
Oreans K. Die o-Laute im Provenzalischen. Roman. Forsch.
IV 427—482.
Blanc A. Vocabulaire provencal -latin. Rev. des langues
romanes V 29—88.
Publikation eines ma. Glossars nach 2 Hss. der Nationalbib-
liothek.
Godefroy Dictionnaire de l’ancienne langue francaise et de
tous ses dialectes du IX®. au XV*®. sieele. 5. 481—960.
Paris Bouillon.
Cledat Nouvelle grammaire historique du francais. Paris
Garnier freres. VI u. 279 8. 12°.
Darmesteter A. Cours de Grammaire historique de la lan-
gue francaise. 1 Partie. Phonetique. Publice par les soins
de M. Ernest Muret. Paris Delagrave 12°. 2 Fr.
Araujo F. 1’@volution phonographique de 1 οἱ francais. Rev.
de philologie franc. et prov. V 96--154. 161— 14.
Horning A. Zur Behandlung der tonlosen Paenultima im Fran-
zösischen. Zeitschr. f. roman. Phil. XV 493.
Cron .J. Die Stellung des attributiven Adjektives im Altfran-
zösischen. Strassb. Diss. 84 5. 4°.
Meder !F. Pas, mie, point im Altfranzösischen. Marb. Diss.
om 4
DS ἸΘΙς:
Tobler A. Kleine Beiträge zur franz. Grammatik. (Philol.
Abhandlungen, Schweizer -Sidler ... gewidmet S. 1—15)
Zürich 1891.
l. donc. 2. des cent ans. 3. Asyndetische Paarung von Gegen-
sätzen. 4. Sl faisait beau, je partirais.
Rousselot Patois de Cellefrouin. Etude experimentale des
sons. Rev. ἃ. patois gallo-romans. H. 14. 19.
Thomas A. u. Hatzfeld A. Coquilles lexicographiques. Ro-
mania XX 464—69.
Alignonet, alpagne, anuer, awalies.
γ 6}
)
Bibliographie. 18:
Förster W. Etymologien. Zeitschr. f. roman. Philol. XV
522 ff.
train — trahinum . prone aus proisnier —- procinare . poulain
— pullinum .terrain — terrinus. pugnale aus pugnus .pro, prode,
prodom; F. setzt drei verschiedene Grundformen an: 1. prode zu
volkslat. *prödis pröde. 2. pros prosa aus *prorsus. 3. prode aus
prövidus.
Cornu J. paisible. Zeitschr. f. roman. Philol. XV 529.
paisible *plaisible zu placere wie cheville —- claväla.
Geijer P. A. cabaret. Romania XX 462.
Bestätigung von Lognons Etymologie "caput arietis’.
Meyer G. Alcune aggiunte all’ articolo del Morosi sull’ ele-
mento greco nei dialetti dell’ Italia meridionale. Arch.
Glott. Ital. XII 137—40.
Vgl. Arch. XII 76 ff.
Morf H. tutti ὁ tre. (Philol. Abhandlungen, H. Schweizer-
Sidler.. gewidmet S. 71—79). Zürich 1891.
Tiktin H. Gramatica rominä. Partea I. Etimologiea. Jasi
Saraga X u. 248 S. 8°.
Weigand S. Die Vlacho-Meglen. Eine ethnographisch-philolo-
gische Untersuchung. Leipzig Barth. XXXVIu. {SS. gr. 8°.
3,60 ΜΝ.
A. Becker.
V1ll. Keltisch.
Holder A. Altceltischer Sprachschatz. Heft 2. Leipzig Teub-
ner 1892. Sp. 257—512.
Von *Atepiacus his *branös ‘Rabe’.
Zimmer Keltische Studien. ΚΖ. XXXII 153—240.
9. Syntaktisches. Die Untersuchung knüpft an Wackernagels
Erklärung von Αἴαντε Τεῦκρός τε (ΚΖ. XXIII 308) an und bringt
Belege aus dem Irischen. — 10. Zur Personennamenbildung im Iri-
schen: a) Vollnamen und Kosenamen für ein und dieselbe Person
belegt. Ὁ) Namenartige Bildungen. οὐ Konsonantenverdoppelung
bei Bildung der Kosenamen (wie fürs Germanische u. Griechische
nachgewiesen) findet auch im Ir. in Fällen wie Fintan statt. d)
Kosenamen und Deminutivbildung: entweder ohne jedes neue Suffix,
oder (was am häufigsten) durch ἄγη (an) tan (vgl. gr. -wv -των),
Dies in air. Zeit das einzige produktive Deminutivsuffix. Austausch
zwischen Kosenamenbildung und Deminutivbildung, wodurch eine
ganz neue Form der Kosenamenbildung aufkam, die im 6.—8. Jh.
produktiv war. e) Zum Ursprung der Kosenamenbildung. Derselbe
sei Form der zärtlichen Anrede. Es findet sich im Täin bo Cual-
nge die Kurzform für Cuchulaind nur in kosender Anrede. [Da-
her seien auch die Kurznamen, die im Böot. auf -n gegenüber att.
-nc ausgehen, Vokative; vgl. auch die Vokative als Nominative
bei Eigennamen in den serb. Volksliedern]. — 11. Uber das Alter
dialekt. Erscheinungen im Irischen: die Orthographie des 6. Jh.
Anzeiger 1 2. 15
154 Bibliographie.
deckte sich so ziemlich überall mit den Lauten. Von da ab die
Orthogr. fast unverändert. Spuren verschiedener Dialekte a) ver-
schiedene Entwickelung des urir. οὐ, in Connacht-Ulster und in Mun-
ster-Leinster. b) Unterschiede zwischen Nord- und Südirland in der
Entwickelung des Konsonantismus. — 12. Endlichers Glossar, ein
zalloromanisches Denkmal des V. Jahrhunderts. Es stellt im we-
sentlichen vulgärlateinische (romanische) Wörter gallischen Ur-
sprungs, die in der roman. Volkssprache jener Zeit vorkamen, zu-
sammen und erklärt sie: die Flexion sowohl der erklärten wie
der erklärenden Wörter ist romanisch. Heimat des Denkmals in
Südgallien.
Rhys J. The Rhind Leetures on Archeology, in eonneetion
with the Society of Antiquaries of Scotland delivered in
December 1889 on the Early Ethnology of the Britith Isles.
Unveränderter Sonderabdruck aus der Scottish Review (1890 —
91). Zur Zeit, da die idg. Dialekte sich noch wenig unterschieden,
sei das Alpenland von einem idg. sprechenden Volk bewohnt ge-
wesen. das p für g anwandte, was auf nichtidg. Ursprung deute.
Dies Volk teilte sich in drei Teile und diese wanderten 1. nach
Griechenland, 2. nach Italien, 3. in das keltische Gebiet. Der Zweig
der p-sprechenden Idg. in keltischem Gebiet sind die “Gallier’. ge-
genüber den ἡ- sprechenden übrigen Kelten. Ähnlich sei der Über-
gang von U zur (Ü zu erklären. Zwei folgende Abhandlungen
behandeln die Mischung der Bevölkerung der britischen Inseln mit
nichtidg. Bestandteilen, die letzte betrachtet "National names of the
aborigines of the British isles’. Vgl. das Referat von Bradley Aca-
demy 1892 No. 1027 5. 41 f. und D’Arbois de Jubainville Rev. Ceit.
XI 477 {
Stokes Wh. Zu den kelt. Etymologien in Fieks Wörterbuch.
Academie 1891 Nr. 1015:48S. 329'£.
Williams Ch. A. Die französischen Ortsnamen keltischer Ab-
kunft. Strassburg Heitz. 87 S. ‘gr. 8%. 2 .M.
D’Arbois de Jubainville Les noms gaulois dont le dernier
terme est 720. dans le livre de bello gallico. Rev. arch£eol.
XVII 82—99. 187—206.
Behandelt werden Boiortx, Toutio-rix (roi des eitoyens’),
Vasso-rix (roi des garcons ), Visu-rie (roi de la science’), Catu-
riges, Ambio-rie (“roi des remparts’), Cingeto-rie (“roi des guer-
riers’), Dumno-rte (τοὶ profond’ “grand roi’) und andere zu den-
selben Stämmen gehörende Wörter.
Stokes W. The Ogham inseriptions at Ballyknock. Academy
1891 II S. 459.
Zu Ballyknock in der Grafschaft Cork wurden 1859 Ogham-
inschriften gefunden, die E. Barry 1890 photographierte. Sie finden
sich übersetzt, kommentiert und mit Noten versehen durch Prot.
Rhys im “Journal published by the Royal Society of Antiquaries of
Ireland’. Khys hat sie 1891 selbst in Augenschein genommen. Es
sind 15 Inss.: 1. Marlaguro maq ... lila. 2. Lama de licei mac
maic Broce. 3. Eracobi magi eragetati. 4. Grilagni magi sellagni.
Ὁ. Oltueoanas magi magi treni. 6. Drutiquli magt mage:: rodagni
(rrrodagni). τ. Branan mag? ogoli. 8. Bogai magi Biraeo. 9. Uro-
nun mac Bait. 10. Blat egsi. 11. Acto magi M... mago. 12. Er-
Bibliographie. 185
“αὐ dana. 13. Dommo maqu viducuri. 14. Anm meddugint. 15.
C(o)saloti; der 2. Buchstabe ward als « von Barry, als o von Rhys
gelesen.
1. 2. 9. 10. 12 altirisch von 600—900. Der Rest altkelt. d. i.
gall. in bezug auf Altertümlichkeit der Sprache.
Ascoli Sulle vocali attratte, nell’ irlandese. Suppl. Period.
all’ Arch. Glott. It. Prima dispensa 1891 ὃ. 73—16.
Thurneysen R. Das sog. Präsens der Gewohnheit im Irischen.
IF. 329—32.
Thurneysen R. Der irische Imperativ auf -the. IF. I460—463.
D’Arbois de Jubainville Le systeme de numeration duod£-
cimale en Irlande. Rev. Celt. XII 482 £.
Über das irische “Grosshundert’.
Meyer K. Loanwords in Early Irish. Rev. Celt. XII 460—69.
Fortsetzung von X1495 ff. Es werden angeführt 1) nordische,
2) ags. und aengl., 9) lateinische, 4) afranz. Lehnwörter.
Stokes W. Addenda et Corrigenda. ΚΖ. XXXII 319 £.
Zu KZ. XXXI 232—255: Hibernica d. s. irische Glossen.
Stokes W. On the Bodleian fragment of Cormae’s Glossary,
gelesen in der Sitzung der Philological Society vom 4. XL.
91. 98 S. 8°. Vgl. das Referat der Academy 1891 II S. 567.
Das Glossar ist ein mir. Etymologieum. Folgende darin vor-
kommende Wörter sind etymologisiert worden: 1. al "disgrace’,
got. agls. — ὃ. dss "growth’, πατέομαι fodjan. 3. bel “lip’, idg.
*getlos, giban |vgl. Wiedemann IF. 1513]. — 4. bothar ‘road’, nhd.
Pfad. >. fetaim setaim "I am able’, swinhs. — 6. forosna ‘illu-
mines’, got. sunno. — T. laith "champion’, πάλη πόλεμος. --- ὃ. lau
little’, ἐλαχύς. — 9. lethech, mhd. vluoder “Flunder’. — 10. lomm
“bare’, abg. lupiti “detrahere’. 11. Zue "steering oar’ (Stamm *lu-
pet), slav. lopata “shovel’. — 12. mend “κα, alb. ment ‘to suck’.
— 15. methoss ai. mit. — 14. mon “trick’, abg. maniti “trügen’. —
15. orgem “I destroy’, gall. Orgeto-riz gr. ἐρέχθω. — 16. orn “de-
struction’, ἔρις. — 17. pattu “hare’ entlehnt aus frz. patte. — 18.
por foot’ v. afr. poe. — 19. ranc “baldness of the temples’, entlehnt
von brit. Verwandten des lat. runco. — 20. robud "forewarning’ v.
ro — pro und δια :bödhäami. — 21. rucht "mantle’ (St. ruktu-) :
nhd. Rock. — 22. saim “ἃ yoke’, ἅμα. — 23. sen ‘a net’, ἔχω. —
24. #ui "an eulogy’ (Gen. uath), ὕμνος.
1. 2. 10. 12. 20 sind von Strachan, 15. von Per Persson, 18.
von Kuno Meyer.
Stokes W. On the linguistic value of the Irish annals. BB.
XVII 56—132. (Reprinted, with additions and eorreetions,
from the Proceedings of the Philological Society, for 1890.)
Nach Aufzählung des benutzten Materials werden behandelt
I. Irish words etymologically interesting: accidecht, altru,
Anmargach (Däne), archt, brech (vrka-), cel (an. Ποῖ), ceiss (cista),
cimbid (1. cingo), cin (ποινή), coimm (köußoc), condem (kvwdwv), cule
(καλτά), culebad (culex), dadaig “at night’, daig (ai. dahati), diberg
(di —- lat. de, Intensivpräf. und berg, verw. mit fr. brigand), di-
miecin, diu (= oxyton didu), dremire (Wz. dreg zu nhd. Treppe),
186 Bibliographie.
duirthech (Komp. d [:ad] + or [:lat. oro] + teg), ech-lase (Engl.
lash), eiss (pestis), €ss? LT (lat. ansa), rel (οὔλος), fichim
(vinco), fin-scothach (fin ἤνοψ 2), fochann (0.6), fael (arm. garl),
foirsed (vorso), fo-morach (mare Hi ntght-mare “"lamia’) geltai (da-
von an. verda at gyaltı, vol. gr. xelıdwv) gemel (gemimi?) gen (ai.
han), immoneitir, ini (v on ingen), machtarm (uaxaıpe), matta (mast).
rO- midratar, mucc, muir-tucht (TeuKtöc), nemed (veuerov), nomad,
aco “at’, othar (lat. puter), rathannatb D. Pl. (lat. ratis), rogach (ro-
gare), Sabrann (Ptolemäus’ Zaßpiva), scalan (*scanlo- zu cknvN), SCO-
thaim (skapjan), sengan (stingagno- zu e. > sonn, sruith, tlu-
sach, toeb, tunna (entlehnt von 15]. funna?). — 11. 1 Low-Latin
Words. 2. Irish Loans from Latin. — ΠῚ. 1. Cymrie names.
2-lrish a from Welsh. — IV. Pictish names and other
words. — Υ͂. 1. als Norse names and other words. Old-Norse
words quoted. 2. Irish loans from Old-Norse. — VI. 1. Anglo-
Saxon names. 2. Irish loans from Angelo-Saxon. 3. Irish
loans from Middle-English.
Stokes W. The Celtic etymologies in Fick’s comparative
dietionary Vol. I. Academy 1891 Nr. 1015.
Strachan J. vas “essen. KZ. XXXII 320.
Vgl. Geldner ΚΖ. XXVI 217. Ir. festar könnte auf *vevosatar
oder etwas ähnliches zurüc kgehn.
Gaidoz H. Notes sur l’ötymologie populaire et l’analogie en
irlandais. ΚΖ. XXXII 319.
I. Etymologie populaire A) Noms communs. Anm-
chara nichtlautgesetzliche Umbildung von anacorita, angcaire
von anchora, baisdim von baptızo, bendacht u. maldacht, v. bene-
dietio maledictio, brisca v. frz. biscuit, caindel v. candela, callaid
v. callidus, coiler v. frz. carriere, corsercad v. consecratio, conblicht
v. conflectus, ceruimther v. presbyter unter dem Einfl. des Kymri-
schen, eruththaightheoir v. ereator, espartain v. vespertina, ithfern
v. infernus, murchat, ordagraiffe v.orthographia, senmötr v. sermo,
serr-cend v. serpens, sabaltair v. sepultura, umal v. humalis. —
B) Noms propres. Anerıst, Anmargach, Antuaid, Apstalon ÜCenn-
turto, Diuternoim, Farsaid, Genfamani, Golgotha, Hiruwath, Iudas
Scartiöth, Latmhiach, Neamruaidh, Patifarsa, Torinis. — 11. Ana-
logie Gen. sethar nach athar usw., cechtar de "un des deux’ für
cechtar allein. Anglaicemhail wie die Adjektive auf /s/amhail, est-
dein für E-side "lui-meme’ nach fadein "meme’, Octimber nach No-
rimber.
Hogan E. Irish-phrase book. Dublin Sullivan 144. 12°.
Rhys J. Man’s Folk-Lore and superstitions. Folk-Lore II
(1891) 5. 284— 314.
Loth E. Les mots latins dans les langues brittoniques (gal-
lois, armoricain, eornique) phonetique et commentaire avec
une introduction sur la romanisation de l’ile de Bretagne.
Annales de Bretagne t. VI 561—645.
Ernault Glossaire moyen breton (suite). Mem. Soc. Ling.
VII Heft 4.
Anz. I 1 5. τὸ fälschlich Emault gedruckt! Inhalt: Die
suchstaben an, n, 0.
3ibliographie. 157
Ernault E. Noms bretons des points dans l’espace. Rev.
Celt. XII 413—20.
"IX. Germanische Sprachen.
A. Allgemeines.
Paul Grundriss der germanischen Philologie. II. Band. 1. Ab-
teilung. 6. Lieferung. Strassburg Trübner 1892.
Osthoff H. Germanischer Sprache Eigenart. Frankfurter Zei-
tung 1891 No. 294 u. 29.
Dassonville A. Over den germaanschen tweeklank az. Phi-
lolog. Bijdragen. Bijblad van ’t Belfort. Gent 1892 No.1.
Ss. 1—17.
Streitberg W. Anord. fyggja und Verwandtes. IF. 1 515 ἢ
Über j nach anlautendem Konsonanten.
Breal M. Anciens mots germaniques d’origine latine. Mem.
500. ling. VII 4395 —46.
1. Ahd. chranz stellt Vulgärlatein *coronatus, *ceronatus dar.
2. Got. wadi von vulgärlat. vadium. 3. Ahd. pfant vulgärlat.
"pantum aus *panctum statt pactum. 4. Ahd. chohhäri von lat.
carchestum, mit dem Suffix -οὐὶ lat. -artum. carch wurde zu
chohh wegen der Schwierigkeit der Aussprache. 5. Got. plapja
von lat. platea. 6. Got. mes von lat. mensa. 7. Ahd. zelt von vul-
gärlat. *tenda, von welchem prov. ital. tenda, span. fienda herkom-
men. ὦ aus n, wie in as. οὐαί, got. in-kilbo “schwanger” =- ahd.
chind. 8. Ahd. wwih “oppidum’ von lat. vicus.
Breal M. Notes tymologiques. Mdm. soe. ling. VII 450.
Über salida.
Erdmann A. Die Grundbedeutung und Etymologie der Wör-
ter Kleid und Filz im Germanischen nebst einem Exkurs.
(Skrifter utgifna af Humanistika Vetenskapssamfundet i Up-
sala 1 5) 48 S.
Holub J. I. 1. Der Name “Germani’ in Taeitus’ Germania.
2. Tungri — ein gallischer Stamm. Il. Der erste Ger-
5 τ
mane wurde nach dem Zeugnisse des Tacitus aus der Erde
gebildet. Freiwaldau Titze. 25 S. gr. 8°. 0,50 M.
Müllenhoff Deutsche Altertumskunde 3. Band. Berlin Weid-
mann. XVI.u. 382 8. gr. 8°. 10M.
Grienberger Th. v. Germanische Götternamen auf rheinischen
Inschriften. HZ. XXXV 5388 —401.
1. Mars Halamardus (zu an. halr ‘Mann’ u. nhd. mord: "Mann-
mörder’. — 2. Dea Sandraudiga (das erste Glied findet sich in
Sandrimer, Bedeutung “verax’, das zweite gehört zu got. audags
usw., Bedeutung: “sehr selig’. — 3. Mercurius Leudisto (leudis-:
ags. leod Fürst’; *leudisjan herrschen’). — 4. Dea Vagdavercustis
(-vercustis zum Namen der Göttin Vercana, unserm Werk). Das
188 Bibliographie.
Suffix -ust- deutet auf alten es-Stamm. Vagda- zu ahd. -wegida in
kiuuegida "vegetamen’ nötuuegida "violentia’. Bedeutung: “die Le-
benskraft wirkende’. 5. Hercules Saxo (en-Stamm; "der Schwert-
bewaffnete’) kein Gott, sondern Heros.
Jaekel H. Die Hauptgöttin der Istvaeen. ZZ. XXIV 289—
an
l. Nehalennia. 1. Denkmäler und Inschriften. 2. Nehalennia
und Hercules Macusanus; beide müssen als Gatte und Gattin be-
trachtet werden. 3. Die Attribute Nehalennias. 4. Der Name Neha-
lennia. Suftix -njo-, Stamm *Nehal got. "nailval- zu latein. ne-
qualia, gr. νέκυς. Bedeutung: “Töterin’. — Il. Aödıwa. Ein Beiname
der westistvaeischen Hauptgöttin, der sie als Ehegöttin charakteri-
siert. — III. Die Hauptgöttin der marsischen Istvaeengruppe: Tan-
fana oder Tamfana zu Wz. dam (gr. dauvdw usw.), deren p-Er-
weiterung in dem Namen vorliegt. Bedeutung: "Bezwingerin'.
Much R. Jupiter Tanarus. HZ. XXXV 372—14.
Kelt. Tanarus mit Dunar aus derselben Quelle entsprungen.
Sein an wie das germ. un nn-. Vgl. den Flussnamen Tanarus
bei Plinius, Bed. “der rauschende’. Wie im Germanischen *Dreus
zum Kriegsgott geworden ist, so auch im Keltischen, vgl. Mars
Loucetius oder Leucetius "der leuchtende’, d. 1. *Dreus.
Much R. Requalivahanus. HZ. XXXV 374— 6.
Nom. *Requalivaho. rega- zu rigts wit Holthausen Bonner
Jahrbb. LXXXI 81 f., doch sei als Grundlage ein @a-Stamm rekra-
anzusetzen. -Uvah- got. *leibahs lebendig’ geht nicht an, viel-
mehr ist /iveo, Iiwidus usw. heranzuziehen. Bedeutung: “der dun-
kelfarbige’, ein genaues Gegenstück zu kymr. Gweynli, gall.
* Vindolivus "der hellfarbige’. Der Name ist eine passende Bezeich-
nung für den Gemahl der schwarzen oder halbschwarzen Hel.
x Ye 7 - - Ἂς ὟΣ 7 r 7 .«},.9 or
Much R. Die Sippe des Arminius. HZ. XXXV 361—311.
Rekonstruktion der Verwandtschaftsverhältnisse, Deutung von
bu(s) in Θουςνέλδα und Θουμέλικος, die mit der von Streitberg (PBrB.
XV 506) gegebenen im wesentlichen übereinstimmt. -cveAda sei ver-
schrieben aus -cveAAa. Οὐκρόμιρος ugro- gewaltig’ —+ mero-. Arpus
“anas mas’ zu ags. eorp "fuscus’. Gandestrius im Suffix zu and.
agastria “Elster” u.a. zu stellen, “Jupus’; Grundbedeutung "gäh-
nend’. Segestes zu carmmisch Segeste. “‘Pawc zu an. ramr "stark.
B. Ostgermanisch.
Wilser L. Die Ostgermanen. Ausland 1891 No. 49.
Wright J. A primer of the Gothie language with grammar,
notes and glossary. Oxford Olarendon Press 1892. XI u.
2418.92. 458: 0.
Schröder E. Exkurs über die gotischen Adjektiva auf -ahs.
HZ. XXXV 376--79.
Neben den häufigen got. Adj. auf -ags (-eigs) steht eine kleine
Gruppe auf -ahs. Durchgreifender Bedeutungsunterschied zwischen
beiden Kategorien: den erstern liegt ein abstrakter Nominalstamın,
natürlich mit der Vorstellung des Singulars, zu Grunde, den letz-
tern der Nominalstamm eines Konkretums mit der Vorstellung der
Mehrheit. mödags, wulbags usw. "iracundia, gloria... praeditus
Bibliographie. 159
(affeetus)” — stainahs "saxosus, saxorum plenus’. Der Unterschied
war germanisch, nicht bloss erotisch. Dem got. stainahs entspricht
ahd. steinaht, nicht steinac. Formell sind die beiden ersten nicht
völlig identisch.
Wiedemann Ὁ. Got. sailwan. IF. I 237—59. Got. fairgunt.
IF. I 436.
Wiedemann Ὁ. Gotische Etymologien. IF. I 511—1D.
>
1. bairhts 2. mahljan 3. gipan.
C. Nordgermanisch.
Bugge S. Norges Indskrifter med de wldre Runer. Udgivne
for Det Norske Historiske Kildeskriftfond. 1. Heft. Chri-
stiania 1891. 48 5. 4°.
Kock A. Untersuchungen zur ost- und westnordischen Gram-
matik. Skandinavisches Archiv, hrsg. v. E. Th. Walter.
Bd. I Heft 1. S. 1—58. Lund nn
I. Zur Frage über den Nom. Sg. auf -ain maskul. n-
Stämmen. Der isl. Typus ‘Sturla’ ist nicht altertümlich; die hier-
hergehörigen Worte sind z. T. ursprüngliche Feminina mit regel-
mässiger n-Stammbeugung, z. T. Lehnworte, die im Nom. Sg. die
Endung -a bewahrt haben, die sie in der Sprache hatten, aus der
sie entlehnt sind. II. Zur Breehung des y im Altschwedi-
schen. Für die aschw. Reichssprache gilt das Gesetz: wenn dem
y ein palataler Konsonant unmittelbar vorausgeht, so wird es vor
tautosyllabischem 7 zu u gebrochen. II. Östnordische En-
dungsvokale. 1) Die Adjektivendung -likin, -likit. K. ver-
teidigt die Annahme, dass -Kkin aus -likan hervorgegangen, gegen
Noreen (Arkiv V 390. 2) Zum Wechsel der Endungsvokale
«:o im Altschwedischen. Während im cod. bildstenianus
(1420—50) der Gebrauch der Endvokale «:o in der Hauptsache
keiner bestimmten Regel folgt, wird S. 676—125 das Vokalbalance-
Gesetz angewandt, nur dass dem s-Laut auch nn u vorausgeht,
wenn man nach dem Gesetze ὁ erwarten sollte. 8) Wechsel von
e:e im Altdänischen. In der Hs. ‚von Manderities Reise (aus
dem J. 1459) wird unabhängig von dem Ursprunge des Endungs-
vokals in offener Silbe τὸ, in geschlossener gewöhnlich e gebraucht;
doch steht in eschlossener Silbe einige Male ὁ, besonders nach
Palatal (g, k). IV. Vokalverlust bei Hiatus im Altschwe-
dischen. Wenn ὁ (6) in einer Silbe mit levissimus (dem schwäch-
sten Exspirationsdruck der Sprache) unmittelbar einem andern Vokal
nachfolgt, so wird 2 (e) lautgesetzlich mit diesem kontrahiert, so
dass ἡ (6) verschwindet und der vorhergehende Vokal stehn bleibt.
V. Zum Werte von αὶ im Altschwedischen. Nachweis, dass
im Aschw. z den Lautwert ss haben konnte.
Ross H. Norsk Ordbog. Tilleg til "Norsk Ordbog’ af Ivar
Aasen. 7. H. Christiania o& Kjobenhavn 1891.
Thorkelsson Jön Beyging sterkra sagnorda i islensku. Heft
1—4, Reykjavik 1888—91. 8°.
Vgl. die wichtige Rezension von E. Wadstein Arkiv VIN
88---οὉ, :
190 Bibliographie.
Noreen A. Bidrag till den fornnordiska slutartieckelns historia.
Arkiv VIII 140—152.
Handelt über die zweisilbigen Formen des suffigierten Ar-
tikels.
Larsson L. Ordförrädet i de älsta islänska handskrifterna
leksikaliskt ock gramatiskt ordnat. Lund Ph. Lindstedt.
V 149828240
Beckmann N. Om y-typen som tecken för ändelsevokaler i
Sielinna Tröst. Ett bidrag till läran om fornsvenskans
länga ändelse-vokaler. Arkiv VIII 167—175.
Noreen A. Bidrag till äldre Västgötalagens täkstkritik I.
(Arkiv VIII 176—181.)
3ringt einiges Grammat. z. B. über die an. maskul. auf -a
(Sturla etc.).
Wennström E. & Jeurling ©. Svenska spräkets ordförräd.
2.—4. H. (Schluss). Stockholm.
Cederschiöld G. Döda ord. (Nord. tidskr. f. vetenskap, konst
och industri 1891. 8. 457-178.)
Behandelt Worte, die in der jetzigen schwedischen Reichs-
sprache ausgestorben sind, aber in der ältern Litteratur noch an-
gewandt werden.
Lyttkens J. A. & Wulff J. A. Svensk uttals-ordbok. 2. H.
Lund. Gleerup. 8°.
Andersen Κ΄. Gentagelsen. (Dania I 198—225.)
Schluss der Abhandlung ibid. SI—9%. (vgl. Anz. f. idg. Spr.
Ὁ. 14).
Jespersen O. Lydskriftprever. (Dania I 226—232).
Dänische Dialektproben in der Lautschrift der Dania.
Lund L. Tolv Fragmenter om Hedenskabet med szrligt Hen-
syn til Forholdene 1 Nord- og Mellemeuropa. 1. Bd. 1. Heft.
Kbhn. Reitzel. 504 5. 8°.
Falk Hj. Martianus Capella og den nordiske Mytologi. (Aarb.
f. nord. Oldk. 1891 5. 266—500.)
Der Verf. nimmt die Schrift: De nuptiis Philologie et Mer-
eurii mit Notkers Kommentar zum Ausgangspunkt mythologischer
(in Bugges Sinn gehaltener) Untersuchungen. Er behandelt: 1)
Die Erschaffung der Menschen. 2) Das Sonnenschild. 5) Od-Ado-
nis. (Od gehört zu ödr "Dichtung’; die Deutung Adon(is) ἄδων
ist im MA. gewöhnlich). 4) Der Name Loptr für Loke. (Loke wird
mit Vulkan zusammengestellt, Loptr aörius. Die Schilderung
Vulkans in Notkers Kommentar stimmt zu den Vorstellungen, die
die Nordleute von Loke hatten). 5) Die Flüsse der Grimnismäl.
6) Vorstellungen vom Monde. τὸ Uber Spuren der Dämonenlehre
der klass. Litteraturen in der nord. Mythologie. 8) Haben die Tiere
in der Yggdraselsesche ihren Ursprung in der Astrologie des MA?
9) Fjolsvinnsmäls Lyfjaberg.
Hjelmgvist T'h. Naturskildringarna i den norröna diktningen.
Antiqv. tidskr. f. Sverige XII 1. 217 S.
Bibliographie. 191
S. 44 ff. behandelt das Verhältnis der Mythologie zur Natur-
betrachtung.
Meyer E. H. Skabelsesleren i Eddaerne, ved H. Anker. Ha-
mar 430.889,
D. Andersen u. G. Morgenstern.
D. Westgermanisch.
Erdmann A. Über die Heimat und den Namen der Angeln.
(Skrifter utg. af Humanist. Vetenskaps samfundet i Upsala
RN). "Upsala. 1890-91. ..119°8.:.8%.
Bright J. W. An Anglo-Saxon Reader edited with notes and
glossary. New York Holt u. Komp. 1891. VIIIu.385 8. 8°.
Logeman H. L’inscription anglo-saxonne du reliquaire de la
vraie croix au tresor de l’eglise des SS. Michel et Gu-
dule ἃ Bruxelles. London Luzae u. Komp. 5318. 8°.
Ein Silberband trägt flg. Inschrift: Rod is min nama; geo ie
riene cyning ber, byfigynde, blode bestemed. has rode het KEplmaer
wyrican 7 Adelwold hys berobo Criste to lofe for “Elfrices saule
hyra berobor.
Auf der Rückseite des hölzernen ‚Kreuzes, in dem sich die
Reliquie befindet, steht: Drahmal me worhte.. Agnus Dei. Die In-
schrift zeigt Einfluss des bekannten Gedichtes, erhalten im Ver-
celli-Buch und in der Runeninschrift des Ruthwell-Kreuzes. Zeit
etwa 1100.
Brown E. M. Die Sprache der Rushworth-Glossen zum Evang.
Matthäus und der mereische Dialekt. I. Vokale. Göttingen.
Martineau Pronunciation of the English vowels in the 17.
century. Philological Society, Sitzung v. 6. XI. 91. Vgl.
Academy 1891 Bd. II S. 460.
Beruht auf Buxtorfs (7 1629) Liste langer und kurzer hebr.
Vokale, verglichen mit den engl., und John Davis’ Ü bersetzung die-
ses Werkes 1656. Das Buxtorfsche Werk ist von dessen Sohn 1653
veröffentlicht.
Woodward B. D. Palatal eonsonants in English. Diss., Co-
lumbia College.
Einenkel E. Die Quelle der engl. Relativsätze II. Anglia
XIV 122—32
- Fortsetzung v. Anglia XIII 345 ff. Belege aus Robert of Brun-
nes Chronik, Robert of "Gloucesters Chronik, Ae. Dichtungen ed.
Böddeker, Genesis u. Exodus.
Varnhagen Zur Etymologie von preost. Engl. Studien XVI
155—54.
preost, priost eine superlativische Neubildung zu prior.
Hempl u. Mayhew The etymology of yet O. E. giet. Aca-
demy 1891 Bd. II 564.
1. Germ. zu + hinö-, got. ju hina, ags. *geohin, WS. *giehin,
gien, non WS. 1) *gehin gen gena. 2 oe [geon] geona.
-
192 Bibliographie.
2. Germ. iu + hito, got. ju hita. ΟἿ. *geohit. WS. *giehit,
giet, gieta, non WS. 1) *gehit, get, geta. 2) *geohit, geot [geota).
Die Formen auf -a nach der Analogie der übrigen Tempo-
raladverbia auf -α.
Skeat W.W. The etymology of dismal. Academy 1891 Βα. II
5. 482.
Von anglofranz. dis mal dies mali. Diese alte Ansicht
gestützt durch ein Ms. von 1256:
Ore dirrai des jours denietz
Que vous dismal appelletz
Dismal les appelent plusours
(eo est a dire les mal jours.
Chance F. The etymology of dismal. Academy 1891 Bad. II
SB
Bei Chaucer in einigen Hss.: “1 troıw it was in the dismal,
Ihat was the ten woundes of Egipte”. Danach dismal “ten
(dis) woes (mal).
Vgl. Skeat Ac. 1023 S. 539.
nn E. The etymology of dismal. Academy 1891
Bd. II 5: 589.
F = eine Stelle aus dem Diplomatarium Islandicum (IL 1.
p. 183—4) in Übersetzung an: “Here is a statement concerning dis-
mala daga |ace.] There are two such days in every month as in
calendrie language [bok-mal] are called dies mali....' Er fol-
gert daraus, dass die Quelle des Stückes englischen Ursprungs sei.
Platt J. The etymology of “ever. Academy 1892 No. 1027
5. 41.
Vgl. Ac. vom 19. Dez. Die Annahme, ever sei das Adverb
zum Adjektiv afor sei von ihm schon vor Jahren ausgesprochen.
Chance F. "Deuce’ = Devil. Academy 1892 No. 1026. S.15.
Gegen Skeats Herleitung aus afız. deus. Entweder sei Deuce
“Teufel’ mit deuce — Zwei’ zu verknüpfen oder deuce sei eine
durch franz. Vermittelung entstandene Umbildung von διάβολος.
Skeat The verbe ‘to slate‘. Athenaeum 1891 No. 3559.
Murray (Üontent, contents‘. Academy 1891. Bd. II S. 456.
Bericht über die 341 Antworten, die auf seine Anfrage über
die Stellung des Akzentes in diesen Wörtern eingelaufen sind. 150
betonen stets auf der zweiten, 100 stets auf der ersten Silbe, die
übrigen schwanken je nach der Bedeutung.
Emerson Ὁ. F. The Ithaca (N. Y.) dialect. Dialect Notes
III 85—173. Boston 1891.
An extended treatment of the sounds found in that dialect.
Traces some: of the conditions and influences under which the dia-
lect has developed.
Bosworth An Anglo-Saxon dietionary. Edited and enlarged
by T. N. Toller Part. IV “Seetion. 1. 4°. 7 "Tondon ΕΙΣ
Frowde. 8 sh. Ὁ. ἢ.
Century Dictionary of the English language. Part. 24. (Schluss).
London F. Unwin.. 10”sh..6..d.
Bibliographie. 195
Muret Enzyklopädisches englisch-deutsches u. deutsch -eng-
lisches Wörterbuch. Teil I. Lieferung 3. 5. 195—304.
Berlin Langenscheidt.
Dictionary, the new English. Vol. II. C. D. Special quota-
tions wanted. Academy 1891 Bd. II S. 480.
Our Language A monthly journal devoted to the English
Speech. Vol. 1. New York 1891.
Upholds the spelling reform and gives record of the latest
publications on the iunglish language.
Höfer J. Zurückweichen des angelsächsischen Elementes in
Nordamerika. Globus LX. No. 24.
Nabert H. Karte der Verbreitung der Deutschen in Europa.
Im Auftrage des deutschen Schulvereins u. unter Mitwir-
kung von R. Bökh dargestellt 1: 925000. 5.u.6. Sektion.
Glogau Flemming. Je3M.
Behaghel A short historical grammar of the German lan-
guage. Transl. and adapted from Prof. B.’s Deutsche Sprache
by E. Treehmann. 194 S. 12°. Maecmillan. 4 sh. Ὁ d.
Hoffmann E. Stärke, Höhe, Länge. Ein Beitrag zur Phy-
siologie der Akzentuation mit spezieller Berücksichtigung
des Deutschen. Strassburg Trübner 1892. VII u. 51 S.
Ὁ ΜΝ.
Burghauser G. Die nhd. Dehnung des mhd. kurzen Stamm-
vokals in offener Silbe, vornehmlich unter phonetischem
Gesichtspunkte. (Aus dem 15. Jahresberichte d. deutschen
Staatsrealschule in Karolinenthal.)
Tobler L. Über das s in nhd. Zusammensetzungen. Zeitschr.
d. allgem. deutschen Sprachvereins. Wissenschaftl. Beihefte
No. 2.
Scheffler K. Einwendungen gegen Trautmann (Zur s-Frage).
Ebenda.
Poeschel J. Die sog. Inversion nach und. Anregung zu
einer sprachgeschichtl. Untersuchung. Progr. der Fürsten-
u. Landesschule z. Grimma.
Hildebrand R. Zu der sog. Inversion nach und. Zeitschr.
f. den deutschen Unterr. V. H. 12.
Faulmann Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.
Nach eigenen neuen Forschungen. (10 Lieferungen von
5—6 Bogen.) 1. Lieferung. Halle Karras 1891. 5. 1—40.
1,20 M.
Kluge F. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.
5. Auflage. Lieferung 2. Strassburg Trübner.
Bis fromm.
194 Bibliographie.
Grimm J. u. W. Deutsches Wörterbuch VIII 7. Romanbau-
herr — Ruck bearbeitet unter Leitung von M. Heyne.
Leipzig Hirzel.
Kluge Aar und Adler. ZZ. XXIV 311—315.
Von 1500—1750 war aar allerwärts als zweites Glied von
Kompositis in Gebrauch; es ist die frühnhd. Kompositionsform von
adler, volksetymologische Deutung desselben als adel-ar. Aus den
Kompositis ward dann aar als Simplex abstrahiert.
Brandstetter R. Die Rezeption der nhd. Schriftsprache in
Stadt u. Landschaft Luzern (1600—1850). Druck v. Ben-
ziger u. Komp. Einsiedeln.
Dittmar E. Die Blankenheimer Mundart. Eine lautliche Un-
tersuchung. Leipzig Fock. 48 S. 8°. (Jen. Diss.).
Feist S. Das s und Φ in den deutschen Mundarten. Zeit-
schrift f. d. deutschen Unterricht V No. 10.
Gradl H. Die Ortsnamen im Fichtelgebirge und dessen Vor-
landen. Sonderdruck. Eger Kobrtsch und Gschihay. 177 5.
ΣΌΝ.
Günther S. Deutsche Sprachreste in Südtirol u. an der Grenze
Italiens. Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1891 No. 289.
Günther S. Von der deutseh-italienischen Sprachgrenze. Na-
tion (1891). No. 10.
Keiper Französische Familiennamen in der Pfalz u. Franzö-
sisches im Pfälzer Volksmund. 2. Auflage. Kaiserslautern
Gottholt. 11 ΝΜ]:
Knoop ©. Plattdeutsches aus Hinterpommern. 2. Sammlung:
Fremdsprachliches im hinterpomm. Platt nebst einer Anzahl
von Fischerausdrücken u. Ekelnamen. (Fortsetzung). Leip-
7210. Kock. 18282 ΠΝ:
Reis H. Beiträge zur Syntax der Mainzer Mundart. Giessener
Dissertation. 46 5. 8°.
Schweizer Idiotikon. 21. Heft. (2. Band Spalte 1509—40
und 3. Band Sp. 1—128. 4°. Frauenfeld Huber. 2 M.
Baecalari G. Forschungen über das deutsche Wohnhaus.
Ausland LXIV 31—97.
X. Baltisch-Slavisch.
A. Allgemeines.
Streitberg W. Der Genitiv-Pluralis und die baltisch-slavischen
Auslautgesetze. IF. 1 259— 500.
Bibliographie. 195
Uljanov Znatenija glagolnych osnov v litovsko - slavjanskom
jazyke (Bedeutung der Verbalstämme im Litu- en
Russkij filologiteskij vestnik XXIV (1890, ὃ
XXV (1891, 1) 41—134.
Unvollendet.
B. Slavisch.
Brand Dopol’nitelnyja zamelanija k razboru Etimologiteskago
slovarja Miklosica (Ergänzende Bemerkungen zu einer Ana-
lyse von Miklosichs Etymol. Wörterbuch). Russkij filolo-
giteskij vestnik (Warschau) XXV (1891, 1) 27—40.
Ergänzende und berichtigende Notizen zu Miklosich, alpha-
betisch geordnet (terzu® — vecert); fortgesetzt aus den früheren
Bänden.
Matzenauer Piripevky ke slovansk&mu jazykozpytu (Beiträge
zur slav. Sprachforschung). Listy ἢ]. XVII (4) 241— 270.
Etymologische Deutungen, alphab. geordnet, zu versch. slav.
Wörtern (rzzatı — razije); fortgesetzt aus früheren Bänden.
Sobolevskij Drevnij cerkovno-slavjanskij jazyk (Die altkir-
chenslav. Sprache). Fonetika. Moskau 1891.
Vondräk Über einige orthographische und lexikalische Eigen-
tümliechkeiten des Codex Suprasliensis im Verhältnis zu den
anderen altslovenischen Denkmälern. Sitzungsber. der kais.
Akad. d. W. in Wien, phil.-hist. Kl. Bd. OXXIV (44 S.).
Wien 1891.
Kalina Studyja nad historyja jezyka bulgarskiego (Studien
zur Gesch. der bulgar. Sprache). PT (206 S:) und I
(386 S.). Krakau 1891 (Akademie ἃ. Wiss.).
Murko Enklitike v slovens£ini. 1. del. (Die Enklitika im Neu-
sloven. 1. Th.). Laibach 1891 (S.-A. aus Letopis Matice
Slovenske).
Oblak Das älteste datierte slovenische (= neuslov.) Sprach-
denkmal. Archiv f. slav. Phil. XIV (2) 5. 192—235.
Aufzeichnungen a. d. J. 1497 ff. Deren orthogr., gramm. und
lexik. Eigenschaften.
Kvacsala J. Beiträge zur Geschichte der slovakischen Sprache.
Enoar.ıkev. XI Ἢ 10.
Sobolevskij Lekeii po istorii russkago jazyka. (Vorlesungen
über die Geschichte der russ. Sprache). 5. Petersburg 1891.
(274 S.).
Sreznevskij Materialy dlja slovarja drevne-russkago jazyka
po pistmennym pamjatnikam (Materialien zu einem altruss.
Wörterbuch nach Litteraturdenkmälern). Vyp. 1 (A—G).
Izd. II. otd. Imper. Akademii Nauk. 5. Petersburg 18%.
(ΘΠ ΩΝ
190 Bibliographie.
Zelinskij Korneslov russkago jazyka (Wurzelwörterbuch der
russ. Sprache). Moskau 1891.
Für Schulen bestimmt.
Mitrofanowicz Praktische Grammatik der kleinrussischen (ru-
thenischen) Sprache. (Bibliothek der Polyglöttie No. 36).
Wien Hartleben. 184 5. 8°. 2 M.
Gebauer Starocesk& skloneni jmen kmene 7 (Die altböhm.
Deklination der 2-Stämme). Abhandl. d.k. böhm. Gesellsch.
d. Wiss. VII. Folge 4. Band. Prag 1891 (50 S.).
Flaj hans Doklady k st&. skloneni kmene -o (Belege zur alt-
böhm. Deklin. der o-Stämme). Listy filologieke XVIII 1/2,
13—92. 4, 288—2%. 5, 369—584. 6, 441. 452,
Nachtrag zur Abhandlung über die altböhm. «-Deklination.
(Ebd. XVII.)
Opatrny Starocesk@ stridnice predlozky stb. © prfed souhläs-
kami retnymi (Die altböhm. Reflexe der Präp. ablg. οὖ
vor den Lippenlauten). Listy fillologiek@ XVII 1/2, 58—62.
Wo» (nach Havliks Bd. XVI ausgeführtem Gesetz) vokali-
siert werden sollte, hat das Altböhm. auch hier ve; für sonstiges ©
tritt jedoch vor Labialen x ein (z. B. ve mne, u vode).
Opatrny Staroceskä stiidnice za püvodni 7» (Der altböhm.
Reflex für urspr. 7»). Listy filol. XVII 3, 177—208.
Wo » vokalisiert wurde, hat das Altböhm. re, wo ausgestos-
sen, r (aslv. starve» starvca = aböhm. staree starca).
Kühnel Die slavischen Orts- und Flurnamen der Oberlausitz.
(Sonderdruck). 2. Heft. 84 5. gr. 8°. Berlin Köhlers Anti-
quarium in Komm. 2 Ν.
Sprawozdania Komisyi jezykowej Akademii Umiejetnos’ci.
Tom. IV (Berichte der sprachwissenschaftlichen Kommission
der Akademie der Wissenschaften zu Krakau) B. IV 384,
ESS:
Von den Beiträgen sind ὃ der poln. Dialektologie, die übri-
gen der ältern poln. Sprache gewidmet. Darunter von J. Hanusz
(Ὁ) O ptsowni ὁ wokalizmie zabytkow jezyka polskiego w ksiegach
sadowyeh krakowskich z wieku XIV—XVI (Orthographie und Vo-
kalismus der in den Krakauer Gerichtsbüchern des 14.—16. Jh. ent-
haltenen Denkmäler). — Vgl. das Bulletin der Akademie, Dezem-
ber 1891 S. 344—49.
Brückner A. Mytlhologische Studien III. Archiv f. slav. Phil.
XIV 161—91.
᾿ Myth. St. I. Archiv VI 910. ΠῚ ΝΜ St. IT Archive IX ΤΉ
Uber die Ortsnamen Radigast, Goderac; das rügische Svetovitmär-
chen. Volos, Trigtov, Ziva u. dgl. — I. Kritik des Zeugnisses des
Diugosz über den Götterglauben der Polen (15. Jh... D. kennt
tlg. poln. Gottheiten: vom Todaustragen her die Marzana und Dzve-
wana, welche wohl gar keine Gottheiten waren; aus den Pfingst-
liedern Jesza und Lyada; aus Sprachwendungen und Aberglauben
die Deiecilela, Nyja, Pogoda und das Zywie. Miechowita fügt
Rezensionen. 197
den Pogwizd, eine Windgottheit, hinzu. — Ill. Weitere Spuren poln.
Mythologie bieten die verschiedenen handsehriftlichen polnisch - la-
teinischen Predigten des 15. Jh. Mitteilungen daraus.
Nehring W. Die ethnographischen Arbeiten der Slaven 1.
Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 1891 Heft ὃ.
C. Baltisch.
Zubaty J. Lit. silsetö-s u. Verwandtes. BB. XVIII 159 £.
Zu ülseti-s ‘ruhen’. Es hat die Komposita at-si-ilseti, pa-st-
Alseti, die mit der bekannten Verdoppelung des reflexiven Elemen-
tes at-si-ilseti-s pa-si-iseti-s bezw. at-s’-useti-s pa-s’-Useti-s lauten.
Hieraus durch Dekomposition selsetis. Ebenso mag lett. ?/-salkt
“beugen’ neben lit. alktı entstanden sein.
Josef Zubaty.
Rezensionen aus dem Jahr 1891).
Aeta sanctorum Hiberniae ex codice Salmanticensi ed.
Smedt et Backer. GGA. 5 (Zimmer).
D’Arbois de Jubainville H. Les noms gaulois chez O6sar
et Hirtius de bello gallico I. Berl. phil. Wochenschr. XI 49
(Meusel), RCr. XXV 49 (P. Lejay).
v. Bahder K. Grundlagen des nhd. Lautsystems. LCB. 14
(Zarneke), Zeitschr. f. österr. Gymn. 1891 2/3 (J. Schmidt),
Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. XII 9 (Kauffmann).
Bartholomae Studien zur idg. Sprachgeschichte II LCB. 42
(Streitberg).
Bloomfield On adaptation of suffixes in congeneric classes of
substantives. Wochenschr. f. klass. Phil. VIII 45 (Bersu).
Bonnet M. Le latin de Grögoire de Tours. Berl. phil. Wo-
ehenscehr. XI 7 (Petschenig), DLZ. XII 12 (Meyer-Lübke),
Wochenschr. f. klass. Philol. VIII 25 (Traube), RCr. XXV
39 (Lejay), Neues Archiv XVI S. 452 ff. (Krusch), Am. Journ.
Phil. XII 2 S. 221—29 (M. Warren).
Brugmann K. Grundriss der vgl. Gramm. II2,1. RCr. XXV
2 (Henry), LOB. 10 (G. Meyer), Athenaeum 35324, Am. Journ.
1) Da der Umfang des zweiten Heftes schon weit überschrit-
ten ist, hat das RKezensionenverzeichnis auf das notwendigste be-
schränkt werden müssen.
198 tezensionen.
Phil. XII 3 5. 362— 70 (ΔΙ. Bloomfield), Wochenschr. f. Klass.
Phil. VIII 14 (v. d. Pfordten).
3ugge 5. Etruskisch u. Armenisch LCB. 5, DLZ. XII 14
(Deecke), Berl. phil. Wochenschr. XI 22 (Deecke).
Cohn G. Die Suffixwandlungen im Vulgärlatein. Literaturbl.
f. germ. u. rom. Phil. XII 9 (Meyer-Lübke), LCB. 34.
Diels H. Sibyllinische Blätter LCB. 6 (Crusius), Berl. phil.
Wochensehr. XI ὃ (Dümniler).
Fick A. Vergl. Wörterbuch 15. Wochenschr. f. klass. Phil.
VIII 21 (Prellwitz), RCr. XXV 35/34 (Henry).
Franke O. Die indischen Genuslehren LCB. 15 (Windisch).
v. ἃ. Gabelentz Sprachwissenschaft LCB. 50 (G. Meyer).
van Helten W. Altostfriesische Grammatik. Literaturbl. f£.
germ. u..rom.: Phil. ΧΙ 12 (Fr. Kauffmann),. ΝΕ. Jhb:
1891 (Bremer).
Hoffmann Ὁ. Die griech. Dialekte I. GGA. Ὁ (Fick), RCr.
XXV 22 (Henry).
Holder A. Altceltischer Sprachschatz 1. GGA. 9 (Zimmer),
Literaturblatt f. germ. u. rom. Phil. XII 7 (Thurneysen),
LCB. 32 (Windisch), Wochenschr. f. klass. Phil. VII 29/30
(Meusel), DLZ. XII 50 (Hübner).
Jellinek M. H. Beiträge zur Erklärung der germ. Flexion.
DLZ. XII 47 (Mahlow), Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil.
XII 11 (Hirt), AfdA. XVII 4 S. 275 (Collitz).
Kauffmann Fr. Geschichte der schwäbischen Mundart. DLZ.
XII 9 (A. Heusler), AfdA. ΧΎ 28. 98°(J. Franck), 22.
XXIV 1 (Bohnenberger), Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil.
XII 1 (Behaghel), Germania XXXVI 406 (H. Fischer).
Kauffmann Fr. Deutsche Mythologie. LCB. 26 (Mogk), DLZ.
X1129 (Roediger), Beilage zur Allg. Zeit. 1590 No. 260 (Gol-
ther), Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. XIII 1 (Schullerus).
Körting G. Lateinisch -romanisches Wörterbuch. LCB. 48
(Settegast), Zeitschr. f. österr. Gymn. 1891 8. 165-—78 (Ὁ.
Meyer-Lübke), Romania XIX S. 657 (G. Paris), Arch. f.
lat. Lex. VII (Suchier, Stürzinger), DLZ. XI Sp. 1539 (Cornu).
Kühner-Blass Griech. Grammatik 1°. Revue de l’instruc-
tion publ. en Belgique XXXIV S. 176 ff. (L. Parmentier).
Laistner L. Das Rätsel der Sphinx LCB. 10 (Crusius), Ar-
οἷν f. Anthropologie XX ὃ. (Golther).
Löwe R. Die Ausnahmslosigkeit sämtlicher Sprachneuerun-
gen. Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. XII 7 (Schuchardt).
Meyer G. Etymologisches Wörterbuch der albanes. Sprache.
Rezensionen. 199
Berl. phil. Wochenschr. XI 18 (G. Meyer), Literaturbl. f.
germ. u. rom. Phil. XII 7 (Meyer-Lübke), DLZ. XII 23
(Jarnik), RCr. XXV. 6 (V. Henry)
Mey ἘΣ une W. Gramm. der roman. Sprachen I. RCr. XXV
ΠΡ Meyer), DLZ. XII 27 (Morf).
ihre W. Italien. Gramm. RCr. XXV 16 (Bourciez).
Moore A. W. The surnames and en of the isle of
Man. GGA. 18 (Zimmer).
Müller W. Zur Mythologie d. griech. u. deutschen Helden-
sage. AfdA. XVII 2, 86 (E. H. Meyer), ZZ. XXIV 3 (Fr.
Kauffmann).
Noreen Urgermansk judlära DLZ. XII 26 (Burg), LCB.
1890, 16.
πον Ἐς Etude sur les changements phonetiques. Phon. Stud.
V 2 (G. Storm).
Paul H. Grundriss der german. Philologie. ZZ. XXIV 2 (E.
Martin), Am. Journ. Phil. XII 5 (Learned), Literaturbl.
f. germ. u. rom. Phil. XII 2 XIII 2 (Tobler), vgl. ebd. XI 4;
Fiber Behrens Die franz. Laute im Engl. ebd. XII 2 (Su-
chier)], vgl. LCB. 1890 (v. Bahder)
Pauli C. Altital. Forsch. III. Die Veneter u. ihre Schrift-
denkmäler. N. phil. Rundschau 21 (Stolz), Zeitschr. f. österr.
Gymn. 1891 5. 992—96, Berl. phil. Wochenschr. XII 9,
10 (G. Meyer)
Rohde E. Psyche. Berl. phil. Wochenschr. ΧΙ 22 (Deneken),
Beil. zur Allgem. Zeitung 151. Vgl. die Rezensionen des
vorhergehenden Jahres: DLZ. XI 18 (Diels), LCB. 51 (Cru-
sius), Journ. des Savants Okt. 1390 (Weil), Woche en f
klass. Phil. VII 22 (Stengel), Theol. Lit.-Z2. (Dümmler). XV 22.
Roscher Studien IV. Über Selene und Verwandtes. Berl.
phil. Wochenschr. XI 22 (Steuding), DLZ. XII 59 (Immer-
wahr), Wochenschr. f. klass. Phil. VIIL 25 (Stender), GGA.
1891 Nr. 16 (Wieseler).
Rydberg V. Undersökningar i germanisk mythologi. AfdA.
XVII 4, 265 (E. H. Meyer).
Schmidt J. Pluralbildungen der idg. Neutra. Literaturbl.
f. germ. u. rom. Phil. XII 11 (Sütterlin), Zeitschr. f. österr.
Gymn. 1891 Nr. 2/5 (Meringer), vgl. von den frühern Re-
zensionen GGA. 1890 Nr. 19 (K. F. Johansson), LCB. 1890
(G. Meyer).
Siebs Th. Zur Geschichte der engl.-fries. Sprache. AfdA.
XVII 3, 189 (J. Franck), Literaturbl. f. germ. u. rom.
Phil. XII 3 (Jellinek).
Skutsch De nominibus Jlatinis suffixi -no- ope formatis ob-
Anzeiger I 2. 14
900 Mitteilungen.
servationes variae. Wochenschr. f. klass. Phil. VIII 20 (Bersu),
DLZ. XII 14 (Bersu).
Streitberg Die germ. Komparative auf -02-. Literaturbl. f.
germ. u. rom. Phil. XII 6 (Kauffmann), vgl. LCB. 1890
16 (Fr. Zarneke).
Wiedemann 0. Das lit. Präteritum RCr. XXV 9 (Henry),
AfslPh. XIII 4 (Zubaty), LCB. 9 (G. Meyer).
Mitteilungen.
Zu griechischen Inschriften.
1. Archaische Inschrift eines kephallenischen Bron-
‚ zediskos, mitgeteilt (mit Faksimile) von Fröhner, Revue
arch&ol. 1891. Fröhner liest:
EZwrpa μ᾽ ἀνέθηκε Διὸς ηώροιν μεγάλοιο
χάλκεον, hw νίκαςε Κεφαλί(λ)ᾶνας μεγαθύμως.
Zweifelhaft ist nur die Lesung des ersten Wortes. Das
Faksimile weist auf 'EZoida hin. So lese ich, und vergleiche
die Eigennamen Οἴδας, Οἰδίπους. Auch ist es gewiss nicht,
wie Fröhner nach der Endung des Namens glaubt, eine Frau
gewesen, von der die hochgemuten Kephallenier im Diskos-
wurf besiegt wurden, sondern ein Mann; die -c-losen Nomi-
native männlicher Eigennamen s. Gr. Dial. II 272 f.
2. Archaische Inschrift einer Bronzeplatte aus Ar-
560 5, mitgeteilt (mit Faksimile) von Fröhner, Revue arch&ol.
1891 und ©. Robert Monumenti antichi I (1891) 5. 595 ff.,
besprochen nach Fröhners Veröffentlichung von T. Reinach)
Revue des etudes Gr. II (1891) 5. 171 ff. und von Pepp-
müller Woch. f.'klass. Phil. 1891 Nr. 31.
Die vier ersten Zeilen haben links durch Bruch einige
Zeichen verloren, wodurch das Verständnis des schwierigen
Textes noch mehr erschwert wird.
Fröhner.
|djeıcaupw[v τῶν ἐν] τᾶς ᾿Αθαναίας αἴτιετις
[Ιποτὰϊν βωλάν. τίὸνε] ἀνφ᾽ ᾿Αρίεετωνα ἢ TOV(C) ευναρτύοντας
|... δ]Ιηλῶν, τίνα ταμίαν εὐθυνοῖ τέλος ἔχων E(d) δίκας.
[ai] δὲ δικάεζαιτο τῶν γὙραςεμάτων, πένεκα τᾶς κατα-
θέειος ἐ(τ) τᾶς ἀλιάςειος τρήτω καὶ δαμευέςεεθω ἐνς
᾿Αθαναίαν. ha δὲ βωλὰ ποτελάτω havrıruyövca. αἱ
δέ κα μή, αὐτοὶ ἔνοχοι ἔντω ἐνς ᾿Αθαναίαν.
“Le contröle (?) des tresors (ἀροβόβ) dans (le temple)
Ad’ Athene (vessortit) au Conseil. Ariston et ses collegues,
Mitteilungen. 201
ou ceux qui exercent avec lui les fonetions d’artyne, indi-
queront quel est le tresorier que ceitera en Justice celui qui
a (cette) mission de par la loi. Et s’il [16 tresorier] est con-
damne pour fraude (?), il sera mis ἃ mort (?) des (sa sortie
de) la seance judiejaire, et.ses biens seront confisques au
profit d’Athened, pour le remboursement (des sommes detour-
nees). Mais le Conseil doit faire rentrer (le produit de la
eonfiseation) en donnant son concours (au juge). Si non,
qu’ils [les conseillers] soient eux-mömes responsables envers
Athene”.
T. Reinach weicht ab in den Lesungen: Z. 1 [BJeı-
caup[wv hevera| τᾶς ᾿Αθαναίας αἴ τις (statt αἴτιςτις): Z. ὃ [ἢ
ἄλλον τινὰ ταμίαν; Z. 4 γδαςεμάτων (= dacuöc “tribut, im-
pöt”?) und übersetzt: “Au sujet des tresors d’Athena, si
quelqu’un reclame, par devant le sönat, des comptes A Ari-
ston ou ἃ ses collegues ou A quelque autre tresorier, que
laffaire soit deferee au tribunal eivil. Mais si le tr&sorier
est condamnd au sujet du versement des impöts, quil soit
exil@ du corps des eitoyens et ses biens confisques au profit
d’Athena. Que le senat en exereice dirige les poursuites;
sinon, que les senateurs eux-memes soient responsables de-
vant Athena”.
Peppmüller.
“1. (Zurück)forderung der im Tempel der Athene be-
findlich (gewesenen) Schätze.
2. Beim Rat (als der für die Wiederbeschaffung des
Geldes verantwortlich gemachten Behörde) sollen Ariston und
Genossen (d. h. die mit Prüfung der Rechnungen betrauten
Euthynen) oder die, welche zu den Artynen gehören, anzei-
gen, welchen Schatzmeister (der Tempelgelder Athenes) der
staatlich autorisierte Beamte zur Rechenschaft ziehen will.
>. (Der Rat hatte nun, wie das folgende anzudeuten
scheint, die Befugnis die Sache selbst abzumachen, falls der
unredliche Schatzmeister zahlte) Wenn er sich aber der
Geldhinterlegung wegen auf einen (Unterschlagungs-)Prozess
einlassen sollte, so soll er (selbstverständlich wenn er verur-
teilt wird) auf Grund eines Volksbeschlusses in der Verban-
nung leben und zum Besten der Athene mit Konfiskation
seines Vermögens bestraft werden.
4. Aber der Rat soll für Abführung der wiedererlang-
ten Gelder sorgen.
ὃ. Thut er es nicht, so sollen seine Mitglieder selbst
der Göttin gegenüber verantwortlich sein.”
Peppmüller liest Z. 3 εὐθυν[εἰϊ und hält das h in hav-
Tıruyövca für einen Schreibfehler.
202 Mitteilungen.
Robert.
[Τῶν Olncaupw|v τῶν] τᾶς ᾿Αθαναίας αἱ TICTIC
[ἢ τὰ]ν βωλὰν τὰν] ἀνφ᾽ ᾿Αρίεετωνα ἢ τὸνίς) εὐναρτύοντας
[ἢ ἄϊλλον τινὰ [τ]αμίαν εὐθύνοι τέλος ἔχων ἢ δικάς-
[ΙΖζων] ἢ δικάεζοιτο τῶν Ypaccuatwv Ππένεκα τᾶς κατα-
θέειος ἢ τᾶς ἀλιάςειος, τρήτω καὶ δαμευέςεθω ἐνς
᾿Αθαναίαν, ha δὲ βωλὰ ποτελάτω Πιαντιτυχόνεα᾽ αἱ
δέ κα μή, αὐτοὶ ἔνοχοι ἔντω ἐνς ᾿Αθαναίαν.
“Se chiechesia, essendo impiegato ὁ giudice, faceia
responsabile, riguardo ai tesori di Minerva ὁ il senato che fu
presieduto da Ariston ὁ 1 sopraintendenti ὁ qualque altro am-
ministratore, © istitulsca un processo intorno agli atti di de-
posito ὁ di ritiro, venga esiliato e la sua fortuna sia confis-
cata a pro di Minerva, ed il senato allora in funzione ne ris-
euota il prodotto: se no 1 senatori stessi siano responsabili
dinanzi a Minerva.”
Robert setzt also TICTIC — quisquis, Ὑραςεμάτων — γραμ-
μάτων und vermutet, dass aAltaccıc, worin er den Gegensatz
zu xatadecıc sucht, mit λιάζειν verwandt sei.
Mein,;BErklärungesversuch,
[Τῶν Olncaupw|v τῶν] τᾶς ᾿Αθαναίας αἴτιετις
[ποτὰ]ν βωλὰν τίὸνςε] ἀνφ᾽ ἀρίεετωνα ἢ TOV(C) ευναρτύοντας
[ἢ ἄΪϊλλον τινά. [Τ]αμίαν εὐθύνοι τέλος ἔχων ἐ(δ) δίκας.
JAı δ]ὲ δικάεζοιτο τῶν Ypaccudrwv, πένεκα τᾶς κατα-
θέειος ἐίτ) τᾶς ἁλιάςειος τρήτω καὶ δαμευέςεεθω Evc
᾿Αθαναίαν. Ha δὲ βωλὰ ποτελάτω Ππαντιτυχόνεα᾽ αἱ
δέ κα μή, αὐτοὶ ἔνοχοι ἔντω ἐνςε ᾿Αθαναίαν.
“ Betreffs des Schatzes der Athene steht die Forderung
beim Rate der Genossen des ἀρίετων oder bei dem Beamten-
kollegium oder bei irgend einem andern. Den Schatzmeister
soll richten, wer das Amt nach dem Rechte hat. Wenn er
aber sich zu verantworten hat wegen der verbrauchten Gel-
der, so soll er wegen seiner Aussage aus der Versammlung
fliehen und sie bekannt machen angesichts der Athene. Der
Rat aber, der im Amte ist, soll sieh hinbegeben; wenn aber
nicht, so sollen sie selbst schuldig sein der Athene gegen-
über. ” )
αἴτιετις von αἰτίζειν im Sinne von “zur Rechenschaft
ziehen ”. ἀρίςετων scheint hier in appellativischer Bedeutung
zu stehen für den Vorsitzenden des kleineren (οἱ ὀγδοήκοντα ἢ
Thuk. V 47, 11) oder zweiten Rates (GDI. 3276, 15) von
Argos, des Rates der δαμιοργοί (GDI. 3315, 4. 5, vgl. Et. M.
265, 45). γράςεμα leitete schon Fröhner von γράω ab, ver-
stand das Wort aber anders ( le eaissier infid@le limait les
pieces d’or, qu’il avait en depöt”)... Ich‘ nehme an, dass
γράςεμα “ Aufgezehrtes” bedeutet, von γράω — ἐςθίω. Dass
Mitteilungen. 203
ecdiw, πίνω (καταπίνω), τρώγω in ähnlicher Weise übertragen
eebraucht wird, ist bekannt, vgl. δωροφάγοι, οἶκος ἐεθίεται,
ἔεθιε᾽ avakıcke (Hes.) u. Ss. w.
3. Eine interessante, dem Anschein nach aus dem 4.
Jahrh. v. Chr. stammende Inschrift aus dem äolischen Aigai
hat Sal. Reinach in der Revue des &tudes grecques IV (1891)
5, 268—275 bekannt gemacht nach einem von Dem. Baltazzi
ihm übersandten Abklatsch. Leider hat die Beschaffenheit
des Abklatsches nur die untere Hälfte der Inschrift zu ent-
ziffern ermöglicht; sie lautet:
τὰ ἐγκλήματα, Öc|c|a Eov Aryaeeccı καὶ Ὄλυ μπήνοις πρόεθε
τᾶς ὑμ ολογίας, πάντα διαλέλ υεθαι ᾿ ἔπεροι καὶ ἀρνή αδες ἐρίων
ἀτέλεες ᾿ χιμαίραδες αἴ κε τέκοιςει | ἀτέλεες “ ἀρνηάδων ἔταλα
ἀτέλεα.
7. 5 Reinach: πρὸς θέτας “les contestations entre Ae-
geens et Olympeniens seront röglees conformement aux COn-
ventions etablies”.
Übersetzung: “alle Beschwerden, die die Ägäer und
Ölympener vor dem Vertrage erhoben hatten, sollen beige-
legt sein. Zuchtwidder und Mutterschafe sollen für die Wolle
nicht besteuert werden. Ziegen sollen, wenn sie geworfen
haben, nicht besteuert werden. Die Jährlinge der Mutter-
schafe sollen nicht besteuert werden”.
Dialektologisches. öclcla vgl. öccoc Gr. Dial. 1134. —
€ov, vgl. das Imperfekt ἔον “παρὰ ᾿Αλκαίῳ" (fr. 127) Eust.
Odyss. 1759, 27. — Aiyaeeccı, wie die Münzlegenden der
Stadt meist Aiyaewv (oder AITAE) haben, Gr. Dial. I 90; zu
den Dativendungen -eccı und -oıc ebd. 163 f. — πρόεθε; die
Inschriften und Dichterfragmente haben nur die Endungen
-θε, -dev, nicht -8a; πρόςθε steht auf den älteren Inschriften
21510, 2142,22. — ὑμολογίας, äol. ὑμο- für Ouo- liegt schon
mehrfach vor, Gr. Dial. I 52 f. —: ἔπεροι bereitet der Deu-
tung Schwierigkeiten. Zwar der Sinn steht fest; bereits Rei-
nach hat darauf hingewiesen, dass nach dem Zusammenhang
das Wort nichts anderes als “Widder heissen kann. Ob Zu-
sammenhang denkbar sei mit lat. aper und ahd. ebwr, aisl.
jofurr “Eber’, die auf vorgermanisches eprös weisen, und
das Wort ursprünglich nicht blos das männliche Schwein son-
dern das männliche Zuchttier in weiterem Umfange bedeutet
habe, ob En-epoc “Aufsteiger, ἐπιβήτωρ, ἐπιβάτης sei, gehö-
rig ZU ἐπ-όρομαι, ἐπ-ορούω, wozu die e-Stufe griechisch in
den Hesychglossen ἔρετο ᾿ ὡρμήθη; Epceo ᾿ διεγείρου; Epen ᾿ Op-
unen vorliegt, oder welche Wurzel sonst dem Worte zugrunde
liege, mag weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. —
apvnadec Schafe‘, feminines Seitenstück zu ἀρνειός “Wid-
der , das altäolisch ‚dpvnıoc Apvnoc gelautet haben wird. —
204 Mitteilungen.
ἀτέλεες ἀτέχεαῦ; vgl. Gr. Dial. I 154. — yxınaipadec “Zie-
gen , Weiterbildung von xıuaıpa-. — TExoıcı flösst Bedenken
ein. Bei αἵ κε ist nur die Konjunktivform statthaft, die würde
aber von dem themavokalischen Indikativ ἔτεκον vielmehr
terwıcı lauten müssen, wie. äolisch γράφωιςει, γινώεκωιει Gr.
Dial. 1 81, und auf ionischem Sprachgebiete Aaßwıcı (Bechtel,
Inschr, d. ion. Dial. S. 158). Ehe man die Erklärung wagen
wird, dass in rekoıcı die kurzvokalische Bildungsweise des
Konjunktivs von den Indikativen ohne thematischen Vokal
(πρήξοιειν Chios Bechtel a. a. O. No. 147a Z. 16. 17 und 20)
in die themavokalischen eingedrungen sei, wird man gut
thun, abzuwarten, ob eine genauere Prüfung des Abklatsches
oder besser des Steines selbst, nicht vielleicht Tekwıcı ge-
schrieben findet. — ἔταλα "Jährlinge’, nicht mit Reinach für
die äolische Form von ἀταλά anzusehen, sondern von FeETt-
‘Jahr’ abzuleiten; #Fet-aAo-v entspricht der Form nach dem
lat. vet-ulu-s, die Bedeutung lässt es zugleich mit vit-ulu-s,
it-aAö-C Kalb’ zusammenbringen, die aus einem nicht näher
zu bestimmenden idg. Dialekte Italiens stammten; vgl. auch
ai. vatsas Kalb’ und got. eöbrus “jähriges Lamm, Widder‘.
Leipzig. Richard Meister.
Thesaurus linguae latinae.
Der von Prof. E. Wölfflin vor 10 Jahren wieder ange-
regte Gedanke eines Thesaurus linguae latinae scheint end-
lieh seiner Verwirklichung entgegenzugehn, nachdem es Prof.
M. Hertz gelungen ist das preuss. Kultusministerium und
die kgl. Akademie zu Berlin dafür zu interessieren. Im den
Sitzungsberichten der Akademie ist im vorigen Jahr eine
Denkschrift über das Unternehmen von Hertz, begleitet von
einem Gutachten der Akademie, erschienen. Beide Berichte
unterwirft Prof. Wölftlin neuerdings in seinem Archiv (VII
D06) einer interessanten Erörterung. Nach Hertz muss der
Thesaurus 1. Eigennamen ausschliessen, 2. auf Zettelexzerp-
ten der ganzen lat. Litteratur beruhen, 5. teils sämtliche,
teils ausgewählte Stellen geben, 4. bis zu den beiden Gregor
und dem Isidor einschl. reichen. Der Umfang der zu bear-
beitenden Litteratur wird auf 250 Bd., der des Thes. auf
10 Bd. gr. 4° von 1200 5. geschätzt. Die Kosten berechnet
H. auf 1... Million, wovon 140000 M. auf die Herstellung
der Zettel falle, die von D0 Sammlern unter Aufsicht eines
Sekretärs in 6 ‚Jahren anzufertigen seien. Den Rest nimmt
die lexikal. Bearbeitung in Anspruch, die in 12 Jahren dureh
2 Ober- und ἃ Unterassistenten ausgeführt werde. Die Aka-
Mitteilungen. 205
demie wünscht eine etwas abweichende Organisation und
findet vorab den Kostenanschlag um die Hälfte zu nieder.
Prof. Wölfflin weist auf die Notwendigkeit hin, dass die Be-
arbeiter der. Lexikonartikel örtlich vereinigt seien, und hält
die Zeit für zu knapp bemessen. — Es bleibt zu wünschen,
dass die hochgespannte Erwartung nicht getäuscht und das für
die Sprach- und Litteraturgeschichte gleich epochemachende
Werk auch wirklich bald in Angriff genommen werde.
Vorschlag.
Um bei sprachwissenschaftlichen Darstellungen die Zwei-
deutigkeit des Zeichens = zu vermeiden, hat man vor eini-
ger Zeit begonnen sich des Zeichens >, in dieser oder der
umgekehrten Stellung, zu bedienen. Doch geben ihm die
Einen den entgegengesetzten Werth als die Andern; die Einen
sehreiben: (ital.) ceuore > (lat.) cor oder cor < cuore, die
Andern: cuore « cor oder cor > cuore. Beides findet sich
innerhalb derselben Zeitschrift, desselben Buches (z. B. in
Pauls Grundriss bei Kluge und Behaghel). Es ist hohe Zeit,
dass diesem Übelstande gesteuert werde; wir müssen uns
für eine von den beiden Gebrauchsweisen entscheiden. Ich
glaube, dass die den Vorzug verdient, nach welcher das Jün-
gere an die offene, das Ältere an die spitze Seite des Zei-
chens gestellt wird; denn von unsern (Greschlechtstafeln und
den verschiedenartigsten wissenschaftlichen Veranschaulichun-
gen her sind wir gewohnt die Entwickelung durch die Di-
vergenz wiedergegeben zu sehen. So hat man schon vor
langer Zeit bei lautgeschiehtlichen Erörterungen die Klammer
| oder ) angewendet, von der > nur eine Abart ist. Auch
die mathematische Geltung des Zeichens stimmt dazu, das
Grössere steht doch zum Kleineren, nieht das Kleinere zum
Grösseren im Verhältnis des Gewachsenen. Schliesslich wird
in der Sprachwissenschaft das Zeichen > nicht bloss, auf
doppelte Weise, in diesem einen Sinne angewendet, sondern
noch in manchem andern; und das sogar nebeneinander (z.B.
von Ch. Bartholomae in den Indog. Forsch. 1300 ff.: ὄνομα >
ὀνόματος, ΚΒ]. agne > lat. ägnus, y > hu. s. w.). Solches
kann doch am allerwenigsten geduldet werden.
H. Schuchardt.
Bemerkung. Ich bitte die Fachgenossen zu dem vorste-
henden “ Vorschlag’ Stellung zu nehmen, da es jedenfalls im
Interesse der Gemeinverständlichkeit ist, dass eine vollkom-
mene Übereinstimmung im Gebrauch der Zeichen herrsche.
206 Mitteilungen.
Das beste dürfte freilich sein, mathematische Zeichen, wo
es nur angeht, ganz zu vermeiden, wofür z. B. Zarneke
und Brugmann, um nur diese beiden Namen zu nennen,
immer eingetreten sind. Denn es ist nicht abzusehen, wa-
rum nicht statt caore > cor oder cuore < cor vielmehr
caore aus cor ebensogut, wenn nicht besser, gesagt werden
sollte. Den Vorzug der Unzweideutigkeit hätte es wenigstens.
W. Str.
Personalien.
Prof. Dr. Ch. Michel, bisher an der Universität Gent,
ist zum ord. Prof. des Sanskrit und der idg. Sprachwissen-
schaft an der Universität Lüttich ernannt worden.
Bitte.
Der Unterzeiehnete bittet dringend, ihm alle für den An-
zeiger in betracht kommenden Programme, Dissertationen, Ge-
legenheitsschriften, Beriehte über Vorträge in wissenschaft-
lichen Gesellschaften, überhaupt alles, was an entlegenen Or-
ten erscheint, für die Bibliographie übersenden zu wollen.
Nur durch solehe direkten Mitteilungen wird es dem Anzeiger
möglich werden, seinen Zweck zu erfüllen und ein umfassen-
des und getreues Bild aller Leistungen auf dem Gebiet der
idg. Sprachwissenschaft und Altertumskunde zu geben. Es
braucht nicht hervorgehoben zu werden, dass die erbetene
Einsendung im eigensten Interesse der Herrn Verfasser liegt:
wie viele wertvollen Entdeckungen, wie viele fruchtbaren Be-
obachtungen gehn der Wissenschaft verloren, nur deshalb,
weil ihre Existenz unbekannt bleibt. Diesem Übelstand ab-
zuhelfen, hat sich der Anzeiger zur Aufgabe gemacht. Es ist
jedoch klar, dass er allein nicht im Stande wäre sie zu
lösen, dass er vielmehr auf wohlwollende Unterstützung —
namentlich von seiten des Auslands — angewiesen ist.
Dass ihm diese nieht versagt werde, glaubt der Unterzeichnete
im Interesse der Wissenschaft annehmen zu dürfen.
Freiburg 1. d. Schweiz. Wilhelm Streitbere.
Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi-in Bonn.
Druckfehler.
Anzeiger Seite 54 Zeile 26
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Wagler
hivand
mUuz
l
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mzey
Harvard
Loring κανθήλη either ἀκαν-
θανθήλη or for it ἀνθήλη
Superlativ
Mayor
Pauli
materesh, pateresh
Ernault
biött — biotta
stevune; gavtyv — galgen-
strik > gavstrik
Siljestrand
der Leser ohne Hilfe leicht
ἀξ
Indogermanische Forschungen
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δα νδα:
τὶ ®
τς
litmiebsictien
Geseitmenkaszrg οἱ
ΠΗ τ HEeST H
aryrei An Et
δε ae Jam mn le HH τι rs har νας τ
ἀν τ u τς ee mar ri Dr
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